THE J. PAUL GETTY MUSEUM LIBRARY
MITTHEILUNGEN
DER
K. K. CENTRAL-COMMISSION
ZUR
EEFOESCHUNG UND EEHALTUNG DEß BAUDENKMALE.
HERAUSGEGEBEN UNTER LEITUNG
SF.INEfi EXCELLr.NZ DES PRÄSIDEXTEN DEB K. K. CENTRAL-COMMISSION
Di. JOSEPH ALEXAXDEK FREIHEREN VON HELFERT
EEDACTEUK: D5. KAEL LIND.
XVIII. JAHRGANG.
MIT 307 HOLZSCHNITTEN UND i:. TAFELN.
WIEN, 1873.
IN COMMIS.SION BEI KARL GEROLD'S SOHN.
DRUCK DER K. K. HOP- UND STAATSDRUCKEREI.
^^f , „^.M r.iTTi' ChNIER
Verzeich niss
der im XYIII. Bande der Mittbeiliingen entlialtcncn Aufsätze.
Statut für die k. k. Centr.-Com. zur Erforschung und
Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale 261
Ein Hausältärchen von altspanischer Lederarbeit. Von
A. Ilg. (Mit 1 Tafel.) 1
Passau, II. Folge. Von Dr. K. Lind 4
III. r 89
IV. „ ,...,,„ (Schluss 1 253
Kirchliche Baudenkmale in Ober-Österreich. Von Dr.
Karl Fronner. Fortsetzung. (Mit 5 Holzschnitten.) 6
Schluss. (Mit 6 Abbildungen im Texte.) 86
Der angebliche Votivaltar des Tribunen Scudilo. Von Dr.
N. Kohn 8
Ein vergessenes Grab zu Strassburg im Elsass. Von Dr.
A. Luschin 12
Die Kunst des Mittelalters in Böhmen. Von Bernhard
Grueber. II. Theil.. Fortsetzung. (Mit 33 Holz-
schnitten.) 15
Fortsetzung mit 34 Illustrationen im Texte 90
r 39 „ „ „ 232
„ 34 „ und 2 Tafeln 284
Zur Oswald-Legende. Von A. E. V. P e r g e r 23
Funde aus friihhistorischer Zeit in Galicien. Von Dr. St. v.
K r z y z an o w s k i. (Mit 13 Holzschnitten.) 25
Neueste Funde zu Carnuntum. Von Dr. F. v. Sacken
(Mit 1 Holzschnitt.) 27
Römisches aus Kärnthen. Von W. F. v. Sacken ,28
Archaeologisches aus Vorarlberg. Von Ed. F. v. Sacken
(Mit 3 Holzschnitten.) 30
Der Kreis ober dem Manhartsberge in Nieder-Österreich.
Von K. Rosner. (Mit 1 Tafel und 9 Holzschnitten.) 31
Das Landschafts-Zeughaus in Grätz. Von Dr. F. Pichle r 33
Sphragistische Beiträge zur Geschichte von Tyroler-
Geschleohtern. Von Dr. Arn. Luschin. (Mit 10
Holzschnitten.) 37
Beiträge zur mittelalterlichen Sphragistik. Von Dr. K.
Lin d. (Mit 4 Holzschnitten im Texte.) 42
Fortsetzung. (Mit 3 Holzschnitten.) 123
Ein byzantinisches Madonnenbild von A. Ilg 42
Altere Grabdenkmale ,in Nieder - Österreich. Von Dr.
K. L i n d. (Mit 4 Illustrationen im Texte.) Fortsetzung.
(Mit 2 Ilustrationen.) 119
Das Tragaltärchen der Pfarrkirche Maria Pfarr in Lun-
gau. Von J. Gradt 48
Restaurirung des Karners in TuUn. I. von L. . 48
II. von Dr. Kersch ba umer . 297
Conservirung der Ruine des Carthäuser-Klosters Seiz.
Von J.Graus .... 49
Ruine Thalberg im heutigen Zustande. Von J. Graus . . 49
Die altchristliche Grabkammer in Fünfkirohen. Von Dr.
Em. Henszlmann. Mit 2 Tafeln und 1 2 in den Text
gedruckten Illustrationen 57
Funde in Grado. Von Dr. A. Ilg 83
Aus Anlass der Vollendung des Stefansthurmes. Von
A. Ilg 83
Die gothischc Kirche in Terlan in Tyrol. Von K. .\tz.
(Mit 5 Illustrationen im Texte.) lOö
Arehaeologische Reisenotizen. Von Dr. K. Lind. Mit 23
Holzschnitten 108
Ein Nürnberger Gobellin aus dem XV. Jahrhundert. Von
A. Ilg. (Mit 1 Holzschnitt.) 120
Inländische Glasgemälde mit Bildnissen von Mitgliedern
des Hauses Habsburg. Von Dr. K. Lind, i Mit 2 Ta-
feln und 2 Holzschnitten.) 124
Epitaph des Abtes Joh. Zollner zu Leoben. Von J. Graus 254
Donatello, seine Zeit und Schule. Von Dr. Hanns Semper 130
I. Fortsetzung 221
IT. ,, 263
Bericht über die im Laufe des Sommers vorgenommene
Restaurirung des schwarzen Thurmes am Hradschin
zu Prag. Von F. B enes 138
Die österreichische kunsthistorische Abtheilung auf der
Wiener AVeltausstelluag. Von Dr. K. Lind. (Mit 8
Tafelji und 100 Holzschnitten.) 149
Die Gruppe XXIV der Wiener Weltausstellung. Von Dr.
Karl Lind. (Mit 15 Holzschnitten.) 300
Siegel der steierischen Abteien und Convente des Mittel-
alters. Von Dr. A. L u s c h i n. (Mit 5 Holzschnitten.) 228
I. Fortsetzung. (Mit 15 Holzschnitten.) 315
Denkstein Sigmunds von Wildenstein zu Wildbach in
Steiermark. Von L. Beckh - Wid man nst etter. . 250
Grabstein mit Hausmarke in Stainz. Von Beckh -Wi d-
mannst etter ... 254
Bronceplatte mit Inschrift in Griitz. Von I>r. Kohn .... 254
Restauration der Dechanteikirche in Kaufim. Von J.
B e n e s 255
Die Kirche zu Rican 256
Die Restauration der Kirche zu Kolin 256
St. Jacob 258
.. ßohnic ... . . 258
A *
IV
Krakauer Priester als Künstler
Eestaurirung des Domes zu Aachen
Preiszuerkennung an die k. k. Centr. Com. von Seite
der 'Wiener Weltausstellung ....
Noch einige Worte über die Siegel der Wildoner. Vom
Fürsten von Hohe nl oli e - Wald enbu rg (Mit
2 Holzschnitten.)
Ein Beitrag zur vergleichenden Ornamentenkunde. Von
Dr. Georg Dehio. (Mit 5 Holzschnitten.)
Ein Wandgemälde der Georgskirche in Prag. Von K.
Kellner .....
Das Portal des ehemaligen Zeughauses in Wr.-Neustadt.
Von Dr. K. Li n d. (Mit 1 Holzschnitte.)
Die alten Wandgemälde in der Capelle der Burgruine
Hochejjpan. Von Karl Atz
Die ewige Lichtsäule zu Wels. Von Joh. Gradl. (Mit
1 Holsschnitte.)
Die Restauration des Prager Domes, von .1. Ben es ... .
Die Geschichte der Pfarrkirche St. Jacob in Villach. Von
Dr. A. Luschin
Die Geschichte der Klosterkirche Göss v. Dr. .\.
Luschin
Römischer Grabstein von Jennersdorf. Von Dr. Fr.
Pichlcr
Ein Schachzabelbuch in der Stadtbibliotbek zu Znaim.
Von A. Ilg. (Mit 1 Holzschnitte.)
Vorläufiger Berieht über eine archaeologische epigra-
phische Heise in Daoien. Von Otto Benndorf und
Otto Hirschfeld
Seite
■2.59
259
260
270
273
•281
282
382
298
323
328
In Betreff des Strassburger Wandteppichs. Von Dr. -4. Hg
Ein schmiedeeiserner Leuclitcr zu Heiligenkreuz. Von
Joh. G r a d t ■.
Der Stadtraetzen von Wels. Von Joh. Gradt
Gefässfund in Dalmatien . .
Büt'hersehaii.
Bulletin monumental. Von Dr. Messiuer
Der Tempel des lieil. Gral. Von Dr. Messmer
Heraldisch-genealogischeZeitschrift des Vereines „Adler"
n. Jahrgang. Von Dr. Lind
Lübke's Geschichte der deutschen Renaissance von
Dr. Lind
Die cliristliche Kunst in ihren frühesten Anfängen. Von
Dr. M e s s m 0 r
Christliche Arohitectiir und Plastik in Rnm von Constan-
tin dem Grossen von Dr. M c s s m er
Die drei Dombaumeister Roritzer und ihr Wohnhaus , die
älteste, bekannte Buchdruckerstätte in Regensburg
von Dr. M e s s m e r
Zahn's Jahrbücher fürKunstgeschichte vonDr. Messmer
Das Pressburger Rathliaus Von A. 1 lg
Das Waffenmuspum der Stadt Wien. Von Dr. K. Lind. .
Der Altcrthums- Verein zu Wien. (XIII. Band seiner
Berichte) von Dr. Lind
Jalirbucli für Archaeologeii in Polen
Todesanzeigen. (Tinkhausci-, Karajan. Reich)
148
Wien, k.k.Museum für Kunst u. Industrie
ad pa^.1.
i^
Ein Haiis-Altärcheii von altspanischer Lederarbeit.
Von Albert Ilg.
(Mit einer Tafel.)
Alte gravirte oder gepressteLederavbcitcn, welche
künstlerischen Werth besitzen, kommen nicht mehr so
allgemein vor, dass es nicht lolinend schiene, ein
hervorragendes Werk dieser Gattung Kunst-Industrie
durch Bild und Beschreibung dem Leser vorzuführen.
Es dürfte dasselbe zur Veröffentlichung in diesen
Hliittern um so geeigneter sein, als es sicli in Form
nnd Zweck den grösseren monumentalen Arbeiten der
mittelalterlichen Kunst anreiht ; es ist ein portatiles
Altärehen, wie solche im Hause oder auf Eeisen beliebt
waren, und aus den mannigfachsten Stoffen, Elfenbein,
Metall oder Holz, häufig gefertigt wurden. So enthält
der herrliche Schatz des Weifenhauses eine bedeutende
Anzahl von tragbaren Altären, und zwar der roma-
nischen Periode. Es sind das aber Ersatzstücke des
Messtisches, des Opferaltares selbst, mit einer Stein-
platte an der oberen Fläche des Kästchens, auf welche
der Kelch gestellt wurde. Von anderer Art und Bestim-
mung dagegen sind jene Hausaltärchen, welche wir
hier im Sinne haben : sie dienen nicht zur Verrichtung
des Messopfers, sondern bloss zu der privaten Andacht ;
es sind, wenn man diese Classification acceptiren will,
eigentliche Gebet- Altäre wie jene Opfer- Altäre. Ahmen
die letzteren die Mensa nach, indem ihnen die Sarko-
phagform verliehen ist und an den Seitenflächen ähnlich
den Antependien Friese von Bildwerk in gejjressfem
Metall oder auch von Email herundaufen, während das
Innere eine Reliquie birgt, so schliessen die ersteren
sich an denjenigen weiteren Theil des grossen Kirchen-
Altars an, welcher an ihm gleichfalls nicht liturgisches
Erforderniss , sondern ein Schmuck zur Hebung der
würdevollen Erscheinung des Ganzen, zur Weckung
der Andacht des Beschauers ist, — an den oberhalb
des Altartisehes angebrachten bildlichen Zierath.
Hiemit ist nun auch schon die Form des Gegen-
standes gegeben. Seit dem frühen Mittelalter bereits
kannte man die Weise, den oberen Theil des Altares
in jener Form zu gestalten, welche wir heute mit dem
Ausdruck : Flügelaltar bezeichnen. Schon der Mönch
und Kunstschriftsfeller Theophilus in der Frühzeit der
romanischen Epoche spricht von den Thürchen oder
XVIII.
Flügeln (ostiis tabularum) der Gemälde oder sonstigen
Bildwerke an den Altartafeln, aber es ist bekannt, dass
diese Form schon bei den Alten vorkommt, was aufge-
fundene Malereien in den verschütteten campanischen
Städten dargethan haben. Gerade so wie die Anbringung
eines so beschaffenen, durch seitliche Flügel oder Klap-
pen hergestellten Verschlusses der Hanptdarstellung in
alten Zeiten vor allem den Zweck hatte, diesen hervor-
ragendsten Theil des Ganzen vor den Unbilden äusse-
rer Beschädigungen zu schützen, so besass dieselbe
Anordnung auch für die kleinen Haus- und Reise-Altär-
clien ihre besonderen Vorzüge. Nur während der Ver-
richtung der Andacht den Blicken blossgestellt, befand
sich das Mittelbild sonst unter der schirmenden Be-
deckung der Seitentheile und somit beim Transporte
zugleich verwahrt und verpackt wie in einem Behälter.
Von dieser Art ist ein überaus schöner, in Elfenbein
sculpirter, vergoldeter und bemalter Reise-Altar des Re-
naissance-Zeitalters im Besitze des Klosters St. Florian,
derzeit ausgestellt im österreichischen Museum in Wien.
Dasjenige Stück, welchem vorliegende Abbildung
und Besprechung gewidmet ist, besitzt zwar ein
weniger werthvolles Material, zeichnet sich aber in
seiner Art gleichfalls durch bedeutenden Kunstwerth
aus. Es kam bei der Versteigerung der Gsell'scheu
Sammlung in den Besitz des Museums. Wir lassen,
unter stäter Hinweisung auf die hier beigegebene Tafel,
die Beschreibung des interessanten und zugleich sel-
tenen Objectes im Nachstehenden folgen.
Das Ganze hat die Form eines 2 Zoll 9 Linien
tiefen Kästchens, dessen oberer Theil oder Deckel
(oder gemäss der Aufstellung als Altar, dessen Vor-
derseite) lOy, Zoll Breite und beinahe dieselbe Höhe
(10" 10"') misst. Bei geöffneten Flügeln erreicht die
ganze Breite 1 Fuss 9 Zoll 4 Linien Wr. M. Die
Fläche der Hauptdarstellung kann an einer, oben
angebrachten Charniere aufgehoben werden, wodurch
ein 1 Fuss 8 Zoll tiefer Raum in der Vertiefung auf-
gedeckt wird, welcher wohl zur Aufbewahrung von
Andacbtsgegenständen, etwa Rosenkränzen, Amuletten
oder dgl. gedient haben mochte. Das Ganze ist von
__ 9 _
leicliteu Brettclien und Pappe ziisamraengefiigi: und
aussen mit sclnvarzem Leder überzogen, welches an
den Flügeln und am Hauptbilde naclibcscliriebene Dar-
stellungen enthält. Unsere Abbildung gibt das Werk
in seiner natürlichen Grösse wieder.
Die Aussenseiteu der beiden Thürchen zeigen frei
mit der Hand ausgeführte Graviriingen, und zwar auf
jedem Flügel in einfacher Linien-Umrahmung ein sehr
"geschmackvolles gothisches Ranken-Ornament mit Blu-
men und lÜiittern der bekannten, distelartigen Gestal-
tung, welche die FUlchen nach Art eines Teppichmusters
bedecken. Diese Verzierungen sind sehr frei und sicher
hiugezcichnet. Auf jedem Thürchen nimmt ferner den
Hauptj)latz in der Glitte ein unten nur wenig in Bogen
zugespitzter Schild ein, dessen Wappeubild auf dunkel-
grün aufgemaltem Grunde zwei gekreuzte, oben und
unten in dreiblättrige Lilien ausgehende Scepter zeigt.
Helme oder andere Bekrönungen der Wappen sind nicht
angebracht.
Oefifnen wir nun die Flügel. Das Mittelbild stellt
Christus am Kreuze dar, zwischen Maria und Johannes.
Das Marterholz, au welchem die Textur des Materials
angedeutet ist, oben al)er das Täfelchen mit den
gothischen Capitalen L N. R. J. sich betiadet, steht auf
grasig^^m Hügclgrunde, den ein seitwärts liegender
Schädel und zahlreiche Gebeine als Golgatha bezeichnen.
Am Fuss des Kreuzes lehnt senkrecht ein Wappenschild
von ähnlicher Form wie die beschriebenen, dessen
Fläciie indess blos am Rande ein Ornament von
Halbbogen hat, ohne, wie ich glauben muss, je ein
Wai)i)enzeichen getragen zu haben. Christus trägt den
Kreu/.nimbus, das Haupt ist gesenkt und lächelt uns
wehmlithig im Tode entgegen. Das Nackte an der
Cestalt ist etwas schwächlich in der Zeichnung, die
Beine steif und gebogen, übrigens ohne den Typus
der Hagerkeit. Maria in weitem faltigen Mantel, die
zusanunengefaltenen Hände niedersenkend, mit dem
IJlicke zum todten Sohne eui|)orseliend, ist eine s(dn'
würdige (Jestalt mit matronenliaft ernstem , doch
ruhigem Gesichtsausdrucke. Die zahlreichen Falten des
Gewandes sind ndt Flciss und Liebe gezeichnet, unten
stark gebrochen, jedoch glciciifalls oiinc störende
Kcken und Härten. Das Haupt unigil)t ein ornamentirter
Nimbus. Aehnlichcs gilt von der
Figur
des Jüngers,
welcher die weinenden Augen mit der Linken trocknet,
während der andere Arm das weite, bauschige Gewand
bis zur Hüfte emporhält. Seinen Kojif umgeben reich-
liche, wie beim Cliristus zierlicii ge/.ciehnete Locken.
ilinler diesen (icstalfcn füllt ein schönes und dichtes
liankenmustcr mit mannigfachen Kelcln'ii und Ülülhen
den(!rund, den obersten Rand bildet eine Solfite von
strengstylisirten Kräuscdwolken, ans denen zahlreiche
Sonnensirahleii hcrniedcrzielen. Ifechts und links .-ibi'r
grenzt ein Schriflstreifcn mit gothischen Initialen auf
rothein Grunde die Darstellung ab,^^des8cn Worte
lauten: Zur Linken Christi: TVA . GLOLSÄ . RKCOLL
MVS . l'ASSIONLM; zur Hechten : T\ AM : CliVCKM:
ADOÜAMVS:
Auf der Innenseite des Flügels neben .lnli; 'S
sehen wir unter einer schönen gothischen Architektur,
einen mit Figiircn-f.'onsulen, Fngelskö|)fclicn , Krabben
und Üosen geschmückten \\imp(;rg, den iJcsitzer des
Altares, im (iebeic knien. Ks ist ein älterer Mann in
eiid'aclier Tracht, die nichts besonderes zeigt, als am
Halse eine Borte, im übrigen fliesst der weite Mantel
reichfaltig zur Erde nieder. Das Haupt ist entblösst, die
Hände gefaltet emporgehoben. Das Schriftband vor
seinem Antlitze ist leider ganz zerstört und lässt keinen
Buchstaben mehr erkennen. Hinter ihm steht sein
Heiliger, ein Bischof mit rubinengesclnnückter Mitra,
die Rechte emporgehoben, in der Linken einen präch-
tigen gothischen Kreuzstab. Die Säume des Mantels
zieren einfache Ornamente. Den Fond des Ganzen
unterhalb der Architektur füllen Punkte und heraldische
Lilien aus. Ganz oben sind zwei Greife als Abschluss
der Umrahmung angebracht.
Die Architektur des gegenübei
-tehenden Flügels
unterscheidet sich von der geschilderten durch das
Abgehen der Figürchen an den Consolen und durch
Yertauschung der oben liegenden Greife mit Blunien-
zweigen. Den Hintergrund bedecken hier Ranken-
zierathe. Die dargestellte Figur ist eine weibliche,
eine Acbtissin mit Lilienkrone, Nimbus und Scej)ter,
jedoch fehlt hier eine kniende zweite Gestalt. In der
linken trägt sie ein aufgeschlagenes Buch, der Mantel
ist mit heraldischen Lilien bestickt. Vor der Heiligen
steigt ein Schriftband empor, welches in gothischen
Jlinuskeln besagt : SANCTA . RADEGVNDIS . ORA .
PRO . NOBLS.
Während an der Aussenseitc das Material in
dunklem Schwarz gehalten ist, von welchem sich die
eingegrabenen Onnimentc in keiner anderen Färbung
abheben, so dass das (ianzc lediglich durch die
grünen Felder der Wai)penschilde in dem Tone etwas
variirt wird, leuchten die Innenseiten in reicher Ver-
goldung. Alles Figurale und Ornamentale hebt sich in
diesem Schmuck von dem dunkelgrünen Hiiitcrgrunde
ab, in die Vergoldung sind dann die Inncnconturen,
Schatten und Schratfirungen eingegraben , s() dass sie
durch den Goldbelcg hindurchdringen und auf diese
Weise wieder in dunkler Färbung wirken. Nebst diesen
beiden Hauptfarben, (iold und dunk(dgrün, ist ferner
noch ein helleres (ioldgrün in den (iloriolen der
Figuren neben dem Kreuze, und ein Braunroth zur
Anwendung gekommen, welches im gegenwärtigen
Zustande des Werkes — • das übrigens sehr wohlcr-
halten g<Miannt \verden darf — an manchen Stellen
niefallisehen Schimmer angencunmen hat. Fs ist an den
Füllungen der Architektur sehr wirkungsvoll benützt,
bedeckt ferner den (!rund sännntlicher Spruchbänder und
Inschriltstreifcn, das Kreuzzeichcn im Nimbus Christi
und das herabfliessende Blid an dessen Körper. Wenn
ich nicht irre, scheint der angewendete Farbstolf IJolus
zu sein.
-Mle Körper haben
eher
etwas gedrücktes als
Schlaidiheit in ihren Verhältnissen, die Gesichter sind
ziemlich rund und voll. Sehr reich in der l'rlindnng und
im Style <ler s|iätern Gothik auch geschmackv(dl ge-
zeichnet ist das OrnanuMit, welches, wie immer bei
Lederarbeiten, tcxtile, tai)etenartige Fornu-n hat. Diese
breiten IJIumenköpfc, diese zahlreichen ^lütter und
Hauken, die dicht in einander \ crschlungen , den R.ium
gänzlich überspinneu und fllllcn, erinm'rn sogleich an
die Decoration der gepressten licdertapeten S|):iniens
oder iler Niederlande. Ihr gothischer Habitus, die alter-
tlilbnlich stylisirten Wolken, die Schriftzeichen und die
wichti^'sten Tlieile der Arcliit(d<turen gehören der Kunst
des Mittelalters an indessen nnichen sich auch schon
— .3
thätigkeit
Übrigen
Spuren der Renaissauce an dem Werke leise geltend.
Dieselbe verrätli sich in gewissen Nebendingen an den
Architekturen, indem die gothisclien Wimperge von je
zwei Pfeilern eingeraiimt werden, welche oben in Ca-
pitäle neuerer Form, Säulen vergleichbar, ausgehen.
Auch die Anordnung der beiden Grelle, welche auf dem
flachen Gebälke liegen, hat nichts Gothisches mehr, die
Blumenzweige auf dem gegeniiberbefindlichen Flügel
aber tragen mit ihren Lorbeerblättern vollständig das
Gepräge des antik-italischen Kunststyls. Das Figurale
endlich, soviel Mittelalterliches auch im Gefälte und
dessen Brüchen steckt , gehört doch schon ganz dem
XVI. Jahrhundert an.
Wie somit hinsichtlich der Zeitbestimmung dieser
Arbeit es an Anhaltspunkten nicht fehlt — (^indem die
angeführten Umstände auf die Periode der nachmittel-
alterlichen Kunstthätigkeit hindeuten, als der Styl der
neuen italischen Kunst die Gotliik von ihrem Throne zu
verdrängen anhob), — so finden sieh auch Zeichen vor,
welche über den Entstehungsort des Altärchens uns, in
der Hauptsaciie wenigstens, aufzuklären geeignet sein
dürften. Derselbe ist aller Wahrscheinlichkeit nach
Spanien , die Heimat so vieler schöner Arbeiten in dem
Materiale unseres Werkes, dem Leder. Diese Industrie
ist ohne Zweifel dem Lande durch die orientalischen
Völkerstänmie Uberbracht worden , welche so lange
Jahrhunderte als unwillkommene Gäste grosse Gebiete
des.selben in Besitz hielten, von ihrer Cultur und Kunst-
nber zahlreiche befruchtende Absenker der
ermanisch-iberischen Bevölkerung abgegeben
haben. Es ist bekannt, dass die arabischen Handelsleute
bereits zwei Jalirhunderte nach dem Tode Mohammed's
unter den sonstigen Producten des Gewerbfleisses ihres
Volkes auch Lederteppiche feil boten, die damals schon
in den Handelsplätzen Aegyptens unter dem Namen
Oaseutai)eten bekannt und ein sehr gesuchter Handels-
artikel wurden. Als dann a. 756 Abdderahman L, der
letzte der Ommayaden, aus den Schluchten des Atlas-
gebirges hervorbrechend, Spanien dem Islam unterwarf
und ein selbständiges Chalifat in Cordova errichtete,
dieser Stadt, welche schon a. 711 den Anhängern Mo-
hammed's in die Hände gefallen war und nun als
Hauptstadt des neuen abendländischen Reiches bald
zugleich der Sitz einer reichentwickelten Kunstthätigkeit
geworden , da nahm unter den dort ausgeübten Techni-
ken die Lederindustrie eine ganz hervorragende Stelle
ein, Leder von Cordova wurde in der ganzen Welt
berühmt, eine besondere Qualität desselben ist heute
noch unter dem, von ihrem ehemaligen Fabrications-Orte
hergeleiteten Namen als Corduanleder, bekannt. Ur-
sprünglich verstanden sich blos die maurischen Indu-
striellen in jener Stadt auf die Herstellung des f'orduans
oder Maroquins, d. h. jener Ledersorte, welche aus
Bock- oder Ziegenfellen bereitet wird, die man in
Hundekoth, Kleien und Feigen präparirt, dann aber in
Sumacli oder Galläpfeln gärbt. Sie ist sehr feinnarbig und
wurde blos auf der einen Seite gefärbt. Wie bald diese
spanisch - maurische Fabrication Berühmtheit erlangte,
bezeugen manche Nachrichten aus Quellen des Mittel-
alters. Die Conipilation verschiedener Recepte für Ma-
lerei und andere Techniken, welche unter dem Namen
des Heraclius bekannt ist, enthält z. B. unter denjeni-
gen Theilen, die im XH. — XIH. Jahrhundert an den
ursprünglichen Grundstock der
Sammlung
angereiht
wurden, (unter Buch HL, cap. XXXHI. meiner Ausgabe
pag. 76) eine Vorschrift, das Leder, „corium, quem
(sie) corduanum vocant.'' zu färben. Die Narbenseite
wird mit Alaun gewaschen, dann mit Färberröthe, die
in Wein oder Wasser lau gekocht wurde, gefärbt, bis
das Lcder geröthet ist. Schliesslich glättet man es mit
einem Buxbaumstabe auf einer Holztafel.
Du Gange liefert uns zahlreiche Stellen, aus
welchen hervorgeht, dass im abendländischen Mittelalter
sehr bald von ( 'ordova diese treffliche Waare in weite
Fernen exportirt wurde, dass aber Corduanleder bald
auch von einheimischen Fabrikanten und Künslern
erzeugt und bearbeitet wurde. Dieselben führten von
dem Producte ihren Namen und erscheinen an einzelnen
Plätzen als ein besonderer Handwerksstand. Schon 1159
werden cordovanarii erwähnt, in einem Document von
1247 heissen sie sutores, qui cordewenter dicuntur,
drei Jahre früher in der Regensburger Chronik chuder-
waner, 1267 cordcbanarii, 1277 cordubani. Wiener
Ordnungen zählen sie lo61 — 66 auf, woselbst eine
Strasse nach ihnen Kurbauner-Strasse genannt war;
andere Formen des Namens sind chuderwan, churwan,
churban, kurdiweren, cordoani i. e. sotulares deCorduan,
cordewan, cordubanarii, lo82 cordoanerius. Corduan-
leder lührt auch die Bezeichnung cordisibus und wird in
einer Uikunde von 1402 erklärt als: corium eaprinum
alutariorum arte praeparatum. Sollte nicht auch das
französische cordonnier daherkommen? Denn zunächst
verwendete man Corduanleder für die Fussbekleidung
der Vornehmen, dann wurden auch Köcher (die Wiener
Kurbauner erseheinen in einer Reihe neben den Bognern
und Pfeilmachern), hauptsächlich aber Futterale für
Becher und andere Gefässe, Leuchter u. dgl. Geräthe
daraus gefertigt, thecae caudelabrorum, baccinorum
et cyphorum, endlich Büchsen und Schmuekbehälter,
namentlich für Hoehzeitsgeschenke.
In Deutschland, Italien und Frankreich half aber
zu dem Aufblühen der Leder-Industrie noch ferner eine
alteinheimische neben dieser spanisch-orientalischen
Gewerbsübung mit. Schon die Aegypter haben sich ja,
wie einige Gräberfunde beweisen, gewisser Behälter
aus Leder bedient, in welche man die Papyrusiollen
cinsehloss, ja mehrere, die das British Museum besitzt,
tragen bereits den Schmuck der Vergoldung und sind
somit die ältesten Proben einer Art Buchbinderei. Die
Römer verstanden schon, das Leder mit Pressungen zu
verzieren , Virgil spricht von solchen Arbeiten. Suidas
versichert, dass seine Zeitgenossen Schriften im Leder
befestigten und erwähnt eine solche, die in Schafhaut
gefasst war. Die grosse, schweren Langscliilde, c^upio'.
des römischen Fussvolkes waren mit verziertem Leder
überzogen, jene ihrer Afrikanischen, Spanischen und
Biittaniselien ^'ölker bestanden ganz aus diesem Ma-
terial, es sind die cetrae oder eoetrae. Um die Zeit des
Beginnes der christliehen Aera hatte man Büclier, die
mit rothem und gelben, grünem oder purpurnem, auch
vergoldetem und versilbertem Leder bedeckt waren.
\'on den Gallieni berichtet Caesar, dass ihre Sehilde
mit Lederarbeit versehen waren ,^ dieMerowinger, Angel-
sachsen, Alamanen hatten dergleichen, im Waltharius.
manufortis werden solche, die zugleich bemalt waren,
genannt. Im ganzen Mittelalter blieben mit Leder über-
zog-ene Schilde beliebt, alte Gedichte enthalten Anfüh-
rungen davon; als die Wappenbilder anlkamen, wurden
1*
— 4
dieselben auf den Schilden durch Ausschneiden oder
Aufnähen hervorgebracht, der mhd. Ausdruck für diese
Art der Schildbedeckung ist: gehütet. Im XIV. Jahr-
hundert erfuhr diese Kunst einen besonderen Auf-
schwung, man trug nun auch Lederharnische mit heral-
dischem Bildwerk und phistischen Heinizierden, wofür
das Buch von der Kunst des Giotteskin Jlalers Cennini
ein Zeugniss liefert, dessen 160. C'apitel (pag. 114
meiner Ausgabe) die Anleitung gibt, aus weissem, mit
Heidelbeeren oder Eckerdoppen gegerbtem Leder Helme
und Helmzierden zu Turnieren und Festen zu bilden.
Das Wiener Malerrecbt von 1410 verlangt Ähnliches
von den Candidaten des Meisterthumes. Bereits im XIII.
Jahrhundert wusste man erhaben in Leder zu pressen,
wobei mittelst Jletallformcu ein ziemlicli hohes Relief
erreicht wurde, öfters ist jedoch bei mittelalterlichen
Arbeiten dieser Art statt des Fressens bloss die Behand-
lung durch das Modellir-Eisen mit freier Hand zu be-
merken, indem das Instrument in dem durch Sieden
weich gemachten Leder die Zeichnung eingräbt. Alles
gleichförmige Ornament, als Funkte, Sterne, Lilien,
wurde mit Stanzen eingepresst. So verwendete man
reich geziertes Leder zum Einlmnd von Büchern, was
zu Beginn des XV. Jahrhunderts aufgekommen zu sein
scheint, ferner aber besonders gerne zur Fertigung
kleiner Schmuckkästchen, die dann mit Minnescenen
reicii illustrirt zu werden pflegten. Ein sehr beachtens-
werthcs Stück dieser Art, mit Frau Venus und allerlei,
dem Inhalte der nach dem Minnepoesie entsprechenden
Darstellungen, beschreil)t C. Becker im Stuttgarter
Kunstblatt 1848, p. 40—48. Es entstand im Anfang
des XIV. Jahrhunderts, hat, was selten vorkommt,
Inschriften und die Wajjiicn von Schweizerischen und
Elsässer Geschlechtern. Daselbst ist von einem nieder-
deutschen llochzeitskästchen mit Inschrift die Rede,
eine Reihe anderer vom Ende des XV. aus dem XVI.
Jarhundert enthalten Hefner's Kunstwerke und Geräth-
schaften des Mittelalters und des Renaiss. Die Schilde-
fabrikation erfuhr in Italien im XV. Jahrhundert eine
hohe künstlerische Ausbildung, als Giovanni Buonomi
und seine beiden Söhne Bartolo und Francisco so
ausgezeichnete Schilde mit antiken Kampftiguren, Bil-
dern und Masken in Modena fertigten. Aus Modena
stammt auch eine Ledertasche mit herrlichem, ornamen-
talem Schmuck der Rennaissance (XVI. Jahrb.), welche
den Sammlungen des Herzogs von Modena angehört,
und im Atelier des österreichischen Museums in Gyps
abgeformt wurde. Was an prächtigen , gepressten Buch-
einbänden Deutschland und Italien im XVI. Jahrhundert,
dann auch Frankreich geleistet hat, ist bekannt genug.
Die Leder-Tapeten sollen in Spanien, in der zweiten
Hälfte des XVI. Jahrhunderts aufgekommen sein, indess
erscheinen sie zur selben Zeit auch schon in Holland
und England.
Unser Leder- Altärchen dürfte also spanischen Ur-
sprunges sein. Der figurale Thcil des Werkes weist
dahin, ohne mit dem Kunststyl irgend welches andern
Landes etwas gemein zu haben. Ausserdem erscheint
auch eine Heilige jenes Landes auf dem Bildwerke, St.
Radigundis. Sie wird in Burgos als Patronin verehrt,
lebte in der zweiten Hälfte des VI. Jahrlmnderts und
war eine thüringische Prinzessin, die Krone und Scepter
um des Herrn willen verschmähte. Auch dem Ehebund
mit Clothar von Frankreich entsagte sie, trat in ein
Kloster, woselbst sie wieder die iln- angetragene Würde
einer Aebtissin ausschlug und starb 087. Das Wappen
mit den gekreuzten Liliensceptern dürfte über Ursprung
und Herkommen dieses vorzüglichen kunstindustriellen
Gegenstandes genanere Auskunft geben, was dem
Verfasser dieses jedoch bei unser gegenwärtigen Kennt-
niss vom spanischen Adels- undWappenwescu zu eruiren
niciit gelungen ist.
P a s s a u.
Von Dr. Karl Lind.
II.
Die ehemalige reiclisiierrliche Bischofstadt enthält
au.sser ihrem Dom nocli so manches Merkwürdige, und
sei davon im Folgenden einiges und zwar nur das
erwäimt, das zu besichtigen dem Bericliterstatter
möglicli wurde.
Icii will Tnicii mit der Ervväiiiiung des Römerwalles
(Römerwehr), des Restes eines sehr bedeutenden
Bauwerkes, das, wohl nicht ganz unbestritten, den
Römern zugesdiricben wird, begnügen und aucii nicht
in eini- Beschreibung der vieh-n initiuiter sehr interes-
santen Gaptdien, die sich in fast allen eliemaligen I)oni-
Capituiar- Häusern noch finden, eingehen, eben so der
Reste einer romanischen Capelle im Diöeesan - Knabcn-
Seminargebäuile nicht weiter erwähnen, sondern mich
gleich zu l'assau's zweit interessantem kirciilichen (Jc-
bäude, zu den Baiilirlikeilen des eliemaligen Benedicti-
ner-Frauenklosters Niedernburg wenden. Die frü-
heste, wahrscheinlich bis ins VIII. Jahrhundert znrück-
reicliendt! Geschichte dieses Klosters, eines der ältesten
Bayerns, ist fast ungekannt; vcrlässliclie Nachriciiten
beginnen erst in der Zeit Kaisers Heinrich IL, <ler
das Kloster so reichlich beschenkte, dass er als dessen
zweiter Stifter angesehen werden kann. Das Kloster
erlebte viele glänzende Zeiten, wie es auch gar manchen
schwertretlenden Schicksals,>*ehlag zn ertragen hatte,
bis es vier Jahre nach der Säcularisation des Fiirsten-
thums Passau, im Jahre 1807, das Schicksal der
Aufhebung mit vielen der elirwlirdigsten kirchlichen
Stiftungen des deutschen Reiches theilte. \'iele Jahre
diente das Gebäude; als Irrenhaus, in neuester '/a'\\ ist
es der kirchlichen Bestimniinig zurückgegeben und
beherbergt eine Colonie englischer Fräulein. Auch eine
Kirche des Klosters ist wieder geöffnet, (hich ist
dieselbe nicht die eigcntliciie und ursprüngliche Kirche
des Frauensfiftes, sondern eben nur die i'inzige von den
mehreren unter den liaulichkeiten des Klosters be-
standenen, auf uns gekonnnene.
(üeichvvie alle (Jehäude des Nonnen -Cnnvcnts
(iiircli die grossen Brände in den Jahren Itit)!' uml
\i)H{) arg gelitten haben, ging es audi dieser Kirche
nicht anders. In Folge der durcii diese Zerstörungen
nothwendig gewordenen Wiederherstellungen hat das
Bauwerk, ursprünglich eine Pfeiler-Basilica, ihr altcr-
lliUmliehes (iepräge verloren, und mögen nur mehr
— s
dessen Ilauptniaucni der alten BaufUhrung- angehören,
auch das innere Portal des Haupteinganges ■ zeigt un-
zweifelhafte Spuren des romanischen Styles. Die Aga-
then-Capelle an der rechten und die Erasiuus-C'apelle
an der linken Seite sind Bauwerke des gothischen
Styles. In der ersteren ist der Grabstein der Äbtissin
Gisela höchst interessant. Er besteht aus zwei Theilen.
Der ältere ist die im Fussboden eingelassene und
bereits schon sehr verwitterte Marniorplatte, auf der
ein Kreuz deutlich und zwei Adler mit ausgebreiteten
Schwingen mühsam zu erkennen sind. Au den Seiten
des Kreuzes stehen die Worte aus senkrecht unterein-
ander gestellten Buchstaben gebildet: Gisela abbatissa.
Am unteren Kande sind noch mehrere Buchstaben zu
erkennen, doch damit nur mehr Non. mai. zu entziftcrn.
Auf dieser Platte steht als bedeutend jüngeres Werk
auf vier langgestreckten Füssen eine rothmarmornc
Tumba mit einigem gothischeu Ornament und folgender
Inschrift: Anno Domini MLXXXX\' non. maii. o. venbl.
du. gisula . Soror . sancti . haiurici . ini|)eratoris . uxor .
stephi . regis . ungariae . abbatissa . hujus . monasterii .
hie . sepvlta. — Gisela, die Scliwestcr Kaisers Hein-
rich IL, Gattin des ungarischen Königs Stephan war die
dritte Äbtissin dieses Klosters. Nach dem Tode ihres
Gemals (1038) zog sie sich in die Zellen von Nicdern-
burg zurück, wo sie hochbejaiirt und im Rufe der Hei-
ligkeit am 7. Mai 1095 starb. Noch ein zweites beacli-
tenswerthes Monument birgt diese Capelle, es ist jenes,
zwar nicht gleichzeitige, aber doch ins XIV. Jahrhun-
dert gehörige Grabmal der ersten Äbtissin, Namens
Heilka, eine Tante Kaisers Heinrich, die im Jahre 10:.'O
gestorben war. Ausser der hier bezeichneten Kirche
sollen noch innerhalb des Klosters mehrere Reste der
alten Baulichkeiten erhalten sein, doch war es mir nicht
'möglich, sie zu besehen. Wohl aber fand ich Reste
eines romanischen Portals mit hübsclien Ornamentfrag-
menten an der Mauer der Rückseite des Klosters, die
wahrscheinlichen Überbleibsel eines anderen kirchlichen
Gebäudes.
Die St. Paulskirche, auf einer vielleicht schon
von den Römern befestigten Anhöhe gelegen, und mit
ihrer Geschichte in das XL Jahrhund, zurückreichend,
und bis 1811 von zwei Friedhöfen sammt L'mgängeu
umgeben, ist ein Gebäude aus der zweiten Hälfte des
XVII. Jalirhundcrts, da die grossen l'.randungiücke im
Jahre 1512 und 1GG2 die frühere Kirche fast ganz
zerstörten.
Ungleich wichtiger ist tiir die .Archäologen die ihr
nahegelegene St. Joliannes-Spita Iskirche. Reicht
sie mit ihrer Geschichte zwar niclit so weit zurück wie
die Paulskirche, so gehört sie doch zu den ältesten
frommen Stiftungen der Stadt. Der gegenwärtige Bau,
ein sehr zierliches Werk der Spät-Gothik, das bei den
niclit verschont blieb.
vieleü Unglücksfällen Passau s
ist gegenwärtig mustergiltig restaurirt. Es ist ein drei
schifl'iger Bau mit geradem Schluss von auffallender
Kürze der einzelnen Schiffe. Die ganze Rückwand der
Kirche ist mit alterthünilichen Grabmälern bedeckt, die
der fromme und für Erhaltung mittelalterlicher Denk-
mäler so verständige Sinn des gegenwärtigen Bischofs
aus vielen Orten Passau's dort vereinigte.
Die Kirche zum heil. Geist, ehedem vereint mit
dem gleichnamigen Spital, ein Bau aus der zweiten
Hälfte des XIV. Jahrhunderts, eigenthümlich durch die
zwcischiff.ge Anlage (Are\ Säulen theilen den Raum
und tragen die einfachen Kreuzgewölbe), enthält manciie
recht interessante Sculptur, auch ein gut gehaltenes
werthvolles Glasgemäldc aus dem Beginn des XVI.
Jahrhunderts.
Von Profangebäuden erscheint, ausser den we-
nigen Resten von fortificatorischen Bauten, wie der
s. g. Scheiblingtliurm (d. i. runde Thurm) und mäcii-
tiges Mauerwerk an der Spitze der Insel beim Zusam-
nientlusse der Dunau und des Inn, und ausser ganz
wenigen Privatiiäusern, an denen sich der mittelalter-
liche Baucharakter noch erhalten hat, nur noch hervor-
hebenswertli das Ifat hhaus, ein ziemlich unifangrei-
ciies, alterthüuiliciii's (Jebäude, am Ufer der Donau gele-
gen. Obwohl schon nel früiier ein , wenn aucii wieder-
holt bestrittenes Eigenthum der Gemeinde, kam der
bezügliche Häuser-Complex erst ],"j97 in das gesicherte
Eigenthum der Gemeinde. In diese Zeit föllt aucii die
Erbauung des grossen Rathliaussaales , der beiden
hübschen gothischeu Portals und des rein gothisciien
^'orhauses oberhalb der grossen Stiege. Leider wurde
das Gebäude bei dem Brande von 1G62 arg beschä-
Kitf. 1. (Pabneukirchen.)
G —
(ligt und die darauffolgende Restauration im schweiläl-
ligen Zopfstyle durcligelUlirt , daher jetzt die dicken
■Säulen und schnörkeligen Stuccaturarbeiten mit den
gothischen Fenstern und anderen Resten dieses Styles
unschön contrastiren. Auch die Aussenseite des jetzi-
gen Gebäudes kann keineswegs als hübsch bezeichnet
werden, denn blos die Portale, und gegen die Donau hin
die grossen Fenster mit Hacliem Sturz, Theilungspfeiler
und schönem Masswerke macheu autmerksam, dass das
Gebäude eine nicht gewöhnliche Bestimmung hat.
Bevor wir von dem eigentlichen Passau scheiden,
sei' noch kurz der Baulichkeiten des Stiftes St. Nicola
Erwähnung gethan.
Die sehr verwahrlosten Gebäude dieses ehemaligen
Augustiner Chorherren - Stiftes liegen auf der Westseite
ausserhalb der Stadt. Schon 1067 baute Bischof Altmann
von Passau auf bischötlichem Territorium mit Beihilfe
der Kaiserin Agnes , Mutter Kaisers Heinrich IV., eine
Kirche und ein Kloster zu Ehren der heil. Andreas,
Pantalon und Nicolaus und stattete es mit reichen Ein-
künften aus, denen die Kaiserin den neunten Theil
ihrer Bezüge von Persenbeug und Ybbs beifügte. AVeitere
Zuflüsse erhielt die Abtei im Verlaufe der Zeiten durch
viele angesehene Familien, von denen einige, wie die
Blandeuberg, Runding, Rottaii , Mittich u. s. w. in der
Klosterkirche ihre Ruhestätte wählten. 1804 wurde
das Kloster aufgehoben; die Baulichkeiten wurden
theils als Brauhaus, tlieils als Casenie verwendet. Die
ziemlich verfallene Klosterkirche, ein gothischer im
Jahre 1716 durch Restauration verzopfter Bau, dient
jetzt als Magazin, der schöne durchbrochene Thurm
wurde 1812 in seinem oberen Theile abgetragen, der
alte gothische Kreuzgang demolirt. Altäre, Cliorstühlc,
Kanzel und Grabsteine gingen fast sämmtlich verloren,
nur etliche, davon zwei sich auf die Familie Rottau von
Madau (Wilhelm f 1480, seine Gattin Agnes v. Aliaym
t 1495, und Karoldt von Rataw f 1463) beziehende,
sind übrig geblieben. Ausserdem hat sich noch das im
gothischen Style um 1450 erbaute Spitalkirchlein als
Holzmagazin erhalten. So das Ende einer durch fast
700 Jahre blühenden geistlichen, hervorragenden nnd
geschichtlich nicht unbedeutenden Stiftung. Was nicht
wenigstens halbwegs genügend militärischen oder doch
nothdürftig industriellen Zwecken dienbar gemacht
werden konnte, wurde dort wie anderwärts, wenn nicht
überhaupt sogleich beseitigt , doch seinem Schicksal
überlassen und keine schützende Hand hält das Ver-
derben zurück.
Kirchliche Baudeiikmale in Ober -Österreich.
Von Dr. K. Fronner.
(Mit 5 Holzschnitten.)
Die dem heil. Simon und Juda geweihte Pfarr-
kirche der Gemeinde Pal)ncukirchen ist ein Bauwerk
des spätgothisclien Styles. \'ier schlanke Pfeiler von acht-
eckiger Form tlicilen den Laienraum in drei Schifi'e. Die
Kippen der Netzgewölbc sitzen an den Pfeilern mittelst
vorspringender Tragsteine auf. Die einzelnen Joche
V\g. \1. l':ilniciiUirclicii.t
haben in jedem Schiffe eine ungleiche Ausdehnung; das
erste Joch, über dem sich der Orgelchor mit Benützung
des ersten Pfeilerpaares autbaut, ist ganz schmal, das
zweite ist bedeutend verlängert und weit länger als das
dritte. Die Seitenmauern haben eine Stärke von 5 Fuss
und enthalten darin die beiderseits angebrachte Orgel-
chorstiege. In der Höhe
dieses letzteren tritt die
Mauer in der vordersten
Jochreihe bis auf 2 Fnss
zurück , wodurch Raum
für die Empore gesclialfcn
wurde. Das Orgelelior-Pa-
rapet hat reiche Füllung,
meistens aus Drei- nnd
Vierpässen coiistruirt, und
wird (iiircli drei horizontal
laufende, ans sein- künst-
lieh znsannnengetiigten
(Jranitsteinen consfruirten
Flaclibögen gestützt. Das
OrgelinKÜinn tritt erker-
artig hervor. Die Breite
des KirchenschitVes beträgt
43 Fnss, dessen Länge
56 Fuss. Das aus dem
Achteck Cdiistriiirte Pres-
byterium von 21 Fuss
Breite und 32 Fnss Länge
' schliesst sieh mittelst eines
einfaelien und ziendich
Hclinialeii 'rrinni])libogeiis
au das Langhaus an und
ist mit einem Netzgewölbe überdeckt. Die
Aiisseiiseite der Kirche, die der Strebepfeiler
vollstäiuliij entbehrt, ist ganz einfach, die
beiden an den Langseiten angebrachten Por-
tale sind im Kleeblattbogen construirt, die
drei Fenster des Presbyteriums (zweipfostig)
und die fünf des Langhauses haben ihre spitz-
bogige Form behalten. Das schöne Orgel-
chor-Parabet, die Pfeiler, Gewölberippen und
das Masswerk der Fenster sind aus Granit
und in ihrem Naturzustande erhalten. Die an
der Aussenmauer des Presbyteriums noch
sichtbare Jahreszahl 1488 dürfte so ziemlich
richtig die Entstehungszeit der Kirche bezeich-
nen. Die Sacristei ist rechts des Presbyteriums,
der unbedeutende Tluirm der Mitte der Fa^ade
angebaut. (Fig 1 u. 2.)
Die Pfarrkirche zu Zell bei Zellhof stellt
sich dar als ein aus dreischiifigem Langhause,
dem Presbyterium in Verlängerung des Mit-
telschiffes, einer Capelle in jener des linken
Seitenschiffes und dem Thurmkörper in jener
des rechten Seitenschiffes bestehendes Ge-
bäude von 50 Fuss Länge bis zum Triumph-
bogen und 29 Fuss im Presbyterium und von
57 Fuss Breite im Langhause. und 21 Fuss im
Presbyterium. Drei Paar, .-{< , Fuss breite und
2 Fuss lange Pfeiler tragen die Wölbung des
Laughauses, die in jedem Schiffe in einer
reichen Netzrippeu-Construetion durchgeführt
ist. Die Musikbühne nimmt die letzte Joch-
reihe ein und führen zur selben zwei Stiegen
«■mpor. Das Presbyterium ist nicht ganz regel-
mäss'g construirt und ausser den Umfangs-
mauern ein Neubau. Während die Mauer auf
der rechten Seite voll ist, öffnet sich auf der
linken Seite ein Bogen zur Seitencapelle, die
gleich dem Presb\'terium mit fünf Seiten des
Achtecks abgeschlossen ist. Die Fenster sind fast
.sämmtlich spitzbogig, meistens durch einen Pfosten
getheilt, zahlreiche Strebepfeiler verstärken das Ge-
bäude nach aussen. Der Tliurm ist in seinem Aufbaue
ein Werk der Neuzeit. (Fig. 3.)
Nicht unwichtig sind die in der Kirche befindlichen
(irabmale, wie der Frau Äfargaretha Walch zu Prandeck,
geb. Schellenberg (1438), des Ritters Pilgram Walcli
(^1493), des Hildebrand Jörger zu Tollet und Prandeck
(^ltjl4) und des Ferdinand von Jörger (1022).
Die kleine Pfarrkirche zu Trag wein besteht aus
einem Hauptschiffe und einem rechten Seitenschiffe, die
Kippen des reichen Netzgewölbes ruhen theils auf den
beiden die Schifte trennenden poIygonen Pfeilern, theils
verlaufen sie sich unvermittelt in den Seitenwänden.
Die Orgelbühne ist in den beiden letzten Gewölbejochen
eingebaut, stützt sich auf eine Säule und Mauerwerk,
verlängert sich auf der linken Seite des Hauptschiffes
gegen das Presbyterium von zwei Säulen getragen. Die
rechte Ausscnseite wird durch vier, die linke durch zwei
Strebepfeiler gestützt, davon die au den Ecken ange-
brachten über Eck gestellt sind. Der Thurm , welcher
mit einem Iiohen Zwickeldache versehen ist, steht an
der linken Langseite der Kirche. Das Presbyterium
sehliesst sich ganz unregelmässig an das Langhaus an,
Fig-. .".. (Zell.)
besteht aus einem cjuadraten Joche und dem tünfseitigen
Chorschlusse. Die Fenster sind fast sämmtlich noch
s|)itzbogig. Die in der Kirche wiederholt angebrachte
Jalirzahl 1521 dürfte die Bauzeit angeben. (Fig. 4.)
Die Pfarrkirche zu St. Georgen a m Wald besteht
aus einem dreischifl'igen Langhause von 48 Fuss Länge
und 49v'2 Fuss Breite. Jedes der neun fast quadraten
Joche ist mit einem Kreuzgewölbe überdeckt , deren
Kippen sowohl von den vier ])olygonen Pfeilern, wie
auch von den linksseitigen Halbsäulen, rechts aber von
Gonsolen getragen werden. An der vorderen und rück-
wärtigen Abschlussmauer verlaufen sie ohne Vermitt-
lung; das rechtseitige Schiff i.st gegen die Ausscnseite
durch die Emporen-Einbauten etwas unregelmässig. Die
Fenster sind spitzbogig construirt, der Triumjdibogen
bildet eine Öffnung von 14 Fuss, daher der Blick aut
den Hochaltar sehr beschränkt ist. Das Presbyterium
besteht aus einem oblongen Joche und dem fünfseitigen
mit Strebepfeilern verstärkten C'lior-Schlusse. Der Thurm
ist der Fa^ade vor-, die Sacristei dem Presbyterium
rechts angebaut. Die Kirche , die früher dem Stifte
Waldhausen incorporirt war, dürfte im XV. Jahrhundert
entstanden sein. (Fig. 5.)
(Schlus.s im näclisteii Hefte, i
— 8 —
Der angebliche Votiv -Altar iles Tribunen Scudilo.
Vor. Dr. N. Kohn.
Im Jalire 351 n. Chr., am 5. März, erhob Kaiser
C'oiistantius seiueii Vetter Gallus aus hingjähriger
Haft zur CäsareuwUrde und übergab ihm die lUnf Diö-
cesen des „Orient" zur Verwaltung;. Es wäiirte nicht
hinge, so legte der Cäsar seine völlige Unfähigkeit zur
IJegierung an den Tag. Eine schwächliche Natur, verlor
er durch den j)lötzlichen Umsciiwung seines Schicksals
allen moralischen Halt. Von seiner Gattin, des Kaisers
Schwester, einer wahren Furie, aufs schlimmste bera-
then, schaltete er in allen Stücken wie der zügelloseste
Tyrann. Antiochia, wo er residirtc, wimmelte bald von
Angebern und Spionen, die jede zweideutige Äusserung
dem Cäsar hinterbrachten. Hochverraths-Processe und
in Folge derselben Hinrichtungen, Verbannungen, Ver-
niögeus-Contiscationen waren an der Tagesordnung.
Constantius, dem die wilden Streiche des (iallus, durcli
wohldienerische Günstlinge übertrieben , zu Ohren
kamen, fasste Misstrauen wider den von ihm lange Jaiire
misshandelten Cäsar. Diesen Argwohn fachten die Eunu-
chen, deren S|)ielba]l der Kaiser war, zur hellen Flanune
an, als (xallus sich selbst an den höchsten Würden-
trägern des Staates zu vergreifen wagte. Sobald Con-
stantius , im Jahre 354 , der Wirren des Occidents
Meister geworden war, lasste er den Entscliluss, den
Cäsar zu beseitigen. In geheimen und nächtlichen Unter-
redungen bcrieth er sich, wie Ammianus erzählt, mit
seinen Vertrauten , in welcher Weise sein Plan am
besten ins Werk zu setzen sei. Er hielt es schliesslich
für das Ungefährlichste, den Cäsar unter der Maske
der Freundlichkeit in seine Gewalt zu bringen. Con-
stantius, in der Verstellung Meister, schrieb nun Brief
über Brief an den Vetter, Morin er diesen in den freund-
lichsten Ausdrücken seines Wohlwollens versiclierte
und dringend ersuchte, eiligst nach Mailand zu konnnen;
ein wichtiges Geschäft heische seine Gegenwart. Die
Täuschung zu vollenden
1. 'Tragwein.)
lud der Kaiser auch seine
Schwester, die Gemahlin des Cäsar, unter den liebe-
vollsten Schmeicheleien zu sich , als l)renne er vor
Begierde sie wieder zu sehen. Allein es war ein schwe-
res Stück Arbeit, den in Folge der traurigen Erfahrun-
gen seiner Jugend zu Misstrauen neigenden Cäsar in
die Falle zu locken. So mancher Abgesandte des Kai-
sers nuisste unverriditeter Dinge wieder heimkehren.
Endlich fand Constantius im Tribunen Scudilo das
geeignete Werkzeug seines Planes. Scudilo, unter
dem Scheine eines plumpen Wesens ein Meister
schlauer Überredung, verstand es durch allerlei
Vorspiegelungen den lange zwischen Kühnheit
und Verzagtheit schwankenden Cäsar zur Heise
an den Hof zu bestimmen. Zu spät erkannte
dieser, dass er sich wehrlos den Händen des
Kaisers überliefere, der wiederholt gezeigt iiatte,
dass er vor Verwandtcnniord n. cht zurückbebe. In
dem Maasse, als nnin sich den («ranzen Italiens
näherte, steigerte sich die Kälte, mit der ihn seine
Begleitung behandelte. Unter dem Scheine eines
Khrengefolges sali sich der Cäsar aufs strengste
Überwacht. Es war ihm nicht einmal möglich, sich
mit den Garnisonen der Städte, durch welche man
reiste, in Verkehr zu setzen. Unter beständigem
Drängen zur Eile und häutigem Wechsel der Ge-
spanne kam man endlicb zur Nachtzeit in Peto-
vio (Pettau) an. Hier war der ausserhalb der Stadt
liegende Palast bereits von Truj)pen umstellt, auf
deren Treue der Kaiser unter allen Umständen
rechnen konnte Man hielt also List und Verstellung
nicht weiter nötliig. Gallus wurde aller lllrstlichen
Abzeichen entkleidet , musste den kaiserlichen
Reisewagen mit einer Privat-Kutsche vertauschen
und wurde so nach Istrien gefllhrt. Dort, in der
Nähe von Pola einige Zeit in Haft gehalten, wurde
er schliesslich auf iiefchl des Kaisers wie ein
gemeiner Verbrecher cntiiaiii)tct (Aninnanus Mar-
celliniis I. XIV, XV; Aurelius Victor, de Caes.
e. XMI, ci)it. il)id.; Kiitrop. 1. X; Zonaras 1. XIII;
Zosinnis 1. X. c. ■Ih, 55).
Nach dieser kiia|ip(n, aber streng <|iiellen-
mässigen Darstellung der (Jeschiehte des Cäsar
(Jalliis gellen wir auf ein inschrifiliehes Denkmal
über , das nach der heute herrschenden Meinung
nicht blos Zeitgenosse, sondern ein redender
Zeuge der eben erzählten Begebenheiten sein soll.
— 1)
ISTAM . P08VIT.
wie bei Votiv-Iuschrittcn
Wir iiiciuen den durch die Publicationen von L a /, i u s ',
(Irutcrs, Muciiars, Knabl» und Steiner * be-
kannten Vofiv-Altar des Jupiter praestes, der nocli im
\\U. Jaiirlnindert am „Steirerthore" la Pettau stand,
dann geraume Zeit verloren galt, bis er im Jahre 1818
im Keller des BUrgerspitals jeuer Stadt wieder auf-
gefunden wurde.
Die Ära, gegenwärtig im Münzen- und Antiken-
Cabiuete zuGrätz aufbewahrt, ist 55 Zoll hoch, 2;i Zoll
breit. Ihre Inschrift lautet: P«ESTITO . lOVI . S |. . .
1 TRIBVNVS . COH . X i PRAET . CVLTüR .
NV I MINIS . IPSIVS . PROFIG | ISCENS . AD . OPPRI-
MEN 1 DAM. FACTIONEM 1 GALLIG ANAM. lUSSV 1
PRINGIPIS . SVI . ARAM |
Die erste Zeile nennt,
gewöhnlich, die Gottheit, welcher der Gegenstand
gewidmet ist. Es ist dies Jupiter praestes, dem wir
auch auf der Inschrift 1253 bei Orelli begegnen e. Die
Wandlung des Dipthongcs M in das einfache E hat
auf Inschriften nichts ungewöhnliches. Autiallender
ist die Form praestitus-a-um für das üldiche praestes.
Die folgende Zeile, welche den Namen des Stifters
enthielt,, ist allem Anscheine nach absichtlich, ver-
muthlich schon im Alterthum, getilgt worden. Man
wird hicdurch an gewisse Denkmäler der Kaiser Gali-
gula, Nero, Domitian, Gommodus, Geta, Garacalla,
Elagabal, Galerius, Maximianus und Julianus erinnert,
an deren Inschriften ein kleinlicher Hass — bis-
weilen durch einen feierlichen Reschluss des, todten
Tyrannen gegenüber jederzeit nuithvolleu, Senates
angeeifert — die Namen getilgt hat. An unserer
Inschrift hat die Hand, die den Meissel zur Namens-
tilgung geschwungen hat, so gründlich gearbeitet,
dass Verfasser dieses auch nicht einen einzigen Buch-
staben mehr wahrzunehmen vermag. Herr Dr. Knabl,
der ungefähr in der Mitte der Zeile die Buchstaben
S und C sieht, deutet sie als Anfangsbuchstaben des
Namens Scudilo, jenes Scudilo, der, wie oben erzählt
worden, in dem Schicksale des Caesar Gallus eine
eben so hervorragende als traurige Rolle gespielt.
Früher schon hatte Muchar in seiner Geschichte de.s
Herzogthums Steiermark mit Bestimmtheit auf Scu-
dilo als den Stifter dieser Ära hingewiesen. Ob mit
Recht, wird sich im Folgenden ergeben. Vorderhand
merken wir blos an, dass die Tilgungsfurchen des Meis-
seis sich über die ganze Breite der Inschrift erstrecken;
daher mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass der
Name ehedem auch diesen ganzen Raum ausfüllte. Scu-
dilo wird bei Ammianus MarceUinus an drei Stellen
erwähnt ', immer ohne Angabe eines Nomen gentilicium
oder Praenomen. Die Gonjectur hätte also bezüglich
dieser freien Spielraum. Mit unzweideutiger Bestimmt-
heit dagegen machen uns die dritte und vierte Zeile der
Inschrift mit dem militärischen Range des Stifters ver-
traut: er ist Tribun der zehnten Cohorte der kaiser-
lichen Garde. Ob diese Raugbezeichnung auf Scudilo
passe, bleibe einstweilen ununtersucht.
Die darauf
ipsius" soll nach
folgende Apposition „cultor numinis
Herrn Dr. Knabl beweisen, dass
' Reip. com. com. libr. XII. S. 595.
2 Inscr. ant. orb. rom. p. 22, 1.
3 Geschichte d. Herzogth. Sleiermnrk I. Bd. S. 407.
* Mittheil. d. hi.it. Vereines für Steiermark 6. und 9.
5 Cod. inscr. Dan. et Uh. Nr. SaOS.
Bei Gruter S. I0G5 Nr. 2.
' Lib. XIV. C. 10 und 11.
Ungewöhnliches war. Im bewussteji
christlichen Bevölkerung
Fig. 5. (St. Georgeu.f
unser Monument aus einer Zeit stamme, wo das Chri-
stenthum bereits Staats-Religion war, die Mehrheit der
Bewohner Pettau's zu seinen Bekennern zählte, und
daher die Errichtung eines heidnischen Altars in dieser
Stadt schon etwas
Gegensatze zur überwiegend
der Stadt hätte Scudilo (dessen Confession übrigens
gescliichtlich nicht Ijekannt ist) für nöthig erachtet,
sich einen „Verehrer Juppiters-' zu nennen. — Als ob
derjenige, welcher dem Jujjpiter einen Altar errichtet
und darauf sich als Stifter nennt, nicht eben hiedurch
seinen religiösen Standpunkt deutlich genug manifestirt
hätte! — Auf der so gewonnenen Grundlage baut
dann Dr. Knabl weiter: „Aber eben dieser Umstand
wirft ein Streiflicht auf die Ausmeisselung der zweiten
Zeile dieses Denkmals^ dass etwa die chi-istlichcn
Anhänger des hingerichteten Gäsars es waren, welche
ihren Unwillen an dem Andenken desjenigen auslassen
wollten , welcher sich zu einem so niedrigen Geschäfte
der Uberlistung gebrauchen Hess, und dazu noch ein
Heide war. Jeder andere Erklärungsgrund würde nicht
XVIII.
!0
geuligeii, denn entweder müSote angononinien werden,
dass die Ausraeisselung des Vor- und Zunamens auf
Befehl der Regierung vorgekelu't worden wäre oder es
wäre vorauszusetzen, dass die heidnischen Feinde des
Tribuns sie gewagl: iiätteu. Aljer keines von beiden
ist denkbar. Hätte die Kegierung die Erinnerung an
den Vorgang mit Gallus der Vergessenheit übergeben
wollen, dann hätte sie nicht die 2., sondern die G., 7., s.,
und 9. Zeile ausmeisseln lassen, wo der missliebige
Name des Gallus, vertlochten mit seinem Anhange
erwähnt wird; und wollte man des Tribuns Feinde,
welche seine Glaubensgenossen waren, im Verdachte
Laben, dann würde ein derartiges Unterneluiien einem
coufessionellen Selbstmorde gleichkommen.-' So Herr
Dr. Knabl. — Die Lücken dieser Schlusstblgeruiigen
sind unverkennbar. Fürs Erste ist nicht gut einzusehen,
inwiefern es einem confessionelleu Sell)stnn:)rde gleich-
gekommen wäre, wenn die heidnisclien Feinde des
Scudilo auf einem von ihm errichteten Altare nichts
weiter als den Namen tilglen. Zweitens ist der Fall
.sehr wohl denkbar, dass die Namenstilgiing auf liefehl
der Regierung, allerdings nicht des Constantins, aber
seines Nachfolgers Julian, des Bruders des hingerich-
teten Gallus, erfolgt sein könnte. Drittens mlisste es
auffallen, warum das heidnische Monument im Übrigen
völlig unversehrt blieb, wenn neben politisciiem und
persönlichem Hass auch religiöser Fanatismus (der
Christen) den Meissel zum Verniclitungswerke in Bewe-
gung gesetzt iiätte. — Allein nicht l)los diese Deductiou
über die Urheberschaft der Namensvernichtung, auch
die Grundlage, auf der sie aufgebaut wird, rulit auf
schwachen Füssen. Herr Dr. Knabl geht nändich von
der irrigen \'oraussetzung aus, die Bezeichnung des
Stifters als cultor numinis ipsius „wäre in jenen Zeiten,
wo das Heideiithum nmh zur herrschenden Staatsreligion
gehörte, ganz überflüssig gewesen." Dagegen Hesse
sicli einwenden, dass eben trotz der Sprüchwörtlichkeit
des Lapidarstyls auch auf römischen Inschriften der
besten Zeit sich bisweilen eine gewisse copia verborum
geltend mache. Man denke nur z. B. an die zahlreichen
Grabsciiriften, wo das Verwandtscliaftsverhältniss des
Verstorbenen und Denknnd- Erri(diters doppelt angege-
ben wird: ]iarcntes — tiliu u. <igl.! Allein die Appositi(ni
cultor numinis i])sius l)rauclit keineswegs als ,,ganz
ül)erflüssig-' angesehen zu werden. Es ist vielmein'
höchst walirscheinli<-h, dass der Stifter sich durcli
diesen Beisatz als Mitglied einer sodalitas, eines reli-
giösen Vereins bezeichnen wollte, der siicciell den Cul-
tus eines bestinnuten .Jupiteibiiiles zum Zwecke hatte.
l>enn cujtores nennen sich die Mitglieder religiöser
Kör])erscliaftcn , welche — in vielen Stücken an die
heutigen katholisdicn liaienbruderschaften erinnernd
gemeinsame gottcsdicnstjiehe Verrichtungen und gegen-
seitige üntcrstUtzinig in g(;wissen Fällen: IJestreitung
der Leiciienkosten u. dgl. zum Zwecken hatten. Die
blossen Citate aller heute bekannten Inschriltcn, wo
8ich solche Hodalitäts- Genossen als cultorcs bezeich-
nen, würden eine Quartseitc fllllen. Hier soll nur zum
Beweise, dass di ilei Kör|iers(lia(ten auch l)ei .liipiter-
teni|)ejii liestanrleii und deren iMitglieder sich eultores
nennen, aiil die iiaclilulg(;nden Inschriften bei Orelli
liingcwi(!Hcn werden: Nr. ICW, 1240, 2333, 2:V.»(>,
2301, 3()4."5, .^)(;iH, .V).')0, 741:'). Vm aber den Sprach-
gebrauch von r-uitor in dem angedeuteten Sinne auch
speciell an Denkmälern der Steiermark nachzuweisen,
mögen hier zwei Widnumgsinschriften des von Pettau
nur wenige Meilen entfernten Cilli angeführt werden.
Die eine lautet: genio Anigemio eultores eins v. s. 1. m.
(Muchar, Gesch. des Herz. Steierm. I. Bd. S. 353); die
andere : Mercurio Aug. Julius lucifer sac. et cultor eins
(ürelli Nr. 2394).
Au erster Stelle also nennt unsere Inschrift, wie
wir gesehen haben, die Gottheit, der die Widmung gilt;
an zweiter Stelle macht sie mit der Persönlichkeit des
Stifters und dessen Lebensverhältnissen vertraut. Zum
Schlüsse bezeichnet sie ausdrücklich — was eigentlich,
da der Gegenstand sellist sich der "Wahrnelnnung dar-
bietet, überflüssig ist und daher bei derlei Inschriften
in der Regel \yegl)leibt — den gewiduieten Gegenstand
(,,ara"). Einen zweiten Pleonasmus erlaubt sie sich —
hierin ähnlieh der Votiv - Inschrift Nr. 1948 bei Orelli
— durch Beisetzung des Praenomen demonstrativum
( istanr'). Der Bezeichnung des Gegenstandes voran
schickt sie die Angabe der Veranlassung zur Widmung.
Gruter, der hier „protieiscens ad opprimendam fac-
tionem (ialli" lesen zu müssen glaubte, erinnerte sich
offenbar Jener oben erzählten tragischen Geschichte des
Cäsar Gallus, deren eine Scene sich etien zu Pettau ab-
gespielt hatte. Allein die Wiederautfnidung des Steines
im Jahre 1818 gab Gelegenheit zu constatiren, dass
hier nicht von einer factio Galli, sondern, wie schon
Lazius gelesen hatte, von einer „factio gallicaua" die
Rede sei. Obgleich nun die Bedeutung des Adjectivs
gallicanus-a-um im Sinne von gallicanisch, gallisch aus
den besten Schriftstellern » geläufig ist, während eine
derartige Adjeetivbildung des Eigennamens Gallus etwas
Ungewöhnliches wäre, so glaubten M u c h a r und K n a b 1
dennoch den einmal geltend gemachten Zusammenhang
unseres Denkmals mit der Geschichte des Constantius
Gallus festhalten zu müssen. Um aber die so nahe lie-
gende Beziehung auf einen Aufstand Galliens oder in
Gallien als unzulässig zu erweisen, unternimmt Herr
Dr. Knabl den Nachweis, dass unsere Inschrift mit
keiner der historisch bekannten gallischen Aufstände
in Einklang zu bringen sei. Wer sich der wiederholten
Anstrengungen Galliens zur Wiedererlangung seiner
Freiheit und der seit den Tagen des Gallienus abwe<'h-
selnd geglückten und misslungenen Versuche römischer
Feldherren erinnert, in diesem !.,;inde die Herrschaft mit
Hilfe der Legionen an sich zu reissen, wird sich die
Schwierigkeit eines solchen Nachweises kaum verlicidcn.
Anstatt aber die einzelnen gallischen Schilderhebungeu
in Bezug auf unser Denkmal kritisch durch/.umusfern,
greift Herr Dr. Knabl, auf gut Glück möchte nnui
sagen, einige derselben heraus: den Aufstand der Tre-
virer und Xducr unter Tibcrius, den Bauernaufstand
der liagaiiden, die Erhebung des Silvanus und — in
den Nacliträgi'n zu seinen Insehrilteii - Publi(\-itionen —
den Anistand des Magnentius. Die grosse nationale
Erhebung unter Civilis, die I'surpafionen der Kaiser-
würde auf gallischem Boden durch Posthunms, Victoriuus,
Marius, 'i'etriciis u. A. übergeht er mit Stillschweigen.
Und selbst in Petrelf jener Aufstände, die er in Petracht
zieht, lässt sich Herr Dr. Knal)l an dem Nachweise
genügen, dass es nicht ein Mann vom Tribunenrang
gewesen , der mit iin-cr Niederwerfung betraut war. —
Wo aber liegt der zjvingen<le Grund, überhaujit anzu-
• eiciro fnlll. 2. 3. 0; f^ulrit. 1. 15; C'atul. 42. C; AiPiiul. Mit. Ul.
— U —
ncliineii, es sei unser Tribun mit dem Oberbefehl zur
Unterdrüokuuj,^ der Enipörung in Onllien betraut gewe-
sen? Im Geg'eutiieil, die untergeordnete Stellung eines
Tribunen wäre mit einem so wichtigen und ehrenvollen
Auftrage schwer in Einklang zu bringen ! Die Annahme,
es hätte sich um eine wenig bedeutende ]\Icuterci gehan-
delt, verbietet wieder die grosse Entfernung von Gal-
lien. Eine solche zu unterdrücken, wäre es nicht nöthig
gewesen, einen im entlegenen Pettau stationirfen Tri-
bunen zu beordern. Es gibt aber eine einfache Erklä-
rnug, bei welcher sich alle hier erhobenen Bedenken
lösen, ohne dass dem Inhalte unserer Inschrilt Gewalt
angethan wird. Zur Bewältigung einer in Gallien dro-
henden Gefahr, sei es nun in Folge einer Volkserhe-
bung, oder einer Usurpation des Iniperatortitels, zog
der damals regierende Kaiser die einzelnen in den
Provinzen des weiten Kelches zerstreuten Trujtpen , so
viele ihrer fllr den Schutz der Gränzen entbehrlich
waren, zusammen. Unter Andern erhielt nun auch der
zu Pettau stationirte Tribun die Ordre, mit seinem Corps
nach Gallien aufzubrechen. Die Geschichte hat uns nicht
in den Stand gesetzt, alle Tribunen zu kennen, die an
der Bewältigung gallischer Aufstände betheiligt waren.
Nun der Name auf unserer Inschrift getilgt ist, wird
man um so mehr darauf verzichten nüissen , die Persön-
lichkeit auszumitteln , welche die Ära errichtete.
Die bisherigen Erörterungen ergaben, dass durch-
aus kein stichhältiger Grund vorliege, die „factio galli-
cana", von der unsere Inschrift spricht, anders als im
Sinne eines von oder in Gallien erhobenen Aufstandes
zu verstehen. Es soll nun untersucht werden , inwiefern
die von G r u t e r, M u c h a r und K n a b 1 geltend gemachte
Beziehung des Denkmals zur Geschichte des Cäsar
Gallus und speciell des Tribunen Scudilo mit den histo-
richen Nachrichten in Einklang stehe.
Es ist oben erzählt worden, mit welcher Heimlich-
keit der Kaiser seinen Plan wider den verhassten Cäsar
■betrieb » und wie Scudilo nur durch die raffinirteste
Verstellung den niisstrauischen Gallus in die Falle zu
locken vermochte i". Wie wäre es aber mit diesen histo-
rischen Thatsachen vereinl)ar, dass Scudilo, im Begriife
seine heikle Mission gegen den Cäsar anzutreten, zu
Pettau dem Jupiter einen Altar errichtet haben sollte,
auf dem er aller Welt einen Plan verrieth , dessen
Gelingen in erster Linie von seiner Verheimlichung
abliingl Dieser Einwurf entfiele allerdings, wenn Herrn
Dr. Knabl's Commentar der Inschrift berechtigt wäre.
Indem er nämlich unsere Inschrift des Barbarismus, ja
des Mönchslateins bezichtigt, behauptet er, sie hätte
auf gut Latein eigentlich folgendermassen lauten sollen:
„tribunus coli. X. praet. factione Caes. Galli
oppressa aram posuit". Allein wer kann eine Interpre-
tation gut heissen, die von dem an und für sich klaren
Wortlaute so weit abweicht? Nicht nach glücklich vol-
lendeter Mission, sondern im Begriffe sie anzutreten
(proficiscens ad opprimendam factionem) hat der Tribun
den Altar errichtet.
Noch andere, nicht minder gewichtige Bedenken
erheben sich vom Standpunkte der Geschichte gegen
die Deutung der „factio gallicana" im Sinne einer
„factio Galli".
' Eiqnc (imperatori sc.) delibcranti cum prosimis. clandpstinis colloquns
et rociiirnis, qua vi, quit.usve conimcntiis id fiorit . . . Amm. Lili. XIV. C. II.
'* T6 xa-c' o'JT'iO aKO'jSaV^svo-' äyvoiüv .... Znsim. Lib. II. C. 55.
Nach den Ubereinstiinmenden Zeugnissen des Am-
iiiianus Marcellinus •' und des Aurelius Victor 12 legte
Gallus bei seiner Erhebung zum Cäsar, im Jahre ^51
n. Chr., diesen seinen Namen ab und wurde fortan, /.ii
Ehren seines kaiserlichen Vetters Coristantius genannt.
Diese Nachricht der lieiden Scliriftstelier findet ihre
Bestätigung in den Münzdeiikmälern , die des Cäsar
Bildniss tragen. Kein einziges Stück ist bis auf den
heutigen Tag bekannt geworden , auf welchem der
Name Gallus vorkäme. Auf <len öu Jliinzensjiecies, die
Collen in seiner „Description hist(iri(|ue de medailles
imperiales" beschreibt, erscheint der (.'äsar immer unter
dem Namen Constantius. Die von Banduri ])ublicirten
Stücke, welche hierin eine Ausnahme machen, sind
schon von Eckliel '= als Fälschungen erkannt.
Endlich kann, so wie die historischen Nachrichten
vorliegen, weder von einer Partei des Gallus, noch von
einer Erhebung für Gallus, also auch von keiner „Nie-
derwerfung" derselben die Rede sein. Zu einem Auf-
stande des Cäsar, oder zu einer offenen Parteinahnie
für ihn ist es niemals gekommen. Auch seine Hiiirieli-
tung hatte keine Erhebung zur Folge. Es wird nur
berichtet, dass viele Militär- und Civilbeamte aus Gallus'
nächster Umgebung in der Folge nach Italien geschleppt
lind ihnen dort der Process gemacht wurde, nicht etwa
eines versuchten Aufstandes wegen , sondern weil sie
dem Cäsar bei seinem wilden Kegimente im Orient
Ilandlangerdienste geleistet hatten »>.
Also auch im Lichte der historischen Überlieferung
besehen, erweist sich die Muchar- Knabl'sche Inter-
pretation, welche unser Denkmal mit der Geschichte des
Cäsar Gallus in Beziehung setzt, als völlig unhaltbar.
Untersuchen wir nun, ob unsere Inschrift nach
Form und Inhalt überhaupt in eine so späte Zeit, in
die Mitte des IV. christlichen Jahrhunderts versetzt
werden dürfe? — Was zunächst die Schrift anlangt,
so weist die mehr längHichc Form der Buchstaben und
die flache Ausmeisselung derselben allerdings auf die
Verfallszeit der Kunst hin, welche mit der Epoche der
Antoninen beginnt. Allein über das Zeitalter der Antoiii-
nen nahezu zwei Jahrhunderte hinauszugehen, verbietet
die strenge Regelmässigkeit und Gleichförmigkeit der
Schriftzüge, der Mangel jeder Ligatur, die sorgfältig ein-
gehaltene Interpunction. Sieht man von der ungewöhn-
lichen Form ,,praestito" ab, so findet sich auch an der
Sprache der Inschrift nichts, was mit Recht den von
Herrn Dr. Knabl erhobenen Vorwurf des Barbarismns
und des Mönchslateins verdiente. Was aber mit ungleich
grösserer und zuverlässigerer Bestimmtheit die Ver-
setzung unseres Denkmals in die naeh-constantinische
Zeit verbietet, das ist der mit unbefangenem Sinne
geprüfte Inhalt der Inschrift. Es ist eine bekannte histo-
rische Thatsache, dass alle Kaiser, welche seit Constan-
tin dem Grossen den Thron des römischen Weltreiches
bestiegen , den einzigen Julian ausgenommen , unter
welchem aber keine Erhebung in Gallien stattgefun-
den, sich zur christliehen Religion bekannten : A Con-
stantino autem onines semper christiani imperatores
usque hodiernum diem creati sunt , excepto Juliano '».
" Propinquitatö enim rcgiae stirpis , geulilitatcquc etiamtum Coustann'i
aoininifi . . , ,
'- Constantius Gallo cujus nomen suo mutavcrat .... de C.-ics. C. 41.
" Doctr. imm. vct. Bd. Virl.
" Amm. Marc. L. XV. C. 3.
*'' Exccrpta auctoris ignoti. De Constautio Cliloro etc.
12
Nun aber lautet der Schluss unserer Inschrift dahin, dass
der Tribun den Altar ant' Befehl seines Fürsten errich-
tet habe (jussu princii)is sui arani istam posuit). Welcher
christliche Kaiser dieser Zeit hätte es wagen dürfen,
seine Religion verläugncnd dem Jupiter einen Altar
zu weihen ! Jlan bedenke nur , welchen Stiinn der
Entrüstung ein solches Vergehen in der ganzen Kirche
hätte hervorrufen müssen. Wenn Herr Dr. Knabl die
Worte: ,.jussu priucipis sui" nicht auf die Denkmals-
Errichtuug , sondern auf die im Yoranstehenden ange-
deutete Mission des Tribunen bezieht, wonach also der
fragliche Otficier sagen wollte, was sich im C4runde
von selbst versteht, dass er auf Befehl des Kaisers die
Reise angetreten , so muthet er unserer Inschrift eine
"\^"ortfolge zu, die eine Versündigung am Geiste der
lateinischen Sprache wäre. Es ist übrigens bekannt, dass
in Fällen, wo Votivgegenstäude nicht im eigenen Namen,
sondern auf Befehl eines Zweiten errichtet werden, der
Stifter derselben durch Vorsetzung der Formeln „ex
auctoritate^' oder „ex jussu'' vor seinen Namen zur
Kenntniss gebracht wird, ähnlich wie sonst bei Inschrif-
ten dieser Art die göttliche Veranlassung zur Widmung
durch die Formeln: ex visu <«, ex proscripto, jussu >',
ex imperio" u. dgl. zum Ausdrucke gelangt.
Endlich muss es Wunder nehmen, dass Gelehrte wie
Gfuterund Muchar ein Denkmal, dessen Errichter
sich einen Tribunen der zehnten prätorischen Cohorte
nennt, seiner Entstehung nach in die Zeit des Constan-
tins Gallus versetzen konnten. Auch Herr Dr. Knabl
erinnert sich erst in den Nachträgen zu seinen Inschrif-
ten-Publicationen (9. Heft der Mittheil, des bist. Ver.),
dass die Prätorianer bereits im Jahre 312 n. Chr. von
C'onstantin dem Grossen aufgehoben worden. Da es
ihm aber fast zum Dogma geworden ist, der Inschrift-
stein könne unmöglich „auf irgend eine andere Bege-
benheit als auf die Entsetzung des Cäsars Gallus
bezogen werden", so müht er' sich ab, auch diesen
Einwurf eines nackten historischen Factums zu ent-
kräften. Von den alten Prätorianern , welclie Constantin
in die Legionen und in die Palasttruppen verthcilte,
könnte — wie Herr Dr. Knabl meint — „ein oder der
andere Veteran von jener Zeit her sich nocii von seiner
Tohorte zu schreiben gewohnt gewesen sein." Denn
im Grunde genommen seien die Palatini der consfan-
tinischen und nach-constantinischen Zeit von den Prä-
torianern nur dem Namen nach verschieden gewesen.
— Auch diese Hypothese ruht auf sehwachen Füssen.
Die historischen Nachrichten erlauben es nicht, die
Palatini der späteren Kaiserzeit als mit den Präto-
rianern identisch anzusehen. Sie kamen diesen weder
an Privilegien nocli an angemasster Gewalt gleich.
Indem C'onstantin im Jahre ;)12 n. Chr. dieses zügellose
Corps, das wiederholt nach seinem Gutdünken Kaiser
ein- und abgesezt hatte, auflöste und grösstentheils
niedermetzelte , war es ihm oftenbar nicht um eine
blosse Namensänderung zu thun. Zwischen diesem
Factum und dem tragischen Ausgange des Gallus liegt
übrigens der lange Zeitraum von 42 Jahren! Bei dem
Hasse und dem Abscheu, der sich an den Namen der
Prätorianer knüi)fte, hätte auch kaum je iiand es für
angezeigt gehalten, sich auf einem öffentlichen Denk-
male als ehemaligen Angehörigen dieser Truppe zu
bezeichnen. Überdies ist es ein noch im Dienste ste-
hender Tribun, von dem unsere Inschrift spricht. Man
erwäge nur, um sich die Sache zu vergegenwärtigen,
ob es wohl wahrscheinlich ist, dass lieutzutage ein
activer Officier der k. k. österreichischen Armee, der
auf einem Denkmale seinen Rang augeben will, auf
eine Charge zurückgriffe, die er in einem seit 42 Jahren
nicht mein- bestehenden Corps bekleidet hatte , —
vollends wenn dieses Corps wegen wiederholter Meu-
terei und Zuchtlosigkeit mit Schimpf und Schande auf-
gelöst werden musste!
Was sonst noch von Herrn Dr. Knabl vorgebracht
wird , gehört nicht zur Sache. Dass es auch im IV.
Jahrhunderte Tribunen und Cohorten gab, wird nie-
mand in AlM'cde stellen wollen. Den Beweis aber , dass
auch in nach-constantiniseher Zeit cohortes praetoriae
bestanden, ist er schuldig geblieben, musste er schuldig
bleiben. Was übrigens Scudilo anlangt, dem Muchar
und Knabl unseren Votiv-Altar vindiciren, so sind wir
durch Ammianus iMareellinus in den Stand gesetzt,
seineu militärischen Rang genau zu kennen. Er war
begreiflicher AVeise nicht 'i'rihun einer prätorischen
Cohorte, sondern „scutariorum tribunus" ", oder „scu-
tariorum rector" <».
Ein veriressenes Grab zu Strassburs»- in Elsass.
Vom Dr. A. Luschin.
Hat man iu der schönen romaniscluii Tlidmaskirchc
zu Strassburg Pigalle's Arbeit — das Dcid^mal des
Marschalls von Sachsen, welches den Chdr-Alischluss
des iiauiitschirtes einnimmt, bewundert, und folgt mau
dem erklärenden Küster auf seiner gewöhnlichen liiinde,
so gelangt man rechter Hand in ilit; Abseite des öst-
lichen Seitenschiffes. Hier fällt ein aufrecht eingemauer-
ter Grabstein von etwa 1 1/, Fuss Breite und 4i,, Fuss
Höhe vielen der Vorübergehenden in die Augen. Der
gewisscnlinfte Cicerone dieser Sehenswürdigkeiten,
welchem freilich auch Scliöjiflin und einige andere
Elsässer, deren P.üsten an gleichem Orte aufgestellt
sind, „französische" Gelehrte waren, bezeichnet den
fragliclien Deid.stein den Neugierigen regelmässig als
das Grabmal jenes Strassburgcr P)isch(ifs, von welchem
dieser Theil der Kirche erbaut worden sei. Es lässt
indessen schon ein flüchtiger Blick erkennen, dass das
P.assinct eines Kriegers, flir <lie IMitra eines Kirchen-
fürsten angesehen die Veranlassung zu einem beständig
abgeleierten irrlhmiie abgibt. Meine TlieilnalMiie wuchs,
als mich die Inschrilt belehrte, dass ich vor dem Steine
eines im XIV. Jahrhunderte verstorbenen österreichi-
schen IJitters stünde. Leider gebrach es an Gelegen-
heit zu einer förniliclien Ziiehnung, ich musste nnch
auf eine rascli geniaclit(t Ski/./.e und eine möglichst
genaue Coiiie der Umschrilt beschränken.
'« Ji)l)'.rnn(tK- Alirnfcl« Nr. CCII
" Orelli 1415, m;6.
I« Ainm. Marc. I,. .MV. C. 11
1» iMii. e. 10.
13 —
Dieser zufolge erscheint in einer gothischen Nische
der Rittersmann , die S])itze KesscUiaube auf dem
Kopfe, einen ruhenden Hund unter den Füssen, in
aufrechter Gestalt von etwa 2/3 '^^^ Lebensgrösse.
Bekleidet ist er mit einem flatternden Mantel, die rechte
Hand ist ruhig gegen den Boden gekehrt, die verstüm-
melte Linke gegen die Hüften gestemmt, wird sich
wohl auf ein Schild gestützt haben, welcher in ein
eckiges Loch von etwa 2 Zoll ins Gevierte, das sich am
Leibe des Ritters findet, mit einem Zapfen eingepasst
gewesen sein dürfte. Gegenwärtig ist übrigens weder
von einem Schwerte noch von einem Schilde irgend
ein Stück vorhanden und man ist darum, will man
Über die Person des Verstorbenen ins Reine kommen,
einzig auf die Umschrift angewiesen. Mit der schmalen
Seite oben beginnend, füllt dieselbe drei Ränder des
Steines vollständig, den letzten aber nur zu etwa drei
Viertheilen, und lautet: 4- ARRO . DRI m . ttaff— .LVI .
IUI . ID\'S . 7vVG\STI . 0 . DRS . lOhÄRRffS . DttS — ,
TAIMR . flfilLES . DQ: — . A\STRI7T . ORATE . PRO . SO.
Die weitere Frage, wer dieser am 10. August 1356
verstorbene Ritter aus Österreich, Namens Johannes
Taler gewesen sei, lässt sich glücklicherweise mit ziem-
licher Wahrscheinlichkeit beantworten. Der Name der
Taler begegnet in österreichischen Urkunden zienüich
selten *. Desto wichtiger ist uns ein Verkaufsbrief von
13.^7, in welchem der Wiener Bürger Jans der Greyife
das Dorf Gablitz dem Herzoge Otto von Österreich
verkauft, weil er u. a. auch von Jansen dem Taler,
den Hofmarschall des gedachten Herzogs, besiegelt
wird -. Sowohl die Gleichheit des Vor- und Zunamens,
als der Zwischenraum von nicht einmal zwanzig Jahren
machen es gar wahrscheinlich, dass beide Daten die
gleiche Person betreffen. Ritter Hans der Taler mag in
vorgerückteren Jaiiren eine hervon-agendere Rolle bei
der Verwaltung der wichtigen habsburgischen Vorlande
gespielt haben und bei einem Aufenthalte in der .Stadt
Strassburg , der sich durch seine Stellung sehr gut
erklären lässt , am 10. August 1356 vom Tode über-
rascht worden sein.
Die Kunst des Mittelalters in Böhmen und Mähren.
Von Bernhard Grueber.
(Mit 33 Holzschnitten.)
Die Denkmale von Iglau.
Die übrigen , der östlichen Gruppe angehörenden
Denkmale werden in jener Ordnung angeführt, welche
das höhere oder geringere Alter vorzeichnet: Alle
zeigen sich einigermassen beeinflusst von den beschrie-
benen vier Bauwerken.
Die Stadt Iglau nimmt neben Brunn und OlmUtz
unter den Städten Mährens einen der ersten Plätze ein
und verdankt ihre Entstehung oder Ausbreitung dem
Bergbau, welcher im zweiten Viertel des XIII. Jahr-
hundert grossen Aufschwung nahm und viele An-
siedler herbeizog. Im Jahre 12:^7 besass Iglau einen
eigenen Bergmeister und ein Berggericht, dessen
Satzungen von König Pfemjsl Otakar zusammen-
gestellt sein sollten. Graf Caspar Sternberg, der
Geschichtschreiber des böhmischen Bergbaues, und
E. Rössler in seinen Reclitsdenkmälern sprechen sich
einstimmig dahin aus, dass man in Österreich und
Deutschland keine älteren Berggesetze findet als die
Iglauer.
Die Erhebung zur Stadt scheint unter Otakar I.
geschehen zu sein; eine bestimmte Urkunde liegt
hierüber niclit vor. Von nun an war das Wachstiium
der Gemeinde ein ausserordentlich schnelles, wie sich
aus dem Umstände ergibt, dass neben verschiedenen
Filialkirchcn niul Capellen gleichzeitig um 1240 zwei
Stiftskirchen und die grosse Stadtpfarrkirche erbaut
wurden. Die Dominicaner und Minoriten sollen nach
unverbürgten Nachrichten bereits 1227 sich in Iglau
niedergelassen haben. Ansässig waren beide Orden
in Iglau urkundlich im Jahr 1243.
Die dem heil. Jakob gewidmete Pfarrkirche
gehörte ursprünglich den Deutschen Rittern, ging dann
an das Selauer Stift über, wurde 1233 erweitert, um
1250 umgebaut und 1257 durch den Olmützer Bischof
Bruno feierlich eingeweiht. Von verschiedenen der
Spät-Gothik und dem Renaissance-Sfyl angehörenden,
jedoch nebensächlichen Zuthaten abgesehen , hat die
Kirche ihre ursprüngliche Form gewahrt. An der Ahend-
seite erheben sich zwei quadratische Thürme, zwischen
denen ein mit einem Halbkreise überspanntes Haupt-
Portal in die niedrige Vorhalle führt. Wie schon wieder-
holt bemerkt worden ist , dürfen im Verlaufe dieser
Periode die aus dem Halbkreise construirten Bogen im
^
Fig-. 1. ilghiii.)
' 1311 werden beispielsweise in einer Seitrnstettner Urkunde die Nach-
kommen eines begüterten Heinrich Taler erwähnt. Font. rer. austr. II. Bd. 33.
S. 147. Jans der Taler, Herzog Otto's Hofmarschall, in einer Urkunde des
Staatsarcliivs ddo. 133S. 22. Juli, Wien, gedruckt a. a. O. Bd. 85, S. 254,
Nr. 66ß.
• S. Zahn, Urkunden ühffr die bischöflich Frei,^insen'schen Besitzungen
in (isterreieh. II. 253.
14 —
Fig. 2. ilglaii.)
Vergleich mit den Spitzbogen niciit als Zeielien hohem
Alters angesehen werden. Beide Formen wurden von
den damaligen Baumeistern in beliebiger Anordnung
gebraucht.
.\linliclie, jedoch kleinere Portale fuhren von der
Süd- inid Nordseitc bor in die Nebenschitfe ; sie sind
mit angeblendeten Säulen und einfach zierlichen Kelch-
capitälen ausgestattet , haben an den Sänlenfilssen
Eckl)lättcr, sonst aber keine Ornanientirnng.
Die S. Jiikobs-Kirche ist ein llaljcnbau von
schweren \'crhältnissen ,' dessen Mittelschiff nur um
ein Weniges über die Kebenschiffe ansteigt. Vier
achteckige Pfeiler, zwei auf Jeder Seite , und zwei
krcnzföniiii:c Tlinrm]ifeiler tlicilen das Haus ein , das
l'rcsbytcriniii springt iilier dasscllte mit zwei Traveen
vor und ist ans dem A( liteck geschlossen, die Neben-
Fig. 4. (Iglau.)
l'ig. 5. (Iglau.j
schiffe aber zeigen rechteckige AbschlUssc. Eine an
der SUdostseite angebaute Sacristei und mehrere aus
dem nördlichen Seitenschiffe vortretende Capellen
gehören theils dem Schlüsse des XV., theils dem XVII.
Jahrhundert an. Die Gewölberijjpen entwickeln sich im
Chore aus Wandsäulen, in den Schiffen aus C'onsolen.
Die noch erhaltenen alterthUndichcn Fenster zeigen
jene einfachen , durch zwei Bogen und einen Kreis
beschriebenen Masswerke und sind je durch einen
Mittelstab in zwei Felder getheilt.
Der Bau hält folgende Masse ein:
Gesammtlänge im Licht 140 Fuss
Gesammtbreite im Licht 72 „
Breite des Mittelschiffes von Achse zu Achse 3ij „
Spannweite eines Joches von Achse zu Achse 18 „
Scheitelhöhe der Wölbungen 48 „
Pfeilerstiüke 4</\„
1 1 1 1
Fig. 3. (Igliin.)
Fig. (>. (Iglau.)
15
Das Ban-Materiale ist sehr hartes und festes Gneiss-
gestein, aus welchem alle Bauten zu Iglau bestehen; zu
den Steinmetzarbeiten bediente man sich eines in der
Nähe brechenden, ziemlich gleichförmigen Granites.
Am vordersten Pfeiler rechts steht eine spät-go-
thische Kanzel, zu welcher eine viel ältere, aus Granit
gemeisselte Treppe führt. Diese Treppe, von welcher
eine Abbildung beigefügt ist, hat die Gestalt einer
Ambone und scheint ursprünglich als solche gedient
zu haben. Ausserdem besitzt die Jakobs-Kirche ein
vorzüglich schönes, aus vergoldeten Kupferplatten be-
stehendes Taufbecken im blühendsten Styl des Benve-
nuto Cellini, ein Meisterwerk, an welchem in getrie-
bener Arbeit folgende Darstellungen angebracht sind :
Sündenfall, Verkündigung, Christi Geburt, Anbetung
der Weisen, Taufe Christi, Kreuzigung, Auferstehung
und Himmelfiihrt. Der eben so schön gearbeitete Fuss
wird durch Arabesken, in denen Meerweibchen einge-
flochten sind, gebildet.
Die Iglauer Pfarrkirche gehört zu den ältesten
Hallenbauten, welche in Böhmen und Mähren aufge-
führt worden sind; auch scheint diese Form hier
Beifall gefunden zu haben, da sie zum andernmal in
der Dominicaner-Kirche eingehalten wurde.
Fig. 1 Grundriss, Fig. 2 Seiten-Portal, mit Grund-
riss, Fig. 3 Chor-Fenster, Fig. 4 und 5 Detailirungen,
Fig. G Aufgang zur Kanzel.
Das auf einem Felsenvorsprung sehr malerisch
gelegene Dominicaner-Kloster wurde im J. 1784
aufgehoben und in eine Caserne verwandelt; die
Stiftkirche zum heiligen Kreuz, welche kurz vor der
Aufhebung arg verzopft worden war, diente späterhin
als Magazin und erfuhr im Innern eine vollständige
Umgestaltung. An den Umfassungswänden der Süd-
und Westseite haben sich die Strebepfeiler erhalten,
wodurch wir in den Stand gesetzt sind, die Grösse
und Eintheilung der Kirche ermitteln zu können.
Das Gebäude besass keinen Thurm und drei
gleich hohe schlanke Schiffe, war also ein Hallenbau
wie die Pfarrkirche, doch bedeutend kleiner. Das
beinahe quadratische Kirchenhaus war im Licht 64
Fuss breit und G8 Fuss lang, an dieses lehnte sich ein
aus drei Gewölbeabtheilungen bestehender, aus dem
Achteck geschlossener Chor an, welcher mit dem
Schilfe die gleiche Länge einhielt. Vier im Quadrat
aufgestellte Pfeiler (zwei
auf jeder Seite) theilten
die Schiffe ein, das Mit-
telschiff war von Achse
zu Achse 32 Fuss, jedes
der Nebenschiffe Iti Fuss
breit; die Nebenscliiffe
setzten sich entlang dem
Presbyterium nicht fort.
Die Schiffe stiegen bis zu
einer Höhe von 50 bis
54 Fuss an, das Presby-
terium jedoch war um 1(1
bis 12 Fuss niedriger.
Wenn diese Masse nur
ein bescheidenes Denk-
mal ankündigen, gewinnt
dieses doch hohe Bedeu-
tung durch das an der
Westseite befindliche, bei-
nahe vollständig erlial-
tene Haupt-Portal.
Dieses tritt nach ita-
lienischer Weise, wie wir
bereits in Tischnowitz gesehen haben, durch eine
Mauerverstärkung über die Fläche der Westwand vor
und wird mit einem l)esoudcrn Giebel bekrönt.
Zwischen vier geschmackvoll profilirten Vorsprüngen,
welche die Leibung bilden, stehen drei ö»/, Zoll
stiirke angeblendete Säulen mit vorzüglich schön
bearbeiteten Capitälen und Säulcnfüssen. Das Portal
ist mit Spitzbogen überdeckt, 19 Fuss breit, 21 Fuss
hoch, und macht, obwohl aller Schmuck nur aus den
Capitälen , den Säulenfüssen und der sorgfältig ausge-
führten Gesimsung besteht, einen selir wohlthuenden
Eindruck. Die Detailirungen Fig. 7, 8, 9 erklären
den Charakter dieses Bautheiles.
Fig. 8. (Iglau.)
Das M i n 0 r i t e n-S t i f t mit der Marienkirche gehört
heute noch dem Orden an und hat sich die Kirche in
Fig. 7. (Iglau.)
Fig. 9. (Iglau.)
16
Fig. 11. (Iglau.)
ihrer UrspiUnglichkeit grö-sstentheils erhalten. Auch vom
Kreuzgange und dem Convent-Gebäude bestellen viele
Reste, so dass wir hier Entschädigung finden für den
Verlust der Dominicaner-Kirche. Dagegen fehlt derMino-
riten-Kirche ein Portalbau, weil im vorigen Jahrhundert
ein Anbau an die Westseite gefügt und bei dieser Gele-
genheit die alte Fronte abgetragen wurde.
Der Grundriss ist kreuzförmig, doch treten die
Kreuzarme nur um 3 Fuss an jeder Seite vor. Die
allgemeinen Verhältnisse sind etwas schwer, Mauern
und l'ieiler erscheinen in Anbetracht der beengten
liäumlicbkeit zu massenhaft. Mittelschitf und Querhaus
halten gleiche Höhe ein, die Seitenschiffe sind um die
Hälfte niedriger. Ai\{ jeder Seite des Schilfes stehen
zwei quadratische, und an der Vierung ein verstärkter
kreuzförmiger Pfeiler; jenseits der Vierung (des Quer-
hauses) schliesst sich das lange Prcsbyterium mit dem
normalmässig aus dem Achteck beschriebenen Chor
an. Ausnahmsweise liegt hier der
Kreuzgang neben dem Presbyterium.
Aus dem südlichen Kreuzarm gelangt
man iu eine geräumige Capelle und
von hier aus in den Kreuzgang, die
Nordseite des Kirchcnscliiftes blieb frei,
während im Osten und Süden verschie-
dene Baulichkeiten angereiht sind.
Einen besondern kunstgeschicht-
liclien AVertli erhält die Kirche theils
durch das Querschiff und die um oFuss
über das Mittelgewölbe erhöhte Vie-
rungskuppel, theils durch die schönen
Capitäle , aus denen die Gurte und
Rippen entspringen. Ferner besitzt die
Marienkirche einen achtseitigen Kup-
pelthurm über der Vierung, welcher
aber nicht auf den Hauptgurten ruht,
auch niclit über der Mitte steht. Dieser
Thurm wird von drei Seiten her durch
Stelzen getragen, d. i. durch schief
ansteigende Pfeiler, welche nach Art
der Schornsteine herübergeschweift
sind. Der Thurm hält im geraden Durchmesser 15 Fuss,
die Vierung aber 23 Fuss im Lichten ein.
Die übrigen Masse sind wie folgt :
Gesammtlänge im Licht 15G Fuss
Gcsammtbreite des Schifl'es
60
Länge des Querhauses GU
Länge des Chores
H^;=-j— l-H ->..
Fig. 10. (Iglau.)
Höhe des Mittelschiffes 3;^ „
Höhe der Seitenscliifte IG „
Höhe der Vierung 36 „
Pfeilerstärke 4</\,„
Das bei aller Einfachheit und trotz der geringen
Höhenvcrliältnisse mächtig imponirende Kirchenhaus
wird durch folgende Zeichnungen erklärt:
Fig. 10 Grundriss der Kirclie und des Kreuzgangs,
Fig. 11 Längendurclisclinitt, Fig. 12 äussere Ansicht,
Fig. 13, 14, 15 Capitäle.
Die Denkmale von Iglau zeichnen
sich dnrcli besondere Einfachheit aus,
welche zum 'riioilc daher rühren mag,
dass nicht allein die geschilderten drei
Kirchen , sondern auch das Kathhaus
und mehrere öffentliche Gebäude zu
gleicher Zeit ausgeführt wurden. Es
dürfte mithin an Arlicifskräffcn , na-
mentlich geschickten Steinmetzen, um
so mehr gefehlt haben, als das nahe
Kloster Solan , welcheni die Pfarr-
kirche in Iglau nach dem Abzüge der
deutschen Kitter zugeliörtc, in dersel-
ben Zeit seine Stiltskirche Aon (Jrnnd
aus erneuerte. Man trifft deshalb in
der Umgegend , namentlich in Fraucn-
thal, Selau, Iliinipolec, Pilgram diesel-
ben vereinfachten Formen wieder.
'I.ltertlur. Ohr d'GlTort, Geichlchle der künigl.
Krol«- und «crgiiladt Iglau. Briiiin 18ftO. — Millaucr, der
doulsrlic Ulllcrirrdon In Hiihmcn. l'rag 1830. — Slcrnberg,
Graf von, <;c8c-hirhtc der tji'hiiii«rhen UerKwerke. I'rag, 1886.
— \V o 1 n y, klrrhllcho Topo((rnphio von Mähren. — S c li w o y,
Topographie. Ferner die bekannten cft ange/fihrten Qucllen-
werkc.
— 17
Die Prämonstratenser-Stiftskirche Selau.
(^eliv)
Das Stift Sclau (Zeliv) wurde U'P,9 durch
Herzog Sobeslav I. g-Ci^Tiüidet iiud ]\[öiiclicii des
IJcncdietiiier-Ordens übergcbeu. Die Ordnung seiieint
frühzeitig gelockert worden zu sein, weshall) Sclau
wie Strahov und Leitomyschl durcli den thatkräftigen
und glauhenseifrigen Herzog Vladislav H. in Prä-
nionstratenserkiöster umgewandelt wurden. Abt Gott-
schalk (Godescalcus), aus Steinfeld bei Köln, führte
im Jahr 114.S die erste Colouie der Prämonstateuser
hier ein, nachdem Strahov und Leitomyschl schon
D
früher besetzt worden waren
Ordcnsleute hatten
zustehen, weil die vertriebenen
le
neu enigezogenen
aus-
Benedietiner sieh in
anfänglich viel Ungemach
den Besitz aller Klostergüter gesetzt hatten und ihren
Nachfolgern auch sonst das Leben zu verbittern
suchten. Indessen wussteu die Prämonstrateuser
durch Keligiosität wie geordnete Häuslichkeit die
obwaltenden Schwierigkeiten zu überwinden und das
Stift gelangte um den Beginn des XHL Jaiirhuu-
derts zu hohem Ansehen und bedeutender Wohlha-
beniieit. Unter dem Abte Hermann erwarb das Klo-
ster Selau 1233 die den Deutsciien Kittern zu Iglau
gehörenden ausgedehnten Besitzungen bei Humpo-
lec, welche meist aus Wäldern und wüsten Land-
strichen bestehend allmälig durch die fleissigen
Klosterbrüder und die durch den Abt Ambrosius
um 1250 eingeführten deutschen Bauern cultivirt
wurden.
In diese Zeit (1230—1250) fällt auch die Erbauung
der bestehenden Klosterkirche, welche aber mit Aus-
nahme der Chorpartic bedeutend überändert worden
ist. Von den Hussiten im Jahre 1423 niedergebrannt,
scheint die Kirche längere Zeit öde gestanden zu haben.
Fig-. 12. (Iglau.)
während die Klostergüter verpfändet oder veräus.sert
wurden. Erst in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhun-
derts wurde die Kirche nothdürftig restaurirt und
dem Orden zurückgegeben, doch erfreute sich das
Stift noch lange keiner Ruhe, bis es dem Abte Caspar
von Questenberg lö22 gelang, die unrechtmässig
entrissenen Klostergüter wieder zurückzubringen.
Zwischen 1710 bis 1720 wurde das Schilf der Selauer-
kirche durch den italienischen Stuccatur- und Baumeister
Giovanni Santini in einer seltsamen Mischung von
Zopf und Gothik verballhornisirt.
Die Gesammtanlage ist jedoch trotz aller Umän-
derungen nicht wesentlich gestört worden, wenn sich
auch kaum mit voller Sicherheit bestimmen lässt, ob
die Kirche basiliken- oder hallenförmig war. Zwei
quadratische, von Grund auf mit Stuccaturen und
barocken Schnörkcleien überkleidete Thürme stehen an
der Westfronte, sie ruhen rings auf festen Mauern und
gehören in ihrer gegenwärtigen Form ganz dem Bau
Santini's an; der ursprüngliche Bestand jedoch darf
nach den beschriebenen Anlagen von Mühlhausen
Fig. 13. (IgUn.
Fig. U. (Iglau.
XVIII.
18
Fi^. 15. (Iglau.)
lind Tepl nicht bezweifelt werden. Das zwisolicn den
Tiiümien und dem Prcsbytcriiim liegende Kirclieiiliiius
ist dreiscliift'ig, mit drei quadratischen Pfeilern auf jeder
Seite. Die Pfeiler sind durch Dienste verstärkt, welche
bald als Halbsäulen, bald als eckige Pilaster vortreten.
Ob die gegenwärtige Hallcnform der Kirche die
ursprüngliche sei oder einer Neuerung angehöre, Hesse
sich nur durch eine theihveise Abtragung feststellen ; die
äussere (Jcstalt des Hauses spricht eher liir eine
basilicale Anlage. Das lange, aus vier Gewölbeab-
theilungen und dem aus fünf Seiten des Achtecks
construirten hohen Chor bestehende Presbyterium ist
von aikm entstellenden Zuthaten verschont geblieben.
Die Anordnung zeigt neben denkbarster Eiutachheit
schon eine conscquentere Durchbildung der Gothik;
alte Linien werden aufstrebender, als wir bisher
gesellen, der 24 Fuss breite Kaum steigt zur Höhe von
54 Fuss an. die schlanken Fenster, deren Masswerke
leider aldianden gekommen sind, reichen bis unter
die Gewölbe und sind durch reich i)rotiIirtc Gewände
eingefasst. Auf den Wandsäulen stehen kelchförmige,
aus Zehneckvorsetzungcn gebildete C'a|)itäle , welche
zwar durch keinerlei Pfiaiizen-Oniameiite geschmückt
sind, aber eine trellliche Wirkung machen.
Die Seitenschiffe sind
1423 zerstört nnd nur zum
Theil wieder aufgebaut wor-
den; sie schliessen an das
vorderste Trsivee an , sind
durch j\Iauern vom Kir-
chenhause geschieden und
dienen als Sacristcieu. Das
ganze Gebäude ist durch
ein Kechteck umschrieben,
über welches nur der hohe
Chor vorspringt. Es scheint
als ob hier wie in Trebitsch
die Grundmauern der frühem
um 1 140 erbauten romani-
schen Kirche beibehalten
worden seien, doch tritt auch
nicht der mindeste Rest des
alten Baues zu Tage. Der
Kreuzgang ist nach der Zerstörung von 1423 nicht
wieder in Stand gesetzt worden: derselbe war an die
Nordseite des Kirchenschiffes angebaut und nicht künst-
lerisch durchgebildet.
Bei den nachstehenden Massangaben sind die
Thürme als besondere lür sich bestehende Theile
angeführt worden :
Das Thurmquadrat an der Aussenseite ... 24 Fuss
lichte (icsanuntlänge vom Chorschluss bis an
den Thurmbau 15G „
lichte Länge des Schiifes !'2 „
Fig. 17. (Seliui.)
hvi I I 1
nOHTF
Fig. K;. (.Scliiii.^
lichte Breite des Schiifes 64 „
Breite des Mittelschiffes zwischen den Pfeilern 22i/j„
Pfeilerstärke ohne Vorsj)rünge •l^'»«
Fig'. IG Grundriss der Stiftskirche, Fig. 17, 18 Ca-
pitäle und Knäufe, Fig. 1*J, 2U Protilirungen.
D i e P f a r r k i r c h e i n H u m p o 1 e c.
Gleichzeitig mit der Selauer Stiftskirche wurde
auch die dem heiligen Nicolaus gewidmete Pfarrkirche
in Humpolec erbaut und zwar von demselben Meister,
welcher in Selau tliätig war. Dass dieser ]\Ieister dem
Priimonstratenser- Orden angehörte, unterliegt kt'inem
Zweii'cl , denn die Stiftsbauten , besonders auf dem
Lande, wurden in jener Zeit regelmässig von Mitglie-
dern desselben Klosters ausgeiUhrt ; die
Kirche in Humpolec aber verdankt ihre
Entstehung dem Kloster Selau , worüber
beglaubigte Urkunden vorliegen. Die ein-
zelnen Theile dieser beiden
Denkmale, die Wandsäulen
mit ihren Füssen und Ca])ilä-
len, die Gurten, Fenstcrge
wände und (lesimse sind hier
und dort dieselben, .sie kön-
nen ohne Anstand von der
einen Kirche in die andere
an die betreffenden Stellen
versetzt werden.
Der (irundrisH hält die
Kreuzform in so cigenthlbn-
lich ausgesprochener Weise
ein, wie sie wohl an keiner
zweiten Pl'arrkiiclie vorkoni- rig. 18. (.■^olau.J
1<) —
men dürfte. Ein in Anbe-
traclit der nicht ül)ei-j;i-os-
sen Kirche selir mas-
senhafter quadratischer
Thurm mit 81/3' starken
Seitenraauern tritt an
der Westseite vor und
bildet die Eingangshalle,
wobei zur rechten und
linken kleine Treppen in
die Jlauerdicke eingefügt
sind. Aus der 9 ' breiten
Fig. 19. (Seliiu.) und IS' tiefen Thnrm-
lialle gelangt man durch
ein gegliedertes spitzbogiges Portal in die hinterste
Gewölbeabtheilung des Schilfes, an welche das Quer-
haus anstösst. Dieses hält 72 Fuss in der Breitenrich-
tung und '22 Fuss in der Tiefe, die quadratische Vie-
rung ist mit einem erneuerten, jetzt halbkreisförmi-
gen Kuppelgewölbe überdeckt , dessen ursprünglich
achteckige, auf Zwickeln ruhende Form noch immer
"bemerkt wird. Die Seiteuflügel (Kreuzarme) laden sich
bei 22 Fuss Tiefe 20 "/^ Fuss in der Breite, eine Ab-
weichung, welche zufällig entstanden sein mag. Die
Mauerstärke der Vierung beträgt 41/2 Fuss. An die
beiden Kreuzarme reihen sich Keben-Chore an, welche
aus dem Achteck geschlossen sind; denselben Chor-
schluss zeigt auch das lange, durch drei Gewölbjoche
gebildete Presbyterium. An der Ostseite des Chor-
schlusses sehen wir noch eine besondere sechseckige
Capelle vorgelegt , die jetzt als Sacristei dient,
ursi)rünglich aber zum Taufhaus bestimmt war.
Fig. 21 Grundriss der Humpolecer Kirche, Fig. 22
Durchschnitt des Querschiftes.
Cistercienser-Nonnenkloste r Frau enthal.
Anderthalb Stunden ostwärts von Deutschbrod
liegt an dem rechten Ufer des Sazava-Flusses das Stift
Frauenthal mit einer einschiffigen ]\laria-llimmelfahrt-
Kirche, von welcher aber nur der Chor seine urs])rüng-
liche Form gewahrt hat. Zwei Schwestern aus dem
Geschlechte von Lipa, Ludmila und Utta, letztere die
Wittwe des Kuno von Kovan, gründeten im Jahre
120;") dieses Kloster, doch dürften Kirche und Stifts-
gebäude schon vollendet gewesen sein , weil die
Nonnen sogleich ihren Einzug halten konnten. Das
Dorf Frauenthal, bölimiscli Pohled genannt, gehörte zu
den Besitzungen der deutschen Ordensritter, welche
hier eine Pfarrkirche erbauen Hessen, dieselbe aber an
die besagten beiden Schwestern abtraten.
Der Chor ist sehr klein, 30 Fuss tief und 20 Fuss
lichten Masses weit, steigt bis zu der Höhe von 48
Fuss an und enthält neben dem aus fünf Seiten des
Achtecks bestehenden Schlüsse nur noch eine einzige
Gewölbeabtheilung. An die Ostseite ist eine achteckige,
mit einer Kuppel überwölbte Ca])elle angebaut, ein
Taufliaus, welches den Namen: alte Pfarre führt.
- L i l e r a I u r. Für die B uii;esoliichfe von vSelau und Humpolec sind
beftchteiiswerth die iheils handschriftlichen, theils reröfFentlii-hten T'nter-
suchnn-:en des Selauer Stiftscapilulars P. Hier. J. Solaf-, namentllrh : Panieti
mesta Ilumpolcc. V l*raze, 18G3. Die grossen Verdienste, welche sich .Selau
am Landesciiltur erworben , ist in der Einleitung gedacht worden. Das Stift
besitzt eine nnsehiiliche Bibliothek und ein reiches Arcliiv. Neben den Topo-
graphien von J. Schaller und Sommer finden sich Nachrichten über Selau
in den Geschichtswerken von Palacky und Schlesinger und in d' E -
vert's Geschichte von Iglau.
''W'^M
Fii'- 20. (.SeLiti.)
Das Schiff hält mit dem
Chore nicht die gleiche Mitte
ein , sondern greift über
die durch Chor und Tauf-
haus gezogene Achsenlinie
um G Fuss gegen Süden hin-
über. Wahrscheinlich zog
sich an dieser Seite , wo
die Convent-Gcbäude situirt
waren, ein Oratorium für die
Klosterfrauen hin , welches
aber nach der durch die
llussiten bewirkten Zerstö-
rung nicht wieder aufgebaut
worden ist. Diese Zerstörung
scheint eine sehr gräuliche
gewesen zu sein, denn Klo-
ster und Kirche sollen nach
vorhandenen, auch von Jar.
Sc hall er mitgethcilten Nachrichten 7.") Jahre lang wüst
gestanden haben, bis die Wiederherstellung unter König
Vladislav IL, dem Jagellonen , erfolgte. Mit diesen
Angaben stimmt auch das Gepräge des Kirchenschiffes
überein, es ist durchaus spät-gothisch, mit netzartigen
Gewölben und spitz vortretenden Strebepfeilern. Auch
kommt au dem an der Westseite befindliche Treppen-
thUrmchen die Jahrzabl 1494 vor.
Das Schiff" besteht aus vier Gewölbeabtheilungen,
ist 64 Fuss lang, 26 Fuss breit und bis in den Scheitel
54 Fuss hoch. Die westliche Hälfte dieses Raumes
ist verbaut durch einen im Jahr 1714 eingeschalteten
Nonnen-Chor, welcher nicht das mindeste Interesse
bietet. Um so bemerkenswerther erscheint das an der
Nordseite befindliche Portal, welches mit angeblendeten
Säulen und zierlichen Capitälen ausgestattet als
einziger vom alten Kirchenschiffe herrührender Bautheil
besteht. Dieses Portal schliesst sich eng an die in
Iglau vorkommenden Bildungen an.
Der Haui)twerth dieses Denkmals besteht in der
feinen Durchbildung des Chores mit seinen Wandsäulen.
Capitälen und sonstigen Einzelheiten, dann in dem
Vorhandensein eines besondern Tanfhauses. Neben
dem Grundrisse Fig. 23 , sind der Querschnitt Fig. 24
und die Detailirungen, Fig. 25, 2i], 27, 28 beigefügt.
Das Kloster ist seit 1782 aufgehoben, die Stiftsgüter
wurden veräilssert und bilden gegenwärtig ein adeliges
Dominium.
Fig. 21. (Humpolec.)
3*
— 20
aiigcfiilirtoii Braiuluiig'lüc-k nocli meh-
rere erfahren und die Restaurationen
sind eben nicht meisterhaft durchgefUiu-t
worden.
Das Gebäude ist vierschitfig, doch
dürfen wir vor der Hand das nördliche
zweite Nebenschiif ausser Betracht
lassen, eben so den Thurm. Die nur mit
Hilfe von Vermessungen zu ermittelnde,
dem Xni. Jain-iiundert entstammende
Anlage besteht aus dem unversehrten
Chorbau und dem rechteckigen, 78 Fuss
langen irad 64 Fuss breiten Schiff,
welches durch sechs, nicht mehr ur-
sprüngliche Pfeiler , drei auf jeder
Seite, eingctheilt wird. Das Mittelschiff
ist 241/2, das linke Nebenschitf 18, das
reichte 14yo Fuss breit, die Pfeilerstärke
beträgt 3'/o Fuss. Der Chor setzt sich in
gleicher Breite mit dem Mittelschifte
jenseits des Triumiihbogens fort, besteht
aus dem normalmässigen , aus dem
Achteck angeordneten Schlüsse und
zwei Gewölbejoehen. Die lichte Länge
dieses Theiles beträgt ö4 Fuss,
-- Wänden des Chores
springen
Fig. 32. (Humpolec.j
Die Dechantcikirche in Ca s lau.
Man wird schwerlich ein seltsameres Conglomerat
von Bauwerken und Stylproben antreffen, als die Kirche
•St. Peter und Paul in Caslau darbietet. Links neben
dem hohen Chore besteht eine wohlcrhaltene, in den
spätem Kirchenbau einbezogene romanische Capclle,
welche hdchaltertliündiches Gejjräge zeigt und den
ältesten Bauten des Landes beizuzählen ist. Der hohe
Chor nebst der allgemeinen Disposition gehört der Zeit
an, als C'aslau durch Utakar If. zur königliclicn Stadt
erhoben wurde. Der gewaltige, rechts neben dem
Ciiore stehende Thurm wurde unter ^'ladislav H. um
1480 aufgeführt, das Jlittelschitf erliiclt nach einer
grossen, im Jahre 1522 zufällig entstandenen Feuers-
brunst .seine gegenwärtige in die Keiiaissaiice hiniiber-
spielende Gestalt , das liid<e Nebenschitf gehört dem
Xin, das rechte dem XIV. Jahrhundert an", ein viertes
an der Nordseite angebautes Schiff zeigt neben frUh-
gothischen Formen auch Einzelheiten, welche einer
sehr verkommenen (;otliik atigeliören. Neben dieser
Formenvermengung kommen die manniglalfigsten Un-
regelmässigkeiten vor, denn die Kirclie hat neben dem
lige Pilaster hervor, welche
An den
dreithei-
mit vor-
ziiglicii schön gezeichneten und ausge-
führten Capitälen bekrönt sind. Ahnliche Bildungen
werden wir auch in Saatz und einigen uordbölnuischen
Städten treffen, sie stehen nicht ganz im Einklang mit
der östlichen Schule und könnten möglicherweise aus
Sachsen herübergeleitct worden sein.
Die romanische Sacristei-Cai)ellc links neben dem
Chore ist mit einer halbrunden Apsis geschlossen und
Fig. 23. (I'rituenthal.)
T\g. 24. (I''r;iiic'nlli.il.)
— 21
t^
l'
*.-,„.
■ ' - ■ zza
4
■'r.uiciithjil.j
Fig.
besteht aus einer 8 Fuss breiten Vorhalle, dem 12
Fuss weiten Schilf und der kleinen Apside, welche
g'leichen Durchmesser mit der Vorhalle besitzt. Vorhalle
und Schilf sind zusammen 271/2 Fuss lang und mit
Tonnengewölben bedekt.
Das Hauptschifl zeigt ein reiches, aus verfloch-
tenen Sechsecken construirtes Netzgewülbe , dessen
Detail-Bildung sehr an den Meister Bencs von Laun
erinnert. Zwischen den beiden hintersten Pfeilern ist
eine reich decorirte Empore eingefügt, an welcher theils
spät-gothische, theils im Renaissance-Styl ausgeführte
Ornamente in willkürlicher Aneinanderreihung einge-
fügt sind.
Einen Thurm besass die Dechantei - Kirche ur-
sprünglich nicht. Der gegenwärtig bestehende, an die
Südseite des Presbjterium angelehnte Thurm ist (pia-
dratisch und massenhaft ohne die mindeste architekto-
nische Durchbildung zu zeigen. Interessanter erscheint
das zweite nördliclie Seitenschitf, welches einen aus
dem Achteck gezogenen Chor besitzt und in seiner
östlichen Hälfte wahrscheinlich dem XIII. Jalirluindert
angehört. Die westliche Partie dieses Nebenschitfes hat
zwar einiaclie Kreuzgewölbe und mit Masswerken aus-
gestattete Fenster, trägt aber alle Anzeichen eines
in spätester Zeit gemachten Zubaues.
IJber dem an der Westseite angebrachten cha-
rakterlosen Portal betindet sich eine Inschrift, welche
von dem grossen Brande des Jahres 1522 und der
geschehenen Wiederinstandsetzung der Kirche Kunde
gibt. Neben der Dechantei-Kirche besitzt Caslau noch
einige beachtenswerthe Reste der alten Befestigungs-
werke , deren in dem Abschnitte über Burgenbau
gedacht wird.
Beigefügt sind: Fig. 29 Grundriss, Fig. 3U Ge-
sims in der Sacristeicapelle , Fig. 31 Wandsäule
im Chor, Fig. 32, 33 Ornamente aus der sjjätesten
Bauzeit.
Die St. Bartholomäus -Kirche in Kdli n.
Wenn durch Erklärung der Caslauer Denkmal-
kirche dargethan wurde, dass die gothischen Formen
im Verlaufe der Ubergangs-Periode bald entschiede-
ner, bald minder entwickelt auftreten, dass selbst
an den gleichzeitigen , derselben Gruppe angehören-
den Bauwerken sich die mannigfaltigsten Schattirun-
gen kundgeben, haben wir mm drei hochwichtige
Denkmale zu betrachten, deren Gepräge an eine viel
Fis. 28.
Fife^ 27.
frühere Periode erinnert. Wir wenden uns den Pfarr-
kirchen von Kolin , Koufim und der Probsteikirche
von Polic zu.
Die Stadt Kolin, lat. Colonia super Albeam und
Nova-Colina genannt, wurde allem Anscheine nach in
den ersten Eegierungsjahren König Pfemysl Otakar II.
gegi'üudet und theilweise mit deutschen Ansiedlern
besetzt, die sich hier bis in das XV. Jahrhundert erhiel-
ten. Die Stadt erblühte so rasch, dass die Anlage schon
um 1260 als mustergültig angesehen imd namentlich
die bei den Koliner Befestigungswerken eingehaltenen
Masse bei Jarmeritz in Mähren und bei anderen Städten
nachgeahmt wurden. Genaue Nachrichten über die Bau-
führungen sind weder der Stadtmauern und des Schlos-
ses, noch der Pfarrkirche, vorhanden; eben so wenig
als sieh ermitteln lässt, woher die deutschen Ansiedler
stammten. In die Zeit der Gründung der Stadt ist auch
der Anfang des Kirchenbaues zu verlegen, wenn auch
der eingehaltene Baustyl mehr an das XII. als XIII.
Jahrhundert erinnert.
Während der Regierung des Kaisers Karl IV.
wurde Kolin durch eine Feuersbrunst zum grossen
Theile zerstört, durch welche auch die Bartholomäus-
JOQ
Fig. 29. (Caslau.)
90
\
Fi-. 30.
Kirche solche Beschädigung-en erlitt, dass
der Chor abg'etrag:en werden miisste. Der
Kaiser als Schirmherr räumte deshalb im
Jahr 135] der Stadt verschiedene Rechte
ein und liess einige Jahre später den
Chor aus seinen Mitteln autliauen, wor-
über zahlreiche Urkunden vorlieg-en.
Es ist daher nur das Kirchenschiff
mit dem Thnrmbau, welche den alten
Bestand zeigt und hier a'cscliildert werden
soll.
Welche Ausdehnung- und Form der
ursprüngliche Chorbau eingehalten habe,
ist ebenso unl)ek.annt, als alle Vermuthun-
gen gewagt erscheinen. Schilf und Chor
gegenwärtig zwei von einander
bilden
vollkommen unabhängige, ganz verschiedene Gebäude
und werden in der Wirkliclikeit durch einen breiten
leeren 'W'andstreifen geschieden, welchen der Baumei-
ster des Chores absichtlich hat stehen lassen.
Das im besten Bauzustand befindliche Scliiff zeigt
Hallenform, drei gleich hohe Schiffe, an welche gegen
Osten eine Art Querhaus (jedoch ohne Ausladung von
Kreuzarmen) anschliesst , während die Westseite
durch zwei kräftige viereckige Tliürme begrenzt wird.
Zwischen den Thürmen befindet sich das Haupt-l'ortai,
durch welches man in eine Vorlialle mit darüber
angebrachter Emporkirche gelangt. Die Tliürme ruhen
gegen innen auf zwei massigen Pfeilern, an welche
sich auf beiden Seiten nocli fernere drei Pfeiler bis
zur Vierung anreihen. Jenseits derselben steht auf
jeder Kirchenseite noch ein Pfeiler, womit der alte
Bau seinen Ai)schluss erreicht hat. Die Pfeiler haben
(|uadratische Grundform, sind öi/j Fuss stark, an den
Ecken mit Kiindstäbcn eingcfasst und in iiirer Mitte an
allen Seiten dnrcli mit beinalie im vollem Kreise vortre-
tende Wandsäulen (Dienste) verstärkt. Die Riiudstäbe
und Dienste entwickeln sicii aus
mclirfach gegliederten Postamen-
trn und sind mit besundcni Capi-
täleii verseilen , oberhall) (lers(d-
bcn ein gemeinschaftlicher Sims
jeden Pfeiler unrzieht. Alle Wiil-
hinigen sind mit Spitzlxigen l)e-
schriebcn, die (iurte der Vierung
aber nnt llaliikreiscn, so dass an
dieser Stelle eine etwas erhöhte
Kuppel besteht.
Die lliilienmasse erscheinen
in Anbetracht der übcrki'ätligcn
Pfeiler und geringen Scliitfweiten
gedrückt und bleiben selbst hinter
denen der Iglaiier Pfarrkirche
/.iiiiick. Dil' Scheitelhöhe der (ie-
willbe beträgt ;i!l Fuss und nur
die Kupjtel über der Vierung
steigt bis auf 42 Fuss an.
Eintretend in das Innere,
wird der Besucher durch die sehr
schweren, altertliMnilicIieu \v\-
liältnisse überrascht, welche sich
im architektonischen Gerüste aus-
sprechen: er glaubt sich in eine
Fig. 31. der ältesten romanischen Kirchen
;■[;
il :::ii|"
\ 3I
1!|
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Fig. 32.
versetzt und erst eine eingehende Betrachtung der Orna-
mentik wird ihn dahin bringen, hier einen Übergangs-
bau zu erkennen. Diese Ornamentik ist auch der bewun-
deruugswürdigste Theil des Gebäudes und ein sehr
charakteristisches Zwischenglied im Reiche der früh-
gothischen Decorationskunst. Die ^Motive sind der Pflan-
zen- und Thierwelt entnommen und ziemlich dieselben,
welche wir in Hradist', St. Agnes in Prag und in Tisch-
nowitz kennen gelernt haben; die Behandlung aber ist
eine ganz andere, indem die plastis(die Abrundung
zurücktritt und eine mehr naturcopirende Richtung
platzgreift. Dabei ist die Ausführung höchst vollendet
und wird in der folgenden Periode nicht wieder zu
solcher Gediegenheit geführt. Auch die Sculi)tur, in
Böhmen von je etwas vernachlässig-f, nimmt einen er-
freulichen Anlauf und spricht sich in Reliefs und runden
titatuen aus.
Die Kirche hält folgende Hauptmasse ein:
Länge des alten Theiles von der Thurmwand
bis zum Beginn des Neubaues jenseits der
Vierung, im Licht 10.^ Fuss
Länge eines Joches von Achse zu Achse . . D)'/o ,,
Weite des Hauses .... 50 ,,
Weite des Mittelschiffes zwischen den Pfei-
lern ^l'Ar
Weite je eines Seitenschiffes i;)i/4,.
Stärke der (piadratiscdien Pfeiler ^'/ä"
Pfeiierliöhe mit Einsclduss der Capitäle . . , 29 „
Stärke der Umfassungsmauern 5 ,,
Trotz dieser aussergewöhnliclien Pfeiler- und
Mauerstärken und geringen Spanuweiti'u scheint sich
der l'aumeister nicht ganz sicher gefühlt zu haben,
weshalb er die Umfassungsmauern noch durch Strebe-
pfeiler verstärkte. Diese bauen sich als freie quadra-
tische Pfeiler auf und schliessen mit Viertelsixigen an
das Langhaus an, so dass Durchgänge geliildet werden.
Die Fenster sind schmal und meist einfeldig, 18 Fuss
im Lichten hoch und 1 '/o Fuss breit. Einige mit
Stal)werken versehene Fenster sclu'inen einer spätem
Zeit anzugehören.
Das llaupt-i'ortal niinmt an der Aussenseite bei-
nahe die ganze Breite des Mittelscliitfes ein und ist
von einem reichen Gewände umzogen, in dessen
Kciilen neben allerlei Blunu'u und Laubwerken viele
lig. ;J3.
23 —
Statuen, musioirendc Eiiirel, Heilige, vielleicht auch Die Ciior-Partie jenes schon vielseitig gewürdigten
Donatoren, augebracht sind. Wenn auch sehr verwittert, Praditbaues wird im dritten Tlieilc unseres Werkes, so
lässt sich in diesen Gebilden ein Streben nadi belebter anstührlich, wie sie es mit Recht verdient, besprochen
Stellung und naturgemässem Faltenwurf nicht ver- werden,
kennen.
(Fortsetzung folgt.)
Zur 0 s w a 1 (1 1 e ff e 11 d e.
Von A. R. V. Perger.
Ein König Oswald lebte im VII. Jahrhundert zu
Verona. Er ist aus den Legenden der heil. Truterca
bekannt, die in ihrer Frömmigkeit vor seinen Liebes-
airträgen in eine Höhle floli, in welcher die Spinnen
ein so dichtes Netz um sie woben, dass sie dew
suchenden Oswald gänzlich verdeckt wurde.
Ein anderer Oswald war in demselben Jahrhundert
König von Northumberland. Er folgte seinem liruder
Ethelfred im J. 634 in der Regierung, schlug den
König Kedwalla bei Heavenfield, berief dann den
schottischen IMönch Aidan , welcher Lindisfarn (d. i. die
heilige In.sel) zum Wohnsitz wählte und die Einwohner
zum christlichen Glauben bekehrte.
Die Geschichte dieses Königs von England wurde
vom heil. Beda aufgezeichnet und sein Festtag fällt
auf den 5. August. Er wird auf einem Thron dargestellt
und hat einen Raben auf der Hand sitzen, der einen
Ring (oder eine Gurte) in dem Schnabel hält >.
Im Jahre 99:? starb Oswald , Erzbischof von York,
der in Frankreich Benedictiner geworden war und drei
theologische Schriften rerfasste. Er wurde später als
Heiliger erklärt und man bildet ihn ab, wie er armen
Pilgern die Füsse wäscht. Sein Fest wird am 28. Fe-
bruar, oder wenn ein Schaltjahr ist, am 29. desselben
IMonats gefeiert.
Um das Jahr 1008 lebte zu Worchester ein Bene-
dictinermönch Namens Oswald, welcher vier geistliche
Werke schrieb und die vornehmsten Klöster von
Frankreich und England besuchte. Wegen seiner
ungewöhnlichen Kenntnisse wurde er aber auch, wie es
in jenen Tagen nicht selten der Fall war, für einen
grossen Schwarzkünstler gehalten. Am 3. December
1099 starb Oswald, Bischof zu Salisbury. Er war mit
Wilhelm dem Eroberer nach England gekonunen und
verfasste die Lebensgeschichte des heil. Adelin.
Im XII. Jahrhundert war ein Oswald Abt zu Mal-
rose, der dann auch heilig gesprochen wurde. Um das
Jahr 1450 wurde der Karthäusermönch Oswald, der
zu Paris studirt und drei theologische Werke verfasst
hatte, zum General - Proviucial von England ernannt;
und so Hessen sich noch viele geschichtlich bekannte
Oswald's anführen, bis zu dem Österreicher Erasmus
Oswald, welcher die hebräische Sprache und Mathesis
lehrte, den Beinamen „Schreckenfuchs'* trug und im
Jahre 1597 starb, u. s. f.
Eben so wichtige Belege als Persönlichkeiten sind
auch Ortsnamen. So finden wir gleich im Viertel ob dem
Mannhartsberg ein Dorf St. Oswald. In Steiermark ist
ein St. Oswald im Freiland in dem Bezirk Mährenberg,
und der dort vorüberfliessende Bach heisst der Oswald-
graben-Bach. In der Probstei Murau ist die Kirche St.
Oswald im Krakau, in der Vogtei Zeiering befindet
'Auch in Burgmair's „Heiligen" ist auf Blatt 79 der heil. OiivalJ
abgebildet.
sich die Kirche St. Oswald in Zeiering, wo schon im
Jahre 1335 ein Pfarrer war. Ferner ist in Steiermark
eine Oswalds-Kirche im Bezirk Blankenwerth , eine im
Bezirk Reiffenstein (Pfarre Ponigl) , eine in der Nälie von
Cilli, u. s. w.
In Kärnten erscheint der Name Oswald ebenfalls
nicht selten und hier ist besonders der, 3052 Fuss hohe,
Oswaldiberg bei ^'illach anzuführen. Dann sind noch
zu nennen : St. Oswald in der Wiege , St. Oswald ob
Hornburg, St. Oswald ob Kleinkirchheim (bei Millstadt),
St. Oswald in der Sommerau bei St. Leonhard, u. s. f.,
und sogar in den Gruben von Bleiberg befindet sich ein
St. Oswald-Stollen.
In Passau wurde die Augustiner-Probstei St. Oswald
im Jahre 139G von Johann Landgrafen zu Leuchten-
berg gestiftet. Die Kirche wird häufig von Wallfahrern
besucht und unter dem Hoch-Altar sprudelt eine heilthä-
tige Quelle hervor.
In der Sciiweiz befindet sich in der Vogtei Trach-
selwald auf einem Berg ein St. Oswalds-Hof, ein zweiter
solcher Hof liegt in der Glarnerischen Vogtei Werden-
berg.
" In Tyrol steht auf der „Gaid" , einer Hochebene,
ein Dorf St. Oswald und eine St. Oswald-Kirche. Ein
anderes Dorf dieses Namens liegt bei Kasteireut. Dit
berühmteste St. Oswalds-Kirche steht aber auf dem
Ifinger und von ihr wird noch später die Rede sein.
Im Elsass liegt zwischen der Breusch und Magel
ein Meierhof St. Oswald, der einst den Herren von
Mundolzheim gehörte.
In England kennt man die Oswald-Steine (Osbaldi-
stones), in der Grafschaft York befindet sich ein Osbald-
w^ck und in Lancashire in Schottland steht nächst dem
Hause der Familie Lee eine Einsiedelei von sehr hohem
Alter, welche die St. Oswalds-Capelle genannt wird. Ja
scilist bis nach Siebenbürgen hat sich der Ruf des heil.
Oswald verbreitet und zwar befindet sich im Szolnoker
Coniitat ein walachisches Dorf dieses Namens mit einer
Pfan-ei von nicht unirten Griechen '.
Zufolge dieser grossen Verbreitung in so verschie-
denen Ländera dürfte es nicht unwesentlich sein, etwas
ausführlicher über Oswald zu sprechen und zwar um so
mein- als in Grimm's „Mythologie-' (II. Ausgabe von
1844, siehe den Iudex) der Name Oswald gar nicht
vorkommt.
Ich muss hier noch vorerst an ein Gedicht erinnern,
welches im XII. Jahrhundert geschrieben wurde und die
Überschrift trägt : „Sant Oswaldes Leben'' s. Der Inhalt
dieses Gedichtes ist, in wenigen Zeilen folgender:
Oswald, König von England, grämt sich, dass er
keine Frau besitzt. Da kommt der Pilgrim Warmund
- Auch in der Accademia delle belle arti zu Venedig ist ein Oemäldo
von Bonifazio Veneziano , welches den heil. Matthaus und den König 0-''wald
mit Krone. Scepter und Sciiweri darstellt.
' Herausgegeben von Ludwig EttmüUcr. Zürich 1835, 8°.
— 24
an seinen Hof und schläg-t ihm vor, die schöne P:uuig-e,
Tochter des Heidcnkünigs Aaron, zur Gattin zu begehren.
Da jedoch niemand diese gefährliche Werbung über-
nehnu-n will, weil Aaron jedem Werber sogleich den
Kopf abschlägt, wird der Rabe abgeschickt, den Oswald
-n seinem Hofe erzog. Der Kabe fliegt zu Aaron. Kaum
hat er aber die Werbung augebracht, so lässt der König
Thüren und Fenster schliesseu, der Eabe wird gefangen
und gebunden und eben als er gehängt werden soll,
erscheint Prinzessin Paniige und erbittet das Leben des
Voo-els. den sie mit in ihr Kämmerlein nimmt, wo sie ihm
einen goldenen Pang gibt, den er dem König Oswald
bringen soll.
Der Rabe fliegt heim und Oswald zieht mit semem
Heere aus um sich die Braut zu erkämpfen. Aber im
Morgenland angekommen , geht es Oswald's Kriegern
so schlimm, dass ein Engel nach Oswald's 8chloss fliegen
niuss. um den Raben zu holen, durch dessen List dann
die Prinzessin entführt wird. Aaron eilt den Flücht-
lingen nach, erreicht sie auf dner Insel und nun beginnt
der Kampf.
Oswald gelobt, dass er, wenn er glücklieh nach
England zurückkäme, niemanden etwas abschlagen
werde, der ihn um Gottes Willen darum bäte, und
siegt in Folge dessen. Aaron muss sich taufen lassen
und Oswald kehrt heim und gibt den Armen ein
Freudenfest. Da erscheint ein Pilgrim und verfangt in
Folge des oben genannten Gelübdes die Braut und
das Reich Oswald's , im Namen Gottes, Oswald folgt
seinem Gelöbniss ; und siehe da , der Pilger verwandelt
sich und zeigt sich als der Heiland, der ihm Krone und
Gemahlin wieder zurückgibt.
Vergleicht man nun die in den „Acten der Heiligen"
(Bollandisten) vorkonnncnde Geschichte des Königs
Oswald mit der eben erzählten I\Lälire, so tindet man
in dieser letzteren sehr viele Dichtung und bunte Aus-
schmückung und ausser dem Namen Oswald auch nicht
die mindeste geschichtliche Übereinstimmung. Man
wird daher unwillkürfich dahin geführt, die Entstehung
des heil. Oswald, welcher fast innner auf Bergen seine
Verehrung findet, in vorclu-istliehen Zeiten zu suchen,
und das wird schon dadurch eingeleitet, dass König
Oswald stets mit einem Raben vorgestellt wird, welcher
unmittelbar auf Odin hindeutet, auf dessen Schultern
die beiden Raben Ilugin und Miinin (Deidvkraft und
Erinnerung) sasscn und ihm alles Wissenswertiie ver-
kündeten, wie denn der Rabe überhaupt als ein kluger,
vielwissender Vogel galt *.
Auch liegt der Name Oswald dem Odinswald,
Odcswald sehr nahe, wie denn übcrbaui)t noch viele
örtliche Benennungen (Odenberg, Odensburg, u. s. w.)
an diesen alten Gott mahnen.
Ferner war Odin zugleich ein Beschützer der
Emtc, weshalb man ihm Ins in die neueste Zeit Weihc-
büschel auf den .\ckeni stellen liess, um ilini für jenen
.Schutz zu danken. Es wunlc nändich eine Garbe mit
Feldblumen bekränzt nml in die Mitte der Garbe legte
man einen Kuchen oder ein IJrod als Opfer. Dieser
.Ährcnbüscliel hicss nun Odinswala oder (zusammen
gezogen) Oswald ■-. In anderen (legenden naiinien die
Männer vor diesem Büsciiel die Hüte ab und riefen:
• S. «Itriibfr MItih. (I. k. k. Cont. Comm. lid. X. p. 85. II n u p t über
elno Rolcho DAratcIlutig Im KlofldTiioiibnrgcr Codex.
* 8. A. U. V. Pcrger, ^PfUnzcnBftgcn" S. 102.
„Odin, hole deinem Pferd dies Futter". Im Schaumhur-
gischen sangen die Leute das Erntelied :
„Odin, Odin, Himmelsriese,
Der von Oben alles sieht,
Du weist alles was geschieht;
Volle Krüge hast, und Garben,
Auch den Wald lässt du nicht darben ,
Nicht geboren, wirst nicht alt,
Odin, Odin, Odin."«
Da Odin oder Wodan meist auf Bergen wohnte,
wurde ihm auch die schönste aller Gebirgsblumen , die
Alpenrose, in Tirol Oswaldstaude genannt, gewidmet,
die wegen dieser göttliciien Weihe auch den Blitz
anzieht, wesiialb sie auch Donnerrose genannt wird
und man sie niemand schenken darf, den man liebt, da
dieser dann vom Blitz getroffen werden könnte.
AVas nun insbesondere die St. Oswald-Kirche am
Ifinger betrifft, so gibt es von derselben wieder eine
eigene Sage. Es wurde nämlich zu irgend einer Zeit
irgend ein Oswald zum König von Tyrol erhoben. Da
aber die Heiden einfielen und ihn verjagten , floh er nach
dem Etschlaud auf dem Ifinger. Zu seiner Zeit gab es
nicht Krieg, noch Pest, noch Theuerung. Er hatte stets
einen Raben bei sieii und machte das Wetter '.
Auf jenem Ifinger nun, wo alles voll Alpenrosen
stand, fanden die Hirten das Bild des Heiligen und
fronmie Leute erbauten an dem Fundorte die St. Os-
walds-Capelle, zu welcher die Bauern von Schcnna und
Hafling jährlieh am 5. August hinaufsteigen, um dort
ihre Andacht zu verrichten. Dieser Ifinger ist ein Berg
mit zwei Spitzen , von denen die höhere noch nicht
bestiegen worden sein soll. Zwischen den beiden Spitzen
stand in der Vorzeit ein heidnischer Tempel, der dem
Odin geweiht war. Selbst der Bergname Ifinger deutet
auf uralte Tage zurück, denn Yvo war der gewaltige
Bogenspanner, von dem auch die Eibe (Ive) ihren
Namen erhielt, deren Aste das zäheste Holz zu den
Pfeilbögcn lii>ferte.
Des Weiteren trennte auch der Fluss Ifing das
Reich der Menschen von dem der Götter. So lieisst es
in Vaftlirudnismal (V. 16):
„Ifing heisset der Fluss, der zwischen der Gehörnen
Söhne und den Göttern fheilt den Grund. Offen wird er
fliessen dnreli alle Zeiten hin und nie wird Eis ihn be-
decken."
So begegnen wir überall Spiegelbilder aus der
ältesten Vergangenheit, die, wenn sie gleich oft sehr
verdännnert erscheinen , doch einen hohen Grad von
vaterländischem (ieifild erregen und um so mehr und
um so treuer autgt'deekt werden S(dlft'n, als selbst
Pajmt Gregor der Grosse im Jahre (iOl würllicli nieder-
schrieb«:
„Zerstört den Leuten nicht ihre heidnischen Tempel,
sonilern verwandelt sie nur in cin-istiieiie Kirchen, damit
das \()lk, wi'lches daran gewöhnt ist, solche Orter als
heilig zu betrachten, die hergebraclite Verehrung auf
das christliche Gotteshaus überirage. Die heidnischen
Feste und Opferschniäiisc aber wandelt um in fronnne
Festessen zur ICrinnerinig und zu Ehren vow christlichen
Heiligen."
'■ MühlhnsD, Trrcllginn d. D. p. 294.
' ZlngiTlo, Tirol. HiiKOti, 1.
" Jnffü, Kcgcsm poiillf. romnrior. Nr. liac.
2Ö —
Fiiiide aus prähistorischer Zeit.
Von Dr. St. V. Krzyzanowski.
t (älil 18 Holzschiiittiii)
Zu Tomaszowka am Uiev des Flusses Jatraii, Gou-
vevncuient Kiow , Bezirk Human , iu der Entfernung
von einem halben Kilometer südöstlieh vom Dori'e und
122 Fuss vom linken Ufer des Flusses Odaja, fanden die
Arbeiter auf einem geackerten Felde fünf Steine. Als
ich davon die Nachrieht bekam, fuhr ich den 25. Octo-
ber 1864 dorthin, um den Ort zu untersuchen. An der
Oberfläciie der Erde fand ich eine Backsteinschiehtc,
dann zerdrückte Töpfe und endlich in einer Tiefe von
0-GGO Mtr. in der Kichtung von Süd- Westen nach Nord-
Osten eine Reihe von fünf Opfergcfässen (Fig. 1 Höhe
0-130 Mtr., Umfang 0-405 Mtr., Durchmesser 0-151 Mtr. ;
Fig. 2 Höhe 0-1 lU Mtr., Umfang 0-425 Jltr., Durchmes-
ser 0-141 Mtr. ; Fig. 3 Höhe O-UOO Mtr., Umfang 0-3S5
Mtr., Durchmesser 0-128 Jltr.; Fig. 4 Höhe 0-0(J5 Mtr.,
Umfang 0-250 Jltr., Durchmesser 0-OSO Jltr.; Fig. 5
Höhe 0-060 Mtr., Umfang 0-250 Mtr., Durchmesser
0-080 Mtr.) aus gelbem gebrannten nicht glasirten Thon,
von verschiedener Grösse und Form und einen ähnlichen
Deckel (Fig. 6 Höhe 0.060 Mtr., Umfang 0-250 Mtr.,
Durchmesser 0-080 Mtr).
Alle diese Gefässe waren umgestürzt und entliiel-
ten eine mit Erde vermischte Asche. Der Ausgrabungs-
ort war 2-025 j\Ietr. breit und 3 Metr. laug. In der
Entfernung von einigen Schritten davon, in der nord-
westlichen Richtung befinden sich zwei unbedeutende
Hügel.
