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Full text of "Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale"

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THE  J.  PAUL  GETTY  MUSEUM  LIBRARY 


MITTHEILUNGEN 


DER 


K.  K.  CENTRAL-COMMISSION 


ZUR 


EEFOESCHUNG  UND  EEHALTUNG  DEß  BAUDENKMALE. 


HERAUSGEGEBEN  UNTER  LEITUNG 


SF.INEfi  EXCELLr.NZ  DES  PRÄSIDEXTEN  DEB  K.  K.  CENTRAL-COMMISSION 

Di.  JOSEPH    ALEXAXDEK   FREIHEREN    VON    HELFERT 


EEDACTEUK:  D5.  KAEL  LIND. 


XVIII.  JAHRGANG. 

MIT  307  HOLZSCHNITTEN  UND  i:.  TAFELN. 


WIEN,  1873. 

IN    COMMIS.SION    BEI    KARL    GEROLD'S    SOHN. 

DRUCK  DER  K.  K.  HOP-  UND  STAATSDRUCKEREI. 


^^f  ,     „^.M  r.iTTi' ChNIER 


Verzeich  niss 

der  im  XYIII.  Bande  der  Mittbeiliingen  entlialtcncn  Aufsätze. 


Statut    für   die   k.    k.    Centr.-Com.    zur   Erforschung  und 

Erhaltung  der   Kunst-    und    historischen   Denkmale  261 

Ein    Hausältärchen   von    altspanischer  Lederarbeit.    Von 

A.  Ilg.  (Mit  1  Tafel.) 1 

Passau,  II.  Folge.  Von  Dr.  K.  Lind 4 

III.  r         89 

IV.  „  ,...,,„      (Schluss  1 253 

Kirchliche    Baudenkmale     in    Ober-Österreich.    Von  Dr. 

Karl  Fronner.  Fortsetzung.  (Mit  5  Holzschnitten.)  6 

Schluss.  (Mit  6  Abbildungen  im  Texte.) 86 

Der  angebliche  Votivaltar  des  Tribunen  Scudilo.  Von  Dr. 

N.  Kohn 8 

Ein  vergessenes  Grab    zu  Strassburg    im  Elsass.   Von  Dr. 

A.  Luschin 12 

Die  Kunst  des  Mittelalters  in  Böhmen.  Von  Bernhard 
Grueber.  II.  Theil..  Fortsetzung.  (Mit  33  Holz- 
schnitten.)       15 

Fortsetzung  mit  34  Illustrationen  im  Texte 90 

r      39  „  „        „      232 

„      34  „  und  2  Tafeln 284 

Zur  Oswald-Legende.  Von  A.  E.  V.  P  e  r  g  e  r 23 

Funde  aus  friihhistorischer Zeit  in  Galicien.  Von  Dr.  St.  v. 

K  r  z  y  z  an  o  w  s  k  i.  (Mit  13  Holzschnitten.)    25 

Neueste    Funde   zu   Carnuntum.    Von  Dr.  F.  v.  Sacken 

(Mit  1  Holzschnitt.) 27 

Römisches  aus  Kärnthen.  Von  W.  F.  v.  Sacken    ,28 

Archaeologisches  aus  Vorarlberg.   Von  Ed.  F.  v.  Sacken 

(Mit  3  Holzschnitten.) 30 

Der  Kreis  ober  dem  Manhartsberge  in  Nieder-Österreich. 

Von  K.  Rosner.  (Mit  1  Tafel  und  9  Holzschnitten.)  31 

Das  Landschafts-Zeughaus  in  Grätz.  Von  Dr.  F.  Pichle  r  33 

Sphragistische  Beiträge  zur  Geschichte  von  Tyroler- 
Geschleohtern.  Von  Dr.  Arn.  Luschin.  (Mit  10 
Holzschnitten.) 37 

Beiträge    zur   mittelalterlichen   Sphragistik.    Von  Dr.    K. 

Lin  d.   (Mit  4  Holzschnitten  im  Texte.) 42 

Fortsetzung.  (Mit  3  Holzschnitten.) 123 

Ein  byzantinisches  Madonnenbild  von  A.  Ilg 42 

Altere  Grabdenkmale  ,in  Nieder  -  Österreich.  Von  Dr. 
K.  L  i  n  d.  (Mit  4  Illustrationen  im  Texte.)  Fortsetzung. 
(Mit  2  Ilustrationen.) 119 

Das  Tragaltärchen    der  Pfarrkirche  Maria  Pfarr    in  Lun- 

gau.  Von  J.  Gradt 48 

Restaurirung  des  Karners  in  TuUn.  I.  von  L.  .  48 

II.  von  Dr.  Kersch  ba  umer .  297 


Conservirung    der  Ruine   des   Carthäuser-Klosters   Seiz. 

Von  J.Graus ....  49 

Ruine  Thalberg  im  heutigen  Zustande.  Von  J.  Graus  .  .  49 

Die  altchristliche  Grabkammer  in  Fünfkirohen.  Von  Dr. 
Em.  Henszlmann. Mit  2  Tafeln  und  1 2  in  den  Text 
gedruckten  Illustrationen 57 

Funde  in  Grado.  Von  Dr.  A.  Ilg 83 

Aus    Anlass    der  Vollendung    des    Stefansthurmes.    Von 

A.  Ilg     83 

Die   gothischc   Kirche    in  Terlan    in  Tyrol.  Von  K.  .\tz. 

(Mit  5  Illustrationen  im  Texte.) lOö 

Arehaeologische   Reisenotizen.   Von  Dr.  K.  Lind.  Mit  23 

Holzschnitten 108 

Ein  Nürnberger  Gobellin  aus  dem  XV.  Jahrhundert.  Von 

A.  Ilg.  (Mit  1  Holzschnitt.)   120 

Inländische  Glasgemälde  mit  Bildnissen  von  Mitgliedern 
des  Hauses  Habsburg.  Von  Dr.  K.  Lind,  i  Mit  2  Ta- 
feln und  2  Holzschnitten.) 124 

Epitaph  des  Abtes  Joh.  Zollner  zu  Leoben.  Von  J.  Graus  254 

Donatello, seine  Zeit  und  Schule.  Von  Dr. Hanns  Semper  130 

I.  Fortsetzung 221 

IT.  ,,  263 

Bericht  über  die  im  Laufe  des  Sommers  vorgenommene 
Restaurirung  des  schwarzen  Thurmes  am  Hradschin 
zu  Prag.  Von  F.  B  enes 138 

Die  österreichische  kunsthistorische  Abtheilung  auf  der 
Wiener  AVeltausstelluag.  Von  Dr.  K.  Lind.  (Mit  8 
Tafelji  und  100  Holzschnitten.)   149 

Die  Gruppe  XXIV  der  Wiener  Weltausstellung.    Von  Dr. 

Karl  Lind.  (Mit  15  Holzschnitten.) 300 

Siegel  der  steierischen  Abteien  und  Convente  des  Mittel- 
alters. Von  Dr.  A.  L  u  s  c  h  i  n.  (Mit  5  Holzschnitten.)  228 
I.  Fortsetzung.  (Mit  15  Holzschnitten.)    315 

Denkstein   Sigmunds   von    Wildenstein   zu  Wildbach   in 

Steiermark.   Von  L.  Beckh  -  Wid  man  nst  etter.  .  250 

Grabstein  mit  Hausmarke  in  Stainz.   Von  Beckh -Wi  d- 

mannst etter    ...    254 

Bronceplatte  mit  Inschrift  in  Griitz.  Von  I>r.  Kohn    ....  254 

Restauration   der   Dechanteikirche    in   Kaufim.     Von   J. 

B  e  n  e  s 255 

Die  Kirche  zu  Rican 256 

Die  Restauration  der  Kirche  zu  Kolin  256 

St.  Jacob  258 

..    ßohnic    ...  .    .  258 

A  * 


IV 


Krakauer  Priester  als  Künstler 

Eestaurirung  des  Domes  zu  Aachen 

Preiszuerkennung   an   die   k.  k.  Centr.  Com.  von   Seite 

der  'Wiener  Weltausstellung  ....     

Noch   einige  Worte   über  die  Siegel  der  Wildoner.   Vom 

Fürsten    von     Hohe  nl  oli  e  -  Wald  enbu  rg    (Mit 

2  Holzschnitten.) 

Ein  Beitrag  zur  vergleichenden  Ornamentenkunde.   Von 

Dr.  Georg  Dehio.  (Mit  5  Holzschnitten.)    

Ein    Wandgemälde   der   Georgskirche   in   Prag.    Von    K. 

Kellner ..... 

Das  Portal  des  ehemaligen  Zeughauses  in  Wr.-Neustadt. 

Von  Dr.  K.  Li  n  d.  (Mit  1  Holzschnitte.) 

Die   alten   Wandgemälde   in    der  Capelle   der  Burgruine 

Hochejjpan.  Von  Karl  Atz     

Die   ewige  Lichtsäule   zu   Wels.   Von   Joh.  Gradl.    (Mit 

1  Holsschnitte.)    

Die  Restauration  des  Prager  Domes,  von  .1.  Ben  es  ...  . 
Die  Geschichte  der  Pfarrkirche  St.  Jacob  in  Villach.  Von 

Dr.  A.  Luschin      

Die    Geschichte     der   Klosterkirche    Göss    v.   Dr.   .\. 

Luschin 

Römischer   Grabstein     von   Jennersdorf.     Von    Dr.    Fr. 

Pichlcr 

Ein  Schachzabelbuch   in    der  Stadtbibliotbek    zu  Znaim. 

Von  A.  Ilg.  (Mit  1  Holzschnitte.) 

Vorläufiger  Berieht  über  eine  archaeologische  epigra- 
phische Heise  in  Daoien.  Von  Otto  Benndorf  und 

Otto  Hirschfeld 


Seite 
■2.59 
259 

260 


270 


273 


•281 
282 
382 
298 
323 

328 


In  Betreff  des  Strassburger  Wandteppichs.  Von  Dr.  -4.  Hg 
Ein    schmiedeeiserner    Leuclitcr  zu  Heiligenkreuz.    Von 

Joh.  G  r  a  d  t ■. 

Der  Stadtraetzen  von  Wels.  Von  Joh.  Gradt 

Gefässfund  in  Dalmatien   .  . 

Büt'hersehaii. 

Bulletin  monumental.  Von  Dr.  Messiuer    

Der  Tempel  des  lieil.  Gral.   Von  Dr.  Messmer 

Heraldisch-genealogischeZeitschrift  des  Vereines  „Adler" 

n.  Jahrgang.  Von  Dr.  Lind 

Lübke's     Geschichte     der     deutschen    Renaissance     von 

Dr.  Lind 

Die  cliristliche  Kunst  in  ihren  frühesten  Anfängen.  Von 

Dr.  M  e  s  s  m  0  r 

Christliche  Arohitectiir  und  Plastik  in  Rnm  von  Constan- 

tin  dem  Grossen  von  Dr.  M  c  s  s  m  er     

Die  drei  Dombaumeister  Roritzer  und  ihr  Wohnhaus ,  die 

älteste,  bekannte  Buchdruckerstätte   in   Regensburg 

von  Dr.  M  e  s  s  m  e  r 

Zahn's Jahrbücher  fürKunstgeschichte  vonDr.  Messmer 

Das  Pressburger  Rathliaus    Von  A.  1  lg    

Das  Waffenmuspum  der  Stadt  Wien.  Von  Dr.  K.  Lind.  . 
Der    Altcrthums- Verein    zu    Wien.    (XIII.    Band    seiner 

Berichte)  von  Dr.  Lind      

Jalirbucli  für  Archaeologeii  in  Polen     

Todesanzeigen.  (Tinkhausci-,  Karajan.   Reich) 


148 


Wien,  k.k.Museum  für  Kunst  u.  Industrie 


ad  pa^.1. 


i^ 


Ein  Haiis-Altärcheii  von  altspanischer  Lederarbeit. 


Von  Albert  Ilg. 

(Mit  einer  Tafel.) 


Alte  gravirte  oder  gepressteLederavbcitcn,  welche 
künstlerischen  Werth  besitzen,  kommen  nicht  mehr  so 
allgemein  vor,  dass  es  nicht  lolinend  schiene,  ein 
hervorragendes  Werk  dieser  Gattung  Kunst-Industrie 
durch  Bild  und  Beschreibung  dem  Leser  vorzuführen. 
Es  dürfte  dasselbe  zur  Veröffentlichung  in  diesen 
Hliittern  um  so  geeigneter  sein,  als  es  sicli  in  Form 
nnd  Zweck  den  grösseren  monumentalen  Arbeiten  der 
mittelalterlichen  Kunst  anreiht ;  es  ist  ein  portatiles 
Altärehen,  wie  solche  im  Hause  oder  auf  Eeisen  beliebt 
waren,  und  aus  den  mannigfachsten  Stoffen,  Elfenbein, 
Metall  oder  Holz,  häufig  gefertigt  wurden.  So  enthält 
der  herrliche  Schatz  des  Weifenhauses  eine  bedeutende 
Anzahl  von  tragbaren  Altären,  und  zwar  der  roma- 
nischen Periode.  Es  sind  das  aber  Ersatzstücke  des 
Messtisches,  des  Opferaltares  selbst,  mit  einer  Stein- 
platte an  der  oberen  Fläche  des  Kästchens,  auf  welche 
der  Kelch  gestellt  wurde.  Von  anderer  Art  und  Bestim- 
mung dagegen  sind  jene  Hausaltärchen,  welche  wir 
hier  im  Sinne  haben :  sie  dienen  nicht  zur  Verrichtung 
des  Messopfers,  sondern  bloss  zu  der  privaten  Andacht ; 
es  sind,  wenn  man  diese  Classification  acceptiren  will, 
eigentliche  Gebet- Altäre  wie  jene  Opfer- Altäre.  Ahmen 
die  letzteren  die  Mensa  nach,  indem  ihnen  die  Sarko- 
phagform verliehen  ist  und  an  den  Seitenflächen  ähnlich 
den  Antependien  Friese  von  Bildwerk  in  gejjressfem 
Metall  oder  auch  von  Email  herundaufen,  während  das 
Innere  eine  Reliquie  birgt,  so  schliessen  die  ersteren 
sich  an  denjenigen  weiteren  Theil  des  grossen  Kirchen- 
Altars  an,  welcher  an  ihm  gleichfalls  nicht  liturgisches 
Erforderniss ,  sondern  ein  Schmuck  zur  Hebung  der 
würdevollen  Erscheinung  des  Ganzen,  zur  Weckung 
der  Andacht  des  Beschauers  ist,  —  an  den  oberhalb 
des  Altartisehes  angebrachten  bildlichen  Zierath. 

Hiemit  ist  nun  auch  schon  die  Form  des  Gegen- 
standes gegeben.  Seit  dem  frühen  Mittelalter  bereits 
kannte  man  die  Weise,  den  oberen  Theil  des  Altares 
in  jener  Form  zu  gestalten,  welche  wir  heute  mit  dem 
Ausdruck :  Flügelaltar  bezeichnen.  Schon  der  Mönch 
und  Kunstschriftsfeller  Theophilus  in  der  Frühzeit  der 
romanischen  Epoche    spricht  von   den  Thürchen   oder 

XVIII. 


Flügeln  (ostiis  tabularum)  der  Gemälde  oder  sonstigen 
Bildwerke  an  den  Altartafeln,  aber  es  ist  bekannt,  dass 
diese  Form  schon  bei  den  Alten  vorkommt,  was  aufge- 
fundene Malereien  in  den  verschütteten  campanischen 
Städten  dargethan  haben.  Gerade  so  wie  die  Anbringung 
eines  so  beschaffenen,  durch  seitliche  Flügel  oder  Klap- 
pen hergestellten  Verschlusses  der  Hanptdarstellung  in 
alten  Zeiten  vor  allem  den  Zweck  hatte,  diesen  hervor- 
ragendsten Theil  des  Ganzen  vor  den  Unbilden  äusse- 
rer Beschädigungen  zu  schützen,  so  besass  dieselbe 
Anordnung  auch  für  die  kleinen  Haus-  und  Reise-Altär- 
clien  ihre  besonderen  Vorzüge.  Nur  während  der  Ver- 
richtung der  Andacht  den  Blicken  blossgestellt,  befand 
sich  das  Mittelbild  sonst  unter  der  schirmenden  Be- 
deckung der  Seitentheile  und  somit  beim  Transporte 
zugleich  verwahrt  und  verpackt  wie  in  einem  Behälter. 
Von  dieser  Art  ist  ein  überaus  schöner,  in  Elfenbein 
sculpirter,  vergoldeter  und  bemalter  Reise-Altar  des  Re- 
naissance-Zeitalters im  Besitze  des  Klosters  St.  Florian, 
derzeit  ausgestellt  im  österreichischen  Museum  in  Wien. 

Dasjenige  Stück,  welchem  vorliegende  Abbildung 
und  Besprechung  gewidmet  ist,  besitzt  zwar  ein 
weniger  werthvolles  Material,  zeichnet  sich  aber  in 
seiner  Art  gleichfalls  durch  bedeutenden  Kunstwerth 
aus.  Es  kam  bei  der  Versteigerung  der  Gsell'scheu 
Sammlung  in  den  Besitz  des  Museums.  Wir  lassen, 
unter  stäter  Hinweisung  auf  die  hier  beigegebene  Tafel, 
die  Beschreibung  des  interessanten  und  zugleich  sel- 
tenen Objectes  im  Nachstehenden  folgen. 

Das  Ganze  hat  die  Form  eines  2  Zoll  9  Linien 
tiefen  Kästchens,  dessen  oberer  Theil  oder  Deckel 
(oder  gemäss  der  Aufstellung  als  Altar,  dessen  Vor- 
derseite) lOy,  Zoll  Breite  und  beinahe  dieselbe  Höhe 
(10"  10"')  misst.  Bei  geöffneten  Flügeln  erreicht  die 
ganze  Breite  1  Fuss  9  Zoll  4  Linien  Wr.  M.  Die 
Fläche  der  Hauptdarstellung  kann  an  einer,  oben 
angebrachten  Charniere  aufgehoben  werden,  wodurch 
ein  1  Fuss  8  Zoll  tiefer  Raum  in  der  Vertiefung  auf- 
gedeckt wird,  welcher  wohl  zur  Aufbewahrung  von 
Andacbtsgegenständen,  etwa  Rosenkränzen,  Amuletten 
oder  dgl.    gedient   haben   mochte.  Das  Ganze   ist    von 


__       9       _ 


leicliteu  Brettclien  und  Pappe  ziisamraengefiigi:  und 
aussen  mit  sclnvarzem  Leder  überzogen,  welches  an 
den  Flügeln  und  am  Hauptbilde  naclibcscliriebene  Dar- 
stellungen enthält.  Unsere  Abbildung  gibt  das  Werk 
in  seiner  natürlichen  Grösse  wieder. 

Die  Aussenseiteu  der  beiden  Thürchen  zeigen  frei 
mit  der  Hand  ausgeführte  Graviriingen,  und  zwar  auf 
jedem  Flügel  in  einfacher  Linien-Umrahmung  ein  sehr 
"geschmackvolles  gothisches  Ranken-Ornament  mit  Blu- 
men und  lÜiittern  der  bekannten,  distelartigen  Gestal- 
tung, welche  die  FUlchen  nach  Art  eines  Teppichmusters 
bedecken.  Diese  Verzierungen  sind  sehr  frei  und  sicher 
hiugezcichnet.  Auf  jedem  Thürchen  nimmt  ferner  den 
Hauptj)latz  in  der  Glitte  ein  unten  nur  wenig  in  Bogen 
zugespitzter  Schild  ein,  dessen  Wappeubild  auf  dunkel- 
grün aufgemaltem  Grunde  zwei  gekreuzte,  oben  und 
unten  in  dreiblättrige  Lilien  ausgehende  Scepter  zeigt. 
Helme  oder  andere  Bekrönungen  der  Wappen  sind  nicht 
angebracht. 

Oefifnen  wir  nun  die  Flügel.  Das  Mittelbild  stellt 
Christus  am  Kreuze  dar,  zwischen  Maria  und  Johannes. 
Das  Marterholz,  au  welchem  die  Textur  des  Materials 
angedeutet  ist,  oben  al)er  das  Täfelchen  mit  den 
gothischen  Capitalen  L  N.  R.  J.  sich  betiadet,  steht  auf 
grasig^^m  Hügclgrunde,  den  ein  seitwärts  liegender 
Schädel  und  zahlreiche  Gebeine  als  Golgatha  bezeichnen. 
Am  Fuss  des  Kreuzes  lehnt  senkrecht  ein  Wappenschild 
von  ähnlicher  Form  wie  die  beschriebenen,  dessen 
Fläciie  indess  blos  am  Rande  ein  Ornament  von 
Halbbogen  hat,  ohne,  wie  ich  glauben  muss,  je  ein 
Wai)i)enzeichen  getragen  zu  haben.  Christus  trägt  den 
Kreu/.nimbus,  das  Haupt  ist  gesenkt  und  lächelt  uns 
wehmlithig  im  Tode  entgegen.  Das  Nackte  an  der 
Cestalt  ist  etwas  schwächlich  in  der  Zeichnung,  die 
Beine  steif  und  gebogen,  übrigens  ohne  den  Typus 
der  Hagerkeit.  Maria  in  weitem  faltigen  Mantel,  die 
zusanunengefaltenen  Hände  niedersenkend,  mit  dem 
IJlicke  zum  todten  Sohne  eui|)orseliend,  ist  eine  s(dn' 
würdige  (Jestalt  mit  matronenliaft  ernstem  ,  doch 
ruhigem  Gesichtsausdrucke.  Die  zahlreichen  Falten  des 
Gewandes  sind  ndt  Flciss  und  Liebe  gezeichnet,  unten 
stark  gebrochen,  jedoch  glciciifalls  oiinc  störende 
Kcken  und  Härten.  Das  Haupt  unigil)t  ein  ornamentirter 


Nimbus.    Aehnlichcs  gilt    von    der 


Figur 


des   Jüngers, 


welcher  die  weinenden  Augen  mit  der  Linken  trocknet, 
während  der  andere  Arm  das  weite,  bauschige  Gewand 
bis  zur  Hüfte  emporhält.  Seinen  Kojif  umgeben  reich- 
liche, wie  beim  Cliristus  zierlicii  ge/.ciehnete  Locken. 
ilinler  diesen  (icstalfcn  füllt  ein  schönes  und  dichtes 
liankenmustcr  mit  mannigfachen  Kelcln'ii  und  Ülülhen 
den(!rund,  den  obersten  Rand  bildet  eine  Solfite  von 
strengstylisirten  Kräuscdwolken,  ans  denen  zahlreiche 
Sonnensirahleii  hcrniedcrzielen.  Ifechts  und  links  .-ibi'r 
grenzt  ein  Schriflstreifcn  mit  gothischen  Initialen  auf 
rothein  Grunde  die  Darstellung  ab,^^des8cn  Worte 
lauten:  Zur  Linken  Christi:  TVA  .  GLOLSÄ  .  RKCOLL 
MVS  .  l'ASSIONLM;  zur  Hechten  :  T\  AM  :  CliVCKM: 
ADOÜAMVS: 

Auf    der    Innenseite    des    Flügels    neben  .lnli; 'S 

sehen  wir  unter  einer  schönen  gothischen  Architektur, 
einen  mit  Figiircn-f.'onsulen,  Fngelskö|)fclicn  ,  Krabben 
und  Üosen  geschmückten  \\imp(;rg,  den  iJcsitzer  des 
Altares,  im  (iebeic  knien.  Ks  ist  ein  älterer  Mann  in 
eiid'aclier  Tracht,  die  nichts    besonderes  zeigt,  als  am 


Halse  eine  Borte,  im  übrigen  fliesst  der  weite  Mantel 
reichfaltig  zur  Erde  nieder.  Das  Haupt  ist  entblösst,  die 
Hände  gefaltet  emporgehoben.  Das  Schriftband  vor 
seinem  Antlitze  ist  leider  ganz  zerstört  und  lässt  keinen 
Buchstaben  mehr  erkennen.  Hinter  ihm  steht  sein 
Heiliger,  ein  Bischof  mit  rubinengesclnnückter  Mitra, 
die  Rechte  emporgehoben,  in  der  Linken  einen  präch- 
tigen gothischen  Kreuzstab.  Die  Säume  des  Mantels 
zieren  einfache  Ornamente.  Den  Fond  des  Ganzen 
unterhalb  der  Architektur  füllen  Punkte  und  heraldische 
Lilien  aus.  Ganz  oben  sind  zwei  Greife  als  Abschluss 
der  Umrahmung  angebracht. 


Die   Architektur  des  gegenübei 


-tehenden  Flügels 


unterscheidet  sich  von  der  geschilderten  durch  das 
Abgehen  der  Figürchen  an  den  Consolen  und  durch 
Yertauschung  der  oben  liegenden  Greife  mit  Blunien- 
zweigen.  Den  Hintergrund  bedecken  hier  Ranken- 
zierathe.  Die  dargestellte  Figur  ist  eine  weibliche, 
eine  Acbtissin  mit  Lilienkrone,  Nimbus  und  Scej)ter, 
jedoch  fehlt  hier  eine  kniende  zweite  Gestalt.  In  der 
linken  trägt  sie  ein  aufgeschlagenes  Buch,  der  Mantel 
ist  mit  heraldischen  Lilien  bestickt.  Vor  der  Heiligen 
steigt  ein  Schriftband  empor,  welches  in  gothischen 
Jlinuskeln  besagt :  SANCTA  .  RADEGVNDIS  .  ORA  . 
PRO  .  NOBLS. 

Während  an  der  Aussenseitc  das  Material  in 
dunklem  Schwarz  gehalten  ist,  von  welchem  sich  die 
eingegrabenen  Onnimentc  in  keiner  anderen  Färbung 
abheben,  so  dass  das  (ianzc  lediglich  durch  die 
grünen  Felder  der  Wai)penschilde  in  dem  Tone  etwas 
variirt  wird,  leuchten  die  Innenseiten  in  reicher  Ver- 
goldung. Alles  Figurale  und  Ornamentale  hebt  sich  in 
diesem  Schmuck  von  dem  dunkelgrünen  Hiiitcrgrunde 
ab,  in  die  Vergoldung  sind  dann  die  Inncnconturen, 
Schatten  und  Schratfirungen  eingegraben ,  s()  dass  sie 
durch  den  Goldbelcg  hindurchdringen  und  auf  diese 
Weise  wieder  in  dunkler  Färbung  wirken.  Nebst  diesen 
beiden  Hauptfarben,  (iold  und  dunk(dgrün,  ist  ferner 
noch  ein  helleres  (ioldgrün  in  den  (iloriolen  der 
Figuren  neben  dem  Kreuze,  und  ein  Braunroth  zur 
Anwendung  gekommen,  welches  im  gegenwärtigen 
Zustande  des  Werkes  — •  das  übrigens  sehr  wohlcr- 
halten  g<Miannt  \verden  darf  —  an  manchen  Stellen 
niefallisehen  Schimmer  angencunmen  hat.  Fs  ist  an  den 
Füllungen  der  Architektur  sehr  wirkungsvoll  benützt, 
bedeckt  ferner  den  (!rund  sännntlicher  Spruchbänder  und 
Inschriltstreifcn,  das  Kreuzzeichcn  im  Nimbus  Christi 
und  das  herabfliessende  Blid  an  dessen  Körper.  Wenn 
ich  nicht  irre,  scheint  der  angewendete  Farbstolf  IJolus 
zu  sein. 


-Mle     Körper    haben 


eher 


etwas    gedrücktes    als 


Schlaidiheit  in  ihren  Verhältnissen,  die  Gesichter  sind 
ziemlich  rund  und  voll.  Sehr  reich  in  der  l'rlindnng  und 
im  Style  <ler  s|iätern  Gothik  auch  geschmackv(dl  ge- 
zeichnet ist  das  OrnanuMit,  welches,  wie  immer  bei 
Lederarbeiten,  tcxtile,  tai)etenartige  Fornu-n  hat.  Diese 
breiten  IJIumenköpfc,  diese  zahlreichen  ^lütter  und 
Hauken,  die  dicht  in  einander  \  crschlungen ,  den  R.ium 
gänzlich  überspinneu  und  fllllcn,  erinm'rn  sogleich  an 
die  Decoration  der  gepressten  licdertapeten  S|):iniens 
oder  iler  Niederlande.  Ihr  gothischer  Habitus,  die  alter- 
tlilbnlich  stylisirten  Wolken,  die  Schriftzeichen  und  die 
wichti^'sten  Tlieile  der  Arcliit(d<turen  gehören  der  Kunst 
des  Mittelalters   an     indessen   nnichen  sich  auch  schon 


—     .3 


thätigkeit 
Übrigen 


Spuren  der  Renaissauce  an  dem  Werke  leise  geltend. 
Dieselbe  verrätli  sich  in  gewissen  Nebendingen  an  den 
Architekturen,  indem  die  gothisclien  Wimperge  von  je 
zwei  Pfeilern  eingeraiimt  werden,  welche  oben  in  Ca- 
pitäle  neuerer  Form,  Säulen  vergleichbar,  ausgehen. 
Auch  die  Anordnung  der  beiden  Grelle,  welche  auf  dem 
flachen  Gebälke  liegen,  hat  nichts  Gothisches  mehr,  die 
Blumenzweige  auf  dem  gegeniiberbefindlichen  Flügel 
aber  tragen  mit  ihren  Lorbeerblättern  vollständig  das 
Gepräge  des  antik-italischen  Kunststyls.  Das  Figurale 
endlich,  soviel  Mittelalterliches  auch  im  Gefälte  und 
dessen  Brüchen  steckt ,  gehört  doch  schon  ganz  dem 
XVI.  Jahrhundert  an. 

Wie  somit  hinsichtlich  der  Zeitbestimmung  dieser 
Arbeit  es  an  Anhaltspunkten  nicht  fehlt  —  (^indem  die 
angeführten  Umstände  auf  die  Periode  der  nachmittel- 
alterlichen Kunstthätigkeit  hindeuten,  als  der  Styl  der 
neuen  italischen  Kunst  die  Gotliik  von  ihrem  Throne  zu 
verdrängen  anhob),  —  so  finden  sieh  auch  Zeichen  vor, 
welche  über  den  Entstehungsort  des  Altärchens  uns,  in 
der  Hauptsaciie  wenigstens,  aufzuklären  geeignet  sein 
dürften.  Derselbe  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
Spanien ,  die  Heimat  so  vieler  schöner  Arbeiten  in  dem 
Materiale  unseres  Werkes,  dem  Leder.  Diese  Industrie 
ist  ohne  Zweifel  dem  Lande  durch  die  orientalischen 
Völkerstänmie  Uberbracht  worden ,  welche  so  lange 
Jahrhunderte  als  unwillkommene  Gäste  grosse  Gebiete 
des.selben  in  Besitz  hielten,  von  ihrer  Cultur  und  Kunst- 
nber  zahlreiche  befruchtende  Absenker  der 
ermanisch-iberischen  Bevölkerung  abgegeben 
haben.  Es  ist  bekannt,  dass  die  arabischen  Handelsleute 
bereits  zwei  Jalirhunderte  nach  dem  Tode  Mohammed's 
unter  den  sonstigen  Producten  des  Gewerbfleisses  ihres 
Volkes  auch  Lederteppiche  feil  boten,  die  damals  schon 
in  den  Handelsplätzen  Aegyptens  unter  dem  Namen 
Oaseutai)eten  bekannt  und  ein  sehr  gesuchter  Handels- 
artikel wurden.  Als  dann  a.  756  Abdderahman  L,  der 
letzte  der  Ommayaden,  aus  den  Schluchten  des  Atlas- 
gebirges hervorbrechend,  Spanien  dem  Islam  unterwarf 
und  ein  selbständiges  Chalifat  in  Cordova  errichtete, 
dieser  Stadt,  welche  schon  a.  711  den  Anhängern  Mo- 
hammed's in  die  Hände  gefallen  war  und  nun  als 
Hauptstadt  des  neuen  abendländischen  Reiches  bald 
zugleich  der  Sitz  einer  reichentwickelten  Kunstthätigkeit 
geworden ,  da  nahm  unter  den  dort  ausgeübten  Techni- 
ken die  Lederindustrie  eine  ganz  hervorragende  Stelle 
ein,  Leder  von  Cordova  wurde  in  der  ganzen  Welt 
berühmt,  eine  besondere  Qualität  desselben  ist  heute 
noch  unter  dem,  von  ihrem  ehemaligen  Fabrications-Orte 
hergeleiteten  Namen  als  Corduanleder,  bekannt.  Ur- 
sprünglich verstanden  sich  blos  die  maurischen  Indu- 
striellen in  jener  Stadt  auf  die  Herstellung  des  f'orduans 
oder  Maroquins,  d.  h.  jener  Ledersorte,  welche  aus 
Bock-  oder  Ziegenfellen  bereitet  wird,  die  man  in 
Hundekoth,  Kleien  und  Feigen  präparirt,  dann  aber  in 
Sumacli  oder  Galläpfeln  gärbt.  Sie  ist  sehr  feinnarbig  und 
wurde  blos  auf  der  einen  Seite  gefärbt.  Wie  bald  diese 
spanisch  -  maurische  Fabrication  Berühmtheit  erlangte, 
bezeugen  manche  Nachrichten  aus  Quellen  des  Mittel- 
alters. Die  Conipilation  verschiedener  Recepte  für  Ma- 
lerei und  andere  Techniken,  welche  unter  dem  Namen 
des  Heraclius  bekannt  ist,  enthält  z.  B.  unter  denjeni- 
gen Theilen,  die  im  XH. — XIH.  Jahrhundert  an  den 
ursprünglichen    Grundstock    der 


Sammlung 


angereiht 


wurden,  (unter  Buch  HL,  cap.  XXXHI.  meiner  Ausgabe 
pag.  76)  eine  Vorschrift,  das  Leder,  „corium,  quem 
(sie)  corduanum  vocant.''  zu  färben.  Die  Narbenseite 
wird  mit  Alaun  gewaschen,  dann  mit  Färberröthe,  die 
in  Wein  oder  Wasser  lau  gekocht  wurde,  gefärbt,  bis 
das  Lcder  geröthet  ist.  Schliesslich  glättet  man  es  mit 
einem  Buxbaumstabe  auf  einer  Holztafel. 

Du  Gange  liefert  uns  zahlreiche  Stellen,  aus 
welchen  hervorgeht,  dass  im  abendländischen  Mittelalter 
sehr  bald  von  ( 'ordova  diese  treffliche  Waare  in  weite 
Fernen  exportirt  wurde,  dass  aber  Corduanleder  bald 
auch  von  einheimischen  Fabrikanten  und  Künslern 
erzeugt  und  bearbeitet  wurde.  Dieselben  führten  von 
dem  Producte  ihren  Namen  und  erscheinen  an  einzelnen 
Plätzen  als  ein  besonderer  Handwerksstand.  Schon  1159 
werden  cordovanarii  erwähnt,  in  einem  Document  von 
1247  heissen  sie  sutores,  qui  cordewenter  dicuntur, 
drei  Jahre  früher  in  der  Regensburger  Chronik  chuder- 
waner,  1267  cordcbanarii,  1277  cordubani.  Wiener 
Ordnungen  zählen  sie  lo61 — 66  auf,  woselbst  eine 
Strasse  nach  ihnen  Kurbauner-Strasse  genannt  war; 
andere  Formen  des  Namens  sind  chuderwan,  churwan, 
churban,  kurdiweren,  cordoani  i.  e.  sotulares  deCorduan, 
cordewan,  cordubanarii,  lo82  cordoanerius.  Corduan- 
leder lührt  auch  die  Bezeichnung  cordisibus  und  wird  in 
einer  Uikunde  von  1402  erklärt  als:  corium  eaprinum 
alutariorum  arte  praeparatum.  Sollte  nicht  auch  das 
französische  cordonnier  daherkommen?  Denn  zunächst 
verwendete  man  Corduanleder  für  die  Fussbekleidung 
der  Vornehmen,  dann  wurden  auch  Köcher  (die  Wiener 
Kurbauner  erseheinen  in  einer  Reihe  neben  den  Bognern 
und  Pfeilmachern),  hauptsächlich  aber  Futterale  für 
Becher  und  andere  Gefässe,  Leuchter  u.  dgl.  Geräthe 
daraus  gefertigt,  thecae  caudelabrorum,  baccinorum 
et  cyphorum,  endlich  Büchsen  und  Schmuekbehälter, 
namentlich  für  Hoehzeitsgeschenke. 

In  Deutschland,  Italien  und  Frankreich  half  aber 
zu  dem  Aufblühen  der  Leder-Industrie  noch  ferner  eine 
alteinheimische  neben  dieser  spanisch-orientalischen 
Gewerbsübung  mit.  Schon  die  Aegypter  haben  sich  ja, 
wie  einige  Gräberfunde  beweisen,  gewisser  Behälter 
aus  Leder  bedient,  in  welche  man  die  Papyrusiollen 
cinsehloss,  ja  mehrere,  die  das  British  Museum  besitzt, 
tragen  bereits  den  Schmuck  der  Vergoldung  und  sind 
somit  die  ältesten  Proben  einer  Art  Buchbinderei.  Die 
Römer  verstanden  schon,  das  Leder  mit  Pressungen  zu 
verzieren ,  Virgil  spricht  von  solchen  Arbeiten.  Suidas 
versichert,  dass  seine  Zeitgenossen  Schriften  im  Leder 
befestigten  und  erwähnt  eine  solche,  die  in  Schafhaut 
gefasst  war.  Die  grosse,  schweren  Langscliilde,  c^upio'. 
des  römischen  Fussvolkes  waren  mit  verziertem  Leder 
überzogen,  jene  ihrer  Afrikanischen,  Spanischen  und 
Biittaniselien  ^'ölker  bestanden  ganz  aus  diesem  Ma- 
terial, es  sind  die  cetrae  oder  eoetrae.  Um  die  Zeit  des 
Beginnes  der  christliehen  Aera  hatte  man  Büclier,  die 
mit  rothem  und  gelben,  grünem  oder  purpurnem,  auch 
vergoldetem  und  versilbertem  Leder  bedeckt  waren. 
\'on  den  Gallieni  berichtet  Caesar,  dass  ihre  Sehilde 
mit  Lederarbeit  versehen  waren  ,^  dieMerowinger,  Angel- 
sachsen, Alamanen  hatten  dergleichen,  im  Waltharius. 
manufortis  werden  solche,  die  zugleich  bemalt  waren, 
genannt.  Im  ganzen  Mittelalter  blieben  mit  Leder  über- 
zog-ene  Schilde  beliebt,  alte  Gedichte  enthalten  Anfüh- 
rungen davon;  als  die  Wappenbilder  anlkamen,  wurden 

1* 


—     4 


dieselben  auf  den  Schilden  durch  Ausschneiden  oder 
Aufnähen  hervorgebracht,  der  mhd.  Ausdruck  für  diese 
Art  der  Schildbedeckung  ist:  gehütet.  Im  XIV.  Jahr- 
hundert erfuhr  diese  Kunst  einen  besonderen  Auf- 
schwung, man  trug  nun  auch  Lederharnische  mit  heral- 
dischem Bildwerk  und  phistischen  Heinizierden,  wofür 
das  Buch  von  der  Kunst  des  Giotteskin  Jlalers  Cennini 
ein  Zeugniss  liefert,  dessen  160.  C'apitel  (pag.  114 
meiner  Ausgabe)  die  Anleitung  gibt,  aus  weissem,  mit 
Heidelbeeren  oder  Eckerdoppen  gegerbtem  Leder  Helme 
und  Helmzierden  zu  Turnieren  und  Festen  zu  bilden. 
Das  Wiener  Malerrecbt  von  1410  verlangt  Ähnliches 
von  den  Candidaten  des  Meisterthumes.  Bereits  im  XIII. 
Jahrhundert  wusste  man  erhaben  in  Leder  zu  pressen, 
wobei  mittelst  Jletallformcu  ein  ziemlicli  hohes  Relief 
erreicht  wurde,  öfters  ist  jedoch  bei  mittelalterlichen 
Arbeiten  dieser  Art  statt  des  Fressens  bloss  die  Behand- 
lung durch  das  Modellir-Eisen  mit  freier  Hand  zu  be- 
merken, indem  das  Instrument  in  dem  durch  Sieden 
weich  gemachten  Leder  die  Zeichnung  eingräbt.  Alles 
gleichförmige  Ornament,  als  Funkte,  Sterne,  Lilien, 
wurde  mit  Stanzen  eingepresst.  So  verwendete  man 
reich  geziertes  Leder  zum  Einlmnd  von  Büchern,  was 
zu  Beginn  des  XV.  Jahrhunderts  aufgekommen  zu  sein 
scheint,  ferner  aber  besonders  gerne  zur  Fertigung 
kleiner  Schmuckkästchen,  die  dann  mit  Minnescenen 
reicii  illustrirt  zu  werden  pflegten.  Ein  sehr  beachtens- 
werthcs  Stück  dieser  Art,  mit  Frau  Venus  und  allerlei, 
dem  Inhalte  der  nach  dem  Minnepoesie  entsprechenden 
Darstellungen,  beschreil)t  C.  Becker  im  Stuttgarter 
Kunstblatt  1848,  p.  40—48.  Es  entstand  im  Anfang 
des  XIV.  Jahrhunderts,  hat,  was  selten  vorkommt, 
Inschriften  und  die  Wajjiicn  von  Schweizerischen  und 
Elsässer  Geschlechtern.  Daselbst  ist  von  einem  nieder- 
deutschen llochzeitskästchen  mit  Inschrift  die  Rede, 
eine  Reihe  anderer  vom  Ende  des  XV.  aus  dem  XVI. 


Jarhundert  enthalten  Hefner's  Kunstwerke  und  Geräth- 
schaften  des  Mittelalters  und  des  Renaiss.  Die  Schilde- 
fabrikation erfuhr  in  Italien  im  XV.  Jahrhundert  eine 
hohe  künstlerische  Ausbildung,  als  Giovanni  Buonomi 
und  seine  beiden  Söhne  Bartolo  und  Francisco  so 
ausgezeichnete  Schilde  mit  antiken  Kampftiguren,  Bil- 
dern und  Masken  in  Modena  fertigten.  Aus  Modena 
stammt  auch  eine  Ledertasche  mit  herrlichem,  ornamen- 
talem Schmuck  der  Rennaissance  (XVI.  Jahrb.),  welche 
den  Sammlungen  des  Herzogs  von  Modena  angehört, 
und  im  Atelier  des  österreichischen  Museums  in  Gyps 
abgeformt  wurde.  Was  an  prächtigen ,  gepressten  Buch- 
einbänden Deutschland  und  Italien  im  XVI.  Jahrhundert, 
dann  auch  Frankreich  geleistet  hat,  ist  bekannt  genug. 
Die  Leder-Tapeten  sollen  in  Spanien,  in  der  zweiten 
Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts  aufgekommen  sein,  indess 
erscheinen  sie  zur  selben  Zeit  auch  schon  in  Holland 
und  England. 

Unser  Leder- Altärchen  dürfte  also  spanischen  Ur- 
sprunges sein.  Der  figurale  Thcil  des  Werkes  weist 
dahin,  ohne  mit  dem  Kunststyl  irgend  welches  andern 
Landes  etwas  gemein  zu  haben.  Ausserdem  erscheint 
auch  eine  Heilige  jenes  Landes  auf  dem  Bildwerke,  St. 
Radigundis.  Sie  wird  in  Burgos  als  Patronin  verehrt, 
lebte  in  der  zweiten  Hälfte  des  VI.  Jahrlmnderts  und 
war  eine  thüringische  Prinzessin,  die  Krone  und  Scepter 
um  des  Herrn  willen  verschmähte.  Auch  dem  Ehebund 
mit  Clothar  von  Frankreich  entsagte  sie,  trat  in  ein 
Kloster,  woselbst  sie  wieder  die  iln-  angetragene  Würde 
einer  Aebtissin  ausschlug  und  starb  087.  Das  Wappen 
mit  den  gekreuzten  Liliensceptern  dürfte  über  Ursprung 
und  Herkommen  dieses  vorzüglichen  kunstindustriellen 
Gegenstandes  genanere  Auskunft  geben,  was  dem 
Verfasser  dieses  jedoch  bei  unser  gegenwärtigen  Kennt- 
niss  vom  spanischen  Adels-  undWappenwescu  zu  eruiren 
niciit  gelungen  ist. 


P  a  s  s  a  u. 

Von  Dr.  Karl  Lind. 


II. 

Die  ehemalige  reiclisiierrliche  Bischofstadt  enthält 
au.sser  ihrem  Dom  nocli  so  manches  Merkwürdige,  und 
sei  davon  im  Folgenden  einiges  und  zwar  nur  das 
erwäimt,  das  zu  besichtigen  dem  Bericliterstatter 
möglicli  wurde. 

Icii  will  Tnicii  mit  der  Ervväiiiiung  des  Römerwalles 
(Römerwehr),  des  Restes  eines  sehr  bedeutenden 
Bauwerkes,  das,  wohl  nicht  ganz  unbestritten,  den 
Römern  zugesdiricben  wird,  begnügen  und  aucii  nicht 
in  eini-  Beschreibung  der  vieh-n  initiuiter  sehr  interes- 
santen Gaptdien,  die  sich  in  fast  allen  eliemaligen  I)oni- 
Capituiar- Häusern  noch  finden,  eingehen,  eben  so  der 
Reste  einer  romanischen  Capelle  im  Diöeesan  -  Knabcn- 
Seminargebäuile  nicht  weiter  erwähnen,  sondern  mich 
gleich  zu  l'assau's  zweit  interessantem  kirciilichen  (Jc- 
bäude,  zu  den  Baiilirlikeilen  des  eliemaligen  Benedicti- 
ner-Frauenklosters  Niedernburg  wenden.  Die  frü- 
heste, wahrscheinlich  bis  ins  VIII.  Jahrhundert  znrück- 
reicliendt!  Geschichte  dieses  Klosters,  eines  der  ältesten 
Bayerns,  ist  fast  ungekannt;  vcrlässliclie  Nachriciiten 
beginnen  erst  in    der    Zeit    Kaisers    Heinrich    IL,    <ler 


das  Kloster  so  reichlich  beschenkte,  dass  er  als  dessen 
zweiter  Stifter  angesehen  werden  kann.  Das  Kloster 
erlebte  viele  glänzende  Zeiten,  wie  es  auch  gar  manchen 
schwertretlenden  Schicksals,>*ehlag  zn  ertragen  hatte, 
bis  es  vier  Jahre  nach  der  Säcularisation  des  Fiirsten- 
thums  Passau,  im  Jahre  1807,  das  Schicksal  der 
Aufhebung  mit  vielen  der  elirwlirdigsten  kirchlichen 
Stiftungen  des  deutschen  Reiches  theilte.  \'iele  Jahre 
diente  das  Gebäude;  als  Irrenhaus,  in  neuester  '/a'\\  ist 
es  der  kirchlichen  Bestimniinig  zurückgegeben  und 
beherbergt  eine  Colonie  englischer  Fräulein.  Auch  eine 
Kirche  des  Klosters  ist  wieder  geöffnet,  (hich  ist 
dieselbe  nicht  die  eigcntliciie  und  ursprüngliche  Kirche 
des  Frauensfiftes,  sondern  eben  nur  die  i'inzige  von  den 
mehreren  unter  den  liaulichkeiten  des  Klosters  be- 
standenen, auf  uns  gekonnnene. 

(üeichvvie  alle  (Jehäude  des  Nonnen -Cnnvcnts 
(iiircli  die  grossen  Brände  in  den  Jahren  Itit)!'  uml 
\i)H{)  arg  gelitten  haben,  ging  es  audi  dieser  Kirche 
nicht  anders.  In  Folge  der  durcii  diese  Zerstörungen 
nothwendig  gewordenen  Wiederherstellungen  hat  das 
Bauwerk,  ursprünglich  eine  Pfeiler-Basilica,  ihr  altcr- 
lliUmliehes   (iepräge  verloren,    und    mögen   nur   mehr 


—   s 


dessen  Ilauptniaucni  der  alten  BaufUhrung-  angehören, 
auch  das  innere  Portal  des  Haupteinganges  ■  zeigt  un- 
zweifelhafte Spuren  des  romanischen  Styles.  Die  Aga- 
then-Capelle  an  der  rechten  und  die  Erasiuus-C'apelle 
an  der   linken  Seite    sind  Bauwerke    des    gothischen 
Styles.  In  der  ersteren  ist  der  Grabstein  der  Äbtissin 
Gisela  höchst  interessant.  Er  besteht  aus  zwei  Theilen. 
Der   ältere   ist   die    im    Fussboden    eingelassene    und 
bereits  schon  sehr   verwitterte  Marniorplatte,  auf  der 
ein  Kreuz  deutlich  und  zwei  Adler  mit  ausgebreiteten 
Schwingen  mühsam  zu  erkennen  sind.  Au  den  Seiten 
des  Kreuzes  stehen  die  Worte  aus  senkrecht  unterein- 
ander gestellten  Buchstaben  gebildet:  Gisela  abbatissa. 
Am  unteren  Kande  sind  noch  mehrere  Buchstaben  zu 
erkennen,  doch  damit  nur  mehr  Non.  mai.  zu  entziftcrn. 
Auf  dieser  Platte  steht  als  bedeutend  jüngeres  Werk 
auf  vier  langgestreckten  Füssen    eine   rothmarmornc 
Tumba  mit  einigem  gothischeu  Ornament  und  folgender 
Inschrift:  Anno  Domini  MLXXXX\'  non.  maii.  o.  venbl. 
du.  gisula .  Soror  .  sancti .  haiurici .  ini|)eratoris  .  uxor  . 
stephi .  regis  .  ungariae  .  abbatissa  .  hujus  .  monasterii  . 
hie  .  sepvlta.  —  Gisela,   die  Scliwestcr  Kaisers  Hein- 
rich IL,  Gattin  des  ungarischen  Königs  Stephan  war  die 
dritte  Äbtissin  dieses  Klosters.  Nach  dem  Tode   ihres 
Gemals  (1038)  zog  sie  sich  in  die  Zellen  von  Nicdern- 
burg  zurück,  wo  sie  hochbejaiirt  und  im  Rufe  der  Hei- 
ligkeit am  7.  Mai  1095  starb.  Noch  ein  zweites  beacli- 
tenswerthes  Monument  birgt  diese  Capelle,  es  ist  jenes, 
zwar   nicht  gleichzeitige,  aber  doch  ins  XIV.  Jahrhun- 
dert  gehörige  Grabmal    der   ersten  Äbtissin,   Namens 
Heilka,  eine  Tante  Kaisers  Heinrich,  die  im  Jahre  10:.'O 
gestorben  war.  Ausser  der  hier  bezeichneten  Kirche 
sollen  noch  innerhalb  des  Klosters  mehrere  Reste  der 
alten  Baulichkeiten  erhalten  sein,  doch  war  es  mir  nicht 
'möglich,    sie  zu  besehen.    Wohl   aber  fand  ich  Reste 
eines  romanischen  Portals  mit  hübsclien  Ornamentfrag- 
menten an  der  Mauer  der  Rückseite  des  Klosters,  die 
wahrscheinlichen  Überbleibsel  eines  anderen  kirchlichen 
Gebäudes. 

Die  St.  Paulskirche,  auf  einer  vielleicht  schon 
von  den  Römern  befestigten  Anhöhe  gelegen,  und  mit 
ihrer  Geschichte  in  das  XL  Jahrhund,  zurückreichend, 
und  bis  1811  von  zwei  Friedhöfen  sammt  L'mgängeu 
umgeben,  ist  ein  Gebäude  aus  der  zweiten  Hälfte  des 
XVII.  Jalirhundcrts,  da  die  grossen  l'.randungiücke  im 
Jahre  1512  und  1GG2  die  frühere  Kirche  fast  ganz 
zerstörten. 

Ungleich  wichtiger  ist  tiir  die  .Archäologen  die  ihr 
nahegelegene  St.  Joliannes-Spita  Iskirche.  Reicht 
sie  mit  ihrer  Geschichte  zwar  niclit  so  weit  zurück  wie 
die  Paulskirche,  so  gehört  sie  doch  zu  den  ältesten 
frommen  Stiftungen  der  Stadt.  Der  gegenwärtige  Bau, 
ein  sehr  zierliches  Werk  der  Spät-Gothik,  das  bei  den 

niclit   verschont   blieb. 


vieleü  Unglücksfällen   Passau  s 


ist  gegenwärtig  mustergiltig  restaurirt.  Es  ist  ein  drei 
schifl'iger  Bau  mit  geradem  Schluss  von  auffallender 
Kürze  der  einzelnen  Schiffe.  Die  ganze  Rückwand  der 
Kirche  ist  mit  alterthünilichen  Grabmälern  bedeckt,  die 
der  fromme  und  für  Erhaltung  mittelalterlicher  Denk- 
mäler so  verständige  Sinn  des  gegenwärtigen  Bischofs 
aus  vielen  Orten  Passau's  dort  vereinigte. 

Die  Kirche  zum  heil.  Geist,  ehedem  vereint  mit 
dem  gleichnamigen  Spital,  ein  Bau  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts,  eigenthümlich  durch  die 


zwcischiff.ge  Anlage  (Are\  Säulen  theilen  den  Raum 
und  tragen  die  einfachen  Kreuzgewölbe),  enthält  manciie 
recht  interessante  Sculptur,  auch  ein  gut  gehaltenes 
werthvolles  Glasgemäldc  aus  dem  Beginn  des  XVI. 
Jahrhunderts. 

Von  Profangebäuden  erscheint,  ausser  den  we- 
nigen Resten  von  fortificatorischen  Bauten,  wie  der 
s.  g.  Scheiblingtliurm  (d.  i.  runde  Thurm)  und  mäcii- 
tiges  Mauerwerk  an  der  Spitze  der  Insel  beim  Zusam- 
nientlusse  der  Dunau  und  des  Inn,  und  ausser  ganz 
wenigen  Privatiiäusern,  an  denen  sich  der  mittelalter- 
liche Baucharakter  noch  erhalten  hat,  nur  noch  hervor- 
hebenswertli  das  Ifat hhaus,  ein  ziemlich  unifangrei- 
ciies,  alterthüuiliciii's  (Jebäude,  am  Ufer  der  Donau  gele- 
gen. Obwohl  schon  nel  früiier  ein ,  wenn  aucii  wieder- 
holt bestrittenes  Eigenthum  der  Gemeinde,  kam  der 
bezügliche  Häuser-Complex  erst  ],"j97  in  das  gesicherte 
Eigenthum  der  Gemeinde.  In  diese  Zeit  föllt  aucii  die 
Erbauung  des  grossen  Rathliaussaales ,  der  beiden 
hübschen  gothischeu  Portals  und  des  rein  gothisciien 
^'orhauses  oberhalb  der  grossen  Stiege.  Leider  wurde 
das  Gebäude  bei  dem  Brande  von  1G62  arg  beschä- 


Kitf.   1.  (Pabneukirchen.) 


G     — 


(ligt  und  die  darauffolgende  Restauration  im  schweiläl- 
ligen  Zopfstyle  durcligelUlirt ,  daher  jetzt  die  dicken 
■Säulen  und  schnörkeligen  Stuccaturarbeiten  mit  den 
gothischen  Fenstern  und  anderen  Resten  dieses  Styles 
unschön  contrastiren.  Auch  die  Aussenseite  des  jetzi- 
gen Gebäudes  kann  keineswegs  als  hübsch  bezeichnet 
werden,  denn  blos  die  Portale,  und  gegen  die  Donau  hin 
die  grossen  Fenster  mit  Hacliem  Sturz,  Theilungspfeiler 
und  schönem  Masswerke  macheu  autmerksam,  dass  das 
Gebäude  eine  nicht  gewöhnliche  Bestimmung  hat. 

Bevor  wir  von  dem  eigentlichen  Passau  scheiden, 
sei'  noch  kurz  der  Baulichkeiten  des  Stiftes  St.  Nicola 
Erwähnung  gethan. 

Die  sehr  verwahrlosten  Gebäude  dieses  ehemaligen 
Augustiner  Chorherren  -  Stiftes  liegen  auf  der  Westseite 
ausserhalb  der  Stadt.  Schon  1067  baute  Bischof  Altmann 
von  Passau  auf  bischötlichem  Territorium  mit  Beihilfe 
der  Kaiserin  Agnes ,  Mutter  Kaisers  Heinrich  IV.,  eine 
Kirche  und  ein  Kloster  zu  Ehren  der  heil.  Andreas, 
Pantalon  und  Nicolaus  und  stattete  es  mit  reichen  Ein- 
künften aus,  denen  die  Kaiserin  den  neunten  Theil 
ihrer  Bezüge  von  Persenbeug  und  Ybbs  beifügte.  AVeitere 
Zuflüsse  erhielt  die  Abtei  im  Verlaufe  der  Zeiten  durch 
viele  angesehene  Familien,  von  denen  einige,  wie  die 


Blandeuberg,  Runding,  Rottaii ,  Mittich  u.  s.  w.  in  der 
Klosterkirche  ihre  Ruhestätte  wählten.  1804  wurde 
das  Kloster  aufgehoben;  die  Baulichkeiten  wurden 
theils  als  Brauhaus,  tlieils  als  Casenie  verwendet.  Die 
ziemlich  verfallene  Klosterkirche,  ein  gothischer  im 
Jahre  1716  durch  Restauration  verzopfter  Bau,  dient 
jetzt  als  Magazin,  der  schöne  durchbrochene  Thurm 
wurde  1812  in  seinem  oberen  Theile  abgetragen,  der 
alte  gothische  Kreuzgang  demolirt.  Altäre,  Cliorstühlc, 
Kanzel  und  Grabsteine  gingen  fast  sämmtlich  verloren, 
nur  etliche,  davon  zwei  sich  auf  die  Familie  Rottau  von 
Madau  (Wilhelm  f  1480,  seine  Gattin  Agnes  v.  Aliaym 
t  1495,  und  Karoldt  von  Rataw  f  1463)  beziehende, 
sind  übrig  geblieben.  Ausserdem  hat  sich  noch  das  im 
gothischen  Style  um  1450  erbaute  Spitalkirchlein  als 
Holzmagazin  erhalten.  So  das  Ende  einer  durch  fast 
700  Jahre  blühenden  geistlichen,  hervorragenden  nnd 
geschichtlich  nicht  unbedeutenden  Stiftung.  Was  nicht 
wenigstens  halbwegs  genügend  militärischen  oder  doch 
nothdürftig  industriellen  Zwecken  dienbar  gemacht 
werden  konnte,  wurde  dort  wie  anderwärts,  wenn  nicht 
überhaupt  sogleich  beseitigt ,  doch  seinem  Schicksal 
überlassen  und  keine  schützende  Hand  hält  das  Ver- 
derben zurück. 


Kirchliche  Baudeiikmale  in  Ober -Österreich. 


Von  Dr.  K.  Fronner. 

(Mit  5  Holzschnitten.) 


Die  dem  heil.  Simon  und  Juda  geweihte  Pfarr- 
kirche der  Gemeinde  Pal)ncukirchen  ist  ein  Bauwerk 
des  spätgothisclien  Styles.  \'ier  schlanke  Pfeiler  von  acht- 
eckiger Form  tlicilen  den  Laienraum  in  drei  Schifi'e.  Die 
Kippen  der  Netzgewölbc  sitzen  an  den  Pfeilern  mittelst 
vorspringender  Tragsteine   auf.    Die   einzelnen   Joche 


V\g.   \1.     l':ilniciiUirclicii.t 


haben  in  jedem  Schiffe  eine  ungleiche  Ausdehnung;  das 
erste  Joch,  über  dem  sich  der  Orgelchor  mit  Benützung 
des  ersten  Pfeilerpaares  autbaut,  ist  ganz  schmal,  das 
zweite  ist  bedeutend  verlängert  und  weit  länger  als  das 
dritte.  Die  Seitenmauern  haben  eine  Stärke  von  5  Fuss 
und  enthalten  darin  die  beiderseits  angebrachte  Orgel- 
chorstiege. In  der  Höhe 
dieses  letzteren  tritt  die 
Mauer  in  der  vordersten 
Jochreihe  bis  auf  2  Fnss 
zurück  ,  wodurch  Raum 
für  die  Empore  gesclialfcn 
wurde.  Das  Orgelelior-Pa- 
rapet  hat  reiche  Füllung, 
meistens  aus  Drei-  nnd 
Vierpässen  coiistruirt,  und 
wird  (iiircli  drei  horizontal 
laufende,  ans  sein-  künst- 
lieh znsannnengetiigten 
(Jranitsteinen  consfruirten 
Flaclibögen  gestützt.  Das 
OrgelinKÜinn  tritt  erker- 
artig hervor.  Die  Breite 
des  KirchenschitVes  beträgt 
43  Fnss,  dessen  Länge 
56  Fuss.  Das  aus  dem 
Achteck  Cdiistriiirte  Pres- 
byterium  von  21  Fuss 
Breite  und  32  Fnss  Länge 
'  schliesst  sieh  mittelst  eines 
einfaelien  und  ziendich 
Hclinialeii  'rrinni])libogeiis 
au  das  Langhaus    an    und 


ist  mit  einem  Netzgewölbe  überdeckt.  Die 
Aiisseiiseite  der  Kirche,  die  der  Strebepfeiler 
vollstäiuliij  entbehrt,  ist  ganz  einfach,  die 
beiden  an  den  Langseiten  angebrachten  Por- 
tale sind  im  Kleeblattbogen  construirt,  die 
drei  Fenster  des  Presbyteriums  (zweipfostig) 
und  die  fünf  des  Langhauses  haben  ihre  spitz- 
bogige  Form  behalten.  Das  schöne  Orgel- 
chor-Parabet,  die  Pfeiler,  Gewölberippen  und 
das  Masswerk  der  Fenster  sind  aus  Granit 
und  in  ihrem  Naturzustande  erhalten.  Die  an 
der  Aussenmauer  des  Presbyteriums  noch 
sichtbare  Jahreszahl  1488  dürfte  so  ziemlich 
richtig  die  Entstehungszeit  der  Kirche  bezeich- 
nen. Die  Sacristei  ist  rechts  des  Presbyteriums, 
der  unbedeutende  Tluirm  der  Mitte  der  Fa^ade 
angebaut.  (Fig   1  u.  2.) 

Die  Pfarrkirche  zu  Zell  bei  Zellhof  stellt 
sich  dar  als  ein  aus  dreischiifigem  Langhause, 
dem  Presbyterium  in  Verlängerung  des  Mit- 
telschiffes, einer  Capelle  in  jener  des  linken 
Seitenschiffes  und  dem  Thurmkörper  in  jener 
des  rechten  Seitenschiffes  bestehendes  Ge- 
bäude von  50  Fuss  Länge  bis  zum  Triumph- 
bogen und  29  Fuss  im  Presbyterium  und  von 
57  Fuss  Breite  im  Langhause. und  21  Fuss  im 
Presbyterium.  Drei  Paar,  .-{<  ,  Fuss  breite  und 
2  Fuss  lange  Pfeiler  tragen  die  Wölbung  des 
Laughauses,  die  in  jedem  Schiffe  in  einer 
reichen  Netzrippeu-Construetion  durchgeführt 
ist.  Die  Musikbühne  nimmt  die  letzte  Joch- 
reihe ein  und  führen  zur  selben  zwei  Stiegen 
«■mpor.  Das  Presbyterium  ist  nicht  ganz  regel- 
mäss'g  construirt  und  ausser  den  Umfangs- 
mauern  ein  Neubau.  Während  die  Mauer  auf 
der  rechten  Seite  voll  ist,  öffnet  sich  auf  der 
linken  Seite  ein  Bogen  zur  Seitencapelle,  die 
gleich  dem  Presb\'terium  mit  fünf  Seiten  des 
Achtecks  abgeschlossen  ist.  Die  Fenster  sind  fast 
.sämmtlich  spitzbogig,  meistens  durch  einen  Pfosten 
getheilt,  zahlreiche  Strebepfeiler  verstärken  das  Ge- 
bäude nach  aussen.  Der  Tliurm  ist  in  seinem  Aufbaue 
ein  Werk  der  Neuzeit.  (Fig.  3.) 

Nicht  unwichtig  sind  die  in  der  Kirche  befindlichen 
(irabmale,  wie  der  Frau  Äfargaretha  Walch  zu  Prandeck, 
geb.  Schellenberg  (1438),  des  Ritters  Pilgram  Walcli 
(^1493),  des  Hildebrand  Jörger  zu  Tollet  und  Prandeck 
(^ltjl4)  und  des  Ferdinand  von  Jörger  (1022). 

Die  kleine  Pfarrkirche  zu  Trag  wein  besteht  aus 
einem  Hauptschiffe  und  einem  rechten  Seitenschiffe,  die 
Kippen  des  reichen  Netzgewölbes  ruhen  theils  auf  den 
beiden  die  Schifte  trennenden  poIygonen  Pfeilern,  theils 
verlaufen  sie  sich  unvermittelt  in  den  Seitenwänden. 
Die  Orgelbühne  ist  in  den  beiden  letzten  Gewölbejochen 
eingebaut,  stützt  sich  auf  eine  Säule  und  Mauerwerk, 
verlängert  sich  auf  der  linken  Seite  des  Hauptschiffes 
gegen  das  Presbyterium  von  zwei  Säulen  getragen.  Die 
rechte  Ausscnseite  wird  durch  vier,  die  linke  durch  zwei 
Strebepfeiler  gestützt,  davon  die  au  den  Ecken  ange- 
brachten über  Eck  gestellt  sind.  Der  Thurm ,  welcher 
mit  einem  Iiohen  Zwickeldache  versehen  ist,  steht  an 
der  linken  Langseite  der  Kirche.  Das  Presbyterium 
sehliesst  sich  ganz  unregelmässig  an  das  Langhaus  an, 


Fig-.  ."..  (Zell.) 

besteht  aus  einem  cjuadraten  Joche  und  dem  tünfseitigen 
Chorschlusse.  Die  Fenster  sind  fast  sämmtlich  noch 
s|)itzbogig.  Die  in  der  Kirche  wiederholt  angebrachte 
Jalirzahl  1521  dürfte  die  Bauzeit  angeben.  (Fig.  4.) 

Die  Pfarrkirche  zu  St.  Georgen  a m  Wald  besteht 
aus  einem  dreischifl'igen  Langhause  von  48  Fuss  Länge 
und  49v'2  Fuss  Breite.  Jedes  der  neun  fast  quadraten 
Joche  ist  mit  einem  Kreuzgewölbe  überdeckt ,  deren 
Kippen  sowohl  von  den  vier  ])olygonen  Pfeilern,  wie 
auch  von  den  linksseitigen  Halbsäulen,  rechts  aber  von 
Gonsolen  getragen  werden.  An  der  vorderen  und  rück- 
wärtigen Abschlussmauer  verlaufen  sie  ohne  Vermitt- 
lung; das  rechtseitige  Schiff  i.st  gegen  die  Ausscnseite 
durch  die  Emporen-Einbauten  etwas  unregelmässig.  Die 
Fenster  sind  spitzbogig  construirt,  der  Triumjdibogen 
bildet  eine  Öffnung  von  14  Fuss,  daher  der  Blick  aut 
den  Hochaltar  sehr  beschränkt  ist.  Das  Presbyterium 
besteht  aus  einem  oblongen  Joche  und  dem  fünfseitigen 
mit  Strebepfeilern  verstärkten  C'lior-Schlusse.  Der  Thurm 
ist  der  Fa^ade  vor-,  die  Sacristei  dem  Presbyterium 
rechts  angebaut.  Die  Kirche ,  die  früher  dem  Stifte 
Waldhausen  incorporirt  war,  dürfte  im  XV.  Jahrhundert 
entstanden  sein.  (Fig.  5.) 

(Schlus.s  im  näclisteii  Hefte,  i 


—     8     — 


Der  angebliche  Votiv -Altar  iles  Tribunen  Scudilo. 


Vor.  Dr.  N.  Kohn. 


Im  Jalire  351  n.  Chr.,  am  5.  März,  erhob  Kaiser 
C'oiistantius  seiueii  Vetter  Gallus  aus  hingjähriger 
Haft  zur  CäsareuwUrde  und  übergab  ihm  die  lUnf  Diö- 
cesen  des  „Orient"  zur  Verwaltung;.  Es  wäiirte  nicht 
hinge,  so  legte  der  Cäsar  seine  völlige  Unfähigkeit  zur 
IJegierung  an  den  Tag.  Eine  schwächliche  Natur,  verlor 
er  durch  den  j)lötzlichen  Umsciiwung  seines  Schicksals 
allen  moralischen  Halt.  Von  seiner  Gattin,  des  Kaisers 
Schwester,  einer  wahren  Furie,  aufs  schlimmste  bera- 
then,  schaltete  er  in  allen  Stücken  wie  der  zügelloseste 
Tyrann.  Antiochia,  wo  er  residirtc,  wimmelte  bald  von 
Angebern  und  Spionen,  die  jede  zweideutige  Äusserung 
dem  Cäsar  hinterbrachten.  Hochverraths-Processe  und 
in  Folge  derselben  Hinrichtungen,  Verbannungen,  Ver- 
niögeus-Contiscationen  waren  an  der  Tagesordnung. 
Constantius,  dem  die  wilden  Streiche  des  (iallus,  durcli 
wohldienerische  Günstlinge  übertrieben ,  zu  Ohren 
kamen,  fasste  Misstrauen  wider  den  von  ihm  lange  Jaiire 
misshandelten  Cäsar.  Diesen  Argwohn  fachten  die  Eunu- 
chen, deren  S|)ielba]l  der  Kaiser  war,  zur  hellen  Flanune 
an,  als  (xallus  sich  selbst  an  den  höchsten  Würden- 
trägern des  Staates  zu  vergreifen  wagte.    Sobald  Con- 


stantius ,  im  Jahre  354 ,  der  Wirren  des  Occidents 
Meister  geworden  war,  lasste  er  den  Entscliluss,  den 
Cäsar  zu  beseitigen.  In  geheimen  und  nächtlichen  Unter- 
redungen bcrieth  er  sich,  wie  Ammianus  erzählt,  mit 
seinen  Vertrauten ,  in  welcher  Weise  sein  Plan  am 
besten  ins  Werk  zu  setzen  sei.  Er  hielt  es  schliesslich 
für  das  Ungefährlichste,  den  Cäsar  unter  der  Maske 
der  Freundlichkeit  in  seine  Gewalt  zu  bringen.  Con- 
stantius, in  der  Verstellung  Meister,  schrieb  nun  Brief 
über  Brief  an  den  Vetter,  Morin  er  diesen  in  den  freund- 
lichsten Ausdrücken  seines  Wohlwollens  versiclierte 
und  dringend  ersuchte,  eiligst  nach  Mailand  zu  konnnen; 
ein   wichtiges  Geschäft  heische  seine  Gegenwart.  Die 


Täuschung  zu  vollenden 


1.  'Tragwein.) 


lud  der  Kaiser  auch  seine 
Schwester,  die  Gemahlin  des  Cäsar,  unter  den  liebe- 
vollsten Schmeicheleien  zu  sich ,  als  l)renne  er  vor 
Begierde  sie  wieder  zu  sehen.  Allein  es  war  ein  schwe- 
res Stück  Arbeit,  den  in  Folge  der  traurigen  Erfahrun- 
gen seiner  Jugend  zu  Misstrauen  neigenden  Cäsar  in 
die  Falle  zu  locken.  So  mancher  Abgesandte  des  Kai- 
sers nuisste  unverriditeter  Dinge  wieder  heimkehren. 
Endlich  fand  Constantius  im  Tribunen  Scudilo  das 
geeignete  Werkzeug  seines  Planes.  Scudilo,  unter 
dem  Scheine  eines  plumpen  Wesens  ein  Meister 
schlauer  Überredung,  verstand  es  durch  allerlei 
Vorspiegelungen  den  lange  zwischen  Kühnheit 
und  Verzagtheit  schwankenden  Cäsar  zur  Heise 
an  den  Hof  zu  bestimmen.  Zu  spät  erkannte 
dieser,  dass  er  sich  wehrlos  den  Händen  des 
Kaisers  überliefere,  der  wiederholt  gezeigt  iiatte, 
dass  er  vor  Verwandtcnniord  n. cht  zurückbebe.  In 
dem  Maasse,  als  nnin  sich  den  («ranzen  Italiens 
näherte,  steigerte  sich  die  Kälte,  mit  der  ihn  seine 
Begleitung  behandelte.  Unter  dem  Scheine  eines 
Khrengefolges  sali  sich  der  Cäsar  aufs  strengste 
Überwacht.  Es  war  ihm  nicht  einmal  möglich,  sich 
mit  den  Garnisonen  der  Städte,  durch  welche  man 
reiste,  in  Verkehr  zu  setzen.  Unter  beständigem 
Drängen  zur  Eile  und  häutigem  Wechsel  der  Ge- 
spanne kam  man  endlicb  zur  Nachtzeit  in  Peto- 
vio  (Pettau)  an.  Hier  war  der  ausserhalb  der  Stadt 
liegende  Palast  bereits  von  Truj)pen  umstellt,  auf 
deren  Treue  der  Kaiser  unter  allen  Umständen 
rechnen  konnte  Man  hielt  also  List  und  Verstellung 
nicht  weiter  nötliig.  Gallus  wurde  aller  lllrstlichen 
Abzeichen  entkleidet ,  musste  den  kaiserlichen 
Reisewagen  mit  einer  Privat-Kutsche  vertauschen 
und  wurde  so  nach  Istrien  gefllhrt.  Dort,  in  der 
Nähe  von  Pola  einige  Zeit  in  Haft  gehalten,  wurde 
er  schliesslich  auf  iiefchl  des  Kaisers  wie  ein 
gemeiner  Verbrecher  cntiiaiii)tct  (Aninnanus  Mar- 
celliniis  I.  XIV,  XV;  Aurelius  Victor,  de  Caes. 
e.  XMI,  ci)it.  il)id.;  Kiitrop.  1.  X;  Zonaras  1.  XIII; 
Zosinnis  1.  X.  c.  ■Ih,  55). 

Nach  dieser  kiia|ip(n,  aber  streng  <|iiellen- 
mässigen  Darstellung  der  (Jeschiehte  des  Cäsar 
(Jalliis  gellen  wir  auf  ein  inschrifiliehes  Denkmal 
über  ,  das  nach  der  heute  herrschenden  Meinung 
nicht  blos  Zeitgenosse,  sondern  ein  redender 
Zeuge  der  eben  erzählten  Begebenheiten  sein  soll. 


—    1) 


ISTAM  .  P08VIT. 

wie  bei  Votiv-Iuschrittcn 


Wir  iiiciuen  den  durch  die  Publicationen  von  L  a  /,  i  u  s  ', 
(Irutcrs,  Muciiars,  Knabl»  und  Steiner  *  be- 
kannten Vofiv-Altar  des  Jupiter  praestes,  der  nocli  im 
\\U.  Jaiirlnindert  am  „Steirerthore"  la  Pettau  stand, 
dann  geraume  Zeit  verloren  galt,  bis  er  im  Jahre  1818 
im  Keller  des  BUrgerspitals  jeuer  Stadt  wieder  auf- 
gefunden wurde. 

Die  Ära,  gegenwärtig  im  Münzen-  und  Antiken- 
Cabiuete  zuGrätz  aufbewahrt,  ist  55  Zoll  hoch,  2;i  Zoll 
breit.  Ihre  Inschrift  lautet:  P«ESTITO  .  lOVI .  S  |.  . . 

1  TRIBVNVS  .  COH  .  X  i  PRAET  .  CVLTüR . 

NV I  MINIS .  IPSIVS .  PROFIG  |  ISCENS .  AD  .  OPPRI- 
MEN  1  DAM.  FACTIONEM  1  GALLIG ANAM.  lUSSV  1 
PRINGIPIS  .  SVI  .  ARAM  | 

Die  erste  Zeile  nennt, 
gewöhnlich,    die  Gottheit,   welcher  der  Gegenstand 
gewidmet  ist.  Es  ist  dies  Jupiter  praestes,  dem  wir 
auch  auf  der  Inschrift  1253  bei  Orelli  begegnen  e.  Die 
Wandlung  des  Dipthongcs  M  in  das  einfache  E  hat 
auf  Inschriften  nichts  ungewöhnliches.   Autiallender 
ist  die  Form  praestitus-a-um  für  das  üldiche  praestes. 
Die  folgende  Zeile,  welche  den  Namen  des  Stifters 
enthielt,,  ist  allem  Anscheine  nach  absichtlich,  ver- 
muthlich  schon  im  Alterthum,  getilgt  worden.  Man 
wird  hicdurch  an  gewisse  Denkmäler  der  Kaiser  Gali- 
gula,  Nero,  Domitian,  Gommodus,  Geta,  Garacalla, 
Elagabal,  Galerius,  Maximianus  und  Julianus  erinnert, 
an    deren   Inschriften    ein  kleinlicher   Hass  —  bis- 
weilen durch  einen  feierlichen  Reschluss  des,  todten 
Tyrannen  gegenüber  jederzeit  nuithvolleu,  Senates 
angeeifert  —  die   Namen    getilgt    hat.    An    unserer 
Inschrift  hat  die  Hand,  die  den  Meissel  zur  Namens- 
tilgung  geschwungen  hat,    so  gründlich   gearbeitet, 
dass  Verfasser  dieses  auch  nicht  einen  einzigen  Buch- 
staben mehr  wahrzunehmen  vermag.  Herr  Dr.  Knabl, 
der  ungefähr  in  der  Mitte  der  Zeile  die  Buchstaben 
S  und  C  sieht,  deutet  sie  als  Anfangsbuchstaben  des 
Namens  Scudilo,  jenes  Scudilo,  der,  wie  oben  erzählt 
worden,   in  dem  Schicksale  des  Caesar  Gallus  eine 
eben  so  hervorragende  als  traurige   Rolle    gespielt. 
Früher  schon  hatte  Muchar  in  seiner  Geschichte  de.s 
Herzogthums  Steiermark  mit  Bestimmtheit  auf  Scu- 
dilo als  den  Stifter  dieser  Ära  hingewiesen.  Ob  mit 
Recht,  wird  sich  im  Folgenden   ergeben.    Vorderhand 
merken  wir  blos  an,  dass  die  Tilgungsfurchen  des  Meis- 
seis sich  über  die  ganze  Breite  der  Inschrift  erstrecken; 
daher  mit  Wahrscheinlichkeit  anzunehmen  ist,  dass  der 
Name  ehedem  auch  diesen  ganzen  Raum  ausfüllte.  Scu- 
dilo  wird  bei  Ammianus   MarceUinus  an  drei  Stellen 
erwähnt ',  immer  ohne  Angabe  eines  Nomen  gentilicium 
oder  Praenomen.    Die  Gonjectur   hätte   also  bezüglich 
dieser  freien  Spielraum.  Mit  unzweideutiger  Bestimmt- 
heit dagegen  machen  uns  die  dritte  und  vierte  Zeile  der 
Inschrift  mit  dem  militärischen  Range  des  Stifters  ver- 
traut:   er  ist  Tribun  der   zehnten  Cohorte  der  kaiser- 
lichen Garde.   Ob   diese  Raugbezeichnung  auf  Scudilo 
passe,  bleibe  einstweilen  ununtersucht. 


Die   darauf 
ipsius"    soll   nach 


folgende   Apposition   „cultor    numinis 
Herrn   Dr.  Knabl  beweisen,   dass 


'  Reip.  com.  com.  libr.  XII.  S.  595. 

2  Inscr.  ant.  orb.  rom.  p.  22,  1. 

3  Geschichte  d.  Herzogth.  Sleiermnrk  I.  Bd.  S.  407. 
*  Mittheil.  d.  hi.it.  Vereines  für  Steiermark  6.  und  9. 
5  Cod.   inscr.   Dan.   et  Uh.   Nr.  SaOS. 

Bei  Gruter  S.   I0G5   Nr.  2. 
'  Lib.  XIV.   C.   10  und  11. 


Ungewöhnliches  war.  Im  bewussteji 
christlichen  Bevölkerung 


Fig.  5.  (St.  Georgeu.f 

unser  Monument  aus  einer  Zeit  stamme,  wo  das  Chri- 
stenthum  bereits  Staats-Religion  war,  die  Mehrheit  der 
Bewohner  Pettau's  zu  seinen  Bekennern  zählte,  und 
daher  die  Errichtung  eines  heidnischen  Altars  in  dieser 
Stadt  schon  etwas 
Gegensatze  zur  überwiegend 

der  Stadt  hätte  Scudilo  (dessen  Confession  übrigens 
gescliichtlich  nicht  Ijekannt  ist)  für  nöthig  erachtet, 
sich  einen  „Verehrer  Juppiters-'  zu  nennen.  —  Als  ob 
derjenige,  welcher  dem  Jujjpiter  einen  Altar  errichtet 
und  darauf  sich  als  Stifter  nennt,  nicht  eben  hiedurch 
seinen  religiösen  Standpunkt  deutlich  genug  manifestirt 
hätte!  —  Auf  der  so  gewonnenen  Grundlage  baut 
dann  Dr.  Knabl  weiter:  „Aber  eben  dieser  Umstand 
wirft  ein  Streiflicht  auf  die  Ausmeisselung  der  zweiten 
Zeile  dieses  Denkmals^  dass  etwa  die  chi-istlichcn 
Anhänger  des  hingerichteten  Gäsars  es  waren,  welche 
ihren  Unwillen  an  dem  Andenken  desjenigen  auslassen 
wollten ,  welcher  sich  zu  einem  so  niedrigen  Geschäfte 
der  Uberlistung  gebrauchen  Hess,  und  dazu  noch  ein 
Heide  war.  Jeder  andere  Erklärungsgrund  würde  nicht 


XVIII. 


!0 


geuligeii,  denn  entweder  müSote  angononinien  werden, 
dass  die  Ausraeisselung  des  Vor-  und  Zunamens  auf 
Befehl  der  Regierung  vorgekelu't  worden  wäre  oder  es 
wäre  vorauszusetzen,  dass  die  heidnischen  Feinde  des 
Tribuns  sie  gewagl:  iiätteu.  Aljer  keines  von  beiden 
ist  denkbar.  Hätte  die  Kegierung  die  Erinnerung  an 
den  Vorgang  mit  Gallus  der  Vergessenheit  übergeben 
wollen,  dann  hätte  sie  nicht  die  2.,  sondern  die  G.,  7.,  s., 
und  9.  Zeile  ausmeisseln  lassen,  wo  der  missliebige 
Name  des  Gallus,  vertlochten  mit  seinem  Anhange 
erwähnt  wird;  und  wollte  man  des  Tribuns  Feinde, 
welche  seine  Glaubensgenossen  waren,  im  Verdachte 
Laben,  dann  würde  ein  derartiges  Unterneluiien  einem 
coufessionellen  Selbstmorde  gleichkommen.-'  So  Herr 
Dr.  Knabl.  —  Die  Lücken  dieser  Schlusstblgeruiigen 
sind  unverkennbar.  Fürs  Erste  ist  nicht  gut  einzusehen, 
inwiefern  es  einem  confessionelleu  Sell)stnn:)rde  gleich- 
gekommen wäre,  wenn  die  heidnisclien  Feinde  des 
Scudilo  auf  einem  von  ihm  errichteten  Altare  nichts 
weiter  als  den  Namen  tilglen.  Zweitens  ist  der  Fall 
.sehr  wohl  denkbar,  dass  die  Namenstilgiing  auf  liefehl 
der  Regierung,  allerdings  nicht  des  Constantins,  aber 
seines  Nachfolgers  Julian,  des  Bruders  des  hingerich- 
teten Gallus,  erfolgt  sein  könnte.  Drittens  mlisste  es 
auffallen,  warum  das  heidnische  Monument  im  Übrigen 
völlig  unversehrt  blieb,  wenn  neben  politisciiem  und 
persönlichem  Hass  auch  religiöser  Fanatismus  (der 
Christen)  den  Meissel  zum  Verniclitungswerke  in  Bewe- 
gung gesetzt  iiätte.  —  Allein  nicht  l)los  diese  Deductiou 
über  die  Urheberschaft  der  Namensvernichtung,  auch 
die  Grundlage,  auf  der  sie  aufgebaut  wird,  rulit  auf 
schwachen  Füssen.  Herr  Dr.  Knabl  geht  nändich  von 
der  irrigen  \'oraussetzung  aus,  die  Bezeichnung  des 
Stifters  als  cultor  numinis  ipsius  „wäre  in  jenen  Zeiten, 
wo  das  Heideiithum  nmh  zur  herrschenden  Staatsreligion 
gehörte,  ganz  überflüssig  gewesen."  Dagegen  Hesse 
sicli  einwenden,  dass  eben  trotz  der  Sprüchwörtlichkeit 
des  Lapidarstyls  auch  auf  römischen  Inschriften  der 
besten  Zeit  sich  bisweilen  eine  gewisse  copia  verborum 
geltend  mache.  Man  denke  nur  z.  B.  an  die  zahlreichen 
Grabsciiriften,  wo  das  Verwandtscliaftsverhältniss  des 
Verstorbenen  und  Denknnd- Erri(diters  doppelt  angege- 
ben wird:  ]iarcntes  —  tiliu  u.  <igl.!  Allein  die  Appositi(ni 
cultor  numinis  i])sius  l)rauclit  keineswegs  als  ,,ganz 
ül)erflüssig-'  angesehen  zu  werden.  Es  ist  vielmein' 
höchst  walirscheinli<-h,  dass  der  Stifter  sich  durcli 
diesen  Beisatz  als  Mitglied  einer  sodalitas,  eines  reli- 
giösen Vereins  bezeichnen  wollte,  der  siicciell  den  Cul- 
tus  eines  bestinnuten  .Jupiteibiiiles  zum  Zwecke  hatte. 
l>enn  cujtores  nennen  sich  die  Mitglieder  religiöser 
Kör])erscliaftcn  ,  welche  —  in  vielen  Stücken  an  die 
heutigen  katholisdicn  liaienbruderschaften  erinnernd 
gemeinsame  gottcsdicnstjiehe  Verrichtungen  und  gegen- 
seitige üntcrstUtzinig  in  g(;wissen  Fällen:  IJestreitung 
der  Leiciienkosten  u.  dgl.  zum  Zwecken  hatten.  Die 
blossen  Citate  aller  heute  bekannten  Inschriltcn,  wo 
8ich  solche  Hodalitäts- Genossen  als  cultorcs  bezeich- 
nen, würden  eine  Quartseitc  fllllen.  Hier  soll  nur  zum 
Beweise,  dass  di  ilei  Kör|iers(lia(ten  auch  l)ei  .liipiter- 
teni|)ejii  liestanrleii  und  deren  iMitglieder  sich  eultores 
nennen,  aiil  die  iiaclilulg(;nden  Inschriften  bei  Orelli 
liingcwi(!Hcn  werden:  Nr.  ICW,  1240,  2333,  2:V.»(>, 
2301,  3()4."5,  .^)(;iH,  .V).')0,  741:').  Vm  aber  den  Sprach- 
gebrauch  von    r-uitor  in  dem  angedeuteten  Sinne  auch 


speciell  an  Denkmälern  der  Steiermark  nachzuweisen, 
mögen  hier  zwei  Widnumgsinschriften  des  von  Pettau 
nur  wenige  Meilen  entfernten  Cilli  angeführt  werden. 
Die  eine  lautet:  genio  Anigemio  eultores  eins  v.  s.  1.  m. 
(Muchar,  Gesch.  des  Herz.  Steierm.  I.  Bd.  S.  353);  die 
andere :  Mercurio  Aug.  Julius  lucifer  sac.  et  cultor  eins 
(ürelli  Nr.  2394). 

Au  erster  Stelle  also  nennt  unsere  Inschrift,  wie 
wir  gesehen  haben,  die  Gottheit,  der  die  Widmung  gilt; 
an  zweiter  Stelle  macht  sie  mit  der  Persönlichkeit  des 
Stifters  und  dessen  Lebensverhältnissen  vertraut.  Zum 
Schlüsse  bezeichnet  sie  ausdrücklich  —  was  eigentlich, 
da  der  Gegenstand  sellist  sich  der  "Wahrnelnnung  dar- 
bietet, überflüssig  ist  und  daher  bei  derlei  Inschriften 
in  der  Regel  \yegl)leibt  —  den  gewiduieten  Gegenstand 
(,,ara").  Einen  zweiten  Pleonasmus  erlaubt  sie  sich  — 
hierin  ähnlieh  der  Votiv  -  Inschrift  Nr.  1948  bei  Orelli 
—  durch  Beisetzung  des  Praenomen  demonstrativum 
(  istanr').  Der  Bezeichnung  des  Gegenstandes  voran 
schickt  sie  die  Angabe  der  Veranlassung  zur  Widmung. 
Gruter,  der  hier  „protieiscens  ad  opprimendam  fac- 
tionem  (ialli"  lesen  zu  müssen  glaubte,  erinnerte  sich 
offenbar  Jener  oben  erzählten  tragischen  Geschichte  des 
Cäsar  Gallus,  deren  eine  Scene  sich  etien  zu  Pettau  ab- 
gespielt hatte.  Allein  die  Wiederautfnidung  des  Steines 
im  Jahre  1818  gab  Gelegenheit  zu  constatiren,  dass 
hier  nicht  von  einer  factio  Galli,  sondern,  wie  schon 
Lazius  gelesen  hatte,  von  einer  „factio  gallicaua"  die 
Rede  sei.  Obgleich  nun  die  Bedeutung  des  Adjectivs 
gallicanus-a-um  im  Sinne  von  gallicanisch,  gallisch  aus 
den  besten  Schriftstellern  »  geläufig  ist,  während  eine 
derartige  Adjeetivbildung  des  Eigennamens  Gallus  etwas 
Ungewöhnliches  wäre,  so  glaubten  M  u  c  h  a  r  und  K  n  a  b  1 
dennoch  den  einmal  geltend  gemachten  Zusammenhang 
unseres  Denkmals  mit  der  Geschichte  des  Constantius 
Gallus  festhalten  zu  müssen.  Um  aber  die  so  nahe  lie- 
gende Beziehung  auf  einen  Aufstand  Galliens  oder  in 
Gallien  als  unzulässig  zu  erweisen,  unternimmt  Herr 
Dr.  Knabl  den  Nachweis,  dass  unsere  Inschrift  mit 
keiner  der  historisch  bekannten  gallischen  Aufstände 
in  Einklang  zu  bringen  sei.  Wer  sich  der  wiederholten 
Anstrengungen  Galliens  zur  Wiedererlangung  seiner 
Freiheit  und  der  seit  den  Tagen  des  Gallienus  abwe<'h- 
selnd  geglückten  und  misslungenen  Versuche  römischer 
Feldherren  erinnert,  in  diesem  !.,;inde  die  Herrschaft  mit 
Hilfe  der  Legionen  an  sich  zu  reissen,  wird  sich  die 
Schwierigkeit  eines  solchen  Nachweises  kaum  verlicidcn. 
Anstatt  aber  die  einzelnen  gallischen  Schilderhebungeu 
in  Bezug  auf  unser  Denkmal  kritisch  durch/.umusfern, 
greift  Herr  Dr.  Knabl,  auf  gut  Glück  möchte  nnui 
sagen,  einige  derselben  heraus:  den  Aufstand  der  Tre- 
virer  und  Xducr  unter  Tibcrius,  den  Bauernaufstand 
der  liagaiiden,  die  Erhebung  des  Silvanus  und  —  in 
den  Nacliträgi'n  zu  seinen  Insehrilteii  -  Publi(\-itionen  — 
den  Anistand  des  Magnentius.  Die  grosse  nationale 
Erhebung  unter  Civilis,  die  I'surpafionen  der  Kaiser- 
würde auf  gallischem  Boden  durch  Posthunms,  Victoriuus, 
Marius,  'i'etriciis  u.  A.  übergeht  er  mit  Stillschweigen. 
Und  selbst  in  Petrelf  jener  Aufstände,  die  er  in  Petracht 
zieht,  lässt  sich  Herr  Dr.  Knal)l  an  dem  Nachweise 
genügen,  dass  es  nicht  ein  Mann  vom  Tribunenrang 
gewesen ,  der  mit  iin-cr  Niederwerfung  betraut  war.  — 
Wo  aber  liegt  der  zjvingen<le  Grund,  überhaujit  anzu- 

•  eiciro  fnlll.   2.   3.  0;  f^ulrit.    1.   15;   C'atul.  42.  C;  AiPiiul.  Mit.   Ul. 


—     U     — 


ncliineii,  es  sei  unser  Tribun  mit  dem  Oberbefehl  zur 
Unterdrüokuuj,^  der  Enipörung  in  Onllien  betraut  gewe- 
sen? Im  Geg'eutiieil,  die  untergeordnete  Stellung  eines 
Tribunen  wäre  mit  einem  so  wichtigen  und  ehrenvollen 
Auftrage  schwer  in  Einklang  zu  bringen  !  Die  Annahme, 
es  hätte  sich  um  eine  wenig  bedeutende  ]\Icuterci  gehan- 
delt, verbietet  wieder  die  grosse  Entfernung  von  Gal- 
lien. Eine  solche  zu  unterdrücken,  wäre  es  nicht  nöthig 
gewesen,  einen  im  entlegenen  Pettau  stationirfen  Tri- 
bunen zu  beordern.  Es  gibt  aber  eine  einfache  Erklä- 
rnug,  bei  welcher  sich  alle  hier  erhobenen  Bedenken 
lösen,  ohne  dass  dem  Inhalte  unserer  Inschrilt  Gewalt 
angethan  wird.  Zur  Bewältigung  einer  in  Gallien  dro- 
henden Gefahr,  sei  es  nun  in  Folge  einer  Volkserhe- 
bung, oder  einer  Usurpation  des  Iniperatortitels,  zog 
der  damals  regierende  Kaiser  die  einzelnen  in  den 
Provinzen  des  weiten  Kelches  zerstreuten  Trujtpen ,  so 
viele  ihrer  fllr  den  Schutz  der  Gränzen  entbehrlich 
waren,  zusammen.  Unter  Andern  erhielt  nun  auch  der 
zu  Pettau  stationirte  Tribun  die  Ordre,  mit  seinem  Corps 
nach  Gallien  aufzubrechen.  Die  Geschichte  hat  uns  nicht 
in  den  Stand  gesetzt,  alle  Tribunen  zu  kennen,  die  an 
der  Bewältigung  gallischer  Aufstände  betheiligt  waren. 
Nun  der  Name  auf  unserer  Inschrift  getilgt  ist,  wird 
man  um  so  mehr  darauf  verzichten  nüissen ,  die  Persön- 
lichkeit auszumitteln ,  welche  die  Ära  errichtete. 

Die  bisherigen  Erörterungen  ergaben,  dass  durch- 
aus kein  stichhältiger  Grund  vorliege,  die  „factio  galli- 
cana",  von  der  unsere  Inschrift  spricht,  anders  als  im 
Sinne  eines  von  oder  in  Gallien  erhobenen  Aufstandes 
zu  verstehen.  Es  soll  nun  untersucht  werden ,  inwiefern 
die  von  G  r  u  t  e  r,  M  u  c  h  a  r  und  K  n  a  b  1  geltend  gemachte 
Beziehung  des  Denkmals  zur  Geschichte  des  Cäsar 
Gallus  und  speciell  des  Tribunen  Scudilo  mit  den  histo- 
richen Nachrichten  in  Einklang  stehe. 

Es  ist  oben  erzählt  worden,  mit  welcher  Heimlich- 
keit der  Kaiser  seinen  Plan  wider  den  verhassten  Cäsar 
■betrieb  »  und  wie  Scudilo  nur  durch  die  raffinirteste 
Verstellung  den  niisstrauischen  Gallus  in  die  Falle  zu 
locken  vermochte  i".  Wie  wäre  es  aber  mit  diesen  histo- 
rischen Thatsachen  vereinl)ar,  dass  Scudilo,  im  Begriife 
seine  heikle  Mission  gegen  den  Cäsar  anzutreten,  zu 
Pettau  dem  Jupiter  einen  Altar  errichtet  haben  sollte, 
auf  dem  er  aller  Welt  einen  Plan  verrieth  ,  dessen 
Gelingen  in  erster  Linie  von  seiner  Verheimlichung 
abliingl  Dieser  Einwurf  entfiele  allerdings,  wenn  Herrn 
Dr.  Knabl's  Commentar  der  Inschrift  berechtigt  wäre. 
Indem  er  nämlich  unsere  Inschrift  des  Barbarismus,  ja 
des  Mönchslateins  bezichtigt,  behauptet  er,  sie  hätte 
auf  gut  Latein  eigentlich  folgendermassen  lauten  sollen: 

„tribunus  coli.  X.    praet.  factione  Caes.  Galli 

oppressa  aram  posuit".  Allein  wer  kann  eine  Interpre- 
tation gut  heissen,  die  von  dem  an  und  für  sich  klaren 
Wortlaute  so  weit  abweicht?  Nicht  nach  glücklich  vol- 
lendeter Mission,  sondern  im  Begriffe  sie  anzutreten 
(proficiscens  ad  opprimendam  factionem)  hat  der  Tribun 
den  Altar  errichtet. 

Noch  andere,  nicht  minder  gewichtige  Bedenken 
erheben  sich  vom  Standpunkte  der  Geschichte  gegen 
die  Deutung  der  „factio  gallicana"  im  Sinne  einer 
„factio  Galli". 

'  Eiqnc  (imperatori  sc.)  delibcranti  cum  prosimis.  clandpstinis  colloquns 
et  rociiirnis,  qua  vi,  quit.usve  conimcntiis  id  fiorit  .  .  .   Amm.  Lili.  XIV.  C.  II. 
'*  T6  xa-c'  o'JT'iO  aKO'jSaV^svo-'  äyvoiüv  ....  Znsim.  Lib.  II.  C.  55. 


Nach  den  Ubereinstiinmenden  Zeugnissen  des  Am- 
iiiianus  Marcellinus  •'  und  des  Aurelius  Victor  12  legte 
Gallus  bei  seiner  Erhebung  zum  Cäsar,  im  Jahre  ^51 
n.  Chr.,  diesen  seinen  Namen  ab  und  wurde  fortan,  /.ii 
Ehren  seines  kaiserlichen  Vetters  Coristantius  genannt. 
Diese  Nachricht  der  lieiden  Scliriftstelier  findet  ihre 
Bestätigung  in  den  Münzdeiikmälern ,  die  des  Cäsar 
Bildniss  tragen.  Kein  einziges  Stück  ist  bis  auf  den 
heutigen  Tag  bekannt  geworden ,  auf  welchem  der 
Name  Gallus  vorkäme.  Auf  <len  öu  Jliinzensjiecies,  die 
Collen  in  seiner  „Description  hist(iri(|ue  de  medailles 
imperiales"  beschreibt,  erscheint  der  (.'äsar  immer  unter 
dem  Namen  Constantius.  Die  von  Banduri  ])ublicirten 
Stücke,  welche  hierin  eine  Ausnahme  machen,  sind 
schon  von  Eckliel  '=  als  Fälschungen  erkannt. 

Endlich  kann,  so  wie  die  historischen  Nachrichten 
vorliegen,  weder  von  einer  Partei  des  Gallus,  noch  von 
einer  Erhebung  für  Gallus,  also  auch  von  keiner  „Nie- 
derwerfung" derselben  die  Rede  sein.  Zu  einem  Auf- 
stande des  Cäsar,  oder  zu  einer  offenen  Parteinahnie 
für  ihn  ist  es  niemals  gekommen.  Auch  seine  Hiiirieli- 
tung  hatte  keine  Erhebung  zur  Folge.  Es  wird  nur 
berichtet,  dass  viele  Militär-  und  Civilbeamte  aus  Gallus' 
nächster  Umgebung  in  der  Folge  nach  Italien  geschleppt 
lind  ihnen  dort  der  Process  gemacht  wurde,  nicht  etwa 
eines  versuchten  Aufstandes  wegen ,  sondern  weil  sie 
dem  Cäsar  bei  seinem  wilden  Kegimente  im  Orient 
Ilandlangerdienste  geleistet  hatten  »>. 

Also  auch  im  Lichte  der  historischen  Überlieferung 
besehen,  erweist  sich  die  Muchar- Knabl'sche  Inter- 
pretation, welche  unser  Denkmal  mit  der  Geschichte  des 
Cäsar  Gallus  in  Beziehung  setzt,  als  völlig  unhaltbar. 

Untersuchen  wir  nun,  ob  unsere  Inschrift  nach 
Form  und  Inhalt  überhaupt  in  eine  so  späte  Zeit,  in 
die  Mitte  des  IV.  christlichen  Jahrhunderts  versetzt 
werden  dürfe?  —  Was  zunächst  die  Schrift  anlangt, 
so  weist  die  mehr  längHichc  Form  der  Buchstaben  und 
die  flache  Ausmeisselung  derselben  allerdings  auf  die 
Verfallszeit  der  Kunst  hin,  welche  mit  der  Epoche  der 
Antoninen  beginnt.  Allein  über  das  Zeitalter  der  Antoiii- 
nen  nahezu  zwei  Jahrhunderte  hinauszugehen,  verbietet 
die  strenge  Regelmässigkeit  und  Gleichförmigkeit  der 
Schriftzüge,  der  Mangel  jeder  Ligatur,  die  sorgfältig  ein- 
gehaltene Interpunction.  Sieht  man  von  der  ungewöhn- 
lichen Form  ,,praestito"  ab,  so  findet  sich  auch  an  der 
Sprache  der  Inschrift  nichts,  was  mit  Recht  den  von 
Herrn  Dr.  Knabl  erhobenen  Vorwurf  des  Barbarismns 
und  des  Mönchslateins  verdiente.  Was  aber  mit  ungleich 
grösserer  und  zuverlässigerer  Bestimmtheit  die  Ver- 
setzung unseres  Denkmals  in  die  naeh-constantinische 
Zeit  verbietet,  das  ist  der  mit  unbefangenem  Sinne 
geprüfte  Inhalt  der  Inschrift.  Es  ist  eine  bekannte  histo- 
rische Thatsache,  dass  alle  Kaiser,  welche  seit  Constan- 
tin  dem  Grossen  den  Thron  des  römischen  Weltreiches 
bestiegen  ,  den  einzigen  Julian  ausgenommen ,  unter 
welchem  aber  keine  Erhebung  in  Gallien  stattgefun- 
den, sich  zur  christliehen  Religion  bekannten  :  A  Con- 
stantino  autem  onines  semper  christiani  imperatores 
usque  hodiernum   diem  creati  sunt ,    excepto  Juliano  '». 

"  Propinquitatö    enim  rcgiae  stirpis ,    geulilitatcquc  etiamtum  Coustann'i 
aoininifi  .  .  ,  , 

'-  Constantius  Gallo  cujus  nomen  suo  mutavcrat  ....  de  C.-ics.  C.  41. 

"  Doctr.  imm.  vct.  Bd.  Virl. 

"  Amm.  Marc.  L.  XV.   C.  3. 

*''  Exccrpta  auctoris  ignoti.  De  Constautio  Cliloro  etc. 


12 


Nun  aber  lautet  der  Schluss  unserer  Inschrift  dahin,  dass 
der  Tribun  den  Altar  ant'  Befehl  seines  Fürsten  errich- 
tet habe  (jussu  princii)is  sui  arani  istam  posuit).  Welcher 
christliche  Kaiser  dieser  Zeit  hätte  es  wagen  dürfen, 
seine  Religion  verläugncnd  dem  Jupiter  einen  Altar 
zu  weihen !  Jlan  bedenke  nur ,  welchen  Stiinn  der 
Entrüstung  ein  solches  Vergehen  in  der  ganzen  Kirche 
hätte  hervorrufen  müssen.  Wenn  Herr  Dr.  Knabl  die 
Worte:  ,.jussu  priucipis  sui"  nicht  auf  die  Denkmals- 
Errichtuug ,  sondern  auf  die  im  Yoranstehenden  ange- 
deutete Mission  des  Tribunen  bezieht,  wonach  also  der 
fragliche  Otficier  sagen  wollte,  was  sich  im  C4runde 
von  selbst  versteht,  dass  er  auf  Befehl  des  Kaisers  die 
Reise  angetreten  ,  so  muthet  er  unserer  Inschrift  eine 
"\^"ortfolge  zu,  die  eine  Versündigung  am  Geiste  der 
lateinischen  Sprache  wäre.  Es  ist  übrigens  bekannt,  dass 
in  Fällen,  wo  Votivgegenstäude  nicht  im  eigenen  Namen, 
sondern  auf  Befehl  eines  Zweiten  errichtet  werden,  der 
Stifter  derselben  durch  Vorsetzung  der  Formeln  „ex 
auctoritate^'  oder  „ex  jussu''  vor  seinen  Namen  zur 
Kenntniss  gebracht  wird,  ähnlich  wie  sonst  bei  Inschrif- 
ten dieser  Art  die  göttliche  Veranlassung  zur  Widmung 
durch  die  Formeln:  ex  visu  <«,  ex  proscripto,  jussu  >', 
ex  imperio"  u.  dgl.  zum  Ausdrucke  gelangt. 

Endlich  muss  es  Wunder  nehmen,  dass  Gelehrte  wie 
Gfuterund  Muchar  ein  Denkmal,  dessen  Errichter 
sich  einen  Tribunen  der  zehnten  prätorischen  Cohorte 
nennt,  seiner  Entstehung  nach  in  die  Zeit  des  Constan- 
tins  Gallus  versetzen  konnten.  Auch  Herr  Dr.  Knabl 
erinnert  sich  erst  in  den  Nachträgen  zu  seinen  Inschrif- 
ten-Publicationen  (9.  Heft  der  Mittheil,  des  bist.  Ver.), 
dass  die  Prätorianer  bereits  im  Jahre  312  n.  Chr.  von 
C'onstantin  dem  Grossen  aufgehoben  worden.  Da  es 
ihm  aber  fast  zum  Dogma  geworden  ist,  der  Inschrift- 
stein könne  unmöglich  „auf  irgend  eine  andere  Bege- 
benheit als  auf  die  Entsetzung  des  Cäsars  Gallus 
bezogen  werden",  so  müht  er'  sich  ab,  auch  diesen 
Einwurf  eines  nackten  historischen  Factums  zu  ent- 
kräften. Von  den  alten  Prätorianern ,  welclie  Constantin 
in  die  Legionen  und  in  die  Palasttruppen  verthcilte, 
könnte  —  wie  Herr  Dr.  Knabl  meint  —  „ein  oder  der 
andere  Veteran  von  jener  Zeit  her  sich  nocii  von  seiner 
Tohorte  zu   schreiben  gewohnt  gewesen  sein."   Denn 


im  Grunde  genommen  seien  die  Palatini  der  consfan- 
tinischen  und  nach-constantinischen  Zeit  von  den  Prä- 
torianern nur  dem  Namen  nach  verschieden  gewesen. 
—  Auch  diese  Hypothese  ruht  auf  sehwachen  Füssen. 
Die  historischen  Nachrichten  erlauben  es  nicht,  die 
Palatini  der  späteren  Kaiserzeit  als  mit  den  Präto- 
rianern identisch  anzusehen.  Sie  kamen  diesen  weder 
an  Privilegien  nocli  an  angemasster  Gewalt  gleich. 
Indem  C'onstantin  im  Jahre  ;)12  n.  Chr.  dieses  zügellose 
Corps,  das  wiederholt  nach  seinem  Gutdünken  Kaiser 
ein-  und  abgesezt  hatte,  auflöste  und  grösstentheils 
niedermetzelte ,  war  es  ihm  oftenbar  nicht  um  eine 
blosse  Namensänderung  zu  thun.  Zwischen  diesem 
Factum  und  dem  tragischen  Ausgange  des  Gallus  liegt 
übrigens  der  lange  Zeitraum  von  42  Jahren!  Bei  dem 
Hasse  und  dem  Abscheu,  der  sich  an  den  Namen  der 
Prätorianer  knüi)fte,  hätte  auch  kaum  je  iiand  es  für 
angezeigt  gehalten,  sich  auf  einem  öffentlichen  Denk- 
male als  ehemaligen  Angehörigen  dieser  Truppe  zu 
bezeichnen.  Überdies  ist  es  ein  noch  im  Dienste  ste- 
hender Tribun,  von  dem  unsere  Inschrift  spricht.  Man 
erwäge  nur,  um  sich  die  Sache  zu  vergegenwärtigen, 
ob  es  wohl  wahrscheinlich  ist,  dass  lieutzutage  ein 
activer  Officier  der  k.  k.  österreichischen  Armee,  der 
auf  einem  Denkmale  seinen  Rang  augeben  will,  auf 
eine  Charge  zurückgriffe,  die  er  in  einem  seit  42  Jahren 
nicht  mein-  bestehenden  Corps  bekleidet  hatte ,  — 
vollends  wenn  dieses  Corps  wegen  wiederholter  Meu- 
terei und  Zuchtlosigkeit  mit  Schimpf  und  Schande  auf- 
gelöst werden  musste! 

Was  sonst  noch  von  Herrn  Dr.  Knabl  vorgebracht 
wird  ,  gehört  nicht  zur  Sache.  Dass  es  auch  im  IV. 
Jahrhunderte  Tribunen  und  Cohorten  gab,  wird  nie- 
mand in  AlM'cde  stellen  wollen.  Den  Beweis  aber ,  dass 
auch  in  nach-constantiniseher  Zeit  cohortes  praetoriae 
bestanden,  ist  er  schuldig  geblieben,  musste  er  schuldig 
bleiben.  Was  übrigens  Scudilo  anlangt,  dem  Muchar 
und  Knabl  unseren  Votiv-Altar  vindiciren,  so  sind  wir 
durch  Ammianus  iMareellinus  in  den  Stand  gesetzt, 
seineu  militärischen  Rang  genau  zu  kennen.  Er  war 
begreiflicher  AVeise  nicht  'i'rihun  einer  prätorischen 
Cohorte,  sondern  „scutariorum  tribunus"  ",  oder  „scu- 
tariorum  rector"  <». 


Ein  veriressenes  Grab  zu  Strassburs»-  in  Elsass. 


Vom  Dr.  A.  Luschin. 


Hat  man  iu  der  schönen  romaniscluii  Tlidmaskirchc 
zu  Strassburg  Pigalle's  Arbeit  —  das  Dcid^mal  des 
Marschalls  von  Sachsen,  welches  den  Chdr-Alischluss 
des  iiauiitschirtes  einnimmt,  bewundert,  und  folgt  mau 
dem  erklärenden  Küster  auf  seiner  gewöhnlichen  liiinde, 
so  gelangt  man  rechter  Hand  in  ilit;  Abseite  des  öst- 
lichen Seitenschiffes.  Hier  fällt  ein  aufrecht  eingemauer- 
ter Grabstein  von  etwa  1 1/,  Fuss  Breite  und  4i,,  Fuss 
Höhe  vielen  der  Vorübergehenden  in  die  Augen.  Der 
gewisscnlinfte  Cicerone  dieser  Sehenswürdigkeiten, 
welchem  freilich  auch  Scliöjiflin  und  einige  andere 
Elsässer,  deren  P.üsten  an  gleichem  Orte  aufgestellt 
sind,   „französische"    Gelehrte  waren,   bezeichnet  den 


fragliclien  Deid.stein  den  Neugierigen  regelmässig  als 
das  Grabmal  jenes  Strassburgcr  P)isch(ifs,  von  welchem 
dieser  Theil  der  Kirche  erbaut  worden  sei.  Es  lässt 
indessen  schon  ein  flüchtiger  Blick  erkennen,  dass  das 
P.assinct  eines  Kriegers,  flir  <lie  IMitra  eines  Kirchen- 
fürsten angesehen  die  Veranlassung  zu  einem  beständig 
abgeleierten  irrlhmiie  abgibt.  Meine  TlieilnalMiie  wuchs, 
als  mich  die  Inschrilt  belehrte,  dass  ich  vor  dem  Steine 
eines  im  XIV.  Jahrhunderte  verstorbenen  österreichi- 
schen IJitters  stünde.  Leider  gebrach  es  an  Gelegen- 
heit zu  einer  förniliclien  Ziiehnung,  ich  musste  nnch 
auf  eine  rascli  geniaclit(t  Ski/./.e  und  eine  möglichst 
genaue  Coiiie  der  Umschrilt  beschränken. 


'«  Ji)l)'.rnn(tK- Alirnfcl«  Nr.   CCII 
"  Orelli  1415,  m;6. 


I«  Ainm.   Marc.   I,.    .MV.   C.   11 

1»  iMii.  e.  10. 


13    — 


Dieser  zufolge  erscheint  in  einer  gothischen  Nische 
der  Rittersmann ,  die  S])itze  KesscUiaube  auf  dem 
Kopfe,  einen  ruhenden  Hund  unter  den  Füssen,  in 
aufrechter  Gestalt  von  etwa  2/3  '^^^  Lebensgrösse. 
Bekleidet  ist  er  mit  einem  flatternden  Mantel,  die  rechte 
Hand  ist  ruhig  gegen  den  Boden  gekehrt,  die  verstüm- 
melte Linke  gegen  die  Hüften  gestemmt,  wird  sich 
wohl  auf  ein  Schild  gestützt  haben,  welcher  in  ein 
eckiges  Loch  von  etwa  2  Zoll  ins  Gevierte,  das  sich  am 
Leibe  des  Ritters  findet,  mit  einem  Zapfen  eingepasst 
gewesen  sein  dürfte.  Gegenwärtig  ist  übrigens  weder 
von  einem  Schwerte  noch  von  einem  Schilde  irgend 
ein  Stück  vorhanden  und  man  ist  darum,  will  man 
Über  die  Person  des  Verstorbenen  ins  Reine  kommen, 
einzig  auf  die  Umschrift  angewiesen.  Mit  der  schmalen 
Seite  oben  beginnend,  füllt  dieselbe  drei  Ränder  des 
Steines  vollständig,  den  letzten  aber  nur  zu  etwa  drei 
Viertheilen,  und  lautet:  4-  ARRO  .  DRI  m  .  ttaff—  .LVI . 
IUI .  ID\'S  .  7vVG\STI .  0  .  DRS  .  lOhÄRRffS  .  DttS  —  , 
TAIMR .  flfilLES . DQ:  — . A\STRI7T . ORATE . PRO . SO. 


Die  weitere  Frage,  wer  dieser  am  10.  August  1356 
verstorbene  Ritter  aus  Österreich,  Namens  Johannes 
Taler  gewesen  sei,  lässt  sich  glücklicherweise  mit  ziem- 
licher Wahrscheinlichkeit  beantworten.  Der  Name  der 
Taler  begegnet  in  österreichischen  Urkunden  zienüich 
selten  *.  Desto  wichtiger  ist  uns  ein  Verkaufsbrief  von 
13.^7,  in  welchem  der  Wiener  Bürger  Jans  der  Greyife 
das  Dorf  Gablitz  dem  Herzoge  Otto  von  Österreich 
verkauft,  weil  er  u.  a.  auch  von  Jansen  dem  Taler, 
den  Hofmarschall  des  gedachten  Herzogs,  besiegelt 
wird  -.  Sowohl  die  Gleichheit  des  Vor-  und  Zunamens, 
als  der  Zwischenraum  von  nicht  einmal  zwanzig  Jahren 
machen  es  gar  wahrscheinlich,  dass  beide  Daten  die 
gleiche  Person  betreffen.  Ritter  Hans  der  Taler  mag  in 
vorgerückteren  Jaiiren  eine  hervon-agendere  Rolle  bei 
der  Verwaltung  der  wichtigen  habsburgischen  Vorlande 
gespielt  haben  und  bei  einem  Aufenthalte  in  der  .Stadt 
Strassburg ,  der  sich  durch  seine  Stellung  sehr  gut 
erklären  lässt ,  am  10.  August  1356  vom  Tode  über- 
rascht worden  sein. 


Die  Kunst  des  Mittelalters  in  Böhmen  und  Mähren. 


Von  Bernhard  Grueber. 

(Mit  33  Holzschnitten.) 


Die  Denkmale  von  Iglau. 

Die  übrigen ,  der  östlichen  Gruppe  angehörenden 
Denkmale  werden  in  jener  Ordnung  angeführt,  welche 
das  höhere  oder  geringere  Alter  vorzeichnet:  Alle 
zeigen  sich  einigermassen  beeinflusst  von  den  beschrie- 
benen vier  Bauwerken. 

Die  Stadt  Iglau  nimmt  neben  Brunn  und  OlmUtz 
unter  den  Städten  Mährens  einen  der  ersten  Plätze  ein 
und  verdankt  ihre  Entstehung  oder  Ausbreitung  dem 
Bergbau,  welcher  im  zweiten  Viertel  des  XIII.  Jahr- 
hundert grossen  Aufschwung  nahm  und  viele  An- 
siedler herbeizog.  Im  Jahre  12:^7  besass  Iglau  einen 
eigenen  Bergmeister  und  ein  Berggericht,  dessen 
Satzungen  von  König  Pfemjsl  Otakar  zusammen- 
gestellt sein  sollten.  Graf  Caspar  Sternberg,  der 
Geschichtschreiber  des  böhmischen  Bergbaues,  und 
E.  Rössler  in  seinen  Reclitsdenkmälern  sprechen  sich 
einstimmig  dahin  aus,  dass  man  in  Österreich  und 
Deutschland  keine  älteren  Berggesetze  findet  als  die 
Iglauer. 

Die  Erhebung  zur  Stadt  scheint  unter  Otakar  I. 
geschehen  zu  sein;  eine  bestimmte  Urkunde  liegt 
hierüber  niclit  vor.  Von  nun  an  war  das  Wachstiium 
der  Gemeinde  ein  ausserordentlich  schnelles,  wie  sich 
aus  dem  Umstände  ergibt,  dass  neben  verschiedenen 
Filialkirchcn  niul  Capellen  gleichzeitig  um  1240  zwei 
Stiftskirchen  und  die  grosse  Stadtpfarrkirche  erbaut 
wurden.  Die  Dominicaner  und  Minoriten  sollen  nach 
unverbürgten  Nachrichten  bereits  1227  sich  in  Iglau 
niedergelassen  haben.  Ansässig  waren  beide  Orden 
in  Iglau  urkundlich  im  Jahr  1243. 


Die  dem  heil.  Jakob  gewidmete  Pfarrkirche 
gehörte  ursprünglich  den  Deutschen  Rittern,  ging  dann 
an  das  Selauer  Stift  über,  wurde  1233  erweitert,  um 
1250  umgebaut  und  1257  durch  den  Olmützer  Bischof 


Bruno  feierlich  eingeweiht.  Von  verschiedenen  der 
Spät-Gothik  und  dem  Renaissance-Sfyl  angehörenden, 
jedoch  nebensächlichen  Zuthaten  abgesehen ,  hat  die 
Kirche  ihre  ursprüngliche  Form  gewahrt.  An  der  Ahend- 
seite  erheben  sich  zwei  quadratische  Thürme,  zwischen 
denen  ein  mit  einem  Halbkreise  überspanntes  Haupt- 
Portal  in  die  niedrige  Vorhalle  führt.  Wie  schon  wieder- 
holt bemerkt  worden  ist ,  dürfen  im  Verlaufe  dieser 
Periode  die  aus  dem  Halbkreise  construirten  Bogen  im 


^ 


Fig-.  1.  ilghiii.) 

'  1311  werden  beispielsweise  in  einer  Seitrnstettner  Urkunde  die  Nach- 
kommen eines  begüterten  Heinrich  Taler  erwähnt.  Font.  rer.  austr.  II.  Bd.  33. 
S.  147.  Jans  der  Taler,  Herzog  Otto's  Hofmarschall,  in  einer  Urkunde  des 
Staatsarcliivs  ddo.  133S.  22.  Juli,  Wien,  gedruckt  a.  a.  O.  Bd.  85,  S.  254, 
Nr.  66ß. 

•  S.  Zahn,  Urkunden  ühffr  die  bischöflich  Frei,^insen'schen  Besitzungen 
in  (isterreieh.  II.  253. 


14     — 


Fig.  2.  ilglaii.) 

Vergleich  mit  den  Spitzbogen  niciit  als  Zeielien  hohem 
Alters  angesehen  werden.  Beide  Formen  wurden  von 
den  damaligen  Baumeistern  in  beliebiger  Anordnung 
gebraucht. 

.\linliclie,  jedoch  kleinere  Portale  fuhren  von  der 
Süd-  inid  Nordseitc  bor  in  die  Nebenschitfe ;  sie  sind 
mit  angeblendeten  Säulen  und  einfach  zierlichen  Kelch- 
capitälen  ausgestattet  ,  haben  an  den  Sänlenfilssen 
Eckl)lättcr,  sonst  aber  keine  Ornanientirnng. 

Die  S.  Jiikobs-Kirche  ist  ein  llaljcnbau  von 
schweren  \'crhältnissen ,'  dessen  Mittelschiff  nur  um 
ein  Weniges  über  die  Kebenschiffe  ansteigt.  Vier 
achteckige  Pfeiler,  zwei  auf  Jeder  Seite ,  und  zwei 
krcnzföniiii:c  Tlinrm]ifeiler  tlicilen  das  Haus  ein  ,  das 
l'rcsbytcriniii  springt  iilier  dasscllte  mit  zwei  Traveen 
vor  und  ist  ans  dem  A(  liteck  geschlossen,    die  Neben- 


Fig.  4.  (Iglau.) 


l'ig.  5.  (Iglau.j 


schiffe  aber  zeigen  rechteckige  AbschlUssc.  Eine  an 
der  SUdostseite  angebaute  Sacristei  und  mehrere  aus 
dem  nördlichen  Seitenschiffe  vortretende  Capellen 
gehören  theils  dem  Schlüsse  des  XV.,  theils  dem  XVII. 
Jahrhundert  an.  Die  Gewölberijjpen  entwickeln  sich  im 
Chore  aus  Wandsäulen,  in  den  Schiffen  aus  C'onsolen. 
Die  noch  erhaltenen  alterthUndichcn  Fenster  zeigen 
jene  einfachen ,  durch  zwei  Bogen  und  einen  Kreis 
beschriebenen  Masswerke  und  sind  je  durch  einen 
Mittelstab  in  zwei  Felder  getheilt. 

Der  Bau  hält  folgende  Masse  ein: 

Gesammtlänge  im  Licht 140  Fuss 

Gesammtbreite  im  Licht 72     „ 

Breite  des  Mittelschiffes  von  Achse  zu  Achse  3ij     „ 

Spannweite  eines  Joches  von  Achse  zu  Achse  18     „ 

Scheitelhöhe  der  Wölbungen 48     „ 

Pfeilerstiüke 4</\„ 


1 1 1 1 


Fig.  3.  (Igliin.) 


Fig.  (>.  (Iglau.) 


15 


Das  Ban-Materiale  ist  sehr  hartes  und  festes  Gneiss- 
gestein, aus  welchem  alle  Bauten  zu  Iglau  bestehen;  zu 
den  Steinmetzarbeiten  bediente  man  sich  eines  in  der 
Nähe  brechenden,  ziemlich  gleichförmigen  Granites. 

Am  vordersten  Pfeiler  rechts  steht  eine  spät-go- 
thische  Kanzel,  zu  welcher  eine  viel  ältere,  aus  Granit 
gemeisselte  Treppe  führt.  Diese  Treppe,  von  welcher 
eine  Abbildung  beigefügt  ist,  hat  die  Gestalt  einer 
Ambone  und  scheint  ursprünglich  als  solche  gedient 
zu  haben.  Ausserdem  besitzt  die  Jakobs-Kirche  ein 
vorzüglich  schönes,  aus  vergoldeten  Kupferplatten  be- 
stehendes Taufbecken  im  blühendsten  Styl  des  Benve- 
nuto  Cellini,  ein  Meisterwerk,  an  welchem  in  getrie- 
bener Arbeit  folgende  Darstellungen  angebracht  sind : 
Sündenfall,  Verkündigung,  Christi  Geburt,  Anbetung 
der  Weisen,  Taufe  Christi,  Kreuzigung,  Auferstehung 
und  Himmelfiihrt.  Der  eben  so  schön  gearbeitete  Fuss 
wird  durch  Arabesken,  in  denen  Meerweibchen  einge- 
flochten sind,  gebildet. 

Die  Iglauer  Pfarrkirche  gehört  zu  den  ältesten 
Hallenbauten,  welche  in  Böhmen  und  Mähren  aufge- 
führt worden  sind;  auch  scheint  diese  Form  hier 
Beifall  gefunden  zu  haben,  da  sie  zum  andernmal  in 
der  Dominicaner-Kirche  eingehalten  wurde. 

Fig.  1  Grundriss,  Fig.  2  Seiten-Portal,  mit  Grund- 
riss,  Fig.  3  Chor-Fenster,  Fig.  4  und  5  Detailirungen, 
Fig.  G  Aufgang  zur  Kanzel. 

Das  auf  einem  Felsenvorsprung  sehr  malerisch 
gelegene  Dominicaner-Kloster  wurde  im  J.  1784 
aufgehoben  und  in  eine  Caserne  verwandelt;  die 
Stiftkirche  zum  heiligen  Kreuz,  welche  kurz  vor  der 
Aufhebung  arg  verzopft  worden  war,  diente  späterhin 
als  Magazin  und  erfuhr  im  Innern  eine  vollständige 
Umgestaltung.  An  den  Umfassungswänden  der  Süd- 
und  Westseite  haben  sich  die  Strebepfeiler  erhalten, 
wodurch  wir  in  den  Stand  gesetzt  sind,  die  Grösse 
und  Eintheilung  der  Kirche  ermitteln  zu  können. 

Das  Gebäude  besass  keinen  Thurm  und  drei 
gleich  hohe  schlanke  Schiffe,  war  also  ein  Hallenbau 
wie  die  Pfarrkirche,  doch  bedeutend  kleiner.  Das 
beinahe  quadratische  Kirchenhaus  war  im  Licht  64 
Fuss  breit  und  G8  Fuss  lang,  an  dieses  lehnte  sich  ein 
aus  drei  Gewölbeabtheilungen  bestehender,  aus  dem 
Achteck  geschlossener  Chor  an,  welcher  mit  dem 
Schilfe  die  gleiche  Länge  einhielt.   Vier  im   Quadrat 


aufgestellte  Pfeiler  (zwei 
auf  jeder  Seite)  theilten 
die  Schiffe  ein,  das  Mit- 
telschiff war  von  Achse 
zu  Achse  32  Fuss,  jedes 
der  Nebenschiffe  Iti  Fuss 
breit;  die  Nebenscliiffe 
setzten  sich  entlang  dem 
Presbyterium  nicht  fort. 
Die  Schiffe  stiegen  bis  zu 
einer  Höhe  von  50  bis 
54  Fuss  an,  das  Presby- 
terium jedoch  war  um  1(1 
bis  12  Fuss  niedriger. 
Wenn  diese  Masse  nur 
ein  bescheidenes  Denk- 
mal ankündigen,  gewinnt 
dieses  doch  hohe  Bedeu- 
tung durch  das  an  der 
Westseite  befindliche,  bei- 
nahe vollständig  erlial- 
tene  Haupt-Portal. 

Dieses  tritt  nach  ita- 
lienischer Weise,  wie  wir 
bereits  in  Tischnowitz  gesehen  haben,  durch  eine 
Mauerverstärkung  über  die  Fläche  der  Westwand  vor 
und  wird  mit  einem  l)esoudcrn  Giebel  bekrönt. 
Zwischen  vier  geschmackvoll  profilirten  Vorsprüngen, 
welche  die  Leibung  bilden,  stehen  drei  ö»/,  Zoll 
stiirke  angeblendete  Säulen  mit  vorzüglich  schön 
bearbeiteten  Capitälen  und  Säulcnfüssen.  Das  Portal 
ist  mit  Spitzbogen  überdeckt,  19  Fuss  breit,  21  Fuss 
hoch,  und  macht,  obwohl  aller  Schmuck  nur  aus  den 
Capitälen ,  den  Säulenfüssen  und  der  sorgfältig  ausge- 
führten Gesimsung  besteht,  einen  selir  wohlthuenden 
Eindruck.  Die  Detailirungen  Fig.  7,  8,  9  erklären 
den  Charakter  dieses  Bautheiles. 


Fig.  8.  (Iglau.) 


Das  M  i  n  0  r  i  t  e  n-S  t  i  f  t  mit  der  Marienkirche  gehört 
heute  noch  dem  Orden  an  und  hat  sich  die  Kirche  in 


Fig.  7.  (Iglau.) 


Fig.  9.  (Iglau.) 


16 


Fig.  11.  (Iglau.) 

ihrer  UrspiUnglichkeit  grö-sstentheils  erhalten.  Auch  vom 
Kreuzgange  und  dem  Convent-Gebäude  bestellen  viele 
Reste,  so  dass  wir  hier  Entschädigung  finden  für  den 
Verlust  der  Dominicaner-Kirche.  Dagegen  fehlt  derMino- 
riten-Kirche  ein  Portalbau,  weil  im  vorigen  Jahrhundert 
ein  Anbau  an  die  Westseite  gefügt  und  bei  dieser  Gele- 
genheit die  alte  Fronte  abgetragen  wurde. 

Der  Grundriss  ist  kreuzförmig,  doch  treten  die 
Kreuzarme  nur  um  3  Fuss  an  jeder  Seite  vor.  Die 
allgemeinen  Verhältnisse  sind  etwas  schwer,  Mauern 
und  l'ieiler  erscheinen  in  Anbetracht  der  beengten 
liäumlicbkeit  zu  massenhaft.  Mittelschitf  und  Querhaus 
halten  gleiche  Höhe  ein,  die  Seitenschiffe  sind  um  die 
Hälfte  niedriger.  Ai\{  jeder  Seite  des  Schilfes  stehen 
zwei  quadratische,  und  an  der  Vierung  ein  verstärkter 
kreuzförmiger  Pfeiler;  jenseits  der  Vierung  (des  Quer- 
hauses) schliesst  sich  das  lange  Prcsbyterium  mit  dem 
normalmässig    aus  dem  Achteck  beschriebenen    Chor 


an.  Ausnahmsweise  liegt  hier  der 
Kreuzgang  neben  dem  Presbyterium. 
Aus  dem  südlichen  Kreuzarm  gelangt 
man  iu  eine  geräumige  Capelle  und 
von  hier  aus  in  den  Kreuzgang,  die 
Nordseite  des  Kirchcnscliiftes  blieb  frei, 
während  im  Osten  und  Süden  verschie- 
dene Baulichkeiten  angereiht  sind. 

Einen  besondern  kunstgeschicht- 
liclien  AVertli  erhält  die  Kirche  theils 
durch  das  Querschiff  und  die  um  oFuss 
über  das  Mittelgewölbe  erhöhte  Vie- 
rungskuppel, theils  durch  die  schönen 
Capitäle ,  aus  denen  die  Gurte  und 
Rippen  entspringen.  Ferner  besitzt  die 
Marienkirche  einen  achtseitigen  Kup- 
pelthurm  über  der  Vierung,  welcher 
aber  nicht  auf  den  Hauptgurten  ruht, 
auch  niclit  über  der  Mitte  steht.  Dieser 
Thurm  wird  von  drei  Seiten  her  durch 
Stelzen  getragen,  d.  i.  durch  schief 
ansteigende  Pfeiler,  welche  nach  Art 
der    Schornsteine     herübergeschweift 

sind.  Der  Thurm  hält  im  geraden  Durchmesser  15  Fuss, 

die  Vierung  aber  23  Fuss  im  Lichten  ein. 

Die  übrigen  Masse  sind  wie  folgt : 
Gesammtlänge  im  Licht 15G  Fuss 


Gcsammtbreite  des  Schifl'es 


60 


Länge  des  Querhauses GU 


Länge  des  Chores 


H^;=-j— l-H  ->.. 


Fig.  10.  (Iglau.) 


Höhe  des  Mittelschiffes       3;^     „ 

Höhe  der  Seitenscliifte IG     „ 

Höhe  der  Vierung      36     „ 

Pfeilerstärke 4</\,„ 

Das  bei  aller  Einfachheit  und  trotz  der  geringen 
Höhenvcrliältnisse  mächtig  imponirende  Kirchenhaus 
wird  durch  folgende  Zeichnungen  erklärt: 

Fig.  10  Grundriss  der  Kirclie  und  des  Kreuzgangs, 
Fig.  11  Längendurclisclinitt,  Fig.  12  äussere  Ansicht, 
Fig.  13,  14,  15  Capitäle. 

Die  Denkmale  von  Iglau  zeichnen 
sich  dnrcli  besondere  Einfachheit  aus, 
welche  zum  'riioilc  daher  rühren  mag, 
dass  nicht  allein  die  geschilderten  drei 
Kirchen ,  sondern  auch  das  Kathhaus 
und  mehrere  öffentliche  Gebäude  zu 
gleicher  Zeit  ausgeführt  wurden.  Es 
dürfte  mithin  an  Arlicifskräffcn  ,  na- 
mentlich geschickten  Steinmetzen,  um 
so  mehr  gefehlt  haben,  als  das  nahe 
Kloster  Solan ,  welcheni  die  Pfarr- 
kirche in  Iglau  nach  dem  Abzüge  der 
deutschen  Kitter  zugeliörtc,  in  dersel- 
ben Zeit  seine  Stiltskirche  Aon  (Jrnnd 
aus  erneuerte.  Man  trifft  deshalb  in 
der  Umgegend ,  namentlich  in  Fraucn- 
thal,  Selau,  Iliinipolec,  Pilgram  diesel- 
ben vereinfachten  Formen  wieder. 

'I.ltertlur.  Ohr  d'GlTort,  Geichlchle  der  künigl. 
Krol«-  und  «crgiiladt  Iglau.  Briiiin  18ftO.  —  Millaucr,  der 
doulsrlic  Ulllcrirrdon  In  Hiihmcn.  l'rag  1830.  —  Slcrnberg, 
Graf  von,  <;c8c-hirhtc  der  tji'hiiii«rhen  UerKwerke.  I'rag,  1886. 
—  \V  o  1  n  y,  klrrhllcho  Topo((rnphio  von  Mähren.  —  S  c  li  w  o  y, 
Topographie.  Ferner  die  bekannten  cft  ange/fihrten  Qucllen- 
werkc. 


—     17 


Die  Prämonstratenser-Stiftskirche  Selau. 

(^eliv) 


Das  Stift  Sclau  (Zeliv)  wurde  U'P,9  durch 
Herzog  Sobeslav  I.  g-Ci^Tiüidet  iiud  ]\[öiiclicii  des 
IJcncdietiiier-Ordens  übergcbeu.  Die  Ordnung  seiieint 
frühzeitig  gelockert  worden  zu  sein,  weshall)  Sclau 
wie  Strahov  und  Leitomyschl  durcli  den  thatkräftigen 
und  glauhenseifrigen  Herzog  Vladislav  H.  in  Prä- 
nionstratenserkiöster  umgewandelt  wurden.  Abt  Gott- 
schalk (Godescalcus),  aus  Steinfeld  bei  Köln,  führte 
im  Jahr  114.S  die  erste  Colouie  der  Prämonstateuser 
hier  ein,  nachdem  Strahov  und  Leitomyschl  schon 


D 


früher  besetzt  worden  waren 

Ordcnsleute   hatten 

zustehen,  weil  die  vertriebenen 


le 


neu  enigezogenen 
aus- 
Benedietiner  sieh  in 


anfänglich  viel  Ungemach 


den  Besitz  aller  Klostergüter  gesetzt  hatten  und  ihren 
Nachfolgern  auch  sonst  das  Leben  zu  verbittern 
suchten.  Indessen  wussteu  die  Prämonstrateuser 
durch  Keligiosität  wie  geordnete  Häuslichkeit  die 
obwaltenden  Schwierigkeiten  zu  überwinden  und  das 
Stift  gelangte  um  den  Beginn  des  XHL  Jaiirhuu- 
derts  zu  hohem  Ansehen  und  bedeutender  Wohlha- 
beniieit.  Unter  dem  Abte  Hermann  erwarb  das  Klo- 
ster Selau  1233  die  den  Deutsciien  Kittern  zu  Iglau 
gehörenden  ausgedehnten  Besitzungen  bei  Humpo- 
lec,  welche  meist  aus  Wäldern  und  wüsten  Land- 
strichen bestehend  allmälig  durch  die  fleissigen 
Klosterbrüder  und  die  durch  den  Abt  Ambrosius 
um  1250  eingeführten  deutschen  Bauern  cultivirt 
wurden. 

In  diese  Zeit  (1230—1250)  fällt  auch  die  Erbauung 
der  bestehenden  Klosterkirche,  welche  aber  mit  Aus- 
nahme der  Chorpartic  bedeutend  überändert  worden 
ist.  Von  den  Hussiten  im  Jahre  1423  niedergebrannt, 
scheint  die  Kirche  längere  Zeit  öde  gestanden  zu  haben. 


Fig-.  12.   (Iglau.) 

während  die  Klostergüter  verpfändet  oder  veräus.sert 
wurden.  Erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVI.  Jahrhun- 
derts wurde  die  Kirche  nothdürftig  restaurirt  und 
dem  Orden  zurückgegeben,  doch  erfreute  sich  das 
Stift  noch  lange  keiner  Ruhe,  bis  es  dem  Abte  Caspar 
von  Questenberg  lö22  gelang,  die  unrechtmässig 
entrissenen  Klostergüter  wieder  zurückzubringen. 
Zwischen  1710  bis  1720  wurde  das  Schilf  der  Selauer- 
kirche  durch  den  italienischen  Stuccatur-  und  Baumeister 
Giovanni  Santini  in  einer  seltsamen  Mischung  von 
Zopf  und  Gothik  verballhornisirt. 

Die  Gesammtanlage  ist  jedoch  trotz  aller  Umän- 
derungen nicht  wesentlich  gestört  worden,  wenn  sich 
auch  kaum  mit  voller  Sicherheit  bestimmen  lässt,  ob 
die  Kirche  basiliken-  oder  hallenförmig  war.  Zwei 
quadratische,  von  Grund  auf  mit  Stuccaturen  und 
barocken  Schnörkcleien  überkleidete  Thürme  stehen  an 
der  Westfronte,  sie  ruhen  rings  auf  festen  Mauern  und 
gehören  in  ihrer  gegenwärtigen  Form  ganz  dem  Bau 
Santini's  an;  der  ursprüngliche  Bestand  jedoch  darf 
nach    den    beschriebenen    Anlagen    von    Mühlhausen 


Fig.  13.  (IgUn. 


Fig.  U.  (Iglau. 


XVIII. 


18 


Fi^.  15.    (Iglau.) 

lind  Tepl  nicht  bezweifelt  werden.  Das  zwisolicn  den 
Tiiümien  und  dem  Prcsbytcriiim  liegende  Kirclieiiliiius 
ist  dreiscliift'ig,  mit  drei  quadratischen  Pfeilern  auf  jeder 
Seite.  Die  Pfeiler  sind  durch  Dienste  verstärkt,  welche 
bald  als  Halbsäulen,  bald  als  eckige  Pilaster  vortreten. 
Ob  die  gegenwärtige  Hallcnform  der  Kirche  die 
ursprüngliche  sei  oder  einer  Neuerung  angehöre,  Hesse 
sich  nur  durch  eine  theihveise  Abtragung  feststellen ;  die 
äussere  (Jcstalt  des  Hauses  spricht  eher  liir  eine 
basilicale  Anlage.  Das  lange,  aus  vier  Gewölbeab- 
theilungen und  dem  aus  fünf  Seiten  des  Achtecks 
construirten  hohen  Chor  bestehende  Presbyterium  ist 
von  aikm  entstellenden  Zuthaten  verschont  geblieben. 
Die  Anordnung  zeigt  neben  denkbarster  Eiutachheit 
schon  eine  conscquentere  Durchbildung  der  Gothik; 
alte  Linien  werden  aufstrebender,  als  wir  bisher 
gesellen,  der  24  Fuss  breite  Kaum  steigt  zur  Höhe  von 
54  Fuss  an.  die  schlanken  Fenster,  deren  Masswerke 
leider  aldianden  gekommen  sind,  reichen  bis  unter 
die  Gewölbe  und  sind  durch  reich  i)rotiIirtc  Gewände 
eingefasst.  Auf  den  Wandsäulen  stehen  kelchförmige, 
aus  Zehneckvorsetzungcn  gebildete  C'a|)itäle ,  welche 
zwar  durch  keinerlei  Pfiaiizen-Oniameiite  geschmückt 
sind,  aber  eine  trellliche  Wirkung  machen. 


Die  Seitenschiffe  sind 
1423  zerstört  nnd  nur  zum 
Theil  wieder  aufgebaut  wor- 
den; sie  schliessen  an  das 
vorderste  Trsivee  an ,  sind 
durch  j\Iauern  vom  Kir- 
chenhause geschieden  und 
dienen  als  Sacristcieu.  Das 
ganze  Gebäude  ist  durch 
ein  Kechteck  umschrieben, 
über  welches  nur  der  hohe 
Chor  vorspringt.  Es  scheint 
als  ob  hier  wie  in  Trebitsch 
die  Grundmauern  der  frühem 
um  1 140  erbauten  romani- 
schen Kirche  beibehalten 
worden  seien,  doch  tritt  auch 
nicht  der  mindeste  Rest  des 
alten  Baues  zu  Tage.    Der 

Kreuzgang  ist  nach  der  Zerstörung  von  1423  nicht 
wieder  in  Stand  gesetzt  worden:  derselbe  war  an  die 
Nordseite  des  Kirchenschiffes  angebaut  und  nicht  künst- 
lerisch durchgebildet. 

Bei  den  nachstehenden  Massangaben  sind  die 
Thürme  als  besondere  lür  sich  bestehende  Theile 
angeführt  worden : 

Das  Thurmquadrat  an  der  Aussenseite  ...  24  Fuss 
lichte  (icsanuntlänge  vom  Chorschluss  bis  an 

den  Thurmbau      15G     „ 

lichte  Länge  des  Schiifes !'2     „ 


Fig.  17.  (Seliui.) 


hvi     I     I     1 


nOHTF 


Fig.    K;.  (.Scliiii.^ 


lichte  Breite  des  Schiifes 64     „ 

Breite  des  Mittelschiffes  zwischen  den  Pfeilern    22i/j„ 
Pfeilerstärke  ohne  Vorsj)rünge •l^'»« 

Fig'.  IG  Grundriss  der  Stiftskirche,  Fig.  17,  18  Ca- 
pitäle  und  Knäufe,  Fig.  1*J,  2U  Protilirungen. 

D  i  e  P  f  a  r  r  k  i  r  c  h  e  i  n  H  u  m  p  o  1  e  c. 

Gleichzeitig  mit  der  Selauer  Stiftskirche  wurde 
auch  die  dem  heiligen  Nicolaus  gewidmete  Pfarrkirche 
in  Humpolec  erbaut  und  zwar  von  demselben  Meister, 
welcher  in  Selau  tliätig  war.  Dass  dieser  ]\Ieister  dem 
Priimonstratenser- Orden  angehörte,  unterliegt  kt'inem 
Zweii'cl ,  denn  die  Stiftsbauten  ,  besonders  auf  dem 
Lande,  wurden  in  jener  Zeit  regelmässig  von  Mitglie- 
dern desselben  Klosters  ausgeiUhrt ;  die 
Kirche  in  Humpolec  aber  verdankt  ihre 
Entstehung  dem  Kloster  Selau ,  worüber 
beglaubigte  Urkunden  vorliegen.  Die  ein- 
zelnen Theile  dieser  beiden 
Denkmale,  die  Wandsäulen 
mit  ihren  Füssen  und  Ca])ilä- 
len,  die  Gurten,  Fenstcrge 
wände  und  (lesimse  sind  hier 
und  dort  dieselben,  .sie  kön- 
nen ohne  Anstand  von  der 
einen  Kirche  in  die  andere 
an  die  betreffenden  Stellen 
versetzt  werden. 

Der  (irundrisH  hält  die 
Kreuzform  in  so  cigenthlbn- 
lich  ausgesprochener  Weise 
ein,  wie  sie  wohl  an  keiner 
zweiten  Pl'arrkiiclie  vorkoni-  rig.  18.  (.■^olau.J 


1<)    — 


men  dürfte.  Ein  in  Anbe- 
traclit  der  nicht  ül)ei-j;i-os- 
sen  Kirche  selir  mas- 
senhafter quadratischer 
Thurm  mit  81/3'  starken 
Seitenraauern  tritt  an 
der  Westseite  vor  und 
bildet  die  Eingangshalle, 
wobei  zur  rechten  und 
linken  kleine  Treppen  in 
die  Jlauerdicke  eingefügt 
sind.  Aus  der  9 '  breiten 
Fig.  19.  (Seliiu.)  und    IS'    tiefen   Thnrm- 

lialle  gelangt  man  durch 
ein  gegliedertes  spitzbogiges  Portal  in  die  hinterste 
Gewölbeabtheilung  des  Schilfes,  an  welche  das  Quer- 
haus anstösst.  Dieses  hält  72  Fuss  in  der  Breitenrich- 
tung und  '22  Fuss  in  der  Tiefe,  die  quadratische  Vie- 
rung ist  mit  einem  erneuerten,  jetzt  halbkreisförmi- 
gen Kuppelgewölbe  überdeckt ,  dessen  ursprünglich 
achteckige,  auf  Zwickeln  ruhende  Form  noch  immer 
"bemerkt  wird.  Die  Seiteuflügel  (Kreuzarme)  laden  sich 
bei  22  Fuss  Tiefe  20  "/^  Fuss  in  der  Breite,  eine  Ab- 
weichung, welche  zufällig  entstanden  sein  mag.  Die 
Mauerstärke  der  Vierung  beträgt  41/2  Fuss.  An  die 
beiden  Kreuzarme  reihen  sich  Keben-Chore  an,  welche 
aus  dem  Achteck  geschlossen  sind;  denselben  Chor- 
schluss  zeigt  auch  das  lange,  durch  drei  Gewölbjoche 
gebildete  Presbyterium.  An  der  Ostseite  des  Chor- 
schlusses sehen  wir  noch  eine  besondere  sechseckige 
Capelle  vorgelegt  ,  die  jetzt  als  Sacristei  dient, 
ursi)rünglich  aber  zum  Taufhaus  bestimmt  war. 

Fig.  21  Grundriss  der  Humpolecer  Kirche,  Fig.  22 
Durchschnitt  des  Querschiftes. 

Cistercienser-Nonnenkloste  r  Frau  enthal. 

Anderthalb  Stunden  ostwärts  von  Deutschbrod 
liegt  an  dem  rechten  Ufer  des  Sazava-Flusses  das  Stift 
Frauenthal  mit  einer  einschiffigen  ]\laria-llimmelfahrt- 
Kirche,  von  welcher  aber  nur  der  Chor  seine  urs])rüng- 
liche  Form  gewahrt  hat.  Zwei  Schwestern  aus  dem 
Geschlechte  von  Lipa,  Ludmila  und  Utta,  letztere  die 
Wittwe  des  Kuno  von  Kovan,  gründeten  im  Jahre 
120;")  dieses  Kloster,  doch  dürften  Kirche  und  Stifts- 
gebäude schon  vollendet  gewesen  sein ,  weil  die 
Nonnen  sogleich  ihren  Einzug  halten  konnten.  Das 
Dorf  Frauenthal,  bölimiscli  Pohled  genannt,  gehörte  zu 
den  Besitzungen  der  deutschen  Ordensritter,  welche 
hier  eine  Pfarrkirche  erbauen  Hessen,  dieselbe  aber  an 
die  besagten  beiden  Schwestern  abtraten. 

Der  Chor  ist  sehr  klein,  30  Fuss  tief  und  20  Fuss 
lichten  Masses  weit,  steigt  bis  zu  der  Höhe  von  48 
Fuss  an  und  enthält  neben  dem  aus  fünf  Seiten  des 
Achtecks  bestehenden  Schlüsse  nur  noch  eine  einzige 
Gewölbeabtheilung.  An  die  Ostseite  ist  eine  achteckige, 
mit  einer  Kuppel  überwölbte  Ca])elle  angebaut,  ein 
Taufliaus,  welches  den  Namen:  alte  Pfarre  führt. 


-  L  i  l  e  r  a  I  u  r.  Für  die  B  uii;esoliichfe  von  vSelau  und  Humpolec  sind 
beftchteiiswerth  die  iheils  handschriftlichen,  theils  reröfFentlii-hten  T'nter- 
suchnn-:en  des  Selauer  Stiftscapilulars  P.  Hier.  J.  Solaf-,  namentllrh  :  Panieti 
mesta  Ilumpolcc.  V  l*raze,  18G3.  Die  grossen  Verdienste,  welche  sich  .Selau 
am  Landesciiltur  erworben  ,  ist  in  der  Einleitung  gedacht  worden.  Das  Stift 
besitzt  eine  nnsehiiliche  Bibliothek  und  ein  reiches  Arcliiv.  Neben  den  Topo- 
graphien von  J.  Schaller  und  Sommer  finden  sich  Nachrichten  über  Selau 
in  den  Geschichtswerken  von  Palacky  und  Schlesinger  und  in  d' E  - 
vert's  Geschichte  von  Iglau. 


''W'^M 


Fii'-  20.  (.SeLiti.) 


Das  Schiff  hält  mit  dem 
Chore  nicht  die  gleiche  Mitte 
ein ,  sondern  greift  über 
die  durch  Chor  und  Tauf- 
haus gezogene  Achsenlinie 
um  G  Fuss  gegen  Süden  hin- 
über. Wahrscheinlich  zog 
sich  an  dieser  Seite ,  wo 
die  Convent-Gcbäude  situirt 
waren,  ein  Oratorium  für  die 
Klosterfrauen  hin ,  welches 
aber  nach  der  durch  die 
llussiten  bewirkten  Zerstö- 
rung nicht  wieder  aufgebaut 
worden  ist.  Diese  Zerstörung 
scheint  eine  sehr  gräuliche 
gewesen  zu  sein,  denn  Klo- 
ster und  Kirche  sollen  nach 
vorhandenen,   auch  von  Jar. 

Sc  hall  er  mitgethcilten  Nachrichten  7.")  Jahre  lang  wüst 
gestanden  haben,  bis  die  Wiederherstellung  unter  König 
Vladislav  IL,  dem  Jagellonen ,  erfolgte.  Mit  diesen 
Angaben  stimmt  auch  das  Gepräge  des  Kirchenschiffes 
überein,  es  ist  durchaus  spät-gothisch,  mit  netzartigen 
Gewölben  und  spitz  vortretenden  Strebepfeilern.  Auch 
kommt  au  dem  an  der  Westseite  befindliche  Treppen- 
thUrmchen  die  Jahrzabl  1494  vor. 

Das  Schiff"  besteht  aus  vier  Gewölbeabtheilungen, 
ist  64  Fuss  lang,  26  Fuss  breit  und  bis  in  den  Scheitel 
54  Fuss  hoch.  Die  westliche  Hälfte  dieses  Raumes 
ist  verbaut  durch  einen  im  Jahr  1714  eingeschalteten 
Nonnen-Chor,  welcher  nicht  das  mindeste  Interesse 
bietet.  Um  so  bemerkenswerther  erscheint  das  an  der 
Nordseite  befindliche  Portal,  welches  mit  angeblendeten 
Säulen  und  zierlichen  Capitälen  ausgestattet  als 
einziger  vom  alten  Kirchenschiffe  herrührender  Bautheil 
besteht.  Dieses  Portal  schliesst  sich  eng  an  die  in 
Iglau  vorkommenden  Bildungen  an. 

Der  Haui)twerth  dieses  Denkmals  besteht  in  der 
feinen  Durchbildung  des  Chores  mit  seinen  Wandsäulen. 
Capitälen  und  sonstigen  Einzelheiten,  dann  in  dem 
Vorhandensein  eines  besondern  Tanfhauses.  Neben 
dem  Grundrisse  Fig.  23 ,  sind  der  Querschnitt  Fig.  24 
und  die  Detailirungen,  Fig.  25,  2i],  27,  28  beigefügt. 
Das  Kloster  ist  seit  1782  aufgehoben,  die  Stiftsgüter 
wurden  veräilssert  und  bilden  gegenwärtig  ein  adeliges 
Dominium. 


Fig.  21.  (Humpolec.) 


3* 


—     20 


aiigcfiilirtoii  Braiuluiig'lüc-k  nocli  meh- 
rere erfahren  und  die  Restaurationen 
sind  eben  nicht  meisterhaft  durchgefUiu-t 
worden. 

Das  Gebäude  ist  vierschitfig,  doch 
dürfen  wir  vor  der  Hand  das  nördliche 
zweite  Nebenschiif  ausser  Betracht 
lassen,  eben  so  den  Thurm.  Die  nur  mit 
Hilfe  von  Vermessungen  zu  ermittelnde, 
dem  Xni.  Jain-iiundert  entstammende 
Anlage  besteht  aus  dem  unversehrten 
Chorbau  und  dem  rechteckigen,  78  Fuss 
langen  irad  64  Fuss  breiten  Schiff, 
welches  durch  sechs,  nicht  mehr  ur- 
sprüngliche Pfeiler ,  drei  auf  jeder 
Seite,  eingctheilt  wird.  Das  Mittelschiff 
ist  241/2,  das  linke  Nebenschitf  18,  das 
reichte  14yo  Fuss  breit,  die  Pfeilerstärke 
beträgt  3'/o  Fuss.  Der  Chor  setzt  sich  in 
gleicher  Breite  mit  dem  Mittelschifte 
jenseits  des  Triumiihbogens  fort,  besteht 
aus  dem  normalmässigen ,  aus  dem 
Achteck  angeordneten  Schlüsse  und 
zwei  Gewölbejoehen.   Die  lichte  Länge 


dieses  Theiles  beträgt  ö4  Fuss, 


--     Wänden  des  Chores 


springen 


Fig.  32.  (Humpolec.j 

Die  Dechantcikirche  in  Ca s lau. 

Man  wird  schwerlich  ein  seltsameres  Conglomerat 
von  Bauwerken  und  Stylproben  antreffen,  als  die  Kirche 
•St.  Peter  und  Paul  in  Caslau  darbietet.  Links  neben 
dem  hohen  Chore  besteht  eine  wohlcrhaltene,  in  den 
spätem  Kirchenbau  einbezogene  romanische  Capclle, 
welche  hdchaltertliündiches  Gejjräge  zeigt  und  den 
ältesten  Bauten  des  Landes  beizuzählen  ist.  Der  hohe 
Chor  nebst  der  allgemeinen  Disposition  gehört  der  Zeit 
an,  als  C'aslau  durch  Utakar  If.  zur  königliclicn  Stadt 
erhoben  wurde.  Der  gewaltige,  rechts  neben  dem 
Ciiore  stehende  Thurm  wurde  unter  ^'ladislav  H.  um 
1480  aufgeführt,  das  Jlittelschitf  erliiclt  nach  einer 
grossen,  im  Jahre  1522  zufällig  entstandenen  Feuers- 
brunst .seine  gegenwärtige  in  die  Keiiaissaiice  hiniiber- 
spielende  Gestalt ,  das  liid<e  Nebenschitf  gehört  dem 
Xin,  das  rechte  dem  XIV.  Jahrhundert  an",  ein  viertes 
an  der  Nordseite  angebautes  Schiff  zeigt  neben  frUh- 
gothischen  Formen  auch  Einzelheiten,  welche  einer 
sehr  verkommenen  (;otliik  atigeliören.  Neben  dieser 
Formenvermengung  kommen  die  manniglalfigsten  Un- 
regelmässigkeiten vor,  denn  die  Kirclie  hat  neben  dem 


lige  Pilaster   hervor,    welche 


An  den 
dreithei- 
mit  vor- 


ziiglicii  schön  gezeichneten  und  ausge- 
führten Capitälen  bekrönt  sind.  Ahnliche  Bildungen 
werden  wir  auch  in  Saatz  und  einigen  uordbölnuischen 
Städten  treffen,  sie  stehen  nicht  ganz  im  Einklang  mit 
der  östlichen  Schule  und  könnten  möglicherweise  aus 
Sachsen  herübergeleitct  worden  sein. 

Die  romanische  Sacristei-Cai)ellc  links  neben  dem 
Chore  ist  mit  einer  halbrunden  Apsis  geschlossen  und 


Fig.  23.  (I'rituenthal.) 


T\g.  24.  (I''r;iiic'nlli.il.) 


—     21 


t^ 

l' 

*.-,„. 

■      '  -      ■    zza 

4 

■'r.uiciithjil.j 


Fig. 


besteht  aus  einer  8  Fuss  breiten  Vorhalle,  dem  12 
Fuss  weiten  Schilf  und  der  kleinen  Apside,  welche 
g'leichen  Durchmesser  mit  der  Vorhalle  besitzt.  Vorhalle 
und  Schilf  sind  zusammen  271/2  Fuss  lang  und  mit 
Tonnengewölben  bedekt. 

Das  Hauptschifl  zeigt  ein  reiches,  aus  verfloch- 
tenen Sechsecken  construirtes  Netzgewülbe ,  dessen 
Detail-Bildung  sehr  an  den  Meister  Bencs  von  Laun 
erinnert.  Zwischen  den  beiden  hintersten  Pfeilern  ist 
eine  reich  decorirte  Empore  eingefügt,  an  welcher  theils 
spät-gothische,  theils  im  Renaissance-Styl  ausgeführte 


Ornamente    in  willkürlicher  Aneinanderreihung   einge- 
fügt sind. 

Einen  Thurm  besass  die  Dechantei  -  Kirche  ur- 
sprünglich nicht.  Der  gegenwärtig  bestehende,  an  die 
Südseite  des  Presbjterium  angelehnte  Thurm  ist  (pia- 
dratisch  und  massenhaft  ohne  die  mindeste  architekto- 
nische Durchbildung  zu  zeigen.  Interessanter  erscheint 
das  zweite  nördliclie  Seitenschitf,  welches  einen  aus 
dem  Achteck  gezogenen  Chor  besitzt  und  in  seiner 
östlichen  Hälfte  wahrscheinlich  dem  XIII.  Jalirluindert 
angehört.  Die  westliche  Partie  dieses  Nebenschitfes  hat 
zwar  einiaclie  Kreuzgewölbe  und  mit  Masswerken  aus- 
gestattete Fenster,  trägt  aber  alle  Anzeichen  eines 
in  spätester  Zeit  gemachten  Zubaues. 

IJber  dem  an  der  Westseite  angebrachten  cha- 
rakterlosen Portal  betindet  sich  eine  Inschrift,  welche 
von  dem  grossen  Brande  des  Jahres  1522  und  der 
geschehenen  Wiederinstandsetzung  der  Kirche  Kunde 
gibt.  Neben  der  Dechantei-Kirche  besitzt  Caslau  noch 
einige  beachtenswerthe  Reste  der  alten  Befestigungs- 
werke ,  deren  in  dem  Abschnitte  über  Burgenbau 
gedacht  wird. 

Beigefügt  sind:  Fig.  29  Grundriss,  Fig.  3U  Ge- 
sims in  der  Sacristeicapelle ,  Fig.  31  Wandsäule 
im  Chor,  Fig.  32,  33  Ornamente  aus  der  sjjätesten 
Bauzeit. 

Die  St.  Bartholomäus -Kirche  in  Kdli  n. 

Wenn  durch  Erklärung  der  Caslauer  Denkmal- 
kirche  dargethan  wurde,  dass  die  gothischen  Formen 
im  Verlaufe  der  Ubergangs-Periode  bald  entschiede- 
ner, bald  minder  entwickelt  auftreten,  dass  selbst 
an  den  gleichzeitigen ,  derselben  Gruppe  angehören- 
den Bauwerken  sich  die  mannigfaltigsten  Schattirun- 
gen  kundgeben,  haben  wir  mm  drei  hochwichtige 
Denkmale  zu  betrachten,  deren  Gepräge  an  eine  viel 


Fis.  28. 


Fife^  27. 


frühere  Periode  erinnert.  Wir  wenden  uns  den  Pfarr- 
kirchen von  Kolin ,  Koufim  und  der  Probsteikirche 
von  Polic  zu. 

Die  Stadt  Kolin,  lat.  Colonia  super  Albeam  und 
Nova-Colina  genannt,  wurde  allem  Anscheine  nach  in 
den  ersten  Eegierungsjahren  König  Pfemysl  Otakar  II. 
gegi'üudet  und  theilweise  mit  deutschen  Ansiedlern 
besetzt,  die  sich  hier  bis  in  das  XV.  Jahrhundert  erhiel- 
ten. Die  Stadt  erblühte  so  rasch,  dass  die  Anlage  schon 
um  1260  als  mustergültig  angesehen  imd  namentlich 
die  bei  den  Koliner  Befestigungswerken  eingehaltenen 
Masse  bei  Jarmeritz  in  Mähren  und  bei  anderen  Städten 
nachgeahmt  wurden.  Genaue  Nachrichten  über  die  Bau- 
führungen sind  weder  der  Stadtmauern  und  des  Schlos- 
ses, noch  der  Pfarrkirche,  vorhanden;  eben  so  wenig 
als  sieh  ermitteln  lässt,  woher  die  deutschen  Ansiedler 
stammten.  In  die  Zeit  der  Gründung  der  Stadt  ist  auch 
der  Anfang  des  Kirchenbaues  zu  verlegen,  wenn  auch 
der  eingehaltene  Baustyl  mehr  an  das  XII.  als  XIII. 
Jahrhundert  erinnert. 

Während  der  Regierung  des  Kaisers  Karl  IV. 
wurde  Kolin  durch  eine  Feuersbrunst  zum  grossen 
Theile  zerstört,  durch  welche  auch  die  Bartholomäus- 


JOQ 


Fig.  29.  (Caslau.) 


90 


\ 


Fi-.  30. 


Kirche  solche  Beschädigung-en  erlitt,  dass 
der  Chor  abg'etrag:en  werden  miisste.  Der 
Kaiser  als  Schirmherr  räumte  deshalb  im 
Jahr  135]  der  Stadt  verschiedene  Rechte 
ein  und  liess  einige  Jahre  später  den 
Chor  aus  seinen  Mitteln  autliauen,  wor- 
über zahlreiche  Urkunden  vorlieg-en. 

Es  ist  daher  nur  das  Kirchenschiff 
mit  dem  Thnrmbau,  welche  den  alten 
Bestand  zeigt  und  hier  a'cscliildert  werden 
soll. 

Welche  Ausdehnung-  und  Form  der 
ursprüngliche  Chorbau  eingehalten  habe, 
ist  ebenso  unl)ek.annt,  als  alle  Vermuthun- 
gen  gewagt  erscheinen.  Schilf  und  Chor 
gegenwärtig    zwei  von   einander 


bilden 
vollkommen  unabhängige,  ganz  verschiedene  Gebäude 
und  werden  in  der  Wirkliclikeit  durch  einen  breiten 
leeren  'W'andstreifen  geschieden,  welchen  der  Baumei- 
ster des  Chores  absichtlich  hat  stehen  lassen. 

Das  im  besten  Bauzustand  befindliche  Scliiff  zeigt 
Hallenform,  drei  gleich  hohe  Schiffe,  an  welche  gegen 
Osten  eine  Art  Querhaus  (jedoch  ohne  Ausladung  von 
Kreuzarmen)  anschliesst ,  während  die  Westseite 
durch  zwei  kräftige  viereckige  Tliürme  begrenzt  wird. 
Zwischen  den  Thürmen  befindet  sich  das  Haupt-l'ortai, 
durch  welches  man  in  eine  Vorlialle  mit  darüber 
angebrachter  Emporkirche  gelangt.  Die  Tliürme  ruhen 
gegen  innen  auf  zwei  massigen  Pfeilern,  an  welche 
sich  auf  beiden  Seiten  nocli  fernere  drei  Pfeiler  bis 
zur  Vierung  anreihen.  Jenseits  derselben  steht  auf 
jeder  Kirchenseite  noch  ein  Pfeiler,  womit  der  alte 
Bau  seinen  Ai)schluss  erreicht  hat.  Die  Pfeiler  haben 
(|uadratische  Grundform,  sind  öi/j  Fuss  stark,  an  den 
Ecken  mit  Kiindstäbcn  eingcfasst  und  in  iiirer  Mitte  an 
allen  Seiten  dnrcli  mit  beinalie  im  vollem  Kreise  vortre- 
tende Wandsäulen  (Dienste)  verstärkt.  Die  Riiudstäbe 
und  Dienste  entwickeln  sicii  aus 
mclirfach  gegliederten  Postamen- 
trn  und  sind  mit  besundcni  Capi- 
täleii  verseilen  ,  oberhall)  (lers(d- 
bcn  ein  gemeinschaftlicher  Sims 
jeden  Pfeiler  unrzieht.  Alle  Wiil- 
hinigen  sind  mit  Spitzlxigen  l)e- 
schriebcn,  die  (iurte  der  Vierung 
aber  nnt  llaliikreiscn,  so  dass  an 
dieser  Stelle  eine  etwas  erhöhte 
Kuppel  besteht. 

Die  lliilienmasse  erscheinen 
in  Anbetracht  der  übcrki'ätligcn 
Pfeiler  und  geringen  Scliitfweiten 
gedrückt  und  bleiben  selbst  hinter 
denen  der  Iglaiier  Pfarrkirche 
/.iiiiick.  Dil'  Scheitelhöhe  der  (ie- 
willbe  beträgt  ;i!l  Fuss  und  nur 
die  Kupjtel  über  der  Vierung 
steigt  bis  auf  42  Fuss  an. 

Eintretend  in  das  Innere, 
wird  der  Besucher  durch  die  sehr 
schweren,  altertliMnilicIieu  \v\- 
liältnisse  überrascht,  welche  sich 
im  architektonischen  Gerüste  aus- 
sprechen: er  glaubt  sich  in  eine 
Fig.  31.  der  ältesten  romanischen  Kirchen 


;■[; 

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Fig.  32. 

versetzt  und  erst  eine  eingehende  Betrachtung  der  Orna- 
mentik wird  ihn  dahin  bringen,  hier  einen  Übergangs- 
bau zu  erkennen.  Diese  Ornamentik  ist  auch  der  bewun- 
deruugswürdigste  Theil  des  Gebäudes  und  ein  sehr 
charakteristisches  Zwischenglied  im  Reiche  der  früh- 
gothischen  Decorationskunst.  Die  ^Motive  sind  der  Pflan- 
zen- und  Thierwelt  entnommen  und  ziemlich  dieselben, 
welche  wir  in  Hradist',  St.  Agnes  in  Prag  und  in  Tisch- 
nowitz  kennen  gelernt  haben;  die  Behandlung  aber  ist 
eine  ganz  andere,  indem  die  plastis(die  Abrundung 
zurücktritt  und  eine  mehr  naturcopirende  Richtung 
platzgreift.  Dabei  ist  die  Ausführung  höchst  vollendet 
und  wird  in  der  folgenden  Periode  nicht  wieder  zu 
solcher  Gediegenheit  geführt.  Auch  die  Sculi)tur,  in 
Böhmen  von  je  etwas  vernachlässig-f,  nimmt  einen  er- 
freulichen Anlauf  und  spricht  sich  in  Reliefs  und  runden 
titatuen  aus. 

Die  Kirche  hält  folgende  Hauptmasse  ein: 
Länge  des  alten  Theiles  von  der  Thurmwand 
bis  zum  Beginn  des  Neubaues  jenseits  der 

Vierung,  im  Licht 10.^  Fuss 

Länge  eines  Joches  von  Achse  zu  Achse    .    .  D)'/o ,, 

Weite  des  Hauses    ....        50      ,, 

Weite  des  Mittelschiffes   zwischen  den  Pfei- 
lern      ^l'Ar 

Weite  je  eines  Seitenschiffes i;)i/4,. 

Stärke  der  (piadratiscdien  Pfeiler ^'/ä" 

Pfeiierliöhe  mit  Einsclduss  der  Capitäle  .    .    ,  29      „ 

Stärke  der  Umfassungsmauern 5      ,, 

Trotz  dieser  aussergewöhnliclien  Pfeiler-  und 
Mauerstärken  und  geringen  Spanuweiti'u  scheint  sich 
der  l'aumeister  nicht  ganz  sicher  gefühlt  zu  haben, 
weshalb  er  die  Umfassungsmauern  noch  durch  Strebe- 
pfeiler verstärkte.  Diese  bauen  sich  als  freie  quadra- 
tische Pfeiler  auf  und  schliessen  mit  Viertelsixigen  an 
das  Langhaus  an,  so  dass  Durchgänge  geliildet  werden. 
Die  Fenster  sind  schmal  und  meist  einfeldig,  18  Fuss 
im  Lichten  hoch  und  1  '/o  Fuss  breit.  Einige  mit 
Stal)werken  versehene  Fenster  sclu'inen  einer  spätem 
Zeit  anzugehören. 

Das  llaupt-i'ortal  niinmt  an  der  Aussenseite  bei- 
nahe die  ganze  Breite  des  Mittelscliitfes  ein  und  ist 
von  einem  reichen  Gewände  umzogen,  in  dessen 
Kciilen   neben  allerlei  Blunu'u    und  Laubwerken  viele 


lig.  ;J3. 


23     — 


Statuen,    musioirendc   Eiiirel,  Heilige,   vielleicht  auch  Die  Ciior-Partie  jenes  schon  vielseitig  gewürdigten 

Donatoren,  augebracht  sind.  Wenn  auch  sehr  verwittert,      Praditbaues  wird  im  dritten  Tlieilc  unseres  Werkes,  so 
lässt  sich  in  diesen  Gebilden  ein  Streben  nadi  belebter      anstührlich,  wie  sie  es  mit  Recht  verdient,  besprochen 


Stellung    und     naturgemässem    Faltenwurf  nicht   ver-      werden, 
kennen. 


(Fortsetzung  folgt.) 


Zur   0  s  w  a  1  (1 1  e  ff  e  11  d  e. 


Von  A.  R.  V.  Perger. 


Ein  König  Oswald  lebte  im  VII.  Jahrhundert  zu 
Verona.  Er  ist  aus  den  Legenden  der  heil.  Truterca 
bekannt,  die  in  ihrer  Frömmigkeit  vor  seinen  Liebes- 
airträgen  in  eine  Höhle  floli,  in  welcher  die  Spinnen 
ein  so  dichtes  Netz  um  sie  woben,  dass  sie  dew 
suchenden  Oswald  gänzlich  verdeckt  wurde. 

Ein  anderer  Oswald  war  in  demselben  Jahrhundert 
König  von  Northumberland.  Er  folgte  seinem  liruder 
Ethelfred  im  J.  634  in  der  Regierung,  schlug  den 
König  Kedwalla  bei  Heavenfield,  berief  dann  den 
schottischen  IMönch  Aidan ,  welcher  Lindisfarn  (d.  i.  die 
heilige  In.sel)  zum  Wohnsitz  wählte  und  die  Einwohner 
zum  christlichen  Glauben  bekehrte. 

Die  Geschichte  dieses  Königs  von  England  wurde 
vom  heil.  Beda  aufgezeichnet  und  sein  Festtag  fällt 
auf  den  5.  August.  Er  wird  auf  einem  Thron  dargestellt 
und  hat  einen  Raben  auf  der  Hand  sitzen,  der  einen 
Ring  (oder  eine  Gurte)  in  dem  Schnabel  hält  >. 

Im  Jahre  99:?  starb  Oswald ,  Erzbischof  von  York, 
der  in  Frankreich  Benedictiner  geworden  war  und  drei 
theologische  Schriften  rerfasste.  Er  wurde  später  als 
Heiliger  erklärt  und  man  bildet  ihn  ab,  wie  er  armen 
Pilgern  die  Füsse  wäscht.  Sein  Fest  wird  am  28.  Fe- 
bruar, oder  wenn  ein  Schaltjahr  ist,  am  29.  desselben 
IMonats  gefeiert. 

Um  das  Jahr  1008  lebte  zu  Worchester  ein  Bene- 
dictinermönch  Namens  Oswald,  welcher  vier  geistliche 
Werke  schrieb  und  die  vornehmsten  Klöster  von 
Frankreich  und  England  besuchte.  Wegen  seiner 
ungewöhnlichen  Kenntnisse  wurde  er  aber  auch,  wie  es 
in  jenen  Tagen  nicht  selten  der  Fall  war,  für  einen 
grossen  Schwarzkünstler  gehalten.  Am  3.  December 
1099  starb  Oswald,  Bischof  zu  Salisbury.  Er  war  mit 
Wilhelm  dem  Eroberer  nach  England  gekonunen  und 
verfasste  die  Lebensgeschichte  des  heil.  Adelin. 

Im  XII.  Jahrhundert  war  ein  Oswald  Abt  zu  Mal- 
rose, der  dann  auch  heilig  gesprochen  wurde.  Um  das 
Jahr  1450  wurde  der  Karthäusermönch  Oswald,  der 
zu  Paris  studirt  und  drei  theologische  Werke  verfasst 
hatte,  zum  General  -  Proviucial  von  England  ernannt; 
und  so  Hessen  sich  noch  viele  geschichtlich  bekannte 
Oswald's  anführen,  bis  zu  dem  Österreicher  Erasmus 
Oswald,  welcher  die  hebräische  Sprache  und  Mathesis 
lehrte,  den  Beinamen  „Schreckenfuchs'*  trug  und  im 
Jahre  1597  starb,  u.  s.  f. 

Eben  so  wichtige  Belege  als  Persönlichkeiten  sind 
auch  Ortsnamen.  So  finden  wir  gleich  im  Viertel  ob  dem 
Mannhartsberg  ein  Dorf  St.  Oswald.  In  Steiermark  ist 
ein  St.  Oswald  im  Freiland  in  dem  Bezirk  Mährenberg, 
und  der  dort  vorüberfliessende  Bach  heisst  der  Oswald- 
graben-Bach. In  der  Probstei  Murau  ist  die  Kirche  St. 
Oswald   im   Krakau,   in   der  Vogtei  Zeiering  befindet 

'Auch  in  Burgmair's  „Heiligen"  ist  auf  Blatt  79  der  heil.  OiivalJ 
abgebildet. 


sich  die  Kirche  St.  Oswald  in  Zeiering,  wo  schon  im 
Jahre  1335  ein  Pfarrer  war.  Ferner  ist  in  Steiermark 
eine  Oswalds-Kirche  im  Bezirk  Blankenwerth ,  eine  im 
Bezirk  Reiffenstein  (Pfarre  Ponigl) ,  eine  in  der  Nälie  von 
Cilli,  u.  s.  w. 

In  Kärnten  erscheint  der  Name  Oswald  ebenfalls 
nicht  selten  und  hier  ist  besonders  der,  3052  Fuss  hohe, 
Oswaldiberg  bei  ^'illach  anzuführen.  Dann  sind  noch 
zu  nennen :  St.  Oswald  in  der  Wiege ,  St.  Oswald  ob 
Hornburg,  St.  Oswald  ob  Kleinkirchheim  (bei  Millstadt), 
St.  Oswald  in  der  Sommerau  bei  St.  Leonhard,  u.  s.  f., 
und  sogar  in  den  Gruben  von  Bleiberg  befindet  sich  ein 
St.  Oswald-Stollen. 

In  Passau  wurde  die  Augustiner-Probstei  St.  Oswald 
im  Jahre  139G  von  Johann  Landgrafen  zu  Leuchten- 
berg  gestiftet.  Die  Kirche  wird  häufig  von  Wallfahrern 
besucht  und  unter  dem  Hoch-Altar  sprudelt  eine  heilthä- 
tige  Quelle  hervor. 

In  der  Sciiweiz  befindet  sich  in  der  Vogtei  Trach- 
selwald  auf  einem  Berg  ein  St.  Oswalds-Hof,  ein  zweiter 
solcher  Hof  liegt  in  der  Glarnerischen  Vogtei  Werden- 
berg. 

"  In  Tyrol  steht  auf  der  „Gaid" ,  einer  Hochebene, 
ein  Dorf  St.  Oswald  und  eine  St.  Oswald-Kirche.  Ein 
anderes  Dorf  dieses  Namens  liegt  bei  Kasteireut.  Dit 
berühmteste  St.  Oswalds-Kirche  steht  aber  auf  dem 
Ifinger  und  von  ihr  wird  noch  später  die  Rede  sein. 

Im  Elsass  liegt  zwischen  der  Breusch  und  Magel 
ein  Meierhof  St.  Oswald,  der  einst  den  Herren  von 
Mundolzheim  gehörte. 

In  England  kennt  man  die  Oswald-Steine  (Osbaldi- 
stones),  in  der  Grafschaft  York  befindet  sich  ein  Osbald- 
w^ck  und  in  Lancashire  in  Schottland  steht  nächst  dem 
Hause  der  Familie  Lee  eine  Einsiedelei  von  sehr  hohem 
Alter,  welche  die  St.  Oswalds-Capelle  genannt  wird.  Ja 
scilist  bis  nach  Siebenbürgen  hat  sich  der  Ruf  des  heil. 
Oswald  verbreitet  und  zwar  befindet  sich  im  Szolnoker 
Coniitat  ein  walachisches  Dorf  dieses  Namens  mit  einer 
Pfan-ei  von  nicht  unirten  Griechen  '. 

Zufolge  dieser  grossen  Verbreitung  in  so  verschie- 
denen Ländera  dürfte  es  nicht  unwesentlich  sein,  etwas 
ausführlicher  über  Oswald  zu  sprechen  und  zwar  um  so 
mein-  als  in  Grimm's  „Mythologie-'  (II.  Ausgabe  von 
1844,  siehe  den  Iudex)  der  Name  Oswald  gar  nicht 
vorkommt. 

Ich  muss  hier  noch  vorerst  an  ein  Gedicht  erinnern, 
welches  im  XII.  Jahrhundert  geschrieben  wurde  und  die 
Überschrift  trägt :  „Sant  Oswaldes  Leben''  s.  Der  Inhalt 
dieses  Gedichtes  ist,  in  wenigen  Zeilen  folgender: 

Oswald,  König  von  England,  grämt  sich,  dass  er 
keine  Frau  besitzt.  Da  kommt   der  Pilgrim  Warmund 

-  Auch  in  der  Accademia  delle  belle  arti  zu  Venedig  ist  ein  Oemäldo 
von  Bonifazio  Veneziano  ,  welches  den  heil.  Matthaus  und  den  König  0-''wald 
mit  Krone.  Scepter  und  Sciiweri  darstellt. 

'  Herausgegeben  von  Ludwig  EttmüUcr.  Zürich  1835,  8°. 


—     24 


an  seinen  Hof  und  schläg-t  ihm  vor,  die  schöne  P:uuig-e, 
Tochter  des  Heidcnkünigs  Aaron,  zur  Gattin  zu  begehren. 
Da  jedoch  niemand  diese  gefährliche  Werbung  über- 
nehnu-n  will,  weil  Aaron  jedem  Werber  sogleich  den 
Kopf  abschlägt,  wird  der  Rabe  abgeschickt,  den  Oswald 
-n  seinem  Hofe  erzog.  Der  Kabe  fliegt  zu  Aaron.  Kaum 
hat  er  aber  die  Werbung  augebracht,  so  lässt  der  König 
Thüren  und  Fenster  schliesseu,  der  Eabe  wird  gefangen 
und  gebunden  und  eben  als  er  gehängt  werden  soll, 
erscheint  Prinzessin  Paniige  und  erbittet  das  Leben  des 
Voo-els.  den  sie  mit  in  ihr  Kämmerlein  nimmt,  wo  sie  ihm 
einen  goldenen  Pang  gibt,  den  er  dem  König  Oswald 

bringen  soll. 

Der  Rabe  fliegt  heim  und  Oswald  zieht  mit  semem 
Heere  aus  um  sich  die  Braut  zu  erkämpfen.  Aber  im 
Morgenland  angekommen ,  geht  es  Oswald's  Kriegern 
so  schlimm,  dass  ein  Engel  nach  Oswald's  8chloss  fliegen 
niuss.  um  den  Raben  zu  holen,  durch  dessen  List  dann 
die  Prinzessin  entführt  wird.  Aaron  eilt  den  Flücht- 
lingen nach,  erreicht  sie  auf  dner  Insel  und  nun  beginnt 
der  Kampf. 

Oswald  gelobt,  dass  er,  wenn  er  glücklieh  nach 
England  zurückkäme,  niemanden  etwas  abschlagen 
werde,  der  ihn  um  Gottes  Willen  darum  bäte,  und 
siegt  in  Folge  dessen.  Aaron  muss  sich  taufen  lassen 
und  Oswald  kehrt  heim  und  gibt  den  Armen  ein 
Freudenfest.  Da  erscheint  ein  Pilgrim  und  verfangt  in 
Folge  des  oben  genannten  Gelübdes  die  Braut  und 
das  Reich  Oswald's ,  im  Namen  Gottes,  Oswald  folgt 
seinem  Gelöbniss ;  und  siehe  da ,  der  Pilger  verwandelt 
sich  und  zeigt  sich  als  der  Heiland,  der  ihm  Krone  und 
Gemahlin  wieder  zurückgibt. 

Vergleicht  man  nun  die  in  den  „Acten  der  Heiligen" 
(Bollandisten)  vorkonnncnde  Geschichte  des  Königs 
Oswald  mit  der  eben  erzählten  I\Lälire,  so  tindet  man 
in  dieser  letzteren  sehr  viele  Dichtung  und  bunte  Aus- 
schmückung und  ausser  dem  Namen  Oswald  auch  nicht 
die  mindeste  geschichtliche  Übereinstimmung.  Man 
wird  daher  unwillkürfich  dahin  geführt,  die  Entstehung 
des  heil.  Oswald,  welcher  fast  innner  auf  Bergen  seine 
Verehrung  findet,  in  vorclu-istliehen  Zeiten  zu  suchen, 
und  das  wird  schon  dadurch  eingeleitet,  dass  König 
Oswald  stets  mit  einem  Raben  vorgestellt  wird,  welcher 
unmittelbar  auf  Odin  hindeutet,  auf  dessen  Schultern 
die  beiden  Raben  Ilugin  und  Miinin  (Deidvkraft  und 
Erinnerung)  sasscn  und  ihm  alles  Wissenswertiie  ver- 
kündeten, wie  denn  der  Rabe  überhaupt  als  ein  kluger, 
vielwissender  Vogel  galt  *. 

Auch  liegt  der  Name  Oswald  dem  Odinswald, 
Odcswald  sehr  nahe,  wie  denn  übcrbaui)t  noch  viele 
örtliche  Benennungen  (Odenberg,  Odensburg,  u.  s.  w.) 
an  diesen  alten  Gott  mahnen. 

Ferner  war  Odin  zugleich  ein  Beschützer  der 
Emtc,  weshalb  man  ihm  Ins  in  die  neueste  Zeit  Weihc- 
büschel  auf  den  .\ckeni  stellen  liess,  um  ilini  für  jenen 
.Schutz  zu  danken.  Es  wunlc  nändich  eine  Garbe  mit 
Feldblumen  bekränzt  nml  in  die  Mitte  der  Garbe  legte 
man  einen  Kuchen  oder  ein  IJrod  als  Opfer.  Dieser 
.Ährcnbüscliel  hicss  nun  Odinswala  oder  (zusammen 
gezogen)  Oswald  ■-.  In  anderen  (legenden  naiinien  die 
Männer  vor  diesem  Büsciiel    die  Hüte  ab  und   riefen: 

•  S.  «Itriibfr  MItih.  (I.  k.  k.  Cont.  Comm.  lid.  X.  p.  85.  II  n  u  p  t  über 
elno  Rolcho  DAratcIlutig  Im  KlofldTiioiibnrgcr  Codex. 

*  8.  A.  U.   V.  Pcrger,  ^PfUnzcnBftgcn"  S.  102. 


„Odin,  hole  deinem  Pferd  dies  Futter".  Im  Schaumhur- 
gischen  sangen  die  Leute  das  Erntelied : 

„Odin,  Odin,  Himmelsriese, 
Der  von  Oben  alles  sieht, 
Du  weist  alles  was  geschieht; 
Volle  Krüge  hast,  und  Garben, 
Auch  den  Wald  lässt  du  nicht  darben , 
Nicht  geboren,  wirst  nicht  alt, 
Odin,  Odin,  Odin."« 

Da  Odin  oder  Wodan  meist  auf  Bergen  wohnte, 
wurde  ihm  auch  die  schönste  aller  Gebirgsblumen ,  die 
Alpenrose,  in  Tirol  Oswaldstaude  genannt,  gewidmet, 
die  wegen  dieser  göttliciien  Weihe  auch  den  Blitz 
anzieht,  wesiialb  sie  auch  Donnerrose  genannt  wird 
und  man  sie  niemand  schenken  darf,  den  man  liebt,  da 
dieser  dann  vom  Blitz  getroffen  werden  könnte. 

AVas  nun  insbesondere  die  St.  Oswald-Kirche  am 
Ifinger  betrifft,  so  gibt  es  von  derselben  wieder  eine 
eigene  Sage.  Es  wurde  nämlich  zu  irgend  einer  Zeit 
irgend  ein  Oswald  zum  König  von  Tyrol  erhoben.  Da 
aber  die  Heiden  einfielen  und  ihn  verjagten ,  floh  er  nach 
dem  Etschlaud  auf  dem  Ifinger.  Zu  seiner  Zeit  gab  es 
nicht  Krieg,  noch  Pest,  noch  Theuerung.  Er  hatte  stets 
einen  Raben  bei  sieii  und  machte  das  Wetter  '. 

Auf  jenem  Ifinger  nun,  wo  alles  voll  Alpenrosen 
stand,  fanden  die  Hirten  das  Bild  des  Heiligen  und 
fronmie  Leute  erbauten  an  dem  Fundorte  die  St.  Os- 
walds-Capelle,  zu  welcher  die  Bauern  von  Schcnna  und 
Hafling  jährlieh  am  5.  August  hinaufsteigen,  um  dort 
ihre  Andacht  zu  verrichten.  Dieser  Ifinger  ist  ein  Berg 
mit  zwei  Spitzen  ,  von  denen  die  höhere  noch  nicht 
bestiegen  worden  sein  soll.  Zwischen  den  beiden  Spitzen 
stand  in  der  Vorzeit  ein  heidnischer  Tempel,  der  dem 
Odin  geweiht  war.  Selbst  der  Bergname  Ifinger  deutet 
auf  uralte  Tage  zurück,  denn  Yvo  war  der  gewaltige 
Bogenspanner,  von  dem  auch  die  Eibe  (Ive)  ihren 
Namen  erhielt,  deren  Aste  das  zäheste  Holz  zu  den 
Pfeilbögcn  lii>ferte. 

Des  Weiteren  trennte  auch  der  Fluss  Ifing  das 
Reich  der  Menschen  von  dem  der  Götter.  So  lieisst  es 
in  Vaftlirudnismal  (V.  16): 

„Ifing  heisset  der  Fluss,  der  zwischen  der  Gehörnen 
Söhne  und  den  Göttern  fheilt  den  Grund.  Offen  wird  er 
fliessen  dnreli  alle  Zeiten  hin  und  nie  wird  Eis  ihn  be- 
decken." 

So  begegnen  wir  überall  Spiegelbilder  aus  der 
ältesten  Vergangenheit,  die,  wenn  sie  gleich  oft  sehr 
verdännnert  erscheinen ,  doch  einen  hohen  Grad  von 
vaterländischem  (ieifild  erregen  und  um  so  mehr  und 
um  so  treuer  autgt'deekt  werden  S(dlft'n,  als  selbst 
Pajmt  Gregor  der  Grosse  im  Jahre  (iOl  würllicli  nieder- 
schrieb«: 

„Zerstört  den  Leuten  nicht  ihre  heidnischen  Tempel, 
sonilern  verwandelt  sie  nur  in  cin-istiieiie  Kirchen,  damit 
das  \()lk,  wi'lches  daran  gewöhnt  ist,  solche  Orter  als 
heilig  zu  betrachten,  die  hergebraclite  Verehrung  auf 
das  christliche  Gotteshaus  überirage.  Die  heidnischen 
Feste  und  Opferschniäiisc  aber  wandelt  um  in  fronnne 
Festessen  zur  ICrinnerinig  und  zu  Ehren  vow  christlichen 
Heiligen." 

'■  MühlhnsD,   Trrcllginn  d.  D.  p.  294. 

'  ZlngiTlo,  Tirol.  HiiKOti,   1. 

"  Jnffü,  Kcgcsm  poiillf.  romnrior.   Nr.   liac. 


2Ö     — 


Fiiiide  aus  prähistorischer  Zeit. 

Von  Dr.  St.  V.  Krzyzanowski. 

t  (älil  18  Holzschiiittiii) 


Zu  Tomaszowka  am  Uiev  des  Flusses  Jatraii,  Gou- 
vevncuient  Kiow ,  Bezirk  Human ,  iu  der  Entfernung 
von  einem  halben  Kilometer  südöstlieh  vom  Dori'e  und 
122  Fuss  vom  linken  Ufer  des  Flusses  Odaja,  fanden  die 
Arbeiter  auf  einem  geackerten  Felde  fünf  Steine.  Als 
ich  davon  die  Nachrieht  bekam,  fuhr  ich  den  25.  Octo- 
ber  1864  dorthin,  um  den  Ort  zu  untersuchen.  An  der 
Oberfläciie  der  Erde  fand  ich  eine  Backsteinschiehtc, 
dann  zerdrückte  Töpfe  und  endlich  in  einer  Tiefe  von 
0-GGO  Mtr.  in  der  Kichtung  von  Süd- Westen  nach  Nord- 
Osten  eine  Reihe  von  fünf  Opfergcfässen  (Fig.  1  Höhe 
0-130  Mtr.,  Umfang  0-405  Mtr.,  Durchmesser  0-151  Mtr. ; 
Fig.  2  Höhe  0-1  lU  Mtr.,  Umfang  0-425  Jltr.,  Durchmes- 
ser 0-141  Mtr. ;  Fig.  3  Höhe  O-UOO  Mtr.,  Umfang  0-3S5 
Mtr.,  Durchmesser  0-128  Jltr.;  Fig.  4  Höhe  0-0(J5  Mtr., 
Umfang  0-250  Jltr.,  Durchmesser  0-OSO  Jltr.;  Fig.  5 
Höhe  0-060  Mtr.,  Umfang  0-250  Mtr.,  Durchmesser 
0-080  Mtr.)  aus  gelbem  gebrannten  nicht  glasirten  Thon, 
von  verschiedener  Grösse  und  Form  und  einen  ähnlichen 
Deckel  (Fig.  6  Höhe  0.060  Mtr.,  Umfang  0-250  Mtr., 
Durchmesser  0-080  Mtr). 

Alle  diese  Gefässe  waren  umgestürzt  und  entliiel- 
ten  eine  mit  Erde  vermischte  Asche.  Der  Ausgrabungs- 
ort war  2-025  j\Ietr.  breit  und  3  Metr.  laug.  In  der 
Entfernung  von  einigen  Schritten  davon,  in  der  nord- 
westlichen Richtung  befinden  sich  zwei  unbedeutende 
Hügel. 

In  einem  von  den  zahlreichen  Hügeln  der  Umge- 
gend von  Mierzwin,  Gouvernement  Kiow,  Bezirk  Lipo- 
wiee,  hat  man  im 'Jahre  1864  einen  Opferkrug  aus  gelbem 
gebrannten  nicht  glasirten  Thon  ausgegraben.  (Fig.  7 
Höhe  0-140  Mtr.,  Umfang  0-350  Mtr.,  Durchmesser 
0>11G  Mtr.). 


Im  Jahre  1871  habe  ich  in  einem  Hügel  zu  Jozt  fpol, 
Gouvernement  Cherson,  Bezirk  Ananiew,  in  der  Tiefe 
von  3  Mtr.  drei  Opfcrgefässe,  Fig.  8,  9,  10,  aus  gel- 
ebranuten    nicht  glasirten  Thon    aus   schwarzer 


bem 
^ebi 
len  Verzierun 


gebrannter  nicht 


lasirter  Erd( 
am  Rande 


mit   einer  spiralfiimii- 
(Fig.  8  Höhe 


ansf^egrabeii 


0-170  Mtr.,  Umfang  0-515  Mtr.,  Durchmesser  0-171  Mtr., 
Fig.  9  Höhe  0-100  Mtr.,  Umfang  0-345  Mtr.,  Dureh- 
messer 0-115  Mtr.;  Fig.  10  Höhe  0-070  Mtr.,  Umfang 
0-245  Mtr.,  Durchmesser  0-()81  Mtr.).  In  der  obern 
Schichte  der  Erde  befanden  sich  Menschen-  und  Pferde- 
skelette,  zwischen  ihnen  ein  tatarisches  ringförmiges 
Elfenbeinamulet. 

Im  Jahre  1868,  beim  Ackern  an  der  Oberfläche  eines 
Hügels  bei  Rososze  am  Ufer  des  Flusses  Udycz,  Gou- 
vernement Podolien,  Bezirk  Haysyn,  fand  der  Ackers- 
mann ein  gläsernes  kugelförmiges  Thränengefäss  Durch- 
messer 0.Ö40  Mtr.  Leider  hat  es  der  habsüchtige  Bauer 
in  der  Hoffnung,  darinnen  Geld  zu  finden,  zerschlagen. 

Vor  einigen  Jahren  fand  man  zu  Kuna  an  den  Ufern 
der  Flüsse  Sob,  Kutlitz  und  Knnka,  (Miuvernement  Podo- 
lien, Bezirk  Haysyn,  beim  Ackern  eine  eiserne,  stark  ver- 
rostete Axt  von  0-2 10  Mtr.  Länge.  Vor  zehn  Jahren  fand 
man  in  einem  Grabhügel  zu  Zwiuogrodka,  Gouvernement 
Kiow,  Bezirk  Zwinogrodka  verscliiedene  (ieräthselialten, 
von  denen  ich  einen  kupfernen,  stark  mit  Patina  bedeck- 
ten Henkel  besitze  (Fig.  11).  Breite  O-lOO  Mtr.,  llöjie 
0.120  Mtr.). 

1872  fand  ein  Bauer  zu  Poborka,  Gouvernement 
Podolien,  Bezirk  Haysyn,  beim  Ackern  einen  steinernen 
Axthammer  (Fig.  ]2"Hölie  OOtU)  Jltr.,  Länge  0-215  Mtr., 
Breite  0-075  Mtr.).  1866  hat  man  in  einem  Grabhügel 
zu  Gfanöw  an  den  Ufern  der  Flüsse  Sob  und  Werbicz, 


2G     — 


Gouvunieuiciit  l'odolicii,  IJezirk  llaysyn,  eine  steinerne 
Axt  g-eiunden  (Fig-.  13  Länge  0-135  Mtr.,  Höhe  0.055 
:i[tr.,  Breite  0-060  Mtr.). 

Im  Jalire  is63  habe  ich  einen  von  den  50  Grab- 
hügeln, welclie  sieh  zu  Czernowody  an  den  Ufern  der 
FJü.sse  Jatran  und  ( 'zernowod  Gouvernement  Kiow,  Bezirk 
Human,  auf  der  .Steppe  befinden,  aufgegraben  und  fand 
ein  1  Mtr.  750  Mm.  breites,  2  Mtr.  318  Mm.  langes  und 
4  Mtr.  tiefes  heidnisches  Grab.  In  der  Mitte  desselben 


A-    .    j'R/C^^yi-f.^y' 


waren  zwei  Mcnschenskelette  ,  von  denen  das  männ- 
liche mit  dem  Kopfe  nach  Westen,  das  weibliche  nach 
Osten  gerichtet  ist ;  rechts  neben  diesem  letzten  Gerippe 
lag  eine  blaue  auf  einem  Silberdraht  aufgefädelte  Glas- 
koralle, welche  einem  Ohrgehänge  ähnlich  war.  Etwas 
tiefer  befand  sich  in  der  Erde  eine  steinerne  glatte 
inschriftlose  Tafel.  Alle  diese  Gegenstände  befinden  sich 
in  meiner  archäologischen  Sammlung  zu  Krakau. 


Neueste  Funde  zu  Carnuutum. 

Von  Ed.  Fr.  V.  Sacken. 

(Mit  1   Holzschnilt.) 


In  den  letzten  Jahren  wurden  beim  Schlosse  zu 
l'etronell,  wo  bekanntlich  das  Municii)iumCarnunt  stand, 
mehrere  regelmässige  Nachgrabungen  durch  Sc.  Excell. 
Grafen  Hugo  Traun  vorgenommen,  die  drei  sehr  inter- 
essante Mosaikböden  zu  Tage  förderten.  Einer  dersel- 
ben, der  sehr  wohl  erhalten  ist,  stellt  in  den  natürlichen 
Farben  den  sitzenden,  leicht  bekleideten  Ganymed  dar, 
der  den  Adler  des  Jupiter  tränkt,  der  zweite  Or])heus 
unter  den  Thieren,  der  dritte  mit  schwarzen  Figuren  auf 
weissem  Grunde  liciter;  letzterer  war  nur  mehr  theil- 
weise  erhalten.  Die  Mosaiken  wurden  durch  den  Auf- 
seher des  k.  k.  Münz-  und  Antiken -Cabinetes  Wilhelm 
Sturm  sehr  geschickt  ausgehoben,  in  Cement  dauernd 
liefestigt  und  zieren  nun  das  vom  (Jrafen  Traun  im 
Schlosse  Petronell  angelegte  kleine  Museum  von  car- 
nnntisfhen  Funden.  Ferner  wurden  lange  Siibstrnctio- 
iien  von  Gebäuden,  die  (iänge  mit  verschiedenen  (^uer- 
mauern  bilden,  aufgedeckt;  sie  scheinen  von  ausgedehn- 
ten Magazinen  oder  Stallungen  herzurühren.  Das  Mauer- 
werk ist  sehr  sorgfältig  ausgeführt,  mit  Ziegeln,  welche 
Fabrikssteiiipel  haben,  gemauert  und  glatt  verputzt.  An 
einer  andern  Steile  des  Schlosshofes,  wo  schon  früher 
viele  Reste  von  Bauwerken  zu  Tage  kamen,  mit  zahl- 
reichen Marmorstücken,  die  zur  Verkleidung  der  Wände 
und  des  Fnssl)odens  gedient  hatten,  stiess  man  auf  ein 
wohl  angelegtes  lIy])o(austum.  Zwei  Beihen  der  Ziegel- 
pfeiler, auf  denen  die  Suspensura  ruhte,  waren  noch 
ziemlich  erhalten;  die  erste  Ifeihe,  (i  Zoll  von  der  IJm- 
tangsmauer  abstehend,  zeigt  acht  I'feilerchen  in  der 
riueht.  Dieselben,  bei  2  Fuss  hoch,  sind  je  aus  zwölt 
Ziegeln  von  7  Zoll  im  (Quadrat  aufgemauert  ,  denen 
grössere  Zicgel|datten  von  In  Zoll  als  Fuss-  und  Deck- 
platte gegeben  sind.  Die  zweite  Bfeilerreihe  ist  in  einem 
Abstand  von  1  Fuss  li  Zoll  von  der  ersten  aufgeführt. 
In  mehreren  Sarkophagen  im  Cömeterium  ausserhalb 
der  Stadt,  die  vermittelst  Sondirung  ausfindig  gemacht 


artigen,  sehr  dünn  gearbeiteten  Glase  wenig  Bemerkens- 
wertHes  vor;  manche,  darunter  ein  Kindersarg,  waren 
ganz  leer,  oft'enbar  von  den  Barbaren  ausgeplündert, 
die  gern  eine  Ecke  des  Deckels  wegschlugen ,  um  den 
Inhalt  der  Sarkophage  zu  untersuchen.  Bemerkenswerth 
und  besonders  durch  die  rührenden  Abschiedsworte, 
die  dem  Verstorbenen  in  den  Mund  gelegt  werden, 
interessant  ist  ein  grosser,  (i  Fuss  9  Zoll  hoher  Grab- 
stein eines  Soldaten  der  XV.  apollinarischen  Legion, 
die,  wie  zahlreiche  Ziegelstempel  beweisen,  lange  Zeit 
in  Garnunt  stationirt  war. 

Die  Inschrift,  welche  eine  Fläche  von  3  Fuss  Länge 
einnimmt,  lautet: 

('  .  VALEBIVS  .  C  .  F 

SEK  .  IlEi{  .  TVB 

MIL  LEG  XV 

APOLL  .  STIP 

XVI  .  ANN  . 

XXXVI 

H  .  S  .  E 

VhlTE  .  FELICES 

QVIBVS  .  EST  .  DAT 

A  LONGIOR  .  OBA 

VIXI  EGO  .  DVJI  .  LICV 

IT  .  DVLCITER  .  AD  SVPE 

KOS  DICITE  .  SI  MEliVI 

SIT  .  TIBI  .  TEKBA 

LEVIS 

Die  Grabsclirilt  selbst  ist  ziendicli  sorgfältig  ein- 
gemcisselt,  der  Spruch  weit  liüehtiger  und  mit  seldech- 
tcren  Buehslabcn,  die  Schlussformel  in  kleineren  Lettern 
nur    auf  die    Fnirahmung    eingekratzt.    Darunter  sieht 


und 


1   geöffnet  wurden ,   fand  sich  ausser   einem  becher-      man  in  llachem  Belief  ein  kegelförmiges  und  ein  mcissel- 


—     27 


artiges  Instrnnient  abgebildet,  ui)in  i>t  der  Stein  rund. 
Der  hier  begrabene  ;!t>Jähri>:e  Soldat  der  XV.  Legion 
war  also  Trompeter  (Tubicen),  aus  der  Tribus  Sergia 
und  wahrscheinlich  aus  Heraclea  gebürtig.  Der  Schrift- 
charakter deutet  auf  das  III.  Jahrhundert.  Der  Stein 
befindet  sich  in  der  Sammlung  zu  Petronell.  Daselbst 
sind  auch  zwei  neuerer  Zeit  aufgefundene  Spuljjtur- 
werke  aufbewahrt;  das  eine  ist  der  17  Z(dl  hohe 
Torso  einer  mit  dem  ärmellosen  Doppelchiton  beklei- 
deten weiblichen  Figur,  welche  mit  beiden  Händen 
eine  Büchse  vor  der  Brust  hält,  das  andere,  aus  schö- 
nem, weissem  Marmor,  im  Schlossgarten  ausgegraben, 
scheint  au  einem  Brunnen  als  Postament  oder  Pfeiler 
gedient  zAi  haben.  Auf  der  Vorderiläche  des  viereckigen, 
2  Fuss  8  Zoll  hohen  Steines  sieht  man  in  Relief  die 
Herme  einer  Nymphe,  den,  wie  es  scheint,  schilfbe- 
kränzten  Kopf  seitwärts  gewendet,  in  der  gesenkten 
Kechten  einen  Lorbeerbusch  haltend,  in  der  Linken  ein 
Körbchen  mit  Beeren;  um  die  Lenden  ist  eine  Nebris 
geschlungen  mit  herabhängenden  Ziegenfüsseu  (s.  die 
beigegebene  Figur).  Es  ist  eine  gute  Arbeit  aus  bes- 
serer Zeit.  Jede  der  Seitenflächen  schmückt  ein  nach 
abwärts  gekehrter  Delphin.  Kückwärts  hat  der  Stein 
eine  breite  Rinne  der  Länge  nach  herab,  vielleicht  für 
das  Brunnenrohr ,  auf  der  oberen  Fläche  zwei  Löcher 
für  Zapfen  zur  Befestigung  eines  zweiten  Steines. 

An  der  Abdachung  der  Anhöhe,  auf  welcher  das 
Lager  steht,  gegen  Deutsch-Altenburg,  ganz  nahe  bei 
letzterem  Orte  wurde  schon  i.  J.  1848  ein  in  seinem 
Grundrisse  vollständig  erhaltenes  Bad  mit  seiner  in 
den  Boden  gesenkten  Wanne  aufgedeckt  '.  Etwa  100 
Schritte  von  dieser  Stelle  entfernt  fand  man  im  October 
1872  die  Substructionen  eines  zweiten  Bades  in  einem 
ausgedehnten  Mauerwerke  von  complicirter  Anlage. 
Deutlieh  zu  erkennen  ist  der  geräumige  Heizplatz,  in 
den  aus  einem  anstossenden  Gemache,  von  dem  noch 
der  Fussboden  erhalten  ist,  eine  schmale  Treppe  hinab- 
gettihrt  zu  haben  scheint.  Von  dem  Praefurnium  gehen 
nach  zwei  Richtungen  die  gewölbten  Canäle  aus ,  welche 
die  erhitzte  Luft  den  Hypocausten  unter  den  verschie- 
denen Räumen  zuführten,  und  zwar  gegen  Norden  drei 
von  20  Zoll  Höhe  in  Abständen  von  l'/s  Fuss,  gegen 
Süden  zwei,  von  denen  aber  einer  in  geringer  Tiefe  in 
alter  Zeit  mit  Ziegeln  verlegt  wurde.  Weiter  gegen 
Südo.st  liegt,  tiefer,  ein  halbkreisförmiges  Becken, 
vielleicht  eine  Art  Labrum,  dessen  Cementverputz  durch 
Ansatz  von  Kalksinter  zeigt,  dass  es  längere  Zeit 
hindurch  Wasser  enthielt.  Von  diesem  Raum  läuft  ein 
Canal,  zu  dessen  Ausmauerung  zum  Theil  auf  einander 
gelegte  Dachziegel  verwendet  wurden,  mit  ziemlichem 
Gefälle  in  westlicher  Richtung,  nördlich  stösst  daran 
ein  höher  gelegenes  Gemach  mit  erhaltenem  Fussboden. 
An  dem  nördlichen,  höchst  gelegenen  Ende  des  in  einer 
Länge  von  e.  6  Klaftern  aufgegrabenen  Mauerwerkes 
fand  man  noch  die  Bleiröhre  der  Wasserleitung.  Es  ist 
also  kein  Zweifel,  dass  wir  es  mit  einer  Badeanlage  zu 
thun  haben;  dass  es  ein  Militärbad  war,  geht  aus  den 
Stempeln  der  Ziegel  hervor.  Diese  sind  theils  von  der  so 
lange  hier  stationirt  gewesenen  XIV.  Legion ,  theils  von 
der  ersten,  mit  der  seltsamen  Aufsclirift :  LEGIVDL  '. 

Sehr  beachtenswerth  ist  der  Fund  eines  Säulen- 
fragmentes   mit  Inschrift,    das   auf    dem   Mauerwerke 

■  SiTzungsb.  <i.  kais.  Akad.   d     Wissenschaft.  IX,   S.  689,  Taf.  Vt,  3. 
-  D.  i.    I-egio  I   adjutrix,    wol-ei   das  A    vcrki.-hrt  ist,    wie  es    auch  auf 
Ziegeln  von  O  Szöny  uebeu  solchen  mit  jichtig  geslclltcm  A  voikoiuint. 


neben  dem  Praefurnium  lag.  Das  etwa.s  verjüngte 
Säulenstück,  20'/..  Zollhoch,  11  Zoll  im  unteren  Durch- 
messer, aus  Leithakalk  gearbeitet,  bat  oben  zwei 
Ringe,  auf  welche  wohl  das  Capital  folgte,  das  aber 
nicht  gefunden  wurde.  Die  in  reinen  Buchstaben  eiuge- 
meisselte  Inschrift  lautet: 

I  .  0  .  M  .  H 

C'ORN  . 

VIT  ALIS 

TRß  .  MIL  . 

LEG  .  XIIII  G 

I  .  D  .  F  . 

D.  i.  :  Jovi  optimo  maxinio  Heliopolitano  Cornelius 
Vitalis  tribunus  militum  legionis  decimae  quartae  gemi- 
nae,  jussu  Dei  fecit. 

In  der  spät  römischen  Zeit,  die  allerwärts  nach 
einem  religiösen  Halt  suchte,  war  die  Verquickung 
fremder,  meist  orientalischer  Culte  mit  den  hciniisclien 
an  der  Tagesordnung  und  so  entstanden  namentlich 
die  Nebenformen  des  Jupiter  mit  dem  ägyptischen 
Sarapis  und  dem  syrisciien  Sonnengotte,  letztere  als 
Jupiter  Dolichenus  und  Heliopolitanus.  Der  phönicische 
Zeus  von  Heliopolis  war  der  Specialgott  der  Berytenser 
und  in  einer  neapolitanischen  Inschrift  nennen  sich 
die  zu  Puzzuoli  weilenden  Phönizier  aus  Berytus  „Cul- 
tores  Jovis  Heliopolitnni"  s.  Andere  Widmungen  au  ihn 
finden  sich  von  Connnodus  zu  Rom  *  und  von  einem 
Centurio  der  IV.  Legion  zu  Deva  in  Siebenbürgen  5; 
auf  einem  zu  Rom  befindlichen  Steine  wird  er  „Conser- 
vator  imperii  D.  N.  Gordiani  pii"  genannt  «.  Der  Befelils- 

'  Orelli  .  p.  210. 

»  Kbd.  M.S5 

'  Hulletino  dcll'  istituto  di  currisi".  nrcheo     ISiS,  p    130. 

'  Orelli,  56J2. 

4* 


—     28     — 


haber  der  vierzehnten  Doppel-Legion  Cornelius  Vitalis, 
der  diese  Widmungsinschrift  auf  die  Säule  setzte,-  war 
vielleicht  auch  ein  Phönizier,  deren  sich  besonders  in 
der  XV.,  ebenfalls  in  Carnunt  stationirten  Legion  befan- 
den. Die  Formel  ,.Jussu  Dei  fecit"  kommt  nicht  häufig 
vor,  vollständig  ausgeschrieben  in  einer  dem  Jupiter 
Dolichenus  geweihten  Inschrift  zu  Piom  ',  cl)cnso  in 
einer  dacischeu  Inschrift,  wie  auch  die  Formeln:  Jussu 
Deae,  jussu  Deoriim,  jussu  Proserpinae  u.  s.  w.  s. 

Der  in  verschiedenen  Richtungen  interessante  Stein 
>vurde  für  die  epigraphische  Sammlung  des  k.  k.  Anti- 
kencabinetes  erworben. 

Herr  Jaroliniek,  Director  der  Nadelf:\l)nk  in  ILiin- 
burg,  hat  sich  freundlichst  erboten,  von  dem  aufgegra- 
benen Bade  einen  Plan  nebst  Profilen  anzufertigen,  nach 
dessen  Einlangen  der  Fund  ausführlicher  besprochen 
werden  wird. 

Koch  sei  hier  des  Bruchstückes  einer  Inschrift 
gedacht,  die  in  dem  noch  stehenden  Bogen  des  Janus 
l)ei  Petronell  eingemaueit  war.  Im  Jahre  1868  wurde 
an  diesem  Bogen  eine  sehr  zweckmässige  Restauration 
mit  Futerstützung  der  k.  k.  Central -Commission,  Sr. 
Excellenz  des  Herrn  Grafen  Hugo  Traun  und  des  Herrn 
A.  Widter  vorgenommen.  Die  an  der  Westseite  über  dem 
Bogen  noch  erhaltenen  Tragsteiue  der  Attica  sammt  dem 
darauf  rulieudcn  Mauerstücke  drohten  nämlich  lieiabzu- 
stUrzen,  wodurch  das  Denkmal  seines  letzten  architek- 
tonischen Schmuckes  beraubt  worden  wäre.  Das  ganze, 
viele  Centner  schwere  Stück  ruhte  nur  mehr  auf  einer 


einzigen  Steinplatte;  da  wurde  es  von  dem  Maurer  in 
Petronell  auf  sehr  geschickte  Weise  mit  eisernen  Stützen 
unterfangen,  die  tiefer  unten  in  den  festen  Mauerkörpei* 
eingesenkt  und  mit  römischen  Ziegeln  ummauert  wurden, 
wodurch  der  Bestand  des  Gesimses  wieder  für  lange 
gesiciiert  .erscheint.  Bei  dieser  Procedur,  durch  das 
Anziehen  der  Bolzen,  fiel  die  erwähnte  letzte  stützende 
Platte  herab  und  erwies  sicli  als  das  Bruchstück  eines 
Inschrift-Steines,  der  mit  der  Schrififiäche  nach  einwärts 
gekehrt  war.  Von  der  Inschrift  ist  nur  mehr  der  untere 
Theil  erhalten : 

LLS  .  L 

ADAVCT 

AGISTRI  .  COL  .  V  .  .  . 

NORV  .  CENTONARI 

ORV  .  I  .  S  .  P 

Adauctus     .  .  .  niagistri  collegii  veterano- 

rum  centonariorum  impensis  suis  posuerunt. 

Ein  Freigelassener  Adauctus,  der  seiner  Gattin 
Quinctia,  Freigelassenen  des  Publius,  einen  Grabstein 
errichtete,  kommt  in  einer  zu  Petronell  gefundenen 
Inschrift  vor  '.  Der  oben  genannte  war  einer  der  Meister 
der  aus  Veteranen  bestehenden  Gilde  der  Flickschnei- 
der, die,  als  eine  Nebentruppe,  die  Soldatenmäntel, 
Zelte,  Placiien  über  die  Wägen  u.  s.  w.  zu  verfertigen 
hatten.  Der  Stein  war  otfenliar  bei  Erbauung  desBogens 
als  Bau-Materiale  verwendet  worden,  rührt  daher  aus 
weit  früherer  Zeit  her,  als  dieser. 


Röuiisclies  aus  Kärnten. 

Von  Ed.  Fr.  V.  Sacken. 


Wer  das  Museum  zu  Klagenfurt  in  seiner  jetzigen 
liiil)schen  und  zweckmässigen  Aufstellung,  um  die  .sich 
besonders  Herr  Ritter  v.  Gallenstein  verdient  gemacht 
hat,  besucht,  wird  erstaunt  sein  ül)er  die  gTosse  Menge 
von  Utensilien  und  Geräthschaften  aller  Art  aus  guter 
römisclier  Zeit,  die  hier  zusammengebracht  sind.  Ein 
besonderes  Interesse  bieten  die  zahlreichen  degen- 
stände  aus  Eisen,  unter  denen  sich  gar  manche  befinden, 
die  man  kaum  für  antik  halten  würde,  wären  sie  nicht 
mit  unzweifelhaft  römischen  zusammen  gefunden  worden ; 
und  die  Bedeutung  mancher,  an  anderen  Orten  aufge- 
fundener, in  ihrer  Vereinzelung  schwer  zu  erklärender 
Stücke  wird  hier  durch  andere  klar.  Vor  allen  anderen 
ziehen  drei  eiserne  Schwerter  die  Anfiiierksiitiikeil  auf 
sich,  da  solche  bekanntlich  zu  den  grössten  Seltiniieiten 
gehören;  die  Klingen  derselben  sind  \X — :.^0  Zoll  lang, 
:•;  Zoll  breit,  von  der  Wurzel  bis  zur  jähen  Zusi)itzung 
gleich  itreit,  mit  4  Z.  iangiMi  Griffangeln  versehen.  Die 
Sjiitze  des  einen  steckt  noch  zum  'liieil  in  tler  diinnen 
Bronzesciieide.  Wir  haben  liier  das  echt  röniische 
Sehwert  vor  uns,  im  Gegensatze  zu  den  niclit-römi- 
sclien  ,  bronzenen  Schwertern,  mit  schilfblattförmiger 
Klinge,  <\U-  ho  häufig  vorkonmien. 

Ein  zweiter,  üherrasciiender  (iegenstand  ist  ein 
Hingpanzer  oder  Drahthenid,  aus  sehr  feinen  Ringen 
von  i'/z  Linien  Durchmesser,  deren  jeder  vier  andere 
in  sieli  aufnimmt,  bestehend,  also  genau  wie  die  Ring- 
geflechtc    des   späteren    Mittelalters,    deren   Frs])ning 

'  Oruler,  XX,  6.  Vgl.  den  von  I,azla»  publlclrtdn  ,  In  Ungarn  gi  fun- 
den^n  Bitulonrormlgeo  Insf hrlflBleln,  el>d.   XllI,  0. 

'  .Mnrntorl  CI,  3,  CIX,  »,  CXLI,  6,  CXI.II,  8. 


gewöhnlich  dem  Orient  zugeschriehen  wird,  die  aber, 
wie  aus  mehreren  Denkmalen  hervorgeht,  schon  die 
Römer  kannten.  So  trägt  ein  blos  im  Torso  erhaltener 
römischer  Krieger  im  Louvre  unter  der  Lorica  ein  ge- 
floehteiies  Rinj;hemd;  desgleichen  sieht  man  auf  einem, 
ein  Taurobolium  darstellenden  Relief  im  Louvre  zwei 
Soldaten  mit  echt  römischen  Helmen  in  vollständige 
l'anzerhemden  gekleidet.  Das  freilich  nur  in  einzelnen 
zusammengebackenen  Stücken,  die  aber  doch  das  (be- 
lüge deutlieh  erkennen  lassen,  erhaltene  Panzerhemd 
im  Museum  zu  Klagenfurt  ist  aber  das  einzige,  mir 
bekannte  Original. 

Ferner  findet  man  hier  alle  Arten  von  Thürbe- 
schlägen  :  Angeln  ,  Tliürbänder  und  Kegel  ,  so  wie 
Schlossbleche  von  l'.isen  und  Bronze;  die  Schlüssel- 
löelier  haben  die  Gestalt  eines  F  oder  T.  In  vielen 
l'.lättern  stecken  noch  die  grossen,  c.  5  Z.  langen  Nägel, 
die  in  einem  Abstände  von  '.'>  Z.  vom  Kopfe  umgebogen 
sind,  wodurch  das  Schlossblatt  sehr  fest  an  die  ilolz- 
thüre,  deren  Dicke  sich  hieraus  bemessen  liisst,  befe-s 
sfigt  wurde.  Mit  derartigen  Nägeln  scheinen  die  Tliüren 
selbst  beschlagen  gewesen  zu  sein,  wie  aus  ihrem 
massenlinften  Vorkomnien  erhellt.  Von  den  Schlüsseln 
mit  rc'elMwinkligeiii  Harte  sind  einige  von  Eisen  mit 
(iritfen  von  lironze;  letztere  wurden  nach  dem  Sperren 
abgezogen  und  der  nun  nicht  mehr  drehbare.  Bart  blieb 
im  Schlosse  stecken;  behufs  des  Aufsperrens  wurde 
der    Griff    wieder    angesteckt.    Sehr    inerkwünlig    sind 


«  llormayr.  Archiv  IHin,  S.  033. 
■•nsclian.  IX,  S.  718,  Nr.   I.VII. 


Sltzuhgiib.   il,    kni».  Akiirl,   d,    \\  ih 


29     — 


sodann  die  verschiedenen  AYerkzeug'c :  Grosse  ftäge- 
bUitter  (eines  4  F.  8  Z.  lang)  mit  geschränkten  Ziiii- 
nen,  Äxte,  Hämmer,  eine  grosse  Schaufel  mit  eisernem 
Stiele,  kleinere  Scliauleln,  die  iiölzerne  Stiele  hatten, 
Reilmesser  und  kleine  iMesser,  Jleisscl,  eine  sehr  (eine 
Feile  ,  Mauerhaken ,  Zangen  und  Nägel.  Noch  zu 
erwäiineu  sind  Keife  von  Gelassen,  ein  langes  Draht- 
geflechte und  ein  Vorlegschloss  nebst  vielen  Eisen- 
stllckcn  rätliselhafter  Bestimmung,  zum  Theil  von  selt- 
samer {""orni,  ein  8  Zoll  grosser,  hutfönniger  Schild- 
buckel, Lanzen  und  rteilspitzen. 

Elienso  fallen  die  in  einem  zweiten  Schranke  des 
Museums  aufgestellten  zahlreichen  Geschirre  aller  Art 
auf,  eine  Anzahl  von  thönernen  Schnielztiegeln,  endlich 
Mineralfarlien  in  Kugeln:  Eisenocker,  brauner  Ocker, 
blaue  Kugeln  aus  kieselsaurem  Kupfer-Oxyd,  nebst  dem 
Ileibsteine  und  dem  sehalenförmigen,  noch  Ocker  ent- 
haltenden Farbentopfe. 

Unter  den  zahlreichen  römischen  Schmucksachen 
und  Geräthen  aus  Bronze,  den  eigenthlimlich  geformten 
Besciilägstücken  und  anderen  Anticaglien  zeichnen  sicli 
zwei  Hänge-Lampen  aus,  Platten  von  4  Zoll  Durchmesser 
mit  einem  Gerüste,  an  dem  die  Kettchen  zum  Auf- 
hängen befestigt  waren;  in  die  Üftuung  in  der  Mitte 
der  Flatte  wurde  das  Olgefäss  eingesetzt. 

Die  meisten  der  erwähnten  Gegenstände  wurden 
gefunden  bei  den  systematischen  Nachgrabungen,  die 
der  kärntnerische  Geschichts-Verein  in  den  Jahren  1807 
und  18G8  auf  dem  Helenen-  oder  Magdalenenberge 
unter  Leitung  des  Archivars  Alois  Weiss  veranstaltete, 
über  die  der  Vereins-Secretär  Kitter  v.  Gallenstein 
in  der  „Carinthia''  ausführlichen  Bericht  erstattete. 

Die  Nachgrabungen  wurden  an  zwei  Stellen  vor- 
genommen und  ergaben  an  diesen  Funde  von  verschie- 
dener Art. 

Die  eine,  sorgfältig  untersuchte»Stelle  ist  an  der 
Ostseite  und  Nordostseite  des  Berges.  Hier  kamen 
lange  Reihen  kleiner  Bauwerke  zum  Vorschein,  im 
Ganzen  vierzig,  fast  durchgängig  Rechtecke  von  5 — 9 
Fuss  Länge  und  fast  eben  so  breit;  nur  fünf  derselben 
sind  rund.  Nirgends  erkennt  man  einen  Eingang,  obwohl 
die  einen  Fuss  dicken  Mauern  zum  Theil  noch  4 — 5 
hoch  sind.  Im  Innern  erwiesen  sie  sich  mit  einem  feinen 
Mörtel  verputzt,  in  einigen  sah  man  noch  Spuren  von 
Wandmalerei.  Fünf  und  zwanzig  dieser  kleinen  Ca- 
pellcheu  lagen  in  einer  von  West  nach  Ost  laufenden 
Linie. 

Die  Vorkommnisse  in  diesen  kleinen  Bauten  waren 
bei  allen  ziemlich  gleich:  Unter  dem  Schutte  eine 
schwarze,  mit  Kohlenstücken  vermengte  Modererde, 
welche  Gefässe  aller  Art  (Urnen,  Becher,  Schalen, 
Schüsseln),  kleine  Giasgefässe  ('riiränentläschehen)  und 
verscliiedene  Anticaglien  aus  Metall  enhielt.  Unter  letz- 
teren sind  am  häutigsten  Schmucksachen,  wie  Fibeln, 
Nadeln,  Ringe,  ferner  Fragmente  von  Spiegeln,  Messer 
aus  Eisen,  auch  Nadeln,  Löft'elchen,  Knopfe  etc.  aus 
Bein  fehlten  nicht.  Knochen  von  Menschen  und  von 
Tliieren  waren  ebenfalls  in  dieser  Schichte.  Ein  solches 
Bauwerk  enthielt  eine  Urne  aus  Stein  mit  Deekel,  in 
derselben  halbverbranute  Knochenreste  und  ein  Thrä- 
nentiäschchen,  dabei  zwei  einhenklige  Krüge  aus  gel- 
bem Tlione  und  ein  in  Relief  gearbeitetes  Pferdciien 
aus  Silber.  In  zwei  anderen  fanden  sich  plattenförmige 
Feuerstellen.  Ein  Gemach  ergab  nur  Gegenstände ,  die 


von  Frauen  gebraucht  werden:  Spiegel,  Nadeln  von 
Bein,  ein  anderes  nur  wenige  Bronze-  und  Eisensachen, 
dagegen  15  ganz  erhaltene,  wohl  gebrannte  (icschirre 
(1  grosse  Urne  aus  schwarzem  Tlion,  (>  einhenklige 
Krüge  mit  dünnen  Hälsen,  :i  Schalen  und  1  Teller  aus 
rothem,  4  Teller  aus  schwarzem  Thon).  \'on  Münzen 
fand  man  nur  eine  Mittelbronze  von  C.  Caesar  (Caligula) 
vom  Jahre  37. 

Diese  Gebäude  erwiesen  sich  durch  die  niitgefun- 
denen  Steine  mit  Funerär- Inschriften ,  die  zum  Theil 
die  Räume  bedeckten ,  mit  der  Sclirift  nacii  abwärts 
liegend,  unzweifelhaft  als  Gräber.  Es  werden  in  den 
beiden  Berichten  vier  dieser  Grabschriften  niitgelheilt; 
alle  besagen,  dass  die  Stifter  das  Denkmal  den  Ihrigen 
bei  Lebzeiten  errichteten.  In  zweckmässiger  Weise  iiess 
der  Geschichts-Verein  auch  andc^re  Stellen  des  Helenen- 
berges untersuchen,  um  so  eine  Übersiciit  über  die  Aus- 
dehnung der  römischen  Überreste  und  die  Art  derselben 
zu  erlangen. 

Die  Nachgral)ungen  an  der  Süd-  und  Südostseite 
des  Berges  ergaljeii  in  der  That  Resultate,  die  von  den 
bes})rochenen  an  der  Ost-  und  Nordostseite  wesentlich 
verschieden  sind.  Hier  kamen  die  Überreste  grösserer 
Baulichkeiten  zum  Vorschein,  die  aber  nur  zum  Tiieil 
aufgedeckt  werden  konnten.  Der  Haupt -Bau  ist  ein 
Rechteck  von  Gß'  Länge,  30'  Tiefe,  an  welchen  sich 
ein  weiterer  Raum  anschloss ,  der  aber  noch  vom  Berg- 
abhange bedeckt  ist.  An  einem  Ende  betindet  sich  ein 
alkoven-  oder  erkerartiger  Ausbau  von  9  Fuss  Länge, 
G  Fuss  Breite,  dessen  Estrichfussboden  um  2  Fuss  höher 
liegt,  als  der  des  übrigen  Gebäudes,  es  ist  vielleicht 
die  ehemalige  Küche  des  Hauses.  Der  übrige  Innenraum 
des  Gebäudes  besteht  aus  sieben  Gemächern,  deren 
drei  die  ganze  Tiefe  einnehmen,  durch  Riegelwände 
aus  Holz  mit  Mörtelbewurf  von  einander  getrenut.  Ne- 
ben den  Mauern  lagen  die  Beschläge  der  Thüren  und 
deren  Schlösser.  Der  Fussboden  besteht  aus  geschla- 
genem Lehm.  In  einer  dieser  Abtheiluugen  fand  man 
die  vielen ,  oben  erwähnten  eisernen  Geräthe  und  Werk- 
zeuge, auch  Reste  eines  Tiegels  aus  Blei  nebst  Blei- 
sehlacken ,  sowie  einen  Jlahlsteiu.  In  der  zweiten  Ab- 
theilung dagegen  liig»n  verschiedene  Gegenstände, 
meist  aus  Bronze  (Schlossbesehläge,  Schlüssel ,  Nadeln, 
Schnallen  ,  Krüge ,  Kettchen)  und  die  besprocheneu 
Farben.  In  dem  dritten,  durch  eine  Querwand  getheilten 
Räume  fanden  sich  die  zwei  Eisenschwerter,  die  zwei 
Hängelampen  und  eine  halbe  Schüssel  aus  Bronze  auf 
einer  stufenartigen  Erhöhung.  Ausser  diesen  drei  Räu- 
men enthielt  der  Bau  noch  ein  grösseres  Gemach  von 
27  Fuss  Breite ,  mit  Estrich  gepflastert  und  ein  zwei- 
tes von  gleicher  Breite,  dessen  Fussboden  mit  einfach 
schwarz  und  weiss  gemustertem  Mosaik  belegt  war.  Im 
ersten  waren  massenhaft  Geschirrtrümmer  aus  schwar- 
zem und  gelbem  Thon  und  von  Terra  sigillata.  Es  ist 
wohl  kein  Zweifel,  dass  wir  es  hier  mit  einer  Wohn- 
stätte, wahrscheinlich  der  eines  Eisenarbeiters  zu  thun 
haben,  in  dessen  Werkstätte  sieh  noch  eine  Menge  von 
Eisenwaren  verschiedener  Art  vorfanden;  es  scheinen 
blos  die  zum  Handwerksbetriebe  bestimmt  gewesenen 
Räume  aufgedeckt  worden  zu  sein,  während  die  eigent- 
lichen Wohnzimmer  noch  verschüttet  und  unausgegraben 
sind. 

In  der  Nähe,  etwa  50  Schritte  von  dem  Gebäude 
entfernt,  fand  man  eine  G  Zoll  mächtige,  9  Fuss  lange 


30 


Schichte  von  Hirse  in  verkohltem  Zustande ,  offenbar  als 
Vorrath  aufgeschüttet. 

Nichts  deutet  hier,  wie  bei  den  früher  besprochenen 
kleinen  Bauten  an  der  Ost-  und  Nordostseite  des  Ber- 
ges, auf  Gräber,  und  es  scheint  diese  Seite  des  süd- 
liehen Abhanges  mit  Wohngebäuden  besetzt  gewesen 
zu  sein.  Die  Kesuhate,  welche  die  mit  nur  geringen, 
durch   Beiträge  von  Altertliumsfreunden  zusammenge- 


brachten Mitteln,  aber  in  sehr  entsprechender  Weise 
geleiteten  Nachgrabungen  lieferten  ,  sind  so  bedeutend 
und  interessant ,  dass  es  höchst  wünschenswertli  er- 
seheint, der  kärntnerische  Geschichtsverein  möge  dieses 
vielversprechende,  gewiss  lohnende  Unternehmen  fort- 
setzen und  durch  rege  Theilnahme  und  reichliche  Mittel 
unterstützt  werden. 


Arcliäologisclies  aus  Vorarlbera:. 

v.,n  Ed.  Pr.  V.  Sacken. 

(.Mit  3  Holzsshuittfii.) 


Zufolge  der  Mittheilungen  des  Correspondenten  zu 
Hard  bei  Brcgenz,  Herrn  8.  Jenny  waren  die  Ausgra- 
bungen, welche  das  vorarlbergische  Landesmuseuni  auf 
dem  Boden  des  römischen  Br  ig  an  tium  veranstaltete, 
von  bestem  Erfolge  begleitet,  indem  ein  zwar  kleines, 
aber  in  seinem  Grundplane  ganz  erhaltenes  römisches 
Bad  aufgedeckt  wurde.  Wie  der  nebenstehende,  derLan- 
deszeitung  entnommene  Holzschnitt  (Fig.  1)  zeigt,  sind 
die  einzelnen  Baderäume  in  ihrer  typischen  Anlage  sehr 
deutlich  zu  erkennen  und  wir  finden  sie  genau  so 
angeordnet,  wie  an  dem  i.  J.  1848  bei  Deutsch-Alten- 
burg aufgedeckten  Könierbade  ',  woraus  ersichtlich 
wird,  wie  die  Körner  allerwärts  bei  ihren  Bauwerken  die 
gleiche  Praxis  einhielten.  Alle  Bäume  ausser  einem  (VI) 
haben  Hypocausten,  sehr  sorgfältig  ausgeführt,  indem 
auf  die  Sandstein-Säulehen  2"  dicke  Platten  so  aufgelegt 
sind ,  dass  jede  Ecke  einer  Platte  ein  Viertel  der  Ober- 
fläche des  Säulcnko])fes  deckt,  daher  die  Tafeln  zusam- 
menstosseu.  Unverkennbar  ist  der  Kaum  H  das  Apody- 
terium,  in  welches  man  durch  die  Eingangspforte  I 
gelangte.  Aus  diesem  Vorräume  und  Auskleidezimmer 
ging  der  Badende  zu  grösserer  Erwärmung  und  Vorbe- 
reitung zum  eigentlichen  Dampfljade  in  das  Tepidarium 


ni  mit  .seinem  erwärmten  Fussbodcu  und  hierauf  in 
das  Sudatorium  (Caldarium),  IV,  welches  am  nächsten 
dem  Heizraume  VII  liegt.  Die  Hitze  strömte  aus  dem 
Praefurnium  durch  einen  noch  sichtbaren  Canal  unmit- 
telbar unter  die  Suspensura  dieses  Gemaches  und  stieg 
in  den  die  Mauern  verkleidenden,  miteinander  connnuni- 
cirenden  Köhren,  von  denen  hier  noch  viele  Trümmer 
liegen,  empor.  In  der  halbrunden  Nische  stand  wohl 
das  Labrum  mitAVasser  zum  Besprengen  und  theilweisen 
Abkühlen  des  Körpers.  Daneben  ist  der  Alveus  V  zum 
Warmbaden;  zwei  Stufen  führten  zu  der  AVanne,  deren 
Abfluss  noch  zu  erkennen  ist,  hinauf,  in  derselben 
befindet  sich  wieder  eine  Stufe,  um  sich  darauf  zu 
setzen.  Am  besten  erhalten  ist  die  Piscina  VI,  eine  mit 
Cement  ausgemauerte  und  wegen  des  Wasserabflusses 
mit  stark  geneigtem  Fussboden  versehene  Vertiefung, 
in  welche  Stufen  aus  flachen  Ziegeln  hinabtühren.  Hier 
ist  natürlich  kein  Hypocaustum.  AVohl  aber  findet  sich 
ein  solches  in  dem  Gemache  A'III,  welclies  als  Apody- 
terium  für  die  blos  kalt  Badenden  gedient  zu  haben 
scheint,  vielleicht  aber  auch  ein  Wohnzimmer  des 
anstossenden  Gebäudes  war,  denn  in  unserem  kalten 
Klima  brachten  die  Kömer  auch  in  solchen  Heizvorrich- 
tungen  an.  Die  Susjjcnsura  ist  hier  besonders  gut 
erhalten.  Wie  gewölmlich  besteht  der  Boden,  der  auf 
den  Platten  des  liypocaustums  aufliegt,  aus  zwei  Lagen, 
deren  untere  ein   4  Zoll    dicker,    7nit   Ziegelstllckchen 


gemengter  Kalkmörtel  ist,  auf 


welclien  die  obere  r^age 


Sll/.un)i>b.   <r.  kalii.   Akail    'I     WIssrnKclitCl   IX'.  l'aC   ir. 


von  feinem  Kalk  folgt.  In  diese  sind  die  Würfel  des 
Mosaiks  eingedrückt,  mit  dem  das  Gemach  gescinnückt 
war.  Dieses  ist  blos  en  grisail  gehalten ,  schwarze 
Ornamente  auf  weissem  Grunde.  Ein  anseimliches  Stück 
da\dii  \vur(le  in  das  Museum  zu  Brcgenz  geliracht. 

Für  die  Tojjograpiiie  und  das  eiiemalige  Cultur- 
leben  Brigantiums  ist  die  Entdeckung  dieses  Bades  von 
hohem  Interesse. 

Gorrespoudent  Jenny  berichtet  ferner  über  Fluide 
von  niciit  niniiselien  l>r(in/,e-(!egensl;iii(lei) ,  von  denen 
noch  vor  ungelahr  zehn  Jain-eii  in  N'oiarlberg  gar  nichts 
bekannt  war,  die  aber  beweisen,  dass  auch  hier 
dieselbm  l'"'ormcn  von  solchen  vorkommen ,  wie  in  ganz 
Mitteleuropa.  Folgende  kamen  in  den  Besitz  des 
]>regenzer  Museums: 

1.  Ein  Schwert  aus  Mauern  im  Fiirstunthnm 
Liechtenstein,  mit  schilfhlattförmiger  Klinge  von  1!>  Zoll 
Länge  und  Griffzunge,  die  erluibene  Ivänder  hat,  um 
den  haliinuniilliiiiiiig  an  die  Klinge  anschliessenden, 
mit  lo  Nägeln  liefestigteii  (irilf  .•iiifziinelimeii ;  di(>ser, 
bei  Brdiize-Scliwerti'rn  immer  seiir  kurz,  ist  hier  beson- 
ders klein. 


31 


Fig.  2.- 

2.  Die  Spitze  eines  zweiten  Schwertes,  zierlich 
vier  Male  gerippt,  gefimdeu  in  Lusteuau  am  Kiiein, 
wohin  man  die  Schlacht  zwischen  den  Hörnern  unter 
Arbetio  und  Vindelicieru  und  Khätera  verlegt. 

3.  Zwei  Lanzeuspitzen  in  Lanzettblattforra; 
eine  lOV.,  Zoll  lang,  mit  vertieften  horizontalen  Linien 
an  der  Tülle  verziert,  aus  Hoiienemhs,  die  andere,  etwas 
kleinere,  unverziert,  gefunden  tief  im  Torfmoore  von 
Mäders. 

4.  Zwei  Palstäbe,  die,  jeder  in  seiner  Art,  beson- 
deres Interesse  bieten.  Einer  derselben,  (j"/o  Zoll  lang, 
hat  so  breite  Schaftlappen,  dass  sie  sich  beinahe  zu 
einer  Köhre  zusammenschliessen  (Fig.  2)  und  besitzt, 
wie  es  bei  den  mit  vollständigen  Schaftröhren  verse- 
henen Celts  gewöhnlich  vorkommt,  ein  seitliches  Ohr 
zum  Durchziehen  einer  Schnur.  Das  ausgeschweifte 
Beil  zeigt  schöne  Verzierungen  von  Kreisen  mit  Cen- 


F\g.  3. 

tralpnnkt  und  Stricheln.  Dieses  elegante  Stück 
wurde  im  Flussgerölle  der  Ache  bei  Dornbirn 
5  Fuss  unter  dem  Bette  gefunden.  Der  zweite 
unverzierte  Palstab  (Fig.  3)  ist  deshalb  beach- 
tenswerth,  weil  das  Beil  uuverhältnissmässig  kurz  ist, 
was  ohne  Zweifel  vom  langen  Gebrauehe  und  oftma- 
ligen Zuschleifen  bis  zu  dieser  Kürze  herrührt.  Der 
P'undort  ist  die  Ruine  der  Heidenburg  bei  Gävis  (bei 
Feldkirch). 

5.  Ein  Celt  (gegenwärtig  im  Ferdinandeum  zu 
Innsbruck)  ,  gefunden  in  der  Ruine  Neu-Montfort  bei 
Götzis. 

6.  Eine  Dolch-  oder  Messerklinge  mit  einem 
Nietloch  für  den  Stiel ,  5  Zoll  lang ,  vielleicht  römischen 
Ursprunges,  da  sie  zwischen  römischen  Mauern  von 
Brigantium  gefunden  wurde. 

So  mehren  sich  in  allen  Ländern  die  Zeugen  einer 
alten  reichen  Bevölkerung  mit  gleichförmigem  Cultur- 
Zustande  und  denselben  Handelsverbindungen,  welche 
auch  die  entfernteren  Gebirgsländer  nicht  unberührt 
Hessen. 


Der  Kreis  ober  dem  Maiiliartsberire  in  Nieder -Österreich. 


Von  Karl  Rosner. 

(Mit  einer  Tafel  und  9  Holzschnitten. 


Als  Conservator  für  diesen  Kreis  will  ich  es  versu- 
chen, durch  periodische  Besprechungen  die  Aufmerk- 
samkeit der  Alterthumsfreunde  auf  die  in  demselben 
befindlichen  Kunstdenkmale  zu  lenken,  die,  wenn  auch 
nicht  gerade  von  hervorragender  Bedeutung,  immerliin 
sehr  beachtenswerth  sind.  Die  beigegebene  Tafel  und 
die  Abbildungen  in  Fig.  1  bis  5  stellen  die  Ruine  der 
ehemaligen  Pfarrkirche  in  Dürrensteiu  und  des  dane- 
ben befindlichen  Karners  sammt  Details  dar. 

Während  letzterer  noch  ziemlich  erhalten  ist  — 
(es  fehlt  leider  das  Dach;  das  schon  beschädigte  Kreuz- 
gewölbe wird  ohne  Sciiutz  gegen  die  Witterung  in 
wenig  Jahren  einstürzen,  wenn  die  Gemeinde  oder  das 
Stift  Herzogenburg  meinem  Ersuchen  eine  Bedachung 
beizustellen  nicht  willfährt) ,  bestehen  von  der  einsti- 
gen Pfarrkirche  nur  wenig  Überreste,  als  der  Thurm, 
die  westlichen  Abschlussmauern,  dabei  eine  schön  ver- 
stäbte  gothische  Thüre  (s.  deren 
Profil  in  Fig.  1)  und  wenige  Über- 
reste der  anderen  Hauptmauern, 
von  Gras  überwuchert.  Der  Standort 
dieses  Bauwerkes  ist  rechter  Hand 
beim  Eintritt  durch  das  untere  Tlior 
der  uralten  interessanten  kleinen 
V\g.  1.  Stadt  Dürrenstein,   die  noch  heute 


sammt  der  Feste  von  epheuumrankten  Mauern  einge- 
schlossen ist. 

Die  Kirclie  liegt  auf  einem  erhöhten  Platze,  ebenso 
Karuer  und  Friedhof;  zum  Kircheneingang  führt  von 
der  Strasse  eine  offene  Stiege.  Die  Ostseite  der  Kirche 
wurde  von  der  Stadtwallmauer  begränzt. 

Diese  Kirchenruine ,  der  vereinsamte  verfallene 
Friedhof,  der  Karner,  die  Zinnen  der  Wallmauern,  im 
Hintergrunde  das  verfallene  Schloss  Dürrenstein  und 
die  wunderlich  gezackten  Gneissfelsen,  all  das  bildet 
ein  malerisches  interessantes  Bild,  das  tlieilweise  auf 
dem  beigegebenen  Blatt  darzustellen  versucht  wird. 

Die  Kirche  zu  St. 
Kunigund  war  bis  um 
die  Mitte  des  vori- 
gen Jahrhunderts  Pfarr- 
kirche von  „Tirnstein-'. 
Vor  dem  Baue,  dessen 
Reste  noch  heute  zu 
sehen  sind,  bestand  ein 
früherer  Bau  an  der 
Stelle  des  jetzigen  Bein- 
liauses  im  Friedhofe. 
Als  dieses  frühere  Got- 
teshaus  für   die  Pfarr- 


Fig.  2: 


32 


gemeinde  zu  klein  wurde,  baute  man  daneben 
eine  neue  ,  die  jetzt  in  Trümmern  liegende 
Kirche;  oder  vielmehr  man  vergrösserte  eine 
schon  vorhandene  der  h.  Kuuigunde  geweihte 
Capelle. 

Die  Pfarre  Dürrenstein  (Tirnstein),  eine 
der  ältesten  in  (•sterreich,  wurde  bis  zu  Anfang 
des  XV.  Jahrhunderts  von  Welt])riestern  ver- 
sehen. Das  Patronat  derselben  hatten  im  XIII. 
Jahrhundert  die  Chuenringer  als  Herren  von 
Tirnstein  iune;  im  Jahre  1289  den  2.  März 
üljergab  Leutold  von  Chuenring  dieses  Patronat 
dem  von  ihm  gestifteten  Clarisserinnen-Nou- 
nenstift  in  Tirnstein. 

Im  Jahre  1409  starb  der  letzte  Weltprie- 
ster-Pfarrer  von  Tirnstein  Heinrich  Schenk,  und 
Bischof  Georg  von  Passau  übergab  nun  Kirche 
und  Pfarre  dem  eben  entstehenden  Augusti- 
ner-C'liorherrnstifte  daselbst. 

Die  Pfarre  wurde  von  nun  an  von  einem  Chorherrn 
aus  dem  Stifte  verwaltet  und  die  Kirclic  blieb,  während 
das  Stift  sein  besonderes  Gotteshaus  ad  B.  M.  V.  hatte, 
Pfarrkirche  bis  um  die  Mitte  des  XVHI.  Jahriiunderts, 
wo  sie  als  solche  ausser  Gebrauch  gesetzt  wurde.  Im 
Jahre  1742  findet  sich  der  letzte  feierliche  Gottesdienst 
darin  erwähnt. 

Im  Jahre  1803  Hess  Probst  Jlichael  Teuiel  (nomen 
est  onicn)  von  Herzogenburg ,  als  Administrator  der 
Güter  des  1788  aufgehobenen  Stiftes  Tirnstein,  die 
Kirche  abbrechen,  um  das  Materiale  zum  Kirchenbau  in 
Keidling,  V.  0.  W.  W.,  zu  verwenden.  Diese  Daten 
entstammen  der  Stifts-Bibliothek  von  lIerzogenl)urg.  In 
dem  (Jedeiikbucli  der  Pfarre  tinden  sich  noch  folgende 
Notizen  :  Die  Zeit  der  Entstehung  von  Tirnstein  ist 
ungewiss;  doch  bevor  noch  Krems,  Loiben,  Eossatz 
von  slavischen  Ansiedlern  im  IX.  .Jahrhundert  colonisirt 
worden  sind,  war  Tirnstein  sciion  ein  bedeutender  Ort, 
folglich  die  Pfarre  älter  als  jene  von  Krems.  Bischof 
Albert  von  Passau  hat  laut  Urkunde  ddo.  St.  l'ölten, 
28.  April  1.'567,  auf  die  Bitte  des  Tirnsteiner  Pfarrers 
Nicfjlaus  (las  jährliche  Einweihungsfest  der  St.  Kuni- 
gunden- Kirche,  der  dabei  befindlichen  Mariencapelle 
(ca|)ellac  B.  M.  V.  annexae)  und  des  Karners  auf  den 
Sonntag  Jnbilate  verlegt. 

Als  durch  kais.  Verordnung  vom  24.  October  178,'] 
alle  Nebenkirchen  und  Capellen  geschlossen  werden 
mussfen,  war  ni;in  in  Tirnstein  in  die  Notliwendigkeit 
versetzt,  entweder  die  Stiftskirche  oder  die  St.  Kuni- 
gunden- Kirche  als  Nebenkirche  zu  erklären  und  zu 
schliesseii.   Man  cntschiod  sich  für  die  letztere,   welche 


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FiK.   4. 


somit  geschlossen  wurde  und  zur  Ausstattung  anderer 


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Kirchen  herhalten  nnisste,  indem  laut  a.  h.  Auftrages 
an  die  neuerrichtete  Pfarre  Freischling  im  Decanat 
Hörn  abgeliefert  wurden:  1.  die  Kehlheimerplatten  des 
Fussbodens;  2.  das  hölzerne  Speisgitter;  3.  die  höl- 
zerne Kanzel;  4.  die  grosse  10  Ctr.  schwere  Glocke. 

Bezüglich  des  Karners  (Fig.  2,  3,  4)  muss  ich 
bemerken,  dass  an  der  Ostseite  sich  noch  Spuren  von 
Frescomalereien  befinden.  Andere  Fresken  (Christus 
am  Kreuze  mit  den  Frauen)  sind  noch  erkenntlich  ober 
der  Eingangsthüre  in  den  unterirdischen  Kaum.  Das 
eine  schöne  grosse  Fenster  an  der  Südseite,  mit  sich 
verschneidenden  ,.;\farienscliuheu"  als  ^lasswerk,  kenn- 
zeichnet diesen  l>au  als  der  Spät-Gotliik  angehörend.  Die 
I{ip])en  des  Gewölbes  haben  das  in  Fig.  5  beigegebene 
Profil  und  ruhen  auf  Dreiviertel-Säulchen,  die  mit  Fuss 
und  Capital  a  ersehen  sind.  — 

Fig.  ()  und  7  zeigen  uns  die  Kirche  zu  Döllers- 
Ikmui,  Fig  8  deren  Querschnitt.  Ein  mächtiger  halber 
Grabstein  des  Paul  Stodolegkh  lehnt  an  der  äusseren 
südlichen  Chormauer.  Die  Gewölbe  des  Mittelschitt'es 
und  des  südlichen  Seitenschiffes  sind  bemerkenswerth. 
Auch  jenes,  welches  den  ]\lusik-C'lior -trägt,  liei  welchem 
eine  kleine,  an  dem  mittleren  Freipfeilcr  (^siehe  Grund- 
riss)  angebrachte  Dreiviertel-Säule,  mit  reichem  Capital 
der  mittleren  Gewölbsrippe,  als  Auflager  dient.  Dieses 
theilweise  schon  scliadliafte  Capital  ist  9  Zoll  hoch  und 
hat  eine  verwandte  Form  mit  dem  korintliisclien  Cajiitäl. 
Der  4  Zoll  starke  Säulensclialt  ist  nur  4  Zoll  iioch  und 
der  Säulenfuss  ist  mit  dem  Fuss  des  achteckigen  grossen 
Mittclpfeilers  in  si)ätgotliischer  Art  verbunden.  Das 
Presbylcrimn  liegt  um  zwei  Stufen  höher  als  das  Kir- 
chenschiir,  citic  kleine  Kryiit:i  unter  dem  Hochaltar  ist 
nicht  zugänglich.  Das  l'resbytri-iuni  lial  eine  liclite  Höhe 
von  <)  KIftr.,  während  das  mittlere  Kirchenschiti'nur  eine 
S(dch(!  von  4  Klftr.  3  Fuss  besitzt.  Im  Chor  ruhen  die 
fiewöllisrippen,  welche  den  Querschnitt  (Fig.  9)  haben, 
auf  längliciicn  Consolen,  im  Mittrjschill'auf  kleinen  Trag- 
fignrrn,  in  den  SeiteuschiHrn  laufen  sie  gespitzl  aus. 

Die  Tliür  der  .Südseite  ist  schön 
verstäht,  aber  theilweise  vermauert.  Von 
Fenstermalcrci  findi't  sich  keine  S|)ur  mehr. 
Solche  war  laut  Mittheiiung  des  Aiter- 
thums- A'eri'ines,  Itil.  \',  S.  124,  vor  zehn 
.lalireu  nocji  Miiiiaiiden.  l'if;',  5. 


nstein. 


3;j    - 


Das  L.andscliafts-Zeimliaus  in  Grätz. 


Von  Dr.  Fritz  Pichler. 


Der  Tower  in  London,  das  Miisee  d' Artillerie  zu 
Paris,  die  bistorischcu  Museen  zu  Berlin  und  Dresden, 
das  kaiserliche  Arsenal  zu  Wien,  das  bürgerliche  Zeug- 
haus ebendaselbst  und  die  ambraser  Sanunlung:  pflegen 
in  erster  Keihe  genannt  zu  werden,  wenn  von  imi)osan- 
teu  Waftensanunlungen  die  Hede  ist.  Aber  der  Reiz 
und  der  innere  Werth  fast  einer  jeden  ist  durch  scharfe 
Eigenthlhnlichkeiten  bestimmt.  Der  Tower  beginnt  von 
Haus  aus  als  Zeughaus  und  nicht  als  Frunksammlung, 
das  Beste  läuft  erst  vom  XVII.  .Jahrhundert  ab;  in  der 
Zeit  des  Bürgerkrieges  ist  er  stark  ausgeplündert  und 
zählt  nicht  über  5700  Nummern.  Das  pariser  Äluseuni, 
erst  1788  eingerichtet,  oft  ausgeplündert ,  hat  zwar  viel 
an  den  Louvre  verloren ;  aber  Napoleon  III.  verhalf  ilnn 
wieder  zum  Ihihme  der  grössten  Keicbhaltigkeit  und 
Vollständigkeit,  so  dass  es  nunmehr  mit  5200  Nummern 
ausgerüstet  dasteht.  Das  berliner  Zeughaus  hat  wenig 
ahe  Watien,  selten  über  die  Percussious-Gewehre  zu- 
rückgehend, und  was  Monbijou  mehr  leistet,  leidet  an 
dem  bitteren  Durcheinander  dieser  Sammlung. 

Das  dresdener  Museum  historischer  Waffen  ist  ein 
wahrer  Juwel;  es  geht,  beiläufig  gesagt,  von  1553  aus, 
greift  von  da  nicht  viel  über  ein  Jahrhundert  zurück  und 
impouirt  weniger  durch  Harnische,  als  durch  seine  De- 
gen-Serie. Die  Stückzahl  ist  GO.OOO. 

Die  wiener  Arsenal-Samndung,  reich  und  umfassend, 
neu  gesondert,  trefflich  beschrieben  und  illustrirt,  meist 
Prunkstücke  fürstlicher  Sannnler  bietend,  dürfte  das 
Tausend  an  Nummern  noc^i  nicht  überschritten  haben. 

Das  wiener  bürgerliche  Zeughaus  ist  eine  Schö- 
pfung des  XV.  Jahrhunderts ;  man  findet  da  nicht  Pracht- 
stücke, aber  schöne  Reihen  von  seltenen  prakticablen 
Formen ,  grosse  Bestände  von  Stoss-  und  Hiebwafieu 
und  namentlich  mehr  Setzschilde  als  anderswo. 

In  der  Beseitigung  alten  Systemwustes  haben  hier 
au  letzteren  Sammlungen  Männer,  wie  J.  Edl.  v.  S  ch  ei- 
ger.  Fr.  von  Leber  und  neucstens  Quirin  Leitner, 
welcher  jüngst  die  innerösterreichischcn  Lande  bereiste, 
Mustergiltiges  geleistet.  Leber's  Werk  über  das  kaiser- 
liche Zeughaus  vom  Jahre  184(3  zählt  749  Nummern. 

Die  ambraser  Sammlung  endlich  geht  von  1570 
aus,  begann  mit  etwa  120  Harnischen  und  alle  Rü- 
stnngsstücke  stammen  aus  der  Zeit  der  geschlagenen 
Platteuharnische  (von  1450  an).  An  vollständigen  Rü- 
stungen sind  über  500;  wichtig  ist  die  Beigabe  von 
Turnier-  und  Waffenabbildungcn.  Primi ss er,  Berg- 
mann und  Sacken  haben  am  meisten  zur  Bekannt- 
gabe der  Schätze  dieser  Samndung  beigetragen. 

Wenn  wir  jetzt  die  Armeria  zu  Turin,  die  Museen 
zu  Sigmaringeu  ,  Blünchen ,  von  Czarskoe-Selo  bei 
Petersburg,  zu  Brüssel  und  einzelnen  schweizer  Can- 
tonen  nennen,  so  sind  wir  zum  mindesten  berechtigt, 
sogleich  darnach  das  Grätzer  Zeughaus  der  Landschaft 
anzureihen. 

Wenn  es  den  wiener  Sannnlungen  au  Pracht  und 
Zahlreichthum  nachsteht,  so  hebt  es  sich  von  beiden 
vortheilhait  ab  durch  die  genaue  Einrahmung  seiner 
Objecte,  wie  sie  vom  Kriegsbedarf  des  XVI.  bis  anfangs 
XIX.  Jahrhundertes  gefordert  werden,  durch  die  gröss- 
tentheils  ganz  zeitgleiche  und  höchst  mobile  Eiulage- 

XVIII. 


rnngsweise  der  Geräthe,  durch  die  blasse  des  im  allge- 
meinen gleichen  und  duch  in  kleinen  Auslührungen 
lebhaft  verschiedenen  Wartenwerkes.  Es  sind  Bestände, 
die  in  Massen  ausgenützt,  Bestände,  die  aber  vielleicht 
auch  gar  nicht  zur  Ilinausgabe  gekommen  sind;  festge- 
arbeitete Alltagswehren  und  hinwieder  elegante  Kunst- 
werke, dem  ;\[aune  eigen,  wie  er  mit  Tausenden  hin- 
schritt, wie  dem  hochadeligen  Anführer,  der  mit  seinen 
besten  Stücken  glänzte.  Das  schnmle  Haus  mit  den  drei 
Stockwerken  neben  dem  Landliause,  mit  seinen  eisen- 
drahtverkuüpften  Fenstern,  mit  seinen  Standbildern  von 
Mars  und  Bellona  und  mit  dem  Wappen  Myndorf  (^Hof- 
kriegs-Präsident),  Rotenmaini  (Propst  Andrea)  ,  Ratt- 
niannsdorf,  Saurau,  Eibiswald,  stammt  aus  dem  Jahre 
]i)44.  Allerdings  öffnet  sich  das  breite  Einfahrtstiior 
nur  beim  Klange  der  Feuerglocke.  Al)er  das  mit  Unrecht 
im  Rufe  der  Unzugänglichkeit  stehende  altersgraue 
Gebäude  thut  sich  von  der  Landhaus-Hofseite  jedem 
Besucher  auf,  der  in  die  Vorzeit  eingehen  will.  Audi 
au  ganz  allgemeinen  Andeutungen  über  den  hochinter- 
essanten und  wcrthvollen   Inlialt  fehlt  es  in  der  Lite- 


t-tH r 


5 ^'OKL. 


Vig    G.  I  DöUcrsheim.) 


—     34 


;-ontlicli  völlig'  orga- 


Fis 


(DöUcrsheim. 


ratiir  nicht;  ich  nenne  Polsterer's  Graz  (S.  ]  12,  197), 
die  Wiener  Zeitschrift  für  Mode  (1830,  Nr.  98),  Schrei- 
ner's  „Grätz"  (8.  228),  Leber,  „Wien's  k.  Zeughaus« 
(S.  o56),  8  che  ig  er's  Expose  in  den  Yereinsmittheilun- 
gen  (L,  71). 

Wenn  nun  das  lüisthaus  des  XML  Juhriiunderts 
nur  \Vatl'eu  seit  eben  diesem  Jala-hundert  erwarten  lässt, 
so  ist  das  im  Wesentlichen  richtig.  Aber  noch  immer 
reichen  manclie  vurziigliclie  Stücke  des  Zeughauses  ins 
XVI.  Jalirhundert  zurück  und  weisen  vereinzelte  Samm- 
lungsstücke  gegen  die  anfangende  ruiverzeit  liin  aus. 
Was  liegt  also  näher,  als  an  eine  landschaftliche  liüst- 
kammer  zu  denken,  welche  schon  lang  vor  des  XVII. 
Jahrhunderts  erster  Hälfte,  vielleicht  gar  schon  seit 
den  Zeiten  IJela's  IV.  (1254),  bestand,  so  dass  im  Neu- 
liaue  eben  aucli  nur  die  neuesten  Waffen  untergebracht 
waren?  Üb  das  landschaftliche  IJüsthaus  vor  dem  Er- 
werbe   des  Rattmanstorff'schen    Hauses   (1039)   nicht 


Fijj.  H.  (büllcrsliciin.) 


vielleicht  mit  dem  bürgerliclien  Zeugliaus 
nächst  dem  Franciscanerkloster  in  Verbin- 
dung staudi*  Denn  die  bürgerliche  Schaar- 
wache  und  die  ständisclien  Lauzkuechte 
gehen  immer  als  „gut  Freund"  nebeneinan- 
der; so  1479  unter  dem  Kurfürsten  von  Sacii- 
sen  -  Brandenburg  ,  so  1532  zur  Stadtwehr 
gegen  die  Türken. 

Wenn  nun  die  Bestände  aus  den  Zeiten 
der  Ungarn  und  ersteren  Türkeneinfälle  ver- 
schwunden sind,  so  beginnt  das  Gros  der 
Waffenstücke,  namentlich  der  Arkebusiere 
und  Lanzknechte,  allmälig  mit  den  Regie- 
rungszeiten  Friedrich's  IV.,  dichter  seit  Erzh. 
Karl  von  Steiermark ,  also  zusanmienhängend 
aus  der  Keilie  der  letzten  3ü0  Jahre ,  seit 
nändich  die  Landesvertheidigung  im  Vereine 
mit  den  Landständen  so  eii 
nisirt  worden  ist. 

In  diesen  nicht  breiten ,  aber  endlos 
langen  Kammern ,  in  welche  erst  durch  auf- 
gerissene Thorbalken  Liclit  geschaffen  werden 
musste  ,  lagen  die  Hunderte  und  Tausende 
von  Spiessen  und  Flinten  und  aller  Kriegskram,  der 
in  die  starkgezimmerten  Ilolzböckc  noch  grösstentiieils 
gerade  so  eingelagert  liegt,  wie  vor  ein-,  zweihundert 
Jahren.  Dass  so  ein  einziger  Gang  über  die  Trepi>e 
mitten  in  ein  Hecrgeräthe  und  in  sein  Depot  von  genau 
22S  .Iiihren  Alter  hineinfülu't,  das  ist  ein  Heiz  des  Grätzer 
Zeugiiauses,  über  den  ich  schon  mehr  als  einen  viel- 
gereisten Kenne'r  in  Ekstase  kommen  sah.  Dass  alle 
österreichischen  Kronländer  niciits  Ahnliches  bieten, 
braucht  nicht  erst  hervorgehoben  zu  werden. 

Das  Geschick  aller Zeugliäuser  ist  aucli  dem  (irätzer 
nicht  fremd  geblieben  :  es  wurde  zu  manchen  Zeiten 
ausgebeutet.  Jetzt  wäre  es  wohl  nimmer  möglich,  30.000 
Mann  vollständig  gerüstet  aus  den  Rüstkammern  lier- 
vorgeiien  zu  lassen.  In  den  (Jränzfestungen,  l)ei  den 
Ausrüslungen  des  Schlossbergs  (I()09,  IGG5  etc.),  in  den 
letzten  Aufgeboten  gegen  die  Türken  1GÜ4,  gegen  die 
Bauern  der  Stadtumgebung  1737 — 38,  durch  die  fran- 
zösischen Invasionen  1797,  1805, 1809  und  1810  und 
durcii  die  allgemeine  Bewaffnung  im  Jahre  1848  ist 
sichi'r  manclie  grosse  Anzahl  gemeiner  Walfen  und 
manch'  ein  zierliches  Einzelstück  verloren  gegangen. 
Diesem  Zuwenig  gesellte  sich  wieder  ein  Zuviel.  In  dem 
Zeiighause  finden  nämlich  auch  Stücke,  die  da  nicht 
iiineingehören,  wie  z.  B.  die  schöne  zweisitzige  Sänfte 
mit  lidtlisaninit,  Schnitzwerk  und  dem  i!atiioi-\ 'sehen 
Wappen  im  II.  Stockwerke,  der  rrunkschlitten  Kaiser 
Friedrich's  IV.  von  prächtiger  Arbeit  (vergoldete  llolz- 
.sciinitzerci ,  gemalte  Wapjien)  im  III.  Stockwerke, 
der  Elephantenkoi)f  und  Antmi  Sigl's  Baumodelle  vom 
Scidossberge  vor  und  nach  1S<)9  (im  IV.)  u.  dgl. 

Aber  ziehen  wir  diescMi  Feberschuss  ab,  so  hleiht 
für  die  reine  Zeughaussamndung  innncr  iiodi  eine  Num- 
mernzahl  von  etwa  28.250.  rebrigens  können  vom  ,\n- 
schlag  aus  nocli  innner  Waffenllicile  ,  Beschläge  uml 
IJriichstlicke  in  der  Zahl  von  etwa  2000  bei  Seite  ge- 
lassen werden  und  es  I)b'il)(  uns  die  respec- 
talilc  Niimmernzahl  über  2G.O0O.  Schon  diese 
Nachricht  ist  geeignet,  das  grösste  Interesse 
für  die  Siunmliing  aus  den  weitesten  Kreisen 
zu  concentriren. 


30     — 


Selbstverstiindlicli  sind  es  iiiii-  wenige  GaftiiiigcMi 
von  Waffen  uiul  Kricgsg-erätli,  in  welche  hinein  sich 
diese  Anzahl  auftheilt.  Man  möchte  (und  darin  liegt  die 
dunkle  Seite  des  Zeughauses)  kaum  über  80  Gattungen 
zu  unterscheiden  im  Stande  sein.  Von  diesen  sind  na- 
türlich die  Schusswati'en  die  zahlreichsten,  sie  stehen 
obenan  mit  einer  Anzahl  von  beiläufig  8548.  Dann 
kommen  jene  zu  Hieb  und  Stich  (die  ältesten  Piken  bis 
zu  den  jüngsten  Nationalgardcsäbeln)  mit  7700,  endlich 
die  Scluitzstücke  mit  .")(»8o.  Aller  Übrige  Bestand  von 
höchstens  7000  geht  auf  zugehöriges  Geräth  oder  Waf- 
fentheil. 

Kun  ist  aijf  die  sehr  naheliegende  Frage  zu  ant- 
worten: In  welcher  Waft'engattung  sind  die  grössten 
Bestände?  —  und  weiterhin:  wie  folgen  sich  diese  Be- 
stände nach  abwärts?  Wir  werden  in  der  Beantwor- 
tung die  Gattungen  nicht  scheiden.  Obenan  stehen  die 
Pistolen  mit  der  Zahl  4;joo  (1  mit  Bock,  d.  i.  Doppel- 
schloss),  dann  folgen  die  Luntenschloss- ,  Kadschloss- 
l)üchsen  u.  s.  w.,  Musketen,  Karabiner  mit  3845;  Pul- 
verhörner  (-  Flaschen  ,  Zündbüchsen  etc.)  3560 ,  zum 
Tlieil  mit  schöner  P)eineinlage  und  gravirteu  Zeichnun- 
gen; llelmpartcu  2779;  Helme,  Pikelhauben,  Czisakeu 
etc.  2577 ;  Kürasse  (richtig  Brustharnische)  viele  mit 
den  Gamsbäuchen  von 'des  XV.  Jahrhunderts  Ende; 
2085  einfachere  Lanzen  181(5;  Säbel  1785.  Das  sind 
die,  wie  wohl  zu  merken,  gar  nicht  wissenschaftlich 
auseinandergehalteuen  Bestände  über  die  Nummernzalil 
1000  (wohin  wohl  auch  die  ungezählten  Fussangeln 
in  Kisten  raugiren).  Darunter  halten  sich:  die  Rad- 
schlossspanner 624;  Schwerter  (einhändig)  428,  Dop- 
pelhakeu  (Schiessgewelire)  o70,  Bajonnete  316  (Steck- 
und  Uebergangsbajonnete,  Haubajonnete),  Handschuhe 
(Eisen-)  229,  Morgensterne  181,  Rüstungen  (Ganz- 
harnische  von  Helm,  Brusthamiscb,  Taschen  etc.  dar- 
unter 5  Knabenharnische)  143  ,  mit  offenem  oder 
geschlossenem  Helm,  mit  den  Harnisch-Bauchformen, 
mit  Rippungen,  Krebstheilen,  getriebenem  Zierath,  mit 
Rüsthaken  u.  s.  w. ,  allerlei  kunsthistorischen  Wechsel 
bietend;  Gewehrgabeln  138,  Panzerhemdärmel  128, 
Lanzenspitzen  118,  Pistolenhalfter  114,  Schilde  111 
(Tartschen  ,  Schwebescheiben  und  2  hölzerne  Renn- 
tartschen). —  Xun  folgen  die  Bestände  unter  100  Num- 
mern. Da  sind  Gittertartscheu  (Schilde  mit  Gitterbe- 
schlag) 94  ;  Degen  (scheidenlos)  71  ,  Beiderhänder 
(Schwerter)  67  ,  ganze  Trophäen  (allerlei  Gewaffen 
verbindend)  57,  Patronzieher  51,  Cousen  (Art  Lanzen- 
messer) 50,  Ladzeuge  24,  Panzerhemden  ohne  Aermel 
23,  Kriegspfeifen  21,  Trommeln  13,  Pferdstirnblätter 
11,  Panzerhemden  mit  Aermeln  6  u.  s.  w. 

Aus  dieser  ganz  ungefähren  Uebersicht  kann  ein 
allgemeiner  Schluss  auf  das  Ausbreitungsgebiet  sowie 
auf  die  Reichhaltigkeit  der  Sammlungen  gemacht  wer- 
den. Aber  verschieden  sind  die  Gesichtspunkte,  aus 
denen  auf  den  Werth  von  derlei  Sammlungen  erkannt 
wird.  Der  eine  schätzt  die  vollständigen  Entwicklungs- 
reihen, der  andere  urälteste  oder  seltsame  Formen; 
auf  die  kunst-industrielle  Arbeit  hält  der  eine  ,  der 
andere  auf  historische  Erinnerungsstücke.  Im  Grätzer 
Zeughaus  fahndet  das  primitive  vaterländische  Interesse 
zunächst  nach  der  Rüstung  des  Andreas  Baumkirch- 
ner, Erasnuis  Lueger,  AVülting  von  Stubenberg  —  ver- 
geblich natürlich.  Eben  so  wenig  existiren  hier  die  Har- 
nische eines  Otto  von  Lichtenstein,  .\ndreä  von  Greis- 


seneck,  llrich  von  Lichtenstein  und  Ottokar  von  Horn- 
eck.  (Als  dessen  Rüstung  galt  bislang  die  niit  Stachei- 
Helmrost,  um  den  Faustkampf  zu  Ross  schwieriger  zu 
machen).  Was  davon  vordem  gezeigt  wurde,  sind  reine 
Erzeugnisse  aus  des  XVI.  Jahrhunderts  erster  Hüllte. 
In  die  zweite  Hälfte  hinein  gehören  die  Briistharnische, 
die  man  bisher  zngeschrielten  hat  dem  Friedrich  von 
Stubciiberg ,  Friedrich  von  Peckau ,  Albert  von  Hol- 
leneck, Sigmund  von  Dietrichstein,  Hans  Katziauer  und 
Heinrich  von  Pfannberg. 

\'erlässlich  ist  die  Rüstung  des  Erzherzogs  Karl  aus 
1570 — 75,  ein  hall)er  lireiter  Feldharnisch,  schwarz, 
mit  flach  getriebenem  Laubwerk  (sogenaimter  weisser 
erhabener  Arbeit).  Der  Helm  ist  offen,  hat  einen  hohen 
Kamm  und  ein  ,,Veldpartl-' ,  die  Achseln  mit  Tliier- 
kopfende  haben  Doppeltlüge,  vorn  geschoben,  der 
Harnisch  einen  Schmerbauch,  die  geschobenen  Schen- 
kel ein  Kuieende  mit  Tliierkojjf,  so  dass  eine  Aehn- 
lichkeit  mit  Gustav  Adolfs  Harnisch  zu  Dresden  gefun- 
den worden  ist.  Nicht  auf  Erzherzog  Karl- zurückzuführen 
ist  der  com))lete  Harnisch  für  Mann  und  Ross  (3.  Stock- 
werk vorn),  in  die  Zeit  1517 — 1492  zurückgehörig, 
nach  Leber's  Ausspruch  das  Kleinod  des  ganzen  Zeug- 
hauses; eben  so  wenig  die  bei  Schreiner  erwähnte 
Prnchtsense,  diese  ist  eben  nur  eine  Partisane  mit  vor- 
züi;licher  Arbeit  (Silber -Tausciiiruiig)  und  trägt  die 
Jaiirzahl  1628. 

Die  ältesten  Waffen  des  Zeughauses  sind,  wenn 
auch  nicht  die  Armbrust  (Beinarbeit)  mit  Winde ,  die 
Bolzeuschäfte,  die  Turnierstange,  welche  gerade  nicht 
hinter  die  Pulverzeit  zurückweisen  müssen,  so  wahr- 
scheinlicher die  Schwerter  ,  indem  sich  unter  ihnen 
neben  alten  Formen  zugleich  die  frühesten  Inschriften 
finden,  nämlich  1441  imd  1530,  1541.  Bisher  sind  äl- 
tere Jahresiuschriften  landschaftlichen  Gewafl'ens  nicht 
bekannt  worden.  Zunäciist  anreihen  sich  dann  die 
Kürasse,  riclitiger  Brustharnische  mit  Tasche ,  Halsberg, 
Helm,  welche,  um  nicht  weiter  als  auf  die  ausdrückliche 
Jahreszahl  einzugehen,  frühestens  auf  1548,  1560  hin- 
weisen. (Die  Inschrift  1515  wird  abgelehnt.)  Aus  dieser 
Zeit  gibt  es  schon  schöne  Aetzungen,  kün.stlichen  Zier- 
rath,  Wappen  und  die  übliche  Darstellung  des  vor  dem 
Crucitixe  knienden  Ritters.  ^Manche  der  kunstlosen 
Schirmsfücke,  namentlich  die  mit  den  Gamsbäuchen, 
können  daher  in  die  erste  Hälfte  des  XVL.  Jahrhunderts 
versetzt  werden. 

Die  Schiesswerkzeuge  beginnen,  wenn  es  nicht 
die  Orgeln  sind,  die  sonst  tun  1410  anfangen,  mit  den 
Doppelhaken,  wahren  Scbiessprügeln,  deren  ausdrück- 
liche Jahresiuschriften  sich  ausschliesslich  in  der  zweiten 
Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts  bewegen.  Denn  auf  diesen 
Doppelhaken  erscheinen  die  Jahrzahlen  1556,  57,  6ii, 
82,  84,  85,  86  und  1593.  Wie  sehr  man  aber  irrginge, 
wollte  man  mit  diesen  Daten  allein  ohne  Anschlag  der 
Form  schliessen,  zeigen  die  Luutengewehre  und  die  _ 
ihnen  nachfolgenden  Radschlossgewehre ;  denn  während 
die  erstcren  ausdrücklich  erst  Jahreszahlen  wie  1593, 
94,  95  nennen,  geben  die  Radschlossgewehre  1552, 
1558,  1583,  1595,  1596,  in  gezogeneu  Röhren  1581, 
82,  83.  Wenigstens  aber  sind  Luntengewehre  als  aus- 
drücklich dem  XVII.  Jahrhundert  angehörig  hier  nicht 
angewiesen,  während  die  Radschlossgewehre  auf  1618, 
49,  1659  und  gewiss  noch  viel  weiter  hinaufreichen, 
um   endlich  von   den   Musketen   und  Jägerstutzen   der 


36 


neuesten  Zeit  abgelöst  zu  werden.  Zienilicli  zeitgleieh 
mit  den  Radsclilossgewelircn  sind  die  Hadsclilosspi- 
stolen,  iu  deren  Reihe  die  Zahlen  1501,  1599  nachge- 
wiesen sind,  während  der  Hauptbestand  der  Pclnveins- 
spiesse  (kurze  Lanzen)  von  1573,  91,  1()02  wohl  eben  so 
wenig  stark  ins  XYII.  Jahrhundert  hineingreift  als  jener 
der  Hellebarden  [2  von  159(3).  Es  ist  bekannt,  dass  die 
grösste  Anzahl  hiesiger  Waffen  als  zeitgleieh  mit  dem 
Werke  des  Waft'enkundigen  Furtenbach,  1G30,  gilt. 

Die  jüngsten  .Sanimlungstheile  sind :  die  Jlusketeu 
(russische  von  1798),  französische,  englische  Landwehr- 
niusketen  (1.  Stock),  die  Machwerke  von  Landwehr- 
säbeln 1809  (3.  Stock),  die  Säbel  vom  Corps  des 
Czerny-Jury  1809  (4.  Stock),  die  Nationalgardesäbel 
von  1848  (4.  Stock)  und  endlich  die  erst  18(J1  abgege- 
beneu Fahnen  des  27.  Infanterie-Regimentes  aus  den 
Schlachten  von  Magenta  und  Solferino  (3.  Stock). 

Was  die  Aufstellung  betrilf't,  so  ist  nicht  jedes 
Stockwerk  einer  oder  bestinnnteu  mehreren  Waftengat- 
tiingen  ausschliesslich  gewidmet.  Wir  können  den  Inhalt 
kurz  andeuten. 

Das  erste  Stockwerk  enthält  5872  Nummern.  Es 
sind  dies  ganz  vorn  3  Orgeln  (Schiesslinife),  14  Fuss- 
angeln  (Vierspitznägel,  gegen  die  Reiterei  auszuwerfen), 
1  Kanone  von  1758  (394  Centner)  mit  Lad-  und  Räum- 
zeug, 5  Lafetten,  2  .spanische  Reiter  (Stangen  mit  klei- 
nen Lanzen  schräg  eingesteckt),  2  Steinkugeln,  3  Trom- 
meln, II)  Sturmnägel  (Hrandhaken),  G  Mörser,  1  Stuck- 
winde ,  2  Flaschenzüge ,  1  grosse  Schncllwage  mit 
Gründl,  1  grosse  Stuckwage  mit  Zugehür,  3G4  Doppel- 
haken (theils  noch  mit  Lunten-,  theils  mit  Radschloss, 
einzelne  mit  beiden  versehen,  auf  die  Mauerbrüstung 
zu  legen,  für  Eisen-  oder  Rleikugeln,  auch  Hakl)ussen 
genannt,  französisch  haiiucbuse),  35  ganze  Rüstungen 
(sogenannte  geharnischte  Männer),  3G7  Helme  der  ver- 
schiedensten Form,  368  Kürasse,  richtiger  Briistharni- 
sche,  mit  mehr  oder  weniger  Zugehör  (Fusstaschcn, 
Rückblatt,  u.  s.  w.),  157  ranzcrheniden,  50  Eisenhand- 
8ciiuhe,  23  Schilde  (Tartscheu),  87  Hellebarden,  7  Cou- 
8en  (lanzenartige  StiehwatTen  mit  breiter  Klinge,  ähn- 
lich dem  Breehmesser,  Kriegssensc,  Gläfe),  15  Piken, 
37  Morgensterne,  GO  Schweinsfedern  und  Schweins- 
spiesse, 5  Spitzhännner,  28  Schwerter,  Säbel,  4.'!  Bajon- 
nete,  1934  Schiessgewebrc  ausser  den  Doppclliakeu 
(vorwiegend  mit  Luntenschloss,  nämlich  1 30G  Stück,  auch 
I)o]ipelschloss,  dann  2  Trombons),  GOl  Pistolen,  999 
Pnlvcrliörner,  Gll  IJadschlossspanner,  12  Gewein-gabeln 
i,_  a.  —  Es  ist  also  dieses  Stockwerk  hauptsädilicli 
das  der  ersten  Pnlverscliusswerke;  zugleich  wird  es  in 
Ketretl' der  GanzrUstungen  nur  noch  vom  zweiten  Stock- 
werk übertroflFen. 

Das  zweite  Stockwerk  enthält  G2G1  Nummern. 
Darunter  40  Ganzrüstmigen,  ]05!-i  Helme,  Pikelhanben, 
Morian  etc.,  1094  Bruslharnische,  5  l'anzerlicnidcn, 
71  llandseuhe,  27  Schilde,  2  höclist  seltene  llolz- 
Hchildc ,  gemalt  (1  Schwebescheibe,  inniittcu  aufzu- 
stecken), 1  Rossstirn,  81  Hellebarden,  2  Cousen, 
8  Piken,  G  IMorgensterne,  2  Schweinsspiesse,  83  Schwer- 
ter und  Säbel,  daini  vicrsclniei<lige  I'anzersteclier ;  tür- 
kische.Säbcl  i  (^7  sogenannte  Zweihäniier  oder  llcider- 
händer),  2Baionnete,  nur  G  Doppdliaken,  7G  andere 

'  AI«  liirkl«cho  Tronhnin  «ui  ilor  Schlacht  bol  furnUT.  iineifin  tfnnnnt 
zu  werrlcn:  Viele»  Oni-Inili ,  Fnhnen ,  noorpaukon,  »llborno  und  vornoliiolo 
P.rujthnniluchc,  jnwelenbisilili'  Danimcc'ni  r»«lnl  iiiiil  Dolthi',  ko»lli«n>  Slinwl», 
relchguchlrrit    nrabljcho  l'fcrdc,    nebtt  Tlilcm   Oold-   und   Sllborgcriith    und 


Sehiessgewehre  (Radschloss  vorwiegend,  1  mit  Doppel- 
sehloss,  Auswahlsannnlung  rückwärts),  dagegen  1993 
Radschlosspistolen  (1  mit  Doppelradschloss  s.  g.  Bock), 
1545  Pulverhörner,  4  Trommeln,  8  Patrontasclien  u.  a. 
Es  ist  dieses  also  das  Stockwerk  des  Kleinschiess- 
gewehres,  welches  auch  mit  besonderer  Zierlichkeit  in 
den  Beineinlagen  (Ornament,  menschliche  und  thieri- 
sche  Figuren,  Wappen)  und  mit  Fabriksnamen  auftritt ; 
dazu  imponiren  noch  die  Bestände  von  Brustharnisch 
und  Helm  in  allen  Formen. 

Das  dritte  Stockwerk  enthält  9140  Nummern. 
Darunter  33  Ganzrüstungen  (auch  mit  Eisenschuhen, 
drei  Tlieile),  782  Helme  (Pikelhauben,  Burgunder), 
341  Brnstharnische,  43  Panzerhemden,  4>^  Eisenhand- 
schuhe, 29  Schilde,  2  Rossstirnen,  185  Hellebarden  und 
Partisanen,  24  Cousen,  71  Piken,  48  Morgensterne, 
39  Schweinsfedern,  2  Streitäxte  mit  Kolben,  1  Arm- 
brust, 10  Streithämmer,  G2  Fussangeln,  91  Lanzen- 
spitzen ,  89  Schwerter  und  Degen  ((5  Zweihänder), 
1322  Säbel,  80  Bajonnete ,  1874  Schiessgewehre 
(davon  nur  mehr  i/j  mit  Luntenschloss),  1721  Pistolen, 
997  Pulverhörner,  10  Radschlossspanner,  1  Trommel, 
21  Kriegsi)feifen  und  Futteral,  2  Fahnen,  123  Gewehr- 
gabeln. Dieses  Stockwerk  ist  noch  das  der  späten 
Schiessgewehre  und  Pistolen,  aber  auch  vornehmlich 
das  der  Säbel. 

Das  vierte  Stockwerk  zählt  G978  Nummern.  Die 
Schiessgewehre  fehlen  nahezu  gänzlich;  die  alten  Dop- 
pelhaken  haben  schon  im  zweiten  Stockwerk  geschlos- 
sen. Hier  finden  sich  noch  35  Ganzrüstungen,  370  Helme, 
32G  Brustharnische,  101  Panzerheraden,  GOEisenhand- 
sclnihe,  32  Schilde,  7  Rossstirnen,  2437  Hellebarden 
und  Partisanen,  17  Cousen,  1722  Piken  (1  Ronssard), 
90  Morgensterne,  1  Tournierstange,  7  Schweinsspiesse 
(1  mit  geätztem  Wappen),  1  Streithammer,  24  Sturm- 
nägel, 27  Lanzenspitzen,  2  spanische  Reiter  (rück- 
wärts), 479  Schwerter  und  Degen  (54  Zweihänder), 
455  Säbel,  191  Bajonnete,  nur  12  Schiessgewehre,  18 
Pistolen,  19  Pulverhörner,  5  Tronnneln,  4  Fahnen  (da- 
von 2  steirische),  3  Zelte,  10  Feldkessel,  3  Gewehr- 
gabeln. Das  ist  das  Stockwerk  der  Hellebarden  und 
Partisanen  und  Piken,  also  der  Stiehwarten  par  excel- 
lenee,  dann  der  Sciiwerter  und  Degen. 

Wenn  ein  Landes-Zenghaus  von  der  vollen  An- 
scliauliehkeit  und  von  der  Fülle  der  Geräthc,  wie  das 
der  steierischen  Landseliaft,  zur  Auflösung  bestimmt 
wird,  so  kann  die  Kunde  davon  in  Kreisen,  welche 
für  Kunst  und  .'Mtertliuni  leldiatti;  Neigung  und  zu- 
gleich erfahrungsreiclies  Verständniss  liesitzcn,  nicht 
anders  als  aufregend  wirken;  aufregend  für  den  Freund 
und  Kenner,  der  vielleicht  zu  verlieren  fürchtet,  und 
desgleichen  für  den  Sannnler  und  Specidanten,  der  die 
eigenartigsten  l{nrität<'n  zu  erwerben  holft.  Irren  wir 
niciit,  so  ist  die  TliciliKilinie  liülien  nnd  (Irül)en  schon 
in  höchster  Spannung,  und  die  Zeit  gi'knnuiien,  nie- 
mand im  Unklaren  zu  lassen  über  Bedeutung,  Wcrth 
und  Inhalt  des  grazer  Landschafts-Zeughanses. 


Die   Kedaction    kann   sicli    nicht  versagen,    einige 
\\'orte  dieser  Mittlieilnng  j  beizufügen. 

i'lniT  )!ro»»cn  McliKO  WnlTon  ,  «nclllch  icrh»  EldiihnTitcn,  wclrlio  iiaoliimils  auf 
tloni  Si.'hlos^.boii;  robntotcn.  Noch  186(5  iK'fancIcn  «Icli  Im  Zuughauso  mcjhrcrc 
tiirkiHchc   Waffen  und  /.war  nitluiitor  rclchvorzlcrto. 

'  Selli>t>tandl|{  horauiigo|(oh«n  von    Dr.   Plchlor  und  hier  im  Interesse 
der  Sache  a)<gedruckt. 


37     — 


Es  ist  begreiflic-li,  (lass  nicht  leicht  ein  Ercij!:niss 
der  Gegenwart  vom  archäologischen  Publicum  mit  grös- 
seren Bediiuern  zur  Kenntiiiss  genommen  wurde,  als 
die  beabsichtigte  Auflösung  des  Grätzcr  Zeughauses,  da 
dieses  eine  Specialität  bildet,  die  wahrscheinlich  einzig 
in  ihrer  Art  dasteht,  und  kaum  irgendwo  ihres  Gleichen 
hat.  Es  ist  das  vollständig  erhaltene  Bild  eines  wirkli- 
cnen  Zeughauses,  eines  Waiien  -  Vorraths  -  Depots  des 
XVI.  Jahrhunderts.  An  sich  ist  an  den  einzelnen  Wat- 
fenstiicken  kein  besonderer  Wcrtli,  allein  die  Jlasse 
jeder  Gattung,  deren  Integrität,  die  fast  sämmtlich  alten 
Ständer  und  Böden,  auf  denen  sie  liegen,  dazu  die 
dlistere  alterthiimlicbe  Localität,  dies  alles  macht  das 
Ganze  zu  einem  ergreifenden  15ilde  der  Vergangenheit. 
Man  glaubt  sich  naliezu  um  drei  Jahrhundert  zurückver- 
setzt und  meint  jeden  Augenblick,  es  müsse  ein  Trupp 
Lanzknechte  hereintreteu,  um  sich  daselbst  das  nöthigc 
Rüstzeug  zu  holen. 

Und  einen  solchen  unvergleichlichen  Schatz  soll 
die  steirische  Landeshauptstadt  des  Geldes  wegen  ver- 
lieren; bedenkt  man  denn  nicht,  dass  damit  das  Land 
geschädigt  und  Grätz  einer  seiner  werthvollsteu  Zierden 


und  Merkwürdigkeiten  verlustig  wird!  Sind  denn  die 
Stände  der  Steiermark  in  so  grosser  Verlegenheit,  dass 
sie  einen  ihrer  kostbarsten  Besitze  losschlagen  müssen ! 
Dass  ein  solcher  Act  im  XIX.  Jahrhundert  geschehen 
könne,  ist  kaum  glaublich.  Ist  die  Auflösung  einmal 
durchgeführt,  so  lässt  sich  nie  mehr  eine  solclie  Samm- 
lung herstellen.  Damit,  dass  eine  Auswahl  der  Watten 
dem  Joanneum  übergeben  werden  soll ,  damit  ist  nichts 
geleistet,  denn  einmal  aus  dem  Zusammenhange  geris- 
sen, ist  an  den  Objccten  selbst  niclit  viel,  und  das  Joan- 
neum erhält  eine  nüchterne  mittelmässige  Waft'ensamm- 
lung,  die  kaum  beachtet  werden  wird. 

Die  k.  k.  Central  -  Commission  hat  die  Nachricht 
von  diesem  Beschlüsse  mit  Bedauern  zur  Kenntniss 
genommen  und  es  im  Wege  der  Vorstellung  versucht, 
die  Ausführung  desselben  zu  verhindern,  ja  sogar  den 
Wunsch  ausgesprochen  ,  dass  Sorge  getragen  werde, 
dieses  so  überaus  merkwürdige  Zeughaus  in  seiner 
Integrität  und  vor  allem  in  seiner  einzigen ,  ja  poeti- 
schen Localität  zu  belassen,  nichts  verschleppt,  noch 
von  seinem  Platze  genommen  und  keine  Rcnovirung  (!) 
der  Localität  vorgenommen  werde. 


Sphragistisclie  Beiträge  ziir  Geschichte  von  Tyroler  Ge  schlechtem. 


Von  Dr.  Arnold  Luschin. 

(Mit  10  Holzsclinitten.) 


Die  Herausgabe  eines  ürkundenbuches  für  das 
uralte  Stift  Innichen,  mit  der  ich  mich  seit  einigen  Jahren 
beschäftige,  brachte  nach  und  nach  über  500  Original- 
Urkunden  von  der  Ottonen  Zeit  bis  1400  in  meine 
Hände.  Da  dieselben  fast  sämmtlich  den  mittleren  Theil 
des  Pusterthals  betrefien  und  wohlerhaltene  Siegel  vor- 
handen waren,  so  ergab  sich  reichlicher  Stotf  für  genea- 
logisch-sphragistische  Arbeiten  und  die  Anregung  zu 
nachfolgenden  anspruchslosen  Studien. 

Die  Hauptmasse  der  benützten  Siegel  und  Urkunden 
ist  sonach  dem  Innichener  Stifts-Archive  entnommen 
und  dieses  überall  als  Quelle  zu  betrachten,  wo  nicht 
ein  anderes  Citat  angegeben  ist.  Absolute  Vollständig- 
keit war  natürlich  nicht  zu  erreichen.  Dagegen  sind 
die  Urkunden  -  Sammlungen  für  Trient,  Neustift  und 
Freising  in  der  II.  Abtheilung  der  Fontes  rerum  Austria- 
carum  Bd.  I,  V,  XXXI,  XXXHI— XXXV,  Hormayr's 
verschiedene  Schriften,  Sinnacher's  Beiträge  zur  Ge- 
schichte der  bischöflichen  Kirche  von  Sähen  und  Brixen, 
Staffler's  Tyrol,  und  die  mir  sonst  zugänglichen  Ar- 
chive eingehend  berücksichtigt,  und  selbst  „Des  tyroli- 
schen  Adlers  immergrünendes  Ehren  -  Kräntzel"  nicht 
übergangen  worden. 

1.  Welsberg. 

Die  Familien-Tradition  der  nocli  blühenden  Grafen 
von  Welsberg  lässt  den  Ahnherrn  ihres  Geschleclits 
aus  Etrurien  nach  Rliätien  flüchten  und  dort  das  Schloss 
Faganio  bei  Chur  erbauen.  Um  lOGO  sei  dann  die  Fami- 
lie, weil  der  Rhein  ihren  Stammsitz  unterwühlt  hatte, 
neuerdings  ausgewandert,  und  habe  sich  in  Tirol  und 
Friaul  niedergelassen. 

Ein  Hcinricus  de  Wclfcsperch  erscheint  nun  aller- 
dings schon  in  einer  Tradition  des  Bischofs  Hartmann 
von  Brixen  (1142 — 1164)  an  das  neugegründete  Kloster 


Neustift  unter  andern  Tirolern  als  Zeuge.  Dennoch  muss 
die  von  Kneschke  in  seinem  Adelslexikon  (IX,  523) 
ausgesprochene  Behauptung,  dass  Ruprecht  von  W.  im 
Jahre  1152  vom  Görzer  Grafen  Albrecht  mit  dem 
Grunde  belehnt  worden  sei,  auf  welchem  noch  jetzt 
Schloss  und  Dorf  W^elsberg  stehen,  als  ungenau  be- 
zeichnet werden,  weil  di«  neuere  Forschung  einen 
Görzer  Grafen  dieses  Namens  in  jener  Zeit  nicht  aner- 
kennt. Wahrscheinlich  ist  es  in  der  That,  dass  diese 
Welsberger  von  Anbeginn  Ministerialen  der  Görzer 
Grafen  waren,  doch  erscheinen  Amelreich  von  Welsberg 
um  1170  und  Otto  um  1195  auch  im  Gefolge  der  Mark- 
grafen von  Istrien  und  späteren  Herzoge  von  Meranien 
aus  dem  Hause  Andechs,  und  zwar  an  mehr  untergeord- 
neten Plätzen  >. 

In  der  ersten  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts  wusste 
jedoch  diese  Familie  zumal,  im  Pusterthale,  zu  grossem 
Ansehen  zu  gelangen.  1210  besitzt  ein  Otto  von  Welfs- 
perg  (vielleicht  identisch  mit  dem  gerade  erwäiinten) 
bereits  Vasallen  von  solchem  Ansehen,  dass  ihnen  der 
ehrende  Titel  „Herr-'  beigelegt  wird  und  eine  Urkunde 
von  c.  1215  führt  ihn  unter  den  Zeugen  unmittelbar 
nach  den  Grafen  Eguo  von  Eppau  und  Meinhard  von 
Görz  auf.  Die  folgende  Generation  stieg  noch  höher. 
Die  Schlösser  Welsberg  und  Heimfcls  auf  Ijischöflich 
Freisingischem  Gebiete  wurden  erworben,  und  der 
Besitz  im  W^ege  angemasster  Vogtei  über  Innichen  noch 
zu  erweitern  gesucht.  „Schon  durch  sieben  Jahre",  klagt 
1245  Papst  Innoeenz  in  einem  Briefe  au   den  Bischof 

'  Das  Urkundenbuch  von  Neustift  (Fontes  r.  Aust.  II/31i  führt  S.  21 
(c.  1155)  Heinrich  de  Welfesperch,  S.  51  c.  USU)  Fridreich  und  dessen  Brüder 
Huprecht  und  Amelreich,  und  den  Letztgenannten  allein  auch  S.  57,  zum  Jahre 
llSl  an.  —  Sinnacher  III,  S.  650  in  einer  Briiner  Tradition  c.  1170—71 
Ruprecht  und  Amelreich  von  Welsl.er!.-.  —  Urk.  291  d.  des  steier.  L.  Arch. 
c.  1195  nennt  Otto  de  Welfesberch  als  letzten  Zeugen  einer  Handfeste,  in 
welcher  H.  Berthold  Ton  Andechs  -  Meranien  dem  Kloster  Seiz  die  Vergabun- 
gen seines  Vaters  bestätigt. 


-     38 


von  Seckau,    beranben   die 
Edelii,   der   Graf  von  Tvrol 
und  die    Gebrüder  Heinrieh 
und  Otto  von  AVeltspereli  das 
Hoehstift  Freising  gewisser 
Einlviinfte,  die  sie  ohne  wei- 
ters   für    sieh    verwenden  -. 
....  Das  Prädicat  „nobiies 
viri"    welches    sowohl    dem 
Tyroler  Grafen  als  den  Wels- 
bergern  gespendet  wird,  be- 
weist die  Bedeutung,  welche 
dieses  Geschlecht  seither  ge- 
wonnen   hatte ,    obwohl    es 
niemals  ans  dem  Stande  der  Ministerialität  getreten  ist. 
Letzterer  war  anch  Ursache,   dass  beide  Brüder  ver- 
schiedenen Herren   angehörten,   denn  Otto  wird  1241 
ausdrücklich  als    Ministeriale   des   Grafen    Albert  von 
Tyrol  bezeichnet,  wogegen  Heinrich,  obschon  kein  direc- 
tes  Zeugniss  vorliegt,   nach  allem,   was  wir  über  ihn 
wissen,  dem  Görzer  Haus  zugesprochen  werden  muss. 
Oflfenbar  hatte   ihr  Vater  aus   einem  Ministerialen  Ge- 
schlechte des  T^-roler  Grafen  sich  seine  Gemalilin  erko- 
ren. Theilung  der  Kinder  und  des  elterlichen  Erbes  war 
dann  nacli  dem  im  Mittelalter  herrschenden  Grundsatze 
die  gewöhnliche  Folge. 

In  Jahre  1243  finden  wir  den  Jüngern  Bruder  Otto, 
welcher  sicii  nach  seinem  Wolinsitze  von  Heinifels 
nannte,  inmitten  seiner  zahlreichen  Mannen,  zu  welchen 
auch  der  Innichener  Bichter  zählte.  Er  ist  ein  Herr,  vor 
dessen  Ungnade  man  zittern  konnte,  und  das  Chor- 
lierrensfift  Innichcn  glaubte,  den  Verzicht  eines  gewissen 
Feige  auf  ein  Gut  zu  Beiden  nicjit  wirksamer  sichern 
zu  können,  als  indem  es  den  P.urgherrn  zu  dem  Ver- 
siiredien  bewog,  ,.quod  idem  H.  i'eigo  cum  posteris 
suis"  wenn  er  gegen  die  Übereinkunft'  handeln  würde, 
-gracia  ipsius  (seil.  d.  Ottonis  de  Heuneueis)  tarn  diu 
careat,  quousque  per  ca])ituhiin  Inticcnse  eisdem  fuerit 
iniipctrata''.  Noch  ist  die  darüber  ausgefertigte  Urkunde 
und  an  derselhen  das  zur  Bekräftigung  an  Kidesstatt  an- 
gehängte Siegel  erhalten.  Es  ist  von  ungefärbtem  Wachse, 
dreieckig  (4U  Mm.  lang,  33  Mm.  oben  breit)  und  zeigt 
einen  gevierten  Schild,  dessen  erstes  und  viertes  Feld 
vertieft  sind.  Die  in  der  Mitte  oben  beginnende  Um- 
schrift lautet:  4-  S— O  TTO-\\eL— F.  (Fig.  1.) 

In  den  Urkunden  in  welchen  Otto  noch  einige  Male 
vorkömmt,  wird  ihm  mit  Vorliebe  der  Beiname  des 
..Weifen"  ertlieilt,  so  z.  B.  im  Vergleiche  zwischen 
Bischof  Egno  von  Brixcn  und  dem  Grafen  Albert  von 

Tyrrd  vom  3.  März  1243, 
wo  „dominus  Heinricus  de 
Welfesperch  et  dominus  Otto 
Welfus  eins  frater-'  als  Zeu- 
ui-n  angeführt  werden.  Bald 
nach  dem  .Jahre  124!»,  wo  er 
noch  einmal  neben  seinem 
Bruder  erwähnt  wird,  muss 
Otto  gestorben  sein,  denn 
sein  liinlerlassencr  Sdlm  , 
derjunge  Weif,  „Otto Juvenis 
dictu.s  Weif"  wird'  schon 
I-'ife'.  2. 

iH,    H^V"n7."'"'   ""','!'«'"'•  TlrM.  1/2  a-rkundenbiK-h)  219,  Nr.  S8,   der«. 
^13,  II/JI,  Nr.  Ml;  vgl.  auch  11/34  Nr.  210,  217.  '  ' 


.^m^^mr^ 


Fii 


12.")4   als   bedrängte  Weise 
bezeiclinet  =. 

Zahlreicher     sind     die 
Nachrichten  überOlto's  älte- 
ren Bruder  Heinrich,  welcher 
auf  dem  Stannnsitze  der  Fa- 
milie   zu  Welsberg   gehaust 
hat  und  seit  1233  als  ..domi- 
nus" oder  als  „miles  et  nobi- 
lis"   bezeichnet  wird.    1237 
ist  er  einer  der  drei  Bevoll- 
mächtigten des  Görzer  Gra- 
fen Meinhard,  welche  dessen  Schwiegervater  den  Grafen 
Albert  von  Tyrol  in  den  Besitz  sämmtlicher  weiter  gelie- 
henen Leben   des  Hochstiftes  Aglci   und   des  Herzogs 
Bernhard  von  Kärnten  setzen  sollen.   Heinrich  scheint 
besonders  gewaltthätig  gegen  die  Freisinger  und  Inni- 
chener Besitzungen,  aber  auch  gegen  seine  Verwand- 
ten vorgegangen  zu  sein.  Mitunter  gelang  wohl  seiner 
Gattin  Agnes,   der  frommen  Tochter  des  Edeln  Arnold 
von  Bodeneck,  eine  Sinnesänderung  ihres  Jlannes  her- 
beizuführen, allein  dieselbehielt  nicht  an.   Als  jedoch 
dersellje  in  eine  schwere  Krankheit  verfallen,   im  Juli 
1259  sein  letztes  Stündlein   herbeigekommen  wähnte, 
da   schenkte  er  den  Vorstellungen   des  Niederndorfer 
Pfarrers  Conrad,  und  Ulrich's  des  Caplans  der  Kloster- 
frauen   zu  Innichcn,    Gehör.  Er  ging  in   sicli   und  eine 
Reihe  von  Verfügungen  suchte  den  bei  Lebzeiten  ange- 
richteten Schaden   zu  vergüten.   Da  wird  ein  Ehepaar 
freigelassen,   damit   es  in  eine  Verbrüderung  mit  dem 
Stifte  Inniclien  eintreten  könne,  da  werden  widerrecht- 
lich entzogene  Güter  zu  Walen  nächst  Sillian  zurück- 
gestellt und  überdies  —  „in  absolutionem  nieormn  pecca- 
minum"  —  ein  Hof  im  Pragser  Thale  dem  Stiftslieiligen 
geschenkt.  Seine  Lebensuhr  war  jedoch  noch  nicht  abge- 
laufen. Heinrich  genas  und  trieb,  seinem  alten  Hange 
nachgebend,  die  Dinge  ärger  als  je,  bis  er  zehn  Jalire 
später  an  dem  Freisinger  Bischöfe  Conrad  seinen  über- 
legenen Meister  fand.  Gedemüthigt  musste  er  sich  einem 
Schiedssprüche   unterwerfen,   welcher  ihn  aller  ange- 
massten  Vogtci  auf  dem  Innichener  Gebiete  für  verlustig 
erklärte,  seine  Besitzungen  im  Gsicsser  Tliale  als  Ent- 
schädigung abtreten  und  Buhe  geloben.  Der  Theilungs- 
Vertrag  von  1271  zwisclien  den  Grafen  Albert  und  ^lein- 
hard,  welche  diesem  Tyrol,  jenem  die  Görzer  Stamni- 
landc  überwies,  lässt  noch  einmal  die  grosse  Bedeutung 
dieses    Ministei-i.-dcn    fU'scblechtes    erkennen.    Sowohl 
Heinrich  von  Welsl)erg  als  sein  NeH'e  Otto,  hier  Weif 
von  Weifstein   genannt ,   werden    dem  Tjroler  Grafen 
zuges|H-ochen,    rücksichtlicli    ihrer  Nachkommenschaft 
und  (iüter  jedoch  der  flrafschaft  Görz  der  Anspruch  auf 
die  Hälfte  durch  sehr  ins  Einzelne  gehende  Px-stimmun- 
gen  zugesichert.    Seit  dem  gerätii  Heinrichs  Name  iii 
Vergessenheit   und  wird  1285  als   der    eines  Verstor- 
benen erwähnt.  Er  starb  am  25.  Jlärz  eines  unbekann- 
ten Jahres  ». 

Sein  Siegel  hat  sich  an  zwei  I'ikunden  erhalten, 
welche  aus  den  Jain'en  12.">7  und  12511  stannnen.  Es 
ist  gleichfalls  von  lolu  in  Wachse  und  dreieckig  (3S  Mm. 

«  loiilc«  r.  Aiislr.  II/I.  l'JI,  n  81,  Nr.  201,  302  und  303;  ir/31,  Nr.  220. 
227.  ItAB  iingrdrui'kto  Iniitchnor  Tndtcnbuch  hftt  «um  'i't.  Miir/.  dio  nomcr- 
kung;  doniinufl  n.  de  Wolopcrch  oblit,  qui  dedli  bOAlo  Cnndl^o  curlam  In 
Collo»  (Prngscr  T)i«l). 

'  llormnyr  Ccschlchtc  Tirol«  I/i,  .104.  Nr.  I3G.  .107  (?i,  821  Nr.  lin(?,, 
8.10,  Nr.  HO,  ,(11,  Nr.  i:.!!,  .152,  Sr.  102,  .19.-i,  Nr.  ITO.  —  der»  kril.  dipl . 
BoltrKgo  ir,  311,  343. 


39 


Fi-    4. 


Albert  II. 
Vertrages 


Görzer  Graten 
des  Theilunirs- 
1285  in  Foiire 


lang',  oben  33  Mm.  breit).  Die 
Felder  1  und  4  sind  erhaben  und 
damascirt  (gegittert)  und  mit  Rüs- 
chen verziert.  Die  Umschrift  lautet : 
•h  S.  H6  —  IX  RICI .  D6  .  —  AV6L- 
FeSPeR  — HC.  (Fig.  2.), 

Nach  Heinrich's  und  seines 
Keifen  Otto  Tode  wurden  die 
Burgen  Welsberg  und  Heimfels 
zunächst  von  dem 
gemäss  der  Verabredungen 
von  1271  eingezogen,  und 
gütlichen  Übereinkommens  dem  Bisthume  Freising  als 
heimgefalleue  Lehen  rückerstattet,  wobei  sich  Graf 
Albrecht  ganz  allgemein  verpflichtete ,  dem  Hochstifte 
gegen  die  Erben  Welfs  (heredes  Welfonis)  beizustehen, 
wenn  diese  Ansprüche  auf  Belehnung  erheben  sollten. 
Das  mächtige  Ministerialen -Geschlecht  der  AVelsberg 
hatte  demnach  mit  den  obgenannten  Brüdern  Heinrich 
und  Otto  seinen  Höhepunkt,  gleich  darauf  aber  auch 
seinen  Abschluss  erreicht;  es  muss,  da  es  keine  zur 
Lehensuachfolge  berufenen  Erben  hinterliess,  1285  zum 
mindesten  im  Manuesstamnie  erloschen  gewesen  sein. 
Namentlich  scheint  Heinrich's  Ehe  kinderlos  geblieben 
zu  sein,  da  in  den  vielen  Urkunden,  die  uns  von  ihm 
erhalten  sind,  nur  eine  c.  1235  datirende  Urkunde  seiner 
Frau,  die  damals  in  eine  Kiosterverbrüderung  trat,  keine 
jedoch  leiblicher  Kinder  gedenkt,  wiewohl  sie  Veräusse- 
rungen  des  Vermögens  enthalten,  welche  die  Einsprache 
eines  geborenen  Erben  rechtsunwirksam  machen  konnte. 
Trotzdem  verfielen  weder  Name  noch  Wappen  der 
Welsbergerder^"ergessenheit.  Es  ist  eine  meines  Wissens 
noch  nicht  erschöpfend  untersuchte  Thatsache ,  dass 
schon  seit  der  zweiten  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts, 
und  eben  so  auch  in  dem  folgenden  die  Wappentiguren 
hervorragender  Geschlechter  auch  von  deren  5liuisteria- 
len  und  Beamten  im  Siegel  geführt  wurden.  Um  nicht 
zu  sehr  abzuschweifen  führe  ich  nur  beispielsweise  an, 
dass  der  Eiehter  Gerloch  von  Lienz  1266  in  seinem 
Siesel  den  Görzer  Schüd  mit  der  Umschrift:  4-  SIGIL 
(L^^^\  I;  VDIdlS  DG  LV(L\TZ  führt  (Admonter Urkunde), 
ferner  dass  der  Silliauer  lüchter  Ritter  Jacob  Haegerle 
in  den  Jahren  1323 — 4SI  sich  des  gekrönten  freisiugi- 
schen  Mohrenkopfes  bediente,  und  dass  ähnliches  beim 
Toblacher  Hans  .Stumphel  nachgewiesen  werden  kann. 
Das  Landgericht  Welsberg  war  nun  entweder  gar  nicht 
zurückgestellt  worden,  oder  doch  bald  wieder  in  die 
Hände  des  Görzer  Grafen  gerathen  ,  in  dessen  Ge- 
folge wir  1282  und  1295  den  dortigen  Eiehter  Airnwik 
auftreten   sehen.  Bald   darauf  mag  er  gestorben  sein, 

weil  bereits  1306  Niklas 
von  Welfsperch  als  sein 
Nachfolger  genannt  wird. 
Siegel  sind  mir  von  keinem 
von  beiden  untergekommen, 
doch  ist  nicht  zu  bezwei- 
feln ,  dass  sie  den  alten 
Welsbergischen  Schild  ge- 
führt haben ,  den  wir  bei 
den  folgenden  Richtern  an- 
trefl'en  s. 


F 


i;^.  ;j. 


Fi? 


Dieser  letztgenannte  Rich- 
ter Nicolaus  stammte  aus  einer 
Familie,  in  welcher  mindestens 
ein  Glied  den  Beinamen  Mäu- 
senreitcr  geführt  hat.  Es  war 
dies  der  jüngste  Bruder  Hein- 
rich, welcher  in  den  Urkun- 
den während  der  Jahre  1308 
—  1326  von  seinen  älteren 
Brüdern  Nicolaus,  Ulrich  und 
Friedrich  regelmässig  durch 
dies  sonderbare  Prädicat  unter- 
schieden wird,  vernnithlich  weil  er  der  Erbauer  oder 
Besitzer  des  gleichnamigen  Schlosses  war,  das  östlich 
vom  Dorfe  Welsberg  zwischen  den  Wässern  der  Wieser 
und  Schindelholzer  Rnedl  stand,  jetzt  aber  gänzlich 
verschwunden  ist.  1327  dürfte  Nicolaus  das  Amt  eines 
Burggrafen  zu  Welsberg  bekleidet  haben ;  der  gleich- 
zeitig genannte  Richter  Ulrich  ist  sicherlich  sein  Bruder 
gewesen.  Beiden  wurde  vom  Landesfürsten,  dem  Könige 
Heinrich  von  Böhmen,  die  Beobachtung  der  Rechte  des 
Hochstiftes  Freising  strenge  eingeschärft.  Sechs  Jahre 
darauf  war  Nicolaus  bereits  todt,  wie  aus  einer  am 
4.  Juli  1333  ausgestellten  Urkunde  hervorgeht ,  in 
welcher  der  Pfarrer  Ulrich  von  Niederudorf,  Frauen 
Agnes ,  der  hinterlassenen  Witwe  einen  erkauften 
Hausantheil  verleiht.  Deren  Schwager  Ulrich  bestätigte 
als  Richter  von  Welsberg  diesen  Act  durch  Anhänguug 
seines  Siegels,  das  sich  vortrefflich  erhalten  hat.  Es  ist 
dreieckig,  2S  Mm.  hoch,  und  ebenso  breit,  von  unge- 
färbtem Wachse  und  zeigt  den  gevierten  Schild,  dessen 
Felder  2  und  3  gedttert  und  erhaben  sind,  mit  der 
Umschrift:  S\-L-RKa  .  DG  .  -  WGLSPG-RCH  (Fig.  3). 

Ein  Vertrag,  welcher  am  12.  April  1337  über  die 
Theilung  eines  Gehöftes  zu  Welsberg  abgeschlossen 
wurde,  verstattet,  die  Genealogie  dieser  Familie  weiter 
zu  verfolgen.  In  demselben  erscheint  nämlich  einerseits 
Ulrich  mit  seinen  zwei  Söhnen  Zacharias  und  Georg— 
ein  dritter  namens  Christoph  wurde  ihm  erst  später 
geboren  —  andererseits  sein  Bruder  Heinrich  (Mäusen- 
reuter) mit  seinen  Söhnen  Heinrich  und  Ulricli.  Zacha- 
rias ,  im  Texte  der  Urkunden  immer  Zachreis  des 
richters  sun  von  Welsperch  genannt,  bediente  sich 
1342  und  1347  eines  runden  Stempels  mit  dem  bekann- 
ten Welsbergischen  Schilde  und  der  Umschrift :  -r  S  .  Z.\- 
CCbARieC  .  DS  WeLSPGRöh.  Erwähnenswerthe  That- 
sachen  aus  seinem  Leben  sind  nicht  bekannt. 

Zu  grösserer  Bedeutung  gelaugte  dagegen  sein 
otfenbar  viel  jüngerer  Bruder  Georg ,  dessen  Siegel  im 
letzten  Viertel  des  XIV.  Jahr- 
hunderts an  einer  grössern  An- 
zahl von  Urkunden  erscheint. 
Am  12.  Juli  137G  wird  er  als 
Vetter  ,,hern  Haiureichs  des 
Mäwscnräuter"  und  Richter  zu 
AVelsberg  bezeichnet,  1386  zu 
einem  der  Spruchleute  erko- 
ren, welchen  Bischof  Berthold 


vun  Freising  die  Entscheidung 


Fig. 


Airnwik  starb  laut  des  Nekrologiums  an  einem  6.  September.  Seine 
AVüwe  Geisel  machte  nach  dem  Tode  ihres  Sohnes  Paul  von  Welsperch,  eine 
fromme  Stiftung    nach  Innichen .    welche  anraoglich    von  ihren   Enkeln   Wolf- 


hart und  Christan  angefeindet,  schliesslich  jedoch  am  21.  Juli  1326  förmlich 
auerkannt  wurde.  —  Tiem  Geschlechte  der  Ritter  von  AVelsberg  gehört  vj-el- 
Uicht  auch  jener  Fridericus  de  Welsperg  an,  welcher  nebst  einem  ungenann- 
ttn  Otto  r27S  als  Aeutju  des  letzten  Willens  bei  Berthold  Chrello  auftritt. 
Jedenfalls  war  er  gerini;erer  A>ikunft,  da  er  schlechtweg  aU  -vir  idoneus  ac 
tide  dignus-  bezeichnut  wird.  Yjjl.  Huririayr  krit.  dipl-  Bcitr-  IT,  1S2. 


40 


Fig.  8. 


seiner  Streitigkeiten  mit 
deu  Görzer  Grafen  hiu- 
sithtlidi  seiner  Besitzun- 
gen und  Gefälle  im  Pu- 
sterthale  übertrug.  So  an 
Würde  und  Ansehen  stei- 
gend, begegnet  er  uns  1402 
als  Kanimermeister  des 
österreicliisehen  Herzogs 
und  Verweser  der  Freisin- 
giselien  Besitzungen  im 
Pustertbale.  Ein  Jahr  vor- 
her hatte  er  nebst  seinem 
Bruder  Christoph  einen 
namhaften  Hof  zu  Massensee  erkauft ,  140G  war  er 
bereits  gestorben. 

Georg  von  Welsberg  sowohl  als  sein  Bruder  Chri- 
stoph, der  um  139s  das  Richteramt  bekleidet  haben 
dürfte,  haben  sich  der  ritterliehen  Laufbahn  gewidmet 
und  werden  darum  in  deu  Urkunden  als  ,.erber,  veste, 
vnd  weyse-*  titulirt.  Von  Christoph  liegt  kein  Siegel 
vor,  Georg  dagegen  bediente  sich  wählend  der  Jahre 
1376 — 1402  immer  desselben  Stempels. 

In  einer  Sehale  von  rohem  Wachs  ersclieint  auf 
grüner  Fläche  der  schiefgcstellte  gevierte  Schild  (Feld 
2  und  3  erhaben  und  gegittert),  bedeckt  von  einem  mit 
Hörnern  besteckten  Stechhelm  und  den  leicht  ange- 
deuteten Helmdecken,  umgeben  von  der  Umschrift: 
S  GffORI  Da  — WftLSPaRG  —  Durchmesser  21  Milli- 
meter. (Fig.  4.1 

Mit  dem  Siegel  Georg's  war  das  Vorbild  gegeben, 
dessen  sich  die  Familie  im  XV.  Jahrhundert  bediente. 
Der  Stechhelm  wurde  allmälig  immer  mehr  ins  Profil 
geschoben,  die  Hörner  mehr  und  mehr  phantastisch 
gestaltet,  bis  sie  in  s.  g.  Elephantcnrüssel  ausarteten, 
die  Heinidecken  in  leichtes  Kankenwei-k  aufgelöst  und 
die  gothische  Majuskel  durch  die  eckige  Minuskel 
ersetzt.  Die  erhabenen  Felder,  deren  Stellung  1,  4  und 
2,  3  wechselt,  werden  zuweilen  gegittert,  zuweilen 
ganz  leer  gelassen,  andererseits  aber  auch  die  vertief- 
ten Felder  durch  Punktirung  damascirt.  Die  vertiefte 
Schale  von  rohem  Wachse  mit  grünem  Siegelfeldc 
wird  beibehalten.  Es  dürfte  darum  die  Abbildung  des 
am  meisten  charakteristischen  und  die  Beschreibung 
der  übrigen  Siegel  genügen. 

1420,  besiegelt  „der  edle  veste  herr  Pauls  der 
Welsbergcr''  einen  Brief  Lenz  Gotschler's  von  Innichen. 
Schrift  zwischen  Perllinien,  die  Worte  durch  Kleeblätter 


getrennt :  s  pool  «JOtl 
turUptrg.  Das  Siegelfeld 
neben  dem  behelmten 
Wappen  ist  mit  Zwei- 
gen erfüllt.  Durchmes- 
ser 26  Mllm. 

1428  der  ,,edle 
veste  ritter  her  Chri- 
stofi'  der  Welsperger-' 
besiegelt  eine  von  Sig- 
mund Kauchpal  aus- 
gestellte Verkaufs  -  Ur- 
kunde :  0  .  cl)riftof  — 
turlfpfrgrr.   Schrift  zwi-  ,  Fig.  10. 

sehen  Perllinien.  —  Die 
Ilörner  sind  oben  etwas  geöffnet.  Durchm.  27  Mllm. 

1435,  der  „edle  und  veste  Ritter  Hans  Welsperger-' 
bestätigt  den  von  Seycz  Pekch  von  Innichen  über  den 
Verkauf  eines  Hauses  an  den  Pfarrer  von  Teisten,  Hans 
Luchs,  ausgestellten  Brief  durch  Anliängung  seines 
Siegels: .  s  .  Ijans  .  uo  .  —  .  tuflfperg  .  Wappen  in  einer 
aus  vier  Bögen  gebildeten  Einfassung,  zwischen  dieser 
und  einem  äussern  Stufenrande  die  Schrift.  Durchmesser 
33  Mllm.  (Fig.  5.) 

1443 ,  erscheint  „der  edle  veste  Sigmund  von 
Welisperig,  als  Mitsiegler  eines  von  Conrad  Taunhaus- 
ser,  Pfleger  zu  Klauseek,  ausgestellten  Verkaufsbriefes: 
sugmunt .  • —  iurlf|)trgtr-   Wajipen  in   einer   vierbögigen 


Einfassunj 


leren 


Feld 


gegittert    und    mit 


Punkten 


I  ijj.  !•• 


bedeckt  ist.  Schrift  zwischen  der  Einfassimg  und  einer 
Perllinie.  Durchmesser  30  Mllm. 