In einem von den zahlreichen Hügeln der Umge-
gend von Mierzwin, Gouvernement Kiow, Bezirk Lipo-
wiee, hat man im 'Jahre 1864 einen Opferkrug aus gelbem
gebrannten nicht glasirten Thon ausgegraben. (Fig. 7
Höhe 0-140 Mtr., Umfang 0-350 Mtr., Durchmesser
0>11G Mtr.).
Im Jahre 1871 habe ich in einem Hügel zu Jozt fpol,
Gouvernement Cherson, Bezirk Ananiew, in der Tiefe
von 3 Mtr. drei Opfcrgefässe, Fig. 8, 9, 10, aus gel-
ebranuten nicht glasirten Thon aus schwarzer
bem
^ebi
len Verzierun
gebrannter nicht
lasirter Erd(
am Rande
mit einer spiralfiimii-
(Fig. 8 Höhe
ansf^egrabeii
0-170 Mtr., Umfang 0-515 Mtr., Durchmesser 0-171 Mtr.,
Fig. 9 Höhe 0-100 Mtr., Umfang 0-345 Mtr., Dureh-
messer 0-115 Mtr.; Fig. 10 Höhe 0-070 Mtr., Umfang
0-245 Mtr., Durchmesser 0-()81 Mtr.). In der obern
Schichte der Erde befanden sich Menschen- und Pferde-
skelette, zwischen ihnen ein tatarisches ringförmiges
Elfenbeinamulet.
Im Jahre 1868, beim Ackern an der Oberfläche eines
Hügels bei Rososze am Ufer des Flusses Udycz, Gou-
vernement Podolien, Bezirk Haysyn, fand der Ackers-
mann ein gläsernes kugelförmiges Thränengefäss Durch-
messer 0.Ö40 Mtr. Leider hat es der habsüchtige Bauer
in der Hoffnung, darinnen Geld zu finden, zerschlagen.
Vor einigen Jahren fand man zu Kuna an den Ufern
der Flüsse Sob, Kutlitz und Knnka, (Miuvernement Podo-
lien, Bezirk Haysyn, beim Ackern eine eiserne, stark ver-
rostete Axt von 0-2 10 Mtr. Länge. Vor zehn Jahren fand
man in einem Grabhügel zu Zwiuogrodka, Gouvernement
Kiow, Bezirk Zwinogrodka verscliiedene (ieräthselialten,
von denen ich einen kupfernen, stark mit Patina bedeck-
ten Henkel besitze (Fig. 11). Breite O-lOO Mtr., llöjie
0.120 Mtr.).
1872 fand ein Bauer zu Poborka, Gouvernement
Podolien, Bezirk Haysyn, beim Ackern einen steinernen
Axthammer (Fig. ]2"Hölie OOtU) Jltr., Länge 0-215 Mtr.,
Breite 0-075 Mtr.). 1866 hat man in einem Grabhügel
zu Gfanöw an den Ufern der Flüsse Sob und Werbicz,
2G —
Gouvunieuiciit l'odolicii, IJezirk llaysyn, eine steinerne
Axt g-eiunden (Fig-. 13 Länge 0-135 Mtr., Höhe 0.055
:i[tr., Breite 0-060 Mtr.).
Im Jalire is63 habe ich einen von den 50 Grab-
hügeln, welclie sieh zu Czernowody an den Ufern der
FJü.sse Jatran und ( 'zernowod Gouvernement Kiow, Bezirk
Human, auf der .Steppe befinden, aufgegraben und fand
ein 1 Mtr. 750 Mm. breites, 2 Mtr. 318 Mm. langes und
4 Mtr. tiefes heidnisches Grab. In der Mitte desselben
A- . j'R/C^^yi-f.^y'
waren zwei Mcnschenskelette , von denen das männ-
liche mit dem Kopfe nach Westen, das weibliche nach
Osten gerichtet ist ; rechts neben diesem letzten Gerippe
lag eine blaue auf einem Silberdraht aufgefädelte Glas-
koralle, welche einem Ohrgehänge ähnlich war. Etwas
tiefer befand sich in der Erde eine steinerne glatte
inschriftlose Tafel. Alle diese Gegenstände befinden sich
in meiner archäologischen Sammlung zu Krakau.
Neueste Funde zu Carnuutum.
Von Ed. Fr. V. Sacken.
(Mit 1 Holzschnilt.)
In den letzten Jahren wurden beim Schlosse zu
l'etronell, wo bekanntlich das Municii)iumCarnunt stand,
mehrere regelmässige Nachgrabungen durch Sc. Excell.
Grafen Hugo Traun vorgenommen, die drei sehr inter-
essante Mosaikböden zu Tage förderten. Einer dersel-
ben, der sehr wohl erhalten ist, stellt in den natürlichen
Farben den sitzenden, leicht bekleideten Ganymed dar,
der den Adler des Jupiter tränkt, der zweite Or])heus
unter den Thieren, der dritte mit schwarzen Figuren auf
weissem Grunde liciter; letzterer war nur mehr theil-
weise erhalten. Die Mosaiken wurden durch den Auf-
seher des k. k. Münz- und Antiken -Cabinetes Wilhelm
Sturm sehr geschickt ausgehoben, in Cement dauernd
liefestigt und zieren nun das vom (Jrafen Traun im
Schlosse Petronell angelegte kleine Museum von car-
nnntisfhen Funden. Ferner wurden lange Siibstrnctio-
iien von Gebäuden, die (iänge mit verschiedenen (^uer-
mauern bilden, aufgedeckt; sie scheinen von ausgedehn-
ten Magazinen oder Stallungen herzurühren. Das Mauer-
werk ist sehr sorgfältig ausgeführt, mit Ziegeln, welche
Fabrikssteiiipel haben, gemauert und glatt verputzt. An
einer andern Steile des Schlosshofes, wo schon früher
viele Reste von Bauwerken zu Tage kamen, mit zahl-
reichen Marmorstücken, die zur Verkleidung der Wände
und des Fnssl)odens gedient hatten, stiess man auf ein
wohl angelegtes lIy])o(austum. Zwei Beihen der Ziegel-
pfeiler, auf denen die Suspensura ruhte, waren noch
ziemlich erhalten; die erste Ifeihe, (i Zoll von der IJm-
tangsmauer abstehend, zeigt acht I'feilerchen in der
riueht. Dieselben, bei 2 Fuss hoch, sind je aus zwölt
Ziegeln von 7 Zoll im (Quadrat aufgemauert , denen
grössere Zicgel|datten von In Zoll als Fuss- und Deck-
platte gegeben sind. Die zweite Bfeilerreihe ist in einem
Abstand von 1 Fuss li Zoll von der ersten aufgeführt.
In mehreren Sarkophagen im Cömeterium ausserhalb
der Stadt, die vermittelst Sondirung ausfindig gemacht
artigen, sehr dünn gearbeiteten Glase wenig Bemerkens-
wertHes vor; manche, darunter ein Kindersarg, waren
ganz leer, oft'enbar von den Barbaren ausgeplündert,
die gern eine Ecke des Deckels wegschlugen , um den
Inhalt der Sarkophage zu untersuchen. Bemerkenswerth
und besonders durch die rührenden Abschiedsworte,
die dem Verstorbenen in den Mund gelegt werden,
interessant ist ein grosser, (i Fuss 9 Zoll hoher Grab-
stein eines Soldaten der XV. apollinarischen Legion,
die, wie zahlreiche Ziegelstempel beweisen, lange Zeit
in Garnunt stationirt war.
Die Inschrift, welche eine Fläche von 3 Fuss Länge
einnimmt, lautet:
(' . VALEBIVS . C . F
SEK . IlEi{ . TVB
MIL LEG XV
APOLL . STIP
XVI . ANN .
XXXVI
H . S . E
VhlTE . FELICES
QVIBVS . EST . DAT
A LONGIOR . OBA
VIXI EGO . DVJI . LICV
IT . DVLCITER . AD SVPE
KOS DICITE . SI MEliVI
SIT . TIBI . TEKBA
LEVIS
Die Grabsclirilt selbst ist ziendicli sorgfältig ein-
gemcisselt, der Spruch weit liüehtiger und mit seldech-
tcren Buehslabcn, die Schlussformel in kleineren Lettern
nur auf die Fnirahmung eingekratzt. Darunter sieht
und
1 geöffnet wurden , fand sich ausser einem becher- man in llachem Belief ein kegelförmiges und ein mcissel-
— 27
artiges Instrnnient abgebildet, ui)in i>t der Stein rund.
Der hier begrabene ;!t>Jähri>:e Soldat der XV. Legion
war also Trompeter (Tubicen), aus der Tribus Sergia
und wahrscheinlich aus Heraclea gebürtig. Der Schrift-
charakter deutet auf das III. Jahrhundert. Der Stein
befindet sich in der Sammlung zu Petronell. Daselbst
sind auch zwei neuerer Zeit aufgefundene Spuljjtur-
werke aufbewahrt; das eine ist der 17 Z(dl hohe
Torso einer mit dem ärmellosen Doppelchiton beklei-
deten weiblichen Figur, welche mit beiden Händen
eine Büchse vor der Brust hält, das andere, aus schö-
nem, weissem Marmor, im Schlossgarten ausgegraben,
scheint au einem Brunnen als Postament oder Pfeiler
gedient zAi haben. Auf der Vorderiläche des viereckigen,
2 Fuss 8 Zoll hohen Steines sieht man in Relief die
Herme einer Nymphe, den, wie es scheint, schilfbe-
kränzten Kopf seitwärts gewendet, in der gesenkten
Kechten einen Lorbeerbusch haltend, in der Linken ein
Körbchen mit Beeren; um die Lenden ist eine Nebris
geschlungen mit herabhängenden Ziegenfüsseu (s. die
beigegebene Figur). Es ist eine gute Arbeit aus bes-
serer Zeit. Jede der Seitenflächen schmückt ein nach
abwärts gekehrter Delphin. Kückwärts hat der Stein
eine breite Rinne der Länge nach herab, vielleicht für
das Brunnenrohr , auf der oberen Fläche zwei Löcher
für Zapfen zur Befestigung eines zweiten Steines.
An der Abdachung der Anhöhe, auf welcher das
Lager steht, gegen Deutsch-Altenburg, ganz nahe bei
letzterem Orte wurde schon i. J. 1848 ein in seinem
Grundrisse vollständig erhaltenes Bad mit seiner in
den Boden gesenkten Wanne aufgedeckt '. Etwa 100
Schritte von dieser Stelle entfernt fand man im October
1872 die Substructionen eines zweiten Bades in einem
ausgedehnten Mauerwerke von complicirter Anlage.
Deutlieh zu erkennen ist der geräumige Heizplatz, in
den aus einem anstossenden Gemache, von dem noch
der Fussboden erhalten ist, eine schmale Treppe hinab-
gettihrt zu haben scheint. Von dem Praefurnium gehen
nach zwei Richtungen die gewölbten Canäle aus , welche
die erhitzte Luft den Hypocausten unter den verschie-
denen Räumen zuführten, und zwar gegen Norden drei
von 20 Zoll Höhe in Abständen von l'/s Fuss, gegen
Süden zwei, von denen aber einer in geringer Tiefe in
alter Zeit mit Ziegeln verlegt wurde. Weiter gegen
Südo.st liegt, tiefer, ein halbkreisförmiges Becken,
vielleicht eine Art Labrum, dessen Cementverputz durch
Ansatz von Kalksinter zeigt, dass es längere Zeit
hindurch Wasser enthielt. Von diesem Raum läuft ein
Canal, zu dessen Ausmauerung zum Theil auf einander
gelegte Dachziegel verwendet wurden, mit ziemlichem
Gefälle in westlicher Richtung, nördlich stösst daran
ein höher gelegenes Gemach mit erhaltenem Fussboden.
An dem nördlichen, höchst gelegenen Ende des in einer
Länge von e. 6 Klaftern aufgegrabenen Mauerwerkes
fand man noch die Bleiröhre der Wasserleitung. Es ist
also kein Zweifel, dass wir es mit einer Badeanlage zu
thun haben; dass es ein Militärbad war, geht aus den
Stempeln der Ziegel hervor. Diese sind theils von der so
lange hier stationirt gewesenen XIV. Legion , theils von
der ersten, mit der seltsamen Aufsclirift : LEGIVDL '.
Sehr beachtenswerth ist der Fund eines Säulen-
fragmentes mit Inschrift, das auf dem Mauerwerke
■ SiTzungsb. <i. kais. Akad. d Wissenschaft. IX, S. 689, Taf. Vt, 3.
- D. i. I-egio I adjutrix, wol-ei das A vcrki.-hrt ist, wie es auch auf
Ziegeln von O Szöny uebeu solchen mit jichtig geslclltcm A voikoiuint.
neben dem Praefurnium lag. Das etwa.s verjüngte
Säulenstück, 20'/.. Zollhoch, 11 Zoll im unteren Durch-
messer, aus Leithakalk gearbeitet, bat oben zwei
Ringe, auf welche wohl das Capital folgte, das aber
nicht gefunden wurde. Die in reinen Buchstaben eiuge-
meisselte Inschrift lautet:
I . 0 . M . H
C'ORN .
VIT ALIS
TRß . MIL .
LEG . XIIII G
I . D . F .
D. i. : Jovi optimo maxinio Heliopolitano Cornelius
Vitalis tribunus militum legionis decimae quartae gemi-
nae, jussu Dei fecit.
In der spät römischen Zeit, die allerwärts nach
einem religiösen Halt suchte, war die Verquickung
fremder, meist orientalischer Culte mit den hciniisclien
an der Tagesordnung und so entstanden namentlich
die Nebenformen des Jupiter mit dem ägyptischen
Sarapis und dem syrisciien Sonnengotte, letztere als
Jupiter Dolichenus und Heliopolitanus. Der phönicische
Zeus von Heliopolis war der Specialgott der Berytenser
und in einer neapolitanischen Inschrift nennen sich
die zu Puzzuoli weilenden Phönizier aus Berytus „Cul-
tores Jovis Heliopolitnni" s. Andere Widmungen au ihn
finden sich von Connnodus zu Rom * und von einem
Centurio der IV. Legion zu Deva in Siebenbürgen 5;
auf einem zu Rom befindlichen Steine wird er „Conser-
vator imperii D. N. Gordiani pii" genannt «. Der Befelils-
' Orelli . p. 210.
» Kbd. M.S5
' Hulletino dcll' istituto di currisi". nrcheo ISiS, p 130.
' Orelli, 56J2.
4*
— 28 —
haber der vierzehnten Doppel-Legion Cornelius Vitalis,
der diese Widmungsinschrift auf die Säule setzte,- war
vielleicht auch ein Phönizier, deren sich besonders in
der XV., ebenfalls in Carnunt stationirten Legion befan-
den. Die Formel ,.Jussu Dei fecit" kommt nicht häufig
vor, vollständig ausgeschrieben in einer dem Jupiter
Dolichenus geweihten Inschrift zu Piom ', cl)cnso in
einer dacischeu Inschrift, wie auch die Formeln: Jussu
Deae, jussu Deoriim, jussu Proserpinae u. s. w. s.
Der in verschiedenen Richtungen interessante Stein
>vurde für die epigraphische Sammlung des k. k. Anti-
kencabinetes erworben.
Herr Jaroliniek, Director der Nadelf:\l)nk in ILiin-
burg, hat sich freundlichst erboten, von dem aufgegra-
benen Bade einen Plan nebst Profilen anzufertigen, nach
dessen Einlangen der Fund ausführlicher besprochen
werden wird.
Koch sei hier des Bruchstückes einer Inschrift
gedacht, die in dem noch stehenden Bogen des Janus
l)ei Petronell eingemaueit war. Im Jahre 1868 wurde
an diesem Bogen eine sehr zweckmässige Restauration
mit Futerstützung der k. k. Central -Commission, Sr.
Excellenz des Herrn Grafen Hugo Traun und des Herrn
A. Widter vorgenommen. Die an der Westseite über dem
Bogen noch erhaltenen Tragsteiue der Attica sammt dem
darauf rulieudcn Mauerstücke drohten nämlich lieiabzu-
stUrzen, wodurch das Denkmal seines letzten architek-
tonischen Schmuckes beraubt worden wäre. Das ganze,
viele Centner schwere Stück ruhte nur mehr auf einer
einzigen Steinplatte; da wurde es von dem Maurer in
Petronell auf sehr geschickte Weise mit eisernen Stützen
unterfangen, die tiefer unten in den festen Mauerkörpei*
eingesenkt und mit römischen Ziegeln ummauert wurden,
wodurch der Bestand des Gesimses wieder für lange
gesiciiert .erscheint. Bei dieser Procedur, durch das
Anziehen der Bolzen, fiel die erwähnte letzte stützende
Platte herab und erwies sicli als das Bruchstück eines
Inschrift-Steines, der mit der Schrififiäche nach einwärts
gekehrt war. Von der Inschrift ist nur mehr der untere
Theil erhalten :
LLS . L
ADAVCT
AGISTRI . COL . V . . .
NORV . CENTONARI
ORV . I . S . P
Adauctus . . . niagistri collegii veterano-
rum centonariorum impensis suis posuerunt.
Ein Freigelassener Adauctus, der seiner Gattin
Quinctia, Freigelassenen des Publius, einen Grabstein
errichtete, kommt in einer zu Petronell gefundenen
Inschrift vor '. Der oben genannte war einer der Meister
der aus Veteranen bestehenden Gilde der Flickschnei-
der, die, als eine Nebentruppe, die Soldatenmäntel,
Zelte, Placiien über die Wägen u. s. w. zu verfertigen
hatten. Der Stein war otfenliar bei Erbauung desBogens
als Bau-Materiale verwendet worden, rührt daher aus
weit früherer Zeit her, als dieser.
Röuiisclies aus Kärnten.
Von Ed. Fr. V. Sacken.
Wer das Museum zu Klagenfurt in seiner jetzigen
liiil)schen und zweckmässigen Aufstellung, um die .sich
besonders Herr Ritter v. Gallenstein verdient gemacht
hat, besucht, wird erstaunt sein ül)er die gTosse Menge
von Utensilien und Geräthschaften aller Art aus guter
römisclier Zeit, die hier zusammengebracht sind. Ein
besonderes Interesse bieten die zahlreichen degen-
stände aus Eisen, unter denen sich gar manche befinden,
die man kaum für antik halten würde, wären sie nicht
mit unzweifelhaft römischen zusammen gefunden worden ;
und die Bedeutung mancher, an anderen Orten aufge-
fundener, in ihrer Vereinzelung schwer zu erklärender
Stücke wird hier durch andere klar. Vor allen anderen
ziehen drei eiserne Schwerter die Anfiiierksiitiikeil auf
sich, da solche bekanntlich zu den grössten Seltiniieiten
gehören; die Klingen derselben sind \X — :.^0 Zoll lang,
:•; Zoll breit, von der Wurzel bis zur jähen Zusi)itzung
gleich itreit, mit 4 Z. iangiMi Griffangeln versehen. Die
Sjiitze des einen steckt noch zum 'liieil in tler diinnen
Bronzesciieide. Wir haben liier das echt röniische
Sehwert vor uns, im Gegensatze zu den niclit-römi-
sclien , bronzenen Schwertern, mit schilfblattförmiger
Klinge, <\U- ho häufig vorkonmien.
Ein zweiter, üherrasciiender (iegenstand ist ein
Hingpanzer oder Drahthenid, aus sehr feinen Ringen
von i'/z Linien Durchmesser, deren jeder vier andere
in sieli aufnimmt, bestehend, also genau wie die Ring-
geflechtc des späteren Mittelalters, deren Frs])ning
' Oruler, XX, 6. Vgl. den von I,azla» publlclrtdn , In Ungarn gi fun-
den^n Bitulonrormlgeo Insf hrlflBleln, el>d. XllI, 0.
' .Mnrntorl CI, 3, CIX, », CXLI, 6, CXI.II, 8.
gewöhnlich dem Orient zugeschriehen wird, die aber,
wie aus mehreren Denkmalen hervorgeht, schon die
Römer kannten. So trägt ein blos im Torso erhaltener
römischer Krieger im Louvre unter der Lorica ein ge-
floehteiies Rinj;hemd; desgleichen sieht man auf einem,
ein Taurobolium darstellenden Relief im Louvre zwei
Soldaten mit echt römischen Helmen in vollständige
l'anzerhemden gekleidet. Das freilich nur in einzelnen
zusammengebackenen Stücken, die aber doch das (be-
lüge deutlieh erkennen lassen, erhaltene Panzerhemd
im Museum zu Klagenfurt ist aber das einzige, mir
bekannte Original.
Ferner findet man hier alle Arten von Thürbe-
schlägen : Angeln , Tliürbänder und Kegel , so wie
Schlossbleche von l'.isen und Bronze; die Schlüssel-
löelier haben die Gestalt eines F oder T. In vielen
l'.lättern stecken noch die grossen, c. 5 Z. langen Nägel,
die in einem Abstände von '.'> Z. vom Kopfe umgebogen
sind, wodurch das Schlossblatt sehr fest an die ilolz-
thüre, deren Dicke sich hieraus bemessen liisst, befe-s
sfigt wurde. Mit derartigen Nägeln scheinen die Tliüren
selbst beschlagen gewesen zu sein, wie aus ihrem
massenlinften Vorkomnien erhellt. Von den Schlüsseln
mit rc'elMwinkligeiii Harte sind einige von Eisen mit
(iritfen von lironze; letztere wurden nach dem Sperren
abgezogen und der nun nicht mehr drehbare. Bart blieb
im Schlosse stecken; behufs des Aufsperrens wurde
der Griff wieder angesteckt. Sehr inerkwünlig sind
« llormayr. Archiv IHin, S. 033.
■•nsclian. IX, S. 718, Nr. I.VII.
Sltzuhgiib. il, kni». Akiirl, d, \\ ih
29 —
sodann die verschiedenen AYerkzeug'c : Grosse ftäge-
bUitter (eines 4 F. 8 Z. lang) mit geschränkten Ziiii-
nen, Äxte, Hämmer, eine grosse Schaufel mit eisernem
Stiele, kleinere Scliauleln, die iiölzerne Stiele hatten,
Reilmesser und kleine iMesser, Jleisscl, eine sehr (eine
Feile , Mauerhaken , Zangen und Nägel. Noch zu
erwäiineu sind Keife von Gelassen, ein langes Draht-
geflechte und ein Vorlegschloss nebst vielen Eisen-
stllckcn rätliselhafter Bestimmung, zum Theil von selt-
samer {""orni, ein 8 Zoll grosser, hutfönniger Schild-
buckel, Lanzen und rteilspitzen.
Elienso fallen die in einem zweiten Schranke des
Museums aufgestellten zahlreichen Geschirre aller Art
auf, eine Anzahl von thönernen Schnielztiegeln, endlich
Mineralfarlien in Kugeln: Eisenocker, brauner Ocker,
blaue Kugeln aus kieselsaurem Kupfer-Oxyd, nebst dem
Ileibsteine und dem sehalenförmigen, noch Ocker ent-
haltenden Farbentopfe.
Unter den zahlreichen römischen Schmucksachen
und Geräthen aus Bronze, den eigenthlimlich geformten
Besciilägstücken und anderen Anticaglien zeichnen sicli
zwei Hänge-Lampen aus, Platten von 4 Zoll Durchmesser
mit einem Gerüste, an dem die Kettchen zum Auf-
hängen befestigt waren; in die Üftuung in der Mitte
der Flatte wurde das Olgefäss eingesetzt.
Die meisten der erwähnten Gegenstände wurden
gefunden bei den systematischen Nachgrabungen, die
der kärntnerische Geschichts-Verein in den Jahren 1807
und 18G8 auf dem Helenen- oder Magdalenenberge
unter Leitung des Archivars Alois Weiss veranstaltete,
über die der Vereins-Secretär Kitter v. Gallenstein
in der „Carinthia'' ausführlichen Bericht erstattete.
Die Nachgrabungen wurden an zwei Stellen vor-
genommen und ergaben an diesen Funde von verschie-
dener Art.
Die eine, sorgfältig untersuchte»Stelle ist an der
Ostseite und Nordostseite des Berges. Hier kamen
lange Reihen kleiner Bauwerke zum Vorschein, im
Ganzen vierzig, fast durchgängig Rechtecke von 5 — 9
Fuss Länge und fast eben so breit; nur fünf derselben
sind rund. Nirgends erkennt man einen Eingang, obwohl
die einen Fuss dicken Mauern zum Theil noch 4 — 5
hoch sind. Im Innern erwiesen sie sich mit einem feinen
Mörtel verputzt, in einigen sah man noch Spuren von
Wandmalerei. Fünf und zwanzig dieser kleinen Ca-
pellcheu lagen in einer von West nach Ost laufenden
Linie.
Die Vorkommnisse in diesen kleinen Bauten waren
bei allen ziemlich gleich: Unter dem Schutte eine
schwarze, mit Kohlenstücken vermengte Modererde,
welche Gefässe aller Art (Urnen, Becher, Schalen,
Schüsseln), kleine Giasgefässe ('riiränentläschehen) und
verscliiedene Anticaglien aus Metall enhielt. Unter letz-
teren sind am häutigsten Schmucksachen, wie Fibeln,
Nadeln, Ringe, ferner Fragmente von Spiegeln, Messer
aus Eisen, auch Nadeln, Löft'elchen, Knopfe etc. aus
Bein fehlten nicht. Knochen von Menschen und von
Tliieren waren ebenfalls in dieser Schichte. Ein solches
Bauwerk enthielt eine Urne aus Stein mit Deekel, in
derselben halbverbranute Knochenreste und ein Thrä-
nentiäschchen, dabei zwei einhenklige Krüge aus gel-
bem Tlione und ein in Relief gearbeitetes Pferdciien
aus Silber. In zwei anderen fanden sich plattenförmige
Feuerstellen. Ein Gemach ergab nur Gegenstände , die
von Frauen gebraucht werden: Spiegel, Nadeln von
Bein, ein anderes nur wenige Bronze- und Eisensachen,
dagegen 15 ganz erhaltene, wohl gebrannte (icschirre
(1 grosse Urne aus schwarzem Tlion, (> einhenklige
Krüge mit dünnen Hälsen, :i Schalen und 1 Teller aus
rothem, 4 Teller aus schwarzem Thon). \'on Münzen
fand man nur eine Mittelbronze von C. Caesar (Caligula)
vom Jahre 37.
Diese Gebäude erwiesen sich durch die niitgefun-
denen Steine mit Funerär- Inschriften , die zum Theil
die Räume bedeckten , mit der Sclirift nacii abwärts
liegend, unzweifelhaft als Gräber. Es werden in den
beiden Berichten vier dieser Grabschriften niitgelheilt;
alle besagen, dass die Stifter das Denkmal den Ihrigen
bei Lebzeiten errichteten. In zweckmässiger Weise iiess
der Geschichts-Verein auch andc^re Stellen des Helenen-
berges untersuchen, um so eine Übersiciit über die Aus-
dehnung der römischen Überreste und die Art derselben
zu erlangen.
Die Nachgral)ungen an der Süd- und Südostseite
des Berges ergaljeii in der That Resultate, die von den
bes})rochenen an der Ost- und Nordostseite wesentlich
verschieden sind. Hier kamen die Überreste grösserer
Baulichkeiten zum Vorschein, die aber nur zum Tiieil
aufgedeckt werden konnten. Der Haupt -Bau ist ein
Rechteck von Gß' Länge, 30' Tiefe, an welchen sich
ein weiterer Raum anschloss , der aber noch vom Berg-
abhange bedeckt ist. An einem Ende betindet sich ein
alkoven- oder erkerartiger Ausbau von 9 Fuss Länge,
G Fuss Breite, dessen Estrichfussboden um 2 Fuss höher
liegt, als der des übrigen Gebäudes, es ist vielleicht
die ehemalige Küche des Hauses. Der übrige Innenraum
des Gebäudes besteht aus sieben Gemächern, deren
drei die ganze Tiefe einnehmen, durch Riegelwände
aus Holz mit Mörtelbewurf von einander getrenut. Ne-
ben den Mauern lagen die Beschläge der Thüren und
deren Schlösser. Der Fussboden besteht aus geschla-
genem Lehm. In einer dieser Abtheiluugen fand man
die vielen , oben erwähnten eisernen Geräthe und Werk-
zeuge, auch Reste eines Tiegels aus Blei nebst Blei-
sehlacken , sowie einen Jlahlsteiu. In der zweiten Ab-
theilung dagegen liig»n verschiedene Gegenstände,
meist aus Bronze (Schlossbesehläge, Schlüssel , Nadeln,
Schnallen , Krüge , Kettchen) und die besprocheneu
Farben. In dem dritten, durch eine Querwand getheilten
Räume fanden sich die zwei Eisenschwerter, die zwei
Hängelampen und eine halbe Schüssel aus Bronze auf
einer stufenartigen Erhöhung. Ausser diesen drei Räu-
men enthielt der Bau noch ein grösseres Gemach von
27 Fuss Breite , mit Estrich gepflastert und ein zwei-
tes von gleicher Breite, dessen Fussboden mit einfach
schwarz und weiss gemustertem Mosaik belegt war. Im
ersten waren massenhaft Geschirrtrümmer aus schwar-
zem und gelbem Thon und von Terra sigillata. Es ist
wohl kein Zweifel, dass wir es hier mit einer Wohn-
stätte, wahrscheinlich der eines Eisenarbeiters zu thun
haben, in dessen Werkstätte sieh noch eine Menge von
Eisenwaren verschiedener Art vorfanden; es scheinen
blos die zum Handwerksbetriebe bestimmt gewesenen
Räume aufgedeckt worden zu sein, während die eigent-
lichen Wohnzimmer noch verschüttet und unausgegraben
sind.
In der Nähe, etwa 50 Schritte von dem Gebäude
entfernt, fand man eine G Zoll mächtige, 9 Fuss lange
30
Schichte von Hirse in verkohltem Zustande , offenbar als
Vorrath aufgeschüttet.
Nichts deutet hier, wie bei den früher besprochenen
kleinen Bauten an der Ost- und Nordostseite des Ber-
ges, auf Gräber, und es scheint diese Seite des süd-
liehen Abhanges mit Wohngebäuden besetzt gewesen
zu sein. Die Kesuhate, welche die mit nur geringen,
durch Beiträge von Altertliumsfreunden zusammenge-
brachten Mitteln, aber in sehr entsprechender Weise
geleiteten Nachgrabungen lieferten , sind so bedeutend
und interessant , dass es höchst wünschenswertli er-
seheint, der kärntnerische Geschichtsverein möge dieses
vielversprechende, gewiss lohnende Unternehmen fort-
setzen und durch rege Theilnahme und reichliche Mittel
unterstützt werden.
Arcliäologisclies aus Vorarlbera:.
v.,n Ed. Pr. V. Sacken.
(.Mit 3 Holzsshuittfii.)
Zufolge der Mittheilungen des Correspondenten zu
Hard bei Brcgenz, Herrn 8. Jenny waren die Ausgra-
bungen, welche das vorarlbergische Landesmuseuni auf
dem Boden des römischen Br ig an tium veranstaltete,
von bestem Erfolge begleitet, indem ein zwar kleines,
aber in seinem Grundplane ganz erhaltenes römisches
Bad aufgedeckt wurde. Wie der nebenstehende, derLan-
deszeitung entnommene Holzschnitt (Fig. 1) zeigt, sind
die einzelnen Baderäume in ihrer typischen Anlage sehr
deutlich zu erkennen und wir finden sie genau so
angeordnet, wie an dem i. J. 1848 bei Deutsch-Alten-
burg aufgedeckten Könierbade ', woraus ersichtlich
wird, wie die Körner allerwärts bei ihren Bauwerken die
gleiche Praxis einhielten. Alle Bäume ausser einem (VI)
haben Hypocausten, sehr sorgfältig ausgeführt, indem
auf die Sandstein-Säulehen 2" dicke Platten so aufgelegt
sind , dass jede Ecke einer Platte ein Viertel der Ober-
fläche des Säulcnko])fes deckt, daher die Tafeln zusam-
menstosseu. Unverkennbar ist der Kaum H das Apody-
terium, in welches man durch die Eingangspforte I
gelangte. Aus diesem Vorräume und Auskleidezimmer
ging der Badende zu grösserer Erwärmung und Vorbe-
reitung zum eigentlichen Dampfljade in das Tepidarium
ni mit .seinem erwärmten Fussbodcu und hierauf in
das Sudatorium (Caldarium), IV, welches am nächsten
dem Heizraume VII liegt. Die Hitze strömte aus dem
Praefurnium durch einen noch sichtbaren Canal unmit-
telbar unter die Suspensura dieses Gemaches und stieg
in den die Mauern verkleidenden, miteinander connnuni-
cirenden Köhren, von denen hier noch viele Trümmer
liegen, empor. In der halbrunden Nische stand wohl
das Labrum mitAVasser zum Besprengen und theilweisen
Abkühlen des Körpers. Daneben ist der Alveus V zum
Warmbaden; zwei Stufen führten zu der AVanne, deren
Abfluss noch zu erkennen ist, hinauf, in derselben
befindet sich wieder eine Stufe, um sich darauf zu
setzen. Am besten erhalten ist die Piscina VI, eine mit
Cement ausgemauerte und wegen des Wasserabflusses
mit stark geneigtem Fussboden versehene Vertiefung,
in welche Stufen aus flachen Ziegeln hinabtühren. Hier
ist natürlich kein Hypocaustum. AVohl aber findet sich
ein solches in dem Gemache A'III, welclies als Apody-
terium für die blos kalt Badenden gedient zu haben
scheint, vielleicht aber auch ein Wohnzimmer des
anstossenden Gebäudes war, denn in unserem kalten
Klima brachten die Kömer auch in solchen Heizvorrich-
tungen an. Die Susjjcnsura ist hier besonders gut
erhalten. Wie gewölmlich besteht der Boden, der auf
den Platten des liypocaustums aufliegt, aus zwei Lagen,
deren untere ein 4 Zoll dicker, 7nit Ziegelstllckchen
gemengter Kalkmörtel ist, auf
welclien die obere r^age
Sll/.un)i>b. <r. kalii. Akail 'I WIssrnKclitCl IX'. l'aC ir.
von feinem Kalk folgt. In diese sind die Würfel des
Mosaiks eingedrückt, mit dem das Gemach gescinnückt
war. Dieses ist blos en grisail gehalten , schwarze
Ornamente auf weissem Grunde. Ein anseimliches Stück
da\dii \vur(le in das Museum zu Brcgenz geliracht.
Für die Tojjograpiiie und das eiiemalige Cultur-
leben Brigantiums ist die Entdeckung dieses Bades von
hohem Interesse.
Gorrespoudent Jenny berichtet ferner über Fluide
von niciit niniiselien l>r(in/,e-(!egensl;iii(lei) , von denen
noch vor ungelahr zehn Jain-eii in N'oiarlberg gar nichts
bekannt war, die aber beweisen, dass auch hier
dieselbm l'"'ormcn von solchen vorkommen , wie in ganz
Mitteleuropa. Folgende kamen in den Besitz des
]>regenzer Museums:
1. Ein Schwert aus Mauern im Fiirstunthnm
Liechtenstein, mit schilfhlattförmiger Klinge von 1!> Zoll
Länge und Griffzunge, die erluibene Ivänder hat, um
den haliinuniilliiiiiiig an die Klinge anschliessenden,
mit lo Nägeln liefestigteii (irilf .•iiifziinelimeii ; di(>ser,
bei Brdiize-Scliwerti'rn immer seiir kurz, ist hier beson-
ders klein.
31
Fig. 2.-
2. Die Spitze eines zweiten Schwertes, zierlich
vier Male gerippt, gefimdeu in Lusteuau am Kiiein,
wohin man die Schlacht zwischen den Hörnern unter
Arbetio und Vindelicieru und Khätera verlegt.
3. Zwei Lanzeuspitzen in Lanzettblattforra;
eine lOV., Zoll lang, mit vertieften horizontalen Linien
an der Tülle verziert, aus Hoiienemhs, die andere, etwas
kleinere, unverziert, gefunden tief im Torfmoore von
Mäders.
4. Zwei Palstäbe, die, jeder in seiner Art, beson-
deres Interesse bieten. Einer derselben, (j"/o Zoll lang,
hat so breite Schaftlappen, dass sie sich beinahe zu
einer Köhre zusammenschliessen (Fig. 2) und besitzt,
wie es bei den mit vollständigen Schaftröhren verse-
henen Celts gewöhnlich vorkommt, ein seitliches Ohr
zum Durchziehen einer Schnur. Das ausgeschweifte
Beil zeigt schöne Verzierungen von Kreisen mit Cen-
F\g. 3.
tralpnnkt und Stricheln. Dieses elegante Stück
wurde im Flussgerölle der Ache bei Dornbirn
5 Fuss unter dem Bette gefunden. Der zweite
unverzierte Palstab (Fig. 3) ist deshalb beach-
tenswerth, weil das Beil uuverhältnissmässig kurz ist,
was ohne Zweifel vom langen Gebrauehe und oftma-
ligen Zuschleifen bis zu dieser Kürze herrührt. Der
P'undort ist die Ruine der Heidenburg bei Gävis (bei
Feldkirch).
5. Ein Celt (gegenwärtig im Ferdinandeum zu
Innsbruck) , gefunden in der Ruine Neu-Montfort bei
Götzis.
6. Eine Dolch- oder Messerklinge mit einem
Nietloch für den Stiel , 5 Zoll lang , vielleicht römischen
Ursprunges, da sie zwischen römischen Mauern von
Brigantium gefunden wurde.
So mehren sich in allen Ländern die Zeugen einer
alten reichen Bevölkerung mit gleichförmigem Cultur-
Zustande und denselben Handelsverbindungen, welche
auch die entfernteren Gebirgsländer nicht unberührt
Hessen.
Der Kreis ober dem Maiiliartsberire in Nieder -Österreich.
Von Karl Rosner.
(Mit einer Tafel und 9 Holzschnitten.
Als Conservator für diesen Kreis will ich es versu-
chen, durch periodische Besprechungen die Aufmerk-
samkeit der Alterthumsfreunde auf die in demselben
befindlichen Kunstdenkmale zu lenken, die, wenn auch
nicht gerade von hervorragender Bedeutung, immerliin
sehr beachtenswerth sind. Die beigegebene Tafel und
die Abbildungen in Fig. 1 bis 5 stellen die Ruine der
ehemaligen Pfarrkirche in Dürrensteiu und des dane-
ben befindlichen Karners sammt Details dar.
Während letzterer noch ziemlich erhalten ist —
(es fehlt leider das Dach; das schon beschädigte Kreuz-
gewölbe wird ohne Sciiutz gegen die Witterung in
wenig Jahren einstürzen, wenn die Gemeinde oder das
Stift Herzogenburg meinem Ersuchen eine Bedachung
beizustellen nicht willfährt) , bestehen von der einsti-
gen Pfarrkirche nur wenig Überreste, als der Thurm,
die westlichen Abschlussmauern, dabei eine schön ver-
stäbte gothische Thüre (s. deren
Profil in Fig. 1) und wenige Über-
reste der anderen Hauptmauern,
von Gras überwuchert. Der Standort
dieses Bauwerkes ist rechter Hand
beim Eintritt durch das untere Tlior
der uralten interessanten kleinen
V\g. 1. Stadt Dürrenstein, die noch heute
sammt der Feste von epheuumrankten Mauern einge-
schlossen ist.
Die Kirclie liegt auf einem erhöhten Platze, ebenso
Karuer und Friedhof; zum Kircheneingang führt von
der Strasse eine offene Stiege. Die Ostseite der Kirche
wurde von der Stadtwallmauer begränzt.
Diese Kirchenruine , der vereinsamte verfallene
Friedhof, der Karner, die Zinnen der Wallmauern, im
Hintergrunde das verfallene Schloss Dürrenstein und
die wunderlich gezackten Gneissfelsen, all das bildet
ein malerisches interessantes Bild, das tlieilweise auf
dem beigegebenen Blatt darzustellen versucht wird.
Die Kirche zu St.
Kunigund war bis um
die Mitte des vori-
gen Jahrhunderts Pfarr-
kirche von „Tirnstein-'.
Vor dem Baue, dessen
Reste noch heute zu
sehen sind, bestand ein
früherer Bau an der
Stelle des jetzigen Bein-
liauses im Friedhofe.
Als dieses frühere Got-
teshaus für die Pfarr-
Fig. 2:
32
gemeinde zu klein wurde, baute man daneben
eine neue , die jetzt in Trümmern liegende
Kirche; oder vielmehr man vergrösserte eine
schon vorhandene der h. Kuuigunde geweihte
Capelle.
Die Pfarre Dürrenstein (Tirnstein), eine
der ältesten in (•sterreich, wurde bis zu Anfang
des XV. Jahrhunderts von Welt])riestern ver-
sehen. Das Patronat derselben hatten im XIII.
Jahrhundert die Chuenringer als Herren von
Tirnstein iune; im Jahre 1289 den 2. März
üljergab Leutold von Chuenring dieses Patronat
dem von ihm gestifteten Clarisserinnen-Nou-
nenstift in Tirnstein.
Im Jahre 1409 starb der letzte Weltprie-
ster-Pfarrer von Tirnstein Heinrich Schenk, und
Bischof Georg von Passau übergab nun Kirche
und Pfarre dem eben entstehenden Augusti-
ner-C'liorherrnstifte daselbst.
Die Pfarre wurde von nun an von einem Chorherrn
aus dem Stifte verwaltet und die Kirclic blieb, während
das Stift sein besonderes Gotteshaus ad B. M. V. hatte,
Pfarrkirche bis um die Mitte des XVHI. Jahriiunderts,
wo sie als solche ausser Gebrauch gesetzt wurde. Im
Jahre 1742 findet sich der letzte feierliche Gottesdienst
darin erwähnt.
Im Jahre 1803 Hess Probst Jlichael Teuiel (nomen
est onicn) von Herzogenburg , als Administrator der
Güter des 1788 aufgehobenen Stiftes Tirnstein, die
Kirche abbrechen, um das Materiale zum Kirchenbau in
Keidling, V. 0. W. W., zu verwenden. Diese Daten
entstammen der Stifts-Bibliothek von lIerzogenl)urg. In
dem (Jedeiikbucli der Pfarre tinden sich noch folgende
Notizen : Die Zeit der Entstehung von Tirnstein ist
ungewiss; doch bevor noch Krems, Loiben, Eossatz
von slavischen Ansiedlern im IX. .Jahrhundert colonisirt
worden sind, war Tirnstein sciion ein bedeutender Ort,
folglich die Pfarre älter als jene von Krems. Bischof
Albert von Passau hat laut Urkunde ddo. St. l'ölten,
28. April 1.'567, auf die Bitte des Tirnsteiner Pfarrers
Nicfjlaus (las jährliche Einweihungsfest der St. Kuni-
gunden- Kirche, der dabei befindlichen Mariencapelle
(ca|)ellac B. M. V. annexae) und des Karners auf den
Sonntag Jnbilate verlegt.
Als durch kais. Verordnung vom 24. October 178,']
alle Nebenkirchen und Capellen geschlossen werden
mussfen, war ni;in in Tirnstein in die Notliwendigkeit
versetzt, entweder die Stiftskirche oder die St. Kuni-
gunden- Kirche als Nebenkirche zu erklären und zu
schliesseii. Man cntschiod sich für die letztere, welche
1^
,\\:\\w^
h^-
'KL.
FiK. 4.
somit geschlossen wurde und zur Ausstattung anderer
l''i^
Kirchen herhalten nnisste, indem laut a. h. Auftrages
an die neuerrichtete Pfarre Freischling im Decanat
Hörn abgeliefert wurden: 1. die Kehlheimerplatten des
Fussbodens; 2. das hölzerne Speisgitter; 3. die höl-
zerne Kanzel; 4. die grosse 10 Ctr. schwere Glocke.
Bezüglich des Karners (Fig. 2, 3, 4) muss ich
bemerken, dass an der Ostseite sich noch Spuren von
Frescomalereien befinden. Andere Fresken (Christus
am Kreuze mit den Frauen) sind noch erkenntlich ober
der Eingangsthüre in den unterirdischen Kaum. Das
eine schöne grosse Fenster an der Südseite, mit sich
verschneidenden ,.;\farienscliuheu" als ^lasswerk, kenn-
zeichnet diesen l>au als der Spät-Gotliik angehörend. Die
I{ip])en des Gewölbes haben das in Fig. 5 beigegebene
Profil und ruhen auf Dreiviertel-Säulchen, die mit Fuss
und Capital a ersehen sind. —
Fig. () und 7 zeigen uns die Kirche zu Döllers-
Ikmui, Fig 8 deren Querschnitt. Ein mächtiger halber
Grabstein des Paul Stodolegkh lehnt an der äusseren
südlichen Chormauer. Die Gewölbe des Mittelschitt'es
und des südlichen Seitenschiffes sind bemerkenswerth.
Auch jenes, welches den ]\lusik-C'lior -trägt, liei welchem
eine kleine, an dem mittleren Freipfeilcr (^siehe Grund-
riss) angebrachte Dreiviertel-Säule, mit reichem Capital
der mittleren Gewölbsrippe, als Auflager dient. Dieses
theilweise schon scliadliafte Capital ist 9 Zoll hoch und
hat eine verwandte Form mit dem korintliisclien Cajiitäl.
Der 4 Zoll starke Säulensclialt ist nur 4 Zoll iioch und
der Säulenfuss ist mit dem Fuss des achteckigen grossen
Mittclpfeilers in si)ätgotliischer Art verbunden. Das
Presbylcrimn liegt um zwei Stufen höher als das Kir-
chenschiir, citic kleine Kryiit:i unter dem Hochaltar ist
nicht zugänglich. Das l'resbytri-iuni lial eine liclite Höhe
von <) KIftr., während das mittlere Kirchenschiti'nur eine
S(dch(! von 4 Klftr. 3 Fuss besitzt. Im Chor ruhen die
fiewöllisrippen, welche den Querschnitt (Fig. 9) haben,
auf längliciicn Consolen, im Mittrjschill'auf kleinen Trag-
fignrrn, in den SeiteuschiHrn laufen sie gespitzl aus.
Die Tliür der .Südseite ist schön
verstäht, aber theilweise vermauert. Von
Fenstermalcrci findi't sich keine S|)ur mehr.
Solche war laut Mittheiiung des Aiter-
thums- A'eri'ines, Itil. \', S. 124, vor zehn
.lalireu nocji Miiiiaiiden. l'if;', 5.
nstein.
3;j -
Das L.andscliafts-Zeimliaus in Grätz.
Von Dr. Fritz Pichler.
Der Tower in London, das Miisee d' Artillerie zu
Paris, die bistorischcu Museen zu Berlin und Dresden,
das kaiserliche Arsenal zu Wien, das bürgerliche Zeug-
haus ebendaselbst und die ambraser Sanunlung: pflegen
in erster Keihe genannt zu werden, wenn von imi)osan-
teu Waftensanunlungen die Hede ist. Aber der Reiz
und der innere Werth fast einer jeden ist durch scharfe
Eigenthlhnlichkeiten bestimmt. Der Tower beginnt von
Haus aus als Zeughaus und nicht als Frunksammlung,
das Beste läuft erst vom XVII. .Jahrhundert ab; in der
Zeit des Bürgerkrieges ist er stark ausgeplündert und
zählt nicht über 5700 Nummern. Das pariser Äluseuni,
erst 1788 eingerichtet, oft ausgeplündert , hat zwar viel
an den Louvre verloren ; aber Napoleon III. verhalf ilnn
wieder zum Ihihme der grössten Keicbhaltigkeit und
Vollständigkeit, so dass es nunmehr mit 5200 Nummern
ausgerüstet dasteht. Das berliner Zeughaus hat wenig
ahe Watien, selten über die Percussious-Gewehre zu-
rückgehend, und was Monbijou mehr leistet, leidet an
dem bitteren Durcheinander dieser Sammlung.
Das dresdener Museum historischer Waffen ist ein
wahrer Juwel; es geht, beiläufig gesagt, von 1553 aus,
greift von da nicht viel über ein Jahrhundert zurück und
impouirt weniger durch Harnische, als durch seine De-
gen-Serie. Die Stückzahl ist GO.OOO.
Die wiener Arsenal-Samndung, reich und umfassend,
neu gesondert, trefflich beschrieben und illustrirt, meist
Prunkstücke fürstlicher Sannnler bietend, dürfte das
Tausend an Nummern noc^i nicht überschritten haben.
Das wiener bürgerliche Zeughaus ist eine Schö-
pfung des XV. Jahrhunderts ; man findet da nicht Pracht-
stücke, aber schöne Reihen von seltenen prakticablen
Formen , grosse Bestände von Stoss- und Hiebwafieu
und namentlich mehr Setzschilde als anderswo.
In der Beseitigung alten Systemwustes haben hier
au letzteren Sammlungen Männer, wie J. Edl. v. S ch ei-
ger. Fr. von Leber und neucstens Quirin Leitner,
welcher jüngst die innerösterreichischcn Lande bereiste,
Mustergiltiges geleistet. Leber's Werk über das kaiser-
liche Zeughaus vom Jahre 184(3 zählt 749 Nummern.
Die ambraser Sammlung endlich geht von 1570
aus, begann mit etwa 120 Harnischen und alle Rü-
stnngsstücke stammen aus der Zeit der geschlagenen
Platteuharnische (von 1450 an). An vollständigen Rü-
stungen sind über 500; wichtig ist die Beigabe von
Turnier- und Waffenabbildungcn. Primi ss er, Berg-
mann und Sacken haben am meisten zur Bekannt-
gabe der Schätze dieser Samndung beigetragen.
Wenn wir jetzt die Armeria zu Turin, die Museen
zu Sigmaringeu , Blünchen , von Czarskoe-Selo bei
Petersburg, zu Brüssel und einzelnen schweizer Can-
tonen nennen, so sind wir zum mindesten berechtigt,
sogleich darnach das Grätzer Zeughaus der Landschaft
anzureihen.
Wenn es den wiener Sannnlungen au Pracht und
Zahlreichthum nachsteht, so hebt es sich von beiden
vortheilhait ab durch die genaue Einrahmung seiner
Objecte, wie sie vom Kriegsbedarf des XVI. bis anfangs
XIX. Jahrhundertes gefordert werden, durch die gröss-
tentheils ganz zeitgleiche und höchst mobile Eiulage-
XVIII.
rnngsweise der Geräthe, durch die blasse des im allge-
meinen gleichen und duch in kleinen Auslührungen
lebhaft verschiedenen Wartenwerkes. Es sind Bestände,
die in Massen ausgenützt, Bestände, die aber vielleicht
auch gar nicht zur Ilinausgabe gekommen sind; festge-
arbeitete Alltagswehren und hinwieder elegante Kunst-
werke, dem ;\[aune eigen, wie er mit Tausenden hin-
schritt, wie dem hochadeligen Anführer, der mit seinen
besten Stücken glänzte. Das schnmle Haus mit den drei
Stockwerken neben dem Landliause, mit seinen eisen-
drahtverkuüpften Fenstern, mit seinen Standbildern von
Mars und Bellona und mit dem Wappen Myndorf (^Hof-
kriegs-Präsident), Rotenmaini (Propst Andrea) , Ratt-
niannsdorf, Saurau, Eibiswald, stammt aus dem Jahre
]i)44. Allerdings öffnet sich das breite Einfahrtstiior
nur beim Klange der Feuerglocke. Al)er das mit Unrecht
im Rufe der Unzugänglichkeit stehende altersgraue
Gebäude thut sich von der Landhaus-Hofseite jedem
Besucher auf, der in die Vorzeit eingehen will. Audi
au ganz allgemeinen Andeutungen über den hochinter-
essanten und wcrthvollen Inlialt fehlt es in der Lite-
t-tH r
5 ^'OKL.
Vig G. I DöUcrsheim.)
— 34
;-ontlicli völlig' orga-
Fis
(DöUcrsheim.
ratiir nicht; ich nenne Polsterer's Graz (S. ] 12, 197),
die Wiener Zeitschrift für Mode (1830, Nr. 98), Schrei-
ner's „Grätz" (8. 228), Leber, „Wien's k. Zeughaus«
(S. o56), 8 che ig er's Expose in den Yereinsmittheilun-
gen (L, 71).
Wenn nun das lüisthaus des XML Juhriiunderts
nur \Vatl'eu seit eben diesem Jala-hundert erwarten lässt,
so ist das im Wesentlichen richtig. Aber noch immer
reichen manclie vurziigliclie Stücke des Zeughauses ins
XVI. Jalirhundert zurück und weisen vereinzelte Samm-
lungsstücke gegen die anfangende ruiverzeit liin aus.
Was liegt also näher, als an eine landschaftliche liüst-
kammer zu denken, welche schon lang vor des XVII.
Jahrhunderts erster Hälfte, vielleicht gar schon seit
den Zeiten IJela's IV. (1254), bestand, so dass im Neu-
liaue eben aucli nur die neuesten Waffen untergebracht
waren? Üb das landschaftliche IJüsthaus vor dem Er-
werbe des Rattmanstorff'schen Hauses (1039) nicht
Fijj. H. (büllcrsliciin.)
vielleicht mit dem bürgerliclien Zeugliaus
nächst dem Franciscanerkloster in Verbin-
dung staudi* Denn die bürgerliche Schaar-
wache und die ständisclien Lauzkuechte
gehen immer als „gut Freund" nebeneinan-
der; so 1479 unter dem Kurfürsten von Sacii-
sen - Brandenburg , so 1532 zur Stadtwehr
gegen die Türken.
Wenn nun die Bestände aus den Zeiten
der Ungarn und ersteren Türkeneinfälle ver-
schwunden sind, so beginnt das Gros der
Waffenstücke, namentlich der Arkebusiere
und Lanzknechte, allmälig mit den Regie-
rungszeiten Friedrich's IV., dichter seit Erzh.
Karl von Steiermark , also zusanmienhängend
aus der Keilie der letzten 3ü0 Jahre , seit
nändich die Landesvertheidigung im Vereine
mit den Landständen so eii
nisirt worden ist.
In diesen nicht breiten , aber endlos
langen Kammern , in welche erst durch auf-
gerissene Thorbalken Liclit geschaffen werden
musste , lagen die Hunderte und Tausende
von Spiessen und Flinten und aller Kriegskram, der
in die starkgezimmerten Ilolzböckc noch grösstentiieils
gerade so eingelagert liegt, wie vor ein-, zweihundert
Jahren. Dass so ein einziger Gang über die Trepi>e
mitten in ein Hecrgeräthe und in sein Depot von genau
22S .Iiihren Alter hineinfülu't, das ist ein Heiz des Grätzer
Zeugiiauses, über den ich schon mehr als einen viel-
gereisten Kenne'r in Ekstase kommen sah. Dass alle
österreichischen Kronländer niciits Ahnliches bieten,
braucht nicht erst hervorgehoben zu werden.
Das Geschick aller Zeugliäuser ist aucli dem (irätzer
nicht fremd geblieben : es wurde zu manchen Zeiten
ausgebeutet. Jetzt wäre es wohl nimmer möglich, 30.000
Mann vollständig gerüstet aus den Rüstkammern lier-
vorgeiien zu lassen. In den (Jränzfestungen, l)ei den
Ausrüslungen des Schlossbergs (I()09, IGG5 etc.), in den
letzten Aufgeboten gegen die Türken 1GÜ4, gegen die
Bauern der Stadtumgebung 1737 — 38, durch die fran-
zösischen Invasionen 1797, 1805, 1809 und 1810 und
durcii die allgemeine Bewaffnung im Jahre 1848 ist
sichi'r manclie grosse Anzahl gemeiner Walfen und
manch' ein zierliches Einzelstück verloren gegangen.
Diesem Zuwenig gesellte sich wieder ein Zuviel. In dem
Zeiighause finden nämlich auch Stücke, die da nicht
iiineingehören, wie z. B. die schöne zweisitzige Sänfte
mit lidtlisaninit, Schnitzwerk und dem i!atiioi-\ 'sehen
Wappen im II. Stockwerke, der rrunkschlitten Kaiser
Friedrich's IV. von prächtiger Arbeit (vergoldete llolz-
.sciinitzerci , gemalte Wapjien) im III. Stockwerke,
der Elephantenkoi)f und Antmi Sigl's Baumodelle vom
Scidossberge vor und nach 1S<)9 (im IV.) u. dgl.
Aber ziehen wir diescMi Feberschuss ab, so hleiht
für die reine Zeughaussamndung innncr iiodi eine Num-
mernzahl von etwa 28.250. rebrigens können vom ,\n-
schlag aus nocli innner Waffenllicile , Beschläge uml
IJriichstlicke in der Zahl von etwa 2000 bei Seite ge-
lassen werden und es I)b'il)( uns die respec-
talilc Niimmernzahl über 2G.O0O. Schon diese
Nachricht ist geeignet, das grösste Interesse
für die Siunmliing aus den weitesten Kreisen
zu concentriren.
30 —
Selbstverstiindlicli sind es iiiii- wenige GaftiiiigcMi
von Waffen uiul Kricgsg-erätli, in welche hinein sich
diese Anzahl auftheilt. Man möchte (und darin liegt die
dunkle Seite des Zeughauses) kaum über 80 Gattungen
zu unterscheiden im Stande sein. Von diesen sind na-
türlich die Schusswati'en die zahlreichsten, sie stehen
obenan mit einer Anzahl von beiläufig 8548. Dann
kommen jene zu Hieb und Stich (die ältesten Piken bis
zu den jüngsten Nationalgardcsäbeln) mit 7700, endlich
die Scluitzstücke mit .")(»8o. Aller Übrige Bestand von
höchstens 7000 geht auf zugehöriges Geräth oder Waf-
fentheil.
Kun ist aijf die sehr naheliegende Frage zu ant-
worten: In welcher Waft'engattung sind die grössten
Bestände? — und weiterhin: wie folgen sich diese Be-
stände nach abwärts? Wir werden in der Beantwor-
tung die Gattungen nicht scheiden. Obenan stehen die
Pistolen mit der Zahl 4;joo (1 mit Bock, d. i. Doppel-
schloss), dann folgen die Luntenschloss- , Kadschloss-
l)üchsen u. s. w., Musketen, Karabiner mit 3845; Pul-
verhörner (- Flaschen , Zündbüchsen etc.) 3560 , zum
Tlieil mit schöner P)eineinlage und gravirteu Zeichnun-
gen; llelmpartcu 2779; Helme, Pikelhauben, Czisakeu
etc. 2577 ; Kürasse (richtig Brustharnische) viele mit
den Gamsbäuchen von 'des XV. Jahrhunderts Ende;
2085 einfachere Lanzen 181(5; Säbel 1785. Das sind
die, wie wohl zu merken, gar nicht wissenschaftlich
auseinandergehalteuen Bestände über die Nummernzalil
1000 (wohin wohl auch die ungezählten Fussangeln
in Kisten raugiren). Darunter halten sich: die Rad-
schlossspanner 624; Schwerter (einhändig) 428, Dop-
pelhakeu (Schiessgewelire) o70, Bajonnete 316 (Steck-
und Uebergangsbajonnete, Haubajonnete), Handschuhe
(Eisen-) 229, Morgensterne 181, Rüstungen (Ganz-
harnische von Helm, Brusthamiscb, Taschen etc. dar-
unter 5 Knabenharnische) 143 , mit offenem oder
geschlossenem Helm, mit den Harnisch-Bauchformen,
mit Rippungen, Krebstheilen, getriebenem Zierath, mit
Rüsthaken u. s. w. , allerlei kunsthistorischen Wechsel
bietend; Gewehrgabeln 138, Panzerhemdärmel 128,
Lanzenspitzen 118, Pistolenhalfter 114, Schilde 111
(Tartschen , Schwebescheiben und 2 hölzerne Renn-
tartschen). — Xun folgen die Bestände unter 100 Num-
mern. Da sind Gittertartscheu (Schilde mit Gitterbe-
schlag) 94 ; Degen (scheidenlos) 71 , Beiderhänder
(Schwerter) 67 , ganze Trophäen (allerlei Gewaffen
verbindend) 57, Patronzieher 51, Cousen (Art Lanzen-
messer) 50, Ladzeuge 24, Panzerhemden ohne Aermel
23, Kriegspfeifen 21, Trommeln 13, Pferdstirnblätter
11, Panzerhemden mit Aermeln 6 u. s. w.
Aus dieser ganz ungefähren Uebersicht kann ein
allgemeiner Schluss auf das Ausbreitungsgebiet sowie
auf die Reichhaltigkeit der Sammlungen gemacht wer-
den. Aber verschieden sind die Gesichtspunkte, aus
denen auf den Werth von derlei Sammlungen erkannt
wird. Der eine schätzt die vollständigen Entwicklungs-
reihen, der andere urälteste oder seltsame Formen;
auf die kunst-industrielle Arbeit hält der eine , der
andere auf historische Erinnerungsstücke. Im Grätzer
Zeughaus fahndet das primitive vaterländische Interesse
zunächst nach der Rüstung des Andreas Baumkirch-
ner, Erasnuis Lueger, AVülting von Stubenberg — ver-
geblich natürlich. Eben so wenig existiren hier die Har-
nische eines Otto von Lichtenstein, .\ndreä von Greis-
seneck, llrich von Lichtenstein und Ottokar von Horn-
eck. (Als dessen Rüstung galt bislang die niit Stachei-
Helmrost, um den Faustkampf zu Ross schwieriger zu
machen). Was davon vordem gezeigt wurde, sind reine
Erzeugnisse aus des XVI. Jahrhunderts erster Hüllte.
In die zweite Hälfte hinein gehören die Briistharnische,
die man bisher zngeschrielten hat dem Friedrich von
Stubciiberg , Friedrich von Peckau , Albert von Hol-
leneck, Sigmund von Dietrichstein, Hans Katziauer und
Heinrich von Pfannberg.
\'erlässlich ist die Rüstung des Erzherzogs Karl aus
1570 — 75, ein hall)er lireiter Feldharnisch, schwarz,
mit flach getriebenem Laubwerk (sogenaimter weisser
erhabener Arbeit). Der Helm ist offen, hat einen hohen
Kamm und ein ,,Veldpartl-' , die Achseln mit Tliier-
kopfende haben Doppeltlüge, vorn geschoben, der
Harnisch einen Schmerbauch, die geschobenen Schen-
kel ein Kuieende mit Tliierkojjf, so dass eine Aehn-
lichkeit mit Gustav Adolfs Harnisch zu Dresden gefun-
den worden ist. Nicht auf Erzherzog Karl- zurückzuführen
ist der com))lete Harnisch für Mann und Ross (3. Stock-
werk vorn), in die Zeit 1517 — 1492 zurückgehörig,
nach Leber's Ausspruch das Kleinod des ganzen Zeug-
hauses; eben so wenig die bei Schreiner erwähnte
Prnchtsense, diese ist eben nur eine Partisane mit vor-
züi;licher Arbeit (Silber -Tausciiiruiig) und trägt die
Jaiirzahl 1628.
Die ältesten Waffen des Zeughauses sind, wenn
auch nicht die Armbrust (Beinarbeit) mit Winde , die
Bolzeuschäfte, die Turnierstange, welche gerade nicht
hinter die Pulverzeit zurückweisen müssen, so wahr-
scheinlicher die Schwerter , indem sich unter ihnen
neben alten Formen zugleich die frühesten Inschriften
finden, nämlich 1441 imd 1530, 1541. Bisher sind äl-
tere Jahresiuschriften landschaftlichen Gewafl'ens nicht
bekannt worden. Zunäciist anreihen sich dann die
Kürasse, riclitiger Brustharnische mit Tasche , Halsberg,
Helm, welche, um nicht weiter als auf die ausdrückliche
Jahreszahl einzugehen, frühestens auf 1548, 1560 hin-
weisen. (Die Inschrift 1515 wird abgelehnt.) Aus dieser
Zeit gibt es schon schöne Aetzungen, kün.stlichen Zier-
rath, Wappen und die übliche Darstellung des vor dem
Crucitixe knienden Ritters. ^Manche der kunstlosen
Schirmsfücke, namentlich die mit den Gamsbäuchen,
können daher in die erste Hälfte des XVL. Jahrhunderts
versetzt werden.
Die Schiesswerkzeuge beginnen, wenn es nicht
die Orgeln sind, die sonst tun 1410 anfangen, mit den
Doppelhaken, wahren Scbiessprügeln, deren ausdrück-
liche Jahresiuschriften sich ausschliesslich in der zweiten
Hälfte des XVI. Jahrhunderts bewegen. Denn auf diesen
Doppelhaken erscheinen die Jahrzahlen 1556, 57, 6ii,
82, 84, 85, 86 und 1593. Wie sehr man aber irrginge,
wollte man mit diesen Daten allein ohne Anschlag der
Form schliessen, zeigen die Luutengewehre und die _
ihnen nachfolgenden Radschlossgewehre ; denn während
die erstcren ausdrücklich erst Jahreszahlen wie 1593,
94, 95 nennen, geben die Radschlossgewehre 1552,
1558, 1583, 1595, 1596, in gezogeneu Röhren 1581,
82, 83. Wenigstens aber sind Luntengewehre als aus-
drücklich dem XVII. Jahrhundert angehörig hier nicht
angewiesen, während die Radschlossgewehre auf 1618,
49, 1659 und gewiss noch viel weiter hinaufreichen,
um endlich von den Musketen und Jägerstutzen der
36
neuesten Zeit abgelöst zu werden. Zienilicli zeitgleieh
mit den Radsclilossgewelircn sind die Hadsclilosspi-
stolen, iu deren Reihe die Zahlen 1501, 1599 nachge-
wiesen sind, während der Hauptbestand der Pclnveins-
spiesse (kurze Lanzen) von 1573, 91, 1()02 wohl eben so
wenig stark ins XYII. Jahrhundert hineingreift als jener
der Hellebarden [2 von 159(3). Es ist bekannt, dass die
grösste Anzahl hiesiger Waffen als zeitgleieh mit dem
Werke des Waft'enkundigen Furtenbach, 1G30, gilt.
Die jüngsten .Sanimlungstheile sind : die Jlusketeu
(russische von 1798), französische, englische Landwehr-
niusketen (1. Stock), die Machwerke von Landwehr-
säbeln 1809 (3. Stock), die Säbel vom Corps des
Czerny-Jury 1809 (4. Stock), die Nationalgardesäbel
von 1848 (4. Stock) und endlich die erst 18(J1 abgege-
beneu Fahnen des 27. Infanterie-Regimentes aus den
Schlachten von Magenta und Solferino (3. Stock).
Was die Aufstellung betrilf't, so ist nicht jedes
Stockwerk einer oder bestinnnteu mehreren Waftengat-
tiingen ausschliesslich gewidmet. Wir können den Inhalt
kurz andeuten.
Das erste Stockwerk enthält 5872 Nummern. Es
sind dies ganz vorn 3 Orgeln (Schiesslinife), 14 Fuss-
angeln (Vierspitznägel, gegen die Reiterei auszuwerfen),
1 Kanone von 1758 (394 Centner) mit Lad- und Räum-
zeug, 5 Lafetten, 2 .spanische Reiter (Stangen mit klei-
nen Lanzen schräg eingesteckt), 2 Steinkugeln, 3 Trom-
meln, II) Sturmnägel (Hrandhaken), G Mörser, 1 Stuck-
winde , 2 Flaschenzüge , 1 grosse Schncllwage mit
Gründl, 1 grosse Stuckwage mit Zugehür, 3G4 Doppel-
haken (theils noch mit Lunten-, theils mit Radschloss,
einzelne mit beiden versehen, auf die Mauerbrüstung
zu legen, für Eisen- oder Rleikugeln, auch Hakl)ussen
genannt, französisch haiiucbuse), 35 ganze Rüstungen
(sogenannte geharnischte Männer), 3G7 Helme der ver-
schiedensten Form, 368 Kürasse, richtiger Briistharni-
sche, mit mehr oder weniger Zugehör (Fusstaschcn,
Rückblatt, u. s. w.), 157 ranzcrheniden, 50 Eisenhand-
8ciiuhe, 23 Schilde (Tartscheu), 87 Hellebarden, 7 Cou-
8en (lanzenartige StiehwatTen mit breiter Klinge, ähn-
lich dem Breehmesser, Kriegssensc, Gläfe), 15 Piken,
37 Morgensterne, GO Schweinsfedern und Schweins-
spiesse, 5 Spitzhännner, 28 Schwerter, Säbel, 4.'! Bajon-
nete, 1934 Schiessgewebrc ausser den Doppclliakeu
(vorwiegend mit Luntenschloss, nämlich 1 30G Stück, auch
I)o]ipelschloss, dann 2 Trombons), GOl Pistolen, 999
Pnlvcrliörner, Gll IJadschlossspanner, 12 Gewein-gabeln
i,_ a. — Es ist also dieses Stockwerk hauptsädilicli
das der ersten Pnlverscliusswerke; zugleich wird es in
Ketretl' der GanzrUstungen nur noch vom zweiten Stock-
werk übertroflFen.
Das zweite Stockwerk enthält G2G1 Nummern.
Darunter 40 Ganzrüstmigen, ]05!-i Helme, Pikelhanben,
Morian etc., 1094 Bruslharnische, 5 l'anzerlicnidcn,
71 llandseuhe, 27 Schilde, 2 höclist seltene llolz-
Hchildc , gemalt (1 Schwebescheibe, inniittcu aufzu-
stecken), 1 Rossstirn, 81 Hellebarden, 2 Cousen,
8 Piken, G IMorgensterne, 2 Schweinsspiesse, 83 Schwer-
ter und Säbel, daini vicrsclniei<lige I'anzersteclier ; tür-
kische.Säbcl i (^7 sogenannte Zweihäniier oder llcider-
händer), 2Baionnete, nur G Doppdliaken, 7G andere
' AI« liirkl«cho Tronhnin «ui ilor Schlacht bol furnUT. iineifin tfnnnnt
zu werrlcn: Viele» Oni-Inili , Fnhnen , noorpaukon, »llborno und vornoliiolo
P.rujthnniluchc, jnwelenbisilili' Danimcc'ni r»«lnl iiiiil Dolthi', ko»lli«n> Slinwl»,
relchguchlrrit nrabljcho l'fcrdc, nebtt Tlilcm Oold- und Sllborgcriith und
Sehiessgewehre (Radschloss vorwiegend, 1 mit Doppel-
sehloss, Auswahlsannnlung rückwärts), dagegen 1993
Radschlosspistolen (1 mit Doppelradschloss s. g. Bock),
1545 Pulverhörner, 4 Trommeln, 8 Patrontasclien u. a.
Es ist dieses also das Stockwerk des Kleinschiess-
gewehres, welches auch mit besonderer Zierlichkeit in
den Beineinlagen (Ornament, menschliche und thieri-
sche Figuren, Wappen) und mit Fabriksnamen auftritt ;
dazu imponiren noch die Bestände von Brustharnisch
und Helm in allen Formen.
Das dritte Stockwerk enthält 9140 Nummern.
Darunter 33 Ganzrüstungen (auch mit Eisenschuhen,
drei Tlieile), 782 Helme (Pikelhauben, Burgunder),
341 Brnstharnische, 43 Panzerhemden, 4>^ Eisenhand-
schuhe, 29 Schilde, 2 Rossstirnen, 185 Hellebarden und
Partisanen, 24 Cousen, 71 Piken, 48 Morgensterne,
39 Schweinsfedern, 2 Streitäxte mit Kolben, 1 Arm-
brust, 10 Streithämmer, G2 Fussangeln, 91 Lanzen-
spitzen , 89 Schwerter und Degen ((5 Zweihänder),
1322 Säbel, 80 Bajonnete , 1874 Schiessgewehre
(davon nur mehr i/j mit Luntenschloss), 1721 Pistolen,
997 Pulverhörner, 10 Radschlossspanner, 1 Trommel,
21 Kriegsi)feifen und Futteral, 2 Fahnen, 123 Gewehr-
gabeln. Dieses Stockwerk ist noch das der späten
Schiessgewehre und Pistolen, aber auch vornehmlich
das der Säbel.
Das vierte Stockwerk zählt G978 Nummern. Die
Schiessgewehre fehlen nahezu gänzlich; die alten Dop-
pelhaken haben schon im zweiten Stockwerk geschlos-
sen. Hier finden sich noch 35 Ganzrüstungen, 370 Helme,
32G Brustharnische, 101 Panzerheraden, GOEisenhand-
sclnihe, 32 Schilde, 7 Rossstirnen, 2437 Hellebarden
und Partisanen, 17 Cousen, 1722 Piken (1 Ronssard),
90 Morgensterne, 1 Tournierstange, 7 Schweinsspiesse
(1 mit geätztem Wappen), 1 Streithammer, 24 Sturm-
nägel, 27 Lanzenspitzen, 2 spanische Reiter (rück-
wärts), 479 Schwerter und Degen (54 Zweihänder),
455 Säbel, 191 Bajonnete, nur 12 Schiessgewehre, 18
Pistolen, 19 Pulverhörner, 5 Tronnneln, 4 Fahnen (da-
von 2 steirische), 3 Zelte, 10 Feldkessel, 3 Gewehr-
gabeln. Das ist das Stockwerk der Hellebarden und
Partisanen und Piken, also der Stiehwarten par excel-
lenee, dann der Sciiwerter und Degen.
Wenn ein Landes-Zenghaus von der vollen An-
scliauliehkeit und von der Fülle der Geräthc, wie das
der steierischen Landseliaft, zur Auflösung bestimmt
wird, so kann die Kunde davon in Kreisen, welche
für Kunst und .'Mtertliuni leldiatti; Neigung und zu-
gleich erfahrungsreiclies Verständniss liesitzcn, nicht
anders als aufregend wirken; aufregend für den Freund
und Kenner, der vielleicht zu verlieren fürchtet, und
desgleichen für den Sannnler und Specidanten, der die
eigenartigsten l{nrität<'n zu erwerben holft. Irren wir
niciit, so ist die TliciliKilinie liülien nnd (Irül)en schon
in höchster Spannung, und die Zeit gi'knnuiien, nie-
mand im Unklaren zu lassen über Bedeutung, Wcrth
und Inhalt des grazer Landschafts-Zeughanses.
Die Kedaction kann sicli nicht versagen, einige
\\'orte dieser Mittlieilnng j beizufügen.
i'lniT )!ro»»cn McliKO WnlTon , «nclllch icrh» EldiihnTitcn, wclrlio iiaoliimils auf
tloni Si.'hlos^.boii; robntotcn. Noch 186(5 iK'fancIcn «Icli Im Zuughauso mcjhrcrc
tiirkiHchc Waffen und /.war nitluiitor rclchvorzlcrto.
' Selli>t>tandl|{ horauiigo|(oh«n von Dr. Plchlor und hier im Interesse
der Sache a)<gedruckt.
37 —
Es ist begreiflic-li, (lass nicht leicht ein Ercij!:niss
der Gegenwart vom archäologischen Publicum mit grös-
seren Bediiuern zur Kenntiiiss genommen wurde, als
die beabsichtigte Auflösung des Grätzcr Zeughauses, da
dieses eine Specialität bildet, die wahrscheinlich einzig
in ihrer Art dasteht, und kaum irgendwo ihres Gleichen
hat. Es ist das vollständig erhaltene Bild eines wirkli-
cnen Zeughauses, eines Waiien - Vorraths - Depots des
XVI. Jahrhunderts. An sich ist an den einzelnen Wat-
fenstiicken kein besonderer Wcrtli, allein die Jlasse
jeder Gattung, deren Integrität, die fast sämmtlich alten
Ständer und Böden, auf denen sie liegen, dazu die
dlistere alterthiimlicbe Localität, dies alles macht das
Ganze zu einem ergreifenden 15ilde der Vergangenheit.
Man glaubt sich naliezu um drei Jahrhundert zurückver-
setzt und meint jeden Augenblick, es müsse ein Trupp
Lanzknechte hereintreteu, um sich daselbst das nöthigc
Rüstzeug zu holen.
Und einen solchen unvergleichlichen Schatz soll
die steirische Landeshauptstadt des Geldes wegen ver-
lieren; bedenkt man denn nicht, dass damit das Land
geschädigt und Grätz einer seiner werthvollsteu Zierden
und Merkwürdigkeiten verlustig wird! Sind denn die
Stände der Steiermark in so grosser Verlegenheit, dass
sie einen ihrer kostbarsten Besitze losschlagen müssen !
Dass ein solcher Act im XIX. Jahrhundert geschehen
könne, ist kaum glaublich. Ist die Auflösung einmal
durchgeführt, so lässt sich nie mehr eine solclie Samm-
lung herstellen. Damit, dass eine Auswahl der Watten
dem Joanneum übergeben werden soll , damit ist nichts
geleistet, denn einmal aus dem Zusammenhange geris-
sen, ist an den Objccten selbst niclit viel, und das Joan-
neum erhält eine nüchterne mittelmässige Waft'ensamm-
lung, die kaum beachtet werden wird.
Die k. k. Central - Commission hat die Nachricht
von diesem Beschlüsse mit Bedauern zur Kenntniss
genommen und es im Wege der Vorstellung versucht,
die Ausführung desselben zu verhindern, ja sogar den
Wunsch ausgesprochen , dass Sorge getragen werde,
dieses so überaus merkwürdige Zeughaus in seiner
Integrität und vor allem in seiner einzigen , ja poeti-
schen Localität zu belassen, nichts verschleppt, noch
von seinem Platze genommen und keine Rcnovirung (!)
der Localität vorgenommen werde.
Sphragistisclie Beiträge ziir Geschichte von Tyroler Ge schlechtem.
Von Dr. Arnold Luschin.
(Mit 10 Holzsclinitten.)
Die Herausgabe eines ürkundenbuches für das
uralte Stift Innichen, mit der ich mich seit einigen Jahren
beschäftige, brachte nach und nach über 500 Original-
Urkunden von der Ottonen Zeit bis 1400 in meine
Hände. Da dieselben fast sämmtlich den mittleren Theil
des Pusterthals betrefien und wohlerhaltene Siegel vor-
handen waren, so ergab sich reichlicher Stotf für genea-
logisch-sphragistische Arbeiten und die Anregung zu
nachfolgenden anspruchslosen Studien.
Die Hauptmasse der benützten Siegel und Urkunden
ist sonach dem Innichener Stifts-Archive entnommen
und dieses überall als Quelle zu betrachten, wo nicht
ein anderes Citat angegeben ist. Absolute Vollständig-
keit war natürlich nicht zu erreichen. Dagegen sind
die Urkunden - Sammlungen für Trient, Neustift und
Freising in der II. Abtheilung der Fontes rerum Austria-
carum Bd. I, V, XXXI, XXXHI— XXXV, Hormayr's
verschiedene Schriften, Sinnacher's Beiträge zur Ge-
schichte der bischöflichen Kirche von Sähen und Brixen,
Staffler's Tyrol, und die mir sonst zugänglichen Ar-
chive eingehend berücksichtigt, und selbst „Des tyroli-
schen Adlers immergrünendes Ehren - Kräntzel" nicht
übergangen worden.
1. Welsberg.
Die Familien-Tradition der nocli blühenden Grafen
von Welsberg lässt den Ahnherrn ihres Geschleclits
aus Etrurien nach Rliätien flüchten und dort das Schloss
Faganio bei Chur erbauen. Um lOGO sei dann die Fami-
lie, weil der Rhein ihren Stammsitz unterwühlt hatte,
neuerdings ausgewandert, und habe sich in Tirol und
Friaul niedergelassen.
Ein Hcinricus de Wclfcsperch erscheint nun aller-
dings schon in einer Tradition des Bischofs Hartmann
von Brixen (1142 — 1164) an das neugegründete Kloster
Neustift unter andern Tirolern als Zeuge. Dennoch muss
die von Kneschke in seinem Adelslexikon (IX, 523)
ausgesprochene Behauptung, dass Ruprecht von W. im
Jahre 1152 vom Görzer Grafen Albrecht mit dem
Grunde belehnt worden sei, auf welchem noch jetzt
Schloss und Dorf W^elsberg stehen, als ungenau be-
zeichnet werden, weil di« neuere Forschung einen
Görzer Grafen dieses Namens in jener Zeit nicht aner-
kennt. Wahrscheinlich ist es in der That, dass diese
Welsberger von Anbeginn Ministerialen der Görzer
Grafen waren, doch erscheinen Amelreich von Welsberg
um 1170 und Otto um 1195 auch im Gefolge der Mark-
grafen von Istrien und späteren Herzoge von Meranien
aus dem Hause Andechs, und zwar an mehr untergeord-
neten Plätzen >.
In der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts wusste
jedoch diese Familie zumal, im Pusterthale, zu grossem
Ansehen zu gelangen. 1210 besitzt ein Otto von Welfs-
perg (vielleicht identisch mit dem gerade erwäiinten)
bereits Vasallen von solchem Ansehen, dass ihnen der
ehrende Titel „Herr-' beigelegt wird und eine Urkunde
von c. 1215 führt ihn unter den Zeugen unmittelbar
nach den Grafen Eguo von Eppau und Meinhard von
Görz auf. Die folgende Generation stieg noch höher.
Die Schlösser Welsberg und Heimfcls auf Ijischöflich
Freisingischem Gebiete wurden erworben, und der
Besitz im W^ege angemasster Vogtei über Innichen noch
zu erweitern gesucht. „Schon durch sieben Jahre", klagt
1245 Papst Innoeenz in einem Briefe au den Bischof
' Das Urkundenbuch von Neustift (Fontes r. Aust. II/31i führt S. 21
(c. 1155) Heinrich de Welfesperch, S. 51 c. USU) Fridreich und dessen Brüder
Huprecht und Amelreich, und den Letztgenannten allein auch S. 57, zum Jahre
llSl an. — Sinnacher III, S. 650 in einer Briiner Tradition c. 1170—71
Ruprecht und Amelreich von Welsl.er!.-. — Urk. 291 d. des steier. L. Arch.
c. 1195 nennt Otto de Welfesberch als letzten Zeugen einer Handfeste, in
welcher H. Berthold Ton Andechs - Meranien dem Kloster Seiz die Vergabun-
gen seines Vaters bestätigt.
- 38
von Seckau, beranben die
Edelii, der Graf von Tvrol
und die Gebrüder Heinrieh
und Otto von AVeltspereli das
Hoehstift Freising gewisser
Einlviinfte, die sie ohne wei-
ters für sieh verwenden -.
.... Das Prädicat „nobiies
viri" welches sowohl dem
Tyroler Grafen als den Wels-
bergern gespendet wird, be-
weist die Bedeutung, welche
dieses Geschlecht seither ge-
wonnen hatte , obwohl es
niemals ans dem Stande der Ministerialität getreten ist.
Letzterer war anch Ursache, dass beide Brüder ver-
schiedenen Herren angehörten, denn Otto wird 1241
ausdrücklich als Ministeriale des Grafen Albert von
Tyrol bezeichnet, wogegen Heinrich, obschon kein direc-
tes Zeugniss vorliegt, nach allem, was wir über ihn
wissen, dem Görzer Haus zugesprochen werden muss.
Oflfenbar hatte ihr Vater aus einem Ministerialen Ge-
schlechte des T^-roler Grafen sich seine Gemalilin erko-
ren. Theilung der Kinder und des elterlichen Erbes war
dann nacli dem im Mittelalter herrschenden Grundsatze
die gewöhnliche Folge.
In Jahre 1243 finden wir den Jüngern Bruder Otto,
welcher sicii nach seinem Wolinsitze von Heinifels
nannte, inmitten seiner zahlreichen Mannen, zu welchen
auch der Innichener Bichter zählte. Er ist ein Herr, vor
dessen Ungnade man zittern konnte, und das Chor-
lierrensfift Innichcn glaubte, den Verzicht eines gewissen
Feige auf ein Gut zu Beiden nicjit wirksamer sichern
zu können, als indem es den P.urgherrn zu dem Ver-
siiredien bewog, ,.quod idem H. i'eigo cum posteris
suis" wenn er gegen die Übereinkunft' handeln würde,
-gracia ipsius (seil. d. Ottonis de Heuneueis) tarn diu
careat, quousque per ca])ituhiin Inticcnse eisdem fuerit
iniipctrata''. Noch ist die darüber ausgefertigte Urkunde
und an derselhen das zur Bekräftigung an Kidesstatt an-
gehängte Siegel erhalten. Es ist von ungefärbtem Wachse,
dreieckig (4U Mm. lang, 33 Mm. oben breit) und zeigt
einen gevierten Schild, dessen erstes und viertes Feld
vertieft sind. Die in der Mitte oben beginnende Um-
schrift lautet: 4- S— O TTO-\\eL— F. (Fig. 1.)
In den Urkunden in welchen Otto noch einige Male
vorkömmt, wird ihm mit Vorliebe der Beiname des
..Weifen" ertlieilt, so z. B. im Vergleiche zwischen
Bischof Egno von Brixcn und dem Grafen Albert von
Tyrrd vom 3. März 1243,
wo „dominus Heinricus de
Welfesperch et dominus Otto
Welfus eins frater-' als Zeu-
ui-n angeführt werden. Bald
nach dem .Jahre 124!», wo er
noch einmal neben seinem
Bruder erwähnt wird, muss
Otto gestorben sein, denn
sein liinlerlassencr Sdlm ,
derjunge Weif, „Otto Juvenis
dictu.s Weif" wird' schon
I-'ife'. 2.
iH, H^V"n7."'"' ""','!'«'"'• TlrM. 1/2 a-rkundenbiK-h) 219, Nr. S8, der«.
^13, II/JI, Nr. Ml; vgl. auch 11/34 Nr. 210, 217. ' '
.^m^^mr^
Fii
12.")4 als bedrängte Weise
bezeiclinet =.
Zahlreicher sind die
Nachrichten überOlto's älte-
ren Bruder Heinrich, welcher
auf dem Stannnsitze der Fa-
milie zu Welsberg gehaust
hat und seit 1233 als ..domi-
nus" oder als „miles et nobi-
lis" bezeichnet wird. 1237
ist er einer der drei Bevoll-
mächtigten des Görzer Gra-
fen Meinhard, welche dessen Schwiegervater den Grafen
Albert von Tyrol in den Besitz sämmtlicher weiter gelie-
henen Leben des Hochstiftes Aglci und des Herzogs
Bernhard von Kärnten setzen sollen. Heinrich scheint
besonders gewaltthätig gegen die Freisinger und Inni-
chener Besitzungen, aber auch gegen seine Verwand-
ten vorgegangen zu sein. Mitunter gelang wohl seiner
Gattin Agnes, der frommen Tochter des Edeln Arnold
von Bodeneck, eine Sinnesänderung ihres Jlannes her-
beizuführen, allein dieselbehielt nicht an. Als jedoch
dersellje in eine schwere Krankheit verfallen, im Juli
1259 sein letztes Stündlein herbeigekommen wähnte,
da schenkte er den Vorstellungen des Niederndorfer
Pfarrers Conrad, und Ulrich's des Caplans der Kloster-
frauen zu Innichcn, Gehör. Er ging in sicli und eine
Reihe von Verfügungen suchte den bei Lebzeiten ange-
richteten Schaden zu vergüten. Da wird ein Ehepaar
freigelassen, damit es in eine Verbrüderung mit dem
Stifte Inniclien eintreten könne, da werden widerrecht-
lich entzogene Güter zu Walen nächst Sillian zurück-
gestellt und überdies — „in absolutionem nieormn pecca-
minum" — ein Hof im Pragser Thale dem Stiftslieiligen
geschenkt. Seine Lebensuhr war jedoch noch nicht abge-
laufen. Heinrich genas und trieb, seinem alten Hange
nachgebend, die Dinge ärger als je, bis er zehn Jalire
später an dem Freisinger Bischöfe Conrad seinen über-
legenen Meister fand. Gedemüthigt musste er sich einem
Schiedssprüche unterwerfen, welcher ihn aller ange-
massten Vogtci auf dem Innichener Gebiete für verlustig
erklärte, seine Besitzungen im Gsicsser Tliale als Ent-
schädigung abtreten und Buhe geloben. Der Theilungs-
Vertrag von 1271 zwisclien den Grafen Albert und ^lein-
hard, welche diesem Tyrol, jenem die Görzer Stamni-
landc überwies, lässt noch einmal die grosse Bedeutung
dieses Ministei-i.-dcn fU'scblechtes erkennen. Sowohl
Heinrich von Welsl)erg als sein NeH'e Otto, hier Weif
von Weifstein genannt , werden dem Tjroler Grafen
zuges|H-ochen, rücksichtlicli ihrer Nachkommenschaft
und (iüter jedoch der flrafschaft Görz der Anspruch auf
die Hälfte durch sehr ins Einzelne gehende Px-stimmun-
gen zugesichert. Seit dem gerätii Heinrichs Name iii
Vergessenheit und wird 1285 als der eines Verstor-
benen erwähnt. Er starb am 25. Jlärz eines unbekann-
ten Jahres ».
Sein Siegel hat sich an zwei I'ikunden erhalten,
welche aus den Jain'en 12.">7 und 12511 stannnen. Es
ist gleichfalls von lolu in Wachse und dreieckig (3S Mm.
« loiilc« r. Aiislr. II/I. l'JI, n 81, Nr. 201, 302 und 303; ir/31, Nr. 220.
227. ItAB iingrdrui'kto Iniitchnor Tndtcnbuch hftt «um 'i't. Miir/. dio nomcr-
kung; doniinufl n. de Wolopcrch oblit, qui dedli bOAlo Cnndl^o curlam In
Collo» (Prngscr T)i«l).
' llormnyr Ccschlchtc Tirol« I/i, .104. Nr. I3G. .107 (?i, 821 Nr. lin(?,,
8.10, Nr. HO, ,(11, Nr. i:.!!, .152, Sr. 102, .19.-i, Nr. ITO. — der» kril. dipl .
BoltrKgo ir, 311, 343.
39
Fi- 4.
Albert II.
Vertrages
Görzer Graten
des Theilunirs-
1285 in Foiire
lang', oben 33 Mm. breit). Die
Felder 1 und 4 sind erhaben und
damascirt (gegittert) und mit Rüs-
chen verziert. Die Umschrift lautet :
•h S. H6 — IX RICI . D6 . — AV6L-
FeSPeR — HC. (Fig. 2.),
Nach Heinrich's und seines
Keifen Otto Tode wurden die
Burgen Welsberg und Heimfels
zunächst von dem
gemäss der Verabredungen
von 1271 eingezogen, und
gütlichen Übereinkommens dem Bisthume Freising als
heimgefalleue Lehen rückerstattet, wobei sich Graf
Albrecht ganz allgemein verpflichtete , dem Hochstifte
gegen die Erben Welfs (heredes Welfonis) beizustehen,
wenn diese Ansprüche auf Belehnung erheben sollten.
Das mächtige Ministerialen -Geschlecht der AVelsberg
hatte demnach mit den obgenannten Brüdern Heinrich
und Otto seinen Höhepunkt, gleich darauf aber auch
seinen Abschluss erreicht; es muss, da es keine zur
Lehensuachfolge berufenen Erben hinterliess, 1285 zum
mindesten im Manuesstamnie erloschen gewesen sein.
Namentlich scheint Heinrich's Ehe kinderlos geblieben
zu sein, da in den vielen Urkunden, die uns von ihm
erhalten sind, nur eine c. 1235 datirende Urkunde seiner
Frau, die damals in eine Kiosterverbrüderung trat, keine
jedoch leiblicher Kinder gedenkt, wiewohl sie Veräusse-
rungen des Vermögens enthalten, welche die Einsprache
eines geborenen Erben rechtsunwirksam machen konnte.
Trotzdem verfielen weder Name noch Wappen der
Welsbergerder^"ergessenheit. Es ist eine meines Wissens
noch nicht erschöpfend untersuchte Thatsache , dass
schon seit der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts,
und eben so auch in dem folgenden die Wappentiguren
hervorragender Geschlechter auch von deren 5liuisteria-
len und Beamten im Siegel geführt wurden. Um nicht
zu sehr abzuschweifen führe ich nur beispielsweise an,
dass der Eiehter Gerloch von Lienz 1266 in seinem
Siesel den Görzer Schüd mit der Umschrift: 4- SIGIL
(L^^^\ I; VDIdlS DG LV(L\TZ führt (Admonter Urkunde),
ferner dass der Silliauer lüchter Ritter Jacob Haegerle
in den Jahren 1323 — 4SI sich des gekrönten freisiugi-
schen Mohrenkopfes bediente, und dass ähnliches beim
Toblacher Hans .Stumphel nachgewiesen werden kann.
Das Landgericht Welsberg war nun entweder gar nicht
zurückgestellt worden, oder doch bald wieder in die
Hände des Görzer Grafen gerathen , in dessen Ge-
folge wir 1282 und 1295 den dortigen Eiehter Airnwik
auftreten sehen. Bald darauf mag er gestorben sein,
weil bereits 1306 Niklas
von Welfsperch als sein
Nachfolger genannt wird.
Siegel sind mir von keinem
von beiden untergekommen,
doch ist nicht zu bezwei-
feln , dass sie den alten
Welsbergischen Schild ge-
führt haben , den wir bei
den folgenden Richtern an-
trefl'en s.
F
i;^. ;j.
Fi?
Dieser letztgenannte Rich-
ter Nicolaus stammte aus einer
Familie, in welcher mindestens
ein Glied den Beinamen Mäu-
senreitcr geführt hat. Es war
dies der jüngste Bruder Hein-
rich, welcher in den Urkun-
den während der Jahre 1308
— 1326 von seinen älteren
Brüdern Nicolaus, Ulrich und
Friedrich regelmässig durch
dies sonderbare Prädicat unter-
schieden wird, vernnithlich weil er der Erbauer oder
Besitzer des gleichnamigen Schlosses war, das östlich
vom Dorfe Welsberg zwischen den Wässern der Wieser
und Schindelholzer Rnedl stand, jetzt aber gänzlich
verschwunden ist. 1327 dürfte Nicolaus das Amt eines
Burggrafen zu Welsberg bekleidet haben ; der gleich-
zeitig genannte Richter Ulrich ist sicherlich sein Bruder
gewesen. Beiden wurde vom Landesfürsten, dem Könige
Heinrich von Böhmen, die Beobachtung der Rechte des
Hochstiftes Freising strenge eingeschärft. Sechs Jahre
darauf war Nicolaus bereits todt, wie aus einer am
4. Juli 1333 ausgestellten Urkunde hervorgeht , in
welcher der Pfarrer Ulrich von Niederudorf, Frauen
Agnes , der hinterlassenen Witwe einen erkauften
Hausantheil verleiht. Deren Schwager Ulrich bestätigte
als Richter von Welsberg diesen Act durch Anhänguug
seines Siegels, das sich vortrefflich erhalten hat. Es ist
dreieckig, 2S Mm. hoch, und ebenso breit, von unge-
färbtem Wachse und zeigt den gevierten Schild, dessen
Felder 2 und 3 gedttert und erhaben sind, mit der
Umschrift: S\-L-RKa . DG . - WGLSPG-RCH (Fig. 3).
Ein Vertrag, welcher am 12. April 1337 über die
Theilung eines Gehöftes zu Welsberg abgeschlossen
wurde, verstattet, die Genealogie dieser Familie weiter
zu verfolgen. In demselben erscheint nämlich einerseits
Ulrich mit seinen zwei Söhnen Zacharias und Georg—
ein dritter namens Christoph wurde ihm erst später
geboren — andererseits sein Bruder Heinrich (Mäusen-
reuter) mit seinen Söhnen Heinrich und Ulricli. Zacha-
rias , im Texte der Urkunden immer Zachreis des
richters sun von Welsperch genannt, bediente sich
1342 und 1347 eines runden Stempels mit dem bekann-
ten Welsbergischen Schilde und der Umschrift : -r S . Z.\-
CCbARieC . DS WeLSPGRöh. Erwähnenswerthe That-
sachen aus seinem Leben sind nicht bekannt.
Zu grösserer Bedeutung gelaugte dagegen sein
otfenbar viel jüngerer Bruder Georg , dessen Siegel im
letzten Viertel des XIV. Jahr-
hunderts an einer grössern An-
zahl von Urkunden erscheint.
Am 12. Juli 137G wird er als
Vetter ,,hern Haiureichs des
Mäwscnräuter" und Richter zu
AVelsberg bezeichnet, 1386 zu
einem der Spruchleute erko-
ren, welchen Bischof Berthold
vun Freising die Entscheidung
Fig.
Airnwik starb laut des Nekrologiums an einem 6. September. Seine
AVüwe Geisel machte nach dem Tode ihres Sohnes Paul von Welsperch, eine
fromme Stiftung nach Innichen . welche anraoglich von ihren Enkeln Wolf-
hart und Christan angefeindet, schliesslich jedoch am 21. Juli 1326 förmlich
auerkannt wurde. — Tiem Geschlechte der Ritter von AVelsberg gehört vj-el-
Uicht auch jener Fridericus de Welsperg an, welcher nebst einem ungenann-
ttn Otto r27S als Aeutju des letzten Willens bei Berthold Chrello auftritt.
Jedenfalls war er gerini;erer A>ikunft, da er schlechtweg aU -vir idoneus ac
tide dignus- bezeichnut wird. Yjjl. Huririayr krit. dipl- Bcitr- IT, 1S2.
40
Fig. 8.
seiner Streitigkeiten mit
deu Görzer Grafen hiu-
sithtlidi seiner Besitzun-
gen und Gefälle im Pu-
sterthale übertrug. So an
Würde und Ansehen stei-
gend, begegnet er uns 1402
als Kanimermeister des
österreicliisehen Herzogs
und Verweser der Freisin-
giselien Besitzungen im
Pustertbale. Ein Jahr vor-
her hatte er nebst seinem
Bruder Christoph einen
namhaften Hof zu Massensee erkauft , 140G war er
bereits gestorben.
Georg von Welsberg sowohl als sein Bruder Chri-
stoph, der um 139s das Richteramt bekleidet haben
dürfte, haben sich der ritterliehen Laufbahn gewidmet
und werden darum in deu Urkunden als ,.erber, veste,
vnd weyse-* titulirt. Von Christoph liegt kein Siegel
vor, Georg dagegen bediente sich wählend der Jahre
1376 — 1402 immer desselben Stempels.
In einer Sehale von rohem Wachs ersclieint auf
grüner Fläche der schiefgcstellte gevierte Schild (Feld
2 und 3 erhaben und gegittert), bedeckt von einem mit
Hörnern besteckten Stechhelm und den leicht ange-
deuteten Helmdecken, umgeben von der Umschrift:
S GffORI Da — WftLSPaRG — Durchmesser 21 Milli-
meter. (Fig. 4.1
Mit dem Siegel Georg's war das Vorbild gegeben,
dessen sich die Familie im XV. Jahrhundert bediente.
Der Stechhelm wurde allmälig immer mehr ins Profil
geschoben, die Hörner mehr und mehr phantastisch
gestaltet, bis sie in s. g. Elephantcnrüssel ausarteten,
die Heinidecken in leichtes Kankenwei-k aufgelöst und
die gothische Majuskel durch die eckige Minuskel
ersetzt. Die erhabenen Felder, deren Stellung 1, 4 und
2, 3 wechselt, werden zuweilen gegittert, zuweilen
ganz leer gelassen, andererseits aber auch die vertief-
ten Felder durch Punktirung damascirt. Die vertiefte
Schale von rohem Wachse mit grünem Siegelfeldc
wird beibehalten. Es dürfte darum die Abbildung des
am meisten charakteristischen und die Beschreibung
der übrigen Siegel genügen.
1420, besiegelt „der edle veste herr Pauls der
Welsbergcr'' einen Brief Lenz Gotschler's von Innichen.
Schrift zwischen Perllinien, die Worte durch Kleeblätter
getrennt : s pool «JOtl
turUptrg. Das Siegelfeld
neben dem behelmten
Wappen ist mit Zwei-
gen erfüllt. Durchmes-
ser 26 Mllm.
1428 der ,,edle
veste ritter her Chri-
stofi' der Welsperger-'
besiegelt eine von Sig-
mund Kauchpal aus-
gestellte Verkaufs - Ur-
kunde : 0 . cl)riftof —
turlfpfrgrr. Schrift zwi- , Fig. 10.
sehen Perllinien. — Die
Ilörner sind oben etwas geöffnet. Durchm. 27 Mllm.
1435, der „edle und veste Ritter Hans Welsperger-'
bestätigt den von Seycz Pekch von Innichen über den
Verkauf eines Hauses an den Pfarrer von Teisten, Hans
Luchs, ausgestellten Brief durch Anliängung seines
Siegels: . s . Ijans . uo . — . tuflfperg . Wappen in einer
aus vier Bögen gebildeten Einfassung, zwischen dieser
und einem äussern Stufenrande die Schrift. Durchmesser
33 Mllm. (Fig. 5.)
1443 , erscheint „der edle veste Sigmund von
Welisperig, als Mitsiegler eines von Conrad Taunhaus-
ser, Pfleger zu Klauseek, ausgestellten Verkaufsbriefes:
sugmunt . • — iurlf|)trgtr- Wajipen in einer vierbögigen
Einfassunj
leren
Feld
gegittert und mit
Punkten
I ijj. !••
bedeckt ist. Schrift zwischen der Einfassimg und einer
Perllinie. Durchmesser 30 Mllm.
1455, ,.der edle und veste Jörg AVelsperger die
zeyt . . . graflf Johannsen Graft" ze Görcz vnd ze Tyrol
lautrichter ze Welsperg" bestätigt durch Siegelanhän-
giing den Verkauf zweier Acker durch Peter Metzger
von Innichen au den dortigen Chorherrn Paul Helm-
slaher. — Schliesst sich in der Auffassung den beiden
unmittelbar vorhergehenden Siegeln enge an. Die Gitte-
rung des Feldes ist weggelassen. Dafür die Zeichimng
der Helmdeckcn ganz arabeskenartig durchgeführt und
die äussere Einfassung durch einen verzierten Stufen-
rand gebildet. Umschrift . s . jorg lut-lffjtrgrr . nnd ein
kleiner Kojif Durchmesser .">1 Millimeter.
Während in der Naclikommeiiscliaft des Richters
Ulrich, wie wir gesehen haben, der Is'aiiie von Welsberg
))leibend wurde, hat der jUngere, von Heinricli, genannt
Mäusen reuter, alistammende Zweig diese Bezeich-
nung beibehalten. 1376 festigt lleinrielisSdhn gemeinsam
mit seinem \'etter Jörg von Welsberg eine Urkunde des
Stiftes Innichen. Sein Siegel gleichfalls von grünem
Wachse in weisser Schale, zeigt den Welsbergischen
Schild und die Umschrift: + S . beHRKd DG >I(.V,WSR-
RA\T. Durehinesser .'loMm. (Fig. (i). Die Familie sciieiiif
sich im XV'. Jahrhunderte nach der Steiermark gezugen
zu hallen, da ein Hans Meisenreiter Kanzler des Grafen
Hermann von Cilli in deu Jahren 141!) bis 1428 urkund-
lich erwähnt wird. In Tyrol dagegen ist dieser Name
gleich dem zerfallenden Schlosse gänzlich verschollen.
Während der Jahre l.'>27 — i;'.4(i begegnet man
dem gexierten Welsbergiselien Schilde auch bei einem
gewissen Nicol. Rossmort, einem Manne rittt'rlichen
Herkommens, welcher zu Ligöd, einem jetzt zerstörten
Burgstall näcli.st 'I'oblacli seinen Sitz hatte. Siiinacher
und nach ihm Staffier halten ihn wegen der Wap-
41
peiigleichbeit für einen Verwandten der Welsberg:er,
welche .sie übrigens mit dem mäclitigeu Ministerialen-
gesehlecbte des XIII. Jahrhunderts identiticiren. Allein
davon ganz abgesehen fehlen sogar die Hinweise, um
eine Verwandtschaft mit der Familie der si)ätercn lüch-
ter von Wclsberg, beziehungsweise den Mäusenreutern
anzunehmen, wiewohl die Urkunden nicht selten sind,
welche des Kossmort gedenken. In den Jahren lo41 —
lo44 war er in einen ärgerlichen Handel verwickelt,
da er von dem lunichener Chorherrn IJerthold Tüschel
Güter erworben hatte, zu deren Vcräusserung dieser
nicht berechtigt war, und die daher zurückgegeben
werden mussten. 1344 am 11. August stellt er eine
rechtsgeschichtlich sehr interessante Urkunde aus , in-
dem er seinen Stietliruder Kicolaus , den er nebst
seineu Geschwistern und deren IMutter aus der Leib-
eigenschaft des Lienzer Burggrafen Friedrich Murgott
an sich gekauft hatte, dem Gotteshause zu Aufkirchen
als zinsigen Mann übergab. 134G Uberliess er der
Kirche zu Niederndorf das s. g. Pöckleins Lehen zu
Prags , auf welches bereits die Vorfahren seines Ver-
wandten Gerung ein Seelgeräte angewiesen hatten, ins
volle Eigenthum; 1347 am 10. März war er bereits mit
Hinterlassung seiner Witwe Diemut, wie es scheint
kinderlos, verstorben.
Kossmort siegelte je nachdem mit rothem oder
weissem Wachse. Sein runder, 2S Mm. im Durchmesser
haltender .Siegelstempel ist von keiner besonders schö-
nen Arbeit, und weist den gevierten Schild (l-'eld 2 und
3 erhaben und gegittert) auf. Die Umschrift lautet ein-
fach: S. NiaOLAI ROSSOiORT. (Fig. 7.)
II. E h r e n b u r g F 1 a s c h b e r g.
Westlich von Oberdrauburg, schon knapp an der
Tyroler Gränze, ragen die Trümmer von Flascbberg, und
kaum eine Meile davon in der Luftlinie ist ober dem
Dorfe Tristach auf einem Hügel, hinter dem der einsame
Tristachersee liegt, noch die kleine graue Ruine des
Schlosses Ehrenburg sichtljar. In beiden Vesten hausten
Familien, welche urkundlich Ministerialen der Görzer
Grafen genannt werden, dass sie aber Einem Geschleehte
angehörten , darüber belehren uns die vorhandenen
Siegel.
Als einer der ältesten Flascbberger dürfte jener
C'holo de Flasperch zu betrachten sein, welcher seit
der Mitte des XII. Jahrhunderts im Gefolge des Grafen
Engelbert von Görz auftritt, jedoch nach seiner Stellung
unter den Zeugen noch geringen Ansehens ist. Kasch
gelang indessen der Familie der Aufschwung. Hugo de
Flahsinberch und sein gleichnamiger Sohn rücken in
undatirteu Urkunden von c. 1160, 1182 und 1200—1220
auf immer ehrenvollere Plätze, und in dem Documente,
welches am IS. Jänner 1206 vom Gurker Bischöfe
Walther zu Strassburg in Kärnten über den Ankauf
gewisser Güter um Lienz ausgefertigt wurde, erscheinen
Hugo et Sifridus de Vlahsperc als die ersten und vor-
nehmsten Zeugen genannt. Etwa 1230 werden Cholo
von F. als Burggraf von Lienz, und ,,Shugoi filius domini
Berbtoldi de F.'' mit dem Titel Herr ausgezeichnet,
welcher dem Geschleehte fortan verblieb.
Ungefähr zur selben Zeit Igrnen wir auf einem
Siegel des Volker von Flascbberg das redende Wappen
des Geschlechtes, drei (flachsweisse) Berge in natürli-
cher Ordnung, kennen. Es hängt an einer im Jahre 1232
XVIII.
zu Sagriz im Miillthale vom Erzbischofe Eberhard II.
von Salzburg und dem Görzer (irafen Meinhard gemein-
scbattlich ausgestellten Urkunde, in welcher bezeugt
wird, dass zwischen den „ministeriales nobilis uiri
Meinliardi comitis de Goree, Chohmein et Volkeruni
fratres de Flabsperc ac Chunonem nepotem ipsorum-'
und dem Kloster Adnidnt hinsichtlich der Wiese Muker-
nice in der kleinen Flcissalpe ein \'erglcieh geschlossen
worden sei. Das dreieckige, an einzelneu Fäden hän-
gende Siegel hat sich nebst der Urkunde im Kloster-
Archive erhalten. Es ist von rohem Wachse, 3(J Mm.
lang, oben 33 Mm. breit, und die in der Mitte begin-
nende Umschrift lautet : + S\'— OLKGRI DG — \'LACH-
SPGR — Ch. Derselbe Volker v<in Flaschberg erscheint
noch einige Male als vornehmer Zeuge in (iörzer Urkun-
den bis zum Jahre 1269 , ein dritter Bruder Hugo nebst
seinen Söhnen Heinrich und C'holo wird 1234 in einer
Milstätter Urkunde erwähnt. (Fig. 8.)
Seit der Mitte des XIII. Jahrhunderts beginnen in
Görzer Urkunden auch Herren von Ebrenburg aufzu-
tauchen , und zwar ist es ein gewisser Chuno de Eren-
berch, den eine Reihe von Documenten aus den Jahren
1256 — 1277 nennt. Das Siegel, welches aneiner Admun-
ter Urkunde vom 20. October 1271 hängt, in welcher
„Chuno de Ernberch ministerialis domini comitis Goricie-'
in seinem Streite mit dem Admonter Verwalter zu Sagriz
auf seine Ansprüche hinsichtlich einiger Güter in der
„Fleiss" verzichtet, belehrt uns durch Darstellung und
Aufschrift über die eigentliche Herkuutt dieses Edlen.
Es zeigt die drei Berge der Flascbberger und noch
ausserdem den Kamen: + S . Gl (!) — ONONIS — DG
FLASPE — RC. Der Stoff ist wie gewöhnlieb rohes
Wachs, die Höhe 46, die Breite 43 Mm. (Fig. 9.)
Kuno von Ehrenburg ist mitbin identisch mit jenem
Kuno, welcher weiter oben in einer Urkunde von 1232
als Neffe der Brüder Cholo und Volker von Flascbberg
bezeichnet wird, also gleichfalls ein Flascbberger, der
aber um 1250 das Schloss Ebrenburg « erbaut haben
mag. und nach diesem Besitze sich nannte. Seine
Familie wird zum Theile in einer Urkunde von 1276
aufgezählt. Er besass demnach eine Schwester Hilde-
gard und zwei Töchter Elisabeth und Margareth , die
ihm seine Gemalin Liukard geboren hatte, ^'on einem
Sohne Xamens Heinrich, welcher 12S{j zu Ebrenburg
sessbaft gewesen , berichtet Staffier.
Die Nachrichten welche mir über die Flaschberg
und Ehrenburg aus den Urkunden des steirischeu Lan-
desarcbivs zu Gebote standen, sind zu lückenhaft, um
eine förmliche Filiation bis auf jenen Cholo von F. zu
führen ', welcher zu Anfang des XI\'. Jahrhunderts in
Innichener Urkunden vorkömmt. 1304 verkauft nämlich
Traute von Lambrecbtsburg, Cbolo's von Flascbberg
Gemalin, dem Innichener Dechante Gerolt ihren Antheil
an zwei im Sextentbale gelegenen Höfen um 34 Pfund
Berner. Das runde Siegel von rothem Wachs mit der
Umschrift: S . CHOLOMS . DG . \'LAHSPG. . . (40 31m.
im Durchmesser) zeigt eine ziendiche Veränderung des
Wappens. Die Zahl der Berge ist auf einen beschränkt
und dieser schräg rechts gestellt und von solch eigeu-
f- Nicht zu verwechseln mit diesem in Urkunden Erenberch genannten
Schlosse ist die .\irnbur^, jetzt gleichfalls Elirenburg bei Uruneck, ant west-
lichen Ende des Pusterthals, das Stammschloss der Orafen von Kiini^l. Vgl.
Staffier II/2, 223.
" I>ie Nummern der benützten Urkunden im steirischen Landesarchive
(durchaus Copien meist von .\dmonter .Archivallen) sind: 23-1*, 3u7, 336, 472
ISS", SOG«, 510, 517, 740», 8015, 910, 911, 9GG, 974, 1052.
thümlicher Form, dass man sehr wohl begreift, wieso
Wissgrill (Schauplatz des n. ö. Adels III, 51) das
Wappen der Flaschberg' als einen ,.rothen Schild, in
welchem eine dicke weisse Wolke vom untern rechten
zum obern linken Winkel aufsteigt, anspreclien konnte
Ein zweiter Stempel mit nur unbedeutenden Abweichun-
gen liiingt an einer Urkunde von 1317. (Fig. ]0.) Ent-
gegen Brandis, welcher die Flaschberge 1443 auch in
weiblicher Linie erlöschen lässt, kennt Wissgrill dieses
in der zweiten Hälfte desselben Jahrliunderts nach Nie-
der-Österreich eingewanderte Adelsgesclilecht noch in
viel späterer Zeit.
Beiträge zur iiiittelalterliclieii Spliragistik.
Von Dr. Karl Lind.
(Mit l Ilolzs.hüiltiii )
I. Wiener- Neustadt.
FiK. 2.
Die Mittheilungen haben bereits wiederholt Be-
sprechungen veröffentlicht über die verschiedenen Sie-
gel der allzeit getreuen Stadt Wiener -Neustadt, und
wurde in jüngster Zeit ein sehr wichtiger Beitrag über
das älteste bekannte Siegel dieser
Stadt aus der Feder unseres ge-
schätzten Mitarbeiters Herrn Dr. A.
Luschin gebracht.
Wir wollen nun im Folgenden
die noch weiteren bekannten Siegel
dieser Stadt besprechen und damit
diesen Gegenstand, so weit gegen-
wärtig darüber Materiale vorliegt,
zum Abschluss bringen.
Fig. 1 zeigt die Abbildung eines kleinen Siegels
dieser Stadt , das seit der ]\Iitte des XV. Jahrhunderts
im Gebrauche stand. Die Abbildung ist entnommen
einem Originale aus dem Jahre 1423 und wird selbes
in der betreffenden Urkunde als „unserr Stadt chlaines
aussen zerugk (d. i. über Papier auf der Buckseite der
Trkunde) aufgedrucktes Insigel-' bezeichnet. Es misst
1 Zoll im Durchmesser, und zeigt im Bildfelde zwei
von einander abstehende Thürme mit Zinnen und je
einem Fenster und eine in Vogelpers])ective dargestellte
gezinnte Kingmauer, voran das Thor mit dem geschlos-
senen Fallgitter. Zwischen
den Thürmen schwebt der
Bindenschild. Die Umschrift in
Lapi(Liren in einem von Stu-
fenliiiien begränzten Schritf-
rande lautet: * t . Sigillvm .
nove : civitatis *
Auf einigen Urkunden,
die etliche Jahre jlinger datirt
sind, findet sich ein mit dem
vorigen in Bezug auf die bild-
liche Darstellung älmlichcs,
aber viel roher gcarluMtetes
Siegel , das ebenfalls dem auf Papier geschriebenen
Documentc aufgedruckt ist. Das Siegel hat 1 Zoll 4
Fig. 2.
Fis:. 3.
Linien im Durchmesser und führt in dem breiten, von
Perllinien umsäumten Schriftlande folgende in Minus-
keln geschriebene Umschrift: f s . parrum . civiv . nove .
civitatis. Die Abbildung des Siegels (Fig. 2) wurde
einer Urkunde des Wiener Archives aus dem Jahre
14::9 entnommen.
Endlich haben sich nebst dem
Siegelstcmpel in der Sammlung des
Neustädter Kathhauses auch an Ur-
kunden Abdrücke eines wahrschein-
lich aus der zweiten Hälfte des XVI.
Jahrhunderts erhalten , das 1 Zoll
im Durchmesser erreichend in dem
aussen von einem Kranz und innen
von einer Perlenlinie umsäumten
Schriftrande die in Lapidaren geschriebene Inschrift:
t Sigillvm . parvum . novae . civitatis enthält. In dem
]5ildfelde zeigt sich auf einem beschnörkelten Schilde,
das ältere Stadtwappen, die gezinnte Mauer mit offenem
Thor, die beiden viereckigen Thürme mit Zinnen und
je einem Fenster und den dazwischen schwebenden
Bindenschild. (Fig. 3.)
II. T a ni s w e g.
Das 1 Zoll 5 Linien im Durchmesser erreichende
Siegel dieser Gemeinde dürlte dem XVI. Jahrhundert
angehören und führt in dem von einem Bande nach
innen und von einer Krcnz-
linie umfassten Schriftrandc
folgende in Lapidaren ge-
schriebene Legende : * ge-
niaines . marcklit . thauisweg .
insigel v.- Das Bildfeld des
Siegels zeigt einen mit vie-
len Schnörkeln gezierten und
unten abgerundeten Schild ,
dai-innen eine gegen links auf
dahin ansteigendem Felsen
eMi|i(irspriiigende (u;mse, viel-
leicht ein redendes Wai)pcn.
Der eiserne Stempel dieses Siegels ist noch im Archiv
dieser Gemeinde vorhanden. (Fig. 4.)
Fig. 4.
I]iii byzjiiitiiüsclies 3la<l(niiieubil(l.
Von Albert Ilg.
Das nachstehend beschriebene Werk, Eigenthiim
eines Privaten, des Herrn M. G orzkowsky in Krakau,
befand sich in der letzten Zeit in \\'ien. Es unterschei-
det sich nicht allein durch seine Grösse, sondern auch
durch die rcirilicit der Malerei und manche, im Fidgcu-
den bezeichnete Eigenfhllmlichkeiten von den hiuiti-
gen Werken dieser Uattung, so dass wir dein Leser
im Norliinein anzeigen mllssen, es handelt sich nicht
um eine s. g. „schwarze Muttergottes", wie wir sie alle
an allen Ecken gesehen liabci).
— 4;] —
Das Geiiiälile i^ehört unter die grösseren Werke
dieser Gattunic. Sammt dem schwarzen, 2 Zoll breiten,
ganz seliniiickhisen IJalinien, erreicht es eine Höhe von
5 Fuss 9 Zoll bei der Breite von 3 Fiiss. Der Thron, auf
dem die göttliciie Mutter sitzend dargestellt ist, hat die
Form eines schlichten Stuhles, vor welchem noch ein
Fussschemelchen angebracht ist. Das Sitzbret wird von
vier vierseitigen, glatten Füssen getragen, welche unten
in ein kegelförmig gedrechseltes Glied ausgehen, zu dem
ein runder Knnpt von dem Stuhlbeine den Übergang
bildet. Zwischen den Stuhltüssen ist die Seite des
Thrones indessen mit einem dunkelbraun gemalten Brete
verschalt, welches an der rechten Seite (im Bilde rechts)
sichtbar wird, da der Thron ])ersi)ectivisch gezeichnet
ist; vorue verdeckt die Gestalt der Sitzenden diese
Partbie. Auf jeder Seite jedes Stuhlbeines sind Orna-
mente in Form von abwechselnd rothen und grünen
Quadraten aufgemalt, die über einander stehen und
sännntlich von einem grössern, aus weissen Perlen gebil-
deten Quadrate umgeben sind. Der Schemel hat die
Form eines schmucklosen, niedrigen Kistchens, dessen
Oberfläche blau mit goldenen Streifen decorirt ist; er
ruht auf vier kugellörmigen Füssen.
Auf der SitzHäche liegen zwei s])itzzipfelige Kissen
Ubereinauiler, von der Last des d:xrauf ruhenden Körpers
an beiden Seiten stark hinaufgebogen. Das unten beÄnd-
liche hat blaue, das obere rothe Färbung und beide
sind mit einem einfachen , doch sehr guten Textiklessin
geziert, der darin besteht, dass goldene, eingewirkte,
brochirte oder aufgestickte Linien auf dem eigentlichen
Körper des Polsters wagrecht verlaufen , die Enden
aber, wo das Kissen sich zuzuspitzen beginnt, durch
dreifache, senkrecht auf die Längenachse herumlaufende
gewellte Streifen in zwei Theile getheilt werden, von
denen der eine grössere Kreise, der andere Blattwerk
enthält, welches sich in dem Zipfel vereinigt.
Am meisten interessant ist die Rücklehne des
Thrones, wenn ich den betreffenden Theil so nennen
darf, obwohl er eigentlich ein Anleimen nicht gestattet.
Er ist nämlich keine feste Wand, sondern blos ein
rahmenartiges Gestelle, ein Gerüst aus zwei scitlicli
aufstrebenden und einem quer darüberlaufenden Stab,
zwischen welchen ein Teppich gespannt ist, den wir
wohl mit dem mittelalterlichen Ausdrucke Rücklaken
bezeichnen dürfen. EigenthUmlich ist auch Form und
ornamentale Haltung der genannten Stäbe. Sie sind
nicht glatt und auch nicht im Winkel profilirt, sondern
bestehen aus einzelnen längHch ovalen Gliedern , die
von je zwei runden, scheibchenartig gedrückten Theilen
getrennt werden , wie es die _Kunst des Drechslers
hervorzubringen im Stande ist; zudem steigen die seit-
lichen Stützen in geschweifter Form, nicht gerade empor.
Solche Rücklehnen der Throne sind nun bekanntlich auf
Gemälden (ich verweise auf Cimabue's noch hallibyzan-
tinische Madonna in Sta. Maria Novella) auf den Siegel-
bildern und Miniatur-Darstellungen thronender Fürsten
in der byzantinischen und romanischen Kunst nichts
Seltenes. Wie der gesammte Thron, gewähren sie Liter-
esse vom Gesichtspunkte der Cultur-Gescliichte und der
Kunst-Lidustrie. Ausserdem möchte ich darauf aufmerk-
sam machen, dass in der eigenthündichen Gliederung
jener Stäbe der Stuhllehne ein antikes Architecturglied
ni dem Geräthe erhalten zu sein seheint : der Astragal.
Die Gliederung ist noch dieselbe, wie wir sie an antiken
C'apitälen und Simsen erblicken, ihre Ubertra.i:ung auf
das Tischlergeräthe zeigen auch schon vorcliristliclie
Werke des Altcrtliunis.
Li dem von diesrn drei Stäiieii eingefassten Räume
ist nun ein Teppich gespannt, weicher leicht gefältelt
nicderhängt. Der Fond des Gewebes ist weiss , die
Lichter der Falten stärker mit derselben Farbe auf-
geliölit. Oben läuft eine von drei gelben Streifen gel)il-
dete Bordüre hin, der übrige Raum ist mit einem Muster
von rotlieu Kreisen und nacli unten gekehrten, drei-
blättrigen Lilien gefüllt.
Auf diesem Throne sehen wir die jungfräuliche
Mutter, das Kind am Schosse haltend. Ilir Haujit ist
leicht nach rechts , zu dem Söhiilein , geneigt , von
jugendlichem mildfreunlichen Ausdrucke, so dass denn
.aiu'h dieses Gemälde die po])uläre Rederei von der
mumienhaften Starrheit und Steifheit der byzantini-
schen Gestalten Lügen zu strafen geeignet ist. Rechne
man nur die Uiibeholfenheit der Zeichming und das
Unvortiieilhafte des harten Colorites ab, und man wird
nicht verkennen, dass der Künstler nichts weniger als
eine seelenlose greisenhafte Dogmengesfalt, sondern
die Lieblichkeit einer jungen Mutter als Ideal vor dem
geistigen Auge schweben sah; die Absicht, es wieder-
zugeben, genügte nicht um es zu erreichen, war aber
doch im Stande, einen Hauch des Edlen, Lieblichen über
das Werk zu verbreiten, der unverkennbar ist. Und ist
es im Verhältniss nicht bei allen Schöpfungen, auch den
höchsten Meistergebilden so? Das Ideal des Künstlers
kann ja niemals vollkommen in dem Gefässe der mate-
riellen Darstellung zur vollen Blume rein und uiiver-
kümmert aufblühen, und das Schöne aji der Leistung
ist dann eben nur dasjenige, was uns das Vorhanden-
sein der Absicht, jenes Ideal zu erreichen, beweist.
„Wenn Raphael ohne Hände geboren worden wäre-' —
u. s. w.
Der Kopf nimmt gegen die Stirne an Breite zu,
das Kinn ist gerundet und stark gegi])felt, die untere
der rosenrothen Lippen hat geringere Breite , ist aber
voller als die obere, die in feinen Conturen verläuft. Am
wenigsten verdient die lange und stark gebngene Xase
schön genannt zu werden, welche den echt byzantini-
schen Typus durch die knollenförmige Sjiitze und die
kleinen Flügel nicht verläugnet. Das breite geschlitzte
Auge überwölben auffallend grosse , geschwungene
Brauen, die Lider sind stark geröthet, die Backen rosig.
Dieses Angesicht umrahmt eine breite Aureole,
gleich dem Grunde des ganzen Bildes aus aufgelegtem
Blattgold gefertigt, von Interesse aber dadurch, dass
die Ornamente des Heiligenscheines en relief durch auf-
gesetzten und dann vergoldeten Gyps geformt sind. Ich
habe in der Note zum 1U2. Cap. des Trattato des Cen-
nini (p. 168) angezeigt, dass man schon bei den Alten
und dann bis in die gothisehe Periode der deutscheu
Malerei an plastischen Aureolen Geschmack fand; hier
haben wir ein Beispiel für die griechische Kunst, dem
ij. 7 der Hermeneia entspricht. Ceunini schildert genau
den technischen Vorgang. Auf unserem Bilde jedoch
sehen wir nicht den ganzen, runden Schein erhaben
geformt, sondern nur die einzelnen Strahlen, in zwei
Reihen prismatisch gebildeter Ornamente neben ein-
ander.
Die Linke Maria's ist bis zur Höhe der Brust erho-
ben , der andere Arm umschlingt das Kind. Als Unter-
44
kleid trägt sie einen braunrutlien, ursiirünglicb wolil
purpurnen Stoff, welcher bis an den Hals hinaufreicht,
darüber ist ein dunkelblauer Mantel geschlagen und
drapirt auch Kopf und Stirne in Art eines Schleiers.
Dort wo er den Kopf umzieht, ist er von einer rothen
Bordüre eiugefasst. Dem Unterkleide gleicht das Gewand
des Christuskiudes. Alle Fahenzüge sind durch goldene
Linien gegeben, die grösseren Licliter an den Knieen
etc. in Form goldener rhombenartiger Flecken. Der Zug
der Falten ist sein- einförmig, gerade, in noch antiker
Schlichtheit gehalten.
Das heilige Kind segnet die Andächtigen vor dem
Bilde, in der Linken hält es eine Schriltrolle, die blau
und goldgestreilt dargestellt ist, wie Cimabue's Christus-
kind in der Tafel im Louvre. Am merkwürdigsten
scheint mir wohl der Kopf, welcher mit dem dichten
kurzen Kräuselhaare von brauner Farbe, der sehr hohen
und kräftigen Stirn und dem gespannten Ausdrucke
eines Beobachtenden ganz auffallend an römische Por-
trätbüsten erinnert. Den glatten Goldnimbus ziert ein
braunes Kreuz. An den Füssen des Kindes sehen wir
keine Schuhe , jene Maria's sind von lichter Roseufarbe
und mit Gold gestickt.
Alle Carnation hat einen gelblichfahlen Ton mit
olivungrünen Schatten, die Körper entbehren der Mo-
deliirung, die Hände mit ihren steif gebogenen, langen
und dünnen Fingern sehen mager und kraftlos aus.
Neben dem Haupte der Jungfrau schweben dieHalb-
(iguren zweier kleiner Engel, unten ganz gerade abge-
sclnutten. Li .symmetrischer Übereinstinuuuug gehalten,
ist jeder in ein blaues Unterkleid und rotlien Mantel
gekleidet. Iln-e Fittiche von brauner Farbe sind gross
und geschwungen, um die Köpfe leuchten Aureolen, in
den Händen hält jeder eine braune Kugel und ein
Scei)ter. Eine Inschrift, sonst so häutig an byzantiui-
scbcn Bildern der Dcijiara, fehlt unserni Werke.
Bei der l?estiinniung byzantinischer Arbeiten ist es
nicht nöthig, nach Analogien zu suchen und auf solche
belnifs des Vergleiches hinzuweisen, denn es steht uns
eine ganz feste Kegel, eine bestimmte Vorschrift zu
Gebote, auf welche das vorliegende Werk gleich zahl-
reichen seiner Brüder nur einfach zurückbezogen zu
werden braucht. Diese Canones enthält bekanntlich die
Hermeneia und auch für unsern Fall hat dies reichhal-
tige l'.uch das gehörige Capitel, die betreffende Aufgabe,
als deren Lösung aucli dieses Gemälde zu l)etrachten ist.
Haben wir datier auf die vom Geiste der byzantinischen
Kunst, formell wenigsten.s, noch so tief durchdrungenen
Scliöpfungcn Cimabue's hingedeutet, so ist die Beziehung
gleichwohl nur eine beiläufige und gibt es unter den
eigentlichen byzantinischen Malereien viel übereinstim-
mendere Beispiele. Zwar haben wir dort ebenfalls eine
Verehrung der Himmelskönigin durch Engel , doch
passen jene Cimabue'schen Compositionen mehr zu der
\'orschrilt, welclie das Malcrbuch ;räaa ^v7!j a'/'/sÄc/jv
überschreibt, in dem Capitel von den oImi rrjj ^iczi/.o-j
(§. 4U(»). Die hier gegebene Auffassung der Jungfrau
dagegen entspricht dem Capitel: Ilci? wr&pi^srat roup-
/«ta sy.x/,/,7!« (g. 4o9), wo es heisst: ,.]\Iache die Hei-
ligste auf einem Throne sitzend und Christum als kleines
Kind haltend, und über sie schreibe diese Inschrift:
Mutter Gottes, erhabener als die Himmel. Und zu ihren
beiden Seiten mache die zwei Erzengel Michael und
Gabriel etc." Eine Lischrift ist auf diesem I5ilde aller-
dings, wie bemerkt, nicht zu sehen, das übrige jedoch
stimmt zu jenem Satze des Malerl)uches. Von den im
§. 452 gesammelten Beinamen der Heiligen würde auf
die Bilder Cimabue's der Titel: „Königin der Engel"
passen , während unsere : „die grösser ist als der
Uininiel" heisst. Die Erscheinungen der beiden Engel
auf unserem Gemälde bezeichnet sie in der That als
Erzengel, denn diese sind u. a. auch in Frescomalereien
des Klosters Iviron am Berge Athos dargestellt als
unbehelmte Krieger, mit der Kugel in Händen. Endlich
wollen wir nicht übersehen, dass Maria der griechischen
Ikonograpliie gemäss beschuht gemalt ist, da nackte
Füsse eine Auszeichnung der Göttlichkeit sind, welche
nur den Personen der Trinität, den Engeln und Aposteln
zukommt. Alles Übrige an der Gestalt der JLadouna
stimmt vollkommen mit dem in §. 447 der Hermeneia
geschilderten Idealbilde.
Über Alter und Entstchungszeit des "Werkes ein
Urthed zu liefern, masse ich mir nicht an. Es hat nicht
den gebräunten Ton, den die Anbringung eines harzigen
Firnisses an den l)y/.antinischen Tafelmalereien hervor-
gebracht haben soll, sondern ist klar und freundlich.
Das Cypressenholz des Brotes trägt Spuren von Alter,
es ist theilweise morsch und wurmstichig. Die Malerei
selbst haftet auf Leinwand, welche auf das Bret geklebt
wurde. Unser Bild befand sich ursprünglich in der Nähe
Neaiiels an einem al)gi'legenen Orte, kam in die Samm-
lung Campana und nach deren Zerstörung in den gegen-
wärtigen Besitz. Somit haben wir es wohl mit einer grie-
ciiisclien, auf italienischen Boden gefertigten Arbeit zu
Ihun. Die Zeitl)estimnuing gehört gerade bei diesen Ar-
beiten beinahe zum Unmöglichen, eben weil ilinen allen
dersell)e, Jahrhunderte alte Canon zu (!runde liegt.
Ältere Grabmale in Nieder -Österreich.
Aon Dr. Karl Lind.
(Mit 3 HolZBchnlttcn.)
Im Kreuzgange nächst der Dom- (ehemaligen
Stifts-) Kirche zu St. l'öltcn, einem keineswegs als
Bauwerk interessanten Gebäude, belindeii sicii gegen-
wärtig nur mehr sieben Grabmale, davon eines ganz
besonders die Aufmerksamkeit des P.eschauers fesseln
durfte.
Dieses Moihihh iit. U\., Fuss hodi iiiiil 4 Fuss lireit,
besteilt aus zwei Theilcn, die ilirer Üestiniiiiung nach
in der gegenwärtigen Aufstellung nicht zusniiinieiigeliö-
ren. Der untere grössere Tiieil mag die Deckplatte
einer Tuiiilie, wofür aucli der Umstand spricht, dass
derselbe nicht abgetreten ist, der ol)ere kleinere viel-
leicht ein Seitentlicil einer solchen gewesen sein. Auch
ihrer Entstellungszeit nach mögen beide Steine ver-
schieden sein, und si)riclit der Ciiarakter der Figuren
für das etwas höhere Alter des unteren Theiles, der
zu Anfang des XIV. Jalnhmiderts entstanden sein dUrfte,
wälirciMl der uliere Theil aus dem auf der naditräglich
4S —
eingemeiseltcn Umschrift des erstcren bezeichneten Jaiir
stammen mag. DieEuliestätte der Familie Hagen au er
war nämlich ursprünglich in oder zunächst der Peters-
kirche ausser Böheimkirclien , welche wahrscheinlich
von der Familie Hagcnauer erbaut wurde '. Zur Zeit,
als ein Mitglied dieser Familie, nändich Otto von Hage-
nau, Canonicus im Stifte St. Polten war, wurde die
Hagenauer'sche Familiengnift nach St. Polten verlegt
und Otto bestimmte den Stein, der laut seiner Umschrift
„in agro" gefunden wurde, zum Abschluss der neuen
Ruhestätte. Unter dem Probste des Stiftes St. Polten
Johann Fünfleuthner (um die Mitte des XVII. Jahr-
hunderts) wurde das Monument in den Kreuzgang an
die jetzige Stelle und zwar in diese hinsichtlich der ein-
zelnen Theile nicht zusammenstimmende Aufstellung
gebracht.
Die untere G Fuss 8 Zoll hohe Platte dieser in die
Mauer des Kreuzganges eingelassenen Tumba zeigt in
dem vertieften von einem schmalen Schriftrande um-
rahmten Mittelfelde Christum am Kreuze. An den Enden
der Kreuzbalken befinden sich die Kopfe der Symbole
der vier Evangelisten und zwar oben des Adlers und
unten des Engels, rechts des Rinds und links des Löwen,
jeder Kopf mit einem Spruchbande, darauf der Name
des symbolisirten Evangelisten. Neben dem Kreuze
stehen die heil. Maria mit auf der Brust gekreuzten
Armen und der heil. Johannes, ein Buch haltend. In
der Höhe oberhalb des Kreuzes schweben auf Wolken
betende Engel mit gefalteten Händen. Die Umschrift mit
Majuskeln des XIV. Jahrhunderts geschrieben, lautet:
„Anno, domini . m.c.c.c.xxxvii j (rechter Rand, die
Buchstaben gegen die Innenseite gewendet) Otto . de .
Hagenav . canonic . reg f aris f apidem hunc | (linker
Rand die Buchstaben nach aussen gerichtet) in agro .
svorvm . parentvm . receptv . transtvlit | (unterer Rand
die Buchstaben nach abwärts gerichtet) super . tvmbam
ip . orvm."
Die meisten Theile dieses Steines sind bemalt,
doch ist die Farbe bereits grösstentheils gebleicht. Die
Figuren sind zwar von lebendigem Ausdruck, doch lang
und hager, die langen Gewänder in gezogene Falten
gelegt.
Der kleinere, über dem eben beschriebenen auf-
gestellte Stein hat eine Höhe von 2 Fuss 9 Zoll, ist mit
einem breiten Rahmen umgeben, worauf mit schwarz
bemalten Majuskeln folgende Inschrift angebracht ist:
„t Augstine pie nos j duc ad agalma Sophiae f XPI colis
grats I sit sacer Ypolitus". Innerhalb des Rahmens be-
finden sich die Brustbilder des heil. Augustin und Hip-
polyt, welche beiden Heiligen die Familie der Hage-
nauer, wie aus der Randschrift erhellet, als Fiirbitter
erwählt hatte. Der heil. Hippolyt ist mit einem grün und
violetten Gewände angethan, hat einen tellerförmigen
Nimbus und hält in der rechten Hand einen Spitzschild,
darauf der Buchstabe Y, die linke ruht auf der Brust.
Der heil. Augustin ist in weites geknlipftes und roth
' Dieses dem heil. Petrus geweihte Kirchlein, eine Viertelstunde von
Böheimkirchen nächst der Gemeinde Ausser-Kasten gelegen und Filiale der
Pfarrkirche von Böheimkirchen, ist ein noch beachtenswerthes Gebäude roma-
ni.scheu Styles. Der gegen Westen situirte Thurm neigt sich schief, das Schin-
deldach ist vom Wetter zerfressen, an den plumpen Thurmbau mit seinen
rundbogigen schmalen Schaulöchern stösst das etwas breitere Schilf der
Kirche. Gegen Osten endet der Bau mit einfacher Concha, an der Südseite
belindet sich ein Fenster mit schmuckloser Trennungssäule, durch die sich
das getheilte Fenster in sanftem Spitzbogen ab^chliessI. Das einfache und fast
unbeachtet gebliebene Bauvrerk mag noch dem XII. Jahrhundert angehören-
(S. Berichte und Mittheil. d. Wiener Alterth. Vereines XIII. p. 59.)
_ i»- S_— *
Fig. 1.
bemaltes Gewand mit offenen Ärmeln gehllllt, trägt um
den Hals das Pallium, auf dem Haupte eine niedrige
Mitra , golden und blau bemalt , die Rechte ist zum
Segnen erhoben, die Linke stützt sich auf das Evan-
gelium. Zwischen diesen beiden Figuren ist das Hagen-
auer'sche Familienwappen, ein abgedorrter Baum ange-
bracht. Den Schild überdeckt ein mit einem rothen
Kreuz bezeichneter Stechhelm mit Büifelhörnern , zuge-
spitzten Ohren und rother Helmdecke. (Fig. 1.)
Kurz besprochen wird dieses Grabmal im Jahrbuch
der k. k. Centr. Comm. II. 122, in den Mittheilungen
— 46
V^aiA/^'Syg^o
Fig. 2.
des Alterthums- Vereines III. HO, in der kircliiicheu
Topographie YII. 233—2:54, l)ei Müller von Praiiken-
haimb 1. 99, und bei Duellius Miscellanea I. .'342 u. f.
Ungenügende Abbildung findet sieh bei Duellius ex-
cerpta gcneal. bist. p. 355.
Über die Familie Hagenau, deren einige Mitglieder
in den Verband des Chorherrnstiftcs St. l'iiltcii traten,
wie Keginibert (um 1130), Otto (um 1330), da.s Übrigens
gegen die Mitte des XV. Jahrhunderts in Österreich,
wenigstens im Mannsstarame ausgestorben sein dürfte
und au das ausser dem Namen in den Irkundcii und dem
Grabsteine nichts mehr erinnert, bringt der illr seine
Zeit sehr verdienstvolle Wissgrill (IV. 35) mehrere
Nachrichten. Wir wollen denselben zur Ergänzung noch
einiges beisetzen, wie das« sich im Archive des Stiftes
Reitenstetten, an dessen Stiftung die llagcnaucr'sche
Familie sich wohl betheiligt liabcn dürfte, eine l'rkunde
aus dem .Jahre 1 1 Ki findet, die licimbcrtus •' de hagc-
nowc et trcs filii ejus Wernhardus, ItcinbertuH » et llart-
wicus als Zeugen autführl (Fontes rerum aust. XXXIII),
dass in einer Urkunde desHcll)eii Stiffes v. J. 1 112 Ilart-
Mclllor führt In »einen Ucgcilon zur Goachlchio de» nnuhcs Babon-
borg (p. 12, 0) einen Rcginbert rto Ilaglnau unter den Zeugen einer Vrkiinde
König Uelnrlrh's V. für da» Bamliorg 'Z!l, IX, lloüj an.
' Weser Keginbcrt dürfte der»clbe sein , der Mitglied de» Stifte» «ii St.
Polu-n und um 1130 denen Prob« war, Im Jahre 1138 den bl.chöllMicr. Thron
Ton P«»8«o Botleg und ala »olchcr auf «einem Zuge nach l'alä»:lna im Jahre
1117 die Sl. Stephansklrche lu Wien weihte. Er »larb IM« auf der Ililmkchr
an» dem gelobten Lande.
wicus * quoque de hagenowe als Zeuge erscheint (1. c.
p. 5). Chmel veröffentlicht iu seinem Geseliichtsfor-
scher (II. 228) eine Urkunde des Jahres 1147 (18. Juni),
welche Hartwicus de Hagenowe bezeugt. In Zahn's
Urkunden zur Geschichte der ehemalig bischöti. Frei-
siugen'schen Besitzungen in Österreich (Fontes rer.
austr. XXXI. 116) findet sieh ein Livtoldvs der Hage-
nowe als Zeuge auf einer Urkunde des Jahres (c.) 1180.
Aus dem Jahre 1288 bewahrt das Stift Scitenstetten eine
Urkunde, die von Sifridus von Hagenauwe, Chvnrad
frater ejus, Pravn (?) de Hagenawe, Sifridi fratris ejus
und Heinricus frater eorundem bezeugt ist (1. e. 108).
Auf einer eilf Jahre späteren Urkunde (20. October)
finden sich Seifrit von Hagenow und Clivurat von Hage-
now als Zeugen eines Schiedssjiruches zur Schlichtung
eines Streites zwischen Rudolf Wirseng und der Abtei
Scitenstetten, und ist Seifried einer der Schiedsrichter
(1. c. 125). Im Jahre 1312 (2. Febr.) verkaufen Conrad
von Hagenau und Margareth, seine Frau, der Kirche zu
Lanzendorf 3 Seh. pfen : Gilten von 9 Joch Ackern am
Ankenberg bei Böheimkirchen. Als Schirmer dieses Ver-
kaufes nennen sich Chvnrat, deren Sohn, Elspet, die
Tochter und Sifrit des älteren Chvnrat von Hagenawe
Bruder (1. c. 150). —
Die zahlreichen imCapitelhause und im Kreuzgange
des Stiftes Heiligen kreuz befindlichen Grabdenk-
male wurden bereits an vielen Orten aufgezählt 5 und
doch ist es nothwendig bei Besprechung mittelalterlicher
Grabdenkmale gerade auf diese zurlickzukommeu, da
dieselben aus ziemlieh früher Zeit stammen , und derar-
tige Steine wenigstens in Österreich nunmehr höchst
selten zu finden sind. Diese wenigen sind um so höher
zu schätzen, als sie uns die Art und Weise der Grab-
steine des XIII. und XIV. Jahrhunderts vor Augen
bringen. Ich will im weiteren Verlaufe mehrere dieser
Denkmale näher besprechen.
Gerade vor dem Eingänge in das Capitelliaus
liegt (leider noch immer) am Boden und zugleich als
Pflasterstein dienend eine rothmarmorne Platte, welche
folgende Umschrift enthält : f anno . dni .IM. CCC .
XXIIII . II . kal . maii . j o . dns . wvlf . | ingvs , de hars-
sendorf. In dem vom Schriftrahnien umgränzten Iiinen-
felde sieht man eine blos in eingehauenen Contourlinien
ausgeführte Darstellung, die beim ersten Anblicke leicht
für eine ganze weibliche Figur gehalten werden kann.
Doch zeigt sich bei näherem Untersuchen der Darstel-
lung nur ein weibliches Bnistliild ; der Kopf ist mit
einem grossen, runilen und niedrigen Hufe bedeckt. Die
Hutbänder umschliessen das Kinn, die Brust verhüllt
ein bis an den Hals fest anschliessendes Kleid, und
das (lanze bildet den Schmuck eines Wappciiholmes,
wobei die Fortsetzung des Kleides zugleich als Hclin-
* Meiner (1. c. p. 30; nennt den Ifortwlc de Hagenowe , iils /engen
einer Schunkung»-l'rkundo für da.-. Kloster Garston vom 1. Jiinner de» Jahre.s
1 1 1-2 und di-»i;lelchen in einer Irkniirle do» Jahre» HIT, da^ Kloster Wald-
hausen betri-tTend (1. c. p. 33). Meiller lüitrl uoeh andere Mitglieder dieser
Fainitie au, flo wird unter den Zeugen einer 7.u t^un^ten der Abtei A<lniont
au»gc»teilten L'rkunde Kaiaer rrlodricii'» I. vom Jahre lis;l d. c. (;lj auch
ein llerrlilul>ertti» de llaglnoue genannt. I>er.svlbe ICrrii«nltortns de llagenowu
er»i'heliit In der l'rkundo vom 'Jl. Dcbr. r.'lS de» Sllfte.t Cnr.ilcn il. c. 113).
l>en Vertrag ddto, 17. Angnst ll.S.'» zwisrheu lI.TZog (")taker von Steicrmai'k
und Ilorsng Leopold von ()»terroicti In ItclrelT de» Anfalles der Stciomiark
an letzteren liozuugl Werriiiardus de Iiagenowo (1. c. li'J). Derselbe er»cltelut
aucli auf einer Irkundo vom 1. Jänner llNil (1. c. (iO). Auf einer Urkunde
do» Jahre» Illtn wird unter den Zetigen ein Krriilnuerus de liak'inowe (1. o.
n8), ondllril Im Jahre 12(11 ein Iloinricu» de Hagenowe (1. c. 93) uud 12ii
Ludwlcu« puer de Iiagenowo (1. c. I3'ii biniinnl.
* Wir führen lH'iNplcIswol»e an Wiens t'mgobungon auf 20 .Stunden Im
l'mkrelsi- von A. Seh midi lII, 3*11; klrchliiho Toiingrapiile von Niedor-
(JHlerrelrh IV. 236. 11 e I d e r'« und E i l ei b e rgo r'» Dunkmale im oBlerreiehl •
Hi.heu Kalfiorr.tna(e I. etc.
47
decke dient. In dem dreiseitigen, au beiden .Seiten et-
was ausgcliaueliten und scliriig rechts gestellten Schilde
zeigt sich ein gegen rechts springendes Thier, walir-
scheinlich ein Wolf. (Fig. 2.)
Über die Familie H a r s s e n d o r f, wie sie am Grab-
stein genannt ist, sind mir nur wenig Nachrichten be-
kannt. Eine Urkunde des Stiftes Heiligenkreuz aus dem
Jahre 12o9 nennt unter den Zeugen den Dominus AVul-
viugos de Horseudorf, als den Bruder jenes so oft ge-
nannten Otto von Harlawe (Fontes r. a. XI. 99), somit
einer damals ziemlich mächtigen Familie angehörig.
Duellius bringt in seinen excerptis geneal. p. 20o den
Auszug einer Urkunde aus dem Jahre 1357, in dem ein
Ulrich von Hessendorf und seine Hausfrau Vro Gerdraut
benannt wird. Zahn nennt in seinem Codex dipl. austro-
frisingensis (Fontes rer. austr. XXXI. p. 230) als Zeu-
gen einer Urkunde ddto 2. October 12G2 einen Wultin-
gus de Horssiudorf ; ferner erscheint auf zwei dasselbe
Datum (3. Februar) tragenden Urkunden des Jahres
1289 ein Siiridus von Horssendorf (Fontes r. aust. XI.
258) und endlich wird in einer Urkunde des Jahres
1368 ein Otto von Harssendorf als Mitsiegler eines
Verkaufsbriefes des Ulrich Pomer und seiner Hausfrau
Dorothea benannt (Duellius I. c. 51). Obgleich der
Name in vielen Variationen, wie Harssendorf, Horsen-
dorf, Hessendorf u. s. w. erscheint, so dürfte bei dem
Umstände, als sie in Urkunden erscheinen, deren Aus-
stellungsort in einem gewissen Bezirke liegt und deren
Beziehung immer auf in demselben befindliche Objecfe
gerichtet ist, es kaum zu bezweifeln sein, dass die damit
bezeichneten Persönlichkeiten der nämlichen Familie
augehören.
Der in der Urkunde 1262 benannte Wulfiug dürfte
derselbe sein, der am 29. April 1324 starb und in
Heiligenkreuz bestattet wurde, au welchen somit das
besprochene Monument erinnert.
Im Fusswaschungsgange liegt, als Bodenpflaster
dienend, die in Fig. 3 abgebildete Platte, deren beide
obere Ecken abgestumpft sind. Die Umschrift lautet:.
t . IUI . i kalen . Septemb . o Sif | ridvs | laevblo . civis
winnen | sis . Innerhalb des Schriftrahmeus ein in Con-
touren ausgeführtes, gothisirtes Kreuz auf einem halben
Vierpass ruhend.
Der Familienname Leubl, Leublo, Leublin, Leubel
tindet sich fast zur selben Zeit unter den Bürgern von
AVien und Wiener- Neustadt. Ob diese variirende Be-
zeichnung immer für dieselbe Familie gilt, ist die Frage.
Von den so benannten Bürgern der Neustadt erscheinen
Rudlo und Heinricus fratres dicti Liublini als Zeugen
in der von der Neustädter Bürgerschaft ausgestellten
Urkunde ddto. 3. Juni 1285 (Fontes rer. aust. XI. 243).
Es ist wahrscheinlich derselbe Heinrich Leubel, welcher
als Richter von W. Neustadt mit Zustimmung seiner
Frau C'hunegunt dem Nonnenkloster zu St. Peter an der
Sperre seineu Antheil an seiner Badstube daselbst und
ein Viertheil eines Weingartens in Solenau schenkt.
Diese vom 1. Febr. 1296 datirte Urkunde (1. c. 322)
nennt als Zeugen den Pioedel Leubel, und Leopold sein
Svn. Aus Urkunde vom 20. August 1296 (die Hein-
ricus Leubel der Richter und Rudgerus frater suus
bezeugen) erfährt man, dass Schwester Wentla, Hein-
rich's Tochter und Witwe Heinrich des Würflers, des
Jobannes Sohn, eine Badstiüje dem obenbenannten Klo-
ster bei ihrem Eintritt in dasselbe schenkte, welche Bad-
Fig. 3.
Stube vom Stifte Heiligenkreuz im selben Jahre gekauft
wurde, und welchen bezüglichen Kaufbrief dto. 26. Sejjt.
Heinrich Loeubel, der Richter, und Roger, sein Bruder,
bestätigen (1. c. 283) 1297 erscheint anf einer Urkunde
ddto 1. April wieder der Richter Heinrich Leubel {\. c.
286), ebenso 1299 (Fontes r. a. XVIH. p. 97). Nun wird
das Verhältuiss der diese Namen tragenden Personen
zu einander etwas unklar, denn in der Urkunde ddto.
11. November 1311, aus der zugleich erhellet, da.ss
Heinrich Leubel nicht mehr Richter von Neustadt war,
erscheinen als Zeugen Heinricus Leublo, Rudlo Leublo,
Lcopoldus Leublo Fratres. (Fontes r. a. XVI. 7.)
Siegfried Leublo , dessen Monument früher be-
schrieben wurde und der vom Rhein eingewandert sein
soll , scheint in der Wiener Geschichte seiner Zeit
eine Rolle gespielt zu haben. Abgesehen davon, dass
ihn eine Urkunde des Stiftes Heiligeukreuz vom 1. Aug.
1270 (Fontes r. a. XL 174) als Zeugen nennt, scheint
er sich an jenen Verhandlungen betheiligt zu haben, die
in Folge des durch Leopold VII. den Wienern einge-
räumten Niederlagsrechtcs und der als Gegenmassregel
von den Ungarn "autgestellteu ZoUlegstättefi in Raab,
bei Ödenburg und bei Pressburg zur Abschliessung
von Zoll- und Handelsverträgen von Seite der Wiener
Kaufherren eingeleitet wurden. So erschien der ange-
sehene Wiener" Handelsherr Siegfried Leublo , der um
diese Zeit das Amt eines Hausgrafen bekleidete , im
Jahre 1270 am Hofe des König Stephan, um eine
Bestätigung der Zollordnung Königs Bela IV. vom J.
1260 zu erwirken, die er auch mit königlichem Brief
— 48
und Siegel erhielt. 1278 war Siefried Lavbel uebst
Leopold Pilhiltstorfer Frocurator des Wiener Bilrger-
spitales (s. Zwettler Stiftungen-Buch. Font. III. p. 333).
Leublo war der Schwiegervater des bisher als ersten
bekannten Wiener Bürgermeisters Conrad Poll, wie dies
unter anderen eine Urkunde vom Jahre 12G8 (Zwettl.
Stiftungen-Buch Fontes III. p. 469) darthuet, woselbst
Sifridus Lovbel und Chunradus Pullus gener suus be-
nannt werden, und der Stifter der Philipp- und Jacobs-
Capelie im Cölnerhofe, welches Haus er eigenthümlich
besass. Die Stiftung dieser Capelle dürfte jedoch
vor den Jahre 128'J geschehen sein. Aus dem Jahre
1279 ddto. 27. Februar hat sich eine Urkunde enthal-
ten, in welcher derselbe der Capelle einige Einkünfte
schenkt «. Vom Jahre 1281 (7. Februar) bringt uns eine
im Archive des Stiftes Klosterneuburg aufbewahrte Ur-
kunde Nachricht, dass Sifridus dictus Leubel, Bürger
von Wien und Jeuta seine Gemalin diesem Stifte Wein-
und Pfenningdienste in Grinzing gaben (Fontes XIV.
p. 21). Das an dieser Urkunde befindliche und erlial-
ten gebliebene Siegel zeigt einen dreieckigen Schild
mit drei Herzen (2. 1.) darinnen, die Umschrift: f sejfridi
.Levblini. Wann Siegfried Leublo, der zwischen 1287 —
1289 Münzmeister war (s. liber fund. Zwettl. Fontes III.
p. 334 iHid K. Weiss: Geschichte der Stadt Wien I.
p. 209) starb, ist nicht anzugeben, auch ob er für die
Gestattung der Ruhestätte im Stifte Heiligenkreuz dem-
selben ein Geschenk oder eine dahin bezügliche Stif-
tung niachte, ist nicht bekannt '.
Über dessen Nachkommenschaft ist ebenfalls bis-
her nichts aufzufinden gewesen, doch erseheint in den
Jahren 1312 und 1315 ein Stephan der Leubel (Lobel)
urkundlich benannt (Fontes r. a. XVIII. 141. 148)».
Zwei Personen dürften übrigens mit Siegfried in nähe-
rer Verwandtschaft gestanden sein, da sie gleichzeitig
mit ihm vorkommen, und auch eine grosse Nameus-
ähnlichkeit besteht, es ist dies Pitrolf Leublo (128t>
12. Juli Fontes XIV. p. 35) und Leopoldus (Levblo),
der 1283 in einem Schiedsrichterspruch anlässlich eines
Streites zwischen dem Stifte Zwettel und dem Wiener
Bürger Albert Longus erwähnt wird (Fontes III, p. 327).
1287 (Fontes IlL p. 334) und 1291 (Fontes XIV.
p. 40) erscheint derselbe (dictus Leub) als Zeuge in
Urkunden.
Notizen und Correspondenzen.
Das Tragaltärchen der Pfarrkirche Maria Pfarr im
Lungau.
Die Pfarrkirche Maria Pfarr im Lungau (Hcrzog-
thum Salzburg) besitzt ein seltenes und kostbares Werk
mittelalterlicher Goldschmiedekunst , nändich ein aus
Silber angefertigtes, reich vergoldetes und verziertes,
in Form eines D^'jjtichons aufgebautes Tragaltärchen
von 3 Fuss Höhe, welches Werk vom Pfarrer Grillinger
der Kirche zu Ende des XV. Jahrhunderts gewidmet
wurde, und jetzt, da man gleichzeitig mit der Welt-
ausstellung auch eine Vorführung mittelalterlicher Kunst-
werke ins Auge gefasst hat, in erster licihc verdienen
würde, den Kunstliebhabern und Forschern zugänglich
gemacht zu werden.
Das Hau])tfcld des Schrankes enthält eine Darstel-
lung des Kreuztodes Christi, zur Seite J(diannes und
Maria, zu den Füssen des Heilandes Engel; in der linken
Ecke der knieende Donalor l'larrer (irillinger unter
einem kleinen Baldachin ; sännntliche Figuren des Haupt-
feldes als Hochrelief getriebene Arbeit in der bekannten
Forniengebung und vollcndeti'n Technik des XV. Jahr-
liundei-tes. Die beiden in zwei Felder abgetheilten Flügel
.•nthaltcn gravirte Figuren und Arabesken, (U'reii Wir-
kung durch gefasste Steine und Perlen gehoben wurde.
Es befindet sich bei geöffnetem Altarwerk im linken
Flügel oben die (icburt Mariens, unten die Aufopferung
Ciiristi im 'I'eiii])el; im rechten I'lligel (il)eii die Verkün-
digung der Geburt Christi durch die Engel den Hirten,
und unten (bic Himmelfalirt Mariois.
Im geschlossenen Zustande zeigt der linke Flügel
des Altarwerkes oben den heil. Johannes den Täufer
und den heil. Johannes den Evangelisten, und unten
zwei Bischöfe ; der rechte Mllgel enthält im (iberen
Felde die IIeili;:en Petrus und j'aulus und im unteren
• Im llclltKcnkroiixer Ollt<'nbur}i, hcrAdsgcfEohcn von P. ])cnc(]. Osell.
findet »Ich oine Sictir, <(lo möglicher Welse auf eine Leublisrhü Stiftung bcro-
ceo werden könnte; lic lautet Item In dccollntlcjno Joliaunl« liainUto II fructn
et sintlla de Lcubilao.
die heil. Katharina und Barbara, sämmtliclie Gestalten
in markiger Gravirung. Auf der Pückseite des Schran-
kes hatte der Künstler in sinnreicher Laubwerks- Ver-
zierung die evangelischen Symbole, das Lanmi Gottes,^
Veronica's Schweisstuch , und den auf die Widmung
Bezug nehmenden Text hineingravirt. tlber dem Schrank
baut sich ein Baldachin auf, unter dem die Figur des
gemarterten, dem Volke ausgesetzten Heilandes steht.
Der Baldachin selbst endigt in einen steil aufziehenden,
organisch gelösten , verschlungenes Ast- und Laubwerk
enthaltenden Riesen, an dem sowohl, wie auch an seiner
Giebelblume mehrfache Beschädigungen wahrzunehmen
>ind. Die leer gebliebenen Stelleu des Mittelfeldes und
der Predela sind mit Reli(iuicn, Perlen und Edelsteinen
besetzt. /. Gradt.
Restaurirung des Karners zu Tulln.
Der bekannte der (jbergangszeit angehörige Kar-
ner: benannt „die drei Königs- und Katharinen-Capello"
nächst der Pfarrkirche zu Tulln soll einer eingehenden
Restauration unterzogen werden. Den eifrigen und ancr-
kennenswertheii PiemlUningen lU's lleriu Dechants Dr.
A. Kor seh bäum er ist es gelungen die dazu erforder-
lichen Summen tlieils aus Beiträgen seiner Pfarrkinder
und an(l(>rer Wohltliäter, tlieils durch eine Subvention von
e. 1501) il. der k. k. Central - Comniission zusammen zu
bringen. Ausser einigen in baulicher Beziehung noth-
wendigen Ausbesserungen ;in der Aussenseite, stdl sich
die Restauration hau])tsäclilich ndt dem Inneren dieser
Capelle beschäftigen. Dasselbe befindet sich, da die Ca-
pelle gegenwärtig tür den (iottesdienst nicht bestinnnt
ist, in einem liiielist bedauerlielieii Zustande.
' S. Notlzcnblnll l.l.M), p. I. AI» Zt'iiiji^ iTi-cliciuni hicrnul' I..'iijiolilns
l.oublo, Nlcolaus et Suplianu» lilll Lcopoldl Leulillnl. C lun e » i n a tlu-llt l'ornar
itn tllcsor .stelle iioc-h eliio /.weile li-kuiidu von ):{l!>, 21. Juni mit, in welcher
dloto Capelle aln in domo rjuondnm l.enMiiii hciiannt wird.
• In den .Tahrcn 127:!— 1351 linden wir wiederholt ähnliche Namen, wie
Leubinannu» de Wienno, Ilerlhuld de I.anb, I.rublo fillu» Merbotonls, Pelon-
goniK de I.Aub , Jans do Lactibicin Chonrat de Leubnar otc.
49
Die Restauration wird eine stylgereehfc sein, d. ii.
es wird keineswegs mit einer einfaciienKallitünclie ülier-
zog'en, sondern es soll die alte Sculptur und Malerei
möglichst conservirt , resp. wiederhergestellt werden.
Dazu ist Folgendes notli wendig: 1. die jetzige Jlörtel-
schichte soll von kunstgeübter Hand behutsam abgelöst
und so die ursprüngliclie Frescomalerei biosgelegt und
erhalten werden. 2. Die Quadersteine sollen an den
nicht bemalten Theilen der Capelle wieder in ihren
Schichten sichtbar werden. 3. Da der Fussboden gänz-
lich fehlt, so wäre ein solcher nach einer zur Capelle
passenden Zeichnung von Portland-Ceuient zu legen.
4. In der Apsis ist ein einfacher Altar im romanischen
Style zu errichten, damit seiner Zeit daselbst das Mess-
opfer für die Verstorbenen dargebracht und die Capelle
ihrem ursprünglichen gottesdienstlichen Zwecke wieder
gewidmet werden kann.
L.
Die Restauration der Ruine des Karthäuserklosters
Seiz.
Schon durch den ehemaligen Landesarchäologen
Herrn Karl Haas wurde auf dieses Object die öffent-
liche Aufmerksamkeit gelenkt. Hätte es auch archäo-
logisch Bedeutsames nichts mehr, nur seine äusserst
romantische Lage im einsamen stillen Waldtliale und
inmitten üppigen Laubgeheges und wuchernder üppi-
ger V'egetation würde reizend genug auf den 'Besucher
wirken. Aber auch des archäologisch Interessanten ist
noch viel in dem umfangreichen Complexe der Kloster-
gebäude; aus der Zeit des romanischen Styles: Details
an der Kirche von ihrem ersten Baue (geweiht 1194);
aus der Ära der Gothik: Hochbau der Kirche sanimt
Doppel-Capelle an der Südseite, wo einst der fürstliche
Stifter seine Grabesruhe fand, die im Hofe des nun ver-
schwundenen Kreuzganges gelegene Priorengruft, eine
kleine achteckige Capelle, Pfeilerfenster, Bögen, Thüren
allumher in den verschiedenen Tracten der Wohn-
gebäude. Zudem ist auch das fortificatorische System
beachtenswerth, das einst die Klostergemeinde nament-
lich gegen die Türkeneintalle schützen musste; an dem-
selben besonders ein Thurm mit nun sehr selten mehr
erhaltenem, unter dem Dache umlaufenden, hölzernen,
vorgekragten Umgänge zum Zwecke wirksamer Bestrei-
chung des Mauerfusses, und sinnig angelegte schief
nach seitwärts oder abwärts getührte Schussscharten
an der Fronte, welche mit dem Zwecke der Bestrei-
chung des Hohlweges zugleich den der Deckung gegen
die vorliegende Bergeslehne für die Vertheidiger ver-
einigen.
Am 21. September abgelaufenen Jahres ward von
Seite Sr. Durchlaucht des Fürsten Hugo v. Windisch-
grätz das A^erlangen gestellt, ein Gutachten über die
etwaige Eestauration der Karthause und der bezüglichen
Erfordernisse abzugeben. In Entsprechung dieses höchst
erfreulichen Wunsches wurde eine niotivirte ausführliche
Gutachtensäusserung dahin abgegeben, dass, da des
jetzigen Zustandes der Karthause wegen nicht von einer
vollen Wiederherstellung, sondern nur von der Erhaltung
im Sinne der Conservirung einer Ruine die Rede sein
kann, unter den Restaurationsarbeiten zu begreifen
wäre: die Reinigung der Mauern von Strauchwerk,
Rasenansatz und wenigstens theilweise von dem freilich
reizvollen Epheuwuchse, und die Bedeckung der hohen
XVIII.
Mauerbänke mit Bretterdächern oder Cementbelag, wie
auch die Ausfüllung der Risse mit dem erwähnten Jlate-
riale; die Säuberung der Räume der Kirche, Capelle
und des Refectoriums vom eingelagerten Schutte; ferner
Sammlung der abgefallenen Masswerks- , Rip]icn- und
anderer architektonisch nennenswerther Stücke und ihre
Hinterlegung im Kircheninnern ; eine gelegentliche Ver-
schönerung der nächsten Cmgebung der Kirche durch
freundliche Anlage der olinchin nothwcndigcn (;äitclien;
die Instandsetzung der noch ganz erhaltenen i'rioren-
gruft als eines gottesdienstlichen Denkmales; die Erhal-
tung des originellen Befestigungsthurmes mit seinem
hölzernen Umgange, der freilich wohl schon auf einer
Seite sehr gelitten hat. Diese Vorschläge wurden von
Seite Sr. Durchlaucht genehmigt, und die beruhigende
Zusicherung gegeben, dass mit den Restaurationsarbei-
ten, so weit es thunlich sei, noch im Spätherbste begon-
nen werden soll. ./. Graus.
Der heutige Zustand der Ruine Thalberg in Steier-
mark.
Diese Ruine nimmt unter den steirischen Burgen
eine hervorragende Rolle ein. Während fast dnrchge-
hends dergleichen Banobjecte nur crudes Bruchstein-
mauerwerk zeigen, architektonisch bezeichnende Detads
an ihnen zumeist fehlen, und in der Regel nur an etwai-
gen Burgcapellen eine Einreibung in die grossen kunst-
geschichtliclien Epochen zulassen, ist liier der Haujit-
bestandtheil, der ..Bergfriet-', aus schönsten Quadern
aufgeführt , welche fast sämmtlich Steiumetzzeichen
weisen, die von ähnlicher Form sind mit jenen kirch-
lichen Bauten des XIII. Jahrhundertes ; auch sind Por-
tale , Gewölbe , für jene frühe Zeit charakteristisch.
Ferner weisen die anderen Theile dieser Burg archäo-
logisch interessante Formen des XV. Jahrhundertes auf
und unter den zwei noch erhaltenen Decken von Holz-
werk, welche in den Gemächern der Burg getroffen
werden, ist eine auch aus dem Schlüsse der gothischen
Periode mit eingetieften Blattwerks -Ranken in guter
handwerklicher Manier. Es war mein Wunsch, dieses
gerühmte, doch entlegene Object aus eigener Anschauung
kennen zu lernen, um so mehr, als von seiner höchst
bedrfditen Lage mehrfache Berichte in Landauf waren,
und ein Versuch, einen verlässlichen Berichterstatter
darüber in jener Gegend selbst zu gewinnen, fehlschlug.
Am 22. October verflossenen Jahres w"ar ich an Ort und
Stelle; aber leider schon der erste Anblick und die erste
Umschau daselbst überzeugte, dass das Schlimmste hier
zu That geworden sei. Es sind umständliche Anstalten
getroften, um das ^\crthe Object zu vernichten: zum
grossen Theile waren die Dächer schon von den Ziegeln
entblösst, und wo dies noch nicht vollendet war, standen
eigene Rutschliahnen aufgerichtet, um dieselben betiuem
von den Dächern in die Gemächer und von dort ins Thal
hinunterschaft'en zu können, denn — so sagte man — s'e
fielen ohnehin ab, deshalb müsse man doch das Mate-
rial retten und verwerthen; verwerthet aber werden sie
vom Eigenthümer durch Verkauf au die umwohnenden
Bauern. In Folge dieses tadelswerthen Gebahrens sind
liis min nicht blos Verödung, sondern alleGreifel der Ver-
wüstung in die Innenräume eingedrungen, die Plafonds
meist durchgestürzt und Schutt und Erde belasten die
noch eingespannt gebliebenen Decken und Gewölbe,
ÖO
und die Gewalt des Unwetters hilft der Zerstörung nach.
Obsehon wenig Anssicht ein besseres Schicksal für das
Gebäude zu erwirken, vorhanden war, wurde doch der
Eigenthünier begrüsst , der sich statt des sonnig und
trocken gelegenen Hochbaues den niirdlich, dem Sonnen-
strahl wenig zugänglichen feuchten ^'orbau, eine ein-
stige Vorbefestigung aus dem späten Spätniittelalter, zur
Wohnung adaptirt hat. Der Besuch aber zeigte, dass die
Absicht nicht bestehe, etwas zu erhalten, ja, dass alles
feil sei, was sich an der Burg locker macheu Hesse,
dass auch der romanische Bergfriet nicht verschont
bleiben solle, sondern, falls das Bahnproject von Graz
ül)er Hartberg -Friedberg nach Wiener -Neustadt sich
realisiren würde, derselbe an die Bauunteruehmung der
Bahn als Steinbruch verkauft werden solle. Vorderhand
wurde nur versprochen , dass der besagte Holzplafond
der Spätgotliik nicht als Brennmaterial an die Bauern
hintangegeben werde, freilich, weil man seinen Werth
kennt, und aus ihm etwas Namhaftes herausschlagen
will. Jlöchte sich doch ein Mittel finden, der Zerstörung
dieses vorzüglichen Objectes Einhalt zu thun.
-/. Graus.
B ü c li e r s c h a u.
Bulletin monumental.
An meinen letzten Bericht über den Haupt-Inhalt
des von V. de Caumont publicirten „Bulletin monu-
mental-' in Nr. 3 von 1871 reihe ich diese Fortsetzung,
indem ich nur das Wesentliche hervorhebe. Untergeord-
netes oder specitisch Locales dieser Zuschrift übergehe.
In Nr. 5 des Jahrganges 1S71 zieht die, von dem
berühmten Erforscher der Gräber in der Normandie,
Abbe Cochet, gegebene Übersicht der Haupt-Classen
von Gräbern die Aufmerksamkeit auf sicii , zumal in
Österreich diesem Gegenstande in Folge wiederholter
Entdeckungen Forscher wie Frh. v. Sacken die sorgfäl-
tigste Untersuchung gewidmet haben. Cochet beginnt
mit der zeitlich si)ätesten Gruppe, die dem XIV. und
XV. Jahrhundert angehört. Cochet folgt zunächst einer
Aufgrabung zu St. Ouen von Konen im März dieses
Jahres und gibt aulässlich des dort Wahrgenommenen
und Gefundenen eine ihm längst bestätigte Classifiea-
tion vom XV. — VII. Jahrhundert unserer Zeitrechnung.
Die Gräber der jüngsten Periode, des XV. und XIV.
Jaln-liunderts, zeigten keine steinernen Särge, wohl aber
solche von starkem Holz, soviel die dal)ei gefundenen
eisernen Nägel erschliessen lassen. Die Mehrzahl der
Leichen wird aber blos in Leinwand gehüllt, ohne Sarg
bestattet worden sein. Cochet datirt auf den Steinsärgen
die II. Classe von Ludwig dem Heiligen rückwärts bis
1050 und nennt sie die Capetingische, die voraus-
gehende aber die der Valois. Die in letzterer Classe
gefundenen Thon-Gefässc (mit Kohlen) von röthlicher
oder weisser Farbe, mit Henkel und (»IVnung ohne Hals,
waren nadi dem Brennen mit Löchern versehen worden,
um bei der Bestattung als Kohlenbecken zu dienen und
dann sofort- mit ilen sie füllenden Kolden in das (!ral)
geworfen worden. Es ist bekannt, dass drr Liturgiker
Durandus von Meiide vom Ende iles Xiil. .lalirliunderls
wie sein Vorgänger Beletli, sfdclier GrälHi-, d. Ii. ^\^'^■
Kohlen in dcnsellten, ausdrlicklich gedeid^en, was ich
hier nur eiiigcsciialtet wissen will. In anderen Gegenden
wird das Erscheinen der Todt enbä unic früher datirt
werden mllsst'ii, indem bei den Aufgrabiiiigen zu (»bcr-
flaclit in Würtcnil)erg ein sogen. Freiburger-iiracteat
gefunden wurde, der die erste Hälfte des XII. Jahr-
hunderts als äus8er,sfc Gränzo nach rückwärts (ixirt.
Die zu Bremen tieim Bau der neuen Börse an ilcrSlelle
der allen' Wilhadi-Kirche ausgegralicncu ilolzthcile
von fast runden Särgen, ausgehöhlten Bäumen äliidich,
werden in dem musterhaften I'icriclit des Bremischen
Jahrbuches I, ]8(i4 in ein undeich höheres Alter zurück-
gesetzt, wie auch Wei n hold (^kais. Akademie, Sitzungs-
berichte 1.'3. oft) für diese Sitte ein sehr trülics Datum
festzustellen sucht. In England hingegen hat man meines
Wissens erst drei solcher Todtenbäume entdeckt, deren
einen man gar in die heidnische A'orzeit gerückt hat.
Die comj)etenten Forscher werden hierüber zu urtheilen
wissen, wenn Cochet auf Grund seiner vieljährigeu
Erfahrung den von Steinen gebildeten Gräbern oder
Särgen ein entschieden höheres Alter in der Normandie
zuweist, als den hölzernen Särgen. Die Steingräber
datiren in dieser Gegend vom Jahre 1U50 — 1200 inid
bestehen aus mit Mörtel Ijefestigten Steinstücken, die
nebeneinander gestellt und dann mit plattgelcgten Stei-
nen, die den Deckel bilden, al)geschlossen sind. Zur
Datirung gab ein über der Brust des Todten befindliches
bleiernes Kreuz mit eingravirter Absoluti(nis-Formel des
XI. bis XH. Jahrhunderts den Anhaltspunkt, wozu
noch eine romanische Verzierung derselben Periode
bestätigend hinzugekommen, die im Style der gleich-
zeitigen Sculptur erscheint. Merkwürdig fand sich nir-
gends in diesen Steingräbern ein Cciass, so dass obige
Sitte, Weihwasser und Kohlengelasse mit ins Grab zu
geben , noch nicht existirt haben muss. Die Haltung der
Arme und Hände ist fast überall die gleiche , indem
über der Brust die Vorderarme gekreuzt sind, während
die Hände die Ellbogen beriUuHMi. .\uch fanden sich
irühere Särge, also solche des IX. Jahrhunderts mit-
unter in dieser Periode wieder verwendet uiul darnach
verändert, wie sich unter anderem aus den Deckeln,
die statt aus Einem Stücke aus mehreren zusannnen-
gesetzt erseheinen, unschwer ergibt. Die nächste Pe-
riode oder Classe zeigt solche Särge aus Einem Steine
mnl eben solche Deckel darül)cr. Sic bezeichnen die
karolingisehe Periode und fanden sich 2 Mtr. bis 2 Mtr.
<i() Mll. nnter dem Boden. Dieselben sind schwer, an
Kopr und I'iissen fast gleich und für das Auflager des
llau|ites mit einer aus dem Steine sell)st herausgear-
beiteten runden Fuge versehen, die s])äter viereckig
eingeschnitten wurde, d. h. in Steinsärgen aus mehreren
Stücken der Periode des XII. .lahrhunderls. Dieser
Classe ii'eht die merovingisehe \oraus in einer Tiefe
bis zu :> Meter, deren Särge, aus Einem Stücke uml
zwar von dem Steine des Pariser Wasserl)eckens, be-
stehen. Die Deckel sind platt oder von schlichter Dach-
lörm, während die der v(n'her geschilderten karolin-
gischen Classe huldig eine Art von liall)kreislormiger
\\'öli»ung zeigen. Etwa in der Mitte des Sargliodens
sieht man ein ovales Loch zum Al)lluss der Flüssigkeit.
An dem Fusstheile sind diese Särge oder Steintröge
;i —
schmäler ah au dem Kopltlieile. Endlich in einer Tiefe
von fast o' 2 bis 5 Meter Hessen sich Steinsärgo der
römischen Periode, also des VI. bis IV. Jahrhunderts,
entdecken, wobei sich antike Überreste bekannten
Charakters landen, so n. a. Bronze-Münzen der Kaiser
Trajan, Antonius Pins und eine des Clodius Albinus.
Das Merkwürdigste aber sind 2 Säulenreste, die noch
aufreciit unter diesen Trümmern gefunden wurden,
eine Basis und das Stück eines Schaftes. Ob hier an
einen Idol-Tempel gedacht werden darf? Jedenfalls fand
sich dies (iebäude in der Einfriedung des St. Apostel-
Klosters geschlossen, dessen Gründung bis in die ersten
Zeiten des Christentlunns zu Kouen, nämlich bis ins
II. Jahrhundert zurückreicht, wo später Bischof Victri-
cius und auch 8. Clotilde für Errichtung von Klöstern
thätig waren. Zwischen den Jaliren .")2() bis 530 ward
auf Betreiben der letzteren das IMonasterium der Apostel
wieder hergestellt und dabei die Trümmer eines christ-
lichen Altares, dessen Inschrift den seligen Dionys von
Paris nennt, unter den Bninen entdeckt, dessen im
Leben dieser heiligen Königin bei Mabillon und Bouquet
ausdrücklich erwähnt wird. Zwischen 640 und G60
ward dann ditrch den Schüler S. C'olumban's, den hl.
Oueu daselbst, den Benedictinern eine Stätte errichtet.
Im Laufe der Zeiten erfreute sich dies Kloster grosser
Auszeichnung, so dass viele Fronnne in dessen Cöme-
terium bestattet sein wollten, mag man übrigens von
der Inschrift mit dem Namen des Papstes Johann XII.
(oder XXII.) wie immer denken. Zum Schlüsse gedenkt
Öochet noch des traurigen Ereignisses aus den letzten
Tagen der berühmten Jungfrau von Orleans, welches
in diesem Cömeterium statt gefunden. Es ward bisher
noch von niemand beachtet, dass dies Cömeterium zu
Roucn der traurige Zeuge war, wie unter grosser Ver-
sammlung die begeisterte Johanna den "24. Mai 1431
hier feierlich die ihr aufgebürdeten Irrthümer abschwö-
ren musste, um 7 Tage darauf an der „Alten Strasse-'
hingerichtet zii werden. Da' sich aus dem XVI. Jahr-
hundert keine Überbleibsel zeigten, so schliesst Cochet,
dass diese Stätten bis zum Ende des XV. Jahrhun-
derts in ihrer ursprünglichen Bcstinnuung fortbestanden,
dann aber verlassen wurden und Jetzt als Gärten bebaut
werden. Aus dieser kurzen Mittheiluug wird der Leser
die Bedeutung genannter Studie würdigen können,
für alle Einzelheiten abei das Original vergleichen
müssen.
Darauf folgt eine mit den Urkunden begleitete
Geschichte des Frauenklosters de la Salvetat-les-Mont-
dragon im Departement du Tarn, die mit dern Jahre
1247 beginnt und bis 1791 reicht, wo die letzte Äbtissin
und Sub-Priorin beim Ausbruch der Eevolution ver-
zeichnet sind.
Unter den folgenden Xotizen sind die belangreich-
sten über früh-romanische Altäre in Frankreich,
deren drei abgebildet sind. Der interessanteste zeigt einen
von vier stämmigen Säulchen Hankirten Würfel, dessen
Vorderseite mit antikisirenden Pilastern und einem
Henkelkreuz, worauf eine Taube steht, ornamentirt ist.
Die mit Inschriften versehenen Altar-Platten der Ka-
thedrale von Eodez und von Ham werden mit ähnlichen
Denkmälern, deren schon im IV. Bande und später in
dem Bulletin gedaciit worden, verglichen und eine
Datirung aus den feststehenden Angaben abgeleitet.
Für das Studium des christlichen Altares enthalten
diese zum Theil uidjckannten Denkmäler und deren
Kritik unschätzbares Material.
Xr. G setzt den Aufsatz über Glockent hürme in
der Diöcese von Bayeux fort, dessen Anfang im Jahr-
gang 1870 p. .524 gegeben ist. Hier wird das XII.
Jalirhundert und die Sjjitzpyramiden zunächst behan-
delt, wobei Denkmäler fast unbekannten Namens ein-
gefügt werden, deren Form und Ausführung aber be-
lehrend sind. Gerade den jetzt ganz oder theilweise
verlassenen Kirchen und Ortschaften niuss wie hier
die grösste Aufmerksamkeit der Kunsthistoriker ge-
widmet sein, weil dieselben häutig im ursprünglichen
Styl erhalten, wenn auch ruinös geworden sind. Aber
die Eisenbahnen und Heersfrassen werden so selten
verlassen und solche oft kostbare Monumente von den
Touristen unbesucht gelassen. Wenn man diesen Beich-
thum von Überresten romanischer und gofhischcr Ar-
chitectur in dieser einzigen Diöcese betrachtet, muss
man staunen und ein solches Land glücklich preisen.
Während bei uns ausser den jirimitiven Sattelthürnien
mit niedrigem Dache aus der romanischen Periode nur
an Itedeutenderen Orten Denkmäler vorhanden sind,
die aber grösstentheils in späterer Zeit umgebaut und
mannigfach geändert worden , besitzt diese Diöcese von
Bayeux allein efne ^lenge von Thürmen jeder Periode
von wechselnder Anordnung und Ausführung. Ein An-
fang, unsere Monumente, dieser Art zusammenzustellen,
ist meines Wissens noch gar nicht gemacht worden,
wie lohnend diese Arbeit auch erseheinen mag.
In derselben Nuinnier behandelt Abbe Barraud
die Gefässe für die h. Ole mit sorgfältiger Beiziehung der
liturgischen A'orschriften und Urkunden, wozu freilich
mancherlei bemerkt werden könnte.
In dem Bericht über den Archäologischen Congress
zu Angers, den Bisehof Freppel mit einer gehaltvollen
Kode begrüsste, fiel mir M. Godard's 3Iittheilung über
blei erne Grab tafeln auf, die beim Bau von Eisen-
bahnen zu Tage kamen, und grösstentheils romanischen
^lonumenten angehörten, wie die sculpirten Friese dabei
schliessen lassen. Über Grösse und sonstige Beschaf-
fenheit wird leider nichts bemerkt, wahrscheinlich dess-
hnlb, weil später ausführlich darüber gehandelt werden
soll. Dann erstattet M. Tierceliu über die berühm-
ten Krypten von Jouarre, worauf schon de Cau-
mont im IX. Band aufmerksam gemacht, ausführ-
lichen Bericht und berichtigt mancherlei Irrthümer über
merovingische Persönlichkeiten. Im VIII. Heft gibt de
Caumont zwei Abbildungen dieser Krypten mit beglei-
tendem Texte. Untersuchungen von Mauerwerken des
Gebietes von Angers und Entdeckungen römischer
Baureste zu Toulouse machen den Schluss.
In Nr. 7 enthält die Eelation des Archäologischen
Congresses (den 14. Juni 1871 zu Maus) folgende
beachtenswerthe Punkte. Unter dem Kreuzschiffe und
den drei Apsideu-Capellen von Sille-le-Guillaume er-
streckten sich Krypten, die jetzt i)rofanen Zwecken
dienen und wieder hergestellt werden sollen. Die Kirche
von S. Aubin-du-Coudrais bietet mancherlei Eigen-
tJiümlichkeiten, die Abbe Charles speeiell bespricht und
gründlich beleuchtet. Diese Kirche war vor der Revolu-
tion ein Priorat und besteht aus einer Vorhalle vor dem
Langhaus mit einem nördlichen Seitenschiff und einer
runden Apside , die niedriger und schmäler denn das
Hauptschiff ist. ^Mit Ausnahme des Seitenschiffes aus
7*
- 52
dem XVI. Jalirhuiitlert gehören die erwähnten Theile
dem romanischen Style an. Der hier angewendete
röthliche Sandstein gehört zwar nicht der Gegend an,
findet sich aber an vielen romanischen Kirchen und
zwar auch ornamental. Die merkwürdige westliche
rechteckige Vorhalle mit geöflueten Bogenstellungeu au
dieser und der Südseite gleich einem Kreuzgange er-
kläre ich einfacii als eine Anlage, die Galiläa genannt
wurde und wiivon ich schon im Jahrgang ISi;]. April-
Heft dieser Mittheilungen, eingehend geliaudelt habe.
Im X"\"I. Jahrhundert scheint mau die Kirche f'ortificirt
zu haben, was auch bei S. Georges- du -Kosay und
der Kirche de Xogent-le-15eruard und anderen statt-
gefunden hat.
Daran reihen sich Beobachtungen von M. Legui-
cheux über eine unter dem Namen ,.Cave du Lion-'
Ijekannte Krypta zu Fresnay, die bis an die Kämpfer in
der Erde steckt und worüber später Wohngebäude
aufgeführt wurden. Diese Krypta wird vermöge der
Architektur, der C'apitäle und des Mauerwerkes noch
dem XII. Jahrhundert zugeschrieben werden müssen.
Darauf wird das berühmte Email von Le .Mans, nach
Geotfniy Plantagenet genannt, umständlich erörtert.
Nach dem Todesjahre von Geotfroy Hol wird zu Le
Mans schon vorher eine Schule dieser interessanten
Technik angenommen, deren sonstige geschichtliche
und artistische Be<leutung Heider in diesem Orgaue
so erschöpfend dargethan. Leider sind solche vorzügliche
Abhandlungen nocii immer bei französischen Archäo-
logen ziemlich unbekannt. Dann giebt M. d'Espiuay
eine Betrachtung über die ArcJiitektur in dem mittäg-
lichen Touraine, der er für die Klöster das römische
Wohnliaus zu Grunde legt. Wir hören dabei wieder
von befestigten gothischen Karthäuser-Klöstern mit
analogen Beisi)ielen anderer Klosterbauten, von den
sogenannten Grangiae oder Bauhöfen, wo für die
Gefall- Verwahung die Gescliäftsstube und zugleich
das Absteigqnartier des Ordens in den Städten war,
eine durch die f'istercienser allentliall)en verbreitete
Einrichtung; von Kanzeln an der Aussenseite der
Kirchen, deren in Österreich mehrere erst kürzlich
nachgewiesen wurden — nur fehlt es innuer an der
nöthigen Zusauimenstelluiig aller bis jetzt bekannt
gemachten Beispiele; wir hören noch von vielen Ein-
zelnheiten, die jedoch ohne allgemeines Interesse
sind; worauf die Ei-innerungen des Directors de
Gaumont in sofern fassen mögen, als derselbe der
gehobenen .Stimmung des arcliäologisclien ('(.ni,''resses
zu Poitiers im Jahre 1S34 mit sichtlicher Freude
gedenkt, wo ein Gedicht mit dem Sdilnsse:
Soleil de rintclligcnce,
Suis ton cour.'i ! avance ! avance !
Siir cliaquc plage ä soii toiii-,
.Seine ta clarte fcconfle !
Hans tons le» rccoins du inonde,
II est temps (|m'II fasse joiir!
einen endlosen Beifall und die höchste Begeisterung
weckte. Ui)rigens hat die Kirche H. Savin seit diesem
CongrcHH nach allen Seiten hin, besonders durch ihre
merkwürdigen Wandgemälde, einen hervorragenden
Platz unter den wiclitigsten D.Mikinäleni eingenom-
men. — Die sonderbaren l'rivile-icn des alten l'rior'its
von S. Lo ZM Br.llen, die (;|,-,nv iih- l.eh.Mndrh. bieten
■wenig allgemeines Interesse , während die französi-
sche Bearbeitung von Albrecht Dürer's Werk über die
Befestigung der Städte, Burgen und Schlösser von
M. Rathea u um so mehr Berücksichtigung finden wird,
als fast gleichzeitig G.v. Imhof, k. bayerischer Artillerie-
Otficier, dasselbe Thema ' mit von Sachverständigen
anerkannter Kenntniss und vorzüglicher militärischer
Bildung auf das genaueste beiiandelt hat. Dass auf
solche Weise Deutsche und Franzosen dem grossen
Dürer das schönste Jain-es-Gedächtniss feiern, kann
nur erhebenden Eindruck maciien. Dann beschäftigt
sich das Bulletin mit dem internationalen geographi-
schen Congress zu Antwerpen , wo anregende Fragen,
die auch für' die Alterthuniskimde von Belang, gestellt
und darauf eine sjjecielle Sitzung der Archäologen
veranstaltet wurden. Die Bäder v. Neris bildeten hiebei
den Hauptgegenstand der gemeinsamen Erörterung.
Auf M. de C^aumont's Antrag, die deutschen Jlitglieder
der Societe fran^aise in den Listen fortzuführen , wurde
einstimmig eingegangen und unter anderen neuen
Mitgliedern auch S. Excellenz von Czörnig — dessen
Name übrigens immer fälschlich Görnig geschrieben
ist — in die Gesellschaft aufgenonnuen. Der schlies.s-
liciie Bericht über einen archäologischen Congress zu
Boulogne ergeht sich in dem Gebiete der sogenannten
vorhistorischen Zeit und lässt eine Unterscheidung von
Stein-, Bronze- und Eisen-Periode in der Bretagne wenig-
stens als unzulänglich erscheinen. Das Schlussheft
dieses Bandes, das achte führt belehrende Formen von
Capitälen zur Anschauung, die S. Thomas d' Epernon
entnonnnen und dem dorischen Typus so wie dem
joniseiien im allgemeinen, freilich in entlegener Nach-
bildung zunächst eonform sind. Da der (Sewölbebau
mit der Gründung dieser Kirche im X. Jahriumdert
identisch ist, so zeugt diese Degeneration antiker
Formen in den Capitälen abermals von der in manciien
(legenden lang nacldinlteudeu Influenz der römischen
Architektur. Arcliäologiscli wichtig erscjieint mir, dass
diese Kirche im Jahre lObil von dem Herrn von Mont-
fort und Epernon, der sie laut l'rkunde von seinen
\'orfain'en als Eigenthum überkonnnen, wieder in
geistliche Hände, nändich an die Abtei vini IMarmouticr
zurückerstattet worden, dass also im X. Jahrhundert
Kirchen in Laien-Eigenthum übergegangen. El)en so
verhielt es sich mit dem Kloster Souvigny nahe bei
Moulins und einer grossen Zahl von Prioraten , die im
XI. Jalirliinidert aus dem IJesitz der widtlichen Herren
wieder Ijgt'ntiium der Möneiie wurden. Solelie zeitweise
Säcularisationen wiederholten sich seit Carl Martell in
vielen Beichcn, ohne dauernd sich I)eiuuipten zu können.
Endlich ist bemerkenswerth, dass im Jahre l.');')! die
Mön(die das Schilf iJirer weiten Kirche den Bewoh-
nern als Pfarrkircin' iiberliessen , die unter <\v\\\ Namen
S. Nicolaus in der bisherigen Trinitäts-Kirche des Klo-
sters eingerichtet win'de. l-jue Scheidewand trennte
beide Kirchen.
Das am ;!l. Dcmbi-. 1S7(I von den deulscluMi Kano-
nen scJMver heimgesuchte .'\Iezieres mit seiner, trotzdem
noch erhaltenen Kirche bildet den näciisten Artikel, der
besonders den Tliurni über der Mitte des l'ortals als
sonst in dieser Gegend nie constatirt hervorhebt ; eine
in Deutschland nicht ungewöhnliche Anlage.
' Alliiitht Dürer In .••cliier UccIluiuiik für die modoriii' Iiedmllgungs-
KuiiDl. Zur IV. Sh'culor-Koler von A. liüror'»Gfburt»t»B. Nördllnucn, Bcck'echur
ViTlag. 1S71.
K3
Ferner werden die C'horstiihle und ilue ui-.sprluii;-
liclien Teitpicli-Bekleidnngen in der Katiiedrale von
Le Man.s eingehend besprochen. Die Teppiclie waren
mit Sceuen ans dem Leben der Heiligen Gcrvasius
und Protasins zum Schmuck des Chores [pro ornatn
ehorij verseilen und hatten eine Höhe von 2 Mll. 4ö C'tm.
bei einer nngetahren Länge von oü Mll. Sie waren ein
(Teschcnk des Canonicus Martin Guercande im Jahre
1509, wie die noch erhaltene Lischrift bei der Schluss-
Sceno mit der Bestattung der IMartyrer dureli St. Am-
brosius und der Blindenheilung deutlich angibt. Die
Schilderung und Aufzählung siünmtliclier Scenen auf
diesem Teppichwerke, dann die Geschichte der Chor-
stiihle und die Hinweisung auf die Schönheit der
dortigen Sacristei enthalten vielerlei, was der Beach-
tung wertli ist.
Bei der Sitzung der archäologischen Gesellschaft
von Frankreich, den 29. September 1871 M-erden die
vielen Zerstörungen beklagt, die unter dem Vorgeben
von Kestaurationen und Neubauten fridiere Bauwerke
beseitigen und unwiederbringliche Denkmäler dem An-
denken der Generationen entreissen. Beherzigenswerthe
Äusserungen der Mitglieder üljer diesen Punkt dürften
auch anderwärts Gehör finden. So ist der hiebei gerügte
Missstand überall wahrzunehmen, dass alte Grabsteine
ganz beliebig zum Pflaster der ^'orhallen u. s. w. ver-
wendet sind, dadurch die Insclirilf aber zuletzt un-
kenntlich wird, was z. B. auch an der Mluicheuer
Frauenkirche zu beklagen, wo zwei Grabsteine in
Rothnuu-mor \or dem Haupt-Portal den klimatischen
Einwirkungen ausgesetzt bleiben, obwohl sie das
Andenken an den ersten Pfarrherrn dieser Kirche
verewigen. Die archäologischen Fragen, die bei der
Sitzung aufgeworfen werden, haben zunächst die Kunst-
Statistik und Geographie zum Gegenstande, wofür Dr.
Lotz in Deutschland durch sein unschätzbares Werk so
musterhatt tiiätig gewesen. Die Chronik giebt Aufschluss
über verschiedene Aufgrabungen römischer und ndttel-
alterlicher Periode, so in letzterer Beziehung von
einem Grabstein des XHL Jahrhunderts mit der Lischrift
IC lACET BLAIN MILES, wobei ein Fisch im Waj.peu-
schilde angebracht ist; von der Erlialtung eines ikono-
graphisch bedeutsamen Webestofles zu Tongern, wo
weltliche Sceuen dargestellt sind u. d. gl. Die Literatur-
Angabe bietet ausser der Schrift von A. Kempener's
über die syndjolisclie Orientiruug der Kirchen, wo
nicht nur christliche, sondern auch heidnische Tempel
und Gräber ins Auge gefasst sind, nichts Neues, da
ich die belgische Kunst-Literatur, der hier vorzugs-
weise gedacht ist, schon in meiner letzten Übersicht
vorgeführt habe. J>>-. Messmer.
Der Tempel des heil. &ral.
Nach Albrecht v. Scliarrtc
jüuijtTer Tilmel Str. 3lD— 110, Urombeig 1ST2.
Längst schon hat die phantasiereiche Darstellung
des Hedig-Gral-Tempels im Jüngeren Titurcl gleichsam
als wäre es das Urbild christlichen Gottesbaues, die
romantische Schule, darunter speciell den verdienten
Sulpiz Boisseree in Anspruch genommen, wozu dann
analoge Studien über die Bauten von Karl IX. auf seiner
Burg Karlstein bei Prag und über die Stiftung Kaiser
Ludwig des Bayern zu Ettal in Oberbayern gekommen
sind , die sämmtlich mit einander in Zusammenhang
stehen. In neuester Zeit bearbeitete Ernst Droysen
dies Thema in der obbcnanntcn kleinen Schrift. Er gibt
zuerst den Text mit den dazu nötliigen Bemerkungen
über Handschriften und Auslegung und lässt dann eine
ausführliche Abhandlung über den tiegciistand folgen.
Hier wird erörtert , ob und welch' ein Bilil dem Dichter
vorgeschwebt; wie sich dessen Angaben mit structiven
Ertordernissen, zumal in Bezug auf die Anlage der
vielen Thürme, der Capcllen und deren Wölbung
vereinigen lassen, wie das geschilderte Sacraments-
häuschen mit der Sacristei darunter, in der Mitte des
Baues zu denken sei, ob ein bestinnnter Styl und ein
Muster desselben als Grundlage der poetischen Be-
schreibung gedient habe und wie sich unerklärliciie
Einzelheiten zu solchen .■\nnahmen verhalten? Daljci
werden nicht nur die genannten Bauwerke von Karl 1\'.
zu Karlstein und Ludwig den Bayer zu Ettal, sondern
auch die von J. Grimm bei Erörterung der Abhandlung
Boisseree'.s angezogene Stelle aus Gregor von Tours
wiederholt erwähnt und zum Vergleiche vorgeführt,
obgleich letztere Stelle otfenliar eine andere Anlage
voraussetzt. Unser \'erfasser glaubt, dass dem Dichter
ein bereits entwickelter gothischer Bau vor Augen
gestanden und zwar ein in Deutschland aufgeführter,
dass sich mit den Thürmen und der durchgängigen
Kreuzwölbung nicht zu recht konunen lasse, dass die
Phantasie viel architektonisch Unausführbares und
eine Last von Schmuck in Gold und Gestein damit
verwebt, eigentlich aber eine Anlage, wie die Lieb-
frauenkirche zu Trier zum Vorliilde gehabt habe und
die dichterische Bedeutung dieses Bauwerkes vom hl.
Gral nicht so hoch anzuschlagen sei, als es geschehen.
Wir könnten hinzufügen, dass die Sainte Chapelle zu
Paris der Heilig-Kreuzkirche auf Karlstein gewiss
näher steht, als jede solche dichterische Schilderung,
wenigstens dienten beide Bauwerke demselben heiligen
Zwecke, nämlich die kostbarsten Keliquien vom heil.
Kreuze daselbst würdig zu deponiren. Scotus Erigena
beschreibt in einem Preisgedicht auf Karl den Kahlen '
ebenfalls eine Central-Anlage phantastischer Gestalt,
insofern die gebrauchten Ausdrücke auf stylistische
Beschatfenheit des Baues gar keinen Schluss gestatten
und dem Dichter hier nur im allgemeinen grosse
Bauten seines Zeitalters vor Augen stehen moehten.
Etwas ganz anderes sind Beschreibungen, die wirklich
historische Bauwerke darstellen wollen, mit denen
sich auch eine wirkliche Architektur vereinen lässt,
wobei ich an die musterhaften Ausführungen über die
S. Benignus-Kirche zu Dijon aus der Feder des Archi-
tekten und Archäologen E. H e n s z 1 m a n n im XIII. Jahr-
gang dieses Oiganes verweisen darfs. Mich erinnern
solche dichterische Schilderungen von Bauwerken inuncr
an die sogenannt genauen Nachbilder der Heilig-Grab-
kirche von Jerusalem im Abendlande, deren ältestes
zu Bologna verehrt wird, die aber mit dem Original
sehr wenig, gewöhnlich gar nichts gemein haben. Sollte
auch dem Erbauer von Karlstein die poetische Stelle
' Johannes Scotus Efigon.i, von Di-, J. Huber. München ISGI. pag. lio
vollständig abgedruckt.
^ Juli-August-Hcft pag. I.XV ff. Mir ist weder in der deutschen noch
französischen Literatur eine auch nur annähernd gleich ausgezeichnete Arbeit
bekannt. Könnte sich der hervorragende Korscher nicht cntschliesseu, die i]>
der Chronik des Gervasius vom Jahre 1171 noch erhaltene Beschreibung der
vor-gothischen K.atliedrale von Canterhury (bei Twysten , Monasticum .\ngli-
canuin) einer ähnlichen wissenschaftlich unschätzbaren Analyse zu unterziehen?
Möge der berühmte Forscher mir den Ausdruck dieses lange gehegten Wun-
sches im Interesse der Archäologie zu Gute halten. —
— u —
des jüngeren Titurel vorgeschwebt haben, wie B. Miko-
vec dargelegt, so beweist die wirkliche Arciiitek-
tur der Heilig -Kreuzkirche auf Karlstein hinlänglich
in wie weitem Sinne davon tiberhaujit die Rede sein
könne : Schmuck find Edelstein-Mosaik , Deckenbe-
malung, Gitterwerk, Lichterglanz, das sind die einzigen
Reminiscenzen. Die Architektur selbst hat keine Spur
von dem complicirten Heilig-Gral-Tempel. Es ist also
durchaus unzulässig, solche Bauwerke als architek-
tonische Producte mit derartigen Schilderungen der
Dichter in urs-ichliclicu Zusammenhang zu bringen.
Gold, Edelstein, Pracht und Glanz sind bekanntlich
keine architektonischen Attribute und lassen sich mit
der rohesten Bauweise eben so leicht, ja noch leichter
verbinden, als mit stylistisch entwickelter Architektur.
Der Verfasser hat mit grosser Aufmerksamkeit und
vielem Scharfsinn sein Thema analysirt, in der Haupt-
sache aber ein von Boisseree ganz abweichendes
Resultat erlangt , indem er Phantasie und architek-
tonische Möglichkeit auseinander gehalten, die Rois-
seree'schen Zahlcnbereclinungen auf Grund der dichte-
rischen Angaben auf das richtige ^lass, uändich auf die
blosse Phantasie des Dichters reducirt und überhaupt
die Bedeutung dieser poetischen Darstellung kritisch
und zwar als Dichtung und architektonisches Problem
gewürdigt hat. Eine wirkliche Forderung unserer Kennt-
niss in der mittelalterlichen Baukunst kann niemand
in dieser Schilderung erkennen, während anderwärts
interessante Einzelheiten archäologischer Art vorlie-
gen, denen Alwin Schultz schon wiederholt Beaciitung
geschenkt und unsere Wissenschaft dadurch — ich
erinnere nur an die sogenannten Doppelca|)ellen in
Palästen — wesentlich bereichert hat. Einen Vergleich
mit den beregten Beschreibungen wirklicher Bauwerke
hatte unser sprachkundiger Forscher immerhin anstellen
und dadurch seine vorzügliche Abiiandlung, wie mir
wenigstens dünkt, noch belehrender machen können.
Gerade solche Forscher können der mittelalterlichen
Kunsthistorie auf Gebieten zu Hilfe konnnen, wo die
blosse Denkmäler-Kritik niemals einen Fuss hinsetzt.
Möge es dem Verfasser beschieden sein, recht l)ald
seine Studien dieser Art durch neue Fortsetzungen
der Wissenschaft zuführen zu können. An gründlichen
Arbeiten gibt es nie zu viele. Die Anerkennung dafür
findet freilich niciit auf dem grossen AA'eltmarkte, aber
unter den für ilie Wissenschaft selbst Tliätigcn jederzeit
ihren Ausdruck. /h-. }!'■.■<.•<,/,>,■.
Die heraldisch - genealogische Zeitschrift des Ver-
eines „Adlei"'. IL Jahrgang.
Wir haben bereits bei Gelegenheit des Abschlus-
ses des I. Jahrganges dieser Zeitsclirift Anlass genom-
men, über dieselbe uns in anerkennender Weise aus-
zusprechen, und sind nun in der angi'nehmcn Lage,
dieses unser günstiges l'rtiieil nicht nur aufrecht zu
erhalten, sondern wo möglich in n<iili grösserem Masse
zu wiederholen.
Werfen wir auf den Inhalt dieser l'iiblication, dio
für Forscher im Gebiete der Gcnealojric und Wappen-
kunde bereits zu einem unentbehrlichen Hilfswerke
geworden ist, einen P.liek, so finden wir unter anderen
interessante Aufsätze liiier arnia ignonn'niosa , llber die
scchzelin Almen des Johann Norbert Grafen von Picco-
lomini, weitere 3Iittheilungen über das St. Christophori
am Arlberge Bruderschaftsbuch, über das steiermärki-
sche Wappenbueh von Z. Barth, die Chronik der Herren
Trenbekchen von Trenbaeh, über die gräfliche Familie
von Goess, und endlich einen vom Standpunkte der
Kunstgeschichte besonders werthvoUen Aufsatz Greu-
ser's über Albrecht Dürer und seine Verhältnisse zur
Heraldik.
Der von Freiherrn Weinke-Eimke versuchten
Deutung der Darstellungen auf dem Schlusssteine in der
Kirche zu Chwalkovic in Böhmen, über welchen schon
in den Mittheilungen der k. k. Central-Commission I. Bd.
p. 14U sieh eine Besprechung findet, können wir uns,
weil sie zu sehr gesucht ist und auf tiguralen Combina-
tionen ruht, nicht anschliessen. Haben sich doch aus der
freilich wohl damals schon abgelaufenen romanischen
Periode genug solche mystische Darstellungen erhalten.
Immerhin bleibt es jedenfalls ein schätzenswerther Ver-
such, dieser Darstellung eine, so zu sagen, heraldische
Deutung unterzulegen.
Sind die dieser Zeitschrift beigegebenen Illustra-
tionen überhaupt gut, so sind doch die Blätter, die den
Aufsatz über Dürer illustriren, zu wahrhaften Zierden
dieser Zeitschrift geworden, und wir beglückwünschen
die Redaction zu dem Entschlüsse, durch derlei artisti-
sche, an sieh werthvolle Beigaben, den Werth ihrer
Zeitschrift zu heben.
Schliesslich können wir nicht umhin, hinsichtlich
der beiden Jahrgänge, die anständige, nicht pole-
mische und das rein wissenschaftliche Ziel verfolgende
Haltung der Zeitung hervorzuheben , und wünschen,
gleichwie das Gedeihen des Vereines überhaupt, die
Fortdauer dieser Intentionen, die dem Vereine und
seinem Organe nur Freunde schaffen können.
Endlieh noch ein Wort über die durch diese Zeit-
schrift begonnene Fortsetzung der WissgriU'schen Pub-
lication. Es ist nicht die Absicht des Gefertigten, Wiss-
grill's Werk zu schmälern, denn jeder, der sich mit
Genealogie nur halbwegs beschäftigt und in dieser
RicTitung Aufklärungen sucht, wird sich aus den fünf
Händen dieses Werkes nicht nur vielmals Raths erholt
und ihn gefunden, sondern auch bedauert haben, dass
das Werk zur Zeit des Erscheinens der fünf Tlieile
nicht vollendet wurde. Allein seither, d. i. c. 1804, sind
so viele rrkunden-Publicationen erfolgt und ist so viel
geschichtlielies Materiale frei und zugänglich gewor-
den, dass bei nur oberflächlicher Vergleichung des von
Wissgrill Gebotenen und gegenwärtig Bekannten
sich in ersterem bedeutende Lücken und selbst Unrich-
tigkeiten finden. Ob es sich da der Mühe lohnt, das
Manuscnpt Wissgrill's olinc' vorhergegangene einge-
hende Revision und Correctur ' zu i)ubliciren, muss dem
Krmessen gewiegter Genealogen überlassen bleiben.
/'/■. K. Lind.
Lübke's G-eschichte der deutschen Renaissance.
(Sluttgnn, 18i;.'.)
I.
in dem dritten Hefte dieses Werkes, mit dem in
glücklicher Weise einem längst gefühlten lieiliiiliiisse
abgehiill'eii wird, bes|iriclit iler gelehrte Autdi' die ösfcr-
) Abgeschrn von den Ergnnrungcn , woleho in der Einleitung Solto 13
frwnhrit werden.
5ö —
rcichischen Länder. Seine Anschauungen sind so wohl
begründet, seine Bezciclinung so präcis und seinUrtheil
so richtig, dass wir, statt einer Hesprcciiung einen ge-
drängten Auszug davon bringen wollen, ohne dass damit
dem Leser das Studium dieses Buches, das wir bestens
emiifehlen, erspart sein soll.
Lül>ke lässt die Besprechung der Denkmale der
Kenaissance in Österreich auf jene der in Süd-Deutsch-
land befindlichen folgen, bei welch letzteren er zu dem
Resultat gekommen ist, dass die iMitwicklung dieses
Styles mit der unter dem Einflüsse der Keformation
erneuerten Thätigkeit des geistigen Lebens Hand in
Hand geht und vornehmlich dort ein eigenthümliches
Gepräge erreicht, wo die Reformation und mit ihr ein
freier Aufschwung des wissenschaftlichen und literari-
schen Schaffens zum Durchbruch konnnt. Dort wo dieser
Einfluss minder war, dort blieb die Renaissance eine,
wenn auch vielfach angewendete, aber fremde italieni-
sche Kunst, die mit dem deutschen lieben in keinem
Zusammenhang trat.
In den deutschen Ländern, diesseits der Leitlia
treten ganz andere, eigenthümliche C'ultur-Bedingnngen
auf, die eine ganz besondere Stellung der Renaissance
zur Folge hatten. Die Länder der deutscheu Ostmark,
mit allen Reizen und Reichthümern der Natur gesegnet,
markiren sich in jeder Hinsicht als Gränzländer deut-
scher Cultur gegen den Osten, und als Vermittler der
hoch entwickelten Civiljsation Italiens von Süden her.
Die deutschen Stämme Österreichs an körperlichen und
geistigen Aulagen keinen der übrigen Stännne nach-
stehend, empfingen durch die eigenthümlichenBedinguu-
gen ihrer geographischen Lage eine Steigerung ihrer
natürlichen Begabung , die sich besonders als rege
Phantasie und elastischer Lebeussinn zu ei-kennen gibt.
Nach Osten, Bevölkerungen einer niedrigeren Cultur-
stufe gegenüber, wurden ihre Bewohner die Träger nnd
Verbreiter europäischer Gesittung, deutscher Bildung,
nach Süden dagegen waren sie in erster Linie berufen,
dieselbe in sich aufzunehmen und weiter zu verbreiten.
Diese Verhältnisse erkennt man schon in den mittel-
alterlichen Monumenten des Landes. Mit grosser Kraft
wird gegen Ausgang der romanischen Epoche dieser
Styl, wie er sich im südlichen und mittleren Deutsch-
land ausgebildet hat, lierübergeuommen und in glän-
zenden Denkmalen zur Anwendung gebracht , ohne
weder Neues in der Construction noch in der Gliede-
rung und Gruppirung des Aufl)aues hervorzubringen ;
wohl aber schuf man eine Reiiie decorativer Werke
ersten Ranges; daneben drängt von Süden die Kunst
Italiens herein. Dieses reiche Culturleben hätte in der go-
tliischen Ejjoche seine höchste Blüthe erreichen müssen,
wenn die Entwicklung des Bürgerthums, in Deutscliland
dem mächtigsten Träger der Gotliik, mit der in Deutsch-
land gleichen Schritt gehalten hätte. Doch die Entwick-
lung des Städtewesens ging nur langsam vorwärts,
daher die Gothik trotz mancher origineller Schö]ifungen
im ganzen Lande keine Denkmale höchster Bedeutung
aufzuweisen hat.
Neben dieser innucrhin durch Intensität hervor-
ragenden Glanz-Epoche des Mittelalters hat Österreich
sich eigentliümlicher Weise nur noch in einer zweiten
grossen Periode machtvoll offenbart : nämlich in der
Zeit des späten Barock-Styls, vom Ausgang des XVII.
bis in die Glitte des XVIII. Jalirhundert. Nachdem die
Reformation niedergeworfen war, nahm der Clcrus in
Osterreich jene Stellung, welche sich noch jetzt in
den gewaltigen Anlagen der Abteien manifestirt; damit
wetteiferte die Aristokratie in Ausführung jener Paläste,
die vor allem Wien und Prag ihre architektonische Sig-
natur aufgedrückt iiaben .Man darf sagen, dass in den
l)ompösen, ott majestätisch angelegten und mit allen
Älittein ausgelassener Decoration schwelgenden Bauten
jener Epoche der Sieg über den Protestantismus zu
erkennen ist.
Was zwischen jenen beiden Epochen , zwüscheii
Mittelalter und Barockzeit liegt, die eigentliche Periode
der Renaissance, ist trotz mancher vorzüglicher Schö-
pfungen, ja einzelner Hauptwerke seltenen künstleri-
schen Werthes, kaum in Anschlag zu bringen. Vergleicht
man vollends den grossen Umfang und den Reichthum
dieser Länder, die hohe l)ilduerische Begabung ihrer
Volksstämme, den von Alters her regen Sinn für künst-
lerisches Schaffen und heitere Pracht des Daseins, so
wird man mit Erstaunen und Widerstreben eine That-
saclie aufnehmen, die mit alledem si> scharf contrastirt
und doch auf Sciu'itt und Tritt dem Forscher sich auf-
drängt. In der That, trotz so mancher glänzender Eni-
zelschöpfuug muss es ausgesprochen werden, dass die
Renaissance auf diesem Boden mehr wie eine durch die
Gunst der Grossen hieher verpflanzte, als wie eine vom
ganzen Volke gehegte und gepflegte, mit dem eigenen
Herzblut genährte Schöpfung sich zu erkennen gibt.
Dies ist um so merkwürdiger, als in keiner deut-
schen Provinz die Formen der Renaissance so früh zu
UKinumentaler Verwendung gelangen, wie gerade in
Osterreich. Wir treffen sie hier vereinzelt, was sonst
kaum irgend in Deutschland vorkommt, schon im Aus-
gang des XV. Jahrhunderts. Vom Jahre 1497 datirt ein
kleines Portal mit dem Wappen der Familie Edelsper-
ger im Tirna'schen Haus, auch Federlhof genannt, zu
Wien. Im Wladislaw-Saal des Hradschin zu Prag kommt
au den ausgebildeten Renaissauce -Fenstern sogar die
Jahrzahl 1493 vor. Das prächtige Portal der Artillerie-
Caserne in Wiener-Neustadt datirt V(ni 1524, die Jagel-
lonische Capelle im Dom zu Krakau von 152u, ein
Renaissance -Portal in der Kirche zu Klausenburg hat
die Jahrzahl 1.Ö28. Alle diese Denkmale, selbst den
frühesten im übrigen Deutschland in der Zeit voraus-
gehend, beweisen, dass die Renaissauce Italiens an den
verschiedensten Orten in Osterreich schon früh zur An-
wendung gekommen war.
Die Frage, wie es kommt, dass diese lebensfrohe
Kunst dennoch gerade hier in ihren Schöpfungen ver-
einzelt bleibt, lässt sich leicht durch einen Blick auf
die allgemein bekannten geschichtlichen und Cultur-
^■erilältnisse beantworten.
Die kunstliebenden Herrscher aus ilem habsburgi-
schen Stannne rufen frühzeitig Meister der Renaissauce
aus Nürnberg und Augsburg in ihre Dienste. Maximi-
lian I. bedarf zu seinen literarischen und künstlerischen
Unternehmungen der Thätigkeit eines Dürer, Burgk-
niaier u. a. Für sein Grabmal in Innsbruck , dessen
Grundgedanke durchaus auf den Ideen der Renaissance
beruht, verwendet er nicht blos einen Jleister wie Peter
Vischer, sondern auch Augsburger und Innsbrucker
Künstler. Wo aber in dieser frühen Zeit Bauwerke in
dem neuen Style zu errichten waren, musste man fast
ausschliesslich mit Italienern sich begnügen. Die Por-
56 —
tale, mit welchen Ferdinand I. 1524 sein Arsenal in
Wiener-Neustadt schmückte, verrathen die Hand ita-
lienischer Steinmetzen. Dasselbe ist der Fall mit der
wahrscheinlich löl5 errichteten Prachtjtforte der Sal-
vatorcapeile in Wien. In Krakau wird schon 1512 ein
Meister Franciscus aus Italien erwähnt, der beim Neu-
bau des Schlosses verwendet wird, ja 1520 ist es aber-
mals ein Italiener, Bartliolomäus von Florenz, der die
jagellonisclie Capelle am Dom daselbst erbaut und 153(3
"das abg-ebrannte Sciüoss wiederherstellt. Eine ganze
Architcktenfamilie aus Italien lernen wir unter Ferdi-
nand I. in Wien und Prag kennen : 15;J2 Jacopo de
Spaziii, 1542 Anthoni de Spazio, der an dem Neubau
der Burg in der Neustadt beschäftigt war, und Hans de
Spazio, "der nebst Zoan Maria (also ilem Namen nach
wohl ein Venetianer) unter Paul della Stella seit 1536
am Belvedere auf dem Hradschin zu Prag betheiligt
war. Noch 1568 wird ein Italiener Continclli als Hof-
baumeister ^laximilian's II. aufgeführt.
Dadurch begründet sicli das Überwiegen fremden
Einflusses , der die Entwicklung einer selbständigen
deutschen Renaissance zurückdrängen musste. Dass es
Ferdinand I. nicht an Liebe und ^'erstän(lniss für Kunst
fehlte, würde allein schon der unvergleichliche Bau des
Belvedere in Prag bezeugen. \on seinem Verstämlniss
der Architektur legte er eine Probe ab, als er 1563 auf
der Reise nacli Frankfurt die neue Befestigung der
Plassenburg besichtigte und dem Markgrafen Georg
Friedi'ich in den angefangenen Werken etliche Fehler
iiaciiwies , welche dem Baumeister selbst entgangen
waren. Besonders aber theilte er die damals herrscliende
Vorliebe für antike Münzen, deren er eine bedeutende
Sammlung angelegt hatte. Von der Kunstliebc seines
gleichnamigen Sohnes, welcher 1557 Piiilippine Welser
zu seiner Gemahlin machte , legen die Überreste im
ychloss Ambras und mehr noch die Schätze der Ambra-
ser Samndung in Wien Zeugniss ab.
Überblicken wir die Bauwerke, welche die Renais-
sance während der langen Dauer dieser Epoclic in dem
weiten Umfange der iisterreiciiischcn Länder liervor-
gebraclit hat, so finden wir fast nur fürstliche Bauten
lind Schlösser des hohen Adels, aber auch diese in
solcher Vereinzelung über das Land verstreut , dass
sie nicht den Eindruck einer intensiven einiieiniisclien
Schule, sondern vielmehr der sporadischen 'lliätigkeit
fremder Künstler ergeben. Italienische Formen sowohl
in der C'omposition des (ian/.en, als in der Behand-
lung des Einzelnen herrschen hier wäiirend der ganzen
Epoeiie. Das Fnrcgelniässige in der Anlage nonliseher
IJauten tritt zurück ; die Tliürme, die Wendillreiipen
werden fast völlig zu Gunsten einfacherer, klarerer
G.rundrissbildnng beseitigt. Auch die Erker, die hohen
Dächer mit iin-en sclnnuckreichen Giebeln, der Stolz
der deutschen Renaissance, spielen hier keine hervor-
ragende Rolle. Begreiflich ist es daher auch, dass in
den architektonischen Werken jene naive Mischung
gothischer Elemente mit Motiven der Renaissance, mit
welcher der neue Styl fast überall in Deutschland auf-
tritt, hier so gut wie gar nicht vorkommt. Dagegen wirkt
überall Italien direct ein, so dass namentlich die Höfe
mit Vorliebe nach südlicher Weise durch Arcadengänge,
sei es auf Pfeilern, sei es auf Säulen, ausgestattet
werden. Damit hängt zusammen, dass der in Deutsch-
land sonst überall beliebte Holzbau fast durchgängig
dem italienischen Steinbau weicht, mit Ausnahme der
Gebirgsgegenden, welche an ihrem local ausgebildeten
Holzbau festhalten. Besonders charakteristisch ist noch,
dass jene geometrische Ornamentik, welche die Motive
der Lederarbeit und des Schlosserstyles in Stein über-
trägt , eine der ausgebildeten deutschen Renaissance
anhaftende Form, in Österreich kaum angetroffen wird,
obw(dd die Schlosser- und Schmiedekunst ganz herrliche
AVerke hervorgebracht hat. Dagegen erhält sich kraft
des italienischen Einflusses lange Zeit hindurch eine
überaus edle Behandlung des Ornamentes.
Von den städtischen Bauten sind zunächst die
sogenannten Landhäuser, d. h. die für ständische
Versannnlungen errichteten Gebäude , auszuscheiden,
denn sie verdaidcen ebenfalls den privilegnten Ständen
ihre Entstehung und tragen dasselbe künstlerische Ge-
präge, d. h. das italienische. AVas sonst in den Städten
Oesterreiclis etwa an bürgerlichen Bauten vorkonunt,
ist an Zahl und Bedeutung gering. An RathhäMsern
oder sonstigen Werken der städtischen Profanbaukunst
scheint selbst in den mächtigsten und reichsten Städten
des Kaiserstaates fast nichts vorhanden zu sein. Wohl
mag die künstlerische Decoration sich überwiegend auf
den Freskenschnuick der Facaden oder wenigstens auf
Sgraflito bescliräid<t haben. Aber auch davon sind nur
geringe Spuren erhalten.
In Böhmen und ."Mähren stellt sich das Verhältniss
etwas günstiger. Hier war schon unter der Herrschaft
Karl's IV. in der zweiten Hälfte des XIV. .lalirhiuiderts
eine hohe Culturblüthc hervorgerufen worden. Durch die
Hussitenkriege wurde zwar vieles zerstört, aber der
hussitische und ])r()tesfantische Geist hatte so mächtig in
dem Lande sich ausgebreitet, dass er eine hohe geistige
Cultur hervorrief. Diesem Fnistand wird es zuzusehrei-
ben sein, dass das Land eine grössere Fülle von Monu-
menten iiiirgerlicher Baukunst auch aus dieser Epoche
aufweist, und dass der kiinstlerischeCharakter dersel-
ben, al)gesehcn von einzelnen italienischen Welken der
Frühzeit , weit mehr ScUiständigkeit und mancherlei
Übereinstimniuni:- mit der deutschen .\rchitektur verräth.
Il><lnc<«ur: !)•■ Karl 1,1 iid — llrack Icr k. k. ilof- unij Scnfil.JriKkrrol.
Fünfkirchen.
Taf. I.
MillliciliiiiaVii (liv k.k.roiilr.Coiiiiii.
^.=d~i~?-
Drußka d WBof-u aaa:sdlTuckerei.
MillliiMliiii'.'t'M lirr k- k.i «Miti . * uimii.
0<
Die altchristliche Grabkaminer in Fuiitkircheii.
Von Dr. Emerich Henszlmann.
(Mit 2 T.lfclu und J2 UoUschnillcn.)
In den Hügel, :uit welchem sieh die Katiiedrale
von Fünfkirchen erhebt, ist eine mit W;uidj;eniälden
geschmückte unterirdische Grabkanuner iiiiieingebaiit,
welche den Kammern der C'ömeterien von Eom durch-
aus analog erscheint. Unser kleines Gebäude stosst an
den sUdöstlicIien der vier Thürme der Kathedrale und
erstreckt sicli v(m da südwärts. Koller, ehemaliger
Dondierr von Fünl'kirchen, Vieschreibt die Kammer tbl-
gends in seinen ,,Frolegomena in histor. episc. Quinque-
eccl." S. 25 u. f. 1.
.,Unser Denkmal ist ein Heiligthum , auf welches
die Arbeiter i. J. 1780 bei Gelegenheit der Abtragung
des an den nördlichen Thurm der Kathedrale gelehnten
.Szakmärischen Hauses stiessen. Sein Gewölbe wird von
den in Essek vorkonnnenden ähnlichen, mit DIP. N. be-
zeichneten Ziegeln gebildet; es wurde demnach ohne
Zweifel von den Eömern zur Zeit ihrer Herrschaft über
Pannonien erbaut. Ich behaujite daiier, das es älter sei,
als der Einfall Attila's i. J. 441. Nicht nur die Kammer
selbst, sondern auch deren kleine Vorhalle war bemalt,
wie dies überall ersichtlich, wo Alter und unterirdische
Feuchtigkeit den Bewurf noch nicht loslösten. Die
Christen jitiegten in den ersten drei Jahrhunderten die
Kammern ihrer römischen Cömeterien mit "Wandbildern
zu schmücken , und Aringhi Hess in seiner „Roma
subterranea'' diese Wandbilder in Kupfer stechen. Die
Gemälde der Fünfkirchner Vorkammer waren erhalten
und ähnlich jenen der sechsten Kanuner des an der via
labieana betindlichen St. Marcelin -Cömeteriums; wie
diese Aringhi (L. IV. CXIV. 35.) gibt. Im Mittelpunkte
des Gewölbes der Kammer selbst und auf der dem
Eingange entgegenstellenden Wand sehen wir das von
■ einem Kranze umgebene Monogranun Christi. Dieses
war der Christen Sj'mbol lange vor Constantin (duduni
ante Constantinum M.), der dessen Abbildung auf seine
Fahnen zu setzen befahl -.
Die gemalte Einrahmung der Rückwand ist jener
fast ganz gleich, welche Aringhi von einem Arcosolium
des au der via salaria liegenden Cömeteriums der Pri-
scilla copiren hess (L. IV. C. XXXVII. S. 117. Fig. 3),
ebenso jener des dritten Cubiculums des Cömeteriums
Calixti (L. III. C. XXII. 8. 311. HI. T.) oder noch mehr
jener der ersten Kammer des an der via nomentana
gelegenen Cömeteriums St"'. Agnesae. Die unter dem
Monogramme befindlichen beiden Figuren sind meiner
Ansicht nach die zweier Apostel, denn sie sind in
Tunica und Pallium gekleidet, wie man sie zu jener
Zeit bildete, iiaCli dem Zeugnisse Aringlii's (L. VI. C.
XXVIII). Ich glaube, rechts steht Paulus ; denn er hält
die Schriftrolle mit der Linken; hieran erkennt ihn
Aringhi (L. X. C. X. 192. pag.). Links steht Petrus. Es
ist bekannt, dass diese beiden Ajiostel häutig die Plätze
von links und rechts weciiseln; nbschon auf den Bildern,
auf welchen in der Mitte Christus, oder das Kreuz steht,
wie dies auch hier der Fall, des Heilandes oder des
' Es scheint nothvendig, die Beschreibung Koller's hier anzuführen,
da einerseits dieses Werk selten, anderseits in dieser Beschreibung manches
noch erklärt wird , was seither verschwunden ist.
■ Koller bemüht sich hier, diesen üalz zu beweisen; wir kommen auf
diese Beweise zurück, wo wir von dem Monogramme sprechen werden.
XVIII.
Kreuzes Rechte als rechte Seite zu betrachten ist; hie'^
jedoch ist der Fall umgekehrt, d. h. rechts und links ist
vom Beschauer zu verstehen.
Auf der westlichen Mauer sieht man Nuali, der die
Taube entweder aus der Arche fortlliegen lässt oder die
zurückgekehrte eniptängt, die Darstellung ist ähnlich
jener eines vaticanisclien Sarkuphags (Ar. L. II. C. X.
197. 199 u. 2Ul T. I.) sdwie einer anderen des zweiten
Cubiculums im Cömeterium Calixti (Ar. L. III. C. XXII.
S. 313); ferner der eines bei S. Sebastiano ausgegra-
benen Steinsarges (S. 349) oder jener eines bei der
Kirche S. Lorenzo gefundenen (Ar. L. IV. C. XVIII.
S. 61). Überall steht Xnali in einem viereckigen Kasten
und erhebt die Hände zum Hinmiel.
Das zweite Bild dieser Seite ist das der drei
Magier , die dem Neugebornen ihre Geschenke auf
Schüsseln darbringen; ebenso kömmt diese Darstellung
auf einem im Cömeterium der Priscilla i. J. 1751 ent-
deckten Sarkophage vor, den man nach St'. Maria in
"Trastevere übertrug und den Bianchini pnblicirte (Hist.
Eccl. Quadr. Saec. I. T. I. 2s. T. H. Cubic. XIV. Coem.
SS. Marcellini et Petri, a]iud äy. L. VI. C. XIV. S. 377).
Zwischen Noali und den ]\Iagiern war dort, wo
gegenwärtig der Bewurf ganz abgefallen ist, die Krippe
des Herrn dargestellt.
Die auf dem Gewölbe derselben Seite in Medail-
lons sichtbaren beiden Köpfe sind die von Heiligen,
deren Namen ich jedoch nicht anzugeben weiss. Unter
den Medaillons stehen zwei einander zugekehrte Pfaue,
die nach Aringhi nicht fehlen dürfen (L. VI. C. XXXVI),
da er diesen Vögeln eine mystische Bedeutung zu-
schreibt, welche er an mehreren Beispielen erklärt (vom
Cömet. d. Priscilla L. IV. C. XXXVII. S. 130 und
am Porphyr- Sarkophag- der heil. Coustantia L. IV.
. C. XXV. S. 69).
Zwei Bilder der Ostseite unserer Kammer sind
gänzlich verschwunden, das dritte hat sich erhalten, es
stellt die Geschichte des vom Wallfische verschlunge-
nen und nach drei Tagen wieder ausgespieenen Jonas
auf demselben Bilde dar, ebenso wie dies der Fall ist
auf einem vaticanischen Sad^ophag. (Ar. L. II. C. X,
S. 201) und auf einem andern aus dem Com. Calixti
stammenden (L. III. C. XXIII. S. 347 u. 349) =.
Hieraus ist ersichtlich, dass wir es hier mit Bege-
benheiten des alten und neuen Testamentes zu thiin
haben , wie wir auch dem Christus-Monogramme keine
heidnische Bedeutung geben können.
Die beiden Medaillonköpfe an der Ostseite des
Gewölbes vermag ich* nicht zu erklären, unter ihnen
sind, wie auf der entgegenstehenden Seite, zwei Pfaue
sichtbar; und dies ist Alles, was uns von den Wand-
bildern übrig blieb.
In der :\Iitte der Hinterwand befindet sich eine
(piadratisehe Ötihung, welche wahrscheinlich beim Got-
tesdienste, ich weiss nicht, zu welchem Zwecke, diente.
Im Umfange des Heiligthumes fand mau einige
stärkere Menschenknoehen ; die Thüre war mit Steinen
^ Koller führt noch mehr Beispiele .'in, nachdem die Geschichte des
Jonas am häufigsten abgebildet wurde.
8
58
und anderem Materiale verlegt, woraus icli schliesse,
dass mau hier wälu-eud der Verfolgung Jemanden ver-
hungern liess. Das ganze Local konnte als unterirdisch,
sehr wohl zu Zusammenkünften der Christen benützt
worden sein, und deshalb entdeckte man es erst, nach-
dem das darüber stellende Haus abgetragen war.
Kicht lange nach dieser Entdeckung fanden wir,
als man die Fnndaniente des zu errichtenden Hauses
grab, in der Nachbarschaft der Kammer dreizehn, aus
rönnschen Ziegeln g'ebildete Gräber (^eines derselben
gibt Koller T. XIV. Fig. 7, es ist ein .Sarkoi)hag mit
einem sattelförmigen Deckel); auf einem derselben war
das Constautinische Monogramm am Kopf- und Fuss-
ende des Todfeu sichtbar (es war von innen in den
Frontou des Deckels eingegraben). In jedem der Sar-
kojjhage fand man Menschenknochen, in zweien (Tlas-
gefässe (ampuUa vitrea), mit Ablagerung eines unbe-
kannten StotlV's an den Seiten, der jedocli kein Blut
war, wie es die vom Cardinal Oarampi befragten Fach-
leute liezcugten. Icli weiss niclit, zu welchem anderen
(Gebrauche diese Giasgefässe dienten.
AVer alles bisher Gesagte erwägt , kann nicht
leugnen, dass unser Heiligthum ein christliches war,
und dass es aus den ersten Jain-hunderten des Christen-
thnms stamme-.
A r c h i t c k t o n i s c h e s.
So weit Koller, der in den meisten Paukten richtig
gesprochen und dies vor mehr denn 70 Jahren, als man
kaum wieiler anting, die römischen Cömetericn kriti-
scher zu untersuchen. Meine Aufgabe ist es, näher ein-
zugeben auf die Beschreibung eines Denkmales, welches
diesseits der Alpen ehizig dasteht, nachdem einige in
Frankreich voriiandene 15cispielc während der grossen
Revolution zerstört wurden. (Fig. I.)
Das (iebäude, welches sich von Nord nach Süd
er.streckt , besteht aus drei Theilen ; der eigentlichen
Kammer, an welche sich südlich eine Vorkannner und
nönUicii ein liaum auschliesst, der im Noulen ein Kreis-
segment l)ildct. Hiezu ist in neuerer Zeit ein lau
getreten, der durch den Hügel auf
Fig. 1, -A t.
unterirdischer Gang
eilf Stufen zur Vorkanuuer hinabführt.
Der Fussboden des antiken Baues liegt 15 Fuss
() Zoll unter dem höchsten Punkte des Hügels, wovon
7 Fuss (i Zoll auf die ülter dem Gewölbe lastende Erde,
1 Fuss auf die Mauerdicke des Gewölbes und 7 Fuss
auf die Lichtenhöiie der Kammer fallen. Die Vorkannner
ist um nahezu I Fuss niederer. Der mit dem Kreis-
segment geschlos.sene Hinterrauni ist nicht gewölbt,
deshalb ist er als Luftzug, als ein sogenanntes Spira-
cuiuni anzusehen, durch welches die Luft von oben ein-
dringen und durch die Thüren der Kammer und Vor-
kannner in das wahrscheinlich vor letzterer betindliche
Stiegenhaus ein- und aus diesem wieder nach ol)en aus-
dringen konnte. Heute ist keine Sjmr dieses ursi)rüng-
lich nothwendigen Stiegenhauses mehr zu linden, welches
der, wahrscheinlich im vorigen Jahrhunderte gebaute
(io Fuss <i Zoll lange, (i Fuss breite Zugang ersetzt. Statt
des antiken Spiracuhims hat man in der Decke der
Vorkannner ein Luttloch angebracht, trotz diesem wurde
aber die Feuchtigkeit nicht entfernt, die in kleineu nach
Saliter schmeckenden Tropfen an allen AVänden sich
ansannnelt. (Fig. 2. u. 3.)
Als ich i. J. 18G.') zum ersten Male Fünfkircheu
besuchte, w^aren manche AVandbilder, die Koller noch
gesehen hatte, verschwunden, andere stellenweise ver-
blichen, welcher Umstand mich bewog, auf Mittel zu
sinnen, die den gänzlichen Untergang dieser iiöchst
merkwürdigen Bilder verhüten könnten. Mein durch die
ungarische Akademie der AVissenschaiteu an den ]5ischof
und das Cai)itel von Fünfkircheu eingesandter Vorschlag
bezweckte eine Heraushebung der ganzen Baulichkeit
aus dem Schosse der Erde, oder, falls dies radicale
Mittel nicht genehmigt würde, die bleiliende Blosslegung
und Überdachung der Grube, in welche dieselbe nach
der Blosslegung zu stehen käme. Ersteres wurde ver-
worfen und letzteres bloss theilweise ausgeführt. Man
maciitc eine (irube um das Ganze, liess dann den Bau,
damit er trockne , niehri're
Sommermonate hindurch otfen
stehen, bedeckte das Gewölbe
mit einer do|)pelten Lage von
hydrauiisclnni Kalk , warf
aijcr die Grulie wieder zu und
glaubte hieniit .\lles getluin zu
Imben, was zu einer so poni))-
haften Umschrift, wie die über
den Eingang gesetzte ist, be-
rechtigen k;inn :
NE LauefI.vt
DIgne et soLLICIte
CaVtVM.
Seit (lii;s(!i- sogenaniden
„würdigen und sorgfältigen
Restauration'- d. J. l.S(;4 hat
das Erldassen der Bilder und
der l''arl)enal)l'all weitere Fort
schritte gemacht und steht das
Zugrnndcgehen dieses Uni-
cums diesseits der Alpen in
nicht gar ferner Zukunft in
bestinnntei' Aussicht, falls eine
59
neue Zuschrift der seit 11. Ajiril ls72 liestchcnden
arciiäoldgiscIieuLandes-Cdinniission an den liisclmf und
das Capitel von Fünfkirchen, aul weiche jedoch noch
keine Antwort erfoljjte, nicht wirksamer ist, als es die
wiederholten Zuschritten der Akademie waren.
Zur Zeit der i. J. lS(i4 untcrnonnnenen Arbeiten
war es mir nicht möglich, Fünfkirchen zu besuchen; es
fertigte jedoch auf meine Bitte der Pester Architekt
H. Benko, welcher damals den Bau einer Synagoge in
Fünfkirchen leitete, den hier im Holzschnitte mitgetheil-
ten Grundriss und zwei Durchschnitte an *.
Ich glaube, dass, wie auch Architekt Schul cz
meint, das Gebäude unter Dach gestanden, jedoch nicht
unmittelbar das unterirdische , sondern die darüber
befindliche Capelle hatte ein Dach; denn dass der untere
Raum eine unterirdische Begräbnissstätte war, wie so
viele der Kannnern in den Cömetcrien Roms, geht aus
zwei entscheidenden Gründen hervor; der eine ist das
Auffinden von menschlichen Gebeinen, der andere die
gänzliche Abwesenheit von Lichtötfnungen.
Bereits bei der Entdeckung der Kammer fanden
sich, wie Koller versichert, einige stärkere Knochen vor;
um nun noch grössere Sicherheit zu erlangen, Hess ich
am lö. August 1870 den Boden in der Mitte in einer
Tiefe von etwa 1 i/o Fuss aufgraben und fand ein rech-
tes Oberarmbein, ein Fragment des linken, mehrere
Kippen-Bruchstücke und ein Sprungbein. Wir können
annehmen, dass diese Knochen nicht erst bei der Ent-
deckung d. J. 1780, sondern bereits früher, etwa in der
Hunnenzeit, wo die noch vorhandene obere Capcllc den
Weg zur Plünderung der unteren Grabkannner wies,
aus einem hier vorhandenen Sarkophag herausgeworfen
wurden und der Sarkophag zertrümmert worden sei; dass
aber ein solcher hier stand, wird höchstwahrscheinlich;
wurden doch selbst die in die Erde versenkten Leiber
der Nachbarschaft in Särgen beigesetzt, um so weniger
durfte daher der Sarkophag in einer so reichlich aus-
gestatteten Grabkannner fehlen, in einer Kammer, die
wir, ihrer Gesamnitheit nach, als ein in sich ahge-
schlossenes Arcosolium zu betrachten berechtigt sind.
Was den zweiten Umstand anlangt , sind die
Wände der ganzen Grabkannner und deren Gewölbe in
der ganzen Ausdehnung bemalt gewesen ; sie hat dem-
nach keine andere Öffnung, als die kleine quadratische
in ihrer llinterwand , welche wieder in einen dunklen
Kaum führte , und jene der Eiugangsthüre ; ebenso
waren, nach Koller 's Angabe , auch die Wände der
Vorkannncr bemalt. Das Spiraculum im Norden konnte
nur den Zweck der Lufterneuerung, imd nicht auch wie
* Der leider zu früh verstorbene geniale Franz Schulcz richtete von
Fünfkirchen folgentien Brief an micii , zu dessen Erklärung der Querschnitt
Fig. 3 dient ;
„Ich h.'xbe mir dieser Tage die alte römische Capelle angesehen und
bedauere sehr, dass wahrscheinlich in Folge des Unverständnisse» des Maurer-
meisters (des Capitels , nicht Benko'»), die höher als der (.iewöllescheitel auf-
steigenden Scilenmauern (in dieser grössertn HöheJ" abgetragen wurden, denn
obwohl das Ganze wieder zugeworfen werden soll, würde bei einer weiteren
Ausgrabung die .'\llfallig in ihrer Urspriinglichkeit erhaltene Gestalt doch zu
neuen Ketlexionen Anlnss gegeben haben. Ich bin vollkommen davon über-
zeugt, dass Sie, Herr l)octor, hieran nicht Schuld sind (natürlich nicht, da
ich vor der Ausgrabung das nöheransteigon der Seitenmauern nicht .kennen
konnte und den Bau während der Ausgrabung nicht gesehen habe;.
Ich bin auch jetzt davon überzeugt, dass unser Denkmal ein Dach hatte
und glaube fest, dass es, wie ich aus dem aufgedeckten Orundrisse ersehe,
zu einem grösseren Baue gehörte; der hinter der Kammer befindliche bogen-
förmige Raum (Lücke, „hezag-') ist mir unerklärlich, falls icli nicht veraus-
ssetze, dass die ganze Capelle etwa in einem runden Vertheidigun^stliurnie
ge.standen habe.
Ich war heute bei Jonas (dem seither verstorbenen Canonicus.Cu^tosI,
er s.Tgte mir, er habe bereits an die archäologische Commission der ungari-
schen Akademie berichtet. Die Eingewölbung der remischen Capelle (vielmehr
die Bedeckung derselben mit hydraulischem Kalk) hat stattgefunden u. s. w.
Fünfkirchen, am 10. October ISW.
in den römischen Katakomben zugleich der Beleuch-
tung crlUUcn, weil das Licht aus demselben in die kleine
Öffnung in der llinterwand nicht mehr eindringen konnte.
Der Hauptraum blieb somit ganz und gar unticlcuclitet
imd musstc deshalb ein unterirdischer sein.
Die Segmeiitmaucr ist für den Unterbau der Apside
der oberen Capelle zu nehmen, hinter deren Altare sieh
die obere Öffnung des Luftzuges befand '. Eine Halb-
kreis-Apside finden wir aber auch in dem von Marchi
liublicirten Kirchlein des Cömctcriums der heil. .Vgnes;
somit darf uns hier diese Gestaltung nicht im iiiin(lcsten
befremden.
Lässt sich nun abei' auch ein anderes Beispiel einer
Doppel-Capelle aus so früher Zeit anführen?
Wir lesen in Rossi's ..Bullet, di Arceol. Cristiana-,
Jahrg. 186G, S. ;!o und :]7, Folgendes: Der aus der
Porta Ostia Austretende sieht zur Rechten, gleich hinter
der Pyramide des Cestius, die Reste eines Oratoriums,
welches im Kriegsjahre 184!' zerstört wurde. In der
benachbarten Vigna IJicci Paracciani befindet sich ein
luschriftstein mit langen sogenannten gothischen Buch-
staben des XIY. Jahrhunderts. Dieser gehörte ehemals
zum Oratorium und es wird hier des Oratoriums als der
„Ecclesia sancti Salvatoris-' und des „altare superior-'
(sie) gedacht , wodurch wir erfahren , dass es auch
einen unteren Altar hier gab; und dass eben deshalb
das Oratorium viel älter sei, als das XIV. Jahrhundert,
wahrscheinlich so alt, als die Begräbniss-Capelle, und
wir finden in der That in der Turiner Universitäts-Biblio-
tliek unter Nr. 749 ein Verzeichniss der Kirchen Roms,
eine ecclesia sancti Salvatoris de Porta mit dem Zu-
sätze quffi non habet servitorem, d. h. die aufgelassen
ist. Die „Libri indulgentiae ecclesiarum Ur-
bis Romae'', die um die Hälfte des folgenden Jahr-
hunderts geschrieben wurden , erwähnen gleichfalls
dieses Kirchleius: ecclesia s. Salvatoris extra portam
s. Pauli oder in via s. Pauli, als eines, das von den Pil-
gern besucht wird. Ich habe es auch angeführt gelesen
in einer Stuttgarter Rotula und in einem Strassburger
Codex, die beide älter sind als die ältesten gedruckten
Libri indulgentiarum. Woraus hervorgeht, dass man
dieses Kirchlein sehr in Ehren hielt, vielleicht stand es
an der Stelle eines altehristlichen Denkmals. Zwar
sagt die Geschichte nicht, dass hier ein unterirdischer
Begräbnissplatz war, von jener Art, die man gewöhn-
lich eine Katakombe nennt , ja die Oberfläche und Be-
schaffenheit des Bodens lässt eine solche Yoraus-
setzung nicht zu ; sofort dürfen wir blos an ein verein-
zeltes Denkmal der via ostia denken , d. h. an das
Grabmal einer christlichen Familie , oder an ein Eriu-
nerungsmal irgend eines Ereignisses der ersten Jahr-
hunderte des Christenthums , unter welches man eine
Krypta baute ; und diese Vermuthung wird auch unter-
stützt durch einen in der Vigna Ricci aufgefundenen
Sarko])hag. (Folgt die Beschreibung des Sarkojihages
und die Vergleichung desselben mit einem zu Apt in
Frankreich gefundenen) «.
" Schulcz hat den Zweck der Segmentmauer hinter der Grabkammer
verkannt, indem er annimmt, dass dieselbe der Rest eines Vertheidigungs-
thurmes war, denn Benko's Grundriss.aufnahme zufolge ist das Bogenseg-
nient nicht gross genug, um ergänzt die g.anze unterirdische Räumlichkeit zu
umfassen.
' In unseren Mitthciluni;en , Jahrg. 1860, S. LXIII, bespricht Dr. A.
Messmer dieso Entdeckung Rossi's wie folgt:
„Es wird ein Oratorium gesondert, welches ausserhalb der Porta Ostia
auf der Vigna des Marchese Ricci Äracciani im zerstörten Zustande gefunden
wurde und offenbar ursprünglich eine Familiengrnbcapelle in zwei Stockwer-
— 60
Fig. 4.
Ich liabe iiocli zu bemerken, dass in Benko's
Zeichnungen einige kleine Irrthümei- vorkommen. Die
Kammer ist niciit ganz regelrcclit angelegt, sondern so
wie sie meine Zeichmuig in Fig. 4 gil)t. Ferner hat
üenko im Grundrisse die schmale Mauerliank der Hin-
terwand weggelassen, die wahrscheinlich zur Aufstel-
lung von Gelassen und anderen Geräthen während der
Feier des Todestages der hier l)egrabenen Leichen
diente; endlich geht ibr Fnssbodcn der ^'(lrkammer bis
/.um Eintrilt in die Leichenkammer tnrt, die Stufe be-
ginnt nicht mit dem Anfang, sondern mit dem Ende des
Thlirgewandes.
Ich habe die Vorkannner in einem durciiaus .sciiad-
liaften Zustande gefunden, und zwar bereits im Jahre
IH(u') mit ausgclinpcheniii Wänden, in der Art wie sie
Fig. 4 gil)t, daher sieht man lii(,'r auch keine Spur mehr
der von Koller angegebenen Wandmalt^reien.
Alle Mauern der Haulichkeit bestellen vorzliglicli
aus Ziegeln mit sehr wenig iiiitcrmisc|it( in Stein. Die
Maasse dieser Ziegel sind:
LUnge IT) — ifi'/s Wiener Znil,
Hreite 10 „ „
Dicke -J
|);i icii die Wandliildei' sclionen miissle, konnte ich
nur aus der eben erwiihnten unbcnialten Mauerbank
kcn blldolo. l)cr dort Kofunduiio Sarkoplmt; wnr iiiu für oiii iintvrlrdisclioi.
Grab (Hnn^l naifl dieses nicht, ^onde^n I>Iok, dasB wir iilor an itoln untcrirdl-
BChes Cömetcrluni dcnknn diirron) bestimmt, »n dniti Ich tu diohcrn Oratorium
eine I>o|ii(clcftpcllo i-rlp||rkc, deren unterer itaum für die Dejioftltlon des -Sar-
knphagcs diente, wrihrcnd der ol.ori' tnlt Altar als Oratorium für diu Annl-
versarieti boftt'mmt uar. Für die gerade In diesen MItthcilunKon der k. k.
Ccntrnl-Commhftion wiederholt henprochetien Kirchhof- oder Tf'dtcnrapellcn
scheint mir diosos Denkmal bei Uoni nicht ohne gelang, zumal es laut
Insclirifi im XIV. .Jahrhundert dir noch iflfc den TrUminern erkennbare leteto
Oc.^tatlung erfuhr*'.
einige Backsteine nehmen, fand aber auf diesen keine
Si)ur irgend einer Schrift, wie auch bei Koller nir-
gends ein gestempelter Backstein vorkommt und auch
während der neuesten Kestauration, meines Wissens,
kein solcher zum Vorschein kam.
Die mit diesen Ziegeln aufgeführten Mauern
hallen : die äusseren- eine Stärke von 2 Wiener Fuss.
die Mittelmauern von 1 Fuss '■> Zoll. Diese geringe
Stärke wird einigermassen durch die an den Nordecken
und in der Mitte der Langwand der Kammern ange-
setzten Streben ersetzt , jedoch bilden dieselben kein
Widerlager für die ganze Länge des Tonnengewijlbes.
wozu also der Seitendruck iles Erdreiches diente. Die
geringe Stärke der Hauptmauern lässt auch für die
obere Capelle eine blos geringe Hübe annehmen.-
welclie aucli sonst der ganzen Anordnung entspricht.
Es war kein Kirclilein tür eine ganze Gemeinde, son-
dern blos eine Familiengrabcapelle, wie jene des Erlö-
sers zu Ikom, nur mit dem Unterschiede, dass diese,
nach ßossi's Bemerkung, nicht auf einem Kirchhofe
stand, wälirend die in der Nachliarschaft unseres C'ubi-
culunis gefundenen Gräber zur Vennuthung lierechti-
gen, es hal)e diese sich auf einem Gottesacker eriioben.
Die Erbauungszeit unseres Cubiculums lässt sich aus
dessen Architektur nicht bestimmen, zu diesem Zwecke
werden wir unsere Zutiucht zu den Wandbildern neh-
men, indem wir die Symbolik derselben mit jener der
sicher datirten Cönieterien Korns, besonders aber jener
der ältesten Kammern des Calixtus'schen Cömeteriums
vergleichen, woraus das etwas jüngere Alter der Kam-
mer in Füntkirchen hervorgehen wird.
Sjml
to II K (I e
r W a ndi;'emä I ili
Sehn aase erklärt die symbolische Bedeutung der
einzelnen altciiristliclien Darstellungen einzeln- und für
sich " , und sclieint keineswegs geneigt , wenigstens
niciit auf den Sarkopiiagen, eine zusainmeiihängeiule
(Jedankenreihe, einen abgerundeten Ideengang in der
(Jesamintheit der Darstellungen anzunehmen, inilem er
(1. c. S. SS) sagt: „Die Zusammenstellung und Aiionl-
nung iler erwähnten Gegenstände auf ilen Denkmälern
ist eine ziemlicii mannigfaltige und freie' Und S. S9:
„Neben diesem mittleren (Christus-) Bilde sind auf bei-
den Seiten amlere angebracht, deren (iegenstände, ohne
Unterschied ans ileiii alten oder neuen Testamente ent-
lehnt, gewiilinlich keinen i nneren Zu siimmen-
h M ng haben."
Dagegen spricht Uossi in seiner Erklärung tler
Wandbililer der fünf ältesten Kammern iles Cömete-
riiinis Gnljxti » und an ;inileren Orten wiederholt seine
feste rber/.eiigiing tlahin aus, ilass der innere Zusain-
nienhang tler verschiedenen Darstelliingeii eines uml
desselben Monumentes kein eingeliildeter oiler erklü-
gelter sei , sondern dass die Darstellungen im Sinne
eines solchen Ziisnimnenhaiiges liereits entworfen und
ausgeflilirl wiirdeii; er will ferner in ilen angel'iihrteii
fünf Kammern den Geist und die .\iiordiiung des nach-
maligen l'apstes Calixtus erkennen , entwickelt seine
iMkläriiiig ganz in diesem Sinne und weist die Iilentitäl
des Griindgi'ilnnkens als wiederkehrend in allen fünf
Kammern nach.
' Oeichlchio d. blld, K!in«t«. 18IW. 111. lld. 1. Ablh. S. 85 u. f.
* Koma Bottcrranca crlsllana T.-II. capo .\1I. Del cinquo cubicoll adorni
dl pltturo almboUclie alludentl prlnclpalmente al batteslmo cd air cucarlstia
S. 328 u. f.
61
Ich glaube in jeder Hinsicht auf einem (iuielnvegs
anpavteiischeu Standpunkte zu stehen, auf weleiieni ich
mich derAusiclit Kossi's um so mehr anschiiessen muss,
als auch in llem Cubiculuni von Fünfkirchen sich ein
Grundgedanke herausstellt , oder vielmehr die Veran-
schaulicliung eines biblischen .Satzes, jenes des Evan-
gelisten Marcus (XVI, IC),): „Wer glaubt und sich taufen
lässt, wird selig werden; wer aber lucht glaubt, wird
verurthcilt werden" '■'.
Die Elemente dieses Satzes sind die Wassertaufe
und vielleicht auch die Feuertaufe, der Olaube an die
Kirche und an den Gründer derselben, an den Erlöser,
die Auferstehung (des Fleisches) und das ewige Leben.
Wir werden diese Elemente nicht ganz streng in
dieser Ordnung geben, indem sie auf Taf I und K von
einander getrennt erscheinen , jedoch beginnen wir nüt
dem Symbol der Wassertaufe im Bilde Noah's und der
SündHut, sehen das Sj-mbol des Glaubens an Christus
in dessen Mouogranune, auf welches die Apostelfürsten
hindeuten, die Auferstehung (des Fleisches) in derRet-
' tung des Propheten Jduas aus dem IJauche des Fisches,
endlich die ewige Seligkeit in den Pfauen, im Sieges-
kranze und dem Blumentlor der Uecke dargestellt, in
JMitte welcher wahrscheinlich die l^ilder der hier Bestaf-
teten erscheinen.
Noali (T. I, unten rechts).
Noah's Geschichte steht bei Moses Genesis, VI,
VII, VIII, IX und X und über die symbolische Bedeu-
tung dieser (4escliichte, vorzüglich aber iij)er die Sünd-
flut klären uns Bosio's I" Citate der alten kirchliclien
Schriftsteller auf. T e r t u 1 1 i a n u s, 1. de C'apt., nennt die
Sündtlut das Taufwasser der Welt und die Arche ist
ihm die Kirche i'; desgleichen C'yprianus (Ep. ad
Pomp) 1-. H i e r II n y m u s vergleicht die in die Arche auf-
genommenen Tliiere den in die Kirche aufgenommenen
oder aufzunehmenden Völkern i=, auch andere geben die-
selbe Bedeutunii' dem Bilde '*.
*■• Die coucorciaiitL-ii Stellen b. Joh. III. 18 u. 36. Apüst^gescll. H. 38.
Körner X. 9. u. &. w.
"* IComa Eotteiraiica, opera postuma di Antonio Bosio Romano, compiuta.
disposta e accresciuta dal P. Giov. Severani Roma 16ÖU p. 575. &.
" Quemadmoduni enim post aquas diluvii quibus iniquitas antiqua pur-
gata est ; post baptitniunt, ut ita dicam, mundi, pacem coelestis irae, per coluin-
bam ferris adnuiiciavit dimis&ani ex arca et cum olea reversaiii; quod Signum
eliam apud nationes paci praetenditur : eadem dispositione spiritualis affectus
terrae i. e. carni nostrae emergeuti de lavacro post vetera delicta, columba
s. Spiritus advolat pacem Dei affereus emissa de coelis ubi Ecclesia est arca
figurata •
'- Nam i-t in illo inuruli baptisuio, quo iniquitas antiqua purgata est, qiii
in Arca Noe n^n fuit, non potnit per aquam salvus lieri: ita nee nunc potest
per ba[)risinum talvus vidcri, qui baptisatus in Ecclesi-a non est, quae ad arcae
unius ^^acramentnnl l'omiiiica uiiitate fundata est. fCyi.rian. ICp. ad I'omp.j
'* (Hieron. ad Lucifer.) Hoc ecclesiae typus fuit, dicente Apustolo Petro ;
In Area Noe etc. ut in illa omnium animalium genera, ita et in iiac univer-
sarum gentium et moruin lioniines sunt.
'* C tir y so s t o m US Homil. de nomine Noe; Sieut tunc omnis creaturA
<ieleta est, sola autem arca evasit de trabibus quadratis formata, octo animas
bajulans, ita et in cousuinmatione omnes liaereses iuteribunt, una tantuni arca
Salvabitur i. e. Ecclesia Christi de hominibus justis congreg.ata. St. .\ugu-
stiiius de Cath. e. 27: Aliquando diluvium per totain terram , ut peccatore.'^
öelerentur: et tauten illi, qui evaserunt in arca, sacramentum futurae Eccle-
siae denionstrabant, quae nunc in fluctibus saeculi natat et per lignuni crucis
Christi a submersione liberabitur. Joannes Oamasc. (Homil. de Sabb.):
Nam et Christus cum primogenitus esset omnis creaturae et primogenitus ex
iliortuis, primitiaeque dormientium, principium rursus alterius generis fuit rege-
nerati ab ipso per aquam et tidem et lignum: quod ntysterium crucis obtinet;
quemadmodum et Noe in ligno servatus est, una cum suis super aqua invec-
tus etc. Beda in Genes, c. ^. Noe autem per omiiia significat Christum, Nor
requies interpretatur , et Dominus noster in Evangelio: Discite a me quia
mitis sum, et humilis corde, et invenietis requiem animabus vestris. Nee solus
justus; Christus solus sine peccatis est, cui Septem anitnae donatae sunt, i. e.
perfecti homines per septiformem gratiam. Noe per aquam, et lignum liberal
suos, Christus per crucem et baptismum liberal Christianos. — Den Namen
Noah's erklärt Hieronymus (Quest. in Gen. c. 5) und Chrysostomus
(Homil. 34 in Genes); ersterer: Et vocavit nomen ejus Noe, dicens; Ipse
requiescere nos faciet ab operibus iiostris , dicendo: et illc igitur quod sub
eo omnia retro opera requieverunt per diluvium, appellatus est requies; — ■
etzterer; Xomen autem Noe lin^ua hebraica quies dicitur: quia ingruente
Welche grosse Bedeutung und Wichtigkeit die
(ieschichte Noah's und deren .symbnlisch-typolugische
l>eziehuiigen im Mittelalter hatten, geht aus den uralten
Biklern der Kirche von S. Savin hervor 15, wo sechs der-
selben diesem Gegenstaude gewidmet sind: Noah's Be-
stellung (T. X) , die Arche (T. XI) , Auszug aus der
.\rche und Dankopfer (^T. XII), Noali als Weinbauer
und vom Weine berauscht (T. XLI), Noali von seinem
Sohne verspottet (T. XXIII), und der verfluchte Cham
(T. XXII). Das Mittelalter stellte besonders gern die
Vers|)ottung Noah's als Vorbild der Versiiottung
Christi dar.
Garucci "• schreibt im Te.\t zu seiner T. II, F. 7
(S, 25): Die Arche, in welche die Alten Noah stellten,
ist ein viereckiger Kasten, ausgenommen das bei Bo-
sio (S. 531) \drkommende , mit Löwenköpfen umge-
bene Hundgetäss. Zuweilen erscheint die Arche in Ge-
stalt eines aul' vier Füssen stehenden und in drei
Löwenköpfc geöffneten Fasses (S. 29). Es fällt die
grosse Ahnliclikeit zwischen dem in der Arche befind-
lichen Noah und dem aus dem Fische hervorragenden
Jonas auf; Noah erhebt sich mit halbem Körper aus
der Arche, eben so wie Jonas aus dem Fische: und
wenn wir berechtigt sind, den Fischmagen als Grah zu
betrachten, dürfen wir den Austritt aus der Arche eVieu-
falls als Sinnbild der -Vuferstehung ansehen. Epipha-
11 i u s sagt (^Auct. c. iH>} , dass Noah durch die Er-
bauung der Arche sich und den Seinen gleichsam ein
neues Leben sicherte. Doch hat die Arche auch noch
eine andere Bedeutung, nämlich die der Kirche, S, Gi-
rolanio sagt (Dial. orthod. v. Luciferum) : Ecclesiae
typus fuit, dicente Petro apostolo; in arca Noe pauci,
id est octo animae salvae fuere ; so bedeutet in den
Allegorien des Gottesackers der aus der Arche hervor-
gekommene Todte , dass er in Gemeinschaft Gottes
ewig leben werde; denn er ist mit der Kirche ausge-
diluvio, hie Solu« mundum servaturns et posterioris saeculi futurus author
erat. Idcirco inquit fielet nos requiescere.
Hiezu gibt noch Aringhi (II. Fol. 47äJ: Cy prianus contra NoTatian;im ;
lila arca liguram Ecclesiae porfabat. Cataclysmus ergo ille, qui sub Noe factus
est, figuram persecutionis, quae per totum orbem nuper supereffusa est, osteu-
dlt. ;\quis autem, diruptis cataractiy, undique convenientibus , et excrescenti-
bus significabuntur gentes , quae ad nostram Ecciesiam excreveraut , sieut Apo-
cal. XVII docet, dicens: Aquae, quas v.disti, populi sunt et regna. S. Augu-
stinus in civit. Dei c. 6. Figura est peregrinationis in hoc saeculo civitatis
Dei, b. e. Ecclesiae, quae .--it salva per lignum , in quo pependit mediator Dei
i-t hominum. S. Ambrosius I. c. 4. de voc. gen. (juod ostium in latere acce-
pit, profecto illud est vulnus, (jumdo latus Crucifixi lancea perforatum est.
Hoc quippe ad illum venientes, ingrediuntur, quia indc Sacramenta inauarunt;
quibus credentes initiantur, et quod de lignis quadratis ficri jubctur, undique
stabilem vitam Sanctorum signiticat; quacunque enim vertitur quadratum stabil.
Dieser Vergleich ist aus Vitruv genommen, wo er ebenso lächerlich ist: Etiam
l'yth:igorae hisque qui ejus haeresim fuerunt secuti, placuil cubicis lationibus
luaecepta in voluminibus scribere. constitueruntque cuimm CCXVI versuum,
eosque non plures quam tres in una eonceptione oportere esse putaverunt. Cubus
autem est eorjtus ex sex lateribus aequali latitudine planitierum perquadra-
tum. Is cum est jactus, quam in partem incubuit. dum est intactus, immotam
habet stabilitatem : uti sunt etiam, tesserae, quas in alveo ludentes jaciuot.
Haue autem similitudineni ex eo sumpsisse videntur , quod is numerus ver-
suum, uti cubus, in quemcunque sensum insederit, immotam ibi etficiat sta-
bilitatem (?!) — In arca Ecclesia figuratur, dum per lignum et aquam redemp-
tio crucis Christi, et ablutio regenerationis aiieritur. Ilic nobis ipsiusinet Petri
naviculae mentio suggeritur, quae patenlissimum Ecclesiae partter typum intuen-
tibus prafsefert, Naviculam istam cogitate Ecciesiam, turbulentum mare hoc
seeulum. — Über die Taube spricht der heil. Augustinus I. de ver. Dom.
Chrysologus ait (ser. 140): Hodie Spiritus sanctus supernatat aquis in specie
columbae, ut sieut illa columba Noe nunti:iveral diluvium decessisse mundi :
it:i ista indice nosceretur perpetuum mundi cessasse naufragium. — Zuletzt
noch das Zeugniss des Damascenus Homil. de sabb. s. Noe equidem arca
inclusus, et ligno illo alterius mundi semina conservans, rursus humani gene-
ris principium effectus, Christum, sponte sua , sepultura iuclusum, peccatum-
que sanguine simu! et aqua ex latere ejus auente cavantem, ac genus nostrum
Universum in ligno crucis conservantem. uovae ecclesiae, ac reipublicae aucto-
rera nobis, ducemque effectum typice nobii demonstrabat.
" Peintures de 1' egiise de St. Savin. Deptmt. de la Vienne. Texte par
Jlerim^e. Dessins par M. Gerard-Seguin, lithoi;raphies en couleur par M. En-
gelmann. Gr. Folio, I'ublicirt auf Staatskosten. Mi'rimee setzt die liilder ins
XI Jahrhundert, jünger als das XII. sind sie auf keinen Fall.
"• Vetri ornati di Figure in oro (rovati nei cimiteri di Uoma , raccolti
e spiegati da Raffaele Garucci D. C D. G. con atlantc. 4. e fol. Koma tipogr
delle belle arti. 18G4.
62
söhnt gestorben, \Yährend im Gegentheile jene, welche
mit der Kirche nicht ausgesöhnt sterben, nicht auferste-
hen, sondern des ewigen Todes sterben, was Epipha-
nius (Auetor. c. 96") bezeugt". — Die zumFass gewor-
dene Arche tritt demnach — ich kann es nicht aiulers
erklären — als neues wunderbares Symbol auf. Wir
wissen, dass die Traube als .Sinnbild des Gerechten
gilt, der zusammengetreten durch die Feindseligkeit der
ÄVelt . würdig wird , zum ewigen Leben einzugehen.
Das Fass hat demnach dem Gerechten gegenüber den-
.selben Sinn, welchen die Arche in Bezug auf Xoah hat;
in beiden Fällen jenen der Auferstehung.
Nicht zu übersehen ist auch die Ansicht Kreu-
ser's IS.
In den fünf ältesten Kammern des Calixtus-Cö-
meteriums wird Noah noch nicht dargestellt ; schon des-
halb müssen wir also die Kammer in Fünfkirchen für
neuer halten.
Auf das Bild Noah's folgte das der Mitte; dieses
kannte jedoch nicht einmal Koller mehr, da es schon
vor ihm verschwunden war, wir wissen demnach nicht,
was es darstellte. Nehmen wir mit Koller an, dass im
dritten die Magier zu sehen sind, können wir im Mit-
telbilde nichts Anderes als die Mutter mit dem Kinde
suchen; dagegen sprechen jedoch zwei Umstände:
dass man dann schwerlich dieselbe Scene getrennt in
zwei Rahmen gefasst hätte, dann aber, dass die Län-
genausdehnting für die Blatter mit dem Kinde, wenn
man sich selbst Joseph, die Krippe und Ochs und Esel
hinzudenkt, zu sehr gestreckt erscheint. Wenn wir nun,
aus den angegebenen Gründen, hier die Anbetungs-
scene aussclilicssen, bietet uns die Analogie der Galix-
tus'schen Kammern einen anderen passenden Gegen-
stand, und dieser ist das Schiff", als Sinnl)i!d der
Kirche, als symbolische Fortsetzung des 15ildes Noali's.
Wir liabcn das Schiff, als Kirche und ohnp Beziehung
aufNiiali, bei Kossi (R. Vol. II, T. XV ), wie es im
" Die Arche Soah's ist in Schiffsgesialt abgebildet auf einem i.'ralisteino
(Rossl, Koma sott. II. T. XLIX und X Vlg. 26;. Das Schiff hat zwei Kuder und
als >Iast einen Iirelzack, -von welchem aus ein Seil nach dein l'fer l;iuft; Im
Schiffe befindet sich Itein Mensch, aber zwei Krüge. Dass man hier <lie Arche
Noah's vorstellen wollte, i(cht aus der auf dem Hinterthelle sichtbaren, den
Ölzweig Im Schnabel haltenden Taube hervor.
I' K reusor. Der christl. Kirchenbau, Itegensburg 18G0. Bd. I. S. CG9 (I.
fasBt die Kirchenlehre Ton der symboJIschen und typologlschen Bedeutung
in Kolgendem zusammen: „Noo der Patriarch, Prophet und Vorbild des Herrn
sflbst in seinen Söhnen, ward mit den Seinigen vom Herrn In der .\rcho geret-
tet, and es ging zu tirunde was ausserhalb war. Die neuere Arclie ist die
■ Kirche, ausser welcher ebenfalls kein Heil Ist. Voll sind die Klrchcnlohrer
von diesem Vergleiche, und er lindct auch seine .Xnwendung auf das Scltiff
des Glaubens, oder das ScbifTlein Petri ; denn der Herr sllej; in kein anderes
Schiff, als Kerado in dieses, naciidem er die fiebernde .Schwiegermutter, die
.Synagoge, geheilt hatte. — Iias .Meer der Siindlluth gibt al>er zu vielen Deu-
tungen Anlass, gleich dem rothcn Mcre. Wenn die Arche das rettende Holz
ist, ans welchem Noc als ein Wiedererstandener liervor^ini:, so liat die Wasser-
fluth die Sünder vortilgt; aber in anderer Bezleiiung bedeutet diese Wassei-
flnth auch flne crfreul'che Vertilgung der Sünde, nämlich die Taufe im Bade
der Wiedergeburt, In welchem der sündige Mensch ersäuft und begraben
wird, damit der geistige Mensch neugeboren auferstehe. Sinnbildlich nennt
dämm aucli der Apostel Paulus die Taufe nach ciiristlichi'r Heilsprache Ito-
grähniss, denn der Begrabene ruht nun sicher in der Arche des llr-lies d. h,
der Klrcii'- Es bedeut. t nlimlich der Name Noe Itulie. und man dartito dabei
sowohl an die Uuhe und Sicherheit l)erer, die unl.-r Gottes Schutz t-tehen, als
auch an die Ituhe d. I. den I'ntcrgftng d<-r durch diu Siindflntti v< rnirlitcten
Well ; eine» :^len^chen verschlungen von einem >li-cre. — I>le schwankende
Zeltliclikoit, Volker und .Menschen sinnbildoin <lio Schrift und diu Viiter gerne
durch Gewässer und Waflserschlündc, zuweilen bezeichnen sie sogar die gött-
liche llcllslehrc und ihre Bolen durdi Wasser, Quellen, thauende Wölken;
aber gewJfhnllch bedeutet das 3Iecr unsere Welt und zwar unsere höao Welt.
— Noe's ISabe freute sich, umingedenk der Uiickkehr, de» Aases, während die
Taube, als Feindin al es Unreinen, mit dem Ölzweige zur Arche zurückllüch-
tote. Im alten Bunde stellte der Herr den Friedensbogen als Z-ugni^s seiner
f»nade auf; der ll'lland als Frledensbrlnger der Welt sitzt also l)illig in der
Knnstdarstellung .tuf dem ^■^ieden^bogen de.« neuen Uundf,, oft auf zwei
Bogen, so dass er mit den Küssen aut )lcn untersten Bogen, den alten Bund
sich •lüizt, — Noe gleicht endlich auch in anderer Beziehung noch dem llei-
lahde; denn obgleich Ketlcr der Seinigen, wird er dennoch nackt und bloss
von d«ni eitreoen Sohne vcrspott. t."
Sturme untergelit; einer der Matrosen kämpft hinaus-
gestürzt mit den AVogen, einen anderen rettet der vom
Himmel herabschwebende Engel , während der dritte
auf dem von einer Welle überfluteten Hinterdeck ruhig^
steht. Rossi erklärt dieses Scliiflf als reines Sinnljild
der Kirche. Das Sciiitf wird auch von Kreuser (1. c.
I , S. 224 ff.) als reines Symbol der Kirche erklärt,
durch mehrfache Citate , angefangen von Const. apost.
n, 57, S. 202, wo der Bischof Steuermann, die Dia-
ctnie ]Matrosen genannt werden. Clemens (Ep. ad Ja-
cob. XIV, S. .öo8 aji. Cotcler) nennt Christus selbst den
Steuermann, den Bischof Capitän, die Priester Matro-
sen. In gleicher Weise sprechen sich Chrysostomus
und der h. Leo aus, wo Gott Schift'sherr und Christus
Steuermann heisst. l'brigens ist der Vergleich der
Kirche mit dem .Schiffe keine christliche Erfindung, da
ja schon die Griechen einen Theil ihres Tempels nao»
nannten.
Niclitsdestoweniger kommt das SchifT, ohne mit
Noali Oller Peter verbunden zu sein, nicht allzu liäufig
in der altchristlichen Kunst vor; bei Rossi noch auf
zwei Sarkopliagbruchstücken (I, T. XXV) : das Schiff
des Ulysses, der dem verführerischen Weftgesang der
Sirenen entgeht und (II, T. XXXIX -XL) ein ein-
faches , vor Anker liegendes Schilf mit der Inseln'ift
AVR. PARDVS.
Die drei Magier oder liaby loniscjien Jüng-
linge.
Die Geschichte der letzteren: Sidrak, .]\Iisak und
Abednego erzählt Daniel im III. Cap. Bosio gibt in
seiner Erklärung (S. 597 ff.) folgende Anführungen :
S. August, cji. 4!^. Si facta iiraeterita in iiroiiiieticis
libris figui-ae fuerunt futui-oium, in Rege illo, qui voca-
batur Nabucodonosor, utrnmque tenipus ti,i;uratum est;
et (piod sub Apostolis habnit, et ipiod nunc iiabctEccle-
sia. Temporis itaquc Apostolorum et Martyrum illud
im])lebatur, quoil tiguratinn est quaiido Rex memoratos
jiios et justos cogeliat adorare simiilacra et recusantcs
in flammas mittebat: nunc autem illud im|)letur, quod
paulo (lost in eodem Rege figuratum est, cum conversus
ad lionorandiiiii Deum verum, decrevit in regno suo, ut
<iuicniii|ue blas|iliemaret Deum Sidrae, ]\Iisac, Adenago
jioeiiis (lebitis siibjacerct. Dieses Citat , so wie jene in
in der Anmerkui g '»betrachten, abweichend von der
gewölinlichen Erklärungsart, den Fall der babyloni-
schen Jünglinge niciit als N'orbild irgend einer neutesta-
mentlielieii BegebeiiJieit , soiidei-ii als N'orliild der Alär-
tyrer-i>eideii, s|iäler jedoeii keiirt ilierouymiis (4. cnp.),
und mit iiiin inelirere andere -" wieder zum alten (!c-
brauch zurück.
'■' Ch ry .^ OS tom u s hoinil. -1. in c. I. .id Mattli. (Juao saopiu> dicta sunt
figuram manifeste cxprimunt futurorum. Sicut enlm ibi in igurm mlssi nihil
adversi omnino sonserunt ; tjul vorn foris steterant t-ubiin nc velienionti incon-
dio eousumli sunt; sie eliam tunc fju-lum e^t. Niiin et siuictl eliaut si flumen
Igneum Iransennt, nihil pi'oi'sua tr\y\c patiuntur, sod iiiiar«-hunl ahMiue dubio
clariores. — Cyi»rianus 81. ad Seru. Pueros edam vohis gloriosa confes-
slono sociavit dlvlna diguallo; ^eprae^entnns i oMs tnio nliriuld, ijuiile Annnias,
Aziirlas et .'Mlsael Illustres pueri aliquando fuerunt: iiuibus inclusis in caml-
num ci'ssarunt Ignos et rcfrigerii locum llauimao riedorunt ; praesente Ulis
Domino el probanlit quod In Confesforos et Marlyres ejus nihil liosset Ge-
hennao nrdor opcrnri ; i-od quod qul In Deum credorent iricolumes et tuti In
omnlhiis persevernreiit. — llioronymus c. 3. in Dan. Oppressa prrturl'fttlo-
nihus aniina et varlis moleatlis occupata, cum honiinum deepcravorit ntixilium
et tota ad Dominum fuerit mente conversn, deM'rndct ad lani Aiigelus Dnniini,
sclllcot sermo divinus et exculet llammao acstuantis ardores, ut nequaquaiii
Ignita Jaciila Inimica cordls nostri arcana ponotrent, noc illius fornace clau-
danttir.
^ Caelortim in type praefigurat i.nto Angelus, similis filio Del, Dominum
noslrum Jesum Christum , 'lul ad fomaccm descendit Inforiil , in quo clausao
pecratorum et Justonim animao tenehantur, absquo exustlone et noxa sui, eos
63 —
The Oll Ol- OS (in Dan. üratio ;5, T. I, fan. 14")
aber sieht den Fall als Symbol der Auiei-stehuui;-
an. Resnrrec'tioneni (|iio(|ue suo praeconio eoni-
niendant: Henedicite eiiim ajiuit spiritns et ani-
mae justoriini Domino i. e. s[(intiiales aniniae
justorum , Immanis iierturl)ationibiis siii)eriores
eft'eetae, — und weiter, cant. 8: Hie (hynniusi
ostendit reditnm e inerte in vitam: Laiidate ii)sum
non (|Uot(inot animae cstis, sed justorum animae.
Kossi HuU. .Talirj;-. 1804. S. 47 weist auf
(las Medaillon der Jünj;ling'e hin, indem er sai;t:
Jlerkwlirdii;' ist das orariuni mit der Bulle oder
dem philaeterium, falls t-s nicht als tibula zu
betrachten ist.
Die drei Jünglinge konmicn häutig auf Stein-
särgen vor, so auf einem von St. Gilles in Frank-
reich und auf einem von Mailand -'.
Die iu der Anmerkung angeführten Bei-
spiele beweisen, (dme dass es nöthig wäre \
noch mehr anzuführen, wie die römischen, ita-
lischen und französischen Künstler derselben
Ansicht waren, indem sie die Scene des alten
und neuen Testamentes vom Standpunkte des-
sell)en geheimen symbolisclien Gesetzes Ijetrach-
teten. Die hebräischen .lunglinge, welche obschon
in Mitte der Götzenanbeter lebend , dennoch vor
der Götzenanbetung zurückschaudern und lieber
den Tod wählen, sagen , indem sie auf den Stern
des Heils, der ja selbst Christus ist. deuten, den
zukünftigen Glauben und die Standhaftigkeit so
vieler Götzendiener vorher, die durch die Lehre
des Evangeliums aufgeklärt , ihren Vorurtheilen
eut.sagend, den wahren Gott und dessen eingebornen
Sohn anbeten werden. Diese Jünglinge sind die Vor-
S'änger der durch den Stern nach Bethlehem gefülu'ten
Weisen'- u. s. w.
Garne ei (1. c. S. l.iJ) hält nach Vorgang der
Const. apost. V, 7 die babylonischen Jünglinge für ein
Synd)ol der Auferstehung: er führt nebenbei auch Ter-
tullian an (de resurr.) --.
*iui tenebatitur Inclusi mortis vinculis "liberavit. — IbidLirus llispaleusi^
(Allcg. in b. Script.) gelit wieder auf die frülicre Ansicht zurüclc : Tres pueri
practulerunl tiguram sanctoruni, ijui corpus suum in persccutioucm pro Christi
nomine olitulerunt, — Cyrillus Alex.indr. (c. 3r ad Alyp.) vergleicht den
Feuerofen mit der Kirche: Erat enini caiiiiuus Ecciesiae typus Sanctos habens
tripudiantes, non liomines tantuni scd et Angelos.
-' Uossi giiit hiezu folgende F.rl;lärung (Bull. ISOG, S. 63 u. M) : „Der
licschauer sieht zur Linken die drei jüdischen Jünglinge, welche die Anbe-
tung des von Nabuchodonosor auf;j;estellten Götzen versagen. Die l)ai'stelluni;
nnterscheidet .-.ich nicht von analogen Keliefs und Malereien, doch hat sie ein
sehr vorraj,'ende> Merkmal: es deutet nämlich der Zweite mit der Rechten auf
einen über dem Haupte de:^ Uritien sichtbaren 8terr., der au den die Magier
nach Bethlehem führenden Stern erinnert, und wirklich sehen wir am entge-
gengesetzten Ende des Sarges die Anbetung der Magier dargestellt ; die Mutter
mit dem Kinde ist zwar weggelirochen , kann aber auf deni AVege der Ana-
logie ergänzt werden. Es ist demnacli klar, das.^ der Künstler mit ...einen in
persischer Tracht gekleideten hebrHischeu Jünglingen in das auf der entgegen-
gesetzten Seite dargestellte .Magielbild eindringen wi.llie (ha voluto compene-
trare). — Die.-^cs Ineinanderdriingen der zwei verschiedenen Sccncn ist nicht
einem individuellen Ideengange oder einer Laune des gallo-romanischen Künst-
lers zuzusclireil en . sondern aus der mystischen Auflassung der ersten Jahr-
hunderte des Christenthums entsi>rungeu , die wir jetzt zu erklären vermö-
gen, nachdem wir den Sarkopiiag von St. Gilles kennen, den wir nun als
Wegweiser zu anderen ähnlichen, an anderen Orten vorkommenden gebrau-
chen können. Bosio hat ein Arcosoliuin des Calixtus 'scheu Cöuieteriums
publiclrt, auf welchem die Jünglinge mit den Magiern zugleich abgebildet vor-
kommen. Ein ähnliches, stark verblasstes Gemälde habe ich in einem anderen
Arcosolium desselben Cömeteriums erkannt; ebenso limlen sich die vereinten
Vorstellungen auf dem Deckel eines von Bosio publicirten vaticanischen
Steinsarges. Möglieh, dass auch hier der Stern über den Häuptern der Jüng-
linge sichtbar war, und dass ihn nur Bosio nicht bemerkte ; denn er kommt
sowohl in Ö. Ambrosio von Mailand, als in St. Gilles vor; auch Hess ilm
dessen Herausgeher Ferrari, trotz seiner Pünktlichkeit, weg, da er doch
selbst auf der sehr schlechten Zeichnung Allegranza's sichtbar ist.
-• (.'orporum c resurrectione futurae intcgritatis documento fuerunt. (luod
b.abylonii ignes trium fratrum nee tiaras nee sarabra laeserunt; und Iraeneus
(1. V. c. 5) .\nanias , Azarias et Misael missi in caminum ignis sepluplum
exardentcm, ueque nociti sunt aliquid, neque odor ignis inventus est in iis,
et de Camino ignis satvi exienint, educti veiut manu Dei ad ostensioneni vir-
Fig. .'-..
Das Mittelalter verwechselte die liabylonischen
Jünglinge nicht mit den Magiern, auch gebrauchte es
nicht letztere als Nachläufer der ersteren, indem die
Vorgänger der Magier in Abraham's Zehenteinzug, oder
im Besuche der Königin \on Saba, oder jenem Abner"s
bei David gesucht werden, und so stets der Begritf der
Ehrenbezeugung vorhcrrsclite.
Im Gegensätze wurde durch die altciiristliclie Kunst
die rntersclicidung beider (rruiipen, wo nicht das Idol
oder die Jungfrau hinzukommt, unsicher, ja oft unmög-
lich gemacht. Beide Gruppen kommen übereiu in der
Zahl und in der Kleidung: der phrygischen Mütze, dem
Unterkleide, Mantel, weiten Beinkleidern, Sclmürstie-
feln, in ihrer schrittweisen Bewegung-", nach Kossi
ist ilnieu auch der Stern und die Bulle gemein. In Füuf-
kircheu ist das Bild überdiess derart beschädigt, dass
weder Stern noch Götzenbild sichtbar werden kann,
und die Präsentir- Schüsseln, welche in Koller's Zei-
ciiiiiuig Adrkomnien, nicht in der kleinsten .Spur mehr
siclitgeblicben sind.
Es sei mir hier eine unmassgebliche Frage gestat-
tet. Warum hat sich die altchristliche Symbolik nicht
des Verses 11, Matth. III bemächtigt y wo es heisst:
., Ich taufe euch nur mit Wasser, auf Busse hin, der aber
nacli mir auftritt , vermag mehr als ich : nicht einmal
tutis tjus. Sic et nuiu quamvis qnidain ignorantes virtutem et permissionem
Dei contradicant suae saluti, impossibile existimantes posse Deuni suscitantem
corpora in sempiternain perseverationem eis donare, non tarnen iucredulitas
taliuiu evacuabit fidem Dei.
-' Garucci bemerkt (S. 49). dass die Alten ihre Magier nie knieend dar-
stellten, sondern im i^Iomeate ihrer Ankunft, gegen Mutter und Kind hin-
sehreitcnd. _Niun antico po>e mai in ginocchio i niagi , come ha fatto la scuola
nioderua . ne iu atto di bacciare il jiiede di Kedentore- Ai pittori e scullori
della cliiesa primitiva piacque piuttosto csprimerc Varrivo. e li fii:urarono nel-
l'atto di prescntarsi coi loro doni.
64
seine Schuhe ihm zutragen, bin ich würdiic; dieser wird
euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen-.
Warum deuteten sie das Feuer blus auf die Kraft und
Gewalt des heiligen Geistes, und Hessen hüclistens in
den Feuerzungen des Pfingstfestes das Feuer materiell
erscheinen? Fürchteten sie etwa, in die Ideen der
Heiden, in deren catharrsis, in die Keinigung durcli die
Elemente, somit auch durch das Feuer zu verfallen?
J o n a s.
Seine Geschichte erzählt der Prophet selbst j*.
Garucci gibt Taf. IV, Fig. 1 eine Darstellung,
welche jener von Fünfkirchen sehr ähnlieh ist, und die
ich der Ergänzung der letzteren wegen in Fig. 5 wieder-
hole. Garne ci's Erklärung lautet:
•-> Bosio citirt diessbezüglich folgende Schriftsteller (S. 601 ft): Mat-
thäus XIl'39. Dieses böse eliobrecherischc Geschlecht verlangt ein Zeichen!
aber soll ihm keines, als das Zeichen des Propheten Jonas gegeben werden.
10 Denn wie Jonas drei Ta'-'e und drei Nächte in dem Bauche des Seeunge-
heuers war- so wird auch der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nachte
imSchoosse der Erde sein. — S. H iero n ymu s in Jon. Si consideremus ante
pas«ionem Christi errores nuiudi et diversorum dogmatum flatus contrario.s, et
naviculam totumque ecnus humanuni, i. e. creaturara Domiüi periclilantcni. et
post passioncm ejus tranquillitatem lidei et orbis iracem et secura omnia et con-
versionem ad Deuni ; videl.imus quomodo jiost praecipitationem Jonae steterit
mare a fervore suo. — Hi er on y mus ep. 3 ad Hei. Devorasti quidem Jonam ,
sed in utero tuo vivns fuil. Portasti quasi mortuum ut tcmpestas mundi con-
auicsceret et Mnive nostra ilius praeconio salvaretur. S.Augustinus ip. 40.
ad oüest 6 de miraculis. Quid iiguraverit, quod Prophetam bellua illa dcvoratum
tertio die vivum rcddidit, cur a nobis queretur, cum hoc Clirisius expouat .' Gc-
neratlo inquam etc. (siehe oben Matth. Xll. 3S(. 40). Sicut ergo Jonas ex navi
in alTum ceti^ iia Christus ex ligno in sepuUrum et in mortis profundura:
e- sicut ille pro his , qui tempestatc pericliLintur ; ita Christus pro his , qui
in hoc seculo fluuiuant; et sicut primo jussum est ut pr.dicaretur Ninivilis a
Jona sed ad cos non pervenit prophetia Jonae, nisi poslquam eum cetus evo-
muit- ita prophetia proinissa est ad gentes, sed nisi po-t resurrectionem Christi
nou iervenit ad gentes. - T he op h i 1 us in Jona. Xaturam nostr.im induens
Dominus unus ex nobis factus, et uavini iiostram ingressiis. Qui etiam se ipsum
ad mortem condemnaret, non tarnen se ipsum projecit, sed projicitur. — Mortuo
itaque Chri-<to ac omnia dcglutienti balenac iradilo , spirituales nequjliac ces-
saverunt procellae voluptatum prostratae sunt. Tranquillit.ns tola et p.ax in -vita
versata est et auimis et corporibus. — Prophetam esse figuram Christi, Navim
e>se typum Judaeorum Synagogae , prorae ohservatorem .luicm esse Moysen,
n"auta/ e»»e prophet.ns, mare afflictione.s, quac nobis debel.anlur : sorlem volun-
tatem Patris sccundum quam Christus in mare aerumnarum prccipitalur , et
alvuni in-enl'is ccti , h. e. mortis ingredilur , uhi triduum commoratus resur-
rcxlt senlibu^ evangelium annuncians, ex quibus credentes conservali sunt. —
Pitra Spicilcg Solesm Bd. III. S. bie: citirt über Jon.-is den Ausspruch V ere-
cundl der im VI. Jahrhundert lebte: In ventre ceti conclusus, nee tarnen
bcstiali'dente veiatufi, hoc caniicum a<lorationls similitudinc fudit; in tribula-
lione -e conliden, .ludienduni. Non est in tribuhitionc silendum, sed vocibus
Inchimanduni , ut si mcrlto fubiri non possis, cl.imorls anxijio subleveris . . . .
Exaudisil vocem mcam In occulto ceti ventre". Mirus est intollectus ; unde se
l'ntelllKit exauditum, qui te circumspicll Intestinis bclluae circumseptum? nlmi-
rum licet fulssct undis obrutus, venire ferino sepultus, so tarnen confidit
audl'tum llabent enim sanctl coBsclentiae Signum quo se sentiunt postulanies
audiri nullis Impedilionlbus exciudendum. Tali se iste quoque Intelleierat
exauditum „Projeclsti mc in allltudine cordis maris, et llumina mo circuni-
dederunl" llistorlco Intellectu, prophcta testatur se non solum in cordo maris,
sed In altitudinem marinl cordis abjectum, quod vel profunditas pelagi datur
IntelliKl vel ferlnl venlris abslrusa teceseio, quae allltudo cordis maris est
nuncupa'ia- ut Ipsum cor niarls beatia locis remotiorlbus consiituta utihter
cognoscatur. Incognitae pcrquam hujusmodi be.tlae raroquo vlsibus humanis
conmercae occulla» Ibi profunditaies inqnitunl. Altlludo vcro cordis hujus
Inleriora sunt piscl» in quo projeelum lugubrltcr fatebatur. Wobllilaa vero
venienllum iranscuntiumque aquarum tlumlnibus coraparauiiir; quibus so clr-
cumdarl cernebat. Sccrctorum nobi» potlus agnlllo conciulrenda, voxque mel
iJomini Salvalorls est „gnosceiida: „Projecisli me in ;,ltiludl.,c cordis mnris,
. ,- flumlna m.- circumdederunt. Projeci.tl mo, Inquam, in consci.ntlls Hcbraco-
rom projecisti In cordis altitudine maris. In conslllo utiquo Judaeorum, quoa
mari« vocabulo demonslravll; »empcr Infidl, tumultuosl, mobiles: nee oiilm
»ojsunt manll.us eum pcrlmerc cruenll.i, nisi prlu« al.jecissent infeslls. Pro-
Jeciu« e>t enIm In rordibu« eorum, qui euin In te credcndo statuero noluc-
rnnt et caelerae plcbl. mullltudliie» tnmquam flumlna In una marl» »alaodlno
coruls.enl, quiim In rnodio >ul J.«u posilo, concl»ma»»orit: ,Crucllige , crucl-
flücl* Tuin sc nUnIrum vidit flumlnil.u» eircumdatum et inarlnl» flucilhu« coo-
pertum u s w. — In niucMer Zelt hat man mit der Knn«t, da. Papier in
.palten, viel Aufheben» gem»cl:t; ob d,.. IIaar.,palten vor Alter., nülallchep
«ary Vielleicht für die Küche de» llaar.p»ller». - Uu|Mrtu. aW.as lu Jon.
c. 4. Illud mysilcc li.tolllxendum , quod po.t 5uave umbraculum hdel palrum
legem dedli, et rellifloMem ...cerdoialem per .Moysen Instliult; ut sul. 111« con-
tegorclur verbum Domini, slvc .plrltu« verltall» . adapertus flijurla et >|tmtnto
lltterne. nuao congrue »Ignlflcatur per viridilaf rn l. vi, haeder« , slve, ut
nuldam volunl, Cucurbitae. Deiilquc Cucurbita et ha. dera huju» naturae .unt,
nt per terram reptent, lala habente» folla In modum pampIni, .t ab»que furcl»
et admlnlcull», quibus Iroliantur, alllora non peiuni. Sic irlrnlrum lltlora nequo
»Ita neqne pr.iloj» e.i. - Augu.llnu. cp. 10. Jnm vero quod iai..rnaculum
>lbl constitult et con..dll ex adver.o clvil.ti» Slnlvc, quid el futurum esset
e«peri»n», alterin» »ignilieatlonl. per»onam prophetae gtstal,«!; praellgurabat
enIm carnale populom I.rael ; nam hulc erat trlslllla de salule Mnlvllarum,
. hoc est de redempllono et llberatlone gentium; unde venlt Chrltlu« vocaro
non Ju«t0B, jed peccntore» ad pnei.llcnliam. Linbraculum ergo Cucurbitae supor
capnt eju», proinlaslone« erant vetorl« ie»lamenil, vel lp»a .|am muncra, In
qulbu« erat ullquc rticut dielt «poitolu») umbra futurorum ; lamquam ab acaiu
..Betrachten wir das mit zwei Rudern und einem
Mäste versehene .Schiff', an letzterem ist das jugum an-
gebracht, an diesem ist das Segel zur Hälfte aufgezo-
gen, dessen Enden, cornua, von Tauen in der richtigen
Lage gehalten werden, .daher der lateinische Ausdruck:
„obvertere cm-nua" ; andere vier Taue halten das
Pramsegel. Über dem Mastkorlie, carchesiuiii, flattert
die Windfahne , ■yr/^ao'-^g. Um die Farbe der Wogen
wiederzugeben, hat sich der Künstler eines aus Aqua-
marin bereiteten Firnisses bedient. Der Wallfisch ge-
hört keiner der bekannten Fisciiarten an ; die alten
Künstler überliessen die Eutsciieiduiig hierüber den
Auslegern der Schrift und hielten sich allein an die
Überlieferung ilirerWtrgänger, die dasselbe Ungeheuer
in der Scene der Andromeda oder als Seepferd Ncptun's
gebrauchte. Das Ungeheuer war Sinnbild des Todes,
oder vielmehr der Hölle , welche Jonas versclilang :
„cetum esse non dubitatur infernum" sagt St. Zeno
(H, XVII o.). Es scheint, als oli zuiuVorbild eine Art der
fabelhaften Plioca gedient hätte, denn dieser gleicht es
mit seinen patschefönnigen Praiichien am meisten noch.
(Siehe bezüglich auf Jonas, Wallfiscli, Macar. Hieroglypt.
S. 211 — 22:;). — Wieder verschieden hievnii spricht
sich Garucci S. 39 aus. Obschon der Walltiscli das
Grab sinnbildert, ist er doch kein Symbol des Todes,
sondern der Aufcrsteiiung «, da Jonas sagt: „er habe zu
(!ott gefleht und sei erhört worden", und so ist mit dem
Iiegrifl'e seines Grabes Jener seiner Auferstehung ver-
bunden. Nachdem der Tod Christus zur Ueute gemacht,
dessen Vorbild Jonas ist, hörte die \erdainmung auf.
(Koloss. II, 13)^«.
Jonas' Geschiclite diente schon in den ältesten
Zeiten als symbolische Darstellung, wie dies l\ossi in
einem bedeutenden Zeugniss nachweist (K. sotr. II,
3t5ö). „Des Kufinus AVorte beweisen das hohe Alter,
welches man in der Zeit der Sarkoiihage (IV. Jahrh.)
den Darstellungen dieser Geschichte beiiiiass ; denn
Iliitiiius sclircibt: posteatpiam sc'uuit muiidus et per-
urgeiitur cuiicta ad tineiii, scribaiiius in sepulcris vete-
ruin .... quia Jonas non habiiit uiiibram Cucurbitae sed
haederae (Invect.II, 3ö inA'aliarsi (tp]). S. llieron. T. II,
)). ()();!). Dieses aus dem IV. .laiirhundcrt staiiimende,
sich auf das allgemeine Hewusstsein stützende ZtMig-
nis's stimmt vollkommen mit unserer archäologischen
Überzeugung, natdi welcher die Darstellung des Pro-
pheten auf Grabmälern bereits im II., ja vielleicht schon
im I. .lahrliiiiidert xorkaiii.-
Füi' iieidos, das lioiie -\lter der Darstellung unddie
symbolische Bedeutung, widclie man der Geschichte
des Proiiheten zuschrieli , spricht auch der Umstand,
dass dieselbe niclit weniger als viermal in den fünf älte-
temporalliim majorum In terra promlsslonls defonsaculum praeberot , vermls
autcm matutinus , quo rodcnte Cucurbita exarult, Idem rursus Christus occnr-
rll. (Kann man noch welter gellen als dun Krlöser zum Wurm machen 0 ex
cujus ore , Kvangollo dlfTamato, cunrta Illa quae temporalitor apud Israelitaa,
velut uniliraciill prius slgnlllcatione vigucrunt, ovacuala mannerunt. Kl nunc
ille populu. amis.^io llyor"s(iliinarnin regno et »acerdote et saeritleiis, quod
totum uinbra erat fuliiri in eaptlva dlsposllione magno aeslu tril'Ulationi> addu-
cliur sicut Jonas (Ich begreife nicht reciit, wlo sich hier llosio auf l'salln XXll.
7. beruft, wo der Dichter von sich sagt; „Aber ich, ein Wurm bin Icli, und.
kein .Mi-nBCh, .Spott der Leute, und der Veraclitelste des Volkes").
-* QueBto cirlo portanto quantuiiqno raepr* ■^en^l it sepolcro, nulla diniono
non e ftlmbolo dl morto , ma di rlNiirrezIono Der Ungiir hat ein nriüberset/.-
baro» Spriithwort hiofiir „IIa akarom vetnhes, lia nem akarom nein vomlies."
-•^ llllarlus I. c. M. Per prlniüias ex niortnls ab h.iminum genore
mono depnlea, wurde uns die verlorno l'nstorbllclikeit wieder gesehenkt (vgl.
H. Zeno 1. Trait. XU. 8) gleicherweise sagt Chrysologus («orm. :)") : Adest
bellua de profundo toluni donitnicae rosurrcctionis imi.Iotnra et proditura. imo
conccptura mysterium. Adest bellua, adest liiiago hon-ida et crudolls Inl'ernl,
quiio dum fortur fauclbus avidls In prophetam, vigoroni sui sensit et degusta-
Vit BUtori» ; Incurrlt namque jejuniam dcvorjindo.
— 63 —
stcn KiuiiiiRM-ii des Calixtus'scheu Cö-
meteriums vorkommt -•.
Ohne Rezieliuiig auf die Bibel und
KirchcDScliriCtstcllcT iTselieiiit <las See-
ungeheuer als eine Verschlechterung
oder Karrikirnng des antiken See-
drachen, oder Seepferdes, des Hi])po-
camiius, den wir so häutig antretlen,
besonders auf Darstellungen der Seezüge Neptun's und
seiner Gemalin Amphitrite.
Ein sehr ausgezeichnetes Beispiel dieses antiken
Hippocampus ist das hier ahgcliildete, welches sich in
der ehemaligen Antikensannnlung (iabriel Fejerva-
ry"s befand und ]!Sl)8 in der Pariser Auction desselben
nni den Spottpreis von 55 Franken hintangegeben
wurde (Fig. 6) '^s.
Der sogenannte Wallfisch der C'alixtus'schen Kam-
mern ist als die Copie des antiken Pistrix zu betrach-
ten, unterscheidet sich aber von diesem durch seine
mangelhalte Darstellung. Noch tiefer sank das For-
menverständniss in den Darstellungen der Glasschalen
mit Goldgrund, wie dies Fig. 5 zeigt, aber auch hier
noch ist es bedeutender als auf dem Bilde der Kammer
in Füntkirchen, weshalb wir auch dieses nicht vor die
Mitte des IV. Jahrhunderts zu setzen berechtigt sind.
Was nun die Pflanze anlangt, unter welcher Jonas
ruhte, ob diese eine „haedcra-' oder eine „Cucur-
bita" war, verweise ich auf die Ansicht von blos zwei
neueren Schriftstellern : 1. an die Trist ram's und 2.
die Rosenmüller's -».
=' Kossi .,!!. sott" II. Thcil, Taf. XIV. XVl. XX. und XXV.
-^ Im Katalog dt-r Londoner AusstL-lItmg dieser ausgezeichneten Samin-.
lung V. J. 1851 habe icii Folgendes geschrieben: „Nr. 189 Seadragon, with the
iiame ot the artist .\.'\EH,\. Cameo of two layers". In dem -von F. Pulszky
angefertigten Pariser Aitctionscatalog steht ; „Xr. 39j. Dragon marin (ijislrix)
avec 1' jnscriplion antique en relief A AE5.\ ; nom authenticjue du graveur, sar-
doine ä denx couclies 211 niillinu-tres. Der Buchstabe K ist im liolzscimitte etwas
mittelalterlich ausgefallen, weil die Füllung der Zwischenräume zwischen dem
geraden 3Iittelstrich und den beiden Enden der Bogenlinie, um den Mittel-
strich nicht sclnvach zu machen, nicht rein herausgeschnitten wurde. Der
Name Alexa liegt in der oberen Onyxschichte des Cameo, konnte demnach
^.l9''^ erst von einem spateren Fälscher eingeschnitten werden; daher läugnet
Köhler mit Unrecht in seiner „Abhanillung über die geschnittenen Steine mit
dem Namen des Künstlers, Petersburg ISjl" (S. 17Ü. ff.) die Existenz dieses
antiken Steinschneiders, mng jedoch Recht haben, wenn er denselben nicht
als Vater eines t^Juintus und Aulus gelten lässt. Eine andere Frage ist die, ob
Alesa nicht eine .Abkürzung von Alexandres sein soll? Fejervärys Sammlung
"war, bevor sie in Paris veräussert wurde , in Pest in einem Saale der ungaii-
schen Akademie der Wissenschaften ausgestellt, wo ich hierüber folgende
Bemerkuug machte. Ein sehr vorzügliches Seepferd, dessen Werth der
Künstler selbst gefühlt hat, indem er seinen Namen „Alexa" auf den Stein
setzte. Obschon dieser Stein blos ein Fragment ist , wird er doch auch in
einer anderen Hinsicht, als jener des Kunstwertlies, merkwürdig, in sofern
näinlich die altchristlichen Künstler den Walllisch, welcher Jonas verschlang,
nach diesem acht griechischen Vorbilde darstellten, obschon dessen langer
Schwanenhals nicht geeignet war, ein so unruhiges Individuum, als der Prophet
war, passiren zu lassen.