1455,  ,.der  edle  und  veste  Jörg  AVelsperger  die 
zeyt  .  .  .  graflf  Johannsen  Graft"  ze  Görcz  vnd  ze  Tyrol 
lautrichter  ze  Welsperg"  bestätigt  durch  Siegelanhän- 
giing  den  Verkauf  zweier  Acker  durch  Peter  Metzger 
von  Innichen  au  den  dortigen  Chorherrn  Paul  Helm- 
slaher.  —  Schliesst  sich  in  der  Auffassung  den  beiden 
unmittelbar  vorhergehenden  Siegeln  enge  an.  Die  Gitte- 
rung des  Feldes  ist  weggelassen.  Dafür  die  Zeichimng 
der  Helmdeckcn  ganz  arabeskenartig  durchgeführt  und 
die  äussere  Einfassung  durch  einen  verzierten  Stufen- 
rand gebildet.  Umschrift .  s  .  jorg  lut-lffjtrgrr  .  nnd  ein 
kleiner  Kojif  Durchmesser  .">1  Millimeter. 

Während  in  der  Naclikommeiiscliaft  des  Richters 
Ulrich,  wie  wir  gesehen  haben,  der  Is'aiiie  von  Welsberg 
))leibend  wurde,  hat  der  jUngere,  von  Heinricli,  genannt 
Mäusen reuter,  alistammende  Zweig  diese  Bezeich- 
nung beibehalten.  1376  festigt  lleinrielisSdhn  gemeinsam 
mit  seinem  \'etter  Jörg  von  Welsberg  eine  Urkunde  des 
Stiftes  Innichen.  Sein  Siegel  gleichfalls  von  grünem 
Wachse  in  weisser  Schale,  zeigt  den  Welsbergischen 
Schild  und  die  Umschrift:  +  S  .  beHRKd  DG  >I(.V,WSR- 
RA\T.  Durehinesser  .'loMm.  (Fig.  (i).  Die  Familie  sciieiiif 
sich  im  XV'.  Jahrhunderte  nach  der  Steiermark  gezugen 
zu  hallen,  da  ein  Hans  Meisenreiter  Kanzler  des  Grafen 
Hermann  von  Cilli  in  deu  Jahren  141!)  bis  1428  urkund- 
lich erwähnt  wird.  In  Tyrol  dagegen  ist  dieser  Name 
gleich  dem  zerfallenden  Schlosse  gänzlich  verschollen. 

Während  der  Jahre  l.'>27 — i;'.4(i  begegnet  man 
dem  gexierten  Welsbergiselien  Schilde  auch  bei  einem 
gewissen  Nicol.  Rossmort,  einem  Manne  rittt'rlichen 
Herkommens,  welcher  zu  Ligöd,  einem  jetzt  zerstörten 
Burgstall  näcli.st  'I'oblacli  seinen  Sitz  hatte.  Siiinacher 
und    nach    ihm    Staffier    halten    ihn    wegen    der    Wap- 


41 


peiigleichbeit  für  einen  Verwandten  der  Welsberg:er, 
welche  .sie  übrigens  mit  dem  mäclitigeu  Ministerialen- 
gesehlecbte  des  XIII.  Jahrhunderts  identiticiren.  Allein 
davon  ganz  abgesehen  fehlen  sogar  die  Hinweise,  um 
eine  Verwandtschaft  mit  der  Familie  der  si)ätercn  lüch- 
ter  von  Wclsberg,  beziehungsweise  den  Mäusenreutern 
anzunehmen,  wiewohl  die  Urkunden  nicht  selten  sind, 
welche  des  Kossmort  gedenken.  In  den  Jahren  lo41  — 
lo44  war  er  in  einen  ärgerlichen  Handel  verwickelt, 
da  er  von  dem  lunichener  Chorherrn  IJerthold  Tüschel 
Güter  erworben  hatte,  zu  deren  Vcräusserung  dieser 
nicht  berechtigt  war,  und  die  daher  zurückgegeben 
werden  mussten.  1344  am  11.  August  stellt  er  eine 
rechtsgeschichtlich  sehr  interessante  Urkunde  aus ,  in- 
dem er  seinen  Stietliruder  Kicolaus ,  den  er  nebst 
seineu  Geschwistern  und  deren  IMutter  aus  der  Leib- 
eigenschaft des  Lienzer  Burggrafen  Friedrich  Murgott 
an  sich  gekauft  hatte,  dem  Gotteshause  zu  Aufkirchen 
als  zinsigen  Mann  übergab.  134G  Uberliess  er  der 
Kirche  zu  Niederndorf  das  s.  g.  Pöckleins  Lehen  zu 
Prags ,  auf  welches  bereits  die  Vorfahren  seines  Ver- 
wandten Gerung  ein  Seelgeräte  angewiesen  hatten,  ins 
volle  Eigenthum;  1347  am  10.  März  war  er  bereits  mit 
Hinterlassung  seiner  Witwe  Diemut,  wie  es  scheint 
kinderlos,  verstorben. 

Kossmort  siegelte  je  nachdem  mit  rothem  oder 
weissem  Wachse.  Sein  runder,  2S  Mm.  im  Durchmesser 
haltender  .Siegelstempel  ist  von  keiner  besonders  schö- 
nen Arbeit,  und  weist  den  gevierten  Schild  (l-'eld  2  und 
3  erhaben  und  gegittert)  auf.  Die  Umschrift  lautet  ein- 
fach: S.  NiaOLAI  ROSSOiORT.  (Fig.  7.) 

II.  E  h  r  e  n  b  u  r  g  F 1  a  s  c  h  b  e  r  g. 

Westlich  von  Oberdrauburg,  schon  knapp  an  der 
Tyroler  Gränze,  ragen  die  Trümmer  von  Flascbberg,  und 
kaum  eine  Meile  davon  in  der  Luftlinie  ist  ober  dem 
Dorfe  Tristach  auf  einem  Hügel,  hinter  dem  der  einsame 
Tristachersee  liegt,  noch  die  kleine  graue  Ruine  des 
Schlosses  Ehrenburg  sichtljar.  In  beiden  Vesten  hausten 
Familien,  welche  urkundlich  Ministerialen  der  Görzer 
Grafen  genannt  werden,  dass  sie  aber  Einem  Geschleehte 
angehörten ,  darüber  belehren  uns  die  vorhandenen 
Siegel. 

Als  einer  der  ältesten  Flascbberger  dürfte  jener 
C'holo  de  Flasperch  zu  betrachten  sein,  welcher  seit 
der  Mitte  des  XII.  Jahrhunderts  im  Gefolge  des  Grafen 
Engelbert  von  Görz  auftritt,  jedoch  nach  seiner  Stellung 
unter  den  Zeugen  noch  geringen  Ansehens  ist.  Kasch 
gelang  indessen  der  Familie  der  Aufschwung.  Hugo  de 
Flahsinberch  und  sein  gleichnamiger  Sohn  rücken  in 
undatirteu  Urkunden  von  c.  1160,  1182  und  1200—1220 
auf  immer  ehrenvollere  Plätze,  und  in  dem  Documente, 
welches  am  IS.  Jänner  1206  vom  Gurker  Bischöfe 
Walther  zu  Strassburg  in  Kärnten  über  den  Ankauf 
gewisser  Güter  um  Lienz  ausgefertigt  wurde,  erscheinen 
Hugo  et  Sifridus  de  Vlahsperc  als  die  ersten  und  vor- 
nehmsten Zeugen  genannt.  Etwa  1230  werden  Cholo 
von  F.  als  Burggraf  von  Lienz,  und  ,,Shugoi  filius  domini 
Berbtoldi  de  F.''  mit  dem  Titel  Herr  ausgezeichnet, 
welcher  dem  Geschleehte  fortan  verblieb. 

Ungefähr  zur  selben  Zeit  Igrnen  wir  auf  einem 
Siegel  des  Volker  von  Flascbberg  das  redende  Wappen 
des  Geschlechtes,  drei  (flachsweisse)  Berge  in  natürli- 
cher Ordnung,  kennen.  Es  hängt  an  einer  im  Jahre  1232 

XVIII. 


zu  Sagriz  im  Miillthale  vom  Erzbischofe  Eberhard  II. 
von  Salzburg  und  dem  Görzer  (irafen  Meinhard  gemein- 
scbattlich  ausgestellten  Urkunde,  in  welcher  bezeugt 
wird,  dass  zwischen  den  „ministeriales  nobilis  uiri 
Meinliardi  comitis  de  Goree,  Chohmein  et  Volkeruni 
fratres  de  Flabsperc  ac  Chunonem  nepotem  ipsorum-' 
und  dem  Kloster  Adnidnt  hinsichtlich  der  Wiese  Muker- 
nice  in  der  kleinen  Flcissalpe  ein  \'erglcieh  geschlossen 
worden  sei.  Das  dreieckige,  an  einzelneu  Fäden  hän- 
gende Siegel  hat  sich  nebst  der  Urkunde  im  Kloster- 
Archive  erhalten.  Es  ist  von  rohem  Wachse,  3(J  Mm. 
lang,  oben  33  Mm.  breit,  und  die  in  der  Mitte  begin- 
nende Umschrift  lautet :  +  S\'—  OLKGRI  DG  —  \'LACH- 
SPGR  —  Ch.  Derselbe  Volker  v<in  Flaschberg  erscheint 
noch  einige  Male  als  vornehmer  Zeuge  in  (iörzer  Urkun- 
den bis  zum  Jahre  1269  ,  ein  dritter  Bruder  Hugo  nebst 
seinen  Söhnen  Heinrich  und  C'holo  wird  1234  in  einer 
Milstätter  Urkunde  erwähnt.  (Fig.  8.) 

Seit  der  Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts  beginnen  in 
Görzer  Urkunden  auch  Herren  von  Ebrenburg  aufzu- 
tauchen ,  und  zwar  ist  es  ein  gewisser  Chuno  de  Eren- 
berch,  den  eine  Reihe  von  Documenten  aus  den  Jahren 
1256 — 1277  nennt.  Das  Siegel,  welches  aneiner  Admun- 
ter  Urkunde  vom  20.  October  1271  hängt,  in  welcher 
„Chuno  de  Ernberch  ministerialis  domini  comitis  Goricie-' 
in  seinem  Streite  mit  dem  Admonter  Verwalter  zu  Sagriz 
auf  seine  Ansprüche  hinsichtlich  einiger  Güter  in  der 
„Fleiss"  verzichtet,  belehrt  uns  durch  Darstellung  und 
Aufschrift  über  die  eigentliche  Herkuutt  dieses  Edlen. 
Es  zeigt  die  drei  Berge  der  Flascbberger  und  noch 
ausserdem  den  Kamen:  +  S  .  Gl  (!)  —  ONONIS  —  DG 
FLASPE  —  RC.  Der  Stoff  ist  wie  gewöhnlieb  rohes 
Wachs,  die  Höhe  46,  die  Breite  43  Mm.  (Fig.  9.) 

Kuno  von  Ehrenburg  ist  mitbin  identisch  mit  jenem 
Kuno,  welcher  weiter  oben  in  einer  Urkunde  von  1232 
als  Neffe  der  Brüder  Cholo  und  Volker  von  Flascbberg 
bezeichnet  wird,  also  gleichfalls  ein  Flascbberger,  der 
aber  um  1250  das  Schloss  Ebrenburg  «  erbaut  haben 
mag.  und  nach  diesem  Besitze  sich  nannte.  Seine 
Familie  wird  zum  Theile  in  einer  Urkunde  von  1276 
aufgezählt.  Er  besass  demnach  eine  Schwester  Hilde- 
gard und  zwei  Töchter  Elisabeth  und  Margareth  ,  die 
ihm  seine  Gemalin  Liukard  geboren  hatte,  ^'on  einem 
Sohne  Xamens  Heinrich,  welcher  12S{j  zu  Ebrenburg 
sessbaft  gewesen  ,  berichtet  Staffier. 

Die  Nachrichten  welche  mir  über  die  Flaschberg 
und  Ehrenburg  aus  den  Urkunden  des  steirischeu  Lan- 
desarcbivs  zu  Gebote  standen,  sind  zu  lückenhaft,  um 
eine  förmliche  Filiation  bis  auf  jenen  Cholo  von  F.  zu 
führen  ',  welcher  zu  Anfang  des  XI\'.  Jahrhunderts  in 
Innichener  Urkunden  vorkömmt.  1304  verkauft  nämlich 
Traute  von  Lambrecbtsburg,  Cbolo's  von  Flascbberg 
Gemalin,  dem  Innichener  Dechante  Gerolt  ihren  Antheil 
an  zwei  im  Sextentbale  gelegenen  Höfen  um  34  Pfund 
Berner.  Das  runde  Siegel  von  rothem  Wachs  mit  der 
Umschrift:  S  .  CHOLOMS  .  DG  .  \'LAHSPG.  .  .  (40  31m. 
im  Durchmesser)  zeigt  eine  ziendiche  Veränderung  des 
Wappens.  Die  Zahl  der  Berge  ist  auf  einen  beschränkt 
und  dieser  schräg  rechts  gestellt  und  von  solch  eigeu- 

f-  Nicht  zu  verwechseln  mit  diesem  in  Urkunden  Erenberch  genannten 
Schlosse  ist  die  .\irnbur^,  jetzt  gleichfalls  Elirenburg  bei  Uruneck,  ant  west- 
lichen Ende  des  Pusterthals,  das  Stammschloss  der  Orafen  von  Kiini^l.  Vgl. 
Staffier  II/2,  223. 

"  I>ie  Nummern  der  benützten  Urkunden  im  steirischen  Landesarchive 
(durchaus  Copien  meist  von  .\dmonter  .Archivallen)  sind:  23-1*,  3u7,  336,  472 
ISS",   SOG«,  510,  517,  740»,  8015,  910,  911,  9GG,  974,   1052. 


thümlicher  Form,  dass  man  sehr  wohl  begreift,  wieso 
Wissgrill  (Schauplatz  des  n.  ö.  Adels  III,  51)  das 
Wappen  der  Flaschberg'  als  einen  ,.rothen  Schild,  in 
welchem  eine  dicke  weisse  Wolke  vom  untern  rechten 
zum  obern  linken  Winkel  aufsteigt,  anspreclien  konnte 
Ein  zweiter  Stempel  mit  nur  unbedeutenden  Abweichun- 


gen liiingt  an  einer  Urkunde  von  1317.  (Fig.  ]0.)  Ent- 
gegen Brandis,  welcher  die  Flaschberge  1443  auch  in 
weiblicher  Linie  erlöschen  lässt,  kennt  Wissgrill  dieses 
in  der  zweiten  Hälfte  desselben  Jahrliunderts  nach  Nie- 
der-Österreich  eingewanderte  Adelsgesclilecht  noch  in 
viel  späterer  Zeit. 


Beiträge  zur  iiiittelalterliclieii  Spliragistik. 


Von  Dr.  Karl  Lind. 

(Mit  l   Ilolzs.hüiltiii  ) 


I.  Wiener- Neustadt. 


FiK.  2. 


Die  Mittheilungen   haben   bereits   wiederholt   Be- 
sprechungen veröffentlicht  über  die  verschiedenen  Sie- 
gel der  allzeit  getreuen  Stadt  Wiener -Neustadt,  und 
wurde  in  jüngster  Zeit  ein  sehr  wichtiger  Beitrag  über 
das  älteste  bekannte  Siegel  dieser 
Stadt   aus    der  Feder  unseres   ge- 
schätzten Mitarbeiters  Herrn  Dr.  A. 
Luschin  gebracht. 

Wir  wollen  nun  im  Folgenden 
die  noch  weiteren  bekannten  Siegel 
dieser  Stadt  besprechen  und  damit 
diesen  Gegenstand,  so  weit  gegen- 
wärtig  darüber  Materiale  vorliegt, 
zum  Abschluss  bringen. 
Fig.  1   zeigt  die  Abbildung  eines  kleinen  Siegels 
dieser  Stadt ,  das  seit  der  ]\Iitte  des  XV.  Jahrhunderts 
im  Gebrauche    stand.    Die   Abbildung    ist    entnommen 
einem  Originale  aus  dem  Jahre  1423  und  wird  selbes 
in  der  betreffenden  Urkunde  als  „unserr  Stadt  chlaines 
aussen  zerugk  (d.  i.  über  Papier  auf  der  Buckseite  der 
Trkunde)  aufgedrucktes  Insigel-'  bezeichnet.    Es  misst 
1  Zoll  im  Durchmesser,   und  zeigt  im  Bildfelde  zwei 
von   einander  abstehende  Thürme  mit   Zinnen   und  je 
einem  Fenster  und  eine  in  Vogelpers])ective  dargestellte 
gezinnte  Kingmauer,  voran  das  Thor  mit  dem  geschlos- 
senen    Fallgitter.     Zwischen 
den    Thürmen    schwebt    der 
Bindenschild.  Die  Umschrift  in 
Lapi(Liren  in  einem  von  Stu- 
fenliiiien   begränzten   Schritf- 
rande  lautet:    *  t .  Sigillvm  . 
nove  :  civitatis  * 

Auf  einigen  Urkunden, 
die  etliche  Jahre  jlinger  datirt 
sind,  findet  sich  ein  mit  dem 
vorigen  in  Bezug  auf  die  bild- 
liche Darstellung  älmlichcs, 
aber  viel  roher  gcarluMtetes 
Siegel ,  das  ebenfalls  dem  auf  Papier  geschriebenen 
Documentc  aufgedruckt  ist.    Das  Siegel    hat  1   Zoll  4 


Fig.  2. 


Fis:.  3. 


Linien  im  Durchmesser  und  führt  in  dem  breiten,  von 
Perllinien  umsäumten  Schriftlande  folgende  in  Minus- 
keln geschriebene  Umschrift:  f  s  .  parrum  .  civiv  .  nove  . 
civitatis.  Die  Abbildung  des  Siegels  (Fig.  2)  wurde 
einer  Urkunde  des  Wiener  Archives  aus  dem  Jahre 
14::9  entnommen. 

Endlich  haben  sich  nebst  dem 
Siegelstcmpel  in  der  Sammlung  des 
Neustädter  Kathhauses  auch  an  Ur- 
kunden Abdrücke  eines  wahrschein- 
lich aus  der  zweiten  Hälfte  des  XVI. 
Jahrhunderts  erhalten  ,  das  1  Zoll 
im  Durchmesser  erreichend  in  dem 
aussen  von  einem  Kranz  und  innen 
von  einer  Perlenlinie  umsäumten 
Schriftrande  die  in  Lapidaren  geschriebene  Inschrift: 
t  Sigillvm  .  parvum  .  novae  .  civitatis  enthält.  In  dem 
]5ildfelde  zeigt  sich  auf  einem  beschnörkelten  Schilde, 
das  ältere  Stadtwappen,  die  gezinnte  Mauer  mit  offenem 
Thor,  die  beiden  viereckigen  Thürme  mit  Zinnen  und 
je  einem  Fenster  und  den  dazwischen  schwebenden 
Bindenschild.  (Fig.  3.) 

II.   T  a  ni  s  w  e  g. 

Das  1  Zoll  5  Linien  im  Durchmesser  erreichende 
Siegel  dieser  Gemeinde  dürlte  dem  XVI.  Jahrhundert 
angehören  und  führt  in  dem  von  einem  Bande  nach 
innen  und  von  einer  Krcnz- 
linie  umfassten  Schriftrandc 
folgende  in  Lapidaren  ge- 
schriebene Legende  :  *  ge- 
niaines  .  marcklit  .  thauisweg  . 
insigel  v.-  Das  Bildfeld  des 
Siegels  zeigt  einen  mit  vie- 
len Schnörkeln  gezierten  und 
unten  abgerundeten  Schild , 
dai-innen  eine  gegen  links  auf 
dahin  ansteigendem  Felsen 
eMi|i(irspriiigende  (u;mse,  viel- 
leicht ein    redendes  Wai)pcn. 

Der  eiserne  Stempel  dieses  Siegels  ist  noch  im  Archiv 
dieser  Gemeinde  vorhanden.  (Fig.  4.) 


Fig.  4. 


I]iii  byzjiiitiiüsclies  3la<l(niiieubil(l. 

Von  Albert  Ilg. 


Das  nachstehend  beschriebene  Werk,  Eigenthiim 
eines  Privaten,  des  Herrn  M.  G  orzkowsky  in  Krakau, 
befand  sich  in  der  letzten  Zeit  in  \\'ien.  Es  unterschei- 
det sich  nicht  allein  durch  seine  Grösse,  sondern  auch 
durch  die  rcirilicit  der  Malerei  und  manche,  im  Fidgcu- 


den  bezeichnete  Eigenfhllmlichkeiten  von  den  hiuiti- 
gen  Werken  dieser  Uattung,  so  dass  wir  dein  Leser 
im  Norliinein  anzeigen  mllssen,  es  handelt  sich  nicht 
um  eine  s.  g.  „schwarze  Muttergottes",  wie  wir  sie  alle 
an  allen  Ecken  gesehen  liabci). 


—    4;]    — 


Das  Geiiiälile  i^ehört  unter  die  grösseren  Werke 
dieser  Gattunic.  Sammt  dem  schwarzen,  2  Zoll  breiten, 
ganz  seliniiickhisen  IJalinien,  erreicht  es  eine  Höhe  von 
5  Fuss  9  Zoll  bei  der  Breite  von  3  Fiiss.  Der  Thron,  auf 
dem  die  göttliciie  Mutter  sitzend  dargestellt  ist,  hat  die 
Form  eines  schlichten  Stuhles,  vor  welchem  noch  ein 
Fussschemelchen  angebracht  ist.  Das  Sitzbret  wird  von 
vier  vierseitigen,  glatten  Füssen  getragen,  welche  unten 
in  ein  kegelförmig  gedrechseltes  Glied  ausgehen,  zu  dem 
ein  runder  Knnpt  von  dem  Stuhlbeine  den  Übergang 
bildet.  Zwischen  den  Stuhltüssen  ist  die  Seite  des 
Thrones  indessen  mit  einem  dunkelbraun  gemalten  Brete 
verschalt,  welches  an  der  rechten  Seite  (im  Bilde  rechts) 
sichtbar  wird,  da  der  Thron  ])ersi)ectivisch  gezeichnet 
ist;  vorue  verdeckt  die  Gestalt  der  Sitzenden  diese 
Partbie.  Auf  jeder  Seite  jedes  Stuhlbeines  sind  Orna- 
mente in  Form  von  abwechselnd  rothen  und  grünen 
Quadraten  aufgemalt,  die  über  einander  stehen  und 
sännntlich  von  einem  grössern,  aus  weissen  Perlen  gebil- 
deten Quadrate  umgeben  sind.  Der  Schemel  hat  die 
Form  eines  schmucklosen,  niedrigen  Kistchens,  dessen 
Oberfläche  blau  mit  goldenen  Streifen  decorirt  ist;  er 
ruht  auf  vier  kugellörmigen  Füssen. 

Auf  der  SitzHäche  liegen  zwei  s])itzzipfelige  Kissen 
Ubereinauiler,  von  der  Last  des  d:xrauf  ruhenden  Körpers 
an  beiden  Seiten  stark  hinaufgebogen.  Das  unten  beÄnd- 
liche  hat  blaue,  das  obere  rothe  Färbung  und  beide 
sind  mit  einem  einfachen ,  doch  sehr  guten  Textiklessin 
geziert,  der  darin  besteht,  dass  goldene,  eingewirkte, 
brochirte  oder  aufgestickte  Linien  auf  dem  eigentlichen 
Körper  des  Polsters  wagrecht  verlaufen ,  die  Enden 
aber,  wo  das  Kissen  sich  zuzuspitzen  beginnt,  durch 
dreifache,  senkrecht  auf  die  Längenachse  herumlaufende 
gewellte  Streifen  in  zwei  Theile  getheilt  werden,  von 
denen  der  eine  grössere  Kreise,  der  andere  Blattwerk 
enthält,  welches  sich  in  dem  Zipfel  vereinigt. 

Am  meisten  interessant  ist  die  Rücklehne  des 
Thrones,  wenn  ich  den  betreffenden  Theil  so  nennen 
darf,  obwohl  er  eigentlich  ein  Anleimen  nicht  gestattet. 
Er  ist  nämlich  keine  feste  Wand,  sondern  blos  ein 
rahmenartiges  Gestelle,  ein  Gerüst  aus  zwei  scitlicli 
aufstrebenden  und  einem  quer  darüberlaufenden  Stab, 
zwischen  welchen  ein  Teppich  gespannt  ist,  den  wir 
wohl  mit  dem  mittelalterlichen  Ausdrucke  Rücklaken 
bezeichnen  dürfen.  EigenthUmlich  ist  auch  Form  und 
ornamentale  Haltung  der  genannten  Stäbe.  Sie  sind 
nicht  glatt  und  auch  nicht  im  Winkel  profilirt,  sondern 
bestehen  aus  einzelnen  längHch  ovalen  Gliedern ,  die 
von  je  zwei  runden,  scheibchenartig  gedrückten  Theilen 
getrennt  werden ,  wie  es  die  _Kunst  des  Drechslers 
hervorzubringen  im  Stande  ist;  zudem  steigen  die  seit- 
lichen Stützen  in  geschweifter  Form,  nicht  gerade  empor. 
Solche  Rücklehnen  der  Throne  sind  nun  bekanntlich  auf 
Gemälden  (ich  verweise  auf  Cimabue's  noch  hallibyzan- 
tinische  Madonna  in  Sta.  Maria  Novella)  auf  den  Siegel- 
bildern und  Miniatur-Darstellungen  thronender  Fürsten 
in  der  byzantinischen  und  romanischen  Kunst  nichts 
Seltenes.  Wie  der  gesammte  Thron,  gewähren  sie  Liter- 
esse vom  Gesichtspunkte  der  Cultur-Gescliichte  und  der 
Kunst-Lidustrie.  Ausserdem  möchte  ich  darauf  aufmerk- 
sam machen,  dass  in  der  eigenthündichen  Gliederung 
jener  Stäbe  der  Stuhllehne  ein  antikes  Architecturglied 
ni  dem  Geräthe  erhalten  zu  sein  seheint :  der  Astragal. 
Die  Gliederung  ist  noch  dieselbe,  wie  wir  sie  an  antiken 


C'apitälen  und  Simsen  erblicken,  ihre  Ubertra.i:ung  auf 
das  Tischlergeräthe  zeigen  auch  schon  vorcliristliclie 
Werke  des  Altcrtliunis. 

Li  dem  von  diesrn  drei  Stäiieii  eingefassten  Räume 
ist  nun  ein  Teppich  gespannt,  weicher  leicht  gefältelt 
nicderhängt.  Der  Fond  des  Gewebes  ist  weiss ,  die 
Lichter  der  Falten  stärker  mit  derselben  Farbe  auf- 
geliölit.  Oben  läuft  eine  von  drei  gelben  Streifen  gel)il- 
dete  Bordüre  hin,  der  übrige  Raum  ist  mit  einem  Muster 
von  rotlieu  Kreisen  und  nacli  unten  gekehrten,  drei- 
blättrigen Lilien  gefüllt. 

Auf  diesem  Throne  sehen  wir  die  jungfräuliche 
Mutter,  das  Kind  am  Schosse  haltend.  Ilir  Haujit  ist 
leicht  nach  rechts  ,  zu  dem  Söhiilein  ,  geneigt ,  von 
jugendlichem  mildfreunlichen  Ausdrucke,  so  dass  denn 
.aiu'h  dieses  Gemälde  die  po])uläre  Rederei  von  der 
mumienhaften  Starrheit  und  Steifheit  der  byzantini- 
schen Gestalten  Lügen  zu  strafen  geeignet  ist.  Rechne 
man  nur  die  Uiibeholfenheit  der  Zeichming  und  das 
Unvortiieilhafte  des  harten  Colorites  ab,  und  man  wird 
nicht  verkennen,  dass  der  Künstler  nichts  weniger  als 
eine  seelenlose  greisenhafte  Dogmengesfalt,  sondern 
die  Lieblichkeit  einer  jungen  Mutter  als  Ideal  vor  dem 
geistigen  Auge  schweben  sah;  die  Absicht,  es  wieder- 
zugeben, genügte  nicht  um  es  zu  erreichen,  war  aber 
doch  im  Stande,  einen  Hauch  des  Edlen,  Lieblichen  über 
das  Werk  zu  verbreiten,  der  unverkennbar  ist.  Und  ist 
es  im  Verhältniss  nicht  bei  allen  Schöpfungen,  auch  den 
höchsten  Meistergebilden  so?  Das  Ideal  des  Künstlers 
kann  ja  niemals  vollkommen  in  dem  Gefässe  der  mate- 
riellen Darstellung  zur  vollen  Blume  rein  und  uiiver- 
kümmert  aufblühen,  und  das  Schöne  aji  der  Leistung 
ist  dann  eben  nur  dasjenige,  was  uns  das  Vorhanden- 
sein der  Absicht,  jenes  Ideal  zu  erreichen,  beweist. 
„Wenn  Raphael  ohne  Hände  geboren  worden  wäre-'  — 
u.  s.  w. 

Der  Kopf  nimmt  gegen  die  Stirne  an  Breite  zu, 
das  Kinn  ist  gerundet  und  stark  gegi])felt,  die  untere 
der  rosenrothen  Lippen  hat  geringere  Breite ,  ist  aber 
voller  als  die  obere,  die  in  feinen  Conturen  verläuft.  Am 
wenigsten  verdient  die  lange  und  stark  gebngene  Xase 
schön  genannt  zu  werden,  welche  den  echt  byzantini- 
schen Typus  durch  die  knollenförmige  Sjiitze  und  die 
kleinen  Flügel  nicht  verläugnet.  Das  breite  geschlitzte 
Auge  überwölben  auffallend  grosse ,  geschwungene 
Brauen,  die  Lider  sind  stark  geröthet,  die  Backen  rosig. 

Dieses  Angesicht  umrahmt  eine  breite  Aureole, 
gleich  dem  Grunde  des  ganzen  Bildes  aus  aufgelegtem 
Blattgold  gefertigt,  von  Interesse  aber  dadurch,  dass 
die  Ornamente  des  Heiligenscheines  en  relief  durch  auf- 
gesetzten und  dann  vergoldeten  Gyps  geformt  sind.  Ich 
habe  in  der  Note  zum  1U2.  Cap.  des  Trattato  des  Cen- 
nini  (p.  168)  angezeigt,  dass  man  schon  bei  den  Alten 
und  dann  bis  in  die  gothisehe  Periode  der  deutscheu 
Malerei  an  plastischen  Aureolen  Geschmack  fand;  hier 
haben  wir  ein  Beispiel  für  die  griechische  Kunst,  dem 
ij.  7  der  Hermeneia  entspricht.  Ceunini  schildert  genau 
den  technischen  Vorgang.  Auf  unserem  Bilde  jedoch 
sehen  wir  nicht  den  ganzen,  runden  Schein  erhaben 
geformt,  sondern  nur  die  einzelnen  Strahlen,  in  zwei 
Reihen  prismatisch  gebildeter  Ornamente  neben  ein- 
ander. 

Die  Linke  Maria's  ist  bis  zur  Höhe  der  Brust  erho- 
ben ,  der  andere  Arm  umschlingt  das  Kind.  Als  Unter- 


44 


kleid  trägt  sie  einen  braunrutlien,  ursiirünglicb  wolil 
purpurnen  Stoff,  welcher  bis  an  den  Hals  hinaufreicht, 
darüber  ist  ein  dunkelblauer  Mantel  geschlagen  und 
drapirt  auch  Kopf  und  Stirne  in  Art  eines  Schleiers. 
Dort  wo  er  den  Kopf  umzieht,  ist  er  von  einer  rothen 
Bordüre  eiugefasst.  Dem  Unterkleide  gleicht  das  Gewand 
des  Christuskiudes.  Alle  Fahenzüge  sind  durch  goldene 
Linien  gegeben,  die  grösseren  Licliter  an  den  Knieen 
etc.  in  Form  goldener  rhombenartiger  Flecken.  Der  Zug 
der  Falten  ist  sein-  einförmig,  gerade,  in  noch  antiker 
Schlichtheit  gehalten. 

Das  heilige  Kind  segnet  die  Andächtigen  vor  dem 
Bilde,  in  der  Linken  hält  es  eine  Schriltrolle,  die  blau 
und  goldgestreilt  dargestellt  ist,  wie  Cimabue's  Christus- 
kind in  der  Tafel  im  Louvre.  Am  merkwürdigsten 
scheint  mir  wohl  der  Kopf,  welcher  mit  dem  dichten 
kurzen  Kräuselhaare  von  brauner  Farbe,  der  sehr  hohen 
und  kräftigen  Stirn  und  dem  gespannten  Ausdrucke 
eines  Beobachtenden  ganz  auffallend  an  römische  Por- 
trätbüsten erinnert.  Den  glatten  Goldnimbus  ziert  ein 
braunes  Kreuz.  An  den  Füssen  des  Kindes  sehen  wir 
keine  Schuhe ,  jene  Maria's  sind  von  lichter  Roseufarbe 
und  mit  Gold  gestickt. 

Alle  Carnation  hat  einen  gelblichfahlen  Ton  mit 
olivungrünen  Schatten,  die  Körper  entbehren  der  Mo- 
deliirung,  die  Hände  mit  ihren  steif  gebogenen,  langen 
und  dünnen  Fingern  sehen  mager  und  kraftlos  aus. 

Neben  dem  Haupte  der  Jungfrau  schweben  dieHalb- 
(iguren  zweier  kleiner  Engel,  unten  ganz  gerade  abge- 
sclnutten.  Li  .symmetrischer  Übereinstinuuuug  gehalten, 
ist  jeder  in  ein  blaues  Unterkleid  und  rotlien  Mantel 
gekleidet.  Iln-e  Fittiche  von  brauner  Farbe  sind  gross 
und  geschwungen,  um  die  Köpfe  leuchten  Aureolen,  in 
den  Händen  hält  jeder  eine  braune  Kugel  und  ein 
Scei)ter.  Eine  Inschrift,  sonst  so  häutig  an  byzantiui- 
scbcn  Bildern  der  Dcijiara,  fehlt  unserni  Werke. 

Bei  der  l?estiinniung  byzantinischer  Arbeiten  ist  es 
nicht  nöthig,  nach  Analogien  zu  suchen  und  auf  solche 
belnifs  des  Vergleiches  hinzuweisen,  denn  es  steht  uns 
eine  ganz  feste  Kegel,  eine  bestimmte  Vorschrift  zu 
Gebote,  auf  welche  das  vorliegende  Werk  gleich  zahl- 
reichen seiner  Brüder  nur  einfach  zurückbezogen  zu 
werden  braucht.  Diese  Canones  enthält  bekanntlich  die 
Hermeneia  und  auch  für  unsern  Fall  hat  dies  reichhal- 
tige l'.uch  das  gehörige  Capitel,  die  betreffende  Aufgabe, 
als  deren  Lösung  aucli  dieses  Gemälde  zu  l)etrachten  ist. 
Haben  wir  datier  auf  die  vom  Geiste  der  byzantinischen 
Kunst,  formell  wenigsten.s,  noch  so  tief  durchdrungenen 
Scliöpfungcn  Cimabue's  hingedeutet,  so  ist  die  Beziehung 


gleichwohl  nur  eine  beiläufige  und  gibt  es  unter  den 
eigentlichen  byzantinischen  Malereien  viel  übereinstim- 
mendere Beispiele.  Zwar  haben  wir  dort  ebenfalls  eine 
Verehrung  der  Himmelskönigin  durch  Engel ,  doch 
passen  jene  Cimabue'schen  Compositionen  mehr  zu  der 
\'orschrilt,  welclie  das  Malcrbuch  ;räaa  ^v7!j  a'/'/sÄc/jv 
überschreibt,  in  dem  Capitel  von  den  oImi  rrjj  ^iczi/.o-j 
(§.  4U(»).  Die  hier  gegebene  Auffassung  der  Jungfrau 
dagegen  entspricht  dem  Capitel:  Ilci?  wr&pi^srat  roup- 
/«ta  sy.x/,/,7!«  (g.  4o9),  wo  es  heisst:  ,.]\Iache  die  Hei- 
ligste auf  einem  Throne  sitzend  und  Christum  als  kleines 
Kind  haltend,  und  über  sie  schreibe  diese  Inschrift: 
Mutter  Gottes,  erhabener  als  die  Himmel.  Und  zu  ihren 
beiden  Seiten  mache  die  zwei  Erzengel  Michael  und 
Gabriel  etc."  Eine  Lischrift  ist  auf  diesem  I5ilde  aller- 
dings, wie  bemerkt,  nicht  zu  sehen,  das  übrige  jedoch 
stimmt  zu  jenem  Satze  des  Malerl)uches.  Von  den  im 
§.  452  gesammelten  Beinamen  der  Heiligen  würde  auf 
die  Bilder  Cimabue's  der  Titel:  „Königin  der  Engel" 
passen ,  während  unsere :  „die  grösser  ist  als  der 
Uininiel"  heisst.  Die  Erscheinungen  der  beiden  Engel 
auf  unserem  Gemälde  bezeichnet  sie  in  der  That  als 
Erzengel,  denn  diese  sind  u.  a.  auch  in  Frescomalereien 
des  Klosters  Iviron  am  Berge  Athos  dargestellt  als 
unbehelmte  Krieger,  mit  der  Kugel  in  Händen.  Endlich 
wollen  wir  nicht  übersehen,  dass  Maria  der  griechischen 
Ikonograpliie  gemäss  beschuht  gemalt  ist,  da  nackte 
Füsse  eine  Auszeichnung  der  Göttlichkeit  sind,  welche 
nur  den  Personen  der  Trinität,  den  Engeln  und  Aposteln 
zukommt.  Alles  Übrige  an  der  Gestalt  der  JLadouna 
stimmt  vollkommen  mit  dem  in  §.  447  der  Hermeneia 
geschilderten  Idealbilde. 

Über  Alter  und  Entstchungszeit  des  "Werkes  ein 
Urthed  zu  liefern,  masse  ich  mir  nicht  an.  Es  hat  nicht 
den  gebräunten  Ton,  den  die  Anbringung  eines  harzigen 
Firnisses  an  den  l)y/.antinischen  Tafelmalereien  hervor- 
gebracht haben  soll,  sondern  ist  klar  und  freundlich. 
Das  Cypressenholz  des  Brotes  trägt  Spuren  von  Alter, 
es  ist  theilweise  morsch  und  wurmstichig.  Die  Malerei 
selbst  haftet  auf  Leinwand,  welche  auf  das  Bret  geklebt 
wurde.  Unser  Bild  befand  sich  ursprünglich  in  der  Nähe 
Neaiiels  an  einem  al)gi'legenen  Orte,  kam  in  die  Samm- 
lung Campana  und  nach  deren  Zerstörung  in  den  gegen- 
wärtigen Besitz.  Somit  haben  wir  es  wohl  mit  einer  grie- 
ciiisclien,  auf  italienischen  Boden  gefertigten  Arbeit  zu 
Ihun.  Die  Zeitl)estimnuing  gehört  gerade  bei  diesen  Ar- 
beiten beinahe  zum  Unmöglichen,  eben  weil  ilinen  allen 
dersell)e,  Jahrhunderte  alte  Canon  zu  (!runde  liegt. 


Ältere  Grabmale  in  Nieder -Österreich. 

Aon  Dr.  Karl  Lind. 


(Mit  3  HolZBchnlttcn.) 


Im  Kreuzgange  nächst  der  Dom-  (ehemaligen 
Stifts-)  Kirche  zu  St.  l'öltcn,  einem  keineswegs  als 
Bauwerk  interessanten  Gebäude,  belindeii  sicii  gegen- 
wärtig nur  mehr  sieben  Grabmale,  davon  eines  ganz 
besonders  die  Aufmerksamkeit  des  P.eschauers  fesseln 
durfte. 

Dieses  Moihihh  iit.  U\.,  Fuss  hodi  iiiiil  4  Fuss  lireit, 
besteilt  aus  zwei  Theilcn,  die  ilirer  Üestiniiiiung  nach 
in  der  gegenwärtigen  Aufstellung  nicht  zusniiinieiigeliö- 


ren.  Der  untere  grössere  Tiieil  mag  die  Deckplatte 
einer  Tuiiilie,  wofür  aucli  der  Umstand  spricht,  dass 
derselbe  nicht  abgetreten  ist,  der  ol)ere  kleinere  viel- 
leicht ein  Seitentlicil  einer  solchen  gewesen  sein.  Auch 
ihrer  Entstellungszeit  nach  mögen  beide  Steine  ver- 
schieden sein,  und  si)riclit  der  Ciiarakter  der  Figuren 
für  das  etwas  höhere  Alter  des  unteren  Theiles,  der 
zu  Anfang  des  XIV.  Jalnhmiderts  entstanden  sein  dUrfte, 
wälirciMl  der  uliere  Theil  aus  dem  auf  der  naditräglich 


4S     — 


eingemeiseltcn  Umschrift  des  erstcren  bezeichneten  Jaiir 
stammen  mag.  DieEuliestätte  der  Familie  Hagen  au  er 
war  nämlich  ursprünglich  in  oder  zunächst  der  Peters- 
kirche  ausser  Böheimkirclien ,  welche  wahrscheinlich 
von  der  Familie  Hagcnauer  erbaut  wurde  '.  Zur  Zeit, 
als  ein  Mitglied  dieser  Familie,  nändich  Otto  von  Hage- 
nau,  Canonicus  im  Stifte  St.  Polten  war,  wurde  die 
Hagenauer'sche  Familiengnift  nach  St.  Polten  verlegt 
und  Otto  bestimmte  den  Stein,  der  laut  seiner  Umschrift 
„in  agro"  gefunden  wurde,  zum  Abschluss  der  neuen 
Ruhestätte.  Unter  dem  Probste  des  Stiftes  St.  Polten 
Johann  Fünfleuthner  (um  die  Mitte  des  XVII.  Jahr- 
hunderts) wurde  das  Monument  in  den  Kreuzgang  an 
die  jetzige  Stelle  und  zwar  in  diese  hinsichtlich  der  ein- 
zelnen Theile  nicht  zusammenstimmende  Aufstellung 
gebracht. 

Die  untere  G  Fuss  8  Zoll  hohe  Platte  dieser  in  die 
Mauer  des  Kreuzganges  eingelassenen  Tumba  zeigt  in 
dem  vertieften  von  einem  schmalen  Schriftrande  um- 
rahmten Mittelfelde  Christum  am  Kreuze.  An  den  Enden 
der  Kreuzbalken  befinden  sich  die  Kopfe  der  Symbole 
der  vier  Evangelisten  und  zwar  oben  des  Adlers  und 
unten  des  Engels,  rechts  des  Rinds  und  links  des  Löwen, 
jeder  Kopf  mit  einem  Spruchbande,  darauf  der  Name 
des  symbolisirten  Evangelisten.  Neben  dem  Kreuze 
stehen  die  heil.  Maria  mit  auf  der  Brust  gekreuzten 
Armen  und  der  heil.  Johannes,  ein  Buch  haltend.  In 
der  Höhe  oberhalb  des  Kreuzes  schweben  auf  Wolken 
betende  Engel  mit  gefalteten  Händen.  Die  Umschrift  mit 
Majuskeln  des  XIV.  Jahrhunderts  geschrieben,  lautet: 
„Anno,  domini  .  m.c.c.c.xxxvii  j  (rechter  Rand,  die 
Buchstaben  gegen  die  Innenseite  gewendet)  Otto  .  de  . 
Hagenav  .  canonic  .  reg  f  aris  f  apidem  hunc  |  (linker 
Rand  die  Buchstaben  nach  aussen  gerichtet)  in  agro  . 
svorvm  .  parentvm  .  receptv  .  transtvlit  |  (unterer  Rand 
die  Buchstaben  nach  abwärts  gerichtet)  super  .  tvmbam 
ip  .  orvm." 

Die  meisten  Theile  dieses  Steines  sind  bemalt, 
doch  ist  die  Farbe  bereits  grösstentheils  gebleicht.  Die 
Figuren  sind  zwar  von  lebendigem  Ausdruck,  doch  lang 
und  hager,  die  langen  Gewänder  in  gezogene  Falten 
gelegt. 

Der  kleinere,  über  dem  eben  beschriebenen  auf- 
gestellte Stein  hat  eine  Höhe  von  2  Fuss  9  Zoll,  ist  mit 
einem  breiten  Rahmen  umgeben,  worauf  mit  schwarz 
bemalten  Majuskeln  folgende  Inschrift  angebracht  ist: 
„t  Augstine  pie  nos  j  duc  ad  agalma  Sophiae  f  XPI  colis 
grats  I  sit  sacer  Ypolitus".  Innerhalb  des  Rahmens  be- 
finden sich  die  Brustbilder  des  heil.  Augustin  und  Hip- 
polyt,  welche  beiden  Heiligen  die  Familie  der  Hage- 
nauer,  wie  aus  der  Randschrift  erhellet,  als  Fiirbitter 
erwählt  hatte.  Der  heil.  Hippolyt  ist  mit  einem  grün  und 
violetten  Gewände  angethan,  hat  einen  tellerförmigen 
Nimbus  und  hält  in  der  rechten  Hand  einen  Spitzschild, 
darauf  der  Buchstabe  Y,  die  linke  ruht  auf  der  Brust. 
Der  heil.  Augustin  ist  in  weites   geknlipftes  und  roth 


'  Dieses  dem  heil.  Petrus  geweihte  Kirchlein,  eine  Viertelstunde  von 
Böheimkirchen  nächst  der  Gemeinde  Ausser-Kasten  gelegen  und  Filiale  der 
Pfarrkirche  von  Böheimkirchen,  ist  ein  noch  beachtenswerthes  Gebäude  roma- 
ni.scheu  Styles.  Der  gegen  Westen  situirte  Thurm  neigt  sich  schief,  das  Schin- 
deldach ist  vom  Wetter  zerfressen,  an  den  plumpen  Thurmbau  mit  seinen 
rundbogigen  schmalen  Schaulöchern  stösst  das  etwas  breitere  Schilf  der 
Kirche.  Gegen  Osten  endet  der  Bau  mit  einfacher  Concha,  an  der  Südseite 
belindet  sich  ein  Fenster  mit  schmuckloser  Trennungssäule,  durch  die  sich 
das  getheilte  Fenster  in  sanftem  Spitzbogen  ab^chliessI.  Das  einfache  und  fast 
unbeachtet  gebliebene  Bauvrerk  mag  noch  dem  XII.  Jahrhundert  angehören- 
(S.  Berichte  und  Mittheil.  d.   Wiener  Alterth.  Vereines  XIII.  p.  59.) 


_ i»- S_— * 


Fig.  1. 


bemaltes  Gewand  mit  offenen  Ärmeln  gehllllt,  trägt  um 
den  Hals  das  Pallium,  auf  dem  Haupte  eine  niedrige 
Mitra  ,  golden  und  blau  bemalt ,  die  Rechte  ist  zum 
Segnen  erhoben,  die  Linke  stützt  sich  auf  das  Evan- 
gelium. Zwischen  diesen  beiden  Figuren  ist  das  Hagen- 
auer'sche Familienwappen,  ein  abgedorrter  Baum  ange- 
bracht. Den  Schild  überdeckt  ein  mit  einem  rothen 
Kreuz  bezeichneter  Stechhelm  mit  Büifelhörnern ,  zuge- 
spitzten Ohren  und  rother  Helmdecke.  (Fig.  1.) 

Kurz  besprochen  wird  dieses  Grabmal  im  Jahrbuch 
der  k.  k.  Centr.  Comm.  II.   122,  in  den  Mittheilungen 


—     46 


V^aiA/^'Syg^o 


Fig.  2. 

des  Alterthums- Vereines  III.  HO,  in  der  kircliiicheu 
Topographie  YII.  233—2:54,  l)ei  Müller  von  Praiiken- 
haimb  1.  99,  und  bei  Duellius  Miscellanea  I.  .'342  u.  f. 
Ungenügende  Abbildung  findet  sieh  bei  Duellius  ex- 
cerpta  gcneal.  bist.  p.  355. 

Über  die  Familie  Hagenau,  deren  einige  Mitglieder 
in  den  Verband  des  Chorherrnstiftcs  St.  l'iiltcii  traten, 
wie  Keginibert  (um  1130),  Otto  (um  1330),  da.s  Übrigens 
gegen  die  Mitte  des  XV.  Jahrhunderts  in  Österreich, 
wenigstens  im  Mannsstarame  ausgestorben  sein  dürfte 
und  au  das  ausser  dem  Namen  in  den  Irkundcii  und  dem 
Grabsteine  nichts  mehr  erinnert,  bringt  der  illr  seine 
Zeit  sehr  verdienstvolle  Wissgrill  (IV.  35)  mehrere 
Nachrichten.  Wir  wollen  denselben  zur  Ergänzung  noch 
einiges  beisetzen,  wie  das«  sich  im  Archive  des  Stiftes 
Reitenstetten,  an  dessen  Stiftung  die  llagcnaucr'sche 
Familie  sich  wohl  betheiligt  liabcn  dürfte,  eine  l'rkunde 
aus  dem  .Jahre  1 1  Ki  findet,  die  licimbcrtus  •'  de  hagc- 
nowc  et  trcs  filii  ejus  Wernhardus,  ItcinbertuH  »  et  llart- 
wicus  als  Zeugen  autführl  (Fontes  rerum  aust.  XXXIII), 
dass  in  einer  Urkunde  desHcll)eii  Stiffes  v.  J.  1 112  Ilart- 


Mclllor  führt  In  »einen  Ucgcilon  zur  Goachlchio  de»  nnuhcs  Babon- 
borg  (p.  12,  0)  einen  Rcginbert  rto  Ilaglnau  unter  den  Zeugen  einer  Vrkiinde 
König  Uelnrlrh's  V.  für  da»  Bamliorg  'Z!l,   IX,   lloüj  an. 

'  Weser  Keginbcrt  dürfte  der»clbe  sein  ,  der  Mitglied  de»  Stifte»  «ii  St. 
Polu-n  und  um  1130  denen  Prob«  war,  Im  Jahre  1138  den  bl.chöllMicr.  Thron 
Ton  P«»8«o  Botleg  und  ala  »olchcr  auf  «einem  Zuge  nach  l'alä»:lna  im  Jahre 
1117  die  Sl.  Stephansklrche  lu  Wien  weihte.  Er  »larb  IM«  auf  der  Ililmkchr 
an»  dem  gelobten  Lande. 


wicus  *  quoque  de  hagenowe  als  Zeuge  erscheint  (1.  c. 
p.  5).  Chmel  veröffentlicht  iu  seinem  Geseliichtsfor- 
scher  (II.  228)  eine  Urkunde  des  Jahres  1147  (18.  Juni), 
welche  Hartwicus  de  Hagenowe  bezeugt.  In  Zahn's 
Urkunden  zur  Geschichte  der  ehemalig  bischöti.  Frei- 
siugen'schen  Besitzungen  in  Österreich  (Fontes  rer. 
austr.  XXXI.  116)  findet  sieh  ein  Livtoldvs  der  Hage- 
nowe als  Zeuge  auf  einer  Urkunde  des  Jahres  (c.)  1180. 
Aus  dem  Jahre  1288  bewahrt  das  Stift  Scitenstetten  eine 
Urkunde,  die  von  Sifridus  von  Hagenauwe,  Chvnrad 
frater  ejus,  Pravn  (?)  de  Hagenawe,  Sifridi  fratris  ejus 
und  Heinricus  frater  eorundem  bezeugt  ist  (1.  e.  108). 
Auf  einer  eilf  Jahre  späteren  Urkunde  (20.  October) 
finden  sich  Seifrit  von  Hagenow  und  Clivurat  von  Hage- 
now  als  Zeugen  eines  Schiedssjiruches  zur  Schlichtung 
eines  Streites  zwischen  Rudolf  Wirseng  und  der  Abtei 
Scitenstetten,  und  ist  Seifried  einer  der  Schiedsrichter 
(1.  c.  125).  Im  Jahre  1312  (2.  Febr.)  verkaufen  Conrad 
von  Hagenau  und  Margareth,  seine  Frau,  der  Kirche  zu 
Lanzendorf  3  Seh.  pfen :  Gilten  von  9  Joch  Ackern  am 
Ankenberg  bei  Böheimkirchen.  Als  Schirmer  dieses  Ver- 
kaufes nennen  sich  Chvnrat,  deren  Sohn,  Elspet,  die 
Tochter  und  Sifrit  des  älteren  Chvnrat  von  Hagenawe 
Bruder  (1.  c.  150).  — 

Die  zahlreichen  imCapitelhause  und  im  Kreuzgange 
des  Stiftes  Heiligen  kreuz  befindlichen  Grabdenk- 
male wurden  bereits  an  vielen  Orten  aufgezählt  5  und 
doch  ist  es  nothwendig  bei  Besprechung  mittelalterlicher 
Grabdenkmale  gerade  auf  diese  zurlickzukommeu,  da 
dieselben  aus  ziemlieh  früher  Zeit  stammen ,  und  derar- 
tige Steine  wenigstens  in  Österreich  nunmehr  höchst 
selten  zu  finden  sind.  Diese  wenigen  sind  um  so  höher 
zu  schätzen,  als  sie  uns  die  Art  und  Weise  der  Grab- 
steine des  XIII.  und  XIV.  Jahrhunderts  vor  Augen 
bringen.  Ich  will  im  weiteren  Verlaufe  mehrere  dieser 
Denkmale  näher  besprechen. 

Gerade  vor  dem  Eingänge  in  das  Capitelliaus 
liegt  (leider  noch  immer)  am  Boden  und  zugleich  als 
Pflasterstein  dienend  eine  rothmarmorne  Platte,  welche 
folgende  Umschrift  enthält :  f  anno  .  dni  .IM.  CCC  . 
XXIIII .  II .  kal  .  maii  .  j  o  .  dns  .  wvlf .  |  ingvs  ,  de  hars- 
sendorf.  In  dem  vom  Schriftrahnien  umgränzten  Iiinen- 
felde  sieht  man  eine  blos  in  eingehauenen  Contourlinien 
ausgeführte  Darstellung,  die  beim  ersten  Anblicke  leicht 
für  eine  ganze  weibliche  Figur  gehalten  werden  kann. 
Doch  zeigt  sich  bei  näherem  Untersuchen  der  Darstel- 
lung nur  ein  weibliches  Bnistliild  ;  der  Kopf  ist  mit 
einem  grossen,  runilen  und  niedrigen  Hufe  bedeckt.  Die 
Hutbänder  umschliessen  das  Kinn,  die  Brust  verhüllt 
ein  bis  an  den  Hals  fest  anschliessendes  Kleid,  und 
das  (lanze  bildet  den  Schmuck  eines  Wappciiholmes, 
wobei  die  Fortsetzung  des  Kleides  zugleich  als  Hclin- 

*  Meiner  (1.  c.  p.  30;  nennt  den  Ifortwlc  de  Hagenowe  ,  iils  /engen 
einer  Schunkung»-l'rkundo  für  da.-.  Kloster  Garston  vom  1.  Jiinner  de»  Jahre.s 
1 1 1-2  und  di-»i;lelchen  in  einer  Irkniirle  do»  Jahre»  HIT,  da^  Kloster  Wald- 
hausen  betri-tTend  (1.  c.  p.  33).  Meiller  lüitrl  uoeh  andere  Mitglieder  dieser 
Fainitie  au,  flo  wird  unter  den  Zeugen  einer  7.u  t^un^ten  der  Abtei  A<lniont 
au»gc»teilten  L'rkunde  Kaiaer  rrlodricii'»  I.  vom  Jahre  lis;l  d.  c.  (;lj  auch 
ein  llerrlilul>ertti»  de  llaglnoue  genannt.  I>er.svlbe  ICrrii«nltortns  de  llagenowu 
er»i'heliit  In  der  l'rkundo  vom  'Jl.  Dcbr.  r.'lS  de»  Sllfte.t  Cnr.ilcn  il.  c.  113). 
l>en  Vertrag  ddto,  17.  Angnst  ll.S.'»  zwisrheu  lI.TZog  (")taker  von  Steicrmai'k 
und  Ilorsng  Leopold  von  ()»terroicti  In  ItclrelT  de»  Anfalles  der  Stciomiark 
an  letzteren  liozuugl  Werriiiardus  de  Iiagenowo  (1.  c.  li'J).  Derselbe  er»cltelut 
aucli  auf  einer  Irkundo  vom  1.  Jänner  llNil  (1.  c.  (iO).  Auf  einer  Urkunde 
do»  Jahre»  Illtn  wird  unter  den  Zetigen  ein  Krriilnuerus  de  liak'inowe  (1.  o. 
n8),  ondllril  Im  Jahre  12(11  ein  Iloinricu»  de  Hagenowe  (1.  c.  93)  uud  12ii 
Ludwlcu«  puer  de  Iiagenowo  (1.   c.    I3'ii   biniinnl. 

*  Wir  führen  lH'iNplcIswol»e  an  Wiens  t'mgobungon  auf  20  .Stunden  Im 
l'mkrelsi-  von  A.  Seh  midi  lII,  3*11;  klrchliiho  Toiingrapiile  von  Niedor- 
(JHlerrelrh  IV.  236.  11  e  I  d  e  r'«  und  E  i  l  ei  b  e  rgo  r'»  Dunkmale  im  oBlerreiehl  • 
Hi.heu   Kalfiorr.tna(e  I.  etc. 


47 


decke  dient.  In  dem  dreiseitigen,  au  beiden  .Seiten  et- 
was ausgcliaueliten  und  scliriig  rechts  gestellten  Schilde 
zeigt  sich  ein  gegen  rechts  springendes  Thier,  walir- 
scheinlich  ein  Wolf.  (Fig.  2.) 

Über  die  Familie  H  a  r  s  s  e  n  d  o  r  f,  wie  sie  am  Grab- 
stein genannt  ist,  sind  mir  nur  wenig  Nachrichten  be- 
kannt. Eine  Urkunde  des  Stiftes  Heiligenkreuz  aus  dem 
Jahre  12o9  nennt  unter  den  Zeugen  den  Dominus  AVul- 
viugos  de  Horseudorf,  als  den  Bruder  jenes  so  oft  ge- 
nannten Otto  von  Harlawe  (Fontes  r.  a.  XI.  99),  somit 
einer  damals  ziemlich  mächtigen  Familie  angehörig. 
Duellius  bringt  in  seinen  excerptis  geneal.  p.  20o  den 
Auszug  einer  Urkunde  aus  dem  Jahre  1357,  in  dem  ein 
Ulrich  von  Hessendorf  und  seine  Hausfrau  Vro  Gerdraut 
benannt  wird.  Zahn  nennt  in  seinem  Codex  dipl.  austro- 
frisingensis  (Fontes  rer.  austr.  XXXI.  p.  230)  als  Zeu- 
gen einer  Urkunde  ddto  2.  October  12G2  einen  Wultin- 
gus  de  Horssiudorf ;  ferner  erscheint  auf  zwei  dasselbe 
Datum  (3.  Februar)  tragenden  Urkunden  des  Jahres 
1289  ein  Siiridus  von  Horssendorf  (Fontes  r.  aust.  XI. 
258)  und  endlich  wird  in  einer  Urkunde  des  Jahres 
1368  ein  Otto  von  Harssendorf  als  Mitsiegler  eines 
Verkaufsbriefes  des  Ulrich  Pomer  und  seiner  Hausfrau 
Dorothea  benannt  (Duellius  I.  c.  51).  Obgleich  der 
Name  in  vielen  Variationen,  wie  Harssendorf,  Horsen- 
dorf,  Hessendorf  u.  s.  w.  erscheint,  so  dürfte  bei  dem 
Umstände,  als  sie  in  Urkunden  erscheinen,  deren  Aus- 
stellungsort in  einem  gewissen  Bezirke  liegt  und  deren 
Beziehung  immer  auf  in  demselben  befindliche  Objecfe 
gerichtet  ist,  es  kaum  zu  bezweifeln  sein,  dass  die  damit 
bezeichneten  Persönlichkeiten  der  nämlichen  Familie 
augehören. 

Der  in  der  Urkunde  1262  benannte  Wulfiug  dürfte 
derselbe  sein,  der  am  29.  April  1324  starb  und  in 
Heiligenkreuz  bestattet  wurde,  au  welchen  somit  das 
besprochene  Monument  erinnert. 

Im  Fusswaschungsgange  liegt,  als  Bodenpflaster 
dienend,  die  in  Fig.  3  abgebildete  Platte,  deren  beide 
obere  Ecken  abgestumpft  sind.  Die  Umschrift  lautet:. 
t .  IUI .  i  kalen  .  Septemb  .  o  Sif  |  ridvs  |  laevblo  .  civis 
winnen  |  sis .  Innerhalb  des  Schriftrahmeus  ein  in  Con- 
touren  ausgeführtes,  gothisirtes  Kreuz  auf  einem  halben 
Vierpass  ruhend. 

Der  Familienname  Leubl,  Leublo,  Leublin,  Leubel 
tindet  sich  fast  zur  selben  Zeit  unter  den  Bürgern  von 
AVien  und  Wiener- Neustadt.  Ob  diese  variirende  Be- 
zeichnung immer  für  dieselbe  Familie  gilt,  ist  die  Frage. 
Von  den  so  benannten  Bürgern  der  Neustadt  erscheinen 
Rudlo  und  Heinricus  fratres  dicti  Liublini  als  Zeugen 
in  der  von  der  Neustädter  Bürgerschaft  ausgestellten 
Urkunde  ddto.  3.  Juni  1285  (Fontes  rer.  aust.  XI.  243). 
Es  ist  wahrscheinlich  derselbe  Heinrich  Leubel,  welcher 
als  Richter  von  W.  Neustadt  mit  Zustimmung  seiner 
Frau  C'hunegunt  dem  Nonnenkloster  zu  St.  Peter  an  der 
Sperre  seineu  Antheil  an  seiner  Badstube  daselbst  und 
ein  Viertheil  eines  Weingartens  in  Solenau  schenkt. 
Diese  vom  1.  Febr.  1296  datirte  Urkunde  (1.  c.  322) 
nennt  als  Zeugen  den  Pioedel  Leubel,  und  Leopold  sein 
Svn.  Aus  Urkunde  vom  20.  August  1296  (die  Hein- 
ricus Leubel  der  Richter  und  Rudgerus  frater  suus 
bezeugen)  erfährt  man,  dass  Schwester  Wentla,  Hein- 
rich's  Tochter  und  Witwe  Heinrich  des  Würflers,  des 
Jobannes  Sohn,  eine  Badstiüje  dem  obenbenannten  Klo- 
ster bei  ihrem  Eintritt  in  dasselbe  schenkte,  welche  Bad- 


Fig.  3. 

Stube  vom  Stifte  Heiligenkreuz  im  selben  Jahre  gekauft 
wurde,  und  welchen  bezüglichen  Kaufbrief  dto.  26.  Sejjt. 
Heinrich  Loeubel,  der  Richter,  und  Roger,  sein  Bruder, 
bestätigen  (1.  c.  283)  1297  erscheint  anf  einer  Urkunde 
ddto  1.  April  wieder  der  Richter  Heinrich  Leubel  {\.  c. 
286),  ebenso  1299  (Fontes  r.  a.  XVIH.  p.  97).  Nun  wird 
das  Verhältuiss  der  diese  Namen  tragenden  Personen 
zu  einander  etwas  unklar,  denn  in  der  Urkunde  ddto. 
11.  November  1311,  aus  der  zugleich  erhellet,  da.ss 
Heinrich  Leubel  nicht  mehr  Richter  von  Neustadt  war, 
erscheinen  als  Zeugen  Heinricus  Leublo,  Rudlo  Leublo, 
Lcopoldus  Leublo  Fratres.  (Fontes  r.  a.  XVI.  7.) 

Siegfried  Leublo ,  dessen  Monument  früher  be- 
schrieben wurde  und  der  vom  Rhein  eingewandert  sein 
soll ,  scheint  in  der  Wiener  Geschichte  seiner  Zeit 
eine  Rolle  gespielt  zu  haben.  Abgesehen  davon,  dass 
ihn  eine  Urkunde  des  Stiftes  Heiligeukreuz  vom  1.  Aug. 
1270  (Fontes  r.  a.  XL  174)  als  Zeugen  nennt,  scheint 
er  sich  an  jenen  Verhandlungen  betheiligt  zu  haben,  die 
in  Folge  des  durch  Leopold  VII.  den  Wienern  einge- 
räumten Niederlagsrechtcs  und  der  als  Gegenmassregel 
von  den  Ungarn  "autgestellteu  ZoUlegstättefi  in  Raab, 
bei  Ödenburg  und  bei  Pressburg  zur  Abschliessung 
von  Zoll-  und  Handelsverträgen  von  Seite  der  Wiener 
Kaufherren  eingeleitet  wurden.  So  erschien  der  ange- 
sehene Wiener"  Handelsherr  Siegfried  Leublo ,  der  um 
diese  Zeit  das  Amt  eines  Hausgrafen  bekleidete ,  im 
Jahre  1270  am  Hofe  des  König  Stephan,  um  eine 
Bestätigung  der  Zollordnung  Königs  Bela  IV.  vom  J. 
1260  zu  erwirken,  die  er  auch  mit  königlichem  Brief 


—     48 


und  Siegel  erhielt.  1278  war  Siefried  Lavbel  uebst 
Leopold  Pilhiltstorfer  Frocurator  des  Wiener  Bilrger- 
spitales  (s.  Zwettler  Stiftungen-Buch.  Font.  III.  p.  333). 
Leublo  war  der  Schwiegervater  des  bisher  als  ersten 
bekannten  Wiener  Bürgermeisters  Conrad  Poll,  wie  dies 
unter  anderen  eine  Urkunde  vom  Jahre  12G8  (Zwettl. 
Stiftungen-Buch  Fontes  III.  p.  469)  darthuet,  woselbst 
Sifridus  Lovbel  und  Chunradus  Pullus  gener  suus  be- 
nannt werden,  und  der  Stifter  der  Philipp-  und  Jacobs- 
Capelie  im  Cölnerhofe,  welches  Haus  er  eigenthümlich 
besass.  Die  Stiftung  dieser  Capelle  dürfte  jedoch 
vor  den  Jahre  128'J  geschehen  sein.  Aus  dem  Jahre 
1279  ddto.  27.  Februar  hat  sich  eine  Urkunde  enthal- 
ten, in  welcher  derselbe  der  Capelle  einige  Einkünfte 
schenkt «.  Vom  Jahre  1281  (7.  Februar)  bringt  uns  eine 
im  Archive  des  Stiftes  Klosterneuburg  aufbewahrte  Ur- 
kunde Nachricht,  dass  Sifridus  dictus  Leubel,  Bürger 
von  Wien  und  Jeuta  seine  Gemalin  diesem  Stifte  Wein- 
und  Pfenningdienste  in  Grinzing  gaben  (Fontes  XIV. 
p.  21).  Das  an  dieser  Urkunde  befindliche  und  erlial- 
ten  gebliebene  Siegel  zeigt  einen  dreieckigen  Schild 
mit  drei  Herzen  (2. 1.)  darinnen,  die  Umschrift:  f  sejfridi 


.Levblini.  Wann  Siegfried  Leublo,  der  zwischen  1287 — 
1289  Münzmeister  war  (s.  liber  fund.  Zwettl.  Fontes  III. 
p.  334  iHid  K.  Weiss:  Geschichte  der  Stadt  Wien  I. 
p.  209)  starb,  ist  nicht  anzugeben,  auch  ob  er  für  die 
Gestattung  der  Ruhestätte  im  Stifte  Heiligenkreuz  dem- 
selben ein  Geschenk  oder  eine  dahin  bezügliche  Stif- 
tung niachte,  ist  nicht  bekannt '. 

Über  dessen  Nachkommenschaft  ist  ebenfalls  bis- 
her nichts  aufzufinden  gewesen,  doch  erseheint  in  den 
Jahren  1312  und  1315  ein  Stephan  der  Leubel  (Lobel) 
urkundlich  benannt  (Fontes  r.  a.  XVIII.  141.  148)». 
Zwei  Personen  dürften  übrigens  mit  Siegfried  in  nähe- 
rer Verwandtschaft  gestanden  sein,  da  sie  gleichzeitig 
mit  ihm  vorkommen,  und  auch  eine  grosse  Nameus- 
ähnlichkeit  besteht,  es  ist  dies  Pitrolf  Leublo  (128t> 
12.  Juli  Fontes  XIV.  p.  35)  und  Leopoldus  (Levblo), 
der  1283  in  einem  Schiedsrichterspruch  anlässlich  eines 
Streites  zwischen  dem  Stifte  Zwettel  und  dem  Wiener 
Bürger  Albert  Longus  erwähnt  wird  (Fontes  III,  p.  327). 
1287  (Fontes  IlL  p.  334)  und  1291  (Fontes  XIV. 
p.  40)  erscheint  derselbe  (dictus  Leub)  als  Zeuge  in 
Urkunden. 


Notizen  und  Correspondenzen. 


Das  Tragaltärchen  der  Pfarrkirche  Maria  Pfarr  im 
Lungau. 

Die  Pfarrkirche  Maria  Pfarr  im  Lungau  (Hcrzog- 
thum  Salzburg)  besitzt  ein  seltenes  und  kostbares  Werk 
mittelalterlicher  Goldschmiedekunst ,  nändich  ein  aus 
Silber  angefertigtes,  reich  vergoldetes  und  verziertes, 
in  Form  eines  D^'jjtichons  aufgebautes  Tragaltärchen 
von  3  Fuss  Höhe,  welches  Werk  vom  Pfarrer  Grillinger 
der  Kirche  zu  Ende  des  XV.  Jahrhunderts  gewidmet 
wurde,  und  jetzt,  da  man  gleichzeitig  mit  der  Welt- 
ausstellung auch  eine  Vorführung  mittelalterlicher  Kunst- 
werke ins  Auge  gefasst  hat,  in  erster  licihc  verdienen 
würde,  den  Kunstliebhabern  und  Forschern  zugänglich 
gemacht  zu  werden. 

Das  Hau])tfcld  des  Schrankes  enthält  eine  Darstel- 
lung des  Kreuztodes  Christi,  zur  Seite  J(diannes  und 
Maria,  zu  den  Füssen  des  Heilandes  Engel;  in  der  linken 
Ecke  der  knieende  Donalor  l'larrer  (irillinger  unter 
einem  kleinen  Baldachin  ;  sännntliche  Figuren  des  Haupt- 
feldes als  Hochrelief  getriebene  Arbeit  in  der  bekannten 
Forniengebung  und  vollcndeti'n  Technik  des  XV.  Jahr- 
liundei-tes.  Die  beiden  in  zwei  Felder  abgetheilten  Flügel 
.•nthaltcn  gravirte  Figuren  und  Arabesken,  (U'reii  Wir- 
kung durch  gefasste  Steine  und  Perlen  gehoben  wurde. 
Es  befindet  sich  bei  geöffnetem  Altarwerk  im  linken 
Flügel  oben  die  (icburt  Mariens,  unten  die  Aufopferung 
Ciiristi  im  'I'eiii])el;  im  rechten  I'lligel  (il)eii  die  Verkün- 
digung der  Geburt  Christi  durch  die  Engel  den  Hirten, 
und  unten  (bic  Himmelfalirt  Mariois. 

Im  geschlossenen  Zustande  zeigt  der  linke  Flügel 
des  Altarwerkes  oben  den  heil.  Johannes  den  Täufer 
und  den  heil.  Johannes  den  Evangelisten,  und  unten 
zwei  Bischöfe ;  der  rechte  Mllgel  enthält  im  (iberen 
Felde  die   IIeili;:en    Petrus   und   j'aulus  und   im    unteren 

•  Im  llclltKcnkroiixer  Ollt<'nbur}i,  hcrAdsgcfEohcn  von  P.  ])cnc(].  Osell. 
findet  »Ich  oine  Sictir,  <(lo  möglicher  Welse  auf  eine  Leublisrhü  Stiftung  bcro- 
ceo  werden  könnte;  lic  lautet  Item  In  dccollntlcjno  Joliaunl«  liainUto  II  fructn 
et  sintlla  de  Lcubilao. 


die  heil.  Katharina  und  Barbara,  sämmtliclie  Gestalten 
in  markiger  Gravirung.  Auf  der  Pückseite  des  Schran- 
kes hatte  der  Künstler  in  sinnreicher  Laubwerks- Ver- 
zierung die  evangelischen  Symbole,  das  Lanmi  Gottes,^ 
Veronica's  Schweisstuch  ,  und  den  auf  die  Widmung 
Bezug  nehmenden  Text  hineingravirt.  tlber  dem  Schrank 
baut  sich  ein  Baldachin  auf,  unter  dem  die  Figur  des 
gemarterten,  dem  Volke  ausgesetzten  Heilandes  steht. 
Der  Baldachin  selbst  endigt  in  einen  steil  aufziehenden, 
organisch  gelösten ,  verschlungenes  Ast-  und  Laubwerk 
enthaltenden  Riesen,  an  dem  sowohl,  wie  auch  an  seiner 
Giebelblume  mehrfache  Beschädigungen  wahrzunehmen 
>ind.  Die  leer  gebliebenen  Stelleu  des  Mittelfeldes  und 
der  Predela  sind  mit  Reli(iuicn,  Perlen  und  Edelsteinen 
besetzt.  /.  Gradt. 

Restaurirung  des  Karners  zu  Tulln. 

Der  bekannte  der  (jbergangszeit  angehörige  Kar- 
ner: benannt  „die  drei  Königs-  und  Katharinen-Capello" 
nächst  der  Pfarrkirche  zu  Tulln  soll  einer  eingehenden 
Restauration  unterzogen  werden.  Den  eifrigen  und  ancr- 
kennenswertheii  PiemlUningen  lU's  lleriu  Dechants  Dr. 
A.  Kor  seh  bäum  er  ist  es  gelungen  die  dazu  erforder- 
lichen Summen  tlieils  aus  Beiträgen  seiner  Pfarrkinder 
und  an(l(>rer  Wohltliäter,  tlieils  durch  eine  Subvention  von 
e.  1501)  il.  der  k.  k.  Central  -  Comniission  zusammen  zu 
bringen.  Ausser  einigen  in  baulicher  Beziehung  noth- 
wendigen  Ausbesserungen  ;in  der  Aussenseite,  stdl  sich 
die  Restauration  hau])tsäclilich  ndt  dem  Inneren  dieser 
Capelle  beschäftigen.  Dasselbe  befindet  sich,  da  die  Ca- 
pelle gegenwärtig  tür  den  (iottesdienst  nicht  bestinnnt 
ist,  in  einem  liiielist  bedauerlielieii  Zustande. 

'  S.  Notlzcnblnll  l.l.M),  p.  I.  AI»  Zt'iiiji^  iTi-cliciuni  hicrnul'  I..'iijiolilns 
l.oublo,  Nlcolaus  et  Suplianu»  lilll  Lcopoldl  Leulillnl.  C  lun  e  »  i  n  a  tlu-llt  l'ornar 
itn  tllcsor  .stelle  iioc-h  eliio  /.weile  li-kuiidu  von  ):{l!>,  21.  Juni  mit,  in  welcher 
dloto  Capelle  aln  in  domo   rjuondnm   l.enMiiii   hciiannt  wird. 

•  In  den  .Tahrcn  127:!— 1351  linden  wir  wiederholt  ähnliche  Namen,  wie 
Leubinannu»  de  Wienno,  Ilerlhuld  de  I.anb,  I.rublo  fillu»  Merbotonls,  Pelon- 
goniK  de  I.Aub ,  Jans  do  Lactibicin  Chonrat  de  Leubnar  otc. 


49 


Die  Restauration  wird  eine  stylgereehfc  sein,  d.  ii. 
es  wird  keineswegs  mit  einer  einfaciienKallitünclie  ülier- 
zog'en,  sondern  es  soll  die  alte  Sculptur  und  Malerei 
möglichst  conservirt ,  resp.  wiederhergestellt  werden. 
Dazu  ist  Folgendes  notli wendig:  1.  die  jetzige  Jlörtel- 
schichte  soll  von  kunstgeübter  Hand  behutsam  abgelöst 
und  so  die  ursprüngliclie  Frescomalerei  biosgelegt  und 
erhalten  werden.  2.  Die  Quadersteine  sollen  an  den 
nicht  bemalten  Theilen  der  Capelle  wieder  in  ihren 
Schichten  sichtbar  werden.  3.  Da  der  Fussboden  gänz- 
lich fehlt,  so  wäre  ein  solcher  nach  einer  zur  Capelle 
passenden  Zeichnung  von  Portland-Ceuient  zu  legen. 
4.  In  der  Apsis  ist  ein  einfacher  Altar  im  romanischen 
Style  zu  errichten,  damit  seiner  Zeit  daselbst  das  Mess- 
opfer für  die  Verstorbenen  dargebracht  und  die  Capelle 
ihrem  ursprünglichen  gottesdienstlichen  Zwecke  wieder 


gewidmet  werden  kann. 


L. 


Die  Restauration  der  Ruine  des  Karthäuserklosters 

Seiz. 

Schon  durch  den  ehemaligen  Landesarchäologen 
Herrn  Karl  Haas  wurde  auf  dieses  Object  die  öffent- 
liche Aufmerksamkeit  gelenkt.  Hätte  es  auch  archäo- 
logisch Bedeutsames  nichts  mehr,  nur  seine  äusserst 
romantische  Lage  im  einsamen  stillen  Waldtliale  und 
inmitten  üppigen  Laubgeheges  und  wuchernder  üppi- 
ger V'egetation  würde  reizend  genug  auf  den  'Besucher 
wirken.  Aber  auch  des  archäologisch  Interessanten  ist 
noch  viel  in  dem  umfangreichen  Complexe  der  Kloster- 
gebäude; aus  der  Zeit  des  romanischen  Styles:  Details 
an  der  Kirche  von  ihrem  ersten  Baue  (geweiht  1194); 
aus  der  Ära  der  Gothik:  Hochbau  der  Kirche  sanimt 
Doppel-Capelle  an  der  Südseite,  wo  einst  der  fürstliche 
Stifter  seine  Grabesruhe  fand,  die  im  Hofe  des  nun  ver- 
schwundenen Kreuzganges  gelegene  Priorengruft,  eine 
kleine  achteckige  Capelle,  Pfeilerfenster,  Bögen,  Thüren 
allumher  in  den  verschiedenen  Tracten  der  Wohn- 
gebäude. Zudem  ist  auch  das  fortificatorische  System 
beachtenswerth,  das  einst  die  Klostergemeinde  nament- 
lich gegen  die  Türkeneintalle  schützen  musste;  an  dem- 
selben besonders  ein  Thurm  mit  nun  sehr  selten  mehr 
erhaltenem,  unter  dem  Dache  umlaufenden,  hölzernen, 
vorgekragten  Umgänge  zum  Zwecke  wirksamer  Bestrei- 
chung des  Mauerfusses,  und  sinnig  angelegte  schief 
nach  seitwärts  oder  abwärts  getührte  Schussscharten 
an  der  Fronte,  welche  mit  dem  Zwecke  der  Bestrei- 
chung des  Hohlweges  zugleich  den  der  Deckung  gegen 
die  vorliegende  Bergeslehne  für  die  Vertheidiger  ver- 
einigen. 

Am  21.  September  abgelaufenen  Jahres  ward  von 
Seite  Sr.  Durchlaucht  des  Fürsten  Hugo  v.  Windisch- 
grätz  das  A^erlangen  gestellt,  ein  Gutachten  über  die 
etwaige  Eestauration  der  Karthause  und  der  bezüglichen 
Erfordernisse  abzugeben.  In  Entsprechung  dieses  höchst 
erfreulichen  Wunsches  wurde  eine  niotivirte  ausführliche 
Gutachtensäusserung  dahin  abgegeben,  dass,  da  des 
jetzigen  Zustandes  der  Karthause  wegen  nicht  von  einer 
vollen  Wiederherstellung,  sondern  nur  von  der  Erhaltung 
im  Sinne  der  Conservirung  einer  Ruine  die  Rede  sein 
kann,  unter  den  Restaurationsarbeiten  zu  begreifen 
wäre:  die  Reinigung  der  Mauern  von  Strauchwerk, 
Rasenansatz  und  wenigstens  theilweise  von  dem  freilich 
reizvollen  Epheuwuchse,  und  die  Bedeckung  der  hohen 

XVIII. 


Mauerbänke  mit  Bretterdächern  oder  Cementbelag,  wie 
auch  die  Ausfüllung  der  Risse  mit  dem  erwähnten  Jlate- 
riale;  die  Säuberung  der  Räume  der  Kirche,  Capelle 
und  des  Refectoriums  vom  eingelagerten  Schutte;  ferner 
Sammlung  der  abgefallenen  Masswerks- ,  Rip]icn-  und 
anderer  architektonisch  nennenswerther  Stücke  und  ihre 
Hinterlegung  im  Kircheninnern  ;  eine  gelegentliche  Ver- 
schönerung der  nächsten  Cmgebung  der  Kirche  durch 
freundliche  Anlage  der  olinchin  nothwcndigcn  (;äitclien; 
die  Instandsetzung  der  noch  ganz  erhaltenen  i'rioren- 
gruft  als  eines  gottesdienstlichen  Denkmales;  die  Erhal- 
tung des  originellen  Befestigungsthurmes  mit  seinem 
hölzernen  Umgange,  der  freilich  wohl  schon  auf  einer 
Seite  sehr  gelitten  hat.  Diese  Vorschläge  wurden  von 
Seite  Sr.  Durchlaucht  genehmigt,  und  die  beruhigende 
Zusicherung  gegeben,  dass  mit  den  Restaurationsarbei- 
ten, so  weit  es  thunlich  sei,  noch  im  Spätherbste  begon- 
nen werden  soll.  ./.  Graus. 

Der  heutige  Zustand  der  Ruine  Thalberg  in  Steier- 
mark. 

Diese  Ruine  nimmt  unter  den  steirischen  Burgen 
eine  hervorragende  Rolle  ein.  Während  fast  dnrchge- 
hends  dergleichen  Banobjecte  nur  crudes  Bruchstein- 
mauerwerk zeigen,  architektonisch  bezeichnende  Detads 
an  ihnen  zumeist  fehlen,  und  in  der  Regel  nur  an  etwai- 
gen Burgcapellen  eine  Einreibung  in  die  grossen  kunst- 
geschichtliclien  Epochen  zulassen,  ist  liier  der  Haujit- 
bestandtheil,  der  ..Bergfriet-',  aus  schönsten  Quadern 
aufgeführt ,  welche  fast  sämmtlich  Steiumetzzeichen 
weisen,  die  von  ähnlicher  Form  sind  mit  jenen  kirch- 
lichen Bauten  des  XIII.  Jahrhundertes ;  auch  sind  Por- 
tale ,  Gewölbe ,  für  jene  frühe  Zeit  charakteristisch. 
Ferner  weisen  die  anderen  Theile  dieser  Burg  archäo- 
logisch interessante  Formen  des  XV.  Jahrhundertes  auf 
und  unter  den  zwei  noch  erhaltenen  Decken  von  Holz- 
werk, welche  in  den  Gemächern  der  Burg  getroffen 
werden,  ist  eine  auch  aus  dem  Schlüsse  der  gothischen 
Periode  mit  eingetieften  Blattwerks -Ranken  in  guter 
handwerklicher  Manier.  Es  war  mein  Wunsch,  dieses 
gerühmte,  doch  entlegene  Object  aus  eigener  Anschauung 
kennen  zu  lernen,  um  so  mehr,  als  von  seiner  höchst 
bedrfditen  Lage  mehrfache  Berichte  in  Landauf  waren, 
und  ein  Versuch,  einen  verlässlichen  Berichterstatter 
darüber  in  jener  Gegend  selbst  zu  gewinnen,  fehlschlug. 
Am  22.  October  verflossenen  Jahres  w"ar  ich  an  Ort  und 
Stelle;  aber  leider  schon  der  erste  Anblick  und  die  erste 
Umschau  daselbst  überzeugte,  dass  das  Schlimmste  hier 
zu  That  geworden  sei.  Es  sind  umständliche  Anstalten 
getroften,  um  das  ^\crthe  Object  zu  vernichten:  zum 
grossen  Theile  waren  die  Dächer  schon  von  den  Ziegeln 
entblösst,  und  wo  dies  noch  nicht  vollendet  war,  standen 
eigene  Rutschliahnen  aufgerichtet,  um  dieselben  betiuem 
von  den  Dächern  in  die  Gemächer  und  von  dort  ins  Thal 
hinunterschaft'en  zu  können,  denn  —  so  sagte  man  —  s'e 
fielen  ohnehin  ab,  deshalb  müsse  man  doch  das  Mate- 
rial retten  und  verwerthen;  verwerthet  aber  werden  sie 
vom  Eigenthümer  durch  Verkauf  au  die  umwohnenden 
Bauern.  In  Folge  dieses  tadelswerthen  Gebahrens  sind 
liis  min  nicht  blos  Verödung,  sondern  alleGreifel  der  Ver- 
wüstung in  die  Innenräume  eingedrungen,  die  Plafonds 
meist  durchgestürzt  und  Schutt  und  Erde  belasten  die 
noch    eingespannt   gebliebenen  Decken   und   Gewölbe, 


ÖO 


und  die  Gewalt  des  Unwetters  hilft  der  Zerstörung  nach. 
Obsehon  wenig  Anssicht  ein  besseres  Schicksal  für  das 
Gebäude  zu  erwirken,  vorhanden  war,  wurde  doch  der 
Eigenthünier  begrüsst ,  der  sich  statt  des  sonnig  und 
trocken  gelegenen  Hochbaues  den  niirdlich,  dem  Sonnen- 
strahl wenig  zugänglichen  feuchten  ^'orbau,  eine  ein- 
stige Vorbefestigung  aus  dem  späten  Spätniittelalter,  zur 
Wohnung  adaptirt  hat.  Der  Besuch  aber  zeigte,  dass  die 
Absicht  nicht  bestehe,  etwas  zu  erhalten,  ja,  dass  alles 
feil  sei,  was  sich  an  der  Burg  locker  macheu  Hesse, 
dass   auch    der   romanische    Bergfriet    nicht    verschont 


bleiben  solle,  sondern,  falls  das  Bahnproject  von  Graz 
ül)er  Hartberg -Friedberg  nach  Wiener -Neustadt  sich 
realisiren  würde,  derselbe  an  die  Bauunteruehmung  der 
Bahn  als  Steinbruch  verkauft  werden  solle.  Vorderhand 
wurde  nur  versprochen ,  dass  der  besagte  Holzplafond 
der  Spätgotliik  nicht  als  Brennmaterial  an  die  Bauern 
hintangegeben  werde,  freilich,  weil  man  seinen  Werth 
kennt,  und  aus  ihm  etwas  Namhaftes  herausschlagen 
will.  Jlöchte  sich  doch  ein  Mittel  finden,  der  Zerstörung 
dieses  vorzüglichen  Objectes  Einhalt  zu  thun. 

-/.  Graus. 


B  ü  c  li  e  r  s  c  h  a  u. 


Bulletin  monumental. 

An  meinen  letzten  Bericht  über  den  Haupt-Inhalt 
des  von  V.  de  Caumont  publicirten  „Bulletin  monu- 
mental-' in  Nr.  3  von  1871  reihe  ich  diese  Fortsetzung, 
indem  ich  nur  das  Wesentliche  hervorhebe.  Untergeord- 
netes oder  specitisch  Locales  dieser  Zuschrift  übergehe. 

In  Nr.  5  des  Jahrganges  1S71  zieht  die,  von  dem 
berühmten  Erforscher  der  Gräber  in  der  Normandie, 
Abbe  Cochet,  gegebene  Übersicht  der  Haupt-Classen 
von  Gräbern  die  Aufmerksamkeit  auf  sicii ,  zumal  in 
Österreich  diesem  Gegenstande  in  Folge  wiederholter 
Entdeckungen  Forscher  wie  Frh.  v.  Sacken  die  sorgfäl- 
tigste Untersuchung  gewidmet  haben.  Cochet  beginnt 
mit  der  zeitlich  si)ätesten  Gruppe,  die  dem  XIV.  und 
XV.  Jahrhundert  angehört.  Cochet  folgt  zunächst  einer 
Aufgrabung  zu  St.  Ouen  von  Konen  im  März  dieses 
Jahres  und  gibt  aulässlich  des  dort  Wahrgenommenen 
und  Gefundenen  eine  ihm  längst  bestätigte  Classifiea- 
tion  vom  XV. — VII.  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung. 
Die  Gräber  der  jüngsten  Periode,  des  XV.  und  XIV. 
Jaln-liunderts,  zeigten  keine  steinernen  Särge,  wohl  aber 
solche  von  starkem  Holz,  soviel  die  dal)ei  gefundenen 
eisernen  Nägel  erschliessen  lassen.  Die  Mehrzahl  der 
Leichen  wird  aber  blos  in  Leinwand  gehüllt,  ohne  Sarg 
bestattet  worden  sein.  Cochet  datirt  auf  den  Steinsärgen 
die  II.  Classe  von  Ludwig  dem  Heiligen  rückwärts  bis 
1050  und  nennt  sie  die  Capetingische,  die  voraus- 
gehende aber  die  der  Valois.  Die  in  letzterer  Classe 
gefundenen  Thon-Gefässc  (mit  Kohlen)  von  röthlicher 
oder  weisser  Farbe,  mit  Henkel  und  (»IVnung  ohne  Hals, 
waren  nadi  dem  Brennen  mit  Löchern  versehen  worden, 
um  bei  der  Bestattung  als  Kohlenbecken  zu  dienen  und 
dann  sofort- mit  ilen  sie  füllenden  Kolden  in  das  (!ral) 
geworfen  worden.  Es  ist  bekannt,  dass  drr  Liturgiker 
Durandus  von  Meiide  vom  Ende  iles  Xiil.  .lalirliunderls 
wie  sein  Vorgänger  Beletli,  sfdclier  GrälHi-,  d.  Ii.  ^\^'^■ 
Kohlen  in  dcnsellten,  ausdrlicklich  gedeid^en,  was  ich 
hier  nur  eiiigcsciialtet  wissen  will.  In  anderen  Gegenden 
wird  das  Erscheinen  der  Todt  enbä  unic  früher  datirt 
werden  mllsst'ii,  indem  bei  den  Aufgrabiiiigen  zu  (»bcr- 
flaclit  in  Würtcnil)erg  ein  sogen.  Freiburger-iiracteat 
gefunden  wurde,  der  die  erste  Hälfte  des  XII.  Jahr- 
hunderts als  äus8er,sfc  Gränzo  nach  rückwärts  (ixirt. 
Die  zu  Bremen  tieim  Bau  der  neuen  Börse  an  ilcrSlelle 
der  allen'  Wilhadi-Kirche  ausgegralicncu  ilolzthcile 
von  fast  runden  Särgen,  ausgehöhlten  Bäumen  äliidich, 
werden  in  dem  musterhaften  I'icriclit  des  Bremischen 
Jahrbuches  I,  ]8(i4  in  ein  undeich  höheres  Alter  zurück- 


gesetzt, wie  auch  Wei n hold (^kais.  Akademie,  Sitzungs- 
berichte 1.'3.  oft)  für  diese  Sitte  ein  sehr  trülics  Datum 
festzustellen  sucht.  In  England  hingegen  hat  man  meines 
Wissens  erst  drei  solcher  Todtenbäume  entdeckt,  deren 
einen  man  gar  in  die  heidnische  A'orzeit  gerückt  hat. 
Die  comj)etenten  Forscher  werden  hierüber  zu  urtheilen 
wissen,  wenn  Cochet  auf  Grund  seiner  vieljährigeu 
Erfahrung  den  von  Steinen  gebildeten  Gräbern  oder 
Särgen  ein  entschieden  höheres  Alter  in  der  Normandie 
zuweist,  als  den  hölzernen  Särgen.  Die  Steingräber 
datiren  in  dieser  Gegend  vom  Jahre  1U50  — 1200  inid 
bestehen  aus  mit  Mörtel  Ijefestigten  Steinstücken,  die 
nebeneinander  gestellt  und  dann  mit  plattgelcgten  Stei- 
nen, die  den  Deckel  bilden,  al)geschlossen  sind.  Zur 
Datirung  gab  ein  über  der  Brust  des  Todten  befindliches 
bleiernes  Kreuz  mit  eingravirter  Absoluti(nis-Formel  des 
XI.  bis  XH.  Jahrhunderts  den  Anhaltspunkt,  wozu 
noch  eine  romanische  Verzierung  derselben  Periode 
bestätigend  hinzugekommen,  die  im  Style  der  gleich- 
zeitigen Sculptur  erscheint.  Merkwürdig  fand  sich  nir- 
gends in  diesen  Steingräbern  ein  Cciass,  so  dass  obige 
Sitte,  Weihwasser  und  Kohlengelasse  mit  ins  Grab  zu 
geben ,  noch  nicht  existirt  haben  muss.  Die  Haltung  der 
Arme  und  Hände  ist  fast  überall  die  gleiche ,  indem 
über  der  Brust  die  Vorderarme  gekreuzt  sind,  während 
die  Hände  die  Ellbogen  beriUuHMi.  .\uch  fanden  sich 
irühere  Särge,  also  solche  des  IX.  Jahrhunderts  mit- 
unter in  dieser  Periode  wieder  verwendet  uiul  darnach 
verändert,  wie  sich  unter  anderem  aus  den  Deckeln, 
die  statt  aus  Einem  Stücke  aus  mehreren  zusannnen- 
gesetzt  erseheinen,  unschwer  ergibt.  Die  nächste  Pe- 
riode oder  Classe  zeigt  solche  Särge  aus  Einem  Steine 
mnl  eben  solche  Deckel  darül)cr.  Sic  bezeichnen  die 
karolingisehe  Periode  und  fanden  sich  2  Mtr.  bis  2  Mtr. 
<i()  Mll.  nnter  dem  Boden.  Dieselben  sind  schwer,  an 
Kopr  und  I'iissen  fast  gleich  und  für  das  Auflager  des 
llau|ites  mit  einer  aus  dem  Steine  sell)st  herausgear- 
beiteten runden  Fuge  versehen,  die  s])äter  viereckig 
eingeschnitten  wurde,  d.  h.  in  Steinsärgen  aus  mehreren 
Stücken  der  Periode  des  XII.  .lahrhunderls.  Dieser 
Classe  ii'eht  die  merovingisehe  \oraus  in  einer  Tiefe 
bis  zu  :>  Meter,  deren  Särge, aus  Einem  Stücke  uml 
zwar  von  dem  Steine  des  Pariser  Wasserl)eckens,  be- 
stehen. Die  Deckel  sind  platt  oder  von  schlichter  Dach- 
lörm,  während  die  der  v(n'her  geschilderten  karolin- 
gischen  Classe  huldig  eine  Art  von  liall)kreislormiger 
\\'öli»ung  zeigen.  Etwa  in  der  Mitte  des  Sargliodens 
sieht  man  ein  ovales  Loch  zum  Al)lluss  der  Flüssigkeit. 
An   dem   Fusstheile  sind  diese  Särge  oder  Steintröge 


;i    — 


schmäler  ah  au  dem  Kopltlieile.  Endlich  in  einer  Tiefe 
von  fast  o'  2  bis  5  Meter  Hessen  sich  Steinsärgo  der 
römischen  Periode,  also  des  VI.  bis  IV.  Jahrhunderts, 
entdecken,  wobei  sich  antike  Überreste  bekannten 
Charakters  landen,  so  n.  a.  Bronze-Münzen  der  Kaiser 
Trajan,  Antonius  Pins  und  eine  des  Clodius  Albinus. 
Das  Merkwürdigste  aber  sind  2  Säulenreste,  die  noch 
aufreciit  unter  diesen  Trümmern  gefunden  wurden, 
eine  Basis  und  das  Stück  eines  Schaftes.  Ob  hier  an 
einen  Idol-Tempel  gedacht  werden  darf?  Jedenfalls  fand 
sich  dies  (iebäude  in  der  Einfriedung  des  St.  Apostel- 
Klosters  geschlossen,  dessen  Gründung  bis  in  die  ersten 
Zeiten  des  Christentlunns  zu  Kouen,  nämlich  bis  ins 
II.  Jahrhundert  zurückreicht,  wo  später  Bischof  Victri- 
cius  und  auch  8.  Clotilde  für  Errichtung  von  Klöstern 
thätig  waren.  Zwischen  den  Jaliren  .")2()  bis  530  ward 
auf  Betreiben  der  letzteren  das  IMonasterium  der  Apostel 
wieder  hergestellt  und  dabei  die  Trümmer  eines  christ- 
lichen Altares,  dessen  Inschrift  den  seligen  Dionys  von 
Paris  nennt,  unter  den  Bninen  entdeckt,  dessen  im 
Leben  dieser  heiligen  Königin  bei  Mabillon  und  Bouquet 
ausdrücklich  erwähnt  wird.  Zwischen  640  und  G60 
ward  dann  ditrch  den  Schüler  S.  C'olumban's,  den  hl. 
Oueu  daselbst,  den  Benedictinern  eine  Stätte  errichtet. 
Im  Laufe  der  Zeiten  erfreute  sich  dies  Kloster  grosser 
Auszeichnung,  so  dass  viele  Fronnne  in  dessen  Cöme- 
terium  bestattet  sein  wollten,  mag  man  übrigens  von 
der  Inschrift  mit  dem  Namen  des  Papstes  Johann  XII. 
(oder  XXII.)  wie  immer  denken.  Zum  Schlüsse  gedenkt 
Öochet  noch  des  traurigen  Ereignisses  aus  den  letzten 
Tagen  der  berühmten  Jungfrau  von  Orleans,  welches 
in  diesem  Cömeterium  statt  gefunden.  Es  ward  bisher 
noch  von  niemand  beachtet,  dass  dies  Cömeterium  zu 
Roucn  der  traurige  Zeuge  war,  wie  unter  grosser  Ver- 
sammlung die  begeisterte  Johanna  den  "24.  Mai  1431 
hier  feierlich  die  ihr  aufgebürdeten  Irrthümer  abschwö- 
ren musste,  um  7  Tage  darauf  an  der  „Alten  Strasse-' 
hingerichtet  zii  werden.  Da'  sich  aus  dem  XVI.  Jahr- 
hundert keine  Überbleibsel  zeigten,  so  schliesst  Cochet, 
dass  diese  Stätten  bis  zum  Ende  des  XV.  Jahrhun- 
derts in  ihrer  ursprünglichen Bcstinnuung  fortbestanden, 
dann  aber  verlassen  wurden  und  Jetzt  als  Gärten  bebaut 
werden.  Aus  dieser  kurzen  Mittheiluug  wird  der  Leser 
die  Bedeutung  genannter  Studie  würdigen  können, 
für  alle  Einzelheiten  abei  das  Original  vergleichen 
müssen. 

Darauf  folgt  eine  mit  den  Urkunden  begleitete 
Geschichte  des  Frauenklosters  de  la  Salvetat-les-Mont- 
dragon  im  Departement  du  Tarn,  die  mit  dern  Jahre 
1247  beginnt  und  bis  1791  reicht,  wo  die  letzte  Äbtissin 
und  Sub-Priorin  beim  Ausbruch  der  Eevolution  ver- 
zeichnet sind. 

Unter  den  folgenden  Xotizen  sind  die  belangreich- 
sten über  früh-romanische  Altäre  in  Frankreich, 
deren  drei  abgebildet  sind.  Der  interessanteste  zeigt  einen 
von  vier  stämmigen  Säulchen  Hankirten  Würfel,  dessen 
Vorderseite  mit  antikisirenden  Pilastern  und  einem 
Henkelkreuz,  worauf  eine  Taube  steht,  ornamentirt  ist. 
Die  mit  Inschriften  versehenen  Altar-Platten  der  Ka- 
thedrale von  Eodez  und  von  Ham  werden  mit  ähnlichen 
Denkmälern,  deren  schon  im  IV.  Bande  und  später  in 
dem  Bulletin  gedaciit  worden,  verglichen  und  eine 
Datirung  aus  den  feststehenden  Angaben  abgeleitet. 
Für   das    Studium    des   christlichen    Altares    enthalten 


diese    zum   Theil   uidjckannten   Denkmäler   und   deren 
Kritik  unschätzbares  Material. 

Xr.  G  setzt  den  Aufsatz  über  Glockent hürme  in 
der  Diöcese  von  Bayeux  fort,  dessen  Anfang  im  Jahr- 
gang 1870  p.  .524  gegeben  ist.  Hier  wird  das  XII. 
Jalirhundert  und  die  Sjjitzpyramiden  zunächst  behan- 
delt, wobei  Denkmäler  fast  unbekannten  Namens  ein- 
gefügt werden,  deren  Form  und  Ausführung  aber  be- 
lehrend sind.  Gerade  den  jetzt  ganz  oder  theilweise 
verlassenen  Kirchen  und  Ortschaften  niuss  wie  hier 
die  grösste  Aufmerksamkeit  der  Kunsthistoriker  ge- 
widmet sein,  weil  dieselben  häutig  im  ursprünglichen 
Styl  erhalten,  wenn  auch  ruinös  geworden  sind.  Aber 
die  Eisenbahnen  und  Heersfrassen  werden  so  selten 
verlassen  und  solche  oft  kostbare  Monumente  von  den 
Touristen  unbesucht  gelassen.  Wenn  man  diesen  Beich- 
thum  von  Überresten  romanischer  und  gofhischcr  Ar- 
chitectur  in  dieser  einzigen  Diöcese  betrachtet,  muss 
man  staunen  und  ein  solches  Land  glücklich  preisen. 
Während  bei  uns  ausser  den  jirimitiven  Sattelthürnien 
mit  niedrigem  Dache  aus  der  romanischen  Periode  nur 
an  Itedeutenderen  Orten  Denkmäler  vorhanden  sind, 
die  aber  grösstentheils  in  späterer  Zeit  umgebaut  und 
mannigfach  geändert  worden ,  besitzt  diese  Diöcese  von 
Bayeux  allein  efne  ^lenge  von  Thürmen  jeder  Periode 
von  wechselnder  Anordnung  und  Ausführung.  Ein  An- 
fang, unsere  Monumente,  dieser  Art  zusammenzustellen, 
ist  meines  Wissens  noch  gar  nicht  gemacht  worden, 
wie  lohnend  diese  Arbeit  auch  erseheinen  mag. 

In  derselben  Nuinnier  behandelt  Abbe  Barraud 
die  Gefässe  für  die  h.  Ole  mit  sorgfältiger  Beiziehung  der 
liturgischen  A'orschriften  und  Urkunden,  wozu  freilich 
mancherlei  bemerkt  werden  könnte. 

In  dem  Bericht  über  den  Archäologischen  Congress 
zu  Angers,  den  Bisehof  Freppel  mit  einer  gehaltvollen 
Kode  begrüsste,  fiel  mir  M.  Godard's  3Iittheilung  über 
blei  erne  Grab  tafeln  auf,  die  beim  Bau  von  Eisen- 
bahnen zu  Tage  kamen,  und  grösstentheils  romanischen 
^lonumenten  angehörten,  wie  die  sculpirten  Friese  dabei 
schliessen  lassen.  Über  Grösse  und  sonstige  Beschaf- 
fenheit wird  leider  nichts  bemerkt,  wahrscheinlich  dess- 
hnlb,  weil  später  ausführlich  darüber  gehandelt  werden 
soll.  Dann  erstattet  M.  Tierceliu  über  die  berühm- 
ten Krypten  von  Jouarre,  worauf  schon  de  Cau- 
mont  im  IX.  Band  aufmerksam  gemacht,  ausführ- 
lichen Bericht  und  berichtigt  mancherlei  Irrthümer  über 
merovingische  Persönlichkeiten.  Im  VIII.  Heft  gibt  de 
Caumont  zwei  Abbildungen  dieser  Krypten  mit  beglei- 
tendem Texte.  Untersuchungen  von  Mauerwerken  des 
Gebietes  von  Angers  und  Entdeckungen  römischer 
Baureste  zu  Toulouse  machen  den  Schluss. 

In  Nr.  7  enthält  die  Eelation  des  Archäologischen 
Congresses  (den  14.  Juni  1871  zu  Maus)  folgende 
beachtenswerthe  Punkte.  Unter  dem  Kreuzschiffe  und 
den  drei  Apsideu-Capellen  von  Sille-le-Guillaume  er- 
streckten sich  Krypten,  die  jetzt  i)rofanen  Zwecken 
dienen  und  wieder  hergestellt  werden  sollen.  Die  Kirche 
von  S.  Aubin-du-Coudrais  bietet  mancherlei  Eigen- 
tJiümlichkeiten,  die  Abbe  Charles  speeiell  bespricht  und 
gründlich  beleuchtet.  Diese  Kirche  war  vor  der  Revolu- 
tion ein  Priorat  und  besteht  aus  einer  Vorhalle  vor  dem 
Langhaus  mit  einem  nördlichen  Seitenschiff  und  einer 
runden  Apside ,  die  niedriger  und  schmäler  denn  das 
Hauptschiff  ist.   ^Mit  Ausnahme  des  Seitenschiffes  aus 

7* 


-     52 


dem  XVI.  Jalirhuiitlert  gehören  die  erwähnten  Theile 
dem  romanischen  Style  an.  Der  hier  angewendete 
röthliche  Sandstein  gehört  zwar  nicht  der  Gegend  an, 
findet  sich  aber  an  vielen  romanischen  Kirchen  und 
zwar  auch  ornamental.  Die  merkwürdige  westliche 
rechteckige  Vorhalle  mit  geöflueten  Bogenstellungeu  au 
dieser  und  der  Südseite  gleich  einem  Kreuzgange  er- 
kläre ich  einfacii  als  eine  Anlage,  die  Galiläa  genannt 
wurde  und  wiivon  ich  schon  im  Jahrgang  ISi;].  April- 
Heft  dieser  Mittheilungen,  eingehend  geliaudelt  habe. 
Im  X"\"I.  Jahrhundert  scheint  mau  die  Kirche  f'ortificirt 
zu  haben,  was  auch  bei  S.  Georges- du -Kosay  und 
der  Kirche  de  Xogent-le-15eruard  und  anderen  statt- 
gefunden hat. 

Daran  reihen  sich  Beobachtungen  von  M.  Legui- 
cheux  über  eine  unter  dem  Namen  ,.Cave  du  Lion-' 
Ijekannte  Krypta  zu  Fresnay,  die  bis  an  die  Kämpfer  in 
der  Erde  steckt  und  worüber  später  Wohngebäude 
aufgeführt  wurden.  Diese  Krypta  wird  vermöge  der 
Architektur,  der  C'apitäle  und  des  Mauerwerkes  noch 
dem  XII.  Jahrhundert  zugeschrieben  werden  müssen. 
Darauf  wird  das  berühmte  Email  von  Le  .Mans,  nach 
Geotfniy  Plantagenet  genannt,  umständlich  erörtert. 
Nach  dem  Todesjahre  von  Geotfroy  Hol  wird  zu  Le 
Mans  schon  vorher  eine  Schule  dieser  interessanten 
Technik  angenommen,  deren  sonstige  geschichtliche 
und  artistische  Be<leutung  Heider  in  diesem  Orgaue 
so  erschöpfend  dargethan.  Leider  sind  solche  vorzügliche 
Abhandlungen  nocii  immer  bei  französischen  Archäo- 
logen ziemlich  unbekannt.  Dann  giebt  M.  d'Espiuay 
eine  Betrachtung  über  die  ArcJiitektur  in  dem  mittäg- 
lichen Touraine,  der  er  für  die  Klöster  das  römische 
Wohnliaus  zu  Grunde  legt.  Wir  hören  dabei  wieder 
von  befestigten  gothischen  Karthäuser-Klöstern  mit 
analogen  Beisi)ielen  anderer  Klosterbauten,  von  den 
sogenannten  Grangiae  oder  Bauhöfen,  wo  für  die 
Gefall- Verwahung  die  Gescliäftsstube  und  zugleich 
das  Absteigqnartier  des  Ordens  in  den  Städten  war, 
eine  durch  die  f'istercienser  allentliall)en  verbreitete 
Einrichtung;  von  Kanzeln  an  der  Aussenseite  der 
Kirchen,  deren  in  Österreich  mehrere  erst  kürzlich 
nachgewiesen  wurden  —  nur  fehlt  es  innuer  an  der 
nöthigen  Zusauimenstelluiig  aller  bis  jetzt  bekannt 
gemachten  Beispiele;  wir  hören  noch  von  vielen  Ein- 
zelnheiten, die  jedoch  ohne  allgemeines  Interesse 
sind;  worauf  die  Ei-innerungen  des  Directors  de 
Gaumont  in  sofern  fassen  mögen,  als  derselbe  der 
gehobenen  .Stimmung  des  arcliäologisclien  ('(.ni,''resses 
zu  Poitiers  im  Jahre  1S34  mit  sichtlicher  Freude 
gedenkt,  wo  ein  Gedicht  mit  dem  Sdilnsse: 

Soleil  de  rintclligcnce, 

Suis  ton  cour.'i !  avance !  avance ! 

Siir  cliaquc  plage  ä  soii  toiii-, 

.Seine  ta  clarte  fcconfle ! 

Hans  tons  le»  rccoins  du  inonde, 

II  est  temps  (|m'II  fasse  joiir! 

einen  endlosen  Beifall  und  die  höchste  Begeisterung 
weckte.  Ui)rigens  hat  die  Kirche  H.  Savin  seit  diesem 
CongrcHH  nach  allen  Seiten  hin,  besonders  durch  ihre 
merkwürdigen  Wandgemälde,  einen  hervorragenden 
Platz  unter  den  wiclitigsten  D.Mikinäleni  eingenom- 
men. —   Die  sonderbaren  l'rivile-icn  des  alten  l'rior'its 

von  S.   Lo    ZM   Br.llen,   die    (;|,-,nv  iih-   l.eh.Mndrh.    bieten 


■wenig  allgemeines  Interesse ,  während  die  französi- 
sche Bearbeitung  von  Albrecht  Dürer's  Werk  über  die 
Befestigung  der  Städte,  Burgen  und  Schlösser  von 
M.  Rathea  u  um  so  mehr  Berücksichtigung  finden  wird, 
als  fast  gleichzeitig  G.v.  Imhof,  k.  bayerischer  Artillerie- 
Otficier,  dasselbe  Thema  '  mit  von  Sachverständigen 
anerkannter  Kenntniss  und  vorzüglicher  militärischer 
Bildung  auf  das  genaueste  beiiandelt  hat.  Dass  auf 
solche  Weise  Deutsche  und  Franzosen  dem  grossen 
Dürer  das  schönste  Jain-es-Gedächtniss  feiern,  kann 
nur  erhebenden  Eindruck  maciien.  Dann  beschäftigt 
sich  das  Bulletin  mit  dem  internationalen  geographi- 
schen Congress  zu  Antwerpen ,  wo  anregende  Fragen, 
die  auch  für' die  Alterthuniskimde  von  Belang,  gestellt 
und  darauf  eine  sjjecielle  Sitzung  der  Archäologen 
veranstaltet  wurden.  Die  Bäder  v.  Neris  bildeten  hiebei 
den  Hauptgegenstand  der  gemeinsamen  Erörterung. 
Auf  M.  de  C^aumont's  Antrag,  die  deutschen  Jlitglieder 
der  Societe  fran^aise  in  den  Listen  fortzuführen  ,  wurde 
einstimmig  eingegangen  und  unter  anderen  neuen 
Mitgliedern  auch  S.  Excellenz  von  Czörnig  —  dessen 
Name  übrigens  immer  fälschlich  Görnig  geschrieben 
ist  —  in  die  Gesellschaft  aufgenonnuen.  Der  schlies.s- 
liciie  Bericht  über  einen  archäologischen  Congress  zu 
Boulogne  ergeht  sich  in  dem  Gebiete  der  sogenannten 
vorhistorischen  Zeit  und  lässt  eine  Unterscheidung  von 
Stein-,  Bronze-  und  Eisen-Periode  in  der  Bretagne  wenig- 
stens als  unzulänglich  erscheinen.  Das  Schlussheft 
dieses  Bandes,  das  achte  führt  belehrende  Formen  von 
Capitälen  zur  Anschauung,  die  S.  Thomas  d' Epernon 
entnonnnen  und  dem  dorischen  Typus  so  wie  dem 
joniseiien  im  allgemeinen,  freilich  in  entlegener  Nach- 
bildung zunächst  eonform  sind.  Da  der  (Sewölbebau 
mit  der  Gründung  dieser  Kirche  im  X.  Jahriumdert 
identisch  ist,  so  zeugt  diese  Degeneration  antiker 
Formen  in  den  Capitälen  abermals  von  der  in  manciien 
(legenden  lang  nacldinlteudeu  Influenz  der  römischen 
Architektur.  Arcliäologiscli  wichtig  erscjieint  mir,  dass 
diese  Kirche  im  Jahre  lObil  von  dem  Herrn  von  Mont- 
fort  und  Epernon,  der  sie  laut  l'rkunde  von  seinen 
\'orfain'en  als  Eigenthum  überkonnnen,  wieder  in 
geistliche  Hände,  nändich  an  die  Abtei  vini  IMarmouticr 
zurückerstattet  worden,  dass  also  im  X.  Jahrhundert 
Kirchen  in  Laien-Eigenthum  übergegangen.  El)en  so 
verhielt  es  sich  mit  dem  Kloster  Souvigny  nahe  bei 
Moulins  und  einer  grossen  Zahl  von  Prioraten ,  die  im 
XI.  Jalirliinidert  aus  dem  IJesitz  der  widtlichen  Herren 
wieder  Ijgt'ntiium  der  Möneiie  wurden.  Solelie  zeitweise 
Säcularisationen  wiederholten  sich  seit  Carl  Martell  in 
vielen  Beichcn,  ohne  dauernd  sich  I)eiuuipten  zu  können. 
Endlich  ist  bemerkenswerth,  dass  im  Jahre  l.');')!  die 
Mön(die  das  Schilf  iJirer  weiten  Kirche  den  Bewoh- 
nern als  Pfarrkircin'  iiberliessen ,  die  unter  <\v\\\  Namen 
S.  Nicolaus  in  der  bisherigen  Trinitäts-Kirche  des  Klo- 
sters eingerichtet  win'de.  l-jue  Scheidewand  trennte 
beide  Kirchen. 

Das  am  ;!l.  Dcmbi-.  1S7(I  von  den  deulscluMi  Kano- 
nen scJMver  heimgesuchte  .'\Iezieres  mit  seiner,  trotzdem 
noch  erhaltenen  Kirche  bildet  den  näciisten  Artikel,  der 
besonders  den  Tliurni  über  der  Mitte  des  l'ortals  als 
sonst  in  dieser  Gegend  nie  constatirt  hervorhebt ;  eine 
in  Deutschland  nicht  ungewöhnliche  Anlage. 

'  Alliiitht  Dürer  In  .••cliier  UccIluiuiik  für  die  modoriii'  Iiedmllgungs- 
KuiiDl.  Zur  IV.  Sh'culor-Koler  von  A.  liüror'»Gfburt»t»B.  Nördllnucn,  Bcck'echur 
ViTlag.  1S71. 


K3 


Ferner  werden  die  C'horstiihle  und  ilue  ui-.sprluii;- 
liclien  Teitpicli-Bekleidnngen  in  der  Katiiedrale  von 
Le  Man.s  eingehend  besprochen.  Die  Teppiclie  waren 
mit  Sceuen  ans  dem  Leben  der  Heiligen  Gcrvasius 
und  Protasins  zum  Schmuck  des  Chores  [pro  ornatn 
ehorij  verseilen  und  hatten  eine  Höhe  von  2  Mll.  4ö  C'tm. 
bei  einer  nngetahren  Länge  von  oü  Mll.  Sie  waren  ein 
(Teschcnk  des  Canonicus  Martin  Guercande  im  Jahre 
1509,  wie  die  noch  erhaltene  Lischrift  bei  der  Schluss- 
Sceno  mit  der  Bestattung  der  IMartyrer  dureli  St.  Am- 
brosius  und  der  Blindenheilung  deutlich  angibt.  Die 
Schilderung  und  Aufzählung  siünmtliclier  Scenen  auf 
diesem  Teppichwerke,  dann  die  Geschichte  der  Chor- 
stiihle  und  die  Hinweisung  auf  die  Schönheit  der 
dortigen  Sacristei  enthalten  vielerlei,  was  der  Beach- 
tung wertli  ist. 

Bei  der  Sitzung  der  archäologischen  Gesellschaft 
von  Frankreich,  den  29.  September  1871  M-erden  die 
vielen  Zerstörungen  beklagt,  die  unter  dem  Vorgeben 
von  Kestaurationen  und  Neubauten  fridiere  Bauwerke 
beseitigen  und  unwiederbringliche  Denkmäler  dem  An- 
denken der  Generationen  entreissen.  Beherzigenswerthe 
Äusserungen  der  Mitglieder  üljer  diesen  Punkt  dürften 
auch  anderwärts  Gehör  finden.  So  ist  der  hiebei  gerügte 
Missstand  überall  wahrzunehmen,  dass  alte  Grabsteine 
ganz  beliebig  zum  Pflaster  der  ^'orhallen  u.  s.  w.  ver- 
wendet sind,  dadurch  die  Insclirilf  aber  zuletzt  un- 
kenntlich wird,  was  z.  B.  auch  an  der  Mluicheuer 
Frauenkirche  zu  beklagen,  wo  zwei  Grabsteine  in 
Rothnuu-mor  \or  dem  Haupt-Portal  den  klimatischen 
Einwirkungen  ausgesetzt  bleiben,  obwohl  sie  das 
Andenken  an  den  ersten  Pfarrherrn  dieser  Kirche 
verewigen.  Die  archäologischen  Fragen,  die  bei  der 
Sitzung  aufgeworfen  werden,  haben  zunächst  die  Kunst- 
Statistik  und  Geographie  zum  Gegenstande,  wofür  Dr. 
Lotz  in  Deutschland  durch  sein  unschätzbares  Werk  so 
musterhatt  tiiätig  gewesen.  Die  Chronik  giebt  Aufschluss 
über  verschiedene  Aufgrabungen  römischer  und  ndttel- 
alterlicher  Periode,  so  in  letzterer  Beziehung  von 
einem  Grabstein  des  XHL  Jahrhunderts  mit  der  Lischrift 
IC  lACET  BLAIN  MILES,  wobei  ein  Fisch  im  Waj.peu- 
schilde  angebracht  ist;  von  der  Erlialtung  eines  ikono- 
graphisch  bedeutsamen  Webestofles  zu  Tongern,  wo 
weltliche  Sceuen  dargestellt  sind  u.  d.  gl.  Die  Literatur- 
Angabe  bietet  ausser  der  Schrift  von  A.  Kempener's 
über  die  syndjolisclie  Orientiruug  der  Kirchen,  wo 
nicht  nur  christliche,  sondern  auch  heidnische  Tempel 
und  Gräber  ins  Auge  gefasst  sind,  nichts  Neues,  da 
ich  die  belgische  Kunst-Literatur,  der  hier  vorzugs- 
weise gedacht  ist,  schon  in  meiner  letzten  Übersicht 
vorgeführt  habe.  J>>-.  Messmer. 

Der  Tempel  des  heil.  &ral. 


Nach  Albrecht  v.  Scliarrtc 


jüuijtTer  Tilmel  Str.  3lD— 110,  Urombeig  1ST2. 


Längst  schon  hat  die  phantasiereiche  Darstellung 
des  Hedig-Gral-Tempels  im  Jüngeren  Titurcl  gleichsam 
als  wäre  es  das  Urbild  christlichen  Gottesbaues,  die 
romantische  Schule,  darunter  speciell  den  verdienten 
Sulpiz  Boisseree  in  Anspruch  genommen,  wozu  dann 
analoge  Studien  über  die  Bauten  von  Karl  IX.  auf  seiner 
Burg  Karlstein  bei  Prag  und  über  die  Stiftung  Kaiser 
Ludwig  des  Bayern  zu  Ettal  in  Oberbayern  gekommen 
sind ,    die   sämmtlich   mit  einander  in  Zusammenhang 


stehen.  In  neuester  Zeit  bearbeitete  Ernst  Droysen 
dies  Thema  in  der  obbcnanntcn  kleinen  Schrift.  Er  gibt 
zuerst  den  Text  mit  den  dazu  nötliigen  Bemerkungen 
über  Handschriften  und  Auslegung  und  lässt  dann  eine 
ausführliche  Abhandlung  über  den  tiegciistand  folgen. 
Hier  wird  erörtert ,  ob  und  welch'  ein  Bilil  dem  Dichter 
vorgeschwebt;  wie  sich  dessen  Angaben  mit  structiven 
Ertordernissen,  zumal  in  Bezug  auf  die  Anlage  der 
vielen  Thürme,  der  Capcllen  und  deren  Wölbung 
vereinigen  lassen,  wie  das  geschilderte  Sacraments- 
häuschen  mit  der  Sacristei  darunter,  in  der  Mitte  des 
Baues  zu  denken  sei,  ob  ein  bestinnnter  Styl  und  ein 
Muster  desselben  als  Grundlage  der  poetischen  Be- 
schreibung gedient  habe  und  wie  sich  unerklärliciie 
Einzelheiten  zu  solchen  .■\nnahmen  verhalten?  Daljci 
werden  nicht  nur  die  genannten  Bauwerke  von  Karl  1\'. 
zu  Karlstein  und  Ludwig  den  Bayer  zu  Ettal,  sondern 
auch  die  von  J.  Grimm  bei  Erörterung  der  Abhandlung 
Boisseree'.s  angezogene  Stelle  aus  Gregor  von  Tours 
wiederholt  erwähnt  und  zum  Vergleiche  vorgeführt, 
obgleich  letztere  Stelle  otfenliar  eine  andere  Anlage 
voraussetzt.  Unser  \'erfasser  glaubt,  dass  dem  Dichter 
ein  bereits  entwickelter  gothischer  Bau  vor  Augen 
gestanden  und  zwar  ein  in  Deutschland  aufgeführter, 
dass  sich  mit  den  Thürmen  und  der  durchgängigen 
Kreuzwölbung  nicht  zu  recht  konunen  lasse,  dass  die 
Phantasie  viel  architektonisch  Unausführbares  und 
eine  Last  von  Schmuck  in  Gold  und  Gestein  damit 
verwebt,  eigentlich  aber  eine  Anlage,  wie  die  Lieb- 
frauenkirche zu  Trier  zum  Vorliilde  gehabt  habe  und 
die  dichterische  Bedeutung  dieses  Bauwerkes  vom  hl. 
Gral  nicht  so  hoch  anzuschlagen  sei,  als  es  geschehen. 
Wir  könnten  hinzufügen,  dass  die  Sainte  Chapelle  zu 
Paris  der  Heilig-Kreuzkirche  auf  Karlstein  gewiss 
näher  steht,  als  jede  solche  dichterische  Schilderung, 
wenigstens  dienten  beide  Bauwerke  demselben  heiligen 
Zwecke,  nämlich  die  kostbarsten  Keliquien  vom  heil. 
Kreuze  daselbst  würdig  zu  deponiren.  Scotus  Erigena 
beschreibt  in  einem  Preisgedicht  auf  Karl  den  Kahlen  ' 
ebenfalls  eine  Central-Anlage  phantastischer  Gestalt, 
insofern  die  gebrauchten  Ausdrücke  auf  stylistische 
Beschatfenheit  des  Baues  gar  keinen  Schluss  gestatten 
und  dem  Dichter  hier  nur  im  allgemeinen  grosse 
Bauten  seines  Zeitalters  vor  Augen  stehen  moehten. 
Etwas  ganz  anderes  sind  Beschreibungen,  die  wirklich 
historische  Bauwerke  darstellen  wollen,  mit  denen 
sich  auch  eine  wirkliche  Architektur  vereinen  lässt, 
wobei  ich  an  die  musterhaften  Ausführungen  über  die 
S.  Benignus-Kirche  zu  Dijon  aus  der  Feder  des  Archi- 
tekten und  Archäologen  E.  H  e  n  s  z  1  m  a  n  n  im  XIII.  Jahr- 
gang dieses  Oiganes  verweisen  darfs.  Mich  erinnern 
solche  dichterische  Schilderungen  von  Bauwerken  inuncr 
an  die  sogenannt  genauen  Nachbilder  der  Heilig-Grab- 
kirche  von  Jerusalem  im  Abendlande,  deren  ältestes 
zu  Bologna  verehrt  wird,  die  aber  mit  dem  Original 
sehr  wenig,  gewöhnlich  gar  nichts  gemein  haben.  Sollte 
auch  dem  Erbauer  von  Karlstein  die  poetische  Stelle 

'  Johannes  Scotus  Efigon.i,  von  Di-,  J.  Huber.  München  ISGI.  pag.  lio 
vollständig   abgedruckt. 

^  Juli-August-Hcft  pag.  I.XV  ff.  Mir  ist  weder  in  der  deutschen  noch 
französischen  Literatur  eine  auch  nur  annähernd  gleich  ausgezeichnete  Arbeit 
bekannt.  Könnte  sich  der  hervorragende  Korscher  nicht  cntschliesseu,  die  i]> 
der  Chronik  des  Gervasius  vom  Jahre  1171  noch  erhaltene  Beschreibung  der 
vor-gothischen  K.atliedrale  von  Canterhury  (bei  Twysten ,  Monasticum  .\ngli- 
canuin)  einer  ähnlichen  wissenschaftlich  unschätzbaren  Analyse  zu  unterziehen? 
Möge  der  berühmte  Forscher  mir  den  Ausdruck  dieses  lange  gehegten  Wun- 
sches im  Interesse  der  Archäologie  zu  Gute  halten.  — 


—    u   — 


des  jüngeren  Titurel  vorgeschwebt  haben,  wie  B.  Miko- 
vec  dargelegt,  so  beweist  die  wirkliche  Arciiitek- 
tur  der  Heilig -Kreuzkirche  auf  Karlstein  hinlänglich 
in  wie  weitem  Sinne  davon  tiberhaujit  die  Rede  sein 
könne :  Schmuck  find  Edelstein-Mosaik ,  Deckenbe- 
malung,  Gitterwerk,  Lichterglanz,  das  sind  die  einzigen 
Reminiscenzen.  Die  Architektur  selbst  hat  keine  Spur 
von  dem  complicirten  Heilig-Gral-Tempel.  Es  ist  also 
durchaus  unzulässig,  solche  Bauwerke  als  architek- 
tonische Producte  mit  derartigen  Schilderungen  der 
Dichter  in  urs-ichliclicu  Zusammenhang  zu  bringen. 
Gold,  Edelstein,  Pracht  und  Glanz  sind  bekanntlich 
keine  architektonischen  Attribute  und  lassen  sich  mit 
der  rohesten  Bauweise  eben  so  leicht,  ja  noch  leichter 
verbinden,  als  mit  stylistisch  entwickelter  Architektur. 
Der  Verfasser  hat  mit  grosser  Aufmerksamkeit  und 
vielem  Scharfsinn  sein  Thema  analysirt,  in  der  Haupt- 
sache aber  ein  von  Boisseree  ganz  abweichendes 
Resultat  erlangt ,  indem  er  Phantasie  und  architek- 
tonische Möglichkeit  auseinander  gehalten,  die  Rois- 
seree'schen  Zahlcnbereclinungen  auf  Grund  der  dichte- 
rischen Angaben  auf  das  richtige  ^lass,  uändich  auf  die 
blosse  Phantasie  des  Dichters  reducirt  und  überhaupt 
die  Bedeutung  dieser  poetischen  Darstellung  kritisch 
und  zwar  als  Dichtung  und  architektonisches  Problem 
gewürdigt  hat.  Eine  wirkliche  Forderung  unserer  Kennt- 
niss  in  der  mittelalterlichen  Baukunst  kann  niemand 
in  dieser  Schilderung  erkennen,  während  anderwärts 
interessante  Einzelheiten  archäologischer  Art  vorlie- 
gen, denen  Alwin  Schultz  schon  wiederholt  Beaciitung 
geschenkt  und  unsere  Wissenschaft  dadurch  —  ich 
erinnere  nur  an  die  sogenannten  Doppelca|)ellen  in 
Palästen  —  wesentlich  bereichert  hat.  Einen  Vergleich 
mit  den  beregten  Beschreibungen  wirklicher  Bauwerke 
hatte  unser  sprachkundiger  Forscher  immerhin  anstellen 
und  dadurch  seine  vorzügliche  Abiiandlung,  wie  mir 
wenigstens  dünkt,  noch  belehrender  machen  können. 
Gerade  solche  Forscher  können  der  mittelalterlichen 
Kunsthistorie  auf  Gebieten  zu  Hilfe  konnnen,  wo  die 
blosse  Denkmäler-Kritik  niemals  einen  Fuss  hinsetzt. 
Möge  es  dem  Verfasser  beschieden  sein,  recht  l)ald 
seine  Studien  dieser  Art  durch  neue  Fortsetzungen 
der  Wissenschaft  zuführen  zu  können.  An  gründlichen 
Arbeiten  gibt  es  nie  zu  viele.  Die  Anerkennung  dafür 
findet  freilich  niciit  auf  dem  grossen  AA'eltmarkte,  aber 
unter  den  für  ilie  Wissenschaft  selbst  Tliätigcn  jederzeit 
ihren  Ausdruck.  /h-.  }!'■.■<.•<,/,>,■. 

Die  heraldisch  -  genealogische  Zeitschrift  des  Ver- 
eines „Adlei"'.  IL  Jahrgang. 

Wir  haben  bereits  bei  Gelegenheit  des  Abschlus- 
ses des  I.  Jahrganges  dieser  Zeitsclirift  Anlass  genom- 
men, über  dieselbe  uns  in  anerkennender  Weise  aus- 
zusprechen, und  sind  nun  in  der  angi'nehmcn  Lage, 
dieses  unser  günstiges  l'rtiieil  nicht  nur  aufrecht  zu 
erhalten,  sondern  wo  möglich  in  n<iili  grösserem  Masse 
zu  wiederholen. 

Werfen  wir  auf  den  Inhalt  dieser  l'iiblication,  dio 
für  Forscher  im  Gebiete  der  Gcnealojric  und  Wappen- 
kunde bereits  zu  einem  unentbehrlichen  Hilfswerke 
geworden  ist,  einen  P.liek,  so  finden  wir  unter  anderen 
interessante  Aufsätze  liiier  arnia  ignonn'niosa ,  llber  die 
scchzelin  Almen  des  Johann  Norbert  Grafen  von  Picco- 


lomini,  weitere  3Iittheilungen  über  das  St.  Christophori 
am  Arlberge  Bruderschaftsbuch,  über  das  steiermärki- 
sche  Wappenbueh  von  Z.  Barth,  die  Chronik  der  Herren 
Trenbekchen  von  Trenbaeh,  über  die  gräfliche  Familie 
von  Goess,  und  endlich  einen  vom  Standpunkte  der 
Kunstgeschichte  besonders  werthvoUen  Aufsatz  Greu- 
ser's  über  Albrecht  Dürer  und  seine  Verhältnisse  zur 
Heraldik. 

Der  von  Freiherrn  Weinke-Eimke  versuchten 
Deutung  der  Darstellungen  auf  dem  Schlusssteine  in  der 
Kirche  zu  Chwalkovic  in  Böhmen,  über  welchen  schon 
in  den  Mittheilungen  der  k.  k.  Central-Commission  I.  Bd. 
p.  14U  sieh  eine  Besprechung  findet,  können  wir  uns, 
weil  sie  zu  sehr  gesucht  ist  und  auf  tiguralen  Combina- 
tionen  ruht,  nicht  anschliessen.  Haben  sich  doch  aus  der 
freilich  wohl  damals  schon  abgelaufenen  romanischen 
Periode  genug  solche  mystische  Darstellungen  erhalten. 
Immerhin  bleibt  es  jedenfalls  ein  schätzenswerther  Ver- 
such, dieser  Darstellung  eine,  so  zu  sagen,  heraldische 
Deutung  unterzulegen. 

Sind  die  dieser  Zeitschrift  beigegebenen  Illustra- 
tionen überhaupt  gut,  so  sind  doch  die  Blätter,  die  den 
Aufsatz  über  Dürer  illustriren,  zu  wahrhaften  Zierden 
dieser  Zeitschrift  geworden,  und  wir  beglückwünschen 
die  Redaction  zu  dem  Entschlüsse,  durch  derlei  artisti- 
sche, an  sieh  werthvolle  Beigaben,  den  Werth  ihrer 
Zeitschrift  zu  heben. 

Schliesslich  können  wir  nicht  umhin,  hinsichtlich 
der  beiden  Jahrgänge,  die  anständige,  nicht  pole- 
mische und  das  rein  wissenschaftliche  Ziel  verfolgende 
Haltung  der  Zeitung  hervorzuheben ,  und  wünschen, 
gleichwie  das  Gedeihen  des  Vereines  überhaupt,  die 
Fortdauer  dieser  Intentionen,  die  dem  Vereine  und 
seinem  Organe  nur  Freunde  schaffen  können. 

Endlieh  noch  ein  Wort  über  die  durch  diese  Zeit- 
schrift begonnene  Fortsetzung  der  WissgriU'schen  Pub- 
lication.  Es  ist  nicht  die  Absicht  des  Gefertigten,  Wiss- 
grill's  Werk  zu  schmälern,  denn  jeder,  der  sich  mit 
Genealogie  nur  halbwegs  beschäftigt  und  in  dieser 
RicTitung  Aufklärungen  sucht,  wird  sich  aus  den  fünf 
Händen  dieses  Werkes  nicht  nur  vielmals  Raths  erholt 
und  ihn  gefunden,  sondern  auch  bedauert  haben,  dass 
das  Werk  zur  Zeit  des  Erscheinens  der  fünf  Tlieile 
nicht  vollendet  wurde.  Allein  seither,  d.  i.  c.  1804,  sind 
so  viele  rrkunden-Publicationen  erfolgt  und  ist  so  viel 
geschichtlielies  Materiale  frei  und  zugänglich  gewor- 
den, dass  bei  nur  oberflächlicher  Vergleichung  des  von 
Wissgrill  Gebotenen  und  gegenwärtig  Bekannten 
sich  in  ersterem  bedeutende  Lücken  und  selbst  Unrich- 
tigkeiten finden.  Ob  es  sich  da  der  Mühe  lohnt,  das 
Manuscnpt  Wissgrill's  olinc' vorhergegangene  einge- 
hende Revision  und  Correctur  '  zu  i)ubliciren,  muss  dem 
Krmessen  gewiegter  Genealogen  überlassen  bleiben. 

/'/■.  K.  Lind. 

Lübke's  G-eschichte  der  deutschen  Renaissance. 

(Sluttgnn,  18i;.'.) 
I. 

in  dem  dritten  Hefte  dieses  Werkes,  mit  dem  in 
glücklicher  Weise  einem  längst  gefühlten  lieiliiiliiisse 
abgehiill'eii  wird,  bes|iriclit  iler  gelehrte  Autdi'  die  ösfcr- 

)  Abgeschrn  von  den  Ergnnrungcn ,  woleho  in  der  Einleitung  Solto  13 
frwnhrit  werden. 


5ö   — 


rcichischen  Länder.  Seine  Anschauungen  sind  so  wohl 
begründet,  seine  Bezciclinung  so  präcis  und  seinUrtheil 
so  richtig,  dass  wir,  statt  einer  Hesprcciiung  einen  ge- 
drängten Auszug  davon  bringen  wollen,  ohne  dass  damit 
dem  Leser  das  Studium  dieses  Buches,  das  wir  bestens 
emiifehlen,  erspart  sein  soll. 

Lül>ke  lässt  die  Besprechung  der  Denkmale  der 
Kenaissance  in  Österreich  auf  jene  der  in  Süd-Deutsch- 
land befindlichen  folgen,  bei  welch  letzteren  er  zu  dem 
Resultat  gekommen  ist,  dass  die  iMitwicklung  dieses 
Styles  mit  der  unter  dem  Einflüsse  der  Keformation 
erneuerten  Thätigkeit  des  geistigen  Lebens  Hand  in 
Hand  geht  und  vornehmlich  dort  ein  eigenthümliches 
Gepräge  erreicht,  wo  die  Reformation  und  mit  ihr  ein 
freier  Aufschwung  des  wissenschaftlichen  und  literari- 
schen Schaffens  zum  Durchbruch  konnnt.  Dort  wo  dieser 
Einfluss  minder  war,  dort  blieb  die  Renaissance  eine, 
wenn  auch  vielfach  angewendete,  aber  fremde  italieni- 
sche Kunst,  die  mit  dem  deutschen  lieben  in  keinem 
Zusammenhang  trat. 

In  den  deutschen  Ländern,  diesseits  der  Leitlia 
treten  ganz  andere,  eigenthümliche  C'ultur-Bedingnngen 
auf,  die  eine  ganz  besondere  Stellung  der  Renaissance 
zur  Folge  hatten.  Die  Länder  der  deutscheu  Ostmark, 
mit  allen  Reizen  und  Reichthümern  der  Natur  gesegnet, 
markiren  sich  in  jeder  Hinsicht  als  Gränzländer  deut- 
scher Cultur  gegen  den  Osten,  und  als  Vermittler  der 
hoch  entwickelten  Civiljsation  Italiens  von  Süden  her. 
Die  deutschen  Stämme  Österreichs  an  körperlichen  und 
geistigen  Aulagen  keinen  der  übrigen  Stännne  nach- 
stehend, empfingen  durch  die  eigenthümlichenBedinguu- 
gen  ihrer  geographischen  Lage  eine  Steigerung  ihrer 
natürlichen  Begabung ,  die  sich  besonders  als  rege 
Phantasie  und  elastischer  Lebeussinn  zu  ei-kennen  gibt. 
Nach  Osten,  Bevölkerungen  einer  niedrigeren  Cultur- 
stufe  gegenüber,  wurden  ihre  Bewohner  die  Träger  nnd 
Verbreiter  europäischer  Gesittung,  deutscher  Bildung, 
nach  Süden  dagegen  waren  sie  in  erster  Linie  berufen, 
dieselbe  in  sich  aufzunehmen  und  weiter  zu  verbreiten. 

Diese  Verhältnisse  erkennt  man  schon  in  den  mittel- 
alterlichen Monumenten  des  Landes.  Mit  grosser  Kraft 
wird  gegen  Ausgang  der  romanischen  Epoche  dieser 
Styl,  wie  er  sich  im  südlichen  und  mittleren  Deutsch- 
land ausgebildet  hat,  lierübergeuommen  und  in  glän- 
zenden Denkmalen  zur  Anwendung  gebracht ,  ohne 
weder  Neues  in  der  Construction  noch  in  der  Gliede- 
rung und  Gruppirung  des  Aufl)aues  hervorzubringen ; 
wohl  aber  schuf  man  eine  Reiiie  decorativer  Werke 
ersten  Ranges;  daneben  drängt  von  Süden  die  Kunst 
Italiens  herein.  Dieses  reiche  Culturleben  hätte  in  der  go- 
tliischen  Ejjoche  seine  höchste  Blüthe  erreichen  müssen, 
wenn  die  Entwicklung  des  Bürgerthums,  in  Deutscliland 
dem  mächtigsten  Träger  der  Gotliik,  mit  der  in  Deutsch- 
land gleichen  Schritt  gehalten  hätte.  Doch  die  Entwick- 
lung des  Städtewesens  ging  nur  langsam  vorwärts, 
daher  die  Gothik  trotz  mancher  origineller  Schö]ifungen 
im  ganzen  Lande  keine  Denkmale  höchster  Bedeutung 
aufzuweisen  hat. 

Neben  dieser  innucrhin  durch  Intensität  hervor- 
ragenden Glanz-Epoche  des  Mittelalters  hat  Österreich 
sich  eigentliümlicher  Weise  nur  noch  in  einer  zweiten 
grossen  Periode  machtvoll  offenbart :  nämlich  in  der 
Zeit  des  späten  Barock-Styls,  vom  Ausgang  des  XVII. 
bis  in  die  Glitte  des  XVIII.  Jalirhundert.  Nachdem  die 


Reformation  niedergeworfen  war,  nahm  der  Clcrus  in 
Osterreich  jene  Stellung,  welche  sich  noch  jetzt  in 
den  gewaltigen  Anlagen  der  Abteien  manifestirt;  damit 
wetteiferte  die  Aristokratie  in  Ausführung  jener  Paläste, 
die  vor  allem  Wien  und  Prag  ihre  architektonische  Sig- 
natur aufgedrückt  iiaben  .Man  darf  sagen,  dass  in  den 
l)ompösen,  ott  majestätisch  angelegten  und  mit  allen 
Älittein  ausgelassener  Decoration  schwelgenden  Bauten 
jener  Epoche  der  Sieg  über  den  Protestantismus  zu 
erkennen  ist. 

Was  zwischen  jenen  beiden  Epochen  ,  zwüscheii 
Mittelalter  und  Barockzeit  liegt,  die  eigentliche  Periode 
der  Renaissance,  ist  trotz  mancher  vorzüglicher  Schö- 
pfungen, ja  einzelner  Hauptwerke  seltenen  künstleri- 
schen Werthes,  kaum  in  Anschlag  zu  bringen.  Vergleicht 
man  vollends  den  grossen  Umfang  und  den  Reichthum 
dieser  Länder,  die  hohe  l)ilduerische  Begabung  ihrer 
Volksstämme,  den  von  Alters  her  regen  Sinn  für  künst- 
lerisches Schaffen  und  heitere  Pracht  des  Daseins,  so 
wird  man  mit  Erstaunen  und  Widerstreben  eine  That- 
saclie  aufnehmen,  die  mit  alledem  si>  scharf  contrastirt 
und  doch  auf  Sciu'itt  und  Tritt  dem  Forscher  sich  auf- 
drängt. In  der  That,  trotz  so  mancher  glänzender  Eni- 
zelschöpfuug  muss  es  ausgesprochen  werden,  dass  die 
Renaissance  auf  diesem  Boden  mehr  wie  eine  durch  die 
Gunst  der  Grossen  hieher  verpflanzte,  als  wie  eine  vom 
ganzen  Volke  gehegte  und  gepflegte,  mit  dem  eigenen 
Herzblut  genährte  Schöpfung  sich  zu  erkennen  gibt. 

Dies  ist  um  so  merkwürdiger,  als  in  keiner  deut- 
schen Provinz  die  Formen  der  Renaissance  so  früh  zu 
UKinumentaler  Verwendung  gelangen,  wie  gerade  in 
Osterreich.  Wir  treffen  sie  hier  vereinzelt,  was  sonst 
kaum  irgend  in  Deutschland  vorkommt,  schon  im  Aus- 
gang des  XV.  Jahrhunderts.  Vom  Jahre  1497  datirt  ein 
kleines  Portal  mit  dem  Wappen  der  Familie  Edelsper- 
ger  im  Tirna'schen  Haus,  auch  Federlhof  genannt,  zu 
Wien.  Im  Wladislaw-Saal  des  Hradschin  zu  Prag  kommt 
au  den  ausgebildeten  Renaissauce -Fenstern  sogar  die 
Jahrzahl  1493  vor.  Das  prächtige  Portal  der  Artillerie- 
Caserne  in  Wiener-Neustadt  datirt  V(ni  1524,  die  Jagel- 
lonische  Capelle  im  Dom  zu  Krakau  von  152u,  ein 
Renaissance -Portal  in  der  Kirche  zu  Klausenburg  hat 
die  Jahrzahl  1.Ö28.  Alle  diese  Denkmale,  selbst  den 
frühesten  im  übrigen  Deutschland  in  der  Zeit  voraus- 
gehend, beweisen,  dass  die  Renaissauce  Italiens  an  den 
verschiedensten  Orten  in  Osterreich  schon  früh  zur  An- 
wendung gekommen  war. 

Die  Frage,  wie  es  kommt,  dass  diese  lebensfrohe 
Kunst  dennoch  gerade  hier  in  ihren  Schöpfungen  ver- 
einzelt bleibt,  lässt  sich  leicht  durch  einen  Blick  auf 
die  allgemein  bekannten  geschichtlichen  und  Cultur- 
^■erilältnisse  beantworten. 

Die  kunstliebenden  Herrscher  aus  ilem  habsburgi- 
schen  Stannne  rufen  frühzeitig  Meister  der  Renaissauce 
aus  Nürnberg  und  Augsburg  in  ihre  Dienste.  Maximi- 
lian I.  bedarf  zu  seinen  literarischen  und  künstlerischen 
Unternehmungen  der  Thätigkeit  eines  Dürer,  Burgk- 
niaier  u.  a.  Für  sein  Grabmal  in  Innsbruck ,  dessen 
Grundgedanke  durchaus  auf  den  Ideen  der  Renaissance 
beruht,  verwendet  er  nicht  blos  einen  Jleister  wie  Peter 
Vischer,  sondern  auch  Augsburger  und  Innsbrucker 
Künstler.  Wo  aber  in  dieser  frühen  Zeit  Bauwerke  in 
dem  neuen  Style  zu  errichten  waren,  musste  man  fast 
ausschliesslich  mit  Italienern  sich  begnügen.   Die  Por- 


56     — 


tale,  mit  welchen  Ferdinand  I.  1524  sein  Arsenal  in 
Wiener-Neustadt  schmückte,  verrathen  die  Hand  ita- 
lienischer Steinmetzen.  Dasselbe  ist  der  Fall  mit  der 
wahrscheinlich  löl5  errichteten  Prachtjtforte  der  Sal- 
vatorcapeile  in  Wien.  In  Krakau  wird  schon  1512  ein 
Meister  Franciscus  aus  Italien  erwähnt,  der  beim  Neu- 
bau des  Schlosses  verwendet  wird,  ja  1520  ist  es  aber- 
mals ein  Italiener,  Bartliolomäus  von  Florenz,  der  die 
jagellonisclie  Capelle  am  Dom  daselbst  erbaut  und  153(3 
"das  abg-ebrannte  Sciüoss  wiederherstellt.  Eine  ganze 
Architcktenfamilie  aus  Italien  lernen  wir  unter  Ferdi- 
nand I.  in  Wien  und  Prag  kennen  :  15;J2  Jacopo  de 
Spaziii,  1542  Anthoni  de  Spazio,  der  an  dem  Neubau 
der  Burg  in  der  Neustadt  beschäftigt  war,  und  Hans  de 
Spazio, "der  nebst  Zoan  Maria  (also  ilem  Namen  nach 
wohl  ein  Venetianer)  unter  Paul  della  Stella  seit  1536 
am  Belvedere  auf  dem  Hradschin  zu  Prag  betheiligt 
war.  Noch  1568  wird  ein  Italiener  Continclli  als  Hof- 
baumeister ^laximilian's  II.  aufgeführt. 

Dadurch  begründet  sicli  das  Überwiegen  fremden 
Einflusses  ,  der  die  Entwicklung  einer  selbständigen 
deutschen  Renaissance  zurückdrängen  musste.  Dass  es 
Ferdinand  I.  nicht  an  Liebe  und  ^'erstän(lniss  für  Kunst 
fehlte,  würde  allein  schon  der  unvergleichliche  Bau  des 
Belvedere  in  Prag  bezeugen.  \on  seinem  Verstämlniss 
der  Architektur  legte  er  eine  Probe  ab,  als  er  1563  auf 
der  Reise  nacli  Frankfurt  die  neue  Befestigung  der 
Plassenburg  besichtigte  und  dem  Markgrafen  Georg 
Friedi'ich  in  den  angefangenen  Werken  etliche  Fehler 
iiaciiwies ,  welche  dem  Baumeister  selbst  entgangen 
waren.  Besonders  aber  theilte  er  die  damals  herrscliende 
Vorliebe  für  antike  Münzen,  deren  er  eine  bedeutende 
Sammlung  angelegt  hatte.  Von  der  Kunstliebc  seines 
gleichnamigen  Sohnes,  welcher  1557  Piiilippine  Welser 
zu  seiner  Gemahlin  machte ,  legen  die  Überreste  im 
ychloss  Ambras  und  mehr  noch  die  Schätze  der  Ambra- 
ser Samndung  in  Wien  Zeugniss  ab. 

Überblicken  wir  die  Bauwerke,  welche  die  Renais- 
sance während  der  langen  Dauer  dieser  Epoclic  in  dem 
weiten  Umfange  der  iisterreiciiischcn  Länder  liervor- 
gebraclit  hat,  so  finden  wir  fast  nur  fürstliche  Bauten 
lind  Schlösser  des  hohen  Adels,  aber  auch  diese  in 
solcher  Vereinzelung  über  das  Land  verstreut ,  dass 
sie  nicht  den  Eindruck  einer  intensiven  einiieiniisclien 
Schule,  sondern  vielmehr  der  sporadischen  'lliätigkeit 
fremder  Künstler  ergeben.  Italienische  Formen  sowohl 
in  der  C'omposition  des  (ian/.en,  als  in  der  Behand- 
lung des  Einzelnen  herrschen  hier  wäiirend  der  ganzen 
Epoeiie.  Das  Fnrcgelniässige  in  der  Anlage  nonliseher 
IJauten  tritt  zurück  ;  die  Tliürme,  die  Wendillreiipen 
werden  fast  völlig  zu  Gunsten  einfacherer,  klarerer 
G.rundrissbildnng  beseitigt.  Auch  die  Erker,  die  hohen 


Dächer  mit  iin-en  sclnnuckreichen  Giebeln,  der  Stolz 
der  deutschen  Renaissance,  spielen  hier  keine  hervor- 
ragende Rolle.  Begreiflich  ist  es  daher  auch,  dass  in 
den  architektonischen  Werken  jene  naive  Mischung 
gothischer  Elemente  mit  Motiven  der  Renaissance,  mit 
welcher  der  neue  Styl  fast  überall  in  Deutschland  auf- 
tritt, hier  so  gut  wie  gar  nicht  vorkommt.  Dagegen  wirkt 
überall  Italien  direct  ein,  so  dass  namentlich  die  Höfe 
mit  Vorliebe  nach  südlicher  Weise  durch  Arcadengänge, 
sei  es  auf  Pfeilern,  sei  es  auf  Säulen,  ausgestattet 
werden.  Damit  hängt  zusammen,  dass  der  in  Deutsch- 
land sonst  überall  beliebte  Holzbau  fast  durchgängig 
dem  italienischen  Steinbau  weicht,  mit  Ausnahme  der 
Gebirgsgegenden,  welche  an  ihrem  local  ausgebildeten 
Holzbau  festhalten.  Besonders  charakteristisch  ist  noch, 
dass  jene  geometrische  Ornamentik,  welche  die  Motive 
der  Lederarbeit  und  des  Schlosserstyles  in  Stein  über- 
trägt ,  eine  der  ausgebildeten  deutschen  Renaissance 
anhaftende  Form,  in  Österreich  kaum  angetroffen  wird, 
obw(dd  die  Schlosser-  und  Schmiedekunst  ganz  herrliche 
AVerke  hervorgebracht  hat.  Dagegen  erhält  sich  kraft 
des  italienischen  Einflusses  lange  Zeit  hindurch  eine 
überaus  edle  Behandlung  des  Ornamentes. 

Von  den  städtischen  Bauten  sind  zunächst  die 
sogenannten  Landhäuser,  d.  h.  die  für  ständische 
Versannnlungen  errichteten  Gebäude  ,  auszuscheiden, 
denn  sie  verdaidcen  ebenfalls  den  privilegnten  Ständen 
ihre  Entstehung  und  tragen  dasselbe  künstlerische  Ge- 
präge, d.  h.  das  italienische.  AVas  sonst  in  den  Städten 
Oesterreiclis  etwa  an  bürgerlichen  Bauten  vorkonunt, 
ist  an  Zahl  und  Bedeutung  gering.  An  RathhäMsern 
oder  sonstigen  Werken  der  städtischen  Profanbaukunst 
scheint  selbst  in  den  mächtigsten  und  reichsten  Städten 
des  Kaiserstaates  fast  nichts  vorhanden  zu  sein.  Wohl 
mag  die  künstlerische  Decoration  sich  überwiegend  auf 
den  Freskenschnuick  der  Facaden  oder  wenigstens  auf 
Sgraflito  bescliräid<t  haben.  Aber  auch  davon  sind  nur 
geringe  Spuren  erhalten. 

In  Böhmen  und  ."Mähren  stellt  sich  das  Verhältniss 
etwas  günstiger.  Hier  war  schon  unter  der  Herrschaft 
Karl's  IV.  in  der  zweiten  Hälfte  des  XIV.  .lalirhiuiderts 
eine  hohe  Culturblüthc  hervorgerufen  worden.  Durch  die 
Hussitenkriege  wurde  zwar  vieles  zerstört,  aber  der 
hussitische  und  ])r()tesfantische  Geist  hatte  so  mächtig  in 
dem  Lande  sich  ausgebreitet,  dass  er  eine  hohe  geistige 
Cultur  hervorrief.  Diesem  Fnistand  wird  es  zuzusehrei- 
ben sein,  dass  das  Land  eine  grössere  Fülle  von  Monu- 
menten iiiirgerlicher  Baukunst  auch  aus  dieser  Epoche 
aufweist,  und  dass  der  kiinstlerischeCharakter  dersel- 
ben, al)gesehcn  von  einzelnen  italienischen  Welken  der 
Frühzeit  ,  weit  mehr  ScUiständigkeit  und  mancherlei 
Übereinstimniuni:-  mit  der  deutschen  .\rchitektur  verräth. 


Il><lnc<«ur:  !)•■    Karl  1,1  iid    —  llrack    Icr  k.   k.  ilof-  unij  Scnfil.JriKkrrol. 


Fünfkirchen. 


Taf.  I. 


MillliciliiiiaVii  (liv  k.k.roiilr.Coiiiiii. 


^.=d~i~?- 


Drußka  d  WBof-u  aaa:sdlTuckerei. 


MillliiMliiii'.'t'M  lirr  k-  k.i  «Miti . *  uimii. 


0<        


Die  altchristliche  Grabkaminer  in  Fuiitkircheii. 


Von  Dr.  Emerich  Henszlmann. 

(Mit  2  T.lfclu  und  J2   UoUschnillcn.) 


In  den  Hügel,  :uit  welchem  sieh  die  Katiiedrale 
von  Fünfkirchen  erhebt,  ist  eine  mit  W;uidj;eniälden 
geschmückte  unterirdische  Grabkanuner  iiiiieingebaiit, 
welche  den  Kammern  der  C'ömeterien  von  Eom  durch- 
aus analog  erscheint.  Unser  kleines  Gebäude  stosst  an 
den  sUdöstlicIien  der  vier  Thürme  der  Kathedrale  und 
erstreckt  sicli  v(m  da  südwärts.  Koller,  ehemaliger 
Dondierr  von  Fünl'kirchen,  Vieschreibt  die  Kammer  tbl- 
gends  in  seinen  ,,Frolegomena  in  histor.  episc.  Quinque- 
eccl."  S.  25  u.  f.  1. 

.,Unser  Denkmal  ist  ein  Heiligthum ,  auf  welches 
die  Arbeiter  i.  J.  1780  bei  Gelegenheit  der  Abtragung 
des  an  den  nördlichen  Thurm  der  Kathedrale  gelehnten 
.Szakmärischen  Hauses  stiessen.  Sein  Gewölbe  wird  von 
den  in  Essek  vorkonnnenden  ähnlichen,  mit  DIP.  N.  be- 
zeichneten Ziegeln  gebildet;  es  wurde  demnach  ohne 
Zweifel  von  den  Eömern  zur  Zeit  ihrer  Herrschaft  über 
Pannonien  erbaut.  Ich  behaujite  daiier,  das  es  älter  sei, 
als  der  Einfall  Attila's  i.  J.  441.  Nicht  nur  die  Kammer 
selbst,  sondern  auch  deren  kleine  Vorhalle  war  bemalt, 
wie  dies  überall  ersichtlich,  wo  Alter  und  unterirdische 
Feuchtigkeit  den  Bewurf  noch  nicht  loslösten.  Die 
Christen  jitiegten  in  den  ersten  drei  Jahrhunderten  die 
Kammern  ihrer  römischen  Cömeterien  mit  "Wandbildern 
zu  schmücken ,  und  Aringhi  Hess  in  seiner  „Roma 
subterranea''  diese  Wandbilder  in  Kupfer  stechen.  Die 
Gemälde  der  Fünfkirchner  Vorkammer  waren  erhalten 
und  ähnlich  jenen  der  sechsten  Kanuner  des  an  der  via 
labieana  betindlichen  St.  Marcelin -Cömeteriums;  wie 
diese  Aringhi  (L.  IV.  CXIV.  35.)  gibt.  Im  Mittelpunkte 
des  Gewölbes  der  Kammer  selbst  und  auf  der  dem 
Eingange  entgegenstellenden  Wand  sehen  wir  das  von 
■  einem  Kranze  umgebene  Monogranun  Christi.  Dieses 
war  der  Christen  Sj'mbol  lange  vor  Constantin  (duduni 
ante  Constantinum  M.),  der  dessen  Abbildung  auf  seine 
Fahnen  zu  setzen  befahl  -. 

Die  gemalte  Einrahmung  der  Rückwand  ist  jener 
fast  ganz  gleich,  welche  Aringhi  von  einem  Arcosolium 
des  au  der  via  salaria  liegenden  Cömeteriums  der  Pri- 
scilla  copiren  hess  (L.  IV.  C.  XXXVII.  S.  117.  Fig.  3), 
ebenso  jener  des  dritten  Cubiculums  des  Cömeteriums 
Calixti  (L.  III.  C.  XXII.  8.  311.  HI.  T.)  oder  noch  mehr 
jener  der  ersten  Kammer  des  an  der  via  nomentana 
gelegenen  Cömeteriums  St"'.  Agnesae.  Die  unter  dem 
Monogramme  befindlichen  beiden  Figuren  sind  meiner 
Ansicht  nach  die  zweier  Apostel,  denn  sie  sind  in 
Tunica  und  Pallium  gekleidet,  wie  man  sie  zu  jener 
Zeit  bildete,  iiaCli  dem  Zeugnisse  Aringlii's  (L.  VI.  C. 
XXVIII).  Ich  glaube,  rechts  steht  Paulus ;  denn  er  hält 
die  Schriftrolle  mit  der  Linken;  hieran  erkennt  ihn 
Aringhi  (L.  X.  C.  X.  192.  pag.).  Links  steht  Petrus.  Es 
ist  bekannt,  dass  diese  beiden  Ajiostel  häutig  die  Plätze 
von  links  und  rechts  weciiseln;  nbschon  auf  den  Bildern, 
auf  welchen  in  der  Mitte  Christus,  oder  das  Kreuz  steht, 
wie  dies  auch  hier  der  Fall,  des  Heilandes  oder  des 

'  Es  scheint  nothvendig,  die  Beschreibung  Koller's  hier  anzuführen, 
da  einerseits  dieses  Werk  selten,  anderseits  in  dieser  Beschreibung  manches 
noch  erklärt  wird  ,  was  seither  verschwunden  ist. 

■  Koller  bemüht  sich  hier,  diesen  üalz  zu  beweisen;  wir  kommen  auf 
diese  Beweise  zurück,  wo  wir  von  dem  Monogramme  sprechen  werden. 

XVIII. 


Kreuzes  Rechte  als  rechte  Seite  zu  betrachten  ist;  hie'^ 
jedoch  ist  der  Fall  umgekehrt,  d.  h.  rechts  und  links  ist 
vom  Beschauer  zu  verstehen. 

Auf  der  westlichen  Mauer  sieht  man  Nuali,  der  die 
Taube  entweder  aus  der  Arche  fortlliegen  lässt  oder  die 
zurückgekehrte  eniptängt,  die  Darstellung  ist  ähnlich 
jener  eines  vaticanisclien  Sarkuphags  (Ar.  L.  II.  C.  X. 
197.  199  u.  2Ul  T.  I.)  sdwie  einer  anderen  des  zweiten 
Cubiculums  im  Cömeterium  Calixti  (Ar.  L.  III.  C.  XXII. 
S.  313);  ferner  der  eines  bei  S.  Sebastiano  ausgegra- 
benen Steinsarges  (S.  349)  oder  jener  eines  bei  der 
Kirche  S.  Lorenzo  gefundenen  (Ar.  L.  IV.  C.  XVIII. 
S.  61).  Überall  steht  Xnali  in  einem  viereckigen  Kasten 
und  erhebt  die  Hände  zum  Hinmiel. 

Das  zweite  Bild  dieser  Seite  ist  das  der  drei 
Magier ,  die  dem  Neugebornen  ihre  Geschenke  auf 
Schüsseln  darbringen;  ebenso  kömmt  diese  Darstellung 
auf  einem  im  Cömeterium  der  Priscilla  i.  J.  1751  ent- 
deckten Sarkophage  vor,  den  man  nach  St'.  Maria  in 
"Trastevere  übertrug  und  den  Bianchini  pnblicirte  (Hist. 
Eccl.  Quadr.  Saec.  I.  T.  I.  2s.  T.  H.  Cubic.  XIV.  Coem. 
SS.  Marcellini  et  Petri,  a]iud  äy.  L.  VI.  C.  XIV.  S.  377). 

Zwischen  Noali  und  den  ]\Iagiern  war  dort,  wo 
gegenwärtig  der  Bewurf  ganz  abgefallen  ist,  die  Krippe 
des  Herrn  dargestellt. 

Die  auf  dem  Gewölbe  derselben  Seite  in  Medail- 
lons sichtbaren  beiden  Köpfe  sind  die  von  Heiligen, 
deren  Namen  ich  jedoch  nicht  anzugeben  weiss.  Unter 
den  Medaillons  stehen  zwei  einander  zugekehrte  Pfaue, 
die  nach  Aringhi  nicht  fehlen  dürfen  (L.  VI.  C.  XXXVI), 
da  er  diesen  Vögeln  eine  mystische  Bedeutung  zu- 
schreibt, welche  er  an  mehreren  Beispielen  erklärt  (vom 
Cömet.  d.  Priscilla  L.  IV.  C.  XXXVII.  S.  130  und 
am  Porphyr- Sarkophag-  der  heil.  Coustantia  L.  IV. 
.  C.  XXV.  S.  69). 

Zwei  Bilder  der  Ostseite  unserer  Kammer  sind 
gänzlich  verschwunden,  das  dritte  hat  sich  erhalten,  es 
stellt  die  Geschichte  des  vom  Wallfische  verschlunge- 
nen und  nach  drei  Tagen  wieder  ausgespieenen  Jonas 
auf  demselben  Bilde  dar,  ebenso  wie  dies  der  Fall  ist 
auf  einem  vaticanischen  Sad^ophag.  (Ar.  L.  II.  C.  X, 
S.  201)  und  auf  einem  andern  aus  dem  Com.  Calixti 
stammenden  (L.  III.  C.  XXIII.  S.  347  u.  349)  =. 

Hieraus  ist  ersichtlich,  dass  wir  es  hier  mit  Bege- 
benheiten des  alten  und  neuen  Testamentes  zu  thiin 
haben ,  wie  wir  auch  dem  Christus-Monogramme  keine 
heidnische  Bedeutung  geben  können. 

Die  beiden  Medaillonköpfe  an  der  Ostseite  des 
Gewölbes  vermag  ich*  nicht  zu  erklären,  unter  ihnen 
sind,  wie  auf  der  entgegenstehenden  Seite,  zwei  Pfaue 
sichtbar;  und  dies  ist  Alles,  was  uns  von  den  Wand- 
bildern übrig  blieb. 

In  der  :\Iitte  der  Hinterwand  befindet  sich  eine 
(piadratisehe  Ötihung,  welche  wahrscheinlich  beim  Got- 
tesdienste, ich  weiss  nicht,  zu  welchem  Zwecke,  diente. 

Im  Umfange  des  Heiligthumes  fand  mau  einige 
stärkere  Menschenknoehen ;  die  Thüre  war  mit  Steinen 

^  Koller  führt  noch  mehr  Beispiele  .'in,  nachdem  die  Geschichte  des 
Jonas  am  häufigsten  abgebildet  wurde. 

8 


58 


und  anderem  Materiale  verlegt,  woraus  icli  schliesse, 
dass  mau  hier  wälu-eud  der  Verfolgung  Jemanden  ver- 
hungern liess.  Das  ganze  Local  konnte  als  unterirdisch, 
sehr  wohl  zu  Zusammenkünften  der  Christen  benützt 
worden  sein,  und  deshalb  entdeckte  man  es  erst,  nach- 
dem das  darüber  stellende  Haus  abgetragen  war. 

Kicht  lange  nach  dieser  Entdeckung  fanden  wir, 
als  man  die  Fnndaniente  des  zu  errichtenden  Hauses 
grab,  in  der  Nachbarschaft  der  Kammer  dreizehn,  aus 
rönnschen  Ziegeln  g'ebildete  Gräber  (^eines  derselben 
gibt  Koller  T.  XIV.  Fig.  7,  es  ist  ein  .Sarkoi)hag  mit 
einem  sattelförmigen  Deckel);  auf  einem  derselben  war 
das  Constautinische  Monogramm  am  Kopf-  und  Fuss- 
ende  des  Todfeu  sichtbar  (es  war  von  innen  in  den 
Frontou  des  Deckels  eingegraben).  In  jedem  der  Sar- 
kojjhage  fand  man  Menschenknochen,  in  zweien  (Tlas- 
gefässe  (ampuUa  vitrea),  mit  Ablagerung  eines  unbe- 
kannten StotlV's  an  den  Seiten,  der  jedocli  kein  Blut 
war,  wie  es  die  vom  Cardinal  Oarampi  befragten  Fach- 
leute liezcugten.  Icli  weiss  niclit,  zu  welchem  anderen 
(Gebrauche  diese  Giasgefässe  dienten. 

AVer  alles  bisher  Gesagte  erwägt ,  kann  nicht 
leugnen,  dass  unser  Heiligthum  ein  christliches  war, 
und  dass  es  aus  den  ersten  Jain-hunderten  des  Christen- 
thnms  stamme-. 

A  r  c  h  i  t  c  k  t  o  n  i  s  c  h  e  s. 

So  weit  Koller,  der  in  den  meisten  Paukten  richtig 
gesprochen  und  dies  vor  mehr  denn  70  Jahren,  als  man 
kaum  wieiler  anting,  die  römischen  Cömetericn  kriti- 
scher zu  untersuchen.  Meine  Aufgabe  ist  es,  näher  ein- 
zugeben auf  die  Beschreibung  eines  Denkmales,  welches 
diesseits  der  Alpen  ehizig  dasteht,  nachdem  einige  in 
Frankreich  voriiandene  15cispielc  während  der  grossen 
Revolution  zerstört  wurden.  (Fig.  I.) 

Das  (iebäude,  welches  sich  von  Nord  nach  Süd 
er.streckt ,  besteht  aus  drei  Theilen  ;  der  eigentlichen 
Kammer,  an  welche  sich  südlich  eine  Vorkannner  und 
nönUicii  ein  liaum  auschliesst,  der  im  Noulen  ein  Kreis- 


segment   l)ildct.   Hiezu   ist   in  neuerer  Zeit  ein  lau 


getreten,  der  durch  den  Hügel  auf 


Fig.  1,  -A  t. 


unterirdischer  Gang 

eilf  Stufen  zur  Vorkanuuer  hinabführt. 

Der  Fussboden  des  antiken  Baues  liegt  15  Fuss 
()  Zoll  unter  dem  höchsten  Punkte  des  Hügels,  wovon 
7  Fuss  (i  Zoll  auf  die  ülter  dem  Gewölbe  lastende  Erde, 
1  Fuss  auf  die  Mauerdicke  des  Gewölbes  und  7  Fuss 
auf  die  Lichtenhöiie  der  Kammer  fallen.  Die  Vorkannner 
ist  um  nahezu  I  Fuss  niederer.  Der  mit  dem  Kreis- 
segment geschlos.sene  Hinterrauni  ist  nicht  gewölbt, 
deshalb  ist  er  als  Luftzug,  als  ein  sogenanntes  Spira- 
cuiuni  anzusehen,  durch  welches  die  Luft  von  oben  ein- 
dringen und  durch  die  Thüren  der  Kammer  und  Vor- 
kannner in  das  wahrscheinlich  vor  letzterer  betindliche 
Stiegenhaus  ein-  und  aus  diesem  wieder  nach  ol)en  aus- 
dringen konnte.  Heute  ist  keine  Sjmr  dieses  ursi)rüng- 
lich  nothwendigen  Stiegenhauses  mehr  zu  linden,  welches 
der,  wahrscheinlich  im  vorigen  Jahrhunderte  gebaute 
(io  Fuss  <i  Zoll  lange,  (i  Fuss  breite  Zugang  ersetzt.  Statt 
des  antiken  Spiracuhims  hat  man  in  der  Decke  der 
Vorkannner  ein  Luttloch  angebracht,  trotz  diesem  wurde 
aber  die  Feuchtigkeit  nicht  entfernt,  die  in  kleineu  nach 
Saliter  schmeckenden  Tropfen  an  allen  AVänden  sich 
ansannnelt.  (Fig.  2.  u.  3.) 

Als  ich  i.  J.  18G.')  zum  ersten  Male  Fünfkircheu 
besuchte,  w^aren  manche  AVandbilder, die  Koller  noch 
gesehen  hatte,  verschwunden,  andere  stellenweise  ver- 
blichen, welcher  Umstand  mich  bewog,  auf  Mittel  zu 
sinnen,  die  den  gänzlichen  Untergang  dieser  iiöchst 
merkwürdigen  Bilder  verhüten  könnten.  Mein  durch  die 
ungarische  Akademie  der  AVissenschaiteu  an  den  ]5ischof 
und  das  Cai)itel  von  Fünfkircheu  eingesandter  Vorschlag 
bezweckte  eine  Heraushebung  der  ganzen  Baulichkeit 
aus  dem  Schosse  der  Erde,  oder,  falls  dies  radicale 
Mittel  nicht  genehmigt  würde,  die  bleiliende  Blosslegung 
und  Überdachung  der  Grube,  in  welche  dieselbe  nach 
der  Blosslegung  zu  stehen  käme.  Ersteres  wurde  ver- 
worfen und  letzteres  bloss  theilweise  ausgeführt.  Man 
maciitc  eine  (irube  um  das  Ganze,   liess  dann  den  Bau, 

damit  er  trockne ,  niehri're 
Sommermonate  hindurch  otfen 
stehen,  bedeckte  das  Gewölbe 
mit  einer  do|)pelten  Lage  von 
hydrauiisclnni  Kalk  ,  warf 
aijcr  die  Grulie  wieder  zu  und 
glaubte  hieniit  .\lles  getluin  zu 
Imben,  was  zu  einer  so  poni))- 
haften  Umschrift,  wie  die  über 
den  Eingang  gesetzte  ist,  be- 
rechtigen k;inn  : 

NE   LauefI.vt 

DIgne  et  soLLICIte 

CaVtVM. 

Seit  (lii;s(!i-  sogenaniden 
„würdigen  und  sorgfältigen 
Restauration'-  d.  J.  l.S(;4  hat 
das  Erldassen  der  Bilder  und 
der  l''arl)enal)l'all  weitere  Fort 
schritte  gemacht  und  steht  das 
Zugrnndcgehen  dieses  Uni- 
cums  diesseits  der  Alpen  in 
nicht  gar  ferner  Zukunft  in 
bestinnntei' Aussicht,  falls  eine 


59 


neue  Zuschrift  der  seit  11.  Ajiril  ls72  liestchcnden 
arciiäoldgiscIieuLandes-Cdinniission  an  den  liisclmf  und 
das  Capitel  von  Fünfkirchen,  aul  weiche  jedoch  noch 
keine  Antwort  erfoljjte,  nicht  wirksamer  ist,  als  es  die 
wiederholten  Zuschritten  der  Akademie  waren. 

Zur  Zeit  der  i.  J.  lS(i4  untcrnonnnenen  Arbeiten 
war  es  mir  nicht  möglich,  Fünfkirchen  zu  besuchen;  es 
fertigte  jedoch  auf  meine  Bitte  der  Pester  Architekt 
H.  Benko, welcher  damals  den  Bau  einer  Synagoge  in 
Fünfkirchen  leitete,  den  hier  im  Holzschnitte  mitgetheil- 
ten  Grundriss  und  zwei  Durchschnitte  an  *. 

Ich  glaube,  dass,  wie  auch  Architekt  Schul cz 
meint,  das  Gebäude  unter  Dach  gestanden,  jedoch  nicht 
unmittelbar  das  unterirdische ,  sondern  die  darüber 
befindliche  Capelle  hatte  ein  Dach;  denn  dass  der  untere 
Raum  eine  unterirdische  Begräbnissstätte  war,  wie  so 
viele  der  Kannnern  in  den  Cömetcrien  Roms,  geht  aus 
zwei  entscheidenden  Gründen  hervor;  der  eine  ist  das 
Auffinden  von  menschlichen  Gebeinen,  der  andere  die 
gänzliche  Abwesenheit  von  Lichtötfnungen. 

Bereits  bei  der  Entdeckung  der  Kammer  fanden 
sich,  wie  Koller  versichert,  einige  stärkere  Knochen  vor; 
um  nun  noch  grössere  Sicherheit  zu  erlangen,  Hess  ich 
am  lö.  August  1870  den  Boden  in  der  Mitte  in  einer 
Tiefe  von  etwa  1  i/o  Fuss  aufgraben  und  fand  ein  rech- 
tes Oberarmbein,  ein  Fragment  des  linken,  mehrere 
Kippen-Bruchstücke  und  ein  Sprungbein.  Wir  können 
annehmen,  dass  diese  Knochen  nicht  erst  bei  der  Ent- 
deckung d.  J.  1780,  sondern  bereits  früher,  etwa  in  der 
Hunnenzeit,  wo  die  noch  vorhandene  obere  Capcllc  den 
Weg  zur  Plünderung  der  unteren  Grabkannner  wies, 
aus  einem  hier  vorhandenen  Sarkophag  herausgeworfen 
wurden  und  der  Sarkophag  zertrümmert  worden  sei;  dass 
aber  ein  solcher  hier  stand,  wird  höchstwahrscheinlich; 
wurden  doch  selbst  die  in  die  Erde  versenkten  Leiber 
der  Nachbarschaft  in  Särgen  beigesetzt,  um  so  weniger 
durfte  daher  der  Sarkophag  in  einer  so  reichlich  aus- 
gestatteten Grabkannner  fehlen,  in  einer  Kammer,  die 
wir,  ihrer  Gesamnitheit  nach,  als  ein  in  sich  ahge- 
schlossenes  Arcosolium  zu  betrachten  berechtigt  sind. 

Was  den  zweiten  Umstand  anlangt ,  sind  die 
Wände  der  ganzen  Grabkannner  und  deren  Gewölbe  in 
der  ganzen  Ausdehnung  bemalt  gewesen ;  sie  hat  dem- 
nach keine  andere  Öffnung,  als  die  kleine  quadratische 
in  ihrer  llinterwand  ,  welche  wieder  in  einen  dunklen 
Kaum  führte ,  und  jene  der  Eiugangsthüre ;  ebenso 
waren,  nach  Koller 's  Angabe  ,  auch  die  Wände  der 
Vorkannncr  bemalt.  Das  Spiraculum  im  Norden  konnte 
nur  den  Zweck  der  Lufterneuerung,  imd  nicht  auch  wie 

*  Der  leider  zu  früh  verstorbene  geniale  Franz  Schulcz  richtete  von 
Fünfkirchen  folgentien  Brief  an  micii ,  zu  dessen  Erklärung  der  Querschnitt 
Fig.  3  dient  ; 

„Ich  h.'xbe  mir  dieser  Tage  die  alte  römische  Capelle  angesehen  und 
bedauere  sehr,  dass  wahrscheinlich  in  Folge  des  Unverständnisse»  des  Maurer- 
meisters (des  Capitels ,  nicht  Benko'»),  die  höher  als  der  (.iewöllescheitel  auf- 
steigenden Scilenmauern  (in  dieser  grössertn  HöheJ"  abgetragen  wurden,  denn 
obwohl  das  Ganze  wieder  zugeworfen  werden  soll,  würde  bei  einer  weiteren 
Ausgrabung  die  .'\llfallig  in  ihrer  Urspriinglichkeit  erhaltene  Gestalt  doch  zu 
neuen  Ketlexionen  Anlnss  gegeben  haben.  Ich  bin  vollkommen  davon  über- 
zeugt, dass  Sie,  Herr  l)octor,  hieran  nicht  Schuld  sind  (natürlich  nicht,  da 
ich  vor  der  Ausgrabung  das  nöheransteigon  der  Seitenmauern  nicht  .kennen 
konnte  und  den  Bau  während  der  Ausgrabung  nicht  gesehen  habe;. 

Ich  bin  auch  jetzt  davon  überzeugt,  dass  unser  Denkmal  ein  Dach  hatte 
und  glaube  fest,  dass  es,  wie  ich  aus  dem  aufgedeckten  Orundrisse  ersehe, 
zu  einem  grösseren  Baue  gehörte;  der  hinter  der  Kammer  befindliche  bogen- 
förmige Raum  (Lücke,  „hezag-')  ist  mir  unerklärlich,  falls  icli  nicht  veraus- 
ssetze,  dass  die  ganze  Capelle  etwa  in  einem  runden  Vertheidigun^stliurnie 
ge.standen  habe. 

Ich  war  heute  bei  Jonas  (dem  seither  verstorbenen  Canonicus.Cu^tosI, 
er  s.Tgte  mir,  er  habe  bereits  an  die  archäologische  Commission  der  ungari- 
schen Akademie  berichtet.  Die  Eingewölbung  der  remischen  Capelle  (vielmehr 
die  Bedeckung  derselben  mit  hydraulischem  Kalk)  hat  stattgefunden  u.  s.  w. 
Fünfkirchen,  am  10.  October  ISW. 


in  den  römischen  Katakomben  zugleich  der  Beleuch- 
tung crlUUcn,  weil  das  Licht  aus  demselben  in  die  kleine 
Öffnung  in  der  llinterwand  nicht  mehr  eindringen  konnte. 
Der  Hauptraum  blieb  somit  ganz  und  gar  unticlcuclitet 
imd  musstc  deshalb  ein  unterirdischer  sein. 

Die  Segmeiitmaucr  ist  für  den  Unterbau  der  Apside 
der  oberen  Capelle  zu  nehmen,  hinter  deren  Altare  sieh 
die  obere  Öffnung  des  Luftzuges  befand  '.  Eine  Halb- 
kreis-Apside finden  wir  aber  auch  in  dem  von  Marchi 
liublicirten  Kirchlein  des  Cömctcriums  der  heil.  .Vgnes; 
somit  darf  uns  hier  diese  Gestaltung  nicht  im  iiiin(lcsten 
befremden. 

Lässt  sich  nun  abei'  auch  ein  anderes  Beispiel  einer 
Doppel-Capelle  aus  so  früher  Zeit  anführen? 

Wir  lesen  in  Rossi's  ..Bullet,  di  Arceol.  Cristiana-, 
Jahrg.  186G,  S.  ;!o  und  :]7,  Folgendes:  Der  aus  der 
Porta  Ostia  Austretende  sieht  zur  Rechten,  gleich  hinter 
der  Pyramide  des  Cestius,  die  Reste  eines  Oratoriums, 
welches  im  Kriegsjahre  184!'  zerstört  wurde.  In  der 
benachbarten  Vigna  IJicci  Paracciani  befindet  sich  ein 
luschriftstein  mit  langen  sogenannten  gothischen  Buch- 
staben des  XIY.  Jahrhunderts.  Dieser  gehörte  ehemals 
zum  Oratorium  und  es  wird  hier  des  Oratoriums  als  der 
„Ecclesia  sancti  Salvatoris-'  und  des  „altare  superior-' 
(sie)  gedacht ,  wodurch  wir  erfahren ,  dass  es  auch 
einen  unteren  Altar  hier  gab;  und  dass  eben  deshalb 
das  Oratorium  viel  älter  sei,  als  das  XIV.  Jahrhundert, 
wahrscheinlich  so  alt,  als  die  Begräbniss-Capelle,  und 
wir  finden  in  der  That  in  der  Turiner  Universitäts-Biblio- 
tliek  unter  Nr.  749  ein  Verzeichniss  der  Kirchen  Roms, 
eine  ecclesia  sancti  Salvatoris  de  Porta  mit  dem  Zu- 
sätze quffi  non  habet  servitorem,  d.  h.  die  aufgelassen 
ist.  Die  „Libri  indulgentiae  ecclesiarum  Ur- 
bis  Romae'',  die  um  die  Hälfte  des  folgenden  Jahr- 
hunderts geschrieben  wurden ,  erwähnen  gleichfalls 
dieses  Kirchleius:  ecclesia  s.  Salvatoris  extra  portam 
s.  Pauli  oder  in  via  s.  Pauli,  als  eines,  das  von  den  Pil- 
gern besucht  wird.  Ich  habe  es  auch  angeführt  gelesen 
in  einer  Stuttgarter  Rotula  und  in  einem  Strassburger 
Codex,  die  beide  älter  sind  als  die  ältesten  gedruckten 
Libri  indulgentiarum.  Woraus  hervorgeht,  dass  man 
dieses  Kirchlein  sehr  in  Ehren  hielt,  vielleicht  stand  es 
an  der  Stelle  eines  altehristlichen  Denkmals.  Zwar 
sagt  die  Geschichte  nicht,  dass  hier  ein  unterirdischer 
Begräbnissplatz  war,  von  jener  Art,  die  man  gewöhn- 
lich eine  Katakombe  nennt ,  ja  die  Oberfläche  und  Be- 
schaffenheit des  Bodens  lässt  eine  solche  Yoraus- 
setzung  nicht  zu ;  sofort  dürfen  wir  blos  an  ein  verein- 
zeltes Denkmal  der  via  ostia  denken  ,  d.  h.  an  das 
Grabmal  einer  christlichen  Familie  ,  oder  an  ein  Eriu- 
nerungsmal  irgend  eines  Ereignisses  der  ersten  Jahr- 
hunderte des  Christenthums  ,  unter  welches  man  eine 
Krypta  baute ;  und  diese  Vermuthung  wird  auch  unter- 
stützt durch  einen  in  der  Vigna  Ricci  aufgefundenen 
Sarko])hag.  (Folgt  die  Beschreibung  des  Sarkojihages 
und  die  Vergleichung  desselben  mit  einem  zu  Apt  in 
Frankreich  gefundenen)  «. 

"  Schulcz  hat  den  Zweck  der  Segmentmauer  hinter  der  Grabkammer 
verkannt,  indem  er  annimmt,  dass  dieselbe  der  Rest  eines  Vertheidigungs- 
thurmes  war,  denn  Benko's  Grundriss.aufnahme  zufolge  ist  das  Bogenseg- 
nient  nicht  gross  genug,  um  ergänzt  die  g.anze  unterirdische  Räumlichkeit  zu 
umfassen. 

'  In  unseren  Mitthciluni;en ,  Jahrg.  1860,  S.  LXIII,  bespricht  Dr.  A. 
Messmer  dieso  Entdeckung  Rossi's  wie  folgt: 

„Es  wird  ein  Oratorium  gesondert,  welches  ausserhalb  der  Porta  Ostia 
auf  der  Vigna  des  Marchese  Ricci  Äracciani  im  zerstörten  Zustande  gefunden 
wurde  und  offenbar  ursprünglich    eine  Familiengrnbcapelle  in  zwei  Stockwer- 


—     60 


Fig.  4. 

Ich  liabe  iiocli  zu  bemerken,  dass  in  Benko's 
Zeichnungen  einige  kleine  Irrthümei-  vorkommen.  Die 
Kammer  ist  niciit  ganz  regelrcclit  angelegt,  sondern  so 
wie  sie  meine  Zeichmuig  in  Fig.  4  gil)t.  Ferner  hat 
üenko  im  Grundrisse  die  schmale  Mauerliank  der  Hin- 
terwand  weggelassen,  die  wahrscheinlich  zur  Aufstel- 
lung von  Gelassen  und  anderen  Geräthen  während  der 
Feier  des  Todestages  der  hier  l)egrabenen  Leichen 
diente;  endlich  geht  ibr  Fnssbodcn  der  ^'(lrkammer  bis 
/.um  Eintrilt  in  die  Leichenkammer  tnrt,  die  Stufe  be- 
ginnt nicht  mit  dem  Anfang,  sondern  mit  dem  Ende  des 
Thlirgewandes. 

Ich  habe  die  Vorkannner  in  einem  durciiaus  .sciiad- 
liaften  Zustande  gefunden,  und  zwar  bereits  im  Jahre 
IH(u')  mit  ausgclinpcheniii  Wänden,  in  der  Art  wie  sie 
Fig.  4  gil)t,  daher  sieht  man  lii(,'r  auch  keine  Spur  mehr 
der  von  Koller  angegebenen  Wandmalt^reien. 

Alle  Mauern  der  Haulichkeit  bestellen  vorzliglicli 
aus  Ziegeln  mit  sehr  wenig  iiiitcrmisc|it(  in  Stein.  Die 
Maasse  dieser  Ziegel  sind: 

LUnge     IT) — ifi'/s  Wiener  Znil, 
Hreite      10  „  „ 

Dicke        -J 

|);i  icii  die  Wandliildei'  sclionen  miissle,  konnte  ich 
nur    aus   der  eben   erwiihnten  unbcnialten  Mauerbank 


kcn  blldolo.  l)cr  dort  Kofunduiio  Sarkoplmt;  wnr  iiiu  für  oiii  iintvrlrdisclioi. 
Grab  (Hnn^l  naifl  dieses  nicht,  ^onde^n  I>Iok,  dasB  wir  iilor  an  itoln  untcrirdl- 
BChes  Cömetcrluni  dcnknn  diirron)  bestimmt,  »n  dniti  Ich  tu  diohcrn  Oratorium 
eine  I>o|ii(clcftpcllo  i-rlp||rkc,  deren  unterer  itaum  für  die  Dejioftltlon  des  -Sar- 
knphagcs  diente,  wrihrcnd  der  ol.ori'  tnlt  Altar  als  Oratorium  für  diu  Annl- 
versarieti  boftt'mmt  uar.  Für  die  gerade  In  diesen  MItthcilunKon  der  k.  k. 
Ccntrnl-Commhftion  wiederholt  henprochetien  Kirchhof-  oder  Tf'dtcnrapellcn 
scheint  mir  diosos  Denkmal  bei  Uoni  nicht  ohne  gelang,  zumal  es  laut 
Insclirifi  im  XIV.  .Jahrhundert  dir  noch  iflfc  den  TrUminern  erkennbare  leteto 
Oc.^tatlung  erfuhr*'. 


einige  Backsteine  nehmen,  fand  aber  auf  diesen  keine 
Si)ur  irgend  einer  Schrift,  wie  auch  bei  Koller  nir- 
gends ein  gestempelter  Backstein  vorkommt  und  auch 
während  der  neuesten  Kestauration,  meines  Wissens, 
kein  solcher  zum  Vorschein  kam. 

Die  mit  diesen  Ziegeln  aufgeführten  Mauern 
hallen :  die  äusseren-  eine  Stärke  von  2  Wiener  Fuss. 
die  Mittelmauern  von  1  Fuss  '■>  Zoll.  Diese  geringe 
Stärke  wird  einigermassen  durch  die  an  den  Nordecken 
und  in  der  Mitte  der  Langwand  der  Kammern  ange- 
setzten Streben  ersetzt ,  jedoch  bilden  dieselben  kein 
Widerlager  für  die  ganze  Länge  des  Tonnengewijlbes. 
wozu  also  der  Seitendruck  iles  Erdreiches  diente.  Die 
geringe  Stärke  der  Hauptmauern  lässt  auch  für  die 
obere  Capelle  eine  blos  geringe  Hübe  annehmen.- 
welclie  aucli  sonst  der  ganzen  Anordnung  entspricht. 
Es  war  kein  Kirclilein  tür  eine  ganze  Gemeinde,  son- 
dern blos  eine  Familiengrabcapelle,  wie  jene  des  Erlö- 
sers zu  Ikom,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  diese, 
nach  ßossi's  Bemerkung,  nicht  auf  einem  Kirchhofe 
stand,  wälirend  die  in  der  Nachliarschaft  unseres  C'ubi- 
culunis  gefundenen  Gräber  zur  Vennuthung  lierechti- 
gen,  es  hal)e  diese  sich  auf  einem  Gottesacker  eriioben. 
Die  Erbauungszeit  unseres  Cubiculums  lässt  sich  aus 
dessen  Architektur  nicht  bestimmen,  zu  diesem  Zwecke 
werden  wir  unsere  Zutiucht  zu  den  Wandbildern  neh- 
men, indem  wir  die  Symbolik  derselben  mit  jener  der 
sicher  datirten  Cönieterien  Korns,  besonders  aber  jener 
der  ältesten  Kammern  des  Calixtus'schen  Cömeteriums 
vergleichen,  woraus  das  etwas  jüngere  Alter  der  Kam- 
mer in  Füntkirchen  hervorgehen  wird. 


Sjml 


to  II  K  (I  e 


r  W  a  ndi;'emä  I  ili 


Sehn  aase  erklärt  die  symbolische  Bedeutung  der 
einzelnen  altciiristliclien  Darstellungen  einzeln-  und  für 
sich  " ,  und  sclieint  keineswegs  geneigt ,  wenigstens 
niciit  auf  den  Sarkopiiagen,  eine  zusainmeiihängeiule 
(Jedankenreihe,  einen  abgerundeten  Ideengang  in  der 
(Jesamintheit  der  Darstellungen  anzunehmen,  inilem  er 
(1.  c.  S.  SS)  sagt:  „Die  Zusammenstellung  und  Aiionl- 
nung  iler  erwähnten  Gegenstände  auf  ilen  Denkmälern 
ist  eine  ziemlicii  mannigfaltige  und  freie'  Und  S.  S9: 
„Neben  diesem  mittleren  (Christus-)  Bilde  sind  auf  bei- 
den Seiten  amlere  angebracht,  deren  (iegenstände,  ohne 
Unterschied  ans  ileiii  alten  oder  neuen  Testamente  ent- 
lehnt, gewiilinlich  keinen  i  nneren  Zu  siimmen- 
h  M  ng  haben." 

Dagegen  spricht  Uossi  in  seiner  Erklärung  tler 
Wandbililer  der  fünf  ältesten  Kammern  iles  Cömete- 
riiinis  Gnljxti  »  und  an  ;inileren  Orten  wiederholt  seine 
feste  rber/.eiigiing  tlahin  aus,  ilass  der  innere  Zusain- 
nienhang  tler  verschiedenen  Darstelliingeii  eines  uml 
desselben  Monumentes  kein  eingeliildeter  oiler  erklü- 
gelter sei  ,  sondern  dass  die  Darstellungen  im  Sinne 
eines  solchen  Ziisnimnenhaiiges  liereits  entworfen  und 
ausgeflilirl  wiirdeii;  er  will  ferner  in  ilen  angel'iihrteii 
fünf  Kammern  den  Geist  und  die  .\iiordiiung  des  nach- 
maligen l'apstes  Calixtus  erkennen  ,  entwickelt  seine 
iMkläriiiig  ganz  in  diesem  Sinne  und  weist  die  Iilentitäl 
des  Griindgi'ilnnkens  als  wiederkehrend  in  allen  fünf 
Kammern  nach. 

'  Oeichlchio  d.   blld,   K!in«t«.  18IW.    111.   lld.    1.  Ablh.  S.  85  u.  f. 

*  Koma  Bottcrranca  crlsllana  T.-II.  capo  .\1I.  Del  cinquo  cubicoll  adorni 
dl  pltturo  almboUclie  alludentl  prlnclpalmente  al  batteslmo  cd  air  cucarlstia 
S.  328  u.  f. 


61 


Ich  glaube  in  jeder  Hinsicht  auf  einem  (iuielnvegs 
anpavteiischeu  Standpunkte  zu  stehen,  auf  weleiieni  ich 
mich  derAusiclit  Kossi's  um  so  mehr  anschiiessen  muss, 
als  auch  in  llem  Cubiculuni  von  Fünfkirchen  sich  ein 
Grundgedanke  herausstellt ,  oder  vielmehr  die  Veran- 
schaulicliung  eines  biblischen  .Satzes,  jenes  des  Evan- 
gelisten Marcus  (XVI,  IC),):  „Wer  glaubt  und  sich  taufen 
lässt,  wird  selig  werden;  wer  aber  lucht  glaubt,  wird 
verurthcilt  werden"  '■'. 

Die  Elemente  dieses  Satzes  sind  die  Wassertaufe 
und  vielleicht  auch  die  Feuertaufe,  der  Olaube  an  die 
Kirche  und  an  den  Gründer  derselben,  an  den  Erlöser, 
die  Auferstehung  (des  Fleisches)  und  das  ewige  Leben. 

Wir  werden  diese  Elemente  nicht  ganz  streng  in 
dieser  Ordnung  geben,  indem  sie  auf  Taf  I  und  K  von 
einander  getrennt  erscheinen ,  jedoch  beginnen  wir  nüt 
dem  Symbol  der  Wassertaufe  im  Bilde  Noah's  und  der 
SündHut,  sehen  das  Sj-mbol  des  Glaubens  an  Christus 
in  dessen  Mouogranune,  auf  welches  die  Apostelfürsten 
hindeuten,  die  Auferstehung  (des  Fleisches)  in  derRet- 
'  tung  des  Propheten  Jduas  aus  dem  IJauche  des  Fisches, 
endlich  die  ewige  Seligkeit  in  den  Pfauen,  im  Sieges- 
kranze und  dem  Blumentlor  der  Uecke  dargestellt,  in 
JMitte  welcher  wahrscheinlich  die  l^ilder  der  hier  Bestaf- 
teten  erscheinen. 

Noali  (T.  I,  unten  rechts). 

Noah's  Geschichte  steht  bei  Moses  Genesis,  VI, 
VII,  VIII,  IX  und  X  und  über  die  symbolische  Bedeu- 
tung dieser  (4escliichte,  vorzüglich  aber  iij)er  die  Sünd- 
flut klären  uns  Bosio's  I"  Citate  der  alten  kirchliclien 
Schriftsteller  auf.  T  e  r  t  u  1 1  i  a  n  u  s,  1.  de  C'apt.,  nennt  die 
Sündtlut  das  Taufwasser  der  Welt  und  die  Arche  ist 
ihm  die  Kirche  i';  desgleichen  C'yprianus  (Ep.  ad 
Pomp)  1-.  H  i  e  r  II  n  y  m  u  s  vergleicht  die  in  die  Arche  auf- 
genommenen Tliiere  den  in  die  Kirche  aufgenommenen 
oder  aufzunehmenden  Völkern  i=,  auch  andere  geben  die- 
selbe Bedeutunii'  dem  Bilde  '*. 


*■•  Die  coucorciaiitL-ii  Stellen  b.  Joh.  III.  18  u.  36.  Apüst^gescll.  H.  38. 
Körner  X.  9.  u.  &.  w. 

"*  IComa  Eotteiraiica,  opera  postuma  di  Antonio  Bosio  Romano,  compiuta. 
disposta  e  accresciuta  dal  P.  Giov.  Severani  Roma  16ÖU  p.  575.  &. 

"  Quemadmoduni  enim  post  aquas  diluvii  quibus  iniquitas  antiqua  pur- 
gata  est ;  post  baptitniunt,  ut  ita  dicam,  mundi,  pacem  coelestis  irae,  per  coluin- 
bam  ferris  adnuiiciavit  dimis&ani  ex  arca  et  cum  olea  reversaiii;  quod  Signum 
eliam  apud  nationes  paci  praetenditur :  eadem  dispositione  spiritualis  affectus 
terrae  i.  e.  carni  nostrae  emergeuti  de  lavacro  post  vetera  delicta,  columba 
s.  Spiritus  advolat  pacem  Dei  affereus  emissa  de  coelis  ubi  Ecclesia  est  arca 
figurata  • 

'-  Nam  i-t  in  illo  inuruli  baptisuio,  quo  iniquitas  antiqua  purgata  est,  qiii 
in  Arca  Noe  n^n  fuit,  non  potnit  per  aquam  salvus  lieri:  ita  nee  nunc  potest 
per  ba[)risinum  talvus  vidcri,  qui  baptisatus  in  Ecclesi-a  non  est,  quae  ad  arcae 
unius  ^^acramentnnl  l'omiiiica  uiiitate  fundata  est.  fCyi.rian.  ICp.  ad  I'omp.j 

'*  (Hieron.  ad  Lucifer.)  Hoc  ecclesiae  typus  fuit,  dicente  Apustolo  Petro  ; 
In  Area  Noe  etc.  ut  in  illa  omnium  animalium  genera,  ita  et  in  iiac  univer- 
sarum  gentium  et  moruin  lioniines  sunt. 

'*  C  tir  y  so  s  t  o  m  US  Homil.  de  nomine  Noe;  Sieut  tunc  omnis  creaturA 
<ieleta  est,  sola  autem  arca  evasit  de  trabibus  quadratis  formata,  octo  animas 
bajulans,  ita  et  in  cousuinmatione  omnes  liaereses  iuteribunt,  una  tantuni  arca 
Salvabitur  i.  e.  Ecclesia  Christi  de  hominibus  justis  congreg.ata.  St.  .\ugu- 
stiiius  de  Cath.  e.  27:  Aliquando  diluvium  per  totain  terram ,  ut  peccatore.'^ 
öelerentur:  et  tauten  illi,  qui  evaserunt  in  arca,  sacramentum  futurae  Eccle- 
siae denionstrabant,  quae  nunc  in  fluctibus  saeculi  natat  et  per  lignuni  crucis 
Christi  a  submersione  liberabitur.  Joannes  Oamasc.  (Homil.  de  Sabb.): 
Nam  et  Christus  cum  primogenitus  esset  omnis  creaturae  et  primogenitus  ex 
iliortuis,  primitiaeque  dormientium,  principium  rursus  alterius  generis  fuit  rege- 
nerati  ab  ipso  per  aquam  et  tidem  et  lignum:  quod  ntysterium  crucis  obtinet; 
quemadmodum  et  Noe  in  ligno  servatus  est,  una  cum  suis  super  aqua  invec- 
tus  etc.  Beda  in  Genes,  c.  ^.  Noe  autem  per  omiiia  significat  Christum,  Nor 
requies  interpretatur ,  et  Dominus  noster  in  Evangelio:  Discite  a  me  quia 
mitis  sum,  et  humilis  corde,  et  invenietis  requiem  animabus  vestris.  Nee  solus 
justus;  Christus  solus  sine  peccatis  est,  cui  Septem  anitnae  donatae  sunt,  i.  e. 
perfecti  homines  per  septiformem  gratiam.  Noe  per  aquam,  et  lignum  liberal 
suos,  Christus  per  crucem  et  baptismum  liberal  Christianos.  —  Den  Namen 
Noah's  erklärt  Hieronymus  (Quest.  in  Gen.  c.  5)  und  Chrysostomus 
(Homil.  34  in  Genes);  ersterer:  Et  vocavit  nomen  ejus  Noe,  dicens;  Ipse 
requiescere  nos  faciet  ab  operibus  iiostris ,  dicendo:  et  illc  igitur  quod  sub 
eo  omnia  retro  opera  requieverunt  per  diluvium,  appellatus  est  requies;  — ■ 
etzterer;   Xomen  autem    Noe   lin^ua   hebraica  quies   dicitur:    quia    ingruente 


Welche  grosse  Bedeutung  und  Wichtigkeit  die 
(ieschichte  Noah's  und  deren  .symbnlisch-typolugische 
l>eziehuiigen  im  Mittelalter  hatten,  geht  aus  den  uralten 
Biklern  der  Kirche  von  S.  Savin  hervor  15,  wo  sechs  der- 
selben diesem  Gegenstaude  gewidmet  sind:  Noah's  Be- 
stellung (T.  X) ,  die  Arche  (T.  XI) ,  Auszug  aus  der 
.\rche  und  Dankopfer  (^T.  XII),  Noali  als  Weinbauer 
und  vom  Weine  berauscht  (T.  XLI),  Noali  von  seinem 
Sohne  verspottet  (T.  XXIII),  und  der  verfluchte  Cham 
(T.  XXII).  Das  Mittelalter  stellte  besonders  gern  die 
Vers|)ottung  Noah's  als  Vorbild  der  Versiiottung 
Christi  dar. 

Garucci  "•  schreibt  im  Te.\t  zu  seiner  T.  II,  F.  7 
(S,  25):  Die  Arche,  in  welche  die  Alten  Noah  stellten, 
ist  ein  viereckiger  Kasten,  ausgenommen  das  bei  Bo- 
sio (S.  531)  \drkommende  ,  mit  Löwenköpfen  umge- 
bene Hundgetäss.  Zuweilen  erscheint  die  Arche  in  Ge- 
stalt eines  aul'  vier  Füssen  stehenden  und  in  drei 
Löwenköpfc  geöffneten  Fasses  (S.  29).  Es  fällt  die 
grosse  Ahnliclikeit  zwischen  dem  in  der  Arche  befind- 
lichen Noah  und  dem  aus  dem  Fische  hervorragenden 
Jonas  auf;  Noah  erhebt  sich  mit  halbem  Körper  aus 
der  Arche,  eben  so  wie  Jonas  aus  dem  Fische:  und 
wenn  wir  berechtigt  sind,  den  Fischmagen  als  Grah  zu 
betrachten,  dürfen  wir  den  Austritt  aus  der  Arche  eVieu- 
falls  als  Sinnbild  der  -Vuferstehung  ansehen.  Epipha- 
11  i  u  s  sagt  (^Auct.  c.  iH>} ,  dass  Noah  durch  die  Er- 
bauung der  Arche  sich  und  den  Seinen  gleichsam  ein 
neues  Leben  sicherte.  Doch  hat  die  Arche  auch  noch 
eine  andere  Bedeutung,  nämlich  die  der  Kirche,  S,  Gi- 
rolanio  sagt  (Dial.  orthod.  v.  Luciferum) :  Ecclesiae 
typus  fuit,  dicente  Petro  apostolo;  in  arca  Noe  pauci, 
id  est  octo  animae  salvae  fuere  ;  so  bedeutet  in  den 
Allegorien  des  Gottesackers  der  aus  der  Arche  hervor- 
gekommene Todte ,  dass  er  in  Gemeinschaft  Gottes 
ewig  leben  werde;  denn  er  ist  mit  der  Kirche  ausge- 

diluvio,    hie   Solu«   mundum    servaturns  et  posterioris   saeculi  futurus    author 
erat.  Idcirco  inquit  fielet  nos  requiescere. 

Hiezu  gibt  noch  Aringhi  (II.  Fol.  47äJ:  Cy  prianus  contra  NoTatian;im  ; 
lila  arca  liguram  Ecclesiae  porfabat.  Cataclysmus  ergo  ille,  qui  sub  Noe  factus 
est,  figuram  persecutionis,  quae  per  totum  orbem  nuper  supereffusa  est,  osteu- 
dlt.  ;\quis  autem,  diruptis  cataractiy,  undique  convenientibus ,  et  excrescenti- 
bus  significabuntur  gentes  ,  quae  ad  nostram  Ecciesiam  excreveraut ,  sieut  Apo- 
cal.  XVII  docet,  dicens:  Aquae,  quas  v.disti,  populi  sunt  et  regna.  S.  Augu- 
stinus in  civit.  Dei  c.  6.  Figura  est  peregrinationis  in  hoc  saeculo  civitatis 
Dei,  b.  e.  Ecclesiae,  quae  .--it  salva  per  lignum ,  in  quo  pependit  mediator  Dei 
i-t  hominum.  S.  Ambrosius  I.  c.  4.  de  voc.  gen.  (juod  ostium  in  latere  acce- 
pit,  profecto  illud  est  vulnus,  (jumdo  latus  Crucifixi  lancea  perforatum  est. 
Hoc  quippe  ad  illum  venientes,  ingrediuntur,  quia  indc  Sacramenta  inauarunt; 
quibus  credentes  initiantur,  et  quod  de  lignis  quadratis  ficri  jubctur,  undique 
stabilem  vitam  Sanctorum  signiticat;  quacunque  enim  vertitur  quadratum  stabil. 
Dieser  Vergleich  ist  aus  Vitruv  genommen,  wo  er  ebenso  lächerlich  ist:  Etiam 
l'yth:igorae  hisque  qui  ejus  haeresim  fuerunt  secuti,  placuil  cubicis  lationibus 
luaecepta  in  voluminibus  scribere.  constitueruntque  cuimm  CCXVI  versuum, 
eosque  non  plures  quam  tres  in  una  eonceptione  oportere  esse  putaverunt.  Cubus 
autem  est  eorjtus  ex  sex  lateribus  aequali  latitudine  planitierum  perquadra- 
tum.  Is  cum  est  jactus,  quam  in  partem  incubuit.  dum  est  intactus,  immotam 
habet  stabilitatem :  uti  sunt  etiam,  tesserae,  quas  in  alveo  ludentes  jaciuot. 
Haue  autem  similitudineni  ex  eo  sumpsisse  videntur ,  quod  is  numerus  ver- 
suum, uti  cubus,  in  quemcunque  sensum  insederit,  immotam  ibi  etficiat  sta- 
bilitatem (?!)  —  In  arca  Ecclesia  figuratur,  dum  per  lignum  et  aquam  redemp- 
tio  crucis  Christi,  et  ablutio  regenerationis  aiieritur.  Ilic  nobis  ipsiusinet  Petri 
naviculae  mentio  suggeritur,  quae  patenlissimum  Ecclesiae  partter  typum  intuen- 
tibus  prafsefert,  Naviculam  istam  cogitate  Ecciesiam,  turbulentum  mare  hoc 
seeulum.  —  Über  die  Taube  spricht  der  heil.  Augustinus  I.  de  ver.  Dom. 
Chrysologus  ait  (ser.  140):  Hodie  Spiritus  sanctus  supernatat  aquis  in  specie 
columbae,  ut  sieut  illa  columba  Noe  nunti:iveral  diluvium  decessisse  mundi : 
it:i  ista  indice  nosceretur  perpetuum  mundi  cessasse  naufragium.  —  Zuletzt 
noch  das  Zeugniss  des  Damascenus  Homil.  de  sabb.  s.  Noe  equidem  arca 
inclusus,  et  ligno  illo  alterius  mundi  semina  conservans,  rursus  humani  gene- 
ris principium  effectus,  Christum,  sponte  sua ,  sepultura  iuclusum,  peccatum- 
que  sanguine  simu!  et  aqua  ex  latere  ejus  auente  cavantem,  ac  genus  nostrum 
Universum  in  ligno  crucis  conservantem.  uovae  ecclesiae,  ac  reipublicae  aucto- 
rera  nobis,  ducemque  effectum  typice  nobii  demonstrabat. 

"  Peintures  de  1' egiise  de  St.  Savin.  Deptmt.  de  la  Vienne.  Texte  par 
Jlerim^e.  Dessins  par  M.  Gerard-Seguin,  lithoi;raphies  en  couleur  par  M.  En- 
gelmann. Gr.  Folio,  I'ublicirt  auf  Staatskosten.  Mi'rimee  setzt  die  liilder  ins 
XI    Jahrhundert,  jünger  als   das  XII.  sind  sie  auf  keinen  Fall. 

"•  Vetri  ornati  di  Figure  in  oro  (rovati  nei  cimiteri  di  Uoma ,  raccolti 
e  spiegati  da  Raffaele  Garucci  D.  C  D.  G.  con  atlantc.  4.  e  fol.  Koma  tipogr 
delle  belle  arti.  18G4. 


62 


söhnt  gestorben,  \Yährend  im  Gegentheile  jene,  welche 
mit  der  Kirche  nicht  ausgesöhnt  sterben,  nicht  auferste- 
hen, sondern  des  ewigen  Todes  sterben,  was  Epipha- 
nius  (Auetor.  c. 96")  bezeugt".  —  Die  zumFass  gewor- 
dene Arche  tritt  demnach  —  ich  kann  es  nicht  aiulers 
erklären  —  als  neues  wunderbares  Symbol  auf.  Wir 
wissen,  dass  die  Traube  als  .Sinnbild  des  Gerechten 
gilt,  der  zusammengetreten  durch  die  Feindseligkeit  der 
ÄVelt .  würdig  wird  ,  zum  ewigen  Leben  einzugehen. 
Das  Fass  hat  demnach  dem  Gerechten  gegenüber  den- 
.selben  Sinn,  welchen  die  Arche  in  Bezug  auf  Xoah  hat; 
in  beiden  Fällen  jenen  der  Auferstehung. 

Nicht  zu  übersehen  ist  auch  die  Ansicht  Kreu- 
ser's  IS. 

In  den  fünf  ältesten  Kammern  des  Calixtus-Cö- 
meteriums  wird  Noah  noch  nicht  dargestellt ;  schon  des- 
halb müssen  wir  also  die  Kammer  in  Fünfkirchen  für 
neuer  halten. 


Auf  das  Bild  Noah's  folgte  das  der  Mitte;  dieses 
kannte  jedoch  nicht  einmal  Koller  mehr,  da  es  schon 
vor  ihm  verschwunden  war,  wir  wissen  demnach  nicht, 
was  es  darstellte.  Nehmen  wir  mit  Koller  an,  dass  im 
dritten  die  Magier  zu  sehen  sind,  können  wir  im  Mit- 
telbilde nichts  Anderes  als  die  Mutter  mit  dem  Kinde 
suchen;  dagegen  sprechen  jedoch  zwei  Umstände: 
dass  man  dann  schwerlich  dieselbe  Scene  getrennt  in 
zwei  Rahmen  gefasst  hätte,  dann  aber,  dass  die  Län- 
genausdehnting  für  die  Blatter  mit  dem  Kinde,  wenn 
man  sich  selbst  Joseph,  die  Krippe  und  Ochs  und  Esel 
hinzudenkt,  zu  sehr  gestreckt  erscheint.  Wenn  wir  nun, 
aus  den  angegebenen  Gründen,  hier  die  Anbetungs- 
scene  aussclilicssen,  bietet  uns  die  Analogie  der  Galix- 
tus'schen  Kammern  einen  anderen  passenden  Gegen- 
stand, und  dieser  ist  das  Schiff",  als  Sinnl)i!d  der 
Kirche,  als  symbolische  Fortsetzung  des  15ildes  Noali's. 
Wir  liabcn  das  Schiff,  als  Kirche  und  ohnp  Beziehung 
aufNiiali,  bei  Kossi  (R.  Vol.   II,  T.  XV ),  wie  es  im 

"  Die  Arche  Soah's  ist  in  Schiffsgesialt  abgebildet  auf  einem  i.'ralisteino 
(Rossl,  Koma  sott.  II.  T.  XLIX  und  X  Vlg.  26;.  Das  Schiff  hat  zwei  Kuder  und 
als  >Iast  einen  Iirelzack,  -von  welchem  aus  ein  Seil  nach  dein  l'fer  l;iuft;  Im 
Schiffe  befindet  sich  Itein  Mensch,  aber  zwei  Krüge.  Dass  man  hier  <lie  Arche 
Noah's  vorstellen  wollte,  i(cht  aus  der  auf  dem  Hinterthelle  sichtbaren,  den 
Ölzweig  Im  Schnabel  haltenden  Taube  hervor. 

I'  K  reusor.  Der  christl.  Kirchenbau,  Itegensburg  18G0.  Bd.  I.  S.  CG9  (I. 
fasBt  die  Kirchenlehre  Ton  der  symboJIschen  und  typologlschen  Bedeutung 
in  Kolgendem  zusammen:  „Noo  der  Patriarch,  Prophet  und  Vorbild  des  Herrn 
sflbst  in  seinen  Söhnen,  ward  mit  den  Seinigen  vom  Herrn  In  der  .\rcho  geret- 
tet, and  es  ging  zu  tirunde  was  ausserhalb  war.  Die  neuere  Arclie  ist  die 
■  Kirche,  ausser  welcher  ebenfalls  kein  Heil  Ist.  Voll  sind  die  Klrchcnlohrer 
von  diesem  Vergleiche,  und  er  lindct  auch  seine  .Xnwendung  auf  das  Scltiff 
des  Glaubens,  oder  das  ScbifTlein  Petri ;  denn  der  Herr  sllej;  in  kein  anderes 
Schiff,  als  Kerado  in  dieses,  naciidem  er  die  fiebernde  .Schwiegermutter,  die 
.Synagoge,  geheilt  hatte.  —  Iias  .Meer  der  Siindlluth  gibt  al>er  zu  vielen  Deu- 
tungen Anlass,  gleich  dem  rothcn  Mcre.  Wenn  die  Arche  das  rettende  Holz 
ist,  ans  welchem  Noc  als  ein  Wiedererstandener  liervor^ini:,  so  liat  die  Wasser- 
fluth  die  Sünder  vortilgt;  aber  in  anderer  Bezleiiung  bedeutet  diese  Wassei- 
flnth  auch  flne  crfreul'che  Vertilgung  der  Sünde,  nämlich  die  Taufe  im  Bade 
der  Wiedergeburt,  In  welchem  der  sündige  Mensch  ersäuft  und  begraben 
wird,  damit  der  geistige  Mensch  neugeboren  auferstehe.  Sinnbildlich  nennt 
dämm  aucli  der  Apostel  Paulus  die  Taufe  nach  ciiristlichi'r  Heilsprache  Ito- 
grähniss,  denn  der  Begrabene  ruht  nun  sicher  in  der  Arche  des  llr-lies  d.  h, 
der  Klrcii'-  Es  bedeut.  t  nlimlich  der  Name  Noe  Itulie.  und  man  dartito  dabei 
sowohl  an  die  Uuhe  und  Sicherheit  l)erer,  die  unl.-r  Gottes  Schutz  t-tehen,  als 
auch  an  die  Ituhe  d.  I.  den  I'ntcrgftng  d<-r  durch  diu  Siindflntti  v<  rnirlitcten 
Well  ;  eine»  :^len^chen  verschlungen  von  einem  >li-cre.  —  I>le  schwankende 
Zeltliclikoit,  Volker  und  .Menschen  sinnbildoin  <lio  Schrift  und  diu  Viiter  gerne 
durch  Gewässer  und  Waflserschlündc,  zuweilen  bezeichnen  sie  sogar  die  gött- 
liche llcllslehrc  und  ihre  Bolen  durdi  Wasser,  Quellen,  thauende  Wölken; 
aber  gewJfhnllch  bedeutet  das  3Iecr  unsere  Welt  und  zwar  unsere  höao  Welt. 
—  Noe's  ISabe  freute  sich,  umingedenk  der  Uiickkehr,  de»  Aases,  während  die 
Taube,  als  Feindin  al  es  Unreinen,  mit  dem  Ölzweige  zur  Arche  zurückllüch- 
tote.  Im  alten  Bunde  stellte  der  Herr  den  Friedensbogen  als  Z-ugni^s  seiner 
f»nade  auf;  der  ll'lland  als  Frledensbrlnger  der  Welt  sitzt  also  l)illig  in  der 
Knnstdarstellung  .tuf  dem  ^■^ieden^bogen  de.«  neuen  Uundf,,  oft  auf  zwei 
Bogen,  so  dass  er  mit  den  Küssen  aut  )lcn  untersten  Bogen,  den  alten  Bund 
sich  •lüizt,  —  Noe  gleicht  endlich  auch  in  anderer  Beziehung  noch  dem  llei- 
lahde;  denn  obgleich  Ketlcr  der  Seinigen,  wird  er  dennoch  nackt  und  bloss 
von   d«ni    eitreoen   Sohne    vcrspott.  t." 


Sturme  untergelit;  einer  der  Matrosen  kämpft  hinaus- 
gestürzt mit  den  AVogen,  einen  anderen  rettet  der  vom 
Himmel  herabschwebende  Engel ,  während  der  dritte 
auf  dem  von  einer  Welle  überfluteten  Hinterdeck  ruhig^ 
steht.  Rossi  erklärt  dieses  Scliiflf  als  reines  Sinnljild 
der  Kirche.  Das  Sciiitf  wird  auch  von  Kreuser  (1.  c. 
I ,  S.  224  ff.)  als  reines  Symbol  der  Kirche  erklärt, 
durch  mehrfache  Citate ,  angefangen  von  Const.  apost. 
n,  57,  S.  202,  wo  der  Bischof  Steuermann,  die  Dia- 
ctnie  ]Matrosen  genannt  werden.  Clemens  (Ep.  ad  Ja- 
cob. XIV,  S.  .öo8  aji.  Cotcler)  nennt  Christus  selbst  den 
Steuermann,  den  Bischof  Capitän,  die  Priester  Matro- 
sen. In  gleicher  Weise  sprechen  sich  Chrysostomus 
und  der  h.  Leo  aus,  wo  Gott  Schift'sherr  und  Christus 
Steuermann  heisst.  l'brigens  ist  der  Vergleich  der 
Kirche  mit  dem  .Schiffe  keine  christliche  Erfindung,  da 
ja  schon  die  Griechen  einen  Theil  ihres  Tempels  nao» 
nannten. 

Niclitsdestoweniger  kommt  das  SchifT,  ohne  mit 
Noali  Oller  Peter  verbunden  zu  sein,  nicht  allzu  liäufig 
in  der  altchristlichen  Kunst  vor;  bei  Rossi  noch  auf 
zwei  Sarkopliagbruchstücken  (I,  T.  XXV) :  das  Schiff 
des  Ulysses,  der  dem  verführerischen  Weftgesang  der 
Sirenen  entgeht  und  (II,  T.  XXXIX -XL)  ein  ein- 
faches ,  vor  Anker  liegendes  Schilf  mit  der  Inseln'ift 
AVR.  PARDVS. 

Die  drei  Magier  oder  liaby loniscjien  Jüng- 
linge. 

Die  Geschichte  der  letzteren:  Sidrak,  .]\Iisak  und 
Abednego  erzählt  Daniel  im  III.  Cap.  Bosio  gibt  in 
seiner  Erklärung  (S.  597  ff.)  folgende  Anführungen  : 
S.  August,  cji.  4!^.  Si  facta  iiraeterita  in  iiroiiiieticis 
libris  figui-ae  fuerunt  futui-oium,  in  Rege  illo,  qui  voca- 
batur  Nabucodonosor,  utrnmque  tenipus  ti,i;uratum  est; 
et  (piod  sub  Apostolis  habnit,  et  ipiod  nunc  iiabctEccle- 
sia.  Temporis  itaquc  Apostolorum  et  Martyrum  illud 
im])lebatur,  quoil  tiguratinn  est  quaiido  Rex  memoratos 
jiios  et  justos  cogeliat  adorare  simiilacra  et  recusantcs 
in  flammas  mittebat:  nunc  autem  illud  im|)letur,  quod 
paulo  (lost  in  eodem  Rege  figuratum  est,  cum  conversus 
ad  lionorandiiiii  Deum  verum,  decrevit  in  regno  suo,  ut 
<iuicniii|ue  blas|iliemaret  Deum  Sidrae,  ]\Iisac,  Adenago 
jioeiiis  (lebitis  siibjacerct.  Dieses  Citat ,  so  wie  jene  in 
in  der  Anmerkui  g  '»betrachten,  abweichend  von  der 
gewölinlichen  Erklärungsart,  den  Fall  der  babyloni- 
schen Jünglinge  niciit  als  N'orbild  irgend  einer  neutesta- 
mentlielieii  BegebeiiJieit ,  soiidei-ii  als  N'orliild  der  Alär- 
tyrer-i>eideii,  s|iäler  jedoeii  keiirt  ilierouymiis  (4.  cnp.), 
und  mit  iiiin  inelirere  andere  -"  wieder  zum  alten  (!c- 
brauch  zurück. 

'■'  Ch  ry  .^  OS  tom  u  s  hoinil. -1.  in  c.  I.  .id  Mattli.  (Juao  saopiu>  dicta  sunt 
figuram  manifeste  cxprimunt  futurorum.  Sicut  enlm  ibi  in  igurm  mlssi  nihil 
adversi  omnino  sonserunt ;  tjul  vorn  foris  steterant  t-ubiin  nc  velienionti  incon- 
dio  eousumli  sunt;  sie  eliam  tunc  fju-lum  e^t.  Niiin  et  siuictl  eliaut  si  flumen 
Igneum  Iransennt,  nihil  pi'oi'sua  tr\y\c  patiuntur,  sod  iiiiar«-hunl  ahMiue  dubio 
clariores.  —  Cyi»rianus  81.  ad  Seru.  Pueros  edam  vohis  gloriosa  confes- 
slono  sociavit  dlvlna  diguallo;  ^eprae^entnns  i  oMs  tnio  nliriuld,  ijuiile  Annnias, 
Aziirlas  et  .'Mlsael  Illustres  pueri  aliquando  fuerunt:  iiuibus  inclusis  in  caml- 
num  ci'ssarunt  Ignos  et  rcfrigerii  locum  llauimao  riedorunt ;  praesente  Ulis 
Domino  el  probanlit  quod  In  Confesforos  et  Marlyres  ejus  nihil  liosset  Ge- 
hennao  nrdor  opcrnri ;  i-od  quod  qul  In  Deum  credorent  iricolumes  et  tuti  In 
omnlhiis  persevernreiit.  —  llioronymus  c.  3.  in  Dan.  Oppressa  prrturl'fttlo- 
nihus  aniina  et  varlis  moleatlis  occupata,  cum  honiinum  deepcravorit  ntixilium 
et  tota  ad  Dominum  fuerit  mente  conversn,  deM'rndct  ad  lani  Aiigelus  Dnniini, 
sclllcot  sermo  divinus  et  exculet  llammao  acstuantis  ardores,  ut  nequaquaiii 
Ignita  Jaciila  Inimica  cordls  nostri  arcana  ponotrent,  noc  illius  fornace  clau- 
danttir. 

^  Caelortim  in  type  praefigurat  i.nto  Angelus,  similis  filio  Del,  Dominum 
noslrum  Jesum  Christum  ,  'lul  ad  fomaccm  descendit  Inforiil ,  in  quo  clausao 
pecratorum  et  Justonim  animao  tenehantur,  absquo   exustlone  et  noxa  sui,  eos 


63     — 


The  Oll  Ol- OS  (in  Dan.  üratio  ;5,  T.  I,  fan.  14") 
aber  sieht  den  Fall  als  Symbol  der  Auiei-stehuui;- 
an.  Resnrrec'tioneni  (|iio(|ue  suo  praeconio  eoni- 
niendant:  Henedicite  eiiim  ajiuit  spiritns  et  ani- 
mae  justoriini  Domino  i.  e.  s[(intiiales  aniniae 
justorum ,  Immanis  iierturl)ationibiis  siii)eriores 
eft'eetae,  —  und  weiter,  cant.  8:  Hie  (hynniusi 
ostendit  reditnm  e  inerte  in  vitam:  Laiidate  ii)sum 
non  (|Uot(inot  animae  cstis,  sed  justorum  animae. 

Kossi  HuU.  .Talirj;-.  1804.  S.  47  weist  auf 
(las  Medaillon  der  Jünj;ling'e  hin,  indem  er  sai;t: 
Jlerkwlirdii;'  ist  das  orariuni  mit  der  Bulle  oder 
dem  philaeterium,  falls  t-s  nicht  als  tibula  zu 
betrachten  ist. 

Die  drei  Jünglinge  konmicn  häutig  auf  Stein- 
särgen vor,  so  auf  einem  von  St.  Gilles  in  Frank- 
reich und  auf  einem  von  Mailand  -'. 

Die    iu   der  Anmerkung   angeführten    Bei- 
spiele   beweisen,     (dme   dass  es   nöthig  wäre  \ 
noch  mehr  anzuführen,   wie  die  römischen,  ita- 
lischen   und    französischen    Künstler   derselben 
Ansicht  waren,    indem  sie  die  Scene  des  alten 
und    neuen  Testamentes  vom  Standpunkte  des- 
sell)en  geheimen  symbolisclien  Gesetzes  Ijetrach- 
teten.  Die  hebräischen  .lunglinge,  welche  obschon 
in  Mitte  der  Götzenanbeter  lebend ,  dennoch  vor 
der  Götzenanbetung  zurückschaudern  und  lieber 
den  Tod  wählen,  sagen ,  indem  sie  auf  den  Stern 
des  Heils,  der  ja  selbst  Christus  ist.  deuten,  den 
zukünftigen  Glauben  und  die  Standhaftigkeit  so 
vieler  Götzendiener  vorher,  die  durch  die  Lehre 
des  Evangeliums  aufgeklärt ,  ihren  Vorurtheilen 
eut.sagend,  den  wahren  Gott  und   dessen  eingebornen 
Sohn  anbeten  werden.  Diese  Jünglinge  sind  die  Vor- 
S'änger  der  durch  den  Stern  nach  Bethlehem  gefülu'ten 
Weisen'-  u.  s.  w. 

Garne  ei  (1.  c.  S.  l.iJ)  hält  nach  Vorgang  der 
Const.  apost.  V,  7  die  babylonischen  Jünglinge  für  ein 
Synd)ol  der  Auferstehung:  er  führt  nebenbei  auch  Ter- 
tullian  an  (de  resurr.)  --. 

*iui  tenebatitur  Inclusi  mortis  vinculis  "liberavit.  —  IbidLirus  llispaleusi^ 
(Allcg.  in  b.  Script.)  gelit  wieder  auf  die  frülicre  Ansicht  zurüclc :  Tres  pueri 
practulerunl  tiguram  sanctoruni,  ijui  corpus  suum  in  persccutioucm  pro  Christi 
nomine  olitulerunt,  —  Cyrillus  Alex.indr.  (c.  3r  ad  Alyp.)  vergleicht  den 
Feuerofen  mit  der  Kirche:  Erat  enini  caiiiiuus  Ecciesiae  typus  Sanctos  habens 
tripudiantes,   non  liomines  tantuni  scd  et  Angelos. 

-'  Uossi  giiit  hiezu  folgende  F.rl;lärung  (Bull.  ISOG,  S.  63  u.  M) :  „Der 
licschauer  sieht  zur  Linken  die  drei  jüdischen  Jünglinge,  welche  die  Anbe- 
tung des  von  Nabuchodonosor  auf;j;estellten  Götzen  versagen.  Die  l)ai'stelluni; 
nnterscheidet  .-.ich  nicht  von  analogen  Keliefs  und  Malereien,  doch  hat  sie  ein 
sehr  vorraj,'ende>  Merkmal:  es  deutet  nämlich  der  Zweite  mit  der  Rechten  auf 
einen  über  dem  Haupte  de:^  Uritien  sichtbaren  8terr.,  der  au  den  die  Magier 
nach  Bethlehem  führenden  Stern  erinnert,  und  wirklich  sehen  wir  am  entge- 
gengesetzten Ende  des  Sarges  die  Anbetung  der  Magier  dargestellt ;  die  Mutter 
mit  dem  Kinde  ist  zwar  weggelirochen ,  kann  aber  auf  deni  AVege  der  Ana- 
logie ergänzt  werden.  Es  ist  demnacli  klar,  das.^  der  Künstler  mit  ...einen  in 
persischer  Tracht  gekleideten  hebrHischeu  Jünglingen  in  das  auf  der  entgegen- 
gesetzten Seite  dargestellte  .Magielbild  eindringen  wi.llie  (ha  voluto  compene- 
trare).  —  Die.-^cs  Ineinanderdriingen  der  zwei  verschiedenen  Sccncn  ist  nicht 
einem  individuellen  Ideengange  oder  einer  Laune  des  gallo-romanischen  Künst- 
lers zuzusclireil  en .  sondern  aus  der  mystischen  Auflassung  der  ersten  Jahr- 
hunderte des  Christenthums  entsi>rungeu ,  die  wir  jetzt  zu  erklären  vermö- 
gen, nachdem  wir  den  Sarkopiiag  von  St.  Gilles  kennen,  den  wir  nun  als 
Wegweiser  zu  anderen  ähnlichen,  an  anderen  Orten  vorkommenden  gebrau- 
chen können.  Bosio  hat  ein  Arcosoliuin  des  Calixtus 'scheu  Cöuieteriums 
publiclrt,  auf  welchem  die  Jünglinge  mit  den  Magiern  zugleich  abgebildet  vor- 
kommen. Ein  ähnliches,  stark  verblasstes  Gemälde  habe  ich  in  einem  anderen 
Arcosolium  desselben  Cömeteriums  erkannt;  ebenso  limlen  sich  die  vereinten 
Vorstellungen  auf  dem  Deckel  eines  von  Bosio  publicirten  vaticanischen 
Steinsarges.  Möglieh,  dass  auch  hier  der  Stern  über  den  Häuptern  der  Jüng- 
linge sichtbar  war,  und  dass  ihn  nur  Bosio  nicht  bemerkte ;  denn  er  kommt 
sowohl  in  Ö.  Ambrosio  von  Mailand,  als  in  St.  Gilles  vor;  auch  Hess  ilm 
dessen  Herausgeher  Ferrari,  trotz  seiner  Pünktlichkeit,  weg,  da  er  doch 
selbst  auf  der  sehr  schlechten  Zeichnung  Allegranza's  sichtbar  ist. 

-•  (.'orporum  c  resurrectione  futurae  intcgritatis  documento  fuerunt.  (luod 
b.abylonii  ignes  trium  fratrum  nee  tiaras  nee  sarabra  laeserunt;  und  Iraeneus 
(1.  V.  c.  5)  .\nanias ,  Azarias  et  Misael  missi  in  caminum  ignis  sepluplum 
exardentcm,  ueque  nociti  sunt  aliquid,  neque  odor  ignis  inventus  est  in  iis, 
et  de  Camino  ignis  satvi  exienint,  educti  veiut  manu  Dei  ad  ostensioneni  vir- 


Fig.  .'-.. 

Das  Mittelalter  verwechselte  die  liabylonischen 
Jünglinge  nicht  mit  den  Magiern,  auch  gebrauchte  es 
nicht  letztere  als  Nachläufer  der  ersteren,  indem  die 
Vorgänger  der  Magier  in  Abraham's  Zehenteinzug,  oder 
im  Besuche  der  Königin  \on  Saba,  oder  jenem  Abner"s 
bei  David  gesucht  werden,  und  so  stets  der  Begritf  der 
Ehrenbezeugung  vorhcrrsclite. 

Im  Gegensätze  wurde  durch  die  altciiristliclie  Kunst 
die  rntersclicidung  beider  (rruiipen,  wo  nicht  das  Idol 
oder  die  Jungfrau  hinzukommt,  unsicher,  ja  oft  unmög- 
lich gemacht.  Beide  Gruppen  kommen  übereiu  in  der 
Zahl  und  in  der  Kleidung:  der  phrygischen  Mütze,  dem 
Unterkleide,  Mantel,  weiten  Beinkleidern,  Sclmürstie- 
feln,  in  ihrer  schrittweisen  Bewegung-",  nach  Kossi 
ist  ilnieu  auch  der  Stern  und  die  Bulle  gemein.  In  Füuf- 
kircheu  ist  das  Bild  überdiess  derart  beschädigt,  dass 
weder  Stern  noch  Götzenbild  sichtbar  werden  kann, 
und  die  Präsentir- Schüsseln,  welche  in  Koller's  Zei- 
ciiiiiuig  Adrkomnien,  nicht  in  der  kleinsten  .Spur  mehr 
siclitgeblicben  sind. 

Es  sei  mir  hier  eine  unmassgebliche  Frage  gestat- 
tet. Warum  hat  sich  die  altchristliche  Symbolik  nicht 
des  Verses  11,  Matth.  III  bemächtigt  y  wo  es  heisst: 
.,  Ich  taufe  euch  nur  mit  Wasser,  auf  Busse  hin,  der  aber 
nacli  mir  auftritt ,  vermag  mehr  als  ich  :  nicht  einmal 


tutis  tjus.  Sic  et  nuiu  quamvis  qnidain  ignorantes  virtutem  et  permissionem 
Dei  contradicant  suae  saluti,  impossibile  existimantes  posse  Deuni  suscitantem 
corpora  in  sempiternain  perseverationem  eis  donare,  non  tarnen  iucredulitas 
taliuiu  evacuabit  fidem  Dei. 

-'  Garucci  bemerkt  (S.  49).  dass  die  Alten  ihre  Magier  nie  knieend  dar- 
stellten, sondern  im  i^Iomeate  ihrer  Ankunft,  gegen  Mutter  und  Kind  hin- 
sehreitcnd.  _Niun  antico  po>e  mai  in  ginocchio  i  niagi ,  come  ha  fatto  la  scuola 
nioderua .  ne  iu  atto  di  bacciare  il  jiiede  di  Kedentore-  Ai  pittori  e  scullori 
della  cliiesa  primitiva  piacque  piuttosto  csprimerc  Varrivo.  e  li  fii:urarono  nel- 
l'atto  di  prescntarsi  coi  loro  doni. 


64 


seine  Schuhe  ihm  zutragen,  bin  ich  würdiic;  dieser  wird 
euch  mit  dem  heiligen  Geist  und  mit  Feuer  taufen-. 
Warum  deuteten  sie  das  Feuer  blus  auf  die  Kraft  und 
Gewalt  des  heiligen  Geistes,  und  Hessen  hüclistens  in 
den  Feuerzungen  des  Pfingstfestes  das  Feuer  materiell 
erscheinen?  Fürchteten  sie  etwa,  in  die  Ideen  der 
Heiden,  in  deren  catharrsis,  in  die  Keinigung  durcli  die 
Elemente,  somit  auch  durch  das  Feuer  zu  verfallen? 

J  o  n  a  s. 

Seine  Geschichte  erzählt  der  Prophet  selbst  j*. 

Garucci  gibt  Taf.  IV,  Fig.  1  eine  Darstellung, 
welche  jener  von  Fünfkirchen  sehr  ähnlieh  ist,  und  die 
ich  der  Ergänzung  der  letzteren  wegen  in  Fig.  5  wieder- 
hole. Garne ci's  Erklärung  lautet: 

•->  Bosio  citirt  diessbezüglich  folgende  Schriftsteller  (S.  601  ft):  Mat- 
thäus XIl'39.  Dieses  böse  eliobrecherischc  Geschlecht  verlangt  ein  Zeichen! 
aber  soll  ihm  keines,  als  das  Zeichen  des  Propheten  Jonas  gegeben  werden. 
10  Denn  wie  Jonas  drei  Ta'-'e  und  drei  Nächte  in  dem  Bauche  des  Seeunge- 
heuers war-  so  wird  auch  der  Sohn  des  Menschen  drei  Tage  und  drei  Nachte 
imSchoosse  der  Erde  sein.  —  S.  H  iero  n  ymu  s  in  Jon.  Si  consideremus  ante 
pas«ionem  Christi  errores  nuiudi  et  diversorum  dogmatum  flatus  contrario.s,  et 
naviculam  totumque  ecnus  humanuni,  i.  e.  creaturara  Domiüi  periclilantcni.  et 
post  passioncm  ejus  tranquillitatem  lidei  et  orbis  iracem  et  secura  omnia  et  con- 
versionem  ad  Deuni ;  videl.imus  quomodo  jiost  praecipitationem  Jonae  steterit 
mare  a  fervore  suo.  —  Hi  er  on  y  mus  ep.  3  ad  Hei.  Devorasti  quidem  Jonam  , 
sed  in  utero  tuo  vivns  fuil.  Portasti  quasi  mortuum  ut  tcmpestas  mundi  con- 
auicsceret  et  Mnive  nostra  ilius  praeconio  salvaretur.  S.Augustinus  ip.  40. 
ad  oüest  6  de  miraculis.  Quid  iiguraverit,  quod  Prophetam  bellua  illa  dcvoratum 
tertio  die  vivum  rcddidit,  cur  a  nobis  queretur,  cum  hoc  Clirisius  expouat .'  Gc- 
neratlo  inquam  etc.  (siehe  oben  Matth.  Xll.  3S(.  40).  Sicut  ergo  Jonas  ex  navi 
in  alTum  ceti^  iia  Christus  ex  ligno  in  sepuUrum  et  in  mortis  profundura: 
e-  sicut  ille  pro  his ,  qui  tempestatc  pericliLintur ;  ita  Christus  pro  his ,  qui 
in  hoc  seculo  fluuiuant;  et  sicut  primo  jussum  est  ut  pr.dicaretur  Ninivilis  a 
Jona  sed  ad  cos  non  pervenit  prophetia  Jonae,  nisi  poslquam  eum  cetus  evo- 
muit-  ita  prophetia  proinissa  est  ad  gentes,  sed  nisi  po-t  resurrectionem  Christi 
nou  iervenit  ad  gentes.  -  T  he  op  h  i  1  us  in  Jona.  Xaturam  nostr.im  induens 
Dominus  unus  ex  nobis  factus,  et  uavini  iiostram  ingressiis.  Qui  etiam  se  ipsum 
ad  mortem  condemnaret,  non  tarnen  se  ipsum  projecit,  sed  projicitur.  —  Mortuo 
itaque  Chri-<to  ac  omnia  dcglutienti  balenac  iradilo  ,  spirituales  nequjliac  ces- 
saverunt  procellae  voluptatum  prostratae  sunt.  Tranquillit.ns  tola  et  p.ax  in  -vita 
versata  est  et  auimis  et  corporibus.  —  Prophetam  esse  figuram  Christi,  Navim 
e>se  typum  Judaeorum  Synagogae  ,  prorae  ohservatorem  .luicm  esse  Moysen, 
n"auta/ e»»e  prophet.ns,  mare  afflictione.s,  quac  nobis  debel.anlur :  sorlem  volun- 
tatem  Patris  sccundum  quam  Christus  in  mare  aerumnarum  prccipitalur ,  et 
alvuni  in-enl'is  ccti ,  h.  e.  mortis  ingredilur  ,  uhi  triduum  commoratus  resur- 
rcxlt  senlibu^  evangelium  annuncians,  ex  quibus  credentes  conservali  sunt. — 
Pitra  Spicilcg  Solesm  Bd.  III.  S.  bie:  citirt  über  Jon.-is  den  Ausspruch  V  ere- 
cundl  der  im  VI.  Jahrhundert  lebte:  In  ventre  ceti  conclusus,  nee  tarnen 
bcstiali'dente  veiatufi,  hoc  caniicum  a<lorationls  similitudinc  fudit;  in  tribula- 
lione  -e  conliden,  .ludienduni.  Non  est  in  tribuhitionc  silendum,  sed  vocibus 
Inchimanduni  ,  ut  si  mcrlto  fubiri  non  possis,  cl.imorls  anxijio  subleveris  .  .  .  . 
Exaudisil  vocem  mcam  In  occulto  ceti  ventre".  Mirus  est  intollectus ;  unde  se 
l'ntelllKit  exauditum,  qui  te  circumspicll  Intestinis  bclluae  circumseptum?  nlmi- 
rum  licet  fulssct  undis  obrutus,  venire  ferino  sepultus,  so  tarnen  confidit 
audl'tum  llabent  enim  sanctl  coBsclentiae  Signum  quo  se  sentiunt  postulanies 
audiri  nullis  Impedilionlbus  exciudendum.  Tali  se  iste  quoque  Intelleierat 
exauditum  „Projeclsti  mc  in  allltudine  cordis  maris,  et  llumina  mo  circuni- 
dederunl"  llistorlco  Intellectu,  prophcta  testatur  se  non  solum  in  cordo  maris, 
sed  In  altitudinem  marinl  cordis  abjectum,  quod  vel  profunditas  pelagi  datur 
IntelliKl  vel  ferlnl  venlris  abslrusa  teceseio,  quae  allltudo  cordis  maris  est 
nuncupa'ia-  ut  Ipsum  cor  niarls  beatia  locis  remotiorlbus  consiituta  utihter 
cognoscatur.  Incognitae  pcrquam  hujusmodi  be.tlae  raroquo  vlsibus  humanis 
conmercae  occulla»  Ibi  profunditaies  inqnitunl.  Altlludo  vcro  cordis  hujus 
Inleriora  sunt  piscl»  in  quo  projeelum  lugubrltcr  fatebatur.  Wobllilaa  vero 
venienllum  iranscuntiumque  aquarum  tlumlnibus  coraparauiiir;  quibus  so  clr- 
cumdarl  cernebat.  Sccrctorum  nobi»  potlus  agnlllo  conciulrenda,  voxque  mel 
iJomini  Salvalorls  est  „gnosceiida:    „Projecisli  me  in  ;,ltiludl.,c   cordis    mnris, 

.  ,-  flumlna  m.-  circumdederunt.  Projeci.tl  mo,  Inquam,  in  consci.ntlls  Hcbraco- 
rom  projecisti  In  cordis  altitudine  maris.  In  conslllo  utiquo  Judaeorum,  quoa 
mari«  vocabulo  demonslravll;  »empcr  Infidl,  tumultuosl,  mobiles:  nee  oiilm 
»ojsunt  manll.us  eum  pcrlmerc  cruenll.i,  nisi  prlu«  al.jecissent  infeslls.  Pro- 
Jeciu«  e>t  enIm  In  rordibu«  eorum,  qui  euin  In  te  credcndo  statuero  noluc- 
rnnt  et  caelerae  plcbl.  mullltudliie»  tnmquam  flumlna  In  una  marl»  »alaodlno 
coruls.enl,  quiim  In  rnodio  >ul  J.«u  posilo,  concl»ma»»orit:  ,Crucllige ,  crucl- 
flücl*  Tuin  sc  nUnIrum  vidit  flumlnil.u»  eircumdatum  et  inarlnl»  flucilhu«  coo- 
pertum  u  s  w.  —  In  niucMer  Zelt  hat  man  mit  der  Knn«t,  da.  Papier  in 
.palten,  viel  Aufheben»  gem»cl:t;  ob  d,..  IIaar.,palten  vor  Alter.,  nülallchep 
«ary  Vielleicht  für  die  Küche  de»  llaar.p»ller».  -  Uu|Mrtu.  aW.as  lu  Jon. 
c.  4.  Illud  mysilcc  li.tolllxendum  ,  quod  po.t  5uave  umbraculum  hdel  palrum 
legem  dedli,  et  rellifloMem  ...cerdoialem  per  .Moysen  Instliult;  ut  sul.  111«  con- 
tegorclur  verbum  Domini,  slvc  .plrltu«  verltall»  .  adapertus  flijurla  et  >|tmtnto 
lltterne.  nuao  congrue  »Ignlflcatur  per  viridilaf  rn  l.  vi,  haeder« ,  slve,  ut 
nuldam  volunl,  Cucurbitae.  Deiilquc  Cucurbita  et  ha.  dera  huju»  naturae  .unt, 
nt  per  terram  reptent,  lala  habente»  folla  In  modum  pampIni,  .t  ab»que  furcl» 
et  admlnlcull»,  quibus  Iroliantur,  alllora  non  peiuni.  Sic  irlrnlrum  lltlora  nequo 
»Ita  neqne  pr.iloj»  e.i.  -  Augu.llnu.  cp.  10.  Jnm  vero  quod  iai..rnaculum 
>lbl  constitult  et  con..dll  ex  adver.o  clvil.ti»  Slnlvc,  quid  el  futurum  esset 
e«peri»n»,  alterin»  »ignilieatlonl.  per»onam  prophetae  gtstal,«!;  praellgurabat 
enIm  carnale  populom  I.rael  ;    nam    hulc    erat  trlslllla   de    salule  Mnlvllarum, 

.  hoc  est  de  redempllono  et  llberatlone  gentium;  unde  venlt  Chrltlu«  vocaro 
non  Ju«t0B,  jed  peccntore»  ad  pnei.llcnliam.  Linbraculum  ergo  Cucurbitae  supor 
capnt  eju»,  proinlaslone«  erant  vetorl«  ie»lamenil,  vel  lp»a  .|am  muncra,  In 
qulbu«  erat  ullquc  rticut  dielt  «poitolu»)  umbra  futurorum  ;  lamquam  ab  acaiu 


..Betrachten  wir  das  mit  zwei  Rudern  und  einem 
Mäste  versehene  .Schiff',   an  letzterem  ist  das  jugum  an- 
gebracht, an  diesem  ist  das  Segel  zur  Hälfte  aufgezo- 
gen, dessen  Enden,  cornua,  von  Tauen  in  der  richtigen 
Lage  gehalten  werden, .daher  der  lateinische  Ausdruck: 
„obvertere    cm-nua"  ;    andere    vier   Taue    halten    das 
Pramsegel.  Über  dem  Mastkorlie,  carchesiuiii,  flattert 
die  Windfahne  ,    ■yr/^ao'-^g.    Um   die  Farbe   der  Wogen 
wiederzugeben,  hat  sich  der  Künstler  eines  aus  Aqua- 
marin bereiteten  Firnisses  bedient.    Der  Wallfisch  ge- 
hört  keiner  der  bekannten  Fisciiarten  an  ;    die  alten 
Künstler   überliessen    die   Eutsciieiduiig   hierüber   den 
Auslegern   der  Schrift   und   hielten  sich   allein   an   die 
Überlieferung  ilirerWtrgänger,  die  dasselbe  Ungeheuer 
in  der  Scene  der  Andromeda  oder  als  Seepferd  Ncptun's 
gebrauchte.  Das  Ungeheuer  war  Sinnbild  des  Todes, 
oder  vielmehr  der   Hölle  ,    welche   Jonas  versclilang  : 
„cetum  esse  non  dubitatur  infernum"    sagt    St.   Zeno 
(H,  XVII  o.).  Es  scheint,  als  oli  zuiuVorbild  eine  Art  der 
fabelhaften  Plioca  gedient  hätte,  denn  dieser  gleicht  es 
mit  seinen  patschefönnigen  Praiichien  am  meisten  noch. 
(Siehe  bezüglich  auf  Jonas,  Wallfiscli,  Macar.  Hieroglypt. 
S.  211 — 22:;). —  Wieder  verschieden   hievnii    spricht 
sich  Garucci  S.  39  aus.    Obschon  der  Walltiscli  das 
Grab  sinnbildert,  ist  er  doch  kein  Symbol  des  Todes, 
sondern  der  Aufcrsteiiung  «,  da  Jonas  sagt:  „er  habe  zu 
(!ott  gefleht  und  sei  erhört  worden",  und  so  ist  mit  dem 
Iiegrifl'e  seines  Grabes  Jener  seiner  Auferstehung  ver- 
bunden. Nachdem  der  Tod  Christus  zur  Ueute  gemacht, 
dessen  Vorbild  Jonas  ist,  hörte  die  \erdainmung  auf. 
(Koloss.  II,  13)^«. 

Jonas'  Geschiclite  diente  schon  in  den  ältesten 
Zeiten  als  symbolische  Darstellung,  wie  dies  l\ossi  in 
einem  bedeutenden  Zeugniss  nachweist  (K.  sotr.  II, 
3t5ö).  „Des  Kufinus  AVorte  beweisen  das  hohe  Alter, 
welches  man  in  der  Zeit  der  Sarkoiihage  (IV.  Jahrh.) 
den  Darstellungen  dieser  Geschichte  beiiiiass ;  denn 
Iliitiiius  sclircibt:  posteatpiam  sc'uuit  muiidus  et  per- 
urgeiitur  cuiicta  ad  tineiii,  scribaiiius  in  sepulcris  vete- 
ruin  ....  quia  Jonas  non  habiiit  uiiibram  Cucurbitae  sed 
haederae  (Invect.II,  3ö  inA'aliarsi  (tp]).  S.  llieron.  T.  II, 
)).  ()();!).  Dieses  aus  dem  IV.  .laiirhundcrt  staiiimende, 
sich  auf  das  allgemeine  Hewusstsein  stützende  ZtMig- 
nis's  stimmt  vollkommen  mit  unserer  archäologischen 
Überzeugung,  natdi  welcher  die  Darstellung  des  Pro- 
pheten auf  Grabmälern  bereits  im  II.,  ja  vielleicht  schon 
im  I.  .lahrliiiiidert  xorkaiii.- 

Füi'  iieidos,  das  lioiie -\lter  der  Darstellung  unddie 
symbolische  Bedeutung,  widclie  man  der  Geschichte 
des  Proiiheten  zuschrieli ,  spricht  auch  der  Umstand, 
dass  dieselbe  niclit  weniger  als  viermal  in  den  fünf  älte- 

temporalliim  majorum  In  terra  promlsslonls  defonsaculum  praeberot ,  vermls 
autcm  matutinus  ,  quo  rodcnte  Cucurbita  exarult,  Idem  rursus  Christus  occnr- 
rll.  (Kann  man  noch  welter  gellen  als  dun  Krlöser  zum  Wurm  machen  0  ex 
cujus  ore ,  Kvangollo  dlfTamato,  cunrta  Illa  quae  temporalitor  apud  Israelitaa, 
velut  uniliraciill  prius  slgnlllcatione  vigucrunt,  ovacuala  mannerunt.  Kl  nunc 
ille  populu.  amis.^io  llyor"s(iliinarnin  regno  et  »acerdote  et  saeritleiis,  quod 
totum  uinbra  erat  fuliiri  in  eaptlva  dlsposllione  magno  aeslu  tril'Ulationi>  addu- 
cliur  sicut  Jonas  (Ich  begreife  nicht  reciit,  wlo  sich  hier  llosio  auf  l'salln  XXll. 
7.  beruft,  wo  der  Dichter  von  sich  sagt;  „Aber  ich,  ein  Wurm  bin  Icli,  und. 
kein  .Mi-nBCh,  .Spott  der  Leute,  und  der  Veraclitelste  des   Volkes"). 

-*  QueBto  cirlo  portanto  quantuiiqno  raepr* ■^en^l  it  sepolcro,  nulla  diniono 
non  e  ftlmbolo  dl  morto ,  ma  di  rlNiirrezIono  Der  Ungiir  hat  ein  nriüberset/.- 
baro»  Spriithwort  hiofiir  „IIa  akarom  vetnhes,  lia  nem  akarom  nein  vomlies." 

-•^  llllarlus  I.  c.  M.  Per  prlniüias  ex  niortnls  ab  h.iminum  genore 
mono  depnlea,  wurde  uns  die  verlorno  l'nstorbllclikeit  wieder  gesehenkt  (vgl. 
H.  Zeno  1.  Trait.  XU.  8)  gleicherweise  sagt  Chrysologus  («orm.  :)") :  Adest 
bellua  de  profundo  toluni  donitnicae  rosurrcctionis  imi.Iotnra  et  proditura.  imo 
conccptura  mysterium.  Adest  bellua,  adest  liiiago  hon-ida  et  crudolls  Inl'ernl, 
quiio  dum  fortur  fauclbus  avidls  In  prophetam,  vigoroni  sui  sensit  et  degusta- 
Vit  BUtori» ;  Incurrlt  namque  jejuniam  dcvorjindo. 


—     63     — 


stcn  KiuiiiiRM-ii  des  Calixtus'scheu  Cö- 
meteriums    vorkommt  -•. 

Ohne  Rezieliuiig  auf  die  Bibel  und 
KirchcDScliriCtstcllcT iTselieiiit  <las  See- 
ungeheuer  als  eine  Verschlechterung 
oder  Karrikirnng  des  antiken  See- 
drachen, oder  Seepferdes,  des  Hi])po- 
camiius,  den  wir  so  häutig  antretlen, 
besonders  auf  Darstellungen  der  Seezüge  Neptun's  und 
seiner  Gemalin  Amphitrite. 

Ein  sehr  ausgezeichnetes  Beispiel  dieses  antiken 
Hippocampus  ist  das  hier  ahgcliildete,  welches  sich  in 
der  ehemaligen  Antikensannnlung  (iabriel  Fejerva- 
ry"s  befand  und  ]!Sl)8  in  der  Pariser  Auction  desselben 
nni  den  Spottpreis  von  55  Franken  hintangegeben 
wurde  (Fig.  6)  '^s. 

Der  sogenannte  Wallfisch  der  C'alixtus'schen  Kam- 
mern ist  als  die  Copie  des  antiken  Pistrix  zu  betrach- 
ten, unterscheidet  sich  aber  von  diesem  durch  seine 
mangelhalte  Darstellung.  Noch  tiefer  sank  das  For- 
menverständniss  in  den  Darstellungen der  Glasschalen 
mit  Goldgrund,  wie  dies  Fig.  5  zeigt,  aber  auch  hier 
noch  ist  es  bedeutender  als  auf  dem  Bilde  der  Kammer 
in  Füntkirchen,  weshalb  wir  auch  dieses  nicht  vor  die 
Mitte  des  IV.  Jahrhunderts  zu  setzen  berechtigt  sind. 

Was  nun  die  Pflanze  anlangt,  unter  welcher  Jonas 
ruhte,  ob  diese  eine  „haedcra-'  oder  eine  „Cucur- 
bita" war,  verweise  ich  auf  die  Ansicht  von  blos  zwei 
neueren  Schriftstellern :  1.  an  die  Trist ram's  und  2. 
die  Rosenmüller's  -». 

='  Kossi  .,!!.  sott"  II.  Thcil,  Taf.  XIV.  XVl.  XX.  und  XXV. 

-^  Im  Katalog  dt-r  Londoner  AusstL-lItmg  dieser  ausgezeichneten  Samin-. 
lung  V.  J.  1851  habe  icii  Folgendes  geschrieben:  „Nr.  189  Seadragon,  with  the 
iiame  ot  the  artist  .\.'\EH,\.  Cameo  of  two  layers".  In  dem  -von  F.  Pulszky 
angefertigten  Pariser  Aitctionscatalog  steht  ;  „Xr.  39j.  Dragon  marin  (ijislrix) 
avec  1' jnscriplion  antique  en  relief  A  AE5.\ ;  nom  authenticjue  du  graveur,  sar- 
doine  ä  denx  couclies  211  niillinu-tres.  Der  Buchstabe  K  ist  im  liolzscimitte  etwas 
mittelalterlich  ausgefallen,  weil  die  Füllung  der  Zwischenräume  zwischen  dem 
geraden  3Iittelstrich  und  den  beiden  Enden  der  Bogenlinie,  um  den  Mittel- 
strich nicht  sclnvach  zu  machen,  nicht  rein  herausgeschnitten  wurde.  Der 
Name  Alexa  liegt  in  der  oberen  Onyxschichte  des  Cameo,  konnte  demnach 
^.l9''^  erst  von  einem  spateren  Fälscher  eingeschnitten  werden;  daher  läugnet 
Köhler  mit  Unrecht  in  seiner  „Abhanillung  über  die  geschnittenen  Steine  mit 
dem  Namen  des  Künstlers,  Petersburg  ISjl"  (S.  17Ü.  ff.)  die  Existenz  dieses 
antiken  Steinschneiders,  mng  jedoch  Recht  haben,  wenn  er  denselben  nicht 
als  Vater  eines  t^Juintus  und  Aulus  gelten  lässt.  Eine  andere  Frage  ist  die,  ob 
Alesa  nicht  eine  .Abkürzung  von  Alexandres  sein  soll?  Fejervärys  Sammlung 
"war,  bevor  sie  in  Paris  veräussert  wurde  ,  in  Pest  in  einem  Saale  der  ungaii- 
schen  Akademie  der  Wissenschaften  ausgestellt,  wo  ich  hierüber  folgende 
Bemerkuug  machte.  Ein  sehr  vorzügliches  Seepferd,  dessen  Werth  der 
Künstler  selbst  gefühlt  hat,  indem  er  seinen  Namen  „Alexa"  auf  den  Stein 
setzte.  Obschon  dieser  Stein  blos  ein  Fragment  ist ,  wird  er  doch  auch  in 
einer  anderen  Hinsicht,  als  jener  des  Kunstwertlies,  merkwürdig,  in  sofern 
näinlich  die  altchristlichen  Künstler  den  Walllisch,  welcher  Jonas  verschlang, 
nach  diesem  acht  griechischen  Vorbilde  darstellten,  obschon  dessen  langer 
Schwanenhals  nicht  geeignet  war,  ein  so  unruhiges  Individuum,  als  der  Prophet 
war,  passiren  zu  lassen. 

-"  Tristr  am  sagt  in  „The  natural  history of  tlie  bibleT-ond.  1868.  S.  449. 
„Gourd  (Kürbis) ,  hebräisch  Kikajon"  kommt  blos  bei  Jonas  1  VI,  5—10)  vor.  Man 
hat  ganze  Bogen  angefüllt  damit,  was  eigentlich  dies  ,.gourdu  bedeute.  Der 
Streit  ist  ein  alter,  denn  als  der  h.  Ilieronymus  dies  Wort  mit  Epheu  übersetzte, 
war  der  heil,  .\ugustinus  so  entrüstet,  dass  er  die  Übersetzung  eine  Ketzerei 
schalt.  Die  populärste  Wiedergabe  war  die,  welche  das  Kikajon  in  dem  ara- 
bischen Elkeroa ,  dem  Castor-(31baum  (Ricinus  communisj  fand.  Der  gewich- 
tigste Grund  für  diese  Erklärung  liegt  in  der  Ableitung  des  Wortes  von  dem 
ägyptischen  Kiki,  und  dass  der  rabbinische  Name  'des  Castor-Öls  ebenfalls 
Kiki-Ol  ist.  Der  Ricinus  ist  eher  ein  grosser  Strauch,  denn  eiji  Baum,  und 
hat  grosse  haiidforniige  Blätter,  mit  sägoartigen  Lappen  und  Ahrenblüthen, 
welche  den  in  klei:.en__Hülseu  sitzenden  Samen  liefern,  aus  welchem  das  in 
der  Medizin  bekannte  Öl  gewonnen  wird.  Her  Straucli  wächst  im  ganzen  Orient 
wild,  ist  jedoch  kein  zum  Schatten  benutzter  Baum,  obschon  man  unter  seinen 
breiten  Blättern  Schutz  vor  den  Sonnenstrahlen  linden  kann.  In  den  wärmeren 
Theilen  von  Palästina  erreicht  er  die  bedeutende  Höhe  von  12  bis  li  Fuss. 
Der  etymologische  Grund  zur  Annahme  des  Ricinus  ist  demnach  allerdings 
stark  :  dennoch  bin  ich  melir  geneigt,  unsere  englische  Übersetzung  in  Fla- 
EChenkiirblss  (Bottle-Gourdj  (Cucurbita  pepol  anzunehmen.  N  i  e  b  u  h  r,  der  eben- 
falls dieser  Ansicht  ist,  bemerkt  in  einem  Reisebuch ,  dass  die  Juden  von 
Jlossul,  wo  beide  Pflanzen  heimisch  sind,  annehmen,  es  sei  der  Kürbis  (Cu- 
curbita-Elkerral  und  nicht  der  Castor-(3lbaum  (Elkeroa)  gewesen,  unter  dessen 
Schatten  Jonas  ruhte.  In  Palmyra  sind  die  beiden  Namen  im  Klange  beinahe 
identisch,  da  der  Kürbis  „Kurah''  der  Ricinus  „Khurwah"  lautet.  Die  Kür- 
bispflanze wird  hier  gewöhnlich  angewandt,  den  Bäumen  Schatten  zu  geben  j 
ihr  rapides  Wacbsthum  ,  ihre  breiten  Blätter  sind  besonders  geeignet,  die- 
selbe auf  Laitenwerk  zu  ziehen.    Im  südlichen  Amerika   macht    man    von  der 


Die  alten  Künstler  stellen  sich,  wie  wir,  auf  die 
Seite  Tristram's ;  zwar  nicht  auf  dem  Bilde  von  Fünf- 
kirchen,  wo  die  Pflanze  kaum  erkennbar  ist,  aber  auf 
siimmtlichcn  Sarkophag-Iieliefs ,  die  bei  Aricghi  ab- 
gebildet sind,  wo  eine  der  in  Ungarn  so  häuflg  vorkom- 
menden heberförmigen  Kürbisarten  (lopö-tök)  sichtbar 
wird. 

In  P.ezug  auf  die  Art,  die  Geschichte  der  Prophe- 
ten darzustellen,  i.st  dieselbe  in  den  ('alixtns' sehen 
Kanmiern  in  drei  Abschnitte  getheilt.  Aul  l{ossi'.s 
Tafel  XIV  geht  die  Geschichte  von  rechts  nach  links; 
auf  dem  ersten  Bilde  wird  Jonas  nicht  ins  Meer  gewor- 
fen, sondern  er  siiringt  selbst  hinein,  wo  iliii  das  Un- 
geheuer mit  offenem  Bachen  erwartet,  links  sehen  wir 
letzteres,  en  contrepartie,  der  Prophet  ragt  mit  halbem 
Leibe  aus  ihm  hervor,  in  der  dritten,  von  beiden  erste- 
ren  nicht  gesonderten  Scene  liegt  der  nackte  Jonas  unter 
einer  Kurbislaube.  —  Auf  T.  XVI  sind  die  Scenen  von 
einander  gesondert,  links  wird  Jonas  ins  !Meer  gewor- 
fen, rechts  entschlüpft  er  dem  Bachen  des  Pistrix,  vor 
ihm  ist  eher  eine  Höhle  als  eine  Laube  sichtbar,   end- 

Pflanze  denselben  Gebrauch  der  Baumbeschattung,  und  ihr  Wachsthum  ist  so 
schnell,  dass  er  oft  in  einem  Tag  einen  Fuss  beträgt.  In  den  Gärten  von  Sydon 
kommt  der  Kürbis  sehr  häufig  vor  ,  doch  welkt  die  Pflanze  eben  so  schnell 
hin  als  sie  aufschiesst  und  nach  einem  Sturm  oder  der  Bescliiidigung  des 
Stammes  hängen  die  Früchte  an  den  laublosen  Zweigen.  Nun  wird  uns  aus- 
drücklich gesagt,  das  Jonas  sich  ,.eine  Hütte"  machte  und  Jehova  fügte  es, 
dass  ein  Wunderbaum  „Kikajon"  über  Jonas  wuchs,  um  seinem  Haupte 
Schatten  zu  geben,  das  Schattengeben  ist  aber  genau  die  Aufgabe  des  Kür- 
bisses. Jonas  hatte  seine  gebrechliche  Hütte  aus  Zweigen  gebaut,  die  bald 
welk  wurden  ,  daher  mussfe  er  anderswoher  Schatten  erhalten,  dies  geschah 
durch  die  Ranken  des  Kürbisses,  welche  die  Zweige  verschlossen  und  so  dem 
i'rojdieten  Schutz  gewährten.  Ter  Ricinus  vermag  im  Gegentheile,  keinen 
bestehenden  Baum  zu  umranken,  noch  ist  ihm  ein  so  fchnelles  Wachsthum 
und  ebenso  rasches  Hinwelken  eigen  als  dem  Kürbis". 

BciRos  enm  Uli  er  (Handbuch  d.  bibl.Alt.  Kunde,  Leipzig  ]S30)finden 
wir  S.  123  flf.  über  Kikajon,  den  Wunderbaum,  folgendes:  „Die  Laube,  unter 
welche  sich  der  Prophet  Jonas  vor  der  Stadt  Ninive  setzte,  um  das  Schicksal 
derselben  abzuwarten ,  wurde ,  wie  in  dem  nach  ihm  benannten  Buche  IV.  5 
erzählt  wird,  von  einer  Pflanae,  Kikajon  genannt,  dit^in  einer  Nacht  empor- 
gewachsen war,  beschattet.  Ilieronymus  sagt  in  seinem  C'ommentar  über  das 
Bucli  Jonas,  in  der  syrischen  und  punischen  Sprache  werde  diese  Pflanze 
El-Keroa  genannt;  es  sei  ein  in  Palestina  häufiger,  an  sandigen  Orten  wach- 
sender Strauch,  der  so  schnell  wachse,  dass  er  in  wenigen  Tagen  eine  ansehn- 
liche Höhe  erreiche.  „Seine  Blätter",  setzte  er  hinzu,  „sind  breit,  den  Bläitern 
des  Weinstocks  ähnlich.  Sein  Stamm  steht  aufrecht,  ohne  dass  er  einer  Stütze 
bedarf,  und  seine  breiten  Blätter  geben  einen  angenehmen  Schatten".  In  dieser 
Beschreibung  und  dem  von  Hieronynms  angegebenen  Namen  ist  der  Ricinus, 
deutsch  der  Wunderbaum,  der  auch  bei  uns  in  Gärten  gezogen  wird,  nicht  zu 
verkennen.  Dieses  Staudengewäclis  hat  einen  dicken  hohlen  Stengel,  voll 
Knoten  und  Gelenke,  an  deren  jedem  die  breiten,  seciis-  oder  sieben-  oder 
auch  mehrmal  zertlieilten  und  am  Rande  eingekeilten  Blätter  hervorkommen. 
Zwischen  diesen  und  dem  Stengel  kommen  die  gelben  mosigen  Blühten  heraus, 
aus  welchen  dreieckige,  mit  rothen  Fasern  besetzte  Schoten  werden,  von 
welchen  jede  drei  bunte  längliche  Körner  mit  einem  weissen  öligen  Ivern  in 
sich  schliesst.  Niebuhr  (Beschr.  v.  Arabien.  S.  148)  sah  zu  Basra  einen  El- 
Kerroa-Str.auch,  der  die  Gestalt  eines  Baumes  hatte.  „Der  Stamm"  bemerkt 
er,  „schien  mir  aber  mehr  Blätter  als  Holz  zu  sein,  doch  ist  er  härter,  als 
das  Gewächs,  welches  die  sogcn.annte  .-^dams-Feige  trägt.  Jeder  Zweig  hat  ein 
grosses  Blatt,  mit  6,  7  und  8  Ecken.  Die  Pflanze  stand  an  einer  Wasserrinne, 
wo  sie  gut  gewässert  ward.  Sie  war  (zu  Ende  des  Octobers)  in  fünf  Monaten 
etwa  8  Fuss  hoch  gewachsen  und  halte  zugleich  Blüthen ,  grüne  und  reife 
Früchte.  Ein  anderer  Baum  von  eben  dieser  Art,  welcher  nicht  so  viel  Wasser 
gehabt  hatte,  war  in  zwölf  Monaten  nicht  höher  geworden.  Einige  Blätter  und 
Blüthen,  die  ich  abbrach,  verwelkten  in  wenigen  Minuten,  wie  alle  geschwind 
wachsenden  Ivräuter  zu  thun  pflegen".  So  verwelkte  auch  der  Wunderbaum, 
unter  dessen  Schatten  Jonas  sass,  als  ihn  beim  Ergrauen  des  Tages  ein  Insect 
stach,  so  schnell,  dass  schon  als  die  Sonne  aufging,  der  Strauch  verwelkt  war. 
IV.  7,  S.  Kauwolf  find  in  der  Nähe  von  Tripolis  in  Syrien  den  Wuuder- 
baum,  welchen,  wie  er  bemerkte,  die  Araber  El-Iverua  nennen,  in  einer  solchen 
Menge,  dass  man  auf  dem  Wege  kaum  dazwischen  durchkommen  konnte  (Reise 
S.  G-2).  —  Der  älteste  griechische,  alesandrinische  Übersetzer  erklärt  d.is 
hebräische  Wort  Kik.ijon,  durch  Koloquinte,  eine  .^rt  von  wildem  Kürbis, 
wesshalb  mehrere  andere  Übersetzer,  auch  Luther,  Kürbis  übersetzt  haben. 
Und  Niebuhr  bemerkt  la.  a.  O.),  die  Cbristen  und  Juden  zu  Mosul  und  Haleb 
behaupteten,  dass  Elcherroa  nicht  das  Gewächs  sei,  welches  dem  Jonas 
Schatten  gab,  sondern  eine  Art  Kürbis  ,  Elkerra ,  die  nicht  nur  sehr  grosse 
Blätter,  sondern  auch  eine  sehr  grosse  Frucht  trägt,  und  nicht  länger  als 
vier  Monate  dauert.  Diese  Meinung  hat  auch  J.  E.  Faber  in  seinen  Anmer- 
kungen zu  Harmer's  Beobachtungen  über  den  Orient,  Th.  I.  S.  145,  verthei- 
digt.  Für  die  von  Hieronymus  erwähnte  Meinung  der  palästinensischen  Juden, 
dass  Kikajon  den  Wnuderbaum  bedeute,  ist  jedoch  nicht  allein  das,  was  im 
Jonas  von  dem  schnellen  Wuchs  und  dem  Verwelken  des  Kikajon  gesagt 
wird,  auf  den  Ricinus  oder  Wunderbaum  vollkommen  passt;  sondern  auch 
der  Umstand,  dass  der  hebräische  Name  offenbar  aus  dem  ägyptischen  Namen 
derselben  Pflanze  Kiki  (s.  Herodot  IL  V.  94  und  Jablonsky's  Opusc.  P.  I. 
p.  110)  und  mit  hinzugesetzter  hebräischer  Endung  entstanden,  und  das  von 
den  Talmudisien  erwähnte  Kiki.(3l  ans  den  Samenkörnern  des  Wunderbaumes 
bereitet  wird;  s.  Buxtorfs  Lexic.  chald.  Talmud,  p.  2029.  Auch  Dioscori- 
des  (Bd.  IV.  C.  164)  beschreibt  den  Wunderbaum  unter  dem  Namen  Kiki 
und  nennt  das  aus  seinem  Samen  bereitete  Öl  Kixivov  D.oiov. 


—     66     - 


Fig.  V. 

lieh  liegt  der  nackte  Prophet  auf  der  Erde ,  mit  einem 
Gcstu.s  der  Linken  ,  welcher  an  das  antike  Ausruhen 
lieini  Apollo  anapaumenos  erinnert.  Ebensi)  liegt  der 
Prophet  nackt  auf  T.  XX  in  der  Kürbislaube  (das  Ver- 
schlingen und  Ausgespieenwerden  fehlt  hier).  Ebenso  ist 
aufT.  XXVI  l)los  die  Rettung  des  Propheten  aus  dem 
Pistrixrachen  dargestellt. 

Die  Abbildungen  der  8ark<ipliagen-l\eliets  und  der 
Glasschalcn  sind  den  hier  angeführten  ähnlich.  Ganz 
analog  zeigt  sich  das  Bild  in  Fünfkirchen,  welches  hier 
auch  zum  Vergleiche  mit  Fig.  7  wiederholt  wird.  Wir 
hatii'n  liier  zwei  Scenen:  wie  der  Prophet  verschlungen 
wird .  und  wie  er  unter  der  Laube  stehend  erscheint ; 
der  Pistrix  hat  ihn  hinter  dem  Schiffe  ausgespieen.  Die 
Ungeschicklichkeit  des  Malers,  das  Nackte  darzustel- 
len, hat  hier  aus  Jonas  in  der  That  ein  Weib  gemacht, 
wie  dies  die  Figur  in  grösserem  Massstabe  auf  unserer 
Taf.  II,  Fig.  1  zeigt.  Obschon  der  l'istrix  grosseutheils 
verschwunden  ist,  sieht  man  doch  noch  so  viel,  dass 
man  an  KoUer's  Verdoppelung  des  Fisches  nicht 
glauben  kann.  Das  Schiff  ist  weit  ärmlicher  ausgestat- 
tet, als  das  auf  Garn cci's  Glasschale,  vielleicht  hat 
der  Maler  blos  ein  Fluss-  und  kein  SeesciiilT  zum  Mddell 
genommen. 

Die  Apostel    Peter   und  Paul   (Taf.  II,   Fig.  2 
und  .']). 

Uossi  wirtt  im  l'>\\\\.  di  arceol.crist.  Jahrg.  18()4, 
S.  M  die  Frage  auf:  Sind  die  altchristlicheii  Typen  der 
Apostel  Peter  und  Paul  waiirliaft  oder  iiios  c(in\entio- 
nell,  ständig  uinl  sicher,  oder  verschieden  und  zweifel- 
haft? "■"  Über  diese  Frage  wurde  nicht  nur  in  früheren 
.lahrimnderten  gestritten,  .sondern  sie  wird  neuerdings 
\((U  kritischen  Arcli;i(ilog(Mi  erörtert:  unter  diesen  sind, 
iiebini  Udss  i,  noch  Norziiglii-h  anziiliihren  :  Polidori 
in  »einem  IH'M  in  Mailand  gedruckten  „Delb'  imagini 
de  SS.  Pietro  et  Paolo";  Garucci  in  seinen  „Amner- 
knngen  zu  Macarius  Ilagioglyjit."  und  in  seinem  bereits 
öfter  augeflilirtcn  Win-ke  über  die  altchristliclu;n  (!las- 
»clialen  ;  iMidlicIi  (irimoard  de  Sl.  Laiiiciit  im 
„Aper(;u  iconograidiicpie  sur  St.  Pierre  et  St.  Paul",  er 
schienen  in  Didmn's  ..Annales  Arclieol."  Hd.  XXIII  n. 
XXIV. 

Dil-  Aiisicilt  der  ältesten  Sclirin^tcllci  tUssl  liuo- 
narniti   in  Folgnidiin  zusammen: 


Es  war  besonders  die  römische  Kirche,  die  es  sieh 
angelegen  sein  Hess,  die  wahren  Piildnisse  der  Apostel- 
fürsten zu  erhalten  ;  dieses  bezeugen  die  alten  Male- 
reien und  Mosaiken,  deren  .Mehrzahl  im  ganzen  Verlaufe 
der  Zeit  dieselbe  Physiognomie  treu  bewahrt. 

Polidori  geht  auf  den  Typus  näher  ein,  indem 
er  sagt:  Peter's  Haupthaar  und  Bart  ist  zwar  kurz, 
aber  dicht  und  gekraust ,  sein  Gesicht  rundlich  und 
etwas  derb  (in  certoniodo  grossolano);  dagegen  ist  bei 
Paul  der  Oberschädel  kahl,  der  Bart  länglich  und  ge- 
theilt  (barba  distesa) .  das  Antlitz  nicht  rundlich,  son- 
dern von  feinen  Zügen. 

Rossi  sagt:  „Es  ist  bestimnit,dass  Eusebius  histo- 
risch erzählt,  wie  die  Bildnisse  der  l)eiden  Apostel  sich 
bis  zu  seiner  Zeit  erhalten  haben.  Wenn  wir  dieses 
wichtige  historische  Zeugniss  gelten  lassen ,  können 
wir  diejenigen  nicht  als  Sonderlinge  ansehen,  welche 
sich  Mühe  geben,  besagte  Bildnisse  in  den  Deidimälern 
der  ersten  Jahriiunderte  herauszutinden  und  nachzu- 
weisen suchen  ,  inwiefern  diese  mit  den  im  IV.  Jahr- 
hunderte gebräuchlichen  Typen  übereinstinnnen.  Aus- 
ser Born  kenne  ich  kein  derartiges  Denkmal  aus  den 
ersten  drei  Jahrhunderten,  in  Koni  jedoch,  wo  in  den 
Cömeterien  so  viel  Gemälde  und  andere  Denkmäler 
übrig  geblieben,  dürfen  wir,  auf  gewichtige  Gründe  ge- 
stützt ,  verschiedene  Bilder  der  Apostel  in  diese  ent- 
fernte Zeit  setzen.  Hier  will  ich  blos  von  einem 
Bri)nccrelief  sprechen  ,  welches  meiner  Ansicht  nach 
das  älteste  Beispiel  der  vereinigten  Bildnisse  der 
Apostel  Peter  und  Paul  ist ;  gegenwärtig  betindet  es 
sich  in  der  Abtheilung  der  heiligen  Gegenstände  der 
vaticanisclien  Bildiothek;  es  wurde  von  Boldetti  im 
C'ömcterium  der  Doiuitilla  gefunden  ,  welches  er  für 
jenes  des  C'alixtus  hielt.  Niemand  zweifelte  noch  daran, 
dass  wir  es  hier  mit  den  Bildnissen  der  beiden  Apostel 
zu  thun  haben.  Der  Kunstwerth  dieser  Köpfe  ist  so  weit 
von  jenem  der  Ereignisse  des  IV.  Jahrhunderfs  verschie- 
den, und  weist  so  sprechend  auf  eine  dem  N'erfalle  vor- 
hergehende Zeit  hin,  dass  diese  beiden  l'mstände  un- 
serem Relief  ein  hohes  Alter  sichern  müssen  (Fig.  8 
und  ii). 

Die  Platte  zeigt  ein  mit  dem  Hammer  getriebenes 
und  dann  mit  dem  Punzen  und  Meissel  ciselirtes  Werk. 
Einige  ähnliche  Werke  haben  sich  noch  aus  dem  ersten 
christlichen  Jahrhundert  vorgefunden  ;  ich  habe  selbst 
deren  Eindrücke  auf  den  Mörtelschichten  der  Cömete- 
rien gesehen. 

Ein  ainleres  erwälinenswertlies  \\\'rk  ist  <las  um 
ein  J:iiii-|iiui(liTl   später  in   demselbi'ii  ('ömetrriuin   auf- 


■"  t  »r  piitirti 
lill  1    varhll? 


«T.iri,  <•  runvcnzfonati;  »laMli 


Fig  8. 


Fig.  <). 


67 


V\g.  10. 


gefundene ,  das  licute  eben- 
falls im  vaticiinisolieu  Jluse- 
nui  aufbewahrt  wird ;  es  ist 
jedoch  unvollständig ,  indem 
IbIos  das  Bildniss  Peter's,  und 
von  jenem  Paul's  nur  sehr  we- 
nig Züge  erhalten  sind.  Die 
alte  Mörtelseilichte,  in  welcher 
die  Platte  befestigt  war,  hat 
auch  jetzt  noch  einen  Theil 
der  Bronze  zurückbehalten, 
welcher  auf  dem  Wege  der 
Oxydation  sich  von  der  Platte 
loslöste.  Mau  braucht  nur 
einen  vergleichenden  Blick 
auf  die  beiden  Platten  zu 
werfen  ,   um  den  ungelienren 


Unterschied  alsogleich  zu  cmphndeu,  und  doch  gehört 
auch  Fig.  10  noch  nicht  in  die  Zeit  des  gänzlichen 
Kunstvertalles;  der  Faltenwurf  ist  noch  in  der  guten 
antiken  Art  angeordnet,  der  Kopf  ist  zwar  etwas  roh 
gearbeitet,  doch  ist  er  noch  sehr  weit  vom  Byzantinis- 
mus entfernt;  mit  einem  AVort ,  wir  können  Fig.  10 
noch  immer  nicht  näher  als  in  das  IV.  Jahrhundert 
setzen ,  womit  auch  dessen  Fundort  .stimmt.  Nichts- 
destoweniger sind  die  Köpfe  8  und  9  im  Vergleich  mit 
10  als  A\'underkunstwerke  zu  betrachten ,  und  mit 
Kück sieht  darauf,  dass  die  Werke  christlicher  Künstler 
immer  schwächer  sind ,  als  die  der  heidnischen ,  wäreli 
sie  ihrem  classischcn  Style  nach  zu  nrtheilen  eher  als 
griechische,  denn  als  römische  Arbeit  anzusehen.  Um 
nun  aber  ihre  F.ntstehungszeit  näher  zu  bestimmen, 
muss  ich  eine  ähnliche  Bronze-Arbeit  der  heidnischen 
Kunst  anführen  ,  deren  Anfertigungszeit  sicher ,  oder 
doch  naliezu  bestimmbar  ist ,  oder  ich  muss  sie  mif 
einer  Bildliauerarbeit  des  zweiten  und  dritten  Jahrhun- 
derts zusammenstellen  ;  denn  einem  dieser  Jalirhun- 
derte  gehört  unsere  Bronzeplatte  zuversichtlieh  an. 

Dies  kann  aber  nicht  mit  wenig  Worten  gesche- 
hen ;  so  möge  hier  blos  die  Bemerkung  stehen,  dnss 
jedes  mit  den  lieidnischen  und  christlichen  Kunstwerken 
des  in.  Jahrhunderts  vertraute  Auge  die  Bronzeplatte 
nicht  für  jünger  als  die  Zeit  des  Septimius  f^everus  iial- 
ten  wird. 

Nun  sind  aber  die  Typen  der  beiden  Köpfe  weder 
ideelle,  noch  conventioneile ,  sondern  entschieden  indi- 
viduelle 2',  und  reprodnciren  genügend  Bildnisse  nach 
der  Natur ,  ähnlich  wirklichen  und  entsjjrechend  der 
moralischen  Piiysioguomie,  wie  uns  diese  von  den  bei- 
den Apostelfürsten  in  den  Büchern  des  neuen  Testa- 
mentes und  in  der  Geschichte  gezeichnet  wird.  Und 
diese  Charaktere  sind  es ,  welche  die  alten  Schriftstel- 
ler und  die  grösste  Zalil  der  Denkmäler  im  Antlitz  der 
beiden  Apostel  festhalten.  Weshalb  jedermann  sieht, 
dass  tmscr  Bronzeplättchen  ,  wäre  es  auch  nicht  älter, 
als  die  Zeit  des  Septimius  Severus,  d.  h.  als  die  Glitte 
des  III.  Jaiirliunderts(^wasnichtmeinc,Rossi  's, Meinung 
ist )  innnerhin  als  Copie  von  viel  früheren  Bildnissen  von 
anthentischeu,  gleichzeitigen  oder  der  Apostelzeit  sehr 
nahe  stehenden  angesehen  werden  müsste.  Es  scheint, 

"  Der  Bogriff  des  Typus  imil  iler  Individualilät  ist  ein  so  verschiede- 
ner, beinahe  entgegensesetzter,  dass  beide  in  demsellien  GeLjejistande  unmög- 
lich vereint  werden  können,  liossi  bfha\iplet  demnacii  etwas  \Yidersprcchcn. 
des,  wenn  er  sagt  (Bull.  1864,  S.  86;:  ,1  tipi  preseutano  caratteri  individuali 
spiccati''. 


dass  eine  gewisse  Verschiedenheit  der  Ansicht  über 
die  Züge  in  den  lierichten  der  Alten  vorkommt;  beson- 
ders in  Hinsicht  Peter's,  den  einige  als  kahl  darstellen. 
Die  einzige  Quelle  dieser  Verschiedenheit  tindet  sich 
vor  bei  dem  a])okryi)lien  Verfasser  der  Beisen  des  h. 
Petrus,  welches  Werk  man  dem  h.  Clemens  zuschreibt, 
ja  vielleicht  nicht  einmal  bei  diesem  Verfasser  selbst, 
sondern  einem  Conuneiitator  dieses  Romanes.  Sicher  ist 
es,  dass  wir  heute  kein  Wort  über  das  Aussehen  des 
A]iostels  Petrus  in  den  clcmenlinisclieii  Büchern  lesen, 
und  S.  Giidlamo  citirt  einzig  iind  allein  den  apokry- 
liheii  Schriftsteller,  welciier  der  allgemeinen  Annahme 
des  behaarten  Ilaujites  widerspricht.  Der  son.st  unbe- 
kannte Elpius  Komanus,  den  Tischendorf  eben  heraus- 
gab, und  der  mit  dem  Pseudo-Clemens  überein.stimmt, 
ist  ein  byzantinischer  Autor  des  IX.  Jahrhunderts,  der 
auch  son.st  aus  den  Apokryphen  Tapital  macht.  Mehr 
Authenticität  haben  auch  die  griechischen  Menäen 
nicht.  —  Wie  dem  jedoch  auch  sei,  und  zugegeben, 
dass  der  h.  Petrus  zu  einer  Zeit  behaart,  zu  einer  an- 
deren kahl  gewesen,  ist  es  doch  sicher,  dass  dessen  in 
der  römischen  Kirche  meistentheils  gangbares  Bildniss 
nicjit  als  ein  übercinkönimliches  der  Künstler  des  IV. 
Jahrhunderts ,  sondern  als  Ergebniss  der  Typen  zu  be- 
trachten ist,  welche,  aus  dem  I.  Jahrliuiidert  stam- 
mend, ihnen  vor  Augen  standen.  Das  Conventionelle 
machte  sich  mehr  und  mehr  im  IV.  Jahrhunderte  breit, 
und  so  entstand  in  diesem  und  dem  fünften  eine  Carri- 
catur  jener  alten,  der  AVahrheit  und  der  Natur  mehr 
ents])rechenden  Porträte.  Im  IV.  und  V.  Jahrhunderte 
wurden  die  etwas  krausen  Haare  und  der  Bart  St.  Pe- 
ter's zu  jenen  dicken  und  gekräuselten  Locken,  deren 
Beginn  wir  in  Fig.  10  seh«n.  Der  schlichte  und  uieder- 
fliessende Bart  St.Paul's  Murde  gesi)itzt  und  zweitheilig. 
Und  diese  Charaktere  erhielten  als  .Alerkmale  die  Ober- 
hand über  die  Lineamente  des  Gesichts,  wie  wir  auch 
dies  in  Fig.  10  sehen." 

Garucci  lässt  sich  über  die  Bildnisse  der  beiden 
Apostelfürsten  folgend  aus  (1.  c.  S.  77  ff.):  „Es  ist  na- 
türlich ,  dass  die  Alten  die  Heiligen  Petrus  und  Paulus, 
welche  sie  im  Leben  liebten  und  ehrten,  als  Geliebte 
des  Herrn,  in  möglichst  treuen  Bildnissen  hinzustellen 
trachteten,  imd  dies  ist  um  so  natürlicher,  als  ein  sol- 
cher Wunsch  vollkommen  den  gleichzeitigen  asiatischen, 
griechischen  und  romischen  Gebräuchen  entsprach;  so 
sagt  Eusebius  von  Cäsarea ,  dass  die  Völker  ihren 
Wohlthätern  Denkmäler  zu  errichten  ])tlegten  ,  und  er 
bleibt  hiebei  nicht  stehen,  sondern  erzählt  weiter,  dass 
er  selbst  aus  den  ersten  Christenzeiten  stammende  Bild- 
nisse des  Heilandes,  Peter's  und  Paul's  gesehen,  oder 
wenigstens  von  solchen  sprechen  gehön  habe.  Ähn- 
liche Erzählungen,  welche,  wenn  sie  auch  nicht  volle 
historische  Authenticität  ansprechen  können ,  doch  im 
Allgemeinen  den  Gebrauch  bestätigen,  finden  wir  in 
den  apokry]ihen  Büchern.  So  lesen  wir  in  den  ..Reisen 
der  Apostel",  dass  ein  gewisser  Lykomedes  sich  ein 
Porträt  des  Ajiostels  Johannes  anfertigen  Hess,  welches 
er  gekrönt  in  seiner  Scliatzkannner  aufhing,  und  vor 
dasselbe  einen  Altar  und  Lampen  stellte.  Ich  finde  dem- 
nacii keine  Schwierigkeit ,  zu  glauben  ,  dass  Berenike 
von  Edessa  ein  Steinbild  Christi  machen  Hess,  wie  dies 
der  h.  Bischof  von  Magnesia  angibt ,  in  jenem  Bruch- 
stücke, welches  uns  Nikephoros ,  Patrtarch  von  Con- 
stantinopel,  aufbewahrt  hat.  —  Es  existirten  also  in 


9* 


—     68     — 


Asien  gemalte  iiiul  plastische  Bildnisse  der  Apostel 
Peter  und  Paul ,  und  die  Erinnerung-  an  sie  wurde  fort- 
während durch  die  Tradition  aufrecht  erhaUen  ;  der 
h.  Blasius  aber  sagt  (ad  Julian,  august.  oW.  Brief),  dass 
dies  seit  der  Apostelzeit  stattfand  ;  nachdem  jedoch 
diese  Zeit  eine  lange  war ,  nämlich  seit  dem  ersten 
Auttreten  des  Heilandes  bis  zu  dem  im  Jahre  (iG ,  oder 
820  der  Stadt,  erfolgten  Tode  der  Apiistel,  ist  es  klar, 
dass,  mit  Kücksicht  auf  die  Veränderung  der  Züge,  die 
Traditiim  nicht  dieselbe,  nicht  sich  immer  gleich  bleiben 
konnte.  Daher  ist  erklärlich,  wie  Peter  in  seiner  frülie- 
ren  Zeit  als  behaart,  später  als  halb  kahl  und  mit  siiär- 
lichem  Haarwuchs  beschrieben  werden  konnte.  Das 
Bildniss,  welciies  jener  Künstler  vor  Augen  hatte,  wel- 
cher St.  Peter's  Statue  der  Peterskirche  in  Bronze  goss, 
stellte  den  Apostel  mit  kurzem  krausen  Kopfhaare  und 
rundem  Barte  dar. 

Die  .schönsten  Porträte  der  Glasschalen  sind  zu- 
versichtlich jene  der  Taf.  X,  Fig.  2  und  T.  XIV,  Fig.  Ci, 
und  diese  stimmen  im  Charakter,  so  weit  dies  der  Styl 
und  der  Stotf  erlaul)en  ,  mit  der  vaticanischen  Bronze 
überein.  Duch  sehen  wir  neben  den  Merkmalen  der 
ersten  auch  jene  der  zweiten  Epoche  im  (TeV)rauchc. 
Zuweilen  wurde  St.  Paul,  da  er  frühzeitig  zum  Aposto- 
lat  gelangte ,  unbärtig  neben  dem  bärtigen  Peter  gebil- 
det, eben  so  oft  erscheint  er  aber  auch  bärtig,  wollte 
man  ilm  während  seines  Aufentlialtes  in  Rom,  wo  er 
das  Martyrium  erlitt,  darstellen.  Diese  Bemerkung  er- 
hält ihre  Bestätigung  durch  den  Umstand,  dass  man  im 
IV.  Jain-hunderte  bereits  zwei ,  dem  Alter  und  der  Ge- 
stalt nach  verschiedene  Bildnisse  auch  des  Apostels 
Peter  hatte,  wolicr  es  kam,  dass  sich  die  Künstler  bei- 
der nach  Gutdünken  bedienten.  Hieraus  entstand  der 
seither  datirende  Streit ,  ob  Petrus  kahl  oder  behaart 
gewesen?  was  aus  einer  classischen  Stelle  des  h.  Gi- 
rolamo  hervorgeht  (LI.  Connn.  in  Ep.  ad  Galat.  I,  18), 
welciier  Paul's  Wcirte  :  „Veni  Hierosolymam  videre 
Petrum-  so  erklärt:  Paul  ging  nicht  nach  Jerusalem, 
um  Peter's  Züge  zu  schauen,  ob  er  behaart  oder  kahl 
sei,  wie  dies  Clemens  in  des  Apostels  Reisen  bemerkt. 
Gleicherweise  war  St.  Paul  in  seiner  Jugend  beiiaart, 
und  S.  Girohinid  sagt  (Adv.  Jovian.  I.  cf.  Act.  Quart. 
XVIII,  18,  XXI,  24),  da.ss  der  Apostel  zuweilen  sein 
Haar  verschnitt,  zuweilen  diesell)en  wachsen  liess  mid 
rlann  wieder  versclmitt  (seinem  Gelübde  gemäss),  in 
Kenchrea,  dem  Hafen  von  Korintli:  ,,Apostolus  rasit 
in  se  calvitiem  ,  nudipedaiia  exercuit,  comam  nutrivit 
et  totondit  in  Cenchrio''.  Die  Acten  St.  Paul's  und  Tlie- 
kla's  (ed.  Tisciiend.  2)  beschreiben  jenen  als  rasirt 
i!/'/v  -r,  /.t'^^ÜYi,  was  der  altr  Erklärer  mit  „rasii-tem 
ilaupt"  wiedergibt.  Der  Plnlnp;itr.  lienannte  Dialog, 
welchen  man  Eukian  zusclireibt,  gibt  dun  Apostel  Paul 
als  «vK'j/Ä/.avriac  ,  d.  li.  mit  kahler  Stirne,  an,  und 
dasselbe  wiederiiolt  der  h.  l'roklus,  Bischof  von  Kon 
stantinoiicl,  imlem  er  ausruft  (Iloni.  XVllI.  in  St.  Pau- 
lumj  :  Dein  Haupt  ist  nicht  haar- .  simdurn  siegcs- 
rcicli!  'jj  ziy«/,»;  ov  ^iO!?tv,  a/.Ä«  vixa'.;  y.o/j.ö)5«I  Aul  den 
besten  Glastassen  kommt  der  h.  Paul  innner  kahl  vor, 
und  so  l)eschreiht  ihn  auch  der  Römer  Elpius  (ed.  Ti- 
schend. Anecd.  p.  KSD).  Ich  habe  gesucht  zu  bewei- 
sen, dass  der  Typus  der  beiden  Apostel  im  IV.  Jahr- 
hunderte noch  nicht  so  fest  war,  als  er  es  später 
wurde,  indem« man  zuweilen  die  Kahllieit  der  i)eiden 
Köpfe  verwechselte,  ja  sogar  die  ZUge  derselben  kaum 


verschieden  von  einander  l)ildete  '•.  Übrigens  will  ich 
gewisse  barbarische  Bilder  der  Glastassen  nicht  ent- 
schuldigen, die  ich  genau  copiren  Hess,  und  in  denen, 
wie  man  sieht,  kein  Unterschied  der  beiden  Bildnisse 
vorkommt ,  was  otienbar  der  Tradition  und  den  besten 
vorhandenen  Porträts  widerspricht.  Den  Bildern  der 
Glastassen  sind  dann  noch  einige  der  Sarkoi)]iage  zu- 
gegeben, in  welchen  die  angenonnnenen  Typen  i)efolgt 
sind.  Ich  führe  besonders  die  Steinsärge  von  Mailand 
und  Ravcnna  an,  wo  im  ganzen  der  Unterschied  der 
kahlen  Stirne  St.  Paul's  beobachtet  ist,  doch  keiner 
in  den  Barten  vorkonnnt.'- 

Dasselbe  kann  man  an  einigen  Sarkophagen  Eora's 
und  Frankreichs  bemerken. 

Unter  anderen  Bildnissen  St.  Paul's  gibt  auch  6  a- 
rucci  eines  in  Fig.  11,  welches  er  in  das  IV.  Jahrhun- 
dert .setzt  (s.  T.  X,  Fig.  17).  Dieses  Bildniss  ist  einem 
anderen  des  Papstes  Calixtus  (bei  Gar.  T.  XIX,  F.  2) 
in  Auffassung  und  Darstellung  so  sehr  ähnlich,  dass 
Rossi  beide  für  das  Werk  desselben  Künstlers  halten 
kann  ,  wenn  man  überhaupt  hier  noch  von  Künstler, 
Kunst  und  Bildniss  zu  sprechen  vermag :  denn  abge- 
sehen V(in  iler  Schwierigkeit  der  Technik,  ist  hier 
kaum  noch  irgend  etwas  von  freier  künstlerischer  Thä- 
tigkeit  zu  finden ,  obgleich  die  Köpfe  noch  immer  nicht 
byzantinisch  sind;  das  einzige,  was  in  einer  gänzlichen 
Verfallszeit  Anspruch  auf  einige  Anerkennung  machen 
kann,  wäre  der  noch  an  antike  Auffassung  erinnernde 
Faltenwurf  des  Mantels;  von  Porträtähnlichkeit  lässt 
sieh  jedoch  durchaus  nicht  sprechen. 

Grimouard  de  St.  Laurent  hat  in  Didron's 
„Ann.  Archeol."  Jahrg.  ]8i;3  u.  18i)4  sieben  Artikel 
über  die  Ai)ostel  Peter  und  Paul  ])ul)licirt,  in  welchen 
auch  wiederliolt  über  deren  Bildnisse  gesprochen  wird. 

Grimouard  erwähnt  der  Bronzereliefs  nicht,  sondern 
wählt  als  Ausgangs-  oder  Grundwerk  die  Bronzestntue 
der  Peterskirche  ,  obschon  mehrere  Archäologen  die 
Anfertigung  derselben  erst  ins  VIII.  Jahrhundert  setzen, 
wogegen  jedoch  vorzüglich  ihre  Ähnlichkeit  mit  unse- 
rer Figur  9  si»richt.  AVeiter  erwähnt  Grimouard  der  von 
Garucci  publicirten  (ilastassen,  deren  einige  er  in  die 
Zeit  der  Verfolgung  setzt  ==.  Unter  den  an  sechzig  zäh- 
lenden Bildern  Garucci's  konnnt  ein  Viertlieil  mit 
liart  und  eben  so  viele  ohne  Bart  \dr;  alle  diest^  sehen 
einander  typisch  derart  ähnlich ,  dass  man  sie  kaum 
aui'  ein  wahrhaftes  Porträt  zurückiühren  kann  ;  die  Zahl 
derjenigen,  denen  ein  solches  zii  (i runde  lag,  ist  gering, 
man  wird  aber  hier  andrerst'its  durch  deren  bedeuten- 
deren Kunstwfrlh  entschädigt. 

Die  typischen  Züge  glitt  St.  Laurent  ndt  Rossi 
und  Garucci  gleichlautend  an,  ausser  den  von  beiden 
letzteren  angeführten  alten  Schriftstellern  citirt  er  aber 
MiU'li  noch  des  IS'ikeiilhiros  Cnlixtus  weit  ausführlichere 
ISesclireibuiig  ■"'  :    naclideni  aber    dieser   Aiitni-    liereits 


«KoBs  1  Ihollldiosc  Ansicht  Car  ucc  l'enlclit  (IluM.lxlM.  S.  81;  indem  or 
nii't  IJuonnrrotl  und  den  altnn  j^chriftstcllurii  die  olu-ii  aiiKet'ührtcn  Typen  für 
die  rimiiBCIio  Kirrtie  fcat»;cstclll  nnniniint,  und  die  AhweicltunKOn  davon  nl» 
imcliliiflsiKO  und  rolio  Arbeiten  von  Kiinsttern  boiraclitet ,  die  keinen  liogritt 
von  dem  Tone  olite»  lllldnlsses  hatten  ,  „was  Garucci  seihst  im  Folgenden 
Bnorkennt". 

"  II  est  proltablü  qu'  unc  grando  parlie  des  fonds  do  vi-rre  i\  figurca 
dorei'8,  (|ni  uous  Hoiit  parvonn»,  rcnionteiu  au  (rinps  dos  pefsecutions. 

**  Nikephoros,  Itenciireibung  lautet;  I'utru»  quidem  non  craf^sa  corporis 
Hlfttnra  fiilt.  sed  mcdiocrls  et  <|iiao  »llfjuanto  esset  erectlni-;  fiicie  snbpallida 
et  alba  adm'idnin.  Capllll  et  capitis  et  barbae  crlspi  et  donsi  ,  sed  non  artmo* 
dum  prominentes  fuoro,  occuli  ({uasi  sank;ulne  respersi  et  nigrl,  supercilia 
snblata:  naaus  autem  loni;lor,  lilo  qutdem  uon  tanion  in  accnmtn  deaineus, 
Bod  pressus  simuiquo  niagis.  —  Taulus  autcni  corpore  erat  parvo  et  contraclo, 


GU     — 


dem  XIV.  Jalirhumlcrt  angeliört,  kann  er  nicht  iiiclir 
als  zuverlässig'  Itctraeiitet  werden. 

St.  Paul  nennt  sich  krank  (II.  Korinth.  X,  10):  ,,zu- 
nial  man  sagt :  die  Briefe  haben  Gewicht  und  Kraft, 
aber  seine  persönliche  (iegenwart  ist  schüchtern  und 
sein  Vortrag  erbärmlich-'. 

.St.  Laurent  behauptet^  dass  wir  in  der  orienta- 
lischen Kirche  Bildnisse  der  beiden  Apostel  antreffen, 
die  beinahe  Zug  für  Zug  mit  der  Beschreibung  des 
Calixtus  übereinstimmen.  Er  stellt  sodann  (Ann. 
XXIII.  Bd.  S.  3(3)  drei  (xattungen  von  Bildnissen  unse- 
rer Apostel  auf:  die  historische,  hieroglyphisclie  und 
symbolische  35.  Grimouard  gibt  nicht  ausdrücklich  an, 
was  er  unter  dem  syndxdischcn  Bildnisse  verstehe,  docli 
lässt  er  uns  es  ahnen,  indem  er  sagt,  man  habe  zuweilen 
Öt.  Peter  als  den  nie  Sterbenden,  als  den  Papst,  als 
das  Oberliaupt  der  Kirche  (und  in  dieser  Eigenschaft 
als  unbärtig)  darstellen  wollen.  Die  hieroglyphischen 
Bildnisse  erkennen  wir  als  solche  in  den  Theilnehmern 
an  Gastmalen  (agape,  cucharistia)  der  Katakombenbil- 
der ,  da  doch  diese  keine  anderen  Personen  als  die 
(bartlosen)  Apostel  sein  können.  Die  historischen  end- 
lich sieht  man  in  St.  Peter's  Erzstatue  und  auf  den  besten  . 
Glastassen. 

Die  h.  Peter  und  Paul  werden  bis  ins  XIII.  Jahr- 
hundert bartlos  dargestellt ,  wie  dies  neben  anderen 
Denkmälern  mehrere  Email-Ileliquiarien  des  Cluny- 
Museums  bezeugen;  übrigens  kommt  bei  St. Peter  ziem- 
lich frühe  die  Tonsur  vor,  die  er  als  Priester  par  excel- 
lence  trägt,  und  mit  welcher  sich  Grimouard  auf  S.41tt'. 
des  XXllI. Bandes  beschäftigt;  ja  er  spricht  über  diese 
auch  nocli  in  seinem  zweiten  Artikel  (S.  138 — 14'.i),  wo 
er  jedoch  zugleich  bemerkt,  dass  mau  in  Rom  früher 
als  anderswo  zur  ursprünglichen  Auffassung  des  Peter- 
porträts zurückkehrte,  wie  dies  die  Siegel  der  päpstli- 
chen Bullen  (das  älteste  ist  Innoceuz  des  II.  1130 — 
1144)  und  die  päpstlichen  Münzen  beweisen. 

Im  dritten  Artikel  (S.  264—277)  kommt  St.  Lau- 
rent auf  die  Attribute  der  beiden  Apostel  zu  sprechen. 
Petrus  hatte  zuerst  das  Kreuz  ,  obsclion  die  Schlüssel 
auch  sclion  sehr  alt  sind.  Den  Vogel,  der  häufig  auf 
den  Sarkophagen  neben  St.  Peter  vorkommt,  hält  Gri- 
mouard nicht  für  einen  Hai)n,  sondern  für  einen  Phönix, 
indem  erst  Guido  Reni  den  Hahn  als  Attribut  des  Apo- 
stels darstellte»«.  (Als  St.  Laurent  dies  niederschrieb, 
konnte  er  nocIi  nicht  den  von  ihm  selbst  später  citir- 
ten  lateranischen  Sarkophag  gekannt  haben.)  St.Paul's 
charakteristisches  Attribut  ist  das  Sehwert,  das  ihm 
bereits  im  XIII. ,  ja  vielleicht  schon  im  XII.  Jahrhun- 
dert gegeben  wurde,  weil  er  frülier  Soldat  war,  wie 
auch  um  das  Niederschlagende  seiner  Rede  zu  kenn- 
zeichnen. Auf  den  Bronzethüreu  der  Peterskirclie  steht 
ein  Blumentopf,  aus  welchem  eine  Lilie  emporwächst, 
neben  Paul ,  um  diesen  als  vas  electiouis  zu  charakte- 
risiren. 


Im  vierten  Artikel  (Ann.  XXIV.  Jahrg.  lsi54,  S.  i)3 
bis  102)  spriciit  Grimouard  über  ilie  Stellung  der  beiden 
Apostel  zu  einander.  Sie  kommen  bereits  in  den  älte- 
sten Denkmälern  zusaunneu,  mit  Christus  und  den  an- 
deren Aposteln  dargestellt  vor,  zu  zwei  oder  drei  mit 
dem  Erlöser,  sehr  häutig  auf  den  («lastassen,  statt  Chri- 
stus in  der  Mitte  eine  Säule,  Kranz,  Krone.  Mit  der 
Säule  und  dem  constantinischen  Monogrannn  bei  6  a- 
rucci,  Taf.  XI,  Fig.  3.  Hiervon  gilit  Garucci  (S.  92) 
folgende  Erklärung  :  Boldetti  gibt  an  ,  er  habe  diese 
Tasse  unversehrt  im  Cömetcrium  des  Calixtus  gel'un- 
den.  Saulus  statt  Paulus  kommt  auf  <lerlei  Werken 
öfter  vor.  Beide  sind  behaart  und  bärtig,  nur  dass  Pe- 
ter's Bart  kürzer  ist;  beide  halten  in  der  Linken  die 
Schriftrolle  und  geben  mit  der  Rechten  das  Zeichen, 
dass  sie  nnt  einander  im  Gespräche  begritfen  sind. 
Zwischen  iinien  steigt  ein  Säulenschaft  auf,  der  oben 
das  Christus-Monogramm  trägt,  der  Schaft  ist  nnt  Edel- 
steinen verziert.  In  der  Kunst  wird  die  Säule  als  Sym- 
b(d  eines  l>edeutenden  Gebäudes ,  gewöhnlich  einer 
Kirche,  gebraucht;  eine  ganz  nietapiiorische  Bedeutung 
hat  sie  im  neuen  Testament,  wo  Petrus,  Johannes  und 
Jacobus  Säulen  genannt  werden  (Galath.  II,  9);  im  All- 
gemeinen wurde  der  Name  der  Säule  auf  die  Apostel 
angewandt,  weshalb  der  li.  Clemens  (Ep.  ad  Cor.  c.  5) 
die  h.  Peter  und  Paul  grosse  und  die  heiligsten  Säulen 
nennt ;  und  Prudentiiis ,  als  er  von  den  ersten  sieben 
Diaconen  spricht,  vom  Märtyrer  Vincentius  sagt,  dass 
er  eine  der  sieben  über  die  Milch  weissen  Säulen  war 
(Perist.  V,  33).  Eben  so  spricht  der  h.  Paolinus  von 
A(iuileja  (Hymn.  V,  11):  Septem  coiunmis  una  de  can- 
didulis ,  ecclesiarum  mittitur  sub  culmine ,  sustentat 
altae  fundamenta  fabricae.  Wo  die  Säule  allein  steht, 
bezieht  sie  sich  zuweilen  auf  des  h.  Paulus  Ausspruch 
(Timoth.  III,  15.):  dandt,  wenn  ich  jedoch  vorziehe,  du 
wissest,  wie  du  dich  zu  verhalten  hast,  in  dem  Hause 
Gottes,  welches  ist  die  lebendige  Kirche  Gottes,  ein 
Pfeiler  und  eine  Grundfeste  der  Wahrheit.  — Zuweilen 
wird  die  Säule  mit  Edelsteinen  geziert,  und  weil  sie 
den  edelsten  Theil  des  Gebäudes  bildet,  sagt  der  Erlö- 
ser selbst  von  ihr  (Apocal.  III,  12.):  Wer  überwindet, 
den  will  ich  zum  Pfeiler  in  meines  Gottes  Tempel  ma- 
chen, woraus  er  nimmer  weichen  soll  u.  s.  w. 

In  diesem  Artikel  spricht  Grimouard  über  den  son- 
derbaren Umstand,  dass  zuweilen  dem  h.  Paulus  der  Eh- 
renplatz vor  Petrus,  d.  h.  auf  der  rechten  Seite  gegeben 
wird  ,  was  schon  auf  den  Glastassen  vorkonnnt.  Die 
Verwechslung  dieses  hierarchischen  Ehrenplatzes  wird 
seit  dem  V.  Jahrhundert  Regel  und  als  solche  das  Mit- 
telalter hindurch  beibehalten  ,  während  man  zur  Zeit 
der  Penaissance  wieder  zum  alten  Gebrauche  zurück- 
keiu't ,  welcher  dem  ii.  Petrus  den  Vorrang  gibt.  Auf- 
iallend  ist,  dass  diese  Verwechslung  im  Mittelalter  auch 
auf  den  Siegeln  der  pä]istlichen  Bullen  constant  vor- 
konnnt S'. 


et  quasi  iacurvo ,  atque  paululum  inäexo  ,  facie  Candida  anuosque  |>lureä  prac 
se  fereute ,  et  capite  calvo  (seeuuduni  alios  „mediocri") ;  oculis  multa  iiienit 
gratia ,  supercilia  deorsum  versus  ver^jeltaut;  nasus  pulcher  inflexiis  ideiuqne 
loügior.  barba  densior  et  satis  promissa  eaque  non  miuns  quam  capitis  coniae 
cauis  etiam  respersa  erat. 

^*  Sous  peine  de  no  rien  compreudre  ä  I' iconograjjbie  chretienne  daiis 
ces  p^riodes  primitives,  il  faut  y  distiu^uer  trois  sortes  de  flgures,  principa- 
lement  parmi  ceUcs  du  Ciirist  et  des  apötres  ;  nous  les  appelons  liistoriques, 
hieroglyphiques  et  symboliques. 

5"  Nous  ne  connaissons  v<5ritablemeut  pas  de  fi^jure  de  Saint  Pierre,  pres 
de  laquelle  on  aperpoive  le  coq,  qui  soit  antericure  au  saint  Pierre  repentaiit 
du  Guide,  expos^  dans  la  galt-rie  Pitti,  ä  Florence,  et  nous  ne  croyons  pas 
qu'ou  nous  eu  Signale  facilement  de  beaucoup  plus  ancienne.  O'est  dans  ce 
seus  un  attriliut  moderne,  appartenent  ü  un  ordre  d' idees  tout  recent. 


'•  (XXIV.  S.  UT  :):  „Wir  zweifeln  nicht  <laraii,  dass,  indem  man  dem  li. 
Paulus  die  reclitc  Seiti  gab,  roaudeu  Verrann  der  Heiden,  deren  Apostel  er  war, 
Ulier  die  Juden  im  Auge  liatte.  Der  h.  Paulus  erliielt  das  Apostolat,  als  Christus 
bereits  in  der  Kuhnieskroiie  iilnnzte,  während  die  übrigen  Apostel  berufen 
wurden,  als  der  Erlöser  noch  mit  dem  freiwillig  gewählten  Elend  des  Lebens 
k'aniiifte,  und  dies  ist  selbst  für  den  li.  Thomas  von  Kempis  ein  genügender 
Grund  für  den  Vorrang,  ja,  den  damals  herrschenden  Ansichten  gemäss,  auch 
fürdessen  Zeitgenossen  ;  während  andere,  einer  weniger  mystischen  Erklärung 
folgend,  das  Motiv  in  des  Apostels  Mühsal  und  seinen  siegreichen  Predigten  zu 
finden  glaubten." 

„Alle  diese  Motive  fiuden  sidi  zusammengifasst  seit  dem  XT.  Jahrhun- 
dert in  den  vom  h.  Peter  von  Daniian  ausgehenden  und  im  XII. '  Jahrhundert 
allgemein  angenommenen    Aiisictiteit,    wonach    der  in  den  Kreis   der  Apostel 


70 


Das  bmstbildlönuige  Kcliquiar ,  in  welches  Ur- 
"ban  V.  1329  den  .Scliädel  des  li.  Paul  eiuscldoss,  wurde 
an  die  rechte  Seite  des  gleichen  des  h.  Peter  gesetzt 
und  erhielt  die  Inschrift: 

Cedit  Apostulus  princeps  tibi,  Paule  ;  vocaris 

Nani  dextrae  natus,  vas,  tuba  clara  Deo  ss. 

Griniouard  tührt  sodann  mehrere  illustrirfe  Bi- 
beln des  Mittelalters  an.  in  welchen  St.  Paul  in  selbem 
Sinne  abgebildet  erscheint,  nur  dass  in  diesen  Joseph 
nicht  nur  als  Vorbild  Peter's  ,  sondern  des  Heilands 
selbst  dargestellt  ist,  ja  Petrus  nicht  nur  mit  Joseph,  son- 
dern mit  dessen  Vater,  Jakob,  in  Parallele  gestellt  wird. 

Schliesslich  glaubt  Grini. ,  dass  man  hier  keinen 
Vorrang  zu  suchen  habe,  falls  man  anninunt,  dass  man- 
cher Künstler  denselben  gerade  dem  h.  l'etrus  zu  geben 
beabsichtigte,  indem  er  ihn  zur  Kechten  des  Beschauers 
stellte. 

Rossi  hat  iiinsichtlich  der  Rangstellung  Folgen- 
des (Bull.  18(j4er Jahrg.  S.  Hü  u.  87):  „Selbst  Neulinge 
in  der  Archäologie  wissen ,  dass  in  Hinsicht  der  Rang- 
ordnung viel  geschrieben  und  gestritten  wurde,  ange- 
fangen im  XI.  Jahrhunderte  von  St.  Peter  von  Damian 
bis  auf  Griniouard  de  St.  Laurent  im  Jaln-e  1S<j4.  Die 
neuere,  auf  die  Glastassen  gegründete  Ansicht,  weiclie 
auch  von  diesem  in  der  altdn-istlicheu  Archäologie  sehr 
bewanderten  Gelehrten  angenommen  zu  sein  scheint, 
ist  die,  dass  der  h.  Petrus  in  den  ältesten  Denkmälern, 
falls  es  die  künstlerische  Composition  nicht  anders  ver- 
langte, auf  die  rechte  Seite  gestellt  wurde,  und  dass 
er  diese  Stelle  erst  im  IV.  Jahrhundert  an  St.  Paul  ab- 
zutreten begann.  Jedoch  setzt  unser  Bronzerelief  (Fig. 
8  u.  il),  das  bestimmt  älter  ist  als  die  Glastassen,  und 
vielleicht  eine  in  allen  Punkten  getreue  Copie  eines 
noch  weit  älteren  Exemplares  ist,  den  h.  Paulus  rechts. 
Ich  meinerseits  lege  kein  besonderes  Gewicht  auf  die 
Stellung  zur  Rechten  oder  Liuken.  Christus  selbst  steht 
auf  einer  Glastasse  zur  Linken  Paul's,  und  Maria  zur 
Linken  der  h.  Agnes.  In  welchen  Fällen,  der  trefflichen 
Bemerkung  Garucci's  gemäss,  die  Ehre  der  Rechten 
vom  Höheren  dem  Geringeren  gegelien  wird,  und  .eben 
so  der  vom  Manne  dem  Weibe,  auf  den  (Jlastasscn,  er- 
wiesenen Ehrenbezeugung  entspricht.  Wenn  wir  aber 
durchaus  eine  besondere  oder  geschichtliche  Ursache 
suchen  wollen  ,  würde  ich  sie  angezeigt  finden  in  den 
Gesprächen  des  Ileidenapostels  mit  Petrus,  sei  es  wann 
erstercr:  „ascendit  Ilierosolynmm  videre  Petrum",  sei 
es  :  „fpiando  post  annos  (piatuonlecim  iterum  ascendit 
Hierosolymam.  .et  contulit  cum  (apostolis)  evange- 
lium."  (Ad  (Jal.  I,  18.,  II,  1.,  -J.)  In  P.ezug  auf  das  erste 
Gespräch  schreibt  Tertuilian,  dass  die  älteren  .Vpostel 
ilem  jüngeren  Paulus :  „dexteram  dederunt  Signum 
concordiac  et  convcnicntiae ,  et  inter  sc  distributionem 
olticii  ordinaverunt ,  nun  Separationen)  evangelii  ,   nec 


ziilcfzt  anfiCfTiomnicno  St.  Paul  f;in  OcK^nsirtnd  der  Vorlicbo  des  Herrn  war, 
'-tteiiBo  wie  Itrnjftmln,  d<'«scn  Kl-'rrclchater  Narlikf>mmc  lol/.tcrer  war,  sich  der 
tic^onderen  Vf>rUf;)'C  Jakobs  crfreiile  :  und  »Icherlich  hntte  dlo  Itidcutimg  dos 
Namen»  r.enjaniln  „Sohn  der  Uecliteri",  welche  der  gelehrte  Itischof  von  Ostia 
herwrhebf,  einen  Elntliis»  auf  die  hier  hesprochcno  Thatsache". 

"  Dlo  beiden  Bniitblliler  ulbt  A  g  I  n  c  o  u  r  1  „Sculpt."  T.  XXXVII.  Auf  dem 
.Medaillon  Peter'»  »lehf. 

Erigal  ut  proprlam  sedom  tua  Potrc  rcdiblt 
lluc  Vatlcana  pastor  ab  arco  Potro. 