-" Tristr am sagt in „The natural history of tlie bibleT-ond. 1868. S. 449.
„Gourd (Kürbis) , hebräisch Kikajon" kommt blos bei Jonas 1 VI, 5—10) vor. Man
hat ganze Bogen angefüllt damit, was eigentlich dies ,.gourdu bedeute. Der
Streit ist ein alter, denn als der h. Ilieronymus dies Wort mit Epheu übersetzte,
war der heil, .\ugustinus so entrüstet, dass er die Übersetzung eine Ketzerei
schalt. Die populärste Wiedergabe war die, welche das Kikajon in dem ara-
bischen Elkeroa , dem Castor-(31baum (Ricinus communisj fand. Der gewich-
tigste Grund für diese Erklärung liegt in der Ableitung des Wortes von dem
ägyptischen Kiki, und dass der rabbinische Name 'des Castor-Öls ebenfalls
Kiki-Ol ist. Der Ricinus ist eher ein grosser Strauch, denn eiji Baum, und
hat grosse haiidforniige Blätter, mit sägoartigen Lappen und Ahrenblüthen,
welche den in klei:.en__Hülseu sitzenden Samen liefern, aus welchem das in
der Medizin bekannte Öl gewonnen wird. Her Straucli wächst im ganzen Orient
wild, ist jedoch kein zum Schatten benutzter Baum, obschon man unter seinen
breiten Blättern Schutz vor den Sonnenstrahlen linden kann. In den wärmeren
Theilen von Palästina erreicht er die bedeutende Höhe von 12 bis li Fuss.
Der etymologische Grund zur Annahme des Ricinus ist demnach allerdings
stark : dennoch bin ich melir geneigt, unsere englische Übersetzung in Fla-
EChenkiirblss (Bottle-Gourdj (Cucurbita pepol anzunehmen. N i e b u h r, der eben-
falls dieser Ansicht ist, bemerkt in einem Reisebuch , dass die Juden von
Jlossul, wo beide Pflanzen heimisch sind, annehmen, es sei der Kürbis (Cu-
curbita-Elkerral und nicht der Castor-(3lbaum (Elkeroa) gewesen, unter dessen
Schatten Jonas ruhte. In Palmyra sind die beiden Namen im Klange beinahe
identisch, da der Kürbis „Kurah'' der Ricinus „Khurwah" lautet. Die Kür-
bispflanze wird hier gewöhnlich angewandt, den Bäumen Schatten zu geben j
ihr rapides Wacbsthum , ihre breiten Blätter sind besonders geeignet, die-
selbe auf Laitenwerk zu ziehen. Im südlichen Amerika macht man von der
Die alten Künstler stellen sich, wie wir, auf die
Seite Tristram's ; zwar nicht auf dem Bilde von Fünf-
kirchen, wo die Pflanze kaum erkennbar ist, aber auf
siimmtlichcn Sarkophag-Iieliefs , die bei Aricghi ab-
gebildet sind, wo eine der in Ungarn so häuflg vorkom-
menden heberförmigen Kürbisarten (lopö-tök) sichtbar
wird.
In P.ezug auf die Art, die Geschichte der Prophe-
ten darzustellen, i.st dieselbe in den ('alixtns' sehen
Kanmiern in drei Abschnitte getheilt. Aul l{ossi'.s
Tafel XIV geht die Geschichte von rechts nach links;
auf dem ersten Bilde wird Jonas nicht ins Meer gewor-
fen, sondern er siiringt selbst hinein, wo iliii das Un-
geheuer mit offenem Bachen erwartet, links sehen wir
letzteres, en contrepartie, der Prophet ragt mit halbem
Leibe aus ihm hervor, in der dritten, von beiden erste-
ren nicht gesonderten Scene liegt der nackte Jonas unter
einer Kurbislaube. — Auf T. XVI sind die Scenen von
einander gesondert, links wird Jonas ins !Meer gewor-
fen, rechts entschlüpft er dem Bachen des Pistrix, vor
ihm ist eher eine Höhle als eine Laube sichtbar, end-
Pflanze denselben Gebrauch der Baumbeschattung, und ihr Wachsthum ist so
schnell, dass er oft in einem Tag einen Fuss beträgt. In den Gärten von Sydon
kommt der Kürbis sehr häufig vor , doch welkt die Pflanze eben so schnell
hin als sie aufschiesst und nach einem Sturm oder der Bescliiidigung des
Stammes hängen die Früchte an den laublosen Zweigen. Nun wird uns aus-
drücklich gesagt, das Jonas sich ,.eine Hütte" machte und Jehova fügte es,
dass ein Wunderbaum „Kikajon" über Jonas wuchs, um seinem Haupte
Schatten zu geben, das Schattengeben ist aber genau die Aufgabe des Kür-
bisses. Jonas hatte seine gebrechliche Hütte aus Zweigen gebaut, die bald
welk wurden , daher mussfe er anderswoher Schatten erhalten, dies geschah
durch die Ranken des Kürbisses, welche die Zweige verschlossen und so dem
i'rojdieten Schutz gewährten. Ter Ricinus vermag im Gegentheile, keinen
bestehenden Baum zu umranken, noch ist ihm ein so fchnelles Wachsthum
und ebenso rasches Hinwelken eigen als dem Kürbis".
BciRos enm Uli er (Handbuch d. bibl.Alt. Kunde, Leipzig ]S30)finden
wir S. 123 flf. über Kikajon, den Wunderbaum, folgendes: „Die Laube, unter
welche sich der Prophet Jonas vor der Stadt Ninive setzte, um das Schicksal
derselben abzuwarten , wurde , wie in dem nach ihm benannten Buche IV. 5
erzählt wird, von einer Pflanae, Kikajon genannt, dit^in einer Nacht empor-
gewachsen war, beschattet. Ilieronymus sagt in seinem C'ommentar über das
Bucli Jonas, in der syrischen und punischen Sprache werde diese Pflanze
El-Keroa genannt; es sei ein in Palestina häufiger, an sandigen Orten wach-
sender Strauch, der so schnell wachse, dass er in wenigen Tagen eine ansehn-
liche Höhe erreiche. „Seine Blätter", setzte er hinzu, „sind breit, den Bläitern
des Weinstocks ähnlich. Sein Stamm steht aufrecht, ohne dass er einer Stütze
bedarf, und seine breiten Blätter geben einen angenehmen Schatten". In dieser
Beschreibung und dem von Hieronynms angegebenen Namen ist der Ricinus,
deutsch der Wunderbaum, der auch bei uns in Gärten gezogen wird, nicht zu
verkennen. Dieses Staudengewäclis hat einen dicken hohlen Stengel, voll
Knoten und Gelenke, an deren jedem die breiten, seciis- oder sieben- oder
auch mehrmal zertlieilten und am Rande eingekeilten Blätter hervorkommen.
Zwischen diesen und dem Stengel kommen die gelben mosigen Blühten heraus,
aus welchen dreieckige, mit rothen Fasern besetzte Schoten werden, von
welchen jede drei bunte längliche Körner mit einem weissen öligen Ivern in
sich schliesst. Niebuhr (Beschr. v. Arabien. S. 148) sah zu Basra einen El-
Kerroa-Str.auch, der die Gestalt eines Baumes hatte. „Der Stamm" bemerkt
er, „schien mir aber mehr Blätter als Holz zu sein, doch ist er härter, als
das Gewächs, welches die sogcn.annte .-^dams-Feige trägt. Jeder Zweig hat ein
grosses Blatt, mit 6, 7 und 8 Ecken. Die Pflanze stand an einer Wasserrinne,
wo sie gut gewässert ward. Sie war (zu Ende des Octobers) in fünf Monaten
etwa 8 Fuss hoch gewachsen und halte zugleich Blüthen , grüne und reife
Früchte. Ein anderer Baum von eben dieser Art, welcher nicht so viel Wasser
gehabt hatte, war in zwölf Monaten nicht höher geworden. Einige Blätter und
Blüthen, die ich abbrach, verwelkten in wenigen Minuten, wie alle geschwind
wachsenden Ivräuter zu thun pflegen". So verwelkte auch der Wunderbaum,
unter dessen Schatten Jonas sass, als ihn beim Ergrauen des Tages ein Insect
stach, so schnell, dass schon als die Sonne aufging, der Strauch verwelkt war.
IV. 7, S. Kauwolf find in der Nähe von Tripolis in Syrien den Wuuder-
baum, welchen, wie er bemerkte, die Araber El-Iverua nennen, in einer solchen
Menge, dass man auf dem Wege kaum dazwischen durchkommen konnte (Reise
S. G-2). — Der älteste griechische, alesandrinische Übersetzer erklärt d.is
hebräische Wort Kik.ijon, durch Koloquinte, eine .^rt von wildem Kürbis,
wesshalb mehrere andere Übersetzer, auch Luther, Kürbis übersetzt haben.
Und Niebuhr bemerkt la. a. O.), die Cbristen und Juden zu Mosul und Haleb
behaupteten, dass Elcherroa nicht das Gewächs sei, welches dem Jonas
Schatten gab, sondern eine Art Kürbis , Elkerra , die nicht nur sehr grosse
Blätter, sondern auch eine sehr grosse Frucht trägt, und nicht länger als
vier Monate dauert. Diese Meinung hat auch J. E. Faber in seinen Anmer-
kungen zu Harmer's Beobachtungen über den Orient, Th. I. S. 145, verthei-
digt. Für die von Hieronymus erwähnte Meinung der palästinensischen Juden,
dass Kikajon den Wnuderbaum bedeute, ist jedoch nicht allein das, was im
Jonas von dem schnellen Wuchs und dem Verwelken des Kikajon gesagt
wird, auf den Ricinus oder Wunderbaum vollkommen passt; sondern auch
der Umstand, dass der hebräische Name offenbar aus dem ägyptischen Namen
derselben Pflanze Kiki (s. Herodot IL V. 94 und Jablonsky's Opusc. P. I.
p. 110) und mit hinzugesetzter hebräischer Endung entstanden, und das von
den Talmudisien erwähnte Kiki.(3l ans den Samenkörnern des Wunderbaumes
bereitet wird; s. Buxtorfs Lexic. chald. Talmud, p. 2029. Auch Dioscori-
des (Bd. IV. C. 164) beschreibt den Wunderbaum unter dem Namen Kiki
und nennt das aus seinem Samen bereitete Öl Kixivov D.oiov.
— 66 -
Fig. V.
lieh liegt der nackte Prophet auf der Erde , mit einem
Gcstu.s der Linken , welcher an das antike Ausruhen
lieini Apollo anapaumenos erinnert. Ebensi) liegt der
Prophet nackt auf T. XX in der Kürbislaube (das Ver-
schlingen und Ausgespieenwerden fehlt hier). Ebenso ist
aufT. XXVI l)los die Rettung des Propheten aus dem
Pistrixrachen dargestellt.
Die Abbildungen der 8ark<ipliagen-l\eliets und der
Glasschalcn sind den hier angeführten ähnlich. Ganz
analog zeigt sich das Bild in Fünfkirchen, welches hier
auch zum Vergleiche mit Fig. 7 wiederholt wird. Wir
hatii'n liier zwei Scenen: wie der Prophet verschlungen
wird . und wie er unter der Laube stehend erscheint ;
der Pistrix hat ihn hinter dem Schiffe ausgespieen. Die
Ungeschicklichkeit des Malers, das Nackte darzustel-
len, hat hier aus Jonas in der That ein Weib gemacht,
wie dies die Figur in grösserem Massstabe auf unserer
Taf. II, Fig. 1 zeigt. Obschon der l'istrix grosseutheils
verschwunden ist, sieht man doch noch so viel, dass
man an KoUer's Verdoppelung des Fisches nicht
glauben kann. Das Schiff ist weit ärmlicher ausgestat-
tet, als das auf Garn cci's Glasschale, vielleicht hat
der Maler blos ein Fluss- und kein SeesciiilT zum Mddell
genommen.
Die Apostel Peter und Paul (Taf. II, Fig. 2
und .']).
Uossi wirtt im l'>\\\\. di arceol.crist. Jahrg. 18()4,
S. M die Frage auf: Sind die altchristlicheii Typen der
Apostel Peter und Paul waiirliaft oder iiios c(in\entio-
nell, ständig uinl sicher, oder verschieden und zweifel-
haft? "■" Über diese Frage wurde nicht nur in früheren
.lahrimnderten gestritten, .sondern sie wird neuerdings
\((U kritischen Arcli;i(ilog(Mi erörtert: unter diesen sind,
iiebini Udss i, noch Norziiglii-h anziiliihren : Polidori
in »einem IH'M in Mailand gedruckten „Delb' imagini
de SS. Pietro et Paolo"; Garucci in seinen „Amner-
knngen zu Macarius Ilagioglyjit." und in seinem bereits
öfter augeflilirtcn Win-ke über die altchristliclu;n (!las-
»clialen ; iMidlicIi (irimoard de Sl. Laiiiciit im
„Aper(;u iconograidiicpie sur St. Pierre et St. Paul", er
schienen in Didmn's ..Annales Arclieol." Hd. XXIII n.
XXIV.
Dil- Aiisicilt der ältesten Sclirin^tcllci tUssl liuo-
narniti in Folgnidiin zusammen:
Es war besonders die römische Kirche, die es sieh
angelegen sein Hess, die wahren Piildnisse der Apostel-
fürsten zu erhalten ; dieses bezeugen die alten Male-
reien und Mosaiken, deren .Mehrzahl im ganzen Verlaufe
der Zeit dieselbe Physiognomie treu bewahrt.
Polidori geht auf den Typus näher ein, indem
er sagt: Peter's Haupthaar und Bart ist zwar kurz,
aber dicht und gekraust , sein Gesicht rundlich und
etwas derb (in certoniodo grossolano); dagegen ist bei
Paul der Oberschädel kahl, der Bart länglich und ge-
theilt (barba distesa) . das Antlitz nicht rundlich, son-
dern von feinen Zügen.
Rossi sagt: „Es ist bestimnit,dass Eusebius histo-
risch erzählt, wie die Bildnisse der l)eiden Apostel sich
bis zu seiner Zeit erhalten haben. Wenn wir dieses
wichtige historische Zeugniss gelten lassen , können
wir diejenigen nicht als Sonderlinge ansehen, welche
sich Mühe geben, besagte Bildnisse in den Deidimälern
der ersten Jahriiunderte herauszutinden und nachzu-
weisen suchen , inwiefern diese mit den im IV. Jahr-
hunderte gebräuchlichen Typen übereinstinnnen. Aus-
ser Born kenne ich kein derartiges Denkmal aus den
ersten drei Jahrhunderten, in Koni jedoch, wo in den
Cömeterien so viel Gemälde und andere Denkmäler
übrig geblieben, dürfen wir, auf gewichtige Gründe ge-
stützt , verschiedene Bilder der Apostel in diese ent-
fernte Zeit setzen. Hier will ich blos von einem
Bri)nccrelief sprechen , welches meiner Ansicht nach
das älteste Beispiel der vereinigten Bildnisse der
Apostel Peter und Paul ist ; gegenwärtig betindet es
sich in der Abtheilung der heiligen Gegenstände der
vaticanisclien Bildiothek; es wurde von Boldetti im
C'ömcterium der Doiuitilla gefunden , welches er für
jenes des C'alixtus hielt. Niemand zweifelte noch daran,
dass wir es hier mit den Bildnissen der beiden Apostel
zu thun haben. Der Kunstwerth dieser Köpfe ist so weit
von jenem der Ereignisse des IV. Jahrhunderfs verschie-
den, und weist so sprechend auf eine dem N'erfalle vor-
hergehende Zeit hin, dass diese beiden l'mstände un-
serem Relief ein hohes Alter sichern müssen (Fig. 8
und ii).
Die Platte zeigt ein mit dem Hammer getriebenes
und dann mit dem Punzen und Meissel ciselirtes Werk.
Einige ähnliche Werke haben sich noch aus dem ersten
christlichen Jahrhundert vorgefunden ; ich habe selbst
deren Eindrücke auf den Mörtelschichten der Cömete-
rien gesehen.
Ein ainleres erwälinenswertlies \\\'rk ist <las um
ein J:iiii-|iiui(liTl später in demselbi'ii ('ömetrriuin auf-
■" t »r piitirti
lill 1 varhll?
«T.iri, <• runvcnzfonati; »laMli
Fig 8.
Fig. <).
67
V\g. 10.
gefundene , das licute eben-
falls im vaticiinisolieu Jluse-
nui aufbewahrt wird ; es ist
jedoch unvollständig , indem
IbIos das Bildniss Peter's, und
von jenem Paul's nur sehr we-
nig Züge erhalten sind. Die
alte Mörtelseilichte, in welcher
die Platte befestigt war, hat
auch jetzt noch einen Theil
der Bronze zurückbehalten,
welcher auf dem Wege der
Oxydation sich von der Platte
loslöste. Mau braucht nur
einen vergleichenden Blick
auf die beiden Platten zu
werfen , um den ungelienren
Unterschied alsogleich zu cmphndeu, und doch gehört
auch Fig. 10 noch nicht in die Zeit des gänzlichen
Kunstvertalles; der Faltenwurf ist noch in der guten
antiken Art angeordnet, der Kopf ist zwar etwas roh
gearbeitet, doch ist er noch sehr weit vom Byzantinis-
mus entfernt; mit einem AVort , wir können Fig. 10
noch immer nicht näher als in das IV. Jahrhundert
setzen , womit auch dessen Fundort .stimmt. Nichts-
destoweniger sind die Köpfe 8 und 9 im Vergleich mit
10 als A\'underkunstwerke zu betrachten , und mit
Kück sieht darauf, dass die Werke christlicher Künstler
immer schwächer sind , als die der heidnischen , wäreli
sie ihrem classischcn Style nach zu nrtheilen eher als
griechische, denn als römische Arbeit anzusehen. Um
nun aber ihre F.ntstehungszeit näher zu bestimmen,
muss ich eine ähnliche Bronze-Arbeit der heidnischen
Kunst anführen , deren Anfertigungszeit sicher , oder
doch naliezu bestimmbar ist , oder ich muss sie mif
einer Bildliauerarbeit des zweiten und dritten Jahrhun-
derts zusammenstellen ; denn einem dieser Jalirhun-
derte gehört unsere Bronzeplatte zuversichtlieh an.
Dies kann aber nicht mit wenig Worten gesche-
hen ; so möge hier blos die Bemerkung stehen, dnss
jedes mit den lieidnischen und christlichen Kunstwerken
des in. Jahrhunderts vertraute Auge die Bronzeplatte
nicht für jünger als die Zeit des Septimius f^everus iial-
ten wird.
Nun sind aber die Typen der beiden Köpfe weder
ideelle, noch conventioneile , sondern entschieden indi-
viduelle 2', und reprodnciren genügend Bildnisse nach
der Natur , ähnlich wirklichen und entsjjrechend der
moralischen Piiysioguomie, wie uns diese von den bei-
den Apostelfürsten in den Büchern des neuen Testa-
mentes und in der Geschichte gezeichnet wird. Und
diese Charaktere sind es , welche die alten Schriftstel-
ler und die grösste Zalil der Denkmäler im Antlitz der
beiden Apostel festhalten. Weshalb jedermann sieht,
dass tmscr Bronzeplättchen , wäre es auch nicht älter,
als die Zeit des Septimius Severus, d. h. als die Glitte
des III. Jaiirliunderts(^wasnichtmeinc,Rossi 's, Meinung
ist ) innnerhin als Copie von viel früheren Bildnissen von
anthentischeu, gleichzeitigen oder der Apostelzeit sehr
nahe stehenden angesehen werden müsste. Es scheint,
" Der Bogriff des Typus imil iler Individualilät ist ein so verschiede-
ner, beinahe entgegensesetzter, dass beide in demsellien GeLjejistande unmög-
lich vereint werden können, liossi bfha\iplet demnacii etwas \Yidersprcchcn.
des, wenn er sagt (Bull. 1864, S. 86;: ,1 tipi preseutano caratteri individuali
spiccati''.
dass eine gewisse Verschiedenheit der Ansicht über
die Züge in den lierichten der Alten vorkommt; beson-
ders in Hinsicht Peter's, den einige als kahl darstellen.
Die einzige Quelle dieser Verschiedenheit tindet sich
vor bei dem a])okryi)lien Verfasser der Beisen des h.
Petrus, welches Werk man dem h. Clemens zuschreibt,
ja vielleicht nicht einmal bei diesem Verfasser selbst,
sondern einem Conuneiitator dieses Romanes. Sicher ist
es, dass wir heute kein Wort über das Aussehen des
A]iostels Petrus in den clcmenlinisclieii Büchern lesen,
und S. Giidlamo citirt einzig iind allein den apokry-
liheii Schriftsteller, welciier der allgemeinen Annahme
des behaarten Ilaujites widerspricht. Der son.st unbe-
kannte Elpius Komanus, den Tischendorf eben heraus-
gab, und der mit dem Pseudo-Clemens überein.stimmt,
ist ein byzantinischer Autor des IX. Jahrhunderts, der
auch son.st aus den Apokryphen Tapital macht. Mehr
Authenticität haben auch die griechischen Menäen
nicht. — Wie dem jedoch auch sei, und zugegeben,
dass der h. Petrus zu einer Zeit behaart, zu einer an-
deren kahl gewesen, ist es doch sicher, dass dessen in
der römischen Kirche meistentheils gangbares Bildniss
nicjit als ein übercinkönimliches der Künstler des IV.
Jahrhunderts , sondern als Ergebniss der Typen zu be-
trachten ist, welche, aus dem I. Jahrliuiidert stam-
mend, ihnen vor Augen standen. Das Conventionelle
machte sich mehr und mehr im IV. Jahrhunderte breit,
und so entstand in diesem und dem fünften eine Carri-
catur jener alten, der AVahrheit und der Natur mehr
ents])rechenden Porträte. Im IV. und V. Jahrhunderte
wurden die etwas krausen Haare und der Bart St. Pe-
ter's zu jenen dicken und gekräuselten Locken, deren
Beginn wir in Fig. 10 seh«n. Der schlichte und uieder-
fliessende Bart St.Paul's Murde gesi)itzt und zweitheilig.
Und diese Charaktere erhielten als .Alerkmale die Ober-
hand über die Lineamente des Gesichts, wie wir auch
dies in Fig. 10 sehen."
Garucci lässt sich über die Bildnisse der beiden
Apostelfürsten folgend aus (1. c. S. 77 ff.): „Es ist na-
türlich , dass die Alten die Heiligen Petrus und Paulus,
welche sie im Leben liebten und ehrten, als Geliebte
des Herrn, in möglichst treuen Bildnissen hinzustellen
trachteten, imd dies ist um so natürlicher, als ein sol-
cher Wunsch vollkommen den gleichzeitigen asiatischen,
griechischen und romischen Gebräuchen entsprach; so
sagt Eusebius von Cäsarea , dass die Völker ihren
Wohlthätern Denkmäler zu errichten ])tlegten , und er
bleibt hiebei nicht stehen, sondern erzählt weiter, dass
er selbst aus den ersten Christenzeiten stammende Bild-
nisse des Heilandes, Peter's und Paul's gesehen, oder
wenigstens von solchen sprechen gehön habe. Ähn-
liche Erzählungen, welche, wenn sie auch nicht volle
historische Authenticität ansprechen können , doch im
Allgemeinen den Gebrauch bestätigen, finden wir in
den apokry]ihen Büchern. So lesen wir in den ..Reisen
der Apostel", dass ein gewisser Lykomedes sich ein
Porträt des Ajiostels Johannes anfertigen Hess, welches
er gekrönt in seiner Scliatzkannner aufhing, und vor
dasselbe einen Altar und Lampen stellte. Ich finde dem-
nacii keine Schwierigkeit , zu glauben , dass Berenike
von Edessa ein Steinbild Christi machen Hess, wie dies
der h. Bischof von Magnesia angibt , in jenem Bruch-
stücke, welches uns Nikephoros , Patrtarch von Con-
stantinopel, aufbewahrt hat. — Es existirten also in
9*
— 68 —
Asien gemalte iiiul plastische Bildnisse der Apostel
Peter und Paul , und die Erinnerung- an sie wurde fort-
während durch die Tradition aufrecht erhaUen ; der
h. Blasius aber sagt (ad Julian, august. oW. Brief), dass
dies seit der Apostelzeit stattfand ; nachdem jedoch
diese Zeit eine lange war , nämlich seit dem ersten
Auttreten des Heilandes bis zu dem im Jahre (iG , oder
820 der Stadt, erfolgten Tode der Apiistel, ist es klar,
dass, mit Kücksicht auf die Veränderung der Züge, die
Traditiim nicht dieselbe, nicht sich immer gleich bleiben
konnte. Daher ist erklärlich, wie Peter in seiner frülie-
ren Zeit als behaart, später als halb kahl und mit siiär-
lichem Haarwuchs beschrieben werden konnte. Das
Bildniss, welciies jener Künstler vor Augen hatte, wel-
cher St. Peter's Statue der Peterskirche in Bronze goss,
stellte den Apostel mit kurzem krausen Kopfhaare und
rundem Barte dar.
Die .schönsten Porträte der Glasschalen sind zu-
versichtlich jene der Taf. X, Fig. 2 und T. XIV, Fig. Ci,
und diese stimmen im Charakter, so weit dies der Styl
und der Stotf erlaul)en , mit der vaticanischen Bronze
überein. Duch sehen wir neben den Merkmalen der
ersten auch jene der zweiten Epoche im (TeV)rauchc.
Zuweilen wurde St. Paul, da er frühzeitig zum Aposto-
lat gelangte , unbärtig neben dem bärtigen Peter gebil-
det, eben so oft erscheint er aber auch bärtig, wollte
man ilm während seines Aufentlialtes in Rom, wo er
das Martyrium erlitt, darstellen. Diese Bemerkung er-
hält ihre Bestätigung durch den Umstand, dass man im
IV. Jain-hunderte bereits zwei , dem Alter und der Ge-
stalt nach verschiedene Bildnisse auch des Apostels
Peter hatte, wolicr es kam, dass sich die Künstler bei-
der nach Gutdünken bedienten. Hieraus entstand der
seither datirende Streit , ob Petrus kahl oder behaart
gewesen? was aus einer classischen Stelle des h. Gi-
rolamo hervorgeht (LI. Connn. in Ep. ad Galat. I, 18),
welciier Paul's Wcirte : „Veni Hierosolymam videre
Petrum- so erklärt: Paul ging nicht nach Jerusalem,
um Peter's Züge zu schauen, ob er behaart oder kahl
sei, wie dies Clemens in des Apostels Reisen bemerkt.
Gleicherweise war St. Paul in seiner Jugend beiiaart,
und S. Girohinid sagt (Adv. Jovian. I. cf. Act. Quart.
XVIII, 18, XXI, 24), da.ss der Apostel zuweilen sein
Haar verschnitt, zuweilen diesell)en wachsen liess mid
rlann wieder versclmitt (seinem Gelübde gemäss), in
Kenchrea, dem Hafen von Korintli: ,,Apostolus rasit
in se calvitiem , nudipedaiia exercuit, comam nutrivit
et totondit in Cenchrio''. Die Acten St. Paul's und Tlie-
kla's (ed. Tisciiend. 2) beschreiben jenen als rasirt
i!/'/v -r, /.t'^^ÜYi, was der altr Erklärer mit „rasii-tem
ilaupt" wiedergibt. Der Plnlnp;itr. lienannte Dialog,
welchen man Eukian zusclireibt, gibt dun Apostel Paul
als «vK'j/Ä/.avriac , d. li. mit kahler Stirne, an, und
dasselbe wiederiiolt der h. l'roklus, Bischof von Kon
stantinoiicl, imlem er ausruft (Iloni. XVllI. in St. Pau-
lumj : Dein Haupt ist nicht haar- . simdurn siegcs-
rcicli! 'jj ziy«/,»; ov ^iO!?tv, a/.Ä« vixa'.; y.o/j.ö)5«I Aul den
besten Glastassen kommt der h. Paul innner kahl vor,
und so l)eschreiht ihn auch der Römer Elpius (ed. Ti-
schend. Anecd. p. KSD). Ich habe gesucht zu bewei-
sen, dass der Typus der beiden Apostel im IV. Jahr-
hunderte noch nicht so fest war, als er es später
wurde, indem« man zuweilen die Kahllieit der i)eiden
Köpfe verwechselte, ja sogar die ZUge derselben kaum
verschieden von einander l)ildete '•. Übrigens will ich
gewisse barbarische Bilder der Glastassen nicht ent-
schuldigen, die ich genau copiren Hess, und in denen,
wie man sieht, kein Unterschied der beiden Bildnisse
vorkommt , was otienbar der Tradition und den besten
vorhandenen Porträts widerspricht. Den Bildern der
Glastassen sind dann noch einige der Sarkoi)]iage zu-
gegeben, in welchen die angenonnnenen Typen i)efolgt
sind. Ich führe besonders die Steinsärge von Mailand
und Ravcnna an, wo im ganzen der Unterschied der
kahlen Stirne St. Paul's beobachtet ist, doch keiner
in den Barten vorkonnnt.'-
Dasselbe kann man an einigen Sarkophagen Eora's
und Frankreichs bemerken.
Unter anderen Bildnissen St. Paul's gibt auch 6 a-
rucci eines in Fig. 11, welches er in das IV. Jahrhun-
dert .setzt (s. T. X, Fig. 17). Dieses Bildniss ist einem
anderen des Papstes Calixtus (bei Gar. T. XIX, F. 2)
in Auffassung und Darstellung so sehr ähnlich, dass
Rossi beide für das Werk desselben Künstlers halten
kann , wenn man überhaupt hier noch von Künstler,
Kunst und Bildniss zu sprechen vermag : denn abge-
sehen V(in iler Schwierigkeit der Technik, ist hier
kaum noch irgend etwas von freier künstlerischer Thä-
tigkeit zu finden , obgleich die Köpfe noch immer nicht
byzantinisch sind; das einzige, was in einer gänzlichen
Verfallszeit Anspruch auf einige Anerkennung machen
kann, wäre der noch an antike Auffassung erinnernde
Faltenwurf des Mantels; von Porträtähnlichkeit lässt
sieh jedoch durchaus nicht sprechen.
Grimouard de St. Laurent hat in Didron's
„Ann. Archeol." Jahrg. ]8i;3 u. 18i)4 sieben Artikel
über die Ai)ostel Peter und Paul ])ul)licirt, in welchen
auch wiederliolt über deren Bildnisse gesprochen wird.
Grimouard erwähnt der Bronzereliefs nicht, sondern
wählt als Ausgangs- oder Grundwerk die Bronzestntue
der Peterskirche , obschon mehrere Archäologen die
Anfertigung derselben erst ins VIII. Jahrhundert setzen,
wogegen jedoch vorzüglich ihre Ähnlichkeit mit unse-
rer Figur 9 si»richt. AVeiter erwähnt Grimouard der von
Garucci publicirten (ilastassen, deren einige er in die
Zeit der Verfolgung setzt ==. Unter den an sechzig zäh-
lenden Bildern Garucci's konnnt ein Viertlieil mit
liart und eben so viele ohne Bart \dr; alle diest^ sehen
einander typisch derart ähnlich , dass man sie kaum
aui' ein wahrhaftes Porträt zurückiühren kann ; die Zahl
derjenigen, denen ein solches zii (i runde lag, ist gering,
man wird aber hier andrerst'its durch deren bedeuten-
deren Kunstwfrlh entschädigt.
Die typischen Züge glitt St. Laurent ndt Rossi
und Garucci gleichlautend an, ausser den von beiden
letzteren angeführten alten Schriftstellern citirt er aber
MiU'li noch des IS'ikeiilhiros Cnlixtus weit ausführlichere
ISesclireibuiig ■"' : naclideni aber dieser Aiitni- liereits
«KoBs 1 Ihollldiosc Ansicht Car ucc l'enlclit (IluM.lxlM. S. 81; indem or
nii't IJuonnrrotl und den altnn j^chriftstcllurii die olu-ii aiiKet'ührtcn Typen für
die rimiiBCIio Kirrtie fcat»;cstclll nnniniint, und die AhweicltunKOn davon nl»
imcliliiflsiKO und rolio Arbeiten von Kiinsttern boiraclitet , die keinen liogritt
von dem Tone olite» lllldnlsses hatten , „was Garucci seihst im Folgenden
Bnorkennt".
" II est proltablü qu' unc grando parlie des fonds do vi-rre i\ figurca
dorei'8, (|ni uous Hoiit parvonn», rcnionteiu au (rinps dos pefsecutions.
** Nikephoros, Itenciireibung lautet; I'utru» quidem non craf^sa corporis
Hlfttnra fiilt. sed mcdiocrls et <|iiao »llfjuanto esset erectlni-; fiicie snbpallida
et alba adm'idnin. Capllll et capitis et barbae crlspi et donsi , sed non artmo*
dum prominentes fuoro, occuli ({uasi sank;ulne respersi et nigrl, supercilia
snblata: naaus autem loni;lor, lilo qutdem uon tanion in accnmtn deaineus,
Bod pressus simuiquo niagis. — Taulus autcni corpore erat parvo et contraclo,
GU —
dem XIV. Jalirhumlcrt angeliört, kann er nicht iiiclir
als zuverlässig' Itctraeiitet werden.
St. Paul nennt sich krank (II. Korinth. X, 10): ,,zu-
nial man sagt : die Briefe haben Gewicht und Kraft,
aber seine persönliche (iegenwart ist schüchtern und
sein Vortrag erbärmlich-'.
.St. Laurent behauptet^ dass wir in der orienta-
lischen Kirche Bildnisse der beiden Apostel antreffen,
die beinahe Zug für Zug mit der Beschreibung des
Calixtus übereinstimmen. Er stellt sodann (Ann.
XXIII. Bd. S. 3(3) drei (xattungen von Bildnissen unse-
rer Apostel auf: die historische, hieroglyphisclie und
symbolische 35. Grimouard gibt nicht ausdrücklich an,
was er unter dem syndxdischcn Bildnisse verstehe, docli
lässt er uns es ahnen, indem er sagt, man habe zuweilen
Öt. Peter als den nie Sterbenden, als den Papst, als
das Oberliaupt der Kirche (und in dieser Eigenschaft
als unbärtig) darstellen wollen. Die hieroglyphischen
Bildnisse erkennen wir als solche in den Theilnehmern
an Gastmalen (agape, cucharistia) der Katakombenbil-
der , da doch diese keine anderen Personen als die
(bartlosen) Apostel sein können. Die historischen end-
lich sieht man in St. Peter's Erzstatue und auf den besten .
Glastassen.
Die h. Peter und Paul werden bis ins XIII. Jahr-
hundert bartlos dargestellt , wie dies neben anderen
Denkmälern mehrere Email-Ileliquiarien des Cluny-
Museums bezeugen; übrigens kommt bei St. Peter ziem-
lich frühe die Tonsur vor, die er als Priester par excel-
lence trägt, und mit welcher sich Grimouard auf S.41tt'.
des XXllI. Bandes beschäftigt; ja er spricht über diese
auch nocli in seinem zweiten Artikel (S. 138 — 14'.i), wo
er jedoch zugleich bemerkt, dass mau in Rom früher
als anderswo zur ursprünglichen Auffassung des Peter-
porträts zurückkehrte, wie dies die Siegel der päpstli-
chen Bullen (das älteste ist Innoceuz des II. 1130 —
1144) und die päpstlichen Münzen beweisen.
Im dritten Artikel (S. 264—277) kommt St. Lau-
rent auf die Attribute der beiden Apostel zu sprechen.
Petrus hatte zuerst das Kreuz , obsclion die Schlüssel
auch sclion sehr alt sind. Den Vogel, der häufig auf
den Sarkophagen neben St. Peter vorkommt, hält Gri-
mouard nicht für einen Hai)n, sondern für einen Phönix,
indem erst Guido Reni den Hahn als Attribut des Apo-
stels darstellte»«. (Als St. Laurent dies niederschrieb,
konnte er nocIi nicht den von ihm selbst später citir-
ten lateranischen Sarkophag gekannt haben.) St.Paul's
charakteristisches Attribut ist das Sehwert, das ihm
bereits im XIII. , ja vielleicht schon im XII. Jahrhun-
dert gegeben wurde, weil er frülier Soldat war, wie
auch um das Niederschlagende seiner Rede zu kenn-
zeichnen. Auf den Bronzethüreu der Peterskirclie steht
ein Blumentopf, aus welchem eine Lilie emporwächst,
neben Paul , um diesen als vas electiouis zu charakte-
risiren.
Im vierten Artikel (Ann. XXIV. Jahrg. lsi54, S. i)3
bis 102) spriciit Grimouard über ilie Stellung der beiden
Apostel zu einander. Sie kommen bereits in den älte-
sten Denkmälern zusaunneu, mit Christus und den an-
deren Aposteln dargestellt vor, zu zwei oder drei mit
dem Erlöser, sehr häutig auf den («lastassen, statt Chri-
stus in der Mitte eine Säule, Kranz, Krone. Mit der
Säule und dem constantinischen Monogrannn bei 6 a-
rucci, Taf. XI, Fig. 3. Hiervon gilit Garucci (S. 92)
folgende Erklärung : Boldetti gibt an , er habe diese
Tasse unversehrt im Cömetcrium des Calixtus gel'un-
den. Saulus statt Paulus kommt auf <lerlei Werken
öfter vor. Beide sind behaart und bärtig, nur dass Pe-
ter's Bart kürzer ist; beide halten in der Linken die
Schriftrolle und geben mit der Rechten das Zeichen,
dass sie nnt einander im Gespräche begritfen sind.
Zwischen iinien steigt ein Säulenschaft auf, der oben
das Christus-Monogramm trägt, der Schaft ist nnt Edel-
steinen verziert. In der Kunst wird die Säule als Sym-
b(d eines l>edeutenden Gebäudes , gewöhnlich einer
Kirche, gebraucht; eine ganz nietapiiorische Bedeutung
hat sie im neuen Testament, wo Petrus, Johannes und
Jacobus Säulen genannt werden (Galath. II, 9); im All-
gemeinen wurde der Name der Säule auf die Apostel
angewandt, weshalb der li. Clemens (Ep. ad Cor. c. 5)
die h. Peter und Paul grosse und die heiligsten Säulen
nennt ; und Prudentiiis , als er von den ersten sieben
Diaconen spricht, vom Märtyrer Vincentius sagt, dass
er eine der sieben über die Milch weissen Säulen war
(Perist. V, 33). Eben so spricht der h. Paolinus von
A(iuileja (Hymn. V, 11): Septem coiunmis una de can-
didulis , ecclesiarum mittitur sub culmine , sustentat
altae fundamenta fabricae. Wo die Säule allein steht,
bezieht sie sich zuweilen auf des h. Paulus Ausspruch
(Timoth. III, 15.): dandt, wenn ich jedoch vorziehe, du
wissest, wie du dich zu verhalten hast, in dem Hause
Gottes, welches ist die lebendige Kirche Gottes, ein
Pfeiler und eine Grundfeste der Wahrheit. — Zuweilen
wird die Säule mit Edelsteinen geziert, und weil sie
den edelsten Theil des Gebäudes bildet, sagt der Erlö-
ser selbst von ihr (Apocal. III, 12.): Wer überwindet,
den will ich zum Pfeiler in meines Gottes Tempel ma-
chen, woraus er nimmer weichen soll u. s. w.
In diesem Artikel spricht Grimouard über den son-
derbaren Umstand, dass zuweilen dem h. Paulus der Eh-
renplatz vor Petrus, d. h. auf der rechten Seite gegeben
wird , was schon auf den Glastassen vorkonnnt. Die
Verwechslung dieses hierarchischen Ehrenplatzes wird
seit dem V. Jahrhundert Regel und als solche das Mit-
telalter hindurch beibehalten , während man zur Zeit
der Penaissance wieder zum alten Gebrauche zurück-
keiu't , welcher dem ii. Petrus den Vorrang gibt. Auf-
iallend ist, dass diese Verwechslung im Mittelalter auch
auf den Siegeln der pä]istlichen Bullen constant vor-
konnnt S'.
et quasi iacurvo , atque paululum inäexo , facie Candida anuosque |>lureä prac
se fereute , et capite calvo (seeuuduni alios „mediocri") ; oculis multa iiienit
gratia , supercilia deorsum versus ver^jeltaut; nasus pulcher inflexiis ideiuqne
loügior. barba densior et satis promissa eaque non miuns quam capitis coniae
cauis etiam respersa erat.
^* Sous peine de no rien compreudre ä I' iconograjjbie chretienne daiis
ces p^riodes primitives, il faut y distiu^uer trois sortes de flgures, principa-
lement parmi ceUcs du Ciirist et des apötres ; nous les appelons liistoriques,
hieroglyphiques et symboliques.
5" Nous ne connaissons v<5ritablemeut pas de fi^jure de Saint Pierre, pres
de laquelle on aperpoive le coq, qui soit antericure au saint Pierre repentaiit
du Guide, expos^ dans la galt-rie Pitti, ä Florence, et nous ne croyons pas
qu'ou nous eu Signale facilement de beaucoup plus ancienne. O'est dans ce
seus un attriliut moderne, appartenent ü un ordre d' idees tout recent.
'• (XXIV. S. UT :): „Wir zweifeln nicht <laraii, dass, indem man dem li.
Paulus die reclitc Seiti gab, roaudeu Verrann der Heiden, deren Apostel er war,
Ulier die Juden im Auge liatte. Der h. Paulus erliielt das Apostolat, als Christus
bereits in der Kuhnieskroiie iilnnzte, während die übrigen Apostel berufen
wurden, als der Erlöser noch mit dem freiwillig gewählten Elend des Lebens
k'aniiifte, und dies ist selbst für den li. Thomas von Kempis ein genügender
Grund für den Vorrang, ja, den damals herrschenden Ansichten gemäss, auch
fürdessen Zeitgenossen ; während andere, einer weniger mystischen Erklärung
folgend, das Motiv in des Apostels Mühsal und seinen siegreichen Predigten zu
finden glaubten."
„Alle diese Motive fiuden sidi zusammengifasst seit dem XT. Jahrhun-
dert in den vom h. Peter von Daniian ausgehenden und im XII. ' Jahrhundert
allgemein angenommenen Aiisictiteit, wonach der in den Kreis der Apostel
70
Das bmstbildlönuige Kcliquiar , in welches Ur-
"ban V. 1329 den .Scliädel des li. Paul eiuscldoss, wurde
an die rechte Seite des gleichen des h. Peter gesetzt
und erhielt die Inschrift:
Cedit Apostulus princeps tibi, Paule ; vocaris
Nani dextrae natus, vas, tuba clara Deo ss.
Griniouard tührt sodann mehrere illustrirfe Bi-
beln des Mittelalters an. in welchen St. Paul in selbem
Sinne abgebildet erscheint, nur dass in diesen Joseph
nicht nur als Vorbild Peter's , sondern des Heilands
selbst dargestellt ist, ja Petrus nicht nur mit Joseph, son-
dern mit dessen Vater, Jakob, in Parallele gestellt wird.
Schliesslich glaubt Grini. , dass man hier keinen
Vorrang zu suchen habe, falls man anninunt, dass man-
cher Künstler denselben gerade dem h. l'etrus zu geben
beabsichtigte, indem er ihn zur Kechten des Beschauers
stellte.
Rossi hat iiinsichtlich der Rangstellung Folgen-
des (Bull. 18(j4er Jahrg. S. Hü u. 87): „Selbst Neulinge
in der Archäologie wissen , dass in Hinsicht der Rang-
ordnung viel geschrieben und gestritten wurde, ange-
fangen im XI. Jahrhunderte von St. Peter von Damian
bis auf Griniouard de St. Laurent im Jaln-e 1S<j4. Die
neuere, auf die Glastassen gegründete Ansicht, weiclie
auch von diesem in der altdn-istlicheu Archäologie sehr
bewanderten Gelehrten angenommen zu sein scheint,
ist die, dass der h. Petrus in den ältesten Denkmälern,
falls es die künstlerische Composition nicht anders ver-
langte, auf die rechte Seite gestellt wurde, und dass
er diese Stelle erst im IV. Jahrhundert an St. Paul ab-
zutreten begann. Jedoch setzt unser Bronzerelief (Fig.
8 u. il), das bestimmt älter ist als die Glastassen, und
vielleicht eine in allen Punkten getreue Copie eines
noch weit älteren Exemplares ist, den h. Paulus rechts.
Ich meinerseits lege kein besonderes Gewicht auf die
Stellung zur Rechten oder Liuken. Christus selbst steht
auf einer Glastasse zur Linken Paul's, und Maria zur
Linken der h. Agnes. In welchen Fällen, der trefflichen
Bemerkung Garucci's gemäss, die Ehre der Rechten
vom Höheren dem Geringeren gegelien wird, und .eben
so der vom Manne dem Weibe, auf den (Jlastasscn, er-
wiesenen Ehrenbezeugung entspricht. Wenn wir aber
durchaus eine besondere oder geschichtliche Ursache
suchen wollen , würde ich sie angezeigt finden in den
Gesprächen des Ileidenapostels mit Petrus, sei es wann
erstercr: „ascendit Ilierosolynmm videre Petrum", sei
es : „fpiando post annos (piatuonlecim iterum ascendit
Hierosolymam. .et contulit cum (apostolis) evange-
lium." (Ad (Jal. I, 18., II, 1., -J.) In P.ezug auf das erste
Gespräch schreibt Tertuilian, dass die älteren .Vpostel
ilem jüngeren Paulus : „dexteram dederunt Signum
concordiac et convcnicntiae , et inter sc distributionem
olticii ordinaverunt , nun Separationen) evangelii , nec
ziilcfzt anfiCfTiomnicno St. Paul f;in OcK^nsirtnd der Vorlicbo des Herrn war,
'-tteiiBo wie Itrnjftmln, d<'«scn Kl-'rrclchater Narlikf>mmc lol/.tcrer war, sich der
tic^onderen Vf>rUf;)'C Jakobs crfreiile : und »Icherlich hntte dlo Itidcutimg dos
Namen» r.enjaniln „Sohn der Uecliteri", welche der gelehrte Itischof von Ostia
herwrhebf, einen Elntliis» auf die hier hesprochcno Thatsache".
" Dlo beiden Bniitblliler ulbt A g I n c o u r 1 „Sculpt." T. XXXVII. Auf dem
.Medaillon Peter'» »lehf.
Erigal ut proprlam sedom tua Potrc rcdiblt
lluc Vatlcana pastor ab arco Potro.
St. Paul hat In der Kechten da» Schwert, In der Linken ein lluch, wäh-
rend St. Peter mit der Iterhten »egnet und In der Linken zw-el Schlüssel
erhobt. Erstercr l»t r-hn«- Kopfhrdeckung, letzterer hat die pnpstllche Tiara
auf dem Haupte. Ihr llaarwuch» entspricht der alten Tradition ; zwnr ist
St. Pauls Kopf nl'ht kalil, dennoch hat er an der Stlrnc spiirllches Ilnar, soln
Kart ist länglich und gethclll; ,St. Peter's Schädel Ist von der Tiara bedeckt,
»ein Hart kurz , rundlich und kraus.
ut aliud alter, sed ut aliis alter praedicaret, Petrus in
eircumcisione, Paulus in nationcs. (De inaescript. c. 23.)
Eigentlich ist die von den Aposteln in Jerusalem dem
li. Paulus gebotene Rechte als Gruss buchstäblich zu
verstehen; indem aber die beiden Büsten der Apostel-
fürsten bestimmt als verbunden gebildet wurden : „in
Signum concordiae et convenientiae-, und um anzuzeigen :
,.quod non aliam evangelii formam Paulus super induxit,
ultra eam (|uam praemiserat Petrus-' (ad Gal. II, 9.\
so kann die Ehrenbezeugung der rechten Seite, falls sie
eine besondere Bedeutung hat, füglich in der Art, wie
ich CS gethan , erklärt werden, um nämlich die Fber-
einstimmung und Einigkeit der Conferenzen zwischen
St. Paul's und St. Peter's Auslegung des Evangeliums zu
symbolisiren. Sicher ist , dass die vereinigten Bilder
der Apostel, wie dies auf den Glastassen klar erscheint,
auf derlei Conferenzen hindeuten. ■•
Über andere Erscheinungen (die er in symbolische
und geschichtliche eintheilt) der Apostelfürsten spricht
Grim. in den folgenden Artikeln , namentlich im V.
(Ann. Arch. Jahrg. 18G4, S. 101 — 172): a) Über die
Scene, in welcher der Erlöser dem li. Petrus die ge-
schriebene Rolle oder das Buch eiiihämligt. Hier repro-
ducirt Griniouard ein, wahrscheinlich aus dem V. Jahr-
hundert stammendes Wandbild des Cömeteriums St. Mar-
cellini et Petri , auf welchem Paulus zur Rechten des
thronenden Erlösers steht. Bemerkenswerth sind liier
auch die antikisircnden „vittae- oder Opl'erwollbänder
und der mit Blumen bestreute Hintergrund -9. IjJ Über-
gabe der Schlüssel, des Kreuzes und des Buches ; wo
Schlüssel und Buch eingehändigt werden , gehen er-
stere a.i Petrus , letzteres an Paulus. Die Ülun-gabe
der Schlüssel konnnt bereits an sehr alten Denkmälern
vor , namentlich als Fortsetzung der Verläugnung Pe-
ter's, an jenem Sarkophage, in welchem später Gre-
gor XV. beigesetzt wurde. Die Übergabe der Schlüssel
ist auch an nielireren altchristlichen, in Frankreich ge-
fundenen Särgen dargestellt (Ann. XXIV, S. 270).
rj Daniel zwischen den Apostelfürsten, als Vorbild
Christi. (I) Die h. Jungfrau zwischen ihnen. Jlanch-
mal mit Beischrift der Namen , so dass kein Zweifel
obwalten kann; die Jungfrau gcwöliiilich mit aufgeho-
benen lländi'n betend, ja es halten zuweilen die Apo-
stel ihre Arme aufrecht, wie Aaron und Hur die Hände
Müsis hielten, c) Die Apostelfürsten als Zeugen der
Transliguration und bei Gelegenheit der jVusgiessnng
des h. (ieistes, olisclion historisch gciiommen, Paulus in
keiner dieser Scenen gegenwärtig war. /') Die .Apostel-
fürsten als Grundlage, Träger, Säulen der Kirche;
hierher bezüglich citirt Grimou.ird Beispiele, in denen
sie vereint einlvirclienmodell erheben. In der Biiiel von
St. Johannes von Evert'ux tragen sie in einer Sänfte das
Evaiigcliiiiii, ülicr ihnen ersclieiiit Clirislns, unter iliiicn
zu Boden geworfene Ileidcn
lil der inscliritt
■s II
aiiges cherubins".
Im IV..\rlikcl werden die historischen Erscheiniin-
gen anfge/.äliit (S. 2.'!S — 247): a} Pclriis ids Fischer;
was auch syiiibolisch gedeutet werdi'ii kann, nämlich
l'ctiiis als Seelenfischer , iler Kahn als 'l'yiius der Kir-
che. /// Die Verläugnung iiinl Uiiie; liier gibt (!rimou;ird
" (Jrimnunrd limlet liier clas M..iiv der Slelluni? Pnul's ?.iir Ueclitrn il.irln,
dass der lleli.ind mit der Hcclitpii segnend, nothwi ndigerwelse das l5ilcli mit
tlcT Linken dem heil. Petrus elnhändlKen mu^s. Oie iintikislroiiden „vittae"
nennt Grimouard tJuirlandon: „les gulrlandc» Jctc'es autour d' eux cn lour
honneur**.
71
aucli die Geg-enwart des Halmes zu. Dass diese . dem
Apostel iiielit zur besuuderen Klire fi-ereiclieiide .Seeiie
so frühe (^scliou iin IV. Jaliiliuiulert) und so liiiutii;- vor-
kommt, lässt sieh daraus erklären, dass die alten Chri-
sten diesen Fall als besonderes Zeugniss des Sünden- *
crlasses betrachteten *". Die Krscheinunic des Apostels
in diesen Scenen steht meist im t_vi)oio<;isciien Zusam-
menhange mit der (Tefangenneiimung und der NOrliiii-
rung Ciiristi vor den bändewaschendeu Pilatus.
.Schliesslich spricht Grimouard im VII. Art. (S. 265
bis 271) über Petrus als neuen Jloses. Dies ist ein Ver-
stoss; denn, wenn irgendwo, erscheint hier Peter in sym-
bolisch-typologiseher l)eziehuug-, und (Triuiouard setzt
diese Erscheinung wahrscheinlich blos deshalb unter die
historischen, weil sie als Schlussscene , auf die Keue
•folgend, dargestellt wird.
■■~P^^-~
Abgesehen von den wunderbar alten Bildnissen
der Ägypter , mit welchen uns die Pariser AVeltausstel-
lung vom Jahre 1867 bekannt machte, die aber später,
eben ihres hohen Alters wegen, in Vergessenheit gerie-
then und auf die spätere Kunst gar keinen Eintluss übten,
abgesehen von diesen lief die Entwicklung des Porträts
drei Stadien durch.
Auf der ersten Stufe vernuig der Künstler' noch
nicht die wesentliche Gestaltung des 15il(lnisses aufzu
fassen , sondern hält sich an leicht und aufdringlich in
die Augen springende Zufälligkeiten, als: die Art und
Weise des Haarwurfs und dessen Anordnung. Hierher
gehört auch das Borgen der Hellenen von den Thier-
physiognomien, welches Winkelmann so scharfsin-
nig dargestellt: für Jupiter die Mähne des Löwen, für
Herakles die Entlehnung der Stierformen und Ver-
schmelzung derselben mit den menschlichen. In dieser
Epoche ist das Porträt noch unentwickelt und erscheint
eher als Typus, denn als Wiedergabe des Individuel-
len; in ihr bediente man sich noch nicht des lebendigen
Modells, man copirte dasselbe noch nicht. Die Gesich-
ter der Agineten in München liefern hiefür den klaren
Beweis; in denSculpturen des Parthenons erscheint der
Typus sehr veredelt, doch fehlen auch hier noch die
individuellen Züge, wie -dies überhaupt im .VUgemeinen
l)is auf Alexander der Fall ist.
Auf der zweiten Stufe bedient sich der Künstler
des individuellen Modells und sucht dieses wiederzu-
geben, entweder mechanisch, indem er des Lebenden
oder Todten Angesicht abformt , was besonders die
Etrurier thaten , oder künstlerisch , indem er das le-
bende Modell in seinen Hauptformen, besonders in den
über dein eigentlichen Knochengerüste liegenden Weicli-
tlieilen , jedoch in ihrer ganz ruhigen Haltung , nach
bildet. Diese Methode wendeten die Griechen nach
Alexander und die Kömer, in ihrer liesten Zeit, au. Wir
finden in dieser Epoche bereits wirkliche Porträts, be-
sonders in der Zeit Trajan's , doch erreichte die Bild-
nissknust auch jetzt noch nicht die höchste Stufe ihrer
*'' Le Sauvetn- qui prt'dit la faute et.t celui qui . par la vertue de son
Äacrifice. expie toufe faute; 1' apötre ä qui eile est predite receuillera tous le^
fruits de ce sacrifice , U s'y associera autant qu'il 8era ä lui l>ar ses larmes
et par sou sang. C" est lui priacipalement qui sera chargt' , apres sa convcr-
siou, de coulirmer les autres daus la foi avec uue souveraine autorite, et de
leur dispenser les fruits surabondauts du sacrifice reparateur. Cliose admi-
rable, c'cst im pecheur qui couvie tous les pechcurs ä veiiir puiser avec lui
et par son miuistere a la source de toute griice, de toute rt'paratiou, de toute
btoitude (p. 243).
Fi.U. U.
Entfaltung , da ja selbst die besten römischen Portiäts
nicht frei sind von einer gewissen steifen Feierlichkeit;
mau sieht ihnen gleichsam einen officiellen Charakter
der römischen Natiinialität an, als ob man überall mit
Welteroberern zu thun hätte.
Die höchste Stufe der Entwicklung wird erst in
der christlichen Kunst betreten, und zwar hauptsäch-
lich durch die Malerei , da sich nun der Küustler nicht
mehr mit der Eeproduction der äusseren Form begnügt,
sondern auch die Wiedergabe des nmralischen Charak-
ters seines indi\iduellen Urliildes anstrebt. Der Künst-
ler greift hier in die unendliche Mannigfaltigkeit der
Natur, des Lebens, er hat fürder keine Quelle, er hat
das Weltmeer zur Basis seiner Thätigkeit. Zur höch-
sten Vollendung des Bildnisses gehört nun auch der
Ausdruck der alltäglichen Leidenschaft des abgebilde-
ten Individuums, und in den aus Porträten zusammen-
gesetzten historischen Compositioueu der momentane
Artect, wie diesen die Gesammthcit der dargestellten
Handlungen fordert, was alles nur dann vtdlends erreicht
werden kann, wenn sich zur Form auch noch die beleuch-
tende Farbe gesellt, und eben deshalb konnte die höch-
ste Stufe der Bildnisskunst erst in der Fresco- und Öl-
malerei betreten werden. (Fig. 11.)
Betrachten wir nun die augeführten Bildnisse
St. Peters und St. Pauls von diesem Standpunkte der
logischen Unterscheidung, so müssen wir zugestehen,
dass es unter denselben wenige gibt , die man auf die
zweite Stufe zu stellen berechtigt ist, nämlich auf jene
der feierlich kalten Formenähnlichkeit ; der bei weitem
grösste Theil gehört den typischen Bildnissen an, wo
der Haarwurf und das ohngefähr angegeliene Lebens-
alter die Hauptrolle spieleu, wie auch in der That Buo-
narroti, Polidori, Garruci, Kossi und Grimouard de St.
Laurent das Hauptgewicht auf diese Momente, ja zu-
meist blos auf ersteres legen.
Auf der zweiten Stufe der Entwicklung stehen vor-
züglich die Erzreliefköpfe Fig. 8 und 9, in mehrfacher
Beziehung auch der Kopf der Erzstatue in der Peters-
kirche und einigermassen auch der Kopf Fig. lÜ. ob-
schon letzterer bereits die Sjjuren des Kunstverfalles an
sich trägt. In.sofern die in den eben angeführten Bei-
.spielen dreimal vorkommenden Peterköpfe einander
ähnlich sind , dürfen wir aussjjrechen , dass sie nach
einem und demselben Modelle gefertigt wurden, wel-
ches wieder möglicherweise ein Bildniss nach dem
le'jenden Iiulividuum war; doch können wir kaum ge-
neigt sein , diesem l'mstande ein so grosses Gewicht
- 72
beizulegen, ;iUliossi tliut. indem er ausspricht, dass
diese Bildnisse genügeu , um für den Auientlialt und
das Märtyrertlium beider Apostel in Eoni unwiderleg-
liche Zeugenschaft zu geben *'. Jedoch sind die beiden
Köiife Fig. >i und 'J würdig, den Künstlern auch heute
noch zum Vorbilde zu dienen, und diese abzuhalten,
dem Apostel Petrus fortwälircnd die conventioneile
flanimenförmige Locke auf die kahle Stirne zu setzen.
Nicht umgangen kann indessen auch das noch werden,
dass die Auflassung der beiden Köpfe in selir hohem
Grade mit jener der im Alterthume so häutigen so-
genannten Philosophenköpfe übereinstinant , und dass,
wenn erstere gewöhnlich als Dopjjclköpfe mit den Hin-
terhäuptern aneinanilergescldossen vi irkommen, die Tren-
nung und (Tcgenstellung hier doch niclit als perempto-
risch christliches ^loment zu betrachten wäre.
Wenn , mit Ausnahme unserer vier Bildnisse , die
übrigen, besonders jene der Glastassen, blos als Por-
träte der ersten Stufe betrachtet werden können, wird
es nöthig , hier wieder den scharfen TJuterscIiied zu
machen, demgemäss die helleniselien Bildnisse der er-
sten Stufe einer Epoche des Aufsteigens oder Ringens
nach EntAvicklung der jugendlichen Kunst angehören,
während l)ei den Porträts der altchristlichen Zeit die
liunzeln des Verfalles gar deutlich sichtbar werden,
i'lirigens ist in Bezug auf die Glastassen niclit zu ver-
gessen, dass wir es hier nicht mit wahrhaften Künst-
lern, sondern blos mit Handwerkern zu thun haben,
und dass aucli die schwierige Teciinik liier Hindernisse
in Menge erzeugte.
Wenden wir uns nun zur Darstellung der Apostel
Peter und Paul in der Kanmier zu Fünfkirchen: wird
die höchst bedeutende Ähnlichkeit zwischen dieser und
jener der Glastasse Fig. 1:^ in die Augen springen. In
beiden stehen die Apostel unter dem ('(oistantinisclien
Monogrannn , nur dass in Fünfkirclien die unterhalb
befindliche Spiraculuniötlhung nicht erlaubte, einen Säu-
lenschaft unter dasselbe zu setzen. Auf der Tasse sind
die Ajjostel in einer ruhigeren Stellung , und deuten
blos mit einer massigen Handeriiebung das fiespräcli
zwischen sich an , während in Fünfkirchen die weit
ausgestreckte Rechte Beider auf das triumphirende
Monogramm hinweist, indem die Linke, nacii .intiker
Art, vom Oberkieide bedeckt bleibt. Die ückleidung
besteht aus zwei Stiickcii : dem initeren , der Tunica,
und dem oberen, dem Pallium; auf beiden zeigt sich
ein farbiges Band (ob gewirkt oder gemalt?), wie die-
ses, als latus ciiivus, zumal in der constantinischen Zeit
so häufig vorkdinnit. Obsriion die Farben sflir verblasst
sind, scheint es doch, als oi» ursprünglich des einen
Apostels Tunica gelb , der Mantel weiss , umgekehrt
des anderen Tunica weiss und der Mantel gelb gewesen
wäre. Der Name eines jeden lässf sich blos aus dem
Kopfe erratln-n. Der rechts Stehende ist kahl oder
dofh schwach behaart. Dieser Umsland weist, (U-r'i'ra-
(lition gemäss, auf St. Paulus, doch ist sein Bart rund
^> Non per ci6 ö iodogno f*flscro nofato, do müntro du un cantn tceti-
moniaiize Inconcusto o Ia voct; dl luila antlchltri cü nnunclarono o Plotro o
Paolo ci9cro mortl In Itoma; dall' altro i moniimenil romanl ci danno a con>
tomplare in efflgle viracl o veiuallsKiml ! vciicrablli rolM dcl rorlfcl dol ol-
login a[io.«tollco. E bcneird a strotto vlt;oro dl r«niiliii la cblosa i-omana >o-
irobbr- avcro f|tielle cfTluie, Ronza che ambcdiio gll npostoU ]' avuAscro fendala
e le avcasero lanclato Tercdltä dol loro Hanguo , piin.- ö innr.>f;at>lli- , che la
Btoria dcllrt v(>riTita a Roma dl ((iifl due somml liandltori dt-l vaiigolo ermo.
ntzza a maravlglla rol (rovnro iiol dopo s{ liirigo cor»o dl pucoll In Koma
medcsima dcl loro rilralll copl«- anticliisslfnc, che co II dlplngono al vivo,
Qnestr- belle armonio dcla »torla scrltla con I montimcnt] non sono ofTetto
dil caso, ma pegnl dclla verliA dcll' una e dcgll altrl. (liull. IK(]\ p. 86.)
und kurz, was wieder nicht paulinisch wäre. Den all-
fälligen Zweifel löst jedoch des links Stehenden kurzes,
dichtes und krauses Haar und rundlicher, kurzer, krau-
ser Bart , welche den Apostel Petrus kennzeichnen.
Dass er keinen Sclniurbart hat (s. T. II, der Kojif im
grösseren Massstalie) gibt ihm ein etwas modernes An-
sehen; übrigens ist der Apostel hier im jugendlichen
Alter, also symbolisch dargestellt, während Paulus das
gehörige historische Alter hat. Der untere Theil der
Figuren ist nicht erhalten, daher wissen wir nicht, ob
sie mit blossen Füssen oder mit Sandalen dargestellt
waren. Übrigens sind die blossen Füsse der Apostel,
als symbolische Merkmale, mei.st erst dem Mittelalter
geläutig.
Über den Figuren und um dieselben sind rotlie
Bänder aufgeliängt , von denen wieder grüne Bänder
herabhängen; es sind dies die sogenannten vittae der
Alten. Unter den antiken Denkmälern sind es die ge-
malten Thonvasen , und hier wieder jene des bacclii-
schcn Kreises, wo die vittae am häutigsten vorkommen.
Ferner sehen wir die Gpfertliiere mit denselben ge-
schmückt; z. B. wiederholt in den „Suovetaurilien" der
Trajanssäule, wie überhaujit alles, was den Charakter
des Geweihten, des' Geheiligten trug, gewöhnlich mit
diesen Bändern geziert wurde ; niclit nur der Altar
und ^er in die ^lysterien Einzuweihende, sondern sogar
der dem Orcus geweihte und zum Riclitplatz geführte
Verurtheilte. AVir lesen in VirgiPs Eccl.VIlI, folgenden
(64.) Vers :
Eft'er aipiaiii, et molli cinge liaec altaria vifta.
Weich wird das Band deshalb genannt , weil es
aus ungesponnener Wolle verfertigt wurde. Tacitus er-
zählt Hist. IV, r)3, die Ceremonicn bei dem Wiederauf-
bau des capitolinischen Temi)els , wobei Folgendes
vorkommt: llanispices nionuerc, ut relifpiiae prioris de-
lubri in paludes aveherentur, teniplum iisdem vestigiis
sisteretur, noile deos niutari veterem formam. Undecima
kalendas Julias, serena luce, spatium omne quod tein-
plo dicabatur, einctum vittis coronisipie. lud weiter:
Tum Ilelvidius i'riscus jiraetor, praeeunte l'lauto Eliano
liontifice vittas ([uis (quibus) ligatus lapis iniiexicjue
funes erant contigit. Hier sieht man, wie diese Bänder
den Umfang des Tempels, oder vielmehr des ganzen
Tenienos bestinimten, umf'assteii.
Wir dürfen demnach beliauittt'ii , dass in unsere
Kammer eine antike priesterliclie Verzierung übertra-
gen wurde, wohin auch noch die auf den Grund ge-
streuten IJIumen gehören. Wir sehen dasselbe auf dem
bereits früher angeführten Wandliilde , wi'IcIk's Gri-
inouard dem Gömeteriiim Marct'lliiis und l'efer's zur
Illustration seines fünffen Artikels entnommen, und falls
dies Gemälde dem V. Jalii-hundert angehört, hat sich
die iierübeniahme aus der antiken Welt noch ein Jaiir-
hundeif länger in Bom erhallen, als in Pannonien.
Das Co II st a 11 1 i n i sc h e M oii ogi a min und die
F, poclic des Krsc hei n e 11 s und d i i' Formen des
K reu zes. (Fig. 12.i
Liier diesen GegiMistand hat Bossi ausführlich in
einem an Cardinal Pitra gerichteten Brief im J. IXbl
geschrieben (s. Spicilegium Solesmense, IV. Hd. S. nOf)
bis .').'] 7). Bossi, sagt man, habe hierüber eine ganze
73
Fig. 12.
Bibliothek *-•, nachdem jedoch Rossi nicht nur diese
Bibliothek benützt , sondern auch den grössten Tlieil
der vorkommenden Beispiele in den Originalen studirt,
glaube ich unserem Zwecke zu genügen , indem ich
Rossi allein als Gewährsmann und Zeugen annehme,
und das Resultat seiner Studien so kurz als möglich an-
führe.
Hat nun der Heiland zu seiner Bezeichnung zwei
verschiedene .symbolische Zeichen, oder blos eines, je-
doch dieses von verschiedener Form gehabt? Auf den
Denkmälern ist die Form verschieden; zuweilen kann
mau an der des Kreuzes nicht zweifeln, vorzüglich in
diesen T, t, + einfachen Gestalten nicht (obschon die
letzte , die byzantinische , blos ein eingebildetes und
kein wahres zur Anheftung an dasselbe dienendes Kreuz
darstellt); gewöhnlich aber ist die Form so versteckt,
dass es einer Erklärung desselben bedarf; derlei ver-
steckte Kreuze sind die folgenden : X , ^P? 4^' ""^i '^er
Ägypter Lebenszeichen 9 ? ^^^^ ansata, gar nicht zu
gedenken. Die Römer und Juden bedienten sich des
X Kreuzes nicht zum Anheften daran , dennoch sagen
Isidorus und Hieronymus , dass in diesem Anfangs-
buchstaben des Namens Christi das Kreuz enthalten
sei : „figuram crucis inessc' ; dies ist daher auch in dem
Cönstantinischen, aus den Buchstaben X und P beste-
henden Monogramme der Fall, weshall) Prndeutius mit
Recht sagt: CHRISTVS purpureum gemmanti textus in
auro-signabat labarum, clypeorum insignia CHRISTVS-
SCIPSERAT, ardebat summis CRVX addita cristis.
So sagt auch Paulinus, man müsse im X-Buchstaben
das Kreuz offenbar erkennen. Über die zweite mysti-
sche Form des Kreuzes sagt Rossi blos, dass sich
desselben häufig auch die römische Heidenwelt be-
diente. — Sie brauchte dieselbe besonders als Fries-
verzierung, als eine Art des Mäanders, die Christen
*- Quorum (commentatorum) tanta copia est, ut eorura scripta non me-
diocrem efficiant bibliothecam, quam Zannonius recensuit (multo acutior ceusus
nunc confici posset); opinionum vero et sententiarum tanta varietas et pugna,
ut quoties eam litem severe aestimare et controversiae rationes ac causas
mecum ipse reputare pergo , ad capiendum consilium rix mihi videor animo
competere. Noch früher, d. h. 1855, schreibt Ro s s i an Pitra{Spicil. III. S. 552) ;
Quidquid plurimi iique doctissimi viri, hac de re scripserint, ego certe nullum
adhuc reperire potui cliristianum monumentum , quod vel mediocri fide mihi
se probaverit, quodque monogr.imma f ante Constantinum incisum a christia-
nis pictumve fuisse indubie demonstraverit. Attameu non i.s ego sum , qui
huju.scemodi monogramma ante id tempus tcI nondum a christianis escogi-
tatum, \el ue eorum mouumentis uec semcl incideretur lege aut more cautum
putem fuisse . . . hoc unice statuo, quod monumeuta ipsa aperte me docuerint,
ejus monogrammatis usum secundo et iueunte tertio Ecclesiae saeculo , ved
nullum plane fuisse, Tel certe rarissimum.
XVIII.
nannten sie jedoch Tctragramma, d. li. aus vier 1' zu-
sammengesetzt , und wollten durch diese Figur die
Dreieinigkeit bezeichnen *3. Das mit dem Anker ver-
bundene Geheimkreuz übergeht Rossi an dieser
Stelle.
Das T förmige Kreuz nannten die Lateiner „crux
eommissa", das lateinische „immissa^*, das byzantini-
sche .,quadrata'% und Rossi glaubt, dass sie beider
Bezeichnung mit dem Kreuze sich vorzüglich der l>ei-
den letzteren bedient haben. Wenn wir die Denkmäler,
aufweichen das Kreuz vorkommt, kritisch betrachten,
werden wir keines älter als das V. Jahrhundert tinden;
das älteste Tförmige Kreuz kommt auf einem durch
das Jahr 370 bezeichneten Denkmal vor. Rossi ist
nicht geneigt , von diesen verhältnissmässig späten
Daten abzustehen, doch entschuldigt er Bosio und
Boldet^i, wenn sie weit ältere Kreuze der Cömete-
rien anführen. Der Irrthum ist dem Umstände zuzu-
schreiben, dass man Kreuze in späterer Zeit auf Steine
und in den Wandmortel ritzte, und dass die beiden For-
scher diese Kreuze nicht von solchen unterschieden, die
mit der Bestattung gleichzeitig waren *\
^5 Bournouf (Kev. d. deux mondes lö auot 1868 p. 874) nennt das Tetra-
gramma, welches Ros^i (Bull. 2868- 1. S8. s. R.) Krcuzganima htisst, „croce
ganiinata", und leitet es von Indien her: „se retrouve dans les livres des Indiens
et dis Perses av^c le müme sens ra^taphysique" : d. h. als Zeichen der GlÜck-
selitrkeit, des Segens oder des guten Glücks. Die Bralimanen und Buddhi-
sten nennen es „STasiika". Kossi geht dagegen nic}ir so weit; da ja diese
Figur häufig genug bei den Hellenen, Körnern und Etruskern vorkömmt. Die
Christen konnten sich desselben als versteckende Figur um so leichter bedie-
nen , da dieselbe dem Phönizischeu J^ ähnlich ist. Das Kreuzgramma tritt
selten auf, iiisolange mau den Anker als Kreuzzeichen betrachtete , es kam
deilialb erst in der zweiten HJilfte des HI. Jahriiunderts mehr in Gebrauch.
In gleicher Weise spricht sich Uossi in der K. sott. II. SlS** und im Spicil. III.
-Ii8 .iDe nominibus Christi" aus ; Xonum (nomen est) Tetragammaton, i.e. quatuor
litterarum, quod Anaphoneton i. e. Ineffabile putaverunt. Et his litteris scri-
bitur Jod. He, Vau, Kht. Interpretatur Jod = principium, He = passio, Vau =
vit;i, Eht principium passionis vitae.
* De uuda paiibuli forma T paucis verbis transigam. Hanc (merum sci-
licet patibulum. quoties enim anchorae vel nionogrammati iunectitur, cum dis-
timulaiae erucis formis censetur) , haue inquam ego in coemeterüs ipsis nun-
quam vidi, in epitaphüs inde extractis semel tantum , eamque monogramraati
constaiitiniano proxime appictum. Bosius quoque aut semel aut raro vidit
niuäivo opere in Cyriacae tantum coemeterio expressam; eandem quam Bosius,
opinor, et Boldettus. — Num si caetera veterum Ciiristianorura monumenta
recensere pergam et examinare, eandem in c>nini ante saeculum circiter quin-
tum fabrefacto opere merae crucis raricatem facile demonstrarem. Antiquissima
fere hujus exempla sunt; sigilla M. Instaei Aemiliani — Nuda crucis imago
in sigillis inde a saeculo ferme quarto coepit adhiberi. Vide Sig. apud Passeri
Gem. astrif. t. III. p. 239 n. liöU, quod a nemiui intellectum sie, pro summa
qua erat in his litteris sa^acitate , interpretatus est Marinius (Iscr. flgul. ms.
Vat.p. -i-iS): Instei Tertulli U. C. et Statiliae Aemiliae C. J. De Insteiis dis-
seruerunt idem Marinius (Arv. p. 65G), Labusius (Epigr. aniica scoperta in
Padova 1819 p. 15j et Fea (Frammenti dei fa&ti consolari p. 63); de hoc vero
Marco, Insteo Tertullo V. C. nee verbum quideni. Illum ipsum esse qui urbi
praefuit anno 360 suspicatus saepe sum: sed multa huic conjecturae adver-
santur, de quibus non est hie diccndi locus. Caeterum ante saeculum quintum
vixisse , vetus nominum ratio satis indieat {Spicil. HI. 556 in Rossi's Artikel
„De Christ, monum. IXO'J'N eshibeutibus) ; et cujusdam Joannis (vid. Ficorini,
Gemmae t. XI, 4) et graphium argenteum olim Romae apud Capraneum his
inscrjptis litteris:
t RVMVLA
VIVAS IN DEO
SEMPER
quae quarto exeunte vel quinto ineunte saeculo facta esse judico. Patibuli
vero T pauca, licet multo antiquiora, videntur monumenta superesse; gemma
scilieet a P. Raphaele Garruccio V. C. nuper explicata, aliaeque duae tresve
annulorum item gemmae, quas in schedis meis descriptas habeo ; quamquam
in hoc genere fallaciaa multas me vidisse et neque ipsis saiis meis oculis
fidere jam olim monui , et nunc itcrum moneo; neque enim increduUtatis me
unquam meae, sed credulitatis , quamquam suspicionis adeo sum, jam plus
aem<'l poenituit. — Nunc quoniam meram et propriam crucis imaginem anti-
quiori aetate et ante saeculum omnino quintum in monumeutis vix raro apparere
demonstravi (das Wort „vix** scheint nicht hieher gehörig), qua via. quo gressu
eo demum perventum fuerit, ut salutare Signum, quod in sacrorum ritibus et
omni vitae actu veteres Christiani lantopere- colebant, absque Ulla passim
dissimulatioue publice proposuerint accurate quaerendum.
Im Verlaufe spricht Rossi seinen Zweifel über den vorconstantinischen
Gebrauch des Monogrammes aus: Nam quae fieri solent ejus monogrammatis
antiquissima monumenta alia falsa sunt, alia corrupta, alia demum multo recen-
xioris aeTi, quam visuni nonnullis fuerit. Vno verbo in antiquioribus Constan-
liuo M. Christianis titulis, quorum aetas per consulum nomina designatur,
unicum , quod semel apparet sive monogrammatis Christi, sive dissimulatae
crucis Schema, illud est quod litteris IX hac specie f connexis constat.
Rossi citirt hierauf das Vorkommen von £ auf verschiedenen Grab-
schriften ^er Jahre 331, 336, 338, 339, 341, 313, 3-14, 346 und 347, in welchen
dieses Zeichen alltäglich gebraucht wurde: nee juvat ulterius pergere, hac
enim aetate vulgare ac plane solenne hujuscemodi Signum fuisse vel ignaris-
simi sciunt. Vom Jahre 355 kommen die Buchstaben A und Q hinzu, 347 -wird
das Kreuz schon verdoppelt f , 355 das X weggelassen ff. Anfangs des V. Jahr
10
74 —
Auch auf den Miin/.ii " .>ii-tautin"s erseheint das
]\[ünoi;Tannii, besomii-is aiii' d.T Fahne ,Jabarum", uud
zwar walirsclieinlich umiIi niiluM- als auf den Grabdeuk-
mälern, und sag-t am-li lii'- l.i-,--.-nde, dass es Constan-
tin in der Scldacht mit M:(\.iitiii- am Himmel erblickte.
Daher stammen dann .iinh lol-.ijde Inschriften: ..in
hoc sig'uo semper -iinci-.«- iiimI kür/er ,.in hoc signo",
welclie wir auch auf» iialisc-lirifti-n. besonders jenen von
Karthago lesen (vgl. KüssIs Aufsatz „de titulis chri-
stianis carthagincnsibiis- am Anfang") : Reliqua saeculi
quarti (d. h. \'on oJ 1 am :n'i;ii.- aumogrannna constan-
tinianum lalaire prai-s.-iiim in>rii|)tnm in numniis pas-
.sim conspicitur; net|iii- a umlai- ci-ucis imagine sei)ara-
tur, et quasi h)CO pfllinir. iii>i saeculo demum quinto,
quo scilicet tcmpon' iiairm ,iii> signi vicem et in aliis
omne genus monii mi- . •ili>iTvavimus. Ipse ergo
Christi signo notati iinnmii nun seeus ac lapides nobis
testantur vertente -ai'i-nlo ■|iiarti> a solenniori mono-
grammatis forma a>i mi'la.- cnicis inniginem ventum
esse; (luannuiam liaii- m.iiiiiiiis in iiummis, quam in re-
liquis Italiae saltcni • ialliajiiiiiqiic monumentis videtur
ai)paruissc.
Kossi fand in .b-a äli. ri-a ans dem III. Jahrhun-
dert und früheren Zi'iiin st.iinmiiiden Kannnern keine
Sl)ur weder des (Vni-ianiirii^ilM'ii nodides Kreuz-Mono-
grammes , ..crnx n -i-.iMUMaiiia-- 4? ; doch kommen
hie und da vor: (la> Tftra-iaiiiiiia , der Ijuchstabe X,
der zuweilen von cim-m idTprmliinlären Striche durch-
schnitten wird, und ib-r Ank.r. iiiid zwar in den der
l'apstkammer benaclHiaiii II A,-- ('alixtus'schen Cöme-
teriiuiis. Jenem der Dmniiilla immI lies Praetextatus. Im
Gegentheile winnm
■ li'- Kainnirrii aus der Zeit C'on-
.stantin's von jenem ■!•■-' "nstantin . bei weitem weni-
ger aber des Kreuziia'miL:r:ninMS '*■■■.
Und weshalb iM-.ii.nt'u -irh die Christen in den
ersten drei Jaiiriiumi.-iirii nirln des ciid'acben Kreuzes?
Weil es grtabriirl] war. >ii-b zu vrrrathen ; weil, wäh-
rend die Krcuziguii.u' ri."|i ;il> Tiidesstrafe angewandt
wurde, der Anblick di> Ki' n/i > ein abstossender war,
und sie ohnehin von diai ]|>idiii die Spottnamen ,.cru-
eicola- und ,,cruci> nli-i.isi- zu luiren hatten. Di'shalb
auch wählte (konstant in zu -i-inmi Zeichen aucii nicht
die „crux nuda'-, s b-in ila> Mcm.igrannn *".
Rossi erklärt d^n 1 b. rgang vom Constantini-
sclicn MonograniMi znm Kn'nzM.inogramni folgend:
Constantin niachti- di.- cliri^ilirlii' Kirche triunq)inren
buudcris koiiiml der Gcbrancli '[et i-liifaclieii Kreuzes auf, d. li. des latelnl.
sehen und by/,antlnlichon : ..rrux hniitjsita ef •iliadrata'^ In romanl» monumeutis
]iost anniim l't^f iiionogFSminartp <:ttrUiI vU iilU extftnt cxcmpla; crucis vcro
i/ In 'dit-s rarlorn. Auch wt-rdcri die .M"n>.^riiiiiiin.' im (►ccidente Immer seltener.
Cactcrum ut4-umr|U6 dlspar fn« rit pr» rri:l<inuiii di»parilate celerltn^, qtin varlac
sign! Christi forniae rihllteritu*' psullatlm Ciifriini, et allae In nliarum locuui
sulistitutae , )ias tarnen Bat-ciill. »inirri. i-i i|iilnr'> in ctiri.'.ilann ccclc^la ejus
»ignl vices , hanc hlMurlam misse, ut ab solemniori monograiniiiatis , usu ad
nudae rruris passim propouenils« con:>Ilinni vciilum demum fucrit, rjuae reccn*
sul monumcnta lirmissimo pernnsdenl, allai|ne paijno innumera, quorufn licet
incertus annus sit, aotas tanifii phtrlhii» Indlrlis dignoscl faclle potosl , aporte
conti rmanf.
^ In rccciiti pleruni'iu*- dri-n {..nn-i^ esleo liaec inonogrammata sunt
xarata , scd et ninini'>rt-is unili.. »ppli-la, in ')tiibn» iltn rjuno buprn scriptam
spcciem cxliihenl plane rul)Sar)a , psiih» minus iisitnta quae littoras quorjue Au}
applctns prftcserorunt; muU<> tU-miim rarl'ira , quao crucem exprimunt mono-
yrammaticam, alque hicc in i.'lriaeac jirne rfli-rls coomoterio consplcua; In
i|Uo maxhni- un<> niulla sepnlrrfii-nru Ini'iinlls snerull vestlgla nie dcprehondlSHO
Jam slgnirica\i.
*^ (.'onslantlnus Ipse Aii^ii»iii> mrlflilanam legem publice professus
Christi Signum, quod rooliin» 9lt>i u^ienixtiii »nirmavlt labaro I. e. Diltllari
signo Iniixo -. sAl Ipsarn crucem , rui »londiitn vsl lidcllum oculi satls ndsue*
voran!, pendente velo quasi relal'si, •-rnrl* ver<> dissiniutetatn In Christi noinen
dcsignantibus litterls Imaglnem .«iiIiliMiPM« erexit. Cujus Imnglnb slvo monn-
gramnintls Ip^an) et proprlani f'iriiiain veiere> qiildeui paruTn persplcue et nccu-
ratr ^l^nlflcant; qtiare uiagn • hac de re reeentlorum amblijultan est; verum
rnxnnmenia, «luae dillgenter .f irtMuimiis . quaeque cum Ipsr> labarl schemato
In Constlnl et Itllorum ejus nuntnili* loiies nbvi» mire consenliunt, dubltaro Jain,
in fallor, mlnimc slnunt, baito y e..nrtisntiiilatii vere labar| noiam fulsse.
und verbot die Kreuzigung , hiedurch fiel die Furcht,
der Spott und der Absehen weg, wozu noch ein positi-
ver Grund trat , nämlich die Auffindung des Kreuzes
des Erlösers, endlich wirkte auch die Antipathie gegen
die Arianer und die aus dieser entstandenen Feind-
seligkeiten. So kam es, dass mau das einfache Kreuz
dem Constantinischen iMonogramme vorzog, weil jenes
dem wahren Kreuze näher stand , und dass man den
Arianen) zum Trotze noch die Buchstaben Aw iiinzu-
setzte.
Dies war Rossi's Ansicht, als er 18.07 seinen
Brief an Pitra schrieb. Sehen wir nun, ob sich seine
Ansicht seither nicht änderte? Sehen wir zu diesem Be-
hufe in seinen späteren Schriften nach.
18()3 fand man unter dem Pflaster von S. Lorenzo
einen Grabstein mit folgender Inschrift : Dulcissimo
filio Florentino qui vixit aunos XXIII , menses VII.
dies XXVI, deposito idibus septembris Severo et Rufino
consnlibns. Fecerunt parentes in pace. Monogrannn des
Constantinus. Die i)eiden Genannten waren im ,1. .'>i'o
Consuln, demnach wäre diese Gral)sclirift um 8 Jahre
älter, als die friUier als älteste bekannte von 331 (BnW.
1863, S. 22).
In demselben Bull. v. 18(53 (S. 3.^) u. 82) werden
zwei andere neu entdeckte Grabschriften ])ublieirt ;
beide setzt Rossi in das III. Jahrhundert und auf bei-
den kommt das Zeichen y vor.
IRETXE A^^POAICIC
i
,.In (lue epigratfi e segnato il y, ricordo miste-
rioso della croce, rarissimo ne' monumenti romani."
Wichtiger noch ist eine in Vienne oder genauer in
der Kirche von Sivaux eingemauerte Gral)schrift :
AETERXALIS
ET SER\ILIA
\'n'ATIS IN DEO.
welche Rossi nach einer Pliotogra]ihie publicirt (Bull.
1863, S. 47 u. 48). „Die Eiiilatdiheit des Ausrufes,
die Eleganz", sagt Rossi, „das Alter der Familie Ser-
vilia , der ganze archaische Charakter der Insciiritt
setzen sie gleich jenen Inschriften , welche ich den in
meiner E))igrai)hik (Prolog, c. V. et 5) entwickelten
Grundsätzen ,i;einäss liir aus der Zeit der \'erfolgnngen
stammende halle. Ist demnach die französisdie (ir.ab-
schriit vor-constantiiiischy Ist es so, dann hat das ihr
vorangesetzte grosse Zeichen eine ganz besondere Be-
deutung , und würde beweisen , dass dasselbe wenig-
.stens in (iallien bereits zur Zeit der \'erfolgungen , als
verstecktes Kri'itzzeichen in Ciebranch war. Ich .ant-
worte kurz auf diese gcwiciitigen Fragen. Klar ist es,
dass die Inschrift den Charakter der ältesten an sich
trage. Ist aber dies an sich schon genügend , sie vor
Constantin zu setzen? IlierlUier habe ich bereits in der
angefliiii'ti'n iMiileitniig (S. CXH) ges|)rochen. Es ist
iiiciit anziiiiehnien, dass der durch Constantin der Kir-
ciic gegebene Friede die E])igraphik mit einem Schlage
umgestaltet iiabc, jedenfalls niusste eine Ei)oche ein-
treten, welche wir die des l'berganges nennen dlirfen,
und in welcher die alten Formen nel)en den neuen ge-
Ijraucht wurden. Es scheint, als ob diesig Fbergaiigs-
Epoclie in Rom selbst von sehr kurzer Dauer gewesen.
75 —
von längerer aber ausserlralb Hoiii. In Frankreicli fin-
det man , besonders in den Museen von Vaison und
Aries, auf Gral)seliriiten des ältesten Styles das ('on-
stantinische Mimogranini. Ob nun diese der l'ber-
gangs-Epoelie oder den ersten Jahrhunderten angeliören,
ist blos dureli den minutiösesten Vergleich der von
einem und demselben Orte stammenden sowohl unter
einander, als auch mit anderen Deidonälern auszu-
machen. Es steht zu hotten , dass die Archäologen
Frankreichs , welche gegenwärtig- das Studium ihrer
christlichen Alterthümcr mit so vielem Eifer aufgenom-
men , diese wichtige Aufgalie lösen werden." — Die
Frage ist demnach noch nicht entschieden , und es
scheint blos so viel sicher, dass wenigstens in den von
Frankreich östlich gelegenen Ländern das Coustanti-
nische Monogramm nicht älter sei als 311.
Wo R o s s i über die von Tischend o r f entdeckte
und nach Berlin gebrachte sogenannte sinaitische Bibel
spricht , bemerkt er über die ältesten in Bibeln vor-
kommenden Monogramme (Bull. iSGo , S. 02 ff.) :
„Solche sehen wir nicht nur in der vaticanischeu Bibel
(die R. für älter als das \. Jahrhundert hält), sondern
auch in anderen ältesten Codices, z. B. in den berühm-
ten Evangeliarien von Vei-ona und Brcscia ; hier gibt
es neben zahlreichen Kreuzen auch das Oonstantiiusche
Monograunn und in Brescia auch das Kreuz-Mono-
gramm. Das letztere erinnere ich mich auch in anderen
aus dem VI. und VII. Jahrhunderte stammenden latei-
nischen kirchlichen Haudschriiten gesehen zu haben.
Doch scheint es, als ob man das Kreuz-Monogramm im
VIII. und IX. Jahrhundert selten oder gar nicht ge-
braucht habe , nicht in den Zeiten Karl's d. Gr. und
nicht in biblischen oder liturgischen Manuscripten. Die
vom Berge Sinai gebrachte Handschrift ist nicht jün-
ger, falls sie nicht noch älter ist, als die vaticanische^^,
und sowohl in dieser wie in jener von Cambridge
kommt Constantin's Monogramm nirgends vor. — Le-
tronne behauptet auch, dass dieses in Ägypten nie
vorkomme , das Kreuz-Monogramm dagegen vorherr-
sche.'' Au einem Orte erklärt Rossi diesen Umstand
aus der Ähnlichkeit des letzteren mit dem Lebenszei-
chen der alten Ägypter, der „crux ansata".
Im Bull, von 1804 (S. 28) publieirt Rossi eine
höchst merkwürdige Inschrift, die im heutigen Clier-
chel (dem alten Caesarea Mauritaniae), westlich davon
in einer Entfernung von beiläufig 500 Metres gefunden
wurde :
Aream at (ad) sepnlcra cultor Verl)i contulit
Et cellam struxit suis cunctis suni])tibus
Edesiae sanctae haue reliquit memoriam.
Salvete fratres, puro corde et simplici
Evelpius vos (salutat) satos sancto spiritu.
Eclesia fratrum hunc restituit titulum.
Den Sinn der hierauf folgenden Einzelbuchstaben
vermag Rossi niciit zu erklären. Mit kleineren Buch-
staben steht am Ende ,,ex ingenio Asteri'' ; diese
Phrase kommt sonst nicht vor, ist jedoch übereinstim-
mend mit jener Tertuliian's (Apolog. c. 39): ut quisque
de scripturis sanctis vcl de proprio ingenio potest, pro-
vocatur in medium Deo carere. Die Wichtigkeit der
Inschrift in Bezug auf unseren Gegenstand bilden die
*' JLiner darin vorkommenden Anmerkung nach wurde sie von Antoninus
im Kerker, mit Beihilfe seines Mitgefangenen Pamphilus , durchgesehen, der
(Letzterer) den Tod 300 ertitt.
in einem ()lzweigkranz si( li< i,«!« n IJuclistaljen Ao;, wie
auch ein hüpfender \ii-( I mii '•inoin I'aliuenzweig
ülier sich.
Im zweiten Band' m Iik r ..Roma sotterranea"
(ersch. 18()7) spricht I.c-m' r.inrs über Constantin's
Monogramm und die Z<ii >< iii< |- Ij-scheinung. Seite KJ?
und 1(')>^ handelt er ein«' i ;i;ibsclirift ab, auf welcher
dieses vorkommt, und iiirr Umiih «t sich nicht entschei-
den, ob es für vor-coiisi;iiiiiiii>c-li /n h:iltcn ihIct in die
Zeit dieses Kaisers zu sii/cn ~.i.
Seite 27()Und 277 i-iiiii '■:■ rjn .■indcresEpitaiihiiiin,
dessen alterthümlicher Si\ 1 v..r-,-,.ii>tiiiiti)ii.>ich ersclicint.
Dagegen spräche zw:ii- (l;i> MoiK.gnimm , falls man
nicht dui-ch einige Bi isj.i- ].■ \ri>iicht wäre, letzteres
als älter anzunehmen. .. jili -l.iiilic, es ist hier ein Un-
terschied zu machen, ><\< .i:i~ Zeichen als Abkür/.uu"-
im Texte, oder als SMiiboj Cur sich allein steht. Im
crstercn Falle ist es ncdi iiii/.niiis^igcr als im zweiten
das Alter der Inschrift blns 11:1.1, ,lem Monogramme zii
beurtheilen , da wir wi>>rii. (i;i.x man es in den welt-
lichen Inschriften in (l<-i- _\l,kiiiviing der Xanicn und
Worte, besonders bei d<ii .Miiii/.in gebrauchte; so finde
ich es angewendet statt .. I liniis et Christus- dder
statt „in Christo- an ciin r ;cii> (b^m Jahre 20!i >tam-
meuden Inschrift, wie anrh einer anderen in die
Gruppe der ältesten gi liiuig.n des Calixtus'schen Cö-
meteriums. In beiden i^i liir Christus oder Christus Je-
sus X geschrieben.-' Am Kiidr dieser Erörterung nimmt
Kossi die Ubergangs-K| in- /.m- Aushilfe.
Die angeführten und an.!, n- Beispiele bestimmen
Rossi (S. 322), sich jetzt "'niger entscideden zu äus-
sern, als er zehn Jahre fViih. r. in -<iiiem Briefe an Pitra
gethan*8.
Auch unsere ..;\Iitth(ibiii-eii-. Jahrg. 1863, S. 141
haben aus Rossi's epigra)diis.hcm Buche eine Grab-
schrift gebracht, deren ii|i|,„(ics Ende GAL.COSS.
u. s.w. vom Berichtersiait. I- folgend gelesen wurde:
„Fauste et (iallo consiilibns- . die beiden aber waren
208 zusammen Consuln. Am ibu, Eiiitliaphiimi ist das
Constantinische Monogr; /.u sehen, weshalb der
Berichterstatter sagt: ..dali.r ,li,- Meinung derjenigen,
welche dasselbe in die albr, i>i< 11 (V) Zeiten des Cbri-
stenthums hinaufrücken, iii.-ln mehr so sehaif abzuwei-
sen, wie es früher viele, iini.r ümen auch Rossi selber
gethan haben. -
Dass Rossi seine er.-tr M-inung später bedeutend
modificirte, haben wir eben -vs,hen; doch folgt hier-
aus nicht, dass wir in den <-nigegengesetzten Irrthum
fallen müssen, indem wir den ( iebraucl^des [Monogramms
in die „allererste Zeit des Clrristenthunis hinaufriicken";
denn , falls das fragliciie .M.in..gi-amm auch von 298
herstammen sollte, was denn doch nicht unwiderleg-
lich dargcthan erscheint, isi e, auch dann noch nicht
räthlich , so weit hinauf/iigreitcu , ja es wird selbst
dann der ältere als Constauiinischer Gebrauch innuer
noch als seltene Ausnahme . niclit aber als Regel er-
scheinen.
>• ,Questi faiti potrebbero bastare * yc rsuadere, che il si-gno P per lun-'o
.ta raris8,mo e appena messe in quäl, h.- piet.a piü come conTpendio di scrft-
'V.V.h! \r° """""°' V°'"l ■^'^"""^ ''■''"■'i i" ogni classe die men.orie epi-
fc-ranche. Ma non pretendo che di si imp« r.ant-ä pnnto si siudichi sulla sola testi-
man.anza deimonumenti del cemeterio di rvilistoj u perpiö ripeto cirche da
pnncp.a ho detto, ,,ues<l fornire la lorc ,,.,c,a parte'allo scioglim^euto de 1 grave
10*
76 —
Es war nothwendig:, länger bei Constaiitin's Mono-
gramm zu verweilen , weil dieses in Füntkirchen vor-
kommende das äusserlieh am auftalligsten dastehende
Zeichen abgibt, demgemäss sich das Alter der Kammer
näher bestimmen Hesse.
Ich kann mit Koller nicht übereinstimmen,
wenn er von der 25. bis 30. .Seite für das höhere Alter
des Monogramms kämpft, und zu diesem Zwecke meh-
rere Grabschriften aus Bosio citirt. Sicherlich kennt
auch Rossi diese Grabschriften genau, und doch sucht
er deren Beweiskraft nicht zu schwächen, weil deren
schwülstige Schreibart ohne Zweifel ein sehr junges
Zeitalter verrathen , der Leser mag sich selber über-
zeugen :
1. Tempore Adriani imperatoris Marius adolescens
dux miiitum qui satis vixit dum vitam pro Christo cum
sanguine consumsit in pace taudeni quievit bene meren-
tes cum lacrimis et metu posuerunt id. VI. Am Ende
steht das Monogramm, an der Seite ein Palmzweig.
2. Alexander mortuus non est sed vivit su[)er astra
(■? !) et corpus in hoc tumulo quicscit vitam explevit cum
Antoniuo imp. qui ubi multum beneticii autevenire prae-
videret pro gratia odium reddit genua enim fiectens
vero Deo sacrificaturus ad supplicia ducitur. 0 tempora
infausta (piil)us intcr sacra et vota ne in oavernis quidem
salvari possimus quid niiserius vita sed ([uid miserius in
morte cum ab amicis et pareutibus sepeliri uequeant
tandem in coelo coriiscant parum vixit IV.Xtem. Rechts
das Constantinischc Monogranun und ü))er dem Anfang
überdiess eine crux ([uadrata.
Es ist zu verwundern , dass der sonst so kritische
Koller hier gar nicht stutzig geworden ist ; dies ist blos
dem Umstände zuzuschreil)en, dass man zu Koller's
Zeit die altchristlichen Graltschriften kaum noch einer
kritisclien Beachtung würdigte unddesjiaib auch Ari n gh i
die Grabschriften des Marius und Alexander, ohne
darüber zu grübeln, als vor-constantiniscli auneimicn
konnte *«.
Unser Fünikirchner Monogramm pul)licirte Eitel-
b erger in seinem Bericht über einen arehäologisclien
Ausflug nach Ungarn (1854 und LS."):')), welcher im
185ß-er Jahrgang der Jahrbücher erschien. Dieses Mo-
nogrannii ist jenem über der Päpstc-Kanunerthüre des
C'alixtus'schen Cömcferinms autrailend ähnlich (vgl.
Rossi R. sott. II. Bd. XXIXT.j; wir lesen über letzteres
*' Ar i n g h i sagt, noch liosio, Pc Graeco nomine Christi S. .^Gß : „Graecum
■/pir:'^; a Xf'^'" ^- *• ""80» hebralrum Messiah a verbo mabsali. ungo, liitininn
iinctus. I.oiige ante Gonstantlnum haec nota V ainid Ciiristianofi in usu fuit, prac-
aertim iu aepulrris Marii martyris sub Adriano, Alcxandri sub Antonino, Caji
]ia]>ao »üb lUocIotlano (tilo» in }{ezug auf Letzteren g'abo oh oino Zustimmung).
— Ilebraol atitiimant, quia lex apud cos appollatur Torn, f|uae liac in principlo
Hominis sui littera 8crll>ltur, i. e. Tau, quod iiii hoc accopore signacuium, qui
legU praeccpta complevorant. ^ In ipso vero liomlnc crucis ligurani pocuilari
Üernardus fncrm. 1 in nat. Ciir.) mysterio dcdicatam agnoscit: „Fortasse crux
ipsl nos sunius, cni Christus Itrtmoratur alTixus. Ilonio otcnim formani crucis
Itabct, quam, sl manos cxtcndit, exprimit manirestius'^. und 8. .'»7.3 : „Tau Signum
Gracris aequo ac Latinls vitac syniboiuiri, o contra vero ipsum H mortis Signum
exlitlt : quo rirca legibus ollm obnoxii, 'lamnatiquo a Judicibus, Ausonio teste,
llttcra fi, ilherandi vero T signo adnotabatitur. Hoc quippc, ut alia item com-
plura IComanI a Graecis, Gracrl ab Aegyptlls , Af-gypiii a Judacis (?) mutuali
sunt, t^uod autf-m B apud Judaeos Oaväio'j i. e. mortis nota oxtiterit , antiquis
compcrtum est. Inde enim Ansonius in £unum , epigr. V20. luduns ceciiiit:
„Miaolle doctor octo tibi Sit obscoeno, tuumquc iiomen B sotilis sIgnet". Tu quem
locum postca Nr-allger: „octo, Inquit, erat Signum siispendil, refcrt enim iaqueum
collo Invoiutum, llttora comdemnatorla : quin et In castris militcni ex cohorto
morto difjunctum haec nota slgnilicabat". Verum ple olegantorquo Mart. libr. .'(
„Infellx multls Thota est, mihi llttora fclix : sl Hüv^'tov scribit, scrihit et lila
Hz'y*^. Jure igltur a Chaldaeoruni gladio in Iliorosolymao urbis cxcldlo übe-
randi signo Tau potitis quam atio praonolantur, vel oam potisslnium ob causam,
quod littera Tau formam ac spetiem crucis exhibons ac redeintorls vitaeque
synibolum esset, it toyTÖ) -nxi , In hoc slgno vlnco. — Auf dem bekannten
pfiioi-ojatiliclien Gladlator>'nliclmo Iir-doutet das nobcnstcliendu H glelrhfalls,
»la.^s dtT hier I'nlerllPi{cnde dem Tode geweiht war, der ertiolione Mttoiido
l-'lng'.-r hat die blutdürstige Zu8(liauorm<-iiKO nicht orwelciit, ^l.. nifi unl.arm-
iiercig „neca" dem Sieger eu.
im Texte (S. 22) dies: „Die Bemalung des Thürbogens,
welcher das Sieges-Monogramm zeigt, gehört der Re-
stauration entweder unter Sixtus (welchem Sixtus?)
oder Daniasus (3GG — 384) an; denn die Schichte, in
welcher es vorkömmt, ist zwar älter als die oljerste,
aber jünger als die untere ursprüngliche, an welcher
als Verzierung blos rotlie Streifen zu sehen waren'-.
Es wurde oben Prudentius citirt: „Christus pur-
puream gemmanti textus in auro — signabat labarum,
clypeorum insignia Christus ■— scrijiserat, ardebat sum-
mis crux addita cristis''. Auch sonst wird gesagt, dass
unser das Kreuz bedeutende Monogramm, zum Zeichen
des am Kreuze vergossenen Blutes, roth gemalt wurde.
In Fünilcirchen ist umgekehrt der das Monogramm um-
gebende Kreis roth gefärbt, dieses selbst grün, aus
einzelnen grünen Punkten gebildete Blumen oder Steine
besäen den Grund.
In welch grossen Ehren man hier das Zeichen
gehalten, geht auch daraus schon hervor, dass man es
wiederholt anbrachte , einmal als Siegeszeichen , auf
welches die Aiio.stelfüisten hinweisen, das andere Mal
als Siegeszeichen im ewigen Leben im Scheitel des
Gewölbes.
P o r t r a i t - M e d a i 1 1 o n s.
Auf dem Tonnengewölbe der Kammer nehmen
unsere Aufmerksamkeit vorzüglich in Anspruch vier iu
Medaillons gefasste Brustbilder, deren eigenthümliche
Koi)fbckleidung und Gewänder auch äusserlieh schon
anzeigen, dass der Maler hier individuell darstellen d. h.
Bildnisse vorzufüiircn beabsichtigte. Zwei dieser Brust-
bilder sind sehr arg hergenommen, beinahe ganz ver-
nichtet, an den beiden andern sind die Köpfe und das
Gewand ziemlich erhalten. An dem einen ist das Gewand
weit, faltig, grün gefärbt ohne Saum oder verschi^den-
färliigeni clavus, das andere hat ein weisses Kleid
mit bräunlichen Doppelrandstreifen. Es scheint als ob
alle vier Köpfe mit einer an den Ko))f anschliessenden
und doch weiten, weichen, bräunliclien Mütze bedeckt
wären, welche, da ihresgleichen auf römischen Denk-
mälern nicht vorktimmt, wahrscheinlich zur pannoni-
schen Provincialt rächt gehört.
In seinem neuesten Werk „Musaici cristiani. Roma
1872" publicirt Ro ssizwei Mosuikbrustbilderin Medail-
lons, welche, im Cönieterimn der heil. Ciriaca gefunden,
schon von A g i n c o u r t (Peint. XII I. Fig. 2;') u. 32) , jedoch
in seiir ungenügender AVeise herausgegclien wurden.
Beide l)efiii(len sich gegenwärtig in der Bibliotliek Cliigi,
und l\lariiii hat die ;iiif sie liezügliciie alte, nicht mehr
vorhandene [nschrifl publicirt : Fla\ins Julius Julianus
Mariac Sinipliciae Rusticae, conjugi dulcissiiiiae, quae
vixit aiinos XVIII nienses V dies XV fecif mecum annos
III menses II dormet (sie) in pace Kaleudas Fel)ruarias.
Die Frau ist, als Verstorbene, mit betenil erhobeneu
liämli'ii dargestellt , des Mannes Hände sind nicht
sichtliai', si) an unseren Bruslbildeni von Fünfkii'cheu.
Rossi setzt die Anfertigung der beiden Mosaiken in die
erste Hälfte des IV. Jahrhunderts, wo nicht ans Ende
des III. Für uns ist bemeikciiswertli die Ähnlichkeit des
GewandcN beim Manne iiiit einem der Brustbilder von
Füiii'kirclien , in wiefern jenes trotz der sehr nach-
lässigen Restauration noch sichtbar ist ; der clavus
erscheint an beiden in derselben Anordnung und Strei-
fcnzalil. Das Haupt des Julianus ist unbedeckt, das
— 77 —
Haar kurz geschoren ; ol) der Bart ganz oder hlos in
Form eines sehr schmalen colier grec rasirt, oder ob
die das letztere darstellen sollende Linie nielit hlos
eine starke Contourlinie des Gesichtes sein sidl, ist
schwer zu entscheiden, jedenfalls hat das Rasirmesser,
wenn überhaupt, einen grossen Theil des Bartes weg-
genommen, wie die Bartlosigkeit in der Zeit der Fla-
vier in der Mode war. In Füufkirchen sind sännntliche
Brustl)ilder gleichfalls ohne Bart, und so auch in dieser
Hinsicht dem Chigischen Mosaike ähnlich.
Es wird natürlich erscheinen, dass wir, bei den
äusserst spärlichen Nachrichten ül)er die Geschichte des
alten Pannouiens nicht im entferntesten berechtigt sind,
nach einem Namen der in Fünfkirchen abgebildeten
Personen zu suchen.
In den ältesten Kammern des Calixtus'schen Cöme-
teriums kommen keine, mit der Erbauung gleichzeitige
Bildnisse vor, höchstens könnte man das bei K o s s i, R.
sott. Bd. II. abgebildete als solches betrachten; dage-
gen sind d er Policamus , Sebastianus und Curinus der
VII. Tafel mit der Kanimeraushöhlung nicht gleichzeitig,
und noch weniger die h. Cäcilia auf T. VI. Anderseits
jedoch kommen auf den Sarkophagen des IV. Jahrhun-
derts sehr häutig Porträtmedaillons vor, und zwar ge-
wöhnlich die Bildnisse der in diesen Begrabenen. Den-
noch ist bei unseren Porträten auch noch die Frage zu
beantworten: ob es jene der hier Bestatteten sind, nach-
dem wir keine genaue Kunde ül)er die Quantität und
Qualität der in de; Kammer gefundenen Gebeine haben,
die ja wohl schon bei etwaigen der Entdeckung vom
J. 1780 vorhergegangenen Plünderungen höchst wahr-
scheinlich nicht im ursprünglichen Zustande belassen
wurden.
Wir können unsere Brustbilder auch nicht als die
von Heiligen betrachten, einmal weil sie nicht im him--
archischen Gewände der Heiligen, sondern, so zu sagen,
in ihrer Haustracht erscheinen, dann aber auch weil es
in der Zeit ihrer Entstehung noch kaum gebräuchlich
war Heiligenbilder in den Cömeterien zu malen. Nichts-
destoweniger halte ich hier eine kurze Erwähnung der
ältesten pannonisehen Märtyrer am Platze.
l. Quirinus Curinus, dessen Bild Rossi, R. sott.
Bd. II, T. VII in Gesellschatt von Policamus und Seba-
stianus gibt. Über denselben sagt R. im Texte S. 120:
,,Der Name wird in den Fasten und Topographien des
Calixtus'schen Cömeteriums nicht genannt ; aber es
wurden sogar zwei Quirini als Märtyrer auf den Kirch-
höfen der Via Appia verehrt; der eine auf dem des Prä-
tcxtatus, der andere, ein Bischof von Siscia, auf jenem
des h. Sebastianus. Auf dem Bilde (!'. VII) hat Quirinus
eine Tonsur, die sogenannte corona, welche ein beson-
deres Abzeichen der Bischöfe war. In der vom h. Leo
bestellten Reihe der Päpste in der Basilica Ostiense hat
jeder Papst diese Tonsur, unser tonsurirte Quirinus ist
daher weder der Tribun, noch ein unbekannter Mär-
tj'rer, sondern offenbar der „ad catacunibas- beige-
setzte Bischof von Sissek, der zwar in seiner Heimath
bestattet, aber vor der Invasion der Barbaren in Pan-
nonien, nach Rom gebracht wurde. Die Zeit der Über-
tragung ist unbekannt; Tillemont sagt, man habe zwi-
schen 378 und 488 zu wäJdcn; das erste Datum scheint
mir unzulässig , nachdem Prudentius anfangs des
V. Jahrhunderts einen Hynmus auf Quirinus ])uldicirte,
welcher folgends anfängt so; „Insignem meriti virum,
Quirinuni placitum Deo Urbis moenia Sisciae concessum
sibi martyrcm complexu ])atno fovent-'. Somit waren
die Gebeine nach ^7« n(jch in Sissek, und die Trans-
lation nach Rom konnte erst später statttinden. — Es
ist deshalb jedoch nicht uothwendig, mit Tillemont den
grossen Sprung vom ersten zum zweiten Datum (488)
zu machen. Um 415 hatten die Barbaren, welche Pan-
nonien besetzten, einen neuen Einbruch nach dem Illi-
ricum und den Küsten des adriatischen Meeres gemacht,
und suchten von dort aus nach Italien hinüber zu
setzen. So erzählt das Eulogium aufConstanz, welcher
414 Consul war. Die Horden wurden jedoch zurück-
gedrängt und die Hunnen i. J. 4i?7 aus Pannonien ver-
trieben. Die Christen konnten demnach sehr gut die
Übertragung der Relicpiien um diese Zeit gemacht
haben, und ich halte dafür, dass diese eher in dem
ersten , als in den letzten Decennien des V. Jahrhun-
derts stattfand, und glaube dass hiefür auch die Ver-
einigung der drei Bilder der h. Policamus, Sebastianus
Quirinus Zeugniss gibt^.
2. Rusticus. Rossi erwähnt des Rusticus(R. sott. II.
S. 39), indem er den Codex von Einsiedln eitirt:
V. Id. Aug.
In Sirmio Rusticus.
Demnach war Rusticus ein Mitrowitzer Bischof
oder Märtyrer; obschon Rossi 's weitere Erörterung
hierüber einige erhebliche Zweifel erregt.
3. 4. 5. 6. 7. Claudius, Castorius, Sym])horianus,
Nicostratus, zu welchen sich später noch Simiilicius
gesellt. Über die Legende dieser Märtyrer haben ge-
schrieben, bezüglich die Legende publicirt,AV a 1 1 e n b a c h
und an diesen anschliessend Karajan in den Berichten
der Wiener Akademie (Sitzuugsb. Febrheft. von 1853
Bd. X. S. 1 15 fi'.). 1870 erschien neuerdings ein Artikel
von W a 1 1 e n b a e h , B e u n d o r f und B ü d i u g e r
,.Passio sanctorum quatuor eoronatorum" als Separat-
Abdruek aus „Untersuchungen zur römischen Kaiser-
geschichte III. Band,'' worüber Alhert II g in unseren
^Mittheilungen Jahrgang 1872, S. XLVII tf. berichtet.
Die Legende sagt, dass die genannten fünf Per-
sonen Bildhauer und zugleich auch Architekten waren
in den Mitrovitz nahe liegenden Steinbrüchen „ad mou-
tem pinguem, 'A/o.y.v ö;.gc, in der heutigen Frusca Gora,
und dass der Kaiser Didcletian, während seinem dorti-
gen Verweilen, mancherlei Bildwerk bei ihnen bestellte;
dieses besorgten sie anfangs bereitwillig; als al)er der
Kaiser die Anfertigung einer, wahrscheinlich zum Cult-
bilde bestimmten Aeseulapstatuc von ihnen verlangte,
schlugen sie diese, mit der Bemerkung, sie wollten kein
Bild eines hinfälligen Sterblichen machen, ab. Der hier-
über erboste Kaiser Hess sie zum Tode verurtlieilen und
sie wurden in Bleisärgen in die Donau geworten.
Beinahe gleichzeitig verweigerten in Rom vier Cor-
nicularii, den Aesculap anzul)cten ; sie wurden gleichfalls
zum Tode verurtiieilt ; ilire Namen waren Severus, Seve-
rianus, Carpophorus und Mctnrinus.
^ .\ringhi sagt, I. 4t;tj. Ada S. ^>iiiriDi ip.et inart. Cod. Vat. et >»uriUÄ
T. 3. 4. Facta auteri; incursioue b.arbaroruin in parte* Paiinoniae, populus
Christianus de Scarabctensi urbe (Oedeuburg) Romam fugiens sanctum corpus
Quirini ep. et mart. afferentes secum deduxerunt. yiiem via .\ppia milliari
tertio sepelierunt in basilica .ipostolorum Petri et Pauli . nbi aliquando jacue-
runt et ubi S. Sebastianus retiuiescit, ia loco.qui dicitur ad Catacumbas , aedifi-
cantes nomini ejus dignam Ecclesiam. Wir lesen bei A r in gh i S. 375: Pollionem,
cujus IV Kai. Maji memoria cclebratur, neutiquam Homae, sed in Pannonia
nianyrio coronalum fuisse legimus , eadem ratione queindain Quirinum, cujus
corpus profugi Scarabaatii Romam attullere.
78 —
Man mischte und verwechselte die Legenden dieser
beiden Märtyrergrupjjen derart in- und miteinander,
dass mau der ersten den Namen der „qnatuor coronati"
gab , und die zweite , die mit den Bauwesen gar niolits
zu thun hatte, zum Patron der Architectur machte. Die
„quatuor coronati" erhielten eine Kirche in Eom und
Verehrung darin. Dem angetiihrten Artikel unserer ^fit-
theilungen ist die Zeichnung eines Grabsteines beige-
geben, der V. J. l.ölo stammend, die vier Gekrönten als
Patrone der Baukunst darstellt. In der Glitte steht das
Kreuz, an welchem der Bildhauer Tenk kniet, dessen
Grabstein der erwähnte ist.
Die P f a u e.
Am Gewölbe unserer Kammer sind vier Pfaue ab-
gebildet. Der Pfau erscheint in derselben Bedeutung
und Anzahl auch in den ältesten Kammern des Cöme-
terium Callixti (vgl. R. R. sott. II. T. XI. XVIII. XXVII
u. XXVIII); nur dass er hier seinen Schweif aufschlägt,
während er in Fünfkirchen diese Herrlichkeit nidit ent-
faltet 51.
In unseren Mittheilungen (Jahrg. ISUO, S. 153)
schreibtWeingärtner überdenPfau und den Phönix:
„Der Pfau wird schon in der heidnischen Zeit hervor-
gehoben. 80 betinden sich vier solcher Tliiere, je zwei
zur Seite eines Blumen- und Fniclitkorbes aufgestellt
über der Thür eines antiken Columhariums , dessen
Aufschrift lautet : D. :\I. P. A. Elius Trofimus fecit sibi
et libertis et libcrtabusquc aeorum (sie). Eine Abbil-
dung desselben ist in Bartoly und Peint. ant. auf Platte
XX gegeben und auf Taf. XXI desselben Werkes zähle
ich vier auf Arabesken fussende Pfaue in einem Grab-
gemälde, welches in der Villa di Jlon. Corsini fuori
la porta di S. Pancrazin betindlich ist. Auch die beiden
folgenden Platten {'22 u. 23) bieten uns noch ähnliciie
Darstellungen ; auf einer derselben sind acht Pfaue
zwischen Weintrauben und geflügelten, nebenbei be-
merkt bereits bekleideten Genien mit Palmen und
Kränzen entiiaiten. Letztere Beigalje blieb bekanntlicli
aucli in der chrii<tlichen Grabsymbolik lange Zeit hin-
durch üblich. — Fragen wir nach dem Grunde dieser
Vorstellungen , so wird uns wohl nichts übrig bleiben,
" Die Symbolik des Pfaues gibt Boslo (S. C68): Del pavono. Ornitho-
Ifgla Aldrovandl iiag, I3:PaTo fdicit Glossa) est avis multlplicis coloris. —
Eorum caro siccala imputrlbllls permantre diciiur; et qula pennarum pulchri-
tudlno vestluntur, dcsignare possunt perfectos et tribulationis igne diicoctos,
adeo ut variis vlrtutlbus decorentur. — S. Augustinus (de civil. Dci 1. 21.
c. i): Quid .ndtiuc a nobis rerum iiüacuiitur ext-mpla , quibus doccamus non
esse IncredlMle , ut hominum corpora feempiterno jupplicio punrtorum et in
ignc anlmam non amlttant et sine detrinicnto ardeant. et sine Inlerilu doleantv
Uabebit enim tuuc Isla carnls substantia (lualitatciu ab illo iridilani, qnl lam
mlras et varins tot rebus Indldlt quas videmus, ul eas, qula multae sunt, non
mlrcmar. (juls cnim nlsl IJcus creator omnium, dedil carni jiavonis mortui iiü
putresceret? Quod cum auditu Incredlbllo vldcretur, evunit ut apud Carlha-
glnom nobls cocta apponcrciur baec avls. — Nun erzählt «ler Heilige, dass er
den beiseite gc-lcgtcn llralen des Pfauen iiöch nach einem Jalire unverwest und
blo» etwas elngeschrumpn gefunden. — S. Antonius vonl'adua (scrm. :>
post Trln.) ; In pavonibus glorlae Icmporalis ahjectlo det>lgna(ur, et slcut in
pennls pavonum est pulchrltudo et In pedlbus turplludo; sie poenitcntcs, hujus
»ecull glorUm abjlclunt per viilfatis suao et Inclnorallonis reeordatlonem. Tales
mentes veri poenltentes deferunt de se ei sua qiiotidle non deslnunt explorare;
und weiter; Pavo ejicit pennas suas cum prima arbore ejiclenie folla sua et
post nascitur ei piuma cum arbores Inclplunt florescere et frutlcare. Prima
arbor fult Christus, quae plantata fult in horlo voluptaliH 1. c. in utero Vir-
glnls. Hujus arborls folia sunt Ipslus -verba, quao cum praedicator ejicit et
peccator ipsa suaccperlt, pennas 1. e. dlvitlas abjiclt. In generali vero resur-
rectlono, qua omnes arbores i. e. omncs sancd inclplunt vircscore, pavo llie,
qul mortaiitalift pennas abjecil immortalltalls pennas reclpict.
Ähnlich spricht sich bei P i t ra {III. S. 3C(i( der „vclerum gnosllcorum
phystoiogus" aus , Indem er dem Menschen das Ilclaplcl des l'faues zu befol-
gen anräth ; dajs er nämlich weine und klage, wann er, wie der Pfau seine
yüsse, so seine Sünden beschaut ; sonst sei er nicht würdig der himmlischen
Hochzelt. Krenser (ti. ehr. Klrchenl.au II. 295) und Crosnler {Iconogr.
chr6l. p. 333) betrachten den Pfau blos von der gUnsilgeii Seite, namentlich
sieht letzterer Im Trauben pickenden Pfau das Symbol der das ewige Leben
Tersprecbcnden Eucharistie : l.e paon bequctant des raislns , sujet souvent
represcot4 sur les sarcophages chrt;tlens, Indlque quo c'est dans r Eucharistie
quo le ftddle Irouve le gage de la vle /•lornolle.
als ZU der bekannten Fabel des Alterthums, welche
das Fleisch des Pfaues, trotzdem dass es den Römern
als Leckerbissen galt, für unverweslich hielt, unsere
Zuflucht zu nehmen , da der Pfau, als Vogel der Juno,
mit der Grabsymbolik nicht in Verbindung zu setzen
ist. Aus demselben Grunde oder überhaupt weil das
Alterthum den Pfau schon als Sinnbild der Unsterblich-
keit und des ewigen Lebens ansah, hat auch das Chri-
stenthum ihn nach und nach zu demselben Zwecke ver-
wendet. Warum, wie Schnaase (Geschichte d. Kunst
III, 62) « angibt, der Pfau gerade wegen seines gestirn-
ten Schweifes schon bei den Heiden Sinnbild der Un-
sterblichkeit gewesen sein soll, ist mir unverständlich,
weil mir das dazu erforderliche Tertium comparationis
und vor Allem eine Belegstelle mangelt. Botari will, auf
einen Physiologus bauend, diesen Vogel unter anderm
auch als Sinnbild der Busse aufgefasst wissen (wie wir
a. d. Anm. 43 mit Recht), eine Vorstellung, die für die
Kunstsymbolik wenigstens gleichgiltig bleibt. An Denk-
malen, auf denen der Pfau häutig, sogar in beträcht-
licher Grösse dargestellt wurde, ist in den Katakomben
kein Jlangel. — Der Pfau blieb nicht nur in Italien,
wie viele der anderen altchristlichen Symbole, bis in die
Spätzeit des Mittelalfei-s in Gebrauch, sondern erhielt
sich auch in den nördlicbeii Läiulerii darin gleich dem
Symbol des Fisches fast bis zum Beginn der Gothik.
So begegnen uns über einem Thürsturz an der Doppel-
capelle zu Landsberg noch zwei Pfauen und zwar in der
auch in altcliristlicher Zeit üblichen Stellung, nämlich
gegen einander gekehrt. (^1' u 1 1 r i c h , Denkni. d. Bank, in
Sachsen, 2. Abtheil. 19—23, Lief, oder 5 — 9, Lief, des
IL Bandes, 1845, S. 30.)
;\Ian betrachtete übrigens den Pfau auch von ent-
gegengesetzter Seite als Sinnbild des Stolzes, Uber-
nuithes und übel angewandten Reiclitliums ; so führt
Otte (Handb. d. kirclil. K.Arch. 2.Abth. S. 872) auch
diese schlechten Eigenschaften an : „Pfau bei den
Kirclienlelirern Bild der Juden, später der Teufel-'.
.\niiierk. '^ lieisst es vom Pfau nach einer Zürcher
Handschrift des XII. Jahrhunderts (^Wasserkirche ('. i)S,
278, S. 302 a):
Voce Satan , pliiina Seiaphim, ceivico (haconem,
Gicssu fiirtivo dcsignat pavo latronem.
Ebenso Freidank 142, 137.
Der pliawe slielie hat
Tiiiwi'ls stimiiie und oiigels wat.
In den Zahlen der Jahre des Weibes bedeutet der
Pfau das vierzigste.
ilicniit wäre die Gegenwart des Pfaues am Ge-
wöltie der Kammer von Füiifkirclien geiüigenil erklärt
und zugleich dessen (iegenwart, als Syniiidl der l'n-
sterblichkeit, in einer Gralikamnier hinlänglich motivirt;
dass er hier nicht wie sonst, mit ausgebreitetem Schweif
erscheint, davon ist die Ursache wohl einzig im Mangel
an Raum zu suchen.
^' Schnaaee's hier angeführter Au^^pruch beßudet sich In der neuen
Ausgabe, Bd. III, 1. Abth. S. 78: „Her Pfau, wegen seines gestirnten Schwel-
fes schon bei den Heiden als Symbol der Unstorbilchkolt betrachtet, scheint
auch bei den Christen als ein Zeichen des ewigen Lebens gebraucht zu sein".
In einer Anmerkung steht; -Bei dem Tode der Kaiserin Hess man einen Pfau,
wie bei dem dos Kaisers einen Adler aufsteigen, ohne Zweifel jenes in Erin-
nerung an .Inno, wie ilie^-es an .lupiter. Die Ehre, das Symliol der Königin
des tHympes zu sein, verdankt er at)er wohl seinem gestirnten Schweife. Vgl.
Ilochnrt (lllorozolkon I. ':0. c. IM. 11.10. c. 242.) Arlnghl (I. p. ICC. ff.)
nennt indessen den Pfau nur »I« Symbol 1. der Elteii<cii, was nicht hieher
gehört (warum nicht?) 2, aber auch der Auferstehung und erklärt dies daraus,
dass er die Federn abwerfe und wieder erhalte".
— 79
Vögel, Taubeu, Turteltauben.
Die Seele des Menschen haben bereits die Aü:yp-
ter in Vogelform dargestellt, von ihnen nahmen die
Juden dieses Bild; die Christen hinwieder bezogen die
Gestalt vorzüglich auf die Seelen der Heiligen und der
Märtyrer, Die Früchte pickenden Vogel sind Syml)ole
der das heil. Abendmal Geniessenden; in diesem Sinuc
kommen sie auf den Steinsärgen vor; obschon sie häufig
als blosse Verzierung zu betrachten sind 53.
^3 Itosio S. 665. Degii animali volatili. B tda in Job. 1. 1. c- 12: VoUi-
cres sunt, qui sursum cor habeiit et coelestia coiispiciuut. Rieh, dt' S. Vict.
de erudit p. I. c. ■14. Nonne avcs coeli vidintur esse, qui veracitcr possunt
^iice^e : Nostra autcm conversatio iu coclis est? Nonne coeÜ avis diceudi sunt,
qui se in alta contemplalionis penna suspindutit V — S. Hilarius in Matth.
caot. 12: Scd jam in raniis arboris, in Miblime eoeli prolatae volucrcs inha-
bitant; Apostolos scilicet et Christi virtu[u protenso^ nuindum iuumbrautes iu
ramis intelliginms, in ijuos gentes iu speni vitae advnlabant et auraruni turbiue
i. e. diaboli spiiitu flaluque vexatae , tainquani in laniis arboruni rcquiescunt.
— Ruppertus Abbas in c. 13. Ap. 1. 11: Aves ergo, quae volabunt per
medium coi'li Apostt-li sunt — und weilcr : Ibta sunt volatilia ill.i , quorum
cxeniplo et iniitatione dcbenuis omnein viotiis aut vestitus soUicitudineni depo-
nere, dicentc Domino; Ucspieite volatili i eorli etc. Nani Apostoli quibus primum
et praesentialiter haec libertas aviiuu proposila e&t ad imitandnm. ut coele-
stiuin coutempbitioni vacare possint, omnia terrena reliquernnt. Idcireo recte
ipsi vülatilin coeli dicuntur. — Beda loeo snpra citato ; Vel volucres sunt,
qui oi'viam Christo in aüra ex mortuis sunt ituri.
Uossi (K. sott. I. S. 323): „Es ist jedermann bekannt, dass der Vogel
die vom Körper befreite und zu Gott aufiliegeude Seele der Gläubigen bedeu-
tet; wie im Gegensatze die Jfenle die noch auf Krdcii wandelnden Gläubigen
bezeichnet. In diesen beiden werden demnach zwei Zustände symbolisirt : das
Erdenleben, in welchem uns zum Tröste und zur "Wegzehrung die Milch der
Eucharistie gegeben wird ; uud das Loben der Geister im himmlisclieu Garten,
im Paradiese und im himmlischen Frieden".
Bosio S. G6G. Delle L'oloml.e- Tertuliianus debapt.c.S: Tue.c ilie
sanctissimus Spiritus columbae fi;;ura delapsus iu dominum, ut natura spiritus
-sanctus declaretur per animal simplicitatis et iunocentiae. Quod et corpor.iliter
ipsa feile careat columba. Ideoquc : estote simplices sicut columbae. Nc hoc
^uidcni sine argumento praecedentis figurae. Quemadmodum euini post aquas
dituvii, quibut; iniquitas etc. (vide snpra de Noa). — Origenes in Levii. c. -1.
hoin. 3: In coUimbis occuli prueclicantur , nam tior genus avis cum ad aquas
veuerit , quia ild solet accipitris insidias pati, venientem desuper inimieum,
volitantis umbra in aquis conspec^a deprehendere occulorum perspicacia frau-
dem evadere solet. Quodsi ita prospicere poteris insidia^ diaboli et cavere
-sacrificium Deo, columbas obtukri.s, — ;>, A m b r o s i us scr. de S. Euseb. Epist. :
Cum S. David cum puritate mentis volare concupisceret, non alteriits auimau-
tis, nisi columbae optans alas, dicens : Quis dabit mihi pennas etc. lutellige-
bat enini quod altiora facilius penefrantur simplicitate mentis, quam levitate
pennarum. — S. Augustinus simplices autem esse voluit sicut columbas ad
nuUi noccndum. Xam Iioc avis genus nulluni omnino auinialiunr necat, non
solum grandium , contra quae vires non habet , sed etiam minutisaimorura,
qiiibus et perparvi passeres alunlur. Est autem omnibus irrationabiUbus aui-
mautibus uua quedam inter se societas, sicut et rationabilibus sua , i. e. homi-
nibus, non solum secum sed etiam cum angelis. Discant erj^'o ex similitudine
columbaruni nulli prorsus nocero ad societatem suaui pertintnti participatioue
rationis. — Augustinus in ps. 53: Colnmba a molestiis querit avolationem,
sed non amitüt diltctioneni. Columba enim pro signo dilectionis ponitur et iu
€a gemitus amatur. Nihil tarn amicum quietis quani columba, diu noctuque'
gemit , tamquam Iiic posita, ubi gemondum est. — Chrysostonius T. 4.
c. 3 Mitth. : Ideo spiritus sanctus specicm columbae sumsit, quoniam prae
Omnibus animalibu-^ haec cultrix est caritaiis-
Kreuser (der christliche Kirchenbau II. 2S7) : „JIuu begegnet seit
urchristUcher Zeit der Taube als dem Sinnbilde des heil. Geistes, seiner
sieben Gaben: der Reinheit, Sanftmuth, des Friedens der Kirche und ihrer
Einheit (die sieben Gaben sind: f-apientia, intellectus, cou&ilium, fortitudo,
scientia, pietas et timor domini, vide Kreuser II. 128). Didron spricht in seiner
„Hist. d. Dieu" eingehend über die Taube als Symbol des heil, (icistes; und
vir sehen in Fig. 124 u. 12.'> die sieben Gaben des heil. Geistes durcli sieben
Tauben bezeichnet. Sie hat keine Galle (keine Gallenblase), bindet und loset
(was?) und liebt vorzüglich die l'nbeflecUtheit, und eben weil sie den Fuss
nicht auf Unreines setzen wollte, kehrte sie zur Arche mit dem Ölzweige des
Friedens zurück. Auch ist sie gemäss dem Hoiienlicde, das von jeher auf den
himmlischen Brautiyam Jesus Christus uud seine Braut die Kirche gedeutet
wurde, ein Sinnbild der innigsten Liebe, die auf ihren Flügeln sich zu Gott
erhebt, nach Eintracht und Vereinigunt: schmachtet, und ferne ist \on Zwie-
tracht uud Trennung. Eben deshalb vorzüglich bildet sie die Kircheneinheit,
und Optatus und Augustinus rufen mit allen Kirchenvätern den Irrlehrern zu:
eine ist die Taube, die Kirche. Sie -st überhaupt das Sinnbild des guten
Christen, so wie der Rabe des schlechten. Sie liebt den I\lenschen. fliegt iu
Gesellschaft, und wo eine Versöhnung mit Gott geschieht, da ist Überall die
Taube , wie bei Noah und der Taufe des Herrn. Tauben verkaufen liedeutet
bei Gregor dem Grossen so viel als Simonie treiben, das heisst, das Heilige
um Geld verfeilschen. — Die Taube des Herrn heisst auch der Strafengel des
jüdischen Volkes, Nabuchodonosor und sein Vernichter (bei Hieron. in Jcrem.
Y. 25. p. 1024). Pitra Spicil, III. 363 gibt die Ansicht über die Taube, aus
dem „veterum gnosticorum physiologus". Hier wird als Haupteigenschaft ihre
Geselligkeit gerühmt und diese Lehre daraus gezogen: wie die Taube deshalb
in Gesellschaft fliegt, damit sie der Raubvogel nicht einzeln erfasse, so müssen,
besonders die Jungfrauen in der Kirelie bei eina:ider bleiben , zusammen
singen, damit sie der Teufel nicht einzeln hole.
In Bezug der auf den Grabsteinen, Grabverschlüssen und Sarkophagen
vorkommenden Tauben sagiUossi(R. sott. II. S. 311): Am hanfigsten _kommt
hier die Taube vor, seltener ein anderer Vogel verbunden mit einem Ölzweig
oder dem ganzen Ölbaum, zuweilen mit dem Uel>stocke, Palmzweig, seltener
mit dem Blumen- oder Frucht korbe ^\'enn icli aucli iiie nicht publicirten
Fragmente mitrechne, ist die Taube oder der Vogel in den drei Arcen des
Cal. Cömeteriums über fünfzigmal wiederholt. Ich sehe keinen Unterschied
in Bezug auf das häufige Vorkommen dieses Bildts, ob wir ältere oder neuere
Aufschriften in Betracht ziehen , und die durch Cor.sulardaten gesicherten
Die Turteltaul)e bedeutet aucli die Rannherzigkeit
Gottes, die Kircheni;'emeinschaft, die JungtVäuIiehkeit
und die Treue in der Liebe. Der heil. Gregor iu
cant. I. n. 3U): Turtur postqnaiu pareni suum i)erdi-
derit seuiel, mniquani alteri se jungit, sed semper soli-
tarie habitans iu geuiitu i)erseverat etc. Ihr Seufzeu
oder Girren verglich man dem Seufzen der Russen den,
so sehreibt gleichfalls der heil. Gregor in Job XXXII,
3 u. 4: Pro cantu gemitus hal)eut, von den Rüssenden.
Auf dem Gewölbe der Grabkamnier von Fünlkir-
cheu erseheint die Taube in derselben Anzahl wie der
Pfau, Die Tauben sind hier ganz weiss und flatternd
dargestellt, zwei noch gut sichtbar, zwei gänzlich rui-
nirt; letztere hat aber Koller noch ganz gesehen.
IMumenkorb, Pflanzen- und Rlunienverzie-
rung.
Der Rlunienkorb ersetzt hier das antike Füllhorn,
das in den Kammern des Calixtus'schen Cömeteriums
noch häutig erscheint. Der Rlumenkorb in Füntkirchen
ist einer Düte ähnlich oder einer Garbe, deren Stengel
mit einem rothen Rande umwunden sind; aus den dich-
ten olien auseinandergehenden grünen Rlättern leuchten
rothe Rlumen hervor, und bilden mit erstcren was die
Franzosen „la tigure du bouquet^- nennen.
Zwischen den am Tonnengewölbe " aufgezählten
Figuren ist der übrige Kaum mit grünen Rlättern und
rothen und blauen Rlümchen besäet. In unserer Chromo-
lithographie sind letztere nicht deutlich ausgedrückt.
Ähnlich ist in der Vertheilung bei Kossi (RuU. 18G5,
S. 52) ein Kebstock aus dem Cömeterium der Domitilla.
Da der Kaum der Fünfkirchner Kammer ein läng-
licher, die Rildtafel des Gewölbes al)er quadrat ist, bleibt
gegen die beiden kürzeren Seiten zu noch Raum übrig,
welcher mit grünen, roth eiugefassten Rlattguirlandeu
gefüllt wurde.
Die Wand, in welcher sich der Eingang befindet, hat
keine figuralische Verzierung; hier kommen blos grüne
Rlätterguirlanden auf dem weissen Kalkgrunde vor.
F a r b e n s t i u] m u n g (Tonalität).
Unter dem Worte Farbenstimmung (tunalite, gamme
de couleur) versteht man das Verhältniss der Farben
zu einander, sowohl in Rezug ihrer Qualität (ihr Feuer,
ihre Gebrochenheit und Mischung) als auch ihrer Quan-
tität (die Raummenge, welche jede der Farben ein-
nimmt). Diesist vorzüglich die AnsichtVi(» 11 et- le- Duc's,
der sie in seinem Diet. de l'Archit. „Artikel Peinture"
auseinandersetzt.
Die eigentlichen drei Farben: gelb, roth und blau
machen einen angenehmen Eindruck , wenn sie zu
gleicher Zeit gemischt zusammenwirken, so dass von
beweisen, das3 man sich au dieses Symbol am häufigsten und am längsten
hielt; es herrscht noch im IV. Jahrhundert vor, uud obwohl die Zahl im V.
und VI. Jahrhundert fortwährend abnimmt, hat doch eines der letzten Bei-
spiele des letzteren nocli immer dieses mystische Bild. Noch mehr als iu
Rom, liielt mau sich iu Gallien an die Taube; weshalb auch weder deren
Gegenwart noch Zahl als chronologisches Merkmal dienen kann, wenigstens
in den Eidtaphieu der vier ersten Jahrhunderte nicht. — Jedermann weiss,
dass die Taube das Sinnbild der Seeleu der Verstorbenen ist; dieses beweist
vorzüglich jene Inschrift des Calixt. Cömeteriums, auf welcher zwei den
Ölzweig in den Schnäbeln haltende Tauben geradezu Beneria und Sabbatia
genannt werden ; über dieser Gruppe aber steht „Palumbua sine fei- isic)
(s. die Erklär. Bull. ISiH. S. 12). Im Bull. v. 1SG8 ist ein anderes Epitaphium
angeführt, auf der „Palumbo sine felle^ steht. Kossi fragt, ob ^palumbus'- und
palumbo statt unserem palumbes nicht wirklich im Gebrauch waren V da „pa-
lumbo sine f<lle" auch auf der Grabschrift der Dasumia Ciriaca vorkommt,
welche Rossi iu das Ende des III. oder zu Anfang des IV. Jahrhunderts setzt
(s. R. sott. II. S. 186).
80
zweien die eine aus den zwei der anderen drei gemischt,
die eine ungeniiselit ist; dies lehrt die Theorie der
complemcntären Farben des Kegenbogens, von denen
es drei Arten gibt: a) dunkelblau und orange (letzteres
aus roth und gelb gemischt) ; h) roth und grün (^letzteres
aus blau und gelb gemischt) ; c) liclitgeib und violet
(letzteres aus roth und blau gemischt).
Viollet-le-Ducsagt, im ]\[ittelalterhabeman drei
Farbenstimnuingen gekannt: l.Die gelb-rothe, mit Licht
und Schatten d. h. weiss und schwarz; 1. die gelb-
roth-blaue, welche die Mitteltöne von grün, violet und
orange, zugleich aber auch Licht und Schatten verlangt;
3. die Zusammenstelhing aller Farben mit dem Schatten,
aber statt des Lichtes die Anwendung von Gold.
Dagegen lässt sich anführen, dass die zweite und
dritte Stimmung sehr wenig von einander verschieden
sind und dass man im ^Mittelalter nicht nur Gold, sondern
auch Silber, und gerade dieses öfter, zur Lichtaufholiung
anwandte, endlich dass (iold und Silber durch ihren
MetallgJanz, welchen sie über ihre Farbe haben, in jede
Stimmung passen, ohne diese zu stören.
Aus dem Studium der Regenbogenfarben geht die
Theorie der oben unter a) b) c) gegebenen natürlichen,
der complemcntären Farben-Stimmungen hervor. Übri-
gens wurden ausser diesen und meist öfter als diese
noch folgende Stimmungen gebraucht , die aus blos
zwei ungemischten Farben, und die aus allen Farben
mit Gold- und Silberzusatz bestanden. In der zweiten
Classe kommen vor aa) gelb-roth (wie bei V. C. D.),
bb ) roth-blau und cc) blau-gelb. Die dritte Classe lässt
sich gleichfalls dreifach untertheilen: aa) mit Zuziehung
von Silber, bh) von Gold, cc) von beiden Metallen. Wo
wir sodann im Ganzen neun Farbenstimmungen hätten,
nämlich für das Alterthum, wo die Xcutraltintcn, welche
die Stinnnungen heutzutage weit zahlreicber machen,
noch wenig angewandt wurden.
In Bezug auf die Quantität der Farben bemerkt
V. 1. D., dass wenn wir die Wcrtlie, oder vielmehr den
durch dieselben eingenommenen Flächenraum in Zahlen
ausdrücken, und so gelb zu 1, roth zu 2, blau zu 3 an-
nclniien : orange sein wird, 1 -t-2 := 3, grün 1 -t- 3 = 4,
Purpur
Hi
eraus wn-d gefolgert :
in der L-^elb-
rothen Stimmung ist notliwendig, dass der Flächenraum
von gelb doppelt so gross sei, als der von roth. Geben
wir jedoch noch blau hinzu, wird das Ilarnionisiren
schon complicirtcr; denn das Vorhandensein von blau
verlangt entweder die Vergrösserung der Fliielien,
welche gell) und roth einnehmen, oder aber das Hinzu-
treten von grUn und violet, und dann darf der Flächen-
raum von grün nicht geringer sein als ein Viertel der
Gesammtfläcln;, des rur])urs nicht geringer als ein
Fünftel u. s. w. ■^*. DeniKCinäss würde eine zu bemalende
^* En sappoBAnt que Ic Jaune valllc \, lo rouge 2, )e Mou 3: mclani Iü
jaunc et le rouge, nous oblennns 1* orange, vnleiir 3; lo jaunu et lo bleu, lo
Tort , valcar 4, le rougo et le bleu, Ic pourpro , valcur .^. St nous mcttons
•tes Couleurs sur uno surracc. pour quo l'elTet liarmonteux ne solt pav (ü'^pass^,
po»ant sculomcnt du Jaune et du rougo, il faurtra quo In »urfaco occup^to par
lo jaune soit lo double nu molns de In surfaco orcupt^'O par lo rougo. Mais »1
I10U9 ajoiitoQi rlu bleu A l'inatarft, l'ttarmonlo devient plu« complIqu<5c ; la pr/j-
sence Aoulo du bleu nt^ceaslto , ou uno augmontntion relative consUU'rablo des
Burface« Jauno et rouge, ou I'appolnt des tons vorts et pourprcs, lequels,
commo le vert , ne devront pas etre aii-dessous du qunrt et lo pourpro du
clnqulJ^me de la surf.ice totale. Co sont lA des rö^les ^•Ifjmontalres de rhfirmo.
nie d^jcoratlTO des arttstes du moyen Age. Aussi ont-lli rarement adiiiis toulen
les Couleurs et les tons qui d<5rlTont d'- leur m^lange, i\ cause des dilTiculK^H
innombrables qui r^-nulterit de l^ur Juxtapositiori et de l'imporranco relative
qae doit prendre chauuri de ccs tons, comnie surface. Dans lo cns de l'adnp.
tion des trois coDleurs et de Isurs d^<rlv^'s, Tor devient un nppolnt indispen-
sable, c*est lul qnl est charg^ de completer on momo de r^tablir rharmonie.
Fläche zu 100 gesetzt ; deren 1/4 = 25 einnehmen grün,
'/i := 20 purpur, und den übrigen Eaum ^ 55 müsste
man so vertheilen , dass für gelb bliebe ä/s = 36.66
und für roth ',3 = 18.33, was zusammen gäbe 25 -+- 20
-1- 30.66 -H 18.33 = 99.99 oder 100. Bei der Anwen-
dung aller Farben müsste demnach gelb die grösste
Rolle spielen, während dem roth blos 18.33 zustände.
Haben wohl die .\lten oder auch nur die alten Christen
diese Regel strenge befolgt V
V i 0 1 1 e t - 1 e -D u c behauptet weiter,dass eine harmo-
nische Farbenstimmuug blos roth und gelb, mit alleini-
ger Zuziehung von Licht (weiss) hervorbringen könne,
und dass eine solche weder roth-blau, noch gelb- blau
ohne Zuhilfenahme von Mitteltönen herzustellen ver-
möge.
Wahr ist es, dass bereits in den ältesten Zeiten
die gelb-rothe Farbenstimmung am häufigsten und vor-
herrschend angewandt wurde : so von den Ägyptern,
in der frühesten Zeit von den Hellenen, von den Etrus-
kern, von den ersten Christen, den Byzantinern und im
Mittelalter auch, wie dies die Wandbilder von S. Savin
für das frühe Mittelalter beweisen 55. Und doch ist diese
Farbenstiinmung für das Auge nicht angenehm und wenn
die Helenen sie bei ihren ältesten Tempeln, z. B. dem
von Selinunt, anbrachten, vertauschten sie dieselbe bei
ihren späteren Tempeldecorationen doch mit dem blau-
rothen. Absolut angenehm ist übrigens blos die
complenientäre Farbenstimmung; denn diese beruht auf
einem peremiitorisclien Naturgesetz, welches auch durch
die Erfahrung bestätigt wird. Es sei erlaubt, blos drei
Beispiele anzuführen. Wenn einem Käufer in einer
Sehnittwaarenhandlung ein rother Stoft' nicht leuchtend
genug erscheint, Ijringt ihm der seinen Vortlieil ver-
stehende Commis schnell, als wäre es zufällig gesche-
hen, einen complementären grünen Stotf vor die Augen,
und kehrt mit tausend Entschuldigungen schnell zum
rotlien zurück, der nun dem überraschten Käufer weit
feuriger erscheint. — Jlaler, die einen besonderen Far-
bensinn hallen, pflegen sieh von der aufgetragenen Farbe
plötzlich abzuwenden und sehen dann die comiilemcn-
täre derselben gleichsam in der Lufl schweben. Ähn-
liches hat der Leser an sich selbst mit Licht und
Schatten oder Weiss uml Schwarz erfahren, weini er,
die Augen ])löfzlieh schliessend, was er früher licht
gesehen, bei geschlossenen Augen nun dunkel sieht;
z. B. wenn er in ein Fenster gesehen, sieht er bei
geschlossenen Augen das Fensterkreuz lieht und die
Scheiben dunkel.
L'nil weshalb hat die Malerei oder die Tüucherei
am Anfange die weniger angenehmen Farbenstiunuun-
gcn gewählt? Wahrscheinlich aus keiner anderen Ur-
sache, als weil der gelbe oder rothe Ocker ülierall zu
Hause, daher wohlfeil und auch leicht zu bereiten ist
und an Dauerhaftigkeit grün, blau und purpur stets
übertriirt.
Rovcnant aux principoe les plus «Iinplce, on pout oMonir uiic hftrinonic por-
faito ATcc lü jauiio et lo rou({o (ocro rouge), Kurtout ü I'apiiolnt Iilen; il est
ImpoBblblo d'obtciiir iiiio harrnonio avoc lo jauno nt lo Mou (V), nl iiiOine avco
lo rouKo e( lo Mou, baiiN Tappolnt du tons iiilormOdiolree. Voudriez vous dÖco-
rcr uno nallo toitto Maiir-lio c<iinnio fond, avrc des ornemonts rougo» ot blous
ou Jaune» et Mous, ni"''nio clairsomi?», rjiio Tharrannlo «eralt impoBalMo. Lo
roiiKu (coro roiigo) ei lo jauiif (ocro Jaunc) ('■(atit Um deux souloa couloursqul
pulMHcnt, saiiB rnppolnl d^auircs tont», 00 trouvcr CDocmblc.
^* Eh Ist beinorlCL-nnworth , da»« die Chinesen und vlollclcht noch mi.-hr
die JapanoBon die griin-roth» Fnrbonr<tlmniung Jeder anderen vorziehen, Ja In
dlencr Stimmung wieder £u Jedem bofitimmtcn Grün das bebttmmte coniple-
mentäre Roth, und umgekehrt zu finden wissen.
81
Wns mm die Fiirbcnstinimimp: de. altcliristliclien
Waiulseiuäldc betrifft, werden wir, wenn wir Kossi's
R. sott. I Tat'. VIII 11. X. betrachten, selien, dass auf
Tat'. YIII den Uabmen ein breiter g:elber und ein schma-
ler rother Streiten 1)ildet, und dass auf Tat'. X das Rah-
niendetail rotli, das Feld gelb ist, die darauf gemalten
Figuren aber sind entweder bräunlich oder grau mit
bräunlicher Schattirung oder sie si)id grün und roth.
Auf den Taf. VI und VII ist die Farben Stimmung die
gelb-rotbe mit viel weiss und schwarz; der Eindruck
ist nicht angenehm, doch ist zu bemerken, dass die
Bilder der byzantinischen Zeit angehören. Auf Taf. XII
hen'scht die grüne Farbe beinahe ausschliesslich.
Betrachten wir nun die Wandbilder der tünf ältesten
Kannnern des C'alixtus'schen Cöineteriuuis. Die Far-
benstimmung der auf T;if. ^T dargestellten byzanti-
nischen Malereien ist die gelb-rothe, mit sehr wenig
blau, doch hat hier roth kein Feuer und nvht in braun
über. Auf den Tafeln XIV, XV, XVI, XVII und XMII
ist die Einrahmung des gelblichen Feldes mit rothen
oder vielmehr bräunlichen Streifen beibehalten und so
herrscht auch in den auf dem Felde erscheinenden
menschlichen Figuren der bräunliche Ton , selbst
im Nackten, stark vor, blos bei den Vögeln (Pfauen)
und den Pflanzen sind etwas lebhaftere Töne ange-
bracht, grünlich ist der Pistrix des Jonas, das Meer-
wasser, der Himmel, die Felsen und selbst die Wäsche
mehrerer Figuren, dem Blau wurde eine sehr kleine
Rolle. Lebhaftere Farben finden wir auf Taf. XX , wo
die Einfassung engelrotli und braun ist, lebhafter sind
auch die Farben auf Tut'. A u. B des Anhangs (Tavola
d' aggiunta) ; hier ist die Stimmung entschieden die
gelb-rothe, doch so dass letztere Farbe zum Braunen
neigt; woraus hervorgeht, dass die reine, lebhafte, gelb-
rothe Farbenstinimung den alten Christen nicht ange-
nehm schien; indem sie deren grellen Effect durch die
Abschwächung vom roth in braun zu schwächen suchten.
Nur auf dem ältesten der jüngst in Alexandrien ent-
deckten Wandbilder ist die Farbenstimmung eine ganz
entschieden gelb-rothe (vgl. im Bull. Jahrg. 18G5, Fig. 5
der beigegebenen Tafel) ; doch auch hier ist VioUet-le-
Duc's Regel nicht angewendet, welcher gemäss gelb die
doppelte Fläche von roth einnehmen sollte; denn hier
bildet, insoferne man nach dem schlecht erhaltenen
Zustand urtheilcn und die Copie als treu annehmen
kann, den Grund ein lichtes Roth, aufweichen dann
beinahe ausschliesslich in gelb gekleidete Figuren ge-
malt wurden; gelb sind auch die Baumstämme und an
den Blättern ist kaum eine grüne Farbe zu merken.
Die Schattirung des gelben ist mit rother und brauner
Farbe , oder mit schwarzen Pinselstrichen zu Wege
gebracht. Rossi hält dies Bild für das älteste der Kam-
mer und setzt dasselbe ins IV. Jahrhundert. Der Effect
ist wegen der grellen Farben unangenehm, jedenfalls
in der Ci>pie.
Werfen wir nun einen Blick auf die AVandbildcr
der Fünfkirchner Kammer. Die iMiifassung ist gelb-
roth ; innerhalb dieser aber herrscht die complementäre
grün-rotlie Stimmung, doch ohne jenes Raumverhältniss,
welches Viollet-le-Duc fordert; denn die Fläche, welche
roth einnimmt, i.st grösser als die der Gelben, wozu noch
zu bemerken, dass sich im Original das gelb noch mehr
dem Orange nähert, als dies in der Chromolithographie
der Fall ist. Der Eindruck ist nicht unangenehm ; denn
XVIII.
der grelle Ausdruck der Einrahmung wird durch die
Füllung dcsselljcn gemildert, ja mau kann beiiaiiptcii,
dass die Calixtus'sclicu Bilder in der Stimmung von den
in Fünfkirchen übertroffen werden, besonders dort wo
neben der gelb-rothen Einrahmung die grün-rothe Guir-
lande zu stehen konmit. Anderseits liisst sich auch nicht
läugnen, dass in Füiifkircheu die Localtöne ricjitiger
gewählt sind und dass in einem Bilde sogar die Farben
der Gewänder im complementären Sinne gewählt
wurden, indem die Tunica grün, der Mantel und die
Schuhe roth sind; dagegen herrscht in der Gewandung
der Apostel gelb vor, obschdu auch hier nicht mit roth
sondern mit weiss wechselnd und mit braun schattirt.
In den kleineren Einrahmungen wechselt grün mit rolli,
so bei den Medaillons und den Monogrammen ; grün
und roth wechselt auch, das Auge befriedigend, hei
den Blumendüten. Blau kommt blos in der kleinsten
Menge vor und auch dies nicht in unserer Abbildung
sondern in der Originalmalerei.
K u n s t w e rt h der Wandbilder.
Dass wir hier keine Meisterstücke vor. uns haben,
ist schon aus der Zeit ihrer Entstehung erklärlich; doch
zehren dieselben noch immer an einer Tradition der
Blüthezeit römischer Kunst und sind weit entfernt von
der Steifheit des Byzantinismus.
Die Technik ist einfach, der Künstler malte ent-
weder aus freier Hand ohne Umrisse , oder zeichnete
letztere zuerst mit brauner Farbe (vgl. die nackte Gestalt
des Propheten Jonas); die Umrisse wurden sodann mit
dem Loe.alton gefüllt, und in diesem die Schattirung,
die Modelirung, mit braun bewerkstelligt. Mitteltöne
kommen nicht vor, auch fehlt die Aufhöhung.
Die Zeichnung ist hie und da ziemlich gerathen,
so in den Apostelköpfeu ; bei manchen Guirlanden
kommt sogar ein freierer Schwung vor. Anderseits
machen sieh jedoch auch Zcichnungsfehler bemerkbar,
so in der Gestalt des Jonas, die mehr weibliche als
männliche Formen uud zu kurze Arme hat.
Wir finden auch einige Bewegung in unseren Bil-
dern ausgedrückt; so bei den beiden Aposteln und noch
mehr in den drei schreitenden Figuren, die entweder
die Magier oder die drei Jünglinge, die in den Feuer-
ofen gehen, darstellen; auch das Flattern der vier
Tauben ist angedeutet; steif sind dagegen die Matro-
sen im Schift'e und der unter dem KUrbisgehänge ste-
hende Jonas.
Von einer prägnanten Auffassung der Individualität
kann kaum die Rede sein ; dennoch ist ein gewisses
Streben nach einer solchen in den Apostel- uud den
erhaltenen Medaillonköpfen bemerkbar.
Im Ganzen darf man behaujjten, dass die Wand-
bilder zu den besseren, ja zu den besten ihrer Art
gehören; sie stehen noch weit entfernt vom Byzanti-
nismus, während anderseits, wie Schnaase überhaupt
von derlei altchristlichen Gemälden bemerkt, noch eini-
ger Nachklang antik-heiterer Auffassung ersichtlich ist.
Und dies ist selbst hier in einer so grossen Entfernung
von der Hauptstadt und somit vom damaligen Kunst-
ceutrum noch immer der Fall,
Zeitbestimmung.
In den fünf ältesten Kammern zu Rom kommen
nur wenig Gegenstünde vor, welche auf den Bildern
U
— 82
von Fiiulkiiclien gemalt sind: die Geschichte des Pro-
pheten Jonas, die Pfaiie und Tauben; es fehlen aber
in den fünf Kammern: Koah, die drei Jüngling-e oder
ifagier, die beiden Apostel und die Porträt-Medaillons.
Dagegen tiuden sich die hier als in den Kammern
fehlend aufgezäidten Gegenstände unzähligemal wieder-
holt auf den Sarkophagen und Glasschalen; auf ersteren
kommen auch Porträt -Medaillons sehr häufig vor und
die beiden Apostel sind in Brustbildern und ganzer Figur
mehr als sechzignial auf den von Garucci pnblicirten
(ihisschalen dargestellt, auch ist auf letzteren Noah und
Jonas nicht selten und kunuiit das Monogramm gleich-
falls vor.
Da die Calixtus'selien fünf Kammern Anfangs des
III. Jahrhundert oder viellciclit noch Ende des IT. aus-
getieft wurden und ihr kaum viel späterer liilderc^clus
von dem in I-linfkiichen abweicht; kann man beide
nieJit für gleichzeitig halten, ja weil der Cyclus in Fünf-
kirchen mehr mit jenem der Sarkophage und Glasscha-
len stimmt, deren massenhafte Ersciieinung man ins
IV. Jahi'liundert setzt, ist es natürlich, auch die
Anfertigung der Fünfkirchner "Wandbilder in dieses
Jahrhundert zu stellen. Doch dürfen wir sie in diesem
nicht zu weit herabrücken, wogegen ihr relativ grösserer
Kunstwerth und der Anklang an manches antike J\Iotiv,
iiianctie anlike Überlieferung spricht.
Eben so verbietet ihre Einstellung in eine spätere
Zeit das zweimalige Erscheinen des Constantin'schen
Monogrammes. Wir haben gesehen,, dass nach Eossi's
älterer Ansicht dies Moniigranim als in der Zeit C'on-
stantin's enistandcn anzunehmen wäre; da aber I'ossi
durch mehrfache neuere Entdeckungen diese Meinung-
später modificirte, doch immer noch nicht derart än-
derte, dass er das Erscheinen des Monogramms in vor-
constaiitinischer Zeit als mehr denn eine seltene Aus-
nahn.e ansehen würde, hat unsere Ansicht noch immer
an der Zeit dieses Kaisers festzuhalten, zumal Rossi
selbst die Ausnahmen zumeist in den gallischen Pro-
vinzen nachweist, und weder inPom noch in solchen Pro-
vinzen findet, die mit lioni im engsten Verkehre standen.
Kun war aber Pannonien eine Provinz letzterer Art,
weshalb, wie Kossifür die römischen Monogramme,
tiiut, auch wir für unsere etwa das vierte Jahrzehend
des IV. Jahriuindcrts annehmen können, von ;>.')(» unge-
fähr bis .'JJO. -Mit dieser Annahme glauben wir der Zeit-
bestimmung am nächsten zu treten, und es winl sich
auch kaum ein Detail finden, welches mit derselben im
Widersprudi stände.
S c h 1 11 s s ü b e r s i c h t.
Es wurde am .Anfang ausgesprochen, dass unsere
Wandbilder figürlich den biblischen Satz ausdrücken:
,Wer glaubt und sich . taufen lässt, wird selig werden".
> Die .Antithese: „wer al)er nicht gla-ibt, wird verur-
fheilt werden" ist als negativer Ausdruck nicht berllck-
sichtigt.)
Die Mittel, diesen Satz in symbolischen liildern
zur Anschauung zu bringen sind : die Versinnlichung
der Taufe und der Eucharistie, dieser beiden ältesten
chrislliclien Sacraniente (von den llbrigcii i'\\u{ der
katholischen Kirche ist noch keine Spur vorhanden,
wie eine solche auch in den fünf Calixtus'selien Kam-
mern nicht vorkommen kann und Po,s s i , trotzdem
dass er ein guter Katholik ist, nirgends dergleichen
audentet); die Mittel sind ferner die Symbolisirung der
Kirche und der Verehrung des Kaniens Christi, als
Zeugen für den Glauben, endlich die Andeutung der
Auferstehung und des ewigen seligen Lebens in der
Anschauung des Höchsten.
Wir haben gesehen, dass die Sündfluth die Taufe,
die Arche Noah's die Kirche, die Taube mit dem Öl-
zweig, diesem Zeichen des Friedens, die Versöhnung
der Jlenschheit mit Gott bedeutet, der diese auch durch
den Eegenbogcn kund that. In Noah ist demnach der
Priester, in seiner Familie sind die Heiden, die soge-
nannten Gentes zu sehen, welche durch den Eintritt in
die Kirche, durch den Glauben aus den Fluthen der
AVeltlichkeit gerettet werden; und in ihnen auch ihre
Nachkommenschaft, die Menschenwelt. Es wäre also
eigentlich schon dies einzige Bild genügend, den bibli-
schen Satz zu symbolisiren ; wenigstens geben die ver-
schiedenen Kirclicnschriftsteller .zusammen genonnnen
der Geschichte Noali's eine so weite, und indem sie die
Rettung aus den Fluthen mit der Auferstehung in Paral-
lele stellen , eine noch weiter ausgedehnte Bedeutung.
Irre ich in meiner Vermuthung, der gemäss die
drei schreitenden männlichen Gestalten für die drei
babylonischen Jünglinge der Schrift zu nehmen sind
und haben wir sie als die drei Jlagier anzusehen, und
im Mittelbilde die Darstellung der Jungfrau mit dem
Kinde zu suchen: kann auch diese Darstellung, neben
ihrem historischen Werthe, gleichfalls symbolisch ge-
deutet werden, nämlich auf die Aufnahme der Heiden
in die Kirche; die Heiden wären si>dann durch die
I\Iagier repräsentirt, was gleichfalls auf urchristlicher
Erklärung fussen würde.
Ich habe auf dem Mittelbilde der entgegengesetz-
ten Seite die Darstellung des Abendmales, der Eucha-
ristie, gesucht, und liiezu glaube ich sowohl durch die
Bilder der fünf Calixtus'selien als der Alexandrinischen
Kanmier berechtigt zu sein, um so mehr da letztere,
nach Rossi, gleichfalls denilV. Jalirhiinderf angehört.
In den ältesten Cönieterienbihlein gilt Jonas als
^'orbild des .Auferstandenen, neben deiiiselben Lazarus,
seltener Daniel, am seltensten als Sinnbild der Aufer-
stehung das Opfer Abraham's; die beiden letzteren sind
mehr auf den Sarkophagen gebräuchlich. Jlan hat nun
als Seiteiistiick zu Jonas eines der drei letzteren Sinn-
bilder zu wählen, gleichviel welches, da wir uns Ja
bereits im IV. Jahrhundert befinden.
In der Mitte dieses die Taufe, Eucharistie, Kirche
und .Vuferstehiin;;- andeutenden Bildercyclus weisen die
beiden .\postelfiirsten auf das Constantiii'sche Mono-
gramm, den Namen des Erlösers hin: ,,in hoc signo-'. •
Es ist dies der Glaube, der vom Christen peremptori-
scher gefordert wird, als Muhamed oder ein anderer
Religionsstiftcr den blinden (ilaiibeii forderte. Bei Ter-
tuliaii heisst es sogar: ,,credo (|uia absurdum".
Und nun blicken wir zum Monogramme desSchluss-
sf eines empor: „sursum eorda". Es steht hier als Zei-
chen des endlichen ewig fortdauernden Sieges , auf
einem liliimenfelde, inmitten ^•om Symbole der Ilnsterb-
liehkeil, den I'faiieii, zum Tröste iler hier Begrabenen
iiiiiiitten ihrer l'orträf - Medaillons und der ihre reinen
Seelen anzeigenden weissen und schuldlosen Taiilien.
So wäre denn auch hier, mit Rossi zu reden, das
grosse Epos der Christenheit zum Ausdruck gebracht,
83 —
das mit der Tanfc beginnt nnd mit der Seligkeit das
endlose höhere Leben erreicht.
Am Ende unserer Erörternng angelangt, haben wir
blos den warmen Wunsch auszusprechen : möge uns
dieses diesseits der AIjjcu einzige Denkmal aus alt-
ehristlieher Glaubenszeit, wenn auch nur in seinem
jetzigen Zustande erhalten bleiben, als Zeugniss des-
sen , welch' wichtige Kolle unserem Vaterlandc im
IV. Jalirluindert im weiterobernden Staate zugetlieilt
ward.
Fund in Orado.
Von Albert Ilg.
Den Mittheilungen des Rulletino di Archcolngia
cristiana (3. Jalirgang Nr. IV. i)ag. lö;")) zufolge wurde
am 5. August des Jahres ]S71 in dieser Stadt ein inte-
ressanter Fund gemacht, welcher nun näher untersucht
und in der genannten I'ublication auch dmxh Abbil-
dungen veranschaulicht ist. Es sind ausgezeichnet merk-
würdige Keli(iuienkapseln der altciiristlicheu Aera, ans
Gold und Sill)er gearbeitet. Der Entdecker war der
Pfarrer des Ortes,Siguor D.GiovanniRodaro.Bislier
kannte man kein so lehrreiches Exemplar alter Eeli-
quienkapseln, weshalb der Fund zu den bedeutenderen
neuern Entdeckungen auf dem Gebiete der altchrist-
lichen Archäologie gezäldt werden darf.
Das eine dieser Gcfässe, von runder Form, hat
einen Deckel, geschmückt mit der Darstellung der heil.
Jungfrau, welche auf dem Throne sitzend mit dem Kinde
am Schoss en relief dargestellt ist. Die Rechte hält
das Scepter mit dem Kreuzzeiciien , hinter dem Haupte
wird der mit dem Monogramm versehene Nimbus sichtbar.
Der glückliche Autfinder dieser werthvollen Gegen-
stände berichtet selbst über das Ereigniss und die Eigen-
thüudichkeiten der beiden Kapseln. Wir vernehmen
hiebei, dass an besagtem Tage bei Aufgrabung der Fun-
damente des Hauptaltars in der Basilica, auf der Epistel-
seite circa 60 Ceutimeter unter der Fussbodenfläche
des I'resbvteriums, unter einer grossen Platte von Pari-
schem IMarmor in einem holdi'u Raum eine Cassette des-
selben !\Iateriales entdeckt wurde, deren Länge 40,
deren Höhe sowie Breite 21 Centimeter betrug. Ihre
Form ist ganz schlicht, Inschriften oder Bilderzeichen
sind daran nicht zu bemerken, die Decke bildet eine
l'lattc desselben Steines. Das Kästchen war bei der
Autfindung in vollständig trockenem Zustande, im In-
nern fanden sich die beiden Reli(|uiengefässe, das eine
kreisrund, das andere elliptisch. Nach Beseitigung ihrer
Deckel sah man, dass sie ganz mit Wasser gefüllt
waren, als dessen Bodensatz sich eine dunkle, schmut-
zige Jlasse zeigte, welche von den Reliquien lierrüiireu
mochte. Die ^lanteltläche des einen l)üchsenförmig cy-
lindrisch gebildeten Behälters trägt keinen anderwei-
tigen Schmuck als ein ziemlich breites Schriftband, in
welchem die Worte in zwei Zeilen , durch eine Linie
v(ni einander getrennt, eingeschrieben sind. Wir lesen
die Namen der Heiligen, denen die im Innern enthal-
tenen Reliquien zugehörten : SANC . MARIA . SANC .
VITVS . SANC CASSANVS . SANG . PANCRATIVS
SANC . YPOLITVS . SANC . APOLLINARIS . SANC.
MARTINVS. Im Innern ist in der Mitte, inderAclisedes
Cylinders, durch eingelöthete Bleche von Silber einklei-
nerer concentrischer Cylinder angebracht, um welchen
ringsherum durch weiterePlatten, welche radienförmig ein-
gefügt stehen, noch sechs Conqiartiniente hergestellt sind.
In dem mittleren Räume waren sechs Goldi)lättchen von
der Dicke eines halben Millimeters, welche wieder mir
Heiligennamen bezeichnet sind, in den sechs übrigen
Abtheilungen deren fünf Auch fand sich hier ein kleines
cylinderförmiges Goldgefäss mit einem Deckel, scheinbar
aus einzelnen, übereinander gesetzten Ringen bestehend,
im Innern desselben aber ein Glasfläschchen von etwas
geschweifter Gestalt. Ferner eine zierliche kleine (Jold-
cassette, an den Aussenseiten mit Kreuzen und Rauten-
mustern verziert, deren Deckel gleichfalls das Kreuz
aus dunkelgrünem Email als Sciunuckzeichen trägt. Da-
zu kommt endlieh noch ein aus einer zerbrechlicher.
Cemcntmasse geformter Gegenstand , vom Verfasser
pulla genannt, dessen Gestalt etwa au eine Kugel von
gedrückter Form erinnert. Auf dem oberen Theile des
gypsartig aussehenden Gegenstandes ist ein griechisches
Kreuz eingedrückt.
Die Inschriften sind eingegraben; wir fügen noch
hinzu, dass auf denen der äusseren JlantelHäehe die
einzelnen Worte durch Palmenzweige, eine Taube mit
dem Zweig im Sehnabel, ein Kreuz etc. unter einander
abgegrenzt sind. Die S auf den Goldlamellen sind aus
zwei in dieser Weise zusannnengesetzten C gebildet: ''
Der Deckel der Kapsel ist Ciselirarbeit, das Gewicht
sämmtlicher Goldgegenstände beträgt 223 Karat.
Die elliptische Kapsel, bei weitem gebrechlicher
als die erste, ist ganz in Ciselirarbeit ausgeführt. Au
den vier Seiten befindet sich Bildwerk und Schrift-
zeichen in basso rilievo, ander Hauptseit3 lesen wir:
fSANCTVS-CANTIVS SANTIANVS SANCTA CAN-
TIANILLA SANTVS QVIRINVS SANTVS LATINV.
Ferner auf der unteren und folgenden Seite : f S LAV-
RENTIVS SYS lOANNIS VS NICEFORVS S ANTIS
REDDEDIDBOTVM. Ringsherum in der Mitte sieht mau
SIedaillonbilder von Männer- und Frauenköpfen , wahr-
scheinlich die angezeigten Heiligen darstellend. Der
Deckel dieser Kapsel ist i;ieich dem eines Kofiers erhöht
und zwar im Mittel 2;") ^lillimeter. Dargestellt sind dar-
auf zwei Lännner und zwischen denselben das mit
Gemmen besetzte Kreuz. Die Thiere stehen auf einem
Hügel, aus dem die vier Paradiesesflüsse entströmen.
Alles wurde im zertrümmerten Zustande gefunden, auch
in dieser Kapsel befand sich eine zweite aus Sillier, an-
gefüllt mit Wasser und einigen Reli(iuienresten, bei der
Berührung zerbrach sie augenblicklich. —
Der Conservator der Baudenkmale in Triest Herr
Kandier hat die Ansicht aufgestellt, dass der runde
Reliquienbehälter aus der Kirche Santa Niceta in Aqui-
leja stanune und bei der Invasion des Altila im Jahre
4.")2 mit den übrigen Schätzen der Kirche auf jene Insel
in Sicherheit gebracht worden sei. — Die andere Kapsel
ist aus den Zeiten des Patriarchen Elias, welcher im
11°
84 —
Jahre 568 dieBasiliea in Grado rerscliöiierte. Laiirentius,
Johannes und Nicc])honis, sind wie aus der Inschrift
hervorgeht, nicht Kamen von Heiligen, sondern jene
der Spender, indem rededdid botum zu lesen ist red-
didit Votum.
Ich möclite zu Vorstelirndem noch die flüchtige
Bemerkung machen, dass die Form des runden Gefösses
sanimt der inneren Eintlieiluugsehr an die antiken cajisae
f^r Schriftrollen, sowie an die efruskischen cistae er-
innert.
Aus Anlass der yoUeiideteii Kcnovirun^ des Stepliansthurmes.
Von Albert Ilg.
In diesen Tagen sind die letzten Gerüstbalken von
dem Hauptthurme unserer ehrwürdigen Kathedrale ent-
fernt worden, den durch eine Pieihe von Jahren ein
Panzer von Holzwerk vom Fusse bis zur Spitze umgeben
und den Blicken entzogen hatte. Verjüngt und doch
wieder der alte, stellt nun der herrliche Bau vor uns,
eine fachkundige Kestauration, — eben deshalb allein
werthvoll, weil hier die moderne Kunst in edler gebo-
tener Selbstverläugnung völlig auf ein Neuschaffen von
Ideen und Formen verzichtete und ihren Ruhm lediglich
in der allerstrengsten Nachfolge des alten Vorbildes
suchte, — die neue Kunst mit ihren vielfach vorge-
schrittenen technischen Mitteln hat das bedrohte Kleinod
Wiens erhalten und gerettet. In diesem Sinne, indem
die "Wiederherstellung unseres StephansmUnsters in der
Tiiat ein bedeutendes Erreigniss in der Kunstgeschichte
Wiens heissen darf, hat die Entfernung der letzten
Gerüsttheile etwa die Bedeutung für den Thurmbau,
welche dem Fallen der Hülle an einem Monumente bei-
gemessen wird.
Die Restauririing des Stephansdomes ist ohne Zwei-
fel das bedeutendste künstlerische Unteniehmpu in der
neuen Baugeschichte Wiens. Man wird in vielen Kreisen
heutzutage dieses Wort nicht verstehen, häufiger noch
Itcliiclielnalsdie verrannte Einbildung eines Alterthums-
kräniersunddiT (iegenwart und ihren Bewegungen ent-
fremdeten, ihnen gegenüber verständnisslosen Kopfes.
Man wird auch viel zu wenig Spectakel und Aufsehen
erregendes Wesen an dieser emsigen Erneuerungsarbeit
bemerkt haben , als dass man wirklich so hohe Bedeutung
in ihrem ^'llrgange erblicken möchte; ging doch alles so
still und geräuschlos seinen Gang. Man wird endlich ein-
wenden, dass eine blosse Wiederherstellung des Alten
ja eigentlich kc'ne Arbeit zu nennen sei, welche den
Geist, Styl und die eigeutliiimliehe chnrakteristisclie
Kunstweise gerade des XIX. Jaluhiinderts repräsentirt.
Dennoch aber dürfte eine spätere Ei)oche eher im
Sinne der ,,.\ltcrthumskrämer" als im Styl der von
Selbstrnhin trunkenen Tiradenmacher der (iegenwart
urllieileii. welchen das Ideal der Kunst Ilingstrasse
iieisst und die jede chinesische oder indische Fratze
lieber zum Ilausgötzcn der modernen Kunst erklären,
ehe sie den ernsten Genius der alten vaterländischen
Weise aus seinem Grabe beschwören und ilini die l'cna-
tenstelle am Herde des deutschen Hauses einiiiuniten ;
welchen in einseitiger Weise das Wort Renaissance den
Triumph und das wahre Lebcnselixir der moderneu
Kunst b(;zeichnet, die aber selbst in dem fremden Wesen
dieser sogenaimteti Wicilergebnrt wieder nach Möglich-
keit nicht jen(; Richtung einschl;igen und flir die Kunst
der Gegenwart als \'or!n'ld aufstelli'U, deren rrs)iriiiig
und Charakter ein deutscher ist , nicht die heimisclu:
Renaissance der Dürer und Holbein, sondern ausschliess-
lich die wälsche anbeten; welche sich, ohne den Hohn
zu ahnen, mit Gemüthsruhe dadurch blamiren lassen, da.ss
wir, in die leere äussere Hülle des Grieehenthums oder
der italienischen Kunstwelt gesteckt , uns so betrüblich
ausnehmen, da unser ganzes Wesen vielmehr nur Frack
und Uniform ist, und im Chiton der dassischen Kunst-
umgebung sich nur lächerlich darstellt.
Wenn einmal die Zeit vorüber ist, da mittelalterlich
und finster und mönchisch und kindisch-naiv-unbchilflich
für identisch gilt, wenn dieses der wissenschaftlichen
Bildung unserer Epoche längst unwürdige Vorurtheil
überwunden ist (denn jener AA'ahn stammt aus einer
gewissen tendenziösen Phraseologie, nicht aus der AVis-
scnschaft, welche vielmehr die Lichtseiten jener hohen
Culturperiode, als welche wir das Mittelalter erkennen
müssen, gleich jeder anderen nach Billigkeit an den Tag
gebracht hat), — wenn der Rausch verflogen ist, in
welchem ein künstliches fremdes Gekoche, derTrank der
modernen Renaissance, welcher von dem griechischen
Bodensatze mit dem Sj)iritus der humanistischen Wissen-
schaft abgezogen ist, für köstlicher galt, als Deutsch-
lands alter Rheinwein, dann dürfte man die Architektur
der Ziegelkolosse mit der abgedroschenen fremden, sinn-
und verständnisslosen Decoration, jenen sein sollenden
Monumentalbau , der sich des elendesten Materials
bedient und am liebsten fabricationsmässig gelieferte
Dutzendornamente sich aulklebt, jenes aus hunderterlei
fremdem EigenthumzusannnengestohleneNeue, das frei-
lich leider der Charakterlosigkeit der Zeit in so vielen
andern Beziehungen entspricht , — dann dürfte ein
kommendes Geschlecht , das Besie, vielleicht das allein
(lute, was unsere üaukunst geschaffen, möglicherweise
gerade nur in jenen Sciiöpfungen erblicken, welche aufs
trcuieste, eiirlichste und selbstloseste die Wunderwerke
der Vergangenheit lurstellten und so dem Verderben zu
cntreissen suchten.
Wenn wir so sprechen, h('iren wir im Geiste schon
die grosse Menge Zeter schreien wider uns. Wir haben
aber gar nicht in jxisitiver AN'eise Tadel über diese oder
jene moderne Bestrebung einer Wiedergeburt der Bau-
kunst aussprechen wollen, gar nicht sagen wollen, es
ist ein Irrthum, diese oder jene Stylri(ditung aufs Ta])et
zu bringen, denn es gibt hier keinen Irrthum, vielmehr
mnss alles kommen wie es koinnit , <lamit sieh das Allein-
rieiitige schliesslich entwickeln könne. AH' diese l'hast'n
lind Werdcstafionen haben offenbar den Werth jedes
genetischen Processes: sie führen zu einem Ziel. Sie
haben einen relativen Wertli, d(>n die blinde (iegenwart
fVeilich tiir einen absoluten lialten mag. In Wahrheit
jimIocIi wirken all' diese Eiilwicklinigserseheiniingeii,
diese Phasen ästhetisch nicht angenehm, wie alle Ver-
85 —
snclie, alle embryonischen Bildungen, deren VolloiHliing
in dem Künftigen liegt. Wenn daher enie sjiätere Zeit
sichtend die Trüduete, die Leistungen der Jetztzeit
durchmustert, wird sie all' diese Symiitome eines Ent-
wicklungstriebes eben blos relativ, als Hymptonic des
Werdens, nicht als vollendet schön Gewordenes, schät-
zen und sagen müssen: etwas Ureigenes, positiv Charak-
teristisches (denn das Chaos, das Abgehen eines festen
Wollens ist nur ein negatives Kennzeichen') hat die
ganze Zeit überhaupt nicht liervorgebraclit in ihrer Ar-
chitektur und somit sind jene Arbeiten , welclic trefflidic
alte Werke treu erneuern, absolut jedenfalls das licste
aus jener Periode, wenn auch keine sell)stäniligen
Schöpfungen. Sie sind gut, denn ihre Vorbilder sind es
und die Art der Reproduction ist es.
Dass all' dieses Ringen nach einem architekto-
nischen System, welches der Gegenwart und ihren Cul-
turbestrebungen ents])reclu'n würde, nacli einer selb-
ständigen neuen Stylforni hindrängt, dass solches ('er
Zielpunkt all' jener zahllosen Versuche ist, die unsere
Zeit mit jeglichem schon dagewesenen Baustyle der
Reihe nach in beinahe experimentirender Weise anstellt,
darüber waltet kein Zweifel. Der neue Trank ist im
Gähren, das Resultat wird seinerzeit gewiss den voraus-
gegangenen Erscheinungen würdig an die Seite treten,
^- aber darum sind diese einzelnen Stadien des Gäh-
rungsprocesses noch nicht an sich schön. Wissenschaft-
lich interessant werden wir sie freilich nennen müssen,
lieblich und schön aber ist erst der reine gegohrene
Wein selber. Wir stehen noch inmitten dieses Werde-
processes, ein Urtheil steht nicht der Jetztzeit zu, die
künftigen Generationen werden es auszusprechen haben.
Wie also diese zahllosen Versuche sein mögen, müssen
wir wenigstens vorderhand dahingestellt sein lassen;
über jene andere künstlerische Thätigkeit aber, welche
wir hier im Auge haben , wo wir von der Erneuerung
eines vorzüglichen alten Werkes sprechen, über die
steht uns jetzt schon ein absolutes Urtheil zu; diese
Leistung wird für alle kommenden Zeiten dieselbe Gel-
tung, denselben Werth besitzen, wie wir ihn ihrbeimessen,
unser Lob über dieselbe hat nicht den Charakter eines
blos relativen.
So möchten wir die oben ausgesprochenen Sätze
verstanden wissen, Worte, mit denen wir keineswegs
etwa gesagt haben wollen , man sollte heutzutage l)los
gothisch bauen und neue Anlagen als strenge Imitationen
von mittelalterlichen durchführen; wir sagten nicht, so
wie diese dem Alten getreue Restauration soll heute
alles gemacht werden, wir haben überhaupt gar keine
Tendenz aussprechen, sondern nur einfach das Besultat
ziehen wollen, was von dem gegenwärtig Geleisteten im
Gebiete der Architektur den dauerndsten . allgemeinen
und absoluten Werth besitze. Die absolute Haltung
dieser Frage scbliesst ferner selbstverständlich auch
jenes Bedenken aus, in Folge dessen manche vielleicht
die Wiederherstellung eines alten Werkes gar nicht im
höheren Sinne als Kunstscliöi)finig gelten lassen dürften,
weil eben die Keulicit des scliaffenden Grumigedankens
fehlt. Jenen modernen Elaboraten, wird man sagen,
wohnt doch eine neue, ganz der Gegenwart und den
Urhebern jener Gebilde angehörigc schöpferische Idee
inue, jenes ist blosse Nachahmung. Für unsere Stellung
zur Sache hat diese Erwägung kein Gewicht, wir fragen
nur nach demthatsächlich vollkommneren; ob wirkliches
Kunstwerk oder imiiireude Rcstaurirung, das gilt uns
hier gleich; wir konmien von unserem Stand]iunkte eben
zu dem Facit, dass die gute Rcstaurirung höher steht,
werthvoller ist, als die zweifelhaft gesunde, wenn auch
originale Leistung.
Aber auch demjenigen gegenüber, was heutzutage
im Style des I\Iittelalters errichtet wird, dengothischen
und romanischen Kirchenliauten entgegen, bewahrt
diese vorzügliche Wiederherstellung ihren grösseren
Werth. Sind sie doch alle so fremde dem Geiste jener
Zeit, deren Styl sie äusserlich nachahmen, und um so
unerfreulicher, als ihnen kein Bedürfniss P^ntstehung
gegeben hat, so dass eigentlich das ganze Wesen dieser
ucu-gothischcn Architektur in der Luft steht. An dem
wiederfertigen Stephanstliurnie aber dürfen wir eine
reine ungemischte Freude haben, er ist wieder der liebe
Alte, doch verjüngt durch die Kunst der Gegenwart.
In den Tagen Kaiser Iladrian's hat man die ältesten
Proben hellenischer Bililnerei aus Ursache einer ant;(|ua-
rischen Liebhaberei nachgeahmt. Es sind Gebilde ent-
standen, die wir heute ziemlich leicht als Imitationen
eines späteren Geschlechtes zu erkennen im Stande sind,
denn die jüngere Generation hat sich nicht enthalten,
manches vom Geiste ihrer Epoche hineinzutragen, wo-
durch die Leistungen einen zierlicheren, geschmei-
digeren Charakter erhielten, welcher der weichlichen
Eingonenzeit entsprach. Die Wissenschaft bezeichnet
solche Arbeiten als archaisirendc. Auch das Altcrthum
unseres Volkes hat derartige künstliche Wiedergeburten
erfahren. Schon Seh inkeliuBerliu ist in seinen früh-
besten Compositioncn als Neugothiker aufgetreten, ja
selbst unter dem grossen Fritz begegnen bereits der-
gleichen Intentionen. In Deutschland setzte die Zeit der
romantischen Scliule dieses Wesen fort, in Osterreich
war es die Periode Kaisers Franz I., in der man allen
Ernstes glaubte , in Laxenburg ein veritables Stück
Mittelalter gescliaflfen zu haben , und in welcher Fürst
Liechtenstein der Architektur ein neues Geliiet in dem
„Ruinenbau" schenkte. Die Neuzeit endlich manifestirt
dasselbe Bestreben in ihrem vielfachen Zurückgehen
auf mittelalterliche Style in Kunst und Kunstgewerbe,
aber ihr allein ist es vorbehalten gewesen, nicht nur
archaische Werke zu irailiren, bei welchen Neuschö-
piungen auch sie nicht ermangelte, vom Alten blos die
äussere Hülle zu borgen, — sondern sie allein unter
allen Perioden, welche des Vorausgegangenen in ihrer
Kunstübung wieder gedachten , hat daneben auch Lei-
stungen aufgestellt, welche nicht blos archaisiren, viel-
n.ehr ein wirklich vorhanden gewesenes Kunst])roduct
mit gewissenhalter Treue verjüngt wiedergeben. Solches
ist unsere Zeit nur deshalb im Stande, weil in ihren
Tagen erst die Wissensehaft und wissenschaftliche Kritik
auf die Kunst ihren Enflnss erstreckt hat. Man wird
aber ein derartiges ^'(lrgchen keineswegs ein mecha-
nisches Copiren nennen dürfen, weil ihm nicht äusser-
liches unbewusstes Nachahmen, sondern wissenschaft-
liches Erkennen und Verstehen zu Grunde liegt, welches,
um in den Formen der Sinnenwelt zur Gestaltung zu
gelangen, zugleich auch wieder echter künstlerischer
Befähigung bedarf.
Indem wir solches Lob auch der eben vollendeten
Wiederherstellung des Steiihansthurmes spenden, kön-
nen wir doch nicht verfehlim, dass dasselbe blos dem
architektonischen Theile der Ausführung gebührt. Was
86
deu neuen Statuensclimuck des Münsters betrifft, so
haben wir dagegen mit Bedauern waln-genommen , dass
au Stelle der alten, unter den Baldachinen des Ein-
ganges angebracht gewesenen Standbilder neue, gar
schlimm nazarenisch aussehende liiueingesetzt wurden,
was um so weniger nöthig gewesen wäre, als die vor-
maligen, wenigstens theilweise, sich in fast wohlerhal-
tenem Zustande befanden. Und dann: wenn eine Er-
neuerung statttinden musste , weshalb copirte man die
alten nicht , warum setzte man sogar ganz andere
Heilige an ihre Stelle"? So erinnere ich mich seit Knaben-
zeiten eines sehr schönen Annabildes auf diesem Platze,
das nun verschwunden ist. Wo sind diese Gebilde ?
Werden sie im Dome aufgestellt, oder in einem Museum
deponirt?
Dass die interessanten Glasgemälde mit deu Bil-
dern österreichischer Fürsten aus der Thurmlia.llc an
ihren ursprünglichen Aufstellungsort in der ßartliolo-
mäus-Capelle zurückgebracht werden , ist zwar voll-
kommen gerechtfertigt; es wäre aber in Folge dessen
mu so Wünschenswerther, dass dieser bisher verschlos-
sene Raum künftigliiu zugänglicii gemacht würde, da
die Malereien sonst so gut wie vergraben bleiben.
Um das Jahr 138U scheint man den Bau des Hoch-
tliurmes begonnen zu haben, um 1404 starb der greise
Meister Wenzla, dessen Gothik noch ganz die Weihe
reinsten Stylgeistes besessen zu haben scheint, dessen
Nachfolger aber in structurj^ turris pracfatae ita devia-
verunt, quod orania, quae pluribus annis sumtuose in ea
structa sunt, vicevcrsa ad id, ubi primus rcliquerat.
ammota sunt. Seheint sich solches auch zunächst auf
die Technik und Solidität der Bauführung zu beziehen,
so haben diese Meister, ein Peter von Prachatitz und
Hanns von Brachadicz, gewiss auch Antheil an der
stylistischen Veränderung, und sicher nicht Verbesse-
rung, des Wenzlaisclien Ideals. Denn dieser Meister des
XIV. Jahrhunderts, der Blüthezeit unserer Gothik also,
konnte nicht den Gedanken derjenigen Schöpfung gefasst
haben, als welche der Ilochthurm am 3. October 1433
vollendet dastand. Trägt dieser Bau ja doch sclion gar
merkliar das Gepräge eines mehr decorativen als con-
structiveu Styles, wobei die wuchernde Ul)erfülle des
Ornamentes die Architektur und ihre Gliederung ver-
hüllt, so, dass von dem ursprünglichen Plane des ersten
Meisters wohlliauptsächlich nur die grandiose Conception
des Ganzen lierrühren dürite. Aber auch von dem Ge-
sichtspunkte dieser späteren Entwickelung des Styles
geliört der Bau zu den schönsten, namentlich zu den
prunkvollsten Schöpfungen des Jlittelalters, ein erha-
benes Denkmal vaterländischer Kunstblüthe. Erhebend
und erfreuend ist die Beobachtung, wie der Genius der
Neuzeit, anerkennender Bewunderung voll, vor di' seni
Riesenwerke einer grossen Vergangenlieit nun einmal
den Flitterkram seiner eigenen kleinen Kunst vergessen
hat, und in bescheidener Demutli seine Ehre suclite in
liebevcdler Erneuerung dessen, das allen Zeiten in un-
bezweifelter Grösse entgegentreten wird, weil echte
Kunst, aus echtem begeistertem Antriebe, die Quelle
gewesen ist, aus der diese wundersame Schöpfung allein
hervorgehen konnte.
Kirchliche Baiideiikmale in Ober -Österreich.
(.Schhiss.)
Von Dr. K. Fronner.
(.Mit G Molztilinilten.)
Die gotliisclie Pfarrkirche des Marktes Käfer-
markt, dem heil. AVolfgang geweiht (Fig. 1), eine der
scliönst angelegten gothischen Landkirchen, hat eine
l>änge von 114 Fuss und wird durcii zwei Reihen von
je vier aclitcckigcii Pfeilern in ein breites 45 Fuss
hohes Mittelsciiitf und zwei scinnale, niedrige Seiten-
schiffe gctheilt. Das Presbytcrium ist 25 Fuss breit,
besteht aus zwei schmalen Jochen und dem aus fünf
Seiten des Achtecks consfruirten Chorsehliiss. Die Rip-
p(,-n der reichen, mit fief einschneidenden Kappen ver-
selienen Nefzgewöibe iniLanghause sitzen tlieils anl'Con-
solcn, tiicils ruhen sie auf an den Mauern emi)or-
Hteigendcn Ilalbsäiilcn , welche C'onslruction sich im
Presbyterinni bei den Rippen des dasscli)e lil)erde(ken-
den Netzgowöll)es wiederholen. Die, Gewiillislinie der
Kirche ist ein sehr gedrückter S|»ifzl)ogen, die Aidagc
ausserordciiflicii kühn in Rezug auf die WUrdc der Wie-
(l('rl:igs](fci!er, da die Wölbung eigentlich in Form einer
'l'iinne in \'eriiindung mif Schildern ausgeführt ist. Die
Fenster im l'resliyterium und flieilweise im Kirchen-
schiffe haben sein- schönes, gut erhaltencH Masswerk mif
zwei oder einem I'fo.sten (Fig. 2), die Gewänder sind
mit Hohlkehlen und Sfab schön und reich proftlirf ; dadurch,
dass der Eingang in die Kirclie auf die Seifen \ erflieilt
isf, iiat sich für die Auflösung der Tiiurmverliindung
mit dem Musikchore das Motiv eines Mitfelpfeilers in
Anwendung bringen lassen, wodurch die (iewölbslinie
des llau|)tsciiif['es und des Musikciiores in einem guten^'er-
hältniss zu .jenem der Seitens(diitfe sttdien. Die bidden
Eingangsthürcn, wovon jene links im Re(dite(d<, dieandere
im Spitzbogen construirt ist, sind sehr zierlieli ausgeführt.
Die iilusiktribüne, welche bis zum letzfiMi Pfeilerpaar des
Langhauses vorgeht und mittelst Gewölben mit demsel-
ben Ncrbuliilen ist, hatinder Miffedes Ilaui)ls(diilVes eine
achlkanfigi^ Säule, welche den sonst zu incifm l\Iitfi'l-
bogen theilt, an dessen Stelle zwei Sjjitzbogen treten
(iii'. 3). Das Parapet des Chores ist nicht durchbrochen,
alu'r durch vorgelegte Lisenen in kleine Felder getheilt;
im Mittelschiffe erscheinen diese Theiiung<'n nur an der
Seile des Para|)ets, während die !\Iifte, wahrs(dieiidi(di in
Rüidcsichf auf l)eabsichtigte aber nicht zur Ausführung
gelangte Herstellung eines Orgelpodiums, freigelassen
blieb. An der rilckwäitigen Abschlussmauer befindet
si(di über dem Miisikcdiur eine auf sechs 'l'ragsteinen
ruhende I*",iii|H)re , deren Parapet mit jenem der Mii.sik-
fribüne in gleiche Felder geflu-ilt ist. Die Tragsteine
sind unter sich mif ansteigenden Kreuzgewölben ver-
Imuden, an den Diinddireuzungsstellen der Rippen
— 87 —
rig. 1 Kät'eniijukt.)
sind kleine Scliildclieu angebraelit. Zu dieser Empore
gelangt man auf der zum Thurni führenden .Stiege.
Der Tlmnn ist der Facade angebaut, mit einem
Zwickeldache versehen. An den Langseiten und am
Cliorseldusse sind Strebepfeiler angcltraplit, auf denen
noeli besondere von einem Pfeiler zum andern gespannte
Bögen ruhen, die vielleicht den Zweck haben, den
Drnek des Gewölbes nach aussen zu vermindern.
Die Kirelie wurde von Christoph von Zelking 14TU
erliaut und im Jahre 1488 von demsellten mit zwei
Stiftungsmesseu veisehen, wie aueh zur Kuhestätte
erwählt, wie dies der (Irabsteiu vom J. 14U1 dartliut.
Noeh sind die vielen Steinmetzzeieiien zu erwähnen, die
sich im hinein der Kirche an \ielen Stellen finden, von
denen hier mehrere abgebiidt't sind (^Fig. 4). Da der
prachtvolle, geschnitzte Flügelaltar bereits in diesem
Journal besprochen ist (II., iJUT), so erübrigt nur mehr
auf die Michaelsstatue, als ein ganz besonderes werfli-
volles Schnitzwerk, das zur selben Zeit wie der
Flügelaltar entstanden sein mag , aufmerksam zu
machen.
Die dem heil. Michael geweihte Filialkirelie von
Grüiibach, auf einer ziemlich bedeutenden Anhöhe
gelegen, besteht aus einem durch eine lieihe von drei
achteckigen Pfeilern untertheilten, zweiscliiifigen Lang-
hause (51 P^uss lang, ',Vd Fuss breit) und dem der Mitte
desselben sich anschliessenden Presbyteriuni (;55 Fuss
lang und 22 Fuss breit). Das Kippennetz der beiden
glcichhohen Schifte ist sehr zierlich und fleissig durch-
gebildet; die Kippen sitzen tlieils auf den Pfeilern
unmittelbar auf, theils stützen sie sich an den Wänden
auf verschieden geformten Tragsteinen. In das letzte
Gewölbejoch des Langhauses ist der Musikchor ein-
gebaut. Das aus dem hallien Achteck geschlossene
Presbyteriuni ist ebenfalls mit einem Netzgewolbe über-
deckt, die Kippen ruhen auf halbrunden, theilweisc
gemusterten Hallisäulen. Die sänimtlichen Kirchenfen-
ster sind spitzbogig, zweitheilig und mit hübschem
Masswerk ausgestattet. Das Fenster an der Fa(,'adc
ist rund und mit Masswerk versehen. Die Eiugangsthür
rückwärts ist im Sjiitzbogen, jene an der Südsi-ite im
Rechteck hergestellt, jedoch mit gothischer Gliederung
versehen. Der in der Kirche befindliche Flügelaltar ist
sehr beachtenswerth. Diese unter dem Patronate des
Stiftes St. Florian stehende Kirche mag dem Anfang
des XV. Jahrhunderts angehören, ist jedoch einer diu'cii-
greifendeu Kestauration bedürftig. (Fig. 5.)
Die Pfarrkirche des kleinen Marktes St. Leon-
hard (erbaut 15.^5) besteht aus einem dreischift'igen,
durch zwei Keihen von je zwei Pfeilern untertheilten
Laughause (32 Fuss lang und 55 Fuss breitV dem Pres-
Fig. 2. i,l\.;it'cnn;ukt.
— 88 —
Fig. 3. (Käfermarkt.)
>^^^-t^ff^-^y\-^-Z\f
rig.*4. (Käfermarkt.)
I'"i{j. 5. (GrUnbacli.)
— 89
Fig. 0. (Sl. Leonhiird.)
bvterium und dem liuks davou angebauten Thurme.
"-".T •■- ' '"""" """" CD
Die Pfeiler ruhen auf rundem Sockel, sind achteckig',
20 Zoll stark und zwischen den Kanten A-ertieft, an
den Wänden steigen Halbsäulen empor und tragen die
Rippen der vollkonnnen erhaltenen Gewölbe der .Sei-
tenschiffe, deren rechtes 15 Fuss, das linke lo Fuss
breit ist. Die Überwölbung des Mittelschiffes wurde im
Jahre 1825 in Folge der Beseitigung des alten Gewöl-
bes in sehr ungenügender Weise hergestellt. Das Pres-
byterium ist 39 Fuss laug und 24 Fuss breit, mit dem
halben Achteck abgeschlossen und mit einem reichen
Netzgewölbe überdeckt , dessen Rippen auf runden
Halbsäulen ruhen. Der Mnsikchor ist von Holz, doch
sieht man Anfänge eines steinernen Aufbaues, der nicht
zur Vollendung gelangte , die Fenster sind leider
stark modernisirt. (Fig. G.) Der Thurm gehört in seinem
Aufbau der Neuzeit an. In der Kirche haben sich Reste
eines Flügelaltars erhalten, der durch seine Cbergangs-
foimen von der Gotliik zur Renaissance einigermassen
interessant ist.
P a s s a 11.
Von Dr. Karl Lind.
HI.
Die dem schmalen rechten lunufer entlang ange-
legte Innstadt, auf deren dahinter gelegenen Anhöhen
sich wahrscheinlich schon zuRömerzeiten jene bewohnte
Ansiedlung befand, die in des heil. Severin Lebens-
beschreibung von Eugippius als Bojotro genannt wird,
enthält nur wenig Denkmale, die auf eine ältere Zeit
zurückreichen. Die zunächst der Brücke stehende, der
heil. Gertraud gewidmete Kirche dürfte hinsichtlich
ihrer Entstehung den ersten Jahren des XIV. Jahrhun-
derts angehören, doch stammt das jetzige Gebäude aus
dem XIX. Jahrhundert, da starke Brände in den Jahren
1814 und 181 5 das frühere gänzlich zerstörten. Leider
gingen mit der früheren Kirche auch viele merkwürdige
Monumente zu Grunde.
Das für den Alterthumsforscher bedeutendste Bau-
werk der Innstadt ist die aniFriedhofe gelegene St. Se-
ver ins-Kirche. Esisteigenthümlicli.wie wenig Kirchen
der Gegenden, in denen Severinus seines heiligen Amtes
XVIII.
waltete, das Andenken an diesen heiligen Sendboten
des christlichen Glaubens dadurch, dass sie demselben
geweiht sind, erhalten. So z. B. dUrlten sich in Nieder-
Oesterreich kaum mehr als zwei solche Kirchen finden.
Wenn auch die ältesten Nachrichten über diese
Kirche nur der Mitte des XII. Jahrhunderts angehören,
zu welcher Zeit sie schon als Pfarrkirche erscheint, so
ist doch kein Zweifel, dass sie schon früher bestand,
ja dass schon in den ältesten Zeiten zu dieses Heiligen
Andenken hier eine Capelle stand.
Die gegenwärtige Kirche dürfte in ihrem älteren
Theile in das XII. Jahrhundert zurückreichen. Es ist
dies das Schiff, das nahezu ein Quadrat bildet und flach
ül)crdeckt ist ; leider entbehrt der romanische Theil
innen und aussen jedes charakteristichen Details; Portal
und Fenster wurden bei der im Jahre lsr)4 vorgenoiu-
menen, übrigens sehr lobenswertheu Restauration her-
gestellt und letztere dem gegenwärtigen Bedürfnisse
entsprechend erweitert. Wenn bei dieser, sowie bei
allen in Passau vorgenonnneuen Kirchen-Restaurationen
12
90
etwas auszustellen ist, so ist es, dass diese mitunter zu
eingreiiend, besonders an Werken der Scnlptur, durcli-
g-efülirt wurden, wodurch der C'liaiakter derAltertliünilieh-
keit derselben arge Einbusse litt. Neben dem Kirehen-
scbitfe ist eine ganz kleine Capelle, als die Betzelle
Severin's bezeichnet, über deren Alter jedoch die jetzige
Restauration gar keine Vermnthung mehr zulässt. Der
Chor ist ein gotliischer Bau, der im Jalire 147i) anläss-
lich einer in der Kirche nothwendig gewordenen llaupt-
reparatur aufgeführt wurde. Wir finden da stark ]irofilirte
Rippen, hohe schmale Fenster und aussen die übliche
."^trebepfeileranlage.
Von alten Werken der Sculptur erscheinen crwäli-
nenswerth drei Grabsteine von Pfarrern, davon zwei in
die Mitte des XIV. Jahrhunderts zurückreichen (früher
im Fussboden, jetzt an der Wand aufgestellt), eine fast
■ lebensgrosse Madonna, vielleicht nocli dem XIII. Jahr-
hundert angehörig, eine etwas ältere Statue des heil.
Severin, die Statuen der heil. Elisabetli und ]\Iaria aus
dem XIV. Jahrhundert, ein Relief, den Tod Mariens
vorstellend, aus dem XV., und (wahrscheinlich etwas
jünger) die Statuen des h. Sebastian und A\'o]fgang.
Zunächst des Einganges steht ein Römerstcin, der
jetzt, oben entsprechend ausgehöhlt, als Weihwasser-
stein benützt wird. Seine Inschrift lautet: D. M. | Fau-
stini I ano vect illyr vil ' ingenus | fil. et felix ' C. S. ('.
ex vi I ejus b. m. pp.
Die am linken llzufer gelegene Ilzstadt steht zwar
an Altehiwürdigkeit den anderen Theilen Passau's nach,
doch finden sich schon im XI. Jahrhundert Spuren
dieser Ansiedlung. die bald in innigen Vei1)and mit
Passau selbst trat. Hier hatten Schiffer und Schiffbauer,
aucli Juden ihren Wohnsitz aufgeschlagen. Hier war
die Zollstätte des Klosters Xiedernburg für die Handels-
leute, welche den mit Böhmen die Verbindung herstel-
lenden goldenen Steig benützten.
Die dem heil. Bartholomäus geweihte Pfarrkirche,
ein stark restaurirter und umgestalteter Bau des XV.
Jahrhunderts, davon einige Theile noch älter sein mögen,
wie die untere Partie des Thunnes (Ende des XIII. Jahr-
hunderts), enthält als einzige Sehenswürdigkeit einige
"noch dem XV. Jahrhundert angehörige Glasmalereien,
die aus der Collegiatkirche St. Salvator hiehcr übertra-
gen wurden. Sie enthalten die in ihrer Art eigenthüm-
lichen Darstellungen eines vermeintlich von den Juden
an heil. Hostien begangenen Frevels.
(Schluss foljct.i
Die Kunst des Mittelalters in Böhmen.
Von Bernhard Grueber.
Fortsetzung
(Mit 31 Uolzbclinim-ii.)
,,. -rir 1-1 • T- .. habe. An beiden Seiten sind in die AVand je neun
D.elfarrkirche in Kourim. ^-^^^^^^ eingelassen, welche anstatt der Chorstühle
Die ehemalige Kreisstadt Kourim gehört zu den für die sieh hier versammelnden kirchlichen Würden-
ältesten Orten Böhmens, wurde jedoch erst mit Kolin träger dienten. Unter dem hohen Chor befindet sich
zur Stadt erlmben, in welcher Zeit auch die Erbauung eine achteckige, von einer Mittel-Säule unterstützte und
der Pfarrkirche und der zum Tlieil noch in gutem Zu- der heil. Katharina gewidmete Krypta, in welche man
Stande befindlichen Stadtmauern erfolgte. Bereits im auf schmalen in der Mauerdicke angelegten Treppen
XII. Jahrhundert war Koufim der Sitz eines Erzdecans hinabsteigt.
und besass eine von den dreizehn Ifaiiijtkirchen Böhmens, Die Hauptmasse zeigen sich wie folgt:
doch hat sich von diesem Geiiiüide nicht die mindeste , . , ^ , „ . i •«. i -„r . j , •
Snur erhalten Lichte Lange des Hauptschiffes von der Uestwand bis
Die* dem heiligen Stephan gewidmete Pfarr- und an den Trimiiphbogen ...... CüFuss-
Decanal-Kirche zeichnet sich, von einigen Verzopfungcn ''^''"^ ^''"^'^^ '^^''^ Presbyteriums und Chor-
der Aussen.scite abgesehen, vor allen Über-angsbauten Schlusses zusammen M ,.
des Landes durch gleiehmässige Detailhildung aus; ^^.^l^« ^^^^ J;f^"S'i''"SL;s . . . . . .% „
das Innere ist beinahe vollslämlig erhallen und lässt ^^ ''jt«^' "J';« Miüclschifles zwischen den
erkeiincM, dass das Ganze ohne L'nterbrechuiig in kurzer l'lcilern -«>'A),
Zeit aiisgenihrt worden ist. Das Kircheuhaus ist drei- I';'1l:i-«'="';;'. • • • 4< „„
scbifi-ig und hält die Basilicaform ein; zu beiden Seiten '"e des Mittelschiffes 4ti „
stehen drei rjuadratische mit rumlen Mitteldicnslen "liilie der Seitenschiffe 24 „
versehene Pfeiler von ähnlicher jedoch viel schlankerer Der Fussboden der Krypta liegt If) Fuss unter
Gestalt, als wir sie in K(din kennen gelernt haben, dem Pllastcr des Presbyteriums; die Krypta hält im
Sowohl der liohe Chor wie die Abschlüsse der Seiten- geraden Durchmesser 22 Fuss und ist bis in den
schiffe sind auf die übliche Weise aus" dem Achteck (iewölbeselieitcl ]-2'/.. Fuss hoch. rn)erh;dli derselben
gezogen, ein (iiierhaiis ist nicht vorhanden, doch wird liegt noch eine ältere nicht mehr ziigäiiglichc l'.egrälniiss-
die Kreuzform ilurch zwei neben das Presbyterium capelle. Kirche und Krypta sind einheitlich und es
gestellte, über den Seitenschiffen sich erhebende Tliürine zeigt sich in der Beliandlungsweise der hier und dort
ausgedrückt. vorkoninienden Decorationen, Rippen und Gcwölbe-
Das für eine städtische Pfarrkirche un-ewiilinlicli liihhingrii nicht der leiseste rntcrschied. Die Laub-
lange, um .^ Stufen erhöhte Prcsbytcriiiin gibt Kunde, werke, P.lnnieii und P.andver/.iei iingeii sind genau in
weich liolien Rang die Koutinicr Kirche eingehalten derselben Weise entworfen und ausgeführt, wie die in
1)1
Kolin, aiH'li stellt sich mittelst tcclinisclicr Untersu-
chungen zur Evidenz heraus, dass diese beiden Kirchen
von einem und demselben Meister geleitet worden sind.
Etwas flüchtiger sind die Arbeiten in Koufim ans-
geiührt, auch fehlen hier die Bcstiarien, Larven
und figürlichen Darstellungen, deren in Kolin viele
getroften werden. Es fehlte an Arbeitskräften, beson-
ders an Hildhaueru, die wenigen verfügbaren Arbeiter
waren durch den Koliner Bau in Anspruch genommen
und mehr nicht aufzutreiben. Dieser Umstand spricht
für die etwas frühere Anlage von Kolin.
Der Spitzbogen herrscht in beiden Denkmalen
vor, doch sieht man wie in Kolin auch in Koufim
einzelne aus dem Halbkreise errichtete Coustructionen,
so den Trium])hbogen, den vordersten Arcadenbogen
links und die Hauptgurte im Presbyterium. Auch die
Fensterchen an den Thürmen und in der Krypte sind
nach romanischer Weise gebildet, die Eingänge aber
gothisch. Das Haupt-Portal befindet sich an der Nordseite
unter einer weit vorgetragenen Portike ; die Leibung
wird beiderseits durch drei angeblendete »Säulen und
eben so viele rechteckige Vorsprünge gebildet und mii
einem aus dem gleichseitigen Dreieck gezogenen Spitz-
bogen überwölbt; die Thürütfnung aber ist mit einem
aus Halbkreisen gezeichneten Kleeblattliogcn bedeckt.
Ein ähnliches, jedoch verbautes I'ortal hat sich an der
arg verzopften Westfacade erhalten.
Da dieses wohlcrlialtene und schöne, durch Fur-
menrcichthum ausgezeichnete Denkmal noch gänzlicii
unbekannt ist, wurde zweckdienlich befunden, dasselbe
Sil genau zu illustriren, als die vorgezogenen Oränzen
erlauben; daher sind beigefügt:
Fig. 34 Grundriss des Kirchenliauses, Fig. ;5.")
Grundriss der Krypta, Fig. ;i<j Längcnscimitt der Kirche
und Kr}q)ta, Fig. 37 Haupt-Portal, nebst Grundriss*,
Fig. 38, Fenster mit Masswerk am Seiten-Chor, Fig. ."»ii
Fenster im Lichtgaden, Fig. 4U Hogenstellung im Chor,
Fig. 41 Gewölberip])en im Ciior, Fig. 42 Pfeiler in der
Krypta nebst Grundriss, Fig. 42 bis 47 Capitäle.
Die Literatur über die Kirchen von Clslan, Kolin und Koufim ist sehr dürftig,
die Errichtungsbilcher des I'rager Domcapitels reichen nicht in die Oründuna.—
zeit dieser Kirchen hinauf, genaue Ueschreibungen werden liier zum erstenmal
geboten.
l'Mg'. 34. (Koiii'im.
50 so
-| I h:f.
Fig. 35. (l\()uiim.
12=i
92
£.^,.BR'UNNWi:.
Fig. yo. (Koiifiiii.)
Die Propst eik i rflic in Politz (Polic).
In geographisclicr llinsidit liegt das etwa drei
Stunden gegen SUden vom licnedictincr.stiitc P)raunau
entfernte Politz , zwar ' etwas abgelegen von der
geschilderten Gruppe, kann aber lliglieli als nörd-
lichster Ausläufer angesehen werden und schliesst
sich enge an die Kirchen zu Kolin und Konfim an.
Politz ist eine Colonie des Pencdietiner Kifisters Bfe-
vnov bei Pi'ag , \viii-dc \'2\'-'> gegründet und von
Pfeniysl Ofakar 1. bestätiget. IJber den Kirchen-
bau sind keine zuverlässigen Nachrieliten vorhan-
den, wenn auch in den Kloster-Aimalen von P>raunau
(ebenfalls einer life\ nover (,'olonie) vorkommt, dass
der Abt Paul IJavor im Jahr i:!()4 die sänmitliehen
Stiftsgebäudff in J'olitz habe neu aadidiren lassen.
Dergleichen Angaben konmien in klösterlichen Berichten
nicht selten vor, ohne dass denselben besonderes
(Jcwicht br-izulegcn wäre; in der Regel jifb'gte ein Abt
ti;icli dcMi andern cinigr I'.aiilichkeiten auf s<'inen Stii'ts-
gfitern ausfüin-en zu lassen und so geschah es oft, dass
' ». Mllth. <l. Oon. Com. XV. B., p. XV.
ein eifriger Klosterbrnder den Theil für das Ganze
nainu und eine Reparatur als neue Anlage verzeichnete.
■Wahrscheinlich ist, dass durch den genannten Abt Paul
Ravor die Kirche vollendet und so diesem thätigon
Manne das jranze Verdienst zugeschrieben wurde.
Die Anlage gehört uid)e
lingt der
Mitte des XI 11.
Jalirhunderts an, hat aber viele Änderungen erfahren. Im
.Jahre 1421 durch die Hussiten zerstört, um 1715 durch
Dinzenhofer erneuert, wurde das Gebäude vor einigen
Jahren in nicht unpassender Weise restaurirt, so dass
nwärti;;-c Zustand belViedigend genannt werden
der
j,.,,o.,_
kann. Die Kirche unter dem Namen Maria (ieburt ist
eine Basilica, ohne Thurm, mit langem Presbyterium,
neben weleliem sich die .SeitenscliKVe nicht fortsetzen.
Die Wölbungen des Mittelsehilles sind in Folge des
Jirandrs \(in I4lM zusainmengestiirzt und durch moderne
ersetzt wiinl<'n, im Prcsl)yterium aber und den Neben-
schiiren haben sich die alten Kreuzgewölbe erhalten.
Das dreisehill'ige Langhaus hat fünf quadratische
Pfeib'i- auf jeder Seite nml ersejieint bei iingeWöhnlieher
Schnialiieil des MittelscliitVes fast lil)erlang, denn bei
einer iiehlm Üreite von L'l Kiiss hält der Mittelgang
— 93
(Koufim.)
eiue Länge von lOO'/o Fnss ein und ist gegenwärtig,
obwohl das neue Gewölbe etwas tiefer herabgesetzt
wurde, noch 50 Fuss hoch. Die Seitenschiffe sind je
It) Fuss weit bei einer Höhe von 26 Fnss. Das Presby-
terium besteht aus zwei Gewölbejochen und dem aus
fünf Seiten des Achtecks gebildeten Chorschlusse mit
einer Gesammtlänge von 60 Fuss.
Die Westfronte der Propsteikirche zeichnet sich
durch einen vorzüglich schönen Portalbau aus, welcher,
zwischen den Portalen von Hradis und Koufim
die Jlitte einhaltend, mit einer besondern IMauerver-
stärkung ans der Wandtläche vortritt. Die Leibung wird
durch eine über die Wand vorspringende freie, und
drei in der Schrägung eingeblendete Säuleu gebildet,
das Ganze ist reich mit Pflanzen-Ornamenten ausgestattet,
wobei namentlich das AVeinlanb mit bewunderungs
würdiger Geschicklichkeit und in den verschiedensten
Umstellungen angewandt wurde. Auch das Innere zeigt
ähnliche Decorationen; die Gurtträger, Pfeiler und
die Wandsäulen im Chor sind mit abwechselnden
Laubwerken und linearen Bildungen geschmückt und
die Gewölberippen besonders zierlich protilirt.
Beigeschaltet sind : Fig. 48 Gnnidriss der Prop-
steikirche, Fig. 49 Partie des Mittelschiifes im Aufriss,
Fig. 38. (Koufim.;
Fig. 50, Aufriss des Portales, Fig. 51 Grundriss
desselben, Fig. 52 bis 54 Detailirungen.
Die Landkirchen.
Es ist wiederholt angeführt worden, dass der
romanische Stji auf dem Lande noch lang in Übung
verblieb, nachdem die Übergangsformen bei grössern
Baulührungen den Vorzug erlangt hatten. Lidess war
unausbleiblich , dass die Neuerungen hie und da Ein-
gang fanden, besonders in jenen Gegenden, welche im
Laufe des XIU. Jahrhundert durch herbeigerufene
deutsche Colonisten urbar gemacht wurden. So treffen
wir auf den weitläufigen Besitzungen des Klosters
Sclau und überhaupt in den östlichen Bezirken viele
Kirchen, welche sich von den romanischen Bildungen
aufl'allend untcrscl;eideu, obschon sie einschiffig ge-
halten sind und wie jene aus Vorhalle, Langhaus und
Chor bestehen. Das Langhaus ist nach aher Weise noch
mit flacher Holzdecke überspannt, aber im Vergleich
mit der romanischen Anlage viel räumlicher, indem
die Länge bis auf 60, die Breite auf 33 Fuss ausge-
dehnt wird. Vorhalle und Emporkirche, welche letztere
in der böhmischen Landkirche nie fehlt, behalten so
94
Fig. 39. (Koufim.)
/ieiiilich die friilaTC Anordmmg, (Ingegon nehmen
Tliurin und Cliorbuu ganz andere Gestalt an.
Der Tlmrm findet seine Stellnng gewölinlieli neben
dem Cliore, so dass die Thurndialle als Sacristei
dient. Der Chorschhiss ist regelmässig ans dem Achteck
construirt, mit Strebepfeilern ausgestattet und immer
mit einem schönen, oft sogar prächtig ausgeführten
Gewölbe versehen. In den Kirchen von Jific (Jirseiiitz)
und Jung Bfist (Mlade Bfi§te) sieht man Knäufe,
Schliifisstcine, Gurten und andere IJautlieile von sorg-
fältigster Steinmetzarbeit und ganz eigenartiger Form-
gebung. Beide um 1270 vollendete Kirchen waren
auch mit starken .Mauern und Graben unr/.ogen, also
Fesfungskirchen. In der Pfarrkirche S.Jakob zu Jific
(welches Dorf wegen seiner ]ilangeniässen Kintheilung
l)ereits erklärt wurde) sieht man sogar ligürlichen
Schmuck an den Gurtträgern des Cliorschlnsses.
Zwar kleiner aber durchgebildeter zeigt sich die
St. Johaim Baptist-Kirche in Jung-Bfist, von welcher
(rine I'>eschreibung gegebcTi werden soll. Durch das an
der WestHcitebefindlichefriiii gothisHic Porta! tritt man
in die von zwei Pfeilern unterstutzte, K» Fuss tiefe
Vorhalle, darüber die Ubliclie Empore. Das Schiff ist
mit flacher Iloizdecke belegt, ;]() Fnss lang, 2.'! Fuss
breit und ebenso hoch. An das Schiff lehnt sich eine
Art von Querhaus, welches dadurcli gchihlet wird,
das« neben dem qnadratischen Mittelranm zur linken
der Thurm, zur rechten eine diesem entsprechende
Capellc vorgelegt ist. Diese Partien, wie auch der um
2() Fuss vortretende dreiseitige Cliorscliluss sind IIIxt-
wölbt, die Vicning ist v<iui F>anghaus durch einen
Yiä
■to.
ilvoiiriin.
Triump]d)0gen abgeseldossen. Die Mauerdicke betiü!;-!
4 Fuss.
Der angefügte Grundriss, Fig. 50, verdeutliclit
dieses interessante Bauwerk.
Ein zweites Gebäude dieser Art ist die Pfarrkirche
in Nachod am polnisciien Steig, eine kreuzförmige, in
allen Theilen überwöUite Anlage. Das 00 Fuss lange
und 34 Fuss breite Schiff bestellt aus vier gleichen
Gewölbealitheilungen und wird durch einen um .') Fuss
vortrt'tenden 'rrinm})ld)(>gen Mim Presbyterinni getreimt.
Neben dem bedeutend schmälern Presbyferium sind
zwei Thürme angeordnet , von viereckiger schwerer
Grundform, durchweiche die Kreuzforni ausgesprocluni
wird. Presbyferium und Cliorsciibiss gehören der
Übergangszeit an und sind mit schönen AVölbungen in
der Art wie Brist ausgestattet, das Schilf aber l)esifzt
keine ursprünglichen Gewölbe und scheint ehemals
flach eingedeckt gewesen zu sein.
Im Chor dieser Kirche bat sich ein vorziiglieli
schönes Siicramenfshäuschen von Tafelform erliaitc'n
l'i"-. II. iKi)uiliii.)
— Oü —
^p^^
V v "^
Flg. 43, (KoiiHni.)
Fig. 44.
Fig. 42.
Fi:,'-. Jf),
Fig. iC.
Vi^. Vi
90 —
\w
m
mimt
Fig. i'.K (Politz.)
l'ij,'. öil. iVitWtz.i
7 Fuss hoch und 2'/, Fiiss breit, in dessen von einem
geschweiften Bogen nnischriebenem Mittelfekl ein gut
angeonluetes VeronicabiUl eingepasst ist.
Die beigelügten Illustrationen sind : Fig. öd
Grundriss , Fig. 57 östliche Ansicht der Kirche.
Dieser Richtung gehören au: die Kirche zu Unter-
Oujczd bei Leitoniischl, welche an der Nordseite mit
einem ruudbogigenaber im zierlichsten Übergangs-Styl
gclialtenen Portal geschmückt ist, die Pfarrkirchen zu
Ylasim Domasin , Lhotice bei 8chiu, und noch einige
in emphyteutischeu Dörfern befindliche Bauwerke.
Rückschau auf die östliche Gruppe.
So gleichartig die stylistische Entwicklung der
aufgezäldtcn Werke erscheint, so eng begränzt der
Zeilraum ihrer Erbauung ist, machen sich doch allerlei
Schattirungen bemerkbar, welche zum Theile als natur-
gcmässe Fortschritte aufzufassen sind, theils durch
Aeusserlichkeiten, Bau-Materialien, vorhandene Mittel
u. dgl: hervorgerufen wurden. So stimmen Trebitsch,
St. Agnes , Tisclmowitz und Hradist' vollkommen
überein und sind unbedenklich in die gleiche Zeit
(1230 — 1245) zu versetzen, wenn auch über HradLst'
und Trebitsch keine urkinidlicheu 15elege beigebracht
werden können. Etwas jünger scheinen die Iglauer
Denkmale nebst den Kirchen Selau und lIum])olec zu
sein, als deren mittlere Bauzeit 1:^50 angenommen
werden darf. Die fast zu weit gesteigerte Einfachheit
dieser Werke wird zum Theil durch das unbildsame
Material und Mangel an Arlx'itskiäften erklärt, mag
aber aucli etwas auf persönlichen Anschauungen des
regierenden Selauer Abtes beruhen. Abermals um etwa
10 Jahre jünger zeigen sich die Prachtbauten Politz,
Koufim und Kolin , von denen die letztere wahr-
sclieiiilicli am frühesten angefangen und am spätesten
vollendet wurde. Da die Koiiiier Kirche im dritten
Theile noch einmal besprochen werdt'u muss , be-
gnügte nmn sich hier deren Baugeschichte nur in all-
gemeinen Linien anzudeuten.
Die zwischen 12(iO bis 1300 angelegten grössern
Bauwerke, z. B. die Kirchen in Sedlec , Beneschau,
Böhmiscii-Brod, Pilgram, Leitomischl, tragen zwar
alterthümliches, aber vollständig gothisches Gepräge
und sind deshalb einer besondern Gruppe einverleibt
worden.
S ü d i i c h e f i r u j) p c.
Der Süden Böhmens, dessen Annuth an
Bauten romanischen Styles dargethan wurde,
besitzt gleiclisam als Entschädiguugzaldreiche,
geschichtlich wie künstlerisch hochwichtige
Denkmale der Übergangszeit , deren Ent-
stehung meist genau docunientirt ist. (ücich
dem Nordosten, wo sich entlang des Kiesen-
gebirges undurclidringliche Wälder einer
gleichmässigcn Verbreitung der Cultur ent-
gegenstellten, erhielt auch der Südwesten und
Süden des Laiides <'rst im Laufe des XIIL
Jalirhunderts eine dichtere Bevölkerung. Hier
wie dort waren die Klöster am thätigsten,
Wildnisse in fruchtbare Felder zu verwan-
Fig-. ö3. (Politz.)
Fig. öT. (Nachoil.
Fig. 52. ^Politz.
Fig. ö(i. ^l'olitz,
~i~ I T
Fig. ;A. (Xachod.)
XVUL
la
1)8
ileln, Waldungen auszuroden und durch geregelte
Strassen oder Saumpfade den Verkehr zu beleben.
Auch im Böhmerwalde und seinen Ausläufern fand
das eniphyteutische System Eingang und bewährte
sich als nutzbringend.
In ihrem Charakter schliessen sieh die in der
Südspitze befindlichen Bauwerke weniger an die im
Innern des Landes vorherrschende Richtung, als viel-
mehr an die im Donauthale vorfindlicheu Bildungen au,
welches Verhältnisszunächst den Herren von Rosenberg
zuzuschreiben ist, die in diesen Gauen fast mit könig-
licher Jlacht geboten und auch an der Donau wie in
Steiermark reich begütert waren.
Stift Goldenkron.
Wenn gleich Hohenfurt, die Stiftung der Herreu von
Rosenberg, heute noch in ununterbrochener Herrlichkeit
fortblüht, erlag das königliche Goldenkron den Schick-
salsschlägen , von denen es seit dem Beginne des
XV. Jahrhunderts in langer Reihe heimgesucht
\\urde. König Otakar II. gründete in Folge eines Ge-
lübdes, welches er während der Schlacht bei Kroissen-
l)runn gethan, das Cistercienserstift „Corona auiea"
und dotirte es mit den Gütern Boictic und Gojan,
welciie Besitzungen die Herren von Klingenberg, Bavor
VdU Strakonic und Vok vonRosenbergmitvielenLiegen-
schaften vermehrten. Schon in den Kriegen zwischen
König Otakar und Kaiser Rudolf von Habsburg bra-
chen schwere Tage über das Kloster herein, doch
erholte es sich im Laufe des XIV. Jahrhunderts und
liefand sich in sehr günstiger Lage, als die Hussiten-
stürnie losbrachen, wo es zerstört wurde.
Obwohl König Vladislav IL sich Mühe gab, das
Stift wiedei' em])orzubringen, konnte es nicht erstarken;
ilenn viele Klostergüter hatte sich der umliegende Adel
angeeignet und die übriggeblielicnen waren gerade
die werthlosesten. Unter fortwährend misslichen Ver-
hältnissen fristete sich das Stift dahin bis zum Jahre
1 7.ÖS , als es durch einen Ilofhef'ehl aufgehol)en wurde.
Goldenkron ist eine Colonie des Klosters Heiligeu-
kreuz bei Wien , doch stehen die hier und dort einge-
haltenen Styl-Richtungeu in keinem unmittelbaren Zu-
sammenhange, wie denn Goldenkron in seiner Bauweise
den üblichen Cistercienser- Anlagen nur zum Theil ent-
sjiricht. Die Kirche ist kreuzförmig, eine Basilica mit
iiochaufstrebendem Mittelschiff und einem aus der
Hälfte des Zchnecks construirten Cliorschlusse. Ein
Thurm fehlte, auch war keine Emporkirche vorhanden,
dagegen ein offener an der Westseite vorgelegter Por-
ticus, welcher jedoch bei dem Brande von 1420 zerstört
und nicht wieder aufgebaut wurde.
Jlit Zuzäiihing der lieiden verstärkten Pfeiler an
der Vierung stehen IG Pfeiler, 8 auf jeder Seite, im
Schiffe, welches von der Vierung bis zur westliehen
Frontmauer 138 Fuss lang ist, während die Gesammt-
breite 5(i Fuss beträgt. Das Querschiff besteht aus drei
gleichen Quadraten, misst 84 Fuss in der Breiten-
richtung und 28 Fuss in der Tiefe ; jenseits Vierung
setzt sich der Chor in der Länge von 56 Fuss fort, wo-
durch sich eine lichte Gesammtlänge von 224 Fuss
ergibt. Die Höhe des Mittelschiffes lässt sich nur an
nähernd bestimmen und dürfte gegen 80 (vielleicht 84)
Fuss betragen haben; alle ursprünglichen Gewölbe sind
zerstört und der Fussboden im Innern bedeutend erhöht
worden. Der ganze Raum ist mit forndosen Stukkaturen
üljerkleckst und besonders der Chor-Schluss arg durch
Brände und misslungene Restaurationen entstellt, wes-
halb man sich über den ungeheuren Eindruck, welchen
dieses Gebäude erweckt, nicht genug verwundern kann.
Alle Mängel und Schaden, alles bunte Flitterwerk ver-
schwinden l)ei dem Überblick des Ganzen; eine so ein-
fache Grossartigkeit, man darf wohl sagen Majestät, ist
selten erreicht worden. Da hier fast alle Einzelheiten
verdorben worden sind, liegt das Wirksame ausschliess-
lich in der glücklichen Massenbehandlung und in den
zu Grund gelegten Verhältnissen.
Die Zahl 14 scheint hier wie in Hohenfurt als
Grundzahl gegolten zu haben, welche in allen Längen-,
Breiten- und Höhenverhältnissen wiederkehrt. In Gol-
denkron sind die Seitenschiffe je 14, das Ilauptscliiff
und Querhaus 28 Fuss weit; die Weite des Langschilfes
beträgt .'')(), dessen Länge 84 und die Gesanuutlänge
rv'ir-
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F"ig. fiH. ((JuldcMkroii.;
99 —
,50.
Fig. 59. i^Gokleukron.)
der ganzen Kirche im Liclit 224 Fiiss, Masse, in denen
die Grnndzabl 2-, 4-, 6- und IGmal enthalten ist. Die
Pfeiler sind aus der Kreuzform abgeleitet und in der-
selben Weise wie in Trebitseh ])rofilirt; sie gehen eben-
falls oline Vermittlung eines Kämpfe rgesimses in die
Arcaden-Bogen über, wälirend ein mittlerer Pilaster als
Dienst aufsteigt, um die Rippen des Hauptscliitfes zu
unterstützen.
Jlit Ausnalime eines grossen vierfeldrigen, an der
Abendseite betindlichen Fensters , dessen Masswerk
einer spätem Restauration anzugehören scheint, und
einer schönen Eosette im südlichen Kreuzarme sind alle
alten Fenster abhanden gekommen, eben so die Strebe-
pfeiler längs der Nordseite , welche man kürzlich abge-
tragen hat. Von dem ehmals prachtvollen Kreuzgaug,
dem Capitel-Saal und noch einer Capelle haben sich
ansehnliche Keste erhalten, dürften aber bald ver-
schwunden sein, da sie als Werkstätten einer Eisen-
giesserei und Maschinenfabrik benutzt werden. Es
ist sehr zu bedauern, dass das Schicksal diesem herr-
lichen Gebäude keine andere IJestinunung vorbehalten
hat. Die Stiftskirche Jlaria Himmelfahrt dient gegen-
wärtig als Pfankirche des Dorfes Goldenkron und
befindet sich in leidlichem Oauzustande.
Wie es gekommen , dass bei den gänzlich ver-
schiedenen Anlaiien der Kii'chcn Hohenfurt und Golden-
kron die Eiuzclmasse so vielfach Ul)ereinstimmen und
.sich auf „7" rcduciren lassen, möchte seinen Grund
theils in königlichen Vorschriften , theils in dem Um-
stände haben , dass die P.aumeister dieser beiden -Cister-
cienser-Kirchen,welclic nur 6 Stunden von einanderent-
fernt sind, oft mit einander conferirtcn. Die Kirche zu
Goldenkron ist nicht allein viel länger und regelmäs-
siger, sondern sie ist in einer viel weiter fortgeschrit-
tenen Gothik ausgeführt, während der Grundriss mehr
an romanische Anordnungen erinnert.
Illustrationen: Fig. 58 Grundriss, Fig. 59
Aufriss der Westseite, Fig. 60 Ruudfenster im Quer-
schiff, Fig. Gl Pfeilerprolile , Fig. 62, 63 Strebe-
pleiler mit Detail , Fig. 64 , Krönung des Treppen-
thürmehens, Fig. 05, 66 Capitälc aus dem Kreuz-
gang,
Das Dominicaners,tift zu Budweis.
Wir haben bereits über das Entstehen dieser freund-
lichen StadtMittheilung gemacht und beschränkt?n uns hier
darauf, zu bemerken, dass diese Stadt als Lieblings-
schöpfung des Goldenen Königs anzusehen ist, und von
ihm immer mit Vorliebe und Auszeichnung bedacht
wurde. An der Stelle des heutigen Klosters soll Otakar
II. die Nachricht erhalten haben, dass ihm ein Kind
(das erste) geboren worden sei, weshalb er hier diese
fronnne Stiftung zu machen beschloss, die sich bis zum
heutigen Tage erhalten hat.
Einer durch eine Inschrift verewigten Sage nach
ssoll das Dominicanerstift 30 Jahre früher als die Stadt
angelegt worden sein; diese Schrift befindet sich ober-
halb der Klosterpforte und lautet: Triginta ac uno locus
hie prior urbe stat anno. Da jedoch die Stadt urkundlich
bereits 1205 als solche genannt wird, und die Domini-
caner-Kirche nach untrüglichen Anzeichen gleichzeitig
mit dem Kloster Goldenkron, vielleicht durch denselben
Werkmeister, erbaut wurde, darf die Richtigkeit der
V'i^. <iO. rJoUlenkron.
100
1
- HM
i >■''!!;
Fi;
6-2.
Fig. (!3.
(Golilcnkron.
Insclirift bezweifelt werdeu, insofern sie sidi nicht auf
ein besonderes dermal unbekanntes Ereigniss (z. B.
Vollendung der königlichen Burg oder der Stadtpfarr-
kirclic) Itezielit.
Die Klosterkirche Maria Geburt ist eine Basilica,
olnie Tliurni und ohne Querscliiff, doch mit Andeutung
der Kreuzform, indem vor dem Presbyterium eine Vie-
rung liegt, neben welcher die .Seitenschiffe sich zur
Höhe dcsllauptschitfcs erheben. Das Langhaus ist durch
ein RcciitciU umschrieben und durch sechs Pfeiler (^aui'
jeder Seite) eingetheilt. Die beiden an der Vierung
stehenden Pfeiler sind verstärkt und aus der Kreuzform
abgeleitet, die übrigen haben quadratische Grundform
mit vorgelegten Diensten.
Von der Vierung au bis zum Abschlüsse des aus
dem Achteck gezogenen Chores hat sich die ursprüng-
liche Anlage ganz unverändert erhalten, das Haus
westlich von der Vierung wurde modernisirt, mit korin-
thischen Pilastern , Cajjitälen und Gebälken überzogen,
wobei sonderbarer Weise die alten Gewölbe intact
geblieben sind.
Das Gepräge des Ganzen wie aller einzelnen
Theile ist genau dasselbe , welches wir in Goldenkron
kennen gelernt haben: dieselbe Einfachheit und Gross-
artigkeit der Massen, die gleich sorgfältige Behandlung
der Details. Die Ornamentik namentlich deutet auf einen
und denselben Meister hin, sie ist gothisch ohne irgend
einen Anklang an die frühere Periode, und verdient in'
Anbetracht des Materiales, eines sehr harten Granits,
besonderes Lob. Die beiden Nebenschifte haben sich in
allen Theilen unversehrt erhalten und zeigen an den
Gurtträgern und .Schlusssteinen vorzügliche Steimnetz-
arbeiten, deren auch das Presbyterium viele besitzt.
Nebst den gewöhnlichen Laubgebilden kommt das Ei-
chenblatt hier öfters vor; an einem im Chorschlusse
betindlichen Capitäle sieht man sogar eine humori-
stische Darstellung, welche in Böhmen zu den grössten
Seltenheiten gehören. Unterhalb eines Bündels von
Eichcnblätteru steht ein Schwein, welches eine Eichel
verspeist. Die Maria-Geburt-Kirche wurde am Feste
Trinitatis des Jahres 1274 feierlich eingeweiht und soll
damals vollendet gewesen sein, mit welcher Nachricht
der alte Bestand vollkommen übereinstimmt.
Südlich von der Kirche breitet sich der wohlerhal-
tene Kreuzgang aus, wo originelle Masswerke und Or-
namente vorkonnnen. Der Gang bildet ein Rechteck von
140 Fuss Länge und 1:^0 Fuss Breite und ist mit einer
zierlichen im südlichen Flügel betindlieheu Capelle aus-
gestattet.
Die Kirche hält folgende Maasse ein:
Länge des rechteckigen Kirchenhauses aou
der Westwand bis zum Anfang des Prcs-
byteriums 120 Fuss,
Fiff. (il. (0(ilili'iikr<iii.)
101
Fig. 65. (Goldenkron.)
Fig. CG. (Goldenkron.)
..L.;.ii.afl„
Fig. G4. (Goldenkron.)
Länge des Presbyteriums sammt C'hor-Scliluss 6ü Fiiss
Lichte Weite des ganzen Hauses .'.... Gö'/»,,
Weite des Mittelschiffes 25 ,.
Weite je eines Seitenschiffes IG „._
Pfeiler- und Jlauerstärke 4 „
Höhe des Mittelschiffes (iU ,,
Höhe eines Seitenschiffes 25 „
Die Seitenschiffe scheinen sich ursprünglich bis
an den Chor-Schluss hin fortgesetzt zu haben, doch in
etwas niedrigerer Form , wie sich aus verschiedenen
an den Anssenseiten erhaltenen Gewölbespuren ent-
nelnneu lässt.
Beigefügte Illustrationen: Fig. ()7 Grundriss der
Stiftskirche, Fig. (J8 Pfeiler-Profil, Fig. CO und 7ü
spätgothische Masswerke aus dem Kreuzgang, Fig.
71 und 72 Ornamente ans der Kirche, Fig. 73 und 7i>
Ornamente aus dem Kreuzgaug.
Die Dominicaner-Kirche zu Budwciswar mit sehr
alterthümlichen Wandgemälden ans dem Schlüsse des
XHL Jahrhänderts ausgestattet, von welchen im ersten
Theile bereits eine Probe mitgetheilt worden ist. Die
meisten dieser 18G-i aufgedeckten Malereien sind voll-
ständig verblasst, was um so mehr zu bedauern, da sich
aus dieser Zeit nur äusserst dürftige Reste von Wand-
bildern erlialten haben.
Kloster Holicnfurt.
Im Jahre 1859 feierte das Cistercienser-Stift Ho-
henfurt zum sechstenmal das Jubeljahr seines Bestandes,
nachdem am 1. Juni 1259 der Grundstein zu der Stifts-
kirche war gelegt worden.
Vok , Herr von Rosenberg, aus dem Geschlechte
der Vitkovice , und seine Gemahlin Hedwig Gräfin
von Scliauenburg hatten gemeinschaftlich den Ent-
schluss gefasst, in einer mit dichten Wäldern be-
deckten, von der Moldau durchrausehtcn Gegend ein
C'i.stercicnser-Kloster zu gründen und zu diesem Behufe
die bischöfliche Einwilligung wie den landesfUrstlicheu
Consens erwirkt. Bischof Johann III. vollzog persönlich
und mit grosser Feierlichkeit den Act der'Grundstein-
legung, welchem viele Personen aus den edelsten
Geschlechtern beiwohnten. Wie bei den meisten Kir-
chenbauten üblich, scheint auch hier das Altarhaus
(der hohe Chor) mit den angränzenden Capellen bereits
aus dem Grunde aufgemauert gewesen zu sein, als die
Einweihung geschah. Mit dieser Verniuthung stimmt
das Gepräge der ganzen Chorpartie sannnt dem Capi-
tel-Saale und der zwischenliegenden Sacristei-Capelle
Ubercin. Einige der hier bestehenden Bautheile deuten
sogar ein etwas höheres Alter au und können in der
That früher angelegt worden sein , weil sich Herr ^■ok
bereits lang
^ vor der Gründung mit dem Abte des,
Klosters Wilhering bei Linz ins Einvernehmen gesetzt
hatte, auf dass die von ihm beabsichtigte Stiftung niit
Conventualen aus Wilhering besetzt werde.
' Literatur im Verliältniss zu einer so alten und volkieiclien Stadt ver-
haltni.-smassig unbedeutend. Neben den beliannten Gesc-hichtswcrken und Topo-
graphien entliallen die verschiedenen Abhandluns^en der bölimischen Oescll-
.schaft der Wissenschaften, die IMiiiheilungen der k. k. Central - Commission
d. li. und des deutschen (iesehichtsvereines f. li. dann die ,Pamatkv- .archeo-
gickc-* ein sclir schätzenswerthes aber zerstreutes Material.-. .\ls zwar uicllt
umfangreiche a'.er selhstständjge Bearbeitungen sind anzuführen. Kurz-efasste
Geschichte der lierg- und Kreisstadt Budweis von E. F. Richte r. udw. is 1800,
ferner: Die Erbauung der licrg- und Kreisstadt Budwei.,, von l)r P .M i 1-
lauer, Prag 1817. Eine unif,i.«seudc Geschiclue dieser Stadt ist durch den
deutschen Geschichtsvercin in Aussicht gestellt.
102 -
Fig. (J7. iBudweiF.)
Das uene Kloster erliiclt den Namen Hohenfurt
(Altovadum, Vysebrod). entweder von der daselbst
befindlichen Üljeriiibv über den Moldauflnss, oder wie
Andere glauben, von dem dnmals schon bestehenden
^gleichnamigen Orte. Die Stit'tunj; war mit Zustimmung
aller Glieder der damals in mehrere Linien getheilten
Fatnilie der Witigonen, wie sie sich selbst nannten,
geschehen und alle wetteiferten, das Kloster möglichst
reich mit liegenden Gründen und Gerechtsamen auszu-
statten. Dessenungeachtet machten die IJaulichkeiteu
langsame Fortschritte, weshall) Heinrich von Eosen-
berg, Sohn des Vok, dem Stifte laut Urkunde vom
•Jahr 1281 mehrere Zinsungen überliess, auf dass der
Kirchenbau schleuniger betrieben werde. Gegen den
Schluss des Jahrhunderts, als die Kirche bereits voll-
endet war, scheint sie durch einen IJrand schwer be-
schädigt worden zu sein, denn es wurden bald nachher
mehrere Indulgenzcn zu Gunsten des Gebäudes erlas-
sen. Sj)nrcn einer um diese Zeit vorgefallenen theil-
weisen Beschädigung lassen sich sowohl im südlichen
Krenzarme wie im anstossendeu Kreuzgang nachweisen;
d)\mals dürfte auch geschehen sein, dass die ursprüng-
lich basilicab! Anlage in eine Ilallctddrche umgewan-
delt wurde. Auch im Verlaufe des XIV. Jahrliunderts
blieben Unfälle nicht ans, wie aus einer Sclicnkung zu
entnehmen ist, welche die Herren .loiiann und l'eter II.
von Roscnl)crg dem Stifte machten, indem sie 1385
den Ort 'J'udioraz nebst verscliicdcnen Geld- und Na-
tin-algaben widmeten, zu dem ausscliliessliclien Zwecke,
dass das Kirchendiich wieder anfgcsti'iit werde.
Von den IlassitenstUrmcn blieb HulMifurt ver-
schont, das einzige Kloster in Böhmen, welches diese
VerwMstuiigs-l'crioile ohne Schaden üIk rstiuiden hat.
Doch war das Kirclicnscliifr, dessen Struclur viclleiciit
von Anfang an jn:ingrlli:ift gewesen, wieder biUifällig
geworden, weshalb Abt Thomas H. um Il7i)--l48n
die schadhaften Fenster im Langhause und andere
mangelhafte Tlieile neu licrsfellen Hess. Diircli diesen
Alil scheint auch der westliche Tract des Kreuzgangs
nach irgend einem Unfall neu, aber nicht gilUklieh,
wieder aufgcliaut worden zu sein, im \(prigen Jaiir
hundert erhielt die Kirche neue Altäre und wurde an
der Westseite durch eine grosse Orgel-Empore, wenn
nicht verunstaltet, doch in keinem Falle geziert. Auch
allerlei Anbauten und entstellende Zuthatcn wurden in
jener geschmacklosen Zeit an die Kirche gefügt, jedoch
bei einer 1858 — 1859 glücklicli durchgeführten Restau-
ration wieder beseitigt. Leider konnte das vom Kreuz-
gang umschlossene, auf alten Grundmauern ruhende
Brunneuiiaus nicht in den Bereich der damaligen Re-
staurationen einbezogen werden. Diese aus dem Sechs-
eck construirte, um IT.'jü total überänderte Brunnen-
Capelle war ohne Zweifel eine besondere Zierde der
klösterlichen Anlage und reihte sich würdig den in
Zwettl, Klostemeuburg und andern Orten befindlichen
Kreuzgang-Cajiellen an.
Kloster Ilolienfurt besitzt eine Lage, die unmög-
lich schöner erdacht werden kann. Auf einem steil
gegen die Moldau abfallenden Hügel, an der AVestscite
durch Indic Berge und schöne Waldungen geschützt,
wird es im Bogen von dem schon ansehnlichen, ül)er
(iranitblöcke daiiiurausciienden Flusse umfangen, _ wäh-
rend im Thale das saftigste Wiesengrün mit Aliren-
feldern abwechselt. Kin Kranz von blühenden Gärten
UMizieht die Stiftsgebäude auf allen Seiten und verdeckt
zur Hälfte die noch bestehenden Befestigungen, welche
einst den llussiten Trotz boten. Heute ersciieinen diese
Festungswerke eher als Bild des Friedens, und der
gewaltige Thorfhurni, durch welchen man in den Klo-
sterhof eintritt, erschliesst ein freundliches Asyl, wn
y\g. ß8. (V>uil\vcis,>
103 —
Fig. G9. (Budweis.)
Gastfreuudschaft und Humanität iliren Sitz aufgeschla-
gen haben.
Das Kirchenbaus ist dreischiffig mit weitausge-
ladenen Ki-euzavmen und sehr entwickelter Chorpartie.
Ein eigentlicher, organisch mit dem Ganzen verbun-
dener Thurm bestand nicht, dafür hatte man über der
Sacristei-Capelle einen nicht unbedeutenden Glocken-
thurm errichtet, ein Bau,Avelcher den vom Abte Thomas
durchgeführten Neuerungen anzugehören scheint. Die-
ser Thurm wurde später verzopft und erhielt erst 1860
eine dem allgemeinen Charakter entsprechende Gestalt.
Südlich neben dem Langhause breitet sich der
viereckige Kreuzgaug aus, au dessen östlichen Flügel
Sacristei und Capitel-Saal angränzen, welche beiden
Gelasse noch einige romanisciie Details besitzen. Der
Capitelsaal wird durch ein eigeuthümliches Muldenge-
wölbe bedeckt , dessen Rippen in einem durch acht
Säulen gebildeten Mittelpfeiler zusammenlaufen; das
Gemach ist beleuchtet durch ein gcthisches Radfenster
(Fig. 77), neben welchem zur Rechten und Linken noch
kleine Spitzbogeufenster angeordnet sind. Von der Sacri-
stei führt ein Pracht - Portal mit reliefirtem Thürsturz,
welches in dem Abschnitte über Bildhauerei besprochen
wird, in das Querhaus, dessen Weite mit der des Älittel-
schiffes gleich ist und welches den Ordensregeln ge-
mäss als Priester-Chor dient.
Die Gestaltung des Chor-Baues lässt schon aus
weiter Ferne eine Cistercienser- Anlage erkennen, viel-
leicht die originellste, welche irgend getroffen wird.
Zur Rechten und Linken des aus dem Achteck geschlos-
senen hohen Chores sind je zwei gleich grosse Capellen
augebracht, von denen die beiden am Presbyterium
anliegenden geraden Abschluss zeigen, während die
■zwei äussersten mit kleinen aus dem gleichseitigen
Dreieck gezogenen Altarliäusern versehen sind. Rechnet
mau hinzu, dass auch die Sacristei einen besonders
vorgelegten Chorschluss besitzt und der Capitel-Saal
mit seiner Fenster-Rosette stark ins Auge fällt, ergibt
sich ein ungemein l)elebtes und etfectvolles Bild, dessen
Reichthum durch die Landschaft bedeutend gehoben
wird.
Alle Einzeiiieiten des Chores .zeiclinen sich durch
hohe schlanke Verhältnisse aus; die Höhe der Strebe-
pfeiler beträgt 76 Fuss, die zweifeldrigen Fenster sind
im Lichten 44 Fuss hoch und 4' o Fuss weit, das in den
Dachraum führende Treppeutliürmchen hält bei einem
Gesannntdurcliraesser von 8 Fuss eine Höhe von 10s
Fuss ein und ist bis zur Sjjitze aus Quadern construirt.
Gewäln-t die östiiclu' Kirchenansidit den Ausdruck jener
strengen Früh-Gutliik, als deren hervorr;igendcs Beispiel
die St. Elisabeth-Kirche in Marburg genannt wird, ver-
flachen sich die Formen westlich vom Querhause immer
mehr und nehmen den Charakter des Verfall-Styles an.
Namentlich ist es die westliche Fronte, welche trotz
ihres reichen sechsfeidrigen Fensters und darunter
befindlichen Portales einen höchst nüchternen Anblick
bietet.
Das Langhaus wird durch 10 achteckige Pfeiler,
5 auf jeder Seite, eingetheilt: Das MittelschitT ist von
einer Picilerachse zur gegenüberstehenden 27 Fuss weit,
die Weite eines jeden Seitenschiffes beträgt von der
Achse bis an die Umfassungsmauer lö\/\. Fuss. Die
zwei vordersten an der Vierung stehenden Pfeiler sind
bedeutend verstärkt und in gerader Stellung gesetzt,
wälu-end die übrigen Pfeiler des Sehiflfes üljereck stehen.
Dass die Pfeiler in der Höhe von 2S Fuss ohne alle
Motivirung absetzen , enger werden und aus dem Acht-
eck in die Kreuzfonn übergehen , ist als spätgothische
Abenteuerlichkeit zu bezeichnen. Die Länge des Kir-
cheuhauses vom Querschift" bis an die Westwand beträgt
im Lichten 112 Fuss, die Länge des Chores sammt Quer-
haus 56 Fuss.
Ilohenfurt ist ein Tochterkloster des 1 146 gestif-
teten Cistercienser-Klosters Wilheringbei Linz, von wo
aus 12 Ordensbrüder im Jahre 1259 nach Böinnen
herüberwanderten, um die Stiftung Vok's zu über-
nehmen. Es schien daher von Wichtigkeit, die in Wil-
hering zur Geltung gelaugten Bauformen mit denen
von Hohenfurt zu vergleichen. Der Verfasser, welcher
Wilhering vor mehr als 4<l Jahren gesehen hat, fand
damals noch viele Bruchstücke des alten Kreuzgangs
und l)esuchte der Vergleichung wegen kürzlich von
i'ig. 70. (Biidweis.
— 104
^<>'H/:/.,..
l'ij;'. 1 1. ( liiidwci.s.)
Fig. 74. (Builwcis.^
Fiff. 7(!. (Biulweis.)
Fi«. 75. (Hndwcis.)
iloliciifiirt uns (Ins Mutterstift, fund aber dort alle B;iu-
liclikeitoii unigewüiulclt und iiiodcniiKiH. Kiu an der
AVcstseitc der WillH-riiij^cr iK'linilliilies nniiniiis(dics
l'ortiil \^t hcdciitciid rostanrirt wdrdfn und {;ilit eben so
wenif; Aufschlüsse, id.s eine pitliisclie CaiicHe von viel
jnnf,'ercni Datum. In IJöliincn steht Hohcnfurt als einziges
"P.eispiel dieser lüclitunj;-, hinsichtlifh der liliislnitioncn
verweisen wir sml Üinid \l der .Mittheilin:,i;en.
Literatur. linlnidurt besitzt ein rd)erans reielics
Archiv, welches nicht allein lilier die Orllndnng und
Scidcksale des Klosters und die Geschichte des Hauses
Iloscnbcrg die genauesten Aufschlüsse gibt, sitndern
auch für idlgenieine Cidtur-Oescliichledes Mittelalters
hoho Bedeutung hat. Die (lestdnchte des Stiftes ijdhen-
furt ist von nieiircren SchriftsteHiMii behjuKb'll und in
unaiih.ängigen Werken verötleniliciit wniibn. Dr. M.
M illauer, ilohenfiirtei-Ordcnsiniester, g;il) ein tretflicli
verlasstes Buch ..l»( r 1 rsprung des Cistercienscr-Stiftes
llohenfnrt" Prag 1814, heraus, (bnin mehrere Abhand-
lungen über die Herren von IJosenlierg. — Ferner siml
y.unennen: Dr. F. J. I'roseh ko: Das Cistereienser-Stitt
lldlienfurt in Böhmen, Jiinz bei H. Kiiricli, IHf)!). —
M ikove c: Gesch. von llohenfnrt , mit Abbildungen,
Prag. — Mittheilungen der k. k. Ccntr. Comni. der Ban-
(lenkmnle, \I.B(l.J;ihrg. l.S(il.B.(Trueber: Das Kloster
Ibdienliirl in lüUnnen. — Sehr lii'uidige N;iehrichleii
liieten zwei in den Mittheilungen des Deulsclnm Ge-
seliielitvereins für Böinnen enthaltene Abhandlungen
von Dr. M. Pange rl, betitelt : Vok von Rosenberg, IX.
Jahrg. I., dann: Zawis von l'^alUeiistein, X. .laiirg.
i\'. — Eine ziemlich w eilläiilige alier nicht ganz zuver-
lässige und sehr gefärbte Abhandlung über die Bosen-
liei'ge und lldlienfurt lindet sich in dem Werke: Der
BiilMnerwahl, von.I. Wenzig und .1. Krejei-, Prag 1860.
— I''i'au Karoline Pich 1(M' eiiillicii hat die Gründung des
SliKcs in (dner Ballade iiefeierl. i
rat
l-si.'2.
• _i=ä- ,
"^
10b —
fe^^lV:^-:Jil'^^j.^J^^L
Fiff. 77. iH<>lioiifui-t1
Die
gothisclie Kirche in Terlaii und ihre Wandsreniälde.
Von Karl Atz.
Zwei Stundpii oberhalb Bozen, an der Strasse nach
Meraii, liegt das DorlTerlan, das wegen seines edlen
Weines und des si-liief stehenden Glockenthurmes ziem-
lich bekannt ist. In neuester Zeit zieht aiieli die Kirche
dieses Ortes immer mehr die Aufmerksamkeit auf sich,
da sie ein ansehnliches Gebäude ist und ihr ganzes In-
nere mit werthvollcn alten AVandgemälden geschmückt
war , die nun grösstenthcils von der Uebertiinchung be-
freit und einzelne rcstaurirt sind.
Diese Kirche Fig. 1 ist ganz aus gelblichen und ein-
zelnen röthlichen Sandsteinquadern gebaut und zeigt gute
Verhältnisse. Die ursprüngliche Schönheit dieses Baues ist
leider unrettbar zerstört, da der Boden aussen und innen
in Folge des sich immer mehr erhöhenden Bettes der
nahe vorbeifliessenden Etsch um wenigstens 6 Fuss auf-
gefüllt werden musste. In Folge dessen sind aussen und
innen alle Sockel verschwunden; das zierlich gearbei-
tete Kaifgesims erscheint deshalb aussen nur mehr
5 Fuss über dem Boden. Wir Hessen au einer Stelle so
tief graben, als die Hausteine reichten und fanden ein
ganz regelmässiges Höhenverhältniss. Die kräftig vor-
springenden Strebepfeiler verjüngen sich durch drei-
fache Schrägen und sehliessen in einem zierlichen Gie-
bel ab . der noch an ein paar Stellen eine schöne
fast früh-gothisclier Con-
Die zwei äussersten Streben auf der
Südseite gegen Westen sind in ihrer oberen Hälfte zu
Nischen ausgearbeitet, die von zierlichen Baldachinen
überragt werden. Die Statuen fehlen, stellten aber
ohne Zweifel den englischen Gruss vor.
Bei Erhöhung de.'^ Fussbodens hat man auch neue
Portale im modernen Style gebaut und von den 2 alten
nur Einzelntheile stehen lassen ; so sieht man noch vom
reich angelegten Haupteingange an der Westseite Bal-
xvin
(Mit 5 IIolEschnitten.)
dachine der Nebenfiguren und die 2 Hauptfiguren. Ma-
ria wird von Christus gekrönt, ^'om Nebeneingaug auf
der Südseite des Chores finden sich ebenfalls 2 schlanke
Baldachine vor. Der eigentliche Thürstock ist ohne
Zweifel der heute am Eingange der Sacristei von aussen
Kreuzblume von kräftiger
struction trägt.
l"i? 1
Terlaii
U
10()
1
Fij;. ■>..
I)etiudliche ; er zeigt ein kräftiges Profil aus Birustäben.
Das Jlasswerk wurde aus allen Fenstern herausge-
soblagen ; die noch entdcfkten Spuren davon deuteten
auf siiiitere gotiiisclie Formen, womit die Fiscldjlasen
an der vermauerten Rose auf der Westseite des Neben-
scbitfes übereinstimmen. Die scliön protilirten Gewände
sind beinahe an allen Fenstern erhalten (Fig. 2). Unter
dem Dache läuft ein schmales Gesimse herum, und das
SL-Iir steil angelegte Dach ist mit Plattziegeln (^Taljletten)
gedeckt, deren ursprüngliches Ivauten-Ornament aus Gelb
.Schwarz, Grün und Weiss bis auf heute eingehalten
worden ist. Sehen wir uns das Äussere im Ganzen noch
einmal an, so bemerken wir auf der Nordseite ein mit
dem übrigen P.au zugleich aufgeführtes Nelienschitt" mit
eigenem Pultdaclie , was besonders der Westseite ein
glossartiges Aussehen verleiiit.
Wie das Äussere, hat selbstverständlich auch das
Innere dieser Kirche durch die bedeutende Erhöhung
des Fiissbodens sehr \iel eingebüsst, da nun keine
schönen Höhenverhältnisse mehr sichtitar sind; zudem
baute man noch eine schwere Orgelcmiiore modernen
Sfyls in die Westseite und beraubte den Triumphbogen
seiner Proiiiirung. Aus dem Grundrisse (Fig. V] ei-gibt
sich, dass man auf der Westseite des bereits vorhan-
denen romanischen Tlnirnis, der sich über der Apsis der
ersten Kirche erhob, das heutige Nebenschid' an der
Stelle des alten Hauptschiffes baute und dieses an der
Südseite mit i)edeutend grösserem T iiifange im gothi-
s(dien Style aulVührte. Auffallend ist auch an der Kirche
von Terian, dass das Chor sehr lang angelegt und
oinie Verengung im \'erhältniss zum Sclnffe aufgeführt
wurde.
Die übrigens im Lande Tyrol nicht seltene Erscliei-
niiiig der bedeutenden Neigung des Chores gegen Norden
hatte in dessen Anlage mancherlei Ungleichiieiten an
den AVandfeldern (Traversen) und Verschiebungen der
Itiplicn mit ihren I)iensten zur Folge. Mit dem llaui)t-
schitfe steht das Nel)enscliif1' durch kräftig gegliederte
Arcadenbogen in Verbindung. Wie im Ganzj:i dieser
]}au dem Alterthunisforscher nicht uninteressant ist,
gilt dasselbe auch von mehreren Einzeitlieilen. Die
Hippen der vorherrschend schönen Kreuzgewölbe zeigen
ein kräftiges l'rntil in der Form des iürnstaiies (l'^ig. H),
der sich in den zugleich ()ft reich gegliederten Dien-
sten fortsetzt (Fig. 4j. Überall treffen wir Capiiäle; im
Chore ruhen die Dienste auf Consolen, die abwech-
selnd Tliier- oderJrenscIien-Figuren zeigen. Auch an nieh-
i'ercii r'apitjilen kchri'n äliidiclie IJildun^cn wieder, an
einem begcgn(Mi wir auch einem schönen iMcheidaub.
Interessant sind endlich noch die beiden (Jlocken-
tiiiirme. Der kleinere, aber bedeutend ältere auf der
Xordseite des Chores an der Ostwand des Nebenschiffes,
ein L'l)errest der ersten Kirche an dieser Stelle, besteht
aus kleinen, nur roh l)fhiuiencn ibuchstcinen, die nie-
drige aber durchaus parallel laufende Fugen bilden. An
einer der 3 Reihen rundbogiger und säulchengetheilter
Schallfenster bemerkt man bereits den stumpfen Spitz-
bogen. Die Cai)itäle der Säulchen zeigen mitunter einen
Übergang von der Würfel- zur Kelchform.Den Abschluss
bildet eine stumpfe vierseitige Pyramide aus Plattzie-
geln, die abwechselnd wagrecht laufende grüne und weisse
Bänder bilden. In diesem Thurme hängen nur ?t klei-
nere Glocken, die 3 grösseren haben in dem ande-
ren freistehenden ihren Platz. Er bildet ein mäch-
tiges Quadrat, dessen Seite 25 Fuss nusst; auch seine
Höhe ist nicht unbeträchtlich. Es zeigt sich hier deutlich
die Absicht eines selbständigen Baues , sowohl durch
das äusserst spröde ;\Iaterial von grossen Poriihyr(iua-
dcrn als durch seine ^laassc in Verhältniss zur Kirche.
Er steht übrigends bedeutend schief, so dass ängstliche
Leute schon längst seinen Einsturz befürchteten; aut
der Südseite beträgt die Neigung etwas mehr als 7 , auf
der Westseite mehr als H Fuss. Figur 5 zeigt, wie die
Mauern in seinen vJerStockwcrken verschieden angelegt
sind, so dass man fast gewiss annehmen kann, er sei
absichtlich so schief aufgeführt worden. Wenn er von
selbst in diese schiefe Stellung gerathen wäre, so hätten
sich ohne Zweifel auch Sjirünge in der Mauer gebildet,
aber davon findet man keine Spur. Der Helm ist von
Holz und so können die oberen Stock^yerke bei dem
niassiA'en Unterbau nicht so leicht das Übergewicht er-
langen. In einer Urkunde vom Jahre 17G3 bemerkt ein
C(unmissär der Kaiserin Maria Theresia, der wegen der
Etschül)erschwennnung in diese Gegend gekommen war,
dass der Tliurm des Dorfes Terian sehr schief stehe
und umzustürzen drohe. Seitdem hat sich aber der Bo-
den bedeutend erhöht, er ragt also nicht mehr so schlank
in die Höhe wie damals und es liat somit auch d.as In-
teressante seiner Neigung etwas eingebüsst.
Eine nicht geringere Merkwürdigkeit von Terian
bilden die vielen Gemälde, womit beinahe alle Wand-
fläehen der Kirche von unten iiis oben einst geschmückt
waren. Es darf uns aber dieser praclit\(illc Wand-
sehmiick nicht Wunder lu'hmen, da im XV. und in der
1. Hälfte des XVI. Jahrhunderts beinalie jede Kirche in
Süd-Tyrol ganz oder theihveise mit Wandgemälden ge-
schmückt wurdi', wie uns die Jüngst angestellten Nach-
forschuugcn augenscheinlich überzeugten und in unserer
\'ereinsschrift „ Kunstfreund-' Nr. fi näher dargethan ist.
Wie die meisten dieser herrlichen Pinselleistungen wur-
(U'ii auch die Wandgemälde in der Kirche von Terian
im vorigen Jahrhundert übertüncht. Bei der nun feuch-
ten Lage dic-ser Kirche sind \ii'li', besonders die unte-
ren Stclk'n, vom sogenannten Mauerfrasse ergrilTen und
es ist daher die l'loslegung eine sehr schwierige und
heikle Arbeit, um eben die stets zähe Tünche wegzu-
nehmen und zugleich möglichst zu schonen. In der Re-
gel genügt zwar i-in sanftes wiederlniltes Anklo])fen
mit einem ll;unnu'r, aber viele Stellen konnten nur fast
linii'idii-eil vermittelst eines scharfschneidenden Iläm-
nuM'chens mit aller \'(n'siclrt behandelt werden. .\ber
jede .Vnstrengung war der grossen ]\Iülie wi.'rth, denn
es k:nn stets ein ülierascliendei' Wandschmuck zum \'(ir-
scliciii. Der Inhalt bezieht sich beinahe ausschliesslich
auf die (iottesnnitter als Schutzheilige der KiriOie; die
Darstellinigen scheinen aber nicht einem durchdachten
Plane entsprungen zu st'in, sondern kamen nach und
nacJ!, jedoch die meisten bald nach einander, als eine
— 107 —
Art Votiv-liildcr zu Stande, dalier es koiiinit, dnss
einzelne Vorstt'lluiii;('ii wie, z. 1». der cng'lisclie (iriiss
und die Gelnirtriu'isti, ddpiielt erscheinen, wenn i^leich
etwas verschieden darf;estellt. In jedem Wandt'ehlc lin-
den sieli vier Reihen ßilder übereinander, am Gewölbe,
wenigstens in den Feldern des Chores, waren keine
bildliche Darstelhingt'n nieiir zu linden, sondern es lief
nur längs den abwechselnd blau und roth und Gold bemal-
ten Kippen ein Lilien-Grnament. Die unterste Uildreihe,
jetzt bis hart auf den Fussboden reichend, stellte ohne
Zweifel Altväter und Proplieten aus dem alten I>unde
vor , inwiefern Sie in näherem Zusannnenhange zu
Maria stehen.
Trotz aller Versuche war eine ßloslegung dieser
Bilder wegen dos faulen Mörtelwurfes nicht mehr mög-
lich, l'ei Aufzählung der bisher aufgefundenen Bilder
beginnen wir mit jenen in den 5 östlielien Fehlern des
Chores, da bilden die 2. Keihe die 14 Nothhelfer, in der
Grösse von 41/3 Fuss, unter baldachinartigen Weinber-
gen; (Evangelienseite) Christojih, Acliatius, Vilus, Eras-
mus, Eustachius, Jlagnus, (Diakon) Pantaleon, iMagnus,
(Abt) Cyriacus, Barl)ara, Katharina, JMargarct, lilasius
und Georg. Eine seltene Erscheinung ist hier das Vor-
konnnen von zwei Magnus, besonder.s des Diakons, der
zu Tyrol nicht einmal in Beziehung stand, wie der (Jlau-
bensverkünder Magnus Abt aus dem nahen Füssen. Die
3. Bildreihe wird durch die 1'2 Apostel nebst Paulus,
gebildet, alle unter reichen Baldachinen; 9 Figuren
messen 6 Fuss Höhe, 4 sind nur als Brustbilder behan-
delt, weil darunter j)arallel mit den 14 Nothhelfcrn die
7 Fuss hohe Darstellung der Begräbniss Jlariens
angebracht ist. Diese konunt unseres ^\'issens sehr sel-
ten vor unter den ndttelalterliciien Gemälden; hier ist
sie ganz genau nach der Legende, wie' sie die heilige
IWgitta in P. Cohem's bekannten Werke erzählt, darge-
stellt. An der .Spitze des Leichenzuges erscheint der
Apostel Johannes mit dem Palnizweige, dann ein anderer
Apostel mit einem Vortragkreuze, und die übrigen Apos-
tel als Träger der Todtenbahre oder als Begleiter der-
selben. Im Vordergrunde sieht man einen hohen Priester
nnt wie gelähmten herabhängenden Händen, zur Strafe,
weil er den Sarg der Jlutter seines Erzfeindes umstür-
zen wollte. Ln Hintergrunde schauen ein paar Spiesse
empor und deuten die zu gleichem Zwecke herbeigelau-
teue wilde Kotte an. Darüber schweben zwei Engel nut
Rauchgefässen'. Die obeiste und 4. Bildreihe besteht
aus folgenden Darstellungen : im Jlittelfelde oberhalb
des Ostfensters: Christus als Ecee homo und in einem
quadratischen Gelasse stehend, neben ihm Leidenswerk-
zeuge, worunter auch der Halm nicht fehlt. Es ist hier
die Kelter dargestellt, nach dem Schrifttexte: Torcular
calcavi solus Christus. Etwas tiefer stehen rechts und
links Maria und Johannes in fürbittender Stellung. Im
nächsten Felde (Evangelien-Seite) ist Christus im Tempel
dargestellt, auf einem Throne sitzend und zu den gerade
eintretenden Eltern ]\raria und Joseph sich wendend, wäh-
rend rechts vor dem Throne mehrere Juden in Kinder-
gestalt in Sehriftrcdlen lesen und einander fragen; Christus
erscheint also hier als Lehrer und nicht so fest lernend
unter den Lehrern. Auf dem nächsten Felde begegnen
wir den heiligen :> Königen; auf der Südseite ziert das
erste Feld der englische Gruss, oben nnt Gott Vater,
von dem die Seele Christi in Kindesgestalt mit dem
Kreuze zu Maria herabschwebt. Endlich im ö. Felde ist
der Besuch Afariens bei Elisabet dargestellt. Der Hinter-
grund \on alh'n diesen llil(b'rn ist l)iaM. die lleiMgen-
scheine graphirt und vergcddet; auch die Obergewänder
einzelner Figuren sind ndt Goldlinien umsäumt. Die
Bänder, welche ringsum jede Darstellung einlassen,
sind weiss, gelb mit blauen und rotlien kleinen Mer-
pässen, das (iewölbe hat einen gelbgrauen Ton, die
Kil)pcnträgcr sind wie die Rippen blau und roth und
deren Vorderiilättchen ist vergoldet; ähnliehe Farben
mit Vergoldung kehren an den Capitälen wie an
den Consolen wieder. Das Ganze macht einen über-
raschend grossartigen Eindruck und lindet daher eine
allgemeine Anerkennung,
Die genannten 5 Chorfelder sind nun vollknnnnen
restaurirt durch den jungen Maler Heinrieh K 1 u i b e n-
schedl aus Obcr-lnnthal. Nach Zuratheziehen niehrer
tücidiger Maler ging man bei der Restauration auf nacliste-
hende Weise vor; noch haben wiraberzubcnu'rken, lUiss
diese Gemälde auf eine Artal freseo hergestellt wurden,
ob aber ganz gleich wie man heute bei dieser Mal-
weise zu Werke geht, ist nicht so leicht zu verndtteln.
Xachdcm eine Partie nnt reinem Wasser wiederhohlt
abgewaschen war, wurden Zeichninigen und Colorit genau
gei)rüft, um so auch sell)st an weniger deutlichen und arg
verletzten Stellen im alten Charakter ergänzen zu können
und dann nnt (»1-Tempcra, die ganz schwachen Stellen
leicht, die übrigen ganz zu ül)ernialen, gut eriialtene
Partien wurden, versteht sich, nur gereinigt und gelassen
wie sie zum Vorschein gekommen sind. Wir glauben
dieses Vorgehen allgemein bei solchen Restaurationen
alter Fresken empfehlen zu können.
An den nocli übrigen 4 Chorfeldern wurden an
einem zwei grosse Bilder : Maria Krönung durch ( 'iiristum
mit einem grossartigen Baldaciunbau darülierund Christi-
Geburt und gegeiüiber der Tod IMariens blossgelegt.
Die über leztcre gelegene Darstellung so wie die Bilder
der zwei dem Triumphbogen zunächst liegenden Tra-
veensind, letztere besonders wegen der vorstehenden
Altäre, noch verdeckt. — Auf der Südseite des Schilfes
fanden wir auf 2 Feldern folgende interessante Bilder :
Joachim in der AVüste schlafend und neben ihm ein
Engel , der ihm die Erhörung seines Gebetes um eine
Kachkonnnenschaft berichtet; darüber Joachim's Opfer
und Danksagung; darunter auf der einen Seite des
■
•l'i-rl; n.
— 108
hinter ihm ein Heiliger (^Namenspatron) und der engli-
sche Gruss in sehr einfacher Darstellung. Auf dem fol-
gen<len letzten Wandfeld, unten der bethleniitischc
Kiuderniord (\n einem Hofrauine wie
die Legende
Fig. "). i'l'oi-liin.;
Fensters desselben Begegnung mit Anna vor dem Tem-
pel, auf der anderen Seite Mariens Geburt; die unterste
Ifeiiie bilden Mariens Vermählung mit vielen Figuren
und gegenüber so viel noch wegen des in neuerer Zeit
aiisgebrocIiiiiiMi l'ingangs ersiciiflich i>;t: ein Donator,
erzälilt, vor sich gehend, darliber die Beschreibung und
den Abschluss im Gibel dieses Feldes wie die heilige
Jungfrau ihr neugebornes Kind anbetet, zu oberst
mehrere Engel mit reich geschlungenen Spruchbändern.
Auf dem Wandfelde über dem einen Arcadenbogen, der
in das Nebensi-hift' führt, erscheint Jlaria ihren Schutz-
mautel über mehrere Personen ausbreitend, rechts und
links die Donatoren , darunter die Jahreszahl 1570.
Schon die schlechtere Technik und der ganze Character
dieses Bildes zeigt dessen spätere Entstehungszeit an,
es ist nicht mehr al fresco, sondern nur auf die trockene
Wand gemalt und so sind die Farben flüchtigaufgetra-
gen, dass sie leicht abfärben.
Neben dem Bilde Mariens Vermählung steht die
interessante Inschrift: ,hane picturam fecittieri Sigmund
de Niderthor et uxor sua margareta de vilanders et pro
omnib' eu' eredib' . . . factum est hoc opus hodie sancti
. . .anno dnni m CC'CCVII hanc picturam fecit. .stockin-
ger pictorde volano. Obgleich nicht alle Worte zu lesen
sind, so lernen wir daraus doch den Donator, die Ent-
stehungszeit dieses und ohne Zweifel der meisten übri-
gen Gemälde so wie die Bauzeit der Kirche und den
Malerkennen. Beda Weber dürfte daher ganz wahr be-
richten, wenn er in seinem „Tyrol" angibt, die Kirche
sei in den Jahren von 1380 bis 1400 erbaut worden.
Der edle gothisclie Character des ganzen Baues stinnnt
für das 14. Jahrhundert. Die Grabplatte des hier be-
grabenen Sigmund Niedertlior und seiner Gemahlin
Margaretha von Villanders zeigt die Jahreszahl 1411',
also gehören gewiss mehrere Gemälde den ersten Jahren
des 15. Jahrhunderts an, indem jene des Chores den-
selben Charakter zeigen. Was den Geburtsort des Malers
anbelangt, so kann man unter volano ohne Zweifel <las
VöUan bei Mcran verstehen und nicht das volano bei
Kovere<lo, obgleich diese Gegend damals fast ganz
deutscli war. Auch auf dem grossen Thurm haben die
Niederthor ihr AVappen, zwei aufgeschlagene Thorllügel,
angebracht und kehrt in der Miciiaels-Capelle auf dem
Friedhofe wieder. Daselbst erhielten sich auch noch ein
paar Gemälde, welche wir blosslegtcu. Sie steilen den
Streit des Scimtzengels mit dem 'i'eui'el um eine Leiche
(Seele), die (Jottesunitter und den heiligen Michael dar.
Inschriften von alten Glocken und Grabsteinen hoffen
wir nachträglich berichten zu köuncii.
AiTliäolojrischc Reise-iNolizcii.
Von rir. Karl Lind.
(Mil '-'3 nolz^^hnllleIl.)
Die nachfolgenden Zeilen haben die Bestimnumg
die von mir gelegentlich einer Heise durch Kärnten und
Tyrol gesammelten archäologischen Notizen zur Veröffent-
lichung,' zu bringen und die Kitidrücke , welche gar
iiiaiirhcs (]vr hcrrliclicu I)('idcnialc frliiierer .laiirhuii-
derte, die ich in den verschiedenen Orten traf, auf mich
machten, in ^^'(lrt(• zu kleiden. Wenn auch dabei wohl so
he
Gegenstand berührt wird , der in den Mitthei-
Iniigcn seine, jedenfalls grlindiicliere Würdigung gefun-
den hat, so soll doch durch diese Zeilen versucht
werden, manches Krgänzende oder mehr Ubersichf-
liclies zu liefern. Aussenlein werden auch noch < »rtlicli-
keiten eine Würdigung finden, deren in dieser Zeit-
scinift bisher nicht gedacht wurde.
— lOi) —
]. Kärnten.
Wer auf dem Scliienenwege der Kronprinz -Ru-
dolphsbalin, naclideni man das hcrrlielie obere Murtlial
durcheilt und y.iir Wasscrsclieide, fast gegenüber der
noch trotzig' ins Thal hinabl)liekenden Frauenburg, des
Liechtenstein'schen Ahnenschlosses, angestiegen ist und
Jenseits der Höhe, die freundliche Steiermark verlassend,
Kärntens Grunze betritt, erreicht man nach kurzer Zeit als
ersten grösseren Ort das ehrwtirdige. Städtchen Frie-
s ach, das, einstens mächtig und wichtig, jetzt mit seinen,
auf im Halbkreise die Stadt umziehenden Höhen thronen-
den Schloss- und Kirchenruinen zu ziemlicher Bedeu-
tungslosigkeit herabgesunken , nur in landschaftlicher
und archäologischer IJeziehung und zwar in nicht gerin-
gem Masse von Wichtigkeit ist. Es wird wenige Städte
im Kaiserstaate geben, an denen glücklicherweise der
mittelalterliche Charakter so haften blieb, als gerade
an dieser.
Einstens wohl befestigt, hat sie sich noch theil-
weise den crenelirten Ringmauergürtel , wenn auch
schon mit ausgiebigen Unterbrechungen, den gefüllten
Wassergraben, gewaltige Mauer- und Thorthurm-Reste
bewahrt. Wehmüthigen Blickes starren uns diese für
die heutigen Tage nicht mehr verwendbaren Verthei-
digungswerke imBewusstsein ihrer ehemaligen, als näm-
lich die Stadt wiederholt harte Belagerungen aushalten
musste, guten Dienste und ihrer jetzigen Zwecklosig-
keit und Unbranchbarkeit, wie auch Im Gefühle ihres un-
aufhaltsam fortschreitenden ^'erfalles, an.
Gleichwie durch seine Lage und Fortitication ein-
stens von politischer Bedeutung und durch seine Münz-
stätte von national-ökonomischerWichtigkeit( wenn dieser
Ausdruck erlaubt), hatte das Städtchen, das schon in mit-
ten des XL Jahrhunderts dem Salzburger Metropoliten
zugefallen war, durch die vielen kirchlichen Gebäude
und Anstalten, die es innerhalb seiner Mauern barg und
auf den dazu gehörigen Höhen besass, nicht geringe
kirchliehe Bedeutung. Drei Propsteien mit entspre-
chenden Collegiatcapiteln, Frauen- und Männerklöster,
Ordensritter hatten daselbst ihren Sitz. Nun ist diese
Herrlichkeit verschwunden, doch sind viele fast ver-
ödete, mitunter verfallene und priesterlose Kirchen da-
von auf unsere Zeit gekommen.
Es ist nicht unsere Absicht, eine Besdireibung
der einzelnen archäologischen Merkwürdigkeiten dieses
Ortes zu geben; dies haben bereits andere weit gedie-
genere Berichterstatter gethan '. Wir wollen uns daher
bezüglich Friesach's auf eine kurze Bes])rechung von
dessen Denkmalen beschränken und uns dafür auf eine
gedrängte Wiedergabe der während des kurzen Auf-
enthalts daselbst erhaltenen Eindrücke einlassen. Aus
diesem Grunde werden wir die kleineren Kirchen, wie
jene des deutschen Ordens und die zum heil. Blut, über-
gehen und uns gleich den beiden grösseren kirchlichen
Bauwerken zuwenden, die, wenn auch keineswegs von
hohem Knustwerthe, doch immerhin beachtenswerthe
Denkmale der Kirchenbaukunst sind.
Die dem heil. Bartholomäus geweihte Gollegiat-
Stifts- und Pfarrkirche, die urkundlich schon im J. 9:^5
' S. Essen wein, Auf.<^atz in den Mitth« iluiigeo der k. k, Ceiitral-Coni-
inission VIII, 192, und S p ri n g er- W al d Jie ini's österreichische Kunstdenk-
ni;ile der Vorzeit, weUhein Werke die in Fi^. 1 hii 3 ersclieinendcn Alibil-
duu^i-'U einn.on)men sind.
vorkonmit, und wahrscheinlich hinsichtlich ihier Ent-
stehung die älteste Kirche der Stadt ist, steht inmitten
desMarktplatzes, und des ehemaligenFriedhofs,nach allen
Seiten frei. Das Geliäude gehört zwei wesentlich verschie-
denen Bauzeiten an. Das in sehr glückliciien Veriiältnis-
sen ausgeführte dreisciiiffige Langhaus , mit der l)oppc]-
tiiunnanlagc und \'orhaile an der Fayade i.st im Irüli-
roinanischen Style ausgeführt , hat jedoch im Laufe der
Zeiten arge Umgestaltungen erlitten, so z. B. die gegen-
wärtigen geschmacklosen Fenster und Pjiigilnge, ferner
den über die beidenniedrigcnScitenscIiitfcautgX'führten.
störenden Emporen-Einbau, endlich die den MittelschiH-
pfeilern in wechselnden Formen vorgelegten Verstär-
kungen, um die Rippen des an die Stelle der ehema-
ligen flachen Decke getretenen Netzgewölbes zu tragen.
(Fig. 1 gothische Gurtenträger unter dem Musik-Chor, i
Auch die Seitenschitfe dürften mit Rücksicht auf die
Mauermassen und Arcaden-Spannung ursprünglich flach
gedeckt gewesen sein. Die Aussenseite des Langhau-
ses, die zwei Reihen geschmackloser Fenster verunzie-
ren, hat, wie mit Rücksicht auf die Bauzeit natürlicli,
keine Strebepfeiler. Die Tliurme, die den Seitenschiflen
vorgebaut sind , haben in ihren unteren Theilen noch
romanische Fenster. Der südliche gleicht übrigens mehr
einer Ruine , der nördliche wird durch ein plumpes
( Jlockenhaus, und eine, wo möglich noch geschmacklosere
Haube entstellt. Das zwischen den Tiiürmen belindliclie
alte Portal, ein derb ausgeführtes Werk, hat eine in
mehreren kantigen Absätzen sich verengende Gliede-
rung. Der vou dem, noch dem romanischen Theileangc-
hörigcn Triumphbogen beginnende langgestreckte Chor,
der etwas höher ist als das Langhaus, doch die Breite
von dessen Mittelschitf einhält, ist ein zierliches früh-
gothisches Werk aus dem Ende des XHL, wahrschein-
licher aus dem Beginn des Xl\. Jahrhunderts. Sechs
der dortigen Fenster haben noch ihre ursprüngliche
Form, behalten und sind durch einen Pfosten in zwei
V\g. 1. Fiicsüt'li.
HO
Fi}!
fFricsach.;
Tlicilo j;ctlicilt und mit scliiiiiciu M.-isswcik ficKC-liiiilickt.
Kini^rc dieser Fenster sind mit lierrliclicn, in den priieli-
tijrsten Fiirljon scliimmernden Glasgcmiiiden und Mosai-
ken ^'esclnnliekt, an denen sieb die Jahreszalilen löC);",
I5()l u. s. w. (inden. Leider cntlieliren dirsellien der
einiieitiielien Idee, da sie aus meiireren Kirelien Frie-
saeli's zusananen-resanimclt, hier anfreliraciit wurden,
l'.esonders beaelitcnswerth ist dicDarstellunfrder klugen
uml tliörieliti'ii.Tunfrfrauen, davon eine l'artie sieli fiefien-
wärli^rini l,andi'S-MMscum/.u Kla^'enfnrt lielindet. Ausser-
dem sind iioeli zu erwähnen ein f,'rosser ronniniselicr'l'anf-
stein,cin einf'aeli pitliiselier Wciliwasserstein, eine Thlir
ndt hlil)selien Eiscnbeseldäigen ans dem Ende der Ootliik
stannni'ud , endlich viele fJrahdeiikmah' liis in das
W. .Iiiiirliundert zurllekreieliend, darunter etlielie mit
sehönen fi^rnrah'ii und heialdisclien I)arstelliinj,''en.
Oie seinnueklose, last f;an/, aus Hriielisteinen er-
baute Kirclic des um l'2b\ entstandenen Dominicaner-
Klosters 7.(!if.'t \iclc Ähnlichkeiten mit der eben erwälni-
ten Collefriat-Kirclic ; aiuh hier enistamb-n Lan^rhaus
und I'reshyterium zu verseliiedenen Zeiten, auch hier
rei)räsentirt das eliemals fiaeli gedeckte dreischitti.ne
Lanjjliaus den romanischen (Mitte des XIII. Jahrhun-
derts), der hin.2:i;-estreck(e Chor den triili-c;otliisclien
Styl. Die die ScliitVe verl)in(len(len Arcaden sind sjutz-
bdgii;-, die Fenster kh'in, spitzhotcii;' und schninckins,
die kleinen Kuiidtenster des MitfeischiHes zieren \'ier-
passe. Den Abscbluss der Seitcnseliifie , die jetzt im
rohen Krcuzsclniitt llberdeekf sind , bilden zierliciie
aussen li;ilbrnn(le, innen ]»oligone ('a|U'llchen \dn beson-
derer Zicriicidvcit ; besonders hübsch sind ('a|iitäle und
('onsolen(Urdai)etindliclien Dienste. In derNerlängernn,:;
und in der gleichen Breite des modern liberwöliiten
MittelschitVcs schliesst sieh der dem Ende des XIII.
.lahrlnindirts an.:;(hörii;c Chor an, dessen zweitheili^c
Fenster im .Abschlüsse noch mit Masswerk geschmückt
sind. Die Dienste ruhen tlieils auf interessant ornaineii
tirtcn Consolen. tlieils auf charakterisfiselifrüh-gothi-
seheii Sockeln.
— 111
Noch zu enviilincn ist die Thonliauscr-Capclleani
reciituu .Seitenschitt', luuleiiie aus zwei Jochen und einem
kleinen Chöilein ^ehildetc Capelle, jetzt Sacristei.
An die nördliche Län^euseite der Kirche stösst
das im Gevierte erhaute Klostergebäiidc, in dessen
Erdgcschoss sich der Kreuzjjang und das durch sein
Portal und die beiden Fenster interessante Capitelhaus
(Fig. 2) betindet.
Noch sind einige in der Kirche und in deu anderen
Räumen betindlichc Gegenstände zu erwähnen, wie: eine
zierliche, von einem gemeinsamen Hpitzbogen umsäumte
dopiicliiisciiige Piscina (Fig. o), eine Marienstatue von
besonderem Kunstwerthe (XIV. Jahrhundert), dem Erz-
bischof Thiemo von Salzburg als dessen Werk ver-
meintlich zugesprochen, eine mit ]\[alereien gezierte
Thiir, die hübschen lieste eines dem h. Florian geweih-
ten Flügel-Altars, endlich mehrere sehr beachteuswerthe
Grabdeidvmale.
Werfen wir noch einen Blick auf die dortige Wohn-
haus-Architektur,so lassen die Reste hübschermittelalter-
licher Häuser mit Sichorheit erwarten, dass diese Stadt
vor Jahren ein ganz schmuckes und anheimelndes An-
sehen gehabt haben mag. Nenuenswerth sind in dieser
Beziehung das Deutsch-Ordens-Comthurei-Gebäude mit
seiner Steingallerie in der Hofseite, die Probstei, deren
Hof mit schönen Spät-Renaisance-Arcaden geschmückt
ist, das Bergrichterhatis mit seinen Gieljelu, das alte
Haus der Canoniker mit romanischem Erker u. s. w.
Einen sehr beachtenswerthen Schmuck der Stadt
bildet der fast inmitten des Marktplatzes stehende
Brunnen, welcher ursjirünglich (15G3) im Schlosse
Tanzenberg aufgestelU , erst im Jahre 1804 seinen
jetzigen Platz erhielt, üer Brunnen besteht aus drei Ab-
tiieilungen, aus dem eigentlichen Bassin , ans einem
kleinen runden , mit vier Köpfen (Wasserspeiern)
geschmückten Becken, das von drei in der Mitte des
Bassins stehenden ölänuern über ihren Köpfen ge-
halten wird. In der Mitte dieses Beckens steht eine
bewegt dargestellte Gruppe von vier Knaben, die eine
kleinere Schale tragen, die ebenfalls mit Wasserspeiern
geschmückt ist. DenAbschluss des (Janzen bildet endlich
eine im zweiten Becken aufgestellte höchst zierliche
Kindergruppe, die in sinnreicher Weise mit dem flies-
senden Wasser in Verbindung gebracht ist. Schliesslich
ist noch zu erwähnen, dass der ein Achteck bildende
Wasserbehälter, der auf zwei Stufen steht, auf jeder
der acht Flächen mit mythologischen Scenen, und die an
den Ecken aufgestellten Pilaster mit schwungvollen
Renaissance-Ornamenten geschmückt sind. (Fig. 4).
Icli_konute mir nicht versagen, da einmal in der
Nähe, mich an dem Anblicke des herrlichen roma-
nischen Domes zu Gurk wieder zu erfreuen. Wie reizend
ist doch der Weg, der von dem Orte Zwischenwässern
an dem Vereinigungspunkte der Gurk und Metnitz dem
ersteren Gewässer entlang dalunfülirt. Man berührt das
Städtelicn Strassburg mit der 14(J0 erbauten, leider
durch Modernisirungen stark verstümmelten Collegiat-
Kirche , die viele interessante bischöfliche Grabmale
enthält. Rückwärts der Anlage thront auf einem schart"
ansteigenden Berge das ehemalige Residenzschloss der
Gurker Bischöfe, das nun, in unverantwortlicher Weise
von seinen Besitzern dem Verfalle anheimgegeben, mit
seinen hohlen Fenstcraugen die Menschen vorwurfsvoll
anglotzt, dass man für ein so prächtiges Gebäude alle
Vorsorge gänzlii'ii aufgegeben hat '. Kaum, dass man
Strassburg verlässt, gelangt man nach dem Orte Lie-
ding, dessen noch viele romanische Reste bergende
Kirche auf einer Anhöhe gelegen , weithin sichtbar ist.
Wir wollen hier nur eine Abbildung des interessanten
Reliefs im Tynipanon geben, das im kleinen romani-
schen Portal angebracht ist und in roher Ausführung
eine menschliche Halbfigur zwischen Drachen und Löwen
darstellt '^ (Fig. ö).
Der Dom zu Gurk, der wiederholt in diesen Blät-
tern und in anderen Fachschriften von hervorragen-
den Archäologen gewürdigt wurde, und, wenn auch
leider arg verwahrlost und einer verständigen Restan-
ration sehr bedürftig, ist nicht nur als Bauwerk von
hervorragender Bedeutung unter den Domen Deutsch-
lands, sondern auch seiner Malereien wegen, mit denen
Vorhalle und Nonnen-Chor geziert, ein Denkmal fast
einzig in seiner Art. Der heutige Bau dürfte gegen
Ende des XII. Jahrhunderts beendet gewesen sein und
hat sich, mit Ausnahme weniger Umgestaltungen, und
der Thurmabschlnsse bis heute unverändert erhalten.
Wie der Grundriss (Fig. G) zeigt, besteht die Kirche
aus einem dreischirt'igen Langhause mit zwei den Sei-
tensclnfl'en an der Westseite vorgelegten Thürmen, die
durch eine ursprünglich otfene Portal-V(n-liaIle und <lie
darauf ruhende Älittclwand verbunden werden. Au der
Innenseite betindet sich das prachtvolle Portal und
dahinter ein kurzer Zubau mit drei nebeneinander ge-
stellten Jochen , welcher Zubau sich mittelst dreien
Bögen gegen das Mittelschitf ötfnet. Die Seitenschitte
sind nietlriger und schmäler als das Jlittelschitt". In der
Verläugeruni;
igen Osten schliesst au das Lann'haus
ein im Fussbodenniveau erhöhtes, ebenfalls dreischiftigcs
Presbyterium an von den gleichen Breiteverhältnisseu
<V\v
's. Mitlhcilungen. X. Kaiid.
= S- :siitthoiluu^'t'n. XII. liaud.
Lv
11*2 —
Fig. 1. (Fiiiisiicli.;
des Langliauses, hierauf ein Querscliiff', das sieb jedocli
an der Aussenscite des Gebäudes nur dureli seine mit
dem Mittelscliific gieiciie Iliilie erl^eiinhar maciit. Jedes
der Seiiirt'e wird jenseits des (^iierliaiises diiicli eine in
der Aelisc f^elegene und l'lir das Mitteiseliiil' grössere
und reicher gezierte Apsis al)geseIdossen. Der Raum
uiiterh;dl) des Preshytcriums , des (jucirliauses und der
Mittel-Apsis ist zu einer geräumigen (Jrut'tUirciie ver-
wendet (Fig. 7 und M), zu jenem hundertsäidigen l)e-
rldimten Praehtbaii, den Zuast so geistreieii in seinem
Werke hesclireibt. Die zur Kryjjte fülirenden Stiegen
belinden sieli im InMi;rM der Kirilie lieiderseits neben
den zum I'resbytcrium hiiianHilircndcn Stufen. \'ier
freistellende l'feiler|)aare tin'ilcii d;is I^aiigbaus in die
erwäiintcn drei Sehilfe. Das .Mitteisehiff liat selbständige
Oberlichten und war urspriinglieh, da jede Andeutung
\on Gewiill)estlUzen fehlt, gleii-li wie di(; Seitcnseliilfc
llafli lilicnlickt Von den drei ITcilrrpaiiren des I'r(%sl)y-
teriiinis ist das erste und dritte ririlcipaar liedeutcrid
stärker und dem crstercn entsprielit überdies an ilen
Seitenwilndcrn eine l'feilervorlage, die in der Qucr-
riehtung unter sieh dnreli l'iigen verbunden ist. Unter
diesem Bogen erhel)t sieh, dureli eiu(;n den Lettnern
verwandten Aufl)au geliehen und begränzt, der Kirehen-
boden, durch welche Anlage das l'resbyteriuni charak-
terisirt wird. Hinter dem letzten IM'eilerpaare des Presby-
teriuiiis ist das Querscliitf der ganzen Kirehenbreite
nach eingeschoben. Die Arcaden lies Mittelschilfes sind
mit der Sehlussmauer über das Qiiersehitl" hinüber durch
einen mächtigen, die doppelte .Vrkadenbreite ül)crsi)an-
neiiden Spitzbogen, eine nahezu ursprlinglieiie Anlage
(Xlll. Jahrhnndeil ), \crbuniien. Auch das Presbyterium
war urs])riinglicb llaeii üitenleekl. Die gegenwärtige
IJberwölbung in 'l'onnenform stammt aus dem Jain-e
1.')Sn. Noch ist des mit den s<'lion erwähnten und dem
XIII. Jahrhundert angehörigen Fresken gescliinü<'kten
NiinneiiChors zu erwähnen, der sieh über der Portal
Voriiaile beiludet, und zwei dur(di einen (iurtbogen
geschiedene liingli(die Vierecke bildet. Dieser Bogen
sitzt beiderseits auf der I)eck|)lalte einer niedrigen, dem
Maiierpl'eiler \di'gi'leglen iiaibsäule auf.
Merkwürdigerweise eiitliält diese Kirche, die dttcdi
der Sitz eines so mächtigen Bischofs war, ausser den
Wandgemälden, der Bleigiissgruppc Donncr's, die Kreuz-
abnahme \(iislelleii<l, keinerlei Kunstdeiikniale, ja selbst
(irabsteiiie linden sieh nur vereinzi'lt , wenn auch
il3
gerade jenes des Wahlbiscliols Otto f 1-1-1 dureli die
Art der Darstellung einiger Betrachtung würdig ist.
Vom Äusseren der aus Quadern erbauten Kirche
ist nur die rechte Seite und die Rückseite von Be-
deutung. Die Westseite ist kahl und schmucklos, die
linke Aussenscite verbaut. Die frei gebliebene Längen-
seite schmücken Eundbogenfriese am Haupt- und Neben-
schilf, das Gesims besteht aus Platte und Kehle, bei
letzterer überdies aus abwechselndem Zahuschnitt und
Zickzackornament mit eingesetzten Kugeln. An dieser
Seite befindet sich ein einfaches romanisclics Portal
|Fig. 9) mit Christus als Halbfigur im Bogenfelde. Die
eine Hand zum Segen erhoben, hält er in der anderen
ein aufgeschlagenes Buch , darin die Worte eg j o s
um , Ho I sti I vni | . Um das Bogenfeld läuft folgende
merkwürdige Inschrift : cui . dextera . cor . jiia . mitet f
intranti . rite . per . . . etir cih . te . tartni . f etiv . aucsap .
0(1. exutwido. Diese mit Majuskeln des XH. Jahrhunderts
ausgeführte Inschrift dürfte so zu lesen sein: Intranti
rite per — do pascuavite f Intrat et hie rite cui dextera,
cor pia mite.
Die Fenster des Seitenschiffes, sowie des Haupt-
schiffes sind schmal und nicht besonders hoch, die der
Krypte klein, aber sämmtlich riindbogig überschlossen.
Interessant ist die Behandlung der Aussenmauer des
Querschiftes , das sich nur in der Ausdehnung der Höhe
des Mittelschiffes über das Seitenschiff' characterisirt;
während der Rundbogenfries, wenn auch durch ein
..,H?);yw^
Fig. C. (Gurk.)
Fig- 5. (Lieding.;
Ornamentenband vermehrt, sich ohne Unterbrechung fort-
setzt. Zwei Pilaster an den Ecken und drei Halbsäulcn
gliedern die obere Wand, die gicbelfürmig abschlies-
send nach oben mit stufenförmigem Rundbogenfries ge-
schmückt ist. Die mittlere Halbsäule trägt über ihrem
Capital einen aus dem Rundstab gebildeten Kreis als
bcsiinderes Ornament. Zwei grössere Rundbogenfenster
vermitteln die Beleuchtung des Querschiffes , an dessen
Seiten sich der Bogenfries fortsetzt und au den Ecken
mit zierlichen kurzen Säulchen, die auf Consolen ruhen,
geziert ist. Der schönste Theil der Aussenseiten der
Kirche ist unstreitig die Rückseite, an welcher sich die
drei aus dem Querhause unmittelbar entspringenden
Apsiden darstellen, deren mittlere grösser und reicher
ausgestattet ist. Wir finden an jeder Nische ein in seinen
Gewandungen reich gegliedertes Fenster , während Rund-
bogenfries mit Zahnschnitt und bildliche Darstellungen
nur an der Jlittelapsis verwendet wurden , wie auch da-
selbst die Zahl der Halbsäulen vermehrt ist und mehr Sorg-
falt auf die Detail- Ausschmückung verwendet wurde.
Bevor wir von Gurk scheiden, scheint uns die
Lichtsäule , die auf dem die Kirche auf drei Seiten
umgebenden Friedhofe steht , erwähnenswerth. Sie
ist bereits ein spät-gothisches Werk, aber noch ziemlich
gut erhalten.
Beiläufig eine Stunde von Klagenfurt gegen Süd-
westen entfernt liegen in stiller Abgeschiedenheit
die Baulichkeiten der ehemaligen Cistercienser-Abtei
Vi kt ring, die durch Bernhard Grafen von Sponheim
-Will.
— 114 —
uud dessen Gattin Knnigunde g-cstiftet wurde , und
um 114:2 ihre ersten Bewohner aus dem Kloster
ViHars erhielt. Im Jahre 178G (I.August) wurde das
Stift, eines der stattlichsten und reichsten Klöster Oster-
reiclis aufgelöst. Die Güter und das Klostervermögen
kamen an" den Ecligionsfond, die Stiftskirche wurde
Pfarrkirche, Bücher und Schriften zerstreute mau in alle
Winde, und das ausgedehnte Stiftsgebäude, das noch
manch grothisches Detail an den Fenstern und einen zier-
liclien Erker, wie auch Stucke - Ornamente birgt, ver-
wandelte der neue Besitzer in eine Tuchfabrik.