St.  Paul  hat  In  der  Kechten  da»  Schwert,  In  der  Linken  ein  lluch,  wäh- 
rend St.  Peter  mit  der  Iterhten  »egnet  und  In  der  Linken  zw-el  Schlüssel 
erhobt.  Erstercr  l»t  r-hn«-  Kopfhrdeckung,  letzterer  hat  die  pnpstllche  Tiara 
auf  dem  Haupte.  Ihr  llaarwuch»  entspricht  der  alten  Tradition  ;  zwnr  ist 
St.  Pauls  Kopf  nl'ht  kalil,  dennoch  hat  er  an  der  Stlrnc  spiirllches  Ilnar,  soln 
Kart  ist  länglich  und  gethclll;  ,St.  Peter's  Schädel  Ist  von  der  Tiara  bedeckt, 
»ein  Hart  kurz  ,  rundlich  und  kraus. 


ut  aliud  alter,  sed  ut  aliis  alter  praedicaret,  Petrus  in 
eircumcisione,  Paulus  in  nationcs.  (De  inaescript.  c.  23.) 
Eigentlich  ist  die  von  den  Aposteln  in  Jerusalem  dem 
li.  Paulus  gebotene  Rechte  als  Gruss  buchstäblich  zu 
verstehen;  indem  aber  die  beiden  Büsten  der  Apostel- 
fürsten bestimmt  als  verbunden  gebildet  wurden  :  „in 
Signum  concordiae  et  convenientiae-,  und  um  anzuzeigen : 
,.quod  non  aliam  evangelii  formam Paulus  super  induxit, 
ultra  eam  (|uam  praemiserat  Petrus-'  (ad  Gal.  II,  9.\ 
so  kann  die  Ehrenbezeugung  der  rechten  Seite,  falls  sie 
eine  besondere  Bedeutung  hat,  füglich  in  der  Art,  wie 
ich  CS  gethan  ,  erklärt  werden,  um  nämlich  die  Fber- 
einstimmung  und  Einigkeit  der  Conferenzen  zwischen 
St.  Paul's  und  St.  Peter's  Auslegung  des  Evangeliums  zu 
symbolisiren.  Sicher  ist ,  dass  die  vereinigten  Bilder 
der  Apostel,  wie  dies  auf  den  Glastassen  klar  erscheint, 
auf  derlei  Conferenzen  hindeuten. ■• 

Über  andere  Erscheinungen  (die  er  in  symbolische 
und  geschichtliche  eintheilt)  der  Apostelfürsten  spricht 
Grim.  in  den  folgenden  Artikeln  ,  namentlich  im  V. 
(Ann.  Arch.  Jahrg.  18G4,  S.  101  —  172):  a)  Über  die 
Scene,  in  welcher  der  Erlöser  dem  li.  Petrus  die  ge- 
schriebene Rolle  oder  das  Buch  eiiihämligt.  Hier  repro- 
ducirt  Griniouard  ein,  wahrscheinlich  aus  dem  V.  Jahr- 
hundert stammendes  Wandbild  des  Cömeteriums  St.  Mar- 
cellini et  Petri ,  auf  welchem  Paulus  zur  Rechten  des 
thronenden  Erlösers  steht.  Bemerkenswerth  sind  liier 
auch  die  antikisircnden  „vittae-  oder  Opl'erwollbänder 
und  der  mit  Blumen  bestreute  Hintergrund  -9.  IjJ  Über- 
gabe der  Schlüssel,  des  Kreuzes  und  des  Buches  ;  wo 
Schlüssel  und  Buch  eingehändigt  werden  ,  gehen  er- 
stere  a.i  Petrus  ,  letzteres  an  Paulus.  Die  Ülun-gabe 
der  Schlüssel  konnnt  bereits  an  sehr  alten  Denkmälern 
vor ,  namentlich  als  Fortsetzung  der  Verläugnung  Pe- 
ter's, an  jenem  Sarkophage,  in  welchem  später  Gre- 
gor XV.  beigesetzt  wurde.  Die  Übergabe  der  Schlüssel 
ist  auch  an  nielireren  altchristlichen,  in  Frankreich  ge- 
fundenen Särgen  dargestellt  (Ann.  XXIV,  S.  270). 
rj  Daniel  zwischen  den  Apostelfürsten,  als  Vorbild 
Christi.  (I)  Die  h.  Jungfrau  zwischen  ihnen.  Jlanch- 
mal  mit  Beischrift  der  Namen  ,  so  dass  kein  Zweifel 
obwalten  kann;  die  Jungfrau  gcwöliiilich  mit  aufgeho- 
benen lländi'n  betend,  ja  es  halten  zuweilen  die  Apo- 
stel ihre  Arme  aufrecht,  wie  Aaron  und  Hur  die  Hände 
Müsis  hielten,  c)  Die  Apostelfürsten  als  Zeugen  der 
Transliguration  und  bei  Gelegenheit  der  jVusgiessnng 
des  h.  (ieistes,  olisclion  historisch  gciiommen,  Paulus  in 
keiner  dieser  Scenen  gegenwärtig  war.  /')  Die  .Apostel- 
fürsten als  Grundlage,  Träger,  Säulen  der  Kirche; 
hierher  bezüglich  citirt  Grimou.ird  Beispiele,  in  denen 
sie  vereint  einlvirclienmodell  erheben.  In  der  Biiiel  von 
St.  Johannes  von  Evert'ux  tragen  sie  in  einer  Sänfte  das 
Evaiigcliiiiii,   ülicr  ihnen  ersclieiiit  Clirislns,  unter  iliiicn 


zu  Boden  geworfene   Ileidcn 


lil    der  inscliritt 


■s  II 


aiiges  cherubins". 

Im  IV..\rlikcl  werden  die  historischen  Erscheiniin- 
gen  anfge/.äliit  (S.  2.'!S — 247):  a}  Pclriis  ids  Fischer; 
was  auch  syiiibolisch  gedeutet  werdi'ii  kann,  nämlich 
l'ctiiis  als  Seelenfischer  ,  iler  Kahn  als  'l'yiius  der  Kir- 
che.  ///  Die  Verläugnung  iiinl  Uiiie;  liier  gibt  (!rimou;ird 

"  (Jrimnunrd  limlet  liier  clas  M..iiv  der  Slelluni?  Pnul's  ?.iir  Ueclitrn  il.irln, 
dass  der  lleli.ind  mit  der  Hcclitpii  segnend,  nothwi  ndigerwelse  das  l5ilcli  mit 
tlcT  Linken  dem  heil.  Petrus  elnhändlKen  mu^s.  Oie  iintikislroiiden  „vittae" 
nennt  Grimouard  tJuirlandon:  „les  gulrlandc»  Jctc'es  autour  d' eux  cn  lour 
honneur**. 


71 


aucli  die  Geg-enwart  des  Halmes  zu.  Dass  diese .  dem 
Apostel  iiielit  zur  besuuderen  Klire  fi-ereiclieiide  .Seeiie 
so  frühe  (^scliou  iin  IV.  Jaliiliuiulert)  und  so  liiiutii;-  vor- 
kommt, lässt  sieh  daraus  erklären,  dass  die  alten  Chri- 
sten diesen  Fall  als  besonderes  Zeugniss  des  Sünden-  * 
crlasses  betrachteten  *".  Die  Krscheinunic  des  Apostels 
in  diesen  Scenen  steht  meist  im  t_vi)oio<;isciien  Zusam- 
menhange mit  der  (Tefangenneiimung  und  der  NOrliiii- 
rung  Ciiristi  vor  den  bändewaschendeu  Pilatus. 

.Schliesslich  spricht  Grimouard  im  VII.  Art.  (S.  265 
bis  271)  über  Petrus  als  neuen  Jloses.  Dies  ist  ein  Ver- 
stoss; denn,  wenn  irgendwo,  erscheint  hier  Peter  in  sym- 
bolisch-typologiseher  l)eziehuug-,  und  (Triuiouard  setzt 
diese  Erscheinung  wahrscheinlich  blos  deshalb  unter  die 
historischen,  weil  sie  als  Schlussscene ,  auf  die  Keue 
•folgend,  dargestellt  wird. 


■■~P^^-~ 


Abgesehen  von  den  wunderbar  alten  Bildnissen 
der  Ägypter ,  mit  welchen  uns  die  Pariser  AVeltausstel- 
lung  vom  Jahre  1867  bekannt  machte,  die  aber  später, 
eben  ihres  hohen  Alters  wegen,  in  Vergessenheit  gerie- 
then  und  auf  die  spätere  Kunst  gar  keinen  Eintluss  übten, 
abgesehen  von  diesen  lief  die  Entwicklung  des  Porträts 
drei  Stadien  durch. 

Auf  der  ersten  Stufe  vernuig  der  Künstler'  noch 
nicht  die  wesentliche  Gestaltung  des  15il(lnisses  aufzu 
fassen ,  sondern  hält  sich  an  leicht  und  aufdringlich  in 
die  Augen  springende  Zufälligkeiten,  als:  die  Art  und 
Weise  des  Haarwurfs  und  dessen  Anordnung.  Hierher 
gehört  auch  das  Borgen  der  Hellenen  von  den  Thier- 
physiognomien,  welches  Winkelmann  so  scharfsin- 
nig dargestellt:  für  Jupiter  die  Mähne  des  Löwen,  für 
Herakles  die  Entlehnung  der  Stierformen  und  Ver- 
schmelzung derselben  mit  den  menschlichen.  In  dieser 
Epoche  ist  das  Porträt  noch  unentwickelt  und  erscheint 
eher  als  Typus,  denn  als  Wiedergabe  des  Individuel- 
len; in  ihr  bediente  man  sich  noch  nicht  des  lebendigen 
Modells,  man  copirte  dasselbe  noch  nicht.  Die  Gesich- 
ter der  Agineten  in  München  liefern  hiefür  den  klaren 
Beweis;  in  denSculpturen  des  Parthenons  erscheint  der 
Typus  sehr  veredelt,  doch  fehlen  auch  hier  noch  die 
individuellen  Züge,  wie -dies  überhaupt  im  .VUgemeinen 
l)is  auf  Alexander  der  Fall  ist. 

Auf  der  zweiten  Stufe  bedient  sich  der  Künstler 
des  individuellen  Modells  und  sucht  dieses  wiederzu- 
geben, entweder  mechanisch,  indem  er  des  Lebenden 
oder  Todten  Angesicht  abformt ,  was  besonders  die 
Etrurier  thaten  ,  oder  künstlerisch  ,  indem  er  das  le- 
bende Modell  in  seinen  Hauptformen,  besonders  in  den 
über  dein  eigentlichen  Knochengerüste  liegenden  Weicli- 
tlieilen ,  jedoch  in  ihrer  ganz  ruhigen  Haltung ,  nach 
bildet.  Diese  Methode  wendeten  die  Griechen  nach 
Alexander  und  die  Kömer,  in  ihrer  liesten  Zeit,  au.  Wir 
finden  in  dieser  Epoche  bereits  wirkliche  Porträts,  be- 
sonders in  der  Zeit  Trajan's ,  doch  erreichte  die  Bild- 
nissknust  auch  jetzt  noch  nicht  die  höchste  Stufe  ihrer 

*''  Le  Sauvetn-  qui  prt'dit  la  faute  et.t  celui  qui .  par  la  vertue  de  son 
Äacrifice.  expie  toufe  faute;  1' apötre  ä  qui  eile  est  predite  receuillera  tous  le^ 
fruits  de  ce  sacrifice  ,  U  s'y  associera  autant  qu'il  8era  ä  lui  l>ar  ses  larmes 
et  par  sou  sang.  C"  est  lui  priacipalement  qui  sera  chargt' ,  apres  sa  convcr- 
siou,  de  coulirmer  les  autres  daus  la  foi  avec  uue  souveraine  autorite,  et  de 
leur  dispenser  les  fruits  surabondauts  du  sacrifice  reparateur.  Cliose  admi- 
rable,  c'cst  im  pecheur  qui  couvie  tous  les  pechcurs  ä  veiiir  puiser  avec  lui 
et  par  son  miuistere  a  la  source  de  toute  griice,  de  toute  rt'paratiou,  de  toute 
btoitude  (p.  243). 


Fi.U.    U. 

Entfaltung  ,  da  ja  selbst  die  besten  römischen  Portiäts 
nicht  frei  sind  von  einer  gewissen  steifen  Feierlichkeit; 
mau  sieht  ihnen  gleichsam  einen  officiellen  Charakter 
der  römischen  Natiinialität  an,  als  ob  man  überall  mit 
Welteroberern  zu  thun  hätte. 

Die  höchste  Stufe  der  Entwicklung  wird  erst  in 
der  christlichen  Kunst  betreten,  und  zwar  hauptsäch- 
lich durch  die  Malerei ,  da  sich  nun  der  Küustler  nicht 
mehr  mit  der  Eeproduction  der  äusseren  Form  begnügt, 
sondern  auch  die  Wiedergabe  des  nmralischen  Charak- 
ters seines  indi\iduellen  Urliildes  anstrebt.  Der  Künst- 
ler greift  hier  in  die  unendliche  Mannigfaltigkeit  der 
Natur,  des  Lebens,  er  hat  fürder  keine  Quelle,  er  hat 
das  Weltmeer  zur  Basis  seiner  Thätigkeit.  Zur  höch- 
sten Vollendung  des  Bildnisses  gehört  nun  auch  der 
Ausdruck  der  alltäglichen  Leidenschaft  des  abgebilde- 
ten Individuums,  und  in  den  aus  Porträten  zusammen- 
gesetzten historischen  Compositioueu  der  momentane 
Artect,  wie  diesen  die  Gesammthcit  der  dargestellten 
Handlungen  fordert,  was  alles  nur  dann  vtdlends  erreicht 
werden  kann,  wenn  sich  zur  Form  auch  noch  die  beleuch- 
tende Farbe  gesellt,  und  eben  deshalb  konnte  die  höch- 
ste Stufe  der  Bildnisskunst  erst  in  der  Fresco-  und  Öl- 
malerei betreten  werden.  (Fig.  11.) 

Betrachten  wir  nun  die  augeführten  Bildnisse 
St.  Peters  und  St.  Pauls  von  diesem  Standpunkte  der 
logischen  Unterscheidung,  so  müssen  wir  zugestehen, 
dass  es  unter  denselben  wenige  gibt ,  die  man  auf  die 
zweite  Stufe  zu  stellen  berechtigt  ist,  nämlich  auf  jene 
der  feierlich  kalten  Formenähnlichkeit ;  der  bei  weitem 
grösste  Theil  gehört  den  typischen  Bildnissen  an,  wo 
der  Haarwurf  und  das  ohngefähr  angegeliene  Lebens- 
alter die  Hauptrolle  spieleu,  wie  auch  in  der  That  Buo- 
narroti,  Polidori,  Garruci,  Kossi  und  Grimouard  de  St. 
Laurent  das  Hauptgewicht  auf  diese  Momente,  ja  zu- 
meist blos  auf  ersteres  legen. 

Auf  der  zweiten  Stufe  der  Entwicklung  stehen  vor- 
züglich die  Erzreliefköpfe  Fig.  8  und  9,  in  mehrfacher 
Beziehung  auch  der  Kopf  der  Erzstatue  in  der  Peters- 
kirche und  einigermassen  auch  der  Kopf  Fig.  lÜ.  ob- 
schon  letzterer  bereits  die  Sjjuren  des  Kunstverfalles  an 
sich  trägt.  In.sofern  die  in  den  eben  angeführten  Bei- 
.spielen  dreimal  vorkommenden  Peterköpfe  einander 
ähnlich  sind  ,  dürfen  wir  aussjjrechen ,  dass  sie  nach 
einem  und  demselben  Modelle  gefertigt  wurden,  wel- 
ches wieder  möglicherweise  ein  Bildniss  nach  dem 
le'jenden  Iiulividuum  war;  doch  können  wir  kaum  ge- 
neigt sein  ,  diesem  l'mstande  ein  so  grosses  Gewicht 


-     72 


beizulegen,  ;iUliossi  tliut.  indem  er  ausspricht,  dass 
diese  Bildnisse  genügeu ,  um  für  den  Auientlialt  und 
das  Märtyrertlium  beider  Apostel  in  Eoni  unwiderleg- 
liche Zeugenschaft  zu  geben  *'.  Jedoch  sind  die  beiden 
Köiife  Fig.  >i  und  'J  würdig,  den  Künstlern  auch  heute 
noch  zum  Vorbilde  zu  dienen,  und  diese  abzuhalten, 
dem  Apostel  Petrus  fortwälircnd  die  conventioneile 
flanimenförmige  Locke  auf  die  kahle  Stirne  zu  setzen. 
Nicht  umgangen  kann  indessen  auch  das  noch  werden, 
dass  die  Auflassung  der  beiden  Köpfe  in  selir  hohem 
Grade  mit  jener  der  im  Alterthume  so  häutigen  so- 
genannten Philosophenköpfe  übereinstinant ,  und  dass, 
wenn  erstere  gewöhnlich  als  Dopjjclköpfe  mit  den  Hin- 
terhäuptern aneinanilergescldossen  vi  irkommen,  die  Tren- 
nung und  (Tcgenstellung  hier  doch  niclit  als  perempto- 
risch christliches  ^loment  zu  betrachten  wäre. 

Wenn ,  mit  Ausnahme  unserer  vier  Bildnisse  ,  die 
übrigen,  besonders  jene  der  Glastassen,  blos  als  Por- 
träte der  ersten  Stufe  betrachtet  werden  können,  wird 
es  nöthig ,  hier  wieder  den  scharfen  TJuterscIiied  zu 
machen,  demgemäss  die  helleniselien  Bildnisse  der  er- 
sten Stufe  einer  Epoche  des  Aufsteigens  oder  Ringens 
nach  EntAvicklung  der  jugendlichen  Kunst  angehören, 
während  l)ei  den  Porträts  der  altchristlichen  Zeit  die 
liunzeln  des  Verfalles  gar  deutlich  sichtbar  werden, 
i'lirigens  ist  in  Bezug  auf  die  Glastassen  niclit  zu  ver- 
gessen, dass  wir  es  hier  nicht  mit  wahrhaften  Künst- 
lern, sondern  blos  mit  Handwerkern  zu  thun  haben, 
und  dass  aucli  die  schwierige  Teciinik  liier  Hindernisse 
in  Menge  erzeugte. 

Wenden  wir  uns  nun  zur  Darstellung  der  Apostel 
Peter  und  Paul  in  der  Kanmier  zu  Fünfkirchen:  wird 
die  höchst  bedeutende  Ähnlichkeit  zwischen  dieser  und 
jener  der  Glastasse  Fig.  1:^  in  die  Augen  springen.  In 
beiden  stehen  die  Apostel  unter  dem  ('(oistantinisclien 
Monogrannn ,  nur  dass  in  Fünfkirclien  die  unterhalb 
befindliche  Spiraculuniötlhung  nicht  erlaubte,  einen  Säu- 
lenschaft  unter  dasselbe  zu  setzen.  Auf  der  Tasse  sind 
die  Ajjostel  in  einer  ruhigeren  Stellung ,  und  deuten 
blos  mit  einer  massigen  Handeriiebung  das  fiespräcli 
zwischen  sich  an ,  während  in  Fünfkirchen  die  weit 
ausgestreckte  Rechte  Beider  auf  das  triumphirende 
Monogramm  hinweist,  indem  die  Linke,  nacii  .intiker 
Art,  vom  Oberkieide  bedeckt  bleibt.  Die  ückleidung 
besteht  aus  zwei  Stiickcii  :  dem  initeren  ,  der  Tunica, 
und  dem  oberen,  dem  Pallium;  auf  beiden  zeigt  sich 
ein  farbiges  Band  (ob  gewirkt  oder  gemalt?),  wie  die- 
ses, als  latus  ciiivus,  zumal  in  der  constantinischen  Zeit 
so  häufig  vorkdinnit.  Obsriion  die  Farben  sflir  verblasst 
sind,  scheint  es  doch,  als  oi»  ursprünglich  des  einen 
Apostels  Tunica  gelb ,  der  Mantel  weiss  ,  umgekehrt 
des  anderen  Tunica  weiss  und  der  Mantel  gelb  gewesen 
wäre.  Der  Name  eines  jeden  lässf  sich  blos  aus  dem 
Kopfe  erratln-n.  Der  rechts  Stehende  ist  kahl  oder 
dofh  schwach  behaart.  Dieser  Umsland  weist,  (U-r'i'ra- 
(lition  gemäss,  auf  St.  Paulus,  doch  ist  sein  Bart  rund 

^>  Non  per  ci6  ö  iodogno  f*flscro  nofato,  do  müntro  du  un  cantn  tceti- 
moniaiize  Inconcusto  o  Ia  voct;  dl  luila  antlchltri  cü  nnunclarono  o  Plotro  o 
Paolo  ci9cro  mortl  In  Itoma;  dall'  altro  i  moniimenil  romanl  ci  danno  a  con> 
tomplare  in  efflgle  viracl  o  veiuallsKiml  !  vciicrablli  rolM  dcl  rorlfcl  dol  ol- 
login  a[io.«tollco.  E  bcneird  a  strotto  vlt;oro  dl  r«niiliii  la  cblosa  i-omana  >o- 
irobbr-  avcro  f|tielle  cfTluie,  Ronza  che  ambcdiio  gll  npostoU  ]'  avuAscro  fendala 
e  le  avcasero  lanclato  Tercdltä  dol  loro  Hanguo ,  piin.-  ö  innr.>f;at>lli- ,  che  la 
Btoria  dcllrt  v(>riTita  a  Roma  dl  ((iifl  due  somml  liandltori  dt-l  vaiigolo  ermo. 
ntzza  a  maravlglla  rol  (rovnro  iiol  dopo  s{  liirigo  cor»o  dl  pucoll  In  Koma 
medcsima  dcl  loro  rilralll  copl«-  anticliisslfnc,  che  co  II  dlplngono  al  vivo, 
Qnestr-  belle  armonio  dcla  »torla  scrltla  con  I  montimcnt]  non  sono  ofTetto 
dil  caso,  ma  pegnl  dclla  verliA  dcll'  una  e  dcgll  altrl.  (liull.  IK(]\  p.  86.) 


und  kurz,  was  wieder  nicht  paulinisch  wäre.  Den  all- 
fälligen Zweifel  löst  jedoch  des  links  Stehenden  kurzes, 
dichtes  und  krauses  Haar  und  rundlicher,  kurzer,  krau- 
ser Bart ,  welche  den  Apostel  Petrus  kennzeichnen. 
Dass  er  keinen  Sclniurbart  hat  (s.  T.  II,  der  Kojif  im 
grösseren  Massstalie)  gibt  ihm  ein  etwas  modernes  An- 
sehen; übrigens  ist  der  Apostel  hier  im  jugendlichen 
Alter,  also  symbolisch  dargestellt,  während  Paulus  das 
gehörige  historische  Alter  hat.  Der  untere  Theil  der 
Figuren  ist  nicht  erhalten,  daher  wissen  wir  nicht,  ob 
sie  mit  blossen  Füssen  oder  mit  Sandalen  dargestellt 
waren.  Übrigens  sind  die  blossen  Füsse  der  Apostel, 
als  symbolische  Merkmale,  mei.st  erst  dem  Mittelalter 
geläutig. 

Über  den  Figuren  und  um  dieselben  sind  rotlie 
Bänder  aufgeliängt ,  von  denen  wieder  grüne  Bänder 
herabhängen;  es  sind  dies  die  sogenannten  vittae  der 
Alten.  Unter  den  antiken  Denkmälern  sind  es  die  ge- 
malten Thonvasen  ,  und  hier  wieder  jene  des  bacclii- 
schcn  Kreises,  wo  die  vittae  am  häutigsten  vorkommen. 
Ferner  sehen  wir  die  Gpfertliiere  mit  denselben  ge- 
schmückt; z.  B.  wiederholt  in  den  „Suovetaurilien"  der 
Trajanssäule,  wie  überhaujit  alles,  was  den  Charakter 
des  Geweihten,  des' Geheiligten  trug,  gewöhnlich  mit 
diesen  Bändern  geziert  wurde  ;  niclit  nur  der  Altar 
und  ^er  in  die  ^lysterien  Einzuweihende,  sondern  sogar 
der  dem  Orcus  geweihte  und  zum  Riclitplatz  geführte 
Verurtheilte.  AVir  lesen  in  VirgiPs  Eccl.VIlI,  folgenden 
(64.)  Vers : 

Eft'er  aipiaiii,  et  molli  cinge  liaec  altaria  vifta. 
Weich  wird  das  Band  deshalb  genannt ,  weil  es 
aus  ungesponnener  Wolle  verfertigt  wurde.  Tacitus  er- 
zählt Hist.  IV,  r)3,  die  Ceremonicn  bei  dem  Wiederauf- 
bau des  capitolinischen  Temi)els ,  wobei  Folgendes 
vorkommt:  llanispices  nionuerc,  ut  relifpiiae  prioris  de- 
lubri  in  paludes  aveherentur,  teniplum  iisdem  vestigiis 
sisteretur,  noile  deos  niutari  veterem  formam.  Undecima 
kalendas  Julias,  serena  luce,  spatium  omne  quod  tein- 
plo  dicabatur,  einctum  vittis  coronisipie.  lud  weiter: 
Tum  Ilelvidius  i'riscus  jiraetor,  praeeunte  l'lauto  Eliano 
liontifice  vittas  ([uis  (quibus)  ligatus  lapis  iniiexicjue 
funes  erant  contigit.  Hier  sieht  man,  wie  diese  Bänder 
den  Umfang  des  Tempels,  oder  vielmehr  des  ganzen 
Tenienos  bestinimten,     umf'assteii. 

Wir  dürfen  demnach  beliauittt'ii  ,  dass  in  unsere 
Kammer  eine  antike  priesterliclie  Verzierung  übertra- 
gen wurde,  wohin  auch  noch  die  auf  den  Grund  ge- 
streuten IJIumen  gehören.  Wir  sehen  dasselbe  auf  dem 
bereits  früher  angeführten  Wandliilde  ,  wi'IcIk's  Gri- 
inouard  dem  Gömeteriiim  Marct'lliiis  und  l'efer's  zur 
Illustration  seines  fünffen  Artikels  entnommen,  und  falls 
dies  Gemälde  dem  V.  Jalii-hundert  angehört,  hat  sich 
die  iierübeniahme  aus  der  antiken  Welt  noch  ein  Jaiir- 
hundeif  länger  in  Bom  erhallen,   als  in  Pannonien. 


Das     Co  II  st  a  11 1  i  n  i  sc  h  e     M  oii  ogi  a  min     und     die 

F,  poclic   des  Krsc  hei  n  e  11  s  und  d  i  i'  Formen  des 

K  reu  zes.    (Fig.  12.i 

Liier  diesen  GegiMistand  hat  Bossi  ausführlich  in 
einem  an  Cardinal  Pitra  gerichteten  Brief  im  J.  IXbl 
geschrieben  (s.  Spicilegium  Solesmense,  IV.  Hd.  S.  nOf) 
bis  .').'] 7).    Bossi,    sagt  man,  habe  hierüber  eine  ganze 


73 


Fig.  12. 

Bibliothek  *-•,  nachdem  jedoch  Rossi  nicht  nur  diese 
Bibliothek  benützt ,  sondern  auch  den  grössten  Tlieil 
der  vorkommenden  Beispiele  in  den  Originalen  studirt, 
glaube  ich  unserem  Zwecke  zu  genügen  ,  indem  ich 
Rossi  allein  als  Gewährsmann  und  Zeugen  annehme, 
und  das  Resultat  seiner  Studien  so  kurz  als  möglich  an- 
führe. 

Hat  nun  der  Heiland  zu  seiner  Bezeichnung  zwei 
verschiedene  .symbolische  Zeichen,  oder  blos  eines,  je- 
doch dieses  von  verschiedener  Form  gehabt?  Auf  den 
Denkmälern  ist  die  Form  verschieden;  zuweilen  kann 
mau  an  der  des  Kreuzes  nicht  zweifeln,  vorzüglich  in 
diesen  T,  t,  +  einfachen  Gestalten  nicht  (obschon  die 
letzte  ,  die  byzantinische  ,  blos  ein  eingebildetes  und 
kein  wahres  zur  Anheftung  an  dasselbe  dienendes  Kreuz 
darstellt);  gewöhnlich  aber  ist  die  Form  so  versteckt, 
dass  es  einer  Erklärung  desselben  bedarf;  derlei  ver- 
steckte Kreuze  sind  die  folgenden :  X ,  ^P?  4^'  ""^i  '^er 
Ägypter  Lebenszeichen  9  ?  ^^^^  ansata,  gar  nicht  zu 
gedenken.  Die  Römer  und  Juden  bedienten  sich  des 
X  Kreuzes  nicht  zum  Anheften  daran ,  dennoch  sagen 
Isidorus  und  Hieronymus  ,  dass  in  diesem  Anfangs- 
buchstaben des  Namens  Christi  das  Kreuz  enthalten 
sei :  „figuram  crucis  inessc' ;  dies  ist  daher  auch  in  dem 
Cönstantinischen,  aus  den  Buchstaben  X  und  P  beste- 
henden Monogramme  der  Fall,  weshall)  Prndeutius  mit 
Recht  sagt:  CHRISTVS  purpureum  gemmanti  textus  in 
auro-signabat  labarum,  clypeorum  insignia  CHRISTVS- 
SCIPSERAT,  ardebat  summis  CRVX  addita  cristis. 
So  sagt  auch  Paulinus,  man  müsse  im  X-Buchstaben 
das  Kreuz  offenbar  erkennen.  Über  die  zweite  mysti- 
sche Form  des  Kreuzes  sagt  Rossi  blos,  dass  sich 
desselben  häufig  auch  die  römische  Heidenwelt  be- 
diente. —  Sie  brauchte  dieselbe  besonders  als  Fries- 
verzierung, als  eine  Art  des  Mäanders,  die  Christen 

*-  Quorum  (commentatorum)  tanta  copia  est,  ut  eorura  scripta  non  me- 
diocrem efficiant  bibliothecam,  quam  Zannonius  recensuit  (multo  acutior  ceusus 
nunc  confici  posset);  opinionum  vero  et  sententiarum  tanta  varietas  et  pugna, 
ut  quoties  eam  litem  severe  aestimare  et  controversiae  rationes  ac  causas 
mecum  ipse  reputare  pergo ,  ad  capiendum  consilium  rix  mihi  videor  animo 
competere.  Noch  früher,  d.  h.  1855,  schreibt  Ro  s  s  i  an  Pitra{Spicil.  III.  S.  552) ; 
Quidquid  plurimi  iique  doctissimi  viri,  hac  de  re  scripserint,  ego  certe  nullum 
adhuc  reperire  potui  cliristianum  monumentum  ,  quod  vel  mediocri  fide  mihi 
se  probaverit,  quodque  monogr.imma  f  ante  Constantinum  incisum  a  christia- 
nis  pictumve  fuisse  indubie  demonstraverit.  Attameu  non  i.s  ego  sum ,  qui 
huju.scemodi  monogramma  ante  id  tempus  tcI  nondum  a  christianis  escogi- 
tatum,  \el  ue  eorum  mouumentis  uec  semcl  incideretur  lege  aut  more  cautum 
putem  fuisse  .  .  .  hoc  unice  statuo,  quod  monumeuta  ipsa  aperte  me  docuerint, 
ejus  monogrammatis  usum  secundo  et  iueunte  tertio  Ecclesiae  saeculo ,  ved 
nullum   plane  fuisse,  Tel  certe  rarissimum. 

XVIII. 


nannten  sie  jedoch  Tctragramma,  d.  li.  aus  vier  1'  zu- 
sammengesetzt ,  und  wollten  durch  diese  Figur  die 
Dreieinigkeit  bezeichnen  *3.  Das  mit  dem  Anker  ver- 
bundene Geheimkreuz  übergeht  Rossi  an  dieser 
Stelle. 

Das  T  förmige  Kreuz  nannten  die  Lateiner  „crux 
eommissa",  das  lateinische  „immissa^*,  das  byzantini- 
sche .,quadrata'%  und  Rossi  glaubt,  dass  sie  beider 
Bezeichnung  mit  dem  Kreuze  sich  vorzüglich  der  l>ei- 
den  letzteren  bedient  haben.  Wenn  wir  die  Denkmäler, 
aufweichen  das  Kreuz  vorkommt,  kritisch  betrachten, 
werden  wir  keines  älter  als  das  V.  Jahrhundert  tinden; 
das  älteste  Tförmige  Kreuz  kommt  auf  einem  durch 
das  Jahr  370  bezeichneten  Denkmal  vor.  Rossi  ist 
nicht  geneigt ,  von  diesen  verhältnissmässig  späten 
Daten  abzustehen,  doch  entschuldigt  er  Bosio  und 
Boldet^i,  wenn  sie  weit  ältere  Kreuze  der  Cömete- 
rien  anführen.  Der  Irrthum  ist  dem  Umstände  zuzu- 
schreiben, dass  man  Kreuze  in  späterer  Zeit  auf  Steine 
und  in  den  Wandmortel  ritzte,  und  dass  die  beiden  For- 
scher diese  Kreuze  nicht  von  solchen  unterschieden,  die 
mit  der  Bestattung  gleichzeitig  waren  *\ 

^5  Bournouf  (Kev.  d.  deux  mondes  lö  auot  1868  p.  874)  nennt  das  Tetra- 
gramma,  welches  Ros^i  (Bull.  2868-  1.  S8.  s.  R.)  Krcuzganima  htisst,  „croce 
ganiinata",  und  leitet  es  von  Indien  her:  „se  retrouve  dans  les  livres  des  Indiens 
et  dis  Perses  av^c  le  müme  sens  ra^taphysique"  :  d.  h.  als  Zeichen  der  GlÜck- 
selitrkeit,  des  Segens  oder  des  guten  Glücks.  Die  Bralimanen  und  Buddhi- 
sten nennen  es  „STasiika".  Kossi  geht  dagegen  nic}ir  so  weit;  da  ja  diese 
Figur  häufig  genug  bei  den  Hellenen,  Körnern  und  Etruskern  vorkömmt.  Die 
Christen  konnten  sich  desselben  als  versteckende  Figur  um  so  leichter  bedie- 
nen ,  da  dieselbe  dem  Phönizischeu  J^  ähnlich  ist.  Das  Kreuzgramma  tritt 
selten  auf,  iiisolange  mau  den  Anker  als  Kreuzzeichen  betrachtete  ,  es  kam 
deilialb  erst  in  der  zweiten  HJilfte  des  HI.  Jahriiunderts  mehr  in  Gebrauch. 
In  gleicher  Weise  spricht  sich  Uossi  in  der  K.  sott.  II.  SlS**  und  im  Spicil.  III. 
-Ii8  .iDe  nominibus  Christi"  aus  ;  Xonum  (nomen  est)  Tetragammaton,  i.e.  quatuor 
litterarum,  quod  Anaphoneton  i.  e.  Ineffabile  putaverunt.  Et  his  litteris  scri- 
bitur  Jod.  He,  Vau,  Kht.  Interpretatur  Jod  =  principium,  He  =  passio,  Vau  = 
vit;i,  Eht  principium  passionis  vitae. 

*  De  uuda  paiibuli  forma  T  paucis  verbis  transigam.  Hanc  (merum  sci- 
licet  patibulum.  quoties  enim  anchorae  vel  nionogrammati  iunectitur,  cum  dis- 
timulaiae  erucis  formis  censetur) ,  haue  inquam  ego  in  coemeterüs  ipsis  nun- 
quam  vidi,  in  epitaphüs  inde  extractis  semel  tantum  ,  eamque  monogramraati 
constaiitiniano  proxime  appictum.  Bosius  quoque  aut  semel  aut  raro  vidit 
niuäivo  opere  in  Cyriacae  tantum  coemeterio  expressam;  eandem  quam  Bosius, 
opinor,  et  Boldettus.  —  Num  si  caetera  veterum  Ciiristianorura  monumenta 
recensere  pergam  et  examinare,  eandem  in  c>nini  ante  saeculum  circiter  quin- 
tum  fabrefacto  opere  merae  crucis  raricatem  facile  demonstrarem.  Antiquissima 
fere  hujus  exempla  sunt;  sigilla  M.  Instaei  Aemiliani  —  Nuda  crucis  imago 
in  sigillis  inde  a  saeculo  ferme  quarto  coepit  adhiberi.  Vide  Sig.  apud  Passeri 
Gem.  astrif.  t.  III.  p.  239  n.  liöU,  quod  a  nemiui  intellectum  sie,  pro  summa 
qua  erat  in  his  litteris  sa^acitate  ,  interpretatus  est  Marinius  (Iscr.  flgul.  ms. 
Vat.p.  -i-iS):  Instei  Tertulli  U.  C.  et  Statiliae  Aemiliae  C.  J.  De  Insteiis  dis- 
seruerunt  idem  Marinius  (Arv.  p.  65G),  Labusius  (Epigr.  aniica  scoperta  in 
Padova  1819  p.  15j  et  Fea  (Frammenti  dei  fa&ti  consolari  p.  63);  de  hoc  vero 
Marco,  Insteo  Tertullo  V.  C.  nee  verbum  quideni.  Illum  ipsum  esse  qui  urbi 
praefuit  anno  360  suspicatus  saepe  sum:  sed  multa  huic  conjecturae  adver- 
santur,  de  quibus  non  est  hie  diccndi  locus.  Caeterum  ante  saeculum  quintum 
vixisse ,  vetus  nominum  ratio  satis  indieat  {Spicil.  HI.  556  in  Rossi's  Artikel 
„De  Christ,  monum.  IXO'J'N  eshibeutibus)  ;  et  cujusdam  Joannis  (vid.  Ficorini, 
Gemmae  t.  XI,  4)  et  graphium  argenteum  olim  Romae  apud  Capraneum  his 
inscrjptis  litteris: 

t  RVMVLA 
VIVAS  IN  DEO 
SEMPER 
quae  quarto  exeunte  vel  quinto  ineunte  saeculo  facta  esse  judico.  Patibuli 
vero  T  pauca,  licet  multo  antiquiora,  videntur  monumenta  superesse;  gemma 
scilieet  a  P.  Raphaele  Garruccio  V.  C.  nuper  explicata,  aliaeque  duae  tresve 
annulorum  item  gemmae,  quas  in  schedis  meis  descriptas  habeo  ;  quamquam 
in  hoc  genere  fallaciaa  multas  me  vidisse  et  neque  ipsis  saiis  meis  oculis 
fidere  jam  olim  monui ,  et  nunc  itcrum  moneo;  neque  enim  increduUtatis  me 
unquam  meae,  sed  credulitatis ,  quamquam  suspicionis  adeo  sum,  jam  plus 
aem<'l  poenituit.  —  Nunc  quoniam  meram  et  propriam  crucis  imaginem  anti- 
quiori  aetate  et  ante  saeculum  omnino  quintum  in  monumeutis  vix  raro  apparere 
demonstravi  (das  Wort  „vix**  scheint  nicht  hieher  gehörig),  qua  via.  quo  gressu 
eo  demum  perventum  fuerit,  ut  salutare  Signum,  quod  in  sacrorum  ritibus  et 
omni  vitae  actu  veteres  Christiani  lantopere-  colebant,  absque  Ulla  passim 
dissimulatioue  publice   proposuerint  accurate  quaerendum. 

Im  Verlaufe  spricht  Rossi  seinen  Zweifel  über  den  vorconstantinischen 
Gebrauch  des  Monogrammes  aus:  Nam  quae  fieri  solent  ejus  monogrammatis 
antiquissima  monumenta  alia  falsa  sunt,  alia  corrupta,  alia  demum  multo  recen- 
xioris  aeTi,  quam  visuni  nonnullis  fuerit.  Vno  verbo  in  antiquioribus  Constan- 
liuo  M.  Christianis  titulis,  quorum  aetas  per  consulum  nomina  designatur, 
unicum ,  quod  semel  apparet  sive  monogrammatis  Christi,  sive  dissimulatae 
crucis  Schema,  illud  est  quod  litteris  IX  hac  specie  f  connexis  constat. 

Rossi  citirt  hierauf  das  Vorkommen  von  £  auf  verschiedenen  Grab- 
schriften ^er  Jahre  331,  336,  338,  339,  341,  313,  3-14,  346  und  347,  in  welchen 
dieses  Zeichen  alltäglich  gebraucht  wurde:  nee  juvat  ulterius  pergere,  hac 
enim  aetate  vulgare  ac  plane  solenne  hujuscemodi  Signum  fuisse  vel  ignaris- 
simi  sciunt.  Vom  Jahre  355  kommen  die  Buchstaben  A  und  Q  hinzu,  347  -wird 
das  Kreuz  schon  verdoppelt  f ,  355  das  X  weggelassen  ff.  Anfangs  des  V.  Jahr 

10 


74     — 


Auch  auf  den  Miin/.ii  "  .>ii-tautin"s  erseheint  das 
]\[ünoi;Tannii,  besomii-is  aiii' d.T  Fahne  ,Jabarum",  uud 
zwar  walirsclieinlich  umiIi  niiluM-  als  auf  den  Grabdeuk- 
mälern,  und  sag-t  am-li  lii'-  l.i-,--.-nde,  dass  es  Constan- 
tin  in  der  Scldacht  mit  M:(\.iitiii-  am  Himmel  erblickte. 
Daher  stammen  dann  .iinh  lol-.ijde  Inschriften:  ..in 
hoc  sig'uo  semper  -iinci-.«-  iiimI  kür/er  ,.in  hoc  signo", 
welclie  wir  auch  auf»  iialisc-lirifti-n.  besonders  jenen  von 
Karthago  lesen  (vgl.  KüssIs  Aufsatz  „de  titulis  chri- 
stianis  carthagincnsibiis-  am  Anfang")  :  Reliqua  saeculi 
quarti  (d.  h.  \'on  oJ  1  am  :n'i;ii.-  aumogrannna  constan- 
tinianum  lalaire  prai-s.-iiim  in>rii|)tnm  in  numniis  pas- 
.sim  conspicitur;  net|iii-  a  umlai-  ci-ucis  imagine  sei)ara- 
tur,  et  quasi  h)CO  pfllinir.  iii>i  saeculo  demum  quinto, 
quo  scilicet  tcmpon'  iiairm  ,iii>  signi  vicem  et  in  aliis 

omne    genus    monii mi-  .    •ili>iTvavimus.    Ipse    ergo 

Christi  signo  notati  iinnmii  nun  seeus  ac  lapides  nobis 
testantur  vertente  -ai'i-nlo  ■|iiarti>  a  solenniori  mono- 
grammatis  forma  a>i  mi'la.-  cnicis  inniginem  ventum 
esse;  (luannuiam  liaii-  m.iiiiiiiis  in  iiummis,  quam  in  re- 
liquis  Italiae  saltcni  •  ialliajiiiiiqiic  monumentis  videtur 
ai)paruissc. 

Kossi  fand  in  .b-a  äli.  ri-a  ans  dem  III.  Jahrhun- 
dert und  früheren  Zi'iiin  st.iinmiiiden  Kannnern  keine 
Sl)ur  weder  des  (Vni-ianiirii^ilM'ii  nodides  Kreuz-Mono- 

grammes  ,   ..crnx  n -i-.iMUMaiiia--  4? ;   doch   kommen 

hie  und  da  vor:  (la>  Tftra-iaiiiiiia ,  der  Ijuchstabe  X, 
der  zuweilen  von  cim-m  idTprmliinlären  Striche  durch- 
schnitten wird,  und  ib-r  Ank.r.  iiiid  zwar  in  den  der 
l'apstkammer  benaclHiaiii  II  A,--  ('alixtus'schen  Cöme- 
teriiuiis.  Jenem  der  Dmniiilla   immI  lies  Praetextatus.  Im 


Gegentheile  winnm 


■  li'-  Kainnirrii  aus  der  Zeit  C'on- 


.stantin's  von  jenem  ■!•■-'  "nstantin  .  bei  weitem  weni- 
ger aber  des  Kreuziia'miL:r:ninMS  '*■■■. 

Und  weshalb  iM-.ii.nt'u  -irh  die  Christen  in  den 
ersten  drei  Jaiiriiumi.-iirii  nirln  des  ciid'acben  Kreuzes? 
Weil  es  grtabriirl]  war.  >ii-b  zu  vrrrathen ;  weil,  wäh- 
rend die  Krcuziguii.u'  ri."|i  ;il>  Tiidesstrafe  angewandt 
wurde,  der  Anblick  di>  Ki'  n/i  >  ein  abstossender  war, 
und  sie  ohnehin  von  diai  ]|>idiii  die  Spottnamen  ,.cru- 
eicola-  und  ,,cruci>  nli-i.isi-  zu  luiren  hatten.  Di'shalb 
auch  wählte  (konstant in  zu  -i-inmi  Zeichen  aucii  nicht 
die  „crux  nuda'-,  s b-in  ila>  Mcm.igrannn  *". 

Rossi  erklärt  d^n  1  b.  rgang  vom  Constantini- 
sclicn  MonograniMi  znm  Kn'nzM.inogramni  folgend: 
Constantin    niachti-   di.-    cliri^ilirlii'   Kirche    triunq)inren 

buudcris  koiiiml  der  Gcbrancli  '[et  i-liifaclieii  Kreuzes  auf,  d.  li.  des  latelnl. 
sehen  und  by/,antlnlichon :  ..rrux  hniitjsita  ef  •iliadrata'^  In  romanl»  monumeutis 
]iost  anniim  l't^f  iiionogFSminartp  <:ttrUiI  vU  iilU  extftnt  cxcmpla;  crucis  vcro 
i/  In  'dit-s  rarlorn.  Auch  wt-rdcri  die  .M"n>.^riiiiiiin.'  im  (►ccidente  Immer  seltener. 
Cactcrum  ut4-umr|U6  dlspar  fn«  rit  pr»  rri:l<inuiii  di»parilate  celerltn^,  qtin  varlac 
sign!  Christi  forniae  rihllteritu*'  psullatlm  Ciifriini,  et  allae  In  nliarum  locuui 
sulistitutae ,  )ias  tarnen  Bat-ciill.  »inirri.  i-i  i|iilnr'>  in  ctiri.'.ilann  ccclc^la  ejus 
»ignl  vices  ,  hanc  hlMurlam  misse,  ut  ab  solemniori  monograiniiiatis ,  usu  ad 
nudae  rruris  passim  propouenils«  con:>Ilinni  vciilum  demum  fucrit,  rjuae  reccn* 
sul  monumcnta  lirmissimo  pernnsdenl,  allai|ne  paijno  innumera,  quorufn  licet 
incertus  annus  sit,  aotas  tanifii  phtrlhii»  Indlrlis  dignoscl  faclle  potosl ,  aporte 
conti  rmanf. 

^  In  rccciiti  pleruni'iu*-  dri-n  {..nn-i^  esleo  liaec  inonogrammata  sunt 
xarata  ,  scd  et  ninini'>rt-is  unili..  »ppli-la,  in  ')tiibn»  iltn  rjuno  buprn  scriptam 
spcciem  cxliihenl  plane  rul)Sar)a  ,  psiih»  minus  iisitnta  quae  littoras  quorjue  Au} 
applctns  prftcserorunt;  muU<>  tU-miim  rarl'ira ,  quao  crucem  exprimunt  mono- 
yrammaticam,  alque  hicc  in  i.'lriaeac  jirne  rfli-rls  coomoterio  consplcua;  In 
i|Uo  maxhni-  un<>  niulla  sepnlrrfii-nru  Ini'iinlls  snerull  vestlgla  nie  dcprehondlSHO 
Jam  slgnirica\i. 

*^  (.'onslantlnus  Ipse  Aii^ii»iii>  mrlflilanam  legem  publice  professus 
Christi  Signum,  quod  rooliin»  9lt>i  u^ienixtiii  »nirmavlt  labaro  I.  e.  Diltllari 
signo  Iniixo -.  sAl  Ipsarn  crucem  ,  rui  »londiitn  vsl  lidcllum  oculi  satls  ndsue* 
voran!,  pendente  velo  quasi  relal'si,  •-rnrl*  ver<>  dissiniutetatn  In  Christi  noinen 
dcsignantibus  litterls  Imaglnem  .«iiIiliMiPM«  erexit.  Cujus  Imnglnb  slvo  monn- 
gramnintls  Ip^an)  et  proprlani  f'iriiiain  veiere>  qiildeui  paruTn  persplcue  et  nccu- 
ratr  ^l^nlflcant;  qtiare  uiagn  •  hac  de  re  reeentlorum  amblijultan  est;  verum 
rnxnnmenia,  «luae  dillgenter  .f  irtMuimiis .  quaeque  cum  Ipsr>  labarl  schemato 
In  Constlnl  et  Itllorum  ejus  nuntnili*  loiies  nbvi»  mire  consenliunt,  dubltaro  Jain, 
in  fallor,  mlnimc  slnunt,  baito  y  e..nrtisntiiilatii  vere  labar|  noiam  fulsse. 


und  verbot  die  Kreuzigung ,  hiedurch  fiel  die  Furcht, 
der  Spott  und  der  Absehen  weg,  wozu  noch  ein  positi- 
ver Grund  trat ,  nämlich  die  Auffindung  des  Kreuzes 
des  Erlösers,  endlich  wirkte  auch  die  Antipathie  gegen 
die  Arianer  und  die  aus  dieser  entstandenen  Feind- 
seligkeiten. So  kam  es,  dass  mau  das  einfache  Kreuz 
dem  Constantinischen  iMonogramme  vorzog,  weil  jenes 
dem  wahren  Kreuze  näher  stand  ,  und  dass  man  den 
Arianen)  zum  Trotze  noch  die  Buchstaben  Aw  iiinzu- 
setzte. 


Dies  war  Rossi's  Ansicht,  als  er  18.07  seinen 
Brief  an  Pitra  schrieb.  Sehen  wir  nun,  ob  sich  seine 
Ansicht  seither  nicht  änderte?  Sehen  wir  zu  diesem  Be- 
hufe  in  seinen  späteren  Schriften  nach. 

18()3  fand  man  unter  dem  Pflaster  von  S.  Lorenzo 
einen  Grabstein  mit  folgender  Inschrift :  Dulcissimo 
filio  Florentino  qui  vixit  aunos  XXIII ,  menses  VII. 
dies  XXVI,  deposito  idibus  septembris  Severo  et  Rufino 
consnlibns.  Fecerunt  parentes  in  pace.  Monogrannn  des 
Constantinus.  Die  i)eiden  Genannten  waren  im  ,1.  .'>i'o 
Consuln,  demnach  wäre  diese  Gral)sclirift  um  8  Jahre 
älter,  als  die  friUier  als  älteste  bekannte  von  331  (BnW. 
1863,  S.  22). 

In  demselben  Bull.  v.  18(53  (S.  3.^)  u.  82)  werden 
zwei  andere  neu  entdeckte  Grabschriften  ])ublieirt ; 
beide  setzt  Rossi  in  das  III.  Jahrhundert  und  auf  bei- 
den kommt  das  Zeichen  y  vor. 

IRETXE  A^^POAICIC 

i 

,.In  (lue  epigratfi  e  segnato  il  y,  ricordo  miste- 
rioso  della  croce,  rarissimo  ne'  monumenti  romani." 

Wichtiger  noch  ist  eine  in  Vienne  oder  genauer  in 
der  Kirche  von  Sivaux  eingemauerte  Gral)schrift : 

AETERXALIS 

ET  SER\ILIA 

\'n'ATIS  IN  DEO. 

welche  Rossi  nach  einer  Pliotogra]ihie  publicirt  (Bull. 
1863,  S.  47  u.  48).  „Die  Eiiilatdiheit  des  Ausrufes, 
die  Eleganz",  sagt  Rossi,  „das  Alter  der  Familie  Ser- 
vilia  ,  der  ganze  archaische  Charakter  der  Insciiritt 
setzen  sie  gleich  jenen  Inschriften ,  welche  ich  den  in 
meiner  E))igrai)hik  (Prolog,  c.  V.  et  5)  entwickelten 
Grundsätzen  ,i;einäss  liir  aus  der  Zeit  der  \'erfolgnngen 
stammende  halle.  Ist  demnach  die  französisdie  (ir.ab- 
schriit  vor-constantiiiischy  Ist  es  so,  dann  hat  das  ihr 
vorangesetzte  grosse  Zeichen  eine  ganz  besondere  Be- 
deutung ,  und  würde  beweisen  ,  dass  dasselbe  wenig- 
.stens  in  (iallien  bereits  zur  Zeit  der  \'erfolgungen ,  als 
verstecktes  Kri'itzzeichen  in  Ciebranch  war.  Ich  .ant- 
worte kurz  auf  diese  gcwiciitigen  Fragen.  Klar  ist  es, 
dass  die  Inschrift  den  Charakter  der  ältesten  an  sich 
trage.  Ist  aber  dies  an  sich  schon  genügend ,  sie  vor 
Constantin  zu  setzen?  IlierlUier  habe  ich  bereits  in  der 
angefliiii'ti'n  iMiileitniig  (S.  CXH)  ges|)rochen.  Es  ist 
iiiciit  anziiiiehnien,  dass  der  durch  Constantin  der  Kir- 
ciic  gegebene  Friede  die  E])igraphik  mit  einem  Schlage 
umgestaltet  iiabc,  jedenfalls  niusste  eine  Ei)oche  ein- 
treten, welche  wir  die  des  l'berganges  nennen  dlirfen, 
und  in  welcher  die  alten  Formen  nel)en  den  neuen  ge- 
Ijraucht  wurden.  Es  scheint,  als  ob  diesig  Fbergaiigs- 
Epoclie  in  Rom  selbst  von  sehr  kurzer  Dauer  gewesen. 


75     — 


von  längerer  aber  ausserlralb  Hoiii.  In  Frankreicli  fin- 
det man  ,  besonders  in  den  Museen  von  Vaison  und 
Aries,  auf  Gral)seliriiten  des  ältesten  Styles  das  ('on- 
stantinische  Mimogranini.  Ob  nun  diese  der  l'ber- 
gangs-Epoelie  oder  den  ersten  Jahrhunderten  angeliören, 
ist  blos  dureli  den  minutiösesten  Vergleich  der  von 
einem  und  demselben  Orte  stammenden  sowohl  unter 
einander,  als  auch  mit  anderen  Deidonälern  auszu- 
machen. Es  steht  zu  hotten  ,  dass  die  Archäologen 
Frankreichs ,  welche  gegenwärtig-  das  Studium  ihrer 
christlichen  Alterthümcr  mit  so  vielem  Eifer  aufgenom- 
men ,  diese  wichtige  Aufgalie  lösen  werden." — Die 
Frage  ist  demnach  noch  nicht  entschieden  ,  und  es 
scheint  blos  so  viel  sicher,  dass  wenigstens  in  den  von 
Frankreich  östlich  gelegenen  Ländern  das  Coustanti- 
nische  Monogramm  nicht  älter  sei  als  311. 

Wo  R  o  s  s  i  über  die  von  Tischend  o  r  f  entdeckte 
und  nach  Berlin  gebrachte  sogenannte  sinaitische  Bibel 
spricht  ,  bemerkt  er  über  die  ältesten  in  Bibeln  vor- 
kommenden Monogramme  (Bull.  iSGo ,  S.  02  ff.) : 
„Solche  sehen  wir  nicht  nur  in  der  vaticanischeu  Bibel 
(die  R.  für  älter  als  das  \.  Jahrhundert  hält),  sondern 
auch  in  anderen  ältesten  Codices,  z.  B.  in  den  berühm- 
ten Evangeliarien  von  Vei-ona  und  Brcscia  ;  hier  gibt 
es  neben  zahlreichen  Kreuzen  auch  das  Oonstantiiusche 
Monograunn  und  in  Brescia  auch  das  Kreuz-Mono- 
gramm. Das  letztere  erinnere  ich  mich  auch  in  anderen 
aus  dem  VI.  und  VII.  Jahrhunderte  stammenden  latei- 
nischen kirchlichen  Haudschriiten  gesehen  zu  haben. 
Doch  scheint  es,  als  ob  man  das  Kreuz-Monogramm  im 
VIII.  und  IX.  Jahrhundert  selten  oder  gar  nicht  ge- 
braucht habe  ,  nicht  in  den  Zeiten  Karl's  d.  Gr.  und 
nicht  in  biblischen  oder  liturgischen  Manuscripten.  Die 
vom  Berge  Sinai  gebrachte  Handschrift  ist  nicht  jün- 
ger, falls  sie  nicht  noch  älter  ist,  als  die  vaticanische^^, 
und  sowohl  in  dieser  wie  in  jener  von  Cambridge 
kommt  Constantin's  Monogramm  nirgends  vor.  —  Le- 
tronne  behauptet  auch,  dass  dieses  in  Ägypten  nie 
vorkomme  ,  das  Kreuz-Monogramm  dagegen  vorherr- 
sche.'' Au  einem  Orte  erklärt  Rossi  diesen  Umstand 
aus  der  Ähnlichkeit  des  letzteren  mit  dem  Lebenszei- 
chen der  alten  Ägypter,  der  „crux  ansata". 

Im  Bull,  von  1804  (S.  28)  publieirt  Rossi  eine 
höchst  merkwürdige  Inschrift,  die  im  heutigen  Clier- 
chel  (dem  alten  Caesarea  Mauritaniae),  westlich  davon 
in  einer  Entfernung  von  beiläufig  500  Metres  gefunden 
wurde : 

Aream  at  (ad)  sepnlcra  cultor  Verl)i  contulit 
Et  cellam  struxit  suis  cunctis  suni])tibus 
Edesiae  sanctae  haue  reliquit  memoriam. 
Salvete  fratres,  puro  corde  et  simplici 
Evelpius  vos  (salutat)  satos  sancto  spiritu. 
Eclesia  fratrum  hunc  restituit  titulum. 
Den  Sinn  der  hierauf  folgenden  Einzelbuchstaben 
vermag  Rossi   niciit  zu  erklären.   Mit  kleineren  Buch- 
staben   steht   am   Ende    ,,ex    ingenio    Asteri''  ;    diese 
Phrase  kommt  sonst  nicht  vor,  ist  jedoch  übereinstim- 
mend mit  jener  Tertuliian's  (Apolog.  c.  39):  ut  quisque 
de  scripturis  sanctis  vcl  de  proprio  ingenio  potest,  pro- 
vocatur  in   medium  Deo   carere.    Die  Wichtigkeit  der 
Inschrift  in  Bezug  auf  unseren  Gegenstand  bilden  die 

*'  JLiner  darin  vorkommenden  Anmerkung  nach  wurde  sie  von  Antoninus 
im  Kerker,  mit  Beihilfe  seines  Mitgefangenen  Pamphilus  ,  durchgesehen,  der 
(Letzterer)  den  Tod  300  ertitt. 


in  einem  ()lzweigkranz  si(  li<  i,«!« n  IJuclistaljen  Ao;,  wie 
auch  ein  hüpfender  \ii-(  I  mii  '•inoin  I'aliuenzweig 
ülier  sich. 

Im  zweiten  Band'  m  Iik  r  ..Roma  sotterranea" 
(ersch.  18()7)  spricht  I.c-m'  r.inrs  über  Constantin's 
Monogramm  und  die  Z<ii  ><  iii<  |-  Ij-scheinung.  Seite  KJ? 
und  1(')>^  handelt  er  ein«'  i  ;i;ibsclirift  ab,  auf  welcher 
dieses  vorkommt,  und  iiirr  Umiih  «t  sich  nicht  entschei- 
den, ob  es  für  vor-coiisi;iiiiiiii>c-li  /n  h:iltcn  ihIct  in  die 
Zeit  dieses  Kaisers  zu  sii/cn  ~.i. 

Seite  27()Und  277  i-iiiii  '■:■  rjn  .■indcresEpitaiihiiiin, 
dessen  alterthümlicher Si\  1  v..r-,-,.ii>tiiiiti)ii.>ich  ersclicint. 
Dagegen  spräche  zw:ii-  (l;i>  MoiK.gnimm ,  falls  man 
nicht  dui-ch  einige  Bi  isj.i- ].■  \ri>iicht  wäre,  letzteres 
als  älter  anzunehmen.  ..  jili  -l.iiilic,  es  ist  hier  ein  Un- 
terschied zu  machen,  ><\<  .i:i~  Zeichen  als  Abkür/.uu"- 
im  Texte,  oder  als  SMiiboj  Cur  sich  allein  steht.  Im 
crstercn  Falle  ist  es  ncdi  iiii/.niiis^igcr  als  im  zweiten 
das  Alter  der  Inschrift  blns  11:1.1,  ,lem  Monogramme  zii 
beurtheilen ,  da  wir  wi>>rii.  (i;i.x  man  es  in  den  welt- 
lichen Inschriften  in  (l<-i-  _\l,kiiiviing  der  Xanicn  und 
Worte,  besonders  bei  d<ii  .Miiii/.in  gebrauchte;  so  finde 

ich  es  angewendet    statt   ..  I liniis  et  Christus-    dder 

statt  „in  Christo-  an  ciin  r  ;cii>  (b^m  Jahre  20!i  >tam- 
meuden  Inschrift,  wie  anrh  einer  anderen  in  die 
Gruppe  der  ältesten  gi  liiuig.n  des  Calixtus'schen  Cö- 
meteriums.  In  beiden  i^i  liir  Christus  oder  Christus  Je- 
sus X  geschrieben.-'  Am  Kiidr  dieser  Erörterung  nimmt 
Kossi  die  Ubergangs-K| in-  /.m-  Aushilfe. 

Die  angeführten  und  an.!,  n-  Beispiele  bestimmen 
Rossi  (S.  322),  sich  jetzt  "'niger  entscideden  zu  äus- 
sern, als  er  zehn  Jahre  fViih.  r.  in  -<iiiem  Briefe  an  Pitra 
gethan*8. 

Auch  unsere  ..;\Iitth(ibiii-eii-.  Jahrg.  1863,  S.  141 
haben  aus  Rossi's  epigra)diis.hcm  Buche  eine  Grab- 
schrift gebracht,  deren  ii|i|,„(ics  Ende  GAL.COSS. 
u.  s.w.  vom  Berichtersiait.  I-  folgend  gelesen  wurde: 
„Fauste  et  (iallo  consiilibns- .  die  beiden  aber  waren 
208  zusammen  Consuln.   Am  ibu,  Eiiitliaphiimi  ist  das 

Constantinische   Monogr; /.u    sehen,    weshalb   der 

Berichterstatter  sagt:  ..dali.r  ,li,-  Meinung  derjenigen, 
welche  dasselbe  in  die  albr,  i>i<  11  (V)  Zeiten  des  Cbri- 
stenthums  hinaufrücken,  iii.-ln  mehr  so  sehaif  abzuwei- 
sen, wie  es  früher  viele,  iini.r  ümen  auch  Rossi  selber 
gethan  haben. - 

Dass  Rossi  seine  er.-tr  M-inung  später  bedeutend 
modificirte,  haben  wir  eben  -vs,hen;  doch  folgt  hier- 
aus nicht,  dass  wir  in  den  <-nigegengesetzten  Irrthum 
fallen  müssen,  indem  wir  den  ( iebraucl^des  [Monogramms 
in  die  „allererste  Zeit  des  Clrristenthunis  hinaufriicken"; 
denn  ,  falls  das  fragliciie  .M.in..gi-amm  auch  von  298 
herstammen  sollte,  was  denn  doch  nicht  unwiderleg- 
lich dargcthan  erscheint,  isi  e,  auch  dann  noch  nicht 
räthlich  ,  so  weit  hinauf/iigreitcu ,  ja  es  wird  selbst 
dann  der  ältere  als  Constauiinischer  Gebrauch  innuer 
noch  als  seltene  Ausnahme .  niclit  aber  als  Regel  er- 
scheinen. 


>•  ,Questi  faiti  potrebbero  bastare  *  yc rsuadere,  che  il  si-gno  P  per  lun-'o 
.ta  raris8,mo  e  appena  messe  in  quäl,  h.-  piet.a  piü  come  conTpendio  di  scrft- 
'V.V.h!  \r°  """""°'  V°'"l  ■^'^"""^  ''■''"■'i  i"  ogni  classe  die  men.orie  epi- 
fc-ranche.  Ma  non  pretendo  che  di  si  imp« r.ant-ä  pnnto  si  siudichi  sulla  sola  testi- 
man.anza  deimonumenti  del  cemeterio  di  rvilistoj  u  perpiö  ripeto  cirche  da 
pnncp.a  ho  detto,  ,,ues<l  fornire  la  lorc  ,,.,c,a  parte'allo  scioglim^euto    de  1  grave 


10* 


76     — 


Es  war  nothwendig:,  länger  bei  Constaiitin's  Mono- 
gramm zu  verweilen  ,  weil  dieses  in  Füntkirchen  vor- 
kommende das  äusserlieh  am  auftalligsten  dastehende 
Zeichen  abgibt,  demgemäss  sich  das  Alter  der  Kammer 
näher  bestimmen  Hesse. 

Ich  kann  mit  Koller  nicht  übereinstimmen, 
wenn  er  von  der  25.  bis  30.  .Seite  für  das  höhere  Alter 
des  Monogramms  kämpft,  und  zu  diesem  Zwecke  meh- 
rere Grabschriften  aus  Bosio  citirt.  Sicherlich  kennt 
auch  Rossi  diese  Grabschriften  genau,  und  doch  sucht 
er  deren  Beweiskraft  nicht  zu  schwächen,  weil  deren 
schwülstige  Schreibart  ohne  Zweifel  ein  sehr  junges 
Zeitalter  verrathen  ,  der  Leser  mag  sich  selber  über- 
zeugen : 

1.  Tempore  Adriani  imperatoris  Marius  adolescens 
dux  miiitum  qui  satis  vixit  dum  vitam  pro  Christo  cum 
sanguine  consumsit  in  pace  taudeni  quievit  bene  meren- 
tes  cum  lacrimis  et  metu  posuerunt  id.  VI.  Am  Ende 
steht  das  Monogramm,  an  der  Seite  ein  Palmzweig. 

2.  Alexander  mortuus  non  est  sed  vivit  su[)er  astra 
(■? !)  et  corpus  in  hoc  tumulo  quicscit  vitam  explevit  cum 
Antoniuo  imp.  qui  ubi  multum  beneticii  autevenire  prae- 
videret  pro  gratia  odium  reddit  genua  enim  fiectens 
vero  Deo  sacrificaturus  ad  supplicia  ducitur.  0  tempora 
infausta  (piil)us  intcr  sacra  et  vota  ne  in  oavernis  quidem 
salvari  possimus  quid  niiserius  vita  sed  ([uid  miserius  in 
morte  cum  ab  amicis  et  pareutibus  sepeliri  uequeant 
tandem  in  coelo  coriiscant  parum  vixit  IV.Xtem.  Rechts 
das  Constantinischc  Monogranun  und  ü))er  dem  Anfang 
überdiess  eine  crux  ([uadrata. 

Es  ist  zu  verwundern ,  dass  der  sonst  so  kritische 
Koller  hier  gar  nicht  stutzig  geworden  ist ;  dies  ist  blos 
dem  Umstände  zuzuschreil)en,  dass  man  zu  Koller's 
Zeit  die  altchristlichen  Graltschriften  kaum  noch  einer 
kritisclien  Beachtung  würdigte  unddesjiaib  auch  Ari  n  gh  i 
die  Grabschriften  des  Marius  und  Alexander,  ohne 
darüber  zu  grübeln,  als  vor-constantiniscli  auneimicn 
konnte  *«. 

Unser  Fünikirchner  Monogramm  pul)licirte  Eitel- 
b erger  in  seinem  Bericht  über  einen  arehäologisclien 
Ausflug  nach  Ungarn  (1854  und  LS."):')),  welcher  im 
185ß-er  Jahrgang  der  Jahrbücher  erschien.  Dieses  Mo- 
nogrannii  ist  jenem  über  der  Päpstc-Kanunerthüre  des 
C'alixtus'schen  Cömcferinms  autrailend  ähnlich  (vgl. 
Rossi  R.  sott.  II.  Bd.  XXIXT.j;  wir  lesen  über  letzteres 

*'  Ar  i  n  g  h  i  sagt,  noch  liosio,  Pc  Graeco  nomine  Christi  S.  .^Gß  :  „Graecum 
■/pir:'^;  a  Xf'^'"  ^-  *•  ""80»  hebralrum  Messiah  a  verbo  mabsali.  ungo,  liitininn 
iinctus.  I.oiige  ante  Gonstantlnum  haec  nota  V  ainid  Ciiristianofi  in  usu  fuit,  prac- 
aertim  iu  aepulrris  Marii  martyris  sub  Adriano,  Alcxandri  sub  Antonino,  Caji 
]ia]>ao  »üb  lUocIotlano  (tilo»  in  }{ezug  auf  Letzteren  g'abo  oh  oino  Zustimmung). 
—  Ilebraol  atitiimant,  quia  lex  apud  cos  appollatur  Torn,  f|uae  liac  in  principlo 
Hominis  sui  littera  8crll>ltur,  i.  e.  Tau,  quod  iiii  hoc  accopore  signacuium,  qui 
legU  praeccpta  complevorant.  ^  In  ipso  vero  liomlnc  crucis  ligurani  pocuilari 
Üernardus  fncrm.  1  in  nat.  Ciir.)  mysterio  dcdicatam  agnoscit:  „Fortasse  crux 
ipsl  nos  sunius,  cni  Christus  Itrtmoratur  alTixus.  Ilonio  otcnim  formani  crucis 
Itabct,  quam,  sl  manos  cxtcndit,  exprimit  manirestius'^.  und  8.  .'»7.3  :  „Tau  Signum 
Gracris  aequo  ac  Latinls  vitac  syniboiuiri,  o  contra  vero  ipsum  H  mortis  Signum 
exlitlt :  quo  rirca  legibus  ollm  obnoxii,  'lamnatiquo  a  Judicibus,  Ausonio  teste, 
llttcra  fi,  ilherandi  vero  T  signo  adnotabatitur.  Hoc  quippc,  ut  alia  item  com- 
plura  IComanI  a  Graecis,  Gracrl  ab  Aegyptlls  ,  Af-gypiii  a  Judacis  (?)  mutuali 
sunt,  t^uod  autf-m  B  apud  Judaeos  Oaväio'j  i.  e.  mortis  nota  oxtiterit ,  antiquis 
compcrtum  est.  Inde  enim  Ansonius  in  £unum ,  epigr.  V20.  luduns  ceciiiit: 
„Miaolle  doctor  octo  tibi  Sit  obscoeno,  tuumquc  iiomen  B  sotilis  sIgnet".  Tu  quem 
locum  postca  Nr-allger:  „octo,  Inquit,  erat  Signum  siispendil,  refcrt  enim  iaqueum 
collo  Invoiutum,  llttora  comdemnatorla :  quin  et  In  castris  militcni  ex  cohorto 
morto  difjunctum  haec  nota  slgnilicabat".  Verum  ple  olegantorquo  Mart.  libr. .'( 
„Infellx  multls  Thota  est,  mihi  llttora  fclix  :  sl  Hüv^'tov  scribit,  scrihit  et  lila 
Hz'y*^.  Jure  igltur  a  Chaldaeoruni  gladio  in  Iliorosolymao  urbis  cxcldlo  übe- 
randi  signo  Tau  potitis  quam  atio  praonolantur,  vel  oam  potisslnium  ob  causam, 
quod  littera  Tau  formam  ac  spetiem  crucis  exhibons  ac  redeintorls  vitaeque 
synibolum  esset,  it  toyTÖ)  -nxi ,  In  hoc  slgno  vlnco.  —  Auf  dem  bekannten 
pfiioi-ojatiliclien  Gladlator>'nliclmo  Iir-doutet  das  nobcnstcliendu  H  glelrhfalls, 
»la.^s  dtT  hier  I'nlerllPi{cnde  dem  Tode  geweiht  war,  der  ertiolione  Mttoiido 
l-'lng'.-r  hat  die  blutdürstige  Zu8(liauorm<-iiKO  nicht  orwelciit,  ^l..  nifi  unl.arm- 
iiercig  „neca"  dem  Sieger  eu. 


im  Texte  (S.  22)  dies:  „Die  Bemalung  des  Thürbogens, 
welcher  das  Sieges-Monogramm  zeigt,  gehört  der  Re- 
stauration entweder  unter  Sixtus  (welchem  Sixtus?) 
oder  Daniasus  (3GG — 384)  an;  denn  die  Schichte,  in 
welcher  es  vorkömmt,  ist  zwar  älter  als  die  oljerste, 
aber  jünger  als  die  untere  ursprüngliche,  an  welcher 
als  Verzierung  blos  rotlie  Streifen  zu  sehen  waren'-. 

Es  wurde  oben  Prudentius  citirt:  „Christus  pur- 
puream  gemmanti  textus  in  auro  —  signabat  labarum, 
clypeorum  insignia  Christus  ■—  scrijiserat,  ardebat  sum- 
mis  crux  addita  cristis''.  Auch  sonst  wird  gesagt,  dass 
unser  das  Kreuz  bedeutende  Monogramm,  zum  Zeichen 
des  am  Kreuze  vergossenen  Blutes,  roth  gemalt  wurde. 
In  Fünilcirchen  ist  umgekehrt  der  das  Monogramm  um- 
gebende Kreis  roth  gefärbt,  dieses  selbst  grün,  aus 
einzelnen  grünen  Punkten  gebildete  Blumen  oder  Steine 
besäen  den  Grund. 

In  welch  grossen  Ehren  man  hier  das  Zeichen 
gehalten,  geht  auch  daraus  schon  hervor,  dass  man  es 
wiederholt  anbrachte  ,  einmal  als  Siegeszeichen ,  auf 
welches  die  Aiio.stelfüisten  hinweisen,  das  andere  Mal 
als  Siegeszeichen  im  ewigen  Leben  im  Scheitel  des 
Gewölbes. 

P  o  r  t  r  a  i  t  -  M  e  d  a  i  1 1  o  n  s. 

Auf  dem  Tonnengewölbe  der  Kammer  nehmen 
unsere  Aufmerksamkeit  vorzüglich  in  Anspruch  vier  iu 
Medaillons  gefasste  Brustbilder,  deren  eigenthümliche 
Koi)fbckleidung  und  Gewänder  auch  äusserlieh  schon 
anzeigen,  dass  der  Maler  hier  individuell  darstellen  d.  h. 
Bildnisse  vorzufüiircn  beabsichtigte.  Zwei  dieser  Brust- 
bilder sind  sehr  arg  hergenommen,  beinahe  ganz  ver- 
nichtet, an  den  beiden  andern  sind  die  Köpfe  und  das 
Gewand  ziemlich  erhalten.  An  dem  einen  ist  das  Gewand 
weit,  faltig,  grün  gefärbt  ohne  Saum  oder  verschi^den- 
färliigeni  clavus,  das  andere  hat  ein  weisses  Kleid 
mit  bräunlichen  Doppelrandstreifen.  Es  scheint  als  ob 
alle  vier  Köpfe  mit  einer  an  den  Ko))f  anschliessenden 
und  doch  weiten,  weichen,  bräunliclien  Mütze  bedeckt 
wären,  welche,  da  ihresgleichen  auf  römischen  Denk- 
mälern nicht  vorktimmt,  wahrscheinlich  zur  pannoni- 
schen  Provincialt  rächt  gehört. 

In  seinem  neuesten  Werk  „Musaici  cristiani.  Roma 
1872"  publicirt  Ro ssizwei Mosuikbrustbilderin  Medail- 
lons, welche,  im  Cönieterimn  der  heil.  Ciriaca  gefunden, 
schon  von  A  g  i  n  c  o  u  r  t  (Peint.  XII I.  Fig.  2;')  u.  32) ,  jedoch 
in  seiir  ungenügender  AVeise  herausgegclien  wurden. 
Beide  l)efiii(len  sich  gegenwärtig  in  der  Bibliotliek  Cliigi, 
und  l\lariiii  hat  die  ;iiif  sie  liezügliciie  alte,  nicht  mehr 
vorhandene  [nschrifl  publicirt  :  Fla\ins  Julius  Julianus 
Mariac  Sinipliciae  Rusticae,  conjugi  dulcissiiiiae,  quae 
vixit  aiinos  XVIII  nienses  V  dies  XV  fecif  mecum  annos 
III  menses  II  dormet  (sie)  in  pace  Kaleudas  Fel)ruarias. 
Die  Frau  ist,  als  Verstorbene,  mit  betenil  erhobeneu 
liämli'ii  dargestellt  ,  des  Mannes  Hände  sind  nicht 
sichtliai',  si)  an  unseren  Bruslbildeni  von  Fünfkii'cheu. 
Rossi  setzt  die  Anfertigung  der  beiden  Mosaiken  in  die 
erste  Hälfte  des  IV.  Jahrhunderts,  wo  nicht  ans  Ende 
des  III.  Für  uns  ist  bemeikciiswertli  die  Ähnlichkeit  des 
GewandcN  beim  Manne  iiiit  einem  der  Brustbilder  von 
Füiii'kirclien  ,  in  wiefern  jenes  trotz  der  sehr  nach- 
lässigen Restauration  noch  sichtbar  ist ;  der  clavus 
erscheint  an  beiden  in  derselben  Anordnung  und  Strei- 
fcnzalil.    Das   Haupt    des   Julianus   ist  unbedeckt,   das 


—     77     — 


Haar  kurz  geschoren ;  ol)  der  Bart  ganz  oder  hlos  in 
Form  eines  sehr  schmalen  colier  grec  rasirt,  oder  ob 
die  das  letztere  darstellen  sollende  Linie  nielit  hlos 
eine  starke  Contourlinie  des  Gesichtes  sein  sidl,  ist 
schwer  zu  entscheiden,  jedenfalls  hat  das  Rasirmesser, 
wenn  überhaupt,  einen  grossen  Theil  des  Bartes  weg- 
genommen, wie  die  Bartlosigkeit  in  der  Zeit  der  Fla- 
vier  in  der  Mode  war.  In  Füufkirchen  sind  sännntliche 
Brustl)ilder  gleichfalls  ohne  Bart,  und  so  auch  in  dieser 
Hinsicht  dem  Chigischen  Mosaike  ähnlich. 

Es  wird  natürlich  erscheinen,  dass  wir,  bei  den 
äusserst  spärlichen  Nachrichten  ül)er  die  Geschichte  des 
alten  Pannouiens  nicht  im  entferntesten  berechtigt  sind, 
nach  einem  Namen  der  in  Fünfkirchen  abgebildeten 
Personen  zu  suchen. 

In  den  ältesten  Kammern  des  Calixtus'schen  Cöme- 
teriums  kommen  keine,  mit  der  Erbauung  gleichzeitige 
Bildnisse  vor,  höchstens  könnte  man  das  bei  K  o  s  s  i,  R. 
sott.  Bd.  II.  abgebildete  als  solches  betrachten;  dage- 
gen sind  d  er  Policamus ,  Sebastianus  und  Curinus  der 
VII.  Tafel  mit  der  Kanimeraushöhlung  nicht  gleichzeitig, 
und  noch  weniger  die  h.  Cäcilia  auf  T.  VI.  Anderseits 
jedoch  kommen  auf  den  Sarkophagen  des  IV.  Jahrhun- 
derts sehr  häutig  Porträtmedaillons  vor,  und  zwar  ge- 
wöhnlich die  Bildnisse  der  in  diesen  Begrabenen.  Den- 
noch ist  bei  unseren  Porträten  auch  noch  die  Frage  zu 
beantworten:  ob  es  jene  der  hier  Bestatteten  sind,  nach- 
dem wir  keine  genaue  Kunde  ül)er  die  Quantität  und 
Qualität  der  in  de;  Kammer  gefundenen  Gebeine  haben, 
die  ja  wohl  schon  bei  etwaigen  der  Entdeckung  vom 
J.  1780  vorhergegangenen  Plünderungen  höchst  wahr- 
scheinlich nicht  im  ursprünglichen  Zustande  belassen 
wurden. 

Wir  können  unsere  Brustbilder  auch  nicht  als  die 
von  Heiligen  betrachten,  einmal  weil  sie  nicht  im  him-- 
archischen  Gewände  der  Heiligen,  sondern,  so  zu  sagen, 
in  ihrer  Haustracht  erscheinen,  dann  aber  auch  weil  es 
in  der  Zeit  ihrer  Entstehung  noch  kaum  gebräuchlich 
war  Heiligenbilder  in  den  Cömeterien  zu  malen.  Nichts- 
destoweniger halte  ich  hier  eine  kurze  Erwähnung  der 
ältesten  pannonisehen  Märtyrer  am  Platze. 

l.  Quirinus  Curinus,  dessen  Bild  Rossi,  R.  sott. 
Bd.  II,  T.  VII  in  Gesellschatt  von  Policamus  und  Seba- 
stianus gibt.  Über  denselben  sagt  R.  im  Texte  S.  120: 
,,Der  Name  wird  in  den  Fasten  und  Topographien  des 
Calixtus'schen  Cömeteriums  nicht  genannt ;  aber  es 
wurden  sogar  zwei  Quirini  als  Märtyrer  auf  den  Kirch- 
höfen der  Via  Appia  verehrt;  der  eine  auf  dem  des  Prä- 
tcxtatus,  der  andere,  ein  Bischof  von  Siscia,  auf  jenem 
des  h.  Sebastianus.  Auf  dem  Bilde  (!'.  VII)  hat  Quirinus 
eine  Tonsur,  die  sogenannte  corona,  welche  ein  beson- 
deres Abzeichen  der  Bischöfe  war.  In  der  vom  h.  Leo 
bestellten  Reihe  der  Päpste  in  der  Basilica  Ostiense  hat 
jeder  Papst  diese  Tonsur,  unser  tonsurirte  Quirinus  ist 
daher  weder  der  Tribun,  noch  ein  unbekannter  Mär- 
tj'rer,  sondern  offenbar  der  „ad  catacunibas-  beige- 
setzte Bischof  von  Sissek,  der  zwar  in  seiner  Heimath 
bestattet,  aber  vor  der  Invasion  der  Barbaren  in  Pan- 
nonien,  nach  Rom  gebracht  wurde.  Die  Zeit  der  Über- 
tragung ist  unbekannt;  Tillemont  sagt,  man  habe  zwi- 
schen 378  und  488  zu  wäJdcn;  das  erste  Datum  scheint 
mir  unzulässig ,  nachdem  Prudentius  anfangs  des 
V.  Jahrhunderts  einen  Hynmus  auf  Quirinus  ])uldicirte, 


welcher  folgends  anfängt  so;  „Insignem  meriti  virum, 
Quirinuni  placitum  Deo  Urbis  moenia  Sisciae  concessum 
sibi  martyrcm  complexu  ])atno  fovent-'.  Somit  waren 
die  Gebeine  nach  ^7«  n(jch  in  Sissek,  und  die  Trans- 
lation nach  Rom  konnte  erst  später  statttinden.  —  Es 
ist  deshalb  jedoch  nicht  uothwendig,  mit  Tillemont  den 
grossen  Sprung  vom  ersten  zum  zweiten  Datum  (488) 
zu  machen.  Um  415  hatten  die  Barbaren,  welche  Pan- 
nonien  besetzten,  einen  neuen  Einbruch  nach  dem  Illi- 
ricum  und  den  Küsten  des  adriatischen  Meeres  gemacht, 
und  suchten  von  dort  aus  nach  Italien  hinüber  zu 
setzen.  So  erzählt  das  Eulogium  aufConstanz,  welcher 
414  Consul  war.  Die  Horden  wurden  jedoch  zurück- 
gedrängt und  die  Hunnen  i.  J.  4i?7  aus  Pannonien  ver- 
trieben. Die  Christen  konnten  demnach  sehr  gut  die 
Übertragung  der  Relicpiien  um  diese  Zeit  gemacht 
haben,  und  ich  halte  dafür,  dass  diese  eher  in  dem 
ersten ,  als  in  den  letzten  Decennien  des  V.  Jahrhun- 
derts stattfand,  und  glaube  dass  hiefür  auch  die  Ver- 
einigung der  drei  Bilder  der  h.  Policamus,  Sebastianus 
Quirinus  Zeugniss  gibt^. 

2.  Rusticus.  Rossi  erwähnt  des  Rusticus(R.  sott.  II. 
S.  39),  indem  er  den  Codex  von  Einsiedln  eitirt: 

V.  Id.  Aug. 
In  Sirmio  Rusticus. 
Demnach   war  Rusticus    ein    Mitrowitzer    Bischof 
oder  Märtyrer;    obschon  Rossi 's  weitere    Erörterung 
hierüber  einige  erhebliche  Zweifel  erregt. 

3.  4.  5.  6.  7.  Claudius,  Castorius,  Sym])horianus, 
Nicostratus,  zu  welchen  sich  später  noch  Simiilicius 
gesellt.  Über  die  Legende  dieser  Märtyrer  haben  ge- 
schrieben, bezüglich  die  Legende  publicirt,AV  a  1 1  e  n  b  a  c  h 
und  an  diesen  anschliessend  Karajan  in  den  Berichten 
der  Wiener  Akademie  (Sitzuugsb.  Febrheft.  von  1853 
Bd.  X.  S.  1 15  fi'.).  1870  erschien  neuerdings  ein  Artikel 
von  W  a  1 1  e  n  b  a  e  h ,  B  e  u  n  d  o  r  f  und  B  ü  d  i  u  g  e  r 
,.Passio  sanctorum  quatuor  eoronatorum"  als  Separat- 
Abdruek  aus  „Untersuchungen  zur  römischen  Kaiser- 
geschichte III.  Band,''  worüber  Alhert  II g  in  unseren 
^Mittheilungen  Jahrgang  1872,  S.  XLVII  tf.  berichtet. 

Die  Legende  sagt,  dass  die  genannten  fünf  Per- 
sonen Bildhauer  und  zugleich  auch  Architekten  waren 
in  den  Mitrovitz  nahe  liegenden  Steinbrüchen  „ad  mou- 
tem  pinguem,  'A/o.y.v  ö;.gc,  in  der  heutigen  Frusca  Gora, 
und  dass  der  Kaiser  Didcletian,  während  seinem  dorti- 
gen Verweilen,  mancherlei  Bildwerk  bei  ihnen  bestellte; 
dieses  besorgten  sie  anfangs  bereitwillig;  als  al)er  der 
Kaiser  die  Anfertigung  einer,  wahrscheinlich  zum  Cult- 
bilde  bestimmten  Aeseulapstatuc  von  ihnen  verlangte, 
schlugen  sie  diese,  mit  der  Bemerkung,  sie  wollten  kein 
Bild  eines  hinfälligen  Sterblichen  machen,  ab.  Der  hier- 
über erboste  Kaiser  Hess  sie  zum  Tode  verurtlieilen  und 
sie  wurden  in  Bleisärgen  in  die  Donau  geworten. 

Beinahe  gleichzeitig  verweigerten  in  Rom  vier  Cor- 
nicularii,  den  Aesculap  anzul)cten ;  sie  wurden  gleichfalls 
zum  Tode  verurtiieilt ;  ilire  Namen  waren  Severus,  Seve- 
rianus,  Carpophorus  und  Mctnrinus. 

^  .\ringhi  sagt,  I.  4t;tj.  Ada  S.  ^>iiiriDi  ip.et  inart.  Cod.  Vat.  et  >»uriUÄ 
T.  3.  4.  Facta  auteri;  incursioue  b.arbaroruin  in  parte*  Paiinoniae,  populus 
Christianus  de  Scarabctensi  urbe  (Oedeuburg)  Romam  fugiens  sanctum  corpus 
Quirini  ep.  et  mart.  afferentes  secum  deduxerunt.  yiiem  via  .\ppia  milliari 
tertio  sepelierunt  in  basilica  .ipostolorum  Petri  et  Pauli  .  nbi  aliquando  jacue- 
runt  et  ubi  S.  Sebastianus  retiuiescit,  ia  loco.qui  dicitur  ad  Catacumbas  ,  aedifi- 
cantes  nomini  ejus  dignam  Ecclesiam.  Wir  lesen  bei  A  r  in  gh  i  S.  375:  Pollionem, 
cujus  IV  Kai.  Maji  memoria  cclebratur,  neutiquam  Homae,  sed  in  Pannonia 
nianyrio  coronalum  fuisse  legimus ,  eadem  ratione  queindain  Quirinum,  cujus 
corpus  profugi  Scarabaatii  Romam  attullere. 


78     — 


Man  mischte  und  verwechselte  die  Legenden  dieser 
beiden  Märtyrergrupjjen  derart  in-  und  miteinander, 
dass  mau  der  ersten  den  Namen  der  „qnatuor  coronati" 
gab ,  und  die  zweite ,  die  mit  den  Bauwesen  gar  niolits 
zu  thun  hatte,  zum  Patron  der  Architectur  machte.  Die 
„quatuor  coronati"  erhielten  eine  Kirche  in  Eom  und 
Verehrung  darin.  Dem  angetiihrten  Artikel  unserer  ^fit- 
theilungen  ist  die  Zeichnung  eines  Grabsteines  beige- 
geben, der  V.  J.  l.ölo  stammend,  die  vier  Gekrönten  als 
Patrone  der  Baukunst  darstellt.  In  der  Glitte  steht  das 
Kreuz,  an  welchem  der  Bildhauer  Tenk  kniet,  dessen 
Grabstein  der  erwähnte  ist. 

Die   P  f  a  u  e. 

Am  Gewölbe  unserer  Kammer  sind  vier  Pfaue  ab- 
gebildet. Der  Pfau  erscheint  in  derselben  Bedeutung 
und  Anzahl  auch  in  den  ältesten  Kammern  des  Cöme- 
terium  Callixti  (vgl.  R.  R.  sott.  II.  T.  XI.  XVIII.  XXVII 
u.  XXVIII);  nur  dass  er  hier  seinen  Schweif  aufschlägt, 
während  er  in  Fünfkirchen  diese  Herrlichkeit  nidit  ent- 
faltet 51. 

In  unseren  Mittheilungen  (Jahrg.  ISUO,  S.  153) 
schreibtWeingärtner  überdenPfau  und  den  Phönix: 
„Der  Pfau  wird  schon  in  der  heidnischen  Zeit  hervor- 
gehoben. 80  betinden  sich  vier  solcher  Tliiere,  je  zwei 
zur  Seite  eines  Blumen-  und  Fniclitkorbes  aufgestellt 
über  der  Thür  eines  antiken  Columhariums  ,  dessen 
Aufschrift  lautet :  D.  :\I.  P.  A.  Elius  Trofimus  fecit  sibi 
et  libertis  et  libcrtabusquc  aeorum  (sie).  Eine  Abbil- 
dung desselben  ist  in  Bartoly  und  Peint.  ant.  auf  Platte 
XX  gegeben  und  auf  Taf.  XXI  desselben  Werkes  zähle 
ich  vier  auf  Arabesken  fussende  Pfaue  in  einem  Grab- 
gemälde, welches  in  der  Villa  di  Jlon.  Corsini  fuori 
la  porta  di  S.  Pancrazin  betindlich  ist.  Auch  die  beiden 
folgenden  Platten  {'22  u.  23)  bieten  uns  noch  ähnliciie 
Darstellungen ;  auf  einer  derselben  sind  acht  Pfaue 
zwischen  Weintrauben  und  geflügelten,  nebenbei  be- 
merkt bereits  bekleideten  Genien  mit  Palmen  und 
Kränzen  entiiaiten.  Letztere  Beigalje  blieb  bekanntlicli 
aucli  in  der  chrii<tlichen  Grabsymbolik  lange  Zeit  hin- 
durch üblich.  —  Fragen  wir  nach  dem  Grunde  dieser 
Vorstellungen ,  so  wird  uns  wohl  nichts  übrig  bleiben, 

"  Die  Symbolik  des  Pfaues  gibt  Boslo  (S.  C68):  Del  pavono.  Ornitho- 
Ifgla  Aldrovandl  iiag,  I3:PaTo  fdicit  Glossa)  est  avis  multlplicis  coloris.  — 
Eorum  caro  siccala  imputrlbllls  permantre  diciiur;  et  qula  pennarum  pulchri- 
tudlno  vestluntur,  dcsignare  possunt  perfectos  et  tribulationis  igne  diicoctos, 
adeo  ut  variis  vlrtutlbus  decorentur. —  S.  Augustinus  (de  civil.  Dci  1.  21. 
c.  i):  Quid  .ndtiuc  a  nobis  rerum  iiüacuiitur  ext-mpla ,  quibus  doccamus  non 
esse  IncredlMle ,  ut  hominum  corpora  feempiterno  jupplicio  punrtorum  et  in 
ignc  anlmam  non  amlttant  et  sine  detrinicnto  ardeant.  et  sine  Inlerilu  doleantv 
Uabebit  enim  tuuc  Isla  carnls  substantia  (lualitatciu  ab  illo  iridilani,  qnl  lam 
mlras  et  varins  tot  rebus  Indldlt  quas  videmus,  ul  eas,  qula  multae  sunt,  non 
mlrcmar.  (juls  cnim  nlsl  IJcus  creator  omnium,  dedil  carni  jiavonis  mortui  iiü 
putresceret?  Quod  cum  auditu  Incredlbllo  vldcretur,  evunit  ut  apud  Carlha- 
glnom  nobls  cocta  apponcrciur  baec  avls.  —  Nun  erzählt  «ler  Heilige,  dass  er 
den  beiseite  gc-lcgtcn  llralen  des  Pfauen  iiöch  nach  einem  Jalire  unverwest  und 
blo»  etwas  elngeschrumpn  gefunden.  —  S.  Antonius  vonl'adua  (scrm.  :> 
post  Trln.) ;  In  pavonibus  glorlae  Icmporalis  ahjectlo  det>lgna(ur,  et  slcut  in 
pennls  pavonum  est  pulchrltudo  et  In  pedlbus  turplludo;  sie  poenitcntcs,  hujus 
»ecull  glorUm  abjlclunt  per  viilfatis  suao  et  Inclnorallonis  reeordatlonem.  Tales 
mentes  veri  poenltentes  deferunt  de  se  ei  sua  qiiotidle  non  deslnunt  explorare; 
und  weiter;  Pavo  ejicit  pennas  suas  cum  prima  arbore  ejiclenie  folla  sua  et 
post  nascitur  ei  piuma  cum  arbores  Inclplunt  florescere  et  frutlcare.  Prima 
arbor  fult  Christus,  quae  plantata  fult  in  horlo  voluptaliH  1.  c.  in  utero  Vir- 
glnls.  Hujus  arborls  folia  sunt  Ipslus  -verba,  quao  cum  praedicator  ejicit  et 
peccator  ipsa  suaccperlt,  pennas  1.  e.  dlvitlas  abjiclt.  In  generali  vero  resur- 
rectlono,  qua  omnes  arbores  i.  e.  omncs  sancd  inclplunt  vircscore,  pavo  llie, 
qul  mortaiitalift  pennas  abjecil  immortalltalls  pennas  reclpict. 

Ähnlich  spricht  sich  bei  P  i  t  ra  {III.  S.  3C(i(  der  „vclerum  gnosllcorum 
phystoiogus"  aus  ,  Indem  er  dem  Menschen  das  Ilclaplcl  des  l'faues  zu  befol- 
gen anräth ;  dajs  er  nämlich  weine  und  klage,  wann  er,  wie  der  Pfau  seine 
yüsse,  so  seine  Sünden  beschaut ;  sonst  sei  er  nicht  würdig  der  himmlischen 
Hochzelt.  Krenser  (ti.  ehr.  Klrchenl.au  II.  295)  und  Crosnler  {Iconogr. 
chr6l.  p.  333)  betrachten  den  Pfau  blos  von  der  gUnsilgeii  Seite,  namentlich 
sieht  letzterer  Im  Trauben  pickenden  Pfau  das  Symbol  der  das  ewige  Leben 
Tersprecbcnden  Eucharistie  :  l.e  paon  bequctant  des  raislns  ,  sujet  souvent 
represcot4  sur  les  sarcophages  chrt;tlens,  Indlque  quo  c'est  dans  r  Eucharistie 
quo  le  ftddle  Irouve  le  gage  de  la  vle  /•lornolle. 


als  ZU  der  bekannten  Fabel  des  Alterthums,  welche 
das  Fleisch  des  Pfaues,  trotzdem  dass  es  den  Römern 
als  Leckerbissen  galt,  für  unverweslich  hielt,  unsere 
Zuflucht  zu  nehmen  ,  da  der  Pfau,  als  Vogel  der  Juno, 
mit  der  Grabsymbolik  nicht  in  Verbindung  zu  setzen 
ist.  Aus  demselben  Grunde  oder  überhaupt  weil  das 
Alterthum  den  Pfau  schon  als  Sinnbild  der  Unsterblich- 
keit und  des  ewigen  Lebens  ansah,  hat  auch  das  Chri- 
stenthum  ihn  nach  und  nach  zu  demselben  Zwecke  ver- 
wendet. Warum,  wie  Schnaase  (Geschichte  d.  Kunst 
III,  62)  «  angibt,  der  Pfau  gerade  wegen  seines  gestirn- 
ten Schweifes  schon  bei  den  Heiden  Sinnbild  der  Un- 
sterblichkeit gewesen  sein  soll,  ist  mir  unverständlich, 
weil  mir  das  dazu  erforderliche  Tertium  comparationis 
und  vor  Allem  eine  Belegstelle  mangelt.  Botari  will,  auf 
einen  Physiologus  bauend,  diesen  Vogel  unter  anderm 
auch  als  Sinnbild  der  Busse  aufgefasst  wissen  (wie  wir 
a.  d.  Anm.  43  mit  Recht),  eine  Vorstellung,  die  für  die 
Kunstsymbolik  wenigstens  gleichgiltig  bleibt.  An  Denk- 
malen, auf  denen  der  Pfau  häutig,  sogar  in  beträcht- 
licher Grösse  dargestellt  wurde,  ist  in  den  Katakomben 
kein  Jlangel.  —  Der  Pfau  blieb  nicht  nur  in  Italien, 
wie  viele  der  anderen  altchristlichen  Symbole,  bis  in  die 
Spätzeit  des  Mittelalfei-s  in  Gebrauch,  sondern  erhielt 
sich  auch  in  den  nördlicbeii  Läiulerii  darin  gleich  dem 
Symbol  des  Fisches  fast  bis  zum  Beginn  der  Gothik. 
So  begegnen  uns  über  einem  Thürsturz  an  der  Doppel- 
capelle  zu  Landsberg  noch  zwei  Pfauen  und  zwar  in  der 
auch  in  altcliristlicher  Zeit  üblichen  Stellung,  nämlich 
gegen  einander  gekehrt.  (^1'  u  1 1  r  i  c  h ,  Denkni.  d.  Bank,  in 
Sachsen,  2.  Abtheil.  19—23,  Lief,  oder  5 — 9,  Lief,  des 
IL  Bandes,  1845,  S.  30.) 

;\Ian  betrachtete  übrigens  den  Pfau  auch  von  ent- 
gegengesetzter Seite  als  Sinnbild  des  Stolzes,  Uber- 
nuithes  und  übel  angewandten  Reiclitliums  ;  so  führt 
Otte  (Handb.  d.  kirclil.  K.Arch.  2.Abth.  S.  872)  auch 
diese  schlechten  Eigenschaften  an :  „Pfau  bei  den 
Kirclienlelirern  Bild  der  Juden,  später  der  Teufel-'. 
.\niiierk.  '^  lieisst  es  vom  Pfau  nach  einer  Zürcher 
Handschrift  des  XII.  Jahrhunderts  (^Wasserkirche  ('.  i)S, 
278,  S.  302  a): 

Voce  Satan ,  pliiina  Seiaphim,  ceivico  (haconem, 
Gicssu  fiirtivo  dcsignat  pavo  latronem. 

Ebenso  Freidank  142,  137. 

Der  pliawe  slielie  hat 

Tiiiwi'ls  stimiiie  und  oiigels  wat. 

In  den  Zahlen  der  Jahre  des  Weibes  bedeutet  der 
Pfau  das  vierzigste. 

ilicniit  wäre  die  Gegenwart  des  Pfaues  am  Ge- 
wöltie  der  Kammer  von  Füiifkirclien  geiüigenil  erklärt 
und  zugleich  dessen  (iegenwart,  als  Syniiidl  der  l'n- 
sterblichkeit,  in  einer  Gralikamnier  hinlänglich  motivirt; 
dass  er  hier  nicht  wie  sonst,  mit  ausgebreitetem  Schweif 
erscheint,  davon  ist  die  Ursache  wohl  einzig  im  Mangel 
an  Raum  zu  suchen. 


^'  Schnaaee's  hier  angeführter  Au^^pruch  beßudet  sich  In  der  neuen 
Ausgabe,  Bd.  III,  1.  Abth.  S.  78:  „Her  Pfau,  wegen  seines  gestirnten  Schwel- 
fes schon  bei  den  Heiden  als  Symbol  der  Unstorbilchkolt  betrachtet,  scheint 
auch  bei  den  Christen  als  ein  Zeichen  des  ewigen  Lebens  gebraucht  zu  sein". 
In  einer  Anmerkung  steht;  -Bei  dem  Tode  der  Kaiserin  Hess  man  einen  Pfau, 
wie  bei  dem  dos  Kaisers  einen  Adler  aufsteigen,  ohne  Zweifel  jenes  in  Erin- 
nerung an  .Inno,  wie  ilie^-es  an  .lupiter.  Die  Ehre,  das  Symliol  der  Königin 
des  tHympes  zu  sein,  verdankt  er  at)er  wohl  seinem  gestirnten  Schweife.  Vgl. 
Ilochnrt  (lllorozolkon  I.  ':0.  c.  IM.  11.10.  c.  242.)  Arlnghl  (I.  p.  ICC.  ff.) 
nennt  indessen  den  Pfau  nur  »I«  Symbol  1.  der  Elteii<cii,  was  nicht  hieher 
gehört  (warum  nicht?)  2,  aber  auch  der  Auferstehung  und  erklärt  dies  daraus, 
dass  er  die  Federn  abwerfe  und  wieder  erhalte". 


—     79 


Vögel,  Taubeu,  Turteltauben. 

Die  Seele  des  Menschen  haben  bereits  die  Aü:yp- 
ter  in  Vogelform  dargestellt,  von  ihnen  nahmen  die 
Juden  dieses  Bild;  die  Christen  hinwieder  bezogen  die 
Gestalt  vorzüglich  auf  die  Seelen  der  Heiligen  und  der 
Märtyrer,  Die  Früchte  pickenden  Vogel  sind  Syml)ole 
der  das  heil.  Abendmal  Geniessenden;  in  diesem  Sinuc 
kommen  sie  auf  den  Steinsärgen  vor;  obschon  sie  häufig 
als  blosse  Verzierung  zu  betrachten  sind  53. 

^3  Itosio  S.  665.  Degii  animali  volatili.  B  tda  in  Job.  1.  1.  c-  12:  VoUi- 
cres  sunt,  qui  sursum  cor  habeiit  et  coelestia  coiispiciuut.  Rieh,  dt'  S.  Vict. 
de  erudit  p.  I.  c.  ■14.  Nonne  avcs  coeli  vidintur  esse,  qui  veracitcr  possunt 
^iice^e :  Nostra  autcm  conversatio  iu  coclis  est?  Nonne  coeÜ  avis  diceudi  sunt, 
qui  se  in  alta  contemplalionis  penna  suspindutit V  —  S.  Hilarius  in  Matth. 
caot.  12:  Scd  jam  in  raniis  arboris,  in  Miblime  eoeli  prolatae  volucrcs  inha- 
bitant;  Apostolos  scilicet  et  Christi  virtu[u  protenso^  nuindum  iuumbrautes  iu 
ramis  intelliginms,  in  ijuos  gentes  iu  speni  vitae  advnlabant  et  auraruni  turbiue 
i.  e.  diaboli  spiiitu  flaluque  vexatae ,  tainquani  in  laniis  arboruni  rcquiescunt. 
—  Ruppertus  Abbas  in  c.  13.  Ap.  1.  11:  Aves  ergo,  quae  volabunt  per 
medium  coi'li  Apostt-li  sunt  —  und  weilcr :  Ibta  sunt  volatilia  ill.i ,  quorum 
cxeniplo  et  iniitatione  dcbenuis  omnein  viotiis  aut  vestitus  soUicitudineni  depo- 
nere,  dicentc  Domino;  Ucspieite  volatili  i  eorli  etc.  Nani  Apostoli  quibus  primum 
et  praesentialiter  haec  libertas  aviiuu  proposila  e&t  ad  imitandnm.  ut  coele- 
stiuin  coutempbitioni  vacare  possint,  omnia  terrena  reliquernnt.  Idcireo  recte 
ipsi  vülatilin  coeli  dicuntur.  —  Beda  loeo  snpra  citato ;  Vel  volucres  sunt, 
qui  oi'viam  Christo  in  aüra  ex  mortuis  sunt  ituri. 

Uossi  (K.  sott.  I.  S.  323):  „Es  ist  jedermann  bekannt,  dass  der  Vogel 
die  vom  Körper  befreite  und  zu  Gott  aufiliegeude  Seele  der  Gläubigen  bedeu- 
tet; wie  im  Gegensatze  die  Jfenle  die  noch  auf  Krdcii  wandelnden  Gläubigen 
bezeichnet.  In  diesen  beiden  werden  demnach  zwei  Zustände  symbolisirt :  das 
Erdenleben,  in  welchem  uns  zum  Tröste  und  zur  "Wegzehrung  die  Milch  der 
Eucharistie  gegeben  wird  ;  uud  das  Loben  der  Geister  im  himmlisclieu  Garten, 
im  Paradiese  und  im  himmlischen  Frieden". 

Bosio  S.  G6G.  Delle  L'oloml.e-  Tertuliianus  debapt.c.S:  Tue.c  ilie 
sanctissimus  Spiritus  columbae  fi;;ura  delapsus  iu  dominum,  ut  natura  spiritus 
-sanctus  declaretur  per  animal  simplicitatis  et  iunocentiae.  Quod  et  corpor.iliter 
ipsa  feile  careat  columba.  Ideoquc :  estote  simplices  sicut  columbae.  Nc  hoc 
^uidcni  sine  argumento  praecedentis  figurae.  Quemadmodum  euini  post  aquas 
dituvii,  quibut;  iniquitas  etc.  (vide  snpra  de  Noa).  —  Origenes  in  Levii.  c.  -1. 
hoin.  3:  In  coUimbis  occuli  prueclicantur ,  nam  tior  genus  avis  cum  ad  aquas 
veuerit ,  quia  ild  solet  accipitris  insidias  pati,  venientem  desuper  inimieum, 
volitantis  umbra  in  aquis  conspec^a  deprehendere  occulorum  perspicacia  frau- 
dem evadere  solet.  Quodsi  ita  prospicere  poteris  insidia^  diaboli  et  cavere 
-sacrificium  Deo,  columbas  obtukri.s,  —  ;>,  A  m  b  r  o  s  i  us  scr.  de  S.  Euseb.  Epist. : 
Cum  S.  David  cum  puritate  mentis  volare  concupisceret,  non  alteriits  auimau- 
tis,  nisi  columbae  optans  alas,  dicens  :  Quis  dabit  mihi  pennas  etc.  lutellige- 
bat  enini  quod  altiora  facilius  penefrantur  simplicitate  mentis,  quam  levitate 
pennarum.  —  S.  Augustinus  simplices  autem  esse  voluit  sicut  columbas  ad 
nuUi  noccndum.  Xam  Iioc  avis  genus  nulluni  omnino  auinialiunr  necat,  non 
solum  grandium ,  contra  quae  vires  non  habet ,  sed  etiam  minutisaimorura, 
qiiibus  et  perparvi  passeres  alunlur.  Est  autem  omnibus  irrationabiUbus  aui- 
mautibus  uua  quedam  inter  se  societas,  sicut  et  rationabilibus  sua ,  i.  e.  homi- 
nibus,  non  solum  secum  sed  etiam  cum  angelis.  Discant  erj^'o  ex  similitudine 
columbaruni  nulli  prorsus  nocero  ad  societatem  suaui  pertintnti  participatioue 
rationis.  —  Augustinus  in  ps.  53:  Colnmba  a  molestiis  querit  avolationem, 
sed  non  amitüt  diltctioneni.  Columba  enim  pro  signo  dilectionis  ponitur  et  iu 
€a  gemitus  amatur.  Nihil  tarn  amicum  quietis  quani  columba,  diu  noctuque' 
gemit ,  tamquam  Iiic  posita,  ubi  gemondum  est.  —  Chrysostonius  T.  4. 
c.  3  Mitth.  :  Ideo  spiritus  sanctus  specicm  columbae  sumsit,  quoniam  prae 
Omnibus  animalibu-^  haec  cultrix  est  caritaiis- 

Kreuser  (der  christliche  Kirchenbau  II.  2S7) :  „JIuu  begegnet  seit 
urchristUcher  Zeit  der  Taube  als  dem  Sinnbilde  des  heil.  Geistes,  seiner 
sieben  Gaben:  der  Reinheit,  Sanftmuth,  des  Friedens  der  Kirche  und  ihrer 
Einheit  (die  sieben  Gaben  sind:  f-apientia,  intellectus,  cou&ilium,  fortitudo, 
scientia,  pietas  et  timor  domini,  vide  Kreuser  II.  128).  Didron  spricht  in  seiner 
„Hist.  d.  Dieu"  eingehend  über  die  Taube  als  Symbol  des  heil,  (icistes;  und 
vir  sehen  in  Fig.  124  u.  12.'>  die  sieben  Gaben  des  heil.  Geistes  durcli  sieben 
Tauben  bezeichnet.  Sie  hat  keine  Galle  (keine  Gallenblase),  bindet  und  loset 
(was?)  und  liebt  vorzüglich  die  l'nbeflecUtheit,  und  eben  weil  sie  den  Fuss 
nicht  auf  Unreines  setzen  wollte,  kehrte  sie  zur  Arche  mit  dem  Ölzweige  des 
Friedens  zurück.  Auch  ist  sie  gemäss  dem  Hoiienlicde,  das  von  jeher  auf  den 
himmlischen  Brautiyam  Jesus  Christus  uud  seine  Braut  die  Kirche  gedeutet 
wurde,  ein  Sinnbild  der  innigsten  Liebe,  die  auf  ihren  Flügeln  sich  zu  Gott 
erhebt,  nach  Eintracht  und  Vereinigunt:  schmachtet,  und  ferne  ist  \on  Zwie- 
tracht uud  Trennung.  Eben  deshalb  vorzüglich  bildet  sie  die  Kircheneinheit, 
und  Optatus  und  Augustinus  rufen  mit  allen  Kirchenvätern  den  Irrlehrern  zu: 
eine  ist  die  Taube,  die  Kirche.  Sie  -st  überhaupt  das  Sinnbild  des  guten 
Christen,  so  wie  der  Rabe  des  schlechten.  Sie  liebt  den  I\lenschen.  fliegt  iu 
Gesellschaft,  und  wo  eine  Versöhnung  mit  Gott  geschieht,  da  ist  Überall  die 
Taube ,  wie  bei  Noah  und  der  Taufe  des  Herrn.  Tauben  verkaufen  liedeutet 
bei  Gregor  dem  Grossen  so  viel  als  Simonie  treiben,  das  heisst,  das  Heilige 
um  Geld  verfeilschen.  —  Die  Taube  des  Herrn  heisst  auch  der  Strafengel  des 
jüdischen  Volkes,  Nabuchodonosor  und  sein  Vernichter  (bei  Hieron.  in  Jcrem. 
Y.  25.  p.  1024).  Pitra  Spicil,  III.  363  gibt  die  Ansicht  über  die  Taube,  aus 
dem  „veterum  gnosticorum  physiologus".  Hier  wird  als  Haupteigenschaft  ihre 
Geselligkeit  gerühmt  und  diese  Lehre  daraus  gezogen:  wie  die  Taube  deshalb 
in  Gesellschaft  fliegt,  damit  sie  der  Raubvogel  nicht  einzeln  erfasse,  so  müssen, 
besonders  die  Jungfrauen  in  der  Kirelie  bei  eina:ider  bleiben ,  zusammen 
singen,   damit  sie   der  Teufel  nicht  einzeln  hole. 

In  Bezug  der  auf  den  Grabsteinen,  Grabverschlüssen  und  Sarkophagen 
vorkommenden  Tauben  sagiUossi(R.  sott.  II.  S.  311):  Am  hanfigsten  _kommt 
hier  die  Taube  vor,  seltener  ein  anderer  Vogel  verbunden  mit  einem  Ölzweig 
oder  dem  ganzen  Ölbaum,  zuweilen  mit  dem  Uel>stocke,  Palmzweig,  seltener 
mit  dem  Blumen-  oder  Frucht  korbe  ^\'enn  icli  aucli  iiie  nicht  publicirten 
Fragmente  mitrechne,  ist  die  Taube  oder  der  Vogel  in  den  drei  Arcen  des 
Cal.  Cömeteriums  über  fünfzigmal  wiederholt.  Ich  sehe  keinen  Unterschied 
in  Bezug  auf  das  häufige  Vorkommen  dieses  Bildts,  ob  wir  ältere  oder  neuere 
Aufschriften    in    Betracht  ziehen ,    und   die   durch    Cor.sulardaten    gesicherten 


Die  Turteltaul)e  bedeutet  aucli  die  Rannherzigkeit 
Gottes,  die  Kircheni;'emeinschaft,  die  JungtVäuIiehkeit 
und  die  Treue  in  der  Liebe.  Der  heil.  Gregor  iu 
cant.  I.  n.  3U):  Turtur  postqnaiu  pareni  suum  i)erdi- 
derit  seuiel,  mniquani  alteri  se  jungit,  sed  semper  soli- 
tarie  habitans  iu  geuiitu  i)erseverat  etc.  Ihr  Seufzeu 
oder  Girren  verglich  man  dem  Seufzen  der  Russen  den, 
so  sehreibt  gleichfalls  der  heil.  Gregor  in  Job  XXXII, 
3  u.  4:  Pro  cantu  gemitus  hal)eut,  von  den  Rüssenden. 

Auf  dem  Gewölbe  der  Grabkamnier  von  Fünlkir- 
cheu  erseheint  die  Taube  in  derselben  Anzahl  wie  der 
Pfau,  Die  Tauben  sind  hier  ganz  weiss  und  flatternd 
dargestellt,  zwei  noch  gut  sichtbar,  zwei  gänzlich  rui- 
nirt;  letztere  hat  aber  Koller  noch  ganz  gesehen. 

IMumenkorb,  Pflanzen-  und  Rlunienverzie- 
rung. 

Der  Rlunienkorb  ersetzt  hier  das  antike  Füllhorn, 
das  in  den  Kammern  des  Calixtus'schen  Cömeteriums 
noch  häutig  erscheint.  Der  Rlumenkorb  in  Füntkirchen 
ist  einer  Düte  ähnlich  oder  einer  Garbe,  deren  Stengel 
mit  einem  rothen  Rande  umwunden  sind;  aus  den  dich- 
ten olien  auseinandergehenden  grünen  Rlättern  leuchten 
rothe  Rlumen  hervor,  und  bilden  mit  erstcren  was  die 
Franzosen  „la  tigure  du  bouquet^-  nennen. 

Zwischen  den  am  Tonnengewölbe "  aufgezählten 
Figuren  ist  der  übrige  Kaum  mit  grünen  Rlättern  und 
rothen  und  blauen  Rlümchen  besäet.  In  unserer  Chromo- 
lithographie sind  letztere  nicht  deutlich  ausgedrückt. 
Ähnlich  ist  in  der  Vertheilung  bei  Kossi  (RuU.  18G5, 
S.  52)  ein  Kebstock  aus  dem  Cömeterium  der  Domitilla. 

Da  der  Kaum  der  Fünfkirchner  Kammer  ein  läng- 
licher, die  Rildtafel  des  Gewölbes  al)er  quadrat  ist,  bleibt 
gegen  die  beiden  kürzeren  Seiten  zu  noch  Raum  übrig, 
welcher  mit  grünen,  roth  eiugefassten  Rlattguirlandeu 
gefüllt  wurde. 

Die  Wand,  in  welcher  sich  der  Eingang  befindet,  hat 
keine  figuralische  Verzierung;  hier  kommen  blos  grüne 
Rlätterguirlanden  auf  dem  weissen  Kalkgrunde  vor. 

F  a r b  e  n  s  t  i  u]  m  u  n  g  (Tonalität). 

Unter  dem  Worte  Farbenstimmung  (tunalite,  gamme 
de  couleur)  versteht  man  das  Verhältniss  der  Farben 
zu  einander,  sowohl  in  Rezug  ihrer  Qualität  (ihr  Feuer, 
ihre  Gebrochenheit  und  Mischung)  als  auch  ihrer  Quan- 
tität (die  Raummenge,  welche  jede  der  Farben  ein- 
nimmt). Diesist  vorzüglich  die  AnsichtVi(»  11  et- le-  Duc's, 
der  sie  in  seinem  Diet.  de  l'Archit.  „Artikel  Peinture" 
auseinandersetzt. 

Die  eigentlichen  drei  Farben:  gelb,  roth  und  blau 
machen  einen  angenehmen  Eindruck ,  wenn  sie  zu 
gleicher  Zeit  gemischt  zusammenwirken,  so  dass  von 


beweisen,  das3  man  sich  au  dieses  Symbol  am  häufigsten  und  am  längsten 
hielt;  es  herrscht  noch  im  IV.  Jahrhundert  vor,  uud  obwohl  die  Zahl  im  V. 
und  VI.  Jahrhundert  fortwährend  abnimmt,  hat  doch  eines  der  letzten  Bei- 
spiele des  letzteren  nocli  immer  dieses  mystische  Bild.  Noch  mehr  als  iu 
Rom,  liielt  mau  sich  iu  Gallien  an  die  Taube;  weshalb  auch  weder  deren 
Gegenwart  noch  Zahl  als  chronologisches  Merkmal  dienen  kann,  wenigstens 
in  den  Eidtaphieu  der  vier  ersten  Jahrhunderte  nicht.  —  Jedermann  weiss, 
dass  die  Taube  das  Sinnbild  der  Seeleu  der  Verstorbenen  ist;  dieses  beweist 
vorzüglich  jene  Inschrift  des  Calixt.  Cömeteriums,  auf  welcher  zwei  den 
Ölzweig  in  den  Schnäbeln  haltende  Tauben  geradezu  Beneria  und  Sabbatia 
genannt  werden  ;  über  dieser  Gruppe  aber  steht  „Palumbua  sine  fei-  isic) 
(s.  die  Erklär.  Bull.  ISiH.  S.  12).  Im  Bull.  v.  1SG8  ist  ein  anderes  Epitaphium 
angeführt,  auf  der  „Palumbo  sine  felle^  steht.  Kossi  fragt,  ob  ^palumbus'-  und 
palumbo  statt  unserem  palumbes  nicht  wirklich  im  Gebrauch  waren  V  da  „pa- 
lumbo  sine  f<lle"  auch  auf  der  Grabschrift  der  Dasumia  Ciriaca  vorkommt, 
welche  Rossi  iu  das  Ende  des  III.  oder  zu  Anfang  des  IV.  Jahrhunderts  setzt 
(s.  R.  sott.  II.  S.  186). 


80 


zweien  die  eine  aus  den  zwei  der  anderen  drei  gemischt, 
die  eine  ungeniiselit  ist;  dies  lehrt  die  Theorie  der 
complemcntären  Farben  des  Kegenbogens,  von  denen 
es  drei  Arten  gibt:  a)  dunkelblau  und  orange  (letzteres 
aus  roth  und  gelb  gemischt) ;  h)  roth  und  grün  (^letzteres 
aus  blau  und  gelb  gemischt)  ;  c)  liclitgeib  und  violet 
(letzteres  aus  roth  und  blau  gemischt). 

Viollet-le-Ducsagt, im  ]\[ittelalterhabeman  drei 
Farbenstimnuingen  gekannt:  l.Die  gelb-rothe,  mit  Licht 
und  Schatten  d.  h.  weiss  und  schwarz;  1.  die  gelb- 
roth-blaue,  welche  die  Mitteltöne  von  grün,  violet  und 
orange,  zugleich  aber  auch  Licht  und  Schatten  verlangt; 
3.  die  Zusammenstelhing  aller  Farben  mit  dem  Schatten, 
aber  statt  des  Lichtes  die  Anwendung  von  Gold. 

Dagegen  lässt  sich  anführen,  dass  die  zweite  und 
dritte  Stimmung  sehr  wenig  von  einander  verschieden 
sind  und  dass  man  im  ^Mittelalter  nicht  nur  Gold,  sondern 
auch  Silber,  und  gerade  dieses  öfter,  zur  Lichtaufholiung 
anwandte,  endlich  dass  (iold  und  Silber  durch  ihren 
MetallgJanz,  welchen  sie  über  ihre  Farbe  haben,  in  jede 
Stimmung  passen,  ohne  diese  zu  stören. 

Aus  dem  Studium  der  Regenbogenfarben  geht  die 
Theorie  der  oben  unter  a)  b)  c)  gegebenen  natürlichen, 
der  complemcntären  Farben-Stimmungen  hervor.  Übri- 
gens wurden  ausser  diesen  und  meist  öfter  als  diese 
noch  folgende  Stimmungen  gebraucht ,  die  aus  blos 
zwei  ungemischten  Farben,  und  die  aus  allen  Farben 
mit  Gold-  und  Silberzusatz  bestanden.  In  der  zweiten 
Classe  kommen  vor  aa)  gelb-roth  (wie  bei  V.  C.  D.), 
bb )  roth-blau  und  cc)  blau-gelb.  Die  dritte  Classe  lässt 
sich  gleichfalls  dreifach  untertheilen:  aa)  mit  Zuziehung 
von  Silber,  bh)  von  Gold,  cc)  von  beiden  Metallen.  Wo 
wir  sodann  im  Ganzen  neun  Farbenstimmungen  hätten, 
nämlich  für  das  Alterthum,  wo  die  Xcutraltintcn,  welche 
die  Stinnnungen  heutzutage  weit  zahlreicber  machen, 
noch  wenig  angewandt  wurden. 

In  Bezug  auf  die  Quantität  der  Farben  bemerkt 
V.  1.  D.,  dass  wenn  wir  die  Wcrtlie,  oder  vielmehr  den 
durch  dieselben  eingenommenen  Flächenraum  in  Zahlen 
ausdrücken,  und  so  gelb  zu  1,  roth  zu  2,  blau  zu  3  an- 
nclniien  :  orange  sein  wird,  1  -t-2  :=  3,  grün  1  -t-  3  =  4, 


Purpur 


Hi 


eraus  wn-d  gefolgert : 


in  der  L-^elb- 


rothen  Stimmung  ist  notliwendig,  dass  der  Flächenraum 
von  gelb  doppelt  so  gross  sei,  als  der  von  roth.  Geben 
wir  jedoch  noch  blau  hinzu,  wird  das  Ilarnionisiren 
schon  complicirtcr;  denn  das  Vorhandensein  von  blau 
verlangt  entweder  die  Vergrösserung  der  Fliielien, 
welche  gell)  und  roth  einnehmen,  oder  aber  das  Hinzu- 
treten von  grUn  und  violet,  und  dann  darf  der  Flächen- 
raum von  grün  nicht  geringer  sein  als  ein  Viertel  der 
Gesammtfläcln;,  des  rur])urs  nicht  geringer  als  ein 
Fünftel  u.  s.  w.  ■^*.  DeniKCinäss  würde  eine  zu  bemalende 


^*  En  sappoBAnt  que  Ic  Jaune  valllc  \,  lo  rouge  2,  )e  Mou  3:  mclani  Iü 
jaunc  et  le  rouge,  nous  oblennns  1*  orange,  vnleiir  3;  lo  jaunu  et  lo  bleu,  lo 
Tort ,  valcar  4,  le  rougo  et  le  bleu,  Ic  pourpro  ,  valcur  .^.  St  nous  mcttons 
•tes  Couleurs  sur  uno  surracc.  pour  quo  l'elTet  liarmonteux  ne  solt  pav  (ü'^pass^, 
po»ant  sculomcnt  du  Jaune  et  du  rougo,  il  faurtra  quo  In  »urfaco  occup^to  par 
lo  jaune  soit  lo  double  nu  molns  de  In  surfaco  orcupt^'O  par  lo  rougo.  Mais  »1 
I10U9  ajoiitoQi  rlu  bleu  A  l'inatarft,  l'ttarmonlo  devient  plu«  complIqu<5c ;  la  pr/j- 
sence  Aoulo  du  bleu  nt^ceaslto ,  ou  uno  augmontntion  relative  consUU'rablo  des 
Burface«  Jauno  et  rouge,  ou  I'appolnt  des  tons  vorts  et  pourprcs,  lequels, 
commo  le  vert ,  ne  devront  pas  etre  aii-dessous  du  qunrt  et  lo  pourpro  du 
clnqulJ^me  de  la  surf.ice  totale.  Co  sont  lA  des  rö^les  ^•Ifjmontalres  de  rhfirmo. 
nie  d^jcoratlTO  des  arttstes  du  moyen  Age.  Aussi  ont-lli  rarement  adiiiis  toulen 
les  Couleurs  et  les  tons  qui  d<5rlTont  d'-  leur  m^lange,  i\  cause  des  dilTiculK^H 
innombrables  qui  r^-nulterit  de  l^ur  Juxtapositiori  et  de  l'imporranco  relative 
qae  doit  prendre  chauuri  de  ccs  tons,  comnie  surface.  Dans  lo  cns  de  l'adnp. 
tion  des  trois  coDleurs  et  de  Isurs  d^<rlv^'s,  Tor  devient  un  nppolnt  indispen- 
sable,   c*est  lul  qnl  est    charg^  de  completer  on  momo  de  r^tablir  rharmonie. 


Fläche  zu  100  gesetzt ;  deren  1/4  =  25  einnehmen  grün, 
'/i  :=  20  purpur,  und  den  übrigen  Eaum  ^  55  müsste 
man  so  vertheilen  ,  dass  für  gelb  bliebe  ä/s  =  36.66 
und  für  roth  ',3  =  18.33,  was  zusammen  gäbe  25  -+-  20 
-1-  30.66  -H  18.33  =  99.99  oder  100.  Bei  der  Anwen- 
dung aller  Farben  müsste  demnach  gelb  die  grösste 
Rolle  spielen,  während  dem  roth  blos  18.33  zustände. 
Haben  wohl  die  .\lten  oder  auch  nur  die  alten  Christen 
diese  Regel  strenge  befolgt V 

V  i  0 1 1  e  t  - 1  e  -D  u  c  behauptet  weiter,dass  eine  harmo- 
nische Farbenstimmuug  blos  roth  und  gelb,  mit  alleini- 
ger Zuziehung  von  Licht  (weiss)  hervorbringen  könne, 
und  dass  eine  solche  weder  roth-blau,  noch  gelb- blau 
ohne  Zuhilfenahme  von  Mitteltönen  herzustellen  ver- 
möge. 

Wahr  ist  es,  dass  bereits  in  den  ältesten  Zeiten 
die  gelb-rothe  Farbenstimmung  am  häufigsten  und  vor- 
herrschend angewandt  wurde  :  so  von  den  Ägyptern, 
in  der  frühesten  Zeit  von  den  Hellenen,  von  den  Etrus- 
kern,  von  den  ersten  Christen,  den  Byzantinern  und  im 
Mittelalter  auch,  wie  dies  die  Wandbilder  von  S.  Savin 
für  das  frühe  Mittelalter  beweisen  55.  Und  doch  ist  diese 
Farbenstiinmung  für  das  Auge  nicht  angenehm  und  wenn 
die  Helenen  sie  bei  ihren  ältesten  Tempeln,  z.  B.  dem 
von  Selinunt,  anbrachten,  vertauschten  sie  dieselbe  bei 
ihren  späteren  Tempeldecorationen  doch  mit  dem  blau- 
rothen.  Absolut  angenehm  ist  übrigens  blos  die 
complenientäre  Farbenstimmung;  denn  diese  beruht  auf 
einem  peremiitorisclien  Naturgesetz,  welches  auch  durch 
die  Erfahrung  bestätigt  wird.  Es  sei  erlaubt,  blos  drei 
Beispiele  anzuführen.  Wenn  einem  Käufer  in  einer 
Sehnittwaarenhandlung  ein  rother  Stoft' nicht  leuchtend 
genug  erscheint,  Ijringt  ihm  der  seinen  Vortlieil  ver- 
stehende Commis  schnell,  als  wäre  es  zufällig  gesche- 
hen, einen  complementären  grünen  Stotf  vor  die  Augen, 
und  kehrt  mit  tausend  Entschuldigungen  schnell  zum 
rotlien  zurück,  der  nun  dem  überraschten  Käufer  weit 
feuriger  erscheint.  —  Jlaler,  die  einen  besonderen  Far- 
bensinn hallen,  pflegen  sieh  von  der  aufgetragenen  Farbe 
plötzlich  abzuwenden  und  sehen  dann  die  comiilemcn- 
täre  derselben  gleichsam  in  der  Lufl  schweben.  Ähn- 
liches hat  der  Leser  an  sich  selbst  mit  Licht  und 
Schatten  oder  Weiss  uml  Schwarz  erfahren,  weini  er, 
die  Augen  ])löfzlieh  schliessend,  was  er  früher  licht 
gesehen,  bei  geschlossenen  Augen  nun  dunkel  sieht; 
z.  B.  wenn  er  in  ein  Fenster  gesehen,  sieht  er  bei 
geschlossenen  Augen  das  Fensterkreuz  lieht  und  die 
Scheiben  dunkel. 

L'nil  weshalb  hat  die  Malerei  oder  die  Tüucherei 
am  Anfange  die  weniger  angenehmen  Farbenstiunuun- 
gcn  gewählt?  Wahrscheinlich  aus  keiner  anderen  Ur- 
sache, als  weil  der  gelbe  oder  rothe  Ocker  ülierall  zu 
Hause,  daher  wohlfeil  und  auch  leicht  zu  bereiten  ist 
und  an  Dauerhaftigkeit  grün,  blau  und  purpur  stets 
übertriirt. 


Rovcnant  aux  principoe  les  plus  «Iinplce,  on  pout  oMonir  uiic  hftrinonic  por- 
faito  ATcc  lü  jauiio  et  lo  rou({o  (ocro  rouge),  Kurtout  ü  I'apiiolnt  Iilen;  il  est 
ImpoBblblo  d'obtciiir  iiiio  harrnonio  avoc  lo  jauno  nt  lo  Mou  (V),  nl  iiiOine  avco 
lo  rouKo  e(  lo  Mou,  baiiN  Tappolnt  du  tons  iiilormOdiolree.  Voudriez  vous  dÖco- 
rcr  uno  nallo  toitto  Maiir-lio  c<iinnio  fond,  avrc  des  ornemonts  rougo»  ot  blous 
ou  Jaune»  et  Mous,  ni"''nio  clairsomi?»,  rjiio  Tharrannlo  «eralt  impoBalMo.  Lo 
roiiKu  (coro  roiigo)  ei  lo  jauiif  (ocro  Jaunc)  ('■(atit  Um  deux  souloa  couloursqul 
pulMHcnt,  saiiB  rnppolnl  d^auircs  tont»,  00  trouvcr  CDocmblc. 

^*  Eh  Ist  beinorlCL-nnworth  ,  da»«  die  Chinesen  und  vlollclcht  noch  mi.-hr 
die  JapanoBon  die  griin-roth»  Fnrbonr<tlmniung  Jeder  anderen  vorziehen,  Ja  In 
dlencr  Stimmung  wieder  £u  Jedem  bofitimmtcn  Grün  das  bebttmmte  coniple- 
mentäre  Roth,  und  umgekehrt  zu  finden  wissen. 


81 


Wns  mm  die  Fiirbcnstinimimp:  de.  altcliristliclien 
Waiulseiuäldc  betrifft,  werden  wir,  wenn  wir  Kossi's 
R.  sott.  I  Tat'.  VIII  11.  X.  betrachten,  selien,  dass  auf 
Tat'.  YIII  den  Uabmen  ein  breiter  g:elber  und  ein  schma- 
ler rother  Streiten  1)ildet,  und  dass  auf  Tat'.  X  das  Rah- 
niendetail  rotli,  das  Feld  gelb  ist,  die  darauf  gemalten 
Figuren  aber  sind  entweder  bräunlich  oder  grau  mit 
bräunlicher  Schattirung  oder  sie  si)id  grün  und  roth. 
Auf  den  Taf.  VI  und  VII  ist  die  Farben  Stimmung  die 
gelb-rotbe  mit  viel  weiss  und  schwarz;  der  Eindruck 
ist  nicht  angenehm,  doch  ist  zu  bemerken,  dass  die 
Bilder  der  byzantinischen  Zeit  angehören.  Auf  Taf.  XII 
hen'scht  die  grüne  Farbe  beinahe  ausschliesslich. 
Betrachten  wir  nun  die  Wandbilder  der  tünf  ältesten 
Kannnern  des  C'alixtus'schen  Cöineteriuuis.  Die  Far- 
benstimmung der  auf  T;if.  ^T  dargestellten  byzanti- 
nischen Malereien  ist  die  gelb-rothe,  mit  sehr  wenig 
blau,  doch  hat  hier  roth  kein  Feuer  und  nvht  in  braun 
über.  Auf  den  Tafeln  XIV,  XV,  XVI,  XVII  und  XMII 
ist  die  Einrahmung  des  gelblichen  Feldes  mit  rothen 
oder  vielmehr  bräunlichen  Streifen  beibehalten  und  so 
herrscht  auch  in  den  auf  dem  Felde  erscheinenden 
menschlichen  Figuren  der  bräunliche  Ton ,  selbst 
im  Nackten,  stark  vor,  blos  bei  den  Vögeln  (Pfauen) 
und  den  Pflanzen  sind  etwas  lebhaftere  Töne  ange- 
bracht, grünlich  ist  der  Pistrix  des  Jonas,  das  Meer- 
wasser, der  Himmel,  die  Felsen  und  selbst  die  Wäsche 
mehrerer  Figuren,  dem  Blau  wurde  eine  sehr  kleine 
Rolle.  Lebhaftere  Farben  finden  wir  auf  Taf.  XX ,  wo 
die  Einfassung  engelrotli  und  braun  ist,  lebhafter  sind 
auch  die  Farben  auf  Tut'.  A  u.  B  des  Anhangs  (Tavola 
d' aggiunta) ;  hier  ist  die  Stimmung  entschieden  die 
gelb-rothe,  doch  so  dass  letztere  Farbe  zum  Braunen 
neigt;  woraus  hervorgeht, dass  die  reine,  lebhafte,  gelb- 
rothe  Farbenstinimung  den  alten  Christen  nicht  ange- 
nehm schien;  indem  sie  deren  grellen  Effect  durch  die 
Abschwächung  vom  roth  in  braun  zu  schwächen  suchten. 
Nur  auf  dem  ältesten  der  jüngst  in  Alexandrien  ent- 
deckten Wandbilder  ist  die  Farbenstimmung  eine  ganz 
entschieden  gelb-rothe  (vgl.  im  Bull.  Jahrg.  18G5,  Fig.  5 
der  beigegebenen  Tafel) ;  doch  auch  hier  ist  VioUet-le- 
Duc's  Regel  nicht  angewendet,  welcher  gemäss  gelb  die 
doppelte  Fläche  von  roth  einnehmen  sollte;  denn  hier 
bildet,  insoferne  man  nach  dem  schlecht  erhaltenen 
Zustand  urtheilcn  und  die  Copie  als  treu  annehmen 
kann,  den  Grund  ein  lichtes  Roth,  aufweichen  dann 
beinahe  ausschliesslich  in  gelb  gekleidete  Figuren  ge- 
malt wurden;  gelb  sind  auch  die  Baumstämme  und  an 
den  Blättern  ist  kaum  eine  grüne  Farbe  zu  merken. 
Die  Schattirung  des  gelben  ist  mit  rother  und  brauner 
Farbe  ,  oder  mit  schwarzen  Pinselstrichen  zu  Wege 
gebracht. Rossi  hält  dies  Bild  für  das  älteste  der  Kam- 
mer und  setzt  dasselbe  ins  IV.  Jahrhundert.  Der  Effect 
ist  wegen  der  grellen  Farben  unangenehm,  jedenfalls 
in  der  Ci>pie. 

Werfen  wir  nun  einen  Blick  auf  die  AVandbildcr 
der  Fünfkirchner  Kammer.  Die  iMiifassung  ist  gelb- 
roth ;  innerhalb  dieser  aber  herrscht  die  complementäre 
grün-rotlie  Stimmung,  doch  ohne  jenes  Raumverhältniss, 
welches  Viollet-le-Duc  fordert;  denn  die  Fläche,  welche 
roth  einnimmt,  i.st  grösser  als  die  der  Gelben,  wozu  noch 
zu  bemerken,  dass  sich  im  Original  das  gelb  noch  mehr 
dem  Orange  nähert,  als  dies  in  der  Chromolithographie 
der  Fall  ist.  Der  Eindruck  ist  nicht  unangenehm ;  denn 

XVIII. 


der  grelle  Ausdruck  der  Einrahmung  wird  durch  die 
Füllung  dcsselljcn  gemildert,  ja  mau  kann  beiiaiiptcii, 
dass  die  Calixtus'sclicu  Bilder  in  der  Stimmung  von  den 
in  Fünfkirchen  übertroffen  werden,  besonders  dort  wo 
neben  der  gelb-rothen  Einrahmung  die  grün-rothe  Guir- 
lande  zu  stehen  konmit.  Anderseits  liisst  sich  auch  nicht 
läugnen,  dass  in  Füiifkircheu  die  Localtöne  ricjitiger 
gewählt  sind  und  dass  in  einem  Bilde  sogar  die  Farben 
der  Gewänder  im  complementären  Sinne  gewählt 
wurden,  indem  die  Tunica  grün,  der  Mantel  und  die 
Schuhe  roth  sind;  dagegen  herrscht  in  der  Gewandung 
der  Apostel  gelb  vor,  obschdu  auch  hier  nicht  mit  roth 
sondern  mit  weiss  wechselnd  und  mit  braun  schattirt. 
In  den  kleineren  Einrahmungen  wechselt  grün  mit  rolli, 
so  bei  den  Medaillons  und  den  Monogrammen ;  grün 
und  roth  wechselt  auch,  das  Auge  befriedigend,  hei 
den  Blumendüten.  Blau  kommt  blos  in  der  kleinsten 
Menge  vor  und  auch  dies  nicht  in  unserer  Abbildung 
sondern  in  der  Originalmalerei. 

K  u  n  s t w  e  rt  h  der  Wandbilder. 

Dass  wir  hier  keine  Meisterstücke  vor. uns  haben, 
ist  schon  aus  der  Zeit  ihrer  Entstehung  erklärlich;  doch 
zehren  dieselben  noch  immer  an  einer  Tradition  der 
Blüthezeit  römischer  Kunst  und  sind  weit  entfernt  von 
der  Steifheit  des  Byzantinismus. 

Die  Technik  ist  einfach,  der  Künstler  malte  ent- 
weder aus  freier  Hand  ohne  Umrisse ,  oder  zeichnete 
letztere  zuerst  mit  brauner  Farbe  (vgl.  die  nackte  Gestalt 
des  Propheten  Jonas);  die  Umrisse  wurden  sodann  mit 
dem  Loe.alton  gefüllt,  und  in  diesem  die  Schattirung, 
die  Modelirung,  mit  braun  bewerkstelligt.  Mitteltöne 
kommen  nicht  vor,  auch  fehlt  die  Aufhöhung. 

Die  Zeichnung  ist  hie  und  da  ziemlich  gerathen, 
so  in  den  Apostelköpfeu ;  bei  manchen  Guirlanden 
kommt  sogar  ein  freierer  Schwung  vor.  Anderseits 
machen  sieh  jedoch  auch  Zcichnungsfehler  bemerkbar, 
so  in  der  Gestalt  des  Jonas,  die  mehr  weibliche  als 
männliche  Formen  uud  zu  kurze  Arme  hat. 

Wir  finden  auch  einige  Bewegung  in  unseren  Bil- 
dern ausgedrückt;  so  bei  den  beiden  Aposteln  und  noch 
mehr  in  den  drei  schreitenden  Figuren,  die  entweder 
die  Magier  oder  die  drei  Jünglinge,  die  in  den  Feuer- 
ofen gehen,  darstellen;  auch  das  Flattern  der  vier 
Tauben  ist  angedeutet;  steif  sind  dagegen  die  Matro- 
sen im  Schift'e  und  der  unter  dem  KUrbisgehänge  ste- 
hende Jonas. 

Von  einer  prägnanten  Auffassung  der  Individualität 
kann  kaum  die  Rede  sein  ;  dennoch  ist  ein  gewisses 
Streben  nach  einer  solchen  in  den  Apostel-  uud  den 
erhaltenen  Medaillonköpfen  bemerkbar. 

Im  Ganzen  darf  man  behaujjten,  dass  die  Wand- 
bilder zu  den  besseren,  ja  zu  den  besten  ihrer  Art 
gehören;  sie  stehen  noch  weit  entfernt  vom  Byzanti- 
nismus, während  anderseits,  wie  Schnaase  überhaupt 
von  derlei  altchristlichen  Gemälden  bemerkt,  noch  eini- 
ger Nachklang  antik-heiterer  Auffassung  ersichtlich  ist. 
Und  dies  ist  selbst  hier  in  einer  so  grossen  Entfernung 
von  der  Hauptstadt  und  somit  vom  damaligen  Kunst- 
ceutrum  noch  immer  der  Fall, 

Zeitbestimmung. 

In  den  fünf  ältesten  Kammern  zu  Rom  kommen 
nur  wenig  Gegenstünde  vor,   welche   auf  den  Bildern 

U 


—     82 


von  Fiiulkiiclien  gemalt  sind:  die  Geschichte  des  Pro- 
pheten Jonas,  die  Pfaiie  und  Tauben;  es  fehlen  aber 
in  den  fünf  Kammern:  Koah,  die  drei  Jüngling-e  oder 
ifagier,  die  beiden  Apostel  und  die  Porträt-Medaillons. 
Dagegen  tiuden  sich  die  hier  als  in  den  Kammern 
fehlend  aufgezäidten  Gegenstände  unzähligemal  wieder- 
holt auf  den  Sarkophagen  und  Glasschalen;  auf  ersteren 
kommen  auch  Porträt -Medaillons  sehr  häufig  vor  und 
die  beiden  Apostel  sind  in  Brustbildern  und  ganzer  Figur 
mehr  als  sechzignial  auf  den  von  Garucci  pnblicirten 
(ihisschalen  dargestellt,  auch  ist  auf  letzteren  Noah  und 
Jonas  nicht  selten  und  kunuiit  das  Monogramm  gleich- 
falls vor. 

Da  die  Calixtus'selien  fünf  Kammern  Anfangs  des 

III.  Jahrhundert  oder  viellciclit  noch  Ende  des  IT.  aus- 
getieft wurden  und  ihr  kaum  viel  späterer  liilderc^clus 
von  dem  in  I-linfkiichen  abweicht;  kann  man  beide 
nieJit  für  gleichzeitig  halten,  ja  weil  der  Cyclus  in  Fünf- 
kirchen mehr  mit  jenem  der  Sarkophage  und  Glasscha- 
len stimmt,    deren   massenhafte  Ersciieinung  man   ins 

IV.  Jahi'liundert  setzt,  ist  es  natürlich,  auch  die 
Anfertigung  der  Fünfkirchner  "Wandbilder  in  dieses 
Jahrhundert  zu  stellen.  Doch  dürfen  wir  sie  in  diesem 
nicht  zu  weit  herabrücken,  wogegen  ihr  relativ  grösserer 
Kunstwerth  und  der  Anklang  an  manches  antike  J\Iotiv, 
iiianctie  anlike  Überlieferung  spricht. 

Eben  so  verbietet  ihre  Einstellung  in  eine  spätere 
Zeit  das  zweimalige  Erscheinen  des  Constantin'schen 
Monogrammes.  Wir  haben  gesehen,,  dass  nach  Eossi's 
älterer  Ansicht  dies  Moniigranim  als  in  der  Zeit  C'on- 
stantin's  enistandcn  anzunehmen  wäre;  da  aber  I'ossi 
durch  mehrfache  neuere  Entdeckungen  diese  Meinung- 
später  modificirte,  doch  immer  noch  nicht  derart  än- 
derte, dass  er  das  Erscheinen  des  Monogramms  in  vor- 
constaiitinischer  Zeit  als  mehr  denn  eine  seltene  Aus- 
nahn.e  ansehen  würde,  hat  unsere  Ansicht  noch  immer 
an  der  Zeit  dieses  Kaisers  festzuhalten,  zumal  Rossi 
selbst  die  Ausnahmen  zumeist  in  den  gallischen  Pro- 
vinzen nachweist,  und  weder  inPom  noch  in  solchen  Pro- 
vinzen findet,  die  mit  lioni  im  engsten  Verkehre  standen. 
Kun  war  aber  Pannonien  eine  Provinz  letzterer  Art, 
weshalb,  wie  Kossifür  die  römischen  Monogramme, 
tiiut,  auch  wir  für  unsere  etwa  das  vierte  Jahrzehend 
des  IV.  Jahriuindcrts  annehmen  können,  von  ;>.')(»  unge- 
fähr bis  .'JJO.  -Mit  dieser  Annahme  glauben  wir  der  Zeit- 
bestimmung am  nächsten  zu  treten,  und  es  winl  sich 
auch  kaum  ein  Detail  finden,  welches  mit  derselben  im 
Widersprudi  stände. 

S  c  h  1  11  s  s  ü  b  e  r  s  i  c  h  t. 

Es  wurde  am  .Anfang  ausgesprochen,  dass  unsere 
Wandbilder  figürlich  den  biblischen  Satz  ausdrücken: 
,Wer  glaubt  und  sich  . taufen  lässt,  wird  selig  werden". 
>  Die  .Antithese:  „wer  al)er  nicht  gla-ibt,  wird  verur- 
fheilt  werden"  ist  als  negativer  Ausdruck  nicht  berllck- 
sichtigt.) 

Die  Mittel,  diesen  Satz  in  symbolischen  liildern 
zur  Anschauung  zu  bringen  sind  :  die  Versinnlichung 
der  Taufe  und  der  Eucharistie,  dieser  beiden  ältesten 
chrislliclien  Sacraniente  (von  den  llbrigcii  i'\\u{  der 
katholischen  Kirche  ist  noch  keine  Spur  vorhanden, 
wie  eine  solche  auch  in  den  fünf  Calixtus'selien  Kam- 
mern   nicht    vorkommen    kann    und  Po,s  s  i ,  trotzdem 


dass  er  ein  guter  Katholik  ist,  nirgends  dergleichen 
audentet);  die  Mittel  sind  ferner  die  Symbolisirung  der 
Kirche  und  der  Verehrung  des  Kaniens  Christi,  als 
Zeugen  für  den  Glauben,  endlich  die  Andeutung  der 
Auferstehung  und  des  ewigen  seligen  Lebens  in  der 
Anschauung  des  Höchsten. 

Wir  haben  gesehen,  dass  die  Sündfluth  die  Taufe, 
die  Arche  Noah's  die  Kirche,  die  Taube  mit  dem  Öl- 
zweig, diesem  Zeichen  des  Friedens,  die  Versöhnung 
der  Jlenschheit  mit  Gott  bedeutet,  der  diese  auch  durch 
den  Eegenbogcn  kund  that.  In  Noah  ist  demnach  der 
Priester,  in  seiner  Familie  sind  die  Heiden,  die  soge- 
nannten Gentes  zu  sehen,  welche  durch  den  Eintritt  in 
die  Kirche,  durch  den  Glauben  aus  den  Fluthen  der 
AVeltlichkeit  gerettet  werden;  und  in  ihnen  auch  ihre 
Nachkommenschaft,  die  Menschenwelt.  Es  wäre  also 
eigentlich  schon  dies  einzige  Bild  genügend,  den  bibli- 
schen Satz  zu  symbolisiren ;  wenigstens  geben  die  ver- 
schiedenen Kirclicnschriftsteller  .zusammen genonnnen 
der  Geschichte  Noali's  eine  so  weite,  und  indem  sie  die 
Rettung  aus  den  Fluthen  mit  der  Auferstehung  in  Paral- 
lele stellen  ,  eine  noch  weiter  ausgedehnte  Bedeutung. 
Irre  ich  in  meiner  Vermuthung,  der  gemäss  die 
drei  schreitenden  männlichen  Gestalten  für  die  drei 
babylonischen  Jünglinge  der  Schrift  zu  nehmen  sind 
und  haben  wir  sie  als  die  drei  Jlagier  anzusehen,  und 
im  Mittelbilde  die  Darstellung  der  Jungfrau  mit  dem 
Kinde  zu  suchen:  kann  auch  diese  Darstellung,  neben 
ihrem  historischen  Werthe,  gleichfalls  symbolisch  ge- 
deutet werden,  nämlich  auf  die  Aufnahme  der  Heiden 
in  die  Kirche;  die  Heiden  wären  si>dann  durch  die 
I\Iagier  repräsentirt,  was  gleichfalls  auf  urchristlicher 
Erklärung  fussen  würde. 

Ich  habe  auf  dem  Mittelbilde  der  entgegengesetz- 
ten Seite  die  Darstellung  des  Abendmales,  der  Eucha- 
ristie, gesucht,  und  liiezu  glaube  ich  sowohl  durch  die 
Bilder  der  fünf  Calixtus'selien  als  der  Alexandrinischen 
Kanmier  berechtigt  zu  sein,  um  so  mehr  da  letztere, 
nach  Rossi,  gleichfalls  denilV. Jalirhiinderf  angehört. 

In  den  ältesten  Cönieterienbihlein  gilt  Jonas  als 
^'orbild  des  .Auferstandenen,  neben  deiiiselben  Lazarus, 
seltener  Daniel,  am  seltensten  als  Sinnbild  der  Aufer- 
stehung das  Opfer  Abraham's;  die  beiden  letzteren  sind 
mehr  auf  den  Sarkophagen  gebräuchlich.  Jlan  hat  nun 
als  Seiteiistiick  zu  Jonas  eines  der  drei  letzteren  Sinn- 
bilder zu  wählen,  gleichviel  welches,  da  wir  uns  Ja 
bereits  im  IV.  Jahrhundert  befinden. 

In  der  Mitte  dieses  die  Taufe,  Eucharistie,  Kirche 
und  .Vuferstehiin;;-  andeutenden  Bildercyclus  weisen  die 
beiden  .\postelfiirsten  auf  das  Constantiii'sche  Mono- 
gramm, den  Namen  des  Erlösers  hin:  ,,in  hoc  signo-'.  • 
Es  ist  dies  der  Glaube,  der  vom  Christen  peremptori- 
scher gefordert  wird,  als  Muhamed  oder  ein  anderer 
Religionsstiftcr  den  blinden  (ilaiibeii  forderte.  Bei  Ter- 
tuliaii  heisst  es  sogar:  ,,credo  (|uia  absurdum". 

Und  nun  blicken  wir  zum  Monogramme  desSchluss- 
sf eines  empor:  „sursum  eorda".  Es  steht  hier  als  Zei- 
chen des  endlichen  ewig  fortdauernden  Sieges ,  auf 
einem  liliimenfelde,  inmitten  ^•om  Symbole  der  Ilnsterb- 
liehkeil,  den  I'faiieii,  zum  Tröste  iler  hier  Begrabenen 
iiiiiiitten  ihrer  l'orträf  -  Medaillons  und  der  ihre  reinen 
Seelen  anzeigenden  weissen  und  schuldlosen  Taiilien. 

So  wäre  denn  auch  hier,  mit  Rossi  zu  reden,  das 
grosse  Epos  der  Christenheit  zum  Ausdruck  gebracht, 


83     — 


das  mit  der  Tanfc  beginnt  nnd  mit  der  Seligkeit  das 
endlose  höhere  Leben  erreicht. 

Am  Ende  unserer  Erörternng  angelangt,  haben  wir 
blos  den  warmen  Wunsch  auszusprechen :  möge  uns 
dieses  diesseits  der  AIjjcu   einzige  Denkmal  aus   alt- 


ehristlieher  Glaubenszeit,  wenn  auch  nur  in  seinem 
jetzigen  Zustande  erhalten  bleiben,  als  Zeugniss  des- 
sen ,  welch'  wichtige  Kolle  unserem  Vaterlandc  im 
IV.  Jalirluindert  im  weiterobernden  Staate  zugetlieilt 
ward. 


Fund  in  Orado. 

Von  Albert  Ilg. 


Den  Mittheilungen  des  Rulletino  di  Archcolngia 
cristiana  (3.  Jalirgang  Nr.  IV.  i)ag.  lö;"))  zufolge  wurde 
am  5.  August  des  Jahres  ]S71  in  dieser  Stadt  ein  inte- 
ressanter Fund  gemacht,  welcher  nun  näher  untersucht 
und  in  der  genannten  I'ublication  auch  dmxh  Abbil- 
dungen veranschaulicht  ist.  Es  sind  ausgezeichnet  merk- 
würdige Keli(iuienkapseln  der  altciiristlicheu  Aera,  ans 
Gold  und  Sill)er  gearbeitet.  Der  Entdecker  war  der 
Pfarrer  des  Ortes,Siguor  D.GiovanniRodaro.Bislier 
kannte  man  kein  so  lehrreiches  Exemplar  alter  Eeli- 
quienkapseln,  weshalb  der  Fund  zu  den  bedeutenderen 
neuern  Entdeckungen  auf  dem  Gebiete  der  altchrist- 
lichen Archäologie  gezäldt  werden  darf. 

Das  eine  dieser  Gcfässe,  von  runder  Form,  hat 
einen  Deckel,  geschmückt  mit  der  Darstellung  der  heil. 
Jungfrau,  welche  auf  dem  Throne  sitzend  mit  dem  Kinde 
am  Schoss  en  relief  dargestellt  ist.  Die  Rechte  hält 
das  Scepter  mit  dem  Kreuzzeiciien ,  hinter  dem  Haupte 
wird  der  mit  dem  Monogramm  versehene  Nimbus  sichtbar. 

Der  glückliche  Autfinder  dieser  werthvollen  Gegen- 
stände berichtet  selbst  über  das  Ereigniss  und  die  Eigen- 
thüudichkeiten  der  beiden  Kapseln.  Wir  vernehmen 
hiebei,  dass  an  besagtem  Tage  bei  Aufgrabung  der  Fun- 
damente des  Hauptaltars  in  der  Basilica,  auf  der  Epistel- 
seite circa  60  Ceutimeter  unter  der  Fussbodenfläche 
des  I'resbvteriums,  unter  einer  grossen  Platte  von  Pari- 
schem  IMarmor  in  einem  holdi'u  Raum  eine  Cassette  des- 
selben !\Iateriales  entdeckt  wurde,  deren  Länge  40, 
deren  Höhe  sowie  Breite  21  Centimeter  betrug.  Ihre 
Form  ist  ganz  schlicht,  Inschriften  oder  Bilderzeichen 
sind  daran  nicht  zu  bemerken,  die  Decke  bildet  eine 
l'lattc  desselben  Steines.  Das  Kästchen  war  bei  der 
Autfindung  in  vollständig  trockenem  Zustande,  im  In- 
nern fanden  sich  die  beiden  Reli(|uiengefässe,  das  eine 
kreisrund,  das  andere  elliptisch.  Nach  Beseitigung  ihrer 
Deckel  sah  man,  dass  sie  ganz  mit  Wasser  gefüllt 
waren,  als  dessen  Bodensatz  sich  eine  dunkle,  schmut- 
zige Jlasse  zeigte,  welche  von  den  Reliquien  lierrüiireu 
mochte.  Die  ^lanteltläche  des  einen  l)üchsenförmig  cy- 
lindrisch  gebildeten  Behälters  trägt  keinen  anderwei- 
tigen Schmuck  als  ein  ziemlich  breites  Schriftband,  in 
welchem  die  Worte  in  zwei  Zeilen ,  durch  eine  Linie 
v(ni  einander  getrennt,  eingeschrieben  sind.  Wir  lesen 
die  Namen  der  Heiligen,  denen  die  im  Innern  enthal- 
tenen Reliquien  zugehörten  :  SANC  .  MARIA  .  SANC  . 
VITVS . SANC  CASSANVS  .  SANG  .  PANCRATIVS 
SANC  .  YPOLITVS  .  SANC  .  APOLLINARIS  .  SANC. 
MARTINVS.  Im  Innern  ist  in  der  Mitte,  inderAclisedes 
Cylinders,  durch  eingelöthete  Bleche  von  Silber  einklei- 
nerer concentrischer  Cylinder  angebracht,  um  welchen 
ringsherum  durch  weiterePlatten, welche  radienförmig ein- 
gefügt stehen,  noch  sechs  Conqiartiniente  hergestellt  sind. 


In  dem  mittleren  Räume  waren  sechs  Goldi)lättchen  von 
der  Dicke  eines  halben  Millimeters,  welche  wieder  mir 
Heiligennamen  bezeichnet  sind,  in  den  sechs  übrigen 
Abtheilungen  deren  fünf  Auch  fand  sich  hier  ein  kleines 
cylinderförmiges  Goldgefäss  mit  einem  Deckel,  scheinbar 
aus  einzelnen,  übereinander  gesetzten  Ringen  bestehend, 
im  Innern  desselben  aber  ein  Glasfläschchen  von  etwas 
geschweifter  Gestalt.  Ferner  eine  zierliche  kleine  (Jold- 
cassette,  an  den  Aussenseiten  mit  Kreuzen  und  Rauten- 
mustern verziert,  deren  Deckel  gleichfalls  das  Kreuz 
aus  dunkelgrünem  Email  als  Sciunuckzeichen  trägt.  Da- 
zu kommt  endlieh  noch  ein  aus  einer  zerbrechlicher. 
Cemcntmasse  geformter  Gegenstand  ,  vom  Verfasser 
pulla  genannt,  dessen  Gestalt  etwa  au  eine  Kugel  von 
gedrückter  Form  erinnert.  Auf  dem  oberen  Theile  des 
gypsartig  aussehenden  Gegenstandes  ist  ein  griechisches 
Kreuz  eingedrückt. 

Die  Inschriften  sind  eingegraben;  wir  fügen  noch 
hinzu,  dass  auf  denen  der  äusseren  JlantelHäehe  die 
einzelnen  Worte  durch  Palmenzweige,  eine  Taube  mit 
dem  Zweig  im  Sehnabel,  ein  Kreuz  etc.  unter  einander 
abgegrenzt  sind.  Die  S  auf  den  Goldlamellen  sind  aus 
zwei  in  dieser  Weise  zusannnengesetzten  C  gebildet:  '' 
Der  Deckel  der  Kapsel  ist  Ciselirarbeit,  das  Gewicht 
sämmtlicher  Goldgegenstände  beträgt  223  Karat. 

Die  elliptische  Kapsel,  bei  weitem  gebrechlicher 
als  die  erste,  ist  ganz  in  Ciselirarbeit  ausgeführt.  Au 
den  vier  Seiten  befindet  sich  Bildwerk  und  Schrift- 
zeichen in  basso  rilievo,  ander  Hauptseit3  lesen  wir: 
fSANCTVS-CANTIVS  SANTIANVS  SANCTA  CAN- 
TIANILLA  SANTVS  QVIRINVS  SANTVS  LATINV. 
Ferner  auf  der  unteren  und  folgenden  Seite :  f  S  LAV- 
RENTIVS  SYS  lOANNIS  VS  NICEFORVS  S  ANTIS 
REDDEDIDBOTVM.  Ringsherum  in  der  Mitte  sieht  mau 
SIedaillonbilder  von  Männer-  und  Frauenköpfen ,  wahr- 
scheinlich die  angezeigten  Heiligen  darstellend.  Der 
Deckel  dieser  Kapsel  ist  i;ieich  dem  eines  Kofiers  erhöht 
und  zwar  im  Mittel  2;")  ^lillimeter.  Dargestellt  sind  dar- 
auf zwei  Lännner  und  zwischen  denselben  das  mit 
Gemmen  besetzte  Kreuz.  Die  Thiere  stehen  auf  einem 
Hügel,  aus  dem  die  vier  Paradiesesflüsse  entströmen. 
Alles  wurde  im  zertrümmerten  Zustande  gefunden,  auch 
in  dieser  Kapsel  befand  sich  eine  zweite  aus  Sillier,  an- 
gefüllt mit  Wasser  und  einigen  Reli(iuienresten,  bei  der 
Berührung  zerbrach  sie  augenblicklich.  — 

Der  Conservator  der  Baudenkmale  in  Triest  Herr 
Kandier  hat  die  Ansicht  aufgestellt,  dass  der  runde 
Reliquienbehälter  aus  der  Kirche  Santa  Niceta  in  Aqui- 
leja  stanune  und  bei  der  Invasion  des  Altila  im  Jahre 
4.")2  mit  den  übrigen  Schätzen  der  Kirche  auf  jene  Insel 
in  Sicherheit  gebracht  worden  sei.  —  Die  andere  Kapsel 
ist  aus  den  Zeiten  des  Patriarchen   Elias,  welcher  im 

11° 


84     — 


Jahre  568  dieBasiliea  in  Grado  rerscliöiierte.  Laiirentius, 
Johannes  und  Nicc])honis,  sind  wie  aus  der  Inschrift 
hervorgeht,  nicht  Kamen  von  Heiligen,  sondern  jene 
der  Spender,  indem  rededdid  botum  zu  lesen  ist  red- 
didit  Votum. 


Ich  möclite  zu  Vorstelirndem  noch  die  flüchtige 
Bemerkung  machen,  dass  die  Form  des  runden  Gefösses 
sanimt  der  inneren  Eintlieiluugsehr  an  die  antiken  cajisae 
f^r  Schriftrollen,  sowie  an  die  efruskischen  cistae  er- 
innert. 


Aus  Anlass  der  yoUeiideteii  Kcnovirun^  des  Stepliansthurmes. 


Von  Albert  Ilg. 


In  diesen  Tagen  sind  die  letzten  Gerüstbalken  von 
dem  Hauptthurme  unserer  ehrwürdigen  Kathedrale  ent- 
fernt worden,  den  durch  eine  Pieihe  von  Jahren  ein 
Panzer  von  Holzwerk  vom  Fusse  bis  zur  Spitze  umgeben 
und  den  Blicken  entzogen  hatte.  Verjüngt  und  doch 
wieder  der  alte,  stellt  nun  der  herrliche  Bau  vor  uns, 
eine  fachkundige  Kestauration,  —  eben  deshalb  allein 
werthvoll,  weil  hier  die  moderne  Kunst  in  edler  gebo- 
tener Selbstverläugnung  völlig  auf  ein  Neuschaffen  von 
Ideen  und  Formen  verzichtete  und  ihren  Ruhm  lediglich 
in  der  allerstrengsten  Nachfolge  des  alten  Vorbildes 
suchte,  —  die  neue  Kunst  mit  ihren  vielfach  vorge- 
schrittenen technischen  Mitteln  hat  das  bedrohte  Kleinod 
Wiens  erhalten  und  gerettet.  In  diesem  Sinne,  indem 
die  "Wiederherstellung  unseres  StephansmUnsters  in  der 
Tiiat  ein  bedeutendes  Erreigniss  in  der  Kunstgeschichte 
Wiens  heissen  darf,  hat  die  Entfernung  der  letzten 
Gerüsttheile  etwa  die  Bedeutung  für  den  Thurmbau, 
welche  dem  Fallen  der  Hülle  an  einem  Monumente  bei- 
gemessen wird. 

Die  Restauririing  des  Stephansdomes  ist  ohne  Zwei- 
fel das  bedeutendste  künstlerische  Unteniehmpu  in  der 
neuen  Baugeschichte  Wiens.  Man  wird  in  vielen  Kreisen 
heutzutage  dieses  Wort  nicht  verstehen,  häufiger  noch 
Itcliiclielnalsdie  verrannte  Einbildung  eines  Alterthums- 
kräniersunddiT  (iegenwart  und  ihren  Bewegungen  ent- 
fremdeten, ihnen  gegenüber  verständnisslosen  Kopfes. 
Man  wird  auch  viel  zu  wenig  Spectakel  und  Aufsehen 
erregendes  Wesen  an  dieser  emsigen  Erneuerungsarbeit 
bemerkt  haben  ,  als  dass  man  wirklich  so  hohe  Bedeutung 
in  ihrem  ^'llrgange  erblicken  möchte;  ging  doch  alles  so 
still  und  geräuschlos  seinen  Gang.  Man  wird  endlich  ein- 
wenden, dass  eine  blosse  Wiederherstellung  des  Alten 
ja  eigentlich  kc'ne  Arbeit  zu  nennen  sei,  welche  den 
Geist,  Styl  und  die  eigeutliiimliehe  chnrakteristisclie 
Kunstweise  gerade  des  XIX.  Jaluhiinderts   repräsentirt. 

Dennoch  aber  dürfte  eine  spätere  Ei)oche  eher  im 
Sinne  der  ,,.\ltcrthumskrämer"  als  im  Styl  der  von 
Selbstrnhin  trunkenen  Tiradenmacher  der  (iegenwart 
urllieileii.  welchen  das  Ideal  der  Kunst  Ilingstrasse 
iieisst  und  die  jede  chinesische  oder  indische  Fratze 
lieber  zum  Ilausgötzcn  der  modernen  Kunst  erklären, 
ehe  sie  den  ernsten  Genius  der  alten  vaterländischen 
Weise  aus  seinem  Grabe  beschwören  und  ilini  die  l'cna- 
tenstelle  am  Herde  des  deutschen  Hauses  einiiiuniten  ; 
welchen  in  einseitiger  Weise  das  Wort  Renaissance  den 
Triumph  und  das  wahre  Lebcnselixir  der  moderneu 
Kunst  b(;zeichnet,  die  aber  selbst  in  dem  fremden  Wesen 
dieser  sogenaimteti  Wicilergebnrt  wieder  nach  Möglich- 
keit nicht  jen(;  Richtung  einschl;igen  und  flir  die  Kunst 
der  Gegenwart  als  \'or!n'ld  aufstelli'U,  deren  rrs)iriiiig 
und  Charakter  ein  deutscher  ist ,  nicht  die   heimisclu: 


Renaissance  der  Dürer  und  Holbein,  sondern  ausschliess- 
lich die  wälsche  anbeten;  welche  sich,  ohne  den  Hohn 
zu  ahnen,  mit  Gemüthsruhe  dadurch blamiren  lassen,  da.ss 
wir,  in  die  leere  äussere  Hülle  des  Grieehenthums  oder 
der  italienischen  Kunstwelt  gesteckt ,  uns  so  betrüblich 
ausnehmen,  da  unser  ganzes  Wesen  vielmehr  nur  Frack 
und  Uniform  ist,  und  im  Chiton  der  dassischen  Kunst- 
umgebung sich  nur  lächerlich  darstellt. 

Wenn  einmal  die  Zeit  vorüber  ist,  da  mittelalterlich 
und  finster  und  mönchisch  und  kindisch-naiv-unbchilflich 
für  identisch  gilt,  wenn  dieses  der  wissenschaftlichen 
Bildung  unserer  Epoche  längst  unwürdige  Vorurtheil 
überwunden  ist  (denn  jener  AA'ahn  stammt  aus  einer 
gewissen  tendenziösen  Phraseologie,  nicht  aus  der  AVis- 
scnschaft,  welche  vielmehr  die  Lichtseiten  jener  hohen 
Culturperiode,  als  welche  wir  das  Mittelalter  erkennen 
müssen,  gleich  jeder  anderen  nach  Billigkeit  an  den  Tag 
gebracht  hat),  —  wenn  der  Rausch  verflogen  ist,  in 
welchem  ein  künstliches  fremdes  Gekoche,  derTrank  der 
modernen  Renaissance,  welcher  von  dem  griechischen 
Bodensatze  mit  dem  Sj)iritus  der  humanistischen  Wissen- 
schaft abgezogen  ist,  für  köstlicher  galt,  als  Deutsch- 
lands alter  Rheinwein,  dann  dürfte  man  die  Architektur 
der  Ziegelkolosse  mit  der  abgedroschenen  fremden,  sinn- 
und  verständnisslosen  Decoration,  jenen  sein  sollenden 
Monumentalbau ,  der  sich  des  elendesten  Materials 
bedient  und  am  liebsten  fabricationsmässig  gelieferte 
Dutzendornamente  sich  aulklebt,  jenes  aus  hunderterlei 
fremdem  EigenthumzusannnengestohleneNeue,  das  frei- 
lich leider  der  Charakterlosigkeit  der  Zeit  in  so  vielen 
andern  Beziehungen  entspricht  ,  —  dann  dürfte  ein 
kommendes  Geschlecht , das  Besie,  vielleicht  das  allein 
(lute,  was  unsere  üaukunst  geschaffen,  möglicherweise 
gerade  nur  in  jenen  Sciiöpfungen  erblicken,  welche  aufs 
trcuieste,  eiirlichste  und  selbstloseste  die  Wunderwerke 
der  Vergangenheit  lurstellten  und  so  dem  Verderben  zu 
cntreissen  suchten. 

Wenn  wir  so  sprechen,  h('iren  wir  im  Geiste  schon 
die  grosse  Menge  Zeter  schreien  wider  uns.  Wir  haben 
aber  gar  nicht  in  jxisitiver  AN'eise  Tadel  über  diese  oder 
jene  moderne  Bestrebung  einer  Wiedergeburt  der  Bau- 
kunst aussprechen  wollen,  gar  nicht  sagen  wollen,  es 
ist  ein  Irrthum,  diese  oder  jene  Stylri(ditung  aufs  Ta])et 
zu  bringen,  denn  es  gibt  hier  keinen  Irrthum,  vielmehr 
mnss  alles  kommen  wie  es  koinnit ,  <lamit  sieh  das  Allein- 
rieiitige  schliesslich  entwickeln  könne.  AH'  diese  l'hast'n 
lind  Werdcstafionen  haben  offenbar  den  Werth  jedes 
genetischen  Processes:  sie  führen  zu  einem  Ziel.  Sie 
haben  einen  relativen  Wertli,  d(>n  die  blinde  (iegenwart 
fVeilich  tiir  einen  absoluten  lialten  mag.  In  Wahrheit 
jimIocIi  wirken  all'  diese  Eiilwicklinigserseheiniingeii, 
diese   Phasen  ästhetisch  nicht  angenehm,  wie  alle  Ver- 


85     — 


snclie,  alle  embryonischen  Bildungen,  deren  VolloiHliing 
in  dem  Künftigen  liegt.  Wenn  daher  enie  sjiätere  Zeit 
sichtend  die  Trüduete,  die  Leistungen  der  Jetztzeit 
durchmustert,  wird  sie  all'  diese  Symiitome  eines  Ent- 
wicklungstriebes eben  blos  relativ,  als  Hymptonic  des 
Werdens,  nicht  als  vollendet  schön  Gewordenes,  schät- 
zen und  sagen  müssen:  etwas  Ureigenes,  positiv  Charak- 
teristisches (denn  das  Chaos,  das  Abgehen  eines  festen 
Wollens  ist  nur  ein  negatives  Kennzeichen')  hat  die 
ganze  Zeit  überhaupt  nicht  liervorgebraclit  in  ihrer  Ar- 
chitektur und  somit  sind  jene  Arbeiten  ,  welclic  trefflidic 
alte  Werke  treu  erneuern,  absolut  jedenfalls  das  licste 
aus  jener  Periode,  wenn  auch  keine  sell)stäniligen 
Schöpfungen.  Sie  sind  gut,  denn  ihre  Vorbilder  sind  es 
und  die  Art  der  Reproduction  ist  es. 

Dass  all'  dieses  Ringen  nach  einem  architekto- 
nischen System,  welches  der  Gegenwart  und  ihren  Cul- 
turbestrebungen  ents])reclu'n  würde,  nacli  einer  selb- 
ständigen neuen  Stylforni  hindrängt,  dass  solches  ('er 
Zielpunkt  all'  jener  zahllosen  Versuche  ist,  die  unsere 
Zeit  mit  jeglichem  schon  dagewesenen  Baustyle  der 
Reihe  nach  in  beinahe  experimentirender  Weise  anstellt, 
darüber  waltet  kein  Zweifel.  Der  neue  Trank  ist  im 
Gähren,  das  Resultat  wird  seinerzeit  gewiss  den  voraus- 
gegangenen Erscheinungen  würdig  an  die  Seite  treten, 
^-  aber  darum  sind  diese  einzelnen  Stadien  des  Gäh- 
rungsprocesses  noch  nicht  an  sich  schön.  Wissenschaft- 
lich interessant  werden  wir  sie  freilich  nennen  müssen, 
lieblich  und  schön  aber  ist  erst  der  reine  gegohrene 
Wein  selber.  Wir  stehen  noch  inmitten  dieses  Werde- 
processes,  ein  Urtheil  steht  nicht  der  Jetztzeit  zu,  die 
künftigen  Generationen  werden  es  auszusprechen  haben. 
Wie  also  diese  zahllosen  Versuche  sein  mögen,  müssen 
wir  wenigstens  vorderhand  dahingestellt  sein  lassen; 
über  jene  andere  künstlerische  Thätigkeit  aber,  welche 
wir  hier  im  Auge  haben ,  wo  wir  von  der  Erneuerung 
eines  vorzüglichen  alten  Werkes  sprechen,  über  die 
steht  uns  jetzt  schon  ein  absolutes  Urtheil  zu;  diese 
Leistung  wird  für  alle  kommenden  Zeiten  dieselbe  Gel- 
tung, denselben  Werth  besitzen,  wie  wir  ihn  ihrbeimessen, 
unser  Lob  über  dieselbe  hat  nicht  den  Charakter  eines 
blos  relativen. 

So  möchten  wir  die  oben  ausgesprochenen  Sätze 
verstanden  wissen,  Worte,  mit  denen  wir  keineswegs 
etwa  gesagt  haben  wollen ,  man  sollte  heutzutage  l)los 
gothisch  bauen  und  neue  Anlagen  als  strenge  Imitationen 
von  mittelalterlichen  durchführen;  wir  sagten  nicht,  so 
wie  diese  dem  Alten  getreue  Restauration  soll  heute 
alles  gemacht  werden,  wir  haben  überhaupt  gar  keine 
Tendenz  aussprechen,  sondern  nur  einfach  das  Besultat 
ziehen  wollen,  was  von  dem  gegenwärtig  Geleisteten  im 
Gebiete  der  Architektur  den  dauerndsten .  allgemeinen 
und  absoluten  Werth  besitze.  Die  absolute  Haltung 
dieser  Frage  scbliesst  ferner  selbstverständlich  auch 
jenes  Bedenken  aus,  in  Folge  dessen  manche  vielleicht 
die  Wiederherstellung  eines  alten  Werkes  gar  nicht  im 
höheren  Sinne  als  Kunstscliöi)finig  gelten  lassen  dürften, 
weil  eben  die  Keulicit  des  scliaffenden  Grumigedankens 
fehlt.  Jenen  modernen  Elaboraten,  wird  man  sagen, 
wohnt  doch  eine  neue,  ganz  der  Gegenwart  und  den 
Urhebern  jener  Gebilde  angehörigc  schöpferische  Idee 
inue,  jenes  ist  blosse  Nachahmung.  Für  unsere  Stellung 
zur  Sache  hat  diese  Erwägung  kein  Gewicht,  wir  fragen 
nur  nach  demthatsächlich  vollkommneren;  ob  wirkliches 


Kunstwerk  oder  imiiireude  Rcstaurirung,  das  gilt  uns 
hier  gleich;  wir  konmien  von  unserem  Stand]iunkte  eben 
zu  dem  Facit,  dass  die  gute  Rcstaurirung  höher  steht, 
werthvoller  ist,  als  die  zweifelhaft  gesunde,  wenn  auch 
originale  Leistung. 

Aber  auch  demjenigen  gegenüber,  was  heutzutage 
im  Style  des  I\Iittelalters  errichtet  wird,  dengothischen 
und  romanischen  Kirchenliauten  entgegen,  bewahrt 
diese  vorzügliche  Wiederherstellung  ihren  grösseren 
Werth.  Sind  sie  doch  alle  so  fremde  dem  Geiste  jener 
Zeit,  deren  Styl  sie  äusserlich  nachahmen,  und  um  so 
unerfreulicher,  als  ihnen  kein  Bedürfniss  P^ntstehung 
gegeben  hat,  so  dass  eigentlich  das  ganze  Wesen  dieser 
ucu-gothischcn  Architektur  in  der  Luft  steht.  An  dem 
wiederfertigen  Stephanstliurnie  aber  dürfen  wir  eine 
reine  ungemischte  Freude  haben,  er  ist  wieder  der  liebe 
Alte,  doch  verjüngt  durch  die  Kunst  der  Gegenwart. 

In  den  Tagen  Kaiser  Iladrian's  hat  man  die  ältesten 
Proben  hellenischer  Bililnerei  aus  Ursache  einer  ant;(|ua- 
rischen  Liebhaberei  nachgeahmt.  Es  sind  Gebilde  ent- 
standen, die  wir  heute  ziemlich  leicht  als  Imitationen 
eines  späteren  Geschlechtes  zu  erkennen  im  Stande  sind, 
denn  die  jüngere  Generation  hat  sich  nicht  enthalten, 
manches  vom  Geiste  ihrer  Epoche  hineinzutragen,  wo- 
durch die  Leistungen  einen  zierlicheren,  geschmei- 
digeren Charakter  erhielten,  welcher  der  weichlichen 
Eingonenzeit  entsprach.  Die  Wissenschaft  bezeichnet 
solche  Arbeiten  als  archaisirendc.  Auch  das  Altcrthum 
unseres  Volkes  hat  derartige  künstliche  Wiedergeburten 
erfahren.  Schon  Seh  inkeliuBerliu  ist  in  seinen  früh- 
besten  Compositioncn  als  Neugothiker  aufgetreten,  ja 
selbst  unter  dem  grossen  Fritz  begegnen  bereits  der- 
gleichen Intentionen.  In  Deutschland  setzte  die  Zeit  der 
romantischen  Scliule  dieses  Wesen  fort,  in  Osterreich 
war  es  die  Periode  Kaisers  Franz  I.,  in  der  man  allen 
Ernstes  glaubte  ,  in  Laxenburg  ein  veritables  Stück 
Mittelalter  gescliaflfen  zu  haben ,  und  in  welcher  Fürst 
Liechtenstein  der  Architektur  ein  neues  Geliiet  in  dem 
„Ruinenbau"  schenkte.  Die  Neuzeit  endlich  manifestirt 
dasselbe  Bestreben  in  ihrem  vielfachen  Zurückgehen 
auf  mittelalterliche  Style  in  Kunst  und  Kunstgewerbe, 
aber  ihr  allein  ist  es  vorbehalten  gewesen,  nicht  nur 
archaische  Werke  zu  irailiren,  bei  welchen  Neuschö- 
piungen  auch  sie  nicht  ermangelte,  vom  Alten  blos  die 
äussere  Hülle  zu  borgen,  —  sondern  sie  allein  unter 
allen  Perioden,  welche  des  Vorausgegangenen  in  ihrer 
Kunstübung  wieder  gedachten  ,  hat  daneben  auch  Lei- 
stungen aufgestellt,  welche  nicht  blos  archaisiren,  viel- 
n.ehr  ein  wirklich  vorhanden  gewesenes  Kunst])roduct 
mit  gewissenhalter  Treue  verjüngt  wiedergeben.  Solches 
ist  unsere  Zeit  nur  deshalb  im  Stande,  weil  in  ihren 
Tagen  erst  die  Wissensehaft  und  wissenschaftliche  Kritik 
auf  die  Kunst  ihren  Enflnss  erstreckt  hat.  Man  wird 
aber  ein  derartiges  ^'(lrgchen  keineswegs  ein  mecha- 
nisches Copiren  nennen  dürfen,  weil  ihm  nicht  äusser- 
liches  unbewusstes  Nachahmen,  sondern  wissenschaft- 
liches Erkennen  und  Verstehen  zu  Grunde  liegt,  welches, 
um  in  den  Formen  der  Sinnenwelt  zur  Gestaltung  zu 
gelangen,  zugleich  auch  wieder  echter  künstlerischer 
Befähigung  bedarf. 

Indem  wir  solches  Lob  auch  der  eben  vollendeten 
Wiederherstellung  des  Steiihansthurmes  spenden,  kön- 
nen wir  doch  nicht  verfehlim,  dass  dasselbe  blos  dem 
architektonischen  Theile  der  Ausführung  gebührt.  Was 


86 


deu  neuen  Statuensclimuck  des  Münsters  betrifft,  so 
haben  wir  dagegen  mit  Bedauern  waln-genommen ,  dass 
au  Stelle  der  alten,  unter  den  Baldachinen  des  Ein- 
ganges angebracht  gewesenen  Standbilder  neue,  gar 
schlimm  nazarenisch  aussehende  liiueingesetzt  wurden, 
was  um  so  weniger  nöthig  gewesen  wäre,  als  die  vor- 
maligen, wenigstens  theilweise,  sich  in  fast  wohlerhal- 
tenem Zustande  befanden.  Und  dann:  wenn  eine  Er- 
neuerung statttinden  musste ,  weshalb  copirte  man  die 
alten  nicht ,  warum  setzte  man  sogar  ganz  andere 
Heilige  an  ihre  Stelle"?  So  erinnere  ich  mich  seit  Knaben- 
zeiten eines  sehr  schönen  Annabildes  auf  diesem  Platze, 
das  nun  verschwunden  ist.  Wo  sind  diese  Gebilde  ? 
Werden  sie  im  Dome  aufgestellt,  oder  in  einem  Museum 
deponirt? 

Dass  die  interessanten  Glasgemälde  mit  deu  Bil- 
dern österreichischer  Fürsten  aus  der  Thurmlia.llc  an 
ihren  ursprünglichen  Aufstellungsort  in  der  ßartliolo- 
mäus-Capelle  zurückgebracht  werden  ,  ist  zwar  voll- 
kommen gerechtfertigt;  es  wäre  aber  in  Folge  dessen 
mu  so  Wünschenswerther,  dass  dieser  bisher  verschlos- 
sene Raum  künftigliiu  zugänglicii  gemacht  würde,  da 
die  Malereien  sonst  so  gut  wie  vergraben  bleiben. 

Um  das  Jahr  138U  scheint  man  den  Bau  des  Hoch- 
tliurmes  begonnen  zu  haben,  um  1404  starb  der  greise 
Meister  Wenzla,  dessen  Gothik  noch  ganz  die  Weihe 
reinsten  Stylgeistes  besessen  zu  haben  scheint,  dessen 
Nachfolger  aber  in  structurj^  turris  pracfatae  ita  devia- 
verunt,  quod  orania,  quae  pluribus  annis  sumtuose  in  ea 
structa   sunt,  vicevcrsa  ad  id,    ubi  primus  rcliquerat. 


ammota  sunt.  Seheint  sich  solches  auch  zunächst  auf 
die  Technik  und  Solidität  der  Bauführung  zu  beziehen, 
so  haben  diese  Meister,  ein  Peter  von  Prachatitz  und 
Hanns  von  Brachadicz,  gewiss  auch  Antheil  an  der 
stylistischen  Veränderung,  und  sicher  nicht  Verbesse- 
rung, des  Wenzlaisclien  Ideals.  Denn  dieser  Meister  des 
XIV.  Jahrhunderts,  der  Blüthezeit  unserer  Gothik  also, 
konnte  nicht  den  Gedanken  derjenigen  Schöpfung  gefasst 
haben,  als  welche  der  Ilochthurm  am  3.  October  1433 
vollendet  dastand.  Trägt  dieser  Bau  ja  doch  sclion  gar 
merkliar  das  Gepräge  eines  mehr  decorativen  als  con- 
structiveu  Styles,  wobei  die  wuchernde  Ul)erfülle  des 
Ornamentes  die  Architektur  und  ihre  Gliederung  ver- 
hüllt, so,  dass  von  dem  ursprünglichen  Plane  des  ersten 
Meisters  wohlliauptsächlich  nur  die  grandiose  Conception 
des  Ganzen  lierrühren  dürite.  Aber  auch  von  dem  Ge- 
sichtspunkte dieser  späteren  Entwickelung  des  Styles 
geliört  der  Bau  zu  den  schönsten,  namentlich  zu  den 
prunkvollsten  Schöpfungen  des  Jlittelalters,  ein  erha- 
benes Denkmal  vaterländischer  Kunstblüthe.  Erhebend 
und  erfreuend  ist  die  Beobachtung,  wie  der  Genius  der 
Neuzeit,  anerkennender  Bewunderung  voll,  vor  di'  seni 
Riesenwerke  einer  grossen  Vergangenlieit  nun  einmal 
den  Flitterkram  seiner  eigenen  kleinen  Kunst  vergessen 
hat,  und  in  bescheidener  Demutli  seine  Ehre  suclite  in 
liebevcdler  Erneuerung  dessen,  das  allen  Zeiten  in  un- 
bezweifelter  Grösse  entgegentreten  wird,  weil  echte 
Kunst,  aus  echtem  begeistertem  Antriebe,  die  Quelle 
gewesen  ist,  aus  der  diese  wundersame  Schöpfung  allein 
hervorgehen  konnte. 


Kirchliche  Baiideiikmale  in  Ober -Österreich. 


(.Schhiss.) 
Von  Dr.  K.  Fronner. 

(.Mit  G  Molztilinilten.) 


Die  gotliisclie  Pfarrkirche  des  Marktes  Käfer- 
markt, dem  heil.  AVolfgang  geweiht  (Fig.  1),  eine  der 
scliönst  angelegten  gothischen  Landkirchen,  hat  eine 
l>änge  von  114  Fuss  und  wird  durcii  zwei  Reihen  von 
je  vier  aclitcckigcii  Pfeilern  in  ein  breites  45  Fuss 
hohes  Mittelsciiitf  und  zwei  scinnale,  niedrige  Seiten- 
schiffe gctheilt.  Das  Presbytcrium  ist  25  Fuss  breit, 
besteht  aus  zwei  schmalen  Jochen  und  dem  aus  fünf 
Seiten  des  Achtecks  consfruirten  Chorsehliiss.  Die  Rip- 
p(,-n  der  reichen,  mit  fief  einschneidenden  Kappen  ver- 
selienen  Nefzgewöibe  iniLanghause  sitzen  tlieils  anl'Con- 
solcn,  tiicils  ruhen  sie  auf  an  den  Mauern  emi)or- 
Hteigendcn  Ilalbsäiilcn  ,  welche  C'onslruction  sich  im 
Presbyterinni  bei  den  Rippen  des  dasscli)e  lil)erde(ken- 
den  Netzgowöll)es  wiederholen.  Die,  Gewiillislinie  der 
Kirche  ist  ein  sehr  gedrückter  S|»ifzl)ogen,  die  Aidagc 
ausserordciiflicii  kühn  in  Rezug  auf  die  WUrdc  der  Wie- 
(l('rl:igs](fci!er,  da  die  Wölbung  eigentlich  in  Form  einer 
'l'iinne  in  \'eriiindung  mif  Schildern  ausgeführt  ist.  Die 
Fenster  im  l'resliyterium  und  flieilweise  im  Kirchen- 
schiffe haben  sein- schönes,  gut  erhaltencH  Masswerk  mif 
zwei  oder  einem  I'fo.sten  (Fig.  2),  die  Gewänder  sind 
mit  Hohlkehlen  und  Sfab  schön  und  reich  proftlirf ;  dadurch, 
dass  der   Eingang  in  die  Kirclie  auf  die  Seifen  \  erflieilt 


isf,  iiat  sich  für  die  Auflösung  der  Tiiurmverliindung 
mit  dem  Musikchore  das  Motiv  eines  Mitfelpfeilers  in 
Anwendung  bringen  lassen,  wodurch  die  (iewölbslinie 
des  llau|)tsciiif['es  und  des  Musikciiores  in  einem  guten^'er- 
hältniss  zu  .jenem  der  Seitens(diitfe  sttdien.  Die  bidden 
Eingangsthürcn,  wovon  jene  links  im  Re(dite(d<,  dieandere 
im  Spitzbogen  construirt  ist,  sind  sehr  zierlieli  ausgeführt. 
Die  iilusiktribüne,  welche  bis  zum  letzfiMi  Pfeilerpaar  des 
Langhauses  vorgeht  und  mittelst  Gewölben  mit  demsel- 
ben Ncrbuliilen  ist,  hatinder  Miffedes  Ilaui)ls(diilVes  eine 
achlkanfigi^  Säule,  welche  den  sonst  zu  incifm  l\Iitfi'l- 
bogen  theilt,  an  dessen  Stelle  zwei  Sjjitzbogen  treten 
(iii'.  3).  Das  Parapet  des  Chores  ist  nicht  durchbrochen, 
alu'r  durch  vorgelegte  Lisenen  in  kleine  Felder  getheilt; 
im  Mittelschiffe  erscheinen  diese  Theiiung<'n  nur  an  der 
Seile  des  Para|)ets,  während  die  !\Iifte,  wahrs(dieiidi(di  in 
Rüidcsichf  auf  l)eabsichtigte  aber  nicht  zur  Ausführung 
gelangte  Herstellung  eines  Orgelpodiums,  freigelassen 
blieb.  An  der  rilckwäitigen  Abschlussmauer  befindet 
si(di  über  dem  Miisikcdiur  eine  auf  sechs  'l'ragsteinen 
ruhende  I*",iii|H)re ,  deren  Parapet  mit  jenem  der  Mii.sik- 
fribüne  in  gleiche  Felder  geflu-ilt  ist.  Die  Tragsteine 
sind  unter  sich  mif  ansteigenden  Kreuzgewölben  ver- 
Imuden,    an    den    Diinddireuzungsstellen    der    Rippen 


—     87     — 


rig.  1       Kät'eniijukt.) 

sind  kleine  Scliildclieu  angebraelit.  Zu  dieser  Empore 
gelangt   man  auf  der  zum  Thurni  führenden  .Stiege. 

Der  Tlmnn  ist  der  Facade  angebaut,  mit  einem 
Zwickeldache  versehen.  An  den  Langseiten  und  am 
Cliorseldusse  sind  Strebepfeiler  angcltraplit,  auf  denen 
noeli  besondere  von  einem  Pfeiler  zum  andern  gespannte 
Bögen  ruhen,  die  vielleicht  den  Zweck  haben,  den 
Drnek  des  Gewölbes  nach  aussen  zu  vermindern. 

Die  Kirelie  wurde  von  Christoph  von  Zelking  14TU 
erliaut  und  im  Jahre  1488  von  demsellten  mit  zwei 
Stiftungsmesseu    veisehen,    wie   aueh    zur  Kuhestätte 


erwählt,  wie  dies  der  (Irabsteiu  vom  J.  14U1  dartliut. 
Noeh  sind  die  vielen  Steinmetzzeieiien  zu  erwähnen,  die 
sich  im  hinein  der  Kirche  an  \ielen  Stellen  finden,  von 
denen  hier  mehrere  abgebiidt't  sind  (^Fig.  4).  Da  der 
prachtvolle,  geschnitzte  Flügelaltar  bereits  in  diesem 
Journal  besprochen  ist  (II.,  iJUT),  so  erübrigt  nur  mehr 
auf  die  Michaelsstatue,  als  ein  ganz  besonderes  werfli- 
volles  Schnitzwerk,  das  zur  selben  Zeit  wie  der 
Flügelaltar  entstanden  sein  mag  ,  aufmerksam  zu 
machen. 

Die  dem  heil.  Michael  geweihte  Filialkirelie  von 
Grüiibach,  auf  einer  ziemlich  bedeutenden  Anhöhe 
gelegen,  besteht  aus  einem  durch  eine  lieihe  von  drei 
achteckigen  Pfeilern  untertheilten,  zweiscliiifigen  Lang- 
hause (51  P^uss  lang,  ',Vd  Fuss  breit)  und  dem  der  Mitte 
desselben  sich  anschliessenden  Presbyteriuni  (;55  Fuss 
lang  und  22  Fuss  breit).  Das  Kippennetz  der  beiden 
glcichhohen  Schifte  ist  sehr  zierlich  und  fleissig  durch- 
gebildet;  die  Kippen  sitzen  tlieils  auf  den  Pfeilern 
unmittelbar  auf,  theils  stützen  sie  sich  an  den  Wänden 
auf  verschieden  geformten  Tragsteinen.  In  das  letzte 
Gewölbejoch  des  Langhauses  ist  der  Musikchor  ein- 
gebaut. Das  aus  dem  hallien  Achteck  geschlossene 
Presbyteriuni  ist  ebenfalls  mit  einem  Netzgewolbe  über- 
deckt, die  Kippen  ruhen  auf  halbrunden,  theilweisc 
gemusterten  Hallisäulen.  Die  sänimtlichen  Kirchenfen- 
ster  sind  spitzbogig,  zweitheilig  und  mit  hübschem 
Masswerk  ausgestattet.  Das  Fenster  an  der  Fa(,'adc 
ist  rund  und  mit  Masswerk  versehen.  Die  Eiugangsthür 
rückwärts  ist  im  Sjiitzbogen,  jene  an  der  Südsi-ite  im 
Rechteck  hergestellt,  jedoch  mit  gothischer  Gliederung 
versehen.  Der  in  der  Kirche  befindliche  Flügelaltar  ist 
sehr  beachtenswerth.  Diese  unter  dem  Patronate  des 
Stiftes  St.  Florian  stehende  Kirche  mag  dem  Anfang 
des  XV.  Jahrhunderts  angehören,  ist  jedoch  einer  diu'cii- 
greifendeu  Kestauration  bedürftig.  (Fig.  5.) 

Die  Pfarrkirche  des  kleinen  Marktes  St.  Leon- 
hard  (erbaut  15.^5)  besteht  aus  einem  dreischift'igen, 
durch  zwei  Keihen  von  je  zwei  Pfeilern  untertheilten 
Laughause  (32  Fuss  lang  und  55  Fuss  breitV  dem  Pres- 


Fig. 2.  i,l\.;it'cnn;ukt. 


—     88     — 


Fig.  3.  (Käfermarkt.) 


>^^^-t^ff^-^y\-^-Z\f 


rig.*4.     (Käfermarkt.) 


I'"i{j.  5.     (GrUnbacli.) 


—     89 


Fig.  0.    (Sl.  Leonhiird.) 
bvterium  und    dem  liuks  davou  angebauten  Thurme. 


"-".T    •■-  '  '""""         """"  CD 

Die  Pfeiler  ruhen  auf  rundem  Sockel,  sind  achteckig', 
20  Zoll  stark  und  zwischen  den  Kanten  A-ertieft,  an 
den  Wänden  steigen  Halbsäulen  empor  und  tragen  die 
Rippen  der  vollkonnnen  erhaltenen  Gewölbe  der  .Sei- 
tenschiffe, deren  rechtes  15  Fuss,  das  linke  lo  Fuss 
breit  ist.  Die  Überwölbung  des  Mittelschiffes  wurde  im 
Jahre  1825  in  Folge  der  Beseitigung  des  alten  Gewöl- 
bes in  sehr  ungenügender  Weise  hergestellt.  Das  Pres- 
byterium  ist  39  Fuss  laug  und  24  Fuss  breit,  mit  dem 


halben  Achteck  abgeschlossen  und  mit  einem  reichen 
Netzgewölbe  überdeckt ,  dessen  Rippen  auf  runden 
Halbsäulen  ruhen.  Der  Mnsikchor  ist  von  Holz,  doch 
sieht  man  Anfänge  eines  steinernen  Aufbaues,  der  nicht 
zur  Vollendung  gelangte ,  die  Fenster  sind  leider 
stark  modernisirt.  (Fig.  G.)  Der  Thurm  gehört  in  seinem 
Aufbau  der  Neuzeit  an.  In  der  Kirche  haben  sich  Reste 
eines  Flügelaltars  erhalten,  der  durch  seine  Cbergangs- 
foimen  von  der  Gotliik  zur  Renaissance  einigermassen 
interessant  ist. 


P  a  s  s  a  11. 

Von  Dr.  Karl  Lind. 


HI. 


Die  dem  schmalen  rechten  lunufer  entlang  ange- 
legte Innstadt,  auf  deren  dahinter  gelegenen  Anhöhen 
sich  wahrscheinlich  schon  zuRömerzeiten  jene  bewohnte 
Ansiedlung  befand,  die  in  des  heil.  Severin  Lebens- 
beschreibung von  Eugippius  als  Bojotro  genannt  wird, 
enthält  nur  wenig  Denkmale,  die  auf  eine  ältere  Zeit 
zurückreichen.  Die  zunächst  der  Brücke  stehende,  der 
heil.  Gertraud  gewidmete  Kirche  dürfte  hinsichtlich 
ihrer  Entstehung  den  ersten  Jahren  des  XIV.  Jahrhun- 
derts angehören,  doch  stammt  das  jetzige  Gebäude  aus 
dem  XIX.  Jahrhundert,  da  starke  Brände  in  den  Jahren 
1814  und  181 5  das  frühere  gänzlich  zerstörten.  Leider 
gingen  mit  der  früheren  Kirche  auch  viele  merkwürdige 
Monumente  zu  Grunde. 

Das  für  den  Alterthumsforscher  bedeutendste  Bau- 
werk der  Innstadt  ist  die  aniFriedhofe  gelegene  St.  Se- 
ver  ins-Kirche.  Esisteigenthümlicli.wie  wenig  Kirchen 
der  Gegenden,  in  denen  Severinus  seines  heiligen  Amtes 

XVIII. 


waltete,  das  Andenken  an  diesen  heiligen  Sendboten 
des  christlichen  Glaubens  dadurch,  dass  sie  demselben 
geweiht  sind,  erhalten.  So  z.  B.  dUrlten  sich  in  Nieder- 
Oesterreich  kaum  mehr  als  zwei  solche  Kirchen  finden. 

Wenn  auch  die  ältesten  Nachrichten  über  diese 
Kirche  nur  der  Mitte  des  XII.  Jahrhunderts  angehören, 
zu  welcher  Zeit  sie  schon  als  Pfarrkirche  erscheint,  so 
ist  doch  kein  Zweifel,  dass  sie  schon  früher  bestand, 
ja  dass  schon  in  den  ältesten  Zeiten  zu  dieses  Heiligen 
Andenken  hier  eine  Capelle  stand. 

Die  gegenwärtige  Kirche  dürfte  in  ihrem  älteren 
Theile  in  das  XII.  Jahrhundert  zurückreichen.  Es  ist 
dies  das  Schiff,  das  nahezu  ein  Quadrat  bildet  und  flach 
ül)crdeckt  ist ;  leider  entbehrt  der  romanische  Theil 
innen  und  aussen  jedes  charakteristichen  Details;  Portal 
und  Fenster  wurden  bei  der  im  Jahre  lsr)4  vorgenoiu- 
menen,  übrigens  sehr  lobenswertheu  Restauration  her- 
gestellt und  letztere  dem  gegenwärtigen  Bedürfnisse 
entsprechend  erweitert.  Wenn  bei  dieser,  sowie  bei 
allen  in  Passau  vorgenonnneuen  Kirchen-Restaurationen 

12 


90 


etwas  auszustellen  ist,  so  ist  es,  dass  diese  mitunter  zu 
eingreiiend,  besonders  an  Werken  der  Scnlptur,  durcli- 
g-efülirt  wurden,  wodurch  der  C'liaiakter  derAltertliünilieh- 
keit  derselben  arge  Einbusse  litt.  Neben  dem  Kirehen- 
scbitfe  ist  eine  ganz  kleine  Capelle,  als  die  Betzelle 
Severin's  bezeichnet,  über  deren  Alter  jedoch  die  jetzige 
Restauration  gar  keine  Vermnthung  mehr  zulässt.  Der 
Chor  ist  ein  gotliischer  Bau,  der  im  Jalire  147i)  anläss- 
lich einer  in  der  Kirche  nothwendig  gewordenen  llaupt- 
reparatur  aufgeführt  wurde.  Wir  finden  da  stark  ]irofilirte 
Rippen,  hohe  schmale  Fenster  und  aussen  die  übliche 
."^trebepfeileranlage. 

Von  alten  Werken  der  Sculptur  erscheinen  crwäli- 
nenswerth  drei  Grabsteine  von  Pfarrern,  davon  zwei  in 
die  Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts  zurückreichen  (früher 
im  Fussboden,  jetzt  an  der  Wand  aufgestellt),  eine  fast 
■  lebensgrosse  Madonna,  vielleicht  nocli  dem  XIII.  Jahr- 
hundert angehörig,  eine  etwas  ältere  Statue  des  heil. 
Severin,  die  Statuen  der  heil.  Elisabetli  und  ]\Iaria  aus 
dem  XIV.  Jahrhundert,  ein  Relief,  den  Tod  Mariens 
vorstellend,  aus  dem  XV.,  und  (wahrscheinlich  etwas 
jünger)  die  Statuen  des  h.  Sebastian  und  A\'o]fgang. 

Zunächst  des  Einganges  steht  ein  Römerstcin,  der 
jetzt,  oben  entsprechend  ausgehöhlt,    als  Weihwasser- 


stein benützt  wird.  Seine  Inschrift  lautet:  D.  M.  |  Fau- 
stini I  ano  vect  illyr  vil '  ingenus  |  fil.  et  felix  '  C.  S.  ('. 
ex  vi  I  ejus  b.  m.  pp. 

Die  am  linken  llzufer  gelegene  Ilzstadt  steht  zwar 
an  Altehiwürdigkeit  den  anderen  Theilen  Passau's  nach, 
doch  finden  sich  schon  im  XI.  Jahrhundert  Spuren 
dieser  Ansiedlung.  die  bald  in  innigen  Vei1)and  mit 
Passau  selbst  trat.  Hier  hatten  Schiffer  und  Schiffbauer, 
aucli  Juden  ihren  Wohnsitz  aufgeschlagen.  Hier  war 
die  Zollstätte  des  Klosters  Xiedernburg  für  die  Handels- 
leute, welche  den  mit  Böhmen  die  Verbindung  herstel- 
lenden goldenen  Steig  benützten. 

Die  dem  heil.  Bartholomäus  geweihte  Pfarrkirche, 
ein  stark  restaurirter  und  umgestalteter  Bau  des  XV. 
Jahrhunderts,  davon  einige Theile  noch  älter  sein  mögen, 
wie  die  untere  Partie  des  Thunnes  (Ende  des  XIII.  Jahr- 
hunderts), enthält  als  einzige  Sehenswürdigkeit  einige 
"noch  dem  XV.  Jahrhundert  angehörige  Glasmalereien, 
die  aus  der  Collegiatkirche  St.  Salvator  hiehcr  übertra- 
gen wurden.  Sie  enthalten  die  in  ihrer  Art  eigenthüm- 
lichen  Darstellungen  eines  vermeintlich  von  den  Juden 
an  heil.  Hostien  begangenen  Frevels. 

(Schluss  foljct.i 


Die  Kunst  des  Mittelalters  in  Böhmen. 

Von  Bernhard  Grueber. 

Fortsetzung 

(Mit  31   Uolzbclinim-ii.) 

,,.  -rir  1-1  •  T-  ..  habe.  An  beiden  Seiten  sind  in  die  AVand  je  neun 
D.elfarrkirche  in  Kourim.  ^-^^^^^^  eingelassen,  welche  anstatt  der  Chorstühle 
Die  ehemalige  Kreisstadt  Kourim  gehört  zu  den  für  die  sieh  hier  versammelnden  kirchlichen  Würden- 
ältesten  Orten  Böhmens,  wurde  jedoch  erst  mit  Kolin  träger  dienten.  Unter  dem  hohen  Chor  befindet  sich 
zur  Stadt  erlmben,  in  welcher  Zeit  auch  die  Erbauung  eine  achteckige,  von  einer  Mittel-Säule  unterstützte  und 
der  Pfarrkirche  und  der  zum  Tlieil  noch  in  gutem  Zu-  der  heil.  Katharina  gewidmete  Krypta,  in  welche  man 
Stande  befindlichen  Stadtmauern  erfolgte.  Bereits  im  auf  schmalen  in  der  Mauerdicke  angelegten  Treppen 
XII.  Jahrhundert  war  Koufim  der  Sitz  eines  Erzdecans  hinabsteigt. 

und  besass  eine  von  den  dreizehn  Ifaiiijtkirchen  Böhmens,  Die  Hauptmasse  zeigen  sich  wie  folgt: 

doch  hat  sich  von  diesem    Geiiiüide  nicht  die  mindeste  ,  .  ,       ^             ,       „       .     i  •«.              i     -„r    .        j  ,  • 

Snur  erhalten  Lichte  Lange  des  Hauptschiffes  von  der  Uestwand  bis 

Die*  dem  heiligen  Stephan  gewidmete  Pfarr- und  an  den  Trimiiphbogen     ......     CüFuss- 

Decanal-Kirche  zeichnet  sich,  von  einigen  Verzopfungcn  ''^''"^   ^''"^'^^   '^^''^  Presbyteriums  und  Chor- 

der  Aussen.scite  abgesehen,  vor  allen  Über-angsbauten  Schlusses  zusammen M      ,. 

des  Landes    durch    gleiehmässige   Detailhildung   aus;  ^^.^l^«  ^^^^  J;f^"S'i''"SL;s  .    .                     .    .    .     .%      „ 

das    Innere  ist   beinahe  vollslämlig  erhallen  und   lässt  ^^ ''jt«^'  "J';«  Miüclschifles  zwischen  den 

erkeiincM,  dass  das  Ganze  ohne  L'nterbrechuiig  in  kurzer  l'lcilern -«>'A), 

Zeit   aiisgenihrt  worden  ist.  Das  Kircheuhaus  ist  drei-  I';'1l:i-«'="';;'.    •    •    • 4<  „„ 

scbifi-ig  und  hält  die  Basilicaform  ein;  zu   beiden  Seiten  '"e  des  Mittelschiffes 4ti     „ 

stehen    drei    rjuadratische    mit    rumlen    Mitteldicnslen  "liilie  der  Seitenschiffe 24     „ 

versehene  Pfeiler  von  ähnlicher  jedoch  viel  schlankerer  Der  Fussboden  der  Krypta  liegt   If)  Fuss    unter 

Gestalt,  als    wir  sie    in  K(din    kennen  gelernt  haben,  dem    Pllastcr  des  Presbyteriums;    die  Krypta  hält  im 

Sowohl  der  liohe  Chor  wie  die  Abschlüsse  der  Seiten-  geraden    Durchmesser   22    Fuss    und    ist    bis    in    den 

schiffe    sind    auf  die   übliche   Weise   aus"  dem  Achteck  (iewölbeselieitcl    ]-2'/..  Fuss  hoch.   rn)erh;dli  derselben 

gezogen,  ein  (iiierhaiis   ist  nicht  vorhanden,   doch  wird  liegt  noch  eine  ältere  nicht  mehr  ziigäiiglichc  l'.egrälniiss- 

die    Kreuzform    ilurch    zwei   neben    das    Presbyterium  capelle.    Kirche    und    Krypta   sind    einheitlich    und    es 

gestellte,  über  den  Seitenschiffen  sich  erhebende  Tliürine  zeigt    sich    in  der  Beliandlungsweise  der  hier  und  dort 

ausgedrückt.  vorkoninienden    Decorationen,   Rippen    und    Gcwölbe- 

Das  für  eine  städtische  Pfarrkirche  un-ewiilinlicli  liihhingrii  nicht  der  leiseste  rntcrschied.  Die  Laub- 
lange,  um  .^  Stufen  erhöhte  Prcsbytcriiiin  gibt  Kunde,  werke,  P.lnnieii  und  P.andver/.iei  iingeii  sind  genau  in 
weich    liolien    Rang  die    Koutinicr    Kirche   eingehalten  derselben  Weise  entworfen   und  ausgeführt,  wie  die  in 


1)1 


Kolin,  aiH'li  stellt  sich  mittelst  tcclinisclicr  Untersu- 
chungen zur  Evidenz  heraus,  dass  diese  beiden  Kirchen 
von  einem  und  demselben  Meister  geleitet  worden  sind. 
Etwas  flüchtiger  sind  die  Arbeiten  in  Koufim  ans- 
geiührt,  auch  fehlen  hier  die  Bcstiarien,  Larven 
und  figürlichen  Darstellungen,  deren  in  Kolin  viele 
getroften  werden.  Es  fehlte  an  Arbeitskräften,  beson- 
ders an  Hildhaueru,  die  wenigen  verfügbaren  Arbeiter 
waren  durch  den  Koliner  Bau  in  Anspruch  genommen 
und  mehr  nicht  aufzutreiben.  Dieser  Umstand  spricht 
für  die  etwas  frühere  Anlage  von  Kolin. 

Der  Spitzbogen  herrscht  in  beiden  Denkmalen 
vor,  doch  sieht  man  wie  in  Kolin  auch  in  Koufim 
einzelne  aus  dem  Halbkreise  errichtete  Coustructionen, 
so  den  Trium])hbogen,  den  vordersten  Arcadenbogen 
links  und  die  Hauptgurte  im  Presbyterium.  Auch  die 
Fensterchen  an  den  Thürmen  und  in  der  Krypte  sind 
nach  romanischer  Weise  gebildet,  die  Eingänge  aber 
gothisch.  Das  Haupt-Portal  befindet  sich  an  der  Nordseite 
unter  einer  weit  vorgetragenen  Portike  ;  die  Leibung 
wird  beiderseits   durch  drei  angeblendete  »Säulen    und 


eben  so  viele  rechteckige  Vorsprünge  gebildet  und  mii 
einem  aus  dem  gleichseitigen  Dreieck  gezogenen  Spitz- 
bogen überwölbt;  die  Thürütfnung  aber  ist  mit  einem 
aus  Halbkreisen  gezeichneten  Kleeblattliogcn  bedeckt. 
Ein  ähnliches,  jedoch  verbautes  I'ortal  hat  sich  an  der 
arg  verzopften  Westfacade  erhalten. 

Da  dieses  wohlcrlialtene  und  schöne,  durch  Fur- 
menrcichthum  ausgezeichnete  Denkmal  noch  gänzlicii 
unbekannt  ist,  wurde  zweckdienlich  befunden,  dasselbe 
Sil  genau  zu  illustriren,  als  die  vorgezogenen  Oränzen 
erlauben;  daher  sind  beigefügt: 

Fig.  34  Grundriss  des  Kirchenliauses,  Fig.  ;5.") 
Grundriss  der  Krypta,  Fig.  ;i<j  Längcnscimitt  der  Kirche 
und  Kr}q)ta,  Fig.  37  Haupt-Portal,  nebst  Grundriss*, 
Fig.  38,  Fenster  mit  Masswerk  am  Seiten-Chor,  Fig.  ."»ii 
Fenster  im  Lichtgaden,  Fig.  4U  Hogenstellung  im  Chor, 
Fig.  41  Gewölberip])en  im  Ciior,  Fig.  42  Pfeiler  in  der 
Krypta   nebst   Grundriss,   Fig.    42  bis   47   Capitäle. 

Die  Literatur  über  die  Kirchen  von  Clslan,  Kolin  und  Koufim  ist  sehr  dürftig, 
die  Errichtungsbilcher  des  I'rager  Domcapitels  reichen  nicht  in  die  Oründuna.— 
zeit  dieser  Kirchen  hinauf,  genaue  Ueschreibungen  werden  liier  zum  erstenmal 
geboten. 


l'Mg'.    34.    (Koiii'im. 


50  so 

-|  I  h:f. 


Fig.  35.     (l\()uiim. 


12=i 


92 


£.^,.BR'UNNWi:. 


Fig.  yo.      (Koiifiiii.) 


Die  Propst  eik  i  rflic  in  Politz  (Polic). 

In  geographisclicr  llinsidit  liegt  das  etwa  drei 
Stunden  gegen  SUden  vom  licnedictincr.stiitc  P)raunau 
entfernte  Politz  ,  zwar '  etwas  abgelegen  von  der 
geschilderten  Gruppe,  kann  aber  lliglieli  als  nörd- 
lichster Ausläufer  angesehen  werden  und  schliesst 
sich  enge  an  die  Kirchen  zu  Kolin  und  Konfim  an. 
Politz  ist  eine  Colonie  des  Pencdietiner  Kifisters  Bfe- 
vnov  bei  Pi'ag ,  \viii-dc  \'2\'-'>  gegründet  und  von 
Pfeniysl  Ofakar  1.  bestätiget.  IJber  den  Kirchen- 
bau sind  keine  zuverlässigen  Nachrieliten  vorhan- 
den, wenn  auch  in  den  Kloster-Aimalen  von  P>raunau 
(ebenfalls  einer  life\  nover  (,'olonie)  vorkommt,  dass 
der  Abt  Paul  IJavor  im  Jahr  i:!()4  die  sänmitliehen 
Stiftsgebäudff  in  J'olitz  habe  neu  aadidiren  lassen. 
Dergleichen  Angaben  konmien  in  klösterlichen  Berichten 
nicht  selten  vor,  ohne  dass  denselben  besonderes 
(Jcwicht  br-izulegcn  wäre;  in  der  Regel  jifb'gte  ein  Abt 
ti;icli  dcMi  andern  cinigr  I'.aiilichkeiten  auf  s<'inen  Stii'ts- 
gfitern  ausfüin-en  zu  lassen  und  so  geschah  es  oft,  dass 

'  ».  Mllth.  <l.  Oon.  Com.  XV.  B.,  p.  XV. 


ein  eifriger  Klosterbrnder  den  Theil  für  das  Ganze 
nainu  und  eine  Reparatur  als  neue  Anlage  verzeichnete. 
■Wahrscheinlich  ist,  dass  durch  den  genannten  Abt  Paul 
Ravor  die  Kirche  vollendet  und  so  diesem  thätigon 
Manne  das  jranze  Verdienst  zugeschrieben  wurde. 


Die  Anlage  gehört  uid)e 


lingt  der 


Mitte  des  XI 11. 


Jalirhunderts  an,  hat  aber  viele  Änderungen  erfahren.  Im 
.Jahre  1421  durch  die  Hussiten  zerstört,  um  1715  durch 
Dinzenhofer  erneuert,  wurde  das  Gebäude  vor  einigen 
Jahren  in  nicht  unpassender  Weise  restaurirt,  so  dass 
nwärti;;-c  Zustand  belViedigend  genannt  werden 


der 


j,.,,o.,_ 


kann.  Die  Kirche  unter  dem  Namen  Maria  (ieburt  ist 
eine  Basilica,  ohne  Thurm,  mit  langem  Presbyterium, 
neben  weleliem  sich  die  .SeitenscliKVe  nicht  fortsetzen. 
Die  Wölbungen  des  Mittelsehilles  sind  in  Folge  des 
Jirandrs  \(in  I4lM  zusainmengestiirzt  und  durch  moderne 
ersetzt  wiinl<'n,  im  Prcsl)yterium  aber  und  den  Neben- 
schiiren  haben  sich  die  alten  Kreuzgewölbe  erhalten. 
Das  dreisehill'ige  Langhaus  hat  fünf  quadratische 
Pfeib'i-  auf  jeder  Seite  nml  ersejieint  bei  iingeWöhnlieher 
Schnialiieil  des  MittelscliitVes  fast  lil)erlang,  denn  bei 
einer   iiehlm    Üreite  von  L'l    Kiiss    hält  der  Mittelgang 


—     93 


(Koufim.) 

eiue  Länge  von  lOO'/o  Fnss  ein  und  ist  gegenwärtig, 
obwohl  das  neue  Gewölbe  etwas  tiefer  herabgesetzt 
wurde,  noch  50  Fuss  hoch.  Die  Seitenschiffe  sind  je 
It)  Fuss  weit  bei  einer  Höhe  von  26  Fnss.  Das  Presby- 
terium  besteht  aus  zwei  Gewölbejochen  und  dem  aus 
fünf  Seiten  des  Achtecks  gebildeten  Chorschlusse  mit 
einer  Gesammtlänge  von  60  Fuss. 

Die  Westfronte  der  Propsteikirche  zeichnet  sich 
durch  einen  vorzüglich  schönen  Portalbau  aus,  welcher, 
zwischen  den  Portalen  von  Hradis  und  Koufim 
die  Jlitte  einhaltend,  mit  einer  besondern  IMauerver- 
stärkung  ans  der  Wandtläche  vortritt.  Die  Leibung  wird 
durch  eine  über  die  Wand  vorspringende  freie,  und 
drei  in  der  Schrägung  eingeblendete  Säuleu  gebildet, 
das  Ganze  ist  reich  mit  Pflanzen-Ornamenten  ausgestattet, 
wobei  namentlich  das  AVeinlanb  mit  bewunderungs 
würdiger  Geschicklichkeit  und  in  den  verschiedensten 
Umstellungen  angewandt  wurde.  Auch  das  Innere  zeigt 
ähnliche  Decorationen;  die  Gurtträger,  Pfeiler  und 
die  Wandsäulen  im  Chor  sind  mit  abwechselnden 
Laubwerken  und  linearen  Bildungen  geschmückt  und 
die  Gewölberippen  besonders  zierlich  protilirt. 

Beigeschaltet  sind :    Fig.  48   Gnnidriss   der  Prop- 
steikirche, Fig.  49  Partie  des  Mittelschiifes  im  Aufriss, 


Fig.    38.    (Koufim.; 

Fig.   50,     Aufriss    des    Portales,    Fig.  51  Grundriss 
desselben,    Fig.  52  bis  54  Detailirungen. 

Die  Landkirchen. 

Es  ist  wiederholt  angeführt  worden,  dass  der 
romanische  Stji  auf  dem  Lande  noch  lang  in  Übung 
verblieb,  nachdem  die  Übergangsformen  bei  grössern 
Baulührungen  den  Vorzug  erlangt  hatten.  Lidess  war 
unausbleiblich ,  dass  die  Neuerungen  hie  und  da  Ein- 
gang fanden,  besonders  in  jenen  Gegenden,  welche  im 
Laufe  des  XIU.  Jahrhundert  durch  herbeigerufene 
deutsche  Colonisten  urbar  gemacht  wurden.  So  treffen 
wir  auf  den  weitläufigen  Besitzungen  des  Klosters 
Sclau  und  überhaupt  in  den  östlichen  Bezirken  viele 
Kirchen,  welche  sich  von  den  romanischen  Bildungen 
aufl'allend  untcrscl;eideu,  obschon  sie  einschiffig  ge- 
halten sind  und  wie  jene  aus  Vorhalle,  Langhaus  und 
Chor  bestehen.  Das  Langhaus  ist  nach  aher  Weise  noch 
mit  flacher  Holzdecke  überspannt,  aber  im  Vergleich 
mit  der  romanischen  Anlage  viel  räumlicher,  indem 
die  Länge  bis  auf  60,  die  Breite  auf  33  Fuss  ausge- 
dehnt wird.  Vorhalle  und  Emporkirche,  welche  letztere 
in  der  böhmischen  Landkirche   nie  fehlt,  behalten   so 


94 


Fig.    39.     (Koufim.) 

/ieiiilich  die  friilaTC  Anordmmg,  (Ingegon  nehmen 
Tliurin  und  Cliorbuu  ganz  andere  Gestalt  an. 

Der  Tlmrm  findet  seine  Stellnng  gewölinlieli  neben 
dem  Cliore,  so  dass  die  Thurndialle  als  Sacristei 
dient.  Der  Chorschhiss  ist  regelmässig  ans  dem  Achteck 
construirt,  mit  Strebepfeilern  ausgestattet  und  immer 
mit  einem  schönen,  oft  sogar  prächtig  ausgeführten 
Gewölbe  versehen.  In  den  Kirchen  von  Jific  (Jirseiiitz) 
und  Jung  Bfist  (Mlade  Bfi§te)  sieht  man  Knäufe, 
Schliifisstcine,  Gurten  und  andere  IJautlieile  von  sorg- 
fältigster Steinmetzarbeit  und  ganz  eigenartiger  Form- 
gebung. Beide  um  1270  vollendete  Kirchen  waren 
auch  mit  starken  .Mauern  und  Graben  unr/.ogen,  also 
Fesfungskirchen.  In  der  Pfarrkirche  S.Jakob  zu  Jific 
(welches  Dorf  wegen  seiner  ]ilangeniässen  Kintheilung 
l)ereits  erklärt  wurde)  sieht  man  sogar  ligürlichen 
Schmuck  an  den  Gurtträgern  des  Cliorschlnsses. 

Zwar  kleiner  aber  durchgebildeter  zeigt  sich  die 
St.  Johaim  Baptist-Kirche  in  Jung-Bfist,  von  welcher 
(rine  I'>eschreibung  gegebcTi  werden  soll.  Durch  das  an 
der  WestHcitebefindlichefriiii  gothisHic  Porta!  tritt  man 
in  die  von  zwei  Pfeilern  unterstutzte,  K»  Fuss  tiefe 
Vorhalle,  darüber  die  Ubliclie  Empore.  Das  Schiff  ist 
mit  flacher  Iloizdecke  belegt,  ;]()  Fnss  lang,  2.'!  Fuss 
breit  und  ebenso  hoch.  An  das  Schiff  lehnt  sich  eine 
Art  von  Querhaus,  welches  dadurcli  gchihlet  wird, 
das«  neben  dem  qnadratischen  Mittelranm  zur  linken 
der  Thurm,  zur  rechten  eine  diesem  entsprechende 
Capellc  vorgelegt  ist.  Diese  Partien,  wie  auch  der  um 
2()  Fuss  vortretende  dreiseitige  Cliorscliluss  sind  IIIxt- 
wölbt,  die  Vicning    ist    v<iui     F>anghaus    durch     einen 


Yiä 


■to. 


ilvoiiriin. 


Triump]d)0gen  abgeseldossen.   Die  Mauerdicke  betiü!;-! 
4  Fuss. 

Der  angefügte  Grundriss,  Fig.  50,  verdeutliclit 
dieses   interessante  Bauwerk. 

Ein  zweites  Gebäude  dieser  Art  ist  die  Pfarrkirche 
in  Nachod  am  polnisciien  Steig,  eine  kreuzförmige,  in 
allen  Theilen  überwöUite  Anlage.  Das  00  Fuss  lange 
und  34  Fuss  breite  Schiff  bestellt  aus  vier  gleichen 
Gewölbealitheilungen  und  wird  durch  einen  um  .')  Fuss 
vortrt'tenden  'rrinm})ld)(>gen  Mim  Presbyterinni  getreimt. 
Neben  dem  bedeutend  schmälern  Presbyferium  sind 
zwei  Thürme  angeordnet ,  von  viereckiger  schwerer 
Grundform,  durchweiche  die  Kreuzforni  ausgesprocluni 
wird.  Presbyferium  und  Cliorsciibiss  gehören  der 
Übergangszeit  an  und  sind  mit  schönen  AVölbungen  in 
der  Art  wie  Brist  ausgestattet,  das  Schilf  aber  l)esifzt 
keine  ursprünglichen  Gewölbe  und  scheint  ehemals 
flach  eingedeckt  gewesen  zu  sein. 

Im  Chor  dieser  Kirche  bat  sich  ein  vorziiglieli 
schönes  Siicramenfshäuschen    von   Tafelform    erliaitc'n 


l'i"-.  II.     iKi)uiliii.) 


—     Oü     — 


^p^^ 


V       v     "^ 


Flg.  43,  (KoiiHni.) 


Fig.   44. 


Fig.  42. 


Fi:,'-.  Jf), 


Fig.  iC. 


Vi^.  Vi 


90     — 


\w 


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mimt 


Fig.  i'.K    (Politz.) 


l'ij,'.   öil.    iVitWtz.i 


7  Fuss  hoch  und  2'/,  Fiiss  breit,  in  dessen  von  einem 
geschweiften  Bogen  nnischriebenem  Mittelfekl  ein  gut 
angeonluetes  VeronicabiUl  eingepasst  ist. 

Die  beigelügten  Illustrationen  sind :  Fig.  öd 
Grundriss ,    Fig.  57    östliche  Ansicht  der  Kirche. 

Dieser  Richtung  gehören  au:  die  Kirche  zu  Unter- 
Oujczd  bei  Leitoniischl,  welche  an  der  Nordseite  mit 
einem  ruudbogigenaber  im  zierlichsten  Übergangs-Styl 
gclialtenen  Portal  geschmückt  ist,  die  Pfarrkirchen  zu 
Ylasim  Domasin ,  Lhotice  bei  8chiu,  und  noch  einige 
in  emphyteutischeu  Dörfern  befindliche  Bauwerke. 


Rückschau  auf  die  östliche  Gruppe. 

So  gleichartig  die  stylistische  Entwicklung  der 
aufgezäldtcn  Werke  erscheint,  so  eng  begränzt  der 
Zeilraum  ihrer  Erbauung  ist,  machen  sich  doch  allerlei 
Schattirungen  bemerkbar,  welche  zum  Theile  als  natur- 
gcmässe  Fortschritte  aufzufassen  sind,  theils  durch 
Aeusserlichkeiten,  Bau-Materialien,  vorhandene  Mittel 
u.  dgl:  hervorgerufen  wurden.  So  stimmen  Trebitsch, 
St.  Agnes ,  Tisclmowitz  und  Hradist'  vollkommen 
überein  und  sind  unbedenklich  in  die  gleiche  Zeit 
(1230 — 1245)  zu  versetzen,  wenn  auch  über  HradLst' 
und  Trebitsch  keine  urkinidlicheu  15elege  beigebracht 
werden  können.  Etwas  jünger  scheinen  die  Iglauer 
Denkmale  nebst  den  Kirchen  Selau  und  lIum])olec  zu 
sein,  als  deren  mittlere  Bauzeit  1:^50  angenommen 
werden  darf.  Die  fast  zu  weit  gesteigerte  Einfachheit 
dieser  Werke  wird  zum  Theil  durch  das  unbildsame 
Material  und  Mangel  an  Arlx'itskiäften  erklärt,  mag 
aber  aucli  etwas  auf  persönlichen  Anschauungen  des 
regierenden  Selauer  Abtes  beruhen.  Abermals  um  etwa 
10  Jahre  jünger  zeigen  sich  die  Prachtbauten  Politz, 
Koufim  und  Kolin  ,  von  denen  die  letztere  wahr- 
sclieiiilicli  am  frühesten  angefangen  und  am  spätesten 
vollendet  wurde.  Da  die  Koiiiier  Kirche  im  dritten 
Theile  noch  einmal  besprochen  werdt'u  muss ,  be- 
gnügte nmn  sich  hier  deren  Baugeschichte  nur  in  all- 
gemeinen  Linien  anzudeuten. 

Die  zwischen  12(iO  bis  1300  angelegten  grössern 
Bauwerke,  z.  B.  die  Kirchen  in  Sedlec ,  Beneschau, 
Böhmiscii-Brod,  Pilgram,  Leitomischl,  tragen  zwar 
alterthümliches,  aber  vollständig  gothisches  Gepräge 
und  sind  deshalb  einer  besondern  Gruppe  einverleibt 
worden. 


S  ü  d  i  i  c  h  e   f  i  r  u  j)  p  c. 

Der  Süden  Böhmens,  dessen  Annuth  an 
Bauten  romanischen  Styles  dargethan  wurde, 
besitzt  gleiclisam  als  Entschädiguugzaldreiche, 
geschichtlich  wie  künstlerisch  hochwichtige 
Denkmale  der  Übergangszeit  ,  deren  Ent- 
stehung meist  genau  docunientirt  ist.  (ücich 
dem  Nordosten,  wo  sich  entlang  des  Kiesen- 
gebirges undurclidringliche  Wälder  einer 
gleichmässigcn  Verbreitung  der  Cultur  ent- 
gegenstellten,  erhielt  auch  der  Südwesten  und 
Süden  des  Laiides  <'rst  im  Laufe  des  XIIL 
Jalirhunderts  eine  dichtere  Bevölkerung.  Hier 
wie  dort  waren  die  Klöster  am  thätigsten, 
Wildnisse    in    fruchtbare   Felder     zu    verwan- 


Fig-.  ö3.      (Politz.) 


Fig.   öT.      (Nachoil. 


Fig.  52.      ^Politz. 


Fig.  ö(i.      ^l'olitz, 


~i~     I        T 


Fig.   ;A.    (Xachod.) 


XVUL 


la 


1)8 


ileln,  Waldungen  auszuroden  und  durch  geregelte 
Strassen  oder  Saumpfade  den  Verkehr  zu  beleben. 
Auch  im  Böhmerwalde  und  seinen  Ausläufern  fand 
das  eniphyteutische  System  Eingang  und  bewährte 
sich  als  nutzbringend. 

In  ihrem  Charakter  schliessen  sieh  die  in  der 
Südspitze  befindlichen  Bauwerke  weniger  an  die  im 
Innern  des  Landes  vorherrschende  Richtung,  als  viel- 
mehr an  die  im  Donauthale  vorfindlicheu  Bildungen  au, 
welches Verhältnisszunächst  den  Herren  von  Rosenberg 
zuzuschreiben  ist,  die  in  diesen  Gauen  fast  mit  könig- 
licher Jlacht  geboten  und  auch  an  der  Donau  wie  in 
Steiermark  reich  begütert  waren. 

Stift  Goldenkron. 

Wenn  gleich  Hohenfurt,  die  Stiftung  der  Herreu  von 
Rosenberg,  heute  noch  in  ununterbrochener  Herrlichkeit 
fortblüht,  erlag  das  königliche  Goldenkron  den  Schick- 
salsschlägen ,  von  denen  es  seit  dem  Beginne  des 
XV.  Jahrhunderts  in  langer  Reihe  heimgesucht 
\\urde.  König  Otakar  II.  gründete  in  Folge  eines  Ge- 
lübdes, welches  er  während  der  Schlacht  bei  Kroissen- 
l)runn  gethan,  das  Cistercienserstift  „Corona  auiea" 
und  dotirte  es  mit  den  Gütern  Boictic  und  Gojan, 
welciie  Besitzungen  die  Herren  von  Klingenberg,  Bavor 
VdU  Strakonic  und  Vok  vonRosenbergmitvielenLiegen- 
schaften  vermehrten.  Schon  in  den  Kriegen  zwischen 
König  Otakar  und  Kaiser  Rudolf  von  Habsburg  bra- 
chen schwere  Tage  über  das  Kloster  herein,  doch 
erholte  es  sich  im  Laufe  des  XIV.  Jahrhunderts  und 
liefand  sich  in  sehr  günstiger  Lage,  als  die  Hussiten- 
stürnie  losbrachen,  wo  es  zerstört  wurde. 

Obwohl  König  Vladislav  IL  sich  Mühe  gab,  das 
Stift  wiedei' em])orzubringen,  konnte  es  nicht  erstarken; 
ilenn  viele  Klostergüter  hatte  sich  der  umliegende  Adel 
angeeignet  und  die  übriggeblielicnen  waren  gerade 
die  werthlosesten.  Unter  fortwährend  misslichen  Ver- 
hältnissen fristete  sich  das  Stift  dahin  bis  zum  Jahre 
1 7.ÖS ,  als  es  durch  einen  Ilofhef'ehl  aufgehol)en  wurde. 

Goldenkron  ist  eine  Colonie  des  Klosters  Heiligeu- 
kreuz  bei  Wien ,  doch  stehen  die  hier  und  dort  einge- 


haltenen Styl-Richtungeu  in  keinem  unmittelbaren  Zu- 
sammenhange, wie  denn  Goldenkron  in  seiner  Bauweise 
den  üblichen  Cistercienser- Anlagen  nur  zum  Theil  ent- 
sjiricht.  Die  Kirche  ist  kreuzförmig,  eine  Basilica  mit 
iiochaufstrebendem  Mittelschiff  und  einem  aus  der 
Hälfte  des  Zchnecks  construirten  Cliorschlusse.  Ein 
Thurm  fehlte,  auch  war  keine  Emporkirche  vorhanden, 
dagegen  ein  offener  an  der  Westseite  vorgelegter  Por- 
ticus,  welcher  jedoch  bei  dem  Brande  von  1420  zerstört 
und  nicht  wieder  aufgebaut  wurde. 

Jlit  Zuzäiihing  der  lieiden  verstärkten  Pfeiler  an 
der  Vierung  stehen  IG  Pfeiler,  8  auf  jeder  Seite,  im 
Schiffe,  welches  von  der  Vierung  bis  zur  westliehen 
Frontmauer  138  Fuss  lang  ist,  während  die  Gesammt- 
breite  5(i  Fuss  beträgt.  Das  Querschiff  besteht  aus  drei 
gleichen  Quadraten,  misst  84  Fuss  in  der  Breiten- 
richtung und  28  Fuss  in  der  Tiefe ;  jenseits  Vierung 
setzt  sich  der  Chor  in  der  Länge  von  56  Fuss  fort,  wo- 
durch sich  eine  lichte  Gesammtlänge  von  224  Fuss 
ergibt.  Die  Höhe  des  Mittelschiffes  lässt  sich  nur  an 
nähernd  bestimmen  und  dürfte  gegen  80  (vielleicht  84) 
Fuss  betragen  haben;  alle  ursprünglichen  Gewölbe  sind 
zerstört  und  der  Fussboden  im  Innern  bedeutend  erhöht 
worden.  Der  ganze  Raum  ist  mit  forndosen  Stukkaturen 
üljerkleckst  und  besonders  der  Chor-Schluss  arg  durch 
Brände  und  misslungene  Restaurationen  entstellt,  wes- 
halb man  sich  über  den  ungeheuren  Eindruck,  welchen 
dieses  Gebäude  erweckt,  nicht  genug  verwundern  kann. 
Alle  Mängel  und  Schaden,  alles  bunte  Flitterwerk  ver- 
schwinden l)ei  dem  Überblick  des  Ganzen;  eine  so  ein- 
fache Grossartigkeit,  man  darf  wohl  sagen  Majestät,  ist 
selten  erreicht  worden.  Da  hier  fast  alle  Einzelheiten 
verdorben  worden  sind,  liegt  das  Wirksame  ausschliess- 
lich in  der  glücklichen  Massenbehandlung  und  in  den 
zu  Grund  gelegten  Verhältnissen. 

Die  Zahl  14  scheint  hier  wie  in  Hohenfurt  als 
Grundzahl  gegolten  zu  haben,  welche  in  allen  Längen-, 
Breiten-  und  Höhenverhältnissen  wiederkehrt.  In  Gol- 
denkron sind  die  Seitenschiffe  je  14,  das  Ilauptscliiff 
und  Querhaus  28  Fuss  weit;  die  Weite  des  Langschilfes 
beträgt  .'')(),    dessen  Länge  84   und  die  Gesanuutlänge 


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F"ig.  fiH.  ((JuldcMkroii.; 


99     — 


,50. 


Fig.  59.      i^Gokleukron.) 

der  ganzen  Kirche  im  Liclit  224  Fiiss,  Masse,  in  denen 
die  Grnndzabl  2-,  4-,  6-  und  IGmal  enthalten  ist.  Die 
Pfeiler  sind  aus  der  Kreuzform  abgeleitet  und  in  der- 
selben Weise  wie  in  Trebitseh  ])rofilirt;  sie  gehen  eben- 
falls oline  Vermittlung  eines  Kämpfe rgesimses  in  die 
Arcaden-Bogen  über,  wälirend  ein  mittlerer  Pilaster  als 
Dienst  aufsteigt,  um  die  Rippen  des  Hauptscliitfes  zu 
unterstützen. 

Jlit  Ausnalime  eines  grossen  vierfeldrigen,  an  der 
Abendseite  betindlichen  Fensters ,  dessen  Masswerk 
einer  spätem  Restauration  anzugehören  scheint,  und 
einer  schönen  Eosette  im  südlichen  Kreuzarme  sind  alle 
alten  Fenster  abhanden  gekommen,  eben  so  die  Strebe- 
pfeiler längs  der  Nordseite ,  welche  man  kürzlich  abge- 
tragen hat.  Von  dem  ehmals  prachtvollen  Kreuzgaug, 
dem  Capitel-Saal  und  noch  einer  Capelle  haben  sich 
ansehnliche  Keste  erhalten,  dürften  aber  bald  ver- 
schwunden sein,  da  sie  als  Werkstätten  einer  Eisen- 
giesserei  und  Maschinenfabrik  benutzt  werden.  Es 
ist  sehr  zu  bedauern,  dass  das  Schicksal  diesem  herr- 
lichen Gebäude  keine  andere  IJestinunung  vorbehalten 
hat.  Die  Stiftskirche  Jlaria  Himmelfahrt  dient  gegen- 
wärtig als  Pfankirche  des  Dorfes  Goldenkron  und 
befindet  sich  in  leidlichem  Oauzustande. 

Wie  es  gekommen ,  dass  bei  den  gänzlich  ver- 
schiedenen Anlaiien  der  Kii'chcn  Hohenfurt  und  Golden- 


kron die  Eiuzclmasse  so  vielfach  Ul)ereinstimmen  und 
.sich  auf  „7"  rcduciren  lassen,  möchte  seinen  Grund 
theils  in  königlichen  Vorschriften  ,  theils  in  dem  Um- 
stände haben ,  dass  die  P.aumeister  dieser  beiden -Cister- 
cienser-Kirchen,welclic  nur  6  Stunden  von  einanderent- 
fernt  sind,  oft  mit  einander  conferirtcn.  Die  Kirche  zu 
Goldenkron  ist  nicht  allein  viel  länger  und  regelmäs- 
siger, sondern  sie  ist  in  einer  viel  weiter  fortgeschrit- 
tenen Gothik  ausgeführt,  während  der  Grundriss  mehr 
an  romanische  Anordnungen  erinnert. 

Illustrationen:  Fig.  58  Grundriss,  Fig.  59 
Aufriss  der  Westseite,  Fig.  60  Ruudfenster  im  Quer- 
schiff, Fig.  Gl  Pfeilerprolile ,  Fig.  62,  63  Strebe- 
pleiler  mit  Detail ,  Fig.  64  ,  Krönung  des  Treppen- 
thürmehens,  Fig.  05,  66  Capitälc  aus  dem  Kreuz- 
gang, 


Das  Dominicaners,tift  zu   Budweis. 

Wir  haben  bereits  über  das  Entstehen  dieser  freund- 
lichen StadtMittheilung  gemacht  und  beschränkt?n  uns  hier 
darauf,  zu  bemerken,  dass  diese  Stadt  als  Lieblings- 
schöpfung des  Goldenen  Königs  anzusehen  ist,  und  von 
ihm  immer  mit  Vorliebe  und  Auszeichnung  bedacht 
wurde.  An  der  Stelle  des  heutigen  Klosters  soll  Otakar 
II.  die  Nachricht  erhalten  haben,  dass  ihm  ein  Kind 
(das  erste)  geboren  worden  sei,  weshalb  er  hier  diese 
fronnne  Stiftung  zu  machen  beschloss,  die  sich  bis  zum 
heutigen  Tage  erhalten  hat. 

Einer  durch  eine  Inschrift  verewigten  Sage  nach 
ssoll  das  Dominicanerstift  30  Jahre  früher  als  die  Stadt 
angelegt  worden  sein;  diese  Schrift  befindet  sich  ober- 
halb der  Klosterpforte  und  lautet:  Triginta  ac  uno  locus 
hie  prior  urbe  stat  anno.  Da  jedoch  die  Stadt  urkundlich 
bereits  1205  als  solche  genannt  wird,  und  die  Domini- 
caner-Kirche nach  untrüglichen  Anzeichen  gleichzeitig 
mit  dem  Kloster  Goldenkron,  vielleicht  durch  denselben 
Werkmeister,  erbaut  wurde,   darf  die  Richtigkeit  der 


V'i^.  <iO.      rJoUlenkron. 


100 


1 


-  HM 


i  >■''!!; 


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6-2. 


Fig.  (!3. 


(Golilcnkron. 


Insclirift  bezweifelt  werdeu,  insofern  sie  sidi  nicht  auf 
ein  besonderes  dermal  unbekanntes  Ereigniss  (z.  B. 
Vollendung  der  königlichen  Burg  oder  der  Stadtpfarr- 
kirclic)  Itezielit. 

Die  Klosterkirche  Maria  Geburt  ist  eine  Basilica, 
olnie  Tliurni  und  ohne  Querscliiff,  doch  mit  Andeutung 
der  Kreuzform,  indem  vor  dem  Presbyterium  eine  Vie- 
rung liegt,  neben  welcher  die  .Seitenschiffe  sich  zur 
Höhe  dcsllauptschitfcs  erheben.  Das  Langhaus  ist  durch 
ein  RcciitciU  umschrieben  und  durch  sechs  Pfeiler  (^aui' 


jeder  Seite)  eingetheilt.  Die  beiden  an  der  Vierung 
stehenden  Pfeiler  sind  verstärkt  und  aus  der  Kreuzform 
abgeleitet,  die  übrigen  haben  quadratische  Grundform 
mit  vorgelegten  Diensten. 

Von  der  Vierung  au  bis  zum  Abschlüsse  des  aus 
dem  Achteck  gezogenen  Chores  hat  sich  die  ursprüng- 
liche Anlage  ganz  unverändert  erhalten,  das  Haus 
westlich  von  der  Vierung  wurde  modernisirt,  mit  korin- 
thischen Pilastern ,  Cajjitälen  und  Gebälken  überzogen, 
wobei  sonderbarer  Weise  die  alten  Gewölbe  intact 
geblieben  sind. 

Das  Gepräge  des  Ganzen  wie  aller  einzelnen 
Theile  ist  genau  dasselbe ,  welches  wir  in  Goldenkron 
kennen  gelernt  haben:  dieselbe  Einfachheit  und  Gross- 
artigkeit der  Massen,  die  gleich  sorgfältige  Behandlung 
der  Details.  Die  Ornamentik  namentlich  deutet  auf  einen 
und  denselben  Meister  hin,  sie  ist  gothisch  ohne  irgend 
einen  Anklang  an  die  frühere  Periode,  und  verdient  in' 
Anbetracht  des  Materiales,  eines  sehr  harten  Granits, 
besonderes  Lob.  Die  beiden  Nebenschifte  haben  sich  in 
allen  Theilen  unversehrt  erhalten  und  zeigen  an  den 
Gurtträgern  und  .Schlusssteinen  vorzügliche  Steimnetz- 
arbeiten,  deren  auch  das  Presbyterium  viele  besitzt. 
Nebst  den  gewöhnlichen  Laubgebilden  kommt  das  Ei- 
chenblatt hier  öfters  vor;  an  einem  im  Chorschlusse 
betindlichen  Capitäle  sieht  man  sogar  eine  humori- 
stische Darstellung,  welche  in  Böhmen  zu  den  grössten 
Seltenheiten  gehören.  Unterhalb  eines  Bündels  von 
Eichcnblätteru  steht  ein  Schwein,  welches  eine  Eichel 
verspeist.  Die  Maria-Geburt-Kirche  wurde  am  Feste 
Trinitatis  des  Jahres  1274  feierlich  eingeweiht  und  soll 
damals  vollendet  gewesen  sein,  mit  welcher  Nachricht 
der  alte  Bestand  vollkommen  übereinstimmt. 

Südlich  von  der  Kirche  breitet  sich  der  wohlerhal- 
tene Kreuzgang  aus,  wo  originelle  Masswerke  und  Or- 
namente vorkonnnen.  Der  Gang  bildet  ein  Rechteck  von 
140  Fuss  Länge  und  1:^0  Fuss  Breite  und  ist  mit  einer 
zierlichen  im  südlichen  Flügel  betindlieheu  Capelle  aus- 
gestattet. 

Die  Kirche  hält  folgende  Maasse  ein: 

Länge  des  rechteckigen  Kirchenhauses  aou 
der  Westwand  bis  zum  Anfang  des  Prcs- 
byteriums 120  Fuss, 


Fiff.  (il.     (0(ilili'iikr<iii.) 


101 


Fig.  65.    (Goldenkron.) 


Fig.  CG.     (Goldenkron.) 


..L.;.ii.afl„ 


Fig.  G4.     (Goldenkron.) 

Länge  des  Presbyteriums  sammt  C'hor-Scliluss  6ü  Fiiss 

Lichte  Weite  des  ganzen  Hauses  .'....  Gö'/»,, 

Weite  des  Mittelschiffes      25      ,. 

Weite  je  eines  Seitenschiffes      IG      „._ 

Pfeiler-  und  Jlauerstärke 4      „ 

Höhe  des  Mittelschiffes (iU  ,, 

Höhe  eines  Seitenschiffes 25      „ 

Die  Seitenschiffe  scheinen  sich  ursprünglich  bis 
an  den  Chor-Schluss  hin  fortgesetzt  zu  haben,  doch  in 
etwas  niedrigerer  Form ,  wie  sich  aus  verschiedenen 
an  den  Anssenseiten  erhaltenen  Gewölbespuren  ent- 
nelnneu  lässt. 

Beigefügte  Illustrationen:  Fig.  ()7  Grundriss  der 
Stiftskirche,  Fig.  (J8  Pfeiler-Profil,  Fig.  CO  und  7ü 
spätgothische  Masswerke  aus  dem  Kreuzgang,  Fig. 
71  und  72  Ornamente  ans  der  Kirche,  Fig.  73  und  7i> 
Ornamente  aus  dem  Kreuzgaug. 

Die  Dominicaner-Kirche  zu  Budwciswar  mit  sehr 
alterthümlichen  Wandgemälden  ans  dem  Schlüsse  des 
XHL  Jahrhänderts  ausgestattet,  von  welchen  im  ersten 
Theile  bereits  eine  Probe  mitgetheilt  worden  ist.    Die 


meisten  dieser  18G-i  aufgedeckten  Malereien  sind  voll- 
ständig verblasst,  was  um  so  mehr  zu  bedauern,  da  sich 
aus  dieser  Zeit  nur  äusserst  dürftige  Reste  von  Wand- 
bildern erlialten  haben. 


Kloster  Holicnfurt. 

Im  Jahre  1859  feierte  das  Cistercienser-Stift  Ho- 
henfurt  zum  sechstenmal  das  Jubeljahr  seines  Bestandes, 
nachdem  am  1.  Juni  1259  der  Grundstein  zu  der  Stifts- 
kirche war  gelegt  worden. 

Vok ,  Herr  von  Rosenberg,  aus  dem  Geschlechte 
der  Vitkovice ,  und  seine  Gemahlin  Hedwig  Gräfin 
von  Scliauenburg  hatten  gemeinschaftlich  den  Ent- 
schluss  gefasst,  in  einer  mit  dichten  Wäldern  be- 
deckten, von  der  Moldau  durchrausehtcn  Gegend  ein 
C'i.stercicnser-Kloster  zu  gründen  und  zu  diesem  Behufe 
die  bischöfliche  Einwilligung  wie  den  landesfUrstlicheu 
Consens  erwirkt.  Bischof  Johann  III.  vollzog  persönlich 
und  mit  grosser  Feierlichkeit  den  Act  der'Grundstein- 
legung,  welchem  viele  Personen  aus  den  edelsten 
Geschlechtern  beiwohnten.  Wie  bei  den  meisten  Kir- 
chenbauten üblich,  scheint  auch  hier  das  Altarhaus 
(der  hohe  Chor)  mit  den  angränzenden  Capellen  bereits 
aus  dem  Grunde  aufgemauert  gewesen  zu  sein,  als  die 
Einweihung  geschah.  Mit  dieser  Verniuthung  stimmt 
das  Gepräge  der  ganzen  Chorpartie  sannnt  dem  Capi- 
tel-Saale  und  der  zwischenliegenden  Sacristei-Capelle 
Ubercin.  Einige  der  hier  bestehenden  Bautheile  deuten 
sogar  ein  etwas  höheres  Alter  au  und  können  in  der 
That  früher  angelegt  worden  sein ,  weil  sich  Herr  ^■ok 
bereits  lang 


^  vor  der  Gründung  mit  dem  Abte  des, 
Klosters  Wilhering  bei  Linz  ins  Einvernehmen  gesetzt 
hatte,  auf  dass  die  von  ihm  beabsichtigte  Stiftung  niit 
Conventualen  aus  Wilhering  besetzt  werde. 

'  Literatur  im  Verliältniss  zu  einer  so  alten  und  volkieiclien  Stadt  ver- 
haltni.-smassig  unbedeutend.  Neben  den  beliannten  Gesc-hichtswcrken  und  Topo- 
graphien entliallen  die  verschiedenen  Abhandluns^en  der  bölimischen  Oescll- 
.schaft  der  Wissenschaften,  die  IMiiiheilungen  der  k.  k.  Central  -  Commission 
d.  li.  und  des  deutschen  (iesehichtsvereines  f.  li.  dann  die  ,Pamatkv-  .archeo- 
gickc-*  ein  sclir  schätzenswerthes  aber  zerstreutes  Material.-.  .\ls  zwar  uicllt 
umfangreiche  a'.er  selhstständjge  Bearbeitungen  sind  anzuführen.  Kurz-efasste 
Geschichte  der  lierg-  und  Kreisstadt  Budweis  von  E.  F.  Richte  r.  udw.  is  1800, 
ferner:  Die  Erbauung  der  licrg-  und  Kreisstadt  Budwei.,,  von  l)r  P  .M  i  1- 
lauer,  Prag  1817.  Eine  unif,i.«seudc  Geschiclue  dieser  Stadt  ist  durch  den 
deutschen  Geschichtsvercin  in  Aussicht  gestellt. 


102      - 


Fig.  (J7.      iBudweiF.) 


Das  uene   Kloster   erliiclt   den   Namen   Hohenfurt 
(Altovadum,    Vysebrod).    entweder  von  der  daselbst 
befindlichen  Üljeriiibv  über  den  Moldauflnss,  oder  wie 
Andere  glauben,  von  dem  dnmals    schon  bestehenden 
^gleichnamigen  Orte.  Die  Stit'tunj;  war  mit  Zustimmung 
aller  Glieder  der  damals  in  mehrere  Linien  getheilten 
Fatnilie  der  Witigonen,   wie   sie  sich  selbst  nannten, 
geschehen  und  alle  wetteiferten,  das  Kloster  möglichst 
reich  mit  liegenden  Gründen  und  Gerechtsamen  auszu- 
statten.   Dessenungeachtet  machten  die   IJaulichkeiteu 
langsame  Fortschritte,    weshall)  Heinrich   von   Eosen- 
berg,    Sohn  des  Vok,  dem  Stifte  laut  Urkunde  vom 
•Jahr  1281  mehrere  Zinsungen  überliess,  auf  dass   der 
Kirchenbau   schleuniger  betrieben   werde.   Gegen  den 
Schluss  des  Jahrhunderts,  als  die  Kirche  bereits  voll- 
endet war,  scheint  sie   durch  einen  IJrand  schwer  be- 
schädigt worden  zu  sein,  denn  es  wurden  bald  nachher 
mehrere  Indulgenzcn  zu  Gunsten  des  Gebäudes  erlas- 
sen. Sj)nrcn   einer   um   diese  Zeit   vorgefallenen  theil- 
weisen  Beschädigung  lassen  sich  sowohl  im  südlichen 
Krenzarme  wie  im  anstossendeu Kreuzgang  nachweisen; 
d)\mals  dürfte  auch  geschehen  sein,  dass  die  ursprüng- 
lich basilicab!  Anlage  in  eine  Ilallctddrche  umgewan- 
delt wurde.  Auch  im  Verlaufe  des  XIV.  Jahrliunderts 
blieben  Unfälle  nicht  ans,  wie  aus  einer  Sclicnkung  zu 
entnehmen  ist,  welche  die  Herren  .loiiann  und  l'eter  II. 
von  Roscnl)crg  dem  Stifte  machten,   indem  sie   1385 
den  Ort  'J'udioraz  nebst  verscliicdcnen  Geld-  und  Na- 
tin-algaben  widmeten,  zu  dem  ausscliliessliclien  Zwecke, 
dass  das  Kirchendiich  wieder  anfgcsti'iit  werde. 

Von  den  IlassitenstUrmcn  blieb  HulMifurt  ver- 
schont, das  einzige  Kloster  in  Böhmen,  welches  diese 
VerwMstuiigs-l'crioile  ohne  Schaden  üIk  rstiuiden  hat. 
Doch  war  das  Kirclicnscliifr,  dessen  Struclur  viclleiciit 
von  Anfang  an  jn:ingrlli:ift  gewesen,  wieder  biUifällig 
geworden,  weshalb  Abt  Thomas  H.  um  Il7i)--l48n 
die  schadhaften  Fenster  im  Langhause  und  andere 
mangelhafte  Tlieile  neu  licrsfellen  Hess.  Diircli  diesen 
Alil  scheint  auch  der  westliche  Tract  des  Kreuzgangs 
nach  irgend  einem  Unfall  neu,  aber  nicht  gilUklieh, 
wieder  aufgcliaut   worden  zu  sein,    im   \(prigen  Jaiir 


hundert  erhielt  die  Kirche  neue  Altäre  und  wurde  an 
der  Westseite  durch  eine  grosse  Orgel-Empore,  wenn 
nicht  verunstaltet,  doch  in  keinem  Falle  geziert.  Auch 
allerlei  Anbauten  und  entstellende  Zuthatcn  wurden  in 
jener  geschmacklosen  Zeit  an  die  Kirche  gefügt,  jedoch 
bei  einer  1858  —  1859  glücklicli  durchgeführten  Restau- 
ration wieder  beseitigt.  Leider  konnte  das  vom  Kreuz- 
gang  umschlossene,  auf  alten  Grundmauern  ruhende 
Brunneuiiaus  nicht  in  den  Bereich  der  damaligen  Re- 
staurationen einbezogen  werden.  Diese  aus  dem  Sechs- 
eck construirte,  um  IT.'jü  total  überänderte  Brunnen- 
Capelle  war  ohne  Zweifel  eine  besondere  Zierde  der 
klösterlichen  Anlage  und  reihte  sich  würdig  den  in 
Zwettl,  Klostemeuburg  und  andern  Orten  befindlichen 
Kreuzgang-Cajiellen  an. 

Kloster  Ilolienfurt  besitzt  eine  Lage,  die  unmög- 
lich schöner  erdacht  werden  kann.  Auf  einem  steil 
gegen  die  Moldau  abfallenden  Hügel,  an  der  AVestscite 
durch  Indic  Berge  und  schöne  Waldungen  geschützt, 
wird  es  im  Bogen  von  dem  schon  ansehnlichen,  ül)er 
(iranitblöcke  daiiiurausciienden  Flusse  umfangen, _  wäh- 
rend im  Thale  das  saftigste  Wiesengrün  mit  Aliren- 
feldern abwechselt.  Kin  Kranz  von  blühenden  Gärten 
UMizieht  die  Stiftsgebäude  auf  allen  Seiten  und  verdeckt 
zur  Hälfte  die  noch  bestehenden  Befestigungen,  welche 
einst  den  llussiten  Trotz  boten.  Heute  ersciieinen  diese 
Festungswerke  eher  als  Bild  des  Friedens,  und  der 
gewaltige  Thorfhurni,  durch  welchen  man  in  den  Klo- 
sterhof eintritt,   erschliesst   ein  freundliches  Asyl,  wn 


y\g.    ß8.    (V>uil\vcis,> 


103     — 


Fig.  G9.    (Budweis.) 

Gastfreuudschaft  und  Humanität  iliren  Sitz  aufgeschla- 
gen haben. 

Das  Kirchenbaus  ist  dreischiffig  mit  weitausge- 
ladenen Ki-euzavmen  und  sehr  entwickelter  Chorpartie. 
Ein  eigentlicher,  organisch  mit  dem  Ganzen  verbun- 
dener Thurm  bestand  nicht,  dafür  hatte  man  über  der 
Sacristei-Capelle  einen  nicht  unbedeutenden  Glocken- 
thurm  errichtet,  ein  Bau,Avelcher  den  vom  Abte  Thomas 
durchgeführten  Neuerungen  anzugehören  scheint.  Die- 
ser Thurm  wurde  später  verzopft  und  erhielt  erst  1860 
eine  dem  allgemeinen  Charakter  entsprechende  Gestalt. 

Südlich  neben  dem  Langhause  breitet  sich  der 
viereckige  Kreuzgaug  aus,  au  dessen  östlichen  Flügel 
Sacristei  und  Capitel-Saal  angränzen,  welche  beiden 
Gelasse  noch  einige  romanisciie  Details  besitzen.  Der 
Capitelsaal  wird  durch  ein  eigeuthümliches  Muldenge- 
wölbe  bedeckt ,  dessen  Rippen  in  einem  durch  acht 
Säulen  gebildeten  Mittelpfeiler  zusammenlaufen;  das 
Gemach  ist  beleuchtet  durch  ein  gcthisches  Radfenster 
(Fig.  77),  neben  welchem  zur  Rechten  und  Linken  noch 
kleine  Spitzbogeufenster  angeordnet  sind.  Von  der  Sacri- 
stei führt  ein  Pracht  -  Portal  mit  reliefirtem  Thürsturz, 
welches  in  dem  Abschnitte  über  Bildhauerei  besprochen 
wird,  in  das  Querhaus,  dessen  Weite  mit  der  des  Älittel- 
schiffes  gleich  ist  und  welches  den  Ordensregeln  ge- 
mäss als  Priester-Chor  dient. 

Die  Gestaltung  des  Chor-Baues  lässt  schon  aus 
weiter  Ferne  eine  Cistercienser- Anlage  erkennen,  viel- 
leicht die  originellste,  welche  irgend  getroffen  wird. 
Zur  Rechten  und  Linken  des  aus  dem  Achteck  geschlos- 
senen hohen  Chores  sind  je  zwei  gleich  grosse  Capellen 
augebracht,  von  denen  die  beiden  am  Presbyterium 
anliegenden  geraden  Abschluss  zeigen,  während  die 
■zwei  äussersten  mit  kleinen  aus  dem  gleichseitigen 
Dreieck  gezogenen  Altarliäusern  versehen  sind.  Rechnet 
mau  hinzu,  dass  auch  die  Sacristei  einen  besonders 
vorgelegten  Chorschluss  besitzt  und  der  Capitel-Saal 
mit  seiner  Fenster-Rosette  stark  ins  Auge  fällt,  ergibt 
sich  ein  ungemein  l)elebtes  und  etfectvolles  Bild,  dessen 
Reichthum  durch  die  Landschaft  bedeutend  gehoben 
wird. 


Alle  Einzeiiieiten  des  Chores  .zeiclinen  sich  durch 
hohe  schlanke  Verhältnisse  aus;  die  Höhe  der  Strebe- 
pfeiler beträgt  76  Fuss,  die  zweifeldrigen  Fenster  sind 
im  Lichten  44  Fuss  hoch  und  4'  o  Fuss  weit,  das  in  den 
Dachraum  führende  Treppeutliürmchen  hält  bei  einem 
Gesannntdurcliraesser  von  8  Fuss  eine  Höhe  von  10s 
Fuss  ein  und  ist  bis  zur  Sjjitze  aus  Quadern  construirt. 
Gewäln-t  die  östiiclu'  Kirchenansidit  den  Ausdruck  jener 
strengen  Früh-Gutliik,  als  deren  hervorr;igendcs  Beispiel 
die  St.  Elisabeth-Kirche  in  Marburg  genannt  wird,  ver- 
flachen sich  die  Formen  westlich  vom  Querhause  immer 
mehr  und  nehmen  den  Charakter  des  Verfall-Styles  an. 
Namentlich  ist  es  die  westliche  Fronte,  welche  trotz 
ihres  reichen  sechsfeidrigen  Fensters  und  darunter 
befindlichen  Portales  einen  höchst  nüchternen  Anblick 
bietet. 

Das  Langhaus  wird  durch  10  achteckige  Pfeiler, 
5  auf  jeder  Seite,  eingetheilt:  Das  MittelschitT  ist  von 
einer  Picilerachse  zur  gegenüberstehenden  27  Fuss  weit, 
die  Weite  eines  jeden  Seitenschiffes  beträgt  von  der 
Achse  bis  an  die  Umfassungsmauer  lö\/\.  Fuss.  Die 
zwei  vordersten  an  der  Vierung  stehenden  Pfeiler  sind 
bedeutend  verstärkt  und  in  gerader  Stellung  gesetzt, 
wälu-end  die  übrigen  Pfeiler  des  Sehiflfes  üljereck  stehen. 
Dass  die  Pfeiler  in  der  Höhe  von  2S  Fuss  ohne  alle 
Motivirung  absetzen ,  enger  werden  und  aus  dem  Acht- 
eck in  die  Kreuzfonn  übergehen ,  ist  als  spätgothische 
Abenteuerlichkeit  zu  bezeichnen.  Die  Länge  des  Kir- 
cheuhauses  vom  Querschift"  bis  an  die  Westwand  beträgt 
im  Lichten  112  Fuss,  die  Länge  des  Chores  sammt  Quer- 
haus 56  Fuss. 

Ilohenfurt  ist  ein  Tochterkloster  des  1 146  gestif- 
teten Cistercienser-Klosters  Wilheringbei  Linz,  von  wo 
aus  12  Ordensbrüder  im  Jahre  1259  nach  Böinnen 
herüberwanderten,  um  die  Stiftung  Vok's  zu  über- 
nehmen. Es  schien  daher  von  Wichtigkeit,  die  in  Wil- 
hering  zur  Geltung  gelaugten  Bauformen  mit  denen 
von  Hohenfurt  zu  vergleichen.  Der  Verfasser,  welcher 
Wilhering  vor  mehr  als  4<l  Jahren  gesehen  hat,  fand 
damals  noch  viele  Bruchstücke  des  alten  Kreuzgangs 
und    l)esuchte   der  Vergleichung  wegen    kürzlich   von 


i'ig.  70.  (Biidweis. 


—      104 


^<>'H/:/.,.. 


l'ij;'.  1  1.      (  liiidwci.s.) 


Fig.  74.     (Builwcis.^ 


Fiff.  7(!.   (Biulweis.) 


Fi«.  75.     (Hndwcis.) 


iloliciifiirt  uns  (Ins  Mutterstift,  fund  aber  dort  alle  B;iu- 
liclikeitoii  unigewüiulclt  und  iiiodcniiKiH.  Kiu  an  der 
AVcstseitc  der  WillH-riiij^cr  iK'linilliilies  nniiniiis(dics 
l'ortiil  \^t  hcdciitciid  rostanrirt  wdrdfn  und  {;ilit  eben  so 
wenif;  Aufschlüsse,  id.s  eine  pitliisclie  CaiicHe  von  viel 
jnnf,'ercni  Datum.  In  IJöliincn  steht  Hohcnfurt  als  einziges 
"P.eispiel  dieser  lüclitunj;-,  hinsichtlifh  der  liliislnitioncn 
verweisen  wir  sml  Üinid  \l  der  .Mittheilin:,i;en. 

Literatur.  linlnidurt  besitzt  ein  rd)erans  reielics 
Archiv,  welches  nicht  allein  lilier  die  Orllndnng  und 
Scidcksale  des  Klosters  und  die  Geschichte  des  Hauses 
Iloscnbcrg  die  genauesten  Aufschlüsse  gibt,  sitndern 
auch  für  idlgenieine  Cidtur-Oescliichledes  Mittelalters 
hoho  Bedeutung  hat.  Die  (lestdnchte  des  Stiftes  ijdhen- 
furt  ist  von  nieiircren  SchriftsteHiMii  behjuKb'll  und  in 
unaiih.ängigen  Werken  verötleniliciit  wniibn.  Dr.  M. 
M  illauer,  ilohenfiirtei-Ordcnsiniester,  g;il)  ein  tretflicli 
verlasstes  Buch  ..l»(  r  1  rsprung  des  Cistercienscr-Stiftes 


llohenfnrt"  Prag  1814,  heraus,  (bnin  mehrere  Abhand- 
lungen über  die  Herren  von  IJosenlierg. —  Ferner  siml 
y.unennen:  Dr. F.  J.  I'roseh ko:  Das  Cistereienser-Stitt 
lldlienfurt  in  Böhmen,  Jiinz  bei  H.  Kiiricli,  IHf)!). — 
M  ikove  c:  Gesch.  von  llohenfnrt ,  mit  Abbildungen, 
Prag. —  Mittheilungen  der  k.  k.  Ccntr.  Comni.  der  Ban- 
(lenkmnle,  \I.B(l.J;ihrg.  l.S(il.B.(Trueber:  Das  Kloster 
Ibdienliirl  in  lüUnnen.  —  Sehr  lii'uidige  N;iehrichleii 
liieten  zwei  in  den  Mittheilungen  des  Deulsclnm  Ge- 
seliielitvereins  für  Böinnen  enthaltene  Abhandlungen 
von  Dr.  M.  Pange  rl,  betitelt :  Vok  von  Rosenberg,  IX. 
Jahrg.  I.,  dann:  Zawis  von  l'^alUeiistein,  X.  .laiirg. 
i\'.  —  Eine  ziemlich  w  eilläiilige  alier  nicht  ganz  zuver- 
lässige und  sehr  gefärbte  Abhandlung  über  die  Bosen- 
liei'ge  und  lldlienfurt  lindet  sich  in  dem  Werke:  Der 
BiilMnerwahl,  von.I.  Wenzig  und  .1.  Krejei-,  Prag  1860. 
—  I''i'au  Karoline  Pich  1(M'  eiiillicii  hat  die  Gründung  des 


SliKcs  in  (dner  Ballade  iiefeierl.  i 


rat 


l-si.'2. 


•  _i=ä-  , 


"^ 


10b   — 


fe^^lV:^-:Jil'^^j.^J^^L 


Fiff.  77.  iH<>lioiifui-t1 


Die 


gothisclie  Kirche  in  Terlaii  und  ihre  Wandsreniälde. 

Von  Karl  Atz. 


Zwei  Stundpii  oberhalb  Bozen,  an  der  Strasse  nach 
Meraii,  liegt  das  DorlTerlan,  das  wegen  seines  edlen 
Weines  und  des  si-liief  stehenden  Glockenthurmes  ziem- 
lich bekannt  ist.  In  neuester  Zeit  zieht  aiieli  die  Kirche 
dieses  Ortes  immer  mehr  die  Aufmerksamkeit  auf  sich, 
da  sie  ein  ansehnliches  Gebäude  ist  und  ihr  ganzes  In- 
nere mit  werthvollcn  alten  AVandgemälden  geschmückt 
war ,  die  nun  grösstenthcils  von  der  Uebertiinchung  be- 
freit und  einzelne  rcstaurirt  sind. 

Diese  Kirche  Fig.  1  ist  ganz  aus  gelblichen  und  ein- 
zelnen röthlichen  Sandsteinquadern  gebaut  und  zeigt  gute 
Verhältnisse.  Die  ursprüngliche  Schönheit  dieses  Baues  ist 
leider  unrettbar  zerstört,  da  der  Boden  aussen  und  innen 
in  Folge  des  sich  immer  mehr  erhöhenden  Bettes  der 
nahe  vorbeifliessenden  Etsch  um  wenigstens  6  Fuss  auf- 
gefüllt werden  musste.  In  Folge  dessen  sind  aussen  und 
innen  alle  Sockel  verschwunden;  das  zierlich  gearbei- 
tete Kaifgesims  erscheint  deshalb  aussen  nur  mehr 
5  Fuss  über  dem  Boden.  Wir  Hessen  au  einer  Stelle  so 
tief  graben,  als  die  Hausteine  reichten  und  fanden  ein 
ganz  regelmässiges  Höhenverhältniss.  Die  kräftig  vor- 
springenden Strebepfeiler  verjüngen  sich  durch  drei- 
fache Schrägen  und  sehliessen  in  einem  zierlichen  Gie- 
bel ab .    der  noch    an    ein    paar    Stellen    eine   schöne 

fast  früh-gothisclier  Con- 
Die  zwei  äussersten  Streben  auf  der 
Südseite  gegen  Westen  sind  in  ihrer  oberen  Hälfte  zu 
Nischen  ausgearbeitet,  die  von  zierlichen  Baldachinen 
überragt  werden.  Die  Statuen  fehlen,  stellten  aber 
ohne  Zweifel  den  englischen  Gruss  vor. 

Bei  Erhöhung  de.'^  Fussbodens  hat  man  auch  neue 
Portale  im  modernen  Style  gebaut  und  von  den  2  alten 
nur  Einzelntheile  stehen  lassen ;  so  sieht  man  noch  vom 
reich  angelegten  Haupteingange  an  der  Westseite  Bal- 

xvin 


(Mit    5    IIolEschnitten.) 

dachine  der  Nebenfiguren  und  die  2  Hauptfiguren.  Ma- 
ria wird  von  Christus  gekrönt,  ^'om  Nebeneingaug  auf 
der  Südseite  des  Chores  finden  sich  ebenfalls  2  schlanke 
Baldachine  vor.  Der  eigentliche  Thürstock  ist  ohne 
Zweifel  der  heute  am  Eingange  der  Sacristei  von  aussen 


Kreuzblume  von   kräftiger 
struction  trägt. 


l"i?    1 


Terlaii 


U 


10() 


1 


Fij;.  ■>.. 

I)etiudliche  ;  er  zeigt  ein  kräftiges  Profil  aus  Birustäben. 
Das  Jlasswerk  wurde  aus  allen  Fenstern  herausge- 
soblagen ;  die  noch  entdcfkten  Spuren  davon  deuteten 
auf  siiiitere  gotiiisclie  Formen,  womit  die  Fiscldjlasen 
an  der  vermauerten  Rose  auf  der  Westseite  des  Neben- 
scbitfes  übereinstimmen.  Die  scliön  protilirten  Gewände 
sind  beinahe  an  allen  Fenstern  erhalten  (Fig.  2).  Unter 
dem  Dache  läuft  ein  schmales  Gesimse  herum,  und  das 
SL-Iir  steil  angelegte  Dach  ist  mit  Plattziegeln  (^Taljletten) 
gedeckt,  deren  ursprüngliches  Ivauten-Ornament  aus  Gelb 
.Schwarz,  Grün  und  Weiss  bis  auf  heute  eingehalten 
worden  ist.  Sehen  wir  uns  das  Äussere  im  Ganzen  noch 
einmal  an,  so  bemerken  wir  auf  der  Nordseite  ein  mit 
dem  übrigen  P.au  zugleich  aufgeführtes  Nelienschitt"  mit 
eigenem  Pultdaclie  ,  was  besonders  der  Westseite  ein 
glossartiges  Aussehen  verleiiit. 

Wie  das  Äussere,  hat  selbstverständlich  auch  das 
Innere  dieser  Kirche  durch  die  bedeutende  Erhöhung 
des  Fiissbodens  sehr  \iel  eingebüsst,  da  nun  keine 
schönen  Höhenverhältnisse  mehr  sichtitar  sind;  zudem 
baute  man  noch  eine  schwere  Orgelcmiiore  modernen 
Sfyls  in  die  Westseite  und  beraubte  den  Triumphbogen 
seiner  Proiiiirung.  Aus  dem  Grundrisse  (Fig.  V]  ei-gibt 
sich,  dass  man  auf  der  Westseite  des  bereits  vorhan- 
denen romanischen  Tlnirnis,  der  sich  über  der  Apsis  der 
ersten  Kirche  erhob,  das  heutige  Nebenschid'  an  der 
Stelle  des  alten  Hauptschiffes  baute  und  dieses  an  der 
Südseite  mit  i)edeutend  grösserem  T  iiifange  im  gothi- 
s(dien  Style  aulVührte.  Auffallend  ist  auch  an  der  Kirche 
von  Terian,  dass  das  Chor  sehr  lang  angelegt  und 
oinie  Verengung  im  \'erhältniss  zum  Sclnffe  aufgeführt 
wurde. 

Die  übrigens  im  Lande  Tyrol  nicht  seltene  Erscliei- 
niiiig  der  bedeutenden  Neigung  des  Chores  gegen  Norden 
hatte  in  dessen  Anlage  mancherlei  Ungleichiieiten  an 
den  AVandfeldern  (Traversen)  und  Verschiebungen  der 
Itiplicn  mit  ihren  I)iensten  zur  Folge.  Mit  dem  llaui)t- 
schitfe  steht  das  Nel)enscliif1'  durch  kräftig  gegliederte 
Arcadenbogen  in  Verbindung.  Wie  im  Ganzj:i  dieser 
]}au  dem  Alterthunisforscher  nicht  uninteressant  ist, 
gilt  dasselbe  auch  von  mehreren  Einzeitlieilen.  Die 
Hippen  der  vorherrschend  schönen  Kreuzgewölbe  zeigen 
ein  kräftiges  l'rntil  in  der  Form  des  iürnstaiies  (l'^ig.  H), 
der  sich  in  den  zugleich  ()ft  reich  gegliederten  Dien- 
sten fortsetzt  (Fig.  4j.  Überall  treffen  wir  Capiiäle;  im 
Chore  ruhen  die  Dienste  auf  Consolen,  die  abwech- 
selnd Tliier-  oderJrenscIien-Figuren  zeigen.  Auch  an  nieh- 
i'ercii  r'apitjilen  kchri'n  äliidiclie  IJildun^cn  wieder,  an 
einem  begcgn(Mi   wir  auch   einem  schönen   iMcheidaub. 

Interessant  sind  endlich  noch  die  beiden  (Jlocken- 
tiiiirme.  Der  kleinere,  aber  bedeutend  ältere  auf  der 
Xordseite  des  Chores  an  der  Ostwand  des  Nebenschiffes, 
ein  L'l)errest  der  ersten  Kirche  an  dieser  Stelle,  besteht 
aus  kleinen,  nur  roh  l)fhiuiencn  ibuchstcinen,  die   nie- 


drige aber  durchaus  parallel  laufende  Fugen  bilden.  An 
einer  der  3  Reihen  rundbogiger  und  säulchengetheilter 
Schallfenster  bemerkt  man  bereits  den  stumpfen  Spitz- 
bogen. Die  Cai)itäle  der  Säulchen  zeigen  mitunter  einen 
Übergang  von  der  Würfel- zur  Kelchform.Den  Abschluss 
bildet  eine  stumpfe  vierseitige  Pyramide  aus  Plattzie- 
geln, die  abwechselnd  wagrecht  laufende  grüne  und  weisse 
Bänder  bilden.  In  diesem  Thurme  hängen  nur  ?t  klei- 
nere Glocken,  die  3  grösseren  haben  in  dem  ande- 
ren freistehenden  ihren  Platz.  Er  bildet  ein  mäch- 
tiges Quadrat,  dessen  Seite  25  Fuss  nusst;  auch  seine 
Höhe  ist  nicht  unbeträchtlich.  Es  zeigt  sich  hier  deutlich 
die  Absicht  eines  selbständigen  Baues ,  sowohl  durch 
das  äusserst  spröde  ;\Iaterial  von  grossen  Poriihyr(iua- 
dcrn  als  durch  seine  ^laassc  in  Verhältniss  zur  Kirche. 
Er  steht  übrigends  bedeutend  schief,  so  dass  ängstliche 
Leute  schon  längst  seinen  Einsturz  befürchteten;  aut 
der  Südseite  beträgt  die  Neigung  etwas  mehr  als  7  ,  auf 
der  Westseite  mehr  als  H  Fuss.  Figur  5  zeigt,  wie  die 
Mauern  in  seinen  vJerStockwcrken  verschieden  angelegt 
sind,  so  dass  man  fast  gewiss  annehmen  kann,  er  sei 
absichtlich  so  schief  aufgeführt  worden.  Wenn  er  von 
selbst  in  diese  schiefe  Stellung  gerathen  wäre,  so  hätten 
sich  ohne  Zweifel  auch  Sjirünge  in  der  Mauer  gebildet, 
aber  davon  findet  man  keine  Spur.  Der  Helm  ist  von 
Holz  und  so  können  die  oberen  Stock^yerke  bei  dem 
niassiA'en  Unterbau  nicht  so  leicht  das  Übergewicht  er- 
langen. In  einer  Urkunde  vom  Jahre  17G3  bemerkt  ein 
C(unmissär  der  Kaiserin  Maria  Theresia,  der  wegen  der 
Etschül)erschwennnung  in  diese  Gegend  gekommen  war, 
dass  der  Tliurm  des  Dorfes  Terian  sehr  schief  stehe 
und  umzustürzen  drohe.  Seitdem  hat  sich  aber  der  Bo- 
den bedeutend  erhöht,  er  ragt  also  nicht  mehr  so  schlank 
in  die  Höhe  wie  damals  und  es  liat  somit  auch  d.as  In- 
teressante seiner  Neigung  etwas  eingebüsst. 

Eine  nicht  geringere  Merkwürdigkeit  von  Terian 
bilden  die  vielen  Gemälde,  womit  beinahe  alle  Wand- 
fläehen  der  Kirche  von  unten  iiis  oben  einst  geschmückt 
waren.  Es  darf  uns  aber  dieser  praclit\(illc  Wand- 
sehmiick  nicht  Wunder  lu'hmen,  da  im  XV.  und  in  der 
1.  Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts  beinalie  jede  Kirche  in 
Süd-Tyrol  ganz  oder  theihveise  mit  Wandgemälden  ge- 
schmückt wurdi',  wie  uns  die  Jüngst  angestellten  Nach- 
forschuugcn  augenscheinlich  überzeugten  und  in  unserer 
\'ereinsschrift  „  Kunstfreund-'  Nr.  fi  näher  dargethan  ist. 
Wie  die  meisten  dieser  herrlichen  Pinselleistungen  wur- 
(U'ii  auch  die  Wandgemälde  in  der  Kirche  von  Terian 
im  vorigen  Jahrhundert  übertüncht.  Bei  der  nun  feuch- 
ten Lage  dic-ser  Kirche  sind  \ii'li',  besonders  die  unte- 
ren Stclk'n,  vom  sogenannten  Mauerfrasse  ergrilTen  und 
es  ist  daher  die  l'loslegung  eine  sehr  schwierige  und 
heikle  Arbeit,  um  eben  die  stets  zähe  Tünche  wegzu- 
nehmen und  zugleich  möglichst  zu  schonen.  In  der  Re- 
gel genügt  zwar  i-in  sanftes  wiederlniltes  Anklo])fen 
mit  einem  ll;unnu'r,  aber  viele  Stellen  konnten  nur  fast 
linii'idii-eil  vermittelst  eines  scharfschneidenden  Iläm- 
nuM'chens  mit  aller  \'(n'siclrt  behandelt  werden.  .\ber 
jede  .Vnstrengung  war  der  grossen  ]\Iülie  wi.'rth,  denn 
es  k:nn  stets  ein  ülierascliendei'  Wandschmuck  zum  \'(ir- 
scliciii.  Der  Inhalt  bezieht  sich  beinahe  ausschliesslich 
auf  die  (iottesnnitter  als  Schutzheilige  der  KiriOie;  die 
Darstellinigen  scheinen  aber  nicht  einem  durchdachten 
Plane  entsprungen  zu  st'in,  sondern  kamen  nach  und 
nacJ!,  jedoch  die  meisten  bald   nach  einander,   als  eine 


—     107     — 


Art  Votiv-liildcr  zu  Stande,  dalier  es  koiiinit,  dnss 
einzelne  Vorstt'lluiii;('ii  wie,  z.  1».  der  cng'lisclie  (iriiss 
und  die  Gelnirtriu'isti,  ddpiielt  erscheinen,  wenn  i^leich 
etwas  verschieden  darf;estellt.  In  jedem  Wandt'ehlc  lin- 
den sieli  vier  Reihen  ßilder  übereinander,  am  Gewölbe, 
wenigstens  in  den  Feldern  des  Chores,  waren  keine 
bildliche  Darstelhingt'n  nieiir  zu  linden,  sondern  es  lief 
nur  längs  den  abwechselnd  blau  und  roth  und  Gold  bemal- 
ten Kippen  ein  Lilien-Grnament.  Die  unterste  Uildreihe, 
jetzt  bis  hart  auf  den  Fussboden  reichend,  stellte  ohne 
Zweifel  Altväter  und  Proplieten  aus  dem  alten  I>unde 
vor ,  inwiefern  Sie  in  näherem  Zusannnenhange  zu 
Maria  stehen. 

Trotz  aller  Versuche  war  eine  ßloslegung  dieser 
Bilder  wegen  dos  faulen  Mörtelwurfes  nicht  mehr  mög- 
lich, l'ei  Aufzählung  der  bisher  aufgefundenen  Bilder 
beginnen  wir  mit  jenen  in  den  5  östlielien  Fehlern  des 
Chores,  da  bilden  die  2.  Keihe  die  14  Nothhelfer,  in  der 
Grösse  von  41/3  Fuss,  unter  baldachinartigen  Weinber- 
gen; (Evangelienseite)  Christojih,  Acliatius,  Vilus,  Eras- 
mus,  Eustachius,  Jlagnus,  (Diakon)  Pantaleon,  iMagnus, 
(Abt)  Cyriacus,  Barl)ara,  Katharina,  JMargarct,  lilasius 
und  Georg.  Eine  seltene  Erscheinung  ist  hier  das  Vor- 
konnnen  von  zwei  Magnus,  besonder.s  des  Diakons,  der 
zu  Tyrol  nicht  einmal  in  Beziehung  stand,  wie  der  (Jlau- 
bensverkünder  Magnus  Abt  aus  dem  nahen  Füssen.  Die 
3.  Bildreihe  wird  durch  die  1'2  Apostel  nebst  Paulus, 
gebildet,  alle  unter  reichen  Baldachinen;  9  Figuren 
messen  6  Fuss  Höhe,  4  sind  nur  als  Brustbilder  behan- 
delt, weil  darunter  j)arallel  mit  den  14  Nothhelfcrn  die 
7  Fuss  hohe  Darstellung  der  Begräbniss  Jlariens 
angebracht  ist.  Diese  konunt  unseres  ^\'issens  sehr  sel- 
ten vor  unter  den  ndttelalterliciien  Gemälden;  hier  ist 
sie  ganz  genau  nach  der  Legende,  wie'  sie  die  heilige 
IWgitta  in  P.  Cohem's  bekannten  Werke  erzählt,  darge- 
stellt. An  der  .Spitze  des  Leichenzuges  erscheint  der 
Apostel  Johannes  mit  dem  Palnizweige,  dann  ein  anderer 
Apostel  mit  einem  Vortragkreuze,  und  die  übrigen  Apos- 
tel als  Träger  der  Todtenbahre  oder  als  Begleiter  der- 
selben. Im  Vordergrunde  sieht  man  einen  hohen  Priester 
nnt  wie  gelähmten  herabhängenden  Händen,  zur  Strafe, 
weil  er  den  Sarg  der  Jlutter  seines  Erzfeindes  umstür- 
zen wollte.  Ln  Hintergrunde  schauen  ein  paar  Spiesse 
empor  und  deuten  die  zu  gleichem  Zwecke  herbeigelau- 
teue  wilde  Kotte  an.  Darüber  schweben  zwei  Engel  nut 
Rauchgefässen'.  Die  obeiste  und  4.  Bildreihe  besteht 
aus  folgenden  Darstellungen :  im  Jlittelfelde  oberhalb 
des  Ostfensters:  Christus  als  Ecee  homo  und  in  einem 
quadratischen  Gelasse  stehend,  neben  ihm  Leidenswerk- 
zeuge, worunter  auch  der  Halm  nicht  fehlt.  Es  ist  hier 
die  Kelter  dargestellt,  nach  dem  Schrifttexte:  Torcular 
calcavi  solus  Christus.  Etwas  tiefer  stehen  rechts  und 
links  Maria  und  Johannes  in  fürbittender  Stellung.  Im 
nächsten  Felde  (Evangelien-Seite)  ist  Christus  im  Tempel 
dargestellt,  auf  einem  Throne  sitzend  und  zu  den  gerade 
eintretenden  Eltern  ]\raria  und  Joseph  sich  wendend,  wäh- 
rend rechts  vor  dem  Throne  mehrere  Juden  in  Kinder- 
gestalt in  Sehriftrcdlen  lesen  und  einander  fragen;  Christus 
erscheint  also  hier  als  Lehrer  und  nicht  so  fest  lernend 
unter  den  Lehrern.  Auf  dem  nächsten  Felde  begegnen 
wir  den  heiligen  :>  Königen;  auf  der  Südseite  ziert  das 
erste  Feld  der  englische  Gruss,  oben  nnt  Gott  Vater, 
von  dem  die  Seele  Christi  in  Kindesgestalt  mit  dem 
Kreuze  zu  Maria  herabschwebt.  Endlich  im  ö.  Felde  ist 


der  Besuch  Afariens  bei  Elisabet  dargestellt.  Der  Hinter- 
grund \on  alh'n  diesen  llil(b'rn  ist  l)iaM.  die  lleiMgen- 
scheine  graphirt  und  vergcddet;  auch  die  Obergewänder 
einzelner  Figuren  sind  ndt  Goldlinien  umsäumt.  Die 
Bänder,  welche  ringsum  jede  Darstellung  einlassen, 
sind  weiss,  gelb  mit  blauen  und  rotlien  kleinen  Mer- 
pässen,  das  (iewölbe  hat  einen  gelbgrauen  Ton,  die 
Kil)pcnträgcr  sind  wie  die  Rippen  blau  und  roth  und 
deren  Vorderiilättchen  ist  vergoldet;  ähnliehe  Farben 
mit  Vergoldung  kehren  an  den  Capitälen  wie  an 
den  Consolen  wieder.  Das  Ganze  macht  einen  über- 
raschend grossartigen  Eindruck  und  lindet  daher  eine 
allgemeine  Anerkennung, 

Die  genannten  5  Chorfelder  sind  nun  vollknnnnen 
restaurirt  durch  den  jungen  Maler  Heinrieh  K 1  u  i  b  e  n- 
schedl  aus  Obcr-lnnthal.  Nach  Zuratheziehen  niehrer 
tücidiger  Maler  ging  man  bei  der  Restauration  auf  nacliste- 
hende  Weise  vor;  noch  haben  wiraberzubcnu'rken,  lUiss 
diese  Gemälde  auf  eine  Artal  freseo  hergestellt  wurden, 
ob  aber  ganz  gleich  wie  man  heute  bei  dieser  Mal- 
weise zu  Werke  geht,  ist  nicht  so  leicht  zu  verndtteln. 
Xachdcm  eine  Partie  nnt  reinem  Wasser  wiederhohlt 
abgewaschen  war,  wurden  Zeichninigen  und  Colorit  genau 
gei)rüft,  um  so  auch  sell)st  an  weniger  deutlichen  und  arg 
verletzten  Stellen  im  alten  Charakter  ergänzen  zu  können 
und  dann  nnt  (»1-Tempcra,  die  ganz  schwachen  Stellen 
leicht,  die  übrigen  ganz  zu  ül)ernialen,  gut  eriialtene 
Partien  wurden,  versteht  sich,  nur  gereinigt  und  gelassen 
wie  sie  zum  Vorschein  gekommen  sind.  Wir  glauben 
dieses  Vorgehen  allgemein  bei  solchen  Restaurationen 
alter  Fresken  empfehlen  zu  können. 

An  den  nocli  übrigen  4  Chorfeldern  wurden  an 
einem  zwei  grosse  Bilder :  Maria  Krönung  durch  ( 'iiristum 
mit  einem  grossartigen  Baldaciunbau  darülierund  Christi- 
Geburt  und  gegeiüiber  der  Tod  IMariens  blossgelegt. 
Die  über  leztcre  gelegene  Darstellung  so  wie  die  Bilder 
der  zwei  dem  Triumphbogen  zunächst  liegenden  Tra- 
veensind,  letztere  besonders  wegen  der  vorstehenden 
Altäre,  noch  verdeckt.  —  Auf  der  Südseite  des  Schilfes 
fanden  wir  auf  2  Feldern  folgende  interessante  Bilder  : 
Joachim  in  der  AVüste  schlafend  und  neben  ihm  ein 
Engel ,  der  ihm  die  Erhörung  seines  Gebetes  um  eine 
Kachkonnnenschaft  berichtet;  darüber  Joachim's  Opfer 
und  Danksagung;   darunter    auf  der    einen  Seite   des 


■ 


•l'i-rl;  n. 


—     108 


hinter  ihm  ein  Heiliger  (^Namenspatron)  und  der  engli- 
sche Gruss  in  sehr  einfacher  Darstellung.  Auf  dem  fol- 
gen<len  letzten  Wandfeld,  unten  der  bethleniitischc 
Kiuderniord    (\n     einem  Hofrauine    wie 


die  Legende 


Fig.  ").    i'l'oi-liin.; 

Fensters  desselben  Begegnung  mit  Anna  vor  dem  Tem- 
pel, auf  der  anderen  Seite  Mariens  Geburt;  die  unterste 
Ifeiiie  bilden  Mariens  Vermählung  mit  vielen  Figuren 
und  gegenüber  so  viel  noch  wegen  des  in  neuerer  Zeit 
aiisgebrocIiiiiiMi  l'ingangs  ersiciiflich    i>;t:    ein  Donator, 


erzälilt,  vor  sich  gehend,  darliber  die  Beschreibung  und 
den  Abschluss  im  Gibel  dieses  Feldes  wie  die  heilige 
Jungfrau  ihr  neugebornes  Kind  anbetet,  zu  oberst 
mehrere  Engel  mit  reich  geschlungenen  Spruchbändern. 
Auf  dem  Wandfelde  über  dem  einen  Arcadenbogen,  der 
in  das  Nebensi-hift' führt,  erscheint  Jlaria  ihren  Schutz- 
mautel  über  mehrere  Personen  ausbreitend,  rechts  und 
links  die  Donatoren ,  darunter  die  Jahreszahl  1570. 
Schon  die  schlechtere  Technik  und  der  ganze  Character 
dieses  Bildes  zeigt  dessen  spätere  Entstehungszeit  an, 
es  ist  nicht  mehr  al  fresco,  sondern  nur  auf  die  trockene 
Wand  gemalt  und  so  sind  die  Farben  flüchtigaufgetra- 
gen, dass  sie  leicht  abfärben. 

Neben  dem  Bilde  Mariens  Vermählung  steht  die 
interessante  Inschrift:  ,hane  picturam  fecittieri Sigmund 
de  Niderthor  et  uxor  sua  margareta  de  vilanders  et  pro 
omnib'  eu'  eredib'  . . .  factum  est  hoc  opus  hodie  sancti 
. .  .anno  dnni  m  CC'CCVII  hanc  picturam  fecit.  .stockin- 
ger  pictorde  volano.  Obgleich  nicht  alle  Worte  zu  lesen 
sind,  so  lernen  wir  daraus  doch  den  Donator,  die  Ent- 
stehungszeit dieses  und  ohne  Zweifel  der  meisten  übri- 
gen Gemälde  so  wie  die  Bauzeit  der  Kirche  und  den 
Malerkennen.  Beda  Weber  dürfte  daher  ganz  wahr  be- 
richten, wenn  er  in  seinem  „Tyrol"  angibt,  die  Kirche 
sei  in  den  Jahren  von  1380  bis  1400  erbaut  worden. 
Der  edle  gothisclie  Character  des  ganzen  Baues  stinnnt 
für  das  14.  Jahrhundert.  Die  Grabplatte  des  hier  be- 
grabenen Sigmund  Niedertlior  und  seiner  Gemahlin 
Margaretha  von  Villanders  zeigt  die  Jahreszahl  1411', 
also  gehören  gewiss  mehrere  Gemälde  den  ersten  Jahren 
des  15.  Jahrhunderts  an,  indem  jene  des  Chores  den- 
selben Charakter  zeigen.  Was  den  Geburtsort  des  Malers 
anbelangt, so  kann  man  unter  volano  ohne  Zweifel  <las 
VöUan  bei  Mcran  verstehen  und  nicht  das  volano  bei 
Kovere<lo,  obgleich  diese  Gegend  damals  fast  ganz 
deutscli  war.  Auch  auf  dem  grossen  Thurm  haben  die 
Niederthor  ihr  AVappen,  zwei  aufgeschlagene  Thorllügel, 
angebracht  und  kehrt  in  der  Miciiaels-Capelle  auf  dem 
Friedhofe  wieder.  Daselbst  erhielten  sich  auch  noch  ein 
paar  Gemälde,  welche  wir  blosslegtcu.  Sie  steilen  den 
Streit  des  Scimtzengels  mit  dem  'i'eui'el  um  eine  Leiche 
(Seele),  die  (Jottesunitter  und  den  heiligen  Michael  dar. 
Inschriften  von  alten  Glocken  und  Grabsteinen  hoffen 
wir  nachträglich  berichten   zu  köuncii. 


AiTliäolojrischc  Reise-iNolizcii. 

Von  rir.  Karl  Lind. 

(Mil  '-'3   nolz^^hnllleIl.) 


Die  nachfolgenden  Zeilen  haben  die  Bestimnumg 
die  von  mir  gelegentlich  einer  Heise  durch  Kärnten  und 
Tyrol  gesammelten  archäologischen  Notizen  zur  Veröffent- 
lichung,' zu  bringen  und  die  Kitidrücke  ,  welche  gar 
iiiaiirhcs  (]vr  hcrrliclicu  I)('idcnialc  frliiierer  .laiirhuii- 
derte,  die  ich  in  den  verschiedenen  Orten  traf,  auf  mich 
machten,  in  ^^'(lrt(•  zu  kleiden.  Wenn  auch  dabei  wohl  so 


he 


Gegenstand  berührt  wird  ,  der  in  den  Mitthei- 
Iniigcn  seine,  jedenfalls  grlindiicliere  Würdigung  gefun- 
den hat,  so  soll  doch  durch  diese  Zeilen  versucht 
werden,  manches  Krgänzende  oder  mehr  Ubersichf- 
liclies  zu  liefern.  Aussenlein  werden  auch  noch  <  »rtlicli- 
keiten  eine  Würdigung  finden,  deren  in  dieser  Zeit- 
scinift  bisher  nicht  gedacht  wurde. 


—      lOi)     — 


].   Kärnten. 

Wer  auf  dem  Scliienenwege  der  Kronprinz -Ru- 
dolphsbalin,  naclideni  man  das  hcrrlielie  obere  Murtlial 
durcheilt  und  y.iir  Wasscrsclieide,  fast  gegenüber  der 
noch  trotzig'  ins  Thal  hinabl)liekenden  Frauenburg,  des 
Liechtenstein'schen  Ahnenschlosses,  angestiegen  ist  und 
Jenseits  der  Höhe,  die  freundliche  Steiermark  verlassend, 
Kärntens  Grunze  betritt,  erreicht  man  nach  kurzer  Zeit  als 
ersten  grösseren  Ort  das  ehrwtirdige. Städtchen  Frie- 
s  ach,  das,  einstens  mächtig  und  wichtig,  jetzt  mit  seinen, 
auf  im  Halbkreise  die  Stadt  umziehenden  Höhen  thronen- 
den Schloss-  und  Kirchenruinen  zu  ziemlicher  Bedeu- 
tungslosigkeit herabgesunken ,  nur  in  landschaftlicher 
und  archäologischer  IJeziehung  und  zwar  in  nicht  gerin- 
gem Masse  von  Wichtigkeit  ist.  Es  wird  wenige  Städte 
im  Kaiserstaate  geben,  an  denen  glücklicherweise  der 
mittelalterliche  Charakter  so  haften  blieb,  als  gerade 
an  dieser. 

Einstens  wohl  befestigt,  hat  sie  sich  noch  theil- 
weise  den  crenelirten  Ringmauergürtel ,  wenn  auch 
schon  mit  ausgiebigen  Unterbrechungen,  den  gefüllten 
Wassergraben,  gewaltige  Mauer-  und  Thorthurm-Reste 
bewahrt.  Wehmüthigen  Blickes  starren  uns  diese  für 
die  heutigen  Tage  nicht  mehr  verwendbaren  Verthei- 
digungswerke  imBewusstsein  ihrer  ehemaligen,  als  näm- 
lich die  Stadt  wiederholt  harte  Belagerungen  aushalten 
musste,  guten  Dienste  und  ihrer  jetzigen  Zwecklosig- 
keit  und  Unbranchbarkeit,  wie  auch  Im  Gefühle  ihres  un- 
aufhaltsam fortschreitenden  ^'erfalles,  an. 

Gleichwie  durch  seine  Lage  und  Fortitication  ein- 
stens von  politischer  Bedeutung  und  durch  seine  Münz- 
stätte von  national-ökonomischerWichtigkeit(  wenn  dieser 
Ausdruck  erlaubt),  hatte  das  Städtchen,  das  schon  in  mit- 
ten des  XL  Jahrhunderts  dem  Salzburger  Metropoliten 
zugefallen  war,  durch  die  vielen  kirchlichen  Gebäude 
und  Anstalten,  die  es  innerhalb  seiner  Mauern  barg  und 
auf  den  dazu  gehörigen  Höhen  besass,  nicht  geringe 
kirchliehe  Bedeutung.  Drei  Propsteien  mit  entspre- 
chenden Collegiatcapiteln,  Frauen-  und  Männerklöster, 
Ordensritter  hatten  daselbst  ihren  Sitz.  Nun  ist  diese 
Herrlichkeit  verschwunden,  doch  sind  viele  fast  ver- 
ödete, mitunter  verfallene  und  priesterlose  Kirchen  da- 
von auf  unsere  Zeit  gekommen. 

Es  ist  nicht  unsere  Absicht,  eine  Besdireibung 
der  einzelnen  archäologischen  Merkwürdigkeiten  dieses 
Ortes  zu  geben;  dies  haben  bereits  andere  weit  gedie- 
genere Berichterstatter  gethan  '.  Wir  wollen  uns  daher 
bezüglich  Friesach's  auf  eine  kurze  Bes])rechung  von 
dessen  Denkmalen  beschränken  und  uns  dafür  auf  eine 
gedrängte  Wiedergabe  der  während  des  kurzen  Auf- 
enthalts daselbst  erhaltenen  Eindrücke  einlassen.  Aus 
diesem  Grunde  werden  wir  die  kleineren  Kirchen,  wie 
jene  des  deutschen  Ordens  und  die  zum  heil.  Blut,  über- 
gehen und  uns  gleich  den  beiden  grösseren  kirchlichen 
Bauwerken  zuwenden,  die,  wenn  auch  keineswegs  von 
hohem  Knustwerthe,  doch  immerhin  beachtenswerthe 
Denkmale  der  Kirchenbaukunst  sind. 

Die  dem  heil.  Bartholomäus  geweihte  Gollegiat- 
Stifts-  und  Pfarrkirche,  die  urkundlich  schon  im  J.  9:^5 


'  S.  Essen  wein,  Auf.<^atz  in  den  Mitth«  iluiigeo  der  k.  k,  Ceiitral-Coni- 
inission  VIII,  192,  und  S  p  ri  n  g  er- W  al  d  Jie  ini's  österreichische  Kunstdenk- 
ni;ile  der  Vorzeit,  weUhein  Werke  die  in  Fi^.  1  hii  3  ersclieinendcn  Alibil- 
duu^i-'U  einn.on)men  sind. 


vorkonmit,  und  wahrscheinlich  hinsichtlich  ihier  Ent- 
stehung die  älteste  Kirche  der  Stadt  ist,  steht  inmitten 
desMarktplatzes,  und  des  ehemaligenFriedhofs,nach  allen 
Seiten  frei.  Das  Geliäude  gehört  zwei  wesentlich  verschie- 
denen Bauzeiten  an.  Das  in  sehr  glückliciien  Veriiältnis- 
sen  ausgeführte  dreisciiiffige  Langhaus  ,  mit  der  l)oppc]- 
tiiunnanlagc  und  \'orhaile  an  der  Fayade  i.st  im  Irüli- 
roinanischen  Style  ausgeführt ,  hat  jedoch  im  Laufe  der 
Zeiten  arge  Umgestaltungen  erlitten,  so  z.  B.  die  gegen- 
wärtigen geschmacklosen  Fenster  und  Pjiigilnge,  ferner 
den  über  die  beidenniedrigcnScitenscIiitfcautgX'führten. 
störenden  Emporen-Einbau,  endlich  die  den  MittelschiH- 
pfeilern  in  wechselnden  Formen  vorgelegten  Verstär- 
kungen, um  die  Rippen  des  an  die  Stelle  der  ehema- 
ligen flachen  Decke  getretenen  Netzgewölbes  zu  tragen. 
(Fig.  1  gothische  Gurtenträger  unter  dem  Musik-Chor,  i 
Auch  die  Seitenschitfe  dürften  mit  Rücksicht  auf  die 
Mauermassen  und  Arcaden-Spannung  ursprünglich  flach 
gedeckt  gewesen  sein.  Die  Aussenseite  des  Langhau- 
ses, die  zwei  Reihen  geschmackloser  Fenster  verunzie- 
ren, hat,  wie  mit  Rücksicht  auf  die  Bauzeit  natürlicli, 
keine  Strebepfeiler.  Die  Tliurme,  die  den  Seitenschiflen 
vorgebaut  sind ,  haben  in  ihren  unteren  Theilen  noch 
romanische  Fenster.  Der  südliche  gleicht  übrigens  mehr 
einer  Ruine ,  der  nördliche  wird  durch  ein  plumpes 
( Jlockenhaus,  und  eine,  wo  möglich  noch  geschmacklosere 
Haube  entstellt.  Das  zwischen  den  Tiiürmen  belindliclie 
alte  Portal,  ein  derb  ausgeführtes  Werk,  hat  eine  in 
mehreren  kantigen  Absätzen  sich  verengende  Gliede- 
rung. Der  vou  dem,  noch  dem  romanischen  Theileangc- 
hörigcn  Triumphbogen  beginnende  langgestreckte  Chor, 
der  etwas  höher  ist  als  das  Langhaus,  doch  die  Breite 
von  dessen  Mittelschitf  einhält,  ist  ein  zierliches  früh- 
gothisches  Werk  aus  dem  Ende  des  XHL,  wahrschein- 
licher aus  dem  Beginn  des  Xl\.  Jahrhunderts.  Sechs 
der  dortigen  Fenster  haben  noch  ihre  ursprüngliche 
Form,  behalten  und  sind  durch  einen  Pfosten  in  zwei 


V\g.   1.      Fiicsüt'li. 


HO 


Fi}! 


fFricsach.; 


Tlicilo  j;ctlicilt  und  mit  scliiiiiciu  M.-isswcik  ficKC-liiiilickt. 
Kini^rc  dieser  Fenster  sind  mit  lierrliclicn,  in  den  priieli- 
tijrsten  Fiirljon  scliimmernden  Glasgcmiiiden  und  Mosai- 
ken ^'esclnnliekt,  an  denen  sieb  die  Jahreszalilen  löC);", 
I5()l  u.  s.  w.  (inden.  Leider  cntlieliren  dirsellien  der 
einiieitiielien  Idee,  da  sie  aus  meiireren  Kirelien  Frie- 
saeli's  zusananen-resanimclt,  hier  anfreliraciit  wurden, 
l'.esonders  beaelitcnswerth  ist  dicDarstellunfrder  klugen 
uml  tliörieliti'ii.Tunfrfrauen,  davon  eine  l'artie  sieli  fiefien- 
wärli^rini  l,andi'S-MMscum/.u  Kla^'enfnrt  lielindet.  Ausser- 
dem sind  iioeli  zu  erwähnen  ein  f,'rosser  ronniniselicr'l'anf- 
stein,cin  einf'aeli  pitliiselier  Wciliwasserstein,  eine  Thlir 
ndt  hlil)selien  Eiscnbeseldäigen  ans  dem  Ende  der  Ootliik 
stannni'ud  ,  endlich  viele  fJrahdeiikmah'  liis  in  das 
W.  .Iiiiirliundert  zurllekreieliend,  darunter  etlielie  mit 
sehönen  fi^rnrah'ii  und  heialdisclien  I)arstelliinj,''en. 

Oie  seinnueklose,  last  f;an/,  aus  Hriielisteinen  er- 
baute Kirclic  des  um  l'2b\  entstandenen  Dominicaner- 
Klosters  7.(!if.'t  \iclc  Ähnlichkeiten  mit  der  eben  erwälni- 
ten    Collefriat-Kirclic  ;    aiuh  hier   enistamb-n    Lan^rhaus 


und  I'reshyterium  zu  verseliiedenen  Zeiten,  auch  hier 
rei)räsentirt  das  eliemals  fiaeli  gedeckte  dreischitti.ne 
Lanjjliaus  den  romanischen  (Mitte  des  XIII.  Jahrhun- 
derts), der  hin.2:i;-estreck(e  Chor  den  triili-c;otliisclien 
Styl.  Die  die  ScliitVe  verl)in(len(len  Arcaden  sind  sjutz- 
bdgii;-,  die  Fenster  kh'in,  spitzhotcii;'  und  schninckins, 
die  kleinen  Kuiidtenster  des  MitfeischiHes  zieren  \'ier- 
passe.  Den  Abscbluss  der  Seitcnseliifie ,  die  jetzt  im 
rohen  Krcuzsclniitt  llberdeekf  sind  ,  bilden  zierliciie 
aussen  li;ilbrnn(le,  innen  ]»oligone  ('a|U'llchen  \dn  beson- 
derer Zicriicidvcit ;  besonders  hübsch  sind  ('a|iitäle  und 
('onsolen(Urdai)etindliclien  Dienste.  In  derNerlängernn,:; 
und  in  der  gleichen  Breite  des  modern  liberwöliiten 
MittelschitVcs  schliesst  sieh  der  dem  Ende  des  XIII. 
.lahrlnindirts  an.:;(hörii;c  Chor  an,  dessen  zweitheili^c 
Fenster  im  .Abschlüsse  noch  mit  Masswerk  geschmückt 
sind.  Die  Dienste  ruhen  tlieils  auf  interessant  ornaineii 
tirtcn  Consolen.  tlieils  auf  charakterisfiselifrüh-gothi- 
seheii  Sockeln. 


—    111 


Noch  zu  enviilincn  ist  die  Thonliauscr-Capclleani 
reciituu  .Seitenschitt',  luuleiiie  aus  zwei  Jochen  und  einem 
kleinen  Chöilein  ^ehildetc  Capelle,  jetzt  Sacristei. 

An  die  nördliche  Län^euseite  der  Kirche  stösst 
das  im  Gevierte  erhaute  Klostergebäiidc,  in  dessen 
Erdgcschoss  sich  der  Kreuzjjang  und  das  durch  sein 
Portal  und  die  beiden  Fenster  interessante  Capitelhaus 
(Fig.  2)  betindet. 

Noch  sind  einige  in  der  Kirche  und  in  deu  anderen 
Räumen  betindlichc  Gegenstände  zu  erwähnen,  wie:  eine 
zierliche,  von  einem  gemeinsamen Hpitzbogen  umsäumte 
dopiicliiisciiige  Piscina  (Fig.  o),  eine  Marienstatue  von 
besonderem  Kunstwerthe  (XIV.  Jahrhundert),  dem  Erz- 
bischof Thiemo  von  Salzburg  als  dessen  Werk  ver- 
meintlich zugesprochen,  eine  mit  ]\[alereien  gezierte 
Thiir,  die  hübschen  lieste  eines  dem  h.  Florian  geweih- 
ten Flügel-Altars,  endlich  mehrere  sehr  beachteuswerthe 
Grabdeidvmale. 

Werfen  wir  noch  einen  Blick  auf  die  dortige  Wohn- 
haus-Architektur,so  lassen  die  Reste  hübschermittelalter- 
licher  Häuser  mit  Sichorheit  erwarten,  dass  diese  Stadt 
vor  Jahren  ein  ganz  schmuckes  und  anheimelndes  An- 
sehen gehabt  haben  mag.  Nenuenswerth  sind  in  dieser 
Beziehung  das  Deutsch-Ordens-Comthurei-Gebäude  mit 
seiner  Steingallerie  in  der  Hofseite,  die  Probstei,  deren 
Hof  mit  schönen  Spät-Renaisance-Arcaden  geschmückt 
ist,  das  Bergrichterhatis  mit  seinen  Gieljelu,  das  alte 
Haus  der  Canoniker  mit  romanischem  Erker  u.  s.  w. 

Einen  sehr  beachtenswerthen  Schmuck  der  Stadt 
bildet  der  fast  inmitten  des  Marktplatzes  stehende 
Brunnen,  welcher  ursjirünglich  (15G3)  im  Schlosse 
Tanzenberg  aufgestelU ,  erst  im  Jahre  1804  seinen 
jetzigen  Platz  erhielt,  üer  Brunnen  besteht  aus  drei  Ab- 
tiieilungen,  aus  dem  eigentlichen  Bassin ,  ans  einem 
kleinen  runden ,  mit  vier  Köpfen  (Wasserspeiern) 
geschmückten  Becken,  das  von  drei  in  der  Mitte  des 
Bassins  stehenden  ölänuern  über  ihren  Köpfen  ge- 
halten wird.  In  der  Mitte  dieses  Beckens  steht  eine 
bewegt  dargestellte  Gruppe  von  vier  Knaben,  die  eine 
kleinere  Schale  tragen,  die  ebenfalls  mit  Wasserspeiern 
geschmückt  ist.  DenAbschluss  des  (Janzen  bildet  endlich 
eine  im  zweiten  Becken  aufgestellte  höchst  zierliche 
Kindergruppe,  die  in  sinnreicher  Weise  mit  dem  flies- 
senden Wasser  in  Verbindung  gebracht  ist.  Schliesslich 
ist  noch  zu  erwähnen,  dass  der  ein  Achteck  bildende 
Wasserbehälter,  der  auf  zwei  Stufen  steht,  auf  jeder 
der  acht  Flächen  mit  mythologischen  Scenen,  und  die  an 
den  Ecken  aufgestellten  Pilaster  mit  schwungvollen 
Renaissance-Ornamenten  geschmückt  sind.  (Fig.  4). 

Icli_konute  mir  nicht  versagen,  da  einmal  in  der 
Nähe,  mich  an  dem  Anblicke  des  herrlichen  roma- 
nischen Domes  zu  Gurk  wieder  zu  erfreuen.  Wie  reizend 
ist  doch  der  Weg,  der  von  dem  Orte  Zwischenwässern 
an  dem  Vereinigungspunkte  der  Gurk  und  Metnitz  dem 
ersteren  Gewässer  entlang  dalunfülirt.  Man  berührt  das 
Städtelicn  Strassburg  mit  der  14(J0  erbauten,  leider 
durch  Modernisirungen  stark  verstümmelten  Collegiat- 
Kirche  ,  die  viele  interessante  bischöfliche  Grabmale 
enthält.  Rückwärts  der  Anlage  thront  auf  einem  schart" 
ansteigenden  Berge  das  ehemalige  Residenzschloss  der 
Gurker  Bischöfe,  das  nun,  in  unverantwortlicher  Weise 
von  seinen  Besitzern  dem  Verfalle  anheimgegeben,  mit 
seinen  hohlen  Fenstcraugen  die  Menschen  vorwurfsvoll 
anglotzt,  dass  man  für  ein  so  prächtiges  Gebäude  alle 


Vorsorge  gänzlii'ii  aufgegeben  hat  '.  Kaum,  dass  man 
Strassburg  verlässt,  gelangt  man  nach  dem  Orte  Lie- 
ding,  dessen  noch  viele  romanische  Reste  bergende 
Kirche  auf  einer  Anhöhe  gelegen ,  weithin  sichtbar  ist. 
Wir  wollen  hier  nur  eine  Abbildung  des  interessanten 
Reliefs  im  Tynipanon  geben,  das  im  kleinen  romani- 
schen Portal  angebracht  ist  und  in  roher  Ausführung 
eine  menschliche  Halbfigur  zwischen  Drachen  und  Löwen 
darstellt  '^  (Fig.  ö). 

Der  Dom  zu  Gurk,  der  wiederholt  in  diesen  Blät- 
tern und  in  anderen  Fachschriften  von  hervorragen- 
den Archäologen  gewürdigt  wurde,  und,  wenn  auch 
leider  arg  verwahrlost  und  einer  verständigen  Restan- 
ration sehr  bedürftig,  ist  nicht  nur  als  Bauwerk  von 
hervorragender  Bedeutung  unter  den  Domen  Deutsch- 
lands, sondern  auch  seiner  Malereien  wegen,  mit  denen 
Vorhalle  und  Nonnen-Chor  geziert,  ein  Denkmal  fast 
einzig  in  seiner  Art.  Der  heutige  Bau  dürfte  gegen 
Ende  des  XII.  Jahrhunderts  beendet  gewesen  sein  und 
hat  sich,  mit  Ausnahme  weniger  Umgestaltungen,  und 
der  Thurmabschlnsse  bis  heute  unverändert  erhalten. 
Wie  der  Grundriss  (Fig.  G)  zeigt,  besteht  die  Kirche 
aus  einem  dreischirt'igen  Langhause  mit  zwei  den  Sei- 
tensclnfl'en  an  der  Westseite  vorgelegten  Thürmen,  die 
durch  eine  ursprünglich  otfene  Portal-V(n-liaIle  und  <lie 
darauf  ruhende  Älittclwand  verbunden  werden.  Au  der 
Innenseite  betindet  sich  das  prachtvolle  Portal  und 
dahinter  ein  kurzer  Zubau  mit  drei  nebeneinander  ge- 
stellten Jochen ,  welcher  Zubau  sich  mittelst  dreien 
Bögen  gegen  das  Mittelschitf  ötfnet.  Die  Seitenschitte 
sind  nietlriger  und  schmäler  als  das  Jlittelschitt".  In  der 


Verläugeruni; 


igen  Osten  schliesst  au  das  Lann'haus 


ein  im  Fussbodenniveau  erhöhtes,  ebenfalls  dreischiftigcs 
Presbyterium  an  von  den  gleichen  Breiteverhältnisseu 


<V\v 


's.  Mitlhcilungen.  X.  Kaiid. 
=  S-  :siitthoiluu^'t'n.  XII.  liaud. 


Lv 


11*2     — 


Fig.  1.  (Fiiiisiicli.; 


des  Langliauses,  hierauf  ein  Querscliiff',  das  sieb  jedocli 
an  der  Aussenscite  des  Gebäudes  nur  dureli  seine  mit 
dem  Mittelscliific  gieiciie  Iliilie  erl^eiinhar  maciit.  Jedes 
der  Seiiirt'e  wird  jenseits  des  (^iierliaiises  diiicli  eine  in 
der  Aelisc  f^elegene  und  l'lir  das  Mitteiseliiil'  grössere 
und  reicher  gezierte  Apsis  al)geseIdossen.  Der  Raum 
uiiterh;dl)  des  Preshytcriums ,  des  (jucirliauses  und  der 
Mittel-Apsis  ist  zu  einer  geräumigen  (Jrut'tUirciie  ver- 
wendet (Fig.  7  und  M),  zu  jenem  hundertsäidigen  l)e- 
rldimten  Praehtbaii,  den  Zuast  so  geistreieii  in  seinem 
Werke  hesclireibt.  Die  zur  Kryjjte  fülirenden  Stiegen 
belinden  sieli  im  InMi;rM  der  Kirilie  lieiderseits  neben 
den  zum  I'resbytcrium  hiiianHilircndcn  Stufen.  \'ier 
freistellende  l'feiler|)aare  tin'ilcii  d;is  I^aiigbaus  in  die 
erwäiintcn  drei  Sehilfe.  Das  .Mitteisehiff  liat  selbständige 
Oberlichten  und  war  urspriinglieh,  da  jede  Andeutung 
\on  Gewiill)estlUzen  fehlt,  gleii-li  wie  di(;  Seitcnseliilfc 
llafli  lilicnlickt  Von  den  drei  ITcilrrpaiiren  des  I'r(%sl)y- 
teriiinis  ist  das  erste  und  dritte  ririlcipaar  liedeutcrid 
stärker  und  dem  crstercn  entsprielit  überdies  an  ilen 
Seitenwilndcrn  eine  l'feilervorlage,  die  in  der  Qucr- 
riehtung  unter  sieh  dnreli  l'iigen  verbunden  ist.  Unter 
diesem   Bogen    erhel)t  sieh,   dureli   eiu(;n   den   Lettnern 


verwandten  Aufl)au  geliehen  und  begränzt,  der  Kirehen- 
boden,  durch  welche  Anlage  das  l'resbyteriuni  charak- 
terisirt  wird.  Hinter  dem  letzten  IM'eilerpaare  des  Presby- 
teriuiiis  ist  das  Querscliitf  der  ganzen  Kirehenbreite 
nach  eingeschoben.  Die  Arcaden  lies  Mittelschilfes  sind 
mit  der  Sehlussmauer  über  das  Qiiersehitl"  hinüber  durch 
einen  mächtigen,  die  doppelte  .Vrkadenbreite  ül)crsi)an- 
neiiden  Spitzbogen,  eine  nahezu  ursprlinglieiie  Anlage 
(Xlll.  Jahrhnndeil ),  \crbuniien.  Auch  das  Presbyterium 
war  urs])riinglicb  llaeii  üitenleekl.  Die  gegenwärtige 
IJberwölbung  in  'l'onnenform  stammt  aus  dem  Jain-e 
1.')Sn.  Noch  ist  des  mit  den  s<'lion  erwähnten  und  dem 
XIII.  Jahrhundert  angehörigen  Fresken  gescliinü<'kten 
NiinneiiChors  zu  erwähnen,  der  sieh  über  der  Portal 
Voriiaile  beiludet,  und  zwei  dur(di  einen  (iurtbogen 
geschiedene  liingli(die  Vierecke  bildet.  Dieser  Bogen 
sitzt  beiderseits  auf  der  I)eck|)lalte  einer  niedrigen,  dem 
Maiierpl'eiler  \di'gi'leglen  iiaibsäule  auf. 

Merkwürdigerweise  eiitliält  diese  Kirche,  die  dttcdi 
der  Sitz  eines  so  mächtigen  Bischofs  war,  ausser  den 
Wandgemälden,  der  Bleigiissgruppc  Donncr's,  die  Kreuz- 
abnahme \(iislelleii<l,  keinerlei  Kunstdeiikniale,  ja  selbst 
(irabsteiiie     linden    sieh    nur     vereinzi'lt  ,     wenn     auch 


il3 


gerade  jenes  des  Wahlbiscliols  Otto  f  1-1-1  dureli  die 
Art  der  Darstellung  einiger  Betrachtung  würdig  ist. 

Vom  Äusseren  der  aus  Quadern  erbauten  Kirche 
ist  nur  die  rechte  Seite  und  die  Rückseite  von  Be- 
deutung. Die  Westseite  ist  kahl  und  schmucklos,  die 
linke  Aussenscite  verbaut.  Die  frei  gebliebene  Längen- 
seite schmücken  Eundbogenfriese  am  Haupt-  und  Neben- 
schilf,  das  Gesims  besteht  aus  Platte  und  Kehle,  bei 
letzterer  überdies  aus  abwechselndem  Zahuschnitt  und 
Zickzackornament  mit  eingesetzten  Kugeln.  An  dieser 
Seite  befindet  sich  ein  einfaches  romanisclics  Portal 
|Fig.  9)  mit  Christus  als  Halbfigur  im  Bogenfelde.  Die 
eine  Hand  zum  Segen  erhoben,  hält  er  in  der  anderen 
ein  aufgeschlagenes  Buch ,  darin  die  Worte  eg  j  o  s 
um  ,  Ho  I  sti  I  vni  |  .  Um  das  Bogenfeld  läuft  folgende 
merkwürdige  Inschrift :  cui  .  dextera  .  cor  .  jiia  .  mitet  f 
intranti  .  rite  .  per . . .  etir  cih .  te .  tartni .  f  etiv  .  aucsap  . 
0(1.  exutwido.  Diese  mit  Majuskeln  des  XH.  Jahrhunderts 
ausgeführte  Inschrift  dürfte  so  zu  lesen  sein:  Intranti 
rite  per  —  do  pascuavite  f  Intrat  et  hie  rite  cui  dextera, 
cor  pia  mite. 

Die  Fenster  des  Seitenschiffes,  sowie  des  Haupt- 
schiffes sind  schmal  und  nicht  besonders  hoch,  die  der 
Krypte  klein,  aber  sämmtlich  riindbogig  überschlossen. 
Interessant  ist  die  Behandlung  der  Aussenmauer  des 
Querschiftes ,  das  sich  nur  in  der  Ausdehnung  der  Höhe 
des  Mittelschiffes  über  das  Seitenschiff' characterisirt; 
während  der  Rundbogenfries,    wenn  auch   durch   ein 


..,H?);yw^ 


Fig.  C.     (Gurk.) 