Die Stiftskirche , unzweifelhaft ein Bauwerk der
beginnenden Übergangszeit, welche seit der Kloster-
aufhebung in ihrem Umfange wesentlich vermindert
wurde, indem man einen Theil der Westseite wegen
Baufälligkeit abtrug, bildete ursprünglich eine von Osten
nach Westen gerichtete dreischiffige Pfeilerbasilica mit
breitem Querschift'e, davdu nur mehr der linke Flügel
besteht, und mit einem quadratischen Chorbau, dessen
Abschluss ^vährend der Zeit des gothischen Styles
(^XIV. Jahrhu .dert)durch eine Construction mit fünf Seiten
des Achtecks erneuert wurde. Es ist kein Zweifel, dass
das Hauptschiff statt des gegenwärtigen Tonnenge-
wölbes ursi)rünglich flach überdeckt war uud daselbst
nur rundbogige Transversalgurten von Pfeiler zu Pfeiler
gezogen waren, du dessen Aussenwand die gegen-
wärtige ii)erwölbung überragt und in dieser Höhe mit
kleineu ruiidbogigen Fenstern, welche die Bestimmung
hatten, hinreichend Licht einzulassen, versehen ist.
Während an den Fenstern mit Ausnahme des Chorschlus-
ses noch der Rundbogen angewendet ist, findet sich an
den Durchgängen der Seitenschiffe bereits der Spitz-
bogen. Das" Haupt-Portal ging bei der Veränderung des
Langhauses zu Grunde, doch blieb ein kleines romani-
sches Portal erhalten '.
Einen hervorragenden Schmuck der Chorfenster
bilden die bunten, in herrlicher Farbenpracht i)rangenden
Verglasungen, die sich dort in ihrer Ursprünglichkeit
rrhnlfeu haben. Es finden sich daselbst viele figurale
Vlii. 10. . Viktrinfr.)
Fig. 8. (Ourk.)
I Siehe Miltliollungeii IX. li., p. 110.
n^. 1 1. 'ViUtriii;4.
Viktring.
zin' Snitp IIA
AulJerLOEiiaeiL von .Toll, iüeiu
tlD —
Fig. 9.
Darstellungen (sie mögen dem XV. Jahrhundert ange-
hören), wie der P^inzng in Jerusalem , die Zusannnen-
kunft der heiligen Maria und Elisabeth etc., auch Wap-
pen, wie jenes der Erolzheimer, Stubenberg, Pettau,
Hollenburg etc., die schon im XIV. Jahrhundert urkund-
lich vorkonnnen (siehe die beigegebene Tafel und Fig.
10 und 11).
An das Chorquadrat schliesst sich eine mit Netz-
gewölben bedeckte Capelle an, und an das linke Quadrat
des Querschift'es eine grössere Capelle mit schönem
Netzwerk, dessen Rippen auf Consolcn ruhen, die mit
Wappenschildern geziert sind (Fig. 12). Diese Capelle
ist mit einem aus dem Achteck construirten sehr zier-
lichen Chörleiu versehen, dessen Scheidebogen mit Bal-
dachinen ausgestattet ist. Während die Kirche selbst keine
Gruftanlage besitzt, findet sich unter derletzt genannten,
dem heil. Bernhard geweihten Capelle ein derartiger
ausgedehnter Raum. Von Monumenten ist nur wenig er-
halten und selbst zwei derselben haben erst in neuerer
Zeit in der Kirche ihre Aufstellung erhalten, als näm-
lich das ehemalige Capitelhaus, wo sie sich befanden,
eine der jetzigen Bestimmung des Stiftsgebäudes ent-
sprechende Bestimmung und Verunstaltung bekam. Der
eine dieser Steine ist gewidmet dem Andenken des
Prälaten Gerhard, f 1400, der andere hatte die Bestim-
mung, die von diesem Prälaten (^141)1) gegrlindete Ruhe-
stätte für die Stiftsäbte zu schliessen. Letzterer ist
mit einer im Hoch-Relief ausgeführten Figur eines Abtes
in pontificalibus geschmückt.
^Gurk.)
Wenn man das freundliche Städtchen Villacii be-
suclit, lenkt, wie natürlich, die ziemlich hoch gelegene,
imposante Pfarrkirclie dicxVufmerksamkeit des Archaeo-
logeu zuerst auf sieli.
Diese Kirche nimmt unter den gothischen Kirchen
Kärntens, welche meistens die charakteristischen Merk-
male der in der letzten Hälfte des XV. itnd zu Anfang
des XM. Jahrhundertes eingerissenen Verwilderung
der gothischen Formen und einer spielenden Schein-
architectur an sich tragen, einen hervorragenden Platz
ein. Sie ist, abgesehen von dem frei stehenden Thurni,
ein einheitlich angelegtes Gan^e, wie der Grundriss
Fig. 13 imd die Langseite Fig. 14 zeigt, und gliedert
sich in das Langhaus, das Presbiteriuni und mehrere
Nebeuräumlichkeiten und Zubauten.
Das Langhaus ist ein weiter und lichter Hallenbau
mit ij fast gleich hohen Scliitfen, jedes aus sechs Ge-
wölbefelderu bestehend. Die zehn einfachen glatten
Rundsäulen zwischen den Schiffen tragen Tonnen-
gewölbe, die durch etwas niederere Gewölbschilde quer
durchbrochen und an den Kanten und Flächen mit
Blendrippen verziert sind. Das ganze Rippennetz ist im
Grundriss angedeutet, und zeigt eine Anordnung der
Rippen, die mit den Gesetzen des Gleichgewichtes im
Willerspruch steht, indem eine Rippe, deren Grundriss
kreisbogenförmig ist wie hier, unter keinen Umständen
sich selbst, also noch viel weniger das Gewölbe tragen
kann. Das Gewölbe gehört der Verfallszeit an, zeigtitalie-
töc
M()
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''l-//f:'^'/''/'/yA.-//////,.. ,,/'/■/■, '//:/.v,-,.
Fig-. 15. (Tillach.)
Fig. Ifi. (VillaHi.)
Fig. 17. (Villanh.)
Fig. 18. (Villacli.
Fig. 19. (ViUafli.)
Fig. Vi. fViktrinp.)
Fig. %). (Villacli.)
117
Fi- 13.
FifT. 14.
nischeiiEinfluss und dient ihm das Eippemverlv nur zur
Decoration.
Das Prcsbyterium enthält zwar eine eiufaciierc und
mehr natürliche Anordnung der Kipjjcn, Jedocli sind
auch diese nicht zum Tragen bcstjninit, sondern dienen
ebenfalls nur als Belebung der Kanten des Kreuz-
gewölbes. Die Kippen gehen bis an das Kaffgesims,
durchkreuzen dieses und haben mannigfaltig gestaltete
Consolen, wovon wir einige in Fig. 15 — 17 abbilden.
Der Orgel-Chor nimmt das letzte Joch der ganzen Kir-
chenbreite ein, auch finden sich daselbst Sehlusssteine
(Fig. 18, 19), die einer früheren Zeit angehören.
Die Fenster sind spitzbogig, mitunter mit gutem
Masswerk ausgestattet, das Mittelfcnster im Chor-
schlusse hat an der Aussenseite in der Hcddkehle zwei
Baldachine uebstConsolen,wodurch und durchdie mannig-
faltig verschlungenen decorativen Masswerke im Fen-
sterschlusse dasselbe ein reich geschmücktes Aussen
bekommt.
Merkwürdig ist bei dieser Kirche die Thnrmanlage,
indem der Thurm mit der Kirche nicht unniittelliar in
Verbindung stehend und mit ihr ein Ganzes bildend,
wie es doch bei den gothischen und romanischen Kirchen
Deutschlands fast durch ivegs der Fall ist, sondern frei-
stehend im Westen der Kirche vor dem Haupteingang
errichtet wurde. Erst später hatte man von der Kirche
zum Thurm ein Gewölbe gespannt, das aber nur den
Zweck einer Art Vorhalle erfüllt und keineswegs eine
organische Verbindung des Thurmes mit der Kirche
herstellt. Die untere Abtheilung dieses aus Quadern
aufgeführcn Gebäudes enthält noch rein romanische
Gliederungen und fällt durch die ausserordentliche
Stärke ihrer Jlauern auf, welche im unteren Geschoss
9 Schuh beträgt (Fig. 20). Die zweite Abtheilung
— 118 —
Fig. 21. (Villiich.)
;iifPÄwW!F
Fig. 24. (Vill)icli.)
Flg. 22. Vill.ii
10 —
mit (loiii GlocUenhiuis und der Ulir, der aehteckiire Auf-
b;iu 1111(1 die l'yraiiiide wurden erst in diesem Julirhun-
dert aal'i^efülirt.
Die jetzige Thurmthür wurde offenbar nacliträg-
lich in die Quadermauer gebrochen , sie zeigt spät-
gotiiisclie Formen
Von Einzelnheiten der Einrichtungen der Kirche
siiid als benehtcnswcrth zu erwähnen:
Der Taufstein , er gehört dem Beginnen des XVI.
Jahrhunderts an und hat den spät-gothisciien Character.Er
\st achtseitig, dürfte jedoch früher höher gewesen sein,
Auch an der Aussenseite
der Kirche findet sich unter
den zahlreichen Monumenten
manches Relief, wie ein Ecce
homo (Fig. 22), das einer auf-
merksamen Beobachtung wür-
dig ist.
Unter dem Musikchor
steht au der Wand ein grosses
Stein-Relief, unzweifelhaft ur-
sprünglich das Tympauon
eiuesPortals(Fig. 23). Wenn
auch roh gearbeitet, erregt
die Darstellung und das Co-
stüme derFigureu einige Auf-
merksamkeit. Wir sehen zwei
Darstellungen auf dem Bilde
vereint; den oberen Theil
nimmt ]\Iaria umgeben von
es scheint der eigentliche Fuss oder doch der Aufsatz,
auf dem er stand, verloren gcgiuigen zu sein. Die Ecken
sind mit Fialen, die Fliichcii des Kessels mit geschweif-
ten Wimbergen und die Felder darunter mit Brust
bildern von Heiligenfiguren geschmückt, die Felder am
Reste desFusses mit tartschenformigcn Schildern besetzt.
Ein schönes Werk ist der unbeachtet hei Seite ge-
schobene Betstuhl, der die Jahreszahl 14(14 trägt und
virtuos ausgeführte Schnitzereien enthält. Die Wangeu-
stüekc zeigen Samson, der den Löwen tödtet und einen
Steiidmck, der Trauben stielt (Fig. 21).
Engeln ein , sie ist als
die
Schützerinderum sie gruppir-
ten Menschen dargestellt.
Darunter die Anbetung des
Christkiudleius durch die drei
Könige. Maria, die das Kind
am Schoosse stehend hält,
und die Könige tragen hohe
Lilienkrouen. Die beiden Eck-
Figuren , davon die rechts
einen Ritter darstellt, und die
links situirtc Figur mit einer
Taschp aA einem thurmartigen Gefässe in der Hand, sind
stark Deschädigt; sie zu eutziifern ist mir nicht gelungen.
Von Eiseiiarbeiten erscheint erwähnenswertli das
hübsche Schlossblech sanimt Klopfer an der Sacristei-
tliür und das aus zwei Theilen bestehende Abschluss-
gitter einer Seitencapelle; die Bekröuung (Fig, 24)
des einen Tlieiles ist mit aus Blech geschnittenen Rosen,
Disteln, Lilien, Eicheln geziert und, wie die Reste er-
i'ig. 2o.
kennen lassen, einst bemalt und stellenweise vergoldet
gewesen und dürfte dem XVI. Jahrhundert angehören. Die
Bekrönung des zweiten Tlieiles besteht aus schnecken-
förmig gewundenen Eisenstäben mit grossen Blättern
und Trauben aus Eisenblech.
Einen besondern Schniiick der Kirche bilden die
vielen Grabsteine, deren wir einige sowie die Kanzel
in der Folge
betrachten wollen.
Mittelalterliche Grrabdeukiimle.
Von Dr. Karl Lind.
(.Mit 2 HoUiihuittin.j
Das Capitelhaus des altehrwürdigen Stiftes Heili-
genkreuzist mit Ausnahme des Kreuzganges zu Kloster-
iieuburg die einzige noch erhalten gebliebene, aber
wahrscheinlich auch die meisten Sprossen im ewigen
Schlaf vereiuigonde Ruhestätte des für Österreich's Ge-
schichte so wichtigen Fürstenhauses der Babenberger.
Zahlreiche in ihrer ursprünglichen Form belassene
]\Ioiiiimente erinnern uns an die einzelnen Mitglieder
dieses Heldenstammes. Ich will vdii dem leider arg
beschädigten, einst figureiigeschmückten Grabmale des
streitbaren Friedrich, des letzten männlichen Descen-
denten dieses Herrschergeschlechtes, absehen und dafür
die übrigen Monumente etwas genauer ins Auge fassen
und deren etliche beisiiielsweise in Abbildung bringen.
Dieselben hallen jene schlichteForm und Ausstattung,
die wir au den Giabdenkmalenaus dem XII. und Anfang
120
I'iK- 1-
Fis-. ■^■
des Xlli. Jalirlunulerts in der .Mcliiv.ahl treffen, d. i.
eine unsclieinbiirc reclitcckige, ziemlicli schmale .Stein-
platte mit kurzer, liinsiclitlicli der Dntirunn: fast inniicr
nn,:;-enii;i-ender Insciiritt und nutiinter mit einem Kreuze
einfaeiister Zeiclinun.n- g-cziert. Diese Gestalt hat der
Grabstein des auf der Rückkehr vom Kreuzzu.crc
nach Paliistina verstorbenen Herzogs Friedrich I.
mit dem Üeinamen der Katliolische, Sohn Leo-
pold VI. des Tu-^^endiiaften. Er war jie])oren am
20. Deccmber 1174, starb am lU. A])ril 1198 und
fand im October desselben Jahres seine Rnhcstättc
zu Heilig'enkreuz. Ob der Stein aucli jetzt noch dessen
Gebeine deckt, ist eine Frage , die ich zu l)eant\V(irten
nicht für meine Aufgabe halte ; wohl aber finden sich
einige darauf bezügliche Andeutungen in Marquard
Hergott's Taphogra])hie, welche wiederholte Eröffnungen
der Grabmale und daraus erfolgte Verwechslungen
der Grabsteine vermutiicn lassen.
Friedrich's Grabstein zeigt Fig. 1. Er ist (j Fuss
laug und 2 Fuss o Zoll breit, ist an der Kopfseite etwas
abgetreteu und entliält innerhalb einer durch Leisten
gebildeten Umrahmung ein einfaches auf langem Stabe
angebrachtes Kreuz; der Stab entspringt aus dem mit-
tereu und liöheren dreier neben einander gestellter
Kreissegmente. Die innerhalb des Kahmeus auf der
linken Seite angebrachte, nur Eine ungebrochene Zeile
bildende Insclirift in stark zusaniniengezogeneu Lapi-
daren lautet: XVL KL. Maii 0 frideric. dux . austrie.
Ahnlich mit diesem Steine ist das in Fig. 2
abgebildete, gemeinsame Denkmal der Frauen G ertr u d
und R i c li a r d i s , die dessenungeachtet, sicheren Anhalts-
punkten nach, niclit im selben Grabe rulien, indem
letztere waiirscheinlich links des Grabmales Friedricii
des Streitbaren beigesetzt wurde.
Audi hier finden wir die KreuzesdarstcUung im
Mittelfelde, doch ist der Kreuzesfuss nicht mehr zu
erkennen, ancli liier ist die Inschrift ans mitunter ver-
einigten Lapidaren auf der linken Seite des Kreuzes
angebracht und zwar für jede Fürstin eine besondere,
diesmal aber bis zur rechten Seite auslaufende Zeilen
bildend. Die äussere Inschrift lautet: f • Xtlll. KL.
^laii I 0" gertrudis . de . brovnswicli . duciss . austrie;
die innere Insclirift: VI. K. Mar. | O (grössere IJuclista-
ben) Richardis Lantgravia de waltjherst|orf.
Frau Gertrud von BraunschAvcig war die erste Ge-
mahlin Friedrichs II., die einen Monat nach ihrer Ver-
mählung (10. April 1221)) starb. Frau Richardis war die
Schwester des Landgrafen Ludwig von Thüringen und
seit 1225 mit Heinrich V. dem Grausamen vermählt.
Obwohl der Todestag, 24. Februar, angegeben ist. bliel»
I)is jetzt ihr Tddcsjaiir inilickaiint. In simdcrbarcr Weise
vereinigte sie ihren Geburtstitel als Landgräliii mit
jenem ihres Witwensitzes, des heutigen Oberwalters-
dorf an der Triesting, das stets ein liabenbcrger Eigen-
Ilium war.
Ein xMiniberger («obcliii aus dem XV. Jahrliinidert.
Von Albert Ilg.
(Mit I IloUscIinltt.)
Die Wfljcreicnsamnilung des österr. Museums für
Kunst und Industrie besitzt das in der angeschlossenen Ab-
bildung reproducirte interessante I'.eispiel alter deutscher
Gdbclintcclinik, worüber die naclifolgcndcn Zeilen in
kurzem Xachrifht bringen sollen. Der Tcpiiich ist von
starkem Linnen gewebt und lial bei einer Länge von
;*>' A*/J' eine Höhe von 2' iJ'/i" wiener Mass. Die Dar-
stellung, welche das Gewebe enthält, ist eine durchaus
fignrale, Ornament ist nicht einmal durch eine Rordün'
vei-trctcn. Wir sehen sechs Gestalten auf gleiclimässig
dunkelblauem Hiiitergrunde, ihre Flisse stehen auf
einem Streif Wiese cider Grasboden, der eine leichte
Selialtirung und mehrere stylisirte Hlumen zeigt. Hegiii
neu wir mit der Hauptperson, so sehen wir in der Mitte
die Gestalt des Heilandes; er steht aufrecht, liebt die
rechte Hand empor und kehrt uns deren Innenfläche
mit iler ;iiii Kreuz ciiipläiigeneii Wunde entgegen, ilie
Linke zeigt mit dem Finger auf jene in der Seite. Diese
Wunden gleichwie jene an den Füssen sind als rotlie
Flecken erkennbar gemacht. Seine Itrust ist entblösst
und äusserst mager gezeichnet , mit .\iideittiing derRi|i-
peii des Hriistknriies. Das Fleisch ist gelblich fahl und
ohne .\ngaiie der Modeiiirung flach gehalten mit dun-
kelbraunen Innenciintiiren. Die Lippen sind mit Roth,
— 121
die N'ägcl mit Weiss aufgesetzt. Über die Schultern
lidlt das Ilauiitiiaar, das von brauner Farbe ist, lang-
gelockt hernieder, der Bart geht in spit/.e Zacken aus;
eigenthlunlich ist die Form der halbiiiondartig nach
unten gebogenen Augenschlitze, welche dem Gesicht
einen strengen, dräuenden Ausdruck verleihen und nur
an der Figur Christi auf dem Teppiche vorkonnnen.
Die Augensterne liaben blaue Färbung. Auf der Stirne
ruht die lichtgrüne Dornenkrone, während aussen ein
grosser Nimbus das Haupt umgibt. Derselbe ist im
Kerne blau, wird gegen die Peripherie hin gelb und
zeigt ein rosafarbenes, mit Strahlen umgebenes Kreuz im
Innern. Die Gestalt verhüllt ein lichtblauer, rosa gefüt-
terter j\[antel, auf dessen unterstem Saume die Füsse
des Heilandes stehen. Das Kleid ist reich gefaltet , und
zwar-in grossen, rundlichen, nicht eckig gebrochenen
Linien.
Zur Rechten dieses Wunden-Christus steht eine
etwas kleinere Figur, die wir als den heil. Heinrich
erkennen müssen. Er steht dem Heiland zugekehrt und
hält in der Linken eine Kirche, die Rechte hängt gerade
herab. Carnation und Behandlung der Körpertheile un-
terscheidet sich nicht von den Eigenthümlichkeiten der
ersten Figur, den gelben Nimbus fasst ein rother Rand
ein. Die Gewandung des Heiligen besteht in einem wei-
ten braunen, gelb gefütterten IMantel mit eben so gefärb-
tem Überwurf, desgleichen braunen Schuhen. Den Kopf
bedeckt ein vorne aufgckrämpter gleichfarbiger Hut,
den an dieser Stelle eine weisse Blume schmückt. Fnter
dem Hut hängt eine Art Kette oder Schnur von silber-
grauer Farbe herab und umrahmt das Antlitz, welches
ein Schnurr- und Stutzbart ziert. Auf dem Rücken wird
ein brauner, an einem Riemen über die Brust getra-
gener Gegenstand sichtbar, entweder eine Kapuze oder
ein Ranzen. Die Kirche ist zweithürmig, zeigt die For-
men des romanischen Styls, ohne sonst aber stark an
den Bamberger Doin, den sie vorstellt, zu erinnern.
Grosse gelbe Kreuze krönen die Thunn- und Dach-
spitzen. Die Mauerfarbe ist röthlich, die Schindeldächer
blau, Lisenen und Simse weiss.
Neben dem Heiligen, mehr am Rande des Gobe-
lins, kniet sein Schutzbefohlner in ritterlicher Tracht.
Den Körper deckt ein blauer Stahlpanzer, aus grossen
Platten gebildet, welche auch Arme und Beine um-
hüllen. Das Hüftkleid und die Achselklappen bestehen
aus braunem Tuch, am Rücken hängt der abgenom-
mene Eisenhelm mit dem Wappenbild als Ziemir und
weit niederwallender gezattelter Helmdecke in den
Wappenfarben: blau und weiss. Der Kniende hebt die
Hände im Gebet empor. Sein glattes Gesicht ziert ein
Lippenbart, auf die Wangen sind rothe Tupfen aufge-
setzt, was den übrigen Figuren mangelt. Zu den Füssen
des Betenden steht schief angelehnt sein Schild von
abgerundeter Dreiecksform mit drei weissen sechszacki-
gen Sternen, welche gemeinschaftlich ein Dreieck von
derselben Farbe einschliesscn, auf blauem Grunde. Dem
entspricht der obenerwähnte Helmsphmuck, nur dass
hier Ein Stern in beide Farben haUiirt angebracht ist,
auf dessen Spitzen je ein entsprechend blauer oder
weisser Federblischel aufsitzt. Der -Helm ist mittelst
einer weissen Schnur um den Hals befestigt. Unter dem
Ritter entspriesst aus dem Wiesengrund eine weisse,
zu Füssen des heil. Heinrich eine rothe Blume, llbcr
beiden Gestalten sehwebt ein Schriftl)and frei in iler
XVIII.
Luft und zwar , inilem es in einer unregeln ä-isigcn
Curve ober dem Haupte des Knienden beginnt und
über Heinrich's Haupte bis zum Christus reicht. Es ist
weiss, die Buchstaben sciiwarz, den übrigen Raum nach
der Legende iüllt ein rotlics Rankenwerk aus. Die Worte
lauten : o . her . ich . i)it . dich . fvr . die . sei . gever . mich
und sind in gothischen Minuskeln geschrieben.
Wir wenden uns nun zu den drei Personen an der
linken Seite der Figur Christi. Zunächst folgt eine
Blume von roth- uinl brauner Farbe , dann sehen wir
eine stehende weibliche Gestalt. Ihr tahlbraiiner, licht-
gelb gefütterter Mantel ist auch um Haupt und Stirne
gezogen, darunter wird ein lichtbraunes Kleid sichtbar,
die Schuhe sind verborgen. Sie legt die Hände gekreuzt
über die Brust. Der Gesichtsausdruck ist leer und unbe-
deutend. Ihre Aureole hat ganz gelbe Färbung , am
Rande sind halbkreisförmige Ornamente angebracht, wie
sie auf Tafel- und Frescogemälden durch Eingraben in
den weichen Gyps hervorgebracht wurden.
Hinter dieser Gestalt, in der wir vielleicht Maria
Ol blicken werden, knien zwei Frauen in andächtiger
Haltung, beide einförmig ähnlich und beinahe nur durch
ihre Kleiderfarben und die Wappen verschieden. Beide
haben das weisse Stauchentuch um den Kopf, das sie
als Verstorbene bezeichnet und einen mit Hermelin gefüt-
terten Mantel, welcjier bei Jener der Maria zunächst
betindlichen gelbundroth schattirt, bei der zweiten blass-
grün ist. Ihr Kleid ist blau, das der ersten grün. Ihr
AVappenschild ist horizontal getheilt, das obere Feld
gell), das untere schwarz, ohne Bildwerk. Jenes der
anderen Frau zeigt zwei lindenblattartige Gebilde von
der Form des Kartenzeichens l'ique, das eine rothe auf-
steigend, das andere nach abwärts gerichtet, weiss, in
eigenthümlicher Vereinigung der Fnirisse.
Die ganze Hülfte zur Linken Christi steht der
andern an Sorgfalt der Ausführung sowie in der Zeicii-
nung nach. Die Frauen haben etwas Puppenhaftes und
ontbehren jedes Ausdruckes. Auch auf dieser Seite
schwebt ein Schriftband in der Höhe , jedoch in einem
scharf gebrochenen Wiid^el über den drei Frauen. Es
gleicht dem vorigen, nur dass die Punkte zwischen den
einzelnen Worten hier roth, dort grün sind. Zuletzt macht
auch wieder eine kleine Ranke den Absehluss. Die
Worte l)esagen : 0 . kint . ich . pit . dich . fvr . die . sei .
gever . mich .
16
122
Dil' Conturiiuiig' der drei iiiäunliclicn Figuren, ins-
besondere an dem Christus, zeiclinet sich durcli viel
Clcirakter nnd Bestimmtheit ans. Alles ist etwas streng
und lest, idine aber die Hagerkeit nnd das Scharfe,
Eckige der rheinisch niederländischen Schulen zu zei-
gen , hievon unterscheidet sich schon der mehr abge-
ruudete Wurf der Falten. Der Tepjdch hatte die Be-
stinnnnng. in der Kirche an der Grabstätte der Siifter
aufgehängt zu Averden. Dergleichen Erinnerungen an
die Verstorbenen waren im Mittelalter beliebt und er-
scheinen in den verschiedensten Anti'assungen , zuweilen
als Darstellung der Sterbescene, wie Dlirer's Tafel für
die Frau Pirkheimer's oder Kranaclfs Oemälde für
Hans Schmiedburg in Leipzig: am iiltesten in der AVeise
wie hier , indem die Donatoren und Verstorbenen
knieend abgebildet sind vor heiligen Personen. In Nürn-
berg pflegten vornehme Häuser solche Tcppiche in die
Kirchen zu widmen, wie aus Jfurr's Beschreibung der
Mirnchmsten ]\[erkwürdigkeiten in der H. E. Reichs-
tVeyen Stadt Kürnberg, 1778, p. 50 IT., gelegentlich
der Schilderung der Moritz-Capelleu.a. Kirchen hervor-
geht. Solche Teppiche mit Wappen nnd Bildscenen
rührten iier von den Stark, Komer u. a. Auf der Rück-
seite des Gewebes in einer der unteren Ecken des
Gobelins ist ein kleiner viereckiger l'ergamentzettel
angenäht, welcher in der Schrift des XV. Jahrhunderts
über die Person des knieenden Ritters Auskunlt gibt.
In ;'. Zeilen abgetheilt, lauten die mit stellenweise total
verblichener Tinte geschriebenen AVorte: Anno domini
1400 \n(\ im sibeng Jar da starb Hainrich Gewder an
Saut ntag dem Gott gnedig sei. Amen. Darunter
ein offenbar in neuerer Zeit, mit lichtbrauner Farbe
eingedrücktesStenqielzeichen: (j;^. Wir ci-faiircn daraus,
dass auch dieses Kunstwerk einer Patrizierl'amilie jener
berühmten Stadt angehört hat. Als die Gen der bezeich-
net sie das AVap])en des Mannes, drei weisse Sterne
im Illauen Felde, die sich im Dreieck um eine gleich-
schenklige, dreiseitige Pyramide gru])piren , wie es
Sil)maclier,New \\'ai»])cnlnicli(n)tab. 205, und Wa-
gen seil, Commentatio, Tafel zu pag. 183, sub V, dar-
stellt.
Es sinil jene Sterne des Geuder'sehen Hauses, von
W(dclicn in der llunianistrnpcridde Carolus Nüzelius
sang :
Qui noctem stcllis, Ileus :iliiii-. iiiicantilni.s oni;i.s,
Illiistra radiis pectora iiostra tuis,
Michael Piccartus aber die Verse :
Sti'ila triplex, pietas, virtiis, dootriiia iieicinii.s
Est ücuilerorum gloria, itemquc dceu».
Diesen Ruhm haben sie auch im T>aiif iler Jahr-
hunderte eifrig zu bewahren getra'hti't, im XVI. Jahr-
hundert namentlich, als sie sicli ihr neiibcgrUndeten
l.'ichtung auf wissenschaftlichem und liumaiiistischem
Gebiete anschlössen. Damals waren zwei junge {Jeudcr,
Netfen des berühmlcn l'irklieimcr, die mit mich einem
dritten aus ihrer Familie in lliil(i;,'na unter Leitung des
Jidiannes Coclilaeus studirleii , Mil>eliiiier des l'lricli
Hütten im firiechisclien , welches ihnen der Gricch(!
Tr\|ilii>n lehrte (S t raiiss , I'Ir. von Hütten, 2. Aufl. |iag.
I2ti;. Aucli in späteren Zeiten finden wir sie unter den
hervorragemlsten PersÖMlichkeiten der Stadt, als welche
sie die Eiirenäinter von Stadtverordneten , Waghcrni
etc. cinnclinien. fAf II rr, Journal X\'. |i. IlD ii. ii.) Hans
Gender. den Einen jener NefTen Pyrkheiiner's erwähnt
auch Dürer in seinem Tagebuche der Xiederländischen
Reise, 1520 — 21 (Quellenschriften f. Kunstgeschichte
etc. IH. pag. 92).
Gehen wir in ältere Zeiten zurück, so finden wir
das Geschlecht bereits sehr reich in der Umgebung
Xürnberg's begütert. Ein Heinrirh Geuder soll schon
lyiiO die Güter um Neuhof vom Burggrafen zu Leibge-
ding erhalten haben; er war Schultheiss in Nürnberg.
].'!(•() und das folgende Jahr kauften Heinrich III. und
Konrad Geuder eine Anzahl Güter, Brnck, Heroldsberg
(von dem sie sich dann auch nannten). Beringersdorf,
(iross- nnd Klein-Gscheid von dem Herzog von Pom-
mern, Suatibor, dem diese Orte als Mitgift seiner Ge-
iiiahlin Ann-a, der Tochter des Burggrafen Albrecht,
zugefallen waren. 1419 belehnte Kurfürst Friedlich I.
von Brandenliurg als kaiserlicher Statthalter den Georg,
Heintz, Conz und Hans Geuder mit verschiedenen Be-
sitztliüinern in derselben Gegend , von denen das
Geschlecht .noch im vorigen Jahrhundert viel besass ;
eine weitere Belehnung s<ill 1442 durch Kaiser Friedrich
an Georg Geuder erfolgt sein. 1482 erwarb Hans
(Jeuder AVolkersdort , 1i)02 erscheiiu'n sie in Stein
begütert, 1572 verkauft der Nürnberger Magistrat die
Orte um Gründlach an Philipp Geuder v. Heroldsberg,
sie hatten Eigeuthum in Pillenreuth nnd Wetzendorf,
einen Herrensitz in Heuchlingcn etc. (Siehe Deliciae
fopo-geograiihicae Noribergenses etc. Frankfurt und
Leipzig 1775, 2. Auflage, pag. 61 u. ö.)
Die älteste Linie des zu bedeutendem Ansehen
gelangten Hauses ist diejenige , deren Urväter schon
um die Mitte des XIII. Jahrhunderts das Schloss Kam-
merstein in der Nürnberger (iegend inne hatten. Sie
sollen noch früher in der Schweiz und den Niederlanden
sesshaft gewesen sein. 1349 finden wir sie in der Stadt
Nürnberg. Biedermann in seinem Geseldeclitsregister
des Hochadelichen Patriziats zu Nürnberg, Bayreuth
1745, tab. XLVI, nennt zuerst Siegemnnd I. Gender
Ritter, den Stanmiherrn des ganzen reichverzweigten
Hauses, der auf Kammerstein lebte und t 1278. Wir
überlassen es dem Leser, sich daselbst mittelst der
.\ngalien auf tab. XLAI — LX über die iMitwieklung des
(iesclilechfes zu insfruiren. Denjenigen (Jeuder, welchen
nnsei' Kunstwerkvorstellt , fiiuien wir bei Bi e derma n n,
tab. L. , verzeichnet, als Heinrich IH. Geuder von
Hcroldsbcrg. Er gehörte der Hauiillinie an, kam 1,'!89
in den liath und erwarb, wie schon erwiihiit, in Gemein-
schaft mit seinem Bruder Konrad vom Herzog Suatibor
zahlreiche Güter. Er starb, wie der Zettel an dem Tep-
piche richtig angibt, anno 1407, und war zweimal ver-
iieiratet. Die erste Gemahlin cnlstammlc dem Hanse
der l'linzing von ILiilenfeld, ihr \ater war llricli. Ihr
Name ist Brigitta. Diese Frau stellt die erste der knieen-
den Gestalten neben der Heiligen zur Linken Christi
vor. Das gelb und schwarz getheilfe A\'.ippen ist jenes
ihres (ieschlechtes , doch ohne das kleine, gelb, weiss
nnd blau getlieihe Schildi-Iien in der Mitte, mit welchem
(s Sibmaclier 1. taii. 205 darstellt. Die zweite l'raii des
Ritters hiess Anna, ."ins dem gleichfalls in Nürnlierg
heimischeil ehrbarn Hanse der Ortlieb, 'J'ochter des
lleinrieh Ortlieli, wcdchcr des inneren R:iths gewesen.
Ihre Mutter .Anna war eine Stromer von Beiclicnliach.
Das AA'a|>|>en mit dem rothen und weissen Bialte ist bei
Sibmae her ll.t;ili. I 57 abgebililct. Die Heilige zur Seile
123 —
des Erlösers köuute vielleicht die Patronin der ersten
Gemahlin sein , der Habitus der Gestalt mit dem Kopt-
tuche erinnert an den Typus , unter welchem diese Hei-
lige, welche eine Witwe war, abgebildet wird. Weil
aber dann die zweite Gemahlin leer ausgehen würde,
und ferner wegen der Anrede des .Spruchbandes : o
Kind, ich bitt' dich! dürfte doch mit grösserer Wahr-
scheinlichkeit auf die Mutter des Heilandes zu schlics-
sen sein.
Die Weberei stand in Nürnberg bereits im XI\\
Jahrhundert in hohem Flor. Damals war ein besonderer
Stadttheil, vicus textorum, nach ihnen genannt. Zu An-
fang des XV. Jahrhunderts, berichlet Murr's Journal,
Y. p. 76, gab es „Weib.sleute , die nicht allein im
.Seidensticken, sondern auch im Teppichmachen sehr
fleissig und geschickt waren. .Sie sassen ndt ihrer Tep-
picharbeit den ganzen Tag auf .St. Miehaelschörlein in
St. Sebald's Kirche, verrichteten daselbst ihr Gebet, und
hielten auch da ihre Mittagmahlzeit." Bader, Beiträge
zur Kunstgeschichte Nürnberg's (2. Reihe, p. 7, Note)
berichtet , dass die Teppiehwirkerei in genannter
Stadt inner- und ausserhalb der Klöster viel geübt
wurde; der Eath pflegte mit Erzeugnissen dieser Indu-
strie besonders fremden Fürsten Ehrengeschenke zu
machen. In der ersten Abtheilung desselben Werkes
finden wir unter den Inventar-Stücken der Marienkirche
auch acht alte gewirkte Altartücher angeführt, von
denen eines das Wappen der Geuder trug (pag. 80).
1! e 1 1 be rg (Nürnberg's Kunstgeschichte) bringt pag. -I.")
die Abbildung von mehreren Figuren aus einem Teppich
der Lorenzkirche, wH'lcher die Apostel, von .Spruchbän-
dern umgeben, darstellt. Die Zeichnung der Gestalten
aus diesem um 1.175 entslaudenon Werke erinnert in
ihrer liarlen und spitzen Manier vielfach an den .styl
de.-: vorliegenden, desgleichen die Anordnung der Zet-
tel mit den Inschriften. Spätere Arbeiten dieser Indu-
strie, wie der Teppich der Sebalduskirche mit Darstel-
lung der Geburt Christi und \ier Heilige, ferner aus
der Zeit Dürcr's der schöne, mit einem Künstlerzeichen
versehene Teppich in der Sacristei der Lorenzkirche,
auf dem St. Lorenz, Steplians, Christus am Kreuze,
St. Heinrich, Kunigunde, Kligius und Leonhard vorge-
stellt sind, finden sich angeführt in demselben Buche,
pag. ü7 und 137, mit Abbildung. In jener Periode war
ein Meister aus Arras in der Stadt Nürnberg ansässig
und mit derartigen Arbeiten beschäftigt.
Was den malerischen Styl des Teppiches betrifft,
so dürfte diesbezüglich wohl an einen auswärtigen Ein-
tiuss gedacht werden, denn von jener charakteristischen
Gedrungenheit derFignren, welche wir in Nürnberg'-
schen Werken, vom Imhof sehen Altarwerk und der
Tucher'scben Tafel bis in Dürcr's Periode wahrnehmen,
ist hier nichts zu bemerken, vielmehr zeichnen sich die
Gestalten an dem Gobelin des Museums sowie an jenem
Apostelteppiche der Lorenzkirche durch Magerkeit und
Schlankheit aus.
Beiträge zur mittelalterlichen Spliragistik.
Von Dr. Karl Lind.
.Mit 1 Holzschnitten.)
In Figur 1 geben wir die Abbildung des Convents-
Siegels des von König Rudolf von Habsburg am oi.
August 1280 gestifteten und unter Kaiser Josef II. auf-
gehobenen Dominicanerinnen - Klosters zum heiligen
Kreuz in Tuln. Es ist spitzoval , hat eine Höhe von 2"
Ui" und eine Breite von 1" S". Im Bildfelde sieht man
zu Unterst unter einem Kleeblattbogeu,welcher einen
Spitzgiebel trägt, das Brustbild einer betenden Nonne.
In dem eigentlichen Bildfelde ist der englische Gruss
dargestellt; rechts steht der Engel Gabriel, geflügelt
mit Mantel und Tunica angethan , das gelockte Haupt
nimbirt und die Rechte segnend erhoben, links die
heilige Maria mit dem Nimbus um das geschleierte
Haupt in langem Kleide und weitem Mantel, sie hält
ein Buch in den Händen. Zwischen beiden Figuren
schwebt ein sechseckiger Stern ; ein Kleeblattbogen,
der sich der inneren Schriftlinie anschliesst , über-
wölbt das Siegelbild. Die in Lapidaren ausgeführte und
innerhalb des mit Perlenlinien begrenzten Schriftrahmens
befindliche Inschrift lautet : S. Covetus sororum ordinis
predi in Tulna. Zwischen Anfang und Ende der Legende
befindet sich eine dem Rankenwerke ähnliche Ver-
zierung. Das Siegel gehört unzweifelhaft dem XIII.
Jahrhundert an , dürfte somit das aus der Zeit der Stif-
tung des Klosters herrührende sein.
SmitmSr fand das .Siegel in rothem Wachs in
einer Urkunde vom Jahre 1430, dto. Samstag nach
Sand Andreas, in welcher .Schwester Katharina vi.n
Mulnhaym, Priorin, und der Convent zu Tuln bezeugen,
mit Frau Elisabeth Schathawerin Maysterin und dem
Convent zu S. Jacob in Wien in geistige Gemeinschaft
(Peswistreitschafft) getreten zu sein. Bei Hanthaler (Fast.
liS. 1.
tu*
— 124
Fijc. -2.
Fie. 4.
camp.lil. IV) findet sioli eine .sciilechtc AbliildunfrdesSie-
i;els, eutnommeu einer Urkunde von 1299. Die vor-
iiegeude Abbildung ist dem leider nicht ganz deut-
lichen Exemplar der Smitner'schen Sammlung nach-
te l)ildet.
Von den Priorinnen sind zweierlei Siegel bekannt,
diK-li sind dieselben nur in ihrer Grösse verschieden, im
Ihrigen aber gleich ; sie sind von spitzovaler Form zei-
gen im Siegelbilde eine Heilige, die mit gefaltenen
Händen vor einem liaume kniet, dessen obere Aste sieh
kreuzförmig entfalten. Die Inseiirift lautet: S. Prio-
rissae sororum aulae sancte crucis in tulna. Die im
k. k. Haus-, Hof- und Staats Archive erhaltenen Siegel
stammen aus den Jaliren 1292 und 1339. Das hier abge-
des schönen Eiblein ayden ihrem gesweyn und ihrer
Swester Elspeten seiner Havsf'rau. Sigler: Die Priorin
V. Tulln, Pilgreim der IMundotfen, und Jacob Maeserlein
1340, Samstag nach S. Pancraz.
Endlich bringen wir in Fig. 3 noch die Abbildung
des Siegels jenes Magister Conrad, des besonderen
Gönners und Wohlthäters des Klosters , der in den
Orden trat und bei den Nonnen das Amt eines Schaflfers
übernahm. Sein Siegel ist oval mit einem Längendurch-
messer von vier Linien, führt im Sehriftrahmcu die
Worte: -+- S. frais ehunr d Tulu ord. pr. Im Mittelfelde
sieht man den genannten Ordensbruder vor dem h. Do-
minicus kniend dargestellt, wie er von diesem den
Segen erhält. Dieses im rothen Wachs gepresste
Siegel hängt an einer Urkunde vom Jahre 1288, in
welchem Magister Conrad ein Haus zu Minnebach für
die dortigen Frauen des Predigerordens unter der Be-
dingung erworben zu haben erklärt, dass Bürger Lin-
pergarius und seine Frau dieses Haus bis an ihr
Lebensende ruhig besitzen können. (Fig. 4.)
Das in Figur 4 abgebildete Siegel ist jenes der im
Jahre 1316 vom König Friedrich, mit dem Beinamen
der Schöne, gestifteten und ebenfalls unter der Regie-
rungszeit Kaisers Josef II. aufgehobenen Karthause
Mauerbach. Es hat eine spitzovale Form und erreicht in
der Länge 1" 5'", in der Breite G". Die Umschrift in
Majuskeln ausgeführt, lautet :S.-i- pri-
oris et evet. vallis.scor. in maurpach.
Im Bildfelde ist das jüngste Gericht
dargestellt; Christus auf einem Regen-
bogen sitzend, hält die Linke gesenkt,
die Rechte erhoben. Zur Rechten sieht
man dabei das Kreuz , links eine
bildete (Fig. 2) gehört einer Urkunde vom Jahre 1340 Lanze. Der Regenbogen wölbt sich
an. Friedrich des Schönen Elbleins Aydem und Kattrey
sein havsvrowe vnd albreelit ir pruedcr geben mit Zu-
stimmung der Perchvroven swester perchten von pavm-
garteii ze den zelten priorinne ze Tulln ein halbes Joch
Wciu'-arten in Tölilidi um 44 Pfd. Wr. Pf den Petrein
über zwei durch eine Kluft getrennte
Felsen, auf deren jedem eine Anzahl
Auferstellender gru])])irtist. Das Siegel
findet sich in niclitznldreichen Exemi)hii
zur Zeit der Stiltuug der Karthause
Fi?. 3.
cn , diirtte jedoch
entstanden sein.
Inländische Glasireniälde
mit Bildnissen von Mitgliedern <les llanses
Habsbnrj^.
Von Dl-. Karl Lind.
(Mit 2 Tafolii iinil 2 IloUbchiiiUcn.)
\\'ir tiiidcii im .Mitteiailer fast überall die fromiiK
Sitte zum Ausdrucke gebracht, dass iiieiit nurdie Stifter
von Gotteshäusern, sondern auch die Spender von Vcr-
zieriiiigeii, Ausschmückungen, Malereien und Glasge-
Miäldcii der Kirchen, vnii kostbaren Gefässeii, Geräthcii,
Gcwäiidcniu.s. w., welche fürden Gottesdienst iM'stimmt
wurden, sich dadurch zu \ crcwigcn trachteten, dass sie
ihren Namen, häufig auch ilir liildniss bei oder auf (Ifin
beschenke in ^'erbilldullg mit einem rroiiimeii,demütliigcii
Widmiings-Sprnclic aiiliriiigcn licsscn. Uci \ielcii derlei
geHtiflcten Gegenstände bietet (\cr an und flirsich wcrtli-
volle Umstand, dass der Name- des l.)onators uns auf diese
Weise erhalten iilieb, auch eine Gelegenheit die Anfcr-
tigmigszcit des bctrcfVciidcn Objectes mit mclir oder
minderer Bestimintbcit angeben zu köiiiieii.
Wir wollen nun im Folgenden die .Abbildungen
solcher Donatoren bespreciieii, die sich auf Glasgemäl
den inländischer Kirchen belindeii und auf Persönlich-
keiten des Hauses llabsburg bezieiien.
Die ältesten der in Osterreich belindlichen, bis
jetzt bekannten auf Glas angefertigten Bildnisse von
Mitgliedern aus dem liabslmrgischeii Hause sind die.
welche ursiirliiiglicli in (iamiiig belindlicli, niiii in dei'
Sainiiilung des Stilles St. Florian in Uber-Osterreich
ein schlitzendes Obdach fanden. Sie bildeten, obschon
sie in der letzteren Zeit in den Fenstern des Refcc
toriums der Kaitliause eingelassen Wiircu, ursprllnglieii
iiiizweifelliaft den Schmuck der Ciiorfeuster. Von den
vier geretteten 'i'al'eln entiia.iten zwei tiguralische und
zwei damit in Beziehung stehende heraldische Darstel-
lungen. Auf der ersten Tafel ' sieht man Herzog
' Frolhorr V. .S ft rk t-n liftt im zwoltcn Jahrlmclie rlor CÄint. (*oin. riieMi
rcnstcr bcnlt» so (;riiiidllcli bctclirlnl.eu, ilni» «ir donihollieii mit Hciuhlsiiti'.;
folgen könne".
— 12S —
All) recht II. (geboren 1289, 8olin Kaiser Albert I.,
t lo58). Er ist gegen links gewendet, auf das rechte
Knie niedergelassen dargestellt, entblössten Hauptes,
die unbedeckten Hände zum (ilebef hoch eni])orgc-
hoben, den Blick aufwärts gerichtet, das Antlitz Jugend-
lich, mit kurzem Kinn- und Schnurbart, massig langem,
gelockten Haar. Er trägt über einem dunkelgrünen
rntcrkleide das bis an die Knie reichende, mit langen
Armein versehene Fanzerhemd, dessen Kinge durch
Streifen getrennt erscheinen, über diesem einen nach
rückwärts sichtbaren LederkoUer und den ärmellosen,
an der Seite zusammengehefteten Waffenrock, der in
seinen Farben den ö.sterreicliischen Bindenschild dar-
stellt, nämlich oben und unten scharlachroth und in
der Mitte der breite weisse Querstreifen. Die Beine
sind mit lichten Fanzerzeug undvleidet, die Knie durch
Eisenbuckel mit vergoldeten blätterartigen Räudern
geschützt, die Schienbeinstreifen mit violetten gepress-
tem Leder, die am Fände gross ausgezackt und rück-
wärts viermal zusammengeuästelt sind , die Schuhe aus
gleichem Lederzeug, die Sporen laughalsig, mit Räd-
clren. An der linken Seite trägt er das Schwert, an der
rechten den Gnadendolch ingothisch verzierter Scheide.
Der Kübel-Helm hängt ain Rücken , ist mit einem Seh-
.schnitt versehen, die Heiradecke ist roth mit weissen
F'utter, das Zinnier bildet der aus einer Krone heraus-
wachsende Ffauenfcderbusch ' (Vor dem Herzoge knien
zwei seiner Söhne die beiden ältesten Rudolph l\. und
Friedrich III). im kleinen Massstabe dargestellt , eben-
falls mit hoch erhobenen Händen, ebenfalls mit Fanzer-
hemd sanunt Kragen und ärmellosen, die österreichischen
Farben zeigenden Watfenrocke, in Fanzerhosen und
Schuhen, das Haupt mit dem Basinet bedeckt , doch
ohne Waffen. Der Hintergrund des Bildes ist ein tief
glühendeis Roth. Das dazu gehörige, aber ursprünglich
wahrscheinlich darunter befindlich gewesene Bild (da
unter den Kirchenfenstern von Gaming gegenwärtig
kein füiiftiieiliges , sondern nur dre'.theilige zu finden
sind) zeigt auf demselben rothen Glasgrunde den
österreichischen Bindenschild in der dem XIV. Jahr-
hundert eigenthünüichen Form; die einzelnen rpiadra-
tischen Glastheile der rothen Schildfelder sind mit
einem Vierpassornament geschmückt. Die am oberen
Theile beider Glastafelu auf grünem Bande angebrachte
Legende lautet:
Albertus . tux . au.stri irie et karitlii^
Auf der dritten mit der ersten gleich behandelten
•Tnfel scheu wir defc Herzogs Gemalin Johanna, Toehter
l'lrich IV. des letzten Grafen von Pfirt (vermählt 1324
gestorben 1351). Sie kniet gegen rechts gewendet, die
gefalteten Hände und das Antlitz erhoben und trägt
über einem grünen Unterkleide, davon nur die engen
Ärmel sichtbar sind, ein blaues Überkleid, dessen oftene,
weiss gefütterte Ärmel weit herabhängen und endlich
einen rothen Mantel mit drei grünen gelb gesäumten Quer-
streifen, weiss gefüttert, auf dem Kopfe einen weissen
.'Schleier und ein breites rothes Stirnlinnd. \'or ihr knien
ihre beiden Töchter (^Katharina und Margaretha), die
ältere in reichem Unterkleide und blauen Oberkleide,
mit breiten gelben Streifen, an der Seite geschlitzt, die
.\rmel weit, aufgeschlitzt und herabhängend: die andere
' Auf den Siegeln träi;t diesor Füriit ebenfaUs den p'fauenbuscli.
' 1J33 erwirbt Herzog Albrecht auch Herzogthum Kärnten.
mit violettem rnterkleide und grünem Obcrkleide. :in
der Seitj? geschlitzt, mit einem breiten gelben Streifen
um die Mitte und mit engen .\rmeln ; beide tragen einfMchc
Rciskroneii. Im Hintergründe sieht man, um die Hiiiis-
lichkeitan/ndeuten, zwei zurückgeschlagene grün und
Illaue Vorhänge. Die zu diesem Bilde gehörige Tafel ent-
hält das bekannte Ffirter- Wappen, die beiden von einander
gewendeten einwärtsgebogenen goldenen Fische im
rothenFelde. Die für beide Tafeln gemeinschaftliche In-
schrift lautet: Johanna. Diicissa. aust. Stirieet Karithie.
Das durch die Wendung der Figuren angedeutete
Mittelbild i.st nicht mehr erhalten. Herrgott sah es noch,
es zeigte den gekreuzigten Erlöser.
Die Zeitbestimmung dieser Bilder gibt sich durch
die dargestellten Nebenfiguren. Da AUtrecht mit zwei
Söhnen dargestellt ist, so fällt die Anfertigungszeit zwi-
schen die Geburt des 2. und 3. Sohnes. Friedrich wurde
1347, Albrecht 134ii geboren.
Das nächst älteste Glasgemälde dürfte jenes in
der Wiener Maria-Stiegenkirche sein, das hinter dem
Hochahar an der Epistelseite befindlich , das Bildniss
Herzogs Rudolf IV. (1358—1365) enthält. Er soll ge-
rüstet dargestellt sein, mit zum Gebet erhobenen Hän-
den, darunter die Worte: Ruodolf dux austr'. Leider
ist dieses Bildniss sehr hoch angebracht und durch den
Altar theilweise verdeckt; auch existirt davon bis jetzt
keine Copie , deren Anfertigung durch die Höhe der
Stelle, wo sich das Bildniss befindet, mit ziemlicher
Schwierigkeit verbunden sein dürfte.
Des" Glasgemäldes der St. Erhardskirche in der
Breitenau in der Steiermark wollen wir nur kurz er-
wähnen und verweisen auf dessen ausführliche Be-
sprechung im XI. Bande unserer Mittheilungen und im
Anzeiger ,,Für deutsche ^'orzeit des germanischen Mu-
seums von Jahre ISGO-*, durchEss enwein, in welchen
beiden Schriften sich auch eine genügende Abbildung der
Darstellung findet.
Wir sehen auf demselben Herzog AI b r e ch tili., den
Sohn Albrecht IL und der Johanna Gräfin von Fiiirt,
t 1595, kniend dargestellt, hinter ihm söine beiden
Gemalinen Elisabeth, Tochter Kaisers Karl IV., die
1373 kinderlos starb und Beatrix, Tochter des Burg-
grafen Friedrich von Nürnberg, vermählt 1375,11414,
gleichfalls kniend; der Herzog erscheint mit dem Fan-
zerhemd und einer vollständigen Eisenrüstung darüber
und endlich mit einein kurzärmlichen Lendner beklei ■
det, der die Wappenfarben zeigt. Ausser dem grossen
Hüftgürtel ist der Lendner noch um die Jlitte mit einem
kleinen Gürfel zusammengehalten, Helm, Schwert und
Dolch sind an der Brust des Lendners mit Kettchen
befestigt. Auf dem Haupte trägt der Herzog die Stahl-
liaube mit der Halsbrünne, der Stahlhelm ej-scheint aui
der Schulter liegend. Er trägt eine Krone, rothweisse
Helmdecken und als Helmkleinod ebenfalls einen gel-
ben Adler mit zwei blauen Flügen =. Die dreilappige
Fahne ruht im Arm des Herzogs , ist roth-weiss ge-
streift, die beiden unteren Zipfel sind abgeschnitten,
der oberste fiiegt. Die etwas vorgeschrittene Tracht
entsiH'icht dem Ende des XIV. Jahrhunderts.
Als besondere Eigenthüinlichkeit erscheint eine
Metallbüchse, in die der Zopf gehüllt ist, der, wie aus
' Siehe Mittheilungen II. der k- k. Centr. Comm.
- .\uf dem Keitersiegel iit der Helm Herzogs Albreclit mit dem Pfauen,
stutz geziert.
- 126
> zirnriiiiö • apfliiflwf mirri
FiK. l-
127
Gliedern gebildet seheinend, über den Rücken herab-
hängt. Die zwei knienden Frauen zeigen vollständig
die Tracht des XIV. Jahrhunderts, als: die characteristi-
schen enganliegenden Ärmel, die gefaltete Haube mit
der Krone, den (Hiitel u. s. w. Die rückwärtige Frau
ist ebenfalls mit einem getlochtenen, aber unverliüllten
Zopf geziert. Zwei Wappenschilde, der eine mit dem
doppelt geschwänzten böliinischen Löwen, der andere
mit den bekannten dem Hause Zollern angehörenden
vier, abwechselnd schwarz und weiss tingirten Feldern
bezeiclmen die Abstammung der Frauen. Die Inschrift am
oberen Rande des Bildes lautet: Albertus dux austrie et
8t,vrie et carintie et cetez et uxores ejus. Es dürfte wohl
ausser Zweifel sein, dass Herzog Albert der Stifter
jener bedeutenden Serie von Glasgemälden ist, die da.s
Fenster hinter dem Hochaltar der erwälinten Kirche
schmücken und mit Rücksicht auf die, darauf abgebildete
zweite Fiau des Herzogs, die mit ihm 1375 vermählt
wurde, in das letzte Viertel des XIV. Jahrhunderts
gehören '.
Über das aus der Gottsleiclinams-Capelle der Burg
zu Wiener-Neustadt stammende und nun in der reichhalti-
gen und zahlreiche Glasgemälde enthaltenden Samm-
lung des Cistercienser-Stiftes Neukioster betindliche
Glasgeniälde berichten uns Brunner und Game sin a
in der von ihnen gemeinsam herausgegebeuen Broehure
(Wiener-Neustadt in Bezug auf die Geschichte ete. 1842)
nndW. B 0 e h e i min den Mittlieilungen AU. Vereines 1869,
\t. 118 und zwar letzterer mit ülx'izeugenden auf Mes-
sungen gestützten (Jründen, dass diese Gemälde zum
Schmucke des dreitheiligen Hau])tfensters dieser von
HerzogErnst mit Stiftungen bedachten Capelle gehörten.
Damit wird die eigenhändige Vormerkung Maximilians 1.
in seinem Gedenkbuche (mitgetlicilt von A. P r i m i s s e r in
Jahrgänge 1821 des Hormayr 'sehen Taselienbuches),
dass an einem Fenster in der Burgcapelle Maxen's
Grossvater Ernst mit seinen beiden Frauen abgebildet
war, zur Walirheit.
Wir sehen auf dieser Tafel in einer Art von Halb'
HerzogErnst (geb. 1.37711424) kniend und die gefal-
teten Hände zum Gebet erhoben dargestellt. Er ist im
Plattenharniseh gehüllt, triigt einen mit Adlerbildern
reich gesclimückten kurzen Waflfenrock, mit offenen
wegtiatternden Ärmeln, Metallhandsehulie mit geglie-
derten Fingern, Sehwert und Dolch im lireiteii tiürtel,
das Gesicht ist unbedeckt, der Helm ist mit einem Krön-
lein und daraus wachsenden Adler geziert ^. Aus den
Händen quillt eine SehriftroUe darauf die Worte : „■Mise-
rere mei deus", was andeuten dürfte, dass nicht Ernst
der letztwillige StitterdiescrMalereiist, sondern dass die-
selben zu seinen Lebzeiten angefertigt wurden. Vor
der Gestalt Herzogs Ernst knieen drei Knaben, ent-
blössten Hauptes, in lange Kleider gehüllt, die Hände
gefaltet. (Fig ].)
Wie erwähnt dürfte dieses Glasjiemälde die reclit-
seitige Füllung eines dreitiieiligen Fensters gebildet
haben, dessen Mittelstüek unzweifelhaft das im Charak-
ter des Gemäldes und in den Massen vollkommen über-
einstimmende Dreifaitii;keitsbild eincenommen haben
mag. Über das corrcspondirende linksseitige Stück gibt
die schon erwähnte Notiz Kaisers Max Aulkläruiig. Sie
lautet: Ernestus ferreus et ejus prima conjnx Zimbiirga
Massovia* et Margarethade Suetiasecunda conjux s sunt
piete in capella nove ciNifatis in fenestris. Die Bildnisse
dieser Frauen nahmen die linke Füllung ein, und waren
so geordnet, dass sie gegen die mittlere Vorstellung
und folglich auch gegen das Antlitz ihres vis-ä-vis
knieenden Gemahls hinschauten. Leider dürfte der Ver-
lust dieses Theils des Gemäldes zu beklagen sein.
Mit der Frage der Entstehungszeit dieser Glasma-
lereien hängt auch die zusammen, wer mit den drei
Knabenbildern gemeint sein mag. Dass die Abbildung
nicht nur nach dem Tode der ersten Gattin Margaretha
von Schwaben entstand, ist unzweifelhaft, wahrscheinlich
aber auch, dass es nach dem Tode dreier seiner Söhne
aus zweiter Ehe, d. i. vor dem Jahre 1 124, geschah,
während damals nur mehr seine drei anderen Söhne
Ernst t 1432, Friedrich und Albert am Leben waren. Es
ist anzunehmen, dass dieses Gemälde im Jahre 1423
auf Befehl des Herzogs, der damals zu Neustadt war, an-
gefertigt wurde. Die Anfertigungszeit macht es wahr-
scheinlich, dass auf dem (Tlasgemäide mit den Bild-
nissen der Frauen auch jenes der damals noch leben-
den Tochter des Herzogs Ernst , Anna t 14:^9, ange-
bracht war.
In der Sannnlung des Stiftes Neuklosters finden
sich noch zwei Glasgemälde, die unzweifelhaft eben-
falls Votivbilder vorstellen. Wir sehen einen auf eineni
Schemel knieenden gegen links gewendeten Ritter,
völlig gerüstet, nur Haupt und Hände unbede-kt. Nur
einzelne Theile des Körpers sind durch Fanzerwerk
geschützt, an den Füssen lange, spitzzulaufende Eisen-
schuhe, die Rüstung selbst zeigt gothischen Character.
An der linken Seite sieiit man das Schwert, doch fehlt
das Wehrgehänge, die Hände sind gefaltet und halteu
einen Rosenkranz. Das gefurchte Antlitz und das uur an
den Seiten mit Haaren bedeckte, fast kahle Haujjf gibt
uns das Bild eines alten ^lannes. Nicht minder interes-
sant ist das r)ild einer jüngeren Frau, die, in weites
faltenreiches Kleid gehüllt, das Haupt mit eiivem her-
umgelegten Schleier bedeckt, ebenfalls gegen links
gewendet, kniend, mit gefalteten Händen, einen um-
fangreichen mit einem JledaiHon geschmückten Rosen-
kranz haltend dargestellt ist. Der Hinfergrund beider
Bilder ist gleich und zeigt uns ein reiches Granatapfel-
Muster; Es ist kein Zweifel, dass diese beiden übrigens
kleinen Bilder neben einander und neben diesen als
]\littelstück das noch vorhandene Glasgemälde die hei-
lige IMaria mit dem Kinde vorstellend gehörte, somit
alle drei Bestandtheile eines fünfseitigen Fensters waren.
Beide Figuren haben Spruchbänder in den Händen, da-
v(ni jenes an der männlichen Figur die Worte: omater
dei miserere mei und das andere : o niater [lia sis miehi
propicia enthält. (Fig. 2.)
Man wusste lang nicht, auf wem sich diese llilder
beziehen. Ritter von C am e s i h a gelang es durch Verglei-
chung mit den in der Ambrasers.inmdnng befindlichen
Bihleruder Jlifglieder-des Hauses Habsburgin denselben
* Im Musenm Francisco-Carolinum zu I.inz befindet sich eine ganz
gleiche Glastafel, doch ist deren fiührier :?iaiidort unbekannt.
- Auf den v. Sava mitgetheilien Figniensiegclu trägt der Herzog
einen mit dem l'fauenstutz t;Tzierien Helm.
* Zimburgis, T'chter des Herzogs Zit■mo^it von ]SIaeso\itn, veini. 14)3.
^est. 1429.
' Diedryials vor 1424 versterbt n orwühntrn Söhne Aleiander, Uudolf,
I.oopold, ftjriier Ernst -;■ U.;2 und Anna r 1123 sind in der Frauenkirche zu
\Vii-nerNi--nstadt bpbtattei. Ihre Kuhcsiatii- wurde dunh Kaiser Friedrich mit
einer prachtvollen Tumba b' zeichmi, davon noch die Det kpiatie erhalten ist.
S. Ili'idcr-Kiiellieiger's I)ciikmale des Östcrr. Kaisersiaatü. II., IMli, und Be-
richte und MitIheih^n^en t\e» Alth. Ver. XI.
- Uie Kfibenfolu'e der Gattiiu'u ist bei Kai>cr Max T. unriclitig angegeben.
128 —
Fig. 2.
(las Bil(liii^;sIIorzops Sifcisniund. Solni IIor/Of;s Friod-
ric-li I\'. vi^nTvi-ol (geb. 14l^7 yH'.n')}, zu erkcniu'ii. Dus.s
(las wcililiclio lÜldiiis.s das seiner zweiten ' (lattiii
Kattiariiia , T(»ciitcr Herzogs Albreciit von Sacliseii,
vermählt 1484, und nach Sigmund's Tode in zweiter Ehe
mit Herzofc Erieli von Urannsfliweig 14'.l7 y 1 n.'!4, ist, steht
ausser Zweifel. Sigimnid war einstens eines Gichtiihels
wegen in seinen alten Tilgen in Maden und suchte in
der Heilkraft dieser Thcruion Heilung seines Leidens.
Mag sein, das.s die Hadner(|Uelle sieh bewährte und dass
dann Sigmund dasVoti^bi!(l in derXeustadt aulslellte, wo-
selbst crcinige sein •!• .Iugendjalii-e zMg<biaelit halte ■-. Ob
d lese l'>ildiiissedie(iottsIeichnanis- Ca pelle geziert hatten,
ist niclit gewiss, jedoch können dieselben, ihrer gerin-
gen Grö.s.se nach zu uriheih'ii, nur als Schmuek eines
napellenfeiisters bestinnnt gewenon sein,
Iiildnisse von Alilgliedern des habsliiirgischen
Ilegtntenliauses, die jedoch nicht mehr als Donatoren
erselieinen, (inilen sieh auch anl dem gros.sen lari)igen
(ilasfenster, das hinter flem Ibu li:iltar der St. (Icorgs-
' Frile Otmallnwar Eleonore, Tochfcr König) Jakob v, Schoillaiiil.Term.
1118, gert. 1181.
' fhronlkon Aiutri«e v. V. Arenlxtk: Inlorlm ■Slglumun.lu» ni Athe»l
Wipnn»!!! ilorrnrtle, iltnkinr nrl novam rivilalen ^ro/cctu« l'rliicIpnllK Inalgnln
Hb ronanetudlor in ejus verba Juravli.
kirclio in der ehemaligen I?urg zu Wienoi'-Neustadt an-
gebracht ist. Dieses Fenster gehört mit lliu'ksicht auf
Zeichnung, I''arlienpraeht und Schmelz, Volh'ndung der
Technik, mit Uüeksicht auf die damalige Z(>it , Ueich-
thuin an Verzierungen u, s. w., unstreitig zu den be-
deutendsten Werken, die aus der blllhendeii Zeit der
(ll.isiiialcrei in Holland und Deutschl.ind uns erhalten
blielieii. \ur mit Vergnilgini kann der Kunstfreund diese
werthvollen l'rodtiete eines unbekannten , jedenfalls
ansgczeiehncten Meisters betrachten. Die Gemälde wur-
"(b'ii zweifclsidim^ laut des Hilialtes der Ins(diriften unil
laut der iin(!lase des linken mit den fridi-ii'iaiiis(dien
\dcalen gezierten l<"eiisters belindliclien Jahreszahl im
.Jahre ]47il, einige S])ätere Veränderungen ausgenommen,
vvalirseheinli(di als Weihegeschenk dieses Ftirstcn
angefertigt, ICiiizclne 'l'heile, insbesondere die späteren
l''.rg;iiiziiiigeii, mögen in W'ieiier-Xeustadt angefertigt
sein, wii (i;ini;ils die (ilasmalerei in llltllite sl;\nd, wie
diess durch die im Neiistädter Sladlliiiche enthalteiiiMind
von dieser Zeit henilhrende Malerfreiheit dargethanwird.
Das Fenster ist vierthcilig und enthält oben scliö
lies .Masswelk in Foi-m von Drcipässeii, die mit farliigen
tiläsern aiisgefiillt sind, aiil' denen man neun \oii Krän-
zen umgebene Wappen I Deutschland, die beiden ung.
- 120
Schilde , Krain, Alt-Österreicli, Habsbiirj;-, der Biiiden-
schiki, Käniteii und Steiermark) crivennt.
Zunächst unter dem Masswerke befindet sicli auf
einem, gemalten Bogen ruhend in jedem der vier Läu-
genfelder je ein gekröntes Wappen, das mit dem zn
Unterst in diesem Fenster vorgestellten urspriingliehen
Votivbilde in unmittelbarer Beziehung stand. Diese vier
Wappen, deren jedes mit einer in Hämischer Sprache
verfasstcn Umschrift versehen ist, sind, und zwar von
der Evangelien-Seite angefangen: der Doppeladler mit
der Unterschrift ,,Runies Rieh," der einfache Adler ')
mit „Rumes Kicng," der Bindenschild mit ,,Oste
Riech," und das burgundische Wajjpen mit „Boir-
kvng." Zwei Engel, welche auf den Tragsteinen dieses
Bogens stehen, sammt phantastischen schwungvollen
Blumen und anderen Zierratlien auf ruthern Grunde
vollenden die Füllung derselben.
Unter diesen Wappen und den in farbigem Glas
ausgeführten architektonischen Ornamenten befindet
sich die Hauitlvorstellung des ganzen Glasgeniäldes :
die Taufe Christi mit fast lebensgrossen Figuren.
Christus, dessen Haupt mit einem Lilienkranz- und
Scheibennimbus geziert ist, fast entkle'.det mit gefal-
teten Händen im Flusse Jordan stehend , der taufende,
oder vielmehr segnende Johannes in beinahe kniender
Stellung mit gleichem Nimbus rechts am Ufer und an
dessen Seite der kniende heil. Andreas ^) m'.t dem
Kreuze, und rückwärts noch drei ;indere Figuren ■').
Neben dem Gottes-Sohne sieht man einen Engel , wel-
cher in demüthiger Stellung Christi Gewand von violeter
Farbe auf den Armen hält. Über Christus schwebt seg-
nend Gott-Yator , im Brustbilde vorgestellt. Die Wolken
werden vom heiligen Geiste in Taubengestalt auf seinen
ausgebreiteten Flügeln getragen. Von denselben senken
sich goldene Strahlen gegen Christum. Im Hintergrunde
der Gruppe zeigt sich eine Landschaft (Bäume, Häuser
und Berge) und der mit Wolken theilweise bedeckte
blaue Hinnnel *). Unter diesem Gemälde befindet sich
innerhalb eines gemalten einen geschweiften Spitzbogen
bildenden Rahmens das die Familie Kaisers Mflx L in
fünf fast lebensgrossen Figuren auf blauem gemusterten
Grunde enthaltende Votivbild. In der rechten Hältie des
Bildes zeigt sich zu äusserst König Philipp von Spanien
jm grünen gestreiften Ober- und violeten Unterkleide,
sodann Max mit goldfarbigem Gewände und einem von
den Schultern wallenden purpurrothen ]\Iantel. In der
linken Hälfte ist vorgestellt zu äusserst: des Königs
Philipp Mutter, Maria von Burgund (geb. 13. Febr. 1457,
t 1482), erste Gemalin des Kaisers Max (vermählt am
19. August 1477), im ])urpurfarbigen Kleide, und Bianca
Maria Sforza aus Mailand, dessen zweite Gattin (ver-
mählt 1494 — 1511) in blau und violeter Kleidung.
Hinter Marien von Burgund sieht man ihr Töchterchen
Margaretha (geb. am 19. Jänner 1480), die spätere
StattliaUerin der Niederlande unter Kaiser Karl V.
Sie ist grün gekleidet, und als Kind dargestellt.
' üeide Adli) sind mil dem Biodeiibchilde Tielegt.
- Die Gestalt des heil. Andreas sclieint mit Iiesonderer Absicht in das Bild
aufgenommen zu sein, da dieser Heilige der l'atron des goldenen Vliessordens
ist, welctier M30 gestiftet wurde. Erzherzog Max erhielt diesen Orden am
30. April 1478 , Kaiser Friedrich am 24. Mai 1491.
^ Möglich, dass e ne dieser Figuren den Glasmaler vorstellet.
*MerKwiirdig ist. dass das Bildniss des hiil. Christoph, für welchen Kaiser
Friedrich grosse Verehrung hatte, nirgends in der Kirclie anL'ebracht war.
Übrigen bestand zu Friedrich's Zeiten in der Burg eine diesem Heiligen und
dem heiligen Florian gewidmete C.ipelle. wie dii s der AMassbrief des Cardinal
is es s* rio n dto. 20. September 14(jl darthut. Ch ni el Mat. II. 2Ö4,
XVIII.
Alle fünf Figuren, welche grosse Ähnlichkeit mit
den sichersten gleichzeitigen Bildern haben, sind
kniend und Ijckrönt vorgestellt, und zwar tragen die
beiden männlichen Figuren geschlossene Kronen,
die weiblichen blns Kronreifen. König Phili])]) ist ülier-
diess mit dem Orden des goldenen Vliesses geschmückt,
die übrigen tragen auf der Brust ein an eiium Bande
befestigtes Kleinod. Der Kaiser und Bianca Maria
beten aus Büchern, die übrigen haben die Hände
gefaltet. Unter jeder Figur, die der kleinen J^rzherzogin
ausgenommen, ist deren Wapiien auf gemustertem
Grunde angeliracht, nämlich bii Philiiip jenes von
Spanien, bei Max der Doppeladler mit dem liimlen-
sehilde, bei Bianca die niailändische Schlange, und bei
Maria das von Spanien. Will man die zunächst über
der Taufe Christi befindlichen und bereits erwähnten
vier Wajipen und ihre in fiämischer Sprache gegclieiien
Unterschriften in eine Verbindung mit dem Votiviiilde
bringen (denn dass sie sich auf dasselbe beziehen, ist
mit Rücksicht auf ihre Auswahl und auf die Möglich-
keit deren Bezuges auf die Familie Friedrich's üiicr-
haupt ausser Zweifel), so zeigt sich, dass sie wohl zu
mehreren dieser Figuren, aber keineswegs zu allen
denselben und besonders in ihrer gegenwärtigen Anord-
nung passen. Es liegt daher die Vermuthung nahe, dass
die Figuren des jetzigen, die Familie des Kaisers Max
vorstellenden Votivbildes nicht jene des ursprünglichen
sind. Im Gegentheil würden die Wappen einem Familien-
bilde des Kaisers Friedrieh nach dem Tode seiner
Gattin Eleonora von Portugal (f 1407) vollkommen ent-
siirechen, was auch darin einigen Grund hätte, dass
eben Kaiser Friedrich der Stifter der Kirche ist, und
desslialb ihm die Aufstellung eines Votivbildes daselbst
wohl zugemuthet werden kann. Jedenfalls müsste aber
dann das ursprüngliche Glasgemälde des Mittelfensters
etwas später entstanden sein, als die auf den Seiten-
fenstern befindliche Jahreszahl angibt, da Erzherzog
Max erst im Jahre 1480 zum König von Deutschland
erwählt wurde und somit früher das deutsche Königs-
wapjien für ihn nicht gepasst hätte. Man könnte daher
die Zeit der Anfertigung des ersten nicht mehr vorhan-
denen Votivbildes zwischen den Jahren 148G bis 1494
annehmen. Die Anordnung der Figuren wäre alsdann
den Wappen entsprechend folgende gewesen: Kaiser
Friedrich statt des Königs Philiiiii unter Rumesrich
(römisches Reich), Maxmilian unter Rumesking (wie
noch jetzt), der kleine Erzherzog Philipp unter Oste
Riech (^statt Bianca Maria) und endlich die 1482 ver-
storbene Maria von Burgund unter Boirkvng (wie noch
gegenwärtig) ').
Die. bedeutende Änderung des Votivbildes durch
Entfernung der Portraits der friedricianischen Familie
und die Einsetzung jener der Familie Maxens entnom-
menen Figuren mag wohl erst nach Friedrich's Tode
(1493), nach der zweiten Verehelichung des Kaisers
mit der mailändischen Prinzessin Bhinka Maria (1494),
und nach dem Antritte der spanischen Regierung durch
Philipp und der Krönung Maximilian's als deut-
schen Kaiser, von eben diesem veranlasst worden sein ;
doch hat man unterlassen, die erwähnten vier Wappen,
' L'ber die vom Schciger (Hormayr, Taschenbucli f. valerl. Geschichte
VIII. Jahrg. 1827) ausgesprochene, aber nicht stichhaltiire Ansiclil, dass früher
noch Herzog Ernst der Eiserne sair.mt seinen beiden Geinalinuen auf dem Votiv-
bilde dargestellt gewesen sei, vergl. Bö heim 1. c. 11. 153 und Brunn er
1. c. 69.
17
— 130 —
den neuen Figuren gemäss, umzuändern und zu ver-
setzen. Als Ersatz hierfür wurden den Figuren selbst
die entsprechenden Wappen beigegeben und zunächst
unter diesen angebracht.
Schliesslich haben wir noch Erwähnung zu thun
der 11 Fürstenbilder, welche die Eingangshalle der St.
Stefanskirche unter dem grossen Thurni j^chmückten.
und in neuester Zeit von dort entfernt wurden, um an einem
anderen passenderen Platz aufgestellt zu werden. In
früherer Zeit schmückten sie die Fenster einer der im
1. Stockwerke der Fagade gelegenen Capellen, nämlich
derBartholomäus-Capelle. Sie mögen dem XVI. Jahrhun-
dert entstannuen, sind jedoch von untergeordnetem
Kunstwerthe.
Das Epitaph des Abtes Johann Zollner zu Leoben.
Von J. Graus.
Hal)ent sua facta — epitaphia — möchte man sagen,
und es ist ganz merkwürdig, wie die Dornenlaufbahn
manches Erdenl)üigers mit dem Grabe noch nicht ge-
endet, sondern sich darüber hinaus fortgesetzt hat — in
den Schicksalen seines Gral)steines. Als man vor etwa
drei Jahren Umpflasterung vornahm in der grossen Ba-
silika zu Sekau (^Steiermark), erwiess sich eine grosse
Steinplatte von rauli zugehauener OberHäche als ein
Kpitapli des Propstes Johann Dirnberger (j 1510); sie
war in späterer Zeit seinem Bestimnuingsorte über dem
Grabe und seinem Zwecke zugleich entfremdet in die Mitte
der Kirciie gewältzt und dort mit der bildverzierten Fläclic
uacii unten als reducirter Pflasterstein niedergetlian wor-
den, so rauii rücksichtslos, dass eine ganze Kaute davon
Bruch litt, die darauflaufende Inschrift verletzt wurde.
Ein gleiches Loos traf auch den Grabstein des Ab-
tes Johann Zollner zu Leoben. Dieser mochte in einer
nahen, jetzt abgerissenen Capelle des Verstorbenen
Grab bezeichnet hal)en, als es Jemanden vor Zeiten
einfiel, ihm eine derbere Bestinnnung anzuweisen. Nun
wurde er zum Hofbrunuen der jezigen städtischen Ca-
serne gebracht, mit der subjectiven Seite zur Erde ge-
kehrt , und hatte die Stelle eines Rinnsteines auszu-
füllen. Da er aber diesem neuen Amte nicht zu völliger
Befriedigung vorstand, sollte er neuesten Datums durch
Einmciselung einer Otfnung in seiner Mitte dazu fügsa-
mer gemacht werden. Zu diesem Behüte aufgehoben,
kam stine sciiöncre L'nterseite und sein eigentlicher ur-
sprünglicher Charakter wieder an's Tageslicht.
Es zeigt des Verewigten Gestalt mit Infel, Stab,
Bucii, einem Medaillon an einer .Schnur um den Hals,
gekleidet mit der nocii niilt(dalterlich weiten Casula. Die
umgebende .Vrciiitektur und Decoration trägt schon den
Charakter der Renaissance ; von den 4 Schilden an den
Ecken enthält das eine Infel und Stab, die Abzeichen
seiner Würde, das zweite den Namenszug Marions,
das Wappen des Stiftes Rain , das dritte den Greif,
— ich vermuthe — das Wappen von Grillen in Kärn-
thcn, das vierte zweifelsohne sein Privat wappen. Quer
üi)er durchsetzt die ganze Figur ein breites Spruchband
und daraufsteht die Inschrift:
„ANNO A NATO SALVATORE 1545 DIE VERO
IS MENSIS FEBRVARV VITA HAC TEMPORANEA
DEFVNGITVR REVERENDUS QVONDAM IN CHRO
P4TER ET DOMINVS DNS JOANNES ZOLLNER
EPOVS HIERAPOLITANUS SVFRAGANEVS RATIS-
PONENSIS ABBAS IN REIN ET PREPOSITUS IN
GRIFEN CVJVS CORPVS PRESENTI TVMVLO CON-
TINET\R ANIMA CHRISTO DOMINO VIVAT AMEN.
Der Stein selbst ist Marmor röthlicher Gattung,
eine Platte von 5', 7": 3', 7" in der Dicke 9" betragend.
Die Verwaltung der städtischen Spar-Cassa zu Leoben,
deren Eigenthum Gebäude und Stein nun ist, lässt in
einsiclitsvoller Würdigung seines archäologischen Wer-
thes denselben in der Nähe des Fundortes in ge-
schützter Stellung einmauern.
Charakter und Lebensschicksale des Abtes Zollner
betreffend, erhielt ich durch die Güte des Herrn P. Anton
Weiss , Bibliothekars zu Rein, einige Notizen. Nach den-
selben war ZoUuer schlecht angeschrieben bei seinen
Mitl)rüdern. Er suchte anfangs mit der Abtei Rein
auch die Propstei Griffen l)eizubehalten; als dieses nicht
gelang, setzteer es durch, dass er von Clemens VII. zum
Wcihbischofe in Regensburg mit dem Titel eines Bi-
scliofes von Hiera])olis in part. ernannt wurde (1531)
und zugleich die Erlaubniss erhielt, die Abtei Rein
l)eizubeliaitcn. Docii niuss Kaiser Ferdinand I. v(ni seiner
ül)ien G^bahrung Kenntniss erlangt haben, weil er 1533
eine Untersuchung des Klosters anordnete, der sich
Zöllner durch eine i)ersönliche Intervention beim Kaiser
zu entledigen wtisste. Indessen musste er sich docIi
nicht mehr siclier gefühlt IimIicii, weil er am '2. .\ugust
lS.'};iniit (!eld und Kleinodien nach Regeusburg flüchtete.'
Zum Schlüsse seines vielbewegten Lebens hafte er die
Pfarre Veitsberg bei Leobeu, welcher er die Hnbsi.stenz-
niittel entnahm; in letzterer Stadt, in welcher auch sein
Grabstein endeckt wurde, niochf(! er seine letzten Tage
zugebracht und seine (Jral)esridie gefunden halien.
Donatello , seine Zeit un<l Schule.
\ iMi Dl-. Hans Semper.
(i es chic lif li che
Athen und Florenz! So heissen die Vaterstädte der
liciden höchst(;n Civilisaf Ionen, die bis dahin der Mensch
lieit zu TIhmI wnrd(,'nl Kcini' anderen Städte des Alter
thuins wie der Neuzeit lialien so n'ichiicli und so all
seitig wie diese, neue Keime der Cultur gesäet, deren
Entfaltung nicht blos jedesmal ein neues Zeitalter be-
gründete, sciiidcrn die für alle Z(;ifcn iler Menschheit
anreihend und fruchtbringend zu wirken angellian sind.
Nicht fdoH haben beitlc .Städte in Kunst, Poesie inni Ge-
Hchichfschreil)ung mustergiitigc Werke geschaffen, auch
E i n I e i t u n g.
in den meisten praktischen, e.xacten Wissenschaften und
Lebensfragen der jewidligen Zeitalter bildeten sieden
Fond iler neuen Ideen und Anregungen. Neben klinia-
tiscligünstigen Bedingungen trug auch die in'sprüngliche
Anlage iler Bevölkerungen Attikas und Toscana's zu so
ausserordentlichen [icistungen bei. Hier wie dort ging
eine so i;l.'inzeiide Fülle geistiger Thafeu nicht aus den
I..auneii einzelner .Mächtiger, soiideru aus der giüekliihen
harmonischen iiegaimng der betrefVenden \'olksstäninn\
so wie aus ihrem iiohcn Streben hervor. Wie die
— 131
Tosoaner , so scheinen auch die Attikcr mit schhuikem
sehnigem Körper, feinem Nervensystem und in Folge
davon auch mit gewandtem beweglichem Geiste ausge-
stattet gewesen zu sein. Vor Allem aber war beiden
Phantasie und gesundes Urtheil gemein, zwei Eigen-
schatten, die selten beisammen sind, wenn aber, Grosses
wirken. Vermöge dieser Gaben waren beide Völker vor
Allem zu künstlerischem Schaffen befähigt. —
Wenn nun der Toscaner hierin mehr auf das Erfassen
des individuell Schönen, des intim Seelischen, des per-
sönlich Charakteristischen, sowie des leidenschaftlich
Dramatischen ging, der Athener da;:egen das generisch
Schöne, das typisch Seelische, das öffentlich Charakte-
ristische, so wie das ruhigere Sein betonte, so mag die-
ser Unterschied in der Auffassung beider Kunstvölker
wohl eben so sehr auf dem Gegensatz zwischen antiker
und christlich-moderner Anschauung überhaupt, als auf
den eigenthündichcn Anlagen beider Stämme beruhen.
Allerdings waren es auch schon unter den antiken
Völkern die P^trusker und ihre Schüler, die Kömer,
welche eine Vorliebe für die Darstellung des Individuel-
len, sowie des leidenschaftlich Bewegten hatten; so mag
denn der Toscaner die ihm eigenthüniliche Auffassung
zum Theil auch von seinen Vorfahren ererl)t und mit
der neuen Weltanschauung vereinigt haben. Ausserdem
scheint aber auch das germanische Blut, das im Tos-
caner sich mit dem etrurischen und römischen mischte,
beigetragen zu haben, die innige und warme Schilderung
des persönlichen Seelenlebens in seiner Kunst zu ent-
wickeln. Geschmack, Mass, Sinn für feine Zierlichkeit
und Eleganz war aber gleich sehr beider Völker Erbtheil
und erhob sie erst zu Kunstvölkern im höchsten Sinne.
Aber nicht blos in ihren höchsten geistigen Leistun-
gen zeigen Athen und Florenz vielfache Verwandtschaft,
auch die Grundlage desselben, die materielle Existenz,
nahm bei beiden Völkern in vielen Beziehungen ähnliche
Gestalten an. Athen wie Florenz zeichneten sich durch
Gewerbfleiss und Handelsgeist aus und waren in poli-
tischer Beziehung die Hauptvertretcrinnen demokra-
tischer Tendenzen im besten Sinne des Wortes.
Der rasche Erwerb und Wechsel der Güter trug in bei-
den Städten dazu bei, das in deren Bevölkerungen, ver-
möge hoher Begabung, herrschende Gefühl der Gleich-
lierechtigung zu stärken und zu nähren. So mächtig
war beider Städte demokratische Tendenz , dass bei-
den nicht bloss die demokratische Eepublik als Ideal
der Staatsform vorschwebte, sondern sie auch mit am
längsten sich vor der Herrschaft der Tyrannen bewahr-
ten, denen damals in Griechenland und später in Italien
die übrigen Freistädte allgemach verfallen waren. Doch
verlassen wir hier, nach solchen allgemeinen Andeutun-
gen, den Boden der Vergleichungen, um blos noch die
materielle und politische Entwicklung von Florenz etwas
näher ins Auge zu fassen, da es uns ja vor Allem darauf
ankommt, die Grundlage kennen zu lernen, auf der das
Gebäude fiorentin ischer Kunst aufgeführt ward.
Florenz wird zum ersten Mal unter Kaiser Tiberius
von Tacilus erwähnt, indem es sich gegen eine Ablen-
kung der Chiana in deii Arno verwahrte, wodurch die
."^tadt fortwährenden i'berschweinnningen ausgesetzt
gewesen wäre. Um diese Zeit war ihr Umfang aber
wohl noch ein sehr geringer: sie mochte theiis aus den
Factoreien der fiesolanischen Kaufleute, theiis aus An-
siedelungen römischer Veteranen entstanden sein. Unter
dem Kaiser Hadrian iiatte Florenz schon einige Bedeu-
tung erlangt; ein bei Monteputecano aufgefuiulener
Meilenstein gibt Florenz als das Ziel der vom Kaiser
verlängerten Via Cassia an. Unter der Christenver-
folgnng des Kaisers Decius im Jahre 212 wurde
S. Miniato im .Vmpliitheater von Florenz den wilden
Tli'eren vorgeworfen; hundert Jahre sjjäter ninnnt be-
reits ein fiorentinischerBischof Felix an einer römischen
Synode Theil. Im Jahre 405 briciit Radagais an der
.Spitze germanischer Stämme in Toscana ein tind be-
lagert Florenz. Vor Fiesole wird er aber von Stilicho
vernichtet. Aus Freude über ihre Befreiung stifteten
die Florentiner der heiligen Regarata zu Ehren eine
Kirche, an deren Namenstag, dem 8. October, die
Schlacht vorgefallen war. Später musste die Stadt eine
gothische Besatzung aufnehmen, bis Narses die Gotlien-
herrschaft in Italien vernichtete. Dauernder unterwarfen
sich die Longobarden Florenz und von dieser Zeit an
erscheint das reine römische Nationalgelühl in Florenz ge-
trübt, wenn es auch gerade hier am wenigsten ganz erlischt.
Deutsche feudale Kegierungsformen vermischen sich
mit den römisch-municipalen. Auch Karl der Grosse,
der gewaltsame Erbe des Longobardenreiches, behielt
anfangs die H e r z ö g e , als oberste militäriseh-i)olitische
Behörden bei.
Bald jedoch trat ein Graf an seine Stelle. Die nie-
deren Behörden, wie Sehultheisse, Schöffen etc. wurden
gemäss den karolingischen Capitularie vom Grafen und
vorn V olke erwählt. Diese Theilnahme des Volkes an
der Wahl der Behörden bildete den ersten Ansatz zur
bürgerlichen Freiheit von Florenz und zu dessen Eman-
cii)ation von der deutschen Kaisergewalt.
Hier ist es am Platze, ein kurzes Bild der politi-
schen Hauptströmungen zu geben, die sich nach dem
Zerfall des römischen Kaiserreichs in Italien so wie dem
ganzen Abendlande die Herrschaft streitig machten.
Das weströmisclie Reich zerfiel unter dem wuch-
tigen Andränge der Germanen. Mehrmals waren letztere
nahe daran, Italien zu einem Königreiche umzugestalten,
das bei längerer Dauer unfehlbar national geworden und
das Band vor tausendjähriger Zerrüttung bewahrt hätte.
Aber die Todeszuckungen des altrömischen Kaiserreichs
vereitelten solche Bestrebungen; und es nimmt den An-
schein an, als ob die unter den römischen Kaisern ziem-
lich homogen gewdrdene Bevölkerung Italiens erst wie-
der hätte in ihre einzelnen Bestandthcile zerfallen
müssen, ehe sie für ein neues Gesammtleben und eine
neue Gesammtcultur flhig werden konnte.
Das arianische Ostgothenreich des Theodorich zer-
trünnnerte der dadurch verkürzte oströmische Kaiser
Justiniau, darin unterstützt von den Feinden des Arianis-
mus, den Päpsten. Mit e'ner wunderbaren Schnelligkeit
hatte sich, genährt von der fortglinnnenden Asche römi-
schei'Weltherrschsucht, aus dem Priesterthum des neuen
Bekenntnisses eine hochmüthige Kaste herausiiebildet,
deren Ziel vor Allem die Herrschaft in Italien und so-
dann in ganz Europa war. Deshalb bediente sie sich
einerseits der byzantinischen und später der deutschen
Kaiser dazu, um Italiens nationale Einheitsbestrebungen
zu hintertreilien, anderseits nährte sie diese letzteren, um
nicht andere Fürsten Herren Italiens werden zu lassen.
Die Longobarden waren zum zweiten Male nahe
daran gewesen, Italien zu einem nationalen Reiche zu
gestalten und fingen bereits au, Italiens .'^ache als die
17»
— 132 —
ihrige, und Deutschland gegenüber sich als Italiener zu
betrachten. Der Papst aber, naclitlem es ihm gelungen,
bei Gelegenheit des Bilderstreits, den l^yzantinischen
Kaisern den letzten Rest ihrer Herrschaft in Italien, das
Exarchat, zu entreissen, war fortan auch bemüht, sich
von der Gefahr der Lougobardenherrschaft zu befreien.
Und zwar that er dies durch ein iMittel, wodurch er zu-
gleich auch den Grund zu seinem PZinfluss ausserhalb
Italiens legte.
Aus verschiedenen Gründen musste dem Papst ein
deutscher König der willkommenste Bundesgenosse
gegen die Rivalen seiner Macht in Italien sein. Byzanz
war deren selbst einer; auch trennte es sich kirchlich
Aon Rom. Die ehrliche Frömmigkeit der neubekehrten
Germanen alter, ilire dunkle Eljrfurcht vor dem Namei\
des alten romischen Kaiserreiches, so wie ihre jugend-
lich thatkräftige Kampflust, das waren alles Umstände,
wie sie sich dem arglistigen, schon früli zur Höhe diplo-
matischer Schlauheit emporgestiegenen Papstthum nicht
willkonnnener bieten konnten, um nicht l)los Italiens
nationale Gelüste in .Schach, sondern das ganze Abend-
land unter seinem Einfluss zu halten.
Schon Stephan II. hatte die günstige Gelegenheit
ersehen, sich die Freundschaft des mächtigen Franken-
königs zu sichcnj, indem er sein geistliches Ansehen
dazu benutzte, den Usurpator Pipin als legitim zu
erklären. Vorsichtig aber und der römischen Herrsch-
sucht getreu , annexirte er ihn zugleich an Rom,
indem er ihn mit Auszeichnungen ü))erhäufte und
zum römisclicn Patrizier ernannte. Pipin war dafür
nicht undankbar und licschenkte ihn zum Lohn mit dem
Exarcliat und legte so den Grund zur weltlichen
Macht des Papstthums.
Sein Nachfolger lladrian fasste das Ziel der päpst-
liciien Welfherrsciiatt schon l)estinnntcr ins Auge und
rief Karl den Grossen zur Vernichtung des Longül)arden-
reiclies herbei, während die Krönung Karl's zum römi-
schen Kaiser erst sein Nachfolger Leo III. ausführen
konnte. So war es den Päpsten glücklich gelungen,
Italien seiner natidnalcn Einheit, deren Verwirklichung
durch die Longoi)arden nahe bevorgestanden, auf Jahr-
tausende hinaus su vereiteln. Don römischen Kaiser
von Gottes Gnaden atier hofften sie in dessen eigenem
Lande als willtäinigen Knecht, Italiens nationalen Be-
strel)ungen gegenüber als Schergen benutzen zu kön
neu. Wurden die Kaiser anderseits in Italien zu
mächtig, so konnten die Päpste wieder sich der national-
italienisclicn r;cfnlilc bi'di(!nen. um ilirc Macht zu i r
schüttern.
Als die Nachfolger Karls des (irossen, die römischen
Kaiser deutscher Nation, in der That mit derselben Vir
blendnng, mit der siedle Würde überhau])! angenommen,
nun auch wirklidn- Herren im ganzen Reiclie sein und
sich auch iil»er das Priesterthum setzen Avollten, da ver
bündeten sicii denn auch die Päjiste mit dem Unab
hängigkeifsdrang der italienischen Municipien, uuj
der kaiserlichen Macht die sie gleichwohl nicht ganz
dcsavouirteii — ein Gegengewicht entgegenzustellen.
Bald lieferte auch Frankreichs Eifersucht gegen
Deutschland chic allerdings vorsichtig zu verwendende
Waffe gegen die Uebennacht des Kaiscrthums.
her munici i)ale Patrioti smus war in Italien
not ii wendigerweise zunächst statt eines italienischen,
eingetreten, der unter den Gothen und Longobarden
sich hätte bilden können, aber innner im Keime erstickt
wurde. Denn die todtgeborne Idee des neuen römischen
Reichs, in welches Italien eingeschachtelt wurde, war
einerseits nicht kräftig genug, dessen schlummerndes
Nationalgefühl in einer grösseren Nationalität des neuen
Gesannntreiches aufgehen zu machen, andererseits ver-
hinderte aber dieses letztere doch Italien zum starken
Bewusstsein seiner Einheit zu konnnen, um so mehr,
als schon zur Zeit des alten römischen Kaiserreiches die
Idee Italic n hinter der der W e 1 1 h e r r s c h a f t R o m s
zurückgetreten war.
Florenz ist eine unter den italienischen Städten,
die am energischesten ihre nuniicipalen Freiheiten
gegenüber dem Kaiser undseinenVasallen durchzusetzen
bemüht waren, und bildete deshallj eine der treuesten
Bundesgenossinnen des Papstes. So kam es, dass Flo-
renz zugleich den ärgsten Unterdrücker des Landes
unterstützte und zugleich innerhalb seiner Mauern die-
jenigen Ideen V(m Nationalgefühl, Menschenwürde und
Freiheit ausbildete, welche später nicht wenig zur natio-
nalen und freiheitlichen Einigung des ganzen Landes
beitrugen.
Die erste Gelegenheit, sich der kaiserlichen Gewalt
gegenüber selbständiger zu stellen, fand Florenz mit
anderen Städten Toscanas und der Lombardei durch die
Schenkung der Herzogin Mathilde an den päpstlichen
Stuhl. Florenz entzog sich der Herrschaft der Mark-
grafen und Vicare und bildete eine municipale Regie-
rung mit Consuln der verschiedenen Zünfte an der
Spitze. Heinrieh V. setzte im Jahre 1115 allerdings
wieder einen Markgrafen von Tuscien, Konrad, ein,
doch ohne nachhaltigen Erfolg. Florenz nahm um
diese Zeit bereits schnell an Umfang und Gewerbsthä-
tigkeit zu ; der Mauerring nnisste erweitert werden und
mit Pisa wurden gute Beziehungen gepflogen, um das
Meer für den Absatz der florentinischen Producte often
zu haben. Als Pisa mit Majorca im Kam])fe lag, be-
wachte Florenz aus Freundschaft die Stadt.
Zur gleichen Zeit dehnte die aufblühende Stadt-
republik ihren Einfluss auch auf das offene Land der
Umgeliung aus. Sie gewährte den Bauern Schutz gegen
die Bedrückungen derfeudalen Gutsherren, meistgernm-
nischen Ursprungs. Diesen selbst kaufte sie theils ihre
Schlösser .ab, theils nahm sie ihnen dieselben mit Ge-
walt, und nöthigte sie, Bürger von Florenz zu werden,
und jährlich einige Mcniate in der Stadt zu verleben.
Aus diesem eingel)ürgerten Landadel entstand all-
mälig neben den eigentlichen ]5ürgern eine Classe von
Grossen (Granden, Magnaten) in der Stadt, welche
jetzt in dieser nach dersellnm uniieschränkten Herrschaft
tracht(;ten, die sie auf dem Lande über ihre Hörigen und
Leibeigenen ausgeübt hatten. Der Kam))!' zwischen
Bürgerthum und Adel beschränkte sich daher bald nicht
mehr auf einen K;inipf der Stadt gegen die undiegen
den Ibirgcn, sondern entbrannte auch innerhalb ihrer
Mauern selbst.
Unter diesen Umstünden erwies sich der Magistrat
der (Jonsulen bald als unzulänglich ; da er blos aus Bür-
gern bestand, sowareri;ntwe<ler vonllaiisaus dem .Vdel
feind oder von diesem gewonnen. Man ernannte deshalb,
nach dem Vorgange Barbarossa's in der Lombardei, vom
Jahre 1207 an, einen Fremden, d. h. einen Itidiener
(;iner andern Provinz, zum Podestä, der mit den Bieli-
— 133
tern zusammen Recht zu sprechen und die Vollziehung
der Urtheile zu versehen hatte.
Ihrer Herkunft und Stellung- entsprechend waren
die Grossen hn Allgemeinen Verfechter der kaiser-
lichen f4e\valt, während die alten Bürger den papst-
freundlichen Jlunicipalismus vertraten. Wie seit dem
Regierungsantritte der Hohenstaufen der Kampf zwi-
schen Papstthum und Kaiserthum ül)erhaui)t am wilde-
sten entbrannt war, so tritt seit dieser Zeit auch der
Gegensatz zwischen Landadel und Städten , Gross-
bürgern und Altbürgern, sowie die Parteiualniie beider
Classcn für Papst und Kaiser hervor. Die Namen
Guelfen und Ghibellincn tauchen auf.
Da die Mensehen, welche an tausend Privatinter-
essen lind persönliche Neigungen oder Abneigungen ge-
bunden sind, nie reine Vertreter von Principien sind,
so geschieht es jetzt nicht blos, dass Adelige die Partei
der Guelfen und Bürger die der Ghiliellinen ergreifen,
sondern selbst ganze Städte stellen sich aus Rivalität
unter den zwei feindlichen Bannern gegeneinander.
Pisa, der in Florenz inzwischen eine mächtige Neben-
buhlerin in Handel und Gewerbe erstanden, ist nicht
blos der letzteren Stadt Feind, sondern ist auch, im
Gegensatz zu ihr, der eifrigsten Guelfin, ghibellinisch
gesinnt und treue Anhängerin der Kaiser.
Durch Friedrich Barbarossa und Friedrich H. er
hielten die Ghibellinen in Italien die Oberhand; nicht
nur erhielt mancher Grosse seine verlorene Burg in der
Nähe von Florenz wieder, sondern 1248 gelangten die
ghibeilinischen Grossen durch seine Hilfe sogar zur Herr-
schaft im Inneren der Stadt und vertrieben die mächtig-
sten Guelfen. Dies war aber der Anlass zu einer völli-
gen Spaltung der Stadt, wo Ijisher noch ein guter Thcil
Bürger gewesen war, die nur Bürger sein wollten und
auf den Wohlstand und die Ehre der Republik bedacht
gewesen. Jetzt ergriff' Alles Partei.
Nach Friedrich's II. Tod im Jahre 1251.) gewannen
jedoch die Guelfen wieder allerorts die Oberhand in
Italien. Die Ghibellinen in Florenz, die sich jetzt als
Alleinherrsclier zu schwach füldten, versuchten eine Ver-
söhnung herzustellen und riefen die verbannten Guelfen
zurück.
Zunächst wird von der Bürgerschaft die Verfassung
revidirt. Weil der Podestii Friedrich's, Riniero von Mon-
temurlo, der zugleich mit ihm gestorben war, seine
Stellung zu willkürlichen und gewaltsamen Massregeln
missbrauclit hatte, setzte man dem neuen Podestä noch
einen zweiten fremden Richter, den C a p i t a n o d e 1
popolo, zur Seite. An die Stelle derConsuln der Zünfte
erwählte man aus jedem Stadtsechstel (sesto) zwei
Aelteste (anziani), die jedes Jahr wechselten. So hoffte
man die Gefahr der Parteilichkeit zu vermiudern. End-
lich wurde die waffenfähige Jugend der Stadt in 20.
die des Landes in 66 Fähnlein (gonfaloni) getheilt,
welche auf den Ruf des Capitano del pojjolo, oder der
Anziani zu den Waffen eilen mussten. Der Podesta
behielt zwar sein Richteramt und seine Macht zu Ver
urtheilungen ; als Gegengewicht gegen etwaige staats-
feindliche Gesinnungen dieses Fremden aber diente nicht
nur die Rivalität seines Amtsgenossen, des Capitano,
sondern falls beide Frenule gemeinsame Sache machen
sollten, waren auch die bürgerlichen Anziani allein
befugt, die bewaffnete Bürgerschaft zum Schutz der Frei-
heit aufzurufen. — Diese Verfassung war dis Grundlage
der florentinischcn Freiheit und drängte die ehrgeizigen
Hoffnungen des Adels sehr zurück.
Bald aber gewannen die Ghibellinen durcii Kon-
rad's und Manl'red's Erfuige neue HotTnungen tür ihre
Partei. In Florenz versuchteeinUberti im Jahre 1258, mit
Hilfe Manfred's, die Macht wieder an sich zu reisseu
und die Verfassung zu stürzen. Sein Plan wird jedoch
vereitelt und er mit allen Ghibellinen verbannt. Sie
finden in Siena ihre Zuflucht, das von denselben Partei-
kämpfen wie Florenz zerrissen wurde, und wo eben da-
mals die Ghibellinen die Oberhand hatten.
Bei Montaperti an der Arpia konnnt es im Jaiux'
1260 zwischen dem in S'ena organisirten und von Man-
fred unterstUzten Heer der Ghibellinen mit Farinata
degli Uberti an der Spitze, und dju Guelfen von Florenz
zum Kampf. Die letztern erleiden eine blutige Nieder-
lage und fl'e'.icu, aus Furcht vor einer Umwälzung in
Florenz, nach Lucca. Die eifersüchtigen Städte Arezzo,
Siena und Pistoja verlangen jetzt die völlige Zerstörung
von Florenz, die nur durcii die Heiinxtsliebe des tapfern
Gldbellinenliauptes, Farinata, verhindert wird. Dagegen
hebt der Aljgesandte MiUifred's die Verfassung von Flo-
renz wieder auf, und setzt Guido Novelle, den Herrn
vom Casentino, zum Vicar Manfred's in Florenz ein.
Der Triumph der Ghibellinen war aber nicht von
langer Dauer, da es den uueriuüdlicheu Intriguen der
Päiiste schliesslich doch gelaug, dem Geschlecht der
Hohenstaufen seinen Untergang zu bereiten.
Im Kampfe mit den Hohenstaufen hatte, aus gegen-
seitigem Interesse, immer mehr Annäherung zwischen
den Päpsten und den französischen Königen stattge-
funden, die jedenfalls aus Politik mit grossem Eifer sich
an den Kreuzzügen betheiligt hatten. Besonders zeigte
sich Ludwig IX., der Heilige, den Päpsten willfährig.
Schon im Jahre 1241 flieht Innocenz IV. vor Friedrich II.
aus Rom nach Lyon in der Provence, die durch Erbschaft
an Ludwig gefallen war In einem dort gehaltenen Con-
cil bietet Ludwig IX. dem Papste seine Dienste au,
w iihrend dieser Friedrich IL exconmiunicirt, seine Unter-
thauen gegen ihn aufhetzt, Gegenkaiser gegen ihn auf-
stellt etc. Ludwig sucht durch einen grossartig uuter-
noimneuen, aber kläglich endenden Kreuzziig dem Papste
zu zeigen, dass er es mit der Bekämpfung der Ungläu-
bigen ernster meinte, als Friedrich, der mehrmals Kreuz-
züge versprach und hinausschob oder auf halbem Wege
umkehrte, um des Papstes arglistige Anschläge auf
seine unteritalischen Besitzungen zu vereiteln, oder der
mit den Sarazenen durch Verträge weiter kam als
Andere durcii Kampf.
Bald erntete Ludwig den Lohn seiner Frömmigkeit
ein; der Nachfolger des Innocenz, der französische
Urban IV., bietet dem Bruder des Künig.s, Kar! von
Anjou, das Königreich Neapel und Sicilien als päpst-
liches Lehen an, worauf dieser im Jahre 1266 den
Halbbruder Friedrich's, Manfred, in der Schlacht bei
Benevent besiegte und tödtete, und zwei Jahre später,
nach der Schlacht bei Tagliacozzo den letzten der
Hohenstanfeii, Konradin , in Neajiel auf dem Schaftbt
sterben Hess.
Die nach der Schlacht l)ei Montaperti nach Lucca
geflohenen florentinischcn Guelfen hatten sich von da
nach Bologna und endlicii nach Parma gewandt, und
stellten sich nach der Schlacht bei Benevent dem Papste
zur Verfügung.
134
Die Ghibellinen in Florenz dagegeu glaubten nach
der Schlacht hei Benevent das durch den Verlust seiner
Freiheit erbitterte Volk schnell noch durch eir.e neue
Verfassung für sich gewinnen zu können, beschleunig-
ten aber dadurch, wie es ihnen schon einmal geschehen
war. den Untergang ihrer Herrschaft. Sie erwählten
einen Ausschuss von 3G bürgern, mit je einem guelfischcn
und einem ghibellinischcn Kitter aus Bologna, welche
die neue Verfassung ausarbeiten sollten. Der Ausschuss
kehrte sich aber nicht an seinen l'rsprung, sondern
schuf noch demokraüschere Einrichtungen, als sie in der
vorhergeilenden Verfassung vorgesehen waren. Er theilte
die Bürger in 12 Zünfte, 7 höhere und 5 niedere, mit
einem Magistrat an der S])itze, wovon sieh die waffen-
fähigen Mitglieder, sobald es nötliig war, unter Fähn-
lein vorsammeln miissten. Später wuchsen diese Zünfte
zu 14, endlich zu '21 an.
Als Guido Novello nach diesem Vorgang sein Ent-
gegenkommen bereute und die Gewalt wieder an sich
reissen wollte, vertrieben ihn die neuorganisirten Zünfte
und riefen die Guelfen zurück. Nach Konradiu's Tod
wurden sodann alle Ghibellinen aus Florenz vertrielien
und die neue Verfassung vervollständigt. An Stelle der
Altesten (anziani) wählte man eine Regierung von
zwölf buonomini (^Elirenmänner), sowie den Rath der
Credenza, der aus 1 1:0 Bürgern gebildet ward und die
Aen.ter vertheilen sollte, und endlich einen andern Rath
von l'-U Bürgern, die mit den beiden andern Regierungs-
körpern zusammen den grossen Rath (consiglio
generale^ bildeten. In diesen Einrichtungen zeigt sich
(las demokratisclie Bestreben , möglichst Viele an der
Piegierung tiieilnelimen zu lassen. Da die Guelfen aber
Herren in der Stadt waren, so gaben sie ausserdem auch
noch ihrer Partei eine feste, statutenmässig geordnete
Gestalt; dieselbe konnte eine Versamndung vcn (iO .Mit-
gliedern zusammenrufen , hatte einen Rath von 14,
sowie drei und später vier Haujitleute. Diese Körjjer-
schaft der Guelfen hatte das Recht, die Regierung zu
beaufsichtigen und von gliii)ellinisclien Elementen rein
zu erhalten; sie durfte dieselben verfolgen und ihre
Güter confisciren, wovon ein Drittel ihr selbst zu Gute
kam. .So bildete diese Partei gleichsam einen Staat im
Staate und den Keim zu neuen , oligarchisclien Be-
strebungen.
Nach dem Untergang der llnhenstaufen war in
Deutschland das Interregnum eingetreten, Sd dass fiir's
Erste das Papstthum von Seite der Kaiser nichts
zu fürchten hatte. Dagegen begann die Macht Karl's von
Anjou ein drohendes Wachstimm zu eiitliilten.
Kicolaus III. iiielt es djilier für rathsam , in Italien
;ils Friedenstifter aufzutreten, die Parteien der Guelfen
und Ghibellinen zu versöhnen und so sich beider Dank
und Geliorsam zu gewinnen, statt etwaigen s])ätcren
Kaisern den alten Anhaltspunkt des Gliiliellincnthmiis
aufzubewahreii. F,r setzte desiialb die Rüekberufung
der Ghibellinen nach Florenz durch, und ernannte seinen
Legaten Brunetto Latini zum kaiserlichen Vicar in
Florenz, welcher eine neue Behörde von acht Guelfen
und sechs Ghibellinen zur Sehlichttnig iler Streitigkeiten
einzetzte. Nach Nicolaus' Tod j((lo<h kam wieder ein
französischer Pajist auf den Stuhl, der bemliht war,
Karl's EinflusH in F"lorcnz zu vermehren und die Guelfen
zur abermaligen Vertreibung der Giiibellinen veran-
lasste. - An die Stelle der Vierzehner wurden jetzt
drei Prioren ernannt, welche zwar adelig sein durften,
aber einer Zunit angehören mussten. Bald darauf stieg
ihre Zahl auf sechs, und als die Stadt in Viertel (statt
der bisherigen Sechstel) eingelheilt wurde, auf acht.
Diese Behörde, für welche vom Jahre 1298 an nach
Arnolfo's Plänen ein eigener Palast gebaut wurde, trug
auch den Namen Signoria.
Um dieselbe Zeit erlitten die vertriebenen Ghibel-
linen sammt ihren Verbündeten, den Aretinern, eine
schwere Niederlage bei Campa Idino im Caseniino.
Hiedurdi stieg der Uebermuth der reichen und
adeligen Guelfen bis zu einer unerträglichen Höhe
„Die Schwachen waren nicht beschützt, sondern die
Adeligen misshandelten sie, und ebenso die reichen
Bürger, welche Amter innehatten und mit dem Adel
verschwägert waren ; Viele wnssten sich durch Geld
den Strafen für ihre Gewaltthätigkeiten zu entziehen.
Daher waren die guten Bürger des Mittelstandes unzu-
frieden und tadelten das Amt der Prioren, da sie die
grossen Guelfen Herren sein Hessen." So schil-
dert Dino Compagni sehr anschaulich das Em))orkeinien
einer neuen Aristokratie aus dem eigentlich clemokrati-
schen Guelfenthum hervor.
Giano della Bella, sei es aus wirklichem Rechts-
gefühl, sei es als der erste florentinische Demagog, der
nach der Tyrannis strebte, trat, obwohl selbst ein Adeli-
ger, doch jenen Anmassungen entgegen und auf Seite
des Volkes. Gelegenheit liiezu fand er durch seine Er-
nennung unter die Zahl der Prioren. Er fügte den ziem-
lich hiltlosen Signori den G o n f a 1 o n i e r e d i g i u s t i z ia
bei, der ein Fähnlein von 4000 Mann zur Veriügung hatte,
um jederzeit dem Gewaltstreich einer Partei entgegen-
treten zu können. Eine wichtigere Massregel aber,
die er traf, waren die „Verordnungen der Gerech-
tigkeit'' (ordinamcnti di giustizia), welche erst voll-
ständig dem Volke die Herrschaft verlieh. Der wich-
tigste Paragrai)h dieses Gesetzes enthielt die Aus-
s e h 1 i c s s u n g a 1 1 e r A d e 1 i g e n , sowie aller Familien,
die Ritter unter sich zählten, von den Ämtern.
Dreiunddreissig Familien wurden von dieser Ordnung
betroffen. Ausserdem vermehrte er die Zahl der Prioren
bis zu zwölf und verlieh den 24 Consuln der Zünfte
mehr Befugnisse ; Alles um oligarchische Tendenzen
von der Regierung möglichst fern zu halten und die
Macht im V(dke möglichst zu vertheilen. Als die
Adelspartei sich dieser Verordnung widersetzte, erhob
sich das Volk gegen sie und ernannte Giano della
Bella zu seinem Anführer; sei es aber, dass dieser, am
Ziel seines Strelu'ns angelangt, den i\Iuth \erlor, sich
desselben zu bemächtigen, sei es, dass er wirklich
uneigenützig gehandelt hatte, Thatsaehe ist, dass er die
dargebotene Herrschaft verschmähte und ein freiwilliges
Exil wählte. Dies geschah im Jahre 12Ü5.
(ii.'UKi della Bella war nicht der einzige Adelige,
der die Parthei iles \'(dkes ergriffen hatte; vielniehr
brachte es die Rivalität zwischen Adel und Reiehthum
bald dahin, dass an der Spitze des Volkes eben so an-
gest'hene Familien standen, wie in den Reihen der
(iegeiiparthei. Die Iläiiptei' der letzteren waren Carjo
de Dmiati, Pazzino de l'azzi, Rosso de Bossi, Geri de'
Spini und andre; an der S])itze der Volksparthei stand
Vieri de Ccsclii. Zu dieser letzteren Iiielten sich ausser-
dem die fUiibe'linen . die etwa vom Kxil verschont
geblieben waren. — Nachdem so innerhalb des Welten-
i;i3
thums eine eben so schroffe Partheispaltiing eingetreten
war, wie früher zwischen Bürger und Kitter, Stadt und
Land, so Hessen aucii die neuen l'artiicinamcn nicht
lang auf sicli warten. Die Spaltung der Familie Can-
cellieri von Pistoja in schwarze und weisse, über-
trug sich nach Florenz und gab Anlass zu den Namen
der schwarzen Guelfen, d. h. der oligarchisch
gesinnten, und der weissen d. h. der demokratisch
gesinnten.
Nach einigen vergeblichen Vermittlungsversuchen
wohlgesinnter Bürger, sowie des päpstlichen Legaten
eröffneten die, immerhin rücksichtsloser vorgehen-
den Schwarzen, unterstützt von Karl von Valois,
den Hnrgerkami)f , brannten halb Florenz nieder und
erwählten neue Priorcn aus ihrer Mitte. Bemerkens-
werth ist dass ein Medici der erste Friedensstörer
war. Der gewaltthätige Graf Gabriel von Agobbio
wird zum Podestä ernannt, und schickt eine grosse
Anzahl der besten Bürger , darunter Dante , ins Exil.
Bald, darauf zwar stellte der neue Papst, Benedict XL,
durch den Cardinal Niccoli von Orato eine Versölnuing
her, woraiif ein Theil der Weissen zurückkehren durfte;
doch war sie nicht von langer Dauer, und wurden die
Weissen neuerdings vertrieben. Auch ein Versuch der-
selben, durch Überrumpelung die Stadt wieder zu
gewinnen, schlägt fehl.
Als die Weissen vertrieben waren , gedachte Carjo
de' üonati die Verordnung umzustürzen , welche die
Grossen von den Amtern ausschliesst. Sein Anschlag
wurde jedoch von der Regierung unterdrückt ; er fiel
durch einen catalanischen Söldling im Kloster von
S. Sabri, wohin er sich geflüchtet hatte, und es wurde
zur Bewährung der ordinamenti della guistizia
ein Executor ernannt, der die übermüthigen Mächtigen
zur Rechenschaft ziehen konnte.
Fraidcreich hatte in allen diesen florcntinischen
Bürgerfehden die Hand im Spiel und begünstigte die
Oligarchen, vielleicht um nach Vernichtung des demo-
kratisclien Geistes in Florenz selbst desto leichter da-
selbst herrschen zu können. Denn auch im Übrigen
hatte es schon ziendich festen Fuss in Italien gefasst;
hatte es auch Sicilien durch die Vesper an einen Ver-
wandten der Holienstaufen Peter von Aragon, verloren,
so sass es um so fester hn Königreich Neapel. Der
Zusammenstoss zwischen der französischen und päpst-
lichen Herrschsucht konnte deshalb auch nicht lang
ausbleiben. Als der herrsehsüclitige Bonifacius über
Frankreich dieselbe Oberherrlichkeit lieanspruchte, die
.seine Vorgänger über die Kaisersich angemasst hatten,
da rückte ihm der wenig fromme Philipp der Schöne in
seinem eigenen Hause zu Leibe, und zwaug ihn, unbe-
kümmert um Bann und Interdict, zur Flucht von Rom
nach Anagni. Als Bonifacius kurz darauf aus Wuth über
die erlittene Schmach starb , verlegte Piiilipp den
ganzen Sitz des Papstthums nach Avignon (im Jahre
1305), wo der neue Papst Clemens V. unter seinem
Einfluss gewählt wurde und wirkte. Obwohl Philip})
durch diesen Gewaltact den Keim zum späteren
Schisma legte, und damit den Ausbruch der Reforma-
tion beförderte, so war seine Absicht dabei doch eine
ganz andere. Das Papstthum sollte fortan als Sturm-
bock französischer Feindschaft gegen das zerrüttete
deutsche Reich dienen, eine Feindschaft, die seit Karl
von Anjou zum Ausbruch kam Ja mit Hülfe des Papstes
strebte Philipp sogar danach, seinem Bruder die römi-
sche Kaiserkrone deutscher Nation zuzuwenden, ein
Gelüste, von dem seitdem bis in die neueste Zeit die
Herrscher von Frankreicii nicht frei blieben. Der
Erzbischof von Mainz setzte jedoch die Wahl des edlen
Heinrich Grafen von Luxenburg, im Jalu'c 1308 durch.
Aus eignem Antrieb , nur ermuthigt durch die Ghi-
bellinen Italiens, unternahm Heinrich im Jahre 1310
einen Römerzug, um das von Zerbröckeliuig bedrohte
heilige römi.sche Reich wieder zusammenzukitten, und
sich die Kaiserkrone in Rom aufsetzen zu lassen. Nach-
dem er seine besten Kräfte an die Bezwingung der
gnelfischen Städte Brescia und Cremona, die von Flo-
renz mit Geld unterstützt wurden, vergeudet hatte,
schift'te er sich von Genua aus nach dem stets ghibelli-
niscli gesiunten Pisa ein, wo er mit Jubel empfangen
ward. Mit gleicher Freude begrüssten iim die \ertrie-
benen AVeissen und Ghibellinen aus Florenz, darunter
Dante , der in den rechtlichen Sinn des Kaisers die
grösste Hoffnung für den Frieden seines zerrissenen
Landes setzte. Nach einer vergeblichen Belagerung von
Florenz mit seinem geschwächten Heer begab er sich
jedoch zunächst nach Rom, wo er gleichfnlls nur unter
stetem Kami)fe die Krönung erzwingen konnte, und
zwar nicht in dem von den Feinden besetzten Vatican,
sondern in S. Maria maggiore, nicht durch den Papst
selber, sondern bloss durch einen seiner Legaten.
Hierauf kehrte er nach Pisa zurück, um neue Kräfte zur
Bezwingung der widerspenstigen Guelfen, vor Allem
des stolzen Florenz zu sammeln.
Bei einem Zuge gegen Siena starb er eines plötz-
lichen Todes im Kloster Buoiiconvento, unweit des
Arno , wahrscheinlich nicht an Gift, wie seine Anhänger
verbreiteten, sondern an einem Fieber, das er sich
durch seine Anstrengungen und Gemüthserregungen
zugezogen hatte. Mit tiefer BetrUbniss veranstalteten ihm
die Pisaner ein feierliches Leichenbegängniss und setz-
ten ihn in einem ehrenvollen Grabmal im Dom bei.
Während der Anwesenheit Heinrich's in Italien
hatte sich Florenz unter den Schutz des Königs Robert
von Neapel gestellt. Dieser setzte, anstatt des Podestä,
wieder seinen Vicar ein, dem die Rechtspflege und
Kriegsführung gegen Leistung eines Treueides an die
Republik oblag. Mehrere Niederlagen, die Florenz
in den folgenden Jahren gegen mächtige auswärtige
Ghibellinenhäupter erlitt, verstärkten die Jlacht der
neapolitanischen Anjou in der Stadt. 1315 erlitt Florenz
mit verbündeten Guelfeustädten bei Montecatini durch
die Pisaner mit Uguccione della Taggliola an der Spitze
eine schwere Niederlage. Fünf Jahre später bemächtigte
sich der kühne und geniale Ghibelline Castruccio Cas-
tracane der Herrschaft in Pisa , Lucca und Pistoja. Bei
Altopajcio fügte er den Florentinern die schwerste
Niederlage bei, die sie überhaupt in ihren Annalen zu
verzeichnen haben. Schon war er im Begriff sich mit
Ludwig dem Bayern, dereinen neuen Römerzug unter-
nonnnen, zu vereinigen, schon stand er drohend vor
Florenz, als sein plötztliclier Tod alle Berechnungen
durehschnitt. Wie oft war der Tod der treueste Verbün-
dete von Florenz, wie oft wäre ohne dessen Macht die
Macht von Florenz vorzeitig zu Grabe gegangen I
Während dieser Bedrängnisse war der Herzog von
Athen der Stadt als Vicar vom König von Neapel zu
Hülfe gesandt worden. Dieser riss, nach Anfangs mil-
136 —
d em Auftreten, unter dem Titel c o n s e r v a t o r c d i p a c e
bald die Dictatnr an s^icli. und übte eine so tyrannische
Gewalt und "Willkürhenschaft, dass, unabliänj;ig: von
einander, gleichzeitig drei Verschwörungen entstanden
und ausbrachen. Am S. Annentage, dem 26. Juli 1346,
ward er vertrieben und noch heute feiert Florenz diesen
Tag durch die Ausschmückung der Bazzia von br. S.
Michele mit dem Banner der 21 Zünfte. — So waren
auch die französischen Herrschgelüste an dem Freiheits-
sinn und Nationalgciühl der Florentiner gescheitert.
Kaum waren aber die Gefahren von aussen für
einige Zeit beseitigt , so fing der Parteikampf im Innern
der Stadt von neuem an. Zwar hatte man anfangs den
besten Willen, die Ursachen künftiger Zwietracht zu be-
seitigen, hob deshalli die etwas harten ordinamcnti della
giustizia auf und r.äumte dem Adel den dritten Theil
der Ämter in der Signoria, sowie die Haltte der übrigen
Amter ein. Man hob das Amt des Gonfaloniere di giu-
stizia auf und erwählte statt der zwölf buonomini acht
consiglieri. Aber der Adel wie das Volk trachteten gar
bald von neuem nach dem alleinigen Besitz der Amter.
Als daher im Jahre 1.348 eine gnsse Hungersnoth in
Florenz ausbrach, unterstützten die Grossen das niedre
Volk und hofften mit dessen Hülfe die Herrschaft an
sich zu reissen. Das niedre Volk Hess sie jedoch in Stich
und in einem erbitterten Strassenkampf wurde ihre
Macht gänzlich gebrochen, und sie theils verbannt, theils
genöthigt, ihren adeligen Namen abzulegen und sich als
Bürger in die Zünfte aufnehmen zu lassen.
Wie es die Mediei waren, welche vor dem zwei-
mal den Bürgerzwist zu Gunsten der Grossen eröffnet
hatten, so waren sie es jetzt wieder, welche, da die
Macht der Grossen wankte, den ersten Schritt gegen
sie thaten.
Die ordinamenti di giustizia , der zu ihrem Schutz
ernannte Gonfaloniere di giustizia, die eompagnie del
])Opolo wurden jetzt wieder hergestellt; von den Ämtern
der Signoria wurden zwei an Keiche, drei an Leute des
Mittelstandes, drei an solche aus den niedern Classen
vertheilt. Der Gonfaloniere sollte Imld aus der einen,
bald aus der andern Classc gewältlt werden.
Durch diesen Kampf, durch den die Macht des
wirklichen alten Feudaladels für immer in Florenz ge-
brochen wurde, war dem Principe nach in jeder Hinsicht
der vollständige Sieg des nationalen demokratischen
Bürgerthums eingetreten. — Aber in Wirklichkeit
schwang sich nur zu bald an Stelle des alten Adels,
verstärkt durcii die t'berreste desselben , die mir den
Namen getauscht hatten, ein neues Patriciat reicher
oder durcii Ämter ausgezeichneter Bürger, die sich nun
von neuem untereinander die Leitung der Kepublik
.streitig machten. Picro degli Albizzi warf sich zinn
Führer der einen, Uguccionc de' Ricci zu dem der an-
dern l'artei auf. Beide trachteten zunächst darnacli,
sich im ^Magistrate der Guelfiii)i;ut(i der Olicrieitung
zu Ijcmächtigen. Als dies schliessiicii l'iero degli Albizzi
gelang, begann er unbarmherzig, unter irgend einem
Vonvandc, seine Gegner als (!hibellinen zu ammo-
viren (d. h. von den Ämtern aiiszuschliessenj. .\ls er
aber darin immer rilcksiditsloser verfuhr, und nahe dar-
an war, die Staatsgewalt völlig an sich zu reissen, da
erhoben sich die Bürger, besonders auf Anstiften von
Salvcstro de Medici, der mit seiner Familie zu den
eifrigsten j\nhängcrn der Partei Bieci gehörte, und zu-
gehen durch Gesetze den Übermuth der albizzischen
Partei. Die eine Bewegung rief jedoch eine andere,
wildere hervor, die in ihrer Tendenz der früheren Graco
dela Bella verwandt war. Die unterste Classe des Volkes,
diejenigen Arbeiter, die vermöge ihres niederen Hand-
werkes keine eigene Zunft bilden konnten, sondern sich
den übrigen in einem Abhängigkeitsverhältniss an-
schliessen nnissten, wie die Wollfärber, Wollhechler
u. s. w., ahmten das Beispiel ihrer Brodherren nach, um sich
ihrerseits von deren Drucke, wie diese vom Drucke der
Oligarchen , zu befreien. Viel Antheil an diesem Auf-
stande hatte auch der C'lerns , welcher über die Be-
steuerung und die Einziehung seiner Güter erbittert
war, die von dem neuernannten Kriegsrath der Acht
im Jahre 137ö bei Gelegenheit eines Krieges gegen
Gregor XI. verordnet worden. Der Aufstand gelang, die
„Ciomni'' (Corniption von coinpei'es, ein Wort, das der
Herzog von Athen oft gegen das niederste Volk an-
wandte, um ihm zu schmeicheln) verbrannten das Haus
der Acht, erstürmten den Regicrungspalast, und nu» ein
glücklicher Zufall war es, dass der neuerwäidte Gonfa-
loniere, ]\liccliele di Lando, obwohl niederster Herkunft,
die Staatsleitung doch voller j\Iass und Verstand hand-
habte; sonst hätte schon damals Florenz eine Commune-
wirfhsehaft erleben können.
In die neue Signoria wurden vier aus dem niedrigen
Volk, zwei aus den liöhern und zwei aus den niederen Zünf-
ten erwählt. Salvestrode Medici und sein Anhang jedoch,
der sich zunächst eiligst mit den Proletariern auf guten
Fuss gestellt hatte, wusste ihnen bald wieder das
Regiment zu entwinden und in die Hände der mitt-
leren Bourgeoisie zu siiielen. Die Anhänger der Op-
timatenpartei jedoch Hess kein Mittel unversucht,
durch einen neuen Umsturz wieder zur Gewalt zu
gelangen Ihr nächster Anschlag wurde allerdings
noch vereitelt. Als Karl von Durazzo, ein Verwandter
des neai)olitanisc]ien Königshauses, aus Ungarn nach
Neapel zog, nin der Königin Johanna den Thron streitig
zu machen, beredeten ihn die tloreiitinischen Verbannten
sowie ihre Anhänger in derStadt, die letztere zu nehmen.
Der in ilorentinischen Diensten befindliche englische
Gondottiere, Hawkswood, bewog Karl's Heer noch
rechtzeitig einigen Widerstand zu leisten, und die Ver-
schonung der Stadt durcii 40.0()0 tioldgulden. Viele
Anhänger der Optimatenpartei wurdi'ii in Folge davon
des llochveriatiies angeklagt und hingericlitet, darunter
das nicht verbannte Ilaujit derselben, Piero degli Al-
bizzi.
Iliedurch wuchs der Hass der Optimaten gegen
die regierende Partei und, als daher auch diese, und
besonders einer ihrer vonielinisten Leiter, (üorgio Scali,
sich durch weitere Gewaltacte auch im Volke ver-
hassl machte, gelang es den ersteren schon wieder
im Jahre 1382, sieh der obersten Staalsleitung zu
beniächtigi'ii, der sie fort;in zwar mit Härte, doch auch
mit grosser Energie, mit Ruhm und Glück olilag.
Trotz aller l'arteikänijife , die fort und fort
Florenz spalteten, war dessen Ansehen und Macht nach
aussen doch in steli'in Wachsen begrillen, und es hatte
selbst Pisa bereits iibeilliigelt und galt als die erste
Stadt Toscana's. Auch waren die Mehrzahl der tos-
canischen Städte zu einem Bündniss mit Florenz ge-
nöthigt worden. Durcii ganz Italien ging um diese Zeit
ein Diang niicli lÜhlung grössert'r Staaten , im Gegen-
137 —
satz zu den nuiuicipaleii Atomen, in welche Italien im
Sturm der Völiverwanderung- und im Kampf ge^en die
von Norden eingedrungenen Feudaliierren zertalleu
war. liier besiegte und unterwart' ein Munici]iium ilas
andre, dort schwang sicii ein Bürger oder Adeliger zur
Alleinherrfieliai't in einer Stadt auf und vergrössertc
seine Macht durcii Eroberung anderer Gebiete.
Auf diese Weise schien allmälig eine völlige
Einigung Italiens vorbereitet zu werden, sei es unter
monarchisch centralisirter, sei es unter republicanisch
föderativer Form. Das Gleichgewicht, in dem sich
jedoch die einzelnen Kraftcentren erhielten, so wie die
Herrschsucht der Pä])ste , vereitelten abermals ein
solches naheliegendes Ziel.
Während in Florenz sich ein republicanisches
f'entrum ausgebildet hatte, war in Neapel und Sici-
lien bereits durch Friedrich von Hohenstaufen das
Regierungssystem monarchischer Einheitsstaaten ein-
geführt worden; Anjou und Aragon behielten dasselbe
läei. Eben so hatte in Mailand der Erzbischof Visconti
die Herrschaft an sich gerissen, und strebte dieselbe
nicht nur über die Lombardei, sondern selbst i)is nach
Toscana auszudehnen. Hätte Florenz sich streng an das
föderative Princij) gehalten , statt eine Art monar-
chischer Gewalt über die verl)ündeten Städte ausül)en
zu wollen, so hätte es ganz Italien vielleicht eine
republicanische Einheit verschaffen, sicli selbst die
Herrschaft der Medici ersparen können.
Der gefährlichste Feind für Florenz war zunächst
der Her/.og von Mailand, der nicht nur Übergriffe nach
Toscana sich erlaubte, sondern ziemlich offenkundig
nach der Königskrone Italiens strebte.
Die von neuem zur Herrschaft in Florenz gelangte
Optinmtenpartei fand daher gar bald das beste Mittel zur
Befestigung ihrer Stellnng, den Krieg , den Gran-
galeazzo Visconti im Jahre 1385 mit der Republik von
Genua eröffnete. Auf beiden Seiten standen vortreffliche
Feldherren : General der Florentiner war der verschlagene
englische Condottiere John Hawkswood (Giovanni
Aguto), an der Spitze der viscontischen Truppen stand
Jacopo del Vcrmc.
Um diese Zeit war es nändieh auch, dass die nach-
mals so verrufenen Söldnerbanden in Italien entstanden,
die lange Zeit eine weitere Hauptplage des schwer
heimgesuchten Landes bildeten. Einerseits rief dieselben
das Bedürfniss der Usurpatoren hervor, die sich mit
einer grossen Militärmacht gegen etwaige Aufstände der
unterdrückten Bürger schützen mussteu, anderseits be-
gingen auch die Stadt-Republiken den Fehler, hierin die
Fürsten nachzuahmen, in Florenz zumal seitdem der
kampflustige Adel dem handeltreibenden Bürger gänz-
lich hatte weichen müssen. Auch hätten zu den immer
grösseren Kriegen, zu denen Florenz und andre Stadt-
Republiken schreiten mussteu , die l)los ans Bürgern ge-
bildeten Mannschaften kaum genügt.
Anfangs neigte sich, im Kriege gegen Visconti, der
Vortheil den Florentinern zu, so dass die Lombardei schon
im Osten durch Hawkswood, westlich durch Armignac
stark bedroht wurde. Allein Hawkswood musste ans
Jlangel an Lel)ensmitteln nach Padua zurückweichen,
Armignac, ein französischer Condottiere im Solde der
Florentiner, fiel durch Unvorsichtigkeit mit dem grössten
Theile seiner Truppen vor Alexandria, das er berannt
hatte, und der Krieg wurde von Jacopo del Verme nach
XVIII.
Toscana getragen. Hier erlitt letzterer durch den um-
sichtigen John Hawkswood einige Schlappen ohne ent-
scheidende Bedeutung, so dass es schliesslich dem fried-
lichen Herren von Pisa, Pietro Gambacorti, für diesmal
noch gelang, Frieden zu stiften.
Visconti ging ihn Jedoch nur ein, um bessere Vor-
bereitungen für einen neuen Feldzug treffen zu können.
Ihm kam dabei zu statten, dass sofort nach Beendigung
des Krieges (Uü'o) der Parteihader in Florenz von
neuem ausbracii.
Maso dcgli Albizzi, Neffe des hingerichteten Piero,
war zum Gonfalouiere ernannt worden, und benutzte die
Stellung, um die an seinem Oheim und ihm selbst (er
war verbannt worden) verül)fe Unbill zu rächen. Als es
ihm gelang, geheime Verbindungen zwischen Verbannten
und in Florenz zurückgebliebenen Anhängern der
Gegenpartei aufzudecken, mussteu die Mehrzahl der
Alberti ins Exil wandern und viele aus dem Volke
wurden hingerichtet. Dieses erhob sich in Folge davon
mit dem Rufe ..Es lebe das Volk, es leben die Zünfte"
und forderte Vieri di Jledici auf, sich an die Spitze der
Bewegung zu stellen. Dieser aber hütete sich wohl, die
Absichten und Aussichten seiner Partei und Familie
in einem verfehlten Unternehmen nutzlos zu compromit-
tiren. Erst mit der Ernennung von Niccolö da Uzzauo,
eines allgemein geachteten Mannes , zum Gonfaloniere,
trat wieder Ruhe ein.
Unterdessen war es dem Visconti gelungen den
Seeretär von Piero Gambacorti, Jacopo Appiani, für
seine Zwecke zu gewinnen, si» dass dieser seinen Herrn
ermordete, sich selbst zum Herrscher von Pisa aufwarf
und eine viscontische Besatzung in die Stadt aufnahm.
Ahnliches versuchte Grangaleazzo Visconti in S. Miniato
dei Tedeschi, doch ohne Erfolg. Dagegen gewann er
die Regierung von Siena für sich, Perugia war schon
früher in seine Hände gefallen. So hatte er Florenz un-
versehens in einen Gürtel von feindlichen Städten ein-
geschlossen; da er ausserdem aus allen Kräften rüstete,
so erklärte ihm Florenz 13St7 den Krieg.
Derselbe bildete eine Kette von Unfällen und Ge-
fahren für Florenz. Pisa wird nach Jacopo Appiani's
Tode von dessen Sohne Gherardo, der nur Elba und
Piombino behielt, an Visconti verkauft (1399); in Flo-
renz wüthet die Pest (1400); in Lucca gelangt Paolo
Guinigi mit Viseonti's Hülfe zur Herrschaft (1400); der
neuerwähnte König von Deutschland, Ruprecht von der
Pfalz, der , so zu sagen im Solde von Florenz , mit
einem Heere gegen Visconti zog, wird bei Brescia aufs
Haupt geschlagen (1401); Bologna, die treueste Bundes-
genossin von Florenz, wird von Mocrigo da Barbiano,
Viseonti's General, im Sturm genommen, wobei der Herr
der Stadt, Giovanni Bentivoglio, kämpfend fällt
(1402). Nur Cortona unter Francesco de Casali harrt
bei Florenz aus.
Aengstlich schaute dieses sich nach der letzten
Hülfe um, unschlüssig, ob sie bei Venedig, bei Ladis-
laus, dem Sohn Karls von Durazzo und König von
Neapel, oder beim Papste zu suchen sei; schon Hess
Grangaleazzo Visconti die Krone anfertigen, die er
sich in Florenz als König von Italien aufs Haupt zu
setzen gedachte, da starb er eines plötzlichen Todes
bei Marignano am Lambro, unweit Pavia, von wo er vor
einer ansteckenden Krankheit geflohen war , am 3.
September 1402.
18
— 138
Auch während dieses zweiten Krieges, der sich um
die Existenz von Florenz drehte, liatte die unterdrückte
Partei des Volkes , mehr noch aber seiner vornehmen
Freunde und Schmeichler in der Verbannung, nicht auf-
gehört an den bestehenden Zuständen zu rütteln.
Kurz nacheinander, in den Jahren loOG, KJDT und
1400 fanden drei Putschversuche der Emigranten statt,
bei deren zweitem ein unschuldiger Sohn des ^[aso degli
Albizzi ermordet wurde, was nur dazu diente, das Volk
den Aufrührern zu entfremden. Hinriclitnngcn und zahl-
reiche Verbannungen, besonders von Gliedern derFami-
lien Mediei, Alberti, Scali, Ricci, ja selbst Strozzi, Adi-
mari und Altoviti waren die jedesmalige Folge dieser
Unruhen.
So edle Patrioten aber auch in den Ucihcn der
herrschenden Optimaten sich befanden, so ruhmvoll sie
auch durch die schwersten Gefahren hindurch die Stadt
zu immer grösserer ]\[aclit und Blüthe führten , so ener-
gisch sie auch alle widerspenstigen Elemente niederzu-
halten wussten, die Fundamente ihrer Herrscliaft wur-
den dennoch, zwar langsam aber um so sicherer, unter-
graben, oder vielmehr die echten Fundamente, die Liebe
und das Vertrauen des Volkes waren gar nie vorhanden.
Durch feudale Geringschätzung der niedcrn Stände,
durch veraltete Einrichtungen , worauf sie ihre Maclit
stützten, verletzten die Optimaten das Volk, und zudem
war ein oligarchischesKegiment von vornherein dem Zeit-
geist entgegen. Es hätte sich aus dieser Regierung all-
mälig eine aristokratische Republik nach dem Muster
Venedigs herausgebildet. Der Drang nach politische)'
und socialer Freiheit und Gleichberechtigung Aller
war aber seit den ältesten Zeiten das vor Allem vor-
tretende Priucip in dem bürgerlichen Leben von Florenz
gewesen. Dieses Optimatenregiinent hätte also nur ein
künstliches Stocken in einen solchen Drang gebracht,
und damit vielleicht die besten Krälte von Florenz ge-
brochen. Diesem demokratischen Drang war der Land-
wie der Stadtadel zum Opfer gefallen; ihm zu Liebe
hatte Florenz liauptsächlich dazu beigetragen, den Ein-
tluss der deutschen Kaiser in Italien zu brechen; ihm
zu Liebe hatte Florenz Bündnisse mit dem Papst und
Frankreich geschlossen , so lang dadurch seine munici-
pale Unabhängigkeit gesichert schien, und Feindschaft
begonnen, sobald beide dieselbe bedrohten Und sollte
jetzt Florenz sich mit eincnnnal einem Häuflein von Opti-
maten beugen, die, durch das denndcratische Princip zur
Macht gelangt, nun iiiren Ursjirung verläugnen wollten?
Wiewohl nun Florenz iin Mittelalter Feindin der
Einheit Italiens war, weil sie durch die Kaiser vertreten
wurde, und die beste Stütze des einheitsfeindlichen
Papstthums bildete, so hat es doch, im Gegensatz zu
diesem eine eminent nationale Mission erfüllt.
Es hat den Fremden als Fremden bekämi)ft, nicht
wie der Papst blos dann, wenn er der eignen Jlaclit
gefährlich schien. Es hat die liberalen Ideen erzeugt,
deren sich heute nicht blos Italien, sondern ganz
Europa erfreut, oder zu erfreuen bemüht. Es hat
lang vor Frankreich die bürgerliche Freiheit und
Gleichheit zum Princij) erhoben wenn es auch selten
zum wirklichen Genüsse davon kam. Es hat mit.
allen Watten des Geistes die mittelalterlichen Vorur-
theile zerstört , den Humanismus geschaft'en , ohne
dass die Päpste, die sich an der süssen Schale der
humanistischen Wissenschaften und Künste ergötzten,
dies ahnten.
Leider verstanden es die Medici nur zu gut, diese
modernen Ideen als Vorkämpfer sich und ihren Interessen
dienstbar zu machen.
iFortsctziing folgt.)
B e r i c Ii t
über die im Laufe des Soiinners 1872 voriieiioinineiie Restauririmg- des
scliwarzeii Tliuruies am Hradciii zu Prag".
Unsere Hauptstadt ist in ihrer Bauthätigkeit nicht
zurückgeblieben. Es erlieben sich heuer so gut wie im
Vorjahre 1872 neue monumentale Bauwerke in Prag und
man sollte meinen, dass man <ib dessen der alten Ban-
denkmale gänzlich vergass. Dem ist nicht so. Icii will
nicht gerade von unserem S. Veitsdome, nicht von der
ehrwürdigen Kirche am Karlsiiofe etc sprechen, wo so
viel Grosse« und Schönes entstand, sondern von dem
uralten „schwarzen Tliurm- an der Ostseite des
OpiS^so hiess schimvor T'iO .Jahren diese Gegend --
dem Endpunkte der alten Kilnigsburg llradnn.
Schon von der Ferne blickt dieser 1«° ludie mit
einem spitzoi mit Hohlziegeln gedeckten Zeltdache ver-
sehene viereckige Tliurm hernieder und schützte einst
das eigene, später das daneben gebaute Eingangsthor
auf dem Ilradcin.
Wir wollen diesem einfachen alten P.andcnkmaie
eine kurze Baugeschichte vveiiien.
Der Weg zu diesem Thurine ^dit durch den lluC
des alten ObristltnrggrafcTi - Annes. Er erhebt sich
rechts vom Ilaupteingange gegen Osten und ist von
niedrigen (iebäuden umgeben. Schaller ist der
Erste, welcher diesem Baudenkmalc in seiner: Be-
sclireiliung der kö ni glichen Haupt- und Re-
sidenzstadt Prag I. B, 47(1. Sei tc, vor 7s Jahren
seine volle Aufmerksandicit widmete inid, so gut er
konnte, das Innere beschrieb. So dankiiar nmn ihm
sein niuss , dass er dieses Baudenkmal in den Kreis
der PrM,i;cr ^Ierkwür(li;;keiten zog, so blieb doch sein
Werk nicht frei \on Unrichtigkeiten und
KWL
in der
Folge mit der Wahrheit auch der Irrtlium seiner Schil-
derung in alle nachfolgenden topographischen Werke
über, welche unsere Hauptstadt und ihre Merkwürdig-
keiten Zinn <iegcnstaiid haben. S e ii a 1 1 e r wurde stets
treu und redlich al)gesclirieiien.
■ Im verflossenen Sommer hat sich der k. liiilim.
Landcs-Ausschuss bemüssigt getuiulcn diesem xcr-
«Wlcten und höchst baufälligen 'l'lmrme seine Atifmcrk
sanikeit zuzuwenden und ihn in würdiger Weise restan-
lircnzu lassen, in Folge <lessen auch (üelegenheit geboten
139
wurde, sein Inneres genau zu (luiclitbrsclien. Wollte
man i'rUlier in das Innere des schwarzen Tliunues
treten, so musste man Über die Treppe zur Woimung
des Anits-Assistenten , und gelangte vom (lange aus
zu einer engen kleinen TliUre , welche — nun ver-
mauert — in das Innere und zu dem tiefen 15urgverliess
(uhrte, welchesSchaller Iö° tief und mit Knochen und
kahlen Menschenschädeln angeftillt sein lässt. Jetzt ge-
langt man durch eine \om Hofe aus in das massenhafte
Mauerwerk gesprengte Tliiire in das gewesene tiefe
sciiauerlicheBurgverliess, welches iil)erwöll)t. nur eine
Höhe \ on o° ;!' zählt. Sehr tief konnte es niciit gewesen
sein und wurde in späterer Zeit zu diesem Zwecke erst
eingerichtet. Das Oeniach ist ',>° 5 lang, ebenso breit,
roh anneworfcii und dient zum 8])eisegewölb(' des
Verwaltungs- Assistenten. DasZiegel))fiaster klingt hoiil.
Der Kenner alter Bauten sieht hier den ursi»riingli
chen Thor weg in die alte Fürstenburg. Beide ur-
s})rUngliche Eingangsbögen wurden vermauert, mit en
gen Fenstern versehen, das (!ewöll)c oben durchbro-
chen, die (»Ifnung mit einer Steinzarge inngeben und
das Verlies war fertig. 8 beträgt die untere Mauer-
stärke. Die deutlich contourirten Thorbögen sind im
Hundbogen gehalten, die Kämpfergesimse roh. Man
erkennt ganz deutlich die uralte Thorfahrt in die Burg,
welche mit ilirem Thurme, Bau und Namen oft geändert
hat. Im lo. Jahrhundert liiess sie porta minor
und mochte nur für Fussgänger eingerichtet gewesen
sein, l.")70 wird dorten einer Zuglirücke gedacht und
Ferner lesen wir wieder: In (ide amico et
custo imico .... nihel est aetatis
suae 2'i>
^'erlassen wir diesen Raum und nehmen un.sern
Weg wieder über die angelehnte Leiter herab, so ge-
langen wir über den llofraum und oberen ('rang zum
Bodeneingang- in die oberen Etagen des Thurmes.
Hier sieht der Besucher vier öde Wände, welche
nie angeworfen , nur rcdies glattes, fleissig in Würfel
beliauenes Plänergestein eri)licken lassen.
Löcher in diesen Wänden lassen auf Abtiieiluugen
schliessen, wovon die oberste die interessanteste ist
Die Mauerdicke beträgt hier 1°. Der Raum selbst
misst.'!", 5', <S" im Ge\ierte. Er hat \ ier hohe Fenster, in
deren Nischen Sitze angebracht sind. Hier erkennt man
mehrmalige Fenster-.'Venderungen. Ehedem schienen
kleine Fensterlucken angebracht gewesen zu sein,
später wurden sie vergrössert und endlich vermauert,
und jene . weicli(> wir heute sehen, erst im Anfange des
X\T. Jahrhunderts hergestellt.
In der westlichen Fensternische war ein mit einem
Brettchen abgetheiltes Behältniss angebracht. Schotter
und Staub füllten beide Abtheilungen. Als man diese
Nische reinigte, kam man auf ein Kartenspiel, wel-
ches durcii ein jüngeres ergänzt, den Jahren l()0(j und
ItJlG entstammte. Hannes Fletzel hiess der Karten-
maeher in Prag. Das gefundene S]iiel bestand aus 40
Blättern. Eine vollständige Beschreibung dieser Karten
l)rachten die Pamätky 1872 S. ().'58 und die iilu-
derThurmals h in tererSchlossthurmbenannt. Auch strirtc Zeitschrift Svctozor Abbildungen davon,
hiess er , weil in der Nähe der Obristburggrafen-
Burggrafen"
P r a g e r
Hauser sich erhebend, „der Thurni der
vcz Purkraby prazskeho.
Karl I\'. Hess die Zinnen dieses und des westlichen
hohen Thurmes mit vergoldeten Bleiplatten decken, wo-
durch der Thurm der goldene: zlata vez — genannt
worden ist. Ob man den Ursprung dieses Thurmes dem
Könige PfemysI Otakar II. (1278) zuschreiben darf,
möge aus dem Vorgehenden zu schliessen. noch unent-
schieden bleiben.
Durch das Anlehnen einer Leiter in die ebener-
wähnte runde 4 4 haltende Öfl'nung gelangt man in
einen äusserst engen viereckigen Raum , in dessen
llberwölbung ein Haken eingetiigt ist, an welchem
noch zu S c h a 1 1 e r 's Zeiten ein Rad mit einem Seile, wie
bei einem Ziehbrunnen, eingehängt war, mittelst welchem
der V'erurtheilte in sein düsteres Gefängniss herabge-
senkt wurde. Eine 5' hohe, 21/2' breite Thüre sperrte
jeden Zutritt zu diesem schauerlichen Behältniss ab.
Neben diesem befindet sich ein sehr enger ver.schwärz
tcr Raum, zu welchem ehedem der Zugang von Aussen
war. Die Länge l)eträgt 0° ä — die Breite 1° 4. An
den Thüreinfassungen und in der einen Thürnische
sind noch einige eingeritzte . unförmliche knabenhafte
Zeichnungen zu sehen , z B. eine kniende Gestalt, ein
Kreuz, ein Kelch mit einer Hostie, dann eine .Säule,
endlich eine kniende Figur, deren Köpfchen ganz gut
ausgekratzt ist. Oben lesen wir das Wort: PAWEL
(Paulus") dann die Anfangsbuchstaben K.— , H. E., W. R.,
worunter die Worte: Siediel pro trunkäni — nedielVHI.
Roudnicz (sas wegen Trunkes acht Wochen hier —
Raudnitz). Unterhalb dessen sind zwei Figuren mit
einem vollen und leeren Glase in die Plänerstein-Qua-
dern eingeritzt.
Nebst diesem fand man dort noch einen sogenann-
ten kupfernen R a i t g r o sehe n von R u d 0 1 f II, 1588 —
ferner einen bayrischen Denar v. J. 1621, endlich
einen silbernen R eie hsg röschen v. J. 1G57.
Bis zu diesem Thurme reichte auch der Schloss-
brand in dem Jahre 1541. Im Laufe der Jahrhunderte
wurde er stets zum Gefängnisse benützt. Erst im achtzehn-
ten kamen dessen Räume ausser Gebrauch. Im Jahre
183(3 waren bereits die höheren Etagen unzugänglich.
Wie schon erwähnt, wurde im Laufe des Jahres
1872 dieser Thurm einer durchgreifenden Restauriruug
unterzogen, wobei man aber das Alte mit vielem Fleisse
ausgebessert, nichts Neues zugefügt und das Innere mit
einer neuen W Stufen enthaltende Holztreppc versehen
hat.
Die Kosten der Cement-\"er|)utzung der vier, lo°
hohen Blauerwäude, die Herstellung eines neuen Kron-
gesimses, die Ausbesserung der Fensterfutter , ferner
die Zimmermannsarbeit an den Treppen , den gediel-
ten zwei Ahtheilungen und den Boden- oder Dachrauni
sanimt ("Jeländer; endlich die Dachdeekerarbeit mit der
neuen Wetterfahne, sannnt dem Knopfe, beliefeu sich
auf 3500 fl. , welche der kön. böhmische Domestical-
fond bestritt.
So wurde Prag wieder um ein gut restaurirtes
Denkmal reicher, und damit ein Act des Patriotismus
vollzogen, der schon so \ iele Denkmale der Laudes-
Hauptstadt und des Königreiches vom Verfalle gerettet
und deren Existenz für die nächste Zukunft gesichert
hatte. Mögen noch \ iele solche Pietätsaete ihm nachfolgen.
F. J. Beites.
140 —
B H c li e r s c Ii a ii.
Die christliche Kunst in ihren frühesten AnfäEgeii.
Unter den speciell die cbiistliclie Kiint>t behandeln-
den Werken neuester Publicationen zieht das von
Dr. Franz K r a u s bei Seemann in Leipzig heraus-
gegebene Buch dieses Titels nnt Reclit die Auf-
merksamkeit auf sich , weil hier ein Fachgelehrter
selbst eine populäre Darstellung des grossen Thema's
versucht hat. Der Verfasser schickt eine Ausführung
über Entwicklung und Verfall der antiken Kunst
voraus , da ohne solche Grundlage die beginnende
christliche Kunst niemals verstanden und gewürdigt
werden kann. Dabei hält sich derselbe zunächst an
Lübke's Geschichte der Plastik, der auch die Illustra-
tionen entnommen, ohne jedoch der Quellen wie Brunn,
Zahn und Anderer gänzlich zu vergessen. Wäre R e-
ber's vorzügliche ,.Kunstgeschichte" gleichfalls zu Käthe
gezogen worden und unter der für den Leser empfeh-
lenswerthen Literatur angegeben , möchten manche
Verstösse von selbst unterblieben sein , z. B. über die
sogenannte A])hrodite von Melos im Louvre, die ohne
Attribut und nähere Beziehung wolil schwerlich gedacht,
jedenfalls als Ajihrodite schlechthin nicht (lualificirt wer-
den kann, wie unter Anderen Valentin durch seine
eingehende Schrift hierüber dargethan. Doch nur die
sonst vom Verfasser auf Arcliäohigica verwendete Auf-
merksamkeit berechtigt zu solcher Bemerkung. Nach
übersichtlicher Charakterisirung der unter Myron, Poly-
klet und Phidias und sj)äter unter Skopas, Praxiteles
und Lysippris erreichten Vollkommen iieit hellenischer
Plastik wendet sich die Erörterung der Xachlilüthe und
endlich der römischen Scul]itur zu, an welche zunächst
die christliche anknüjjfte. Der Ausblick auf dieselbe
konnte den Schluss dieses Abschnittes , wie mir wenig-
stens scheint, aucii (duie Her\(irhibung der Sdiiller'-
schen Einseitigkeit in der Beurthcilung der Antike
bewerkstelligen. Es macht auf mich nie einen bdrie-
digenden Eindruck, solchen Ilenien unserer Literatur
ihre Schwächen, noch dazu in Ausdrücken wie „ganz
unhistdvische Anschauung-' und dergleichen vcirgchalten
zu sehen. Die Prahlerei des gegenwärtigen desciilech-
tes mit seinen historischen und ästhetischen Studien
erscheint scdciicn Crossen der Vergangenheit gegenüber
immer zweifelhaften Werthes und jedenfalls überflüssig.
Den zweiten Alischnitt eröffnet die Behandlung der
Katakond)cn zu L'om, worüber derselbe \'ertasser ein
ausführliches Werk zu publiciren im Begriffe steht, liier
entwickelt sich das grosse Bild der durch Denkmäler
zuerst bezeugten christlichen Kunst, die freilich ohne;
diese \orausgeh( iide Archädlugie nicht leicht gewürdigt
werden kann. Die genaue Keiinlniss ilcs Verfassers in
diesem ausgedehnten Gebiete ist zu bekannt, als dass
davon noch eigens zu siirechen sein könnte. Damit steht
der folgende Abschnitt über „!\[alerci'' im innigsten
Zusaninicnhange, da wir aus frühester Zeit christlichen
Lebens nur in diesen Katakdndicn Denkmäler besitzen.
Der Vcrl'asser beschränkt sich liiebci nur auf die aller-
dings wichtigsten Monumente der römischen l'riedhöfe
und iässt die von Kea]iel und Alexandrien xiillig ausser
Betrachtung, obwfdd wir ülier jene in dem inaclitMillcn
Werke Salazaro's „Studi sui nmnumcnti della Italia
meridionale dal IV' al XIIP Secolo, parte prima, Napoli
1S71" in Folio, und über diese durch Wescher's For-
schungen belehrende Aufschlüsse und die richtige An-
schauung gewonnen haben. Da übrigens die Anlage,
Gräber-Ordnung und Beschaffenheit nicht überall die-
selben sind, so dürfte es dem Leser erwünscht sein,
hierüber doch im Hauptsächlichsten belehrt zu werden.
Seit dem berühmten Beise werke Pococke 's gehören die
Katakomben von Alexandrien zu den interessantesten
Überresten frühchristlicher Grabstätten , über deren
bildlichen Schmuck auch de B os si gehandelt hat. Im
folgenden, der Plastik gewidmeten Abschnitt wird mit
grosser Sorgfalt auch der Elfenbein- Arbeiten gedacht,
die vom Verfasser mit Recht zu den wichtigen Zeugen
frühchristlicher Sculptur gezählt werden; gleichwohl
wurde die Elfenbeintafel im k. National-Museum zu
München nicht erwähnt, die in der Kunst-Literatur nun-
mehr hiidänglich bekannt und selbst von Cav. de Rossi
gelegentlich der Heilig-Grabcapelle zu Jerusalem im
Bulletino I8G5, Nr. 11, unter Bezugnahme auf meinen
Auisatz in den JMittheiluugen der k. k. Central -Com -
mission IStJL', Nr. 4, besin-ochen ist. Das Capitel über
die Fabrication der Goldgläser ist eine werthvolle Bei-
gabe, die einen Kunstzweig beleuchtet, der nin* wenig
Lesern bekannt sein wird. Erfreulich ist, dass der Ver-
fasser S(iw(dil bei den Elfenbein- als auch bei diesen
Goldglas-Arbeiten die in Deutschland bekannt gewor-
denen Denkmäler specieller Aufmerksamkeit würdigt.
Dabei kann ich nicht verschweigen, dass ich mich
wundere, wie des vorzüglichen Jledaillons ganz ver-
gessen werden konnte, dem de Rossi aus den gewich-
tigsten (iründen eine auch artistisch beaehtenswerthc
Bedeutung vindicirt. Es ist das in Nr. 11 des Bullettino
1864 erörterte Erz-Medaillon mit den sieh zugewendeten
lläu]itern der .Apostel Petrus und Paulus, das offenbar
nach der Natur gearbeitet, beziehungsweise einer sol-
chen Original-Aufnahme entnonnnen und spätestens im
Beginn <\{is III. Jahrhunderts entstanden ist. Ich muss
gestehen, dass ich vor dem Original stehend R ossi's Da-
tirung V(dlkonnm'n gerechtfertigt und in diesem Bronze-
Medaillon ein llauptwei'k ehiistlielier Bildnerei ausge-
prägt fand. Im VI. Abschnilt tritt endlich die Baukunst
in den Kreis der Betrachtung, womit sonst der Anfang
gemacht wird. Ohne hierüber zu streiten, darf ich diesen
Abschnitt für den wichtigsten erklärt'n und aussprechen,
dass di'rselbe niieli nicht iH'li'iedigt hat. Der A'erfasser
knüpft einerseits mit mir an die Palastbasiliea römischer
Grossen den Entwicklungsgang der christliclu'n Basilica
an , andrerseits lieliauptet er die Selbständigkeit des
ehristlielien Bauwerki's, indem er die Cultus-Bedürl'nisso
als massgebend im Auge hat. Ich habe aber gezeigt,
dass el)cn in der Palastbasiliea oder dem basilikenar-
tigen Saale (oecus, triclinium) der Bömcr zugleich die
Erklärung liegt, wie dei- eliristlicln^ Cullus mit der ge-
nannten Bauform vertraut , später in den selbständigen
l'.auweiken der Christen im IV. Jahrhundert seinen
natürlichen .\usdruck faml uml somit mit dieser l'r-
sprunrserklärung zugleich die Anforderung des Cnltus
' /u Si-Ire 179 Icincrkt K r n II 8 , dnss mit mir Auch W 0 i n u är i ii u r diu
l.nteraii-ltiiHlllcn kIh ur^prütmllrlic Cnlnstbaillira betont hnl c> Ich fiiule hi-i
Wcinghrtner ktiii Wort liavon.
— 141
seit langer Zeit im Einklang ersclieinl niul nicht erst
gejren das IV. Jaiirliundert hin nach einer Gestaltunt;-
im Bauwerk suchen musstc. Der Verfasser irrt sicii
übrigens, wenn er W e i n g ä r t n e r als Autor der Erklärung,
welche von der Palastbasilica das christliche Kirchen-
gebäude ableitet , bezeichnet , da W e i n g ä r t n e r i über
den Saal niclit hinausgeht und in dem ll_v|iiitin-aitem]iel
den Ursprung der christlichen Basilica naciizuweisen
versucht. Ich habe ihm also niclit, wie der Verfasser
glaubt, beigestimmt, sondern für mich den Reweis für
obige Ableitung in der Zeitschrift von F. v. Quast und
H. Otte II, 5 geliefert. Dass das bezügliche Heft ver-
spätet erschien, war nicht meine Schuld, wie ja die
Redaction ausdrücklich bemerkt. Ich widmete in den
., Mittheilungen " IHÜO, Nr. 6, der Weingärtner'schen Hy-
pothese eine eingehende Besprechung, wo ich die Un
Verträglichkeit von zwei sich eonstructiv ausschliessen-
der Bau-Systemen , desHypäthral- niid Basilikenbaues,
gerade auf Grund der von Weingärtner angerufenen
Instanz Carl Böttichcr's nachgewiesen , also die Unmög-
lichkeit, den Basilikenbau aus der Hyjiäthral-Anlagc
abzuleiten, dargetiian. Niemand darf also wissenschaft-
licii auf diese Hypothese Weingärtners als Erklärung
der fraglichen Sache zurückgreifen, ohne meine Ein-
würfe widerlegt zu haben. Ich weiss wohl, dass das
niemand vermag und kann somit ruhig die Polemik ab-
warten. Ohne solche Polemik aber, rcspective Wider-
legung, bleibt meine Aufstellung wisseuschaftiieh sicher
und kann nicht einfach ignorirt werden. Anders verhält
sich die Sache, wenn der Verfasser selbst das Richtige
gefunden und seine Darstellung also begründet wäre,
wo eine Beachtung gegnerischer Sätze nicht niithig er-
scheint. Der Verfasser belindet sich aber gleich vielen
Andern, wie Mothes, Lübke, im Irrthume über den
lietreftenden Gegenstand, muss somit auf die richtige
Darlegung verwiesen werden. L ü b k e 's neueste Auflage
der Architektur-Geschichte enthält an diesem Punkte
eine derartig unklare Darstellung, dass der Besitzer
früherer Auflagen des Buches hierin sich entschieden im
Vortheil befindet. Auch die neue Auflage von S c h n a a s e's
Kunstgeschichte kann hier beigezogen werden, da Dr.
Rahn in dem bezüglichen t'apitel wissenschaftliche Ge-
nauigkeit und Klarheit vermissen lässt, wie sehr ich
sonst dieses neuen Bearbeiters von jenem berühmten
Werke wegen der auch in anderen Arbeiten documen-
tirten Sorgi'alt und Gewissenhaftigkeit nur in Ehren zu
gedenken habe. Unsere noch junge Wissenschaft er-
heischt Strenge, wenn es ihr gelingen soll, ebenbürtig
neben der antiken Kunstgeschichte aufzutreten. Unser
Verfasser will jeder Aufstellung gerecht werden, was
nur lobenswerth erscheint ; er wird aber dadurch an
entscheidenden Wendepunkten unklar, ja geradezu irre-
führend. ^^'ürde derselbe meine und R e b e r 's Abhandlung
(Mittheilungen 18G9, 2) genauer beachtet haben, so
möchte seine Darstellung vor manchem Irrthume be-
wahrt worden und das Bild der antiken Basilica richtig
wiedergegeben sein. Ich wiederhcdc ihm und Lübke,
dass Basilica und Hypäthralbau sich entgegengesetzt
sind, somit keines ails dem andern entsprungen sein
kann. U^brigens zeigt der Verfasser an anderen Orten
eine Genauigkeit, die nicht grösser sein kann, wenn er
z. B. das Datum der sogenannten Rei>aratus-Basiliea in
Algerien nach Ilenzen III, f)«) mit dem Jahre o2r> tixirt
und Rahn corrigirt. der nach derselben Quelle das Jahr
326 angesetzt, als ob gar kein liegründeter Zweifel
möglich, wann Manritanien zur römischen Provinz ge-
macht wurde, res|iecti\e ob das Jahr 4(i oder 41 nach
Christus dafür angenommen wird, worin die Chrono-
logen verschiedener Ansicht sind. .\uch kömmt es nadi
Kraus nicht deutlich zum Bcwnsstsein, wer denn der
Urheber der falschen (früheren) Datirung gewesen, in-
dem Kugler und ich dafür in Ansjirnch genommen
werden, die darüber kein Wort geschrieben, sondern
lediglich das Ergebniss der französischen Archäologen
acceptirt haben, von welchen die.\iuiahme ausgegangen,
dass die Aera des Hoiciius für die Berechnung der
Mauretan'schcn Daten zu tixiren, also vor der insehrift-
lichen Zahl 285 auf dem Paviment der Reparatusbasilica
■Vi] abzuziehen sei. Die Quelle des Inthums ist also bei
den französischen Archäologen zu suchen. Ich habe in
den „Mittheilungen- l.S()4, ö, auf Grund der Reparatus-
Krypta und der Cavedoni'schen Berechnung, die der
Verfasser nicht zu kennen scheint, das Datum richtig
gestellt, somit mich selbst corrigirt, bevor mir noch das
entscheidende inschviftlieiie Material von Henzen be-
kannt geworden, dem es gelungen, die Aera zweifellos
zu coustatiren und Orelli's Irrthum zu berichtigen. Über
die Benennung „Reparatusbasilica" konnte dem Quel-
lenkundigen gar nie ein Irrthum begegnen, da die be-
zügliche Inschrift das Tddesjahr des Reparatus genau
bezeichnet. Schliesslich darf ich noch anfügen, dass mitden
Ze stermann'schen Instanzen die neueste Hypotliese,
wie sie in Hamberg's biblischen Alterthümern vorliegt,
nicht beseitigt werden kann, denn von diesen Beweis-
momenten konnte Zestermann noch nichts wissen. leb
habe micli wicderliolt benuiljt, diese Ableitung der
christlichen Basilica von der jüdischen Synagoge und
Tempel-Architektur zu beleuchten und ihre Unlialt-
barkeit zu erweisen, zuletzt in „Mittheilungen- 1871,
o, ohne dass der Verfasser darauf Bezug genommen
oder durch eigenes Raisonnement dieselben Ergebnisse
erlangt hat. In sulche Streitfragen kann man nur ein-
treten, wenn man im Besitz der gesammten Literatur
über die Sache ist. Nur dann erscheint das Urtheil
.^rechtfertigt und für denLesergenügend.Mit Moth e's
Schrift über den Basilikenl)an reicht keine Darstellung
aus, da derselben die liründliehkeit und unentbehrliche
Detailkenntniss mangelt. Dieser Mangel hat Mothes oft
zu unbezeichenbaren Behau]>tungen geführt, die man
heutzutage nicht mehr antreffen soll. In dem Capitel der
f^inrichtungsgegenstände wäre eine mehr eingehende
Behandlung am Platz gewesen, die gerade der Ver-
fasser vorzüglich auszulühren im Stande ist. Die
Orientirung der Kirche und der Gemeinde, Stellung des
Priesters am Altare, die Krypta und iiire Beschati'enheit,
wie die Cömeterieu hierin vim Eintluss sein konnten,
die Lage der Piscina, Verlegung des Atriums u. dgl. —
dies Alles berührt zwar unser Autor, aber nach meinem
Bedünken viel zu flüchtig, so dass für manchen Satz
die Begründung schwer werden möchte. Die byzanti-
nische Architektur und Kunst erscheint gleichfalls zu
kurz behandelt und ist namentlicii von deren späterer
Bedeutung nur in ein Paar Beispielen die Rede. Der
Leser soll nach meinem Bedünken in kurzen Zügen
wenigstens eine Vorstellung und einen Ausblick in die
folgende Entwicklung erhalten, wenn er gehörig unter-
richtet sein will, während hier zu schnell abgebrochen
wird. Kahns vortreffliche, vom Verfasser citirte Arbeit
14'i —
über die Central-Baiiteu wurde liiezu gewiss behilfiicli
geweseu sein. Wenn in der Plastili die Sculi)tiircn von
Cividale in Friaul erwähnt werden durften . dann mfielite
auf So viele andere cliarai^teristiselie (Gebilde dieses Sty-
les gleiclitalls Bezug genonnneu und vor Allem in der
Arehitektuv davon keine Ausnahme gemacht werden. Im
letzten Abschnitt wird das Verhältniss der christlichen
Kunst zur Antike und die Symbolik nml Mythologie der
christlichen Kunst besprochen. Wie schön die ange-
führten .Stelleu aus bewährten Autoren und Dichtern
auch immer .sind, überheben sie doch der Anforderung
nach einigen klaren Sätzen nicht, die den Leser orien-
tiren konnten, üie tiefen Gedanken, die der Verfasser
hier anregt, erheischen auch klare Form, wenn sie
erspriesslich sein sollen. In der Symbolik scheint mir ein
längeres Verweilen augezeigt, das gerade ein solcher
Fachgelehrter billig erwarten lässt. Ich habe von der
Schwierigkeit der Methoile in der IJearlieitung dieses
Thema's durch meine ^drlesuugen über ciiristliche Iko-
nographie genügende Kenntuiss und wäre deshalb
speciell dem Verfasser zum Danke verpflichtet worden,
falls er hierin eingehender gewesen wäre. Die von
Uesl)assay ns de Rieh emon t gehaudhniite Methode
der geschichtliclien Folge gewisser Bilderkreise dürfte
zuversichtlich die beste sein und luüte ich jene schon in
Nr. 2, 1871 der ,.Mittheilungen^ von mir empfohlene
Schrift hierin für die belehrendste. Hier greifen Archäo-
logie und Kunsthistorie innig zusammen, weswegen
gerade Kraus das Beste erwarten Hess. Das von ihm
bereits l)is zur Schlusslieferung geförderte Werk „Koma
sotterrauea'- bei Herder in Freiburg ist der Beweis da-
von; denn es ist weitaus die tretlTichste Arbeit über die
Katakomben, die in Deutschlan<l und Frankreich er-
schienen, wie ich scdion in der Allgemeinen Zeitung un-
umwunden ausgesprochen. Möchte es dem \'erfasser
doch beschieden sein, in solch' gründlicher und erschö-
lifender Weise andere auf Lösung harrende Probleme
der christlichen Archäologie. ■/.. B. die ihm mehr als An-
deren geläulige Eiiigraphik für weitere Kreise, etwa in
Be Blant's Methode zu bearbeiten. Doch wird jede an-
dere Publication dieses Autors auf den gleichen Dank
der Fachgenossen zum voraus zählen können.
l)f. Messmer.
Christliche Architektur und Plastik in Rom vor Con-
stantin dem Grrossen.
V. .1. I*aui IC 1 c li I (' r I>r. IMi., Jiinner 1872, bei rrie(lri<h Frommaiin.
Dieses nur 28 Seiten zählende Schriftchen macht
sich anheischig, der \ <ir-constantinischen Kunst di'i-
Christen nicht nur den Ciiaraklerder Selbstständigkeit
sondern auch der nie wieder erreichten Schöidieit und
Einzigkeit zu vindiciren, wozu ihn der Anblick früh
christlicher Kunstgel)ilde in Uom sichtlich begeistert
hat. Indem ich llber die Arcliitektu}' riiglich liinwcggejie,
die l'iclitcr in den Katakonibenanlagen und den kleinen
Gebäuden über denselben entstehen lässt, worauf ne-
l)enl)ci gesagt schon de Vogu e in seiner Architektur des
heiligen Landes aufmerksam gemacht, will ich das
Princip hervorheben, nach welchem die Plastik der
ersten Kirche l)eh:indelt wird. Sie dauert nach K i c h t e r
nur kurze Zeit und hat weder an die Antike noch eine
andere Kunst angeknüpft. Dies erstehristliche Kunst-
Ideal hat sich in der späteren Kunst nicht fortentwickelt.
Der Faden des Znsammenhangs mit diesem Ideal war
zerrissen. Analog ist der im I\'. Jahrhundert aufkom-
mende Basilikenstyl mit dem Aufgeben der erst christ-
lichen Bauweise , wie denn auch die christlichen Väter
unter Basilica nur profane Gebäude verstehen. AVie
sollten auch die ersten Christen Polizei-Gebäude als
Vorbilder für ihre Gotti'shäuser gewählt haben y Kurz
das I\'. Jahrhundert, die constantinische Periode ent-
wickelt nicht die bereits grundgelegten Keime, sondern
corrnmpirt sie oder setzt ganz verscliiedennrtige Gebilde
an deren Stelle. Die Ideen erstarren fast plötzlich, so
dass die Einförmigkeit der Darstellungen leicht erklär-
lich, bis der Byzantinismus nach drei Jahrhunderten das
Erbe angetreten und seine Normen der künstlerischen
Darstellung zu den noch heute giltigen gemacht hat, wie
die Christusbilder beweisen. Hingegen war die Kunst
vor Constantin original und mannigfach , der gute Hirt im
Lateran-Museum ist das voUkonnnenste Werk derselben
und trotz kleiner technischer Unvollkonnnenheiten einem
Ideal geistiger Schönheit Ausdruck verliehen, welche
Richter unumwunden für edlerund erhabener erklärt,
als die eines A))ollo von Belvedere. Würden wir mehr
Denkmäler solcher Art und Zeit besitzen, namentlich
vor-constantinische Sarkophage, so wäre die Verschie-
denheit evident. Ich habe diesen schönen „Hirten" im
Lateran ebenfalls gesehen und stinnne dem Verfasser in
seiner Begeisterung dafür bei, ohne jedoch seine Con-
sequenzen zu theilen. Ist denn Richter über die Alters-
bestimmung dieses „Hirten" durch Beweise unterstützt?
Wie steht es dann mit den darauf gebauten Behaup-
tungen V Sollten wirklich die Christen zugleich mit ihrer
höchsten Gottescrkenntniss auch solche technische Fer-
tigkeit erlangt haben, dass sie über die Leistungen der
allerdings abgeblühten Antike ohne weiters cmpor-
kanienV Zeigen die Katakond)en-(;emälde der vor-con-
stantinisehen Zeit da\on eine SpnrV Damit, dass nach
Kichter's Verniuthung im IV. Jahrhundert das Heiden-
thum in die christliche Kirche zur erneuten Herrschaft
kam, wird doch die bildende Kunst in ihrer technischen
Beschafl'enheit nicht Schaden gelitten haben? Kraft
welchen Prineips koinitt; denn überhaupt die Antike jene
Vollkonimeniieit erreichen . die ihr doch hort'entlich
Niemand abstreiten wird? Die vom Verfasser selbst
gebrauchte Bezeichnung ,, wahrhaft klassische Anord-
nung" \'on einem Relief in dem näudichen Museum ent-
hält die richtig(! Anschauung, die bei der \\'urdigung der
Renaissance-Sculptnr abermals Platz gewinnt, wie die
Einleitung zeigt. Das merkwürdige Verlassen früherer
lÜlder-Cyklen im \ . Jahrliiiudert und das Vordrängen
der liyzantinisclien AutVassnng und Darstellnngsweise
seit dem \'l. .lalirliundert beruhen keineswegs auf <ler
gleichen Voraussetzung und wenn das IV. Jahrhundert
schon das Zeitalter des Verfalles der speciliscli christ-
lichen Kunst gewesen, so trift't dasselbe mit dem der
heiiliiiselien Kunst Decaden/, v(dlk()mnieu zusammen. Im
11. und III. Jahrhundert stand eben die heidnisch-antike
Kunst iunner noch höher als im folgenden Jahrhundert.
Einzelne Künstler kömien mitunter kleinere Aufgaben
auf meisterhafte Weise gelö.sst haben unabhängig von
der sonstigem Stylriclitiuig oder Kunst\erderi)niss. Es
wiril Aufgabe der Archäologie sein, den rmsehlag in
d(;n Darstellungsgegensfäuden und Aufgabe der Kunst-
143
liisidiic, die Zusanimenhänge der christliclicn mit der
abbliilieiuleii aiitikLii Kunst darzutliuii. In letzterer
Küeksielit steht unser \'ertasser bis jetzt allein mit seiner
Ansicht: „die Anfänge der altehristlielien Kunst gleichen
wohl den; zarten Licht des aufgehenden Morgensternes,
aber ihre l>alm ist die eines ^feteors gewesen". Freiüeli
liegt in diesem Alleinstehen kein Grund, dass diese
Ansicht unrichtig ist, wohl aber ein Grund, reiflich alle
Instanzen zu prüfen , bevor solch' folgenschwere «Sätze
als wahr behauptet werden. In Bezug auf Architektur
liotfe ich dem \'erfasser in Bälde die Haltlosigkeit seiner
Heliauptung nachzuweisen , über die Plastik abei'
bedarf es bei der Beschaffenheit des Beweismaterials,
wie es hier vorliegt, lediglich eines Hinweises auf die
Aussage der Denkmäler und ihrer Geschichte, um die
Unrichtigkeit klar zu machen. Innnerhin verdient dies
.'-Jchriftchen wegen seiner in unserer Literatur immer
seltener werdenden Logik und Klarheit , wegen der
geistreichen Darlegung und vorzüglicher Einzelbemer-
kungen alle Aufmerksamkeit, die ich ihm auch ge-
schenkt habe und bei meinen Arbeiten auch fernerhin
schenken werde.
Dr. ^Icssmer.
Die drei Dombaumeister Roritzer und ihr Wohnhaus,
die älteste bekannte Buchdruckstätte in Regensburg.
\ -"'n Carl Woliieinar N e u in a n n. Mit Vorrede und Nachtrii^eu von Hugo Grat
von Walderdo li'. Uegensljurg 187-'. h° — 200 S.
Bei keiner Kunst tritt die Persönlichkeit des Er-
finders so sehr in den Hintergrund, als in der Baukunst,
wo subjectiver Empfindung und individueller Anschau-
ung der kleinste Wirkungskreis zugemessen. Dazu
kömmt, dass von den Meistern der grossen Bauten des
Mittelalters höchstens der Name ülicrliefert und von den
sonstigen Verhältnissen derselben nichts bekannt ist. Zu
den am meisten populär gewordenen Meistern der go-
thischen Architektur zählt Roritzer, dessen Anleitung für
richtige Construction der Fialen weit verbreitet gewesen
und zu späteren Generationen gelangt ist. Er war aber
nur ein Sprosse der Architekten-Familie dieses Namens,
die gerade .am Donibau zu Regensburg ihre Meisterschaft
bethätigt und ihren Ruhm begründet hat. Matthäus
heisst der Verfasser des Büchlein's von der Fialen-Ge-
rechtigkeit, worauf A. R e i c h e n s p e r g e r nachdrücklich
aufmerksam gemacht. Er war der Sohn des Jleisters
Conrad, der seit 1450 als Dombaumeister zu Regens-
burg thätig war und 1480 seinen Sohn Matthäus zum
Nachfolger hatte. Dieser bildete sich in der Strassbur-
ger-Bauhütte weiter aus, wo er auch mit der Buchdruck-
Kunst bekannt geworden , wie es scheint durch die
Vermittlung des Johann Mentele. Diese Kunst wendet
der Meister 148(1 zu Regensburg für die Wiedergabe
einer Staatsschrift und dann für sein ]5üchlein über die
Fialen in demselben Jahre glücklich an. Sein Bruder
Wolfgang tritt 149.Ö daselbst als Dombaumeister auf,
fertigt das kostbare Sacramentshäusclien , den unüber-
trofllenen Brunnen im Inneren des Domes und fördert
den Bau, bis er 1514 als politischer Verbrecher auf dem
Schaftbt endete. Neumann, k. liayer. llaujitniann, hat
sich durch seine werthvollen Arbeiten auf diesem Ge-
biete längst einen ehrenvollen Namen erworben und
auch von Sr. Majestät, dem Kaiser von Osterreich die
Allerhöchste Anerkennung verdient. Diese vorliegende
Schritt mit ihrem sorgfältig bearbeiteten l'rkunden-
Material ist ein abermaliger Beweis für die bewährte
Leistung des Verfassers. Die Nachträge und Excurse des
Grafen von Wald erdorff erhöhen denWerth des Bu-
ches, darunterdürfte die Ausführung über „die Jungkherrn
vonPrag". deren Di'. Ilg im .">. Heft dieses Jahrganges
der Mittlieiluiigenauf (ound der J..Sce berg 'sehen For-
schung eingehend gedacht, das allgemeinste Interesse
erregen, indem gerade Seeberg's Aufstellungen einer
gerechten Kritik ausgesetzt und in ihrei'Haltlosigkeit ge-
zeigt werden, ^dn den über die Namenführung ..Jungk-
lierreu'' gegeljenen Erklärungen wird Bern. G rueber's
einfache D.arlegung adoptirt und, wie mir scheint, mit
\()llstem Rechte derselben der Vorzug gegeben. M. Ro-
ritzer's Hinweis aui' diese Prager .Steinmetzen aus dem
Jahre 14^(1 wird ausdrücklich als die einzige positive
Nachricht hierüber coiistatirt, die übrigen späten No-
tizen aber mit grösster Vorsicht und überlegener Sach-
kenntniss gewürdigt, deren Mangel J. Seeberg zu unhalt-
baren Behauptungen führte. Dabei wird auf die noch
immer unklare Geschichte des Strassburger-Baues un<l
deren Meister klärendes Licht geworfen und überhaujit
der Zusannnenhang der gro.ssen Meister-Familien von
Gmünd, Köln und Ulm sowie deren verschiedene Thä-
tigkeit aufmerksam untersucht, woran es' noch immer
fehlt. Der Verfasser scheidet stets zwischen sicheren
und begründeten Resultaten und solchen aus, die nur
hypothetischer Natur sind, so dass der Leser immer
selbst urtheilen kann und über den Stand der bezüg-
lichen Frage stets voUkonniien unterrichtet ist. Doch
dieses Thema wird gewiss von einer berufenen Feder
der „^littheilungen'' bearbeitet und obige Untersuchung
in ihrem wahren Werthe beurtheilt werden. Ich finde
nur die Methode gediegen und wissenschaftlich, die
Ergebnisse bcachtenswerth und die Durchführung über-
zeugend. Die übrigen Beiträge über Steinmetz-Zeichen
und Hausmarken, über H. Schäufelin , Hanns Hieber,
die Buchdruckerei des Matth. Roritzer, die vier Ge-
krönten u. s. w. können dem Fachmanne nur erwünscht
und für den Verfasser das Zeugniss allseitiger Erfahrung
auf dem miftelalterlielien Kunstgebiete sein. Die beige-
gebenen Illustrationen ergänzen die Darstellung auf
willkommene Weise.
Dr. Metssmer.
Zahn's Jahrbücher für Kunsigeschichte.
Es ist ein längst und vielfach beklagtes Hinderniss
allgemeiner und rascher Verbreitung der kunstgeschicht
liehen und archäologischen Forschungen, dass Deutsch-
land trotz des regen Eifers tür Kunst und deren Ge-
schichte gleichwohl nur sparsam mit Fachzeitschriften
versehen ist, so dass die Tagespresse häufig flir Mit-
theilung wichtiger Arbeiten in diesem Gebiete in An-
spruch genonnncn ist. ^lan inuss es allen grossen
Journalen Deutsclilaiuls und Österreichs nachrühmen,
dass sie bemüht sind, hierin auf's bereitwilligste die
Sache der Kunstforschung zu unterstützen. Insbesonders
hält es die Allgemeine Zeitung für eine Ehrenaufgabe,
der gewissenhaft zu ents])rcclien sie ihre reichen Mittel
aufbietet, die Wissenschaft im weitesten .'"^inne durch
Fachmänner zu Nertreteii. Für mittelalterliche Kunstge-
schichte besassen wir lanffe Zeit ausser den> Kölner
144
Organ keine Fachzeitschrift, bis im Jahre 18()8 Dr. \on
Zahn in Leipzig- ,.die Jahrlnlclier für Kunst Wissen-
schaft" freilich nuter Opfern seitens des Herausgebers
wie der betheiligten Gelehrten gründete und so endlich
ein Organ in's Leben rief, das wir seit dem Auflii)ren
(1859) der Zeitschrift für christliche Archäologie und
Kunst von F. von Quast und H. Otte schmerzlich ver-
jnissten, da bei aller Liberalität der ücdaction der „Mit-
theilungen der k. k. Central-Commission" immer noch
ein hübsches Quantum von Arbeiten wegen nothwen-
diger Ausschliesslichkeit von letzteren und geringerem
Interesse derselben übrig bleibt, das in dem genannten
österreichischen Organ nur schwer unterzubringen ist.
Bis zu Zahn's Unternehmen war die Kunstforschung
nur an die ..Mittheilangcn" gewiesen, die in nicht genug
gewürdigter Allscitigkeit und Rücksichtnahme das Ge-
sammtgebiet der Kunst allein zu vertreten bestrebt
waren. Auch Lützow's Zeitschrift , obwohl für neuere
Kunst zunächst in's Leben gerufen, hat in rühmens-
werther Weise häufig auf Denkmale des Mittelalters und
deren Erforschung Bedacht genommen , so dass jene
Enc3-chipädie der christlichen Kunst, wie der grosse
Archäolog Didron die österreichischen „Mittheilungen"
treffend bezeichnete und Lützow's Zeitschrift bis zur
Gründung der von Zahn'schen Jahrbücher für den For-
scher fast die einzigen Organe waren, deren er sich für
Publicirung bezüglicher Arbeiten zu erfreuen hatte.
Gleich der erste Jahrgang brachte so viel des Neuen
und Belehrenden, dass es schwer erscheint, Einzelnes
hervorzuheben, da jeder Fachmann für seinen Zweig
Etwas tindet, das ihm zunächst audi das Werthvollste
dünkt. Mir nun waren Patd. Rahn's Artikel über Ka-
venna das Interessanteste und Bedeutenste, da so viel
bisher Unbeachtetes oder Unbekanntes hier seine Be-
achtung und kuiistwissenschaftliclie Würdigung findet.
Baadcr's Beiträge zur Nürnberger-Kunsthistorie, Hass-
ler's Urkunden zur IJaugeschiclite des Mittelalters, Alwin
Scliultz über die Breslauer Malerzunft, Zahn über Ma-
saccio und ^[asolino , sowie über die Dürer-Hand-
schriften und Mündlcr mit seinen Nachträgen zu Burk-
Inirdf's Cicerone dürften auf allgemeinere Anerkennung
recinien können. Den IH. und IV. Jahrgang zeichnen
dann die IIolbein-Forschungen aus, woran sich ausser
His-Häiisicr H. Grinnn, A. Woltmann und W. Schmidt
betheiiigen. ,\uf die Leistungen des letzteren habe ich
schon 1^72. Nr. 1 in diesem Organ iiufnu'rksam ge-
macht. Sehr belehrend ist auch II. Bahn über (Semälde-
cyklen im Canton Granbündten. Dürer wird sell)stver-
ständlicli von der Forschung stets im Auge behalten und
bieten Zahn und Thausing hierin verschiedene Auf-
schlüHse, die der Leser der kleinen Polemik diesei'
beiden Kunstgelehrtcn unschwer entbehren wird. Hans
.Senipcr ülter Donatello bcliandelt ein in jeder IJeziehnng
wichtiges Kajjilcl der italicnisciicn Kuiistgeschiehte, wie
Doi)i)crt in seiner Abhandlung über die Diirstelliingeii
des Abendmahles ein solches der christliclien Ikoiio
graphic. Auch auf Dobbert's Arbeit habe ich unlängst
in diesen PJättcrn hingewiesen, P>aader, Seydel , Keii-
mont iMid llübner \ criitlieliten den Leser auch in diesen
Piänden diir<-li \ crscthiedene l)eacliteiiswertlie Mitthei
hingen. Im f). Jahrgang, welchen das Jalw ISTIJ bildet,
fe.s.self wohl insbesondcrsZah n 's gewissenhafter Bericht
über die interessanten Resultate derHolbein-Aussfcdlinig
in Dresden, der nicht nur, wie es sich von solchem I''or-
scher und Autor von selbst versteht, ohne jegliche Vor-
eingen(nnmenheit, sondern auch mit einer Hachkenntniss
und logischen Schärfe verfasst ist, dass ich mich nicht
erinnere, über dieses Thema Ahnliches gelesen zu haben.
Zahn weiss für sein Urtheil nicht allgemeine Sätze, er
weiss aus der Sache gewonnene Gründe vorzuführen,
deren Prüfung dann dem Leser anheimgestellt ist. Die
Erfahrung des Autors in der Technik der Malerei erhellt
aus der sorgfältigen Vergleichung der beiden Exem-
plare , so dass wir klar und deutlich vernehmen, warum
derselbe nur dem Darmstädter-Exemplar die Originalität
aus des Meisters Hand zuspricht. Mit der Geduld Fech-
ner's geht Zahn jedem Einwand bis zur letzten
Möglichkeit seiner Berechtigung nach und bleibt ferne
von jeder willkürlichen Argumentation. Bei dem grossen
Interesse, welches Holbein in letzter Zeit gefunden,
wird diese vorzügliche Abhamllung gewiss von Jedem
gelesen werden, der auf kunstgeschichtliche Bildung
Anspruch macht, wesshalb ich zu anderen Aufsätzen
übergehen kann, die weniger bedeutenden Künstlern
und Kunstwerken gewidmet sind, wovon die Studie
Schmidt's über Nicolaus von Neufchatel zunächst ge-
nannt werden nmg. Die Verwirrung über den Namen,
Heimathsort und ersten Unterricht dieses Meisters weiss
Schmidt vortrefflich zu lösen und den kostbaren Werken
desselben Kritik und Char.Tkterisirung zu widmen.
Piper's grosser Aufsatz über die mittelalterliche Dar-
stellung „Maria als Thron Salomo's und ihre Tugenden
bei der Verkündigung'- gehört dem Gebiet der christ-
lichen Ikonographie an, der vom Verfasser mit beson-
derer Rücksicht auf ein Gemälde im christlichen Museum
zu Berlin eine grosse Bereicherung zu Theil wird. Auch
diese Abhandlung wird für den Fachnninn Gegenstand
genauen Studiums sein müssen. Allgemeinere Aufmerk
samkeit, als das unscheinbare Thema beansprucht,
möchte ich für den Aufsatz Dr. Georg De liio'süberdie
Theodorichs-Statue zu Aachen hervorrufen , weil ich ihn
für ein Muster von Kritik, logisc-hcr Ausführung und
nüchterner Gelehrsamkeit halte, der es gelingt, nicht
nnr eine unzulängliche Annahme zu l)eseitigen sondern
auch eine positive üehauptung aufzustellen. Wenn in
solch' ansprechender Weise die Historiker der Kunst-
wissenschaft behilflich sind, dann können nur günstige
Ergebnisse erwartet werden. Dehio verftihrt wie ein die
Acten darlegender und Schritt für Schritt mit dem ur-
theilenden Leser an's Ziel gelangender Aut(n-, di-r nach
lichtvoller Darstellung des negativen Resultates zum
l)ositiven vorwärts füln't. Zuerst wird gezeigt, dass die
Aachener Statue keine Theodorichs-Statue sei und dann,
was sie wahrscheiiilicherweise sein konnte. Mit den
l'rülieren .\utoren dieses 'J'hema'sC. P. Rock |S44un(lH.
(iriiiim 1S()',) setzt sich der Verfasser erst am Schlüsse
auseinander. Während C. P.Bock die Aachner-Statue
für identisch mit der zu Ravcnna. und für eine Statue
Tiieodorieh's erklärt. liissl H. Gi-inim die Identität mit
der Raxcniiater-Slatiie lallen, und hüll nur an Theo-
doricli fest. Beides wird als nmnöglicli dargethan und
ohne irgend dem Wortlaut (Sewalt anzuthun, aus Wa-
lafrid Strabo's Gedicht vom Jahre 829 das besagte
negative und positive Ergebniss entwickelt. Die äus-
sersfe \'orsiclil im ComlMniren nnd Deuten isl bei solchen
(Jeistesproducten, wie dies (redicht darstellt, vor .MIeni
angezeigt inid man nniss es dem V\M-fasser nachrühmen,
dass er seinem \'orsatze nu'isterhaft entsprochen. Nach-
Uö
dem die unniittelbar aus dem Gedichte sich ergcl)endeii
Punkte und Schlüsse festgestellt, sieht sich der Ver
fasser in der sonstigen, zunächst italienisciien Quellen-
Literatur um, um den IJei Interpretation des (Jedichtes
noch uncrürtert gelassenen Punkt zu erledigen, ob
Walafrid wirklich die Kavenater-Statuc gemeint und
dann ob dieselbe den Theodorich vorgestellt habe.
Beides war nicht der Fall. Jenes wird aus den i)ositiven
Stellen italienischer Quellen und dem Stillsclnveigen der
hier in massgebenden fränkischen Literatur zur Evi-
denz erhoben und dieses aus der damaligen Sitte der
Deutschen, in antiken Bildwerken, zumal IJeiterstatuen
mit Vorliebe den ,, Dietrich von Bern- zu sehen, kurz
und bündig klar gemaciit. Diese Partie des Aufsatzes
ist ausgezeichnet zu nennen. Die vielen in den römischen
Provinzen aufgestellten Eeiterfiguren lassen auch in
Germanien ihres gleichen erwarten , so dass unser
Jugendlicher Strabo mit seiner Deutung auf 'riicddorich
nicht allein stehen mochte. Die andere im Gedicht
beschriebene Scul[)tur vermutliet unser scharfsinniger
Autor als eine bacchische Darstellung, die nui' der
Dichter mit dem Reiter in Zusammenhang l)ringt. die
aber in Wirklichkeit damit nur so \iel zu schaffen hatte,
dass sie neben der Peitertigur räumlich aufgestellt, nicht
aber dazu componirt war. Die bacchische Erzstatue war
höchstwahrscheinlich ein cymbalirender Satyr, mit der
in Relief Figuren dieses Gyklus \erbunden waren, womit
das Fussgestell von Statuen geschmückt zu sein ptlegte.
Obwohl der Verfasser dieses Ergebniss ausdrücklich als
blosse Vernmthung hinstellt , wird ihm doch jedermann
beistimmen, der in der mittelalterlichen Anschauung
und Beschreibung einigerniasscn erfaiiren ist. Bezeichnet
doch schon Gregor v. Tours im \\. .lahrhundert die an
einem Thunne zu Arverna angebrachten Bogenträger
als Hercules, wie die Bollandisten das Wort „heracliis-
Gloria JLartirum 1 , G5 zum 6. Februar richtig erklären,
womit eben die Gesimsträger in Gestalt von Atlanten
gemeint sind. Es wäre lohnend, diess Gebiet einmal zum
Gegenstand specieller Forscining zu machen. Ich kann
den Bericht über diesen inhaltlich und formell ausge-
zeichneten Aufsatz nicht schliessen , ohne noch auf eine
frühere Studie dieses Autors hinzuweisen, die er im
Bremischen Jahrbuch 1871 gelegentlich der Ahhundlung
,,Hartwicli von Stadl" über den nordischen Backsteinbau
publieirt hat, deren Ergebnisse für die Geschichte der
Deutschen Baukunst von ganz besonderer Wichtigkeit
sind. Da der Forscher nicht leicht in solcher .Mihandlung
eine derartige Untersuchung vermuthen dürfte, will ich
in Kürze das Nothwendige darüber zusammenstellen.
Bis in die Mitte des XII. Jahrhunderts hatte man in der
norddeutschen Ebene und so auch in der Altmark, die
des gewachsenen Bausteins gänzlich entbehrt, zu monu-
mentalen Bauten ausschliesslich die überall undierlie-
genden erratischen Granit-Blöcke benutzt, ein Jlaterial,
das durch seine ungefüge Rohheit und Sprödigkeit jede
künstlerische Gestaltung unmöglich machte. Plötzlich
und unvermittelt erscheint nun indem 114ii begonnenen
Bau der Klosterkirclie zu Jerichow ein Backsteinbau,
der durch strenge, edle, stylvolle .\nlagc und l)esonders
durch meisterhafte Technik in der Behandlung des Ma
terials alle späteren überragt. Von diesem Bauwerk aus
lässt sieh dann die Weiterverbreitnng der Backstein-
Technik in der Altmark und den deutschen Ostsee-
liändern deutlich verfolgen. Diess plötzliche Auftreten
XVlll
iner neuen Bauweise suchte nun F. nou Quast zu
erklären und wegen der l'bereinsfinnnung der Detail-
l'iirmen an der Jerichower-Kirche mit ncird-italienischen
Bauten den Ursprung in letztrnu naclizuwejsen, wäii-
rend Adle r wegen der kleinen Dimensionen der Ziegel an
dieser Kirche zu Jerichow auf niederländische Quellen
schloss, mit welchen die Technik und das Format der.
l>acksteine liarmoniren. Diesen Widerstreit löst Deliio
in \ollkunnnen befriedigender Weise, llailwich, Erz
bischof von Hamburg-Bremen, war nämlich gerade in
dem Jahre 1149, wo der Bau zu Jerichow begann, in
Italien, wo selbst er solche Backsteinkirchen geschaut
und die Brauchbarkeit dieses Älaferials erprobt fand.
Das Verlassen der bisher üblichen Technik und Bau-
weise erklärt sich unter dem Vorgange dieses maassge-
benden Mannes nunmehr sehr leicht, der sich mit eige-
nen Augen von der Tauglichkeit dieses Materials in
Italien überzeugt und in den niedrrländischen Arbeiten
seiner seit 1140 mit Eifer iietriebenen Colonisatiun die
Hände zur Verfügung hatte, welche, vielleicht unter
Leitung eines italienischen Baumeisters, die Lieblings-
stiftung Hartwichs zu Jerichow in 10 Jahren vollendeten.
Die i'bertragung des Backsteinbaues nach Norddeutsch-
laud ist also das Werk Hartwich's, der für seine Colonien
die Niederländer herbeigerufen und durch dieselben in
der ihnen eigenthümlichen Technik des Baeksteinbaues
nach italienischen Mustern, die der Stifter selbst kennen
gelernt, die erste Kirche aus diesem Material auffüiiren
liess, die in der Folge für die Bauten der Umgegend
nmassgebend geworden. A\'ie unter Erzbisehof Adalbert
der ursprünglich nach dem Kölner-Dom angelegte Bre-
mer-Dom 1(14;') nach dem Muster der Cathedrale zu
Benevent umgeändert worden , da Adalbert Italien
besucht hatte, so wurde aucii hierin des Bremer-Erz
bischof Hartwich's Vorbild und dessen neuer Kirchenbau
nach italienischen Muster ausgeführt. Ich erachte solche
historische Arbeiten für die Kunstgeschichte von un-
schätzbarem Werthe und konnte mir desshalb nicht ver-
sagen, darauf hinzudeuten. Für die spätere Baukunst in
dieser Technik und Gegend möchte ich noch Beigau 's
von Nürnberg im II. Jahrgang gegebene Darstellung
erwähnen, wornach auf Grund der Forschungen F. von
Q u a s t 's die schönen Sterngewölbe norddeutscher Bau-
werke, zunächst am Dom zu Königsberg vom Jahre loSf)
aus England herzuschreiben sind, Avomit der Deutsch-
orden in lebhaftem Verkehr gestanden.
fh-. Messmer.
Das Pressburger Rathhaus.
Die Monographien-Literatur kann auf keinem wis-
senschaftlichen (iebiete in Österreich willkonunener ge-
nannt werden , als auf dem der Altertluunskunde,
Kunstgeschichte , Denkmälerkunde etc. Es fehlt hier
noch au derartigen Arbeiten in sehr fühlbarer Weise.
In den einzelnen Städten , die so vieles enthalten , was
noch nicht der allgemeinen Kenntniss zugeführt wurde,
tinden sich noch innner zu wenige, welche es unter-
nehmen, in literarischer Bearbeitung ihre heimatlichen
AVerke und Monumente der Kunstgeschichte zu ver-
mitteln. Aber nur auf diesem Wege, durch emsige De-
tail-.\rbcit . werden wir dahin gelangen, ein Gesammt-
bild, ein genügendes umfassendes A'er.stäudniss für
19
146
Österreichs vielzerfahreue Knust- uud Ciiltur-Gescliichte
allmälig zu erlangen.
Zu solchen Versuchen zählt das in Prcssburg bei
C. F. Wigand 1872 erschienene Schriftchcn : ,,Das
Pressburger Rathhaus und der Stadtrath, dessen Ge-
schichte , Entwickclung und Verhältnisse im Jlittelalter.
Nach archivalischeu Quellen zusammengestellt von Stefan
V. K ukovszky." (Separat-Abdruck aus den alterthüm-
licheu Überlieferungen von Pressburg. Als Manuscript
gedruckt. Bei Benützung Quellenangabe vorbehalten.)
Wir begreifen diese letztere, aller wissenschaftlichen
Liberalität unseres Zeitalters widersprechende Mass-
regel keineswegs ; das Quellenstudium , welches von
grossem Fleisse in dem Werkchen zeugt, wird dadurch
entwerthct, wenn es sich bei der einmaligen Citirung
bewenden soll. Wir geben im Folgenden aus dieser
."^chrift, was darin von kunsthistorischem Werthe ent-
lialten ist.
Das gegenwärtige Rathhaus der Stadt wurde von
der Gemeinde gegen Ende des XIII. Jahrhunderts aus
Privatbesitz um 447 Goldgulden abgekauft. Es heisst
das neue Rathhaus im Gegensatz zu dem alten , welches
aber auch noch im XV. Jahrhundert als solches benützt
wurde. Das neue Rathhaus litt vielfach in der Belage-
rung von 1442, in Folge dessen zahlreiche Urkunden
die stattgehabten Renovirungen bezeugen. 1449 geschah
ein totaler Undjau des Hauses , wobei die runden Zin-
nen an Thurm und Gebäude bis auf einige, heute noch
bemerkbare Reste entfernt wurden. Es kamen hölzerne
Dachrinnen und 1451 das noch erhaltene Ziegeldach
hinzu. Nicole, der Maler, nach Sitte der Zeit auch Gla-
ser oder Glasmaler, versah damals die Fenster mit
Scheiben. Sechs Jahre darauf brach man den alten
Gang ab und wölbte das Thor neu. 1496 geschah ein
grosser Undiau. Die gleichzeitige Rechnung erwähnt die
„trachstain und Mcriclistukch" zu den Erkern und zum
Dache. Diu Stciiihüttc für diese Arbeiten stand vor dem
Wedritzthor. 149h fertigt Caspar Stosser eine Eisen-
thUre von einem Centner Gewicht. 1533 wurde die
ganze Front und der Thnrm durch den Maler Hans,
welcher dafür 15 Thaler und 1 Halbe Wein erhielt, be-
malt, 1541) wurden die Zinnen auf der Raitstube ge-
malt, wofür Hanföll, ein Farbsclierben und Eier beschafft
wurden. 1 551 — 52 baute man den rückwärtigen Tract und
das rückwärtige Thor, I5s] baute der Steinmetz Piarthlme
von Wolfstal die 5 grossen j'feiler des gewölbten (ian-
gQs; 1599 erhielt die äussere Front das gegenwärtige
Aussehen; die .Münzkammcr, welche im Jahre 1434
rückwärts im Hofe des Gebäudes eingerichtet wurde,
seheint ein Holzbau mit grossen Säulen gewesen zu sein,
1444 wurde ein Selimelzofen hineingemauert. Wenn der
Verfasser beliaui)tet , dass die Capellc gemeint sei,
wo in einer Urkunde von 1443 das Heilthum ge-
nannt wird , welches man dem l'.isehof von Gran
zeigte, und für dessen Almer liartlnie Stosser das Ge
schmeid ferti;,'te, so ist das ein Irrtlinm. Unter lieiltliuni
sind immerdar nur Reliquien und Kleinode verstanden,
die sieh vornehme Gäste zeigen Hessen und die man in
Kästen aufbewahrte, nicht aber ein Gotteshaus; wenn
eine Reeliniiiijr vom folgenden .fahre besagt, dass das
Heilthum im Thurme lag, so kann damit wieder nur der
Heli(|uieiischatz, und nicht die Capelle gemeint sein,
denn die alte Sprache bedient sicli zwar von jenem,
nicht aber von einem Locale des Ausdruckes, ,,liegcn-'.
1566 wird der alten Capelle Erwähnung gethan. Auch
eine Rüstkammer, ein Hausbrunnen, die Rathsküehe,
die öttentliche Wage uud der Laden der Tuchscherer-
zunft befanden sich in dem Gebäude.
Den Thurm finden wir zuerst 1439 erwähnt, in-
dem damals 2 Ellen bleicher Zwilch für das Stadt-
panier auf dem neuen Thurm verrechnet werden. 1442
goss Hanns Zinngiesser die Wächterglücke, das Jahr
daraufmalt der Maler Casi)ar ein Banner für den Thurm,
1446 Nicole Tagingcr ein anderes auf rothcm Zetter,
welches das Stadtwappen trug und beim Jahrmarkte
ausgesteckt wurde. Der Thnrm erhielt 2 Glocken und
vergoldete Knöpfe am Dache, hidzerne Wachthürmchen,
und 1533 ein eisernes Geländer, welches Hanns Tier-
garten, Maler, roth anstreichen musste. Die Almärc
wurden 1547 bemalt; 155u befanden sich hier auch drei
Sonnenuhren, später entstand die jetzige Steingalerie
und die Uhr, deren Tafeln und Zeiger Wolf, der Maler,
bemalte und vergoldete, Maler Hanns renovirt 1579 das
Bild der Gerechtigkeit auf dem Rathhaus , der Maler
Hanns Finke die, grosse Kugel, ,,so den Mondschein
zeigt" mit blauer Ultarbe und vergoldet sie. l()7(i fer-
tigt der Bildhauer Lorenz Püro das steinerne Marien-
bild an der Thurmecke, welches Stephan Särosy be-
malte.
Die Rathsstubc, Herrnstube genannt, finden wir
zuerst im Jahre 1439 genannt. Eine Rechnung aus jener
Zeit spricht von 15 Ellen Leinwand zu Sliemen und:
item und dovon zc malen den Caspar Maler. Der Ver-
fasser täuscht sich jedoch, indem er dafür hält, dass
)nit diesen Sliemen gemalte \'orhänge gemeint seien.
Schon die aus der Mitte des Jahrhunderts stammende
Ordnung der Handwerke und Züntte für die Procession
am Frohnleicimamsfeste zu Wien, führt die Sliemer
uml zwar neben den Pergamentmachern und Lederern
auf, es waren die Verfertigt'r von geöltem Papier, wel-
ches in der Zeit, da nach Aeneas Syh ins' Zeugnisse in
Österreich gläserne Fensterscheiben noch selten waren,
als Verschluss der Li(diteinlässe in den Stuben ge-
braucht wurde. Und diese Bedeutung wohnt dem Aus-
drucke auch hii'r bei.
Einmal werden Farben, Minium und Eier ,,zu der '
rotlien larib zum Ofen", der auch unter dem Namen „dy
Kacheln' erscheint, in Rechnung gestellt (1449). Hans
Hafen ist der Verfertiger dieses „Gläsern Ofen", der
von einem „Gatter" undViedet war. 1457 wurde ein an-
deres Gitter, vor der Herr(^nstul)e, mit rother Farbe
angestrichen, 1459 erhält der Ratlischnued Auftrag,
zwei messingene Leuchter für beide Rathstubcn anzu-
fertigen. In diesen iüiumen wurde auch iler anselinliehe
Silberseliatz der Stadt bewahrt, das „silber gesehmaid'',
in einer schwarzen Lade. 1545 wird der „hangende
Leuchter" im Saale rcparirt und 1577 die bis jetzt er-
haltene llolzilecke angefertigt, damals auch ein grün-
glasirter mit iÜldwerk xcr/.iei'ter Ofen aufgestellt. So-
dann \on der Christdif llotVmannin Sehlosserin 2 schöne,
grosse „ blat sehloss mit verzierten Flamen Panten und
Handhaben-' gekault, der Drechsler nniss 9 Räiditllsse
machen, der linden der IJallistuiie wird mit schönen
Ziegeln gepllaslcrl, und Meisici- Andice Liitringer, Stein-
metz zu DeutscJi-Altenbuig, macht 2 steinerne Thliren
mit Fries und ijbersims. In dieser Weise wird die 11er-
stelluug zaldreicher Einrichtungsstücke für die Ratlis-
stube verzeichnet , woruider folgende Punkte einiges
147
kunstgeschichtliche und teclinische Interesse gewähren.
Es wurden Ahnare vergittert und mit Scluibliiden ver-
i;ehen, gefertigt eine gewiirteite Thüre , Gclbholz zum
.Stadtwiiinicn (also wahrschcinlicli Intnrsiaarbeit), Ter-
pentin und Firniss, Linden- und Fiaderholz gekauft.
Ein Maler muss in dieser Stube etliche Köpfe und
.Sehlicssen vergolden, 35 Ellen gemalte -Spoiler" zu
Vorhängen werden gekauft, desgleichen einTiscii, ,,den
man grösser und kleiner lassen kan" dazu Baumöl, wohl
um das Geräthe dunkel einzulassen. Selbst eine Wecker-
uhr befand sieh hier schon 1589. Ein Sidincider bessert
1606 die Tapeten aus und besetzt sie mit rother Lein-
wand.
Auch für die Schranne, 1449 „Gemainstnben'' ge-
nannt, wo sich die viri electi versammelten, wurden
allerlei Kunstarbeiten besorgt. Sie war mit verschie-
denen Bildern behangen, 1539 für dorthin zu Wien eine
mappa nunidi um 2 Thaler 4 Scliillinge gekauft.
Hanns Thicrgarten malt 1545 einen arborem con-
sanguinitatis und eine Tafel, „darauf der Aw gelegen-
hait, mehr auf Begern der Herrn, der Fliss gelegenhait
zu entwerffen". Für eine Aufklärung dieser dunklen
Stelle, wären wir dem Verfasser zu Dank verjjflichtet;
soll es nicht Flüss anstatt Füss heissen? 1569 wird eine
Abbildung von dem Begängnisse Kaiser Ferdinand's auf-
gemacht. Interessant sind die über die 1577 vorgenom-
mene Ausmalung des Schrannengewölbes erhaltenen
Notizen. Es wurde der Boden , d. h. Plafund, von neuem
bemalt, wozu ein Malergeselle gedungen wurde, welchem
die Stadt die nöthigcn Farben selbst verabreichte. Die-
selben lieferte ein Krämer, und zwar Kreiden, Mönich,
Zinober, Pleygelb, Bergplab, Indrich, schmaltex, ferner
Berggrien und Plcvweis (vtl. hiermit Cennini Cap.
36—62).
Heute ziert den Saal ein reicher, in seiner Art
jiräehtigerStuceoplafondmit Fresco-Malereien, im Jahre
1695 von Bastiane C'orati Orsati, .,Wälisc]ien Stokha-
torerarbeiter-- und Joliannes Dreutwerth, einem Augs-
burger Maler, vollendet. Hier waren Rüstungen, sowie
der noch erhaltene schöne Tiuirkasten, Schlachtendar-
stellungen, Kupferstiche, f'ontrafäte in Nussliolzralnnen,
und Tapeten. Die schöne Einfahrt des Rathhauses wurde
bereits vor 10 Jahren restaurirt, gegenwärtig hat die
erste Pressburger Sparkasse den lobenswerten Beschluss
gefasst, ein Gleiches für die Innenräume durchzuführen.
A. Ihj.
Das Waffenmuseum der Stadt Wien.
Wir hatten in einem früheren Hefte Anlass geliabt,
ein inländisches grösseres Waffenmuseum zu bespre-
chen . iiändich jenes in seiner Art einzige und höchst
werthvolle, welches gegenwärtig noch Landeseigcnthum
der Steiermark ist, und sich zu Griitz betindet. Die Ver-
anlassung jener Besprechung war keineswegs eine
erfreuliehe , vielmehr wurden der Bangigkeit Worte
geliehen, um beizutragen, das dieses kostbare Museum er-
halten bleibe und nicht, wie beabsiclitigt sein soll,
zersplittert und uaeli allen Windriclitnngen zerstäubt
werde.
Diessmal hingegen leiten uns die entgegengesetz-
ten , nur freudige Gefühle, denn die Watfensamm-
lung der Stadt Wien, die seit jeher von Kennern als eine
mit Rücksicht auf ihren Zweck und ihren Besitzer niclit
wenig werthvolle C(dleetion erkannt wurde, ist nun
wieder dem Publicum zugänglich geworden. Wie wir
aus dem Vorworte des eben erschienenen Catalogs
erselien, hatte der Gemeinderath der Stadt Wien, geleitet
von dem Einfluss der heutigen Anschauungen über den
Wertii und die Bedeutung von historischen mit dem
Cultur-undKunstleben im innigenZusannncnhange stehen-
den Sannnlungen am (I. Juni \H1'2 beseidosscn, das
bürgerliche Zeughaus am Hof einer durchgreifenden
Neugestaltung zu unterziehen. Die Durchführung dieser
Reform wurde einer Speeial-Comndssion unterzogen,
zu deren Mitgliedern auch der um die Geschichte Wiens
verdienstvolle städtische Archivar und Büdiotliekar
Karl Weiss gehörte. Die wissenschaftliche Richtung
und Leitung der Neuaufstellung der Watfenvorrätlie
üljernahm der Vorstand des k. k. Wartenmuseums,
Regierungs-Rath Quirin L e i t n e r. Bei der Neugestaltung
galt als Grund.satz, dem Zeughause den Charakter eines
bürgerliclien Waft'enmuseums zu erhalten und bei der
Aufstellung die möglichste f^inhaltung der chronolo-
gischen Folge. Dass dieses Ziel erreicht, und die Auf-
stellung durch dieses leitende Princip sehr belehrend
wurde, wie auch, dass diese Sammlung in ihrer heutigen
Gestalt und Bestimmung, das ist als städtisches Waffen-
museum, einen hervorragenden, wenn nicht den ersten
Platz einnimmt, wird jeder unparteiische Besucher zu-
geben.
Überblicken wir nun die aufgestellten Gegenstände,
so findet sich eine sehr namiiafte Zahl von Rüstungen,
Brust- und Rückenstücken, die bis in die Zeit Kaisers
Max I. zurückreichen und meistens von den Bürgern
Wiens bei den vielen Anlässen zur Vertheidigung ihrer
Stadt getragen w-urden. Die Bürgerharnisehe sind als
solche dadurch gekennzeichnet, dass auf der Brust das
Wiener Stadtwajipen mit einer Jahreszahl wie z.B. 1506,
1571 eingeätzt ist. Historisch beglaubt werden die Har-
nische mit der ersteren Jahreszahl durch die erhaltene
Stadtrechnung dieses Jahres, laut welcher die Gemeinde
dem Wiener Bürger Georg Zimmermann 60 Harnische
um 450 W. Pf. abkaufte und dem Augustin Hierschvogl
für das Einätzen der Stadtwappen, Nummern und Jahres-
zahl e. 17 W. Pf. bezahlte. Wir linden ferner Sturm-
hauben, schwarze Ritterrüstungen aus dem 30jährigen
Kriege, Morions aus dem Anfange des XVII. Jahrhun-
derts etc. Bedeutendere Rüstungsstücke sind ein vollstän-
diger Reiterharnisch aus der 2. Hälfte des XV. Jahrhun-
derts, ein vollständiges Rosszeug (XVI. Jahrhundert),
mehrere Reiterrüstungen (1. Hälfte XVI. Jahrhunderts),
davon eine den Namen ihres einstigen Besitzers Hans
von Siergeustein trägt, ein Brustiiarnisch, welcher auf
der oberen Bordüre die Ordenskette des goldenen Vlieses
in eingeätzter Arbeit zeigt, zwei halbe blanke Harnische
(2. Hälfte des XVI. Jahrhunderts), einen mit geätzten
vergoldeten Strichen, der andere mit zierlicher Bordüre
und den eingeätzten Figuren eines Landsknechtes und
Fäbnrichs in Manier Jost Amans, zwei ganze Harnische
aus derselben Zeit mit geätzter vergoldeter Ornamenti-
rung, welche bei einem derselben in der Zeichnung vorne
und rückwärts einen aufrecht stehenden Löwen bildet.
Besonders reichhaltig ist die Sammlung an Watfen
aller Art, als Spiessc aus der Zeit Kaisers Friedrich IV.,
Hclnibarten aus dem XV. Jahrhundert mitunter mai-
länder Arbeit, Kriegsgabeln, Aalspiesse, Reisspiesse,
Partisanen, Schatflin, Bohrschwerter, Panzersteeher,
zweihändige Sehwerter, Dolche, Haudegen (aus dem XVII.
19*
148 —
Jalirhuudert) Streilkolben, Armbrüste saiunit Bolzen
und Winden , Radschlosspistolen, Faustrohre, Lunteu-
gewehre, OlFicierspartisanen, deutsche Säbeln, Spring-
steeken, Trombous , Bürgergewelire von der Zeit der
Kaiserin Maria Theresia an u. s. \v. Hervorzuheben ist
die Sannnlung von mitunter sehr gut Itemaltcn Tartschcn,
die theihveise noch dem XV. Jaln-hundert angehören
dürften; Schilde dieser Art konunen sehr selten vor,
daher die im städtischenZeughansebetindliche bedeutende
Anzahl derselben schon als eine der reichsten bestehenden
Sanunlnngen dieser Art bezeichnet werden muss.
Von einzelnen Wafl'en seien erwähnt ein Traban-
tenspiess mit dreifacher Schiessvorrichtung, eine Rad-
sehlossbüchse mit gedeckter Pulverpfanue und Rauch-
fang. Bajonnete ältester Art (c. IGSG) mit hölzernen
Gritfen. die beim Gebrauche in den Lauf gesteckt wur-
den etc.
Aus den l)piden Drangsaljahren 1520 und IGSo,
w eiche die Glanzpunkte der Geschichte Wiens bilden,
bewahrt die Sammlung manch' werthvolles Angeden-
ken, wozu noch einige später erl)eutete Gegenstände
gekommen sind; eine Scident'ahne der spanischen Hilfs-
truppen, eine Bürgerfahne, die aus dem XV. Jahrhundert
stanunt undbei Vertheidigung der Stadt gegen die Türken
im Gebrauche stand, 16 türkische Fahnen, viele türkische
Wafl'en wie Handschars, .Schwerter, Lanzen, Pfeile,
Rossschweife , Janitscharentrommeln , Patrontascheu,
Arnautcngewehre und den Schädel Kara Musta])ha's
sammt dessen Todtenhemd.
Ferner finden sich als Erinnerung an die Wehr-
kraft der Bürger und die Erfolge ihrer muthigen Geltung,
besonders aus der Epoche der grossen französischen
Kriege, zahlreiche Bürgerfahnen von Jahre 1699, 1745,
1805, 180(), 1825, 1841 u. s. w., auch französische
Fahnen aus dem Jahre 1809, Unitormstücke Seiner
INfajestät Kaisers Franz L und einiger Generäle;
Kanonen, die dieser Kaiser der Stadt Wien schenkte,
u. s. f.
Von andern Gegenständen, welche im städtischen
Museum aufbewahrt werden, seien noch erwähnt 15
Wappenschilde von den Begräbnissen Kaiser Friedrich
IV. (28. August 1493) und des Albrecht VL (2. December
14G3) stammend, bie bisherinder St. Stefanskirche auf-
bewahrt waren ; dann der Stern sammt Halbmond und
der k. Adlermit deniDoppelkreuze vimi St. Stefansthurme
herrührend, Sprachrohre u. s. w.
K. Lmd.
Todesaiizeiseu.
Am •). März d. J. starb zu Brixen Hochw. Herr
Georg Tinkhauser, Regens des fürstbischöflichen
rassianeums und k. k. f'onservator der Baudenkmale im
Brixncr-Kreise. Er war ein viell)egabtcr und thätiger
Mann ; in seinen jüngeren Jahren widmete er sich vor
anderem dem Studium der Weltgeschichte, aber bald
wendeteer alle seine ausgezeichneten Geisteskräfte der
(ieschichte und Erforschung der Kunstdcnkniale zu.
Davon zeugen viele Aufsätze und Notizen in den ,. Mit-
theilungen der k. k. Centrnl-Connnission für Baudenk
male-'; beinahe in jedem Jahrgange finden sich Proben
seiner ausgezeichneten ai-chäoldgischen Kenntnisse.
Als k. k. ('onservator mit den nfitliigcn .Mitteln unter-
stützt , konnte er auch unmittelbar zur Erhaltung in-
teressanter Kunstdcnkniale mitwirken, wie z. 15. zur Er-
haltung des dem Verfalle nahestehenden Kreuzganges
am Dome von Brixen mit den vielen wertlnoUen Gcmäl
den aus dem XI\'. und XV. Jahrhundert. Auch stellte
Herr 'l'inkiiauser mit Hülfe des liereits vorliegenden
und aus authentischen Quellen gesannnelten l\Iatcriais
l)einahc zwei Bände Diöcesan-Beschreibung zusammen.
Dieses Werk hätte freilich gute Gelegenheit geboten
zugleich einen arciiäulogisclien FllhriT in der Diöcese
l'.rixen zu bilden, al)er auf diese von uns gesteüte Bitte
inusste der Autor leider bemerken, dass er wegen sei
ner beständigen Kränklichkeit die einzelnen Kirchen,
Klöster und Burgen mit ilireii Capellcii ])ersönlicli nicht
untersMcben könne, daher das Sciiweigen odci' der nnin
gelliafte i»ericiit über nnmchc interessante Kunstüber
reste naclisiclitig hingenommen werden möchte. .Seine
tüchtigen archäologischen Kenntnisse waren allgemein
geschätzt lind von jilieii Seiten -wendeten sich Architek-
ten, Maler und Kirchenvorstände an ihn um Ratli und
Anleitung bei Restaurationen und Neubauten. In den
Mussestunden beschäftigte sich Tinkhauser mit kleinen
Zeichnungen und Holzschneideii und verfertigte so unter
Anderem das Modell einer Kirche in romanischen Style.
Das war ihm, da er nie ganz unthätig sein konnte, eine
angenehme Erholung, wenn er wiederum recht leidend
geworden war und seine überreizten Nerven einer Ab-
s])annung bedurften. In letzterer Zeit arbeitete er an
zwei bedeutuiigs\oileren Aufsätzen : ,,über die Ge-
schichte des christlichen Altars" und „des Kreuzes".
Zu diesem Zwecke Hess er durch l'assler aus Linz
mehrere alte Kunstwerke des Landes genau aufnehmen,
um so zu deren näheren Keiiiitniss beizutragen. Leider
sind beide Arbeiten nicht vcdicndet wtirden. — Wir glau-
ben mit Recht sagen zu können, dass nicht allein Tyrol
sondern Gesammt-Osterrcieli durch Tinkhauser's Hin-
scheiden einen schweren \'erliist aut dem (iebiete der
ai-eJiäiilogisclieii Furschungen erlitt. Atx.
Nicht mindei Ji.-irt wurde die k. k. Central-Com-
mission diindi den Tod zweier ihrerMitgliederbetrotVen.
Jacob Freiherr ^(ln It c i <■ h , k. k. Miiiislerial Watli des
Ministeriums des Innern, zuletzt im iiiiliestand versetzt,
lind seit dem Insiclienfreten der Cominission deren
Mitglied, starb am 14. März 1S7;5. — Dr. TheodorGenrg
liittei- \iin Karajaii, k. k. {{egieruiigs-Ratli und Gustos
der llolbibiiotliek, seit IST! als N'ertreter der k. k.Aka
deniie der Wissenschaften, Mitglied der Gommission,
stari) am I.Mai \xl'.\. Ihre rege Betheiligung an den
Geschäften der k. k. Central-Gomniission wird sie stets
im guten Andenken erhalten. . . . . di . . .
Die Jisterreichisclie kuiisthistorische AbtheiluiiJ» der Wiener- Weltiiusstelluiii».
(I'atilliill ilrs ;ilii,Hi1irN.
Hispiiiclici] Von iir Karl Lind.
Die ParisiT-Weltaus».stelhiiig' des Jahres 1867 hatte
ihre histoire du travail als Ausstellung alter Kunstwerke,
die Wiener sollte eine Exposition des amateurs haben.
Das entsprechende Speeialprosranniiwar bereits /u An-
fang l^Ti; ausgearbeitet und baUl darauf ausgegeben,
die ('(Immission ernannt, die Berathungen waren ein-
geleitet, endlich das Hureau errichtet, eröffnet und thätig
und ddch hing es an einem Faden, dass die Exposi-
tion des amateurs nicdit zu Stande gek(minien wäre,
denn im 15eg nne des Jahres 1S7.'5 sah sich die Commis-
sion veranlasst, ihre Demission zu geben. Schon wäin-end
des Jahres 1872 war die Thätigkeit zu Gunsten dieser
Ausstellung eine sehr geringe und beschriinktc sich fast
nur auf einige Corrcspondenz des liureaus und die E>nt-
gegennahme von Anmeldungen. Die seit der Demission
der C'onnnission eingeleiteten Interhandlungen mit ver-
schiedenen Persönlichkeiten zur Durchführung dieser
Ausstellung führten nicht zum erwünschten Ziele. So
kam es, dass am 7. April dieses Jahres an die Herren:
Freiherr v. Sacken, Dr. Lind und Ritter v. Camesina
die Einladung gerichtet wurde, diese Angelegenheit
nunmehr in ihre Hand zu nehmen und die Exi)osition des
amateurs zu erniiiglichen. Na(d) kurzer Verhandlung war
die Sache geordnet und constituirten sich tliese drei
Herren als das Installationscomite für die :.^4. Gruppe,
welchem von Seite der General-Direction Herr P. E. Ober-
mayer, als Chef des Bureaus beigegeben wurde.
War sehon vieles bisher durch den Zeitverlust ver-
säumt Worden, indem durch ein Jahr fast nichts im In-
teresse dieser Ausstellung geschah, so zeigte sich bei
Durchsicht der Anmeldungen, dass, wenn nur die ange-
meldeten Gegenstände eingesendet würden, damit, abge-
sehen davon, dass bei nur halbwegs strenger Prüfung das
Meiste zurückgewiesen werden niusste, eine Ausstel-
lung von nur einiger Bedeutung geradezu unmöglieli
wäre. Von vielen Seiten waren statt Kunstgegensländen
nur Curiositäten angemeldet worden. Auch fehlten unter
den Anmehlinigen die meisten Xamen der vielen, durch
ihre Kunstsammlungen ausgezeichneten Stifte und Klö-
ster, deren Schätze, wenn man eben eine niittcbdterliclie
Kunstausstellung niaehen will, unentbehrlich sind; des-
XVUI.
gleichen ergab sich nur eine ganz geringe üethi'iliginig
von Seite der verschiedenen Landesmuseen, und do<-li
erschienen diese, bei dem Umstände, als auf eine Theil-
nahme der kaiserlichen Samndungen an dieser Ausstel-
lung, wie natürlich, nicht gerechnet werden konnte,
nicht minder unentbehrlich, um auch von den profanen
Kunstgegenständen der Vergangenheit eine würdige
Ausstellung zusammenzubringen. Nun galt es das \'er-
säumte nacliznholen, die I.iii ken der .\nmeidnngen aus-
zufüllen, und die erlaiimte Thätigkeit der Landescom-
nnssionen wieder aufzufrischen, was nur durch directen
Verkehr mit den Besitzern von Sammlungen und dui-cli
eine lebhafte und ausgebreitete Corrcspondenz erreicht
ucrden konnte. Ersteren besorgten ilie Mitglieder des
('(unite's, von denen sich Baron Sacken nach (irätz und
Dr. Lind nach Linz und Salzburg l)egab , während
R.v. Camesina mit den hiesigen Amateurs in Verbindung
trat, letztere und zwar schnellstens Herr Dbermayer.
An dem urspi'üngliclien Programme niussten in Be-
riudisichtigiing der geänderten Verhältnisse und der zur
Diirchfühinng der Angelegenheit disponiblen , sehr
beschränkten Zeit einige Änderungen gemacht werden;
das erst kurz früher fertig gewordene Gebäude machte
den Entfall von Bildern wünschenswerth, auch empfahl
sich der Entfall von Sidirift- und Druekdenkmalen
jeder Art.
Diese Gründe und überdiess der geringe Raum
(es wurden nämlich für diese Ausstellung nur zwei,
wenn auch grosse Säle zur Disposition gestellt), gestat-
teten nuchnicht, der Aiifstellungcin bestinnntes Princip zu
(iruude zu legen. Dem von vielen Seiten ausgesproche-
nen itrovinziiilpatriotischen, vielleicht etwas engherzigen
Wunsche die Gegenstände naidi Ländern aufzustellen,
als vor allem massgebend, durfte, weil einem nur äiisser-
liilien (!i-unde, wegen des dadurch bedungenen Aus-
schlusses jedes inneren Znsammeidianges und der zu
erwartenden ausserordentlichen Schwierigkeiten der
.Aufstellung nicht völlig ents])rochen werden. Das
Coinile suchte vorerst, wo möglich gleicli:irtige und
gleichzeitige Gegenstände in den Kästen zu vereinigen,
und erst in zweiter Linie jenem Wunsche Rechnung zu
20
— VM) —
■."7 ■. \ y\^^.-\-'^^:\ ~.
Ä
Fig. 1. (Ijiuck a. 51. ,i
tiageu; (ladiircli wurde es möglich in dem einen Saale
in einem Kasten liimisclie nml keltische Gegenstände,
in einem Scbreine voinelimlich Gegenstände romanischer
Kunst, in einem anderen des gothischen Styles, in einem
dritten der Renaissance,, und zwar meistens Ausstellern
ans Nieder- und Olier-Usterreich, Salzburg, Kärnten,
Tyrol und Steiermark angeiiörig u. s. \v., in dem aiidt-
ren Saale Gegenstände aus Mähren, Böhmen, Galizien
und der Bukowina aufzustellen.
Gegen Ende April konnte man bereits das Ergeti-
niss dieser allseitigen Bemiiliuugrn iii)crbli<ken und er-
kennen, dass dasZustandekonnnen der niittelaiterlichen
.Vusstellung gesichert ist. Freilich wohl landen nicht
nur die Schreiben und mUndlichen Ersuchen fast aller
orts giinsfigf .Aufnahme, sondern es gesellten sich in
einigen [.ändern diesem Unternehmen Männer hinzu
durch deren Unterstützung dasselbe wesentlich ge-
fördert wurde, so für Gbev-Osterreich der pens. k. k.
Rittmeister Winkler, für die Steiermark Graf Attems,
insbesondere Dr. Beda Dudik für Mähren und der Se-
cretär des Prager Kunstvereines Czermak für Böhmen,
welche l)eide letztgenannte Herren diese Angelegenheit
für die benannten Länder fast ausschliesslich und mit
besonderer Umsicht durchtuhrten. Nandiafte Beiträge lei-
steten als Aussteller Freiherr v. Rothschild, Richard Fürst
Metternich, Altgraf Franz Salm-Reiferscheid, Karl und
Franz Trau, Eugen Ritter v. vidier und Dr. Eduard v. Göszy
in AVien, das Donu'apitel zu \Vien, das hiesige ("apuci-
nerkloster, die Stifte Schotten, Klosterneubnrg, Heiligen-
kreuz. Melk, die Städte Wiener-Neustadt, Enns, Steier,
das Landesmuseum in Ober-Österreich , die Stifte St.
Florian, Lambach, Krenismnnster. das Domca])itel. das
St. Peter- und das Frauenstift am Nonnberg inSalzlnirg,
(das Landesmuscum in Salzburg hielt sich aus dem Grunde
des anzuhoflenden Fremden- Besuches fern), die gräf-
liche Familie Enzenberg in Schwaz und das Stift Wilten
(das Jrusenm Ferdinandeum hatte, gleich wie das Dom-
capitel in Brixen die Betheiligung abgelehnt), das Joan-
neuni, das Domcapitel, Graf Meran, die Herren Karl und
Adolf V. Pichler in Grätz, die Stifte Voran und Admont
(Stift St.Lambrecht hatte seine Anmeldungen nachträglich
zurückgezogen), die Kir(die zu Goess, endlich das Stift
St. Paul in Kärnten und Graf Essdorf in Laibach, ferner
die Domcapitel zu Tarnow und Czernovitz, die Klöster
Sazawitza, Putna und Dragomirna in der Bukowina,
Gräfin Walewska in Krakau, dii- Stifte Neu-Rensch und
Raigern in Mähren, (Jraf Dann in Vötlau, Graf AVrbna
in Holeschau, dasFranzeus-Museum in Brunn, die Städte
Brunn, Iglau, Olmütz, Znaim, endlich das Domcai)itel
in Prag, die Stifte Strahov , Tepl, Bfevnov und Holien-
furth, Fürst Camill Btdian, die (irafent'zernin in Peters-
burg, AValdstein in Dux, die Städte Melnik und Bud-
weis u. s. f.
Die Einsendungen begannen gegen Ende April und
schon am 3. Juni konnte die Ausstellung eröflfnet wer-
den, die, wenn auch nicht mehr im Sinne des Pro-
iig. 2. (ViilthiiriiH.
l''iK. •!. (\Vi(Mi.;
— löl
Fig. 4. (Wien.)
Sramms eine Exposition des amateurs , so ilocli eine
der interessantesten Ausstellungen mittelalterlicher Kunst
bildet.
Wir wollen nun die bedeutenderen ausgestellten
(legenstände näher in"s Auge fassen und bei dieser
Betrachtung möglichst der Anordnung des Katalogs
folgen.
Zunächst' der Eingangsthür stellen an deren beide
Seitenwände vertheilt jene zwei kostbaren Schreine , die
eine der bedeutendsten Zierden des Domes />u Orätz
bilden (Nr. 1 u. 2 des Katalogs). Sie sind ganz mit Elfenlicin
belegt und haben an der ^'orderseite je drei in viereckigen,
reich eingerahmten Feldern angeliraclite Darstellungen
allegorischer Trinmjjhzüge nach der Dichtung „Itrionti-'
von Petrarca, und zwar auf Nr. 1 der Triumph des Ruinnes,
der Zeit und der (xottheit, auf Nr. 2 der Liclje, der Keusch-
heit und des Todes. Jede Sclnnaiseite der Schreine ist
mit einer gleiclibehandelten Darstellung geschmückt, als
eine Rlume, ein siebenköptiger Drache, eine zur Sonne
aufblickende Hirscid<uh, daliei auf einem Spruchbande
die deutscheinschritt bider-raivt (^d. i. bieder, reciit).
endlich zwei Adlerfliigel mit Krallen, die den Ring der
Ewigkeit halten. Sämmtliche Darstellungen sind als höchst
zierlich gearbeitete, auf Hornplatten aufgelegte Elfen-
bein-Reliefs ausgeführt: Composition und Technik mei-
sterhaft. Die Einralnniingen von drei liildern auf der
Vorderseite des einen Schreines sind wahrscheinlirii im
Fig.
(Melk,
X\ 1. .Jahrliundert , und zwar in nieht ganz geiungcnei'
Weise erneuert worden. Dieses bedeutend roher aus-
geführte Elfenbein-Ornament wurde in schwarze Kitt
eingelassen und die Arbeit nicht sehr sorgfältig aus
geführt. Die Bedachung bildet ein Kreis-Sei;nient mit
ol)en aufgelegter Platte. Auf dem gebogenen Theile des
Daches sind theils rothe, theils giüue, theiis weisse
Schuppen von Elfenhein annei)raeht, auf der Platte
s'elit man eine ans Wellenlinien und Sonnen combinirtc
(iriianientirung und in der Mitte ein Wappen mit einem
Krcn/e belegt und je einem einköptigen Adler in den
\ier Feldern. Diese Schreine, ungeaciitet der deutscheu
Inschrift unzweifelhaft italienische Arbeit, gehören dem
Beginn der Renaissance an und dürlten im X\'. Jahrliun-
dert entstanden sein. (S. hierüber Stein büciiel's Reli-
(luicnschreine der Kathedrale zu Grätz 18ö8 und die, die
darin niedergelegten Ansichten widerlegenden Artikel
im vierten Bande der „Mittheihiugen der k. k Central-
ronmiissi'on pag. 27).
Ober diesen beiden Schreinen sind die Wände mit
je einer sehr grossen prächtigen M a u 1 1 h i e r d e c k e. die
eine aus Goldbrocat, die andere aus rothem Seidenstotf.
geschinüekt; dieselben sind am Rande mit reicher erha-
bener Goldstickerei verziert und enthalten in der Glitte
das grosse Wappen des ausgestorbenen Fürstenhauses
Eggenberg. Diese Decken, die einer Sammlung von zehn
derartigen Stücken entnonmien wurden und in dem, dem
i:j2
Grafen Heinrich Herberstein gehörigen Schlosse zu
Eggenberg- antbewahrt werden, dürften aus Anlass der
zweiten Hochzeit Kaisers Leopold I. angefertigt worden
sein (Nr. 3 und 4).
Links des mit Nr. 2 bezeichneten Grätzer .'<chn'ines
lehnt die Sacri steithii r der PropsteikirchezuBruckan
der Mur (^Nr. 5), von welchen wir hier (F\g. 1) die Ab-
bildung einer Partie ihres Beschlages beigeben. Die
ganze Fläche des Eichenholzes ist mit Eisenblech in der
Art bekleidet, dass durch einzelne Eisenstreifen über die
ganze Fläche derThürrhombische Felder gebildet werden,
(leren Jedes entweder mit gegliederten Masswerkverzie-
rungen oder in frei-ornamentaler Weisegeziert ist. Die Or-
namente sind in Blech getrieben, ciselirt und dieMasswerk-
vcrzierungenin derWeise aufgelöthet,dass zwei übereinan-
der liegende Eiseni)lättchcn angewendet erscheinen, deren
oberes das herumlaufende Plättchen, dasuntcre die beim
.Steinmasswerk übliche Hohlkehle repräsentirt. Die De-
coration der Felder hebt sieh von der Unterlage kräftig
ab, da diese abwechselnd aus rothem und blauem Per-
gament gebildet ist. Beiläufig in der Mitte der Thüre isi
ein Thürgriff angebracht, der sowohl auf den Flächen
des Ringes, wie auch am Anschlagblech mit geometri
scliem Masswerk in dem an der ganzen Tliür iiervortre-
tenden Geschmacke der späteren Gothik, Ende des X^'.
Jahrhunderts, reich geschmückt ist. (S.Heider-Eitel-
l)erger's mittelalterliche Kunstdenkniale des österr.
Kaiserstaates 1. 14!» und Mittheiliingen XV. pag. 4;5h. f.)
Zur Seite des andern Schreines selien wir eine
ganze Rüstung mit geätzten Streifen und Kändern, aiit
der Brust ein vor dem Crueifixe kniender Kitter, der
Helm mit Stachelvisir. Diese Rüstung aus dem XVi.
.lahrhundert stammend ist Eigenthnm der steirischen
Stämle (Nr. 287).
Noch haben wir sechs Kacheln zu erwähnen, davon
eine mit einem in Relief ausgeführten Bouquet,die anderen
mit der Darstellung der fünf Sinne nach H.Goltzius ge-
ziert sind. Sie stammen aus der Hand des berühmten
Töpfers Georg Vest in Kreissen bei Baireuth (1608). '
(Franz Graf Engenberg in Innsbruck, Nr. 2',)!, 202.)
' J avi>n sind Jedoch nur zwei im Oi'igiiial ei'li,lItPli '^eblieiten.
•*x
.^1, r.nil.)
(Siilzlun-f,'-.
153
OlxTiicr Tliiirhiiiijit einK ronleueli t cm- in Gestalt
ciinT .]iiiij;iraii mit dein Wa|i|»eii licr Miulruz/.i, ;uis Hol/,
f;-cschiiitzt und bcMiialt, daran zwei .Steinhuckliörner, an
denen die hieliteireif'en angeliäns't waren. Der Kopi-
puf/, der Figni- deutet elienfalls auf das Madrnzzo'sehe
Wappen. Der Liclitliäiter wurde aus dem Seldesse
Ndnsljcr;;', der lleiniatli dieser Familie, erw()rl)en (Kif;-en-
thiimer lÄittcr von GoMegg in Veituriis, Tvnd, Nr. 28K,
Fis-. -').
( i(dieii wir längs der rechten Seitenwand des Saales
liinal), so seilen wir zwei lebensg'ntsse Büsten aus rotlieni
.Marnutr, mit einj^esetzten Augen, vorstellend Haeluis
und Ariadnc(Nr. 9]., 92), und ein Altärelien von Eben-
holz, mit Halhedel-und Lasur-Steinen gesehmiiekt, in der
Mitte ein Klt'eidieinrelief(-i9;)), darstellend Simsen. Dieses
dem X\ II. .laliriuindert entstammende Kästehen und die
erwähnten lUisteii sind Eigenthum des Freilierrn A. v.
Kothsehild. Hier findet sich auch ein grosser bronzener
Mlunienhälter in Form eines auf Seepferden ruhenden
Sehirtes (^Nr. 94, Eigenthum des Freihern N. v. Roth-
schild j.
Den nächsten Feusterpfeiler zieren vier Teller
älteren Wiener Porcellans (Nr. 101 — 104, Eigenthum
Sani. Fischer v. Ilerreud') , ein grosses Elfenbeinrelief,
angefertigt im Will. .Jahrhundert, vorstellend die Kreuzi-
gung (Nr. iiHM und die zierliche Porträtbiiste eines ;\[äd-
eheus , venetianische in weissem Marmor ausgeführte
Arbeit des XV. Jahrhunderts und Eigenthum des Stiftes
Neukloster in Nieder-Osterreich (Nr. G).
Am dritten Fensterpfeiler tindet sieh ein dem XVIL
.Jahrhundert angchöriger Zimnieraltar aus Ebenholz mit
Silberbesatz und silbernen Reliefs, Bilder aus dem Leben
Jesu (Nr. 10(3, StiftLambach). Zu Seiten des Altars wurden
die beiden dem Stifte Strahov augehörigen Reliquien-
tafeln angebracdit; sie sind beide aus vergoldetem Silber
getrieben, hal)en an den Ecken die Syudiole der vier
Evangelisten. Das erstere, aus dem XIV. Jahrhundert,
enthält in der Mitte die Ivrönung Mariens, und Darstel-
lungen aus dem Leben Christi, oben die Dreifaltigkeit,
unten den Tod .Alariensaut Pi'rgament gemalt. Die zweite
Tafel ist einfacher, mit zwischen den Feldern durch-
laufendem Ast- und Blattwerk geziert, das mit der Punze
in unbeholfener Weise ausgeführt wurde, und circa um
ein Jahrhundert Jünger (Nr. 296 und 297).
Die kleine vor dem Fenster stehende Vitrine ent-
hält mehrere sehr kostbare Gegenstämle, als: ein
Tintenzeug , dessen sieh die verstorbene Kaiserin
Maria Theresia (f 1807), Grossmutter Sr. Majestät des
Kaisers Franz Jose])hs, bediente. Es ist ein Werk aus
den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts, und
besteht in seinen llauiitbestandtheilen aus Malachit in
vergoldeter Brouee gefasst ; an einzelnen Stellen ist
reicher Mosaiksehmuck angebracht.
Die hier anfuestellten fünf kostbaren Goldgefässe
iMünzbecher) sind dem Schatze des Herzogs .Achdph von
Nassau entnonnnen. Die zwei grösseren Poeale, sannnf
Deekel auf Ständern, enthalten je ];:«9 Goldmünzen, aus
tlerZeit derKaiserAugustus bisConnnodus; diekicineren
(2 Becher mit Deckel mit je ol. 1 Seliale mit Deekel mit
41 Münzen") aus der Zt'it des Antoninus piiis, Faustina
sen. und Jhirc ,\urel. Sie sind alle im Innern des Fusses
mit dem in Email ausgeführten Wappen des Ivurfürsten
Johann lIugovonTrier, der diese Gefässe anfertigen Hess,
und überdies an demObertheil des Deckels mit emaillir-
rw.Er.oCR. V.-Eti
V\'j:. s. \Vii-!i'r-Neiist;idt.i
154 —
«,'■
i\i"-i. riit'uliurj;.
ten Bouquets geschmückt. Die beiden gi-össeren pocal-
fönnigen Gefässe sind am reichsten ausgestattet. Zu Trä-
gern der Schalen sind fein geformte Figiirehen verwendet,
im Deckel wurden in herrlicher Emailmalerei die Porträte
der Kaiser Leopold I. und Joseph I. angebracht, umgeben
von einem aus Diamanten und Smaragden gebildeten
Kranze. Über die Entstehung dieser Kostbarkeiten gibt
die am Fusse der erwähnten grösseren Gefässe ange-
brachte Inschrift Aufschluss. Sie lautet: Haec nurais-
niata veterum imperatorum anno 1G91 in agro wesa-
liensi prope perscheid inventa. Joos Hugo d. g. archiep.
treviren. pr. elector eps. spir. in hunc ordinem et usuni
redigi curavit. Ferner enthält diese Vitrine fünf Stück
der herrlichsten Emailportraits , davon einige der
KUnstlerliaud Petitot's entstammen ; zwei sehr zierliche
medaillontörmige Reliquiencapseln mit Perl und Email-
besatz (XV. und XVI. Jahrhundert) , Eigentinini der
Stadt Wiener-Neustadt (Nr. 162 und 1G3); das ältere
Kleinod soll aus Rom stammen, von wo es zwei aus
Wr.-Neustadt zur Krönung Friedrichs IV. al)geordnete
Magistratspersonen als päpstliches (icscheiik mitbrach-
ten; hier tinden wir endlieh jenes kostbare Hnutrelief
von Gold mit färbigen Emails aus dem XVI. Jahr-
hundert, vorstellend die Anbetung durch die heiligen
drei Könige (Stift Klostcrneuburg Nr. 34). Die zierlichen
Figuren sind aus Gold gegossen. Die dazu gehörige
Silbercassette trägt das Wappen Erzherzogs Maximilian.
Hieran reihen sich zwei Tische mit Münzen.
Der erstere (Nr. 298) enthält solche des weströmi-
schen Kaiserreiches und zwar in der I. Section
Goldmünzen aus der Zeit von Octavianus Aiigustiis
(29. vor Chr.) bis zum Sturze des römischen Reiches
unter Romulus Augustulus (475 nach Chr.) , sodann
Silbermünzen von Pompejus und Cäsar bis Honorius
(48 vor Chr. liis 24.'5 nach Chr.). Sic zeigen den Ver-
fall der Silberwälirung unter Caracalla (um 200) durch
schlechte Legierung und die Erneuerung der Feinsilber-
Prägung unter Diocletian (um 3Uü), den Schluss bildet
eine Serie von Bronze-lMünzen und Medaillons von ver-
schiedenen Kaisern aus nlien Zeiten des Hciches (Aus-
steller Karl Trau in Wien). Der zweite Tisch (Nr. 299)
entiiält Gold-, Silber- und Kupfermünzen des oströmi-
schen Kaiserreiches von Arcadius bis zum Sturze des
byzantinischen Reiches durch die türkische Invasion
unter (onstnntin XiV. {:\9ii bis 14r);j nach Chr.),
zum Theii in Scbüssclform (Theodor Holnle in Wien).
Bracteatcn (Hohlmünzen) Deutschlands und der Schweiz
mit hölzernen Stänipeln geschlagen, ans dem 13. Jahr-
hundert (Eduard Fmvdiheimer in Wien): .\rabische
Gdlil-, Silber-, Glas-, Kii|>lfriiuinzen : 1. Reihe, von
JO Stücken des KlnUifen Harem nl Raschid (78(1-808),
10 Stücke des Eroberers TimHr(Tamerlan),t 1405. 3. 130
ägyptisch -arabische gegossene Glasmünzen und Münz-
gewichte vom Heginn des 8. bis zum ImkU; des 15 Jalir
hiiiiiierts, das erste und älteste Stück vom .l.'ihre 712.
Zwei Reihen arabische Hiblniün/.en des 12. und 13. Jahr-
hundert (zur Zeit der Kreuzzüge an Stelle des Silber-
geldes als Niilhniünzen gebrauchl (Dr. Karabaeek in
Wien). Eiidlieb Mliiiz(>n iiiid Medaillen xom Ende des
15. Jiiiiriiiniderts bis in die neu<'re Zeil ; (l;irnnter die
schöne, McMJaüle im Jahre 1521 von der StadI Nürnberg
zu Ehren Kais('rKarlV. verfertigt, Duppelthaler von Franz
(irafen Ditricb.sli'in, Hischof von Olmütz (1598 — 1(;i6),
Tlialer des Winlerkönigs Friedricii v. d. Pfalz (l(;i9bis
- m
) —
^W^„v^l
Fig. 10. (Melk.)
— 106
Fi
11.
I<)2I ). llcriiianiistüdtci- 'l'halcr von UiOf) . der überaus
seltciR' Tlialer des llery.of;s rx'riiliard von Sachs<Mi- Wei-
mar vom .lalirc KiM; derselbe erhielt iiändieli Kl.'i.'Sdie
Hoelistifte l'.aml)erg und Wlir/.bur^ unter dem Namen
.,Herz(j;,'tliiim Franken" von den Sehweden als Lohn,
verlor sie wieder 1I);j4. Der höchst seltene 'l'liah-r des
kunstsinnif;;cii Erzbisehot's von Salzbiirj,'- F.eonliard
Keutsehach ans dem .laiire ir)t)4 (14ii5— 151!») inid
Thaler Kaiser Maximilian I. vom Jahre 1470 und IftOf),
cndlieh iler älteste Thaler, von !^ie,:;niund vonTyrol, 14H4
};eschlaf,'-en (Stift Seholten in Wien).
Kehren wir nun zum Kin;;aii>;- des Saales zurltek.
so nehmen diesem zunäehst den Miitelranm ein: einr
Hllstunff , zwei .Sehilder und zwei kleinere Vitrinen
mit zahlreiehen Kostbarkeiten f,'etlillt : säninitlielic
(>e;,'enstänile der reichhalti^'cn und kostbaren Kunst
Sammlniif: des Freilii'rrn A. v. {{othseliild anfrehiiiii;-.
Die Vitrine links enthält vorzligliehe Emailmalereien
auf-Knpfer (Mmousiennes). Zuerst seien benannt die
fiirbi";en Kmailmalcreicu des XVI. Jahrhunderts. In
iMclk.,
der .Mitte eiiu! ovale Selilissel mit der Darstellung des
l nter;;anges l'liarao's im rothen Meere, daninter ein
weibliches l'orträt , eine kleine Schüssel mit Diana von
l'oitiers in einem von zwei Löwen und einem weissen
Hunde gezogenen Wagen , zwei grosse Leuchter, zwei
Teller, darauf die I'esclineidiing '"lii'isti und Oefaugon
nelniiiini;- Jciscph's.zwei Kannen niil niiisicireiKU^n Figuren,
ein Kästtrhen nnt alttestanu'ntarisclien D;irstellungen ;
ausserdem enthält dieser (jllasscdncin eine Sehale mit
der Darstellung der Jaeobsleiter \(in Jeaii Courtois,
grau in gr;in gemalt, ein Kästchen niil kleinen Hildern ;
endlich ein Kästchen von \ ergoliUleni Silber mit Lapi
laziili belegt (Nr. 7).
Ein höchst kostbarer (»egenstand ist der daneben
aiifgest(dlte getriebene Schild, italieniselie Arbeil, reich
m I (loldtanscliir.'irbeit Ncrziei'l ; in der Alitte ein L'eiter
kämpf, liernni allegorische l''i.:;uren. L;nil lus<'hrill stanimi
dieser Schild von (ieorgius (ihisys Mantuaiius, (15041.
(Nr. S). Der zweite Schild und <lie halbe Kitstung sannnt
Stunidiaube sind von ähulieher Arbeit und älinlichen
— IK7 —
llrspiiiii'. i -. Krsfcrcr enthäli die Darsfclliiiiir des
'rriumpli. s des Ilacflius (Nr. 10), die IJlisliiiiii- ;iiil' der
Hriisl Vi iiiis und Amor (Nr. 9) , der Helm :im K;imme
vergolde g-itriebene Trophäen.
In i:e'- iiäeli.'iten Vitrine sind grös.stentlieils ans
dem XVI. Jalnliundert Pdcalc, Kannen nnd Fijinreu.
die ni( isUns aiirli als Trinkuelässe und Tatelaiitsat/-
stlicke dienten, sämmtlieli aus Silber, tlieilweise auch ver-
goldet, au.siiestellt. In der Mitte ein grosser Fahnenträger,
herum Schalen aus Amethyst, Heliotrop und Jaspis, ein
Cocusnuss-Heclier in sehr sciiöner Silbertassung. ein
'Weib n il F)Utle nnd Korb, ferner ein Jäger, ein ^\\\^\
scliweinjagend, St. (ieorg zuPferde, die Figur eines Win-
zers, Bacchus auf einem Fasse reitend, sehr schöne spät-
gotliische M e s s k ä n n c h e n (Fig. 3), Beclier mit Jagden
en reliel und mehreren Schweizer-Cantons-Wappen, ein
vergoldetei- Nautiluspocal, ein Doppelbecher in Gestalt
einer Frau, die einen kleinen Becher über dem Koiife
hält.
In der nächstfolgenden grossen Vitrine treffen wir
zahlreiche, sehr beachtenswerthe Gegenstände, meistens
kii-eid ch r Be.-iiiminung; so ein Pa eifi cale aus dem
Domsehatze von St. Stephan, enthalti'ud einen von Her-
zog Rudolf IV. der St. Stefanskirche zu Wien ver-
ehrte Kreuzpartikel. Die silbervergoldete sehr zier-
liche Fassung mit Email und reichem Steinbesatz dürfte
in der Zeit Friedi-ich's IV. angefertigt worden sein.
Der seclisblätterige in die Breite gedrückte Fuss
ist mit zwei Wappen , nämlich mit dem in Email aus-
geführten deutschen Doiipeladler und dem österrei-
chischen Bindenscliilde geschmückt. Die Form dieses
Gefässes ist besonders hübsch , die Ornamentirung
von eigenthündichem Schwünge; die in neuerer Zeit aus-
geführten Steinbesätze könnten ohne Gefährdung der
Schönheit des Werkes leicht entfernt werden (Nr. 12,
Fig. 4).
Daneben stcdit ein kleines seiir zierliches Kreuz
(Fig. 5), von Silber und vergoldet, aus dem Ende des
XV. Jahrhunderts und _dem Schatze des Benedictiner-
stiflesMelk angehörig. ITber dem Fasse, der aus einer
etwas in die Breite gedrucdcten sechsblättrigen Rose
gel)ildet ist, über deren jedem Blatte wieder ein
geschwungenes Blatt durelibrochen aufliegt, erhebt
sich als Stiel und Nodus verschlungenes Astwerk, dar-
über ragt das Kreuz emjior, dessen Ränder mit
zarten Blätterrauken, die Ausgänge der Arme mit
mn: %
aus
sin(
sehn
\(irn
Fi;;, i;^. i KlDsternciilinri;.
XVllI
Kii;'. l"i. . Khisiciiiciiburg.i
Laubwerk hervorragenden Perlen gesclimückl
. Der Kern des Kreuzes ist aus Krvstall. Im Durch -
eidniigspunkte der Kreuzesschenkel ist und zwar
unter eineni reichen nnt vielen Fialen geseliniiick-
ten Baldachin ein zartes Elfeubeinrelief,
die Aufnahme Alariens darstellend , auf der
Rückseite das Bild des Apostels Petrus, an)
Goldgrund gemalt, angebracht. (Nr. l.'!.") '
Sddaini eine Monstranze des Bene-
dictinerstiftcs St. Paul in Kärnten. (Nr. ]4.)
Dieses schöne kirchliche Getäss , welches
zweifelsohne aus der zweiten Hälfte des X\'.
, Jahrhunderts stammt, ist aus Silber gearbeitet,
vergoldet und 19</." hoch (Fig. t)|. Der Fuss
hat die Form eines achttheiligen oblongen
Sternes, um dessen glatten Rand von ein-
facher Profilirungsieh einekunstreicli dur( h-
bniehene (ialeric mit Vierpassfornien und
ein ziemlich dickes kettenartiges Band windet.
Die Ecken sind nnt kleinen Widerlagspteilern
' Milth. d. Ceni. Comm. XIII. pag. C\\I\'.
■21
1K8
FifT, 14. iKlostenieubiirg'.)
oninmentirt. Vonjeder Spitze der Basis läiiftje eineeiu^e-
ker'jte und durch aufgesetzte Punl\.te raube Rippe gegen ilie
.Mitte der glatten, allmäldig anschwellenden ol)eren Fus.—
tläclie. woselbst sie eine mit Glas überdeckte kreis-
runde und Haehliegende Keliquiencapsel unischliessend
und freistehend sich nach aufwärts wendet. Diese acht
Kippen vereinigen sich in einer gemeinschaftlichen Deck-
platte und bauen damit über der Keli(|iiiencapsel eine
Art Temitel. Erst über der Deckplatte beginnt der ge-
wundene an und für sich kurze Stiel mit dem runden,
oben und unten gedruckten Nodus in der Mitte. Die
auf dem Stiel ruhende Platte als der Träger des Taber-
nakels, ist an jeder Seite mit einer Volute consolartig
geschmückt. Der Tabernakel hat die Gestalt einer vier-
seitigen Capelle mit der zur Aufnahme der Eucharistie be-
.stimmten C'apsel in der Mitte , die eine runde Form hat,
und mit einem breiten mit Edelsteinen und Perlen ge-
zierten Metallreifen eingefasstist. An den Seiten derf'ap-
.sel bauen sich Strebe])feiler auf, die nach oben mit Fialen
endigen. Der Tabernakel wird durch einen sechsseitigen
Thurmbau bekrönt, der unten eine mit sjiitzbogigeu
Fenstern gezierte Cajielle bildet. Die Sjiitze ist an den
Kanten mit kleinen Krabben und zu olierst mit Kugel
und Kreuz geschmückt. <
Der 28'/," hohe Hausaltar ans dem Schutze des
Benedictinerstiftes St. Peter in Salzi)urg (Fig. 7), ein
Werk von ganz besonderer Zierlichkeit, wurde auf
Hefchl des Abtes Rupert V. aus dem adeligen Hause
der Keuzl im .Jahre 1404 vom Salzburgischen (ioldar
l»eiter ]5ertliold angefertigt.
In den Rechnungen aus der Zeit dieses Abtes
lieisst CS davon: Item etiamcoiiipMra\ i uiiuni clenodiinii in
pondere latonorum XXIHI. minncr lipiintat, vidclicct
ain monstranczen de |)erläus mueter mit ainem sarch
und gcsteed i)ey XXIIII. üb. den. et fecit pertoldus
anrifaber. Das Ganze ist von Silber angefertigt, tlieil
weise vergoldet
hat eine Höhe von 2' '2''
und
stellt sich dar als ein äusserst feines und kostbares
Rcliipiiar in Form eines spätgothisehen Flligelaltares.
Stall eines kugeligen oder durch gekreuzte Prismen ge-
bildelen Knaufes alsVeri)in<lungdesvierblätlrigen Fasse»
mit dem Oberbau (indct sich liier eine Art l'ultkasten,
dessen rückwärtige Fläche glatt ist inid auf dessen
Vorderseite im blauen Emailgrunde ein aus Perl-
mutter geschnitzter Engel das Schweistiicli Ven.niea's
hält. Dieser Kasten war sicher bestimml, liejli-r Rcli.pdcM
aufzunehmen. Aus dem Pullkasten (•ntwick(dl sich Mifori
der breite Stiel in spätgothisehen Constructiousformen,
dessen Mitte vorn ein Rundmedaillon von 2'/2" Durch-
messer ein Basrelief aus Perlmutter , die Verkündigung
Mariens darstellend, ausfüllt. Auf diesem ruht der Kasten
des Flügelaltares mit einer Breite von 4" und einer Höhe
von 7". Sind die beiden Flügel geötfnet, so beträgt
die ganze Breite 9'/g". Die inneren Flächen sind alle
mit leinen Perlmutter-Schnitzereien auf glänzendem
Goldgrunde ausgefüllt. Das Motiv der mittleren Haupt-
fläche stellt Jesus am Kreuze dar und an den beiden
Flügeln sind das Gebet Jesu am Olberge, die Anklage
vor Pilatus, die Kreuztragung und die Grablegung ab-
gebildet. Den Altarkasten schliesst nach oben und
unten ein starker Tragbalken ab, von denen der untere
die Jahreszahl „1494'' und der obere folgende Inschrift
trägt: Inicium sa])iencie tiinor Domini. Ecce ei ])rimo
und Rudberti abbatis persto ego iussu suo. Über
den Altarkasteu baut sieh dann der im spätgothisehen Ge-
schmaeke ausgeführte Giebel auf. Die Basis davon bilden
drei Rundmedaillons, zwei kleinere und ein grösseres. In
den zwei kleineren .Medaillons sind die heiligen Georg
und Katharina dargestellt, das erstere ist in Elfenbein
geschnitzt und wahrscheinlich später einmal ergänzt
worden , das letztere besteht aus Perlmutter. In der
mittleren grösseren Scheibe aus Perlmutter ist Maria
f^"" Tf
' ». Mlith. il. Cent. Comiii. X. (.«k. III
I'"iff. I.i, I lli-i /.iin. ii\<iHii.j
— I ;><»
als Hiinnielsköiii,2:iii mit dein Jcsiikiiulc auf dem Anne
diirjifstfllt , (laniher steht iiiiti r dein Baldachin der
Giehelspitze eine enthlösste (lestalt von Silber, olme
ein tviiisciies Attribut, welche wahrsciieinlieh ein r'>ce
Homo darstellen soll. Die Aussenilächen des vierblatt-
rij;en Fusses und die Rückseiten des Styles nnd des Al-
tarkastens sind mit äusserst kunstvoll ausgeführten
(iraviir-Darstelhin.üen ausuvfüilt, so dass am ganzem
cienodiMni kein Plätzchen ist, das der Künstler nicht
ausgenützt hätte. Die Gravirungen auf der Rückseite
des Kastens stellen, im Gegensatze zu Jesusam Kreuze,
das heil. Abcudnial dar. An den Rückseiten der beiden
Flügel sind, als Ergänzung zu den Perhnntterschnitzereien
auf der Vorderseite, liie (icfangennehnuiiig Jesu, die Geis-
seiung, die Krönung und die Auferstehung behandelt. Auf
der rückseitigen Fläche des Stieles, zwischen dem Al-
tar- und Reliquienkasten, sieht man, im Gegensatze zu
Maria Verkündigung, die Darstellung des Weltgerichtes.
Auf den Flächen des Fusses findet man endlich die
ausserordentlich sclnvung- und ausdrucksyoUen Bilder
der Heiligen: Katharina und Andreas, Rupert und Eren-
traud (^Kr. 15).
Daran reiht sich jener grosse Pocal aus vergolde-
tem .'Silber, der ein Eigentlium der Stadtgemeinde Wiener-
Neustadt und unter dem Namen Corvhnisbecher bekannt
ist. Am Fusse und am Deckel, der eine Krone bildet,
sowie an der Schale, welche theils mit ineiuandergrei-
fenilen Buckeln besetzt sind, selbst findet sich aufgeleg-
tes Blumenwerk, mit Email geschmückt und frei gearbei-
tetes Blattwerk iu höchst geschmackvoller Weise. Auf
der S[)itze des 14 ' hohenDeckels ein kniender Mann mit
einem Wappenschililchen. Dieses miistergiltige Meister-
werk der Goldschmiedekunst dürfte im XV. Jahrhundert
entstanden und soll ein Geschenk des ungarischen
Königs Jlatthias Corvinus an diese Stadt sein (Nr. 16,
Fig. 8).
Ein den Freunden mittelalterlicher Kunst ziemlich
beka nntes Prachtgefäss ist das Klostenieuburger 0 s t e n-
\ 'S^
mj-
Kiff. 17. (WieiiPr-Ncustadt.
Fig. 16.
sorium(Nr. 18). Dasselbe, aus vergoldetem Silber, 2' 4"
hoch, baut sich auf einem achttheiligen mit vier vor-
s])ringcnden Feldern versehenen Fusse auf. Der poly-
gone Ständer ist mit einem sechseckigen gothisch or-
namentirten Knaufe besetzt. Der zur Aufbewahrung der
Keli(iuie bestimmte, oben und unten mit einem Lilien-
bande geschmückte Glas-Cylinder ist zu beiden Seiten
mit sich verjüngenden schlanken Streben umgeben und
mit einer kleinen Capelle bekrönt, die mit einer zier-
lichen Spitze samnit Kreuzblume abschliesst. Die Fuss-
tläche zieren acht Vorstellungen in flach getriebener
Arbeit auf Silberplatten. Der figurale Schmuck be-
schränkt sich blos auf zwei Figuren , die an der
•21 *
101»
Aihssciiscitc des 'rai)eriiakelb;iiie.s ;ii:s'ebraclit sind. Die-
ses der l'liitliozeit der GoidseliniiedeUuiist aiij;ebdrii;'e
(leläss dürfte freien Ende des XI\'. Jalirlumdertsaiig-e-
fertijrt worden sein (l''ig. !'.) <
Das sogenannte Melker- Kreuz iNr. ]9). ent-
lialieiid eine vom Markgrafen Ailail)ert 1(»45 dem i;leieli-
uiiiiiijren stifte i:eseiienkte Kreii/.partikei, die \()ii Her
Aiti; Rudolf l\ . iy>().\ nebst anderen binzugetii,i;teii
üeliquien mit einer kosti)aren Fassung verseilen wurde,
ist einer der werthvoiisten Greg-enstände der Ausste. hing.
Ks ist ein zwei Fiiss hohes Kreuz atis(i(ddb]ec]niiit klee-
blatfförmigen iMideii. Die Vorderseite zeigt in gt'triebener
Arbeit den gekreuziglenlleiland, eine niagere(iestalt,d()eh
vonguter Modeilirnng; in den Kleebiatt-Knden derKreu-
zi-sarme die vier Evangelisten in der seltsamen Darstei-
hingsweiso, dass die Figuren die Köpfe der s\ miiojiselien
'I'hicre liaben ; sie iiaiten Streifen in den iläiiden, aiil'
denen iiire Namen stellen. Die lüiekseite ist niii l'erb'u
und ungesehlifienen Edelste. neu geschinückt. von denen
die grösseren zugieieh die Sehranbrn znni Olfnen des
Kreuzes Itilden; einer derselben zeigt einen walirschein-
lieh antik geselniiltenen Kinderko|)f. Der Crund ist mit
ganz frei gearbeitetem L:inli\verk ( Wiinlanb i , mit
vielen zarten seliwiing» ollen Ü.-inki'n nml Ülätlern
lielegt, die inneren liogen nm die E\angelisten sind
fliedweise emaillirt. An Jedem Kleildattende der lüiek-
seite sieiit man in einem Dreiecke oder Dreipasse drei
Kronen in gleielier Arbeit. Das Kreuz steht auf einem
l'UHH(; au» vergoldetem Silber in Kosenform, der eckige
Knauf des Stieles zeigt in den vier vorragenden Feldern
die Uuelistaben i. n. r. i. i>er Fuss ist sicherlich eine
Zugalte des XV..Iahrhundei-f8 (Fig. 10 und 1 1).
Das praciiivolle Ciborium desSiiftesKlosternen
burj; (Fig. ]■-') ist aus vergoldetem Silljcr angeferii^-t und
hat eine Höhe von l'l'/j". Der a< lillhcilige Imiss ist
ziendieh reieli gclialten und auf der Fliiehe thi ils mit
' -s .nitih. rt. Cent. ( otn. .\III |.. r.I
(.Salzburg.!
Medaillons, darin die E\angel sten.syndxdi', theils uul Fi-
guren und lilalt-Drnamenten geziert (Fig 1.'!), den Ständer
schmüekl ein mit (llasj)asten und F.niail ausgestatteter
iS'odus. Die Schale sammt Deckel ist ebenfalls aebiseitig
und \cillstäudig mit in Email auf blauem (4runde ausge-
führten Darst(dlungen l)e(U'ckt. Am Deckel finden si(di
acht Darstellungen, an der Schale ebenfalls acht, doehsind
sie untertheilt und ist jeder Darsttdlun.n' noch das Bild
eines i'id|iheten beigegeben. Derliilder-Cyclus beginnt mit
der Verkündigung .Mariens und endigt mit der Kreuzab-
nahme. Eine weitere Darslelliingtimlel sich in (ler('u|)|ia,
nandich die Aiit'erstehniig, und in der llöhlnngdes Fusses
die symbolisclu' Beziehung aufdie Auferstehung, nändicdi
derseineJuiigenanhau<diendeLö\ve(Fig. 14). ('up])a und
Deckel dürften dem .Anfang des XIV. .lahrbunderts an-
gcdiören, wälu'enii dcrSiünder in der erstiMi illilt'te des-
seli)cn .iahi'humlerts enlslandeii und ^^'ienei• .\rl)eit ist
(Nr. :U)'.
EinKeli (|U ia ri u m, eigen tli(di ein erst im Laufe der
Zeiten dazu gema(diter Heelier sammt Deckel aus Herg-
krystall in silberx crgoldelei' F.issnng; an der S|iitz(> des
Deckelst'ine gekrönle l"'igiir. Das (lefiiss (Fig. ir))ist 10"
hoeli und mag aus dem XVI. Jahrhundert stannnen. Die
Keli(|uie bestellt in einem Zahne, der tm einem Kett-
(dien frei hängend, sieh im (iefiisse befindet (Nr. 21).-
i'".iii nicht minder bea(dilens\vcrtlier ( Jegenstand'ist
das dem Kai)ucinerkl<islei' gehörige I! e I i (| ii i a r in l""orm
einer Monstranze (Nr. 17, l'"ig. Kl). Den ll.iclien sehci-
benförniincn Fuss , der in seinem Aidbaii zierlich
diirciiliroclieii ist , schniückl \(irn die eingravirte Dar-
slelliiiig des gekreuzigten l'',rlösers. \)rr Nodns bildet
ein anfri(dit' gi'slelltes Medaillon , das natdi der einen
Seili' (hl.-; :iin rergMineiil ti'enialli' liiliniss des InMÜgen
.lacobiis und l!eli(|uieii , auf der anderen Sc te ein
vergoldetes Siegid , mit der rms(dirili : Sigillnni
iiidiclliii p:icis saxoniae gelieral zeigt. Das MiKel
>r. M.
i'l Ä ii/.'ini x'T ' iii"iMk.
' .-•. Minh il. c 1 n(. CüMi. \ I. !• •S',1
'S. Miiiii. d. Com. CoMi. MII. p CS'
Ml
— IG!
stück der Monstraiize bildet eine in Form eines Vier-
passes gebildete, zierlich durchbnK'lienc, ;uii{,'estellte
Scheüie mit den vierEvangelisten-Symlioleii, in derMitte
eine {kleine Capsel (enthaltend Sanguis Christi). Zwei
Fialen an den Seiton und ein Hpitzgiebel in der Mitte,
darin auf der Vorderseite das gemalte Bildniss des
Heilands, auf der Rückseite im getrieljenen Relief das
des heiligen Jacobus als Bischof, schliessen den Aufl)aii
ab. Dieses herrliche, mit Steinen reich geschmückte,
silberne und vergoldete und in seiner Form höchst origi-
nelle Gefäss stammt aus dem XV. Jahrhundert, das
Siegel und das getriebene Relief am Giebel dürften
mindestens um ein Jahrliundert älter sein.
Die uiiti^re Abllieiliing dieser Vitrine enthält zwei
vorzügliche Gegenstände aus der Samndung Rothschild,
als: einKästehen von Ebenholz (Nr. 'JV)) mit Heliefs und
Ornamenten von Silber und Gold, auf dem Deckel eine
legende l''ignr, die Wahrheit vorstellend, welche ein
Medaillon mit den Porträts Kaiser Heinnch's I\'. von
Frankreich und dessen Gemalin Maria von Medici in
der Hand hält, französische Arbeit des XVI. Jahrhun-
derts; ferner eine Schüssel von vergoldetem Silber mit vier
li'eliets, d;irauf Darstellungen aus der römischen Ge-
schichie, in der Mitte die freistehende Figur Kaisers
Augustus. Sie ist unzweifelhaft italienische Ai-beit des
XVI. Jahrhunderts. (^Nr. 22.)
Ferner linden sich: Zwei dem Stifte Klosterneuburg
gehörige Elfenbein-Diptychen ans dem XIV. Jahrhun-
dert, das eine vorstellend die Anbetung durch die hei-
ligen drei Könige und Christus am Kreuze, das andere
theilweise bemalt und vergoldet, mit Do])pelbildern, dar-
stellend: die ^'erkündigung Mariens, die (ieburt Glirisli,
deuTod nnd(lieKrönungderlieiligenJungfrau.(>Jr.24und
1.5.) EinIC vangeliarium mit Bucluleckel ans \ergolde-
Icm Silber mit Email und Steinschmuck; in der Mitte die
hocligetrieliene Figur des segnenden Christus, von einer
emaillirlen Mandurla umschlossen und aut dem Regenbo-
gen sitzend ; im Grunde kräftige Laubranken, in den Ecken
die Symbole der vier Evangelisten , sänimtliche Darstel-
lungen, sowie die Umrahmung getriebene Arbeit; auf
dem hinteren Deckel befinden sich vier Bergkrystalle.
um das liegende Buch aufschlagen zu können, nebst
zwei Kingeil , um dasselbe aufzuhängen , endlich sind
an der unteren Seite beider Deckel Füssclieu ange-
bracht,, mit deren Hilfe das Buch gestellt werden kann.
Dem iMaiigebum eines jeden Evangelisten geht sein
im Goldgründe gemaltes Biidn'ss vor. Die Schluss-
worte des auf Pergament nut i-othen gothischen liucli-
staben geschriebenen Textes lauten: Isie über ecclesiae
s. Mariae in Iher et est scriptus an. dnii MCCCXXV',
woran!' ein Anathema folgt. Der Eiid)and stammt aus
dem XI\'. Jahrhundert, Eigenthum der Stadt-Gemeinde
Wiener-Nen.stadt (Xr. 27 , Fig. 1 7). Zwei Xiellotateln
von vorzüglicher italienischer Arbeit des X\'. Jahrhun-
derts; Eigenthümer A. Freiherr v. Rothschild. Auf der
einen die Taufe Cin-isti, oben die Hociueit von Cana.
unten die Erweckung des Lazarus, herum ein ornamen-
taler Rahmen; auf der aiuleni die (ieburt Christi, oben
die Verküiuligung , unten die Anbetung der heiligen
drei Könige, (^ir. 29 und 31.) Drei Medaillons von
Perlmutter mit der Gebu)t Christi, Pietas und die Drei-
faltigkeit (^XV. Jahrhundert , Stift Klosterneuburg.
Nr. 1:0.), das Porträt des Mathematikers (JeorgTanstetter
mit seinem Sohne, vortreffliches Holzschiiitzwerk aus
dem Jahre 1.Ö21 (Stift Melk Nr. 32). Es zeigt das
Bild dieses am Hofe Max I. lebenden .Mannes en face
mit etwas zu breit gehaltenem vollen (iesichte:
übrigens eine bcachtenswerthe Arbeit. Ein Relief aus
gebranntem und bemaltem Thon, vorstellend Marga-
retha, Tochter Kaisers Maximilian. (Nr. 33.) Dieses
vom k. k. Reg. Hatli von Camesina ausgestellte Relief,
das die Umschriit: „Margarita . cesaoni . austrie . vnica
. filia . et . amita. lb2H-' hat , ist auch in sofern
beachtenswerth, als es Aufklärung gibt über jenes kost-
bare bekannte Schnitzwerk, vorstellend eine weib-
liche Büste, das aus der Sammlung Bölim's in die des
Freiherrn von Rothschild überging. Es ist bei der auf-
fallenden Ähnlichkeit beider Darstellungen kein Zweifel,
dass beide Kunstwerke sich auf die gleiche Persönlich-
keit beziehen. Hier finden wir auch das nicht minder
wei-thvolle viertheilige silbervergoldete A It ä rchcn aus
dem Salzburger Dnnischatze 3i/.." hoch und l'/,. breit.
mit densilbervergoldetei) undin Relief ausgeführten Dar-
stellungen aus der Passion-sgeschichte (Kreuzigung,
(irablcgung, Auferstehung und Erscheinung im Garten'):
die Rückseite dieses dem XV. Jahrhundert anwhörigen
F.iT. 10. f'^ViiMi
l(>-i —
^■•-■tihUUH '
W/Bfj
Kleinods /.cif^t <lc3inselben GegoustaiHk' cntiioinmenc
Kmailnialereien der herrlichsten Arbeit (Cluvstus am
Oldberfr, Verrath des Judas , Ge'sselung und Kreuz
tiagunj;) (Nr. 3n, Fig. IS), endlich einen Becher von
('(K-i'snuss in Fassung von vergoldetem Silber, auf dem
Deckel . Johannes derTäufer(XVI.Jalnliiindert,Sti1t Alten-
burg Nr. 88j, mehrere Kästchen und Schalen von Achat,
Krystail und Bernstein, kleinere Elienbeinschnitzwerke,
Ho'coco-Messkänchensammt Tasse aus Silber verioldet.
Llireii , Dosen, mehrere Kästchen aus Fniail und
Schildpatt mit Besatz von (ioldstilten, ferner Kästchen
uiit Beinbesafz , Sclimuckgegenstände , Essbesteekc,
Leuchter, drei Einailporträls (Peter der Grosse, Karl VI.
lind dessen Gemalin) ausdemXNIlI. Jalirliunderl, endiicli
W atl'en, darunter schön eingelegte l'istolen, /ierliclie
Dolche, ein Kurzschvvert, u. s. w.
Beileutcndere Gegenstände dieser Vitrine sind
ferner eine cyliuderförmige aussen y)ol.ygone , aufrecht-
stehende K ry s t a 1 1 r ö h r e (Nr. 'M. Fig. 1 D ), die auf vier
den Bärentatzen ähnlichen Fliss( n ruht, mit denen die
gezähnte und schön profilirte, aus Silber angefertigte
untere Einfassung des f'ylindcrs in Verbindung steht.
Auf dem Deckel ein eingravirtes Aledaillon, vorstellend
die Verküiidiginig. Dieses dem XV. .I.'ilirhiindi'rt ange-
hörige Heli(|uiar gehört in die Sanniiliing der Heilig-
Ihllmer desCapucinerklostcrs in Wien. ' Mit dcrBezcicIi-
nung:Trinkl)echcr des h. Fl rieh, Bischof zu Augs-
I)urg(".i2:j— '.»7.'»), tindcl sich ein dem Stiitsseliai/.r /.» Melk
entnommenes, in Fig. "iO abgebildetes (!efäss,das aus der
grösseren Ilälfie eines ausgehöhlten Kürbisses besteht,
doch ist dieser bereits an vielen Stellen schadhaft und
löeherig. daher in neu(;rer Zeit etliche Metallspangen
zum ZusaumienlialtiMi dr-rsclben angelegt wurden. Iiiiieii
ist die Schale nnt Silberbleeli bekleidet und am r.iHlcii
mit einem sehr beachtenswerthen vorgoldelen .Medaillmi
geziert, darinnen auf pnnzirteni Grunde in Helief die
1 Mluli. il. I'.iit «omni Mll. im. CXX4I
A). (Melk.)
auf einem Faltistoriuni sit/.eiide Figur des heil. Bisclnifs
angebracht ist. Die Figur ist mit faltenreicdier (ilocken-
Casel angethan, trägt das Pallium und eine niedrige
^litra, hält in der linken llaiul ein einlaches Pedum, die
Rechte ist zum Segen erhoben. An der Aussenseite ist
der Rand der Schale mit einem breiten Silberreif
eingefasst, der nach unten mit einem dreitheiligen
schwungvollen Blatt-Ornamente verziei't ist. lieber den
ganzen Sehalenkörper laufen, vom Rande cnts])ringend,
zwei sieh kriMr/A'nde , mit hübseliem Laub-Ornauu'iite
geschmückte Spangen, und ist jedes der sich dadurch
auf der Sehale bildenden Felder mit einer Uosette ge-
ziert. Der allgemeinen Annahme nach gelangte diese
Sehale als ein Geschenk des Markgrafen I'rnst an das
Stitt, die Fassung jedoch gehört mit Rücksieht aui' das
romanische I^aul) -Ornament und d.issiegelähnlicheMedail-
lon wahrscheinlich dem Xlll. .lalirliiiiiderte an (^Nr. ;i7). '
Endlich ein R el i(| u i ar in E(U'm eiiu'r 'i'afel, an-
gel)lieh ein Bu(di(le(dv(d. Es besteht aus einer Ilolz-
|ilatte, die jedoch nur auf einer Seite reich ver/.iert ist.
Die Verzierungen sind in vergoldetem Silber ausgeführt
und tlieilweise emaillirt. Die eigentliche Fläche des Rah
mens ist in reichlicher Weise mit Ahornhiub-Ornaineni
belegt, in Jeder E(d;eistin einem Dreiiiassc eine sitzende
l''igiir, wahrselieinlich die E\aiigelisten, aiigeliraidit. Die
der oberen Ralnnentläehe ziert ein plastisches
Milt
Figüreheii, der thronende Welterlöser, dem eine vierpass-
förmigt' Emailpbilte zur Unterlage dient; in dem unteren
Ralinieii ist ein lialbkiigeltormi.:;er i;anclito]i;is eingel;is-
seii.Die lieiden Sciteiillieile schmlickl ji^ ein Eigüreheu
des englischen Grusses, einem Vierpasse aufgelegt. Eiti
zweites vierpassförmigcs Feld ist leer. .Vusserdem
scliiiiücken den R.'ihmen nocdi rhombeiilornng(! Email-
|pliit!clicii mit pliantaslisclien 'riiiergeslallen. Das tiefer
geh'giüie Miltclbild stellt ein aus Erdges(dioss und
Stockwcik ücldldelcs Gebäude vor. In den drei spitz
' .MJllli. d. Ci'iilr. (»li.rii. WII. II.
— 103 —
bogigen Nischen, die mit reichem gothischen Ornament
geziert sind, stehen in vollrunder Form au.sgefiilirt drei
Figlirobon, als: die gekrönte Mutter Ooftes mit dem Kind-
lein am Anne, eine ganz vorzüglich ansgclulirtL'Grui)pe,ein
Abt unil eine Figur ohne Attribute. Die Auf'schritt be-
zeichnet sie als -(- Abbas arnoldus S, Blasii und -(- ß.
Reinbertus, vielleicht Donator und Künstler. Das obere
etwas niedrigere Stockwerk enthält in der grösseren
Mittehiisfhe ("hristiis mit einer Krone am Haupte sitzend,
die linke auf ein Buch stützend, die reciite zum Segen
erhoben, daneben gegen links gewendet die heil. Maria
mit auf'geiiobenen Händen. Ein über der Gruppe schwe-
bender Engel setzt Marien die Krone auf; in den beiden
kleineren Nischen je ein Bischof (S. Blasius undV). Mit
Rücksicht auf die beiden erwähnten Figuren und den
gothischen Charakter dieses Prachtstückes ist anzu-
nehmen, dass es unter Abt .Arnold II. (1247 — 127G) ent-
standen ist. Ob es eine Reliquientafel ursprünglicli war,
oder der Rest eines Retabulums ist , ist zweifelhaft.
Jedenfalls staunnt dieses Relief, gleich der sclion be-
sprochenen Moustrauze und manchen noch zu erwäh-
nenden Gegenständen aus dem aufgehobenen, berühm-
ten Benedictiner-Kloster St. Blasien im Schwar/.wald,
dessen Priestern Kaiser Franz I. das verödete Kloster
St. Paul in Kärnten eastlieh überlress (Nr. 8u , s.
Tafel I). '
Hier findet sich der interessante Tragaltar aus dem
Stifte Admont in Steiermark (Nr. 295). Unter Tragaltar
versteht man in der kathoüschen Kirche ein derartig
geformtes Reliquiar, dass sich dessen der Priester bei
Celebrirung der Messe als Unterlage bedienen
konnte.um die Hostie darauf zu legen und
den Kelch darauf zu stellen. Nachdem den ^'or-
schriften der katholischen Kirche gemäss nur
jener Altar zum Messe lesen geeignet ist, der mit
einem solchen Reliquieubehältniss versehen ist,
so bediente sich der Priester dieser Tragaltäre
besonders auf Reisen, um an beliebiger Stätte
mit Benützung dersellien die heilige Messe auf-
opfern zu können. Dieser schon erwähnte Trag-
altar hat die Form einer viereckigen Phitte
von IG" Breite und Ti/a" Höhe und 3/4" Dicke.
Die in der Mitte des Altars befindliche Platte,
ein Amelh/stquarz , ist in einen Holzraiimen
gefasst, dessen Vorderseite mit dünneu und
durch Nägel befestigten Metallplatten von Sil-
ber überzogen ist. Dieselben sind vergoldet
und enthalten in den zwölf vierpassförmigen
Feldern folgende in Niello ausgeführte und
■gutgezeichiiete Darstellungen; In der oberen
Schmalseite: 1. Petrus, 2. Christus als Welten-
richter, S.Paulus; in der unteren Schmalseite:
-i. Maria mit dem Kinde, 5. und (3. die hedigen
drei Könige, (^l)ie Zwischenräumederdrei Felder
sind hier mit den Brustbildern der Proidieten
ausgefüllt.) In der rechten Längenseite : 7. Das
Evangelistenzeichen des Matthäus. 8. Ein
Apotel. 9. Das Evangelistenzeiclieu des S. Mar-
cus. In der liidcen Längenseite: 10. Das Eviiu-
gelistenzeiehen des heil. Lucas. 11. Ein Apostel.
12. Das Evangelistenzeiehen des Johainies. An
derRandfiäche des Rahmens des Tragaltars läuft
folgende Inschrift: Anno domini MCCCLXXV
I Mitlh. d. Centr. Conim. XIII.. pas:. CXXII.
reverendus pater dominus Albertus de Sternberg
episcopus Luthomiclensis conseeravit hoc altare in ho-
norem beate marie virginis gloriose amen. Die Inschrift
ist auf dieMetalltläciien flach und zart getrieb<'n und dann
ciselirt. Die Rückseite des Tragaltars ist gleichfalls in
zwölfFelder^etheill, worin sich zwei Wappen regelmässig
wiederholen. Das eine führt im Schilde ein Kreuz und .soll
jenes des Bisthumes von Leitoinisehl sein; das zweite
fiilirt im Schilde einen Stern uud ist dasFamilienwappen
der Sternberge, von denen das Mitglied Albertus, Bischof
von Leitomischl, wie die Inschrift bezeugt, den Altar im
Jahre 1375 anfertigen Hess. Die Felder mit den Wappen
und die dazwisclien befindlichen Ornamente sind mit
gravierter Stanze gepresst und diese Blechstücke ent-
sprechend zusammengefügt. Fig. 21 und Taf II. (S.
Mitth. d. Centr. Comm. V., pag. 23.)
Ein Weihbrunnen aus Silber von vorzüglicher
deutscher Arbeit des XVI. Jahrhunderts, in der Mitte
Christus am Kreuze, herum kleine Reliefs mit Sceiieu
aus dem Leben Cbristi (Nr. 79).
Ein Spiegeldeckel von Elfenbein, auf der Rück-
seite mit der Darstellung der Erstürmung einer Liebes-
burg. (Nr. 78.) Auf diesem aus dem XIV. Jahrhundert
stammenden und dem Stifte Rein in .Steiermark ge-
hörigen sehr interessanten Schnitzwerke zeigt sich die
Breitseite eines viereckigen Burg-Baues, in der Mitte
das mit einem Fallgitter versehene Thor, flankirt von
thurmähnlichen Vorbauten. Auf der Zinne ein verwun-
deter Ritter, hingesunken zu den J'üssen einer Dame;
ober dem Thore in einer Fensternische Frauen, die aus
^^Vaiui'ut.;
— 104
Ki"-. ■-•^. Kl;ii:('iil'iii t.
«■iiiem Korbe Blumen niif die unten KämpiViulen werfen.
Anderseits wieder Frauen, die den die Burg Ersteigen-
den Ringe (Reuen) reichen; unten Berittene im Kampfe.
Die ConiiHisitidn ist lebendig und maleriscli, doch ist
der Saclic und Deutlichkeit des Ausdruckes nicht so
weit Rcclnuing getragen, dass sich der Massstab des
(lebäudes nach den Figuren richtet, sondern die Burg
erscheint nur angedeutet; dasselbe gilt von den Bäumen.
Fig. 22. (S. Mitth. d. Centr. Conim. XII. pag. IV.)
Ein We ihrauehschif teilen von Kupfer mit
hübschem Email, aus dem XIII. Jahrhundert, — dem
(irafen Gundacker von Wurmbrand in Grätz gehörig.
(Nr. Gl.) '
In einer kleinen Vitrine(Nr. 99) sehen wir kostbare
(Gegenstände ans der reichhaltigen Sanunlung des Frei-
herrn von Rotiischild, als: ein opalisirender gegossener
(ilasbecher mit Meergottheiten in Relief aus der Re-
naissance-Zeit; — ein grosser Pocal sammt Deckel mit
tarlngen Buckeln, und eingeritztem Triiikspruche auf das
Widil des Herrn v Doblin in altlMiiimischer Sprache,
XV. Jahrhundert; ein Nautilus-Portal, von Neptun ge-
tragen, XVII. Jahrhundert; ein hoher Becher aus ver-
goldetem Silber, von getriebener Arbeit, oben das Wap-
pen der Stadt Regensburg, ein Geschenk Kaiser Rudolf II.
.in die Stadt; Hercules, den Antäus erdrückend, Gruppe
.lus Holz, XVII. Jahrhundert ; ein grosser Becher ausSil-
l)er und vergoldet, auf dem Deekel Jupiter , den Blitz
schleudernd, wahrscheinlich aus dem XVI. Jahrhundert ;
Fig-. 22. I {{i"iii
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np3;:^i --t-t A i± i jESg^sExa
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Fig. 2-1. (KvoiusiuiiMster.
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Fig. 2G. Mtlk.
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^^^^a^^^^MS
Ki(,'. 2H. /Wien.,
FijT. 27. (Melk.i
ein Hitndwevkei- mit Butte aus Silber, IChr.Migesclienk
an den Stubenmeister Gscliir ](5()4 ; Kanne von weis-
sem Silber, reieli \er/,iert , von 1622; ein selir
wertlivoller Beelier von Scliiklpatt mit Gold piquirt und
mit Perlnnittereinlagen; zwei Eeiterpistolen , eine mit
f>eschnittenem Lauf und mit Elfenbein selir zart ein-
gelej;tem Scliafte , die andere mit Elfenbeinsohaft,
darauf Plätteiien mit Eisensclinitten und sehr feiner
Tauseliirarbeit , endlich zwei Sfdiöne Buclideckel aus
Silber, theilweise vergoldet, mit gothiseben Verzierun-
gen nnd Heiligenfiguren. Auf der vordem Seite in den
Ecken die Kirchenväter , das ursp'üniiliciie Alittelstiick
feldt und wurde durch eine mit Massweric ausgefüllte
Scheibe ersetzt; auf der Rüclvseite die Krönung Jlarien's
in vollrunden Figuren und in den Ecken in Medaillons
die Kirchenväter. Auf beiden Deckeln trägt ein Engel
das L)op]iehvai)peii der Kirche, der dieser schöne Ein
band gehörte. Dieses zierliche Werk mag aus dem W.
Jahrhundert stammen.
Die Mitte des Saales ninnnt derm.rkwünligf 11 o I z-
schrein aus der Kirche zu Möclding ein. Er bildci
im Grundriss ein liingliciies Viereck und hat die (Jcstail
einer gothisciien Kirche. ^läclitige Streix'pfeiler an den
Ecken, sclnväcliere an derLangsciteundder Fa^'ade, wie
aucii am polygoncn und abnehmbaren Cliorschlusse hal-
ten dcnAun)au,dcrmit einem kaninigeziei ten liohcnDaclic
abschliesst. Wie ein zartes Spit/.engewebc aul allen Srilrn
durchsichtig, in den zierlichsten Mustern durclihrocheii
erhebt sich der herrliche Bau leicht Und luttig iiis zu einer
Höhe Min 7" 6". DieA'erzierunuen aller Tlieile mit Krab-
ben. Kicirzblunien , Iiosetten, Gesimsen und galerieähn-
liclien ISekrönungcn, grösseren und kleineren Fialen-
durchbrochenen Fenstern u. s. w. sind, ohne den Imu-
druck der Feberladung hervorzubrinjicn, so überreich,
dass jede Detailbesehreibung , so ermüdend sie einer-
seits wäre, doch andererseits unzureicheml bliebe. Nur
eines ist zu erwähnen nöthig, nämlich dass weder ein
Masswerkmotiv , nocdi die Zeichnung der einzelnen
din-chbrochcnen Felder des Dachstuhles sich wieder-
holt. Als den Schöpfer dieses unzweifclhalt für ein
iieiliges Grab bestimmten Schreines , dieses Meister-
werkes der llolzselineidekunst, der, wenn auch kein
.Vrciiitekt, so doch eine mit den Kinislfonnen der Golliik
gründlich vertraute I'erson waf, biv/.cichnct die'i'radition
einen gegen die Mitte des XV. .lahrlnimlerts lebenden
Benedictiner-Mönch aus St. l'niil. ( S. Mitth. d. Centr.
Conuii. X\ II, jiag. ■JnK]
Hückwärts dic^ses Schreines steht der reich ver-
zierte und in seinem Ausbaue eigenthündiche Sciireib-
tiscli des ehemaligen ÖKf(!rreichis(dien Staatskaiizlers
l'"'ürsten Mi'ttcrnieh, der ehedeiii iMrenlhmn des lierzo"'s
— 167 —
von Clioisenl war. Er ist aus Nusshaumholz angefertigt,
mit vergoldetem Bronze , iin (iesclnnack des XVIII.
Jaiirhiinderts ausgestattet , und wurde vom Fürsten
Kicliard Metternieli zur Ansstelhuig gebracht. (Nr 105).
Wir kommen nun zur letzten, den Mittelraum des
Saales eimielmienden Vitrine mit ihren grös.stentheils
der romani.sclien Zeit angeliörigen (icgenständeii. Dahin
gehören die beiden mit Figuren geschmückten lironze-
1 e u c h t e r des XIII. Jahrhunderts (lUS und lO'J ) aus dem
Landesmuseum zu Khigeiiiurt (M. XI. p. LXX, XII. Fig.
23) ; die vier K e 1 i (| u i e ii k ii s t e h e n in Form von Mäus-
chen mit schiefer Hedacliung, aus Holz mit reich emaillir-
ten Kupferjjlatten und thcilweise in IJelief aufgelegten
FigUrchen (Werke deutscher Emailleurkunst). Die Dar-
stellungen variiren nur wenig, wir sehen Christus als
Weltenrichter oder am Kreuze, daneben Maria und Jo-
hannes, die vier Evangelistensymboie, Engel im Bnist-
bilde etc. Zwei dieser aus dem XII. Jahrhundert stammen-
den Schreinehen sind mit durchbrochenem Fn-stkaunne
geschmückt (Nr. 113, 127. S. Mitth. d. Cent. Com. VI
p. 239 und XIII. p, CXVIII). Drei derselben gehören
dem Stifte Klosterneuburg, eines jenem zu Kremsmünster.
Fig 24 gibt die Abbildung des letzteren , Fig. 25 eines
solchen Schreines der Sammlung zu Kloslerneuburg.
Zu den seltenen kirchlichen Gegenständen gehören
die beiden Keise- un d Tragaltäre(Nr. 115, 124), die
das Stift Melkzui'Aussteliungbraclite. Es sind dies kleine
Kästchen mit flacher Oberplatte und auf \ier Füssen"
ruheud.Der innere Raum hatte die Reliquien aufzunehmen,
auf der Tischfläche lag die Hostie sammt Patene und stand
der Kelch. Das eine dieser beiden Gestatorien gehört
noch dem XI. Jahrhundert an. Der in der Mitte der mit
reichem Elfenbeinbesatz geschmückten Deckplatte be-
tindliche Altarstein, ein Serpentin, ist sehr klein und von
oblong-viereckiger Form. Ein schmaler Silberstreifen
bildet seine eigentliche Einfassung, darauf ist folgende In-
schrift : Da sumenda et clcmens sacra cruoris f Jho Xpe tni
miseria corporis. Die weitere Unn-ahmung bildet ein brei-
tes Elfeubeinband mit kleinen aber höchst interessanten
Sculpturen, als : nimbirte Engel, eine Scheibe, darin das
Lamm Gottes, in einem Kranze die Hand Gottes auf
dem Kreuze ruhend, Prophetengestaiten, Evangelisten-
symbole etc. Nacii aussen ist der Deckel von einem
Silberbande eingefasst, das leider nicht mehr ganz er-
halten ist, was um so mehr zu bedauern ist, als die In-
schrift Aufschluss gibt über die Spenderin dieses Klein-
odes. Aus dem Inscliriftfragment ist zu entneinnen, dass
dieses Tragaltärchen das Geschenk der Markgrätin
Schwanhilde, der Gemalin lernst des Tapferen (l05t) bis
1075) aus dem Hause Babenberg, des Besiegers der
Sachsen an derUnstrut,ist, dessen vorzüglicher Gunst sich
das in der markgräflichen Residenz Melk errichtete Stift
weltlicher Choriierrn zu erfreuen hatte. Die Seitenwände
des Schreines sind ebenfalls mit Elfenbeinschnitzereien
geziert, leider aber hat eine Schmalseite diesen Schmuck
bereits verloren. Die Vorstellungen sind Maria Verkün-
digung, deren Besuch bei Elisabeth, die Geburt Christi
und deren Verkündigung an die Hirten, die Anbetung
durch die drei Könige, die Taufe, der Einzug in Jeru-
salem und das Abendmahl (Fig. 2ö). Der zweite Schrein ist
beiläufig um ein halbes Jahrhundert jünger. In der
Mitte der Deckplatte ist ein Porphyr eingelassen, anf
dessen bandtörmiger kupfervergoldeter Einfassung
tolgende Worte zu lesen sind : Plus valuit cunciis
I-"ii
(Sciteiisti'ttLMi.i
Johannes voce preconis inquit en agne qui tollit crimina
nuuidi; was dahin deutet, dass der Altar eine Reliiiuie
des Vorläufers Christi enthalfen haben dürfte. Der
breite Holzrand der Oberfläche ist mit dunkelrothem
Sammt überzogen. Die Seitenwände sind ebenfalls mit
Elfenbeinreliefs geziert, doch haben dieselben, wenn
gleich wcrthvoll, doch einen minderen Kunst werth, als
die des anderen Schreines. Wir sehen Christus als
Weltrichter, die Verkündigung, Geburt Christi und die
drei Könige; eine aus den Wolken herabreichende Hand
mit einem Kranze, Christus umgeben von mystischen Ge-
stalten und endlich eine Wiederholung der ersten Vor-
stelhing (Fig. 27j. Die Figuren sind derb und hart,
doch ist daran byzantinischer Eiufluss nicht zuerkennen.
(S. Mitth. der Central- Commission XV. p, XXXI.)
Aus dem Schatze des Wiener Domes sehen wir hier
ein Reli(|n i e nkii stehen, das nocli dem XIH. Jahrh.
angehören mag (Nr. 117). E.s ist von Holz und mit
beinernen Plättchen überzogen. Dasselbe zeigt auf den
Aussenflächen tlieils Laubwerk, theils drachenartige
in einander verschlungene Thiere eingravirt. Die Linien
der(;rnvirung sind sciiwarz und roth ausgefüllt (Fig 28,
S. Mitth. d. Central-Commission XIII. p. CXIX>. Ein
anderes , sehr beachtenswerthes in Elfenbein ausge-
führtes Schnitzwerk ist das unter Nr. 119 ausgestellte
und dem Stifte Seiten.stetten gehörige. Dieses dem XII.