Fig-  5.      (Lieding.; 

Ornamentenband  vermehrt,  sich  ohne  Unterbrechung  fort- 
setzt. Zwei  Pilaster  an  den  Ecken  und  drei  Halbsäulcn 
gliedern  die  obere  Wand,  die  gicbelfürmig  abschlies- 
send nach  oben  mit  stufenförmigem  Rundbogenfries  ge- 
schmückt ist.  Die  mittlere  Halbsäule  trägt  über  ihrem 
Capital  einen  aus  dem  Rundstab  gebildeten  Kreis  als 
bcsiinderes  Ornament.  Zwei  grössere  Rundbogenfenster 
vermitteln  die  Beleuchtung  des  Querschiffes ,  an  dessen 
Seiten  sich  der  Bogenfries  fortsetzt  und  au  den  Ecken 
mit  zierlichen  kurzen  Säulchen,  die  auf  Consolen  ruhen, 
geziert  ist.  Der  schönste  Theil  der  Aussenseiten  der 
Kirche  ist  unstreitig  die  Rückseite,  an  welcher  sich  die 
drei  aus  dem  Querhause  unmittelbar  entspringenden 
Apsiden  darstellen,  deren  mittlere  grösser  und  reicher 
ausgestattet  ist.  Wir  finden  an  jeder  Nische  ein  in  seinen 
Gewandungen  reich  gegliedertes  Fenster ,  während  Rund- 
bogenfries mit  Zahnschnitt  und  bildliche  Darstellungen 
nur  an  der  Jlittelapsis  verwendet  wurden ,  wie  auch  da- 
selbst die  Zahl  der  Halbsäulen  vermehrt  ist  und  mehr  Sorg- 
falt auf  die  Detail- Ausschmückung    verwendet  wurde. 

Bevor  wir  von  Gurk  scheiden,  scheint  uns  die 
Lichtsäule  ,  die  auf  dem  die  Kirche  auf  drei  Seiten 
umgebenden  Friedhofe  steht ,  erwähnenswerth.  Sie 
ist  bereits  ein  spät-gothisches  Werk,  aber  noch  ziemlich 
gut  erhalten. 

Beiläufig  eine  Stunde  von  Klagenfurt  gegen  Süd- 
westen entfernt  liegen  in  stiller  Abgeschiedenheit 
die  Baulichkeiten  der  ehemaligen  Cistercienser-Abtei 
Vi kt ring,  die  durch  Bernhard  Grafen  von    Sponheim 


-Will. 


—      114     — 


uud  dessen  Gattin  Knnigunde  g-cstiftet  wurde ,  und 
um  114:2  ihre  ersten  Bewohner  aus  dem  Kloster 
ViHars  erhielt.  Im  Jahre  178G  (I.August)  wurde  das 
Stift,  eines  der  stattlichsten  und  reichsten  Klöster  Oster- 
reiclis  aufgelöst.  Die  Güter  und  das  Klostervermögen 
kamen  an"  den  Ecligionsfond,  die  Stiftskirche  wurde 
Pfarrkirche,  Bücher  und  Schriften  zerstreute  mau  in  alle 
Winde,  und  das  ausgedehnte  Stiftsgebäude,  das  noch 
manch  grothisches  Detail  an  den  Fenstern  und  einen  zier- 
liclien  Erker,  wie  auch  Stucke  -  Ornamente  birgt,  ver- 
wandelte  der  neue  Besitzer  in  eine  Tuchfabrik. 

Die  Stiftskirche  ,  unzweifelhaft  ein  Bauwerk  der 
beginnenden  Übergangszeit,  welche  seit  der  Kloster- 
aufhebung in  ihrem  Umfange  wesentlich  vermindert 
wurde,  indem  man  einen  Theil  der  Westseite  wegen 
Baufälligkeit  abtrug,  bildete  ursprünglich  eine  von  Osten 
nach  Westen  gerichtete  dreischiffige  Pfeilerbasilica  mit 
breitem  Querschift'e,  davdu  nur  mehr  der  linke  Flügel 
besteht,  und  mit  einem  quadratischen  Chorbau,  dessen 
Abschluss  ^vährend  der  Zeit  des  gothischen  Styles 
(^XIV.  Jahrhu  .dert)durch  eine  Construction  mit  fünf  Seiten 
des  Achtecks  erneuert  wurde.  Es  ist  kein  Zweifel,  dass 
das  Hauptschiff  statt  des  gegenwärtigen  Tonnenge- 
wölbes ursi)rünglich  flach  überdeckt  war  uud  daselbst 
nur  rundbogige  Transversalgurten  von  Pfeiler  zu  Pfeiler 
gezogen  waren,  du  dessen  Aussenwand  die  gegen- 
wärtige ii)erwölbung  überragt  und  in  dieser  Höhe  mit 
kleineu  ruiidbogigen  Fenstern,  welche  die  Bestimmung 
hatten,  hinreichend  Licht  einzulassen,  versehen  ist. 
Während  an  den  Fenstern  mit  Ausnahme  des  Chorschlus- 
ses noch  der  Rundbogen  angewendet  ist,  findet  sich  an 
den  Durchgängen  der  Seitenschiffe  bereits  der  Spitz- 
bogen. Das"  Haupt-Portal  ging  bei  der  Veränderung  des 
Langhauses  zu  Grunde,  doch  blieb  ein  kleines  romani- 
sches Portal  erhalten '. 

Einen  hervorragenden  Schmuck  der  Chorfenster 
bilden  die  bunten,  in  herrlicher  Farbenpracht  i)rangenden 
Verglasungen,  die  sich  dort  in  ihrer  Ursprünglichkeit 
rrhnlfeu  haben.  Es  finden  sich  daselbst   viele  figurale 


Vlii.    10.       .  Viktrinfr.) 


Fig.  8.  (Ourk.) 

I    Siehe  Miltliollungeii  IX.  li.,  p.  110. 


n^.    1  1.      'ViUtriii;4. 


Viktring. 


zin'  Snitp  IIA 


AulJerLOEiiaeiL  von  .Toll,  iüeiu 


tlD       — 


Fig.  9. 

Darstellungen  (sie  mögen  dem  XV.  Jahrhundert  ange- 
hören), wie  der  P^inzng  in  Jerusalem ,  die  Zusannnen- 
kunft  der  heiligen  Maria  und  Elisabeth  etc.,  auch  Wap- 
pen, wie  jenes  der  Erolzheimer,  Stubenberg,  Pettau, 
Hollenburg  etc.,  die  schon  im  XIV.  Jahrhundert  urkund- 
lich vorkonnnen  (siehe  die  beigegebene  Tafel  und  Fig. 
10  und  11). 

An  das  Chorquadrat  schliesst  sich  eine  mit  Netz- 
gewölben bedeckte  Capelle  an,  und  an  das  linke  Quadrat 
des  Querschift'es  eine  grössere  Capelle  mit  schönem 
Netzwerk,  dessen  Rippen  auf  Consolcn  ruhen,  die  mit 
Wappenschildern  geziert  sind  (Fig.  12).  Diese  Capelle 
ist  mit  einem  aus  dem  Achteck  construirten  sehr  zier- 
lichen Chörleiu  versehen,  dessen  Scheidebogen  mit  Bal- 
dachinen ausgestattet  ist.  Während  die  Kirche  selbst  keine 
Gruftanlage  besitzt,  findet  sich  unter  derletzt  genannten, 
dem  heil.  Bernhard  geweihten  Capelle  ein  derartiger 
ausgedehnter  Raum.  Von  Monumenten  ist  nur  wenig  er- 
halten und  selbst  zwei  derselben  haben  erst  in  neuerer 
Zeit  in  der  Kirche  ihre  Aufstellung  erhalten,  als  näm- 
lich das  ehemalige  Capitelhaus,  wo  sie  sich  befanden, 
eine  der  jetzigen  Bestimmung  des  Stiftsgebäudes  ent- 
sprechende Bestimmung  und  Verunstaltung  bekam.  Der 
eine  dieser  Steine  ist  gewidmet  dem  Andenken  des 
Prälaten  Gerhard,  f  1400,  der  andere  hatte  die  Bestim- 
mung, die  von  diesem  Prälaten  (^141)1)  gegrlindete  Ruhe- 
stätte für  die  Stiftsäbte  zu  schliessen.  Letzterer  ist 
mit  einer  im  Hoch-Relief  ausgeführten  Figur  eines  Abtes 
in  pontificalibus  geschmückt. 


^Gurk.) 

Wenn  man  das  freundliche  Städtchen  Villacii  be- 
suclit,  lenkt,  wie  natürlich,  die  ziemlich  hoch  gelegene, 
imposante  Pfarrkirclie  dicxVufmerksamkeit  des  Archaeo- 
logeu  zuerst  auf  sieli. 

Diese  Kirche  nimmt  unter  den  gothischen  Kirchen 
Kärntens,  welche  meistens  die  charakteristischen  Merk- 
male der  in  der  letzten  Hälfte  des  XV.  itnd  zu  Anfang 
des  XM.  Jahrhundertes  eingerissenen  Verwilderung 
der  gothischen  Formen  und  einer  spielenden  Schein- 
architectur  an  sich  tragen,  einen  hervorragenden  Platz 
ein.  Sie  ist,  abgesehen  von  dem  frei  stehenden  Thurni, 
ein  einheitlich  angelegtes  Gan^e,  wie  der  Grundriss 
Fig.  13  imd  die  Langseite  Fig.  14  zeigt,  und  gliedert 
sich  in  das  Langhaus,  das  Presbiteriuni  und  mehrere 
Nebeuräumlichkeiten    und  Zubauten. 

Das  Langhaus  ist  ein  weiter  und  lichter  Hallenbau 
mit  ij  fast  gleich  hohen  Scliitfen,  jedes  aus  sechs  Ge- 
wölbefelderu  bestehend.  Die  zehn  einfachen  glatten 
Rundsäulen  zwischen  den  Schiffen  tragen  Tonnen- 
gewölbe, die  durch  etwas  niederere  Gewölbschilde  quer 
durchbrochen  und  an  den  Kanten  und  Flächen  mit 
Blendrippen  verziert  sind.  Das  ganze  Rippennetz  ist  im 
Grundriss  angedeutet,  und  zeigt  eine  Anordnung  der 
Rippen,  die  mit  den  Gesetzen  des  Gleichgewichtes  im 
Willerspruch  steht,  indem  eine  Rippe,  deren  Grundriss 
kreisbogenförmig  ist  wie  hier,  unter  keinen  Umständen 
sich  selbst,  also  noch  viel  weniger  das  Gewölbe  tragen 
kann.  Das  Gewölbe  gehört  der  Verfallszeit  an,  zeigtitalie- 

töc 


M() 


^--^ 


''l-//f:'^'/''/'/yA.-//////,.. ,,/'/■/■, '//:/.v,-,. 


Fig-.  15.     (Tillach.) 


Fig.  Ifi.       (VillaHi.) 


Fig.  17.      (Villanh.) 


Fig.  18.     (Villacli. 


Fig.  19.     (ViUafli.) 


Fig.    Vi.    fViktrinp.) 


Fig.  %).     (Villacli.) 


117 


Fi-    13. 


FifT.  14. 


nischeiiEinfluss  und  dient  ihm  das  Eippemverlv  nur  zur 
Decoration. 

Das  Prcsbyterium  enthält  zwar  eine  eiufaciierc  und 
mehr  natürliche  Anordnung  der  Kipjjcn,  Jedocli  sind 
auch  diese  nicht  zum  Tragen  bcstjninit,  sondern  dienen 
ebenfalls  nur  als  Belebung  der  Kanten  des  Kreuz- 
gewölbes. Die  Kippen  gehen  bis  an  das  Kaffgesims, 
durchkreuzen  dieses  und  haben  mannigfaltig  gestaltete 
Consolen,  wovon  wir  einige  in  Fig.  15 — 17  abbilden. 
Der  Orgel-Chor  nimmt  das  letzte  Joch  der  ganzen  Kir- 
chenbreite ein,  auch  finden  sich  daselbst  Sehlusssteine 
(Fig.   18,  19),  die  einer  früheren  Zeit  angehören. 

Die  Fenster  sind  spitzbogig,  mitunter  mit  gutem 
Masswerk  ausgestattet,  das  Mittelfcnster  im  Chor- 
schlusse  hat  an  der  Aussenseite  in  der  Hcddkehle  zwei 
Baldachine  uebstConsolen,wodurch  und  durchdie  mannig- 
faltig verschlungenen   decorativen  Masswerke  im  Fen- 


sterschlusse  dasselbe  ein   reich   geschmücktes  Aussen 
bekommt. 

Merkwürdig  ist  bei  dieser  Kirche  die  Thnrmanlage, 
indem  der  Thurm  mit  der  Kirche  nicht  unniittelliar  in 
Verbindung  stehend  und  mit  ihr  ein  Ganzes  bildend, 
wie  es  doch  bei  den  gothischen  und  romanischen  Kirchen 
Deutschlands  fast  durch  ivegs  der  Fall  ist,  sondern  frei- 
stehend im  Westen  der  Kirche  vor  dem  Haupteingang 
errichtet  wurde.  Erst  später  hatte  man  von  der  Kirche 
zum  Thurm  ein  Gewölbe  gespannt,  das  aber  nur  den 
Zweck  einer  Art  Vorhalle  erfüllt  und  keineswegs  eine 
organische  Verbindung  des  Thurmes  mit  der  Kirche 
herstellt.  Die  untere  Abtheilung  dieses  aus  Quadern 
aufgeführcn  Gebäudes  enthält  noch  rein  romanische 
Gliederungen  und  fällt  durch  die  ausserordentliche 
Stärke  ihrer  Jlauern  auf,  welche  im  unteren  Geschoss 
9  Schuh    beträgt    (Fig.    20).    Die   zweite  Abtheilung 


—      118     — 


Fig.   21.    (Villiich.) 


;iifPÄwW!F 


Fig.  24.    (Vill)icli.) 


Flg.  22.      Vill.ii 


10     — 


mit  (loiii  GlocUenhiuis  und  der  Ulir,  der  aehteckiire  Auf- 
b;iu  1111(1  die  l'yraiiiide  wurden  erst  in  diesem  Julirhun- 
dert  aal'i^efülirt. 

Die  jetzige  Thurmthür  wurde  offenbar  nacliträg- 
lich  in  die  Quadermauer  gebrochen  ,  sie  zeigt  spät- 
gotiiisclie  Formen 

Von  Einzelnheiten  der  Einrichtungen  der  Kirche 
siiid  als  benehtcnswcrth  zu  erwähnen: 

Der  Taufstein ,  er  gehört  dem  Beginnen  des  XVI. 
Jahrhunderts  an  und  hat  den  spät-gothisciien  Character.Er 
\st  achtseitig,    dürfte  jedoch  früher  höher  gewesen  sein, 

Auch  an  der  Aussenseite 
der  Kirche  findet  sich  unter 
den  zahlreichen  Monumenten 
manches  Relief,  wie  ein  Ecce 
homo  (Fig.  22),  das  einer  auf- 
merksamen Beobachtung  wür- 
dig ist. 

Unter  dem  Musikchor 
steht  au  der  Wand  ein  grosses 
Stein-Relief,  unzweifelhaft  ur- 
sprünglich das  Tympauon 
eiuesPortals(Fig.  23).  Wenn 
auch  roh  gearbeitet,  erregt 
die  Darstellung  und  das  Co- 
stüme  derFigureu einige  Auf- 
merksamkeit. Wir  sehen  zwei 
Darstellungen  auf  dem  Bilde 
vereint;  den  oberen  Theil 
nimmt     ]\Iaria   umgeben   von 


es  scheint  der  eigentliche  Fuss  oder  doch  der  Aufsatz, 
auf  dem  er  stand,  verloren  gcgiuigen  zu  sein.  Die  Ecken 
sind  mit  Fialen,  die  Fliichcii  des  Kessels  mit  geschweif- 
ten Wimbergen  und  die  Felder  darunter  mit  Brust 
bildern  von  Heiligenfiguren  geschmückt,  die  Felder  am 
Reste desFusses  mit  tartschenformigcn  Schildern  besetzt. 
Ein  schönes  Werk  ist  der  unbeachtet  hei  Seite  ge- 
schobene Betstuhl,  der  die  Jahreszahl  14(14  trägt  und 
virtuos  ausgeführte  Schnitzereien  enthält.  Die  Wangeu- 
stüekc  zeigen  Samson,  der  den  Löwen  tödtet  und  einen 
Steiidmck,  der  Trauben   stielt   (Fig.  21). 


Engeln  ein ,    sie  ist   als 


die 


Schützerinderum  sie  gruppir- 
ten  Menschen  dargestellt. 
Darunter  die  Anbetung  des 
Christkiudleius  durch  die  drei 
Könige.  Maria,  die  das  Kind 
am  Schoosse  stehend  hält, 
und  die  Könige  tragen  hohe 
Lilienkrouen.  Die  beiden  Eck- 
Figuren  ,  davon  die  rechts 
einen  Ritter  darstellt,  und  die 
links  situirtc  Figur  mit  einer 

Taschp  aA  einem  thurmartigen  Gefässe  in  der  Hand,  sind 
stark  Deschädigt;  sie  zu  eutziifern  ist  mir  nicht  gelungen. 
Von  Eiseiiarbeiten  erscheint  erwähnenswertli  das 
hübsche  Schlossblech  sanimt  Klopfer  an  der  Sacristei- 
tliür  und  das  aus  zwei  Theilen  bestehende  Abschluss- 
gitter einer  Seitencapelle;  die  Bekröuung  (Fig,  24) 
des  einen  Tlieiles  ist  mit  aus  Blech  geschnittenen  Rosen, 
Disteln,  Lilien,   Eicheln  geziert  und,  wie  die  Reste  er- 


i'ig.    2o. 

kennen  lassen,  einst  bemalt  und  stellenweise  vergoldet 
gewesen  und  dürfte  dem  XVI.  Jahrhundert  angehören.  Die 
Bekrönung  des  zweiten  Tlieiles  besteht  aus  schnecken- 
förmig gewundenen  Eisenstäben  mit  grossen  Blättern 
und  Trauben  aus  Eisenblech. 

Einen  besondern  Schniiick  der  Kirche  bilden  die 
vielen  Grabsteine,  deren  wir  einige  sowie  die  Kanzel 
in   der  Folge 


betrachten  wollen. 


Mittelalterliche  Grrabdeukiimle. 

Von  Dr.  Karl  Lind. 

(.Mit  2  HoUiihuittin.j 


Das  Capitelhaus  des  altehrwürdigen  Stiftes  Heili- 
genkreuzist  mit  Ausnahme  des  Kreuzganges  zu  Kloster- 
iieuburg  die  einzige  noch  erhalten  gebliebene,  aber 
wahrscheinlich  auch  die  meisten  Sprossen  im  ewigen 
Schlaf  vereiuigonde  Ruhestätte  des  für  Österreich's  Ge- 
schichte   so   wichtigen  Fürstenhauses  der  Babenberger. 

Zahlreiche  in  ihrer  ursprünglichen  Form  belassene 
]\Ioiiiimente   erinnern  uns   an  die   einzelnen   Mitglieder 


dieses  Heldenstammes.  Ich  will  vdii  dem  leider  arg 
beschädigten,  einst  figureiigeschmückten  Grabmale  des 
streitbaren  Friedrich,  des  letzten  männlichen  Descen- 
denten  dieses  Herrschergeschlechtes,  absehen  und  dafür 
die  übrigen  Monumente  etwas  genauer  ins  Auge  fassen 
und  deren  etliche  beisiiielsweise  in  Abbildung  bringen. 
Dieselben  hallen  jene  schlichteForm  und  Ausstattung, 
die  wir  au  den  Giabdenkmalenaus dem  XII.  und  Anfang 


120 


I'iK-  1- 


Fis-.  ■^■ 


des  Xlli.  Jalirlunulerts  in  der  .Mcliiv.ahl  treffen,  d.  i. 
eine  unsclieinbiirc  reclitcckige,  ziemlicli  schmale  .Stein- 
platte mit  kurzer,  liinsiclitlicli  der  Dntirunn:  fast  inniicr 
nn,:;-enii;i-ender  Insciiritt  und  nutiinter  mit  einem  Kreuze 
einfaeiister  Zeiclinun.n-  g-cziert.  Diese  Gestalt  hat  der 
Grabstein  des  auf  der  Rückkehr  vom  Kreuzzu.crc 
nach  Paliistina  verstorbenen  Herzogs  Friedrich  I. 
mit  dem  Üeinamen  der  Katliolische,  Sohn  Leo- 
pold VI.  des  Tu-^^endiiaften.  Er  war  jie])oren  am 
20.  Deccmber  1174,  starb  am  lU.  A])ril  1198  und 
fand    im    October    desselben    Jahres    seine    Rnhcstättc 


zu  Heilig'enkreuz.  Ob  der  Stein  aucli  jetzt  noch  dessen 
Gebeine  deckt,  ist  eine  Frage ,  die  ich  zu  l)eant\V(irten 
nicht  für  meine  Aufgabe  halte  ;  wohl  aber  finden  sich 
einige  darauf  bezügliche  Andeutungen  in  Marquard 
Hergott's  Taphogra])hie,  welche  wiederholte  Eröffnungen 
der  Grabmale  und  daraus  erfolgte  Verwechslungen 
der  Grabsteine  vermutiicn  lassen. 

Friedrich's  Grabstein  zeigt  Fig.  1.  Er  ist  (j  Fuss 
laug  und  2  Fuss  o  Zoll  breit,  ist  an  der  Kopfseite  etwas 
abgetreteu  und  entliält  innerhalb  einer  durch  Leisten 
gebildeten  Umrahmung  ein  einfaches  auf  langem  Stabe 
angebrachtes  Kreuz;  der  Stab  entspringt  aus  dem  mit- 
tereu und  liöheren  dreier  neben  einander  gestellter 
Kreissegmente.  Die  innerhalb  des  Kahmeus  auf  der 
linken  Seite  angebrachte,  nur  Eine  ungebrochene  Zeile 
bildende  Insclirift  in  stark  zusaniniengezogeneu  Lapi- 
daren lautet:  XVL  KL.  Maii  0  frideric.  dux  .  austrie. 

Ahnlich  mit  diesem  Steine  ist  das  in  Fig.  2 
abgebildete,  gemeinsame  Denkmal  der  Frauen  G  ertr  u  d 
und  R  i  c  li  a  r  d  i  s ,  die  dessenungeachtet,  sicheren  Anhalts- 
punkten nach,  niclit  im  selben  Grabe  rulien,  indem 
letztere  waiirscheinlich  links  des  Grabmales  Friedricii 
des  Streitbaren  beigesetzt  wurde. 

Audi  hier  finden  wir  die  KreuzesdarstcUung  im 
Mittelfelde,  doch  ist  der  Kreuzesfuss  nicht  mehr  zu 
erkennen,  ancli  liier  ist  die  Inschrift  ans  mitunter  ver- 
einigten Lapidaren  auf  der  linken  Seite  des  Kreuzes 
angebracht  und  zwar  für  jede  Fürstin  eine  besondere, 
diesmal  aber  bis  zur  rechten  Seite  auslaufende  Zeilen 
bildend.  Die  äussere  Inschrift  lautet:  f  •  Xtlll.  KL. 
^laii  I  0"  gertrudis  .  de  .  brovnswicli  .  duciss  .  austrie; 
die  innere  Insclirift:  VI.  K.  Mar.  |  O  (grössere  IJuclista- 
ben)  Richardis  Lantgravia  de  waltjherst|orf. 

Frau  Gertrud  von  BraunschAvcig  war  die  erste  Ge- 
mahlin Friedrichs  II.,  die  einen  Monat  nach  ihrer  Ver- 
mählung (10.  April  1221))  starb.  Frau  Richardis  war  die 
Schwester  des  Landgrafen  Ludwig  von  Thüringen  und 
seit  1225  mit  Heinrich  V.  dem  Grausamen  vermählt. 
Obwohl  der  Todestag,  24.  Februar,  angegeben  ist.  bliel» 
I)is  jetzt  ihr  Tddcsjaiir  inilickaiint.  In  simdcrbarcr  Weise 
vereinigte  sie  ihren  Geburtstitel  als  Landgräliii  mit 
jenem  ihres  Witwensitzes,  des  heutigen  Oberwalters- 
dorf an  der  Triesting,  das  stets  ein  liabenbcrger  Eigen- 
Ilium  war. 


Ein  xMiniberger  («obcliii  aus  dem  XV.  Jahrliinidert. 

Von  Albert  Ilg. 

(Mit  I    IloUscIinltt.) 


Die  Wfljcreicnsamnilung  des  österr.  Museums  für 
Kunst  und  Industrie  besitzt  das  in  der  angeschlossenen  Ab- 
bildung reproducirte  interessante  I'.eispiel  alter  deutscher 
Gdbclintcclinik,  worüber  die  naclifolgcndcn  Zeilen  in 
kurzem  Xachrifht  bringen  sollen.  Der  Tcpiiich  ist  von 
starkem  Linnen  gewebt  und  lial  bei  einer  Länge  von 
;*>'  A*/J'  eine  Höhe  von  2'  iJ'/i"  wiener  Mass.  Die  Dar- 
stellung, welche  das  Gewebe  enthält,  ist  eine  durchaus 
fignrale,  Ornament  ist  nicht  einmal  durch  eine  Rordün' 
vei-trctcn.  Wir  sehen  sechs  Gestalten  auf  gleiclimässig 
dunkelblauem  Hiiitergrunde,  ihre  Flisse  stehen  auf 
einem  Streif  Wiese  cider  Grasboden,  der  eine  leichte 


Selialtirung  und  mehrere  stylisirte  Hlumen  zeigt.  Hegiii 
neu  wir  mit  der  Hauptperson,  so  sehen  wir  in  der  Mitte 
die  Gestalt  des  Heilandes;  er  steht  aufrecht,  liebt  die 
rechte  Hand  empor  und  kehrt  uns  deren  Innenfläche 
mit  iler  ;iiii  Kreuz  ciiipläiigeneii  Wunde  entgegen,  ilie 
Linke  zeigt  mit  dem  Finger  auf  jene  in  der  Seite.  Diese 
Wunden  gleichwie  jene  an  den  Füssen  sind  als  rotlie 
Flecken  erkennbar  gemacht.  Seine  Itrust  ist  entblösst 
und  äusserst  mager  gezeichnet ,  mit  .\iideittiing  derRi|i- 
peii  des  Hriistknriies.  Das  Fleisch  ist  gelblich  fahl  und 
ohne  .\ngaiie  der  Modeiiirung  flach  gehalten  mit  dun- 
kelbraunen  Innenciintiiren.   Die   Lippen  sind    mit    Roth, 


—      121 


die  N'ägcl  mit  Weiss  aufgesetzt.  Über  die  Schultern 
lidlt  das  Ilauiitiiaar,  das  von  brauner  Farbe  ist,  lang- 
gelockt hernieder,  der  Bart  geht  in  spit/.e  Zacken  aus; 
eigenthlunlich  ist  die  Form  der  halbiiiondartig  nach 
unten  gebogenen  Augenschlitze,  welche  dem  Gesicht 
einen  strengen,  dräuenden  Ausdruck  verleihen  und  nur 
an  der  Figur  Christi  auf  dem  Teppiche  vorkonnnen. 
Die  Augensterne  liaben  blaue  Färbung.  Auf  der  Stirne 
ruht  die  lichtgrüne  Dornenkrone,  während  aussen  ein 
grosser  Nimbus  das  Haupt  umgibt.  Derselbe  ist  im 
Kerne  blau,  wird  gegen  die  Peripherie  hin  gelb  und 
zeigt  ein  rosafarbenes,  mit  Strahlen  umgebenes  Kreuz  im 
Innern.  Die  Gestalt  verhüllt  ein  lichtblauer,  rosa  gefüt- 
terter j\[antel,  auf  dessen  unterstem  Saume  die  Füsse 
des  Heilandes  stehen.  Das  Kleid  ist  reich  gefaltet ,  und 
zwar-in  grossen,  rundlichen,  nicht  eckig  gebrochenen 
Linien. 

Zur  Rechten  dieses  Wunden-Christus  steht  eine 
etwas  kleinere  Figur,  die  wir  als  den  heil.  Heinrich 
erkennen  müssen.  Er  steht  dem  Heiland  zugekehrt  und 
hält  in  der  Linken  eine  Kirche,  die  Rechte  hängt  gerade 
herab.  Carnation  und  Behandlung  der  Körpertheile  un- 
terscheidet sich  nicht  von  den  Eigenthümlichkeiten  der 
ersten  Figur,  den  gelben  Nimbus  fasst  ein  rother  Rand 
ein.  Die  Gewandung  des  Heiligen  besteht  in  einem  wei- 
ten braunen,  gelb  gefütterten  IMantel  mit  eben  so  gefärb- 
tem Überwurf,  desgleichen  braunen  Schuhen.  Den  Kopf 
bedeckt  ein  vorne  aufgckrämpter  gleichfarbiger  Hut, 
den  an  dieser  Stelle  eine  weisse  Blume  schmückt.  Fnter 
dem  Hut  hängt  eine  Art  Kette  oder  Schnur  von  silber- 
grauer Farbe  herab  und  umrahmt  das  Antlitz,  welches 
ein  Schnurr-  und  Stutzbart  ziert.  Auf  dem  Rücken  wird 
ein  brauner,  an  einem  Riemen  über  die  Brust  getra- 
gener Gegenstand  sichtbar,  entweder  eine  Kapuze  oder 
ein  Ranzen.  Die  Kirche  ist  zweithürmig,  zeigt  die  For- 
men des  romanischen  Styls,  ohne  sonst  aber  stark  an 
den  Bamberger  Doin,  den  sie  vorstellt,  zu  erinnern. 
Grosse  gelbe  Kreuze  krönen  die  Thunn-  und  Dach- 
spitzen. Die  Mauerfarbe  ist  röthlich,  die  Schindeldächer 
blau,  Lisenen  und  Simse  weiss. 

Neben  dem  Heiligen,  mehr  am  Rande  des  Gobe- 
lins, kniet  sein  Schutzbefohlner  in  ritterlicher  Tracht. 
Den  Körper  deckt  ein  blauer  Stahlpanzer,  aus  grossen 
Platten  gebildet,  welche  auch  Arme  und  Beine  um- 
hüllen. Das  Hüftkleid  und  die  Achselklappen  bestehen 
aus  braunem  Tuch,  am  Rücken  hängt  der  abgenom- 
mene Eisenhelm  mit  dem  Wappenbild  als  Ziemir  und 
weit  niederwallender  gezattelter  Helmdecke  in  den 
Wappenfarben:  blau  und  weiss.  Der  Kniende  hebt  die 
Hände  im  Gebet  empor.  Sein  glattes  Gesicht  ziert  ein 
Lippenbart,  auf  die  Wangen  sind  rothe  Tupfen  aufge- 
setzt, was  den  übrigen  Figuren  mangelt.  Zu  den  Füssen 
des  Betenden  steht  schief  angelehnt  sein  Schild  von 
abgerundeter  Dreiecksform  mit  drei  weissen  sechszacki- 
gen Sternen,  welche  gemeinschaftlich  ein  Dreieck  von 
derselben  Farbe  einschliesscn,  auf  blauem  Grunde.  Dem 
entspricht  der  obenerwähnte  Helmsphmuck,  nur  dass 
hier  Ein  Stern  in  beide  Farben  haUiirt  angebracht  ist, 
auf  dessen  Spitzen  je  ein  entsprechend  blauer  oder 
weisser  Federblischel  aufsitzt.  Der  -Helm  ist  mittelst 
einer  weissen  Schnur  um  den  Hals  befestigt.  Unter  dem 
Ritter  entspriesst  aus  dem  Wiesengrund  eine  weisse, 
zu  Füssen  des  heil.  Heinrich  eine  rothe  Blume,  llbcr 
beiden  Gestalten  sehwebt   ein  Schriftl)and  frei    in  iler 

XVIII. 


Luft  und  zwar  ,  inilem  es  in  einer  unregeln  ä-isigcn 
Curve  ober  dem  Haupte  des  Knienden  beginnt  und 
über  Heinrich's  Haupte  bis  zum  Christus  reicht.  Es  ist 
weiss,  die  Buchstaben  sciiwarz,  den  übrigen  Raum  nach 
der  Legende  iüllt  ein  rotlics  Rankenwerk  aus.  Die  Worte 
lauten :  o  .  her  .  ich  .  i)it .  dich  .  fvr .  die  .  sei  .  gever  .  mich 
und  sind  in  gothischen  Minuskeln  geschrieben. 

Wir  wenden  uns  nun  zu  den  drei  Personen  an  der 
linken  Seite  der  Figur  Christi.  Zunächst  folgt  eine 
Blume  von  roth-  uinl  brauner  Farbe ,  dann  sehen  wir 
eine  stehende  weibliche  Gestalt.  Ihr  tahlbraiiner,  licht- 
gelb gefütterter  Mantel  ist  auch  um  Haupt  und  Stirne 
gezogen,  darunter  wird  ein  lichtbraunes  Kleid  sichtbar, 
die  Schuhe  sind  verborgen.  Sie  legt  die  Hände  gekreuzt 
über  die  Brust.  Der  Gesichtsausdruck  ist  leer  und  unbe- 
deutend. Ihre  Aureole  hat  ganz  gelbe  Färbung  ,  am 
Rande  sind  halbkreisförmige  Ornamente  angebracht,  wie 
sie  auf  Tafel-  und  Frescogemälden  durch  Eingraben  in 
den  weichen  Gyps  hervorgebracht  wurden. 

Hinter  dieser  Gestalt,  in  der  wir  vielleicht  Maria 
Ol  blicken  werden,  knien  zwei  Frauen  in  andächtiger 
Haltung,  beide  einförmig  ähnlich  und  beinahe  nur  durch 
ihre  Kleiderfarben  und  die  Wappen  verschieden.  Beide 
haben  das  weisse  Stauchentuch  um  den  Kopf,  das  sie 
als  Verstorbene  bezeichnet  und  einen  mit  Hermelin  gefüt- 
terten Mantel,  welcjier  bei  Jener  der  Maria  zunächst 
betindlichen  gelbundroth  schattirt,  bei  der  zweiten  blass- 
grün ist.  Ihr  Kleid  ist  blau,  das  der  ersten  grün.  Ihr 
AVappenschild  ist  horizontal  getheilt,  das  obere  Feld 
gell),  das  untere  schwarz,  ohne  Bildwerk.  Jenes  der 
anderen  Frau  zeigt  zwei  lindenblattartige  Gebilde  von 
der  Form  des  Kartenzeichens  l'ique,  das  eine  rothe  auf- 
steigend, das  andere  nach  abwärts  gerichtet,  weiss,  in 
eigenthümlicher  Vereinigung  der  Fnirisse. 

Die  ganze  Hülfte  zur  Linken  Christi  steht  der 
andern  an  Sorgfalt  der  Ausführung  sowie  in  der  Zeicii- 
nung  nach.  Die  Frauen  haben  etwas  Puppenhaftes  und 
ontbehren  jedes  Ausdruckes.  Auch  auf  dieser  Seite 
schwebt  ein  Schriftband  in  der  Höhe ,  jedoch  in  einem 
scharf  gebrochenen  Wiid^el  über  den  drei  Frauen.  Es 
gleicht  dem  vorigen,  nur  dass  die  Punkte  zwischen  den 
einzelnen  Worten  hier  roth,  dort  grün  sind.  Zuletzt  macht 
auch  wieder  eine  kleine  Ranke  den  Absehluss.  Die 
Worte  l)esagen  :  0  .  kint  .  ich  .  pit .  dich  .  fvr  .  die  .  sei  . 
gever  .  mich  . 

16 


122 


Dil'  Conturiiuiig'  der  drei  iiiäunliclicn  Figuren,  ins- 
besondere an  dem  Christus,  zeiclinet  sich  durcli  viel 
Clcirakter  nnd  Bestimmtheit  ans.  Alles  ist  etwas  streng 
und  lest,  idine  aber  die  Hagerkeit  nnd  das  Scharfe, 
Eckige  der  rheinisch  niederländischen  Schulen  zu  zei- 
gen ,  hievon  unterscheidet  sich  schon  der  mehr  abge- 
ruudete  Wurf  der  Falten.  Der  Tepjdch  hatte  die  Be- 
stinnnnng.  in  der  Kirche  an  der  Grabstätte  der  Siifter 
aufgehängt  zu  Averden.  Dergleichen  Erinnerungen  an 
die  Verstorbenen  waren  im  Mittelalter  beliebt  und  er- 
scheinen in  den  verschiedensten  Anti'assungen ,  zuweilen 
als  Darstellung  der  Sterbescene,  wie  Dlirer's  Tafel  für 
die  Frau  Pirkheimer's  oder  Kranaclfs  Oemälde  für 
Hans  Schmiedburg  in  Leipzig:  am  iiltesten  in  der  AVeise 
wie  hier ,  indem  die  Donatoren  und  Verstorbenen 
knieend  abgebildet  sind  vor  heiligen  Personen.  In  Nürn- 
berg pflegten  vornehme  Häuser  solche  Tcppiche  in  die 
Kirchen  zu  widmen,  wie  aus  Jfurr's  Beschreibung  der 
Mirnchmsten  ]\[erkwürdigkeiten  in  der  H.  E.  Reichs- 
tVeyen  Stadt  Kürnberg,  1778,  p.  50  IT.,  gelegentlich 
der  Schilderung  der  Moritz-Capelleu.a.  Kirchen  hervor- 
geht. Solche  Teppiche  mit  Wappen  nnd  Bildscenen 
rührten  iier  von  den  Stark,  Komer  u.  a.  Auf  der  Rück- 
seite des  Gewebes  in  einer  der  unteren  Ecken  des 
Gobelins  ist  ein  kleiner  viereckiger  l'ergamentzettel 
angenäht,  welcher  in  der  Schrift  des  XV.  Jahrhunderts 
über  die  Person  des  knieenden  Ritters  Auskunlt  gibt. 
In  ;'.  Zeilen  abgetheilt,  lauten  die  mit  stellenweise  total 
verblichener  Tinte  geschriebenen  AVorte:  Anno  domini 
1400  \n(\  im  sibeng  Jar  da  starb  Hainrich  Gewder  an 

Saut ntag  dem  Gott  gnedig  sei.  Amen.  Darunter 

ein  offenbar  in  neuerer  Zeit,  mit  lichtbrauner  Farbe 
eingedrücktesStenqielzeichen:  (j;^.  Wir  ci-faiircn  daraus, 
dass  auch  dieses  Kunstwerk  einer  Patrizierl'amilie  jener 
berühmten  Stadt  angehört  hat.  Als  die  Gen  der  bezeich- 
net sie  das  AVap])en  des  Mannes,  drei  weisse  Sterne 
im  Illauen  Felde,  die  sich  im  Dreieck  um  eine  gleich- 
schenklige, dreiseitige  Pyramide  gru])piren ,  wie  es 
Sil)maclier,New  \\'ai»])cnlnicli(n)tab.  205,  und  Wa- 
gen seil,  Commentatio,  Tafel  zu  pag.  183,  sub  V,  dar- 
stellt. 

Es  sinil  jene  Sterne  des  Geuder'sehen  Hauses,  von 
W(dclicn  in  der  llunianistrnpcridde  Carolus  Nüzelius 
sang : 

Qui  noctem  stcllis,  Ileus  :iliiii-.  iiiicantilni.s  oni;i.s, 
Illiistra  radiis  pectora  iiostra  tuis, 

Michael  Piccartus  aber  die  Verse : 

Sti'ila  triplex,  pietas,  virtiis,  dootriiia  iieicinii.s 
Est  ücuilerorum  gloria,  itemquc  dceu». 

Diesen  Ruhm  haben  sie  auch  im  T>aiif  iler  Jahr- 
hunderte eifrig  zu  bewahren  getra'hti't,  im  XVI.  Jahr- 
hundert namentlich,  als  sie  sicli  ihr  neiibcgrUndeten 
l.'ichtung  auf  wissenschaftlichem  und  liumaiiistischem 
Gebiete  anschlössen.  Damals  waren  zwei  junge  {Jeudcr, 
Netfen  des  berühmlcn  l'irklieimcr,  die  mit  mich  einem 
dritten  aus  ihrer  Familie  in  lliil(i;,'na  unter  Leitung  des 
Jidiannes  Coclilaeus  studirleii  ,  Mil>eliiiier  des  l'lricli 
Hütten  im  firiechisclien ,  welches  ihnen  der  Gricch(! 
Tr\|ilii>n  lehrte  (S  t  raiiss  ,  I'Ir.  von  Hütten,  2.  Aufl.  |iag. 
I2ti;.  Aucli  in  späteren  Zeiten  finden  wir  sie  unter  den 
hervorragemlsten  PersÖMlichkeiten  der  Stadt,  als  welche 
sie  die  Eiirenäinter  von  Stadtverordneten ,  Waghcrni 
etc.  cinnclinien.  fAf  II  rr,  Journal  X\'.  |i.    IlD  ii.  ii.)  Hans 


Gender.  den  Einen  jener  NefTen  Pyrkheiiner's  erwähnt 
auch  Dürer  in  seinem  Tagebuche  der  Xiederländischen 
Reise,  1520 — 21  (Quellenschriften  f.  Kunstgeschichte 
etc.  IH.  pag.  92). 

Gehen  wir  in  ältere  Zeiten  zurück,  so  finden  wir 
das  Geschlecht  bereits  sehr  reich  in  der  Umgebung 
Xürnberg's  begütert.  Ein  Heinrirh  Geuder  soll  schon 
lyiiO  die  Güter  um  Neuhof  vom  Burggrafen  zu  Leibge- 
ding  erhalten  haben;  er  war  Schultheiss  in  Nürnberg. 
].'!(•()  und  das  folgende  Jahr  kauften  Heinrich  III.  und 
Konrad  Geuder  eine  Anzahl  Güter,  Brnck,  Heroldsberg 
(von  dem  sie  sich  dann  auch  nannten).  Beringersdorf, 
(iross-  nnd  Klein-Gscheid  von  dem  Herzog  von  Pom- 
mern, Suatibor,  dem  diese  Orte  als  Mitgift  seiner  Ge- 
iiiahlin  Ann-a,  der  Tochter  des  Burggrafen  Albrecht, 
zugefallen  waren.  1419  belehnte  Kurfürst  Friedlich  I. 
von  Brandenliurg  als  kaiserlicher  Statthalter  den  Georg, 
Heintz,  Conz  und  Hans  Geuder  mit  verschiedenen  Be- 
sitztliüinern  in  derselben  Gegend  ,  von  denen  das 
Geschlecht  .noch  im  vorigen  Jahrhundert  viel  besass ; 
eine  weitere  Belehnung  s<ill  1442  durch  Kaiser  Friedrich 
an  Georg  Geuder  erfolgt  sein.  1482  erwarb  Hans 
(Jeuder  AVolkersdort  ,  1i)02  erscheiiu'n  sie  in  Stein 
begütert,  1572  verkauft  der  Nürnberger  Magistrat  die 
Orte  um  Gründlach  an  Philipp  Geuder  v.  Heroldsberg, 
sie  hatten  Eigeuthum  in  Pillenreuth  nnd  Wetzendorf, 
einen  Herrensitz  in  Heuchlingcn  etc.  (Siehe  Deliciae 
fopo-geograiihicae  Noribergenses  etc.  Frankfurt  und 
Leipzig  1775,  2.  Auflage,  pag.  61  u.  ö.) 

Die  älteste  Linie  des  zu  bedeutendem  Ansehen 
gelangten  Hauses  ist  diejenige  ,  deren  Urväter  schon 
um  die  Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts  das  Schloss  Kam- 
merstein in  der  Nürnberger  (iegend  inne  hatten.  Sie 
sollen  noch  früher  in  der  Schweiz  und  den  Niederlanden 
sesshaft  gewesen  sein.  1349  finden  wir  sie  in  der  Stadt 
Nürnberg.  Biedermann  in  seinem  Geseldeclitsregister 
des  Hochadelichen  Patriziats  zu  Nürnberg,  Bayreuth 
1745,  tab.  XLVI,  nennt  zuerst  Siegemnnd  I.  Gender 
Ritter,  den  Stanmiherrn  des  ganzen  reichverzweigten 
Hauses,  der  auf  Kammerstein  lebte  und  t  1278.  Wir 
überlassen  es  dem  Leser,  sich  daselbst  mittelst  der 
.\ngalien  auf  tab.  XLAI  — LX  über  die  iMitwieklung  des 
(iesclilechfes  zu  insfruiren.  Denjenigen  (Jeuder,  welchen 
nnsei' Kunstwerkvorstellt , fiiuien  wir  bei  Bi e derma n n, 
tab.  L. ,  verzeichnet,  als  Heinrich  IH.  Geuder  von 
Hcroldsbcrg.  Er  gehörte  der  Hauiillinie  an,  kam  1,'!89 
in  den  liath  und  erwarb,  wie  schon  erwiihiit,  in  Gemein- 
schaft mit  seinem  Bruder  Konrad  vom  Herzog  Suatibor 
zahlreiche  Güter.  Er  starb,  wie  der  Zettel  an  dem  Tep- 
piche richtig  angibt,  anno  1407,  und  war  zweimal  ver- 
iieiratet.  Die  erste  Gemahlin  cnlstammlc  dem  Hanse 
der  l'linzing  von  ILiilenfeld,  ihr  \ater  war  llricli.  Ihr 
Name  ist  Brigitta.  Diese  Frau  stellt  die  erste  der  knieen- 
den Gestalten  neben  der  Heiligen  zur  Linken  Christi 
vor.  Das  gelb  und  schwarz  getheilfe  A\'.ippen  ist  jenes 
ihres  (ieschlechtes ,  doch  ohne  das  kleine,  gelb,  weiss 
nnd  blau  getlieihe  Schildi-Iien  in  der  Mitte,  mit  welchem 
(s  Sibmaclier  1.  taii.  205  darstellt.  Die  zweite  l'raii  des 
Ritters  hiess  Anna,  ."ins  dem  gleichfalls  in  Nürnlierg 
heimischeil  ehrbarn  Hanse  der  Ortlieb,  'J'ochter  des 
lleinrieh  Ortlieli,  wcdchcr  des  inneren  R:iths  gewesen. 
Ihre  Mutter  .Anna  war  eine  Stromer  von  Beiclicnliach. 
Das  AA'a|>|>en  mit  dem  rothen  und  weissen  Bialte  ist  bei 
Sibmae  her  ll.t;ili.  I  57  abgebililct.  Die  Heilige  zur  Seile 


123     — 


des  Erlösers  köuute  vielleicht  die  Patronin  der  ersten 
Gemahlin  sein ,  der  Habitus  der  Gestalt  mit  dem  Kopt- 
tuche  erinnert  an  den  Typus ,  unter  welchem  diese  Hei- 
lige, welche  eine  Witwe  war,  abgebildet  wird.  Weil 
aber  dann  die  zweite  Gemahlin  leer  ausgehen  würde, 
und  ferner  wegen  der  Anrede  des  .Spruchbandes :  o 
Kind,  ich  bitt'  dich!  dürfte  doch  mit  grösserer  Wahr- 
scheinlichkeit auf  die  Mutter  des  Heilandes  zu  schlics- 
sen  sein. 

Die  Weberei  stand  in  Nürnberg  bereits  im  XI\\ 
Jahrhundert  in  hohem  Flor.  Damals  war  ein  besonderer 
Stadttheil,  vicus  textorum,  nach  ihnen  genannt.  Zu  An- 
fang des  XV.  Jahrhunderts,  berichlet  Murr's  Journal, 
Y.  p.  76,  gab  es  „Weib.sleute  ,  die  nicht  allein  im 
.Seidensticken,  sondern  auch  im  Teppichmachen  sehr 
fleissig  und  geschickt  waren.  .Sie  sassen  ndt  ihrer  Tep- 
picharbeit den  ganzen  Tag  auf  .St.  Miehaelschörlein  in 
St.  Sebald's  Kirche,  verrichteten  daselbst  ihr  Gebet,  und 
hielten  auch  da  ihre  Mittagmahlzeit."  Bader,  Beiträge 
zur  Kunstgeschichte  Nürnberg's  (2.  Reihe,  p.  7,  Note) 
berichtet ,  dass  die  Teppiehwirkerei  in  genannter 
Stadt  inner-  und  ausserhalb  der  Klöster  viel  geübt 
wurde;  der  Eath  pflegte  mit  Erzeugnissen  dieser  Indu- 
strie besonders  fremden  Fürsten  Ehrengeschenke  zu 
machen.  In  der  ersten  Abtheilung  desselben  Werkes 
finden  wir  unter  den  Inventar-Stücken  der  Marienkirche 
auch  acht  alte  gewirkte  Altartücher  angeführt,  von 
denen  eines  das  Wappen  der  Geuder  trug  (pag.    80). 


1!  e  1 1  be  rg (Nürnberg's  Kunstgeschichte)  bringt  pag.  -I.") 
die  Abbildung  von  mehreren  Figuren  aus  einem  Teppich 
der  Lorenzkirche,  wH'lcher  die  Apostel,  von  .Spruchbän- 
dern umgeben,  darstellt.  Die  Zeichnung  der  Gestalten 
aus  diesem  um  1.175  entslaudenon  Werke  erinnert  in 
ihrer  liarlen  und  spitzen  Manier  vielfach  an  den  .styl 
de.-:  vorliegenden,  desgleichen  die  Anordnung  der  Zet- 
tel mit  den  Inschriften.  Spätere  Arbeiten  dieser  Indu- 
strie, wie  der  Teppich  der  Sebalduskirche  mit  Darstel- 
lung der  Geburt  Christi  und  \ier  Heilige,  ferner  aus 
der  Zeit  Dürcr's  der  schöne,  mit  einem  Künstlerzeichen 
versehene  Teppich  in  der  Sacristei  der  Lorenzkirche, 
auf  dem  St.  Lorenz,  Steplians,  Christus  am  Kreuze, 
St.  Heinrich,  Kunigunde,  Kligius  und  Leonhard  vorge- 
stellt sind,  finden  sich  angeführt  in  demselben  Buche, 
pag.  ü7  und  137,  mit  Abbildung.  In  jener  Periode  war 
ein  Meister  aus  Arras  in  der  Stadt  Nürnberg  ansässig 
und  mit  derartigen  Arbeiten  beschäftigt. 

Was  den  malerischen  Styl  des  Teppiches  betrifft, 
so  dürfte  diesbezüglich  wohl  an  einen  auswärtigen  Ein- 
tiuss  gedacht  werden,  denn  von  jener  charakteristischen 
Gedrungenheit  derFignren,  welche  wir  in  Nürnberg'- 
schen  Werken,  vom  Imhof sehen  Altarwerk  und  der 
Tucher'scben  Tafel  bis  in  Dürcr's  Periode  wahrnehmen, 
ist  hier  nichts  zu  bemerken,  vielmehr  zeichnen  sich  die 
Gestalten  an  dem  Gobelin  des  Museums  sowie  an  jenem 
Apostelteppiche  der  Lorenzkirche  durch  Magerkeit  und 
Schlankheit  aus. 


Beiträge  zur  mittelalterlichen  Spliragistik. 


Von  Dr.  Karl  Lind. 

.Mit   1  Holzschnitten.) 


In  Figur  1  geben  wir  die  Abbildung  des  Convents- 
Siegels  des  von  König  Rudolf  von  Habsburg  am  oi. 
August  1280  gestifteten  und  unter  Kaiser  Josef  II.  auf- 
gehobenen Dominicanerinnen  -  Klosters  zum  heiligen 
Kreuz  in  Tuln.  Es  ist  spitzoval ,  hat  eine  Höhe  von  2" 
Ui"  und  eine  Breite  von  1"  S".  Im  Bildfelde  sieht  man 
zu  Unterst  unter  einem  Kleeblattbogeu,welcher  einen 
Spitzgiebel  trägt,  das  Brustbild  einer  betenden  Nonne. 
In  dem  eigentlichen  Bildfelde  ist  der  englische  Gruss 
dargestellt;  rechts  steht  der  Engel  Gabriel,  geflügelt 
mit  Mantel  und  Tunica  angethan ,  das  gelockte  Haupt 
nimbirt  und  die  Rechte  segnend  erhoben,  links  die 
heilige  Maria  mit  dem  Nimbus  um  das  geschleierte 
Haupt  in  langem  Kleide  und  weitem  Mantel,  sie  hält 
ein  Buch  in  den  Händen.  Zwischen  beiden  Figuren 
schwebt  ein  sechseckiger  Stern ;  ein  Kleeblattbogen, 
der  sich  der  inneren  Schriftlinie  anschliesst  ,  über- 
wölbt das  Siegelbild.  Die  in  Lapidaren  ausgeführte  und 
innerhalb  des  mit  Perlenlinien  begrenzten  Schriftrahmens 
befindliche  Inschrift  lautet :  S.  Covetus  sororum  ordinis 
predi  in  Tulna.  Zwischen  Anfang  und  Ende  der  Legende 
befindet  sich  eine  dem  Rankenwerke  ähnliche  Ver- 
zierung. Das  Siegel  gehört  unzweifelhaft  dem  XIII. 
Jahrhundert  an ,  dürfte  somit  das  aus  der  Zeit  der  Stif- 
tung des  Klosters  herrührende  sein. 

SmitmSr  fand  das  .Siegel  in  rothem  Wachs  in 
einer   Urkunde  vom  Jahre    1430,    dto.   Samstag    nach 


Sand  Andreas,  in  welcher  .Schwester  Katharina  vi.n 
Mulnhaym,  Priorin,  und  der  Convent  zu  Tuln  bezeugen, 
mit  Frau  Elisabeth  Schathawerin  Maysterin  und  dem 
Convent  zu  S.  Jacob  in  Wien  in  geistige  Gemeinschaft 
(Peswistreitschafft)  getreten  zu  sein.  Bei  Hanthaler  (Fast. 


liS.   1. 


tu* 


—      124 


Fijc.  -2. 


Fie.  4. 


camp.lil.  IV)  findet  sioli  eine  .sciilechtc  AbliildunfrdesSie- 
i;els,  eutnommeu  einer  Urkunde  von  1299.  Die  vor- 
iiegeude  Abbildung  ist  dem  leider  nicht  ganz  deut- 
lichen Exemplar  der  Smitner'schen  Sammlung  nach- 
te l)ildet. 

Von  den  Priorinnen  sind  zweierlei  Siegel  bekannt, 
diK-li  sind  dieselben  nur  in  ihrer  Grösse  verschieden,  im 
Ihrigen  aber  gleich ;  sie  sind  von  spitzovaler  Form  zei- 
gen im  Siegelbilde  eine  Heilige,  die  mit  gefaltenen 
Händen  vor  einem  liaume  kniet,  dessen  obere  Aste  sieh 
kreuzförmig  entfalten.  Die  Inseiirift  lautet:  S.  Prio- 
rissae  sororum  aulae  sancte  crucis  in  tulna.  Die  im 
k.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staats  Archive  erhaltenen  Siegel 
stammen  aus  den  Jaliren  1292  und  1339.  Das  hier  abge- 


des  schönen  Eiblein  ayden  ihrem  gesweyn  und  ihrer 
Swester  Elspeten  seiner  Havsf'rau.  Sigler:  Die  Priorin 
V.  Tulln,  Pilgreim  der  IMundotfen,  und  Jacob  Maeserlein 
1340,  Samstag  nach   S.  Pancraz. 

Endlich  bringen  wir  in  Fig.  3  noch  die  Abbildung 
des  Siegels  jenes  Magister  Conrad,  des  besonderen 
Gönners  und  Wohlthäters  des  Klosters  ,  der  in  den 
Orden  trat  und  bei  den  Nonnen  das  Amt  eines  Schaflfers 
übernahm.  Sein  Siegel  ist  oval  mit  einem  Längendurch- 
messer von  vier  Linien,  führt  im  Sehriftrahmcu  die 
Worte:  -+-  S.  frais  ehunr  d  Tulu  ord.  pr.  Im  Mittelfelde 
sieht  man  den  genannten  Ordensbruder  vor  dem  h.  Do- 
minicus  kniend  dargestellt,  wie  er  von  diesem  den 
Segen  erhält.  Dieses  im  rothen  Wachs  gepresste 
Siegel  hängt  an  einer  Urkunde  vom  Jahre  1288,  in 
welchem  Magister  Conrad  ein  Haus  zu  Minnebach  für 
die  dortigen  Frauen  des  Predigerordens  unter  der  Be- 
dingung erworben  zu  haben  erklärt,  dass  Bürger  Lin- 
pergarius  und  seine  Frau  dieses  Haus  bis  an  ihr 
Lebensende  ruhig  besitzen  können.  (Fig.  4.) 

Das  in  Figur  4  abgebildete  Siegel  ist  jenes  der  im 
Jahre  1316  vom  König  Friedrich,  mit  dem  Beinamen 
der  Schöne,  gestifteten  und  ebenfalls  unter  der  Regie- 
rungszeit Kaisers  Josef  II.  aufgehobenen  Karthause 
Mauerbach.  Es  hat  eine  spitzovale  Form  und  erreicht  in 
der  Länge  1"  5'",  in  der  Breite  G".  Die  Umschrift  in 
Majuskeln  ausgeführt,  lautet  :S.-i-  pri- 
oris  et  evet.  vallis.scor.  in  maurpach. 
Im  Bildfelde  ist  das  jüngste  Gericht 
dargestellt;  Christus  auf  einem  Regen- 
bogen sitzend,  hält  die  Linke  gesenkt, 
die  Rechte  erhoben.  Zur  Rechten  sieht 
man    dabei    das  Kreuz ,    links     eine 


bildete  (Fig.  2)  gehört  einer  Urkunde  vom  Jahre  1340  Lanze.  Der  Regenbogen  wölbt  sich 
an.  Friedrich  des  Schönen  Elbleins  Aydem  und  Kattrey 
sein  havsvrowe  vnd  albreelit  ir  pruedcr  geben  mit  Zu- 
stimmung der  Perchvroven  swester  perchten  von  pavm- 
garteii  ze  den  zelten  priorinne  ze  Tulln  ein  halbes  Joch 
Wciu'-arten  in  Tölilidi  um  44  Pfd.  Wr.  Pf  den  Petrein 


über  zwei  durch  eine  Kluft  getrennte 
Felsen,  auf  deren  jedem  eine  Anzahl 
Auferstellender  gru])])irtist.  Das  Siegel 
findet  sich  in  niclitznldreichen  Exemi)hii 
zur  Zeit    der  Stiltuug  der    Karthause 


Fi?.  3. 
cn ,  diirtte  jedoch 
entstanden  sein. 


Inländische   Glasireniälde 


mit   Bildnissen    von   Mitgliedern    <les   llanses 
Habsbnrj^. 

Von    Dl-.  Karl   Lind. 


(Mit  2  Tafolii  iinil  2   IloUbchiiiUcn.) 

\\'ir  tiiidcii  im   .Mitteiailer  fast  überall   die  fromiiK 


Sitte  zum  Ausdrucke  gebracht,  dass  iiieiit  nurdie Stifter 
von  Gotteshäusern,  sondern  auch  die  Spender  von  Vcr- 
zieriiiigeii,  Ausschmückungen,  Malereien  und  Glasge- 
Miäldcii  der  Kirchen,  vnii  kostbaren  Gefässeii,  Geräthcii, 
Gcwäiidcniu.s.  w.,  welche  fürden  Gottesdienst  iM'stimmt 
wurden,  sich  dadurch  zu  \  crcwigcn  trachteten,  dass  sie 
ihren  Namen,  häufig  auch  ilir  liildniss  bei  oder  auf  (Ifin 
beschenke  in  ^'erbilldullg  mit  einem  rroiiimeii,demütliigcii 
Widmiings-Sprnclic  aiiliriiigcn  licsscn.  Uci  \ielcii  derlei 
geHtiflcten  Gegenstände  bietet  (\cr  an  und  flirsich  wcrtli- 
volle  Umstand,  dass  der  Name-  des  l.)onators  uns  auf  diese 
Weise  erhalten  iilieb,  auch  eine  Gelegenheit  die  Anfcr- 
tigmigszcit  des  bctrcfVciidcn  Objectes  mit  mclir  oder 
minderer  Bestimintbcit  angeben   zu  köiiiieii. 

Wir  wollen   nun   im    Folgenden    die    .Abbildungen 
solcher  Donatoren  bespreciieii,  die  sich  auf  Glasgemäl 


den  inländischer  Kirchen  belindeii   und  auf  Persönlich- 
keiten des  Hauses  llabsburg  bezieiien. 

Die  ältesten  der  in  Osterreich  belindlichen,  bis 
jetzt  bekannten  auf  Glas  angefertigten  Bildnisse  von 
Mitgliedern  aus  dem  liabslmrgischeii  Hause  sind  die. 
welche  ursiirliiiglicli  in  (iamiiig  belindlicli,  niiii  in  dei' 
Sainiiilung  des  Stilles  St.  Florian  in  Uber-Osterreich 
ein  schlitzendes  Obdach  fanden.  Sie  bildeten,  obschon 
sie  in  der  letzteren  Zeit  in  den  Fenstern  des  Refcc 
toriums  der  Kaitliause  eingelassen  Wiircu,  ursprllnglieii 
iiiizweifelliaft  den  Schmuck  der  Ciiorfeuster.  Von  den 
vier  geretteten  'i'al'eln  entiia.iten  zwei  tiguralische  und 
zwei  damit  in  Beziehung  stehende  heraldische  Darstel- 
lungen.     Auf  der    ersten    Tafel  '    sieht    man    Herzog 

'  Frolhorr  V.  .S  ft  rk  t-n  liftt  im  zwoltcn  Jahrlmclie  rlor  CÄint.  (*oin.  riieMi 
rcnstcr  bcnlt»  so  (;riiiidllcli  bctclirlnl.eu,  ilni»  «ir  donihollieii  mit  Hciuhlsiiti'.; 
folgen  könne". 


—     12S     — 


All) recht  II.  (geboren   1289,  8olin  Kaiser    Albert    I., 
t  lo58).  Er  ist  gegen  links  gewendet,   auf  das  rechte 
Knie   niedergelassen   dargestellt,   entblössten  Hauptes, 
die    unbedeckten  Hände    zum   (ilebef    hoch    eni])orgc- 
hoben,  den  Blick  aufwärts  gerichtet,  das  Antlitz  Jugend- 
lich, mit  kurzem  Kinn-  und  Schnurbart,  massig  langem, 
gelockten   Haar.    Er  trägt  über    einem    dunkelgrünen 
rntcrkleide  das  bis  an  die  Knie  reichende,  mit  langen 
Armein    versehene    Fanzerhemd,    dessen  Kinge  durch 
Streifen  getrennt  erscheinen,  über  diesem   einen   nach 
rückwärts  sichtbaren  LederkoUer  und  den  ärmellosen, 
an  der  Seite  zusammengehefteten  Waffenrock,    der  in 
seinen  Farben  den  ö.sterreicliischen   Bindenschild  dar- 
stellt, nämlich   oben   und  unten   scharlachroth   und    in 
der  Mitte    der   breite  weisse  Querstreifen.    Die   Beine 
sind  mit  lichten  Fanzerzeug  undvleidet,  die  Knie  durch 
Eisenbuckel   mit   vergoldeten    blätterartigen    Räudern 
geschützt,  die  Schienbeinstreifen  mit  violetten   gepress- 
tem  Leder,  die  am  Fände  gross  ausgezackt  und  rück- 
wärts viermal  zusammengeuästelt  sind  ,  die  Schuhe  aus 
gleichem  Lederzeug,  die  Sporen  laughalsig,    mit  Räd- 
clren.    An  der  linken  Seite  trägt  er  das  Schwert,  an  der 
rechten  den  Gnadendolch  ingothisch  verzierter  Scheide. 
Der  Kübel-Helm  hängt  ain  Rücken  ,   ist  mit  einem  Seh- 
.schnitt  versehen,  die  Heiradecke  ist  roth   mit  weissen 
F'utter,  das  Zinnier  bildet  der  aus  einer  Krone  heraus- 
wachsende Ffauenfcderbusch  '  (Vor  dem  Herzoge  knien 
zwei  seiner  Söhne  die  beiden  ältesten  Rudolph  l\.  und 
Friedrich  III).  im  kleinen  Massstabe  dargestellt ,  eben- 
falls mit  hoch  erhobenen  Händen,  ebenfalls  mit  Fanzer- 
hemd sanunt  Kragen  und  ärmellosen,  die  österreichischen 
Farben    zeigenden    Watfenrocke,    in  Fanzerhosen   und 
Schuhen,  das  Haupt   mit   dem   Basinet  bedeckt ,    doch 
ohne  Waffen.    Der  Hintergrund   des  Bildes    ist  ein   tief 
glühendeis  Roth.    Das  dazu  gehörige,  aber  ursprünglich 
wahrscheinlich  darunter  befindlich   gewesene   Bild   (da 
unter   den    Kirchenfenstern   von   Gaming   gegenwärtig 
kein    füiiftiieiliges ,  sondern    nur   dre'.theilige  zu  finden 
sind)    zeigt    auf    demselben   rothen    Glasgrunde     den 
österreichischen  Bindenschild  in  der  dem  XIV.  Jahr- 
hundert eigenthünüichen  Form;    die    einzelnen  rpiadra- 
tischen    Glastheile    der   rothen    Schildfelder    sind    mit 
einem  Vierpassornament    geschmückt.    Die   am    oberen 
Theile  beider  Glastafelu  auf  grünem  Bande  angebrachte 
Legende  lautet: 

Albertus  .  tux  .  au.stri  irie  et  karitlii^ 

Auf  der  dritten  mit  der  ersten  gleich  behandelten 
•Tnfel  scheu  wir  defc  Herzogs  Gemalin  Johanna,  Toehter 
l'lrich  IV.  des  letzten  Grafen  von  Pfirt  (vermählt  1324 
gestorben  1351).  Sie  kniet  gegen  rechts  gewendet,  die 
gefalteten  Hände  und  das  Antlitz  erhoben  und  trägt 
über  einem  grünen  Unterkleide,  davon  nur  die  engen 
Ärmel  sichtbar  sind,  ein  blaues  Überkleid,  dessen  oftene, 
weiss  gefütterte  Ärmel  weit  herabhängen  und  endlich 
einen  rothen  Mantel  mit  drei  grünen  gelb  gesäumten  Quer- 
streifen, weiss  gefüttert,  auf  dem  Kopfe  einen  weissen 
.'Schleier  und  ein  breites  rothes  Stirnlinnd.  \'or  ihr  knien 
ihre  beiden  Töchter  (^Katharina  und  Margaretha),  die 
ältere  in  reichem  Unterkleide  und  blauen  Oberkleide, 
mit  breiten  gelben  Streifen,  an  der  Seite  geschlitzt,  die 
.\rmel  weit,  aufgeschlitzt  und  herabhängend:  die  andere 

'  Auf  den  Siegeln  träi;t  diesor  Füriit  ebenfaUs  den  p'fauenbuscli. 
'  1J33  erwirbt  Herzog  Albrecht  auch   Herzogthum  Kärnten. 


mit  violettem  rnterkleide  und  grünem  Obcrkleide.  :in 
der  Seitj?  geschlitzt,  mit  einem  breiten  gelben  Streifen 
um  die  Mitte  und  mit  engen  .\rmeln ;  beide  tragen  einfMchc 
Rciskroneii.  Im  Hintergründe  sieht  man,  um  die  Hiiiis- 
lichkeitan/ndeuten,  zwei  zurückgeschlagene  grün  und 
Illaue  Vorhänge.  Die  zu  diesem  Bilde  gehörige  Tafel  ent- 
hält das  bekannte  Ffirter- Wappen,  die  beiden  von  einander 
gewendeten  einwärtsgebogenen  goldenen  Fische  im 
rothenFelde.  Die  für  beide  Tafeln  gemeinschaftliche  In- 
schrift lautet:  Johanna.  Diicissa.  aust.  Stirieet  Karithie. 
Das  durch  die  Wendung  der  Figuren  angedeutete 
Mittelbild  i.st  nicht  mehr  erhalten.  Herrgott  sah  es  noch, 
es  zeigte  den  gekreuzigten  Erlöser. 

Die  Zeitbestimmung  dieser  Bilder  gibt  sich  durch 
die  dargestellten  Nebenfiguren.  Da  AUtrecht  mit  zwei 
Söhnen  dargestellt  ist,  so  fällt  die  Anfertigungszeit  zwi- 
schen die  Geburt  des  2.  und  3.  Sohnes.  Friedrich  wurde 
1347,  Albrecht  134ii  geboren. 

Das  nächst  älteste  Glasgemälde  dürfte  jenes  in 
der  Wiener  Maria-Stiegenkirche  sein,  das  hinter  dem 
Hochahar  an  der  Epistelseite  befindlich  ,  das  Bildniss 
Herzogs  Rudolf  IV.  (1358—1365)  enthält.  Er  soll  ge- 
rüstet dargestellt  sein,  mit  zum  Gebet  erhobenen  Hän- 
den, darunter  die  Worte:  Ruodolf  dux  austr'.  Leider 
ist  dieses  Bildniss  sehr  hoch  angebracht  und  durch  den 
Altar  theilweise  verdeckt;  auch  existirt  davon  bis  jetzt 
keine  Copie ,  deren  Anfertigung  durch  die  Höhe  der 
Stelle,  wo  sich  das  Bildniss  befindet,  mit  ziemlicher 
Schwierigkeit  verbunden  sein  dürfte. 

Des"  Glasgemäldes  der  St.  Erhardskirche  in  der 
Breitenau  in  der  Steiermark  wollen  wir  nur  kurz  er- 
wähnen und  verweisen  auf  dessen  ausführliche  Be- 
sprechung im  XI.  Bande  unserer  Mittheilungen  und  im 
Anzeiger  ,,Für  deutsche  ^'orzeit  des  germanischen  Mu- 
seums von  Jahre  ISGO-*,  durchEss  enwein,  in  welchen 
beiden  Schriften  sich  auch  eine  genügende  Abbildung  der 
Darstellung  findet. 

Wir  sehen  auf  demselben  Herzog  AI  b  r  e  ch  tili.,  den 
Sohn  Albrecht  IL  und  der  Johanna  Gräfin  von  Fiiirt, 
t  1595,  kniend  dargestellt,  hinter  ihm  söine  beiden 
Gemalinen  Elisabeth,  Tochter  Kaisers  Karl  IV.,  die 
1373  kinderlos  starb  und  Beatrix,  Tochter  des  Burg- 
grafen Friedrich  von  Nürnberg,  vermählt  1375,11414, 
gleichfalls  kniend;  der  Herzog  erscheint  mit  dem  Fan- 
zerhemd und  einer  vollständigen  Eisenrüstung  darüber 
und  endlich  mit  einein  kurzärmlichen  Lendner  beklei  ■ 
det,  der  die  Wappenfarben  zeigt.  Ausser  dem  grossen 
Hüftgürtel  ist  der  Lendner  noch  um  die  Jlitte  mit  einem 
kleinen  Gürfel  zusammengehalten,  Helm,  Schwert  und 
Dolch  sind  an  der  Brust  des  Lendners  mit  Kettchen 
befestigt.  Auf  dem  Haupte  trägt  der  Herzog  die  Stahl- 
liaube  mit  der  Halsbrünne,  der  Stahlhelm  ej-scheint  aui 
der  Schulter  liegend.  Er  trägt  eine  Krone,  rothweisse 
Helmdecken  und  als  Helmkleinod  ebenfalls  einen  gel- 
ben Adler  mit  zwei  blauen  Flügen  =.  Die  dreilappige 
Fahne  ruht  im  Arm  des  Herzogs  ,  ist  roth-weiss  ge- 
streift, die  beiden  unteren  Zipfel  sind  abgeschnitten, 
der  oberste  fiiegt.  Die  etwas  vorgeschrittene  Tracht 
entsiH'icht  dem  Ende  des  XIV.  Jahrhunderts. 

Als  besondere  Eigenthüinlichkeit  erscheint  eine 
Metallbüchse,  in  die  der  Zopf  gehüllt  ist,  der,  wie  aus 

'  Siehe  Mittheilungen  II.  der  k-  k.  Centr.  Comm. 

-  .\uf  dem  Keitersiegel  iit  der  Helm  Herzogs  Albreclit  mit  dem  Pfauen, 
stutz  geziert. 


-     126 


>  zirnriiiiö  •  apfliiflwf  mirri 


FiK.   l- 


127 


Gliedern  gebildet  seheinend,  über  den  Rücken  herab- 
hängt. Die  zwei  knienden  Frauen  zeigen  vollständig 
die  Tracht  des XIV.  Jahrhunderts,  als:  die  characteristi- 
schen  enganliegenden  Ärmel,  die  gefaltete  Haube  mit 
der  Krone,  den  (Hiitel  u.  s.  w.  Die  rückwärtige  Frau 
ist  ebenfalls  mit  einem  getlochtenen,  aber  unverliüllten 
Zopf  geziert.  Zwei  Wappenschilde,  der  eine  mit  dem 
doppelt  geschwänzten  böliinischen  Löwen,  der  andere 
mit  den  bekannten  dem  Hause  Zollern  angehörenden 
vier,  abwechselnd  schwarz  und  weiss  tingirten  Feldern 
bezeiclmen  die  Abstammung  der  Frauen.  Die  Inschrift  am 
oberen  Rande  des  Bildes  lautet:  Albertus  dux  austrie  et 
8t,vrie  et  carintie  et  cetez  et  uxores  ejus.  Es  dürfte  wohl 
ausser  Zweifel  sein,  dass  Herzog  Albert  der  Stifter 
jener  bedeutenden  Serie  von  Glasgemälden  ist,  die  da.s 
Fenster  hinter  dem  Hochaltar  der  erwälinten  Kirche 
schmücken  und  mit  Rücksicht  auf  die,  darauf  abgebildete 
zweite  Fiau  des  Herzogs,  die  mit  ihm  1375  vermählt 
wurde,  in  das  letzte  Viertel  des  XIV.  Jahrhunderts 
gehören  '. 

Über  das  aus  der  Gottsleiclinams-Capelle  der  Burg 
zu  Wiener-Neustadt  stammende  und  nun  in  der  reichhalti- 
gen und  zahlreiche  Glasgemälde  enthaltenden  Samm- 
lung des  Cistercienser-Stiftes  Neukioster  betindliche 
Glasgeniälde  berichten  uns  Brunner  und  Game  sin a 
in  der  von  ihnen  gemeinsam  herausgegebeuen  Broehure 
(Wiener-Neustadt  in  Bezug  auf  die  Geschichte  ete.  1842) 
nndW.  B  0  e  h  e  i  min  den  Mittlieilungen  AU. Vereines  1869, 
\t.  118  und  zwar  letzterer  mit  ülx'izeugenden  auf  Mes- 
sungen gestützten  (Jründen,  dass  diese  Gemälde  zum 
Schmucke  des  dreitheiligen  Hau])tfensters  dieser  von 
HerzogErnst  mit  Stiftungen  bedachten  Capelle  gehörten. 
Damit  wird  die  eigenhändige  Vormerkung  Maximilians  1. 
in  seinem Gedenkbuche  (mitgetlicilt  von  A. P r i m  i  s  s e r  in 
Jahrgänge  1821  des  Hormayr 'sehen  Taselienbuches), 
dass  an  einem  Fenster  in  der  Burgcapelle  Maxen's 
Grossvater  Ernst  mit  seinen  beiden  Frauen  abgebildet 
war,  zur  Walirheit. 

Wir  sehen  auf  dieser  Tafel  in  einer  Art  von  Halb' 
HerzogErnst  (geb.  1.37711424)  kniend  und  die  gefal- 
teten Hände  zum  Gebet  erhoben  dargestellt.  Er  ist  im 
Plattenharniseh  gehüllt,  triigt  einen  mit  Adlerbildern 
reich  gesclimückten  kurzen  Waflfenrock,  mit  offenen 
wegtiatternden  Ärmeln,  Metallhandsehulie  mit  geglie- 
derten Fingern,  Sehwert  und  Dolch  im  lireiteii  tiürtel, 
das  Gesicht  ist  unbedeckt,  der  Helm  ist  mit  einem  Krön- 
lein und  daraus  wachsenden  Adler  geziert  ^.  Aus  den 
Händen  quillt  eine  SehriftroUe  darauf  die  Worte :  „■Mise- 
rere mei  deus",  was  andeuten  dürfte,  dass  nicht  Ernst 
der  letztwillige  StitterdiescrMalereiist,  sondern  dass  die- 
selben zu  seinen  Lebzeiten  angefertigt  wurden.  Vor 
der  Gestalt  Herzogs  Ernst  knieen  drei  Knaben,  ent- 
blössten  Hauptes,  in  lange  Kleider  gehüllt,  die  Hände 
gefaltet.  (Fig  ].) 

Wie  erwähnt  dürfte  dieses  Glasjiemälde  die  reclit- 
seitige  Füllung  eines  dreitiieiligen  Fensters  gebildet 
haben,  dessen  Mittelstüek  unzweifelhaft  das  im  Charak- 
ter des  Gemäldes  und  in  den  Massen  vollkommen  über- 
einstimmende  Dreifaitii;keitsbild    eincenommen    haben 


mag.  Über  das  corrcspondirende  linksseitige  Stück  gibt 
die  schon  erwähnte  Notiz  Kaisers  Max  Aulkläruiig.  Sie 
lautet:  Ernestus  ferreus  et  ejus  prima  conjnx  Zimbiirga 
Massovia*  et  Margarethade  Suetiasecunda  conjux  s  sunt 
piete  in  capella  nove  ciNifatis  in  fenestris.  Die  Bildnisse 
dieser  Frauen  nahmen  die  linke  Füllung  ein,  und  waren 
so  geordnet,  dass  sie  gegen  die  mittlere  Vorstellung 
und  folglich  auch  gegen  das  Antlitz  ihres  vis-ä-vis 
knieenden  Gemahls  hinschauten.  Leider  dürfte  der  Ver- 
lust dieses  Theils  des  Gemäldes  zu  beklagen  sein. 

Mit  der  Frage  der  Entstehungszeit  dieser  Glasma- 
lereien hängt  auch  die  zusammen,  wer  mit  den  drei 
Knabenbildern  gemeint  sein  mag.  Dass  die  Abbildung 
nicht  nur  nach  dem  Tode  der  ersten  Gattin  Margaretha 
von  Schwaben  entstand,  ist  unzweifelhaft,  wahrscheinlich 
aber  auch,  dass  es  nach  dem  Tode  dreier  seiner  Söhne 
aus  zweiter  Ehe,  d.  i.  vor  dem  Jahre  1 124,  geschah, 
während  damals  nur  mehr  seine  drei  anderen  Söhne 
Ernst  t  1432,  Friedrich  und  Albert  am  Leben  waren.  Es 
ist  anzunehmen,  dass  dieses  Gemälde  im  Jahre  1423 
auf  Befehl  des  Herzogs,  der  damals  zu  Neustadt  war,  an- 
gefertigt wurde.  Die  Anfertigungszeit  macht  es  wahr- 
scheinlich, dass  auf  dem  (Tlasgemäide  mit  den  Bild- 
nissen der  Frauen  auch  jenes  der  damals  noch  leben- 
den Tochter  des  Herzogs  Ernst  ,  Anna  t  14:^9,  ange- 
bracht war. 

In  der  Sannnlung  des  Stiftes  Neuklosters  finden 
sich  noch  zwei  Glasgemälde,  die  unzweifelhaft  eben- 
falls Votivbilder  vorstellen.  Wir  sehen  einen  auf  eineni 
Schemel  knieenden  gegen  links  gewendeten  Ritter, 
völlig  gerüstet,  nur  Haupt  und  Hände  unbede-kt.  Nur 
einzelne  Theile  des  Körpers  sind  durch  Fanzerwerk 
geschützt,  an  den  Füssen  lange,  spitzzulaufende  Eisen- 
schuhe, die  Rüstung  selbst  zeigt  gothischen  Character. 
An  der  linken  Seite  sieiit  man  das  Schwert,  doch  fehlt 
das  Wehrgehänge,  die  Hände  sind  gefaltet  und  halteu 
einen  Rosenkranz.  Das  gefurchte  Antlitz  und  das  uur  an 
den  Seiten  mit  Haaren  bedeckte,  fast  kahle  Haujjf  gibt 
uns  das  Bild  eines  alten  ^lannes.  Nicht  minder  interes- 
sant ist  das  r)ild  einer  jüngeren  Frau,  die,  in  weites 
faltenreiches  Kleid  gehüllt,  das  Haupt  mit  eiivem  her- 
umgelegten Schleier  bedeckt,  ebenfalls  gegen  links 
gewendet,  kniend,  mit  gefalteten  Händen,  einen  um- 
fangreichen mit  einem  JledaiHon  geschmückten  Rosen- 
kranz haltend  dargestellt  ist.  Der  Hinfergrund  beider 
Bilder  ist  gleich  und  zeigt  uns  ein  reiches  Granatapfel- 
Muster;  Es  ist  kein  Zweifel,  dass  diese  beiden  übrigens 
kleinen  Bilder  neben  einander  und  neben  diesen  als 
]\littelstück  das  noch  vorhandene  Glasgemälde  die  hei- 
lige IMaria  mit  dem  Kinde  vorstellend  gehörte,  somit 
alle  drei  Bestandtheile  eines  fünfseitigen  Fensters  waren. 
Beide  Figuren  haben  Spruchbänder  in  den  Händen,  da- 
v(ni  jenes  an  der  männlichen  Figur  die  Worte:  omater 
dei  miserere  mei  und  das  andere :  o  niater  [lia  sis  miehi 
propicia  enthält.  (Fig.  2.) 

Man  wusste  lang  nicht,  auf  wem  sich  diese  llilder 
beziehen.  Ritter  von  C  am  e  s  i  h  a  gelang  es  durch  Verglei- 
chung  mit  den  in  der  Ambrasers.inmdnng  befindlichen 
Bihleruder  Jlifglieder-des  Hauses  Habsburgin  denselben 


*  Im   Musenm   Francisco-Carolinum    zu    I.inz     befindet   sich    eine  ganz 
gleiche   Glastafel,  doch  ist   deren  fiührier  :?iaiidort  unbekannt. 

-  Auf   den  v.    Sava     mitgetheilien    Figniensiegclu    trägt    der    Herzog 
einen  mit  dem  l'fauenstutz  t;Tzierien  Helm. 

*  Zimburgis,  T'chter  des  Herzogs  Zit■mo^it   von    ]SIaeso\itn,    veini.  14)3. 
^est.  1429. 


'  Diedryials  vor  1424  versterbt  n  orwühntrn  Söhne  Aleiander,  Uudolf, 
I.oopold,  ftjriier  Ernst  -;■  U.;2  und  Anna  r  1123  sind  in  der  Frauenkirche  zu 
\Vii-nerNi--nstadt  bpbtattei.  Ihre  Kuhcsiatii-  wurde  dunh  Kaiser  Friedrich  mit 
einer  prachtvollen  Tumba  b'  zeichmi,  davon  noch  die  Det  kpiatie  erhalten  ist. 
S.  Ili'idcr-Kiiellieiger's  I)ciikmale  des  Östcrr.  Kaisersiaatü.  II.,  IMli,  und  Be- 
richte und  MitIheih^n^en  t\e»  Alth.  Ver.  XI. 

-  Uie   Kfibenfolu'e  der  Gattiiu'u  ist  bei  Kai>cr Max  T.  unriclitig  angegeben. 


128     — 


Fig.  2. 


(las  Bil(liii^;sIIorzops  Sifcisniund.  Solni  IIor/Of;s  Friod- 
ric-li  I\'.  vi^nTvi-ol  (geb.  14l^7  yH'.n')},  zu  erkcniu'ii.  Dus.s 
(las  wcililiclio  lÜldiiis.s  das  seiner  zweiten  '  (lattiii 
Kattiariiia  ,  T(»ciitcr  Herzogs  Albreciit  von  Sacliseii, 
vermählt  1484,  und  nach  Sigmund's  Tode  in  zweiter  Ehe 
mit  Herzofc Erieli  von  Urannsfliweig  14'.l7  y  1  n.'!4,  ist,  steht 
ausser  Zweifel.  Sigimnid  war  einstens  eines Gichtiihels 
wegen  in  seinen  alten  Tilgen  in  Maden  und  suchte  in 
der  Heilkraft  dieser  Thcruion  Heilung  seines  Leidens. 
Mag  sein,  das.s  die  Hadner(|Uelle  sieh  bewährte  und  dass 
dann  Sigmund  dasVoti^bi!(l  in  derXeustadt  aulslellte,  wo- 
selbst crcinige  sein  •!•  .Iugendjalii-e  zMg<biaelit  halte  ■-.  Ob 
d lese  l'>ildiiissedie(iottsIeichnanis- Ca  pelle  geziert  hatten, 
ist  niclit  gewiss,  jedoch  können  dieselben,  ihrer  gerin- 
gen Grö.s.se  nach  zu  uriheih'ii,  nur  als  Schmuek  eines 
napellenfeiisters  bestinnnt  gewenon  sein, 

Iiildnisse  von  Alilgliedern  des  habsliiirgischen 
Ilegtntenliauses,  die  jedoch  nicht  mehr  als  Donatoren 
erselieinen,  (inilen  sieh  auch  anl  dem  gros.sen  lari)igen 
(ilasfenster,  das  hinter  flem  Ibu  li:iltar  der  St.  (Icorgs- 

'  Frile  Otmallnwar  Eleonore,  Tochfcr  König)  Jakob  v,  Schoillaiiil.Term. 
1118,  gert.  1181. 

'  fhronlkon  Aiutri«e  v.  V.  Arenlxtk:  Inlorlm  ■Slglumun.lu»  ni  Athe»l 
Wipnn»!!!  ilorrnrtle,  iltnkinr  nrl  novam  rivilalen  ^ro/cctu«  l'rliicIpnllK  Inalgnln 
Hb  ronanetudlor  in  ejus  verba  Juravli. 


kirclio  in  der  ehemaligen  I?urg  zu  Wienoi'-Neustadt  an- 
gebracht ist.  Dieses  Fenster  gehört  mit  lliu'ksicht  auf 
Zeichnung,  I''arlienpraeht  und  Schmelz,  Volh'ndung  der 
Technik,  mit  Uüeksicht  auf  die  damalige  Z(>it ,  Ueich- 
thuin  an  Verzierungen  u,  s.  w.,  unstreitig  zu  den  be- 
deutendsten Werken,  die  aus  der  blllhendeii  Zeit  der 
(ll.isiiialcrei  in  Holland  und  Deutschl.ind  uns  erhalten 
blielieii.  \ur  mit  Vergnilgini  kann  der  Kunstfreund  diese 
werthvollen  l'rodtiete  eines  unbekannten  ,  jedenfalls 
ansgczeiehncten  Meisters  betrachten.  Die  Gemälde  wur- 
"(b'ii  zweifclsidim^  laut  des  Hilialtes  der  Ins(diriften  unil 
laut  der  iin(!lase  des  linken  mit  den  fridi-ii'iaiiis(dien 
\dcalen  gezierten  l<"eiisters  belindliclien  Jahreszahl  im 
.Jahre  ]47il,  einige  S])ätere  Veränderungen  ausgenommen, 
vvalirseheinli(di  als  Weihegeschenk  dieses  Ftirstcn 
angefertigt,  ICiiizclne  'l'heile,  insbesondere  die  späteren 
l''.rg;iiiziiiigeii,  mögen  in  W'ieiier-Xeustadt  angefertigt 
sein,  wii  (i;ini;ils  die  (ilasmalerei  in  llltllite  sl;\nd,  wie 
diess  durch  die  im  Neiistädter  Sladlliiiche  enthalteiiiMind 
von  dieser  Zeit  henilhrende  Malerfreiheit  dargethanwird. 
Das  Fenster  ist  vierthcilig  und  enthält  oben  scliö 
lies  .Masswelk  in  Foi-m  von  Drcipässeii,  die  mit  farliigen 
tiläsern  aiisgefiillt  sind,  aiil' denen  man  neun  \oii  Krän- 
zen   umgebene  Wappen  I  Deutschland,  die    beiden    ung. 


-      120 


Schilde  ,  Krain,  Alt-Österreicli,  Habsbiirj;-,  der  Biiiden- 
schiki,  Käniteii  und  Steiermark)  crivennt. 

Zunächst  unter  dem  Masswerke  befindet  sicli  auf 
einem,  gemalten  Bogen  ruhend  in  jedem  der  vier  Läu- 
genfelder  je  ein  gekröntes  Wappen,  das  mit  dem  zn 
Unterst  in  diesem  Fenster  vorgestellten  urspriingliehen 
Votivbilde  in  unmittelbarer  Beziehung  stand.  Diese  vier 
Wappen,  deren  jedes  mit  einer  in  Hämischer  Sprache 
verfasstcn  Umschrift  versehen  ist,  sind,  und  zwar  von 
der  Evangelien-Seite  angefangen:  der  Doppeladler  mit 
der  Unterschrift  ,,Runies  Rieh,"  der  einfache  Adler  ') 
mit  „Rumes  Kicng,"  der  Bindenschild  mit  ,,Oste 
Riech,"  und  das  burgundische  Wajjpen  mit  „Boir- 
kvng."  Zwei  Engel,  welche  auf  den  Tragsteinen  dieses 
Bogens  stehen,  sammt  phantastischen  schwungvollen 
Blumen  und  anderen  Zierratlien  auf  ruthern  Grunde 
vollenden  die  Füllung  derselben. 

Unter  diesen  Wappen  und  den  in  farbigem  Glas 
ausgeführten  architektonischen  Ornamenten  befindet 
sich  die  Hauitlvorstellung  des  ganzen  Glasgeniäldes : 
die  Taufe  Christi  mit  fast  lebensgrossen  Figuren. 
Christus,  dessen  Haupt  mit  einem  Lilienkranz-  und 
Scheibennimbus  geziert  ist,  fast  entkle'.det  mit  gefal- 
teten Händen  im  Flusse  Jordan  stehend ,  der  taufende, 
oder  vielmehr  segnende  Johannes  in  beinahe  kniender 
Stellung  mit  gleichem  Nimbus  rechts  am  Ufer  und  an 
dessen  Seite  der  kniende  heil.  Andreas  ^)  m'.t  dem 
Kreuze,  und  rückwärts  noch  drei  ;indere  Figuren  ■'). 
Neben  dem  Gottes-Sohne  sieht  man  einen  Engel ,  wel- 
cher in  demüthiger  Stellung  Christi  Gewand  von  violeter 
Farbe  auf  den  Armen  hält.  Über  Christus  schwebt  seg- 
nend Gott-Yator  ,  im  Brustbilde  vorgestellt.  Die  Wolken 
werden  vom  heiligen  Geiste  in  Taubengestalt  auf  seinen 
ausgebreiteten  Flügeln  getragen.  Von  denselben  senken 
sich  goldene  Strahlen  gegen  Christum.  Im  Hintergrunde 
der  Gruppe  zeigt  sich  eine  Landschaft  (Bäume,  Häuser 
und  Berge)  und  der  mit  Wolken  theilweise  bedeckte 
blaue  Hinnnel  *).  Unter  diesem  Gemälde  befindet  sich 
innerhalb  eines  gemalten  einen  geschweiften  Spitzbogen 
bildenden  Rahmens  das  die  Familie  Kaisers  Mflx  L  in 
fünf  fast  lebensgrossen  Figuren  auf  blauem  gemusterten 
Grunde  enthaltende  Votivbild.  In  der  rechten  Hältie  des 
Bildes  zeigt  sich  zu  äusserst  König  Philipp  von  Spanien 
jm  grünen  gestreiften  Ober-  und  violeten  Unterkleide, 
sodann  Max  mit  goldfarbigem  Gewände  und  einem  von 
den  Schultern  wallenden  purpurrothen  ]\Iantel.  In  der 
linken  Hälfte  ist  vorgestellt  zu  äusserst:  des  Königs 
Philipp  Mutter,  Maria  von  Burgund  (geb.  13.  Febr.  1457, 
t  1482),  erste  Gemalin  des  Kaisers  Max  (vermählt  am 
19.  August  1477),  im  ])urpurfarbigen  Kleide,  und  Bianca 
Maria  Sforza  aus  Mailand,  dessen  zweite  Gattin  (ver- 
mählt 1494 — 1511)  in  blau  und  violeter  Kleidung. 
Hinter  Marien  von  Burgund  sieht  man  ihr  Töchterchen 
Margaretha  (geb.  am  19.  Jänner  1480),  die  spätere 
StattliaUerin  der  Niederlande  unter  Kaiser  Karl  V. 
Sie     ist    grün    gekleidet,     und    als    Kind   dargestellt. 


'  üeide  Adli)  sind  mil  dem  Biodeiibchilde  Tielegt. 

-  Die  Gestalt  des  heil.  Andreas  sclieint  mit  Iiesonderer  Absicht  in  das  Bild 
aufgenommen  zu  sein,  da  dieser  Heilige  der  l'atron  des  goldenen  Vliessordens 
ist,  welctier  M30  gestiftet  wurde.  Erzherzog  Max  erhielt  diesen  Orden  am 
30.  April  1478  ,  Kaiser  Friedrich  am  24.  Mai  1491. 

^  Möglich,  dass  e  ne  dieser  Figuren  den  Glasmaler  vorstellet. 

*MerKwiirdig  ist.  dass  das  Bildniss  des  hiil.  Christoph,  für  welchen  Kaiser 
Friedrich  grosse  Verehrung  hatte,  nirgends  in  der  Kirclie  anL'ebracht  war. 
Übrigen  bestand  zu  Friedrich's  Zeiten  in  der  Burg  eine  diesem  Heiligen  und 
dem  heiligen  Florian  gewidmete  C.ipelle.  wie  dii  s  der  AMassbrief  des  Cardinal 
is  es  s*  rio  n  dto.  20.  September  14(jl  darthut.  Ch  ni  el  Mat.  II.  2Ö4, 

XVIII. 


Alle  fünf  Figuren,  welche  grosse  Ähnlichkeit  mit 
den  sichersten  gleichzeitigen  Bildern  haben,  sind 
kniend  und  Ijckrönt  vorgestellt,  und  zwar  tragen  die 
beiden  männlichen  Figuren  geschlossene  Kronen, 
die  weiblichen  blns  Kronreifen.  König  Phili])])  ist  ülier- 
diess  mit  dem  Orden  des  goldenen  Vliesses  geschmückt, 
die  übrigen  tragen  auf  der  Brust  ein  an  eiium  Bande 
befestigtes  Kleinod.  Der  Kaiser  und  Bianca  Maria 
beten  aus  Büchern,  die  übrigen  haben  die  Hände 
gefaltet.  Unter  jeder  Figur,  die  der  kleinen  J^rzherzogin 
ausgenommen,  ist  deren  Wapiien  auf  gemustertem 
Grunde  angeliracht,  nämlich  bii  Philiiip  jenes  von 
Spanien,  bei  Max  der  Doppeladler  mit  dem  liimlen- 
sehilde,  bei  Bianca  die  niailändische  Schlange,  und  bei 
Maria  das  von  Spanien.  Will  man  die  zunächst  über 
der  Taufe  Christi  befindlichen  und  bereits  erwähnten 
vier  Wajipen  und  ihre  in  fiämischer  Sprache  gegclieiien 
Unterschriften  in  eine  Verbindung  mit  dem  Votiviiilde 
bringen  (denn  dass  sie  sich  auf  dasselbe  beziehen,  ist 
mit  Rücksicht  auf  ihre  Auswahl  und  auf  die  Möglich- 
keit deren  Bezuges  auf  die  Familie  Friedrich's  üiicr- 
haupt  ausser  Zweifel),  so  zeigt  sich,  dass  sie  wohl  zu 
mehreren  dieser  Figuren,  aber  keineswegs  zu  allen 
denselben  und  besonders  in  ihrer  gegenwärtigen  Anord- 
nung passen.  Es  liegt  daher  die  Vermuthung  nahe,  dass 
die  Figuren  des  jetzigen,  die  Familie  des  Kaisers  Max 
vorstellenden  Votivbildes  nicht  jene  des  ursprünglichen 
sind.  Im  Gegentheil  würden  die  Wappen  einem  Familien- 
bilde  des  Kaisers  Friedrieh  nach  dem  Tode  seiner 
Gattin  Eleonora  von  Portugal  (f  1407)  vollkommen  ent- 
siirechen,  was  auch  darin  einigen  Grund  hätte,  dass 
eben  Kaiser  Friedrich  der  Stifter  der  Kirche  ist,  und 
desslialb  ihm  die  Aufstellung  eines  Votivbildes  daselbst 
wohl  zugemuthet  werden  kann.  Jedenfalls  müsste  aber 
dann  das  ursprüngliche  Glasgemälde  des  Mittelfensters 
etwas  später  entstanden  sein,  als  die  auf  den  Seiten- 
fenstern  befindliche  Jahreszahl  angibt,  da  Erzherzog 
Max  erst  im  Jahre  1480  zum  König  von  Deutschland 
erwählt  wurde  und  somit  früher  das  deutsche  Königs- 
wapjien  für  ihn  nicht  gepasst  hätte.  Man  könnte  daher 
die  Zeit  der  Anfertigung  des  ersten  nicht  mehr  vorhan- 
denen Votivbildes  zwischen  den  Jahren  148G  bis  1494 
annehmen.  Die  Anordnung  der  Figuren  wäre  alsdann 
den  Wappen  entsprechend  folgende  gewesen:  Kaiser 
Friedrich  statt  des  Königs  Philiiiii  unter  Rumesrich 
(römisches  Reich),  Maxmilian  unter  Rumesking  (wie 
noch  jetzt),  der  kleine  Erzherzog  Philipp  unter  Oste 
Riech  (^statt  Bianca  Maria)  und  endlich  die  1482  ver- 
storbene Maria  von  Burgund  unter  Boirkvng  (wie  noch 
gegenwärtig)    '). 

Die. bedeutende  Änderung  des  Votivbildes  durch 
Entfernung  der  Portraits  der  friedricianischen  Familie 
und  die  Einsetzung  jener  der  Familie  Maxens  entnom- 
menen Figuren  mag  wohl  erst  nach  Friedrich's  Tode 
(1493),  nach  der  zweiten  Verehelichung  des  Kaisers 
mit  der  mailändischen  Prinzessin  Bhinka  Maria  (1494), 
und  nach  dem  Antritte  der  spanischen  Regierung  durch 
Philipp  und  der  Krönung  Maximilian's  als  deut- 
schen Kaiser,  von  eben  diesem  veranlasst  worden  sein ; 
doch  hat  man  unterlassen,  die  erwähnten  vier  Wappen, 

'  L'ber  die  vom  Schciger  (Hormayr,  Taschenbucli  f.  valerl.  Geschichte 
VIII.  Jahrg.  1827)  ausgesprochene,  aber  nicht  stichhaltiire  Ansiclil,  dass  früher 
noch  Herzog  Ernst  der  Eiserne  sair.mt  seinen  beiden  Geinalinuen  auf  dem  Votiv- 
bilde dargestellt  gewesen  sei,  vergl.  Bö  heim  1.  c.  11.  153  und  Brunn  er 
1.  c.  69. 

17 


—     130     — 


den  neuen  Figuren  gemäss,  umzuändern  und  zu  ver- 
setzen. Als  Ersatz  hierfür  wurden  den  Figuren  selbst 
die  entsprechenden  Wappen  beigegeben  und  zunächst 
unter  diesen  angebracht. 

Schliesslich  haben  wir  noch  Erwähnung  zu  thun 
der  11  Fürstenbilder,  welche  die  Eingangshalle  der  St. 
Stefanskirche   unter  dem   grossen  Thurni  j^chmückten. 


und  in  neuester  Zeit  von  dort  entfernt  wurden,  um  an  einem 
anderen  passenderen  Platz  aufgestellt  zu  werden.  In 
früherer  Zeit  schmückten  sie  die  Fenster  einer  der  im 
1.  Stockwerke  der  Fagade  gelegenen  Capellen,  nämlich 
derBartholomäus-Capelle.  Sie  mögen  dem  XVI.  Jahrhun- 
dert entstannuen,  sind  jedoch  von  untergeordnetem 
Kunstwerthe. 


Das  Epitaph  des  Abtes  Johann  Zollner  zu  Leoben. 

Von  J.  Graus. 


Hal)ent  sua  facta — epitaphia  —  möchte  man  sagen, 
und  es  ist  ganz  merkwürdig,  wie  die  Dornenlaufbahn 
manches  Erdenl)üigers  mit  dem  Grabe  noch  nicht  ge- 
endet, sondern  sich  darüber  hinaus  fortgesetzt  hat — in 
den  Schicksalen  seines  Gral)steines.  Als  man  vor  etwa 
drei  Jahren  Umpflasterung  vornahm  in  der  grossen  Ba- 
silika zu  Sekau  (^Steiermark),  erwiess  sich  eine  grosse 
Steinplatte  von  rauli  zugehauener  OberHäche  als  ein 
Kpitapli  des  Propstes  Johann  Dirnberger  (j  1510);  sie 
war  in  späterer  Zeit  seinem  Bestimnuingsorte  über  dem 
Grabe  und  seinem  Zwecke  zugleich  entfremdet  in  die  Mitte 
der  Kirciie  gewältzt  und  dort  mit  der  bildverzierten  Fläclic 
uacii  unten  als  reducirter  Pflasterstein  niedergetlian  wor- 
den, so  rauii  rücksichtslos,  dass  eine  ganze  Kaute  davon 
Bruch  litt,  die  darauflaufende  Inschrift  verletzt  wurde. 

Ein  gleiches  Loos  traf  auch  den  Grabstein  des  Ab- 
tes Johann  Zollner  zu  Leoben.  Dieser  mochte  in  einer 
nahen,  jetzt  abgerissenen  Capelle  des  Verstorbenen 
Grab  bezeichnet  hal)en,  als  es  Jemanden  vor  Zeiten 
einfiel,  ihm  eine  derbere  Bestinnnung  anzuweisen.  Nun 
wurde  er  zum  Hofbrunuen  der  jezigen  städtischen  Ca- 
serne  gebracht,  mit  der  subjectiven  Seite  zur  Erde  ge- 
kehrt ,  und  hatte  die  Stelle  eines  Rinnsteines  auszu- 
füllen. Da  er  aber  diesem  neuen  Amte  nicht  zu  völliger 
Befriedigung  vorstand,  sollte  er  neuesten  Datums  durch 
Einmciselung  einer  Otfnung  in  seiner  Mitte  dazu  fügsa- 
mer gemacht  werden.  Zu  diesem  Behüte  aufgehoben, 
kam  stine  sciiöncre  L'nterseite  und  sein  eigentlicher  ur- 
sprünglicher Charakter  wieder  an's  Tageslicht. 

Es  zeigt  des  Verewigten  Gestalt  mit  Infel,  Stab, 
Bucii,  einem  Medaillon  an  einer  .Schnur  um  den  Hals, 
gekleidet  mit  der  nocii  niilt(dalterlich  weiten  Casula.  Die 
umgebende  .Vrciiitektur  und  Decoration  trägt  schon  den 
Charakter  der  Renaissance ;  von  den  4  Schilden  an  den 
Ecken  enthält  das  eine  Infel  und  Stab,  die  Abzeichen 
seiner  Würde,  das  zweite  den  Namenszug  Marions, 
das  Wappen  des  Stiftes  Rain  ,  das  dritte  den  Greif, 
—  ich  vermuthe  —  das  Wappen  von  Grillen  in  Kärn- 
thcn,  das  vierte  zweifelsohne  sein  Privat wappen.   Quer 


üi)er  durchsetzt  die  ganze  Figur  ein  breites  Spruchband 
und  daraufsteht  die  Inschrift: 

„ANNO  A  NATO  SALVATORE  1545  DIE  VERO 
IS  MENSIS  FEBRVARV  VITA  HAC  TEMPORANEA 
DEFVNGITVR  REVERENDUS  QVONDAM  IN  CHRO 
P4TER  ET  DOMINVS  DNS  JOANNES  ZOLLNER 
EPOVS  HIERAPOLITANUS  SVFRAGANEVS  RATIS- 
PONENSIS  ABBAS  IN  REIN  ET  PREPOSITUS  IN 
GRIFEN  CVJVS  CORPVS  PRESENTI  TVMVLO  CON- 
TINET\R  ANIMA  CHRISTO  DOMINO  VIVAT  AMEN. 

Der  Stein  selbst  ist  Marmor  röthlicher  Gattung, 
eine  Platte  von  5',  7":  3',  7"  in  der  Dicke  9"  betragend. 
Die  Verwaltung  der  städtischen  Spar-Cassa  zu  Leoben, 
deren  Eigenthum  Gebäude  und  Stein  nun  ist,  lässt  in 
einsiclitsvoller  Würdigung  seines  archäologischen  Wer- 
thes  denselben  in  der  Nähe  des  Fundortes  in  ge- 
schützter Stellung  einmauern. 

Charakter  und  Lebensschicksale  des  Abtes  Zollner 
betreffend,  erhielt  ich  durch  die  Güte  des  Herrn  P.  Anton 
Weiss ,  Bibliothekars  zu  Rein,  einige  Notizen.  Nach  den- 
selben war  ZoUuer  schlecht  angeschrieben  bei  seinen 
Mitl)rüdern.  Er  suchte  anfangs  mit  der  Abtei  Rein 
auch  die  Propstei  Griffen  l)eizubehalten;  als  dieses  nicht 
gelang,  setzteer  es  durch,  dass  er  von  Clemens  VII.  zum 
Wcihbischofe  in  Regensburg  mit  dem  Titel  eines  Bi- 
scliofes  von  Hiera])olis  in  part.  ernannt  wurde  (1531) 
und  zugleich  die  Erlaubniss  erhielt,  die  Abtei  Rein 
l)eizubeliaitcn.  Docii  niuss  Kaiser  Ferdinand  I.  v(ni  seiner 
ül)ien  G^bahrung  Kenntniss  erlangt  haben,  weil  er  1533 
eine  Untersuchung  des  Klosters  anordnete,  der  sich 
Zöllner  durch  eine  i)ersönliche  Intervention  beim  Kaiser 
zu  entledigen  wtisste.  Indessen  musste  er  sich  docIi 
nicht  mehr  siclier  gefühlt  IimIicii,  weil  er  am  '2.  .\ugust 
lS.'};iniit  (!eld  und  Kleinodien  nach  Regeusburg  flüchtete.' 
Zum  Schlüsse  seines  vielbewegten  Lebens  hafte  er  die 
Pfarre  Veitsberg  bei  Leobeu,  welcher  er  die  Hnbsi.stenz- 
niittel  entnahm;  in  letzterer  Stadt,  in  welcher  auch  sein 
Grabstein  endeckt  wurde,  niochf(!  er  seine  letzten  Tage 
zugebracht  und  seine  (Jral)esridie  gefunden  halien. 


Donatello ,  seine  Zeit  un<l  Schule. 

\  iMi  Dl-.  Hans  Semper. 


(i  es  chic  lif  li  che 

Athen  und  Florenz!  So  heissen  die  Vaterstädte  der 
liciden  höchst(;n  Civilisaf  Ionen,  die  bis  dahin  der  Mensch 
lieit  zu  TIhmI  wnrd(,'nl  Kcini'  anderen  Städte  des  Alter 
thuins  wie  der  Neuzeit  lialien  so  n'ichiicli  und  so  all 
seitig  wie  diese,  neue  Keime  der  Cultur  gesäet,  deren 
Entfaltung  nicht  blos  jedesmal  ein  neues  Zeitalter  be- 
gründete, sciiidcrn  die  für  alle  Z(;ifcn  iler  Menschheit 
anreihend  und  fruchtbringend  zu  wirken  angellian  sind. 
Nicht  fdoH  haben  beitlc  .Städte  in  Kunst,  Poesie  inni  Ge- 
Hchichfschreil)ung  mustergiitigc  Werke  geschaffen,  auch 


E  i  n  I  e  i  t  u  n  g. 

in  den  meisten  praktischen,  e.xacten  Wissenschaften  und 
Lebensfragen  der  jewidligen  Zeitalter  bildeten  sieden 
Fond  iler  neuen  Ideen  und  Anregungen.  Neben  klinia- 
tiscligünstigen  Bedingungen  trug  auch  die  in'sprüngliche 
Anlage  iler  Bevölkerungen  Attikas  und  Toscana's  zu  so 
ausserordentlichen  [icistungen  bei.  Hier  wie  dort  ging 
eine  so  i;l.'inzeiide  Fülle  geistiger  Thafeu  nicht  aus  den 
I..auneii  einzelner  .Mächtiger,  soiideru  aus  der  giüekliihen 
harmonischen  iiegaimng  der  betrefVenden  \'olksstäninn\ 
so  wie    aus    ihrem     iiohcn    Streben    hervor.   Wie     die 


—     131 


Tosoaner  ,  so  scheinen  auch  die  Attikcr  mit   schhuikem 
sehnigem  Körper,  feinem  Nervensystem   und  in  Folge 
davon  auch  mit  gewandtem  beweglichem  Geiste  ausge- 
stattet gewesen   zu   sein.  Vor  Allem  aber  war  beiden 
Phantasie  und  gesundes   Urtheil  gemein,   zwei   Eigen- 
schatten, die  selten  beisammen  sind,  wenn  aber,  Grosses 
wirken.    Vermöge  dieser  Gaben  waren  beide  Völker  vor 
Allem  zu   künstlerischem    Schaffen  befähigt.   — 
Wenn  nun  der  Toscaner  hierin  mehr  auf  das  Erfassen 
des  individuell  Schönen,  des  intim  Seelischen,  des  per- 
sönlich  Charakteristischen,   sowie  des   leidenschaftlich 
Dramatischen  ging,  der  Athener  da;:egen  das  generisch 
Schöne,  das  typisch  Seelische,  das   öffentlich  Charakte- 
ristische, so  wie  das  ruhigere  Sein  betonte,  so  mag  die- 
ser Unterschied  in  der  Auffassung  beider  Kunstvölker 
wohl  eben  so  sehr  auf  dem  Gegensatz  zwischen  antiker 
und  christlich-moderner  Anschauung  überhaupt,  als  auf 
den  eigenthündichcn  Anlagen  beider  Stämme  beruhen. 
Allerdings    waren    es    auch    schon  unter  den  antiken 
Völkern  die  P^trusker    und    ihre    Schüler,    die    Kömer, 
welche  eine  Vorliebe  für  die  Darstellung  des  Individuel- 
len, sowie  des  leidenschaftlich  Bewegten  hatten;  so  mag 
denn  der  Toscaner  die  ihm  eigenthüniliche  Auffassung 
zum  Theil    auch  von  seinen  Vorfahren   ererl)t   und   mit 
der  neuen  Weltanschauung  vereinigt  haben.  Ausserdem 
scheint  aber  auch  das  germanische  Blut,  das  im  Tos- 
caner sich  mit  dem  etrurischen  und  römischen  mischte, 
beigetragen  zu  haben,  die  innige  und  warme  Schilderung 
des  persönlichen  Seelenlebens   in   seiner  Kunst  zu  ent- 
wickeln.   Geschmack,  Mass,  Sinn  für  feine  Zierlichkeit 
und  Eleganz  war  aber  gleich  sehr  beider  Völker  Erbtheil 
und  erhob  sie  erst  zu  Kunstvölkern  im  höchsten  Sinne. 

Aber  nicht  blos  in  ihren  höchsten  geistigen  Leistun- 
gen zeigen  Athen  und  Florenz  vielfache  Verwandtschaft, 
auch  die  Grundlage  desselben,  die  materielle  Existenz, 
nahm  bei  beiden  Völkern  in  vielen  Beziehungen  ähnliche 
Gestalten  an.  Athen  wie  Florenz  zeichneten  sich  durch 
Gewerbfleiss  und  Handelsgeist  aus  und  waren  in  poli- 
tischer Beziehung  die  Hauptvertretcrinnen  demokra- 
tischer Tendenzen  im  besten  Sinne  des  Wortes. 
Der  rasche  Erwerb  und  Wechsel  der  Güter  trug  in  bei- 
den Städten  dazu  bei,  das  in  deren  Bevölkerungen,  ver- 
möge hoher  Begabung,  herrschende  Gefühl  der  Gleich- 
lierechtigung  zu  stärken  und  zu  nähren.  So  mächtig 
war  beider  Städte  demokratische  Tendenz  ,  dass  bei- 
den nicht  bloss  die  demokratische  Eepublik  als  Ideal 
der  Staatsform  vorschwebte,  sondern  sie  auch  mit  am 
längsten  sich  vor  der  Herrschaft  der  Tyrannen  bewahr- 
ten, denen  damals  in  Griechenland  und  später  in  Italien 
die  übrigen  Freistädte  allgemach  verfallen  waren.  Doch 
verlassen  wir  hier,  nach  solchen  allgemeinen  Andeutun- 
gen, den  Boden  der  Vergleichungen,  um  blos  noch  die 
materielle  und  politische  Entwicklung  von  Florenz  etwas 
näher  ins  Auge  zu  fassen,  da  es  uns  ja  vor  Allem  darauf 
ankommt,  die  Grundlage  kennen  zu  lernen,  auf  der  das 
Gebäude  fiorentin  ischer  Kunst  aufgeführt  ward. 

Florenz  wird  zum  ersten  Mal  unter  Kaiser  Tiberius 
von  Tacilus  erwähnt,  indem  es  sich  gegen  eine  Ablen- 
kung der  Chiana  in  deii  Arno  verwahrte,  wodurch  die 
."^tadt  fortwährenden  i'berschweinnningen  ausgesetzt 
gewesen  wäre.  Um  diese  Zeit  war  ihr  Umfang  aber 
wohl  noch  ein  sehr  geringer:  sie  mochte  theiis  aus  den 
Factoreien  der  fiesolanischen  Kaufleute,  theiis  aus  An- 
siedelungen römischer  Veteranen  entstanden  sein.  Unter 


dem  Kaiser  Hadrian  iiatte  Florenz  schon  einige  Bedeu- 
tung   erlangt;    ein    bei   Monteputecano    aufgefuiulener 
Meilenstein  gibt  Florenz  als  das  Ziel  der  vom  Kaiser 
verlängerten  Via  Cassia  an.     Unter   der    Christenver- 
folgnng    des    Kaisers    Decius    im    Jahre    212     wurde 
S.  Miniato  im  .Vmpliitheater   von    Florenz    den    wilden 
Tli'eren  vorgeworfen;  hundert  Jahre  sjjäter  ninnnt  be- 
reits ein  fiorentinischerBischof  Felix  an  einer  römischen 
Synode  Theil.    Im  Jahre  405  briciit  Radagais  an  der 
.Spitze  germanischer  Stämme  in  Toscana  ein  tind  be- 
lagert Florenz.     Vor  Fiesole  wird  er  aber  von  Stilicho 
vernichtet.     Aus  Freude  über  ihre  Befreiung  stifteten 
die  Florentiner    der  heiligen  Regarata  zu  Ehren  eine 
Kirche,    an  deren   Namenstag,    dem   8.  October,    die 
Schlacht  vorgefallen  war.    Später  musste  die  Stadt  eine 
gothische  Besatzung  aufnehmen,  bis  Narses  die  Gotlien- 
herrschaft  in  Italien  vernichtete.  Dauernder  unterwarfen 
sich  die  Longobarden  Florenz  und  von  dieser  Zeit  an 
erscheint  das  reine  römische  Nationalgelühl  in  Florenz  ge- 
trübt, wenn  es  auch  gerade  hier  am  wenigsten  ganz  erlischt. 
Deutsche  feudale    Kegierungsformen   vermischen    sich 
mit  den  römisch-municipalen.    Auch   Karl   der  Grosse, 
der  gewaltsame  Erbe   des  Longobardenreiches,   behielt 
anfangs  die  H  e  r  z  ö  g  e ,  als  oberste  militäriseh-i)olitische 
Behörden  bei. 

Bald  jedoch  trat  ein  Graf  an  seine  Stelle.  Die  nie- 
deren Behörden,  wie  Sehultheisse,  Schöffen  etc.  wurden 
gemäss  den  karolingischen  Capitularie  vom  Grafen  und 
vorn  V  olke  erwählt.  Diese  Theilnahme  des  Volkes  an 
der  Wahl  der  Behörden  bildete  den  ersten  Ansatz  zur 
bürgerlichen  Freiheit  von  Florenz  und  zu  dessen  Eman- 
cii)ation  von  der  deutschen  Kaisergewalt. 

Hier  ist  es  am  Platze,  ein  kurzes  Bild  der  politi- 
schen Hauptströmungen  zu  geben,  die  sich  nach  dem 
Zerfall  des  römischen  Kaiserreichs  in  Italien  so  wie  dem 
ganzen  Abendlande  die  Herrschaft  streitig  machten. 

Das  weströmisclie  Reich  zerfiel  unter  dem  wuch- 
tigen Andränge  der  Germanen.  Mehrmals  waren  letztere 
nahe  daran,  Italien  zu  einem  Königreiche  umzugestalten, 
das  bei  längerer  Dauer  unfehlbar  national  geworden  und 
das  Band  vor  tausendjähriger  Zerrüttung  bewahrt  hätte. 
Aber  die  Todeszuckungen  des  altrömischen  Kaiserreichs 
vereitelten  solche  Bestrebungen;  und  es  nimmt  den  An- 
schein an,  als  ob  die  unter  den  römischen  Kaisern  ziem- 
lich homogen  gewdrdene  Bevölkerung  Italiens  erst  wie- 
der hätte  in  ihre  einzelnen  Bestandthcile  zerfallen 
müssen,  ehe  sie  für  ein  neues  Gesammtleben  und  eine 
neue  Gesammtcultur  flhig  werden  konnte. 

Das  arianische  Ostgothenreich  des  Theodorich  zer- 
trünnnerte  der  dadurch  verkürzte  oströmische  Kaiser 
Justiniau,  darin  unterstützt  von  den  Feinden  des  Arianis- 
mus,  den  Päpsten.  Mit  e'ner  wunderbaren  Schnelligkeit 
hatte  sich,  genährt  von  der  fortglinnnenden  Asche  römi- 
schei'Weltherrschsucht,  aus  dem  Priesterthum  des  neuen 
Bekenntnisses  eine  hochmüthige  Kaste  herausiiebildet, 
deren  Ziel  vor  Allem  die  Herrschaft  in  Italien  und  so- 
dann in  ganz  Europa  war.  Deshalb  bediente  sie  sich 
einerseits  der  byzantinischen  und  später  der  deutschen 
Kaiser  dazu,  um  Italiens  nationale  Einheitsbestrebungen 
zu  hintertreilien,  anderseits  nährte  sie  diese  letzteren,  um 
nicht  andere  Fürsten  Herren  Italiens  werden  zu  lassen. 

Die  Longobarden  waren  zum  zweiten  Male  nahe 
daran  gewesen,  Italien  zu  einem  nationalen  Reiche  zu 
gestalten  und  fingen  bereits  au,  Italiens  .'^ache  als  die 

17» 


—     132     — 


ihrige,  und  Deutschland  gegenüber  sich  als  Italiener  zu 
betrachten.  Der  Papst  aber,  naclitlem  es  ihm  gelungen, 
bei  Gelegenheit  des  Bilderstreits,  den  l^yzantinischen 
Kaisern  den  letzten  Rest  ihrer  Herrschaft  in  Italien,  das 
Exarchat,  zu  entreissen,  war  fortan  auch  bemüht,  sich 
von  der  Gefahr  der  Lougobardenherrschaft  zu  befreien. 
Und  zwar  that  er  dies  durch  ein  iMittel,  wodurch  er  zu- 
gleich auch  den  Grund  zu  seinem  PZinfluss  ausserhalb 
Italiens  legte. 

Aus  verschiedenen  Gründen  musste  dem  Papst  ein 
deutscher  König  der  willkommenste  Bundesgenosse 
gegen  die  Rivalen  seiner  Macht  in  Italien  sein.  Byzanz 
war  deren  selbst  einer;  auch  trennte  es  sich  kirchlich 
Aon  Rom.  Die  ehrliche  Frömmigkeit  der  neubekehrten 
Germanen  alter,  ilire  dunkle  Eljrfurcht  vor  dem  Namei\ 
des  alten  romischen  Kaiserreiches,  so  wie  ihre  jugend- 
lich thatkräftige  Kampflust,  das  waren  alles  Umstände, 
wie  sie  sich  dem  arglistigen,  schon  früli  zur  Höhe  diplo- 
matischer Schlauheit  emporgestiegenen  Papstthum  nicht 
willkonnnener  bieten  konnten,  um  nicht  l)los  Italiens 
nationale  Gelüste  in  .Schach,  sondern  das  ganze  Abend- 
land unter  seinem  Einfluss  zu  halten. 

Schon  Stephan  II.  hatte  die  günstige  Gelegenheit 
ersehen,  sich  die  Freundschaft  des  mächtigen  Franken- 
königs zu  sichcnj,  indem  er  sein  geistliches  Ansehen 
dazu  benutzte,  den  Usurpator  Pipin  als  legitim  zu 
erklären.  Vorsichtig  aber  und  der  römischen  Herrsch- 
sucht getreu  ,  annexirte  er  ihn  zugleich  an  Rom, 
indem  er  ihn  mit  Auszeichnungen  ü))erhäufte  und 
zum  römisclicn  Patrizier  ernannte.  Pipin  war  dafür 
nicht  undankbar  und  licschenkte  ihn  zum  Lohn  mit  dem 
Exarcliat  und  legte  so  den  Grund  zur  weltlichen 
Macht   des  Papstthums. 

Sein  Nachfolger  lladrian  fasste  das  Ziel  der  päpst- 
liciien  Welfherrsciiatt  schon  l)estinnntcr  ins  Auge  und 
rief  Karl  den  Grossen  zur  Vernichtung  des  Longül)arden- 
reiclies  herbei,  während  die  Krönung  Karl's  zum  römi- 
schen Kaiser  erst  sein  Nachfolger  Leo  III.  ausführen 
konnte.  So  war  es  den  Päpsten  glücklich  gelungen, 
Italien  seiner  natidnalcn  Einheit,  deren  Verwirklichung 
durch  die  Longoi)arden  nahe  bevorgestanden,  auf  Jahr- 
tausende hinaus  su  vereiteln.  Don  römischen  Kaiser 
von  Gottes  Gnaden  atier  hofften  sie  in  dessen  eigenem 
Lande  als  willtäinigen  Knecht,  Italiens  nationalen  Be- 
strel)ungen  gegenüber  als  Schergen  benutzen  zu  kön 
neu.  Wurden  die  Kaiser  anderseits  in  Italien  zu 
mächtig,  so  konnten  die  Päpste  wieder  sich  der  national- 
italienisclicn  r;cfnlilc  bi'di(!nen.  um  ilirc  Macht  zu  i  r 
schüttern. 

Als  die  Nachfolger  Karls  des  (irossen,  die  römischen 
Kaiser  deutscher  Nation, in  der  That  mit  derselben  Vir 
blendnng,  mit  der  siedle  Würde überhau])!  angenommen, 
nun  auch  wirklidn-  Herren  im  ganzen  Reiclie  sein  und 
sich  auch  iil»er  das  Priesterthum  setzen  Avollten,  da  ver 
bündeten  sicii  denn  auch  die  Päjiste  mit  dem  Unab 
hängigkeifsdrang  der  italienischen  Municipien,  uuj 
der  kaiserlichen  Macht  die  sie  gleichwohl  nicht  ganz 
dcsavouirteii  —  ein  Gegengewicht  entgegenzustellen. 

Bald  lieferte  auch  Frankreichs  Eifersucht  gegen 
Deutschland  chic  allerdings  vorsichtig  zu  verwendende 
Waffe  gegen  die  Uebennacht  des  Kaiscrthums. 

her  munici  i)ale  Patrioti  smus  war  in  Italien 
not  ii  wendigerweise  zunächst  statt  eines  italienischen, 
eingetreten,    der  unter    den  Gothen  und  Longobarden 


sich  hätte  bilden  können,  aber  innner  im  Keime  erstickt 
wurde.  Denn  die  todtgeborne  Idee  des  neuen  römischen 
Reichs,  in  welches  Italien  eingeschachtelt  wurde,  war 
einerseits  nicht  kräftig  genug,  dessen  schlummerndes 
Nationalgefühl  in  einer  grösseren  Nationalität  des  neuen 
Gesannntreiches  aufgehen  zu  machen,  andererseits  ver- 
hinderte aber  dieses  letztere  doch  Italien  zum  starken 
Bewusstsein  seiner  Einheit  zu  konnnen,  um  so  mehr, 
als  schon  zur  Zeit  des  alten  römischen  Kaiserreiches  die 
Idee  Italic  n  hinter  der  der  W  e  1 1  h  e  r  r  s  c  h  a  f  t  R  o  m  s 
zurückgetreten  war. 

Florenz  ist  eine  unter  den  italienischen  Städten, 
die  am  energischesten  ihre  nuniicipalen  Freiheiten 
gegenüber  dem  Kaiser  undseinenVasallen  durchzusetzen 
bemüht  waren,  und  bildete  deshallj  eine  der  treuesten 
Bundesgenossinnen  des  Papstes.  So  kam  es,  dass  Flo- 
renz zugleich  den  ärgsten  Unterdrücker  des  Landes 
unterstützte  und  zugleich  innerhalb  seiner  Mauern  die- 
jenigen Ideen  V(m  Nationalgefühl,  Menschenwürde  und 
Freiheit  ausbildete,  welche  später  nicht  wenig  zur  natio- 
nalen und  freiheitlichen  Einigung  des  ganzen  Landes 
beitrugen. 

Die  erste  Gelegenheit,  sich  der  kaiserlichen  Gewalt 
gegenüber  selbständiger  zu  stellen,  fand  Florenz  mit 
anderen  Städten  Toscanas  und  der  Lombardei  durch  die 
Schenkung  der  Herzogin  Mathilde  an  den  päpstlichen 
Stuhl.  Florenz  entzog  sich  der  Herrschaft  der  Mark- 
grafen und  Vicare  und  bildete  eine  municipale  Regie- 
rung mit  Consuln  der  verschiedenen  Zünfte  an  der 
Spitze.  Heinrieh  V.  setzte  im  Jahre  1115  allerdings 
wieder  einen  Markgrafen  von  Tuscien,  Konrad,  ein, 
doch  ohne  nachhaltigen  Erfolg.  Florenz  nahm  um 
diese  Zeit  bereits  schnell  an  Umfang  und  Gewerbsthä- 
tigkeit  zu ;  der  Mauerring  nnisste  erweitert  werden  und 
mit  Pisa  wurden  gute  Beziehungen  gepflogen,  um  das 
Meer  für  den  Absatz  der  florentinischen  Producte  often 
zu  haben.  Als  Pisa  mit  Majorca  im  Kam])fe  lag,  be- 
wachte Florenz  aus  Freundschaft  die  Stadt. 

Zur  gleichen  Zeit  dehnte  die  aufblühende  Stadt- 
republik ihren  Einfluss  auch  auf  das  offene  Land  der 
Umgeliung  aus.  Sie  gewährte  den  Bauern  Schutz  gegen 
die  Bedrückungen  derfeudalen  Gutsherren, meistgernm- 
nischen  Ursprungs.  Diesen  selbst  kaufte  sie  theils  ihre 
Schlösser  .ab,  theils  nahm  sie  ihnen  dieselben  mit  Ge- 
walt, und  nöthigte  sie,  Bürger  von  Florenz  zu  werden, 
und   jährlich  einige  Mcniate  in   der  Stadt  zu  verleben. 

Aus  diesem  eingel)ürgerten  Landadel  entstand  all- 
mälig  neben  den  eigentlichen  ]5ürgern  eine  Classe  von 
Grossen  (Granden,  Magnaten)  in  der  Stadt,  welche 
jetzt  in  dieser  nach  dersellnm  uniieschränkten  Herrschaft 
tracht(;ten,  die  sie  auf  dem  Lande  über  ihre  Hörigen  und 
Leibeigenen  ausgeübt  hatten.  Der  Kam))!'  zwischen 
Bürgerthum  und  Adel  beschränkte  sich  daher  bald  nicht 
mehr  auf  einen  K;inipf  der  Stadt  gegen  die  undiegen 
den  Ibirgcn,  sondern  entbrannte  auch  innerhalb  ihrer 
Mauern    selbst. 

Unter  diesen  Umstünden  erwies  sich  der  Magistrat 
der  (Jonsulen  bald  als  unzulänglich ;  da  er  blos  aus  Bür- 
gern bestand,  sowareri;ntwe<ler  vonllaiisaus  dem  .Vdel 
feind  oder  von  diesem  gewonnen.  Man  ernannte  deshalb, 
nach  dem  Vorgange  Barbarossa's  in  der  Lombardei,  vom 
Jahre  1207  an,  einen  Fremden,  d.  h.  einen  Itidiener 
(;iner  andern  Provinz,  zum  Podestä,  der  mit  den  Bieli- 


—     133 


tern  zusammen  Recht  zu  sprechen  und  die  Vollziehung 
der  Urtheile  zu  versehen  hatte. 

Ihrer  Herkunft  und  Stellung-  entsprechend  waren 
die  Grossen  hn  Allgemeinen  Verfechter  der  kaiser- 
lichen f4e\valt,  während  die  alten  Bürger  den  papst- 
freundlichen  Jlunicipalismus  vertraten.  Wie  seit  dem 
Regierungsantritte  der  Hohenstaufen  der  Kampf  zwi- 
schen Papstthum  und  Kaiserthum  ül)erhaui)t  am  wilde- 
sten entbrannt  war,  so  tritt  seit  dieser  Zeit  auch  der 
Gegensatz  zwischen  Landadel  und  Städten  ,  Gross- 
bürgern und  Altbürgern,  sowie  die  Parteiualniie  beider 
Classcn  für  Papst  und  Kaiser  hervor.  Die  Namen 
Guelfen  und  Ghibellincn  tauchen  auf. 

Da  die  Mensehen,  welche  an  tausend  Privatinter- 
essen lind  persönliche  Neigungen  oder  Abneigungen  ge- 
bunden sind,  nie  reine  Vertreter  von  Principien  sind, 
so  geschieht  es  jetzt  nicht  blos,  dass  Adelige  die  Partei 
der  Guelfen  und  Bürger  die  der  Ghiliellinen  ergreifen, 
sondern  selbst  ganze  Städte  stellen  sich  aus  Rivalität 
unter  den  zwei  feindlichen  Bannern  gegeneinander. 
Pisa,  der  in  Florenz  inzwischen  eine  mächtige  Neben- 
buhlerin in  Handel  und  Gewerbe  erstanden,  ist  nicht 
blos  der  letzteren  Stadt  Feind,  sondern  ist  auch,  im 
Gegensatz  zu  ihr,  der  eifrigsten  Guelfin,  ghibellinisch 
gesinnt  und  treue  Anhängerin  der  Kaiser. 

Durch  Friedrich  Barbarossa  und  Friedrich  H.  er 
hielten  die  Ghibellinen  in  Italien  die  Oberhand;  nicht 
nur  erhielt  mancher  Grosse  seine  verlorene  Burg  in  der 
Nähe  von  Florenz  wieder,  sondern  1248  gelangten  die 
ghibeilinischen  Grossen  durch  seine  Hilfe  sogar  zur  Herr- 
schaft im  Inneren  der  Stadt  und  vertrieben  die  mächtig- 
sten Guelfen.  Dies  war  aber  der  Anlass  zu  einer  völli- 
gen Spaltung  der  Stadt,  wo  Ijisher  noch  ein  guter  Thcil 
Bürger  gewesen  war,  die  nur  Bürger  sein  wollten  und 
auf  den  Wohlstand  und  die  Ehre  der  Republik  bedacht 
gewesen.   Jetzt  ergriff'  Alles  Partei. 

Nach  Friedrich's  II.  Tod  im  Jahre  1251.)  gewannen 
jedoch  die  Guelfen  wieder  allerorts  die  Oberhand  in 
Italien.  Die  Ghibellinen  in  Florenz,  die  sich  jetzt  als 
Alleinherrsclier  zu  schwach  füldten,  versuchten  eine  Ver- 
söhnung herzustellen  und  riefen  die  verbannten  Guelfen 
zurück. 

Zunächst  wird  von  der  Bürgerschaft  die  Verfassung 
revidirt.  Weil  der  Podestii  Friedrich's,  Riniero  von  Mon- 
temurlo,  der  zugleich  mit  ihm  gestorben  war,  seine 
Stellung  zu  willkürlichen  und  gewaltsamen  Massregeln 
missbrauclit  hatte,  setzte  man  dem  neuen  Podestä  noch 
einen  zweiten  fremden  Richter,  den  C  a  p  i  t  a  n  o  d  e  1 
popolo,  zur  Seite.  An  die  Stelle  derConsuln  der  Zünfte 
erwählte  man  aus  jedem  Stadtsechstel  (sesto)  zwei 
Aelteste  (anziani),  die  jedes  Jahr  wechselten.  So  hoffte 
man  die  Gefahr  der  Parteilichkeit  zu  vermiudern.  End- 
lich wurde  die  waffenfähige  Jugend  der  Stadt  in  20. 
die  des  Landes  in  66  Fähnlein  (gonfaloni)  getheilt, 
welche  auf  den  Ruf  des  Capitano  del  pojjolo,  oder  der 
Anziani  zu  den  Waffen  eilen  mussten.  Der  Podesta 
behielt  zwar  sein  Richteramt  und  seine  Macht  zu  Ver 
urtheilungen ;  als  Gegengewicht  gegen  etwaige  staats- 
feindliche Gesinnungen  dieses  Fremden  aber  diente  nicht 
nur  die  Rivalität  seines  Amtsgenossen,  des  Capitano, 
sondern  falls  beide  Frenule  gemeinsame  Sache  machen 
sollten,  waren  auch  die  bürgerlichen  Anziani  allein 
befugt,  die  bewaffnete  Bürgerschaft  zum  Schutz  der  Frei- 
heit aufzurufen.  —  Diese  Verfassung  war  dis  Grundlage 


der  florentinischcn  Freiheit  und  drängte  die  ehrgeizigen 
Hoffnungen  des  Adels  sehr  zurück. 

Bald  aber  gewannen  die  Ghibellinen  durcii  Kon- 
rad's  und  Manl'red's  Erfuige  neue  HotTnungen  tür  ihre 
Partei.  In  Florenz  versuchteeinUberti  im  Jahre  1258, mit 
Hilfe  Manfred's,  die  Macht  wieder  an  sich  zu  reisseu 
und  die  Verfassung  zu  stürzen.  Sein  Plan  wird  jedoch 
vereitelt  und  er  mit  allen  Ghibellinen  verbannt.  Sie 
finden  in  Siena  ihre  Zuflucht,  das  von  denselben  Partei- 
kämpfen wie  Florenz  zerrissen  wurde,  und  wo  eben  da- 
mals die  Ghibellinen  die  Oberhand  hatten. 

Bei  Montaperti  an  der  Arpia  konnnt  es  im  Jaiux' 
1260  zwischen  dem  in  S'ena  organisirten  und  von  Man- 
fred unterstUzten  Heer  der  Ghibellinen  mit  Farinata 
degli  Uberti  an  der  Spitze,  und  dju  Guelfen  von  Florenz 
zum  Kampf.  Die  letztern  erleiden  eine  blutige  Nieder- 
lage und  fl'e'.icu,  aus  Furcht  vor  einer  Umwälzung  in 
Florenz,  nach  Lucca.  Die  eifersüchtigen  Städte  Arezzo, 
Siena  und  Pistoja  verlangen  jetzt  die  völlige  Zerstörung 
von  Florenz,  die  nur  durcii  die  Heiinxtsliebe  des  tapfern 
Gldbellinenliauptes,  Farinata,  verhindert  wird.  Dagegen 
hebt  der  Aljgesandte  MiUifred's  die  Verfassung  von  Flo- 
renz wieder  auf,  und  setzt  Guido  Novelle,  den  Herrn 
vom  Casentino,  zum  Vicar  Manfred's  in  Florenz  ein. 

Der  Triumph  der  Ghibellinen  war  aber  nicht  von 
langer  Dauer,  da  es  den  uueriuüdlicheu  Intriguen  der 
Päiiste  schliesslich  doch  gelaug,  dem  Geschlecht  der 
Hohenstaufen  seinen  Untergang  zu  bereiten. 

Im  Kampfe  mit  den  Hohenstaufen  hatte,  aus  gegen- 
seitigem Interesse,  immer  mehr  Annäherung  zwischen 
den  Päpsten  und  den  französischen  Königen  stattge- 
funden, die  jedenfalls  aus  Politik  mit  grossem  Eifer  sich 
an  den  Kreuzzügen  betheiligt  hatten.  Besonders  zeigte 
sich  Ludwig  IX.,  der  Heilige,  den  Päpsten  willfährig. 
Schon  im  Jahre  1241  flieht  Innocenz  IV.  vor  Friedrich  II. 
aus  Rom  nach  Lyon  in  der  Provence,  die  durch  Erbschaft 
an  Ludwig  gefallen  war  In  einem  dort  gehaltenen  Con- 
cil  bietet  Ludwig  IX.  dem  Papste  seine  Dienste  au, 
w  iihrend  dieser  Friedrich  IL  exconmiunicirt,  seine  Unter- 
thauen  gegen  ihn  aufhetzt,  Gegenkaiser  gegen  ihn  auf- 
stellt etc.  Ludwig  sucht  durch  einen  grossartig  uuter- 
noimneuen,  aber  kläglich  endenden  Kreuzziig  dem  Papste 
zu  zeigen,  dass  er  es  mit  der  Bekämpfung  der  Ungläu- 
bigen ernster  meinte,  als  Friedrich,  der  mehrmals  Kreuz- 
züge versprach  und  hinausschob  oder  auf  halbem  Wege 
umkehrte,  um  des  Papstes  arglistige  Anschläge  auf 
seine  unteritalischen  Besitzungen  zu  vereiteln,  oder  der 
mit  den  Sarazenen  durch  Verträge  weiter  kam  als 
Andere  durcii  Kampf. 

Bald  erntete  Ludwig  den  Lohn  seiner  Frömmigkeit 
ein;  der  Nachfolger  des  Innocenz,  der  französische 
Urban  IV.,  bietet  dem  Bruder  des  Künig.s,  Kar!  von 
Anjou,  das  Königreich  Neapel  und  Sicilien  als  päpst- 
liches Lehen  an,  worauf  dieser  im  Jahre  1266  den 
Halbbruder  Friedrich's,  Manfred,  in  der  Schlacht  bei 
Benevent  besiegte  und  tödtete,  und  zwei  Jahre  später, 
nach  der  Schlacht  bei  Tagliacozzo  den  letzten  der 
Hohenstanfeii,  Konradin  ,  in  Neajiel  auf  dem  Schaftbt 
sterben  Hess. 

Die  nach  der  Schlacht  l)ei  Montaperti  nach  Lucca 
geflohenen  florentinischcn  Guelfen  hatten  sich  von  da 
nach  Bologna  und  endlicii  nach  Parma  gewandt,  und 
stellten  sich  nach  der  Schlacht  bei  Benevent  dem  Papste 
zur  Verfügung. 


134 


Die  Ghibellinen  in  Florenz  dagegeu  glaubten  nach 
der  Schlacht  hei  Benevent  das  durch  den  Verlust  seiner 
Freiheit  erbitterte  Volk  schnell  noch  durch  eir.e  neue 
Verfassung  für  sich  gewinnen  zu  können,  beschleunig- 
ten aber  dadurch,  wie  es  ihnen  schon  einmal  geschehen 
war.  den  Untergang  ihrer  Herrschaft.  Sie  erwählten 
einen  Ausschuss  von  3G  bürgern,  mit  je  einem  guelfischcn 
und  einem  ghibellinischcn  Kitter  aus  Bologna,  welche 
die  neue  Verfassung  ausarbeiten  sollten.  Der  Ausschuss 
kehrte  sich  aber  nicht  an  seinen  l'rsprung,  sondern 
schuf  noch  demokraüschere  Einrichtungen,  als  sie  in  der 
vorhergeilenden  Verfassung  vorgesehen  waren.  Er  theilte 
die  Bürger  in  12  Zünfte,  7  höhere  und  5  niedere,  mit 
einem  Magistrat  an  der  S])itze,  wovon  sieh  die  waffen- 
fähigen Mitglieder,  sobald  es  nötliig  war,  unter  Fähn- 
lein vorsammeln  miissten.  Später  wuchsen  diese  Zünfte 
zu  14,  endlich  zu  '21  an. 

Als  Guido  Novello  nach  diesem  Vorgang  sein  Ent- 
gegenkommen bereute  und  die  Gewalt  wieder  an  sich 
reissen  wollte,  vertrieben  ihn  die  neuorganisirten  Zünfte 
und  riefen  die  Guelfen  zurück.  Nach  Konradiu's  Tod 
wurden  sodann  alle  Ghibellinen  aus  Florenz  vertrielien 
und  die  neue  Verfassung  vervollständigt.  An  Stelle  der 
Altesten  (anziani)  wählte  man  eine  Regierung  von 
zwölf  buonomini  (^Elirenmänner),  sowie  den  Rath  der 
Credenza,  der  aus  1 1:0  Bürgern  gebildet  ward  und  die 
Aen.ter  vertheilen  sollte,  und  endlich  einen  andern  Rath 
von  l'-U  Bürgern,  die  mit  den  beiden  andern  Regierungs- 
körpern zusammen  den  grossen  Rath  (consiglio 
generale^  bildeten.  In  diesen  Einrichtungen  zeigt  sich 
(las  demokratisclie  Bestreben ,  möglichst  Viele  an  der 
Piegierung  tiieilnelimen  zu  lassen.  Da  die  Guelfen  aber 
Herren  in  der  Stadt  waren,  so  gaben  sie  ausserdem  auch 
noch  ihrer  Partei  eine  feste,  statutenmässig  geordnete 
Gestalt;  dieselbe  konnte  eine  Versamndung  vcn  (iO  .Mit- 
gliedern zusammenrufen ,  hatte  einen  Rath  von  14, 
sowie  drei  und  später  vier  Haujitleute.  Diese  Körjjer- 
schaft  der  Guelfen  hatte  das  Recht,  die  Regierung  zu 
beaufsichtigen  und  von  gliii)ellinisclien  Elementen  rein 
zu  erhalten;  sie  durfte  dieselben  verfolgen  und  ihre 
Güter  confisciren,  wovon  ein  Drittel  ihr  selbst  zu  Gute 
kam.  .So  bildete  diese  Partei  gleichsam  einen  Staat  im 
Staate  und  den  Keim  zu  neuen  ,  oligarchisclien  Be- 
strebungen. 

Nach  dem  Untergang  der  llnhenstaufen  war  in 
Deutschland  das  Interregnum  eingetreten,  Sd  dass  fiir's 
Erste  das  Papstthum  von  Seite  der  Kaiser  nichts 
zu  fürchten  hatte.  Dagegen  begann  die  Macht  Karl's  von 
Anjou  ein  drohendes  Wachstimm  zu  eiitliilten. 

Kicolaus  III.  iiielt  es  djilier  für  rathsam  ,  in  Italien 
;ils  Friedenstifter  aufzutreten,  die  Parteien  der  Guelfen 
und  Ghibellinen  zu  versöhnen  und  so  sich  beider  Dank 
und  Geliorsam  zu  gewinnen,  statt  etwaigen  s])ätcren 
Kaisern  den  alten  Anhaltspunkt  des  Gliiliellincnthmiis 
aufzubewahreii.  F,r  setzte  desiialb  die  Rüekberufung 
der  Ghibellinen  nach  Florenz  durch,  und  ernannte  seinen 
Legaten  Brunetto  Latini  zum  kaiserlichen  Vicar  in 
Florenz,  welcher  eine  neue  Behörde  von  acht  Guelfen 
und  sechs  Ghibellinen  zur  Sehlichttnig  iler  Streitigkeiten 
einzetzte.  Nach  Nicolaus'  Tod  j((lo<h  kam  wieder  ein 
französischer  Pajist  auf  den  Stuhl,  der  bemliht  war, 
Karl's  EinflusH  in  F"lorcnz  zu  vermehren  und  die  Guelfen 
zur  abermaligen  Vertreibung  der  Giiibellinen  veran- 
lasste.   -      An  die  Stelle    der   Vierzehner   wurden  jetzt 


drei  Prioren  ernannt,  welche  zwar  adelig  sein  durften, 
aber  einer  Zunit  angehören  mussten.  Bald  darauf  stieg 
ihre  Zahl  auf  sechs,  und  als  die  Stadt  in  Viertel  (statt 
der  bisherigen  Sechstel)  eingelheilt  wurde,  auf  acht. 
Diese  Behörde,  für  welche  vom  Jahre  1298  an  nach 
Arnolfo's  Plänen  ein  eigener  Palast  gebaut  wurde,  trug 
auch  den  Namen  Signoria. 

Um  dieselbe  Zeit  erlitten  die  vertriebenen  Ghibel- 
linen sammt  ihren  Verbündeten,  den  Aretinern,  eine 
schwere  Niederlage  bei  Campa  Idino  im  Caseniino. 

Hiedurdi  stieg  der  Uebermuth  der  reichen  und 
adeligen  Guelfen  bis  zu  einer  unerträglichen  Höhe 
„Die  Schwachen  waren  nicht  beschützt,  sondern  die 
Adeligen  misshandelten  sie,  und  ebenso  die  reichen 
Bürger,  welche  Amter  innehatten  und  mit  dem  Adel 
verschwägert  waren ;  Viele  wnssten  sich  durch  Geld 
den  Strafen  für  ihre  Gewaltthätigkeiten  zu  entziehen. 
Daher  waren  die  guten  Bürger  des  Mittelstandes  unzu- 
frieden und  tadelten  das  Amt  der  Prioren,  da  sie  die 
grossen  Guelfen  Herren  sein  Hessen."  So  schil- 
dert Dino  Compagni  sehr  anschaulich  das  Em))orkeinien 
einer  neuen  Aristokratie  aus  dem  eigentlich  clemokrati- 
schen  Guelfenthum  hervor. 

Giano  della  Bella,  sei  es  aus  wirklichem  Rechts- 
gefühl, sei  es  als  der  erste  florentinische  Demagog,  der 
nach  der  Tyrannis  strebte,  trat,  obwohl  selbst  ein  Adeli- 
ger, doch  jenen  Anmassungen  entgegen  und  auf  Seite 
des  Volkes.  Gelegenheit  liiezu  fand  er  durch  seine  Er- 
nennung unter  die  Zahl  der  Prioren.  Er  fügte  den  ziem- 
lich hiltlosen  Signori  den  G  o n  f  a  1  o n  i  e  r  e  d  i  g  i  u  s  t  i  z  ia 
bei,  der  ein  Fähnlein  von  4000  Mann  zur  Veriügung  hatte, 
um  jederzeit  dem  Gewaltstreich  einer  Partei  entgegen- 
treten zu  können.  Eine  wichtigere  Massregel  aber, 
die  er  traf,  waren  die  „Verordnungen  der  Gerech- 
tigkeit'' (ordinamcnti  di  giustizia),  welche  erst  voll- 
ständig dem  Volke  die  Herrschaft  verlieh.  Der  wich- 
tigste Paragrai)h  dieses  Gesetzes  enthielt  die  Aus- 
s  e  h  1  i  c  s  s  u  n  g  a  1 1  e  r  A  d  e  1  i  g  e  n ,  sowie  aller  Familien, 
die  Ritter  unter  sich  zählten,  von  den  Ämtern. 
Dreiunddreissig  Familien  wurden  von  dieser  Ordnung 
betroffen.  Ausserdem  vermehrte  er  die  Zahl  der  Prioren 
bis  zu  zwölf  und  verlieh  den  24  Consuln  der  Zünfte 
mehr  Befugnisse ;  Alles  um  oligarchische  Tendenzen 
von  der  Regierung  möglichst  fern  zu  halten  und  die 
Macht  im  V(dke  möglichst  zu  vertheilen.  Als  die 
Adelspartei  sich  dieser  Verordnung  widersetzte,  erhob 
sich  das  Volk  gegen  sie  und  ernannte  Giano  della 
Bella  zu  seinem  Anführer;  sei  es  aber,  dass  dieser,  am 
Ziel  seines  Strelu'ns  angelangt,  den  i\Iuth  \erlor,  sich 
desselben  zu  bemächtigen,  sei  es,  dass  er  wirklich 
uneigenützig  gehandelt  hatte,  Thatsaehe  ist,  dass  er  die 
dargebotene  Herrschaft  verschmähte  und  ein  freiwilliges 
Exil  wählte.  Dies  geschah  im  Jahre  12Ü5. 

(ii.'UKi  della  Bella  war  nicht  der  einzige  Adelige, 
der  die  Parthei  iles  \'(dkes  ergriffen  hatte;  vielniehr 
brachte  es  die  Rivalität  zwischen  Adel  und  Reiehthum 
bald  dahin,  dass  an  der  Spitze  des  Volkes  eben  so  an- 
gest'hene  Familien  standen,  wie  in  den  Reihen  der 
(iegeiiparthei.  Die  Iläiiptei'  der  letzteren  waren  Carjo 
de  Dmiati,  Pazzino  de  l'azzi,  Rosso  de  Bossi,  Geri  de' 
Spini  und  andre;  an  der  S])itze  der  Volksparthei  stand 
Vieri  de  Ccsclii.  Zu  dieser  letzteren  Iiielten  sich  ausser- 
dem die  fUiibe'linen .  die  etwa  vom  Kxil  verschont 
geblieben  waren.  —  Nachdem  so  innerhalb  des  Welten- 


i;i3 


thums  eine  eben  so  schroffe  Partheispaltiing  eingetreten 
war,  wie  früher  zwischen  Bürger  und  Kitter,  Stadt  und 
Land,  so  Hessen  aucii  die  neuen  l'artiicinamcn  nicht 
lang  auf  sicli  warten.  Die  Spaltung  der  Familie  Can- 
cellieri  von  Pistoja  in  schwarze  und  weisse,  über- 
trug sich  nach  Florenz  und  gab  Anlass  zu  den  Namen 
der  schwarzen  Guelfen,  d.  h.  der  oligarchisch 
gesinnten,  und  der  weissen  d.  h.  der  demokratisch 
gesinnten. 

Nach  einigen  vergeblichen  Vermittlungsversuchen 
wohlgesinnter  Bürger,  sowie  des  päpstlichen  Legaten 
eröffneten  die,  immerhin  rücksichtsloser  vorgehen- 
den Schwarzen,  unterstützt  von  Karl  von  Valois, 
den  Hnrgerkami)f ,  brannten  halb  Florenz  nieder  und 
erwählten  neue  Priorcn  aus  ihrer  Mitte.  Bemerkens- 
werth  ist  dass  ein  Medici  der  erste  Friedensstörer 
war.  Der  gewaltthätige  Graf  Gabriel  von  Agobbio 
wird  zum  Podestä  ernannt,  und  schickt  eine  grosse 
Anzahl  der  besten  Bürger  ,  darunter  Dante  ,  ins  Exil. 
Bald,  darauf  zwar  stellte  der  neue  Papst,  Benedict  XL, 
durch  den  Cardinal  Niccoli  von  Orato  eine  Versölnuing 
her,  woraiif  ein  Theil  der  Weissen  zurückkehren  durfte; 
doch  war  sie  nicht  von  langer  Dauer,  und  wurden  die 
Weissen  neuerdings  vertrieben.  Auch  ein  Versuch  der- 
selben, durch  Überrumpelung  die  Stadt  wieder  zu 
gewinnen,  schlägt  fehl. 

Als  die  Weissen  vertrieben  waren ,  gedachte  Carjo 
de'  üonati  die  Verordnung  umzustürzen ,  welche  die 
Grossen  von  den  Amtern  ausschliesst.  Sein  Anschlag 
wurde  jedoch  von  der  Regierung  unterdrückt ;  er  fiel 
durch  einen  catalanischen  Söldling  im  Kloster  von 
S.  Sabri,  wohin  er  sich  geflüchtet  hatte,  und  es  wurde 
zur  Bewährung  der  ordinamenti  della  guistizia 
ein  Executor  ernannt,  der  die  übermüthigen  Mächtigen 
zur  Rechenschaft  ziehen  konnte. 

Fraidcreich  hatte  in  allen  diesen  florcntinischen 
Bürgerfehden  die  Hand  im  Spiel  und  begünstigte  die 
Oligarchen,  vielleicht  um  nach  Vernichtung  des  demo- 
kratisclien  Geistes  in  Florenz  selbst  desto  leichter  da- 
selbst herrschen  zu  können.  Denn  auch  im  Übrigen 
hatte  es  schon  ziendich  festen  Fuss  in  Italien  gefasst; 
hatte  es  auch  Sicilien  durch  die  Vesper  an  einen  Ver- 
wandten der  Holienstaufen Peter  von  Aragon,  verloren, 
so  sass  es  um  so  fester  hn  Königreich  Neapel.  Der 
Zusammenstoss  zwischen  der  französischen  und  päpst- 
lichen Herrschsucht  konnte  deshalb  auch  nicht  lang 
ausbleiben.  Als  der  herrsehsüclitige  Bonifacius  über 
Frankreich  dieselbe  Oberherrlichkeit  lieanspruchte,  die 
.seine  Vorgänger  über  die  Kaisersich  angemasst hatten, 
da  rückte  ihm  der  wenig  fromme  Philipp  der  Schöne  in 
seinem  eigenen  Hause  zu  Leibe,  und  zwaug  ihn,  unbe- 
kümmert um  Bann  und  Interdict,  zur  Flucht  von  Rom 
nach  Anagni.  Als  Bonifacius  kurz  darauf  aus  Wuth  über 
die  erlittene  Schmach  starb ,  verlegte  Piiilipp  den 
ganzen  Sitz  des  Papstthums  nach  Avignon  (im  Jahre 
1305),  wo  der  neue  Papst  Clemens  V.  unter  seinem 
Einfluss  gewählt  wurde  und  wirkte.  Obwohl  Philip}) 
durch  diesen  Gewaltact  den  Keim  zum  späteren 
Schisma  legte,  und  damit  den  Ausbruch  der  Reforma- 
tion beförderte,  so  war  seine  Absicht  dabei  doch  eine 
ganz  andere.  Das  Papstthum  sollte  fortan  als  Sturm- 
bock französischer  Feindschaft  gegen  das  zerrüttete 
deutsche  Reich  dienen,  eine  Feindschaft,  die  seit  Karl 
von  Anjou  zum  Ausbruch  kam  Ja  mit  Hülfe  des  Papstes 


strebte  Philipp  sogar  danach,  seinem  Bruder  die  römi- 
sche Kaiserkrone  deutscher  Nation  zuzuwenden,  ein 
Gelüste,  von  dem  seitdem  bis  in  die  neueste  Zeit  die 
Herrscher  von  Frankreicii  nicht  frei  blieben.  Der 
Erzbischof  von  Mainz  setzte  jedoch  die  Wahl  des  edlen 
Heinrich  Grafen  von  Luxenburg,  im  Jalu'c  1308  durch. 

Aus  eignem  Antrieb ,  nur  ermuthigt  durch  die  Ghi- 
bellinen  Italiens,  unternahm  Heinrich  im  Jahre  1310 
einen  Römerzug,  um  das  von  Zerbröckeliuig  bedrohte 
heilige  römi.sche  Reich  wieder  zusammenzukitten,  und 
sich  die  Kaiserkrone  in  Rom  aufsetzen  zu  lassen.  Nach- 
dem er  seine  besten  Kräfte  an  die  Bezwingung  der 
gnelfischen  Städte  Brescia  und  Cremona,  die  von  Flo- 
renz mit  Geld  unterstützt  wurden,  vergeudet  hatte, 
schift'te  er  sich  von  Genua  aus  nach  dem  stets  ghibelli- 
niscli  gesiunten  Pisa  ein,  wo  er  mit  Jubel  empfangen 
ward.  Mit  gleicher  Freude  begrüssten  iim  die  \ertrie- 
benen  AVeissen  und  Ghibellinen  aus  Florenz,  darunter 
Dante ,  der  in  den  rechtlichen  Sinn  des  Kaisers  die 
grösste  Hoffnung  für  den  Frieden  seines  zerrissenen 
Landes  setzte.  Nach  einer  vergeblichen  Belagerung  von 
Florenz  mit  seinem  geschwächten  Heer  begab  er  sich 
jedoch  zunächst  nach  Rom,  wo  er  gleichfnlls  nur  unter 
stetem  Kami)fe  die  Krönung  erzwingen  konnte,  und 
zwar  nicht  in  dem  von  den  Feinden  besetzten  Vatican, 
sondern  in  S.  Maria  maggiore,  nicht  durch  den  Papst 
selber,  sondern  bloss  durch  einen  seiner  Legaten. 
Hierauf  kehrte  er  nach  Pisa  zurück,  um  neue  Kräfte  zur 
Bezwingung  der  widerspenstigen  Guelfen,  vor  Allem 
des  stolzen  Florenz  zu  sammeln. 

Bei  einem  Zuge  gegen  Siena  starb  er  eines  plötz- 
lichen Todes  im  Kloster  Buoiiconvento,  unweit  des 
Arno  ,  wahrscheinlich  nicht  an  Gift,  wie  seine  Anhänger 
verbreiteten,  sondern  an  einem  Fieber,  das  er  sich 
durch  seine  Anstrengungen  und  Gemüthserregungen 
zugezogen  hatte.  Mit  tiefer  BetrUbniss  veranstalteten  ihm 
die  Pisaner  ein  feierliches  Leichenbegängniss  und  setz- 
ten ihn  in  einem  ehrenvollen  Grabmal  im  Dom  bei. 

Während  der  Anwesenheit  Heinrich's  in  Italien 
hatte  sich  Florenz  unter  den  Schutz  des  Königs  Robert 
von  Neapel  gestellt.  Dieser  setzte,  anstatt  des  Podestä, 
wieder  seinen  Vicar  ein,  dem  die  Rechtspflege  und 
Kriegsführung  gegen  Leistung  eines  Treueides  an  die 
Republik  oblag.  Mehrere  Niederlagen,  die  Florenz 
in  den  folgenden  Jahren  gegen  mächtige  auswärtige 
Ghibellinenhäupter  erlitt,  verstärkten  die  Jlacht  der 
neapolitanischen  Anjou  in  der  Stadt.  1315  erlitt  Florenz 
mit  verbündeten  Guelfeustädten  bei  Montecatini  durch 
die  Pisaner  mit  Uguccione  della  Taggliola  an  der  Spitze 
eine  schwere  Niederlage.  Fünf  Jahre  später  bemächtigte 
sich  der  kühne  und  geniale  Ghibelline  Castruccio  Cas- 
tracane  der  Herrschaft  in  Pisa  ,  Lucca  und  Pistoja.  Bei 
Altopajcio  fügte  er  den  Florentinern  die  schwerste 
Niederlage  bei,  die  sie  überhaupt  in  ihren  Annalen  zu 
verzeichnen  haben.  Schon  war  er  im  Begriff  sich  mit 
Ludwig  dem  Bayern,  dereinen  neuen  Römerzug  unter- 
nonnnen,  zu  vereinigen,  schon  stand  er  drohend  vor 
Florenz,  als  sein  plötztliclier  Tod  alle  Berechnungen 
durehschnitt.  Wie  oft  war  der  Tod  der  treueste  Verbün- 
dete von  Florenz,  wie  oft  wäre  ohne  dessen  Macht  die 
Macht  von  Florenz  vorzeitig  zu  Grabe  gegangen  I 

Während  dieser  Bedrängnisse  war  der  Herzog  von 
Athen  der  Stadt  als  Vicar  vom  König  von  Neapel  zu 
Hülfe  gesandt  worden.   Dieser  riss,  nach  Anfangs  mil- 


136    — 


d  em  Auftreten,  unter  dem  Titel  c  o  n  s  e  r  v  a  t  o  r  c  d  i  p  a  c  e 
bald  die  Dictatnr  an  s^icli.  und  übte  eine  so  tyrannische 
Gewalt  und  "Willkürhenschaft,  dass,  unabliänj;ig:  von 
einander,  gleichzeitig  drei  Verschwörungen  entstanden 
und  ausbrachen.  Am  S.  Annentage,  dem  26.  Juli  1346, 
ward  er  vertrieben  und  noch  heute  feiert  Florenz  diesen 
Tag  durch  die  Ausschmückung  der  Bazzia  von  br.  S. 
Michele  mit  dem  Banner  der  21  Zünfte.  —  So  waren 
auch  die  französischen  Herrschgelüste  an  dem  Freiheits- 
sinn und  Nationalgciühl  der  Florentiner  gescheitert. 

Kaum  waren  aber  die  Gefahren  von  aussen  für 
einige  Zeit  beseitigt ,  so  fing  der  Parteikampf  im  Innern 
der  Stadt  von  neuem  an.  Zwar  hatte  man  anfangs  den 
besten  Willen,  die  Ursachen  künftiger  Zwietracht  zu  be- 
seitigen, hob  deshalli  die  etwas  harten  ordinamcnti  della 
giustizia  auf  und  r.äumte  dem  Adel  den  dritten  Theil 
der  Ämter  in  der  Signoria,  sowie  die  Haltte  der  übrigen 
Amter  ein.  Man  hob  das  Amt  des  Gonfaloniere  di  giu- 
stizia auf  und  erwählte  statt  der  zwölf  buonomini  acht 
consiglieri.  Aber  der  Adel  wie  das  Volk  trachteten  gar 
bald  von  neuem  nach  dem  alleinigen  Besitz  der  Amter. 
Als  daher  im  Jahre  1.348  eine  gnsse  Hungersnoth  in 
Florenz  ausbrach,  unterstützten  die  Grossen  das  niedre 
Volk  und  hofften  mit  dessen  Hülfe  die  Herrschaft  an 
sich  zu  reissen.  Das  niedre  Volk  Hess  sie  jedoch  in  Stich 
und  in  einem  erbitterten  Strassenkampf  wurde  ihre 
Macht  gänzlich  gebrochen,  und  sie  theils  verbannt,  theils 
genöthigt,  ihren  adeligen  Namen  abzulegen  und  sich  als 
Bürger  in  die  Zünfte  aufnehmen  zu  lassen. 

Wie  es  die  Mediei  waren,  welche  vor  dem  zwei- 
mal den  Bürgerzwist  zu  Gunsten  der  Grossen  eröffnet 
hatten,  so  waren  sie  es  jetzt  wieder,  welche,  da  die 
Macht  der  Grossen  wankte,  den  ersten  Schritt  gegen 
sie  thaten. 

Die  ordinamenti  di  giustizia ,  der  zu  ihrem  Schutz 
ernannte  Gonfaloniere  di  giustizia,  die  eompagnie  del 
])Opolo  wurden  jetzt  wieder  hergestellt;  von  den  Ämtern 
der  Signoria  wurden  zwei  an  Keiche,  drei  an  Leute  des 
Mittelstandes,  drei  an  solche  aus  den  niedern  Classen 
vertheilt.  Der  Gonfaloniere  sollte  Imld  aus  der  einen, 
bald  aus  der  andern  Classc  gewältlt  werden. 

Durch  diesen  Kampf,  durch  den  die  Macht  des 
wirklichen  alten  Feudaladels  für  immer  in  Florenz  ge- 
brochen wurde,  war  dem  Principe  nach  in  jeder  Hinsicht 
der  vollständige  Sieg  des  nationalen  demokratischen 
Bürgerthums  eingetreten.  —  Aber  in  Wirklichkeit 
schwang  sich  nur  zu  bald  an  Stelle  des  alten  Adels, 
verstärkt  durcii  die  t'berreste  desselben  ,  die  mir  den 
Namen  getauscht  hatten,  ein  neues  Patriciat  reicher 
oder  durcii  Ämter  ausgezeichneter  Bürger,  die  sich  nun 
von  neuem  untereinander  die  Leitung  der  Kepublik 
.streitig  machten.  Picro  degli  Albizzi  warf  sich  zinn 
Führer  der  einen,  Uguccionc  de'  Ricci  zu  dem  der  an- 
dern l'artei  auf.  Beide  trachteten  zunächst  darnacli, 
sich  im  ^Magistrate  der  Guelfiii)i;ut(i  der  Olicrieitung 
zu  Ijcmächtigen.  Als  dies  schliessiicii  l'iero  degli  Albizzi 
gelang,  begann  er  unbarmherzig,  unter  irgend  einem 
Vonvandc,  seine  Gegner  als  (!hibellinen  zu  ammo- 
viren  (d.  h.  von  den  Ämtern  aiiszuschliessenj.  .\ls  er 
aber  darin  immer  rilcksiditsloser  verfuhr,  und  nahe  dar- 
an war,  die  Staatsgewalt  völlig  an  sich  zu  reissen,  da 
erhoben  sich  die  Bürger,  besonders  auf  Anstiften  von 
Salvcstro  de  Medici,  der  mit  seiner  Familie  zu  den 
eifrigsten  j\nhängcrn  der  Partei  Bieci  gehörte,    und  zu- 


gehen durch  Gesetze  den  Übermuth  der  albizzischen 
Partei.  Die  eine  Bewegung  rief  jedoch  eine  andere, 
wildere  hervor,  die  in  ihrer  Tendenz  der  früheren  Graco 
dela  Bella  verwandt  war.  Die  unterste  Classe  des  Volkes, 
diejenigen  Arbeiter,  die  vermöge  ihres  niederen  Hand- 
werkes keine  eigene  Zunft  bilden  konnten,  sondern  sich 
den  übrigen  in  einem  Abhängigkeitsverhältniss  an- 
schliessen  nnissten,  wie  die  Wollfärber,  Wollhechler 
u.  s.  w.,  ahmten  das  Beispiel  ihrer  Brodherren  nach,  um  sich 
ihrerseits  von  deren  Drucke,  wie  diese  vom  Drucke  der 
Oligarchen ,  zu  befreien.  Viel  Antheil  an  diesem  Auf- 
stande hatte  auch  der  C'lerns ,  welcher  über  die  Be- 
steuerung und  die  Einziehung  seiner  Güter  erbittert 
war,  die  von  dem  neuernannten  Kriegsrath  der  Acht 
im  Jahre  137ö  bei  Gelegenheit  eines  Krieges  gegen 
Gregor  XI.  verordnet  worden.  Der  Aufstand  gelang,  die 
„Ciomni''  (Corniption  von  coinpei'es,  ein  Wort,  das  der 
Herzog  von  Athen  oft  gegen  das  niederste  Volk  an- 
wandte, um  ihm  zu  schmeicheln)  verbrannten  das  Haus 
der  Acht,  erstürmten  den  Regicrungspalast,  und  nu»  ein 
glücklicher  Zufall  war  es,  dass  der  neuerwäidte  Gonfa- 
loniere, ]\liccliele  di  Lando,  obwohl  niederster  Herkunft, 
die  Staatsleitung  doch  voller  j\Iass  und  Verstand  hand- 
habte; sonst  hätte  schon  damals  Florenz  eine  Commune- 
wirfhsehaft  erleben  können. 

In  die  neue  Signoria  wurden  vier  aus  dem  niedrigen 
Volk,  zwei  aus  den  liöhern  und  zwei  aus  den  niederen  Zünf- 
ten erwählt.  Salvestrode  Medici  und  sein  Anhang  jedoch, 
der  sich  zunächst  eiligst  mit  den  Proletariern  auf  guten 
Fuss  gestellt  hatte,  wusste  ihnen  bald  wieder  das 
Regiment  zu  entwinden  und  in  die  Hände  der  mitt- 
leren Bourgeoisie  zu  siiielen.  Die  Anhänger  der  Op- 
timatenpartei  jedoch  Hess  kein  Mittel  unversucht, 
durch  einen  neuen  Umsturz  wieder  zur  Gewalt  zu 
gelangen  Ihr  nächster  Anschlag  wurde  allerdings 
noch  vereitelt.  Als  Karl  von  Durazzo,  ein  Verwandter 
des  neai)olitanisc]ien  Königshauses,  aus  Ungarn  nach 
Neapel  zog,  nin  der  Königin  Johanna  den  Thron  streitig 
zu  machen,  beredeten  ihn  die  tloreiitinischen  Verbannten 
sowie  ihre  Anhänger  in  derStadt,  die  letztere  zu  nehmen. 
Der  in  ilorentinischen  Diensten  befindliche  englische 
Gondottiere,  Hawkswood,  bewog  Karl's  Heer  noch 
rechtzeitig  einigen  Widerstand  zu  leisten,  und  die  Ver- 
schonung  der  Stadt  durcii  40.0()0  tioldgulden.  Viele 
Anhänger  der  Optimatenpartei  wurdi'ii  in  Folge  davon 
des  llochveriatiies  angeklagt  und  hingericlitet,  darunter 
das  nicht  verbannte  Ilaujit  derselben,  Piero  degli  Al- 
bizzi. 

Iliedurch  wuchs  der  Hass  der  Optimaten  gegen 
die  regierende  Partei  und,  als  daher  auch  diese,  und 
besonders  einer  ihrer vonielinisten  Leiter,  (üorgio  Scali, 
sich  durch  weitere  Gewaltacte  auch  im  Volke  ver- 
hassl  machte,  gelang  es  den  ersteren  schon  wieder 
im  Jahre  1382,  sieh  der  obersten  Staalsleitung  zu 
beniächtigi'ii,  der  sie  fort;in  zwar  mit  Härte,  doch  auch 
mit  grosser  Energie,  mit  Ruhm  und  Glück  olilag. 

Trotz  aller  l'arteikänijife ,  die  fort  und  fort 
Florenz  spalteten,  war  dessen  Ansehen  und  Macht  nach 
aussen  doch  in  steli'in  Wachsen  begrillen,  und  es  hatte 
selbst  Pisa  bereits  iibeilliigelt  und  galt  als  die  erste 
Stadt  Toscana's.  Auch  waren  die  Mehrzahl  der  tos- 
canischen  Städte  zu  einem  Bündniss  mit  Florenz  ge- 
nöthigt worden.  Durcii  ganz  Italien  ging  um  diese  Zeit 
ein  Diang  niicli  lÜhlung  grössert'r  Staaten  ,   im  Gegen- 


137     — 


satz  zu  den  nuiuicipaleii  Atomen,  in  welche  Italien  im 
Sturm  der  Völiverwanderung-  und  im  Kampf  ge^en  die 
von  Norden  eingedrungenen  Feudaliierren  zertalleu 
war.  liier  besiegte  und  unterwart'  ein  Munici]iium  ilas 
andre,  dort  schwang  sicii  ein  Bürger  oder  Adeliger  zur 
Alleinherrfieliai't  in  einer  Stadt  auf  und  vergrössertc 
seine  Macht  durcii  Eroberung  anderer  Gebiete. 

Auf  diese  Weise  schien  allmälig  eine  völlige 
Einigung  Italiens  vorbereitet  zu  werden,  sei  es  unter 
monarchisch  centralisirter,  sei  es  unter  republicanisch 
föderativer  Form.  Das  Gleichgewicht,  in  dem  sich 
jedoch  die  einzelnen  Kraftcentren  erhielten,  so  wie  die 
Herrschsucht  der  Pä])ste  ,  vereitelten  abermals  ein 
solches  naheliegendes  Ziel. 

Während  in  Florenz  sich  ein  republicanisches 
f'entrum  ausgebildet  hatte,  war  in  Neapel  und  Sici- 
lien  bereits  durch  Friedrich  von  Hohenstaufen  das 
Regierungssystem  monarchischer  Einheitsstaaten  ein- 
geführt worden;  Anjou  und  Aragon  behielten  dasselbe 
läei.  Eben  so  hatte  in  Mailand  der  Erzbischof  Visconti 
die  Herrschaft  an  sich  gerissen,  und  strebte  dieselbe 
nicht  nur  über  die  Lombardei,  sondern  selbst  i)is  nach 
Toscana  auszudehnen.  Hätte  Florenz  sich  streng  an  das 
föderative  Princij)  gehalten ,  statt  eine  Art  monar- 
chischer Gewalt  über  die  verl)ündeten  Städte  ausül)en 
zu  wollen,  so  hätte  es  ganz  Italien  vielleicht  eine 
republicanische  Einheit  verschaffen,  sicli  selbst  die 
Herrschaft  der  Medici  ersparen  können. 

Der  gefährlichste  Feind  für  Florenz  war  zunächst 
der  Her/.og  von  Mailand,  der  nicht  nur  Übergriffe  nach 
Toscana  sich  erlaubte,  sondern  ziemlich  offenkundig 
nach  der  Königskrone  Italiens  strebte. 

Die  von  neuem  zur  Herrschaft  in  Florenz  gelangte 
Optinmtenpartei  fand  daher  gar  bald  das  beste  Mittel  zur 
Befestigung  ihrer  Stellnng,  den  Krieg  ,  den  Gran- 
galeazzo  Visconti  im  Jahre  1385  mit  der  Republik  von 
Genua  eröffnete.  Auf  beiden  Seiten  standen  vortreffliche 
Feldherren :  General  der  Florentiner  war  der  verschlagene 
englische  Condottiere  John  Hawkswood  (Giovanni 
Aguto),  an  der  Spitze  der  viscontischen  Truppen  stand 
Jacopo  del  Vcrmc. 

Um  diese  Zeit  war  es  nändieh  auch, dass die  nach- 
mals so  verrufenen  Söldnerbanden  in  Italien  entstanden, 
die  lange  Zeit  eine  weitere  Hauptplage  des  schwer 
heimgesuchten  Landes  bildeten.  Einerseits  rief  dieselben 
das  Bedürfniss  der  Usurpatoren  hervor,  die  sich  mit 
einer  grossen  Militärmacht  gegen  etwaige  Aufstände  der 
unterdrückten  Bürger  schützen  mussteu,  anderseits  be- 
gingen auch  die  Stadt-Republiken  den  Fehler,  hierin  die 
Fürsten  nachzuahmen,  in  Florenz  zumal  seitdem  der 
kampflustige  Adel  dem  handeltreibenden  Bürger  gänz- 
lich hatte  weichen  müssen.  Auch  hätten  zu  den  immer 
grösseren  Kriegen,  zu  denen  Florenz  und  andre  Stadt- 
Republiken  schreiten  mussteu  ,  die  l)los  ans  Bürgern  ge- 
bildeten Mannschaften  kaum  genügt. 

Anfangs  neigte  sich,  im  Kriege  gegen  Visconti,  der 
Vortheil  den  Florentinern  zu,  so  dass  die  Lombardei  schon 
im  Osten  durch  Hawkswood,  westlich  durch  Armignac 
stark  bedroht  wurde.  Allein  Hawkswood  musste  ans 
Jlangel  an  Lel)ensmitteln  nach  Padua  zurückweichen, 
Armignac,  ein  französischer  Condottiere  im  Solde  der 
Florentiner,  fiel  durch  Unvorsichtigkeit  mit  dem  grössten 
Theile  seiner  Truppen  vor  Alexandria,  das  er  berannt 
hatte,  und  der  Krieg  wurde  von  Jacopo  del  Verme  nach 

XVIII. 


Toscana  getragen.  Hier  erlitt  letzterer  durch  den  um- 
sichtigen John  Hawkswood  einige  Schlappen  ohne  ent- 
scheidende Bedeutung,  so  dass  es  schliesslich  dem  fried- 
lichen Herren  von  Pisa,  Pietro  Gambacorti,  für  diesmal 
noch  gelang,  Frieden  zu  stiften. 

Visconti  ging  ihn  Jedoch  nur  ein,  um  bessere  Vor- 
bereitungen für  einen  neuen  Feldzug  treffen  zu  können. 
Ihm  kam  dabei  zu  statten,  dass  sofort  nach  Beendigung 
des  Krieges  (Uü'o)  der  Parteihader  in  Florenz  von 
neuem    ausbracii. 

Maso  dcgli  Albizzi,  Neffe  des  hingerichteten  Piero, 
war  zum  Gonfalouiere  ernannt  worden,  und  benutzte  die 
Stellung,  um  die  an  seinem  Oheim  und  ihm  selbst  (er 
war  verbannt  worden)  verül)fe  Unbill  zu  rächen.  Als  es 
ihm  gelang,  geheime  Verbindungen  zwischen  Verbannten 
und  in  Florenz  zurückgebliebenen  Anhängern  der 
Gegenpartei  aufzudecken,  mussteu  die  Mehrzahl  der 
Alberti  ins  Exil  wandern  und  viele  aus  dem  Volke 
wurden  hingerichtet.  Dieses  erhob  sich  in  Folge  davon 
mit  dem  Rufe  ..Es  lebe  das  Volk,  es  leben  die  Zünfte" 
und  forderte  Vieri  di  Jledici  auf,  sich  an  die  Spitze  der 
Bewegung  zu  stellen.  Dieser  aber  hütete  sich  wohl,  die 
Absichten  und  Aussichten  seiner  Partei  und  Familie 
in  einem  verfehlten  Unternehmen  nutzlos  zu  compromit- 
tiren.  Erst  mit  der  Ernennung  von  Niccolö  da  Uzzauo, 
eines  allgemein  geachteten  Mannes ,  zum  Gonfaloniere, 
trat  wieder  Ruhe  ein. 

Unterdessen  war  es  dem  Visconti  gelungen  den 
Seeretär  von  Piero  Gambacorti,  Jacopo  Appiani,  für 
seine  Zwecke  zu  gewinnen,  si»  dass  dieser  seinen  Herrn 
ermordete,  sich  selbst  zum  Herrscher  von  Pisa  aufwarf 
und  eine  viscontische  Besatzung  in  die  Stadt  aufnahm. 
Ahnliches  versuchte  Grangaleazzo  Visconti  in  S.  Miniato 
dei  Tedeschi,  doch  ohne  Erfolg.  Dagegen  gewann  er 
die  Regierung  von  Siena  für  sich,  Perugia  war  schon 
früher  in  seine  Hände  gefallen.  So  hatte  er  Florenz  un- 
versehens in  einen  Gürtel  von  feindlichen  Städten  ein- 
geschlossen; da  er  ausserdem  aus  allen  Kräften  rüstete, 
so  erklärte  ihm  Florenz  13St7  den  Krieg. 

Derselbe  bildete  eine  Kette  von  Unfällen  und  Ge- 
fahren für  Florenz.  Pisa  wird  nach  Jacopo  Appiani's 
Tode  von  dessen  Sohne  Gherardo,  der  nur  Elba  und 
Piombino  behielt,  an  Visconti  verkauft  (1399);  in  Flo- 
renz wüthet  die  Pest  (1400);  in  Lucca  gelangt  Paolo 
Guinigi  mit  Viseonti's  Hülfe  zur  Herrschaft  (1400);  der 
neuerwähnte  König  von  Deutschland,  Ruprecht  von  der 
Pfalz,  der ,  so  zu  sagen  im  Solde  von  Florenz ,  mit 
einem  Heere  gegen  Visconti  zog,  wird  bei  Brescia  aufs 
Haupt  geschlagen  (1401);  Bologna,  die  treueste  Bundes- 
genossin von  Florenz,  wird  von  Mocrigo  da  Barbiano, 
Viseonti's  General,  im  Sturm  genommen,  wobei  der  Herr 
der  Stadt,  Giovanni  Bentivoglio,  kämpfend  fällt 
(1402).  Nur  Cortona  unter  Francesco  de  Casali  harrt 
bei  Florenz    aus. 

Aengstlich  schaute  dieses  sich  nach  der  letzten 
Hülfe  um,  unschlüssig,  ob  sie  bei  Venedig,  bei  Ladis- 
laus,  dem  Sohn  Karls  von  Durazzo  und  König  von 
Neapel,  oder  beim  Papste  zu  suchen  sei;  schon  Hess 
Grangaleazzo  Visconti  die  Krone  anfertigen,  die  er 
sich  in  Florenz  als  König  von  Italien  aufs  Haupt  zu 
setzen  gedachte,  da  starb  er  eines  plötzlichen  Todes 
bei  Marignano  am  Lambro,  unweit  Pavia,  von  wo  er  vor 
einer  ansteckenden  Krankheit  geflohen  war ,  am  3. 
September  1402. 

18 


—     138 


Auch  während  dieses  zweiten  Krieges,  der  sich  um 
die  Existenz  von  Florenz  drehte,  liatte  die  unterdrückte 
Partei  des  Volkes ,  mehr  noch  aber  seiner  vornehmen 
Freunde  und  Schmeichler  in  der  Verbannung,  nicht  auf- 
gehört an  den  bestehenden  Zuständen  zu  rütteln. 

Kurz  nacheinander,  in  den  Jahren  loOG,  KJDT  und 
1400  fanden  drei  Putschversuche  der  Emigranten  statt, 
bei  deren  zweitem  ein  unschuldiger  Sohn  des  ^[aso  degli 
Albizzi  ermordet  wurde,  was  nur  dazu  diente,  das  Volk 
den  Aufrührern  zu  entfremden.  Hinriclitnngcn  und  zahl- 
reiche Verbannungen,  besonders  von  Gliedern  derFami- 
lien  Mediei,  Alberti,  Scali,  Ricci,  ja  selbst  Strozzi,  Adi- 
mari  und  Altoviti  waren  die  jedesmalige  Folge  dieser 
Unruhen. 

So  edle  Patrioten  aber  auch  in  den  Ucihcn  der 
herrschenden  Optimaten  sich  befanden,  so  ruhmvoll  sie 
auch  durch  die  schwersten  Gefahren  hindurch  die  Stadt 
zu  immer  grösserer  ]\[aclit  und  Blüthe  führten ,  so  ener- 
gisch sie  auch  alle  widerspenstigen  Elemente  niederzu- 
halten wussten,  die  Fundamente  ihrer  Herrscliaft  wur- 
den dennoch,  zwar  langsam  aber  um  so  sicherer,  unter- 
graben, oder  vielmehr  die  echten  Fundamente,  die  Liebe 
und  das  Vertrauen  des  Volkes  waren  gar  nie  vorhanden. 
Durch  feudale  Geringschätzung  der  niedcrn  Stände, 
durch  veraltete  Einrichtungen ,  worauf  sie  ihre  Maclit 
stützten,  verletzten  die  Optimaten  das  Volk,  und  zudem 
war  ein  oligarchischesKegiment  von  vornherein  dem  Zeit- 
geist entgegen.  Es  hätte  sich  aus  dieser  Regierung  all- 
mälig  eine  aristokratische  Republik  nach  dem  Muster 
Venedigs  herausgebildet.  Der  Drang  nach  politische)' 
und  socialer  Freiheit  und  Gleichberechtigung  Aller 
war  aber  seit  den  ältesten  Zeiten  das  vor  Allem  vor- 
tretende Priucip  in  dem  bürgerlichen  Leben  von  Florenz 
gewesen.  Dieses  Optimatenregiinent  hätte  also  nur  ein 
künstliches  Stocken  in   einen   solchen  Drang  gebracht, 


und  damit  vielleicht  die  besten  Krälte  von  Florenz  ge- 
brochen. Diesem  demokratischen  Drang  war  der  Land- 
wie  der  Stadtadel  zum  Opfer  gefallen;  ihm  zu  Liebe 
hatte  Florenz  liauptsächlich  dazu  beigetragen,  den  Ein- 
tluss  der  deutschen  Kaiser  in  Italien  zu  brechen;  ihm 
zu  Liebe  hatte  Florenz  Bündnisse  mit  dem  Papst  und 
Frankreich  geschlossen  ,  so  lang  dadurch  seine  munici- 
pale  Unabhängigkeit  gesichert  schien,  und  Feindschaft 
begonnen,  sobald  beide  dieselbe  bedrohten  Und  sollte 
jetzt  Florenz  sich  mit  eincnnnal  einem  Häuflein  von  Opti- 
maten beugen,  die,  durch  das  denndcratische  Princip  zur 
Macht  gelangt,  nun  iiiren  Ursjirung  verläugnen  wollten? 

Wiewohl  nun  Florenz  iin  Mittelalter  Feindin  der 
Einheit  Italiens  war,  weil  sie  durch  die  Kaiser  vertreten 
wurde,  und  die  beste  Stütze  des  einheitsfeindlichen 
Papstthums  bildete,  so  hat  es  doch,  im  Gegensatz  zu 
diesem  eine  eminent  nationale  Mission  erfüllt. 

Es  hat  den  Fremden  als  Fremden  bekämi)ft,  nicht 
wie  der  Papst  blos  dann,  wenn  er  der  eignen  Jlaclit 
gefährlich  schien.  Es  hat  die  liberalen  Ideen  erzeugt, 
deren  sich  heute  nicht  blos  Italien,  sondern  ganz 
Europa  erfreut,  oder  zu  erfreuen  bemüht.  Es  hat 
lang  vor  Frankreich  die  bürgerliche  Freiheit  und 
Gleichheit  zum  Princij)  erhoben  wenn  es  auch  selten 
zum  wirklichen  Genüsse  davon  kam.  Es  hat  mit. 
allen  Watten  des  Geistes  die  mittelalterlichen  Vorur- 
theile  zerstört  ,  den  Humanismus  geschaft'en ,  ohne 
dass  die  Päpste,  die  sich  an  der  süssen  Schale  der 
humanistischen  Wissenschaften  und  Künste  ergötzten, 
dies  ahnten. 

Leider  verstanden  es  die  Medici  nur  zu  gut,  diese 
modernen  Ideen  als  Vorkämpfer  sich  und  ihren  Interessen 
dienstbar  zu  machen. 

iFortsctziing  folgt.) 


B  e  r  i  c  Ii  t 
über  die   im  Laufe    des  Soiinners   1872  voriieiioinineiie  Restauririmg-   des 

scliwarzeii  Tliuruies  am  Hradciii  zu  Prag". 


Unsere  Hauptstadt  ist  in  ihrer  Bauthätigkeit  nicht 
zurückgeblieben.  Es  erlieben  sich  heuer  so  gut  wie  im 
Vorjahre  1872  neue  monumentale  Bauwerke  in  Prag  und 
man  sollte  meinen,  dass  man  <ib  dessen  der  alten  Ban- 
denkmale  gänzlich  vergass.  Dem  ist  nicht  so.  Icii  will 
nicht  gerade  von  unserem  S.  Veitsdome,  nicht  von  der 
ehrwürdigen  Kirche  am  Karlsiiofe  etc  sprechen,  wo  so 
viel  Grosse«  und  Schönes  entstand,  sondern  von  dem 
uralten  „schwarzen  Tliurm-  an  der  Ostseite  des 
OpiS^so  hiess  schimvor  T'iO  .Jahren  diese  Gegend  -- 
dem  Endpunkte  der  alten  Kilnigsburg  llradnn. 

Schon  von  der  Ferne  blickt  dieser  1«°  ludie  mit 
einem  spitzoi  mit  Hohlziegeln  gedeckten  Zeltdache  ver- 
sehene viereckige  Tliurm  hernieder  und  schützte  einst 
das  eigene,  später  das  daneben  gebaute  Eingangsthor 
auf  dem  Ilradcin. 

Wir  wollen  diesem  einfachen  alten  P.andcnkmaie 
eine  kurze  Baugeschichte  vveiiien. 

Der  Weg  zu  diesem  Thurine  ^dit  durch  den  lluC 
des   alten    ObristltnrggrafcTi  -  Annes.       Er  erhebt    sich 


rechts  vom  Ilaupteingange  gegen  Osten  und  ist  von 
niedrigen  (iebäuden  umgeben.  Schaller  ist  der 
Erste,  welcher  diesem  Baudenkmalc  in  seiner:  Be- 
sclireiliung  der  kö  ni  glichen  Haupt-  und  Re- 
sidenzstadt Prag  I.  B,  47(1.  Sei tc,  vor  7s  Jahren 
seine  volle  Aufmerksandicit  widmete  inid,  so  gut  er 
konnte,  das  Innere  beschrieb.  So  dankiiar  nmn  ihm 
sein  niuss  ,  dass  er  dieses  Baudenkmal  in  den  Kreis 
der  PrM,i;cr  ^Ierkwür(li;;keiten   zog,    so    blieb   doch  sein 


Werk   nicht  frei  \on    Unrichtigkeiten   und 


KWL 


in   der 


Folge  mit  der  Wahrheit  auch  der  Irrtlium  seiner  Schil- 
derung in  alle  nachfolgenden  topographischen  Werke 
über,  welche  unsere  Hauptstadt  und  ihre  Merkwürdig- 
keiten Zinn  <iegcnstaiid  haben.  S  e  ii  a  1 1  e  r  wurde  stets 
treu    und    redlich    al)gesclirieiien. 

■    Im  verflossenen  Sommer  hat    sich    der    k.    liiilim. 
Landcs-Ausschuss     bemüssigt     getuiulcn     diesem    xcr- 
«Wlcten  und  höchst   baufälligen  'l'lmrme  seine   Atifmcrk 
sanikeit  zuzuwenden  und  ihn  in  würdiger  Weise  restan- 
lircnzu  lassen,  in  Folge  <lessen  auch (üelegenheit  geboten 


139 


wurde,  sein  Inneres  genau  zu  (luiclitbrsclien.  Wollte 
man  i'rUlier  in  das  Innere  des  schwarzen  Tliunues 
treten,  so  musste  man  Über  die  Treppe  zur  Woimung 
des  Anits-Assistenten ,  und  gelangte  vom  (lange  aus 
zu  einer  engen  kleinen  TliUre  ,  welche  —  nun  ver- 
mauert —  in  das  Innere  und  zu  dem  tiefen  15urgverliess 
(uhrte,  welchesSchaller  Iö°  tief  und  mit  Knochen  und 
kahlen  Menschenschädeln  angeftillt  sein  lässt.  Jetzt  ge- 
langt man  durch  eine  \om  Hofe  aus  in  das  massenhafte 
Mauerwerk  gesprengte  Tliiire  in  das  gewesene  tiefe 
sciiauerlicheBurgverliess,  welches  iil)erwöll)t.  nur  eine 
Höhe  \  on  o°  ;!'  zählt.  Sehr  tief  konnte  es  niciit  gewesen 
sein  und  wurde  in  späterer  Zeit  zu  diesem  Zwecke  erst 
eingerichtet.  Das  Oeniach  ist  ',>°  5  lang,  ebenso  breit, 
roh  anneworfcii  und  dient  zum  8])eisegewölb('  des 
Verwaltungs- Assistenten.  DasZiegel))fiaster  klingt  hoiil. 
Der  Kenner  alter  Bauten  sieht  hier  den  ursi»riingli 
chen  Thor  weg  in  die  alte  Fürstenburg.  Beide  ur- 
s})rUngliche  Eingangsbögen  wurden  vermauert,  mit  en 
gen  Fenstern  versehen,  das  (!ewöll)c  oben  durchbro- 
chen, die  (»Ifnung  mit  einer  Steinzarge  inngeben  und 
das  Verlies  war  fertig.  8  beträgt  die  untere  Mauer- 
stärke. Die  deutlich  contourirten  Thorbögen  sind  im 
Hundbogen  gehalten,  die  Kämpfergesimse  roh.  Man 
erkennt  ganz  deutlich  die  uralte  Thorfahrt  in  die  Burg, 
welche  mit  ilirem  Thurme,  Bau  und  Namen  oft  geändert 
hat.  Im  lo.  Jahrhundert  liiess  sie  porta  minor 
und  mochte  nur  für  Fussgänger  eingerichtet  gewesen 
sein,   l.")70  wird  dorten  einer  Zuglirücke   gedacht    und 


Ferner  lesen  wir  wieder:    In  (ide  amico  et 

custo imico  ....  nihel  est aetatis 

suae  2'i> 

^'erlassen  wir  diesen  Raum  und  nehmen  un.sern 
Weg  wieder  über  die  angelehnte  Leiter  herab,  so  ge- 
langen wir  über  den  llofraum  und  oberen  ('rang  zum 
Bodeneingang-  in  die  oberen  Etagen  des  Thurmes. 

Hier  sieht  der  Besucher  vier  öde  Wände,  welche 
nie  angeworfen  ,  nur  rcdies  glattes,  fleissig  in  Würfel 
beliauenes  Plänergestein  eri)licken  lassen. 

Löcher  in  diesen  Wänden  lassen  auf  Abtiieiluugen 
schliessen,  wovon  die  oberste  die  interessanteste  ist 

Die  Mauerdicke  beträgt  hier  1°.  Der  Raum  selbst 
misst.'!",  5',  <S"  im  Ge\ierte.  Er  hat  \  ier  hohe  Fenster,  in 
deren  Nischen  Sitze  angebracht  sind.  Hier  erkennt  man 
mehrmalige  Fenster-.'Venderungen.  Ehedem  schienen 
kleine  Fensterlucken  angebracht  gewesen  zu  sein, 
später  wurden  sie  vergrössert  und  endlich  vermauert, 
und  jene  .  weicli(>  wir  heute  sehen,  erst  im  Anfange  des 
X\T.  Jahrhunderts  hergestellt. 

In  der  westlichen  Fensternische  war  ein  mit  einem 
Brettchen  abgetheiltes  Behältniss  angebracht.  Schotter 
und  Staub  füllten  beide  Abtheilungen.  Als  man  diese 
Nische  reinigte,  kam  man  auf  ein  Kartenspiel,  wel- 
ches durcii  ein  jüngeres  ergänzt,  den  Jahren  l()0(j  und 
ItJlG  entstammte.  Hannes  Fletzel  hiess  der  Karten- 
maeher  in  Prag.  Das  gefundene  S]iiel  bestand  aus  40 
Blättern.  Eine  vollständige  Beschreibung  dieser  Karten 
l)rachten   die  Pamätky  1872    S.  ().'58   und   die    iilu- 


derThurmals  h  in  tererSchlossthurmbenannt.  Auch      strirtc  Zeitschrift  Svctozor  Abbildungen  davon, 
hiess    er  ,    weil    in    der   Nähe    der   Obristburggrafen- 


Burggrafen" 


P  r  a  g  e  r 


Hauser  sich  erhebend,     „der  Thurni   der 
vcz  Purkraby  prazskeho. 

Karl  I\'.  Hess  die  Zinnen  dieses  und  des  westlichen 
hohen  Thurmes  mit  vergoldeten  Bleiplatten  decken,  wo- 
durch der  Thurm  der  goldene:  zlata  vez  —  genannt 
worden  ist.  Ob  man  den  Ursprung  dieses  Thurmes  dem 
Könige  PfemysI  Otakar  II.  (1278)  zuschreiben  darf, 
möge  aus  dem  Vorgehenden  zu  schliessen.  noch  unent- 
schieden bleiben. 

Durch  das  Anlehnen  einer  Leiter  in  die  ebener- 
wähnte runde  4  4  haltende  Öfl'nung  gelangt  man  in 
einen  äusserst  engen  viereckigen  Raum  ,  in  dessen 
llberwölbung  ein  Haken  eingetiigt  ist,  an  welchem 
noch  zu  S  c  h  a  1 1  e  r  's  Zeiten  ein  Rad  mit  einem  Seile,  wie 
bei  einem  Ziehbrunnen,  eingehängt  war,  mittelst  welchem 
der  V'erurtheilte  in  sein  düsteres  Gefängniss  herabge- 
senkt wurde.  Eine  5'  hohe,  21/2'  breite  Thüre  sperrte 
jeden  Zutritt  zu  diesem  schauerlichen  Behältniss  ab. 
Neben  diesem  befindet  sich  ein  sehr  enger  ver.schwärz 
tcr  Raum,  zu  welchem  ehedem  der  Zugang  von  Aussen 
war.  Die  Länge  l)eträgt  0°  ä  — die  Breite  1°  4.  An 
den  Thüreinfassungen  und  in  der  einen  Thürnische 
sind  noch  einige  eingeritzte  .  unförmliche  knabenhafte 
Zeichnungen  zu  sehen  ,  z  B.  eine  kniende  Gestalt,  ein 
Kreuz,  ein  Kelch  mit  einer  Hostie,  dann  eine  .Säule, 
endlich  eine  kniende  Figur,  deren  Köpfchen  ganz  gut 
ausgekratzt  ist.  Oben  lesen  wir  das  Wort:  PAWEL 
(Paulus")  dann  die  Anfangsbuchstaben  K.— ,  H.  E.,  W.  R., 
worunter  die  Worte:  Siediel  pro  trunkäni —  nedielVHI. 
Roudnicz  (sas  wegen  Trunkes  acht  Wochen  hier  — 
Raudnitz).  Unterhalb  dessen  sind  zwei  Figuren  mit 
einem  vollen  und  leeren  Glase  in  die  Plänerstein-Qua- 
dern  eingeritzt. 


Nebst  diesem  fand  man  dort  noch  einen  sogenann- 
ten kupfernen  R  a  i  t  g  r  o  sehe  n  von  R  u  d  0 1  f  II,  1588  — 
ferner  einen  bayrischen  Denar  v.  J.  1621,  endlich 
einen  silbernen  R  eie  hsg röschen  v.  J.  1G57. 

Bis  zu  diesem  Thurme  reichte  auch  der  Schloss- 
brand in  dem  Jahre  1541.  Im  Laufe  der  Jahrhunderte 
wurde  er  stets  zum  Gefängnisse  benützt.  Erst  im  achtzehn- 
ten kamen  dessen  Räume  ausser  Gebrauch.  Im  Jahre 
183(3  waren  bereits  die  höheren  Etagen  unzugänglich. 

Wie  schon  erwähnt,  wurde  im  Laufe  des  Jahres 
1872  dieser  Thurm  einer  durchgreifenden  Restauriruug 
unterzogen,  wobei  man  aber  das  Alte  mit  vielem  Fleisse 
ausgebessert,  nichts  Neues  zugefügt  und  das  Innere  mit 
einer  neuen  W  Stufen  enthaltende  Holztreppc  versehen 
hat. 

Die  Kosten  der  Cement-\"er|)utzung  der  vier,  lo° 
hohen  Blauerwäude,  die  Herstellung  eines  neuen  Kron- 
gesimses, die  Ausbesserung  der  Fensterfutter  ,  ferner 
die  Zimmermannsarbeit  an  den  Treppen  ,  den  gediel- 
ten zwei  Ahtheilungen  und  den  Boden-  oder  Dachrauni 
sanimt  ("Jeländer;  endlich  die  Dachdeekerarbeit  mit  der 
neuen  Wetterfahne,  sannnt  dem  Knopfe,  beliefeu  sich 
auf  3500  fl.  ,  welche  der  kön.  böhmische  Domestical- 
fond  bestritt. 

So  wurde  Prag  wieder  um  ein  gut  restaurirtes 
Denkmal  reicher,  und  damit  ein  Act  des  Patriotismus 
vollzogen,  der  schon  so  \  iele  Denkmale  der  Laudes- 
Hauptstadt  und  des  Königreiches  vom  Verfalle  gerettet 
und  deren  Existenz  für  die  nächste  Zukunft  gesichert 
hatte.  Mögen  noch  \  iele  solche  Pietätsaete  ihm  nachfolgen. 


F.  J.  Beites. 


140     — 


B  H  c  li  e  r  s  c  Ii  a  ii. 


Die  christliche  Kunst  in  ihren  frühesten  AnfäEgeii. 

Unter  den  speciell  die  cbiistliclie  Kiint>t  behandeln- 
den Werken  neuester  Publicationen  zieht  das  von 
Dr.  Franz  K  r  a  u  s  bei  Seemann  in  Leipzig  heraus- 
gegebene Buch  dieses  Titels  nnt  Reclit  die  Auf- 
merksamkeit auf  sich ,  weil  hier  ein  Fachgelehrter 
selbst  eine  populäre  Darstellung  des  grossen  Thema's 
versucht  hat.  Der  Verfasser  schickt  eine  Ausführung 
über  Entwicklung  und  Verfall  der  antiken  Kunst 
voraus ,  da  ohne  solche  Grundlage  die  beginnende 
christliche  Kunst  niemals  verstanden  und  gewürdigt 
werden  kann.  Dabei  hält  sich  derselbe  zunächst  an 
Lübke's  Geschichte  der  Plastik,  der  auch  die  Illustra- 
tionen entnommen,  ohne  jedoch  der  Quellen  wie  Brunn, 
Zahn  und  Anderer  gänzlich  zu  vergessen.  Wäre  R  e- 
ber's  vorzügliche  ,.Kunstgeschichte"  gleichfalls  zu  Käthe 
gezogen  worden  und  unter  der  für  den  Leser  empfeh- 
lenswerthen  Literatur  angegeben  ,  möchten  manche 
Verstösse  von  selbst  unterblieben  sein ,  z.  B.  über  die 
sogenannte  A])hrodite  von  Melos  im  Louvre,  die  ohne 
Attribut  und  nähere  Beziehung  wolil  schwerlich  gedacht, 
jedenfalls  als  Ajihrodite  schlechthin  nicht  (lualificirt  wer- 
den kann,  wie  unter  Anderen  Valentin  durch  seine 
eingehende  Schrift  hierüber  dargethan.  Doch  nur  die 
sonst  vom  Verfasser  auf  Arcliäohigica  verwendete  Auf- 
merksamkeit berechtigt  zu  solcher  Bemerkung.  Nach 
übersichtlicher  Charakterisirung  der  unter  Myron,  Poly- 
klet  und  Phidias  und  sj)äter  unter  Skopas,  Praxiteles 
und  Lysippris  erreichten  Vollkommen iieit  hellenischer 
Plastik  wendet  sich  die  Erörterung  der  Xachlilüthe  und 
endlich  der  römischen  Scul]itur  zu,  an  welche  zunächst 
die  christliche  anknüjjfte.  Der  Ausblick  auf  dieselbe 
konnte  den  Schluss  dieses  Abschnittes ,  wie  mir  wenig- 
stens scheint,  aucii  (duie  Her\(irhibung  der  Sdiiller'- 
schen  Einseitigkeit  in  der  Beurthcilung  der  Antike 
bewerkstelligen.  Es  macht  auf  mich  nie  einen  bdrie- 
digenden  Eindruck,  solchen  Ilenien  unserer  Literatur 
ihre  Schwächen,  noch  dazu  in  Ausdrücken  wie  „ganz 
unhistdvische  Anschauung-'  und  dergleichen  vcirgchalten 
zu  sehen.  Die  Prahlerei  des  gegenwärtigen  desciilech- 
tes  mit  seinen  historischen  und  ästhetischen  Studien 
erscheint  scdciicn  Crossen  der  Vergangenheit  gegenüber 
immer  zweifelhaften  Werthes  und  jedenfalls  überflüssig. 
Den  zweiten  Alischnitt  eröffnet  die  Behandlung  der 
Katakond)cn  zu  L'om,  worüber  derselbe  \'ertasser  ein 
ausführliches  Werk  zu  publiciren  im  Begriffe  steht,  liier 
entwickelt  sich  das  grosse  Bild  der  durch  Denkmäler 
zuerst  bezeugten  christlichen  Kunst,  die  freilich  ohne; 
diese  \orausgeh(  iide  Archädlugie  nicht  leicht  gewürdigt 
werden  kann.  Die  genaue  Keiinlniss  ilcs  Verfassers  in 
diesem  ausgedehnten  Gebiete  ist  zu  bekannt,  als  dass 
davon  noch  eigens  zu  siirechen  sein  könnte.  Damit  steht 
der  folgende  Abschnitt  über  „!\[alerci''  im  innigsten 
Zusaninicnhange,  da  wir  aus  frühester  Zeit  christlichen 
Lebens  nur  in  diesen  Katakdndicn  Denkmäler  besitzen. 
Der  Vcrl'asser  beschränkt  sich  liiebci  nur  auf  die  aller- 
dings wichtigsten  Monumente  der  römischen  l'riedhöfe 
und  iässt  die  von  Kea]iel  und  Alexandrien  xiillig  ausser 
Betrachtung,  obwfdd  wir  ülier  jene  in  dem  inaclitMillcn 
Werke   Salazaro's    „Studi  sui  nmnumcnti  della  Italia 


meridionale  dal  IV'  al  XIIP  Secolo,  parte  prima,  Napoli 
1S71"  in  Folio,  und  über  diese  durch  Wescher's  For- 
schungen belehrende  Aufschlüsse  und  die  richtige  An- 
schauung gewonnen  haben.  Da  übrigens  die  Anlage, 
Gräber-Ordnung  und  Beschaffenheit  nicht  überall  die- 
selben sind,  so  dürfte  es  dem  Leser  erwünscht  sein, 
hierüber  doch  im  Hauptsächlichsten  belehrt  zu  werden. 
Seit  dem  berühmten  Beise werke  Pococke  's  gehören  die 
Katakomben  von  Alexandrien  zu  den  interessantesten 
Überresten  frühchristlicher  Grabstätten ,  über  deren 
bildlichen  Schmuck  auch  de  B os si  gehandelt  hat.  Im 
folgenden,  der  Plastik  gewidmeten  Abschnitt  wird  mit 
grosser  Sorgfalt  auch  der  Elfenbein- Arbeiten  gedacht, 
die  vom  Verfasser  mit  Recht  zu  den  wichtigen  Zeugen 
frühchristlicher  Sculptur  gezählt  werden;  gleichwohl 
wurde  die  Elfenbeintafel  im  k.  National-Museum  zu 
München  nicht  erwähnt,  die  in  der  Kunst-Literatur  nun- 
mehr hiidänglich  bekannt  und  selbst  von  Cav.  de  Rossi 
gelegentlich  der  Heilig-Grabcapelle  zu  Jerusalem  im 
Bulletino  I8G5,  Nr.  11,  unter  Bezugnahme  auf  meinen 
Auisatz  in  den  JMittheiluugen  der  k.  k.  Central -Com - 
mission  IStJL',  Nr.  4,  besin-ochen  ist.  Das  Capitel  über 
die  Fabrication  der  Goldgläser  ist  eine  werthvolle  Bei- 
gabe,  die  einen  Kunstzweig  beleuchtet,  der  nin*  wenig 
Lesern  bekannt  sein  wird.  Erfreulich  ist,  dass  der  Ver- 
fasser S(iw(dil  bei  den  Elfenbein-  als  auch  bei  diesen 
Goldglas-Arbeiten  die  in  Deutschland  bekannt  gewor- 
denen Denkmäler  specieller  Aufmerksamkeit  würdigt. 
Dabei  kann  ich  nicht  verschweigen,  dass  ich  mich 
wundere,  wie  des  vorzüglichen  Jledaillons  ganz  ver- 
gessen werden  konnte,  dem  de  Rossi  aus  den  gewich- 
tigsten (iründen  eine  auch  artistisch  beaehtenswerthc 
Bedeutung  vindicirt.  Es  ist  das  in  Nr.  11  des  Bullettino 
1864  erörterte  Erz-Medaillon  mit  den  sieh  zugewendeten 
lläu]itern  der  .Apostel  Petrus  und  Paulus,  das  offenbar 
nach  der  Natur  gearbeitet,  beziehungsweise  einer  sol- 
chen Original-Aufnahme  entnonnnen  und  spätestens  im 
Beginn  <\{is  III.  Jahrhunderts  entstanden  ist.  Ich  muss 
gestehen,  dass  ich  vor  dem  Original  stehend  R  ossi's  Da- 
tirung  V(dlkonnm'n  gerechtfertigt  und  in  diesem  Bronze- 
Medaillon  ein  llauptwei'k  ehiistlielier  Bildnerei  ausge- 
prägt fand.  Im  VI.  Abschnilt  tritt  endlich  die  Baukunst 
in  den  Kreis  der  Betrachtung,  womit  sonst  der  Anfang 
gemacht  wird.  Ohne  hierüber  zu  streiten,  darf  ich  diesen 
Abschnitt  für  den  wichtigsten  erklärt'n  und  aussprechen, 
dass  di'rselbe  niieli  nicht  iH'li'iedigt  hat.  Der  A'erfasser 
knüpft  einerseits  mit  mir  an  die  Palastbasiliea  römischer 
Grossen  den  Entwicklungsgang  der  christliclu'n  Basilica 
an  ,  andrerseits  lieliauptet  er  die  Selbständigkeit  des 
ehristlielien  Bauwerki's,  indem  er  die  Cultus-Bedürl'nisso 
als  massgebend  im  Auge  hat.  Ich  habe  aber  gezeigt, 
dass  el)cn  in  der  Palastbasiliea  oder  dem  basilikenar- 
tigen Saale  (oecus,  triclinium)  der  Bömcr  zugleich  die 
Erklärung  liegt,  wie  dei-  eliristlicln^  Cullus  mit  der  ge- 
nannten Bauform  vertraut ,  später  in  den  selbständigen 
l'.auweiken  der  Christen  im  IV.  Jahrhundert  seinen 
natürlichen  .\usdruck  faml  uml  somit  mit  dieser  l'r- 
sprunrserklärung  zugleich   die  Anforderung  des  Cnltus 


' /u  Si-Ire  179  Icincrkt  K  r  n  II  8 ,  dnss  mit  mir  Auch  W  0  i  n  u  är  i  ii  u  r  diu 
l.nteraii-ltiiHlllcn  kIh  ur^prütmllrlic  Cnlnstbaillira  betont  hnl  c>  Ich  fiiule  hi-i 
Wcinghrtner  ktiii  Wort  liavon. 


—     141 


seit  langer  Zeit  im  Einklang  ersclieinl  niul  nicht  erst 
gejren  das  IV.  Jaiirliundert  hin  nach  einer  Gestaltunt;- 
im  Bauwerk  suchen  musstc.  Der  Verfasser  irrt  sicii 
übrigens,  wenn  er  W  e  i  n  g  ä  r  t  n  e  r  als  Autor  der  Erklärung, 
welche  von  der  Palastbasilica  das  christliche  Kirchen- 
gebäude ableitet ,  bezeichnet ,  da  W  e  i  n  g  ä  r  t  n  e  r  i  über 
den  Saal  niclit  hinausgeht  und  in  dem  ll_v|iiitin-aitem]iel 
den  Ursprung  der  christlichen  Basilica  naciizuweisen 
versucht.  Ich  habe  ihm  also  niclit,  wie  der  Verfasser 
glaubt,  beigestimmt,  sondern  für  mich  den  Reweis  für 
obige  Ableitung  in  der  Zeitschrift  von  F.  v.  Quast  und 
H.  Otte  II,  5  geliefert.  Dass  das  bezügliche  Heft  ver- 
spätet erschien,  war  nicht  meine  Schuld,  wie  ja  die 
Redaction  ausdrücklich  bemerkt.  Ich  widmete  in  den 
., Mittheilungen "  IHÜO,  Nr.  6,  der  Weingärtner'schen  Hy- 
pothese eine  eingehende  Besprechung,  wo  ich  die  Un 
Verträglichkeit  von  zwei  sich  eonstructiv  ausschliessen- 
der  Bau-Systemen ,  desHypäthral-  niid  Basilikenbaues, 
gerade  auf  Grund  der  von  Weingärtner  angerufenen 
Instanz  Carl  Böttichcr's  nachgewiesen ,  also  die  Unmög- 
lichkeit, den  Basilikenbau  aus  der  Hyjiäthral-Anlagc 
abzuleiten,  dargetiian.  Niemand  darf  also  wissenschaft- 
licii  auf  diese  Hypothese  Weingärtners  als  Erklärung 
der  fraglichen  Sache  zurückgreifen,  ohne  meine  Ein- 
würfe widerlegt  zu  haben.  Ich  weiss  wohl,  dass  das 
niemand  vermag  und  kann  somit  ruhig  die  Polemik  ab- 
warten. Ohne  solche  Polemik  aber,  rcspective  Wider- 
legung, bleibt  meine  Aufstellung  wisseuschaftiieh  sicher 
und  kann  nicht  einfach  ignorirt  werden.  Anders  verhält 
sich  die  Sache,  wenn  der  Verfasser  selbst  das  Richtige 
gefunden  und  seine  Darstellung  also  begründet  wäre, 
wo  eine  Beachtung  gegnerischer  Sätze  nicht  niithig  er- 
scheint. Der  Verfasser  belindet  sich  aber  gleich  vielen 
Andern,  wie  Mothes,  Lübke,  im  Irrthume  über  den 
lietreftenden  Gegenstand,  muss  somit  auf  die  richtige 
Darlegung  verwiesen  werden.  L  ü  b  k  e  's  neueste  Auflage 
der  Architektur-Geschichte  enthält  an  diesem  Punkte 
eine  derartig  unklare  Darstellung,  dass  der  Besitzer 
früherer  Auflagen  des  Buches  hierin  sich  entschieden  im 
Vortheil  befindet.  Auch  die  neue  Auflage  von  S  c  h  n  a  a  s  e's 
Kunstgeschichte  kann  hier  beigezogen  werden,  da  Dr. 
Rahn  in  dem  bezüglichen  t'apitel wissenschaftliche  Ge- 
nauigkeit und  Klarheit  vermissen  lässt,  wie  sehr  ich 
sonst  dieses  neuen  Bearbeiters  von  jenem  berühmten 
Werke  wegen  der  auch  in  anderen  Arbeiten  documen- 
tirten  Sorgi'alt  und  Gewissenhaftigkeit  nur  in  Ehren  zu 
gedenken  habe.  Unsere  noch  junge  Wissenschaft  er- 
heischt Strenge,  wenn  es  ihr  gelingen  soll,  ebenbürtig 
neben  der  antiken  Kunstgeschichte  aufzutreten.  Unser 
Verfasser  will  jeder  Aufstellung  gerecht  werden,  was 
nur  lobenswerth  erscheint ;  er  wird  aber  dadurch  an 
entscheidenden  Wendepunkten  unklar,  ja  geradezu  irre- 
führend. ^^'ürde  derselbe  meine  und  R  e  b  e  r  's  Abhandlung 
(Mittheilungen  18G9,  2)  genauer  beachtet  haben,  so 
möchte  seine  Darstellung  vor  manchem  Irrthume  be- 
wahrt worden  und  das  Bild  der  antiken  Basilica  richtig 
wiedergegeben  sein.  Ich  wiederhcdc  ihm  und  Lübke, 
dass  Basilica  und  Hypäthralbau  sich  entgegengesetzt 
sind,  somit  keines  ails  dem  andern  entsprungen  sein 
kann.  U^brigens  zeigt  der  Verfasser  an  anderen  Orten 
eine  Genauigkeit,  die  nicht  grösser  sein  kann,  wenn  er 
z.  B.  das  Datum  der  sogenannten  Rei>aratus-Basiliea  in 
Algerien  nach  Ilenzen  III,  f)«)  mit  dem  Jahre  o2r>  tixirt 
und  Rahn  corrigirt.  der  nach  derselben  Quelle  das  Jahr 


326  angesetzt,  als  ob  gar  kein  liegründeter  Zweifel 
möglich,  wann  Manritanien  zur  römischen  Provinz  ge- 
macht wurde,  res|iecti\e  ob  das  Jahr  4(i  oder  41  nach 
Christus  dafür  angenommen  wird,  worin  die  Chrono- 
logen verschiedener  Ansicht  sind.  .\uch  kömmt  es  nadi 
Kraus  nicht  deutlich  zum  Bcwnsstsein,  wer  denn  der 
Urheber  der  falschen  (früheren)  Datirung  gewesen,  in- 
dem Kugler  und  ich  dafür  in  Ansjirnch  genommen 
werden,  die  darüber  kein  Wort  geschrieben,  sondern 
lediglich  das  Ergebniss  der  französischen  Archäologen 
acceptirt  haben,  von  welchen  die.\iuiahme  ausgegangen, 
dass  die  Aera  des  Hoiciius  für  die  Berechnung  der 
Mauretan'schcn  Daten  zu  tixiren,  also  vor  der  insehrift- 
lichen  Zahl  285  auf  dem  Paviment  der  Reparatusbasilica 
■Vi]  abzuziehen  sei.  Die  Quelle  des  Inthums  ist  also  bei 
den  französischen  Archäologen  zu  suchen.  Ich  habe  in 
den  „Mittheilungen-  l.S()4,  ö,  auf  Grund  der  Reparatus- 
Krypta  und  der  Cavedoni'schen  Berechnung,  die  der 
Verfasser  nicht  zu  kennen  scheint,  das  Datum  richtig 
gestellt,  somit  mich  selbst  corrigirt,  bevor  mir  noch  das 
entscheidende  inschviftlieiie  Material  von  Henzen  be- 
kannt geworden,  dem  es  gelungen,  die  Aera  zweifellos 
zu  coustatiren  und  Orelli's  Irrthum  zu  berichtigen.  Über 
die  Benennung  „Reparatusbasilica"  konnte  dem  Quel- 
lenkundigen gar  nie  ein  Irrthum  begegnen,  da  die  be- 
zügliche Inschrift  das  Tddesjahr  des  Reparatus  genau 
bezeichnet.  Schliesslich  darf  ich  noch  anfügen, dass  mitden 
Ze  stermann'schen  Instanzen  die  neueste  Hypotliese, 
wie  sie  in  Hamberg's  biblischen  Alterthümern  vorliegt, 
nicht  beseitigt  werden  kann,  denn  von  diesen  Beweis- 
momenten konnte  Zestermann  noch  nichts  wissen.  leb 
habe  micli  wicderliolt  benuiljt,  diese  Ableitung  der 
christlichen  Basilica  von  der  jüdischen  Synagoge  und 
Tempel-Architektur  zu  beleuchten  und  ihre  Unlialt- 
barkeit  zu  erweisen,  zuletzt  in  „Mittheilungen-  1871, 
o,  ohne  dass  der  Verfasser  darauf  Bezug  genommen 
oder  durch  eigenes  Raisonnement  dieselben  Ergebnisse 
erlangt  hat.  In  sulche  Streitfragen  kann  man  nur  ein- 
treten, wenn  man  im  Besitz  der  gesammten  Literatur 
über  die  Sache  ist.  Nur  dann  erscheint  das  Urtheil 
.^rechtfertigt  und  für  denLesergenügend.Mit  Moth  e's 
Schrift  über  den  Basilikenl)an  reicht  keine  Darstellung 
aus,  da  derselben  die  liründliehkeit  und  unentbehrliche 
Detailkenntniss  mangelt.  Dieser  Mangel  hat  Mothes  oft 
zu  unbezeichenbaren  Behau]>tungen  geführt,  die  man 
heutzutage  nicht  mehr  antreffen  soll.  In  dem  Capitel  der 
f^inrichtungsgegenstände  wäre  eine  mehr  eingehende 
Behandlung  am  Platz  gewesen,  die  gerade  der  Ver- 
fasser vorzüglich  auszulühren  im  Stande  ist.  Die 
Orientirung  der  Kirche  und  der  Gemeinde,  Stellung  des 
Priesters  am  Altare,  die  Krypta  und  iiire  Beschati'enheit, 
wie  die  Cömeterieu  hierin  vim  Eintluss  sein  konnten, 
die  Lage  der  Piscina,  Verlegung  des  Atriums  u.  dgl.  — 
dies  Alles  berührt  zwar  unser  Autor,  aber  nach  meinem 
Bedünken  viel  zu  flüchtig,  so  dass  für  manchen  Satz 
die  Begründung  schwer  werden  möchte.  Die  byzanti- 
nische Architektur  und  Kunst  erscheint  gleichfalls  zu 
kurz  behandelt  und  ist  namentlicii  von  deren  späterer 
Bedeutung  nur  in  ein  Paar  Beispielen  die  Rede.  Der 
Leser  soll  nach  meinem  Bedünken  in  kurzen  Zügen 
wenigstens  eine  Vorstellung  und  einen  Ausblick  in  die 
folgende  Entwicklung  erhalten,  wenn  er  gehörig  unter- 
richtet sein  will,  während  hier  zu  schnell  abgebrochen 
wird.  Kahns  vortreffliche,  vom  Verfasser  citirte  Arbeit 


14'i     — 


über  die  Central-Baiiteu  wurde  liiezu  gewiss  behilfiicli 
geweseu  sein.  Wenn  in  der  Plastili  die  Sculi)tiircn  von 
Cividale  in  Friaul  erwähnt  werden  durften .  dann  mfielite 
auf  So  viele  andere  cliarai^teristiselie  (Gebilde  dieses  Sty- 
les  gleiclitalls  Bezug  genonnneu  und  vor  Allem  in  der 
Arehitektuv  davon  keine  Ausnahme  gemacht  werden.  Im 
letzten  Abschnitt  wird  das  Verhältniss  der  christlichen 
Kunst  zur  Antike  und  die  Symbolik  nml  Mythologie  der 
christlichen  Kunst  besprochen.  Wie  schön  die  ange- 
führten .Stelleu  aus  bewährten  Autoren  und  Dichtern 
auch  immer  .sind,  überheben  sie  doch  der  Anforderung 
nach  einigen  klaren  Sätzen  nicht,  die  den  Leser  orien- 
tiren  konnten,  üie  tiefen  Gedanken,  die  der  Verfasser 
hier  anregt,  erheischen  auch  klare  Form,  wenn  sie 
erspriesslich  sein  sollen.  In  der  Symbolik  scheint  mir  ein 
längeres  Verweilen  augezeigt,  das  gerade  ein  solcher 
Fachgelehrter  billig  erwarten  lässt.  Ich  habe  von  der 
Schwierigkeit  der  Methoile  in  der  IJearlieitung  dieses 
Thema's  durch  meine  ^drlesuugen  über  ciiristliche  Iko- 
nographie genügende  Kenntuiss  und  wäre  deshalb 
speciell  dem  Verfasser  zum  Danke  verpflichtet  worden, 
falls  er  hierin  eingehender  gewesen  wäre.  Die  von 
Uesl)assay  ns  de  Rieh  emon  t  gehaudhniite  Methode 
der  geschichtliclien  Folge  gewisser  Bilderkreise  dürfte 
zuversichtlich  die  beste  sein  und  luüte  ich  jene  schon  in 
Nr.  2,  1871  der  ,.Mittheilungen^  von  mir  empfohlene 
Schrift  hierin  für  die  belehrendste.  Hier  greifen  Archäo- 
logie und  Kunsthistorie  innig  zusammen,  weswegen 
gerade  Kraus  das  Beste  erwarten  Hess.  Das  von  ihm 
bereits  l)is  zur  Schlusslieferung  geförderte  Werk  „Koma 
sotterrauea'-  bei  Herder  in  Freiburg  ist  der  Beweis  da- 
von; denn  es  ist  weitaus  die  tretlTichste  Arbeit  über  die 
Katakomben,  die  in  Deutschlan<l  und  Frankreich  er- 
schienen, wie  ich  scdion  in  der  Allgemeinen  Zeitung  un- 
umwunden ausgesprochen.  Möchte  es  dem  \'erfasser 
doch  beschieden  sein,  in  solch'  gründlicher  und  erschö- 
lifender  Weise  andere  auf  Lösung  harrende  Probleme 
der  christlichen  Archäologie.  ■/..  B.  die  ihm  mehr  als  An- 
deren geläulige  Eiiigraphik  für  weitere  Kreise,  etwa  in 
Be  Blant's  Methode  zu  bearbeiten.  Doch  wird  jede  an- 
dere Publication  dieses  Autors  auf  den  gleichen  Dank 
der  Fachgenossen  zum  voraus  zählen  können. 

l)f.  Messmer. 


Christliche  Architektur  und  Plastik  in  Rom  vor  Con- 
stantin  dem  Grrossen. 

V.  .1.  I*aui  IC  1  c  li  I  (' r  I>r.  IMi.,  Jiinner  1872,  bei  rrie(lri<h  Frommaiin. 

Dieses  nur  28  Seiten  zählende  Schriftchen  macht 
sich  anheischig,  der  \  <ir-constantinischen  Kunst  di'i- 
Christen  nicht  nur  den  Ciiaraklerder  Selbstständigkeit 
sondern  auch  der  nie  wieder  erreichten  Schöidieit  und 
Einzigkeit  zu  vindiciren,  wozu  ihn  der  Anblick  früh 
christlicher  Kunstgel)ilde  in  Uom  sichtlich  begeistert 
hat.  Indem  ich  llber  die  Arcliitektu}'  riiglich  liinwcggejie, 
die  l'iclitcr  in  den  Katakonibenanlagen  und  den  kleinen 
Gebäuden  über  denselben  entstehen  lässt,  worauf  ne- 
l)enl)ci  gesagt  schon  de  Vogu  e  in  seiner  Architektur  des 
heiligen  Landes  aufmerksam  gemacht,  will  ich  das 
Princip  hervorheben,  nach  welchem  die  Plastik  der 
ersten  Kirche  l)eh:indelt  wird.  Sie  dauert  nach  K  i  c  h  t  e  r 
nur  kurze  Zeit   und  hat  weder  an  die  Antike  noch  eine 


andere  Kunst  angeknüpft.  Dies  erstehristliche  Kunst- 
Ideal  hat  sich  in  der  späteren  Kunst  nicht  fortentwickelt. 
Der  Faden  des  Znsammenhangs  mit  diesem  Ideal  war 
zerrissen.  Analog  ist  der  im  I\'.  Jahrhundert  aufkom- 
mende Basilikenstyl  mit  dem  Aufgeben  der  erst  christ- 
lichen Bauweise ,  wie  denn  auch  die  christlichen  Väter 
unter  Basilica  nur  profane  Gebäude  verstehen.  AVie 
sollten  auch  die  ersten  Christen  Polizei-Gebäude  als 
Vorbilder  für  ihre  Gotti'shäuser  gewählt  haben y  Kurz 
das  I\'.  Jahrhundert,  die  constantinische  Periode  ent- 
wickelt nicht  die  bereits  grundgelegten  Keime,  sondern 
corrnmpirt  sie  oder  setzt  ganz  verscliiedennrtige  Gebilde 
an  deren  Stelle.  Die  Ideen  erstarren  fast  plötzlich,  so 
dass  die  Einförmigkeit  der  Darstellungen  leicht  erklär- 
lich, bis  der  Byzantinismus  nach  drei  Jahrhunderten  das 
Erbe  angetreten  und  seine  Normen  der  künstlerischen 
Darstellung  zu  den  noch  heute  giltigen  gemacht  hat,  wie 
die  Christusbilder  beweisen.  Hingegen  war  die  Kunst 
vor  Constantin  original  und  mannigfach  ,  der  gute  Hirt  im 
Lateran-Museum  ist  das  voUkonnnenste  Werk  derselben 
und  trotz  kleiner  technischer  Unvollkonnnenheiten  einem 
Ideal  geistiger  Schönheit  Ausdruck  verliehen,  welche 
Richter  unumwunden  für  edlerund  erhabener  erklärt, 
als  die  eines  A))ollo  von  Belvedere.  Würden  wir  mehr 
Denkmäler  solcher  Art  und  Zeit  besitzen,  namentlich 
vor-constantinische  Sarkophage,  so  wäre  die  Verschie- 
denheit evident.  Ich  habe  diesen  schönen  „Hirten"  im 
Lateran  ebenfalls  gesehen  und  stinnne  dem  Verfasser  in 
seiner  Begeisterung  dafür  bei,  ohne  jedoch  seine  Con- 
sequenzen  zu  theilen.  Ist  denn  Richter  über  die  Alters- 
bestimmung dieses  „Hirten"  durch  Beweise  unterstützt? 
Wie  steht  es  dann  mit  den  darauf  gebauten  Behaup- 
tungen V  Sollten  wirklich  die  Christen  zugleich  mit  ihrer 
höchsten  Gottescrkenntniss  auch  solche  technische  Fer- 
tigkeit erlangt  haben,  dass  sie  über  die  Leistungen  der 
allerdings  abgeblühten  Antike  ohne  weiters  cmpor- 
kanienV  Zeigen  die  Katakond)en-(;emälde  der  vor-con- 
stantinisehen  Zeit  da\on  eine  SpnrV  Damit,  dass  nach 
Kichter's  Verniuthung  im  IV.  Jahrhundert  das  Heiden- 
thum  in  die  christliche  Kirche  zur  erneuten  Herrschaft 
kam,  wird  doch  die  bildende  Kunst  in  ihrer  technischen 
Beschafl'enheit  nicht  Schaden  gelitten  haben?  Kraft 
welchen  Prineips  koinitt;  denn  überhaupt  die  Antike  jene 
Vollkonimeniieit  erreichen  .  die  ihr  doch  hort'entlich 
Niemand  abstreiten  wird?  Die  vom  Verfasser  selbst 
gebrauchte  Bezeichnung  ,, wahrhaft  klassische  Anord- 
nung" \'on  einem  Relief  in  dem  näudichen  Museum  ent- 
hält die  richtig(!  Anschauung,  die  bei  der  \\'urdigung  der 
Renaissance-Sculptnr  abermals  Platz  gewinnt,  wie  die 
Einleitung  zeigt.  Das  merkwürdige  Verlassen  früherer 
lÜlder-Cyklen  im  \ .  Jahrliiiudert  und  das  Vordrängen 
der  liyzantinisclien  AutVassnng  und  Darstellnngsweise 
seit  dem  \'l.  .lalirliundert  beruhen  keineswegs  auf  <ler 
gleichen  Voraussetzung  und  wenn  das  IV.  Jahrhundert 
schon  das  Zeitalter  des  Verfalles  der  speciliscli  christ- 
lichen Kunst  gewesen,  so  trift't  dasselbe  mit  dem  der 
heiiliiiselien  Kunst  Decaden/,  v(dlk()mnieu  zusammen.  Im 
11.  und  III.  Jahrhundert  stand  eben  die  heidnisch-antike 
Kunst  iunner  noch  höher  als  im  folgenden  Jahrhundert. 
Einzelne  Künstler  kömien  mitunter  kleinere  Aufgaben 
auf  meisterhafte  Weise  gelö.sst  haben  unabhängig  von 
der  sonstigem  Stylriclitiuig  oder  Kunst\erderi)niss.  Es 
wiril  Aufgabe  der  Archäologie  sein,  den  rmsehlag  in 
d(;n  Darstellungsgegensfäuden  und  Aufgabe  der  Kunst- 


143 


liisidiic,  die  Zusanimenhänge  der  christliclicn  mit  der 
abbliilieiuleii  aiitikLii  Kunst  darzutliuii.  In  letzterer 
Küeksielit  steht  unser  \'ertasser  bis  jetzt  allein  mit  seiner 
Ansicht: „die  Anfänge  der  altehristlielien  Kunst  gleichen 
wohl  den;  zarten  Licht  des  aufgehenden  Morgensternes, 
aber  ihre  l>alm  ist  die  eines  ^feteors  gewesen".  Freiüeli 
liegt  in  diesem  Alleinstehen  kein  Grund,  dass  diese 
Ansicht  unrichtig  ist,  wohl  aber  ein  Grund,  reiflich  alle 
Instanzen  zu  prüfen ,  bevor  solch'  folgenschwere  «Sätze 
als  wahr  behauptet  werden.  In  Bezug  auf  Architektur 
liotfe  ich  dem  \'erfasser  in  Bälde  die  Haltlosigkeit  seiner 
Heliauptung  nachzuweisen ,  über  die  Plastik  abei' 
bedarf  es  bei  der  Beschaffenheit  des  Beweismaterials, 
wie  es  hier  vorliegt,  lediglich  eines  Hinweises  auf  die 
Aussage  der  Denkmäler  und  ihrer  Geschichte,  um  die 
Unrichtigkeit  klar  zu  machen.  Innnerhin  verdient  dies 
.'-Jchriftchen  wegen  seiner  in  unserer  Literatur  immer 
seltener  werdenden  Logik  und  Klarheit ,  wegen  der 
geistreichen  Darlegung  und  vorzüglicher  Einzelbemer- 
kungen alle  Aufmerksamkeit,  die  ich  ihm  auch  ge- 
schenkt habe  und  bei  meinen  Arbeiten  auch  fernerhin 
schenken  werde. 

Dr.  ^Icssmer. 


Die  drei  Dombaumeister  Roritzer  und  ihr  Wohnhaus, 
die  älteste  bekannte  Buchdruckstätte  in  Regensburg. 

\ -"'n   Carl  Woliieinar  N  e  u  in  a  n  n.   Mit  Vorrede  und   Nachtrii^eu  von    Hugo  Grat 
von  Walderdo  li'.  Uegensljurg  187-'.  h°  —  200  S. 

Bei  keiner  Kunst  tritt  die  Persönlichkeit  des  Er- 
finders so  sehr  in  den  Hintergrund,  als  in  der  Baukunst, 
wo  subjectiver  Empfindung  und  individueller  Anschau- 
ung der  kleinste  Wirkungskreis  zugemessen.  Dazu 
kömmt,  dass  von  den  Meistern  der  grossen  Bauten  des 
Mittelalters  höchstens  der  Name  ülicrliefert  und  von  den 
sonstigen  Verhältnissen  derselben  nichts  bekannt  ist.  Zu 
den  am  meisten  populär  gewordenen  Meistern  der  go- 
thischen  Architektur  zählt  Roritzer,  dessen  Anleitung  für 
richtige  Construction  der  Fialen  weit  verbreitet  gewesen 
und  zu  späteren  Generationen  gelangt  ist.  Er  war  aber 
nur  ein  Sprosse  der  Architekten-Familie  dieses  Namens, 
die  gerade  .am  Donibau  zu  Regensburg  ihre  Meisterschaft 
bethätigt  und  ihren  Ruhm  begründet  hat.  Matthäus 
heisst  der  Verfasser  des  Büchlein's  von  der  Fialen-Ge- 
rechtigkeit, worauf  A.  R  e  i  c h  e  n  s  p  e r  g e r  nachdrücklich 
aufmerksam  gemacht.  Er  war  der  Sohn  des  Jleisters 
Conrad,  der  seit  1450  als  Dombaumeister  zu  Regens- 
burg thätig  war  und  1480  seinen  Sohn  Matthäus  zum 
Nachfolger  hatte.  Dieser  bildete  sich  in  der  Strassbur- 
ger-Bauhütte  weiter  aus,  wo  er  auch  mit  der  Buchdruck- 
Kunst  bekannt  geworden ,  wie  es  scheint  durch  die 
Vermittlung  des  Johann  Mentele.  Diese  Kunst  wendet 
der  Meister  148(1  zu  Regensburg  für  die  Wiedergabe 
einer  Staatsschrift  und  dann  für  sein  ]5üchlein  über  die 
Fialen  in  demselben  Jahre  glücklich  an.  Sein  Bruder 
Wolfgang  tritt  149.Ö  daselbst  als  Dombaumeister  auf, 
fertigt  das  kostbare  Sacramentshäusclien ,  den  unüber- 
trofllenen  Brunnen  im  Inneren  des  Domes  und  fördert 
den  Bau,  bis  er  1514  als  politischer  Verbrecher  auf  dem 
Schaftbt  endete.  Neumann,  k.  liayer.  llaujitniann,  hat 
sich  durch  seine  werthvollen  Arbeiten  auf  diesem  Ge- 
biete längst  einen  ehrenvollen  Namen  erworben  und 
auch  von  Sr.  Majestät,  dem  Kaiser  von  Osterreich  die 
Allerhöchste  Anerkennung  verdient.  Diese  vorliegende 


Schritt  mit  ihrem  sorgfältig  bearbeiteten  l'rkunden- 
Material  ist  ein  abermaliger  Beweis  für  die  bewährte 
Leistung  des  Verfassers.  Die  Nachträge  und  Excurse  des 
Grafen  von  Wald erdorff  erhöhen  denWerth  des  Bu- 
ches, darunterdürfte  die  Ausführung  über  „die  Jungkherrn 
vonPrag".  deren  Di'.  Ilg  im  .">.  Heft  dieses  Jahrganges 
der  Mittlieiluiigenauf  (ound  der  J..Sce  berg 'sehen  For- 
schung eingehend  gedacht,  das  allgemeinste  Interesse 
erregen,  indem  gerade  Seeberg's  Aufstellungen  einer 
gerechten  Kritik  ausgesetzt  und  in  ihrei'Haltlosigkeit  ge- 
zeigt werden,  ^dn  den  über  die  Namenführung  ..Jungk- 
lierreu''  gegeljenen  Erklärungen  wird  Bern.  G  rueber's 
einfache  D.arlegung  adoptirt  und,  wie  mir  scheint,  mit 
\()llstem  Rechte  derselben  der  Vorzug  gegeben.  M.  Ro- 
ritzer's  Hinweis  aui'  diese  Prager  .Steinmetzen  aus  dem 
Jahre  14^(1  wird  ausdrücklich  als  die  einzige  positive 
Nachricht  hierüber  coiistatirt,  die  übrigen  späten  No- 
tizen aber  mit  grösster  Vorsicht  und  überlegener  Sach- 
kenntniss gewürdigt,  deren  Mangel  J.  Seeberg  zu  unhalt- 
baren Behauptungen  führte.  Dabei  wird  auf  die  noch 
immer  unklare  Geschichte  des  Strassburger-Baues  un<l 
deren  Meister  klärendes  Licht  geworfen  und  überhaujit 
der  Zusannnenhang  der  gro.ssen  Meister-Familien  von 
Gmünd,  Köln  und  Ulm  sowie  deren  verschiedene  Thä- 
tigkeit  aufmerksam  untersucht,  woran  es'  noch  immer 
fehlt.  Der  Verfasser  scheidet  stets  zwischen  sicheren 
und  begründeten  Resultaten  und  solchen  aus,  die  nur 
hypothetischer  Natur  sind,  so  dass  der  Leser  immer 
selbst  urtheilen  kann  und  über  den  Stand  der  bezüg- 
lichen Frage  stets  voUkonniien  unterrichtet  ist.  Doch 
dieses  Thema  wird  gewiss  von  einer  berufenen  Feder 
der  „^littheilungen''  bearbeitet  und  obige  Untersuchung 
in  ihrem  wahren  Werthe  beurtheilt  werden.  Ich  finde 
nur  die  Methode  gediegen  und  wissenschaftlich,  die 
Ergebnisse  bcachtenswerth  und  die  Durchführung  über- 
zeugend. Die  übrigen  Beiträge  über  Steinmetz-Zeichen 
und  Hausmarken,  über  H.  Schäufelin  ,  Hanns  Hieber, 
die  Buchdruckerei  des  Matth.  Roritzer,  die  vier  Ge- 
krönten u.  s.  w.  können  dem  Fachmanne  nur  erwünscht 
und  für  den  Verfasser  das  Zeugniss  allseitiger  Erfahrung 
auf  dem  miftelalterlielien  Kunstgebiete  sein.  Die  beige- 
gebenen Illustrationen  ergänzen  die  Darstellung  auf 
willkommene  Weise. 

Dr.  Metssmer. 


Zahn's  Jahrbücher  für  Kunsigeschichte. 

Es  ist  ein  längst  und  vielfach  beklagtes  Hinderniss 
allgemeiner  und  rascher  Verbreitung  der  kunstgeschicht 
liehen  und  archäologischen  Forschungen,  dass  Deutsch- 
land trotz  des  regen  Eifers  tür  Kunst  und  deren  Ge- 
schichte gleichwohl  nur  sparsam  mit  Fachzeitschriften 
versehen  ist,  so  dass  die  Tagespresse  häufig  flir  Mit- 
theilung wichtiger  Arbeiten  in  diesem  Gebiete  in  An- 
spruch genonnncn  ist.  ^lan  inuss  es  allen  grossen 
Journalen  Deutsclilaiuls  und  Österreichs  nachrühmen, 
dass  sie  bemüht  sind,  hierin  auf's  bereitwilligste  die 
Sache  der  Kunstforschung  zu  unterstützen.  Insbesonders 
hält  es  die  Allgemeine  Zeitung  für  eine  Ehrenaufgabe, 
der  gewissenhaft  zu  ents])rcclien  sie  ihre  reichen  Mittel 
aufbietet,  die  Wissenschaft  im  weitesten  .'"^inne  durch 
Fachmänner  zu  Nertreteii.  Für  mittelalterliche  Kunstge- 
schichte besassen    wir  lanffe  Zeit  ausser  den>  Kölner 


144 


Organ  keine  Fachzeitschrift,  bis  im  Jahre  18()8  Dr.  \on 
Zahn  in  Leipzig-  ,.die  Jahrlnlclier  für  Kunst  Wissen- 
schaft" freilich  nuter  Opfern  seitens  des  Herausgebers 
wie  der  betheiligten  Gelehrten  gründete  und  so  endlich 
ein  Organ  in's  Leben  rief,  das  wir  seit  dem  Auflii)ren 
(1859)  der  Zeitschrift  für  christliche  Archäologie  und 
Kunst  von  F.  von  Quast  und  H.  Otte  schmerzlich  ver- 
jnissten,  da  bei  aller  Liberalität  der  ücdaction  der  „Mit- 
theilungen der  k.  k.  Central-Commission"  immer  noch 
ein  hübsches  Quantum  von  Arbeiten  wegen  nothwen- 
diger  Ausschliesslichkeit  von  letzteren  und  geringerem 
Interesse  derselben  übrig  bleibt,  das  in  dem  genannten 
österreichischen  Organ  nur  schwer  unterzubringen  ist. 
Bis  zu  Zahn's  Unternehmen  war  die  Kunstforschung 
nur  an  die  ..Mittheilangcn"  gewiesen,  die  in  nicht  genug 
gewürdigter  Allscitigkeit  und  Rücksichtnahme  das  Ge- 
sammtgebiet  der  Kunst  allein  zu  vertreten  bestrebt 
waren.  Auch  Lützow's  Zeitschrift ,  obwohl  für  neuere 
Kunst  zunächst  in's  Leben  gerufen,  hat  in  rühmens- 
werther  Weise  häufig  auf  Denkmale  des  Mittelalters  und 
deren  Erforschung  Bedacht  genommen ,  so  dass  jene 
Enc3-chipädie  der  christlichen  Kunst,  wie  der  grosse 
Archäolog  Didron  die  österreichischen  „Mittheilungen" 
treffend  bezeichnete  und  Lützow's  Zeitschrift  bis  zur 
Gründung  der  von  Zahn'schen  Jahrbücher  für  den  For- 
scher fast  die  einzigen  Organe  waren,  deren  er  sich  für 
Publicirung  bezüglicher  Arbeiten  zu  erfreuen  hatte. 
Gleich  der  erste  Jahrgang  brachte  so  viel  des  Neuen 
und  Belehrenden,  dass  es  schwer  erscheint,  Einzelnes 
hervorzuheben,  da  jeder  Fachmann  für  seinen  Zweig 
Etwas  tindet,  das  ihm  zunächst  audi  das  Werthvollste 
dünkt.  Mir  nun  waren  Patd.  Rahn's  Artikel  über  Ka- 
venna  das  Interessanteste  und  Bedeutenste,  da  so  viel 
bisher  Unbeachtetes  oder  Unbekanntes  hier  seine  Be- 
achtung und  kuiistwissenschaftliclie  Würdigung  findet. 
Baadcr's  Beiträge  zur  Nürnberger-Kunsthistorie,  Hass- 
ler's  Urkunden  zur  IJaugeschiclite  des  Mittelalters,  Alwin 
Scliultz  über  die  Breslauer  Malerzunft,  Zahn  über  Ma- 
saccio  und  ^[asolino  ,  sowie  über  die  Dürer-Hand- 
schriften und  Mündlcr  mit  seinen  Nachträgen  zu  Burk- 
Inirdf's  Cicerone  dürften  auf  allgemeinere  Anerkennung 
recinien  können.  Den  IH.  und  IV.  Jahrgang  zeichnen 
dann  die  IIolbein-Forschungen  aus,  woran  sich  ausser 
His-Häiisicr  H.  Grinnn,  A.  Woltmann  und  W.  Schmidt 
betheiiigen.  ,\uf  die  Leistungen  des  letzteren  habe  ich 
schon  1^72.  Nr.  1  in  diesem  Organ  iiufnu'rksam  ge- 
macht. Sehr  belehrend  ist  auch  II.  Bahn  über  (Semälde- 
cyklen  im  Canton  Granbündten.  Dürer  wird  sell)stver- 
ständlicli  von  der  Forschung  stets  im  Auge  behalten  und 
bieten  Zahn  und  Thausing  hierin  verschiedene  Auf- 
schlüHse,  die  der  Leser  der  kleinen  Polemik  diesei' 
beiden  Kunstgelehrtcn  unschwer  entbehren  wird.  Hans 
.Senipcr  ülter  Donatello  bcliandelt  ein  in  jeder  IJeziehnng 
wichtiges  Kajjilcl  der  italicnisciicn  Kuiistgeschiehte,  wie 
Doi)i)crt  in  seiner  Abhandlung  über  die  Diirstelliingeii 
des  Abendmahles  ein  solches  der  christliclien  Ikoiio 
graphic.  Auch  auf  Dobbert's  Arbeit  habe  ich  unlängst 
in  diesen  PJättcrn  hingewiesen,  P>aader,  Seydel ,  Keii- 
mont  iMid  llübner  \ criitlieliten  den  Leser  auch  in  diesen 
Piänden  diir<-li  \ crscthiedene  l)eacliteiiswertlie  Mitthei 
hingen.  Im  f).  Jahrgang,  welchen  das  Jalw  ISTIJ  bildet, 
fe.s.self  wohl  insbesondcrsZah  n  's  gewissenhafter  Bericht 
über  die  interessanten  Resultate  derHolbein-Aussfcdlinig 
in  Dresden,  der  nicht   nur,  wie  es  sich  von  solchem  I''or- 


scher  und  Autor  von  selbst  versteht,  ohne  jegliche  Vor- 
eingen(nnmenheit,  sondern  auch  mit  einer  Hachkenntniss 
und  logischen  Schärfe  verfasst  ist,  dass  ich  mich  nicht 
erinnere,  über  dieses  Thema  Ahnliches  gelesen  zu  haben. 
Zahn  weiss  für  sein  Urtheil  nicht  allgemeine  Sätze,  er 
weiss  aus  der  Sache  gewonnene  Gründe  vorzuführen, 
deren  Prüfung  dann  dem  Leser  anheimgestellt  ist.  Die 
Erfahrung  des  Autors  in  der  Technik  der  Malerei  erhellt 
aus  der  sorgfältigen  Vergleichung  der  beiden  Exem- 
plare ,  so  dass  wir  klar  und  deutlich  vernehmen,  warum 
derselbe  nur  dem  Darmstädter-Exemplar  die  Originalität 
aus  des  Meisters  Hand  zuspricht.  Mit  der  Geduld  Fech- 
ner's  geht  Zahn  jedem  Einwand  bis  zur  letzten 
Möglichkeit  seiner  Berechtigung  nach  und  bleibt  ferne 
von  jeder  willkürlichen  Argumentation.  Bei  dem  grossen 
Interesse,  welches  Holbein  in  letzter  Zeit  gefunden, 
wird  diese  vorzügliche  Abhamllung  gewiss  von  Jedem 
gelesen  werden,  der  auf  kunstgeschichtliche  Bildung 
Anspruch  macht,  wesshalb  ich  zu  anderen  Aufsätzen 
übergehen  kann,  die  weniger  bedeutenden  Künstlern 
und  Kunstwerken  gewidmet  sind,  wovon  die  Studie 
Schmidt's  über  Nicolaus  von  Neufchatel  zunächst  ge- 
nannt werden  nmg.  Die  Verwirrung  über  den  Namen, 
Heimathsort  und  ersten  Unterricht  dieses  Meisters  weiss 
Schmidt  vortrefflich  zu  lösen  und  den  kostbaren  Werken 
desselben  Kritik  und  Char.Tkterisirung  zu  widmen. 
Piper's  grosser  Aufsatz  über  die  mittelalterliche  Dar- 
stellung „Maria  als  Thron  Salomo's  und  ihre  Tugenden 
bei  der  Verkündigung'-  gehört  dem  Gebiet  der  christ- 
lichen Ikonographie  an,  der  vom  Verfasser  mit  beson- 
derer Rücksicht  auf  ein  Gemälde  im  christlichen  Museum 
zu  Berlin  eine  grosse  Bereicherung  zu  Theil  wird.  Auch 
diese  Abhandlung  wird  für  den  Fachnninn  Gegenstand 
genauen  Studiums  sein  müssen.  Allgemeinere  Aufmerk 
samkeit,  als  das  unscheinbare  Thema  beansprucht, 
möchte  ich  für  den  Aufsatz  Dr.  Georg  De  liio'süberdie 
Theodorichs-Statue  zu  Aachen  hervorrufen  ,  weil  ich  ihn 
für  ein  Muster  von  Kritik,  logisc-hcr  Ausführung  und 
nüchterner  Gelehrsamkeit  halte,  der  es  gelingt,  nicht 
nnr  eine  unzulängliche  Annahme  zu  l)eseitigen  sondern 
auch  eine  positive  üehauptung  aufzustellen.  Wenn  in 
solch'  ansprechender  Weise  die  Historiker  der  Kunst- 
wissenschaft behilflich  sind,  dann  können  nur  günstige 
Ergebnisse  erwartet  werden.  Dehio  verftihrt  wie  ein  die 
Acten  darlegender  und  Schritt  für  Schritt  mit  dem  ur- 
theilenden  Leser  an's  Ziel  gelangender  Aut(n-,  di-r  nach 
lichtvoller  Darstellung  des  negativen  Resultates  zum 
l)ositiven  vorwärts  füln't.  Zuerst  wird  gezeigt,  dass  die 
Aachener  Statue  keine  Theodorichs-Statue  sei  und  dann, 
was  sie  wahrscheiiilicherweise  sein  konnte.  Mit  den 
l'rülieren  .\utoren  dieses  'J'hema'sC.  P.  Rock  |S44un(lH. 
(iriiiim  1S()',)  setzt  sich  der  Verfasser  erst  am  Schlüsse 
auseinander.  Während  C.  P.Bock  die  Aachner-Statue 
für  identisch  mit  der  zu  Ravcnna.  und  für  eine  Statue 
Tiieodorieh's  erklärt. liissl  H.  Gi-inim  die  Identität  mit 
der  Raxcniiater-Slatiie  lallen,  und  hüll  nur  an  Theo- 
doricli  fest.  Beides  wird  als  nmnöglicli  dargethan  und 
ohne  irgend  dem  Wortlaut  (Sewalt  anzuthun,  aus  Wa- 
lafrid  Strabo's  Gedicht  vom  Jahre  829  das  besagte 
negative  und  positive  Ergebniss  entwickelt.  Die  äus- 
sersfe  \'orsiclil  im  ComlMniren  nnd  Deuten  isl  bei  solchen 
(Jeistesproducten,  wie  dies  (redicht  darstellt,  vor  .MIeni 
angezeigt  inid  man  nniss  es  dem  V\M-fasser  nachrühmen, 
dass  er  seinem  \'orsatze  nu'isterhaft  entsprochen.  Nach- 


Uö 


dem  die  unniittelbar  aus  dem  Gedichte  sich  ergcl)endeii 
Punkte  und  Schlüsse  festgestellt,  sieht  sich  der  Ver 
fasser  in  der  sonstigen,  zunächst  italienisciien  Quellen- 
Literatur  um,  um  den  IJei  Interpretation  des  (Jedichtes 
noch  uncrürtert  gelassenen  Punkt  zu  erledigen,  ob 
Walafrid  wirklich  die  Kavenater-Statuc  gemeint  und 
dann  ob  dieselbe  den  Theodorich  vorgestellt  habe. 
Beides  war  nicht  der  Fall.  Jenes  wird  aus  den  i)ositiven 
Stellen  italienischer  Quellen  und  dem  Stillsclnveigen  der 
hier  in  massgebenden  fränkischen  Literatur  zur  Evi- 
denz erhoben  und  dieses  aus  der  damaligen  Sitte  der 
Deutschen,  in  antiken  Bildwerken,  zumal  IJeiterstatuen 
mit  Vorliebe  den  ,, Dietrich  von  Bern-  zu  sehen,  kurz 
und  bündig  klar  gemaciit.  Diese  Partie  des  Aufsatzes 
ist  ausgezeichnet  zu  nennen.  Die  vielen  in  den  römischen 
Provinzen  aufgestellten  Eeiterfiguren  lassen  auch  in 
Germanien  ihres  gleichen  erwarten ,  so  dass  unser 
Jugendlicher  Strabo  mit  seiner  Deutung  auf 'riicddorich 
nicht  allein  stehen  mochte.  Die  andere  im  Gedicht 
beschriebene  Scul[)tur  vermutliet  unser  scharfsinniger 
Autor  als  eine  bacchische  Darstellung,  die  nui'  der 
Dichter  mit  dem  Reiter  in  Zusammenhang  l)ringt.  die 
aber  in  Wirklichkeit  damit  nur  so  \iel  zu  schaffen  hatte, 
dass  sie  neben  der  Peitertigur  räumlich  aufgestellt,  nicht 
aber  dazu  componirt  war.  Die  bacchische  Erzstatue  war 
höchstwahrscheinlich  ein  cymbalirender  Satyr,  mit  der 
in  Relief  Figuren  dieses  Gyklus  \erbunden  waren,  womit 
das  Fussgestell  von  Statuen  geschmückt  zu  sein  ptlegte. 
Obwohl  der  Verfasser  dieses  Ergebniss  ausdrücklich  als 
blosse  Vernmthung  hinstellt ,  wird  ihm  doch  jedermann 
beistimmen,  der  in  der  mittelalterlichen  Anschauung 
und  Beschreibung  einigerniasscn  erfaiiren  ist.  Bezeichnet 
doch  schon  Gregor  v.  Tours  im  \\.  .lahrhundert  die  an 
einem  Thunne  zu  Arverna  angebrachten  Bogenträger 
als  Hercules,  wie  die  Bollandisten  das  Wort  „heracliis- 
Gloria  JLartirum  1 ,  G5  zum  6.  Februar  richtig  erklären, 
womit  eben  die  Gesimsträger  in  Gestalt  von  Atlanten 
gemeint  sind.  Es  wäre  lohnend,  diess  Gebiet  einmal  zum 
Gegenstand  specieller  Forscining  zu  machen.  Ich  kann 
den  Bericht  über  diesen  inhaltlich  und  formell  ausge- 
zeichneten Aufsatz  nicht  schliessen ,  ohne  noch  auf  eine 
frühere  Studie  dieses  Autors  hinzuweisen,  die  er  im 
Bremischen  Jahrbuch  1871  gelegentlich  der  Ahhundlung 
,,Hartwicli  von  Stadl"  über  den  nordischen  Backsteinbau 
publieirt  hat,  deren  Ergebnisse  für  die  Geschichte  der 
Deutschen  Baukunst  von  ganz  besonderer  Wichtigkeit 
sind.  Da  der  Forscher  nicht  leicht  in  solcher  .Mihandlung 
eine  derartige  Untersuchung  vermuthen  dürfte,  will  ich 
in  Kürze  das  Nothwendige  darüber  zusammenstellen. 
Bis  in  die  Mitte  des  XII.  Jahrhunderts  hatte  man  in  der 
norddeutschen  Ebene  und  so  auch  in  der  Altmark,  die 
des  gewachsenen  Bausteins  gänzlich  entbehrt,  zu  monu- 
mentalen Bauten  ausschliesslich  die  überall  undierlie- 
genden  erratischen  Granit-Blöcke  benutzt,  ein  Jlaterial, 
das  durch  seine  ungefüge  Rohheit  und  Sprödigkeit  jede 
künstlerische  Gestaltung  unmöglich  machte.  Plötzlich 
und  unvermittelt  erscheint  nun  indem  114ii  begonnenen 
Bau  der  Klosterkirclie  zu  Jerichow  ein  Backsteinbau, 
der  durch  strenge,  edle,  stylvolle  .\nlagc  und  l)esonders 
durch  meisterhafte  Technik  in  der  Behandlung  des  Ma 
terials  alle  späteren  überragt.  Von  diesem  Bauwerk  aus 
lässt  sieh  dann  die  Weiterverbreitnng  der  Backstein- 
Technik  in  der  Altmark  und  den  deutschen  Ostsee- 
liändern  deutlich  verfolgen.  Diess  plötzliche  Auftreten 

XVlll 


iner  neuen  Bauweise  suchte  nun  F.  nou  Quast  zu 
erklären  und  wegen  der  l'bereinsfinnnung  der  Detail- 
l'iirmen  an  der  Jerichower-Kirche  mit  ncird-italienischen 
Bauten  den  Ursprung  in  letztrnu  naclizuwejsen,  wäii- 
rend  Adle  r  wegen  der  kleinen  Dimensionen  der  Ziegel  an 
dieser  Kirche  zu  Jerichow  auf  niederländische  Quellen 
schloss,  mit  welchen  die  Technik  und  das  Format  der. 
l>acksteine  liarmoniren.  Diesen  Widerstreit  löst  Deliio 
in  \ollkunnnen  befriedigender  Weise,  llailwich,  Erz 
bischof  von  Hamburg-Bremen,  war  nämlich  gerade  in 
dem  Jahre  1149,  wo  der  Bau  zu  Jerichow  begann,  in 
Italien,  wo  selbst  er  solche  Backsteinkirchen  geschaut 
und  die  Brauchbarkeit  dieses  Älaferials  erprobt  fand. 
Das  Verlassen  der  bisher  üblichen  Technik  und  Bau- 
weise erklärt  sich  unter  dem  Vorgange  dieses  maassge- 
benden  Mannes  nunmehr  sehr  leicht,  der  sich  mit  eige- 
nen Augen  von  der  Tauglichkeit  dieses  Materials  in 
Italien  überzeugt  und  in  den  niedrrländischen  Arbeiten 
seiner  seit  1140  mit  Eifer  iietriebenen  Colonisatiun  die 
Hände  zur  Verfügung  hatte,  welche,  vielleicht  unter 
Leitung  eines  italienischen  Baumeisters,  die  Lieblings- 
stiftung Hartwichs  zu  Jerichow  in  10  Jahren  vollendeten. 
Die  i'bertragung  des  Backsteinbaues  nach  Norddeutsch- 
laud  ist  also  das  Werk  Hartwich's,  der  für  seine  Colonien 
die  Niederländer  herbeigerufen  und  durch  dieselben  in 
der  ihnen  eigenthümlichen  Technik  des  Baeksteinbaues 
nach  italienischen  Mustern,  die  der  Stifter  selbst  kennen 
gelernt,  die  erste  Kirche  aus  diesem  Material  auffüiiren 
liess,  die  in  der  Folge  für  die  Bauten  der  Umgegend 
nmassgebend  geworden.  A\'ie  unter  Erzbisehof  Adalbert 
der  ursprünglich  nach  dem  Kölner-Dom  angelegte  Bre- 
mer-Dom 1(14;')  nach  dem  Muster  der  Cathedrale  zu 
Benevent  umgeändert  worden ,  da  Adalbert  Italien 
besucht  hatte,  so  wurde  aucii  hierin  des  Bremer-Erz 
bischof  Hartwich's  Vorbild  und  dessen  neuer  Kirchenbau 
nach  italienischen  Muster  ausgeführt.  Ich  erachte  solche 
historische  Arbeiten  für  die  Kunstgeschichte  von  un- 
schätzbarem Werthe  und  konnte  mir  desshalb  nicht  ver- 
sagen, darauf  hinzudeuten.  Für  die  spätere  Baukunst  in 
dieser  Technik  und  Gegend  möchte  ich  noch  Beigau 's 
von  Nürnberg  im  II.  Jahrgang  gegebene  Darstellung 
erwähnen,  wornach  auf  Grund  der  Forschungen  F.  von 
Q  u  a  s  t  's  die  schönen  Sterngewölbe  norddeutscher  Bau- 
werke, zunächst  am  Dom  zu  Königsberg  vom  Jahre  loSf) 
aus  England  herzuschreiben  sind,  Avomit  der  Deutsch- 
orden in  lebhaftem  Verkehr  gestanden. 

fh-.  Messmer. 


Das  Pressburger  Rathhaus. 

Die  Monographien-Literatur  kann  auf  keinem  wis- 
senschaftlichen (iebiete  in  Österreich  willkonunener  ge- 
nannt werden  ,  als  auf  dem  der  Altertluunskunde, 
Kunstgeschichte ,  Denkmälerkunde  etc.  Es  fehlt  hier 
noch  au  derartigen  Arbeiten  in  sehr  fühlbarer  Weise. 
In  den  einzelnen  Städten ,  die  so  vieles  enthalten ,  was 
noch  nicht  der  allgemeinen  Kenntniss  zugeführt  wurde, 
tinden  sich  noch  innner  zu  wenige,  welche  es  unter- 
nehmen, in  literarischer  Bearbeitung  ihre  heimatlichen 
AVerke  und  Monumente  der  Kunstgeschichte  zu  ver- 
mitteln. Aber  nur  auf  diesem  Wege,  durch  emsige  De- 
tail-.\rbcit .  werden  wir  dahin  gelangen,  ein  Gesammt- 
bild,    ein    genügendes    umfassendes    A'er.stäudniss   für 

19 


146 


Österreichs  vielzerfahreue  Knust-  uud  Ciiltur-Gescliichte 
allmälig  zu  erlangen. 

Zu  solchen  Versuchen  zählt  das  in  Prcssburg  bei 
C.  F.  Wigand  1872  erschienene  Schriftchcn :  ,,Das 
Pressburger  Rathhaus  und  der  Stadtrath,  dessen  Ge- 
schichte ,  Entwickclung  und  Verhältnisse  im  Jlittelalter. 
Nach  archivalischeu  Quellen  zusammengestellt  von  Stefan 
V.  K  ukovszky."  (Separat-Abdruck  aus  den  alterthüm- 
licheu  Überlieferungen  von  Pressburg.  Als  Manuscript 
gedruckt.  Bei  Benützung  Quellenangabe  vorbehalten.) 
Wir  begreifen  diese  letztere,  aller  wissenschaftlichen 
Liberalität  unseres  Zeitalters  widersprechende  Mass- 
regel keineswegs ;  das  Quellenstudium ,  welches  von 
grossem  Fleisse  in  dem  Werkchen  zeugt,  wird  dadurch 
entwerthct,  wenn  es  sich  bei  der  einmaligen  Citirung 
bewenden  soll.  Wir  geben  im  Folgenden  aus  dieser 
."^chrift,  was  darin  von  kunsthistorischem  Werthe  ent- 
lialten  ist. 

Das  gegenwärtige  Rathhaus  der  Stadt  wurde  von 
der  Gemeinde  gegen  Ende  des  XIII.  Jahrhunderts  aus 
Privatbesitz  um  447  Goldgulden  abgekauft.  Es  heisst 
das  neue  Rathhaus  im  Gegensatz  zu  dem  alten  ,  welches 
aber  auch  noch  im  XV.  Jahrhundert  als  solches  benützt 
wurde.  Das  neue  Rathhaus  litt  vielfach  in  der  Belage- 
rung von  1442,  in  Folge  dessen  zahlreiche  Urkunden 
die  stattgehabten  Renovirungen  bezeugen.  1449  geschah 
ein  totaler  Undjau  des  Hauses ,  wobei  die  runden  Zin- 
nen an  Thurm  und  Gebäude  bis  auf  einige,  heute  noch 
bemerkbare  Reste  entfernt  wurden.  Es  kamen  hölzerne 
Dachrinnen    und  1451  das  noch   erhaltene  Ziegeldach 
hinzu.  Nicole,  der  Maler,  nach  Sitte  der  Zeit  auch  Gla- 
ser oder  Glasmaler,    versah   damals    die   Fenster  mit 
Scheiben.   Sechs    Jahre    darauf  brach  man   den    alten 
Gang  ab  und  wölbte  das  Thor  neu.  1496  geschah  ein 
grosser  Undiau.  Die  gleichzeitige  Rechnung  erwähnt  die 
„trachstain  und  Mcriclistukch"  zu  den  Erkern  und  zum 
Dache.  Diu  Stciiihüttc  für  diese  Arbeiten  stand  vor  dem 
Wedritzthor.    149h   fertigt  Caspar  Stosser   eine  Eisen- 
thUre  von    einem  Centner  Gewicht.    1533  wurde    die 
ganze  Front  und   der  Thnrm   durch   den    Maler  Hans, 
welcher  dafür  15  Thaler  und  1  Halbe  Wein  erhielt,  be- 
malt, 1541)  wurden    die  Zinnen    auf  der  Raitstube  ge- 
malt, wofür  Hanföll,  ein  Farbsclierben  und  Eier  beschafft 
wurden.  1 551 — 52  baute  man  den  rückwärtigen  Tract  und 
das  rückwärtige  Thor,  I5s]  baute  der  Steinmetz  Piarthlme 
von  Wolfstal  die  5  grossen  j'feiler  des  gewölbten  (ian- 
gQs;  1599   erhielt  die  äussere  Front  das  gegenwärtige 
Aussehen;   die   .Münzkammcr,   welche   im  Jahre    1434 
rückwärts  im   Hofe  des  Gebäudes  eingerichtet  wurde, 
seheint  ein  Holzbau  mit  grossen  Säulen  gewesen  zu  sein, 
1444  wurde  ein  Selimelzofen  hineingemauert.  Wenn  der 
Verfasser    beliaui)tet  ,   dass    die  Capellc  gemeint  sei, 
wo    in    einer    Urkunde    von     1443    das  Heilthum  ge- 
nannt   wird  ,     welches     man    dem    l'.isehof  von    Gran 
zeigte,   und   für  dessen  Almer  liartlnie  Stosser  das  Ge 
schmeid  ferti;,'te,  so  ist  das  ein  Irrtlinm.  Unter  lieiltliuni 
sind  immerdar  nur  Reliquien  und  Kleinode  verstanden, 
die  sieh  vornehme  Gäste  zeigen  Hessen  und  die  man  in 
Kästen  aufbewahrte,  nicht  aber  ein  Gotteshaus;  wenn 
eine  Reeliniiiijr  vom  folgenden  .fahre  besagt,   dass  das 
Heilthum  im  Thurme  lag,  so  kann  damit  wieder  nur  der 
Heli(|uieiischatz,  und  nicht   die  Capelle  gemeint  sein, 
denn   die  alte  Sprache  bedient  sicli  zwar  von   jenem, 
nicht  aber  von  einem  Locale  des  Ausdruckes,  ,,liegcn-'. 


1566  wird  der  alten  Capelle  Erwähnung  gethan.  Auch 
eine  Rüstkammer,  ein  Hausbrunnen,  die  Rathsküehe, 
die  öttentliche  Wage  uud  der  Laden  der  Tuchscherer- 
zunft  befanden  sich  in  dem  Gebäude. 

Den  Thurm  finden  wir  zuerst  1439  erwähnt,  in- 
dem damals  2  Ellen  bleicher  Zwilch  für  das  Stadt- 
panier auf  dem  neuen  Thurm  verrechnet  werden.  1442 
goss  Hanns  Zinngiesser  die  Wächterglücke,  das  Jahr 
daraufmalt  der  Maler  Casi)ar  ein  Banner  für  den  Thurm, 
1446  Nicole  Tagingcr  ein  anderes  auf  rothcm  Zetter, 
welches  das  Stadtwappen  trug  und  beim  Jahrmarkte 
ausgesteckt  wurde.  Der  Thnrm  erhielt  2  Glocken  und 
vergoldete  Knöpfe  am  Dache,  hidzerne  Wachthürmchen, 
und  1533  ein  eisernes  Geländer,  welches  Hanns  Tier- 
garten, Maler,  roth  anstreichen  musste.  Die  Almärc 
wurden  1547  bemalt;  155u  befanden  sich  hier  auch  drei 
Sonnenuhren,  später  entstand  die  jetzige  Steingalerie 
und  die  Uhr,  deren  Tafeln  und  Zeiger  Wolf,  der  Maler, 
bemalte  und  vergoldete,  Maler  Hanns  renovirt  1579  das 
Bild  der  Gerechtigkeit  auf  dem  Rathhaus ,  der  Maler 
Hanns  Finke  die,  grosse  Kugel,  ,,so  den  Mondschein 
zeigt"  mit  blauer  Ultarbe  und  vergoldet  sie.  l()7(i  fer- 
tigt der  Bildhauer  Lorenz  Püro  das  steinerne  Marien- 
bild an  der  Thurmecke,  welches  Stephan  Särosy  be- 
malte. 

Die  Rathsstubc,  Herrnstube  genannt,  finden  wir 
zuerst  im  Jahre  1439  genannt.  Eine  Rechnung  aus  jener 
Zeit  spricht  von  15  Ellen  Leinwand  zu  Sliemen  und: 
item  und  dovon  zc  malen  den  Caspar  Maler.  Der  Ver- 
fasser täuscht  sich  jedoch,  indem  er  dafür  hält,  dass 
)nit  diesen  Sliemen  gemalte  \'orhänge  gemeint  seien. 
Schon  die  aus  der  Mitte  des  Jahrhunderts  stammende 
Ordnung  der  Handwerke  und  Züntte  für  die  Procession 
am  Frohnleicimamsfeste  zu  Wien,  führt  die  Sliemer 
uml  zwar  neben  den  Pergamentmachern  und  Lederern 
auf,  es  waren  die  Verfertigt'r  von  geöltem  Papier,  wel- 
ches in  der  Zeit,  da  nach  Aeneas  Syh  ins'  Zeugnisse  in 
Österreich  gläserne  Fensterscheiben  noch  selten  waren, 
als  Verschluss  der  Li(diteinlässe  in  den  Stuben  ge- 
braucht wurde.  Und  diese  Bedeutung  wohnt  dem  Aus- 
drucke auch  hii'r  bei. 

Einmal  werden  Farben,  Minium  und  Eier  ,,zu  der  ' 
rotlien  larib  zum  Ofen",  der  auch  unter  dem  Namen  „dy 
Kacheln'  erscheint,   in  Rechnung  gestellt  (1449).  Hans 
Hafen  ist  der  Verfertiger  dieses    „Gläsern   Ofen",   der 
von  einem  „Gatter"  undViedet  war.  1457  wurde  ein  an- 
deres  Gitter,   vor   der  Herr(^nstul)e,  mit  rother  Farbe 
angestrichen,    1459   erhält   der    Ratlischnued    Auftrag, 
zwei  messingene  Leuchter  für  beide  Rathstubcn  anzu- 
fertigen. In  diesen  iüiumen  wurde  auch  iler  anselinliehe 
Silberseliatz  der  Stadt  bewahrt,  das  „silber  gesehmaid'', 
in    einer   schwarzen   Lade.    1545   wird  der  „hangende 
Leuchter"  im  Saale  rcparirt  und  1577  die  bis  jetzt  er- 
haltene llolzilecke  angefertigt,  damals  auch  ein  grün- 
glasirter  mit    iÜldwerk   xcr/.iei'ter   Ofen   aufgestellt.  So- 
dann \on  der  Christdif  llotVmannin  Sehlosserin  2  schöne, 
grosse  „  blat  sehloss  mit   verzierten  Flamen  Panten  und 
Handhaben-'   gekault,   der  Drechsler  nniss  9  Räiditllsse 
machen,    der   linden   der    IJallistuiie   wird  mit   schönen 
Ziegeln  gepllaslcrl,  und  Meisici- Andice  Liitringer,  Stein- 
metz zu  DeutscJi-Altenbuig,   macht  2  steinerne  Thliren 
mit  Fries  und  ijbersims.  In  dieser  Weise  wird  die  11er- 
stelluug  zaldreicher  Einrichtungsstücke  für  die  Ratlis- 
stube   verzeichnet ,    woruider   folgende  Punkte   einiges 


147 


kunstgeschichtliche  und  teclinische  Interesse  gewähren. 
Es  wurden  Ahnare  vergittert  und  mit  Scluibliiden  ver- 
i;ehen,  gefertigt  eine  gewiirteite  Thüre ,  Gclbholz  zum 
.Stadtwiiinicn  (also  wahrschcinlicli  Intnrsiaarbeit),  Ter- 
pentin und  Firniss,  Linden-  und  Fiaderholz  gekauft. 
Ein  Maler  muss  in  dieser  Stube  etliche  Köpfe  und 
.Sehlicssen  vergolden,  35  Ellen  gemalte  -Spoiler"  zu 
Vorhängen  werden  gekauft,  desgleichen  einTiscii,  ,,den 
man  grösser  und  kleiner  lassen  kan"  dazu  Baumöl,  wohl 
um  das  Geräthe  dunkel  einzulassen.  Selbst  eine  Wecker- 
uhr befand  sieh  hier  schon  1589.  Ein  Sidincider  bessert 
1606  die  Tapeten  aus  und  besetzt  sie  mit  rother  Lein- 
wand. 

Auch  für  die  Schranne,  1449  „Gemainstnben''  ge- 
nannt, wo  sich  die  viri  electi  versammelten,  wurden 
allerlei  Kunstarbeiten  besorgt.  Sie  war  mit  verschie- 
denen Bildern  behangen,  1539  für  dorthin  zu  Wien  eine 
mappa  nunidi  um  2  Thaler  4  Scliillinge  gekauft. 

Hanns  Thicrgarten  malt  1545  einen  arborem  con- 
sanguinitatis  und  eine  Tafel,  „darauf  der  Aw  gelegen- 
hait,  mehr  auf  Begern  der  Herrn,  der  Fliss  gelegenhait 
zu  entwerffen".  Für  eine  Aufklärung  dieser  dunklen 
Stelle,  wären  wir  dem  Verfasser  zu  Dank  verjjflichtet; 
soll  es  nicht  Flüss  anstatt  Füss  heissen?  1569  wird  eine 
Abbildung  von  dem  Begängnisse  Kaiser  Ferdinand's  auf- 
gemacht. Interessant  sind  die  über  die  1577  vorgenom- 
mene Ausmalung  des  Schrannengewölbes  erhaltenen 
Notizen.  Es  wurde  der  Boden  ,  d.  h.  Plafund,  von  neuem 
bemalt,  wozu  ein  Malergeselle  gedungen  wurde,  welchem 
die  Stadt  die  nöthigcn  Farben  selbst  verabreichte.  Die- 
selben lieferte  ein  Krämer,  und  zwar  Kreiden,  Mönich, 
Zinober,  Pleygelb,  Bergplab,  Indrich,  schmaltex,  ferner 
Berggrien  und  Plcvweis  (vtl.  hiermit  Cennini  Cap. 
36—62). 

Heute  ziert  den  Saal  ein  reicher,  in  seiner  Art 
jiräehtigerStuceoplafondmit  Fresco-Malereien,  im  Jahre 
1695  von  Bastiane  C'orati  Orsati,  .,Wälisc]ien  Stokha- 
torerarbeiter--  und  Joliannes  Dreutwerth,  einem  Augs- 
burger Maler,  vollendet.  Hier  waren  Rüstungen,  sowie 
der  noch  erhaltene  schöne  Tiuirkasten,  Schlachtendar- 
stellungen, Kupferstiche,  f'ontrafäte  in  Nussliolzralnnen, 
und  Tapeten.  Die  schöne  Einfahrt  des  Rathhauses  wurde 
bereits  vor  10  Jahren  restaurirt,  gegenwärtig  hat  die 
erste  Pressburger  Sparkasse  den  lobenswerten  Beschluss 
gefasst,  ein  Gleiches  für  die  Innenräume  durchzuführen. 

A.  Ihj. 

Das  Waffenmuseum  der  Stadt  Wien. 

Wir  hatten  in  einem  früheren  Hefte  Anlass  geliabt, 
ein  inländisches  grösseres  Waffenmuseum  zu  bespre- 
chen .  iiändich  jenes  in  seiner  Art  einzige  und  höchst 
werthvolle,  welches  gegenwärtig  noch  Landeseigcnthum 
der  Steiermark  ist,  und  sich  zu  Griitz  betindet.  Die  Ver- 
anlassung jener  Besprechung  war  keineswegs  eine 
erfreuliehe  ,  vielmehr  wurden  der  Bangigkeit  Worte 
geliehen,  um  beizutragen,  das  dieses  kostbare  Museum  er- 
halten bleibe  und  nicht,  wie  beabsiclitigt  sein  soll, 
zersplittert  und  uaeli  allen  Windriclitnngen  zerstäubt 
werde. 

Diessmal  hingegen  leiten  uns  die  entgegengesetz- 
ten ,  nur  freudige  Gefühle,  denn  die  Watfensamm- 
lung  der  Stadt  Wien,  die  seit  jeher  von  Kennern  als  eine 
mit  Rücksicht  auf  ihren  Zweck  und  ihren  Besitzer  niclit 
wenig  werthvolle  C(dleetion   erkannt   wurde,     ist    nun 


wieder  dem  Publicum  zugänglich  geworden.  Wie  wir 
aus  dem  Vorworte  des  eben  erschienenen  Catalogs 
erselien,  hatte  der  Gemeinderath  der  Stadt  Wien,  geleitet 
von  dem  Einfluss  der  heutigen  Anschauungen  über  den 
Wertii  und  die  Bedeutung  von  historischen  mit  dem 
Cultur-undKunstleben  im  innigenZusannncnhange  stehen- 
den Sannnlungen  am  (I.  Juni  \H1'2  beseidosscn,  das 
bürgerliche  Zeughaus  am  Hof  einer  durchgreifenden 
Neugestaltung  zu  unterziehen.  Die  Durchführung  dieser 
Reform  wurde  einer  Speeial-Comndssion  unterzogen, 
zu  deren  Mitgliedern  auch  der  um  die  Geschichte  Wiens 
verdienstvolle  städtische  Archivar  und  Büdiotliekar 
Karl  Weiss  gehörte.  Die  wissenschaftliche  Richtung 
und  Leitung  der  Neuaufstellung  der  Watfenvorrätlie 
üljernahm  der  Vorstand  des  k.  k.  Wartenmuseums, 
Regierungs-Rath  Quirin  L  e  i  t  n  e  r.  Bei  der  Neugestaltung 
galt  als  Grund.satz,  dem  Zeughause  den  Charakter  eines 
bürgerliclien  Waft'enmuseums  zu  erhalten  und  bei  der 
Aufstellung  die  möglichste  f^inhaltung  der  chronolo- 
gischen Folge.  Dass  dieses  Ziel  erreicht,  und  die  Auf- 
stellung durch  dieses  leitende  Princip  sehr  belehrend 
wurde,  wie  auch,  dass  diese  Sammlung  in  ihrer  heutigen 
Gestalt  und  Bestimmung,  das  ist  als  städtisches  Waffen- 
museum, einen  hervorragenden,  wenn  nicht  den  ersten 
Platz  einnimmt,  wird  jeder  unparteiische  Besucher  zu- 
geben. 

Überblicken  wir  nun  die  aufgestellten  Gegenstände, 
so  findet  sich  eine  sehr  namiiafte  Zahl  von  Rüstungen, 
Brust-  und  Rückenstücken,  die  bis  in  die  Zeit  Kaisers 
Max  I.  zurückreichen  und  meistens  von  den  Bürgern 
Wiens  bei  den  vielen  Anlässen  zur  Vertheidigung  ihrer 
Stadt  getragen  w-urden.  Die  Bürgerharnisehe  sind  als 
solche  dadurch  gekennzeichnet,  dass  auf  der  Brust  das 
Wiener  Stadtwajipen  mit  einer  Jahreszahl  wie  z.B.  1506, 
1571  eingeätzt  ist.  Historisch  beglaubt  werden  die  Har- 
nische mit  der  ersteren  Jahreszahl  durch  die  erhaltene 
Stadtrechnung  dieses  Jahres,  laut  welcher  die  Gemeinde 
dem  Wiener  Bürger  Georg  Zimmermann  60  Harnische 
um  450  W.  Pf.  abkaufte  und  dem  Augustin  Hierschvogl 
für  das  Einätzen  der  Stadtwappen,  Nummern  und  Jahres- 
zahl e.  17  W.  Pf.  bezahlte.  Wir  linden  ferner  Sturm- 
hauben, schwarze  Ritterrüstungen  aus  dem  30jährigen 
Kriege,  Morions  aus  dem  Anfange  des  XVII.  Jahrhun- 
derts etc.  Bedeutendere  Rüstungsstücke  sind  ein  vollstän- 
diger Reiterharnisch  aus  der  2.  Hälfte  des  XV.  Jahrhun- 
derts, ein  vollständiges  Rosszeug  (XVI.  Jahrhundert), 
mehrere  Reiterrüstungen  (1.  Hälfte  XVI.  Jahrhunderts), 
davon  eine  den  Namen  ihres  einstigen  Besitzers  Hans 
von  Siergeustein  trägt,  ein  Brustiiarnisch,  welcher  auf 
der  oberen  Bordüre  die  Ordenskette  des  goldenen  Vlieses 
in  eingeätzter  Arbeit  zeigt,  zwei  halbe  blanke  Harnische 
(2.  Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts),  einen  mit  geätzten 
vergoldeten  Strichen,  der  andere  mit  zierlicher  Bordüre 
und  den  eingeätzten  Figuren  eines  Landsknechtes  und 
Fäbnrichs  in  Manier  Jost  Amans,  zwei  ganze  Harnische 
aus  derselben  Zeit  mit  geätzter  vergoldeter  Ornamenti- 
rung,  welche  bei  einem  derselben  in  der  Zeichnung  vorne 
und  rückwärts  einen  aufrecht  stehenden  Löwen  bildet. 

Besonders  reichhaltig  ist  die  Sammlung  an  Watfen 
aller  Art,  als  Spiessc  aus  der  Zeit  Kaisers  Friedrich  IV., 
Hclnibarten  aus  dem  XV.  Jahrhundert  mitunter  mai- 
länder  Arbeit,  Kriegsgabeln,  Aalspiesse,  Reisspiesse, 
Partisanen,  Schatflin,  Bohrschwerter,  Panzersteeher, 
zweihändige  Sehwerter,  Dolche,  Haudegen  (aus  dem  XVII. 

19* 


148     — 


Jalirhuudert)  Streilkolben,  Armbrüste  saiunit  Bolzen 
und  Winden ,  Radschlosspistolen,  Faustrohre,  Lunteu- 
gewehre,  OlFicierspartisanen,  deutsche  Säbeln,  Spring- 
steeken,  Trombous ,  Bürgergewelire  von  der  Zeit  der 
Kaiserin  Maria  Theresia  an  u.  s.  \v.  Hervorzuheben  ist 
die  Sannnlung  von  mitunter  sehr  gut  Itemaltcn  Tartschcn, 
die  theihveise  noch  dem  XV.  Jaln-hundert  angehören 
dürften;  Schilde  dieser  Art  konunen  sehr  selten  vor, 
daher  die  im  städtischenZeughansebetindliche  bedeutende 
Anzahl  derselben  schon  als  eine  der  reichsten  bestehenden 
Sanunlnngen  dieser  Art  bezeichnet  werden  muss. 

Von  einzelnen  Wafl'en  seien  erwähnt  ein  Traban- 
tenspiess  mit  dreifacher  Schiessvorrichtung,  eine  Rad- 
sehlossbüchse  mit  gedeckter  Pulverpfanue  und  Rauch- 
fang. Bajonnete  ältester  Art  (c.  IGSG)  mit  hölzernen 
Gritfen.  die  beim  Gebrauche  in  den  Lauf  gesteckt  wur- 
den etc. 

Aus  den  l)piden  Drangsaljahren  1520  und  IGSo, 
w  eiche  die  Glanzpunkte  der  Geschichte  Wiens  bilden, 
bewahrt  die  Sammlung  manch'  werthvolles  Angeden- 
ken, wozu  noch  einige  später  erl)eutete  Gegenstände 
gekommen  sind;  eine  Scident'ahne  der  spanischen  Hilfs- 
truppen, eine  Bürgerfahne,  die  aus  dem  XV.  Jahrhundert 
stanunt  undbei  Vertheidigung  der  Stadt  gegen  die  Türken 


im  Gebrauche  stand,  16  türkische  Fahnen,  viele  türkische 
Wafl'en  wie  Handschars,  .Schwerter,  Lanzen,  Pfeile, 
Rossschweife ,  Janitscharentrommeln ,  Patrontascheu, 
Arnautcngewehre  und  den  Schädel  Kara  Musta])ha's 
sammt  dessen  Todtenhemd. 

Ferner  finden  sich  als  Erinnerung  an  die  Wehr- 
kraft der  Bürger  und  die  Erfolge  ihrer  muthigen  Geltung, 
besonders  aus  der  Epoche  der  grossen  französischen 
Kriege,  zahlreiche  Bürgerfahnen  von  Jahre  1699,  1745, 
1805,  180(),  1825,  1841  u.  s.  w.,  auch  französische 
Fahnen  aus  dem  Jahre  1809,  Unitormstücke  Seiner 
INfajestät  Kaisers  Franz  L  und  einiger  Generäle; 
Kanonen,  die  dieser  Kaiser  der  Stadt  Wien  schenkte, 
u.  s.  f. 

Von  andern  Gegenständen,  welche  im  städtischen 
Museum  aufbewahrt  werden,  seien  noch  erwähnt  15 
Wappenschilde  von  den  Begräbnissen  Kaiser  Friedrich 
IV.  (28.  August  1493)  und  des  Albrecht  VL  (2.  December 
14G3)  stammend,  bie  bisherinder  St.  Stefanskirche  auf- 
bewahrt waren ;  dann  der  Stern  sammt  Halbmond  und 
der  k.  Adlermit  deniDoppelkreuze  vimi  St.  Stefansthurme 
herrührend,  Sprachrohre  u.  s.  w. 

K.   Lmd. 


Todesaiizeiseu. 


Am  •).  März  d.  J.  starb  zu  Brixen  Hochw.  Herr 
Georg  Tinkhauser,  Regens  des  fürstbischöflichen 
rassianeums  und  k.  k.  f'onservator  der  Baudenkmale  im 
Brixncr-Kreise.  Er  war  ein  viell)egabtcr  und  thätiger 
Mann ;  in  seinen  jüngeren  Jahren  widmete  er  sich  vor 
anderem  dem  Studium  der  Weltgeschichte,  aber  bald 
wendeteer  alle  seine  ausgezeichneten  Geisteskräfte  der 
(ieschichte  und  Erforschung  der  Kunstdcnkniale  zu. 
Davon  zeugen  viele  Aufsätze  und  Notizen  in  den  ,. Mit- 
theilungen der  k.  k.  Centrnl-Connnission  für  Baudenk 
male-';  beinahe  in  jedem  Jahrgange  finden  sich  Proben 
seiner  ausgezeichneten  ai-chäoldgischen  Kenntnisse. 
Als  k.  k.  ('onservator  mit  den  nfitliigcn  .Mitteln  unter- 
stützt ,  konnte  er  auch  unmittelbar  zur  Erhaltung  in- 
teressanter Kunstdcnkniale  mitwirken,  wie  z.  15.  zur  Er- 
haltung des  dem  Verfalle  nahestehenden  Kreuzganges 
am  Dome  von  Brixen  mit  den  vielen  wertlnoUen  Gcmäl 
den  aus  dem  XI\'.  und  XV.  Jahrhundert.  Auch  stellte 
Herr  'l'inkiiauser  mit  Hülfe  des  liereits  vorliegenden 
und  aus  authentischen  Quellen  gesannnelten  l\Iatcriais 
l)einahc  zwei  Bände  Diöcesan-Beschreibung  zusammen. 
Dieses  Werk  hätte  freilich  gute  Gelegenheit  geboten 
zugleich  einen  arciiäulogisclien  FllhriT  in  der  Diöcese 
l'.rixen  zu  bilden,  al)er  auf  diese  von  uns  gesteüte  Bitte 
inusste  der  Autor  leider  bemerken,  dass  er  wegen  sei 
ner  beständigen  Kränklichkeit  die  einzelnen  Kirchen, 
Klöster  und  Burgen  mit  ilireii  Capellcii  ])ersönlicli  nicht 
untersMcben  könne,  daher  das  Sciiweigen  odci'  der  nnin 
gelliafte  i»ericiit  über  nnmchc  interessante  Kunstüber 
reste  naclisiclitig  hingenommen  werden  möchte.  .Seine 
tüchtigen  archäologischen  Kenntnisse  waren  allgemein 
geschätzt  lind  von  jilieii  Seiten -wendeten  sich  Architek- 


ten, Maler  und  Kirchenvorstände  an  ihn  um  Ratli  und 
Anleitung  bei  Restaurationen  und  Neubauten.  In  den 
Mussestunden  beschäftigte  sich  Tinkhauser  mit  kleinen 
Zeichnungen  und  Holzschneideii  und  verfertigte  so  unter 
Anderem  das  Modell  einer  Kirche  in  romanischen  Style. 
Das  war  ihm,  da  er  nie  ganz  unthätig  sein  konnte,  eine 
angenehme  Erholung,  wenn  er  wiederum  recht  leidend 
geworden  war  und  seine  überreizten  Nerven  einer  Ab- 
s])annung  bedurften.  In  letzterer  Zeit  arbeitete  er  an 
zwei  bedeutuiigs\oileren  Aufsätzen  :  ,,über  die  Ge- 
schichte des  christlichen  Altars"  und  „des  Kreuzes". 
Zu  diesem  Zwecke  Hess  er  durch  l'assler  aus  Linz 
mehrere  alte  Kunstwerke  des  Landes  genau  aufnehmen, 
um  so  zu  deren  näheren  Keiiiitniss  beizutragen.  Leider 
sind  beide  Arbeiten  nicht  vcdicndet  wtirden.  —  Wir  glau- 
ben mit  Recht  sagen  zu  können,  dass  nicht  allein  Tyrol 
sondern  Gesammt-Osterrcieli  durch  Tinkhauser's  Hin- 
scheiden einen  schweren  \'erliist  aut  dem  (iebiete  der 
ai-eJiäiilogisclieii  Furschungen  erlitt.  Atx. 

Nicht  mindei  Ji.-irt  wurde  die  k.  k.  Central-Com- 
mission  diindi  den  Tod  zweier  ihrerMitgliederbetrotVen. 
Jacob  Freiherr  ^(ln  It  c  i  <■  h  ,  k.  k.  Miiiislerial  Watli  des 
Ministeriums  des  Innern,  zuletzt  im  iiiiliestand  versetzt, 
lind  seit  dem  Insiclienfreten  der  Cominission  deren 
Mitglied,  starb  am  14.  März  1S7;5. — Dr.  TheodorGenrg 
liittei-  \iin  Karajaii,  k.  k.  {{egieruiigs-Ratli  und  Gustos 
der  llolbibiiotliek,  seit  IST!  als  N'ertreter  der  k.  k.Aka 
deniie  der  Wissenschaften,  Mitglied  der  Gommission, 
stari)  am  I.Mai  \xl'.\.  Ihre  rege  Betheiligung  an  den 
Geschäften  der  k.  k.  Central-Gomniission  wird  sie  stets 
im  guten  Andenken  erhalten.  .  .  .  .  di  .  .  . 


Die  Jisterreichisclie  kuiisthistorische  AbtheiluiiJ»  der  Wiener- Weltiiusstelluiii». 


(I'atilliill  ilrs  ;ilii,Hi1irN. 


Hispiiiclici]  Von  iir    Karl  Lind. 


Die  ParisiT-Weltaus».stelhiiig'  des  Jahres  1867  hatte 
ihre  histoire  du  travail  als  Ausstellung  alter  Kunstwerke, 
die  Wiener  sollte  eine  Exposition  des  amateurs  haben. 
Das  entsprechende  Speeialprosranniiwar  bereits  /u  An- 
fang l^Ti;  ausgearbeitet  und  baUl  darauf  ausgegeben, 
die  ('(Immission  ernannt,  die  Berathungen  waren  ein- 
geleitet, endlich  das  Hureau  errichtet,  eröffnet  und  thätig 
und  ddch  hing  es  an  einem  Faden,  dass  die  Exposi- 
tion des  amateurs  nicdit  zu  Stande  gek(minien  wäre, 
denn  im  15eg  nne  des  Jahres  1S7.'5  sah  sich  die  Commis- 
sion  veranlasst,  ihre  Demission  zu  geben.  Schon  wäin-end 
des  Jahres  1872  war  die  Thätigkeit  zu  Gunsten  dieser 
Ausstellung  eine  sehr  geringe  und  beschriinktc  sich  fast 
nur  auf  einige  Corrcspondenz  des  liureaus  und  die  E>nt- 
gegennahme  von  Anmeldungen.  Die  seit  der  Demission 
der  C'onnnission  eingeleiteten  Interhandlungen  mit  ver- 
schiedenen Persönlichkeiten  zur  Durchführung  dieser 
Ausstellung  führten  nicht  zum  erwünschten  Ziele.  So 
kam  es,  dass  am  7.  April  dieses  Jahres  an  die  Herren: 
Freiherr  v.  Sacken,  Dr.  Lind  und  Ritter  v.  Camesina 
die  Einladung  gerichtet  wurde,  diese  Angelegenheit 
nunmehr  in  ihre  Hand  zu  nehmen  und  die  Exi)osition  des 
amateurs  zu  erniiiglichen.  Na(d)  kurzer  Verhandlung  war 
die  Sache  geordnet  und  constituirten  sich  tliese  drei 
Herren  als  das  Installationscomite  für  die  :.^4.  Gruppe, 
welchem  von  Seite  der  General-Direction  Herr  P.  E.  Ober- 
mayer, als  Chef  des  Bureaus  beigegeben  wurde. 

War  sehon  vieles  bisher  durch  den  Zeitverlust  ver- 
säumt Worden,  indem  durch  ein  Jahr  fast  nichts  im  In- 
teresse dieser  Ausstellung  geschah,  so  zeigte  sich  bei 
Durchsicht  der  Anmeldungen,  dass,  wenn  nur  die  ange- 
meldeten Gegenstände  eingesendet  würden,  damit,  abge- 
sehen davon,  dass  bei  nur  halbwegs  strenger  Prüfung  das 
Meiste  zurückgewiesen  werden  niusste,  eine  Ausstel- 
lung von  nur  einiger  Bedeutung  geradezu  unmöglieli 
wäre.  Von  vielen  Seiten  waren  statt  Kunstgegensländen 
nur  Curiositäten  angemeldet  worden.  Auch  fehlten  unter 
den  Anmehlinigen  die  meisten  Xamen  der  vielen,  durch 
ihre  Kunstsammlungen  ausgezeichneten  Stifte  und  Klö- 
ster, deren  Schätze,  wenn  man  eben  eine  niittcbdterliclie 
Kunstausstellung  niaehen  will,  unentbehrlich  sind;  des- 

XVUI. 


gleichen  ergab  sich  nur  eine  ganz  geringe  üethi'iliginig 
von  Seite  der  verschiedenen  Landesmuseen,  und  do<-li 
erschienen  diese,  bei  dem  Umstände,  als  auf  eine  Theil- 
nahme  der  kaiserlichen  Samndungen  an  dieser  Ausstel- 
lung, wie  natürlich,  nicht  gerechnet  werden  konnte, 
nicht  minder  unentbehrlich,  um  auch  von  den  profanen 
Kunstgegenständen  der  Vergangenheit  eine  würdige 
Ausstellung  zusammenzubringen.  Nun  galt  es  das  \'er- 
säumte  nacliznholen,  die  I.iii  ken  der  .\nmeidnngen  aus- 
zufüllen, und  die  erlaiimte  Thätigkeit  der  Landescom- 
nnssionen  wieder  aufzufrischen,  was  nur  durch  directen 
Verkehr  mit  den  Besitzern  von  Sammlungen  und  dui-cli 
eine  lebhafte  und  ausgebreitete  Corrcspondenz  erreicht 
ucrden  konnte.  Ersteren  besorgten  ilie  Mitglieder  des 
('(unite's,  von  denen  sich  Baron  Sacken  nach  (irätz  und 
Dr.  Lind  nach  Linz  und  Salzburg  l)egab  ,  während 
R.v.  Camesina  mit  den  hiesigen  Amateurs  in  Verbindung 
trat,  letztere  und  zwar  schnellstens  Herr  Dbermayer. 

An  dem  urspi'üngliclien  Programme  niussten  in  Be- 
riudisichtigiing  der  geänderten  Verhältnisse  und  der  zur 
Diirchfühinng  der  Angelegenheit  disponiblen ,  sehr 
beschränkten  Zeit  einige  Änderungen  gemacht  werden; 
das  erst  kurz  früher  fertig  gewordene  Gebäude  machte 
den  Entfall  von  Bildern  wünschenswerth,  auch  empfahl 
sich  der  Entfall  von  Sidirift-  und  Druekdenkmalen 
jeder  Art. 

Diese  Gründe  und  überdiess  der  geringe  Raum 
(es  wurden  nämlich  für  diese  Ausstellung  nur  zwei, 
wenn  auch  grosse  Säle  zur  Disposition  gestellt),  gestat- 
teten nuchnicht,  der  Aiifstellungcin  bestinnntes  Princip  zu 
(iruude  zu  legen.  Dem  von  vielen  Seiten  ausgesproche- 
nen itrovinziiilpatriotischen,  vielleicht  etwas  engherzigen 
Wunsche  die  Gegenstände  naidi  Ländern  aufzustellen, 
als  vor  allem  massgebend,  durfte,  weil  einem  nur  äiisser- 
liilien  (!i-unde,  wegen  des  dadurch  bedungenen  Aus- 
schlusses jedes  inneren  Znsammeidianges  und  der  zu 
erwartenden  ausserordentlichen  Schwierigkeiten  der 
.Aufstellung  nicht  völlig  ents])rochen  werden.  Das 
Coinile  suchte  vorerst,  wo  möglich  gleicli:irtige  und 
gleichzeitige  Gegenstände  in  den  Kästen  zu  vereinigen, 
und  erst  in  zweiter  Linie  jenem  Wunsche  Rechnung  zu 

20 


—      VM)     — 


■."7  ■.    \   y\^^.-\-'^^:\    ~. 


Ä 


Fig.   1.    (Ijiuck  a.  51. ,i 

tiageu;  (ladiircli  wurde  es  möglich  in  dem  einen  Saale 
in  einem  Kasten  liimisclie  nml  keltische  Gegenstände, 
in  einem Scbreine  voinelimlich Gegenstände  romanischer 
Kunst,  in  einem  anderen  des  gothischen  Styles,  in  einem 
dritten  der  Renaissance,, und  zwar  meistens  Ausstellern 
ans  Nieder-  und  Olier-Usterreich,  Salzburg,  Kärnten, 
Tyrol  und  Steiermark  angeiiörig  u.  s.  \v.,  in  dem  aiidt- 
ren  Saale  Gegenstände  aus  Mähren,  Böhmen,  Galizien 
und  der  Bukowina  aufzustellen. 

Gegen  Ende  April  konnte  man  bereits  das  Ergeti- 
niss  dieser  allseitigen  Bemiiliuugrn  iii)crbli<ken  und  er- 
kennen, dass  dasZustandekonnnen  der  niittelaiterlichen 
.Vusstellung  gesichert  ist.  Freilich  wohl  landen  nicht 
nur  die  Schreiben  und  mUndlichen  Ersuchen  fast  aller 
orts  giinsfigf  .Aufnahme,  sondern  es  gesellten  sich  in 
einigen  [.ändern   diesem   Unternehmen   Männer   hinzu 


durch  deren  Unterstützung  dasselbe  wesentlich  ge- 
fördert wurde,  so  für  Gbev-Osterreich  der  pens.  k.  k. 
Rittmeister  Winkler,  für  die  Steiermark  Graf  Attems, 
insbesondere  Dr.  Beda  Dudik  für  Mähren  und  der  Se- 
cretär  des  Prager  Kunstvereines  Czermak  für  Böhmen, 
welche  l)eide  letztgenannte  Herren  diese  Angelegenheit 
für  die  benannten  Länder  fast  ausschliesslich  und  mit 
besonderer  Umsicht  durchtuhrten.  Nandiafte  Beiträge  lei- 
steten als  Aussteller  Freiherr  v.  Rothschild,  Richard  Fürst 
Metternich,  Altgraf  Franz  Salm-Reiferscheid,  Karl  und 
Franz  Trau,  Eugen  Ritter  v.  vidier  und  Dr.  Eduard  v.  Göszy 
in  AVien,  das  Donu'apitel  zu  \Vien,  das  hiesige  ("apuci- 
nerkloster,  die  Stifte  Schotten,  Klosterneubnrg,  Heiligen- 
kreuz. Melk,  die  Städte  Wiener-Neustadt,  Enns,  Steier, 
das  Landesmuseum  in  Ober-Österreich  ,  die  Stifte  St. 
Florian,  Lambach,  Krenismnnster.  das  Domca])itel.  das 
St. Peter-  und  das  Frauenstift  am  Nonnberg  inSalzlnirg, 
(das  Landesmuscum  in  Salzburg  hielt  sich  aus  dem  Grunde 
des  anzuhoflenden  Fremden- Besuches  fern),  die  gräf- 
liche Familie  Enzenberg  in  Schwaz  und  das  Stift  Wilten 
(das  Jrusenm  Ferdinandeum  hatte,  gleich  wie  das  Dom- 
capitel  in  Brixen  die  Betheiligung  abgelehnt),  das  Joan- 
neuni,  das  Domcapitel,  Graf  Meran,  die  Herren  Karl  und 
Adolf  V.  Pichler  in  Grätz,  die  Stifte  Voran  und  Admont 
(Stift  St.Lambrecht  hatte  seine  Anmeldungen  nachträglich 
zurückgezogen),  die  Kir(die  zu  Goess,  endlich  das  Stift 
St.  Paul  in  Kärnten  und  Graf  Essdorf  in  Laibach,  ferner 
die  Domcapitel  zu  Tarnow  und  Czernovitz,  die  Klöster 
Sazawitza,  Putna  und  Dragomirna  in  der  Bukowina, 
Gräfin  Walewska  in  Krakau,  dii-  Stifte  Neu-Rensch  und 
Raigern  in  Mähren,  (Jraf  Dann  in  Vötlau,  Graf  AVrbna 
in  Holeschau,  dasFranzeus-Museum  in  Brunn,  die  Städte 
Brunn,  Iglau,  Olmütz,  Znaim,  endlich  das  Domcai)itel 
in  Prag,  die  Stifte  Strahov ,  Tepl,  Bfevnov  und  Holien- 
furth,  Fürst  Camill  Btdian,  die  (irafent'zernin  in  Peters- 
burg, AValdstein  in  Dux,  die  Städte  Melnik  und  Bud- 
weis  u.  s.  f. 

Die  Einsendungen  begannen  gegen  Ende  April  und 
schon  am  3.  Juni  konnte  die  Ausstellung  eröflfnet  wer- 
den,   die,   wenn   auch  nicht  mehr   im   Sinne   des    Pro- 


iig.  2.    (ViilthiiriiH. 


l''iK.  •!.      (\Vi(Mi.; 


—    löl 


Fig.  4.     (Wien.) 

Sramms  eine  Exposition  des  amateurs  ,  so  ilocli  eine 
der  interessantesten  Ausstellungen  mittelalterlicher  Kunst 
bildet. 

Wir  wollen  nun  die  bedeutenderen  ausgestellten 
(legenstände  näher  in"s  Auge  fassen  und  bei  dieser 
Betrachtung  möglichst  der  Anordnung  des  Katalogs 
folgen. 

Zunächst'  der  Eingangsthür  stellen  an  deren  beide 
Seitenwände  vertheilt  jene  zwei  kostbaren  Schreine  ,  die 
eine  der  bedeutendsten  Zierden  des  Domes  />u  Orätz 
bilden  (Nr.  1  u.  2  des  Katalogs).  Sie  sind  ganz  mit  Elfenlicin 
belegt  und  haben  an  der  ^'orderseite  je  drei  in  viereckigen, 
reich  eingerahmten  Feldern  angeliraclite  Darstellungen 
allegorischer  Trinmjjhzüge  nach  der  Dichtung  „Itrionti-' 
von  Petrarca,  und  zwar  auf  Nr.  1  der  Triumph  des  Ruinnes, 
der  Zeit  und  der  (xottheit,  auf  Nr.  2  der  Liclje,  der  Keusch- 
heit und  des  Todes.  Jede  Sclnnaiseite  der  Schreine  ist 
mit  einer  gleiclibehandelten  Darstellung  geschmückt,  als 
eine  Rlume,  ein  siebenköptiger  Drache,  eine  zur  Sonne 
aufblickende  Hirscid<uh,  daliei  auf  einem  Spruchbande 
die  deutscheinschritt  bider-raivt  (^d.  i.  bieder,  reciit). 
endlich  zwei  Adlerfliigel  mit  Krallen,  die  den  Ring  der 
Ewigkeit  halten.  Sämmtliche  Darstellungen  sind  als  höchst 
zierlich  gearbeitete,  auf  Hornplatten  aufgelegte  Elfen- 
bein-Reliefs ausgeführt:  Composition  und  Technik  mei- 
sterhaft. Die  Einralnniingen  von  drei  liildern  auf  der 
Vorderseite  des  einen  Schreines  sind  wahrscheinlirii  im 


Fig. 


(Melk, 


X\  1.  .Jahrliundert ,  und  zwar  in  nieht  ganz  geiungcnei' 
Weise  erneuert  worden.  Dieses  bedeutend  roher  aus- 
geführte Elfenbein-Ornament  wurde  in  schwarze  Kitt 
eingelassen  und  die  Arbeit  nicht  sehr  sorgfältig  aus 
geführt.  Die  Bedachung  bildet  ein  Kreis-Sei;nient  mit 
ol)en  aufgelegter  Platte.  Auf  dem  gebogenen  Theile  des 
Daches  sind  theils  rothe,  theils  giüue,  theiis  weisse 
Schuppen  von  Elfenhein  annei)raeht,  auf  der  Platte 
s'elit  man  eine  ans  Wellenlinien  und  Sonnen  combinirtc 
(iriianientirung  und  in  der  Mitte  ein  Wappen  mit  einem 
Krcn/e  belegt  und  je  einem  einköptigen  Adler  in  den 
\ier  Feldern.  Diese  Schreine,  ungeaciitet  der  deutscheu 
Inschrift  unzweifelhaft  italienische  Arbeit,  gehören  dem 
Beginn  der  Renaissance  an  und  dürlten  im  X\'.  Jahrliun- 
dert entstanden  sein.  (S.  hierüber  Stein büciiel's  Reli- 
(luicnschreine  der  Kathedrale  zu  Grätz  18ö8  und  die,  die 
darin  niedergelegten  Ansichten  widerlegenden  Artikel 
im  vierten  Bande  der  „Mittheihiugen  der  k.  k  Central- 
ronmiissi'on  pag.  27). 

Ober  diesen  beiden  Schreinen  sind  die  Wände  mit 
je  einer  sehr  grossen  prächtigen  M  a  u  1 1  h  i  e  r  d  e  c  k  e.  die 
eine  aus  Goldbrocat,  die  andere  aus  rothem  Seidenstotf. 
geschinüekt;  dieselben  sind  am  Rande  mit  reicher  erha- 
bener Goldstickerei  verziert  und  enthalten  in  der  Glitte 
das  grosse  Wappen  des  ausgestorbenen  Fürstenhauses 
Eggenberg.  Diese  Decken,  die  einer  Sammlung  von  zehn 
derartigen  Stücken  entnonmien  wurden  und  in  dem,  dem 


i:j2 


Grafen  Heinrich  Herberstein  gehörigen  Schlosse  zu 
Eggenberg-  antbewahrt  werden,  dürften  aus  Anlass  der 
zweiten  Hochzeit  Kaisers  Leopold  I.  angefertigt  worden 
sein  (Nr.  3  und  4). 

Links  des  mit  Nr.  2 bezeichneten  Grätzer  .'<chn'ines 
lehnt  die  Sacri  steithii  r  der  PropsteikirchezuBruckan 
der  Mur  (^Nr.  5),  von  welchen  wir  hier  (F\g.  1)  die  Ab- 
bildung einer  Partie  ihres  Beschlages  beigeben.  Die 
ganze  Fläche  des  Eichenholzes  ist  mit  Eisenblech  in  der 
Art  bekleidet,  dass  durch  einzelne  Eisenstreifen  über  die 
ganze  Fläche  derThürrhombische  Felder  gebildet  werden, 
(leren  Jedes  entweder  mit  gegliederten  Masswerkverzie- 
rungen oder  in  frei-ornamentaler  Weisegeziert  ist.  Die  Or- 
namente sind  in  Blech  getrieben,  ciselirt  und  dieMasswerk- 
vcrzierungenin  derWeise  aufgelöthet,dass  zwei  übereinan- 
der liegende  Eiseni)lättchcn  angewendet  erscheinen, deren 
oberes  das  herumlaufende  Plättchen,  dasuntcre  die  beim 


.Steinmasswerk  übliche  Hohlkehle  repräsentirt.  Die  De- 
coration der  Felder  hebt  sieh  von  der  Unterlage  kräftig 
ab,  da  diese  abwechselnd  aus  rothem  und  blauem  Per- 
gament gebildet  ist.  Beiläufig  in  der  Mitte  der  Thüre  isi 
ein  Thürgriff  angebracht,  der  sowohl  auf  den  Flächen 
des  Ringes,  wie  auch  am  Anschlagblech  mit  geometri 
scliem  Masswerk  in  dem  an  der  ganzen  Tliür  iiervortre- 
tenden  Geschmacke  der  späteren  Gothik,  Ende  des  X^'. 
Jahrhunderts,  reich  geschmückt  ist.  (S.Heider-Eitel- 
l)erger's  mittelalterliche  Kunstdenkniale  des  österr. 
Kaiserstaates  1. 14!»  und  Mittheiliingen  XV.  pag.  4;5h.  f.) 

Zur  Seite  des  andern  Schreines  selien  wir  eine 
ganze  Rüstung  mit  geätzten  Streifen  und  Kändern,  aiit 
der  Brust  ein  vor  dem  Crueifixe  kniender  Kitter,  der 
Helm  mit  Stachelvisir.  Diese  Rüstung  aus  dem  XVi. 
.lahrhundert  stammend  ist  Eigenthnm  der  steirischen 
Stämle  (Nr.  287). 

Noch  haben  wir  sechs  Kacheln  zu  erwähnen,  davon 
eine  mit  einem  in  Relief  ausgeführten  Bouquet,die  anderen 
mit  der  Darstellung  der  fünf  Sinne  nach  H.Goltzius  ge- 
ziert sind.  Sie  stammen  aus  der  Hand  des  berühmten 
Töpfers  Georg  Vest  in  Kreissen  bei  Baireuth  (1608).  ' 
(Franz  Graf  Engenberg  in  Innsbruck,  Nr.  2',)!,  202.) 

'  J  avi>n  sind  Jedoch  nur  zwei   im  Oi'igiiial  ei'li,lItPli   '^eblieiten. 


•*x 


.^1,  r.nil.) 


(Siilzlun-f,'-. 


153 


OlxTiicr  Tliiirhiiiijit  einK  ronleueli  t  cm-  in  Gestalt 
ciinT  .]iiiij;iraii  mit  dein  Wa|i|»eii  licr  Miulruz/.i,  ;uis  Hol/, 
f;-cschiiitzt  und  bcMiialt,  daran  zwei  .Steinhuckliörner,  an 
denen  die  hieliteireif'en  angeliäns't  waren.  Der  Kopi- 
puf/,  der  Figni-  deutet  elienfalls  auf  das  Madrnzzo'sehe 
Wappen.  Der  Liclitliäiter  wurde  aus  dem  Seldesse 
Ndnsljcr;;',  der  lleiniatli  dieser  Familie,  erw()rl)en  (Kif;-en- 
thiimer  lÄittcr  von  GoMegg  in  Veituriis,  Tvnd,  Nr.  28K, 
Fis-.  -'). 

( i(dieii  wir  längs  der  rechten  Seitenwand  des  Saales 
liinal),  so  seilen  wir  zwei  lebensg'ntsse  Büsten  aus  rotlieni 
.Marnutr,  mit  einj^esetzten  Augen,  vorstellend  Haeluis 
und  Ariadnc(Nr.  9].,  92),  und  ein  Altärelien  von  Eben- 
holz, mit  Halhedel-und  Lasur-Steinen gesehmiiekt,  in  der 
Mitte  ein  Klt'eidieinrelief(-i9;)),  darstellend  Simsen.  Dieses 
dem  X\  II.  .laliriuindert  entstammende  Kästehen  und  die 
erwähnten  lUisteii  sind  Eigenthum  des  Freilierrn  A.  v. 
Kothsehild.  Hier  findet  sich  auch  ein  grosser  bronzener 
Mlunienhälter  in  Form  eines  auf  Seepferden  ruhenden 
Sehirtes  (^Nr.  94,  Eigenthum  des  Freihern  N.  v.  Roth- 
schild j. 

Den  nächsten  Feusterpfeiler  zieren  vier  Teller 
älteren  Wiener  Porcellans  (Nr.  101  —  104,  Eigenthum 
Sani.  Fischer  v.  Ilerreud') ,  ein  grosses  Elfenbeinrelief, 
angefertigt  im  Will. .Jahrhundert,  vorstellend  die  Kreuzi- 
gung (Nr.  iiHM  und  die  zierliche  Porträtbiiste  eines  ;\[äd- 
eheus  ,  venetianische  in  weissem  Marmor  ausgeführte 
Arbeit  des  XV.  Jahrhunderts  und  Eigenthum  des  Stiftes 
Neukloster  in  Nieder-Osterreich    (Nr.  G). 

Am  dritten  Fensterpfeiler  tindet  sieh  ein  dem  XVIL 
.Jahrhundert  angchöriger  Zimnieraltar  aus  Ebenholz  mit 
Silberbesatz  und  silbernen  Reliefs,  Bilder  aus  dem  Leben 
Jesu  (Nr.  10(3,  StiftLambach).  Zu  Seiten  des  Altars  wurden 
die  beiden  dem  Stifte  Strahov  augehörigen  Reliquien- 
tafeln angebracdit;  sie  sind  beide  aus  vergoldetem  Silber 
getrieben,  hal)en  an  den  Ecken  die  Syudiole  der  vier 
Evangelisten.  Das  erstere,  aus  dem  XIV.  Jahrhundert, 
enthält  in  der  Mitte  die  Ivrönung  Mariens,  und  Darstel- 
lungen aus  dem  Leben  Christi,  oben  die  Dreifaltigkeit, 
unten  den  Tod  .Alariensaut  Pi'rgament  gemalt.  Die  zweite 
Tafel  ist  einfacher,  mit  zwischen  den  Feldern  durch- 
laufendem Ast-  und  Blattwerk  geziert,  das  mit  der  Punze 
in  unbeholfener  Weise  ausgeführt  wurde,  und  circa  um 
ein  Jahrhundert  Jünger  (Nr.  296  und  297). 

Die  kleine  vor  dem  Fenster  stehende  Vitrine  ent- 
hält mehrere  sehr  kostbare  Gegenstämle,  als:  ein 
Tintenzeug  ,  dessen  sieh  die  verstorbene  Kaiserin 
Maria  Theresia  (f  1807),  Grossmutter  Sr.  Majestät  des 
Kaisers  Franz  Jose])hs,  bediente.  Es  ist  ein  Werk  aus 
den  letzten  Jahren  des  vergangenen  Jahrhunderts,  und 
besteht  in  seinen  llauiitbestandtheilen  aus  Malachit  in 
vergoldeter  Brouee  gefasst ;  an  einzelnen  Stellen  ist 
reicher  Mosaiksehmuck  angebracht. 

Die  hier  anfuestellten  fünf  kostbaren  Goldgefässe 
iMünzbecher)  sind  dem  Schatze  des  Herzogs .Achdph  von 
Nassau  entnonnnen.  Die  zwei  grösseren  Poeale,  sannnf 
Deekel  auf  Ständern,  enthalten  je  ];:«9  Goldmünzen,  aus 
tlerZeit  derKaiserAugustus  bisConnnodus;  diekicineren 
(2  Becher  mit  Deckel  mit  je  ol.  1  Seliale  mit  Deekel  mit 
41  Münzen")  aus  der  Zt'it  des  Antoninus  piiis,  Faustina 
sen.  und  Jhirc  ,\urel.  Sie  sind  alle  im  Innern  des  Fusses 
mit  dem  in  Email  ausgeführten  Wappen  des  Ivurfürsten 
Johann  lIugovonTrier,  der  diese  Gefässe  anfertigen  Hess, 
und  überdies  an  demObertheil  des  Deckels  mit  emaillir- 


rw.Er.oCR.  V.-Eti 


V\'j:.  s.      \Vii-!i'r-Neiist;idt.i 


154     — 


«,'■ 


i\i"-i.  riit'uliurj;. 


ten  Bouquets  geschmückt.  Die  beiden  gi-össeren  pocal- 
fönnigen  Gefässe  sind  am  reichsten  ausgestattet.  Zu  Trä- 
gern der  Schalen  sind  fein  geformte  Figiirehen  verwendet, 
im  Deckel  wurden  in  herrlicher  Emailmalerei  die  Porträte 
der  Kaiser  Leopold  I.  und  Joseph  I. angebracht,  umgeben 
von  einem  aus  Diamanten  und  Smaragden  gebildeten 
Kranze.  Über  die  Entstehung  dieser  Kostbarkeiten  gibt 
die  am  Fusse  der  erwähnten  grösseren  Gefässe  ange- 
brachte Inschrift  Aufschluss.  Sie  lautet:  Haec  nurais- 
niata  veterum  imperatorum  anno  1G91  in  agro  wesa- 
liensi  prope  perscheid  inventa.  Joos  Hugo  d.  g.  archiep. 
treviren.  pr.  elector  eps.  spir.  in  hunc  ordinem  et  usuni 
redigi  curavit.  Ferner  enthält  diese  Vitrine  fünf  Stück 
der  herrlichsten  Emailportraits  ,  davon  einige  der 
KUnstlerliaud  Petitot's  entstammen ;  zwei  sehr  zierliche 
medaillontörmige  Reliquiencapseln  mit  Perl  und  Email- 
besatz (XV.  und  XVI.  Jahrhundert)  ,  Eigentinini  der 
Stadt  Wiener-Neustadt  (Nr.  162  und  1G3);  das  ältere 
Kleinod  soll  aus  Rom  stammen,  von  wo  es  zwei  aus 
Wr.-Neustadt  zur  Krönung  Friedrichs  IV.  al)geordnete 
Magistratspersonen  als  päpstliches  (icscheiik  mitbrach- 
ten; hier  tinden  wir  endlieh  jenes  kostbare  Hnutrelief 
von  Gold  mit  färbigen  Emails  aus  dem  XVI.  Jahr- 
hundert, vorstellend  die  Anbetung  durch  die  heiligen 
drei  Könige  (Stift  Klostcrneuburg  Nr.  34).  Die  zierlichen 
Figuren  sind  aus  Gold  gegossen.  Die  dazu  gehörige 
Silbercassette  trägt  das  Wappen  Erzherzogs  Maximilian. 
Hieran  reihen  sich  zwei  Tische  mit  Münzen. 
Der  erstere  (Nr.  298)  enthält  solche  des  weströmi- 
schen Kaiserreiches  und  zwar  in  der  I.  Section 
Goldmünzen  aus  der  Zeit  von  Octavianus  Aiigustiis 
(29.  vor  Chr.)  bis  zum  Sturze  des  römischen  Reiches 
unter  Romulus  Augustulus  (475  nach  Chr.) ,  sodann 
Silbermünzen  von  Pompejus  und  Cäsar  bis  Honorius 
(48  vor  Chr.  liis  24.'5  nach  Chr.).  Sic  zeigen  den  Ver- 
fall der  Silberwälirung  unter  Caracalla  (um  200)  durch 
schlechte  Legierung  und  die  Erneuerung  der  Feinsilber- 
Prägung  unter  Diocletian  (um  3Uü),  den  Schluss  bildet 
eine  Serie  von  Bronze-lMünzen  und  Medaillons  von  ver- 
schiedenen Kaisern  aus  nlien  Zeiten  des  Hciches  (Aus- 
steller Karl  Trau  in  Wien).  Der  zweite  Tisch  (Nr.  299) 
entiiält  Gold-,  Silber-  und  Kupfermünzen  des  oströmi- 
schen Kaiserreiches  von  Arcadius  bis  zum  Sturze  des 
byzantinischen  Reiches  durch  die  türkische  Invasion 
unter  (onstnntin  XiV.  {:\9ii  bis  14r);j  nach  Chr.), 
zum  Theii  in  Scbüssclform  (Theodor  Holnle  in  Wien). 
Bracteatcn  (Hohlmünzen)  Deutschlands  und  der  Schweiz 
mit  hölzernen  Stänipeln  geschlagen,  ans  dem  13.  Jahr- 
hundert (Eduard  Fmvdiheimer  in  Wien):  .\rabische 
Gdlil-,  Silber-,  Glas-,  Kii|>lfriiuinzen :  1.  Reihe,  von 
JO  Stücken  des  KlnUifen  Harem  nl  Raschid  (78(1-808), 
10  Stücke  des  Eroberers  TimHr(Tamerlan),t  1405.  3. 130 
ägyptisch -arabische  gegossene  Glasmünzen  und  Münz- 
gewichte vom  Heginn  des  8.  bis  zum  ImkU;  des  15  Jalir 
hiiiiiierts,  das  erste  und  älteste  Stück  vom  .l.'ihre  712. 
Zwei  Reihen  arabische  Hiblniün/.en  des  12.  und  13.  Jahr- 
hundert (zur  Zeit  der  Kreuzzüge  an  Stelle  des  Silber- 
geldes als  Niilhniünzen  gebrauchl  (Dr.  Karabaeek  in 
Wien).  Eiidlieb  Mliiiz(>n  iiiid  Medaillen  xom  Ende  des 
15.  Jiiiiriiiniderts  bis  in  die  neu<'re  Zeil  ;  (l;irnnter  die 
schöne,  McMJaüle  im  Jahre  1521  von  der  StadI  Nürnberg 
zu  Ehren  Kais('rKarlV.  verfertigt,  Duppelthaler  von  Franz 
(irafen  Ditricb.sli'in,  Hischof  von  Olmütz  (1598  — 1(;i6), 
Tlialer  des  Winlerkönigs  Friedricii  v.  d.  Pfalz  (l(;i9bis 


-    m 


)   — 


^W^„v^l 


Fig.  10.     (Melk.) 


—     106 


Fi 


11. 


I<)2I  ).  llcriiianiistüdtci- 'l'halcr  von  UiOf) .  der  überaus 
seltciR'  Tlialer  des  llery.of;s  rx'riiliard  von  Sachs<Mi- Wei- 
mar vom  .lalirc  KiM;  derselbe  erhielt  iiändieli  Kl.'i.'Sdie 
Hoelistifte  l'.aml)erg  und  Wlir/.bur^  unter  dem  Namen 
.,Herz(j;,'tliiim  Franken"  von  den  Sehweden  als  Lohn, 
verlor  sie  wieder  1I);j4.  Der  höchst  seltene  'l'liah-r  des 
kunstsinnif;;cii  Erzbisehot's  von  Salzbiirj,'-  F.eonliard 
Keutsehach  ans  dem  .laiire  ir)t)4  (14ii5— 151!»)  inid 
Thaler  Kaiser  Maximilian  I.  vom  Jahre  1470  und  IftOf), 
cndlieh  iler  älteste  Thaler,  von  !^ie,:;niund  vonTyrol,  14H4 
};eschlaf,'-en  (Stift  Seholten  in  Wien). 

Kehren  wir  nun  zum  Kin;;aii>;-  des  Saales  zurltek. 
so  nehmen  diesem  zunäehst  den  Miitelranm  ein:  einr 
Hllstunff ,  zwei  .Sehilder  und  zwei  kleinere  Vitrinen 
mit  zahlreiehen  Kostbarkeiten  f,'etlillt :  säninitlielic 
(>e;,'enstänile  der  reichhalti^'cn  und  kostbaren  Kunst 
Sammlniif:  des  Freilii'rrn  A.  v.  {{othseliild  anfrehiiiii;-. 
Die  Vitrine  links  enthält  vorzligliehe  Emailmalereien 
auf-Knpfer  (Mmousiennes).  Zuerst  seien  benannt  die 
fiirbi";en    Kmailmalcreicu    des  XVI.    Jahrhunderts.      In 


iMclk., 

der  .Mitte  eiiu!  ovale  Selilissel  mit  der  Darstellung  des 
l  nter;;anges  l'liarao's  im  rothen  Meere,  daninter  ein 
weibliches  l'orträt ,  eine  kleine  Schüssel  mit  Diana  von 
l'oitiers  in  einem  von  zwei  Löwen  und  einem  weissen 
Hunde  gezogenen  Wagen  ,  zwei  grosse  Leuchter,  zwei 
Teller,  darauf  die  I'esclineidiing '"lii'isti  und  Oefaugon 
nelniiiini;- Jciscph's.zwei  Kannen  niil  niiisicireiKU^n  Figuren, 
ein  Kästtrhen  nnt  alttestanu'ntarisclien  D;irstellungen  ; 
ausserdem  enthält  dieser  (jllasscdncin  eine  Sehale  mit 
der  Darstellung  der  Jaeobsleiter  \(in  Jeaii  Courtois, 
grau  in  gr;in  gemalt,  ein  Kästchen  niil  kleinen  Hildern  ; 
endlich  ein  Kästchen  von  \  ergoliUleni  Silber  mit  Lapi 
laziili  belegt  (Nr.  7). 

Ein  höchst  kostbarer  (»egenstand  ist  der  daneben 
aiifgest(dlte  getriebene  Schild,  italieniselie  Arbeil,  reich 
m  I  (loldtanscliir.'irbeit  Ncrziei'l  ;  in  der  Alitte  ein  L'eiter 
kämpf,  liernni  allegorische  l''i.:;uren.  L;nil  lus<'hrill  stanimi 
dieser  Schild  von  (ieorgius  (ihisys  Mantuaiius,  (15041. 
(Nr.  S).  Der  zweite  Schild  und  <lie  halbe  Kitstung  sannnt 
Stunidiaube  sind    von   ähulieher  Arbeit    und    älinlichen 


—      IK7     — 


llrspiiiii'. i -.  Krsfcrcr  enthäli  die  Darsfclliiiiir  des 
'rriumpli.  s  des  Ilacflius  (Nr.  10),  die  IJlisliiiiii- ;iiil' der 
Hriisl  Vi  iiiis  und  Amor  (Nr.  9)  ,  der  Helm  :im  K;imme 
vergolde     g-itriebene  Trophäen. 

In  i:e'-  iiäeli.'iten  Vitrine  sind  grös.stentlieils  ans 
dem  XVI.  Jalnliundert  Pdcalc,  Kannen  nnd  Fijinreu. 
die  ni(  isUns  aiirli  als  Trinkuelässe  und  Tatelaiitsat/- 
stlicke  dienten,  sämmtlieli  aus  Silber,  tlieilweise  auch  ver- 
goldet, au.siiestellt.  In  der  Mitte  ein  grosser  Fahnenträger, 
herum  Schalen  aus  Amethyst,  Heliotrop  und  Jaspis,  ein 
Cocusnuss-Heclier  in  sehr  sciiöner  Silbertassung.  ein 
'Weib  n  il  F)Utle  nnd  Korb,  ferner  ein  Jäger,  ein  ^\\\^\ 
scliweinjagend,  St.  (ieorg  zuPferde,  die  Figur  eines  Win- 
zers, Bacchus  auf  einem  Fasse  reitend,  sehr  schöne  spät- 
gotliische  M  e  s  s  k  ä  n  n  c  h  e  n  (Fig.  3),  Beclier  mit  Jagden 
en  reliel  und  mehreren  Schweizer-Cantons-Wappen,  ein 
vergoldetei-  Nautiluspocal,  ein  Doppelbecher  in  Gestalt 
einer  Frau,  die  einen  kleinen  Becher  über  dem  Koiife 
hält. 

In  der  nächstfolgenden  grossen  Vitrine  treffen  wir 
zahlreiche,  sehr  beachtenswerthe  Gegenstände,  meistens 
kii-eid  ch  r  Be.-iiiminung;  so  ein  Pa eifi cale  aus  dem 
Domsehatze  von  St.  Stephan,  enthalti'ud  einen  von  Her- 
zog Rudolf  IV.  der  St.  Stefanskirche  zu  Wien  ver- 
ehrte Kreuzpartikel.  Die  silbervergoldete  sehr  zier- 
liche Fassung  mit  Email  und  reichem  Steinbesatz  dürfte 
in  der  Zeit  Friedi-ich's  IV.  angefertigt  worden  sein. 
Der  seclisblätterige  in  die  Breite  gedrückte  Fuss 
ist  mit  zwei  Wappen  ,  nämlich  mit  dem  in  Email  aus- 
geführten deutschen  Doiipeladler  und  dem  österrei- 
chischen Bindenscliilde  geschmückt.  Die  Form  dieses 
Gefässes  ist  besonders  hübsch  ,  die  Ornamentirung 
von  eigenthündichem  Schwünge;  die  in  neuerer  Zeit  aus- 
geführten Steinbesätze  könnten  ohne  Gefährdung  der 
Schönheit  des  Werkes  leicht  entfernt  werden  (Nr.  12, 
Fig.  4). 

Daneben  stcdit  ein  kleines  seiir  zierliches  Kreuz 
(Fig.  5),  von  Silber  und  vergoldet,  aus  dem  Ende  des 
XV.  Jahrhunderts  und  _dem  Schatze  des  Benedictiner- 
stiflesMelk  angehörig.  ITber  dem  Fasse,  der  aus  einer 
etwas  in  die  Breite  gedrucdcten  sechsblättrigen  Rose 
gel)ildet  ist,  über  deren  jedem  Blatte  wieder  ein 
geschwungenes  Blatt  durelibrochen  aufliegt,  erhebt 
sich  als  Stiel  und  Nodus  verschlungenes  Astwerk,  dar- 
über ragt  das  Kreuz  emjior,  dessen  Ränder  mit 
zarten    Blätterrauken,    die     Ausgänge    der    Arme  mit 


mn:  % 


aus 

sin( 

sehn 

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Fi;;,  i;^.    i  KlDsternciilinri;. 


XVllI 


Kii;'.    l"i.     .  Khisiciiiciiburg.i 

Laubwerk     hervorragenden     Perlen     gesclimückl 
.  Der  Kern  des  Kreuzes  ist  aus  Krvstall.  Im  Durch - 
eidniigspunkte    der  Kreuzesschenkel    ist    und  zwar 
unter  eineni  reichen  nnt  vielen  Fialen  geseliniiick- 
ten    Baldachin    ein    zartes    Elfeubeinrelief, 
die  Aufnahme  Alariens  darstellend  ,  auf  der 
Rückseite  das  Bild  des  Apostels  Petrus,   an) 
Goldgrund  gemalt,  angebracht.  (Nr.  l.'!.")  ' 

Sddaini  eine  Monstranze  des  Bene- 
dictinerstiftcs  St.  Paul  in  Kärnten.  (Nr.  ]4.) 
Dieses  schöne  kirchliche  Getäss  ,  welches 
zweifelsohne  aus  der  zweiten  Hälfte  des  X\'. 
,  Jahrhunderts  stammt,  ist  aus  Silber  gearbeitet, 
vergoldet  und  19</."  hoch  (Fig.  t)|.  Der  Fuss 
hat  die  Form  eines  achttheiligen  oblongen 
Sternes,  um  dessen  glatten  Rand  von  ein- 
facher Profilirungsieh  einekunstreicli  dur(  h- 
bniehene  (ialeric  mit  Vierpassfornien  und 
ein  ziemlich  dickes  kettenartiges  Band  windet. 
Die  Ecken  sind  nnt  kleinen  Widerlagspteilern 

'   Milth.  d.  Ceni.  Comm.   XIII.    pag.  C\\I\'. 

■21 


1K8 


FifT,  14.  iKlostenieubiirg'.) 

oninmentirt.  Vonjeder  Spitze  der  Basis  läiiftje  eineeiu^e- 
ker'jte  und  durch  aufgesetzte  Punl\.te  raube  Rippe  gegen  ilie 
.Mitte  der  glatten,  allmäldig  anschwellenden  ol)eren  Fus.— 
tläclie.  woselbst  sie  eine  mit  Glas  überdeckte  kreis- 
runde und  Haehliegende  Keliquiencapsel  unischliessend 
und  freistehend  sich  nach  aufwärts  wendet.  Diese  acht 
Kippen  vereinigen  sich  in  einer  gemeinschaftlichen  Deck- 
platte und  bauen  damit  über  der  Keli(|iiiencapsel  eine 
Art  Temitel.  Erst  über  der  Deckplatte  beginnt  der  ge- 
wundene an  und  für  sich  kurze  Stiel  mit  dem  runden, 
oben  und  unten  gedruckten  Nodus  in  der  Mitte.  Die 
auf  dem  Stiel  ruhende  Platte  als  der  Träger  des  Taber- 
nakels, ist  an  jeder  Seite  mit  einer  Volute  consolartig 
geschmückt.  Der  Tabernakel  hat  die  Gestalt  einer  vier- 
seitigen Capelle  mit  der  zur  Aufnahme  der  Eucharistie  be- 
.stimmten  C'apsel  in  der  Mitte ,  die  eine  runde  Form  hat, 
und  mit  einem  breiten  mit  Edelsteinen  und  Perlen  ge- 
zierten Metallreifen  eingefasstist.  An  den  Seiten  derf'ap- 
.sel  bauen  sich  Strebe])feiler  auf,  die  nach  oben  mit  Fialen 
endigen.  Der  Tabernakel  wird  durch  einen  sechsseitigen 
Thurmbau  bekrönt,  der  unten  eine  mit  sjiitzbogigeu 
Fenstern  gezierte  Cajielle  bildet.  Die  Sjiitze  ist  an  den 
Kanten  mit  kleinen  Krabben  und  zu  olierst  mit  Kugel 
und  Kreuz  geschmückt.  < 

Der  28'/,"  hohe  Hausaltar  ans  dem  Schutze  des 
Benedictinerstiftes  St.  Peter  in  Salzi)urg  (Fig.  7),  ein 
Werk  von  ganz  besonderer  Zierlichkeit,  wurde  auf 
Hefchl  des  Abtes  Rupert  V.  aus  dem  adeligen  Hause 
der  Keuzl  im  .Jahre  1404  vom  Salzburgischen  (ioldar 
l»eiter  ]5ertliold  angefertigt. 

In  den  Rechnungen  aus  der  Zeit  dieses  Abtes 
lieisst  CS  davon: Item  etiamcoiiipMra\  i  uiiuni  clenodiinii  in 
pondere  latonorum  XXIHI.  minncr  lipiintat,  vidclicct 
ain  monstranczen  de  |)erläus  mueter  mit  ainem  sarch 
und  gcsteed  i)ey  XXIIII.  üb.  den.  et  fecit  pertoldus 
anrifaber.    Das  Ganze  ist  von  Silber  angefertigt,  tlieil 


weise    vergoldet 


hat   eine  Höhe    von    2'    '2'' 


und 


stellt  sich  dar  als  ein  äusserst  feines  und  kostbares 
Rcliipiiar  in  Form  eines  spätgothisehen  Flligelaltares. 
Stall  eines  kugeligen  oder  durch  gekreuzte  Prismen  ge- 
bildelen  Knaufes  alsVeri)in<lungdesvierblätlrigen  Fasse» 
mit  dem  Oberbau  (indct  sich  liier  eine  Art  l'ultkasten, 
dessen  rückwärtige  Fläche  glatt  ist  inid  auf  dessen 
Vorderseite  im  blauen  Emailgrunde  ein  aus  Perl- 
mutter geschnitzter  Engel  das  Schweistiicli  Ven.niea's 
hält.  Dieser  Kasten  war  sicher  bestimml,  liejli-r  Rcli.pdcM 
aufzunehmen.  Aus  dem  Pullkasten  (•ntwick(dl  sich  Mifori 


der  breite  Stiel  in  spätgothisehen  Constructiousformen, 
dessen  Mitte  vorn  ein  Rundmedaillon  von  2'/2"  Durch- 
messer ein  Basrelief  aus  Perlmutter  ,  die  Verkündigung 
Mariens  darstellend,  ausfüllt.  Auf  diesem  ruht  der  Kasten 
des  Flügelaltares  mit  einer  Breite  von  4"  und  einer  Höhe 
von  7".  Sind  die  beiden  Flügel  geötfnet,  so  beträgt 
die  ganze  Breite  9'/g".  Die  inneren  Flächen  sind  alle 
mit  leinen  Perlmutter-Schnitzereien  auf  glänzendem 
Goldgrunde  ausgefüllt.  Das  Motiv  der  mittleren  Haupt- 
fläche stellt  Jesus  am  Kreuze  dar  und  an  den  beiden 
Flügeln  sind  das  Gebet  Jesu  am  Olberge,  die  Anklage 
vor  Pilatus,  die  Kreuztragung  und  die  Grablegung  ab- 
gebildet. Den  Altarkasten  schliesst  nach  oben  und 
unten  ein  starker  Tragbalken  ab,  von  denen  der  untere 
die  Jahreszahl  „1494''  und  der  obere  folgende  Inschrift 
trägt:  Inicium  sa])iencie  tiinor  Domini.  Ecce  ei  ])rimo 
und  Rudberti  abbatis  persto  ego  iussu  suo.  Über 
den  Altarkasteu  baut  sieh  dann  der  im  spätgothisehen  Ge- 
schmaeke  ausgeführte  Giebel  auf.  Die  Basis  davon  bilden 
drei  Rundmedaillons,  zwei  kleinere  und  ein  grösseres.  In 
den  zwei  kleineren  .Medaillons  sind  die  heiligen  Georg 
und  Katharina  dargestellt,  das  erstere  ist  in  Elfenbein 
geschnitzt  und  wahrscheinlich  später  einmal  ergänzt 
worden ,  das  letztere  besteht  aus  Perlmutter.  In  der 
mittleren  grösseren  Scheibe    aus  Perlmutter    ist  Maria 


f^""  Tf 


'  ».  Mlith.  il.  Cent.  Comiii.   X.   (.«k.    III 


I'"iff.  I.i,  I  lli-i  /.iin.  ii\<iHii.j 


—    I  ;><» 


als  Hiinnielsköiii,2:iii  mit  dein  Jcsiikiiulc  auf  dem  Anne 
diirjifstfllt  ,  (laniher  steht  iiiiti  r  dein  Baldachin  der 
Giehelspitze  eine  enthlösste  (lestalt  von  Silber,  olme 
ein  tviiisciies  Attribut,  welche  wahrsciieinlieh  ein  r'>ce 
Homo  darstellen  soll.  Die  Aussenilächen  des  vierblatt- 
rij;en  Fusses  und  die  Rückseiten  des  Styles  nnd  des  Al- 
tarkastens sind  mit  äusserst  kunstvoll  ausgeführten 
(iraviir-Darstelhin.üen  ausuvfüilt,  so  dass  am  ganzem 
cienodiMni  kein  Plätzchen  ist,  das  der  Künstler  nicht 
ausgenützt  hätte.  Die  Gravirungen  auf  der  Rückseite 
des  Kastens  stellen,  im  Gegensatze  zu  Jesusam  Kreuze, 
das  heil.  Abcudnial  dar.  An  den  Rückseiten  der  beiden 
Flügel  sind,  als  Ergänzung  zu  den  Perhnntterschnitzereien 
auf  der  Vorderseite,  liie  (icfangennehnuiiig  Jesu,  die  Geis- 
seiung,  die  Krönung  und  die  Auferstehung  behandelt.  Auf 
der  rückseitigen  Fläche  des  Stieles,  zwischen  dem  Al- 
tar- und  Reliquienkasten,  sieht  man,  im  Gegensatze  zu 
Maria  Verkündigung,  die  Darstellung  des  Weltgerichtes. 
Auf  den  Flächen  des  Fusses  findet  man  endlich  die 
ausserordentlich  sclnvung-  und  ausdrucksyoUen  Bilder 
der  Heiligen:  Katharina  und  Andreas,  Rupert  und  Eren- 
traud  (^Kr.    15). 

Daran  reiht  sich  jener  grosse  Pocal  aus  vergolde- 
tem .'Silber,  der  ein  Eigentlium  der  Stadtgemeinde  Wiener- 
Neustadt  und  unter  dem  Namen  Corvhnisbecher  bekannt 
ist.  Am  Fusse  und  am  Deckel,  der  eine  Krone  bildet, 
sowie  an  der  Schale,  welche  theils  mit  ineiuandergrei- 
fenilen  Buckeln  besetzt  sind,  selbst  findet  sich  aufgeleg- 
tes Blumenwerk,  mit  Email  geschmückt  und  frei  gearbei- 
tetes Blattwerk  iu  höchst  geschmackvoller  Weise.  Auf 
der  S[)itze  des  14  '  hohenDeckels  ein  kniender  Mann  mit 
einem  Wappenschililchen.  Dieses  miistergiltige  Meister- 
werk der  Goldschmiedekunst  dürfte  im  XV.  Jahrhundert 
entstanden  und  soll  ein  Geschenk  des  ungarischen 
Königs  Jlatthias  Corvinus  an  diese  Stadt  sein  (Nr.  16, 
Fig.  8). 

Ein  den  Freunden  mittelalterlicher  Kunst  ziemlich 
beka  nntes  Prachtgefäss  ist  das  Klostenieuburger  0  s  t  e  n- 


\  'S^ 


mj- 


Kiff.   17.  (WieiiPr-Ncustadt. 


Fig.  16. 

sorium(Nr.  18).  Dasselbe,  aus  vergoldetem  Silber,  2' 4" 
hoch,  baut  sich  auf  einem  achttheiligen  mit  vier  vor- 
s])ringcnden  Feldern  versehenen  Fusse  auf.  Der  poly- 
gone  Ständer  ist  mit  einem  sechseckigen  gothisch  or- 
namentirten  Knaufe  besetzt.  Der  zur  Aufbewahrung  der 
Keli(iuie  bestimmte,  oben  und  unten  mit  einem  Lilien- 
bande geschmückte  Glas-Cylinder  ist  zu  beiden  Seiten 
mit  sich  verjüngenden  schlanken  Streben  umgeben  und 
mit  einer  kleinen  Capelle  bekrönt,  die  mit  einer  zier- 
lichen Spitze  samnit  Kreuzblume  abschliesst.  Die  Fuss- 
tläche  zieren  acht  Vorstellungen  in  flach  getriebener 
Arbeit  auf  Silberplatten.  Der  figurale  Schmuck  be- 
schränkt  sich    blos    auf    zwei    Figuren  ,    die    an    der 

•21  * 


101» 


Aihssciiscitc  des  'rai)eriiakelb;iiie.s  ;ii:s'ebraclit  sind.  Die- 
ses der  l'liitliozeit  der  GoidseliniiedeUuiist  aiij;ebdrii;'e 
(leläss  dürfte  freien  Ende  des  XI\'.  Jalirlumdertsaiig-e- 
fertijrt  worden  sein   (l''ig.  !'.)  < 

Das  sogenannte  Melker- Kreuz  iNr.  ]9).  ent- 
lialieiid  eine  vom  Markgrafen  Ailail)ert  1(»45  dem  i;leieli- 
uiiiiiijren  stifte  i:eseiienkte  Kreii/.partikei,  die  \()ii  Her 
Aiti;  Rudolf  l\ .  iy>().\  nebst  anderen  binzugetii,i;teii 
üeliquien  mit  einer  kosti)aren  Fassung  verseilen  wurde, 
ist  einer  der  werthvoiisten  Greg-enstände  der  Ausste. hing. 
Ks  ist  ein  zwei  Fiiss  hohes  Kreuz  atis(i(ddb]ec]niiit  klee- 
blatfförmigen  iMideii.  Die  Vorderseite  zeigt  in  gt'triebener 
Arbeit  den  gekreuziglenlleiland,  eine  niagere(iestalt,d()eh 
vonguter Modeilirnng;  in  den  Kleebiatt-Knden  derKreu- 
zi-sarme  die  vier  Evangelisten  in  der  seltsamen  Darstei- 
hingsweiso,  dass  die  Figuren  die  Köpfe  der  s\ miiojiselien 
'I'hicre  liaben ;  sie  iiaiten  Streifen  in  den  iläiiden,  aiil' 
denen  iiire  Namen  stellen.  Die  lüiekseite  ist  niii  l'erb'u 
und  ungesehlifienen  Edelste. neu  geschinückt.  von  denen 
die  grösseren  zugieieh  die  Sehranbrn  znni  Olfnen  des 
Kreuzes  Itilden;  einer  derselben  zeigt  einen  walirschein- 
lieh  antik  geselniiltenen  Kinderko|)f.  Der  Crund  ist  mit 
ganz  frei  gearbeitetem  L:inli\verk  ( Wiinlanb  i  ,  mit 
vielen  zarten  seliwiing»  ollen  Ü.-inki'n  nml  Ülätlern 
lielegt,  die  inneren  liogen  nm  die  E\angelisten  sind 
fliedweise  emaillirt.  An  Jedem  Kleildattende  der  lüiek- 
seite sieiit  man  in  einem  Dreiecke  oder  Dreipasse  drei 
Kronen  in  gleielier  Arbeit.  Das  Kreuz  steht  auf  einem 
l'UHH(;  au»  vergoldetem  Silber  in  Kosenform,  der  eckige 
Knauf  des  Stieles  zeigt  in  den  vier  vorragenden  Feldern 
die  Uuelistaben  i.  n.  r.  i.  i>er  Fuss  ist  sicherlich  eine 
Zugalte  des  XV..Iahrhundei-f8  (Fig.  10  und  1  1). 

Das  praciiivolle  Ciborium  desSiiftesKlosternen 
burj;  (Fig.  ]■-')  ist  aus  vergoldetem  Silljcr  angeferii^-t  und 
hat  eine  Höhe  von    l'l'/j".     Der  a<  lillhcilige   Imiss    ist 
ziendieh  reieli  gclialten  und  auf  der    Fliiehe    thi  ils    mit 

' -s    .nitih.   rt.    Cent.    (  otn.    .\III      |..  r.I 


(.Salzburg.! 

Medaillons,  darin  die  E\angel  sten.syndxdi',  theils  uul  Fi- 
guren und  lilalt-Drnamenten  geziert  (Fig  1.'!),  den  Ständer 
schmüekl  ein  mit  (llasj)asten  und  F.niail  ausgestatteter 
iS'odus.  Die  Schale  sammt  Deckel  ist  ebenfalls  aebiseitig 
und  \cillstäudig  mit  in  Email  auf  blauem  (4runde  ausge- 
führten  Darst(dlungen  l)e(U'ckt.  Am  Deckel  finden  si(di 
acht  Darstellungen,  an  der  Schale  ebenfalls  acht,  doehsind 
sie  untertheilt  und  ist  jeder  Darsttdlun.n'  noch  das  Bild 
eines  i'id|iheten  beigegeben.  Derliilder-Cyclus  beginnt  mit 
der  Verkündigung  .Mariens  und  endigt  mit  der  Kreuzab- 
nahme. Eine  weitere  Darslelliingtimlel  sich  in  (ler('u|)|ia, 
nandich  die  Aiit'erstehniig,  und  in  der  llöhlnngdes  Fusses 
die  symbolisclu' Beziehung  aufdie  Auferstehung,  nändicdi 
derseineJuiigenanhau<diendeLö\ve(Fig.  14).  ('up])a  und 
Deckel  dürften  dem  .Anfang  des  XIV.  .lahrbunderts  an- 
gcdiören,  wälu'enii  dcrSiünder  in  der  erstiMi  illilt'te  des- 
seli)cn  .iahi'humlerts  enlslandeii  und  ^^'ienei•  .\rl)eit  ist 
(Nr.  :U)'. 

EinKeli  (|U  ia  ri  u  m,  eigen  tli(di  ein  erst  im  Laufe  der 
Zeiten  dazu  gema(diter  Heelier  sammt  Deckel  aus  Herg- 
krystall  in  silberx crgoldelei' F.issnng;  an  der  S|iitz(>  des 
Deckelst'ine  gekrönle  l"'igiir.  Das  (lefiiss  (Fig.  ir))ist  10" 
hoeli  und  mag  aus  dem  XVI.  Jahrhundert  stannnen.  Die 
Keli(|uie  bestellt  in  einem  Zahne,  der  tm  einem  Kett- 
(dien  frei  hängend,  sieh  im  (iefiisse  befindet    (Nr.    21).- 

i'".iii  nicht  minder  bea(dilens\vcrtlier  ( Jegenstand'ist 
das  dem  Kai)ucinerkl<islei' gehörige  I!  e  I  i  (|  ii  i  a  r  in  l""orm 
einer  Monstranze  (Nr.  17,  l'"ig.  Kl).  Den  ll.iclien  sehci- 
benförniincn  Fuss  ,  der  in  seinem  Aidbaii  zierlich 
diirciiliroclieii  ist  ,  schniückl  \(irn  die  eingravirte  Dar- 
slelliiiig  des  gekreuzigten  l'',rlösers.  \)rr  Nodns  bildet 
ein  anfri(dit'  gi'slelltes  Medaillon  ,  das  natdi  der  einen 
Seili'  (hl.-;  :iin  rergMineiil  ti'enialli'  liiliniss  des  InMÜgen 
.lacobiis  und  l!eli(|uieii  ,  auf  der  anderen  Sc  te  ein 
vergoldetes  Siegid  ,  mit  der  rms(dirili  :  Sigillnni 
iiidiclliii     p:icis     saxoniae     gelieral      zeigt.      Das     MiKel 


>r.  M. 


i'l    Ä  ii/.'ini  x'T   '  iii"iMk. 


'  .-•.   Minh    il.  c  1  n(.  CüMi.   \  I.  !•    •S',1 
'S.  Miiiii.    d.  Com.  CoMi.  MII.  p   CS' 


Ml 


—     IG! 


stück  der  Monstraiize  bildet  eine  in  Form  eines  Vier- 
passes gebildete,  zierlich  durchbnK'lienc,  ;uii{,'estellte 
Scheüie  mit  den  vierEvangelisten-Symlioleii,  in  derMitte 
eine  {kleine  Capsel  (enthaltend  Sanguis  Christi).  Zwei 
Fialen  an  den  Seiton  und  ein  Hpitzgiebel  in  der  Mitte, 
darin  auf  der  Vorderseite  das  gemalte  Bildniss  des 
Heilands,  auf  der  Rückseite  im  getrieljenen  Relief  das 
des  heiligen  Jacobus  als  Bischof,  schliessen  den  Aufl)aii 
ab.  Dieses  herrliche,  mit  Steinen  reich  geschmückte, 
silberne  und  vergoldete  und  in  seiner  Form  höchst  origi- 
nelle Gefäss  stammt  aus  dem  XV.  Jahrhundert,  das 
Siegel  und  das  getriebene  Relief  am  Giebel  dürften 
mindestens  um  ein  Jahrliundert  älter  sein. 

Die  uiiti^re  Abllieiliing  dieser  Vitrine  enthält  zwei 
vorzügliche  Gegenstände  aus  der  Samndung  Rothschild, 
als:  einKästehen  von  Ebenholz  (Nr.  'JV))  mit  Heliefs  und 
Ornamenten  von  Silber  und  Gold,  auf  dem  Deckel  eine 
legende  l''ignr,  die  Wahrheit  vorstellend,  welche  ein 
Medaillon  mit  den  Porträts  Kaiser  Heinnch's  I\'.  von 
Frankreich  und  dessen  Gemalin  Maria  von  Medici  in 
der  Hand  hält,  französische  Arbeit  des  XVI.  Jahrhun- 
derts; ferner  eine  Schüssel  von  vergoldetem  Silber  mit  vier 
li'eliets,  d;irauf  Darstellungen  aus  der  römischen  Ge- 
schichie,  in  der  Mitte  die  freistehende  Figur  Kaisers 
Augustus.  Sie  ist  unzweifelhaft  italienische  Ai-beit  des 
XVI.  Jahrhunderts.  (^Nr.  22.) 

Ferner  linden  sich:  Zwei  dem  Stifte  Klosterneuburg 
gehörige  Elfenbein-Diptychen  ans  dem  XIV.  Jahrhun- 
dert, das  eine  vorstellend  die  Anbetung  durch  die  hei- 
ligen drei  Könige  und  Christus  am  Kreuze,  das  andere 
theilweise  bemalt  und  vergoldet,  mit  Do])pelbildern,  dar- 
stellend: die  ^'erkündigung  Mariens,  die  (ieburt  Glirisli, 
deuTod  nnd(lieKrönungderlieiligenJungfrau.(>Jr.24und 
1.5.)  EinIC  vangeliarium  mit  Bucluleckel  ans  \ergolde- 
Icm  Silber  mit  Email  und  Steinschmuck;  in  der  Mitte  die 
hocligetrieliene  Figur  des  segnenden  Christus,  von  einer 
emaillirlen  Mandurla  umschlossen  und  aut  dem  Regenbo- 
gen sitzend  ;  im  Grunde  kräftige  Laubranken,  in  den  Ecken 
die  Symbole  der  vier  Evangelisten  ,  sänimtliche  Darstel- 
lungen, sowie  die  Umrahmung  getriebene  Arbeit;  auf 
dem  hinteren  Deckel  befinden  sich  vier  Bergkrystalle. 
um  das  liegende  Buch  aufschlagen  zu  können,  nebst 
zwei  Kingeil  ,  um  dasselbe  aufzuhängen  ,  endlich  sind 
an  der  unteren  Seite  beider  Deckel  Füssclieu  ange- 
bracht,, mit  deren  Hilfe  das  Buch  gestellt  werden  kann. 
Dem  iMaiigebum  eines  jeden  Evangelisten  geht  sein 
im  Goldgründe  gemaltes  Biidn'ss  vor.  Die  Schluss- 
worte des  auf  Pergament  nut  i-othen  gothischen  liucli- 
staben  geschriebenen  Textes  lauten:  Isie  über  ecclesiae 
s.  Mariae  in  Iher  et  est  scriptus  an.  dnii  MCCCXXV', 
woran!'  ein  Anathema  folgt.  Der  Eiid)and  stammt  aus 
dem  XI\'.  Jahrhundert,  Eigenthum  der  Stadt-Gemeinde 
Wiener-Nen.stadt  (Xr.  27  ,  Fig.  1  7).  Zwei  Xiellotateln 
von  vorzüglicher  italienischer  Arbeit  des  X\'.  Jahrhun- 
derts; Eigenthümer  A.  Freiherr  v.  Rothschild.  Auf  der 
einen  die  Taufe  Cin-isti,  oben  die  Hociueit  von  Cana. 
unten  die  Erweckung  des  Lazarus,  herum  ein  ornamen- 
taler Rahmen;  auf  der  aiuleni  die  (ieburt  Christi,  oben 
die  Verküiuligung ,  unten  die  Anbetung  der  heiligen 
drei  Könige,  (^ir.  29  und  31.)  Drei  Medaillons  von 
Perlmutter  mit  der  Gebu)t  Christi,  Pietas  und  die  Drei- 
faltigkeit (^XV.  Jahrhundert  ,  Stift  Klosterneuburg. 
Nr.  1:0.),  das  Porträt  des  Mathematikers  (JeorgTanstetter 
mit  seinem  Sohne,  vortreffliches   Holzschiiitzwerk   aus 


dem  Jahre  1.Ö21  (Stift  Melk  Nr.  32).  Es  zeigt  das 
Bild  dieses  am  Hofe  Max  I.  lebenden  .Mannes  en  face 
mit  etwas  zu  breit  gehaltenem  vollen  (iesichte: 
übrigens  eine  bcachtenswerthe  Arbeit.  Ein  Relief  aus 
gebranntem  und  bemaltem  Thon,  vorstellend  Marga- 
retha,  Tochter  Kaisers  Maximilian.  (Nr.  33.)  Dieses 
vom  k.  k.  Reg.  Hatli  von  Camesina  ausgestellte  Relief, 
das  die  Umschriit:  „Margarita  .  cesaoni  .  austrie  .  vnica 
.  filia  .  et  .  amita.  lb2H-'  hat  ,  ist  auch  in  sofern 
beachtenswerth,  als  es  Aufklärung  gibt  über  jenes  kost- 
bare bekannte  Schnitzwerk,  vorstellend  eine  weib- 
liche Büste,  das  aus  der  Sammlung  Bölim's  in  die  des 
Freiherrn  von  Rothschild  überging.  Es  ist  bei  der  auf- 
fallenden Ähnlichkeit  beider  Darstellungen  kein  Zweifel, 
dass  beide  Kunstwerke  sich  auf  die  gleiche  Persönlich- 
keit beziehen.  Hier  finden  wir  auch  das  nicht  minder 
wei-thvolle  viertheilige  silbervergoldete  A  It  ä  rchcn  aus 
dem  Salzburger  Dnnischatze  3i/.."  hoch  und  l'/,.  breit. 
mit  densilbervergoldetei)  undin  Relief  ausgeführten  Dar- 
stellungen aus  der  Passion-sgeschichte  (Kreuzigung, 
(irablcgung,  Auferstehung  und  Erscheinung  im  Garten'): 
die  Rückseite  dieses  dem  XV.  Jahrhundert  anwhörigen 


F.iT.    10.    f'^ViiMi 


l(>-i    — 


^■•-■tihUUH    ' 


W/Bfj 


Kleinods  /.cif^t  <lc3inselben  GegoustaiHk'  cntiioinmenc 
Kmailnialereien  der  herrlichsten  Arbeit  (Cluvstus  am 
Oldberfr,  Verrath  des  Judas  ,  Ge'sselung  und  Kreuz 
tiagunj;)  (Nr.  3n,  Fig.  IS),  endlich  einen  Becher  von 
('(K-i'snuss  in  Fassung  von  vergoldetem  Silber,  auf  dem 
Deckel . Johannes  derTäufer(XVI.Jalnliiindert,Sti1t  Alten- 
burg Nr.  88j,  mehrere  Kästchen  und  Schalen  von  Achat, 
Krystail  und  Bernstein,  kleinere  Elienbeinschnitzwerke, 
Ho'coco-Messkänchensammt  Tasse  aus  Silber  verioldet. 
Llireii  ,  Dosen,  mehrere  Kästchen  aus  Fniail  und 
Schildpatt  mit  Besatz  von  (ioldstilten,  ferner  Kästchen 
uiit  Beinbesafz  ,  Sclimuckgegenstände  ,  Essbesteekc, 
Leuchter,  drei  Einailporträls  (Peter  der  Grosse,  Karl  VI. 
lind  dessen  Gemalin)  ausdemXNIlI.  Jalirliunderl,  endiicli 
W  atl'en,  darunter  schön  eingelegte  l'istolen,  /ierliclie 
Dolche,  ein  Kurzschvvert,  u.  s.  w. 

Beileutcndere  Gegenstände  dieser  Vitrine  sind 
ferner  eine  cyliuderförmige  aussen  y)ol.ygone ,  aufrecht- 
stehende  K  ry  s  t  a  1 1  r  ö  h  r  e  (Nr.  'M.  Fig.  1 D ),  die  auf  vier 
den  Bärentatzen  ähnlichen  Fliss(  n  ruht,  mit  denen  die 
gezähnte  und  schön  profilirte,  aus  Silber  angefertigte 
untere  Einfassung  des  f'ylindcrs  in  Verbindung  steht. 
Auf  dem  Deckel  ein  eingravirtes  Aledaillon,  vorstellend 
die  Verküiidiginig.  Dieses  dem  XV.  .I.'ilirhiindi'rt  ange- 
hörige  Heli(|uiar  gehört  in  die  Sanniiliing  der  Heilig- 
Ihllmer  desCapucinerklostcrs  in  Wien. '  Mit  dcrBezcicIi- 
nung:Trinkl)echcr  des  h.  Fl  rieh,  Bischof  zu  Augs- 
I)urg(".i2:j— '.»7.'»),  tindcl  sich  ein  dem  Stiitsseliai/.r  /.»  Melk 
entnommenes,  in  Fig.  "iO abgebildetes  (!efäss,das  aus  der 
grösseren  Ilälfie  eines  ausgehöhlten  Kürbisses  besteht, 
doch  ist  dieser  bereits  an  vielen  Stellen  schadhaft  und 
löeherig.  daher  in  neu(;rer  Zeit  etliche  Metallspangen 
zum  ZusaumienlialtiMi  dr-rsclben  angelegt  wurden.  Iiiiieii 
ist  die  Schale  nnt  Silberbleeli  bekleidet  und  am  r.iHlcii 
mit  einem  sehr  beachtenswerthen  vorgoldelen  .Medaillmi 
geziert,   darinnen   auf  pnnzirteni  Grunde   in  Helief  die 

1  Mluli.  il.   I'.iit    «omni    Mll.  im.  CXX4I 


A).     (Melk.) 

auf  einem  Faltistoriuni  sit/.eiide  Figur  des  heil.  Bisclnifs 
angebracht  ist.  Die  Figur  ist  mit  faltenreicdier  (ilocken- 
Casel  angethan,  trägt  das  Pallium  und  eine  niedrige 
^litra,  hält  in  der  linken  llaiul  ein  einlaches  Pedum,  die 
Rechte  ist  zum  Segen  erhoben.  An  der  Aussenseite  ist 
der  Rand  der  Schale  mit  einem  breiten  Silberreif 
eingefasst,  der  nach  unten  mit  einem  dreitheiligen 
schwungvollen  Blatt-Ornamente  verziei't  ist.  lieber  den 
ganzen  Sehalenkörper  laufen,  vom  Rande  cnts])ringend, 
zwei  sieh  kriMr/A'nde  ,  mit  hübseliem  Laub-Ornauu'iite 
geschmückte  Spangen,  und  ist  jedes  der  sich  dadurch 
auf  der  Sehale  bildenden  Felder  mit  einer  Uosette  ge- 
ziert. Der  allgemeinen  Annahme  nach  gelangte  diese 
Sehale  als  ein  Geschenk  des  Markgrafen  I'rnst  an  das 
Stitt,  die  Fassung  jedoch  gehört  mit  Rücksieht  aui'  das 
romanische  I^aul) -Ornament  und  d.issiegelähnlicheMedail- 
lon  wahrscheinlich  dem  Xlll.  .lalirliiiiiderte  an  (^Nr.  ;i7).  ' 
Endlich  ein  R  el  i(|  u  i  ar  in  E(U'm  eiiu'r  'i'afel,  an- 
gel)lieh  ein  Bu(di(le(dv(d.  Es  besteht  aus  einer  Ilolz- 
|ilatte,  die  jedoch  nur  auf  einer  Seite  reich  ver/.iert  ist. 
Die  Verzierungen  sind  in  vergoldetem  Silber  ausgeführt 
und  tlieilweise  emaillirt.  Die  eigentliche  Fläche  des  Rah 
mens  ist  in  reichlicher  Weise  mit  Ahornhiub-Ornaineni 
belegt,  in  Jeder  E(d;eistin  einem  Dreiiiassc  eine  sitzende 
l''igiir,  wahrselieinlich  die  E\aiigelisten,  aiigeliraidit.  Die 
der   oberen  Ralnnentläehe    ziert    ein    plastisches 


Milt 

Figüreheii,  der  thronende  Welterlöser,  dem  eine  vierpass- 
förmigt'  Emailpbilte  zur  Unterlage  dient;  in  dem  unteren 
Ralinieii  ist  ein  lialbkiigeltormi.:;er  i;anclito]i;is  eingel;is- 
seii.Die  lieiden  Sciteiillieile  schmlickl  ji^  ein  Eigüreheu 
des  englischen  Grusses,  einem  Vierpasse  aufgelegt.  Eiti 
zweites  vierpassförmigcs  Feld  ist  leer.  .Vusserdem 
scliiiiücken  den  R.'ihmen  nocdi  rhombeiilornng(!  Email- 
|pliit!clicii  mit  pliantaslisclien  'riiiergeslallen.  Das  tiefer 
geh'giüie  Miltclbild  stellt  ein  aus  Erdges(dioss  und 
Stockwcik  ücldldelcs  Gebäude  vor.    In  den   drei   spitz 

'   .MJllli.   d.    Ci'iilr.   (»li.rii.    WII.  II. 


—     103     — 


bogigen  Nischen,  die  mit  reichem  gothischen  Ornament 
geziert  sind,  stehen  in  vollrunder  Form  au.sgefiilirt  drei 
Figlirobon,  als:  die  gekrönte  Mutter  Ooftes  mit  dem  Kind- 
lein am  Anne,  eine  ganz  vorzüglich  ansgclulirtL'Grui)pe,ein 
Abt  unil  eine  Figur  ohne  Attribute.    Die  Auf'schritt  be- 
zeichnet sie  als  -(-  Abbas  arnoldus  S,  Blasii  und   -(-   ß. 
Reinbertus,  vielleicht  Donator  und  Künstler.   Das  obere 
etwas   niedrigere    Stockwerk  enthält  in  der  grösseren 
Mittehiisfhe  ("hristiis  mit  einer  Krone  am  Haupte  sitzend, 
die  linke  auf  ein  Buch  stützend,  die  reciite  zum  Segen 
erhoben,  daneben  gegen  links  gewendet  die  heil.  Maria 
mit  auf'geiiobenen  Händen.  Ein  über  der  Gruppe  schwe- 
bender Engel  setzt  Marien  die  Krone  auf;  in  den  beiden 
kleineren  Nischen  je  ein  Bischof  (S.  Blasius  undV).  Mit 
Rücksicht  auf  die  beiden  erwähnten  Figuren  und  den 
gothischen   Charakter    dieses   Prachtstückes   ist   anzu- 
nehmen, dass  es  unter  Abt  .Arnold  II.  (1247 — 127G)  ent- 
standen ist.  Ob  es  eine  Reliquientafel  ursprünglicli  war, 
oder  der   Rest   eines   Retabulums   ist ,   ist  zweifelhaft. 
Jedenfalls  staunnt  dieses  Relief,    gleich  der  sclion  be- 
sprochenen Moustrauze  und  manchen  noch  zu  erwäh- 
nenden Gegenständen  aus  dem  aufgehobenen,  berühm- 
ten Benedictiner-Kloster  St.  Blasien  im  Schwar/.wald, 
dessen  Priestern  Kaiser  Franz  I.  das  verödete   Kloster 
St.   Paul  in   Kärnten  eastlieh  überlress      (Nr.   8u ,  s. 
Tafel  I). ' 

Hier  findet  sich  der  interessante  Tragaltar  aus  dem 
Stifte  Admont  in  Steiermark  (Nr.  295).  Unter  Tragaltar 
versteht  man  in  der  kathoüschen  Kirche  ein  derartig 
geformtes  Reliquiar,  dass  sich  dessen  der  Priester  bei 
Celebrirung  der  Messe  als  Unterlage  bedienen 
konnte.um  die  Hostie  darauf  zu  legen  und 
den  Kelch  darauf  zu  stellen.  Nachdem  den  ^'or- 
schriften  der  katholischen  Kirche  gemäss  nur 
jener  Altar  zum  Messe  lesen  geeignet  ist,  der  mit 
einem  solchen  Reliquieubehältniss  versehen  ist, 
so  bediente  sich  der  Priester  dieser  Tragaltäre 
besonders  auf  Reisen,  um  an  beliebiger  Stätte 
mit  Benützung  dersellien  die  heilige  Messe  auf- 
opfern zu  können.  Dieser  schon  erwähnte  Trag- 
altar hat  die  Form  einer  viereckigen  Phitte 
von  IG"  Breite  und  Ti/a"  Höhe  und  3/4"  Dicke. 
Die  in  der  Mitte  des  Altars  befindliche  Platte, 
ein  Amelh/stquarz  ,  ist  in  einen  Holzraiimen 
gefasst,  dessen  Vorderseite  mit  dünneu  und 
durch  Nägel  befestigten  Metallplatten  von  Sil- 
ber überzogen  ist.  Dieselben  sind  vergoldet 
und  enthalten  in  den  zwölf  vierpassförmigen 
Feldern  folgende  in  Niello  ausgeführte  und 
■gutgezeichiiete  Darstellungen;  In  der  oberen 
Schmalseite:  1.  Petrus,  2.  Christus  als  Welten- 
richter, S.Paulus;  in  der  unteren  Schmalseite: 
-i.  Maria  mit  dem  Kinde,  5.  und  (3.  die  hedigen 
drei  Könige,  (^l)ie  Zwischenräumederdrei  Felder 
sind  hier  mit  den  Brustbildern  der  Proidieten 
ausgefüllt.)  In  der  rechten  Längenseite :  7.  Das 
Evangelistenzeichen  des  Matthäus.  8.  Ein 
Apotel.  9.  Das  Evangelistenzeiclieu  des  S.  Mar- 
cus. In  der  liidcen  Längenseite:  10.  Das  Eviiu- 
gelistenzeiehen  des  heil.  Lucas.  11.  Ein  Apostel. 
12.  Das  Evangelistenzeiehen  des  Johainies.  An 
derRandfiäche  des  Rahmens  des  Tragaltars  läuft 
folgende  Inschrift:   Anno  domini  MCCCLXXV 

I   Mitlh.   d.   Centr.   Conim.   XIII..   pas:.   CXXII. 


reverendus  pater  dominus  Albertus  de  Sternberg 
episcopus  Luthomiclensis  conseeravit  hoc  altare  in  ho- 
norem beate  marie  virginis  gloriose  amen.  Die  Inschrift 
ist  auf  dieMetalltläciien  flach  und  zart  getrieb<'n  und  dann 
ciselirt.  Die  Rückseite  des  Tragaltars  ist  gleichfalls  in 
zwölfFelder^etheill,  worin  sich  zwei  Wappen  regelmässig 
wiederholen.  Das  eine  führt  im  Schilde  ein  Kreuz  und  .soll 
jenes  des  Bisthumes  von  Leitoinisehl  sein;  das  zweite 
fiilirt  im  Schilde  einen  Stern  uud  ist  dasFamilienwappen 
der  Sternberge,  von  denen  das  Mitglied  Albertus,  Bischof 
von  Leitomischl,  wie  die  Inschrift  bezeugt,  den  Altar  im 
Jahre  1375  anfertigen  Hess.  Die  Felder  mit  den  Wappen 
und  die  dazwisclien  befindlichen  Ornamente  sind  mit 
gravierter  Stanze  gepresst  und  diese  Blechstücke  ent- 
sprechend zusammengefügt.  Fig.  21  und  Taf  II.  (S. 
Mitth.  d.  Centr.  Comm.  V.,  pag.  23.) 

Ein  Weihbrunnen  aus  Silber  von  vorzüglicher 
deutscher  Arbeit  des  XVI.  Jahrhunderts,  in  der  Mitte 
Christus  am  Kreuze,  herum  kleine  Reliefs  mit  Sceiieu 
aus  dem  Leben  Cbristi   (Nr.  79). 

Ein  Spiegeldeckel  von  Elfenbein,  auf  der  Rück- 
seite mit  der  Darstellung  der  Erstürmung  einer  Liebes- 
burg. (Nr.  78.)  Auf  diesem  aus  dem  XIV.  Jahrhundert 
stammenden  und  dem  Stifte  Rein  in  .Steiermark  ge- 
hörigen sehr  interessanten  Schnitzwerke  zeigt  sich  die 
Breitseite  eines  viereckigen  Burg-Baues,  in  der  Mitte 
das  mit  einem  Fallgitter  versehene  Thor,  flankirt  von 
thurmähnlichen  Vorbauten.  Auf  der  Zinne  ein  verwun- 
deter Ritter,  hingesunken  zu  den  J'üssen  einer  Dame; 
ober  dem  Thore  in  einer  Fensternische  Frauen,  die  aus 


^^Vaiui'ut.; 


—      104 


Ki"-.  ■-•^.       Kl;ii:('iil'iii  t. 


«■iiiem  Korbe  Blumen  niif  die  unten  KämpiViulen  werfen. 
Anderseits  wieder  Frauen,  die  den  die  Burg  Ersteigen- 
den Ringe  (Reuen)  reichen;  unten  Berittene  im  Kampfe. 
Die  ConiiHisitidn  ist  lebendig  und  maleriscli,  doch  ist 
der  Saclic  und  Deutlichkeit  des  Ausdruckes  nicht  so 
weit  Rcclnuing  getragen,  dass  sich  der  Massstab  des 
(lebäudes  nach  den  Figuren  richtet,  sondern  die  Burg 
erscheint  nur  angedeutet;  dasselbe  gilt  von  den  Bäumen. 
Fig.  22.  (S.  Mitth.  d.  Centr.  Conim.  XII.  pag.  IV.) 

Ein  We  ihrauehschif teilen  von  Kupfer  mit 
hübschem  Email,  aus  dem  XIII.  Jahrhundert,  —  dem 
(irafen  Gundacker  von  Wurmbrand  in  Grätz  gehörig. 
(Nr.  Gl.)     ' 

In  einer  kleinen  Vitrine(Nr.  99)  sehen  wir  kostbare 
(Gegenstände  ans  der  reichhaltigen  Sanunlung  des  Frei- 
herrn von  Rotiischild,  als:  ein  opalisirender  gegossener 
(ilasbecher  mit  Meergottheiten  in  Relief  aus  der  Re- 
naissance-Zeit; —  ein  grosser  Pocal  sammt  Deckel  mit 
tarlngen  Buckeln,  und  eingeritztem  Triiikspruche  auf  das 
Widil  des  Herrn  v  Doblin  in  altlMiiimischer  Sprache, 
XV.  Jahrhundert;  ein  Nautilus-Portal,  von  Neptun  ge- 
tragen, XVII.  Jahrhundert;  ein  hoher  Becher  aus  ver- 
goldetem Silber,  von  getriebener  Arbeit,  oben  das  Wap- 
pen der  Stadt  Regensburg,  ein  Geschenk  Kaiser  Rudolf  II. 
.in  die  Stadt;  Hercules,  den  Antäus  erdrückend,  Gruppe 
.lus  Holz,  XVII.  Jahrhundert ;  ein  grosser  Becher  ausSil- 
l)er  und  vergoldet,  auf  dem  Deekel  Jupiter  ,  den  Blitz 
schleudernd,  wahrscheinlich  aus  dem  XVI.  Jahrhundert ; 


Fig-.  22.  I  {{i"iii 


—     1(55     — 


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Fig.  2-1.     (KvoiusiuiiMster. 


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Fig.  2G.      Mtlk. 


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Ki(,'.  2H.     /Wien., 


FijT.  27.     (Melk.i 

ein  Hitndwevkei-  mit  Butte  aus  Silber,  IChr.Migesclienk 
an  den  Stubenmeister  Gscliir  ](5()4  ;  Kanne  von  weis- 
sem Silber,  reieli  \er/,iert ,  von  1622;  ein  selir 
wertlivoller  Beelier  von  Scliiklpatt  mit  Gold  piquirt  und 
mit  Perlnnittereinlagen;  zwei  Eeiterpistolen  ,  eine  mit 
f>eschnittenem  Lauf  und  mit  Elfenbein  selir  zart  ein- 
gelej;tem  Scliafte  ,  die  andere  mit  Elfenbeinsohaft, 
darauf  Plätteiien  mit  Eisensclinitten  und  sehr  feiner 
Tauseliirarbeit ,  endlich  zwei  Sfdiöne  Buclideckel  aus 
Silber,  theilweise  vergoldet,  mit  gothiseben  Verzierun- 
gen nnd  Heiligenfiguren.  Auf  der  vordem  Seite  in  den 
Ecken  die  Kirchenväter ,  das  ursp'üniiliciie  Alittelstiick 
feldt  und  wurde  durch  eine  mit  Massweric  ausgefüllte 
Scheibe  ersetzt;  auf  der  Rüclvseite  die  Krönung  Jlarien's 
in  vollrunden  Figuren  und  in  den  Ecken  in  Medaillons 
die  Kirchenväter.  Auf  beiden  Deckeln  trägt  ein  Engel 
das  L)op]iehvai)peii  der  Kirche,  der  dieser  schöne  Ein 
band  gehörte.  Dieses  zierliche  Werk  mag  aus  dem  W. 
Jahrhundert  stammen. 

Die  Mitte  des  Saales  ninnnt  derm.rkwünligf  11  o  I  z- 
schrein  aus  der  Kirche  zu  Möclding  ein.  Er  bildci 
im  Grundriss  ein  liingliciies  Viereck  und  hat  die  (Jcstail 
einer  gothisciien  Kirche.  ^läclitige  Streix'pfeiler  an  den 
Ecken,  sclnväcliere  an  derLangsciteundder  Fa^'ade,  wie 
aucii  am  polygoncn  und  abnehmbaren  Cliorschlusse  hal- 
ten dcnAun)au,dcrmit  einem  kaninigeziei  ten  liohcnDaclic 
abschliesst.  Wie  ein  zartes  Spit/.engewebc  aul  allen  Srilrn 
durchsichtig,  in  den  zierlichsten  Mustern  durclihrocheii 
erhebt  sich  der  herrliche  Bau  leicht  Und  luttig  iiis  zu  einer 
Höhe  Min  7"  6".  DieA'erzierunuen  aller  Tlieile  mit  Krab- 
ben. Kicirzblunien ,  Iiosetten,  Gesimsen  und  galerieähn- 
liclien  ISekrönungcn,  grösseren  und  kleineren  Fialen- 
durchbrochenen  Fenstern  u.  s.  w.  sind,  ohne  den  Imu- 
druck  der  Feberladung  hervorzubrinjicn,  so  überreich, 
dass  jede  Detailbesehreibung  ,  so  ermüdend  sie  einer- 
seits wäre,  doch  andererseits  unzureicheml  bliebe.  Nur 
eines  ist  zu  erwähnen  nöthig,  nämlich  dass  weder  ein 
Masswerkmotiv  ,  nocdi  die  Zeichnung  der  einzelnen 
din-chbrochcnen  Felder  des  Dachstuhles  sich  wieder- 
holt. Als  den  Schöpfer  dieses  unzweifclhalt  für  ein 
iieiliges  Grab  bestimmten  Schreines ,  dieses  Meister- 
werkes der  llolzselineidekunst,  der,  wenn  auch  kein 
.Vrciiitekt,  so  doch  eine  mit  den  Kinislfonnen  der  Golliik 
gründlich  vertraute  I'erson  waf,  biv/.cichnct  die'i'radition 
einen  gegen  die  Mitte  des  XV.  .lahrlnimlerts  lebenden 
Benedictiner-Mönch  aus  St.  l'niil.  ( S.  Mitth.  d.  Centr. 
Conuii.  X\  II,  jiag.  ■JnK] 

Hückwärts  dic^ses  Schreines  steht  der  reich  ver- 
zierte und  in  seinem  Ausbaue  eigenthündiche  Sciireib- 
tiscli  des  ehemaligen  ÖKf(!rreichis(dien  Staatskaiizlers 
l'"'ürsten  Mi'ttcrnieh,  der  ehedeiii  iMrenlhmn  des  lierzo"'s 


—     167     — 


von  Clioisenl  war.  Er  ist  aus  Nusshaumholz  angefertigt, 
mit  vergoldetem  Bronze  ,  iin  (iesclnnack  des  XVIII. 
Jaiirhiinderts  ausgestattet  ,  und  wurde  vom  Fürsten 
Kicliard  Metternieli  zur  Ansstelhuig  gebracht.  (Nr  105). 

Wir  kommen  nun  zur  letzten,  den  Mittelraum  des 
Saales  eimielmienden  Vitrine  mit  ihren  grös.stentheils 
der  romani.sclien  Zeit  angeliörigen  (icgenständeii.  Dahin 
gehören  die  beiden  mit  Figuren  geschmückten  lironze- 
1  e  u  c  h  t  e  r  des  XIII.  Jahrhunderts  (lUS  und  lO'J )  aus  dem 
Landesmuseum  zu  Khigeiiiurt  (M.  XI.  p.  LXX,  XII.  Fig. 
23) ;  die  vier  K  e  1  i  (|  u  i  e  ii  k  ii  s  t  e  h  e  n  in  Form  von  Mäus- 
chen mit  schiefer  Hedacliung,  aus  Holz  mit  reich  emaillir- 
ten  Kupferjjlatten  und  thcilweise  in  IJelief  aufgelegten 
FigUrchen  (Werke  deutscher  Emailleurkunst).  Die  Dar- 
stellungen variiren  nur  wenig,  wir  sehen  Christus  als 
Weltenrichter  oder  am  Kreuze,  daneben  Maria  und  Jo- 
hannes, die  vier  Evangelistensymboie,  Engel  im  Bnist- 
bilde  etc.  Zwei  dieser  aus  dem  XII.  Jahrhundert  stammen- 
den Schreinehen  sind  mit  durchbrochenem  Fn-stkaunne 
geschmückt  (Nr.  113,  127.  S.  Mitth.  d.  Cent.  Com.  VI 
p.  239  und  XIII.  p,  CXVIII).  Drei  derselben  gehören 
dem  Stifte  Klosterneuburg,  eines  jenem  zu  Kremsmünster. 
Fig  24  gibt  die  Abbildung  des  letzteren  ,  Fig.  25  eines 
solchen  Schreines  der  Sammlung  zu  Kloslerneuburg. 

Zu  den  seltenen  kirchlichen  Gegenständen  gehören 
die  beiden  Keise-  un  d  Tragaltäre(Nr.  115, 124),  die 
das  Stift  Melkzui'Aussteliungbraclite.  Es  sind  dies  kleine 
Kästchen  mit  flacher  Oberplatte  und  auf  \ier  Füssen" 
ruheud.Der  innere  Raum  hatte  die  Reliquien  aufzunehmen, 
auf  der  Tischfläche  lag  die  Hostie  sammt  Patene  und  stand 
der  Kelch.  Das  eine  dieser  beiden  Gestatorien  gehört 
noch  dem  XI.  Jahrhundert  an.  Der  in  der  Mitte  der  mit 
reichem  Elfenbeinbesatz  geschmückten  Deckplatte  be- 
tindliche  Altarstein,  ein  Serpentin,  ist  sehr  klein  und  von 
oblong-viereckiger  Form.  Ein  schmaler  Silberstreifen 
bildet  seine  eigentliche  Einfassung,  darauf  ist  folgende  In- 
schrift :  Da  sumenda  et  clcmens  sacra  cruoris  f  Jho  Xpe  tni 
miseria  corporis.  Die  weitere  Unn-ahmung  bildet  ein  brei- 
tes Elfeubeinband  mit  kleinen  aber  höchst  interessanten 
Sculpturen,  als :  nimbirte  Engel,  eine  Scheibe,  darin  das 
Lamm  Gottes,  in  einem  Kranze  die  Hand  Gottes  auf 
dem  Kreuze  ruhend,  Prophetengestaiten,  Evangelisten- 
symbole etc.  Nacii  aussen  ist  der  Deckel  von  einem 
Silberbande  eingefasst,  das  leider  nicht  mehr  ganz  er- 
halten ist,  was  um  so  mehr  zu  bedauern  ist,  als  die  In- 
schrift Aufschluss  gibt  über  die  Spenderin  dieses  Klein- 
odes. Aus  dem  Inscliriftfragment  ist  zu  entneinnen,  dass 
dieses  Tragaltärchen  das  Geschenk  der  Markgrätin 
Schwanhilde,  der  Gemalin  lernst  des  Tapferen  (l05t)  bis 
1075)  aus  dem  Hause  Babenberg,  des  Besiegers  der 
Sachsen  an  derUnstrut,ist,  dessen  vorzüglicher  Gunst  sich 
das  in  der  markgräflichen  Residenz  Melk  errichtete  Stift 
weltlicher  Choriierrn  zu  erfreuen  hatte.  Die  Seitenwände 
des  Schreines  sind  ebenfalls  mit  Elfenbeinschnitzereien 
geziert,  leider  aber  hat  eine  Schmalseite  diesen  Schmuck 
bereits  verloren.  Die  Vorstellungen  sind  Maria  Verkün- 
digung, deren  Besuch  bei  Elisabeth,  die  Geburt  Christi 
und  deren  Verkündigung  an  die  Hirten,  die  Anbetung 
durch  die  drei  Könige,  die  Taufe,  der  Einzug  in  Jeru- 
salem und  das  Abendmahl  (Fig.  2ö).  Der  zweite  Schrein  ist 
beiläufig  um  ein  halbes  Jahrhundert  jünger.  In  der 
Mitte  der  Deckplatte  ist  ein  Porphyr  eingelassen,  anf 
dessen  bandtörmiger  kupfervergoldeter  Einfassung 
tolgende   Worte    zu    lesen    sind :    Plus    valuit    cunciis 


I-"ii 


(Sciteiisti'ttLMi.i 


Johannes  voce  preconis  inquit  en  agne  qui  tollit  crimina 
nuuidi;  was  dahin  deutet,  dass  der  Altar  eine  Reliiiuie 
des  Vorläufers  Christi  enthalfen  haben  dürfte.  Der 
breite  Holzrand  der  Oberfläche  ist  mit  dunkelrothem 
Sammt  überzogen.  Die  Seitenwände  sind  ebenfalls  mit 
Elfenbeinreliefs  geziert,  doch  haben  dieselben,  wenn 
gleich  wcrthvoll,  doch  einen  minderen  Kunst werth,  als 
die  des  anderen  Schreines.  Wir  sehen  Christus  als 
Weltrichter,  die  Verkündigung,  Geburt  Christi  und  die 
drei  Könige;  eine  aus  den  Wolken  herabreichende  Hand 
mit  einem  Kranze,  Christus  umgeben  von  mystischen  Ge- 
stalten und  endlich  eine  Wiederholung  der  ersten  Vor- 
stelhing  (Fig.  27j.  Die  Figuren  sind  derb  und  hart, 
doch  ist  daran  byzantinischer  Eiufluss  nicht  zuerkennen. 
(S.  Mitth.  der  Central- Commission  XV.  p,  XXXI.) 

Aus  dem  Schatze  des  Wiener  Domes  sehen  wir  hier 
ein  Reli(|n  i  e  nkii  stehen,  das  nocli  dem  XIH.  Jahrh. 
angehören  mag  (Nr.  117).  E.s  ist  von  Holz  und  mit 
beinernen  Plättchen  überzogen.  Dasselbe  zeigt  auf  den 
Aussenflächen  tlieils  Laubwerk,  theils  drachenartige 
in  einander  verschlungene  Thiere  eingravirt.  Die  Linien 
der(;rnvirung  sind  sciiwarz  und  roth  ausgefüllt  (Fig  28, 
S.  Mitth.  d.  Central-Commission  XIII.  p.  CXIX>.  Ein 
anderes ,  sehr  beachtenswerthes  in  Elfenbein  ausge- 
führtes Schnitzwerk  ist  das  unter  Nr.  119  ausgestellte 
und  dem  Stifte  Seiten.stetten  gehörige.  Dieses  dem  XII. 
Jahrhundert  entstammende  Schnitzwerk  (4'  ,'  lang,  4 
breit)  zeigt  in  der  Mitte  den  sitzenden  Christus,  die 
Füsse  auf  dem  in  einem  Kranze  beflndliclien  Bogen 
gestutzt,  in  der  Linken  das  Buch,  die  Rechte  wie 
segnend  ausstreckend  gegen  ein  Kirchenmodell ,  das 
eine  gekrönte  Figur  im  Arme  hält.  Ein  Heiliger  führt 
den  Donator  und  ninnnt  ihn  gleichsam  in  Schutz; 
auf  der   anderen  Seite    des  Heilands  Petrus    mit    den 


—      1()8       - 


Fif^.    30.     (Klostonieiiliurff. ) 


sein  Monograniiii  hiklciidcii  .Sclilüsseln  und  zwei  Hei- 
lige (:5.  Jahrbuch  II.  p.  126  ,  Fig.  29).  Zeigt  dieses 
Schiiit/.\v('i-lc  eine  gewisse  Strenge  in  der  Ornpiiining, 
der  den  l)_y/,!intiiiisehen  iOinfliiss  unzweifelliiirt  cri^ennen 
läsßf,  so  ist  das  niicli.slfiilgcnd  /u  bes]ireciiciide  Min 
einer  Zartiieit  niid  Weieiiiieit  der  Hohandlung ,  die 
auf  die  in  der  frUh-romanisehen  Zeit  noch  bestandenen 
Traditionen  der  Antike  hinweist.  Es  ist  diess  jenes  liiielist 
irieri<wiirdigc  (•llfenliein  -  Sc  hn  i  t /.  W('rk  aus  dem 
Stiltclb  iligeiikreuz(Nr.  12(»),  das  der  frliii-nniianisi  Ik  ii 
Zeit  an;;eh(irt.  In  einer  Linraliniung  Min  Akanthiis 
blättern  ist  der  heil.  (Jregor  dargestellt ,  er  sit/.t  am 
Schreibpnlte,  mit  dem  firitFei  in  der  Hand,  und  (lie 
Taube  schwellt,  ihn  inspirinMid,  an  seinem  Olire.  l'ber 
dem  Schreibpnlte  erliebt  sicii,  von  zwei  Sänb'u  ge 
tragen  ,  (;in  Uaiibiciiin  samnit  Thiirinen  und  Zin- 
nen; in  der  unteren  Alitheibing  des  Schnitzwerkes 
sieht  man  drei  schreibende  Mönche,  flregor  hat  als 
Bekleidung  eine  lange  Tnnica,  ist  bartlos,  mit  etwas 
breitem  (iesichte  und  kurzer  (lestait;  ebenso  bekbidri 
sind  die  Mönche,  und  sämnitliciic  Figuren  liberiiaii|il 
kurz  und  gedrungen.  Die  ganze  Architektur  hat  eiit 
>'-hi(:il('n  spät-römischen  Cliarakter.   l)ir   Miiiiniig  iibci- 


das  Alter  dieses  Sciinitzwerkes  ist  seiir  aliweiciieiul; 
während  einerseits  von  einigen  Fachmännern  noch  da^ 
XH.  .Taiirhiuidert  aiigenonmien  wird,  setzen  anderi'  da 
für  (las\'l.  .laliriiniidertaii,  wofüi- nach  der  Ansicht  des  llc 
fe reuten  die  grössere  Walirsclieiiiliehkeit  spi'ieht  (Tal. III ). 
Unter  Nr.  I:  2  des  Katalogs  erscheint  eineKlfen 
lieintafel  (Eigenthuni  des  Stiftes  Klostcrneubnrg)  mit 
der  DarstelliingdesTodes  Mariens.  Die  heil.  Blatter  liegt 
umgeben  \dn  sä  mint  liehen  Aposteln  ;iMf  einem  liolieii.  \'oii 
dünnen  Säulen  getragenen  IJette,  die  lliiiiije  iiin'rder  IJriist 
gekreuzt ;  .lohannes,  der  zu  Füssen  des  Hi'tti's  steht,  be 
rührt  den  Leichnam,  Fetrus  schvvingt  das  Hamdifass. 
(iegeii  ilie  Mitte  des  Itettes  zusteht  Christus,  mit  beiden 
Händen  die  Seele  Mariens  in  (iestalt  eines  ^\'ickelkilldes 
«•niporhaltend  über  der  ganzen  (Iruiipe  schwellen  zwei 
Kugel,  wo\(in  der  eine  einen  Schleier  nml  der  andere 
gleiclilälls  eine  Kindesgestalt,  ähnlich  der  früheren,  in 
den  Aiiiien  hält,  und  —  wie  aus  den  Händen  Christi 
iiii|ifangen  -  in  den  llimniel  trägt.  Mit  b'ücksiclit  ant 
die  kurzen  gedrungenen  i'^ormen  der  I''iguren,  auf  deren 
l'.rkleidungnnd  (iesichtstyiius,  endlich  aul  (las  Festhalten 
der  Körperbewegungen  an  gewissen  conventionellen 
{'"ornieii    lässt  sieh  annciinien,   dass  dieses  Schnitzwerk 


I(i<) 


(Fij;.  .'5]).  Niclil  zu  ühcrsclion  ist  iliis  iiutcrNr.  iL'l  ausge- 
stellte, in  Serpentin  gesclmittcne  Ik-liefliy/.antinisclien 
la-s])rung-es,  von  (>%"  im  Durcinnesser.  Es  zeigt  das 
Hru.sthild  der  Mutter  Gottes  ohne  Kind  in  gerader  An- 
sicht, zu  beiden  Seiten  die  ahbrevirte  grieciiischelnsehrift 
Mater  Dci.  Der  Stein  ist  gesjjrungen,  zusaninienge- 
kittet  und  in  einen  neuen  liolzrahnien  gebraelit,  auf  der 
Ixüekseite  nnt  einem  IJiatt  Pajiier  beklebt,  darauf  eine 
die  KrlänterungdesBddes  enthaltende  Insfhrift  sich  be- 
findet. (Fig.  .".2,  s.  Mitth.d.  Centr.Comm.  VI.,  j.ag.  132.) 
.\ucli  ist  hier  unter  Nr.  ]2H  ein  kupfernes  Weihrauch- 
scliiftehen  mit  reichem    Emailschmuck    ausgestellt,  das 


Kig.  31.      (Salzburg.) 


im  XIH.  Jahrhundert  entstanden  ist  (Fig.  30,   s.  Mitth. 
d.  Centr.  f'omm.  VII.,  pag.  142). 

Das  vom  Stifte  St.  Peter  in  Salzburg  unter  Nr.  123 
des  Katalogs  ansgestellte  Reliquicnkiistehen  in  Form 
eines  Schreines  aus  Holz  und  an  der  Anssenseite  mit 
zierlich  durchbrochenen,  sehr  feinen  Elfenbeinsclinitz- 
werken  tx'deckt, gehört  ebenfalls  in  das  X  in.  Jahrhundert. 
Auch  das  (Giebeldach  ist  mit  solchen  Elfenbeinjilättchen 
geziert  und  durch  die  feinen,  äusserst  zierlich  gearbeite- 
ten Elfenbeinbckleidungen  schimmern  ülierall  feine 
rioldplättclien  durch,  welche  zwischen  den  Wandtlächen 
des  Kästchens    und  den   Schnitzereien    eingefügt   sind. 


V\g.    ;32.  (Hciligenkr 


S>. 


■"■Y^c 


\ 


ng.  33. 


rGnrkfeld.) 


Fi!?.  34. 


—     170 


Fijf.  35.  (Klosterneiiburg.; 


aus    (lern    ll'.  Julirliuiniert  staniineiul,    dem   Stifte  Laiii- 
liaeli  t;ehört. 

Ferner  tiiideii  sich  iincli  in  dieser  Vitrine  zwei  höl- 
zerne Kännne  aus  dem  X\  .  Jahrhundert  mit  yothiseheu 
\'erzierungen  und  alttVanzösischer  Insehrift  (^Stitt  Klo- 
sterneuburg  Nr.  110  und  111),  eine  selir  hübsehe  Sta- 
tuette aus  Holz,  vorstellend  einen  sitzenden  Ecce-liouio, 
XVII.  Jahrhundert,  ^luseuni  Fraueiseo-rarolinuni  in  Linz 
(^Nr.  112")  ,  ein  Elfenbein-  'rriptyelion,  in  der.AIiite  Maria 
mit  dem  Kinde,  auf  den  Flügeln  Darstellungen  aus  dem 
Leben  der  iieiligen  Jungfrau,  XV.  Jahrhundert,  Stift 
St.  Florian  (Nr.  118),  ein  zweites  derartiges  Sehnitz- 
werk,  in  der  Mitte  die  heiligen  drei  Könige,  an  den  Seiten 
je  zwei  heilige  Frauen  ,  XV.  Jahrhundert,  Stift  Neu- 
kloster in  Nieder-Usterreich  (Nr.  128) ,  ein  bronzenes 
Rauehtass,  XY.  Jahrhundert,  des  Stiftes  St.  Florian, 
Ober-Osterreieh  (Nr.  13;5),  zwei  gothische  Leuehter  aus 
Kupfer,  Stift  Lambaeli  in  Ober-Osterreieh  (Nr.  i;'4  und 
135),  ein  hiibseher  roiiianiselier  Leuehter  des  Herrn  Prot. 
K.  Klein,  ein  eisernes  Vorhäugesehloss  mit  eingeätzten 
Ornamenten,  XVIL  Jahrhundert,  Stadtgemeinde  Wiener- 
Neustadt  (Nr.  lol)  ,  zwei  Thiirsehlösser  aus  Eisen  aus 
dem  XVH.  Jahrhundert  (Nr  182  und  i;!G\  Stift  Neu- 
kl( >ster  und  Stift  Herzogenburg,  ein  G  i  1 1  e  r  t  b  ü  r  s  e  h  1  o  s  s 
(Nr.  130)  ursprüngiieh  in  Maria-Saal,  jetzt  im  Landes- 
niuseum  zu  Klagenfurf,  löi/o"  lioeh,  unten  18'', oben  10" 
breit.  Die  Vorderseite  ist  aus  durehbroehener  Arbeit,  das 
aufgelegte  Ornament  gleieht  eineni  fensterartigen  Mass- 
werke mit  unterlegtem  farbigen  Pergament.  Die  Mass- 
werkverzierungen sind  bis  in  das  kleinste  Detail  fein 
und  zart  durchgearbeitet  und  die  in  Anwendung  ge- 
braehten  Motive  weisen  auf  eine  ganz  entwickelte 
(iotliik  hin,  so  dass  man  die  Zeit  der  Anfertigung 
dieses  schönen    Sehlosses  jedenfalls  in  das  Ende   des 


'i»Ä?J^''^^-<^VP^VrD  ES-  R  e  S^S  I  G  N  ÄTiS/'f^CI, 


■X 


M'Ä, 


riff,  3«.     'Wiltrn.) 


—     171 

XV.  .lalirlmiiilcits  versetzen  kann  (Fig  33,  s.  Mittli. 
d.  Centr.  C'üuiiii.  XV.  jjag.  öl).  Hier  finden  sich  auch 
mehrere  theils  ganz  silberne,  fheils  nur  an  den  beiden 
Enden  mit  Silber  besciiiagcne  l'ürgprnu'ister- undStadt- 
richterstäbe  aus  dem  X^■1I.  .lahrliunilcrt  (Nr.  14(»  der 
Stadt'  Gurkt'efd  in  Krain,  Fig.  o4 ,  ferner  Stadt- 
rieiiterschwerter ,  deren  Gritf  und  Selieidebcschläge 
ebenfalls  von  Silber,  aus  dem  X\ll.  Jaiirliundert  (Stadt- 
gemeinde  SteierNr.  138,)  Pistolenmit  in  Eisen  gesclmit- 
tenen  Verzierungen  (Nr.  144),  ein  RadschJoss  mit  theils 
gravirten  ,  tiieils  geätzten  Verzierungen,  Hirsciifänger 
mit  Elfenbeingriff  und  Siiberniontirung,  ein  Besteck  mit 
goldenen  Gritfen,  sehr  schöne  orientalische  Arbeit,  zwei 
Dolche  mit  SilbergrifF  und  Seheide,  der  eineitaiienische, 
der  andere  oriental  sehe  Arbeit  (Nr.  137.  141,  14_'  und 
147.  \.  Widter),  das  Schwert  zu  audertliajl)  Faust  des 
ersten  lloelnneisters  des  Georgsordens  in  Millstatt  in 
in  Kärnten  vom  Jahre  1499,  3'  7  '  hoch,  Griti'  und  Parir- 


Stange  von  vergoldetem  Silber  ,  ersterer  gravirt,  auf 
letzteren:  Ave  maria —  gracia  jilena.  Auf  dem  runden 
Knoiife  zwei  emaillirtc  Wa])|ien  (des  Ordens  und  der 
Familie  Siebenhirter),  dieSclieide  mit  vergoldeter  Silber- 
fassung (Nr.  1 39,  Landes  Museum  in  Klagenfurt). 

Die  obere  Abtheilung  dieser  Vitrine  enthält  drei 
liöehsf  werthvoile  und  alten  Zi;iten  ani;ehörige  Trink- 
gefässe,  die  dem  Dienste  der   Kirche  gewidmet  waren. 

Unter  den  geweihten  Gefässen  der  Kirche  nimmt 
der  Kelch  die  wichtigste  Steile  ein.  luden  ersten  alt- 
christlichen  Zeiten  bediente  man  sieh  hölzerner  oder 
gläserner  Kelche  bei  Verrichtung  des   Messopfers,  aber 


3P;.    (Salzburj;-.) 

schon  zu  den  Zeiten  derdiocletianischen  A'erfolgnng,  also 
im  111.  Jahrhundert  werden  goldene  uml  silberne  Krlehe 
crwälmt.  In  der  Folgezeit  werden  diese  edlen  Metalle 
das  ausschliessliche  Material,  welches  durch  künst- 
lerischen Schmuck ,  namentlich  Niellen  und  kostbare 
Steine,  noch  höheren  'Werth  erhielt. 

DerKeb'h  besteht  aus  drei  Thcilen,  dem  Fiiss  zum 
.\iit'stellen,  dem  Knauf  zum  Anfassen  und  der  Cuppa 
oder  Sehale  zum  Trinken. 

Zu  unterscheiden  sind  die  zum  gewöhnlichen  Ge- 
brauch am  Altar  l)estinnnten  kleineren  (Jless)  Kelche 
\ondenzur   Austlieilung    des  Aljendniahles ,    ehe    den 


iFig.  37.      iSjil/.biii'fc.) 


—     172 


Fi:,'.  :V.).    (S;\\y,hu\-a: 


Fi;;.  V>.     (Hnh.hwTK-i 


Lilien  (icr  Ki'lcl:  cützoüeii  war,  ln'stiiiiintcii  Speise-  oder 
Ministerialkeielie.  Sie  waren  unifani;reielier  al.s  die  ge- 
wöhnlielien  Piiesterkelche,  damit  in  der  Ke^el  zu  ^lei- 
clier  Zeit  einei-  i;rö.ssercn  Aiizalil  Olänltiij'er  das  lieiiij;c 
Aliendmalil  fi'cspeiidet  werden  U()nnte,  und  mit  Hand 
lial)eii  \crseiien,  ilaniit  tlen  Diaeoueii  der  ({eliraiicii 
derseli)en  erleielitert  war. 

Die  Aiisflieiluuf;'  des  Weines  {jescliab  alsdann   mit 
tel.st    eines    kleinen    Saii^n'olires    (fistitla,    ealnins)    aus 
(!(ijd,  Silber,  Klfenliein,  welches  mit  einer  ndi'r  melirereii 
llamlliahen  \crselien  war. 

Die  kleinen  Kelche  zert'allen  nach  ihici-  IJestim 
munj;'  in  j;'ewölinliclie  Messkelclic,  in  snli'he  ,  die  liei 
(eierlichen  (ielcfi-eidieitcn  f,^el)rauclit  wurden,  l'untilieal- 
kehlie.  ferner  lieisekelelic,  welche  klein  unddl't  /,nm  Ans- 
eiManderlej;en  ein;;'ericlitet  waren,  und  endlich  (irali 
krlche,  meistens  klein  und  von  werthhiseni  Metall  ,  die 
man  den  Itiscliiiten  ins    (Jrnl)  zu  ft-ehen  pde.n'te. 

\(in  dem  Stille  Kldslerneuliuri;'  wurde  ein  solcher 
üeisekelch  sammt  l'alena,  lltistienhiiclise  nnd  Messkänu 
chcii  aus  dein  W.  Ja liihundert  (Nr.  1  Hi,  Fi;;'.  '.U  \ 
zur  Ausstelluiif;-  j;ei)raclit.  Seine  Hestinnnunii'  als 
Itcise-Kcich  (diarakterisirt  si(h  dadurch,  dass  er  in  drei 
'riiiilr  zerlej;liar  ist,  die  mittelst  eines  am  l^^iisse  iieliud- 
lichen  /apl'eiis  in  einander  ^'eschi'auhl  wei'dcn  kimnni. 
I»ic  Mcs>k;inuclicii  sind  s(i  :;'cl'(ii'ml,    dass   sjc  der  l'"liichi' 


17.}     — 


des  Fiisses  ;uifgelef;t  wcnleii  können,  (larüticr  konnte 
sodiinu  die  Cai)i);i  f,'estüiv.t  werden.  lu  die  Ilüldung 
des  Kuf-ses  passl  die  Ilosticneapsei  und  als  letzter  Schluss 
dient  die  Tatenc,  die  in  ihrer  Mittelfläche  mit  einem 
i,'ravirten  Usterlainm  sammt  Faluie  geziert  ist.  (S.  Mittli. 
d.  Centr.  Connn.  AI.  |)ag.  2(1S.) 

Der  älteste  der  in  Deiifseiiland   l)ekannten  Kelche 
hetindet  sieh  in  der  Abtei  Krenismiinster  und  wird  durch 
seine  Inschrift:  ,,Tassilo  dux  fortis  Liutpirc  virga  rega- 
lis"  als AA'iilmung  des Ilcrzcigs Ta s s il o, welclier dasKlu- 
sier  777  gegründet  iiat,  bezeichnet.  Seine  Form  ist  i)ri- 
mitiv  und  wenig  gegliedert,  der  trichtertormigcFussund 
Knaul'  gehen  Jn   einander  über  und  nur  die  6"  weite, 
stark  ausgebauchte   eiförmige  Cuppa  wird  durch  einen 
Perlenstab    von   den    unteren  Theilen    gesondert.     Die 
Höhe  des  ganzen   Kelches   beträgt  10".    Das  Material 
ist  Kupfer,  welches  mit  silbernen  Niellen  und  goldenen 
Ornamenten  besetzt  ist.  Die  Brustbilder  Christi,  der  Evan- 
gelisten mit  ihren  Syndiolen  und  vier  männlichen  Heiligen, 
in  Medaillonform  auf  der  Cuppa  und  dem  Fusse  ange- 
bracht, sind  interessante  Zeugen  der  barbarischen,  noch 
rohen  und  stylloseu  fränkischen  Kunst.  Ob  der  Kelch, 
der  mit  Kücksiclit  des   Charakters  der  Ornamente   ein 
heimisches  Werk  vernuithen   lässt,   ursprünglich  kirch- 
liche   Hestinnnung   hatte,   sind  die  Fach.gelehrten  ver- 
schiedener   Aleinung;     Ueferent    neigt    sieh    der   An- 
schauung hin ,   dass  der  Kelch    stets  nur  profane    Be- 
siiuimung    hatte.     (Nr.    151.)   Siehe   die    beigegebene 
Tafel.  IV.  (}l\U\\.  d.  Centr.  Comm.  III.  Band.) 

Als  Beispiel  der  erwähnten  Communion-Kelche  sei 
vorerst  jener  im  Stifte  Wilten    in  Tyrol  besprochen. 

Er  ist  aus  Silber,  im  Feuer  vergoldet,  und  stammt 
aus  dem  Ende  desXII.  Jahrhunderts.  Der  Fussist  kreis- 
rund   (()"  8"  Durchmesser)  und  fast  flach.  Der   Schaft 
cylinderförmig,  mit  einem  runden  Knauf  versehen.    Die 
mit  zwei  Henkeln    versehene    Cuppa    bildet    im    l'rofil 
einen  regelmässigen  Halbkreis  mit  einem  Durchmesser 
von  5"  S>/.."'.  Als  Trennungsglieder  zwischen  der  Cuppa 
und  dem   Knaufe  ,   so  wie  zwischen  diesem  und   dem 
Fusse  sind  Ringe  in  Form  von    Eierstäben  angeljraclif. 
Einen  besonderen  Wertli  hat  der  Kelch  durch  den  Reicli- 
thnm   ornamentaler  und   liguralischer  Ausschmückung. 
In     lunamentaler   Beziehung  tritt  als     Hauptanordung 
an  dem  Kelche  die  Eintlieilung  der  Flächen  des  Fusses 
und   der  Cuppa    in    runde,  aus   verschlungenen    Band- 
streifen gebildete  Felder  hervor,  von  denen  jedoch  nur 
jene   des  Fusses  eine  regelmässige  Kreislinie   bilden, 
jene  der  Cuppa  hingegen  etwas    verzogen   erscheinen. 
Sämmtliche  Felder   des  Kelches   sind   mit   Scenen    des 
alten  und  neuen  Testaments  geschmückt.  Die  ornamen- 
tale Technik  besteht  theils  in  Gravirung  und  Niellirung 
vorzüglichster  Art,  theils  in  getriebener  und  gegossener 
Arbeit ;  letzterer  Art  sind  der  Knauf  mit  den    beiden 
Ringen  und  die  Henkel,  deren  Ornament  aus  stylisirtem 
Laubwerke  mit   zwei    Perlenstreifen    an  der   Randseite 
besteht. 

Am  senkrechten  Rande  des  Fusses  ist  in  schön  und 
rein  geformten  Uncialen  die  Inschrift  zu  lesen  :  f  parce 
calix  isto  per  (|Uos  datus  c^t  tibi  x\)q  bertoldi  nionitis 
cui  sis  mitissime  mitis.  l'nter  dem  Kamen  Berchtold 
dürfte  ein  Graf  von  Andechs  gemeint  sein,  welcher  laut 
einer  Klostertradition  diesen  Kelch  dem  Kloster  ge- 
schenkt hat.  An  der  äusseren  Einfassung  der  Fuss- 
Häche  läuft  folgende  Inseiirift  :  „in  testamento.  veteri. 
XVIII. 


ipiasi.  sub.  teguniento.  clausa,  latet.  nova.  lex.  novus.  in. 
cruce.  quam,  reserat.  rex."   (Fig.  ;36). 

Die  Patena  ist  auf  beiden  Seiten  nur  mii  tiguralen 
Darstellungen  gesdiniückt.  Die  in  der  Mitte  der  l.'ück- 
seite  sind  in  Relief,  die  der  Vorderseite  in  Xiello  ausge- 
(iilirl.  ^Vh■  sehen  die  Kreuzigung,  am  Rande:  die  Syna- 
;;n,-e  in  die  Pforten  der  Yorhölle  einziehend,  die  P.e- 
freiung  der  Voreltern  aus  derselben  und  deren  Eiu- 
fiilining  in  den  Himmel,  dann  als  Mittell.ild  oben  die 
Frauen  beim  heiligen  (irabe,  Christus  auf  dem  Wege 
nach  Kmaus  und  dortselbst,  die  Scene  mit  dem  heiligen 
'i'homas,  und  die  Himmelfahrt.    (Siehe  Tafel  V.  und  VI.) 

Die  beiden  jedocii  nicht  ausgestellten  Fistulae  sind 
von  Silber,  kleine  dünne  Röhrchen,  7 !/.,'■  lang,  au  der 


l'ijr.  41.    Krenismiinster.) 


23 


174 


FiK.  U. 


"v^.    4-J. 


Zwcttl.i 


Fi^.  A- 


einen  Seite   enger  luul   in  der  Jlitte  mit   einer    kleinen  * 
herzförmigen  Handhabe  versehen.  (Nr.   l"2ß  und  157.) ' 

Der  S])eisekc]eh  im  Sciiatze  des  Bencdictiner- Stif- 
tes zu  St.  Peter  in  Salzburg  ist  9'  V'li'>fli  und 8" breit. 
Silber  und  vergoldet.  (Nr.  114  und  158.) 

Die  Fläche  des  kreisrunden  und  am  äusseren  Ran- 
de mit  Steinen  gezierten  Fusses  sehniiieken  zwölf  umge- 
stürzt elktgenreihen,  die  gegen  denKn;iiif/usi  rahlcnförmig 
ziisainmenlaufeii,  in  denen  aus  einer  tiiuniiartigen  Archi- 
tektur en  relief  die  Brustbilder  vim  zwölf  männlichen 
Gestalten  mit  Palmen  in  den  Händen  sichtbar  sind.  Auf 
diesem  Fusse  ruht,  und  zwar  von  demselben  nur  dnrcii 
den  aus  Krystall  gefoi-niteii  runden  Nodus  getrennt,  die 
('U])iia,  die  jedoch  abweichend  \(iu  der  Gestalt  der  ge- 
wöhnlichen romanischen  Kelche  sich  der  Vasenform 
nähert  und  in  dieser  Beziehung  zu  den  cigenthiuniiciislt'n 
Erscheinungen  unter  den  liturgischen  Gelassen  dieser 
G.iirung  gcliört.  .\uch  die  Aiissciimückung  der  mit  zier- 
lichen Henkeln  versehenen  Cuppa  ist  ähnlich  jener  des 
Jusscs.  In  den  zwölf  ovalen  Fehlern  der  unteren  Hälfte 
sind  gleichfalls  en  relief  zwölf  männliche  als  Pioiilieten 
erkennbare  Gestalt('n  angebracht,  die  tlieils  aufwärts 
schauen,  tlieils  mit  erhobener  Hand  iiinaiifweisen.  Die 
Fläche  des  oberen  Tlieiles  der  Ciippa  ist  mit  einem 
Inseln iftstreifen  gcschmUckt. 

rnterhalb  dieses  Schriftstreifens  iäun  um  die(;ii)i|ia 
ein  Zierband  herum  ,  das  mit  Ornamenleii  ausgefüllt 
ist,  welche  in  ihrer  Form  an  shnische  Inschriften  er- 
innern und  auch  durch  lange  Zeit  dafür  gehalten  wurden, 
was  aber  nicht  der  Fall  ist.  (Fig.  i',7.) 

.Auf  der  Patene  ist  in  einer  dreizehid)lättrigen  Hose 
Christus  mit  den  zwöirAposteln  dargestellt  und  zwar 
wurdcfrcraiIejcnerMoment  ge wählt, wo cilfderApostcl  die 
iJccIite  cini)orheben  und  fragen:  P»in  ich  es ?  währeml  Judas 
gleichzeitig  mit  dem  Heiland  di(' Hand  in  die  rosi'nför 
mige  Schllssel  taucht;  in  der  .Mitte  derPalem'  sehen  wir 

'  s.  .Inhrliiirl.  IV.,  (.«g.  27. 


das  Lamm  Gottes  in  dei-  üblichen  Darstellungsweise. 
Kelch  und  Patene  tragen  emaillirte  Inschriften  in  üncial- 
buchstaben,  als : 

ti)  am  Rande  des  Kelches:  iiriseoriim  suspirant 
vota  virorum,  hie  sanguis  restauret,  quod  negnt  anguis. 

l>)  am  Rande  der  Patena:  hec  duodena  eohors  fit 
hoc   in  nmnere  Concors,  hie  i)ia  vita  datur,  tetra  mors 


l'"iff.   ■!,').     I  KJii^lcrni'iilinr^i'.; 


-    i7:> 


Fig.  4ij.    (Salzburg.) 
litic  iiaiif  tu  .trat  11  r :  Peetore  tractatur,  quod  xi.-sii  rite  iie- 
iratur;  Ecct-  favo,  non  panis,  qiuul  visu  rite  nei;atiir. 

r)  im  Iiiueni  der  Patena:  eliors  est  iiidignu.s  licc 
fena  saius(|ue  beiiip:nis;  qui  camem  iiiidain  inaliis  aiii|)is« 
as])iee  Judaiii. 

rf)  Ulli  das  ( »sterlanim  :  Pi ciiti  iiinrliis  lioi-  ;i:;iiii  sal- 
vitur  orbis  i 

Der  unter  Nr.  120  ausj;estellteKeleli  .•^aiiimt  l'ateiia 
i.st  ebenfalls  dein  Scliatze  de.sRenedietinerstil'ies  St.  Peter 
in  Salzburii'  entiioiiniieii.  Er  ist  ans  Silber  an!iefertii;t  und 
veriroldet.  hat  eine  Midie  von  4'/^',  gehört  dein  XII.  Jahr- 
hundert an  und  repräseiitirt  die  einfaelie  Kelehfnrin 
während  des  roinanisehen  Style.s.  Der  Fuss  ist  rund  und 
steigt  triehtertonnig  an;  der  eigentliehe  Sehat't  fehlt  und 
wird  dureil  einen  runden,  zieinlieh  breiten  Nodus  ersetzt. 
Die  Trinkseliale  ist  halbkugeltürniii;'  mit  etwas  ausge- 
bdgeiiem  liande.  Zwischen  Schale  und  Nodus  ist  ein 
kleiner  King  mit  Perlen-Ornament  eingesetzt  (^S.  Jlitth.d. 
Ceiitr.  Coinni.  XIII.,  png,  421). 

Die  Patene,  welche  nrs])riinglich  nicht  zum  Kelche 
gehörte,  hat  einen  Durelimesser  von  b\/,"  und  trägt 
in  der  \ertiefteii  Mitte  innerhalb  eines  Seciispasses 
das  Bild  des  Osterlammes  mit  dem  Kreuzninibns.  Von 
der  Brust  des  Lammes  geht  ein  Blutstrom  zur  Erde  und 

I  .S.  M:tlh.  li.  Cent.  Com.   VIII    p.   2.'> 


mit  dem  rcciitcn  Vorderfusse  trägt  es  eine  offene  leere 
Schrittrollc.  Über  dem  Lamme  sieht  man  eine  segnende 
Hand  sich  herablassen,  an  deren  Wurzel  man  den  Sauiii 
eines  weiten  l'altenreiclien  Kleides  bemerkt,  l'm  diese 
Darstellung  der  Patene  und  am  Rande  des  Keleluiisses 
herum  befinden  sich  folgende  Inschriften: 

(laudeat  in  vita  lleinricus,  Sirus  et  Ita  und: 

Hoc  Tibi  devotus  dat  minius,  Christe,  (■erhohus. 

Nach  der  ersten  Inschrift  wurde  die  Patene  (mit 
einem  Kelche)  in  der  zweiten  Hälfte  des  XII.  Jahriuin- 
derts  von  den  genannten  Gliedern  des  angesehenen 
<irafengcschleclites  von  Burghausen,  welches (Jesidilecht 
wiederholilt  die  Schutzvogtei  über  das  Kloster  St.  Peter 
inne  gehabt  hat,  deni  Kloster  geschenkt  und  nach  der 
anderen  Inschrift  hat  diesen  Kelch  (mit  einer  Patene) 
ein  gewisser  (lerhobus  im  XL  oder  anfangs  des  XII. 
Jahrhunderts  geopfert  (Fig.  38  und  ;]!),  s.  ^litth.  d. 
<'cntr.  f '4)111111.  XIII.  jiag.  51). 

Eines  der  seltensten  kirchlichen  Gefässe  ist  die  so- 
genannte Columba,  welche  in  zw^ei Exemplaren  ausge- 
stellt ist  (Fig.  40).  Das  eine  der  beiden,  und  zwar 
sehr  gut  erhaltene,  gehört  dem  Domschatze  zu  Salzburg. 
(Nr.  loO,  DasGefäss  ist  aus  Kupfer  angefertigt,  hat  eine 
Hidievou  9"  und  die  Gestalt  eiuerTaube,  die  auf  tlacheni 
Postamente  steht.  Die  ganze  Figur  in  ihren  stylisirten, 
■wenig  zierlichen  Auffassung  ist  vergoldet,  der  Leib  und 
die  stelzenähnlichen  Beine  sind  mit  federförmigen  Ein- 
gravirungen  überzogen.  Der  Schnabel  und  der  mit 
einer  besonderen  Stütze  versehene  Schweif  sind  glatt, 
die  Augen  aus  blauem  Glasflnss  gebildet.  5Iit  besonderem 
S(dimucke  wurden  die  Flügel  ausgestattet;  sie  sind  nach 
Art  der  Flügelfedern  mit  schönem  bunten  Emaill  geziert, 
der  nur  i^ravirte   Deekel  zum  Offnen  des  aus  dem  Leib 


Fig.  47.  ^.Sanct  Paul. 


2a* 


—     i76     — 


4';'^^ 


'^  ^  m 


Fi;?.  48.    (Mari<a  Saal.) 

der  Taiil)e  g-ebildeten  Gefässes  ist  am  Kücken  der  Figur 
angebracht. 

Das  zweite  Gefäss,  jedocli  niirT"  lidcli,  findet  sicli 
im  Stiftscliatze  zu  Göttwoiü:  und  ist  daran  die  Tnnlien- 
^estait  mein-  entwickelt.  Es  ist  aus  Messini,- ani;-el'ertii;t, 
glatt,  ohne  Eniailschnnick,  in  nenererZeit  veigoldct  nnd 
dürfte  ebenfalls  aus  dem  XII.  Jahrhundert  stanniien. 
Stellt  man  die  Frage ,  welclien  Zweck  diese  Gefässe 
in  der  kirchliclien  Kunst  des  Abendlandes  hatten,  so 
nniss  man  l)emerken,  dass  schon  im  IV.  Jahrhundert 
Spuren  von  goldenen  und  silbernen  Gefässen  inTauiien- 
gestalt  in  den  christlichen  Kirchen  vorkonnnen;  sie  wurden 
|)cristerium  oder  cohimba  benannt,  auch  ciborium,  in  w'el 
chem  Falle  sie  dann  zur  Auflie  Wahrung  der  lloslic  dienten; 
diese  letztere  liest  innnnng  war  auch  die  am  meisten  übliche. 
Der  Platz,  den  die  Columbamitder  Eucharistie  einnahm, 
war  auf  dem  Altar,  meistens  stand  dieselbe  in  einer  von 
der  Decke  des  Ciboriums-Altars  lierabliängenden  Schalr 
oder  Schüssel,  die  dann  heraufgezogen  oder  niederge 
lassen  werden  konnte.  Otters  hing  dieses  (iefäss  auch 
über  dem  Taufbecken  und  dürfte  dies  mit  der  Übung  in 
Znsammeidiang  gestanden  sein  ,  dass  Täuflinge  nach 
dem  Taufaete  das  heiligcAliemlmal  empfingen.  Da  aber 
seit  dem  s|)iileren  Mittelallir  eine  andere  l'.i'liiillnissform 
fllr  die  Aulbewahruug  der  Eucharistie  gewählt  wurde,  so 
verschwand  die  ('(dundja  aus  dem  Gebrauehe  der  occi- 
dentalischen  Kirche.  Die  zweit(!,  aber  seltener  vorkom- 
mende liestininning  der  ('(dnndia  ist  die  des  Chrisma- 
riums,  zur  Auflic Wahrung  des  Chrisa ms,  eine  l>estiimnung, 
welche  die  beiden  in  Rede  stehenden  (iefässe,  mit  Klick 
sieht  auf  ihre  büclisenartige  Höhlung,  gidialit  halten 
dlirffcii.  I 


Hier  finden  sich  auch  die  zwei  Leuchter  aus  Kupfer 
mit  aufgelegten  niellirten  und  vergoldeten  Silberplätt- 
chen,  lö'/^'iioch;  die  gleich  dem  Tassilo-Kelcli  aus  dem 
Ende  des  VIII.  Jahrhunderts  stammen  und  Eigenthum 
des  Stiftes  Kremsmünster  sind.  Auf  der  Oberfläche  des 
dreieckigen  kleeblattförmigen  Fusses  sind  als  Haupt- 
relief Thiergestalten  und  an  den  Kanten  gleichsam 
als  Widerlager  drei  v(n-s])ringende  Salamander  oder 
Greifen  angebracht.  Freistellend  und  anfgelöthet  be- 
finden sich  ferner  noch  an  den  I'lattflächen  des  Fuss- 
gestelles  drei  Thierunholde  mit  aufgesiierrtem  Kachen 
und  umgebogenem  Halse.  Der  Fuss  ist  ciselirt,  polirt 
und  vergoldet;  die  Gestalten  der  Thiere  sind  mit 
kleinen  aufgelegten  Sillierstreifen  ornamentirt.  Aus  dem 
Fasse  baut  sieh  der  Ständer  auf,  der  an  drei  Stellen 
von  Knäufen  unterbrochen  ,  und  mit  Handstreifen  aus 
aufgelegten  und  mit  Laub-Ornamenten  geschmückten 
Silberplatten  bestehend,  umwunden  ist.  .\uf  jedem  der 
diei  Knaufe  sind  Kreise,  worin  als  Basreliefs  Tigeran- 
gebraeht  sind.  Oben  schliesst  der  Ständer  mit  einem 
riachen  Schüsselchen  ab  (Nr.  152  und  1Ö3  des  Kata- 
logs, s.  Fig.  41).  Bei  dem  Streben  der  romanischen 
Kunst,  ihren  Erzeugnissen  einen  tieferen  Sinn  unter- 
zulegen, dürfte  in  den  an  den  Leuchtern  iierundvriechen- 
den  Bestien  wohl  das  böse  Element  dargestellt  sein, 
welches  das  darüber  befindliche  siegreiche  Licht  der 
christlichen  Lehre  fruchtlos  bekäini)ft. 

DieMitte  dieser  Vitrine  nimmt  ein  eine  rei/,ende  El- 
fe n  b  e  i  n  g  r  u  ])  p  e ;  die  dazu  gehörigen  Figürchen  hat  Abi 
Bohuslav  (1248— 12Ö8)  von  seinen  Beisen  nach  Citeaux 
mitgebracht,  angeblich  ein  Geschenk  KönigLudwig's  XL, 
der  oft  den  Generalcapiteln  derCistertienser  beiwohnte. 
Auf  einem  Postamente  steht  Maria  (!'  hoch),  auf 
dem  Arme  das  ganz  bekleidete  Kinil,  welches  seiiu'n 
rechten  Arm  um  ihren  Hals  schlingt,  sie  blickt  es  freund- 
lich an  und  zeigt  ihm  ein  Spielzeug,  w\;lches  sie  in  der 
rechten  1  bind  hält  (Fig.  42).  Daneben  die  Verküiuligung  in 
.'V  hohen  Figuren:  Maria  stehcndden  iMantel  über  den  Kujif 
gezogen,  den  Bli(d^  zu  Boden  gesenkt,  ein  l>nch  in  der 
Hand,  eine  freie  liebliche  Gestalt,  —  der  ungeriügelte 
Engel  mit  kurz  gelocktem  Haar,  im  weiten  !\Iantel,  in  der 
Linken  die  Schedulamit:  „Ave  Maria"  die  liecliteineigen- 
thiindicher  Haltung  gegen  Maria  ausgestreckt  (Fig.  41-5); 
feiner  ein  Mann  mit  grauem  Haar  und  Bart,  vorwärts 
sehreitend,  in  der  Beeilten  eine  Krone  (vielleicht  einer 
der  heiligen  drei  Könige) ,  endlich  unten  vier  kleine 
iialliliguren  \'on  freundlichem  (Jesiehtsausdrucke,  Kronen 
;Mif  den    Händen   tragend,  mö>;-liclierwi'ise  die    (|nalnoi- 


.S    Miilli.  <l.  Olli.  Com.  XI.  |i.  CXXIII. 


I"i^'.    til.      il.aiii 


—      J77 


ooronati  vorstellend  (Fig.  44).  Diese FigUrchcn  scIrmuch 
HestaiuUheile  eines  grösseren  Keliqnienkiistelu'ns  gewe- 
sen /u  sein.  Haare  nnd  Verzierungen  sind  vergoldet.Augen, 
Wangen,  Lippen,  sowie  das  Futter  der  Gewänder  sind 
leicht  bemalt.  Die  Köpfe  erhalten  einen  eigentlniniliclien 
Ansdrnck  durcli  den  läclielnden  ]\Iiind  mit  liinant'gezogc- 
nen  Winkehi  und  die  selimal  geschlitzten  Annen;  dieser 
so  wie  die  leicht  geschwungene  Haltung,  die  mageren 
Hände  mit  eckiger  Bewegung ,  die  feinen  Falten  der 
(Jewandnngen  bezeichnen  die  Kunstrichtung  des  XHl. 
.lain-hunilerts,  wo  bei  leliendiger  Empfindung  und  Slre 
bell  nach  Charakteristik  eine  gewisse  gesuciitc  Zierlich- 
keit die  Stelle  der  Anmuth  vertritt  (Nr.  155  des  Katalogs, 
Herichte  des  Alt.  Ver.  V.  B.). 

In  der  Mitte  des  auf  diesem  Tische  befindlichen 
( i  laskasteiis  prangt  das  K  e  1  i  c]  ii  i  e  n  k  r  e  u  z  aus  dem  Stifte 
St.  raul,  auf  dessen  Existenz  Prälat  Seh.  l^runner 
zuei'sf  aufmerksam  gemacht  hat.  Das  Iveli(piieiikreuz  be- 
steht im  Innern  aus  hartem  Holz  und  zeigt  nach  ausßen 
Metallverkleidung  mit  Edelsteinen  und  (lemmen,  auf  der 
Kehrseite  in's  Metall  gravi]  te  Inschrilteii  bezüglich  der  im 
Innern  des  Kreuzes  einst  aufbewahrten  l;eli(|uien.  Das 
Kreuz  ist  8o  Centimeter  hoch,  der  Querbalken  hat 
(')()  Centimeter,  an  den  Enden  des  Querbalkims  uml 
olien  ist  es  mit  je  einem  Quadrate  abgeschlossen,  wel- 
ches eine  rahmenartige,  einen  Centimeter  über  das 
Kreuz  herausvagende  Erhöiiung  hat.  Au  den  vier  Enden 
des  Balkens  sind  die  Symbole  der  vier  E\angelisteir 
angebracht.  In  der  Mitte  des  Kreuzes  wird  unter  einer 
Kl ystallglasscheibe  der  eigentliche  Kveuzpartikel  auf- 
iKn\alirt.  Im  Uanzen  ist  die  vordere  Kreuzfläcdie  mit  ITo 
Steinen  geschmückt,  die  den  dünnen  Cloldbleclijn  ange- 
fügt sind,  darunter  Saphire  und  andere  werthvolle 
ungeschliffene  Edelsteine,  auch  gibt  es  werthlose  Onixe 
und  ('arni(de.  miluiiter  auch  wurde  an  Stellen,  wo  Edel- 
steine alibandeii  gekommen,  geschlirt'eiies  farbiges 
ülas  eingefügt.  Unter  diesen  Steinen  befinden  sich 
drei  egyptischeSkarabäen  oder  Käfer,  einer  in  Amethist, 
zwei  in  Carniol  geschnitten,  dann  24  vers(diiedene  alte 
(iemmen  in  Sard,  Carniol.  Amethist,  Laj^is  Lazzuli,  Agat 
und  Unix  geschnitten.  Die  Zwischenräume  der  ge- 
fassten  Steine  sind  mit  feinem  doppeldrähtigem  Filigran 
deeorirt. 

Die  Rückseite  des  Kreuzes  ist  durchwegs  mit  ver- 
goldetem Metall  überzogen.  In  fünf  (Öffnungen  ,  die  mit 
feiner  dundibroelicner  Arbeit  geschlossen  sind,  waren 
früher  an  hundert  Heiligenreliquien  aufbewahrt.  Selbe 
sind  nicht  mehr  darinnen,  die  Namen  der  Heiligen  aber 
befiiulen  sich  auf  der  Metallfläehe  eingravirt.  I'in  diese 
fünf  Otfnungen  zeigen  sich  gravirtc  Hciligenii'cstalten. 
Am  Fasse  des  Kreuzes  ist  zu  lesen:  „Claudit  hie  digiii 
erucis  alme  portio  ligni  de  tunica,  aspersa  sanguine, 
I'anonici  Regis  dedit  uxor  Thac.  Adilheidis.  Dominus 
Giintherus  Abbas  patravit  haue  crucein." 

Dieticscbiclite  dieses  Kreuzes  lässt  sich  in  Ftdgen- 
dein  zusammenfassen.  DieKreuzpartikel  wurde  \()r  dem 
.lalire  1077  durch  die  Königin  Adelheid  dem  Stifte 
St.  Blasicn  unter  seinem  Abte  Cisilbert  (lOliS— l()8(i) 
übergeben.  Selbe  bekam  vom  Abten  IJto  (1()8(J — IKK» 
und  ]](»8')  eine  Fassung  von  Bronze.  Der  Abt  Giinthe- 
rus (1141  — II  70)  entkleidete  sie  dieser  und  gai»  ihr 
dafür  das  gegenwärtige  weit  kostbarere  Gewand  von 
Edelsteinen,  Gemmen  und  Relifiuien ,  das  aber  durch 
die  I'nniinst    der   Zeiten    bedeutende    Schäden    erlitten 


"^'K-v 


^?r ',  •^" 


[■'i','.  fiO.   i^Wien.l 


—     178 


Iiat.  Die  rückseitige  Plattining-  ist  liieiiweise  niisge- 
sclinitteii  niul  weggerissen ,  walirsclieiiilicii  wollte  iiian 
zu  den  mitei-  derselben  befindlichen  Reliquien  koniiiien. 


l-iK. 


iMiit/.cii. 


Manche  Edelsteine  und  besonders  Gemmen  sind  ver- 
schwunden und  ihre  Stelle  ist  entweder  leer  oder  durch 
werthloses  ^faterial  (dme  Kunst  und  Geschmack  ersetzt. 
Die  ungünstigsten  Schicksale  sclieineii  in  der  neueren 
Zeit  für  das  Kreuz  gekommen  zu  sein ,  da  von  den 
Gemmen,  die  Abt  Gerbert  in  Hist.  nig.  sylv.  P.  2, 
p.  o8lJ  u.  f.  beschreibt  und  die  also  zu  seiner  Zeit  vor- 
handen waren,  wenigstens  acht  verloren  gegangen  sind. 
Von  dem  sonstigen  Inhalte  dieser  Vitrine  seien 
noch  erwähnt,  ein  reich  geschnittenes  Elfenbeinhorn 
mit  dem  Bilde  König  Hcinrich's  HI.  von  Frankreich 
(1575),  des  Stiftes  Heiligenkreuz  (Nr.  Itü),  ein  .silberner 
Rosenkranz,  ein  kleines  Kreuz  aus  Holz  mit  Metall- 
t'assung  und  Koralienbesatz,  weissseidene  Frauenhaiid- 
schnhe  mit  Goldbesatz  aus  dem  XVIII.  Jahriiundert. 

Die  Rückwand  des  Saales  zieren  zwei  altpersische 
Teiipiche  mit  schönen  Ornamenten  auf  Grund  von  Sil- 
berfäden  (Xr.  220  und  221,  Aussteller  Graf  Dürheim) 
und  ein  dem  Stifte  Kremsmünster  gehöriger  Gobellin 
(Nr.  235)  aus  dem  XVII.  Jahrh.  Unter  demselben  stehen 
ein  bemaltes  und  vergoldetes  Holzschnitzwerk  aus  dem 
X\'l.  Jahrhundert,  Eigenthum  des  Stiftes  Herzogenburg 
^^Nr.  ISS).  Dasselbe  stellt  den  Tod  Mai'iens  vor;  Maria 
kniet  ausserhalb  des  Bettes,  gestützt  auf  Johannes,  her- 
um neun  Apostel ;  ferner  die  schöne  Büste  Kaiser 
Karl's  V.  aus  Bronce,  ein  Geschenk  dieses  Kaisers  an  die 
Stadt  Brüssel,  jetzt  Eigenthum  des  Fürsten  Richard 
Metternich  (Nr.  22;]). 

Einer  iler  bedeutendsten  Gegenstände,  wenn  nicht 
der  hervorragendste  der  ganzen  Ausstellung,  ist  das  grosse 
Altarwerk  aus  dem  Stifte  Klosterneuburg,  bekannt  unter 
der  ik'zeichiiung:  Verduuer  Altar.     Es   bestellt   ans 
5]  Tafeln  mit  sehr  interessanten  Darstellungen,  ausge- 
tührt  auf  vergoldetem  Kupfer  mit  Email  champleve.  Bei 
Verwendung  dieses  Emails  wird  die  ]\Ietall|)l,ntte  selbst 
mit  dem  Stichel  derart  bearix'itet,  dass  N'ertiel'iiiigen  fiii- 
das  Email  gebildet,  hingegen  die  Umrisse  derZeichnung 
aus  dem  Metallgrunde  hervorstehend  belassen  werden, 
welche  an  diesem  Kunstwerke  fast  allgemein  vergoldet 
sind.  Emails  dieser  Art  sind  dasEigenthiim  deroccidenta- 
lisclieii  Kunst.    Die  Darstelhmgeii  grup])iren  sich  in  drei 
lloriztuil.ilreihen,  von  denen  die  mittlere  die  Begeben- 
heiten  aus   dem  Leben  Christi   (sub  gratia),   die  obere 
die  typologischen    Vorbilder  derselben    aus  dem  alten 
Testamente   voi-dei-  Gesetzgebung  .Mosis  (ante  legem), 
die   untere    jene  nach  Moses  (sub  lege)    enthält.      Die 
erste  seid<.rechte   Reihe  der  Bdder  enthält  die  Verkün- 
digung der  Geburt  I.saks,  die  des  Herrn  und  die  Sam- 
sons.  ZweiteReihe:   dicGeburt  Isaaks,  Christi  und  Sain- 
sons.  Dritte  iieihe;  die  Beschni'idiing  Isa.Mks,  Christi  und 
Samsons.      Die    vierte    Reihe:    oben   Abraham  und  Mel 
ehisedek,    in  der  Mitte  die  Opleriing  lU'r  heiligen  drei 
Könige,  unten  die  Königin  von  Saba,  als  Mohrin  dargiv 
stellt.    Fünfte  Reihe;  der  AuS'.ug  der  Juden  aus  Aegyp- 
ten,  die  Taufe  Christi  unddas  elu'rne  Becken  Salonions. 
Die    secliste    Reihe:   Moses    in    Acgy|)ten,    der  Kinziig 
Christi    und    das  jüdische    Osterfest.     Siebente  Reihe: 
das   Opfer  des  Me.lchisedek,   das  Abcndmal  ,    die    Ijii 
Sammlung  des  Manna.      Achte  Reihe:   der  'l'od  Abel's, 
dci'  Jinlaskuss   und   Aliner's  Tod.     Neunte;  Reihe:   das 
Opfer      Abraham's  ,     da.s     Opfer    Christi    am  Kreuze, 
die   Traube    aus    dem    l.,ande   der  \'crheissung.   Zehnte 
Reihe:  der  Sllndeiil'all  der  ersten  Menschen,  die  Kr(Miz 
abn.'ihme  und  die  Abrahme   des  Leichnams  des  Könii;s 


—      17'.) 


\()ii  .lcri<'lHi.  I'.iltlc  IJciln':  .losciili  wini  in  dfii  llniiiiifii 
,i;o,stiu'/t.  <lif  (iriihli'g-niii;'  Christi,  Jonas  von  dem 
Wnlltisclu'  \ ci-sciiliingen.  Zwölfte  Hcihc:  die  Pliifieii 
Ac'^yi)t('iis.  Cliiistus  in  der  Vorholle,  Sanison  tödtet  den 
Liiwcni^Fii:. 40).  Drt'izelnite  Keilir:  l'Mtriar(di  Jacdh,  das 
Ostcrianini,  Sanison  trägt  die  'l'liort' \ on  (ia/.ä.  \  ierzeiinte 
Keihe:  Knoeii .  die  Himmelfahrt  nnd  Elias.  Fünfzehnte 
Itcihe:  die  Areiie  Noe,  die  Ansyicssnng  des  iieilii;en 
(leistes,  jMoses  empfängt  die  Gesetztateln.  Seidis- 
zehnte  Reihe:  die  Arche,  das  Ptingstfest  nnd  Gesetz- 
gcbnng  am  Berge  Sinai.  Siebzeiinte  (Iruiipe:  das 
Jüngste  (Jerieht,  die  Engel  des  Geriehtes  und  die  Auf- 
i'rstehung  der  Todten.  Den  Sehlnss  bildet  oben  dass 
binnidisehe  Jerusalem  —  in  der  Mitte  der  Heiland  als 
Weltriehter  —  unten  der  llöUenraehen. 

Zwisehcn  den  Tafeln  sind  in  llaibtiguren  in  der 
oberen  Keihe  Engel,  in  der  Mitte  Propheten,  unten  die 
Tugenden  dargestellt.  Jede  DarsteHung  wird  dureli  einen 
leoninis(dien  Vers  erkiäit.  Kndlieh  ist  noeh  zuerwiihnen. 
dass  das  Werk  mit  kleinen  l'lättehen  eingefasst  ist,  die 
mit  in  versehiedeuiärbigeni  Email  ausgeführten  Orna- 
menten geziert  sind;  mau  zählt  davon  44  Muster,  davon  die 
weissen  durch  besonderen  (iesehmack  sicdi  auszeichnen. 
Zi'.folge  der  Inschrilt  wurde  dieses  grossartige 
Werk,  tlas  bedeutendste  Emailwerk  des  Mittelalters,  das 
man  kennt,  als  Widmung  des  sechsten  l'robstesWernher 
durch  Nicolaus  von  Verduu  im  Jahre  llSl  ausgeführt, 
und  zwar  als  \'erkleidung  eines  Lesepultes(Ambo);  erst 
nacii  dem  Ürande  des  Stiftes  (]o22)  wurde  es  zu  einem 
Flügelaltar  umgestaltet,  wobei  die  Tafeln  der  7.  und  11. 
Iteiiie  in  A\'ien  neu  dazu  gefertigt  wurden. 

Die  conventioneile  Richtung  des  XII.  Jahrliiuideris 
bildet  an  diesen  Tafeln  die  entscliiedene (Grundlage  ilirei- 
stylistisclien  Rehandhing.  Aber  sie  entwiclvL'lt  sicli,  wie 
Kngler  treffend  bemerkt,  von  solcher  Grundlage  ans 
gehend,  zu  einem  bewegten  Leben,  das  bei  manchem 
auffälligen  Ungeschick,  bei  manchem  sehr  Übertriebenen, 
die  bercdeste  dramatische  Aussprache  des  Moments  zum 
.\usdruek  bringt;  sie  gestaltet  sich  bei  cinzcdnen,  nament- 
lich weihlichen  Gestallen  zu  den  durchgebildeten  (Irund- 
zügeu  eines  classisch  geläuterten  Adels,  der  mit  Empfin- 
dung auf  die  Muster  der  Antike  zurückgeht  nnd  in 
staunenswürdiger  Meisterschaft  vorweg ninnnt,  was  etwa 
erst  um  ein  halbes  Jahrhundert  später  zur  umfassenden 
Au^bildung  gelangte.  Hier  sei  auch  der  in  erster  Vitrine 
dieses  Saales  aufgestellten  Emailtafel  Erwähnung  gethan 
(Nr.  1(3),  die  eine  im  15.  Jahrhundert  angefertigte, 
immerhin  beachtenswerthe  Naehhildung  Jenes  Email- 
i)ildes  ist,  welches  die  Verkündigung  Mariens  vurstellet 
(Eig-enthum  dieses  Stiftes  '). 

Auf  der  Rückseite  dieses  Altars  sind  vierTempera 
(iemälde  mit  Goldgrund,  auf  Holztafeln  angebracht,  die 
ohne  Zweifel  ebenfalls  unter  dem  kunstsinnigen  l'ropst 
Stefan  v.  Sierndorf  in  der  ersten  Hälfte  des  XIV.  Jahr- 
hunderts aufgeführt  wurden.  Die  Zahl  der  Bilder  uml  die 
Wahl  der  Gegenstände  derDarstellungen  erscheint  dureli 
die  (iesammtanordnung  des  Altarwerks  als  Flügelaltar 
begründet;  jeder  Flügel  enthält  eine  Tafel,  das  doppelt 
so  breite  Mittelstück  zwei.  Erstere  wurden,  wie  dies  bei 
Flügelaltären  gewöhnlieh,  während  der  Fastenzeit  ge- 
schlossen und  zeigen  daher  zwei  Hauptmomente  der 
Passion,  das  ist  die  Kreuzigung  und  (lie  Frauen  am 
Grabe,  dabei  Christus  als  Gärtner.  Die  Rückseite 
enthält   Bilder  aus  dem  Leben   Mariens:   den  Tod    und 

'  S.  Niello-Antipendium    zu    Klosteineuburg  von  Arntili  und   Cainesina. 
.Mitlh.  d.  CcDlr.  Com.  III.,  285.  AU.  Verein  IV.  und  Huider-EitellicrüHr  II.  IIb.) 


■"iti.  'y2.       Pi-ii-gütz 


18U     — 


die  VerlierrlieliHiii;-.  Diese  GeniäUle  sind  die  ältesten 
iiisher  datirteii  T;itel^'einälde  Usterreielis  niid  ^eiiöreii 
/.u  den  tVüliesten  selbständigen  Prodncten  deutschei- 
-Malerei.  - 

Die  Mensa  vor  diesem  Altare  schniiiekt   das   lien- 
liclie  Antipendiuni  ans  dem  Donischatze  zu  Sa  1/.  Ii  urj;-. 

-  .MJLll..  .1    Ale.  V.  X.,  pas.  Ül. 


Vin.  :').-!.  MSiitirnsicin.) 


Es  ist  ir  .-)"  lan,:;-,  .1'  Imih  iniil  gäiizlieli  mit  Stickereien 
Uljcrzogeii.  In  zwanzig  Feldern  in  drei  lieilien  entiiält  es 
eben  so  \iele  Darstellungen  anstlem  Lehen  deslleilandes 
von  der  ^'erkiindigul!g  bis  zur  Ilinmielt'ahrt;  und  zwar 
iu  der  obersten  Ücilie:  die  Verkündigung,  Anbetung 
dnreb  die  Hirten  und  die  heil,  drei  Könige  (l'>  Felder), 
die  Darstellung  im  Tempel  und  die  Flucht  nach  Aegypten  ; 
untere  IJeihe:  Christus  am  OellH-rge,  derVerrath  des  Ju- 
das, t'hrisins  vor  Pilatus,  die  Geisseluug,  die  Kreuztra- 
gung,  Kreuzigung  und  Kreuzabnahme;  mittere  Reihe:  die 
(Trablegung,  Auferstehung,  Jesus  als  Gärtner,  Christus 
in  der  \orhölle  ,  Christus  unter  seinen  Jüngern  und  die 
llinunelfahrt.  Auf  den  Gelassen,  welche  auf  der  Dar- 
stellung der  Anbetung  durch  die  heiligen  drei  Könige 
von  letzteren  dargebracht  werden  und  die  gleich  den 
Kronen  derselben  erhaben  aus  Silber  gearbeitet  und 
mit  Steinen  gesclinuiekt  sind,  liest  man  die  Worte: 
Praesul  Fridericus  Leil)i)icensi  sanguhie  natus  hoc  opus 
aptavit  altari,  quod  decoravit.  Seidlid  de  Petovia  nie 
paravit.  Erzbischof  Friedrich  III.  von  Salzburg  (1315 
bis  1338)  ist  es  demnach,  dem  wir  die  Beiscliaffung 
dieses  schönen  Altai-behanges  verdanken.  ' 

Wir  kommen  nun  zu  clen  Gegenständen,  welche  die 
beiden  an  derNordwand  des  Saales  aufgestellten  Kasten 
enthalten. Wir  finden  hier  ein  dem  Salzburger  Doni- 
schatze entnommenes  13''  hohes  Kreuz;  das  aus  zwei 
verschiedenen  Zeiträumen  stammt  ,  der  Fuss  ist  ein 
Werk  des  XV.  Jahrhunderts,  während  das  eigentliche 
Kreuz  sicherlich  um  drei  Jahrhunderte  früher  ent- 
standen sein  mag.  Dasselbe  ist  aus  Holz,  hat  doppelte 
Querbalken,  ist  ganz  mit  Silberplätt(dien  und  darauf 
mit  ri'ichem  Filigranscliniuck  belegt.  In  einer  kreuz- 
förmigen Vertiefung  inmitten  des  durch  den  unteren 
Querbalken  gebildeten  Kreuzes  ist  die  particula  S.crucis 
eingelegt.  Oberhalb  l>etiiulet  sich  ein  grüner  Stein 
mit  der  eingeschnitlenen  \'orstellung  (U's  Kain])fes  des 
heil.  Georg  mit  dem  Drachen.  Als  iS'odus  ist  idii  Stück 
geschliffenen Hergcrystalls verwendet  (Nr.  KiT,  Fig.  4()). 
Das  mit  niieksieht  auf  die  Form  unter  dem  Namen 
lidtula  bid<annte  litiirgi.sche  ScIiaMgerälh  liestelit  aus 
einer  mittelst  eines  Stieles  in  einen  pyramidal  gestalte- 
ten Fuss  eingetügte  Scheibe.  Der  Fuss  von  emaillirtem 
Kupfer  bestellt  aus  drei  DreiecksHächen  und  ruht  auf 
drei  Drachen,  deren  Flügel  in  dic^  angränzenden  Fläcdien 
eingra\ii-t  und  emaillii-(  sind,  [n  jcdein  der  drei  Felder 
isteiiiMeda  Ibiuaiigebracht,  darin  in  prachtvollen  Hniaü 
färben  „dasSchreilieiidesT.'',  „die  Krliöliung  der  ehernen 
Schlange-'  und  „Sainson  trägt  die  Thorthigel  von  Gaza-' 
dargestellt  ist.  Die  Scbeibi;  hat  ■i>i('entiniet(^r  im  Durch- 
messer, ist  von  lunem  K'ande  umschlossen  und  durch 
g(d<reuzte  Stäbe  in  vier  Felder  getheilt,  welche  in  durch- 
brochener Weise  ligurale  uinl  ornamentale  Gestaltungen 
aus  starkem  vergoldetem  Kuiifer  getrieben  zeigen,  als: 
das  Gi-ab  Christi,  die  Ilimmelfalii t ,  (K'ii  symbolisclieii 
Löwen  und  den  zur  Sonne  auitliegeiideii  .\dler.  Diese 
Darstellungen  sind  mit  enlsin'e(dienden  Heischrifleii  ver- 
selirn.  f>ei(ler  ist  ili<'  Scheibi'  nicht  mehr  vollständig, 
denn  (iliiie  Zweifel  dih'llr  auf  dem  jetzigen  üand  ein 
Zicrrand  aufgelegt  gewesen  sein,  der  mit  Steinen  ge- 
schmlickt  war.  zu  deren  .Vulnahme  dieimb'and  bestehen- 
den Oelliiungen  beslimml  wariMi.Die  P.estimmnng  dieses 
in  das  Ende  des  XII.  oder  beginnenden  XIII.  .lahr- 
liiinilerts  gidiörigen  (lei'ätbes  (Figeiithum  des  Stiftes 
Krenisnilin^ier)  ist  nicht  mehr  klar  zu  erkennen,  ibieli 
ist    es    wahrscbeiiilich .    d;iss    sie  die   Fassung  für   eim- 

I  S.  .Mlilli.  VII  ,  i« 


—     181 


Reliquie    vom   heil.    Kreuze  oder    des  Leidens  Christi 
jrebildet  hahen  mag.  (Nr.  1Ü9  s.  Taf.  VII.) 

Von  den  zahlreichen  Kelehcn,  die  dieser  Schrein 
enthält,  sei  vorerst  erwähnt:  der  Kelch  aus  der  Abtei 
St.  Paul  (Nr.  216).  Er  ist  aus  vergoldetem  Silber  ange- 
fertigt, 8"  G'"  hoch.  Der  Fuss  ist,  wie  bei  den  meisten 
kostbaren  im  gothischen  Style  gehaltenen  Kelchen  ,  in 
Form  einer  sechsbliittrigen  Kose  angelegt  und  misst  in 
seiner  grössten  Ausladung  4"  8'".  Über  dem  die  Unterlage 
der  Fussfläclie  bildenden  glatten  Rande  von  einfacher 
Profilirung  betindot  sich  eine  kunstreich  durchbrochene 
Gallerie,  aus  Vierpass-  und  Fischblasen-Mustern  zu- 
sammengesetzt. In  den  Einschnitten  zwischen  den  ein- 
zelnen sechs  Blättern  des  Fusses  ist  ein  schön  stylisir- 
tes,  etwas  heraustretendes  Blatt-Ornament  angebracht. 
In  jedem  der  sechs  Felder  des  Fusses,  die  eine  glatte 
Wulst  als  Cordonirung  haben  und  schmäler  werdend 
;iMi  Schafte  bis  zum  Nodus  emporsteigen,  zeigen  sich 
auf  alternircnd  dunkelblauem  und  dunkelgrünem  Email- 
grunde Relief-Darstellungen,  umgeben  von  Laubwerk 
mit  Blättchen-  und  Blüthen-Bildungen.  Die  Darstellun- 
gen sind:  die  Krönung  Mariens,  die  heilige  Katharina, 
der  heilige  Hlasius,  der  heilige  Nikolaus,  Kaiser  Hein- 
rich II.  und  dessen  Gemahlin  Kunigunde.  In  dem  ziem- 
lich steil  ansteigenden  Schafte  des  Fusses  endigen  die 
besagten  sechs  Felder  mit  einem  kleinen  Giebel  und  die 
<la/wischcn  laufenden  Theilungswulstc  mit  einer  leich- 
ten Fiale.  Dasselbe  System  der  plastischen  Ornamen- 
tirung  tindet  sich  an  dem  im  Sechseck  construirten, 
stark  vorspringenden  Nodus ,  der  oben  und  unten  zur 
leicliteren  Handhabung  etwas  platt  gehalten  ist  und 
(■(irrespondirend  mit  der  Feldertheilungdes  Fusses  sechs 
ziemlich  weit  vorstehende  auf  die  Spitze  gestellte  Qua- 
drate zeigt,  die  mit  Giaspasten  ausgefüllt  sind.  Ent- 
sprechend den  sechs  Feldern  des  Ständers  erscheinen 
auf  beiden  Seiten  des  Nodus  sechs  blätterartig  auflie- 
gende Schildchen,  die  abwechselnd  Weinranken  und 
Engelsköpfe  auf  blauem  und  grünem  Emailgrunde  ent- 
halten. Diese  Blättchen  sind  mit  einer  zarten  gereiften 
wulstartigen  Cordonirung  umgeben.  Zwischen  diesen 
Schildchen  erscheinen  überdies  ober  und  unter  dem 
Nodus  noch  kleine  spitzige  blau  emailirte  Blätter.  Flici- 
dem  Nodus  setzt  sich  der,  neuerdings  mit  kleinen  Spitz- 
bogen-Giebeln verzierte  sechsseitige  Stiel  noch  et\vas 
fort  und  dient  als  unmittelbare  Unterlage  der  darauf  be- 
festigten nach  unten  eiförmigen  Cuppe,  die  eine  Höhe 
von  4 '  JS"  hat  und  im  Dun-hmesser  des  Randes  4"  2'" 
misst.  Der  untere  Tlieil  der  Cuppa  ist,  gleich  den  .\usscn- 
blättern  eines  Blumenkelches  von  reichen  nach  oben  hin 
allmählig  abnehmenden  Verzierungen  umgeben ,  welche 
aus  zwei  Bändern  mit  Schilfblättern  ähnlichen  Pflanzen 
Ornamenten,  das  untere  auf  grünem ,  das  obere  aut 
blauem  Grunde,  und  aus  einem  darauf  gestellten  und  bis 
zur  Mitte  der  Cuppe  reichenden,  mit  Rubinen  und  Perlen 
besetzten  Lilienbande  bestehen  (Fig.  47).  Was  die  Ent- 
stehungszeit, dieses  aus  dem  Stifte  St.  Blasius  im  Schwarz- 
wald stanmienden  Kelches  betrilft,  so  dürfte  er  wohl  dem 
Ende  des  XV.  oder  Anfange  des  XVI.  Jahrhunderts  ent- 
stammen. • 

In  der  Kirche  zu  Maria  Saal  in  Kärnten  wird 
ein  sehr  schön  ciselirtcr  Kelch  mit  figuralischen  Dar- 
stellungen,  sowohl  an  der  Cuppa,  als  am  Fasse  aufbe- 
wahrt. (Nr.  196.)  Derselbe,  aus  Kupfer  und   vergoldet, 

,'  S.  Milth.  A.  Centr.  Comm.  X.,  109. 

XVIII. 


hat  die  ungewöhnliche  Höhe  von  9«  2';  auf  den  sechs 
Flächen  des  Fusses  sind  Wappen  angebracht  ,  die 
aufsteigenden  Flächen  schmücken  eingravirte  Blatt- 
Ornamente.  Die  4'V'  hohe  Cuppa  zeigt  ebenfalls  ein- 
gravirt:  die  gekrönte  Jungfrau  mit  dem  Kinde,  umge- 
ben ^on   dem  heiligen  Joseph,  Barbara,   Mathias,    Ka- 


—      182 


(liirübor  niif  eiiiciii 


Jluria  .  hilf,  inir .  Jiirj;\'ii 


J'ipr.  55.      f.Seitcnstctten.) 


tliariiiii,  Joliaiiiit's,  Aiiilims,  Petrus 
Itamlc  die  t'olsemlo  Aiifsclirit't 
Ulignaden  .  und  .  allen  .  mein  .  f'orfardern  .  und  .  nach- 
kommen .  amen  .  anno  i.  c.  14(36.  (8.  Mittli.  d.  Centr. 
Comni.  XIII.  und  Fig.  48.) 

Beispiele  der  vollendeten  Üherg-angsionn  aus  dvr 
Oüthik  in  die  Renaissance  geben  der  silber-yergdldete 
Kelch  der  Pfarrkirche  zu  Ybs  in  Nicder-Österreieh, 
der  noch  im  XVI.  Jahrhundert  entstanden  sein  mag, 
(Nr.  190),  der  Pfarrkirclie  zu  Kranichberg  in  Nieder- 
Üsterreich  (Nr.  191),  der  Pfarrkirclie  zu  St.  Leonliard 
in  Kärnten j^Nr.  l'.i'J),  und  der  Pfarrkirche  zu  Ebeiiturt 
in  Xieder-Osterreich  (Nr.  217).  Ein  zweiter  vbn  dieser 
Kirche  ausgestellter  Kelch  (silber-vergoidet)  zeichnet 
sich  durch  den  reichen  Silbertiligranschmuck  und  die 
Emails  aus,  womit  er  biszumTriiikrandt'der('ni)]ia  iilicr- 
zogeii  ist.  Am  Fusse  dieses  aus  dt'iii  X\'I.  Jalirliundeil 
stammenden  Kelches,  ist  ein  Johanniterkreiizangebiacht. 
(Nr.  178.)  Beachtenswcrth  ist  der  hier betindlicheKelch 
dos  Stiftes  Lanibach,  dessen  Fuss  modern,  die  silber- 
vergoldete ('uj)pa  aber  dem  XIII.  Jahrhundert  angehört. 
(Nr.  237.)  Die  Sciiale  isl  aussen  diirdi  \ier  von  ihvein 
(irunde  ausgeliende  und  durch  Kmidbogen  \  erbun- 
deiie  Säuleu  in  vier  Felder  getheilt ;  innerhalb  welcher 
sich  1.  der  Engel  Gabriel  mit  der  Überschrift :  Ave  Maria 
gratia  jdena,  2.  Maria  auf  dem  Thidiistnld  siizend  mit 
der  Aufschrift :  Ego  aiicilla  doinini  hat  mild,  .'!.  der 
Evang.  Johannes  mit  der  Überschrift:  S.  Johannes  Evan- 
gelista  Domini,  4.  ein  Bischof  mit  der  l'bcrschrift:  S. 
Khulianus  eidscopus  et  martyr  beünden.  In  den  Bogeu- 
feldcrn  die  Symbole  der  vier  Evangcdisten.  Säniintliidic 
Darstellungen  sind  in  gravirten  l'mrissen  ansgcliilnl 
(Nr.  ;]01,  Fig.  49).  < 

Wir  kommen  nun  zu  den  zahlreichen  Monstra  n- 
ze  11,  die  diese  beiden  Schreini^  enthalten.  l)ieM(nist ranzen 
sind  die  Jüngsten  in  der  Keihe  der  kirchlichen  (le- 
fässe.  Sic  entstanden  aus  Veranlassung  des  Froliii- 
leiclmamsfcstes ,  dessen  Feier  in  Deutsehland  sich 
erst  seit  dem  Beginn  des  XIV.  Jahrhunderts  allge- 
meiner verbreitete.  Um  das  Veuerabile  bei  dieser  (ie- 
legenlieit  allem  \'(dke  zu  zeigen  ,  und  in  der  l'ro- 
cession  tragen  zu  können,  schuf  die  Kunst  aus  den 
zierlichsten  Formen  der  gothischen  Architektur  Jene 
praehtvolleu  Behältnisse ,  welche  die  geweihte  Hostie 
in  kostliarer  Fassung  der  Verehrung  der  Gläubigen  ziic 
Schau  stellt,  l'uss  zum  Atifsfclleii  und  Knauf  zur  Hand 
habe  sind  den  entspreclieiiden  Theilen  der  Ciborien  und 
Kelche  nacligcitildet,  der  obere  Tlieil  aber  entwickelt 
sieh  in  der  Regel  zu  drei  zierlich  diirclibrocheiicn  Spitzen, 
von  denen  die  mittlere  höher  enipnrragl.  während  die 
scilli(dirn  na(di  unten  eoiisolarligabgeschlossen  sind.  In 
dci- Mitte  sieht  man  in  einem  viereckigen  l'\ddeoderin  einer 
cvliiidrischen  Hülse  die  dundi  ein  Ivrystallglas  geschlitzte 
Hostie  Vdii  einer  halbniondl'örmigen  Hülse  iiiiifasst. 

Die  frühesten  Mnnslranzen  scheinen  in  den  Beginn 
des  XIV.  Jahrhunderts  hinaufzureichen  ;  die  meisten,  dar- 
unterdiegläiizendsten,  g(diörendeni  XV. Jahrhundert  an, 
einzelne  fallen  noch  in  die  ersten  Dcccnnien  des  XVI. 
Jahrhunderts.  Bald  darauf,  mit  dem  Eintritt  der  Rciiais- 
sanee,  ändern  sie  vollständig  ihre  (Jestalt  und  nehmen 
Jene  beliebte  .Sonnenfoini  an  ,  M'clciic  die  geweihte 
Hostie  mit  einem  Strahlenglanze,  wie  mit  einem  Nimbus 
umgibt.  Es  versteht  sich,  dass  die  mittelalterlichen  Moii- 

'  S.  JMillli    cl.  Cciilr.  Com. 


—     183     — 


stniiizeii  im  AiifbiUi;iuicl(lcr  Aussclimückung'  uadi  Miiiia- 
tiirl»il(lerg()tbisclier;Tliiirinbauten  sind,  und  dabei  die  Styl- 
wandbingcn  der  gleidizeitigcn  Arcliitoktnr  fi-etrciilicli 
niitniacbon.  1  )(icli  sind  die  Streben,  Fialen  und  Masswerke, 
die  Krabben  und  Blumen  meist  für  das  Material  i;e- 
sebickt  moditieirt,  und  da  die  Monstranzen  in  der  Kegel 
aus  edlem  Metall,  g:ewühnlieU  vergoldetem  Silber  beste- 
llen, so  spricht  sich  der  Metallstyl  in  ihren  Formen 
getreulich  aus.  Nur  ausnahmsweise  konnnen  hölzerne 
Monstranzen  vor.  In  ärmeren  Kirchen  begnügt  man  sich 
mit  solchen  aus  Messing  oder  vergoldetem  Kupfer.  Es 
linden  sich  mitunter  solche  Gefässe  von  auffallender 
Höhe.  Di?  grössteu  Jlonstranzen  sind  offenbar  nur  zum 
Ausstellen  auf  dem  Altar,  nicht  aber,  um  getragen  zu 
werden,  bestimmt  gewesen  und  zeigen  bisweilen  zwei 
Handhaben  zum  Anfassen. 

Kill  sehr  kostbarer  Gegenstand  ist  die  goi  bische  Mon- 
stranzeaus  der  Sammlung  des  Freih.  v.  liotliseliild.  Sie  ist 
ausSillier  angefertigt  und  theilweise  vergoldet,  bat  eine 
(Jesammthöhe   von  48"  und   charakterisirt   sich   durch 
einen  äusserst  schlanken  Aufbau.    Der  Fuss  zeigt  die 
häutig  vorkonnnende  sechsblättrige  Rose.    Der  Stiel  ist 
sehr  dünn  und  hoch,  baut  sicli  sechsseitig  auf  und  ist 
mit  einem  capellenartigen  Nodus  besetzt.  Der  eigent- 
liche rapellenbau  ist  ebenfalls  sechsseitig  construirt,  das 
Hostienhäuschen    ist    cylindrisch.    Figuraler   ursiirüng- 
licher   Schmuck    findet    sich    an    dem    Gefässe    nicht, 
obs(dion   zahlreiche  Nischen  und  Consolen  an  deinselben 
angebracht  sind.  In  das  Hostienhäuschen  ist  in  neuerer 
Zeit   eine   zierliche  Figur,     den   h.  Petrus  vorstellend, 
eingesetzt  worden.  Wir  iinden  an  dieser  dem  XV.  Jahr- 
hundert angehürigen  Monstranze  den  seit  dem  Beginne 
dieses  Jahrhunderts  überwuchernden  Eiiifluss  des  deco- 
rativen  Klemeiits  gegenüber  dem  verdrängten  construc- 
tiven  auf  Kosten  des   harmonischen   und   stylgemässeii 
Aufbaues.  Die  Strebepfeiler  und  Bogen  erscheinen  nicht 
mehr  als  Träger  und  Stützen  des  Gebäudes  und  sind 
ohne  constructive  Bestimmung  nur  Spielzeug  (Fig.   50). 
Die  MonstranzeausM  atzen  in  Niederösterreich  (Nr.  198) 
ist    von    Silber,    hat    eine   Höhe   von   2'   3''   und    eine 
Breite  von  7'  j'  ,  sie  gehört  demAnfange  desXVI.Jahr- 
hundeils  an.    Das  Beliältuiss  für  die  Hostie  bildet    ein 
\iereckiges  Häuschen.    An    demselben    ist  noch   wenig 
der  Hintluss  der  Entartung  des  gothischen  Styles  durch 
das  Verdlüinen  der  Stäbe  und  Pfeiler  am  Aufbaue  zu  er- 
kennen   (Fig.  51).    Am  meisten   tritt  diess  aber  an  der 
übrigens    prachtvollen    gothischen    Monstranze    hervor, 
die  Eigeulhum   der  kleinen   Gemeinde    Prieglitz    am 
Semineriiig   ist.     An    dieser  haben    sich    die    einzelnen 
Träger  und  Stützen  des  Aufbaues  unter  Aufgeben  der 
kräftigen    Gliederung  und  ihrer  constructiven  Wichtig- 
keit zuäusserlichen  spielenden  Zicrathen  bereits  vollemls 
verflüchtigt,    und    sinken  zu  dünnen    Stäben  und  Fäden 
herab,  die  mitunter  in  allerlei  Windungen  uiul  Schnör- 
keln endigend,  an  den  Seiten  des  Tabernakels  angebracht 
werden  und  in  ganz  unnatürlicher  AVeisc  einen  mächti- 
gen, wenn  auch  luftigen  Aufbau  zu  stützen  und  zu  tragen 
haben.  Ihid  doch  muss  man  zugeben,  dass  hier  in  Form 
und  Zierlichkeit   der  Ornamente  Bedeutendes    erreicht 
wurde,  und  der  von  dem  Gewöhnlichen  undStylgerech- 
ten  abweichende  Aufbau  des  ganzen  Gefässes  immerhin 
als  schön  entwickelt  bezeichnet  werden  kann.  Der  Fuss 
dieses  silbernen  3' hohen  Gefässes  zeigt  die  Form  einer 
sechsblättrigen,  gegen  die  beiden   Seiten   verbreiteten 


Kose  und  istjiuf  seinen  Flächen  durch  eingravirte  Dar- 
stellungen verziert.  Auf  einer  dieser  Flächen  sehen 
wir  den  Donator  mit  einem  Spruchbande,  darauf  die 
Worte:  „Hoc  o|)Us  lieri  fecit  JeronimusNevnberger,  ple- 
banus  in  Pruxlas  anno  1515."  Zur  Aufnahme  der  Hostie 
ist  ein  Glascylinder  bestimmt.  Der  denselben  umfan- 
gende und  sicii  über  ihm  aufbauende  Tabernakel  ist 
sechsseitig  und  bildet  drei  übereinander  .stehende 
Cajiellen,  wehdie  mit  Figurenschmuck  versehen  siml 
(Nr,  :.'()( I,  Fig.  5l').  An  der  silbernen  und  22"  hohen 
Monstranze  der  Pfarrkirche  zu  Kabenstein  in  Nieder- 
österreich ist  die  (gothische  Stylrichtung  noch  ziemlich 
vorherrschend,  der  constructive,  aber  immerhin  leichte 
Aufbau  hat  das  Uebergewicht.  Die  Ornamentik  ist 
demselben  untergeordnet.  Sie  ist  ein  Weihgesciienk 
des  Abt  Laurenz  von  Gottweig  (f  1482)  an  diese  dem 
Stifte  incorporirte  Pfarrkirche.  Der  Fuss  bildet  ein  in 
die  Breite  gedrücktes  .Vchteck,  das  Hostienhäuschen  ist 
viereekigmit  kreisrunder  Verglasung,  wird  auf  jeder  Seite 
von  einem  gothischen  ('a]iellenbaii  llaiikirt  und  von  einer 
sechsseitigen  Caiielle  bekrönt.  Je  ein  Figürclien(Salvator, 
Maria  mit  dem  Kinde  und  S.  Laurenz)  ist  in  den  ein- 
zelnen ('apelleheii  angebracht.  Fig.  5;).  (Nr.  215.)  Die 
unter  Nr.  .■>()]  ausgestellte  gothische  Monstranze  aus 
der  St.  Leonhardskirche  in  Tainsweg,  ein  Gefäss  aus 
Silber  angefertigt  und  vergoldet,  von  33"  Höhe  ist  von 
der  gewöhnlichen  Dincbführuiig  des  gothischen  Auf- 
liaues  wesentlich  al)\ve:clieiid  construirt,  daher  mau  mit 


^ 


|Wäim-^ 


Fig.  5(;.      .Melk., 


•24* 


184     — 


Fk-.    57. 


St.    n.iri 


:iii. 


v\g.   r.s 


Recht  anneiiiuc'ii  kann,  dass  die  Zcicliiimii;  für  diescHie 
kein  Goldschmied  entwart',  sondern  dass  mit  Itiieksieiit 
anf  die  streng  arehitektonisehe  (iliederung  und  Dnrcii 
t'ührunffdcrKntwiirf  aus  der  Hand  eines  geübten  Architek- 
ten hervorging  und  dass  l)ei  der  Aust'üiiruug  sicli  der(  Johl- 
schniied angstlieh  an  das  N'orliild  geiialtcn  hat.  Der  sein- 
flache  Fuss  bildet  eine  achtblättrige  sehr  breite  Kose,  die 
Oberflächen  sind  blank,  der  Stiel  ist  achtseitig,  mit  einem 
kräftigen  Nodns   in  Form    einer   f'apelle  geziert.    Auf 
dem  Stiel  ruht  eine  Platte  als  Trägerin  der  unteren  Capelle 
oder  besser  gesagt,  eines  mächtigen  Spit/,i»ogens,  unter 
welchem  dieüber.ö"  hohe Figurdesh.Leouhard  stellt.  Die 
Figur  ist  vergoldet,  Gesicht  und  Hände  sind  mit  (  Hfarbe  be 
malt.  Auf  demabg('scliiiigteii  Ilaiideder  (•rwälinten  l'iatlr 
betiiidet  sich  tolgeiide  Inschrift :  ,.dew  nionstianczen  hat 
lass(ni  machen  lawrenez   mawtter    burger   zu  'i'emsweg      I 
Zcchmäehter  sand  lienhartz  aus  merigelay  chlainat  dew 
der  chirchen  sand  lienhartz  geopfert  sind  anini  diu.  in" 
cccc°  XII.  jar.''    Eine    auf  diesen    Spitzbogen    iiiheiidr 
lireitere  und  längere   l'latte  trägt  dvu  eigeiillicheii    Hau 
des  Iietabuliiiiis,   Dasselbe  ist  viereckig,  \(irii  und    rück 
wärt»   mit  einer  (Maspiatte  versehen,    d:iiiiil    man    dir 
darin  in  einer  von  Kugeln  gelialtc-neii  Liiiiula    getr.-i^ciie 
heilige  Hostie  sehen  kann.  Der  darüber  sich  eiit«  ickelnile 
.\bsciiluss  zeigt  eine  dreitlieilige  durchbrochene  Capelle. 
daran  die;    beiden    Aussentlieile    mit    einen    vierseitigen 
mit    Knorren    und    Krciizbliinie    besetzten    Spitze    ab 
schliessen.      Die    Mittel-('a|teile  trägt    no(di    (MUeii    wei 
tereii  auf  vier  Säulen  ridieiideii  Aufbau,  darin   der  Kcce 
lionio.   An  der  Schmalseite  de.K  'l'abernakcds  erhebt   sich 


l)ei(lei-seit!g  eine  otfeiie  Capelle,  darinnen  je  ein  Fii;iir- 
clien  (St.  {.«aurenz  und  St  Jacob  major),  darüber  steigt 
endlich  eine  weitere  viereckige  über  Kck  gestellte  Capelle 
empor,  deren  Fenster  mit  Masswerklilenden  auf  blauem 


der  violetten  Finailgriiiide  geziert  sind,  scliliesslich  bildet 
leren  Absehluss  gleicii  dem   Mittelliau    ein    vierseitiger 


( 

massiver  Spitzhelin  (Fig.  54  i). 

Fine  gothischc  Monstranzc  von  Silber  in  stdir  zier- 
licher Form  des  XV.  Jahrhunderts  ist  aus  der  Kirche 
zu  St.  Leonhart  in  Käriitlnii  ;iiisgesteilt  (Nr.  174).  Die 
unter  Nr.  ll'.i  ersidieinende  Mtuistranze  ,  2'  3</.j"  hoch 
und  10i/j'  breit,  aus  Silber  und  vergoldet,  gehört  dem 
Stifte  Seitenst etten  und  stammt  aus  dem  Ende  des 
X\  1.  Jalirliiinderts.  Sie  zeigt,  obwohl  der  tlmrniartige 
Aufliau  mit  der  im  gothisehen  St.yle  Idiiiciien  ( '(Instruction 
)eiln'lialten  ist,  bereits  den  entsciiiedeiien  ImuIIiiss  der 
Renaissance  auf  die  Ornamentik,  insbesondere  an  den 
Finfassuiigen  der  Fenster,  an  den  Verzierungen  des 
Xodiis  und  der  Qiierunterlagc  des  Tabernakcds.  Das 
II(istieiil)eliiiltiii>s  ist  rund,  nach  beiden  Seiten  mit  eiiiei- 
Clasjilatte  versehen.  Die  ([(MiTabiM-nakel  abseiiliessende 
S|iitzc  ist  mit  dem  gekreuzigten  Heilande  geziert, 
ausserdem  finden  sich  mehrere  seiir  zii'rliche  Figür(dien 
an  \crscliie(leneii  Stellen  angebi'aeht  (Fig.  iih).  Die 
\dm  Stifte  Sclndleii  aiisgstellte  gothische  Moiistraiize 
(Nr.  I!I2)  ist  aus  Kupfer  gegnssen  und  xcrgoldet, 
sie  iiililet  i'iii  liüi)s<lies  Heispiel  jener  zahlreichen 
derartigen  (iefasse,  die  im  XVI.  Jahrhundert  —  man 
könnte    sagen    fabrik>niässig  erzeugt    uurdeii.  \'oiu 

's.    Mlllh.  il.  Ciiitr.   Coiriin.    XV..   liiiK.    XXIX. 


—     18S> 


Stifte  Melk  sind  zwei  Monstranzen  ausgestellt ,  eine 
Keiiquien-Monstranze  in  gotliischer  Form  aus  Kupfer 
vergoldet,  und  dem XV. Jahrhundert  aiigehörig(_Nr.  180), 
Fig.  5(),  die  andere  (Nr.  IGS),  die  sogenannte  Colo- 
maiini-^lonstranze  aus  Silber,  im  Jahre  1 752  angefertigt 
und  einen  Hollunderstraueh  vorstellend,  der  in  zwei  ver- 
schlungenen Stännnen  aus  dem  Fusse  des  Ostensoriums 
emporsteigt  und  sich  oben  in  einen  blätterreieiien 
Strauch  verbreitert.  Die  Hollunderblütlien  sind  dunh 
Perlen  dargestellt. 

Das  Stift  St.  Florian  in  Ober-Österreich  hat  meh- 
rere Ciborien  ausgestellt,  eines  (^Nr.  201)  in  der  jetzt  ge- 
bräuchlichen Form,  doch  aus  dem  XV.  Jahrhundert, 
zwei  (Kr.  175,  176)  in  Gestalt  verschlossener  spitzbe- 
ileckter  Häuschen  auf  Ständern,  wie  sie  bis  zum  XV. 
Jaiirhundert  im  Gebrauche  waren.  Bei  einem  derselben 
sind  die  Flächen  des  Häuschens  mit  Darstellungen  in 
punctirter  Arbeit  geziert  (Fig.  57  und  58).  Ausser  die- 
sen sind  noch  vier  Gefässe  (Nr.  202  bis  204  und  239) 
dieser  Art  ausgestellt,  von  denen  wir  bescmders  eines 
erwähnen,  das  mit  recht  hübsch  ausgeführten  Dar- 
stellungen auf  seinen  Tabernakelflächen  geziert  ist. 

Von  eigenthümlicher  Form  ist  das  vom  Stifte  Melk 
ausgestellte  Reliquiar  aus  dem  XII.  Jahrhundert.  Es 
ist  aus  Kupfer  angefertigt  und  vergoldet,  1  liocli.misst  (5" 
im  Durchmesser  und  stellt  in  ziemlich  i^luniper  Arbeit 
einen  weiblichen  Kopf  dar,  der  mit  einer  Krone  bedeckt 
ist  und  dessen  Haare  in  zwei  nach  rückwärts  hängenden 
Zöpfen  geflochten  sind.  Den  Kronreif  zieren  eingra- 
virtc  Ornamente  und  ein  abwechselnd  ans  Kleeblättern 
und  vier  einfaciien  Rundblättern  gebildeter  Diadembe- 
satz. Augen  und  Mund  scheinen  bemalt  gewesen  zu 
sein.  Am  Scheitel  des  Kopfes  ein  gnisser  Deckel  zum 
( »tfnen  des  Gefässes,  derselbe  ist  auf  der  Aussenseite 
mit  romanischen  Laub-Oriiamenten  und  Thiergestalten 
reich  geschmückt  ist.  (Nr.  17'j,  Fig.  59.) 

Nr.  205  des  Katalogs  bezeichnet  das  gothische 
Üanchfass  im  Stifte  Seitenstetten. 

Die  Käiichergefässe  gehören  der  allgemein  ange- 
nommenen kirelilichen  Mcinimu  nach  zu  den  Gelassen  cler 
Eucharistie.  .Man  kann  annehmen,  dass  das  Räuchern 
in  der  christlichen  Kirche  seit  den  Tagen  ihrer  Befrei- 
ung vom  Drucke  des  Heidcntliums  seine  Anwendung 
fand.  Jedentalls  ist  das  Räuchern  der  Altäre  (^incensatio 
altaris)  mit  kostbaren  Wolilgcrüchen  und  zwar  meistens 
mit  feinem  unvermiscliten  Weihrauch  seit  den  Zeiten 
Gregor's  des  Grossen  in  der  christlichen  Kirche  einge- 
führt und  wird  seither,  um  den  Gottesdienst  prunkvoller 
/.u  machen,  als  ein  wesentliches  Requisit  der  Liturgie 
betrachtet.  Anfänglich  nur  beim  Messopfer  in  Anwen- 
dung gebracht,  hat  die  spätere  Praxis  sowohl  der  abcnd- 
als  auch  morgenländischen  Kirche  die  Incensatio  bei 
l'rocessionen,  vor  den  Reliquien,  \or  den  Biblern  und 
Statuen  der  Heiligen  und  beim  otliciuni  defunctorum 
verwendet. 

DieRäuchergefässe  hatten  anfänglich  eine  doppelte 
(restalt,  entsprechend  den  zweierlei  Arten  ihrer  Benüt- 
zung. Es  gab  nämlich  grosse  Rauchtasser  oder  besser 
benannt  Räncheri)fannen  (^t hymiamateria,  thyniia- 
teria),  welche  zunächst  des  Altars  entweder  aufgehan- 
gen oder  auch  aufgestellt  waren,  immer  aber  einen  be- 
stimmten und  bleibenden  Platz  eingenommen  hatten. 
Diese  Art  der  Räucher-Gefässe,  auf  welche  sich  wohl 
jene   Beschreibungen    beziehen    dürften,    die    wir    bei 


Fig.  ö'j.    (Melk.) 

mehreren  alten  kirchlichen  Schriftstellern  treffen ,  ist 
sdion  seit  langer  Zeit  aus  dem  allgemeinen  Gebrauehe 
der  christlichen  Kirchen  gekommen. 

Die  zweite  uud  noch  heut  zu  Tage  in  Verwendung 
stehende  Artbilden  die  kleineren  tragbaren  Rauc  hfäs- 
ser,  die  aus  einer  kleinen  zur  .Aufnahme  der  Kohlen  be- 
stimmten und  mit  einem  beweglichen,  meist  aufziehbaren 
tliurmähnliciien  Deckel  versehenen  Schale  (thurieremium) 
bestehen.  Diese  Schale  ist  häufig  mit  einer  fussartigen 
Unterlage  zum  Aufstellen  des  Gefässes  versehen,  und 
an  dreiKettchen  befestigt,  die  sichmitjenem  des  Deckels 
in  einem  Knopfe  oder  Gritfe  vereinen.  Diese  (iefässe 
waren  immer  aus  Metall  angefertigt  und  zwar  meistens 
aus  edlem.  Am  häufigsten  finden  sich  silberne  oder 
kupferne  und  vergoldete  ,  auch  bronzene.  Ganz  goldene 
oder  kupferne  und  nicht  vergoldet  scheinen  im  früheren 
Mittelalter  selten  gewesen  zu  sein.  Das  Räuchern  ge- 
schieht mittelst  Schwingung  dieses  Gefässes  (thuri- 
bulum  genannt),  welches  während  der  kirchlichen 
Feier  der  Akolyth  oder  der  Diakonus  trägt.  Die  Räu- 
cherungen hingegen  nimmt  meistens  der  pontificirende 
Priester  selbst  vor. 

Was  nun  die  Formen  und  die  Ausschmückung  die- 
ser tragbaren  Räuchergefässe  betrifft,  so  hat  die  zu  jeder 
Zeit  herrschende  Styl-  und  Geschmacksrichtung  ihren 
Einfluss  dabei  unzweifelhaft  geltend  gemacht  und  mit 
Vorliebe  die  Sehö])fungen  der  vorhergegangenen  Kunst- 
perioden zerstürt.  Sicher  erreichte  das  Rauchfass  im 
XIII.  Jahrhundert,  als  noch  auf  dem  Gebiete  der  Gold- 
schmiedekunst das  romanische  Formenprineip  herrschte, 
seine  reichste  Entfaltung  und  formell  reinste  Ausprägung. 
Es  ist  eine  merkwürdige  Eigenthümlichkeit,  dass  sich 
von  den  so  manigfaltigen  kirchlichen  Gefässen  und  (ie- 
räthen  gerade  die  Weihrauelifässer  mit  so  wenig  Exem- 
plaren sowohl  aus  der  romanischen  als  auch  aus  der 
folgenden  gothischen  Stylperiode  in  den  Schatzkammern 
der  Kirchen  Deutschlands  und  Österreichs  erhalten  haben, 
da  uns  doch  viele  auf  uns  gekommene  Kirclienschatz- 
Inventarien  des  Jlittelalters  zur  (lenüge  belehren,  dass 
dieses  kirchliche  Geräth  allenthalben  hinreichend  und 
in  kostbaren  Exemplaren  vorhanden  war.  Der  Haupt- 
"Tund   für  das  Verschwinden    der   kirchlichen  Gefässe 


—     18() 


Fig.  'JO.     (Seitenstetten.) 


187 


rouiniüsflicr  Stylfurmeu  übeTliuiipt  liegt  wohl  darinnen, 
class  durcli  die  nachfolgende  Gothik  sehr  viele  der 
bis  dahin  in>  Gebrauche  gestandenen  Gefasse,  deren 
grössere  Anziihl  von  besclieideneni  Umfange,  in  Kupfer 
gegossen  und  vergoldet  war,  ausser  Verwendung  ge- 
setzt wurden,  um  an  deren  Stelle  solche  den  eben  da- 
mals herrschenden  Stylrichtungen  entsprechende  zu 
bringen  Wiilircnd  der  Herrschaft  des  gothischeu  Styles 
erhielten  alle  kircidichen  (ierätlischafteu  annähernd  die 
Formen  eines  Kircliengebäudes,  und  man  erzielte  damit 
eine  vollstiimlige  Harmonie  der  inneren  Einrichtung  bis 
ins  Detail  mit  dem  (iebäude  selbst.  Was  von  der  ganzen 
Menge  der  kirciilichen  Gefiisse  gilt,  gilt  nmsomehr  vini 
den  meistens  kleinen  kugelfiirmigen  und  durch  die  Glntli- 
hitze  dem  Verderben  leicht  ausgesetzten  romanischen 
Kauchfiissern,  welche  die  Gothik  nicht  allein  durch  der- 
lei umfangreichere,  sondern  auch  ganz  aus  edlem  Metalle 
angefertigte  zu  ersetzen  suchte.  In  der  Gegenwart  sind 
tliuribula  von  romanischer  Form  schon  sehr  selten  und 
tinden  sich  nur  mehr,  statt  in  den  Kirchenschätzen,  als 
Raritäten  in  ötfentlichen  oder  Privat-Sammlungen. 

Sehr  bedeutend  mag  die  Anzahl  Jener  silbernen 
Hanchfässer  gewesen  sein ,  die  in  der  schlanken  Form 
der  (iotliik,  als  architektonischer  Aufbau  mit  Helm, 
Strebepfeilern  und  Bögen,  mit  Fialen, Baldachinen  und 
Figürchen  geziert,  gebildet  waren  und  sich  noch  bis  zum 
vorigen  Jahrhundert  in  den  Kirchen  unseres  Vaterlandes 
vorgefunden  haben.  Allein  fast  jedes  Jahrzehent  der 
letzten  Säcula  lirachte  für  die  eine  oder  andere  Gegend 
der  Veranlassungen  genug,  um  diese  Schätze  allmälilig 
zu  lichten  und  verschwinden  zu  machen.  Abgesehen  von 
dem  I^mstaiule,  dass  die  den  Verletzungen  mehr  ausge- 
setzte gothisclie  Durchbildung  des  Gefässes  und  deren 
durcli  längere  Zeit  hindurch  andauernde  ^■erwendung 
eine  Erneuerung  oder  einen  Ersatz  forderte,  hatte  aucii 
der  Wechsel  des  herrschenden  Geschmackes  in  der 
Zeit  der  Kenaissance  und  ihrer  ausartenden  Nachfolger 
so  wie  der  bedeutende  Werth  des  verwendeten  Materials, 
das  meistens  zu  andern  wichtigeren  Gefiissen  besser 
verwendbar  erschien,  genug  plausible  Ursachen  geboten, 
um  mit  diesen  älteren  Weihrauchgefässen  neuerdings 
ebenso  barbarisch  umgehen  zu  können  und  sie  umtor- 
men  und  einschmelzen  zu  lassen,  wie  dies  schon  früher 
während  des  auf  den  romanischen  nachfolgenden  gothi- 
schen  Styles  der  Fall  war. 

Das  schon  erwähnte  Rauchfass  in  S  e  i  t  e  n  s  t  ä  1 1  e  n 
repräsentirt  eine  der  schönsten  Arbeiten  dieser  Art  aus 
der  Zeit  der  (Jotliik,  und  zwar  der  zweiten  Hallte  des 
XV.  Jahrhunderts.  Das  ganze  Gefäss  ist  aus  Silberange- 


Kitr.  62.    lOöttwei}; 


Fij;-.  lil.    (Salzburg.) 

fertigt,  hat  eine  Höhe  von  1' ;')' und  an  der  breitesten  Stelle 
eiueii Durchmesser  von  4"  8'".  Der  Fusstheil  hat  die  bei 
fast  allen  gothischenGefässen  stereotyp  gewordene  Ge- 
stalt einer  sechsblättrigenEose.  In  den  Zwickeln  dersel- 
ben ist  je  ein  kleines  Blnttoruament  eingefügt.  Der  Fuss 
selbst  ist  in  seinem  unterem  Theile  mit  einer  Gallerie 
zierlich  durchbrochen,  unter  welcher  der  einfach  profi- 
lirtc  Rand  angesetzt  ist.  Unmittelbar  über  dem  niedri- 
gen Fusse,  welclier  mit  einer  scharfen  Schweifung  nach 
nmen  ansteigt,  und  dessen  sechs  blanke  Flächentheile 
an  ihren  Zusammenstoss  -  Linien  mit  einem  kleinen 
runden  und  gerippten  Wulste  geziert  sind,  erhebt  sich 
(iline  Vermittlung  eines  Verbindungsgliedes  die  eigent- 
liche Räucherschale,  in  welche  das  eiserne  Becken  mit 
den  Kohlen  eingesetzt  wurde.  Die  Schale  ist  gleich  dem 
Fusse  sechsseitig  gebildet,  und  sind  die  sechs  Seiten- 
flächen mit  einem  Schuppen-Ornamente  geziert  und  eben- 
falls durch  gerippte  Wulste  von  einander  geschieden. 
Den  oberen  Rand  der  Schale  ziert  ein  nach  abwärts  ge- 
richtetes Lilienband,  und  sind  an  drei  Stellen  desselben 
die  Schwingkettclien  befestigt,  die  sich  durch  den  un- 
teren Theil  des  Deckels  ziehen  un.-l  in  einem  sechs- 
theiligen (iritte  vereinigen.    (Nr.  287.) 

Ueber  dieser  .Schale  baut  sich  als  der  reichste  Theil 
des  ganzen  Gefässes  der  bewegliche  Deckel  auf.  der 
die  Gestalt  einer  zweistöckigen  sechsseitigen  gothischeu 
Capelle  hat.  Die  sechs  Mittelwände  der  unteren  Abthei- 
lung werden  von  je  einem  durchbrochenen  viertheiligen 
Fenster  mit  zierlichem  Fischblasenmasswerk  und  von  je 
einem  doppelten  dariil)er  sich  wölbenden  und  vorsprin- 
genden  Spitzbogen,    der   mit   einem   leeren  Wappen- 


188 


Fiff.  tj3.     (Admont.) 

Schilde  geschmiickt  ist,  bi'lcbt.  Die  Eci<eii  bilik'ii  starke 
mohrmiiis  untcrflieilte  iiiul  mit  je  eineiii  Fi;;iirclieii  ge- 
zierte .Strebepleiler.  In  fast  gleicher  Durchbildung  nur 
minder  verziert,  erhebt  sich  der  sieh  etwas  verjüngende 
zweite  Absatz  des  Deckels,  welcher  mit  einem  sechs- 
theiligen niederen  und  einwärts  geschweiften  Dachhelni 
mit  her\(>rtrctenden  iÜiipen  bekrönt  ist  und  durch  eine 
kleine  Kreuzblume  und  einfc  grosse  unförmige  Kugel 
abgeschlossen  wird,  an  welcher  ein  Kettehen  zum  Auf- 
ziehen des  Deckels  haftet  (Nr.  00). 

JJeaelitenswertli  ist  die  Anzahl  mittelalterlicher 
Krummstäbe,  welche  in  diesem  Schranke  ausgestellt 
sind. 

Unter  den  mannigfaltigen  Abzeichen  iler  hisdiöf 
liehen  Würde  ist  der  l'ischofstab  eines  der  herxiirrageiid 
.-ten  und  \iirzligiich  stell.  Die  llisciiöle  erhalten  den  StaU 
mit  dem  llbrigen  lior'liiniestei-liclieu  SiOuinicke  iiei  ihrer 
Consecration,  und  fülireii  denselijeii  fortan  als  Zeichen 
ihrer  Jurisdictions-Gcwalt  bei  allen  feierlichen  Gelegen- 
heiten. Derseliic  (Hirfenstab,  Stab,  iiednni  episcopale, 
pastorale,  baculiis  pastoralis,  auch  ferula,  virga,  sambuea) 
.soll  die  Fülle  der  bischöfliclien  Macht,  die  dem  r.ischofe 
anvertraute  kirchliche  Kraft,  dessen  geistliche  Gewalt, 
anzeigen. 

Seit  welcher  Zeit  der  Stab  bei  dcMi  IJischrd'en  im 
Gehranclic  steht,  lasst  sich  nicht  g(!iiau  bestimmen,  doch 
ist  die  frühere  allgemeine  Annahme  des  IX.  .lahrhiindeits 
als  iJeginn  desselben  unrichtig,  indem  sich  schon  aus 
viel  älterer  Zeit  hinreichende  Ueispiele  für  das  Hestehen 
dieses  bischöflichen  Atlrilmtcs  beibringen  lassen. 


Die  Bischofstäbe  hatten  während  der  ersten  Zeit 
ihres  Gebrauches  noch  keine  eigentliche,  bestimmt  aus- 
gesprochene Form.  Sie  kommen  zwar  darin  alle  überein. 
dass  sie  einen  beinahe  mannshohen  Schaft  haben,  allein 
das  obere  Ende  war  auf  vielerlei  Art  gebildet,  wie  wir 
aus  manchen  durch  vielerlei  Donkniale  der  ältesten 
christlichen  Zeit  uns  erhaltenen  Abbildungen  ersehen. 
So  finden  wir  das  obere  Stab-Ende  mit  einem  kleinen 
Kreuze  oder  einer  Kugel  besetzt ;  häufiger  endiget  das- 
selbe mit  zugespitzter,  schwach  gebogener  Krümmung, 
ähnlich  einem  Gemshorne,  oder  es  ruhet  oben  auf  dem 
Stabe  ein  ganz  kleiner,  höch.st  mannigfaltig  geformter 
Querbalken.  Die  Krunnniing  ist  jener  Theil  des  Bischof- 
stabes, an  dem  man  sich  vorzüglich  bestrebte,  Verzie- 
rungen anzubringen,  welche  sieh  darin  symbolisch  auf 
den  Kampf  des  Christenthums  mit  dem  Bösen,  das  frucht- 
lose Ankämpfen  der  Sünde  gegen  die  Segnungen  der 
Erlösung  ,  auf  den  Sieg  der  Kirche  über  die  zwar  ge- 
schwächte Macht  des  Teufels,  der  aber  durch  fortgesetzte 
Versuchungen  den  Gläubigen  immer  Gefahr  drohend 
und  ein  Feind  des  Glaubens  bleibt,  beziehen.  Mit  Hinwei- 
sun,g  auf  seine  erste  biblische  Erscheinung  ist  der  Teu- 
fel meistens  in  Gestalt  einer  Schlange  dargestellt,  aber 
eben  dadurch,  dass  sich  die  Schlange  dem  Dienste  der 
Kirche  fügen  muss,  |ist  ihre  Erniedrigung  ausgedrückt. 
Die  Schlange  ist  derartig  verwendet,  dass  ihr  Leib  |die 
ein-  oder  mehrmaliggewundene  Krümmung  Ijildet,  der 
Ko]if  aber  meistens  sich  inner  derselben  befindet.  Uber- 


KiK.  l'l.   ( Alteiiliiiif 


189 


dies  finden  wir  iiJiuüfc  innerhalb  der  Windung  nocli  eine 
Darstellung,  die  entweder  in  Verbindung  mit  der 
Schlange  oder  schon  für  sicii  allein  eine  symbolische 
Bedeutung  hat.  Auch  diese  Darstellung  ist  gröss- 
tentheils  dem  (lebiete  der  Thierwelt  entnommen; 
die  strenge  kirc-hliche  Anschauung  hat  sich  nur  insofern 
bewogen  gefunden,  den  Stott'für  ihre  Bilder  diesem  Ge- 
biete zu  entnehmen,  als  dem  betretirenden  Thiere  das 
Symbol  irgend  einer  kirciilichen  Wahrheit  innewohnt, 
oder  doch  leicht  einzufügen  war. 

Die  an  den  romanisclien  Krummstiiben  gewöhn- 
lich vorkommenden  symbolischen  Bilder  sind:  der 
Draclie  oder  die  Schlange  gegen  das  Kreuz  beissend, 
das  Einhoni  n.it  dem  Kreuze  im  Munde,  das  Lamm  mit 
der  Fahne  oder  dem  Kreuze,  die  Schlange  einen  .\])t\d, 
eine  phantastische  Blume  oder  Pflanze  im  Rachen  hal- 
tend, das  Einhorn,  die  Taube  oder  ein  Engel  im  Kampfe 
mit  der  Schlange.  Seltenere  Vorstellungen,  welche  auch 
erst  gegen  Ende  der  romanischen  Kunstperiode  vor- 
kommen, sind  die  Darstellungen  aus  dem  Leben  Mariens 
(^besonders  die  Verkündigung)  oder  (iruppen  von 
Heiligen. 

Bei  diesem  Anlasse  sei  die  Bemerkung  erlaubt, 
dassim  allgemeinen  der  technische  Kunstwerth  die- 
ser Überreste  einer  lange  vergangenen  Zeit,  wenige 
Zweige  des  Kunsthandwerkes  wie  z.  B.  die  Emailier- 
kunst  ausgenommen ,  ein  so  ziendich  geringer  ist, 
wenngleich  derlei  Oegenstände  dem  F^orscher  immer 
hochwichtig  und  interessant  bleiben,  da  sie  einerseits 
eben  so  sehr  und  oft  noch  kräftiger  als  Schriften  Zeug- 
niss  geben  von  dem  Stande  der  geistigen  Bildung,  An- 
schauung und  von  der  Kunstfertigkeit  zu  jener  Zeit, 
aus  welcher  die  Werke  stammen,  und  anderseits  die 
allmälige  Entwicklung  der  Kunst  kräft'g  kennzeichnen. 

f4egen  Ende  des  XIIL  und  .Anfang  des  XIV.  Jahr- 
hunderts verlieren  sich  die  zu  Ornamenten  verwendeten 
synd)olischen  Darstellungen  inner  der  Krünmiung,  wie 
sich  nberhauitt  an  den  meisten  Kunstproducten  aus  der 
damals  beginnenden  gothischen  Periode    eine  gewisse 


Fig.  r,b.       Salzhurj!;.) 

Nüchternheit  zeigt.  Es  wird  der  bei  den  Darstellungen 
in  früherer  Zeit  leitende  symbolische  Gedanke,  welcher 
sich  in  der  Benützung  des  Schlangenmotives  als  symboli- 
sche Vertretung  des  Bösen  im  Kampfe  gegen  die 
mächtige  Wahrheit   des  Glaubens   am  meisten   ausge- 


.WIII. 


2,^) 


—     iOO 


■  1.^- 


M.  Wdlf-^ni:.'- 


.s|)r<)cli(!ii  linite,  und  liicniiit  nuoli  die  bi.slierifje  wi'itcro 
(ioiiflofci'iilu'it,  diese  syiiibdiispben  Darstellungen  für  die 
P>ildnll^'  dt'r  Kriininiun.i;'  und  zur  Ansfüllung  der  h'uii- 
dung  zuwenden,  aufgesehen.  Dagegen  linden  wir  jetzt 
arrliitektonische  Verzierungen  und  zwar  in  zunehmen- 
der Menge  verwendet,  je  mehr  der  Naehhall  der  ronia- 
nis(du'n  Kunsti)eriode  abnimmt.  FriUu^r  wjir  bei  den 
Kieinkunstwerken  die  Symlmlik,  jetzt  wurde  die  arcln 
tektonisehe  Eiuiieit  das  Hauptziel  des  Künstlers. 

Das  älteste  der  ausgestellten  Stüeke  ,  und  zwar 
Min  früh  •  ndttelalterlieher  l"(iriii  .  ist  das  im  Seliatze 
des  I5eneilictiner-Stiftes  St.  Tel  (■  r  in  Salzburg  aiiHie- 
walirte.  Dieses l'astorale  -Fig. Ol),  welcbes  der Traditinn 
naeb  vom  heiligen  Kui»ert,  Hiseliof  von  Salzburg,  herriibrl. 
bat  im  fJanzen  eine  Höhe  von  ;}'  8"  10'".  Der  Sehaft, 
welelna-  eine  Länge  von  .".'  f)"  H'"  hat,  ist  von  Ibdz.  Der- 
selbe ist  aehteekig,  glatt  mikI  Ncrjüngf  sieh  etwas  !;cgen 
abwärts.  Das  untere  Fnde  stt'ckt  in  ein(!r  kni)ternen 
vergoldeten  IlUl.se,  die  mit  einer  langen  Sj)ilze  verse 
hen  ist.  Das  obere  Ende  des  Sehaftes  ist  dureh  einen 
kupfernen,  wahrseheiidieh  dem  Ende  desXII.  .Tahrhuu 
derts  ;nigebörig('ii  Keif  \erziert ,  widcber,  in  seiner 
;jrössten  Ureite  2"  und  im  Durchmesser  I"  '_""  messend, 
naeli  abwärts  vier  dureb  horizontale  Zwisehen-I,inien 
von  einander  getreimtc  Spitzen  bildet.  Diese  nnt  Sil 
ber  Itberzogenen  lleife  zieren  ciselirte  Arabesken  \iin 
zweierlei  Zeiehniing,  vvelebe  nnt  einanderabweebselnd  in 
nclil  l''(ddern  angebraeiit  sind,  ferner  zwei  Iveiben  von 
Inschritten,  wovon  sich  die  eine  am  oberen  und  die 
andere  am  unteren  Kande  befindet.  Die  crstcre  enthält 
den  -liei   Anfschriften    so    häufig  vorkommeiulcn   (liuss 


des  P^-zengels  Gabriel  an  Marien:  f  Ave  Maria  gratia 
p(lena),  die  untere  Zeile  die  folgenden  seclis  Worte : 
era  |  s.  da  |  bor.  |  non  |  liod  |  ie.  a  |  mor  |  vin.  Die 
Krneke  ist  von  Elfenbein  und  an  beiden  Enden  einge- 
rollt, woselbst  je  ein  Thierkopf  angebracht  ist,  docli  ist 
die  Volute  der  einen  Reite  bereits  vveggcbroehen.  Die 
Krücke  ist  mit  dem  Stabe  nicht  unmittelbar,  sondern 
nur  mittelst  eines  Nagels  derartig  verbunden,  dass  ein 
Zwischenraum  bleibt,  welcher  früher  von  einem  als  Ver- 
mittlungsglied dienenden  Ringe,  der  jedoch  jetzt  leldt, 
ausgefüllt  war. 

Dei-  romanische  Krummstab  im  Benedietiner-Stifte 
( ;  ö  1 1  w e  i  gin  Nieder-C  »sterreich  stannut  aus  dem  XI.. Tab r- 
liundert.  Von  demselben  ist  nur  mehr  die  elfenbeinerne 
Krümme  (Fig.  (J2)  vorhanden.  Der  Original  Sehaft  ist 
verloren  gegangen  und  gegenwärtig  durch  keinen  ande- 
ren melir  ersetzt  worden.  Die  fast  kreisrunde  Krümnumg. 
welche  ini  Durelmii'sser  4"4"' misst,  wird  durch  e'nen 
ein-  und  einhalbmal  ge\vundenen  Schlangenleib  gebil- 
det. Obwohl  der  Rest  dieses  Stabes  in  künstlerischer 
Beziehung  von  wenig  Bedeutung  ist,  so  ist  er  von  mn 
so  grösserer  Wichtigkeit  rüeksiehtlich  der  an  demselben 
befindlichen,  nach  den  beiden  Aussenseiten  sehr  tiach 
gearbeiteten  Darstellungen  inner  der  Krümmung.  Da- 
selbst befinden  sich  zwei  Vögel  mit  stark  em])orgerieh- 
teten  Schweifen  (Pfauen  nicht  unähnlich,  vielleicht 
auch  Tauben?),  deren  (iattung  sich  aus  der  Kunstform 
selbst  nicht  bestimmen  lässt.  Sie  stehen  gegen  einamler 
gewendet  auf  dem  Schlangenleilie  der  Krümmung,  und 
haben  ihre  Hälse  in  einander  \erschlimgen.  Heide  Vö- 
gel halten  genieinseliaftlich  mit  ihren  Schnäbeln  den 
Stiel  einer  in  die  Höhe  gerichteten,  kreuzartig  geform- 
ten Pflanzenbildung,  gegen  welche  der  oberhalb  ange- 
brachte Üaehen  der  Schlange  geöffnet  ist.  Die.Vuslegung 
der  Darstellung  ist  je  naeb  der  Art  der  beiden  \'ögel 
eiiu'  verschiedene,  indem  es  nur  der  Synd)olik  der 
den    heiligen    (leist     vorstellemlen     Taube     enlsjjricht. 


l''i".  lis.  rSül/.liiirjif. 


11)1    — 


wLiiii  man  eine  Vertheidigung  des  Kreuzes  durcli  die 
Tau))en  annimmt,  während  in  dem  Falle,  als  die  beiden 
Vogel  Pfauen  vorstellen,  was  wahrscheinlielier  ist,  die 
Annahme  des  Bekämpfens  des  mittelst  des  Kreuzes 
repräsentirten  Christenthums  dureli  diese,  die  lloffahrt 
vorstellenden  Thiere  in  Gemeir.sehaft  mit  der  Schlange 
mehr  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat. 

Ein  romanischer  Krunnnstab  des  Bencdictiner-Stiftes 
Aduiont  in  Steiermark  aus  dem  XI.  Jahrhunderte.  Die 
ganze  Krümmung  und  die  beiden  Nodcn  des  Stabes 
sind  von  Elfenbein,  der  mit  dem  0 bertheil  nicht  gleich- 
zeitige Schaft  und  das  Vermittlungsglied  der  beiden 
Noden  sind  von  Holz.  Die  Cuivatura  hat  im  Durch- 
schnitte 3"  6'".  Der  untere  Nodus  ist  ganz  einfacii  und 
hat  eine  kugeliche  oben  und  unten  etwas  abgeplattete 
Form.  Der  zweite,  etwas  kleinere  Nodus  ist  in  einiger 
Entfernung  über  dem  ersteren  angebracht,  und  aus 
diesem  entwickelt  sich  unmittelbar  die  nicht  ganz  ein- 
mal gewundene  Schnecke,  deren  sich  alimählig  verjün- 
gender Krümmungskörper  an  den  beiden  Aussenseiten 
mit  grösseren  und  kleineren  kreisrunden  und  tlieilweise 
schwarz  gebeizten  Vertiefungen  in  ziemlich  roher  Weise 
verziert  ist,  und  mit  einem  nach  aus-  und  abwärts  ge- 
richteten Schlangenkopfe  endiget  (Fig.  (53).  Inter- 
essant ist  die  im  Innern  der  Kriiniinnng  betiiidliclie, 
leider  bereits  gebrochene,  in  naiver  Weise  gearbeitete 
Gruppe.  Sie  stellt  ein  geflügeltes,  ganz  ruhig  stehen- 
des Pferd  vor,  dessen  Maul  ein  sehr  ornamental  ge- 
haltenes Kreuz  berührt  ,  eine  sehr  seltene  Darstel- 
lung. Auf  dem  Flügel  zeigen  sich  einige  Verzierungen. 

Ein  romanischer Krunimstab  des  Benedictiner-Stiftes 
Altenburg  in  Nieder-Osterreieh  aus  dem  XII.  Jahrhun- 
dert. Von  diesem  Pastorale  ist  nur  nocii  der  Obertlieil, 
bestehend  aus  der  elfenbeinerneu,  einmal  gewundenen 
Krümmung  und  zwei  Noden  nebst  deren  Vermittlungs- 
gliede  erhalten  (Fig.  ü4).  Inner  der  fast  kreisrunden 
Krümmung,  welche  4"  6'"  im  Durchmesser  hat,  zeigen 
sich  zwei  über  einander  gruppirte  Vögel ,  wovon  der 
untere,  welcher  auf  dem  Schlangenleibe  steht,  wahr- 
scheinlich ein  Pfau,  an  einem  Blumen-Ornamente  zehrt. 
Der  zweite  Vogel,  unzweifelhaft  eine  Taube,  steht  mit 
einem  Fasse  auf  dem  Kücken  des  Ersteren,  hältsichmit 
dem  anderen  an  dessen  Halse  fest,  breitet  die  Flügel 
wie  zum  Fluge  aus,  und  trägt  in  seinem  Schnabel  ein 
zierlich  geformtes  Kreuz,  gleichsam  als  wollte  er  das- 
selbe    in   die    Höhe    tragen    und    gegen   jeden    AiigriflT 


mml 


Fii;'.  70.      (S;ilzl)iirs' 


Fig'.    t;9.      I  Salzburg.) 


K-; 


sctiiit/.en.  Gegen  diesen  Vogel  ist  auch  der  das  Ende 
der  Krümmung  bildende  geötfnete  Sclilaiigeiiracheii  ge- 
richtet. Wir  sehen  in  dieser  Gruppe  sinnbildlich  durch 
die  Schlange  das  böse  Princip  und  durch  den  Pfau  das 
Bild  des  Hochmuths  den  Angriff  des  Bösen  gegen  das 
Christenthum,  und  durch  di(>  Taube,  die  das  Kreuz  trägt, 
den  heiligen  (ieist,  welcher  die  gläubigen  Christen  im 
Kamiife  gegen  die  Sünde  kräftiget,  dargestellt. 

Die  beiden  Noden  sind  von  Kiystall.  Der  obere  ist 
ziemlich  flach  und  von  poligoner  Form,  der  untere  rund. 
;iber  nicht  ganz  kugelförmig.  Zwischen  beiden  Noden 
befindet  sieh  ein  kleiner  Krvstalleylinder,  der  oben  und 
unten  mit  einem  Metall-Keifen  eingefasst  ist.  Sowohl 
die  beiden  Reifen,  als  auch  das  innerhalb  des  Cylinders 
befintlliche  Verbindungsstück  der  beiden  Noden  sind 
mit  bunten  Emails  i;eziert. 


—     1D2 


Vig.  71.      ^St.  Paul.) 

Knuianischer  Krumnislab  aus  dem  Bencdietiner- 
Nonneukloster  am  N  o  n  u  b  e  r  g  e  zn  S  a  1  z  b  u  r  g  aus  der 
ersten  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts.  Bezüglich  der 
Eiitsteliiniuszeit  dieses  Stabes  i;ibt  der  Umstand  ,  dass 
ErzlMscIiotEberliard  II.  der  Äbtissin  Gertraud  II.  (1235 
■bis  1252)  im  Jahre  1242  das  Recht  des  Pastorales  er- 
theilte,  wohl  hinreichenden  (Irund  zu  vermuthen,  dass 
diese  Alitis.sin  sich  beeilt  haben  wird,  von  jenem  ihr  er- 
tiieiiten  Üeclite  (Gebrauch  zu  niachm.  und  sich  baldi.nst 
mit  einem  Fastorale,  wahrscheinlich  mit  dem  hier  abi;e- 
bildeten  ,  versehen  hat  (Fig.  (Jn).  Der  ganze  Stab  besteht 
ans  Eltenl)ein,  und  ist  gegenwärtig  noch  vollständig 
erhalten.  Die  Krümmung  hat  einen  Durehmesser  von 
;")!  2".  Der  elfenbeinerne  Schaft  besteht  aus  vier  Stücken, 
und  ist  mit  einigen  Blattornamenten  in  Roth  ,  Schwarz 
und  Goldfarbe  bemalt.  Das  unterste  Stück  des  Schaftes 
endiget  nnt  einem  metallenen  Stachel.  Der  Nodus  ist 
lund,  jedoch  sehr  tiach  gedrückt,  in  gleicher  Weise  wie 
der  Schaft  bemalt,  und  ausserdem  mit  einem  mittelst 
schwarzer  Farbe  eingebeizten  Ringe  verziert.  Ans  dem 
Nodus  liebt  sich  der  Kopf  eines  UngethUms  mit  lan- 
gen zurückgelegten  Ohren  em]ii)r  ,  aus  dessen  Radien 
sich  die  reich  verzierte  Krünnnr  entwickelt.  Diesidbe 
best(dit  aus  einer  einmalige]!  Windung,  und  endiget  mit 
einem  dem  früheren  fast  gleichen  l'ngethündu)pfe,  wel- 
cher ans  seinem  mit  starken  Zähnen  bewaffneten  Ra- 
chen die  rotlie  Zunge  weit  hervorstreckt. 

Längs  des  Ausseiirandes  der  Krümmung  sind 
stiahli-nfiirmig  flache,  zierlich  ausgcsciinittcne  Blätter 
angebracht.  Am  obersten  J'unkte  derKrümmnngbefindet 
sieb  ein  in  eine  Spitze  auslaufendes  Doppelblatt,  nach 
webdu'm  alle  anderen  Blätter  iicriclitcl  sind. 

Inner  der  lliinilung  erblickt  man  im  I'"lachrclief  das 
iiiiiiliirte  Osterlamni  mit  dem  Kreuze,  dessen  eine  einmal 


gebrochene  Linie  bildenden  Schaft  es  mit  dem  linken 
Vorderfusse  hält.  Gegen  eben  dieses  Kreuz  ist  sowohl 
der  Koiif  des  Lammes  zurückgewendet,  als  auch  der 
offene  Rachen  des  früher  erwähnten  Ungethüms  gerichtet. 
Zu  Füssen  und  an  der  Seite  des  Lammes  sind  in  Elfen- 
bein geschnittene  Ornamente,  darunter  auch  ein  Drei- 
jiass,  angebracht. 

An  der  vordem  und  rückwärtigen  breiten  Fläche 
derKrünnnung  sind  Aufschriften  inromanischerLapidar- 
schrift  zu  bemerken.  An  der  Vorderseite  befinden  sich 
die  bekannten  AVortc:  ,.Salve  regina  miserieordiae",  auf 
der  Kehrseite:  ,.Ave  maria  gratia  donnnus  teeum".  Die 
Buchstaben  sind  Goldfarben,  ihre  Einfassung  wechselt 
zwischen  schwarz  und  rtitb.  Zwischen  den  Buchstaben 
befinden  sich  einige  goldene  ,  grün  eingerahmte,  orna- 
mentirte  Streifen.  Endlich  ist  noch  zu  erwähnen  ,  dass 
die  Radialverzierung  und  die  Krümuumg  sannnt  (irui^pe 
in  reicher  Weise  mit  goldfarbigen  Ornamenten  bemalt  ist. 


Mg.  72.      'St   Paul.; 


Fig.  73.     (.^t.  Paiil.i 

Romanisches  Pastorale  aus  dem  Schatze  des  Augu- 
stiner riiorherren-Stiftes  zn  K  I  ost  er  n  e  üb  n  rg  inNic- 
dcr-Ostcrrcicli  ;ius  dem  Xlll.  .lalirlnuidert.  Diesergegcu- 
wärtig  vollständig  erhaltene  Stab  bildet  in  forinelier  ]5e- 
zicdiung  eine  Special ität.  Die  .Vnschafl'ung  desselben 
wird  laut  der  schrittlichen  Aufzeicimungen  dieses  Stiftes 
dem  l'rolisten  Pabo,  dem  ersten  Eri»auer  des  Kreuzgan- 
ges d.-iselbst  (^1279 — 1292),  zugeschriei)cn.  Er  bestehf 
in  allen  seinen  Tlieilen  aus  Elfenbein  und  hat  eine  Höhe 
von  (!',  wovon  auf  das  verziertem  oiiei'c  F.nde  melir  als 
12"  konnnen  ('I'af.  VI  IT). 

Der  runde  Schaft,  welcher  si(di  mich  a  iwärts  etwas 
verjüngt,  besteht  :i  ns  vierzehn  gleich  grossen  Tbeileii, 
die  durch  Scliraiibeii  iiiiil  Stiffe  mit  einander  xcrbunden 
sind,  und  widcheniit  je  einein  rofh-,  gelb-  und  schwarz- 
farbigen  /weigiirtigen  Ornameiile  mit  Kleeblatteiiden 
bemalt  sind   ( l''ig.  (ili  1. 

Die  interessanteste  l'aitie  dieses  St;ibes  ist  der 
Obertheil.  Der  Knauf  hat  die  Form  einer  etwas 
gedruckten  Kiij;(d  ,   und   ist  mit    den   darauf  gemalten 


193 


Fig.   75.      (St.  raiil. 


nimbirten  Zeichen  der  vier  Evanselisten  gescbmück*. 
lüicksichtlicli  der  Anordiiiuig  der  Farben  niuss  bemerkt 
werden,  dass  die  Umrisse  der  Ornamente  und  Figuren 
sfliwarz  sind,  die  Austuiiiing  dur  h  Gold  gesebiebt,  und 
durch  die  nur  in  einzehieu  Strichen  verwendete  rotbe 
Farbe  blos  gewisse  Stellen  hervorgehoben  werden.  Aus 
<lem  Nodus  heraus  entwickelt  sich  mittelst  eines  stufen- 
förmigen Uliergangcs  ein  Schlangenkopf,  au  dessen 
Stirn-  undUnterkiefer-'^eitesicbje  einein  einem niuschel- 
förmigen  Ornamente  sitzende,  ungewöhnlich  bekleidete 
Figur  mit  jüdischem  Typus  zeigt,  deren  Kopf  sich  nach 
der  in  der  Krümmung  befindlichen  Vorstellung  richtet. 

Das  ol)ere  Ende  des  Stabes  bildet  ganz  abwei- 
chend von  der  gewöhnlichen  Forui,  statt  einer  Schnecke 
einen  vollständig  geschlossenen,  aber  nicht  ganz  runden 
Ring,  der  in  seinem  Durchmesser  5 1/»'  misst,  und  aus 


sieben  Theilen  besteht ,  welche  mittelst  eben  so  \  ieler 
Messingringe  zusammengehalten  werden. 

An  seinem  Aiissenrande  ist  der  Hing,  und  zwar  an 
seiner  obersten  Stelle  mit  der  aus  einem  doppelten  lilatt- 
Ornamente  in  sitzender  Stellung  emporsteigenden  Figur 
Gott  Vaters,  welche  ein  Buch  in  der  Linken  hält  und 
die  Hechte  zum  Segen  erhoben  hat,  geziert.  Rechts  und 
links  davon  sind  am  Ringe  je  drei  kammartige,  silhouet- 
tenförmige  Krabben  in  Strahlentorm  angebracht.  An  den 
beiden  Flachseiten  des  Ringes  befinden  sich  Inschriften 
in  spät-romanischen  Majuskeln,  die  sicli  auf  die  inner- 
halb des  Ringes  befindliclie  Grui)pe  beziehen.  Leider 
ist  jedoch  nur  die  Inschrift  an  einer  Seite  lesbar.  Sie 
lautet:   „ave  maria  gratia." 

Die  ziemlieh  roh  gearbeitete    freistehende    Mittel- 
gruppe stellt  die  Verkündigung  Mariens  vor  und  steh- 


Fig.  74.     (St.  Paul.; 


t94 


ß 


V 


ib. 


■^alzliin-f^.; 


mit  der  oberwähuten  Aufschrift  in  vdllkniiiiiK'iu'in  Kiii- 
kliiiij,--.  Di«'  'Mutter  (lott«\s  sitzt  iiuf  einem  Stiiiilc  mit  gc- 
laiti'tcn  Hunden,  ihr  gef?eniil)er  zeipt  sich,  j;leich:im  iiiif 
sip  zuschreitend,  in  etwas  freheugter  Stellung!:  der  Erz- 
enfrc'I  ftiibriel,  die  Rechte  in  die  Höhe  haltend.  Zwischen 
liciden  befindet  sich  ein  Haum,  der  znj^leich  aiicli  als  l'ult 
für  ein  vor  der  heilif^cn  Maria  aufi^cscldaficncs  ISiich  dient. 
.•\iif  einem  Aste  dessellten  sitzt  die  den  heiligen  (!eisl 
vorstellende  Taube  gegen  Maria  gewendet.  Alle 
{•'igiiren.  sowie  die  Kralilx'n,  sind  rotli  und  gohlen 
bemalt. 

Hin  romanischer  Kiiimmstali  in  der  l'tarrkiiclie  /,ii 
St.  Wolfgang  in  (JIk  r  tlsterreicli  ans  dem  XU-  .laiir 
iiiindert.  I)erbronzcne01iertlieil(Fig.  ()7)istunzweifelli;ifl 
eine  herrliche  Arbeit  <les  XII.  Jalirimndi'rts.  I)ie  Auf 
steckhlilse  i.-t,  gleich  dem  ganzen  Oberlheile,  mit  liiinl- 
farbigen  Kmaiis  verziert  und  zeigt  eiliehe  llieils  aiifri'cht 
siehende,  theils  vorwärts  schreitende  Oreil'en  mit  er 
liabenen  Fltigeln  und  Ncrschlungcnen  Schweifen,  die 
bösen  Dämonc;  synd)olisireiid  ,  welche  als  l'^einde 
der  Kirche  der  Hölle  eidsleigen.  Den  Xodus,  wil'lier 
mit  einer  kleinen  lilätterkrone  bedenkt  ist,  wodurrli 
er  das  Ansehen  eines  (iranatapfelH  bekommt  ,  zieren 
Sterne  und  Blumen  auf  blauem  Knniilgrund  und  da- 
zwischen  die  einirravirten ,     mit    Schmelz    ausgelegten 


llali>tigiireii  der  vier  Evangclislen,  deren  Köpfe  aus  Mes- 
sing gegossen,  vergoldet,  reliefartig  hervortreten.  Der 
Krone  entsteigt  ein  gekrönler  Engel  mit  entfalteten 
und  nach  rückwärts  in  die  Höhe  gebogenen  geöffneten 
Flügeln,  in  den  Händen  ein  geschlossenes  Buch 
haltend,  .Augen  ,  Krone  und  Gewandsaum  gegen 
den  Hals  hin  sind  mit  Edelsteinen  besetzt,  die 
Flügel  mit  herrlichen  Schmelzfarben  überzogen;  das 
Übrige  des  Engels  ist  übcrsili)ert.  Diese  vortrefHich 
gearbeitete  Figur,  und  insbcsoinlcri!  deren  Bckiüuung. 
bildet  ilen  Vermittler  zwischen  dem  Nodus  und  der 
( 'Mr\.itiii'a  ,  welche  aus  einer  zweinuil  gi'wundeiien  sieb 
\  erjiingenden  Schnecke  mit  vierseiligem  Krünnuiings^ 
kürfter  besteht,  die  mit  farbigen  drcitheiligen  Wolken 
iii  Schmelzfarbeu  bemalt  ist,  und  ndt  einer  zierlichen. 
aus  l'linf  mamk'lföi'niigen  Blättern  gcdtildetcn  Blume  en- 
digt. Der  mil  l'llinbeinbesalz  versehene  Schaft  slamnil 
aus  ilem  XVI.  .Jahrhundert. 

Der  romanische  Kriininistab  des  BeiKMÜctinei'- 
Stiftcs  St.  I'etcrin  Sa  I  z  bu  rg  aus  dem  XII.  .lahrhun 
dcrl  l  I'ig.  *)H)  ist  Millstämlig  erhalten.  Der  (Unsrtheil  isi 
aus  Bronze,  lier  Schall  aus  Hidz  und  mit  rollier  l'';irlir 
bemalt,  die  abei-  gegenwärlig  fast  ganz  verschwunden 
ist.  DurchinessiM'  der  Krümmung  ;}"  8'".  Die  mit  dem 
broTizeneii  Oliertheile  \ ('.rbuiuiciH'  Hülse,    liestimmt    zur 


!!):>    — 


l'i;;'.   77.      (.Salzburg.) 


Reiestigiing  desselben  am  Schafte,  ist  mit  Ornamenten 
in  Email  und  den  piuijiavirten  Halbfiguren  zweierEngel 
auf  hlauciii  (Ti-inuk' f;eziert.  Der  l^iigelige,  i^egren  oben 
und  untrn  etwjts  gediiickte  Nodus  zeigt  zwisclien  Ara- 
beslien  in  durclibrocbeiien  liundungen  Tliiergestaben 
mit  nienschlifhen  Kiijifen.  Olterbalb  des  Nodus  befindet 
sich  eine  kh'ineKmne  von  s]iitzen  IMättern  gcbibb't,  aus 
welclier  der  sehr  zarte,  last  cylindrische  Kriiiiiiiiungs- 
köi))('r  (■m])orste'gt,  »vehdier  an  zwei  Stellen  gebrochen 
ist,  und  eben  niclit  auf  die  zierliciiste  Weise  rejiarirt 
wurde.  Die  gegen  vorwärts  gebogene  offene  Krtinnnung 
wird  durch  einen  dünnen  .  sich  alhnälig  verjüngenden, 
zweimal  gewundenen  Sclilangenleib  gebildet,  der  an  den 


beiden  Aussenseiten  mit  einem  zierliciu-n  romanischen 
I'andornanuMite  in  Email  gesdimiiekt  ist.  Ausser  dieser 
eniaillirten  Stelle  zeigt  dieKriimnuingnuriilaidves  Bronze. 
Der  Sattel  der  Windung  ist  mit  einigen  kugelartigen 
Knorren  besetzt,  welche  gegen  die  Mitte  der  Schnecke  zu 
etwas  verlängrert  sind  und  als  Stützen  des  dortigen  Kriini 
mungskörpers  dienen.  Im  Inn  mh  ilerKriimniung  lictindcl 
sich  ein  das  Ende  der  A\  indiing  liiidender  )ihantastisch 
geformter  Schlang'-nkopf .  welcher  ein  breites  .  liimt 
eninillirtes  Lanhornaiiient  im  Kaeln^n  hält. 

.\n  diesem  Stabe  ist  mittelst  eines  jinndes  ein 
dicker  dreieckiger  Tu(ddap]ien  befestiget  i  Fig.  •')'.•").  wel- 
cher dazu  diente,  um  daran   das    Sudariiiin    zu    liüngen. 


—    im 


Fig.  78. 

Dieses  seltene  Hxemjilar  einer  Bnrsii  ist  vcni  rotheni 
'riieiie  mit  goldener  Bordüre  und  rotlieii  Fransen  t)e- 
setzt,  und  hat  in  der  Mitte  eine  mit  Perlen  g'estiektc 
.•\rat)i'ske. 

(itithisclic'r  Krimnnstal)  des  lienedietiner- Stiftes 
.St.l'eter  in  Salzburg  aus  deiiiXWJalirhmidert.  Die- 
ser in  seiner  Art  praelitvolle  und  Aollsländig  erhaltene 
Kruniuisiab.i.st  ein  Geschenk  des  Abten  Rupert  V.  an 
die  .\l)tei.  Er  ist  ganz  aus  Silber  verfertigt  und  hat  eine 
Iliihe  von  I)'  ti".  Der  Schaft  ist  iudd  und  besteht  aus  einei' 
llolzröhre,  -velehe  mit  Silberldeeh  ülierzogen  ist;  er  ist 
dnridi  vergoldete  Wulste,  an  weicherer  durch  Abschrau- 
lien  zerlegt  werden  kann,  in  vier  Theile  getheilt.  vuu 
welclieui  die  drei  oberen  mit  Blumen  und  \'ersehlin- 
ginigen  in  gestauchter  Arbeit  verziert  sind,  l'm 
ilen  obersten  dieser  Tlieilc  schlingt  sich  ein 
Sj)ru(dd)and  mit  der  für  Krunimstälie  bedeu- 
tMngsv(dlen  symb(disehen  Inschrift:  Collige, 
snstenta,  stimnla,  vaga ,  nn)rbida,    ienta.    14«?. 

vorzüglich  zierlicli  sind  der  Nodus  und 
die  Kilimmung,  welche  zusaminen  eine  Höhe 
von  T  haben  (Fig.  70).  Der  IS'odus  ist  lang 
gestreckt ,  nidit  sehr  hervortretend,  hat  die 
Cestalt  einer  C'ajiclie,  und  ruhet  auf  einer 
('nns(de,  welche,  den  I»)ergarig  vom  Schufte 
nur  allmälig  vernnlteit.  Die  hohe  sechsseitige 
Console  ist  nnt  kleinen  Flächen  geziert,  auf 
denen  ein  Ecce  lioino  und  fünf  Kngelsgestalten 
mit  I.eidenswerkzeiigen  ciiigravirt  sind.  Zwi- 
schen fliesen  ti  Flächen  sind  kleine  freiste- 
hende Säuiclicn  angebracht.  Der  Xodus  selbst 
bestellt  aus  zwei  Abtheilungen ,  doidi  ist  nur 
der  untere  Thcil  entwickelt,  während  der  obere 
gedrückt  lind  auch  minder  geziert  ist.  Im 
iiiit<'ren    Tlieile    sind    unter   den  mit  Fialen  und 


jitlnnzenartigcn  Verschlingungen  reich  verzierten  sechs 
Bögen  je  ein  und  zwar  vorzüglich  gearbeitetes  Figür- 
(dien  augebracht ,  vorstellend  den  heiligen  Vitalis, 
Rupertus,  Petrus,  Paulus,  den  Heiland  und  die  Jlutter 
(Lottes. 

Aus  dem  Nodus  entwickelt  ^ieh,  nacinlem  sich  der 
Schaft  noch  etwas  in  gerader  Richtung  über  demselben 
fortsetzt,  die  einmalig  gewundene,  nach  vorwärt.s  gebo- 
gene und  si  'h  verjüngende  S(dinecke.  Dieselbe  ist  am 
Aussenrande  mit  10  Knorren  besetzt,  hat  an  den  beiden 
Fla(diseiteii  zierliche  Filigranarbeiten,  die  in  neuerer 
Zeit  mit  Scinunck  von  Perlen  und  Edelsteinen  bereichert 
wurden,  und  folgende  längs  der  Knorren  nächst  dem 
rückwärtigen  Krümmungsrande  aufsteigende  Inschrift : 
Rudberti  abbatis  persto  ego  iussu  suo  anno  14S'7  — 
(auf  der  anderen  Seite)  Initium  sapienciae  timor  domini. 
Eccl.  prini. 

Inner  der  geschlossenen  Krümmung  betiiulet  sieh 
unter  einem  gesehweiften  Spitzbogen,  dessen  Kreuz- 
blumen ülier  den  Rand  der  Schnecke  hinausstehen,  die 
Figur  der  heiligen  Katharina  mit  Rad  und  Schwert  auf 
einer  Console  stehend. 

Noch  sind  zwei  Figuren  an  diesem  mit  tiguralem 
und  ornamentalem  Schmucke  reich  ausgestatteten  Kunst- 
werke zu  erwähnen  Die  eine  kniet  auf  einer  über  den 
Nodus  hervortretenden  Console  und  stellt  einen  Priester 
iriit  der  faltenreichen  Flocke  angethan,  ohne  Zweifel  den 
Abt  Rupert  V.  vor,  dessen  Wappen  am  Nodus  angebracht 
ist.  Die  andere  steht  auf  dem  über  dieser  Figur  ange- 
brachten polygonen,  tiaeh  abgesiddossenen  Baldachin. 
Sie  ist  nackt,  hält  nnt  beitlen  Händen  die  Schnecke 
und  stösst  mit  dem  linken  Fusse  gegen  die  ihr  zu- 
nächst allgebrachte  Knorre.  Sie  scheint  ohne  einen 
weiteren  tieferen  Sinn  lilos  zur  Unterstützung  der  Krüm- 
mung angebracht  zu  sein.  Der  Künstler  dieses  gross- 
arfig-eu  Denkmales  dürlte  der  aurilalier  Pertoldus  \()n 
Salzburg  sein,  welcher  laut  der  Rechnungen  lies  Abtes  Ru- 
pert V.  mehrere  Silberarbeiten  für  denselben  geliefert  hat. 

Endliidi  ein  Krunnnstab  aus  Silber,  vergoldet,  in 
der  Kiiimniung  iler  englische  (Jruss:  Ende  des  X\'I. 
.lalirliunderts.  Stift  K  r i! m  sm  ü  n st e r  (Nr.  172). 

\'oii  den  hier  befindlichen  kirchlichen  (Jewänderu 
seien  erwähnt  die  grüne  Clockeneasel,  ein    altes    rtmia- 


V\ii 


l'.K 


197     — 


iiisclics.Mi'ssklcidiUis  (k'liioll  ^■eiitllluti.Mi  StitU'  St.  Tel  Cl- 
in S  ;i  1 /.  I)  U  ii;'.  E.s  ist  ein  rundes,  f;loci<eiilörniis'es  Ge- 
wandsliiciv MUS  einem  seil r festen  iirientiiliseiieu Seidenst ofl' 
in  mattem  Grün,  und  hat  nur  oben  t'lir  den  Dureldass  des 
Kopfes  eine  (IHnuns'.  Mit  einem  soielien  Kleide  i;in,:;- 
einst  im  früheren  Mittelalter  der  Priester  zum  Altare,  um 
(las  lieilige  Messopfer  zu  feiern.  Nachdem  er  an  den 
Stufen  des  Altares  das  soj;-enaünte  Stufeui^eliet  \vr- 
rii'lilet,  liolien  die  Leviten  den  Saum  des  Messkleides 
auf  und  der  Priester  hielt  die  Hände  auf  die  lirust  und 
stieg'  den  Altar  hinan.  Von  da  an  l)lieb  das  Messkleid 
auf  den  Armen  des  Celebranten  ruhen  wäiirend  der 
ganzen  Feier.  Der  Stoff  des  genannten  Messkleides 
zeigt  in  kreisförmif;en  Zeiehnung'en  getlügeite  Löwen 
und  Vögelpaare.  Ais  Verzierung  trägt  es  nur  vorn  auf 
der  Nath  eine  Goldborde  und  ebenso  um  den  Hals  herum, 
welche  auch  stellenweise  mit  Perlenreihen  und  Edel- 
steinen geschmückt  ist.  Die  Kloster-Tradition  nannte 
diese  (iloekencasel  schon  seit  Jahrhunderten  „St.  \'ita- 
lis- Messkleid"  und  in  den  ältesten  Inventarien 
des  Kirchenschatzes  von  St.  Peter  aus  den  Jahren  14(12 
und  147S  heisst  es  von  diesem  Stücke:  ,.Item  casula 
beati  ^'italis  viridis". 

Aus  dem  Stifte  St.  Paul  in  Kärnten  sind  drei  Kir- 
chenkleider ausgestellt,  die  gleich  den  übrigen  Schatz- 
gegenständen ehemals  dem  Stifte  St.  Hla.sien  in  Schwarz- 
walde geiiörten.  Eine  Casula  in  alter  Form  (Nr.  ITl), 
ohne  Ausschnitt  für  die  Arme,  im  Halbmesser  IM. 
67  Ctni.  Die  ganze  Fläche  ist  durch  ornanu-ntale  Strei- 
fen, die  vertical  und  horizontal  gezogen  sind,  in  qua- 
dratische  Felder  getheilt  und  unterhalb  mit  einer  Bor- 
düre abges(^hlossen.  Im  Ganzen  sind  ."i.S  Felder  gebildet, 
doch  sind  davon  nur  2()  vollkommene  <>)uadrate.  Der 
ganze  Mantel  ist  in  treft'lieiier  Seiden-Stickerei  (Nadel- 
malerei) ausgeführt.   Den  Grund  bildet  stark  gewebter 


ungeliicichter  Straminlrincn  ,  die  Stickerei  ist  im  Zo])!- 
und  Kettenstiidi  ausgeführt.  Die  l'arbenwirkung  ist  eine 
^ehr  einfache.  Die  zwei  llauptfai-l)en,  in  denen  mit  nur 
\ereinz(dten  Ausnalnnen  der  (irund  der  tiguraiisclien 
Darstellungen  ausgefüllt  ist,  sind  gell)  und  blassrotli. 
-Ausser  diesen  tinden  wir  noch  blau,  gi'ün,  braun,  weiss 
und  eine  tiefere  Abstufung  des  Hoth.  Vo.n  Golde  wurde 
nirgends  (iebraueh  gemacht.  Die  Felder  sind  entweder 
mit  tiguralen  Darstellungen  oder  mit  Thiergestalten 
gi'schmü(d<t.  \'oii  Thiergestalten  treffen  wir  in  den 
Iragmentirten  Feldern  einen  Drachen  mit  reich  ver- 
schlungenem Schweife  (Fig.  71)  und  einen  Pfau,  der 
ein  151att  im  Schnabel  hält  ;  von  Oi-namenten  zierliche 
A'erschlingungen  breiter  Händer  mit  IJlattausgängen 
(Fig.  72)  und  in  Verbindung  mit  dem  doppelten  Mäan- 
derstab  auf  dem  breitcM'cn  verticalen  Streifen,  welcher 
\()rn  an  dem  Halsausschnitte  herabläuft.  Alle  diese 
\'erzierungcn  zeigen  entschieden  den  Charakter  des 
entwiekelteii  Konianismus ,  wie  er  sich  vom  Beginne 
des  Xll.  Jahrhundert  bis  in  die  erste  Zeit  der  Gothik  in 
steter  Fortbildung  erhalten  hat.  Die  Darstellungen  in 
d(Mi  quadraten  Feldern  beziehen  sich  auf  neutestamcn- 
1  arische  Begebenheiten  .  Prophetengestalten  ,  typolo- 
gische  Bilder  aus  dem  alten  Bunde,  z.  B.  Josne  und 
Judas  (Fig.  73),  Heiligengestalten,  endlich  werden  in 
den  35  Medaillons  der  Bordüre  Evangelisten,  Apostel 
und  einzelne  historische  Personen  (Kaiser  Otto)  vor- 
geführt. Dr.  Heider  si)ric]it  die  \'ermuthung  aus. 
dass  dieses  im  zweiten  Viertel  des  XH.  Jahrhunderts 
entstandene  kirchliche  Kleid  in  dem  Frauenmünster  der 
Benedictinerinnen  zu  Zürich  angefertigt  wurde  und  ent- 
weder für  das  Stift  St.  Blasien  oder  für  das  berülnnte 
Benedictinenkloster  St.  Gallen  bestimmt  war.  ' 

'  Siehe   Ueider  im   IV.  Jalirbmlie  der  k.   k.   Ccntr.   Cuiiiiii.    i;U. 


Fis.  80.  ^Klosterneuburg.) 


•JH 


—     11)8     — 


Das  zweite  liturgische  Gewand  ist  ein  im  Beginn 
des  XIII.  Jalirliunderts  entstandenes  Pluviale  (capiiaplu- 
vialis,  casula  oucullata,  processoria,  Mantel)  von  der  glei- 
chen Form  wie  dieCasel,  nur  vorn  ofTenund  Über  der  Brust 
mittelst  einesQnerstreifens  zusammengehalten ;  rückwärts 
ist  eine  kleine  Capuze  angebracht.  Durch  einen  längs  des 
Kückens  herumlaufenden  ornamental  verzierten  Streifen 
wird  der  in  seiner  Ausbreitung  einen  Halbkreis  bildende 
Mantel  in  zwei  gleiche  Theile  geschieden.  Auf  jedem 
derselben  sind  neunzehn  ganze  Kreise  und  fünf  theils 
grössere,  theils  kleinere  Kreis-Segmente  als  Räume  für 
tiguralische  Darstellungen  hergestellt,  deren  jede  durch 
eine  dem  Kreisumfange  folgende  im  leoninischen  Vers- 
masse  gehaltene  Umschiift  erläutert  wird.  Die  Zwischen- 
räume, welche  durch  die  an  einander  gereihten  Kreise 
gebildet  werden,  enthalten  aus  Blättern  gebildete  Orna- 
mente. Die  figuralen  Darstellungen  führen  auf  der  einen 
Hälfte  die  vollständige  Legende  des  heiligen  Blasius, 
auf  der  andern  Hälfte  die  Legende  des  heiligen 
Vincentius,  Schutzpatrone  des  Stiftes  8t.  Blasiiis  vor. 
Rücksichtlich  des  Stoffes  ,  der  Stickerei  und  Farben 
gilt  das  vom  ersten  Gewände  Gesagte,  nur  erscheinen 
hier  auch  noch  Goldfäden  verwendet.  In  Fig.  74  und  7ö 
geben  wir  die  Abbildung  der  Darstellungen  auf  der  Vor- 
der-und  Rückseite  der  Gapuze;  die  erstere  zeigt,  wie 
der  mit  dem  Pluviale  angethane  Abt  vor  einem  Schutz- 
heiligen des  Stiftes  kniet  und  ihn  bittet,  dem  Kloster  ein 
gütiger  Schützer  zu  sein  (Nr.  1ü;5). 

Das  dritte  liturgische  Gewand  ist  eine  dcririiiifren 
gleichgcformte  Casuhi  aus  dem  beginnenden  XI II.  Jaiir 
hundert,  die  jedoch  im  XVIII.  Jahrhundert  in  iliriM- 
Form  etwas  verstümmelt  wurde.  Auch  sie  wird  durch 
finen  längs  des  Rückens  herablaufenden  Stalj  in  zwei 
Theile  getlieilt,  deren  jeder  18  zum  Theile  zugeschnit- 
tene Quadrate  als  Räume  lur  figurale  Darstellungen 
enthält.  Die  Abgränzung  dieser  Flächen  bildet  Strei- 
fen, welche  oberhalb  jeder  Darstellung  zur  Anbrin- 
gung der  sie  charaktcrisircndcn  im  leoninischen  Vers- 
masse gehaltenen  Aufschrift  dienen  ,  zur  Seite  der 
Darstellungen  aber  mit  verschiedenen  Band-  und  Laub- 
vorzierungen  geschmückt  sind.  Was  die  Stichweise  und 
den  Wechsel  iler  Farben  betrifft,  so  gleicht  diese  Casula 
dem  el»en  bespruchenen  l'luviale  so  vollständig,  dass 
kein  Zweifel  über  die  gleichzeitige  und  örtlich  zns.im- 
menfallende  Anfertigung  beider  zulässig  erscheint.  Hin- 
sichtlich des  Inhaltes  der  Darstellungen  ist  zu  bemerken, 
ilass  sie  entweder  neutestanientarische  Scencn  voriuin- 
;;en,  odi'r  solche  aus  dem  Leben  des  heiligen  Xieolans. 
In  den  neun  Medaillons  des  Stabes  sieht  nnin  das  Lamm 
Gottes,  die  Bilder  der  Evangeli.sten  inid  vier  gros.seti 
Troplicten  (Nr.  214). 

Dem  XV.  .Jahrhundert  gehört  das  grünsanimtene 
Messkleid  an,  das  auf  seiner  Rüekseite  mit  sehr  schöner 
Flaclisiickerei  in  Kl euzform  besetzt  ist;  die  Stickerei 
stellt  den  Stannnbaum  Jesse  vor.  Dieses  Kirchcnkleid 
war  ehemals  Kigenthum  der  Garthaiise  G  ei  räch  in  der 
Steiermark  und  wiril  noch  gegenwärtig  in  der  dortigen 
Rfiirrkirche  aufbewahrt. 

Nicht  minder  wertli\(dl  wie  die  kirchlichen  (!e- 
wänder  von  St.  Paul  sind  jene  aus  dem  aufgehobenen 
Nonnenstifte  Gdcss  in  Stt'iennark.  Dieseliien  st:innnen 
;ins  der  zweiten  Hälfte  des  Xlil.  .lalirliundeils  und  sind 
in  ähnlicher  Weise,  wie  die  eben  genannten,  mit  Seiden- 
stickerei llberzogen.' Leider  sind  sie  auch  nicht   so   gut 


conservirt  wie  jene  und  wurden  die  schadhaften  Stellen 
durch  andere  Stoffe  ergänzt. 

Der  Ornat  besteht  aus  einer  Casuln,  die  nicht  zur 
Ausstellung  gelangte,  zwei  Dalmatiken,  einem  l'luviale 
und  einem  Antii)cndium.  Auf  der  einen  grösseren  Dal- 
matica  ist  oben  beim  Halsausschnitte  am  RUcktheile  in 
einem  Medaillon  zum  Theile  die  Darstellung  der  Ver- 
kündigung Mariens  mit  deniLegendarium  des  englischen 
Grusses  sichtbar.  Um  dicsellie  gruppirten  sich  die  Sym- 
bole der  Evangelisten ,  wovon  noch  gegenwärtig  zwei 
erhalten  sind.  Den  übrigen  Raum  der  Rückseite  nehmen 
zwölf  Darstellungen  symbolischer  Thiergestalteii  ein. 
Diese  sind  auf  farbige  Flächen  gestickt  und  theilweise 
von  Inschriften  umgeben,  deren  eine  lautet:  Chunegundis 
Abbatissa  hoc  opus  est  operata.  Die  Darstellungen  sind 
auf  feinem  Sti-amiu  gestickt  und  zwar  derart,  dass  auf 
den  unterliegenden  feinen  Canevas  zuerst  sämmtliche 
Figuren  in  scharfen  Contcuiren  angedeutet  und  sodann 
theils  in  Ketten-  und  Sprungstichen  ,  theils  in  Flecht- 
und  Flnnmienstichen  bestickt  wurden.  Die  Grundfarl)e 
ist  roth. 

Die  zweite  etwas  kleinere  Dalmatica  ist  in  Bezug 
auf  Rcichthum  bildlicher  Darstellungen  viel  einfacher, 
doch  in  der  Technik  gleich.  Der  Chormantcl  hingegen 
ist  eines  der  interessantesten  Gewänder,  er  ist  aus  zwei 
Hälften  zusammengesetzt,  und  in  den  Stickereien  theils 
ornamental,  theils  tigural  gehalten.  Als  Mittelstück  zeigt 
sich  ein  grosses  Rundmedaillon  mit  der  Vorstellung  der 
Mater  Dei,  auf  einem  Faltistorimn  sitzend.  In  der  bund 
förmigen  Fmringung  des  Medaillons  ein  leider  nicht 
mehr  lesbares  Legendarium  und  ausserhalb  die  Evan- 
gelisten-Sj'mbole;  der  Mantel  ist  sehr  beschädigt  und 
wurden  die  Lücken  duich  nicht  passende  Stücke  aus- 
gefüllt, darauf  tinden  sich  Darstellungen  der  Apostel. 
Unter  der  Madonna  kniet  als  späteres,  von  einer  andern 
ursprünglichen  Stelle  entnommenes  Flick  werk  die  Äbtis- 
sin Cliunegunde,  unter  deren  Amtsfülirung  dieser  präch- 
tige (trnat  entstand.  Den  übrigen  Theil  des  Mantels 
füllen  nur  symbolische  Thiergestalten  in  (piadraten  Fel- 
dern aus.  Das  dazu  gehörige  Anti])endium  ist  9'  5"  breit, 
;•}' 2"  hoch.  Auf  dieser  palla  altaris  sind  in  grösseren,  durch 
kleine  Kreise  mit  einander  verbumlenen  Medaillons 
dargestellt :  Maria  als  llininulskönigin  .  der  englische 
Gruss  und  die  Anbetung  der  heil,  drei  Könige.  In  der 
Inuahmung  der  ersteren  Darstellung  liest  man  die 
\'iiiivverse:  Sis  clemens  Christi  j  Mater  Domui  precor 
isti  Istam  Christi  gregem  |  Rege  l)er  ])lacitam  f  legem.] 
7.\\  beiden  Seiten  Mnrien's,  ausserhalb  des  Medaillons, 
knien  weibliche  Gestalten,  wovon  die  eine  die  Stitterin 
der  ehemaligeu  Nonnenabtei  Göss  (adula  fundatrix) 
mit  dem  I'.ildnisse  der  Kirche  und  die  zweite  mit  der 
viuhandenen  Inschrift  (Chunegundis  abbatissa  nie 
fecif)  die  Verfertigerin  und  Gesclic)d<.gelierin  des  An- 
tii)endiunis  vorstellt,  llur  der  Darslelhing  Maricn's  er- 
blickt man  zwei  Engel,  die  in  kniender  Stellung  dem 
Heilande  zugewendet  sind,  zu  beiden  Seiten  der  drei 
Medaillons  vielfarbig  gesli(dUe  Ornamente,  welche  auf 
der  einen  Seite  von  (iuadratiiren  eingeschlossen  und 
aulder  anderen  Seite  von  rbondxiidenl'önnigen  Linien 
unigel)en  sind.  ' 

Noch  ist  eines  kleinen  Antipendiiims  zu  erwähnen; 
dasselbe  ist  mit  di'U  in  Seide  gestickten  Darstellungen 
\on  Heiligen  nnd  den  Wappen  der  I'ainilien   Kosenberg 

'   S,  Millh.   A     ('.  Uli.   (■..iiiiii.    III. 


—     10<) 


und  Wallsee  gt'zicrt  iiiul  gehört  dem  XV.  Jaliiliuiitleit 
an  (Nr.  241,  Eigentbümer  Franz  Koch).  • 

Wir  haben  nun  der  interessanten  Mitren  zu  gedenken, 
die inden  beiden  Wanilsehränken  untgestelb  sind.  Der 
noch  beut  zu  Tage  bestellende  Gebraueli  einer  beson- 
deren auszeiehnenden  Koptljedeekung  ,  um  die  ober- 
birtliche  Würde  einzelner  Priester  in  der  christliehen 
Kirche  des  Morgen-  und  Abendlandes  auch  äusserlieh 
während  der  gottesdienstliehen  Handlungen  zu  kenn- 
zeichnen, reicht  erweisbar  Ijis  in  die  Tage  der  Apostel 
zurlick,  so  wie  wir  auch  diese  l'bung  beim  bil)lischen 
Priesterthunie  des  alten  Bundes  finden.  Freilich  wohl 
war  die  in  den  tVühehristliehen  Zeiten  übliche  bischöf- 
liche Kopfbedeckung  nicht  von  jener  Form  und  Aus- 
stattung, wie  wir  uns  dieselbe  seit  dem  sjjüteren  IMittel- 
alter  bis  zur  Gegenwart  etwa  unter  dem  Worte  Mitra 
vorstellen. 

Was  die  Form  der  frühchristlichen  Mitra  anbelangt, 
so  ist  es  sehr  schwierig,  darüber  Hestinuntes  nuzugeljcn, 
da  liiefür  nicht  nur  die  sicherste  Quelle,  niindich  derlei 
uralte  bis  zur  Gegenwart  erhaltene  Kopfbedeckungen, 
fehlt,  sondern  auch  keinerlei  Abbildungen  derselben  in 
Sculptur  oder  Malerei  sich  bis  in  unsere  Zeiten  erhalten 
haben.  Doch  kann  mit  allem  Grunde  vermuthet  weiden, 
dass,  wie  überhaupt  den  liturgischen  Gewändern  der 
Bischöfe  und  Priester  nicht  blos  die  Gewänder  der  Se- 
natoren des  classischen  Roms,  sondern  aucii  und  zwar 
insbesondere  die  Ornate  der  Hohenpriester  des  alten 
Testamentes  zu  Vorbildern  gedient  haben  ,  auch  dies 
bei  dem  ursprünglichen  Kopfschmuck  des  Bischofs  (la- 

I   ,s.   -Mitth.   <i.    e.  iitr.   Cüjiiiii.    XVI.  ]i. 


miiia  aiirca,  Corona),  der  Fall  war,  wenn  ein  solcher 
überhaupt  bei  sännntlichen  Vorstehern  der  christliehen 
Kirche  als  vorhanden  angenommen  werden  kann. 

Anders  ist  es  mit  der  Zeit  vom  IV.  bis  VIII.  Jahr 
hundert,  aus  welcher  uns  inanigfaltige  noch  erhaltene 
(Quellen  mit  ziendicher  Sicherheit  beleiiren,  dass  damals 
diese  mit  der  besonderen  bischöflichen  Kopfbedeckung 
vereinigten  Abzeichen  der  kirchlichen  Würde  meistens 
die  (icstalt  von  Kronreifen  hatten,  äimlich  königlichen 
Diademen,  und  zwar  jenen  damaligen  \'oti\  krönen  ,  die 
gut  erhalten  durch  mehr  als  ein  Jahrtausend  hindurcii 
not  b  unsere  Tage  erreicht  haben. 

T^nter  diesem  Keife  und  wahrscheinlich  auch  mit- 
telst desselben  festgeliallen  .  trug  man  meistens  eine 
Ai-t  Kopfschleier ,  ein  Stück  feinen  Stoffes,  meistens 
Linnen  (byssiis),  grösstentheils  von  weisser  Farbe,  von 
länglich  viereckiger  Gestalt,  welcher  das  Haupt,  um  das 
es  entweder  gelegt  oder  auch  gewunden  war,  verhüllte. 
Die  Zipfel  hingen  nach  rückwärts  herab  und  bedeckten 
Hals  und  lüickcn  des  Trägers.  Leider  hat  sich  auch 
aus  dieser  Zeit  kein  derartiges  GewandstUck  erhalten; 
denn  die  noch  vorhandenen  bischöflichen  Mitren  reichen 
liinsieliflich  ihrer  Anfertigniigszeit  nicht  über  das  XI. 
Siienluni  zurück.  Obschon  man  diese  reifl'örmige Grund- 
form und  die  runde,  dem  llau|)te  mehr  anpassende  Ge- 
stalt der  auszeichnenden  bischöflichen  Kopfbedeckung 
auch  noch  ferner  beibehielt,  so  begann  doch  im  IX.  Jahr- 
hundert in  den  verschiedenen  Ländern  des  ehri.stlicheii 
Abendlandes  eine  alluiälige  Umgestaltung  derselben 
])latzzugreifen,  die  sich  besonders  in  der  .Vasdehnung 
nach  der  Höhe    charakferisirte.    Bis    in    das    .\II.   Jahr- 


Vig.  81.  (KlostenieiiburK. 


200 


hundert  dauerte  diese  Umgestaltung,  ohne  dass  es  schon 
damals  aus  dem  Hinundherschwanken  zu  einer  neuen 
einheitliclien  Form  gekommen  wäre ;  ja  vielmehr  haben 
sich  gerade  aus  dieser  Zeit  die  verschiedenartigsten 
Formen  der  Jfitra  erhalten,  wie  uns  zahlrciclie  Bild- 
werke darüber  belehren.  Dazu  kam  nocli,  dass  im 
X.  Jahrhundert  das  Gewicht  dieser  Kronreiten  in  Folge 
des  darauf  angebrachten  reicheren  Steiubesatzes  und 
des  vermehrt  verwendeten  Jletalles  zu  schwer  nnd  zu 
drückend  geworden  sein  mag,  daher  man  anfing,  unbe- 
schadet der  (irundform,  den  metallenen  Keit  durch  Bän- 
der aus  kostbaren  Stoffen,  mit  wertiivoller  Stickerei  ge- 
schmückt zu  ersetzen. 

Erst  mit  dem  XII.  .hihrhundert  wurde  die  Foini  der 
bischofliclien  Mitra  hinsichtlich  Lii'fang  und  \erzierungs- 
weise  eine  ziendicli  feststehende  und  von  den  Bischöfen 
des  Abendlandes  fast  allgemein  angenommen.  Das  Vor- 
bild für  diese  damals  entstandene  allgenieneMitreiifovm 
war  die  römische  Milra,  wie  sie  in  bestimmter  gleicli- 
niässiger  Weise  v<im  XI.  Jahrhundert  an  die  Päjiste  in 
Signum  pontiticii  zu  tragen  und  zu  verleihen  jitlegtcn. 

Diese  im  Ganzen  niedrige  Pontitical-Mitni  dei- 
l'äiiste,  deren  feststehende  Form  erst  vom  Ende  d'  s 
X.  Jahrhunderts  an  durch  erhaltene  gleichzeitige  bildliche 
Darstellungen  nachzuweisen  ist,  hatte  eine  sjtitze  kegel- 
fOrndge  Gestalt  und  spaltete  sitdi  im  aufsteigenden' 
Theile  der  Kopfbedeckung  "n  zwei  Theile,  einen  leeren 
Winkel  dazwischen  bildend.  Diese  beiden  Theile,  von 
drciccki-crCcstalt,  eigentlich  Schild fin-ndgcVerzieningen 
der  Kopfiicdeckung(cornini),ülierragten  meistens -leieli- 
mässii:  den  \'or(ler-  nml  Hinterkopf  und  wurden  dureli 
ein   Zwischenfulter  verliunden. 

Die  Form  der  römischen  Mitra,  die  Jedoch  hin- 
si(  htlicli  der  Form  der  Schilder  sich  ebenfalls  allmälig 
verwandelte,  und  vom  stumpfen  Winkel,  der  im  IV.  bis 
VIII.  Jahrhundert  kaum  das  Haupt  des  bischötlichen 
Trägers  Überragte  und  allmälig  höher  werdend  bis  zu  einer 
scharfen  Sidtze  im  XII.  Jalirlmndert  sich  entwickelte. 
war  von  nun  an  die  .•illgeniein  massgebende. 

Für  ihre  Aussenseite  wurde  sehr  häutig  nur  eine 
( iattungoft  sein- kosti)aren  Stoffes,  meistens  gemustert  und 
aus  SeidCjVon  weisser  oder  rother  Farbe  verwendet;  doch 
giiit  es  auch  him-eicheude  15eispielc  von  .Mitren.  Ixi 
denen  der  in  eine  starke  Falte  gelegte  St(df,  woniitjene 
offen  gebliebene  Stelle,  die  dureli  die  Tiieiliing  der 
Spitze  in  die  beiden  Corinia  entsteht,  ausgefüllt  wird. 
nicht  mit. jenem  gleich  ist,  der  zur  eigentlichen  Mütze 
verwendet  wurde,  sondern  in  Farbe  und  Bescliatfenlicil 
mit  dem  Stoffe  ühi'rcinstimiMt,  den  man  zum  Futter  ver- 
wendete. 

Eine  Verzierung  der  .Mitia  bildet  jener  Bandstreilen 
faiirifrisia),  der  in  grösserer  oder  geringerer  Breite  ent- 
weder den  unteren  Saum  derselben  iindasst  ,  oder  nach 
aufwärts  steigend  die  iieiden  Sciiildcr  in  zwei  Hälften 
theilt,  oder  endlich  die  .Alitra  in  der  dopiielten  Weise 
ziert.  Einen  besonderen  Sclnnin-k  bilden  (eniir.jene  De- 
pendcnzen  (faiutues,  ])endilia,  stolae) ,  die  .in  derHüek- 
seife  der  .Mitra  angebr.-ielil  sind,  bandartig  aiit  die  Schul- 
tern des  Bisclnds  lallen  und  Tiieistens  aus  dem  Stoffe  der 
aurifrisia  angefertigt  sind.  Bisweilen  aber  linden  wir   zu 

diesen  Stolen  besonders  kostbare  Stoffe  verwendet  I 

daraut  prachtvolle  \'erzierungcn  in  Stickerei. 

Oh^rleicli  als  eigentlicher  Scliniind<  der  Mitra  nur 
die  Üorle  ersclieint,  so  linden  wir  doch    amdi   bisweilen 


Jletall-Agratr'en  auf  derselben  nnd  Ijcsonders  an  den 
fauones  angebracht,  von  denen  manche  durch  vor- 
zügliche Zierlichkeit  sehr  bcachtenswerth  sind.  Ausser- 
dem iindet  man  noch  Edelstein-  und  Perlenbesatz. 

Die  Abte  waren  bei  dem  Tragen  der  Jlitren  an  ge- 
wisse Beschränkungen  gebunden.  Doch  scdieinen  diese 
im  XII.  und  Xlll.  Jahrhundert  in  den  Tagen  Papst 
Clemenfs  1\',  (^ll^tiö  —  ll;t)S)von  den  mitrirten  Ahten 
ausser  Beachtung  gekommen  zu  sein,  da  damals  Ablia- 
tial-Mitren  durch  ihre  besonders  reiche  Ausstattung  \  on 
tlenen  der  Bisehöfe  fast  nicht  mehr  zu  unterscheiden 
waren.  Papst  Cleiuens  IV.  sah  sich  veranlasst,  diesen 
Missbrauch  zu  rügen  nnd  gestattete  blossjenen.Vliten,  die 
exempt  waren,  d.  h.  die  unnnttelbar  unterm  rönnschen 
Stuhl  standen  und  lutdit  Mim  Diöcesan-Bischofe  abhin- 
gen, die  Jlitra  aurifnsiata,  d.  i.  gestickt,  jedoidi  ohne 
Metall -Drnaniunte  oder  Edelstein-  und  Perlenbesatz, 
den  übrigen  aber  nur  die  Jlitra  simplex. 

Obgleich  im  Ganzen  eine  belangreiche  Anzahl  mhi 
Mitren  des  XII.  und  XIH.  Jahrhunderts  besonders  m 
den  Schalzkannuern  älterer  Kirchen,  in  iUfentlichen  und 
l'nvatsamiiihingen  erhalten  blieb,  so  ist  doch  die  Zahl 
jeuer  im  österreichischen  Staate  vortindlieheu  ziendicli 
gering.  Auf  der  Ausstellung  finden  sich  deren  vier. 
Drei  davon  besitzt  das  Beuedictiner  Stift  St.  Peter  in 
Salzburg.  Das  eine  dieser oberhirtlichenGewandstückc 
dürfte  aus  der  letzten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts 
stammen  und  hat  e;ne  Hohe  von  b"  i5  "  und  eine  Breite 
von  lO'und.S'",  Der  klein  gemusterte  Grundstoff' dieser 
vom  Zahn  der  Zeit  schon  arg  beschädigten  forniS(diönen 
Mitra  pretiosa  (Fig.  7:;)  ist  aus  w<>isser  Seide  ange- 
fertigt. Eine  breite  Goldborte,  tlieils  mit  nunuulerfVir- 
ndgen  ,  theils  mit  Geflecht  -  Mustern  eingearheitet, 
schmückt  diese  Mitra  in  cireuitu  und  titulo.  Der  Band  der 
Borte  ist  auf  beiden  Seiten  nnt  eingeweliten  Sprüchen 
gennistert,  doch  sind  davon  nur  nudn-  einzelne  der  im 
scdiwarzeutirundndt  (kildgewirkten  Buchstaben  und  hie 
und daauch  Worte  lesbar.  ImSiifte  St.  Peter  befindet  sich 
eine  vor  alter  Zeit  genommene  Abschrift  dieser  Kand- 
schrift;  sie  lautet:  Praevia  Stella  maris,  lapsis  via  jure 
\dcaris,  |  Da  cordi  liiiuen  \-eniin  cognoscere  Xumen; 
liiler  et  ardorem,  superum  ipii  iiiurit  annirem.  |  Ave 
tiiiim  nomen  mihi  da  solamen  et  onicn,  |  A  nie  N'irgo 
pia.  triplices  expelle  Mar.a,  |  Hostes,  at(iue  veni,  et  nn' 
saero  llainine  h^ni;  |  Divinns  laudes  superans  sui)er 
aelliera  pla'ule.  f'-iiie  iihiili'-he  ISorte  erscheint  zu  den 
Sloli'u  \i>r\\ endet,  doch  hat  sie  keine  Inschritt.  Ferner 
ist  herv(irzulieben,  dass  auf  den  Iieiden  dreiseifigen 
Mächen,  die  auf  jedcmi  (^'omu  durch  den  aiifstcMgcmdeu 
titiiliis  i;cliildet  werden,  ein  zierlich  gewundeiies  P(i;in 
/.eiieriianieiit  mit  Kleeblättern  sich  zeigt,  das  walir- 
scheiiilicli  mit  ( loldfailie  :iuf  Sei, Imistolf  gemalt  wurde. 
Den  bedciitindsten  Schmuck  dieser  Intel  bihlen  die 
schi/iien  silbervergoldetcn  Filigran-Agraffen ,  mit  denen 
die>es  prunkvolle  Gewandstüek  reich  besetzt  war,  \(iii 
denen  jedoch  gegenwältig  bereits  eine  beträiditliclic 
Anzahl  fehlt.  Sie  sind  von  zweierlei  Form.  Nämlich 
/|eiie  auf  den  dreiseitigen  Corniiflächen  bilden  in  ihren 
zierlichen  Wimluiigen  die  Kleeblattform,  jene  hingegen, 
mit  denen  die  aurifrisia  und  stolae  in  gleichen  Zwischeii- 
räiimcn  besetzt  sind,  haben  die  I'"orni  Min  schiieckeii- 
förmigen  Windungen.  Diese  scliöiien  und  zarten  Agraf- 
fen beiderlei  Korm  sind  cmllii-li  auch  in  geschniack- 
\ oller  Weise  mit  Korallenknöprclicn  besetzt.   Die  Spitze 


201 


jedes  cornu  ist  überdies  luicli  mit  einem  kleinen  Metall- 
Ornamente  verseilen. 

Die  zweite  romanische  Intel  wiid  mitra  stellata 
genannt,  weil  sie  mit  einer  jifrossen  Anzahl  kleiner 
Sterne,  die  mit  verschiedenfarbigen  Seidenfädcn  anf 
den  Gnnidstoft' gestickt  wurden,  verziert  ist.  An  den 
Schilden  der  Intel  befinden  sieb  grössere  Sterne  mit  un- 
gleich langen  Flammenstralilen  ,  welche  dem  (4:inzen 
einen  mehr  |ihantastisclien,  orientalischen  Charakter 
verleihen.  Auch  diese  Intel  war  einstens  mit  Goldborden, 
sogenannten  auritVisiae  geschmückt,  aber  sie  sind  seit 
unvordenklichen  Zeiten  nicht  mehr  vorhanden. 

Die  dritte  romanische  Intel,  mitra  simpliciter 
aurit'rigiata,  trägt  im  allgemeinen  denselben  Kunst- 
(diarakter  wie  die  vorigen,  ist  aber  bedeutend  höher, 
was  seinen  Grund  lediglich  darin  haben  dürfte,  dass  am 
unteren  IJande  eine  ausserordentlich  bi'cite  Golilliorde 
von  normänniseli-siziliauischem  Charakter  herumläuft. 
Der  Grundstotf  ist  weisse  dessinirte  Seide.  Besonders 
sind  aurtallend  die  an  der  Intel  rückwärts  herab- 
hängenden langen  Bänder,  welche  in  sehr  frischen  Far- 
ben ein  Geweite  mehr  orientalischen  Charakters  rcprä- 
sentiren   (^Nr.  IST). 

Zwei  sehr  interessante  Mitren  besitzt  die  Dom- 
k  i  r  c  h  e  zu  S  a  1  z  b  u  r  g,  davon  eine  aus  dem  XII.  Jahrhun- 
dert stammend,  unter  Nr.  186  ausgestellt  ist.  Dieselbe 
bat  eine  Breite  von  9'  .,"  und  11"  Hidie,  istaus  weissem 
glattem  Seidenstotife  angefertigt.  Ein  breites  Band, 
reicher  Goldstofl",  dient  als  aurifrisia  in  circuitu  und  in 
titulo  ;  das  Band  ist  mit  aufgelegten  Perlen  ,  theils  in 
Linien  theils  in  abwechselnden  geometrischen  JMusteru 
zusammengestellt ,  geschmückt.  Die  durch  das  senk- 
rechte Band  getheilten  Schilder  sind  in  jedem  der 
beiden  Felder  mit  einem  ^Medaillon  geziert,  das  inner- 
halb einer  Umrahmung  aus  Goldstoilf  und  Perlenstickerei 
je  ein  Evangelistensymbol  mit  entsprechender  Umschrift. 
ebenfalls  in  farbiger  Seide  und  mit  Perlen  gestickt,  ent- 
hält. Die  breiten  Stolae  sind  von  weissem  Seidenstoffe, 
darauf  in  Gold  gestickt  ein  romanisches  bandartiges 
Ornament ,  und  endigen  m'A  reichem  Fransenbesafze 
(_Fig.  77,  Nr.  ISiiL 

Gegen  die  >.liite  des  XIV.  Jalirlinnderts,  und  von 
da  an  bis  ins  X\'.  Jahrhundert  zunelimeiul,  finden  wir  in 
Folge  der  natürlichen  Steigerung  der  schon  früher  be- 
standenen Neigung  nach  Vergrösserung  der  Mitreii. 
bereits  biscliüfliche  Kopfbedeckungen  ,  bei  denen  mit 
Ausserachtlassung  und  riiersclireitung  der  mit  dem 
(lanzen  bisher  in  völliger  Übereinstimmung  stehenden 
Höhenausdehnung,  wie  sie  sich  in  der  Hauptsache  noch 
im  XIII.  Jahrhundert  erhalten  hatte,  die  Spitzen  der 
Cornua  um  ein  beträchtliches  sich  erhöht  haben.  Ein 
Hauptmotiv  für  die  jilatzgreifende  Entartung  derMitrcn- 
fbrm  mag  in  jenem  Streben  zu  suchen  sein,  recht  viele 
und  mit  unter  ausgedehnte  Verzierungen  auf  diesem  Or- 
natstücke anzubringen.  Bei  weitem  hänfiger  finden  wir 
Infein  dieser  Zeit  mit  kostbarem  Perlen-  und  Stein-  und 
Metallbesatz ,  der  erstcre  in  Stickereien  angefügt,  der 
letztere  häufig  aufgenäht,  meistens  als  Abschluss  der 
Cornuaspitzen  und  Fanones. 

Aus  der  Beihe  der  aus  jener  Zeit  herstammenden 
und  noch  erhaltenen  Infein  ist  jene  ])racht\(ille,  im  wah- 
ren Sinn  des  Wortes  Prinik-Mitra  liervorzulicl)en,  die  sieh 
im  Schatze  der  iK'iiedicliner-.Vbtei  Admiint  in  Steier- 
mark (^Fig.  7s  I   befindet  und  ans  dem  zu  Ende  gelien<len 


XIV.  Jahrhundert  stammt:  sie  ist  12"/,  Zoll  IkjcIi.  Die  in 
der  doppelten  Form  angeiiracliten  aurifrisiae  sind  auf  dem 
mit  schwarzer  Flockseide  belegleii  Tiefgrunde  mit  dun- 
kelrother  Seide  überstickt,  mit  (ioldfäden  netztörmig 
überzogen  und  mit  reichem  Pcrlenbesatz  und  mit  in 
Medaillons  aneinander  gereihten  ornamentalem  Blatt- 
werk geschmückt.  Die  durch  die  titnli  gebildeten  drei- 
eckigen Felder  der  Schilder,  die  in  Zickzackform  mit 
(ioldläden  reich  überzogen  und  bestickt  sind,  werden 
durch  je  eine  Figur  in  Sti(dvcrei  und  mit  Perlenbesatz 
geschmückt.  Die  Figuren  stellen  vor:  die  heilige  Jung- 
frau mit  dem  Jesukinde  und  drei  heilige  Bischöfe  (.ibte). 
Auch  der  Alischlussrand  der  beiden  cornua  ist  mit  ver- 
zierenden und  erhaben  aufgelegten  Krabbenblättern  aus 
Perlen  ijcsetzt.  Die  Spitzen  der  cornua  sind  nnt  einem 
kleinen  silbernen  vergcddeten  Metallbesatze  versehen, 
der  überdies  noch  mit  einer  Korallenperle  abscidiesst. 
Die  mit  Goldfäden  übcrstickfeii  St(den  sind  ähnlicdi  den 
aurifrisiae,  mit  je  sechs  Medaillons  aus  Perlbesatz  ge- 
schmückt, in  denen  die  Brustbilder  der  Apostel  einge- 
stickt erscheinen.  Das  Ende  der  Stolen  ist  mit  einer 
vergoldeten  Sillierplatte  besetzt,  anf  welcher  auf  carrir- 
tem  Tiefgrunde  Thierbilder  (Greif  und  Adler)  eingravirt 
sind  (Nr.  204).  Hieher  gehört  auch  die  dem  Schatze  des 
Wiener-Capucinerklosters entnommene  Mitra  (Nr.  249  . 
Dieselbe  mag  im  XVI.  Jahrhundert  entstanden  sein,  und 
ist  aus  blauem  Seidenstoft'angefertigt.  Die  reiche  Perlen- 
stickerei stellt  heraldische  Lilien  vor. 

Die  vierte  mittelalterliche  Infel  der  Schatz- 
kammer zu  St.  Peter,  welche  dem  Endedes  XV.  Jahr- 
hunderts angehört,  hat  schon  eine  Höhe  von  14"  bei 
einer  grössten  Breite  von  11 'V'-  Dieselb,"  zeigt  uns  so 
recht  eigentlich,  wie  man  gegen  Ausgang  des  Mittel- 
alters und  noch  tief  hinein  in  die  sogenannte  Neu- 
zeit die  kirchlich  -  liturgischen  Kunstgegenstände 
ndt  schwerem  Metall  und  mit  zahlreichen  Steinen 
belastete,  indem  mau  nach  dem  allseitigen  \'erfalle 
der  früheren  mittelalterlichen  Kunststickerei  ,  welche 
im  XIV.  Jahrhundert    und    in    der    ersten   Hälfte    des 

XV.  ihren  Höhepunkt  erreicht  hatte,  dieselbe  durch 
Stein-  uiul  Mefallbesatz  zu  ersetzen  suchte.  Unsere  vor- 
gedaclite  Infel  ist  an  den  äusseren  Flachseiten  dicht  mit 
Perlen,  Edel-  und  Halbedelsteinen  überdeckt,  welche  in 
dem  lebhaftesten  und  buntesten  Farbcnsi)iele erglänzen. 
Wo  ehedem  die  schönen  stylgerechten  Bm-den  und  Stick- 
bänder auf's  zierlichste  angebracht  waren,  funkeln  die 
verhältnissmässig  kolossalsten  Steine.  Im  Ganzen  pran- 
gen an  dieser  Intel  weit  über  500  mehr  oder  weniger 
kostbare  Steine,  die  vielen  Hunderte  von  grossen  und 
kleinen  Perlen  ungerechnet.  An  den  Kanten  derSchilde 
ist  die  Infel  mit  zierlichem  vergoldeten  Silberbesehläge 
eingef'asst.  und  oben  an  den  Spitzen  der  Schilde  ist  eine 
knorrenblätterige  Metallspitze,  auf  welcher  ein  blauer 
Stein  als  schmuckvoller  Abschluss  aufsitzt.  Eben  so  wie 
die  Mütze  selbst  sind  auch  die  rückwärts  herabhängen- 
den Bänder  reich  ndt  Steinen  besetzt.  Im  (Ganzen  wiegt 
diese  Infel  etwas  mehr  als  fünf  Pfund    (Nr.  20(j). 

Die  schon  Itesprocheue  Iberhöhungder  Schilder  an 
den  luteln  nahm  bis  in  die  licnaissance-  und  Bococeo- 
zeit  zu  und  erreichte  im  XVII.  Jahrhundert  wahrhaft  kolos 
sale  Dimensionen,  die  dieser  Kopfbedeckung  die  Ge- 
stalt eines  Ungethüms.  das. \usselien  eines  unfnrmlichen- 
dic  menschliche  Gotalt  ihres  Trägers  erdrückenden 
Geliäudes  gaben.  Mauübertüllte  die  zu  iliescm  Zwecke 


202 


■'i^'.    M2.       (Ilnlichtllll. 


203 


S(i  riesig'  jj'childi'tfii  Gidicl  mit  Miisscn  von  l'crluii, 
Edelsteinen  und  Gold-Ornamenten,  dass  die  Mitra 
dadnrcli  ein  last  nncitriigliclies  Gewicht  hekani.  Erst 
seit  dieser  Zeit,  kann  man  sag'en.  ist  der  Waclistlmm 
dieses  üngetliümes  stehen  gehliehen,  ja  man  findet  in 
der  Gegenwart  schon  theihveise  eine  Wendung  zum 
Besseren,  und  etwas  hescheidenere  Dimensionen  für  die 
Infein  angenommen.  Als  Beispiel  einer  solchen  Mitra 
dient  die  unter  Xr.  ISO  ausgestellte  ,  von  rother  Seide 
mit  Goldstickerei,  die  dem  Stifte  KremsniUnsier  an- 
gehört. 

Das  F  a  1 1  i  s  t  o  V  i  u  ni  aus  dem  Frauenstifte  am  N  o  n  n- 
herg  in  Salzhurg  (Nr.  lilö)  gehört  zu  den  interessan- 
testen Uherresten  der  romanischen  Sculiitur.  Es  ist  ans 
Holz  angefertigt,  roth  angestrichen,  an  den  Fassenden 
in  Bronzebesatz  in  Form  von  Löwentatzen ,  an  vielen 
Stellen  der  Füsse  mit  kleinem  Elfenl)einschnitzwerk  und 
an  den  Seitenlehnen  mit  Tempera-Malereien  geziert. 
Die  Obertheile  der  beweglichen  Enden  schliessen  mit 
l)raclitvoll  stvlisirten  Löwenköpfen  aus  Elfenbein,  die 
Sclmitzwerke  der  Flächen  bestehen  thcils  aus  dem 
Mönclisleben  entnommenen  Scenen,  theils  aus  Heiligen- 
Gestalten  und  Ornamenten.  Die  Seitentheile  ,  zwi- 
schen welchen  das  Sitzleder  eingespannt  ist,  sind  am 
Kande  mit  2  sehr  schön  stylisirten  Drachen  ausgestattet. 
Die  Zeit  der  Anschaffung  dürfte  mindestens  mit  jener 
der  Verleihung  des  Rechtes  der  Äbtissin,  sich  des 
Stabes  nnd  des  Faltistoriunis  bedienen  zu  dürfen,  zu- 
sammentreften ,  d.  i.  12o5,  die  Schniizereien  hingegen 
dürften  dem  XL  Jahrhundert  entstammen  und  könnten 
italienische  Arbeit  sein.  Die  Tempera -Malereien  sind 
bedeutend  jünger.  Jedenfalls  hat  diesem  Stuhle  ein 
älterer  zum  Vorbilde  gedient  (Fig.  7!l). 

Der  zweite  Wand-Schrein  enthält  eine  grössere  An- 
zahl kostbarer  Profangegenstände,  als  einen  Pocal  aus 
vergoldetem  Silber  ,  auf  dem  Deckel  ein  Blumenslrauss 
(^Xr.  253),  einen  zweiten  solchen  mit  einem  Bergmann 
am  Deckel  (Xr.  '2F-)9),  einen  Pocal  aus  Bauchtopas  mit 
erhaben  eingeschnittener  Maske  und  Blattwerk  (^Xr.  257 ), 
sämmtlich  aus  dem  XVH.  Jahrhundert  und  Eigenthum 
des  Grafen  von  Meran.  Einen  ähnlichen,  aber  etwas 
höheren  Pocal  aus  Silber  brachte  das  Stift  St.  Florian 
zur  Ausstellung  (Xr.  240).  Aus  dem  iMuseum  zu  Linz 
tindet  sich  ein  dem  XVL  Jahrhundert  angehöriges 
grosses  Triidvhorn  (Nr.  183)  ausgestellt.  Dazu  ist  ein 
Auerochshorn  benützt,  das  in  Messing  gefasst  und  mit 
zwei  solchen  Füssen  versehen  ist ;  am  oberen  Ringe  das 
eniaülirte  hohenlohische  Wajipcn.  Ein  zweites  solches 
Hörn  (Xr.  20(3)  gehört  dem  Baron  Rudolph  Mandell  in 
Grätz;  es  ist  in  vergoldetem  Silber  gefasst  und  weit 
zierlicher  ausgestattet  (darunter  auch  mit  Figuren)  als  das 
ersterwähnte,  dürlte  auch  um  mehr  als  ein  Jahrhundert 
älter  sein.  Ein  höehst  werthvoller  Gegenstand  ist  die  dem 
(irafen  Heinrich  Herberstein  in  Eggenberg  gehörige 
Taufschüssel  sanmit  Kanne  aus  dem  XVL  Jahrhundert, 
Silber,  vergoldet;  in  der  Mitte  der  Schüssel  das  Wappen 
der  Familie,  herum  in  Hochreliefs  die  Verkündigung, 
Geburt,  Kreuzigung  und  Auferstehung.  Auf  der  Kainie 
in  gleicher  Arbeit  das  Opfer  Abraham's  (^Xr.  2(52  und 
263).  Hier  finden  sich  auch  zwei  Krüge  von  Silber  aus 
dem  XVL  Jahrhundert,  der  eine  gravirt,  Eigenthum  des 
Grafen  von  Meran  (Xr.  261),  der  andere  theihveise  vergol- 
det, mit  reicher  Filigranarbeit,  Eigenthum  des  ;\Lr.ublin  in 
Brodvi^Xr.  264);  ferner  eine  sechseckige  Büchse  aus  Lapis 


l;i/,uli.  lue  silberne  Fassung  mit  schöner  Eniailnialerei, 
XNII.  Jahrhundert,  (Graf  Heinrich  Herberstein,  Nr.  265), 
ein  sechseckiges  Schmuckkästchen  des  Stiftes  Kloster- 
neuburg mit  spitzer  l'x-dachiuig  ;  die  Flächen  aus  ge- 
schnitzten Knochen,  auf  deren  jedem  zwei  Figuren,  an 
den  Ecken  hingegen  Schildträger  dargestellt  sind.  Auf 
dem  Deckel  fliegende  Genien  in  Beinrelief.  Die  Orna- 
mentirung  des  dem  XIV.  Jahrhundert  angehörigen Käst- 
chens ist  aus  farbigem  Beinmosaik  angefertigt  (Xr.  24b). 
Ein  sehr  schöner  Krug  aus  Elfenbein  mit  dem  Sieges- 
zuge David's  in  Hautrelief,  die  Fassung  mit  ver- 
goldetem Silber,  XVIL  Jahrhundert,  Stift  Neukloster 
(Xr.  242). 

Von  kirchliehen  Gegenständen  finden  sich  hier  e  n 
Altärchen  von  Ebenholz  mit  Säulen  von  La]iis  lazuli,  in 
der  Mitte  ein  Oelbild  auf  Kupfer,  darstellend  Christus 
am  Oelberg,  gemalt  von  Scozzi  (Stift  Schotten  in  Wien. 
Nr.  244).  Ein  Reliquiensclirein  aus  Holz,  S'/."  lang, 
5"  3'"  tief,  «Vä"''««"!'  (l'"'.--  '''*')■  Sämmtliche  Flächen  sind 
mit  Pergament  überzogen,  worauf  auf  Goldgrund  theils 
Scenen  aus  dem  Leben  Christi,  theils  Heiligengestalten 
und  auf  dem  Deckel  die  Symbole  der  vier  Evangelisten 
gemalt  sind.  XIV.  Jahrhundert.  Eigenthum  des  Stiftes 
Klosterneuburg  in  Niederösterreich  (Nr.  246);  ein  zwei- 
ter, etwas  grösserer  Schrein  aus  Holz,  1'  lang,  9"  tief. 
ii''  hoch.  Die  vier  Seitenflächen  hat  man  an  den  in 
([uadraten  Feldern  geschnitzte  und  vergoldete  Roset- 
ten, die  Kanten  des  Deckels  sind  mit  Krabben  liesetzt 
nnd  die  Flächen  des  Letzteren  mit  Ornamenten  bemalt. 
XV.  Jahrhundert  (Fig.  81);  ebenfalls  Eigenthum  des 
Stiftes  Klosterneuburg  (Nr.  247). 

Das  kostbare  Kreuz  aus  dem  Stifte  Höh  enfurt  in 
Böhmen  (Nr.  248).  Diese  Abtei  darf  sich  rühmen,  in 
diesem  Gefässe  eine  der  schönsten  Leistungen  zu  be- 
sitzen, welche  die  Goldschmiedekunst  je  hervorge- 
bracht hat.  Dieses  kostbare ,  theils  aus  vergoldeten 
Silberplatten,  theils  ans  reinem  Golde  angefertigte  Reli- 
(|uiar  hat  die  Form  eines  Patriarchen-Kreuzes  mit  zwei 
Queren,  die  fünf  Enden  sind  lilienartig  gestaltet. 
Einer  ununterbrochenen  Tratlition  nach  hat  dieses 
Kreuz  der  im  Jahre  1290  zu  Frauenberg  als  Rebell 
enthoni)tete  und  zu  Hohenfurt  beerdigte  Zävis  von 
Rosenberg  und  Falkenstein  der  dortigen  Kirche  ge- 
schenkt; was  auch  dadurch  bestätigt  wird,  dass  in 
einem  im  Jahre  MCCCCLXXIX  nach  einem  noch  älteren 
Originale  gemachten  Todtenverzeichnisse  des  Stiftes 
ausdrücklich  die  Worte  zu  lesen  sind:  „24.  Augusti 
A.  D.  MCCXC  obiit  D.  Zavisius  de  Falkcnstein  qui 
donavit  huic  monasterio  lignuni  sancta'  crucis  Domi- 
nicas pretiose  ornatum,  et  sepultus  est  in  capitulo 
nostro-'.  Einer  zweiten  Nachricht  nach  wäre  Heinrich 
von  Rosenberg  der  Geber  gewesen,  was  in  neuerer 
Zeit  dahin  berichtigt  wurde,  dass  dieser  das  bereits 
im  Stifte  vorhandene  Kreuz  um  1410  habe  umarbeiten 
und  zu  einem  Vortragekreuz  einrichten  lassen.  Was  die 
Grösse  dieses  Kreuzes  betrifft,  so  beträgt  die  Höhe  des 
oberen Theiles  oderStammesl'4V4",  des  unteren  Theiles 
oder  Postamentes  9'^",  die  Breite  des  Stammes  l'/j", 
Dicke  1",  die  Länge  der  oberen  Quere  Ü'/j",  Breite  1", 
Dicke  1  ",  die  Länge  der  unteren  Quere  lOs/4",  Breite 
1",  Dicke  1",  der  Längendnrchschnitt  des  Postaments 
9«  .,",  Breitendurchschnitt  1'/^".  Nur  der  obere  kostbare 
Thcil  des  nunmeiirigen  Kreuzes  ist  urs|irünglicli  und 
älter   als    das    auf   Heinrich   von  Rosenberg   bezogene 


—     204 


^'^Wlrnm' 


l-'i«.  m;).     (llolii.rifiMt, 


—     20i 


Diituiu,  d;i  (las  einst  bei  weitem  präcliii^ere  l'osta- 
meiit,  der  Sage  nacli,  schon  vor  vielen  Jalirliuiulerteu 
anf  eine  ganz  unbekannte  Weise  verloren  gegangen 
sein  soll.  Denn  in  der  nben  eit'rteii  Stelle  des  Jongelin 
lieis.st  es  ferner:  „Et  licet  l)a3c  criix  fere  omnes  in  ad- 
niirationeni  ob  pia>stantiani,  excellcntiani  et  pretiuni 
rapiat,  t'undanientum tarnen,  qiiod  pedcm  vocamus,  niulto 
praestantius  et  pretiosins  fnisse  ])erhibetnr,  (piod  per- 
ditiun  est  per  iiijiiriani  teni|)uruni".  Aber  auch  der  zweite, 
ans  Silber  verfertigte,  verguldcte  und  mit  werthvollen 
Edelsteinen  gezierte  untere  Thcil  wurde  bei  Gelegen- 
heit der  allgemeinen  Gold-  und  Silberablieferung  im 
Jahre  1810  der  Landesregierung  übergeben  sanmit  dem 
goldenen  Kreuze  (Origiualiiild),  weiches  die  ]ieli((uie 
des  heiligen  Holzes  in  der  Mitte-  von  vorne  deckte. 
Durch  ungünstige  Zeitverhältnisse  verhindert,  blieb 
dieses  ehrwürdige  Denkmal  im  ganz  vernachlässigten 
Zuslande  bis  zum  .Jahre  IS.'Sn  ,  wo  das  gegenwärtige, 
nmimelir  dritte  Postament  sannnt  dem  jetzigen  Deckel 
derReliquie  auf  Anordnung  des  Abtes  Valentin  Schopper 
in  Linz  angefertigt  wurde. 

Das  Kreuz  ist  mit  doppelt  übereinander  gefügten 
Platten  belegt,  zwischen  denen  Capseln  mit  Keliqiiieu 
eingeschlossen  sind,  dabei  ist  das  ganze  A\'erk  reich 
mit  Perlen,  Edelsteinen  und  Kmailbildern  verziert  und 
an  der  Vorderseite  mit  einer  bewunderungswürdigen 
Fiiigran-Arabeske  überdeckt.  Diese  im  blühendsten 
romanischen  Stvle  ausgeführte  Arabeske  gehört  dem 
XIL,  höchstens  dem  Anfange  des  XIIL  Jahrhunderts 
an  und  scheint  italienische  Arbeit  zu  sein  ,  die  auf  der 
Rückseite  angeln  achten  En)ails  (^emaux  cloisonnes),  vor- 
stellend lirustbilder  vou  Heiligen,  und  Keliquiencapseln 
tragen  griecdiische  Inschriften  und  sind  byzantinischen 
llrs]irnnges    (^Fig.    82,  Piückseite  und  So,  Vorderseite). 

Durch  das  AUer  (12.  Jahrhundert)  ausgezeichnet, 
ist  das  (.'rucifix  aus  vergoldetem,  zum  Theil  emaillirtem 
Kupfer  und  mit  Edelsteinen  besetzt,  das  der  Kirche 
zu  Bartholomäiberg  in  Vorarlberg  gehört  (Nr.  25(j). 
Obwohl  noch  mit  golhischen  Reminiseenzeu  ausge- 
stattet ,  gehört  doch  das  Vortragekreuz  der  Pfarr- 
kirche Gross-Lobming  in  der  Steiermark  (Nr.  258) 
in  das  XVU.  Jahrhundert.  An  dem  runden  Knaufe  sind 
in  kleinen  silberveigoldeten  Medaillons  Heiligengestal- 
teu  dargestellt  und  die  Flächen  der  Vorder-  und  Rück- 
seite des  Kreuzes  mit  durchbrochenen  Mefallidatten 
auf  rothem  Sammigrunde  belegt.  Die  Vorderseite  zeigt 
in  der  Glitte  Christus  am  Kreuze,  an  den  Enden  der 
Querbalken  Maria  und  Johannes  und  an  dem  oberen 
und  unteren  Ende  des  Kreuzes  zwei  Heilige;  die  Rück- 
seite zeigt  in  der  Mitte  Christus  als  Weltrichter  und  in 
den  Kreuzesenden  die  Symbole  der  vier  Evangelisten. 
Endlich  ist  noch  zu  erwähnen  ein  kunstreich  geschnitz- 
tes grosses  Elfenbcin-Crucitix  aus  dem  XVH.  Jahr- 
hundert, Eigenthum  der  Stadtpfarrkiiche  in  Linz  (^Nr.2oS). 

Von  den  zwei  hier  ausgestellten  Kelchen  gehört 
der  einfachere  der  Pfarrkirche  zu  Juden  bürg,  er  hat 
die  bescheidene  gothische  Form,  stannnt  aus  dem  XV. 
Jahrhundert;  derzweite  und  weitaus  wertiivollere  Kelch 
von  G"  3"  gehört  dem  Stilte  Ad  m  out,  ist  in  der 
schönsten  gothischen  Form  ausgeführt,  und  zeigt 
noch  zahlreiche  Rcminisccnzen  des  romanischen  Styles. 
Auf  der  Fläche  des  runden  Fusses  sind  vier  runde 
Medaillons  mit  folgenden  Dai-stt'llungen  angebracht: 
J.  Maria  Verkündigung,  2.  Gebint  Christi,  ;!.  Opferung 

XVIII. 


im  Tempc',  4.  Christus  am  Kreuze  mit  Maria  und  Juhan-' 
nes.  An  dem  Ständer  ober  dem  Knaufe  sind  die 
Worte:  Ave  Maria,  unter  demselben  die  Worte:  Gra- 
tia  plena  zu  lesen,  l'm  den  runden  Knauf  lauft  in  niel- 
lirtin  liuchstaben  die  Inschrift:  J)oniinus  engelber- 
tus  .  drichopf  .  hunc  .  calicem  .  conipara\it  .  anno  do- 
mini  MCCCLV.  Der  Knauf  ist  in  Halbkreisen  mit  Tbier- 
und  Pflanzenbildungen  verziert.  Dieser  Kelch  ist  eines 
der  schönsten  Muster  dieser  Gefässe,  voneinfaidier  Hal- 
lung und  Harniniiie  der  Theile. 

In  diesem  Kasten  finden  sich  auch  mehrere  Platten 
von  vergoldetem  Kui)fer  mit  Email  champleve,  darunter 
eine,  darstellend  Christus  in  der  Glorie,  um.n'cben  von 
den  \  ier  Evangelisten-Syml)olen.  Diese  dem  XII.  Jahr- 
hundert entstaninicnden  Emails,  Eigenthum  des  Stiftes 
\  iirau,  wurden  in  neuerer  Zeit  zu  einem  höchst  ge- 
schmacklosen Kästchen  zusanuuengestellt  (Nr.  260). 
Ein  kleines  Relifjuicnkästchen  in  Häuschenform  mit 
Steinbesatz,  eniaillirteiillalbtiguren  und  durchbrochener 
Galleric,  XII.  Jahrhundert,  ist  der  reichhalti,:;'en  und 
vieles  Interessante  bergenden  Sammlung  des  Karl 
R.  V.  Pichlerin  Grätz  entnommen.  Unter  Nr.  .SOO  treffen 
wirilas  Hausidtärchen  der  Pfarrkirche  Maria  Pfarrim 
salzliiirgisclien  Lun.i;-au.  Es  ist  aus  Silber  angeferti.u't, 
reich  vergoldet  und  mit  später  hinzu.gefügtem  Stein- 
besatz geziert,  in  Form  eines  Triptychons  aufgebaut  und 
von  .'»'Höhe.  DerTabernakel,  d.i.  das  Hauptfeld  des  ge- 
öffneten Schrankes,  enthält  die  Darstellun.i;-  des  Kreuzes- 
todes Christi,  zur  Seite  des  Kreuzes  sieht  man  Johan- 
nes und  Maria  stehend,  am  Kreuzesfusse  die  kniende 
Magdalena:  ober  dem  Kreuze  Sonne  und  Mond  durch 
Steine  (Carniql  und  Opal)  dargestellt.  Der  Tabernakel 
wird  eingerahmt  von  kleinen  Reli(|uienbehältern ,  doch 
wird  der  Rahuien  rechts  durch  die  kuieeiide  Figur  des 
Donators  in  Priesterkleidung  unter  einem  kleinen  zier- 
lichen Baldachin  unterbrochen.  Säinmtliche  Figuren  des 
Hauptfeldes  sind  als  Hochrelief  getrieben  in  der  bek'innten 
Fdrmengebung  und  vollendeten  Technik  des  XV.  Jahr- 
Iniuderts.  Unter  den  Figuren  und  Ije'm  Kreuze  sind 
Gebete  oder  Stellen  der  heiligen  Schrift  enthaltende 
Inschriften  an.gebracht.  Die  Innenseiten  der  beiden  in  je 
zwei  Felder  horizontal  getheilten  Flügel,  die  in  geschw"eif 
ten  Wind)ergen  mit  Kreuzblumenbesatz  absehliessen, 
enthalten  Darstellungen ,  in  gegossenen  Reliefs  aus- 
geführt, sammt  erkläreiulen  Inschriften.  Wir  sehen  die 
Darstellung  der  Geburt  Christi  und  der  Reinigung 
Mariens,  ferner  den  englischen  Gruss  un<l  den  Tod 
Marions  (Maria  kniet  vor  dem  Bette  und  Christus  tührt 
ihre  Seele  gegen  den  Hinnnel).  Die  llückseite  der  Flügel 
zieren  Figuren  in  kräftiger  Gravirung,  als  :  oben  links 
die  beiden  Johannes,  darunter  zwei  nimbirte  Bischöfe, 
rechts  die  Heiligen  Petrus  uiul  Paulus,  Barbara,  und 
Katharina.  Die  dem  Altärchen  unter,:;eliaut('  Mensa  bat 
ftilgeiule  Inschrift:  Mille  (piadringentoque  (piadrageiui 
(pioque  terno  Grillinger,  pfarrer  i)Ieban.  pr.  dedit  hoc. 
Auf  der  Rückseite  des  Schrankes  hatte  der  Künstler  in 
sinnreicher  Laubwerks-Verzierung  die  Evangelisten- 
Symbole,  das  Lamm  Gnttes  und  das  Scliweisstuch  ein- 
gravirt;  in  dem  Mittelfelde  findet  sich  eine  lange  In- 
schrift, welche  die  in  dem  Altare  hinterlegten  Reliciuien 
aufzählt  und  ausserdem  noch  die  Widmuu.2;  des  Peter 
(irillinger  (144o)  wiederholt.  Über  dem  Schranke  baut 
s'ch  ein  luftiger  ISaldaidiin  aus  verschlungenem  Ast- 
und  Laubwerk  auf,  darunter  die  Figur  des   Lcce  honui. 

■27 


—    2or) 


I  1,1  inirrulTitramiHi  f'prr  ihnrat  a»aiiil.':i 


^kM;^:^s^^s^;^m'^^^^s^^^^ 


Kiir.    S4.     'iMii-iii  ri-in-. 


—     207     — 


Leider  i^^t  (iieser  Tlieil  desAltärclieiis  so  i\v^  bescliädi^l, 
dass  der  oberste  Abschluss  nicht  ganz  klar  ist  (Fig.  84). 
Das    letzte  Fach   dieses  AVandscIiraiikos    ist    der 
Aufstellung  von  Gegenständen  meistens  der  elassiselien 
und    keltiseiien    Zeit    gewidmet.    Wir    sehen    daselbst 
(^Xr.  '2yW)  ein  kurzes  Schwert,  Messer,  Nadel  aus  lironce 
und  Brnchstücke  eines  entweder  als  Halsschmuck  oder 
als  Kasiermesser   zu   deutenden  Gegenstandes  aus  fast 
unlegirtem  Kuiil'er.      Sännntliehe   Gegenstände!   wurden 
einem   intaet  gewesenen   T  n  m  ii  ins  mit  Steinkiste    au^' 
dem  Plateau  bei  AVarmbad  A'illach,  der  von  Dr.  Lus(diin 
1872  aufgedeckt  wurde,  entnommen;  vier  prachtvolle, 
aus  freier  Hand  gearbeitete  Thon-Urnen  enthielten  die 
Bramlknoehen  von  zwei  Individuen,  einem  älteren  männ- 
lichen und  einem  jüngeren,  wahrscheinlich  weiblichei:. 
Ferner  ist  her  jener  höchst  seltene  U  p  f  e  r  w  a  g  e  n  aufge- 
stellt, der  zu  Strettweg  bei  Judenbiirg  in  der  Steiermark 
gefunden  wm-de.     Er  ist,  wenn  auch  in  sehr  primitiver 
Weise,  aus  Bronze  angefertigt  und  enthält  in  der  Jlitte 
eine    nackte    weibliche    Figur,    die    ein  Bronzegefäss 
ftir    das   Opferwasser   auf    dem    Kopfe    trug,    herum 
vier  Reiter  ,  mit  spitzen  Helmen  und  ovalen  Schildern, 
und    rückwärts    je    zwei   Figuren,    einen    Hirsch    bei 
den    Geweihen    haltend ,     der    Mann    den    Kelt    (die 
Streitaxt)  schwingend,   eine   sehr   interessante    Arbi'it 
der  norischen  Kelten  in  vorchristlicher  Zeit   (Nr.  ■j71). 
Wir  finden  ferner  das  Fragment  eines  Kessels  mit'  er- 
habenen Querw nisten,  Buckeln  und  Sonuenrädern  von 
getriebener  Arbeit  aus  Bronze,  sicherlieh  eine  keltische 
unter  etruskischem  Eintlusse  enstandene  Arbeit  (Nr.  272V 
Inline  Bronzestatuette   nackter   Krieger   mit  gezücktem 
Schwert.Deutsche  Arbeit  des  XVI.  Jahrhunderts(Nr.  278). 
Ein  römischer  Kochtopf  ans  Bronze,  im  Fond  eine  ge- 
triebene  schöne   Medusenmaske    von   Silber.    I.   Jahr- 
hundert, wahrscheinlich  ein  Weihgeschenk    (Nr.  274). 
Zwei  Hände  aus  Bronzeblech  getrieben,  wahrscheinlich 
keltische    Votivgaben,   die    den   Verstorbenen   mit  in's 
(xrab    gegeben    wurden,  gefunden  zu  Klein-Glein   in 
Steiermark  (Nr.  275,  276).  Keltische    Bronzeschwerter 
mit  Schiltblattklingen  und  kleinem  hallimondförmigvm 
Griffe,    geiunden    bei     Kkii-Glein     (Nr.    277,    278, 
283).  Zwei  Schilde  (vielleicht  Weihgeschenke)  mit  ge- 
triebenen Punktverzierungen,  sehr  rohen  menschlichen 
(Testalten,  Kreuzen,  Rädern  und  Sciiwäneii,   am  Bande 
Klapperbleclie,  keltische  Arbeit  aus  der  vorchristlichen 
Zeit,  gefunden  zu  Klein  Glein  in  Steiermark   (Nr.  279 
und    280).    Endlich    ein    höchst    seltenes    Fundstüek, 
nämlich  Panzer  (Brust-  und  Rückenstück),    aus  Bronze 
getrieben,  ebenfalls  gefunden  zu  Klein-Glein  (Nr.  2S4). 
Ferner  eine  sitzende  weibliche  Figur  mit  Zackenkrone 
und  den   Symbolen  der  Fruchtbarkeit,   Bronze,    Stadt- 
personificatioii,  römische   Arbeit   des  II.  Jahrhunderts, 
gefunden    bei    Cilli    (Nr.  282;    vielleicht    die    bei    den 
Norikern  so  verehrte  Dea  celeja),  und  ein   etruskischer 
Bronzehelm,  gefunden  bei  Negau  in  Steiermark.  Sännnt- 
liehe Gegenstände  gehören  dem  ständischen  Joanneum 
in  Grätz.   Hier  befindet  sich  auch   die  der   Renaissance 
angehörige  hübsche  Statuette  eines  ruhenden  Hercuh's. 
sie  ist  ;-5o-4  Centni.  hoch,   trägt  S])uren  von  Vergoldtiiiu 
an  sich  und  hat  Silbereinsätze  an  Keule  und  Augen. 

-  Nun  haben  wir  nur  mehr  die  Aufmerksamkeit  der 
Leser  auf  jene  Gegenstände  zu  lenken,  die  an  der  Nord- 
wand dieses  Saales  ausserhalb  der  beiden  Schränke 
aufgestellt   sind.    Ober  den  Schränken    s*'iieii   wir  zwei 


grosse  Gobelins  aus  dem  XA'll.  Jahrhundert,  Eigentiinm 
des  Grafen  Enzenberg  in  Innsbruck ;  das  eine  Bild  stellt 
Europa,  umgeben  von  Symbolen  der  Wissenschaft,  i^as 
andere  Amerika  mit  tigureiireicher  (Gruppe  vor  (Nr.  224 
und  i2.')).  Zwischen  den  beiden  Scliriiiikcn  stellt  jene 
sciiöne,  '■>'  hohe  Bronce-Statuettc,  die  fürgewöhnlicii  den 
Hochaltar  der  Kirchein  der  ehemaligen  Burg,  nun  Militär- 
akademie zu  Wiener-Neustadt  schmückt.  Sie  stellt  den 
heiligen  Georg  als  krä't'tigcn  Jüngling  in  voller  Rüstung, 
jedoch  entblössteii  llauptes  vor,  wie  er  mit  Spiess  und 
Schwert  den  unter  seinen  Füssen  sich  windenden  Lind- 
wurm bekämpft ;  die  rechte  Brustseite  ziert  in  halb  erhabe- 
ner Arbeit  ein  kleines  Kreuz.  Diese  aus  dem  XV.  Jahr- 
hundert stammende  Statuette  mag  ursprünglich  jenem 
Georgsaltar  in  der  Gottsleichiiam-capulle,  welche  Her- 
zog Ernst  der  Eiserne  gestiftet  hatte,  angehört  haben 
(s.  Alt.  Ver.  IX.  20)  (Nr.  227).  Rechts  und  links  des 
Standbildes  je  ein  sehensvrerthes  Tableau  von  alten 
Schlüsseln,  aus  römischer,  mittelalterlicher  und  der  Re- 
naissance-Zeit (Nr.  2.31,  2'i)2.  BInmauer  in  Vöckla- 
bruck).  Links  der  Figur  stehen  mehrere  (>■  hohe, 
höchstens  dem  XVII.  Jahrhundert  entstammende  Zinn- 
krüge mit  dem  Wai>])en  der  Stadt  Steyer.  Sie  gehören 
zu  einem  Dutzent  und  werden  in  Steier  Apostel- 
krüge benannt.  Rechts  liegt  ein  sehr  w  ithvoller.  mit 
Elfenbeinplatten  belegter  Sattel  aus  dem  X\'.  Jahrhun- 
dert. Die  Platten  sind  mit  Inschriften  auf  Spruchbändern 
und  Figuren  ge/.iert.  Solche  Sättel ,  davon  der  aus- 
gestellte ilem  Grafen  Franz  Enzenberg  gehört,  sind  höchst 
selten,  die  Ambrasersammlung  besitzt  deren  nur  einen, 
das  ungarische  Natioual-Museum  zu  Pest  hingegen  deren 
drei  (Nr.  233,  Fig.  85).  Den  oberen  Theil  dieser 
Wand  zieren  zwei  grosse  hölzerne  Tartschen  aus  dem 
XV.  Jahrhundert,  auf  deren  jeder  auf  weisslichem 
Grunde  der  heilige  Georg  gemalt  ist.  Diese  beiilen 
Schilde,  von  deren  Gattung  nicht  viele  Exemplare,  mit 
Ausnahme  der  Sammlung  im  wiener-städtischen  Zeug- 
hause, erhalten  sind,  gehören  der  Stadt  Enns  (Nr.  22!l. 
231 M.  Die  hier  aufgehängte  sehr  zierliche  Laterne  von 
gothischer  Form,  mit  vielen  Thürmchen  und  statt  «Glä- 
sern mit  Hornplatten  verschlossen,  aus  dem  XVI.  Jahr- 
hundert, gehört  in  die  Sammlung  des  Museums  zu  Linz. 
Sie  befand  sich  ehedem  im  Sterbezimnier  Kaiser  Jlax  I. 
in  Wels  (Nr.  228  ;  Fig.  8(i).  Die  mit  Nr.  ■JSC',  bezeich- 
neten zwei  Vitrinen  aus  der  Sammlung  des  Freiherrn  von 
Rothschild  enthalten  12  Teller  von  Limoges,  die  Email- 
malerei führte  Jean  Courtois  aus ;  es  linden  sieh  darauf  die 
figürlichen  Darstellungen  der  zwölf  Monate  ;  im  unteren 
Fach  stehen  Silberfiguren :  ein  Bauer,  Asculap,  ein  Jakobs- 
pilger und  sein  Weih  (Trinkgefässe),  feiner  eine  schöne 
Schale,  vergoldet,  mit  dem  Abendmahl  Christi,  eine 
schreitende  Minerva.  Ferner  zwei  Leuchter  und  ein 
Kästchen  mit  Emailmalerei  en  grisaille  und  eine  Tafel 
aus  Eisen  getrieben,  mit  ilen  Heiligen  ^ledardns.  Hiero- 
nvmus  und  Benedictus.  Sämnitliihe  Stücke  aus  dem 
X\T.  Jahrhundert,  t'ber  den  Vitrinen  hängt  unter  Glas- 
rahmen die  rothseidene  P  r  a  c  h  t-C  a  s  u  1  a  aus  der  Erzde- 
chantei-Kirche  zu  Knttenberg  in  Bidimen.  Sie  ist  auf 
der  Rückseite  mit  einem  auf  (xoldfond gestickten  Kreuze 
belegt;  an  den  Seiten  des  Kreuzes  die  Evangelisteii- 
Svmbole ,  unten  die  drei  Frauen  und  Johannes.  Vorzüg- 
liche Arbeit  des  XV.  Jahrhunderts  (Nr.  281V 

Noch  sind  als  sjtäter  eingelangt  zu   erwähnen    ein 
Gebetbuch    mit    deutschen    und   lateinischen    Gebeten, 

27* 


—     208 


einem  Caleiiclarinui  und  einigen  ziemlieh  rohen  Minia- 
tnrbildern.  Weit  interessanter  als  die  innere  Aus- 
stattung- ist  der  Einband  (Fig.  86),  Es  werden  durch  ge- 
presste  Streifen  von  Silber,  das  nieht  vergoldet  gewesen 
/u  sein  seheint,  einzelne  Felder  gebildet,  darinnen 
theils  Heilige,  tlieils  Ornamente  anfPergamentgemaltund 
eingelegt  und  ehemals  durch  übergelegte  durchsichtige 
Hornblätter  überdeckt  sind.  Die  Darstellungen  sind  eben- 
so roh,  wie  die  inneren.  Vier  Felder  und  zwar  die  beiden 
oberen  und  unteren  jeder  Seite  sind  mit  Ornamenten 
ausgefüllt ;  im  [Mittelfelde  der  Vorderseite  ist  das 
Bildniss  des  heil.  Ricolni,  auf  der  Rückseite  des  heil. 
Oswald  angebracht.  Xeben  dem  Mittell)ilde  der  Vor- 
ilerseite  sind  vier  heilige  Abte ,  auf  der  Rückseite 
vier  unbestinnnte  Heilige  dargestellt.  Der  Rücken  des 
Ruches  ist  mit  dessinirtem  Goldstoff  lielegt.  Als  Ver- 
schluss des  Buches  .sind  an  dem  vorderen  Deckel  zwei 
(ioldborten  befestigt,  deren  Vordertheile  durch  aufge- 
legte vergoldete  Silberschliessen  geziert  sind.  Es  sind 
zwei  durch  Charniere  verbundene  viereckige  Rlättchcn 
mit  verticlter  Füllung,  in  deren  einem  3  Ruchstaben, 
im  anderen  aber  ein  kleiner  sitzender  Löwe  ange- 
bracht ist.  Die  Buclistaben  der  beiden  Schliessen 
liildcii  zusammen  den  Namen  Elsbet.  Dieser  Name 
im  /iisammLulialte  damit ,  dass  dieses  Ruch  dem 
^linoriten Convcnte  in  Wien  gehört,  lässt  keinen 
Zweifel  zu.  dass  als  dessen  Besitzerin  die  Herzogin 
Elisabeth  (Isabella)  v.  Arragonien  ,  Gemahlin  Königs 
Friedrichs  dos  Schönen  .  eine  besondere  Wohliliätcrin 
und  Mitstiftcrin  dieses  Klusters  anzusehen  ist.  Sie  starb 
am  1-2.  Juni  KJJU  und  wünschte  letztwillig  in  der 
Ordenskirche  ihre  Ruhestätte  zu  erhalten  (Mitth.  d. 
Gentr.-Comm.  VIH.  2S'I).  Das  Buch  selbst,  abgesehen 
vom  Einbände  dürfte  jedoch  bedeutend  älter  sein.  Ferner 
ein  kleines  Reli(|uienkreuz  Nr.  i')(i2)  aus  dem  Stifte 
Melk  von  18"  Höhe  und  S'/^"  Breite,  das  noch  im 
XV.  Jahrhundert  entstanden  sein  mag.  Für  die  Aus- 
stellung ist  dasselbe  von  Redeufung.  da  die  lilienförmig 
endenden  Kreuzesarme  aus  Bergkrystall  angefertigt 
und  Gegenstände  aus  diesem  Materiale  nur  in  wenigen 
Exemplaren  awfdieser  Exposition  zu  finden  sind.  Der 
kupferne  und  vergoldete  Ständer  wird  aus  einer  runden 


Fussfläche  mit  einem  Quadraten  Stamme  unil  einfaeli 
ausladenden  Nodus  gebildet.  Die  silber- vergoldete 
Fassung  des  sich  darauf  erhebenden  Kreuzesstammes 
zeigt  Verzierungen  aus  Masswerk  und  Lilien-Ornamen- 
ten. Gleichen  Motiven  folgt  der  quadrate  Mitteltheil, 
bestimmt  zur  Aufnahme  der  Reliquien,  aus  dessen  vier 
Ecken  Lilienblätter  hervortreten  (Fig.  SS).  Endlich  ein 
prachtvoller  Pocal  aus  Bergkrystall  in  vergoldetem  Sil- 
ber niontirt  (Nr.  663)  und  ein  Radschlossgewehr  mit  sehr 
schönem  Elfenbeinbezatz  am  Schafte  (664),  beides  Eigen- 
tluim  des  (irafen  Karl  Friedrich  Lanthieri  in  \Vip))ach. 
Wir  konnnen  nun  zurBesprechung  jener  Gegenstände, 
die  in  dem  zweiten  dieser  Ausstellung  gewidmeten  Saalauf 
gestellt  sind.  Hier  sieht  man  schon  bei  nur  oberflächlicher 
Betrachtung,  dass  das  Installationsromite  bei  der  .\uf- 
stellung  durch  das  Brincip,  die  Gegenstände  nach  Län- 
dern zu  gruiipiren,  beschränkt  war  und  daher  bedauer- 
licher Weise  manches  Stück  nicht  so  zur  Geltung  zu 
bringen  vermochte,  wie  dies  an  anderer  Stelle  der  Fall 
war. 

Wir  wollen  zuerst  den  beiden  Wandschränken 
unsere  Aufmerksamkeit  zuwenden ;  sie  enthalten  in  der 
Hauptsache  Gegenstände  ans  Mäh  r  e  n  oder  von  M  ä  h  r  e  r  n 
ausgestellt.  Wir  finden  daselbst  14  Messkleider,  sänimt- 
lich  von  neuerem  Schnitte,  mitunter  mit  ganz  köstlicher 
Stickerei  geziert;  sie  stanunen  fast  alle  aus  dem  X\'I. 
Jahrhundert  und  gehören  der  Domkirche  zu  Brunn,  den 
Pfarrkirchen  zu  ]5itescli,  Wall.-^reseritsch,  Nicolsburg, 
Turas  und  Zaschau.  Eine  Casula  verdient  besonders 
erwähnt  zu  werden,  sie  ist  aus  \iolettem  Seidenstoff  an- 
geferiigt  (^Nr.  34.'!),  darauf  in  Relief  ausgeführte  Sticke- 
reien, vorstellend  die  Conceptio  Mariens,  den  heiligen 
Wenzel  als  geharnischten  Ritter,  vier  Heilige,  dabei  die 
.lalireszahl  14^7  und  die  Wajipen  der  Herren  von  l)uli;i 
und  Zasfrizel.  Auf  einer  anderen  Gasula  ist  auf  iler 
Rückseite  ein  Kreuz  auf  Goldgrund  aufgelegt,  wobei 
zum  Kreuzbalken  sehr  schöner  orientalischer  Stoff  mit 
arabischen  Inschriftzeichen  verwendet  wurde  (Nr.  ."Uf)). 
Der  Beh.'iiiillung  des  Materials  wegen  verdienen  (M'wähnt 
zu  werilen  die  beiden  Messkleider  aus  gepresstem  und 
mit  Farben  bedrucktem  Leder,  der  l'farrkirche  zu  Babitz 
gehörig,  sie  entstammen  beide  dem  XVHI.  Jahrhundert. 


Fig.  f.'').    I  liiiislirMck.) 


—     200 


Selir  kostbar  ist  jene  unter  Nr.  4G4  auf;etiihrte  Decke 
aus  geblümtem  GdhlstofT  in  Ftinii  einer  KirduMitaline. 
Noeii  tinden  wir  liier  nielirere  TaiiC-  und  Keleiuiecken. 
breite  und  schmale  venetianer  und  Guipurespitzen  von 
Priesteralben  u.  s.  w. 

Die    Reihe    der   aufgestellten    Monstranzen,   fast 
sännntlich  gothischen  Styles,  aus  dem  XYI.  Jahrhundert 
und  nur  wenige  aus  neuerer  Zeit  undtheilweisc  und  zwar 
nicht  ganz  gelungen  und  styleinheitlich  restaurirt,  zeigen 
uns  in  belehrender  Weise  diese  theils  silbernen,  theils 
kupfernen  Gefiissein  ihrer grössten Einfachheit  als  Eigen- 
thum    armer  Landkirchen,    wie    auch    in  prachtvoller 
Ausstattung  als  Gcräth  reicher  Abtei-  und  Ptairkircheii. 
Die  bedeutendsten  Gefässe  sind  die  unter  Nr.  350,  354 
und  441  (Hradisch,  Raigern  und  Jamnitz)  ausgestellten. 
Die  übrigen  gehören  den  Kirchen  in  Tischnowitz,  Frei- 
stadt, Koprivnica,  Katzendoi'f,  Stannern,  Ciicitz,  Drasow, 
Borstendorf  und  der  Biirgcapelle  in  ^'öttan.  Von  den  zahl- 
reichen Kelchen  heben  wir  hervor  als  durch  die  einfache 
Form  bemerkenswerth  die  von  Ober-Dannovitz(Nr.  ."J.^S), 
St.  Jacob  in  Briinn  (Nr.  .35."))  und  Kunewald  (Nr.  442), 
ferner  jenen   der  l'farrkirche   zu  Austerlitz    (Nr.  -jül!), 
früher    Eigenthuni   der  Garthause   in    Maueibach    und 
durch  seine  schöne  Filigranarbeit  ausgezeichnet.  Hier  sei 
auch  des   unter  Nr.  o89  ausgestellten  kleinen  Kelches 
gedacht.   Er  trägt  am  Rande   das  jronogramm  K.  15., 
d.  h.   Karl  ]5ischnovsky,   Goldschmied   im  Schlosse   zu 
Mährisch-Trübau  unter  Ladislaus   von  Zierotin    (15'J7 
bis  1G20).  Dieses  Kelches  bedienten  sich  die  mährischen 
Brüder.   Schöne  Arbeiten  reprä.scntiren  die  mit  i-eiclieni 
Filigranbesatz  gezierten  Mcsskännchen  des  Augustiner- 
Stiftes   in   Brunn,   feiner    die    silliervergoldeten    Jless- 
kännchen  sanmilTasse  und  eine  desgleichen  Kanne  sammt 
Tas^sedesStitfesNeureisch  (Nr.4üG,  386  und  407).  Diese 
Gegenstände,  obgleich  demXVIir. Jahrhundert  angehörig, 
sind  von  mustergiltigen  Formen.   Das  Franzensmuseum 
zu  Brunn  stellt  ein  kugelförmiges  Ciborium  auf  schlau 
keniFnsse  von  JMcssiiig  aus,  das  noch  aus  dem  XM.  Jahr- 
hundert stamnit.    Auf  selbem  finden  sich  Iblgende  In- 
schriften:  Am   Fusse:   ego  sum  ]ianis,  auf  der  Schale: 
hoc   est   corpus  Jesu   christi,    am   Deckel:  corpus    dni 
nostrijesn-j-(Fig.  81',  Nr.  49]).  Das  den  Deckel  krönende 
Patriarcheidvreuz  dürfte  eine  jüngere  Zuthat  sein. 

Der  beengte  Umfaug,den  wir  dieserBesprechung  wid- 
men können,  uöthigt  uns,  mancher  immerhin  werthvoller 
Gegenstände  nur  kurz  zu  erwähnen,  wie  eines  hübschen 
Mosaik-Reliefs,  darstellend  die  Verkündigung  ^[arien's 
nach  dem  bekannten  Bilde  Fiesole's  (Nr.  371 ),  eines  Haus- 
altärchens  mit  schönem  Elfenbein-Diptychon  (Nr.  38]), 
eines  sehr  zierlichen  gothischcn  ,  siliiernen  vierjiass- 
förmigen  Reliquiar's  zum  Anhängen,  aus  dem  XV.  Jahr- 
hundert (Nr.  388) ,  des  Rosenkranzes  eines  geistlichen 
Ritters,  die  Kugeln  von  Eisen  mit  Silber  und  Gold 
tauchirt  (Nr.  4()1),  und  eines  grossen  Crueifixes  von 
Elfenbein  aus  dem  XVH.  Jahrhundert  (444). 

Indem  wir  uns  auf  das  früher  über  die  Krumnistälie 
Gesagte  beziehen ,  geben  wir  hier  eine  gedrängte  Besdirei- 
bung  des  Krummstabes  aus  dem  Stifte  Raigern. 
Der  Obertheil  ist  aus  vergoldetem  Messing,  der  Schaft  aus 
Messing  angefertigt,  letzterer,  der  den  s])ät-gothisclu'n 
Charakter  an  sich  trägt,  unzweifelhaft  ein  jüngerer  Er- 
satz für  den  ursprünglichen,  wahrscheinlich  hölzernen 
Stiel.  Der  Nodus  besteht  eigentlich  aus  drei  Theilcn, 
deren  oberer  und  unterer  achtseitig  ist,  der  dritte  Theil 


klein  ,  ringförmig  und  in  einer  .\rt  Einkehlung  zwi- 
schen den  beiden  anderen  Thcilen  angebracht.  .Viis  dem 
Nodus  entwickelt  sieh  die  sehiin  gebogene  Kriinnniuig 
mit  einer  Rückbiegung  beginnend.  Dieselbe  ist  an 
ihrem  oberen  Rande  mit  dünnen,  wellenförmig  einge- 
kerbten, eine  einfache  Schlinge  bildenden  Krabben  be- 
setzt. Aufden  beiden  flaehen  .Vussenseiten  der  Krüm- 
mung findet  sich  je  eine  Inschrift  auf  dunkelrothem  und 
dunkelblauem  Emailgrunde  mit  gothischcn  Minuskeln 
zwischen  goldenen  niellirten  Laubverzerungen.  Die 
Inschrift  lautet:  christus  vincit,  christus  reguat.  christus 
imperat,  —  Jhesus  autt'm  transicns  per  medium  illoruni 
ibnt.  Die  Mitte  der  Krünnnung  ziert  ein  Doi)])elrelief 
aus  Elfenbein,  dessen  Darstellungen  mit  der  erwähnten 
Inschrift  im  Zusammenhange  stehen.  Die  eine  Seite 
des  Reliefs  zeigt  die  Alutter  Gottes  mit  dem  Kinde  am 
Arme  ,  an  den  Seiten  je  ein  Engel  mit  einem  grün  be- 
malten Stab,  die  andere  Seite  den  gekreuzigten  Erlöser 
mit  Maria  und  Johannes.     Beide    Flachsciten  sind  mit 


Fig.  86.     (Uaz.) 


—      210     — 


steinen  besetzt,  wikIiucIi  einige  Stellen  (Kt  Insclirilt 
scliwcr  losbar  wurden.  Dieser  Stcinlicsafz  ist  eine 
jlinf:crc  Zutliat  dieses  ans  dein  zu  Knde  gellenden  XF\'. 
.lalirliundert  stannnendcn  Stabes  (Nr.  ;J84,  Fig.  90). 

Von  rrfif'angegcnsta'nden  seien  erwiilinf:  Einige 
zinnerne  und  siliierne  Willk'itmnenlieelier  und  Krüge, 
ehemaligen  Oimiitzei-  Ziint'lenf;eliörig,  wie  der  N.idler 
(Nr.  ;jf)9),  der  l'.inder  (Nr.  410),  der  I'.äekergeliiHen 
(Nr.  41  ;5),  ferner  der  dortigen  Schlitzengcsellseliait 
iNr.  :?.')7  und  41ö);  sie gtdiiiren meistens  in  das  XV.  und 
X\'I  .laln-liinuli-rtund  sind  Innsielillieli  üirerFdrin  beacli- 
leiiswertli  :  ferner  ein  Kiseidciiehter  mit  Silber-TMiiciii 
rung  I  Nr.  479^,  eine  seiir  seliöiie  Tiscdiulir  aus  dem  X\'!. 
Jalnlinndert,  Kigcnthiiiii  der  Stadt  Olmlltz  (Nr.  41H), 
ein  dem  Franzensmuseum  in  l'rlinn  gehöriger  Original- 
stock für  Xylographie;  ir  wird  mit  einiger  (iewisslieit 
dein  .bdiaiiii  mhi  l'.illnn  (14.^01  zugesellrieben  uiiij  stellt 
auf  der  einen  Seite  flie  Messe  d<s  heiligen  (iregoriii.s 
(Foliobild),  auf  der  anderen  den  Wucher  des  Judas 
(kleines  Hild)  vor.  Der  llliritri  Kanni  dieser  Seite  ist  mii 
Textausgefllllt.,\iisserdeiii  (iiiflcu  sieh  liieniiehrere  wertli 
volle.  Sehmiickkästchen  aus  (',(Ai\  unil  Silber,  Hestecke, 
Dosen,  Cefasse  aus  l'ergkrystall  in  koslburen  Fassun 


am 


>    >f 


üen  ninl  Hill  \\(Ttli\  iillen  Maji'reien. 
■lll'eiibeiiiscjiu'llc  .  'r.-isclieiiiiiii'en 
aus  dem  v(n'igeii  .bihrlniiulert,  l'or- 
C(dlan  -  Oegenstäiiile  \nu  Meisseii, 
Sevi'es  und  Wien,  Majidika-Teller 
uml  Sehiisselii .  eine  grosse  Ma- 
jiil:ea-<  iru|ipe   ii.  s.  w. 

\'nii  Wallen    uml    Klistungsbc- 
standflieileii  erwähnen  wir  <ies  IFel- 
nies    zu?  liüstung  des  Vertlieidiirers 
von  Wien  im  .lalire    l.'M!*,  dem  (!ra 
fiii    Niclas    Salm    g(diörig;     er    ist 
an     einzelnen     Stielen     mit    Silber 
tanschirt  ,     im    (lanzen    aber     ein- 
fach (Nr.  üH.']),   (Mues   Panzerhemdes    und   dreier   'l'ai-t- 
sehen,  die  dem  Nielas  Zriny,  dem   Meiden  von  Szigeth, 
ziigeseiiiieheii  werden  iiinl,  wie  .alle  no(di  zu  erwälineii- 
deii   und  licmscdben  zugeschriebenen  (Jegeiistände,  nun 
Eigeiiilniiii  der  grällichen  Familie  Dsinn  in  Vöttau  sind. 
Zwei    der   Tni tsdieii    sind    mit    eingeätzten    t)rnaiiien- 
Irii  .   die  diide,    älinlieh    den    schon  erwähiilen    beiden 
Seiiildrii    aus     ilcr    .'"Sammlung    des    Haron   Hothschild. 
\oii     sehr    schöner    italienischer     Arbeit,     ist     getrie- 


—     211     — 


hi'U  und  mit  Gold  taiichirt.  An  Waffen  linden  siidi  zwei 
Armbrüste,  die  Scdiät'te  mit  EIfenl)ein  gesciimaclvvoll  aus- 
gelegt, ein  türkischer  Säbel  ndt  kostbarer  Scheide,  ein 
Pnnikdegen  Karl's  von  Zierotin  aus  dem  Jahre  IGli;^, 
Gritt'  und  Scheidespitze  ans  Achat,  mit  Kubinen  und  l'ciicn 
besetzt  (Nr. 347).  Die  vielen  ausgestellten  Schwerte  sind 
theils  Vortrage-,  theils  Richtschwerte,  theihs  .sind  sie  für 
den  Kampf  bestimmt,  und  gehören  den  Städten:  Hriinn, 
Olmütz,  Hradisch,  Iglau,  Wall.-Meseritsch,  Znaim;  ein 
dem  Grafen  Rudolf  Wrbna  gehöriges  Schwert  ist  beson 
ders  beachtenswerth  wegen  seines  silbernen  Gritfes  und 
der  geätzten  Klinge  mit  dem  Wappen  des  mährischen 
Landeshauptmannes  Johann  v.  Rottal  (Nr.  455);  einige 
mittelalterliche  Gewehre  mit  Elfenbeinbesatz  und  schön 
verzierten  Metalltheilen,  ferner  zwei  Sättel,  beide  mit 
Sammtdecken  untl  reicher  (^(dd-  und  Silberstickerei;  der 
mit  blausammtner  Decke  wird  dem  Nidas  Zriny  zu- 
geschrieben. Sciiliesslich  hellen  wir  noch  jenes,  dem  Gra- 
fen Wrbna  gehörige  Vorlegebesteck  hervor,  liestehend 
aus  zwei  schmalen  und  zwei  breiten  Messern,  einer  Gabel. 
Es  wurde  1515  angefertigt,  die  Griffe  sind  aus  Herg- 
krystall  mit  Silber  montirt  und  mit  dem  in  Email  ausgeführ- 
ten Salzburger  erzbisehötlichen  Wajjjien  geschmückt. 
Der  hier  befindlichen  Siegel  werden  wir  später  erwähnen. 
Von  den  fünf  Kästen ,  welche  in  der  Mitte  des 
Saales  aufgestellt  sind,  enthält  der  gegen  Osten  gestellte 
Gegenstände  aus  G  a  1  i  z  i  e  n  und  der  B  u  k  o  w  i  n  a.  Bemer- 
kenswerth  .sind  drei  Kelche  und  ein  Crucitix  mit  Maria 
und  Johannes,  Eigenthum  des  Domcapitels  zu  Tariiow. 
Kelche  und  Kreuz  sind  sehr  schön,  im  gothischen  Style 
ausgeführt  und  mit  Emails  reich  verziert.  Die  Noden  der 
Kelche  sind  von  ungewöhnlicher  Grösse  und  bildea 
grosse  und  reich  geschmückte  Capellen ,  eine  Anord- 
nung, die  mit  Rücksicht  darauf,  dass  Stiel  und  Nodus 
die  Stellen  sind,  an  denen  diese  Gefässe  c^rgrift'en  wer- 
den, durch  die  scharfen  Ecken  und  Kanten  das  Ergrei- 
fen schwierig  und  unangenehm  macht. Von  inte-e.ssanter 
Form  ist  das  aus  15'.(1  stammende  und  dem  griechisch- 
orientalischen Kloster  Suczavitza  gehörige  Cibori  um;  es  ist 


Fiji 


iHriiiui. 


Fig.  88.     (Melk.) 

aus  vergoldetem  Silber  angefertigt  und  stellt  eine  Kirche 
mit  drei  Thürmen  vor.  Hier  finden  siidi  auch  drei  Kirchcn- 
büelier  mit  interessanten  Einbänden,  das  eine,  dem 
Kloster  Suczavitza  gehörig,  ein  auf  Pergament  geschrie- 
benes Evangeliarium,  hat  einen  Einband  aus  vergoldetem 
Silber,  auf  der  Vorderseite  in  flach  getriebener  Arbeit 
Christus,  den Klostersliltcr  und  seineFrau  in  den  Himmel 
autnehmend,  auf  der  Rückseite  die  Darstellung  des 
Todes  der  heiligen  Maria,  vom  Jahre  Ifif'T  (Nr.  5U0); 
das  andere  hat  am  gleich  behandelten  Deckel  die  Dar- 
stellung des  Sieges  Christi  (1610)  und  gehört  dem 
griechischorientalischeu  Kloster  Dragomirna  (Nr.  509), 
das  dritte  endlich  (Nr.  514)  gehört  dem  Kloster  Putna 
in  der  Bukowina.  Noch  sind  zu  erwähnen  zwei  aus  Holz 
geschnitzte  Vortragekreuze  mit  doppelten  Querbalken 
und  reich  geschnitzt,  aus  1560  und  1600,  und  eine  Ripide, 
eine  Art  Schirm  in  Form  eines  Vierpasses,  zum  Vortragen 
bei  Proeessionen  aus  dem  Jahre  ]47it,  sie  ist  aus  ver- 
goldetem Silberangefertigt.  durchbiMcinn  und  mit  reicher 
Filigrauarbeit  ausgefüllt. 

Von  anderen  Gegenständen  sei  erwähnt :  ein  Trink- 
hnni  mit  reich  verzierter  Silberfassung  des  XVH.  Jahr- 
bnndiM'ts  ,  der  Bergwerksdirection  in  Wieliczka  gehörig 
(Nr.  50]),  eine  sechseckige  Uhr  vonljronze  auf  6  Füssen 
mit  dem  Zifferblatte  auf  der  oberen  Fläche  aus  dem 
XVH.  Jahrhundert;  ein  silberner  Becher  aus  1681  von 
runder  Form  mit  Gravirungeu.  deren  Darstellungen  sich 
auf  den  Entsatz  von  Wien   durch   die   Polen   beziehen, 


Fig.  90.      (Kaigern.) 

beide.«  l>i,i;(iilliiiiii  des  Wladimir  Gnicvosz;  ein  IJeckeii 
siimnit  K;iniit'  aus  Silber,  vergoldet,  Eigcntliuiii  der 
jüdischen  Cultusgemeinde  in  lirody  (Nr.  518),  eiHllieli 
ein  Sattel  sanunt  vollsländigem  Kcitzeu<r  und  Scliild, 
Kigentlnini  der  Oriifin  Walewska,  erstercr  mit  Silber 
liesehlagen,  reich  ornamentirt  und  mit  vielen  gold- 
tauchirten  Carnecden  besetzt,  Ziif;el  und  Geis.'ici  .sind 
aus  jicflochtenen  Silberkettehen  gebildet,  der  schön  gc- 
tormte  Muzogany  aus  vergoldetem  Silber.  Der  Schild 
liestcht  aus  einem  Rdhrgeflcclit,  mit  Sijlicr  umsponnen, 
mit  f'arncolen, Türkisen  und  Coralb'U  besetzt  (Nr.  .")()8). 

I)en  übrigen  üauni  dieses  Schrankes  nehmen  theils 
sehr  schöne  polnische  Nationalgürtel,  theils  ältere,  mit 
kostbaren  Stickereien  gezierte  Gewänder  und  Decken 
aus  den  griechiscb-oricntalisciicn  Kii'chen  zu  Czernovitz. 
Dragomirna,  Tiitna  nml  .-^utza»  iiza  ein. 

Ein  besonderer  Schrank  ist  den  Münzen  der  Ol- 
m  11  tze  rFürstbisc  höfegewidmet  (  Xr.;i48).  Das  Münz- 
regale der  Glmülzer  F''ürstl)ischöt'e  gründet  sich  auf  ein 
l'rivih^gium  Ifiidolis  II.  al>  Königs  miu  IMhnien  dto. 
Prag  .").  .lanuar  jtldS.  Nach  diesem  wurde  die  biseliöf- 
liche  Sommerresidenz-Stadt  Kremsier  als  l'rägeort  be- 
stimmt ,  und  v(;rordnet,  dass  die  dort  zu  prägenden  bi- 
scliöfljclien  Münzen  den  landesfllrsllichen  an  Schrot 
und  Kurn  ganz  gleicli  sein  s(dh-ii 

1  nbeansliiiidet  prägten  die  I5iscliöfc  :  !•' ranz  < 'ordi- 
nal und  Fürst  von  Dietrichstein  (f  H!;iii)  uml  der  iOrzher- 
zog  Leopold  Wilhelm  ff  1  Gn;{).  ' 


Ais  manjedoch  zurZeit  derJiisthums-Administration 
unter  dem  Erzherzoge  Karl  Joseph  (10(53 — 16(J4)  die 
Mlinze  an  Private  verpachtete,  welche  dieses  Recht  nur 
zu  ihrem  Vorthciie  ausgebeutet  haben,  erfloss  ein  Re- 
script  Kaiser's  Leopold  L  dto.  Regen.sburg  (!.  Fe- 
bruar HiG4,  dass  die  Münzstätte  in  Kremsier  aufzuhören 
habe,  und  dass  der  Pachtzins  aus  dem  bereits  eingegan- 
genen Vertrage  von  der  kaiserlichen  Privatcasse  werde 
entrichtet  werilen. 

Die  Fünfzehnkreuzer-Stiicke  des  Erzherzog's  Karl 
Josephmit  der  Jahreszahl  1Ü(J4  müsseudemnach  vor  die- 
sem Rescripte  geprägt  worden  sein.  Andere  Stempel 
kennt  vnan  von  diesem  liisehofe  nicht. 

Sein  Nachfolger,  Karl  (!iaf  von  Liclitenstein  (1604 
— 169Ö'),  musste  das  alte  Jlünzrecht  revindicirt  haben, 
wie  die  zahlreichen,  von  ihm  geprägten  Münzen  darthun. 
Die  Verlegung  der  Münzstätte  i.acii  Wischau  wurde  je- 
doch nicht  geduldet  und  die  Ansüliung  des  bischöflichen 
Münzrechtes  als  lediglicii  auf  Kremsier  beschränkt  er- 
klärt. 

Unangefochten  iträgten  seine  Nachfolger  Karl  Her- 
zog von  Lothringen  (1005 — 171U)  und  Wolfgaug  Cardi- 
nal und  Graf  von  Schrattenbach  (1711  — 1738),  bis  die 
fortwährenden  Beschwerden  über  die  verschlechterte 
Scheidemünze  denKaiserKarlVL  bewogen  hatten,  durcii 
ein  Decret  vom  30.  August  17:^()  den  Olmützer  Bischöfen 
die  Ausprägung  der  Scheidemünze  gänzlich  einzustellen. 

Bei  dieser  Verordnung  vei-blieb  es  unter  dem  Bi- 
sch of(  Jakob  Ernst  Grafen  von  Liclitenstein  (1 738 — 17451 
und  unter  dem  Cardinal  Ferdinand  Julius  Grafen  von 
Troyer  (1745 — 1758).  Auf  des  letzteren  Gesuch  vom 
12.  Mai  1747  ward  das  alte  Münzregale  durch  eine  kai- 
serliche Erleiiigung  dto.  ^^'icn  i'.  August  1747  seinem 
vollen  Umfange  nach,  nnt  Ausnahme  des  Rechtes  Schei- 
demiinze  zu  prägen,  bestätigt,  und  ein  eigener  MUnz- 
wardein,  aber  nur  auf  die  Lebzeiten  des  Cardinais ,  nach 
Kremsier  gesetzt. 

Nach  Trdver's'l'odc' erklärte  Kaiserin  Maria  Theresia 
durch  ein  llofdecret  vom  1.  September  17511  das  Münzrecht 
Kremsier  für  erloschen  und  verordnete,  dass,  wenn  der  in 
neue  Fürstbischof  Leopold  Friedrich  Graf  von  Egckli 
und  llungc^rsbach  (1  758^]  7(>(>')  .Münzen  zu  prägen  be- 
absicjitige,  er  sich  deshalb  an  das  k.  k.  Münzamt  in 
Wien  zu  wenden  habe.  Er  unterliess  es,  und  seine  Schau- 
münzen vom  Jahre  1759  sind  das  letzte  Erzeugniss  der 
fürstl)ischöfli(dien  Münzstätte  in  Kremsier. 

Auch  dessen  Nachfolger,  Maxinnlian  Graf  \(in  IIa 
milton  (  1  7l')l  - 1  77(i),  unterliess  das  Fragen  gangbarer 
Münze  und  begnügte  sich  nur  mit  Inthronisatimis-Me- 
dailleu,  wogegen  der  erste  Fürsterzl)isehof,  Anton  Theo- 
dor Graf  von  Culloredo  und  W'allsee  (1777—  1811) 
dur(di  ein  llfdgesu(di  die  Bewilligung  erlangte,  ein  ge 
wisses  (^»uantiMM  \(iii  verscIiiedeniMi  Deids.-. Auswurfs- 
und Current  Münzen  in  dem  k.  k.  Ilauptndinzamte  in 
Wien  gegen  Entrichtung  der  ülili(dieu  (iebühren  schla- 
gen zu  lassen.  Dies  der  (Jrund,  waiiim  alle  seinen  Na 
men  tragenden  Münzen  \()m  Jahre  I77',l  sind,  und  wai'um 
Min  den  n;iclilolgenden  lOrzbischöfen  nur  Medaillen  vor- 
kommen. Eine  Ausnahme  biblet  der  Erzbischof,  Erzher- 
zng  Biidolf  (1819— 18;'>1),  welcher  zur  Verherrlichung 
seines  Begierungsan  tritt  es,  wie  ('(dbiredo,  eine  bestimmte 
.\nzahl  Current  .Münzen  in  Wien  prägen  liess.  Sie  sind 
alle  V(mi  Jahre  I8LM).  Von  seinen  Nachtolgern  sind  nur 
liitlirdiiisatidiis  Medaillen  \nrli;mden.   Gefi'enwäi'lig  sind 


213 


608  Exemplare  OlmUtzer  bischöfliche  Münzen  vorlian- 
den,  über  welche  ein  ci^-ener  Cataloj;-,  vom  Grafen  Ro- 
bert Lichnowsky  angelegt  und  von  Eduard  Edlen  von 
Mayer  fortgesetzt,  in  Wien  187o  erschienen  ist. 

Der  die  Mitte  des  Saales  einnehniemle  Kasten, 
Eigenthuni  des  Prager  Domcapitcls,  entliält  blos  Gegen- 
stände ans  Hö  Innen,  darunter  einige  von  besonderem 
Werthe.  Wirbi'ginnen  mit  der  ßesprecliung  der  kirch- 
lichen Gegenstände.  Unter  den  vielen  Schätzen  und 
Merkwürdigkeiten  des  Prager  Domes  fesselt  vorzüglich 
eine  Onyx  -  S(diale  die  Anfmerksamkeit  ,  denn  einer- 
seits i.st  ein  ausgehöhlter  Onyx  von  dieser  Grösse  eine 
Seltenheit ,  andererseits  ist  die  Fassung  von  grosser 
Zierlichkeit.  Der  Fnsstheil  ist  länglich  und  enthält  fol- 
gende Inschrift :  f  A.  d.  nicccl.  jubileo  carolus  romanorum 
sep.  augustus  et  boemie  rex  pragön.  eccle.  ad  usum  in- 
tirmorum  hunc  ciphoni  onictrini  lapidis  donavit.  Ausser- 
dem betinden  sich  am  Fusse  vier  kleine  emaillirte  Wap- 
penschilder mit  Nägeln  ziemlich  roh  aufgenietet  und 
zwar  je  zweimal  der  einköpfige  Reichsadler  und  der 
böhmische  Löwe.  Vier  Goldreifen  verbinden  die  innen 
gerippte  Schale  mit  dem  Fusse  und  mit  dem  sill)erver- 
goldeten  Reit,  der  den  Rand  der  wahrscheinlich  antiken 
Schale  einfasst  (^Nr.  571,  Fig.  91).  Das  silberne,  theil- 
vveise  vergoldete  Reliqu  iar  (Nr.  5G8)  in  Form  einer 
siebenblättrigen  Rose  und  als  Agratfe  dienend,  hat 
eineFlächenausdclinung von  11  '/.>  Centimetcr.  Die  obere 
Hälfte  ist  mit  reichem  Laubornament,  edlen  Steinen  und 
in  der  J[itte  mit  einem  Basrelief-  Medaillon  aus  Perl- 
mutter verziert,  darauf  der  Tod  Marien's  dargestellt 
ist.  Die  Rückseite  enthält  in  der  Mitte  hinter  Krystall- 
verschluss  eine  RelMpiie  ,  nm  denselben  hat  der 
Künstler  sieben  blattförmige  Medaillons  auf  blau- 
emailirter  Fläche  angebracht,  Christum,  die  vier  Evan- 
gelisten, einen  Strauss  und  einen  Drachen  darstellend. 
Composition  und  Ansführnng  des  Schnittes,  Fassung  und 
Email  lassen  vermuthen  ,  dass  dieses  schöne  AVerk  in 
der  zweiten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts  entstan- 
den ist  (Fig.  92). 

Auch  jene  bekannten  zwei  Elfenbeinhörner  des 
Domschatzes, welche  unter  dem  Namen  der  Rolands- 
h  ö  r  n  e  r  in  archacologischen  Faclischi  iften  schon  wieder- 
holt besprochen  wurden  ',  sind  zur  Ausstellung  gebracht 
(Nr.  575  und  57G).  Derlei  hauptsächlich  als  Jagd-  nnd 
Kriegshörner  dienende  Denkmale  ausderkarolingischcn 
Epoche  und  den  beiden  folgenden  Jahrliunderten  linden 
sich  ausser  diesen  nur  in  wenigen  Sannidungen,  wie  zu 
Aachen,  Upsala,  Angers,  Jaszbereuy  und  Inder  Ainbra- 
ser-Sammlung  zu  AVien.  An  denselben  wurde  die  durch 
den  Elephantenzahn  vorgezeichnete  Form  beibehalten 
und  ihnen  durch  meist  sehr  roh  ausgeführte  Orna- 
ment-Streifen und  tigürliclie  Darstellungen  eine  Ver- 
zierung gegeben,  die  gewöhnlich  Ans))ielungen  auf  die 
Jagd  enthielten.  AVo  Kaiser  Karl  IV.  diese  Hörncr. 
die  wahrscheinlich  ausser  Europa  angefertigt  wurden, 
erworben  hat  ,  ist  nicht  sicher  bekannt  ;  oliwohl  eine 
Tradition  wissen  will,  dass  sie  aus  dem  am  ühein  gele- 
genen KlosterNonnenwörtli  stannnen,  so  ist  doch  anzu- 
nehmen, dass  er  sie  auf  seiner  ersten  Römerfahrt  er- 
warb. Das  grössere  und  reicher  verzierte  Hörn,  daran 
das  Mundstück  fehlt,  ist  in  vier  dessen  Kör]>er  quer 
umziehende  Streifen  abgetheilt,  die  durch  ein  Rand  \on 

*  S.  Heidcr  Eilelber^'er:  Kuiisulenkmalc  des  österrt'iclusclien  Kaiser- 
tinatesNr.  65. 

XVIII. 


Fig.   91.      (Prag.j 

schönen  Blatt-Ornamenten  begränzt  sind.  Der  oberste 
und  unterste  Streifen  enthält  Medaillons  mit  Thier- 
köjjfen  nnd  Gladiatoren,  die  beiden  mittleren  in  Galo])]i 
dahineilende  A'iergespänne,  dabei  in  der  dritten  Reihe 
kleine  Jagdscenen,  Hasen  nnd  Rehe  von  Hunden  ver- 
folgt. Das  thierähnliche  Ornament  bei  dem  Luftloch  r,  .'.i 
des  Hernes  ist  leider  verstümmelt.  Das  zweite  Hörn 
ist  weit  einfacher  und  in  der  Hauptsache  nur  mit  Rand- 
versehlingungen  decoi'irt ,  die  Mitte  davon  nimmt  ein 
landschaftliches  Relief-Bild  und  eine  Jagdscene  ein. 

Ein  nicht  minder  werthvoller  Gegenstand  ist  die  in 
ihrer  Ausführung  äusserst  edle  und  anziehende ,  elfen- 
beinerne M  a r  i  e  n  s  t  a  t  u  e  1 1  e  des  Prager  Domsehatzes. 
Die  Madonna  hält  in  eleganter  Bewegung  mit  beiden  Hän- 
den das  auf  dem  linken  Arm  sitzende  Kindlein  und 
scheint  mit  ihm  im  Zweigespräch  begritfen  zu  sein. 
Diese  wechselseitige  Beziehung  hat  der  Künstler  sehr 
naiv  ohne  allen  Zwang  zum  Ausdruck  gebracht.  Von 
grosser  Schönheit  und  edler  Durchführung  ist  die  wellen- 
förmig lierabfliessende  Gewandung  nnd  noch  frei  vom 
künstlichen  Faltenwurf.  Gleichwie  das  Piedestal  mit 
vergoldeten  Rändern,  welches  als  Reliquiar  sich  unten 
öHiiet  nnd  mittelst  eines  Krystalls  die  Befestigung  der 
Reli(iuie  zulässt ,  eben  so  sind  die  Krönchen  Zugaben 
des  XA".  Jahrhunderts.  Die  Statuette  selbst,  französische 
.Arbeit,  dürfte  in  der  zweiten  Hälfte  des  XIV.  Jahrhun- 
derts entstanden  sein  (Nr.  565,  Fig.  93). 

Das  den  schon  erwähnten  Reliquienschreinen  der 
Stifte  Klosternenbnrg  und  Kremsmünster  ähnliche 
Emailschreinchen  des  Prager  Domschatzes  ist  eben- 
falls ausgestellt  (Nr.  580).  Es  hat  die  Form  einer 
Tumbe  und  zeigt  auf  blauem  Email-Grunde  leichtes 
liankeiiwerk,  an  den  Seiten  Jletalltigürehen ,  Apostel 
in  streng  typischer  AA'eisc  darstellend.  Die  Hanjit- 
seite  ist  mit  der  Passionsgrnitpe  (nämlich  Christus, 
gekreuzigt,  daneben  Maria  und  Johannes)  und  mit  zwei 
grösseren  hageren  Figuren  geziert,  die  wahrscheinlich 
die  Synagoge  und  christliche  Kirche,  eine  im  XH.  uml 
Xin.  Jahrhundert  sehr  beliebte  Darstellung,  veranschau- 
lichen sollen.  Die  schräg  .ansteigende  Bedachung  zieren 
Halbtiguren  vonEngeln.  .Alle  diese  Figuren  sindaus  Mes- 
sing  im   schwachen    Relief  ausgeführt   und  vergoldet. 

28 


—     '^  u     — 


l-"i^'.   9-2.     fIT;i-.j 


Die    Rückseite    wird    ihin-li  m    l',iii:iil  ;iiisf::ci'iilii-frs  \ifl- 
;irtii,'cs   l>auboniaii)ent    in   <|Ma(lrarisciien    Al)theiliing-(ii 
lii-lebt.     iJiesc  seliöne  rlu'iiiisciii'  Arl)eit  maj;-  in  das  l)i' 
irinncnde  Xllf.  Jaliiliiindcrt  gehören. 

Der  unter  der  ISezciclinuiii;'  „(Irihidounersta^ikelcii" 
im  l'raji'er  Doiiischatz  -  \'eiv,ciclini.sse  orsclieinendi^ 
Kelcli  (Nr.  570)  ist  von  Sillicr  und  v('rf;()ldet  und 
liat  eine  Höhe  von  \H'/^  Centinieter.  Seine  Form  ist 
iiöclist  einfach:  ein  sochsldäitriiier  I'^uss  mit  hoher 
rroliliinff.  ein  scchstheiii^-.r  Knauf,  in  seinem  obevm 
Tiieile  mit  seehs  mit  Masswerk  verzierten  feiisteräiin- 
iiehen  Duichbreehun^jen ,  und  endiicli  eine  nadi  unten 
sieh  verengende,  in  derMitte  mit  eimnii  Lilieuliande  ver- 
zierte Cupa:  so  war  der  Kelch,  wie  er  im  abhiufenden 
XIV.  oder  he;i:innendctn  X\ .  Jahriiundert  anu('ferti,ü:t 
wurde;  doeh  kurze  Zeit  daraul',  als  n<)(di  der  Eiiifluss 
der  (Jofliik  auf  die  Productc  der  Gohiseinniedekunst 
unbedeutend  ab;,'eseh\väeht  war,  sehmliekte  man  ilm 
mit  Steinhesatz  und  .silbernem  lihittwerk  am  Fu.sse  und 
Nodus  und  am  unteren  'J'iieih'  (b'rCupa,  und  p^ab  ilini 
i'iu  .jiinj;i'rrs  Aussehen  als  sein  Aller  wirklieli  ist.  Noch 
ist  ein  zweiter  Keleh  aus  derselben  Hamuilun.;,'  au8j,'estelli. 
Derselbe  stammt  vom  Krzbisehofe  Ferd  nand  Grafen 
von  Khuenburg,  i.st  von  Silber  und  ver^'oldet,  niii 
.■^ilberfilijrraii  iiber/,<if,'en  und  stellenweise  mit  l'.niail- 
liildern  f,'eziert  (Nr.  ;')(;(;).  Von  demselben  Kr/.biscliote 
sind  der  Oberlheil  des  Pcdums  und  eine;  Mitra  aus- 
;,'esiellt,  die  bereits  die  jetzige  nichts  weniger  als  schöne 
Form  zeifAcn  (Nr.  i><l7).  Die  jcrosse.  dem  Domschat/.e 
entnommene  ,  sonnenföntiifre  Monstran/.e  (Nr.  572) 
verdient  besonders  .lufmerksami;  iiesicinifrun;;  wegen 
der    an    derselben    augebrachteu     AgraiVen .    die   dem 


Iloehzeitskleide  eines  ungariselien  Magnaten  aus  dem 
X\'II. Jahrhundert  entnonnnen  wurden.  I)iesell)en  zeigen 
kleine  Thiergruppcn  (Strauss.  Klei)hanten.  Hirsche, 
Hunde  etc.),  sind  von  vorzüglicher  Zeichnung,  mit  den 
herrlichsten  Emails  geselunückt  und  in  geschmack- 
V(dler  Weise  mit  Kdelsteinen  besetzt.  Noch  i,><t  zu 
erwähnen  das  Sclnnuckkästchen  der  Kaiserin  FJeonore, 
(ienialin  Kaiser  Ferdinand  II.  (11)22 — -11555),  das  sehr 
reich  mit  farbigen  Kmailornanienten  geschmückt  ist  und 
auf  dem  Deckel  ein  Figürchen  trägt. 

Das  Stift  Straho\'  liraclite  zur  Ausstellung  einen 
Kelch  aus  dem  XV.  .lahrhundcrt  (Nr.  5t)l).  ein  Altar- 
kreuz aus  vergoldeieni  Silber,  1'  (5"  hoidi,  aus  dein  Kmle 
des  XIV.  .lahrhunilerts,  das  in  der  ge>aininten  ( 'Oinpo- 
sition.  in  den  Details,  in  dem  Steinb'satz  und  in  der 
'reclinik  an  das  schon  beschriebene  Mt'lker  l'rachlkreuz 
erinnert.  Die  .Ähnlichkeit  ist  so  aulfallend,  dass  dieses 
geradezu  als  eine  Nachbildung  des  let/tereii  augesehen 
werden  kann  (Nr. 5()2).  Ferner  ein  noch  im  \l\'..lahrhun- 
dert  angefertigtes  i;eli(|uiaf  aus  Ncrgoldctem  .Silber.  Die 
l!elii|iii<'  --  ein  lliiekenw  irbel  —  rubel  auf  einem  gothi- 
scheii  l'nlerbaue  und  auf  ihm  steht  ein  /.ierli(dies  I'^igUr 
dien  eiiK'S  Heiligen,  die  lieli(|uie  ist  somit  ni(dit  in  ein 
(icfäss  verschlossen,  sondern  als  Tiieil  <les  Schaustückes 
b(diandelt  I  l''ig.  '.15,  Nr.  5li;i):  endlich  ein  ganz  vor- 
zügliches in  Hol/,  aus;;'erührtes  I  Idchrclii'f  mit  dem  Mono- 
granuM  ,\.  I»iirci-'s  und  di'r  .laJir/.ahl  I  I'.i7.  DiesesSchnitz- 
werk.  \  icriiMkle  l-'raiieii  \(irstellenil.  ist  nach  einem  Kit- 
(ilcrsliidie  dieses  Meisters  in  kunst\  oller  Wcdse  ausgefiihrl 
uml  slannnt  aiisder  ehem.ili;;en  ( iallerie(  »rleans(Nr.  5(!4  ). 

Die    in     dem     Kasten     unter  Nr.    55(i     beiimlli(die 
i'.ronzeschUssel,    l'",i;,;-enllnini    des   Slilies    Tepl     wurde 


'2 1  :; 


der  Tradition  iincli,  im  Grabe  der  Ilro/.nata  gefun- 
den. Der  TJodcn  derselben  ist  ;;anz  besonders  ver 
ziert.  Die  Mitte  bildet  ein  Kreis,  darinnen  ein  dreieekifrer 
Seliild  mit  französiselien  Lilien,  um  den  Kreis  eine  breite 
ISordure,  die  durch  {:;ravirte  Ornamente  in  sechs  Bojjeii- 
felder  f;etliei]t  wird.  Jedes  Feld  enthält  eine  männliche 
lind  weibliche  Fif;ar,  von  denen  die  erstere  ein  nnisi- 
kalisches  Instrument  (Geij;-e,  Harfe  etc.)  spielt,  wäh 
rend  die  weibliche,  bis  zum  Gürtel  entblösste  (iestalt 
tanzend  oder  die  Cymbel  schlagend  darjrestellt  ist  Die 
Verziernns'en  sind  emailirt.  Die  Technik  und  die  künst- 
lerische Aiistührung,  insbesondere  das  böLmiscbe  Wap- 
]ien  auf  der  lüickseite  des  Bodens  weisen  diese  Schüs- 
sel als  ein  Werk  der  Schule  von  Linio<;-es  in  das  XIII. 
oder  XIV.  Jahrhundert  (Nr.  ^uH). 

Unter  Nr.  (H7  ist  die  sehr  interessante  Keliquien- 
tafel  aus  dem  Stifte  Bi-evnov  ausgestellt. Urs]irünj;licli, 
wie  diess die Randinschriftausdrücklieh fürdas  Jahr  1 4()C> 
angibt,  ein  Buchdeckel,  wurile  etwa  ein  halbesJahrhun- 
dert  später  daraus  die  heutige  Reliquientafel  angefertigt. 
\'on  der  Ausstattung  als  Buchdeckel  dürften  höchstens  der 
Steinbesatz  am  Rande  und  einige  Stücke  der  Perlmut- 
terschnitzcrei,  nämlich  jene  mit  den  Passionscenen  und 
die  Wappen-Emails  übrig  sein;  alles  Übrige  gehört  der 
späteren  l'mgestaltung  an.  Die  Tafel  ist  1'  11"  hoch  und 
1'  2"  breit,  nut  einem  breiten  silbervergoldeten  Rahmen 
eingefasst,  daraut  der  Besatz  von  ungeschliffenen  Stei- 
nen und  drei  Emails  mit  den  Wappen  des  Stittes  und  Böh- 
mens. An  ilen  Ecken^Medaillons,  die  in  Email  translucide 
die  Evangelisten-Symbole  zeigen.  Das  vertiefte  Mittelfeld 
theilt  sich  der  Breite  nach  in  drei  senkrechte  Felder,  da- 
von die  beiden  äusseren  Je  4  unter  spät-gothischen  mit 
Perlmutter  verzierten  Baldachinen  eingestellte  Perlmut- 
terreliefs: die  Verkündigung,  als  Doppelbild,  Geburt, 
drei  Könige,  Geiselung  und  Kreuzestod,  und  je  '2  Evange- 
listen enthalten,  während  sich  im  mittleren  ein  Cylinder 
befindet,  der  die  Bcstinmiung  hat,  einen  Armknochen  der  h. 
Maigarefha  aufzunehmen.  Eine  schöne  spät-gothische  Ar- 
chitektur in  Form  von  weitvorspringenden  Baldachinen 
dient  oben  und  unten  dem  Cylinder  zur  Stütze,  der  ausser- 
dem in  der  Mitte  durch  einen  aus  Lilienornamenten  ge- 
bildeten Reifgelialten  wird. Die  Goldschmiedezunft  inPrag 
brachte  zur  Ausstellung  einen  Kelch  und  das  sogenannte 


■"is'.  '.i;i.     ifras'. 


Fit 


'1        ITiiy. 


Eligius-  Hcl  i(i  iiiar.  Dieses  interessante  Gefäss  sianiml 
aus  dem  Jahre  lo78  und  hat  die  Form  einer  niedrigen  Bi- 
schofsmütze, wie  selbe  während  des  zu  Ende  gehenden 
XIV.  Jahrhnnderts  noch  allenthalben  üblich  war.  Das  Reli- 
quiar  hat  eine  Höhe  von  12"  und  besteht  aus  einem  silber- 
vergoldeten Gehäus-Gerippe  mit  eingefngten  Krvstall- 
wänden.  Von  einem  breiten  metallenen  Reifen  als  dem 
Interbau  des  ganzen  Gefässes  erheben  sich  die  Span- 
gen und  Stutzen  mit  zierlichem  gothisehen  Ornament, 
wie  an  einer  wirklichen  Mitra  die  beiden  Schilder 
bildend.  Auf  jedem  Cornu  ist  besonders  ein  qner- 
lanfendes  Band  mit  Vieri)ass- Ornament  benierkens- 
wertlr,  den  oberen  Cornurand  schmücken  zierliche 
Blätterknorren,  die  Spitze  eine  Kreuzblume.  In  diesem 
durchsichtigen  Gehäuse  erblickt  man  hinter  den  hellen 
Krystalltafeln  einen  rotlien  Seidenstoff,  der  die  Mitra 
des  heil.  Eligius,  des  Patrons  der  Goldschmiede  ver- 
hüllet. Karl  IV.  erhielt  diese  Reliquie  von  König  Karl 
VDii  Frankreich  und  schenkte  sie  den  Prager  Gold- 
schmieden ,  welche  dieselbe  sofort  kostbar  fassen 
licssen  Die  gleichzeitige  Inschrift  mit  der  Chiffre  des 
Kaisers  d.  i.  dem  gekrönten  K  versehen,  enthält  in  zwei 
Zeilen  folgende  Worte:  anno  domini  MCCC  I.  XXVHI 
imfola  scti  eligii  aiiportata  est  per  serenissimum  princi- 
pcm  at.  dominum  dominum  karolum  quartum  roma- 
noruni   imperatorem  seniper  augustum  et  boemie  re^^-em 

28* 


216 


Fig.   Ö5.     (Prag.) 

donatiiin   ei  a   domino  Kavolo  rege   franrie  qnc   iiobis 
avi-ifabris  prai^eusibus  per  ipsnni  dommuni  uostnim  im- 
peratorcm  data  est  et  donata  ex  gratia  speciali.  (Nr  91 
Fi- r)(;,s.  Mitth.  d.  Centr.-Coniin.VIp.2S0u.Xin.  p.M.) 

Die  Dccaiialkirche  zn  Melnik  stellt  eine  sd- 
berne  und  theilweise  vergoldete  Hostienbüelise  aus. 
Sie  ist  kreisrund  und  hat  inclnsive  der  Figuren  eine 
Höhe  von  5"  bei  einem  Durchmesser  von  4'/,"-  Das 
Gefäss,  das  mit  Rücksicht  auf  die  Ornanientation  aus 
dem  ablaufenden  XV.  oder  beginnenden  XVI.  Jahrhun- 
dert stammen  mag,  ruht  auf  drei  Füssen,  deren  jeder 
einen  knienden  musicirenden  Kngel  vorstellt.  Die 
.«Schale  ist  unten  flach  und  hat  senkrechte  .Seitenwandung, 
die  nach  oben  mit  einem  fortlaufenden  gothisehen 
Lilienornament  absehliesst.  Fin  die  ganze  Aussenseite 
der  Wandung  schlingt  sich  ein  meisterhaft  durchgeführ- 
tes Ornament  aus  rankenden  Rinnien  und  lilätterii,  das, 
selbständig  ausgefüiirt  ,  reliefartig  anfliegt.  Der  abheb- 
barc  Deckel  ist  nach  aussen  mit  einem  Zaune  abge- 
schlossen, was  die  geflochtene üm/äunung  des  Ullieiges 
vorstellen  soll.  Inner  desselben  ist  die  Todesangst 
Christi  am  (")lberge  dargestellt.  Wir  sehen  Christum 
gegen  einen  Felsen  gewendet  knien,  darauf  der  Kelch 
steht,  um  ihn  liegen  schlafend  seine  Begleiter  Petrus, 
Jacobus  und  Joliannes.  Die  Figuren  sind  ungenügend, 
ilie  Gruppirung  lebliaft.  Mit  Klicksicht  auf  Zeichnung 
und  .Ausführung  ist  anzunehmen,  dass  dieses  Werk  ein 
Goldsclimicd  von  Strebsamkeit  und  künstlerischer  Bega- 
bung angefertigt  hat,  dem  maiiciu-  bedeutende  AVerke 
fliese»  Kunsthandwerkes  aus  früheren  Zeiten  nicht  unbe- 
kannt geblieben  sind  ,  wodurch  in  ihm  eine  gewisse  und 
an  dem  Werke  deutlich  merkharc  ]>äuternng  des  Ge- 
schmackes bewirkt  wurde  (Xr.  T)««.!,  Fig.  i>7).' 

Um  der  anderen,  minder  werthvollen  in  diesem 
Kasten  aufgesiieicherten  Gegenstände  noch  zu  geden- 
ken, sei  noch  erwähnt:  Ein  dem  König  Mathias  Corvi- 
nus  zugeschriebener  lioscnkranz  von  dnrchlirochencr 
Arbeit,  XV.  .lalirhundert,  Kigcnthnm  der  Stadt  Uudweis 
(Nr.  054);  ein  Becher  von  Holz  mit  feinem  tiguralen 
Schnifzwerk,  Eigentiinm  der  Stadt  .Melnik  (^Nr.  r)HS); 
derselbe  ist  \"2"  hoch,  hat  die  Form  eines  sich  nach  oben 

I   M.   ll.   (■    C.   XIM  ,   p.   CXVIII. 


erweiternden  Cylinders,  war  ein  Ehrenbecher,  womit 
ausgezeichneten  Gästen  der  Stadt  der  Ehrentrunk 
eredenzt  wurde.  Über  und  über  mit  Holzsehnitzwerk  in 
Relief,  Scenen  aus  dem  Leben  Christi  bedeckt,  erinnert 
er  an  die  russischen  Holzschnitzwerke,  die  mit  tiguralen 
Gruppen  ganz  bedeckt  sind.  Ähnlich  ist  der  niedrige 
Deckel  behandelt.  Der  Becher  stützt  sicii  auf  kleine 
Löwen  mit  Wappenschildern,  an  einem  derselben  die 
Jiihreszahl  1582.  Zwei  Wärmeäpfel,  runde,  zierlich 
durchbrochene  Gefässe,  bestimmt  zur  Erwärmung  der 
Hände  des  Priesters  während  des  Mcsso]ifers,  der  erste 
von  reicher,  zierlieh  durchbrochenen  Arbeit  in  Erz  und 
theilweise  vergoldet  und  dem  Herrn  Richter  in  Königs- 
saal  gehörig,  seheint  eher  orientalische  Arbeit  zu  sein. 
Der  andere  mag  aus  dem  XIV.  Jahrhundert  stammen. 

Wir  finden  hier  noch  Pocalc  und  Krüge,  theils  ans 
edlem  ^letall,  theils  mit  Elfenbeinbesatz,  kleine  Casetten 
von  Silber  mit  Gravirungen,  Elfenbeinplättehen  mit 
schönem  Relief,  zwei  schön  geformte  Markenzähler  zum 
Gebrauche  beim  Kartensjiiel,  aus  Bronce,  eine  ganz 
besonders  zierliche  Penaissaiice- Arbeit  mit  ( 'aineolbesatz, 
dem  Grafen  Waldstein  in  Dux  gehörig  und  eine  kleine 
goldene  Kette  des  älteren  Todtenkopf-Ordens. 

Unter  den  Waffen  finden  wir  das  sächsische  Cur- 
schwert  von  1533,  Griff  und  Scheide  reich  mit  Silber 
verziert,  die  Ornamente  im  Renaissance-Style,  auf  dem 
Knaufe  die  Porträts  der  Curfürsten :  Friedrich  des 
Weisen  und  Johann  des  Beständigen  (Nr.  555,  Eigen- 
thümer :  Fürst  Edmund  Clary);  einen  orientalischen  Dolch. 
dessen  Scheide  reich  mit  Silber  verziert,  und  ein  indisches 
Dolchmesser,  dessen  (iriff  mit  Edelsteinen  eingelegt, 
beides  Eigenthum  des  Fürsten  Camillo  Rohan.  Ein  mit 
Elfenhein  besetzter  Dolch  des  Herrn  Anton  Kichter  in 
Königssaal  aus  dem  XVI.  Jahrhundort,  ein  anderer 
Dolch  von  ITlC)  und  ein  persischer  Dolch  aus  der 
Sammlung  des  Ritters  von  Leutzendorf. 


V\g.  W.     [Vrsig.j 


217 


Der  vierte,  die  Glitte  des  Saales  einnelimende 
Schrein  enthält  einen  Theil  der  Mtiny.saninilnng  des 
D  e  u  t  s  e  h  e  n  R i  1 1  e  r  0  r  d  e  n  s  in  Wien  (Nr.  .'UT).  Mit  der 
Schenknn;:  des  Knlnicriandes,  ]::2(),  erhielt  derdentsehe 
Kitterorden  vom  Kaiser  Friedrieh  11.  das  Mün/,rej,'ale. 
Naeh  der  Knlmer  Handfeste  v<nn  L'S.  Deeendjer  12;i;5 
nahm  der  Orden  die  Kölner  Mark  (IG  Loth  feines  Sil- 
ber") als  die  in  der  Handelswelt  am  meisten  aeereditirte 
znni  Massstabe  seiner  Miin/.berechnnng,  und  Hess  aus 
derselben  blos  60  Seliiilinge,  den  Sehilling  zu  12  Pfen- 
nige, sehlagen. 

Die  harten  Verluste  im  Ordenslande  brachten  es  im 
Verlaufe  von  r,00  Jahren  dabin,  dass  unter  dem  letzten 
Hochmeister  in  Preusscn,  Albrecbt  von  Brandenburi;', 
aus  einer  feinen  Mark  Silber  bereits  li'j'/\  Mark  Münze 
geprägt  wurden. 

Die  Hauptmünzstätte  des  Ordens  war  bis  1404  zu 
Thorn,  eine  zweite,  doch  nur  kurze  Zeit,  in  Marien- 
burg und  eine  dritte  in  Danzig.  Nach  dem  Abfall  der 
grossen  Städte  vom  Orden,  ]4r)4,  liess  der  Orden  einige 
Zeit  allein  in  Jlarienburg  prägen,  darauf  seit  1457  in 
Königsberg,  und  dort  verblieb  die  ]\[ünze  bis  zur  Seeula- 
risirung  des  Landes  {]i^2b). 

Neben  dem  Orden  übten  auch  die  Ordensbisehöfe 
in  ihren  Territorien:  Dorpat,  IJiga  und  Olsel,  und  der 
Meister  in  Liefland  das  ;\iünzregale  aus,  hingegen  die 
Städte:  Danzig,  Elbing,  Thorn  und  lüga  erst  seit  ihrem 
Abfalle  vom  Orden  (1454). 

Münzen,  welelie  im  Ordeuslande  geprägt  wurden, 
waren : 

a)  Denare  oder  Pfennige,  Bracteate  (Hohlpfennige  ge- 
nannt); einzige  gangbare  Münze  bis  auf  den  Hoch- 
meister Wynrieh  von  Kniprode,  welcher  i;-}82  starb. 

b)  Solidus  oder  Schilling,  dieHaui)tmünze  des  Ordens, 
als  60.  Tlieil  einer  ]\Iark  von  Wynrieh  bis  auf 
Johann  von  Tiefen,  gestorben  14i*7. 

c)  Grosehen.  Dieser  begann  zuerst  unter  Johann  von 
Tiefen  und  blieb,  weil  er  nach  dem  Muster  der  da- 
maligen polnischen  Groschen  zu  ;>  S(dnlliugen 
gesehlagen  wurde,  dieLieblingsmünz(>  des  Landes. 

d)  Halbschoter,  von  denen  45  eine  Mark  betrugen, 
wurden  zuerst  unter  Wynricli,  dann  aber  auch 
unter  dem  Hochmeister  MicbaclKuelimeister(f  1424) 
sd)er  nur  versuchsweise  ge|)r;igt. 

e)  Vierchen ;  sie  galten  4  Pfennige  und  waren  der 
vierte  Theil  des  Halbsehoters ,  blos  unter  Wynrieh 
und  Konrad  von  Rotenstein  (f  1390)  geprägt. 

In  Liefland  waren  die  ersten  Münzen,  welche  man 
in  Dorpat  schlug,  Schillinge  und  Artige,  später  münzte 
man  auch  Ferdinge,  welche  5  Schillinge  galten.  Durch 
den  Münzvertrag  zu  Walk  vom  13.  Januar.  1426  sollte 
der  Schilling  von  nun  an  Artig  und  der  Schestling 
(<,4  Schilling)  Scherf  heissen,  3  Lübische  Pfennige  aber 
auf  einen  neuen  Artig  gehen,  und  ausser  Artigen,  Lubi- 
schen  und  Seherfen  keine  andere  Münzsorte  im  Gange 
bleiben. 

Sowohl  die  preussischen,  wie  die  liefländischen 
Münzsorten  waren  von  Silber,  Goldmünzen  kennt  mau 
nur  vom  Hochmeister  Heinrich  von  Plauen  (f  1470) 
und  von  Albreeiit  vou  Branden!>urg. 

Nachdem  durch  Kaiser  Karl's  V.  Diplom  vom 
6.  Decendjer  15i:6)  die  Administration  des  Hochmeister- 
thjims   in  Preussen   mit  dem  Deutsehmeistertluune  ver- 


Fig.  97.     (Meliiik.) 

bunden  wurde,  überging  das  Münzregale  des  Ordens  in 
Preussen  auf  den  1529  in  den  Reiclisfürstenstand  erho- 
benen Meister  in  Deutsehland  und  Wälschland,  Walther 
von  Cronberg  (f  1543)  und  durch  ihn  auf  alle  seine 
Nachfolger.  Diese  hielten  sich  in  den  Münzbestimmungen 
nach  dem  fränkischen  Kreise,  zu  welchem  der  Ordens- 
sitz Mergentheim  gehörte ,  machten  jedoch ,  mit  Aus- 
nahme des  Titularkönigs  von  Polen  und  Hoch-  und 
Deutschmeisters  Erzherzog  Maximilian  I.  (f  1618), 
wcdcher  den  Prägestoek  viel  benützt  hatte,  von  dem 
ihnen  zustehenden  Rechte  nur  einen  sehr  bescheidenen 
Gebrauch,  bis  dasselbe  die  letzten  zwei  souveränen 
Meister,  Erzherzog  Karl  Ludwig  und  Erzherzog  Anton 
Victor,  gänzlich  ausser  Acht  Hessen. 

Naeh  der  Aufiiebung  des  Ordens  in  Deutschland 
durch  den  Wiener  Frieden  ISO!»  hörte  die  Münzl)erech- 
tigung  von  sieh  selbst  auf.  Heutzutage  existirt  der  Orden, 
dessen  Gesammtbesitz  ein  unmittelbares  Kronlehcn 
geworden  ist,  nur  in  der  österreichischen  Monarchie. 
Sein  Wap|)en  ist  ('as  einfache  schwarze  Balkenkreuz 
im  weissen  Felde ;  das  Hoehmeister'selie  Wappen  hin- 
gegen besteht  aus  demselben  schwarzen  Balkenkreuze, 
belegt  mit  dem  goldenen  Krückenkreuze  von  Jerusalem, 
worauf  der  nach  rechts  sehemle ,  einköjjtige  schwarze 
Reichsadler  im   goldenen   Schildchen  ruht,  i 

Der  fünfte  freistehende  Tisch  enthält  höchst  werth- 
voUe  und  seltene  Gegenstände  altehinesisehen und  japa- 
nesischen Poreellains  und  Emails,  Lackarbeiten  und 
Elfenbeinstucke,  davon  ein  Theil  dem  Herrn  Altgrafen 
F  r  a  n  z  z  u  S  u  1  m  -  R  e  i  f f  e  r  s  c  h  e  i  d  gehört.  Diese  Parthie 
besteht  zumeist  aus  vorzüglichen  Gefässen  altchinesi- 
schem Email-Cloisonne    der   verschiedenen    Epochen. 

t  über  die  Jlünzon  des  deutschen  Kitterordens  erschien  ein  eigenes. 
^racht^vl■^k  unter  dem  Titel:  „Des  hohen  Deutschni  Uitrerordens  JIiinzs,lnim- 
luiig  in  Wien.  Mit  steter  Itücksicht  auf  das  C,-ntraI-.\rchiv  des  hohen  Ordens 
geschiclitlich  dargestellt  und  l>escliriebi-ii  von  Dr.  lt.  Dudik,  0-S.B.  Mit31 
Kupfer-  und  1    Ilolztafel.   Wien,   bei   C.   Oerold.    1858,  kl.  Fol.  S.  267.- 


2Ic> 


Den  (_Tniml  iIiimu:  K'i;tr  ilrr  Aiik;iiil  ciiRT  sclir  lirdni- 
tcmlrii  Culleclidii  (^ik's  Mr.  Ad(liiii;t(iii  i .  wi'lclier  iiacli 
dein  cliiiu'sisfiu'ii  Knej;e  alle  Gegenstände  mit  beson- 
ders seltenem  Eniailsehniuck.welclies  von  den  Europäern 
zuerst  naeii  Kiiropa  ^cbraclit  wurde,  aufkaufte.  Leider 
konnte  wei;en  liaunmians'el  nur  eine  Au.swaiil  von  klei- 
nen Gegenständen  zur.\ufsl(lluni;-  kummen,  weiclie  sieh 
aber  dureli  gnu/.  besondere  .Seliönlieit  der  Farbe,  Tech- 
nik und  Erlialtnnfr  auszeichnen. 

Besonders  eiwälmenswertli  sind  : 
Ein  Kaucliyefäss  ,  drei  sieh  den  liüeken  zuwen- 
dende Kraniche  darstellend,  eine  Vase  in  Form  einer 
Melone  mit  <;eil)em  (jrund  ,  ein  goldgTundij;'es  Iläuclier- 
gefäss  mit  Email  in  Edelsteinmanier  eingelegt,  vou  sehr 
schwungvoller  Form,  eine  grosse  sechseckige  Vase  mit 
weissen  Medaillons,  ein  Iläuchergefäss  von  schwarz- 
;:rnndigeni  Kniail,  zwei  colossale  Blumenvasen,  Roth- 
grunti,  Email. 

Ausserdem  kam  zur  Aussstellung  eine  54  Zoll 
htdie  Satzunia  \  asc.  die  grösste  in  F,urii])a  von  dieser 
seltenen  (iaitung. 

Auch  einige  in  der  \itrine  beiindiiche  altchine- 
sische Porcellan-Vasen  sind  bemerkenswerth;  beson- 
ders hervorzuheben  ist  eine  weisse  theilweise  vergol- 
dete altchiiiesisehe    \ase    mit    Blumeiiornanientik. 

Der  andere  'l'lieil  dieser  Gegenstände  gehört  dem 
Herrn  Karl  Trau.  Diese  Parthie  bestellt  auseinigen  lie- 
merkenswerthen  altchinesischen  Eniail-(  'loinne-Gegen- 
ständen,  worunter  ein  Emailhild,  eine  Landschaft  mit 
I\ehen  und  ilirseheii  darstellend,  besondere  Eiwiihnung 
verdient.  Sehr  interessant  ist  eine  aus  l>eiläutig  fünf 
und  zwanzig  diversen  altchinesischen  Porzellan-Väs- 
chen bestehende  Collection,  welche  alleCiaquele-Arten 
in  allen  Farl)en  rejjräs'cntirt ,  darunter  sind  iiesomlers 
drei  kleine  \'äsclien  \ou  grünem  ('rM(|Uele  in  verschie 
denen  Nuancen;  ferner  k.im  eine  reiche  Collection  von 
kleinen  altjapancsischen  Elfenbeinfigiirclien  zur  Ausstel- 
lung, worunter  manciie  von  sehr  zarter  charakteristi- 
scher liehandluiig.  Nebst  mehreren  interessanten  Spe- 
einn-n  verschiedener  (^u.ilitäteii  altchinesischen  Por- 
/ellains  ist  auch  eine  hiibchc  .\uswahl  von  ix'sonders 
feineren  altjapanesiselien  Goldlack-Gegenständen  aus- 
gestellt. Einige  w-erthvolle  Gefässe  von  Achat.  Jade,  Ame- 
ihvst,  \er\  iillsländigen  das  Enseniide.  wodurch  der  Be- 
schauer einen  ziemlichen  Einblick  in  die  gesannnte 
Knnstindustrie  der  lieiilen  Länder  China  und  .Japan 
erlangt. 


n-.  '.IS.      Iln.diM'l]. 


Nun  eriilii-igt  uns  die  Besprechung  der  (Miiccte, 
mit  denen  die  Wände  des  Saales  decorirt  sind.  \  er 
allen  sind  bemerkenswerth  die  prachtvollen  Decken 
und  Hängetejipiche  mit  reicher  Go!d-  und  Silber- 
stickerei, davon  eine  vorstellend  die (!rablegung Christi, 
eine  Arbeit  aus  dem  Jahre  1494,  die  amlere  \orstelleud 
den  Tod  der  heil.  JMaria  ,  vom  Jahre  Killf;  die  dritte 
nnt  der  interessanten  aus  dem  Jahre  ItilO  stammenden 
Darstellung  des  Begräbnisses  der  heil.  Jfaria,  dabei  der 
Israelit,  dem  der  Legende  nach,  bei  der  Berührung  des 
Sarges  die  Hände  an  denselben  anwuchsen,  worauf  ihn 
ein  Kugel  tödtete.  Diese  Decken  sind  Eigenthum  der 
Klöster  Suczawitza,  Dragomirna  und  Putua  in  der  Bu- 
kowina (Nr.  5:^0,  .'i;JO,  'ü')]).  Die  Stickereien  darauf  sind  in 
technischer  Ik'ziehung  vor/üglich,  die  (Gestalten  liin- 
gi>geu  sind  steif,  hager  ja  unheimlich,  entsprechend  {{{-n 
Traditionen  der  auf  der  Bahn  der  Entwicklung  stehen 
j;eblielienen  Kunst  der  griechischen  Kirche.  Nicht  minder 
interessant  sind  die  beiilen  Begräbnissdecken  der  Stif- 
ter des  KliistersSuczawitza.  Siesind  ausrotliem  .*^amint 
angefertigt  und  mit  reichen  Silber-  und  (loldstiekereien 
verziert,  W(>lche  die  lebensgrossen  Figuren  der  Fürsten 
Irimid  und  Simon  MowiUa  darstelhMi.  Die  Zeichnungen 
dafür  eiinnern  sehr  an  die  während  des  Mittelalters  im 
Abemllande  gel)räuchlichen  Grabmale  —  eine  Platte  mit 
der  lebensgrossen  Gestalt  des  \'erstorbeneii  — ;  die  beiden 
Fürsten  sind  im  vollen  fürstlic^hen  Schmuck  dargestellt 
und  tragen  das  Modell  des  Klostergebäudes  ihrer  Stif- 
tung auf  der  Hand. 

Kill  Tlieil  der  Wände  ist  mit  Watlen  decorirt.  als : 
Bideidiäniler,  Flannnberge,  Rappiere,  Rieht-  und  \'or- 
trageschwerte,  geätzte  Partisanen,  Hellebarden,  Säbel, 
kleine  Holztarsehen  u.  s.  \v.,  entnommen  den  Sammlun- 
gen des  Joannemns  und  H.  Karl  v.  Pichler  in  Grätz. 
der  Städte  Knns,  Steyr,  Iglau  und  llrailiseli;  auch 
tindet  sich  ein  Tableau  schöner  südslav  iselu;r  Watfen. 
Zum  Schlüsse  haben  wir  noch  zu  erwähnen  einer 
werthvolleu  Collection  vmi  älteren  Scvres-Porcellain- 
'i'ellern  (Kigenthuni  des  Freih.  A.V.Rothschild  Nr..')51) 
und  einer  lebensgrossen  pra('lit\-oll  ausgct'ührten  Bronze- 
Bü.ste  eines  vornehmen  \'enetianers.  Dieses  vorzügliche 
Werk  mag  dem  XVL  Jahrhundert  angehören  (Nr.  223). 
Wir  haben  früher  schon  bemerkt,  dass  in  der  mähri- 
schen Abtheiliing  einige  und  zwar  sehr  inti'ressante 
S  ie  gc  Ist  e  m  pe  I  ausgestellt  sind,  darunter  die  Siegel  der 
Städte  Leipnik.  Iglau.  Znaim  und  llradisch  (^\on  welchem 
letztcrem,  das  aus  dem  XV.  Jahrhundert  stammt,  in 
{■'ig.  '.IS  eine  Abliildurig  tolgty  Diess  veranlasste  das  In- 
stiillationsComile.  eine  weitere  Ccdlection  älterer  Siegel- 
stenipcl  zur  Ausstellung  zu  bringen  und  dieselben  sammt 
den  dazu  geliörigen  Abdrüeken  in  besonili'ren  \  itrinen 
auszugelegen.  Wii'  linden  daselbst  etlicln^  Städte- 
und  (iemeindesiegel  z.  1!.  Non  Braunan,  Immis.  Grein, 
und  ^^'ien,  Siegel  \iin  Klöstern  und  Kirchen,  z.  15. 
des  Klosters  Znio  bei  VaraIJa  (^l'ngarn)  von  12!»  I,  des 
Diiminic-merklosters  in  Sieier  von  !ii2!l,  des  Klostt'rs 
(  liiiliesebaii  iJüihmen)  \oii  I(i74,  Siegel  \  on  Innungen, 
gewerblichen  und  anderen  ( 'm-poralionen  ,  wie  der 
Webci-  Innung  in  Tinnnelkam  (^HiiT)),  der  Frohnlcich 
namsbruderschiift  in  Klageniurt  (^Ki;!.'!),  endlich  Siegel 
von  {''amilien  und  einzelnen  Personen,  z.  B.  des  Sibolti« 
von  Lonstorl'  (  12."i(l),  des  llermaini  von  Kranichfeld 
(121n),  des  Sebastian  Dcd  von  Gölzendorf  (l'iST),  des 
.\lexan<lcr  Schwendi    (^|C>2r)).    des    Juachim    Knzmiller, 


'2M)      - 


Gnifcii  von  Wiiidliag  (^KJOn)  ii.  s.  w.  Die  aiisf^ostclltcii 
Stt'iiiin'l  reiflu'ii  mit  \\('iiif;'('ii  Ex('iii|plarcii  liis  ins  XIII 
.lalirliundcrt  zurück,  t'inijjc  ^cliörcn  dem  XI \'..  die 
nici.stcn  lMni;'Oi;-('n  dem  XV.  I)is  X\'III.  .lalirliundcrt  an. 
Die  Stenii)el  iselbst  sind  theils  ans  Silber  an;;-erertii;l. 
theils  wurde  Bronze  (Messing)  dazu  verwendet.  Einii;-e 
Stempel  bestehen  bloss  aus  einer  mehr  oder  minder 
dieken  Platte,  etliche  sind  auf  der  Kiiekseite  mit  einem 
tlieils  testen,  tlieils  be\vej;-liehen,  mitunter  verzierten 
r>iig-(d  als  Handhabe  versehen.  Die  Jüng-eren  Stempel 
sind  bereits  auf  eiserne  Stöcke  gelöthet,  oder  an  hol 
zerneii  Gritfen  befestigt.  Wir  fügen  hier  in  Fig.  911  und 
ll»()  die  Abbildung  in  natürlicher  Grösse  zweier  ausge- 
stellter Siegel  der  Stadt  Wien  bei.  Das  erstere  (Tironzc- 
stempel)  erseheint  an  l  rkiinden  um  l.'lOOund  zeigt  das 
im  XI\'.  Jahrhundert  übliche  Wappen  von  Wien,  tlas 
letztere,  ein  Secret-Siegel,  stammt  aus  dem  Jährt'  lätt.'l 
Mild  zeigt  das  seit  14G4  übliche  Siegel  der  Stadt  mit 
dem  einmal  gekrönten  Doppeladler  sannnt  dem  Kren/,- 
s(diildlein  aul  der  lirnst.  Der  stark  abgenützte  Siegel- 
stempel ist  von  Silber.  An  dieser  Siegel-Aiissiellung 
brtheiligten  sich  die  Stadt  Wien,  die  Herren  Dr.  v.  Hart- 
inaiiii-Franzenshuld,  v.  Weitenhiller.  Eduard  v.  Flank, 
das  Museum  Francisco-Carolinuni  in  Linz  n.  s.  w. 

Sil  bätten  wir  denn  nns<ren  Rundgang  durch 
die  österreichische  mittelalterliche  Kunstausstellung 
beendigt. 

Überblicken  wir  nochmals  diese  Ausstellung,  die  mit- 
unter (iegenstände  enthält,  die  ein  Alter  von  Zweitausend 
.laliren  erreichen,  so  driiigtsich  uns  vorallemauf,  dassdie 
meisten  Objecte,  voinelnnlich  deren  ältere,  kiiciilichr 
Bestimmung  hatten.  Es  ist  diess  leicht  erklärlich,  da 
die  einem  gewissen  gerechtfertigten  Prunke  sich  nicht 
abschliessende  christliche  Kirche  im  Mittelalter  fast  aus- 
schliesslich die  Kunst  in  allen  ihren  Zweigen  für  sich  in 
Anspruch  nahm  und  sie  vollauf  und  mit  den  besten 
Erfolgen  beschäftigte.  Es  war  daher  unvermeidlich,  dass 
diese  Aussttdlung,  wenn  auch  einen  unabsichtlich  kircdi- 
liclien  Charakter  erhielt. 

\  erfolgt  man  die  ausgestellten  (Gegenstände  hin- 
sichtlich ihres  Alters  und  wendet  man  zugleich  dem 
mannigfaltigen  in  Verwendung  genonnnenen  Jlateriale 
und  der  verschiedenen  Kunst-Technik  in  den  einzel- 
nen Epochen  einige  Aul'merksandvcit  zu,  so  ist  man 
nicht  nur  in  der  Lage  dafür  bedeutende  Repräsentan- 
ten in  den  einzelnen  Stylrichtungen  vorzuweisen,  sondern 
es  lässt  sich  auch  durch  dieselben  ein  ziendich  vollstän- 
diges Bild  der  Entwickliingsphasen  der  Kleinkünste 
geben. 

Die  Antänge  der  Kunstthätigkeit  repräsenliren  ilii- 
dei'  Bronzezeit  angehörigen  Fundobjecte  aus  Vilhudi, 
aus  Klein-'ilein  (die  Votivhände.  die  Schilde,  der  eherne 
Panzer),  aus  Xegau  (der  Helm)  und  aus  Strettweg  (der 
<  lliferwagen).  Der  1!  öme  rzeit  gehören  di(^  beiden  elien- 
falls  in  der  Steiermark  gefundenen  (iv.gcnstände :  (\i-v 
Kochtopf  und  die  lironzestatuette,  ferner  das  liüi.seh<'. 
Uliler  Nr.  94  ausgestellte  Marm<ir-Figürclien.  wie  aucli 
die  grosse  Collection  werthv(dler  (i(ddniiinzen  an. 

Denkmale  aus  der  Zeit  der  frü  h -m  i  1 1  e  lal  t  er- 
liclien  Periode  sind  der  Stilterbccher  von  Krenisniini- 
sier,  ein  interessantes  Beispiel  der  zu  jener  Zeit  geübten 
Niellirkunst,  die  beiden  fast  gleichzeitigen  Feuchter,  die 
herrliche  Elfeidieintafel  aus  lleiligcnkreuz  und  ebenlalls 
Mnii/.en. 


I'iK    ii!i 


Wien 


Fl- 


loo. 


Der  ro  ni  a  11  i  sc  h  e  ."^tyl  ist  hier  nicht  nur  in  einer 
bedeutenden  Anzahl  von  (iegenständeii  vertreten,  son- 
dern sind  diese  auch  fast  ausnahmslos  noii  her\orragen- 
der  Wichtigkeit.  Wie  manigfaltig  sind  doch  die  For- 
men dieses  Slyles,  wie  ernst  und  bedeutsam  und  dabei 
bescheiden  und  anspruchslos !  I)al)ei  bergen  sie  eine  un- 
endliche Geistestiefe,  eine  Fülle  von  Emittindungen.  ein 
lebhaftes  Streben  alles  mit  den  cliristliclu  n  Glaubens- 
wahrheiten  in  einen  gewissen  Einklang  und  in  Bezie- 
hung zu  bringen.  An  dem  Speisekebdie  zu  Wilten 
!)ietet  sich  ein  lehreiches  Beispiel  der  Niellotechnik,  an 
dem  berühmten  Verduner  Altar,  den  fünf  Reliquien- 
sehreinen  von  Prag,  Klosterneubnrg  und  Kremsmünster, 
an  dem  Fuss(;  der  Rotula  von  Kreinsinünster,  an  derCo- 
lumlia  von  Salzburg  und  den  r5roir/ekrücken  der  Stäbe 
von  St.  Peter  und  St.  Woifgaiig,  dem  Kreuze  \dn  Bartho- 
loinäiberg,  der  Schüssel  von  Tepl  hervorragende  Bei- 
spii'le  der  Emaillirtechnik.  Bemerkenswcrthe  Elfen- 
beins(dinitzwerke  dieser  Zeit  .sind  die  Klosterneuhur- 
ger  und  Sritenstettner-Tafeln,  die  Zwettler  Figuren- 
gruppe, die  Rolandshörner  des  Prager  Doinscdiatzes,  das 
Spiegelgelläuse  aus  Stift  Rein,  die  Tra.i;altäre  von 
Melk,  das  Fastitorium  von  Nonnberg.  dieSiäbe  von  Ad- 
mont,  (4(ittweig,  Altenburg.  Noiinberg  und  Klostcrneu- 
burg.  Beachtenswerthe  l'roducte  im  Fache  der  Gold- 
schraiedekiinst  liefern  der  Speisekeleh  von  St.  Peter, 
das  grosse  Kreuz  von  St.  Paul,  der  Reliqiiienkopf  von 
Melk  etc.  In  diese  Zeit  gehören  auch  die  kirchlichen 
Ornate   von   (ioess,  St.  Peter  und  St.  Paul. 

Weit  zahlreicher  sind  die  dem  in  unserem  Valer- 
lande  im  Verlaute  des  XHl.  Jahrhunderts  auftretenden 
got  bis  eben  Style  angehörigen  Ausstellungs-Objecte. 
Dieser  Styl  beschränklc  sich  nurbei  seinem  anfänglichen 
Auftreten  auf  die  .\rcliitektur.  kaum  darin  festgesetzt  zog 
cralsdanii  alle  l'^rzeugnisse  iler  Kunst  und  des  Kiinstlinnd- 
werks  in  seine  Sphäre  und  mo.liticirte  Form  und  Orna- 
iiieiii.  Als  hervorragende  Werke  der  Goldschiniedekunsi 
jener  Epoche  können  wii'  bezeichnen  den  schönen  Kelch 
von  Adinont.  den  aus  dem  Prager  Dom,  die  Kelche  von 
St.  Paul.  Maiierbach.  Kraiiiidiberg,  Jiidenliurg.  Ebenfurt, 
rariiow  und  M;iria-Saal,  die  Monstranzen  und  Osteu- 
sorieii  Miii  Klosterneuburg,  aus  der  Rothschild'schen 
Sainnilung,  von  Prieglitz,  Janinitz,  Tamsweg,  der  hiesi- 
gen ('a|)uziner  und  \()ii  Seitenstotten.  das  Eligiiis- 
relicpiiar  aus  Prag,  die  l!elii|uiennii'ilaillons  aus  dem 
Präger-Schatze  und  ans  Brunn,  das  llausaltärcheii  aus 
dem  Stifte  St.  Peter,  den  Tragaltar  aus  Maria-Pfarr. 
die  Standkreiize  \on  Melk,  Ibdicniiirt.  Tarinnv  und 
Strahov.  den  Praclit|iocal  der  Stadt  Wiener  Xiiistadl. 
die  beiden  Trinkhiinier.    die  Bindidei  kel   .-ins  dem  Siifie 


220     - 


.St.  Paul,  der  Sammlung  Eotbscbild  und  der  Stadt 
Wienei--Neu.'<tadt.  die  Krummstäbe  von  St.  Peter,  Eai- 
geru  und  Krenismünster,  endlich  die  folgenden  durch 
ihren  Email!>chmuck  ausgezeichneten  Gegenstände,  als: 
das  Klai)iialtärchen  des  Salzburger  Domes,  den  Trag- 
altar von  Admout  und  das  Ciborium  von  Klosterneuburg. 

Die  Elfenbeinschnitzerei  findet  reichliche  Vertretung 
in  den  vielen  Elfenbeintäfelchen,  Dyi)tichen  und  Trip- 
tichen,  ferner  in  den  Kästchen,  welche  die.  Stifte  Klo- 
sterneuburg, Kein,  St.  Florian,  Krerasmüi  ster,  Voran,  das 
Prager  Domcapitel,  Dr.  Dndik  und  A.  Kichter  aus- 
stelhen;  die  Statne  des  heiligen  Georg  aus  'Wiener- 
Neustadt  rejjräsentirt  den  Bronzeguss,  der  Schrein  aus 
Möchling  und  das  grosse  Holzrelief  aus  Herzogen- 
burg die  Holzschnitzerei,  ein  Rosenkranz  der  mährischen 
Gruppe  die  Tauschiraibeit,  endlich  die  Jlitren  aus  Salz- 
burg und  Adniont ,  das  Autipendium  des  Salzliurger 
Doms,  die  vielen  Gewänder  aus  Geirach.  Kutteiiberg, 
des  BrUnner-Donies  den  Stand  der  damaligen  Kunst- 
stickerei, die  wiederholt  bis  zur  nicht  anzuempfehlen- 
den Reliefstickerei  ausartete. 

Je  mehr  sich  die  Kunst  der  Gegenwart  nähert, 
desto  grösser  wird  die  Anzahl  der  ausgestellten  Gegen- 
stände protanerBestinmiung,  während  die  Anzahl  derer 
mit  urs]iriinglicli  kirchlicher  in  der  Zeit  der,  vom 
XVI.  Ja  hrhundert  an,  die  Gotliik  rascli  verdrängenden  R  e- 
naissance  bedeutend  abninnnt.  Besprechungen  der 
aus  dieser  Zeit  ausgestellten  Gegenstände  ge.stattet  der 
Raum  nicht,  doch  heben  wir  hervor,  dass  die  Gold- 
schmiedekunst vornehmlich  durch  die  Gefässesammlung 
des  Freiherrn  von  Rothschild,  Grafen  Meran  und  (ira- 
fen  Herberstein,  die  Holzschnitzerei  durch  Schnitz- 
werke aus  der  ersteren  Sammlung  urid  jener  des  Stiftes 
Strahov,  der  Stadt  Melnik,  die  Bildhauerei  durch  eine 
Marmorbüste  aus  Wiener-Neustadt,  der  Elfenbeinsclinitt 
durch  die  In-iden  Truhen  aus  dem  Grätzer  Dome,  der 
.Metallguss  dinch  die  Büsten  aus  den  .'^anmihiiigen  Fürst 
Metternich  und -Miller  vonAiehholz,  die  Niellirkunst  durch 
die  lierrlichen  aus  der  Gallerie  Manfriu  stammenden 
Buchdeckel  der  Samndung  Rothschild,  das  Email  von  Li- 
moges,  Sevres-l'iimellain  in  vorzüglichen  l'^xemplaren 
aus  dieser  Samndung  vertreten  werden.  Nicht  unbeachtet 
darf  die  Verwendung  des  Bergkrystalls  zu  Prunk-tictiis- 
sen  und  anderen  Gegenständen,  Kreuzen,  Gläsern,  Tafel- 
aufsätzen, Bestecken,  .Schalen,  u.  s.  w.  bleiben,  wofür 
der  Pocal  des  Grafen  Lauthieri  (ein  Geschenk  Kaisers 
Karl  VI.  an  Friedrich  Grafen  v.  I.anthieri  1728)  als  her- 
vorragendes Beispiel  erscheint.  Ausserdem  verweisen 
wir  noch  auf  die  vielen  Renaissance- Waffen  und  insbeson- 
dere auf  ilie  Rüstung  sammt  Helm  inid  zwei  Schilden 
in  der  Saiiimliing  li'othscliild  und  auf  den  schönen  gleicii 
l)eliandelfen  Schild  aus  der  Samndung  des (irafen  Dann 
in  Vöttau.  Zur  Ergänzung  des  von  uns  gegebenen  ge- 
drängten   historischen    Überblickes    der   Ausstellungs- 


gegenstände, verweisen  wir  auf  die  Besprechung  dieser 
Ausstellung  im  Abendblatte  der  Wiener-Zeitung  (Abend- 
post) Nr.  144,  lö2.  159,  IGti  und  172,  die  aus  der  ge- 
lehrten fachmännischen  Feder  des  Dr.  E.  Freiherrn 
^■ou  Sacken  stammt. Haben  wir  durch  diesen  flüchtigen 
Ueberblick  gesehen,  wie  die  Kunst  des  Occidents  an 
der  Hand  der  Jahrhunderte  innner  vorwärts  schreitet 
und  zur  grösseren  Entwicklung  gelangt,  so  zeigt  uns 
die  kleine  Collection  byzantinischer  Kunstproducte  ein 
in  den  religiösen  Anschauungen  der  griechischen  Kirche 
begründetes,  den  älteren  wie  heutigen  Kunstproducten 
dieser  Art  abträgliches,  starres  Verharren  an  den  mehr 
als  tausend  Jahre  alten  \'orltilderi]. 

Fassen  wir  noch  zum  Schlüsse  die  Bedeutung 
und  den  Nutzen  dieser  Ausstellnui;-  ins  Auge  ,  so 
kommen  dabei  mehrere  Gesichtsjjuukte  in  Betracht. 
Der  eine  ist  eine  Übersicht  des  reichen  Materials  an 
Denkmalen  der  Kunst,  Kunstimlustrie  und  handwcrks- 
mässigen  Thätigkeit  unseres  Vaterlandes  von  den 
ältesten  Zeiten  an  bis  zur  jüngsten  Vergangenheit  zu 
liefern  ,  der  andere  die  Aufforderung  und  Anregung 
der  Fachgelehrten  zum  tieferen  Eingehen  auf  den 
geistigen  Inhalt  der  alten  Kunstproducte,  und  die  Be- 
lehrung der  Samnder,  nicht  jeden  alten  Gegenstand 
seines  Alters  wegen  der  Autbewahrung  würdig  zu 
halten  ,  sondern  mit  feinem  Gefühle  unterscheiden 
und  erkennen  zu  lernen,  was  einer  sorgfältigen  Er- 
haltung wertli  ist;  endlich  soll  diese  Exposition  in 
jjraktischer  Beziehung  nutzbringend  werden  und  der 
Kunstindustrie  —  wenn  auch  nicht  Vorbilder  zur  un- 
mitteli)aren  Nachahiniing  —  so  doch  zum  Studium 
jener  Principien  und  Eigenthüiulichkeiten  liefern,  welche 
die  Prodiicte  jeder  Zeit  uiul  jedes  Styles  charakterisir- 
ten,  zur  Erforschung  der  an  denselben  angewendeten 
Kunstweisen,  zu  einem  Studium,  das  für  die  Läuterung 
des  Geschmackes  und  für  das  Aufl)lühen  der  Kunst  der 
(iegcnwart  und  Zukunft,  als  dessen  Fundament,  unent- 
behrlich ist. 

Alles,  was  hier  geboten  wird,  gibt  Zeugniss  von 
dem  fortwährenden  Drange  des  Menschen  nach  dem 
Schönen  und  Edlen,  und  wenn  auch  Verirrungen  nicht 
abzuleugnen  sind,  fordert  doch  jedes  Stück  Achtung 
vor  dem  fJeiste,  der,  seiner  Individualität  entsi)recheud, 
nach  schöner  Gestaltung  und  äthetischem  Werthe  sei- 
nes ProdiK^tes  str(d)ti'.  Ein  Zeitalter  fordert  das  andere 
und  jedes  schö|ift  aus  dem  fi'ülu'ren,  das  ältere  reicht 
dem  nächsten  die  Fülle  der  Erfahrungen,  der  eigenen 
Errungenschaften  und  die  ]\!enge  des  Gcwoinienen  ,  es 
überlässt  ihm  aber  auch  zur  Verbesserung  seine  Mängel 
und  l'ehler.  Eben  diesi^  Abliängiiikeit  der  (iescliloehter 
und  Zeilen  soll  uns  Ehrfurcht  Mir  längst  gestorbenen 
Menschen,  aber  auch  Nachsicht  mit  ihren  Eeistungeit 
und  i'ewiindernng  ihrer  mitunter  in  Form  und  (^e- 
br;iueli  ebenso  längst  veialtelen  Schöpfungen  leln'cn. 


St.Pai 


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^v^lV': 


<4[ts  der  «,  i  üo/  u  btaatsdmäiera. 


^MONT. 


Taf.n. 


Ov£  p.  SehSnb''ujintr  -&est  v  SüJternayei 


rti- 


Jfnuk.  etut  der  K  "k.  Saf-  u.  Sfcu2£sdruck£ra, 


Heili^enkreuz. 


cRus  die  k.EÖf-u  ßtacttsdruckera.. 


Kremsniimstw . 


T;ii.  I\'. 


->f'-Tir,;^^5^j.w/^v>X  V-  ;/a    /9l»    //Am 


T&SSULöKElLrai. 


^vJgen-  u.  ^«r  .-zi-W^  ZimTrur  manTi.    &tjrt.  z>  ■  3ultatuxjer. 


Druck,   der    lult-^f-u-  Siaalsärui^k^ra. . 


^ 


te5 


Äam'j'^^S- 


» 


TnfMI. 


Drurk    aus  der  h..k .  J/o£  »..y/auln/n/t^t-j-a  in  fft£n,  tSö^. 


islrriu'iilnii'tj . 


Taf    VI 


r  ,://.ß,i//r„,e,/,r, 


1/niA  „„.,•  ,Ar  k.iMor  uSlitaL-Jru.i:,Tri  in  Wm  /.fff/ . 


Doiiatello ,  seine  Zeit  und  Sclinle. 

Von  Dr-.  Hans  Semper. 

(Fortsetzung.) 


II.  11  aiiilelsgescliichte    von    Florenz    Itis    y.inii 
15 e  g i  11  n  des  XV.  .1  :i li r  li  ii  n  d  e  rt  s. 

Dil  wir  im  Ydrigcu  s;ilii.'n,  wie  weit  die  Ideen  des 
li  echtes  iiiul  der  Freiheit  in  dem  wilden  Strudel  de« 
bUrgeriielien  Lebens  im  mittelalterlieheu  Florenz  ent- 
wickelt wurden,  .so  sei  es  unsere  nächste  Aufgabe,  die 
Entwicklung  dieser  Stadt  in  Industrie  und  Handel, 
den  Quellen  des  Wdldstandes  und  also  den  Fundamenten 
von  Wissens  ciiat't  und  Kunst  zu  untersuchen. 

Der  materielle  ebenso  wie  derpolitiseheAufscIiwung 
von  Florenz  fällt  zusammen  mit  dem  lieginn  der  iJÜpst- 
lichen  I'eliermacht,  d.  h.  in  die  Zeit,  da  die  ilarkgrätin 
Matliilde  Theile  Tdscana's  an  den  i)ä))stlichcii  Stuhl 
schenkte,  und  Heinrich  IV.  sich  vor  dem  mäclitigen 
Gregor  VII.  in  Canossa  beugen  musste.  Dies  geschah 
im  Jahre  1U74.  Erst  um  diese  Zeit  begannen  sich  die 
kaufmännischen  Unternehmungen  der  Florentiner  auf 
die  andern  Länder  Europas,  sowie  nach  dem  Orient 
auszudelinen.  Fhirenz  war  in  der  Ausbreitung  seiner 
Heziehungen  bedeutend  beeinträchtigt  durch  seine  Lage 
im  Innern  des  Landes ;  deshalb  waren  ihm  verschiedene 
italienische  Städte,  die  am  Meere  lagen,  in  der  mercaii- 
tilen  Entwicklung  schon  längst  vorausgeeilt  und  musste 
sich  auch  jetzt  Florenz  mit  der  uächstgelegenen  See- 
stadt Pisa  ins  Einvernehmen  setzen  ,  um  Transport- 
mittel für  seine  Waaren  zu  finden. 

Am  frühesten  unter  den  italienischen  Handels- 
städten war  Venedig  emporgediehen.  ]\Iit  Fischfang 
und  Salzproduction  fing  sein  Handel  an;  dann  lieh  es 
seine  Schiffe  den  Griechen  des  Exarchates,  unterstützte 
Byzanz  im  Kriege  gegen  die  Sarazenen  und  Longobar- 
den  und  erhielt  dadurch  seine I^nabhängigkeitgarantirt, 
sowie  rrivilegien  für  den  Handel  mit  dem  (Jrient.  Auch 
von  Karl  dem  (j rossen,  den  es  bei  der  Einnahme  von 
Pavia  unterstützte,  ward  ihm  seine  Freiheit  l)estätigt. . 
Bis  zum  Jahre  1172  dauerte  Venedigs  Freundschaft  mit 
Byzanz.  Damals  verweigerte  Venedig  demKaiserJIauuel 
Komnenos  Unterstützung  gegen  den  König  Willielm  von 
Sicilicn,  weshalb  ihm  seine  Schiffe  in  Byzanz  confiscirt 
wurden.  Zur  Bache  nahmen  im  Jahre  1202  die  Vene- 
zianer unter  dem  Dogen  Enrico Damlolo  Constantinopel 
im  Sturme,  errichteten  dort  das  lateinische  Kaiserthum, 
und  bemäclitigten  sich  der  liesten  griecliisclien  Provin- 
z.en.  Der  Ilauptvorfheil  dieser  Eroberung  war  für  den 
Handel  die  Verpflanzung  der  Seidenzucht  nach  Ita- 
lien, eine  Industrie,  die  nach  Byzanz  und  Griechenland 
unter  Justinian  durch  List  aus  Persien  eingeführt  wor- 
den war. 

Durch  Genua's  I^ifersucht  wurde  im  Jahre  1261 
das  byzantinische  Kaiserreich  wieder  hergestellt,  worauf 
sich  Venedig  anfangs  nach  Syrien,  und  als  auch  dieses 
verschlossen  ward,  nacli  Ägypten  und  nach  Tunis 
wandte. 

Byzanz  war  im  frühen  Mittelalter  der  Markt  für 
das  Morgen- und  Abendland,  sowie  für  den  germanischen 

XVI  ir. 


und  slavischen  Norden.  Ausserdem  bezog  das  Abend- 
land die  morgeidändisehen  Produetc  auch  noch  in 
Syrien,  Alexandrien  etc.  Zugleich  fanden  die  abend- 
ländischen Pioducte  in  diesen  Gegenden  ihren  besten 
Al)satz.  Vom  Oriente  bezog  man  Seide,  (iewnrze,  Edel- 
steine, Elfenbein  und  tausclite  dagegen AVollen-,  Leinen- 
stdfle,  sowie  Eisen-,  Holz-  und  Lederwaaren  des  Nor- 
dens ein.  Auf  diese  Weise  eiifstand  in  Constantinopel 
der  grösste  Geldmarkt  des  frühen  ^Mittelalters,  und 
darum  suchten  die  italienischen  Handelsstädte  mit  sol- 
cher Erl)itteruiig  und  Eifersucht  sich  gegenseitig  den 
Orient  zu  verschliessen.  Venedig  lebte  fast  ganz  nur 
vom  Trafik  und  bezog  seine  Manufacturen  theils  von 
der  Londiardei,  theils  von  Deutschland,  das  sogar  eine 
eigene  Factorei  in  ^'enedig  besass. 

Die  heftigste  Eivalin  Venedigs  war  Genua.  Beide 
strebten  nach  dem  Monopol  des  orientalischen  Handels. 
Als  das  lateinisclie  Kaiserreich  in  Constantinojiel  wieder 
fiel,  l)eging  Genua  deuFehler,  seine  Stellung  zu  lange  in 
Byzanz  behaupten  zu  wollen,  während  unterdessen  Pisa 
und  Venedig  in  Syrien  und  Agyjiten  fast  allen  Handel  an 
sich  rissen,  so  dass Genua  sjiäter  dortkeinen  festeuFuss 
mehr  fassen  konnte.  Später  verlor  es  auch  seine  Stel- 
lung im  schwarzen  Meer  durch  Venedig. 

Eine  andere,  sehr  arge  Todfeindin  Genua's  war 
Pisa.  Beider  Interessen  stiessen  einmal  in  dem  Handel 
mit  Frankreich  und  Spanien,  von  wo  sie  Wollenstofte 
bezogen,  sodann  im  Oriente,  ausserdem  wegen  des 
Besitzes  der  mittelländischen  Inseln,  und  endlich  in 
Bezug  auf  ihre  Pniduction  aufeinander.  In  Pisa  nahm, 
wie  in  Genua,  besonders  die  Seidenmanufactur  einen 
grossen  Aufscliwung. 

Pisa's  Blüthezeit  fällt  in  das  XL  und  XII.  Jahr- 
hundert und  datirt  seit  dem  Untergange  seiner  Ri\alin 
Amalfi,  welche  es,  wie  ein  Hecht  den  Gründling,  ver- 
schlang. Amalfi's  Seemacht  war  im  Kamiife  mit  den 
Sarazenen  erstarkt,  und  schon  im  X.  Jahrhundert  waren 
amaltitenlschc  Kaufleute  nach  Beiruth,  nacii  Alexandrien, 
nach  Byzanz  und  Griechenland  gedrungen. 

Auch  Pisa  erstarkte  im  Kampfe  mit  den  Sarazenen, 
denen  es  nach  einander  Sardinien  (1017) ,  Corsica, 
sowie  die  Balearen  (1114)  entriss.  Jlit  Barcelona  und 
Sicilien  begann  Pisa  seinen  Handel,  dann  drang  es  nacli 
Nordafrika  vor,  und  begann  endlich  mit  Anialti,  A'enedig 
und  (ieuua  in  üyzanz  zu  ri\alisiren.  Auch  in  Syrien 
und  Jerusalem  legte  es  Factoreien  an.  Ausserdem 
wurde  Pisa  bald  der  erste  Handelsplatz  Italiens  und 
eröffnete  mit  Liberalität  fremden  Schiffen  seinen  Hafen. 
Wodurch  Pisa  besonders  im  A'ortheil  war ,  das  war 
die  ungeheure  eigene  Waarenproduction,  die  bald  dort 
aulbiühte  und  reichlich  Export-Artikel  lieferte.  Beson- 
ders Wollen-  und  später  auch  Seiden -Fabrication 
fanden  in  Pisa  ihre  Pflege.  Die  Rohwolle  wurde  aus 
Südfrankreicli,  sowie  auf  dem  Wege  über  Frankreich 
aus  England  bezogen;  die  feinere  Wolle  musste  Spanien 
liefern. 

29 


—     222 


Um  sieh  genügend  mit  Ausfuhrartikeln  zu  versehen, 
nahmen  die  Pisaner  gewiss  sclion  frühe  auch  das  innere 
Toscana  in  Anspruch,  dem  sie  den  uöthigen  Rohstoff 
zur  Tuchfabrication  zuführten.  So  l)lülite  denn  soavoIiI 
in  Siena  wie  in  Florenz  die  Wolle nmanufactur 
schon  frühe  auf.  Pisa  war  jedoch  so  liberal,  Florenz 
auch  auf  eigene  Faust  seine  Wollenproducte  in  das  Aus- 
land bringen  zu  lassen,  und  ihm  dazu  den  Hafen  zu 
öfftien  und  Schiffe  zu  vermietheu. 

Die  Florentiner  ihrerseits  bemühten  sich  anfangs 
auch,  sich  die  freundschaftliche  Gesinnung  der  Pisaner 
zu  bewahren,  und  unterstützten  siez.  R.  in  ihrem  Kriegs- 
zug gegen  die  Sarazenen  auf  den  Balearen. 

Aber  das  sichtliche  Emporwachsen  von  Florenz 
erregte  baldPisa'sEifcrsucht,  um  so  mehr,  als  es  gleich- 
zeitig durch  seine  erbitterte  Kivalin  Genua  Schlag  auf 
Schlag  seinem  Verfalle  entgegengedrängt  wurde. 
Den  ersten  harten  Stoss  litt  Pisa's  Maclit  durch  die  Nie- 
derlage seiner  Flotte  gegen  die  genuesische  bei  Meloria 
im  Jahre  1284;  vom  Jahre  1324  an  verlor  es  darauf 
nach  einander  Sardinien  an  die  Sarazenen,  Sicilien  an 
den  König  Al])hons  von  Aragon,  sowie  endlich  Corsica. 
In  derselben  Epoche  entbrennt  auch  der  Zwispalt  zwi- 
schen Pisa  und  Florenz,  zunächst  herbeigeführt  durch 
Eifersüchteleien  zwischen  den  Gesandten  beider  Städte 
am  römischen  Hofe.  In  einem  kurzen  Kriege  verliert 
Pisa  das  wichtige  Castcll  ^[otrone  bei  Pietra  santa 
an  Florenz.  Die  Erbitterung  beider  Städte  gegen 
einander  ward  bald  durch  die  Parteistellung,  die 
sie  nahmen,  zur  Unversöhnlichkeit  verewigt;  Pisa,  in 
dessen  Hafen  hanseatische  und  niederländische  Waaren- 
schiffe  einliefen,  und  das  den  Kaisern  auf  ihren  Römer- 
zügeu  eine  Transportilotte  zu  stellen  pflegte,  zeigt  sich 
als  die  specifisch  ghibellinische  Stadt  Italiens;  Flo- 
renz als  die  kühnste  Vorfechterin  des  Guel  fenthums. 
l'm  seinen  Handel  unabhängigvon  dcrverhasstenNeben- 
bublerin  zu  maciien,  versucht  Florenz  vom  Jahre  l."!.')!) 
an  den  Hafen  vonTelamone  in  den  sienesisciien  ]\Iarcni- 
men  statt  der  pisanischen  zu  lienützen.  Darüber  bricht 
ein  neuer  Krieg  zwischen  beiden  Städten  aus,  der  zu 
einem  abermaligen  Sieg  der  Florentiner  im  Jahre  i;)()4 
und  zum  I^rieden  vim  Pescia  i'üiirt.  Dennoch  erkannten 
die  Florentiner  bald  die  Unentbehrlicbkeit  des  pisani- 
schen Hafens  für  ihren  Handel,  da  jener  von  Telamone 
weiter  entfernt,  seichter  und  schlechter  geschützt  war. 
Als  desshalb  auf  Antrieb  der  Florentiner  der  ihnen 
(reundlich  gesinnte  Pietro  Gambacorti  sich  zum  Herren 
von  Pisa  aufwarf,  erneuerte  Florenz  mit  ihm  (ienX'ertrag 
wegen  PenUtzung  des  pisanischen  Hafens.  Durch 
Ermordung  des  Pietro  Gambacorti  gelangte  jedoch,  wie 
wir  sahen,  Visconti  zur  Maclit  in  Pisa,  das  in  Folge 
dessen  Florenz  von  neuem  anfeindete,  ^\'as  hieiaus 
später  erfolgte,  werden  wir  in  der  Folge  sehen. 

Den  früliesten  Aufschwung  nahm  also  die  WoUen- 
manufactur  in  Florenz.  Den  Rohstoff  dazu  bezog  es 
aus  Englaiiil,  den  Niederlanden  und  Spanien.  Nicht 
blos  al)er  verstanden  die  Florentiner  aus  i-olicr  Wolle 
Tuch  zu  weben,  sondern  einer  ihrer  Hauptindustrie- 
zvveigc  war  die  Verfeinerung  groben  Tuches,  das 
aus  Deutschland  und  den  Niederlanden  bezogen  wurde. 
Eine  eigene  Zunft,  die  der  sogenannten  (Ja  li  mala,  lag 
diesem  Handwerk  ob.  Diese  verfeinerten  'l'uclie  fan 
den  besonders  im  Orient  reichlichen  Absatz,  wäh- 
rend die  Florentiner  selbst  sich,  so  lange  wenigstens  die 


republicanische  Staatsform  bestand,  in  grobe  Stoffe 
kleideten.  Gleichen  Sehritt  mit  der  Kunst  des  Tue  h- 
wel)ens  hielt  ferner  die  des  Färbens.  So  stammt 
der  Reichthum  und  der  Name  einer  der  angesehensten 
florentinischen  ßürgerfamilien,  derRucellai,  von  der 
Seealge,  Liehen  Rocello,  her,  welche  im  Jahre  1201 
ein  gewisser  Alamanno  im  griechischen  Archipel  ent- 
deckte, und  womit  es  ihm  gelang,  durch  Zusatz  von 
Urin  der  Widle  eine  kostbare  violette  Farbe  zu  ver- 
leihen. Die  Zunft  der  Wollenweber  war  die  angesehenste 
in  Florenz.  Im  Jahre  1338  lieferten  2()()  Tuchfabriken 
in  Florenz  jährlich  SO.OOO  Stück  Tuch;  in  20  Appre- 
tirungsanstalten  wurde  jährlich  für  .'iO.OOO  Goldgulden 
ausländisches  Tuch  verfeinert.  Die  einzigen  Nieder- 
lande konnten  sich  mit  Florenz  in  der  Tuchfabrication 
messen,  und  waren  ihm  auch  zeitlieh  darin  voran- 
gegangen. Wenn  sie  nun  au(di  allmälig  wieder  die  erste 
Stelle  darin  sich  erwarben,  so  lag  dies  daran,  dass  den 
Niederländern  die  reichste  Quelle  von  Rohstoffen,  Eng- 
land, näher  la?,  als  den  Florentinern.  Diesen  musste 
die  englische  Wolle  erst  durch  ganz  Frankreich,  sowie 
dann  auf  fremden  Schiffen  herl)eigeführt  werden.  Vol- 
lends aber  saidv  die  Horentinisdie  Tuchfabrication  von 
ihrer  Höhe  herab,  als  die  Engländer  unter  Eduard  III. 
selbst  anfingen,  ihre  Wolle  zu  verarbeiten,  unterrichtet 
darin  durch  Wollfabricanten  aus  Brabant,  die  wegen 
Gonflicten  mit  der  Regierung  nach  England  ausgewan- 
dert waren. 

Dagegen  entfaltete  sich  gleichzeitig  ndt  dem  Ver- 
lall der  Wollmanufactur  in  Florenz  die  Seide  nmanu- 
factur zu  immer  grösserer  Rlüthe;  Hand  in  Hand  mit 
dem  Luxus  und  der  Pflege  der  schönen  Künste ,  die 
immer  mehr  das  tägliclu'  Leben  in  Florenz  zu  durch- 
dringen begannen.  Die  Seidenwürmer  wurden  von 
Sicilien,  Griechenland  und  dem  Orient  bezogen,  und 
mehr  und  mehr  auch  im  Lande  selbst  gepflegt.  Gegen 
Ende  di's  XIV.  und  im  X\'.  Jalirluinderts  waren  lloren- 
tinische  Seide,  Sammt,  sowie  die  kunst\'ollen  Hrocate 
von  S  a  m  m  t  mit  (ü  o  1  d  -  und  S  i  I  b  e  r  s  t  i  c  k  e  r  c  i  e  u  in 
der  ganzen  AVeit  berühmt  und  famlen  nur  ihres  Gleichen 
in  den  ähnlichen  Producten  Norditaliens.  Doch  hier- 
über, besonders  in  künstlerischer  l'.eziehung,  weiter 
unten  noch  mehr.  Noch  ist  zu  erwähnen,  dass  Florenz 
schon  im  Mittelalterauch  durch  seine  Strohflechte- 
reien  und  künstliehen  Rlumcn  sich  auszeichnete. 

Der  grösste  Reichtlium  aber  floss  den  Florentinern 
durch  ihre  Rank-  und  Wtic  h  s  e  I  gesell  äff  e  zu.  Von 
(Jonstantinopel  \erpflanzte  sieh  der  Geldmarkt  allmälig 
nach  den  Niederlanden  und  Italien.  Grössere  Zah- 
lungen ])flegten  nach  deniGewichte  gemacht  zu  werden, 
wodurch  die  Schwierigkeiten  beseitigt  wurd(Ui,  die 
durch  die  verschiedenen  Münzsorten  eiilstandeii.  Der 
\enezianische  Ducaten  und  der  llorentinische  (iold- 
giilden,  der  seit  dem  Jahre  1252  (nach  dem  Siege  der 
Guelfen)  gejjrägt  wurde,  fanden  jedoch  bald  allge- 
iiu'ine  Anerkeniinng.  Seit  dem  XIII.  J:ilirliiiiiderte 
kommen  auch  Wcch  sei  bri  e  fe  vor,  deren  Erlindiing 
den  Juden  zugeschrieben  wird. 

Zahlungs-  nnd  Leilibankcüi  entstanden  schon 
zu  Anfang  des  12.  .lalnlmiKlerls  und  wurden  zuerst  in 
V  e  n  e  il  i  g  eingerichtet.  I'.abl  liessen  sieh  italienische  lian- 
(juiers,  im  Wetteifer  mit  den  Juden,  in  allrii  d.'imals  be- 
kannten Welttlieilen  nieder.  Sie  hiessen  Lombardi  und 
waren  als  solche  oft  UbelherUehtigt  wegen  des  Wuchers, 


—     223 


den  sie  ln'cl)oii.  rutcr  doiusclhen  N;iiiien  waren  aber 
auch  alle  iil)rii;'en  Italiener,  und  so  auch  ilie  Floi-enliniT, 
inbef^rirtVn.  Ja  letztere  l)etrieben  diesen  (!e\verl)s- 
zweig  in  noch  j^-rösscreni  Massstabc,  als  die  wirklichen 
Lombarden  selbst,  und  die  ersten  Familien  von  Floren/, 
verdaiditi'u  /.uniai  ihm  ilire  lieiclitliünier.  Die  Florentiner 
l)elierrscliten  allniiili.i;'  den  (icldniarkt  von  ji'an/,  Kur<i|)a, 
und  last  Jede  l)cdcutendere  Anleihe  wurde  durch  Flo- 
rentiner vermittelt.  Ja  wegen  der  ausserordentlicdien 
FinanzkuntU',  welche  sie  besassen,  wurden  den  Floren- 
tinern in  fast  allei-  Herren  Ländern  die  Verwaltun:;- 
der  iitl'entlicdien  Schulden  anvertraut  und  erwarben  sie 
sieh  auf  diese  Weise  auch  grossen  politischen  l-jutluss. 
Vermöge  des  Credits,  den  die  florentinischen  Kautieute 
besassen,  geboten  sie  über  unbcsehränkte^Lttel.  Selbst 
Venedig  zog  in  seineu  orientalischen  Speeulationen  mit 
^'orliebe  florentinische  ISanciuiers  zu  Käthe,  die  zuver- 
lässiger waren,  als  die  eigenen.  In  Italien  alk^n  gab 
es  achtzig  tiorentinisclie  Banken.  Nieiit  nur  an  Privat- 
leute, selbst  an  Fürsten  und  Regierungen  wurden  von 
denselben  Gelder  verliehen.  Besonders  in  England 
befanden  sich  zahlreiche  tiorentinisclie  Bani|uiers,  die 
ihre  dortige  Anwesenheit  zugleich  benützten,  Rohwolle 
für  iiire  einheinuscheu  Fabriken  anzukaufen.  Auf  diese 
Weise  floss  aber  das  tiorentinisehe  Gold  so  massenhaft 
ins  Ausland,  dass  endlich  dessen  Export  verboten  wurde. 
Einen  schweren  Sehlag  erlitt  der  florentinische  Wohl- 
stand—  (h)eh  nur  ^■orübergellend-— durch  den  Bankrott 
der  angesehenen  Häuser  Peruzzi  und  Bardi,  denen  vom 
König  von  England  mehrere  Millionen,  die  sie  an  ihn 
geliehen  hatten,  nicht  zurückbezahlt  wurden. 

In  Fhn'enz  endlich  entstanden  die  ersten  Scliritten 
über  Finanzwesen,  durch  Pigidotti  im  XIV.  Jahrhundert, 
sowie  durch  Antonio  da  Uzzano  im  XV.  Jahrhundert. 

AVie  wenig  überflüssig  für  den  Zweck  dieses  Buches 
ist,  die  ICntwicklung  des  italienischen  uml  specicll  flo- 
rentinischen l[an(h;'ls,  (fewerbes  und  Wohlstandes  skiz- 
zenhaft geschildert  zuhaben,  magaus  dcrErwägung  her- 
vorgehen, dass  weder  Florenz  ohne  seine  Reichthümer 
eine  solche  Fih'derin  der  Künste  hätte  sein  können,  noch 
die  Jlcdici,  die  reichsten  Bani|uiers,  ohne  ihr  Geld  an 
die  Spitze  des  Staates  treten  und  in  so  grossartigem 
.Massstabe  die  Rolle  des  Mäeenenthums  üljcrnehmen 
können. 

Über  die  stetige  Zunahme  des  florentinischen 
Gevverbsfleisscs  und  Handids,  gerade  zu  der  Zeit,  da 
auch  die  Macht  der  Medici  hervortrat,  also  im  XV.Jahr- 
huiulert,  werden  wir  jedoch  im  Folgenden  noch  Einiges 
zu  bemerken  haben. 

HL  Literarisc  li-gelehrteEn  twick  lang  von  Flo- 
r  e  n  z  bis  z  u  m  A  n  f  an  g  d  e  s  XV.  J  a  h  r  h  u  u  d  e  r  t  s. 

Erst  im  XI IL  Jahrhundert  beginnt,  in  Folge  eines 
Austusses  der  provencalischen  Dichtung,  in  Florenz 
sich  eine  eigentliche  Literatur  zuentwickehi.  Zahlrei(die 
lyrische  Dichter  erheben  sich  und  aus  ilirer  Mitte  geht 
nnt  gewaltigem  Aufschwünge  der  unsterbliche  Dante 
hervor. 

Gleichzeitig  zeichnen  sich  die  Rechtsgelehrten  von 
Florenz  aus  und  beginnt  mit  Ricard  an  o  Malespini 
die  florentiidsche  (icschichtsschreibung,  die  in  Drim) 
Compagni  schon  zu  einer  grossen  Meisterschaft  der 
Darstellung  durchgebiUIet  erscheint.     Sowie    aber  der 


gelehrte  und  literarischeTrieblebluifter  und  allgemeiner 
erwachte,  so  blickte  man  auch,  ganz  natürlich,  über  die 
Finsterniss  der  ndltelalterlichen  Barbarei  hinweg,  zu 
den  antiken  Schriftstellern  zurück.  Denn  nie  war  weder 
die  Erinnerung  an  sie  und  den  ganzen  Glanz  des  einsti- 
gen römischen  Reiches  in  Italien  erloschen,  noch  das 
GetVdd  in  den  Italienern  ,i;;inz]ich  ausgestorben,  Nach- 
konnneu  der  alten  Römer  zu  sein. 

Zum  klaren  Bewusstsein  gelangte  diese  instiuctive 
Ahnung  Jedoch  erst  wieder  durch  einige  Dichter  des 
XIV.  .lahrhuuderts,  welche  folgerecht  zugleich  mit  Lei- 
deus(diaft  wieder  das  Stmliiim,  sowie  die,  Nachljildung 
der  älternSprachen  und  der  Autoren,  die  darin  geschrie- 
ben, aufnahmen.  .S(dion  Dante  beruft  sich  in  zahl- 
reichen Stellen  auf  römische  Autm-en  ,  und  erwählte 
sogar  Virgil  zu  seinem  poetischen  Vorbilde  und  Führer. 
Gleichwohl  kannte  er  die  ]\Iehrzahl  der  alten  .\utoren 
nur  dem  Namen  nach  und  beniiihte  sich  auch  in  seinen 
Schriften  durchaus  nicht,  die  Fesseln  des  verdorbenen 
und  erstorbenen  Mönchslateins  seiner  Zeit  zu  zer- 
s})rengen. 

Petrarca  ist  derjenige  Dichter,  der  nnt  einem 
tiefgehenden  Studium  der  alten  Classiker  zugleich  das 
Streben  vereinigt,  sie  in  seinen  eigenen  Schriften  auch 
wirklieh  in  der  Reinheit  des  Styles  zum  Cluster  zu 
nehmen.  Ebenso  wie  er,  bestimmter  als  je  ein  Anderer 
zuvor,  die  Italiener  als  leibliche  Xaehkommen  der  alten 
Römer  betrachtete,  ebenso  wollte  er  selbst  sich  auch 
direct  der  Reihe  rönnscher  Dichter  angeschlosseti 
wissen.  Daher  war  er  auch  auf  sein  in  lateinischen 
Hexametern  verfasstes  Epos:  „Africa"  stolzer  als  auf 
seine  in  classiscliem  Italienisch  gedichteten  Sonette, 
die  er  nur  als  leichte  Frü(dite  seiner  Mussestnnden 
ansah. 

In  der  That  schrieb  er  seit  dem  Dichter  Claudius 
wieder  das  beste  Latein,  und  mit  Heftigkeit  kämpfte  er 
gleichzeitig  gegen  das  Küchenlatein  der. Scholastiker  an. 

Boccaccio  ging  noch  um  einen  Schritt  weiter  als 
Petrarca.  Nicht  nur  befleissigte  auch  er  sich  einer 
möglichst  reinen  Latinität,  sondern  er  zog  auch  noch 
das  Griechische  in  den  Kreis  seiner  Studien.  Auch 
dieses  war  allerdings,  selbst  im  dunkelsten  Mittelalter, 
für  Italien  keine  völlig  todte  Sprache  geworden;  es 
hatte  stets  als  liturgische  Sprache  in  den  Pontifiealien 
zu  Rom,  sowie  bei  den  .Mönchen  von  S.  Basilio  gedient. 
Ausserdem  war  es  die  Handclssprache  derKauflcute  im 
Oriente.  Boccaccio  brachte  es  nun  sogar  dahin,  dass 
vom  Calabresen  l^eonzio  Pilato  im  Jahre  loüU  ein 
Lehrstuhl  der  griechischen  Sprache  in  Florenz  errich- 
tet werden  durfte;  ebenso  verdankt  seiner  Vorliebe  für 
die  griechische  Spraclie  seine  Novellensanimlung  den 
griechischen  Namen  „Decameron-'  i^von  zehn  Tagen). 

Erst  das  Ende  des  XIV.  Jahrhunderts  ist  jedoch, 
wie  in  politischer  und  commereieller,  so  auch  in  literari- 
scher und,  wie  wir  sehen  werden,  künstlerischer  Bezie- 
hung, der  entscheidende  Wendepunkt  in  der  Geschichte 
von  Florenz  —  ni(dit  zwischen  zwei  Jahrhunderten,  son- 
dern zwischen  zwei  ('ivilisationse])ochen,  die  nach  Ja  hr- 
tausen  den  zählen. 

Fast  gleichzeitig  starben  die  beiden  ersten  literari- 
schen Herolde  der  florentinischen  Renaissance  —  Pet- 
rarca und  Boccaccio,  letzterer  im  Jahre  1."j73,  der 
andere  ein  Jahr  später.  Zehn  Jahre  früher  war  der  histo- 
rische Vertreter  des  XIV.  Jahrhunderts,  M  a  1 1  e  o  V  i  1 1  a  n  i, 

29» 


224     — 


dahin  gegangen,  und  bald  stirbt  auch  der  letzte  Schola- 
stiker, Luigi  Mars  igli. 

Anderseits  erblicken  aber  alle  die  glänzenden 
Geister  der  Kunst  und  Wissenschaft,  welche  die  soge- 
nannte Renaissance  und  den  Humanismus  schufen,  ge- 
rade in  demselben  Zeitabsclinitt,  dem  letzten  Viertel  des 
XIV.  Jahrhunderts,  das  Liclit  der  Welt.  Es  ist,  wie 
wenn  die  Natur  der  Florentiner  durch  die  schreckliclie 
Seuche,  die  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  gewüthet, 
sicli  verjüngt  und  gereinigt  hätten,  und  als  Entschädigung 
für  die  vielen  ,  gewaltsam  vernichteten  Mensciienlelien 
mit  einer  ungewöhnliclien ,  sowold  (|uantitativen  als 
(jualitativen  Fruchtbarkeit  an  Talenten  und  Genie's 
begabt  worden  wäre.  Lionardo  Bruno,  der  um  l.^tJD 
in  Arezzo  zur  Welt  kam,  darf  hier  allerdings,  streng 
genommen,  nicht  als  15eis])iel  für  unseren  Satz  angefüiirt 
werden,  wenn  er  auch  durch  sein  ganzes  Leben  sich 
zum  eigentlichen  Florentiner  stempelte.  Ein  geborener 
Florentiner  dagegen  war  der  erste  grosse  Förderer  der 
Wissenschaft  und  Literatur,  PaUa  Strozzi,  der  im 
Jahre  1378  geboren  ward,  zugleich  mit  Ambrogio 
Traversari,  der  sich  uui  das  Sannnein  und  ('opiren 
antiker  Autoren  so  verdient  machte.  Zwei  Jahre  später 
schenkt  allerdings  wiederum  Arezzo,  die  luftige  Berg- 
stadt, die  so  reich  an  feinen  Künsten  war,  den  eigent- 
lichen Begründer  des  Humanismus,  l'oggio  Braccio- 
lini,  der  florentinischcn  Wissenschaft.  Ihnen  folgen  in 
den  achtziger  Jahren  die  Florentiner  Gianozzo 
Manetti,  Francesco  Filelfo,  sowie  ein  dritter 
Aretiner  C  a  r  I  o  Ma  r  s  u  ]> p  i  n  i. 

Zwei  andere  bedeutende  (loancr  der  Kunst  und 
Wissenschaft,  Nicoiao  Nicoli  und  Cozimo  de 
Mediei,  gehören  ebenfalls,  vermöge  der  Zeit  ihrer 
Geburt,  dieser  baimbrechenden  Generation  an.  Dass 
die  entsprechenden  Erscheinungen  im  fiebiete  derKunst 
ebenso  scidagend  hervortreten,  werden  wir  im  ]*'nlgen- 
den  noch  sehen. 

Auch  anderen,  idclit  toscanisclien  Städten  wurden 
allerdings  zu  derselben  Zeit  Geister  geschenkt,  die  an 
der  T'mwälzung  des  XV.  Jahrhundirts  licdcutendi'u 
Anthcil  nalmien.  In  Verona  wird  Guaiino  im.Ialire  l.'iTo, 
in  Forli  der  umfassende  Historiker  Flavio  Biondo,  in 
Ancona  der  unermlldliclie  Anticpiar  Ciriaco  geboren; 
allein  der  Anstoss  zu  der  genannten  Bewegung  gebt 
gleicli\\olii  von  Florenz  aus,  wo  sich  die  grösste(4ruppc 
der  balinbrcclienden  Geister  sammelte. 

Diese  geschlossene  Reihe  der  ersten  Humanisten 
unterscheidet  sich  flurch  mancherlei  Eigenschaften  von 
der  zweiten  bedeutenden  Generation  eines  Angelo  Boli- 
ziano,  Mai'silio  Fiiino  und  Anderer.  Den  l'ebergang 
und  die  Vermifliuiig  zwisciien  beiden  (rrui)iien  bilden 
etwa  ein  FiCdii  Battista  Alberti,  ein  Enea  Ficcolomini, 
ein  Matfco  l'almieri,  sowie  ein  Lorenzo  ^'alla,  die 
Hänniitlich  im  Anlange  des  XV.  Jahrhundcrls  zur  Welt 
kamen. 

Zu  di'rscjlx'n  Zi'it  nun,  wo  dir  \'ertn't(i'  des  ersten 
dichterischen  Entlinsiasnnis  für  das  Altertlunn  sterben 
und  die  ersten  gelehrten  Wicdcr^rweckcr  desselben 
geboren  wurden,  fanden  auch  in  diu  Einrichtungen  des 
öffentlichen  T'nterrichts  in  |''|i)rriiz  inanche  \iirthcilli;il'lc 
Verändi'rnngen  statt,  die;  das  Anbrechen  der  neuen  Ziit 
bcförrlerfen.  Die  Universität,  die  wäln-iMul  der  Ibii- 
Hchaft  der  f'iom]d  geschlossen  geblieben,  wurde  seit  dein 
Jahre  l.'JHfJ  in  verjitngtcr  Gestalt,  mit  grosser  Vermeh- 


rung der  Lehrstnlile  ^\•ieder  eröffnet.  So  wurde  dem 
geljorenen  (iricclieii,  Emanncl  Clirvsoioras,  Ende 
des  Jahrimnderts  gestattet,  einen  Lehrstuiil  der  griechi- 
schen Sprache  zu  errichten,  und  nicht  nur  fast  alle  aus- 
gezeichneten Humanisten  der  Folgezeit,  sondern  auch 
viele  vorneiune  Entiiusiasten  waren  seine  Schüler.  Der 
immer  uidier  bc\orstchende  l'nterg.-tng  Constantinopels 
hatte  ihn  nach  Italien  getrieben  und  übte  in  der  Folge- 
zeit dieselbe  Wirkung  noch  hei  manchen  gelehrten 
Griechen  aus;  so  dass  auch  dieses  politische  Moment 
incht  wenig  zur  Wiedererweckung  gediegener  classi- 
sclier  Studien  in  Italien  beitrug. 

Wie  wir  schon  aiuleuteten,  blieb  diese  wissenschaft- 
lich-literarische Bewegung,  die  das  begeisterte  Studium 
der  antiken  Schriftsteller  und  Kunstwerke  verfolgte, 
keineswegs  auf  einen  Kreis  von  Gelehrten  beschränkt, 
sondern  ergriff  auch  die  Künstler,  sowie  alle  Classen, 
die  auf  Bildung  Ansj»ruch  machten.  Die  Söhne  der 
Vornehmen  erhielten  die  ersten  Gelehrten  zu  Erziehern, 
oder  besuchten  mit  Eifer  die  öffentlichen  Vorlesungen 
derselben.  Die  Universität  war  nicht  ein  blosses  Sennnar 
für  die  Herausbildung  neuer  Gelehrter,  sondern  sie  war 
eine  ötfentliclie  Bildungsanstalt,  eine  Art  weltlicher 
Kirche,  wo  die  Professoren  blos  die  Ministranten  waren, 
welche  einem  jeden,  der  danach  verlangte,  die  Hostie 
der  Wissenschaft  zu  Trost  und  Stärkung  verabreichen 
mussten.  So  kam  es,  dass  die  Wissenschaft  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  populär,  ein  Gemeingut,  ein  theurer 
Schatz,  eine  Modesache  für  alle  Gebildeten  ward.  Um 
dafür  zu  gelten,  nniss  man  bald  nicht  blos  ein  gutes 
Latein  s(dn-eiben  können,  sondern  dasselbe  wird  sogar 
Umgangss])ra(die  in  den  Salons.  Selbst  Frauen  und 
Mädchen  werden  von  der  allgemeinen  Begeisterung  für 
die  Werke  des  Alterthums  hingerissen.  EI)enso  nehmen 
die  \'ornehnien  nicht  blos  passiven  Antheil  an  der 
Bewegung,  sondern  sie  stellen  sich  an  die  Sjjitze  der- 
selben als  Gönner  und  als  Sannnler  von  IJibliotheken 
und  Museen.  Für  schweres  Geld  lassen  sie  die  alten 
Schriftsteller  copiren  und  betrachten  eine  ansehnliche 
Sannnluiig  für  einen  lluhni. 

Es  war  nicht  blos  die  träunicrisclie  Zuriiekver- 
setzung  1)1  die  Herrlichkeit  der  alten  Wtdt,  inchl  Iilos 
das  stolze  Bewusstsein  der  Italiener,  Xachkonnnen  der 
Alten  zu  sein,  welches  diesem  ])lötzlich  erwachten 
Enthusiasmus  für  diescdben  zu  Grunde  lag.  Derselbe 
enthielt  auch  noch  gesundere  IMotive.  Der  bürgerliche 
dennicratischc  Sinn  der  Florentiner,  sowie  der  begin- 
nende llass  gegen  mittelalterliehen Scholasticisnnis  und 
Dogmenkram,  kurz,  das  Erwaclien  des  gesunden  Men- 
schenverstandes, sowie  der  Freude  am  Dasein,  erkannte 
instincti\  ,  dass  die  Werke  der  heih'rn  ehrlichen  .\ltcn 
die;  sicherste  Norm,  der  festeste  Halt  seien,  um  einmal 
gründlich  in  dem  mittelalterli(dien  Wust  aufzuräinnen. 
Es  ist  im  hohen  Grade  interessant ,  wie  also  diese 
Bewegung,  was  ihre  |)hantastische  Seite  belriffi,  nut 
der  ehrgeizigen  Weltherrschaflsidee  der  i'äpsfe  in 
engerBerrdirung  und \'erwandtschaft  steht,  während  sie 
doch  andrerseits  zugleich  vermöge  ihres  gesunden 
Gehaltes  gerade  die  tödtlichste  Feindin  des  I'riester- 
lliums  jei;-li(dier  Art  ist  und  nahe  zusannnenliängt  nut 
den  kirchlichen  l\elin-mbcstrebungen  eines  Wiklell'  und 
lluss,  sowie  mit  der  Reformation  schliesslich  selbst. 

Gerade  diese  Ver(|uicknng  von  gesunden  und  eitlen 
'l'endenzen,  \(in  umwälzenden  und  ängstlich  conser\a- 


tiveii  Principieii  in  dein  italienisclicn  Hunianisnuis  liattc 
aber  zur  Folge,  dass  er  die  i,'iiteii  Früclite,  die  er  der 
Meiisclilieit  verspracli,  ■wenigstens  unmittelbar  zu  seiner 
Zeit  nieiit  brachte,  dai;-eg-en  als  DeoivHiaiitei  und  gleiss- 
nerisdie  Hülle  liir  kirehlielie  wie  weltlielie  J)es|)otie 
geniissbrauelit  werden  konnte. 

Dureli  die  Versenkung:  in  eine  todtc  Welt  wurden 
zudem  bald,  Je  melir  die  gesunden  Triebe  des  Huma- 
nismus vergessen  wurden,  die  besten  Kö])t'e  dem  ötVent- 
liehen  Leben  entiremdct,  so  dass  auch  liiedureli  die 
Usurpatoren  darin  gefördert  wurden,  ihre  ehrgeizigen 
Absiebten  still  und  obnebedeutenden Widerstand dureh- 
znführen.  Dureli  die  (iönnersehaft,  welche  aus  soleheu 
(iründen  aueh  oft  unverdienter  Weise  den  Literaten  in 
reieheni  Masse  zu  Theil  wurde,  trat  an  die  Stelle  ihres 
edlen  Aufschwunges  oft  ein  niedriges  Jagen  nach 
Gewinn.  Zugli'ieh  verdrängte  eine  kleinliche  Sjjitztindig- 
keit  und  Zanksucht  die  anlängliehe  Originalität.  Die 
einheimische  Literatur,  vor  allem  auch  das  Drama, 
w  otiir  so  schöne  Ausätze  vorhanden  waren,  wurde  einer 
unfruchtbaren  6elehrs;amkeit  geopfert.  Wie  ungemein 
dramatisch  an  und  für  sich  der  italienische  Geist  des 
X\'.  Jahrhunderts  war,  das  zeigt  uns  die  Kunst;  wie 
zeitgeniäss  aber  auch  die  Ausbildung  des  Drama's 
gewesen  wäre,  das  ersehen  wir  in  der  Folgezeit  beson- 
ders aus  Shakespeare,  der  die  von  Italien  versäumte 
Aufgabe  für  England  in  Ansi)ruch  nahm,  in  seinen 
Gedanken  aber  der  echte  Nachfolger  und  Geistesver- 
wandte des  freiheitlichen  philosophischen  Geistes  der 
Renaissance  ist,  wie  dieser  ausserdem  auch  in  einem 
Giordano  liruno,  Galilei,  Spinoza  zum  Durch- 
bnudi  gelangte. 

AVenn  der  Humanismus  aber  auch  seine  geistige 
Aufgabe  zunächst  gänzlich  verfehlt  hätte  —  was  nicht 
der  Fall  ist  —  so  hätte  er  schon  durch  seine  physische 
Arbeit  ein  unsterbliches  Verdienst  erworben,  durch  sein 
emsiges  Sannnein  nändieh  von  Schrift-  und  Kunst- 
werken des  Alterthums.  Und  diese  sind  ja  vor  allem 
der  unersehöiifliche  IJorn,  aus  welchem  die  moderne 
Cultur  Begeisterung  zu  gros.sen  und  wahrhaft  humanen 
Ideen  schöpfen  kann. 

IV.  licburt,  Familie  und    Erziehung 
Do  na  teile 's. 

Wir  sahen,  wie  die  Geburt  fast  aller  Männer  ,  die 
als  die  eigentlichen  Wiedercrwecker  des  Studiums  der 
Alten  zu  betrachten  sind  ,  binnen  eines  kurzen  Zeit- 
raumes gegen  Ende  des  XIV.  Jahrhunderts  statttänd. 
Dieselbe  Thatsache  lässt  sieh  auch  in  Bezug  auf  die 
Koriphäen  der  Kunstrenaissanee  feststellen.  Einer 
der  ersten  von  ihnen  in  der  Sculptur  war  Donatello, 
den  wir,  dem  Zweck  dieser  Schrift  gemäss,  jetzt  vor  Allen 
herausheben. 

Donatü  oder,  mit  einem  Sclnneichelwort  der  Kin- 
deszeit, das  ihm  bis  in  sein  spätestes  Alter  haften  blieb, 
Donatello,  d.  h.  der  kleine  Donato.  benannt,  wurde 
aller  Wahrscheiidichkeit  nach  im  Jahre  l.">8l)  geboren. 
Sein  Vater  hiess  Kiccolo  di  Betto  Bardi,  gehörte 
zur  Zunft  der  Wollenzieher  (tiratori  di  lana)  und  war  im 
Stadtbezirk  von  S.  Piero  in  Gattolino  (bei  der  heutigen 
Porta  Eomana)  in  Florenz  sesshaft.  Während  des  Auf- 
standes der  ('iomi)i  hatte  er  für  die  Optiniaten  Partei 
ergriffen  und  w  ar  deslialb  mit  vielen  Anderen  in's  E.xil 


geschickt  worden.  Und  zwar  verbrachte  er,  zusannneu 
mit  anderen  Vertriebenen,  die  Zeit  seiner  Verbannung 
in  Pisa.  Dort  beging  er  einen  Todtschlag,  dessen  Ver- 
anlassung der  Chronist  P>uonacc"rso  di  Luca  Pitti  uns 
folgendennassen  erzählt :  ..Als  ich  einige  Monate  mich  dort 
aufgehalten  hatte  ,  geschah  es  im  A])ril  1380,  dass  Mat- 
teo  del  lücco  Corbizzivom Bezirk S.Piermaggiore  wegen 
kaulmännischer  Geschäftenach  Pisa  kam.  Und  weil  er  ein 
Anhänger  deriuFlorenz  herrschenden  Parteiwar,  sprach 
er  überall  ötfentlich,  in  Hallen  und  auf  Plätzen,  an- 
gesichts der  Menge  und  vor  einem  Kreis  von  Zuhörern, 
schlecht  ^  (in  den  Verbannten.  Wenige  Tage  nachher 
hatte  ich  gerade  mit  Matteo  dello  Scielto  zusammen 
gespeist  und  ging  mit  ihm  aus,  als  wir  Matten  del  Riccn 
antraten.  Der  andere  Matteo  redete  ihn  wegen  einiger 
Geschäfte  an.  Ich  verliess  sie  und  traf  Kiccolo  di  Betto 
Bardi,  mit  dem  ich  auf  Matteo  dello  Scielto  wartete. 
Bald  trennte  sich  der  andere  Matteo  von  diesem  und 
redete  Cliaroccin  Charocci  an.  Und  nachdem  er  anfangs 
über  Geschäfte  gesprochen  hatte,  stellte  er  sich  auf  ein- 
mal in  meine  Kähe  und  sagte  laut,  dass  ich's  hören 
mnsste:  „Charoccio,  Sonntags  kehre  ich  nach  Florenz 
■zurück,  dort  w  ill  ich  etwas  anrichten  gegen  die,  die  mir 
drohten !"  Als  ich  begrifl',  dass  dies  auf  mich  und  meine 
Brüder  in  Florenz  gemünzt  sei ,  packte  ich  ihn  an  der 
Brust,  schüttelte  ihn  und  sagte:  _Was  meinst  du,  dass 
ich  mit  dir  anfangen  soll?"  —  Zugleich  versetzte  ihm 
Niccdlö,  ohne  meinen  Willen,  mit  einem  Knittel  einen 
Schlag  auf  den  Kopf,  dass  er  sogleich  zu  Boden  stürzte. 
Es  entstand  Lärm,  und  als  ich,  wie  betäubt  stehen  blieb, 
kamen  Büttel,  die  mich  ergriffen  hätten,  wenn  nicht 
Vanni  Bonconti  dazwischen  getreten  wäre  und  mir  ge- 
sagt hätte:  „Flieh'!"  Ich  eilte  mit  Niccolö  zusammen 
in's  Haus  des  Herrn  Gualterotto  Lafranchi,  dem  ich  den 
Vorfall  erzählte. Er  beruhigte  mich  und  sagte:  .Fürchte 
nichts,  ich  bringe  dich  an  einen  sichern  Ort".  Noch  in 
derselben  Nacht  starb  der  Verwundete." 

Der  Chronist  erzählt  weiter,  wie  Pietro  Gamba- 
corti,  der  Herr  von  Pisa,  das  Versteck  der  Beiden  erfuhr 
und  sie,  aus  Furcht  vor  Florenz,  verhaften  lassen  wollte. 
Er  Hess  sich  jedoch  von  den  Freunden  der  Schuldigen 
bereden,  sie  durch  die  am  Thor  aufgestellten  AVachen 
durchschlüpfen  zu  lassen  und  ihnen  sogar  noch  einen 
Geleitbrief  an  Duccino  d'Armo  in  Lucca  zu  geben.  Die 
Erzählung  des  Chronisten,  den  wir  soviel  als  möglich 
selbst  sprechen  Hessen,  ist  in  ihrer  lebendigen  Darstel- 
lung trefflieh  geeignet,  uns  ein  getreues  Bild  von  dem 
heftigen  Parteienhass  und  der  ungezähmten  Leiden- 
schaftlichkeit der  damaligen  Vloreutiner  zu  .geben. 

Wenn  Donatello 's  Vater  diesmal  der  Strafe  für 
seine  Gewaltthat  entging,  so  fehlte  nicht  viel,  dass  er 
kurz  darauf  eines  schimpflichen  Todes  für  ein  neues 
Verbrechen  gestorben  wäre,  dessen  er  beschuldigt  ward. 
Am  11.  Juni  dessellien  Jahres,  da  der  ebenerzählte 
Aiirfall  in  Pisa  stattgefunden  hatte,  wurde  er  dazu  ver- 
urtheilt,  „am  Schwänze  eines  Esels  zum  Richtplatze 
geschleift  und  dort  enthauptet  zu  werden. SeineHäus er 
und  (iüter  sollten  zerstört,  seine  Söhne  und  Nachkom- 
men auf  ewig  für  Rebellen  erklärt  werden,  . —  weil  er 
von  Florenz  in's  Lager  der  Feinde  geflohen 
sei  und  ihnen  den  Weg  durch  das  florenti- 
nisclie  Gebiet  gezeigt  habe."  Es  steht  diese  An- 
klage mitderThatsacheinZusannnenhang,  dass  bei  dem 
Zuge  des  Carlo  vim  Durazzo  gegen  Johanna  von  Neapel 


220     — 


florentinische  Emigranten  (zu  deren  Partei  ja  aucli 
Donateilo's  Vater  gehörte )  Karl  dazu  beredeten ,  in 
Toscana  einzudringen,  in  der  Hotthung,  dureli  iiin  wie- 
der zur  Herrscliaft  zu  gelangen.  AVie  wir  salien,  wurde 
Fliirenz  nur  durch  den  Widerstand  des  Generals  John 
Hawkwood,  sowie  durch  ein  Lösegeld  von  4o.mio  (iold- 
gulden  gerettet. 

Am  26.  November  dessell)en  Jahres  wurde  jedoch 
der  Process  Niecolö's  einer  neuen  Prüfung  unterzogen 
und  letzterer  für  unschuldig  erklärt.  Sein  Name 
sollte  zur  Entschädigung  für  das  erlittene  l'ngemach 
in  ein  Huch  mit  goldenen  ]Uichstal)en  eingetragen  wer- 
den. Die  gegen  Niccolö  erhobene  Anklage  seheint  dem- 
nach vielleicht  nur  ein  Act  der  Kaehe  von  Seiten  der 
Freunde  des  von  ihm  erschlagenen  Mattco  del  Ricco 
gewesen  zu  sein.  Jedenfalls  zeugt  der  Todtschlag  dieses 
Letzteren  iür  die  Heftigkeit  und  gewaltsame  Gemüths- 
art  des  Niccolö.  Wir  werden  sehen,  ob  verwandte  Seiten 
sich  in  Donateilo's  Charakter  oder  Kunst  auffinden 
hissen. 

Wir  wissen  nicht,  wie  lange  Niccolö  die  eben 
gescliilderten  Schicksale  überlebte,  die  jedenfalls  sein 
Gemüth  ersdiüttern  mussten.  Gewiss  ist,  dass  er  14LÖ 
nicht  mehr  zu  den  Lebenden  gehört,  da  in  diesem  Jahre 
Donatello  in  einem  an  ihn  gestellten  Auftrage  .,Sohn 
des  weiland  Niccolö-  genannt  wird. 

Dagegen  blieb  die  Mutter  Donateilo's,  Madonna 
Orsa,  ihm  bis  in  sein  reiferes  Mannesalter  eine  treue 
Lei)ensgefährtin;  noch  im  Jahre  J427  finden  wir  sie, 
allerdings  als  siijähviges  ]\lütterlein,in  einer Veiiiiiiii-eiis- 
anzeige  genannt.  Da  sie  nun  in  einer  ähnlichen  l  rkunde 
des  Jahres  1430  schon  nicht  mehr  angeführt  wird,  so 
ist  es  fast  gewiss,  dass  sie  zwischen  diesen  beiden  Jah- 
ren starb.  Sic  und  ihre  Tochter  Tita,  welclie  fünf  Jahre 
aller  als  Donatello  war  und  früh  Witwe  mit  einem  Sohn 
Guglielmo  blieli,  ersetzten  dem  Künstler,  welcher  nie 
verheiratet  war,  die  liebende  Sorgfalt  einer  Gattin. 

Was  endlich  Donateilo's  l'.rüder  betrifft,  so  erfah- 
ren wir  schon  aus  dem  Wortlaute  der  oben  angeführten 
Verurtlieilung,  dass  er  deren  mehrere  haben  musste. 
Ferner  scheint  Donatello  einer  der  jüngsten  gewesen  zu 
sein,  da  er  zur  Welt  kam,  als  seine  Mutter  bereits  vier- 
zig Jahre  alt  war.  In  der  Tliat  glauben  wir  einen  älteren 
IJrnder  Donateilo's  bezeichnen  zu  können,  da  wir  wis- 
sen, dass  im  Jahre  l.'üi.'i  ein  gewisser  Andrea  di 
Niccolö  di  I5et t i  .Milglied  der  Domverwaltuug  war. 
Ausserdem  führt  Vasari  einen  gewissen  Simone 
als  l'irudcr  Donateilo's  an,  der  gleichfalls  IJildhauer 
gewesen  sei.  Aber  der  .Alangel  jedei'  zuverlässigen 
rrkntide  über  ihn  macht  es  wahrscliciidieh,  dass  er  nie 
gelebt  halte  und  dass  der  von  \'asari  genannte  Simone 
einer  von  den  verschiedenen  Steinlianern  gleichen 
Namens  gewesen  s(!i,  die  urkundlich  nachgewiesen 
werden  können  und  alle  mehr  oder  weniger  unterDona- 
tellu's  Linlliiss  standen.  Doch  liievon  später  mehr. 

Dligleicii  nun  Donateilo's  Vater  ein  entseiiiedencr 
Anhänger  der  albizzischen  Partei  und  audi  nicht  nnbe- 
glltert  gewesen  war  (ila  mehrere  Jläiiser  und  Besitzun- 
gen von  ihm  zerstört  werden  .sollten),  so  hätte  Donatello 
iiacli  Vasari  seine  Krzieliung  dennocii  duri'li  eine  Familie 
der  (!cgen]iarfei  genossen,  nändich  die  Martelli,  die 
'ZU  den  nächsten  Freunden  der  Mcdici  gehörten.  Viel- 
leicht dass  Niccojö's  Vermöf,'en  durch  die  ihm  erfahrene 
l'nbill   zerrüttet  wortien   und  dass   seine  Verfolger  am 


Sohne  wieder  gut  machen  wollten,  was  sie  am  A'ater 
verbrochen.  Es  scheint  wenigstens  kaum  glaublich, 
dass  auch  diese  Behauptung  Vasari's  und  seiner  Nach- 
reder vollständig  aus  der  Luft  gegrift'en  sein  sollte,  so 
sehr  sie  auch  in  den  Einzelheiten  berichtigt  werden 
muss.  Denn  niemals  konnte,  wie  Vasari  angibt,  der 
Freund  Cosimo's,  Kuberto  Alartelli,  des  jungen 
Donatello  Gönner  gewesen  sein,  da  dieser  gerade  zwan- 
zig Jahre  älter  als  jener  war.  Vielleicht,  dass  Vasari  den 
eben  genannten  liuberto  mit  dessen  Urgrossenkel  glei- 
chen Namens  verwe<-hselte,  welcher  zwisciien  den  Jahren 
|.")4o  bis  l'-ilo  siebenmal  das  Amt  eines  Priors  der 
Zünfte  bekleidete. 

Wenn  nun  aber  auch  die  ganze  Geschichte  von 
Donatellos  Frziehung  im  Hause  der  Martelli  eine  von 
'den  vielen  Fabeln  sein  sollte,  die  Vasari  uns  auftischt, 
wahr  bleibt  immerhin,  dass  Donatello  wenigstens  als 
fertiger  Künstler  warme  Gönner  an  den  Martelli  fand, 
und  zwar  gerade  an  dem  Kuberto,  der  Cosimo's 
Freund  war  und  also  leicht  auch  dessen  Kunstliebe 
theilen  mochte.  Datiir  siiricht  deutlicher  als  das  sicherste 
geschriebene  Document  die  Anzahl  von  Meisterwerken 
Donateilo's,  ndt  denen  zum  Theil  noch  heutigen  Tages 
das  Haus  der  Familie  Martelli  angefüllt  ist.  Allerdings 
scheint  es  wahrscheinlicher,  dass  Donatello  sich  dafür 
ordentlich  hat  bezahlen  lassen,  als  dass  er  sie,  wie 
Vasari  angibt,  aus  Dankbarkeit  für  ehemals  genossene 
Wohlthaten  dem  Ruberto  geschenkt  habe.  Nicht  unmög- 
lich ist  denn  auch  die  Verfügung,  welche  Ruberto  testa- 
mentarisch gemacht  haben  soll,  dass  keiner  seiner  Nach- 
komnien,  bei  Strafe  schweri-n  N'erlustes  an  Land  zu 
(iunsten  der  Stadt,  eine  Statue  des  S.  Giovanni  des 
Donatello  veräussern  dürfe. 

Wir  lassen  dahingestellt,  wo  Donatello  zuerst  den 
Anstoss  zu  seinem  begeisterten  Studium  der  .\nfike 
empfing;  ol)  in  der  Perührung  mit  seinen  angeblichen 
(iönnern,  die  jedenfalls  auch  der  Mode  huldigten,  Iür 
das  classischc  Alterthum  zu  schwärmen,  oder  auch  blos 
in  (k'r  Werkstätte  des  Handwerkers  tind  Kfinst- 
1er  s.  Denn  niclil  blos  (!elelirle  und  Gebildete,  auch  ilie 
Künstler  uml  Kunsthamlwerker  fühlten  sich  an  der 
Scheide  der  beiden  Jahrhunderte  mit  mächtigem  Antrieb 
zur  -Vntike  hingedrängt;  wie  jene  in  den  Scdu'iftstelleni 
die  lOleganz,  sowie  die  l'reii^  v(n"iirtlieilslose  Gesinnung, 
so  begannen  diese  in  den  Kunstwerken  die  Natur- 
wahrheit, dii'  he  it  e  re  AI  enschl  ichkei  t,  sowie 
die  l'oini  en  seil  ön  he  it  zu  sehätzen  und  zu  lieben. 

Felier  Donateilo's  Lehrer  in  der  Kunst  werden  uns 
verschiedene  Angaben  gemacht,  l'.inmal  heisst  er  Schü- 
ler des  (ioldsehmiedcs  Cione,  worunter  also  Ghiberti's 
Vater  versfanden  werden  muss.  Vasari  nennt  ihn  wie- 
ilei  Schüler  des  Malers  und  Architekten  Lorenzo  di 
liicci.  ISeides  schcjint  uns  möglich  und  wahrscheinlich, 
umsoinehr  als  ja  Donatello  später  in  der  Tliat  ebenso- 
W(dil  als  (öddsclimied,  wie  als  Maler  und  Architekt  aul- 
frat.  Endlich  müssen  wir  vor  allem  entschieden  betonen, 
was  allerdings  in  keiner  Nachricht  zu  fiiulen  ist,  was 
sich  aber  am  deutlichsten  diircli  ein  Studium  der  Kunst- 
werke selbst,  sowie  dui'ch  Zeitumstänile  ei'gii)t  ,  dass 
nämlich  Domitello  vor  allem  der  Schüler  (unes  Niccolö 
von  .\rezzo  war  und  von  dessen  Styl  am  meisten  an- 
rialim,  soweit  er  llberhaupt  sich  an  Vorgänger  anlehnte, 
lihe  wir  jedoch  das  A'erhältniss  Donateilo's  zu  dit^sem 
und  seinen  anderen  Lehrern  näher  betrachtiii,  erachten 


227 


■wir  es  für  nötliiij,  einen  Rückblick  auf  die  historische 
Eiitwickelinii,".  vor/.iigiicli  der  Kunstfäclicr  zu  fluni,  in 
welchen  Donatcllo  sich  betliätigteoder  zu  denen  er  dncli 
in  15eziehun£:  stand. 


V.   Kunst  gesell  iclitliclie   Vorbediniiungen   zu 
Dona  tcllo's  Wirk  en. 

E  i  n  I  e  i  t  u  n  g. 

Ehe  wir  Donatello's  Stellung  in  der  Geschichte  der 
Kunst  zu  schildern  unternehmen  können,  scheint  es  uns 
nötldg,  einen   Kücklilick  auf  die  Zeit  vor  seinem  Auf- 
treten zu  werfen,  um  zu  untersuchen,  wie  weit  ihm  sdion 
vorgearbeitet   worden,    oder   welche    Hindernisse   und 
Gegensätze  der  Überlieferung  er  als  Neuerer  zu  über- 
winden hatte.  Denn  es  i.'<t  ,sell)stvcrst;indlich,  dass  auch 
er,  trotz  seiner  eixichemaclienden  Stcihnii;-,  doch  nicht 
blos  an  einzelne  herausgerissene;  Jlomente  längst  ver- 
.gangener  Zeiten  anknüpfte,  sondern  an  dcngcsammten 
Verlauf  und  das  Resultat  aller  künstlerischen  Thätigkcit 
sich  anscidoss ,  die  bis  zu  dem  Zeitpunkt  vor  sich  ge- 
gangen, da  er  auftrat.  Nicht  nur  werden  technische 
Handgriffe  und  technisches  Können  unter  be- 
ständigen leisen  Moditicationen  ,  Verbesserungen  oder 
Verschlechterungen  .von  Generation  zu  Generation  ver- 
erbt, dasselbe  geschieht  auch  in  Bezug  auf  die  Art  des 
k ü  n  s  1 1  e  r  i  s  c  h  e  n  S  c  h  a  f  f  e  n  s ,  die  A  u  f  f  a  s  s  u  n  g ,  den 
Styl.  Das  griisste  Genie  wird  nimmer  aus  nichts  etwas 
schatten,  vielmehr  dient  ihm  als  Stoft',  als  Tlion,  den  er 
knetet,   alles  was  vor  ihm  geschaften  und  ihm  l)ckannt 
ist.  Und  was  zunächst  vor  ihm  entstand,  ist  ihm  am 
ehesten  bekannt,    und  dessen  Eintluss  kann  er,  auch 
wenn  er  möchte,  sieli  nicht  entziehen.  Das  Geheininiss 
des  Fortsciirittes,  selbst  der  neuen  Erfindung  oder  Ent- 
deckung besteht  darin  ,  dass  ein  künftiger  productivcr 
Geist  aus  der  Summe  des  schon  vorhandenen  eine  neue 
Conibination  erzielt,   aus   der  Gesammtbcit   des  schon 
Geleisteten  das  Resultat  einer  neuen  Idee  herausschält. 
Auch  Donatcllo  konnte  also  die  antike  Kunst  zunächst 
jedenfalls  nur  mit  den  technischen  Mitteln  reproduciren 
die  ihm  idierliefert  waren,  oder  die    er,   mit  Hilfe  des 
Überlieferten,  durch  Analogien  und  Schlüsse  aus  den 
antiken  Kunstwerken  zu  errathen  vermochte.  Ausserdem 
konnte  er  die  Antike  nur  mit  dem  durch  tausend  Um- 
stände bestimmten  Auge  und  Geschmack  seiner  Zeit 
ansehen.  Ja,  wäre  er,  ganz  frei  von  solchen  Einflüssen 
in  seinem  Geiste   ein  reiner  Grieche  oder  Römer  des 
Altertliums  gewesen;  selbst  die  unabhängigste  Kunst- 
schöpfung hängt  doch  immer  von  Sitten,  Gewohnheiten, 
Bedürfnissen,  Forderungen  der  Zeit  und  des  Ortes  ab, 
wo  sie  entstellt. 

Ehe  wir  daher  unternehmen,  das  Leben  und 
AVirken  Donatello's  zu  schildern  ,  wollen  wir  zuerst 
untersuchen,  welches  in  Bezug  auf  die  von  ihm  geübten 
Kunstfächer  die  technischen  Vorbedingen  waren,  die 
sich  seit  dem  Untergange  des  Alterthuins  bis  zu  seinem 
Auftreten  erhalten,  modificirt  oder  enlwiekelt  hatten, 
sowie  in  wieweit  das  Mittelalter  den  antiken  Formen 
treu  blieb  oder  von  ihnen  abwich.  Denn  nur  nach  der 
Feststellung  dieses  Verhältnisses  kann  nachgewiesen 
werden,  welche  Stellung  er  direct  der  Antike  gegen- 
über einnahm,  und  wie  viel  er  derselben  direct  ent- 
lehnte. 


Die  verschiedenen  t  e  c  li  n  i  s  c  h  e  n  Verfahren,  deren 
sich  später  Donatcllo  liei  seiner  Kunst  bediente,  wurden 
im  Mittelalter  verziiglich  von  den  \erschiedenen  Klein- 
künsten fnrtgeptlaiizt .  welche  übcrliau])t  zur  Zeit  des 
grössten  N'ertalls  die  monumentale  Kunst  überwucher- 
ten und  theilweise  verdrängten,  jedenfalls  einer  sorg- 
fältigeren rflege  genossen.  Es  gehörte  mit  zur  Barbarei 
des  Mittelalrers  ,  ilass  an  Stelle  feineren  plastisclien 
Schmucks  und  schlichter  edler  Wandmalerei  buntschini- 
mernde  Mosaik  und  übermässiger  Luxus  an  goldenem 
und  silbernen  Schmuck  und  Geräth  trat.  Diese  prun- 
kende Ausstellung  der  vorzugsweisen  Künststücke  des 
Mittelalters,  der  Kirchen,  war  tlieils  eine  Erbschaft  der 
asiatisch-verweichlichteii ,  römischen  Kaiserzeit,  tlieils 
ein  Ausflussder  iiriesterlichen  Eitelkeit,  tlieils  eine  Äus- 
serung des  kindischen  Geschmacks  barbarischer  oder 
gesunkener  Völker. 

Desshalb  fiel  denn  auch  im  Mittelalter  nahezu  die 
gesarnmte  Metallotechnik  der  Zunft  der  (!old- 
schmiede  anheini,  wurde  von  ihnen  ausgeübt  und  er- 
fuhr stylistisch  ihren  Eintluss.  Fernerfand  ein  in  das  Ge- 
biet der  Malerei  hinübergreifender  Abzweig  der  Ste- 
reotomie,  die  musivische  Kunst  und  die  daraus 
hervorgegangene  Glasmalerei  im  Mittelalter  eine  be- 
sondere Pflege  und  wurde  auch  von  Donatcllo  vielfach 
zu  seinen  Zwecken  verwendet.  Andere  Zweige  der  Ste- 
reotomie,"die  gleichfalls  den  Kleinkünsten  zugehören, 
wie  (lennnenschneiilereien,  wurden  zwar  im  Mittelalter 
nur  wenig  geübt;  dennoch  werden  wir  aber  auch  üljer 
deren  Geschichte  einige  Notizen  geben,  da  Donatcllo 
gerade  in  diesem  Felde  als  mächtiger  Neuerer  auftrat. 
Es  würde  zu  weit  führen,  wenn  wir  auch  die  orna- 
mentale decorative  und  figürliche  Steinsculi)tur  des 
Mittelalters  von  der  rein  technischen  Seite  abgesondert 
betrachten  wollten.  Vielmehr  wollen  wir  in  ihrer  Ent- 
wickelung  mehr  die  stylistische  Seite  hervorheben, 
d.  h.  die  Art  und  AVeise,  wie  die  antiken  Formen  darin 
erhalten  oder  beseitigt  wurden.  Anderseits  werden  wir 
uns  bei  der  Anführung  der  verschiedenen  Techniken 
der  Kleinkünste  der  Stylschilderungen  enthalten,  einmal 
weil  wir  es  hier  meist  nur  mit  geschichtlichen  Notizen 
über  verloren  gegangene  AVerke  zu  thun  haben,  sodann 
weil  die  AA'erke  der  Kleinkünste  im  allgemeinen  doch 
den  Styl  der  monumentalen  Kunst  befolgten,  den  wir 
später  schildern  werden. 

Endlieh  werden  wir  auch  einige  kurze  Andeutungen 
über  die  stylistische  Entwickehing  der  Malerei  bis  zu 
Donatello's  Auftreten  zu  gelien  haben,  da  auch  sie  nicht 
(dine  Einfluss  auf  ihn,  wie  er  auf  sie,  blieb. 

Und  zwar  werden  wir  mit  einem  geschichtlichen 
Überblick  der  verschiedenen  Techniken  der  Gold- 
schmiedkunst respective  Metalltechnik  in  der  fol- 
genden Darstellung  beginnen  ,  vun  dieser  auf  jene 
Techniken  der  Stereotomie  übergehen,  die  im  Mittel- 
alter hauptsächlich  Pflege  fanden ,  und  endlich  die 
stylistische  Entwickelung  der  decorativen  Architektur, 
der  figürlichen  Sculptur,  sowie  der  Malerei  in  kurzem 
darstellen.  Diesen  (iang  verfcdgen  wir  einmal,  weil  die 
Kleinkünste  im  Mittelalter  grossen  Einfluss  auf  den 
Styl  der  monumentalen  Kunst  übten  ,  ferner  um  bei 
der  Behandlung  dieser  uns  weitere  technische  Be- 
sprechungen zu  ers])aren,  endlich  weil  auch  Donatcllo 
selbst  von  den  Kleinkünsten  aus  seine  Laufbahn  be- 
o^nn.  (Fortsetzung  folgt.) 


Die  Siearel  der  steierischen  Abteien  nnd  Conventc  des  Mittelalters. 

Von  Dr.  Arnold  Luschin. 


(Mit  5  IloUschnitten.) 


Nachstehender  Versuch  verdankt  seine  Entstehung; 
einer  von  Herrn  Dr. Lind  g-egehcnen  Anregung-  zur  üe- 
nrbeitung  der  steirisehen  Conventsiegel.  So  elu'cnvdll 
mir  diese  Autforderung  war,  so  liätte  idi  dennoch  dor- 
.selben  naciizul^onunen  niclit  gewagt,  wenn  mir  nicht  in 
Sava'sArbeit  über  die  mittehiltcrlichen  Siegel  der  Ab- 
teien und  Iicgularstifte  Niederösterreichs  (.Jaiirb.  d.  k. 
Centraieoinniissidii  f.  l'audcnkm.  lil.  IP.^) — l'^s)  ein  trcrt'- 
liches  Vorbild,  und  im  Irkundcnscliat/e  des  steicrmiir- 
kis<']ien  Landes-Arcliivs  ein  reichiialtiges  und  geordnetes 
Materiale  geboten  gewesen  wäre.  Nicht  zu  vergessen 
endlich  der  ^fitwirkung  des  Herrn  Aug.  Ziegel  li  a  n  e  r, 
dessen  geschickter  Hand  die  meisten  Zeichnungen  der 
hier  veröttentlicliten  Siegel  angeliören. 

Das  Klosterwesen  hatte  in  der  Steiermark  seit  dem 
Beginne  des  XI.  .Jahrhunderts  festen  Boden  gefasst.  Der 
fälschlich  so  genannte  r,rl)vei'trag zwischen  dem  steieri- 
schen und  östcrreiciiischcn  Herzoge  vom  17.  August 
lllSi)  zählt  die  liencdictincr-Kliister  Admont  und  St. 
Lanibrecht,  die  C'horherrenstifte  Seckau  und  Vorau,  das 
Cistcrcienserstift  Eeun,  die  Karthause  Seiz  und  das 
Spital  am  Scmnieriug  als  Orte  auf,  welchen  dii'  ]\liniste- 
riaien  (iiilcr  zuwenden  knnulcn  (ilme  weitere  liewilligung 
des  Herzogs  zu  bedürfen.  Das  11 40  vom  Edlen  Dicjxdd  von 
Kager  errichtete  Benedictinerstift  Obernburg  in  Unter- 
steiermark und  das  der  gleichen  Regel  folgende  älteste 
Kloster  des  Eandes,  die  Nonnenabtei  (Üiss.  sind  in  dieser 
Aufzählung  übergangen,  mögen  indessen  trotzdem  An- 
theil  an  jenen  öOO  Hüben  gehabt  haben,  welche  der  sieche 
Hcizog  (Jttokar  auf  seinem  Todtenbette  unter  Kirchen 
und  Klöster  vertheilte.  Alle  diese  Stifte  waren  übrigens 
gleich  einigen  siiätcren,  wie  der  Kartlianse  Oeiracli,  der 
Cisterze  zu  Neuberg  oder  dem  Eraiicnkloster  zu  Stude- 
niz  von  Kirchen-  oder  f^aienfürstcn,  oder  mindestens 
durch  ^Mitglieder  des  vollfreieii  Adels  gegründet.  Seit 
dem  Beginn  des  XIH.  .Jahrhunderts  trat  aber  auch  d<r 
Ministerialen- Adel  nnd  im  XIV.  .lalirliundert  sogar  der 
BUrgerstand  in  die  Beihc  der  Stifter.  So  ist  Friedrich 
von  Pettau  (vor  1222)  der  Erbauer  der  Commende  zum 
Gross-Sontag,  Ecutohl  von  Wildon  jener  des  (,'horherreii- 
stiftcs  Stainz.  Zu  gleicher  Zeit  macht  sich  der  Um- 
schwung geltend,  welchen  die  ( Gründung  der  Bettidordcn 
hervorrief.  Bald  waren  sie  auch  in  der  Steiermark  liei- 
miseii,  zumal  da  sie  den  l'mstinv,  ibr  IJegicrung  des 
Iiölimischeii  Otakar  und  den  .antritt  der  Herrschaff 
durch  di('  Habsburger  zu  ihrem  Vorthcil  zu  benutzen 
verstanden  >).  So  kam  es,  dass  die  Mehrzahl  der  fronmien 
(rriindungen  seit  dcr.Miffe  des  Xlll..lalirliiui(lerts  Kloster 
ihres  Ordens  betraf  und  dass  allmälig  die  DniiiinjcMmr 
über  Convcnfe  zu  l'ettau  (12.'!(l),  Orätz,  Leoiieu,  Neu- 
kloster nnd  über  Schwesfersfifte  zu  (Irätz,   Marenlicig 

'  I>lo  <■  ntln.  I'rm  dicalorum  (.Min.  flcrm.  S».  IX.  7.10)  l>crlrlilt'i 
riilim(-nil,  die  «>5trrreiclilBclien  Adelig«-!!  »den  von  0(akiir  niicliigedeiik  ficr 
geletaielen  ärhwür<i  und  Oeiieln  ahgeffilleii  „prnptor  Inrnrrniitionoin  l*rnedli-o- 
lorum  cl  ^nnonim  o(  »Mnium  clcrlrnrum;  fjiit  toUrnics  aiictorlinic  papao  « l 
*'PI»criporiifn  miiiJNtRrlallliiifl  nt  nniniliu.«  rpgl  Utidolfo  adfsio  vok•n(^lU^  Iiirn« 
inciilonim  xclera  ii.  «.  w —  Wie  dnnkii.ir  »Ich  lEinlolf  ci'vlot,  kann  man  ad*  Jiod- 
mann  Codei  eplstol.  S.  K.'i,   Nr.  XVI.,  fijrt.  ciolicn. 


und  Studeinz,  die  ^linoriten  und  Franciscaner  über 
Klöster  zu  Brück  a.  d.  Mm;  Cilli,  Friedan,  Grätz,  I^anko- 
viz,  Marburg  und  l'ettau  verfügten.  Clarisserinen  waren 
zu  .ludenburg,  Augustiner  gal)  es  ebendaselb.st  und  auch 
zu  Fürstenfeld,  Carmeliter  zu  Voitsberg.  Vereinzelte 
Nachzügler,  die  trotz  kaiserlicher  Stiftung  oder  Bestä- 
tigung fast  beständig  mit  Exisfenzsorgen  zu  kämpfen 
hatten,  waren  die  C'horherrenstifte  liiitenuiann  (^1-104) 
und  l'idlau  (^1482).  Mit  ihnen  erhidit  sich  die  Zahl  der 
Ordenshäuser  in  Steiermark  während  des  Mittelalters, 
selbst  wenn  nniii  von  den  Conunenden  der  Kitterorden 
absieht,  auf  etliche  .'i(>,  wie  aus  der  unten  angefü.gten 
Tatielle  I.  hervorgeht. 

Die  lletbrmation  erschütterte  in  der  Steiermark 
das  Klosterwesen  nicht  wenig.  Manche  Convente  schienen 
damals  dem  Untergange  geweiht  zu  sein,  andere  wie 
die  Augustiner  zu  Judenburg  erlagen  ihr  wirklich.  Dies 
änderte  sieh,  als  die  Gegenreformation  dureligefühit 
wurde.  In  rasidier  F(dge  begannen  Ansiedlungeu  von 
Jesuiten,  ('ai)uzinern,  Augustinern,  Bartüssern,  Pauli- 
nern, von  Coelestinerinnen,  Carmelitcr-Nonnen  u.  a.  m., 
so  dass  im  Jahre  1  TT.!  die  (Jesannntzahl  der  bestehenden 
Ordenshäuser  über  TD  betrug.  Von  diesen  kamen  aller- 
dings durch  die  KlosteraufhebungunterKaiser  Joseph  II. 
;»2,  mehrere  andere  noch  später  unter  Leopold  II.  und 
Franz  II.  in  Wegfall,  allein  Neugründungen  besonders 
von  Fiaueidslö^tern,  wie  s(d(die  in  den  letzten  zwanzig- 


I. 


I!ene- 

Ooniini- 

dictiiier 

caiier 

.Jahriiuii-t.i't 

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XV. 

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*)  Frauonconvcni  Im  Stifto  Sccknii. 

♦«)  Cilll. 

11. J 

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229     — 


Jahren  öfters  erfolg-teu,  erhöhten  die  Zalil  wieder  auf 
31  Männer-  und  2o  Fraueuconvente.  Mit  Heu  iit/inif;-  der 
von  J.  Cäsar  im  2.  Bande  seiner  „Besciireibiinj-  des 
Herzogthnnis  Steiermark"  (S.  529  if.)  gegebenen  Ueber- 
sicht  für  das  Jahr  1773,  sowie  der  Schematismen  von 
187o  für  die  Seekauer-  und  Lavanter  Diöcese  gewinnt 
man  die  unten  angefügte  Tabelle  II.  der  Veränderungen 
im  Stande  der  steirischen  Klöster  während  des  letzten 
Jahrhunderts : 

II. 


N  a  m  ü    it  e  s    O  r  il  e  n  s 

17 

73 

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Klöster 

Augustiner,  reg.  Chorherren     .    . 

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„           Eiemiten  (de  Larga)  . 

1 

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—   1 

- 

„           Barfüsser 

2 

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liarmlierzigc  Brüder 

1 

- 

- 

— 

-1-  1 

— 

„           Schwestern  (TnchtiT 

der  Christi.  Liebe   des  h-  Yin- 

cenz  V.  Paul) 

- 

- 

- 

'.}^ 

- 

-1-  0 

Barmherzige  vom  ii.  Kriuz  .    .    . 

- 

- 

- 

1 

- 

+  1 

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Elisabethinerinen 

1 

_ 

1 

— 

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Fraut  n  vom  guten  Hirten  .        .    . 

— 

1 

— 

-1-  1 

„         «hl.  Herzen  Jesu      .    . 

— 

— 

— 

1 

— 

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Jesuiten-Collegien 

4 

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- 

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—  1 

- 

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Karthäu-ser 

1 

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Lazzari.^tc-n 

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Ligourianer 

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Marienbriider 

— 

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1 

- 

+  1 

— 

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Pauliner 

Piaristen 

1 

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—  1 

- 

Schulschwestern  vom  3.  Orden  des 

hl.  Franz 

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Schulschwestern     von      Unserer 

Frau 

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4-   1 

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—  1 

Ursulinerinen 

Gesaniiiitzahl  .    . 

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—   17 

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Ich. 

*•)  -J   HaupiklÖster  mit  .^   Filin 

l.-n. 

• 

II 

XVIII. 


V\g.   1. 

I.  Adinoitt. 

(Benedictini'r- Abtei.) 

(Adamunta,   Ademunt,   Agmundensis  congregatio,  Age- 

munt.)  Stiftsheilige:  h.  Maria  und  h.  Blasius. 

Gregor  Fuchs  :  kurzgefasste  Geschichte  des  Bene- 
dictiner-Stiftes  Admont.  Graz  1858.  52  S.  Marian-Wendt 
Austria  Sacra  VI,  5'.».  Muchar  Gesch.  d.  Steiermark. 

Die  fromme  Gräfin  Hemma ,  Witwe  des  Grafen 
Wilhehn  von  Zeltschach,  ihrer  Kinder  durch  gewaltsamen 
Tod  beraubt,  w'andte  die  reichen  Besitzungen  ihres 
Hauses  kirchlichen  Zwecken  zu,  erbaute  ein  Doppel- 
kloster zu  Gurk,  und  übergab  um  1042  die  ausgedehnten 
Besitzungen  im  Ens-  und  Paltenthale  dem  Erzbischofe 
Balduin  von  Salzburg  zur  Gründung  eines  Klosters.  Die 
Ausführung  dieses  fiomuien  Willens  besorgte,  jedoch 
erst  ein  Mcnscheualter  später,  der  an  die  übernommene 
Verbindlichkeit  seines  Vorgängers  gciiiahnte  Erzbischof 
Gebhard.  Am  28.  September  1074  erfolgte  die  Ein- 
weihung und  Eröffnung  des  neuen  Stiftes,  in  welches 
Abt  Arnold  und  12  Conventualen  aus  dem  Kloster 
St.  Peter  zu  Salzburg  einzogen.  Rasch  mehrte  sich  der 
schon  ursprünglich  reiche  Besitz,  wie  namentlich  die  bis 
in  das  XII.  Jahrhundert  zurückreichenden  SaalbUcher 
erweisen. 

Seit  welcher  Zeit  das  Stift  ein  eigenes  Siegel  führte 
ist  leider  nicht  mehr  genau  zu  ermitteln,  da  die  ältesten 
Urkunden  nur  abschriftlich  überliefert  sind  ,  und 
das  Archiv  durch  den  Brand  von  1866,  ausser  den 
Originalen  der  Traditions-Codiees,  auch  an  seinem  Ur- 
kundenschatze einbüsste.  Glücklicherweise  hat  sich  ein 
vom  früheren  Archivar  P.  Urban  Ecker  im  Jahre  1832 
vcrfasster  Aufsatz  über  die  Stifts-  und  Abte-Siegel 
erhalten,  welchen  mir  dessen  würdiger  Nachfolger  P. 
Jacob  Wichner  nebst  andern  Materialien  mit  grösster 
Bereitwilligkeit  zur  Verfügung  stellte.  Demnach  kannte 
man  selbst  vor  dem  Brande  von  1866  keine  älteren 
Siegelformen  als  jene  noch  erhaltenen,  welche  an  Ur- 
kunden seit  Abt  Rudolph  (1189 — 1199)  vorkommen, 
und  zwar: 

a)  Abtcsiegel. 

t  R\DOLIA'S   DGI    GRAIIIA   .\ßB.\S  ADAWXTENSIS. 

Lapidarschrift  zwischen    glatten   Linien   auf  schüssei- 
förmig erhöhtem  Rande  >.    Im  Siegelfelde  der  sitzende 

1  Der  llolzsctiiiitt  liat  leider  diese  Eig''i»thiimHchkeit^  welche  bei  Siegeln 
des  XIT.  Jaliiliunderts  öfrers  vorkommt  (z.  U.  Sava  a.  a.  O.  S.  2J0,  Nr.  20  fiir 
Reicht  rsber;;  .  .  .)  unberücksichtigt  gelassen. 

30 


TAU     — 


Abt  mit  Kninunstalp  und  iiucli  Gnisse  49  Millimeter. 
iFig.  1.) 

Erhalten  hat  sich  dies  S:e,i;-el  und  zwar  in  F((rui 
einer  spiiraj;istisclienMcrk\vürdi,i;keit  an  einer  den  Jaiiieii 
1195 — 1197  angehfirenden  Urkunde  des  Stittsarehivs, 
welche  einen  Veri;leich  nnt  Herrand  von  Wildon  betrilft. 
lu  einem  an  dicker  Hant'schnur  hängenden  farblosen 
Waclisklumpen  von  G4  .Alillinieter  Durchmesser  und 
27  Millimeter  Dicke  erscheinen  die  verkehrt  aufge- 
setzten Siegelstempel  des  Abts  und  des  Wildoners  (ab- 
gebildet Mitth.  der  k.  Ceutr.-Com.  1872.  «.  CCXII.,Nr.2) 
nach  Art  eines  Münzsiegels  eingeprägt.  Bemerkt  zu 
werden  verdient  noch,  dass  die  Urkunde,  nach  den  vor- 
handenen Einschnitten  zuurtheileii,  ursprünglich  für  zwei 
an  Pergameutstreifen  hängende  Siegel  lierechnet  war. 

Einer  andern  Urkunde  vom  J.  1191  ist  der  Gyps- 
abguss  desselben  Siegels  entnommen,  welchen  das  k.  k. 
geh.  Haus-, Hof-  und  Staats-Archiv  zu  Wien  in  der  s.  g. 
Smitmerschen  Samndung  (0.  :')2(i)  iiesitzt. 

Der  Ty[)üH  derAdmonter  Äbtesiegel  blieb,  die  Zu- 
gabe der  Intel  und  (seit  der  Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts) 
erst  des  Stiits-  dann  auch  des  Fainilienwajjpens  abge- 
rechnet, bis  in  die  Tage  des  ]5(j,s  resignirten  Abts 
Valentin  unverändert.  Mit  Abt  Johann  IV.  (1581  — l(il4) 
verschwand  dersell)e,  und  wurde  durch  zwei  Schilde 
mit  dem  Stifts-  und  Familienwappen  ersetzt,  ober  wel- 
chen ein  Eiigelskopf  erscheint.  Statt  des  letzteren  wurde 
H'tlb  die  Intel  zwischen  zwei  Pastoralstäben  angebracht 
und  die  Umschrift  „N.  D  (ei)  G  (ratia)  Abbas  Admou- 
tensis"  beibehalten.  So  blieb  es  bis  zum  Jahre  1832. 

b)  Conventsiegel. 
Kräftige  Lapidarschrift  zwischen  einfachen  Linien: 
.s|(-;iI,L\-.\\.  CON\'ENT\'S  ADM\'\Ti;\SIS.  (Fig.  2.) 

Die  heil.  Maria  mit  Krone  und  Lilicnsccpter  und 
der  heil.  Blasius  in  i'oniilical-Kleidnng  mit  Knimmsfal) 
und  Buch  unter  zwei  von  romanischen  Säulen  getragenen 
Gewölben,  welche  mit  den  Namen:  8.  MARJA  S.  BLA- 
SI\'8  bezeichnet  sind.  Oberhalb  der  Bögen  die  Vorder- 
Ansicht  eines  romanischen  Münsters  mitkrenzgeschmück- 
icni  Giebel  und  zwei  breiten  Seileiilhürmen.  Neben  dem 
Giebel  zwei  kreuzförmige  Rosetten.  Gr.  72  Mm. 


.-^''^"^o, 


l'iK.    2. 


Dieses  Siegel,  welches  bei  besserer  Ausführung 
seiner  ganzen  Anlage  nach  sehr  an  das  \on  Sava  (a.a. 
0.  S.  239  Nr.'  KJ)  verötfentlichte  Siegel  des  Klosters 
Molk  aus  dem  XIIl.  Jahrhundert  erinnert,  befand  sieh 
nach  P.  Urban's  Berieht  an  einem  nicht  mehr  vor- 
handenen Documente  vom  Jahre  1198;  erhalten  hat  es 
sich  an  mehreren  bis  an  das  Ende  des  Xlll.  Jain-hunderts 
reichenilen  Urkunden,  und  zwar  durchaus  in  farblosen 
Wachse. 

Nr.  3.   Lapidai-  zwischen  Pcrllinieii : 

S-I6IIJAA\.GO\VENT\'S  .  «  «CCLKSIIE  .  ADMOXTEX- 

SIS—*  (Fig.  .■').)  Auf  giilhisclier  Console  dei'  heil.  Blasius 
in  liischofskleidung  mit  dem  l'alliiiin,  Pabne  und  Krunnn- 
stab  in  den  Händen  und  die  heil.  Maria,  das  si)ielende 
Kind  auf  dem  linken  Arme.  Zwei  gofliisehe  von  einem 
kreuzgeselnnückten  Tliürmchen  überragte  Giebel  füllen 
(las  Siegelfelil  oberhalb  der  Figuren,  nt'ben  welchen  die 
Namen  *S.  BUAS1\'S'-  iiml  .  8.  MARIA,  als  innere  In- 
schrift angebracht  sind.  Den  leeren  Haum  zu  beiden 
Seiten  des  'IMiiirnichens,  und  oberhalb  des  Heiligen- 
scheines d(!r  (jotlesmiitter  füllt  je  eine  kreuzförmige 
Rosette,  und  aus  der  Console  s])riesst  zwischen  beiden 
Figuren  ein  IJlunu'uzweig  emjxir.  Spitzoval  K8  und 
t)3  Millimeter  im  Durchmesser. 

In  (lebrauch  kam  dieses  Siegel  um  das  Jahr  1300 
(z.  B.  Urk.  181  I "  des  steir.  B.  Archivs  vom  Jahre  l.'ili'i) 
und  es  lindel  sicii  seitdem  in  fai'bloseni  odei'  giiineni 
\\'aelise  iiis  in  di(^  zweite  Hälfte  des  X\1.  .lahrhunderts. 

Diesel g(  iMnntiiSmidtmerischeSarmnlungbcsitzteinen 

sc  harte  II  ( 1  y|isabg-iiss,  (O,  riS2)  Von  einem  14.'')4  geferliiiteii 
Abdniek.  Zu  Zeilen  AblJnliannlV. wurde  dasSlillswappen 
inil  einem  Engelskopfe  darüber  und  mit  der  I  inschrilt: 
„Sigillum  con\cntiis  Adnioiitensis''  in  das  Kloster- 
Siegel  aufgenommen,  und  dieses,  wie  es  scheint  bis  in 
die  neueste  Zeil,  feslirehalteii. 


—     231     — 


Die  .Stempel  der  älteren  Siegel  sind  verloren 
gegangen. 

Das  vorerwähnte  Wappen  des  Stifts  besteht  aus 
einem  rotliweissen  der  Länge  nach  gctheiiten  Schilde 
mit  Rauten  in  abwechselnden  Tincturcn.  Es  erscheint 
schon  auf  den  Siegeln  des  Abts  Albert  II.  (i;3(;i  — i;5.S4) 
und  noch  früher  auf  den  Siegeln  der  Admonter  Richter. 

2.  Adnioiit. 

(Fiiuieukloster.) 

Im  Jahre  1120  durch  Abt  Wolfold  unter  Beihilfe 
des  Erzbischofs  Conrad  I.  von  Salzburg  gegründet.  Es 
genoss  im  XII.  Jahrhundert  eines  bedeutenden  Rufes  als 
weibliche  Erziehungsanstalt,  gerieth  jedoch  allmählig 
in  Verfall  und  erfuhr  1563  völlige  Autiösuiig. 

Siegel  der  Vorsteherin  und  des  Convcnts  haben 
sich  nur  an  einem  vom  4.  December  1327  datirenden 
Originale  des  Stiftsarchivs  erhalten,  welches  einen 
durch  Vermittelung  des  B.  Gerold  von  Gurk  hinsicht- 
lich der  täglichen  Weinportion  zwischen  den  beiden 
Admonter  Klöstern  verabredeten  Vergleich  betrift't. 

Nr.  5.  XIV.  Lapidar  zwischen  einfachen  Linien : 

t  O  FIA  R(E6)INA  MISÄR-ÖRd  .  MAT  .  KATHARINA 

plumpes  Bild  der  heil.  Maria.  Spitzoval.  03  und  38  Milli- 
meter Durchmesser,  rohe  Arbeit. 

Nr.  5.  XIV.  Lapidar  zwischen  vier  glatten  und  zwei 
Perlenlinien  : 

t  A6N\'S  DGCI  <Xy\  TOLLIS  P  (Fig.  4).  Das  Oster- 
lamm  mit  der  Fahne  nach  rechts  '  gekehrt.  Grösse 
3U  Mm.  farbloses  Wachs. 


3.  Brück  au  der  Mur. 

(Minoriten,  Stiftsheiliger  h.  Maria.) 

Austria  sacra  VL  132.  Muchar  VL  139,  248,  27!». 
Göth  Toi)ogrnphie  von  Steiermark  I.  2,  S.  392  flf. 

Die  Stiftung  dieses  Klosters  fällt  in  das  XIIL  Jahr- 
hundert, dadie  „fratresin  Prvka"  bereits  in  dem  um  1280 
abgefassten  Testamente  eines  gewissen  Waltherus  dictus 
Dens  mit  einem  Legate  bedacht   werden  s. 

Nach  einer  1597  im  Innern  der  Kirche  angebrach- 
ten Inschrift  wurde  das  Gotteshaus  1301  vom  Grafenlllrich 
von  Jlontfort  ?)  an  seiner  gegenwärtigen  Stätte  erbaut, 
und  nach  seiner  Lage  am  Zusammcnflnsse  der  März 
lind  Mar  „s.  Maria  auf  der  Insel",  und  weil  es  anfänglich 
vom  Walde  umgeben  war  auch  „Maria  im  Walde" 
genannt.  Durch  Schenkungen,  welche  diesem  Kloster 
namentlich   letztwillig  zugewandt   wurden  (z.  B.   1329 


'  Rechts  inid  links  im  heraldischen  Sinne  gennmmcn,  als"  dein  Standpunkte 
d»'s  Beschauers  gerade  enigegengeaetzl. 

=  I>er  wesentliche  Inhalt  dieser  ungedruckten  Urkunde,  deren  .Abschrift 
im  steir.  L.  .V.  Nr.  116:2  abschriftlich  erli<  gt,  ist:  In  Tiomine  sancte  et  inrli- 
nidue  trinitaiis  amen.  F.gn  Waltherus  dictus  Dens  Nene  conipos  inentis  mee 
feci  testamenlum  meum.  quod  ah  amicis  volo  firmiter  et  lideliter  nt.seruari. 
IVimo  leg«)  fra'ribus  Minoribus  in  Judenburcli  quatunr  tnillearios  ferri  a|>u*l 
scnlarein.  Item  fratribus  in  Prvka  vnum  millearium.  Item  fratribus  in  (iraetz 
duo  inillearios.  Item  fratribus  im  Marchpurga  unum  millearium.  Item  fratri- 
'bus  in  Petouia  unum  millearium,  item  fratril>us  Prnedicatoribus  in  Krisaen  dun 
millearios.  Item  monacbis  in  Uuinn  duo  millearios  .  .  .  Hujus  te?tamenri 
executores  siiit  Gfeijardus  de  Judenburch  et  dominus  llermannus  de  .leheniia 
et  Scolaris  de  Pruka. 


Fif?.  i- 


Fi-,  ö. 


durch  die  Königin  Elisabeth,  1338  durch  die  Äbtissin 
Keitha  von  Göss,  1356  durch  Ulrich  von  Wallsee) 
gelangte  esallmälig  zu  einem  gewissen  Wohlstande  und 
es  war  ihm  unter  Anderm  die  ganze  sogenannte  Gräzer- 
gasse  unterthan.  Zur  Zeit  der  Reformation  gerieth  es 
indessen  in  Verfall.  1537  Samstag  nach  Kreuzerhöliung 
(September)  musste  der  Convent  „zu  mergklicher  not- 
(Uirft  vnsers  closters,  mit  vorwissen  vnd  willen  vnsers 
prouincials  bruder  Sigmunden  Gärtner  vnd  vnd  annderr 
vaeter"  eine  Besitzung  zu  Pischk  an  Sixt  Schintlegger 
verkaufen.  Kurz  darauf  scheinen  die  Mönche  das 
Kloster  ganz  verlassen  zu  haben,  da  die  schon  erwähnte 
Inschrift  besagt,  die  durch  40  Jahre  verödete  Kirche 
sei  im  Jahre  1578  durch  die  Grafen  von  Montfort 
wieder  hergestellt  worden.  Der  Convent  scheint  erst 
1597  neu  eingerichtet  worden  zu  sein,  doch  war  die 
Blüthezeit  des  Klosters  damals  schon  vorbei.  1807  wurde 
dasselbe  von  der  Regierung  aufgehoben,  die  Kirche 
jedoch  auf  Bitten  der  Bürgerschaft  belassen.  Im  Jahre 
1841  diente  sie  als  Garnisonskirche. 

Die  Siegel  sowohl  des  Guardians  als  des  Convents 
stammen  aus  dem  XIIL  Jahrhundert,  wurdeu  jedoch  bis 
in  «las  XVI.  Jahrhundert  gebraucht. 

6.  Lapidarschrift  zwischen  schwach  angedeuteten 
Perllinien:  t  SIGILIA'AV-GARD-I.WI  DE  PR\KKA. 

Der  sitzende  Weltheiland  rechts  segnend,  in  der 
Linken  ein  Buch.  Spitzoval.  Durchmesser  4(i  und  .Jd 
Millimeter. 

7.  Lapidar  zwischen  zwei  Perllinien: 

t  SIGIL.FRVa[.ö:INO-R\".\\. DH .BR\(.GA 

(Fig.  5.)  Im  Siegelfelde  die  Aufopferung  Jesu  im 
Tempel,  im  Abschnitte  ein  kniender  Minoriten-Mönch. 
Spitzoval.  Durchmesser  44  und  26  Millim. 

Erhalten  haben  sich  diese  Siesrel  in  rothem  Wachs 
und  unvollständig  an  einem  von  „Bruder  Johann  zu  den 
zaiten  cardian  des  chlosters  dacz  den  minnern  liriiedern 
ze  Prukke"  und  dem  Convente  dem  Hauptmanne  der 
Steiermarkulrich  vonWallsee  im  J.  1356  ausgestellten  Ge- 
genbriefe (St.  LA.  Nr.  2626),  ferner  in  vortretflicheni  Zn- 
slande und  grünem  Wachse  an  ein  jiaar  rrkiinden  aus 
der  ersten  Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts,  u.  A.  an  der 
oben  citirten  von  1537.  Die  Smidtmerische  Snmmlung 
besitzt  einen  stumiifen  Abguss  nach  einem  Griginalc 
von  1295  (f).  350) 

■.w 


232 


4.  Cilli. 

(Miuoriten.) 

Austria  Sacra  VI.  303.  Caesar  Bcsclir.  d.  H.  St. 
II.  586. 

Das  Kkister  soll  1241  von  den  ,, Grafen  von  Cilli  so 
liier  ihre  Begräbnisse  haben-'  gestiftet  worden  sein.  In 
der  That  aber  findet  sieh  ein  urkundliches  Zeugniss 
erst  in  einem  am  4.  Juli  1348  vom  Patriarehen  Bertrand 
von  Aqnileja  an  den  B.  Ulrich  von  Gurk  erlassenem 
Schreiben,  in  welchem  diesem  die  Einweihung  der  vom 
Grafen  Friedrich,  im  Kloster  der  Blindem  Brüder  von 
Cilli,  zu  Ehren  aller  Heiligen  neuerbauten  und  bewid- 
meten  Kirche  (capclla)  übertragen  wird  (Notizenbl.  d. 
k.  Akad.  VIII,  4(j()).  Erwägt  man,  dass  Jenes  Testament 


des  Walter  Zahn,  welches  5  Minoritenconvente  in  Steier- 
mark und  die  Prediger  zu  Friesach  bedenkt,  von  den 
Cillier-Minoriten  keine  Erwähnung  macht,  dass  die 
Freien  von  Sanneck  'erst  nach  dein  lAussterben  der 
Heunburger  in  den  Besitz  von  Cilli  kamen;,  und  erst 
1341  von  diesem  Orte  den  Grafentitel  erhielten,  dass 
endlich  1348  die  Capelle^jdes  Klosters  als  neugebaut 
bezeichnet  wird,  so  liegt  wohl  der  Schluss  nahe,  dass  die 
Stiftung  nicht  1241,  sondern  etwa  hundert  Jahre  später, 
1341  erfolgt  sei. 

Das  Kloster  überdauerte  zwar  die  Josephinische 
Periode,  wurde  jedoch  seither  (jedenfalls  vor  1847)  auf- 
gchol)en.   Conventsiegel  aus  dem  Mittelalter  sind  nicht 


bekannt  geworden. 


(Fortsetzung-  folgt.) 


Die   Kunst  des   Mittelalters  in  Böhmen. 

Von  Bernhard  Grueber. 

Fortsctzuni;' 


(,MiI  :>0  Holzschnitten.) 


Dif    Malteser- Stift  skirchcn    /.»    Prag    u  ii  d 
Strakoii  ic. 

Der  ritterliche  Orden  der  Jtdianniter,  welcher  nach 
dem  Untergänge  des  christlichen  Königreichs  Jerusalem 
erst  nach  Cypern  und  Khodus,  späterhin  aber  nach 
Malta  übersiedelte  und  alsdann  den  Namen  Malteser- 
orden annalim  ,  wurde  im  Jahre  llöii  durch  Herzog 
Madislav  H.  in  Böhmen  eingefiilirt  und  gelangte  in 
kurzer  Zeit  zu  ausgedehnten  Besitzungen.  \'ladislav 
nberliess  der  entstehenden  Commeii  le  1158  eine  grosse 
auf  dem  linken  Mdldauufer  zu  Prag  gelegene  l>austelle, 
wo  heute  noch  das  Malteserstifr  mit  einer  dazugehöri- 
gen Marienkirche  bestellt. 

Diese  Kirche  ist  die  älteste,  welche  im  Prager 
l'.urgHecken  unterhalb  des  llradschin  (der  heutigen 
Kleinseite)  genannt  wird ,  sie  dürlfe  bei  Gründung  der 


Fi  r.  Ti 


ll'niff.; 


Fi-.  7H. 


Commende  schon  vorhanden  gewesen  und  derselben 
überlassen  worden  sein.  Die  Malteserkirclie  liegt 
grösstentlieils  in  Kninen  und  ist  durch  angebaute  Häu- 
ser so  versteckt,  dass  sie  von  Fremden  gewöhnlich 
übersehen ,  von  Einheimischen  nur  selten  besucht  wird. 
Gegenwärtig  bestehen  von  der  einst  grossartigeu  Kirche 
nur  das  Presbyterium  und,  von  diesem  abgelegen,  die 
Reste  von  zwei  quadratischen  Tliünnen  mit  einer  da- 
zwischenliegenden unscheinbaren  Portike.  Eintretend 
durch  das  Portal  gelangt  man  in  einen  Hl)  Euss  langen, 
42Fuss  breiten,  mit  Bäumen  bepflanzten  HofVaum,  das 
ehemalige  Kirchenschiff  oder  Langhaus.  \'on  den  Hussi- 
teii  am  !».  Mai  1420  niedergebrannt  und  im  Jahre  l.'")l)3 
nochmals  durch  ein  zul'älliges  Br.indunglück  zerstört, 
wurde  das  Schiff  nach  diesen  Unglücksfällen  nicht 
wieder  in  den  alten  Stand  \ersetzt,  sondern  man  hat 
die  Kuinen  beseitigt,  den  Platz  abgeebnet  uiiil  dann  als 
Friedhof  benützt.  Rechts  nuil  links  greiten  Wohnhäuser 
in  diesen  Hof  herein,  an  den  Thürmen  gewahrt  man  die 
Wirkungen  der  furchtbaren  Feuersi)riiiHte,  auch  h.abcn 
sich  hier  einige  sorgi'ällig  ausgeführte  «Gliederungen 
und  Ornamente  erhalten.  Aus  diesen  Resten  wird  er- 
sichtlich, dass  das  Kirchenschilf  ein  si)ätercr  gegen  1300 
ausgcfülirler  Zubau  war,  während  das  Presbyterium 
sich  zum  Theile  noch  in  den  ursprünglichen  Linien  bewc^gt, 
aliergegen  1200  erneuert  und  umgewandelt  worden  ist. 
Um  diese  Zeit  wurde  nändich  die  ausserhalb  des 
Burgfleckeus  liegende  und  deshalb  mit  besontU'rn 
\\'ällen  und  Graben  unizogcnc  Marienkirche  in  die 
allui'ineine  Stadtbefestiginig  {■inbe/.ogen  und  bei  dieser 
(ielegeniieit  scheint  die  Ei'neUerung  stallgerunden  zu 
ballen.  Das  noch  bcstcdiende  l'resiiyterium  ist  drei- 
schiifig  und  durch  allerlei  aus  dem  vorigen  .lahrhiindert 
herrtihrende  zoidige  Einschaltungen  zu  einer  selbstän- 
digen Kireiu'  eingerichtet  worden:  auf  jeder  .Seile  stehen 
drei  <iMa(lratisclie  Pfeiler,  von  denen  die  beiden  hinter- 
sten eiiK!  Orgel-Empore  tragen.  Es  scheint,  das  dieses 
Gebäude  in  seiner  gegtüiwärtigeii  Ausdehnung  den 
ganzen  iirs])rllngliclicii  Kirchenbestanil  repräsentirt.  Die 
als  Chor  dienende  Partie    ist   10  Fiiss     dit;   rlickwärtigc 


23;i 


5(iFuss  lang,  die  Gesamtntln-oite  betrügt  (50  Fuss,  das 
Mittelsdiiif  ist  im  Lichten  von  rteiler  zu  Pfeiler  24  Fuss 
weit;  Masse,  welche  genauest  mit  der.Strahover-Kirche 
iibereinstiinnicn. 

Die  Wölbungen  d^-r  Seitonscliitle  sind  noch  roma- 
nisch, der  ursprünglich  liMlbriindeChor-.Sclduss  iiisst  sich 
erkennen,  ist  aber  durch  Anfügung  von  Strebepfeilern 
in  einen  polygonalen  umgebildet  worden.  Die  Fenster 
sind  spitzbogig,  schmal  und  ohne  Jlasswerke,  wie  sie 
um  die  Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts  in  Böhmen  ge- 
bräuchlich waren,  ebenso  zeigen  die  Strebepfeiler  die 
grösstc  Einfachheit.  Das  durch  die  Feuersbrünste  allem 
Anscheine  nach  wenig  beschädigte  Innere  wurde  zwar 
in  schwerfälligem  Eococo-St3l  mit  angeblendeten  Pila- 
stern  und  Schnörkeleien  überdeckt;  doch  ist  das  hin- 
terste über  der  Empore  betindliche  Gewölbjocii  unbe- 
rührt geblieben  und  gehört  dem  Restaurations-Bau  von 
1:^50  an.  Die  Wölbungen  werden  durch  einfache  Kund- 
stäbe gegliedert  und  von  spitzbogigen  Gurten  unter- 
stützt. Einfache  kelchartige  Gonsolen  und  schlanke 
Knäufe,  in  Abbildungen  beigeschaltet,  dienen  als  Gurt- 
iräger,  andere  charakteristische  alte  Theile  kommen 
nicht  vor  (Fig.  77  u.  78,  Gurtträger  über  der  Orgel- 
Empore). 

Ungleich  reicher  tritt  der  Übergangs-Styl  in  der 
Convents-Kirche  Strakonie  auf,  obwohl  auch  diese 
mancherlei  Unbilden  erfahren  hat.  Die  Burg  Strakonie 
(Strakonicc)  wurde  bereits  im  ersten  Bande  bespro- 
chen ,  wo  auch  des  Malteser  -  Conventes  gedacht 
wurde ,  welchen  Bavor  I.,  genannt  Bavarus,  im  Jahre 
1243  gegründet  hat.  Die  dem  heiligen  Prokop  gewid- 
mete Kirche  soll  um  diese  Zeit  schon  vorhanden  gewesen 
sein,  wahrscheinlich  als  Schloss-Capelle,  wie  der  eigen- 
thümliche  zwischen  Choi'  und  Sehiti'  sieh  erhebende 
Thurm  erkennen  lässt.  Dieser  Tlmrm  zeigt  theils  roma- 
nische theils  Übergangs-Formen;  der  aus  dem  DreiecJv 
gezogene  Chor-Schluss  aber  ist  spät-gothisch.  Das  ein- 
schitfige  Langhaus  wurde  in  Folge  eines  Brandes  im 
XVIII.  Jain-hundert  erneuert,  enthält  aber  noch  einzelne 
im  Übergang-Styl  gehaltene  Überreste,  in  welchem  Style 
auch  das  wohlerhaltene  Atrium  durchgeführt  ist.  An 
dieses  Atrium,  welches  hier  auch  die  Stelle  des  Kreuz- 
ganges zu  vertreten  hatte,  stösst  an  der  Westseite  noch 
ein  Capitel-Saal,  die  S.  Georgs-Capelle  an ,  im  Innern 
verunstaltet,  an  der  Aussenseite  noch  ziemlich  erhalten. 
Der  Eingang  in  den  Capitel-Saal  ist  in  dem  beigefügten 


Grundrisse  mit  a  bezeichnet,    die  südlich  an  die  Kirche 
sich  anreihenden  Couvent-Gebäude  mit  />. 

Wenn  die  Anlage  dieser  Kirche  auch  niclit  ganz 
einheitlich  erscheint,  ist  zu  beachten,  dass  die  Grund- 
gestalt doch  nicht  wesentlich  verändert  werden 
konnte,  weil  das  Gebäude  auf  einer  langgezogenen 
schmalen  Felsenklippe  steht,  folglich  die  Form  durch 
die  Natur  bedingt  war.  In  ihrer  Gesammterseheinuni;- 
gehört  die  S.  Prokops-Kirche  zu  den  eigeuthümlichsten 
Denkmalen  Böhmens,  gleich  ausgezeiclmet  durch  das 
Atrium  wie  den  spitzwinkligen  Chor  Schluss.  Der  aus  dem 
Dreieck  gezogene  Abschluss  kommt  äusserst  selten  vor 
und  findet  sieh  in  klarer  Durchbildung  nur  noch  an  der 
Friedhoi'skirche  zu  Laun,  einem  verniuthlieh  durch  Mei- 
ster Benes  nach  1500  ausgeführten  Bau.  Der  Chor  zu 
Strakonie  ist   etwas  älter  und  nach  angebrachten  .Jahr- 


iäSSiWffP«? 


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Fig.  7!'.    (.Strako  i:c.) 


234 


Fig-.  fS2. 


11    % 
PI»    III 

l'iy.  ^l.     (.Sirakiiiiic.) 


Fig.  SS. 


zahlen  um    1490  volleinlet,   niüiilicli   in 
Form  wiederliergestellt  worden. 

Bei  weitem  als  die  interessanteste  Partie  der  weit- 
läufigen Scliloss-  und  KirciienViaulifJikeiten  erscheint  das 
Atriinn,  eine  aitcinistiiciie  Annrdnuiig,  welche  in  jener 
Zeit,  als  die  Convent-Kircbe  erlniut  wurde,  nicht  mehr 
üblich  war  und  wahrscheinlich  nur  von  den  Ordensrittern 
beibehalten  wurde.  Nach  vorliegenden  Zeichnungen  war 
auch  die  in  Ruinen  liegende,  180'.t  erbaute  Jolianniter- 
kirclie  anriÜmdusnut  einem  Atrium  versehen.  üieMasse 
sind  besclieiden  ;  das  Presbyterium  sammt  Chor-Schluss 
hält  bei  einer  Länge  von  50  Fuss  die  Breite  von  21  Fuss 
ein,  das  Schiff  ist  30  Fuss  breit  und  5«  Fuss  lang.  Das 
.\triuni  niisst  in  der  Längenausdehnuiig  ,54,  in  der  Quere 
5.1  Fuss,  und  ist  durchaus  mit  Wandgemälden  ausge- 
stattet. Die  Bilder  umziehen  in  horizontalen  Streifen  den 
ganzen  Umgang,  wobei  bald  zwei,  bald  drei  Gemälde 
übereinander  angebracht  sind  und  die  Figuren  halbe 
Lebensgiiisse  einlialten.  Die  .Malereien  gehören  gröss- 
teiitlieils  ilcr  Kegierungszeit  des  Kaisers  Karl  IV.  an 
und  werden  in  dem  betreffenden  Abschnitte  ausluhrlicii 
besprochen. 

Die  Strakonicer  Kirche  wird  erklärt  durcli : 
Fig.  79,     Onmdriss    der    Kirclu'     sanimi    Atrium, 
Fig.    80,  Eingang  in    den    Capitel.saal,  Fig.  Hl,    Profil 
desselben,  Fig.  82,  X'6,  84,  Capital  aus  dem  Atrium. 

Literatur.  Das  sehr  reiche  Archiv  des  M.'dteserstiftes 
in  Prag.  —  Toniek,  Gescliichte  von  I'iag.  —  Schiillcr, 
Beschreibung  der  Stadt  Prag.  Dessen  Topographie  von 
Böhmen.  —  P.  Millauer,  I'.öhmens  Denkmale  der  Tem- 
pelherrn  —  Wocel,  Beisebcricht,  virötl'cntlicht  im  .Jahr- 


Vilf.  Hl.    (.Stnikoiiic.) 


gang  1859  der  Mittheiiiingen  der  k.  k.  Central-Commis- 
sion  d.  B.  —  Schiesiiiger's  und  Palacky's  geschicht- 
liche Werke. —  Urkunde  des  Bavarus  von  Strakonic  im 
Rathhause  zu  Strakonic. 


Die  Stiftskirche  S.  Peter  am  Zderaz  in  Prag. 

In  enger  Verbindung  mit  dem  Johanniterordeii 
standen  die  Brüder  vom  (^rabe  Gottes,  deren  Orden 
ebenfalls  aus  Jerusalem  stanmit.  Kojata  und  ^'sebor 
aus  dem  berühmten  Geschlechte  der  Herrn  HiVj^vinmost 
(Brüx),  welche  sich  später  von  Riesenburg  nannten,  grün- 
deten auf  der  Anhöhe  Zderaz,  wo  schon  von  Alters  her 
eine  S.  Peterskirehe  bestand,  eine  Probstei  regulirter 
(horherrn  oder  Kreuzherrn,  genannt  Beschützer  des 
heiligen  Grabes,  und  statletendieseibe  aufs  reichste 
aus.  Kojata,  welcher  kinderlos  starl),  vermachte  dem 
Kloster  im  Jahre  1227  die  Stadt  Brüx  mit  allem  Zube- 
hör, dann  die  Orte  Rudig,  Kopist,  Janniy  und  noch  viele 
(üifci-,  so  dass  dieses  Siitt  in  kurzer  Zeit  zu  ansseror- 
dentlicliem  Reichthum  gelangte. 

Die  nach  einem  sehr  grossartigen  Plane  angelegte 
.'Stiftskirche  wurde  langsam  der  Vollendung  zugeführt 
und  erst  ]27(i  durch  den  liischof  .loliann  111.  von  Dra- 
zic  eingeweiht.  Der  Reiclillnim  des  Stiftes,  die  grosse 
Anzahl  der  daselbst  befindlichen  Ordensmitglieder,  \iel- 
leiclit  auch  die  isolirte  Lage  des  Klosters  verursachten, 
dass  dasselbe  bald  nach  dem  Ausbruche  der  hiissitischen 
liii-ülien  von  dem  aufgcnviegelten  l'öbel  überfallen,  ge- 
plündert und  niedergehi'annt  wurde.  Die  Kirche,  jeden 
falls  eines  der  kunstreichsten  und  erhabensten  Bau 
denkmale  Böhmens,  verblieb  in  ruinenbaftem  Zustand 
bis  1722,  in  welchem  Jahre  die  noch  vorhandenen  Über- 
reste abgetragen  wurden,  um  einem  ganz  neuen,  durcli 
Kilian  Dinzenhofer  ausgeführten  Kirclieidtan  Platz  zu 
machen. 

Wenn  auf  diese  Weise  das  Bauwerk  spurlos  ver- 
schwunden ist,  sind  doch  einige  (freilich  sehr  mangil 
halte)  Zeichnungen  der  Aussenseiten  auf  uns  gekommen, 
welche  die  ehemalige  Herrlichkeit  wenigstens  eriathen 
lassen.  Eine  dieser  mich  dem  sclmn  ruinösen  Kirchen 
bestand  gcmaclitcn  Abbildungen  wird  in  Schall  cr'sBe- 
Hchreil ^^  der  Stadt  i'rag  (IV.  I'.and,  Seile  1  12)  mitge- 


2Xi 


wclclic    mit    i'iiiij;-('ii    jccrechtfertif^ten    Vcrbes- 


tlicilt 

scniiigeii  liier  bL'i^a^tligt  wird. 

Dieser  iiöclist  imgeiiü^endeii,  ;il)er  Jedeiitalls  iiacli 
der  Natur  iiiifgeiioiniiieneu  Zeiciiiinnj;'  ziitoige  stand  an 
der  Nordwestseitc  ein  gritsscr,  abrr  iiiciit  liolier  iscdirter 
oder  weit  vorgebauter  (ilockeiitiiurin,  au  welelien  sieh 
ein  seldaiikes,  aus  drei  Jochen  bestellendes  Mittelsehitt' 
und  niedrige  Nebensehiffe  anleimten.  Entlang  des  Mit- 
leisehitles  war  das  Dach  niaskirt  durch  aufstrebende 
(üebel  ,  deren  jeder  einem  (lewölbjoche  entsuraeli, 
/.wischen  den  (lielieln  ragten  Strebepl'eilcr  in  iler  Form 
achteckiger  Thürnieheu  empor.  Oberhalb  der  Seitcn- 
schitt'e  zogen  Oratorien  hin,  vielleicht  für  Frauen,  da 
mit  dem  Stifte  auch  eine  besondere  Abtheilung  für 
Nonnen  vom  heiligen  Orabe  verl)undeu  gewesen  sein 
soll.  Auch  stand  dem  Zderazer  Kloster  die  Aufsicht  über 
das  Nonnenkloster  .Schwatz  bei  Teplic,  welches  mit 
regulirten  (  horfrauen  vom  heil.  (4rabe  besetzt  war,  seit 
1278  zu. 

Das  Presbvteriiim  war  niedriger  als  das  Haupt- 
schitl',  an  der  Linie  des  Triami)hbogeus  scheint  ein 
doitpeltes  Querschirt"  oder  eiue  seltsam  geformte  Capelle 
aus  der  Masse  des  Gebäudes  vorgetreten  zu  sein.  Ein 
Mehreres  lässt  sich  aus  dem  mangelhaften  Materiale 
niciit  entnehmen. 

Fig.  85.  Copie  einer  alten  Abbildung  der  Zderazer 
Kirche. 


Die    C'isterc  i  ense  r- S  tiftskirche   Poniuk. 

Ponmk ,   gegenwärtig    kurzweg   Kldster   genannt, 
wurde  unter  Herzog   v'ladislav  II.   im  Jahre   115o   ^-e- 


gründet  und  durch  Miinchc  aus  dem  fränkischen  Kloster 
Ebrach  bevölkert.  Nach  den  noch  vorhandenen,  sehr 
bedeutenden  liuinen  dürfte  die  Stiftung  entweder 
vom  Herzoge  selb.st  oder  einem  Angehörigen  seiner 
Familie  ausgegangen  sein.  Das  Kloster  wurde  ]42n 
ilurch  Zizka  zerstört  und  nicht  wieder  aufgebaut;  inner- 
halb (lerStittsgebäude  hat  sich  ein  Dorf  angesiedelt,  wo- 
l)ei  die  Kirche  als  Steinbruch  dienen  mnsste  ,  weshalb 
man  beinahe  an  jedem  Hause  Reste  alter  Steinmetz- 
arbeiten ündet. 

Es  stehen  noch  viele  Bruchstücke  von  Mauern  auf- 
recht, woraus  zu  entnehmen,  dass  die  Kirche  drei- 
schiffig  und  der  Chor  aus  dem  Achteck  geschlossen  war. 
Die  .\nlage  zeigt  manche  Ähnlichkeit  mit  dem  Agnes- 
Kloster  in  Prag,  auch  soll  in  Pomuk  ein  Doppelkloster 
für  .Mcinche  und  Nonnen  bestanden  haben.  Eine  von 
den  Neben- Capellen  hat  sieh,  jedoch  in  sehr  verzopfter 
Gestalt,  eriialten  und  dient  gegenwärtig  als  Dorfkirche. 
Das  M;ttelschitt'  war  höher  als  die  NebcnscIiiflFe  und  die 
Arcadeii  wurden  ilurcli  Bündelpfeiler  gebildet:  wie 
\iele  Pfeiler  jedoch  in  einer  Keilie  standen  und  welche 
Länge  das  Gebäude  einhielt,  Hesse  sich  nur  durch 
Aufdeckung  der  Grundmauern  ermitteln.  Auf  alle  Fälh; 
gehörte  diese  Kirche  zu  den  grössten  im  Lande  und 
war  ganz  im  Uebergani;s-.Styl  ausgeführt.  Die  Säuleu - 
füsse  zeigen  kleine  Eckblätter,  an  den  Sciiäften  der 
Wandsäulen  gewahrt  man  die  bekannten  Ringe,  die 
Capitäle  sind  schlank  und  kelchförmig  geschwungen. 

Zahllose  Trümmer  von  Gewänden,  Gurten,  Schluss- 
steinen und  Capitälen  liegen  im  Dorfe  und  aut'  dem 
Friedhofe  umher,  auch  bestehen  noch  zwei  kleine,  mit 
Spitzbogen   überwölbte  Eingänge ,   wahrscheinlich    den 


Fig.  85.     (Prag.) 


23<) 


Fig.  86.     (Pomuk.) 

eheiiialij^i-n    Kreuzgänfrcn    angehörend.     Einige    dieser 
Brnclistlicke  finden  sich  hier  aljgebildet: 

Fig;.   86,      Capital    und    Ring   einer   Wandsäule, 
Fig.  87,  Känipfergesimse,   Fig.  88,  Rchlnssstcin. 

Diese  Theilc  liefern  den  vollgültigen  Beweis ,  dass 
der  Kirchenbau  zwisohen  ]2;»0 — 1350  ausgefüln-t  wurde. 
Urkundliche  Nachrichten  über  dieses  Stift  fehlen  bei 
nahe  gänzlich,  so  dass  es  bisher  nicht  gelungen  ist,  den 
Grliiiiicr  mit  Sicherheit  zu  bcstininien.  Dobner  tlieilt 
nicht  mehr  als  das  Grlindungsjahr  mit,  Palacky  und 
Schlesinger   erwähnen    das  Kloster    nur   mit    einigen 


■^  /■^w%zr' 


Worten.  Eine  Beschreibung  der  Ruinen  findet  sich  in 
dem  Reisebericht  des  Conservators  Wocel,  Mittii.  d. 
Centr.  C'onimission  ,  Jahrgang  1859,  Seite  113 — 114. 
Eine  genaue  Untersuchung  dürfte  noch  viel  Inter- 
essantes zu  Tage  fordern,  Hesse  sich  aber  nur  mit  grossen 
Kosten  bewerkstelligen ,  weil  umfassende  Grundgra- 
bungen  vorgenommen  werden  müssten. 

Die  De chantei- Kirche  Maria- Geburt  in  Pisek. 

Der  Sage  nach  wurde  diese  Kirche  von  den  Temp- 
lern gegründet,  doch  fehlen  über  diese  Angabe,  wie  es 
bei  den  meisten  der  deniToniplerorden  zugeschriebenen 
Besitzungen  und  Bauwerken  der  Fall  ist,  urkundliche 
Nachweise.  Allerdings  sprechen  mehrere  Umstände  da- 
für, dass  sowohl  die  Dechantei-Kirche  wie  auch  die  alte 
Burg  zu  Pisek  durch  diesen  Ritterorden  angelegt  wor- 
den seien,  weshalb  die  Sage  trotz  mancher  ausgespro- 
chenen Zweifel  eine  nicht  zu  läugnende  Berechtigung 
hat. 

Pisek  ist  ein  uralter  Ort ,  welcher  vermuthlich 
durch  Otakar  II.  mit  städtischen  Gerechtsamen  begabt 
und  zu  einem  Krongute  erhoben  wurde.  Als  solches 
gelangte  Pisek  in  unbekannter  Zeit  durcli  Verpländung 
an  die  Herren  von  Rosenberg  und  wurde  zwischen  1333 
und  1335  von  Kaiser  Karl,  damals  noch  Markgraf  von 
Mähreu,  wieder  eingelöst.  Bald  nachher  finden  wir  die 
Stadt,  wenigstens  die  dortige  Burg,  wieder  im  Besitz 
der  Roseuberge,  doch  ist  nicht  bekannt,  ob  diese  Herren 
durch  ein  Übereinkommen  mit  der  Krone  oder   unter 


Fig.  87.    (Pi.iuuk. 


n  Fi^'.  1^^-     (Pomuk.) 

andern!  Titel  sich  aufs  neue  festgesetzt  haben.  Dieser 
Umstand  ist  fUr  die  Geschichte  der  Malerei  von  beson- 
derer Wicliligkeit,  indem  die  genannten  Dynasten  in  der 
zweiten  lliiiric  des  XIV.  .lalirinnidcrts  einen  innfassen- 
den  Cyclus  von  Wandgcniäiilcu  in  der  Pisckcr  Burg  und 
wahrscheinlich  aucii  in  der  Kirche  ausführen  Hessen. 

Unter  den  Pfarrkirchen  des  südlichen  Böhmen  nimmt 
die  Maria-Gcliurl-Kirclie  eine  hervorragende  Stelle  ein, 
wenn  sie  auch  in  Wiundichcr  Beziehung  zudcn  kleineren 
Bauwerken  geiiört.  Die  Stadt  wurde  von  vielen  Fngllieks- 
fällen  befrofl'en,  von  denen  keiner  die  Kir(^he  ganz  ver- 
schont zu  haben  scheint.  Sic  trägt  die  Si)uren  wieder- 
hojlcr  Zerstörungen  und  ist  sowohl  im  XV.  wie  XVII. 
Jalirliundcrl  bedeuteiul  unigcäiidert  worden.  Besonders 
unheilvoll  für  Pisek  war  der  30.  Sepfeniljcr  l(;20,  als 
die  Stadt  durch  den  Kurfürsten  im  Sturm  erobert   und 


—     237 


hl  Asc'lie  gck'gt  wurde.  Durch  diesen  IJrand  wurden 
iiii'lit  allein  alle  Dacliunpen ,  sondern  der  nördliche 
'riuirni  und  die  Portale,  wie  auch  die  Fenster  der  Nehen- 
scliittc  gänzlich  zerstört,  so  dass  das  (»ebäude  von  aus- 
sen keinen  cri'reiiliclien  Kindruck  macht. 

Um  so  mehr  wird  man  überrascht ,  das  Innere 
grösstentheils  unversehrt  und  Uberhaui)t  eine  Anlage  zu 
finden,  wie  sie  im  Lande  zum  zweitenmal  nicht  vor- 
kommt. 

Das  Laui^^liaus  ist  dreischiffig  und  an  der  West- 
seite mit  zwei  (iiiadratisclien  'rhürmen  ausgestattet,  von 
denen  der  stidliche  im  l'ünfzehnten  Jahrhundert  umge- 
baut worden  ist,  während  vom  nördlichen  sich  nur  ein 
18  Fuss  ludier  Unterbau  erhalten  hat.  Fünf  viereckige, 
4  Fuss  starke  Pfeiler  auf  jeder  Seite  zerlegen  das  nur 
U)  Fuss  lange  und  48  Fuss  im  Licliten  weite  Kirchon- 
naus  dergestalt,  dass  das  Mittelschift' von  Pfeiler- Achse  zu 
Achse  24  Fuss,  jedes  der  Nebenschiffe  12  Fuss  weit  ist. 
Die  Pasilica  Fiirm  wurde  eingehalten,  das  Mittelschilf 
hält  mit  JjG  Fuss  genau  die  doppelte  Höhe  der  Seiten- 
schitfe  ein. 

Die  Arcaden  sind  mit  Zwischenstellungen  ange- 
ordnet, doch  so,  dass  die  sämmtlichen  Pfeiler  gleiche 
Ciestalt  und  Stärke  einhalten:  jeder  zweite  Pfeiler  wirkt 
als  Ilauptiräger  und  es  entsprechen  innner  einer  Ge- 
wölbeiuiube  des  Mittelschiti'es  zwei  Gewölbe  in  den 
Nebenschififen.  Demgemäss  zeigt  das  Hauptschiff  drei, 
jedes  der  Nebenschiflfe  sechs  quadratische  Kreuzge- 
wölbe ;  eine  aus  dem  romanischen  System  herüberge- 
leitete CoDstructions-Weise,  wie  aus  der  beigeschalteten 
Zeichnung  eines  Joches  zu  entnehmen. 

Das  Presbyterium  tritt  in  gleicher  Weite  mit  dem 
Hauptschiffe  vor  und  wird  mit  einem  aus  fünf  Seiten  des 
Achtecks  gebildeten  Chore  allgeschlossen.  Die  hier  an- 
gebrachten Fenster  sind  noch  die  ursprünglichen,  hoch 
und  schmal ,  dabei  ohne  Mittelstäbe  oder  Masswerk, 
die  Höhe  beträgt  14  Fuss,  die  lichte  Weite  1  Fuss.  Am 
nördlichen  Seitenschiffe  besteht  noch  ein  ziemlich  wohl 


(Plsek.) 


Fig.  1)1.) 


Fig.  SD.     (l'i,rk., 

conservirtes  Portal,  welches  durch  seine  Dcta'lirung 
mancherlei  Aufschlüsse  über  die  in  der  Gegend  vorkom- 
menden gleichzeitigen  Bauwerke  gibt.  Namentlicii  sind 
die  Postamente  der  angeblendeten  Säulen  bemcrkens- 
werth,  welche  in  dieser  Form  nur  in  Klingenberg,  Po- 
muk  und  den  beiden  Piseker  Denkmalen, derKirclie und 
Burg,  vorkommen.  Eine  Zeichnung  ist  unter  Fig.  iU 
beigefügt. 

Aus  den  Hauptpfeilern  des  Mittelschiffes  treten 
in  der  Kämpferhöhe  Lesenen  vor,  aus  denen  sich  die 
(4ewölberippen  entwickeln.  Alle  Gesimse,  Haujitgurten 
und  ]!i}ipen  zeigen  eine  für  den  kleinen  Eanm  etwas 
iiberkräftige,  aber  mit  richtigem  Sinn  angeordnete  Pro- 
filirung. 

Die  leider  sehr  verstümmelte  und  ruinöse  West- 
fronte ist  mit  einem  nur  in  den  allgemeinen  Linien  er- 
haltenen spitzbogigen  Portal  und  einem  ähnlich  geform- 
ten darüber  stehenden  Fenster  decorirt.  In  dem  das 
Portal  umziehenden  Eahmengesimse  sind  mehrere  dem 
Anschein  nach  von  einem  andern  Ort  hieher  versetzte 
Relief-Bilder  und  auch  das  Stadtwaiijien  von  Pisek  ein- 
gefügt, welches  letztere  aus  einem  offenen  Stadtthore 
und  einem  Halbmond  mit  gegenüberstehendem  Stern 
besteht  und  als  Zeichen  der  Templer  gedeutet  wird.  Die- 
selbe Gegenüberstellung  von  Halbmond  und  Stern  er- 
blickt man  auch  an  einein  altertliüniliciien,  an  der  Nord- 
seite eingemauerten  Grabstein.  Wir  werden  diese  in 
flachem  Kelicf  gehaltenen  Darstellungen  in  dem  Ab- 
schnitte über  Sculptur  eingehend  beprechen,  eben  so 
mehrere  im  Fensterbogen  befindlicbe  Darstellnngen, 
welche  trotz  vorherrschender  Derbheit  nicht  ohne  künst- 
lerisches Gefühl  behandelt  sind. 

Die  Ausführung  dieser  Bildwerke  steht  im  engsten 
Zusammenhang  mit  einer  zu  Klingenberg  im  Thürsturz 
der  Ca))elle  befindlichen  Votiv-Darstellung  und  es  ist  mit 
Sicherheit  anzunehmen,  dass  dieselben  Steinmetzi'ii 
hier  wie  dort  und  auch  zu  Pomuk  thiitig  waren.  Das 
Bau-Materiale  ist  granitisches  Gestein,  feinere  Arbeiten 
sind  theils  aus  Leptinit,  theils  aus  Prager  Mergelstein 
hergestellt.Fig.  89,  Partie  vom  Längenschnitt  mit  Detai- 
lirungen  in  Fig.  DU,  Fig.  Dl  Säulenüiss  am  Nord-Portal. 

31 


238     — 


Fig.  02.     (l'riotlial.) 


\un  ciiieni  im  Jalire  1280  durch  die  Henii  von 
Kcstfan  gegTiiiuU'ti'ii  Doininicaiier-Kloster  haben  sich 
keine  künstleri.'ich  benierken.swerthen  Koste  erhalten, 
dafregen  bestehen  noch  einige  Überbleibsel  der  alten 
Stadtthore  und  Mauern,  vor  allen  aber  der  berühmte 
Jiittersaal  in  der  alten  Piseker  Burg,  welche  Denkmale 
in  dem  f'aj)itel  iil)er  I',urgenbauten  beschrieben  werden. 
Auch  besitzt  Pisek  angeblich  eine  im  XIII.  Jahrhundert 
erbaute  .steinerne  Pirüeke  über  die  Votava. 


Kinsebiffige   Pfarrkirche    zu    Priethal,    Sel- 
can,    Milicin  und  Markt -Hohen  fürt. 

Diese  vier  wohlerhaltenen  Kirchen,  von  denen  die 
rrstere  bei  Krumau,  die  beiden  folgenden  in  der  Nähe 
v(in  Tabor  und  die  letztgenannte  in  dem  Flecken  (nun 
Markt;  llohenfurt  liegen,  verdanken  ihre  Entstehung  den 
Herrn  von  Kosenbcrg,  deren  Wappen  an  allen  diesen 
Hauten  mehrmals  angebracht  ist.  Die  Bauzeit  fällt  offen- 
bar um  einige  Jahre  später,  als  die  Gründung  des  Klo- 
sters Holicnfiirt.  Damals  tx'gann  das  (Jeschlecht  Posen- 
berg mächtig  in  den  \drdergrund  zu  treten  und  eine 
Stellung  einzunehmen ,  welche  nur  zu  liiintig  mit  den 
I.andesfürsten  rivalisirle. 

l'nter  den  .Adelsfamilien  Böhmens  zeichneten  sich 
die  Posenln'rge  \<im  ersten  Auftreten  an  his  zu  ihrem 
KrÜiscben  durch  Kunstliebe  aus,  sie  \erdunkelten  durch 


ihren  Glanz  nicht  selten  die  Regenten  und  verstanden 
es  in  hidiem  (irade  ,  von  ihren  Reichthümern  wünb- 
vollen  (iebrauch  zu  machen.  An  ihrem  glänzenden  Hofe 
waren  Maler,  Illuminatoren,  ]>ildhauer  und  IJaumeister 
beschäftigt,  hicr.wurde  die  edle  Gesangeskunst  geptlcgt 
und  fand  überliaupt  ein  für  jene  Zeit  geistig  angeregtes 
Leben  statt.  Der  Anlage  des  schon  geschilderten  Klosters 
Hohenfurt  folgte  eine  ungemessene  Bautliätigkeit,  welche 
sich  beinahe  über  den  ganzen  Süden  Böhmens  erstreckte. 
Es  entstanden  die  Kirchen  zu  Krumau,  Jlarkt-Hohenfurt, 
Ober-Haid,  Wittingau,  Höritz,  Vesely,  Sobieslau  und 
viele  andere,  dann  die  prachtvollsten  Schlösser,  welche 
Böhmen  besitzt  und  die  in  den  betreffenden  Alischnitten 
ausfülirlich  erörtert  werden. 

Die  Pfarrkirche  S.  Laurentius  in  Priethal  (l'fi- 
düli)  gehört  zu  jenen  seltenen  Landkirchen,  die  ndt 
zwei  Thürmen  neben  dem  I'resliyterium  ausgestattet  sind, 
wovon  Nächod  ein  Beispiel  aufzuweisen  hat.  Der  aus 
dem  Achteck  gezogene  Chor-Schluss  tritt  frei  über  die 
Thürme  vor  und  ist  gleich  dem  Presbyterium  ndt  schönen 
Kreuzgewöllien  \ ersehen,  das  Schirt' aber  wird  \on  einer 
Holzdecke  iil)ers|)annt.  Die  beiden  'riiurmhnllen  dienen 
als  Sacristeien, eine  kleine  vordem  nördlichen  Eingange 
liegende  Vorhalle  mit  Sterngewölbe  aber  gehört  einem 
spät-gothiscJHMi  Zubau  an.  Die  Masse  sind  beschränkt, 
das  Sehiff  ist  lo  Fuss  lang  und  .'iO  Fuss  breit,  das  I'res- 
liyterium sammt  Chor-Schluss  hält  bei  einer  (iesammt- 
länge  von    iJö  Fuss  eine  Weite  \iin   L'O   Fuss    ein,  alle 


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—     239     — 


;\Iassc  im  Licht  fcenoniiiicn.  Den  liauptsäciiliclistcn 
Scjiinuck  des  Iniicni  bilden  die  Waiidsiitilen  und  Gewölb- 
rilipcn,  welelie  in  der  Art  j;efünnt  sind,  wie  wir  sie  in 
Sclaii  luid  llnni|i(ilee  i^cnncn  f;clernt  lialicn. 

Von  der  Ciior-Seitc  her  j^eselien,  niai-lit  das  Äussere 
mit  den  zwei  massigen  sjiit/.hedcekten  'J'iüirmen  einen  im- 
l)osautcn  Eindnuk;  dazu  ist  die  Kirehe  sehr  hoeli  und  frei 
i;elef;:en,  so  dass  sie  aiieli  weithin  in  der  lUinde  gesehen 
wird.  Trietlial  i^-ehürte  zu  den  Stitts,i;ütern  di'S  Khisters 
H(dient'urt,  unter  dessen  Patronats-Heeiit  die  Kireiie  heute 
iitpch  stellt. 

Die  beiden  l'farrkirelien  zu  Selean  und  Miliei'n 
traj^en  durchaus  sileiclien  Charakter,  halten  beinahe 
fileiclie  (Iriissen  ein  und  sind  tifl'enbar  von  einem  und 
demselben  liaumeister  ausi;etuhrt  worden.  Abi;'esehcn 
von  einip'u  dem  Cberfi'angs-Styl  angehörenden  Knospen- 
Capitälen,  weleiic  sich  in  den  untern  Partien  der  Selt- 
caner  Kirche  vortimlen,  zeigen  die  einzelnen  Theile, 
namentlich  die  Masswerke  der  Fenster  eine  vollständig 
entwikelte  (iothik  von  jener  einfach  kalten  liildungs- 
weise,  wie  sie  im  Donauthale  üblich  war.  Die  dem  hei- 
ligen Martin  geweihte  Stadtkirelie  in  Selean  hat  einen 
eigenthündich  eingewölbten  Chor  nnt  reclite<d<igeni  Al)- 
schluss  \  (in  .■>.'!  Fuss  Länge  und  22  Fuss  ^Veite  im  Licht, 
links  von  demselben  liegt  eine  zierliche  Sacristei-Cap- 
])elle,  überhalb  deren  ein  Oratorium  besteht.  Das  45 
Fuss  lange  und  27  Fuss  breite  Schiff  hat  eine  flache 
Felderdecke,  doch  ist  die  auf  Steinpfeilern  ruhende  Kin- 
gangslialle  mit  Kreuzgewölben  versehen.  Der  einzige 
Thurm  steht  an  der  nordwestlichen  Ecke  und  zeigt,  ob- 
wohl nut  dem  Gebäude  gleichzeitig  errichtet,  keine  or- 
ganische Verbindung  mit  demselben.  Er  steigt  senkrecht 
bis  zur  Höhe  von  S2  Fuss  auf,  ist  mit  einem  Kranz  von 
/innen  umgeben  und  mit  einem  bis  sur  Spitze  gemauer- 
ten Helm  bedeckt. 

Auch  in  Milicin  stcdit  der  Thurm  zur  Seite,  ist 
ebenfalls  crcnelirt  und  mit  gemauertem  Helm  ausge- 
stattet. Die  Pfarrkirche  Jfaria-Geliurt  in  Milicin  ist 
nach  einem  lii-ande  um  I  TöO  im  Gesclmiack  damaliger 
Zeit  arg  misshandclt   worden,    doch    sind  'Jliurm    und 


Imu-.  i)i.     f.Sclfan.'i 


Fij^.  !)0.  uSvIcan.j 


Aussenseite  ziemlich  verschont  geblieben.  l\Iit  Au.snalnue 
i'ines  dreiseitigen  Chor-Schlusses  gilt  hier,  was  von  der 
Seleaner  Kirche  gesagt  wurde.  Die  beiden  Landstädt- 
clien  Selean  und  i\lilicin  gcdiörteii  schon  im  XIII. 
Jahrhundert  den  Herren  von  Kusenberg  und  scheinen 
je  für  sieh  eigene  Herrschaften  gebildet  zu  haben.  Mili- 
cin liegt  9  Meilen  von  Prag  an  der  Hauptstrasse  nach 
Linz  im  Taborer- Kreise,  Selean  etwas  mehr  west- 
lich im  ehemaligen  Herauner  Kreis. 

Crenelirte,  bis  zur  S])itze  gemauerte  Kirchtliürme, 
welche  im  nördlichen  IJöhmeu  zu  den  grösstcn  Selten- 
heiten gehören,  werden  in  Süden  häufig  getroftcn :  man 
.sieht  dergleichen  an  den  Kii-chen  zu  Prachatie,  Barau, 
l'etrovic  und  anderer  im  Üöhmerwalde  liegcmlen  Oit- 
scliaften. 

DieMarktkirehe  zu  II  o  lienfurt  zeichnet  sich  durch 
ergiebige  Päundichkeit  uml  besonders  durch  i'inen 
schönen  mit  \\vr  ( liebeln  bekrönten  Glockentliurm  aus, 
welcher  auf  dem  Gewölbe  des  Presl)yteriunis  ruht  und 
durch  seine  (irundpfeiler  den  Triumphbogen  bildet. 
Das  i>0  Fuss  lange  und  is  Fuss  breite  Chor  ist  recht- 
eckig abgeschlossen,  das  Schiff  hält  bei  einer  li(diten 
Weite  von  .■)2  Fuss,  SO  Fuss  in  der  Länge,  ist  flach  be- 
deckt, untl  wild  durch  rundliogige  Fenster  erleuclitet. 
Die  Marktkirche  soll  schon  bestanden  haben,  als  die 
Stiftskirehe  Hohenfurt  gegründet  wurde;  der  Thurm 
jedoch    und   einige   andere   Merkmale   sprechen   dafür, 

31* 


—     240     — 


i"ig.  9G.     (?-clc;iii.) 

(!ass  die  beiden  Kirclien  der  n:leichen  Zeit  atiiiclii'n-en. 
iiiiiiilieh  der  zweiten  Hallte  des  XIII.  Jalirliiuidcrts, 
Sowohl  das  Äussere  wie  Innere  der  Marktk'rclie  ist 
arg  verzopft  w'orden. 

Fig.  92  ,  Grundriss  der  Kirehe  zn  l'rietlial. 
Flg.  Do,  Grundriss,  Fig.  94,  Chor- Ansicht  der  Kirclie 
in  8elcan,  Fig.  95,  Fenster,  Fig.  9G ,  Capital  von 
Selcan. 


ö'/o  Fuss  tief  unter  dem  allgemeinen  Niveau  liegt,  und 
sehr  solid  gebaut  ist;  diese  vertiefte  Lage  bewirkte, 
dass  der  Saal  von  den  zusammenstürzenden  Trümmern 
überdeckt  und  auf  solche  Weise  geschützt  wurde.  Es 
ist  auch  nicht  die  geringste  Kleinigkeit ,  nicht  einmal 
das  in  der  Mitte  stehende  kunstreich 
Lesepult  beschädigt  worden. 


ausgearbeitete 


Fig.  1/8.     (Osac-y.j 

Wie  die  Kaiserburg  zu  Egcr  mit  ihrer  DuppeF- 
capelle  als  einziges  in  Böhmen  befindliches  Denkmal 
der  fränkisch- rheinischen  Bauweise  besteht,  so  reprii- 
sentirt  der  Capitel-Saal  zu  Osseg  die  sächsische  Eich- 


Nördliche  und  westliche  Gruppe. 

Eine  schulmässlge  Behandlungsweise  oder  gewisse 
L'bereinstinimnng  der  Denkmale,  wie  wir  sie  in  llähren 
und  Ost-Böhmen  kennen  geleint  haben,  lässt  sich  im 
Norden  nidit  nachweisen ;  theils  weil  im  Laufe  der 
Hussitenstnrnie,  die  meist  von  Deutseiien  bewohnten 
Gegenden  mit  besonderer  Wulh  verheert  wurden,  flieils 
weil  der  dortige  Volksstauim  kein  einiieitlieher  ist  und 
sich  hier  die  versciiiedensten  äussern  lüntliisse,  nauient- 
lich  sächsische,  fränkische  und  oberptälzi.-che  von  je 
kreuzten.  Seihst  die  Baudenkmale  von  Leitmeritz  ,  dar- 
unter die  ]Uö7  durch  Herzog  Spitilinev 
Collegiat-  und   spätere  Domkiiche,  wie  die. 


ejiründete 


5^ 

;rosse 


erbaute  Stadlkinhe,  sind  entweder  umgebaut,  oder  ihres 
ursprünglichen  Charakters  vollständig  entkleidet  worden. 
Unter  solchen  Umständen  wird  man  aufs  ange- 
nehmste überrascht,  einem  wolileilialtenen  Bainveiki- 
ersten  Banges  zu  begegnen :  dem  lierrliclieii  Capitel- 
Saal  im  Cistireieiiserkloster  Osseg. 


Kloster   Osseg. 

Vonder(iründungdc8Klo8ters  Osseg  (Osek)  u.  ib  nt 
dortigen  Kirehenliau  ist  liereits  im  I.  Theil,  Seite.'!! 
gesprochen  w(»rden  ,  wo  auch  der  i'nfällc  gedacht 
wurde,  welche  dieses  Stift  sciion  in  ältester  Z(  it  be- 
troffen liabeii.  Die  fuiclitbarste,  heute  noch  an  nian- 
clicn  Stellen  nacliweisbaic  Zeistöinn;;'  fand  ohne  Zwei- 
fel im  Juli  \i-Jf)  iliiich  die  iliissiteii  statt,  als  die  Kl<r- 
sfcigeljäiide  und  die  Kirclie  ausgeplündert  und  danw 
uicbt  allein  in  Brand  gesteckt,  sondern  gewaltsam  zer- 
stört wurden. 

Wie  solchen  wiederholten  \(i\Tii8tungen    eiii    um 
fassendes    Kniistwerk     wit;    der    (,'apitelsaal    t-ntgehen 
koiittfe,  l;isst  si-li  nur  «bidiireh  erklären,    dass  derselbe 


l'ig.  !JZ.     (0«8e«-.) 

tiirg,  wie  sie  sieh  in  i\Ia4;(lebiirg,  Naumburg,  Erfiid  (im 
Domkreuzgang;  und  l'lorta  ausspricht.  Da  Osseg  ein 
Tochterstil't  des  1128  gegründeten  Klosters  Waldsassen 
ist,  miiss  sehr  Iticdauert  werden,  dass  die  Sliftskirclie 
Waldsasseri  ganz  imi  Jesiiitenstyl  uiiigeb;iut  wurde  und 
sich  dort  auch  nicht  dieniinilesten  altertliünili(dieii  Beste 
erhalten  haben.    Bei  der  grossen  Kinwirkiing,    welcln 


—     241 


dieses  Stift  auf  Röiimen  übte  ,  würdcMi  erlialtcne  Raii- 
tiieilc  vielfaclie  Aiifsciiiiisse  über  die  diesseitigen  Cister- 
cienserbaiiten  g-iwaliieii. 

Osseg:  war  übrigens,  wie  aus  einer  im  .Stifts-Areliiv 
befindlichen  Urkunde  vom  18.  Oetober  K)ÜO  erhellt,  in 
Sachsen  reich  begütert,  und  übte  unter  anderm  das  Pa- 
fronatsreeht  in  Haida.  stand  also  in  fortwährendem  \'cr- 
kehr  mit  dein  Erzstifte  J[agdeiiurg  und  den  liisehöfeii 
von  Geissen ,  wodurch  tlie  Anklänge  an  sächsische 
Kunst  erklärt  werden. 

Der  Capitel-Saal  bildet  im  (irundrisse  ein  Eechteck 
von  48  Fuss  Länge  und  32  Fuss  IJreife,  welcher  Itaum 
durch  zwei  Säulen  in  sechs  gleiche  quadratische  (je- 
wölbcfelder  eingetheilt  wird.  An  der  Ostseite  springt 
eine  aus  dem  Achteck  g;ezogene  Capelle  vor,  westwärts 
stösst  der  Kreuzgang  an,  von  welchem  aus  ein  reich 
geschniücktcr  Eingang  in  den  Saal  führt.  Zur  rechten  und 
linken  des  Einganges  befinden  sich  je  ein  dreifeldriges 
mit  gekuppelten  .^äulenstellungen  versehenes  Fenster, 
welche  gemeinschaftlich  mit  zw'ei  anderen  ,  an  der 
gegenüberstehenden  Wand  angebrachten  Bogenfenstern 
den  etwas  dunkeln  Saal  erleuchten.  Die  Höhe  bis  in 
den  Gewölbescheitel  beträgt  18  Fuss,  die  Säulen  sammt 
Capital  und  Basis  sind  8  Fuss  hoch,  dabei  kräftig  und 
doch  elegant  gezeichnet.  Die  beiden  Capitäle,  das  eine 
mit  verschlungenen  Ranken,  das  andere  mit  Weinlaub 
geschmückt,  gehören  zu  den  schönsten  Erzeugnissen 
deutscher   Steinmetzkunst.   Nicht   minder   bemerkens- 


wcrth  sind  die  aus  den  Wänden  vortretenden  Gurt- 
träger mit  ihren  Knospen-Capitälen  und  Laubwerken. 
Die  etwas  schwer  protilirten  Hippen  entwickeln  sich 
aus  schildartigen,  auf  die  Capitäle  gestellten  Knäufen 
und  contrastiren  einigermassen  mit  den  zarten  und 
allzuschw.-ich  gehaltenen  Säulenfüssen.  Auch  an  abcn- 
tencrlichen  Formen,  denen  man  l)ei  i'.etrachtung  der 
sächsischen  Bauwerke  nicht  selten  begeg-net,  fehlt  es 
nicht;  so  erblickt  man  unter  anderen  Capitäle  ohne 
Deckplatte,  Masswerke  ohne  ineiiuindergreifende  Glie- 
der und  dergleichen,  wie  die  beigeschalteten  Illustra- 
tiiuien  zeigen. 

Das  aus  dem  Saale  vorgebaute  Capellchen  gehört 
in  seiner  gegenwärtigen  Gestalt  eher  dem  fünfzehnten 
als  vierzehnten  Jahrhundert,  mithin  einer  Neuerung  an, 
wenn  auch  die  Anlage  gleichzeitig  mit  dem  Capitel-Saal 
geschah. 

Die  Bauzeit  dieses  Saales  lässt  sich  ,  da  von  den 
erhaltenen  Urkunden  sich  keine  auf  die  Banführung 
bezieht,  nur  annähernd  bestimmen,  darf  aber  nicht  wohl 
über  1230  hinauf,  noch  weniger  über  1245  herabge- 
rückt werden.  ^\'enn  man  durch  das  von  der  Stifts- 
kirche in  den  Kreuzgang  führende  romanische  Portal, 
welches  im  l.  Theil  besprochen  wurde,  tritt,  gewahrt 
man  alle  Schattirungen  der  Übergangs-Periode  und 
Gothik  vom  Anfangre  des  dreizehnten  Jahrhunderts  bis 
zum  Schlüsse  des  fünfzehnten.  Der  Flügel  entlang 
des  Saales  ist  der  älteste  und  zeigt   vorwiegend    Über- 


\ 


^5. 


-I— I  I  I  ' 


.10  tJ  F. 


@: 


Fig.  !>i).     lOsseg.) 


242 


iiang'sformoii,  der  nördliclie  entlang'  der  Kirclie  Iiin- 
zieliende  Flüg:el  i^ehiirt  der  (iotliik  des  XIV.  Jnlirliuii- 
derts  an,  an  der  West-  und  Südseite  sind  die  Formen 
bunt  aneinander  gXTeilit,  wie  es  zul'äilige  üejiaratiircn 
bedingten. 

Indem  ^vir  zur  Erklärung  der  Illustrationen  uber- 
gelien,  sei  vor  allem  ein  N'ersehen  gut  gemacht,  welches 
sieh  in  den  ersten  Theil  eingeschlichen  hat.  Ka  ist  näm- 
lich Seite  31  das  oben  erwähnte  romanische  Portal 
zwar  besprochen,  jedoch  die  Beifügung  der  Illustration 
vergessen  worden,  welche  liier  als  zum  ersten  Theile 
gehörig  beigeschalfet  wird. 

Fig.  !)7,  Grundriss  des  Cajiitel-Saales,  Fig.  98, 
Aufriss  desselben,  Fig.  99,  die  anstossende  Partie  des 
Kreuzganges  mit  dem  P^ingang  in  den  Saal,  Fig.  lOü 
und  101,  Säulen-Capitäle  im  Saale,  Fig.  102,  Gurt- 
träger daselbst,  Fig.  lOo  a)  Kreuzgangportal,  //)  Ca])i- 
täle  und  Säuleidüsse  an  der  Thüre. 

Das  in  der  Jlitte  des  Saales  stehende  steinerne 
Lesepult  wird  in  der  Abhandlung  über  Sculptur  be- 
schrit'ben  und  illustrirt. 

Literatur:  Archiv  des  Klosters  Osseg.  —  Schein- 
])tlug:  Die  l'rkunden  des  Klosters  Osseg,  besjirocbeii 
in  den  Mittheilungen  des  Vereines  iür  Geschichte  der 
Deutsehen  in  Böhmen,  VII.  Jahrgang,  1869.  —  Erben: 
Begesten. 


Frind,    Kirchengescliielite    Böhmens. 


Dobner,  Annalen,  \L  Band. 


Fig.  100.    (Osseg.) 


Die  Franciscaner- Kirch  e  in  Eger. 

Im  Jahre  1260  entschlossen  sich  zwei  im  Egcrland 
begüterte  Herren,  Honigar  von  Seeberg  und  Hecht  auf 
Pdgrath,  ein  Minoritenkloster  zu  gründen  und  begannen 
sogleich    mit    Erbauung    der  Kirche.    Dieses   (iebände 


s H 


Fif,'.  101,     (Odseg.) 


Fi-,    lo:!.  />). 


243     — 


Fig.  105.     (Egor.) 

wurde  zelin  Jahre  später  durch  einen  ung-elieuren  Brand, 
welclicr  die  g:an/.e  Stadt  in  Asche  legte,  zerstört,  aber 
von  densen)cn  Männern  auf's  neue  hergestellt,  'vorauf 
die  Kirche  am  20.  Jänner  1285  durch  den  lüsehot 
Heinrich  von  Eegensburg  in  Beisein  desKaisers Rudolll. 
von  Habsburg ,  seines  Sciiwiegersohnes  des  Königs 
Wenzel  II.  von  Böhmen  ,  dessen  Gemahlin  Jutta  und 
vieler  Fürsten  und  Herrn  feierlich  eingeweiht  wurde. 
Eine  urkundliche  Beschreil)ung  dieser  Feierlichkeit  wird 
lieute  noch  in  der  Kirche  aufl)ewalirt,  wie  auch  der  da- 
mals von  Kaiser  Kudolf  bewilligte  Jahrmarkt  noch  immer 
abgehalten  wird. 

Wie  im  Agnesklostcr  zu  Prag  wurde  auch  hier  ein 
Frauenstift  nach  dem  Orden  der  heiligen  Clara  in  (UN- 
Art  mit  dem  Minoritenkloster  verbunden,  dass  für  die 
Nonnen  ein  besonderes  Gebäude  errichtet  wurde,  die- 
selben aber  von  einem  vergitterten  Oratorium  aus  an 
dem  in  der  Klosterkirche  abgehaltenen  (iottesdicnste 
theilnehnien  konnten.  Diese  Anordnung  wollte  sich 
nicht  bewähren,  beide  Klöster  wurden  späterhin  refor- 
mirt,  die  Nonnen  erhielten  eine  besondere  Kirche  und 
anstatt  der  früheren  Minoriten  wurden  Franciscaner 
\dn  der  strengen  Observanz  eingeführt.  Bei  diesen 
kirchlichen  Änderungen  erfuhr  auch  die  .Stiftskirciie 
allerlei  rmgeslaltungen:  das  schöne  an  der  Westseite 
gelegene  Haupt-Portal  wurde  vermauert,  die  westliche 


Fig.  106.     (Eger.) 

und  auch  die  nördliche  Partie  erneuert  und  der  Eingang 
an  die  Rüdseite  verlegt. 

Im  Innern  blieb  die  Klosterkirche  Maria-N'crkün- 
digung,  von  einigen  Flickbauereicn  abgesehen,  ziemlich 
unberührt  und  zeigt  eine  Hallenanlage  von  zwar  ein- 
facher aber  sehr  harmonischer  Durchbildung.  Die 
Gesammtlänge  im  Licht  beträgt  150  Fuss.  wobei  Schiff 
und  Presbyteriuu)  gleiche  Länge  (Tö)  einhalten,  wenn 
die  'rriumphljogenniauer  dem  Schiffe  beigerechnet  wird. 
Zwei  Keilien  von  je  drei  schlanken  kreuzförmigen  Pfei- 
lern theilen  das  Langhaus  ein  ,  dessen  Gesanmitweite 
T);")  Fuss  einhält.  Diese  Weite  vertlieilt  sicli  so,  dass  auf 
das  Mittelschiff  20,  auf  jeden  Pfeiler  4  .  auf  das  nörd- 
liciie  Seitenschitf  14,  und  auf  das  südliche  17  Fuss  ent- 
fallen. Die  bedeutende  Ungleichheit  der  .Sehiife  dürfte 
w(dd  durch  den  Brand  von  1270  veranlasst  worden 
sein,  indem  man  auf  der  einen  Seite  noch  das  alte  Grund- 
gemäuer  beibehielt,  auf  der  andern  aber  eine  Erwei- 
terung anstrebte.  Die  Pfeiler  sind  gegenwärtig  mit  ein- 
fachen Gesimsen  bekrönt,  welche  zwar  nicht  ursprüng- 
lich scheinen  ,  aber  mit  den  aus  der  Unifassungs- 
wand  vortretenden  Gurtträgern  correspondiren  Diese 
Träger  zeigen  noch  die  im  XIII.  Jahrhundert  beli(^bien 
Knospen-Ornamente,  während  die  Gapitäle  der  Wand- 
säulen des  Presbyteriunis  mit  Laubwerken  decorirt 
sind. 


Fig.  104.      (Egcr., 


244 


Fig.  107.     (E-er.) 

An  die  Südseite  des  Presbyterixmis  lehnt  sich  ein 
(|nadratischer  bis  zur  Sjjitze  gemiiuertei-  Thiirni  jin,  wel- 
clier  in  der  Hülie  des  Hauptgesinise.s  in  das  Achteck 
umsetzt  und  jene  schlichte  Giiedeining-  einhält,  welche 
nlle  Tluirnibauteu  dieses  Ordens  charakterisirt.  Neben 
dem  Tiiurnie  breitet  sich  entlang  des  rechtsseitigen  Ne- 
bensciiittVs  ein  Ivleiner  mit  den  zierliclisten  Masswerken 
geschmückter  Kreuzgang  aus,  von  hier  fülirt  gegenwärtig 
der  einzige  Eingang  in  die  Kirche.  Der  Kreuzgang  ge- 
hört einer  etwas  spätem  Bauzeit  an  und  ^■erräth  den 
Beginn  der  Luxenburg'sclien  Periode,  wie  die  angefüg- 
ten zwei  Fensterbildungen  bestätigen. 

Die  Stiftskirche  besitzt  neben  mehreren  im  Ge- 
■iclimacke  MaraJti's  ausgefüln-ten  Altarbildern  ein  italie- 
nisches Scul]iturwerk,  weiches  im  Jahre  K>S]  hieher 
geschenkt  worden  sein  soll.  Es  ist  ein  vier  Fuss  hohes, 
bemaltes  und  vergoldetes  Madonnabild  von  etwas  der- 
l)cn  Formen ,  welches  jetzt  in  der  Sacristei  aufbewahrt 
wird  und  jedenfalls  bedeutenile  Modcniisirungen  erfali- 
i'cn   hat,  wenn  die  Aitersangal)e  begründet  sein  sollte. 

Literatur  sehr  umfa.ssend.  lieichhaltiges  Stifts-Ar- 
chiv.^ —  riironik  des  Egerer  Franciscancr-Mönchs  Fried- 


rich Sergius.  —  Chroniken  von  Schlecht.  —  Salomon 
Gruber  und  Karl  Huss.  —  Raths-Archiv  der  Stadt  Eger, 
Bruscliii  chronologia  Monasteriorum  Germaniae.  — 
V.  Pröckl,  Eger  und  Egerland. 

Abbildungen:  Fig.  104,  Grundriss  der  Stifts- 
kirche, Fig.  lof),  Gurtträger  im  Schiffe,  Fig.  lOG, 
f'ajjitäl  im  Presbyterium,  Fig.  107 — 108,  Masswerke 
aus  dem  Kreuzgang. 

Die  D  e  c  a  n  a  t  -  K  i  r  c  h  e  i  n  S  a  a  z. 

Obgleich  Saaz  (Saatz,  Zatec,  Zatecium)  zu  den 
ältesten. Städten  Böhmens  zäiilt  und  schon  im  eilften 
oder  Anfang  des  zwölften  Jahrhunderts  der  Sitz  eines 
Erz-DiaC(jnates  war,  sind  doch  die  Berichte  über  den 
Ursprung  der  Stadt  ungemein  dürftig,  und  es  fehlt 
insbesondere  an  Nachweisen  über  den  Bau  und  die 
häufigen  Umgestaltungen  der  Dechanteikirche.  Saaz 
spielt  in  der  Sagenwelt  Böhmens  nicht  allein  e!ne  her- 
vorragende, sondern  neben  Prag  die  llau|itrolle.  Auf 
dem  steilen  Bergrücken,  welcher  die  gegenwärtige  Stadt 
trägt,  soll  schon  in  der  Urzeit  ein  Ort  gestanden  liaben. 
Auch  die  ersten  Ansiedelungen  der  Slaven  werden  in 
diese  gesegneten  Fluren  verlegt,  welche  in  der  Folge 
durch  ihren  Hoi)fenbau  welthistorische  l?edeutung  ge- 
wonnen liahen.  Saaz  war  zugleich  eines  von  den  Theil- 
fürstentiiümern. 

Nach  übereinstimmenden  Berichten  von  Dobner,  Bai- 
bin, Ihuiimerschmied  und  Schaller  wurde  die  Dechantei- 
kirche unter  dem  'l'itcl  Maria-Uimnieltalut  am  21.  August 
1200  gegründet,  um  welche  Zeit  waln-sclieinlicli  Öta- 
kar  1.  die  städtischen  Gerechtsame  dem  alten  Burg- 
Hecken  verliehen  hat.  Dass  Saaz  in  jener  Zeit  schon  ein 
bedeutender  Ort  war,  erhellt  aus  dem  Umstände,  dass 
Vladislav  II.  den  Saazern  im  Jahre  llöH  ein  Wappen 
verliehen  liat.  Über  dicDechanteikirelie  linden  wir  keine 
fernere  Nachriclit,  als  dass  sie  1271  unter  die  Verwaltung 
des  Prämonstratenserklostcrs  Stralui\  in  Prag  gestellt 
wurde. 


Bei  Betrachtuni;-  di 


:'steiiendeu  Kindiengebäudes 


stellt  sich  zur  Evidenz  heraus,  dass  von  dem  120()  an- 
gelegten Bau  auch  nicht  die  mindeste  Spur  vorhanden 
sei,  sondern  dass  die  ältesten  Partien,  Presbyteriuni 
und  f'hor-Sclilnss,  gegen  Ende  des  XIII.  Jaiirliunderts 
hergestellt  wurden.    Die  l''>rbauung  darf  mitliin  den  Prä- 


Q    ;    o;   ;    D, 

\  /|\  /i\  /i\  /'ii''>  /\''  /i\/j\/ 
\  ;  /  \i/  \i  /  \i  :/  \i/  \i/  \i/  \ 


Fig.    108.     (E-i-r.j 


lon  w.r, 

ri(j.    luO.     (Siiaz.) 


—     24Ö     — 


monsfvatonsern  zugcscliriebini  werden  uiiil  liillt  in  line 
l'oriddc,  als  Saaz  läufj-st  zur  Stadt  erhoben  war. ' 

Für  diese  Annalnne  s|)riclif  auch  das  l'rcsliytcriiiin, 
dessen  aiisj;iebi,i;e  Üäinidicliktit  klöstcrliciicn  iliiifiiiss 
verräth,  ferner  die  für  eine  Stadtkirche  seltene  Amird- 
nung ,  dass  kein  Thunn  vcirlianden  war. 

Die  Maria-lIinnnelt'alnt-Kirche  ist  ein  dreischiffiger 
Hallenltau,  dessen  Langhaus  nahezu  (|uadratische  (irund- 
iVirni  zeigt  und  durch  drei  runde  Säulen  auf  jeder  St-ite 
eingetheilt  wird.  Es  ist  unendlich  viel  in  und  an  diese 
Kirche  hingeflickt  worden,  man  sieht  gofhisclie  Einschal- 
tungen aus  dem  XIV.,  XY.  und  XVI.  Jahrhundert,  zoptige 
Anhauten  im  denkbar  schlechtesten  Geschmack,  darüiier 
hin  breitet  sieh  eine  neue  gothisch  sein  sollende  llestau- 
ration  aus  und  das  Ganze  ist  übertüncht  mit  einem 
streifenweise  aschgrau-pomeranzenfarbigen  Anstrich 
von  unnennbarer  Wirkung. 

Ob  die  Säulen  des  Schiffes  ursprünglieh  rund 
waren,  darf  bezweifelt  werden,  sie  sind  wiederholt 
überarbeitet  und  erst  in  neuerer  Zeit  oben  mit  einem 
Ring  umzogen  worden,  aus  welchem  die  Rijjpen  in  ganz 
uuconstructiver  Weise  hervortreten.  Walnscheinlich 
bestanden  Bündelpfeiler,  welche  gelegenhcitlich  einer 
Reparatur  in  Säulen  umgewandelt  wurden. 

Das  Langhaus  hält  66  Fuss  in  der  Länge  und  62  Fuss 
in  der  Hreite,  wobei  Hau])tschift'  und  Presbyterium  im 
lichten  Hasse  28  Fuss  weit  sind.  Die  Dicke  der  Säulen 
Ix'tiiigt  4',,  Fuss,  die  Höhe  o2  Fuss,  und  das  Presby 
lerium  mit  Inbegrift'  des  aus  dem  Achteck  gezeichneten 
Chor-Schlusses  zeigt  eine  der  Schiffweite  ziemlich  ent- 
sprechende Länge  von  60  Fuss.  Im  Zusammenhalte 
dieser  Masse  lässt  .sich  eine  grosse  Übereinstimnumg 
nicht  verkennen  und  es  liegt  zu  Tage,  dass  die  kleinen 
Abweichungen,  deren  nicht  wenige  vorkonnnen,  nur  den 
Reparaturen  zuzuschreiben  sind,  dass  aber  ein  regel- 
mässiger Plan  zu  Grunde  gelegen  habe.  Nordwärts  neben 
dem   Presbyterium   lehnt   sich   eine   zierliche  Sacristei, 

'  Clicr  ilcn  Zeitpunkt,  als  Saaz  si.  h  zuiSt.idt  rutwii-kt-lte,  .--icd  die  Ansicliten 
^fllieilt.  Waiirbchcinlicti  ging  die  T'mwandluiig  na»  h  und  nach  vnr  sich,  wie  die- 
=.■  s  auch  in  Prag  der  Fali  war.  Iriter  Wenzel  I.  1 1230— lä.i.S)  wird  Saaz  als  Stadt 
;inf;:ez:ililt   Das  l  ikundei.liu.  h  v.  n  s.a/-  gibt  hieiiiUir  keinen  Aufschluss. 


••^SM^^^^aft-"^       UMi  m  ^afim^ms^ 


Vh 


in. 


I  .Saaz. 


ein  Werk  des  XIV.  .lahrliunderts  an.  von  allen  Zubauten. 
die  einzige  bemcrkeuswerlhe.  Zwei  an  der  Westseite 
angefügte  Thürme,  eine  ungleichseitigachteckige  Johann- 
Xepomuk-Capelle  an  der  Südseite  und  ein  zweiter 
nebenstehender  Anbau  verdecken  den  alterthündiehcn 
Kern  von  drei  Seiten,  und  nur  von  Osten  her  bietet  sich 
eine  freie  Übersicht  des  Chores. 

Der  Chor  ist  sowohl  im  Innern  wie  Äussern  sehr 
glücklich  durchgebildet  und  zeigt  in  den  Masswerken 
eine  zwar  vollständig  entwickelte,  aber  von  Übertrei- 
bungen freie  Gothik,  während  die  Ornamente  der  Knäufe 
und  Gurtträger  noch  einige  Keminiscenzen  der  Übergangs- 
Periode  an  sich  tragen.  So  entspringen  die  Gewölbe- 
rippen noch  aus  vorgestellten  Schilden,  die  Untertheile 
der  Knäufe  treten  in  Form  von  Hörnern  aus  der  Waml 
vor  und  die  Rippen  sind  einfach  kräftig  protilirt.  Die 
Ausführung  sowohl  der  im  Schitie  wie  im  Presbyterium 
vorkommenden  Bauwerke  ist  eben  so  gediegen  als  ge- 
schmackvoll,, dagegen  verrathen  die  am  Äussern  vortind- 
lichen  Giebelblumen  eine  viel  spätere  Zeit  und  dürften 
der  nach-hussitischen  Periode  angehören. 

Das  Innere  macht  trotz  der  vielen  Reparaturen  und 
der  neuerdings  glänzend  überlackirten  Säulen  einen 
würdevollen  und  sogar  grossartigen  Eindruck,  was  zu- 
nächst den  Verhältnissen  des  Chores  zu  danken  ist. 
Unter  den  im  Norden  Böhmens  bestehenden,  dem  XIII. 
Jahrhundert    entstammenden   Stadtkirchen    srehört    die 


■V8\l¥TiirW 


XVllI. 


Fig.  HO.     f. Saaz.) 


Fi.-.    112.     (Saaz.) 


32 


246 


besclir  ciicue  zu  den  besterhaltenen,  weshalb  sie  etwas 
ausfiilirlicli  besprochen  wurde. 

IllustrationeTi :  Fig.  109  Gruudriss  der  Decanal- 
Kircbe,  Fig.  110  Chorfenster,  Fig.  111  Wandpleiler- 
Capitäl  im  Chor,  Fig.  112  Gurtträger  im  Schift'. 

Literatur.  Urkundenbuch  der  Stadt  Saaz.  Beschrei- 
bung desselben  von  Dr.  Schlesinger,  1872,  Jüttheilungen 
lies  deutschen  Gescliichtvereius,  XI.  Jahrgang.  —  Darin 
eine  Urkunde  von  Otakar,  ddato  30.  Decembcr  1266, 
worin  Saaz  die  civitas  Zacensis  genannt  wird  —  fernere 
Irkunde  vom  Strahover  Abt,  ddato:  27.  März  1272 
über  Zinsungeu  —  und  Bestätigung  des  Otakar'schen 
Privilegs  durch  König  Johann  vom  24.  November  lol7. 
—  Über  die  Giiindung  und  älteste  Zeit  von  Saaz  spriclit 
sehr  austüliriieh  Ilajek  von  Liljocan  in  seiner  Chronik, 
worin  es  bekanntlich  an  Fabeln  und  iM'tindungeu  nicht 
fehlt.  Vieles  die  Decanal-Kirche  Betreffende  findet  sich 
im  Archiv  des  Klosters  Strahov  in  Prag.  Abt  Gottfried 
i'on  Strahov  erwarb  1271  durch  Unterstützung  des 
Königs  Otakar  TL  die  Administration  der  .Seelsorge  in 
.Saaz.  Unter  diesem  Abte  und  seinem  Nachfolger  Budis 
(j  1297),  welcher  selbst  Künstler  war  und  grosse 
Thätigkeit  entwickelte,  wurde  aller  'Wahrscheinlichkeit 
nach  die  Saa/er  Kirche  erbaut.  (Frind,  Kirciiengescliichte 
Bölnnens,  IL  Theil,  Seite  194.) 

S 1  adt[)farrkiichen     zu    Bilin,     Briix,     Laun, 
Leitmeritz,   Melnik,  Kakonic   und  Sdilan. 

Diese  Kirchen  haben  deutliche  Kennzeichen  aufzu- 
weisen, dass  sie  unter  den  Pi-emysliden  erbaut  wurden, 
doch  sind  sie  ohne  Ausnahme  wiederholt  durch  Feuer 
zerstört  und  so  vielfach  umgeändert  worden,  dass  nur 
einzelne  Reste  der  ursprünglichen  Aulagen  übrig  ge- 
blieben sind.  In  Melnik  bestehen  noch  Theile  des  alten 
Sciiitfes,  in  BrUx  und  Laun  jedieursprünglichenTliürme, 
in  Makonic  und  Sclilan  die  Unterbauten  der  Thürme 
mit  den  angränzendcn  Partien.  Im  (ianzen  Ijetraclitet 
gehören  jedoch  diese  Bauwerke  dem  spät-gothischen 
Style  au,  wesshalb  sie  auch  dort  eingereiht  und  im 
vierten  Tiieilc  behandelt  werdi'ii. 


Überwiegend  das  höchste  Alter  unter  den  obigen 
Kirchen  spricht  die  St.  Peter-  und  Paul-Kirche  in  Bilin 
an,  welche  im  Jahre  1061  durch  den  Bischof  Severus 
von  Prag  (zweifelsohne  als  längst  verschwundener 
Holzbau)  eingeweiht  wurde.  Das  jetzt  bestehende  Ge- 
bäude bewegt  sich  auf  einem  dem  XIII.  Jahrhundert 
entstammenden  Grundgemäuer,  wurde  aber  nach  der 
durch  i^izka  in  Jahre  1421  bewirkten  Zcrstcirung  gegen 
den  Schluss  des  Jahrhunderts  in  sehr  flauer  Gotliik  neu 
aufgebaut.  Schlimmer  erging  es  der  12o5  angelegten 
Stadtkirche  Aller-Hciligen  in  Leitmeritz,  welche  zwar 
die  allgemeinen  Grundformen  gewahrt  hat,  aber  so  ab- 
geschabt und  überkiekst  worden  ist,  dass  man  unmög- 
lich ein  frostloseres  Bild  erl)lieken  kann.  Diese  Kirche 
besitzt  das  schönste  zinnerne  Taufbecken,  welches 
Böhmen  aufzuweisen  hat.  Leider  wurde  dieses  Meister- 
stück des  Zinngusses  vor  zwei  Jahren  mit  dicker  gelb- 
brauner Ölfarbe  überschmiert  und  bis  zur  Unformlichkeit 
entstellt. 

Von  den  städtischen  Pfarrkirchen  imndnl-östlichen 
Böhmen  zeigt  keine  alterthündielies  Gepräge;  die  llei- 
lig-Geistkirche  in  Königgrätz,  sicherlicli  eine  der  älte- 
sten Stiftungen  im  ganzen  Lande,  wurde  in  ihrer  gegen- 
wärtigen Gestalt  von  Elisabeth,  der  Witwe  des  Königs 
Wenzel  IL,  im  Jahre  1302  gegründet  und  unter  Jojiann 
von  Luxemburg  vollendet.  In  Jung-Bunzlau,  Jaromef 
und  Arnau  scheinen  alte  Substructionen  vorhanden  zu 
sein;  von  den  übrigen  Stadtkirchen  dürfte  nur  die  schon 
besprochene  Kirche  zu  Nächod  in  das  XIII.  Jalirhundert 
hinaufreichen. 


Die    D  echant  ei  ki  rclic  n    zu    Hohenmaiitli  und 
A  u  s  s  i  g. 

Wenn  bei  den  oben  aufgezählten  Bauwerken  der 
ursprüngliche  Charakter  grösstentheils  vernichtet  worden 
ist,  lial)en  zwei  an  den  entgegengesetzten  Landesgrän- 
zen  liegende  Stadlkirehen  trotz  \  ielerlei  ^lissgcschicken 
ihre  alte  Form  so  zienilicli  gewahrt:  nändich  die  zu 
Aussig  uiul  zu  Ilohennmuth  (Vysokö  MytoV  l>iese 
lieiden    Denkmale    kinmen    neben    der    Saazer- Kirche 


i^u4= 


>//" 


11:3.         'lllllilllllKllltll 


—     247     — 


als  cis'eiitliclR'  ^^»^bildeI•  und  Rci)räsentanteu  des 
städtiscliL'ji  Kirclionbaues  aiifi;cstellt  worden,  wie  sieli 
derselbe  in  der  2.  Hälfte  des  XIII.  Jalirhiimlerls  aus- 
bildete. 

Hohenmauth  und  Aussig:  sind  j^leiehzeitii;-  dnreb 
den  grn.ssen  Otakar  iu  die  Reihe  der  Städte  versetzt 
worden,  ilie  Kirchen  dieser  beiden  Städte  wurden  viei- 
leieht  von  demselben  Baumeister  ani;elef;t,  da  sie  neben 
beinahe  gleichen  Grössenverhältnissenauch  eine  gleiche 
Forniengebung  einhalten  und  sich  nur  dadurch  unter- 
scheiden, dass  bei  der  Aussiger-Kirclie  ein  einziger 
Thurm  in  der  Mitte  der  Westl'ronte  steht .  während  in 
Hohenmauth  dieselbe  Seite  durcii  zwei  Thürme  tiankirt 
wird.  Seltsamerweise  stinnuen  diese  beiden  Denkmale 
auch  darin  überein,  dass  hier  wie  dort  das  Langhaus  im 
Laufe  des  XV.  Jahrhunderts  durch  Feuer  zerstört  worden 
ist,  während  die  Thürme  und  Chorpartien  unversehrt 
geblieben  sind.  Beide  Kirchenschitte  wurden  schliesslich 
im  gleichen  Geschmacke  zwischen  l-i8ü  und  152U  durch 
Meister  Benes  von  Lauu  wieder  in  Stand  gesetzt. 

Die  dem  heiligen  Laurenzius  gewidmete  Decanal- 
Kirche  in  Hohenmauth  ist  ohne  Zweifel  um  12()0 
gleichzeitig  mit  der  Stadt  gegründet  worden,  welche  An- 
gabe durch  den  bestehenden  alten  Theil  gerechtfertigt 
wird.  Das  Laughaus  wird  durch  ein  gleichseitiges  Viereck 
beschrieben,  eine  Anordnung,  die  wir  schon  in  Eger 
und  Saaz  getroffen  haben ,  die  auch  in  Aussig  wieder- 
kehrt und  überhaupt  bei  Stadtkirclien  mit  Vorliebe  ein- 
gehalten wurde.  Die  beiden  an  der  Westseite  sich 
anreihenden  Thürme  sind  zwar  ursprünglich,  haben 
aber  im  Laufe  der  Zeiten  so  sehr  gelitten,  dass  sie  mit 
Stützmauern  umgeben  werden  mussten. 


Das  Langhaus  hält  trotz  vollständiger  Erneuerung 
die  alten  Unifassungs-Linien  ein,  misst  in  der  Längen- 
richtuiig  7]  und  in  der  i^rcite  72  Fuss  ('eine  zufällige 
Aliweichungj  und  wird  durch  vier  Pfeiler,  zwei  auf 
jeder  Seite,  in  drei  Schiffe  zerlegt.  Das  Presbyterium 
springt  mit  drei  Gewölbsabtheilungcn  und  einem  aus 
dem  Achteck  constrnirten  Clior-Schlusse  in  gleicher  Län<rc 
mit  dem  Sidiitfe  vor  und  wiid  an  der  Südseite  durch  eine 
schmale  Sacristei-('ai)ellc  eingesäumt,  ein  malerischer 
Anbau,  welcher  schon  vor  dem  grossen  Brande  von  1461 
an  die  Kirche  gefügt  wurde.  Das  Feuer  entstand  zu- 
fällig und  scheint  die  Kirchenschiflle  so  vollständig  zer- 
stört zu  haben,  dass  die  Üeste  griisstenthcils abgetragen 
werden  mussten,  während  der  Chor  im  Innern  wie  an 
der  Aussenseite  unversehrt  blieb.  Der  Baumeister, 
welcher  die  Wiederinstandsetzung  leitete,  hielt  sich  nur 
in  Bezug  auf  allgemeine  Dimensionen  an  die  Ursprüng- 
liche Eintheilung  und  die  durch  den  Chor  vorgezeichne- 
ten Höhenmasse,  befolgte  aber  sonst  die  decorati\e 
Fomigebung  der  spät-gothischen  Periode. 

Von  der  Ostseite  her  gesehen,  präsentirt  sich  die 
Chorpartie  als  einheitlicher,  in  allen  Theilen  überein- 
stimmender. Bau  von  schlichten  edlen  Formen  und  vor- 
waltend ernstem  Ausdruck.  Die  verschiedenen  Neue- 
rungen sind  beinahe  ganz  verdeckt  und  der  mit  schlan- 
ken Fenstern  ausgestattete ,  von  den  q  ladratischen 
Tliürmen  überragte  Bau  macht  den  Eindruck  einer 
romauischeu  Benedictiner-Kirche.  Sehr  bemerkenswerth 
ist  der  Umstand,  dass  an  der  Südseite  von  den  Strebe- 
pfeilern aus  Stützbogen  über  das  Dach  des  Seiten- 
schiffes zur  Wand  des  Mittelschiffes  hinübergesprengt 
sind,  eine  an  böhmischen  Plarrkirclien  nicht  gcbräuchliclie 


Fig.    111.     (Ilolionni.iiitii.)  ■ 


32. 


248     — 


Anordnung.  An  der  Nordseite  sind  diese  Strebebogen 
abliandeu  gekommen. 

Dieselbe  Einfachheit,  welche  den  Aussenban  cha- 
rakterisirt,  umfängt  uns  audi  im  Innern  des  Chores, 
nur  sind  hier  die  Wandpfeiler  mit  Figurenblenden,  Bal- 
dachinen nnd  Untersätzen  versehen.  Die  Figuren, 
welche  den  Hauptschmuck  bilden  sollten,  fehlen  und  es 
ist  die  Frage,  ob  sie  je  aufgestellt  wurden. 

Die  Nebenschifte  sind  niedriger  als  das  Hauptschiff 
und  unter  sich  sowohl  in  Bezug  auf  Höhe  wie  Aus- 
stattung verschieden.  Das  südliche  Nebensciiiff  zeigt 
einfache  Kreuzgewölbe  und  ist  von  Neuerungen  ziem- 
lich verschont  geblieben;  das  nördliche  hingegen  wurde 
bei  der  Restauration  Ijedeutend  überhöht,  mit  neuen 
Netzgewölben  und  Fenstern  versehen  und  mit  einer 
zierlichen  Vorhalle  in  Verbindung  gebracht.  Meister 
Bene.s  hat  auch  au  den  Pfeilern  des  Hauptschiffes 
Figurenblenden  a'ngebracht,  die  Pfeiler  jedoch  in  einer 


ganz  neuarigen  Weise  durchgebildet,  so  das  zwischen 
dem  Mittelschiff  und  Chor,  wie  der  Längendurchschnitt 
zeigt,  keine  Harmonie  besteht.  Wenn  auch  die  Arcaden- 
Stellung  sehr  schön  genannt  werden  darf,  hat  doch 
Benes  seinem  Werke  ausserordentliidi  geschadet,  dass 
er  den  Lichtgaden  nicht  im  selben  Jlasse  erhöhte,  wie 
er  es  mit  der  untern  Partie  gethan.  Hiedurch  wurden 
die  obern  Fenster  in  störender  Weise  gedrückt  und  das 
Gesims  unterhalb  deiselben  steht  ganz  und  gar  an  un- 
rechter Stelle. 

Da  die  Lebensgeschichte  und  die  Werke  des 
Benes  von  Laun  im  vierten  Bande  eingehend  erörtert 
werden,  haben  wir  an  dieser  Stelle  nurl)eizufügen,  da<s 
der  .Meister  dieselbe  Pfeilerstellung  auch  in  der  Jlaricn- 
kirclie  zu  Kuttenberg  angeordnet  hat. 

Illustrationen:  Fig.  IKl,  Gruudriss  der  Dechantci- 
kirehe  Hohenmauth,  Fig.  114,  Querdurchschnitt, 
Fig.  115,  Choransicht. 


h-'-^ 


VV'.     1  I.').       (Ilillirlllilil  I 


249     — 


Aussifj,  Austia,  ÜstinadLahein,  ein  sein- alter  Ort. 
erhielt  dureh  Otakar  II.  städtit^elie  l'rivilei;ieii  und 
seiieint.  l)e?;linstiii-t  durch  die  herrlichste  Lai;c  an  dei- 
Eibe,  in  kurzer  Zeit  eine  hohe  Bliithe  erreicht  /.u  lialien. 
Nach  der  .Schlacht  bei  Aussig  (lö.  Junil42(ij  wurde  die 
Stadt  von  den  Ilussiten  niedergebrannt  und  soll  drei 
.lahre  hindurch  wüst  gestanilen  haben.  Wie  in  Ibdien- 
niauth  widerstanden  das  Presliyteriuni  einerseits  nnd 
der  grosse  westliehe  Thurm  anderseits  der  Gewalt  des 
Feuers,  das  Langhaus  aber  wurde  hier  bis  in  den  Grund 
/.erstört,  so  dass  unbestimmt  bleibt,  ob  sich  die  gegen- 
wärtigen Uniiassungswäiide  in  den  ehemaligen  Linien 
bewegen. 

In  bau-techuischer  Hinsicht  fällt  als  sehr  beach- 
tenswerth .  auf,  dass  an  den  Denkmalen  romanischen 
Styles  meistens  die  Chorpartie  erneuert  wurde  und 
das  Schill'  den  alten  Bestand  gewaln-t  hat,  während 
bei  gothisclien  Kirejien ,  falls  Unglücksfälle  vor- 
kamen, der  Chor  unverletzt  blieb  und  das  Schiff"  zu 
Grunde  ging.  Die  Ursache  dieses  Vorkommnisses  ist 
leicht  zu  erkennen.  Die  Absiden  und  Presbyterien  wnir- 
■den  nach  dem  Beispiel  altchristlicher  Kirchen  schon  in 
frühester  Zeit  mit  Gewölben  bedeckt,  als  man  mit  der 
Technik  desWölbens  noch  nicht  genügend  vertraut  war: 
daher  der  Einsturz  so  vieler  romanischer  Chorpartien. 
Li  der  gothisclien  Periode,  als  man  gelernt  hatte,  den 
Seitenschul)  der  Wölbungen  nuf  StreV)epfeiler  zu  über- 
führen, erhielt  der  Chorschluss  im  Vergleich  zu  den 
Schitfen  grössere  Festigkeit,  hat  daher  ein  allenfallsiges 
Unglück  besser  überdauert, 

Die  Maria-Himmelfahrt-Kirche  zu  Aussig  ist  ein 
Hallenbau  mit  drei  gleich  hohen  und  gleich  weiten  Schif- 
fen, dessen  Langhaus  durch  ein  gleichseitiges  Quadrat 
von  60  Fuss  Durchmesser  gebildet  wird.  Weder  die  Ein- 
theilung  des  Schiffes,  noch  die  Umfassungsmauern  und 
Strebepfeiler  gehören  dem  ursprünglichen  Hau  an,  doch 
ist  wahrscheinlich,  dass  die  quadratische  Grundform  alt 
und  bei  dem  Wiederaufbau  eingehalten  worden  sei.  Das 
ganze  Langhaus  von  den  Strebepfeilern  und  Säulen  bis 
zu  den  kunstreichen  Wölbungen  ist  documentirt  als  Werk 
des  Bene.s  von  Laun.  welcher  diesen  Bau  ziemlich 
gleichzeitig  mit  der  Launer-Kirche  ausgeführt  zu  haben 
scheint. 

Zwei  Eeihen  von  je  drei  Säulen  zerlegen  das  Schiff 
in  neun  gleiche  sternförmige  Gewölbehauben,  deren 
Kippen  sich  kreuzen  und  abgekappt  sind.  Die  Säulen 
steigen    zu   einer  Höhe  von  44  Fuss   bei  einem  Durch- 


I'i;;'.    117.      'Aiissijj-.  I 

messer  von  2  Fuss  11  Zoll  an,  sind  achteckig  und  canc- 
lirt.  Mehrere  Inschriften  und  auch  ein  rückwärts  im 
Schiffe  angebrachtes  Brustbild  des  Königs  Wladislaus 
des  Jagelionen  mit  dem  Spruchband:  „te  deum  lauda- 
mus-'  bestätigen,  dass  der  Hau  erst  nach  löO»)  vollendet 
wurde.  Auch  der  alte  Thurm  wurde  damals  überarbeitet, 
der  Chor  aber  hlieb  unberührt. 

Dieser  fällt  schon  beim  Eintritt  in  die  Kirche  durch 
seine  viel  grössere  Räumlichkeit  auf.  Während  die  Schifte 
von  Achse  zu  Achse  der  Säulen  nur  22  Fuss  einhalten, 
zeigt  das  Presbyteriura  die  lichte  Breite  von  30  Fuss 
und  hielt  sammt  dem  aus  fünf  Seiten  des  Achteckes  be- 
schriebenen Chor-Schluss  eine  Länge  von  66  Fuss  ein. 
Es  ist  also  hier  derselbe  Plan  befolgt  worden .  welchen 
wir  in  Saaz  und  H(dienniauth  kennen  gelernt  haben.  In 
den  Ecken  des  Chor-Schlusses  und  zwischen  den  drei- 
feldrigen  Wänden  ziehen  lü  Zoll  starke  Rundstäbe  mit 
einfachen  Kelch-Capitäleu  zum  Gewölb  hinauf  und  ent- 
wickeln kräftige  mit  tiefen  Hohlkehlen  prolilirte  Rippen, 


i-"i,-.  m;.    fAiissi!,^) 


230     — 


die  drei  niittlereu  Seiteu  des  Clior-Polygous  sind  iiiii 
Fiilhiiigen  umzogen,  die  einst  zu  Sitzen  für  die  (ieist- 
lichkeit  gedient  liaben  mögen. 

Die  Decluuiteikircbe  zu  Aussigwurde  vonOtakar  II. 
in  nielit  genau  zu  bestinmiender  Zeit  dem  deutsclien 
Kittel orden  eingeräumt,  durch  welciien  aucli  der  Bau 
hergestellt  oder  wenigstens  geleitet  worden  ist.  Der 
Orden  hatte  die  Stadtpfarrei  Aussig  bis  zu  der  Zerstö- 


rung vom  Juni  1426  iune,  si)äterlnn  ging  das  Patronat 
au  den  Magistrat  über.  Die  Kirche  wurcie  in  der  Folge 
noch  von  mehreren  Unglücksfällen  (unter  ändern  durcii 
einen  Daehl)rand  i.  J.  1871)  betroffen  und  hat  in  neue- 
ster Zeit  allerlei  unpassende  Kestaurationen  erfahren. 
Illustrationen:  Fig.  ll(i  Grundriss der  Kirche;  Fig. 
117  Querdurchschnitt  des  Schiffes. 


Denkstein  SignimicVs  von  Wildensteiu  im  Schlosse  Wildbacli  in  Steiernnirk. 

Von  L.  Beckh-Widmanstetter. 


Eine  kleine  Oehstunde  von  Deutsch -Landsberg, 
dem  nun  nach  Eröffnung  der  Lieboch-Wieserbahn  zum 
:\Iekka  der  Touristen  gewordenen  Mittelpunkte  des 
(iartens  der  Steiermark,  hart  an  der  Gränze  der  Bezirke 
Deutsch-Landsberg  und  Stainz,  lallt  beim  Eingange  in 
d:.s  Quellengebiet  der  hohen  Lassnitz  Schloss  Wildbacli 
in  das  Auge,  welches  seinen  Kamen  von  der  wenige 
Schritte  davon  fliesseuden  bei  den  Landbewohnern  auch 
\Vildl)ach  benannten  hohen  Lassnitz  empfing,  die  von 
da  ab  in  geregeltem  Bette  ruhig  der  Siilm  zufliesst, 
während  sie  in  den  eben  verlassenen  Schluchten  schäu- 
mend und  tosend  das  Gestein  ihres  Bettes  umspült  und 
liei  Hochwasser  leider  nicht  selten  ihren  Beinamen  zur 
Celtung  bringt. 

Das  baiilii  1:  winig  interessante  und  durch  spätere 
Zuthatcn  unrcgelmässige  Schloss  wurde,  wie  uns  der  an 
der  südöstliciien  Seite  in  der  Höhe  eines  Stockwerkes 
eingemauerte  Denkstein  belehrt,  vom  Sigmund  von 
Wildenstein  1040  erbaut. 

Diese (iedäciitnisstafel  besteht  aus  zwei  trennbaren 
Theilen,  von  welchen  der  obere  nur  inschriftliche  (IV 
breit  1'  hoch)  aus  gelblichtem  Sandstein,  der  unteren 
schön  gearbeiteten  Wappentafel  aus  lolhgrauem  Marmor 
(.0'  breit,  2'/./  liochj  lediglich  aufgesetzt  ist.  Die  Inschrift 
in  römischer  Capitale  lautet:  „üitz  .  wapen  .  ist  .  des  . 
Sigmvnts  .  von  .  t  Wilden.stein  .  der  .  dvssen  .  hoff  .  zv 
iVildpach  .  vim  .  grvu  .  wassen  j  erjjavt  .  hat  .  als  . 
man  .  hat  .  zeit  .1  .  b  .  \  vnd  .  im  .  4U.  iar.-'  Die  Wap- 
penlafel  enthält  in  drei  (lurch  zierliche  Säulchen  gebil- 
deten Abtla-ilungen  in  der  etwas  breiter  gehaltenen 
Mitte  das  Wappen  des  Erbauers,  zu  beiden  Seiten  jene 
seiner  ersten  zwei  Frauen,  alle  mit  den  Erklärungen 
der  Personen -Zugeiiörigkeit  darunter  I ;    die    Jahrzahl 

(lö 40)  bciuMincn  nochmals  zwei  liiier  den  mittleren 

Säulen  geheftete  Tafeln,  die  Ariieit  ist  eine  sorgfältige. 

Al)geseiien  davon,  dass  dieser  Denkstein  die  Zeit 
der  Erbauung  des  Schlosses  beurkundet,  dabei  zugleich 
die  von  früheren  Schriftstellern''  geäusserten  Annahmen 
höheren  .\lters  des  Sitzes  zu  Wildbach  entkräftet,  ist  er  in 
lamiliengescliiclitliciiei-  llinsiclit  \(>n  nichrfachem  Wertlie. 

Schloss  Wildbach  war  der  erste  IJesitz,  welchen  die 
später  so  cinUnssreiehen  WiUlensteine  in  der  Steiermark 

I  .Mltii-Ifülil  ;  i:iii  SchUil  mit  gcbAgincm  b'Kcii  link»  govcnrtoti'n 
lircifenfii»»  niil  »Ich  (Inrnn  »chlicMii'niicn  Kluge  (gnÄOn  llnki  gi'Wcnclel)  ,  nin  (.u- 
krniilm  Hilni  wlrilorholl  «Ich  illo  Wappoiiligiir,  da»  SpiiicIcliancI  viilliiilt:  SlK- 
invnill«  von  .  Wllüiii»liln  .  «o|)rli.  —  Kvriilo  l'ilil :  Im  Schild»  iiiid  um  üukrönll'ii 
IJolnio  ein  wnchBcnden  Mhnnrhen  ohne  Armo  mit  IftiiKfiii  ItftrI  uinl  Spltziniifzo, 
.Inrunicr;  frav  .  Kllsaljet  .  Hin  .  Kehornn  .  Knih  |  enliiuplln  .  .MtirnviuMs  .  von  | 
\VI'ilrn>loln  .  orale  .gcmarh  [  wnben.—  I,lriki'>  KoliI :  im  Schilde  criircs  und  vjirlo" 
Ffid  diei  frpl»l4-h<'ndi' Stufen,  Im  a«clli  n  und  dritlon  Feld  ein  ochriit;  linkcB'l'hüi- 
l"»i  hl»»!'  (S|mi  Kcj  nm  gvkronicn  llclm:  iMo  dr«l  SlufiO  mit  diiiniiii  »ochucndiii 
.siiAUfiihutili;  dio  liikciirlfl:  fiav,  Helena  .  aln  .  geUorno  .  von  |  Spongnteln  . 
^  nd  .  nvi  I)  .  Slum  1  vndtw  von  Wildnateln  .  i  ftndi-r«  .  geniftchl  .  waln  n. 

:  X.  J.  Cne»io  ,  Hcfcliielbii.  d.  Slciernmik.  p.  10»  j  —  Muchar,  Omch.  il. 
Mel'jnioi)^,  II,  1'.  .'il  i  —  Sihlnulie,  Lexlcoii  JV,  (i.  3'M. 


erwarben  oder  eigentlich  selbst  schufen,  die  Zeit  ihrer 
Einwanderung  in  dieses  Land  liegt  nicht  weit  hinter 
dem  Datum  der  Erbauung  dieses  Schlosses. 

Die  Wildensteine  stammen  aus  Kärnten,  wohin  sie 
ehedem  aus  Bayern  eingewandert  sein  sollen.  Sie 
eibauten  im  Jaunthale  die  Burg  gleichen  Namens  beim 
Wildensteiner  Wasserfall  und  schon  vor  dem  Jahre  115(5 
tritt  Uvcriandus  de  Wihleustein  als  Zeuge  einer  Schen- 
kur.gs-ürkunde  des  Herzogs  Bertolt  von  Maranieu  zu 
Gunsten  des  Klosters  Viktring  auf.  S[)äter,  1384,  war 
Heinrich  von  Wildenstein  Bischof  zu  Triest,  dann  1390 
Bischof  zu  Biben  in  Istrien. 

Dasselbe  grosse  Erdbeben ,  welches  am  Pauli  Be- 
kehrungstage 1348  Villaeh  zerstörte,  die  Viilacher  Al]»e 
(den  Dobratsch)  spaltete,  brach  auch  die  stolze  herrlich 
gelegene  Veste,  von  welcher  nur  mehr  wenige  Spuren 
vorhanden  sind. 

Von  da  zog  sich  das  Geschlecht,  nach  dem  nahen 
unweit  des  Stiftes  Eberndorf  gelegenen  und  nun  auch 
in  Kuinen  gesunkenen  Schlosse  Sonnegg,  Siinegk, 
Sunekke  oder  endlich  s|)äter  um  1400  nach  Parcival 
Sunegker  auch  der  Pareival-Tliurm  genannt,  a  Von  diesem 
Schlosse  haben  die  Wildensteinc  nach  der  Zerstörung 
ihrer  Burg  den  Namen  angenommen ,  denn  Hanns  von 
Sunegk,  Enkel  Werners  undSidinPongratze.s,  erhielt  von 
Kaiser  Friedlich  1\'.  mit  dem  Diplome  ddo.  Villach  2ii. 
Juli  (Phintztag  nach  sannd  Jacobstag  in  Snitt)  1470 
unter  gleichzeitiger  Änderung  der  Farbe  seines  Wappen- 
schildes von  weiss  in  rotli  (das  Schildeszeichen  und 
Helnikleinod  erhielt  sich  bis  zum  Erlöschen  des  (ie- 
schlechtes  stets  in  der  urspriiiiglichcii  iMiifaclien  Form 
—  ein  goldener  gebogener  (ireifeiituss  mit  sich  dai'an 
schlicssendeni  schwarzen  Fluge)  das  Hecht,  sich  wieder 
des  von  seinen  Vorfahren  von  Alters  her  Uborkomineneii 
Namens. Wildenslein  zu  bedienen. 

Dies  geschah  nachdem  Parcival  v.  Sunegk  142(i 
sein  Schloss  Sunegk  dem  Herzoge  Friedrich  verkaid't 
hatte  und  dann  auch  1444  die  ihm  notdi  gebliebene 
rfaiiiiscliait  lies  Schlosses  \'om  Hanns  Fiigiiad  abgelöst 
wunle,  wtu-aiif  die  Wildensteinc  in  Kärnten  nur  mehr 
auf  den  Besitz  von  Tiuttendort*  beschränkt  blielieii 
und  allmählig  in  den  Geschichten  dieses  Landes  ver- 
schwinden. Zwei  George  von  Wihlenstein  aus  Kärnten 
nahmen  an  der  ersten  Türkenbelageriing  Wiens  ir)2'.i 
Antlieil,  einer  davon  liefehligte  später  If);")!!  als  Feld- 
marsehall  die  st(;irischen,  kärntnischen  und  kraineri- 
sclicn    Kriegsvölker  wider  die  Tiiiken. 


'    In    VftIvnf.fir'H  'l'0|ingrnplile   von    Kiirntcn  ICSS   in  heincr  yiin/.en   Criii  hl 
von  2u'oi  Sel:on  nligohlldct. 

^    OiüB  vui'kanflen  sie  16Ti  an  Ctn-i»tof  Uüril&ch. 


—    21J1     — 


Den  vorgenannten  Hanns  Wildeiisteinev,  vermalt  mit 
Anna  Mordax,  nennt  Stadl  in  seinem  stciermärkis;  l.en 
Elirens])ips'cl  bereits  als  Herrn  von  Wildbach.  (Jan/,  mit 
rm-eclit,  damals  war  dieses  Geschlecht  in  Steiermark 
iilierliaiipt  ndcli  j;ar  nicht  landi;esessen;  erst  Hansens 
Sühne  Niklas,  l'rimus  nnd  Andrä  kamen  durch  ihre  \er- 
ehelichangeu,  ersterer  mit  Ursnlav.  Oberburg,  der  zv/eite 
mit  Helena  von  Herberstein,  der  dritte  mitHarbara  Wel/.er 
y.u  Feistritz  und  Spiegelfeld,  in  eine  näliere  Berülirnni;- 
mit  der  Steiermark.  Die  Verbindung  des  wehrhaften 
Niklas,  gesessen  zuTruttendorf  mit  der  Ursula  \(in  Oiiei- 
burg  aus  Untersteier,  erklärt  mit  Rücksicht  auf  die  Loca- 
lität,  dass  der  ans  ihr  entsprossene  Sohn  Si,i;mund  von 
Wildenstein  in  (Gemeinschaft  mit  seiner  ersten  Ehefrau  Kii- 
sabetii  Fabnha  upt  '  ddo.  Freitag  nach  St.  Georg  {'26.  April) 
löVi'J  die  Hauptmannsciiaft  Sannegg  in  Untersteier  vom 
Pfandinhal)er  Achaz  Schrott  von  Kindberg,  Hauptmann 
zuPettan,  pflegeweise  übernimmt.  Später  war  Sigmund 
Pfleger  zu  IMankenwart  bei  Grätz  und  wahrscheinlich 
wird  ersieh  bei  diesen  Pflegeführungen  soweit  tinanziell 
gckrättigt  haben,  dass  er  endlich  auch  an  die  Erwerbung 
eines  eigenen  Besitzes  schreiten  konnte.  Nachdem  Sig- 
mund vor  1540  in  zweiter  Ehe  die  Helena  vun  Spang- 
stein, Tochter  des  Herrn  auf  Scliwanberg,  geelielicht 
hatte,  kombinirt  sich  leicht,  warum  er  sicli  seinen  Wohn- 
sitz in  nicht  zu  grosser  Entfernung  von  Schwanberg,  am 
Wildl^che  bei  Deutsch-Landsberg,  erkor. Die  einst  sehr 
ausgedehnten  Güter  am  Wildbache  wurden  ohne  Zweifel 
von  der  damals  dem  Erzstifte  Salzburg  gehörigen  Herr- 
.schaftLaudslierg  abgelöst  undobgleich  es  nicht  bewiesen 
werden  kann,  ist  es  doch  sehr  wahrscheinlich,  dass  bei 
diesem  Geschäfte  Andrä  Payerl,  salzb.  Pfleger  zu 
Landsberg  und  als  Besitzer  von  Limberg  bei  Schwan- 
berg Nacid)arder  Spangsteincr,  vermittelte.  Hierländige 
Urkunden  vermelden  über  diese  Erwerbung  nichts,  doch 
dürften  nähere  Forschungen  in  Salzburg  nicht  unergie 
big  sein. 

IMit  der  Erbauung  von  Wiidbach  sind  wir  an  den 
Zeitpunkt  gelaugt,  mit  welcliem  die  in  Kärnten  in  ihrem 
Besitze  geschwächten  Wildensteine  in  Steiermark  festen 
Fuss  fassen,  um  von  hier  aus  sich  langsamen  aber 
sicheren  Schrittes  in  dem  neuen  Heiniathlande  eine  nam- 
hafte Bedeutiin.n-  zu  erringen,  die  sie  sich  vnn  der  j\Iitte 
des  X\'H.  Jalnliunderts  durcii  die  von  ihnen  bekleideten, 
vornehmen  Amter,  dann  einem  soliden  Besitzstand  bis  zu 
iin*em  Erlöschen  ehrenvoll  zu  bewahren  w'ussten. 

Sigmund  von  Wildenstein  war  viermahl  verehelicht; 
alle  Genealogen  uml  selbst  der  gerühmte  Historiograi)li 
seines  eigenen  Hauses,  Ernst  Heinrich  Graf  Wildenstein, 
vermochten  die  richtige  Reihe  nicht  anzugeben.  Mit  Hilfe 
des  vorliegenden  Steines  ergibt  sie  sich  ganz  leicht; 
die  er.sten  zwei,  Elisabeth  von  Falmhaupt  und  Helena 
von  Spangstein,  sind  daselbst  genannt,  die  dritte  war 
ArtVa  von  Saurau  zu  Horneck,  die  vierte  Eva  von  Aichel- 
berg,  welche  letztere  sich  nach  Sigmunds  Tode  ddo. 
Wildbach,  H).  Juli  1570,  mit  ihren  Stiefsöhnen  wegen 
ihrer  Witweusprüche  vergleicht. 

Hinsichtlich  der  Descendenz  möge  hier  die  Benen- 
nung   der    Hauptstännne    und    ihrer    hervorragenderen 


*  Ursprünglich  kärntnisches,  dtinn  steirisches  1720  im  Grnfcnstando  .iiis- 
gt^slorbeiies  Gt-schlftlit  ;  lUrmann  131S  um  T't.  Va\x\.  dierniar  von  Orifi-n  der 
Valbinhaupt  J383  (\Ve'.ss,  Kärntens  Arie]  Ö7}.  Mert  di-r  \'ftllindhalj,  .Iiiiicnri*  li'rr 
und  Hiirgcr  zu  }Jruck  a.  d.  M.,  13'J3  und  l-lO-l  führt  in  -einem  Siegel  liereits  den 
Kopf  mit   Wülze.  (Steierm.  I.andcsarch.   "Ulk.  Nr.  3792  b,  3798  a  und  41.SS.; 


Sigmund  war  Vater  von  Kl  Kindern,  von  welciien 
der  älteste,  fjeonhard,  einen  neuen  zu  Liebenfels  und 
Mieutschach  in  Käinten  begüterten,  doch  noch  im  X\TI. 
Jahrhunderte  erloschenen  Zweig  gründete;  Adam  im 
heili;;eii  Lande  staib;  Christoph  nacli  Deutschland  zog 
und  \'ater  Scliweickliard-Sij;isnnmds  und  Hanns-Chri- 
stophs wurde,  von  welchen  der  erstere  als  Dondierr  zu 
Regensburg,  Zeuge  seines  dort  noch  erhaltenen  Grab- 
males am  L'S.  September  ](J72  .starb,  Hanns  Christoph 
aber,  geb.  If)^!',  des  Erzherzogs  Leopolil  Rath  und  Ober- 
Schiütheiss  in  Elsass-Zäbern  gewesen,  als  Befehlshaber 
am  Kochersberg,  drei  französische  und  schwedische  Be- 
lagerungen aushielt,  in  der  lezten  schwer  verwundet  und 
gefangen  wurde,  doch  allen  Verlockungen  zum  Treu- 
liruche  widerstand.  Der  aus  dritter  Saurauscher  Ehe  ent- 
sprossene Dietricii  setzte  die  steirisclie  Linie  fort. 

Dietrich  feierte  seinen  hochzeitlichen  Ehrentag  mit 
Sara  Freiin  von  Teurt'enbach-Mayerhofen  im  Landhause 
zu  Graz  am  9.  Jänner  1575  und  lebte  fortan  in  Wild- 
bach, wo  ihn  seine  Gattin  mit  (j  Kindern  beschenkte, 
welche  meist  früii  starben,  Georg  Sigmund  allein  den 
Stanun  fortpflanzte.  Dietrich  verschied  zu  Wildbach  am 
21.  August  151)4  und  wurde,  wie  aus  einem  alten  Tage- 
buclie  seiner  Witwe  (gest.  um  1598)  hervorgeht,  nicht  in 
dem  von  ihm  liestimmten  Begräliniss  zu  .St.  Florian,  son- 
dern in  seiner  ^'ogteipfarrkirche  Garns  u.  z.  erst  am  20. 
September  zur  Ruhe  bestattet,  nachdem  der  damalige 
Bischof  zu  Lavant,  Georg  H.  Stobäiis  von  Palmburg  das 
gewünschte  Begräbniss  des  Ritters  in  der  Kirche  zu  St. 
Florian  nicht  anders,  „es  wurde  den  ein  Vierttel  wein- 
gartten  dei'  Kirche  dahin  gestiefft'',  gestatten  wollte. 

Der  Sohn  Georg  Sigmund,  geb.  Wiidbach  12.  De- 
cember  1581,  heirathete  1(504  die  Margaretha  von  Stcin- 
])eiss,  beide  starljcn  noch  in  jugendlichem  Alter  am  US. 
Februar  und  1:3.  Juni  Kilo  mit  Hinterlassung  des  Soh- 
nes Hanns  Franz,  welcher  wahrscheinlich  noch  zu  Wild- 
bach geboren  wurde. 

Dieser  Hanns  Franz  führt  sein  Geschlecht  im  ötfent- 
lichen  Leben  der  Steiermark  ein.  Aus  den  über  ihn  vor- 
handenen Daten  geht  hervor,  dass  er  ein  sehr  eifriger 
und  nebendem  kluger  Jfann  gewesen;  durch  mehr  als 
-'5  Jahre  war  er  J.  0.  Hofkannnerrath,  ebenso  führte  er 
durcli  längere  Zeit  die  Präsidentschaft  des  steiermärki- 
schcn  Verordneteu-Amtes ,  in  seinen  jüngeren  Jahren 
nahm  er  an  der  „berufenen-  rönüschen  Gesandtschaft 
des  Fürsten  Eggenberg  Theil.  Dieser  Thätigkeit  ver- 
dankte er  die  Geh.  Rathswürde,  dann  mit  dem  Diplome 
vom  i;>.  März  1(549  den  Freiherrnstand,  endlich  in 
Kraft  des  kais.  Dii)lomes  vom  18.  Jänner  1678  den  (ira 
fenstand  mit  dem  Prädicate  „Freiherr  auf  Wildbach  und 
Kaisdorf,  Herr  zu  Schachenthurm  und  Lieboch".  Drei- 
mal mit  Töchtern  aus  angesehenen  und  reichen  steier- 
märkischen  Geschlechtern,  als  mit  Barbara  Constantia 
Freiin  Scheit.  Witwe  Fenlinands  Freiherrn  von  Khuen- 
buri;(gest.  1G45),  dann  Siilonia  Magdalena  Freiin  Eibis- 
wald  vcrw.  Freiin  Mindoi1\gest.  l(j(.)5j  und  schliesslich 
nnt  I\[aria  Clara  F^'eiiu  Gloyach  (gest.  1669)  vermalt, 
hatte  er  aus  jeder  Ehe  einige  Kinder.  Planus  Franz  starb 
in  hohem  Alter  zu  Grätz  am  IS.  Oetobcr  1()78. 

Der  Sohn  erster  Ehe  Franz  Christoph  (geb.  1640, 
gest.  vor  dem  Vater  167(5),  vermalt  1G()4  mit  Theresia, 
der  letzten  des  Freiherrngesehlechtes  von  Mindorf, 
stiftet  die  ältere  oder  kalsdorfer  Linie,  zu  deren  Gunsten 
der   Vater    Hanns    Franz  in   seinem    Testamente  vom 


232 


15.  October  1077  das  zuvörderst  mit  der  durch  die 
.Sclieit'sche  Ehe  UberkoniTiienen  beträchtlichen  Herr- 
schaft Kaisdorf  bei  Hz  dotirte  Faniilien-Fideicommiss 
errichtet. 

Dieser  Linie  entstammte  Johann  Christopli,  welcher 
vom  Jahre  1714  bis  zu  seinem  Ableben  am   17.  Jänuer 
1742  Statthalter  in  Inner- Österreich  gewesen,  Vater  des 
in  der  Geschichte  des  deutschen  Ordens  rühmlich  ge- 
nanuten  Laibaclier  Comtliurs   und  geh.  Rathes  Cajetan 
Aiigusi  (geb.  1703,  gest.  6.  Jänner  17G4  und  begraben 
in  der  Laibacher  Ordenskirche)  <  wie  auch  des  geh.  Kä- 
thes Johann  Joseph  (geb.  1697,  gest.  1731),  welcher  schon 
]71()  zu  (irätz  den  Doctorgrad  der  Philosophie  erlangte; 
—  dann  Franz  August,  (geb.  1G71,  gest.  1743),  Vater 
des  gelehrten  Ernst  Heinrich  Grafen  von  Wildenstein, 
kais.  Kämmerer  und  Landrathes,  welcher  sich  als  eif- 
riger Geschichtsforsciier  rlihmlich  hervorthat,  den  Vor- 
auer  Chorherrn  Aquilin  Julius   Cäsar   bei  Verfassung 
seiner  Geschichte  der  Steiermark  ergiebig  unterstützte, 
auch   die   Numismatik   ])flegte,   ferners   mehrere   Dich- 
tungen aus  fremden  .Sprachen  in  die  deutsche  übertrug, 
ganz  besonders  aber  sich  im  Gebiete  der  steirischen 
Genealogie  überiiau])t  und  insbesimdere  der  seiner  Fa- 
milie verbreitete.  Geboren  Grätz  10.  Jänner  1708,  gest. 
ebenda  25.  Februar   1768,  erzielte   er  aus  seiner  am 
4.  October  1740  geschlossenen  Ehe  mit  Theresia  geb. 
(irätin  Thurn-Valesassina  5  Kinder.  Aus  diesen  führte 
sich  Franz  Josciili,  kais.Känimerer  und  steiermärkischer 
Ansschussrath,  durch    l'ebersetzung   von  Rapins    „Ver- 
gleichung  Homers  mitVirgil",  gedruckt  1766,  ebenfalls 
in  die  Literalcnwelt  ein;  er  lebte  seit  31.  Mai   1769  mit 
Christina  Grälin  von  Lehgheim   in  unfruchtbarer  Ehe, 
starb  am  19.  Mai   1808  nnd  sein  15ruder  Ernst  Ignaz, 
weldier  nnt  dem  Klostcrnamcn  Sigmund  dem  P>cnedik- 
tinerstiite    Admont    zuletzt    als   Hofmeister    angehörte, 
endete  nüt  seinem  am  ]i>.  Mai  1814  eingetretenen  Ab- 
lei)en  die  ältere  K alsdorfer  Linie  der  Wildensteine. 

Des  Hanns  Franz  Grafen  von  ^^'ildenstein  (gest. 
1678)  Sohn  dritter  Eiic  mit  der  (iloyacli,  Hanns  Joseph, 
geb.  Grätz  12.  Februar  I(i6S,  vermählt  IWiy  mit  Maria 
Julianna  Freiin  Zollner ,  Witwe  Michael  Weickhards 
(trafen  Vetter  von  der  Lilie  und  durch  diesen  Erbin 
der  beträchtlichen  Herrschaften  Windiscli-Feistritz  und 
'i'iitfer  in  Interstcicr.  stiftete  die  jüngere  odei-  A\il(l- 
baclier  Linie;  er  wnide  16118  innerösterr. ,  1704  kais. 
gehcinier    Katli,     1714  Landeshaujitmann  in  Görz  und 

1717  Adnnnistrator  der  durch  das  Aussterben  der  Für- 
sten von  Eggenberg  heimgcfallenen  (irafschatt  (!railise;i. 
.\id'  diese  Stellen  i'csignirte  er  1722,  nachdem  er  im  Juli 

1718  für  sich  und  die  Söhne  seines  älteren  Rruders 
Franz  Cliristo]ili  dei-  Kalsdorfer  Linie  das,  in  Folge  Aus- 
^.'anges  der  Eg^eid)crgc  erledigte,  Obcrst-lM'bkäiMmerer- 
amt  in  Steiermark  verliehen  erhielt.  Hanns  .I(is<'pli,  Er- 
bauer des  gegenwärtig  als  allgemeines  Krankenhaus  in 
Grätz  in  Verwendung  stehenden  stattlichen  Gebäudes, 
scldoss  am  6.  .März  1747  sein  Leben,  nachdem  ihm  seine 
(iemalin,  «lie  ihm  10  Kinder  geboren  hatte,  bt'reils  1708 
im  'J'ode  vorangegangen  war. 


* -Sein  iiinnnonici'  TirAbRloln  trh'gl  ffi^etidr  rnpilale  Iniirlirifl;  „Slftlc, 
^litfr:  lik  qiiii'sclt  i-ivi-rendlBi,.  nr  oxf^clentlMi.  Ijnu^.  Dihih.  AukiibMii.  ('ajct. 
-  I:.  I.  Cnmca  de  <■!  in  Wllilnimiein.  Cvlal».  ord.  Tcut.  cquc»  halllvl«i  AiiMiini', 
"^uhW.  Ntiiirtr,  ccminpiidatxr  f.flbacoii»ia,  ano.  caes.  rcK.  fipoBloIlcnoffiir  iiiiijt'h. 
■  "inll.  Inllmna,  qiii  niino  .MDCCI.XI V,  illo  VI,  Jnn.  «ilail»  f um- LXI  luorliiiia 
lt.  iit  >ctn|iisr  vivprci.  rinin  vlxli  in  tnnrlnini«  od  dirldcrluni  Tvulonici  ordinlB 
ii'Mi  diu,  nd  lea  ^c^ias  n\ih,  nd  Hifiu''ii(\ni  op,  ruin  Bpinjicr." 


Von  den  Söhnen  erreichte  Johann  Max  Prohus 
(geb.  Grätz  10.  November  1702,  gest.  Grätz  14.  März 
1779)  im  Jahre  1763  die  AVürde  eines  Landeshaupt- 
manns in  Steiermark,  zwei  Jahre  später  wurde  er  Prä- 
sident des  innerösterreichischen  Guberniums;  zweimal 
vermalt,  erstlich  mit  ^Maria  Barbara  Grätin  von  Traut- 
mansdorf,  dann  mit  Agnes  Gräfin  Nimpsch, hatte  er  13 
Kinder,  meist  Töchter. 

Aus  ihnen  sind  nur  zu  nennen  die  der  ersten  Ehe 
entsprossenen  Jlaria  Ferdinand,  kais.  Oberst  (geb. 
8.  December  1736,  gest.  11.  März  1801),  vermalt  mit 
Maria  Aloisia  Herrin  von  Stubenberg,  und  Max  Josef 
Gottlieb  (geb.  16.  September  1728,  gest.  (>.  Februar 
1791),  k.  k.  geh.  Kath  nnd  J.  Ö.  Hofkammerratli;  ans 
seiner  1753  geschlossenen  Ehe  nnt  ISailtara  Gräfin  ^■on 
Trautmansdorf  erfreute  er  sich  neben  mehreren  Töch- 
tern nur  eines  einzigen  Sohnes  Cajetan. 

Dieser,  k.  k.  geh.  Rath,  Kännnerer  und  steier- 
märkischer Ansschussrath,  geb.  Grätz  27.]\Iai  1761,  seit 
1789  mit' Agnes  aus  dem  uralten  berühmten  steirischen 
Herrengeschlechte  der  SchärÖenberg  auf  llohenwang 
vermalt,  that  sich  durch  sein  energievolles  Einsclireiten 
während  der  feindlichen  Invasionen  von  1797,  1805 
nnd  1809  in  ausgezeichneter  AVeise  her\or;  als  Kaiser 
Najioleon  im  August  1809  dem  ohnehin  schon  ausgeso- 
genen Lande  den  masslosen  Betrag  von  nahezu  45  Jlil- 
lionen  Francs  als  Contribution  auferlegte  und  diese 
Snnnne  nicht  sogleicdi  aufgebracht  werden  konnte, 
wurden  der  damalige  Bischof  von  Seckau  Johann  Fried- 
rich Graf  Waldstein,  Graf  Ignaz  Attcms  in  Stellver- 
tretung seines  Vaters  Grafen  Ferdinand,  damals  steier- 
niärkis(  her  Landeshauptmannes,  unser  Cajetan  und  der 
Grätzer  Kaufmann  Ignaz  Gadolla  am  14.  Se]»temlier  1809 
als  (jcis.seln  in  Haft  geiKunmen  und  am  Sehlo>sberge 
verwahrt,  aber  am  27.  desselben  Monates  wieder  ent- 
lassen, nachdem  si(di  die  I'ranzosen  Überzeugt  hatten 
dass  die  Geissein  am  Schlossbcrge,  wie  sich  Biscliof 
A\'aldstein  ausdrükte,  auch  kein  (ield  machen  konnten, 
demnach  sich  der  Feind  mit  einem  Tlieile  di'r  ausge- 
schriebenen Summe  begnügte;  Graf  (!ajetan  erhielt  zur 
Belohnung  seiner  \'erdienste  1805  den  Titel  eines  geh. 
Rathes,  1809  das  Comthurkreuz  des  Leopold-Ordens. 

Leider  hangle  ihm  die  nur  zu  oft  vorkoiinnendc 
Leidenschatt  an,  in  den  (irundliüidiern  seiner  Allodial 
wie  auch  der,  nach  Aussterben  der  älteren  Linie  auf  ihn 
zur  Nidzung  gekommenen  bedeutenden  F. -C. -Besit- 
zungen beider  Linien  (^Wildbach,  Tütl'er,  Kaisdorf, 
Scliaelientliurn,  Lannaeli)  (dine  Noth  einen  möglichst 
\crw(nrenen  und  reichli(dien  .ScluildcMstaiid  zu  culti- 
vireii. 

Als  er  am  4.  März  1824  zu  Grätz  starb,  sank  mit 
ilim  das  uralte  Wa|ii)en  seines  Hauses  in  das  (irab. 

Die  letzte  weibliche  'l'rägerin  des  Namens  .luliana, 
geb.    17H5,  Gemalin  des  Grafen  Franz   von  Kulowrat 
Krakowski,  starb  erst  um  1848. 

Verschwägert  war  das  Geschlecht  n»it  den  Fürsten 
\(in  llolienzolleni- lle<'hingen,  d;inn  v(mi  einheimischen 
innerösterreichischen  (icschleclitern  mit  den  Aiclielliei-g, 
.\ichelburg,  Ai;;l,  Aui-r,  Attems,  Altlian,  Barbo,  Eibis- 
wald,  Falndiaupt,  (iall,  Gera,  Gloyach,  Haymb,  Herber- 
stein,  Hdchenkircher,  Kheutsehaeh,  Lamberg,  Leng- 
heim, Mallentliein,  .Mindori',  Mordax,  Muerzer,  Oberbiu'g, 
Prag,  Pranekh,  Racknitz,  Saurau,  Schärn'enbcrg,  Scliäzl, 
Scheit,  Schratteubaeh,  Secau,  Spangstein,  Steiudorfer, 


Steinpeiss,  Stubenberg,  Tattenbach-Eheinstein,  Teuffeii- 
l)aeh-Ma}'erliotcn,  TeurtVnbacli-Teufteiibacli,  Trautiiiaiis- 
dorf,  Thuni-Valle-Sassina,  Wageiisperi;,  Welzer,  Wurin- 
brand  und  Z(dliier. 

IV'gütert  war  das  Gesclilecht  in  Kärnten  mit  Klieiit- 
.scLacli,  Liehcnt'els,  Soniiegg,  Tnittenddrt'  und  Wilden- 
stein; in  Steiermark  mit  den  Herrsebat'ten  Küiist'eld, 
Feistritz  bei  Hz,  St.  Gotthard  bei  Grätz ,  Hohenbrucl^, 
Kaisdorf  bei  Hz  ,  Königsberg,  Lannaeb,  Preinstetten, 
Sehachentburn,  Schniieridtcrg,  S]iarbersbacb,  Spizhart 
Tiitier,    Wildbaeli ,    WindiscliFeistritz  und  Wisell,  — 


dem  Klauberhut  und  Prämerhof,  ausserdem  besass  es 
noeli  Gülten  und  Güter  bei  Luttenberg  und  Pettau, 
Häuser  in  Grätz  (die  heutige  Hildergallerie  und  das 
Krankenhaus,  1 784  Absteigequartier  des  Pa])stes)  Gieis- 
(hirf,  Htz,  Leil)nitz  und  IJadkersburg. 

Den  Stammbesitz  Wildliaeh  verkaufte  Graf  Cajetan 
IT'.i],  beiläufig  oO  Jahre  vor  dem  Erlösehen  des  Ge- 
sehleehtes;  naelideni  dieser  in  kurzer  P^)Ige  mehrmals 
seine  Besitzer  weehsclte ,  erwarb  ihn  1801  eine  feste 
Hand,  J(diann  Massegg,  dessen  Toehter  .Johanna,  Witwe 
des  Nutars  ;\l  artin  Peitler,  noch  gegenwärtig  im  iJc sitze  ist. 


P  a  s  s  a  II. 

Von    ih-,    Karl  Lind. 


IV. 


Zum  Schlüsse  unseres  Spazierganges  durch  die 
ehemalige  Bischofstadt  führt  uns  der  Weg  die  Iltzstadt 
verlassend,  zur  S  a  1  v  a  t  o  r -  K  i  r  c  h  e ,  die  zunächst  dieses 
Gewässers  hart  am  Fasse  der  Nordseite  jenes  Felsens 
erbaut  ist,  der  die  Veste  Oberhaus  trägt.  Diese  Kirche, 
ein  spät-gothischer  Bau,  ist  eine  der  merkwürdigsten 
Passau's  ihrer  Bauart  willen.  Die  Sage  lässt  an  der 
Stelle  dieser  Kirche  eine  Synagoge  gestanden  haben. 
Als  im  Jahre  147i)  die  Juden  eines  ihnen  zur  Last  geleg- 
teUj  an  der  christlichen  Kirche  verübten  Frevels  wegen  ans 
Passau  vertrieben  wurden,  beschloss  Bisehof  Ulrich  HL 
zum  immerwährenden  Andenken  an  die  Stelle,  wo  dieses 
Sacrilegium  verübt  wurde,  eine  Kirche  dem  Salvator 
geweiht  zu  erbauen.  1479  wurde  der  Bau  begonnen, 
148o  war  der  untere  Theil  (C'rypta  genannt),  1484  der 
Aufbau  vollemlet.  Mit  der  Kirche  wurde  einCollegiatstift 
verbanden.  So  bestand  diese  Stiftung  mit  wechselnden 
Schicksalen  bis  sie  zu  Beginn  des  XIX.  Jahrhunderts 
ein  Opfer  der  Säcularisation  wurde.  Die  Kirche  wurde 
entweiht,  kam  in  die  Hände  eines  ungebildeten  rohen 
Menschen,  der  darin  seine  Wohnung  aufschlug  und 
ilies  Gebäude  seinem  Zwecke  gemäss  zu  verändein, 
respeetive  zu  verwüsten  begann.  Grabsteine  und  'Sl-.n- 
morpflaster,  farbige  Fenster  u.  s.  w.  wurden  entfernt 
und  so  ging  es  weiter,  bis  endlich  im  Jalire  1840  dem 
Zerstörungswerke  ein  Dannn  gesetzt  wurde. 

In  Folge  der  Bemühungen  des  Bischofs  ist  die 
Kirche  nun  wieder  ihrer  Bestimmung  zurückgegeben 
und  bei  dieser  Gelegenheit  einer  eingehenden,  aber  vor- 
züglicheu  Kestaiu'ation  unterzogen  worden. 

Das  Gebäude  dehnt  sich  vielmehr  in  die  Breite,  denn 
in  die  Länge,  zeigt  mehrere  Stockwerke  .  drei  Reihen 
spitzbogige,  mit  Ausnahme  der  oberen,  mehr  breite  als 
hohe  Spitzbogeufenster  und  gleicht  dadurch  einem  Ge- 
bäude, das  aus  drei  übereinander  stehenden  Hallen  be- 
steht, dem  jedoch  im  Innern  nicht  so  ist.  Das  untere 
Geschoss  des  debäudes  ninnnt  eine  schöne  Halle  mit 
kühn  gesprengten  Bogen  ein.  Eine  breite  hohe  Stiege 
führt  in  den  oberen  Kaum,  der  als  Kirche  dient,  und  ohne 
Uutertheilung  auch  das  nach  aussen  scheinbare  dritte 
Stockwerk  einnimmt.  Zwei  weitere  Stiegen  führen  zu 
beiden  Seiten  aus  dem  Kirehenschiä"  in  die  nur  den 
rückwärtigen  Theil  der  Halle  einnehmende  Empor- 
kirche, wo  sieh  jetzt  die  Altäre  befinden.  Diese  Stellung 
der  Empore  und  mit  ihr  der  Altäre  ist  eigenthümlich, 
indem  die  nach  Norden  gerichtete  mit  drei  Seiten  des 

XVIII. 


(ScIjIiiss.) 

Achtecks  schliessende  Partie  das  Schill',  die  andere 
gegen  die  Berglehne  gerichtete  gerade  abschliessende 
und  mit  der  Emjjore  versehene  Partie  den  Chor  bildet. 
Gelegentlich  der  Restauration  wurden  viele  alterthüm- 
liche  Kunstwerke  (durch  leider  zu  gründliche  Restau- 
ration  verunstaltet)  dort  aufgestellt. 

Das  letzte  Object  unseres  Besuches  sind  die  forti- 
ticatorischen  Bauten  des  ehemaligen  und  jetzigen  Passau, 
die  Festen  Nieder-  und  Oberhaus.  Ersteres  liegt 
auf  der  Spitze  der  Felsenzunge ,  die  sich  zwischen  der 
Hz  und  Donau  bis  zur  Vereinigung  dieser  Gewässer 
vordrängt.  Die  erste  Anlage  dieses  befestigten  Punktes 
ist  im  Beginn  des  XIII.  Jahrhunderts  zu  suchen.  Wie- 
derholtResidenz  der  Bischöfe  und  als  solche  mit  pracht- 
vollen Gebäuden  versehen  ,  zerstört  bei  mehrmaligen 
Belagerungen  von  Seite  der  eigenen  Bürger,  dann  in 
ein  Gefängniss  verwandelt,  endlieh  Irrenanstalt,  beher- 
bergt es  jetzt  Invaliden.  Die  alte  Herrlichkeit  ist  mit 
den  Gebäuden  \erscliwunden,  nur  der  in  der  Lage  be- 
dingte landschaftliche  Reiz  dieses  Ortes  ist  geblieben. 

Der  Bau  derFeste  Oberhaus,  gelegen  auf  deuhohen 
an  den  Felsen  von  Niederhaus  sich  anschliessenden 
Berge  (li'i)!))  gegenüber  Passau  ,  wurde  unter  den 
Namen  Georgsburg,  1219  unter  Bischof  Ulrich  II.  be- 
gonnen, der  Name  Oberhaus  erscheint  jedoch  erst  in 
der  Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts,  die  Schloss-Capelleist 
den  heiligen  Georg  geweiht  gewesen.  In  den  fortwäh- 
renden Streitigkeiten  der  passauischen  Bischöfe  mit 
ihren  Unterthanen  diente  die  Burg  den  Erstereu  als 
Hort,  dem  Trotze  seiner  Gegner  zu  widerstehen  oder 
ihre  Züchtigung  von  da  einleiten  zu  können.  In  der 
Erkenntniss  der  AVichtigkeit  dieser  Feste  verwendeten 
die  Bischöfe  grosse  Sorgfalt  und  Summen  auf  ihre  Er- 
haltung und  zweckmässige  Einrichtung ,  auf  Erbauung 
von  Schanzen  und  Bastionen,  auf  Herstellung  von  Zeug- 
häusern und  deren  Instandsetzung  durch  hinreichende 
Geschütz-  und  Waftenvorrätlie ,  durch  genügende  Mu- 
nitions-  und  Proviantmeugen. 

Auch  hier  ist  die  alte  Herrlichkeit  gewichen  ;  nach 
nmnchen  weehselvollen  Schicksalen  dient  das  Bauwerk 
jetzt  als  befestigte  Caserne. 

Von  Bauwerken  aus  der  ersten  Zeit  der  Entstehung 
der  Genrgsburg  ist  nichts  mehr  ül)rig,  höchstens  könnte 
der  Untertheil  des  massiven  hohen  Thurnies  zunächst 
des  Einganges  in  den  Schlosshof  bis  dahin  reichen.  Der 
obere  Theil  stammt  aus  der  Mitte  des  XV.  Jahrhunderts. 
Im   grossen   Hofe   steht   eine    ebenfalls   in   diese  Zeit 

.33 


204 


gehörige  Georgsstatue.  Daraus  dem  Zeughause  gebildete 
llittersaal  zeigt  au  den  Deeken,  Fenstern  und  Thüren 
einige  srothisclie  Details.    An    vielen  Stellen   der  Bau- 


lichkeiten tinilet  mau  Steiue  mit  i)iscliüflicheu  \\'apiu'n 
und  Inschriften,  welche  die  Hauthätigkeit  der  passaui- 
schen  Bischöfe  verewigen. 


CoiTespoiHlenzeii  iiiid  Notizen. 


Aus  einem  Bericlite  des  k.  k.  Cnnservators  (iraus 
entnehmen  wir,  dass  derselbe  in  Entsprechung  des  ihm 
gewordenen  Auftrages  sieh  im  Monat  März  d.  J.  nach 
Leoben  begeben  hat,  daselbst  den  aufgefundenen  Grab- 
stein des  Abtes  und  Weihbischofes  J  o  h  a  n  n  Z  o  1  1- 
n  e  r  in  Augenschein  zu  nehmen,  und  dessen  Erhal- 
tung anzuregen.  Derselbe  fand  ihn  am  beregten  Orte, 
im  Hofe  der  städtischen  Kaserne,  nalie  dem  Brunnen, 
au  dem  er  gefunden  worden  war,  an  die  Wand  gelehnt, 
augenblicklich  in  dieser  provisorischen  Lage  keiner 
nennenswerthen  Gefahr  ausgesetzt.  Der  Stein  ist  sehr 
gut  erhalten,  und  bis  auf  eine  in  seine  Rückseite  ein- 
getiefte Dffnung  unversehrt.  Die  Verwaltung  der  städ- 
tischen S])arcassc  zu  Leoben,  deren Eigcnthum  Gebäude, 
Fundiirt  und  Ejiitaiiliiunj  ist,  war  in  Angelegenheit  der 
Erhaltung  dieses  Denkmales  sehr  zuvorkommend,  es 
wurde  bereitwilligst  das  Versprechen  gegeben,  dass  schon 
nächster  Zeit  für  denselben  ein  vor  Wetter  und  Regen 
geschütztes  Plätzchen  an  einer  Wand  ausfindig  gemacht 
wird,  um  ihn  dnrt  auf:;estellt  einzumauern. 


Der  Seeretär  des  historischen  Vereines  Herr  Beck  h- 
Wi  dmann  stätter  theilt  mit.  dass  an  der  südlichen 
^^'and  des  zum  Grätiicii  .Aleranischen  Schlosse  Stainz 
in  Steiermark  gehörigen  Kuhstalles  in  den  1840er 
Jahren  ein  Grabstein  ans  rotliem  IMarmor  mit  Schrift 
und  Hausmarke  nach  der  Längseite  horizontal  gelegt, 
eingemauert  gefunden  wurde. 

Leider  ist  der  Stein  an  seinem  oberen  inschriftlichen 
Rande  arg  niisshandclt  und  abgebrochen  und  aus  den 
erhalten  gebliebenen  letzten  zwei  Zeilen  der  gothisehen 
Schrift  (ist  gestorben  am  aschtag  141)4)  nur  mehr  die 
Zeit,  der  er  angehört,  zu  entnehmen.  Der  Stein  ist  gegen- 
wärtig noch  .')!"  hoch,  die  Breite  beträgt  o(J".  Da  jede 
Andeutung  über  den  Familiennamen  an  dem  Steinfrag- 
niente  mangelt,  wäre  es  nur  dann  möglich,  diesen  zu  be- 
stimmen, ^\■enn  sich  ein  Siegel  mit  dieser  Ilansniarke 
unter  Stainzer  Erkunden  fände.  Die  Marke  zeigt  in 
einem  oben  eckigen,  unten  abgerundeten  (^d.  i.  umge- 
kehrten) Schilde  ein  Kreuz,  dessen  verlängertes  Kopf- 
ende sich  in  seiner  oberen  Hälfte  mittelst  eines 
s[)itzen  Winkels  gegen  rechts  abwäits  wendet,  (^i 

Derselbe  liess  es  sich  nicht  gereuen,  aus  einem 
Stainzer  Codex  die  L'rkunden  jener  Zeit  zu  durchsuchen, 
um  dann  die  etwa  passenden  im  Landcs-Archivc  im 
Original  ausheben  zu  können.  A'on  den  drei  ausgewähl- 
ten Erkunden  der  Jahre  I  ll^7,  1444  und  llf)."!  war  nur 
die  letztere  im  Driginai  \oi-handen  und  njit  Siglein 
adeliger  Herkunft  versehen. 

Was  an  dem  Steine  \nii  Weith  erseheint,  ist  der 
Vmsf  and,  dass  die  cbeiibesehriel)ene  Hausmarke  an  dem- 
selben gestürzt  in  derselboi  Weise  wie  an  Graltmälern 
von  Edelherren  angebracht  ist,  weiche  als  die  letzten 
ihres  Stammes  mit  umgekehrten  Wapi)en  begraben  wur- 
den, wodurch  sich  ergibt,  dass  das  Denkmal  dem  letzten 
Sprossen  eines  (wie  ans  dem  Materiah-  und  der  Grösse 
des  Denksteines  zu  vermiithenj  wohliiabeiiden  Stainzer 


Bürgers  gilt,  der  als  Stifter  eines  Jahrtages  im  Kloster 
begraben  wurde,  wodurch  sich  sein  Leichenstein  bis  in 
die  neuere  Zeit  erhielt.  Die  Zerstörung  des  Denlvmales 
in  seinem  oberen  inschriftlichen  Theile  datirt  wold  aus 
der  Zeit  nach  Aufheljung  des  Stiftes. 

In  dieses  vermuthete  Verhältniss  des  Verstorlienen 
zum  Stifte  würden  von  den  vorcitirten  drei  Erkunden 
nur  zwei  jjassen,  wobei  übrigens  der  zweiten  auch  noch 
der  Vorrang  gelassen  werden  müsste. 

1427,  1:5.  Februar,  v.  0. 
Johann  Maurus,  Bürger  zu  Stainz  vermacht  dem  Stifte 
daselbst  einen  Acker  im  Burgfrieden  des  Marktes  Stainz 
zu  einem  ewigen  Jahrtage  für  sich,  seine  Ehefrau  und 
Vorfahren  mit  dem  Vorbehalte  lebenslänglichen  Frucht- 
genusses für  sieh  und  seine  (lattin  (steierm.  Laudes- 
archiv-Erk.  Nr.  5097,  Absciiiitt  vom  Stainzer  Codex.) 

1444,  2,^.  Mai,  v.  0. 
Elrich  Vöclierler,  Bürger  zu  Stainz  und  seine  Hausfrau 
Margaretha  vermachen  und  geben  dem  l'robste  Sigmund 
und  dem  Convente  von  Stainz  ihr  Haus  im  Markte  imd 
ihren  Weingarten  im  Neurat  mit  der  IV'dingung  der 
Nutzung  auf  Lebenszeit,  dann  der  Haltung  eines  Jahr- 
tages mit  Vigil  und  Seelenmessen  für  sie  und  ihre  Vor- 
fahren nach  ihrem  Absterben  (steierm.  Landesarchiv 
Erk.  Nr.  5921 ',  Abschrift  vom  Stainzer  Codex.) 

Ob  sich  Denksteine  mit  Hausmarken  in  gestürzten 
Sehilden  zumal  aus  der  Zeit  des  XV.  Jahrhunderts  öfters 
finden,  ist  mir  nicht  bekannt,  eine  Gleichförmigkeit  der 
Übung  bei  adeligen  und  Ijürgerlicheu  Geschlechtern  sei 
liiemit  eonstatirt. 

Dr.  Kolin  in  Grätz  theilt  mit,  dass  im  Musikver- 
cinssaale  des  der  Grätzer  Burg  benachbarten  N  e  d  w  e  d- 
'schen  Hauses  bis  vor  wenigen  Tagen  eine  Bronze- 
platte eingemauert  war,  von  deren  Existenz  nur  We- 
nige Kunde  hatten.  T'nmittelbar  neben  der  Saaithüre  in 
einen  mit  Mnschelornament  Aersehenen  Marmorhlock 
eingelassen,  der  ungefähr  1'  über  dem  Fussboden 
eingeniaui'rt  ist,  vermochte  sie  nicht,  sieii  sonderlich 
bemerklicli  zu  inachen.  In  den  letzten  Jahren  war  sie 
durch  einen  mächtigen  Wandschrank  \ollends  allen 
Blicken  entzogen.  Diese  4t)  Cm.  breite  und  16  Cm. 
hohe  Platte  widmete  vor  kurzem  der  i']igenthümer  des 
erwähnten  Hauses,  der  k.  k.  Notar  Anton  Nedwed,  den 
Sannnliingen  des  Münzen-  und  Antiken-Cabinetes  im 
Joannenm. 

Innerhalb  einer  vors|)ringenden  Emrahnuing,  welche 
olien  und  unten  von  simsförmigen  Leisten,  an  den  Seiten 
von  Pilastcrn  mit  Pflanzenornament  gebildet  wird,  zeigt 
sich  naehfnlgt'nde  Insehrilt  in  sieben  Zeilen : 

DMI.  MAXIAMLIAM.  CAESARIS.  jussu  .  genf-rosus 
.  IJfjmi  I  nus  Si^isnimnlns  de  Dycti'icdistan  . 
Baru  liljerj  in  .  J  iollciilnirg.  &.  VinkluMistain  . 
I^incerna  .  he  |  reditarius  .  Ducatus  .  CJarinthiae  . 
Sac  .  f;acs  .  maietis  i  a  Gonsiliis  .  &.  ab  .  Aryento 
&  Ducntus  .  Stiriae  .  Caput  |  Aruem  .  hancj  Civi- 
tatis .  Cirecii:  vcttistati;  fjollapsam  .  a  fun  |  da- 
mentis  .  restituit  .  Salutis  ■  anno  .  M .  D  .  XX .  HI. 


2ä:> 


Der  Inschrift  zur  Seite  sieht  man  links  das  Dietrieh- 
stein'schc,  rechts  das  llottarselie  Wappen  en  relief. 
Die  Mitte  nimmt  ein  rundes  Medaillon  ein,  welches  das 
in's  Protil  i^cstellte  Hrustbild  Sigisnmnd's  von  Dietrich- 
stein mit  liut,  Kleid  und  Ordenskette  zeigt.  Das  Portrait 
gleicht  aufs  genaueste  demaufeiner  gegossenen  lironee- 
medaille  vom  Jahre  1Ö2Ü,  welche  sicli  im  Uesitze  des 
Münzen-  und  Antikencabinetes  belindet.  Ohne  Zweifel 
rühren  beide  von  der  Hand  desselben  Meisters  her. 

Wir  glauben  nicht  zu  irren,  wenn  wir  den  hier 
erwähnten  Neubau  der  (Trätzer  üiirg  in  liczielning 
bringen  mit  der  Urkunde  vom  20.  Januar  1510,  womit 
Kaiser  Maximilian  seinen  geliebten  Kath  und  Silber- 
känimerer  Sigisnnmd  von  Dietrichstein  zum  Landes- 
hauptmann des  Fürstenthums  Stcj'cr  i)este!lt.  Dort 
lieisstes  unter  anderm:  ,,Hnddabeigunnen  und  iiefelchen 
Avir  dem  Landeshaui)tiuanne  von  Dietrichstein  2(JÜ<>  Gul- 
den seines  Geldes  an  unserm  Schloss  Grätz  der  Noth- 
durft  nach,  doch  mit  Wissen  unserer  Commissarien, 
welciie  wir  dazu  verordnen,  zu  verbauen". 


Aus  Aulass  der  an  der  Decanat-Kirche  in  Kourim 
vorzunehmenden  Restauration  berichtet  der  k.  k.  C'on- 
servator  Ben  es  über  diese  Stadt  folgendes: 

Was  zum  malerischen  Eeize  hauptsächiicli  bei  der 
sonst  einfachen  eiiemaligen  Kreisstadt  wesentlich  bei- 
trägt, sind  die  alten  Befestigungen,  und  gerade  diesen 
haben  spätere  Kämpfe  hart  zugesetzt.  Mehr  abernochals 
der  Krieg  hat  die  folgende  Friedeuszeit  hier  aufgeräumt. 
So  wurden  die  Mauern  und  Thürme  abgetragen,  liic  und 
da  die  Gräben  verschüttet  und  doch  sehen  wir  noch  von 
dem  grauen  Mauergürtel  gut  erhaltene  grössere  Bruch- 
stücke. Es  lässt  sich  freilich  sehr  selten  sagen,  dass  an 
einem  Stück  Mauer,  oder  an  einem  derartigen  Tiiurme 
etwas  schönes  sei  —  aber  im  Ganzen  boten  diese  Mauern 
mit  ihren  Thoren  und  Thürmen  einen  oft  prachtvollen 
Anblick  dar. 

Die  alte  Decanats-Kirche,  dem  h.  Ste])lian  geweilit, 
gehört  unstreitig  zu  den  ältesten  und  merkwürdigsten 
Baudenkmalen  Böhmens  und  mochte  mit  der  Anlage  der 
jetzigen  Stadt,  etwa  1230,  entstanden  sein. 

Das  alte  Kourim,  uralt  Zlic  oder  Zlicko  genannt, 
war  südlich  hoch  am  langgedehnteu  Hügelrücken  gele- 
gen. Noch  heute  beträgt  nach  meiner  Jlessung  der 
IJmfang  der  ortweise  o°  hohen  Erdwälle  14!t6  °  und 
ihr  mit  Feldern  bedecktes  Innere  Ü9.032QJ°  an 
Flächenraum.  Schon  in  dem  Sagenkreise  Böhmens  tritt 
Zlicko  mit  seinem  widerspenstigen  Fürsten  Rad  is- 
la v  hervor,  wird  aber  schon  im  Jahre  OHo  Kourim  ge- 
nannt. Herzog  Boleslav  II  hat  das  Kloster  Bfevnov  so 
gut,  wie  Sobeslav  I,  1130  das  Collegiatstift  Vysehrad, 
mit  einem  Zehent  bedacht  und  die  Stadt  ci\-itas  Kurym 
genannt.  Die  Kirche  war  bereits  IKiO  als  Archidiako- 
uatskirclie  genannt,  und  Urkunden  nennen  uns  mehrere 
Archidiakone  Koufims.  Die  Kirche  überrascht  in  ihren 
äusseren  Formen  den  Besucher  gar  nicht.  Feuersbrünste, 
feindliche  Ueberfälle,  Naehläsigkeit  und  Unverstand 
haben  das  Ihrige  dazu  reichlieh  beigetragen,  um  die 
ehemalige  Stärke  und  Schönlieit  äusserlich  zu  beein- 
trächtigen. Schon  die  westliche  Hauptfa^ade  ist  voll- 
kommen in  der  neuesten  Zeit  verdorben  worden.  Zum 
Glück  hat  der  Unverstand  des  Baumeisters  noch  das 
grosse  gotbische  Fenster  mit  seinem  Masswerke  ver- 
schont.   Der  ursprüngliche  dreieckige  hohe  Giebel  be- 


kam im  XVII.  Jahrhundert  unschöne,  baroke  Gewinde, 
lSo(i  endlich  eine  Wand,  welciic  abgetreppter  (üebel  be- 
lebensollte. Was  an  Schönheit  diesem  architektonischen 
Unsinne  gebrach,  mussten  winzig  klein  sich  ausnehmende 
Heiligenfiguren  aus  Sandstein,  die  sonst  einen  Röhr- 
kasten zierten,  ersetzen.  Oben  kiönte  ein  gusseisernes 
Kreuz  diesen  Stufengiebel.  \'on  den  ]s  die  Kirche  um- 
gebenden Pfeilern  sind  alle  schadliaft,  ja  einige  sell)st 
abgelöst.  Die  Wände  haben  Sprünge.  Die  Nordseite  ist 
als  ^^'etterf^anke  besonders  beschädigt.  Durch  einen 
unnützen  unschönen  \'orbau  hat  man  das  nördliche, 
trefflich  scui[)irtt'  llaupt-Porlal  böse  zugerichtet.  Die 
Ostseite  schmücken  zwei  124  Fuss  hohe  Thürme.  Sie 
erheben  sieh  im  Viereck  und  unsere  oberwähnten  Ab- 
bildungen Koufims  lassen  uns  Ijci  Einem  ein  spitzes 
und  bei  dem  Andern  ein  oben  gerades  Zeltdach  er- 
kennen. Beide  Thürme  verband  eine  hölzerne  gedeckte 
Ueberbrückung.  Schon  Kiö'.i  erlag  der  eine  dieser 
Thürme ,  1G70  beide  —  einer  wüthenden  Feuers- 
brunst. Die  hohen  öden  Schlote,  vom  Feuer  durchglüht, 
dadurch  morsch  geworden,  wurden  bedeutend  abge- 
tragen und  mit  einem  baroken  hässliehen  Zwiefeldache 
gekrönt,  Baudenkmale  aus  dem  Jahre  1741. 

Der  neue  Glockenthurm  entstand  zur  selben  Zeit, 
in  welchem  ein  ganz  originelles  (tIoc  kengelä  ute 
eingefügt  wurde.  Es  sind  nändich  die  Glocken  mit  dem 
Rande  aufwärts  gestellt,  krugartig  befestigt ,  um  sie  mit 
einem  Pedale  in  Bewegung  zu  setzen.  Zum  Geläute, 
wenn  es  nicht  den  Charakter  eines  Feuerlärmes  oder 
Signals  haben  soll,  gehören  vier  Personen.  A  schlägt  an, 
dann  folgt  B,  C  und  D.  Die  Manipulation  ist  gefährlich 
und  hat  bereits  manchem  Schulknaben  die  Fusszehen 
gekostet. 

Das  Innere  überrascht!  Hier  sieht  der  Besucher 
ein  Baudenkmal  mit  ziendich  unverletzten  Formen  in  die 
Neuzeit  ehrwürdig  herüber  ragen.  Drei  Schifle,  wovon 
das  rechte  schmäler  ist,  bilden  die  Eiutheilung.  Der 
polygone  Chor-Abschluss,  so  wie  das  Mittelschiff  waren 
höher.  Feuersbrüuste  mochten  ein  neues  Gewölbe  erfor- 
dern und  dieses  wurde  viel  tiefer  gehalten.  Zum  Hoch- 
altäre in  dem  Presbyterium  führen  8  Stufen.  Hier  oti'en- 
baren  sich  Phantasie  und  Kunstfleiss  der  alten  Bau- 
künstler im  schönsten  Lichte.  Eine  ausgezeichnete  Or- 
namentik überrascht  das  Auge.  Alte  Capitäle  im  Innern 
der  Kirche  sind  mit  den  mannifaltigsten  durchgebil- 
deten Blatt-Ornamenten  geschmückt,  deren  Vorherrschen 
den  ganzen  Charakter  des  Baudenkmals  bestimmt.  Nebst 
dem  erwähnten  Portal  sind  es  die  18  Priestersitze  zu 
beiden  Seiten  des  Presbyteriums,  welche  eine  besondere 
Aufmerksamkeit  verdienen.  Nach  Art  der  Stallen  er- 
blickt mau  iniDreipass  überwölbte  Sitzniseheu,  je  durch 
ein  Rundsäulchen  getrennt,  deren  Capitäle  eine  schöne 
Ornamentik  aufzuweisen  haben.  Steinranken,  Espen, 
Eichen  und  Epheublätter,  Rosen  uud  Akantus  dienen 
zum  architektonischen  Schnnicke.  Leider  deckt  eine, 
wohl  hie  und  da  entfernte  Kalkkruste  ihre  scharfen 
Umrisse,  auch  Beschädigungen  sind  bemerkbar.  Diese 
Art  der  gediegenen  Ornamentik  des  Uebergangs-Styls, 
hält  nur  den  ^'ergleich  mit  jener  in  der  Koliner 
Decanat-Kirche,  dann  in  der  Ludmillaeapelle  der  Tein- 
und  Agueskirche  in  Prag  aus.  Es  müsste  zuerst  die  Trag- 
fähigkeit der  sechs  inneren  Hauptpfeiler,  die  Gesundheit 
des  vielfach  gespruugeneu  HauptschifFgewölbes,  sorg- 
fältig untersucht  uud  die  Ergänzung  aller  fehlenden  De- 

33* 


2ä() 


Decorationell,  Fensterpfosten  und  des  Masswerkes  vor- 
g-euomineu  werden.  Am-li  Spuren  einer  Olver-  und 
Mennigbenialuug  der  Säuleuseliäfte  und  Knäufe  ist  be- 
merkbar. Ein  Saeranientshäuschen,  mehrere  Sclireine 
oder,  besser  gesagt ,  Mauernischen,  mit  sehr  originellen 
Verzierungen  sind  noch  zu  erwähnen. 

In  dem  rechten  Seitenschiffe  tührt  eine  enge  Thüre 
in  die  tiefer  gelegene  Krypta  „Katefin  ky"  genannt. 
Sie  ist  ein  Unicnm  in  Höhmen,  wo  man  gewohnt  ist  nur 
in  romanischen  Kirchen  unterirdische  Kirchen  zu  finden. 
Der  Flächenraum  zählt  10%Q°.  Die  schweren,  einfach 
jirotilirten  Gewölbgurten  ruhen  auf  einfachen  Cnnsols, 
laufen  aber  in  der  Mitte  dieses  llaumes  in  eine  achtglie- 
drige  Bündelsäule  zusammen.  Sie  entspricht  dem  acht- 
eckigen liaume.  Drei  tiefe,  halbrunde,  enge  Fensterchen 
spenden  dem  Inneren  Licht,  das  Capital  dieser  liindel- 
säule  schmückt  ein  r>latt-(>rnanient,  wovon  ein  Tlieil  durch 
einen  Ulitzstrahl  besehädigt.  mittelst  eines  (iy[)sersatzes 
aber  ergänzt  worden  ist.  Leider  fiel  hier  so  gut  wie 
in  der  Ludmillaca pelle  der  Teinkirche  in  Prag  die- 
ser nie  anzurathende  Ornament-Ersatz  ab.  Was  uns 
sonst  diese  Kirche  in  ihrem  Inneren  bietet  stanniit 
ausser  den  zahlreichen  Grabsteinen  mcikwürdigerPatri- 
cier  und  benachbarter  Adelsgeseldechter  aus  dem  Jahre 
]7()7,  wo  Dechant  Mars  schonungslos  restaurirte,  was 
später  1740  wiederholt  worden  ist.  In  diesen  Perioden  ent- 
standen auch  die  Altäre,  deren  ornamentale  Selnntzerci 
besser  als  die  iles  figuralen  Theiics  ist.  Erst  der  Neuzeit 
war  es  vorbehalten  die  elenden  Altarbilder  mit  neuen 
zum  Tlicile  zu  ersetzen.  Das  Kirchenpflaster  ist  dieses 
Gottesiiauses  unwürdig  und  elend.  Inter  den  vielen 
ninnnnientalcn  Geliäudcn  l'öhniens  ,  die  einer  sorg- 
fältigen Kestaurirung  würdig  sind  und  derselben  auf  das 
dringendste  bedürfen,  stellt  die  Koufimer  Kirche  ganz 
gewiss  in  der  ersten  Iteihe,  denn  alle  Hände,  die  si(di  je; 
an  dieses  Paiulcnkmal  gewagt,  haben  seinen  Zustand 
und  Kunsütwerth  nur  verschlechtert.  ' 


Aus     einem     weiteren     IJerichte     desselben     Coii- 
servators : 


Zwei  Meilen  \(iii   Pr; 


südöstlicii   gelegen,    blüht 


das  Städtchen  lilöan  in  einem  weiten,  mit  Teichen  ver- 
sehenen Thale.  Schon  von  der  Ferne  ragen  in  der  mit 
l''iddtluren  bedeckten  höchst  eintormigen  Gegi'iid  die 
gcibgraueii  'rrümnier  der  sehr  alten  lliirg  empor. 

Am  südwestlichen  Emljjuncte  des  Städtcliens  erhe- 
ben sich  die  fast  letzten  Reste  dieser  einst  grossartiger 
angelegten  Hochburg,  welche  einen  unbedeutenden, 
fclsig(;n,  kahlen  llügeliiicken  kriiiit.  Aus  dem  alten 
Materiale  cntstmideii  die  iiachliarlicheii  neuen  Gebäude, 
80  dass  nur  noch  nclist  einer  schmalen  eine  10°  Imhe, 
8°  breite  Manerwand  mit  einem  lOckrestc  stehen  blieben. 
Fünf  Fensterötfnnngen,  in  welchen  einst  Steinsitze  an- 
geliracht  waren,  gälincn  den  licsiicher  an  um!  deuten, 
nach  den  Üalkeiilöclieni  zu  scldiessen,  aui'  drei  liier  an- 
gebrachte Stockwerke.  Fünf  Sticlika))pen  mit  (icwölb- 
rijipenspuren,  ein  Kaniinrcst,  danri  ganz  unten  ein 
schmaler  Eingang  mit  zwei  engen  Seifenfenstern  ist 
alles,  was  der  l'esiicher  bewundern  kann.  \'erwittert  von 
Stllrmeii  und  liegen  stehen  diese  (,'cberrcstc  da  und  zer- 
fallen nach  und  nach  in  Schutt  und  Staub  um  so  mein', 
als  die  Mauerkrone  höchst  angegriflen  wirklich  gefalir- 
di'ihend  erscheint,  undderAntraggestellt  werden  miisste, 

I    S    MItlhcllungcn,  MT.  Baml. 


sie  der  Siclierheit  der  Unigel)ung  wegen  auf  einige 
Schuhe  aljzutragen.  Dies  auszufidiren  wäre  weniger 
geratiien,  weil  diese  Trümmer  die  öde  Umgebung 
vcm  Pican  malerisch  emporheben.  Sonst  kann  an  diese 
Gemäuer  weder  ein  kunsthistorischer  noch  besonderer 
Schönheitswerth  geknüiift  werden. 

In  geschichtlicher  Heziehung  \erliert  sich  der  Ur- 
sprung der  Veste  in  der  vaterländischen  Sage,  die  weder 
begründet  noch  durch  logische  (iründe  befestigt  als 
Wahrheit  angenommen  werden  darf.  Erst  das  Jahr  1"25;5 
nennt  uns  zuerst  den  Andreas  von  Pican  als  obersten 
Triielisess  und  als  intimen  Pathgeber  I'femysl  Otakar  IL, 
ihm  ftdgte  sein  Sohn  Ulrich  \(in  Pican  im  Besitze  dieser 
Stammburg.  Ferner  sind  uns  mehrere  Herrn  Iticansky 
und  Kafkas  von  Pican  bekannt,  ohne  jedoch  behaupten 
zu  können,  dass  sie  gerade  diese  Burg  im  Besitze  gehabt 
hätten.  Weil  später  alle  Picaue  treue  Anhänger  König 
Sigismunds  waren,  so  musste  ihre  Stammburg  den  Ta- 
boriten  zum  Opfer  fallen.  1420  im  Monate  August  zog 
das  'i'aboritenheer  von  Prag  ab  und  überfiel  am  23.  das 
Städtchen  und  die  Herrnburg  Pican,  so  dass  die  über- 
raschten Bewohner  kaum  Zeit  hatten,  sich  von  ihrem 
ersten  Sehrecken  zu  erholen,  um  sodann  ihre  Habselig- 
keiten dem  räuberischen  Feinde  hinzugebeu.  Die  Kelch- 
ner plünderten  Pican  rein  aus  und  es  lässt  sich  ver- 
muthen,  dass  die  gänzliche  Zerstörung  des  niemals 
stark  liefestigten  Schlosses  damals  begonnen  und  durch 
Zeit  und  Menschenhand  so  weit  gedieh ,  wie  wir  diese 
Puine  jetzt  sehen. 


Ein  Besuch  der  Stadt  Kolin  veranlasst  den  k.  k. 
Conservator  Ben  es  eine  flüchtige  Übersieht  der  be- 
deuteniisten  Geschichtsmomenfe  und  Schicksale  der 
Bartholomäus-Kirche,  welche  das  P>ild  iiires  Entstehens 
ihresrnglücks  und  abermaliger  Erhebnng  entrollen  soll, 
zusammenzustellen.  Dieses,  sehr  hoch  gelegene  Bau- 
denkmal beherrscht  die  schöne  Fläche,  die  sich  an  bei- 
den Elbeufern  ausbreitet,  und  gehört  zu  den  seltenen 
Bauwerken  des  Üliergangstylcs  in  Böhmen.  Zum  (ilück 
illieben  einige  Inscliriltsiiaehrieliti'n  iUirig,  welche  den 
/eitraiiiii  der  Gründling  und  \'ollendiiiig  näher  andeuten 
und  bereits  in  den  Miftheilungen  IStJl,  S.  228,  von 
B.  fJ  nie  her  näher  gewürdigt  wurden.  Ob  die  Inschrift, 
welche  bereits  längst  verschwand,  und  nur  in  dem  neueren 
(iedeiikt)iiehe  Kolius  mit  dem  Gründiiiigs)alire  l.'il.'i 
erhalten  blieb,  die  richtige  war,  ist  schwer  zu  beiiaiip- 
tcn.  Zaj)  und  Grueber  suchen  im  Charakter  des  ganzen 
Baues  eine  bei  weitem  frühere  Zeit.  Sichergestellt  ist 
der  Aiifliau  des  Kirchcnchorcs.  Die  dort  vorhandene 
Iiischrilt,  bat  uns  zum  (ilück  Schal  1er  in  seiner  Typo- 
graphie aufbewahrt,  denn  auch  sie  verschwand.  Zufolge 
dieser  begann  den  20.  Jänner  l.'UJO  der  genannte  Clior- 
bau  lind  ward  nach  IS  Jahren  L">7S  vollendet  und  am 
IS.  Octobcr  zu  Ehren  der  Mutter  (Joffes  und  des 
heil  igen  Bart  lioloinä  iis  ausgeweiht.  Pet  er  Arier 
aus  Gmünd  ist  der  Meister  dieses  glorwünligen  Baues 
gewesen.  DieLiber.  erection.  aus  dem XIV.  Jahrhundert 
im  Präger  I)oiiica]iitiilar-Arc!ii\(',  nennen  uns,  berc'its 
]<•  .lalire  Iriilier:  Altäre  und  .Mtarssliflcr,  wobei  auch 
di'sseii  gedai'ht  wird,  dass  Joh.  v.  Wartenberg,  Pi'arrer 
am  Tein  in  i'rag,  das  Begehreu  stellte,  es  möge  der 
Altar  des  liciiigcn  Geistes  ,, weicher  in  der  Krypta  steht, 
wegen  des  iiiibc(|iieiiien  Zugangs,  dahin  übertragen 
werden",  was  aiicli  1  lol  erfolgte.   Also  war  hier,  wie  in 


257 


Kaufim  i'iiie  Krypta,  von  wek-licr  jedoch  l<eiiH'  Spur 
mein"  vorliainlLMi. 

AVir  wollen  uiiii  unser  Augeninerk  den  beiden  im 
Achteck  constrnirtcn  hohen  Zwillingst  hü  rnieii  und 
dem  isolirtcn  Glockenthurme  widmen. 

Beide  diese  ll>0'  hohen  Thürme  eutstanden  iileieli- 
zeitii;-  mit  der  Kirchenanlaj;e.  .Schön  und  schlank  heben 
sich  beide  \on  der  Breite  der  hohen  A\'estt'rontc  ab. 
Zwischen  ihnen  ragt  der  kahle,  mit  einem  starken 
(4esinise  unu-andete  Giebel  hervor.  Zwei  spitze  enge 
Fensterclien  und  unter  ihnen  ein  stark  beschädigtes 
Itadfcnster,  dann  ein  reich  gegliedertes  ebenso  deroutes 
Portal,  beleben  die  breite  einförmige  Gibeltiäche  und 
Wand.  Mau  trift't  selten  mehr  in  Böhmen  eine  so  edle 
Bauweise  unverändert  erhallen.  Vier  Geschosse  thcileu 
beide  Thürme  al).  Die  hohen  acht  Thurinflächen  umgür- 
ten l)ei  einem  jeden  Geschosse  einfache  (Jesimse  und 
beleben  je  8  schmale  Spitzbogeiifenster.  (Jbeu  umkrön- 
teu  den  spitzen  hohen  Helm  vier  kleine  Thürmchcn  und 
eine  hölzerne  Ueberbrückung  bildete  ihre  beiderseitige 
A'erbindung.  Fort  und  fort  schmückten  diese  schönen 
Thürme  Kirche,  Stadt  und  Landschaft  bis  ITlKi  ein 
furchtbarer  Brand  die  Kirche  und  die  hall)e  Stadt  \er- 
niclitete.  Die  ausgebrannten  Thürme  blieben  bis  zum 
Jahre  1845  nur  mit  einfachen  Nothdächern  geschützt. 
Der  damalige  kunstliebende  Herrschaftsbesitzer  AVen- 
zel  A'eitii  gab  den  Ini]iuls  zum  Wiederaufbau  neuer 
Tliurndielme,  Ingenieur  Zippe  entwarf  die  riäne  und 
schmückte  die  Thurmkrone  statt  den  vier  EckthUrmchen 
mit  8  schlanken  hohen  Giebeln.  1847  sah  man  wieder 
die  schlanken  Thürme  mit  der  zweckmässigen  .Schiefer- 
bedachung und  ihren  vergoldeten  Knöplen  stolz  in  die 
Lüfte  ragen.  Allein  im  October  des  Jahres  1800  flog  bei 
einem  Scheuerbrande  in  der  Vorstadt  ein  Strohbrand 
bis  zu  dem  Dachhclmc  des  nördlichen  Thurmes  em]ior, 
entzündete  ihn  und  er  fiel  in  kurzer  Zeit  zum  Opfer.  Lei- 
der ergritfen  dessen  Flanmien  den  nachbarlichen,  isolir- 
ten  1504  aus  Gemeindemitteln  vom  Meister  Bartos 
aufgebauten  Glockenthurm  mit  der  Wächterswohnung, 
welcher  1790  so  gut  wie  diessmal  dem  Stadtbrande  zum 
Opfer  tiel  und  später  eine  unschöne  Bedachung  liekam. 
Die  Glocken  wurden  gerettet.  Diese  zwei  Thurnnuinen 
standen  öd  und  ausgebrannt  bis  zum  Jahre  1872  un- 
berührt. Endlich  hatte  mau  es  dahin  gebracht,  dass 
beide  Thürme  in  ihrem  beschädigten  Mauerwerke  aus- 
gebessert, und  mit  stylrechten  Helmen  versehen  wurden. 
Die  Pläne  hierzu  lieferte  der  Prager  Dondiaiimeister 
Joseph  M  o  c  k  e  r.  .Sie  waren  meisterhaft  durchdacht 
und  die  Idee  dem  ursprünglichen  Bestände  angepasst. 
Leider  war  es  wieder  der  Kosteupunct  ,  welcher  das 
Ausführen  der  Sache  hinderte.  Er  nöthigte  den  Thurm- 
helm  seidicht  zu  halten  und  von  jeder  Giebelung 
abzugehen,  wodurch  diese  Thürme  höchst  ungleichartig 
wurden  und  die  Ansicht  unliebsam  stören.  Der  isolirtc 
Glockenthurm  ist  jedoch  glücklicher.  Sein  Krongesimse 
ruht  auf  23  Tragsteinen  und  Ijildet  den  Thürmerumgang. 
Jede  Ecke  schmückt  ein  schlankes Thürmchen.  lii  Bund- 
säuleu  in  der  Brustwehr  eingefügt  tragen  das  breite 
Zeltdach,  welches  mit  Schiefer  gedeckt  und  mit  Zähn- 
chen und  vergoldeten  Knöpfen  geziert  ist.  Mocker  über- 
wölbte mit  einem  flachen  Gewölbe  den  Glockenraum 
und  sicherte  ihn  für  alle  Zeiten  vor  einer  derartigen 
Vernichtung.  Der  Kosteupunct  belief  sich  bei  Herstel- 
lung dieser  Thurmhelme  auf  17.000  fl. 


(Gleichzeitig  war  (hunals  die  Al)traguug  des  Cas- 
lauer  Thores  im  Antrage  und  \vurde  dieselbe 
anstandslos  bewilligt.  Aus  alten  Abliildungen  lässt  sich 
<ler  bestandene  Bau  dieses  Thores  vollkommen  bestim- 
men. Es  war  ein  l)reiter  viereckiger  einstöckiger  Thor- 
thurm,  dessen  Dachhelm  spitz  zulief,  und  war  jede  Ecke 
mit  einem  Thürnndien  \erzicrt  gewesen.  In  Folge  des  182ö 
geschehenen  Einsturzes  des  Prager  oder  später  genann- 
ten Kouriiner  Thores,  wurde  auch  dieses  höchst  bau- 
fällige Bauwerk  abgetragen.  Doch  wollte  1818  Kutten- 
berg als  keine  offene  Stadt  noch  gelten,  und  man  baute 
eine  nüchterne  Mauerwand  mit  cinerThoröfinung,  krönte 
sie  mit  vier  Ziinien,  machte  zwei  .Schiessscharten  hinein, 
versah  die  kahle  Wand  mit  der  Jahreszahl  1818  und  dem 
Bergmannswappen:  „den  kreuzweise  gelegten  Ham- 
mer und  Schlägel-'  und  das  czaslauer  Thor  war  fertig.  Der 
Neuzeit  ist's  zu  enge  und  man  wünscht  durch  dessen 
Abtragung  eine  breitere  Fahrliahn  zu  gewinnen. 

Schlimmer  ergeht  es  dem  Ober- Bergamts- 
gebäude, Wälscher  Hof  genannt,  in  Kutten- 
berg. Dort,  wo  Könige  wohnten,  Münzen  geprägt  und 
Schätze  aufgespeichert  wurden,  wo  mächtige  Münzmei- 
ster hausten  und  sich  ein  reiches  Stück  vaterländischer 
Geschichte  abspielte,  da  herrseht  nun  öde  Verwüstung. 
Die  k.  k.  Bergbehörde  ward  aufgelöst  und  nur  ein 
Bergbeamter  besorgt  die  Kanzleigeschäfte.  Der  alte, 
weitläufige  Bergbau,  namentlich  sein  westlichster  Theil 
ist  sehr  verkommen.  Nur  der  prachtvolle,  vor  zehn 
Jahren  restaurirte  Capellcnerker  ragt  frisch  und  ge- 
sund aus  den  grauen  Gemäuer  des  malerischen  Innern 
Hofraunies,  als  ein  künstliches  Denkmal  gothischer  Bau- 
weise hervor.  Ich  fand  auf  dessen  Unterbau,  der  doch 
früher  da  war  als  der  Oberbau,  ein  gekröntes  L  und  die 
Jahreszahl  1512  (1516 -h  1526).  EsYst  Wladislavs  Sohn 
Ludwig  gewesen,  der  die  vom  15 Iß  verstorbenen  Vater 
begonnene  Capelle  vollendet  hat.  Den  inneren  Hofraum 
umgeben  Wohngebäude ,  ein  Corridor  und  ein  ueu  auf- 
gebautes Kanzlcigebäude,  welches  fast  mehr  Ruiue 
geworden  als  das  alte.  Die  Wände  des  alten  Baues 
schmücken  10  Dreieck-  und  (i  Tartschenschilde  und 
längst  verwitterte  Inschriften  sprechen  in  uralten  Mi- 
nuskeln folgende  Worte:  Roma,  Köln,  Trier,  Mor(aTia), 
Brandeb(urg),  Swidnice,  Brzetislav,  Brüx,  Meklenburg; 
ferner  Oipava,  Iglava  und  ....  purh.  —  Das  Uebrige 
ist  unkenntlich.  Die  .Stadt  will  nun  die  öden  Kauzlei- 
räume  zu  Schulen  verwenden.  — 

Schou  längst  war  es  der  Wunscli  der  Bürger  von 
Elbe-Teiuitz,  ihre  Kirche  innerlich  restaurirt  und 
geschmückt  zu  sehen.  C'onservator  Ben  es  besuchte 
zweimal  dieses  Städtehen,  welches  zu  den  ältesten 
Orten  Böhmens  gehört,  doch  nichts  mehr  von  seiner 
früheren  Bedeutung  als  eine  Feldflur  mit  heidnischen 
Grabstätten,  die  Reste  des  alten  Burggebäudes,  endlich 
zwei  neuere  Kirchen  aufzuweisen  hat. 

Die  Lage  des  Ortes  selbst  ist  höchst  pittoresk  und 
angenehm.  Man  baute  das  Tynec  hoch  oben  auf  den 
Rücken  einer  lang  gedehnten  Hügelun.ü'  am  rechten  I'fer 
der  Elbe  an  den  Gränzmarken  des  Caslauer  Kreises. 
Weit  gegen  Osten  in  (klen  Sandfeldern  liegt  die  Feld- 
flur Svarov  (Svar  der  Thierkreis)  und  dort  ist  eben  der 
Fundort  zahlreicher  Aschenurnen,  Bronzenadeln  und 
.Schmuckfragmenten,  Steinhiinnner  und  selbst  eines  Rin- 
ges aus  gediegenem  Golddraht. 


—     2Ö8 


Das  ehemalige  Schloss,  steht  südwestlich  auf  einem 
Felsenriffe.  Das  alte  hohe  Schlossge bände  ist  noch 
unter  Dach,  und  wird  als  Schüttboden  benutzt.  Einige 
Gemächer,  drei  gewölbte  Keller,  der  leere  Bodenraum 
sind  alles,  was  der  Besucher  tindet.  Der  ehemalige  Zwin- 
ger hat  noch  den  Rest  einer  Mauer  mit  .Schiessscharten 
aufzuweisen. 

Knapp  am  snilwestlichen  Felsenrande  fliesst  die 
Elbe.  Schon  der  Name  ist  alt  und  ausser  Gebrauch  ge- 
kommen und  bedeutet  einen  mit  Pfählen  umsäumten 
Platz  —  einen  befestigten  Ort  und  erinnert  an  tias  eng- 
lische Town.  Böhmen  zählt  ausser  der  uralten  Teinburg  in 
Prag  noch  30  solche  Orte,  welche  Tyn  oder  Tynccheissen. 

Nach  A.  Heber's:  Burgen  und  Vesten  Böhmens 
VI  B,,  Seite  253,  war  Bozej  Vesovee  Herr  auf  Libic  und 
Elbe-Teinitz  (1108),  welches  nach  dessen  gewaltsamen 
Tode  die  herzogliche  Kammer  in  Besitz  nahm.  1143 
gelangte  Teinitz  an  die  Cistercienser  in  Sedlec,  in  deren 
Händen  es  bis  zum  Hussitenkriege  blieb.  Nach  diesem 
Kriege  verpfändete  Sigmund  I.  1431)  die  Burg  an  Vanek 
von  Miletnik,  dem  mehrere  Besitzer  rasch  nach  einander 
folgten,  bis  zur  Zeit  Königs  Vladislav  H.  Niclas  von 
Miletnik  1510,  später  Willielm  von  Bernstein,  dieses 
Gut  mit  der  grössten  Domaine  Böhmens  Pardubic  ver- 
einigte. Da  später  Pardubic  Kammerdoniaine  wurde, 
so  blieb  auch  Eibc-Teinitz  bis  zum  Jahre  1^48  in  die- 
sem Verhältnisse,  nur  wurde  die  alte  Veste  schon  früher 
ein  Bustikalbesitz. 

Die  dortige  Pfarrkirche,  dem  heil.  Johann  dem 
Täufer  geweiht,  kömmt  schon  in  den  Errichtungs- 
büchern 1384  als  Pfarrkirche  vor.  Die  alte  Kirclie  ward 
ihrer  Baufälligkeit  wegen  1780  abgetragen  und  ein  Jahr 
darauf  der  einfache  Neubau  vollendet.  Josef  Kramolin 
versah  dieses  Gotteshaus  mit  Fresken.  In  diesem  Zu- 
stande erhielt  sie  sich  bis  zum  Jahre  1834,  wo  am  23. 
September  eine  furchtbare  Feuersbrunst  binnen  zweier 
Stunden  Städtchen  und  Kirche  eingeäschert  hat.  Ihr 
Aulhau  ward  gleich  in  AngritV  genommen.  ,jedoch  wurde 
sie  styilos  hergestellt.  Vor  Jaiiren  Inldete  sich  ein 
Comit6,  welches  eine  innere  Kestaurirung  anzustreben 
gesonnen  war.  Die  Aufgabe  wurde  vortrell'lich  gelöst. 
Diese  gelungene  Eenovirung  der  Teinitzer  Kirche  ver- 
anlasste .sogleich  eine  zweite  derartige  rnternehmung 
in  dem  Dorfe  Kojic  Ein  einfaches,  uraltes,  mmanti- 
sches  Dorfkirchlein,  unbekannt  und  öde,  wird  nun  inner- 
lich ebenfalls  polychrom  und  stylgemäss  l)ehandelt. 


Es  dürfte  kaum,  irgend  ein  abgelegenes  Dorfkirch- 
lein, eine  grössere  Literatur  aufzuweisen  haben,  wie  das 
zu  S  t.  J  a  c  0  b.  S  c  h  a  1 1  e  r ,  der  erste  Topograph  Böhmens, 
ahnte  in  seinem  Werke  VI.  B.,  Seite  14  —  1787,  gar 
niclit,  welche  Bedculung  di(' alten  Sculiifurcn  der  Süd- 
wand haben.  Er  hielt  die  ..hier  angcl)racliten  Bihl- 
säulcn  für  Darstellungen  frommer  Männer  aus  dem 
Gistcrcienser  Orden''  und  dachte  .somit  St.  Jacob  mit 
dem  nahen  eiiemaligen  Cistercienserstifte  SedIrc  in 
Verbindung  zu  bringen. 

DerCaslauerScliiddirecfnr  Spudil  und  .Maier  Herold 
waren  die  ersten,  welche  den  Professor  Wocel  auf  diese 
Kirche  anfiiicrksiuii  machten,  in  Folge  dessen  im  Caso- 
pis  öeskeho  Museum  1^47  die  tretTliche  IJeschrcibung 
dieser  Kirche  erfolgte,  deren  Styl  Woccl  damals  nocli 
den  byzantinischen  nannte. 


Die  Entstehung  des  Baudenkmals  schien  durch  die 
im  Jahre  184(>  in  der  abgetragenen  Tumba  eines  in  der 
Empore  errichteten  Altars  gefundenen  Weihurkunde  aus 
dem  Jahre  1165  sieher  gestellt  zu  sein.  Dieses  Perga- 
mentblatt, welches  besagt,  dass  der  Altar-Weih-Act 
durch  den  Bischof  Daniel  in  der  Gegenwart  des  Königs 
Vladislav  I.  und  dessen  Gemalin  Judith  erfolgte,  Hess 
voraussetzen,  dass  diese  Kirclie  10—15  Jahre  früher, 
daher  115(t  gegründet  worden  sei. 

Dem  ist  niclit  so.  Im  Laufe  des  Jahres  1872,  gleicli 
im  Frühjahre,  als  man  mit  der  inneren  Restaurirung  der 
Kirche  begann,  liiebei  die  Tumba  abtrug  und  die  breite 
Mensa  abhob,  fand  man  in  dem  Hochaltäre,  eine  roh  ge- 
machte Blei-Capsel  mit  Reli(|uien  in  13  kleinen  seidenen 
Bändchen  mit  einem  gelblichen  feinen  Pulver  bedeckt, 
welches  der  \ermorschte  Ueberrest  der  Pergament-Weih- 
urkunde sicher  gewesen  ist.  Die  Länge  der  Kapsel  be- 
trägt 3",  die  Breite  2"  IV".  Der  obere  Theil  ist  mit  der 
Inschrift  „Daniel  XIILEp(iscopus)E(clesice')Prag(ensis) 
versehen.  Die  707  Jalire  alte  Schrift  hat  zwei  Formen 
des  A-  und  des  P-Buciistabens.  lin-e  Höhe  beträgt  4'". 
Sie  war  mit  einem  kreuzweis  gebundenen  vermorschten 
Bande  versehen,  woran  das  bischöfliche  Siegel,  ebenso 
vermorscht,  befestigt  gewesen. 

Der  Seidenstoff,  worin  die  kleinen  Rclii|uienfVag- 
mente  eingewickelt  waren,  war  stark  gewiikt,  karmin- 
roth,  wohl  erhalten  und  jenem  ganz  gleich,  der  in  einer 
gleichen  Capsel  mit  gleicher  Inschrift  184(>  dort  im 
Emporen-Altare  gefunden  wurde.  Die  Bäiulclchen  heftete 
ein  rother  seidener  lündfailen  von  gleicher  Beschaffen- 
heit wie  jenes  aus  dem  genannten  Fundjahre.  Selbst  die 
Schrift  an  dem  anhaftenden  Zetteichen,  worin  die  lleili- 
gennamen  signirt  sind,  ist  jener  gleich,  welche  man  an 
den  Reliquien  der  erstgefuiulenen  Capsel  tindet.  Dem- 
nach ist  es  sii'liergestcllt,  dass  beide  Altäre  in  dem 
Jahre  11G5  entstaudt'u  sind  und  vom  Bischof  Daniel 
geweiht  wurden. 

In  Eilige  einer  vor  zwei  Jahren  in  der  Gegend  des 
Dorfes  Bohnic  situirten  Dynamitfabrik  erfolgten  furcht- 
baren Exjjlosion  erlitten  fast  alle  Sfoinbauti'ii  der  Um- 
gegend eine  so  heftige  Erschütterung,  dass  Abtragungen, 
Re])arafuren  u.  s.  w.  an  der  Tagesordnung  waren  und 
noch  sind.  Dieser  Unglücksfall,  welcher  \iele  Men- 
schenleben kostete,  ereilte  auch  die  Pfarrkirche  nicht 
nur  allsogleich,  sondern  es  entwickelten  sich  später  noch 
bedenkliche  Sprünge  als  Folgen  dieser  K.'ttastrophe, 
worüber  der  k.  k.  Conservatnr  ISenes  berichtet: 

Das  Dorf  Bohnic,  auch  l'xijnice  genannt,  war  be- 
reits in  vorhistorischer  Zeit  bevölkert,  denn  dort  gefun- 
dene Aschen-Urnen,  Bronz-  und  Steinobjecte  dienen  hieflir 
zum  klarsten  Beweise.  Nun  zählt  der  Ort  .35  Häuser  und 
31.3  iMnwohner.  Innn'tlen  des  Döii'cliens  erhebl  sieh  <lie 
erst  t)5  Jahr(!  alte  S.  Peters-  und  l'aiiluskii-elie,  ein  <lem 
Herrn  v.  Osborn  gehöriges  Sehlösschen,  endlich  die 
Pfarre  und  das  Schulgebäude.  Die  Kirche  besitzt,  wie 
selten  eine,  viele  urkundliche  Daten  aus  alter  Zeit. 

Es  ist  sichei'gestellt,  dass  dies  (Jotteshaus  auf 
Kosten  des  \'y.sehrader  Probsles  (!ervasius  1158  erbaut 
und  bei  Anwesenheit  des  Königs  Vladislav  I.  und 
seiner  Gemalin  .ludith  vom  Prager  Bischof  Daniel  einge- 
weiht worden  isl. 

Man  fand  im  .l.'ihre  I71tn  hei  einer  Kirchen  liepa- 
ratur  unler  dem  Altarsteine  die  Weih-Urkunde  mit  dem 


2!)9 


biscliöl'lichen  Siegel  und  in  einer  lUei-Capsel  Reliquien 
von  etwa  2U  Heiligen. 

'i22S  gelangte    das    Dort'   in    das  Kigentliunr  des 
Klosters  von  S.  Georg.    In  den  Libris  eonfirniationuni  ■ 
wird  in  dem  Jabre  1319  der  Pfarrer  Albert,   l'M'A)  eben 
dort  der  Pfarrer  Jobann  erwälint,    welcher  als  solcher 
von  Vaniek  v.  AVartcnberg  bestätigt  wurde. 

1357  war  Bohnic  bereits  in  den  Besitz  des  Niko- 
laus von  Jentez  gekommen,  von  welchem  es  der  oben- 
erwähnte Wartenberg  erkaufte  und  gar  nicht  lange  im 
Besitze  hatte,  um  es  in  dem  J.  13i)0  an  den  reichen 
Prager  Bürger  Petrus  aus  dem  berühmten  Geschlechte 
der  Ulbranio\ice  zu  veräussern.  Kurz  darauf  ward  dies 
Gut  dem  königl.  Obristburggrafenamte  einverleiht,  zu 
welchem  es  fortwährend  bis  zu  dessen  Auflösung  ge- 
hörte und  jetzt  den  Titel  k.  böhmische  Donicsticallond- 
Domaine  tVdirt. 

Was  ilas  Baudenkmal  selbst  betrifft,  so  bleibt  kein 
Zw-eifel  Übrig,  dass  es  einst,  wie  alle  Kirchen  des 
XII.  Jahrhunderts,  im  romanischen  Style  ausgeführt 
worden  war.  Allein  die  jetzige  Kirche  trägt  keine  S]iur 
mehr  von  ihrer  alten  Anlage.  Schon  Millauer  sagt  in 
den  gleichzeitigen  ,.Abhandlnngen  der  königl.  böhm. 
Gesellschaft  der  Wissenschaften",  dass  die  Bobnicer 
Kirche  ISOÖ  vollkommen  umgebaut  worden  ist.  Gedenk- 
bücher und  altgewordene  Zeitgenossen  schreiben  und 
erzählen,  dass  man  alles  neu  hergestellt  und  anders 
construirt  und  vom  alten  Gebäude  nur  beim  Eingange 
ein  Stück  Mauer  hat  benützen  können  —  sonst  ver- 
schwand alles! 

Von  Einriclitungsgegenständen  dieser  Kirche  sind 
zu  erwähnen : 

Ein  bereits  unleserlicher  Grabstein  nnt  einer  sehr 
verfurchten  Wappencontur,  ein  Weiliwasserbecken  aus 
Marmor  aus  dem  J.  1(580,  welches  Adam  Cistecky,  Burg- 
graf dieses  Gutes,  dem  Kirchlein  geweiht,  ferner  ein 
kleiner  zinnerner  Taufkesscl  mit  der  Jahreszahl  1730. 

Die  Sacristei  bat  hübsche  Messgewäuder  aus 
Liouer  Seidenstoffen,  wovon  eine  Casida  die  Jahreszahl 
1G71  in  erhabenem  Perlstieli  gestickt  trägt. 

Im  Thnrme  hängen  vier  Glocken.  Die  älteste  goss 
der  (Tlockengiesser  Stanislav  im  J.  163<S,  das  Sterbe- 
glöckcheu  hat  11  Anfangsbuchstaben  in  seiner  Umwan- 
dung  und  entstammt  dem  Jahre  1772.  Die  übrigen 
Glocken  sind  neu. 

Aus  dem  Ganzen  ist  zu  ersehen,  dass  die  Kirche  aller 
Spuren  alter  Bauanlagen  bereits  entkleidet  und  ein  sehr 
nUciiternerBauaus  demJ.  1805  im  Grund  und  Aufriss  ist. ' 


Anlässlich  in  neuester  Zeit  vorgenommener  archäo- 
logischer Forschungen  in  den  Krakauer  Klöstern,  beson- 
ders in  denen  der  Dominicaner,  Bernardiuer  am  Stra- 
dom,  und  der  lateranenischen  Kanoniker  am  Kazmierz, 
bat  Herr  St.  von  Krupanowski  einige  Nachrichten 
gefunden,  welcbe  nicht  ohne  Werth  für  die  Kunst- 
geschichte Galiziens  sein  dürften.  Es  sind  in  chrono- 
logischer Ordnung  gegeben,  folgende : 

„1422  d.  27.  septembris  obiit  A.  E.  D.  Simon  Prior 
crac.  et  primus  profcssus  congregationis  cracovieusis  ^  in 
scribendis  libris  chorali  sui  pergameno  indefatigabilis. 

1487  obiit  Cracoviae  V.  P.  Franciscus  Hungarus 
pictor  eximius,  iit  imagines  Coenae  Domini,  C'hrucitixio- 


nis  et  lapsus  Christi  cracoviae  et  Calvariae  in  ecclesia 
crucitixionis  testantur.  Sepuitiis  in  choro. ' 

1585  d.  21).  Novembris  obiit  A.  K.  D.  Salomon 
Wierzbanowicz  prior,  in  scribendis  ])salteriis  laboriosis- 
sinius^  1650  d.  27.  Januarii  obiit  D.  Thomas  Dollabella 
Italus  ex  statu  \'cnetornm,  ))ictor  Regum  Poloniae  Sigis- 
mundi  III.,  AVladislai  I\'.  i't  Joannis  Casimiri  qui  in  arte 
sua  neminem  su"  tem])<ire  parcm  liabuit,  testimonio 
omnium  pictorum.  Cujus  fama  inarte  sua  uon  solum  in 
Polonia,  sed  in  Germania,  Italia  et  Gallia  divulgata 
fertur.  Hie  vii-  j)er  4  circiter  annos,  in  domo  conventus 
dicta  S.Thomaemancns,  nnilta  suae  gratitudinis  ineodem 
conxenlu  et  in  ecclesia  religuit  monumeuta.  Tandem 
aetatis  suae  prope  octogenarius  anno  et  die  ut  supra  obiit, 
sepultus  est  in  ecclesia  nostra  ante  altare  5Iisericordiae. 

11)55  3.  Aprilis  F.Andreas  Organista  Nizankowius, 
in  arte  pulsandi  organa  suo  seculo  vix  parem  liabens  ut- 
pote  qui  in  provectioni  aetatis  Komam  profectus,  et  in 
conventu  super  Minervam  per  trienuium  organa  cum  laude 
pulsans,  cupieus  in  liac  arte  perfectior  evadere,  etiam 
inibi  Magistro  Frescobaldi  utebatur.  Tandem  in  conventu 
Cracoviensi,  quem  sua  arte  per  multos  annos,  cum 
admiratione  et  laude  multorumcoudecoravit,  die  3.  Aprilis 
aunum  LXIII  supergressus  fatis  cessit. 

KjGG  d.  12.  Mai  F.  Blasius  Derey  Severiensis,  artis 
musicae  jieritissimus,  Antifonarium  Chorale  partis  hiema- 
lis  cumnotis,  habita  a  Beverendissimo  patre  generali  licen- 
tia,  imjjrimi  fecit.  Graduale  vero  quantae  pulchritudinis 
nou  reliquit?  Est  autem  illud  missae  in  dies  cantantur 
in  pergameno  opus  mirandum.  In  conventu  cracoviensi 
sno  nativo  per  plures  annos  manens,  a  carnibus  abstin- 
guit,  pro  potu  sola  acjua  utendo.  In  confessionibus  tam 
fratrum,  quam  secularium  audiendis  usque  ad  mortem 
assiduus,  qui  prope  octogenarius,  professionis  vero  L 
anno  die  ut  supra  senectutis  morbo  extinctus. 


Die  Restauration  des  alten  caroliugischen  Domes 
in  Aachen,  in  welchem  die  Krönung  der  deutschen 
Könige  vollzogen  wurde,  war  schon  seit  Decennien 
Gegenstand  eingehender  Studien  geworden,  zu  welchen 
ursprünglich  der  Karls-Verein  in  Aachen  mit  einer  im 
Wege  der  Subscription  aufgebrachten  Summe  von 
40.000  Thalern  den  ersten  Impuls  gegeben,  und  welcbe 
Idee  von  der  deutschen  Reichsregierung  aut'gegritfen 
und  mit  einer  Widmung  von  gleicher  Höhe  gefördert 
wurde. 

Nachdem  die  Projeete,  welche  Deyer,  Quast  und 
Schneider  geliefert  hatten,  fallen  gelassen  wurden, 
glaubten  die  massgebenden  Stimmen  den  richtigsten 
ÄVeg  damit  eingeschlagen  zu  haben,  dass  sie  auf  die 
von  Salviati  in  Venedig  und  Canonicus  Bock  in  Aachen 
empfohlene  Durchführung  in  Mosaik  eiuriethen,  in  wel- 
cher Art  die  alte  Kuppel  der  kaiserlichen  Pfalzeai)elle  zu- 
folge erhaltener  l'berreste  ursprünglich  geschmückt  war. 

Am  30.  Juni  d.  J.  ist  in  Aachen  eine  vom  Cultus- 
ministerium  der  deutschen  Reichsregierung  zusammen- 
gesetzte Commissiou,  bestehend  aus  den  Herren  Ge- 
beimräthen  Salzenberg  und  Schöne,  den  Professoren 
Dubbert  in  Berlin,  Wislicenus  in  Düsseldorf,  Kekule  in 
Bonn  und  den  vom  Cai)itel  in  Aachen  und  dem  Erz- 
bischof Paulus  in  Cöln  delegirten  Experten  Prof.  Job. 
Klein  aus  Wien  und  Appellationsgerichtsrath  Reicheu- 


'  Vergl.  hierüber  Grueber's  Meinung.  Mittli.  XVI,  p.  C'LXXXVIII. 
-  Can.  reg.  lat.  Casimisc. 


*  Act.  convent  bern.  atradow. 
-  Cau.  reg.  lates :  Ca^imi&c. 


260 


sperger  aus  Cöln  zusammengetreten,  um  die  natur- 
grossen,  vom  Maler  Bethune  crYdewalle  ausgeführten 
Carlons  au   Ort  und  Stelle  zu  begutachten. 

Anfänglich  hatten  unter  den  Commissionsmitglie- 
dern  zwei  abweichende  Anschauungen  l'latz  gegrilten; 
Prof.  J.  Klein  aus  Wien,  von  Reichensperger  warm 
unterstützt,  vertlieidigte  die  Cartons,  die  im  Geiste  der 
carolingischcn  Epoche  gehalten  sind,  die  übrigen  Mit- 
glieder standen  aber  anfänglich  für  eine  Durchführung 
ein,  welche  sich  die  älteren  musivischen  Werke,  wie  sie 
sich  in  der  Sophicnkirche  in  Constantinoiiel,  St.  Vitale 
in  Kavenna  u.  s.  w.  vorfinden,  zum  Vorbilde  gemunmen 
hatte.  Erst  nachdem  am  letzten  Tage  das  aufgestellte 
Gerüste  gefallen  war  und  sich  die  Vertheidiger  der 
letzteren  Anschauung  die  Überzeugung  verschattt 
hatten,  dass  sowohl  die  Kaunivcrtheilung  als  auch  die 
Farbenwirkung    den    Anforderungen    entsprechen ,     so 


gaben  sie  ihren  Standpunkt  auf,  und  so  wird  dem- 
nächst die  alte  ehrwürdige  Kuppel  des  Aachener 
Domes  in  der  ursprünglichen  Farlienpraeht  ihre  Ver- 
herrlichung erhalten.  a 


Über  Antrag  der  Redaction  besehloss  die  k.  k. 
Central  Commission  sich  an  der  Wiener  Weltausstel- 
lung zu  betheiligen  und  -wurden  die  Jalirgänge  der 
Mittheilungen  von  1867  bis  1872,  die  Separatdrucke 
der  Sava'schen  Fürsteusiegel  und  (irueber'schen  Kunst- 
denkmale Höinneiis,  forncr  Parthien  des  archäologischen 
Atlas  in  der  Gruppe  XXVI  zur  Ausstellung  gebracht. 
Die  Preisjury  sprach  diesen  Publicationen  die  Fort- 
schrittsmedaille zu.  Auch  der  Wiener  .\ltertliums-Verein 
erhielt  für  seine  ebenfalls  ansg-estellten  Publicati(Hien  die 
Verdienstmedaille. 


Vom  Altertlmins-Yereiiie  zu  Wien. 


Wir  haben  das  Erscheinen  eines  weiteren  Bandes 
der  Publicationen  dieses  Vereines,  des  XIII.,  zu  regi- 
striren,  In  Ausstattung  den  früheren  nicht  nachstehend, 
bietet  sein  Inhalt  viel  des  Werthvolleu  zur  allgemeinen 
und  Kunstgeschichte  Nieder-Usterreichs, 

Der  erste  Aufsatz  stammt,  sowie  die  beigegebeneu 
Zeichnungen  aus  der  Feder  des  Herrn  Emil  Hütter, 
dem  man  die  gelungene  Aufnahme  vieler  seither  ver- 
schwundener Partien  des  alten  ^\'ien  zu  verdanken  hat. 
Der  erwähnte  Aufsatz  hat  die  grosse  Glocke  bei  St. 
Stephan  in  AVien  zum  Gegenstand  ,  bespricht  ihren 
Guss,  die  Zeit  (1710)  und  den  Ort  ihrer  Anfertigung 
und  iln-en  Meister  Job.  Aichinger,  ihre  künstlerische 
Ausstattung,  ihren  Transport  in  die  Stadt  zur  Kirche, 
ihr  Aufziehen  und  ihre  ersten  Schicksale.  Das  beige- 
gebenc  interessante  Bild,  eine  getreue  Copie  des  im 
städtischen  Archiv  erliegenden  Originals,  zeigt  den 
Moment,  wie  die  mit  Bändern  geschmückte  Biesen- 
glocke  auf  einem  massiven  Wagen  von  vielen  hundert 
Menschenhänden  gezogen,  von  ihrem  Gussorte  am 
Neubau  durch  da.s  Fischerthor  bereits  in  die  Stadt 
gebracht,  in  der  Biscliofsgasse  zunächst  dem  Ivk  der 
Wollzeile  anlangt. 

Im  nächsten  Aufsätze  stellt  Prof.  A.  Senibera 
mit  grossem  Scharfsinne  die  bisher  nicht  fixirte  Stätte 
in  Nieder-Österreich  fest,  auf  welcher  im  .lahrc  1221 
jener  Kirclicncongrcss  stattfand,  durch  diu  der  viil- 
jährigc  Streit  zwischen  Kilnig  Preniysl  (»lakar  I.  und 
dem  Prager  Erzbischofe  Andreas  um  die  Privilegien  des 
Präger  Bisthunis  beigelegt  wurde.  Prof.  Sembera 
nnicht  es  zweifellos,  dass  die  Stelle,  wo  jener 
Staatsact  geschlossen  wurde  und  den  die  Chronik 
,.MonsScas"  nennt,  derScbatzberg  ist,  der  sieh  zwischen 
Petz  und  Seefcld  in  Mieder-Osterreich,  südlich  von 
Znaim  in  der  Nähe  der  mährisclien  Grenze,  erhebt. 

Grosses  Interesse  erregend  und  reiche  Belehrung 
enthaltend  sind  die  kunsthistorisclien  15emerkungen  und 
Beiträge,  gesammelt  von  Dr.  .Ilg,  in  AVien  und  auf 
Wanderungen  durch  Nieder- Osterreich.  Wenn  auch 
Nicder-Östcrreich  durch  die  alten  Toiiographien  eines 
AVeiskern  und  Fischer,  durch  die  späteren  Arbeiten 
Seh  midi  's,  Schcigcr's,  Tsclii  sclika's,  dann,  seit 
jene  Fntcrsuchungen  in  wissenschaftlicher  Weise  ge- 
halten  werden,     von    Hei  der,    Feil,    Camesina, 


Sacken,  AA^eiss  u.  a.  in  kunst-archäologischcr  Hin- 
sicht als  ein  durchforschtes  Land  angesehen  werden 
darf,  und  mir  mehr  im  kleinen  Einzelnen,  in  der  Feiu- 
arbeit  noch  zu  schaffen  übrig  ist,  so  hält  es  der  \^er- 
fasser  und  mit  ihm  die  Bedaction  der  Schriften  des 
Altherthum-A'ereines  und  der  Referent  für  ganz  zweck- 
mässig und  angezeigt,  dass  über  selbst  bekannte  Monu- 
mente die  oft  divergirendc  und  manches  Neue  zu  Tage 
fördernde  Ansicht  verschiedener  Facligenossen  registrirt 
und  der  Öffentlichkeit  übergeben  wird. 

Ilg's  AA'anderungen  beginnen  mit  der  Wiener  Ste- 
phanskirche,  woselbst  Einzelnheiten  derselben  einer  ein- 
gehenden Betrachtung  untei'zogen  werden.  Den  ersten 
Gegenstand  bibh-n  die  prachtvollen,  leider  noch  nirgends 
genügend  publicirten  Chorstühle.  11g  gibt  zu,  dass  an 
einzelnen  Sculjjturen  die  Meistcrliaml  Lerch's  zu  erken- 
nen ist,  dass  in  der  Construction  des  AA^erkes  im  Ganzen 
und  Grossen  und  in  der  Ordnun:;-  der  Sitze,  in  der  Ver- 
wendung der  Baldachine  die  Alöglichkeit  eines  .\ntheils 
Lerch's  liegt,  glaul)t  jedoch,  dass  die  Ausführung  zahl- 
reichen Kleistern,  deren  erster  Rollinger  hiess,  über- 
tragen war  und  ein  nicht  unbeträchtlicher  Theil  der  Bild- 
werke, \on  zierlicheren  und  beträchtlich  jüngeren  Händen 
aus  (b'r  Benaisancc^ieriode  stannne.  Auch  die  wenigen 
alten,  noch  erhalten  gebliebenen,  farbigen  Fenster- \'er- 
glasungcn  werden  bes])rochcn  und  insbesondere  wird  dem 
AVunsche  Ausdruck  gegeben,  dass  die  seit  einiger  Zeit 
aus  der  Halle  unter  dem  grossen  '{''hin'me  entfernten 
alten  Glas-Alosaike,  vorsttdlend  österreichisehe  l''ürsten- 
l'ilder,  recdit  bald  an  einem  passenderen  Orte  ihre  Auf- 
stellinig  wiederlinden  nnichlen.  Uber  das  Aladonnabilddes 
Speisaltars,  ein  von  einem  AViener  Bürger  Hfl.'!  gestiitetes 
Tai'elgeniälde,  über  dii;  Consecratiunszeielien,  über  einen 
verschwundenen  Grabstein,  wie  auch  über  den  I'lügel- 
allar  In  der  Scliatzkanniier-Capelle  finden  wir  intcres- 
sanf<'  Mifllieilungcu;  dass  dieser  FlllgelaUar  der  von 
Bischof  Ludwig  lOiiner  um  ]i)(.)l  consccrirte  ist ,  der  in 
seiner  abseilsficlegenen  Aufstellung  sein  Heil,  sowie 
seine  l'jhaltnng  wüIii'^mhI  der  Zeit  des  Zopfes  fand, 
sclieinl  ihm  ausser  Frage;  dass  AVolgemut  an  diesem 
Altäre  keinen  Aidheil,  ist  dem  Verfasser  unzweifelhaft, 
eiier  dürfte  es  nniglich  sein,  dass  ein  Meister  aus  der 
S(dnde  Dlb'cr's  d.-ii-.in,  nanientliidi  an  den  Gemälden 
tiewirkt  habe. 


—    261 


In  weiterer  Folge  bc,si)richt  Dr.  Ili;-  den  .scliinuu 
Grabstein  des  Freilicrrn  'l'ruciisess  \o\\  Woc/.liauscn 
f  1023,  in  der  Deiit.srli(ir(ienskirelie  zu  Wien,  die  Fran 
ciseancrkirclie  und  zwei  ihrer  Grtibniale ,  die  durcli 
reichen  Bihlerseliniucic  ansg'czeichnet  sind,  die  Kii-cjie 
von  I5ercht(iidsdiirt',  die  liundeai)elic',  Othniars-  und 
.Spitaiivireiie  in  j\l  ii  d  1  i  n  i;'  und  dir  Cartliäuserlvirclie  zu 
Gauiing'  nebst  anilereu  kleineren  Denkmalen. 

Eine  ausgedehntere  Bearbeitung  fand  die  interes- 
sante verfallene  Piurg  Licehtenst  ei  n  liei  Jlödling  mit 
ihrer  merkwürdigen  romanischen  C'apelle.  Sie  verdient 
auch  diese  Rücksicht,  denn  sie  ist  eines  der  .frühesten 
Monumente  dieses  Stylcs,  die  noch  in  Nieder-Ostcrreicli 
erhalten  sind.  In  einigen  (iemäcliern  finden  sich 
Kaniinreste  mit  Scnlpturen  am  Mantelträger,  die  zwar 
etwas  .Starres  an  sich  haben,  aber  immerhin  merkwürdig 
sind  durch  ihre  scharfe  Stylisirung. 

Mit  Vorlielie  wendet  sich  Dr.  II  g  den  an  verschie- 
denen Orten  erhaltenen  Gemälden  zu  und  bespricht  zwei 
altdeutsche  Gemälde,  die  im  Jahre  1869  die  Capelle  der 
Ruine  Lichtenstein  zierten,  ferner  die  Bilder,  welche  sich 
in  der  sogenannten  Rittergruft  im  Laxenbnrgcr  Parke 
befinden,  zwar  Arbeiten  minderen  Werthcs,  doch  gute 
Repräsentanten  des  österreichischen  Schulcharakters, 
vier  davon  des  beginnenden  XVI.,  vier  andere  noch  des 
XV.  Jahrhunderts.  Längere  Betrachtungen  sind  der  Ge- 
mäldesannnlnng  des  Stiftes  Heiligen  k  r  e  n  z  gewidmet, 
die  neben  einem  netten  xnu  der  Neer  und  einem  bedeu- 
tenden italienischen  Bilde  etwa  ein  Dutzend  altdeutsche 
Gemälde  enthält.  Den  Fresken  im  Karner  zu  Mödling 
und  im  Vorbaue  der  Kirche  zu  OtTenbach  ist  grosse 
Aufmerksandvcit  zugewendet;  bei  den  letzteren  stellt  der 
Verfasser  die  Verwandtschaft  von  der  Giotto'schen  Schule 
ausser  Frage,  was  sich  wohl  bei  der  bekannten  Wan- 
derlust, die  sicli  bald  nach  der  reichsten  Blüthe  dergrottes- 
ken  Schule  ■ —  d.  i.  seit  dem  Ende  des  XIV.  Jahrliun- 
derts  an  den  zahlreichen  («liedern  dieser  Schule  kund- 
gab, allerdings  leicht  erklären  lässt. 

Aus  der  Feder  unseres  Mitarbeiters,  des  tüchti- 
gen Genealogen    und   Siihragistikers  Dr.  Hartmaun- 


F  ran  zensliu  Id  sfamnit  ein  sehr  gründlich  gearbeiteter 
ISeilrag  zur  (iescliiclile  des  Hauses  Gollallo. 

Als  der  Heaclitinig  besonders  würdig  niiissun  wir 
den  Aufsatz  des  Dr.  Anton  Kerschbaumer  über  das 
kaiserliche  Frauenstift  zu  Tu  In  bezeichnen.  Wie  der 
N'cifasser  selbst  diesen  Aufsatz  liencnnt,  ist  derselbe 
eint'  Studie,  die  niclil  allein  den  Zweck  hat,  die  Ge- 
schichte des  durch  seine  Stiftung  und  die  damit  verbun- 
denen Traditionen  merkwürdigen  Fraucnklosters  sicher- 
zustellen, sondern  insbesondere  die  mit  dessen  Auf- 
lösung verbundenen  Nachrichten  ins  klare  zu  bringen 
und  auf  ihren  richtigen  Kern  zu  reduciren.  Wir  zweifeln 
nicht,  dass  diess  dem  gelehrten  Autor  dtunit  gelungen  ist. 

Eine  Lücke  in  der  bisherigen  Landesgeschichte 
wird  durch  den  w^erthvollen  Aufsatz  des  Dr.  Th.  Wiede- 
mann:  „Geschichte  der  Garthause  Mauerbach-'  bestens 
ausgefüllt. 

Von  weiteren  Aufsätzen  seien  noch  erwähnt  die 
Besprechung  einer  Ansicht  Wiens  aus  dem  XVI.  Jahr- 
hundert, Mittheilungen  über  einige  mittelalterliche  Grab- 
denkmale in  Nieder-Üsterreich  und  Camesina's  Ver 
öifentlichung  zweier  Urbare  des  Stiftes  Schotten  aus  den 
J.  l.'iTG  und  1390,  deren  Interesse  durch  eine  Fülle  von 
Noten,  die  Formation  der  Frei  uugu.  s.w.,  wie  auch  durch 
die  Beigabe  entsprechender  Ansichten  gesteigert  wird. 

Die  Ausstattung  durch  Tafeln  und  Holzschnitte 
steht  an  (iediegenheit  und  künstlerischem  A\'ei'the  den 
früheren  Bänden  nicht  nach. 

An  Tafeln  linden  wir  beigegeben  jene,  wie  schon  er- 
wähnt, den  Glockentransport  darstellend,  ferner  eine  sehr 
gute  Ansicht  der  Ruine  Liechtenstein  von  der  Nordseite, 
die  sehr  seltene  Ansicht  des  nun  fast  ganz  verschwun- 
denen Tulner  Fraucnklosters  nebst  Gruudriss  der  ganzen 
Baulichkeiten,  endlich  die  schon  erwähnte  Ansicht  der 
Stadt  Wien  \(in  der  Donauscite  aus  der  Mitte  des 
XVI.  Jahrhunderts,  mit  Zugrundelegung  der  Hirsch- 
vogelschen  Ansieht  von  ]r348,  endlich  die  Ansicht  des 
Schottenklosters  nach  Vischer  (1609)  und  der  Partie, 
welche  die  Freiuug  sammt  den  angränzenden  Stadt- 
theilen  enthält,  aus  dem  HufnagFscIien  Wiener  Vogel- 
perspectivplane. 


Statut 

für  die 

Central-Comniission  zur  Erforschung   und  Erhaltung  der  Kunst-  und  historischen  Denkmaie. 

Piililicirt  mit  Erlass  des  Miuistorimus  für  Ciiltiis  luul  Uiiteniclit  ildto.  21.  Juli  1S73  (R.-G.-Bl.  lol). 


1. 


Die  Central-Comniission  iür  Erforschung  und  Erhal- 
tung der  Kunst-  und  historischen  Denkmale  ist  berufen, 
das  Interesse  für  die  Erforschung  und  Erhaltung  der 
Kunst-  und  historischen  Denkmale  immer  mehr  zu  be- 
leben, die  Tliätigkeit  der  wissenschattlichen  Vereine 
und  Fachmänner  der  im  Reichsratlie  vertretenen  König- 
reiche und  Länder  hiefür  rege  zu  erhalten  und  zu  för- 
dern, die  Denkmale  unserer  Vorfahren  und  der  einzel- 
nen Volksstännnc  allgemein  bekannt  zu  machen  und 
zur  Eiire  derselben  vor  Vernichtung  und  Verdcrbniss 
zu  bewahren. 


Die  Central-Connnission 
für  Cultus  und  Unterricht. 

XVIII. 


untersteht  dem  ^linister 


Die  Central-Comniission  hat  ihre  Wirksamkeit  auf 
die  folgenden  Objecte  zu  erstrecken: 

I.  Objecte  der  prähistorischen  Zeit  und  der  antiken 

Kunst  (Jlonuniente,  Geräthe  etc.). 
II.  Objecte  der  Architektur,  Plastik,  Malerei  und  der 
zeichnenden  Künste  (kirchliche  und  profane)  des 
Mittelalters  und  der  neueren  Zeit  bis  zum  Schlüsse 
des  18.  Jahrhunderts. 
III.  Historische  Denkmale  verschiedener  Art,  von  der 
ältesten  Zeit  bis  zum  Schlüsse  des  18.  Jahr- 
hunderts. 

Hiernach  zerfällt  ilic  Thätigkeit  der  Central-Com- 
niission in  ebenso  viele  Sectioneii. 

34 


—     262     — 


§•4. 
Die  Central-Coniniission  besteht  aus  einem  Präsi- 
denten und  12  bis  If)  J[iti;-liedern,  welelie  den  einzelnen 
Sectionen  zugewiesen  werden. 

§.  5. 

Jede  Section  der  Central-Coraniission  verhandelt 
selbständig  die  ihr  z.ugewiesenen  Geschäfte.  Zu  Ver- 
ii:nidluiii;en  über  Gegenstände,  welche  mehrere  Sectionen 
lulfr  allgemeine  Angelegenheiten  i)etretlen,  versam- 
meln sich  dieselben  über  Aufl'orderung  des  Präsidenten 
zu  gemeinschaftlichen  Sitzungen.  Jede  Section  hat  das 
Hecht,  sich  über  Antrag  des  Präsidenten  oder  eines 
Mitgliedes  für  rinzelne  Fälle  durch  Fachmänner  mit  be- 
schliessendcr  Stimme  zu  verstärken.  Die  vorgenommene 
Wahl  wird  vom  Präsidenten  bestätigt. 

§.  •'. 

Zu  Mitgliedern  der  t'entral-Commission  für  die 
einzelnen  Sectionen  werden  I\Iänuer  berufen,  deren 
Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  bildenden  Kunst, 
Archäologie  oder  Geschichtsforschung  anerkannt  sind. 

Dieselben  werden  vom  rnterrichtsmiuister  nach 
eingeholtem  Voi'schlage  des  Präsidenten  auf  die  Dauer 
von  fünf  Jahren  ernannt  und  können  nach  Alilauf  dieser 
Zeit  wieder  liestcllt  werden.  Sie  beziehen  für  das  von 
iiini'ii  bekleidete  Fiireuamt  keinen  Gehalt. 


Der  Präsident  wird  vniii  K.iiser  über  Vorschlag  des 
Unterri(ditsministers  ernannt. 

Er  führt  bei  allen  Sitzungen  den  Vorsitz. 

Im  Falle  seiner  Vcrliinderung  vertritt  ihn  das  von 
ihm  bezeichnete  Mitglied  der  Giunmission. 

Dem  Präsidenten  k(uniut  iiei  gleichgetiieilten 
Stimmen  die  Entscheidung  zu.  Kr  leitet  die  Anträge 
der  Central -Coniinission,  aih'nfalls  unter  Peifligung 
seiner  eigenen  Afeinung,  an  den  Minister  und  wird 
durch  diesen  \on  den  hierüber  geti'nfiV'nen  Verfügungen 
verständigt. 

§.8. 

Den  niiliei-en  Wiikungskreis  der  Sec^tionen,  sowie 
die  GeschäftsbeliandJung  in  den  <!esanimt  und  Sections- 
silzungen  reg(dn  liesondere  Instriictiduen  und  die  Ge- 
schäftsordnung, welche  vom  Minister  genehmigt  werden. 


§.9. 

Die  wichti,:;slen  iiilfsni-^jine  dei-  ('entr:i]  Cominis 
sinn  tür  Kunst-  und  iiistoriscJie  Denkmale  sind  die 
„('(inservatorcn" ,  dieseli)en  haben  die  Zwecke  der 
(JonimissioM  innerhalb  des  ihnen  zugewiesenen  Bezirkes 
zu  waliri'u  und  zu  birdeiii.  Sie  werden  Je  naidi  der 
li'icbtung  ihrer  Studien  und  iiires  Herufes  entweder  für 
alle  oder  für  eiiiz(  Ine  Sectinnen  ernannl. 

Elienso  kann  sich  der  Umkreis  ihres  Wirkens  auf 
einen  Kreis  oder  auf  mehrere  solche,  evi  nluelj  .-luch  auf 
verschiedene  Kronländer  bezichen. 

Pici  d('r  I'.(sl(dlung  der  (Jouservalinen  ist  d.iflir 
Sorge  zu  tragen,  dass  mit  lllieksiclil    :iuf  iede   iIit  drei 


Sectionen  der  Central-Commission  das  ganze  Gebiet 
der  im  Peichsrathe  vertretenen  Königreiche  und  Länder 
möglichst  vertreten  ist.  Die  Ernennung  der  CNniser- 
vatoren  erfolgt  über  Vorschlag  der  Central-Commission 
vom  Fnterrichtsuiinister  mit  der  Funetimisdauer  von 
fünf  Jahren. 

§•   10. 
Die  Sectionen  corresitondiren  mit  den  betreffenden 
Conservatoreu  nur  durch  die  Central-Commission. 

i<.  n. 

Die  Commission  hat  mit  allen  für  ähnliche  oder 
verwandte  Zwecke  bestehenden  Local-  und  Landes- 
vereinen in  gescdiäftliche  Berührung  zu  treten  und  an 
allen  Orten,  wo  es  wünschenswerth  erscheint,  auf  die 
Gründung  neuer  Vereine  dieses  Faches  hinzuwirken. 

Die  Geschäftsverbindung  mit  Vereinen  ,  sowie  mit 
Privaten,  erfolgt  durch  die  Conservatoreu ,  welch'  letz- 
tere überhau])t  als  Vermittler  zwischen  diesen  und 
der  Central-Commission  im  beiderseitigen  Interesse  zu 
wirken  haben. 


Nach  Mass  des  sich  nudireuden  Stoffes  und  des 
sich  erweiternden  Kreises  der  Verlnndungen  kann  die 
Counnission  Persönlichkeiten ,  welche  sich  den  Ruf 
gründlicher  Kenntnisse  und  wissenschaftlichen  Strebens 
in  Beziehung  auf  Kunst-  und  bistoris(du;  Denkmäler  er- 
worben haben,  zu  „Corresjxmdenten-  ernennen. 

Die  Counnission  kann  aus  ihrem  Sidmsse  oder  aus- 
serhalb desselben  geeignete  Persönlichkidten  für  beson- 
dere Zwecke  ihrer  'l'liätigkeit  mit  Aufträgen  dahin  ent- 
senden, w(p  dies  zur  Aiifnuhme  eines  Objecfes  oder  zur 
Abgabe  eines  faeliuiiinnisehen  Irllieils  noihwendig  er- 
sidu'int. 

Am  Schlüsse  eines  Jeden  Jahres  erstattet  die  Cen- 
tral-Connnission  einen  in  Druck  zu  legenden  General- 
bericlit  über  ihre  Tliiitigkeit  an  das  Unterrichtsmini- 
sterium. Überdies  pulilieirt  sie  in  freier  I''(dge  wissen- 
scli;ifllielie  .Abhandlungi'H  anlilein  (iebiele  ihrer  Wirk- 
samkeit. 

Die  k.  k.  l*.(diörden  sind  berufen,  die  Central-Com- 
niissi(ni  und  diicn  Organe  in  ihrem  Wirken  zu  initer- 
sliitzen,  siiwnid  übei' specielli's  .\nsinnen,  .als  aueii  un- 
;iul'gefiirdei't.  insiiesoudei-e  dur(di  geeignete   Miltheilung, 

wenn  il u  in   ilireni  Wirkungskreise  das    Vorhanden 

sein    eines    Kunst     ddei'    histdrisclien    Deukmides    zur 
Kemdniss  kcninul. 

§.  k;. 

Die  Central  Cmunnssitm  hat  alles  D;isje.nige  vorzu- 
bereiten uihI  in  .Antrag  zu  bringen,  was  auf  dem  \\'ege 
dei-  staatlicdieu  ( !esetzg(d)ung  zur  \  idlsländigeu  Duridi- 
flilil'uug  dei'  ihr  ^■(•stellten  Aufü'aiieu  erlnr(lei-|ich  ist. 


I't'ttk    i.i    k.    k.   Hof    iiiiil  St.  nti.liiirkrroi. 


2()3 


Doiiatollo ,  seine  Zeit  und  Sclmle. 

\'oii  Dr.  Hans  Semper. 

(Fortsetzunj;-. 


€t  0 1  (l  s  c  h  in  i  e  (1  k  11  n  s  t ,  r  e  s  p.  ;\[  e  t  a  1 1  o  t  e  c  Ii  n  i  k  des 
Mittelalters. 

Ein  jedes  Metall  ist  dehnbar,  sc  hin  elzltar  und 
s  c b  n  e  i  d  b  a  r.  Vermöge  seiner  ü  e  li  n  b  a  r  k  e  i  t  kann  es 
zu  Blättclien,  lUeeli  oder  Platten  geschlagen 
lind  g-e walzt,  vermittels  Hämmerns  verdichtet 
und  geformt,  vermittels  Ziehens  zu  Fäden  und 
Draht  gedehnt  werden. 

In  Folge  seiner  Sclimclzbarkei t  kann  man  es 
in  die  verschiedensten  Formen  gi essen. 

Seine  S  chueidbarkeit  endlich  gestattet  eine 
Ausschneidung  dlinner  Platten  nach  bestimmten  Zeich- 
nungen, oder  aber  eine  Musterung  seiner  Oberfläche 
durch  Wegnehmen  von  Theilen. 

iSoiche  ausgehöhlte  .Stellen  einer  Metallfläche 
können  mit  andern  Stoffen  ausgefüllt  werden,  um  den 
Schmuck  zu  erhöhen. 

I.    Metall   als    dehnliarer    Stoff, 
nj  Arbeit  mit  Me  tall  blech. 

Es  dient  zur  glänzenden  Bekleidung  einer  weniger 
edeln  Unterlage  und  wird  gewöhnlich  mit  Zeiciinungen 
in  Relief  geschmückt. 

Die  Herstellung  solcher  getriebener  Metallblech- 
tafeln geschah  in  kurzem  Iblgendermassen:  Eine  Metall- 
tafel wird  gegossen  und  gehämmert  oder  gewalzt,  bis 
sie  gleichmässig  dick  und  ohne  Risse  ist.  Mit  einem 
Eisengriffel  werden  hierauf  die  Umrisse  der  Figuren 
eingekratzt  und  sodann  durch  Hämmern  auf  weicher 
Unterlage,  wie  Pecli,  in  Relief  herausgetrieben,  oder 
auch  durch  Stempel  hineiiigepressf. 

Diese  Technik  fand  schon  in  den  mythischen  Zeiten 
des  Alterthums  iln-e  Verwendung,  kam  in  der  classi- 
schen  Zeit  etwas  in  Abnainne,  um  unter  den  Alexandri- 
nern und  römischen  Kaisern  wieder  mit  Vorliebe  zum 
Schmuck  von  ÄFöbeln,  Geräthen  und  selbst  Wänden  ver- 
wendet zu  werden.  In  der  besten  Zeit  wurden  beson- 
ders Metallgefässe  auf  diese  Weise  geschmückt,  so  im 
Nationalmnseum  von  Neapel  mehrere  schöne  antike 
Silbergeiässe  mit  getriebenen  Centauren,  Amorinen, 
Masken,  Frauen,  die  Toilette  machen  etc.  Die  getrie- 
bene dünne  Platte  dient  als  Bekleidung  einer  stärkeren 
glatten  Mctallunterlage. 

Im  christlichen  Cnlt  fand  ganz  besduders  diese 
Technik  der  Goldschmiedkunst  Aufnahme,  seitdem 
dieselbe  durch  Constantin  zur  Staals-Religion  erhobem 
worden  war.  Dem  beginnenden  \'erfall  des  Ge- 
schmacks entsprechend  wog  diese  Technik  vor  dem 
Bronceguss,  vor,  da  sie  leichter  auszuführen  ist,  als  der 
Guss.  In  Rom  Hess  Constantin  vermuthlich  in  dieser 
Technik  einen  Silbergiebel  von  2025  Pf  Gewicht 
mit  den  12  Aposteln  und  Christus  in  Relief  an 
der  Basilica  seines  Namens  herstellen ;  in  derselben 
Kirche  errichtete  er  7  Altäre,  die  mit  getriebenem  Sil- 
ber im  Gewicht  von  je  200  Pf.  bekleidet  waren  u.  s.  f. 


Im  folgenden  Jaluhuntlert  (c.  482)  erneuert  Kaiser 
Valcntinian  auf  die  Bitte  des  Pai)stes  Sixtus  III.  den 
Silbergiebel  (Ur  constantinischcn  Basilica,  der  von  den 
Barbiiren  geraulit  worden.  Derselbe  Kaisei-  stiftete  über 
der  Confession  von  S.  Peter  ein  „goldenes  Bild"  (imago) 
mit  den  12  Aposteln  und  Jesus  unter  12  Bögen  fcum 
dnodeciin  })ortis)  etc. 

Von  Cdiistantin  war  ein  neuer  Kunst -Impuls  auch 
nach  Byzanz,  und  von  dort  wieder  sclion  l)ald  darauf 
nach  einigen  Punkten  Italiens  getragen  worden.  Con- 
staiitinopel  war  die  eigentliche  Heimstätte  für  den  mit- 
telalterlichen Blech -Styl  und  alle  zur  Flachheit  ver- 
kinuinerten  Reliefdccorationen. 

Das  sechste  und  siebente  Jahrhundert  waren,  aus- 
genommen vielleicht  in  Ravenna,  eine  Zeit  tiefen  Verfalls 
aller  Künste  und  so  auch  der  Goldschmiedekunst.  Ur- 
sache hie\on  waren  einmal  die  Kämpfe  ('(instantino]iels 
gegen  die  (iothen,  sodann  die  Einfälle  der  Longobarden, 
welche  sich  anfangs  keineswegs  als  Freunde  feinerer 
Kunst  erwiesen,  vielmehr  Städte,  Kirchen  und  Paläste 
schonungslos  niederbrannten,  ja  selbst  Rom  mit  solchem 
Schicksal  bedrohten,  dessen  monnmentrciche  Umgebung 
sie  schrecklich  verwüsteten.  Gleichwohl  ist  der  Wieder- 
aufschwung der  Künste  in  Italien,  der  mit  dem  achten 
Jahrhundert  wieder  eintrat,  wohl  eben  so  sehr  der  festem 
Gestaltung  des  Longobardenreichs  und  der  Kunst  oder 
Prunkliebe  einiger  seiner  Könige,  als  denravennatischen 
und  byzantinischen  Einflüssen  zuzuschreiben,  welch' 
letztere  gewiss  nicht  gering  waren,  und  in  Rom  selbst 
vorwiegend.  In  Byzanz  hatte  nämlich  Leo  der  Isaurier 
im  Jahre  72G  eine  Massregel  ergriffen,  wodurch  er  das 
dem  christlichen  Cultus  drohende  Zurückversinken  in 
heidnische  Götzenverelirung  verhüten,  und  dadurch  dem 
liolitisch- moralischen  Vortheil  des,  wie  ein  Phänomen 
aufgetretenen,  jeden  Bilderdienst  verscheuchenden  Islam 
entgegenwirken  wollte.  Er  verbot  den  Bilderdienst  und 
vertrieb  die  Bilderverehrer  und  Bilderverfertiger.  Der 
römische  Pa]ist,  der  auf  einer  Synode  das  Vorgehen  des 
byzantinischen  Kaisers  als  Ketzerei  erklärte,  empfing 
die  vertriebenen  Künstler  mit  offenen  Armen  in  Rom. 
Dicss  dauerte  unter  Constantinus  Koi)royinos  fort.  In 
Folge  davon  beginnt,  trotz  des  gleichzeitigen  Krieges 
gegen  die  Longobarden  ,  unter  dem  Pontificat  Gregors, 
III.  (^TÜl — 4]  die  Kunst  in  Rom  wieder  einigen  Auf- 
schwung zu  nehmen.  Da  aber,  wie  wir  schon  andeuteten, 
in  Byzanz  die  Kleinkünste  die  muinimentalcn  Künste 
die  (loldschmiedkunst  ,  die  Mamorsculptur,  l\Iosaik 
und  Tepiiichstickerei,  die  Malerei  verdrängten,  so  dass 
dort  selbst  alles  plastische  oder  architektonische  Detail 
einen  flachen  mosaikartigen  Charakter  annahm,  — 
so  trat  mit  dem  Eindringen  byzantinischen  Einflusses  in 
Rom  hier  auch  eine  Zunahme  der  Metallblech- 
technik und  eine  Abnahme  gegossener  Met  all- 
arbeit oder  erhabner  Marmorsculptur  ein.  — 
Wo  von  jetzt  an  imLiber  poniticalis  des  Anastasius  von 
Metallfiguren  die  Rede  ist,  heisst  es  fast  immer:  ,.inves- 
titur  argento"  etc.  —  So    Hess  Gregor  III.  (7ol  — 741) 

35 


—     264 


eine  Statue  der  Jungfrau,  mit  walirscbeiulich  hölzernem 
Kern,  durcli  Silber  bekleiden.  Zahlreiche  Arbeiten 
solcher  Artfallen  unter  Hadriansl.  Poutiticat  (112 — 795). 
Er  Hess  6  Figuren,  Christus,  S.  Michael,  Gabriel,  die 
Jungfrau,  S,  Andreas  und  S.  Johannes  ..mit  silbernen 
Platten  belegen"  (ex  laminibus  argenteis  investitasV 
Die  zahlreichen  Keliefs  aus  edlem  Metall,  die  er  herstel- 
len Hess,  waren  ohne  Zweifel  von  getriebner  Arbeit.  — 
So  in  der  Basilica  von  S.  Peter,  avo  er  am  Haupt-Portal 
ein  ..Bild"  Christi  von  Silberaubringen  Hess;  terncr  am 
Haujitaltar  gold  eue  Reliefs  ;  die  Confession  Hess  er 
mit  goldenen  Platten  bekleiden,  die  mit  verschie- 
denen Darstellungen  geschmückt  waren;  neben  der 
Leiche  des  Apostels  befand  sich  ein  goldenes  Bas- 
relief mit  den  Gestalten  des  h.  Petrus,  der  Jungfrau, 
sowie  der  Apostel  Paulus  und  Andreas.  Gleichfalls  ein 
grosser  Förderer  der  Kunst  war  Hadrians  Nachfolger, 
Leo  III.  (^796 — 816).  Er  Hess  unter  Auderm  silberne 
Thiiren  an  der  Basilica  des  S.  Peter  herstellen.  Inder 
Basilica  des  S.  Paul  errichtete  er  über  dem  AHare  ein 
goldenes  Bild  mit  dem  Heiland  und  den  12 
Aposteln  (das  also  wahrscheinlich  in  der  Composi- 
tion  Verwandtschaft  mit  dem  hatte,  welches  der  Kaiser 
Yalentinian  iu  S.  Peter  stiftete). 

Unter  den  genannten  Päpsten,  Gregor  III.,  Hadrian 
I.  und  Leo  IIL,  wurde  auch  der  Wiederaufbau  des  seit 
vielen  Jahren  zerstörten  und  verlassenen  Klosters  von 
Montecassino  wieder  begonnen.  Abt  Gisulf  Hess  (797) 
einen  Altar  errichten,  den  er  ,,mit  Silbertafeln  be- 
kleidete." Abt  Johannes  that  im  X.Jahrhundert  das- 
selbe. Ebenso  Abt  Aligern,  der  ausserdem  noch  die 
Vorderseite  eines  Altars  des  S.  Johannes  aul  die  näm- 
liche Weise  schmückte.  Unter  den  folgenden  Päpsten  ist 
es  wieder  Leo  IV.,  der  solche  Arbeiten  ausfüiiren  lässt. 
(«47 — .855.)  Er  lässt  die  Silbertliüren  von  S.  Peter  er- 
neuern. Das  Grab  dieses  Ainistels  sclimiickt  er  mit  ."5 
Silberreliefs.  —  Ebenso  stiftet  er  dort  eine  Silber- 
kanzel mit  ausgezeichneter  Arbeit  in  Relief. 

So  barbarisch  die  Longobarden  anfangs  in  Italien 
aufgetreten  waren,  so  sclmell  nahmen  sie  milde  Sitten 
und  Christenthum  an,  und  zeigten  sich  demi  aucii  als 
eifrige  Förderer  und  Freunde  der  Kunst,  in  der  von 
TheodcHnde  gegründeten  Basilica  des  S.  Joliannes  zu 
Monza  befand  sich  ,,ein  grosses  Altarblatt  vim 
Gold  und  Silber-,  das  idine  Zweifel  in  der  \on  uns 
besprociieneu  Technik  gelialten  war.  .\ls  das  Longo- 
Itardenreich  politisch  zwar  durcii  Carl  den  Gros- 
sen zcrtrllnimert  worden,  bestand  es  doch  cultnr- 
gesc  ii  ich  1 1  i  eil  micli  längen-  Zeit  fort. 

Ein  lon:;(ibardisclier  Künstler  mit  Namen  Woll- 
win  ist  es,  der  auch  um  tlie  .Mitte  des  neunten  Jahr- 
hunderts im  Auftrage  des  Erzbischofs  von  Mailand,  An- 
gilbcrt  n.,  ein  Meisterwerk  aller  getriebenen  Metallarbeit 
des  .Mittidalters  herstellte,  ilas  noch  erhalten  ist.  Das- 
selbe betindet  sieh  in  der  l'.asilica  von  S.  Ainbrogiu  zu 
Mailand,  die  im  Jahre  '-'i^l  durch  den  .S.  Anilirosins 
8ell)St  eingeweiht  worden,  und  von  AngilluMl  II.  restan- 
rirt  ward.  Vier  Por|)liyrsäiilen  tragen  einen  l)aldaehin 
mit  reliefgesclnnliekten  Üundliinetten.  .\dler  mit  Fiseiien 
an  den  Caiiitälen  stellen  die  üezichnng  auf  den  longn- 
bardisciien  Stifter  Ang(dbcrf  aus  der  Familie  Pusteria 
dar.  Der  unter  diesem  Baldachine  bchndliclie  Altar 
selbst  ist  rings  mit  Gold-  undSillieriilatten  bekleidet,  die 
iriit  Edelsteinen    gariürt    sind,   und    getriebenem   Relief 


verschiedene  Episoden  aus  dem  Leben  desh.  Ambrosius, 
einige  Geschichten  des  Evangeliums  so  wie  die  Por- 
träts des  Stifters  und  des  Künstlers  zeigen.  80.000 
Goldgulden  kostete  dieser  Altar. 

Gegen  Ende  des  IX.  und  im  Laufe  des  X.  Jahr- 
hunderts brach  wieder  eine  Zeit  des  tiefsten  Verfalls 
über  Italien  herein.  Das  Longobardenreich,  das  ein 
italienischer  Nationalstaat  werden  konnte,  war  zer- 
trünnnert,  das  fränkische  Königshaus  entartet  und  von  / 
innerem  Hader  zerrissen,  so  dass  Italien  eine  herrtu- 
lose  Beute  der  kleinen  Fürsten  und  ehrgeizigen  Priester 
ward. 

Am  päpstlichen  llofe\var  deralte  Geist  desChristen- 
thums  schon  gänzlich  durch  den  schamlosesten  Egoismus 
und  Ehrgeiz  verdrängt  worden .  und  unerhörte  Gräuel 
fielen  dort  vor;  ausserdem  üiierzogen  Schwärme  von 
Sarazenen  und  Hunnen  das  unglückliehe  Land  mit 
Raub,  Jlord  und  Verwüstung.  Vor  allem  aber  beäng- 
stigte eine  Prophezeihung,  die  den  Weltuntergang  auf 
das  Jahr  KUH)  angesetzt  hatte,  aufs  Tiefste  die  Ge- 
mütlier,  lähmte  jeden  Unternehmungsgeist  und  löste 
alle  Bande.  Das  Jahr  1000  bildete  einen  scharfen 
Abschnitt  zwischen  dem  frühen  und  dem  späteren 
Mittelalter.  Ein  allgemeiner  Jubel  ging  durcli  die 
Christenheit  über  den  glücklich  überlebten  Weltunter- 
gang. „Als  das  dritte  Jahr  nach  dem  Jahre  IdOi)  heran- 
nahte, geschah  es,  dass  fast  auf  dem  ganzen  Erdkreis, 
besonders  aber  in  Italien  und  Gallien,  die  Kirchen 
erneuert  wurden.  Wiewohl  die  meisten  ganz  würdig 
ausgestattet  waren  und  einer  Erneuerung  gar  nicht 
bedurft  hätten,  so  wollte  doch  in  der  ganzen  Christen- 
heit die  eine  Nation  immer  schönere  Kirchen  haben  als 
die  andere.  Es  war  gleichsam,  als  ob  sieh  die  ganze 
Welt  gehäutet  hätte,  und,  nach  Abwerfung  der  alten 
Hülle,  allüberall  das  reine  Gewand  der  Kirchen  an- 
legte.-' Und  mit  der  Architektur  nahmen  auch  wieder 
die  Kleinkünste  einen  Aufschwung.  Energische  Förderer 
der  Kunst  traten  in  Italien  auf:  Heinrich  HI.  und  seine 
Fi-au  Kunigundc  (Gründerin  von  St.  ]\Iiniato  bei  Flo- 
renz), Gregor  VII.,  sowie  die  Grälinnen  Beatrix  und 
ihre  Toehtei-  Mathilde  von  Toscana.  Auch  die  Städte 
hatten  in  der  dunkeln  herrenlosen  Epoche  des  X.  Jahr- 
hunderts Zeit  und  Gelegenheit  gefunden,  sich  unab- 
hängiger von  der  kaiserlichen  Gewalt  hinzusti-llen,  und 
begannen  gewerblich  mächtig  aufzublühen.  Abermals 
wurdt-n  zahlreiche  byzantinische  Künstler  herbeigezogen, 
da  in  Italien  selbst  manche  Technik  uiul  mancher  Kunst- 
zwcigvöllig  oder  beinahe  in  Vergessenheit  gerathen  war. 
Abermals  begannen  liyzantinisehe  Arehitekt(-n  wie 
(;oIds(-hniiede,  Maler  wic^  Mosaikisten  (-inen  niüi-htigen 
Einliuss  ;iuf  Italiens  Kunst  zu  gewiniu-n,  er\v(-ckteii 
(iadureii  aber  zngjeii-ii  nni-ii  wieder  eine  einheimische 
künstlerische  li'e.'ielicm .  weh-lie,  im  Gegensatz  zum 
starren  und  (lachen  Hyzantinisnius,  an  die  lebensvollere, 
rund(-r  mndriliric  Antike  anknü|ilte.  Im  Zns.-mnnen- 
hange  hiemit  steht  (U-nn  aiu-li  \ielleiclit  die  Tli;itsachc, 
dass  in  dieser  Zeit  solcher  (Soldbleeharbeiten  weniger 
{■a-w.-ihniing  geschieht,  ^\■as  Italien  betritl't,  ist  uns  gar 
kein  Iteispiel  bekannt;  ddch  dass  diese  Technik  auch 
hier  nie  ganz  aufgeliiii't  haben  nnig,  scheint  (-ininal  der 
i'mstand  zu  beweisen,  dass  sie  später  wieder  einen 
grossen  Aufschwung  nimmt,  sowie  ferner,  d.ass  sie 
gleichzeitig  in  Frankreich  geübt  wird.  Im  Kloster 
.St.  \'iton  bei   \'erdiin    Hess  .\bt   Ilicliai-(1   um    l(»(ll  eine 


—     26!> 


Kanzel  herstcUi'u,  deren  vier  Seiten  mit  Hasreliefs  aus 
getriebener  und  ver,i;oldeter  Bronee  gcsclimiiekt  waren. 

b)   Ailic'it  mit  JI  e  t  a  1 1  p  I  a  t  tc  ii. 

Die  Verarbeitung  stärkerer  Metallplatten  zu  Hohl- 
körpern nahm  von  jeher  nicht  bloss  in  der  (i(dds(hmied- 
kuust,  sondern  aueh  der  Klem|nierei,  Wart'enscJüniede- 
kunst  etc.  schon  deshalb  einen  liervorraiienden  Platz 
ein,  weil  sie  eines  der  geeignetsten  Mittel  bildet,  Ge- 
räthe  des  Bedürfnisses  und  täglichen  Gebrauchs,  wie 
Gefässe,  gowie  Küstiingen  iierzustellcn. 

In  offenen  Hohlkörpern,  (Schüsseln  etc.)  können 
]\Ietallplatten  durch  blosses  Hämmern  verarbeitet  wer- 
den. Nach  allen  Seiten  geschlossene  Hohlkörper  ent- 
stehen durch  Zusammensetzung  (vermittels  des  Nietens, 
Löthens  oder  Schweissens)  mehrerer  offener  IU)hlkör- 
per.  Ausser  der  einfachen,  dem  Zweck  dienenden 
Höhlung,  können  an  der  Innern  AVandung  derselben 
auch  noch  kleinere  nach  einer  bestimmten  Zeichnung 
ausgehännnert  werden,  welche  dann  au  der  Aussenseite 
des  Hohlkörpers  als  Keliefs  hervortreten.  Diese  aus- 
schnuickende  Hännnerung  von  sich  selbst  tragenden 
Metalhväiiden  ist  verwandt  mit  der  Hännnerung  V(m 
Bekleidungsblecli  und  wahrscheinlich  daraus  entstanden. 

Die  ältesten  Völker  kannten  diese  Technik.  In  der 
Bibel  kommen  viele  Stellen  über  goldne  Gefässe  vor. 
In  si»ätrömischer  /.eit,  wie  vielleicht  schon  früher,  wur- 
den ganze  Statuen,  Säulen  etc.  auf  diese  Weise  her- 
gestellt. 

Die  Zeit  Coustautni's  blieb  dieser  Technik,  insbe- 
sondere in  Bezug  auf  Statuen,  treu.  Denn  gegossen 
wurden  meist  bloss  lironcestatuen,  und  auch  dies 
hört  mehr  und  mehr  auf.  In  der  Apsis  seiner  Basilica 
stellte  Constantin  einen  silijerneu,  sitzenden  Heiland  von 
140  Pfund  Gewicht  und  5  Fuss  Höhe,  sowie  vier  Silber- 
engel von  gleicher  Höhe  und  je  105  Pfund  Gewicht  auf. 
Dieselben  hatten  als  Augen  Edelsteine  nud  hielten  ein 
Kreuz.  Auch  Kronen,  Becher  und  Ampeln,  die  er 
daselbst  stiftete,  gehören  jedenfalls  dieser  Technik  an. 
Auch  der  Taufi)rnnnen  in  derselben  Kirche  ,  worin 
er  von  Pa])st  Sylvester  getauft  worden ,  war  reich  an 
solchen  Arbeiten.  Der  Trog  bestand  aus  Kupfer,  das 
mit  Silberplatten  von  'MOS  Pfund  Gewicht  bedeckt  war. 
Inmitten  des  Brunnens  erhob  sich  auf  porphyrncn 
Säulen  eine  goldene  Schale  mit  einer  Kerze  darauf. 
Auf  dem  Bande  des  Brunnens  stand  ein  giddenes, 
wasserspeiendes  Lamm  von  30  Pfund  Gewicht,  rechts 
davon  Christus,  silbern,  von  170  Pfund  Gewicht,  links 
S.  Johannes  mit  der  Schriftrolle,  100  Pfund  schwer. 
Ausserdem  schmückten  den  Band  noch  sieben  wasser- 
speiende Hirsche  aus  Silber  von  je  i^O  Pfund  Ge\vi(dit. 
Anderer  Werke  dieser  Art  Constantin's  zu  geschweigcn. 

Auch  die  Herrscher  selbst  erhielten  um  diese  Zeit 
noch  Silberstatuen.  So  Gratian ,  als  er  mit  seiner  Frau 
Julia  Constantina  nach  Rom  kam. 

Während  des  VI.  und  VII.  Jahrhunderts  hörte  auch 
diese  Technik  in  Kom  fast  gänzlich  auf.  Nicht  so  in 
Eavenna.  Galla  Placidia  hatte  schon  425  die  Kirche 
des  S.  Johannes  mit  goldnen  Tauben,  Vasen  etc.  be- 
schenkt. Der  Erzbischof  S.  Ecclesins  (j  542)  schenkt 
seiner  Metropolitankirche  eine  Menge  goldener  Gefässe; 
Victor,  sein  Nachfolger  {j  55(5),  errichtet  über  dem 
Altar  des  St.  Ursinus  ein  silbernes  Ciboriun.. 


Auch  unter  den  Germanen,  besonders  den  (!othen 
und  den  Fi-auken,  liiühte  schon  seit  dem  \'..lalirhundert, 
wenn  nicht  früiu-r,  dieser  Zweig  der  (ioldschmiedekunst 
empor.  Beiden  Völkern  mochten  dabei  nelien  den  römi- 
schen auch  noch  gallische  Traditionen  zu  Gute  kommen. 

I^nter  den  Longobarden  wurde  die  Kirche  St.  Jo- 
hannes in  Monza  ausser  mit  der  obenerwähnten  Altar- 
tafel von  Silberblech,  auch  noch  reichlich  mit  Kelchen, 
Bechern,  Kronen  etc.  l)eschenkt;  unter  letzteren  die 
beiden  Kronen  des  Agilulf  und  der  Theodelinde,  sowie 
die  eiserne. 

In  Rom  selbst  nahm,  w  ie  wir  sehen,  die  Goldschmie- 
tlekunst  im  \TII.  Jaluliuudert  einen  neuen  Aufschwung. 
Pa])st  Paulus  [.  (757  — 7G8)  gründete  an  der  Via  Sacra 
eine  Kirche  zu  Ehren  der  Apostel,  worin  er  eine  Statue 
d  e  r  M  a  d  o  n  n  a  von  vergoldetem  Silber,  im  Ge- 
wicht von  100  Pfund  aufstellte.  Leo  III.  (795—816) 
stiftete  unter  anderem  in  S.  Lorenzo  drei  Silberstatuen, 
des  Heilands,  des  Ajjostels  Petri  und  des  S.  Laurentius, 
zusammen  von  54i'o  Pfund  Gewicht. 

Auch  sein  Zeitgenosse,  Karl  der  Grosse,  Hess  sich 
die  Pflege  der  Goldschmiedkunst  angelegen  sein.  In 
seinen  ("apitularien  verordnet  er,  dass  ein  jeder  Graf 
in  seinem  Gau  gute  (Jold-  und  Silberschmiede  habe. 
Sein  Biograf  Eginhardt  erwähnt  vieler  Prachtstücke  aus 
Gold,  Silber  und  Edelsteinen,  die  ihm  angehörten,  so 
Itesouders  drei  Tischplatten,  auf  die  wir  noch  zurück- 
kommen werden. 

Eine  Folge  des  Sturzes  des  Lougobardenreiches 
war  die  Entartung  der  longobardisehen  Herzogthümer 
im  südliciien  Italien.  Durch  Raub  und  Fehde  fristen  sie 
kümmerlich  noch  eini,i;e  Zeit  lang  ihre  Existenz  fort. 
S(i4  schleppt  der  Lougobardeufürst  v.  Capua  Sicouolf 
fast  den  ganzen  Schatz  weg,  womit  Karl  der  Grosse, 
sein  Bruder  Pipiu,  seine  Söhne  Karlnmnu  und  Ludwig 
das  Kloster  von  Montecassino  beschenkt  hatten.  Bloss 
an  Kelchen,  Schalen,  Kronen,  Kreuzen,  Ölgefässen  und 
Sjjungen  nahm  er  loO  Pfund  reinen  Goldes  weg.  Ferner 
zwei  Silberpokale  (^bazias)  von  30  Pfund.  Einen  mit 
Relief  geschmückten  Pokal  (in  anaglifis  baziam),  ein 
coustantinopolitanisches  Gussgefiiss  (scattonem?),  beide 
von  vergoldetem  Siibei-.  Acht  Monate  später  nahm  er 
nliermnls  goldene  und  silberne  Geschirre  und  Geräthe 
von  500  Pfund  Gewicht. 

Abt  Johannes  beschenkte  die  Kirche  mit  einer 
grossen,  vergoldeten  Silberkiste,  mit  silbernen  Weih- 
rauchfässern,  Urnen,  Waschbecken  etc.  Aligern  stif- 
tete unter  anderm  drei  silberne  Kronen;  ebenso 
Athenulf  eine.  Über  die  weitere  Geschichte  auch  dieser 
Technik  am  Schluss. 

c)  Metall-Drall  t-   iiiul  -Faclcn. 

Vermöge  seiner  Weichheit  kann  das  Gold  oder 
Silber  auch  zu  Draht  oder  Faden  gezogen  werden. 

Dieser  Draht  von  Silber  oder  Gold  kann  zu  ver- 
schiedenen Zwecken  verwendet  werden.  Einmal  zur 
Verfertigung  von  Ketten  etc.,  sowie  zum  Aneinan- 
derniethen  von  verschiedenen  zusammengehörigen 
Theilen  eines  Gegenstandes.  Ferner  zu  Schnüren  ge- 
wunden als  allerhand  Einfassung,  oder  zur  Ü ber- 
g  i  1 1  e  r  u  n  g.  Sodann  liesonders  zu  F  i  1  i  g  r  a  n  a  r  b  e  i  t  e  n. 

Diese  werden  so  hergestellt,  dass  die  einzelnen 
DrahtstUckchen  gedreht,   radientormig  nebeneinander- 

35* 


266     — 


gelegt  etc.  und  nach  der  gewünschten  Zeichnung 
geordnet,  mit  GumiTii  zusammengeklebt,  und  endlich 
zusanimcngelöthct  werden. 

Endlich  kann  das  Guld  und  Silber  noch  so  fein 
gesponnen  werden,  dass  es  wie  Zwirn  oder  Wolle  zu 
Webereien  und  Stickereien  verwendet  werden 
kann.  Zu  demselben  Zweck  wird  sogenannter  Gold- 
oder Silberfaden  auch  auf  folgende  Weise  bereitet. 
Eine  längliche  Silberplatte  wird  in  eine  goldne  einge- 
schlagen, so  dass  sie  auf  beiden  Seiten  von  derselben 
umgeben  ist.  Hierauf  schlägt  man  sie  so  dünn ,  dass 
sie  mit  der  Scheere  in  Streifen  zersc4initten  werden 
kann,  worein  man  sodann  gelbgefärbte  Zwirnfäden 
einwickelt. 

Das  Filigran  kommt  wie  die  Goldblattarbeit  schon 
bei  den  ältesten  Völkern  als  Schmuck  vor  und  erhielt 
sich  bis  in  die  jüngste  Zeit. 

Die  Goldweberei  und  Goldstickerei  war  schon  im 
Alterthum  bekannt.  Im  Mittelalter  wurde  sie  haupt- 
sächlich in  Asien  gepflegt,  von  wo  sie  durch  Sarazenen, 
Byzantiner,  sowie  italienische  Kautfahrer  dem  Abend- 
land vermittelt  wurde.  Es  mögen  liier  einige  sporadische 
Beispiele  von  goldgestickten  Stoffen  des  frühen  Mittel- 
alters angeführt  werden. 

Leo  III.  (105)  beschenkte  die  Basilika  des  S.  Peter 
mit  einem  weissen,  ganzseidnen  Vorhang,  mit  gold- 
gesticktem Kreuz  darauf.  In  Santa  Endoxia  stiftete  er 
eine  Altardecke  mit  goldgestickten  Kränzen,  Kreuzen 
und  goldnem  Saum. 

Pasqualis  I.  («17  —  824)  beschenkte  S.  Maria 
maggiore  mit  einem  Gewände,  worauf  Christi  Taufe 
durch  Johannes  im  Jordan  in  Gold  gestickt  war, 
ebenso  war  der  Saum  golden.  Gregor  IV.  (S37 — 844) 
Hess  ein  goldgesticktes  Gewand  anfertigen,  worauf  die 
Geburt,  Taufe,  Präsentation  und  Aufer- 
stehung dargestellt  war;  diese  Geschiiditcn  waren 
von  Edelsteinen  cingefasst. 

Nach  Leo  Ostiensis  beschenkte  Ende  des  VUI.  Jahr- 
iiunderts  ein  gewisser  Auribert  das  Kloster  von 
Montecassino  mit  einer  goldgcsaumten  Alba  etc. 

Kaiser  Heinrich  III.  schenkte  dem  Kloster  ein  sehr 
schönes  Messgewand  (planetai  von  grüner  Farbe,  mit 
goldenem  Besatz.  Ferner  eine  gcddgt'stickte  Stola,  mit 
ihrer  Manipel.  Aus  Dank  zu  Gott  über  die  A\'iedcrli(i-- 
stellung  desselben  Kaisers  von  einer  Krankheit  sclienkle 
der  Erzbischof  Belgrin  ein  purpurnes  Messgewnnd  mit 
sehr  guten,  goldenen  Säumen,  aui' denen  die  Bilder  der 
]'J  Monate  des  Jahres  dargestellt  waren,  i'erner  eine 
jroldgestic  Stdia  und  ein  I'hncale.  Endlich  durch  kaiser- 
liche Munilizenz  ein  Messgcwand  mit  gdbieiieii  l'.esätzeii, 
eine  Stola,  eine  Mam'pcl  und  einen  mit  (iuld  durehweb- 
fen  Gürtel. 

Doch  es  ist  iiekannt,  welcher  Luxus  an  (idld- 
stickerei  besonders  an  den  Priestergewändem  und  Kir- 
clientüchcrn  etwa  vom  IX.  .I.ihrhundert  an  getrieben 
wurde,  tber  den  Zustand  der  (ioldweberei  und 
-Stickerei  im  XIV.  und  XV.  Jahrhundert,  die  ein  beson- 
deres Interesse  für  uns  haben,  werden  wir  siiäfer  zu 
sprechen  Gclegenlii'it  Hilden. 


11.    Metall 


1  s    seh  m  e  I  z  b  a  r  e  r    S  t  o  ff. 


M  e  t  a  1 1  g  u  s  s. 

Im  Jlittelalter  wurde  nicht  bloss  der  Guss  edler 
Metalle,  sondern  auch  der  Broneeguss  von  Goldschmie- 
den ausgeübt. 

Was  die  edeln  Jletalle  zunächst  betrifft,  so  ist  die 
einfachste  Verwendung  derselben  vermittels  des  Gusses 
die  des  Körnergiessens  für  Filigranarbeiten. 
Die  Körner  entstehen  ,  indem  das  geschmolzene  Metall 
in  ein  Gefäss  voll  Holzkuldenpulver  gegossen  wird. 
Sodann  werden  die  Henkel  der  goldenen  oder  silber- 
nen Geiässe  meist  gegossen.  Das  Waehsmodell  wird  in 
Thon  eingeschlossen,  sodann  lässt  mau  es  beraus- 
schmelzen.  Oben  und  unten  werden  die  Henkel  mit 
nach  aussen  nicht  sichtbaren  Löchern  versehen,  um 
durch  Stifte  an  das  gleichfalls  oben  und  unten  durch- 
bohrte Gefäss  angenicthet  zu  werden.  Endlich  pflegen 
Gefässe,  Weilirauchfässcr,  Lampen,  Kelche  etc.  auch 
gegossen  zu  werden.  Das  \'erfaliren  ist  in  Kurzem 
folgendes. 

Die  Form  zu  dem  Gefäss  wird  in  zwei  Hälften  her- 
gestellt. Der  Kern  wird  aus  getrockneter  Erde  geformt 
und  mit  den  gröberen  Reliefdetails  versehen.  Hierüber 
streicht  man  gleiclimässig  Wachs,  in  dessen  Oberfläche 
alle  die  Feinheiten  modellirt  werden,  die  am  fertigen 
Gegenstand  sichtbar  sein  sollen.  Hierüber  streicht  man 
weichen  Thon  und  lässt  dann  das  Wachs  heraus- 
sclinielzen.  Dann  wird  die  Form  gebrannt  und  nach 
dem  (Juss  zerbrochen. 

Solche  Gefässe  können  auch  aus  Bronee  oder 
jMessing  gegossen  werden.  Ausserdem  erstreckte  sich 
der  Bronee-  oder  Mcssingguss,  soweit  er  in  den  Bereich 
der  Goldsehmiedkunst  iiel,  hauptsächlich  auf  Kirchen- 
thüren,  Statuen,  Reliefs  und  Glocken.  Über 
das  Verfahren  beim  Guss  s(dcher  grösserer  Gegenstände 
die  allgemeinsten  Andeutungen: 

Das  M(tall  für  Statuen  besteht  nach  Vasari  aus 
■'  :,  Kuiifer  und  >  ~  Messing  nacdi  italienischer  Sitte;  das 
umgekehrte  \'erhältniss  zeige  sich  an  egyptischen 
Bronee  -  Arbeiten.  Für  Glocken  komme  auf  100 
Theile  Kupfer  20—30  Tlieile  Zinn  ,  des  Klanges 
wegen.  Die  zu  giessende  Figur  wird  zunächst  in  der 
gewünschten  (irösse  in  Tlum  modellirt.  Hiervon  wird  in 
mehreren  Tlieilen  ein  Gyi)sal)guss  genommen.  Sodann 
wird  um  eine  aiifrecditsteliende  Eisenstange  herum  aus 
Lehm  ein  Kern  oder  eine  Seide  von  i!er  Form  des 
i:ewlinscliten  Gnsswerks  doch  \dn  etwas  geringerem 
Inilang  geniaclit.  Dieser  Kern  wird  mit  Wachs  über- 
strichen und  die  (iy))sabdrlicke  darauf  gedriiikt.  Das  so 
get'ornito  Wachs  wird  rnndi  nMcInnodellirt  und  dann  mit 
feuchter  Asche  und  dariilier  Lclini  liestriclien.  So  ent- 
stidit  der  M.'intel.  Mehrere  Zapfen  gellen  (|Uer  (lur(di 
Kern  und  Mantel,  um  .\lles  zu  stützen  und  znsaminen- 
zuhalten .  und  wci-deii  aussen  mit  eisernen  Stangen 
untereinaiKler  befestigt.  Lultrinneu  werden  seitwärts 
ii;icli  oben  in  Kern  und  IMantel  eingehiddt.  Sodann  lässt 
man  das  Wachs  lierauss(dinielzeii.  Üeini  Guss  wird  ilie 
Form  ,,eingeniaiiei-t  in  der  Erden".  -Vnl'  diese  \\'eise 
werden  sowcdil  Statuen  wie  Glocken  gegossen;  Reliefs 
1111(1  andere  Gegenstände,  die  nicht  ludil  sein  s(dlen, 
nach  Art  der  Henkel,  deren  (!uss  wii-  olien  beschrieben, 

Im  .■ilteii  Rom  gelangte  der  Broneeguss  zu  einer 
hohen  \'olleiidung   und  wurde  mit  N'orlicbe   betrielicii. 


267     — 


Diese  Tendenz  wird  sammt  dem  teelinischeu  Verfaliren 
während  des  IV.  und  V.  Jahrliunderts  noch  beibehalten. 
Im  Gesetze  des  Thcddo.sius,  durch  weh-lies  gewisse 
Künstler  von  ])ersönli(lien Lasten  befreit  wurden,  waren 
auch  die  Broncegiesscr  inbegriti'en.  In  Betreff  der 
Stellung,  die  Constantin  diesem  Knnstzweige  gegen- 
über einnahm,  erfahren  wir  allerdings  bloss,  dass  er  in 
der  Basiliea  seines  Kaniens  sieben  Messing- 
leuchter von  10'  Höhe  mit  Silberschmuck  und  Sie- 
geln (d.  h.  aufgesetzten  Gemmen)  vor  dem  Altar  auf- 
stellen liess.  Ein  jeder  derselben  wog  30  Pfund.  In 
der  Basiliea  im  Sestorianischen  Palast  stiftete  er  so- 
dann 40  Bronceleuchter,  in  S.  Giovanni  in  Albano 
ebensolche  von  10'  Hrdie  und  je  ISO  Pfund  Gewicht. 

Papst  Hilarius  beschenkte  (^41)1 — G8)  die  Kirchen 
S.  Joh.  Bapt.  und  S.  Job.  Evang.  mit  Erzthüren,  die 
mit  Silber  damaszinirt  waren.  Vor  dem  Oratorium  des 
H.  Kreuzes  errichtete  er  aus  Bronce  einen  Brunnen, 
der  von  architravtragenden  Säulen  mit  Gittern  dazwi- 
schen umgeben  war. 

Besonders  blühte  vom  IV.  bis  zum  ^'.  Jahrhundert 
der  Bronceguss  in  Constantinopel,  wo  eine  grosse 
Menge  von  bronceneii  Statuen  und  f'rucitixen  gegossen 
ward.  In  Barletta  steht  noch  heutigen  Tages  eine 
Colossalstatue  von  Bronee,  welche  wahrscheinlich  in 
dieser  Epoche  in  Constantinopel  gegossen  wurde. 

In  Rom  ninnnt  der  Bronceguss  seit  Hadrian  I.  (772) 
ab.  Er  muss  antike  Broncetbüren  aus  Perugia  kommen 
lassen,  um  S.  Peter  damit  zu  schmücken.  Doch  wird 
diese  Technik  auch  noch  unter  Leo  III.  und  IV.  in  Rom 
fortgeUbt.  Ersterer  lässt  die  Confession  von  S.  Paul 
durch  Broncegitter  abschliessen. 

In  Frankreich,  Deutschland  und  England  warder 
Bronceguss  gleichfalls  schon  im  V.,  VI.  und  VII.  Jahr- 
hundert bekannt  und  ausgeübt.  Karl  der  Grosse 
beschenkt  den  Dom  von  Aachen  mit  Broneethüren ;  das 
Gleiche  thut  zu  derselben  Zeit  der  Mönch  Airard 
in  Betreff  der  Kirche  von  S.  Denis.  Ja,  wenn  im 
X.  Jahrhundert,  wie  alle  andern  Künste,  so  auch  der 
Bronceguss  in  Italien  völliger  Vergessenheit  und  ^'er- 
naehlässigung  anheimfällt,  so  ist  es  der  Erzbischof 
Wil legis  von  Mainz  (976 — 1011\  welcher  zuerst 
wieder  Tliüren,  Olielisken  etc.  aus  Bronce  herstellen 
lässt. 

Wie  die  andern  Künste,  so  wurde  auch  der  Bronce- 
guss in  Italien  wahrscheinlich  zunächst  wieder  durch 
byzantinischeu  Einfluss  ins  Leben  gerufen.  Wenigstens 
zeigen  die  Thürtliigel  von  S.  Marco  in  \'enedig,  welche 
im  Jahre  Uli*  im  Auftrage  eines  gewissen  Leo  de 
Molino  ausgeführt  wurden,  durchaus  byzantinischen  Styl. 
Ferner  wurde  für  die  Basiliea  S.  Paolf»  fuori  le  mura 
in  Rom  eine  aus  zwei  Flügeln  bestehende  Broneethüre 
vom  Kaufmann  Pantaleon  im  Jahre  l(i70  in  Constan- 
tinopel bestellt  und  dort  durch  den  Künstler  Staurakios 
gegossen.  Ein  jeder  Thürtiügel  besass  neun  Reihen  von 
je  drei  quadratischen  Feldern  ;  beide  Flügel  zusammen 
also  54  Felder,  die  mit  Szenen  aus  dem  neuen  Testa- 
ment, aus  der  Geschichte  der  Märtyrer,  mit  Piopheten, 
Aposteln  und  Evangelisten,  mit  heiligen  Symbolen  und 
Inschriften  geschmückt  waren.  Diese  Darstellungen 
waren  aber  nicht  in  Relief,  sondern  (entsprechend  der 
byzantinischen  Vorliebe  für  flache  Techniken)  durch 
gravirte  und  mit  Niellomasse  ausgefüllte  Um- 
risse erzeugt.  Auch  der  Styl  der  Figuren  verräth  die 


byzantinische  Schule,  starr  und  leblos,  oder  doch  con- 
ventionell  verzerrt  und  verschoben  in  der  Bewegung. 
Es  ist  bekannt,  dass  Theile  der  vermeintlich  beim 
Brande  von  182«  verloren  gegangenen  Tliüre  im  Jahre 
1870  von  Piper  und  hernach  von  Dobbert  wieder  ge- 
sehen worden  sind. 

Im  Jahre  1180  stellte  sodann  ein  Künstler 
Bonanno  Broneethüren  an  der  Kurdseitc  des  Domes 
von  Pisa,  sowie  am  Dom  von  Mimreale  iier.  Erstere 
wurden  im  XVI.  Jahrhundert  durch  eine  Feuersl)runst 
zerstört,  letztere  ist  noch  erhalten.  Sie  ist  verwandt  mit 
den  sogenannten  Rainercothüren  an  der  Südseite  des 
Domes  von  Pisa,  welche  in  4^  Reliefs  Szenen  des  alten 
und  neuen  Testaments  zeigen,  und  bereits  theilweise 
von  byzantinischen  Einflüssen  frei,  eine  verwilderte, 
aber  naive  und  lebendigbewegte  italische  Kunst  zeigen. 

Die  weitere  Entwicklnng  der  Broncegusstechnik 
seit  den  Pisanis  in  Italien  behalten  wir  uns  für  ein 
anderes  Capitel  vor. 


III.  Metall  als  schneidViarer  Stoff. 

Eine  weitere  Art  der  Verarbeitung  des  Metalls 
besteht  im  Sehneiden  desselben.  Es  wird  in  dieser 
Beziehung  als  ein  dem  Stein  verwandter  Stoff  behandelt. 
Die  einfachste  Art  des  Metallschneidens  besteht  darin, 
Metallplatten  oder  -blättchen  durch  Aussehneiden 
bestimmte  Umrisse  zu  geben. 

Auf  diese  Weise  wurde  bei  Egyptern,  Etruskern 
und  Griechen,  wie  bei  Kelten,  Germanen,  Finnen,  ja 
Amerikanern  (nebendemFiligrau)  am  häutigsten  Schmuck 
verfertigt.  Auch  ganze  Siegeskränze.  Im  Mittelalter 
wurden  vorzüglich  Rosetten,  Blumen  etc.  von  Gold- 
oder Silberblech  an  Crucifixen  und  dergleichen  ange- 
bracht. 

Eine  weitere  Combination  der  Metallbleehteehnik 
mit  der  des  Metallschneidens  besteht  in  den  durch- 
brochenen Metallblecharbeiten,  wondt  im  Mittelalter 
unter   anderm    Messbüclier   beschlagen    w'urden. 

Das  Schneiden  der  blossen  Metalloberfläclie  zer- 
fällt in  zwei  Hauptverfahren : 

nj    Ciselireii. 

Vermittels  verschiedener  Schneidinstrumente  uml 
des  Bohrers  wird  der  Grund  der  Zeichnung  weg- 
genommen, während  diese  letztere  entweder  mit  scharf 
vertikal  abfallenden  oder  selbst  unterhöhlten  Rändern 
sich  mit  einer  zweiten,  erhöhten  Fläche  davon  abhebt, 
oder  in  allmählich  abgerundetem  Flach-  oder  Hochrelief 
darüber  heraustritt.  Der  Grund  lässt  sich  auch  noch 
dadurch  dunkler  bilden,  als  das  Relief  (^so  dass  dessen 
Hervortreten  begünstigt  wird),  indem  man  dem  ersteren 
eine  rauhe,  körnige  Oberfläche  durch  Meissein  verleiht, 
während  man  letzteres  glatt  polirt. 

Das  Ciseliren  ist  eine  jüngere  Tecknik  als  das 
Treiben  des  Metalls,  das  Drahtziehen  desselben  etc. 
Bei  den  Griechen  fand  es  erst  eigentlich  durch  Theo- 
doros  von  Samos  (Ol.  50 — 60)  Aufnahme,  wurde  dann 
aber  dort  zu  hoher  Vollendung  gellihrt. 

Aus  der  christlichen  Ära  mögen  folgende  Beispiele 
angeführt  sein : 


—     2G8 


Constantin  weiht  iu  Ostia  der  Basilica  der  Apostel 
Peter  und  Paul,  neben  dem  römischen  Thore,  einen 
silbernen  Keieh  mit  eiselirtem  Relief.  Damasns  (oGT) 
schenkt  eben  einen  solclien  von  10  Pfund  Gewicht  der 
Basilica  seines  Namens.  Leo  III.  (795 — 810)  schenkt 
an  die  Basilica  des  S.  Peter  neun  ciselirte  Hängelam- 
pen von  je  1 1  Pfund  Gewicht. 

Ein  Werk  byzantinischer  Ciselirknnst  aus  dem 
XII.  Jalirhundert  befindet  sich  in  der  C'athedrale  von 
Citta  di  Castello.  Es  ist  dies  ein  silbernes  Altarblatt 
von  neun  Palmen  Länge,  welches  der  Papst  Celestin  11. 
(1143 — 44)  der  Kirche  schenkte. 

Ein  Werk  romanischer  Schule  ist  dagegen  der 
Reliquiensehrein  im  Oratorium  S.  Sanctorum  bei  S.  Gio- 
vanni in  Laterano  in  Rom.  Die  Thüren  desselben  be- 
stehen aus  .Silbertafeln,  worin  Ornamente  ciselirt  sind. 
Das  Werk  wurde  nnter  Innocenz  III.  gegen  Ende  des 
XII.  Jahrliunderts  ausgeführt. 

li)  (Jraviren, 

Vermittols  des  Gravireus  wird,  im  Gegensatz 
zum  C'iseliren,  die  Zeichnung  eiugegrabeu,  der 
Grund  stellen  gelassen.  Entweder  schneidet  man 
erstere  mit  dem  Grabstichel  bloss  in  Linien  und  Um- 
rissen ein  (und  dieses  Verfahren  wird  oft  auch  auf 
flach  erhaben  ciselirten  Figuren  angewendet,  um  feinere 
Details  daran  anzugeben),  oder  man  höhlt  die  ge- 
wünschten Figuren  in  breitereu,  vertieften  Flä- 
chen oder  endlich  in  negativem  rundem  Relief 
in  die  Mctallfläclie  ein.  Da  an  und  für  sieh  solch  ein 
negatives  Relief  wenig  wirken  kann,  so  ])flegt  es  nur 
als  Mittel  zu  weiteren  künstlerischen  Absichten  zu 
dienen. 

Das  Graviren  ist,  wie  vielleicht  das  Ciselircn, 
jedenfalls  von  der  Stcinteclinik  auf  die  Metalltechnik 
übergegangen,  und  bildete  iu  ersterer  wahrsclieinlicli 
die  älteste  Art  der  liäciienverzierenden  Bildhauerkunst, 
aus  der  sich  zugleich  als  ein  Seitenzweig  das  Inschrift- 
wesen abzweigte.  Doch  davon  später  mehr. 

Das  negative  Relief  dient  off  nicht  einmal  .ils 
Be  st  :i  iidtheil.  Tut  erläge  etc.  eines  künstlerischen 
Schmuckes,  sondern  bloss  als  eine  Art  Werkzeug  und 
Schablone,  um  positiv  wirksame  Reliefs  durch  Al)- 
klatseh  auf  einen  weicheren  Ge,i;-enstand  hervorzubrin- 
gen. Betrachten  wir  zunäclist  die  praktischen  Verwen- 
dungen des  negativen  Reliefs  in  dieser  Hinsieht. 

Siegel. 

Die  llersteliiiiig  \oM  Siegeln  gesehiilit  iiiigetiihr 
folgendermasseii.  Man  macht  ein  positi\cs  \\'a<'hsrelief 
mit  der  gewlinsciiten  Darst('llung.  Uievon  nimmt  man 
einen  negativen  Gypsabguss  Diesen  drückt  man  in 
Thon  ab,  aus  welchem  nun  die  Form  mit  ])ositi\eni 
Relief  entstellt.  Hierauf  giesst  man  das  Metall,  welches 
also  wieder  negatives  Relief  annimmt.  Letzteres 
arbeit(rt  man  endlicii  nach  dem  Muster  des  Gyps- 
abgusscH  feiner  aus. 

Siegel  wurden  schon  im  Alterthiini  jicbraurdit. 
Zweck  der  Siegel  bei  den  Alten  war  zunächst,  Doeu- 
mcnte  oder  Briefe  zu  schliessen,  zu  unterzeichnen,  zu 
bekräftigen,  oder  auch  Vasen,  Ziegelsteine  etc.  mit 
einem     Fabrikzeichen     zu    verschen.     So     trägt     ein 


Terracottadeckel,  der  Ijci  Modeua  gefunden  wurde,  die 
gestemiielte  Inschrift:  L.  Feti ,  Sami.  (Hiemit  stimmt 
die  Stelle  des  Plinius  (o5.^c.  \'l)  überein,  wonach 
sowohl  Sanios  als  Modena  sich  durch  Töpf'erwaaren 
auszeichneten.) 

Die  Siegel  der  Alten  bestanden  häufiger  aus  Stein 
als  aus  Metall,  doch  bediente  man  sich  auch  der 
Metallsiegel.  Die  armen  Leute  in  Rom  bedienten 
sich  statt  der  Siegel  meist  hölzerner  oder  metallener 
Täfelchen  mit  einer  bald  erhöhten,  bald  vertieften  In- 
schrift darauf,  welche  statt  der  Unterschrift  diente. 
Auch  Bronceringe  als  Siegel  kamen  vor. 

^luratori  führt  solch  t  inen  Ring  mit  einem  Delphin 
in  der  Mitte  sowie  der  Umschrift  „P.  Cae.  Diagne"  an. 
Ferner  zwei  Bronceringe  mit  den  Namen  Fortunius 
und  Vitalis.  Ein  Kupferring  ferner  musste  einem 
Bäcker  angehören,  da  die  ]Mündung  eines  Ofens,  sowie 
daneben  die  Stange,  um  das  Brod  hineinzuschieben, 
darauf  dargestellt  ist. 

Im  Mittelalter  gebrauchten  zumal  regierende 
Fürsten,  Vornehme.  Päpste  und  hohe  Geist- 
liche, sowie  später  auch  Städte  und  Gilden  Siegel. 
Dieselben  wurden  aul  Wachs,  Blei  oder  Gold 
abgedrückt.  Auch  das  Volk  hatte  Siegel,  aber  bloss 
mit  dem  Namen.  So  ein  Beispiel  mit  der  Inschrift: 
,,S.  inchontrata  Jacomi''.  Die  hochgestellten  Personen 
trugen  dagegen  auf  den  Siegeln  ihr  Bildiiiss  mit  einer 
Namenumschrift.  Als  später  die  Wappen  aufkameu, 
traten  diese  oft  an  die  Stelle  der  Porträtköpfe. 

Zwei  merkwürdige  goldene  Ringe,  wahrscheinlich 
longobardisehen  Ursprungs,  wurden  im  .lahre  17l'7  liei 
Bagnorea  gefunden  und  kamen  in  den  Besitz  eines 
Alessandro  Gapponi.  Der  eine  zeigt  eine  Büste  mit  der 
Inschrift:  Aufret,  am  andern  ist  beides  sichtbar,  letz- 
tere jedoch  unleserlich.  Beide  Köpfe  zeigen  kurzes 
lockiges  Haar. 

Beiden  longobardisehen  undnoniiannisehen  Fürsten 
kamen  meist  nur  Wachs-  und  Bleiabdrüeke  vor.  Im 
Kloster  Montecassino  befindet  sieh  noch  eine  Menge 
Urkunden  von  longobardisehen  Fürsten,  Kaisern, 
Päpsten  aus  dem  IX.  bis  XII.  .lalM'humlert,  welche  mit 
solchen  Piiei-  oder  AVachssiegelu  geschlossen  sind,  z.  B. 
zwei  Privilegien  der  Könige  Hugo  und  Lothar  vou 
Italien  (it41  und  !t42)  mit  Wachssiegeln,  worauf  die 
Häupter  der  Könige  mit  Lilienkroiien ;  beide  fragen 
Scepter  mit  Lilien  an  der  Spitze.  Ebenso  zeigen  zwei 
Diplome  Otto's  I.  (9(i4  und  '.»(w)  Waehssirgel  ndt  dem 
Porträt  des  Kaisers  und  der  Inschrilf: 

„Otto  iui]ierator  .\ugustus". 

Mit  Blei  zu  siegeln,  w.w  vornehmer  als  mit  Wachs 
und  nicht  jedem  gestattet.  Muratori  erwähnt  ein  solches 
Bleisiegel  mit  der  Inschrift:  .loh.  et  Deeibilis  ^'pa  (viri- 
patr.).  Es  waren  dies  Herzöge  von  Gacta  im  Jahre  H75. 
Auf  der  Kehrseite:  Sctus  Erasmus  (^Schutzheiliger 
Gaeta's).  Karl  der  Grosse  und  seine  Naeid'olger 
begnügten  sieii  dagegen  meist  mit  Wachssiegeln.  Doch 
brauchen  letztere  manchmal  auch  («old  zum  Siegeln. 
(Es  entstand  hiedurch  ein  gcpresstes  Goldbläftchen- 
reiief.)  An  den  l'rkunden  der  Kaiser  Karl,  Ludwig, 
l'ippin,  Karlmann  im  Kloster  von  Montecassino  belin- 
den sich  Siegel  .Mller  drei  Arten.  Die  goldenen  Siegel 
verschwanden  meist  unter  der  damaligen  Plünderungs- 
liist.  Abt  Hugo  von  Tarfa  erzählt  uns  in  seiner  Chronik: 


—     261)     — 


„De  dt'i<tnictioiie  Jlouasterii''  (^nm\<>  iMtSj :  „sie  raubten 
alles,  was  sie  konnten.  Sie  rissen  die  goldenen  Siegel 
von  den  Urkunden  weg,  und  setzten  die  ])ieienien,  die 
man  noch  jetzt  sieht,  an  deren  Stelle!-  Nacii  der- 
selben Chronik  raubte  der  Mönch  Hildebrand  aus  dem 
Kloster:  „Zwei  goldene  Siegel,  welche  Karl  und  sein 
Sohn  Pipin  auf  eine  Urkunde  gesetzt  hatten.  Ferner 
zwei  andere  goldene  Siegel,  welche  dieKaiser  Guido  und 
Lambert  auf  andere  Urkunden ,  die  sie  angefertigt, 
gesetzt  liatten-. 

Die  Siegel  der  Geistlichen  unterschieden  sieh 
von  denen  der  Weltlichen  durch  die  ovale  Form. 
P.  Baldini  besass  ein  Siegel  vonHonorius  I  (620 — 640): 
(lori  bringt  in  d.  illustr.  Doniana  eines  von  Adeodat 
((J72).  [in  Museo  Musselliano  befanden  sich  ferner  zu 
Muratori's  Zeit  Bleisiegel  von  Paul  I,  (757),  von  Sergius 
(L?  IL?  III. ?),  von  Zaeharias  (741),  sowie  von  einem 
der  Leo.  Das  Siegel  des  Paulus  zeigt  die  Kö]»fe  der 
Apostel  Peter  undPaulus,  sowie  die  Inschrift  IIAYAOY. 

Als  die  italienischen  Städte  ihre  Unabhängigkeit 
erlangten,  begannen  sie  gleichfalls  ihre  Urkunden  mit 
Siegeln  zu  versehen.  Einige  stellten  das  Bildniss  ihres 
Schutzheiligen  mit  leoninischen  Versen  daraut  dar. 
Ferrara's  Siegel  trug  das  Bild  des  h.  Georg  mit  der  In- 
schrift: „Ferraram  cordi  teneas  o  sancte  Georgi!-' 
Florenz  hatte  anfangs  Hercules  mit  dem  Löwenfell  und 
der  Inschrift :  Herculea  clava  domat  Florentia  prava. 
Später  wurde  das  Bild  des  Täufers  statt  dessen  ange- 
nommen. Siena  gebrauchte  anfangs  eine  Burg  mit 
dem  Vers:  „Vos  veteris  Senae  Signum  noscatis  amenae-; 
später  die  Jungfrau  mit  der  Inschrift:  „Sancit  Virgo 
Senam  quam  signat  amenam". 

Andere  Städte  gebrauchten  ein  Symbol  oder 
Wappen  auf  ihren  Siegeln:  Das  ghibellinische  Pisa 
hatte  im  Jahr  lllJl  einen  Adler  mit  folgenden  Versen: 
„Urbis  me  dignum  Pisanae  nomiua  Signum-' .  Rom 
hatte  einen  Löwen;  Pavia  einen  Fuchs;  Piaccnza  einen 
Hahn;  Crcmona  eine  Sau;  Genua  einen  Fuchs,  der  einen 
Hahn  am  Hals  packt,  während  ihn  selbst  ein  Greif 
packt  mit  der  Inschrift:  Gryffus  ut  has  angit  sie  hostes 
Janua  frangit  u.  s.  f. 

In  der  Folge  der  Kreuzzüge  nehmen  viele  Städte 
jedoch  ein  Kreuz  in  ihre  Siegel. 

Die  Städte  bedienten  sich  fast  nur  des  Wachses; 
eine  Auszeichnung  ist  es,  als  im  Jahre  10G4  Papst 
Alexander  II.  Lucca  gestattete,  bleierne  Siegel  zu 
gebrauchen,  ,wie  die  Dogen  von  Venedig-'.  Von  die- 
sen heisst  es,  dass  der  griechische  Kaiser  Einanuel 
sie  des  Privilegiums  eines  bleiernen  Siegels  wieder  be- 
raubte, welches  ihnen  die  andern  Kaiser  verliehen 
hatten. 

M  ü  n  z  s  t  e  m  p  e  1. 

Die  ähere  Art  der  Herstellung  ist  folgende.  Es 
werden  Wachsmodelle  in  positivem  Relief  von  beiden 
Seiten  der  Münze  oder  Medaille  gemacht.  Hievon  nimmt 
man  einen  Gypsabguss,  nach  welchem  man  nun  in  die 
zwei,  gleichgeformten,  viereckigen  Stahlstenipel  das 
negative  Relief  einschneidet.  Später ,  zu  Benveniito 
Cellini's  Zeit  wurden  sogenannte  Mütter  von  Stahl  ge- 
schnitten, d.  h.  positive  Stempelchen  für  die  einzelnen 
Theile  der  darzustellenden  Gegenstände,  wie  Kopf, 
AVappen,  Inschriften  etc.  Mit  diesen  wurde  dann  den  Präg- 


stöcken durch  Hämmern  <las  negative  Relief  einge- 
trieben. Auf  diese  Weise  wurde  die  Arbeit  schöner 
und  konnten  schnell  mehrere  gleichmässige  Prägstöcke 
hergestellt  werden.  —  War  in  die  Prägstöcke  auf  die 
eine  oder  andere  Weise  das  negative  Relief  der  beiden 
Seiten  derMünze  eingravirt,  so  wurden  dieselben  durch 
Glühen  und  plötzliches  Erkalten  gestählt. 

Solche  Stem])el  dienten  auch  dazu,  gepresste  Ar- 
beiten von  dünnem  ]\lctalll)lecli  herzustellen.  Das 
zu  prägende  ]\Ietallblatt  wurde  zu  diesem  Zweck  auf 
Blei   gelegt. 

Bei  den  Griechen  und  Römern  waren  die  Stempel 
aus  Bronec.  Bei  erstercn  nahm  die  Stemi)eischneiderei 
von  500  v.  Christus  an,  besonders  inSyraeus  und  Mace- 
donien,  grossen  Aufschwung.  Ihre  höchste  Blüthe  aber 
erreichte  sie  erst  unter  Alexander.  Die  Römer  setzten 
die  griecliischen  Traditionen  fort,  führten  jedoch  zum 
ersten  Mal  die  Schaumünzen  oder  die  ]\Iedaillen  ein. 
Man  prägte  daselbst  Münzen  wenigstens  bis  zur  Zeit 
des  Kaisers  Heraclius.  Aus  Justinus  Zeit  (570)  ist  eine 
Münze  erhalten,  welche  auf  der  Kopfseite  die  Büste 
eines  Kaisers  mit  edelsteingeschmücktem  Diadem,  und 
der  Inschrift  D.  N.  Justinus  p.  p.  Aug.,  auf  der  Kehrseite 
das  Monogramm  Raosd  (Komae  obsignat.  den.)  zeigt. 

In  der  Zeit  der  Völkerwanderung  wurde  das  Münz- 
prägen von  den  germanischen  Fürsten,  die  in  Italien 
herrschten,  fortgesetzt.  Aluratori  erwähnt  einer  Münze 
des  Museums  Zeno,  welche  aus  einer  kleinen  viereckigen 
Broncetafel  von  Jledaillenstärke  besteht.  Auf  der  Kopf- 
seite ist  zu  lesen:  DN.  THEODERICI;  auf  der  Kehr- 
seite ist  ein  Lorbeerkranz  mit  einem  T  in  der  Milte  zu 
sehen. 

Rings  um  den  Rand  läuft  die  Inschrift   Catuliuus 

V.  C.  E.  L  .  .  .  .  I  .  .  .  .  P V.  —  Dieser  Catulinus 

war  gegen  Ende  des  V.  Jahrhunderts  Präfect  in  Rom. 
Hervorzuheben  ist,  dass  die  Buchstaben  eingravirt 
und  mit  Silber  daraascinirt  sind.  Hievon  später 
mehr. 

Andere  gothische  Münzen  tragen  den  Kopf  Justi- 
nian's  und  bloss  den  Namen  des  gothischen  Königs.  So 
eine  Münze,  welche  auf  der  Kopfseite  Justinian's  Büste 
mit  Diadem  und  der  In.schrift:  D.  N.  IVSTINIAXVS. 
P.  FHVG,  auf  der  Kehrseite  die  Inschrift  D.  N.  ATHA- 
LARICVS  REX  in  einem  Lorbeerkranz  zeigt  (527). 
Eine  andere  ähnliche  Münze  mit  Theodatus  R.  (535), 
eine  dritte  mit  D.  X.  Vitiges  Rex  {531}. 

Von  dem  Longobardenherzog  Grimwald  von  Bene- 
vent heisst  es,  dass  er  auf  seine  Münzen  den  Namen 
Karl's  setzte.  Interessant  i.st  die  Notiz,  dass  im 
VIH.  Jahrh.  der  Herzog  Siconolf  von  Capua  aus  dem 
Kloster  Montecassino  unter  anderm  365  Silberpfund  und 
14000  geprägte  Golds olidi  raubte.  Später  fülirte  er 
abermals  eine  gleichgrosse  Summe  weg. 

In  Ravenna  wurden  iiis  zur  Einnahme  durch  die 
Longobarden  Münzen  geprägt.  Diese  nahmen  der  Stadt 
das  Privilegium,  welches  erst  wieder  im  Jahre  1063  die 
Erzbischöfe  von  Ravenna  durch  Kaiser  Heinrieh  IV. 
erhielten.  Dagegen  ertheilten  die  Longobarden,  ausser 
an  Benevent  und  S])oleto.  auch  an  Pavia,  Mai- 
land, Lucca  und  Treviso  das  Vorrecht,  Münzen  zu 
prägen. 

Eine  der  ältesten  päpstlichen  Münzen  stammt  von 
einem  Hadrian.  Auf  der  Kopfseite:  Papstbüste  und 
die  Inschrift:  I.  B.  Hadrianus  Papa  I.  B. ;  auf  der  Kehr- 


270     — 


seile:  Ein  Kreuz  mit  R.  M.  daruutei-  und  der  Umschrift 
Victoria.  DNN.  Conob.  Walirscbeiulicli  wurde  das 
Recht  Münzeu  zu  prägen  von  den  griechischen  Kaisern 
an  diePäjiste  übertragen,  wie  später  an  andere  Rischöt'e 
von  den  Frauken. 

Im  ganzen  waren  die  italischen  Münzen 
den  byzantinischen  in  der  Ausführung  über- 
legen. Es  würde  uns  zu  weit  führen,  dieEutwickelung 


des  Münzwesens  im  späteren  Mittelalter,  duicli  die  ver- 
schiedenen Fürsten,  geistlichen  Würdenträger,  Städte, 
zu  verfolgen.  Die  wenigen  hier  gesammelten  Notizen 
aus  dem  früheren  I\[ittelalter  in  Italien  sollen  nur  dar- 
thun,  dass  auch  die  Münzkunst  nicht,  wie  bisweilen 
angenounnen  wird,  aufliörte,  in  Italien  geübt  zu  werden, 
sondern  durch  eine  ununterbrochene  Tradition  mit  dem 
Aiterthum  verknüpft  ist. 


Noch  einige  Worte  über  die   Siegel  der  Wildoner 

Vom  Fürsten  zu  Hohenlohe-Waldenburg. 


JUt  2   Holzsclinüt.ti. 


In  den  .Mittheilungeu  der  k.  k.  Central-Com- 
mission  für  Ertorschung  und  Erhaltung  der  Kunst-  und 
historischen  Baudenkmale",  1872,  theilt  L.  Beckh- 
Widinanstetter  in  seiner  Abhandlung  .,das  Grabmal 
(oder  der  Grabstein)  Leutold's  von  Wildon  in  der  .Stifts 
Kirche  zu  .Stainz  und  die  Siegel  der  Wildoner",  12  sehr 
interessante  Siegel-Abbildungen  (Fig.  2 — 13)  mit,  wo- 
durch er  sich  ein  wahres  Verdienst  um  die  mittelalter- 
liche Siegelkunde  erworben  und  gewiss  alle  Freunde 
dieser  wichtigen,  leider  immer  noch  nicht  geliörig  ge- 
würdigten historischen  Hilfswissenschaft  zu  grossem 
Danke  verpflichtet  hat. 

Unter  diesen  12  Siegeln  sind  namentlich  die  unter 
Fig.  2.,  ;;.,  ;").,  0.,  11  und  13.  abgebildeten,  für  die 
Sphragistik  im  allgemeinen  von  so  hohem  Interesse, 
dass  ich  mir  nicht  versagen  kann,  dieselben,  von 
diesem  Standpunkte  aus,  liier  nochmals  kurz  zu  be- 
s])rechen. 

/ai  Fig.  2.  Dieses  Siegel  llcrrand's  von  Wildon, 
\on  ca.  IHK") — !)7.,  ist  in  mehrfacher  Reziehung  ein 
sphragistisches  Kleinod;  vor  allem  aber,  als  Siegel  des 
niedern  Adels  aus  dem  XII.  Jahrhundert,  bis  jetzt  ein 
Unicuni.  Seine  äussere  Form  entspricht  der  der  ältesten 


l-i-.  1. 


Wajjpensiegel.  Die  Stellung  der  Legende  hat  wohl 
auch  kaum  ihres  Gleichen,  da  trotz  der  gewöhnlichen 
Stellung  des  Kreuzes  oben,  dieselbe  unten  beginnt, 
aber  nicht  wie  andere  derartigen  Legenden  in  der  Spitze 
des  Siegels.  Das  Tliier  im  Siegelfelde,  oberhalb  des 
Wappenbildcs,  den  drei  Linden-  (oder  See-?j  Rlättern, 
kann  ich  nur  für  den  steirisehen  Panther  halten, 
als  Zeichen  des  Ministerialen-Verhältnisses  Herrand's, 
ungeachtet  seiner  ganz  ungewöhnlichen  Zeichnung  und 
Stellung.  Für  ein  blosses  Siegelbild  kann  ich  dieses 
Thier  nicht  annehmen,  dazu  nimmt  es  doch  einen  zu  be- 
deutenden Tlieil  des  Siegelfeldes  ein ;  noch  viel  weniger 
für  einen  integrirendeu  Theil  des  Wildon'  sehen  Wap- 
pens, der  in  diesem  Falle  doch  wohl  kaum  wieder 
aufgegeben  worden  wäre.  Die  geschickten  Stempel- 
schneider waren  eben  zu  jeuer  Zeit  noch  sehr  selten, 
namentlich  auf  dem  Lande,  und  dieser  Umstand  möchte 
die  uncorrecte  Zeichnung  erklären  und  entschuldigen. 
Den  s.  g.  l'antlicr  halte,  ich  entschieden  für  ein  ursjtrüng- 
licli  tlem  steirisehen  A\'appen  ausschliesslich  augehö- 
riges heraldisches  Ungeheuer    i),  zu  dessen  Erfindung 

—  dem  alten  Namen  „Stir-'  für  Steiermark  entsprechend 

—  ein  wilder,  flanmiensi)rüliender  Stier,  wie  ihn  auch  die 
Ziiriclici-  Wnppenrolle  zeigt,  den  Grundlv]»  geliefeit  hat. 
Die  Uiirnei'  selieiuen  wenigstens  im  XIII.  Jahrhundert 
bei  keiner  Darstellung  desselben  zu  fehlen.  Am  deut- 
lichsten ist  allerdings  der  Stierkopf  auf  dem  Uelm- 
seluuiick  in  der  Züricher  Rolle  zu  erkennen,  was  freilich 
nur  beweist,  dass  der  bt'ti-elfende  Maler  denselben  so 
aufi;efasst  hat,  —  allein  dcudi  schwerlich  im  Wider- 
spruch mit  der  damals  gebräuchlichen  Rlasonirung. 
Allerdings  scheinen  die  Uelmzierden  in  dieser  Wap- 
prnrolle  zum  'l'tieil  mehr  willkürlich  erfunden  zu  sein, 
was  hei  dem  früheren  mehr  persönliidien  Charakter 
derselben  uml  ihicr  Veränderlichkeit  eher  zu  entschul- 
digen ist;  die  Wappenschihle  dagegen  blieben  bekannt- 
lich schiiu  \  iel  fiiiher  iiincriindeit  und  waren  daher 
auch  alL^emeiner  bekaniii. 


*  l>cr  Prtiillii'r  in  fti'ii  HohenbcrKl.schoti  SieBuIii,  von  laCö  —  M.*>1  uml  In 
dem  SleKi-l  dürfiraliii  Kuiilioniln  von  l'llNteln,  von  lUtSo.  (verRlolcho  II an  i  ha  I  or 
reccn».  dlijlom.  T;il>.  X.SXIV.,  Fi«.  .Will  —  XXVI  und  Tal..  XI,  ,  I'lg.  XIV). 
iat  wolil  un/.wi'ifuMkart  (In;*  leirlsohc  ^^■nI)^>(■l.llll(l.  Dauf-elbe  A\'ftl)l.enI.IId, 
führen  iiRcli  O.  T.  von  Ilcfncr  audi  rii«  i'"i'l8onln'i-g,  Iliill.or.  Miuiipr,  I'fürin- 
gcr,  SohoMorl,  sowlo  dlo  SlncK,  lng..lf.ta(ll.  Iiio  ortttorcn  fünf  ^^■alJI.ürl  ^lnd 
wohl  npHliTi-n  rmprnnKe.  \Va^  da»  Wap|>*.n  ^  n.i  Tni;f>l«tadt  hctrilTr,  no  .scheint 
<lat>noI).o  von  lluiv.'.K  lloinrich  von  Niodor-Ilayuin  zu  utanimon.  Dor.M-lbo 
ftihrto  nach  d.n  „Al.liitndhingen  der  chunlirst.  baycrl-sclion  Akademie  der 
Winseniichari  X.,  Jll'.l  uml  aiu,"  nuf  Kclnuni  .S|g.  III,  H  J,  von  l-'71,  auf 
doMi  hii.U-rn  'I'Jiell  d.-r  I'fcrdodcckc  .-Incn  Panllicr.  l'lior  den  llr.sprung  diOHCS 
Woppcnblld.'B  «lud  andern  Ort«  einig»  IIyp<>tho.<en  ana  älteren  Schriften  an- 
Rofülirt;  aun  der  nülieren  Unlcrsui-Iiuni;  geht  aber  hervor,  das»  der  Panther 
aurh   hier  an.,   dem   h  t  c  I  r  1  f.  c  h  e  ii    XV'appen  »(aiiimt. 


271 


Trier,  in  seiner  Eiiileitiuis  zur  ^^'alJ]H■n Kunst,  bla- 
sonirt  den  steirisclicn  Pantlier  als  uuyeHii,i;i'iten  Creif. 
aus  tlessen  Kaeiien  inid  Olircu  Feuer  i;elit,  iicnierkt 
aber  dazu:  „Andere  nenni.'n  dieses  Thier  ein  rmilliir- 
Tliier. 

Sigisniiind  von  lÜrken  liäit  vor  wahrscheinlieli, 
dass  es  vor  Zeiten  ein  Stier  i;e\vesen,  wegen  des 
Namens  der  Iiiwoiiiier,  welche  Tanrisci,  auf  deutsch 
Stierer  oder  Steyrer  genannt  worden.'-  Siehmacher 
macht  sich  in  seiner  beliebten  Weise  die  Sache  leicht, 
und  nennt  es  „ein  weisses  Thier  mit  ausspeieten 
Feuer". 

Dass  dieses  Siegel  Herrand's  von  'Wildon  mit  dem 
Sig.  III,  15.  2.  6.  <)  des  Abtes  Eudolph  von  Admont  als 
Doppel-Siegel  vereint* erscheint,  erhöht  dessen  Selten- 
heit noch  ungemein;  denn  ausser  von  Mann  und  Frau 
sind  mir  durchaus  keine  weiteren  derartigen  Doppel- 
Siegel  bekannt.   -) 

Da  Prof.  Lnschin  den  Avers  dieses,  in  seiner  äus- 
seren Form  runden  und  an  einer  hänfenen  Schnur  hän- 
genden Doppelsiegels  in  seiner  Abhandlung  über  stei- 
rische  Convent-Siegel  in  diesen  Iilättern  abbilden  und 
beschreiben  wird,  theile  ich  hier  das  für  den  Sphra- 
gisten  interessante  Profil  desselben  mit  (Fig.  1).  Die 
beiden  Siegel  sind  vertieft,  so  dass  sie  mit  einem  ca.  2 
millimetres  hohen  liande  inngebcn  sind.  Beide  Siegel 
hängen  verkehrt  an  der  Urkunde. 

Zw  Fig.  3.  Dieses  Siegel  Ulrich's  von  ll.'2;'),  ist 
wie  das  \'orhergehende  schon  durch  seine  Form  in- 
teressant. Es  ist  diess  die  gewöhnliche  Form  der  wirk- 
liehen Schilde  aus  dem  XII.  Jahrhundert,  welche  später 
nur  selten  mehr  vorkommt,  und  durch  die  Dreieck- 
schilde in  der  deutschen  Sphragistik  und  Heraldik 
verdrängt  wurde.  =)  Auffallend  ist  die  Abkürzung 
WU^D'A  für  ■\Vildona  oder  ^Yildonia,  da  sie  nicht  we- 
gen Mangel  an  Eaum  geboten  war,  wodurch  häutig  Ab- 
kürzungen in  den  Legenden  notliwendig  wurden.  Ob 
,.die  S  c  h  i  1  d  s  t  h  e  i  1  u  n  g-' ,  welche  nur  auf  dem  Siegel 
Fig.  4  mehr  als  „Schildhaupt-'  erscheint,  ursprüng- 
lich zu  diesem  Wappen  gehörte,  und  auf  dem  Siegel 
des  Vaters  (Fig.  2)  nur  zufällig,  oder  um  den  Raum 
für  das  Thier  nicht  zu  beschränken,  weggeblieben  ist, 
wird  nicht  mehr  festzustellen  sein. 

Zu  Fig.  5.  Dieses  Siegel  Leutold's  (III.  B.  3),  von 
122;'),  spricht  nicht  gegen  die  urkundlich  erwiesene 
Ministerialität  dieses  Geschlechtes.  Porträts-Siegel  von 
Ministerialen  kommen  schon  seit  dem  XIIl.  Jahr- 
hundert nicht  selten  vor  *),  und  waren  die  leicht  be- 
greifliche Folge  des  Bestrebens  der  höheren,  mächtigeren 
Ministerialen  5\  sich  den  freien  Herren  immer 
mehr  gleichzustellen.  Auftallend  gegen  die  drei  früheren 
Siegel  ist  der  Mangel  der  Bezeichnung  Sigillum  in  der 
Legende,  und  die  darauf  folgende  Stellung  des  Tauf- 
namens im  Nominativ,  wie  auf  den  Siegeln  der  älteren 
Zeit.  Auch  der  Mangel  einer  Helmzier  ist  auf  Siegeln 
dieser    Zeit    ungewöhnlich ;    dagegen    entspricht    die 


1  Porträt-Siegel,  ohne  A\'appeii,  in  ganzer  Figur,  sitzend. 

=  Vergl.    6.  Z.  Xr.  LXXXund  LXXXI   meiner  5phr.igisclien  Apliorismeu. 

*  In  italienisclien  Wjippenbiichern  tindet  sicli  diese  Form  (etwas  we- 
niger läiiglidi)  nocli  im  XVI. ,  mit  verscliiedenartig  ausgeschnittenen  Einfas- 
sungen im  llenaissance-Styl. 

*  Vergl-  IC.  von  .Sava,  die  Siegel  der  Landes-Erbämter  des  Erzherzog- 
tbums  Österreich  unter  der  Enns  im  Mittelalter.  (Berichte  und  filittheilungen 
des  Wiener  Alterthurns-Yereins  38G1  Auch  die  Jlarschälle  von  Justingen,  von 
Sunchingen.    KrKtzel  u.  A.    führten  Portrats-Siegel. 

^  Leutold  von  Tiernstein  nennt  z.  B.  die  Urkunde  von  1291:  -nobilem 
Ministcrialcm. 

XVIII. 


decorative  nicht    iieraldische    —  Anbringung    der 

Wnppenl)ilder  im  Siegelfelde  dem  ziemlich  verlireiteten, 
siniii;;cn  (:ol)rauclie  im  Mittelalter  auf  Siegeln,  an  Ge- 
wändern. Decken  und  Gerätiischaften.  Die  gebrauchte 
Bezeichnung  -Tartsche-  für  den  alten  Dreieekschild 
hier  und  bei  Fig.  4  ist  nicht  zu  emi)fehlen. 

Zu  Fig.  '.I.  Ist  es  an  sich  schon  ganz  ungewöhnlich 
zu  F.nde  des  XIII.  Jahrhunderts,  vier  verschiedene  Siegel 
Eines  Herrn  •)  zu  tiuden,  zumal  lieim  niedern  Adel,  so 
zeichnen  sich  die  Siegel  Hennid's  durch  ihre  auffallende 
A'erschiedenhcit  unter  sich  noch  ganz  besonders  aus. 
Das  tiir  den  Sphragisten  Interessanteste  ist  aber 
(las  achteckige  Siegel,  Fig.  !',  von  12il.'^.  Eckige  Siegel 
mit  geraden  Seiten  gehören  immer  unter  die  Selten- 
heiten; die  vier-  und  sechseckigen  konnuen  etwas  häu- 
tiger vor,  als  die  drei-  und  fünfeckigen;  die  achtecki- 
gen sind  aber  jedenfalls  tiis  gegen  das  XVT.  Jahrhun- 
dert unter  allen  die  Seltensten. 

Ich  kenne  nur  noch  drei  Weitere  aus  dem  Ende  des 
Xm.  Jahrhunderts,  die  Beiden  Friedrichs  von  Stuben- 
berg und  das  Otto's  von  Ehrenfels,  deren  Mittheilung 
ich  gleichfalls  der  Güte  des  Herrn  Beckh- Widman- 
stetter  verdanke.'^)  Von  diesen  unterscheidet  sich 
aber  Fig.  9  dadurch,  dass  nicht  wie  bei  den  drei  Ande- 
ren eine  der  Seiten,  sondern  eiue  der  Ecken  oben 
steht.  Hei-tnid  nmss  jedenfalls,  nach  seinen  Siegeln  zu 
schliessen,  ein  ]irachtliebender  Herr  gewesen  sein,  und 
einen  besondern  Wertli  auf  seine  Siegel  gelegt  haben. 
Dass  er  auf  seinem  Siegel  von  127s  bis  1301,  Fig.  8, 
als  ^Marschall  sein  Anitswappen  führte,  und  nicht  sein 
eigenes  angestanuntes,  wie  auf  den  beiden  Fig.  9  und 
10,  ist  ganz  erklärlich  und  zeitgemäss;  dass  er  aber  auf 
seinem  ersten  Siegel,  Fig.  7,  ein  anderes  AVa]ipen  ge- 
führt haben  sollte,  wäre  gegen  Ende  des  XIII.  Jahrhun- 
dert, wo  die  Wappen  bereits  unveränderlich  waren, 
höchst  autfallend,  um  so  mehr,  als  auf  dem  Helme  der, 
nach  Fig.  1  zu  schliessen,  zum  Wildon'schen  Wappen 
gehörige  Helmschmuck  erscheint.  Sollte  nicht  etwa  der 
vermeintliche  Dreizack  einfach  das  Beschläge  seines 
Kampfschildes  darstellen?  s)  Den  Helmschmuck  auf 
Fig.  8  möchte  ich  eher  folgendermaassen  blasoniren: 
ein  halbrundes,  mit  Lindenblätter  belegtes  Schirm- 
brett, besteckt  mit  Pfauenspiegeln,  welche  unter  sich 
mit  einem  schmalen  Bande  verbunden  sind,  an  wel- 
chem zwischen  den  Spiegeln  Lindenblätter  herab- 
hängen. 

Zu  Fig.  11.  Dieses  Siegel  des  Truchsess  Ulrich  von 
Wildon,  von  1282,  ist  besonders  merkwürdig  durch 
die  sitzende  Gestalt,  welche  auf  Porträts-Siegeln  von 
Frauen  zwar  sehr  häutig  *),  dagegen  bei  Herren  selten, 
und  in  dieser  Stellung,  so  viel  mir  bis  jetzt  be- 
kannt, sonst  gar  nie  vorkommt.  Wenn  der  Taufname 
nicht  so  vollständig  erhalten  wäi-e,  würde  ich  dieses 
Siegel  entschieden   tur  das   einer  Frau  erklärt  haben. 


'  Von  Gottfried  1.  von  Hohenlohe,  Crafen  von  Komaniola.  sind  Tiinf 
verschiedene  Siegel  aus  den  Jahren  rilu  —  1253  bekannt.  3Iau  muss  sich  da- 
her sehr  hüten,  mittelalterliche  Siegel  desshalb  für  gefalsiht  zu  erkl'aren, 
weil  sie  von  den  anderen  bekannten  Siegeln  desselben  Herrn  auch  lyi)isch 
ganz  abweichen. 

-  In  späterer  und  namentljch  in  neuerer  Zeit,  kommen  achteckige 
Siegel,  doch  meist  viereckige  mit  gebrochenen  Ecken  ,  bekanntlich  häufig  vor. 

^  Vergl.  den  von  mir  mitgetheilten  ähnlichen  Fall  auf  dem  Grabstein 
des  Minnesäugers  Graf  Albrecht  von  Ilohenberg  in  der  Zeitschr.  „Der  deutsche 
Herold-.  IS'.i,  Nr.  1,  Seite  :i. 

*  Z.  IS.  auf  den  beiden  Siegeln  der  Grälin  Elisabeth  von  Heunberg,  Ge- 
malin  Heinrichs  von  Hohenlohe. Wernsberg,  von  1304  und  1312,  Nr.  135  und 
136  voii  Albrechts  Hohenlohe'scben  Siegeln  des  Mittelalters.  I^etzteres  auch 
bei  Meli)-,  Beiträge    zur    Siegelkunde    des    Mittelalters,    Seite  238,  Nr.  23. 

36 


272 


Ohne  das  Original  genau  geprüft  zu  haben,  wage  icii 
nicht  zu  entscheiden,  ob  diese  Gestalt  eine  niänuliche 
oder  weibliche  ist ;  im  ersteren  Falle  wäre  es  ein  Por- 
trät-Siegel III.  B.  2,  6.,  meines  sphragistischen  Systems, 
im  anderen  ein  Wappen-Siegel  III.  C,  mit  Schildhaltcr.  i) 
Der  Hchnschmuck  niijclite  jedenfalls  als  Federn  zu  blaso- 
niren  .sein.  Die  decorative  Anbrin- 
"  b         gung    des    Wappenbildes    an    der 

Rank,  entspricht  dem  bereits  oben 
bei  Fig.  5  erwähnten  Gebrauche. 
Dass  Ulrich  und  Herrand  (^Fig.  (>) 
steirische     Truchsessc     waren, 


Fig.  2. 


während  llertnid  Marschall,  ist 
nicht  auffallend,  denn  zweiHofämfer 
wurden  öfters  von  Mitgliedern  ein  und  derselben  Fa- 
milie gelührt :  so  waren  z.  15.  die  von  Cliunring  österrei- 
chische Marschälle  und  Schenken,  und  ebenso  die  von 
Tanne  herzogliche  und  kaiserliche  Truchsesse  und 
Schenken. 

Zu  Fig.  13.  Dieses  Sig.  II.  B.,  der  Jlargarethe  von 
Wildon,  von  1.^02— 1328,  ist  nach  Form  undjiild  merk- 
würdig. Viereckige  Siegel  sind  sehr  selten ;  da  alier  Ulrich 
von  Liechtenstein  und  dessen  Sohn  Otto,  sowie  Hartnid 
von  Stadeck,  auch  Siegel  von  dieser  ungewöhnlichen 
Form  lührten,  so  scheint  dieselbe  in  der  dortigen  Ge- 
gend damals  liesonders  Mndc  gewesen  zu  sein.  Aucli 
der  Christusko]if  ist  auf  dem  Siegel  einer  weltlichen 
l'ersou  sehr  ungewöhnlich,  und  möchte  auf  den  Wittwc- 
stand  der  Sieglerin  hindeuten.  Dieser  Kopf  erinnert 
sehr  an  den  auf  dem  bekannten  DeutsclKirdens  -  Siegel 
in  Wien  aus  der  Blitfe  des  XIV.  Jalirlanidcrts. 

AVas  endlich  die  Frage  dt  r  lilasonirung  des  Wildon'- 
schcn  \\'a])pens  betrifft :  ob  „Lindenldati"  oder  „See- 
blatt", so  bin  ich  der  unmas.sgebliclicn  Ansicht,  dass 
die  Blätter  urs|)rünglicli  die  des  in  unserer  deutschen 
Heraldik  des  Mittelalters  s<i  beliebten  l.iiidenliaiunes  wa- 
ren. Flir  diese  Annahme  sprechen  die  Siegel  Fig.  2,  3, 
4  und  8,   und   theilweisc  Fig  .">,  (>    und    lU;  besonders 

'  i-ber  Schildlräger  ut.tl  Schildlialter  ini  XlII.  Jahrb.,  auf  Siegeln  und 
Denkmälern,  vcrgl.  nitin<-  sphragistischen  A]ihori>nicii  Nr.  .WVII  bis  XXXI 
Im  Anzeiger  für  Kundi.'  der  deutsciicn  Yorzept,  1S70.  Nr.  3. 


aber  auch  die  in  der  Note  15  erwähnten  Zeichnungen, 
auf  welchen  das  Blatt  einen  .Stengel-'  hat,  sprechen 
entschieden  dafür.  Dass  auch  noch  im  XV.  Jahrhun- 
dert diese  ßlasonirung  angenommen  wurde,  bezeugt  der 
Fig.  1  mitgetheilte  Grabstein  Leutold's,  welcher  s.  Z. 
doch  wohl  dem  ursprünglichen  Originale  nachgebildet 
w'orden  ist.  Dagegen  ist  auf  den  Siegeln  Fig.  'J  und  12 
das  AVappenbild  von  der  bekannten  heraldischen  Form 
eines  s.  g.  Seeblattes. 

Das  heraldische  „Seeblatt" ,  welches  allerdings 
auch  schon  im  XIII.  Jahrhundert  \  ci-einzelt  auf  Siegeln 
vorkommt  ''),  unterscheidet  sich  von  dem  viel  häutiger 
verwendeten  Lindenblatte  durch  den  meist  kleeblatt- 
förmigen, hier  aber  mehr  lilienförmigen  Ausschnitt  oder 
Durchschlag  au  seiner  Basis.  •)  Die  heraldischen  See- 
blätter wurden  bisweilen  abgerundet,  ohne  Spitze, 
wie  hier  unter  Fig.  2  a  ange.gebcn,  abgebildet,  was  be- 
kanntlich manche  ältere  Ileraldiker  zu  der  irrigen 
Blasonirung  als  Hirsch-  oder  Schröten-Hörner  verleitete. 
Auch  für  das  untei-e  Beschläge  einer  Schwertscheide, 
was  die  Franzosen  Itoiilcro/r  nennen,  wie  Fig.  2  b  abbil- 
den, wurden  die  Seeblätter  mitunter  augesproclien. 

Dass  ursprüngliche  Linde  n  blätt  er  theils  aus 
Missverständniss,  theils  zur  Verzierung  in  manchen 
Wa]ipcn  nach  und  nach  in  Seeblätter  metamorpho- 
sirt  worden  sind,  ist  nachzuweisen.  Aus  der  mir  unbe- 
kannten Genealogie  der  Wildoner  wüi-dc  sich  vielleicht 
ergeben,  ob  die  Veränderung  des  Wappens,  —  der 
ursprünglichen  drei  Blätter  in  das  spätere  Eine,  eine 
besoiulere  licdcutun.i;-  hatte  und  welche.  Und  vice  versa 
könnten  wohl  auch  die  Siegel  der  Wildoner  dem  Ge- 
nealogen bei  seinen  Forschungen  über  dieses  Geschlecht 
gerade  dadurch  weitere  Anhaltspunkte  bieten,  da  es 
nicht  unwahrscheinlich,  dass  auch  hier,  wie  so  häufig, 
die  veränderte  Zahl  der  Wappenbilder  als  heraldisches 
Beizeichen  zur  Unterselieidung  der  verschiedeneu 
Linien   ani;-eweu(let  worden  ist. 


'  ^'e^!;l.  das  Siegel  Ulrichs  von  Vreienstein  von  12SS,  hei  ILmthaler 
1.   r.   Tab.   XI, Vir,  KiK.   IX. 

-  Vergl.  meine  ^phl■agistischen  Apliorisnien  Nr.  I.IX  und  l.X,  im  An- 
zeiger des  Germanischen  .Mu  enin'.-^,  Is7"2,  Nr.  8. 


Ein  Ueitrag-  zur  yeri^leichendeii  Oniaineiiteii-Kuiulc. 

Vor.  Dr.  Georg  Dehio. 

.Mit  i;   IIol/■^chullUll■ 

Di(!  verglciclieiide  Meiliuilr  hat  liir  die  Geschichte  Material  zur  vergleicheiideii  ( Ininmeiitkiinde,  ohne  dass 
iler  l'"ormcnspraelie  diescilie  llrdriitung  wie  für  die  Ge-  man  seine  Ilnll'nnn.i;'  diii'eliaus  \ini  neuen  Uiinden  ali- 
scliichle    dei'   Wortsprache.    A\  unn    diireli    die    Ncrglei 

chende  Linguistik  die  Scliwesferwissenseliafi  sn  uneml ■ 

lieh  vorausgeeilt  ist,   so  ist  eine  der  voriudimsten  l'isn- — -^ 

ehen  wohl  die,  da.ss  die  liberreste  aus  derVorgescIiichle 
der  bildenden  Kunst  un\  eigleichlich  geringer  an  /alil 
und  örtlich  weit  zerstreut  sind.    Immerhin  liisst  sieh  d.is 


rig.  1  «. 


l'-ig-.  1  /;. 

Iiängig  zu  maeheii  hraurhte,  schon  durch  ein  vidlstän- 
digere.s  Sammelndes  liii'  und  da  Vorhandenen,  in  seiner 
Vereinzelung  seheinbai'  iiichtssagenden,  sehr  erheliliih 
vermehren.    Xuii   wird  aber  gemäss  der  ISeschatlVnheit 


273     -- 


des  Stoffes  das  systciiinlisclic  Aufspüi-en  desselben  stets 
nur  einen  cinij'esehränktcu  Krtblj;'  liahcn;  alles  li;ini;t 
vielnieln-,  dünkt  ans,  davon  ab,  dass  jeder  Kiii/.elne, 
•\veleher  in  diesem  oder  jenem  Zusanunenbanj;'  dureii 
<lie  rinnst  des  ZutaUes  eine  einsehläi;'iffe  lieobaelitinii;' 


o    o    o 


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Fig.  3. 

bat  niaelien  können,  diesellie  znr  allgemeinen  Kennt- 
niss  bringt  nnd  es  niebt  versebmäbt,  wenn  die  Notiz,  für 
den  Angenblick  noeb  keine  bestimmten  Folgerungen 
gestattet,  nur  ein  Körncben  Robstoff  ist.  So  darf  man 
das  Sannnein  niebt  allein  von  den  engeren  Faebgelebr- 
ten  verlangen,  sondern  an<di  die'  entfernteren  Forseluings- 
kreisen  Angcbörigen  werden  gelegentlich  in  die  Lage 
konnnen,  in  aller  Bescbeidenbeit  ein  Weniges  beisteuern 
zu  können.  In  diesem  Sinne  erlaube  ieb  mir  bier  die 
folgende  kleine  Bemerkung  zu  veröffcntlieben. 

Fin  bekanntes  lüitliscl  der  Kunstgesebicbte  ist  das 
an  der  Grabkirebe  Tbeoderieb's  des  Ustgotbenkönigs  zu 
Ravenna  vorkommende  sogenannte  Zangen-Ornament. 
(Fig.  1  a.  und  b.)  Jlan  bat  es,  vorwiegend  ans  negativen 
( ;  runden,  d.  b.  weil  es  der  antiken  l'ormenwelt  ganz  fremd - 
aitig  gegenüberstellt,  als  gernmniseb  bezeichnet;  ein 
ausreichendes  Analogen  ist  jedoch,  soviel  ich  linde,  bis 
jetzt  nicht  nachgewiesen.  Ich  habe  nochmals  einen  Ver- 


0  i»  ^  ^ 

l\g.  4. 

gleich  mit  den  rublicatidnen  deutscher  und  nordischer 
Alterthümcr  angestellt  nnd  gleichfalls  keine  genügende 


Siciierlieit  getiindi'u  Nun  begegnete  mir  Folgendes: 
lieim  Dnrcbwandern  di'r  städtischen  Galerie  in  Düssel- 
doif  erblicke  i(di  plötzlich  das  Zangen-Onninient  auf 
einem  modernen  norwegischen  Bilde:  „Die  llaugianer" 
von  Tideniand.  Fs  tritt  hier  als  Schnitzerei  auf  einem 
hölzernen  L(dinstnbl  auf,  unter  dem  Sitz  rings  um  die 
Seitenwände  laiii'end  —  also  auch  die  tektonische  Finii'- 
tion  eine  äiinlicbe,  wie  am  Mausoleum  des  Theoderich, 
wo  es  den  Fries  unter  der  Kuppel  und  die  Gesimse 
unter  dem  Fenstersturz  schmückt.  Ich  erfuhr,  dass  Tide- 
niand als  Modell  einen  alten,  etwa  aus  dem  XV.  Jahr- 
hundert stammenden  Stuhl,  der  sieb  jetzt  im  .Museum 
zuCliristiania  behiiden  soll',  benutzt  bat.  Das  betretfcnde 
Stück  des  Stuhles  ist  in  Fig.  2  beigedruckt,  nach  einer 
Durchzeichnung  der  Tidemand'scben  Originalaufnahme, 
welche  Herr  Cb.  v.  Beidimann  in  Düsseldorf  mir  ge- 
fälligst besorgt  bat-.  Ich  wandte  mich  nun  dircct  an 
Herrn  Prof.  'J'ideniaiid  mit  der  Frage,  ob  das  betreffende 
( »i-nanient  noeb  beute  in  Korwegen  gebränchlich  sei. 
Die  Antwort  war:  Sehr  ähnliche  Formen  (die  Varia- 
tionen sind    schon    dnrcb    das    verschiedene  Material 


<|o  <^f>  ♦!«- 


Fis. 


bedingt)  seien  noch  vielfach  in  l'ebung;  zugleich  hatte 
er  die  Güte,  aus  den  xVnfzeichnungen,  die  er  gerade 
zur  Hand  hatte,  einige  Iicispiele  mitzutbeilen.  Fig.  3 
ist  eine  Perlenstickerei  am  l'rustlatz,  Fig.  4  die  Rand- 
verzierung eines  Kopftuches,  nach  Beispielen  ans 
Bergenstift,  llardanger  nnd  Wers;  Fig.  5  in  ein  Holz- 
gefäss  eiug;eschnitten. 

Die  Ähnlichkeit  zwis(dien  den  Ornamenten  der 
Theoderichsgrabkirchc  nnd  der  sogenannten  Rüstung 
des  Odoaker  auf  der  einen  Seite  und  der  norwegischen 
l^irmen  auf  der  an<leru  ist  evident;  es  fragt  sich  nur,  ob 


'Eine  kli-ino  Abbildung  des  ganzen  Stuhles  bei  Weiss,  Knstiiinkuiide, 
Millcl.ilt.r  )..  447. 

-  Am  iiÜL'hsteD  steht  das  von  R  ii  ii  n  in  v.  Z  .1  li  n 's  Jahrbitchern  für 
Kunstwissenschaft  I.,  p.  "J^.t  mitfjetheilte  Fragment  einer  in  Itagusa  sefundeneii 
liüstungj  ein  positiver  Nachweis  über  dessen  germanischen  Ursprung  ist  aber 
auch  nicht  zu  führen. 


36' 


274     — 


wir  daraus  sofort  auf  eine  historische  Yerwaiultschaft 
schliesscn  dürfen.  AVenu  es  sich  um  einzelne  primitive 
Zierformen  handelt,  wie  sie  zu  jeder  Zeit  und  an  jedem 
Orte  selbständig' erfunden  werden  können,  ist  eine  solche 
Folgerunj;' gewiss  bedenklich;  wenn  es  dagegen  be- 
stimmt charakterisirte  Jlotive  sind,  die  sich  zugleich  als 
Glieder  eines  festen  Ornamcntsystenies  erweisen,  so 
wird  man  Dothwendig  einen  gemeinsamen  Ursprung  an- 
nehmen müssen.  Dieses  letztere  findet  in  unserem  Fall 
unstreitig  statt.  Somit  wäre  der  Beweis  des  germani- 
schen Ursprunges  jener  raveunatisclien  Ornamente 
positiv  erbracht  und  wir  stehen  vor  der  denkwürdigen 
Tiiatsachc,  dass  in  dem  norwegischen  Volke,  dem  von 
fremden  Cultureinflüssen  am  wenigsten  berüin-ten  ger- 
manischen Stamm,  ein  Stück  uralt  natiimales  künstleri- 
sclies  P.rbtlieil  lebendig  ist,  welches  den  Deutschen 
schon 


\iir      dreizehnhundert     Jaiiren      verloren     ge- 


Es  sei  uns  gestattet,    noch  eine  Vermuthung  laut 
werden  zu  lassen  über  die  mögliche  Entstehung   jenes 


Ornamentes  aus  einer  noch  einfacheren  Urform.  Auf 
den  ältesten,  vom  orientalischen  Styl  noch  nicht  beein- 
flussten  griechischen  Vasen  bilden  ein  häutiges  Ziermotiv 
horizontale  Reihen  von  scharfwinkligen  Zickzacken  und 
von  Kreisen  mit  einem  Punkt  oder  kleineren  Kreis  in 
der  Mitte.  (ISeispiele  gielitConze  in  den  Sitzungsbe- 
richten der  Wiener  Akademie  v.  1870.)  Dasselbe  findet 
sich  auch  zahlreich  auf  nordischen  Altertliümern  der 
Bronzezeit.  Zuerst  Sc  im])  er,  dann  Conze  haben  diese 
Ornamente  als  indogernumiscdies  Gemeingut  in  Ansprucii 
genonnnen.  ]\Ian  denke  sicli  nun  zwei  solcher  Ileihen 
von  Zickzacken  und  Kreisen  unmittelbar  aneinander 
gerückt  (vergl.  Sacken,  Leitfaden  zur  Kunde  des 
heidnischen  Alterthums  Fig.  41  a)  und  inisei-  Zangen- 
Ornament  ist  fertig.  Dass  diese,  wenn  man  so  sagen 
soll,  Erlindung  nicht  übeiall  gemacht  worden  ist,  dass 
sie  vielmehr  ausser  bei  den  (iothen  nur  bei  den  Nor- 
wegern vorkommt,  das  erklärt  sich  daraus,  dass  die 
ersteren  der  den  Scandinaviern  am  nächsten  verwandte 
germanische  Stannu  waren. 


Die  Waii(l2:emäl(le   der  Georgskirclie  in  Praa:» 

l!(>^proclieii  vcm  Karl  Kellner, 


Die  Geschichte  bezeugt,  dass  die  St.  Georgskirelie, 
naiiczu  das  älteste  Baudenkmal  romanischer  Kunst  in 
Böhmen,  vom  Herzoge  Vratislav,  dem  Vater  des  lieil. 
Wenzels,  etwa  anno  itl6  erbaut  worden  ist. 

Eines  der  ältesten  Bantheile  derselben  ist  die  im 
rechten  Seitensehitfe  angel)aute,    <'t\va    .'!••   Fuss    lange 
und   1.")   Fuss  breitt!  Gaiielle    sannut    Apside    und    sehr 
altem  und  höchst    einfachem  Steinaltari'.    Uebei'  dieser 
Capelle  wurde  (1142)  später  ein  steinerner  Tliurm  anf- 
geltaut.  Die  Capelle  selbst  wurde  von   den  hier  ange- 
sieilelteii  IJenedictinerinen  im  vorigen  .lalnliunderte  zur 
Sacristei     ailajitirt,     \\(il»ei    die    daselbst     befindlielien 
uralten  Wandgemälde,   mit  denen  die  Capelle   ii beisäet 
ist,  mehrmals  übertlindit  wurden.   In  diesem  Zustande 
Illieb  die  Ca|)('lle  bis  zum  Jahre  I8()5,    in  welchem  der 
iJericIiterstatter  als  damaliger  Beetor  der  Kirche   durch 
einige  von  übertünchten  Nimbeii    an    der  Wand    ^(■rur 
sachte  Unebenheiten  auf  das  \drliandensein  \on  Wand- 
gemälden   aufmerksam    gemacht    worden    ist.    Sofort 
begann  man  mit  aller  Vorsicht  weitere  Nachforschungen, 
und   wurden  diu  meisten  liilder  aus  der  mehr  als  zoll- 
starken Verweissnung    hcraiisgekratzt,   sodass   in    dei' 
A])side  Christus    in    der  ^landorla,    umgeben    von    den 
4   apokalyptischen    'I'liieren,    dann    \on    den    Ajiosteln 
einerseits,    andererseits    von    heiligen    l'"rauen    ersicht- 
lich wurde.   Nach   Beseitigung  des  augebauten  Ziegel- 
wcrkes  trat  auch  der  oberwähnte  Allai  zu  Tage.   Obei- 
lialb  der  .\p«ide    erbli(d<t    man  AN'älle    und    Sfaditlioic 
mit    Spruchbändern    und    abbre\ierten    insehrilten     in 
Majuskeln.   Di(!  slidliclie  j'ensterwand    zieren    von    der 
Wölbung    bis  zur    Kiiieliölie  i)ar>tellungen,    tlieils    \oii 
iüschöfen  theils   von    Herzogen    und  .Fagdiiartien.   Der 
l''enHterwand    gegenüber  befindet    sich    der    nodi    ver- 
mauerte frühere  IJogeneingang;  die  angränzende  Mauer 
wurde    zur  Gewiiniung   einer   kleinern  Sacristei-TliUre 
und   behufs   der  Aniiringung  einer  Ofenheizung  ausge- 


brochen, und  liiedurelidie  W  amhiialerei  arg  beschädigt. 
Die  rückseitige,  derAjtside  zugekidirte  und  sich  abwöl- 
bende Sehlusswand  trägt  in  .">  Abtlieiliingen  ebenfalls 
Heiligengemälde,  unter  welchen  ein  Herzog  inmitten 
von  zwei  Chorherrn  und  die  Figur  des  Künsllers  mit 
dem  l'insel  in  der  Hand,  der  Kopf  fast  unverletzt,  die 
anderen  Kör|iertheile  hingegen  sehr  bescdiädigt,  erhalten 
sind.  Sänimtliche  Gemälde  überragt  die  etwa  10  Fuss 
hohe  Christo))horus-Abbildung,  das  Jesukiml  mitten  durch 
Wellen  tragend.  C<niservafor  Benesch,  \\'ocel  und 
Zap  selirit'i)en  diesen  ({emählen  den  vor-karolinisehen 
Charakter  zu.  Professor  (!ruel)er  versetzt  wohl  <lie 
Aspid  und  Jlauergemälde  in  die  vor-karoliniscIii'Zeit,  die 
Wölbungsmalcrei  jedoch  ins  XIV.  Jahrhundert,  da  sie 
den  (,'haraktcr  der  Wandgemälde  im  F.niautiner  Kreuz- 
gange  zu  tragen  sidieinen. 

i^eider  ist  der  liestand  diT  ülteren  Wandgi'mälde 
besomlers  an  der  fJassen-  res|i.  I'ensterwaud  sehr  ge- 
fährdet; dei-  angrän/.eiidc  Fahrweg  bewirkt  nämlich 
viele  Frseliütteruugen,  wodurch  einzelne  Tlieile  der 
\\^andgem;ilde,  sieh  al)bröckeln ;  die  Gelalir  der  gänz- 
lichen Abruts(dinng  derselben  ist  so  gross,  dass  eine 
niet-  und  n  a  ge  I  fe  st  e  J5  efe  St  i  gu  ng  derselben  sieh 
s(d'ort  als  unabweisbnre  Noi  li  wen  d  igkei  t  dar- 
stellt, falls  diese  uralten  böinniselieii  Kuiist;;<'bilde 
gerettet  werden  sollen. 

Wäri'  es  dem  Berieliterstalter  vergömit  gewesen, 
in  seiner  Stellung  (als  lii^ctor  der  St.  (ieorgskirche)  zu 
verbleiben  so  halle  er  die  Conservirung  dieser  Wand- 
:,'em;ilde  selbi'r  dureligellilirt ;  do(di  durch  die  Auf- 
hebung des  mit  dieser  Kirche  in  N'erbiudiing  stehenden 
-eistliehen  CNn'rections-llauscs  musste  derstdbe  das  ihm 
so  lieh  gewordene  alterthümliclie  (iotteshaus  verlassen, 
ilas  nun  seinem  Innern  Vorfalle  innnei-  mehr  entgegen 
geht;  und  doch  wäre  dieses  Gottc-sliaus  \(irz!lglieh  be- 
rufen gewesen,  bei  der  '.MlOjährigen  (iriindungsfeiL'r  des 


•Zlii 


Präger  Bistbums  als  Ihuipttactor  iiiitziiwiikcn ,  da  die 
Bistlmms-])eg:rün(lcr  ISolesIaus  der  Froiimic  und  st'iiif 
Schwester  ]\Iaria  (^Jlladai  eben  daselbst  ihre  L'uliestätte 
haben. 

Auch  die  Wände  des  im  Hauptscliitfc  oberhalb  der 
Kryiita  betindliehen  Presl)yteriuins  sind  jL;lei(d]lalis  mit 
doppelt  autlica'endeh  (iemäldcn  übersäet.  Die  (Ir- 
mäkle  der  oberen  Hehiehte  dürften  dem  XVI.  Jahrhun- 
dertc angehören.  Unter  diesen  befinden  sich  die  ur- 
sprünglielien  uralten  'Wandmalereien,  welche  allerdings 
nur  t'ragmeutariseh  aufgedeckt  ■\verilen  konnten  ,  wo- 
runter die  Abbildungen  des  iieiligen  Wenzels  mit  dem 
Speere  in  der  Hand  dem  Arler'schen  üaudbilde  des- 
selben Heiligen  zum  Muster  gedient  haben  mochten. 
Auf  der  linken  \\'andHiiclie  treten  einige  Ülierrestc  roma- 
nischer Gold-Arabesken  hervor,  als  Hintergrund  eines 
die  Verkündigung  ^[ariens  darstellenden  Wandgemäl- 
des. Darunter  zielit  sich  eine  abgebrochene  durch  f^äul- 
chen  getrennte  Nischengallerie.  Die  Säulen- Capitäle 
haben  eine  romanische  Decoration,  in  den  Nischen  sieht 
man  hie  und  da  einen  Kopf  von  den  noch  unanfgedcck- 


ten  Heiligen,  l'ntcr  der  .\btissin  mit  dem  für  den  Bau 
bedeutungsvollen  Namen  .,von  .Schönweiss-  wurden 
(etwa  l()Sö)  alle  diese A\'andgemälde,  s(diön  weiss  über- 
tüncht, was  seitdem  mehrmals  wiederholt  worden  ist, 
so  dass  die  Gemälde-Fragmente  nur  mit  grosser  Mühe 
ausj;ekrat/.t  werden  konnten. 

Bis  zum  Jährt!  1X'J4  besass  die  St.  Georgskirclic 
vier  Tafeln,  resj).  Flügelbilder  der  bölimisclR'n  und 
deutschen  Schule  des  XV.  oder  XVI.  Jahrhunderts  cnt- 
stanmiend.  Das  grösste  Fliigclbild  stand  am  Ghor-.\ltar 
und  bestand  aus  seciis  Abtlieilungen,  den  gekreuzigten 
Heiland  inmitten  von  F.ngeln  und  aiideni  Iieiligen  dar- 
stellend —  (aus  dem  X\I.  Jalirhuudertei.  Die  ül)rigen 
drei  Holznialereien  zierten  die  untere  Kirche.  Kaiser 
Franz  I.  lies  im  Jaln-e  IH'24  alle  diese  Ilolzgemälde  in 
die  Hradscliiner  Gemälde-* lalleric  übertragen,  wo  sie 
mit  der  IJezeichnuiig  als  „dem  Prager  Domcapitel  ange- 
liörig"  verwahrt  werden.  Jedoch  so  niedrig  hängen,  dass 
sie  dort  der  absichtlichen  und  znlalligen  Beschädigung 
viel  mehr  ausgesetzt  sind,  als  sie  es  trüber  in  der  Kirche 
waren. 


Das  Portal  des  elieinaliiieu  k.  Zeiiuhauses  in  Wiener-Neustadt. 


Besproclicn  von  Dr.  Karl  Lind. 


(Mit  1   Holischnitle.) 


Wilhelm  Lübke  führt  mit  Recht  in  seinem  ver- 
dienstlichen Buche  über  die  deutsche Kenaisance,  davon 
wir  bereits  in  den  Mittheilungen  unter  Anerkennung 
der  Gediegenheit  des  Inhaltes  Erwälinunng  gemacht 
haben,  an,  dass  die  Stadt  ^^'iener-Neustadt  ein  Pracht- 
stück der  Renaisance  in  dem  Haupt-Portal  der  jetzigen 
Artillerie-Caserne  besitzt  und  schreibt  dieses  Werk  mit 
Rücksicht  auf  die  Eleganz  der  Composition,  Feinheit  der 
Ausführung  und  Zierlichkeit  der  Details  einem  italieni- 
schen Meister  zu. 

Wir  geben  in  derangescblosseuen  Ansicht  eine  Ab- 
bildung dieses  herrlichen  Portals,  wahrhaftig  eines  Mei- 
sterstückes der  Renaisance.  Dasselbe  ninnnt  die  Mitte 
des  (istlichen  Flügels  an  dem  sonst  unscheinbaren  Baue 
ein,  der  unter  Ferdinand  I.  (1524)  aufgetülirt  wurde,  und 
ist  gegen  den  Platz  gewendet ,  dessen  Gegenseite  die 
alte  Burg  (nun  Militär-Akademie)  mit  dem  bekannten 
spät-gothischen  Capellenbau  ober  der  mächtigen  Ein- 
gangshalle einninnnt. 

Elegante  Rahmen-Pilaster  mit  Löwenköpfen  an  den 
Sockeln,  durch  Medaillons  mit  antikisireudeu  Kaiser- 
köpfeu  untertheilt  und  mit  geschmackvollen  frei  korin- 
thisirenden,  mit  xVkanthus,  Greifeu  und  Genien  ge- 
schmückten Capitälen  abschliessend,  begränzen  das  Thor 
au  beitleu  Seiten.  Auf  denselben  ruhet  ein  breiter  Sturz- 
stein und  darauf  das  den  gauzeu  Aufbau  abschliessende 
Giebelfeld  mit  dem  grossen  reichbemalten  österreichisch- 
spaniscli-burgundischen  Wa])pen  ,  das  von  zwei  Greifen 
gehalten  und  durch  einen  Engel  mit  der  Krone  über- 
deckt wird. 


Die  Leibung  des  aus  einem  Halbkreis  construirten 
Tliorbogens,  der  auf  einem  besonderen  Pfeiler-Aufbaue 
ruhet,  ist  mit  Engelsköpfen  geziert,  die  in  aneinanderge- 
reihten cassetirten  Feldern  angebracht  sind.  Die  Bogen- 
zwickeln  enthalten  grosse  Medaillons  mit  schönen 
antikisireudeu  Brustbildern ,  einem  männlichen  und 
einem  weihlichen.  Die  Medaillons  sind  mit  Kränzen 
umrahmt  und  mit  flatternden  Bändern  geziert. 

Die  am,  mit  zwei  Wajtpen  geschmückten  Sturz- 
steine angebrachte  lusclirift  lautet : 

Ferdinandus-Phillipi .  hispaniarvm  .  et.  Joanne, 
reg  .  f  .  nepos  .  maxiniiliani  .  ees  .  |  aug".  . 
ac  .  Ferdinandi  .  senoris  .  regis  .  eatholici  - 
ti'atei"  .  germanus  ;  earoli  .  \'  .  irap  .  pri  j 
oeps  .  ac  .  infans  .  hispaniaruni  .  archidux  . 
austrie  .xc  .  hoc  .  armamentarium  .  ob  .  2)atrie  . 
tuic;  I  ionem  .  in  .  hostivni  .  terrorem  .  e  . 
fvndanientis  .  extruebat  .  anno  .  a  .  nato  .  jesv  . 
MD.  XX  .  IUI  . 

Der  rückseitige  Ausgang  des  Gebäudes  ist  eben- 
falls, aber  im  Vergleich  mit  dem  eben  beschriebenen 
Thore  bedeutend  weniger  verziert.  Dieses  kleinere  Por- 
tal hat  die  gleichlautende  Inschrift,  ist  mit  einem  be- 
malten Wappen  versehen  und  mag  von  demselben 
Künstler  wie  das  vordere  herstammen. 

Ein  ähnliches ,  aus  der  Zeit  desselben  Regenten 
(1552)  stannnendes,  aber  bedeutend  einfacheres  Thor, 
linden  wir  in  dem  älteren  Theile  der  Wiener-Burg,  im 
Schweizerhof,  gegen  den  Franzensplatz  iiin. 


—     270 


lif       '-    ~ 


fy-^^  PfFTPCiNANcvS  :pplLL"Pl-HlSPANiARV>\  E:T•lOA^^  E-TTECT;  "•NEPOS-/viAXIAILlASil-CCS'^ 
;'«ate?>'t  AVC- AC-  FERDINiANDI''SEN.0RIS-  =  FCIS-CATHOI..ICI-FRATER-CER,n/^-VS'CAROLIVI>\P-PRJ 
U_l  I  CEPS  AC-INrA\'S-HISPJi\:ARVfr\-AR'H!DV/AVSTRIE'X0-HOCAR;^\AnfTARIV,*\-0BPATRIETVIC| 
.'^-f-i.'   '^  !QME>V|NHOSTI\.nT':RK0aE;AVF;FVMDj\  DENTIS  EXTRVrBATANNnANATO  lESi'y^i-DJEXÄ-.-- , 


'"««S1t„ 


Fi":.  1.      'Wicnor  Nfiist.adt. 


277 


Die  alten  Waiulgeiiiälde  in  der  Capelle  der  Bnrsrrnine  Hoch-Eppan. 

Voi]  Karl  Atz. 


Diese  Capelle,  freistehend  eibaiit  auf  der  Südseite 
des  Felseiikegels,  worauf  die  alte  Teste  lair,  wurde 
1131  zu  Elireu  der  hl.  Katharina  vom  Trienter  Bischof 
Altman  geweiht.  Sie  bildet  ein  Viereck,  das  aussen 
30'  8"  lang  und  15'  6  "  breit  ist,  die  Dicke  der  Mauer 
beträgt  2'  0".  Auf  der  Ostseite  sjiringt  eine  auf  einem 
Kragstein  ruhende  Apsis  vor.  Tritt  man  durcli  den 
höchst  einfachen  ärmlichen  Eingang  (in  Vierecksform) 
in  (las  Innere,  so  bemerktman  noch  zweiNeben-Absiden, 
welche  ebenfalls  wie  erstere  gewölbt  sind,  aber  nicht 
über  die  JlaucrUucht  vorspringen.  Jede  Abside  ist  durch 
ein  schmales  Fenster  erleuchtet :  zwei  andere  Fenster, 
ein  wenig  grösser ,  sind  auf  der  Südseite  angebracht, 
jenes  auf  der  Westseite  dürfte  einer  späteren  Zeit  an- 
gehören, da  es  nicht  ausgeschrägte  Gewände,  noch 
den  halbkreislörmigen  Abschluss  wie  erstere  zeigt. 
Über  das  ganze  Schiff  breitete  sich  einst  eine  Hache 
Oberdecke  von  Holz  aus,  jetzt  ist  sie  theilweise  zerstört, 
überhaujit  hat  das  Ganze  stark  gelitten,  da  man  es  der- 
zeit als  Scheune  benützt.  Allgemeinesinteresse  erregen 
die  AVandgeniälde,  welche  aussen  (auf  der  Xordseite) 
und  innen  zu  sehen  sind;  sie  dürften  bald  nach  der  Ein- 
weihung der  Capelle  entstanden  sein,  denn  für  dieses 
hohe  Alter  sprechen  ihre  Formen  und  ihre  Ausführung; 
es  begegnen  uns  hagere  lange  Gestalten  ,  in  fast  contur- 
artiger  Behandlung.  Alle  ornamentalen  Einzelntheile 
sind  durchaus  im  streng  romanischen  Style  gehalten, 
dem  auch  die  Farbentöne  genau  entsprechen.  Aussen, 
über  dem  Eingange  sieht  man  Christum  am  Kreuze  mit 
^faria  und  Johannes,  Longinus  mit  der  Lanze  und  eine 
fünfte  Figur,  in  enganliegendem  Gewände,  die  beiden 
Arme  in  die  Seite  stemmend  und  voll  Verwunderung  auf 
den  Gekreuzigten  hinschauend,  was  etwa  an  ihm  noch 
geschehen  wird;  oben  Somie  und  Mond.  Die  Umrahmung 
der  ganzen  Darstellung  bilden  zwei  Säulen,  welche  einen 
Rundbogenfries  tragen.  Weiter  rechts  ist  Christoph  ge- 
malt; sein  Oberkleid  besteht  aus  einem  mit  Kreisen  und 
Quaclraten  gemusterten  Stotfe,  was  sich  eigentlüunlicli 
ausnimmt.  Zur  linken  Seite  vom  Eingange  begegnen 
wir  einer  Hirschjagd,  die  nur  mehr  theilweise  sichtbar 
ist;  ein  noch  sichtbarer  Jäger  bläst  ins  Hörn.    Der  ver- 


folgte Hirsch  ist  gut  gezeichnet.  Diese  Darstellung  ist 
zweifelsohne  sinnbildlich  zu  nehmen,  nämlich  als  die  in 
diesem  Leben  von  den  Feinden  stets  verfolgte  mensch- 
liche Seele,  deren  Sinnbild  bekanntlich  der  Hirsch  ist. 

Innen  und  zwar  am  (Jewölbe  der  Haupt-  undMittel- 
Apsis  erscheint  die  Hinnnelskönigin  sitzend  mit  dem 
segnenden  Jesuskinde,  rechts  und  links  je  ein  knieender 
Engel,  der  eine  Kugel  mit  der  durch  das  Oberkleid  ver- 
hüllten Hand  trägt.  Die  Kugel  bedeutet  wohl  die  Welt, 
welche  durch  Christus  ihr  Heil  finden  soll,  und  zwar  die 
Doppelzahl  der  Kugel  die  stets  in  zwei Tlieile  gespaltene 
Menschheit,  in  Gute  und  Böse.  Denen  entsprechend 
sind  nun  etwas  tiefer,  rechts  und  links  vom  Fenster  die 
klugen  und  thörichten  Jungfrauen  dargestellt,  je  drei 
beisammen.  Die  zur  Rechten  liegende  oder  südliche 
Xeben-A]isis  zeigt  oben  Christus  und  in  den  Gewänden 
des  Fensters  Petrus  und  Paulus,  von  denen  ersterer  die 
Schlüssel,  letzterer  eine  Rdlle  vom  Gottessohne  erhält. 
In  der  nördlichen  Nebeu-Apside(die  Capelle  ist  geostet) 
ei'seheint  oben  das  Lamm  Gottes  und  darunter  die  bei- 
den Johannes,  der  Täufer  und  der  Evangelist.  Interessant 
ist  auch  am  ersteren  die  stylisirte  Fcllbekleidung.  Die 
Ränder  jeder  Apsis  fasst  ein  schönes  Laubwerk  ein. 
Die  über  alle  drei  A])siden  noch  höher,  bis  zur  ebenen 
Oberdecke  reichende  Wand  war  ebenfalls  mit  einer 
Reihe  von  thronenden  Figuren  geschmückt,  aber  wegen 
Schmutz  und  zu  grosser  Dunkelheit  des  Raumes  sind 
sie  nicht  leicht  erkennbar,  wir  verniuthen,  dass  Chri- 
stus mit  den  zwölf  Aposteln  dargestellt  gewesen  sein 
möchte. 

Auf  der  Südwand  sind  noch  der  englische  Gruss 
und  Maria  Heimsuchung  gut  sichtbar.  Die  Gewände  der 
zwei  Fenster  auf  dieser  Seite  schmückt  ein  kräftiges 
Ornament;  es  besteht  aus  rothen  dreiblättrigen  Blumen 
mit  weisser  Einfassung,  in  je  einem  quadratischen  Felde 
liegend,  das  von  gelben  Blättern  mit  schwarzer  Contour 
gebildet  wird.  Die  übrigen  Wandflächen  sehen  heute 
ziemlich  roh  aus,  ob  und  wie  sie  einst  geschmückt 
waren,  lässt  sich  daher  nicht  mehr  leicht  bestimmen, 
aber  zu  wünschen  wäre,  wenn  diese  Capelle  besser  ge- 
schont   und   nicht  zu  einer  Scheune  missbraucht  würde. 


Die  ewige  Liclitsänle   von  Wels. 

Von    Job.    Gradt. 

(Mit   I    Holzschnitt. 


L'ngefähr  acht  Jahre  vor  dem  in  Wels  erfolgten 
Tode  des  letzten  deutschen  Ritters,  des  römischen  Kai- 
sers Maximilian  ,  thaten  die  drei  Zünfte  der  Fisch-, 
Floss-  und  Schiff  baumeister  der  Stadt  Wels  das  Gelübde, 
zu  ihrem  eigenen  und  zum  Seelenheile  ihrer  bereits  ver- 
storbeni'u  und  noch  auiLeben  befindlichen  Zunftgenossen, 
die  in  ihrem  Beruf  so  oft  der  Gefahr  des  plötzlichen 
Todes  ausgesetzt  sind,  eine  Liehtsäule  auf  dem  Fried- 
hofe zu  errichten,  welches  fromme  Vorhaben  im  Jahre 


IT)!!  zur  Tliat  gewtirden  war.  Die  ewige  Lichtsäule, 
woNon  Fig.  1  eine  Ansicht  gibt,  steht  inmitten  des  in 
beträchtlicher  Entfernung  der  Stadt  Wels  und  seiner 
Vorstädte  angelegten  Friedhofes.  Diese  hat  nebst  dem 
architektom'schen  Interesse  auch  insoferne  eine  local- 
geschiclitliclie  Bedeutung ,  als  dadurch  der  Beweis 
vorliegt,  dass  zur  Zeit  ihrer  Aufrichtung  entgegen  dem 
allgemein  üblichen  Herkommen  die  Verstorbenen  nicht 
mehr  in  dem  um  die  Stadtpfarrkirche  gelegenen  Fried- 


278 


liof  aussebliesslicL  beerdigt  wiirilen,  soiicleni  die  Bestat- 
tung derselben  zuAnfnng  desXVI.Jalirhuudertes  in  dem 
ausserlialb  des  Stailtfriedens  angelegten  weitläufigen 
Friedlinfe  stattgefinidi-n  Imt.  Es  ist  sitgar  nicht  unwalir- 
seheinlic'h,  dass  mit  devErriciitung  der  ewigen  Lielitsäulc 
die  Einsegnung  und  Übergabe  dieses  Fleckes  Erde  zu 
seiner  traurigen  Bestimmung  unter  einem  vollzogen 
wurde,  zu  welcher  Annahme  der  Verlasser  dieser  Zeilen 
durch  (h'u  Tnistand  veranlasst  wurde,  weil  die  nächst 
der  Pfarrkirche  und  in  der  Stadt  zerstreuten  (Trabsteine 
einiger  weniger  Fatricier  sämmtlich,  mit  Ausnainne  der 
GraVinialplatten  der  Pollhainier  älter  als  die  Lichtsäule 
sin<l.  am  Friedliof  aber  scIkiu  die  Grabsteine  mit  dem 
XVI.  Jahrhundert  aniieben,  worunter  sich  die  Grab- 
malplatte  des  Jörg  Pullinger,  f  lötlO,  in  prachtvoller 
Ausstattung  findet. 

Kehren  wir  von  die.ser  Abschweifung  zur  Licht- 
säule zurück;  sie  gehih-t,  wie  es  ein  tlüclitiger  Blick  hin- 
länglich darthut,  der  Ausgangszeit  der  Gothik  an,  ohne 
dass  durcli  diese  spate  Entstehungszeit  die  Theil- 
nahrne  datür  abgeschwächt  würde.  Dreimal  sich  ab- 
stufende kreisrunde  Sockelplatten  von  beträchtlichem 
Ausmasse  (der  Diameter  der  obersten  Sockcii)latte 
misst  f)'  '1"  ,  der  Dianieter  der  nächstunteren  S'  9"), 
l)i]deu  das  Aufiager  der  Licht.säule,  auf  welchem  sich 
zuvörderst  ein  aus  dem  Quadrate  errichteter  geglie- 
derter Fuss  aufliaut  ,  der  durch  die  Abschrägung 
seiner  vier  Ecken  ins  Achteck  übergeht.  Von  dem 
Fussgesinise  an  geht  der  Träger  des  Laternenkör- 
))ers  zunächst  in  einen  kurzen  kreisrunden  Säulen- 
schaft über,  der  durch  eine  aus  dem  Sechseck  voll- 
zogene Cannelirung  mit  spiraler  Windung  belebt 
wurde.  Ein  ebenso  kurzes  Stück  des  Säulenschaftes 
ist  auch  an  iiireni  oberen  Ende  kreisrund  geformt,  und 


darüber  baut  sich,  vermittelt  durch  ein  eapitalisirendes 
Zwischenglied,  eine  anziehende  Verdacbuug  auf,  aus 
welcher  der  aus  dem  Sechseck  construirte  Laternen- 
körper in  reizender  Austiildung  licraus  wäciist.  Die 
sechs  sciiarfen  Ecken  dessell)en  iiaben  mittelst  gewun- 
dener Säulchen  ihren  strengen  siiröden  Charakter  ein- 
gebüsst ;  über  den  spiralen  Säulchen  .  deren  Fuss  und 
Capital  nur  durch  eine  glatie  Abschrägnng  angedeutet 
wurde,  scidiesst  die  Seciisecksseite  im  gescliwächten 
Bogen  untl  mit  einem  knopfigen  Knauf  ab.  Drei  Seiten 
des  Sechseckes  sind  voll  gehalten,  mit  vertieften  ge- 
kehlten Feldern  versehen,  welche  mit  den  im  IToch-Relief 
ausgetührtcn  Gestalten  des  Heilandes  am  Kreuze,  der 
^[adonna  mit  dem  Kinde  und  des  Patrones  der  Schitf- 
fahrer,  des  heiligen  Kicolaus,  ausgefüllt  sind.  Die  ül)ri- 
gen  drei  ganz  ähnlich  gerahmten  Felder  der  Laterne 
sind,  um  als  Seelenieuchte  dienen  zu  können  ,  durch- 
brociien  und  die  ( »ftnungen  mittelst  Verglasung  und 
Eisengitters  gescidossen  worden.  Aus  den  im  gesclnveif- 
ten  Bügen  geschlossenen  Giebeln  ragt  ein  Bruclistück 
des  einstigen,  steil  anziehenden  und  mittelst  Kehlung 
gegliederten  Riesen  heraus  .  diM-  wahrsclieinlich  mit 
Knauf  und  Kreuzrose  endigte. 

In  den  spiralförmig  gewundenen  Fiäclien  des  Säu- 
lenschaftes sind  drei  Schilder  gehauen,  welche  die 
WerkszeicJien  der  Fischer-  ,  der  Flösser-  und  ^  der 
Schifl'bauerzünfte  enthalten.  Die  in  der  Kehluug  des 
Hauptgesimses  geliauene  Inschrift  ist  zum  Tlieil  noch 
lesbar  ,  die  am  unteren  Rande  des  Säulensciiaftes 
gehauene  Inschrift  durch  vollständige  Verwitterung  des 
Steines  unlesbar  geworden. 

Die  Gesammthöhe  der  Säule  tdine  Einrechnung 
der  kreisrunden  Sdckeliilatten  beträgt  !>'(,)";  das  Mate- 
rial derselben  ist  der  Itunte  Marmor  der Gosauformation 


t'i^.  1.    (Wels.; 


279 


der  in  der  Niilie  von  Wels  liiiclit.  Die  Liclitsiiidc,  jine 
in  arcliitectdiii.seher  Reziehunj;-  siiiiiii;-  (•(iii(i|)iite  Zierde 
des  Friedliiit'es,  ist  Vdii  den  zerstörenden  Einflüssen  der 
Atniospliäriiien  im  holien  Grade  ausgewittert  und  restau- 
rationsbedürftig- geworden ,  es  wäre  atier  immerhin 
Schade,  ein  so  ehrwürdiges  Denkmalehristiiclier  Pietät, 
welches  die  stolzen  und  reckenhaften  Traunfahrer  ge- 


schaffen hatten,  der  völligen  Zerstörung  Preis  zu  geben. 
Eine  kleine  Anregung  seitens  der  hocliwürdigen  Seel- 
sorger würde  sichcrlieii  hinreichen  ,  die  anerkannte 
Opferwilligkcit  der  Bürger  des  alten  Ilandels-Eiuporiums 
Wels  zur  l'j-haltung  und  Restaurirnng  des  Denkmales 
und  Wahrzeichens  iu  Tliätigkeit  zu  bringen. 


Die   ßestauririiiisr  der  alten   DreiköiiigsCapelle  zu  Tiilln. 

\on  Hr.  Kerschbaumer. 


Zur  Zeit  der  alten  Römer  soll  in  TuUn  ein  heid- 
nischer Tempel  des  Jupiter  Dolicheuus  sich  liefuuden 
haben,  auf  dessen  Trümmern  später  eine  christliche 
C'apelle  gebaut  wurde,  welche  den  Namen  D  r  e  i  k  ö  n  i  g  s- 
Capelle  erhielt,  weil  sie  zu  Ehren  der  heiligen  drei  Kö- 
nige geweiht  war.  Dass  diese  C'apelle  sehr  alt  ist,  be- 
weisst  ihre  Bauart  und  wird  durch  geschichtliche  Docu- 
meute  ausser  allen  Zweifel  gestellt.  Am  Festtage  der 
heiligen  drei  Könige  (G.  Jänner)  fand  in  Tulln  alljähr- 
lich ein  grosses  Zusannnenströmen  von  Leuten  aus  der 
ganzen  Umgebung  statt ,  weil  an  diesem  Tage  das 
Kirchweihfest  der  genannten  Capelle  begangen  wurde. 
Erst  später  (1362)  wurde  dieses  Fest  wegen  der  Un- 
gunst der  kalten  Jahreszeit  auf  den  ersten  Sonntag  nach 
dem  Feste  Maria  Himmelfahrt  (im  August)  verlegt. 

W\'r  die  Capelle  eigentlich  erbaute,  kann  nicht  an- 
gegeben werden,  weil  sich  darüber  gar  keine  Aufzeich- 
nungen in  den  alten  Archiven  finden.  Nach  der  Bauart 
zu  schliessen,  dürfte  die  Capelle  aus  dem  Anfange  des 
XIII.  Jahrhunderts  stammen;  denn  der  romanische  Bau- 
styl Ist  uuleugbar  an  den  aus  gerollten  Blättern  gebil- 
deten Capitäleu  der  Hauptsäulen,  an  dem  mit  Zahn- 
schnitten verzierten  Hauptgesimse  und  dem  sogenann- 
ten Eundbogenfries  zu  erkennen. 

Das  5'  dicke  Gebäude  besteht  aus  Sandstein- 
Quadern,  die  in  ungleichen  Schichten  aufeinander  ruhen. 
Nach  aussen  hat  die  Capelle  die  Gestalt  eines  fast 
gleichseitigen  coustruirten  Eilfecks,  wovon  jedoch  zwei 
Seiten  durch  die  halbrunde  Apsis  an  der  Ostseite  und 
zwei  andere  an  der  Nordseite  durch  das  Portale  ver- 
baut sind.  Die  untere,  zum  Theile  unterirdische  Käum- 
lichkeit  bildet  ein  Rundgewölbe,  das  zur  Aufbewahrung 
der  Todtengebeine  bestimmt  war,  denn  die  Capelle 
stand  mitten  im  Friedhofe,  welcher  einst  die  Pfarrkirche 
umgab.  Als  letztere  durch  den  Ausbau  des  Presbyte- 
riums  (14SG — 1513)  vergrössert  wurde,  kam  die  Drei- 
königs-Caiielle  so  nahe  der  Pfarrkirche  zu  stehen,  wie 
wir  sie  erblicken.  In  der  Capelle  ober  den  Todten- 
gebeinen  wurde  das  heilige  ]\Iessoi)fer  für  die  verstor- 
benen Gläubigen  verrichtet,  und  dadurch  den  Lebenden 
ein  ernstes  Memento  mori  in  die  Seele  gerufen. 

Von  dankbarer  Liebe  zu  den  Verstorbenen  durch- 
drungen machten  zwei  Dechante  von  Tulln  fromme 
Stiftungen  für  den  Karner.  Der  erste,  Namens  Heinrich, 
wollte,  dass  auf  dem  „Charncr-'  des  Friedhofes  zu  Tulln 
ein  ewiges  Licht  unterhalten  werde  (13-?1);  der  zweite 
Namens  Heinrich  Öschel,  ein  geboruer  Tullner,  stiftete 
einen  eigenen  Priester  an  dem  Karner,  dass  er  daselbst 

XVIII. 


täglich  für  die  A'erstorbeueu  Messe  lese  (1357).  Seinem 
Wunsche  gemäss,  sollte  der  jeweilige  Dechaut  zu  Tulln 
diesen  Priester  (Caplan)  ernennen,  auch  sollte  beijeder 
Seelenmesse  im  Karner  von  der  Wandlung  an  bis  nach 
dem  Agnus  Dei  eine  Wandlungskerze  brennen.  Der 
Kaplan  aber  hatte  die  Verpflichtung,  beijeder  Seelen- 
messe der  Verwandten  des  Stifters  und  insbesouders 
„seiner  guten  Katrein"  (so  hiess  seine  Mutter)  zu  ge- 
denken. Auch  andere  Tullner  Bürger  stifteten  zu  dem 
Karner-Beneficiuni  fronnne  Legate.  01)genannfer  De- 
chaut, Heinrich  Oschcl,  errichtete  üiierdies  in  der  Ca- 
pelle einen  neuen  Altar  zu  Ehren  der  heiligen  Katharina. 

Diese  Caplan-Stiftung  bestand  fast  200  Jahre.  Seit 
der  Reformafionszeit  wird  kein  eigener  Beneficiat  am 
Karuer  iu  den  Urkunden  erwähnt;  doch  erhielt  sich  der 
alte  Ciebrauch,  dass  alljährlich  am  heiligen  Dreikönigs- 
feste eine  anderthalbpfündige  weisse  Wachskerze  bei 
der  ersten  Vesper  des  Festes  und  am  Festtage  selbst 
während  des  Hochamtes  und  während  der  zweiten  Ves- 
l)er  des  Festes  auf  dem  Friedhofe  brannte  ,  bis  zum 
Jahre  1770.  Die  Einkünfte  des  Beneliciums,  welche  im 
Laufe  der  Zeit  auf  jährlich  95  fl.  45  kr.  ly.,  Pfennig 
herabgesunken  waren,  bezog  der  jeweilige  Pfarrer  von 
Tulln. 

Das  altehrwürdige  Kunstdeukmal  erlebte  allerlei 
traurige  CTCSchiclve.  Im  X\T.  Jahrhundert  wurde  es  als 
Pulverthurm ,  im  XVIII.  als  WaÖen-  und  Salzmagazin, 
im  XIX.  als  kirchliche  Rumpelkammer  benützt.  Bei  der 
grossen  Feuersbruust  am  21.  Jlärz  1752  brannte  das 
Dach  der  Capelle  ab,  so  dass  sie  viele  Jahre  lang  als 
Ruine  dastand,  indem  niemand  die  Kosten  der  neuen 
Bedachung  tragen  wollte,  bis  sich  endlich  der  damalige 
Weihbischof  von  Passau  und  Dechant  von  Tulln  Pliilipp 
Ciraf  von  Dann  ..aus  Rücksicht  für  das  Alterthum  und 
ohne  Präjudiz  für  seine  Nachfolger-   dazu  herbeiliess. 

Mit  Ausnahme  einer  längeren  Unterbrechung  im 
XVI.  und  XVI I.  Jahrhundert  blieb  die  Capelle  fort- 
während   dem    CJottesdienste    gewidmet;     wenigstens 


wurde  derselbe  einmal  im  Jahn 


un  Feste  der 


heiligen  drei  Könige  darin  abgehalten.  Weilibischof 
^lartin  CTciger.  der  1G71  Dechant  zu  Tuln  war,  hatte 
die  Capelle  auf  seine  Kosten  durchgehends  renoviren 
lassen.  Erst  am  Ende  der  vorigen  Jahrhunderts  wurde 
die  Capelle  als  entbehrlich  für  den  Gottesdienst  ge- 
schlossen und  im  höheren  .-Vuftrage  von  dem  damaligen 
Dechant  Franz  Mösle  am  4.  Jänner  1787  entweiht.  Die 
Kirchensachen  und  die  Capelle  selbst  wurden  öfl'eut- 
lich  licitaudo    (letztere   um    den   Schätzungspreis    von 

37 


280 


320  fl.)  freigeboten.  Auf  BefeLl  Kaiser  Josefs  II.  wurde 
jedoch  die  Capelle  der  Pfarrkirelie  später  uueutgeltlieli 
überlassen. 

Seitdem  erfolgten  wohl  einige  nothdürftige  Restau- 
rationen au  der  Aussenseite  der  Capelle,  desto  schauer- 
licher aber  verwildeten  die  inneren  Räume,  so  dass  man 
sich  schämen  musste,  wenn  ein  wissbegieriger  Fremder 
dieselben  zu  sehen  wünschte.  Bei  dem  in  neuerer  Zeit 
erwachten  Kunstsinne  war  eine  totale  stylgcmässe  Re- 
stauration im  Innern  und  Ausseren  der  altelnwürdigen 
Dreikönigscapelle  eine  unabweisbare  Nothwendigkeit, 
ja  eine  Ehrensache  der  Stadt  Tulln.  Es  erging  dalier 
ein  öffentlicher  Aufruf  au  die  kunstsinnigen  Bewohner 
der  Stadt  Tulln,  welcher  allenthalben  Anklang  fand. 
Eine  gleichzeitig  an  die  hohe  Central-Conimission  für 
Erhaltung  der  Baudenkmale  in  Osterreich  gerichtete 
Bitte  um  Unterstützung  fand  thunlichste  Erhörung.  In 
Folge  dessen  wurden  im  Frühjahre  1873  die  Restau- 
rafionsarbeiten  mit  Emsigkeit  begonnen  und  fast  ohne 
Unterbrechung  dergestalt  fortgesetzt,  dass  jetzt  die  Ca- 
pelle nicht  nur  von  der  grausamen  Mörteltünche  befreit 
ist,  mit  der  die  schönen  Quadern  überzogen  waren,  son- 
dern dass  auch  die  herrlichen  Frescobilder,  welche  die 
Apsis  und  den  inneren  Bogenl'ris  der  Capelle  zieren,  und 
deren  Existenz  fast  unbekannt  war,  vollkommen  her- 
gestellt sind.  Am  26.0ctober  wurde  die  Capelle  von  dem 
Herrn  Bischof  von  St.  Polten  Dr.  Matthäus  Josef  Bin- 
der geweiht  und  dem  Gottesdienste  zurückgegeben. 

Das  Äussere  der  Capelle  ist  mit  Ausnahme  des 
theilweise  sehr  ruinirten  Sockels  noch  gut  erhalten.  Die 
ausgewaschenen  Fugen  zwischen  den  Quadersteinen 
wurden  gefüllt  und  die  S|)rünge  und  Klüfte  vermauert. 

Ein  Meisterwerk  der  Ürnamentation  ist  die  ruiid- 
bogige  Portalhalie.  Diese  verengt  sich  in  fünf  recht- 
winkeligen Abstufungen,  in  deren  einspringende  Ecken 
je  eine  Säule  steht.  Die  Säulen  ruhen  auf  würfelförmi- 
ger Unterlage,  die  Capitäle  haben  die  einfache  Kclch- 
form  mit  gerollten  Blättern.  Das  Zick/,ack<irnament 
und  das  oval  gewundene  Band  im  Gewölbe  erinnert  an 
ähnliche  Motive  an  dein  Wesiportalc  bei  St.  Stefan 
in  Wien.  ImTym])anon  befinclet  sich  ein  Kleeblatt- 
bogcn,  in  welchem  ein  ganz  \crwittertesFrese()geniälde 
angebracht  war,  von  dem  man  nur  den  Nynibus  und  die 
Flügel  zweier  Engel  und  in  der  Mitte  einen  grösseren 
und  kleineren  Nvnibus  erkamite,  woraus  der  Künstler 
die  jetzt  sichtban;  neue  Composition  schuf,  nämlich 
Maria  mit  dem  Jesukind ,  welches  die  Engel  anlictcn. 
Ein  'i'lieil  des  Portales  war  iiiil  verschiedenen  Farben 
bemalen. 

Der  Eingang  in  die  K  rypta  (Gruft)  ist  klein  und 
eng;  die  Grnamcnlation  in  Folge  der  Stcinvcrwitteiung 
fast  unkenntlich.  Die  Kryjita  dehnt  sich  unter  dem  Mit- 
telraum der  Capelle,  nicht  aber  unter  der  Apsis  aus  und 
dürfte  drei  Klafter  hoch  sein;  sie  war  früher  ganz  mit 
Todtengebein(!n  v(!rschUttet,  gcgenwäilig  ist  sie  mehr 
als  zwei  Drittel  tief  ausgeräumt  und  njil  Kies  bedeckt. 
Im  Mittciraume  wurden  im  F^aufe  dieses  Jahres  die  aul- 
gcfundenen  und  gesammelten  Reste  aus  der  Ilabsbui- 
gcr-Gruft  des  ehemaligen  kaiserlichen  Fraucnsliftcs  zu 
Tulln  beigesetzt,  wie  ein  darüber  angebrachter  Denk- 
stein aus  Granit  besagt;  so  dass  also  <ler  ehrwürdige 
Kanier  zugleich  eine  ArtMa  usole  um  der  zu  Tulln  be- 
stalteten .Mitglieder  des  allcrdurchlauchtigslen  Kaiser- 
hauses ist. 


Das  Innere  der  Capelle,  33'  hoch,  bildet  eine 
vollkommene  Rundung  und  ist  wie  die  Mauerfläche 
durch  sechs  an  Pilastern  aufsteigende  Säulen  in  sechs 
Felder  getheilt.  Fünf  dieser  Wandsäulen  steigen  vom 
Fussboden  (_der  jetzt  mit  sechseckigen  Cementplatten, 
die  sich  sternförmig  gruppiren,  neu  belegt  ist)  empor, 
die  sechste  tritt  erst  ober  dem  Scheidebogen  der  Apsis 
aus  der  Wand  heraus  und  ruht  auf  einer  mit  reichem 
Figurenschmucke  versehenen  Console.  Die  Längenaxe 
incl.  der  Apsis  beträgt  25'.  Einen  besonderen  Schmuck 
des  Hauptraumes  bilden  die  doppelten  kleeblattförmigen 
Blenden,  welche  paarweise  in  den  vier  Wandflächen 
eingefügt  sind,  llechts  vom  Eingang  der  Capelle  führt 
eine  in  die  Mauer  eingeführte  Wendelstiege  auf  den  Dach- 
raum empor. 

Die  grösste  Zierde  der  Capelle  jedoch  ist  der  Cyclus 
von  Fresconialereien,  welche  in  der  Halbkuppel  der  Apsis 
und  an  dem  oberen  Theile  der  'Wände  um  den  ganzen 
Innenraum  angebracht  sind.  Bisher  kannte  man  nur 
einige  fragmentarische  Spuren  davon,  und  diese  waren 
verbleicht  otler  theilweise  verwittert.  Herr  Franz  Storno 
aus  Oedcnburg  reinigte  mit  Benützung  der  in  diesem 
Specialfachc  gemachten  Erfahrungen  die  Fresken,  so  dass 
die  Contouren  sichtbarer  hervortraten,  fixirte  dieselben 
mit  kunstgeübter  Hand  nach  reiflichem  Studium  und 
stellte  sie  —  alle  Schwierigkeiten  bewältigend  —  mit 
pietätvoller  Sorgfalt  und  Gewissenhaftigkeit  wieder  her. 
Dieselben  Bilder,  welche  jetzt  wie  neu  aussehen,  sind 
jedoch  wenigstens  tJOO  Jahre  alt  und  gehören  zu  den 
besterhaltenen  Frescogemählcn  aus  der  romanischen 
Periode  in  Österreich. 

Der  leitende  Grundgedanke  aller  Bilder  ist  das 
jüngste  Gericht,  als  Illustration  dieser  Glaubeuswahrhcit 
wählte  der  Künstler  die  evangelische  Parabel  von 
den  fünf  klut;cn  und  fünf  thörichten  Juii<;-fraueu.  (Matth. 
25,  1  ff'.) 

Auf  dem  ersten  Felde  rechts  (ober  dem  Eingang) 
sind  die  tünf  klugen  Jungfrauen  dargestellt,  liel)licli 
fromme  Gestalten  in  langen  weitfaltigen  Gewändern,  das 
Haupt  mit  dem  Nimbus  geschmückt,  in  den  Händen  mit 
einer  Art  frohen  Selbstbewusstseins  die  vollen  Oelkrügc 
aufrecht  tiagcnd.  Ein  Engel  reicht  der  ersten  der  Jung- 
frauen seine  Hand,  als  wollte  er  ihr  als  Führer  in  das 
Reich  der  himndisehen  Glorie  dienen,  denn  im  nächst- 
liegenden zweiten  Felde  erblicken  wir  Maria  mit  dem 
Kinde,  welches  die  heiligen  drei  Könige  anbeten,  deren 
(Miier  vorn  kniet.  Zwischen  Maria  und  dem  Engel  steht 
eine  weibliche  Figur  mit  einem  Heiligennimbus,  zu  deren 
Füssen  sich  ein  zerbrochenes  Rad  befindet,  welches 
Emblem  zweifelsidine  auf  die  h.  Katharina  schliessen 
lässl;  wahrscheiulicli  wollte  der  Künsller  der  lürliiiten- 
den  l'alronin  der  Capelle  einen  Ehrcn])l.itz  anweisen.  Im 
dritten  Felde  sieht  man  eine  weibliche  i"igui-  mit  einem 
liilienseepter  und  ohne  Nimbus,  welche  \(iii  zwei  Engeln 
gekrönt  wird  ;  eine  alIegoiisclie.\ns|iiclung  auf  die  Krone 
deiMierechtigkcil,  welche  .MIen  zuTheil  wird,  die  gleich 
den  klugen  .luiigfrauen  mit  dem  gesaMimelten  Vorrath 
ihrerguten  W^'rke  vor  (km  RichterstuhKiot  tes  erscheinen. 

Der  fiegensatz  ist  in  den  gegenüber  angebrachten 
drei  Wandbildern  (beiläufig  4'  hoch)  dargestellt:  die 
Bestrafung  des  IJöscii.  i)i(!  fünf  thörichten  .lungfraucn 
tragen  elienfalls  flaschenähnlicheGeiässe  in  den  Händen, 
jedoch    halten  sie    dieselben  verkehrt  zum  Zeichen, 

dass  ,sic  leer  sind.   Die  Jungfrauen  sind  mit  bunten  Ge- 


—     281 


wandern  angctban  und  mit  koketten  Kronen  gesehniiickt, 
trafen  aber  alle  die  Miene  des  Entsetzens,  denn  ein  bc- 
wall'neter  Engel  jagt  sie  dem  Reiche  des  Satans  zu,  der 
die  erste  der  tliörielifen, Jungfrauen  trotz  ihres  Sträubens 
in  Empfang  nimmt.  Der  .Satan  mit  seinen  vielen 
Geuossen  zeigt  grosse  Freude  über  den  Zuwachs  in 
der  Hölle,  aus  welcher  das  Feuer  herausloilert.  Einer 
der  nach  den  mittelalterlichen  Anschauungen  i)han- 
tastisch  dargestellten  Dämonen  sitzt  auf  eiueni  Tiiiere 
und  trägt  eine  Kette  um  den  Hals.  Ober  ihm  krönt  ein 
kleiner  Kobold  eine  klagende  männliche  Figur  spöttisch 
mit  einer  Dornenknme.  wahrscheinlich  als  Gegenstück 
zu  dem  nebenan  befindlichen  allegorischen  ISildc,  welches 
die  Krönung  der  Gerechtigkeit  darstellt.  Ober  den 
thörichten  Jungfrauen  stehen  die  biblischen  Worte:  „Itc 
maledicti  in  ignem  eternam-.  Unter  diesen  Bildern  zieht 
sich  eine  Hordüre  mit  typologischen  und  phantastischen 
Figuren  (\\lc  Eiiduirn,  Drache,  Löwe,  Hirsrli  u.  dgl.). 

Auch  die  Darstellungen  in  der  Apsis  passen  zu  dem 
ganzen  Bildercyclus.  Im  Abschlussgewölbe  sieht  nmn 
Christus  in  der  Mandorla  sitzend,  die  Füsse  auf  den 
Regenbogen  stützend  ,  zu  liciden  Reiten  Bfaria  und 
Johannes.  Ein  Engel  reicht  Christus  das  Buch  des  Le- 
bens und  das  llieliterschwert  hin.  während  auf  der  an- 
deren Seite  ein  Engel  dem  Richter  das  Kreuz  vorhält, 
als  wollte  er  umwillen  des  Erlösungswerkes  Barm- 
herzigkeit erl)itten.  Zu  oberst  schwebt  der  heilige 
Geist  als  Taube  auf  1)lauem  Grunde. 

Ober  dem  Triumphbogen  ist  der  Kamjjf  des  Erz- 
engels Michael  mit  dem  Teufel  dargestellt;   der  letztere 


erscheint  als  geflügelter  Drache,  dem  der  Engel  die  Lanze 
in  den  Rachen  stösst ,  als  AvoUte  er  jeden  Eintretenden, 
der  zuerst  dieses  Bildes  ansichtig  wird,  warnen  und  an 
die  W(H-te  <ler  heil.  Schrift  erinnern  :  „Der  Teufel  geht 
herum  wie  ein  brüllender  Löwe  und  suchet,  wen  er  ver- 
schlinge. Wachet  also,  denn  ihr  wisset  weder  den  Tag 
noch  die  Stunde."  (1.  Petrus  5,  8.  —  Matthäus 
•2b.  ];i). 

Die  ('i)nt(iuren  all'  dieser  Figuren  wurden  urs])riing- 
lich  mit  braunrother  Farbe  kräftig  gezeichnet  und  dann 
mit  der  betrett'endeu  Farbe  ausgefüllt,  worauf  man  die 
Details  zeichnete.  Die  ehemalige  Farben))racht  und  reich- 
liche Vergoldung  konnte  zwar  nicht  wieder  hergestellt 
werden,  doch  sind  die  Bilder  mit  gewissenhatter  Bei- 
behaltung des  alterthündichcn  Kuustcharakters  zur  all- 
gemeinen Zufriedenheit  restaurirt  worden. 

V(ui  nun  an  wird  Inder  Dreikönigscapellc  das  heil. 
Gral)  in  der  Charwoche  errichtet  und  in  der  Allcrseeleu- 
woclic  das  heil,  ^fessopfer  dargebracht  werden.  Jlöge 
dadurch  das  Andenken  an  die  Verstorbenen  geehrt,  der 
Glaube  der  Lebendigen  aber  geweckt  und  genährt  wer- 
den'.Möge  die  Stadt  Tulln  sich  der  restaurirteuDreikönigs- 
capelle  freuen,  da  sie  an  derselben  ein  durch  Kunst  und 
Altcrthumdopiielt  wertlies  geschichtliches  Ehrendenknial 
besitzt.  Viele  Jahrhunderte  sah  derKaruer,  dieses  Wahr- 
zeichen der  Stadt,  an  sich  vorüberziehen,  aber  keines  hat 
sich  seinermit einer  so  allgemeinen  und  freudigen  Ojifer- 
willigkeit  angeniunnien,  wie  das  jetzige. 


Zur  ßestauratioii  des  Prager  Domes. 


In  diesem  Jahre  hat  die  Restauration  des  ehrwür- 
digen St.  Veiimünster  bedeutende  und  erfreuliche  Fort- 
schritte gemacht,  doch  war  das  erfreulichste  Ereigniss, 
dass  der  Dom  wieder  der  Feier  des  Gottesdienstes 
übergeben  wurde.  Mit  Freuden  wurde  das  Weihfest  des 
schönen  gothischen  Hochaltars  begrüsst,  welcher  viel- 
leicht nicht  so  vollendet  und  edel  dastünde,  wenn  des  ver- 
storbenen WeihbischdJ's  Peter  Krejci  frcigchige  Hand 
nicht  jene  grosse  Summe  hergegeben  hätte  (25-000  fl.), 
um  Kranner's  meisterhaften  Entwurf  durchzuführen  und 
jene  von  ihm  entworfenen,  durch  Maler  Sequens  mit  den 
Abbildungen  der  Landes -Patrone  decorirtcn  und  im 
schönen  Email  durchgeführten  sechs  Reli(]uiare,  aus- 
führen zu  können.  AVir  sahen  den  Chorbau  renoviren  und 
mit  florentischen  rothen  und  vlaSimer  weissen  Marmor- 
platten  schacliartig  belegen,  die  Canäle  für  die  künftige 
Gasbeleuchtung  legen,  die  gefahrdrohenden  Gewöll)e  ob 
der  S.  Anna,  Johannes  und  Wahlstein'schen  Capelle  ab- 
nehmen und  neu  ersetzen.  In  der  S.  Auna-Capelle  kam 
man  iinter  der  dicken  Kalkkruste  auf  eine  alte  Wand- 
malerei. Die  vorkommenden,  etwa  4'  hohen  Figuren, 
stellen  die  Propheten,  Chcrubims,  den  Erlöser  und  Maria 
vor,  und  duch  sind  sie  jünger,  als  man  Anfangs  dachte. 

Vorerst  muss  die  für  den  Landesausschuss  be- 
stimmt gewesene  Gallerie  weggeschafft  werden,  ehe  man 
zur  näheren  Würdigung  dieser  Wandnuxlereien  wird  ge- 
langen können.  In  der  sogenannten  Philijip  und 
Jakobs-Cape lle,  nun  dem  heil.  Johann  v.  Nepomuk 
geweiht,  fanden  sich   die  Gewölbrippen   polychromirt : 


Oker,  Meuning  und  Bergblau.  Die  Gewölbflächen  waren 
blau  und  so  wie  in  Karlstein  mit  foliirten  Glassterneu 
besetzt,  die  mittelst  Stifte  auf  geharztem  Grunde  befestigt 
waren.  Leider  kam  man  bei  der  eingehenden  L'nter- 
suchung  der  Capellengewölbe  und  ihrer  Widerlager 
auch  auf  die  Pfeiler  des  Hoclischitfcs.  Man  unterzog  sie 
einer  eingehenden  Prüfung  und  fand  ihren  Kern  unver- 
lässlieh,  ja  bei  einem  dieser  Pfeiler  einen  bis  in  den 
Grundbau  gehenden  Sprung.  Dieser  hatte  zur  Folge, 
dass  alle  Durchgänge  des  Pfeilerbanes  in  der  Em- 
pore ausgefüllt  und  vermauert  wurden,  wodurch  der 
Zugang  zu  den  Königs-,  Bischofs-  und  Architektenbüsten 
unmöglich  geworden.  Wer  diese  näher  besehen  will,  dem 
stehen  die  Fensterlückeu  offen,  um  durch  sie  in  die  ge- 
trennten Umgangsparzellen  zu  gelangen. 

Auch  wurde  durch  die  Freigebigkeit  des  Dom- 
]irobstes  Adolf  Würfel  der  Achtermann'sche  mar- 
morene  Krcuzaltar  in  Rom  angekauft  und  hier  im  Monate 
August  durch  den  Künstler  selbst  aufgestellt. 

Die  florentinische  Gothik  dieso  Altars  passt  frei- 
lich zu  der  ernsten  Guthik  unseres  Domes  nicht. 

Was  den  gegenwärtigen  Eindruck,  welchen  der 
Dom  in  seiner  unvollendeten,  inneren  Restaurirung  auf 
den  Eintretenden  hervorbringt  betrifft,  so  ist  dieser  un- 
befriedigend, unschön! 

Die  öden  Mauern,  beleuchtet  durch  den  reichen 
Lichtstrom  der  hohen  breiten  Chorfenster,  von  welchen 
nur  drei  en  geissail  gehalten,  sind  nicht  geeignet,  einen 
namhaften  Effect  hervorzurufen  —  wirken  nüchtern  auf 

37* 


282 


den  Bescbaucv.  Unter  der  schönen  Unigangsgallerie 
zieht  sich  das  Band  der  verbiassten  ,  beschädigten  in 
dem  Wiedergeburtsstyl  gehaltenen  Läuderwappen  und 
dann  kommt  wieder  nacktes  Pfeilergemäiier.  Die  un- 
vollendete Polycliromirungsprobe  wirkt  störend  auf 
den  Eintretenden.  Man  sieht  in  dem  Gewölbenetz  eines 
Fünfecks,  vier  Felder  blau,  das  fünfte  leer  und  erkennt 
daraus,  welch  einen  überwältigenden  Eindruck  eine  Po- 
lychroniie  hätte  hervorrufen  müssen. 

Doch  die  Zeit  drängte,  die  900jälirige  Jubelfeier 
sollte  im  Dome  festlich  begangen  werden.  Das  theuere 
Gerüst  ward  abgehoben  und  der  Altar  schnell  aufge- 
stellt, und  so  blieb  das  Innere,  wie  man  sich  es  nie  zu 
denken  wagte;  viele  Kenner  und  Laien  erklären  den 
Hochaltar  für  klein,  ohne  zu  bedenken,  dass  Frank- 
reichs alte  Dome  und  anderwärts  auch  kleine  Altäre 
haben.  Die  Polychromie  hätte  diesen  scheinbaren  Um- 
stand behoben,  hätte  den  Altar  plastischer  gemacht  und 
hervortreten  lassen. 

Noch  ist  das  Dompflaster  zu  legen,  was  heuer  kaum 
mehr  geschehen  dürfte,  sind  Chorstühle  aus  der  Tyroler 
Cirbelnusskiefer  herzustellen  und  tausend  noch  wün- 
schenswerthe  Sachen.  Leider  versiegen  unsere  Ein- 
nahnis(|uc!len  in  unserer  materiellen  und  unfrommen 
Zeitriclitung  immer  mehr  und  mehr  und  die  Staatssub- 


vention von   10  000  fl.   und  jene  aus  dem  Landesfond 
eben  so  gering,  lassenkeiu  rasches  Ineinandcrwirkeu  zu. 

Am  26.  August  wurden  die  Überreste  Pudolfs  von 
Habsburg,  dann  Rudolf  des  ungekrönten  Königs  von 
Böhmen  in  ein  frisch  gemauertes  Grab  beigesetzt.  Die 
mit  Erde  vermengten  ganz  in  Staub  gefallenen  Über- 
reste derselben,  wurden  von  mir  in  einen  rothen  Seiden- 
damast ,  die  Knochenfragmente  des  letzteren  für  sich 
eingehüllt  —  die  zerfallenen  Gewandstofife  mit  beige- 
geben und  alles  in  einen  Jletallsarg,  und  dieser  nach 
erfolgter  Einsegnung,  dort  wo  man  sie  vor  zwei  Jahren 
fand,  unterhalb  des  Südfensters,  knapp  an  der  Haupt- 
wand der  St.  Simon  und  Judacapelle  des  rechten  Sei- 
tenschiffes in  ein  '■>'  4"  langes,  I'IS"  breites  und  2'  tiefes 
(irab  durch  mich  und  Kranner  gesenkt.  Eine  neue  Platte, 
worauf  Name,  Sterbetag  und  Jahr  tief  ausgemeisselt 
sind    —   wurde  auf  das  kleine  Se])ulchrum  gelegt. 

Das  Fest  der  Grundsteinlegung,  am  J.  Öctolierl.  J. 
war  würdig.  In  dem  ,  dem  Dom;nischlusse  zu  nächst 
stehenden  eillten  Pfeiler  des  künftigen  rechten  Seiten- 
schiffes, Avar  in  Mitten  derPfeileraxe  2'  8"  von  der  Erd- 
iläche  hoch,  der  Glascylindcr  mit  der  Gruudsteinlegungs- 
Urkunde,  welche  kurz  und  in  lateinischer  Sprache  ver- 
fasst,  in  eine  blecherne  Büchse  getlian,  eingelegt. 

Baues. 


Zur  tleschiclito  der  Ffarrkirclie  St.  Jacob  in  Yilljicli. 


\'nii  Hl-.  A.  Luschin. 


Eine  eingehende  Baugeschichte  dieser  interessan-      cuius   introitus   sit   in   capella   nobilinm  (ieer~)   Kraicer 


ten  Hallenkirche  hat  Freiherr  von  Ankershofen  im  111. 
Bande  der  Mittheiliingeu  (S.  123  fgde.)  gegeben,  einen 
Grundriss  derselljcn  nebst  Abbildung  und  Beschreibung 
bemerkenswerther  Details  hat  Dr.  Karl  Lind  im  heu- 
rigen Märzheft  (S.  HO  fgde.)  geboten.  Ein  glücklicher 
Zufall  setzt  mich  in  die  Lage,  aus  einer  bisher  unbe- 
nutzten Quelle,  dem  20.  Bande  (fol.  154)  der  sogenann- 
ten Protocolü  des  ErzbisthumsUdine,  eine  Urkunde  lie- 
fern zu  können,   welche  neue  Aufschlüsse  iilier  diesen 


Gegenstand  enthält.  Sic   ist  am  12.  (Jct( 


14!  IS  vom 


Generalvicar  des  Patriarchen  zu  Cividalc  ausgestellt 
und  lautet  mit  Hinweglassung  der  unwesentlichen 
Stellen : 

„Doctor  Franciscus  Manzaini  eanonieus  Kavenna- 
tensis,  pro  revcrendissimo  d.  Dominicd  Grimaud  patri- 
archa  Aquilejensi  in  spiritualibus  et  temi)oralil)Us  vica- 
rius  generalis,  dilcctis  nobis  in  Christo  providis  viris 
judici  et  consiliariis  et  coninHinitati  iip|)idi  Villaci  ac 
vitrico  ecciesia-  sancti  Jacolii  dicti  loci, dietae.\i|uilejen- 

sis  diocesis Xu)»er  nobis  supplicatione  mon- 

strastis,  quod  licet  in  dieta  parrochiali  ecclessia  s.  Ja- 
cobi  circa  mcdiani  ))orta7n  ecclesias  a  suiyeiiori  ])arte 
(|uasi  in  testiidine  (;recta  fuerit  capella  si\e  basiiiea 
ipionrlam  cum  altari  consccrato  in  iHUiorem  ln-aldrum 
Sebastiani  et  Koclii  et  alioruni  sanctornni,  nihilominus 
(piia  non  patct  aditus  ad  eam  longo  tempore  in  ea  iion 
fnit  celcbratum,  in  divini  cultiis  et  deuotionis  Christi 
iidelium  ilhie  ascendere  et  oraliones  suas  et  preees  deo 
fundcre  non  valcnfium  diminutionem,  ac  in  non  niodi- 
cam  injuriam  sanctarum  reliqniarum  ibidem  rccondi- 
tarum.  Cnpitis  propterea  deuotionc  acccnsi  scalam  in 
gyrnni  et  asccnsuni  ad  ca])ellani  ipsam  fabricari  facere, 


sita  Jii  dicta  ecciesia  s.  Jacobi  et  congiiitinata  ac  eoin- 
paginata  duobus  muris  muro  et  parieti  eiusdem  ])aro- 
chialis,  ita  qnod  fracto  muro  eedesiiie  paroehialis  in  an- 
gulo  ejusdem  eapell.ie  sine  ali(|u;i  diminutidue  i|)sius  ac 
injuria  dietorum  noliiliiim  tiat  porta  scalae  et  ascensus 
fabricandi  in  cimiterio  ad  ])arietem  dictiCieeclesiae.  Sed 
quia  sine  nostra  speciali  licencia  deuotionem  hanc  vc- 
stram  implere  non  potestis.  vobis  hoc  concedi  humiliter 
suppiicastis  alieiijiis  contradietione  non  obstante."  Der 
(ieneralviear  bewilligt  nun  das  .\nsuclien  mit  der  Be- 
gründung: ,,(piodex  jjraemissis  usus  ail  quem  est  desti- 
nata  dicta  capella  nobilinm  non  impeditur  nee  incom- 
modatnr,  et  (iiiemadniodum  ])er  ijjsani  parochialem  lia- 
lielur  ascensus  ad  dietam  capellam,  ita.  non  inconvenit, 
(ptod  de  dicta  caiiella  nobilinm  ascendatnr,  (|U(iil  l'ran- 
gere  possitis  ibidem  mumm  dictix;  paroehialis  et  portam 
in  ca  fieri  ac  ascensum  in  gyruni  ad  parietem  eiusdem 
fnliricari  per  quem  aseendattir  ad  dietam  siiperiorcm 
basilieani  siiic  capellam  aiietoritate  ardinaria  ipia  fun- 
giiiiur  li.irum  Serie  läcultatem  concedimiis.'' 

Die  erste  neue  Nachricht,  welche  obiger  Urkunde 
entnommen  werden  kann,  ist  die  Angabe,  dass  die  von 
Balthasar  Wcisbiiaeher  vor  Zeiten  eihaute  ICmiiorkirche 
zu  l'",hreii  der  heil.  Seba.-tian  und  llochus  gestiftet  war. 
Auch  die  Lage  derselben  wird  beschrieben,  und  über- 
einstimmend mit  Aidccrshofen,  welcher  in  ihr  den  heu- 
tigen Mtisikehor  erblickt,  über  den  Uau|)teiiigang  ver- 
setzt. Zugleich  erfahren  wir,  dass  im  Jahre  14'.t8  der 
Zugang  zu  dieser  Caiielle  fast  ganz  verschollen  war, 
und  dass  darum  schon  seit  langer  Zeit  weder  ein 
(ioltesdieiist  darin  gehalten  worden  war,  noch  sie  von 
den  Gläubigen  besucht  wurde.    Dies  bestätigt  die  von 


283 


Ankershoi'cn  am  aiiicufülirten  Orte  uus^esproclicue  Ver- 
mnflmiig',  dass  dci-  Bau  der  ges'ciiwärtigeii  St.  Jacolis- 
kirclie  in  \illacli  dci'  ersten  Hälfte  des  XV.  Jalirhiui- 
derts  angcliörc  und  noch  vor  dem  im  .Jabre  14tJ2  er- 
folgtem Anl)au  der  Drcifaltigkeits-Capellc  vollendet 
worden  .sei. 

Aiisserdi'iii  erfahren  wir  von  dem  Dasein  einer 
jetzt  vcrsehwundenen  Capelle  der  Familie  Kreig.  Sie 
wird  dem  schönen  Bau  der  Kirche  zu  keiner  Zierde 
gereicht  haben,  da  sie  den  rechts  vom  Haupteingange 
befindlichen  Baum  unter  der  Empore  einnahm,  und  von 
dem  Kirclicuscliirt'e  durcli  einspringende  Mauern  abge- 
grenzt war. 

Das  Vorhaben  der  Villacher  Stadtgenieinde,  wel- 
cher wir  diese  baugeschichtlichcn  Daten  verdanken, 
bezweckte  nun  die  Herstellung  eines  bequemeren  Auf- 
stiegs zu  der  Emporkirche  Weisbriachs.  Zu  diesem  Be- 
hnfe  .sollte  iu  die  südliche  Seitenwand  der  Kirche  neben 
dem  zweiten  Strebepfeiler  entsprechend  der  Südo.st- 
Ecke  der  Kreiger  Capelle  vom  Friedhofe  au.s  ein  Ein- 
gang gebrochen  werden,  und  an  diesen  eine  Wendel- 
treppe unmittelbar  anschliessen.  Bedingung  war,  dass 
durch  diese  Umgestaltung  der  Zweck  der  unteren 
Capelle  wenig  beeinträchtigt  werde,  und  dies  erklärt 
nicht  allein  die  "Wahl  des  Verbindungsmittels,  sondern 
auch  den  l'latz,  der  ihm  angewiesen  wurde. 

Da  die  Südwand  der  Kirche  an  der  bctreflfenden 
Stelle  keinerlei  Spuren  eines  ehemaligen  Durchbruchs 
aufweist,  so  wurde  dieser  Plan  ungeachtet  der  Zustim- 


mung des  kirchlichen  Obern,  sei  es  wegen  Widerspruchs 
der  Familie  Kreig,  sei  es  aus  andern  uid)ekannlen  Ursa- 
chen, nicht  Ncrwirklicht.  Wohl  aber  wurde  im  Laufe  des 
XVI.  Jahrhunderts,  vermuthlieh  gleichzeitig  mit  der 
Auflassung  der  Kreiger  Capelle  oder  bald  darauf  jene 
Steiiitrci)i)e  licM-gcstellt,  welche  noch  jetzt  zum  ^fusik- 
clior  cni|Hirfiilirl  und  in  web-lier  Ankershofen  mit  Becht 
den  späti'sten  Eiuiiau  der  Kirche  erblickt  hat. 

Es  erübrigt  noch  der  Verbindung  zn  gedenken, 
mittelst  welcher  man  vor  dem  .\usiiau  dieser  steilen 
Stiege  zur  Em|iore  gelangen  konnte.  Dass  eine  solche 
von  Anbeginn  bestand,  liegt  in  der  Xatni-  der  Sache  und 
bezeugt  überdies  die  nutgetheilte  Urkunde  ausdrück- 
lich. Der  Gefälligkeit  des  Herrn  Franz  ^'■vv.  Interberger 
von  Villach,  welcher  sich  mit  theilnehmcuder  Liebe  in  das 
Studium  der  baugeschiclitliclien  Details  dieser  interes- 
santen Kirche  vertieft  hat,  vei'daidvC  ich  den  Xachweis 
dieses  alten,  in  Wirklichkeit  nichts  weniger  als  comfor- 
tablen  Weges.  Man  mnsste  nändich  das  erste  Geschoss 
des  Thurmes  ersteigen  und  dann  unter  dem  Dache  des 
Gewölbes,  welches  diesen  mit  der  \'orderseite  der 
Kirche  verbindet,  fortschreiten,  bis  man  eine  niedere, 
jetzt  durch  die  Orgel  verdeckte  Tliür  erreichte.  Die 
Otfnung  derselben  ist  in  neuerer  Zeit  zum  Theile  mit 
Steinen  versetzt  worden,  alter  wie  ich  mich  persönlich 
überzeugte,  noch  immer  deutlich  erkennbar.  Es  liegt  auf 
der  Hand,  dass  ein  derartiger  Zugang  sehr  bald  der  all- 
gemeinen Kcnntniss  entschwinden,  oder  mindestens  den 
Wunsch  nach  grösserer  Bequemlichkeit  erregen  mnsste. 


Zur  Gescliiclite  der  Klosterkirclie  Göss. 


Von  Dr.  A.  Luschin. 


Die  W'anderversanmilung,  welche  der  historische 
Verein  für  Steiermark  am  12.  und  ].'!.  October  1873  zu 
Leoben  abhielt,  war  Veranlassung,  dass  der  Herr  Pfar- 
rer von  Göss  über  Intervention  des  Herrn  Direetors 
Dr.  Gregor  Fuchs  einen  Holzverschlag  ausräumen  Hess, 
iu  welchem  angeblich  eine  alte  Wandmalerei  entdeckt 
worden  war.  Der  Augenschein  bestätigte  das  Gerücht. 
An  der  Aussenseite  des  rückwärtigen  Abschlusses  der 
Kirche,  unmittelbar  neben  dem  Eingange  in  die  Sacri- 
stei  und  gegenüber  den  in  die  Umfriedung  des  Kirch- 
hofes eingemauerten  alten  Grabdenkmälern  mehrerer 
Abtissinen,  betindet  sich  zwischen  zwei  Strebepfeilern 
eine  Bretterverschallnng,  welche  gewöhnlich  als  Holz- 
lege benützt  wird.  Die  Bückwand  lässt  in  zwei  Beihen 
obereinander  sowohl  die  Kreuzigung,  als  die  Abnahme 
Christi  erkennen.  Irre  ich  nicht,  so  sind  auch  noch  die 
Personen  der  Stifter  und  Spruchbänder  kenntlich.  Auf 
dem  Strebepfeiler  zur  Beeilten  sind  Spuren  einer  ,, Ver- 
kündigung Marions"  sichtbar,  auf  dem  gegenüberliegen- 
den besser  erhalten,  ein  grosses  Wappen.  Da  dasselbe 
einen  weissen  Wolf  im  rothen  Felde  zeigt  und  die 
gleiche  Figur  als  llelmkleinod  wiederholt,  so  dürfte  es 
dem  aus  den)  oberen  Lavant-Thale  stammenden  Ge- 
schlechte der  Weissenwolf  angehören.  Die  schlichte 
Gestalt  der  rothen,  tuchartig  behandelten  Helmdecke 
und  die  dreieckige  Form  des  gelehnten  Schildes,  end- 
lich der  in's  Profil  gestellte  Topfhelm  verweisen  die 
Malerei    etwa    in    die    zweite   Ilähte  des   XIV.   Jahr- 


hunderts.     Vernuithlich    hat    sie  zu     einen    Grabbildc 
gehört. 

Bekanntlich  hatte  die  Kirche  von  Göss,  an  welcher 
diese  Malerei  entdeckt  wurde ,  vor  Zeiten  nur  den 
Zwecken  des  uralten  Nonnenstiftes  zu  dienen,  ^vährend 
für  die  Pfarrgemeiude  eine  eigene ,  gegenwärtig  bis  auf 
den  stehen  gebliebenen  Thurni  verschwundene  Kirche 
bestand.  Ihre  heutige  dreisehiffige  Gestalt  erhielt  die 
Stiftskirche  erst  nach  dem  Brande  von  1515,  weshalb 
sie  auch  die  überwuchernden  Formen  der  absterbenden 
Gothik  aufweist,  wogegen  das  in  der  Breite  des  Mittel- 
schiffes vorgelegte  Presbyterium  mit  einfachem  Kreuz- 
gewölbe eine  ältere  Bauzeit  verräth.  Die  aus  dem  Vor- 
handensein des  obenbeschriebenen  Geraäldes  für  die 
Baugeschichte  des  Münsters  zu  gewinnenden  Folgei'un- 
gen  bestätigen,  nicht  nur  das  der  Umbau  des  XVI.  Jahr- 
hunderts bloss  ein  theilweiser  war,  sondern  dürften  auch 
zum  Aufschlüsse  ül)er  die  Zeit  in  Betracht  kommen,  wann 
die  Umänderung  der  romanischen  Kirche  in  einegothische 
vor  sich  ging.  Inwiefern  die  Darstellungen  der  Cou- 
vent-Siegel,  welche  seit  dem  XII.  Jahrhunderte  regel- 
mässig ein  romanisches,  seit  1489  ein  gothisches  Kir- 
chengebäude  zeigen,  für  die  Bangeschichte  benutzbar 
sind,  bleibe  dahin  gestellt.  Vielleicht  bietet  diese  An- 
zeige, welche  sicli  leider  auf  eine  sehr  flüchtige  Be- 
augenscheinigung gründet,  Sachverständigen  Anregung 
zu  weiterer  Nachforschung,  dann  ist  ihr  Zweck  genü- 
gend erfüllt. 


—     284 


Die  Kunst  des  Mittelalters  in  Böluiieii. 

Von  Bernhard  Grueber. 
FortsetzuDK- 


(Mit  So  JI>lzsclinitten.) 


Einzelne    Kirchenbauten,    ohne   schul- 
mässigen   Gliarakter. 

Die  bisher  g-escliilderten  Baugruppen  lassen  Je  für 
sieh  eine  gewisse  stylistische  Zusammengehörigkeit  er- 
kennen, und  es  ist  nicht  schwer,  innerhalb  einer  jeden 
Gruppe  die  allmähligen  Umwandlungen  zu  verfolgen. 
Neben  und  zwischen  diesen  (Iruppen  machen  sich  ein- 
zelne Denkmale  von  durchaus  unabhängiger  Stellung 
bemerkbar,  welche,  meist  dem  Zeitalter  des  Königs 
Wenzel  II.  (1278  —  1305)  angehörend,  eine  abgeson- 
derte Besprechung  erfordern. 

Die    beiden    Kirchen    in    Ben e schau. 

Beneschau  (Benesov)  bei  Konopist  scheint  durch 
die  Herren  von  Bechyne  angelegt   und  mit  städtischen 


Rechten  bcgal)t  worden  zu  sein.  Die  Pfarrkirche  unter 
dem  Titel  des  heiligen  Nicolaus  ist  ein  sehr  interres- 
santes  Gebäude,  wenn  auch  kein  Theil  desselben  über 
die  Mitte  des  XIII.  Jalirlinnderts  hinaufreicht.  In  den 
Krriclitungsl)üchern  des  Prager  Domstiftes  kommt  die 
Kirche  im  Jahre  1384  bereits  als  Dechantei-Kirche  vor. 
Das  Langhaus  ist  dreischiffig ,  50  Fuss  lang,  eben 
so  breit  und  wird  auf  beiden  Seiten  durch  je  zwei  recht- 
eckige, oft  iibcrkleckste  Pfeiler  unterstützt.  Mittelschift' 
und  Clior  halten  eine  liclite  Weite  von  25  Fuss  ein,  wo- 
bei das  Presbyterium  saiumt  dem  aus  fünf  Seiten  des 
Zehnecks  construirten  Abschlüsse  und  mit  Inbegriff  der 
4  Fuss  starken  Triumphbogcnmauern  40  Fuss  tief  ist. 
Der  Chor  trägt  durchaus  den  Charakter  der  Übcrgaugs- 
(iothik,  an  den  Knäufen  der  AVandpfeiler  sieht  mau 
Thicrverschlingungen  und  korinthisirende    Ornamente, 


l'ig.   118.     (Beneschau.) 


an  den  angeblendeten  Säulen  eines  kleinen  Portals 
kommen  Knospen-Capitäle  und  mit  Kckliiättern  aiisge- 
.stattete  Säulenfllsse  vor. DiescKirche  ist  auch  merkwürdig, 
weil  sie  das  schönste  aus  der  Zeit  des  Kaisers  Karl  IV. 
stammende  Altarlilatt  und  eine  der  ältesten  (ilockeii 
Böhmens  besitzt.  Diese  beiden  Kunstwerke  sollen  der 
vom  Präger  Domprobste  Tobias  v(ui  licnesch.'iii  ncgiiin- 
detcn  Minoriten-Kirche  angehört  haben  und  liei  dem 
grossen  ilurch  di(;  'i'aboriten  14i'0  vcraidassten  Brande 
auf  unbekannte  Weise  gerettet  worden  sein,  (iegeii 
wärtig  bietet  das  ziendich  abgelegene  und  verwahrloste 
Kircheidiaus  keinen  erfreulichen  .\idilick;  es  ist  durch 
Flick(;rcien  und  Übertllnchungen  nach  und  nach  so  cut- 
stellt worden,  dass  sellist  der  (leissige  P.  Vlasäk,  wel- 
cher in  der  Zeitschrill  P;nniitky  archeolo;,qcke  a  ndsto- 
]mn{;  II.,  Seile  2«;»,  die  Stadt  Bene.schau  mit  ihren 
Kirciien  ausflilirlich  bespricht,  die  herrliche  im  Presby- 
terium angebrachte  Ornamentik  llbcrschcn  hat. 


l'ber  das  Alter  der  vom  Doniijrobst  Tobias  von 
Beneschau  gestifteten  Minoriten-Kirche,  deren  liuinen 
etwa  zweihundert  Schritte  von  der  Pfarrkirche  entfernt 
liegen,  macluni  sich  zwei  verschiedene  Ansichten  geltend, 
\velclie  .-luf  dem  zufälligen  Umstände  beruhen,  dass 
zwei  l)omhei-ren  dieses  Namens  aus  Beneschau  hervor- 
gegangen sind  und  sich  um  das  Kloster  verdient  ge- 
macht haben.  Tobias  i.  wirkte  als  Domherr,  Dechant 
und  Propst  von  1  L'.'i.'J  iL'iiO,  Tobias  II.,  Dondierr,  von 
i;!2(l  ^  |;J17.  Dieser  letztere,  dem  Slannne  der  Be- 
chyne an^tdiörend,  trat  seine  (Üitcr  Beneschau  und 
K.ono|)iist  an  die  Herren  von  Sternberg  ab,  und  widmete 
zugleich  einen  grossen  Theil  seines  Vermögens  dem 
jungen  Miiioriten-Kloster,  so  dass  er  als  dessen  zweiter 
Stifter  an/.usehen  ist.  Aus  diesem  Grunde  versetzen 
Frind  und  Seh  Icsi  nger  die  Aidage  der  Klosterkirche 
in    das    vierzehnte    .lahi-hundert  ,    während    Dohne r, 


II  a mmersc li  Ml  i cd  ,    1! erghaue 


Sc  hall  er    und 


Beneschau. 


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Aus  da-  ■•-rieieimWier. 


Mitlh  (1  k  k  (Vntr  Cimi   1872 


281)     — 


Vlasäk  das  Jnhi-  1240  als  Oründuiigszeitaui'iilirLU  iiiul 
die  Einweihung-  durch  den  Bischof  Nicolans  von  Prag 
im  Jahre  1257  vollziehen  lassen. 

Bei  solchen  Widersprüchen,  indem  man  sich 
beiderseits  auf  Urkunden  beruft,  bleibt  nur  die  arch.äo- 
log'ische  rntersuciiuns'  übrig  und  diese  lässt  die  spär- 
lichen Ruinen  als  ein  Hauwerk  erkennen,  weiches  jeden- 
falls nach  1280,  aber  auch  vor  KilO  angelegt  worden 
ist.  Dessen  unbeschadet  kann  die  Nachricht  von  be- 
sagter Einweihung  richtig  sein,  da  häutig  einzelne 
Altäre  oder  Capellen  mit  grossen  Feierliclikeiten 
consecrirt  wurden,  ehe  der  Kirciienbau  vollendet  war. 

Drei  Feusterpfeiler,  dem  Chor-Schlu.-^se  der  Kirche 
angehörend,  sind  die  einzigen  Reste  des  berülmiten 
Stiftes  und  geben  Kunde,  dass  der  edle  Stifter  alles 
aufgeboten  hat,  um  seinem  AVerke  die  liücliste  \o\\- 
endung  zu  verleihen.  Aus  den  Vermessungen  ergibt  sich, 
dass  der  Chor  einen  fünfseitigen  Schluss  hatte,  aber 
nicht  wie  die  nahe  Pfarrkirche  aus  dem  Zehneck, 
sondern  aus  dem  Keuneck  construirt  war.  Die  lichte 
Weite  des  Chores  und  Hauptschiftes  dürfte  21  bis 
28  Fuss  betragen  haben,  und  zwar  von  den  gegenüber- 
stehenden Yorsprüngen  der  Wandpfeiler  an  gemessen. 
Der  hier  entwickelte  gothische  Styl    ist   glänzend   und 


dabei  streng  kirchlich,  die  Rundstäbe  in  den  Fenster- 
leibungcn  sind  nach  alter  Weise  unterhall)  der  Bogen 
mit  Capitälen  verschen,  und  die  Protilinmgcn  aus  grob- 
körnigem (jranit  mit  bewunderungswürdiger  Sorgfalt 
ausgeführt.  Die  Pfeiler  ragen  heute  nocli  über  80  Fuss 
in  die  Luft  und  sind  durch  zwei  Eanzetbogen  verbunden. 
Die  in  diesen  Bogen  noch  vorhandenen  Masswerke  sind 
aus  Sandstein  gemeisselt  und  zeigen  keine  Spuren  des 
grossen  Brandes,  welche  sowohl  an  den  aufrecht  stehen- 
den Pfeilern  wie  den  umherliegenden  Bruchstücken 
sichtbar  werden.  Es  scheint,  als  dl)  nacii  dem  Brande 
eine  Restauration  eingeleitet  worden  sei,  welche  aber 
aus  Mangel  an  Fonds  nicht  durchgeführt  werden 
konnte,  wesshalb  nach  Re])aratur  einiger  Fenster  das 
Unternehmen  aufgegeben  wurde. 

Seit  etwa  KUHJ  wurden  die  Ruinen  als  Steinbruch 
benützt  und  n)an  erblickt  an  den  in  der  Nähe  betind- 
lichen  Häusern  unzählige  Bruchstücke  von  Pfeilern, 
Gesimsen,  Gewölberijtpen  und  andern  Steinarbeiten, 
welche  der  Minoriten-Kirehe  entnommen  sind;  hie  und 
da  begegnet  das  Auge  auch  einem  eingemauerten 
Sculpturwerke,  dessen  Ursprung  nicht  zweifelhaft  ist. 
Grosse  Beachtung  verdient  ein  aus  Sandstein  ausge- 
führtes,   dem   Schlüsse    des    XIII.    Jahrhundert    ange- 


Fig.  119.     (Bcnoschau.) 


28G 


hörendes  Marienbild  von  3  Fuss  Höhe,  dermal  in  einer 
Nische  am  Stadthaus  aufjrestellt.  Die  schon  erwähnte 
etwa  25  Zentner  schwere  Glocke  wurde  im  Jahre  1799 
bei  Al)räumung  des  Schuttes  aufgefunden,  sie  trägt 
eine  Inschrift,  lautend,  dass  derGuss  1322  durch  Meister 
Eudger  bewerkstelligt  worden  sei.  Diese  Glocke  gehört 
zu  den  ältesten,  welche  Böhmen  aufzuweisen  hat  und 
zeichnet  sich  durch  AVohlklang  wie  durch  zierliche 
Form  aus.  Wie  sie  bis  auf  die  Gegenwart  sich  erhalten 
hat,  bleibt  räthselhaft. 

Auch  die  Kettung  des  schönen,  ö'/s  Fuss  hohen 
und  ;>  Fuss  9  Zoll  breiten  Altarbildes  erscheint  unbe- 
greiflich; doch  konnte  eine  gegen  SO  Pfund  schwere 
Holztafel  leichter  in  Sicherheit  gebracht  werden,  als 
die  schwere  Glocke.  Die  Beschreibung  dieses  Bildes, 
eines  der  hervorragendsten  Meisterwerke  der  durch 
Karl  IV.  gegründeten  Kunstschule,  findet  sieh  im 
HI.  Theile. 

In  Bezug  auf  malerische  Wirkung  stehen  die 
Kuinen  des  Minoritenklosters  unerreicht,  sie  bieten  ein 
unvergessliches  Bild  und  überragen  weithin  die  von 
schöner  Umgebung  eingerahmte  Stadt.  Jetzt,  da  Bene- 
schau  eine  Eisenbahnstation  geworden,  darf  die  Be- 
sichtigung sowohl  der  Kuine  wie  der  Pfarrkirche  jedem 
Keisenden  als  sehr  lohnend  empfohlen  werden. 

Illustrationen:  Fig.  IIS  Grundriss  der  noch 
licstehenden  beiden  Churpfciler  mit  Angabe  der  Ein- 
theilung,  Fig.  119  Grundriss  um!  Aufriss  des  Wand- 
lifcijers,  Fig.  120  Fenstermasswerk,  Fig.  121 — 122, 
f'apitäle  der  Rundstäbe,  die  Ansicht  der  Kuine  gibt  die 
beifolgende  Talel. 


doch  besitzen  wir  in  der  Lebeusgeschichte  der  seli- 
gen Prinzessin  Agnes,  der  Gründerin  und  ersten  Äbtissin 
des  Frauciscaner-  und  Clarissen-Klosters  in  Prag  eiue 
urkundliche  Nachricht,  dass  Jungfern  -  Teynitz  als 
Tochterstiit  des  Frager  Agnes-Klosters  noch  bei  Leb- 
zeiten ins  Leben  gerufen  worden  sei.  (Prinzessin 
Agnes,  die  Schwester  des  Königs  Wenzel  I.,  starb  am 
(j.  März  1282,  mithin  durfte  die  Gründung  gegen  1280 
stattgefunden  haben.) 

Das  Kloster  wurde  durch  die  Hussiten  zerstört  und 
es  wiederholte  sicli  hier  dasselbe  Schauspiel,  welches 
wir  bei  Besprechung  der  Stifte  Trebic,  Pomuk  und 
Beneschau  kennen  gelernt  haben:  die  reichen  Stifts- 
gliter  gelangten  an  unrechtmässige  Besitzer  und  diese 
trachteten  vor  allen  dahin,  jede  Urkunde  zu  vernichten. 

Die  noch  bestehenden  sehr  grossartigen  Ruiuen 
lassen  den  alten  Bestand  mit  ziemlicher  Sicherheit  fest- 
stellen :  erhalten  haben  sich  nämlich  das  Presbyterium 
bis  zur  Höhe  des  Dachgesimses,  dann  ilic  südliclie  Um- 
fassungsmauer des  Schiffes  ganz ,   die  nördliche  theil- 


Die  Kuinen  von  Ju  ngfrauen -Teinitz. 

Mit  dem  Minoritenstifte  Beneschau  theilte  gleiches 
Los  das  Klarisscnkloster  Jungfrauen-Teinitz  (Tynec  pa- 
nensky)  durcliPlichta  von  Zerotin  gegründet,  und  durch 
seine  Enkel  Johann  und  llabard  im  Jahre  1321  vollen- 
det wurde.    Die  Stiftuugszcit  ist  nicht  genau  bekannt, 


Fig.  121. 


(Beneschau.) 


Fiff.  1-2-2. 


I'ig.  120.    (licncschaii.) 


weise  und  ein  Stück  von  der  au  die  Vorhalle  angrän- 
zenden  Westwand.  Von  der  Vorhalle  jedoch  sind  nur 
unbedeutende  Spuren  aufzufinden.  Der  im  Lichten 
30  Fuss  weite  und  72  Fuss  lange  Chor  zeigt  einen 
fünfseitigen  aus  dem  Zehneck  gewonnenen  Abschluss, 
doch  sind  hier  an  die  geraden  Umfassungswände 
noch  kleine  Verlängerungsstücke  angesetzt  und  so  ein 
etwas  willkürlich  construirter  siebenseifiger  Abschluss 
herausgelirachf  worden,  welcher  im  Vergleich  mit  dem 
Zehneck  ein  ungleicii  harmonievolleres  Polygon-Gewölbe 
gewinnen  liess. 

Das  Langhaus  war  dreischiifig  mit  niedrigen 
Nebenschittcn,  zwischen  der  Vorhalle  und  dem 
Presbyterium  standen  zwei  reicJigcgliederte  Bündel- 
pfeiler auljeiler  Seite:  die  Form  derselben  kann  aus 
den  ücstcn  eines  eorrespondirenden  W:indpl'eilers  ent- 
nonnnen  werden.  Die  Länge  des  Schilfes  (>line  \drhalle 
l)eträgt  M  Fuss,  dürfte  aber  mit  Inbegriff  derselben 
72  Fuss  gemessen  haben,  wiilirend  die  Gesanimtbreite 
()(■)  Fuss  einhält.  Obwohl  die  1  intässinigsmauern  des 
Presbyteriums  zur  beinahe  vollen  Höhe  aufrecht  stellen, 
hat  sich  doch  kein  einziger  Fenstcrhonen  und  kein 
Masswerk  erhalfen:  dagegen  finden  sich  an  der  Süd- 
wand des  Schilfes  die  Reste  eines  eigenthündiehen 
Portal-Haues,  von  wi'lcliem  sehr  zu  bedauern  ist,  dass 
eine  Restanration  zu  den  rmnögliehkeilen  gehört. 

Dieses  Portal  tritt  nut  zwei  kräftigen  Pfeilern 
G  Fuss  aus  der  Wandfläche  vor  und  hält  eine  Gesannnf- 
breil(!  von  2.'")  Fuss  ein.  Die  schräg  zur  Thüröffnung  zu- 
rücktretenden IMeiler  sind  je  an  den  Adrderseilen  mit 


Prai 


Aus  der  k.k.lofu.Staalsäruekerei  m  We: 


—     287     — 


zwei,  an  den  sclirä,i;'eu  Fläclien  mit  fiinrFi,:;ni-enl)I('iiilrn 
verziert,  welelie  mit  ihren  zart  iui.sget'ülirtcußaldacliinen 
und  Consoleu  lun  so  seltsamer  ausselieu,  als  die  Pfeiler 
siinst  iianz  glatt  belassen  sind.  Die  (P /,  Fuss  weite 
Tliürotl'iuiiii;-  ist  mit  einer  besonderen Leii)ung'  umzoj;'en, 
in  deren  llnlilkehlen  zu  i)eiden  Seiten  je  zwei  15  Zoll 
liolie  Figürelien  (Engel)  sich  erhalten  haben,  neben  den- 
selben gewahrt  man  zur  Rechten  und  Linken  A\'api)en- 
schildcr  mit  Adler  und  Lciwen. 

Imu  ferneres  kleines  Sciiliitiirwerk  befindet  sich  an 
dem  linken  Wandpfeiler,  welcher  einst  den  Triumph- 
bogen trug,  es  ist  das  ßildniss  eines  Königs,  waln-- 
siheinlich  Wenzels  IL,  an  einer  Console  .angebracht. 
Alle  .Steinmetzarbeiten  sind  von  höchster  Vollendnng 
und  aus  wunderschönem  goldbraunen  Sandstein  herge- 
stellt, das  Zwischenmauerwerk  besteht  wie  gewöhnlich 
aus  Bruchsteinen.  Leider  ist  das  in  der  Gegend  vor- 
kommende Gestein  niergelartig  und  schon  bei  geringer 
Hitze  zersplitternd;  wesshalb  die  Zerstörungen  auch  in 
ungewöhnlicher  Weise  um  sich  gegriffen  haben. 

An  der  Süd-  und  Westseite  ist  die  Ruine  durch 
angebaute  Ökonomie-Gebäude  versteckt,  der  Chor  greift 
in  einen  Park  hinein  und  dient  gewissermassen  als 
künstlerische  Ausstattung  desselben.  Sehr  auffallend 
ist,  dass  entlang  der  Nordseite  sowohl  des  Presliy- 
fcriums  wie  des  Schiffes  kein  einziges  Fenster  ange- 
braciit  war,  obgleich  an  dieser  Seite  niemals  Baulich- 
keiten angränzten.  Bei  der  freien  Lage  des  Klosters 
auf  einer  Anhöhe  scheint  mau  sich  vor  den  Stürmen 
möglichst  gesichert  zu  haben.  Die  Frofilirungen  der 
Fenster  zeigen  grosse  Ahnlichkt'it  mit  denen  der  Bene- 
schauer  Stiftskirche,  wie  denn  die  Anlagen  dieser 
beiden  Denkmale    manches  Übereinstimmende    zeigen. 

Illustrationen:  Fig.  123  Grundriss  der  Kloster- 
kirche Jungfranen-Teinitz,  Fig.  124,  Ansicht  des  Restes 
^om  Portal. 

(Literatur:  Über  die  Kirchen  von  Beneschan  und 
Junfrauen-Teinitz  finden  sich  Nachrichten  inFrind's 
Kirchengeschichte  und  den  schon  genannten  Werken, 
in  den  Mittheilnngen  der  k.  k.  Central- Conmiission, 
Jahrgang  IHTO.  dann  in  Tomek's  Geschichte  der  Stadt 
Prag,  I.,  und  in  den  Pamatky  archäologicke. 

Das    C  i  s  t  e  r  c  i  e  n  s  e  r  s  t  i  f  t  K  ö  n  i  g  s  a  a  1. 

Das  bedeutendste  Knnstdenkmal,  welches  durch 
den  wohlwollenden  und  praclitliebeuden  König  Wenzel  IL 


hervorgerufen  wurde,  war  der  Kirchenbau  in  König- 
saal. Aula  Regia,  dem  alten  Zbraslav,  an  der  Mündung 
des  Beraunflusses  in  die  Moldau  gelegen.  Otakar  IL 
hatte  sich  an  dieser  reizenden  Stelle  ein  Jagdschloss 
erbauen  lassen ,  welches  sein  Sohn  AVenzel  in  ein 
Kloster  umwandelte,  der  Sage  nach  zur  Sühne  für  die 
(nebenbei  gesagt  wohlverdiente)  Hinrichtung  des  Zaviis 
von  Falkenstein,  seines  Stiefvaters.  Von  der  Pracht 
dieses  1292  begründeten  Gebäudes  wissen  die  Zeit- 
.gcnossen  nicht  Wunders  genug  zu  erzählen,  es  musssehr 
uuitangreich  gewesen  sein,  da  die  Anzahl  der  Kloster- 
geistlichen unter  Karl  IV.  sich  auf  dreihundert  belaufen 
haben  soll. 

Die  Stiftskirche  war  dreischilfig  und  hatte,  so  viel 
sich  aus  den  dürftigen  Beschreibungen  entnehmen 
lässt,  Basilikaform:  die  Gestalt  des  Chores  scheint 
siebenseitig  gewesen  zu  sein,  da  Königin  Elisabeth, 
Wenzels  zweite  Gemahlin,  Capellen  ringsum  anfügen 
Hess.  Hochberühmt  in  der  Geschichte  Böhmens  ist  die 
unterhalb  des  Chores  sich  erstreckende  Königsgruft, 
eine  aus  mehreren  Gängen  bestehende  Krypta,  welche 
die  Bestiuunung  hatte,  die  Gräber  aller  böhmischen  Re- 
genten aufzunehmen.  Der  Besuch  dieser  Gruft  durch 
König  Wenzel  III.  ist  von  der  Sage  mit  vielen  romantischen 
Zügen  ausgestattet  worden.  Im  Kreuzgange  soll  nach 
Ancas  Sylvius  eine  Illustration  der  ganzen  Bibel  in  der 
Höhe  von  5  Fuss  sich  hingezogen  haben,  und  zwar  auf 
feiugeschliftene  Steinplatten  geschrieben.  Oflcnbar 
waren  es  Miniaturbilder  mit  beigeschriebenen  Erläu- 
terungen ,  von  denen  Sylvius  spricht.  Diess  ist  so 
ziemlich  alles,  was  sich  mit  Sicherheit  über  die  Gestal- 
tung der  Königsaaler  Stiftskirche  beibringen  lässt:  .sie 
war  ein  Nationalheiligthum  in  jedem  Sinnne  des  Wortes, 
das  Grabmal  eines  der  menschenfreundlichsten  und  ge- 
rechtesten Regenten  ,  welcher  je  über  Böhmen  ge- 
herrscht. Am  lü.  August  1420  übei-fiel  der  Taboriten- 
führer  Koranda  das  Kloster,  plünderte  es  aus  und  zer- 
störte die  Kirche  dergestalt ,  dass  kein  Stein  auf  dem 
andern  geblieben  ist.  Von  dem  gepriesenen  Bau  Wen- 
zels ist  keine  Spur  mehr  vorhanden. 

(Nachrichten  über  das  Stift  finden  sich  überaus 
viele,  so  bei  Neplach,  Pulkawa  und  in  den  Chroniken 
des  Domherru  Franciscus  und  des  Abtes  Peter  von 
Königsaal.  Archäologische  Aufschlüsse  und  Ül)erbleibsel 
des  Gebäuiles  wird  man  jedoch  vergeblich  suchen.) 


XVlIl. 


Fig.  123.  (Jungfer-Teinitz.) 


38 


288 


Dio  Stiftskirche  Maria-Him  mclfabrt 
zu  S e d  1  e e. 

Ein  Hi'ir  Miroslav  jiTümlete  unter  dem  Herzoge 
Madislav  II.  im  Jahre  1142  oder  1143  das  Kloster 
.Sedlec  und  berief  dahin  Ordensglieder  aus  dem  bay- 
rischen Cistercieuser-Stifte  Waldsasseu  bei  Eger.  Die 
damals  errichteten  Klostergebäude  sammt  der  Kirche 
scheinen  gegen  Ende  des  XIII.  Jahrhunderts  so  bau- 
fällig gewesen  zu  sein,  dass  König  Wenzel  II.  durch  den 
Abt  Heidenreich  einen  neuen Kircheubau  auffülnen  liess, 
welcher  zwischen  1200  bis  l;i04  in  der  Hauptsache 
vollendet  wurde. 

Dieses  Gotteshaus  war  das  grösste,  welches  man 
in  Böhmeu  bisher  gesehen  hatte  und  zugleich  das 
erste,  welches  nach  dem  mittlerweile  in  Frankreicli  und 
den  Eheinlanden  entwickelten  Kathedral-System  ange- 
ordnet wurde. 

Von  den  Hussiten  geplündert  und  niedergebrannt 
standen  die  Kirchenruinen  über  zweihundert  Jahre 
lang  uni)cdeckt.  bis  sich  das  Stift  nach  der  Schlacht  am 
weissen  Berge  wieder  etwas  erholte,  worauf  Abt  Heinrich 
Snopek  im  Jahre  1693  die  Wiederherstellung  sich  ange- 
legen sein  und  ein  neues  Dach  aufstellen  liess.  Dann 
wurde  die  ganze  Kirche  mit  solch'  klösterlicher  Emsig- 
keit wieder  erbaut,  dass  die  ursprünglichen  Formen 
verschwanden  und  eine  neue  höchst  abenteuerliche 
Mischung  von  C4othik  und  Roccoco  an  die  Stelle  des 
.Mtcn  trat.  Diese  Restauration  wurde  von  dem  P>au- 
mei.ster  Ignaz  Bayer  aus  Prag  geleitet  und  in  der  Haupt- 
sache bis  zum  Jahre  1707  vollendet.  An  dem  zwar  be- 
deutend überarbeiteten  Aussenbau  wunle  im  allge- 
meinen eine  gewisse  Einfachheit  festgehalten,  welche 
dem  Charakter  des  (lanzen    entspricht :     im   Innern    je- 


doch tritt  uns  eine  Bizarrerie  der  Formen  entgegen,  wie 
sie  kaum  an  den  spät-gothischeu  Bauwerken  Spaniens 
gesehen  werden  kann.  Erst  wenn  das  Auge  sich  etwas 
an  die  seltsamen  Verschlingungen  der  Gewöll)e,  die 
toscanischcn  mit  gothischen  liipjjcn  durcliwaclisenen 
Capitäle  und  andere  WundcHichkeiten  gewöhnt  hat,  ist 
man  im  Stande,  die  wirkliche  Grossartigkoit  dieser  An- 
lage herauszufinden  und  zu  würdigen. 

In  Bezug  auf  Räumlichkeit  schliesst  sich  die  Sed- 
lecer  Kirche  den  bedeutendsten  Bauwerken  an:  die 
äussere  Gesammtlänge  beträgt  mit  Zurechnung  der 
Vorhalle  o05  Fuss,  die  Länge  des  Innern  270  Fuss 
und  die  lichte  Weite  des  Schiffes  91  Fuss. 

Das  Kirchenliaus  ist  fünfschitfig,  mit  Chor-Umgang, 
CapelU-n-Kranz  und  Krcuztlügcln  verseilen:  über  der 
\'ierung  erhob  sich  ein  mächtiger  Kupiicltliurm.  Sieben 
Gapellen  und  zwei  Halb-Capelleu  umziehen  den  Chor- 
schluss,  welcher  aus  drei  Seiten  des  Achtecks  gezogen 
ist  und  im  Umgang  durch  Verdopplung  in  sieben  Seiten 
umsetzt.  Die  Pfeiler  des  Hauptschirt'cs  sind  noch  die 
alten,  jedocii  über  und  über  mit  Stuccaturen  bedeckt, 
die  Xebenscliifte  iiingegen  werden  durch  neue  Huudsäulen 
eingetheilt.  ^lit  Zuzäldung  der  sehr  starken  Vierungs- 
pfeiler stehen  auf  jeder  Seite  des  Hauptschiffes  fünf- 
zehn Pfeiler,  nändich  neun  im  Langhause,  zwei  an  der 
Vierung  und  vier  im  Chore:  im  Herumführen  der  Seiten- 
schiffe um  den  Chor  wird  die  Anzahl  der  dort  befind- 
lichen Säulen  auf  jeder  Seite  um  zwei  erhöht,  so  dass 
siebzelin  Säul(>n  der  Nebenschiffe  den  fünfzehn  Haupt- 
pf'eilern  entsprechen. 

Die  Kreuzarme  treten  um  die  Breite  eines  Neben- 
schiffes aus  der  allgemeinen  Umfassungsliuie  vor,  sind 
aber  durch  die  Restauration  zu  Capellen  und  Oratorien 
umgewandelt  worden.  Unterhalb  der  Pultdächer,  welche 


Fig.  123.  (Jungfcr-Teinitü.; 


—     289     — 


die  Seitenscliiffe  üljcrdeckeii,  eben  so  im  Dacliniumc 
des  Haui)tst'liirt'fS  haben  sich  iiocli  viele  Reste  von 
Fenstevmasswerl^en .  Gesimsen  und  scmsligen  Deco- 
rationeu  in  filtern  Zustand  erlialtcn,  deren  Beliand- 
lung'sweise  genau  den  in  Ilolienniautli  und  Saaz  vor- 
kommenden älteren  Detailiirungen  entsjiriciit. 

Trotz  aller  Entstellungen  durcli  Stuceaturen,  Ein- 
bauten und  grelle  Tünche  macht  das  lüO  Fuss  hohe, 
nur  25  Fuss  im  Eicht  weite  Mittelschiff  einen  über- 
wältigenden H^indruck;  man  fühlt  in  dieser  Halle  so 
recht,  mit  welcher  Gewalt  grosse  Massen  selbst  dann 
auf  uns  einwirken,  wenn  die  künstlerische  Behandlung 
dem  Auge  nicht  ganz  zusagt. 

Nach  der  Aufhebung  des  Sedlecer  Klosters  im 
Jahre  1783  wurde  die  Maria-Himnielfahrts-Kirche  ge- 
sperrt, und  die  Altäre  mit  allen  Kunstwerken  licitando 
verkauft,  wobei  der  Hochaltar  mit  dem  Meisterbilde 
(Maria  Himmelfahrt)  vou  Peter  Brandl  (1728)  und  mit 
schönen  Sculptureu  käuflich  an  die  Hohenmauther-Kirche 
überging,  deren  Zierde  derselbe  gegenwärtig  bildet. 

Die  Friedhof -Gap  eile  in    Sedlec. 

Wenige  Schritte  von  der  Stiftskirclie  entfernt  liegt 
zwischen  uralten  Linden  die  Begräbniss-Capelle  des 
Klosters,  welche  schon  1318  genannt  wird  und  alle 
Anzeichen  trägt,  dass  sie  gleichzeitig  mit  der  llaupt- 
kirclie  entstanden  ist.  Auf  einem  quatlratischen  Unter- 
bau, welcher  das  übliche  Beinhaus  enthält  und  mit 
einer  Plattform  bedeckt  ist,  erhebt  sich  ein  zierliches, 
an  der  Westseite  mit  zwei  sechseckigen  Thürmen 
flankirtes  Kirchlein,  einst  ein  berühmter  Wallfahrtsort. 
Die  Tliürme  sind  an  den  Ecken  nach  alter  Weise  mit 
Ruudstäben  eingefasst  und  deuten  wie  die  sonstigen 
Gesimse ,  Gurten  und  Einzelheiten  den  Schluss  des 
XIIL  Jahrhunderts  an. 

Das  Schilf  ist  23  Fuss  lang  und  eben  so  breit,  es 
wird  in   drei  Gewölbekappen   zerlegt,    von  denen    die 


mittlere  9  Fuss  in  der  Längenrichtung  misst.  An  der 
Ostseite  .springt  ein  aus  zwei  Gewölbeabtlieilungen  be- 
stehender, 914  Fuss  weiter  und  19  Fuss  tiefer  ('liorl)au 
vor,  in  wclchcni  sich  ein  alter  steinerner  Alfartiscli  Ite- 
tindet. 

Mit  .Ausnaiime  der  zwiebeliormigen  Hauben,  mit 
denen  die  'J'liürme  eingedeckt  sind,  hat  das  Kirchlein 
seine  ursprüngliche  Gestalt  beibehalten,  freilich  ein 
schwacher  Ersatz  für  die  ruinirte  Stiftskirche. 

Illustration:  Fig.  12:')  Seiteuansicht  der  Friedhof- 
(  ai)elle. 

Die  1-j  rz  (1  ec  li  a  n  t  e  i  -  K  i  rcli  e  in   Pilsen. 

Obwohl  diese  prächtige,  dem  heiligen  Bartholomäus 
gewidmete  Kirche  zum  grösstenTlieile  in  der  folgenden 
Luxemburg'schen  Periode  ausgeführt  wurde  und  dess- 
halb  dem  dritten  Theile  einverleibt  werden  musste, 
haben  wir  derselben  doch  hier  mit  einigen  Worten  zu 
gedenken. 

Der  Bau  wurde  im  Jahre  1292  durch  den  deut- 
schen Kitterorden  unter  Mitwirkung  der  Bürgerschaft 
und  namentlich  einer  Frau  Anna  v.Pi-eborov  begonnen, 
seheint  aber  langsam  vorwärts  gerückt  zu  sein.  Der 
ersten  Bau-Periode  entstammt  nur  das  Presbyteriuui  mit 
dem  aus  tünf  Seiten  des  Zehnecks  construirten  Chor- 
Sclilusse.  Diese  Partie  ist  einheitlich .  mit  einfachen 
Kreuzgewölben  überspannt  und  gewährt  durch  seine 
ergiebige  Weite  von  32  Fnss  einen  eben  so  wohlthuen- 
den  als  kirchlichen  Anblick.  Das  125  Fuss  lange  und 
80  Fuss  breite  Langhaus  scheint  zwar  in  seineu  allge- 
meinen Grundlinien  dem  ursprünglichen  Plane  anzuge- 
hören, ist  aber  während  der  Regierung  Karl  IV.  zu 
Stande  gebracht  worden.  Die  runden  Säulen  des  31ittel- 
schirt'es,  die  säinnitlichen  ^^'ölbungen  des  Langhauses 
die  Neben-Gapellen  und  Vorhallen  gehören  dem  fünf- 
zehnten, theilweise  sogar  dem  Beginne  des  sechzehnten 
Jahrhunderts  an. 


Vig.   125.  (Sedlec.) 


38' 


—     290     — 


An  dieser  Stelle  sollte  zmiäebst  hervorgehoben 
werden,  wie  im  letzten  Viertel  des  XIII.  Jahrhundert 
der  einfache  Chor-Sehlnss  ans  dem  Achteck  mehr  nnd 
mehr  znrücktritt,  während  Innf-  nnd  siebenseitige 
Formen  beliebt  werden.  Alle  übrigen  diese  Kirche  be- 
treffenden Verhältnisse  sind  im  dritten  Theile  erörtert. 


Zweisehiffige  Kivcheubauteu. 

Es  ist  angeführt  worden,  dass  das  zweisehiffige 
Kirchcniians  im  südlichen  Böhmen  nngewidmlichen  An- 
klang gefunden  hat  und  dass  sogar  Hauiitkirclicn  auf 
solclie  Weise  angeordnet  wurden.  Aiifäiiglich  trat  diese 
Form  nur  vereinzelt  auf,  im  Verlauf  der  gothischen 
Periode  mehren  sich  die  Beispiele,  so  dass  wir  einige 
höclist  interessante  Denkmale,  darunter  anch  eine 
Stiftskirche  zu  verzeichnen  haben.  Die  Anregung 
scheint  sich  aus  dem  Donauthale  zu  schreiben,  wo  wir 
in  Passan  undEnns  schon  sehr  frühe  derlei  zweisehiffige 
Bauwerke  treffen. 

Die  Minori  t  cn-Kirciie  in  liecliyn. 

Das  alte  Bechyn  (Bechyne)  war  scIkih  in  irühester 
Zeit  eines  von  den  dreizehn  Erzdiaconattn,  in  welche 
die  Prager  Diözese  eingetheilt  war.  Die  dortige  roma- 
nische Dechantei-Kirche  wurde  bereits  im  I.  Theile, 
besprochen,  wo  auch  des  Prager  Bischofs  Tobias  von 
Bechyne  gedacht  worden  ist ,  der  diese  zu  seiner  Zeit 
schon  bestehende  Kirche  mit  Gralicn  und  ^Mauern  hat 
umgeben  lassen. 

"Während  der  Regierung  dieses  Kircheufürsten 
(1278— 129(i)  stifteten  mehrere  reiche  Beciiyner  Bürger 
im  Jalire  12sl  ein  Minoriten-Kloster  mit  einer  Maria- 
biiiimclfahrts-Kirclic  in  ihrer  Stadt.  Da  die  Stiftung  so 
eigentlicli  aus  der  P.ürgcrsciialf  hervorging,  ist  es  be- 
greiflich, dass  die  Form  der  Decanal-Kirche  als  muster- 
giltig  angesehen  nnd  dem  Neubau  zu  Grund  gelegt 
wurde.  Das  Kloster  wnrde  1428  von  den  Taboriten  iil 
Brand  gesteckt,  doch  scheinen  damals  mit  dem  Dach- 
stuhl nur  die  AVölbungen  eingestürzt  zu  sein,  während 
die  Masse  des  Gebäudes  geringen  Schaden  gelitten  hat. 
Zdisiav  von  Sternberg  stellte  1490  —  1492  Kirche 
und  Klostergebäude  wieder  her  und  gab  den  Bauten 
die  Gestalt,  weldie  wir  heute  noch  erblicken. 

Das  Langhaus  ist  84  Fuss  lang  und  48  Fuss  im 
Licht    weit,    es    wird    (liin-ii    dni    rumle    in    der  "Mitte 


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ley 


Fig.  12f!.  (Sobieslaii.j 


stehende  Säulen  in  acht  Gewölbfelder  zerlegt.  Das 
48  Fuss  tiefe  und  24  Fuss  weite  Presbyterium  tritt 
nicht  aus  dem  Mittel  des  Hauses  vor,  sondern  reiht 
sich  dem  linken  Schiffe  als  dessen  Forsetzung  an,  so 
dass  die  Vermuthung  nahe  liegt,  es  sei  jedes  Schiff  mit 
einem  eigenen  Presbyterium  versehen  gewesen.  Reiclie 
Netzgewölbe  überspannen  die  aus  dem  Achteck  ge- 
schlossene Chorpartie,  die  Schiffe  aber  sind  mit  eigen- 
tliümliehen,  aus  vielen  kleinen  Kappen  bestellenden 
Wölbungen  überdeckt.  An  die  Nordseite  der  Kirche 
stösst  ein  noch  theilweise  erhaltener  Kreuzgang  mit 
einer  spät-gothischen  Capelle  an,  welche  jetzt  dem  heil. 
Karl  Borromens  geweiht  ist. 


Die    Dccana  1  -  K  irehe    St.  Peter    und    Paul    in 
Sobieslau. 

Dieses  sehr  schöne  und  eigenthümliche  Gebäude 
kommt  urkundlich  erst  im  Anfange  des  XIV.  .Talirliuu- 
derts  vor,  doch  ergibt  sich  aus  dem  ganzen  J5estande, 
dass  die  Anlage  einer  etwas  früheren  Zeit  entstammt 
nnd  die  Gründung  mit  1280  angenommen  werden  darf. 
Sobieslau  gehörte  sehen  im  XIII.  .Jahrhundert  den  Her- 
ren von  Kosenberg,  welche  den  Ort  l)efestigten,  ein 
Schloss  nnd  Avahrscheiniich  auch  die  Kirche  erbauten. 
Im  Verlaufe  der  Hussitenstürme  zweimal,  namentlich 
während  der  letzten  taboritischen  SchihU'rlieliung  von 
14;!")  arg  verwüstet,  wurde  die  Kirche  1490  durch  die 
Herren  von  Rosenberg  als  Patrone  wieder  in  Stand 
gesetzt  und  nnter  Beibehaltung  des  alten  Mauerwerks 
mit  neuen  Gewölben,  das  Schiff  auch  mit  neuen  Portalen 
und  Fenstern  versehen.  Dieser  Restanratidus-Bau  wurde 
mit  wahrhaft  fürstlicher  Pracht  dureligefiiiirt. 

Das  (i4  Fuss  lange  und  44  Fuss  weite  Schiff  wird 
durch  zwei  achteckige,  noch  von  dem  alten  Bau  her- 
rührende l'feiler  in  sechs  gleiche  Felder  zerlegt  und  ist 
in  derselben  Weise  eingewölbt,  wie  gelegentlieh  der 
Beciiyner  Minorilen-Kirelie  erwähnt  wurde.  Diese  im  süd- 
lichen liöhnien  vorzugsweise  beliebten  (iewölbe  sind 
rippenlos  und  aus  vielen  kleinen  vertietten  Kappen  zu- 
sammengesetzt, welche  die  verschiedenartigsten  geome- 
trischen Musterbilder  zeigen.  Die  Form  erinnert  an  die 
maurisclien  Stalaktiten-(!ewölbe,  ist  aber  nicht  aus- 
schliesslich auf  Böhmen  beschränkt,  sondern  es  werden 
solche  Gewölbe  auch  anderwärts,  z.  B.  im  Schlosse  zu 
Meissen  und  dem  .lagdseidosse  Grünau,  erbaut  15.55 
durch  lleiv.dg    und  ri'al/gi-af  <  Min  Ileinrirh  von  llayern, 

Der  Chor  zeigt  rechteckigen  Abschluss  und  gerippte 
Wölbungen,  ist  mit  Einschluss  der  'l'riumi)hbogen-Maucr 
48  Fuss  tief  und  22  Fuss  weit.  Dieser  Theil  blieb  von 
dem  l'.rande  und  auch  von  Neuerungen  beinahe  ganz 
versclMinl,  und  zeiehnel  sich  (Inreli  eine  glänzende  0|-na- 
nientiic  aus.  Neben  den  bekannten  selnm  I2."i()  vcn'kom- 
ineii(l<>ii  Knospen-t 'apitälen  ti-ilV(  man  au  deuAVandsäulen 
uinl  (lurllrägeni  iles  ('linres  allerlei  Menschen-  nnd 
Tliiergestallen,  auch  Laulnvei'ki',  wie  sie  an  den  üanlen 
Otak'ir's  II.  zu  sehen  sind.  Im  unjzK'ieh  mehr  einen- 
erten  SehitVe  dagegen  kdinnn  ii  keine  Ornamente  vor. 

An  den  beiden  in  di'r  IMitle  des  Schiffes  sich  ge- 
genüberst(dienden  i'ortalen  erblickt  man  zu  wiederhol- 
ten Malen  das  R'osenberg'sclie  Wappen,  die  eiid'ache 
fünfblätterige  Ruse,  jenes  stolze  Danuer,  welches  einst 
in  BöhniciiH  Geschichte  eine  so  grosse  Rolle  gespielt  hat. 


—     291     — 


Der  nordwärts  an  das  Schiff  angefügte  Tluuiu 
wurde  von  der  Sobicslaucr  Bürf^ersclialt  um  1480  er- 
richtet und  zeiclinet  sich  nur  durch  liedeutcnde  Höhe 
aus,  steht  aber  in  Bezug'  auf  Fornii;el)ung  den  liantcn 
der  Eoscnberg-e  weit  nach.  Eine  nebenstehende  Ca- 
pelle,  jetzt  als  Sacristei  dienend,  scheint  einem  älteren 
Kirchenban  anzugehören  und  enthält  lutcli  einzelne  m- 
mauisirende  Beste. 

Illustrationen:  Fig.  l'JC>  (Irundriss  der  Deca- 
nal-Kirehe,  Fig.  127  Chor- Ansicht  derselben,  Fig.  l:.« 
— 131  Capitäle  und  Gurtträger  im  Chor;  Fig.  132, 
Rosenberg'sches  Wappen  am  Nord-Portal. 

(Lite  r  a t  u  r :  Archive  zu  Wittingau  und  Hohenfurt. 
Hieher  Bezügliches  findet  sich  zuniiclist  in  den  Abhand- 
lungen des  P.  Max  Mi  11  au  er,  theils  im  Wiener  Archiv, 
theils  in  den  Heften  des  böhmischen  Museums  veröffent- 
licht. Fernere  Aufklärungen  bieten  zwei  Abhandlungen 
von  A.  Pangerl  über  Vok  Rosenberg  unil  Zavis 
F^'alkenstein ,  in  den  Mittlieilungen  des  deutschen  Ge- 
schichts- Vereins  für  Böhmen,  1870  und  1872. 

Ferner:  die  Herren  von  Rosen berg  als  Förderer 
der  Künste,  von  B.  G  rueber,  ebenfalls  in  den  Mitthei- 


lungen des  deutschen  Geschichts-Vereins,  1860.  Frind 
Kirchengeschichte  Böhmens.  In  den  Errichtungsbüchern 
des  Prager  Domcapitels  konnnt  die  St.  Peter-  und  Pauls- 
kirche zuerst  13(57  vor.) 

Die    De  c  a  na  1- K  i  rc  li  e    Maria    Himmelfahrt    in 
Deut  sc  ht)rod. 

Die  Stadt  Dcutschbrod,  Teutobroda,  Neniccky 
Brod,  verdankt  ihre  Entstehung  und  (ierechtsame  den 
mächtigen  Herren  von  Lichtenburg,  welche  im  An- 
fange des  XIII.  Jahrhunderts  hier  ergiebigen  Bergbau 
auf  Silber  betrieben.  Im  Jahre  1278  erhielt  Dcutschbrod 
Stadtrechte  und  eine  Hergordnung,  welche  dem  von 
König  Wenzel  I.  der  Stadt  Iglau  ertheilteu  Privilegium 
nachgebildet  waren.  l"m  diese  Zeit  wurde  auch  der 
Kirchenbau  begonnen,  über  dessen  Fortschritte  wir 
keine  Kachrichten  besitzen. 

Die  beinahe  ausschliesslich  von  deutsehen  Berg- 
leuten bewohnte  Stadt  wurde  im  Jahre  1422  nach  der 
in  der  Nähe  vorgefallenen  Sehlacht  von  Zizka  in  einen 
Aschenhanfen  verwandelt  nnd  soll,  wenn  anders  die  von 


Fig.  127.  (Sobieslau.) 


—     292     — 


Fif;-.   128. 

Dolmer  T.  4  mitiietlicilteii  Berichte  keine  Übertrei- 
biiiii,^^!  enthalten,  bis  zum  Jahre  143(3  leer  gestanden 
sein.  Dass  die  Kirche  nicht  verschont  blieb,  ist  selbst- 
verständlich: in  der  Folge  wurde  das  ursprünglich  ein- 
fache Haus  im  Innern  so  oft  überändert  und  verzopft, 
dass  man  beim  Eintritt  eine  wahre  Miisterkarte  von 
verdorbenen  Stylproben  (^darunter  sogar  eine  über  dem 
Hoch- Altare  errichteteD  iuzenhofe  r'sche  Kuppel)  über- 
blickt. Nur  ein  einziger  unter  der  Orgel-Empore  stehen- 
der achteckiger  Pfeiler  deutet  noch  die  ursiirüngliche 
Einthfiiung  an. 

An  d.en  Aussenseiten  hingegen  l)estclieu  noch  alle 
.Strebepfeiler  und  viele  Einzelheiten,  welche  die  zwei- 
schiffige  Anlage  in  unwiderleglicher  Weise  documen- 
tiren.  Der  Grundriss  wird  durch  ein  Rechteck  von  an- 
nähernd fiH  Fuss  lichten  AVeite  und  HO  Länge  beschrie- 
ben, ein  besonderer  Ciior  war  nicht  vorgebaut.  Die 
Länge  war  durch  drei  achteckige,  in  der  Mitte  stehende 
Pfeiler  und  eine  Trium])hbogen-Mauer  in  fünf  gleiche 
Abtheilungen  von  je  22  Fuss  (in  der  Längenrielitung) 
so  eingetheilt,  dass  die  östliche  innerhalb  des  TriuniDli- 
bogens  liegende  Abthcilung  als  Chor  diente.  Das  süd- 
liche Schilf  war  etwas  schmäler  als  das  nördliche,  die- 
ses hielt  28,  jenes  22  Fuss  in  der  Weife,  von  dcrPfeilcr- 
aclise  bis  an  die  Wand  gemessen.  Übrigens  ist  die 
ganze  Nordwand  erneuert  worden  und  scheinen  die 
Schiffe  ursi)rünglich  gleich,  iiümlich  22  Fuss  weit  ge- 
wesen zu  sein. 

Ein  quadratischer  'riiiirm,  der  sich  an  der  West- 
seite iunerliajl)  der  allgenieinen  l.infassuiigslinie  erhebt 
und  das  erste  südwestliche  (Jewölbefeld  eiiininnnt,  er- 
weist sich  als  sjjäterer  Einbau  und  dürfte  dem  Zeitalter 
des  Königs  Georg  von  Podebrad  angehören. 

Die  Kirche  besitzt  eine  schöne  spät-gothiseh  auf- 
gebaute Orgel,  auf  welcher  eine;  ältere  trefflich  gear- 
beitete Marienstatue  steht.  Diese  in  Holz  geschnitzte 
Figur  wie  auch  ein  widderhaltenes,  auf  Holz  gemaltes 
Madonna-Hild  am  linken  Seiten-Altare  lassen  sieh  als  Ar- 
beiten der  unter  Karl  \\ .  bliilienden  Kunstschule  er- 
kennen. Der  praciitvolJe  .Mini;ilMrcodex.  welcher  in  der 
Kirelie  aiifljewiilirt  wird,  findet  im  vierten  15ande,  Ab- 
theilung Malerei,  ausführliche  15esclircibung.  Endlich 
besitzt  die  Kirche  einen  vorzüglich  .schönen  im  lienais- 
sance-Styl  gearbeiteten  Iloeh-Altar. 

Ausserdem  haben  sich  in  Deutschlnod  mehrere 
Thiirme  und  Kcste  der  alten  Stadtmauern  erhalten,  welche 


Beachtung  verdienen;  in  den  Strassen  sieht  mau  viele 
zierliche  Wohnhäuser  aus  dem  XV.  und  Anfang  des 
XVL  Jahrhunderts. 

(Literatur:  Zunächst  die  Geschichte  der  böhmi- 
schen Bergwerke,  von  Graf  Caspar  von  Sternberg; 
dann  alle  jene  AVerke,  welche  bezüglich  der  Stadt  Iglau 
und  des  Klosters  Selau  genannt  wurden.  Die  Verhält- 
nisse von  Deutschbrod  werden  auch  ausfiihrlicli  besjjro- 
chen  von  Dr.  Schlesinger  in  seiner  Gesch.  S.  174  ff.) 

Die  alte  Synagoge  in  Prag. 


Kaum  über  ein  zweites  Denki 


in  Böhmen  ist  so 


viel  geschrieben  und  gefabelt  worden,  als  über  diese 
Synagoge,  genannt  ..Alt-Neu-SchuF',  in  der  Judenstadt 
zu  Prag.  Wir  übergehen  die  unzähligen  Märehen,  welche 
in  Form  von  Novellen,  Romanzen  und  angeblich  ge- 
schichtlichen Fberlieferungen  seit  etwa  einem  Jahr- 
hundert verbreitet  worden  sind  und  \\euden  uns  in 
Ermanglung  i)ositiver  Nachrichten  den  Beurtheilungeu 
zu,  welche  Hirt,  Kugler,  Quast,  Schnaase,  Miko- 
vec,  5Iertens  ausges])roclien  haben.  AVährend  der 
Erstgenannte  bis  ins  XII.  .lahrhundert  zurückgreift, 
Mertens  die  erste,  und  der  sehartblickende  Kugler  die 
zweite  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts  als  Bauzeit  an- 
nehmen, rücken  Quast  und  Schnaase  dieselbe  um  ein 
volles  Jahrhundert  herab,  weil  im  April  1816  die  Juden- 
stadt sammt  der  Synagoge  niederbrannte.  Mikovec,  der 
das  Gebäude  in  seinem  A\'erke  _Alterthümer  und  Denk- 
würdigkeiten Böhmens-'  aiisfüiiriieh  beschreibt,  sehliesst 
sich  in  Anbetracht  des  erwähnten  Brandes  der  von 
Schnaase  ausgesprochenen  Meinung  an. 

Schnaase  erkennt  zwar  den  alterthündielu-n  Charak- 
ter des  Innern  an,  legt  aber  auf  die  Naehriclit  \(in  dem 
Bramle  und  einige  an  den  Aussenseiten  vorkonunende, 
dem  XIV.  Jahrhundert  angehörende  Einzelheiten  zu 
grosses  Gewicht  und  glaubt,  dass  die  jüdischen  Kirchen- 
vorsteher den  Biiumeister  Iieeinliusst  hätten,  solche 
alterthiunlielic,  (hnnais  nielil  iiieiii'  übliche  Formen  einzu- 
halten. 

Diese  Ansicht  widcrsti-ei)t  g;uiz  und  gar  dem 
Geiste  des  Mittelalters.  Das  llerumlasten  in  verschie- 
denen Bau-Sfylen,  dem  die  Künstler  der  Neuzeit  so  sein- 
huldigen, w;ir  (Jdtt  sei  Dank  in  Irüherer  Zeit  unbeküiint: 
die  ehrsamen  Werkmeister  folgten  der  allgenieinen  Strö- 
mung je  nach  Jk'gabung  und  individueller  Anschauungs- 


Fig.  129.  (.Sobicshiu.) 


—     293     — 


Fi^.  130.  (öobieslau.) 

weise,  wobei  alliTilings  vorkam,  dass  iler  eiue  oder  andere 
sich  schneller  mit  den  neuen  Ideen  vertraut  machte. 
während  einzelne  zäher  am  Hergebrachten  festhielten. 
So  konnte  allerdings  vorkommen,  dass  der  eine  Bau- 
meister romanische  Formen  anwandte ,  während  ein 
gleichzeitiger  Genosse  nebenan  zum  l'bergangs-Styl  vor- 
geschritten war.  Dass  aber  verkehrten  Falles  ein 
Künstler  jener  Zeit  längst  aufgegebene  Formen  wieder 
hervorgesucht  und  in  Anwendung  gebracht  habe,  ist 
geradezu  unerhört  und  lässt  sicli  dnrcli  kein  einziges 
Reisiiiel  erweisen. 

Ein  Rechteck  von  27Fuss  Breite  und  45Fuss  Länge 
(3:5)  lichten  Masses  bildet  den  Grundriss,  welcher 
durch  zwei  achteckige  Mittelsäuleu  in  sechs  gleiche 
Felder  zerlegt  wird.  Die  ^['^  Fuss  dicken  Umfassungs- 
wände  erscheinen  allerdings  überstark  in  Anbetracht  des 
beschränkten  Kaunies,  aber  sie  haben  ein  schweres  aus 
Bausteiueu  construirtes  Gewölbe  zu  tragen  und  dürften 
auch  auf  Vertheidigung  eingerichtet  gewesen  sein. 

Der  Altarschrein,  in  welchem  die  Thora  aufbewahrt 
wird,  ist  an  der  Ostseite  angebracht  und  um  vier  Stufen 
erhöht,  der  Eingang  l)etindet  sich  an  der  Südseite.  Die 
Höhe  des  Innern  vom  Fussboden  bis  in  den  Gewölbe- 


schcitel  brträgt  30  Fuss,  die  Säulen  selbst  haben  einen 
Duichmesser  von  o  Fuss,  sind  20 Fuss  hoch  und  je  mit 
acht  aus  dem  Schafte  vortretenden  Knäufen  oder  Gurt- 
trägern bekriint. 

Schmale  romanisch  gebildete,  aiier  mit  Spitzbogen 
überdeckte  Fenster  von  7  Fuss  lichter  Höhe  und  10  Zoll 
Weite  beleben  künnnerlich  die  beiden  Langseiten  und 
die  Westfronte,  die  östlielie  Stirnseite  aber  wird  durch 
zwei  winzige  Kdsetten-Fcnster  decurirt;  diese  Fenster 
gewähren  so  schwache  Beleuchtung,  dass  der  von  Alter 
und  Rauch  geschwärzte  innere  Raum  selbst  um  Alittags- 
zeit  in  Dunkel  gehüllt  ist.  Die  Decke  wird  durch  ein- 
fache Kreuzgewölbe,  welche  gegen  die  Fenster  hin  mit 
besonderen  Ripiien  lialUirt  sind,  gebildet,  und  es  ent- 
wickelt sich  die  Gliederung  derJ!ii)i)en  aus  schildartigen 
Untersätzen,  wie  wir  sie  an  allen  Bauten  von  1230  bis 
1270,  namentlich  in  Osseg  kennen  gelernt  haben.  Wand- 
säulen von  10  Zoll  Durcinnesser  ruhen  auf  kleinen  mit 
Laubwerken  verzierten  Consolen  und  tragen  T'apitäle, 
die  mit  den  Knäulen  der  Mittelsäule  correspondiren. 

Hiermit  haben  wir  die  architektonische  Eintheiiung 
des  Gebäudes  geschildert  und  es  bleibt  nur  beizufügen, 


Fig.  132.  (Sobieslau.) 


Fig.  131.  (Sobieslau.) 

dass  dasselbe  ringsum  mit  einem  in  der  Neuzeit  auge- 
bauten Gange  umzogen  ist,  wie  die  beigefügte  Ansicht 
der  Ostseite  zeigt.  Aus  dieser  Abbildung  lässt  sich  zu- 
gleich entnehmen,  dass  die  aufgesetzten  Giebelmauern 
einer  viel  späteren  Bauzeit  angehören,  als  der  massige 
aus  Bruchsteinen  aufgeführte  Untertheil.  Die  Giebel 
bestehen  aus  Ziegeln,  und  es  sind  bei  den  Füllungen  und 
den  an  der  Westseite  angebrachten  Zinnen  sogar  Form- 
ziegel angewandt  worden.  Der  grosse  Brand  von  131(3 
hat  deutliche  Spuren  an  den  Aussenseiten  des  Unter- 
baues hinterlassen,  besonders  ist  die  Kordseite  stark 
ausgebrannt  und  zerklüftet,  auch  haben  die  dortigen 
Fenster  gelitten. 

Wenn  einerseits  die  Brandspuren  als  Beweis  eines 
liölierenAlters  dienen,  wird  anderseits  die  Bauzeit  durch 
das  ornamentistische  Gepräge  bis  auf  wenige  Jahre 
festgestellt.  Schon  beim  Eintritt  kündigt  sich  das  im 
Thürsturz  befindliche  Relief,  der  symbolische  Wein- 
stock, das  Zeichen  Israels,  als  Werk  des  XIII.  Jahr- 
hunderts an;  die  schön  gearbeiteten  Blätter  sind  in  der 


—     294 


itoKR. 


Jlitte  vertielt  luul  frei  von  jenen  Anscliwellungen  und 
Knoten,  ohne  welche  nach  1300  kein  Laubwerk  darge- 
stellt werden  kann.  Vcrüleichen  wir  mit  dieser  Sculptur 
das  am  Sacristei-Portal  zu  Ilolienfurt  befindliche .  er- 
wiesenermassen  um  1260  ausgel'üln-te  Relief,  so  erken- 


Fig.  137.  (Prag.) 

neu  wir  dieselbe  Üehandliing'sweise  und  sogar  denselben 
Entwurf.  Auffallender  noch  gibt  sicli  das  Zeitalter 
Otakar  II.  kund,  in  den  aus  der  Mauerfiäclie  vorsprin- 
genden Wandsäulen  mit  ihren  Untersätzen  und  C'ajjitä- 
Icn,  dann  in  der  Ornamentik  der  MittclsänJen.Miin  wird 
vergeblich   die   sänuntlichen   deutsclien   Ilnnwcrki'  des 


XIV.  .lahrliundcrts  durclisuclien,  um  Gliederungen  und 
Laubwerke  zu  finden,  wie  sie  in  Fig.  135 — 138  mitge- 
tlieilt  werden;  diese  Ftunien  gehören  unbestritten  der 
begninenden  zweiten  Hallte  des  dreizehnten  Jalirlmn- 
derts  an. 


Fig.  135.  (Pr.ag.) 


Fig.  13ü.  (Prag.) 

Ausserlicii  unscheiuljar  und  verkiunniert,  inwendig 
reich  decorirt,  füln-f  uns  diese  Synagoge  als  einziger 
'rcnipel  einer  iil)eraus  zahlreichen  Gemeinde  die  mittel- 
aherlichcn  Zustände  des  Judcnthunics  recht  deutlich 
\()r   die  Augen.  AVäln-cnd  auf  je    eintausend    Christen 


l'ig.   1:J4.  (Prag.) 


—     291)     — 


eine  grosse  Kirche  fjezählt  werden  kniuiic,  inusstcii 
sieh  gegen  dreitausend  Judeii  mit  einem  engen  iläus- 
lein  begnügen  und  liier  Oott  danken,  wenn  sie  V(ir 
l'eindliciien  Angrift'en  siclier  waren. 

V(in  allen  Forseliern,  welche  sieh  mit  diesem  Denk- 
mal hescliiit'tigtcn,  hat  Kugler  die  Entstehungs/.eit  am 
richtigsten  bezeiehnet ;  wir  kiinnen  seinen  oben  ange- 
füiirten  Ausspruch  dahin  iiräcisircn,  dass  die  Alt-Neu- 
schule zwischen  12(iO  und  1270  ausgeführt  worden  sei. 
Das  Befremdliche,  welches  jeden  Besuclier  dieses  Tem- 
pels umfängt,  da.s  selbst  einen  Schnaasc  und  Quast 
irreführte,  liegt  nicht  in  der  baulichen  Anlage,  sondern 
in  der  seltsamen  Ausstattung.  Alte  Fahnen,  <  Jitterwerke, 
Lampen,  Pulte  und  andere  Kequisiten  stehen  in  sonder- 
barer Ordnung  auf  der  erhöhten  Bima,  dem  Lectorium, 
undier  und  zeicdnien  sich  grell  auf  den  tiefgeseliwärzten 
Wänden,  durch  Streiflichter  der  schmalen  und  verdü- 
sterten __Fenster  bestrichen.  Das  Gebäude  selbst  hat 
grosse  Ähnlichkeit  mit  einem  der  Capitel-.Säie,  wie  sie 
sich  in  Goldenkron,  Hohenfurt  und  Pilsen  vollständig 
erhalten  haben,  nur  ist  die  Synagoge  viel  höher. 

Illustrationen:  Fig.  133  Grundriss  der  Alt-  und 
Neu-Sclmle,  Fig.  134  Querdurchschnitt,  Fig.  135  — 137 
Detaillirungeu  des  Portals,  Fig.  138  Relief  im  Thürsturz, 
Fig.  139  Säulenbekrönung,  Fig.  140  Gewölbrippe, 
Fig.  142  — 143  Knäufe  im  Innern,  die  beigegebene  Tafel 
zeigt  die  östliche  Ansicht  der  Synagoge. 


Die  alte  Synagoge  in  E g e r. 

Das  Alt-Neu-Schulgebäude  in  Prag  stand  nicht 
isolirt,  Böhmen  besass  noch  vor  kurzer  Zeit  die  Beste 
eines  zweiten  ähnlichen  Gebäudes  in  der  Maria  Ileim- 
suehungskirehe  zu  Eger,  ursprünglich  einer  Synagoge, 
welche  1430  durch  einen  Gewaltstreich  zu  einem  eln'ist- 


lichen  (lOtteshausc  verwandelt  wurde.  Die  Erbauung- 
fällt  in  jene  Periode,  als  Otakar  II.  die  Stadt  inne  hatte 
(12C)ii — 1:;7.")).  Damals  waren  die  Juden  in  Eger  so 
zahlreich,  dass  sie  den  vierten  Theil  der  Bevölkerung 
ausmachten  ,  im  Besitze  grosser  Keichthüiner  waren, 
folglich  auch  die  Ausgaben  für    einen    Monumentalbau 


Fiff.  i;J'J. 


(Pi-ag.j 


bestreiten  konnten.  Von  1S02 — 1810  diente  dieses  Ge- 
bäude als  jirotestantische  Militär-Kirche,  wurde  später 
wegen  Bautailigkeit  gesperrt  und  vernachlässigt,  bis 
1839  das  Gewölbe  einstürzte.  Die  Ruinen  wurden  erst 
1856  abgetragen,  um  einem  Wohubause  Platz  zu  machen. 
Ich  habe  im  Jahre  1833  das  Denkmal  noch  in  leidlichem 
Zustande  gesehen  und  1840  die  Ruinen  vermessen. 

Von  einigen  in  späterer  Zeit  hinzugefügten  Erwei- 
terungen abgesehen,  bestand  diese  Synagoge  aus  einem 
4.')  Fuss  langen  und  22'/..  Fuss  breiten  Saale,  dessen 
sternförmiges  Gewölbe  durch  eine  einzige  in  der  Mitte 
stellende  Säule  unterstützt  wurde.  Die  Rippen  entwickel- 
ten sieb  aus  Consolen,  genau  in  derselben  Weise  wie  in 
der  Alt-Neu-Schule  zu  Prag,  die  Wandsäulen  mit  ihrem 


Flg.    1.3b.         Pia;;. 


XVIII. 


39 


—     296 


Ornamenten -Schmuck,  die  Fenster  und  Gesimse  waren 
liier  und  dort  die  gleichen.  Otak.nr  II.  stiftete  damals 
auch  eine  Kreuzherrn- C'ommende  mit  einer  Heilig-Geist- 
Capelle  (späterhin  S.  Bartholoniäus-Capelle)  in  I'^ger, 
deren  Gewölbe  ebenfalls  auf  einer  Jlittelsäule  ruhten. 
Da  jedoch  diese  Capelle  im  Jahre  1414  gründlich  er- 
neuert worden  ist,  haben  wir  die  Beschreibung  dersel- 
ben dem  vierten  Tlieile  einverleibt,  wo  die  Form  des 
.Sterngewölbes  augegeben  wird. 


Die   S.  Barbara -Capelle   bei    den   Francis- 
canern   in  Pilsen. 

Neben  den  genannten  Egerer  Bauten  finilen  sich 
noch  zwei  merkwürdige,  dem  Schlüsse  des  XIII.  Jahr- 
hunderts angehörende  Capellen  mit  je  einer  Mittelsäule 


C^Ctab' 


l-'iS.    112. 


Vis.  141. 


(Prag.) 


und  Sterngewölbe  versehen.  Die  S.  Wenzels-Capeilc  im 
wälschen  Hofe  zu  Kuttenberg  und  die  S.  Barbara-Capelle 
im  KreuzgangdcsMinoriten-.  jetzt  Franciscaner  Klosters 
in  Pilsen.  Über  die  (Gründung  dieses  Klosters  lauten  die 
Angaben  verschieden  und  schwanken  zwischen  V24ij 
bis  VJiüi.  Die  Klosterkirciie  Maria-Himmelfahrt  ist  wie- 
derholt abgebrannt  und  scheint  nicht  in  die  Gründungs- 
zeit liinaufzureichen;  es  spreclien  vielmehr  allerlei  Uni- 
stänile  dafür,  dass  wir  in  diM-  wohlerhaltenen  Barbara- 
(  ai»elic  die  alte  Stiftskirche  vor  uns  iiaben.  Kommt  es 
doch  in  den  Franciscaucr-Sliften  öfters  vor,  dass  für  den 
anfänglichen  Bedarf  eine  klciiu'Capelle  schon  vorGrün- 
dung der  Ilaiipikirclic  angelegt  wurde;  wie  unter  an- 
dern die  \-j:',-J  von  Wenzel  I.  nach  Prag  berufene  erste 
Colonie  sogleich  eiiicS.  Barbara-Ca])elle  anlegte  und  den 
beabsichtigten  Klostcrbau  erst  in  etwas  späterer  Zeit 
dureiiflibrte.  In  der  Folge  wurde  die  in  Hede  stehende 
l'ÜMier  Capelle  alsCapitel-Saai  benutzt,  ddcli  verrätli  der 
Bau  solche  Selliständigkeit,  dass  an  einer  untergeord- 
neten Bestimmung  gezweifelt  werden  darf. 

Die  Barbara-Capelle  ist  (pmdratisch  mit  einem  Duicli- 
nicsscr  von  y,()  Fuss,  die  Mittelsäule  wird  durch  ein 
Achteck  gebildet;  von  hier  entwickeln  sieh  die  Hippen 
zu  einem  regelmässigen  achteckigen  Stern ,  dessen 
.Spitzen  auf  Consolen  aufruhen.  Das  Gepräge  des 
(ranzen    i.st  alterthllmlieii    und    scheint   mit  Ausnahme 


einiger  Reparaturen  der  Stiftungszeit  anzugehören.  Die 
Capelle  dient  gegenwärtig  noch  dem  allgemeinen 
Gottesdienste 

lUustrirt  durch  Fi;;-.  I4;i,  Grundriss. 


S.  Vi' e n z e  1  s - C a  jie 1 1  e  in  K u  1 1  e n  1) e rg. 

Die  interessanteste  und  jüngste  der  einsäuligen 
Capellen,  welche  unter  den  zweischitfigeu  Kirchenge- 
bäuden eine  eigene  Stellung  einnehmen,  ist  die  von 
König  Wenzel  II.  um  1 2',»  >  augelegte  .Schloss-Capelle  zu 
Kuttenberg.  Damals  ergaben  die  dortigen  Silberwerke 
unermessliehe  Ausbeute  und  der  hierüber  erfreute 
König,  welchem  auch  die  Lage  der  rasch  aufhlühenden 
Stadt  getiel,  Hess  sich  daselbst  eine  Burg  als  Somnier- 
aufenthalt  erbauen.  Nach  einiger  Zeit,  als  eine  Münz- 
Eeform  dringend  nothwendig  geworden  war,  räumte 
Wenzel  einen  Theil  seines  Schlosses  zu  einer  könig- 
lichen Münzstätte  ein,  berief  aus  Florenz  Münzmeister 
und  Hess  hier  die  T)crühniten  böhmischen  (iroschen 
prägen,  deren  Oo  Stück  auf  <lie  Prager  Mark  giengen. 
Weil  die  italieni.schen  Münzer  im  Schlosse  wohnten,  er- 
hielt dasselbe  bald  den  Namen  „der  wälsche  Hof",  eine 
Bezeichnung,  welche  noch  heute  üblich  ist. 

Beinahe  alle  spätem  Regenten  IJöhmens  Iiaben 
sich  längere  oder  kürzere  Zeit  im  wälschen  Hof  aufge- 
halten und  es  fänden  in  demselben  viele  Landtage  statt, 
wesshalb  die  Baulichkeiten  häufig  umgeändert  wurden. 
Grosse  Partien  der  einst  mit  königlicher  Pracht  ausge- 
statteten Burg  sind  durch  Feuersliriinste  zerstört  und 
abgetragen  worden,  andere  liegen  in  Ruinen  und  nur 
ein  kleiner  Theil  steht  noch  aufrecht.  Hier  befindet  sich 
im  ersten  .Stockwerke  das  dem  heiligen  Wenzel  geweihte 
Schloss-Capellchen  im  westlichen  Flügel  des  Gebäudes. 

Der  Unstern,  welcher  über  allen  von  Wenzel  II. 
gegründeten  Bauten  waltete,  hat  auch  diese  Capelle 
nicht  verschont.  Die  Rückseite  des  .Schiffes  ist  zerstört 
und  durch  einen  nnjiassenden  Einbau  entstellt  worden, 
auch  sieht  man  verschiedene  s])ätgothische  Fmarbei- 
tungen;  der  Hau])tbestand  indess  hat  sich  in  s(dchcr 
Vollständigkeit  erhalten,  dass  wir  uns  vom  Ganzen 
einen  vollständigen  Begriff  machen  können. 

Die  Grundform  des  Schiffes  war  rechteckig, 
22  Fuss  lang  und  1'.''  ,  I^iss  weit;  durch  den  rück- 
wärtigen Einbau  eines  Oratoriums  wurde  die  Länge  um 
G  Fuss  verkürzt,  wolici  /ledoch  das  Mirdere  Gewölbe 
keinen  Schaden  gelitten  hat.  Die  in  der  Mitte  des 
.SchitTes  stehende  Säule  ist  rund.  \on  hier  aus  spinnt 
sich  ein  reiches  und  eigenthüailiehcs  ,Sterngew<illie  über 
den  kleinen  Raum  hin  und  findet  seine  A\'idcrlager  in 
kräftigen,  mit  einfachen  Kelch-Cai)itäleii  \ersehenen 
Watiilsä'ulen.  I  )('r\vnnderschönc  Chor-Sehlusswird  durch 


l'i;^.   IKt.     /l'nig.j 


297     — 


eineu  weit  vorsprinyendeu  Erker  gebildet,  ist  elieiil'nlls 
mit  einem  Stenig-ewölb  iiherspninit  und  setzt  durch  eine 
besondere  (vielleicht  später  ani;elii^'tc)  cliedenini;-  aus 
dem  Viereck  in  dns  Aehteclv  über. 

Die  malerische  Wirkung',  sowohl  des  inneru 
Raumes  wie  des  vom  .Schlossliofe  aus  zu  betrachtenden 
Erkers,  ist  überraschend,  unter  <len  zaiilreichen  Denk- 
malen Kuttenbergs  Itcluiuptrt  die  \\'cu/,els-<  apelle  hin- 
siciitlich  ihrer  eleganten  und  wohlverstandenen  Gotliik 
den  Vorrang.  Sie  verdient  zugleich  die  höchste  Schonung 
als  das  einzige  unmittelbar  durch  AVenzel  11.  hervor- 
gerufene Bauwerk,  welches  die  alten  Formen  gewalirt  hat. 

Auch  der  noch  bestehende  mit  Laubengängen  um- 
zogene  Schlosslmt  darf  nicht  unerwähnt  bleiben,  ob- 
wohl er  unter  Wladislaus  dem  Jageionen  grösstentheils 
umgebaut  wurde.  Dieser  Hof  diente  einst  als  Börse, 
wo  die  Kautlente  der  verschiedenen  Länder  zusammen- 
kamen ,  Silber  anzukaufen.  Die  bevorzugten  in  Kutteii.- 
berg  regelmässig  verkehrenden  (Jeldmänner  hatten  ihre 
besondern  Plätze,  welche  durch  Länder-  oder  Städte- 
wappen bezeichnet  wurden;  so  sieht  man  die  Wapi)en 
von  Breslau,  Sclnveidnitz,  Mecklenburg,  Nürnberg  und 
andere  mehr  oder  minder  gut  erhaUene  Schilde  mit  Ab- 
zeichen. Einige  nicht  sehr  bedeutende  Schnitzereien  untl 
ein  originelles  Gemälde  aus  dem  Jahre  1492  werden 
in  dieser  Capelle  aunjewahrt  und  sollen  an  geeigneter 
Stelle    bes]n'ochen    werden. 

Die  S.  Wenzels-Capelle  und  der  Chor-Schluss  der 
Maria-Himmelfahrts-Kirche  sind  die  einzigen  Denkmale 
Kuttenbergs,  welche  in  das  letzte  Decenninin  lies 
XHL  Jahrhundert  hinaufreiehen. 

(Literatur  in  Bctretf  der  mit  einziger  Mittelsäule 
versehenen  Bauwerke,  l'röckl :  Eger  und  das  Egerland 
—  Grueber,  die  Kaiserburg  zu  Eger.  —  Derselbe : 
die  Baudeukmale  der  Stadt  Kuttenberg.  Mitth.  d.  k.  k. 


Frankreich  vorkounnt  und  in  Deutschland  sieh  zu  aner- 
kennenswe.lhesler  Selbständigkeit  entwickelt  hat  ,  in 
Böhmen  nml  .Mähren  nicht  Eingang  gefunden  habe.  Die 
wenigen  dieser  lÜclitung  angehörenden  Denkmale  liegen 
an  den  Gränzen  und  verrathen  äussere  Einwirkungen; 
in  Trel)ie  sprechen  sieh  österreichische  ,  in  Eger  und 
Osseg  fränkisch-sächsische  Einflüsse  aus.  Die  im  Luu'i'n 
des  Landes  V(nk(inmienden  aus  dem  XIH.  Jahrhundert 
stammenden  Bauwerke  sind  entweder  romanisch  oder 
sie  zeigen  einen  eigenthümlich  früh-gothischen  Sty', 
welcher  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  eine  strenge  mit- 
unter sogar  harte  Gliederung  anninnnt.  Fntergeordnete 
stylistisclie  Schaftirungen  kunimen  häutig  vor,  selbst  in 
jenen  Gegenden,  wo  eine  Bauschule  nachgewiesen  wer- 
den kann. 

Die  Klöster  wie  die  aufidüheuden  Städte  gingen 
nicht  aus  der  einheinn'schen  Bevölkerung  hervor,  son- 
dern waren  auswärtige,  meist  ans  Deutsehland  herüber 
gezogene  Colonien,  welche  je  nach  den  Ausgangsorten 
ihre  besomlerc  Kunstübung  und  Anschauungsweise  mit- 
brachten. Durch  diese  Verhältnisse  wird  erklärliehe 
warum  in  ganz  entgegengesetzten  Orten  gleichartige 
Formen  auftreten  ,  während  nmnchuial  in  unmittelbar- 
ster Nähe  die  verschiedensten  Styl-Iiichtungen  getrotfen 
\yerden.  So  stimmen  z.  B.  die  Kirchen  von  Saaz  und 
Caslau,  von  Hohenniauth  und  Aussig  Uberein ,  währeml 
die  Denkmale  zu  Pilsen  eine  durchaus  cigenthümliche 
Iiichtung  beurkunden. 

In  der  ersten  Hälfte  des  XHL  Jahrhunderts  ist 
der  von  den  Klöstern  ausgehende  Einfluss  noch  allent- 
halben vorherrschend;  nach  1250  macht  sich  das  mehr 
und  mehr  erstarkende  Städteleben  geltend  und  gewinnt 
bald  die  Oberhand.  Unter  der  Regierung  König  Wen- 
zel I.  begann  der  Handwerkerstand  sich  auszubreiten; 
unter  Utakar  IL  bildeten  sich  in  Böhmen  die  ersten 
Centr.    Connn.    Jahrg.    18(31.    Wocel,     archäologischer      Zünfte  und  Innungen,  und  es  entstand  das  sogenannte 


Reisebericht  durch  das  westliche  Böhmen,  Mitth.  der 
k.  k.  Centr.  Connnission,  Jahrgang  185'.).  —  Stare 
Pameti  Kutno-Horske.  Praci  Jana  Kofinka.  1G75.  -- 
Graf  Sternberg,  Gesch.  der  böhmischen  Bergwerke.) 

RückbHeke   auf  die  Kirelieiibauteu  des  XIV. 
Jalirliuuderts. 


Meilenrecht,   welches   den    städtischen  Handwerker  m 
seincjji  Betrieb  schützte. 

Über  die  Herkunft  der  Colonisten,  welche  damals 
naeii  Böhmen  und  Mähren  einwanderten,  besitzen  wir 
nur  mangelhafte  Andeutungen.  Die  Mehrzahl  der  Ein- 
wanderer gehörte  wohl  den  umliegenden  Gebieten, 
Franken,  Sachsen  und  dem  bayerischen  Xordgau  an,  die 
gebildetere  Classe  der  Städter  jedoch  waraus  Flandern, 


Schon   bei    flüchtiger   Betrachtung  der    in  diesem      Holland,  Seeland  und  Xiedersaehsen   herübergezoge 


Theile  angeführten  Denkmale  stellt  sich  heraus,   dass 
ein  eigentlicher  Übergangs-Styl,  wie  er  in  England  und 

I 


Die   kunstreichen  Handwerker    scheinen    meist  Rhein- 
länder gewesen  zu  sein. 


'    iV 

1  ._1^ — ^1 — 1 

j^-c 


|+Hr|!H+|- 


Fig.  143.     (Pilsen.) 


39  =i 


—     298 


Röiniselier  Grabstein  von  Jennersdorf. 

Von  Prof.  Dr.  Friedrich  Pichler. 


Am  Tage  der  Eröffnung  der  (Jrätz-Kaaiier  Eisen- 
liahu  wurde  mir  im  Joanneum  zu  Grätz  die  Aiiftindinig' 
eines  römischen  Grabsteines  zu  Jenuersdorf  in  Ungarn 
an  der  steierischen  Gräuze  gemeidet.  Später  iiber- 
liraclite  mir  der  Bürgermeister  dieses  Ortes  eine  C'ojiie 
der  Reliefs  und  Schrittzeilen  des  Jlunuirnntes,  deren 
Fehler  bei  einer  näclistiiachgefolgten  LSesiehtigung'  des 
in  Jennersdorf  aufbewahrten  Denkmals  sich  behoben. 

Das  firabmal  ans  dem  weissgelblichen  krvstalli- 
nischeu  Kalke  des  liachern-Gebirges  in  l'ntersteiner, 
1-74  Met.  hoch,  73-8  Cm.  breit,  10-5  Cm.  dick,  zeigt  im 
Frontisi)iz  einen  linkssehenden  Adler  mit  ausgebreiteten 
riügeln,  in  den  zwei  unteren  Frontispiz- Winkeln  je 
ein  Ei)henblatt  und  als  Seitenanfsätze  Je  einen  kauern- 
den Löwen ,  von  denen  der  rechte  abgebrochen,  doch 
vorhanden  ist.  Über  dem  Frontispiz  setzt  sich  eine 
kleine  Basis  an,  welche  eingehöhlt  und  als  der 
eines  noch  aufzusuchenden  bärtigen  Kopfes  entweder 
oder  des  aufstreliendcn  Ikarus  zu  betrachten  ist.  Unter 
dem  Frontispiz  folgt  zunächst  ein  Ornament  von  je 
drei  Epheublättcr-Paaren  mit  einem  oben  und  unten 
dreigetheilten  J'iumen-Motiv  (Lotos?)  inmitten.  Zwischen 
den  beiden  Seitensäulen  ,  deren  Cajiitäle  veiinitzt,  die 
Schäfte  gewunden  sind,  und  dem  Untersatz-Belief  die 
links  gewendete  ziiriickschauende  Wöltin  mit  den  Zwil- 
lingen, befindet  sich  die  sicbenzeilige  Inschrift.  Voraus- 
zuschicken ist  noch,  dass  die  Steinplatte  in  der  Rich- 
tung der  zweiten  Zeile  gebrochen  und  zu  unterst  mit 
einem  Einsatzstücke  versehen  ist,  zu  (Mneni  breiteren 
und  dickeren  Sockel,  der  auch  erst  aufgefunden  wer- 
(bn  muss.  Die  Aufgrabungsstelle  ist,  wie  gesagt,  Jen- 
nersdorf bei  St.  Gotthard  und  Neumark,  in  dem  Wald- 
liiigel-Complexe  östlich  v<un  steierischen  Schlosse  Ho- 
henbruck  und  zwar  von  Jennersdorf  (Gyanifalva)  nörd- 
lich aufwärts  jenseits  der  lehinichten  Aulschiittungen 
innerhalb  des  eine  halbe  Stunde  entfernten  Waldthäl- 
chens  in  einem  kleinen  Ackergrunde.  ]}ci  den  Aus- 
hebungen am  (').  April  ]M7'5  soll  der  Stein  schon  gel)ro- 
chen,  von  Münzen  und  'i'öijfergerätlien  nichts  \ortindig 
gewesen  sein. 

Die  Inschrift,  mit  Siegeln  von  der  Grösse  8-5  bis 
4-.')  Cm.,  in  schönen  theilweise  zierliclicn  Zfigen.  gegen 
l'^nde  sich  verjüngend,  zwar  mit  Abkürzungen,  aber 
ohne  Liuatiircn,  lautet : 

A  DNA  M  ATI 
F     AN  .  LXXX 

ET  CAT\LI„\E 

CGI     V  .  (ON 

AN   .   I.X    .   \l'!'\ 

IJI'.KKIA   .   F  .  (' 

Qiiartn  Adnamati  lilio  aiinonini  octogint;i  et  Catul 
lac  Coi  tiliae  coningi  annorum  se.xaginta  Uppii  libcrta 
facienduni  curavit. —  Wir  liabcn  also  hier  einen  Quartus, 
Sohn  von  Adnamat,  eine  Catulla,  Tochter  des  Coi,  lati- 
nisirt  Coius,  des  Quartus  Gemalin ,  dann  Up))U,  die 
Freigelassene  der  Beiden,  die  Denkmalsetzerin. 


Die  landeseigentliüniliclien  pannonisciien  Namen, 
die  grosse,  gute,  noch  nicht  sehr  längliche  und  noch 
ziemlich  tiefe  Schrift,  das  Absein  der  Ligaturen  fordern 
für  dieses  Denkmal  noch  eine  frühere  Zeit,  als  deren 
Gränze  etwa  die  Haltte  des  ersten  und  die  Hälfte  des 
zweiten  christlichen  Jahrhundertcs  zu  erachten  wären. 
Es  scheint,  dass,  fänden  sich  nachmals  fundbegleitende 
Münzen,  diese  nur  Traiane,  Hadriane,  Aelier,  Antonine 
sein  könnten. 

Dem  übrigen  norisch -pannonisciien  Inschriften- 
wesen sehliesst  sich  der  jennersdorfer  Schriftstein  so 
verwandt  au,  dass  er  kaum  wie  ein  neuer  erscheint. 
Geht  doch  zunächst  an  der  steierischen  Ostgränze  gegen 
Ungarn  eine  Reihe  von  Rinner-Fundorten  herab  von  Fried- 
berg* bis  Polsterau  als:  Ilochstrasse,  Dcchantskirchen*, 
Ehrenschachen ,  Grafendorf*.  Kaindorf*,  Löff'elbach*, 
Penzeudorf,  St. Johann  bei  Hartberg,  Hartberg*,  (Inder 
Breite  von  Steinamanger),  weiterhin  Ebers-,  Walters-* 
und  Hainersdorf*.  Altenniarkt*.  Riegersburg*,  Feld- 
bach*. Gleichenberg*,  Kohlberg,  Straden,  Hunnners- 
dorf,  Radkersburg,  Kerschbach*.  (irosssonntag*.  Frieda u 
und  Polsterau,  von  denen  14  Schriftdenkmal-Fundorte 
(*)  sind.  Speeiel  im  und  nächst  dem  Raabgebiete 
finden  sich  solche  ^lonuniente  von  Heilbrunn,  Rossegg 
(Mitth.  d.  h.  V.  XV.  ISC.  204),  Fladnitz,  Weiz,  Pischels- 
dorf,  St.  Ruprecht,  Freiberg,  Gleisdorf  (Steiner  corp. 
inscr.Ü.u.Rh.  2!t24,  2926,  2'J22— 2;i.  2<t()L  2027.  2899, 
2900,  Mitth.  XV.  187)  abwärts  bis  Feldbach,  Riegers- 
Imrg,  Gleiclienberg  (Nr.  2928,  29;;o.  2^)29),  welche 
letzteren  Fiimlpuidvtc  im  Westen  die  jennersdorfer 
Sieile  umschliessen. 

In  Betreff  der  Xamens-Eigcnthündichkeiten  stimmt 
die  oben  angeführte  Inschrift  zu  einer  grossen  An- 
zahl derer,  wie  sie  sich  in  Steiermark,  Kärnten,  Krain, 
Österieicli  und  Salzburg  tinden.  Die  Vermuthung,  dass 
ein  guter  'Plieil  der  römischen  Zahlnamen  auf  die  er- 
sten Generationen  nach  den  nocii  keltisch  Benannten 
der  Eroberungszeit  hinweise,  eine  Vermuthung,  wie  sie 
bislu'i'  allzu  wenig  in  Retracht  gezogen  worden,  erhält 
auch  hier  ihre  liestätigung.  Quart us  heisst  der  Sohn 
des  keltisch,  oder  sagen  wir  allgemeiner  einheimisch 
lienannten  Adnamat.  Der  Name  Quartus  erscheint  auf 
.steierischen  Sehriftsteinen  zu  Cili,  (ieisthal,  Leibnitz, 
Qiiartius  zu  Cili,  Quarta  zu  Cili,  .ludenliurg.  Leil)nitz, 
St.  Stephan  iiei  Tütl'er,  Strass,  Qiiartina  zu  Cili,  Stra- 
nitzen,  aucii  Quadratus  zu  Cili.  Wollte  man  miler  sol- 
chen Zalilnanicn  bis  Decimia  (Cili')  linselniu  halten, 
so  würden  jjeispiele,  dass  nüt  Zahlnanien  lien.annte  von 
keltischen  Altern  sind,  der  Verniuthung  eine  sichere 
L'nterlage  geben.  So  ist  Secundus  von  Veracus  (Admont), 
von  Magimarus  (Cili),  Secunda  von  Catullus  ((iallen- 
hoi'en),  Secundinus  von  Quispitulus  (^(iains),  Secuudina 
\<ui  Sc'ccon  (^Einöd)  ;  'i'ertius  sicher  eines  Kellen  Sidni, 
ist  Genial  der  ,\tepodua  und  diese  die  Tochter  eines 
Quartus  (Leibnilzi:  Quarta  von  Daniion(St.  Stephan 
liei  Tntfcr),  Quarta,  die  Freigelassene  der  Camula 
(.ludeiibiirg),  Q>iiadralus  lieist  der  Sohn  des  Trogimar 
(^Slranitzeiij,  (^uintiaiius    der   von   Citton   (^Eppenstein), 


•i9<) 


auf  ähnlii'lie  Lebergaiigszustiiiitle  liiiiweist  Successus-a, 
oder  die  Beibeiieiuiuii^'  Sextia  Siiputa  (^Cili). 

Der  Name  Adnaiiiatus,  dem  Niuni.siuatiker  be- 
kannt von  den  f;nllischen  und  quadiselien  oderboiisclien 
Tetradraehmeu  (Lelewcl  III.  \-2  ,  f'onbrouse  ."UH, 
Moninisen  G.  d.  r.  JI.  (iiif).  Üepert.  d.  steienn.  Münzk.  I., 
S.  1(J7 — 170),  ist  stcininscluil'iiicii  naobiiewiesen  zu 
Altenniarkt,  Eppenstein,  Grossiobniini^';  da  ist  Adna- 
niat  der  Vater  der  Kessilla,  mit  erscheinen  Kessimar 
und  Jantumar;  da  ist  Adnnmat  der  Sohn  von  Qnintia- 
nus  C'ittonis  F.  mit  NigcUa  Liliboudes;  da  ist  endlich 
Adnamat'  (leiual  der  Caleti,  mit  erscheinen  Piiuicus 
Victoris  F.  und  Kanona.  llielier  zählen  auch  der  Ad- 
iiamaeton  von  ZoUfeld,  Adnamus  von  Gurk,  Gmünd, 
Adnama  von  St.  Georgen  oberhalb  Murau  und  Geis- 
thal, Annanius  von  Wolfsl)erg-,  Adnamius  von  Cili,  mit 
cdgn.  Flavinns  (^genaue  Zeit  157,  158  n.  Chr.),  Gurk, 
Wörschach,  ähnlich  zu  St.  Ursula  in  Krain. 

Wenn  auch  Catulla,  Catullns  reinrömische  Namen 
sind,  so  geben  sie  sich  doch  unter  Umständen  und  be- 
sonders nach  lucalen  Motiven  als  Latinisirung  einhei- 
mischer Namentormen.  Ist  doch  in  reinkeltisciien  Wort- 
formen  die  Composition  Aon  CAT  ebenso  nachgewiesen 
(Cattiin,  Catussa,  Catur,  Catus,  Cattos,  Caturix,  Catug- 
iiatus,  Zcuss  8.'!7,  vgl.  Gotulial,  wie  der  Ausklaug  aut 
nl  in  Aili.-itul,  Bellatul,  Bussul(a),  f'amul(a),  Uotul(^ia), 
DiastuU,  Jantul.  .Itul.  Marnll(^a),  Marull(ins)  Medull(ia), 
vgl.  Ortsname  Metullum),  Quispitul,  Saitull,  Totul,  um 
Tertiill  und  Ursul(a)  nicht  herbeizuziehen.  Wie  sollte 
hier  Catulla.  des  Coi  Tochter,  des  Adnamat  Gemalin, 
anders  als  keltisch,  etwa  von  Cotula,  benannt  sein?  Zu 
Leibnitz  auf  dem  Carminier-Steine  ist  Catulla  Mannes- 
iiame,  zu  Einöd  die  Catulla,  möglicherweise  Bucci  oder 
älml.  f.,  aus  diesen  scheint  nichts  hierher  Bezügliches  zu 
folgern.  Der  Catullus  von  Gallenhofeu  mit  seiner  Toch- 
tei-  Secunda  gehört  einer  sicher  keltischen  Familie 
(Vibeniis,  Couson,  Successus)  an,  der  Cilier  Catullus 
(C.  Fuscinius)  dagegen  ist  Bömer  oder  doch  vollständig 
romanisirt ,  noch  zutretYender  die  IJomaina  C'atullina 
aus  Landscha.  (Arch.  f.  k.  oe.  G-Q.  18(30.  24.  273.) 

Die  Stelle i'OI erinnert  zunächst  an  der  Coio  oder 
Coios,  nach  den  französischen  Archäologen  ein  Gallier- 
fürst, nach  de  Saulcy  (Rev.  num.  1861,  p.  86,  vgl.  18G2 
Tab.  1)  des  Cäsar  Seqnanerhäuptling  Coiosticus;  wei- 
terhin an  ähnlich  inscribirte  Silbcrmüuzen,  wie  sie 
Eckhel  doct.  IX.  17]  angezogen  hat,  oder  das  San- 
toneiistück  mit  Anuicoios  (CrazanuesRev.  1840  pl.  XVI. 
11).  Im  Übrigen  zählt  der  Name  Coins  zu  den  norisch- 
pannonischen  Seltsanüieiten,  da  doch,  ausser  Coireca, 
noch  Coateo  oder  Co\'ius  von  Cili,  Seckan  und  Covido- 
miar  zu  Laak  bei  Stein  brück  lerner  liegen. 

Das  meiste  Interesse  bietet  der  Name  Uppu.Dem 
Wortkerne  nach  erinnert  man  sich  an  den  Upulalus  von 
Oberingelhcim;  auf  nurisch-pannonischem  Gebiete  liegt 
der  Ippo  von  Schwechat.  daini  etwa  Oitiio.  Oppalo, 
Opalo  nahe,  ebenso  der  Ortsname  Ui)ella.  Das  Voll- 
ständige gibt  uns  der  Grabstein  von  St.  Lanibrecht  mit 
den  Namen  der  Hörigen,  Calupa  und  Uppon ,  (wenn 
nicht,  nunmelir  liekrältigt,  sicherer  Upjiu,  Uppo),  vgl. 
Knabl  in  Mittli.  I.  42.  Die  veraltete  Ansicht  von  der 
halb  lateinischen,  halb  griechischen  Declination  etlicher 
einheimischer  Namen  löst  sich  eben  in  eine  gelegent- 
lich freie  Auslautung  und  Alländerung  der  Namcnformen 
auf.  Wir  haben  hier  den  nuni.  Uppu,  wie  auf  dem  lilein- 


schelkener  Steine  ( Ackner-Müller  825)  die  cives  norica 
Cotti,  wie  auf  dem  lanibrechtcr  Steine  in  Übereinstim- 
mung richtiger  S  |  IBI  .  ET  .  VI'PO^  |  CÜN  . 
KAR  .  den  Dativ.  Dagegen  wenden  .sich  die  ebenfalls 
auf  u  auslautenden  Caixu  fzu  Hartberg  des  Rantillius 
Tochter,  nom.)  in  Caixuni  (in  (ieisfhal  des  (^iiartus 
Tochter,  dat.),  Cattu  (zu  Baierdorf  wohl  des  IMontanus 
Tochter,  dat.)  in  Cattuni ;  wie  denn  so  auch  Japaru  (zu 
St.  Margarethen  bei  Knittelfeld  des  Senecius  Tochter, 
dat.  IA1'AR\'N),  Samicantu  (zu  Wayer  des  Gou- 
ton  Tochter,  dat.  SAMICAnX'NI  [  "cOVTONS) 
gedacht  werden  könnten.  Antlere  in  u  auslautende  sind 
masculin,  das  beweist  Itttt  des  Ripanus  Sohn  zu  Admont 
und  Ittu  Peculiaris  (ob  Peculiari  f?)  zu  Trog  bei  Anger, 
A.  f.  k.  oe  G-Q.  18Ü0.  24.  2(50.  Im  ersten  Falle  ist  das 
Aufgeben  des  u  dargestellt  durch  das 

ILA  HE  .  I  ITTONI.S    FIL 

in  der  Schlusszeile  des  nämlichen  Monumentes.  So 
folgt:  die  auf  u  auslautenilen  Namen  können  masc. 
und  fem.  sein,  sie  können  als  onis,  oni  oder  unis,  uni 
declinirt  werden.  Mit  o  jedoch  oder  on  verstehen  sich 
im  Nom.  die  mit  onis,  oni  declinirten  Buccion  (St.  Mar- 
garethen bei  Knittelfeld),  Goutton  (Wayer),  Otton  und 
Propion  (St.  Margai'ethcn)  u.  a.  als  masculina;  Contucon 
((irottenhofen),  Petton  (^Leibnitz)  u.  a.  als  fem.,  wenn 
niciit  eben  letztere  und  derartige  auch  mit  u  im  nom. 
nachweisbar  werden.  Auf  Abnormitäten  wie  Cotulia 
(St.  Veit  bei  Pettau,  St.  Margarethen  am  Silberberg), 
Vitoria  (St.  Martin  im  Greut)  als  Mannsname,  Caleti 
(Grosslobming)  als  fem.  noniin.  ist  hier  nur  hinzuweisen. 
Auf  dem  strassgangcr  Steine  möchte  die  angebliche 
Geuitivform  Materiu  „endigend  auf  die  tiefen  Vocal  u", 
da  flenn  doch  unter  ..einem  liefen  Vocal  u-'  nichts  Hand- 
festes zu  verstehen,  vielmehr  die  Leseart  fordern 

NAMMONIA  MARTERN 

also  Materni;  denn  die  Schrift  bringt  auch  ausserdem 
drei  Ligaturen  und  Maternus  ist  sonst  nachgewiesen. 

Liberia,  libertus,  conliberti,  endlich  sind  hinrei- 
chend vertreten  auf  den  Denkmalen  von  Cili,  Gross- 
sonntag, Hofmanngrund,  Judenburg,  Kaindorf,  Klein- 
stübing.  Kötsch,  Leibnitz,  Leitring,  Saaneck.  Traboch, 
^^'aldstein,  Wayer,  Wörschacli,  wie  vollends  Servus  zu 
Letusch,  St.  Landirecht.  Triebendorf,  Tüft'er,  Venia  zu 
St.  Lambrecht.  Lauter  Bestätigungen,  dass  diese  Stan- 
deskreise in  die  Familie  hineingezogen  sind  und  nach 
L^mständen  ganz  wohl  als  Denknialsctzer  aufzutreten 
das  Vermögen  haben. 

Zum  N'ergleiche  in  betretf  des  linkssehenden 
Adlers  im  Frontispiz  sei  hier  noch  eines  in  den  letzten 
Jahren  wiedergefundenen  Inschriftsteines  zu  Adriach 
bei  Fronleiten  in  (;)i)ersteiermark  erwähnt.  Das  Relief- 
bild ist  im  allgemeinen  das  nändiche ,  wie  auf  dem 
jennersdorfer  Steine,  wie  denn  auch  ein  zweiter  adiia- 
cher  Grabstein,  erwähnt  bei  MucharGesch.  I.  o40,  das 
gleiche  Bild  der  Wölfin  in  der  Basis  bringt.  Jedoch  ist 
Muchar  zn  berichtigen  in  Betreft"  der  Schriftcopie,   so- 


'  Dieselbe  Ligatur,  wolil  .-auch  auf  dem  leihnitzer  Steine  bei  Knabi  Sclir. 
d.  h.  V.  f.  I-O  S.  33,  Steiner-Nr.  29G0,  Zeile  3  PETTO.N  als  Pettoni,  nämlich  So- 
cundi  filiae  coniugi. 


—     300 


wohl  wie  er  solche  im  Texte  Bd.  I.,  S.  349,  als  wie  er 
sie  in  der  lithoi;raphischcn  Ahhildniiü:  gegeben  hat.  Da- 
mals, 1844,  lag  der  zertrümmerte  Stein  im  Holranme 
des  alten  Ftarrhaiises,  darauf  verschwand  er  und  fand 
sich  vor  18(i9  als  Pflasterstein  im  Hause  der  Thekla- 
Wirthin ;  seither  lagert  er  im  Friedhofe  zu  Adriach  und 
lautet : 


I)     M 
M  E  ^'  E  L  A  0 
LA' CIA 
FI  1-  i  A 

Dieses  Denkmal,  vermnthlioh  eines  Tliirigen,  feh- 
lend in  Steiner's  c.  inscr.,  Dan.  it  Kh.  zu  Xo  l'.^s,  zeigt 
im  Style  von  Schrift  und  Relief  eine  bei  weitem  spiltere 
Zeit  als  der  Stein  von  Jennersdorf. 


Die  Gruppe  XXIA'.  der  Wiener  Weltausstellung. 


Besprochen  von    J'i'.  Karl  'Lind. 

Mit  16  noizschnillin. 


So  wäre  denn  die  Wiener  Weltausstellung  beendet, 
ihre  Hallen  sind  geschlossen  ,  der  Menschenstrom  der 
■Besucher  hat  sich  zerstreut,  das  chaotische  Gawirre  von 
Menschen-stimmen,  Orgeln,  Glocken,  Claviers,  u.  s.  w. 
ist  verstummt,  und  statt  der  Fahnen  siiielf  jetzt  der  Wind 
mit  losen  farblosen  Fetzen  ,  die  noch  hie  und  da  an  den 
zahlreichen  Flaggenstangen  haften  geblieben.  Die  Aus- 
stellung selbst  gehört  der  Vergangmlieit,  der  Geschichte 
an,  die  Zeit  wird  sie  richten  und  manches  voreilig  ge- 
sprochene harte  Urtlieil  mildern.  Leider  knüpfen  sich 
an  dieselbe  ungeachtet  ihrer  weltiiistorischen  Bedeutung 
und  ihres  Gelingens  im  Grossen  und  Ganzen   so  viele 


Bitterkeiten,  Hnttäusehnngen  und  unnngenehnie  Erfah- 
rungen, dass  sich  nicht  leicht  und  nicht  so  bald  ein 
Staat  oder  sonst  jemand  entschlicscn  wird,  eine  Wieder- 
holung dieses  grossartigen  Sclianspieles  zu  versuchen. 
Statt  der  bewundernden  schau-  und  kauflustigen 
Menge  drängen  sicli  jetzt  Arbeiterzüge  durch  die  mit 
Kisten  und  Karren  umstellten  RiUurc,  überall  ist  man 
beschäftigt,  das  was  man  vor  .Monaten  mit  ameisen- 
gleicher  Emsigkeit  und  in  rastlosei'  Lliätigkcit  zusani- 
mengcl)raclit,  aufgestellt  und  mii-liclist  gefällig  aus- 
gestattet hat,  alizutragen,  zu  entfernen,  zu  zerstören; 
dort,   wo  ehedem  Prunk    und  (ilanz,    ist  jetzt  Sehmutz 


Fig.  1.    (Tepl.) 


—     •M)\      — 


und  Staub.  Viele  Käiinie  Mm\  verödet,  den  meisten 
steht  diess  für  die  näeiistc  Zeit  in  Anssiclit,  überall 
rüstet  man  sich  zum  Aiis/.us'. 

Es  ist  ein  welimütliii;er  Gedanke,  der  uns  all  die 
entschwundenen,  aus  der  seciismonatlichen  Vereinif^ung 
vielleicht  für  immer  g-erisseneu  Gegenstände  und  Herr- 
lichkeiten der  ganzen  Exposition,  insbesondere  der 
die  Producte  früherer  Kunst  und  Gewerbe  umfassenden 
XXIV.  Gruppe  wieder  ins  Gedächniss  zurückruft.  Es  ist 
zum  zweitenmal,  dass  Referent  viele  dieser  Gegen- 
stände in  AVien  vereinigt  sah  ,  wann  wird  diess  wieder 
sein?  Beidemal  hat  derselbe  an  dem  Znstandekommen 
der  Ausstelhuig  redlich  mitgeholfen.  Noch  einmal  wollen 
wir  die  ausgestellten  anti(inarischen  Gegenstände  des  lu- 
und  Auslandes  flüchtig  mustern  und  versuchen,  unsere 
Leser  durch  Reniiniscenzen  an  diese  Exposition  zu 
erfreuen,  während  die  Antirpiitäten  selbst  nach  allen 
Kichtungeu  der  Windrose  von  Wien  weg  und  wahr- 
scheinlich bereits  allerorts,  selbst  in  weitester  Ferne 
wieder  in  ihre  Heimat  zurückgelangt  sind. 

lieginnen  wir  mit  den  kleineren  Ausstellungen 
ausserhalb  des  Pavillon  des  amateurs. 

Die  Exposition  des  Amateurs  auf  der  AVeltaus- 
stellung  hatte  unter  anderen  auch  diesen  Fehler,  dass  die 
in  die  XX I\".  (;ni])pe  gehöi-igen  Gegenstände  der  verschie- 
deneu Länder  nicht  an  einem  Orte,  wie  z.B.  in  den  beiden 
Pavillons  nächst  der  Kunsthalle,  vereint  ausgestellt  waren, 
sondern,  was  auch  leider  bei  anderen  Grujipen  derFall 
war,  wurden  die  Objecte  theils  in  der  Industriehalle  mit 
den  Landes-  und  Indnstrie-l'roducten  vereint,  wie  bei 
Komanien,  Tunis,  Griechenland  etc.,  oder  in  abgeson- 
derten, nicht  ganz  leicht  auftiudbaren  Pavillons,  die  den 
Annex  zu  vielerlei  Ausstellungs-Gruppen  des  liezüg- 
lichen  Landes  enthielten,  unter  aderlei  nnzusammen- 
gehörigen  Gegenständen  versteckt. 

So  war  es  zum  Beispiel  mit  Spanien  der  Fall.  Ein 
ziemlich  ausgedehntes  einstöckiges  Bretterhaus  ,  aussen 
einem  Ziegelrohbau  ähnlich  bemalt,  enthielt  ebenerdig 
viele  interessante  Producte  des  Bergbaues  und  der  Land- 
wirthschaft,  insbesondere  Sämereien,  Tabak;  dagegen 
waren  die  Eäumlichkeiteu  des  ersten  Stockwerkes  der 
Aufstellung  vielartiger  Gegenstände  gewidmet,  wie  mo- 
dernen Watten  und  militärischen  Ausrüstungsgegenstän- 
den, Producten  des  Kunst-  und  Buchhandels,  Lehrnntteln 
und  Schülerarbeiten,  und  endlich  auch  den  Denkmalen 
früherer  Zeiten.  In  dem  letztgenannten  Fache  hatte 
Spanien,  dessen  Betheiligung  an  der  Ausstellung  unter 
den  gegenwärtigen  Verhältnissen  ü))erhaui)t  volle  Aner- 
kennung verdient,  wenn  auch  wenig,  so  doch  grössten- 
theils  Gegenstände  von  höherem  kunstgeschichtlichen 
und  wissenschaftlichen  Werthe  eingesendet. 

Vor  allem  nahmen  die  volle  Aufmerksamkeit  des 
Beschauers  die  einigen  Stücke  auf  sicli,  durch  welche  . 
die  Armeria  nacional  zu  Madrid  vertreten  war.  Da  fand 
sich  der  interessante  arabische  Helm  des  Boabdil,  des 
letzten  Königs  von  Granada.  iJcrseibe  repräsentirt  eine 
ganz  eigentluunli(die  und  in  l^auni  mehr  als  diesem 
Exemplar  erhaltene  Helmform,  ist  oben  ziemlich  flach, 
lässt  das  Gesicht  ungeschützt ,  deckt  vorn  die  halbe 
Stirn  und  reicht  an  den  Seitentheilen  und  am  Bücktheile 
bis  gegen  die  Achseln.  Am  Piande  und  an  der  K<tpf- 
rundung  ist  ein  reich  oruamentirtes  in  Gold-Tauschi- 
rung  ausgeführtes  Band  angebracht. 


Die  FussrUslungen  Königs  Karl  V.  (1500 — 15.58) 
und  Philipp  11.  (1:27— LöO«),  auHallend  durcii  den 
mächtigen  glockenförmigen  Schurz,  zeichnen  sich  durch 
ihre  reiche  Verzierung,  bestehend  in  schön  ornamentir- 
ten  goldtauschirten  Stri(dien  aus. 

Die  Pruukrüstung  Philip])  III.  i  löH.S  -1(;21)  gehört 
hinsichtlich  der  darauf  verwendeten  \'erziernng  in  getric- 
ener  Arbeit  zu  den  interessantesten  Objectcu  dieser  Ab- 
tiieilung.  Sämnitliclic  Püstungsbestandfheile  sind  mit 
zierlich  gemusterten,  aneinandergereihten  Bändern 
überzogen,  die  Dessins  zeigen  neben  sehr  geschmack- 
vollen Kenaissance-Mustern  auch  noch  eines,  das  dem 
gothischen  Lilicnliande  sehr  ähnlich  ist.  Die  vierte 
Rüstung,  bestimmt  für  das  schwere  Gestech,  wird  dem 
Don  Juan  von  Oesterreich,  geb.  154711577,  zugeschrie- 
ben. Sänmitliche  Theile  sind  mit  stark  hervortretenden 
vergoldeten  Strichen  verziert,  die  Brust  ist  rechts  nnt 
einem  derben  Rüsthakcn  und  Schwebscheibe  und  an  der 
linken  Seite  mit  kleiner  unten  abgerundeten  gegitterten 


Fig-.  2.  (Admont.) 

Tartsche  versehen.  Ausserdem  waren  noch  zwei  Kinder- 
rüstungen ausgestellt,  bestehend  aus  l)lau  angelaufenem 
Harnisch  undllelni.  Beide  Stücke  haben  die  gewöhnliche, 
gegen  die  Mitte  des  XVI.Jahrluin<lerts  übliche  Form  und 
sind  mit  reicher  Gold-Tauschirung  geschmückt. 

Aon  den  übrigen  (Tegcnständen  dieser  (iruppe 
seien  noch  erwähnt  eine  Sturndiaube  von  der  bekannten 
in  eine  Spitze  zulauteuden  Gestalt  ohne  Genickschirm 
mit  Naseneisen  und  geätzter  vergoldeter  Verzierung, 
erbeutet  in  der  See-Schlacht  bei  Lcpanto  und  zuge- 
schrieben dem  türkischen  Admiral  .\li  Pascha;  zwei 
Schilder  runder  Form,  der  eine  mit  goldtauschirter  Ein- 
fassung, der  andere  mit  reicher  Gravirung,  im  Ganzen 
aber  mindere  Arbeiten,  endlich  vier,  theils  ins  XVIII. 
theils  XIX.  Jahrhundert  gehörige  Gewehre,  beaehtens- 
werth  durch  die  in  (iold  aufgeführten  besonders  ge- 
schmack\olIen  Verzierungen  des  Laufes  und  des 
Schlosses. 


_    ;jü2 


Fig.  3.  (Wieu.) 

Die  Elickwiiiid  des  Cabiuets,  in  welcliein  diese 
Itüstuni;en,  Helme,  8cliildcuiul  Waft'eu  aufgestellt  waren, 
zierte  eine  grosse  mit  Hoelistickercien  versehene  Tapete 
aus  dem  X\  III.    Jahrhundert. 

Als  Jluster  sehr  scliöner  Ilolzsehnitzereicn  muss 
man  erwähnen  einen  kleinen  tragbaren  der  Kntliedrale 
zu  Leon  gehörigen  Predigtstuhl  und  den  Kücktheil 
eines  Chorstnhles;  ersterer.  <dine  Sehalldcekel,  hat  die 
acht  Felder  der  Ürust  mit  sehr  zieriieiien  Sehnitzereien 
in  Relief  geschmückt,  und  zwar  ist  der  obere  Theil 
jedes  Feldes  mit  spätgothischeni  Masswerk,  der  untere 
mit  lllumengewinden  und  Kngelsfigiirchem  imOesclnnacke 
der  li'cnaisance  ausgefüilf,  der  Kanzelftiss  zeichnete  sich 
durch  (ieschniackldsigkcit  ans,  ist  eine  jüngere  Zuthat. 

Weitere  Holzschnitzereien  fanden  sich  im  nächsten 
Saale,  darunter  zwei  niedrige  Kästen,  einer  mit  spät- 
gofhischcr  Verzierung,  der  anderem  im  Geschmacke  der 
h't  iiaissance  ausgestattd. 

Diesen  zweiten  Saal  betrat  man  dm-ch  eine  'l'liür, 
an  welcher,  eigentiiUmlichcr  Weise,  wenn  auch  gut  aran- 
girt,  ein  l'luviale  als  Vorhang  verwendet  wurde.  Das- 
selbe, insbesondere  dessen  breite,  kostbare,  mit  Sticke- 
rcien  auf  (ioldgi-und  gescimiiicktc  li'an(l\  erlii-iimung  und 
der  ebenso  behandelte  lilickenschild  \erdienten  einige 
15eachtung.  In  der  Nähe  befanden  sich  noch  weitere  mit 
Stickereien  gezierte  Fragmente  kircldicher  Gewänder, 
sämnitlich  der  «"apellc  des  .lacobsspitals  zu  Sant-Jago 
entnommen   und  aus  dem   X\\.  .laluhiindert  stammend. 

In  diesem  Saale  linden  sicii  zahlreiche  Anti(|uitäten 
der  verschiedensten  .\rt,  wie  Stein waffen,  Original-Per- 
gamenf-Urkundcn  mit  angchängicn  Siegeln,  vergoldete 
alt-araliischc  und  pernanische  \'as<n  und  Thongefässe 
mit  seltsam  |diantastischen  Fornuni,  zwei  sehr  interes- 
sante bronzene  und  gravirle  Astrojaiiirn,  alte  sjianischc 
Landkarten,  antike  oricntalischr  und  mexikanische  Ge- 
lasse, viele  sehr  beachtcnswertiic  antike  nnd  mexikani- 
sche Figuren  und  lldiefs,  ferner  s(dche  ;ius  der  Zeit  der 
\'()lkerwanderiing ,  des  romanischen  und  g(jtliiNchen 
Styles,theils  im  Original,  theils  in  (iyits-Abglisscn,  l'ubli- 
cal Ionen  der  neuesten  Zeit   llber  die  architektonischen 


Kunstdenkmale  und  Gemälde-Sammlungen  Spaniens, 
zahlreiche,  mitunter  grossen  Meistern  zugeschriebene 
Öhlgemälde.  Aus  der  Fülle  dieser  Gegenstände  müssen 
wir  auf  lo  Statuen  des  [Madrider  ^luseums  zurückgreifen. 
Sie  erscheinen  uns  einer  besonderen  lieachtiing  werth, 
da  sie  sich  dadurch  charakteiisirteu,  dass  sie  sänimtlich 
einen  Becher,  sicherlich  nur  mit  symbolischer  Beziehung, 
an  die  Brust  drücken.  Die  mittlere  grössere  Statue  ist 
mit  einem  altertbünilichen  Mantel  mit  beschwerenden 
und  herabziehenden  Knöpfen  an  den  Enden  bekleidet 
und  hat  auch  gleich  alterthündiche  reihenweis  geord- 
nete Haarlocken,  wie  sie  zur  Zeit  Hadrian's  üblich  waren. 
Ueber  dem  Kelche  der  einen  Figur  ist  ein  kleines  Wid- 
derbild, einer  anderen  ein  Apfel,  bei  einer  dritten  schwebt 
ülier  dem  Gefässe  ein  Stern,  am  rechten  Oberarm  der 
Halbmond,  am  linken  die  Sonne,  die  Gewamlung  aller  in 
der  Hauptsache  antikisirend.  Wir  wollen,  mit  Dr.  Henszel- 
mann  übereinstinnnend.  darin  die  Kunst  der  dama- 
ligen Bewohner  der  pyrenäischen  Halbinsel,  der  im  V. 
Jahrhnndert  eingewanderten  (rothen  erkennen,  die  sieh 
mit  roher  Technik  der  Antike  anschliesst  und  mannig- 
faltige Muster    derselben    zum  Vorbilde  nahm. 

Das  bedeutendste  Ausstellungs-Object  dieses  Saales 
war  unstreitig  die  grosse  bronzene  Grab]datte  ,  nach 
Art  der  Brasses,  welche  vom  archaeologischen  .Museum 
zu  Madrid  zur  Austeilung  gebracht  wurde.  Sie  bedeckte 
ursprünglich  die  Begräbnissstätte  des  Hauses  Gastrour- 
diales  in  Barcebnia  und  tiiigt  die  Jahreszahl  1411.  Wir 
sehen  in  der  Mittein  tief  gravirtenl'nirisscn  unter  einem 
baldachinartigen  Überbaue  und  auf  gemusterten  Hinter- 
gründe eine  männliche  Figur,  auf  einem  Löwen  stehend, 
in  langer  Kleidung  und  unbedeckten  gelockten  Hauptes. 
Die  Unn'ahnunig  des  P.ildes  besteht  aus  gothischen 
Jlotiven,  zeigt  in  vier  Nischen  sechs  A]iosteltiguren, 
oben  den  thronenden  Erlöser  umgeben  von  musicirenden 
Engeln,  den  äussersten  Rand  füllt  die  Inschrift  aus. 
Gleichwie  in  Deutschland  derlei  nu'tallene  ,  frülier 
selten  und  erst  seit  der  Mitte  des  XH'.  Jahrhunderts 
in  einigermassen  grösserer  Anzahl  erscheinende  Grab- 
platten, für  Besonderheiten  und  als  kostbare  Reste  ver- 


Fig.  4.   (Wien). 


303 


gangener  Jahrliuiulerte  geschätzt  werden,  dürften  dieser 
Art  Denkmale  aiidi  in  Spanien  zu  den  \veni.i;er  vor- 
konnneiuien  Kunstwerken  g'eliüren. 

Der  dritte  Kaum  des  ersten  Stockwerkes  eiitiiielt  in 
arciiaeolugisclier  Bezieluini;'  Weniges,  dafür  für  den 
Etiniograhiicu  desto  mehr,  darunter  einen  höchst  merk- 
würdigen Aztcken-f'odex,  mit  noch  inuner  nicht  cnt- 
zitferten  mcxicanisclien  Hieroglyphen -Sclirift,  Wafl'en 
aus  Jlexico  und  Peru.  Von  Antiquitäten  sind  zu  er- 
wähnen ein  grosser  vergoldeter ,  etwas  nüchterner 
Holzaltar  ans  der  Si)ät-lvenaissance  und  ein  Vortrage- 
kreuz aus  derselben  Zeit  mit  nnverläugbaren  aus  der 
Gothik  herüliergenonnncnen  Motiven  bezüglich  dessen 
Form. 

Wir  wollen  nun  unsere  Leser  in  den  östlichen 
Theil  der  Industriehalle  führen,  woselbst  unter  andern 
Ländern  Griechenland,  Romanien,  Persien,  Tunis,  ]\ra- 
rocco,  die  Türkei  ihre  Schätze  ,  Laudesproducte  und 
Paritäten  ausbreiteten,  und  darunter  gar  manche  kost- 
bare Antiquität  zur  Schau  stellten. 

So  standen  in  den  Abtheilungen  fürTunis  und  Ma- 
r  0  c  c  0  unter  den  Erzeugnissen  der  neuesten  Zeit  mehrere 
sehr  interessante  classisch-antike  Sculpturen,  insbeson- 
dere eine  prachtvolle  Ceres-Statue  und  die  eines  Bachus, 
dann  herrliche  ornamentale  Reliefs  ,  Grabdenkmale 
n.  s.  w.,  sämmtlich  aus  weissem  Marmor,  dann  Fragmente 
von  Mosaik-Fussböden  untl  einige  metallene  Schmuck- 
gegenstände, unter  denen  eine  hübsche  Kette  dess- 
halb  bemerkenswerth  erschien,  weil  sie  gewiss  nicht 
orientalischen,  sondern  europäischen  Ursprunges  ist 
und  im  frühen  Jlittelalter  von  irgend  einem  italienischen 
Goldschmied  angefertigt  worden  sein  mag. 


stücke  von  solchen  Originalen  und  eine  grössere  Partie 
farbiger  Ani])horen. 

Die  'J'ürkei,  deren  Brennpunkt  hinsichtlieh  anti- 
(|iiar;scher  Gegenstände  die  selbständig  aufgestellte 
herrliche  Sammlung  von  Waffen,  Helmen,  Gefässen 
u.  s.  w.  aus  dem  Schatze  des  Padischah  war,  brachte 
in  ihrer  Abtheilung  auch  noch  etliche  Gegenstände, 
meistens  alte  Stickereien,  Messer,  Säbel,  Gewehre  und 
Sjjitzen  untergeordneten  Werthes.  Der  Kaiserschatz 
war  in  einem  Hofraume  des  Industrie  -  Palastes  nächst 
der  türkischen  Abtlieilung  ausgestellt.  Ein  auf  gemauer- 
tem L'nterbau  freistehender  Kiosk  aus  Eisen,  zu  dem 
zwei  Seitentrejtjien  empor  führten,  enthielt  in  seinem 
kleinen  Räume  an  den  vier  Wänden  und  in  der  Glitte 
je  einen  Glasschrank,  dessen  Inhalt  Dr.  v.  Vincenti  in 
der  Wiener  Abendpost  ausführlich  beschreibt,  woher 
wir  unsere  Notizen  entnehmen.  Von  den  Schau- 
kästen enthalten  drei  fast  ausschliesslich  Waffen  und 
Rüststücke ,  der  vierte  Gelasse  und  Raritäten  und  der 
jMittelschrank  nebst  Porzellangeschirren  und  Gewehren 
den  viel  berühmten  Thron  Nadir-Schachs  ,  mit  seinen 
wunderbaren  Emails-Translucides  und  dem  kostbaren 
Steinbesatz,  uebstdem  Helm  und  Panzerhemd  Murad  IV. 
und  die  reich  emailirten  Armschienen  Taraerlaus.  Wir 
nennen  das  gerade  Schwert  Mohamed  IL,  die  stark 
gekrümmte  Damascener-Klinge  des  vorletzten  egypti- 
schen  Mameluken -Sultans  El  Ghuri  und  die  Klinge 
Skanderbegs,  Jenes  Epiroten,  von  welchem  die  Ambraser 
Samndung  und  das  kaiserliche  Waffeumuseum  ebenfalls 
Gegenstände  besitzen.  Die  Satteldecke  und  die  goldenen 
Steigbügeln  mit  dem  Juwelen- ,  C'orallen-  und  Lapis- 
lazzuli-Besatz  erregten  durch  den  Reichthum  ihrer  Aus- 


Griechenland legte  eine  grosse  Collectiun  von      stattung  allgemeine  Bewunderung.  Wir  verzeichnen  noch 
Gypsabgüsseu  antiker  Sculpturen  aus,    daneben  Bruch-      die  eiserne  Streitkeule    mit    reicher   Goldtauschierung 


miw  m  jS  "iF  B^  n  s  n  m.  2  ^^w 


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XVIII. 


Fig.  5.  (\'ui-au.) 


40 


—     304     - 


Selim  II.,  den  Säbel  Murad  III. ,  dessen  Scheide  mit 
Rubinen  und  Diamauten  bedeckt,  so  wie  dessen  Pfeil- 
köclier  aus  getriebenem  Golde  mit  Edelgestein  bestreut, 
den  prachtvollen  Dolch  Suleiman  I.,  die  Kleinudien,  ein 
Paiium-Ei,  Opiumkajjsel,  Schreibscliatulle  und  Taschen- 
uhr Ibrahims,  das  albanische  Clewehr  mit  silbereinj^e- 
legten  Schaft  Achmed  I.,  die  Zinngefässe  mit  Steinbe- 
satz,   desgleichen  solche  aus  Rhinoceroshorn  u.  s.w. 

In  Ägyptens  Abtheilung  fand  sich  zwar  wenig 
Alterthümliches ,  doch  gehören  die  drei  Glaslampen, 
Moscheen  entnommen ,  und  das  bronzene  .\strolabiuni 
zu  grossen  antiquaren  Kostbarkeiten. 

Persieu  und  Romauien  hatten  einige  ältere 
Waffen  ausgestellt ,  darunter  schöne  tscherkessische 
Helme  mit  Goldtauschirung.  Letzteres  zeigte  überdiess 
einige  ältere  kirchliche  Gefässe  ,  darunter  ein  Ciborium 
mit  schönem  Zellenschmelz,  mehrere  Silber-  vergoldete, 
getriebene  Buchdeckel,  ähnlich  den  in  der  österreichi- 
schen Abtheilung  aus  griechisch- orientalischen  Klö- 
stern ausgestellten,  fein  geschnitzte  Holzkreuze  mit 
Metallfassungen,  etliche  Ripiden ,  mehrere  für  den  Ge- 
brauch der  niorgenländischen  Kirche  bestimmte  grössere 
und  kleinere  Hängeteppiche  undKelchdccken,  mit  darauf 
in  Flachstich  gestickten  christlichen  Darstellungen, 
(hauptsächlich  Christi  Grablegung  und  der  Tod  Ma- 
riens).  Sämnitliche  Gegenstände  dürften  dem  XVI.  und 
XVII.  Jahrhundert  angehören;  die  Anfertigungszeit 
derartiger  Producte  mit  Rücksicht  auf  Technik  und 
Ornamentatinn  selbst  nur  annäherungsweise  zu  be- 
stimmen, hält  sehr  schwer,  da  in  der  byzantinischen 
Kunst  eine  solche  Stabilität  herrscht ,  dass  dieselbe 
zu  einer,  man  könnte  sagen,  unveränderlichen,  ja 
verknöcherten  wurde.  Wird  diese  strenge  Richtung 
einmal  verlassen  und  werden  dem  Kunstgesciimackeder 
Neuzeit  durch  Fri'igubung  des  künstlerisch  individuel- 
len Strebens  Concessionen  gemacht,  so  hatte  diess  für 
jetzt  auf  kirehliclieni  Gebiete  eine  gewisse  Nüchtern- 
heit zur  Folge,  was  die  Ausstellung  kircidiclier  Kunst- 
gegenstäiide  der  Neuzeit  in  der  russischen  Al)thcilniig 
klar  und  deutlich  zeigte,  Koch  haben  wir  des  Sciiat/.es, 
gefunden  in  Petrossa,  zu  gedenken,  der  .stets,  wo 
immer  er  ausgestellt  wurde,  grosses  Aufsehen  erregte. 
Derselbe  wurde  im  Jahre  ]H'.'>7  von  zwei  runiänischen 
Bauern  entdeckt,  welche  mit  licm  Ausheben  von  Steinen 
aus  dem  Berg  Istrit/.a,  in  dem  J5ezirke  Petrossa  gelegen, 
beschäftigt  waren.  Im  Jahre  1842  brachte -Fürst  Michael 
Ghika  diese  kostbaren  ]{eliquicn  vergangener  Zeiten 
durch  Kauf  an  sich,  um  sie  dem  Museum  \(in  liii- 
karcst  zu  übergeben.  Man  vermutiiet  allgemein,  dass 
der  Fund  in  seiner  (iesammtheit  ans  22  Stücken,  sännnt- 
lich  aus  jinrem  Golde  angefertigt,  bestand,  doch  nur  zwölf 
davon  konnten  erhalten  und  in  der  Samndnng  vereint 
werden.  Darunter  sind  :  Ein  grosser  einfacher  goldener 
Ring,  ein  grosser  Ring  mit  einer  Inschrift,  eine  grosse 
flache  Schüssel  (in  vier  Stücken  zerbrochen),  eine 
Gicsskanne,  eine  ciselirtc  Patera,  ein  Halsband,  eine 
grosse  Fibula  in  Form  eines  Sperbers  ,  zwei  grosse 
Fifmlae  in  Form  von  Ibissen,  eine  kleine  Fibula  und 
zwei  Vasen  oder  Körbe  mit  zwei  Henkeln. 

Mehrere  dieser  Stücke  sind  massiv  und  mit  <;iscli 
rungen  geschmückt,  wUlirend  andere  noch  Ornamente 
von    Krystall    oder    Steinen    tragen.    Dr.    Franz    Bock 
hält  diese  grösstentheils  von  byzantinischen  Künstlern 
im  W.  .lahrhnndcrf  angefertigten  Gegenstände  llir  den 


Sehatz  des  zu  Beginn  der  Völkerwanderung  vorkom- 
menden Gotheukönigs  Athanarich,  welchen  derselbe  bei 
seiner  Flucht  vor  den  Hunnen  in  der  Erde  verbarg.  Athana- 
rich starb  in  Byzanz;  der  Schatz,  sowie  sein  Versteck 
geriethen  in  Vergessenheit,  bis  ein  günstiger  Zufall  ihn 
wieder  ans  Tageslicht  brachte  und  der  kunst histori- 
schen Forschung  eine  der  grössten  Merkwürdigkeiten 
übergab. 

Wir  konnnen  nun  zu  den  beiden  Pavillons,  die  sich 
als  Flügelbauten  der  Knnsthalle  östlich  anschlössen  und 
den  Kunsthof  gegen  Süden  und  Norden  abgrenzen.  Be- 
treten wir  zuerst  den  gegen  Norden  gelegenen.  Die  bei 
Weitem  grossere  Mehrzahl  der  Säle  beansiirnchte  die 
heutige  Kunst  Italiens,  wenige  Räume  waren  der  älteren 
Kunst  verschiedener  Staaten  gewidmet. 

D  ä  n  emark  beschränkte  sich,  eine  Sammlung  der 
wichtigsten  Typen  der  Steinzeit,  zusammengestellt  aus 
Fundgegenständen  verschiedener  Länder,  auszustellen. 
Wir  sahen  da  grobgehauene  Werkzeuge  ,  geschliflene 
Axtblätter,  halbrunde  Messer  oder  Sägen,  Schaber, 
Pfeilspitzen  aus  Feuerstein,  wenige  Stücke  aus  Bein, 
meist  von  geringen  Verhältnissen,  mit  Ausnahme  jener, 
die  aus  Dänemark  selbst  sfannnen,  gefunden  in  Frank- 
reich, Belgien.  Holland,  Irland,  Schottland,  DäiuMnark, 
auf  der  Insel  Rügen,  am  Cap  der  guten  Hottnung,  in 
Indien,  in  Pensylvauien,  Massaehutsets,  Brasilien,  auf 
den  Sandwichs-  und  Freundschafts-Inseln  (auf  letzteren 
noch  zu  Beginn  unseres  Jahrhuiulerts  im  Gebrauche 
stehend).  Diese  Collection  zeigte  uns,  <lass  die  in  der 
europäischen  Vorzeit  gebräuchlichen  \\'erkzeuge  mit 
Jenen,  deren  Benützung  diu'eh  die  wilden  Völker  unsere 
Zeit  erreicht,  in  einer  gewissen  l'bereinstinnnung  stehen. 
Sehr  interessant  sind  die  grönländischen  Antiquitäten, 
deren  grössere  Anzahl  in  Gräliern  und  unter  sog.  Küchen- 
abfällen gefunden  wurden.  Leider  war  diegrosse  königl. 
Sammlung  in  Kopenhagen ,  die  an  derartigen  Fundgegen- 
ständen überreich  ist,  nicht  vertreten,  wie  diess  wohl  bei 
der  letzten  Pariser  Ausstellung  der  Fall  war.  Wir  haften 
da  (irnppen  h(K'hinferessniiter  Gegenstände  kennen  ge- 
lernt, die  tiieils  in  den  Torfmooren  auf  Fünnen  und  See- 
land ausgegraben  (Waffen,  Geräthe,  Kleider,  Gewebe), 
fheils  mit  den  Kiökenmo(ldings(Küclienabfallresten)  ver- 
mischt (Sfeinwerkzeuge)  aut'gefiinilen  wurden.  Die  letzt- 
genannten sind  ninssenhatte  .\nli;iut'uiigen  vcni  Austern- 
und  anderen  .Muscludschalen mit  Thierknochen  (Hirschen, 
Wildschweinen,  Bären,  Wölfen,  Auerhähnen,  Häringen) 
mit  den  erwähnten  I'undstücken  gemengt,  die  an  den 
ri'ern  des  Kattegats  und  der  beiden  Belle  in  Millionen 
]vnl)ikschidien  gefunden  werden  und  deren  .VIti'r  man 
bis  zu  1  ().()( )0  Jahren  anninnnt. 

Schweden  stellte  unter  And  crem  ältere  Brodcrien 
und  Gewebe,  Holzarbeiten  älterer  Zeiten,  darunter  ein 
Service  ans  dem  Ki.  .lahrhnnderl  (die  i'"ornu'n  derTrink- 
gefässe  naciiArt  der  Kelche  und  Becher)  \c'rzii'rt  mit  auf- 
gesetzten kleinen  Beinkügclchen,  etliche  deniGöteborger 
Museum  gehörige  sillierne  Löffel  und  zwei  ziemlich  neu 
scheinende  Trinkhiirner  mit  Silberfassung  aus.  Eiiu'r 
Art  Waii(ite])|)icli  müssen  wir  an  dieser  Stelle  erwähnen, 
der  durch  die  in  ganz  absonderlicher  Weise  ausgeführten 
Bilder  der  Passion  beachtenswerth  erschien.  Die  Figuren 
siiul  in  höchst  primitiver  Weise  gezeichnet  und  in  Farben 
ausgeführt,  das  roslüm  aller  Figuren,  sei  es  Christus 
oder  die  Apostel,  Pilatus  oder  Krieger  ,  ist  das  der 
sciiwedischen  l,:nMllie\  iilkerung. 


;]o:> 


ItaÜLMis  antiiiuarische  Ausstellunf?  war  zieiiilicli 
nnhedeutend,  siehet'aiul  sicli  in  einem  Saale,  der  mit  einem 
licnlichen,  reieligeschnitzten,  aus  Ober-Oesterreich  da- 
liingebraeliteu  Holzplafond  geschmückt  war.  Auch  liier 
trat  uns  eine  grosse  CoUection  von  Steinwerkzeugen, 
darunter  viele  noch  uni)olirte,  davon  ein  Theil  im  Vihrju 
jathal  gei'unden  wurde,  entgegen,  doch  ohne  grosse 
Besonderheiten  oder  Seltenheiten  aufzuweisen.  Wie 
es  scheint,  treibt  Italien  in  neuerer  Zeit  das  Studium 
der  vorhistorischen  Alterthümer  mit  grösserer  Aufmerk- 
samkeit, denn  früher.  Wenn  wir  noch  der  in  Bronze 
und  Ebenholz  ausgeführten  Copie  des  capitolinisdien 
Thrones,  danchen  des  Modells  eines  antiken  römischen 
Hauses,  einer  antiken  Doppelherme,  alter  S])itzen  und 
gestickter  Bettdecken,  ferner  eines  Marmorbasreliefs 
aus  dem  XV.  Jahrhundert,  vorstellend  Maria  mit  dem 
Kinde,  umgeben  von  Engeln  und  Heiligen,  zwölf  sehr 
schöner  Teller  mit  Emails-Linioges,  deren  Vorstellungen 
meist  dem  alten  Testamente  entnommen  sind,  und  end- 
lich einer  mit  Gold  ciselirteu  Flinte  erwähnen,  haben 
wir    die    llauptgegenstände    dieser    Gruppe   erschö])ft. 

Die  englische  Abtheilung  bescliränkte  sich  auf  die 
Vorweisung  einer  höchst  bedeutenden  CoUection  von 
Silber-  (theilweise  vergoldet)  und  Messing-Gegenständen 
(Becher,  Krügen,  Kannen,  Pocalen,  Tassen,  Leuchter, 
Löffeln,  Theckesseln,  Spülgefässen  u.  s.  w.),  die  aus 
den  Zeiten  der  Könige  Karl  I.  und  H.,  Georg  I.  und  H. 
stammen,  aber  weder  an  Form  noch  Verzierung  etwas 
Hervorragendes  bieten. 

liussl and  hatte  eine  namhaite  Anzald  von  Gyps- 
Abgüssen  altchrwürdiger,  meist  kirchlicher  Gegenstände, 
darunter  auch  der  beiden  Thorflügeln  der  Soiiliienkirche 
von  Nischnci-Nowgorod  ausgestellt.  Dieselben  wurden 
durch  einen  Meister  Riquinus  auf  Befehl  des  Bischofs 
Alexander  v.  Block  um  die  Mitte  des  XH.  Jahr- 
hunderts verfertigt  und  zeigen  in  den  Darstellungen 
den  Sündenfall  und  die  Erlösung.  Dem  Prachtvollsten 
der  Ausstellung  muss  die  viele  Stücke  umfassende 
CoUection  von  Sevres-Porcellan  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  vorigen  Jahrhunderts  angereiht  werden,  die  Prinz 
Nicolaus  Repnik  aus  Kiew  zur  Schau  brachte.  Ähnlieh 
der  Suite  solchen  Porcelans,  welche  Freiherr  von  Roth- 
schild in  der  österreichischen  Amateur-Abtheilung  aus- 
stellte, zeichnete  sich  diese  Sammlung  durch  das  herr- 
liche Blau,  die  vorzügliche  Malerei  und  geschmack- 
volle Vergoldung  aus.  Interessant  sind  die  vielen  und 
vielartigen  Heiligenscheine  aus  (xold  ,  häutig  mit 
Emailbesatz,  die  für  die  Madonnen-  und  Heiligenliilder 
der  griechisclien  Kirche  bestinnnt,  in  einigen  Exemplaren 
bis  ins  XV.  Jahrhundert  zurückreichen.  Manche 
dieser  Niiubeu  sind  durch  ihre  Ornamente  interes- 
sant. Wenn  wir  noch  einiger  Silbergelasse  des 
XVI.  und  X\'II.  Jahrhunderts,  einer  grossen  alt- 
chinesischen  Vase  und  eines  Gobellins  mit  \ov- 
stellungen  aus  der  Geschichte  des  bayerischen 
Regentenhauses  erwähnen,  haben  wir  diese  Aus- 
stellung so  ziemlich  erschöpft.  Auch  alte  Bilder 
mit  Namen  berühmter  Jfaler,  wie  Andrea  del 
Sarto,  Rafael  u.  s.  w.,  hatte  Russland  zur  Ausstel- 
lung gebracht;  ob  diese  Vaterschaft  den  Bildern 
mit  Recht  vindicirt  wird,  wollen  wir  hier  ununter- 
sucht  lassen,  und  uns  nur  des  einen  (iemäldes 
erfreuen,  vorstellend  den  Stannnbaum  Jesse,  ein 
herrliches  Bild  der  niederdeutschen  Schule. 


Die  Schweiz,  deren  archäologische  Exposition 
last  einen  ganzen  Saal  füllte,  hatte  mit  gutem  Erfolge  ver- 
sucht, in  der  XXIV.  Grupjjc  vorerst  eine  möglichst  um- 
fassende Übersicht  ihrer  ältesten  Cultur-Denkmale  und 
gewerblichen  Thätigkeit  vorzuführen.  Es  sind  diess  vor 
Allem  Gegenstände  der  vor-historischen  Zeit ,  welche 
auf  Schweizer  Boden  besonders  zahlreich  gefunden 
worden  sind,  die  Denkmale  der  sogenannten  Stein-, 
Bronze-  und  Eisenzeit.  Wir  werden  durch  diese  Gegen- 
stände bis  in  die  Anfange  der  Cultur  zurückgeführt,  als 
der  Mensch  nur  aus  Steinsi)litfern  und  Knochen  sich 
einige  Werkzeuge  zu  schatten  wusste,  um  mit  deren 
Hilfe  die  zur  Erhaltung  des  Lebens,  zur  Ernährung  und 
Bekleidung  allernöthigsten  Arbeiten  vollführen  zu  kön- 
den.  Dr.  Gross  in  Neuenstadt  stellte  eine  reichhaltige 
Auswahl  derartiger  Fund-Objecte  aus  der  Station  Locras 
aus.  Wir  sahen  da  zahlreiche  Beile,  ^leissel  und  Häm- 
mer aus  Diorit,  Hornblende,  Ser])entiu ,  Feuerstein, 
Messer,  Dolche  und  Nadeln  aus  Knochen  und  Hirsch- 
horn, Amulette  und  Schmuckgegenstände  aus  Hirsch- 
hora,  Bärenzahn,  Knochen  und  Steinen,  Thonteller  und 
Triukgefässe.  Herr  Messikonnner  in  Stegen  stellte 
Schnüre,  Fäden,  Gewebe  verschiedener  Stücke,  Fran- 
sen, vielartige  Geflechte,  meistens  aus  Bastfäden  aus, 
die  in  den  Pfahlbauten  von  Koberhausen  am  Pfäfiiker- 
see  gefunden  wurden.  Diese  interessanten  Fundstücke 
liefern  den  Beweis,  dass  schon  damals  die  ^\'eberei 
nicht  unbekannt  war  und  zu  Beginn  der  Cultur  geübt 
wurde. 

Die  Zeit  dieses  Culturanfauges,  die  jedenfalls 
einen  grossen,  viele  Generationen  zählenden  Zeitraum 
umfasste,  lässt  sich  wohl  nicht  in  Ziffern  ausdrücken, 
doch  ist  es  ausser  Zweifel,  dass  damals  nicht  nur  die 
Vereinigung  in  der  Familie,  sondern  auch  in  einem, 
wenn  auch  sehr  primitiven  staatlichen  Organismus  be- 
stand. Die  Zeit  einer  etwas  höheren  Entwicklung,  des 
ersten  Culturfortschrittes,  etwa  lOUU  liis  löOü  Jahr- 
hunderte vor  unserer  Zeitrechnung  begränzt  sich  durch 
den  Gebrauch  des  Bronzes,  der  zu  dem  früher  erwähn- 
ten Materalien  noch  hinzutritt.  Es  ist  wahrscheinlich, 
dass  das  Bronze  den  Völkern  des  mittleren  und  nörd- 
lichen Europa's  anfänglich  von  anderen  in  Süden  gele- 
genen Völkern  duich  Vermittlung  des  Handels  bereits 
verarbeitet  gebracht  wurde,  bis  diese  erst  später  selbst 
kundig  wurden,  Bronzegeräthe  zu  erzeugen.  Bronze- 
gegenstände aus  Pfahlbauten  der  Neuenburger,  Züricher 
und  Bieler  Seen,  der  Jura-Gewässer-Correction  stellten 
in  zahlreichen  Exemplaren  Prof.  Desor  in  Neuenburg,  das 
Museum  Schwab  in  Biel  und  die  Stadtbibliothek  in  Bern 


Fig.  6.    (.Salzburg.) 


40* 


}0G     — 


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(Bartliolomäiberg.] 


aus.  Wir  fanden  darunter  plattgedrückte  Ringre,  die  am 
Arme  getragen  und  für  Münzen  angcselicn  werden, 
Nadeln  mit  Olir  und  Kinsclmitteii,  welche  zui'  Verfer- 
tigung von  Kleidern  gedient  haben  mochten,  einfache 
und  doppelte  l^^ischangeln,  Pfeile,  Sicheln,  Messer,  dar- 
unter eines  mit  Ilirschhyrnhcft,  Dolche,  Grabstichel, 
iJeile,  Hämmer,  Lanzenspitzcn,  Cliirtellieschliige,  Sägen, 
diinuf  Klingen,  liasirmesscr,  l)rahtgcwin<le,  Haar- 
nadeln, Ohrgehänge,  Schnallen,  Arm-  und  Fingerringe, 
die  ersteren  mitunter  bedeutend  gross  und  mit  Gra- 
virungen  verziert,  PferderilstungsIJestaiiiltheile,  endlich 
eine  iJllstc  der  .Juno,  ausserdem  (!las-  und  Hernsliin- 
perlen,  solche  aus  Tlion,  thönerne  Tassen,  Trinkge- 
iässc,  Schmelztiegel,  ein  Werkzeug  aus  Hirschhorn, 
wahrscheinlich  als  Weberschiffchen  gebraucht,  u.  s.  w. 
Eine  weitere  Stufe  der  Culturentwicklung  begrenzt  sich 
für  viele  nord-  und  mitteleuropäische  Völker  durch  die 
Hinflihrung  des  Eisens  (die  Eisenzeit),  was  etwa  um 
das  erste  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  geschehen 
sein  mag.  Die  Vermittlung  dieses  Materials  durfte 
durch  die  liömer  besorgt  worden  sein.  Eiserne  Gegen- 
stände, besonders  Waffen,   sind  in  reicher  Auswahl  in 


der  weiteren  Collection  des  Prof.  Desor,  des  Museum 
Schwab  und  der  Stadt-Bibliothek  in  Bern  ausgestellt.  Die 
bedeutenderen  und  zwar  meistens  Fundgegenstände  aus 
den  Pfahlbauten  desNeuenburgcr  Sees  waren :  Schwerter 
mit  hölzernem  Griff'  sammt  Scheide,  einige,  auf  deren 
Klinge  ein  Fabrikszcichon,  Lanzen,  mehrere  mit  Holz- 
resten, Heftnadeln,  Gürtelriugc,  Sicheln,  Sensen,  Frag- 
ment eines  Schildes  mit  Kägcln,  die  ihn  an  die  hölzerne 
Bekleidung  hefteten,  zahlreiche  Fibeln,  Axtc,  darunter 
eine  von  besonderer  Grösse,  Pi'erdegebisse,  Kettenringe. 

Alle  diese  Gegenstände  wurden,  wie  erwähnt,  in 
lYahlbauten,  vermischt  mit  den  ins  Wasser  geworfenen 
Überresten  der  Nahrung  gefunden,  was  den  Beweis 
liefert,  dass  diese  Art  Wohnungen  in  der  Stein-  und 
Bronzezeit,  wie  auch  zum  Theil  noch  in  der  Eisenzeit 
im  Gebrauehe  war.  Auch  zeigt  sich  hinsichtlich  aller 
dieser  Gegenstände,  dass  sie,  je  mehr  sie  sich  unserer 
Zeit  nähern,  in  Form  und  Gebrauch  der  unsrigcn  nahe- 
kommen. Die  Art  und  Weise  einer  Pfahlbaute  versinn- 
liclite  ein  von  Max  Götzingen  in  Basel  ausgestell- 
tes, nach  Angabe  Dr.  Keller's  in  Zürich  angefertigtes 
Modell  einer  Pfahlbau-Ansiedlung,  das,  wenn  auch 
etwas  ideal  ausgefidn-t,  doch  ein  werthvolles,  eultur- 
geschichtlich  belehrendes  Bild  für  jene  Zeit  liefert. 

Aus  der  beiläufig  in  die  Mitte  des  ersten  .Jahrtau- 
send und  in  die  nächsten  darauttVdgenden  Jahrhunderte 
fallenden  Zeit  des  burgundisclien  und  merovingisehen 
Reiches  brachte  das  Cautonsmuseum  zu  Lausanne  eine 
Reihe,  mitunter  besonders  interessanter  Gegenstände, 
mannigfaltig  geformte  Schnallen  von  damascirtem  Eisen 
oder  von  Bronze,  eine  mit  verziertem  silbernen  Blatte  in 
der  Mitte,  Agraffen,  Halsbänder,  Jironze-Ivämnie,  Fibeln 


Fig.  ö.   (St.  Paul.; 


;{0 


(    — 


Fig.  9.     (St.  Paul.) 


niul  Gürtelplatteu  mit  Emails;  manolie  der  Platten  und 
Schnallen  haben  silberne,  ja  selbst  goldene  eingeschla- 
gene Verzierungen,  die  meistens  aus  phantastischen, 
geflügelten,  schlangenähnlichen  Thieren  bestehen,  ferner 
kleine  Figürchen  aus  Bronze,  Daniel  in  der  Löwengrube, 
phantastische  Thiere,  theilweise  mit  Inschrift,  endlich 
Messer,  Beile,  Scliildfragmente,  n.  s.  w. 

Das  Mittelalter,  im  C4el)iete  der  Kunst,  sei  e.s  die 
romanische  Periode,  sei  es  der  gothisehe  Styl  ist  in  der 
schweizerischen  Ausstellung  fast  nicht  vertreten  ge- 
wesen, wenn  man  von  den  etlichen  Gypsabgüssen,  die 
die  antiquarische  Gesellschaft  in  Zürich  ausstellte,  ab- 
sieht. 

Aus  der  Zeit  der  .Spiith-Gothik  fanden  wir  etliche 
kleine  gestickte  Teppiche,  wahrscheinlich  bestimmt  zur 
l]edeckung  der  Rücklehne  von  Gestühlen,  und  eine 
Thür  mit  in  der  Zeichnung  und  Arbeit  prachtvollem 
Eisenbeschläge. 

Weit  bedeutender  ist  die  CoUcction  von  Gegen- 
ständen der  Kenaissance  und  ihrer  weiteren  Phasen. 
Da    ist    es    vor    allem    die    Ausstellung    von    26    in 


den  pikantesten,  off  durch  Scherz  und  heitere  Laune 
iiKitivirten  Formen  ausgeführten  ,  kostbaren  Bechern 
und  Zicrgefässen  aus  Gold,  Silber  und  Elfenbein,  im 
Besitze  der  Bib-gergeineinde  von  Bern  und  dortiger 
Zünfte.  Die  bedeutendsten  darunter  waren:  ein 
grosser  Greif  (1712),  ein  auf  einem  Kreb.se  rückwärts 
reitender  Affe,  ein  aufrechter  vorwärtsschauender  Aife 
mit  einem  Spiegel,  ein  aufreclitstehender  Bär  in  .Silber 
getrieben  und  ciselirt,  zwei,  in  Form  und  Verzierung 
geschmackvoll  ausgeführten  Staufte,  das  sind  zwei 
Gefässe  aus  je  zwei  aufeinander  gestellten  Pocalen  ge- 
bildet. Ein  Pocal  mit  der  .Jahreszahl  H».3ij,  ein  solcher 
in  Gestalt  eines  stehenden  ^Metzgers  mit  dem  Beile  auf 
der  Schulter,  ein  aufrecht  stellender  Löwe  nut  einem 
Gerbermesser,  ein  kleiner  Becher  in  Form  einer  Narren- 
kappe, einer  in  der  eines  Kaufmanns  mit  der  rechten 
Hand  auf  einem   Waarenballen.  ein  Becher  darauf  ein 


Fig.  10. 


—     308     — 


Schützenzug, U.S.W.  Das  Hauptstück  der  ganzen  Samm- 
liiDg  war  ein  grosser  Pocal  sanimt  Schüssel ,  ein  herr- 
liches Werk  in  getriebenem,  vergoldetem  und  ciselirtem 
Silber  mit  prachtvollen  durchsichtigen  Emails  und 
Darstellungen  cn  reliet  in  Medaillons,  am  Rande  drei 
und  vierzig  Wappen  in  durchschimmerndem  Email. 
Dieser  Collection  schliesst  sieh  als  ebenbürtig  eine  von 
Glasgeniälden,  im  Besitze  des  .1.  Vincent  in  Constanz 
an,  davon  jedoch  einzelne  noch  der  Gothik  augehören, 
^on  diesen  nennen  wir  durch  Zeichnung  und  Farbenton 
hervorragend  das  mit  dem  ii.  Joiiannps,  ein  anderes 
mit  einem  betenden  Mönch  und  Wappen  des  Klosters 
Wettingen  ,  dann  das  Dürer'sche  Keminicenzen  enthal- 
tende Votivbild  des  Caspar  v.  Klingenberg  und  seiner 
Gattin  Elsbeth  (1559),  das  Jos.  Murer'sche  Doppel- 
wappen mit  der  Orpheusgruppe  darüber,  endlich  das 
Hans  Muller'sche  Wappen  mit  der  schönen  Pilaster- 
Umrahmung.  Eine  Ergänzung  dieser  Collection  bilileten 
die  zahlreichen,  mitunter  ganz  vorzüglichen  Entwürfe 
zu  Glasmalereien,  sämmtlich  aus  dem  XVI.  Jahrhundert 
stammend. 

Hinsichtlich  der  Textilkunst  erwähnen  wirnoch  eines 
rriesterornats  aus  dem  XVH.  Jahrhundert,  mit  bunter 
und  Goldstickerei. 

Schliesslich  wollen  wir  noch  gedenken  der  aus 
Einsiedeln  stammenden  Bronze-Glocke  mit  hübscheu 
Reliefs  und  iler  .Jahreszahl  1573,  —  zahlreicher  Werke 
des  Buchdruckes,  in  alten,  wcrthvollen  Ausgaben,  mit- 
unter mit  interessanten  Holzschnitten  ausgestattet  und 
meistens  in  Beziehung  auf  die  Druckgeschichte  der 
Schweiz  stehend  und  des  reich  geschnitzten  leider  grau- 
sam restaurirten.  als  Herrschafts-Symbol  dienenden  Hän- 
gestückes der  Familie  Steiner  (1(V_*0\  endlich  zweiermit 
reicher  Sciniit/.arbeit  versehener  Kästen. 

In  Bezug  auf  Wehren  und  Watfen  hatte  man  sicii 
mit  der  Aufstellung  eines  einzigen  laflfettirten  Geschützes 
begnügt.  Es  ist  diess  die  vom  Zeughause  zu  Zürich  ein- 
gesendete s.  g.  ,.Zürichbraut  oder  Jungfrau",  ein  bron- 
zenes Hinterlader-Geschütz  mit  gewundenen  Zügen  aus 
dem  Jahre  KJll.  Es  führt  den  Namen  von  einem  Relicf- 
bilde,  eine  Dame,  das  auf  dem  Kopfstücke  angebracht 
ist;  dabei  die  Verse:  „Ich  liin  ein'  Jungfrau  Wohlgestalt, 
welchen  ich  kUs.s,  der  wird  nit  alt." 

Um  mit  der  Ausstellung  in  diesem  Pavillon  ab- 
schliessen  zu  können,  erübrigt  noch  der  antiquarischen 
j)ersi sehen  Exposition  zu  gedenken.  Es  ist  dies  eine 
Sammlung  von  chinesischen  Pnrcrllangefässcni,  von 
])ersiscl]eii  're|»pichen  und  ge.stickten  Decken,  die  einen 
]iersischcn  Prinzen  und  Minister,  dessen  ungewöhnlich 
langer  Name  selbst  der  geläufigsten  Zunge  kaum  aus- 
sprechbar sein  dürfte,  gehörten.  Die  Porcclians  sind 
last  neu  und  gerade  so  gesclmiacklos.  wie  alles  l'brige 
dieser  Partie.  Das  wenige  (Jute,  das  sich  darunter  fand, 
ist  mit  feinem  Kenner-Auge  für  eine  rrivatsaiiinilung 
Wiens  acquirirt  worden. 

Iiiisüdjiclicn  Pavilliiii  liatlni  die  aiitii|U:nisclien  .\us- 
stcllungen  Gsterreiclis,  Ingarns  iiml  iJeiilselilaiids  einige 
Sälcocciipirt,  in  ibin  übrigen  waren  moderne  Kunstwerke 
von  Russland,  Dänemark  ,  Sciiwcden  u.  s.  w, ausgestellt. 

Es  ist  höchstbedaiicrlich,  dassman  vonein(!r  15(!thci- 
lignng  Deut  sc  h  lands  an  dieser  I'artie  der  Weltans- 
stcllung  iMirgan/.  WeiiigesbiM'ichten  kann.  Dergeräumige 
Saal,  der  iliescr  l'.cstinnrnmg  gewidmet  war,  sah  recht 
nüchtern  aus.  An  die  Stelle  der  vielen  Denkmale   der 


vergangenen  Jahrhunderte ,  die  das  daran  überreiche 
Deutschland  hätte  zur  Schau  stellen  können,  machten 
sich  Reproductionen  aller  Art,  darunter  die  ganz  aner- 
keunenswerthen  Leistungen  des  römisch-germanischen 
Museums  zu  Mainz,  des  reichen  bayerischen  National  — 
Museums  zu  München  und  des  Gewerbe-Museums  zu 
Nürnberg,  wie  auch  einige  antiquarische  Publicationen 
breit,  ohne  die  zahlreichen  Schränke  auch  nur  halb- 
wegs füllen  zu  können.  Doch  ist  diess  kein  Vorwurf  für 
Deutschland.  Die  geringe  Betheiligung  erscheint  bei  dem 
Zaudern,  mit  welchem  man  von  Seite  der  General-Direc- 
tiou  an  die  Durchführung  der  sogenaunten  Exi)Osition 
des  Amateurs  ging  und  über  deren  Schicksal  man  sich 
erst  im  diessjährigen  Ajjril  klar  war,  sehr  entscliuldigbar. 
War  doch  in  Deutschland  fast  allerorts  die  Meinung  ver- 
breitet ,  diese  Gruppe  der  Ausstellung  wäre  aufgege- 
ben. Die  natürliche  Folge  davon  war  ,  dass  nur  von 
vereinzelten  Orten  etliche  Gegenstände  einlangten, 
welche  während  der  sechs  Monate  ihrer  Ausstellung  ein 
recht  kümmerliches  Dasein  führten  und  nicht  einmal  ge- 
würdigt wurden,  im  Katalog  aufgeführt  zu  werden. 

Diese  wenigen  Objecte  waren :  Eine  ca.  vierzig  Stück 
umfassende  Collection  von  mitunter  sehr  schönen  älteren 
Gläsern,  Elfenbein-  und  Thonkrügen,  Pokalen  und 
Bechern,  Toilette-Gegenständen,  Handspiegeln,  Käst- 
chen, Kannen  und  Becken,  Rosenkränzen,  sämmtlich 
aus  Silber,  meistens  den  beiden  letzten  Jahrhunderten 
entstammend,  ferner  eine  kaum  sehr  alte,  zicndich  grosse 
Statuette  sannnt  Postament  aus  Silber,  eine  Kehlheimer 
Platte,  darauf  das  fürstlich  Fürstenberg'sche  Wappen 
nebst  einigen  Ornamenten  cingeätzt  und  theilweise 
bemalt  (lo(iO),  ferner  Bruchstücke  antiken  Glases,  das 
die  römische  hnlustrie  in  so  vorzüglicher  Weise  erzeugte; 
ein  grosses,  mit  reichen  Schnitzereien,  eine  ilirschjagd 
vorstellend,  geziertes  Elfenbeinhorn  Königs  F'riedrich 
August  II.  von  Idolen  und  endlich  aus  dem  Wagner-Museuin 
in  Wür/.burg  ein  sehrschöner,  grosser  Wandlepi)ich,  vor- 
stellend Christum  am  Kreuze,  umgeben  von  Maria  und 
Johannes.  Dieses  Webekunstwerk,  sicher  für  kirchliche 
Zweke  bestinnnt,  dürfte  in  der  Zeit  des  ablautenden 
XV.  Jahrhunderts  angefertigt  worden  sein. 

Die  XXiV.  Ausstellungsgrniipe  war  in  der  unga- 
rischen Abfheilung  durch  die  Menge,  wie  auch  durch 
den  anti(iuarischen  Wcrtli  der  ausgestellten  Gegenstände 
vorzüglich  >  ertrcfen.  Es  fand  sich  eine  so  bedeutende 
Anzahl  von  Objecten  in  dem  einzigen  Saal  vereinigt  und 
in  vielerlei  Kästen  oder  freistehend  und  an  den  Wänden 
untergebracht,  dass  daduich  nicht  allein  die  l'l)ei-sicht 
erschwert,  sondern  auch  die  Bewegung  der  Beschauer 
beengt  und  in  Folge  dessen  das  ruhige  Besichtigen  und 
Geniessen  der  einzelnen  Gegenstände  einigermassen 
beschwerlich  war.  Man  kann,  ohne  gegen  die  ,\mateurs- 
l*/xpositi(inen  der  übrigen  Staaten  ungerecht  zu  sein, 
behaupten,  das«  diese  Expositidii  eine  wahre  .Auiateur- 
Exinisition,  nach  jener  Österreichs  den  nächsten  Rang 
einnahm,  ja  selbst  sie  in  manchen  Partien,  wie  in  jenen 
der  ])räliisii)risclien  F^'unilgi'gcnständi'  und  der  Objecto 
der  .Antike  bcileiitend  iil)ertr:il'.  Die  hier  \  ereinigten 
Gegenstände  lief(Mlen  in  ihrer  (Jesannntheil  ein  inhalts- 
reiches Bild  der  künstlerischen  Vergaiigcnln^il  des  j^an- 
des,  insbesondere  des  engeren  Ungarns  und  den  Beweis, 
dasK  Sammellust  und  Verständniss  für  anti(|uarische 
Denkmale  inl  ngarn  niäehtige  Wurzeln  geschlagen  lialien. 
Wenngleich  bei  ilirer  Aufstellung  das  Priiiei|p  einer  ,\nia- 


—     309     — 


teurs- Exposition  vor  allem  der  leitende  Gedanke  blieb, 
was  zur  natürlichen  Folfio  iiatte,  dass  die  Ke])rüsen- 
tanten  der  verschiedenen  .Saninduii^eii  uns'ctrcnnt  auf- 
gestellt wurden,  somit  nichts  weniger,  als  eine  chrono- 
logische Folge,  selbst  nicht  einmal  annähernd,  einge- 
halten werden  konnte,  so  muss  man  doch  zugestehen, 
dass  diese  Abtheilung  mit  besonderer  Liebe  und  Sorg- 
falt geordnet  wurde  und  dafür  dem  uncrniüdlicdien 
Ordner  und  Redactenr  des  lelirrcichcn  Katalogs  Dr. 
Heuszlmann  die  verdiente  Anerkennung  nicht  ver- 
sagt werden  kann. 

Wir  wollen  nun  diese  reichhaltige  Sanunlung  im 
Fluge  durchmustern,  und  stellen  unseren  Lesern  einen 
eingehenden  Bericht  über  diesclhe  aus  der  Feder 
Henszimann's  für  die  Folge  in  Aussicht. 

.Sehen  wir  zuerst  nach  den  Gegenständen  der 
prähistorischen  Zeit.  Wir  ünden  da  unter  anderen  einen 
eigenthünilichen  Schinuckgegensland  aus  der,  übrigens 
nur  durch  wenige  Nummern  vertretenen  Steinzeit,  eine 
fossile  Schnecke,  aussen  nn"t  Fhisskieseln  I)esetzt. 

Die  Bronzezeit  war  vor  allem  durch  die  ausge- 
zeichnete weit  über  1000  Stück  zählende  Georg  von 
Rath' sehe  Sammlung  glänzend  vertreten.  Nicht  leicht 
dürfte  sicii  eine  Privatsaninilung  finden,  die  so  viele 
Kostbarkeiten  aus  dieser  Zeit  aufzuweisen  vermag.  Es 
ist  diess  eine  Amateurs-Sammlung  im  vollen  Sinne  des 
Wortes.  Um  dieselbe  in  ihrer  Gesammtheit  nicht  zu 
stören  ,  wurden  die  ihr  einverleibten  antiken  ,  alt- 
christlichen, byzantinischen  und  mittelalterlichen  Ge- 
genstände nicht  ausgeschieden,  sondern  vereint  belassen 
und  im  selben  Kasten  aufgestellt.  Bezüglich  dieser 
Samndung  sei  für  jetzt  erwähnt,  dass  sie  27  Stück 
Palstäbe,  37  Stück  Kelte,  viele  Meissel  und  Hämmer, 
30  vollkonnnene  Spiralen,  S9  Fibeln  der  verschiedensten 
Formen,  zahlreiche  Ringe,  Nadeln,  Sicheln  u.  s.  w.  ent- 
hält. Insbesondere  sei  hervorgehoben  ein  bronzener 
Halsberg,  von  welchem  Gegenstande  man  überhaupt 
nur  drei  Exemplare  kennt,  die  alle  in  Ungarn  gefunden 
wurden.  Etliclie  (Gegenstände  der  Bronzezeit  liat  auch 
das  Erlauer  und  Klausenburger  Museum  ausgestellt. 

Nicht  minder  zahlreich  waren  die  Bronzen  der 
classischen  Zeit,  seien  es  etruskischc  oder  egyptische, 
griechische  oder  römische  Erzeugnisse.  Wahrhafte 
Kunstwerke  aus  diesen  Knnstepociien  entliält  die  Franz 
v. Pulszky'sche  Sammlung. Fast  alle  Stücke  derselben 
sind  kostbar,  und  eines  oder  das  andere  davon  hervor- 
zuheben würde  sich  kaum  rechtfertigen  lassen.  Wir 
fanden  Bronzevasen  der  elegantesten  griechischen 
Form,  dessgleichen  eine  silberne  ]\Larsstatuette,  egyp- 
tische Katzen  aus  Bronze,  dessgleichen  eine  sitzende 
Figur,  eine  herrliche  Morpheusstatuette  aus  Bronze, 
römische  Arbeit  u.  s.  f.  Aus  der  Rath' scheu  Sammlung 
seien  erwähnt:  die  Büste  einer  Bachantin,  griechische 
Arbeit;  eine  Jlaus  an  einer  Nuss  nagend,  ebenfalls 
griechische  Arbeit,  einige  Bronze-Krüge,  darunter 
einer,  dessen  Körper  einen  Mädchenkopf  bildet,  ein 
kleines  Modell  eines  römischen  Rennwagens  und  als 
Hauptstück  einBronzegefäss,  das  Modell  eines  mit  einer 
Katapulte  und  mit  beweglichem  Anker  ausgerüsteten 
Kriegsschiffes.  Anderen  Sannnlungen  angehörig:  ein 
egyptisches  Bronzekännchen  mit  Silber  und  Gold  ein- 
gelegt. Am  Bauche  des  Gefässes  ist  ein  Aufzug  von 
Göttern  dargestellt;  eine  ähnlich  behandelte,  mit  Stiel 
Tersehene  Flachschale,  die  jedoch  weniger  egyptischen 


Charakter  trägt.  Beide  Gegenstände  wurden  im  Öden- 
burger  Comitatc  gefunden  und  dem  ungarischen  Museum 
einverleibt.  Ferner  eine  sillierne  Schale,  riTigshcruni  mit 
Fischen,  Wasservögeln  und  Fischereigeriitlien  in  Relief 
geschmückt,  und  zum  Theile  vergoldet,  an  Schönheit 
und  Interesse  den  Gegenständen  des  Hildesheimer-Fun- 
dcs  nahekommend,  eine  Bachantin  mit  Trauben  im  Haar, 
ein  männlicher  Kopf  aus  Tciracotta,  statt  der  .Augen- 
äpfel mit  Steinen,  mehrere  Mithras-Reliefe,  Spiegclgc- 
häuse  aus  Metall  u.  s.  w.  Ferner  die  dem  ungarischen 
National-Museum  einverleibten  Gegenstände,  die  in  Alt- 
ofen im  Jahre  18n4  gefunden  wurden,  und  einige 
Stücke  des  im  Jahre  18011  auf  Pusta-Bakod  gemachten 
und  in  den  Mittheihingen  bcschriebi'ncn  Fundes.  Inter- 
essant ist  auch  eine  bronzene  Hängelampe  in  Gestalt 
eines  zu  Pferde  sitzenden  Imperators ,  eine  Arbeit  aus 
der  späten  Kaiserzeit. 

Auch  sahen  wir  wieder  jene,  ebenfalls  dem  Natio- 
nal-JIuseuin  gehörigen  sieben  Riindl)ogcu-Sciiildcheu 
und  zwei  kleine  Medaillons  von  Goldblechen,  die  in  den 
Jahren  1860  und  1861  im  Neutraer  Comitat  beim  Pflü- 
gen eines  Feldes  gefunden  wurden,  und  sich  durch  den 
Zellenschmclz  auszeichnen,  mit  dem  sie  auf  der  Vorder- 
seite überzogen  sind;  unter  den  damit  ausgeführten 
figuralen  Darstellungen  findet  sich  die  Figur  des  römi- 
schen Kaisers  Constantinus  Monomachos  und  seiner 
beiden  Frauen.  Der  Catalog  bezeichnet  diese  Bruch- 
stücke zu  jener  Krone  gehörig,  welche  dieser  Kaiser 
zwischen  1042  und  1050  dem  ungarischen  Könige 
Andreas  zum  Gescdienke  machte.  El)cnfalls  bjzantini- 
schen  Ursprunges  ist  jene  kostbare  Tafel  aus  dem 
Graner  Domschatze  ,  die  zur  Aufbewahrung  einer 
Kreuzpnrtikclbestinnnt,  nach  Dr.  Bocks  Meinung  Inder 
zweiten  llältte  des  XII.  Jahrhunderts  entstanden  sein 
dürfte. 

Der  Zeit  des  romanischen  Styles  gehört  ein 
niederer  bronzener  Standleuchter  an  ,  dessen  Fuss  aus 
drei  Drachen  geiiildct  und  der  Schaft  mit  einer  grossen 
Krystallkugel  als  Nodus  geziert  ist ;  dieser  Leuchter 
ist  unstreitig  eines  der  schönsten  characteristischesten 
Exemplare,  die  sich  bis  auf  unsere  Tage  erhalten  haben. 
Ausserdem  erwähnen  wir  noch  einer  aus  dcmXIII.  Jahr- 
hundert stammenden  Emailplatte,  Fragment  eines  Re- 
liquienkästchens ,  ähnlich  jenen  von  Klosterneuburg, 
und  zweier,  sehr  beachtenswerther  Elfenbcintäfelchen, 
das  eine  in  der  Rath'schen  Sammlung  (XII.  Jahrhun- 
dert), das  andere  etwas  jünger  und  vorstellend  Daniel 
in  der  Löwengrube. 

Die  meisten  aus  der  Zeit  der  Gothik  stannnenden 
Kunstwerke,  welche  die  Ausstellung  uns  vorweist, 
haben  kirchliche  Bestimmung;  dahin  gehören  drei 
prachtvolle,  silber-vergoldete  Messekelehe,  der  eine 
mit  Emails  und  Filigranschnuick;  ein  zweiter  mit 
reichem  Filigranbesatz,  wahrscheinlich  aus  dem  Beginne 
des  XVI.  Jahrhunderts  und  der  dritte  kostbarste  aus 
der  Mitte  des  XV.  Jahrhunderts  mit  Emails  und  reichen 
tiguralem  Schmuck  am  Nodus  ,  der  eine  Capelle 
bildet;  zwei  Bütlelhörner,  davon  eines  besonders  gross, 
in  vergoldetem  Silber  auf  die  zierlichste  Weise  ge- 
fasst,  als  Ohlgetlisse  verwendet,  und  in  den  letzten 
Jahren  des  XV.  Jahrhunderts  entstanden,  drei 
medaillonförmige  Reliquien- Behälter,  der  eine  mit  Perl- 
mutter-Relief, der  andere  mitKrystallplatte  in  der  Mitte, 
der  dritte  und  kleinste  als  Mittelstück  mit  in  Gold  ge- 


—     310 


triebener  und  ausgeschnittener  Darstellung  der  Ver- 
kündigung auf  blauem  Eniailgrunde.  Die  Fassungen 
bei  allen  drei  Medaillons  besonders  fein  und  tbeilweise 
ebenfalls  mit  Email  ausgestattet.  Zu  den  zier- 
lichsten Gelassen  gebort  ein  kleiner  Cbrysambehälter 
von  Bergkrystall  in  Form  einer  Kugel,  getragen  von 
einem  mit  Email  translueide  überzogenen  FigUrehen ; 
vorstellend  den  verlorenen  Sobu;  dieses  in  Form 
und  Ausstattung  reizende  Getliss  mag  zu  Anfang  des 
X\l.  Jahrhunderts  angefertigt  worden  sein.  Ferner  ein 
grosses  spät-gothiscbes  Processionskreuz  mit  in  Silber 
gefassten  Krystallbalkon;  alle  diese  Gegenstände  ge- 
hören in  den  Graner  Domschatz.  Durch  Grösse  und 
Gewicht  hervorragend  verdient  die  Monstranze  der 
Pressburger  Capitelkirche  einige  Beachtung  ,  auch  sahen 


'^yf. 


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^MiMiMmm 


\\g.  11.  (Klagenfu 


wir  noch  andere  kostbare  Kelche,  zwei  aus  der  Capitel- 
kirche zu  Pressburg  und  einen  des  ungarischen  Ka- 
tioual  -  Jluseums  ,  die  durch  Email-  und  Filigran- 
schniuck  sich  auszeichnen.  Ein  der  Lcprosencapelle  zu 
Leutschau  angeböriges  thurmtöriniges  Ciborium  aus  dem 
XV.  Jahrhundert.  Kirchliche  Eisenarbeiten  repräsentireu 
ein  zwölfarniiger  Standleucbter  und  zwei  Armleuchter, 
die  ehemals  zur  Seite  des  Altars  angebracht  waren,  sehr 
geschmückvnlle  Arbeiten  des  beginnenden XVI.  Jahrhun- 
derts. Von  Holzschnitzwerken,  die  kirchliche  Bestim- 
mung hatten ,  nennen  wir  einen  theils  vergoldeten,  tbeils 
bemalten  OsterkerzeuStänder  aus  dem  XV.  Jalirhun- 
dert,  eine  Holzstatuette  des  Erzengels  Gabriel  und  den 
grossen  auf  Bädern  stehenden  stark  restaurirten  Holz- 
Schrein  ,  aus  dem   XVI.  Jahrhundert,  den  der  Katalog 

das  heilige  Grab  des 
St.  Benedict  nennt,  be- 
stimmt entweder  Beli- 
quien  dieses  Heiligen 
zu  verwahren,  oder  was 
wahrsclieinlieber  ist,  in 
der  Osterzeit  als  beili- 
ges Giab  —  gleich  den 
Schreinen  zu  Salzburg 
und  Möcliliug  —  ver- 
wendet zu  werden. 

Von  den  aus  der 
Zeit  der  (iotliik  stam- 
menden Elfcnbcinge- 
genständen  nennen  wir 
ein  Elieiibeiu-Dii)tliy- 
cliou  aus  dem  XIV. 
Jahrhundert  mit  Dar- 
stellungen aus  dem  Le- 
ben Christi,  ein  öpie- 
gelgcbäuse  ,  auf  der , 
Kückseite  die  Erstür- 
mung einer  Liebesburg, 
das  Fragment  eines 
Schmuckkästchens    mit 

Darstellungen  nach 
einem  mittelalterlichen 
Bomane  und  einen  mit 
Ellenbeinsclniitzwcrk 
bedeckten  Sattel.  Das 
ungarische  National- 
Jluseuni  besitzt  drei 
solche  Sättel  ,  die  im 
XV.  Jalirliundert  gefer- 
tigt, aller  kaum  Je  ihrer 
Piestinnnnng  gemäss  ver- 
\vi'ndet  wurden,  einen 
(lerscll)en  sendete  man 
zur  Ausstellung.  Die 
ganze  Fläche  des  Sitzes 
ist  mit  Figuren  und  Li- 
srjii-iften  überzogen. 
I  )\r  iistcrreicjiisclic  Ab- 
llieiiung  entiiielt  eben- 
falls rincn  solchen 
Sattel. 

An  dieser  Stelle 
ist  auch  der  Aussfel- 
hiiigsgcgenstände    tex- 


'■■^ 


V  \ 


rt.) 


311 


tiler  Kunst  zu  gedenken  ,  als  da  sind  die  vielen 
aus  den  Saoristeicn  von  Gran  ,  Neusold  und  Bart- 
feld eingesendeten  ;\Iessgew;inder,  die  zwar  bereits  den 
noch  jetzt  üblichen  Zuschnitt  haben,  aber  sich  sowohl 
durch  die  dazu  verwendeten  StoiTe,  fast  ausschliesslich 
Goldbrocat  oder  Sannut  mit  den  herrlichsten  in  Samnit 
oder  Seide  eingearbeiteten  Dessins,  wie  aucli  durch  die 
darauf  augelirachten  Stickereien  bemerkbar  machen. 
Es  sind  diess  entweder  breite  Mittelstreifen  oder  auf 
dem  Rücktheil  aufgelegte  Kreuze,  thcils  mit  Gold-  und 
Silberfäden,  theils  nnt  farbiger  Seide  gestickt  und  mit 
Perlen  besetzt.  Die  in  Stickerei  ausgelührtcn  Darstellun- 
gen veranschaulichen  uns  meistens  Scencn  aus  dem  Leben 
Christi  oder  den  Kreuzestod,  dann  Apostelgestalten 
u.  s.  w.  Fast  alle  diese  Caseln  gehören  in  das  XVI. 
oder  begimiende  XML  Jahrhundert,  zeigen  jedoch  in 
Stoff  und  Stickerei  Reminiscenzen  der  Gothik,  nur 
wenige  reichen  in  das  XV.  zurück.  Von  anderen  Sticke- 
reien verdienen  hervorgehoben  zu  werden :  eine  in 
Gold-  und  Silberfäden  vortrefflich  ausgeführte  Perlen- 
stickerei, vorstellend  die  Passiouswerkzeuge  und  ein  in 
Hochstiekerei  ausgeführtes  Dyiiticlion,  vorsfellentl  die 
Autlitze  Christi  und  ]\Iariens ,  endlich  ein  kleiner  Go- 
bellin  mit  dem  Jahre  1580,  darauf  die  Anbetung  Christi 
durch  die  Magier.  Auch  die  in  den  Graner  Domschatz 
gehörige  Mitra  verdient  erwähnt  zu  werden.  Sie  hat 
nocii  die  ältere  niedere  Furm,  ist  ganz  mit  Perlen  l)e- 
stickt  und  mit  Edelsteinen   besetzt. 

Den  mit  dem  Eintreten  der  Renaissance  begin- 
nenden gewaltigen  rmschwung  der  Kunst  repräsen- 
tirte  jene  schön  geformte  aus  drei  Figuren  bestehende 
ehemals  bemalte  Terracottagruppe  (Christus  und  zwei 
kniende  Engel),  welche  gegen  den  Eintritt  des  XV. 
Jahrhunderts  angefertigt,  wahrscheinlich  italienischen 
Ursprunges  ist. 

Wir  erwähnen  ferner  mehrerer  Kelche,  darunter 
eines,  im  Barokestyl  ausgeführten,  nnt  reichem  Besätze 
von  Edelsteinen,  samnit  der  dazu  gehörigen  und 
ähnlich  behandelten  Credenztasse  mit  den  beiden 
Kännchen,  ferner  einer  Krystall-Casette  mit  vergoldeten, 
niellirten  Sill)orbän<lern  montirt  und  eines  grossen  Steli- 
kreuzes  mit  Email-translucide-Schmuck,  eine  ausgezeich- 
nete florentinische  Arbeit  des  beginnenden  XVI.  Jahr- 
hunderts, mit  gothischen  Reminiscenzen,  sodann  einer 
bedeutenden  Anzahl  von  Pectoral-Kreuzen  und  Bischofs- 
ringen aus  dem  Grauer  Schatze,  ausserdem  enthielt  auch 
die  gräflich  Em.  Andrassy'sche  und  Franz  von  Pulszky' 
sehe  Sammlung  eine  kostbare  Collection  von  geschnit- 
tenen Steinen. 

Die  erstgenannte  Sammlung  und  das  ungarische 
Museum  stellten  eine  namhafte  Anzahl  von  schönen 
Silbergegenständen  der  Renaissance  aus,  darunter 
Kelche,  eine  Tasse  sammt  Kännchen,  Poeale,  Krüge, 
Bücher,  zwei  in  Silber  getriebene  Figuren  (Braut  und 
Bräutigam),  ein  Silberbechcr  auf  drei  Löwen,  einen  sol- 
chen auf  drei  Hirschen  stehend.  Beachtenswertli  ist  der 
Einband  eines  im  Jahre  1492  gedruckten  Buches,  enthal- 
tend Petrarca's  Triumphe  und  Sonetten.  Wir  fanden  auf 
jedem  Buchdeckel  innerhalb  eines  reichen,  in  Elfenbein 
ausgeführten  Renaissance-Rahmens  je  eine  in  Bein  ge- 
schnittene Darstellung,  entnommen  jenem  Cyclus,  der 
auf  den  prächtigen  Schreinendes  Grätzer  Domes,  die  in 
der  österreichischen  Amateur-Ausstellung  sich  l)efanden, 
angebracht  ist.   Die  eine  Vorstellung  zeigt  den  Triinnidi 

XVIII. 


der  Liebe,  die  andere  den  des  Todes.  Obgleich  mit  den 
bezüglichen  I'ildern  der  Grätzer  Seh  reine  in  der  Zeichnung 
gleich,  stehen  diese  Schnitte  jenen  in  der  Ausführung 
bedeutend  nach. 

Wollten  wir  all  die  sonstigen  werthvollen  Sachen  an- 
führen, wir  würden  kein  Ende  finden.  Da  sahen  wir, 
herrliche  Bronzen  des  Cin<|necento,  zwei  grosse  Bronze- 
vasen, venetianisclie  Arbeit  im  Barokestyl,  ungarische 
Nationalkleider  sammt  den  herrlichen  dazu  gehörigen 
Schmucksjichen,  wie  Jlanlelschlüssc,  Gewandspangen, 
Gürtel,  Knöpfen,  Forgos,  dann  Goldspitzen,  Dosen,  Uhren, 
altes  Wiener,  säehsisches  und  Sevres-Porzellan,  chine- 
sische und  japanesisehe  Gefässc,  darunter  eine  Zellen- 
schmelzsidiüssel  nnt  Henkeln,  an  denen  Elstern  nisten. 
Altpersische  Kistchen  ndtElf'enbeinschnitzwerk  und  eine 
grosse  Suite  von  Thonkrügen  von  den  praehistorischen 
Zeiten  an  bis  in's  XVIII.  Jahrhundert.  Auch  zahlreiche 
Wallen  waren  ausgestellt,  und  theils  in  den  verschiedenen 


■f. 


&!-'W%3 


Fig.  1-2.     (Salzburg.) 


41 


312     -- 


V\sr.     Ui. 


Wioii.i 


Kästen  untergebracht,  tlieils  an  den  Wänden  in  zwei  Grup- 
pen vereinigt.  Viele  Stüdve  davon  sind  durch  ihre  Selten- 
heit, viele  durch  das  dazu  verwendete  kostbare  Material, 
oder  die  Ansschmückiuig  werthvnll.  Wir  sahen  türki- 
sche und  tscherkessische  Säbel,  Dolche  und  Watfen, 
ungarische  Säbel,  spanische  Degen,  Panzerstecher, 
Streitkolben,  Eisenfokos,  silberne  llellebarden,  kostbare 
Gewehre  und  Pistolen  mit  Mail-  und  Steinschlössern,  die 
Schlüsser  mit  Elfenbein,  Perlmutter  oder  geschnittenem 
Eisen  verziert.  Pf'erderiemzeuge  und  Schabraken,  Heime, 
eine  Eisenrlistung,  zwei  japauesische  Kviegsrllstnngen. 

Von  miniirten  Handschriften  erwähnen  wir  ein 
Psalteriiiiri  aus  dem  XHI.,ein  Pont iticale  ans  dem  W.  ,Jahr- 
humlert,  ein  Ofl'icium  mit  zehn  miniirten  Blättern,  ein 
llainltcste  der  Stadt  Wien  aus  dem  Jahre  1444  n.  s.  w. 
FUr  Sphragistiker  und  Heraldiker  .stellte  Ungarn  einen 
kleinen  Schatz  ans,  wir  sahen  viele  interessante  Urknn 
den  mit  den  Originalsiegeln,  ausserdem  einzelne  wertli 
volle  Siegel  und  'i'yiiare. 

Noch  eriibi'igt  uns  der  ^liinz-  und  .Meilaillen-.'^aunn- 
liingen  Erwähnung  zu  thuen,  dietheils  complet  tlieils  in 
einigen  Hauptre])räsanten  zur  Ausstellung  gebracht  wnr- 
ilen.  Da  ist  die  Sinnmhing  des  Klansenl)urgcr  Eandes- 
muscinns,  enthaltend  Münzen  der  nati(jn;Uen  l''iirstcn 
von  der  Mitte  des  X\'I.  .faiirhnnderts  beginnend;  da 
ist  die  Sammlung  des  Fürsten  Montennovo  mit  kost- 
baren Goldmllnzen  und  5Iedaillen  auf  P'ngarn  und 
Siebenbllrgen.  Endlich  gab  eine  Sannnliing  von  De 
naren  und  (Goldmünzen  von  den  .\rpadzeiten  bis  zum 
X\'F.  .lalirhundi'rt,  eine  l'bersicht  der  nngariseheii 
Münzen  in  den  herrsclienden  Epochen. 

Obwohl  wir  schon  somanclu'r  l'erlen  dieser  .\usstel- 
lung  crwähnt'habeii,  so  verbleil)t  ducli   noch   vmi  einer 


Perle,  einer  Kostbarkeit  ersten  Ranges  derselben  zu  be- 
richten. Es  ist  diess  eine  auserlesene  Auswahl  \(n\  Origi- 
nalhandzeiehnungen  und  Kupferstichen  der  ehem.  fürstl. 
Esterhazy-Sammlung,  nnnmehi-  ungarische  N.  Gallerie. 
P'nter  den  erstem  finden  wir  A.  Altdorfer.  Hans  P)urk- 
majT,  Aug.  Hirsclivogel,  Kembrandt,  Pul)ens,  M.  Wohl- 
gemuth  ,  unter  den  letztern  die  Kamen  Marc  Anton, 
iMantegna,  Peregrini  de  Cesena  vertreten. 

Die  F.  V.  Pulszky'sche  Kupferstich-Sammlung  mit 
den  vielen  Pendirandt's  steht  den  früher  erwähnten  nicht 
nach. 

Eines  Eindruckes  konnten  wir  uns  bei  Durch- 
wanderung der  ungarischen  antiquarischen  Ausstellung 
nicht  erwehren,  nämlich  dass  die  Amateurs  Trans- 
leithaniens,  die  übrigens  von  nicht  geringer  Zahl  sind,  ihre 
Samndungen  mit  weitaus  grösserer  Freigebigkeit  ge- 
öffnet hal)en,  denn  jene  C'isleithaniens,  etliche  hervor- 
ragende Kamen  des  Laienstandes  und  die  geistlichen  Cor- 
j)orationen  ausgenommen,  deren  Theilnahme  au  der 
ungarischen  Ausstellnng  überhnui)t  minder  rege  ge- 
wesen zu  sein  scheint. 

Wir  konnncn  nun  zum  Schlüsse  unserer  Wan- 
derung. Obw(dil  wir  ül)erzeugt  sind,  dass  sieh  noch  so 
Manches  in  den  Ansstellungen  von  Portugal,  Frankreich, 
Indien  u.  s.  w  vereinzelt  findet,  v,as  wir  zu  besin-echen, 
hätten,  wollen  wir  nur  noch  in  Kürze  der  Exposition 
der  anthropologischen  Gesellschaft  zu  Wien, gedenken, 
da  diese  sich  der:  vorhistorischen  Periode  Österreichs, 
die  in  der  österreichischen  Amateur- Ausstellung  nur 
weuig  vertreten  war,  angenommen  hat.  Wir  sahen  ein 
grosses  Lendengehänge,  bestehend  aus  einer  ver- 
zierten Scheibe,  Plättcdien,  lüugen  u.  s.  w.  aus  P.ronze, 
Armknochen  mit  Pronzeringeu  ,  Thougefässfragmente 
hauptsächlich  in  Böhmen  gefunden  u.  s.  w. 


Ki£f.  11.     (Wifliezka.) 


31.'}     — 


Manche  Stücke  wurden  noch  im  v/eiteren  Ver- 
laufe der  Ausstellung  eingesendet  und  in  die  Collection 
auf'genoninion.  Ais  aus  der  Sannidung  Artaria  eine 
Reihe  kleiner  ^liniaturen  der  vor/.iigliciisten  Art,  eine, 
das  Pcirträt  einer  Dame  vom  Hofe  Ludwig  des  XIV. 
(Schule  Petitot's),  ein  Porträt  eines  französischen 
Herzogs,  gemalt  von  Petitot  und  das  Email-Porträt 
Erzherzogs  Eeopold  Wilhelm,  gemalt  von  Prieux 
(l'iriS'i;  ferner  ein  kleiner  Bronzelcuchter,  Eigcnthum 
des  Professors  Job.  Klein.  Derselbe,  mit  einer  starken 
Patina  überzogen,  stammt  von  der  in  Donnersbachau 
im  oberen  Ennsthale  bestandeneu,  nunmehr  in  Puinon 
liegenden  Kirche  und  gehört  zu  den  selten  vorfindliehen 
Repräsentanten  der  Kunst -Industrie  des  romanischen 
Mittelalters.  Seine  spröde,  gedrungene  und  dabei  an- 
muthige  Form,  der  conventionelle  Typus  in  der  Ausbil- 
dung des  Dreifusses,  das  durch  vertiefte  Linien  in  roher 
handwerksmässiger  Durchfüln-nng  behandelte  Ornament 
des  Fus>gestelles,  welches  im  Interesse  der  Stabilität 
eine  zur  Gesammthöhe  unverhältnissmässige  Erweite- 
rung in  der  Breite  und  Höhe  erhalten  hat,  charakterisiren 
ihn   als   ein  in  der  spätromanischen  Periode  erzeugten 


Altarlcuchter.  An  demselben  befremdet  es,  dass  in  der 
Form  die  strenge,  correcte  Haltung,  im  Aufhau  die  derbe, 
schöne  Protilirung  beibehalten  wurde,  in  der  Durclibililung 
des  Ornamentes  hingegen  eine  flüchtige  llandwerksmäs- 
sigkeit  Platz  gegriffen  hat,  —  eine  Erscheinung,  die 
bei  romanischen  Arbeiten  nicht  leicht  getroffen  wird; 
denn  wenn  das  Ornament  schon  bisweilen  eine  schwer- 
fällige l'nbeholfenhcit  und  bei  .\nwendung  von  Men- 
schen- und  Thiergestaltcn  eine  crasse  Unkmntniss  der 
Natur  verrätli,  so  keiinzcicluiet  die  Arbeiten  der  roma- 
nischen Periode  eine  sorgfältige,  hingebende  Ausfüli- 
rung,  wie  sie  unter  dem  Einflüsse  einer  erst  begonnenen, 
noch  naiven  nationalen  Kunstthätigkeit  denkbar  sein 
konnte.  So  stellen  sich  die  Durclibrechungen  des  Orna- 
mentes am  Fasse  als  einfache  gel}ohrte  Offnungen  dar, 
die  nicht  strenge  den  Conturen  der  Verzierungen  folgen, 
bei  welchen  erst  noch  eine  weitere  Nachhilfe  uothwen- 
dig  gewesen  wäre,  die  aber  hier  unterblieben  ist,  und 
die  man  bei  aller  Pietät  für  die  romanische  Kunstthä- 
tigkeit als  flüclitige  P.ehandlung,  wie  sie  an  moderner 
Marktwaare  angetroffen  wird,  bezeichnen  darf.  Nichts- 
destoweniger verdient    dieser  Altarleuchter  als  Reprä- 


Fig.   1.').  (Wien.) 


41- 


3i4     — 


sentaut  der  Geschichte  der  Arbeit  ans  der  ablaufenden 
romanischen  Zeit  die  vollste  Würdigung-. 

Ferner  ein  Sessel  ans  Elephantenknochen  zu- 
sammengesetzt, ans  dem  Jahre  1554  mit  gravirten 
Inschriften,  Ornamenten  und  Figuren.  Jeder  Fuss  60™ 
hoch,  der  Sitz  57'^"  breit,  Eigeuthum  des  Stiftes  Krems- 
münster. Die  Knochen  rnliron  von  dem  rechten  Fnsse 
jenes  Elephanten  her,  weklicn  Kaiser  IMax  II.  im  Jahre 
1552  bei  seinem  Einzüge  in  Wien  aus  Spanien  mitge- 
führt hatte.  Den  Fuss  erhielt  Bürgermeister  Huetstocker 
zum  Geschenke,  welcher  daraus  zum  Angedenken  den 
Sessel  anfertigen  lies.  Die  obere  Fläche  des  Sitzes 
enthält  folgende  Inschrift:  Cum.  Illnstriss-Frinceps. 
Maximilianus.  Rcx.  Buhemiae.  Arcbidux  Anstriae.  etr 
una  cum  regia  cunjuge.  Sua.  Jlaria.  Caroli  Y.  Rom. 
Imp.  filia.  duobus  regiis  liberis  Viennam  ex  Hispaniis 
Anno  MDLII.  die  VII.  mens.  mai.  vcniret.  Elephas  in 
suburbio  viennenzi  moritnr.  E  mortui  ])ondns  centena- 
riorum  XLII.  librarum  LXXIII.  fnit.  Ex  cujus  ossibus 
mihi   Sebastiane    Huetstocker    tunt    tem]»oris    consnli 


Fif?.  IC. 

Vicnnensi  dominus  Franciscus  Delasso  suprcmus  stabuli. 
Regii  Pracfcctus  jussu  rcgis  armus  dexter  dono  niissus 
est,  ex  (pio  lianc  sellani  memorie  ergo  f.  f.  1554.  Auf 
den  beiden  Vordcrflisscu  die  Wa]»i)en  des  Königs  Max 
und  seiner  Gemahlin,  an  dem  rückwärtigen  Fussc  das 
Wappen  des  jBllrgermeisters  Huetstocker  in  gravirten, 
scliwarzgcbciztcn  Conturcn. 

Eigcntliinii  der  Stadt  Wien  ist  aucli  jenes  nacli- 
Irägiicli  zur  Ausstelhing  gebrachte  Schwert  des  Stadt- 
riclitcrs  ans  dem  Jahre  J580.  Das  obere  und  untere 
Ende  der  Lederscheide  ist  im  reichlichen  Maase  mit 
Sill)crbcschlägcn  geschmückt,  das  obere;  Besfliliige  zeigt 
auf  einer  Seite  die  auf  einer  Kugel  stellende  Figur  der 
'Gerechtigkeit  mit  Wage,   Schwert   und  Zügel,  darüber 


den  im  Strahlennimbus  schwebenden  heiligen  Geist 
in  Taubcngestalt  i^^getri ebene  Arbeit"),  auf  der  Rückseite 
in  gravirter  Arbeit  das  Reichswappen  und  folgende 
Inschrift:  Rudolfus  II.  Imp.  158u.  Ren.  1690.  Ren. "1702. 
Rex.  1864.  Der  Griti' ist  ans  reich  verziertem  Silber  her- 
gestellt, die  Klinge  theils  geätzt,  theils  mit  Gold  tau- 
schirt.  Auf  der  einen  Seite  sieht  man  das  Wap]ien  von 
Nieder-Usterreich,  den  Binden-  und  den  Wiener  Kreuz- 
scliild,  auf  der  anderen  den  Reichsadler  mit  dem  grossen 
habsbnrgischcn  Wajipen. 

Endlich  sendete  das  Stift  St.  Paul  zwei  Kreuze,  die 
noch  im  Verlaufe  dieses  Berichtes  besprochen   werden. 

Zur  Ergänzung  (mseres  Berichtes  über  die  öster- 
reichische Amateur- Ausstellung  tragen  wir  im  An- 
schlüsse noch  die  Abbildungen  einiger  interessanter 
bisher  nicht  abgebildeter  Gegenstände  derselben  nach. 
Essinddiessdie  s,  g.  Ilrosnata-Schnsselmitdem  schönen 
Email  aus  dem  XIII.  oder  XIV.  Jahrlinndert,  Eigenthuni 
des  Stittes  Tcpl  in  Böhmen  (Fig.  1) ,  der  s.  g.  Kelch 
ans  der  Pfarrldrche  zu  Gaishorn  im  Schatze  des  Stiftes 
Admont  (Fig.  2) ,  der  schöne  venetianer  Glas]iokal  des 
Freiherrn  Anselm  von  Rothschild  (Fig.  ?>)  und  der  der- 
selben Sammlung  angehörige  Doppelpoeal  aus  Silber 
und  vergoldet  (^Fig.  4). 

Die  oberste  Platte  der  mit  alten  Eniailplatteu 
gezierten  Cassette  im  Schatze  des  Stiftes  "\'orau.  Die 
darauf  belindliche  Eniailnialerei  stellt  Christum  in  der 
(41orie,  auf  dem  Regenbogen  sitzend,  vor,  in  der  linken 
Iland  ein  Bncli,  die  rechte  zum  Segen  erhoben.  In  den 
vier  ,  die  Mandola  umgebundenen  Feldern  die  Evange- 
listen mit  den  nindjirten  Kö)ifen  ihrer  Synd)ole.  Diese 
Darstellungen  umrahmt  ein  luschriftband  ,  darauf  fol- 
gende Worte:  t  in  nie  jiraeterito  |  n  (sie)  prese  |  ns 
manet  atq  |  futurum.  (Fig.  5  ') 

In  Fig.  6  tragen  wir  die  Abbildung  eines  der 
vielen  Elfenbeinbilder,  nnt  denen  der  berühmte  Falt- 
stuhl des  Salzburger  Frauenstittes  geziert  ist ,  über 
welches  wir  in  der  Folge  eine  eingehende  Beschreibung 
bringen  wollen.  Fig.  7  zeigt  uns  die  Vorderseite  des  inter- 
essanten romanischen  Emailkreuzes  von  Bartholomäus- 
berg in  Vorarlberg.  Daselbe  ist  ganz  ndtEnmil  überzogen 
und  mit  gefassten  (Ilasfiüssun  reich  besetzt.  An  den  Enden 
derQuerl>alken  zwei  nimbirtellalldiguren  in  Relief,  tlieil- 
weise  emailirt,  am  Fnsse  eine  solche  ohne  Nimbus. 
Christus,  halbrunde  Figur,  trägt  die  Characteristik  der 
für  diese  Darstellung  üblichen  früli-romanisclien  Concep- 
tion,  hat  ziemlich  jugendliches  Aussehen,  ein  bis  zu  den 
Knien  reichendes,  lilaneniailirtes  I,en(lengew;ni(l,ist  liär- 
tig  und  gekrönt,  die  Füsse  auf  einem  Schemel  gestellt 
und  abgesondert  angenagelt.  Die  ebenfalls  blau  emai- 
lirt (■  Rückseite  ist  an  den  Balkenenden,  nnt  je  einer 
vierpassi'örniigen  Platte,  darauf  in  Schnud/farben  die 
Evangelisten-Symbole  und  mit  einer  grösseren  rliomlien- 
förndgcn  Platte  in  der  Witte  besetzt,  darauf  der  trium- 
l)hirende  (.'hristus  ebenfalls  in  Schmelz  dargestellt  ist. 
Fig.  H  zeigt  uns  ein*  älteres,  Fig.  !1  ein  etwas  jüngeres 
Kreuz,  beide  vom  Stifte  St.  Paul  nacliträglieh  zur  Aus- 
stellung gesendet.  Das  erstere,  eigentlich  nur  mehr  die 
Clirislusfigin',  aus  grün  patinirter  Bronze,  ziemlich  roh 
gearbeiti't,  an  den  Steilen  der  Augeidöcher,  die  früher 
mit  Steinen  ausgefüllt  waren,  das  Lendentucli  reicht 
rückwärts  bis  über  die  halben  Waden,  vor.'in  bis  zu  den 
Knien  und  ist  mit  eim-ni  ringl'örmij;cn  Dessin  geschinückl 
(X.    oder    Xi.   .I:ilii-Iiini(leri  i,    dei-  Christus    des    zweiten 


13 


CO 

CO 


—    31  :>    — 


Kreuzes   ist   weit  fciuer,   wenn   auch   der  Gewoliulieit      met    worden.    Yon    den   Gegenständen    hatten    einige 
des  XI.  Jaln-huuderts  getreu  geformt,  aus  vergoldetem      mittlerweile  ihre  liesitzer  geändert.  So  kam  die  sciiöue 

CoUeetion  von  Majoliea's,  die  das  Stift  Neureusch  in 
!\r;iliren  ausstellte,  als  Geschenk  an  das  ]\Iuseum  für 
Jümst  und  Industrie,  den  Sehrein  von  Miiehling  und 
das  lieldielie  Marmorköi)fehen  aus  der  Antifjuitäten- 
Sammlung  des  Stiftes  Neuklosters  erwarb  seine 
Majestät  für  die  Anibraser-Sammlung.  Leider  fand  sich 
für  den  schönen  silljernen  Löft'el,  den  Dr.  AFerta  in  Iglau 
ausstellte  und  welcher  mittelst  eines  Federwerkes  als 
Gabel  benüt/t  werden  kann,  ein  Käufer  aus  C'öln,  der 
dieses  seltene  Stück  nach  dem  Auslände  schaffte.  Auch 
noch  für  andere  Objeete  fanden  sich  der  Liebhaber 
genug,  doch  war  theils  der  Kaufpreis  zu  übersi)annt. 
thcils  waren  die  Gegenstände  überhaujit  nicht  ver- 
käuflich.' Kin  Stück,  eine  kleine  goldene  Kette,  wahr- 
scheinlich ein  Armband  mit  Kmailschmuck,  aus  dem 
XVII.  —  XVIIL  Jahrhundert,  gefunden  in  der  Thaya 
und  Eigenthuni  des  Grafen  Dann  in  Vöttau  ist.  nachdem 
die  Übergabe  an  den  Vertreter  des  Eigeuthümers  vcdl- 
zogen,  gelegentlich  des  liücktrans])ort(s  verloren  ge- 
gangen, ohne  dass  es  bisher  gelang,  dieselbe  auf- 
zufinden. 


Bronce,  das  Scliamtueh  blau  emailirt  und  nnt  buntför- 
migem  Saume  gcschniückt.  Auch  hat  sich  das  aus  einer 
Kupferplatte  mit  reichem  Schmelzüberzug  auf  der  Vor- 
derseite gebildete  Kreuz  erhalten.  Fig.  U)  gibt  die  Ab- 
bildung der  Georgsstatne  aus  W.ener-Xeustadt.  Fig.  11 
das  Schwert  des  Hochmeisters  Siebenhirter  vom  St. 
Georgs  Eitter-Orden,  Fig.  12  der  rracht-]\ritra  aus  dem 
Schatze  des  Petersstittes  in  Salzburg,  Fig.  i;;  der  Kanne 
des  gräflich  Herberstein'schen  Taufzeuges,  Fig.  14  des 
der  Bcrgwcrks-Direction  zu  Wicliezka  gehörigen  Trink- 
horncs,  Fig.  15  des  rathen,  mit  Gold  gestickten  .Stoffes, 
ein  Marsui)ium  des  heil.  König  Stefan,  das  sich  im  be- 
schriebenen Keliquiar  des  Ka]iuzinerklosters  zu  Wien 
befindet  und  Fig.  IG  des  romanischen  Leuchters,  im 
Besitze  des  Prof.  Klein  zu  Wien. 

Endlich  geben  wir  in  der  angeschlosseneu  Tafel 
die  Abbildungen  der  sehr  interessanten  Darstellungen 
auf  der  geschlossenen  Vorder-  und  auf  der  Rückseite 
des  Salzburger  Hausaltärchens,  welchen  Abbildungen 
Abdrücke  von  den  Original-Gravuren  zu  Grunde  liegen. 

Während  wir  diess  schrieben,  bestand  die  öster- 
reichische Amateur-Ausstellung  factisch  nicht  mehr, 
die  Säle  waren  bereits  völlig  leer,  und  einer  weiteren, 
wenn    aucii    nur    interimistischen   Verwendung  gewid- 


'  Wir  haben  KeDiitni.*-£  von  zahlreichen,  insbesouders  an  die  iniändischeo 
Stifte  und  Klöster  gerichteten  Zuschriften  anstiindischer  Antiquitäten-Händter, 
die  sicli  anbothen,  einzelne,  wie  ganze  Saitimluniieu  zu  den  höchsten  Preisen 
zu  übernehmen. 


Die  Siegel  der  steierisclieii  Abteien  und  Convente  des  Mittelalters. 

Von  Dr.  Arnold  Luschin. 

(Fortsetzung.  Mit  lö  Holzschnitten.) 


5.  Friedau. 

(Frauciscaiicr.  Stiltshuiligc :  Maria.) 

P.  Vigil  Greiderer's  Germania  Franciseana.  Inns- 
bruck 1777,  L  Band  IIL  Buch,  495—97  (S.  538)  und 
darnach  bearbeitet  bei  Marian-Wendt  VL  ,  306.  — 
Cäsar,  Staats-  und  Kirchengesch.  des  Herzpgthums 
Steiermark,  VI.,  374. 

Gründer  ist  der  Freiherr  Jacob  Zeckel ,  welcher 
unterm  1().  April  1493  vom  P.  Alexander  ^"I.  die  Bewil- 
ligung zur  Errichtung  eines  Klosters  der  reformirten 
Franciscaner  erwirkte  und  das  Kloster  sanimt  Kirche 
zu  Friedau  nielit  lange  darauf  (z.  B.  im  Jahre  150l 
den  Hochaltar)  vollendete.  In  den  achtziger  Jah- 
ren des  vorigen  Jahrhundert  besass  dieser  C'onvent  nur- 
mehr so  wenig  Geistliche,  dass  der  Ordensprnvincial 
selbst  auf  Auflassung  antrug,  welche  dann  von  der  Re- 
gierung nnterm  23.  Februar  befohlen  und  am  ."i.  April 
]78()  ausgeführt  wurde. 

Siegel  dieses  Conveuts  aus  dem  ;\tittelalter  sind 
nicht  bekannt. 

6.  Fürsteufeld. 

(Augustiner  de  Larga  oder  Eremiten,  Stiftsheilige:  1439  heilig'; 
Dreifaltigkeit,  heilige  Maria ;   später  der  heilige  Mauritius.) 

Marian  Wendt  VI,  185,  Cäsar,  Staats-  und  Kirchen- 
ges, d.  St.  V.  —  VII. 

Im  Laufe  des  Jahres  1362  war  die  Bürger- 
schaft Mni  Fürsteufeld  bei  dem  Angustiner-Provin- 
cial  zu  Wien,  Xicolaus  de  Laun,  um  eine  Colonie 
Eremiten  bittlieh  eingeschritten  und  hatte  nicht  allein 


einen  geräumigen  Platz  für  das  zu  errichtende  Kloster 
angewiesen,  sondern  auch  milde  Beiträge  zum  Baue  zu- 
gesagt. Diesen  Gedanken  griff  Herzog  Rudolf  IV., 
welcher  der  Verhandlung  darüber  im  Ordeuscapitel  an- 
gewohnt hatte  auf,  und  verwirklichte  ihn  durch  die  Ur- 
kunde vom  3.  December  1362,  in  welcher  er  sich  an- 
heischig macht  „ad  hoc  novnm  monasterium  Firstenfel- 
densium  dare  locum  et  fundos  ul)i  temiilum  et  chorum 
cumaliis  neccessariis  habitatioiiibus  aptis  illis  aedificare 
et    habere   possunt,    secundum   consuetudineni    ordinis 


Fig.  ü.     'Fürstenfeld.) 

illorum-.  Die  Zahl  der  Brüder  wurde  auf  12  festgestellt, 
die  Erwirkung  der  Beistimmung  seitens  des  aposto- 
lischen Stuhls  und  des  Erzbischof,  von  Salzburg  zuge- 


316 


sagt  und  die  neue  Stiftung  in  den  besondern  herzog- 
lichen Schutz  genommen.  Gleiclizeitig  wurden  die  from- 
men Verpfiiehtinigen  des  Klosters  gegen  die  herzog- 
liclie  Familie  geregelt.  .Vlsliald  begann  der  Bau  einer 
^geistlich  hofstat  zu  einem  ganczen  conuent  vnd  newer 
Stift"  und  mit  demselben  mancherlei  Anstände,  welche 
der  f'onithnr  der  dortigen  Johanniter  Tommende  namens 
der  Stadtitfarrkirehe  erliob,  weil  er  für  diese  einen  be- 
deutenden Entgang  an  den  herkihnmliclien  Opfergaben 
befürchtete.  Herzog  Albrecht  III.  beglich  endlich  (am 
!).    October    1365)    die    Streitigkeiten,   zu  deren   Aus- 


F\g    7.  /Oeirach.) 

tragung  nicht  einmal  die  aufgerul'enen  Schiedsrichter 
genügten '  dahin,  dass  das  Kloster  der  Pfarrkirche  die 
Schmälcrung  der  Einkünfte  durch  einen  binnen  drei 
Jahren  zu  bewerkstelligenden  Ankauf  von  sechs  Pfund 
Gülten  zu  widerlegen  habe.  Nachdem  noch  der  Erz- 
bischof Pilgrim  von  Salzburg,  seine  bisher  ausständige 
Zustinnuung  am  (2.  August  1867  zu  Lcibniz)  gegeben 
hatte,  erfolgte  im  Jalire  l.'iCS  die  Kinweiliuug  der  Kirche 
durcli  Erzbisch((f  Urtuliili  von  .Vpaniia. 

Zu  grösserer  Blütlic  gelangte  das  Kloster  erst 
durch  das  Vermächtniss  des  Fürstenfelder  Stadtrichters 
Nietdaus  Iiiegersdorfer  und  seiner  Gattin  Margareth, 
welche  darum  geradezu  als  die  ersten  und  wahren 
Stifter  betrachtet  wurden.  ~  Diese  verschrieben  dem 
Convente,  niichdera  sie  schon  vorher  eine  eigene  Capelle 
in  der  Klosterkirche  gestiftet  hatten,  für  den  Fall  ihres 
kinderlosen  Todes  iin-e  gesanmiti'  bedeutende  Habe 
und  zwar  sowoiil  zur  Ausstattung  von  .lalii'tagcn  und 
ewigen  Lichtern,  als  auch  zur  Vervollständigung  des 
Klosters  durch  Erbauung  eines  Kreuzgangs,  eines  Ca- 
pitel-  und  eines  Schlafhauscs.  Nach  mancherlei  widrigen 
Erfahrungen,  die  das  Kloster  (z.  I'..  14SK  durch  corvini- 
sclie  Sehaaren,  150;)  durch  völlige  iMiiäscherung)  er- 
fahren hatte,  schien  es  der  Ueformation  zum  Opfer 
fallen  zu  sollen.  Schon  hatte  die  Stadt,  nachdem  die 
meisten  Besitzungen  in  den  Jahren  1547- -1551  ver- 
kauft worden  waren,  nach  dem  Tode  des  allein  übrig 
gcbli(;bcnen  l'riurs  l^ranz  Wan,  Besitz  von  den  Kloster- 
gehänden  genommen  ,  als  es  den  energischen  Be- 
mühungen des  Ordensobern  noch  einmal  gelang,  die- 
selben ihrem  ursprünglichen  Zwecke  zurückzugewinnen. 
Das  Khisfei'  iilieilelitc   sogar ilie  Joseiihiiiischc  Epoche, 

'  l>]o  von  Schle(l»1ctitun  do«  Klosters  beantrrtgtc  KntschücUi;ungiisummo 
bctriii;  'i  Pfd.,  wog*-K'*n  Jone  do»  Oegenthi-H«  32  Pfd.  hcroilBgorcrlmet  hfttlon. 
Orlg.   Pitt.  Im  «tci<r.   I..  A.  Nr.  JfllS«. 

'  Mio  Stiflurig  ItloKomdorrir'a  ddo.  lUm,  27.  .Juni  lal  aligeihuckt  bei 
Cnesar  Ann.  Styr.  III,  7UA.  In  ItoaltK  dor  Erbschllft  kam  dns  Kloster  vor 
1  t3ii,  denn  vom  18.  .Mal  d.  J.  dmlrl  ein  ISeslXlIgungsbrlof  Herzog  l'rlodrlch  V. 


wurde  indessen  später  (ISll)  von  der  Regierung  auf- 
gehoben und  181o  an  die  k.  k.  Tabakfabrik  um  den 
Preis  von  8000  fl.  abgetreten. 

Der  Augustincr-Convent  von  Fürstenfeld  hat  sich 
während  des  Mittelalters,  wie  es  scheint  von  seiner 
Gründung  an,  bis  in  die  zweite  Hallte  des  XVI.  Jahr- 
hunderts eines  und  desselben  Siegels  bedient,  das  jedoch 
bisher  nur  aus  sehr  ungenügenden  Abdrücken  be- 
kannt ist: 

8.  (XIV.  Jahrhundert.)  Lapidar  zwischen  Perlen- 
linien: 

-f  S  °  aO  °  FR  "   (h  o  ORDI)   S  =>  S  (.WaXT) 
i  .W'G   (\-STIl(F)  \HR  t/JTtf\'«LD  ' 

(Sigillum    conventus    fratrum    heremitarum    ordinis  s. 
Augustini  in  Fverstenveld.) 

Die  sitzende  Gottesmutter  mit  dem  Kinde  auf  dem 
rechten  Arme.  Zu  beiden  Seiten  erscheint  im  Siegel- 
felde ausser  emporrankenden  Blumenzweigen  je  ein 
betender  Ordensljruder  ober  einem  getheilten  Wapjien- 
schilde  mit  Querbalken  und  Panther:  Rund.  Gr.  50  Mm. 
Fig.  C),  schwarzes  oder  grünes  Wachs. 

Die  beiden  Schildchen  enthalten  das  Wappen  der 
Stadt  Fürstenfeld,  dlnvolil  in  einer  von  der  gewidui- 
lichen  abweichenden  Anordnung.  Dieselbe  kann  jedoch 
um  so  weniger  autilallen,  als  bei  diesem  Wapjjcn  die 
grössten  Schwankungen  vorkommen,  und  z.  B.  schon 
im  XIII.  Jahrhundert  der  vorher  neben  dem  Panther  an- 
gewandte Adler  dem  (österreichischen)  Balkenschilde 
weichen  niusste.  (Melly  Beitr.  S.  81  fgd.)  Gemeiniglich 
(^auch  bei  Widimsky  Nr.  25)  wird  es  darum  als  eine 
Vereinigung  der  österreichisch-steierischen  Landeswap- 
pen: weisser  Querbalken  in  Bnth,  und  weisser  Panther 
in  Silber  blasonirt.  Schmutz  gibt  dem  Balken  die  Gold- 


Fii; 


(Güss.) 


linkliir,  wogegen  Bartsch  (15(17)  diesen  ganz  verwirft 
unil  nur  einen  i;(ilileiieii  l'aiidier  im  schwarzen  I'elde 
angibt. 

I  I':rliaU(.'n  hat  altli  da»  Slogcl  In  uhior  l'orKnniuiit-lrkmiilü  dd".  1553, 
»nntag  vor  ».  fülgontng  ln'tl'.  den  Vorkiiuf  dor  Kloslur-Iindstillio  nn  Muiili.irt 
llloMchiiogl  In  so  boscIiKdlgtom  Ziistnnriu,  d.i»»  dlo  iianzo  Unko  Scito  dc-r  Um- 
«chrlft,  dlo  Iliiclislabori  S  .  (lO  ausuonnninii'n  bi»  .\V(;  orgiinzl  wcnlun  iiuissto. 
Eine  kiirzllcb  aufgofumlon.:  rnplor-Uikundc  ddo.  1551),  Sunntaii  nacli  Si. 
fAnloiilonlng)  ,  betredond  dlo  Auf.-nndung  von  :!  Schll.  .'IDon.,  1  Ilollcr  an  den 
I'rocin-ator  der  »tcicr.  I.and-rhafl,  Tablan  /VllinKOv  verkaufter  llorron^iilten, 
hat  von  dr;m  Siegel  nur  dl.'  Jilldlliicli.'  und  die  Anfani;»-  Hurhslalicn  .S  ,  OO  . 
Kl'"  erübrigt.  Die  Darstellung  nlninil  nill  der  vom  Slogolzolohiii'r  ank'odeii- 
toten  Ergänzung  völlig  überoln,  allein  dlo  Umschrift  mus»  nun  In  dor  Im 
Texte  angedoutcton  Weise  vorvollsinndlgl  werden. 


—    ;}1T 


Mittelalterliche  Siegel  dor  rrioren  sind  iiiclit  be- 
kannt. 

7.  Geii'iich. 

(Kartliiinser,  Stiftsheiligev  :  Mauritius.) 

Puscil  luul  Frölilicli  DiiiimiKitaria  sacra  dnoatus 
Styriae  II,  133 — 177  (Dipiuuiatariuni  ('arthusiae  Gyiien- 
sis.)  Marian  Wciidt  \i,  344.  Über  die  .späteren  Schick- 
sale Dr.  R.  Peinlich  Jahresbericht  des  k.  k.  I.  Staats- 
Gymnasiiims  in  Graz  1872,  S.  G2. 

Um  das  Jahr  1174  hatte  Bischof  Heinrich  von  Giirk 
mit  Zustininunii;'  seines  Capitels  und  seiner  Ministerialen 
..in  praedio  quodam  Gyrio  nomine  in  ]\Iarchia  sito''  ein 
Karthäuser-Kioster  gegründet,  welches  Papst  Alexan- 
der III.  genehmigte  und  in  seinen  Schutz  nahm.  Als 
jedoch  Bischof  Heinrich  kurz  darauf  (117(5)  starb,  drohte 
der  neuen  Stiftung  grosse  (-efahr,  da  dessen  Nach- 
folger dieselbe  einem  andern  Orden  einräumte.  Schon 
war  sie  ganz  eingegangen,  als  Herzog  Leojjold  VI.  sie 
im  Jahre  1209  erneuerte  ,  die  verschleppten  Güter  wie- 
der zusamnienbraciite  und  durch  ansehnliche  .Schenkun- 
gen vergrösscrte.  Die  Karthause  bestand  sodann  unter 
wechselnden  Schicksalen  durch  vierthalb  hundert  Jahre, 
bis  sie  der  Verschwendung  und  schlechten  Klo.sterzucht 
zum  Opfer  fiel.  Als  solches  durch  die  Visitation  1564 
festgestellt  war,  bekam  sie  .Administratoren,  erst  den 
Kardinal  Zacharias  \on  Daupiiince  ,  dann  1589  den 
Abt  von  Kenn,  ohne  dass  der  Zustand  wesentlich 
gebessert  worden  wäre.  Zwei  Jahre  darauf  wurde  die 
Karthanse,  nachdem  sie  schon  vorher  Beiträge  znr  Er- 
liauung  des  Jesuiten- C'ollegiums  zu  Grätz  und  zum 
Unterhalte  des  Convicts  liatte  leisten  müssen,  zu  (Gun- 
sten dieser  aufgehoben,  und  den  Jesuiten  die  Verpflich- 
tung auferlegt,  einen  Theil  der  Einkünfte  für  eine  An- 
zahl von  Zöglingen  (ahnnni  Gyrienses)  zu  verwenden. 

Über  dem  reichen  Urkundenschatze  des  Klosters 
schwebte  ein  böses  Verhängniss,  die  weit  grösste  An- 


¥ig.  9.     (Üöss.j 

zahl  der  alten  Originale  ist  verloren  gegangen  und  es 
sind  darum  nur  folgende  Siegel  bekannt : 

9.    (XIU.    Jahrhundert.)    Lapidarschrilt    zwischen 
glatten  Linien : 

■h  S  \'ALLIS  SCCI  *A-,\'Rian  IRGV)  ROW 


Ober  einem  dreifachen  Bogen  die  heil.  .Maria  mit 
dem  Jesukinde  auf  dem  linken  Arme,  unterhalb  ein 
kniender  .Mönch  von  der  rechten  Seite.  Spitzoval  Gr. 
37/23  Mm.,  ungefärbtes  Wachs,  sehr  beschädigt  an  der 
Urkunde  B.  Dietrichs  von  Gurk  ddo.  1200,  24.  Decem- 
ber  Grätz,  erhalten,  in  welcher  dieser  die  Beilegung  von 
N'ogteistreitigkeiten  zwischen  dem  Kloster  St.  Paid  und 


Fig.   Kl.     (GÜ.SS.) 

dem  Grafen  von  Pfannbcig  durch  das  I'rtheil  des 
Königs  Otak'ir  II.  bezeugt.  (K.  k.  geh.  Haus-Hof-  und 
Staats-Arehiv  in  Wien.) 

10.  (XIV.  Jahrhundert.)  Lapidarschrift  zwischen 

S  c  \HLLIS  o  -SAnaTI  =    0'^7T\RI(CII  =    IN  -  GWUO  o 

Die  stehende  Muttergottes  nnt  dem  Jesukind  auf 
dem  Arme.  Spitzoval  G.  45  32  Mm.  Fig.  7. 

Vorhanden  an  einer  Vergleichuugs-Urkunde  der 
Karthausemit  den  Montpreisern  ddo.  1335  ,  .30.  März, 
Geiraeh  im  k.  k.  geh.  II.  II.  und  .Staats -Archiv  zu  Wien. 


8.  Göss. 

iBenL'dictiner-NoniK'ii.  Stittsheilige  :  Maria,  Andreas.) 

Pusch  und  Fröhlich,  Dijil.  s.  Duc.  Styr.  I.,  Seite 
1  — 13ü.  Marian  Wendt.  VI,  141.  Schmutz"  Topograph. 
Le.\.  I,  529. 

Auf  den  Gütern  im  Leobeuthalgau ,  welche  ein 
Graf  Aribo  im  Jahre  904  vom  Könige  Ludwig  zu  Ge- 
schenk erhalten  hatte,  begann  mehr  als  ein  Jahrhun- 
dert später  die  Gemaliu  seines  gleichnamigen,  vom 
Sehlage  gerührten  Enkels,  Adala,  die  Errichtung  eines 
Frauen-Klosters  nach  der  Regel  des  heiligen  Benedict. 
Vollendet  wurde  dasselbe  durch  deren  Sohn  Aribo,  da- 
mals Diakon,  der  Salzburger  Kirche  und  später  Erz- 
bischof zu  Bfainz,  um  das  Jahr  1020  und  gleichzeitig\ani 
1.  Mai  d.  J.)  bestätigte  König  Heinrich  II.  dessen  Be- 
sitzungen. Trotzdem  wurde  Adala  als  die  eigentliche 
Stifterin  betrachtet.  Schon  vom  Jahre  1023  stammt  eine 
reiche  kaiserliche  Schenkung  ,,cuidam  nostro  mona- 
sterio  Gossia  dicto'-  und  rasch  folgten  andere  ,  so  dass 
das  adelige  — wohl  auch  kaiserlich  genannte —  Frauen- 
stift zu   den  reichsten  des  Landes  zälihe  ,    als    es  am 


318 


21.  März  1782  der  Grätzer  Kreis-Hauptuuiun  Graf  Wolf 
vou  Stubenberg  für  aufgelöst  erklärt.  Mit  dem  Stifts- 
vermög-eu  wurde  das  vou  Kaiser  -Tosef  1783  geschaffene 
Bisthum  Leoben  dotirt,  und  dem  ersten  und  einzigen 
Bisehofe  Alexander  Grafen  von  Engel  das  auf  loGSS  fl. 
3 ',2  kr.  geschätzte  Erträgniss  anstatt  der  Congrua jähr- 
licher 12000  fl.  überlassen. 


Fig.  11.     (Göss.) 

Während  dos  Mittelalters  bediente  sieh  der  Con- 
vent  dieses  Klosters  vier  verschiedener  Siegelstempel, 
welche  den  überlieferten  Typus  in  der  spitzovalen  Form, 
der  rmsclirift  und  in  der  Darskdlung  durch  Jahrhun- 
derte bewahren,  in  Kinzeliiciten  dagegen  nicht  uninte- 
ressante Veränderungen  zeigen.  Alle  enthalten  nämlich 
das  von  der  knienden  Stifterin  Adala  emporgetragene 
Bild  des  Münsters  ndt  der  vomllinmiel  herabsegnenden 
Hand  Gottes  und  il(>ni  leoninischen  Hexameter  als  Um- 
schrift: „Adela  sunnue  deus,  hoc  fert  tibi  fanuila  mu- 
nus".  Daneben  aber  verändert  sich  nicht  allein  die 
Tracht  der  weiblichen  Figur,  sondern  auch  der  Bau- 
styl der  Kirche. 

11.  (XII.  Jahrhundert.)  Eapidarschrift  zwischen 
einfachen  Linien : 


+  IVdElJl  "  SWWOl  =   I)S  0  I-GK  r 

F77.WVLA  o  mvms. 


TIHI 


Adala,  bekleidet  mit  einem  in  liatterndc  Fiügel- 
ärmcl  cndigi'ndciii  (lowandc,  hält  mit  wc'it  ausgebreite- 
ten Armen  das  rumauische  Kirchengebäude,  das  einen 
in  der  Mitte  aufragenden  Thurm  aufweist,  an  welchem 
die  .\psis  mit  Kupi)clbedacliiing  auschliesst.  Kirche  und 
Tliin-m  sind  mit  mehreren  Jicihen  übereinander  ange- 
brachter l!iindl)Of;-en-l''enster  versehen,  der  Eingang  ist 
an  dei-  \orderscitc  und  dem  'J'hurme  scli\\a(li  sichtbar, 
die  Hand  Gottes  ist  kurz,  und  senkrecht  :iiir  das  Kir- 
ciicndach  geriditct.  Fig.  H, 

G.  fi(i'4i)  Mm.  rohes  Wachs  an  bhiu  gcflirbten 
IlanlVädcn  hängend,  (•rhal(('n  an  IJrkiimle  von  1220, 
(Xr.    423)    des    steirm.    lyandes-Arciiivs. 

Bald  darauf  scheint  dieser  schlicht  gearbeitete 
Stcmjjcl  verloren  gegangen  zu  sein  und  es  wurde  die 
Anfertigung   eines  neuen  Siegels  offenbar  nach   einem 


Abdrucke  des  alten  angeordnet.  Die  Arbeit  fiel,  nament- 
lich was  die  Schrift  betrifft,  nicht  zum  Besten  aus,  ob- 
gleich sich  der  Graveur  möglichst  genau  an  sein  Vor- 
bild hielt. 

12.  (XlII.  Jahrhundort.)  La]iidarsclirift  zwischen 
einfachen  Linien  am  untern  Thoile  des  Siegels  be- 
ginnend : 

■{'  KDKLh    ^\y\V.    ns    HOC    (FK)RT  TIBI    FTTMAI-h 
.>\\'X\S. 

Die  Darstellung  Adala's  ist  sich  gleich  geblieben 
und  nur  vergröbert,  die  romanischen  Portale  an  dem 
Thurme  und  der  im  Giebel  mit  einer  aufragenden  Spitze 
versehenen  A'ordorseitc  erscheinen  deutlicher.  DcrThurm 
ist  schlanker,  die  segnende  Hand  bedeutend  grösser 
und  länger  geworden.    Fig.  'J. 

G.  66/43  Mm.  ungefärbtes  Wachs,  au  Seidenfäden 
oder  Pergamentstreifen  hängend  ,  an  Originalien  des 
steirm.  LandcsArchivs,  während  der  Jahre  1200 — 1269 
(Nr.  732,  746,  933). 

Der  so  ersetzte  Sicgelstcmpol  erfreute  sich  nicht 
lange  der  Zustinnnung  ,  sondern  man  begegnet  seit 
1292  einem  dritten,  welcher  alsdann  bis  in  das  XV. 
Jahrhundert  im  Gebrauche  stand.  ' 

13.  (XIII.  Jahrhundert.)  Lapidarschrift  zwischen 
einfachen  Linien : 

7iD«LK  o  S\OM  I)\  S  °  HOC  FffRT  TIBI  InOA'LTJ   » 

Adala  erscheint  in  ]\Iönchskleidung  mit  weiten 
Ärmeln  und  Capuze.  Das  Kirchengebäude  tritt  in  den 
Details  viel  klarer  hervor;  die  Eingänge  sind  ver- 
schwunden ,  dafür  zeigt  die  Vorderfront  ein  kleeblatt- 
förmiges Fenster  und  einen  kreuzgeschmückten  Giebel. 
Die  Kuppel  der  .\psis,  auf  den  früheren  Siegeln  durch 


Fig.  \2.    (Graz.) 

den  Thurm  zur  Hälfte  verdeckt,  ist  hier  vollkonnnen 
sichtbar. 

G.  65/44  Mm.  —  meist  an  Pergamentstreifen  an- 
hängend, z.  B.  1292,  9.  (»ctober.  Güss.  Fig.  10. 

14.  (XV.  Jahrhundert.)  Übergangs -Lapidar  zwi- 
schen einer  Perlen-  und  einer  einfachen  Linie. 

;  Äi.'iA  i  s\-.\\K  :  'c)\s  hoc  j  fkrt  ;  niii  ; 

FTTAWLTi   ;  .\\\\CI  t  Zierrath   und   -I-. 

'Kino  »clulnbnro  Ausnahino  von  cllreov  KoihcnMk'o  blldtt  ürk.  liOO; 
Oö»B.  (Nr.  7H7  de»  «Icliir.  T,.  A.),  In  wi^lrhor  Otto  vun  Pornock  für  «ich  unil 
scino  vorwilwoto  Scliwo»lor  Cuncguiul  einen  Hof  zu  Hvntostdrf  an  dus  Klo- 
ster (iöss  schonkt  ,  well  hier  «clion  dn»  Nr.  lil  beschrlolicno  .Sichel  an  Seiden- 
fSdcn  nngeliiinKl,  Allein  die  l'rkundo  »rholnt  nur  In  einer  I"—'-'"  Jahre  spiito- 
ron  Auufcrtigunii  «Ich  orli.ilten  zu  halien,  du  Olto's  von  rorneck  Siogcl  fehlt, 
obwohl  e»  angekündigt  «Ird  und  dafür  Jone»  seiner  Schwester  da  l»t^  welche 
nach  dem  Worllauto  der  Urkunde  durch  Otto  von  Liechtenstein  vortreten 
werden  sollte. 


319     — 


Adala  in  engärnu'liger  ^löiiclistraclit  und  Ca- 
pntze,  hält  das  gnthisclie  Kirchengehäiide,  hinter  wel- 
chem der  in  eine  Kreuzrose  endigende  Thuruieiiiporragt. 
Den  Giebel  der  Vorderseite,  in  welcher  ein  grosses  Tlmr 
ersclieint,  sclnnückt  gleichfalls  eine  Kreuzrosette.  Die 
segnende  Hand  ist  klein  und  parallel  mit  der  Richtung 
des  Kirchendachs.  Die  untere  Hälfte  des  Siegclfeldes 
erfüllt  endlich  ein  verschlungenes  Schriftband,  auf 
welchem ,  von  den  emporgestrecktcn  Armen  Adalas 
unterbrochen  ,  die  Jahreszahl  der  Siegelanfertigung 
14_S9  steht. 

G.  70/44  Mm.  Fig.  11.  An  Pergamentstreifen  an- 
hängend erscheint  dieses  Siegel  meist  in  grünem  Wachs, 
an  mehreren  Urkunden  des  steir.Landes-Archivs  bis  tief 
in  das  XVI.  Jahrhundert. 

Die  Abtissinen  lührteu  \\:iliren(l  des  Jlittelalters 
eigene  Bildsiegel,  in  neuerer  Zeit  auch  Wappensiegel. 
Das  Wappen  des  Stifts,  wie  es  bereits  15G7  im  Bartsch' 
sehen  Wappenbuch  vorkiinnnt,  war  ein  schwarzes  Huf- 
eisen im  goldenen  Felde. 


9.  Grätz. 

(Minoriten.  Stiitsheilige :  Mariii.) 


Kaisers  Max  1.  geforderte  Itefurmirung  anzunehmen  uml 
zur  strengern  Observanz  überzugehen,  seiner  Besitz- 
rechte auf  das  Kloster  bei  der  Murbriieke  für  verlustig 
erklärt. 

Als  die  Minoriten  im  Jahre  1520  abermals  nach 
Grätz  zurückkehrend,  iiir  altes  Kloster  nicht  mehr  zu- 
rück erlangen  konnten,  dankten  sie  dem  frommen  Sinne 
der  Familie  Eggenberg  einen  provisorischen  Aufenthalt, 
bis  ihnen  zu  Knde  des  XVI.  Jahrhunderts  die  schöne 
Mariahilf-Kirehe  auf  dem  rechten  Murufer  nebst  einem 
stattlichen  Klostergebäude  erbaut  wurde,  in  welchem 
sie  sich  noch  gegenwärtig  befinden. 


Herzog  Cosmographia  Austriaco-Franciscana.  Köln 
1750,  264  ff.,  Marian  Wendt  Austr.  Sacra  VI.,  237 
und  256. 

Schon  ums  Jahr  1226  soll  der  Minoritenorden  zu 
Grätz  eine  Ansiedlung zur  „Hinnnelfalirt  Maria"  genannt, 
besessen  haben.  Andere  nennen  die  Jahre  12;jOund  1240. 
In  der  That  werden  in  einer  am  13.  Juli  1239  zu  Graz 
ausgesfellteu  Urkunde  Minoriten  unter  den  Zeugen  an- 
geführt, doch  lässt  sich  nicht  erkennen,  ob  dieselben 
bereits  in  der  Stadt  ansässig  waren,  oder  ob  sie  sieh 
wie  die  ebenfalls  erwähnten  Dominicaner  ohne  Convent 
und  nur  vorübergehend  aufhielten;  '  für  das  Jahr  12.54 
bewahrt  indessen  das  fürstbischöfliche  Archiv  zu  Lai- 
bach ein  unzweifelhaftes  Zeugniss,  eine  Bulle  Papst 
Innocenz  IV.,  in  welcher  dieser  „(piardiano  et  fratril)us 
ordinis  fratrum  Jlinoruni  de  Grecz"  die  Frlaubniss  zur 
Annahme  frommer  Vermächtnisse  und  dg),  gewährt. 


Fig.  13.    (Grätz.) 

Im  Jahre  1515  wurde  der  Orden,  da  er  sich  wei- 
gerte die  vom  Papste  Leo  X.    über   Einsehreiten    des 

I  Hfinrich  von  Grafenstein  und  Ulricii  vnu  Trixfn  erklären  sicli  mit 
einer  Schenkung  ilires  Brurlers  Ch(olo)  an  das  ])eutschordenshaus  zu  Graz 
einverstanden.  Unter  den  Zeugr-n:  de  ordine  fratrum  Minorum  Alliertum, 
Marchwardum  sacerdotes  ,  de  ordine  Praedicatorum  frater  Fridericus  et  Her- 
manuns  sacerdotes,  u.  s.w.  Original  im  Drutschordens  Archive  zu  Wien  uml 
Copie  Pap,  im  steierm.  Land'^s-.\rchivp. 

XVIII. 


Fig.   1-1.  (Griitz,  Miiioritt'u-Coiivent.) 

15.  (Xl\'.  Jahrhundert.)  Lapidarschrift  zwischen 
Perllinien. 

■i-  .  S.  —    GT^HLlHÜ  -    I    II*  .  GR.\TZ-€. 

Brustbild  der  heil.  Maria  mit  dem  Kinde  in  gotinseher, 
altarähnlicher  Nische,  unterhalb  der  betende  Quardian. 
Spitzoval  G.  29/25  Mm  ,  Fig.  12  grünes  Wachs  an 
Pei-gameut-Streifen.  An  einer  L'rknnde  vom  Jahre  1514 
im  Archiv  des  Grazer  Franciscaner-Convents. 

16.  (XIH.  Jahrhundert.)  Lapidarschrift  zwischen 
Perllinien : 

■b  S  o  I'RÄTR\'0^  o  Oll  -  \  CR  o  (I N  G)  o  RSTZe 
die  Krönung  Maricns,  unterhalb  ein  betender  Minorit 
mit  aufgesetzter  Kaputze. 

Spitzoval  G.  42/26  Mm.  Fig.  13,  weisses  Wachs, 
erhalten  an  einer  Originalurkunde  des  Klosters  Admont 
ddto.  1265,  14.  October,  Grätz,  in  weicherbezeugt  wird, 
dass  Stadtarzt  Johannes,  der  Quardian  Br.  Absolon  und 
der  Reetor  des  Grätzer  ^Minoriten-Klosters  gewisse  Pri- 
vilegienbriefe des  Stiftes  Admont  in  der  öffentlichen 
Gerichtssitzung  laut  abgelesen,  gejjrül't  und  verdeutscht 
hätten. 

17.  (Xn'.  Jahihundert.'i  Lapidarschrift  zwischen 
Perlenlinien. 

4-  S  .  aÖV«RT'  FRHTR  .  »IdRüR  .  11*  .  GRtfZ. 

Die  Krönung  Mariens.  Spitzoval  G.  46/32  Mm. 
Fig.  14,  grünes  Wachs  an  Pergamentstreifen,  erhalten 
an  einer  Urkunde,  welcher  der  Provinzial-Custos  und 
der  Convent  der  Minoriten  von  Grätz  den  Dr.  Hanns  von 
Halweyl  „zu  einem  proeurator  oder  geistlichen  vater 
vnsers  closters  zw  Gratz  bei  der  .Murprueken  ernennen 
und  ihm  den  Besitz  sämmtlicher  (Uiter  des  Klosters 
einräumen  u.  s.  w.  ddo.  1514,  19.  October. 

42 


320 


10.  Grätz, 

I  Üomiuicanerineii,     Stiftslieilig-er:  heilige  M;ii-ia.) 

Herzog'  a.  a.  0.  Jlaiiau  We'iult  VI.,  2o4. 

Unter'm  G.  April  loOT  crfheilte  Herzog  Friedrich 
der  Schöne  dem  Landeshauptmann  der  Steiermarlc 
ririch  vonWallsee  die  liewilligiuig-,  auf  seinen  Gründen 
nächst  Orätz  ein  Frauenkloster  des  Predigerordens  zu 
stiften.  Schon  im  folgenden  Jahre  begann  der  Bau  des 
Klosters,  welches  ir>13  bereits  bezogen  wurde  und  im 
Laufe  der  Zeit  reichliche  Dotirung,  n.  A.  auch  ein  von 
denllorneckern  gegründetes  Spital  erwarb.  Als  aber  im 
Jahre  1481  eine  Belagerung  der  Stadt  durch  das  Heer 
des  Ungarnkönigs  Mathias  Corvin  drohte  und  man  be- 
sorgen musste,  dass  das  ausserhalb  der  Stadtmauer  auf 
dem  (jetzt  imbekannten")  (Trillbühel  gelegene  Kloster 
dem  Feinde  einen  vortheilliaften  Stützpunkt  abgeben 
könnte,  da  wurde  dasselbe  geschleift  und  die  Über- 
>iedlHng  der  Nonnen  ins  Innere   der  Stadt  angeordnet. 


Fi<?.   15.  (Orätz,  Dniiiinic.iiiei-iiien.) 

Hier  wurden  dieselben  zunächst  in  l'rivathäuser  unter- 
gebracht, weil  die  Stadt  mit  Kücksicht  auf  den  Stand 
ihrer  Finanzen  die  Erbauung  eines  neuen  Klosters  ab- 
lehnte. Als  der  auf  die  Ul)ersiedlung  des  Franciscaner- 
f'onvents  abzielende  l'lan  1407  nicht  zur  Ausführung 
kam,  wies  man  ihnen  ihre  ^\'(dlnung■  nächst  dem  Fried- 
hofe der  .Minoriten  (im  sogenannten  I'aradeis)  an  ,  bis 
sie  1517  das  von  Franciscancrii  nach  Einräumung  des 
Minoritcnklosters  leergewordene  Ordenshaus  am  soge- 
nannten 'rummcl])latzc  beziclicn  konnten.  Die  so  in 
ihren  Besitz  gilaiiglr  Kirche  S.  Leonhard  bestand 
liis  zu  der  im  Jahre  ]7«4  von  der  Regierung  vertilgten 
.\ufhebung  des  Klosters,  welche  am  1.  Jänner  des  fol- 
genden Jahres  vollzogen  wurde.  Aus  dem  dabei  cr- 
haltencnBaarvcrmögen  wurde  ein  Betrag  von25().0()()li. 
für  die  Errichtung  eines  adeligen  Damenstilts  mit 
18  I'lätzen  ausgeschieden,  und  tliesem  seli)st  das  weit- 
läufige Klostergcbäude  zur  Verfügung  gestellt. 

18.  (XIV.  Jahrliinidcrt)  Lapidarschrift  zwischen 
Perllinien : 

+  S  .  'VÜNH'S  .  S(i{{  .  A\7:U1((  .  IN  (;U((I)D  o 

Unter  einem  von  Säulen  getragenen  gothischen 
Vorbau  die  heil.  Maria  als  Himmelskönigin,  das  Jcsu- 
kindlcin  auf  dem  linken  Arme  und  den  Zepter  in  der 
Ki'cliten.  Spitzoval.  ('•.  b'.'i/'.iU  .Mm.  Fig.  Nr.  In  farblost'S 


\V:ic 


IS     ;in 


I'crgamentstreifen   anhängend,    eriiidtin 


an 


einem  Original  des  steier.  Landes- Archivs  vom  Jahre 
1388  (Nr.  3G5n. 

11.  Grätz. 

(Franciscancr.  Stiftsheilig'er  —  1515.  h.  Leonli;ir4 , 
s|)äter  die  heil.  Jlana.) 

Herzog  C'osmügra]iina  Austr.-Franc.  2t)4  — 303.  P. 
Vigil  Greiderer  Germania  Franeiscana  I.  Band,  3.  Buch 
81,  S.  306,  Marian  Wendt  VI,  236. 

Kaiser  Friedrich  III.,  ein  besonderer  Gönner  der 
„refonnirten  Franeiscaner",  die  er  schon  1451  in  Öster- 
reich einführte,  nachdem  er  zuvor  beim  Papste  dem 
Orden  die  Erlaubniss  zur  Errichtung  von  10  Conventen 
in  seineu  Gebieten  verschafft  hatte,  begünstigte  auch 
deren  Niederlassung  zu  Grätz.  Schon  am  8.  October  1463 
gab  der  Erzbischol  Burkiiard  von  Salzburg  auf  Ver- 
wendung des  Kaisers  als  Diöcesan  seine  Zustimmung 
zur  Ansiedlung  nächst  der  St.  Leonhards-Capelle,  ausser- 
halb der  Stadt  (in  eeclesia  St.  Leonhardi  prope  Graz 
sub  limitil)ns  parrochialis  ecclesiae  oppidi).  Doch  iiatte 
der  kaum  begonnene  Bau  anfangs  namentlich  sei- 
tens der  Anrainer  mancherlei  Aiitcindungen  zu  erdul- 
den, welche  den  Kaiser  im  Jahre  1467  zu  einer  gemes- 
seneu Weisung  an  den  Landesverweser  Veranlassung 
gaben.  Die  förmliche  Schenkung  von  Grund  und  Buden 
auf  welciien  das  Kloster  noch  innner  im  l'aue  betindlich 
war,  erfolgte  erst  1471,  sie  betiaf  die  Gegend  des  heu- 
tigen Tummelplatzes,  der  damals  noch  ausserhalb  der 
Stadt  lag.  Als  dann  der  Convent  der  Donduieanerinen 
seit  der  im  Jahre  1481  verfügten  Abtragung  des  Ge- 
bäudes an  dem  Grillliühel  obdachlos  geworden  war, 
machten  König  Jlaxinnlian  und  dessen  Gemalin  Bianca 
Maria  dem  l'apstc  Alexander  VI.  1497  den  Vorschlag, 
das  Minoritcn  Kloster,  bei  der  Murbrücke  gelegen,  des- 
sen Bewohnerzahl  sehr  zusannnen  geschmolzen  sei,  den 
relbrnnrien  Franciscanern  zu  ülierlassen,  und  deren 
theilweisc  noch  unausgel)aute  Ansiedlung  den  Doniini- 
canerinen  einzuräinnen.  Doch  verzögerte  sich  diese  An- 
gelegenheit. Erst  am  25.  Mai  1515  wurden  die  Mino- 
ritcn, weil  sie  auf  die  vorgeschlagene  Pelormation  incht 
eingehen  wollten,  \o\\  den  päjistlichen  Connnissiiren 
ihres  Klosters  für  verlustig  erklärt  und  dieses  an  die 
Fi'anciscaner  überwiesen.  Dieselben  bezogen  es  sofort, 
noch  vom  gleichen  Jahre  datirt  ein  Revers,  in  welchem 
sie  der  Stadt  (Jrätz  vcrs|)rechcn,  tlie  in  die  Stadtmauer 
zur  Erheltung  ihres  Rcveiit  und  ihres  Schlafsaals  ge- 
Inochenen  Fenster  mit  dicken  I]isenstangen  zu  verwali- 
ren,  und  behielten  es  bis  zur  (u'genwart. 

Siegel  dieses  Convcnts  aus  dem  Mittelalter  sind 
nicht  bekannt,  ein  neueres  vom  Jahre  1652  beschreibt 
Herzog  a.  a.  O.  S.  303. 


13.  Grätz. 

( DniiiiniciiKT,   /Hill  lii'il.    liliit.) 

Caesar  .\enales  Stvriae  111,  523.  Marian  Wendt 
253. 

Mit  Urkunde  vom  Charsamstage  1466  genehmigte 
K.  Friedrich  HL,  dass  die  Dominicaner  die  im  ehemali- 
gen Judcnvicrtel  neu  errichtete  Gapelle  nebst  dem 
dazu  gehörigen  Grunde  übernehmen,  und  daselbst  ein 
Klostei'   rrliaiien    illnflen.    Nieht    lange  darauf,    .am   16. 


VI, 


321 


Juni  (1.  J.  crfolg-te  die  piipstliclic  I'cstäti.n'inij;'  und  es 
blieben  min  Kirclie  und  Kloster  durcii  nahezu  120 Jahre 
im  Besitz  des  Ordens,  der  es  1586  an  die  Jesuiten  ab- 
treten musste,  und  sich  dann  naeh  Kt.  Andrä  auf  das 
rechte  Murufer  zurückzog.  Von  hier  aus  übersiedelte  er 
18o8  in  das  frühere  Augustinerkloster  im  Münz,i;ral)en, 
musste  aber  auch  dieses  im  Jahre  1832  zu  Gunsten  der 
Jesuiten  aufgeben.  Xach  deren  Weggange  wurde  das 
Dominicanerkloster  wieder  eingerichtet,  und  besteht  als 
solches  bis  zur  Stunde. 

in.  (XV.  Jahrhundert.)  IMinuskel  zwisclien  einer 
einfachen  Linie  und  äusserem  Stufen rand. 

J&  :  priorio  röuf tua :  frm  :  nrtitiiio  :  ^  tiiratoru  : 

i  :  grcf:5 

(Sigillinn    prioris  conventus  fratruni  ordiuis  Praedica- 
torum  in  Grecz.) 

Im  Siegelfelde  ein  Kelch,  ober  demselben  die  bis 
zum  halben  Leibe  aus  dem  Grabe  aufgerichtete  Gestalt 
des  Heilands,  die  Linke  erhoben  und  mit  der  Eechten 
nach  der  Brustwunde  deutend. 

Spitzoval,  G-  43  27  ^Im.  rothes  Wachs  au  Seiden- 
scbnüren  oder  Pergamentstreifen  hängend  (an  zwei 
Originalen  des  steierm.  Landes-Archivs  aus  den  Jahren 
1514  und  1528). 

20.  (XV.  Jahrhundert.)  Minuskel  zwischen  einer 
einfachen  Linie  und  äusserem  Stufenrand. 

8  :  roüctua  :  ror|]Drio  ¥ti   frum   nrlliniö  p  ^tra' 


tnru  t  grä^  j 


(sigillum  conventus  corporis  Christi  fratruni  ordiuis  Prae- 
dicatorum  in  Graez  4-) 

Iiu  Siegelfelde  ober  einem  Kelche  mit  emporragender 
Hostie,  das  Lamm  mit  der  Osterfahne. 


Fig.  1().  ((4ratz,  Dominicaner.) 

Spitzoval  G.  43/29  IMm.  Fig.  Nr.  IG,  rothes  Wachs, 
an  einer  Urkunde  des  Steierm.  Landes-Archivs  vom 
Jahre  1514  an  einem  Pergamentstreifen  anhängend. 


13.  Hoheninaiitlien. 

(Augnstinei'-Ereniiten  oder  de  Larga ,  znni  heiligon  Johannes  d. 
Täufer.) 

Marian  Wendt  VI.,  Seite  325. 

Auch  für  dieses  Kloster  (wie  für  die  Minoriten  zu 
C'illi)   gelten   die  Grafen  von  Cilli  als   Gründer,    oder 


doch  als  ganz  besondere  Wohlthäter.  Die  Entstehung 
wird  bis  in  die  Mitte  des  XIIL  Jahrhundert  hinaufge- 
rUckt ,  doch  lässt  sicli  die  Existenz  desselben  erst  für 
das  Jahr  1200  durch  einen  Ablassbrief  urkundlich  er- 
härten, welchen  ein  IS.  Bonifaz  dieser  Kirche  des  heil. 
Joliann  des  Täufers  verlieh.  Die  Ordensl>rüder  führten 
ein  kümmerliches  Dasein  bis  zum  Jahre  17-^5,  wo  die 
Aufhebung  des  Klosters  erfolgte. 


Fig.  17.  ( Hohenniauthen. ) 

21.  (XIII.  Jahrhundert.)  Lapidarschrift  zwischen 
zwei  Perlenlinien,  deren  innere  von  zwei  einfachen 
Linien  umschlossen  wird. 

■i-  S  o   PRIORIS  (C(f)\\'«.\T'  I-R.W)  SSI  (.W6   ,  I) 
.\\\  TA 

(Sigillum    ])riorir    conventus    fratruni    sancti   Augustini 
in  -Miita) 

Ober  einem  Bogen  die  Taufe  Christi  im  Jordan, 
unterhalb  der  betende  Prior. 

Spitzoval  G.  50/35  Mm.  ein  schlechter  Gipsab- 
drnck  zum  Jahre  132St  in  der  Smitnierischen  Samm- 
lung 0.  404,  des  k.  k.  g.  II.  II.  u.  Staats-Archivs  zu 
Wien. 

22.  (XIIL  Jahrhundert.)  Lapidarschrift  zwischen 
Perlenlinien: 

■h  SC(Ö\ffT\S  o  F  ROITRU  (!)  S  A\'G\S  TI.M  o   D'O^TA 

Getheiltes  Siegelfekl,  in  der  obern  Hälfte  der  stehende 
heil.  Johannes  der  Täufer,  das  agnus  dei  in  der  Hand, 
in  der  unteren  drei  betende  Mönche. 

Spitzoval  G.  5;!/;!4  ^Ini.  Fig.  17  nach  einem  Gips- 
abdruck der  Smitnierischen  Sammlung  zum  Jahre  1329 
—  0.503. 


14.  Jiuleiiburg. 

iMinoriten,  hei).  .Johannes  der  Täufer.) 

Herzog,  Cosniogr.  .\ustr.  Franc.  39()  fsde.  Marian 
Wendt  VI.,  122. 

Die  Ansiedluug  der  Minoriten  zu  Judenburg  soll 
noch  bei  Lebzeiten  des  Ordensstifters  erfolgt  sein  und 
wird  den  Babenbergern  zugeschrieben.  Sichergestellt 
ist  sie  tür  das  Jahr  1259,  in  welchem  bereits  die  Mino- 
ritenkirche  urkundlich  genannt  wird. 

4-2  * 


322 


Auch  dieses  Kloster  miisste  von  seinen  Bewohnern 
gleich  dem  Grazer  unter  Kaiser  Friedrich  III.  den  refor- 
niirten  Franciscanern  überlassen  werden. 

2o.  (XIV.  Jahrhundert.)  Lapidarschrift  zwischen 
einer  einfaclien  Linie  und  äusserem  Stufeurande. 

■i-  S  .  GÄRDIÄId   0  D  IUDFABIRGa 

eine  stehende  g-ekrünte  Heilige,  die  Linke  auf  der  Brust, 
den  Palmenzweig  in  der  Eechten  (wohl  die  heil.  Katha- 
rina, welcher  eine  eigene  zum  Kloster  gehörige  Capelle 
geweihi  war). 

G.  38  '2G  Mm.  Farbloses  Wachs  an  Pergament- 
streifen. 

24.  (XIIL  Jahrhundert.)  Lapidarschrift  zwischen 
einfachen  Linien 

■i-  S  FRM  Mn'IOR  D'  I\DffNB\'RCh 

die  Taufe  Christi  im  Jordan. 

Spitzoval,  G.  3G''26  Mm.  (Fig.  18),  ungefärbtes  oder 
grünes  Wachs  an  Pergamentstreifen  anhängend.  Beide 
Siegel  (Nr.  23  und  24)  kommen  an  Frkunden  aus  den 
Jahren  1357  bis  1427  (St.  L.  Arch.  Nr.  ,")120a)  vor. 


15.  Jmlenbiir^. 

(Cliirisseriiinen,  heil.  Maria,  i 

Herzog  Cosmogr.  Austr.  Francisc.  Seite  70U — 723. 
-Afarian  Wendt  VL  135,  Muchar  Geschichte  der  Steier- 
mark V.  200. 

Seit  dem  Jahre  1222  wohnten  Clarisser- Nonnen 
in  einem  bürgerlii-iien  Hause  zu  Jiidinburg.    Allmählig 


Vig.  1«.    i.luilciiliurg.) 

wurde  der  Wunsch  nach  einer  förmlichen  Ordensniedcr- 
las.sungregc,  und  der  reiche  Judcnburger  Bürger  Hein- 
rich und  dessen  frommefiemMliliii  (ieiscl  beganncM  nach 
dem  Jalire  ]2.")0  den  ]5au  eines  Klosters  ausserhalb  der 
Stadt,  da.s  Paradeis  genannt.  Gleichzeitig  waren  nach 
dem  Tode  der  heil.  Clara  zwei  Schlilerinncn  derselben 
aus  dem  Klosler  s.  Daniian  zu  Assisi  nacii  Jiidenburg 
gekommen,  um  die  regelmässige  Finriehtung  der  neuen 
Stiftung  zu  leiten,  und  schon  vom  Jalire  1254  ilulirl  eine 
vom  l'apst  Innoccnz  IV.  an  die  Priorin  und  dent'onvent 
gerichtete  Bulle,  in  welcher  diesen  die  Annahme  von 
Legaten  gestattet  wurde. 

Das  Schicksal  dieses  Klosters,  welches  wiederholt 
vom  Feuer  hart  heimgesucht  wurde,  war  ein  sehr  wech- 
selndes.    Die  Kriegsunruhen    bewirkten    1480  dessen 


Aufnahme  in  die  Stadt  („gegen  s.  ;\Iärthen  so  in  der- 
selben vnserer  stat  ligt"),  Seuchen  vei'niinderten  die 
Zahl  der  Bewohnerinnen,  innere  Streitigkeiten  bedrohten 
ernstlich  den  Fortbestand  desselben.  Schliesslich  nahmen 
die  Nonnen  die  vom  Papste  UrbanIV.  gemilderte  Ordens- 
regel an  und  hiessen  seitdem  I'rbanistinnen.  Im  Jahre 
1782  wurde  der  Convent  von  der  Regierung  aufge- 
hoben. 

25.  (Xn'.  Jahrhundert.)  Lajndarschrift  auf  jeder 
Seite  je  von  einer  einfachen  und  einer  Perlenlinie  be- 
grenzt. 

S  :  HBH TISS«  .  Ut  —    ILSD«XB1SR6H  -h 

die  heilige  Clara,  stehend  mit  Zweig  und  Buch.  Im 
Siegelfelde  ausser  leichtem  Rankenwerk  von  oben  herab: 

^  X  t!)lara. 

Spitzoval  G.  o'J  23  Mm.,  rothes  Wachs,  an  Perga- 
mentstreifen, erhalten  an  Urkunden  de.s  steier.  Landes- 
Archivs  aus  den  Jahren  1540  und  1587,  und  als  „der 
Abtey  ge wonlich  in  sigH  bezeichnet. 

20.  (XIV.  Jahrhundert.)  Lapidarschrift  zwischen 
Perlen  und  einfachen  Linien  wie  oben : 

•i-  S  :  TTbblSS«  .  S^:  Öl  .  D't'ADISCJ   (JRDIS  Säl 
DAO^I  I\DäB\RCIj 

(sigillum  abbatissae  sanctae  Mariae  de  Paradiso  ordi- 
nis  sancti  Daniiani  in  Judenburch.) 

ober  einem,  an  der  unteren  Seite  mit  Perlen  besetzten 
dreifachen  Bogen  das  Brustbild  der  heil.  l\Iaria  mit  dem 
Kinde.  In  der  unteren  Hälfte  des  Siegelfeldes,  die  durch 
die  senkrechte  Nebenschrift  hAIN  -RIC\'S  und  GöISl.A 
bezeichneten,  einander  zugewandten  Figuren  der  Stifter, 
die  romanische,  mit  kreiizgeschmückter  Kupiiel  und 
schlankem  Thurm  versehene  Kirche  emporhaltend. 

Spitzoval,  6.  58/34  Mm.,  Fig.  19,  grünes  Wachs 
an  Pergamentstreifen;  erhalten  an  Urkunde  ddo.  1540 
25.  Juli  und  ausdrücklich  als  des  „Conuents  aigen  in- 
sigel"  bezeichnet.  Imu  Siegel  mit  gleicher  Darstellung 
und  ähnlicher  Umschrift: 

SI   .   Ah  .   SAC   .  MO  .  DK  ,  P.\   .  f)R  .  S  .  CLAR  .  DF 
.^S  .  IN  INI), 

beschrciiit  Herzog  S.  723  als  das  noch  17  Id  übliche 
sia-illum  abbatissae  minus. 


16.  Jiidciilmi'g. 

r.Viif^iistiiier-Ei'ciiiiti'ii  eilor  de  Larga  —  zur  |]<'il.  Dreifaltigkeit.) 

Caesar  Ann.  Styriae  III.  247.  -    .lalnesberieht  des 
I.  Staatsgynin.  zu  Graz  1870,  S.  11). 

Am  ."!.  Deceniber  1302.  demselben  Tage,  von  wel- 
elieni  der  Stiftl)rief  ilir  den  Augustiner-Coincnt  zu  Für- 
st) iifeid  datirt,  gründete  Herzug  Rudolf  1\\  in  seinem 
iiiel  den  Niimen  seiner  Brüder  auch  iiuch  ein  zweites 
Kln^ter  dieses  Ordens  zu  Judenburg,  der  heil.  Drei- 
faltigkeit gewidmet.  Die  Schwierigkeiten,  welche,  äiiu- 
licli  wie  in  l*'iirslenfel(l  die  Sta(lt|ilaire  dagegen  erhub, 
wurden  durch  eine  jährliche  iMitschädignng  von  20(nil(l 
gülden  beglichen,  von  welchen  der  Convent  die  Hälfte 
bezahlen  sollte,  das  Übrige  Vdui  Herzoge  auf  die  Bür- 
gerstcHier  angewiesen  wurde.  Iiiterm  8.  Octob(>r  I.'JOö 
bestätigte   llerziig  Albreeht    III    dieses  y\bkiimmeii  und 


—     323 


Fig-.  19.     (Judenburg.) 

erhöhte  sogar  die  Ablösungssumme  um  4  fl.,  welclie  er 
auf  das  Erträgniss  des  Judeuburger  Gerichtes  sehlug. 
Der  Couvent,  welcher  sich  in  Urkunden  mitunter 
als  jenen  ,,iu  dem  niedern  kloster"  oder  ,.der  newen 
Stift''  bezeichnet,  scheint  es  niemals  zu  einigem  Wohl- 
stande gebracht  zu  haben.  Im  Jahre  1620  wurde  das 
Kloster,  nachdem  es  bereits  durch  längere  Zeit  nur 
mehr  von  einem  alten,  der  Landessprache  unkundigen 
Jlönche  war  bewohnt  worden,  mit  päi)stlicber  Zustim- 
mung an  den  Freiherru  Balthasar  von  Thannhausen  um 
2000  fl.  verkauft,  und  von  diesem  dem  Jesuiten-Orden 
geschenkt,  der  es  am  14.  Juni  J620  bezog. 

27.  (XIV.  Jahrhundert.)  Laiiidarschrift  zwischen 
einfachen  Linien: 

S  +  PRIOS  +  in  I\'DÖB\7lCh    ORDTS  +  FR07  + 
heRfC.:-SttI    SLS6  + 

(Sigillum  prioris  in  Judenburch  ordiuis  fratrum  heremi- 
tarum  sancti  Augustini.) 

IJas  Siegelfeld  von  leichtem  Eankenwerk  ertullt, 
und  darin  die  heil.  Dreifaltigkeit ,  dargestellt  durch 
Gott  Vater,  welcher  Christum  am  Kreuze  hält,  und  den 
zwischen  beiden  in  Taubeugestalt  erscheinenden  beil. 
Geist,  das  Ganze  ober  einer  gothischen  Nische,  in  wel- 
cher der  betende  Prior  kniet. 

Si)itzoval  G.  48/29  Mm.,  grünes  Wachs  au  Perga- 
mentstreifen. Kommt  an  Urkunden  des  steier.  Landes- 
Archivs  aus  den  Jahren  1415  —  1528  vor. 

28.  (XIV.  Jahrhundert.)  Lapidarschrift  zwischen 
Perlenlinien : 

•i-  S   ttÖN'SNö  .  II*    I\Daii\Rah  .  ÜRDIS  .  FROi    . 
hiRff  .  Sai  .  ASC 


Im  Siegelfi'lde  zwisciicii  leichten  Blätterranken 
und  oberhallt  vier  knienderMiinche  die  Himmelskönigin 
mit  entfaltetem  Mantel,  die  Kechtc  gegen  die  Betenden 
gekehrt,  in  der  herabgesenkten  Linken  ein  aufgeschla- 
genes Buch 

Bund.  G.  42  Mm.,  Fig.  20,  farbloses  oder  grünes 
A\achs  an  Pergamentstreifen  hängend.  Vorhanden  an 
Urkunden  des  steier.  Landes-Archivs  aus  den  Jahren 
1415— 14:!0  (Nr.  4004,  4837). 


17.  .Iiidcnburg. 

(Frunciscaner.   Zum  lu'il.  Joliannes  de.s  Täufer.) 

Herzog  Cosmugr.  .\ustr.  Francisc.  369  —  412.  Jla- 
rian  Wendt"^  VI,  1 22. 

Zu  den  ersten  Klöstern,  welche  Kaiser  Frie- 
drich III.,  nach  dem  Auftreten  des  Johann  Capistran, 
seit  dem  Jahre  1451  den  reformirten  Franciscanern  ein- 
räumte, gehörte  der  ehemalige  Minoriteu-Convent  zu 
Judenburg.  ,.Die  Zahl  seiner  Bewohner  habe  so  sehr 
abgenommen  und  die  Mittel  zum  Unterhalte  hätten  sich 
so  sehr  vermindert,  dass  eine  gedeihliche  Fortexistenz 
der  Ausiedluug  kaum  möglich  gewesen  wäre-',  schrieb 
begütigend  der  Kaiser  an  dem  Minoriten-General  Jacob 
de  Jlozanico.  Die  päijstliche  Bestätigung  langte  im 
Jahre  14ri5  ein,  und  das  Kloster  bestand  dann,  trotz 
der  widrigen  Schicksale,  die  es  während  des  XVI.  Jahr- 
hunderts zu  erdulden  hatte,  bis  die  völlige  Verwüstung 
die  es  durch  den  Bi-and  \on  1S07  erfuhr,  dessen  Auf- 
hebung veranlasste. 


(Sigillum    conventus     in    Judenburch    ordinis 
heremitarum  sancti  Augustini.) 


fratrum 


Fig.  20.    (Judenburg.) 

Siegel  des  Convents  aus  dem  Mittelalter  sind  nicht 
bekannt.  Einen  Abdruck  des  schön  geschnittenen  Stem- 
pels von  1599  mit  dem  heil.  Johann  d.  T.  bewahrt  das 
Archiv  des  GrätzerFranciscaner-Convent  au  einer  Ur- 
kunde vom  24.  Juli  1601.  Ein  neueres  vom  Jahre  1652 
beschreibt  Herzog  S.  412. 


Ein   (leutsclies  Schaclizabelbuch  des  XIV.  Jahrluiiiderts. 

Von  Albert  Ilg. 

Im   Sommer  des  Weltausstellungsjahres   war    iui  t  heilweise  schon  im  Anzeiger  für  Kunde  deutscher  Vorzeit 

österreichischen  Museum  durch  Vermittlung  des  Herrn  d.  J. ,  Spalte  226-229,  berichtet  habe.  Hier  soll  von 

Professor  Dr.  Dudik   ein  der  Fürst  Dietriclisteinschen  dem  Schachzabelbuche   allein  die    Bede   sein ,    dessen 

Bibliothek  in  Nikolsburg  gehöriger  Pergameutbaud  mit  künstlerische  Ausstattung    es  einer  eingehenden  Wür- 

Malereien  geziert  ausgestellt,   über  dessen   Inlialt    ich  digung  wohl  werth  erscheinen  lässt.   Doch  möchte   ich 


324 


aucli  (las  Kaleiularium,  -welches  im  selben  Bande  damit 
zusammengebunden  ist  ,  der  Aufmerksamkeit  jener 
empfehlen,  die  das  Studium  mittelalterlicher  Chronologie 
betreiben. 

Der  Anfang  des  Buches  ist  vollständig,  obwohl  es 
auf  den  ersten  Anblick  scheinen  möchte,  als  fehle  der- 
selbe. Es  ist  nämlich  das  zweite  Blatt  vor  das  erste  ge- 
.  banden.  Dieses  enthält  Titel  und  Inhalt:  Schachzabel 
vnd  von  seinem  syten  vnd  was  den  chvnig  angehört. 
Das  ander  von  der  chvniginn  wie  dij  sey  gestaltvndvon 
irn  sj'ten.  Das  dritt  ist  von  den  alten  vud  auch  von  irn 
syten.  Das  vierd  ist  von  den  Rittern  vnd  von  irn  syten  vud 
amptcn.  Das  fvnft  ist  von  den  rochen  vnd  von  im  syten 
vnd  auch  von  irr  gestalt  vnd  von  irrn  ampten.  Das  erst 
Capitel  des  dritten  tails  ist  von  den  pawlewten.  Das 
auiler  ist  vondeu  sniiden.Das  dritt  ist  von  wolbertchern. 
Das  vird  ist  von  den  chavflewten  vnd  von  den  Wechslern. 
Das  fvnft  ist  von  den  ertzten  vnd  von  den  Apotekern. 
Das  sechst  ist  von  den  leykgebern  ynd  von  den  gast- 
gebern.  Das  sibund  ist  von  amptlewten  vud  von  stat- 
])h]egern  vnd  von  der  gemaiu.  Das  acht  ist  von  gnftern 
Spylern  vn.I  lottern.  Das  erst  Capitel  des  vierden  tails 
ist  wie  geniainleich  sich  das  gestain  von  stat  hebt.  Das 
ander  des  chünigs  gankch  von  stat.  Das  dritt  der  chv- 
niginn gankcii.  Das  ^ierd  der  alten  gankcli.  Das  fvnft 
\on  der  Ritter  für  gankch.  Das  sechsts  von  der  Roch- 
vart.  Das  sybund  von  den  gemayn  lewtcn.  Das  acht  ein 
wyderred  der  ding  dy  vor  gesalzt  sein. 

Das  hvbsch  Schachzabel  spil  hat  der  Meister 
Xerses  in  Chaldaea  erfunden.  Es  ist  darum  nicht  walir, 
was  einige  sagen,  dass  es  von  Troja  seinen  Anfang  ge- 
nommen, es  kam  vielmehr  erst  aus  Babyhm  zu  den 
Griechen,  dann  zu  .Mexanders  Zeiten  in  Aegyptenland, 
und  darnach  in  dy  laut  gein  Südens,  also  sagt  aus  ein 
f^hrichiscijer  maister  der  heisst  dyomcdes.  Damals 
hiTi'schto  der  wilde  fraysam  König  Emimaradrach,  der 
die  Meister  tödtcte  und  Grausandceiten  (dine  Zaid  be- 
ging; ihm  zur  Lehr  und  Warnung  ersaun  der  Meister 
Xerses  dieses  Spiel,  welches  die  gute  Ordnung  des 
königlichen  Regimentes  darstellt.  Der  König  fand 
flcfallen  daran,  liess  sich  von  dem  Meister  unterweisen 
niid  nahm  auch  dessen  Erniainnuigen  hin.  Aber  auch 
zur  Vermeidung  scliädiichcn  Müssiggangcs  war  es  er- 
funden worden,  und  drittens  endlich  durch  lust  ncwcr 
sadi  wann  all  menschen  begercn  ze  hörn  und  ze  wissen 
new  dinkcli.  Xacli  dieser  Erläuterung  der  Eitindung  ist 
ein  IJlatt  herausgeschnitten,  das  erhaltene  beginnt 
nieder  mit  Aufzählungen  von  Beispielen  hervorragender 
fieduldproben.  Es  ist  hier  nämlich  bereits  v(m  der  ersten 
Bersmi  des  S])ielcs,  dem  Könige,  die  Rede  und  W(;rdcii 
die  Tu^rcndcn  genannt,  die  er  besitzen  soll.  W'alir- 
>cheinlicli  theilt  alles  dieses  der  Erfinder  des  Schacli- 
zabels,  der  weise  Meister  Xerses  dem  Fürsten  in  seiner 
1'ntcrredung  mit.  In  einem  der  hiebei  zahlreich  einge- 
llnclitenen  Beispiele  aus  der  alten  Geschichte,  der 
Anekdote  vcni  dem  ehernen  Ochsen  des  Ferillus,  wird 
der  Verfertiger  dieses  AVerkes  ein  giezniaistcr  ges- 
maides  genannt,  der  machet  einen  glockspcisenen 
ochsen. 

Die  Königin  soll  sein:  eync  sclione  lr;i\v  in\(ig(d- 
tcm  gewant  ^mbswaift  mit  vcdiem  vnd  sol  dy  fraw  sten 
zu  der  tcnken  haut  auf  dem  Schaclizabel  ,  darunib  das 
Hey  der  Chunig  mit  der  rechten  haut  mag  gehalscn ; 
auch  liier  fehlt  das  Übrige.  Das  Manuscript  begin?it  wie- 


der, wo  von  den  Tugenden  der  Königin,  deren  fünf  auf- 
gezählt werden,  die  Rede  ist.  Gar  merkwürdig  ist  die 
hier  vorkommende  Stelle,  in  welcher  von  einen  guten 
Fürsten  verlangt  wird  ,  dass  er  die  chvust  der  pücher 
haben  solle,  was  ist  anders  ein  vngelert  chunig  dann 
ein  gechrönter  Esel. 

Dy  alten  auf  dem  Scliachzabel  sullen  sein  also  ge- 
stalt daz  zweu  sitzen  auf  zwain  stüln  vnd  haben  e)^l 
l)ucli  auf  der  schoz  vnd  dy  pedewten  richter.  Sie  stehen 
je  auf  einem  weissen  und  einem  schwarzen  Felde  und 
richten  über  Cnzucht  und  Habe,  nahe  an  des  Königs 
Seite.  Die  Ritter  sitzen  zu  Pferde  mit  ganzer  "W.itlen- 
rüstuug,  das  Ross  soll  bedeckt  sein.  Auch  ihnen  wer- 
den, wie  d«n  Richtern  und  Alten  und  sämmtliehen  Per- 
sonen des  Spiels,  ^'orschriften  gegeben,  bei  den  Rittern 
auch  insbesondere  für  die  Aufnahmscerenionie  in  ihren 
Stand,  wann  man  das  Scliwert  gesegnet,  da  sollen  sie 
gebadet  sein,  der  Fürst  möge  sie  auf  den  Hals  schla- 
gen etc. 

Das  Roch  auf  dem  Schachzabel  soll  sein  ein  rittcr 
sitzend  auf  aineni  ross  mit  einer  vel  vnd  soll  auf  haben 
ein  gugel  mit  ainem  vehem  vnterzug  vnd  soll  ein  reyss 
haben  in  seiner  rechten  haut  vnd  pedewt  vitztum  vnd 
legatum  der  fürstcn. 

Die  Venden  bedeuten  die  Gemain  lewt  und  arbai- 
ter.  Der  erste  sei  ein  ])a\vmann;  mit  einer  Gerte  in  der 
linken,  mit  der  man  das  \'ieli  austreibt,  im  Gürtel  trage 
er  eine  Sichel  oder  ein  Reutraesser  um  Bäume  und  Re- 
ben zu  schneiden.  In  diesem  Capitel  heisst  es,  dass  die 
.luden  in  der  Wüste  des  goldene  Kalb  smittcn  undNoali 
wird  der  erste  wein/.üi'l  genannt;  er  düngte  den  wilden 
Wein  mit  Löwen-  und  Affenniist,  weil  der  Eine  vom  Ge- 
nasse des  Weines  kühn,  der  andere  unkeusch  wird.  Der 
anderVend  Ijcdeutet  was  nuin  nut  Hännnern  schmiedet  und 
mit  Zinnnerparten;  er  stehe  vor  dem  Ritter,  weil  dieser 
seines  Werkes  zur  Rüstung  bedarf.  Den  \^'erkieuteu 
wird  Treue  empfohlen  ,  da  man  ihnen  grosses  Gut  anver- 
traut, Silber,  Gold  und  edle  Steine,  als  den  goltsmyden 
vnd  den  münczern.  El)enso  vertraut  nmn  den  Maurern 
\  n<l  dy  stet  turn  clicler  Chenniaten  maurn,  Schätze  an. 
Der  dritte  \'ende  trägt  eine  Scheere  insofern  er  Schnei- 
der und  Tiichl)ereitcr,  ein  breites  ^Messer  insofern  er 
Fleischhacker,  Ledcrcr,  Schuster, , Ircher  und  Kürschner 
bedeutet.  Am  Gürtel  trage  er  ein  Schreibzeug  und  die 
Feder  hinter  dem  Ohr,  da  er  ancii  die  Scln-eil)er  be- 
zeichnet, liier  wird  aus  Petrus  Aipliiinsus  die  liekannte 
Geschichte  von  derFreun(U'sprol)e  milgetiieilt,  die  darin 
besteht,  dass  sich  alle  vorgeblichen  Freunde  weigern, 
den  Sack  mit  dem  Schweine  ins  Wasser  zu  werfen,  wo- 
rin sie  die  Leiche  Eines  von  ihrem  (Ühmer  ICrmordeten 
vcrmuthen  ;  desgleichen  ans  derselben  (imdle  die  (!e- 
schichte  von  den  beiden  Freunden,  die  l'ür  einander  am 
Galgen  steri)en  wollen. 

Der  vierte  Vende,  mit  Elle  und  Wage  in  Händen, 
ist  der  Repräsentant  der  Wechsler,  Leiber  und  auch 
dl']-  Tnchbereiter.  fieschichle  \on  der  römisciicu  I^raii 
Paiilina,  die  von  dem  Ritter  Jlundus,  unter  der  \ov- 
spiegciung  er  sei  ein  Gott,  der  ihrer  verlange,  entehrt 
wird;  aus  .losephus.  Der  fünfte  \'end  sitze  auf  dem 
Meisterstidde  und  halte  ein  Bncli  und  eine  lUichse  in 
den  Händen,  inrGürtcl  s1c(d\(!  ein  Winideisen.  llii'iher 
gehören  uändich  die  Ar/Je  und  alle  Li'hrer  der  iVeien 
Künste,  die  auch  aufgezählt  werden,  die  Ajjotheker  und 
Salbcninachcr.     Der   sechste   Vend   mit   einer  Semmel, 


32ä 


eiueiu  Gläsloiii.  fincm  Schlüssel  im  Gurt  uml  Winkeu 
der  Haiul  ist  ein  Leutg-eh  oder  Ga.stwirth.    Der  siebente 
Veud  luit  Elle   und  Schlüssel  bedeutet  Amtleute   und 
Stadtpfleger,  sein  Beutel  mit  Pfenninge  die  Krämer  und 
Zöllner.   Die  Attribute  des  achten  Venden  sind  Würfel 
Pfennige    und    ein  Biieft'ass,      denn    darunter   zähh'u 
gutter  das  pedewt  spiler,  Hüflig-an,  Schelter  und  liihal- 
den,   sowie  Briefträger.  In   diesem  Capitel  ist  die  Ge- 
schichte von  dem  Undank  der  Kinder  und  dem  imvor- 
sichlig-freigebigen   Vater  aufgenommen,    die    von    der 
Hagen  unter  dem  Titel  das  Bloch  in  den  Gesammtaben- 
teuern   publicirt   hat.    Der  Vater  lieisst  hier  .Jan  von 
Cauati.    Hier  endet  die  Beschreibung  und  allegorische 
Auslegung    der  einzelnen   Schachfigui-en,  den   Schluss 
der  Handschrift  bildet  noch  ein  Capitel,  überschrieben: 
Von  dem  Scliachzaliel  spil  wie  es  sein  fürgang  hat  mit 
seim  gestain.  Das  Brett  zunächst  hat  i)4  Felder  und  be- 
deutet die  Stadt  Babylon,  da  das  spiel  funden  ist.  Folgt 
eine  Beschreibimg  der  berühmten  Metropole  aus  Hie- 
ronymus.  Das  Brett  sei  aussen  und  Innen  gespanget  vnd 
gesmitt  zu  ainer  zier  des  spiels.  Seine  Borde  und  symiss 
(Simse)   bedeuten  die   Mauern   Babylons.    Schliesslich 
wird   zwar  wiederholt,   dass   diese  Stadt  ursprünglich 
mit   dem  Schachbrette   gemeint  sei,   doch  mag  maus 
gleichen  allen  reicben  vnd  halt  aller  weit.  Hierauf  folgt 
ziemlich  kurz  gefasst,  die  Schilderung  der  Spielbewe- 
gung  der   einzelnen   Figuren.   Obwohl   auch   noch  die 
gemeinen  Leut,  d.  s.  die  venden  berücksichtigt  werden, 
so   scheint  doch  das  Werk,    welches  hiemit  im  Manu- 
script  sein  Ende  erreicht,  nicht  vollständig  zu  sein;  der 
Text  bricht  ab,  wo  noch  ein  allgemeiner  Schluss  wenig- 
stens erwartet  würde.    Auch  fehlt  jegliche  .\ndeutung 
des    Endes.    Der  Verfasser    war  ein    bücherkundiger 
Autor,   wie  das  nachfolgende  Verzeichniss  der  von  ihm 
citirten  Schriften   zur  Genüge   ausweist.    Er  entnimmt, 
namentlich  zu  den  Exempelu,  die  er  bringt,  den  Stoff 
der  heil.  Schrift,  Gregor  Xaz.,  Hieronymus,  Augustinus 
de   civ.   dei,   .Ambro.sius,  Macrobius.    Von  griechischen 
und   römischen   Schriftstellern  kennt  er :    Valerius   de 
Alex.,  Seneca,    Varro  ,.cin  hoher  maister-,  Quinctilian, 
Plato,    Ovid,    ,,Tulius"    (^Cicero),   Aristoteles,    Sueton, 
Trogus  Pompejus,  Basilius,  Virgil,   Josephus,   Architas 
Tareutinus,  Sallust,   Galen,   Hippokrates,   Claudianus, 
endlich  Theophrast,  Paulus  Diacouus,  Avicenna,  Sym- 
machus.  Seltener   sind  Anführungen ,  wie:  ,. Dyomedes 
der  Griech-,  Ozanius  vom  Könige  Parillus,  Helymandus, 
Angellus  de  Socrate,  Petrus  Alphunsus  von  .\rabia  etc., 
dass  ihm  auch  die  Kenntniss  vieler  zur  Zeit  landläufiger 
deutscher  Erzählungen  und  bispelle  zu  Gebote  gestan- 
den haben  muss,  beweisen  die  gegebenen  Beispiele  von 
der  Geschichte  der  Freunde,  vom  bloch,  etc. 

Da  ich  nicht  beabsichtige,  den  eigentlichen  Inhalt 
für  die  Culturgeschichte  im  allgemeinen  oder  für  die 
Geschichte  der  Spiele  zu  untersuchen ,  so  begnüge  ich 
mich  mit  den  gegebenen  Bemerkungen  und  wende 
meine  Aufmerksamkeit  den  Jlalereien  zu.  Gegenwärtig 
schmücken  die  Handschrift  noch  12  Bilder,  Jedes  auf 
der  ganzen  Octavseite  entworfen ,  deren  Kückseite 
Schrift  enthält.  Indem,  wie  schon  erwähnt,  in  den  Par- 
tien des  Buches,  wo  von  König  und  Königin  die  Rede 
ist,  einige  Blätter  mangeln,  sind  auch  die  Abbildungen 
dieser  beiden  Figuren  verloren.  Alle  Bilder  stellen  die 
Figuren  nicht  in  der  Gestalt   der  Spielsteine,   sondern 


als  jene   wirklichen  Menschen   dar,    deren   Tyiien   die 
Schachfiguren  bedeuten. 

1.  Die  Alten.  Ihrer  zwei  sitzen  auf  einer  hölzer- 
nen Bank,  einander  zugewendet,  indem  sie  gemein- 
schaltlich  oin  grosses  aufgeschlagenes  Buch  halten. 
Der  Eine  hat  ein  blaues  L'ntergewand  und  einen  rosen- 
i'arbenen  Mantel,  am  Haupte  ein  liarett  derselben  Fär- 
bung. Der  .Andere  ebenfalls  ein  blaues  Kleid  .  mit 
grünem  Mantel,  über  dem  Kopfe  eine  An  Kapuze  von 
blauer  Farbe  ,  die  auf  die  Achseln  rechtwiidvelig  aus- 
gezackt niederfällt,  über  dieser  Kopfbedeckung  kommt 
ein  Bund,  wie  bei  dem  Ersten,  zum  Vorschein.  Auf  einem 
Spruchbande  ist  zu  lesen:  Von  der  gestalt  der  alten 
vnd  von  irn  ampten. 


2.  Ein  Ritter.  Sein  Ross  ist  grau,  das  Geschirr 
Zinnoberroth,  die  Decke,  welche  mit  dem  Sattel  zusam- 
menhängt ,  und  den  ganzen  hinteren  Theil  sammt  dem 
Schweife  verhüllt,  grün.  Der  Reiter  trägt  vollständige 
Eisenhoseu,  die  jedoch  schon  aus  grossen  Platten  be- 
stehen, an  den  Zehen  der  Füssen  in  Spitzen  auslaufen 
und  am  Knie  Buckel  bilden;  die  letzteren,  sowie  die 
Sporen  sind  goldfarb.  Den  Leib  bedeckt  knappes  rosen- 
farbes  Wannns  (Lendner),  dessen  Ärmel  im  Geschmacke 
der  Zatteltracht  in  viele  La])pen  auslaufen  und  wie 
gewaltige  lange  Flügel  nach  abwärts  fallen.  Innen 
sind  sie  grün  gefüttert,  die  Hände  stecken  in  kurzen 
Eisenfäustlingeii,  das  Haupt  deckt  ein  gespitztes  kes- 
selartiges Gefäss  ohne  Visir  (HundskogeV) .  welches  am 
Hals  in  einen  vielgliedrigen  Koller  von  Eisen  übergeht. 
Der  Ritter  trägt  das  Spruchband  in  der  Hand ,  wefches 


326 


lautet:  Das  vierd  Capitel  von  Kitteru  viul  von  im  syteii. 
Waffen  sind  im  Bilde  nicht  zu  sehen ,  im  Texte  heisst 
es:  der  Ritter  soll  zu  Ross  sitzen  mit  ganczem  wappen. 

3.  Ein  Roch.  Auch  er  ist  ein  Ritter  zu  Pferde,  einer 
Art  Falben,  mit  ähnlichem  Gezäume,  wie  das  Erste, 
jedoch  ohne  Decke,  der  Sattel,  welcher  vorne  und  rück- 
wärts hoch  hinaufreichende  Ränder  hat,  ist  blau  und 
geht  unten  in  abgerundete  Zacken  aus,  der  Steigbügel 
ist  golden.  Die  ganze  Figur  des  Reiters  ist  in  einen 
enganliegenden  grünen  Anzug  gekleidet,  bestehend 
aus  goldengegürtetem  Wannns  mit  Zattelärmeln,  welche 
blaues  Futter  haben,  und  Beinkleid,  das  auch  die  Füsse 
bedeckt  und  über  die  Zehen  in  langen  Lappen  herab- 
lällt.  Grün  ist  die  Kopfbedeckung,  welche  im  Texte 
gugel  genannt  wird,  d.  h.  eine  Art  Schärpe,  die  an  der 
linken  Achsel  befestigt  ist,  und  über  das  Peizbarett 
des  Hauptes  geschwungen,  auf  der  anderen  Seite  wie- 
der herabfällt,  eine  seltsame,  doch  nicht  unmalerische 
Tracht.  Diese  Gugel.  sowie  das  Barett,  sind  mit  her- 
raelinartigem  Pelzwerk,  velien,  gebrämt.  In  der  Rechten 
hält  der  Ritter  einen  Zweig;  das  Spruchband  besagt: 
von  der  gestalt  des  Rochs. 

4.  Der  erste  Vende.  Sein  gegürtetes  blaues  Ge- 
wand geht  bis  zu  den  Knieen  herali,  die  weitbauschigen 
Ärmel  hängen  wie  grosse  Säcke  nieder.  Beine  und 
Füsse  stecken  in  lichtvioletter  knapper  Undiüllung, 
das  Haupt  ist  unbedeckt,  die  Attribute  dem  Wortlaut 
entsprechend.  Spruchliand  :  von  der  gestalt  des  ersten 
Vendcn. 

5.  Der  zweite  Vende  als  Handwerksmann  mit 
dem  im  Text  g.Miannten  Werkzeug,  Hammer,  Axt  etc. 
abgebildet,  trägt  über  seinem,  dem  vorigen  ähnlichen 
Obergewande  den  weissen  Schurz;  Beinkleiiler  wie  bei 
dem  vorigen,  am  Kopfe  eine  ebenso  gefärbte  Haube, 
die  in  einem  Zipfel  herabfällt,  die  Umschrift  lautet:  von 
der  gestalt  des  andern  Venden  vnd  auch  mmi  scim 
gevert. 

6.  Der  dritte  Vende  mit  Scheere ,  Schreibzeug, 
Messer,  unterscheidet  sich  in  der  Form  der  Kleidung 
von  dem  vorigen  nur  insofern,  als  das  Obergewand 
vorn  an  der  IJrust  mit  Kniijjfen  versehen  und  an  den 
Achseln  etwas  aufgei)uttt  ist;  die  Ärmel  hängen  sehr 
tief  herab.  Die  Farbe  ist  liclitviolett,  jene  der  Beinklei- 
der blau,  dessgleichen  die  enganliegenden  Unterärmcl 
und  die  Kopfbedeckung,  l'nter  der  Taille  hängt  lose 
emporgczogeii  der  Gürtel  ,  der  aus  einem  schwarzi'ii 
Lederriemen  mit  silberner  Schnalle  besteht,  dasSchreü)- 
gerätli,  nämlich  eine  kleine  Vase  zur  Tinte  und  ein  horn- 
artigcs  Besteck, sind  daran  befestigt.  Inschrift:  Der  dritt 
vend  wie  sein  gestalt  sein  sol  vnd  .sein  gevert. 

7.  Der  vierte  Vend.  Die  Bedeckung  der  Heine  in 
jenem  fahlen  Violett  gleicht  den  Übrigen  ,__  das  grüne 
Wamms  dagegen  isi  kürzer  und  hat  die  Annel  nicht 
von  Tuch,  sondern  braunem  Pelze,  so  dick  \\ui\  nuför- 
mig,  da8.s  es  aussieht,  als  hätte  der  Mann  die  Arme  in 
zwei  massive  Kränze  von  Pelzwerk  gesteckt,  um  sie 
fortzutragen.  Die  rnterärmel  sind  schwarz,  auf  dem 
IIauj)te  ruht  eine  bundartige  Bedeckung  von  grünem 
Stoff.  Dem  Texte  entsprechend,  demzufolge  auch  dieser 
Vende  mit  Elle  und  Wage  erscheint,  besagt  «las  S|n-uch- 
band:  0  verfluchtew  gcitichaid.  Dir  ist  nahet  allwelt 
berait.  In  der  ledernen,  silberbeschlagencn  (lürtcltascho 
steckt  ein  Dolch. 


!^.  Der  fünfte  Vend,  gemäss  seines  Amtes  als  Arzt, 
mit  Büchse  und  Wundmesser  ausgerüstet.  Er  sitzt  auf 
einem  niederen  breiten  Gestühl  mit  einem  Staffel ,  in 
ein  weites,  bis  zum  Boden  niedcrwnllendes  blaues  Ge- 
wand gehüllt,  das  in  der  Innenseite  der  aufgestülpten 
Ärmel  und  im  Futter  überhaupt  von  grüner  Farbe  ist. 
Die  Haube  ist  violett  und  grün,  violett  auch  Unterärmel 
und  Fussbekleidung.  Die  Rechte  hebt  ein  offenes  Buch 
empor,  die  Umschriit  mangelt. 

9.  Der  sechste  Vende  (Gastwirth).  Er  steht,  mit 
der  Hand  winkend,  unter  seiner  Herberge,  in  die  er 
einen  Wecken  und  ein  Glas  hineinträgt.  Sein  Gewand 
ähnelt  dem  der  vorbeschriebenen  Venden  mit  Ausnahme 
des  Arztes,  dessen  langer  Rock  der  Gelehrtentracht 
näher  konnnt.  Das  grüne,  am  unteren  Saume  zierlich 
ausgezackte  Wamms  mit  weiten  ,  herabhängenden 
Ärmeln,  ist  zugeknöpft  und  an  den  Achseln  etwas  ge- 
pufft. Im  Gürtel  steckt  ein  gewaltiger  Schlüssel,  dessen 
Griff  ein  gothischcr  Vicrpass,  Fussbeklei'lung  und  Kopf- 
bedeckung sind  blassrotli.  Das  (iasthaus  ist,  nach  Art 
älterer  Kunst,  durch  eine  Architektur  mehr  bloss  ange- 
deutet, als  genau  dargestellt.  Man  sieht  ein  gemauertes 
Häuschen  mit  rothem  Ziegeldach  und  spitzem  Giebel, 
der  in  eine  gothische  Biunie  ausgeht.  Durch  zwei  rund- 
bogige  Eingänge,  vor  welchen  Trittsteine  liegen,  sieht 
man  in  das  Innere,  wo  zwei  Gäste,  im  eifrigem  Gespräch 
begriffen,  bei  einem  Fasse  sitzen,  vor  ihnen  auf  einem 
Tische  ein  Glas.  Eine  Inschrift  fehlt  auch  auf  diesem 
Bilde.  Am  meisten  interessant  erscheint  die  Form  der 
Trinkgläser.  Die  Farbe  des  .Materials  ist  gelhlichgrün, 
wie  die  schönsten  erhaltenen  Römer  zeigen,  die  Gestalt 
liecherförmig,  doch  ohne  Fuss;  indessen  bildet  unten 
eine  kleine  Platte  die  Basis.  Der  Jlantel  des  Gefässes 
ist  mit  zahlreic'lien  Zä])fchen  oder  kleinen  Buckeln  be- 
setzt, kurz  die  Form  eines  solchen,  wie  sie  sich  bis  in"s 
vorige  J;ihrhundert  an  Glasgcfässcn  erhalten  hat.  Be- 
achtenswerth  bleibt  die  frühe  Zeit,  in  der  diese  Darstel- 
lungen von  Gläsern  vorkonnnen,  da  aus  derselben  kaum 
Beispiele  in  natura  auf  uns  gekonnncn  dürften  und  so- 
mit daraus  erhellt,  dass  die  erhaltenen  der  späteren 
Perioden  aus  uralter  Tradition  ihre  Formen  herleiten. 
Auch  dürfte  zu  beachten  sein,  dass  man  um  diese  Zeit 
an  den  meisten  Orten  gläsernes  Ti  inkgeräth  noch  ziem- 
lich selten  gebrauchte  und  vornändich  im  gemeinen 
Leben  aus  Töpfen  oder  Zinngeliissen  zu  trinken  ])ilegte. 

10.  Der  siebente  Vend,  in  Gestalt  eines  zierlichen 
Junkers,  die  schönste  Figur  im  Manuscripte.  Die  Be- 
kleidung der  Beine  ist  dieselbe  enganliegemle,  von 
liclitviolettem  Ton,  doch  tragen  die  Füsse  starke 
schnabelförmige  Ansätze.  Das  Wannns  ist  ganz  kurz 
geworden,  mit  knapper  Taille  und  mit  schräg  lierab- 
laufenden  breiten  Streifen  \ on  abwechselnd  blauer  und 
rother  Farbe  geziert.  Der  tief  herabhängende  Gürtel 
besteht  aus  grossen  goldenen  Gliedern;  von  dcMu  Ba- 
i-ett,  welches  diesell)e,  Farbe  trägt  wie  das  Wamms, 
(lattert  ein  rothes  und  ein  hlaues  Band  herab ,  die 
grünen  gezackten  Zattelärmel  übersteigen  alles  Mass 
und  reichen  bis  zur  Erde;  am  Gürtel  hängt  eine  Ici- 
nerne  dreieckige  Tasche.  Der  grosse  Schlüssel  gleicht 
dem  des  Wirthes,  ist  aixsr  vergoldet,  eben  so  dei'  Stab 
in  der  anderen  Hand.  Die  I^rsclieinung  hat  etwas  Zier- 
lich-elegantes, was  sie  von  den  anderen  hervorhebt. 
Inschrift  des  Spruchb;indes:  wer  vil  sache  ausrichten 
sol,  Dei'  pedarf  gutci-  witz  wol.  (Siehe  ilic  ALibildung.) 


327     - 


11.  Der  achte  Vende  ist  seinem  Cliarakter  als 
Spieler  und  Kauts'cselle  cntspreeliend  i;edaclit.  Sein 
Gang,  schwankend  und  liastig,  das  Haar  in's  Gesiclit 
fallend  ,  iu  Händen  hat  er  Würfel  und  Geld ,  am  Gürtel 
ein  Fässchen.  Das  Kleid  gleicht  den  früher  beschriehe- 
nen,  von  Farbe  grün,  ist  es  unten  ausgezackt,  an  den 
Achseln  geschoppt  und  mit  dünnen,  rotiien  Streifen 
schräg  durcliwol)en.  Er  ist  haarhäuptig.  Inschrift:  wer 
sich  mit  priefen  macht  auf  ain  strass  Der  soll  sich 
nichts  auf  halten  lass. 

12.  Die  letzte  Darstellung  befindet  sich  beim  An- 
fang des  Schlusscapitels,  vom  Fürgang  des  Spieles. 
Sie  zeigt  einen  Herrn  und  eine  Dame  beim  Schach- 
zahelspiele,  das  auf  einem  Tische  aufgestellt  ist,  wobei 
sich  die  Spielenden  jedoch  nicht  gegenübersitzen,  son- 
dern Achsel  an  Achsel.  Der  Tisch  ist  ein  ziemlich  rohes, 
derbes  Eichengezimraer,  mit  zwei  Füssen  von  geschweif- 
ter Form,  deren  einziges  Ornament  ein  geschnitzter 
Bogenfries  bildet.  Die  Bilder  des  Spielbrettes  sind 
schwarz  und  weiss,  die  Figuren  liegen  darauf,  woran 
wohl  die  mangelhafte  Fertigkeit  im  perspectivi- 
schen  Zeichnen  Schuld  trägt.  Nur  die  Thürme  haben 
die  gegenwärtig  übliche  Form,  das  andere  ist  glocken 
förmig  und  hackenartig,  ohne  überhaupt  an  eine  Figur 
zu  erinnern.  Die  mehr  vorne  sitzende  Dame  ist  ganz 
grün  gekleidet,  mit  mächtigen ,  gezatteltcn  Ärmeln, 
unter  denen  sehr  enge  Unterärmel  von  gleicher  Farbe 
zum  Vorschein  konnnen,  die  sich  aber  am  Handgelenke 
trichterförmig  erweitern.  Die  Linke  hat  sie  vertraulich 
auf  den  Arm  des  Mannes  gelegt,  ihr  Haupt  ziert  ein 
blau  und  rothes  Barett  mit  Bändern,  vollkommen  wie 
hei  10.  Der  Mann,  welcher  auf  einer  Bank  sitzt,  trägt 
grüne  Beinkleider,  ein  blaues  Röckchen  und  eine  grüne 
haubenartige  Koptloedeckung.  Er  scheint  eben  gewon- 
nen zu  haben  und  streicht  einen  Stein  als  Gewinn  ein. 
Die  Inschrift  bildet  den  Anfang  des  Capitels. 

Sämmtliclie  Bilder  sind  mit  der  Feder  und  zwar 
ziemlich  flüchtig  entworfen,  indessen  mit  manchem  Ge- 
schick im  sprechenden  Ausdruck  der  Geberde  und 
Bewegung.  Alle  Körper  leiden  an  übergrosser  Schlank- 
heit, welche  dadurch  noch  gesteigert  wird,  dass  die 
Beine  unverhältuissmässig  dünn  und  lange,  der  Ober- 
körper dazu  dann  sehr  kurz  und  kugelig  gestaltet  sind. 
Dadurch  erhalten  die  Figuren  etwas  spindelförmiges, 
skelettartiges,  ohne  eigentlich  etwa  im  Sinne  der  deut- 
scheu Kunst  des  XV.  Jahrhunderts  hager  genannt 
werden  zu  dürfen.  Vielmehr  tragen  sie  noch  ganz  das 
Gepräge  des  älteren  Styles,  den  Kugler  im  Zusammen- 
hange mit  den  Erscheinungen  am  Gebiete  der  Bau- 
kunst den  gothischen  betitelt.  Jenes  kleinliche  Bestre- 
ben, im  Andeuten  der  Muskulatur  das  Äusserste  zu 
leisten,  welches  das  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  selbst 
auszeichnet,  ist  hier  noch  nicht  nachzuweisen  ;  von  jeg- 
licher anatomischer  Kenutniss,  von  dem  blossen  Bewusst- 
sein  iu  dieser  Richtung  ist  hier  noch  keine  Spur  wahr- 
zunehmen, nur  dass  die  Kniescheiben  iu  den  engen 
Hosen  sehr  deutlich  sichtbar  werden.  Die  Hände  sind 
gut  gezeichnet,  wenn  auch  etwas  knochig  und  gross, 
was  beides  ebenso  von  den  Köpfen  gilt.  Diese  besitzen 
keinerlei  Ausdruck,  sind  aber  gut  modellirt,  während 
die  Leiber  grösstentheils  an  Puppen  erinnern  und  aus- 
sehen, als  wären  sie  mit  Wolle  oder  dgl.  ausgestopft. 
Viele  Gewandtheit  beweist  der  .Meister  im  Zeichnen  der 
Füsse,   deren   Schnabelschuhe   ihm   sehr   wichtig  vor- 

SVITI. 


gekommen  zu  sein  scheinen;  er  hat  sie  in  mannigfachen 
Stellungen,  Skurzen  und  Perspectiven  aufgefasst.  Der 
Habitus  iler  meisten  Figuren  hat  etwas  an  Gobelinfigu- 
ren der  Zeit  erinnerndes,  so  die  geschwungene,  ja  ge- 
wundene Haltung,  das  Zurückwerfen  des  Oberleibes, 
die  steigen. le  Bewegung  der  Beine,  wobei  es  oft  aus- 
sieht, als  wäre  die  Gestalt  aus  Rankenwerk  heraus- 
genommen, in  dem  sie  nach  Art  der  Figuren  in  textilen 
Dessins  kletternd  dargestellt  war.  Der  Faltenwurf  ist 
mehr  run<Ilich  als  stark  gebrochen,  wie  das  der  Malerei 
des  XIV.  Jahrlnmderts   in  Deutschland   eigenthümlich. 

Allem  zufolge  kann  der  Schluss  gezogen  werden, 
dass  die  Malereien  des  Schachzabelbuches  einem  zünf- 
tigen Maler  oder  vielmehr  dem  Ausdrucke  des  Mittel- 
alters gemäss,  Illuminator  zugeschrieben  werden  müs- 
sen, der  das  südliche  Deutschland,  vielleicht  Österreich, 
zur  Heiuuit  hatte.  Auf  letzteres  scheint  mir  nebst  der 
Sprache  des  Textes  auch  manches  Stylmässige  iu  den 
Figuren  hinzudeuten.  Sehr  interessant  ist  das  Kostüm- 
liche an  denselben,  worüber  zum  Schlüsse  noch  einige 
Worte  gestattet  sein  mögen. 

Das  Costüm,  welches  wir  au  den  Gestalten  der 
Gemälde  antreti'en,  ist  dasjenige,  welches  für  Deutsch- 
land die  Zeit  nach  der  Mitte  des  XIV.  Jahrhundert's  be- 
zeiehuet.  Daher  findet  sich  die  Kapuze,  welche  mit  dem 
Rock  zusammenhängt,  wie  die  selbständigen,  enge  so- 
wie auch  schon  talteureichen  Hängeärmel  au  sehr  kurzem 
und  knappen  Rocke.  Die  Beinkleider  überziehen  auch 
die  Füsse,  noch  mangeln  gänzlich  Stiefel  oder  Schuhe, 
die  Schnäbel  erreichen  noch  keine  unbescheidene  Grösse 
und  sind  an  den  Beinlingen  der  Hosen  selbst  ange- 
bracht. Die  häufigen  Kopfbünde  ,  welche  die  Periode 
charakterisiren ,  sind  an  dem  einen  Alten  vertreten, 
während  der  Andere  über  dem  Mantel  eine  gezackte  Ka- 
puze trägt.  Indessen  ist  dieselbe  nicht  vor  dem  Gesichte 
mit  Zacken  versehen,  welche  Mode  für  geckenhaft  galt  und 
in  Speier  z.  B.  im  Jahre  1.S56  vom  Raihe  verboten  wurde. 
Das  gewöhnliche  Kleid  der  Männer  ist  auch  auf  unsern 
Bildern  der  kurze  Rock,  die  rundellus,  garnache,  gar- 
naccia,  welche  mit  Knöpfen  geschlossen  werden,  oder 
die  einfacheren,  welche  man  Schecke  nannte.  Hosen 
mit  verschieden  gefärbten  Beinlingen  konunen  noch 
nicht  vor,  auch  nicht  die  langen  Zipfel  der  haubeu- 
artigeu  Coruettes,  wogegen  die  Ärmelspitzeu  bereits  bis 
zur  Erde  herabfallen.  Auch  die  sehr  tief  hängenden  Män- 
nergürtel, sowie  ihre  unbedeutende  Erscheinuug  au  den 
Frauen,  deren  enge  Leibcheu  und  enggeschlo.ssenen 
Halstheile  des  Kleides  bezeichnen  die  genannte  Zeit- 
epoche, nicht  minder  die  schon  sehr  stoffreiche  Kopf- 
binde und  die  (4ugel-des  grüngekleideten  Reiters,  die 
Gürteltascheu  (gipcieres  oder  aumeniers).  Achselwülste 
erscheinen  bereits  \  ereinzelt,  allgemein  wurden  sie  erst 
i;)S5  und  zwar  iu  Frankreich  unter  Karl  VI. 

In  Deutschland  sind  die  langherabfallenden  Ärmel 
als  neue  Mode  1349  von  der  Limburger  Chronik  ange- 
führt. Die  enge  Kleidung,  wie  sie  der  hier  abgebildete 
Jüngling  trägt,  ist  nach  der  Mitte  des  Jahrhunderts  in 
Deutschland  eine  stutzerhatf e ;  er  hat  genugsam  das 
Aussehen  eines  eitelu,  selbstgefälligen  Gesellen,  trägt 
daher  den  Gürtel  auch  bereits  tief  herabgesetzt,  bis  zur 
Scham,  und  ganz  am  äussersten  Saume  des  Röckchens. 
Noch  fehlt  selbst  bei  dieser  am  meisten  gezierten  Figur 
das  niiparti.  Der  Kojjfbuud  tritt  häufiger  auf  als  die 
Gugel,   die   später  mahoitres  (Achselwülste  deuten  auf 

43 


328 


die  zweite  Hälfte  des  Saeculums.  Deu  rückwärts  ge- 
schnürten, bis  zu  den  halben  Sehenkeln  reichenden 
Watfenrock  (Lendner),  den  der  Kitter  trägt,  führt  die 
genannte  Chronik  1370  an,  und  um  1380  die  kleinen, 


konischen  Hund^kogelu  als  Kopfbedeckung,  die  Plat- 
ten und  glatten  Beingewande  der  Reisigen,  die  eben- 
falls an  dieser  Figur  wahrzunehmen  sind. 


Yorläufiger  Bericht  über  eine  archaeologiscli-epigTapliisclie  Eeise  in  Dacien. 


Im  Auftrag  der  hohen  Regierung  wurde  uns  durch 
Herrn  Hofrath  von  Eitelberger  die  Aufgabe  gestellt,  die 
Antikensanimlungen,  sowie  die  römischen  Alterthümer 
Siebenbürgens  ülierhaupt  zu  untersuchen,  und  diese 
Untersuchung,  ihrem  natürlichen  Zusammenhange  ge- 
mäss ,  über  die  heutigen  Laudesgränzen  hinaus  soweit 
möglich  auf  alle  in  dem  einstigen  Umfange  Daciens 
noch  vorhandenen  bildlichen  oder  inschriftlichen  Denk- 
mäler der  Kömerzeit  auszudehnen.  Die  Stellung  dieser 
Aufgabe  schien  geboten,  da  eine  vollständige  Bereisung 
Daciens  seit  längerer  Zeit  nicht  unternommen  worden 
ist  und  genügende  Berichte  über  deu  Bestand  privater 
wie  öffentlicher  Samndungen,  auch  nacli  den  verdienst- 
lichen Arl)eiteu  siebenbürgischer  Gelehrter,  namentlich 
Ackner's  und  Müller 's,  vermisst  werden.  Ihre  Aus- 
führung im  gegenwärtigen  Augenblick  aber  wurde  in 
hohem  Grade  begünstigt  durch  das  Erscheinen  des 
dritten  Bandes  des  Corpus  inscri|)tionum  latinarum,  in 
welchem  für  anticpiarische  Erforschung  jener  Gegenden 
und  für  wisseuschaltliche  Behandlung  dacischer  Alter- 
thümer im  weitesten  Sinn  des  Worts  durch  Theodor 
Mommsen  zum  erstenmal  eine  sichere  Grundlage  ge- 
boten ist. 

Wir  haben  unsere  Reise  am  4.  August  angetreten 
und  konnten  sie  trotz  ungünstiger  Umstände,  welche 
hauptsäcidich  durch  die  herrschende  Cholera-Epidemie 
hervorgerufen  waren,  ohne  Unterbrechung  liis  zum  20. 
September  gemeinsam  fortsetzen.  An  jenem  Tage  haben 
wir  uns  in  Bazias  getrennt,  da  der  Erstunterzeiclmcte 
noch  einmal  nach  Siebenl)ürgen  zurückzukehren  veran- 
lasst war,  um  das  Studium  der  Klausenburgcr  Sammlung, 
welches  in  F(dge  zufälliger  Abwesenheit  des  Custoden 
nicht  vollständig  hatte  ermöglicht  werden  können,  nach- 
träglich wieder  aufzunehmen. 

Ein  kuizer  Aufentlialt  in  l'estnmsstc  geniigen, um 
von  dem  Inhalte  des  dortigen  National-Museums  eine 
Vorstellung  zu  gewinnen.  In  einigen  Sälen  des  obern 
Stockwerks  und  in  weiten  unteiirdischen  liäiimlich- 
kciten  bietet  es,  zum  Theil  nur  vorläidig  geordnet,  eine 
überra.schende  Menge  römischer  Denkmäler,  über  welche 
ein  von  dem  Vorsland  des  Münz-  und  Antikenkabinets 
Dr.  Florian  Römer  verfasster  ,.illiistiirter  Führer" 
(2.  Auflage,  Budapest  1873)  schon  jetzt  einen  will- 
kommenen Überblick  gewährt.  Vor  kurzem  sind  von 
Seiten  der  Fester  Akademie  die  inschriftliclicn  Monu- 
mente des  Museums,  nach  Zeichnungen  und  mit  Er- 
läuterungen von  Desjardins  in  einer  selbständigen 
prächtig  ausgestatteten  l'idilication  herausgegeben 
wordrii,  welche  freilich,  nachdem  die  Texte  in  niuster- 
giltiger  Weise  von  Mommsen  jiublicirt  sind,  wesentlich 
um  der  gegebenen  Abbildungen  willen  benutzt  werden 
wird.  Es  wäre  ungleich  erwlinsclitcr  und  steht  hei  der 
energischen  Leitung,  deren  sich  das  ganze  Institut  von 


Seiten  Franz  vonPulsky's  erfreut,  wühl  bald  zu  helfen 
dass  ein  ähnliches  Unternehmen  oder  wenigstens  ein 
wissenschaftlich  beschreibender  Catalog  für  die  übrigen 
Gegenstände  derselben  Abtheilung  zu  Stande  komme. 
Einstweilen  denkt  man  die  besser  erhaltenen  Sculp- 
turen  zu  jjhotographiren,  in  richtiger  Schätzung  des 
Werthes,  welchen  sie  ungeachtet  ihrer  künstlerischen 
Unvollkommenheit,  die  in  dem  durchgängig  angewand- 
ten rohen  Kalkstein  besonders  auffällig  wird,  für  ver- 
gleichende Untersuchungen  römischer  Kunst  und  ihrer 
verschiedenen  Entwicklung  in  d^n  Provinzen  besitzen. 
Eine  Sarkophag-Vorderseite  mit  einer  Darstellung  der 
Schleifung  Heetors  an  den  Stadtmauern  von  Troja,  ein 
fragmentirtes  siiiiies  Relief  nut  jMedea,  welche,  das 
Schwert  noch  ungczückt  im  Arm,  zwischen  ihren  Kin- 
dern steht,  einige  in  Einzelheiten  beschädigte  Sarkophag- 
Compositionen  mit  seltenen  mythologischen  Gegen- 
ständen  (^IMenelaos  Helena  verfolgend,  vor  einem  Altar 
auf  welchem  Eros  steht  —  Mars  zur  schlafenden  Rliea 
Silvia  herabschwebend  —  Tlicseus  im  Kani|)f  mit  Mino- 
tauros  —  Tlieseus  und  Ariadne  mit  dem  Knäuel  vor  dem 
Eingang  in's  Labyrinth),  ferner  mehrere  symbolisch  aus- 
gezeichnete Verzierungen  grosser  Grabstelen  —  dies 
und  manches  Andere  gleichfalls  Unbekannte,  wird  man 
in  jenen  ])hotographischen  Auiiiahmen  erwarten  dürfen, 
welche  denniach  auch  gegenständliches  Interesse  be- 
anspruchen werden. 

In  Siebenbürgen  war  es  unsere  Absicht,  zunächst 
die  nördlichen  Thcile  zu  liereisen,  welche  erst  neuer- 
dings in  Folge  gründlicher  Durchforschungen  Karl  von 
Torma's  zahlreiche  und  wichtige  Inschriften  geliefert 
haben.  Wir  gaben  jedoch  diesen  Plan  auf,  da  nach 
miindliclien  Mittbeilungen  jenes  Gelehrten  auf  eine 
weitere  Ausbeute  im  Norden  vorliiutig  nicht  zu  horten 
war,  und  gewannen  dadurch  in  willkonnnener  Weise 
Zeit,  um  von  Klauseuburg  ausgeheiul  dem  Westen  und 
Süden  eingehendere  Aulmerksand^eit  zu  schenken. 

In  Kla  usenburg  ist  es  vor  allem  der  einsichtigen 
Tliätigkeit  Karl  von  Torma's  und  dem  regen  Interesse 
der  Professoren  Fi  na,  ly  und  Karl  Szabo  zu  danken, 
dass  ihr  Samndung  und  Erhaltung  römischer  Alter- 
thümer ein  vielvers]ire(hender  .Anfang  gemacht  worden 
ist.  So  hat  die  Bibliothek  des  Vereins  für  sielicnbür- 
gische  Landeskunde  mehrere  Folianten  handschrift- 
licher Aulzeielinungen  erworben,  welche  Reinbold, 
Andreas  Fodor  und  Joseiih  Kemeny  in  früheren  Zeiten 
von  siebenbürgischen  Fimdgegenständen  geiionniien 
liiiben.  Sie  bietr^n  ein  iiiiiiängliches  Material  von  un- 
gleichem Werl  he,  welches  Minnmsen  für  das  Corpus 
inscri])tionum  ausgenutzt  hat,  und  welchesauch  archäo- 
logisch verw-crthen  zu  können  —  was  auf  der  Reise 
selbst  nicht  ausführbar  war  --  imch  zu  wünsehenbleibt, 
obwidil    nur   an   einen   Auszug   der   Fundnolitzcn  und 


329     — 


Beschreibuugeii  verloren  gegaugeuer  Moiiumente  ge- 
(laclit  wcrdeu  könnte,  da  alles  Weitere,  iso  besonders 
die  znlilreichen  .Skizzen,  welche  jene  Jlanuscripte  ent- 
halten, flir  eine  Piil)lic';ition  nnbrauciihar  sind.  Das  ge- 
genwärtig in  einigen  Zinunern  des  Univer.sitätsgebäudes 
nntergebrachte  Miisenni,  welches  unter  der  Leitung 
F  i  u  a  1  y's  steht,  ist  grösstentheils  aus  Privatsehenkungen, 
uarnentlieh  Karl  von  Torma's  erwachsen  und  kann 
schon  jetzt  als  die  erste  Samndung  Siebenbürgens 
gelten. 

Es  ist  übersichtlich  geordnet  und  wird  gewissen- 
haft vermehrt.  Ausser  einem  ansclmlichiMi  Münzcabinet 
enthält  es  grössere  .Serien  geschnittener  .Steine,  Ter- 
racotten  und  kleiner  15ronzen,  eine  Anzahl  Votivreliefs, 
unter  denen  vorwiegend  der  Mithrascnltus  vertreten 
ist,  eine  Menge  Utensilien,  zum  Theil  natürlich  auch 
hier  aus  vorhistorischer  Zeit,  und  einige  interessante 
Brouzereliefs :  eine  Beinschiene  mit  gestempelten  Darstel- 
lungen, ein  Bruchstück  von  der  Verschahing  eines  Thür- 
pfostens  und  zwei  Fragmente  vom  Beschläge  eines  Wagen- 
kastens (V)  mit  kämpfenden  Figuren.  Das  Beraerkens- 
wertheste  war  nach  Wien  zur  Ausstellung  geschickt  wor- 
den(Catalog  derWeltausstellung .;.  AuflageGruppeXXI\'. 
p.  44),  eine  mit  zahlreichen  Jagd-  und  Fischereige- 
räthen  verzierte  silberne  Schale,  mehrere  Wachstafeln, 
ein  Mithrasrelief  und  einige  ihrer  praktischen  Bestim- 
mung nach  noch  räthselhafte  Bronzefragmente,  welche 
vor  Jahren  auf  Mommsen's  Vermittlung  im  Berliner 
Museum  zusammengesetzt  und  von  J.  F  r  i  e  d  1  ä  n  d  e  r  und 
W  i  e  s  e  1  e  r  in  E.  Gerhard's  archäologischer  Zeitung  1  .S58 
Tafel  CXII  veröffentlicht  worden  sind.  Der  Zuwachs 
an  unedirten  Inschriften,  den  das  Museum  in  den  letzten 
Jahren  erfahren  hat,  ist  nicht  beträchtlich;  einige 
Steine,  welche  von  verschiedenen  Orten  .Siebenbürgens 
nach  Klausenburg  geschafft  \vorden  sind,  harren  noch 
im  botanischen  Garten  der  Überführung  in  dasselbe, 
unter  Anderm  auch  ein  Grabrelicf,  auf  welchem 
.Spuren  rother  Bemalung  deutlicher  als  auf  anderen 
dacischen  Monumenten  erhalten  sind.  Eine  Reihe  neu- 
ester Erwerbungen  aus  Kai'lsburg  und  Deva,  zum  Theil 
durch  unsere  Nachweise  veranlasst,  ist  in  diesen  Tagen 
von  Finaly  eingebracht  worden. 

Von  Klausenburg  wandten  wir  uns  südlich  nach 
Torda,  dem  einstigen  Standquartier  der  Legio  V. 
Macedouica,  wo  unter  der  freundlichen  Führung  des 
ortskundigen  Apothekers  Wolf  ein  kurzer  Aufenthalt 
hinreichte,  um  einen  Ül)erblick  über  die  in  Privatbesitz 
verstreuten  meist  unbedeutenden  Alterthümer  zu  ge- 
winnen ;  sodann  über  S  z  ti  k  e  1 }'  -  F  ö  1  d  v  ä  r ,  ein  Fundort, 
der  unsere  Erwartungen  enttäuschte,  zu  den  schon  von 
den  Römern  angebauten  grossartigen  Salzbergwerken 
von  Maros-Ujvär  und  nach  Nägy-Enyed,  wo  die 
einst  reiche  Sammlung  im  reforniirteu  Colleg  durch  die 
Revolutionsereignisse  von  184!^/49,  welche  viele  Trüm- 
mer der  .Stadt  noch  jetzt  veranschaulichen,  bis  auf 
eine  Wachstafel  und  geringfügige  Überbleibsel  theils 
zerstört,  theils  zerstreut  worden  ist. 

Am  längsten  waren  wir  in  K  a  r  1  s  b  u  r  g  beschäftigt, 
in  dessen  unmittelbarer  Kähe,  bei  Maros-Porto,  sich 
der  militärische  Centralpunkt  Daciens,  das  Standlager 
der  Legio  XIIL  gemina,  befand.  Die  architektonischen 


Überreste  der  im  Anschluss  an  dasselbe  entstandenen 
.Stadt  A])ulum,  welche  im  z\veiten  un<l  dritten  Jahrhun- 
dert zu  hoher  Hlütlie  gelangt  war,  sind  ülierraschend 
gering.  Aber  eine  Fülle  von  Antiken,  wie  sie  hier  bei 
Fundamentirnngen,  bei  Bestellung  der  Felder,  hei 
Festungsarbeiten  und  den  Übung(,'n  der  Genietruppen 
.lahr  aus  Jahr  ein  zu  Tage  gefördert  wird,  zeugt  nach- 
drücklicher, als  Ruinen  vermöchten,  von  der  einstigen 
Bedeutung  dieser  Ansiedelung. 

Leider  kommt  diesem  Reichthum  kein  Interesse 
von  Seiten  der  Bevölkerung  entgegen.  Die  Verwahr- 
losung der  Alterthümer,  welche  mit  verschwindenden 
Ausnahmen  in  ganz  Siebenl)ürgen  an  der  Tagesordnung 
ist  und  über  welche  alle  Berichterstatter  bis  in  die  neu- 
este Zeit  mit  vollem  Recht  Klage  führen,  tritt  hier  be- 
sonders augenfällig  und  in  wahrhaft  befremdender 
Gestalt  auf.  .So  ist  noch  vor  wenigen  Jahren  ein  Fund 
antiker  Goldmünzen  und  .Silberschalen  nach  glaubwür- 
diger ]\Iittlicilung  an  die  k.  Münze  übergelien  und  so- 
fort leider  eingeschmolzen  worden.  Zahlreiche  ]\Ionu- 
mente,  auf  die  man  im  Jahre  1<S()7,  wie  vorauszusehen  war, 
beim  Bau  der  Eisenbahn  stiess,  sind  nach  Aussage  der 
Bahubeamten  von  den  Arbeitern  zerschlagen  oder  ver- 
schlepi)t  worden  und  zum  Theil  in  die  verschiedenste 
Hände,  angeblich  ins  Ausland,  gelangt.  Drei  kolossale 
Dedicationsbasen,  welche  bei  Fortiticationsbauten  im 
Jahre  18(31  zu  Tag  gekommen  sind  und  seit  längerer 
Zeit  verschollen  waren  (C.I.L.ni.l074-107ß\  fanden 
wir  zufällig  in  einem  dunklen  Keller,  dem  Aufgang  zur 
Festung  gegenüber,  in  .Stücke  zerbrochen  wieder.  Noch 
jetzt  liegen  wie  vor  langen  Jahren,  nur  mit  verwitterten 
und  überwachsenen  .Schriftzügen,  zwei  grosse  Blöcke 
inmitten  der  christlichen  Grabdenkmäler  des  griechisch 
katholischen  Friedhofes,  auf  dem  wir  den  Pfarrer  seine 
Büffel  weidend  antraten.  Leichter  zu  transportirende 
Steine  sind,  ohne  Rücksicht  auf  Schrift  oder  Sculptur,  von 
jeher  zu  Kalk  verbrannt,  als  das  billigst  zu  beschatfende 
Material  beim  lläuserl)au  vermauert  und  iür  die  ver- 
schiedensten praktischen  Zwecke  verarbeitet  worden. 
Vor  unseren  Augen  zog  ein  wallachischer  Bauer  aus 
einem  hohen  Steinhaufen,  den  er  in  seinem  Hofe  ange- 
sammelt hatte,  einen  Altar  mit  einer  griechischen  In- 
schrift und  ein  fragmentirtes  Grabmonument  hervor; 
womit  der  Inhalt,  den  völlig  herauszusclmtl'en  er 
sich  weigerte  ,  nach  seiner  Aussage  noch  nicht  er- 
schöpft war.  .Säulenschäfte  dienen  überall  als  Prell- 
steine, Capitäle  als  Bänke  oder  Treppen  vor  den  Ge- 
bäuden auf  den  Wegen.  Reliefs  sind  bis  zur  Unkennt- 
lichkeit übertüncht  oder  durch  bunte  Bemalung  fratzen- 
haft entstellt,  an  Wänden  und  über  Tlioren  eingelassen. 
Grabaufsätze  wie  sie  häufig  in  Form  von  Pinienzapfen 
vorkommen,  Hermen,  Köjite  und  Statuetten  (beispiels- 
weise ein  Jupiter  in  der  Apati  Utcza  no.  186)  liegen 
missachtet  inid  verstünnnelt.  meist  zur  Hälfte  in  den 
Boden  vergraiicn.  andenllauseingängen  in  den  .Strassen. 
Allerdings  finden  sich  an  mehreren  Orten,  im  bischöf- 
lichen Garten,  in  einigen  Gebäuden  der  Festung,  an 
der  .Stadtpromenade,  in  dem  Garten  einer  Badeanstalt, 
sowie  hie  und  da  in  Höfen  von  Privathäusern,  Monu- 
mente aus  früheren  Zeiten  vereinigt,  aber  (dme  Sorge 
für  ihre  Erhaltung  und  ohne  dass  Jemand  über  ihre 
Herkunft  Bescheid  wüsste.  Auch  die  kleine  Sammlung 
der  Bathyanischen  Bibliothek,  welche  mehrere  aus  älteren 
Pul)licatioiien   bekannte   Mithrasdenkmäler    und  Votiv- 

43* 


330 


reliefs    besitzt,    hat    noch   jetzt  keine    geordnete  Auf- 
stellung und  seit  lauge  keine  Vermehnmg  erfaliren. 

Kein  Wunder,  dass  es  uuter  solchen  Verhältnissen 
schwer  fällt ,  eine  Übersicht  über  den  Antikenbesitz 
der  Stadt  zu  gewinnen.  AVähreud  es  in  den  entlegensten 
Proviuzialstädten  Italiens  kaum  je  an  IMäiinern  fehlt, 
welche  sich  mit  grösserem  oder  geringeren!  Verstäud- 
niss  um  die  Geschichte  ihrer  Heimath  und  ihre  ältesten 
Urkunden  beuiühen.  wollte  es  uns  trotz  aller  Versuche 
nicht  gelingen,  unter  den  am  Ort  befindlichen  Geist- 
lichen, Officieren  und  Municipalbeamten  einen  Führer 
zu  finden,  der  von  dem  Vorhandenen  auch  nur  ober- 
flächlich Kenntniss  gehabt  hätte.  Auf  alle  Anfragen 
ablehnend  oder  in  unzuverlässiger  Weise  beschieden, 
sahen  wir  uns  zu  dem  zeitraubenden,  mannigfach  un- 
erquicklichen Geschäft  genöthigt,  von  Haus  zu  Haus 
Nachfrage  zu  halten,  in  Gärten.  Höfen  und  Ställen, 
auf  freiem  Felde  und  in  den  umliegenden  Ortschaften 
das  nicht  Beachtetete  zusammen  zu  suchen.  Wie  uner- 
lässlich  diese  Bemühung  war,  welche  bei  genügcuder 
Kenntniss  der  Landessprachen  und  mit  Unterstützung 
eines  Ortskundigen  ungleich  erfolgreicher  hätte  aus- 
fallen müssen,  kann  der  Umstand  beweisen,  dass  von 
den  auf  der  ganzen  Reise  in  Siebenbürgen  neugewon- 
nenen Inschriften  etwa  die  Hälfte  aus  Karlsburg 
stammt. 

Sollen  wir  es  oft'cn  bekennen,  so  dürfte  es  schwer 
halten,  für  die  geschilderten  Zustände  Analogien  aus 
einem  andern  nicht  uncivilisirten  Lande  zu  finden. 
Indessen  ist,  da  man  jetzt  überall  in  Ungarn  Interesse 
für  die  historischen  Schätze  des  Landes  zu  wecken 
sucht,  die  Erwartung  wohlberechtigt,  dass  auch  hier 
geeignete  Massrcgcln  zur  Verhütung  weiteren  Schadens 
bald  getrotfen  werden.  Allerdings  wäre  nachdrücklich 
zu  betonen,  dass  eine  zeitweilige  Nachfrage  nach  neuen 
Funden,  wie  Finaly  oder  (ioos  sie  nicht  unterlassen,  um! 
die Ueberführung  des  Wiclitigsten  in  die  Museen  von  Klau- 
senburg oderllerniannstadt  dem  vorhandenen  I'>edürfniss 
nicht  Genüge  leistet.  Namentlich  für  umfängliciie  :\lonu- 
mente,  die  sich  nur  schwer  versenden  lassen,  müsste 
an  Ort  und  Stelle  Schutz  und  Unterkunft  gesucht 
werden.  Vielleicht  Hesse  sich  die  Sammlung  der 
bischöflichen  l'.ibliothek  zu  diesem  Zweck  erweitern 
oder  die  Überlassung  einer  entsprechenden  Häumiicli- 
keit  von  Seiten  der  Municiiiaiitiit  erreichen;  eine  Per- 
sönlichkeit, der  etwa  unter  dem  üeinttlu  von  Finaly  die 
Aufsicht  über  ein  solches  Localniuseum  überwiesen 
werden  könnte,  würde  sich  ohne  Zweifel  am  Orte 
finden  lassen.  Ks  wäre  im  hohen  Grade  erfreulich,  wenn 
die  ungarische  Begiernng  zu  energischer  Förderung 
eines  solchen  Unternehmens  sich  veranlasst  fände. 

Von  Karlsburg  nnternalimen  wir  einen  kurzen  Aus- 
flug nach  Zahlt  ii  na  fAinp.lum),  wo  der  Cameralphysi- 
cus  Dr.  Gerbert  die  (üile  liatlc,  uns  im  Suchen  beliilf 
lieh  zu  sein,  und  weiter  hinein  in  das  Gebirge,  nach  A  b- 
riidb.'uiyaundVcre8patak  zuden  aitberUlnnteiiaura- 
riae  Dacicae.DcrKrtrag  dieses  Ausflugs  war  gering.  In 
schritten  und  Alterthünier  kommen  übcrhaui)t  siiärlicii 
vor  in  jenen  abgelegenen  fiegenden,  wie  sie  sidi  denn 
auch  fast  ausschliesslich  auf  das  Personal  der  dortigen 
Goldbergwerke  beziehen  —  und  sind  bei  allgemeiner 
Interesselosigkeit,  auch  der  (ieliildeten,  dem  blinden 
Zufall  preisgegeben.  In  Abrudbänya  erregte  ein  kleiner 


gothischer  Bau  des  XII.  oder  XIII.  Jahrhunderts  unsere 
Aufmerksamkeit,  in  welchem  neuerdings  Ueberreste 
alter  Temperamalereien  zum  Vorschein  gekommen 
sind.  1 

Von  Karlsburg  wandten  wir  uns  südlich  nach  Deva, 
wo  wir  an  1  )octor  S  p  a  n  y  c  h  ,  einem  eifrigen  Samnüer 
von  allerhanil  Antiquitäten,  einen  guten  Führer  fanden. 
In  seiner  Begleitung  besuchten  wir  das  benachbarte 
römische  Lager  von  Vcczel  und  Jlaros-Nemeti, 
woselbst  sich  im  Schlosspark  des  Grafen  Gyulai  üenk- 
niäler  aufgestellt  finden,  welche  in  einer  wenig  verbrei- 
teten mit  lithographischen  Tafeln  ausgestatteten  Mono- 
graphie von  Fodor  zum  grössten  Theile  verötfentlicht 
worden   sind.    In   Deva  selbst  trafen   wir  verhältniss- 


'  Das  kleino  cothisehe  (iebliude  ist  aus  Bruchsteinen,  einschiffig,  mit 
eckiger  Apsis,  aufgefülirt.  Nacli  urkundiichen  Notizen,  die  wir  dem  Gcistliclien 
der  katliolischen  (iemeinde  Terd.inkeii ,  lässt  es  siih  über  das  Jalir  1272  zu- 
rückverfolgen. Seit  löiiO  war  es  im  Ilesitz  der  Unitiirier,  wurde  ITT.t  durch 
Maria  Theresia  den  Katholischen  zuriick;^egeben  und  erfuhr  zugleich  im  Styl 
jener  Zeit  einen  diirchi^reifeiiden  L'nihau  in  Backstein,  welcher  1825  vollendet 
war.  In  der  llevolution  von  l.s4s  ward  es  zerstört  nnd  steht  jetzt  ohne  Bach 
mit  einer  bedeutenden  Anhäufung  von  Schult  im  Innern,   als   Kuiue  da. 

Bei  Ausräumen  des  Schuttes  sind  kürzlich  bis  zu  einer  llbhe  von 
3  Meter  über  dem  ursprünglichen  Fusshoden  Reste  alter  Temperamalereien 
an  den  Wanden  des  SchiJTes  nnd  der  Apsis  zum  Vorschein  gekommen.  Sie 
stehen  auf  einem  schlechten  dünnen  und  seiir  unehenen  Bewurf  der  alten 
Brnchsteinmauern,  sind  iihi  rzogen  durch  eine  zweifaclie  spjitere  Stuckscliichte 
nnd  werden  tinilweise  durehschnilten  Ton  dicken  Backsleinwaudpfcilern, 
welche  bei  der  Erneuerung  des  Oehitudes  in  d.is  Schiff  eingebaut  worden  sind. 
Einigermassen  erhalten  ist  nur  ein  Jtild  an  der  südlichen  I>angwand,  dessen 
Composition  sich  trotz  einiger  ausgi-stossenen  l';irtien  wolil  erkennen  lässt. 
Auf  einem  grau  geinalli-n  Kussboden  steht  in  der  Mitte  eine  runde,  oben 
offene  hellblaue  Wanne,  welche  von  rothen  Flammenliiiien  umspielt  wird- 
In  dieser  sitzt  en  face  eine  unbärtige  Figur  in  langem  Mantel  nnd  mit  einer 
Bischofsmütze,  den  Kopf  mit  einem  Heiligenschein  nmgelien,  die  Hände  mit 
steif  zusammeiigcfügTeu  flachen  über  der  Brust  aufrecht  haltend.  I^inks  stellt 
ein  bärtiger  I^Ianu  mit  engen  braunen  Beinkleidern,  gegürtetem  gelben  Armel- 
rock  und  diinkelrotlier  Mütze,  der  vier  cylindrische  weisse  Gegenstände 
fUolzscheirej  in  den  .\rmen  hält.  Uir  ent.spricht  zur  liechten  eine  jugendliche 
Figur,  das  eine  Bein  roth,  das  andere  weiss,  bekleidet  mit  einer  violetten 
Armeltunica,  deren  Falten  zum  Theil  mit  weisser  Farbe  angegeben  sind.  Sie 
hält  mit  der  recliten  Hand  den  langen  geraden  Styl  eines  Löffels  aufrecht, 
aus  welchem  eine  Flüssigkeit  .--ich  in  die  Wanne  ergiesst.  Auf  dem  schwärz- 
lichen Grund  des  Bildes  sind  einige  .Sterne  gelb  aufgemalt.  Links  vom  Ko])fe 
des  Ueiligcn  weiss  anfgelragen.  der  Nanu-; 


Unmittelbar  unter  dies,  m  Felde  linden  sich  Überbleibsel  einer  weiteren 
lleiligcDgeschicliio ,  in  welcher  sich  derselbe  Name  fragmentarisch ,  aber 
deutlich  erkentibar  wiedorlinll. 

Im  siidliciicn  Theil  der  Apsis  sind  von  einem  längereu  Bilde,  welches 
die  Anbetung  der  heil,  drei  Könige  d:irstcllte,  nur  einige  Stücke  der 
oberen  Hälfte  erhalten.  Auch  hier  i.^t  di-r  Grund  schwärzlich.  Links  das 
Oiebeldach  der  Hütte,  über  der  ein  gro.seer  .Stern  steht.  Rechts  daneben  der 
Kopf  der  Jltirla  mit  schwarzem  Tuch.  Dann  etwas  tii^t'er  derjenige  des  ersten 
Königs,  der  gekniet  zu  haben  scheint.  Der  zweite  stand  eu  faci'  und  wies 
mit  dem  Zeigefinger  der  erhobenen  rechten  Hand  auf  das  Wuniler  hin,  der 
dritte  sieht  mit  verwendeten  Augen  entzückt  In  die  Höhe  nnd  führt  in  Ver- 
wunderung die  Hand  an  die  Stirn.  Alle  Köpfe  haben  Iliiligeusehein.  Keben 
dem    der  Maria    steht  folg..nde  zum  Theil  erloschene   Inschrift; 


F  ^  n 


'^ 


en   .-ind   inall.  stumpf  nnd  Ihollwelso  »lark   verbliche  u.  Hal- 

.  .....  I     .        i I    ....      1. ..:■!..       .11»     y  ..I..I...II  iiir     vmi 


Alle  Farben  .-ind  inall.  stumpf  nnd  Ihollwelso  »tarK  veriuicueu.  '•"'- 
tiiDg  und  BowcKung  der  Figuren  l.sl  ilurchaus  lirltnillv,  die  /.eichnung  von 
nacl)l仫lger  Unvollkoniincnhell,  mit  stark  und  brcil  nmf.breneu  Contiireii, 
ilas  Innere  mit  eingcsolzlon  Ilalblönen  einfach  colorlrl.  Da»  Bild  der  Apsis 
Im  sorgfältiger  und  mit  grösserer  Kiiintnls«  ausgeführt.  Auch  der  iiiter.esantc 
(irabsloln  eine.  IWl  Bc^lo^bcncn  Johaiiiic»  Herzog  de  Frankovlon  veidlent 
noch  besonder»  honorgohobon  zu  w.rdcn.  (.egonwärllg  ist  er  auf  d.  r  Aussen- 
BOllo  de«  Gebäude»,  In  der  Nähe  der  Absl»  angebaut. 


331     — 


Der  wichtigste  antike  Ort,  der  in  Siebenbürgen 
noch  zu  untersuchen  blieb,  die  Stätte  der  alten  Landes- 
hauptstadt S  a  r ni  i  z  e g  e  t  h  u  s  a,  heute  V  a  r  h  e  1  y,  hat  seit 
langen  Zeiten  fast  in  allen  Theilen  des  grossen  mitDorf- 
sehaften  dicht  besetzten  Ilatzeger  Thaies  Fundgegen- 
stände abgegeben,  denen  man  in  einem  Umkreis  von 
wenigstens  fünf  Stunden  nachzugehen  genöthigt  ist. 
Nach  einem  kurzen  Aufenthalt  in  ^'aJda-Hnnyad,  wo 
vor  mehreren  Jahren  Marmorsculpturen  und  Inschriften 
zu  Tage  gefördert  worden  sind,  haben  wir  von  Hatzeg 
aus  die  wichtigsten  Besitzungen  und  Ortschaften  des 
ganzen  Thaies  liesucht:  Farkadin  mit  der  Antikcn- 
sanimlung  im  Schloss  des  Grafen  Lonyay,  Denis us 
mit  einer  aus  antiken  Werkstücken  aufgebauten  hoch- 
alterthümlichen  Kirche,  Pesteny,  Brazova,  Zaj- 
k  ä n  y,  N  a  g y  -  0  s  z  t  r  ö  mit  seiner  gewaltigen  i)alisaden- 
artig  aus  antiken  Blöcken  zusanunengesetzten  Kireh- 
hofsmauer,  Poklisa,  und  zum  Schluss,  nördlich  von 
Hatzeg,  im  Thale  des  Strehlflusses  Rus,  Zejkfalva 
und  Kis-Kalän. 

In  Varhely  fanden  wir  das  im  Jahre  1823  ent- 
deckte berühmte  3Iosaik  bis  auf  einen  kleinen  Theil, 
der  im  Stall  eines  wallachischen  Bauern  gezeigt  wird, 
wieder  zugeschütlet.  In  der  Nähe  des  Dorfes  lag  auf 
freiem  Felde  eine  colossale  fein  profilirte  viereckige 
Ära  aus  Marmor,  welche  auf  drei  Seiten  in  schönster 
Ausführung  den  identischen  Wortlaut  einer  flrabinschrift 
zeigt  (C.  J.  L.  III.  ()369)  ,  und  auf  ihrer  obern  Fläche 
einen  Aufsatz  von  mindestens  anderhalb  Bieter  Höhe,  in 
Form  eines  gleichfalls  marmornen  Pinien-Zapfens  trug, 
den  wir  wohlerhalteu  in  unmittelbarer  Nähe  vorfanden. 
Wenige  ^Minuten  östlich  \or  dem  Dorfe  ist  ilas  ehemalige 
Amphitheater  der  Colonie  in  einer  schüsseiförmig  ovalen 
Aushöhlung  des  Bodens  unverkennbar.  Die  Arena, 
durch  eine  Maispflanzung  bestanden,  welche  nur  an- 
nähernd eine  Schätzung  der  Grösse  zuliess,  misst  in  der 
längern  gegen  Nordost  streichenden  Achse  GO— G5,  in 
der  kleinern  32 — 35  Schritte.  Den  Achsenenden  ent- 
sprachen die  flaupteingänge  des  Gebäudes,  welche 
durch  vier  tiefe  Ausschnitte  des  von  Erde  bedeckten 
Walles,  der  die  Cavea  bildet,  deutlich  bezeichnet  werden. 
Eine  doppelte  Reihe  vereinzelter  gleichweit  abstehender 
kleiner  Einseukungen,  welche  ohne  Zweifel  die  Zu- 
gänge zum  ersten  und  zweiten  Rang  markiren,  läuft 
auf  der  Höhe  des  Walles  und  auf  seinem  unterm  Rande 
rings  um  die  Arena.  Von  Substructionen  unter  der  letztern 
und  von  Sitzstufen  ist  gegenwärtig  nichts  zu  bemerken. 

Eine  Samudung  existirt  in  ^'ärht■ly  nicht.  Was 
wir  hie  uiul  da  in  Privatbesitz  antrafen  ist  numerisch 
nicht  von  Belang;  aber  die  bessere  Qualität  aller  Fund- 
stücke veranschaulicht  den  höhern  Wohlstand,  welcher 
die  dacische  Metropolis  vor  den  nördlicheren  Colonien 
auszeichnete.  Für  Sculptiiren  und  Inschriften  ist  durch- 
gängig weisser  iMarmor  verwendet,  der  in  den  übrigen 
Landestheilen  nur  ausnahmsweise  auftritt.  Die  ersteren 
sind  geschickter  und  soiglältiger,  die  letztern  correcter 
und  theihveis  sogar  mit  unleugbarer  Eleganz  in  Anord- 
nung und  Form  der  Biiclistaljen  ausgeführt.  Bronze 
konmit  häutiger  und  in  grösseren  Stücken  vor.  Um  so 
mehr  bleibt  es  zu  beklagen ,  dass  an  diesem  Orte 
niemals  systenmtische  Ausgrabungen  unternommen 
worden  sind.  Ohne  Frage  müsste  es  zu  erspriess- 
liehen  Ergebnissen  führen  und  würde  überdies  nur 
geringen  Aufwand  erfordern,  wenn  man  beispielsweise 


die  Gruppe  von  unterirdischen  Grotten  und  Ruinen, 
welche  auf  einem  Grundstück  des  Grafen  Lonyay  zu 
Tage  liegen,  oder  das  noch  unberührte  Amphitheater 
bloss  legen  wollte.  Eine  Gesellschaft  die  sieh  vor  einigen 
Jahren  zu  ähnliehen  Zwecken  in  dieser  Gegend  gebildet 
hatte,  ist  leider  an  der  Ausführung  ihres  Planes  ver- 
hindert worden. 

Jlit  \'arliely  waren  für  uns  die  wichtigeren  Fund- 
orte Siebenbürgens  erschöiift ;  denn  der  Osten  des  Landes 
ist  von  den  Römern  ofienbar  nur  schwach  besetzt  ge- 
wesen. Auszubeuten  blieb  aber  vor  allem  noch  das 
älteste  Siebenbürger  Museum,  welches  BaronBrucken- 
thal  in  Herniannstadt  gegründet  und  nut  andern 
grossartigen  Schenkungen  dem  Besitze  der  Stadt  über- 
wiesen hat.  In  dankenswerther  Weise  unterstützt  wur- 
den wir  in  diesem  Studium  durch  die  liebenswürdige 
Zuvorkommenheit  des  zeitigen  ('ustodeu  der  Bibliothek 
und  des  Museums,  Professor  Ludwig  R  e  i  s  s  e  n  b  e  r  g  e  r. 

Der  ältere  Bestand  der  Sanunluug,  insbesondere 
die  Mithrasdenkmäler,  ist  wiederholt  namentlich  durch 
Koppen  beschrieben,  thcil weise  publicirt worden;  doch 
ergab  eine  Revision  mancherlei  Nachträge,  besonders 
zur  bekannten  Hekate  (Müller- Wie  sei  er  Denk- 
mäler alter  Kunst  II.  71,  839a  S39b),  deren  Reliefs  in 
Bezug  auf  Zahl,  Attribute  und  Bewegung  der  Figuren 
irrthiiinlich  aufgefasst  worden  sind,  und  neu  verölfent- 
licht  zu  werden  verdienen.  Zu  publiciren  sind  ferner 
mehrere  Reliefs,  welche  die  Innenseite  derSchmalwände 
von  Grab-Capellen  zierten,  einige  Bronzen,  Terracotten 
undVotivreliefs  mit  zum  Theil  räthselhaftenCnltus-Dar- 
stellungen,  eine  iuschriftlich  bezeugte  Junostatuette 
(C.  I.  L.  III.  'l<^^S^  und  vor  allem  ein  mit  interessanten 
Graffitdarstellungen  ausgestatteter  bronzener  Umbo 
eines  römischen  Schildes  (C.  I.  L.  III.  1G40,  2).  Ausser 
einer  sitzenden  Jupiterstatue  und  mehreren  Inschriften 
ist  die  Sammlung  in  neuester  Zeit  durch  die  an  Zahl 
und  Bedeutung  untergeordnete  Hinterlassenschaft  des 
Pfarrers  Aekner  und  namentlich  durch  einen  be- 
deutenden Hammersdorfer  Fund  von  Gegenständen  der 
Bronzezeit  vermehrt  worden,  welche  von  Reissenberger 
im  If).  Bande  des  Archivs  für  siebenbürgische  Landes- 
kunde X.  F.  lehrreich  beschrieben  worden  sind.  Im 
Privatbesitz  haben  wir  mit  Ausnahme  eines  reichhal- 
tigen Münzcabinets  des  Landesins])ectors  Bielz  in  Her- 
mannstadt nichts  vorgefunden. 

Das  rumänische  Gymnasium  in  Blasendorf  ent- 
hält einige  unitedeutende  Marmor-  und  Terracotta-Stncke. 
die  aus  Varhely  und  Broos  staimnen,  nebst  zahlreichen 
Ziegeln  mit  bekannten  Stempeln  aus  Karlsburg.  Wich- 
tiger sind  die  dort  im  Besitz  des  gelehrten  Canonicus 
und  Gymnasialilirectors  Cipariu  befindlichen  Wacbs- 
tafeln  aus  Vercspatak,  deren  Vergleichung  derselbe  iu 
zuvorkommender  Weise  gestattete.  Leider  sind  die- 
selben seit  ihrer  Auffindung  und  ersten  Piiblication  theil- 
weise  sehr  beschädigt  und  die  leicht  in  Wachs  geritzten 
Schriftzüge  an  vielen  Stellen  unleserlich  geworden  oder 
ganz  geschwunden. 

Die  Sammlung  des  Gymnasiums  von  Schässburg, 
welche  Professor  Goos,der  sich  durch  mehrere  Publi- 
cationen  um  die  Alterthumskunde  von  Siebenbürgen 
verdient  gemacht  hat,  zu  vermehren  besorgt  ist,  bietet 
ausser  einer  Anzahl  antiker  ^lünzeu,    einigen  Intaglios 


—     332 


imd  Geräthschafteu  nichts  Römisches  von  Belang.  Auch 
der  östlichste  Ort  in  Siebenbürgen,  den  wir  besuchten, 
Kr  onstadt,  hat  nur  einige  geschnittene  Steine  und 
römische  Ziegel,  die  von  andern  Orten  hieher  gebracht 
worden  sind,  in  der  naturliistorischen  Sammlung  des 
Gymnasiums  aufzuweisen. 

Siebenbürgen  nmfasst  bekanntlich  nur  einen  Tlieil 
des  alten  Dacieu,  dass  sich  bis  an  die  Donau  erstreckte. 
Wie  überhaupt  der  bestimmende  Einfluss,  welchen  der 
Lauf  der  Ströme  und  Wasseradern  auf  die  Ausdehnung 
der  römischen  Occupation  ausgeübt  hat,  in  jenen  Gegen- 
den deutlich  herantritt,  so  besonders  im  Süden,  wo  der 
Altfluss  unverkennbar  eine  Gräuze  bildet.  Während  die 
grosse  Wallachei  noch  spärlicher  als  der  Osten  Sieben- 
bürgens von  Römern  bewohnt  gewesen  zu  sein  scheint, 
lassen  sich  westlich  vom  Alutas  in  der  sogenannten 
kleinen  Wallachei  zahlreiche  Ansiedelungen  nachweisen, 
denen  natnrgemäss  ein  ungleich  liöherer  Antheil  an 
römischer  Cultur  zufiel,  als  dem  vorgeschobenen  Gebiete 
jenseits  der  Karpathen.  Während  im  Norden,  wo  es 
sich  um  den  Schutz  der  äusse'rsten  Gränzen  liandelte, 
das  militärische  Element  eine  freiere  städtische  Ent- 
wicklung darniederhielt,  wurde  im  Süden  durch  die 
grössere  Sicherheit  der  Existenz,  den  regen  Verkehr 
mit  dem  benachbarten  Mösien,  die  vortheilhafte  Kähe 
des  grossen  Stromes  und  die  bedeutendere  Ergiebigkeit 
des  Bodens  das  AulljUihen  von  Städten  im  hohen  Grade 
begünstigt. 

Dieses  natürliche  V'erhiiltniss  wird,  obwohl  in 
Rumänien  nur  gelegentlich  und  an  wenigen  Orten  Aus- 
grabungen vorgenommen  worden  sind,  durch  alle  bis- 
herigen Funde,  welche  grösteiitheils  nach  Bukarest  ge- 
kommen sind,  anschaulich  vergegenwärtigt.  Da  wir  bei 
beschränkter  Zeit  und  den  Schwierigkeiten  des  Verkehrs 
in  den  Donangegenden  nicht  an  einen  Besuch  der  Fund- 
orte denken  koiniten,  so  durften  wir  es  um  so  weniger 
unterlassen,  die  zugängliciiercn.Sanniilungcn  derllaupt 
Stadt  eingehend  zu  untersuchen.  Wir  hatten  diesen 
Entschluss,  aucli  nach  der  verbindlichen  Aufnahme,  die 
wir  bei  einigen  Gelehrten  von  Bukarest,  namentlich 
Flerrn  Odobescu  fanden,  nicht  zu  Ix'i'cuen. 

Das  öHL-nflicIic  Museum  der  Stadt  ist  in  verschie- 
denen Räumen  des  Universitätsgebäudes  aufgestellt, 
und  hat  in  den  letzten  Jahren,  unter  der  Leitung  des 
Dircctors  Russo  in  Folge  der  Einverleibung  grösserer 
Sainiulungen  des  Generals  !\I  a  v ms  und  des  Fürsten 
]\[ichael  Ghika  an  Umfang  und  liedcutung  gewonnen. 
Nach  dem  berühmten  Funde  von  Petmsa  ,  der  wie  auf 
der  Pariser-  Sf>  auf  der  Wiener- Weltausstellung  die  ru- 
mänische Abtheilung  zierte,  ist  als  wichtigster  Bestand- 
theil  hcrvor/adicbcn  eine  Reihe  griechischer  und 
lateinischer  Insclnitten,  die  zum  grössten  Theile  v<ni 
D  esjardins  annalid.  instit.  l?<(iHp..')  Fig.  venitirnllii  lit 
worden  sind;  ein  kolossaler  Sarkophag  aus  Kalkstein, 
auf  dessen  Front  vier  stehende  i'orfraitfiguren ,  auf 
dessen  übrigen  Seiten  Eroten  ,  liaruntin-  einmal  Ei'ns 
und  Antcros  um  (sine  l'almc  ringend  dargestellt  sind; 
einige  durili  den  Charaktei'  ihrer  Form  und  Verzierung 
interessante  spätrönnsclie  (irabnmnuniente  ;  einige 
griecliisciie  Scitulcralstclcn,  unter  anderin  drei  Todten- 
malile.  und  ein  schönes  wdhierhaltenes  llocln'clief  etwa 
des  III.  .Iahrhun<lerts  mit  der  Figur  einer  l';]ih('l)en ; 
eine  grössere  Zahl  rüinisch(  i   und    griechischer  Voiiv- 


reliefs,  wozu  auch  einige  attische  Bruchstücke ,  wie  es 
scheint  von  der  Akropolis,  gekommen  sind;  schliess- 
lich eine  Menge  kleiner  Broncen,  unter  denen  freilich 
Falsiticate  oder  Fabricate  von  zweifelhaftem  Werthe 
überwiegen. 

Nach  dem  öffentUeheu  Museum  konunen  besonders 
zwei  Privatsammlungen  in  Betracht,  deren  Studium  uns 
durch  die  Lil)eralität  der  Besitzer  uneingeschränkt  er- 
möglicht worden  ist.  Die  Samudungen  des  Rcdacteurs 
der  Zeitung  Trompetta  carpatiloru,  Cesare  B  o  1 1  i  a  c  und 
des  Majors  Dimitrie  P  a  p  a  s  o  g  1  u,  beide  meist  aus  eigenen 
Nachgrabungen  an  versfhiedenen  Orten  der  kleinen 
Wallachei  gebildet.  Der  Erstgenannte  ,  der  zu  wieder- 
holten Malen  in  seiner  Zeitung  umständlich  über  seine 
Ac(|uisitionen  und  Funde  Bericht  erstattet  hat,  besitzt 
ausser  einer  werthvoUen  Münzsammlung  und  einer 
ebenso  reichhaltigen  als  auserlesenen  Serie  vorhistori- 
scher Utensilien  eine  beträchtliche  Zahl  kleiner  Bronzen 
und  römischer  Reliefs.  Der  Letztere  hat  in  mehreren 
kleinen  Pavillons  seines  Gartens  mit  vielseitigem  Inte- 
resse eine  überraschende  Menge  der  mannigfaltigsten 
Gegenstände  vereinigt  ,  Fragmente  von  Statuen,  In- 
schriften, Reliefs,  Terracotten,  kleine  Bronzen  u.  s.  w. 
und  hat  seinen  ganzen  Besitz  in  einem  eigenen  Cata- 
loge  „Muzeul  Papazoglu ,  Bueuresci,  Colörea  albasträ 
Väcäresci  Nr.  151  —  18()ö"  pp.  145,  8«.  unter  Angabe 
der  Provenienzen  beschrieben.  Den  wichtigsten  Be- 
standtheil  des  fianzen  bildet  eine  ansehnliche  Daktylio- 
thek  deren  Hauptstiick  einO"',  075  langer  ovaler  Achat 
mit  vertiefter  Darstellung  einer  Haruischtigur  ist ,  und 
eine  1863  im  Altfluss  bei  Riesca  gefundene  0™,  235 
hohe,  0™,  21  breite  und  0™,  12  tiefe  Gesichtsmaske  aus 
0'",  003  dickem  Bronceblech,  auf  deren  Innen-  und 
Aussenseite  der  Name  des  Besitzers  oder  Verfertigers, 
T  .  PII  .  PRISCI,  in  punctirten  Lettern  sieht.  Sie  ist 
unbärtig,  in  idealen  Formen  gehalten,  und  zeigt  einen 
Eichenkran/,  im  Haar.  Uijer  der  Stirn  und  an  den  hin- 
teren Enden  der  Backen  sind  kleine  Löcher  angebracht, 
welche  zur  Befestigung  von  Bändern  beim  Tragen  der 
Maske  dienten.  Für  diesen  Gebrauch  sind  auch  Lip- 
penspalte ,  Nasenlöcher  und  AugenhiUdcn  durch- 
brochen. ' 

Nach  kurzem  Aufenthalt  in  T  um  -  Se  vcri  n  uiul 
einem  Abstecher  nach  ]\[eliadia,  wo  die  bekannten 
Alterthümer  trotz  zahlreicher  Neubauten  aufl'älliger 
Weise  keinen  Zuwachs  erhalten  haben,  unterzogen  wir 
die  grosse  tra.ianisehe  Fclsinschrift  in  der  Nähe  von 
Orsova  auf  serbischem  Ufir  einer  neuen  Untersuchung, 
die  jedncli  bei  fast  viillständiger  Zerstörung  der  unteren 
Tlieile  nur  zu  bedingten  Resultaten  ffdiren  konnte.  Zum 
Schluss  unserer  Reise  besichtigten  wir  das  städtische 
Museum  von  Belgrad,  das  tili'  Mösia  superior  eine  ähn- 
liehe Px'deutung  beans])ruelit  wie  die  Sannnlungen  vtm 
Bukarest  ftir  Dacia  infi'rior. 

In  Folge  daidvcnswertlu'ster  Unterstfit/.ung  von  Sei- 
ten des  Direcfors  Staatsrat!!  Dr.  Schafäfik  und  des 
k.   k.    östeir.   Mceconsuls  Anger  ward    es    uns   mög- 


'  Kin  zweite»  Kxem|»lar  einer  Itronzoinaske  von  gleicher  He.'^tinimung, 
leider  etwn»  beBchndUt,  aber  von  schöner  Arboll.  mit  di-n  Kornien  eine»  bnr- 
linen  I'onriilB,  befin<let  »Ich  Itn  Mu»>mm  tob  Jleli^rad.  Andere  liat  K.  Hubnor 
In  den  .lahrbiichern  de»  Vereines  von  Alterth.  im  Khelnlaiide'  1873  p.  17-1 
lehrreich  zuHnmniongentellt ;  »le  (luden  pleh  im  Museo  Gregorlano  In  Rom,  Im 
britischen  MiiHOUm  hl  London,  in  den  Sammlungen  von  Metz  und  Mainz.  E» 
hIii'I  Anstalten  getroffen,  diese  interessante  Clnsse  von  Jlonuntenlen,  deren 
praktipcher  Zweck  vorlänllt;  nicht  mit  .Slchorli.lt  zu  LcHtlmmen  ist,  In  einer 
eigenen  Publlcntion  zn  vereinigen. 


333     — 


lieh  von  dem  wichtigsten  Bestand  in  kurzer  Zeit  Keiint- 
niss  zu  nehmen.  Ausser  einigen  fignrenreieiien  Grat)- 
monnmenten  und  einer  grösseren  Serie  von  Yotivreliefs 
und  Bronzestatuetten  erregte  nanientlieh  eine  Samm- 
lung von  Goldsehmuckgegenständeu,  geschnittenen 
Steinen  und  Silbersachen  unsere  Aufmerksamkeit.  Von 
den  letzteren  sind  sechs  antike  Barren,  deren  Inschriften 
nach  Jlittheilungen  Sat'afik's  von  Jlonnnsen  i^C.  I.L.III. 
add.  (io.'il)  verölit'entlicht  sind  und  ein  schon  um  des 
metallischen  Werthes  willen  hervorragender  Fund  von 
über  20  Gefässen  und  Utensilien,  darunter  eine  elegante 
Schale  mit  bachischen  Reliefs  hervorzuheben. 

An  den  meisten  Orten,  die  wir  besuchten,  Hessen 
sich  von  unbekannten  Monumenten  Abgüsse,  Abdrücke, 
Photographien  oder  Zeichnungen  gewinnen  und  wurde 
überhaupt  für  eine  möglichst  vollständige  beschreibende 
Aufnahme  des  Vorhandenen  Sorge  getragen.  Es  konnte 


auf  diese  Weise  anuäliernd  ein  Überljlick  über  die 
Kunstthätigkeit  einer  römischen  Provinz  erzielt  werden, 
welclier  trotz  des  künstlerisch  untergeordneten  Werthes 
und  des  meist  bekbigenswcrthen  Zustandes  des  zufällig 
Erhaltenen  Nutzen  zu  gewähren  verspricht.  Eine  nähere 
Mittheiiung  der  eiiigraphischen  und  archäulogischen 
Ergebnisse  wird  demnächst  erfolgen.  Wenn  wir  dieselben 
im  Ganzen  als  nicht  unliefriedigcnd  bezeichnen  können, 
so  danken  wir  das  vorzügHch  dem  liebenswürdigen  Ent- 
gegenkonniien,  das  wir  überall  auf  unserer  Keise  ohne 
Unterschied  der  Nation  oder  des  Standes  gefunden 
haben,  und  wir  empfinden  es  als  eine  angenehme  Pfliclit, 
für  alle  Förderung,  die  uns  zu  Theil  wurde,  auch  öftV'nt- 
licli  unserer  Dankbarkeit  Ausdruck  zu  geben. 
Prag  den  ."].  December  1873. 

Otto  Bemidorf,  Otto  Hirsch  fehl. 


In  Betreff  des  Strassbiirger  Wandteppichs. 


Ich  habe  in  diesen  ^littheilungen,  Jahrg.  1872, 
pag.  40 — 48,  den  Bilderschmuck  des  Pressburger  Wand- 
teppiches  zu.  erklären  v(?rsncht  und  erlaube  mir  im  Zu- 
sammenhange und  in  Übereiustimnumg  mit  dem  dort 
Gesagten  Folgendes  als  nachträgliche  Erweiterung  der 
gegebenen  Erklärung  zu  bringen.  Aus  Simrock's 
Handbuch  der  deutschen  Mythologie,  pag.  461  ft'.,  ersehe 
ich,  dass  auch  von  der  Volkssage  und  Literatur  dem 
wilden  Manne  die  Rolle  des  Hüters  wilder  Thiere  zu- 
getheilt  wird.  In  mehreren  Märchen  sind  es  Hasen  und 
Füchse,  sonst  aber  auch  wilde  Bestien,  gewöhnlich  in 
einem  von  Eisengittern  umschlossenen  Garteugehege 
gehalten,  in  dessen  Mitte  ein  vom  wilden  Mann  bewach- 
ter Baum  steht.  Simrock  zeigt,  dass  mit  diesem  Baume 
der  Weltbaum,  die  wunderbare  Esche  Ygdrasill  gemeint 
ist,  sowie  der  dabei  befindliche  Brunnen,  im  Iwein  als 
gewittererregender  Quell,  im  Märchen  vom  lebenden 
Wasser  als  Zauberborn  geschildert,  der  heilige  Urdaquell 
sein  muss;  er  zeigfferner,  dass  diese  Persönlichkeit  des 
Vieh  hütenden  wilden  Mannes  uns  zuerst  in  den  Ge- 
stalten des  wachhabenden  Hüters  in  den  eddischen  Lie- 
dern Skirnisför  undFiölswinnsmal  begegnet,  wobei  auch 
der  heilige  Baum  und  die  Hunde  der  Hirten  nicht  fehlen. 
In  der  flammenden  Umzäunung  des  Wafurlogi  ist 
aber  der  Scheiterhaufen  und  somit  im  weiteren  Sinne 
die  Behausung  des  Todes  und  die  Unterwelt  zu  denken, 
welcher  Thatsache  der  Volksglaube  entspricht,  dass  vor 
dem  Reiche  der  Unterwelt  eine  Viehweide  liege.  Sim- 
rock gibt  Beispiele  aus  Fastuachtspielen  des  XVI.  Jahr- 
hunderts und  Volksmärchen.  In  dem  lateinischen  Liede 
vom  Bischof  H  e rigor  heisst  es  von  der  Hölle,  sie  liege 
hinter  einem  dichten  Walde  (densis  undique  silvis),  der 
von  wilden  Thieren  augefüllt  sei  und  die  ein  wilder 
Mann  hüte.  Denselben  wilden  Hüter  wilder  Thiere  fin- 
den wir  ferner  im  genannten  Iwein  Hartmann's  von  Aue, 
Vers  403—517. 


Fassen  wir  dies  zusammen,  so  ergibt  sich  für  das 
Verständniss  des  Gegenstandes  ein  tieferer  Einblick, 
ein  Bild  einer  tiefsinnigen  Phantasie.  Wir  haben  dem- 
zufolge also  einen  uralten  nationalen,  poetischen  Sagen- 
stoft",  dem  selbst  mythologische  Bedeutung  innewohnt, 
vor  uns,  den  das  Märchen  des  Volkes  verkündete  und 
beliebte  Dichter  der  ritterlichen  Zeit  für  ihre  ergreifenden 
Gesänge  gewählt  hatten.  Aus  beiden  Quellen  musste  er 
der  vornehmen  Gesellschaft  auch  noch  in  der  Entste- 
huugsperiode  unseres  Teppiches  geläufig  sein  und  konnte 
dann  auch  in  zcitgeniässer  Weise  moralisirend  verwen- 
det werden.  Aus  diesem  Zusammenhange  aber  wird 
uns  noch  deutlicher  als  aus  den  Charakter-Eigenschaften 
der  einzelnen  dargestellten  Thiergattungen  ihre  zum 
Theil  böse  Bedeutung  klar,  denn  sie  sind  Geschöpfe  der 
Unterwelt.  Dass  diese  wilden  Männer  und  Hüter  der 
wilden  Thiere  hier  jedoch  die  hässliche  Waldschraten- 
Figur  abgelegt  haben  und  feine  Jüngelchen  geworden 
sind,  wird  weiter  nicht  wundern  und  den  Zusammen- 
hang mit  Obigem  auch  nicht  lösen  können ;  der  Grund 
ist  in  der  Abhandlung  bereits  augeführt:  wir  haben, 
was  dies  betrifft,  eine  modehafte  Aus-  und  Linibildung 
des  volksthündiclien  Sagenstoftes  vor  uns,  weil,  wie  es 
scheint,  die  Maske  des  wnlden  Mannes  eine  in  den  ge- 
nannten Ständen  beliebte  gewesen  war. 

Zum  Schlüsse  füge  ich  noch  hinzu,  dass  mir  nun 
erst  das  Bildwerk  auf  einem  Grahdenksteine  an  unserer 
Stefanskirche  erkiärlieh  ist.  An  der  Stirnseite  dieses 
Domes  befindet  sieh  nämlich  auf  dem  Grabmale  des 
Endres  Wolf  von  Ober-Volkach,  der  1568  starb,  eine 
Viehweide  mit  einem  Brunnen,  darüber  das  jüngste  Ge- 
richt dargestellt.  Wieder  ein  neuer  Beweis,  wie  innig 
die  Sage  des  Volkes  und  die  alte  Kun.st  desselben  im 
Zusammenhange  stehen. 


Alb.  Ilg. 


334 


Die  scliiniedeisernen  Leuchter  der  Stiftskirche  zu  Heiligeiikreuz. 

Vun  Job.  Gradt. 


(Mit  1  Holzschnitt.) 


In  der  Stiftskirche  des  Cistercienser  -  Ordens  zu 
Heiligenkreuz  haben  sich  vier  gleiche  schmiedeiserne 
Leuchter  von  der  in  Fig.  1  ersichtlichen  Form  erhalten, 
welche  Leuchter  bei  den  kirchlichen  Functionen,  wie  sie 


Fife'.  1. 


nach  dem  Kitiis  derselben  für  die  Verstorbeneu  eingehalten 
werden,  im  Gebrauch  waren.  Obgleich  an  diesen  Werken 
kein  ausgcs]irochenes  figurales  oder  ornamentales  Merk- 
mal vorkommt,  durch  welches  sich  dieselben  als  Er- 
zeugnisse dos  frühen  Älittelalters  kennzeichnen  würden, 
so  legitimiren  sie  sich  nichtsdestoweniger  als  solche 
in  prägnanter  Weise.  Darin  liegtebendas  Eigeuthümliche 
an  den  selten  mehr  vorfindliehen  Kosten  des  Kunst-  und 
Gewerbcfleisscs  unserer  vor  vier  und  noch  mein-  Jahr- 
hiniderten  thätigen  Werkmeister,  dass  die  aus  ihrer 
Hand  hervorgegangenen  Arbeiten,  mögen  sie  für  höhere 
Zwecke  oder  den  alltäglichen  Gebrauch  bestimmt  ge- 
wesen sein  ,  in  naiver  schlichter  Autfassung  gebildet 
und  dabei  die  Formschöniieit  bei  hilialtung  der  Um- 
stände, die  von  der  Eigenschaft  des  Materiales  und  der 
Gebrauchsverwendung  des  Gegenstandes  bedingt  waren, 
nicht  ausser  Acht  gelassen  war.  Darin  liegt  zum 
wesentlichen  auch  ihr  unmittelbarer  fortwährender  Keiz, 
dass  diese  Werke,  bei  deren  Anfertigung  lange  noch 
nicht  jene  vervollkonunneten  Werkzeuge  vorhanden 
waren,  die  dem  in  der  Gegenwart  schaffenden  Werks- 
küustler  zur  Verfügung  stehen,  mit  voller  Präcision 
und  aller  Solidität  und  in  der  ureigenen  durchgeistigten 
Form  hervorgegangen  sind,  wobei  der  Keiz  durch  eine 
mitunter  liarte  und  steife  Ausbildung  einzelner  Theile 
nur  noch  erhöht  wird  und  an  die  Gebundenheit  der 
alten  Ägypter  erinnert.  Aus  diesem  Grunde  verdienen 
solche  Werke  mit  dem  ausgeprägten  Typus  ureigener 
Erfindung  und  nationaler  Tcclniik ,  widclie  noch  nicht 
von  der  aus  der  Antike  überkommenen  Forinenaus- 
bildung  augekränkelt  sind,  eine  eingehende  Würdigung, 
welche  ihnen  derzeit  auch  von  den  in  der  Kunst-Indu- 
strie am  weitesten  fortgeschrittenen  Culturvölkern  Eu- 
ropa's  dadurch  wieder  zu  Tlieil  wird,  dass  man  auf  die 
natiitnale  Teclniik  und  ureigene  Ausbildung  des  Mittel- 
alters zurückgreift,  wie  diess  die  Arbeiten  hervorra- 
gendster englischen  Firmen  beweisen ,  die  aber  der 
Liel)hal)er  stylvoller  Arbeiten  auf  der  gegenwärtigen 
Ausstellung  leider  \erniisst  hat. 

Der  vorliegende  ]>eucliter  entwickelt  sich  ,  von 
einem  drcifüssigen,  krallig  geformten  Untersatze  gehal- 
ten, der  ihm  die  erforderliche  Stabilität  gibt,  als  drei- 
mal durcli  Knäufe  unterbrochene  cyliiidrische  Köhre, 
die  sich  mit  ihren  gescidit/.len  und  umgeliogeneu  vier 
Auslaufen  nacii  unleii  .-luf  dem  rntersafz  anscliniiegt 
und  vermittelst  einer  im  Innern  der  Köhre  angebrach- 
ten Durchzugsstange  befindlichen  Schraube  in  steter 
Spannung  gehalten  werden  kann,  zu  einer  Höhe  von 
vier  Fiiss,  wozu  woid  noch  dii'  Schale,  nicht  aber  mehr 
der  Dornsiiitz  gerechnet  ist.  Am  oberen  Auslauf  der 
cylindrischen  Köhre  von  1  Va"  Durchmesser  liegt,  durch 
einen  Knauf  vermittelt,  die  flach  gehaltene  Schale  von 
fi"  Diameter  auf,  aus  der  die  Dnrclizugsstangc  mit  dem 
Dornsi)itz  lierausragt.  Die  Ausailicitiing  der  Schale,  der 
Köhre,  des  Fasses  inid  des  l'.ciwerkes  ist  ladellos,  und 
das  Ganze  mit  einem  schwarzen  Lack  ülterzogcn.   Zier- 


—     33Ö     — 


lieh  s;'Owuii(leiie  Stiihfhen  beglcitfii  den  Rölireiistämlev, 
von  wl'IuIk'hi  sie  sich  in  stianinicr  Au.sl)ifguni;-  nacli 
oben  au  die  Schale  mittelst  volutenfönnif;-  gehaltener 
Kn(lii;-ang,  naeli  unten  mittelst  /.nni;eni"iirmift'er  Ahplat- 
tunt;'  anschliessen. 

Die  Arbeit  fällt  in  die  Ausuansszeit  des  Komanis- 
mns;  Inder  Periode  der  Gotliik  hätte  es  der  Werks- 
Hieister  nicht  über  das  Herz  gebracht,  dem  Geiste  seiner 


Zeit  durch  die  Anbringung  eines  tyiiisehen  oder  scitc 
matiselieii  '  hnanientes  am  Fuss,  Ständer    oder   an    dci- 


Seiialc  gerecht  zu  werden  und  seiner  Leistung  den 
Stempel  seiner  Zeit  äusseilitdi  mit  mehr  Schürfe  aufzu- 
drücken. 

ICs  ist  ein  Glück  zu  nennen,  dass  sich  diese  zwar 
unsclieiubaren ,  aber  selten  mehr  vorfnidliclien  Werke 
mitlelalterlieher  'l'echnik  unter  di-r  (Jbhut  des  kunst- 
sinnigen Stiftes  betindeii;  denn  dasselite  ist  uns  Bürge, 
dass  die  Leuchter  den  Nachkonnnen  erhalten  bleiben 
und  als  miistergiltige  Arbeiten  zur  Nachl)ilduiig  anregen 
werden. 


Der  Statltiiietzeii  von  Wels. 


Von  Joh.  Gradt. 


(Mit   1    Holzschnitt.) 


Wie  das  alte  betriebsame  Nürnberg  seine  berühmte 
öflentlicbe  Stadtwage  hatte  ,  auf  welche  es  mit  Recht 
stolz  sein  konnte,  weil  der  Erzgiesser  Kraft  in  küust- 
lerisch  vollendeter  Form  dieses  AVerk  geschatlen  hatte, 
und  wie  auch  andere  iudustriereiche  deutsche  Städte, 
wie  z.  B.  Wien,  Freiburg,  im  Mittelalter  verschiedent- 
liche,  an  ötfeutlicheii  Gebäuden  angebrachte  l'rmasse 
besassen,  um  den  Bedürfnissen  des  ötilentlicheu  Ver- 
kehrs gerecht  zu  werden,  so  hielten  es  auch  die  öster- 
reichischen Handels-Kmporien  im  Mittelalter  mit  den  im 
Verkehr  üblichen  Mass-  und  Gewichtseinheiten.  Sie 
standen  unter  der  Coutrole  des  Stadtregimentes  und 
unter  der  Aufsicht  öilentlicher  Organe  und  waren  wie 
die  'Wahrzeichen  der  Stadt  selbst  Gegenstand  pietäts- 
voller Pflege  und  desslialh  gegen  niuthwilligc  Verletzung 
gefeit.  Ein  solches  aus  dem  Jfittelalter  stanuiiendes  Jlass 
besitzt  die  Stadt  Wels  an  dem  sogenannten  Stadtmetzen, 
welcher  am  Platze  in  der  Stadt  nächst  dem  ^lagistrats- 
gebäude  angebracht  ist  und  wovon  Fig.  1  eine  Ansicht 
gibt. 

Solche  Überreste  haben,  ganz  abgesehen  von  der 
Form,  in  welcher  sie  auf  uns  überktnninen  sind,  in  der 
Gegenwart  insofern  ein  erhöhtes  Interesse  bekommen, 
weil  sie  als  Mass-Einheiten  derA'ergangenheit  den  Schlüs- 
sel zur  Beantwoitung  einer  in  dei'  Gegenwart  nut  Kecht 
wichtig  gewordenen  Frage,  zur  Geschichte  der  Preise 
enthalten,  weil  sie  über  den  Verkehr,  dessen  Ausdehnung, 
Art  und  Weise  der  Geschäftsabwicklung  und  anderer 
culturgeschichtlicli  niei'kwürdiger  Verhältnisse  gar 
manche  .Vufsclilüsse  zu  bieten  im  Stande  sind.  Von 
diesem  (ieschichtspunkte  verdienen  solche  Blass-Ein- 
lieiten  eine  besondere  AVerthschätzung,  und  aus  diesem 
Grunde  würde  es  sich  empfehlen,  dass  das  erwähnte 
Denkmal,  welches  schon  lange  her  ausser  Gebrauch 
gesetzt  ist,  an  einem  Orte  aufbewahrt  werde,  wo  es  den 
rnbilden  der  Atnios|)härilien,  oder  was  mehr  noch  zu 
befürchten  ist,  zufälligen  oder  nuithwilligen  Beschädi- 
gungen weniger  ausgesetzt  wäre.  \'or  allem  scheint 
mir  dazu  das  Museum  Francisco-Garolinum  in  Linz  be- 
rufen, diesem  \aterl;inilischen  Denkmale  eine  schützende 
Stätte  zu  gewähren. 

So  hat  sich  auch  für  den  in  der  rasch  emporblüheu- 
den  Handelsstadt  Wels  seiner  Zeit  und  noch  dermalen 
lebhaften  Marktverkehr  namentlich  in  Körnerfrüchten, 

XVllI. 


deren  Abschlüsse  für  die  benachbarten  Lander  Ober- 
Steiermark,  Salzburg ,  Bayern ,  Böbmen  und  Nieder- 
Osterreich  noch  immer  von  Einfluss  sind',  im  Jlittelalter 
aber  im  höheren  Grade  waren,  als  ein  unabweisliches 
Bedürfniss  eine,  keinen  Schwankungen  unterliegende 
Mass-Einheit  herausgestellt,  um  deniuternationalen\'er- 
kehr  mit  Ländern,  in  welchen  abweichende  Einheiten 
üblich  waren ,  zu  regeln  und  zu  erleichtern.  Dieser- 
wegen  wurde  unter  der  Controle  und  Autorisation  der 
Statltbeliörde  der  dem  A'erkehr  zu  Grunde  liegende 
Metzeu  aus  einem  dauerhaften,  der  Abnützung  nicht 
leicht  unterliegenden  Materiale  angefertigt,  aus  dem 
bunten  l\Iarmor,  welcher  in   den  Steinbrüchen  der    im 


Fis-  1. 


44 


—     336 


Salzkammergute  stark  verbreiteten  Gosauforiuatii)ii  ge- 
wtiiinen  wird.  Der  Metzeu  ist  nach  aussen  als  reguläres 
aeiitseitiges  Prisma  von  18"  Hölie  und  -21  <  .,"  Breite  ge- 
halten, naeli  nuten  einfach  abgeschrägt.  Die  innere 
cylindrische  Aushöhlung  ist  mit  lüicksieht  auf  die  vorn 
angebrachte  Ausmündungs-Uft'nung  so  gehalten,  dass 
sich  beim  Entfernen  der  Abschlussklappe  das  Gefäss 
seines  gesammten  Inhaltes  ohne  Rticklassung  etwaiger 
Überbleibsel  schnell  entleeren  konnte.  Zur  Fixiruug  der 
Verschlussklappe  au  der  Oft'nnng  ist  im  Steine  eine  vier- 
eckige Vertiefung  ausgearbeitet,  und  nebstdem  sind  in 
dem  vertieften  Felde  zwei  Löcher  angebracht  worden, 
in  welche  die  VerschUisskla])])e  rasch  eingepasst  und 
schnell  genug  beseitigt  werden  konnte. 


Dieses  prismatisch  geformte  Gefäss  wird  von  einem 
kurzen  kreisrunden  Säulenschafte  getragen  ,  der  aus 
einem  {inadratiscb  gehaltenen  Sockel  mit  anziehender 
Verschrägung  herauswächst,  —  eine  Form,  die  in  der 
Spät-Gothik  mit  besonderer  Vorliebe  für  Vermittlungen 
zwischen  runden  uud  eckigen  Gliederungen  gewäldt 
wurde.  Die  (lesammthöhe  des  IMctzens  samnit  Ständer 
beträgt  o'  —  9",  der  Dianicterder  Aushöhlung  21". 

Nimmt  mau  auf  den  kubisciicn  Iniiait  des  mittel- 
alterlichen Masses  und  sein  Verhältniss  zu  dem  gegen- 
wärtig üblichen  Metzeu  llücksicht ,  so  stellt  sich  der 
Wiener  Metzeu  ^=0-6148682  Hectoliter  ungefähr  sechs- 
mal grösser  als  das  zu  Wels  übliche  mittelalterliche 
Urmass  =  0.1118189  Hectoliter  heraus. 


GefässFuiid  in  Dalmatieii. 


Der  Conservator  für  den  Bezirk  Spalato,  Professor 
Michael  Glavinic  berichtet,  dass  vor  kurzem  auf  einem 
an  der  Strasse  von  Salona  nach  Trau  gelegenen  Acker 
achtundvierzig  grosse  Thongefässe  an  ein  und  derselben 
•Stelle  gefunden  wurden.  Es  sind  dies  A])horen,  deren 
sich  die  Römer  zur  Anlbewahrung  des  Weines  bedien- 
ten, wobei  das  unten  zugesjiitztc  (Udäss.  in  den  S;ind 
des  Kellers  oder  Depots  eingedrückt  wurde.  S(dclie  Ge- 
lasse, die  eine  Hohe  von  3  Fuss  erreichen  ,  sind  nicht 
selten  und  belindet  sich  davon  eine  Anzahl  \i>n  ver- 
schiedenen Formen  im  k.  k.  Antiken-C'abinet  ^ unteres 
Belvedere).    Ein   grosser  Theii  dei-  Gefässe    \\;ir    zer- 


trümmert, doch  fanden  sich  auch  mehrere  ganz  wohl 
erhaltene. 

Aus  der  grossen  Anzahl  dieser  Fundstückc  scheint 
hervorzugehen,  dass  man  hier  entweder  auf  ein  antikes 
Weindepot  sticss,  oder  in  der  Nähe  der  Fundstelle  eine 
Fabrik  für  S(dche  Gefässe  liestand. 

Interessant  ist  der  am  Halse  eines  Gefässcs  ange- 
l)rachte  Name  Heren  Flav  (Herepius  Havus) ,  wahr- 
scheinlich der  Name  des  Fabrikanten;  auch  einer  der 
Deckel  war  mit  einer  runden,  ganz  eigentliümliche 
Zeichniini;en  enthaltenden  Marke  verseilen. 


B  ü  c  h  e  r  s  c  h  a  u. 


Hocznik  dia  Archeologow  Numizniafyköw  Hililio- 
grafow  polskich  v.  1870  wydal  Stanislaw  Krzyza- 
novvskilJr.  Filozofii.  Krakow.  Drukarnia  IJniwersy- 
tety  Jagiellonskiciio  iiodzarzadem  K.  Mankowskiego. 
1873.  8°.  Str.  287.' 

(Jahrbucli  für  Archäologen.  Xiiiin'smatiker  und  Hib- 
liograjihen  in  Polen.  Jain'gang.  I87()  lleraiisgi'gelH'n  von 
Stanislaus  Krzyzanowski  Dr.  der  l'hilosophic.  Krakau. 
in  der  Fnivcrsitäts-Buchdruckerci  unter  der  Fülinin:; 
des  K.  Mankowski  1K73,  8°.  S.  287.) 

I)i-r  Inhalt  dieses  ist:  Zuerst  ist  dir  I  )(Mlication 
/inu  Andeid<en  der  vicrliniidcrtjährigen  (ielnut  des 
Nicolaus  Kopernik;  daini  folgt  „die  Jugendjahre  des 
Sl;inislaMs    liohusz"     \(>n    Alexander    Weryha     Daro- 


wski;  „die  Huchdruckerei  an  den  Moldawischeu  Grän- 
zen"  \dn  Dr.  Jose])!!  Rolle;  ,,dii'  Gründung  der  Jagiello- 
nischen  l'niversität  in  Krakaii  im  Jahre  l.'ilU"  von  Dr. 
Alfred  Brandowski;  zuletzt  das  Jahrbuch  seihst,  wel- 
ches aus  neun  Abschnitten  besteht,  in  welchen  die 
••irchäologischen  (iesellseluiften  und  Vereine,  der  öfl'ent- 
liciie  \'orti-ag  der  Archäologie,  die  im  Laufe  des  Jahres, 
aiigeschalfteii  arcliiiojoi^isehen  Crcgenstände,  Finidge- 
genstände  aus  Polen,  die  Liste  der  archäologischen 
Sannnler,  archäologische  Untersuchungen,  Nckrologie 
der  verstorbenen  .\rchiioIogen,  archäologische  l'ililio- 
graphie,  und  die  ('iironikzMs;innncngelasst  sind.  Strenge 
Studien,  der  Reiehtlium  \'on  wissenselial'tiielieu  N.-uli 
richten  empfehlen  dies  Werk. 


Itoilnt.t^iir:    Pr.   Karl  Mnd.  —  llriirk  <l<'r  k>   k.  l[or-  Hill  H(jintjl(lrllrkr>n 


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