Jahrhundert entstammende Schnitzwerk (4' ,' lang, 4
breit) zeigt in der Mitte den sitzenden Christus, die
Füsse auf dem in einem Kranze beflndliclien Bogen
gestutzt, in der Linken das Buch, die Rechte wie
segnend ausstreckend gegen ein Kirchenmodell , das
eine gekrönte Figur im Arme hält. Ein Heiliger führt
den Donator und ninnnt ihn gleichsam in Schutz;
auf der anderen Seite des Heilands Petrus mit den
— 1()8 -
Fif^. 30. (Klostonieiiliurff. )
sein Monograniiii hiklciidcii .Sclilüsseln und zwei Hei-
lige (:5. Jahrbuch II. p. 126 , Fig. 29). Zeigt dieses
Schiiit/.\v('i-lc eine gewisse Strenge in der Ornpiiining,
der den l)_y/,!intiiiisehen iOinfliiss unzweifelliiirt cri^ennen
läsßf, so ist das niicli.slfiilgcnd /u bes]ireciiciide Min
einer Zartiieit niid Weieiiiieit der Hohandlung , die
auf die in der frUh-romanisehen Zeit noch bestandenen
Traditionen der Antike hinweist. Es ist diess jenes liiielist
irieri<wiirdigc (•llfenliein - Sc hn i t /. W('rk aus dem
Stiltclb iligeiikreuz(Nr. 12(»), das der frliii-nniianisi Ik ii
Zeit an;;eh(irt. In einer Linraliniung Min Akanthiis
blättern ist der heil. (Jregor dargestellt , er sit/.t am
Schreibpnlte, mit dem firitFei in der Hand, und (lie
Taube schwellt, ihn inspirinMid, an seinem Olire. l'ber
dem Schreibpnlte erliebt sicii, von zwei Sänb'u ge
tragen , (;in Uaiibiciiin samnit Thiirinen und Zin-
nen; in der unteren Alitheibing des Schnitzwerkes
sieht man drei schreibende Mönche, flregor hat als
Bekleidung eine lange Tnnica, ist bartlos, mit etwas
breitem (iesichte und kurzer (lestait; ebenso bekbidri
sind die Mönche, und sämnitliciic Figuren liberiiaii|il
kurz und gedrungen. Die ganze Architektur hat eiit
>'-hi(:il('n spät-römischen Cliarakter. l)ir Miiiiniig iibci-
das Alter dieses Sciinitzwerkes ist seiir aliweiciieiul;
während einerseits von einigen Fachmännern noch da^
XH. .Taiirhiuidert aiigenonmien wird, setzen anderi' da
für (las\'l. .laliriiniidertaii, wofüi- nach der Ansicht des llc
fe reuten die grössere Walirsclieiiiliehkeit spi'ieht (Tal. III ).
Unter Nr. I: 2 des Katalogs erscheint eineKlfen
lieintafel (Eigenthuni des Stiftes Klostcrneubnrg) mit
der DarstelliingdesTodes Mariens. Die heil. Blatter liegt
umgeben \dn sä mint liehen Aposteln ;iMf einem liolieii. \'oii
dünnen Säulen getragenen IJette, die lliiiiije iiin'rder IJriist
gekreuzt ; .lohannes, der zu Füssen des Hi'tti's steht, be
rührt den Leichnam, Fetrus schvvingt das Hamdifass.
(iegeii ilie Mitte des Itettes zusteht Christus, mit beiden
Händen die Seele Mariens in (iestalt eines ^\'ickelkilldes
«•niporhaltend über der ganzen (Iruiipe schwellen zwei
Kugel, wo\(in der eine einen Schleier nml der andere
gleiclilälls eine Kindesgestalt, ähnlich der früheren, in
den Aiiiien hält, und — wie aus den Händen Christi
iiii|ifangen - in den llimniel trägt. Mit b'ücksiclit ant
die kurzen gedrungenen i'^ormen der I''iguren, auf deren
l'.rkleidungnnd (iesichtstyiius, endlich aul (las Festhalten
der Körperbewegungen an gewissen conventionellen
{'"ornieii lässt sieh annciinien, dass dieses Schnitzwerk
I(i<)
(Fij;. .'5]). Niclil zu ühcrsclion ist iliis iiutcrNr. iL'l ausge-
stellte, in Serpentin gesclmittcne Ik-liefliy/.antinisclien
la-s])rung-es, von (>%" im Durcinnesser. Es zeigt das
Hru.sthild der Mutter Gottes ohne Kind in gerader An-
sicht, zu beiden Seiten die ahbrevirte grieciiischelnsehrift
Mater Dci. Der Stein ist gesjjrungen, zusaninienge-
kittet und in einen neuen liolzrahnien gebraelit, auf der
Ixüekseite nnt einem IJiatt Pajiier beklebt, darauf eine
die KrlänterungdesBddes enthaltende Insfhrift sich be-
findet. (Fig. .".2, s. Mitth.d. Centr.Comm. VI., j.ag. 132.)
.\ucli ist hier unter Nr. ]2H ein kupfernes Weihrauch-
scliiftehen mit reichem Emailschmuck ausgestellt, das
Kig. 31. (Salzburg.)
im XIH. Jahrhundert entstanden ist (Fig. 30, s. Mitth.
d. Centr. f'omm. VII., pag. 142).
Das vom Stifte St. Peter in Salzburg unter Nr. 123
des Katalogs ansgestellte Reliquicnkiistehen in Form
eines Schreines aus Holz und an der Anssenseite mit
zierlich durchbrochenen, sehr feinen Elfenbeinsclinitz-
werken tx'deckt, gehört ebenfalls in das X in. Jahrhundert.
Auch das (Giebeldach ist mit solchen Elfenbeinjilättchen
geziert und durch die feinen, äusserst zierlich gearbeite-
ten Elfenbeinbckleidungen schimmern ülierall feine
rioldplättclien durch, welche zwischen den Wandtlächen
des Kästchens und den Schnitzereien eingefügt sind.
V\g. ;32. (Hciligenkr
S>.
■"■Y^c
\
ng. 33.
rGnrkfeld.)
Fi!?. 34.
— 170
Fijf. 35. (Klosterneiiburg.;
aus (lern ll'. Julirliuiniert staniineiul, dem Stifte Laiii-
liaeli t;ehört.
Ferner tiiideii sich iincli in dieser Vitrine zwei höl-
zerne Kännne aus dem X\ . Jahrhundert mit yothiseheu
\'erzierungen und alttVanzösischer Insehrift (^Stitt Klo-
sterneuburg Nr. 110 und 111), eine selir hübsehe Sta-
tuette aus Holz, vorstellend einen sitzenden Ecce-liouio,
XVII. Jahrhundert, ^luseuni Fraueiseo-rarolinuni in Linz
(^Nr. 112") , ein Elfenbein- 'rriptyelion, in der.AIiite Maria
mit dem Kinde, auf den Flügeln Darstellungen aus dem
Leben der iieiligen Jungfrau, XV. Jahrhundert, Stift
St. Florian (Nr. 118), ein zweites derartiges Sehnitz-
werk, in der Mitte die heiligen drei Könige, an den Seiten
je zwei heilige Frauen , XV. Jahrhundert, Stift Neu-
kloster in Nieder-Usterreich (Nr. 128) , ein bronzenes
Rauehtass, XY. Jahrhundert, des Stiftes St. Florian,
Ober-Osterreieh (Nr. 13;5), zwei gothische Leuehter aus
Kupfer, Stift Lambaeli in Ober-Osterreieh (Nr. i;'4 und
135), ein hiibseher roiiianiselier Leuehter des Herrn Prot.
K. Klein, ein eisernes Vorhäugesehloss mit eingeätzten
Ornamenten, XVIL Jahrhundert, Stadtgemeinde Wiener-
Neustadt (Nr. lol) , zwei Thiirsehlösser aus Eisen aus
dem XVH. Jahrhundert (Nr 182 und i;!G\ Stift Neu-
kl( >ster und Stift Herzogenburg, ein G i 1 1 e r t b ü r s e h 1 o s s
(Nr. 130) ursprüngiieh in Maria-Saal, jetzt im Landes-
niuseum zu Klagenfurf, löi/o" lioeh, unten 18'', oben 10"
breit. Die Vorderseite ist aus durehbroehener Arbeit, das
aufgelegte Ornament gleieht eineni fensterartigen Mass-
werke mit unterlegtem farbigen Pergament. Die Mass-
werkverzierungen sind bis in das kleinste Detail fein
und zart durchgearbeitet und die in Anwendung ge-
braehten Motive weisen auf eine ganz entwickelte
(iotliik hin, so dass man die Zeit der Anfertigung
dieses schönen Sehlosses jedenfalls in das Ende des
'i»Ä?J^''^^-<^VP^VrD ES- R e S^S I G N ÄTiS/'f^CI,
■X
M'Ä,
riff, 3«. 'Wiltrn.)
— 171
XV. .lalirlmiiilcits versetzen kann (Fig 33, s. Mittli.
d. Centr. C'üuiiii. XV. jjag. öl). Hier finden sich auch
mehrere theils ganz silberne, fheils nur an den beiden
Enden mit Silber besciiiagcne l'ürgprnu'ister- undStadt-
richterstäbe aus dem X^■1I. .lahrliunilcrt (Nr. 14(» der
Stadt' Gurkt'efd in Krain, Fig. o4 , ferner Stadt-
rieiiterschwerter , deren Gritf und Selieidebcschläge
ebenfalls von Silber, aus dem X\ll. Jaiirliundert (Stadt-
gemeinde SteierNr. 138,) Pistolenmit in Eisen gesclmit-
tenen Verzierungen (Nr. 144), ein RadschJoss mit theils
gravirten , tiieils geätzten Verzierungen, Hirsciifänger
mit Elfenbeingriff und Siiberniontirung, ein Besteck mit
goldenen Gritfen, sehr schöne orientalische Arbeit, zwei
Dolche mit SilbergrifF und Seheide, der eineitaiienische,
der andere oriental sehe Arbeit (Nr. 137. 141, 14_' und
147. \. Widter), das Schwert zu audertliajl) Faust des
ersten lloelnneisters des Georgsordens in Millstatt in
in Kärnten vom Jahre 1499, 3' 7 ' hoch, Griti' und Parir-
Stange von vergoldetem Silber , ersterer gravirt, auf
letzteren: Ave maria — gracia jilena. Auf dem runden
Knoiife zwei emaillirtc Wa])|ien (des Ordens und der
Familie Siebenhirter), dieSclieide mit vergoldeter Silber-
fassung (Nr. 1 39, Landes Museum in Klagenfurt).
Die obere Abtheilung dieser Vitrine enthält drei
liöehsf werthvoile und alten Zi;iten ani;ehörige Trink-
gefässe, die dem Dienste der Kirche gewidmet waren.
Unter den geweihten Gefässen der Kirche nimmt
der Kelch die wichtigste Steile ein. luden ersten alt-
christlichen Zeiten bediente man sieh hölzerner oder
gläserner Kelche bei Verrichtung des Messopfers, aber
3P;. (Salzburj;-.)
schon zu den Zeiten derdiocletianischen A'erfolgnng, also
im 111. Jahrhundert werden goldene uml silberne Krlehe
crwälmt. In der Folgezeit werden diese edlen Metalle
das ausschliessliche Material, welches durch künst-
lerischen Schmuck , namentlich Niellen und kostbare
Steine, noch höheren 'Werth erhielt.
DerKeb'h besteht aus drei Thcilen, dem Fiiss zum
.\iit'stellen, dem Knauf zum Anfassen und der Cuppa
oder Sehale zum Trinken.
Zu unterscheiden sind die zum gewöhnlichen Ge-
brauch am Altar l)estinnnten kleineren (Jless) Kelche
\ondenzur Austlieilung des Aljendniahles , ehe den
iFig. 37. iSjil/.biii'fc.)
— 172
Fi:,'. :V.). (S;\\y,hu\-a:
Fi;;. V>. (Hnh.hwTK-i
Lilien (icr Ki'lcl: cützoüeii war, ln'stiiiiintcii Speise- oder
Ministerialkeielie. Sie waren unifani;reielier al.s die ge-
wöhnlielien Piiesterkelche, damit in der Ke^el zu ^lei-
clier Zeit einei- i;rö.ssercn Aiizalil Olänltiij'er das lieiiij;c
Aliendmalil fi'cspeiidet werden U()nnte, und mit Hand
lial)eii \crseiien, ilaniit tlen Diaeoueii der ({eliraiicii
derseli)en erleielitert war.
Die Aiisflieiluuf;' des Weines {jescliab alsdann mit
tel.st eines kleinen Saii^n'olires (fistitla, ealnins) aus
(!(ijd, Silber, Klfenliein, welches mit einer ndi'r melirereii
llamlliahen \crselien war.
Die kleinen Kelche zert'allen nach ihici- IJestim
munj;' in j;'ewölinliclie Messkelclic, in snli'he , die liei
(eierlichen (ielcfi-eidieitcn f,^el)rauclit wurden, l'untilieal-
kehlie. ferner lieisekelelic, welche klein unddl't /,nm Ans-
eiManderlej;en ein;;'ericlitet waren, und endlich (irali
krlche, meistens klein und von werthhiseni Metall , die
man den Itiscliiiten ins (Jrnl) zu ft-ehen pde.n'te.
\(in dem Stille Kldslerneuliuri;' wurde ein solcher
üeisekelch sammt l'alena, lltistienhiiclise nnd Messkänu
chcii aus dein W. Ja liihundert (Nr. 1 Hi, Fi;;'. '.U \
zur Ausstelluiif;- j;ei)raclit. Seine Hestinnnunii' als
Itcise-Kcich (diarakterisirt si(h dadurch, dass er in drei
'riiiilr zerlej;liar ist, die mittelst eines am l^^iisse iieliud-
lichen /apl'eiis in einander ^'eschi'auhl wei'dcn kimnni.
I»ic Mcs>k;inuclicii sind s(i :;'cl'(ii'ml, dass sjc der l'"liichi'
17.} —
des Fiisses ;uifgelef;t wcnleii können, (larüticr konnte
sodiinu die Cai)i);i f,'estüiv.t werden. lu die Ilüldung
des Kuf-ses passl die Ilosticneapsei und als letzter Schluss
dient die Tatenc, die in ihrer Mittelfläche mit einem
i,'ravirten Usterlainm sammt Faluie geziert ist. (S. Mittli.
d. Centr. Connn. AI. |)ag. 2(1S.)
Der älteste der in Deiifseiiland l)ekannten Kelche
hetindet sieh in der Abtei Krenismiinster und wird durch
seine Inschrift: ,,Tassilo dux fortis Liutpirc virga rega-
lis" als AA'iilmung des Ilcrzcigs Ta s s il o, welclier dasKlu-
sier 777 gegründet iiat, bezeichnet. Seine Form ist i)ri-
mitiv und wenig gegliedert, der trichtertormigcFussund
Knaul' gehen Jn einander über und nur die 6" weite,
stark ausgebauchte eiförmige Cuppa wird durch einen
Perlenstab von den unteren Theilen gesondert. Die
Höhe des ganzen Kelches beträgt 10". Das Material
ist Kupfer, welches mit silbernen Niellen und goldenen
Ornamenten besetzt ist. Die Brustbilder Christi, der Evan-
gelisten mit ihren Syndiolen und vier männlichen Heiligen,
in Medaillonform auf der Cuppa und dem Fusse ange-
bracht, sind interessante Zeugen der barbarischen, noch
rohen und stylloseu fränkischen Kunst. Ob der Kelch,
der mit Kücksiclit des Charakters der Ornamente ein
heimisches Werk vernuithen lässt, ursprünglich kirch-
liche Hestinnnung hatte, sind die Fach.gelehrten ver-
schiedener Aleinung; Ueferent neigt sieh der An-
schauung hin , dass der Kelch stets nur profane Be-
siiuimung hatte. (Nr. 151.) Siehe die beigegebene
Tafel. IV. (}l\U\\. d. Centr. Comm. III. Band.)
Als Beispiel der erwähnten Communion-Kelche sei
vorerst jener im Stifte Wilten in Tyrol besprochen.
Er ist aus Silber, im Feuer vergoldet, und stammt
aus dem Ende desXII. Jahrhunderts. Der Fussist kreis-
rund (()" 8" Durchmesser) und fast flach. Der Schaft
cylinderförmig, mit einem runden Knauf versehen. Die
mit zwei Henkeln versehene Cuppa bildet im l'rofil
einen regelmässigen Halbkreis mit einem Durchmesser
von 5" S>/.."'. Als Trennungsglieder zwischen der Cuppa
und dem Knaufe , so wie zwischen diesem und dem
Fusse sind Ringe in Form von Eierstäben angeljraclif.
Einen besonderen Wertli hat der Kelch durch den Reicli-
thnm ornamentaler und liguralischer Ausschmückung.
In lunamentaler Beziehung tritt als Hauptanordung
an dem Kelche die Eintlieilung der Flächen des Fusses
und der Cuppa in runde, aus verschlungenen Band-
streifen gebildete Felder hervor, von denen jedoch nur
jene des Fusses eine regelmässige Kreislinie bilden,
jene der Cuppa hingegen etwas verzogen erscheinen.
Sämmtliche Felder des Kelches sind mit Scenen des
alten und neuen Testaments geschmückt. Die ornamen-
tale Technik besteht theils in Gravirung und Niellirung
vorzüglichster Art, theils in getriebener und gegossener
Arbeit ; letzterer Art sind der Knauf mit den beiden
Ringen und die Henkel, deren Ornament aus stylisirtem
Laubwerke mit zwei Perlenstreifen an der Randseite
besteht.
Am senkrechten Rande des Fusses ist in schön und
rein geformten Uncialen die Inschrift zu lesen : f parce
calix isto per (|Uos datus c^t tibi x\)q bertoldi nionitis
cui sis mitissime mitis. l'nter dem Kamen Berchtold
dürfte ein Graf von Andechs gemeint sein, welcher laut
einer Klostertradition diesen Kelch dem Kloster ge-
schenkt hat. An der äusseren Einfassung der Fuss-
Häche läuft folgende Inseiirift : „in testamento. veteri.
XVIII.
ipiasi. sub. teguniento. clausa, latet. nova. lex. novus. in.
cruce. quam, reserat. rex." (Fig. ;36).
Die Patena ist auf beiden Seiten nur mii tiguralen
Darstellungen gesdiniückt. Die in der Mitte der l.'ück-
seite sind in Relief, die der Vorderseite in Xiello ausge-
(iilirl. ^Vh■ sehen die Kreuzigung, am Rande: die Syna-
;;n,-e in die Pforten der Yorhölle einziehend, die P.e-
freiung der Voreltern aus derselben und deren Eiu-
fiilining in den Himmel, dann als Mittell.ild oben die
Frauen beim heiligen (irabe, Christus auf dem Wege
nach Kmaus und dortselbst, die Scene mit dem heiligen
'i'homas, und die Himmelfahrt. (Siehe Tafel V. und VI.)
Die beiden jedocii nicht ausgestellten Fistulae sind
von Silber, kleine dünne Röhrchen, 7 !/.,'■ lang, au der
l'ijr. 41. Krenismiinster.)
23
174
FiK. U.
"v^. 4-J.
Zwcttl.i
Fi^. A-
einen Seite enger luul in der Jlitte mit einer kleinen *
herzförmigen Handhabe versehen. (Nr. l"2ß und 157.) '
Der S])eisekc]eh im Sciiatze des Bencdictiner- Stif-
tes zu St. Peter in Salzburg ist 9' V'li'>fli und 8" breit.
Silber und vergoldet. (Nr. 114 und 158.)
Die Fläche des kreisrunden und am äusseren Ran-
de mit Steinen gezierten Fusses sehniiieken zwölf umge-
stürzt elktgenreihen, die gegen denKn;iiif/usi rahlcnförmig
ziisainmenlaufeii, in denen aus einer tiiuniiartigen Archi-
tektur en relief die Brustbilder vim zwölf männlichen
Gestalten mit Palmen in den Händen sichtbar sind. Auf
diesem Fusse ruht, und zwar von demselben nur dnrcii
den aus Krystall gefoi-niteii runden Nodus getrennt, die
('U])iia, die jedoch abweichend \(iu der Gestalt der ge-
wöhnlichen romanischen Kelche sich der Vasenform
nähert und in dieser Beziehung zu den cigenthiuniiciislt'n
Erscheinungen unter den liturgischen Gelassen dieser
G.iirung gcliört. .\uch die Aiissciimückung der mit zier-
lichen Henkeln versehenen Cuppa ist ähnlich jener des
Jusscs. In den zwölf ovalen Fehlern der unteren Hälfte
sind gleichfalls en relief zwölf männliche als Pioiilieten
erkennbare Gestalt('n angebracht, die tlieils aufwärts
schauen, tlieils mit erhobener Hand iiinaiifweisen. Die
Fläche des oberen Tlieiles der Ciippa ist mit einem
Inseln iftstreifen gcschmUckt.
rnterhalb dieses Schriftstreifens iäun um die(;ii)i|ia
ein Zierband herum , das mit Ornamenleii ausgefüllt
ist, welche in ihrer Form an shnische Inschriften er-
innern und auch durch lange Zeit dafür gehalten wurden,
was aber nicht der Fall ist. (Fig. i',7.)
.Auf der Patene ist in einer dreizehid)lättrigen Hose
Christus mit den zwöirAposteln dargestellt und zwar
wurdcfrcraiIejcnerMoment ge wählt, wo cilfderApostcl die
iJccIite cini)orheben und fragen: P»in ich es ? währeml Judas
gleichzeitig mit dem Heiland di(' Hand in die rosi'nför
mige Schllssel taucht; in der .Mitte derPalem' sehen wir
' s. .Inhrliiirl. IV., (.«g. 27.
das Lamm Gottes in dei- üblichen Darstellungsweise.
Kelch und Patene tragen emaillirte Inschriften in üncial-
buchstaben, als :
ti) am Rande des Kelches: iiriseoriim suspirant
vota virorum, hie sanguis restauret, quod negnt anguis.
l>) am Rande der Patena: hec duodena eohors fit
hoc in nmnere Concors, hie i)ia vita datur, tetra mors
l'"iff. ■!,'). I KJii^lcrni'iilinr^i'.;
- i7:>
Fig. 4ij. (Salzburg.)
litic iiaiif tu .trat 11 r : Peetore tractatur, quod xi.-sii rite iie-
iratur; Ecct- favo, non panis, qiuul visu rite nei;atiir.
r) im Iiiueni der Patena: eliors est iiidignu.s licc
fena saius(|ue beiiip:nis; qui camem iiiidain inaliis aiii|)is«
as])iee Judaiii.
rf) Ulli das ( »sterlanim : Pi ciiti iiinrliis lioi- ;i:;iiii sal-
vitur orbis i
Der unter Nr. 120 ausj;estellteKeleli .•^aiiimt l'ateiia
i.st ebenfalls dein Scliatze de.sRenedietinerstil'ies St. Peter
in Salzburii' entiioiiniieii. Er ist ans Silber an!iefertii;t und
veriroldet. hat eine Midie von 4'/^', gehört dein XII. Jahr-
hundert an und repräseiitirt die einfaelie Kelehfnrin
während des roinanisehen Style.s. Der Fuss ist rund und
steigt triehtertonnig an; der eigentliehe Sehat't fehlt und
wird dureil einen runden, zieinlieh breiten Nodus ersetzt.
Die Trinkseliale ist halbkugeltürniii;' mit etwas ausge-
bdgeiiem liande. Zwischen Schale und Nodus ist ein
kleiner King mit Perlen-Ornament eingesetzt (^S. Jlitth.d.
Ceiitr. Coinni. XIII., png, 421).
Die Patene, welche nrs])riinglich nicht zum Kelche
gehörte, hat einen Durelimesser von b\/," und trägt
in der \ertiefteii Mitte innerhalb eines Seciispasses
das Bild des Osterlammes mit dem Kreuzninibns. Von
der Brust des Lammes geht ein Blutstrom zur Erde und
I .S. M:tlh. li. Cent. Com. VIII p. 2.'>
mit dem rcciitcn Vorderfusse trägt es eine offene leere
Schrittrollc. Über dem Lamme sieht man eine segnende
Hand sich herablassen, an deren Wurzel man den Sauiii
eines weiten l'altenreiclien Kleides bemerkt, l'm diese
Darstellung der Patene und am Rande des Keleluiisses
herum befinden sich folgende Inschriften:
(laudeat in vita lleinricus, Sirus et Ita und:
Hoc Tibi devotus dat minius, Christe, (■erhohus.
Nach der ersten Inschrift wurde die Patene (mit
einem Kelche) in der zweiten Hälfte des XII. Jahriuin-
derts von den genannten Gliedern des angesehenen
<irafengcschleclites von Burghausen, welches (Jesidilecht
wiederholilt die Schutzvogtei über das Kloster St. Peter
inne gehabt hat, deni Kloster geschenkt und nach der
anderen Inschrift hat diesen Kelch (mit einer Patene)
ein gewisser (lerhobus im XL oder anfangs des XII.
Jahrhunderts geopfert (Fig. 38 und ;]!), s. ^litth. d.
<'cntr. f '4)111111. XIII. jiag. 51).
Eines der seltensten kirchlichen Gefässe ist die so-
genannte Columba, welche in zw^ei Exemplaren ausge-
stellt ist (Fig. 40). Das eine der beiden, und zwar
sehr gut erhaltene, gehört dem Domschatze zu Salzburg.
(Nr. loO, DasGefäss ist aus Kupfer angefertigt, hat eine
Hidievou 9" und die Gestalt eiuerTaube, die auf tlacheni
Postamente steht. Die ganze Figur in ihren stylisirten,
■wenig zierlichen Auffassung ist vergoldet, der Leib und
die stelzenähnlichen Beine sind mit federförmigen Ein-
gravirungen überzogen. Der Schnabel und der mit
einer besonderen Stütze versehene Schweif sind glatt,
die Augen aus blauem Glasflnss gebildet. 5Iit besonderem
S(dimucke wurden die Flügel ausgestattet; sie sind nach
Art der Flügelfedern mit schönem bunten Emaill geziert,
der nur i^ravirte Deekel zum Offnen des aus dem Leib
Fig. 47. ^.Sanct Paul.
2a*
— i76 —
4';'^^
'^ ^ m
Fi;?. 48. (Mari<a Saal.)
der Taiil)e g-ebildeten Gefässes ist am Kücken der Figur
angebracht.
Das zweite Gefäss, jedocli niirT" lidcli, findet sicli
im Stiftscliatze zu Göttwoiü: und ist daran die Tnnlien-
^estait mein- entwickelt. Es ist aus Messini,- ani;-el'ertii;t,
glatt, ohne Eniailschnnick, in nenererZeit veigoldct nnd
dürfte ebenfalls aus dem XII. Jahrhundert stanniien.
Stellt man die Frage , welclien Zweck diese Gefässe
in der kirchliclien Kunst des Abendlandes hatten, so
nniss man l)emerken, dass schon im IV. Jahrhundert
Spuren von goldenen und silbernen Gefässen inTauiien-
gestalt in den christlichen Kirchen vorkonnnen; sie wurden
|)cristerium oder cohimba benannt, auch ciborium, in w'el
chem Falle sie dann zur Auflie Wahrung der lloslic dienten;
diese letztere liest innnnng war auch die am meisten übliche.
Der Platz, den die Columbamitder Eucharistie einnahm,
war auf dem Altar, meistens stand dieselbe in einer von
der Decke des Ciboriums-Altars lierabliängenden Schalr
oder Schüssel, die dann heraufgezogen oder niederge
lassen werden konnte. Otters hing dieses (iefäss auch
über dem Taufbecken und dürfte dies mit der Übung in
Znsammeidiang gestanden sein , dass Täuflinge nach
dem Taufaete das heiligcAliemlmal empfingen. Da aber
seit dem s|)iileren Mittelallir eine andere l'.i'liiillnissform
fllr die Aulbewahruug der Eucharistie gewählt wurde, so
verschwand die ('(dundja aus dem Gebrauehe der occi-
dentalischen Kirche. Die zweit(!, aber seltener vorkom-
mende liestininning der ('(dnndia ist die des Chrisma-
riums, zur Auflic Wahrung des Chrisa ms, eine l>estiimnung,
welche die beiden in Rede stehenden (iefässe, mit Klick
sieht auf ihre büclisenartige Höhlung, gidialit halten
dlirffcii. I
Hier finden sich auch die zwei Leuchter aus Kupfer
mit aufgelegten niellirten und vergoldeten Silberplätt-
chen, lö'/^'iioch; die gleich dem Tassilo-Kelcli aus dem
Ende des VIII. Jahrhunderts stammen und Eigenthum
des Stiftes Kremsmünster sind. Auf der Oberfläche des
dreieckigen kleeblattförmigen Fusses sind als Haupt-
relief Thiergestalten und an den Kanten gleichsam
als Widerlager drei v(n-s])ringende Salamander oder
Greifen angebracht. Freistellend und anfgelöthet be-
finden sich ferner noch an den I'lattflächen des Fuss-
gestelles drei Thierunholde mit aufgesiierrtem Kachen
und umgebogenem Halse. Der Fuss ist ciselirt, polirt
und vergoldet; die Gestalten der Thiere sind mit
kleinen aufgelegten Sillierstreifen ornamentirt. Aus dem
Fasse baut sieh der Ständer auf, der an drei Stellen
von Knäufen unterbrochen , und mit Handstreifen aus
aufgelegten und mit Laub-Ornamenten geschmückten
Silberplatten bestehend, umwunden ist. .\uf jedem der
diei Knaufe sind Kreise, worin als Basreliefs Tigeran-
gebraeht sind. Oben schliesst der Ständer mit einem
riachen Schüsselchen ab (Nr. 152 und 1Ö3 des Kata-
logs, s. Fig. 41). Bei dem Streben der romanischen
Kunst, ihren Erzeugnissen einen tieferen Sinn unter-
zulegen, dürfte in den an den Leuchtern iierundvriechen-
den Bestien wohl das böse Element dargestellt sein,
welches das darüber befindliche siegreiche Licht der
christlichen Lehre fruchtlos bekäini)ft.
DieMitte dieser Vitrine nimmt ein eine rei/,ende El-
fe n b e i n g r u ]) p e ; die dazu gehörigen Figürchen hat Abi
Bohuslav (1248— 12Ö8) von seinen Beisen nach Citeaux
mitgebracht, angeblich ein Geschenk KönigLudwig's XL,
der oft den Generalcapiteln derCistertienser beiwohnte.
Auf einem Postamente steht Maria (!' hoch), auf
dem Arme das ganz bekleidete Kinil, welches seiiu'n
rechten Arm um ihren Hals schlingt, sie blickt es freund-
lich an und zeigt ihm ein Spielzeug, w\;lches sie in der
rechten 1 bind hält (Fig. 42). Daneben die Verküiuligung in
.'V hohen Figuren: Maria stehcndden iMantel über den Kujif
gezogen, den Bli(d^ zu Boden gesenkt, ein l>nch in der
Hand, eine freie liebliche Gestalt, — der ungeriügelte
Engel mit kurz gelocktem Haar, im weiten !\Iantel, in der
Linken die Schedulamit: „Ave Maria" die liecliteineigen-
thiindicher Haltung gegen Maria ausgestreckt (Fig. 41-5);
feiner ein Mann mit grauem Haar und Bart, vorwärts
sehreitend, in der Beeilten eine Krone (vielleicht einer
der heiligen drei Könige) , endlich unten vier kleine
iialliliguren \'on freundlichem (Jesiehtsausdrucke, Kronen
;Mif den Händen tragend, mö>;-liclierwi'ise die (|nalnoi-
.S Miilli. <l. Olli. Com. XI. |i. CXXIII.
I"i^'. til. il.aiii
— J77
ooronati vorstellend (Fig. 44). Diese FigUrchcn scIrmuch
HestaiuUheile eines grösseren Keliqnienkiistelu'ns gewe-
sen /u sein. Haare nnd Verzierungen sind vergoldet.Augen,
Wangen, Lippen, sowie das Futter der Gewänder sind
leicht bemalt. Die Köpfe erhalten einen eigentlniniliclien
Ansdrnck durcli den läclielnden ]\Iiind mit liinant'gezogc-
nen Winkehi und die selimal geschlitzten Annen; dieser
so wie die leicht geschwungene Haltung, die mageren
Hände mit eckiger Bewegung , die feinen Falten der
(Jewandnngen bezeichnen die Kunstrichtung des XHl.
.lain-hunilerts, wo bei leliendiger Empfindung und Slre
bell nach Charakteristik eine gewisse gesuciitc Zierlich-
keit die Stelle der Anmuth vertritt (Nr. 155 des Katalogs,
Herichte des Alt. Ver. V. B.).
In der Mitte des auf diesem Tische befindlichen
( i laskasteiis prangt das K e 1 i c] ii i e n k r e u z aus dem Stifte
St. raul, auf dessen Existenz Prälat Seh. l^runner
zuei'sf aufmerksam gemacht hat. Das Iveli(piieiikreuz be-
steht im Innern aus hartem Holz und zeigt nach ausßen
Metallverkleidung mit Edelsteinen und (lemmen, auf der
Kehrseite in's Metall gravi] te Inschrilteii bezüglich der im
Innern des Kreuzes einst aufbewahrten l;eli(|uien. Das
Kreuz ist 8o Centimeter hoch, der Querbalken hat
(')() Centimeter, an den Enden des Querbalkims uml
olien ist es mit je einem Quadrate abgeschlossen, wel-
ches eine rahmenartige, einen Centimeter über das
Kreuz herausvagende Erhöiiung hat. Au den vier Enden
des Balkens sind die Symbole der vier E\angelisteir
angebracht. In der Mitte des Kreuzes wird unter einer
Kl ystallglasscheibe der eigentliche Kveuzpartikel auf-
iKn\alirt. Im Uanzen ist die vordere Kreuzfläcdie mit ITo
Steinen geschmückt, die den dünnen Cloldbleclijn ange-
fügt sind, darunter Saphire und andere werthvolle
ungeschliffene Edelsteine, auch gibt es werthlose Onixe
und ('arni(de. miluiiter auch wurde an Stellen, wo Edel-
steine alibandeii gekommen, geschlirt'eiies farbiges
ülas eingefügt. Unter diesen Steinen befinden sich
drei egyptischeSkarabäen oder Käfer, einer in Amethist,
zwei in Carniol geschnitten, dann 24 vers(diiedene alte
(iemmen in Sard, Carniol. Amethist, Laj^is Lazzuli, Agat
und Unix geschnitten. Die Zwischenräume der ge-
fassten Steine sind mit feinem doppeldrähtigem Filigran
deeorirt.
Die Rückseite des Kreuzes ist durchwegs mit ver-
goldetem Metall überzogen. In fünf (Öffnungen , die mit
feiner dundibroelicner Arbeit geschlossen sind, waren
früher an hundert Heiligenreliquien aufbewahrt. Selbe
sind nicht mehr darinnen, die Namen der Heiligen aber
befiiulen sich auf der Metallfläehe eingravirt. I'in diese
fünf Otfnungen zeigen sich gravirtc Hciligenii'cstalten.
Am Fasse des Kreuzes ist zu lesen: „Claudit hie digiii
erucis alme portio ligni de tunica, aspersa sanguine,
I'anonici Regis dedit uxor Thac. Adilheidis. Dominus
Giintherus Abbas patravit haue crucein."
Dieticscbiclite dieses Kreuzes lässt sich in Ftdgen-
dein zusammenfassen. DieKreuzpartikel wurde \()r dem
.lalire 1077 durch die Königin Adelheid dem Stifte
St. Blasicn unter seinem Abte Cisilbert (lOliS— l()8(i)
übergeben. Selbe bekam vom Abten IJto (1()8(J — IKK»
und ]](»8') eine Fassung von Bronze. Der Abt Giinthe-
rus (1141 — II 70) entkleidete sie dieser und gai» ihr
dafür das gegenwärtige weit kostbarere Gewand von
Edelsteinen, Gemmen und Relifiuien , das aber durch
die I'nniinst der Zeiten bedeutende Schäden erlitten
"^'K-v
^?r ', •^"
[■'i','. fiO. i^Wien.l
— 178
Iiat. Die rückseitige Plattining- ist liieiiweise niisge-
sclinitteii niul weggerissen , walirsclieiiilicii wollte iiian
zu den mitei- derselben befindlichen Reliquien koniiiien.
l-iK.
iMiit/.cii.
Manche Edelsteine und besonders Gemmen sind ver-
schwunden und ihre Stelle ist entweder leer oder durch
werthloses ^faterial (dme Kunst und Geschmack ersetzt.
Die ungünstigsten Schicksale sclieineii in der neueren
Zeit für das Kreuz gekommen zu sein , da von den
Gemmen, die Abt Gerbert in Hist. nig. sylv. P. 2,
p. o8lJ u. f. beschreibt und die also zu seiner Zeit vor-
handen waren, wenigstens acht verloren gegangen sind.
Von dem sonstigen Inhalte dieser Vitrine seien
noch erwähnt, ein reich geschnittenes Elfenbeinhorn
mit dem Bilde König Hcinrich's HI. von Frankreich
(1575), des Stiftes Heiligenkreuz (Nr. Itü), ein .silberner
Rosenkranz, ein kleines Kreuz aus Holz mit Metall-
t'assung und Koralienbesatz, weissseidene Frauenhaiid-
schnhe mit Goldbesatz aus dem XVIII. Jahriiundert.
Die Rückwand des Saales zieren zwei altpersische
Teiipiche mit schönen Ornamenten auf Grund von Sil-
berfäden (Xr. 220 und 221, Aussteller Graf Dürheim)
und ein dem Stifte Kremsmünster gehöriger Gobellin
(Nr. 235) aus dem XVII. Jahrh. Unter demselben stehen
ein bemaltes und vergoldetes Holzschnitzwerk aus dem
X\'l. Jahrhundert, Eigenthum des Stiftes Herzogenburg
^^Nr. ISS). Dasselbe stellt den Tod Mai'iens vor; Maria
kniet ausserhalb des Bettes, gestützt auf Johannes, her-
um neun Apostel ; ferner die schöne Büste Kaiser
Karl's V. aus Bronce, ein Geschenk dieses Kaisers an die
Stadt Brüssel, jetzt Eigenthum des Fürsten Richard
Metternich (Nr. 22;]).
Einer iler bedeutendsten Gegenstände, wenn nicht
der hervorragendste der ganzen Ausstellung, ist das grosse
Altarwerk aus dem Stifte Klosterneuburg, bekannt unter
der ik'zeichiiung: Verduuer Altar. Es bestellt ans
5] Tafeln mit sehr interessanten Darstellungen, ausge-
tührt auf vergoldetem Kupfer mit Email champleve. Bei
Verwendung dieses Emails wird die ]\Ietall|)l,ntte selbst
mit dem Stichel derart bearix'itet, dass N'ertiel'iiiigen fiii-
das Email gebildet, hingegen die Umrisse derZeichnung
aus dem Metallgrunde hervorstehend belassen werden,
welche an diesem Kunstwerke fast allgemein vergoldet
sind. Emails dieser Art sind dasEigenthiim deroccidenta-
lisclieii Kunst. Die Darstelhmgeii grup])iren sich in drei
lloriztuil.ilreihen, von denen die mittlere die Begeben-
heiten aus dem Leben Christi (sub gratia), die obere
die typologischen Vorbilder derselben aus dem alten
Testamente voi-dei- Gesetzgebung .Mosis (ante legem),
die untere jene nach Moses (sub lege) enthält. Die
erste seid<.rechte Reihe der Bdder enthält die Verkün-
digung der Geburt I.saks, die des Herrn und die Sam-
sons. ZweiteReihe: dicGeburt Isaaks, Christi und Sain-
sons. Dritte iieihe; die Beschni'idiing Isa.Mks, Christi und
Samsons. Die vierte Reihe: oben Abraham und Mel
ehisedek, in der Mitte die Opleriing lU'r heiligen drei
Könige, unten die Königin von Saba, als Mohrin dargiv
stellt. Fünfte Reihe; der AuS'.ug der Juden aus Aegyp-
ten, die Taufe Christi unddas elu'rne Becken Salonions.
Die secliste Reihe: Moses in Acgy|)ten, der Kinziig
Christi und das jüdische Osterfest. Siebente Reihe:
das Opfer des Me.lchisedek, das Abcndmal , die Ijii
Sammlung des Manna. Achte Reihe: der 'l'od Abel's,
dci' Jinlaskuss und Aliner's Tod. Neunte; Reihe: das
Opfer Abraham's , da.s Opfer Christi am Kreuze,
die Traube aus dem l.,ande der \'crheissung. Zehnte
Reihe: der Sllndeiil'all der ersten Menschen, die Kr(Miz
abn.'ihme und die Abrahme des Leichnams des Könii;s
— 17'.)
\()ii .lcri<'lHi. I'.iltlc IJciln': .losciili wini in dfii llniiiiifii
,i;o,stiu'/t. <lif (iriihli'g-niii;' Christi, Jonas von dem
Wnlltisclu' \ ci-sciiliingen. Zwölfte Hcihc: die Pliifieii
Ac'^yi)t('iis. Cliiistus in der Vorholle, Sanison tödtet den
Liiwcni^Fii:. 40). Drt'izelnite Keilir: l'Mtriar(di Jacdh, das
Ostcrianini, Sanison trägt die 'l'liort' \ on (ia/.ä. \ ierzeiinte
Keihe: Knoeii . die Himmelfahrt nnd Elias. Fünfzehnte
Itcihe: die Areiie Noe, die Ansyicssnng des iieilii;en
(leistes, jMoses empfängt die Gesetztateln. Seidis-
zehnte Reihe: die Arche, das Ptingstfest nnd Gesetz-
gcbnng am Berge Sinai. Siebzeiinte (Iruiipe: das
Jüngste (Jerieht, die Engel des Geriehtes und die Auf-
i'rstehung der Todten. Den Sehlnss bildet oben dass
binnidisehe Jerusalem — in der Mitte der Heiland als
Weltriehter — unten der llöUenraehen.
Zwisehcn den Tafeln sind in llaibtiguren in der
oberen Keihe Engel, in der Mitte Propheten, unten die
Tugenden dargestellt. Jede DarsteHung wird dureli einen
leoninis(dien Vers erkiäit. Kndlieh ist noeh zuerwiihnen.
dass das Werk mit kleinen l'lättehen eingefasst ist, die
mit in versehiedeuiärbigeni Email ausgeführten Orna-
menten geziert sind; mau zählt davon 44 Muster, davon die
weissen durch besonderen (iesehmack sicdi auszeichnen.
Zi'.folge der Inschrilt wurde dieses grossartige
Werk, tlas bedeutendste Emailwerk des Mittelalters, das
man kennt, als Widmung des sechsten l'robstesWernher
durch Nicolaus von Verduu im Jahre llSl ausgeführt,
und zwar als \'erkleidung eines Lesepultes(Ambo); erst
nacii dem Ürande des Stiftes (]o22) wurde es zu einem
Flügelaltar umgestaltet, wobei die Tafeln der 7. und 11.
Iteiiie in A\'ien neu dazu gefertigt wurden.
Die conventioneile Richtung des XII. Jahrliiuideris
bildet an diesen Tafeln die entscliiedene (Grundlage ilirei-
stylistisclien Rehandhing. Aber sie entwiclvL'lt sicli, wie
Kngler treffend bemerkt, von solcher Grundlage ans
gehend, zu einem bewegten Leben, das bei manchem
auffälligen Ungeschick, bei manchem sehr Übertriebenen,
die bercdeste dramatische Aussprache des Moments zum
.\usdruek bringt; sie gestaltet sich bei cinzcdnen, nament-
lich weihlichen Gestallen zu den durchgebildeten (Irund-
zügeu eines classisch geläuterten Adels, der mit Empfin-
dung auf die Muster der Antike zurückgeht nnd in
staunenswürdiger Meisterschaft vorweg ninnnt, was etwa
erst um ein halbes Jahrhundert später zur umfassenden
Au^bildung gelangte. Hier sei auch der in erster Vitrine
dieses Saales aufgestellten Emailtafel Erwähnung gethan
(Nr. 1(3), die eine im 15. Jahrhundert angefertigte,
immerhin beachtenswerthe Naehhildung Jenes Email-
i)ildes ist, welches die Verkündigung Mariens vurstellet
(Eig-enthum dieses Stiftes ').
Auf der Rückseite dieses Altars sind vierTempera
(iemälde mit Goldgrund, auf Holztafeln angebracht, die
ohne Zweifel ebenfalls unter dem kunstsinnigen l'ropst
Stefan v. Sierndorf in der ersten Hälfte des XIV. Jahr-
hunderts aufgeführt wurden. Die Zahl der Bilder uml die
Wahl der Gegenstände derDarstellungen erscheint dureli
die (iesammtanordnung des Altarwerks als Flügelaltar
begründet; jeder Flügel enthält eine Tafel, das doppelt
so breite Mittelstück zwei. Erstere wurden, wie dies bei
Flügelaltären gewöhnlieh, während der Fastenzeit ge-
schlossen und zeigen daher zwei Hauptmomente der
Passion, das ist die Kreuzigung und (lie Frauen am
Grabe, dabei Christus als Gärtner. Die Rückseite
enthält Bilder aus dem Leben Mariens: den Tod und
' S. Niello-Antipendium zu Klosteineuburg von Arntili und Cainesina.
.Mitlh. d. CcDlr. Com. III., 285. AU. Verein IV. und Huider-EitellicrüHr II. IIb.)
■"iti. 'y2. Pi-ii-gütz
18U —
die VerlierrlieliHiii;-. Diese GeniäUle sind die ältesten
iiisher datirteii T;itel^'einälde Usterreielis niid ^eiiöreii
/.u den tVüliesten selbständigen Prodncten deutschei-
-Malerei. -
Die Mensa vor diesem Altare schniiiekt das lien-
liclie Antipendiuni ans dem Donischatze zu Sa 1/. Ii urj;-.
- .MJLll.. .1 Ale. V. X., pas. Ül.
Vin. :').-!. MSiitirnsicin.)
Es ist ir .-)" lan,:;-, .1' Imih iniil gäiizlieli mit Stickereien
Uljcrzogeii. In zwanzig Feldern in drei lieilien entiiält es
eben so \iele Darstellungen anstlem Lehen deslleilandes
von der ^'erkiindigul!g bis zur Ilinmielt'ahrt; und zwar
iu der obersten Ücilie: die Verkündigung, Anbetung
dnreb die Hirten und die heil, drei Könige (l'> Felder),
die Darstellung im Tempel und die Flucht nach Aegypten ;
untere IJeihe: Christus am OellH-rge, derVerrath des Ju-
das, t'hrisins vor Pilatus, die Geisseluug, die Kreuztra-
gung, Kreuzigung und Kreuzabnahme; mittere Reihe: die
(Trablegung, Auferstehung, Jesus als Gärtner, Christus
in der \orhölle , Christus unter seinen Jüngern und die
llinunelfahrt. Auf den Gelassen, welche auf der Dar-
stellung der Anbetung durch die heiligen drei Könige
von letzteren dargebracht werden und die gleich den
Kronen derselben erhaben aus Silber gearbeitet und
mit Steinen gesclinuiekt sind, liest man die Worte:
Praesul Fridericus Leil)i)icensi sanguhie natus hoc opus
aptavit altari, quod decoravit. Seidlid de Petovia nie
paravit. Erzbischof Friedrich III. von Salzburg (1315
bis 1338) ist es demnach, dem wir die Beiscliaffung
dieses schönen Altai-behanges verdanken. '
Wir kommen nun zu clen Gegenständen, welche die
beiden an derNordwand des Saales aufgestellten Kasten
enthalten. Wir finden hier ein dem Salzburger Doni-
schatze entnommenes 13'' hohes Kreuz; das aus zwei
verschiedenen Zeiträumen stammt , der Fuss ist ein
Werk des XV. Jahrhunderts, während das eigentliche
Kreuz sicherlich um drei Jahrhunderte früher ent-
standen sein mag. Dasselbe ist aus Holz, hat doppelte
Querbalken, ist ganz mit Silberplätt(dien und darauf
mit ri'ichem Filigranscliniuck belegt. In einer kreuz-
förmigen Vertiefung inmitten des durch den unteren
Querbalken gebildeten Kreuzes ist die particula S.crucis
eingelegt. Oberhalb l>etiiulet sich ein grüner Stein
mit der eingeschnitlenen \'orstellung (U's Kain])fes des
heil. Georg mit dem Drachen. Als iS'odus ist idii Stück
geschliffenen Hergcrystalls verwendet (Nr. KiT, Fig. 4()).
Das mit niieksieht auf die Form unter dem Namen
lidtula bid<annte litiirgi.sche ScIiaMgerälh liestelit aus
einer mittelst eines Stieles in einen pyramidal gestalte-
ten Fuss eingetügte Scheibe. Der Fuss von emaillirtem
Kupfer bestellt aus drei DreiecksHächen und ruht auf
drei Drachen, deren Flügel in dic^ angränzenden Fläcdien
eingra\ii-t und emaillii-( sind, [n jcdein der drei Felder
isteiiiMeda Ibiuaiigebracht, darin in prachtvollen Hniaü
färben „dasSchreilieiidesT.'', „die Krliöliung der ehernen
Schlange-' und „Sainson trägt die Thorthigel von Gaza-'
dargestellt ist. Die Scbeibi; hat ■i>i('entiniet(^r im Durch-
messer, ist von lunem K'ande umschlossen und durch
g(d<reuzte Stäbe in vier Felder getheilt, welche in durch-
brochener Weise ligurale uinl ornamentale Gestaltungen
aus starkem vergoldetem Kuiifer getrieben zeigen, als:
das Gi-ab Christi, die Ilimmelfalii t , (K'ii symbolisclieii
Löwen und den zur Sonne auitliegeiideii .\dler. Diese
Darstellungen sind mit enlsin'e(dienden Heischrifleii ver-
selirn. f>ei(ler ist ili<' Scheibi' nicht mehr vollständig,
denn (iliiie Zweifel dih'llr auf dem jetzigen üand ein
Zicrrand aufgelegt gewesen sein, der mit Steinen ge-
schmlickt war. zu deren .Vulnahme dieimb'and bestehen-
den Oelliiungen beslimml wariMi.Die P.estimmnng dieses
in das Ende des XII. oder beginnenden XIII. .lahr-
liiinilerts gidiörigen (lei'ätbes (Figeiithum des Stiftes
Krenisnilin^ier) ist nicht mehr klar zu erkennen, ibieli
ist es wahrscbeiiilich . d;iss sie die Fassung für eim-
I S. .Mlilli. VII , i«
— 181
Reliquie vom heil. Kreuze oder des Leidens Christi
jrebildet hahen mag. (Nr. 1Ü9 s. Taf. VII.)
Von den zahlreichen Kelehcn, die dieser Schrein
enthält, sei vorerst erwähnt: der Kelch aus der Abtei
St. Paul (Nr. 216). Er ist aus vergoldetem Silber ange-
fertigt, 8" G'" hoch. Der Fuss ist, wie bei den meisten
kostbaren im gothischen Style gehaltenen Kelchen , in
Form einer sechsbliittrigen Kose angelegt und misst in
seiner grössten Ausladung 4" 8'". Über dem die Unterlage
der Fussfläclie bildenden glatten Rande von einfacher
Profilirung betindot sich eine kunstreich durchbrochene
Gallerie, aus Vierpass- und Fischblasen-Mustern zu-
sammengesetzt. In den Einschnitten zwischen den ein-
zelnen sechs Blättern des Fusses ist ein schön stylisir-
tes, etwas heraustretendes Blatt-Ornament angebracht.
In jedem der sechs Felder des Fusses, die eine glatte
Wulst als Cordonirung haben und schmäler werdend
;iMi Schafte bis zum Nodus emporsteigen, zeigen sich
auf alternircnd dunkelblauem und dunkelgrünem Email-
grunde Relief-Darstellungen, umgeben von Laubwerk
mit Blättchen- und Blüthen-Bildungen. Die Darstellun-
gen sind: die Krönung Mariens, die heilige Katharina,
der heilige Hlasius, der heilige Nikolaus, Kaiser Hein-
rich II. und dessen Gemahlin Kunigunde. In dem ziem-
lich steil ansteigenden Schafte des Fusses endigen die
besagten sechs Felder mit einem kleinen Giebel und die
<la/wischcn laufenden Theilungswulstc mit einer leich-
ten Fiale. Dasselbe System der plastischen Ornamen-
tirung tindet sich an dem im Sechseck construirten,
stark vorspringenden Nodus , der oben und unten zur
leicliteren Handhabung etwas platt gehalten ist und
(■(irrespondirend mit der Feldertheilungdes Fusses sechs
ziemlich weit vorstehende auf die Spitze gestellte Qua-
drate zeigt, die mit Giaspasten ausgefüllt sind. Ent-
sprechend den sechs Feldern des Ständers erscheinen
auf beiden Seiten des Nodus sechs blätterartig auflie-
gende Schildchen, die abwechselnd Weinranken und
Engelsköpfe auf blauem und grünem Emailgrunde ent-
halten. Diese Blättchen sind mit einer zarten gereiften
wulstartigen Cordonirung umgeben. Zwischen diesen
Schildchen erscheinen überdies ober und unter dem
Nodus noch kleine spitzige blau emailirte Blätter. Flici-
dem Nodus setzt sich der, neuerdings mit kleinen Spitz-
bogen-Giebeln verzierte sechsseitige Stiel noch et\vas
fort und dient als unmittelbare Unterlage der darauf be-
festigten nach unten eiförmigen Cuppe, die eine Höhe
von 4 ' JS" hat und im Dun-hmesser des Randes 4" 2'"
misst. Der untere Tlieil der Cuppa ist, gleich den .\usscn-
blättern eines Blumenkelches von reichen nach oben hin
allmählig abnehmenden Verzierungen umgeben , welche
aus zwei Bändern mit Schilfblättern ähnlichen Pflanzen
Ornamenten, das untere auf grünem , das obere aut
blauem Grunde, und aus einem darauf gestellten und bis
zur Mitte der Cuppe reichenden, mit Rubinen und Perlen
besetzten Lilienbande bestehen (Fig. 47). Was die Ent-
stehungszeit, dieses aus dem Stifte St. Blasius im Schwarz-
wald stanmienden Kelches betrilft, so dürfte er wohl dem
Ende des XV. oder Anfange des XVI. Jahrhunderts ent-
stammen. •
In der Kirche zu Maria Saal in Kärnten wird
ein sehr schön ciselirtcr Kelch mit figuralischen Dar-
stellungen, sowohl an der Cuppa, als am Fasse aufbe-
wahrt. (Nr. 196.) Derselbe, aus Kupfer und vergoldet,
,' S. Milth. A. Centr. Comm. X., 109.
XVIII.
hat die ungewöhnliche Höhe von 9« 2'; auf den sechs
Flächen des Fusses sind Wappen angebracht , die
aufsteigenden Flächen schmücken eingravirte Blatt-
Ornamente. Die 4'V' hohe Cuppa zeigt ebenfalls ein-
gravirt: die gekrönte Jungfrau mit dem Kinde, umge-
ben ^on dem heiligen Joseph, Barbara, Mathias, Ka-
— 182
(liirübor niif eiiiciii
Jluria . hilf, inir . Jiirj;\'ii
J'ipr. 55. f.Seitcnstctten.)
tliariiiii, Joliaiiiit's, Aiiilims, Petrus
Itamlc die t'olsemlo Aiifsclirit't
Ulignaden . und . allen . mein . f'orfardern . und . nach-
kommen . amen . anno i. c. 14(36. (8. Mittli. d. Centr.
Comni. XIII. und Fig. 48.)
Beispiele der vollendeten Üherg-angsionn aus dvr
Oüthik in die Renaissance geben der silber-yergdldete
Kelch der Pfarrkirche zu Ybs in Nicder-Österreieh,
der noch im XVI. Jahrhundert entstanden sein mag,
(Nr. 190), der Pfarrkirclie zu Kranichberg in Nieder-
Üsterreich (Nr. 191), der Pfarrkirclie zu St. Leonliard
in Kärnten j^Nr. l'.i'J), und der Pfarrkirche zu Ebeiiturt
in Xieder-Osterreich (Nr. 217). Ein zweiter vbn dieser
Kirche ausgestellter Kelch (silber-vergoidet) zeichnet
sich durch den reichen Silbertiligranschmuck und die
Emails aus, womit er biszumTriiikrandt'der('ni)]ia iilicr-
zogeii ist. Am Fusse dieses aus dt'iii X\'I. Jalirliundeil
stammenden Kelches, ist ein Johanniterkreiizangebiacht.
(Nr. 178.) Beachtenswcrth ist der hier betindlicheKelch
dos Stiftes Lanibach, dessen Fuss modern, die silber-
vergoldete ('uj)pa aber dem XIII. Jahrhundert angehört.
(Nr. 237.) Die Sciiale isl aussen diirdi \ier von ihvein
(irunde ausgeliende und durch Kmidbogen \ erbun-
deiie Säuleu in vier Felder getheilt ; innerhalb welcher
sich 1. der Engel Gabriel mit der Überschrift : Ave Maria
gratia jdena, 2. Maria auf dem Thidiistnld siizend mit
der Aufschrift : Ego aiicilla doinini hat mild, .'!. der
Evang. Johannes mit der Überschrift: S. Johannes Evan-
gelista Domini, 4. ein Bischof mit der l'bcrschrift: S.
Khulianus eidscopus et martyr beünden. In den Bogeu-
feldcrn die Symbole der vier Evangcdisten. Säniintliidic
Darstellungen sind in gravirten l'mrissen ansgcliilnl
(Nr. ;]01, Fig. 49). <
Wir kommen nun zu den zahlreichen Monstra n-
ze 11, die diese beiden Schreini^ enthalten. l)ieM(nist ranzen
sind die Jüngsten in der Keihe der kirchlichen (le-
fässe. Sic entstanden aus Veranlassung des Froliii-
leiclmamsfcstes , dessen Feier in Deutsehland sich
erst seit dem Beginn des XIV. Jahrhunderts allge-
meiner verbreitete. Um das Veuerabile bei dieser (ie-
legenlieit allem \'(dke zu zeigen , und in der l'ro-
cession tragen zu können, schuf die Kunst aus den
zierlichsten Formen der gothischen Architektur Jene
praehtvolleu Behältnisse , welche die geweihte Hostie
in kostliarer Fassung der Verehrung der Gläubigen ziic
Schau stellt, l'uss zum Atifsfclleii und Knauf zur Hand
habe sind den entspreclieiiden Theilen der Ciborien und
Kelche nacligcitildet, der obere Tlieil aber entwickelt
sieh in der Regel zu drei zierlich diirclibrocheiicn Spitzen,
von denen die mittlere höher enipnrragl. während die
scilli(dirn na(di unten eoiisolarligabgeschlossen sind. In
dci- Mitte sieht man in einem viereckigen l'\ddeoderin einer
cvliiidrischen Hülse die dundi ein Ivrystallglas geschlitzte
Hostie Vdii einer halbniondl'örmigen Hülse iiiiifasst.
Die frühesten Mnnslranzen scheinen in den Beginn
des XIV. Jahrhunderts hinaufzureichen ; die meisten, dar-
unterdiegläiizendsten, g(diörendeni XV. Jahrhundert an,
einzelne fallen noch in die ersten Dcccnnien des XVI.
Jahrhunderts. Bald darauf, mit dem Eintritt der Rciiais-
sanee, ändern sie vollständig ihre (Jestalt und nehmen
Jene beliebte .Sonnenfoini an , M'clciic die geweihte
Hostie mit einem Strahlenglanze, wie mit einem Nimbus
umgibt. Es versteht sich, dass die mittelalterlichen Moii-
' S. JMillli cl. Cciilr. Com.
— 183 —
stniiizeii im AiifbiUi;iuicl(lcr Aussclimückung' uadi Miiiia-
tiirl»il(lerg()tbisclier;Tliiirinbauten sind, und dabei die Styl-
wandbingcn der gleidizeitigcn Arcliitoktnr fi-etrciilicli
niitniacbon. 1 )(icli sind die Streben, Fialen und Masswerke,
die Krabben und Blumen meist für das Material i;e-
sebickt moditieirt, und da die Monstranzen in der Kegel
aus edlem Metall, g:ewühnlieU vergoldetem Silber beste-
llen, so spricht sich der Metallstyl in ihren Formen
getreulich aus. Nur ausnahmsweise konnnen hölzerne
Monstranzen vor. In ärmeren Kirchen begnügt man sich
mit solchen aus Messing oder vergoldetem Kupfer. Es
linden sich mitunter solche Gefässe von auffallender
Höhe. Di? grössteu Jlonstranzen sind offenbar nur zum
Ausstellen auf dem Altar, nicht aber, um getragen zu
werden, bestimmt gewesen und zeigen bisweilen zwei
Handhaben zum Anfassen.
Kill sehr kostbarer Gegenstand ist die goi bische Mon-
stranzeaus der Sammlung des Freih. v. liotliseliild. Sie ist
ausSillier angefertigt und theilweise vergoldet, bat eine
(Jesammthöhe von 48" und charakterisirt sich durch
einen äusserst schlanken Aufbau. Der Fuss zeigt die
häutig vorkonnnende sechsblättrige Rose. Der Stiel ist
sehr dünn und hoch, baut sicli sechsseitig auf und ist
mit einem capellenartigen Nodus besetzt. Der eigent-
liche rapellenbau ist ebenfalls sechsseitig construirt, das
Hostienhäuschen ist cylindrisch. Figuraler ursiirüng-
licher Schmuck findet sich an dem Gefässe nicht,
obs(dion zahlreiche Nischen und Consolen an deinselben
angebracht sind. In das Hostienhäuschen ist in neuerer
Zeit eine zierliche Figur, den h. Petrus vorstellend,
eingesetzt worden. Wir iinden an dieser dem XV. Jahr-
hundert angehürigen Monstranze den seit dem Beginne
dieses Jahrhunderts überwuchernden Eiiifluss des deco-
rativen Klemeiits gegenüber dem verdrängten construc-
tiven auf Kosten des harmonischen und stylgemässeii
Aufbaues. Die Strebepfeiler und Bogen erscheinen nicht
mehr als Träger und Stützen des Gebäudes und sind
ohne constructive Bestimmung nur Spielzeug (Fig. 50).
Die MonstranzeausM atzen in Niederösterreich (Nr. 198)
ist von Silber, hat eine Höhe von 2' 3'' und eine
Breite von 7' j' , sie gehört demAnfange desXVI.Jahr-
hundeils an. Das Beliältuiss für die Hostie bildet ein
\iereckiges Häuschen. An demselben ist noch wenig
der Hintluss der Entartung des gothischen Styles durch
das Verdlüinen der Stäbe und Pfeiler am Aufbaue zu er-
kennen (Fig. 51). Am meisten tritt diess aber an der
übrigens prachtvollen gothischen Monstranze hervor,
die Eigeulhum der kleinen Gemeinde Prieglitz am
Semineriiig ist. An dieser haben sich die einzelnen
Träger und Stützen des Aufbaues unter Aufgeben der
kräftigen Gliederung und ihrer constructiven Wichtig-
keit zuäusserlichen spielenden Zicrathen bereits vollemls
verflüchtigt, und sinken zu dünnen Stäben und Fäden
herab, die mitunter in allerlei Windungen uiul Schnör-
keln endigend, an den Seiten des Tabernakels angebracht
werden und in ganz unnatürlicher AVeisc einen mächti-
gen, wenn auch luftigen Aufbau zu stützen und zu tragen
haben. Ihid doch muss man zugeben, dass hier in Form
und Zierlichkeit der Ornamente Bedeutendes erreicht
wurde, und der von dem Gewöhnlichen undStylgerech-
ten abweichende Aufbau des ganzen Gefässes immerhin
als schön entwickelt bezeichnet werden kann. Der Fuss
dieses silbernen 3' hohen Gefässes zeigt die Form einer
sechsblättrigen, gegen die beiden Seiten verbreiteten
Kose und istjiuf seinen Flächen durch eingravirte Dar-
stellungen verziert. Auf einer dieser Flächen sehen
wir den Donator mit einem Spruchbande, darauf die
Worte: „Hoc o|)Us lieri fecit JeronimusNevnberger, ple-
banus in Pruxlas anno 1515." Zur Aufnahme der Hostie
ist ein Glascylinder bestimmt. Der denselben umfan-
gende und sicii über ihm aufbauende Tabernakel ist
sechsseitig und bildet drei übereinander .stehende
Cajiellen, wehdie mit Figurenschmuck versehen siml
(Nr, :.'()( I, Fig. 5l'). An der silbernen und 22" hohen
Monstranze der Pfarrkirche zu Kabenstein in Nieder-
österreich ist die (gothische Stylrichtung noch ziemlich
vorherrschend, der constructive, aber immerhin leichte
Aufbau hat das Uebergewicht. Die Ornamentik ist
demselben untergeordnet. Sie ist ein Weihgesciienk
des Abt Laurenz von Gottweig (f 1482) an diese dem
Stifte incorporirte Pfarrkirche. Der Fuss bildet ein in
die Breite gedrücktes .Vchteck, das Hostienhäuschen ist
viereekigmit kreisrunder Verglasung, wird auf jeder Seite
von einem gothischen ('a]iellenbaii llaiikirt und von einer
sechsseitigen Caiielle bekrönt. Je ein Figürclien(Salvator,
Maria mit dem Kinde und S. Laurenz) ist in den ein-
zelnen ('apelleheii angebracht. Fig. 5;). (Nr. 215.) Die
unter Nr. .■>()] ausgestellte gothische Monstranze aus
der St. Leonhardskirche in Tainsweg, ein Gefäss aus
Silber angefertigt und vergoldet, von 33" Höhe ist von
der gewöhnlichen Dincbführuiig des gothischen Auf-
liaues wesentlich al)\ve:clieiid construirt, daher mau mit
^
|Wäim-^
Fig. 5(;. .Melk.,
•24*
184 —
Fk-. 57.
St. n.iri
:iii.
v\g. r.s
Recht anneiiiuc'ii kann, dass die Zcicliiimii; für diescHie
kein Goldschmied entwart', sondern dass mit Itiieksieiit
anf die streng arehitektonisehe (iliederung und Dnrcii
t'ührunffdcrKntwiirf aus der Hand eines geübten Architek-
ten hervorging und dass l)ei der Aust'üiiruug sicli der( Johl-
schniied angstlieh an das N'orliild geiialtcn hat. Der sein-
flache Fuss bildet eine achtblättrige sehr breite Kose, die
Oberflächen sind blank, der Stiel ist achtseitig, mit einem
kräftigen Nodns in Form einer f'apelle geziert. Auf
dem Stiel ruht eine Platte als Trägerin der unteren Capelle
oder besser gesagt, eines mächtigen Spit/,i»ogens, unter
welchem dieüber.ö" hohe Figurdesh.Leouhard stellt. Die
Figur ist vergoldet, Gesicht und Hände sind mit ( Hfarbe be
malt. Auf demabg('scliiiigteii Ilaiideder (•rwälinten l'iatlr
betiiidet sich tolgeiide Inschrift : ,.dew nionstianczen hat
lass(ni machen lawrenez mawtter burger zu 'i'emsweg I
Zcchmäehter sand lienhartz aus merigelay chlainat dew
der chirchen sand lienhartz geopfert sind anini diu. in"
cccc° XII. jar.'' Eine auf diesen Spitzbogen iiiheiidr
lireitere und längere l'latte trägt dvu eigeiillicheii Hau
des Iietabuliiiiis, Dasselbe ist viereckig, \(irii und rück
wärt» mit einer (Maspiatte versehen, d:iiiiil man dir
darin in einer von Kugeln gelialtc-neii Liiiiula getr.-i^ciie
heilige Hostie sehen kann. Der darüber sich eiit« ickelnile
.\bsciiluss zeigt eine dreitlieilige durchbrochene Capelle.
daran die; beiden Aussentlieile mit einen vierseitigen
mit Knorren und Krciizbliinie besetzten Spitze ab
schliessen. Die Mittel-('a|teile trägt no(di (MUeii wei
tereii auf vier Säulen ridieiideii Aufbau, darin der Kcce
lionio. An der Schmalseite de.K 'l'abernakcds erhebt sich
l)ei(lei-seit!g eine otfeiie Capelle, darinnen je ein Fii;iir-
clien (St. {.«aurenz und St Jacob major), darüber steigt
endlich eine weitere viereckige über Kck gestellte Capelle
empor, deren Fenster mit Masswerklilenden auf blauem
der violetten Finailgriiiide geziert sind, scliliesslich bildet
leren Absehluss gleicii dem Mittelliau ein vierseitiger
(
massiver Spitzhelin (Fig. 54 i).
Fine gothischc Monstranzc von Silber in stdir zier-
licher Form des XV. Jahrhunderts ist aus der Kirche
zu St. Leonhart in Käriitlnii ;iiisgesteilt (Nr. 174). Die
unter Nr. ll'.i ersidieinende Mtuistranze , 2' 3</.j" hoch
und 10i/j' breit, aus Silber und vergoldet, gehört dem
Stifte Seitenst etten und stammt aus dem Ende des
X\ 1. Jalirliiinderts. Sie zeigt, obwohl der tlmrniartige
Aufliau mit der im gothisehen St.yle Idiiiciien ( '(Instruction
)eiln'lialten ist, bereits den entsciiiedeiien ImuIIiiss der
Renaissance auf die Ornamentik, insbesondere an den
Finfassuiigen der Fenster, an den Verzierungen des
Xodiis und der Qiierunterlagc des Tabernakcds. Das
II(istieiil)eliiiltiii>s ist rund, nach beiden Seiten mit eiiiei-
Clasjilatte versehen. Die ([(MiTabiM-nakel abseiiliessende
S|iitzc ist mit dem gekreuzigten Heilande geziert,
ausserdem finden sich mehrere seiir zii'rliche Figür(dien
an \crscliie(leneii Stellen angebi'aeht (Fig. iih). Die
\dm Stifte Sclndleii aiisgstellte gothische Moiistraiize
(Nr. I!I2) ist aus Kupfer gegnssen und xcrgoldet,
sie iiililet i'iii liüi)s<lies Heispiel jener zahlreichen
derartigen (iefasse, die im XVI. Jahrhundert — man
könnte sagen fabrik>niässig erzeugt uurdeii. \'oiu
's. Mlllh. il. Ciiitr. Coiriin. XV.. liiiK. XXIX.
— 18S>
Stifte Melk sind zwei Monstranzen ausgestellt , eine
Keiiquien-Monstranze in gotliischer Form aus Kupfer
vergoldet, und dem XV. Jahrhundert aiigehörig(_Nr. 180),
Fig. 5(), die andere (Nr. IGS), die sogenannte Colo-
maiini-^lonstranze aus Silber, im Jahre 1 752 angefertigt
und einen Hollunderstraueh vorstellend, der in zwei ver-
schlungenen Stännnen aus dem Fusse des Ostensoriums
emporsteigt und sich oben in einen blätterreieiien
Strauch verbreitert. Die Hollunderblütlien sind dunh
Perlen dargestellt.
Das Stift St. Florian in Ober-Österreich hat meh-
rere Ciborien ausgestellt, eines (^Nr. 201) in der jetzt ge-
bräuchlichen Form, doch aus dem XV. Jahrhundert,
zwei (Kr. 175, 176) in Gestalt verschlossener spitzbe-
ileckter Häuschen auf Ständern, wie sie bis zum XV.
Jaiirhundert im Gebrauche waren. Bei einem derselben
sind die Flächen des Häuschens mit Darstellungen in
punctirter Arbeit geziert (Fig. 57 und 58). Ausser die-
sen sind noch vier Gefässe (Nr. 202 bis 204 und 239)
dieser Art ausgestellt, von denen wir bescmders eines
erwähnen, das mit recht hübsch ausgeführten Dar-
stellungen auf seinen Tabernakelflächen geziert ist.
Von eigenthümlicher Form ist das vom Stifte Melk
ausgestellte Reliquiar aus dem XII. Jahrhundert. Es
ist aus Kupfer angefertigt und vergoldet, 1 liocli.misst (5"
im Durchmesser und stellt in ziemlich i^luniper Arbeit
einen weiblichen Kopf dar, der mit einer Krone bedeckt
ist und dessen Haare in zwei nach rückwärts hängenden
Zöpfen geflochten sind. Den Kronreif zieren eingra-
virtc Ornamente und ein abwechselnd ans Kleeblättern
und vier einfaciien Rundblättern gebildeter Diadembe-
satz. Augen und Mund scheinen bemalt gewesen zu
sein. Am Scheitel des Kopfes ein gnisser Deckel zum
( »tfnen des Gefässes, derselbe ist auf der Aussenseite
mit romanischen Laub-Oriiamenten und Thiergestalten
reich geschmückt ist. (Nr. 17'j, Fig. 59.)
Nr. 205 des Katalogs bezeichnet das gothische
Üanchfass im Stifte Seitenstetten.
Die Käiichergefässe gehören der allgemein ange-
nommenen kirelilichen Mcinimu nach zu den Gelassen cler
Eucharistie. .Man kann annehmen, dass das Räuchern
in der christlichen Kirche seit den Tagen ihrer Befrei-
ung vom Drucke des Heidcntliums seine Anwendung
fand. Jedentalls ist das Räuchern der Altäre (^incensatio
altaris) mit kostbaren Wolilgcrüchen und zwar meistens
mit feinem unvermiscliten Weihrauch seit den Zeiten
Gregor's des Grossen in der christlichen Kirche einge-
führt und wird seither, um den Gottesdienst prunkvoller
/.u machen, als ein wesentliches Requisit der Liturgie
betrachtet. Anfänglich nur beim Messopfer in Anwen-
dung gebracht, hat die spätere Praxis sowohl der abcnd-
als auch morgenländischen Kirche die Incensatio bei
l'rocessionen, vor den Reliquien, \or den Biblern und
Statuen der Heiligen und beim otliciuni defunctorum
verwendet.
DieRäuchergefässe hatten anfänglich eine doppelte
(restalt, entsprechend den zweierlei Arten ihrer Benüt-
zung. Es gab nämlich grosse Rauchtasser oder besser
benannt Räncheri)fannen (^t hymiamateria, thyniia-
teria), welche zunächst des Altars entweder aufgehan-
gen oder auch aufgestellt waren, immer aber einen be-
stimmten und bleibenden Platz eingenommen hatten.
Diese Art der Räucher-Gefässe, auf welche sich wohl
jene Beschreibungen beziehen dürften, die wir bei
Fig. ö'j. (Melk.)
mehreren alten kirchlichen Schriftstellern treffen , ist
sdion seit langer Zeit aus dem allgemeinen Gebrauehe
der christlichen Kirchen gekommen.
Die zweite uud noch heut zu Tage in Verwendung
stehende Artbilden die kleineren tragbaren Rauc hfäs-
ser, die aus einer kleinen zur .Aufnahme der Kohlen be-
stimmten und mit einem beweglichen, meist aufziehbaren
tliurmähnliciien Deckel versehenen Schale (thurieremium)
bestehen. Diese Schale ist häufig mit einer fussartigen
Unterlage zum Aufstellen des Gefässes versehen, und
an dreiKettchen befestigt, die sichmitjenem des Deckels
in einem Knopfe oder Gritfe vereinen. Diese (iefässe
waren immer aus Metall angefertigt und zwar meistens
aus edlem. Am häufigsten finden sich silberne oder
kupferne und vergoldete , auch bronzene. Ganz goldene
oder kupferne und nicht vergoldet scheinen im früheren
Mittelalter selten gewesen zu sein. Das Räuchern ge-
schieht mittelst Schwingung dieses Gefässes (thuri-
bulum genannt), welches während der kirchlichen
Feier der Akolyth oder der Diakonus trägt. Die Räu-
cherungen hingegen nimmt meistens der pontificirende
Priester selbst vor.
Was nun die Formen und die Ausschmückung die-
ser tragbaren Räuchergefässe betrifft, so hat die zu jeder
Zeit herrschende Styl- und Geschmacksrichtung ihren
Einfluss dabei unzweifelhaft geltend gemacht und mit
Vorliebe die Sehö])fungen der vorhergegangenen Kunst-
perioden zerstürt. Sicher erreichte das Rauchfass im
XIII. Jahrhundert, als noch auf dem Gebiete der Gold-
schmiedekunst das romanische Formenprineip herrschte,
seine reichste Entfaltung und formell reinste Ausprägung.
Es ist eine merkwürdige Eigenthümlichkeit, dass sich
von den so manigfaltigen kirchlichen Gefässen und (ie-
räthen gerade die Weihrauelifässer mit so wenig Exem-
plaren sowohl aus der romanischen als auch aus der
folgenden gothischen Stylperiode in den Schatzkammern
der Kirchen Deutschlands und Österreichs erhalten haben,
da uns doch viele auf uns gekommene Kirclienschatz-
Inventarien des Jlittelalters zur (lenüge belehren, dass
dieses kirchliche Geräth allenthalben hinreichend und
in kostbaren Exemplaren vorhanden war. Der Haupt-
"Tund für das Verschwinden der kirchlichen Gefässe
— 18()
Fig. 'JO. (Seitenstetten.)
187
rouiniüsflicr Stylfurmeu übeTliuiipt liegt wohl darinnen,
class durcli die nachfolgende Gothik sehr viele der
bis dahin in> Gebrauche gestandenen Gefasse, deren
grössere Anziihl von besclieideneni Umfange, in Kupfer
gegossen und vergoldet war, ausser Verwendung ge-
setzt wurden, um an deren Stelle solche den eben da-
mals herrschenden Stylrichtungen entsprechende zu
bringen Wiilircnd der Herrschaft des gothischeu Styles
erhielten alle kircidichen (ierätlischafteu annähernd die
Formen eines Kircliengebäudes, und man erzielte damit
eine vollstiimlige Harmonie der inneren Einrichtung bis
ins Detail mit dem (iebäude selbst. Was von der ganzen
Menge der kirciilichen Gefiisse gilt, gilt nmsomehr vini
den meistens kleinen kugelfiirmigen und durch die Glntli-
hitze dem Verderben leicht ausgesetzten romanischen
Kauchfiissern, welche die Gothik nicht allein durch der-
lei umfangreichere, sondern auch ganz aus edlem Metalle
angefertigte zu ersetzen suchte. In der Gegenwart sind
tliuribula von romanischer Form schon sehr selten und
tinden sich nur mehr, statt in den Kirchenschätzen, als
Raritäten in ötfentlichen oder Privat-Sammlungen.
Sehr bedeutend mag die Anzahl Jener silbernen
Hanchfässer gewesen sein , die in der schlanken Form
der (iotliik, als architektonischer Aufbau mit Helm,
Strebepfeilern und Bögen, mit Fialen, Baldachinen und
Figürchen geziert, gebildet waren und sich noch bis zum
vorigen Jahrhundert in den Kirchen unseres Vaterlandes
vorgefunden haben. Allein fast jedes Jahrzehent der
letzten Säcula lirachte für die eine oder andere Gegend
der Veranlassungen genug, um diese Schätze allmälilig
zu lichten und verschwinden zu machen. Abgesehen von
dem I^mstaiule, dass die den Verletzungen mehr ausge-
setzte gothisclie Durchbildung des Gefässes und deren
durcli längere Zeit hindurch andauernde ^■erwendung
eine Erneuerung oder einen Ersatz forderte, hatte aucii
der Wechsel des herrschenden Geschmackes in der
Zeit der Kenaissance und ihrer ausartenden Nachfolger
so wie der bedeutende Werth des verwendeten Materials,
das meistens zu andern wichtigeren Gefiissen besser
verwendbar erschien, genug plausible Ursachen geboten,
um mit diesen älteren Weihrauchgefässen neuerdings
ebenso barbarisch umgehen zu können und sie umtor-
men und einschmelzen zu lassen, wie dies schon früher
während des auf den romanischen nachfolgenden gothi-
schen Styles der Fall war.
Das schon erwähnte Rauchfass in S e i t e n s t ä 1 1 e n
repräsentirt eine der schönsten Arbeiten dieser Art aus
der Zeit der (Jotliik, und zwar der zweiten Hallte des
XV. Jahrhunderts. Das ganze Gefäss ist aus Silberange-
Kitr. 62. lOöttwei};
Fij;-. lil. (Salzburg.)
fertigt, hat eine Höhe von 1' ;')' und an der breitesten Stelle
eiueii Durchmesser von 4" 8'". Der Fusstheil hat die bei
fast allen gothischenGefässen stereotyp gewordene Ge-
stalt einer sechsblättrigenEose. In den Zwickeln dersel-
ben ist je ein kleines Blnttoruament eingefügt. Der Fuss
selbst ist in seinem unterem Theile mit einer Gallerie
zierlich durchbrochen, unter welcher der einfach profi-
lirtc Rand angesetzt ist. Unmittelbar über dem niedri-
gen Fusse, welclier mit einer scharfen Schweifung nach
nmen ansteigt, und dessen sechs blanke Flächentheile
an ihren Zusammenstoss - Linien mit einem kleinen
runden und gerippten Wulste geziert sind, erhebt sich
(iline Vermittlung eines Verbindungsgliedes die eigent-
liche Räucherschale, in welche das eiserne Becken mit
den Kohlen eingesetzt wurde. Die Schale ist gleich dem
Fusse sechsseitig gebildet, und sind die sechs Seiten-
flächen mit einem Schuppen-Ornamente geziert und eben-
falls durch gerippte Wulste von einander geschieden.
Den oberen Rand der Schale ziert ein nach abwärts ge-
richtetes Lilienband, und sind an drei Stellen desselben
die Schwingkettclien befestigt, die sich durch den un-
teren Theil des Deckels ziehen un.-l in einem sechs-
theiligen (iritte vereinigen. (Nr. 287.)
Ueber dieser .Schale baut sich als der reichste Theil
des ganzen Gefässes der bewegliche Deckel auf. der
die Gestalt einer zweistöckigen sechsseitigen gothischeu
Capelle hat. Die sechs Mittelwände der unteren Abthei-
lung werden von je einem durchbrochenen viertheiligen
Fenster mit zierlichem Fischblasenmasswerk und von je
einem doppelten dariil)er sich wölbenden und vorsprin-
genden Spitzbogen, der mit einem leeren Wappen-
188
Fiff. tj3. (Admont.)
Schilde geschmiickt ist, bi'lcbt. Die Eci<eii bilik'ii starke
mohrmiiis untcrflieilte iiiul mit je eineiii Fi;;iirclieii ge-
zierte .Strebepleiler. In fast gleicher Durchbildung nur
minder verziert, erhebt sich der sieh etwas verjüngende
zweite Absatz des Deckels, welcher mit einem sechs-
theiligen niederen und einwärts geschweiften Dachhelni
mit her\(>rtrctenden iÜiipen bekrönt ist und durch eine
kleine Kreuzblume und einfc grosse unförmige Kugel
abgeschlossen wird, an welcher ein Kettehen zum Auf-
ziehen des Deckels haftet (Nr. 00).
JJeaelitenswertli ist die Anzahl mittelalterlicher
Krummstäbe, welche in diesem Schranke ausgestellt
sind.
Unter den mannigfaltigen Abzeichen iler hisdiöf
liehen Würde ist der l'ischofstab eines der herxiirrageiid
.-ten und \iirzligiich stell. Die llisciiöle erhalten den StaU
mit dem llbrigen lior'liiniestei-liclieu SiOuinicke iiei ihrer
Consecration, und fülireii denselijeii fortan als Zeichen
ihrer Jurisdictions-Gcwalt bei allen feierlichen Gelegen-
heiten. Derseliic (Hirfenstab, Stab, iiednni episcopale,
pastorale, baculiis pastoralis, auch ferula, virga, sambuea)
.soll die Fülle der bischöfliclien Macht, die dem r.ischofe
anvertraute kirchliche Kraft, dessen geistliche Gewalt,
anzeigen.
Seit welcher Zeit der Stab bei dcMi IJischrd'en im
Gehranclic steht, lasst sich nicht g(!iiau bestimmen, doch
ist die frühere allgemeine Annahme des IX. .lahrhiindeits
als iJeginn desselben unrichtig, indem sich schon aus
viel älterer Zeit hinreichende Ueispiele für das Hestehen
dieses bischöflichen Atlrilmtcs beibringen lassen.
Die Bischofstäbe hatten während der ersten Zeit
ihres Gebrauches noch keine eigentliche, bestimmt aus-
gesprochene Form. Sie kommen zwar darin alle überein.
dass sie einen beinahe mannshohen Schaft haben, allein
das obere Ende war auf vielerlei Art gebildet, wie wir
aus manchen durch vielerlei Donkniale der ältesten
christlichen Zeit uns erhaltenen Abbildungen ersehen.
So finden wir das obere Stab-Ende mit einem kleinen
Kreuze oder einer Kugel besetzt ; häufiger endiget das-
selbe mit zugespitzter, schwach gebogener Krümmung,
ähnlich einem Gemshorne, oder es ruhet oben auf dem
Stabe ein ganz kleiner, höch.st mannigfaltig geformter
Querbalken. Die Krunnniing ist jener Theil des Bischof-
stabes, an dem man sich vorzüglich bestrebte, Verzie-
rungen anzubringen, welche sieh darin symbolisch auf
den Kampf des Christenthums mit dem Bösen, das frucht-
lose Ankämpfen der Sünde gegen die Segnungen der
Erlösung , auf den Sieg der Kirche über die zwar ge-
schwächte Macht des Teufels, der aber durch fortgesetzte
Versuchungen den Gläubigen immer Gefahr drohend
und ein Feind des Glaubens bleibt, beziehen. Mit Hinwei-
sun,g auf seine erste biblische Erscheinung ist der Teu-
fel meistens in Gestalt einer Schlange dargestellt, aber
eben dadurch, dass sich die Schlange dem Dienste der
Kirche fügen muss, |ist ihre Erniedrigung ausgedrückt.
Die Schlange ist derartig verwendet, dass ihr Leib |die
ein- oder mehrmaliggewundene Krümmung Ijildet, der
Ko]if aber meistens sich inner derselben befindet. Uber-
KiK. l'l. ( Alteiiliiiif
189
dies finden wir iiJiuüfc innerhalb der Windung nocli eine
Darstellung, die entweder in Verbindung mit der
Schlange oder schon für sicii allein eine symbolische
Bedeutung hat. Auch diese Darstellung ist gröss-
tentheils dem (lebiete der Thierwelt entnommen;
die strenge kirc-hliche Anschauung hat sich nur insofern
bewogen gefunden, den Stott'für ihre Bilder diesem Ge-
biete zu entnehmen, als dem betretirenden Thiere das
Symbol irgend einer kirciilichen Wahrheit innewohnt,
oder doch leicht einzufügen war.
Die an den romanisclien Krummstiiben gewöhn-
lich vorkommenden symbolischen Bilder sind: der
Draclie oder die Schlange gegen das Kreuz beissend,
das Einhoni n.it dem Kreuze im Munde, das Lamm mit
der Fahne oder dem Kreuze, die Schlange einen .\])t\d,
eine phantastische Blume oder Pflanze im Rachen hal-
tend, das Einhorn, die Taube oder ein Engel im Kampfe
mit der Schlange. Seltenere Vorstellungen, welche auch
erst gegen Ende der romanischen Kunstperiode vor-
kommen, sind die Darstellungen aus dem Leben Mariens
(^besonders die Verkündigung) oder (iruppen von
Heiligen.
Bei diesem Anlasse sei die Bemerkung erlaubt,
dassim allgemeinen der technische Kunstwerth die-
ser Überreste einer lange vergangenen Zeit, wenige
Zweige des Kunsthandwerkes wie z. B. die Emailier-
kunst ausgenommen , ein so ziendich geringer ist,
wenngleich derlei Oegenstände dem F^orscher immer
hochwichtig und interessant bleiben, da sie einerseits
eben so sehr und oft noch kräftiger als Schriften Zeug-
niss geben von dem Stande der geistigen Bildung, An-
schauung und von der Kunstfertigkeit zu jener Zeit,
aus welcher die Werke stammen, und anderseits die
allmälige Entwicklung der Kunst kräft'g kennzeichnen.
f4egen Ende des XIIL und .Anfang des XIV. Jahr-
hunderts verlieren sich die zu Ornamenten verwendeten
synd)olischen Darstellungen inner der Krünmiung, wie
sich nberhauitt an den meisten Kunstproducten aus der
damals beginnenden gothischen Periode eine gewisse
Fig. r,b. Salzhurj!;.)
Nüchternheit zeigt. Es wird der bei den Darstellungen
in früherer Zeit leitende symbolische Gedanke, welcher
sich in der Benützung des Schlangenmotives als symboli-
sche Vertretung des Bösen im Kampfe gegen die
mächtige Wahrheit des Glaubens am meisten ausge-
.WIII.
2,^)
— iOO
■ 1.^-
M. Wdlf-^ni:.'-
.s|)r<)cli(!ii linite, und liicniiit nuoli die bi.slierifje wi'itcro
(ioiiflofci'iilu'it, diese syiiibdiispben Darstellungen für die
P>ildnll^' dt'r Kriininiun.i;' und zur Ansfüllung der h'uii-
dung zuwenden, aufgesehen. Dagegen linden wir jetzt
arrliitektonische Verzierungen und zwar in zunehmen-
der Menge verwendet, je mehr der Naehhall der ronia-
nis(du'n Kunsti)eriode abnimmt. FriUu^r wjir bei den
Kieinkunstwerken die Symlmlik, jetzt wurde die arcln
tektonisehe Eiuiieit das Hauptziel des Künstlers.
Das älteste der ausgestellten Stüeke , und zwar
Min früh • ndttelalterlieher l"(iriii . ist das im Seliatze
des I5eneilictiner-Stiftes St. Tel (■ r in Salzburg aiiHie-
walirte. Dieses l'astorale -Fig. Ol), welcbes der Traditinn
naeb vom heiligen Kui»ert, Hiseliof von Salzburg, herriibrl.
bat im fJanzen eine Höhe von ;}' 8" 10'". Der Sehaft,
welelna- eine Länge von .".' f)" H'" hat, ist von Ibdz. Der-
selbe ist aehteekig, glatt mikI Ncrjüngf sieh etwas !;cgen
abwärts. Das untere Fnde stt'ckt in ein(!r kni)ternen
vergoldeten IlUl.se, die mit einer langen Sj)ilze verse
hen ist. Das obere Ende des Sehaftes ist dureh einen
kupfernen, wahrseheiidieh dem Ende desXII. .Tahrhuu
derts ;nigebörig('ii Keif \erziert , widcber, in seiner
;jrössten Ureite 2" und im Durchmesser I" '_"" messend,
naeli abwärts vier dureb horizontale Zwisehen-I,inien
von einander getreimtc Spitzen bildet. Diese nnt Sil
ber Itberzogenen lleife zieren ciselirte Arabesken \iin
zweierlei Zeiehniing, vvelebe nnt einanderabweebselnd in
nclil l''(ddern angebraeiit sind, ferner zwei Iveiben von
Inschritten, wovon sich die eine am oberen und die
andere am unteren Kande befindet. Die crstcre enthält
den -liei Anfschriften so häufig vorkommeiulcn (liuss
des P^-zengels Gabriel an Marien: f Ave Maria gratia
p(lena), die untere Zeile die folgenden seclis Worte :
era | s. da | bor. | non | liod | ie. a | mor | vin. Die
Krneke ist von Elfenbein und an beiden Enden einge-
rollt, woselbst je ein Thierkopf angebracht ist, docli ist
die Volute der einen Reite bereits vveggcbroehen. Die
Krücke ist mit dem Stabe nicht unmittelbar, sondern
nur mittelst eines Nagels derartig verbunden, dass ein
Zwischenraum bleibt, welcher früher von einem als Ver-
mittlungsglied dienenden Ringe, der jedoch jetzt leldt,
ausgefüllt war.
Dei- romanische Krummstab im Benedietiner-Stifte
( ; ö 1 1 w e i gin Nieder-C »sterreich stannut aus dem XI.. Tab r-
liundert. Von demselben ist nur mehr die elfenbeinerne
Krümme (Fig. (J2) vorhanden. Der Original Sehaft ist
verloren gegangen und gegenwärtig durch keinen ande-
ren melir ersetzt worden. Die fast kreisrunde Krümnumg.
welche ini Durelmii'sser 4"4"' misst, wird durch e'nen
ein- und einhalbmal ge\vundenen Schlangenleib gebil-
det. Obwohl der Rest dieses Stabes in künstlerischer
Beziehung von wenig Bedeutung ist, so ist er von mn
so grösserer Wichtigkeit rüeksiehtlich der an demselben
befindlichen, nach den beiden Aussenseiten sehr tiach
gearbeiteten Darstellungen inner der Krümmung. Da-
selbst befinden sich zwei Vögel mit stark em])orgerieh-
teten Schweifen (Pfauen nicht unähnlich, vielleicht
auch Tauben?), deren (iattung sich aus der Kunstform
selbst nicht bestimmen lässt. Sie stehen gegen einamler
gewendet auf dem Schlangenleilie der Krümmung, und
haben ihre Hälse in einander \erschlimgen. Heide Vö-
gel halten genieinseliaftlich mit ihren Schnäbeln den
Stiel einer in die Höhe gerichteten, kreuzartig geform-
ten Pflanzenbildung, gegen welche der oberhalb ange-
brachte Üaehen der Schlange geöffnet ist. Die.Vuslegung
der Darstellung ist je naeb der Art der beiden \'ögel
eiiu' verschiedene, indem es nur der Synd)olik der
den heiligen (leist vorstellemlen Taube enlsjjricht.
l''i". lis. rSül/.liiirjif.
11)1 —
wLiiii man eine Vertheidigung des Kreuzes durcli die
Tau))en annimmt, während in dem Falle, als die beiden
Vogel Pfauen vorstellen, was wahrscheinlielier ist, die
Annahme des Bekämpfens des mittelst des Kreuzes
repräsentirten Christenthums dureli diese, die lloffahrt
vorstellenden Thiere in Gemeir.sehaft mit der Schlange
mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat.
Ein romanischer Krunnnstab des Bencdictiner-Stiftes
Aduiont in Steiermark aus dem XI. Jahrhunderte. Die
ganze Krümmung und die beiden Nodcn des Stabes
sind von Elfenbein, der mit dem 0 bertheil nicht gleich-
zeitige Schaft und das Vermittlungsglied der beiden
Noden sind von Holz. Die Cuivatura hat im Durch-
schnitte 3" 6'". Der untere Nodus ist ganz einfacii und
hat eine kugeliche oben und unten etwas abgeplattete
Form. Der zweite, etwas kleinere Nodus ist in einiger
Entfernung über dem ersteren angebracht, und aus
diesem entwickelt sich unmittelbar die nicht ganz ein-
mal gewundene Schnecke, deren sich alimählig verjün-
gender Krümmungskörper an den beiden Aussenseiten
mit grösseren und kleineren kreisrunden und tlieilweise
schwarz gebeizten Vertiefungen in ziemlich roher Weise
verziert ist, und mit einem nach aus- und abwärts ge-
richteten Schlangenkopfe endiget (Fig. (53). Inter-
essant ist die im Innern der Kriiniinnng betiiidliclie,
leider bereits gebrochene, in naiver Weise gearbeitete
Gruppe. Sie stellt ein geflügeltes, ganz ruhig stehen-
des Pferd vor, dessen Maul ein sehr ornamental ge-
haltenes Kreuz berührt , eine sehr seltene Darstel-
lung. Auf dem Flügel zeigen sich einige Verzierungen.
Ein romanischer Krunimstab des Benedictiner-Stiftes
Altenburg in Nieder-Osterreieh aus dem XII. Jahrhun-
dert. Von diesem Pastorale ist nur nocii der Obertlieil,
bestehend aus der elfenbeinerneu, einmal gewundenen
Krümmung und zwei Noden nebst deren Vermittlungs-
gliede erhalten (Fig. ü4). Inner der fast kreisrunden
Krümmung, welche 4" 6'" im Durchmesser hat, zeigen
sich zwei über einander gruppirte Vögel , wovon der
untere, welcher auf dem Schlangenleibe steht, wahr-
scheinlich ein Pfau, an einem Blumen-Ornamente zehrt.
Der zweite Vogel, unzweifelhaft eine Taube, steht mit
einem Fasse auf dem Kücken des Ersteren, hältsichmit
dem anderen an dessen Halse fest, breitet die Flügel
wie zum Fluge aus, und trägt in seinem Schnabel ein
zierlich geformtes Kreuz, gleichsam als wollte er das-
selbe in die Höhe tragen und gegen jeden AiigriflT
mml
Fii;'. 70. (S;ilzl)iirs'
Fig'. t;9. I Salzburg.)
K-;
sctiiit/.en. Gegen diesen Vogel ist auch der das Ende
der Krümmung bildende geötfnete Sclilaiigeiiracheii ge-
richtet. Wir sehen in dieser Gruppe sinnbildlich durch
die Schlange das böse Princip und durch den Pfau das
Bild des Hochmuths den Angriff des Bösen gegen das
Christenthum, und durch di(> Taube, die das Kreuz trägt,
den heiligen (ieist, welcher die gläubigen Christen im
Kamiife gegen die Sünde kräftiget, dargestellt.
Die beiden Noden sind von Kiystall. Der obere ist
ziemlich flach und von poligoner Form, der untere rund.
;iber nicht ganz kugelförmig. Zwischen beiden Noden
befindet sieh ein kleiner Krvstalleylinder, der oben und
unten mit einem Metall-Keifen eingefasst ist. Sowohl
die beiden Reifen, als auch das innerhalb des Cylinders
befintlliche Verbindungsstück der beiden Noden sind
mit bunten Emails i;eziert.
— 1D2
Vig. 71. ^St. Paul.)
Knuianischer Krumnislab aus dem Bencdietiner-
Nonneukloster am N o n u b e r g e zn S a 1 z b u r g aus der
ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts. Bezüglich der
Eiitsteliiniuszeit dieses Stabes i;ibt der Umstand , dass
ErzlMscIiotEberliard II. der Äbtissin Gertraud II. (1235
■bis 1252) im Jahre 1242 das Recht des Pastorales er-
theilte, wohl hinreichenden (Irund zu vermuthen, dass
diese Alitis.sin sich beeilt haben wird, von jenem ihr er-
tiieiiten Üeclite (Gebrauch zu niachm. und sich baldi.nst
mit einem Fastorale, wahrscheinlich mit dem hier abi;e-
bildeten , versehen hat (Fig. (Jn). Der ganze Stab besteht
ans Eltenl)ein, und ist gegenwärtig noch vollständig
erhalten. Die Krümmung hat einen Durehmesser von
;")! 2". Der elfenbeinerne Schaft besteht aus vier Stücken,
und ist mit einigen Blattornamenten in Roth , Schwarz
und Goldfarbe bemalt. Das unterste Stück des Schaftes
endiget nnt einem metallenen Stachel. Der Nodus ist
lund, jedoch sehr tiach gedrückt, in gleicher Weise wie
der Schaft bemalt, und ausserdem mit einem mittelst
schwarzer Farbe eingebeizten Ringe verziert. Ans dem
Nodus liebt sich der Kopf eines UngethUms mit lan-
gen zurückgelegten Ohren em]ii)r , aus dessen Radien
sich die reich verzierte Krünnnr entwickelt. Diesidbe
best(dit aus einer einmalige]! Windung, und endiget mit
einem dem früheren fast gleichen l'ngethündu)pfe, wel-
cher ans seinem mit starken Zähnen bewaffneten Ra-
chen die rotlie Zunge weit hervorstreckt.
Längs des Ausseiirandes der Krümmung sind
stiahli-nfiirmig flache, zierlich ausgcsciinittcne Blätter
angebracht. Am obersten J'unkte derKrümmnngbefindet
sieb ein in eine Spitze auslaufendes Doppelblatt, nach
webdu'm alle anderen Blätter iicriclitcl sind.
Inner der lliinilung erblickt man im I'"lachrclief das
iiiiiiliirte Osterlamni mit dem Kreuze, dessen eine einmal
gebrochene Linie bildenden Schaft es mit dem linken
Vorderfusse hält. Gegen eben dieses Kreuz ist sowohl
der Koiif des Lammes zurückgewendet, als auch der
offene Rachen des früher erwähnten Ungethüms gerichtet.
Zu Füssen und an der Seite des Lammes sind in Elfen-
bein geschnittene Ornamente, darunter auch ein Drei-
jiass, angebracht.
An der vordem und rückwärtigen breiten Fläche
derKrünnnung sind Aufschriften inromanischerLapidar-
schrift zu bemerken. An der Vorderseite befinden sich
die bekannten AVortc: ,.Salve regina miserieordiae", auf
der Kehrseite: ,.Ave maria gratia donnnus teeum". Die
Buchstaben sind Goldfarben, ihre Einfassung wechselt
zwischen schwarz und rtitb. Zwischen den Buchstaben
befinden sich einige goldene , grün eingerahmte, orna-
mentirte Streifen. Endlich ist noch zu erwähnen , dass
die Radialverzierung und die Krümuumg sannnt (irui^pe
in reicher Weise mit goldfarbigen Ornamenten bemalt ist.
Mg. 72. 'St Paul.;
Fig. 73. (.^t. Paiil.i
Romanisches Pastorale aus dem Schatze des Augu-
stiner riiorherren-Stiftes zn K I ost er n e üb n rg inNic-
dcr-Ostcrrcicli ;ius dem Xlll. .lalirlnuidert. Diesergegcu-
wärtig vollständig erhaltene Stab bildet in forinelier ]5e-
zicdiung eine Special ität. Die .Vnschafl'ung desselben
wird laut der schrittlichen Aufzeicimungen dieses Stiftes
dem l'rolisten Pabo, dem ersten Eri»auer des Kreuzgan-
ges d.-iselbst (^1279 — 1292), zugeschriei)cn. Er bestehf
in allen seinen Tlieilen aus Elfenbein und hat eine Höhe
von (!', wovon auf das verziertem oiiei'c F.nde melir als
12" konnnen ('I'af. VI IT).
Der runde Schaft, welcher si(di mich a iwärts etwas
verjüngt, besteht :i ns vierzehn gleich grossen Tbeileii,
die durch Scliraiibeii iiiiil Stiffe mit einander xcrbunden
sind, und widcheniit je einein rofh-, gelb- und schwarz-
farbigen /weigiirtigen Ornameiile mit Kleeblatteiiden
bemalt sind ( l''ig. (ili 1.
Die interessanteste l'aitie dieses St;ibes ist der
Obertheil. Der Knauf hat die Form einer etwas
gedruckten Kiij;(d , und ist mit den darauf gemalten
193
Fig. 75. (St. raiil.
nimbirten Zeichen der vier Evanselisten gescbmück*.
lüicksichtlicli der Anordiiiuig der Farben niuss bemerkt
werden, dass die Umrisse der Ornamente und Figuren
sfliwarz sind, die Austuiiiing dur h Gold gesebiebt, und
durch die nur in einzehieu Strichen verwendete rotbe
Farbe blos gewisse Stellen hervorgehoben werden. Aus
<lem Nodus heraus entwickelt sich mittelst eines stufen-
förmigen Uliergangcs ein Schlangenkopf, au dessen
Stirn- undUnterkiefer-'^eitesicbje einein einem niuschel-
förmigen Ornamente sitzende, ungewöhnlich bekleidete
Figur mit jüdischem Typus zeigt, deren Kopf sich nach
der in der Krümmung befindlichen Vorstellung richtet.
Das ol)ere Ende des Stabes bildet ganz abwei-
chend von der gewöhnlichen Forui, statt einer Schnecke
einen vollständig geschlossenen, aber nicht ganz runden
Ring, der in seinem Durchmesser 5 1/»' misst, und aus
sieben Theilen besteht , welche mittelst eben so \ ieler
Messingringe zusammengehalten werden.
An seinem Aiissenrande ist der Hing, und zwar an
seiner obersten Stelle mit der aus einem doppelten lilatt-
Ornamente in sitzender Stellung emporsteigenden Figur
Gott Vaters, welche ein Buch in der Linken hält und
die Hechte zum Segen erhoben hat, geziert. Rechts und
links davon sind am Ringe je drei kammartige, silhouet-
tenförmige Krabben in Strahlentorm angebracht. An den
beiden Flachseiten des Ringes befinden sich Inschriften
in spät-romanischen Majuskeln, die sicli auf die inner-
halb des Ringes befindliclie Grui)pe beziehen. Leider
ist jedoch nur die Inschrift an einer Seite lesbar. Sie
lautet: „ave maria gratia."
Die ziemlieh roh gearbeitete freistehende Mittel-
gruppe stellt die Verkündigung Mariens vor und steh-
Fig. 74. (St. Paul.;
t94
ß
V
ib.
■^alzliin-f^.;
mit der oberwähuten Aufschrift in vdllkniiiiiK'iu'in Kiii-
kliiiij,--. Di«' 'Mutter (lott«\s sitzt iiuf einem Stiiiilc mit gc-
laiti'tcn Hunden, ihr gef?eniil)er zeipt sich, j;leich:im iiiif
sip zuschreitend, in etwas freheugter Stellung!: der Erz-
enfrc'I ftiibriel, die Rechte in die Höhe haltend. Zwischen
liciden befindet sich ein Haum, der znj^leich aiicli als l'ult
für ein vor der heilif^cn Maria aufi^cscldaficncs ISiich dient.
.•\iif einem Aste dessellten sitzt die den heiligen (!eisl
vorstellende Taube gegen Maria gewendet. Alle
{•'igiiren. sowie die Kralilx'n, sind rotli und gohlen
bemalt.
Hin romanischer Kiiimmstali in der l'tarrkiiclie /,ii
St. Wolfgang in (JIk r tlsterreicli ans dem XU- .laiir
iiiindert. I)erbronzcne01iertlieil(Fig. ()7)istunzweifelli;ifl
eine herrliche Arbeit <les XII. Jalirimndi'rts. I)ie Auf
steckhlilse i.-t, gleich dem ganzen Oberlheile, mit liiinl-
farbigen Kmaiis verziert und zeigt eiliehe llieils aiifri'cht
siehende, theils vorwärts schreitende Oreil'en mit er
liabenen Fltigeln und Ncrschlungcnen Schweifen, die
bösen Dämonc; synd)olisireiid , welche als l'^einde
der Kirche der Hölle eidsleigen. Den Xodus, wil'lier
mit einer kleinen lilätterkrone bedenkt ist, wodurrli
er das Ansehen eines (iranatapfelH bekommt , zieren
Sterne und Blumen auf blauem Knniilgrund und da-
zwischen die einirravirten , mit Schmelz ausgelegten
llali>tigiireii der vier Evangclislen, deren Köpfe aus Mes-
sing gegossen, vergoldet, reliefartig hervortreten. Der
Krone entsteigt ein gekrönler Engel mit entfalteten
und nach rückwärts in die Höhe gebogenen geöffneten
Flügeln, in den Händen ein geschlossenes Buch
haltend, .Augen , Krone und Gewandsaum gegen
den Hals hin sind mit Edelsteinen besetzt, die
Flügel mit herrlichen Schmelzfarben überzogen; das
Übrige des Engels ist übcrsili)ert. Diese vortrefHich
gearbeitete Figur, und insbcsoinlcri! deren Bckiüuung.
bildet ilen Vermittler zwischen dem Nodus und der
( 'Mr\.itiii'a , welche aus einer zweinuil gi'wundeiien sieb
\ erjiingenden Schnecke mit vierseiligem Krünnuiings^
kürfter besteht, die mit farbigen drcitheiligen Wolken
iii Schmelzfarbeu bemalt ist, und ndt einer zierlichen.
aus l'linf mamk'lföi'niigen Blättern gcdtildetcn Blume en-
digt. Der mil l'llinbeinbesalz versehene Schaft slamnil
aus ilem XVI. .Jahrhundert.
Der romanische Kriininistab des BeiKMÜctinei'-
Stiftcs St. I'etcrin Sa I z bu rg aus dem XII. .lahrhun
dcrl l I'ig. *)H) ist Millstämlig erhalten. Der (Unsrtheil isi
aus Bronze, lier Schall aus Hidz und mit rollier l'';irlir
bemalt, die abei- gegenwärlig fast ganz verschwunden
ist. DurchinessiM' der Krümmung ;}" 8'". Die mit dem
broTizeneii Oliertheile \ ('.rbuiuiciH' Hülse, liestimmt zur
!!):> —
l'i;;'. 77. (.Salzburg.)
Reiestigiing desselben am Schafte, ist mit Ornamenten
in Email und den piuijiavirten Halbfiguren zweierEngel
auf hlauciii (Ti-inuk' f;eziert. Der l^iigelige, i^egren oben
und untrn etwjts gediiickte Nodus zeigt zwisclien Ara-
beslien in durclibrocbeiien liundungen Tliiergestaben
mit nienschlifhen Kiijifen. Olterbalb des Nodus befindet
sich eine kh'ineKmne von s]iitzen IMättern gcbibb't, aus
welclier der sehr zarte, last cylindrische Kriiiiiiiiungs-
köi))('r (■m])orste'gt, »vehdier an zwei Stellen gebrochen
ist, und eben niclit auf die zierliciiste Weise rejiarirt
wurde. Die gegen vorwärts gebogene offene Krtinnnung
wird durch einen dünnen . sich alhnälig verjüngenden,
zweimal gewundenen Sclilangenleib gebildet, der an den
beiden Aussenseiten mit einem zierliciu-n romanischen
I'andornanuMite in Email gesdimiiekt ist. Ausser dieser
eniaillirten Stelle zeigt dieKriimnuingnuriilaidves Bronze.
Der Sattel der Windung ist mit einigen kugelartigen
Knorren besetzt, welche gegen die Mitte der Schnecke zu
etwas verlängrert sind und als Stützen des dortigen Kriini
mungskörpers dienen. Im Inn mh ilerKriimniung lictindcl
sich ein das Ende der A\ indiing liiidender )ihantastisch
geformter Schlang'-nkopf . welcher ein breites . liimt
eninillirtes Lanhornaiiient im Kaeln^n hält.
.\n diesem Stabe ist mittelst eines jinndes ein
dicker dreieckiger Tu(ddap]ien befestiget i Fig. •')'.•"). wel-
cher dazu diente, um daran das Sudariiiin zu liüngen.
— im
Fig. 78.
Dieses seltene Hxemjilar einer Bnrsii ist vcni rotheni
'riieiie mit goldener Bordüre und rotlieii Fransen t)e-
setzt, und hat in der Mitte eine mit Perlen g'estiektc
.•\rat)i'ske.
(itithisclic'r Krimnnstal) des lienedietiner- Stiftes
.St.l'eter in Salzburg aus deiiiXWJalirhmidert. Die-
ser in seiner Art praelitvolle und Aollsländig erhaltene
Kruniuisiab.i.st ein Geschenk des Abten Rupert V. an
die .\l)tei. Er ist ganz aus Silber verfertigt und hat eine
Iliihe von I)' ti". Der Schaft ist iudd und besteht aus einei'
llolzröhre, -velehe mit Silberldeeh ülierzogen ist; er ist
dnridi vergoldete Wulste, an weicherer durch Abschrau-
lien zerlegt werden kann, in vier Theile getheilt. vuu
welclieui die drei oberen mit Blumen und \'ersehlin-
ginigen in gestauchter Arbeit verziert sind, l'm
ilen obersten dieser Tlieilc schlingt sich ein
Sj)ru(dd)and mit der für Krunimstälie bedeu-
tMngsv(dlen symb(disehen Inschrift: Collige,
snstenta, stimnla, vaga , nn)rbida, ienta. 14«?.
vorzüglich zierlicli sind der Nodus und
die Kilimmung, welche zusaminen eine Höhe
von T haben (Fig. 70). Der IS'odus ist lang
gestreckt , nidit sehr hervortretend, hat die
Cestalt einer C'ajiclie, und ruhet auf einer
('nns(de, welche, den I»)ergarig vom Schufte
nur allmälig vernnlteit. Die hohe sechsseitige
Console ist nnt kleinen Flächen geziert, auf
denen ein Ecce lioino und fünf Kngelsgestalten
mit I.eidenswerkzeiigen ciiigravirt sind. Zwi-
schen fliesen ti Flächen sind kleine freiste-
hende Säuiclicn angebracht. Der Xodus selbst
bestellt aus zwei Abtheilungen , doidi ist nur
der untere Thcil entwickelt, während der obere
gedrückt lind auch minder geziert ist. Im
iiiit<'ren Tlieile sind unter den mit Fialen und
jitlnnzenartigcn Verschlingungen reich verzierten sechs
Bögen je ein und zwar vorzüglich gearbeitetes Figür-
(dien augebracht , vorstellend den heiligen Vitalis,
Rupertus, Petrus, Paulus, den Heiland und die Jlutter
(Lottes.
Aus dem Nodus entwickelt ^ieh, nacinlem sich der
Schaft noch etwas in gerader Richtung über demselben
fortsetzt, die einmalig gewundene, nach vorwärt.s gebo-
gene und si 'h verjüngende S(dinecke. Dieselbe ist am
Aussenrande mit 10 Knorren besetzt, hat an den beiden
Fla(diseiteii zierliche Filigranarbeiten, die in neuerer
Zeit mit Scinunck von Perlen und Edelsteinen bereichert
wurden, und folgende längs der Knorren nächst dem
rückwärtigen Krümmungsrande aufsteigende Inschrift :
Rudberti abbatis persto ego iussu suo anno 14S'7 —
(auf der anderen Seite) Initium sapienciae timor domini.
Eccl. prini.
Inner der geschlossenen Krümmung betiiulet sieh
unter einem gesehweiften Spitzbogen, dessen Kreuz-
blumen ülier den Rand der Schnecke hinausstehen, die
Figur der heiligen Katharina mit Rad und Schwert auf
einer Console stehend.
Noch sind zwei Figuren an diesem mit tiguralem
und ornamentalem Schmucke reich ausgestatteten Kunst-
werke zu erwähnen Die eine kniet auf einer über den
Nodus hervortretenden Console und stellt einen Priester
iriit der faltenreichen Flocke angethan, ohne Zweifel den
Abt Rupert V. vor, dessen Wappen am Nodus angebracht
ist. Die andere steht auf dem über dieser Figur ange-
brachten polygonen, tiaeh abgesiddossenen Baldachin.
Sie ist nackt, hält nnt beitlen Händen die Schnecke
und stösst mit dem linken Fusse gegen die ihr zu-
nächst allgebrachte Knorre. Sie scheint ohne einen
weiteren tieferen Sinn lilos zur Unterstützung der Krüm-
mung angebracht zu sein. Der Künstler dieses gross-
arfig-eu Denkmales dürlte der aurilalier Pertoldus \()n
Salzburg sein, welcher laut der Rechnungen lies Abtes Ru-
pert V. mehrere Silberarbeiten für denselben geliefert hat.
Endliidi ein Krunnnstab aus Silber, vergoldet, in
der Kiiimniung iler englische (Jruss: Ende des X\'I.
.lalirliunderts. Stift K r i! m sm ü n st e r (Nr. 172).
\'oii den hier befindlichen kirchlichen (Jewänderu
seien erwähnt die grüne Clockeneasel, ein altes rtmia-
V\ii
l'.K
197 —
iiisclics.Mi'ssklcidiUis (k'liioll ^■eiitllluti.Mi StitU' St. Tel Cl-
in S ;i 1 /. I) U ii;'. E.s ist ein rundes, f;loci<eiilörniis'es Ge-
wandsliiciv MUS einem seil r festen iirientiiliseiieu Seidenst ofl'
in mattem Grün, und hat nur oben t'lir den Dureldass des
Kopfes eine (IHnuns'. Mit einem soielien Kleide i;in,:;-
einst im früheren Mittelalter der Priester zum Altare, um
(las lieilige Messopfer zu feiern. Nachdem er an den
Stufen des Altares das soj;-enaünte Stufeui^eliet \vr-
rii'lilet, liolien die Leviten den Saum des Messkleides
auf und der Priester hielt die Hände auf die lirust und
stieg' den Altar hinan. Von da an l)lieb das Messkleid
auf den Armen des Celebranten ruhen wäiirend der
ganzen Feier. Der Stoff des genannten Messkleides
zeigt in kreisförmif;en Zeiehnung'en getlügeite Löwen
und Vögelpaare. Ais Verzierung trägt es nur vorn auf
der Nath eine Goldborde und ebenso um den Hals herum,
welche auch stellenweise mit Perlenreihen und Edel-
steinen geschmückt ist. Die Kloster-Tradition nannte
diese (iloekencasel schon seit Jahrhunderten „St. \'ita-
lis- Messkleid" und in den ältesten Inventarien
des Kirchenschatzes von St. Peter aus den Jahren 14(12
und 147S heisst es von diesem Stücke: ,.Item casula
beati ^'italis viridis".
Aus dem Stifte St. Paul in Kärnten sind drei Kir-
chenkleider ausgestellt, die gleich den übrigen Schatz-
gegenständen ehemals dem Stifte St. Hla.sien in Schwarz-
walde geiiörten. Eine Casula in alter Form (Nr. ITl),
ohne Ausschnitt für die Arme, im Halbmesser IM.
67 Ctni. Die ganze Fläche ist durch ornanu-ntale Strei-
fen, die vertical und horizontal gezogen sind, in qua-
dratische Felder getheilt und unterhalb mit einer Bor-
düre abges(^hlossen. Im Ganzen sind ."i.S Felder gebildet,
doch sind davon nur 2() vollkommene <>)uadrate. Der
ganze Mantel ist in treft'lieiier Seiden-Stickerei (Nadel-
malerei) ausgeführt. Den Grund bildet stark gewebter
ungeliicichter Straminlrincn , die Stickerei ist im Zo])!-
und Kettenstiidi ausgeführt. Die l'arbenwirkung ist eine
^ehr einfache. Die zwei llauptfai-l)en, in denen mit nur
\ereinz(dten Ausnalnnen der (irund der tiguraiisclien
Darstellungen ausgefüllt ist, sind gell) und blassrotli.
-Ausser diesen tinden wir noch blau, gi'ün, braun, weiss
und eine tiefere Abstufung des Hoth. Vo.n Golde wurde
nirgends (iebraueh gemacht. Die Felder sind entweder
mit tiguralen Darstellungen oder mit Thiergestalten
gi'schmü(d<t. \'oii Thiergestalten treffen wir in den
Iragmentirten Feldern einen Drachen mit reich ver-
schlungenem Schweife (Fig. 71) und einen Pfau, der
ein 151att im Schnabel hält ; von Oi-namenten zierliche
A'erschlingungen breiter Händer mit IJlattausgängen
(Fig. 72) und in Verbindung mit dem doppelten Mäan-
derstab auf dem breitcM'cn verticalen Streifen, welcher
\()rn an dem Halsausschnitte herabläuft. Alle diese
\'erzierungcn zeigen entschieden den Charakter des
entwiekelteii Konianismus , wie er sich vom Beginne
des Xll. Jahrhundert bis in die erste Zeit der Gothik in
steter Fortbildung erhalten hat. Die Darstellungen in
d(Mi quadraten Feldern beziehen sich auf neutestamcn-
1 arische Begebenheiten . Prophetengestalten , typolo-
gische Bilder aus dem alten Bunde, z. B. Josne und
Judas (Fig. 73), Heiligengestalten, endlich werden in
den 35 Medaillons der Bordüre Evangelisten, Apostel
und einzelne historische Personen (Kaiser Otto) vor-
geführt. Dr. Heider si)ric]it die \'ermuthung aus.
dass dieses im zweiten Viertel des XH. Jahrhunderts
entstandene kirchliche Kleid in dem Frauenmünster der
Benedictinerinnen zu Zürich angefertigt wurde und ent-
weder für das Stift St. Blasien oder für das berülnnte
Benedictinenkloster St. Gallen bestimmt war. '
' Siehe Ueider im IV. Jalirbmlie der k. k. Ccntr. Cuiiiiii. i;U.
Fis. 80. ^Klosterneuburg.)
•JH
— 11)8 —
Das zweite liturgische Gewand ist ein im Beginn
des XIII. Jalirliunderts entstandenes Pluviale (capiiaplu-
vialis, casula oucullata, processoria, Mantel) von der glei-
chen Form wie dieCasel, nur vorn ofTenund Über der Brust
mittelst einesQnerstreifens zusammengehalten ; rückwärts
ist eine kleine Capuze angebracht. Durch einen längs des
Kückens herumlaufenden ornamental verzierten Streifen
wird der in seiner Ausbreitung einen Halbkreis bildende
Mantel in zwei gleiche Theile geschieden. Auf jedem
derselben sind neunzehn ganze Kreise und fünf theils
grössere, theils kleinere Kreis-Segmente als Räume für
tiguralische Darstellungen hergestellt, deren jede durch
eine dem Kreisumfange folgende im leoninischen Vers-
masse gehaltene Umschiift erläutert wird. Die Zwischen-
räume, welche durch die an einander gereihten Kreise
gebildet werden, enthalten aus Blättern gebildete Orna-
mente. Die figuralen Darstellungen führen auf der einen
Hälfte die vollständige Legende des heiligen Blasius,
auf der andern Hälfte die Legende des heiligen
Vincentius, Schutzpatrone des Stiftes 8t. Blasiiis vor.
Rücksichtlich des Stoffes , der Stickerei und Farben
gilt das vom ersten Gewände Gesagte, nur erscheinen
hier auch noch Goldfäden verwendet. In Fig. 74 und 7ö
geben wir die Abbildung der Darstellungen auf der Vor-
der-und Rückseite der Gapuze; die erstere zeigt, wie
der mit dem Pluviale angethane Abt vor einem Schutz-
heiligen des Stiftes kniet und ihn bittet, dem Kloster ein
gütiger Schützer zu sein (Nr. 1ü;5).
Das dritte liturgische Gewand ist eine dcririiiifren
gleichgcformte Casuhi aus dem beginnenden XI II. Jaiir
hundert, die jedoch im XVIII. Jahrhundert in iliriM-
Form etwas verstümmelt wurde. Auch sie wird durch
finen längs des Rückens herablaufenden Stalj in zwei
Theile getlieilt, deren jeder 18 zum Theile zugeschnit-
tene Quadrate als Räume lur figurale Darstellungen
enthält. Die Abgränzung dieser Flächen bildet Strei-
fen, welche oberhalb jeder Darstellung zur Anbrin-
gung der sie charaktcrisircndcn im leoninischen Vers-
masse gehaltenen Aufschrift dienen , zur Seite der
Darstellungen aber mit verschiedenen Band- und Laub-
vorzierungen geschmückt sind. Was die Stichweise und
den Wechsel iler Farben betrifft, so gleicht diese Casula
dem el»en bespruchenen l'luviale so vollständig, dass
kein Zweifel über die gleichzeitige und örtlich zns.im-
menfallende Anfertigung beider zulässig erscheint. Hin-
sichtlich des Inhaltes der Darstellungen ist zu bemerken,
ilass sie entweder neutestanientarische Scencn voriuin-
;;en, odi'r solche aus dem Leben des heiligen Xieolans.
In den neun Medaillons des Stabes sieht nnin das Lamm
Gottes, die Bilder der Evangeli.sten inid vier gros.seti
Troplicten (Nr. 214).
Dem XV. .Jahrhundert gehört das grünsanimtene
Messkleid an, das auf seiner Rüekseite mit sehr schöner
Flaclisiickerei in Kl euzform besetzt ist; die Stickerei
stellt den Stannnbaum Jesse vor. Dieses Kirchcnkleid
war ehemals Kigenthum der Garthaiise G ei räch in der
Steiermark und wiril noch gegenwärtig in der dortigen
Rfiirrkirche aufbewahrt.
Nicht minder wertli\(dl wie die kirchlichen (!e-
wänder von St. Paul sind jene aus dem aufgehobenen
Nonnenstifte Gdcss in Stt'iennark. Dieseliien st:innnen
;ins der zweiten Hälfte des Xlil. .lalirliundeils und sind
in ähnlicher Weise, wie die eben genannten, mit Seiden-
stickerei llberzogen.' Leider sind sie auch nicht so gut
conservirt wie jene und wurden die schadhaften Stellen
durch andere Stoffe ergänzt.
Der Ornat besteht aus einer Casuln, die nicht zur
Ausstellung gelangte, zwei Dalmatiken, einem l'luviale
und einem Antii)cndium. Auf der einen grösseren Dal-
matica ist oben beim Halsausschnitte am RUcktheile in
einem Medaillon zum Theile die Darstellung der Ver-
kündigung Mariens mit deniLegendarium des englischen
Grusses sichtbar. Um dicsellie gruppirten sich die Sym-
bole der Evangelisten , wovon noch gegenwärtig zwei
erhalten sind. Den übrigen Raum der Rückseite nehmen
zwölf Darstellungen symbolischer Thiergestalteii ein.
Diese sind auf farbige Flächen gestickt und theilweise
von Inschriften umgeben, deren eine lautet: Chunegundis
Abbatissa hoc opus est operata. Die Darstellungen sind
auf feinem Sti-amiu gestickt und zwar derart, dass auf
den unterliegenden feinen Canevas zuerst sämmtliche
Figuren in scharfen Contcuiren angedeutet und sodann
theils in Ketten- und Sprungstichen , theils in Flecht-
und Flnnmienstichen bestickt wurden. Die Grundfarl)e
ist roth.
Die zweite etwas kleinere Dalmatica ist in Bezug
auf Rcichthum bildlicher Darstellungen viel einfacher,
doch in der Technik gleich. Der Chormantcl hingegen
ist eines der interessantesten Gewänder, er ist aus zwei
Hälften zusammengesetzt, und in den Stickereien theils
ornamental, theils tigural gehalten. Als Mittelstück zeigt
sich ein grosses Rundmedaillon mit der Vorstellung der
Mater Dei, auf einem Faltistorimn sitzend. In der bund
förmigen Fmringung des Medaillons ein leider nicht
mehr lesbares Legendarium und ausserhalb die Evan-
gelisten-Sj'mbole; der Mantel ist sehr beschädigt und
wurden die Lücken duich nicht passende Stücke aus-
gefüllt, darauf tinden sich Darstellungen der Apostel.
Unter der Madonna kniet als späteres, von einer andern
ursprünglichen Stelle entnommenes Flick werk die Äbtis-
sin Cliunegunde, unter deren Amtsfülirung dieser präch-
tige (trnat entstand. Den übrigen Theil des Mantels
füllen nur symbolische Thiergestalten in (piadraten Fel-
dern aus. Das dazu gehörige Anti])endium ist 9' 5" breit,
;•}' 2" hoch. Auf dieser palla altaris sind in grösseren, durch
kleine Kreise mit einander verbumlenen Medaillons
dargestellt : Maria als llininulskönigin . der englische
Gruss und die Anbetung der heil, drei Könige. In der
Inuahmung der ersteren Darstellung liest man die
\'iiiivverse: Sis clemens Christi j Mater Domui precor
isti Istam Christi gregem | Rege l)er ])lacitam f legem.]
7.\\ beiden Seiten Mnrien's, ausserhalb des Medaillons,
knien weibliche Gestalten, wovon die eine die Stitterin
der ehemaligeu Nonnenabtei Göss (adula fundatrix)
mit dem I'.ildnisse der Kirche und die zweite mit der
viuhandenen Inschrift (Chunegundis abbatissa nie
fecif) die Verfertigerin und Gesclic)d<.gelierin des An-
tii)endiunis vorstellt, llur der Darslelhing Maricn's er-
blickt man zwei Engel, die in kniender Stellung dem
Heilande zugewendet sind, zu beiden Seiten der drei
Medaillons vielfarbig gesli(dUe Ornamente, welche auf
der einen Seite von (iuadratiiren eingeschlossen und
aulder anderen Seite von rbondxiidenl'önnigen Linien
unigel)en sind. '
Noch ist eines kleinen Antipendiiims zu erwähnen;
dasselbe ist mit di'U in Seide gestickten Darstellungen
\on Heiligen nnd den Wappen der I'ainilien Kosenberg
' S, Millh. A ('. Uli. (■..iiiiii. III.
— 10<)
und Wallsee gt'zicrt iiiul gehört dem XV. Jaliiliuiitleit
an (Nr. 241, Eigentbümer Franz Koch). •
Wir haben nun der interessanten Mitren zu gedenken,
die inden beiden Wanilsehränken untgestelb sind. Der
noch beut zu Tage bestellende Gebraueli einer beson-
deren auszeiehnenden Koptljedeekung , um die ober-
birtliche Würde einzelner Priester in der christliehen
Kirche des Morgen- und Abendlandes auch äusserlieh
während der gottesdienstliehen Handlungen zu kenn-
zeichnen, reicht erweisbar Ijis in die Tage der Apostel
zurlick, so wie wir auch diese l'bung beim bil)lischen
Priesterthunie des alten Bundes finden. Freilich wohl
war die in den tVühehristliehen Zeiten übliche bischöf-
liche Kopfbedeckung nicht von jener Form und Aus-
stattung, wie wir uns dieselbe seit dem sjjüteren IMittel-
alter bis zur Gegenwart etwa unter dem Worte Mitra
vorstellen.
Was die Form der frühchristlichen Mitra anbelangt,
so ist es sehr schwierig, darüber Hestinuntes nuzugeljcn,
da liiefür nicht nur die sicherste Quelle, niindich derlei
uralte bis zur Gegenwart erhaltene Kopfbedeckungen,
fehlt, sondern auch keinerlei Abbildungen derselben in
Sculptur oder Malerei sich bis in unsere Zeiten erhalten
haben. Doch kann mit allem Grunde vermuthet weiden,
dass, wie überhaupt den liturgischen Gewändern der
Bischöfe und Priester nicht blos die Gewänder der Se-
natoren des classischen Roms, sondern aucii und zwar
insbesondere die Ornate der Hohenpriester des alten
Testamentes zu Vorbildern gedient haben , auch dies
bei dem ursprünglichen Kopfschmuck des Bischofs (la-
I ,s. -Mitth. <i. e. iitr. Cüjiiiii. XVI. ]i.
miiia aiirca, Corona), der Fall war, wenn ein solcher
überhaupt bei sännntlichen Vorstehern der christliehen
Kirche als vorhanden angenommen werden kann.
Anders ist es mit der Zeit vom IV. bis VIII. Jahr
hundert, aus welcher uns inanigfaltige noch erhaltene
(Quellen mit ziendicher Sicherheit beleiiren, dass damals
diese mit der besonderen bischöflichen Kopfbedeckung
vereinigten Abzeichen der kirchlichen Würde meistens
die (icstalt von Kronreifen hatten, äimlich königlichen
Diademen, und zwar jenen damaligen \'oti\ krönen , die
gut erhalten durch mehr als ein Jahrtausend hindurcii
not b unsere Tage erreicht haben.
T^nter diesem Keife und wahrscheinlich auch mit-
telst desselben festgeliallen . trug man meistens eine
Ai-t Kopfschleier , ein Stück feinen Stoffes, meistens
Linnen (byssiis), grösstentheils von weisser Farbe, von
länglich viereckiger Gestalt, welcher das Haupt, um das
es entweder gelegt oder auch gewunden war, verhüllte.
Die Zipfel hingen nach rückwärts herab und bedeckten
Hals und lüickcn des Trägers. Leider hat sich auch
aus dieser Zeit kein derartiges GewandstUck erhalten;
denn die noch vorhandenen bischöflichen Mitren reichen
liinsieliflich ihrer Anfertigniigszeit nicht über das XI.
Siienluni zurück. Obschon man diese reifl'örmige Grund-
form und die runde, dem llau|)te mehr anpassende Ge-
stalt der auszeichnenden bischöflichen Kopfbedeckung
auch noch ferner beibehielt, so begann doch im IX. Jahr-
hundert in den verschiedenen Ländern des ehri.stlicheii
Abendlandes eine alluiälige Umgestaltung derselben
])latzzugreifen, die sich besonders in der .Vasdehnung
nach der Höhe charakferisirte. Bis in das .\II. Jahr-
Vig. 81. (KlostenieiiburK.
200
hundert dauerte diese Umgestaltung, ohne dass es schon
damals aus dem Hinundherschwanken zu einer neuen
einheitliclien Form gekommen wäre ; ja vielmehr haben
sich gerade aus dieser Zeit die verschiedenartigsten
Formen der Jfitra erhalten, wie uns zahlrciclie Bild-
werke darüber belehren. Dazu kam nocli, dass im
X. Jahrhundert das Gewicht dieser Kronreiten in Folge
des darauf angebrachten reicheren Steiubesatzes und
des vermehrt verwendeten Jletalles zu schwer nnd zu
drückend geworden sein mag, daher man anfing, unbe-
schadet der (irundform, den metallenen Keit durch Bän-
der aus kostbaren Stoffen, mit wertiivoller Stickerei ge-
schmückt zu ersetzen.
Erst mit dem XII. .hihrhundert wurde die Foini der
bischofliclien Mitra hinsichtlich Lii'fang und \erzierungs-
weise eine ziendicli feststehende und von den Bischöfen
des Abendlandes fast allgemein angenommen. Das Vor-
bild für diese damals entstandene allgenieneMitreiifovm
war die römische Milra, wie sie in bestimmter gleicli-
niässiger Weise v<im XI. Jahrhundert an die Päjiste in
Signum pontiticii zu tragen und zu verleihen jitlegtcn.
Diese im Ganzen niedrige Pontitical-Mitni dei-
l'äiiste, deren feststehende Form erst vom Ende d' s
X. Jahrhunderts an durch erhaltene gleichzeitige bildliche
Darstellungen nachzuweisen ist, hatte eine sjtitze kegel-
fOrndge Gestalt und spaltete sitdi im aufsteigenden'
Theile der Kopfbedeckung "n zwei Theile, einen leeren
Winkel dazwischen bildend. Diese beiden Theile, von
drciccki-crCcstalt, eigentlich Schild fin-ndgcVerzieningen
der Kopfiicdeckung(cornini),ülierragten meistens -leieli-
mässii: den \'or(ler- nml Hinterkopf und wurden dureli
ein Zwischenfulter verliunden.
Die Form der römischen Mitra, die Jedoch hin-
si( htlicli der Form der Schilder sich ebenfalls allmälig
verwandelte, und vom stumpfen Winkel, der im IV. bis
VIII. Jahrhundert kaum das Haupt des bischötlichen
Trägers Überragte und allmälig höher werdend bis zu einer
scharfen Sidtze im XII. Jalirlmndert sich entwickelte.
war von nun an die .•illgeniein massgebende.
Für ihre Aussenseite wurde sehr häutig nur eine
( iattungoft sein- kosti)aren Stoffes, meistens gemustert und
aus SeidCjVon weisser oder rother Farbe verwendet; doch
giiit es auch him-eicheude 15eispielc von .Mitren. Ixi
denen der in eine starke Falte gelegte St(df, woniitjene
offen gebliebene Stelle, die dureli die Tiieiliing der
Spitze in die beiden Corinia entsteht, ausgefüllt wird.
nicht mit. jenem gleich ist, der zur eigentlichen Mütze
verwendet wurde, sondern in Farbe und Bescliatfenlicil
mit dem Stoffe ühi'rcinstimiMt, den man zum Futter ver-
wendete.
Eine Verzierung der .Mitia bildet jener Bandstreilen
faiirifrisia), der in grösserer oder geringerer Breite ent-
weder den unteren Saum derselben iindasst , oder nach
aufwärts steigend die iieiden Sciiildcr in zwei Hälften
theilt, oder endlich die .Alitra in der dopiielten Weise
ziert. Einen besonderen Sclnnin-k bilden (eniir.jene De-
pendcnzen (faiutues, ])endilia, stolae) , die .in derHüek-
seife der .Mitra angebr.-ielil sind, bandartig aiit die Schul-
tern des Bisclnds lallen und Tiieistens aus dem Stoffe der
aurifrisia angefertigt sind. Bisweilen aber linden wir zu
diesen Stolen besonders kostbare Stoffe verwendet I
daraut prachtvolle \'erzierungcn in Stickerei.
Oh^rleicli als eigentlicher Scliniind< der Mitra nur
die Üorle ersclieint, so linden wir doch amdi bisweilen
Jletall-Agratr'en auf derselben nnd Ijcsonders an den
fauones angebracht, von denen manche durch vor-
zügliche Zierlichkeit sehr bcachtenswerth sind. Ausser-
dem iindet man noch Edelstein- und Perlenbesatz.
Die Abte waren bei dem Tragen der Jlitren an ge-
wisse Beschränkungen gebunden. Doch scdieinen diese
im XII. und Xlll. Jahrhundert in den Tagen Papst
Clemenfs 1\', (^ll^tiö — ll;t)S)von den mitrirten Ahten
ausser Beachtung gekommen zu sein, da damals Ablia-
tial-Mitren durch ihre besonders reiche Ausstattung \ on
tlenen der Bisehöfe fast nicht mehr zu unterscheiden
waren. Papst Cleiuens IV. sah sich veranlasst, diesen
Missbrauch zu rügen nnd gestattete blossjenen.Vliten, die
exempt waren, d. h. die unnnttelbar unterm rönnschen
Stuhl standen und lutdit Mim Diöcesan-Bischofe abhin-
gen, die Jlitra aurifnsiata, d. i. gestickt, jedoidi ohne
Metall -Drnaniunte oder Edelstein- und Perlenbesatz,
den übrigen aber nur die Jlitra simplex.
Obgleich im Ganzen eine belangreiche Anzahl mhi
Mitren des XII. und XIH. Jahrhunderts besonders m
den Schalzkannuern älterer Kirchen, in iUfentlichen und
l'nvatsamiiihingen erhalten blieb, so ist doch die Zahl
jeuer im österreichischen Staate vortindlieheu ziendicli
gering. Auf der Ausstellung finden sich deren vier.
Drei davon besitzt das Beuedictiner Stift St. Peter in
Salzburg. Das eine dieser oberhirtlichenGewandstückc
dürfte aus der letzten Hälfte des XII. Jahrhunderts
stammen und hat e;ne Hohe von b" i5 " und eine Breite
von lO'und.S'", Der klein gemusterte Grundstoff' dieser
vom Zahn der Zeit schon arg beschädigten forniS(diönen
Mitra pretiosa (Fig. 7:;) ist aus w<>isser Seide ange-
fertigt. Eine breite Goldborte, tlieils mit nunuulerfVir-
ndgen , theils mit Geflecht - Mustern eingearheitet,
schmückt diese Mitra in cireuitu und titulo. Der Band der
Borte ist auf beiden Seiten nnt eingeweliten Sprüchen
gennistert, doch sind davon nur nudn- einzelne der im
scdiwarzeutirundndt (kildgewirkten Buchstaben und hie
und daauch Worte lesbar. ImSiifte St. Peter befindet sich
eine vor alter Zeit genommene Abschrift dieser Kand-
schrift; sie lautet: Praevia Stella maris, lapsis via jure
\dcaris, | Da cordi liiiuen \-eniin cognoscere Xumen;
liiler et ardorem, superum ipii iiiurit annirem. | Ave
tiiiim nomen mihi da solamen et onicn, | A nie N'irgo
pia. triplices expelle Mar.a, | Hostes, at(iue veni, et nn'
saero llainine h^ni; | Divinns laudes superans sui)er
aelliera pla'ule. f'-iiie iihiili'-he ISorte erscheint zu den
Sloli'u \i>r\\ endet, doch hat sie keine Inschritt. Ferner
ist herv(irzulieben, dass auf den Iieiden dreiseifigen
Mächen, die auf jedcmi (^'omu durch den aiifstcMgcmdeu
titiiliis i;cliildet werden, ein zierlich gewundeiies P(i;in
/.eiieriianieiit mit Kleeblättern sich zeigt, das walir-
scheiiilicli mit ( loldfailie :iuf Sei, Imistolf gemalt wurde.
Den bedciitindsten Schmuck dieser Intel bihlen die
schi/iien silbervergoldetcn Filigran-Agraffen , mit denen
die>es prunkvolle Gewandstüek reich besetzt war, \(iii
denen jedoch gegenwältig bereits eine beträiditliclic
Anzahl fehlt. Sie sind von zweierlei Form. Nämlich
/|eiie auf den dreiseitigen Corniiflächen bilden in ihren
zierlichen Wimluiigen die Kleeblattform, jene hingegen,
mit denen die aurifrisia und stolae in gleichen Zwischeii-
räiimcn besetzt sind, haben die I'"orni Min schiieckeii-
förmigen Windungen. Diese scliöiien und zarten Agraf-
fen beiderlei Korm sind cmllii-li auch in geschniack-
\ oller Weise mit Korallenknöprclicn besetzt. Die Spitze
201
jedes cornu ist überdies luicli mit einem kleinen Metall-
Ornamente verseilen.
Die zweite romanische Intel wiid mitra stellata
genannt, weil sie mit einer jifrossen Anzahl kleiner
Sterne, die mit verschiedenfarbigen Seidenfädcn anf
den Gnnidstoft' gestickt wurden, verziert ist. An den
Schilden der Intel befinden sieb grössere Sterne mit un-
gleich langen Flammenstralilen , welche dem (4:inzen
einen mehr |ihantastisclien, orientalischen Charakter
verleihen. Auch diese Intel war einstens mit Goldborden,
sogenannten auritVisiae geschmückt, aber sie sind seit
unvordenklichen Zeiten nicht mehr vorhanden.
Die dritte romanische Intel, mitra simpliciter
aurit'rigiata, trägt im allgemeinen denselben Kunst-
(diarakter wie die vorigen, ist aber bedeutend höher,
was seinen Grund lediglich darin haben dürfte, dass am
unteren IJande eine ausserordentlich bi'cite Golilliorde
von normänniseli-siziliauischem Charakter herumläuft.
Der Grundstotf ist weisse dessinirte Seide. Besonders
sind aurtallend die an der Intel rückwärts herab-
hängenden langen Bänder, welche in sehr frischen Far-
ben ein Geweite mehr orientalischen Charakters rcprä-
sentiren (^Nr. IST).
Zwei sehr interessante Mitren besitzt die Dom-
k i r c h e zu S a 1 z b u r g, davon eine aus dem XII. Jahrhun-
dert stammend, unter Nr. 186 ausgestellt ist. Dieselbe
bat eine Breite von 9' .," und 11" Hidie, istaus weissem
glattem Seidenstotife angefertigt. Ein breites Band,
reicher Goldstofl", dient als aurifrisia in circuitu und in
titulo ; das Band ist mit aufgelegten Perlen , theils in
Linien theils in abwechselnden geometrischen JMusteru
zusammengestellt , geschmückt. Die durch das senk-
rechte Band getheilten Schilder sind in jedem der
beiden Felder mit einem ^Medaillon geziert, das inner-
halb einer Umrahmung aus Goldstoilf und Perlenstickerei
je ein Evangelistensymbol mit entsprechender Umschrift.
ebenfalls in farbiger Seide und mit Perlen gestickt, ent-
hält. Die breiten Stolae sind von weissem Seidenstoffe,
darauf in Gold gestickt ein romanisches bandartiges
Ornament , und endigen m'A reichem Fransenbesafze
(_Fig. 77, Nr. ISiiL
Gegen die >.liite des XIV. Jalirlinnderts, und von
da an bis ins X\'. Jahrhundert zunelimeiul, finden wir in
Folge der natürlichen Steigerung der schon früher be-
standenen Neigung nach Vergrösserung der Mitreii.
bereits biscliüfliche Kopfbedeckungen , bei denen mit
Ausserachtlassung und riiersclireitung der mit dem
(lanzen bisher in völliger Übereinstimmung stehenden
Höhenausdehnung, wie sie sich in der Hauptsache noch
im XIII. Jahrhundert erhalten hatte, die Spitzen der
Cornua um ein beträchtliches sich erhöht haben. Ein
Hauptmotiv für die jilatzgreifende Entartung derMitrcn-
fbrm mag in jenem Streben zu suchen sein, recht viele
und mit unter ausgedehnte Verzierungen auf diesem Or-
natstücke anzubringen. Bei weitem hänfiger finden wir
Infein dieser Zeit mit kostbarem Perlen- und Stein- und
Metallbesatz , der erstcre in Stickereien angefügt, der
letztere häufig aufgenäht, meistens als Abschluss der
Cornuaspitzen und Fanones.
Aus der Beihe der aus jener Zeit herstammenden
und noch erhaltenen Infein ist jene ])racht\(ille, im wah-
ren Sinn des Wortes Prinik-Mitra liervorzulicl)en, die sieh
im Schatze der iK'iiedicliner-.Vbtei Admiint in Steier-
mark (^Fig. 7s I befindet und ans dem zu Ende gelien<len
XIV. Jahrhundert stammt: sie ist 12"/, Zoll IkjcIi. Die in
der doppelten Form angeiiracliten aurifrisiae sind auf dem
mit schwarzer Flockseide belegleii Tiefgrunde mit dun-
kelrother Seide überstickt, mit (ioldfäden netztörmig
überzogen und mit reichem Pcrlenbesatz und mit in
Medaillons aneinander gereihten ornamentalem Blatt-
werk geschmückt. Die durch die titnli gebildeten drei-
eckigen Felder der Schilder, die in Zickzackform mit
(ioldläden reich überzogen und bestickt sind, werden
durch je eine Figur in Sti(dvcrei und mit Perlenbesatz
geschmückt. Die Figuren stellen vor: die heilige Jung-
frau mit dem Jesukinde und drei heilige Bischöfe (.ibte).
Auch der Alischlussrand der beiden cornua ist mit ver-
zierenden und erhaben aufgelegten Krabbenblättern aus
Perlen ijcsetzt. Die Spitzen der cornua sind nnt einem
kleinen silbernen vergcddeten Metallbesatze versehen,
der überdies noch mit einer Korallenperle abscidiesst.
Die mit Goldfäden übcrstickfeii St(den sind ähnlicdi den
aurifrisiae, mit je sechs Medaillons aus Perlbesatz ge-
schmückt, in denen die Brustbilder der Apostel einge-
stickt erscheinen. Das Ende der Stolen ist mit einer
vergoldeten Sillierplatte besetzt, anf welcher auf carrir-
tem Tiefgrunde Thierbilder (Greif und Adler) eingravirt
sind (Nr. 204). Hieher gehört auch die dem Schatze des
Wiener-Capucinerklosters entnommene Mitra (Nr. 249 .
Dieselbe mag im XVI. Jahrhundert entstanden sein, und
ist aus blauem Seidenstoft'angefertigt. Die reiche Perlen-
stickerei stellt heraldische Lilien vor.
Die vierte mittelalterliche Infel der Schatz-
kammer zu St. Peter, welche dem Endedes XV. Jahr-
hunderts angehört, hat schon eine Höhe von 14" bei
einer grössten Breite von 11 'V'- Dieselb," zeigt uns so
recht eigentlich, wie man gegen Ausgang des Mittel-
alters und noch tief hinein in die sogenannte Neu-
zeit die kirchlich - liturgischen Kunstgegenstände
ndt schwerem Metall und mit zahlreichen Steinen
belastete, indem mau nach dem allseitigen \'erfalle
der früheren mittelalterlichen Kunststickerei , welche
im XIV. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des
XV. ihren Höhepunkt erreicht hatte, dieselbe durch
Stein- uiul Mefallbesatz zu ersetzen suchte. Unsere vor-
gedaclite Infel ist an den äusseren Flachseiten dicht mit
Perlen, Edel- und Halbedelsteinen überdeckt, welche in
dem lebhaftesten und buntesten Farbcnsi)iele erglänzen.
Wo ehedem die schönen stylgerechten Bm-den und Stick-
bänder auf's zierlichste angebracht waren, funkeln die
verhältnissmässig kolossalsten Steine. Im Ganzen pran-
gen an dieser Intel weit über 500 mehr oder weniger
kostbare Steine, die vielen Hunderte von grossen und
kleinen Perlen ungerechnet. An den Kanten derSchilde
ist die Infel mit zierlichem vergoldeten Silberbesehläge
eingef'asst. und oben an den Spitzen der Schilde ist eine
knorrenblätterige Metallspitze, auf welcher ein blauer
Stein als schmuckvoller Abschluss aufsitzt. Eben so wie
die Mütze selbst sind auch die rückwärts herabhängen-
den Bänder reich ndt Steinen besetzt. Im (Ganzen wiegt
diese Infel etwas mehr als fünf Pfund (Nr. 20(j).
Die schon Itesprocheue Iberhöhungder Schilder an
den luteln nahm bis in die licnaissance- und Bococeo-
zeit zu und erreichte im XVII. Jahrhundert wahrhaft kolos
sale Dimensionen, die dieser Kopfbedeckung die Ge-
stalt eines Ungethüms. das. \usselien eines unfnrmlichen-
dic menschliche Gotalt ihres Trägers erdrückenden
Geliäudes gaben. Mauübertüllte die zu iliescm Zwecke
202
■'i^'. M2. (Ilnlichtllll.
203
S(i riesig' jj'childi'tfii Gidicl mit Miisscn von l'crluii,
Edelsteinen und Gold-Ornamenten, dass die Mitra
dadnrcli ein last nncitriigliclies Gewicht hekani. Erst
seit dieser Zeit, kann man sag'en. ist der Waclistlmm
dieses üngetliümes stehen gehliehen, ja man findet in
der Gegenwart schon theihveise eine Wendung zum
Besseren, und etwas hescheidenere Dimensionen für die
Infein angenommen. Als Beispiel einer solchen Mitra
dient die unter Xr. ISO ausgestellte , von rother Seide
mit Goldstickerei, die dem Stifte KremsniUnsier an-
gehört.
Das F a 1 1 i s t o V i u ni aus dem Frauenstifte am N o n n-
herg in Salzhurg (Nr. lilö) gehört zu den interessan-
testen Uherresten der romanischen Sculiitur. Es ist ans
Holz angefertigt, roth angestrichen, an den Fassenden
in Bronzebesatz in Form von Löwentatzen , an vielen
Stellen der Füsse mit kleinem Elfenl)einschnitzwerk und
an den Seitenlehnen mit Tempera-Malereien geziert.
Die Obertheile der beweglichen Enden schliessen mit
l)raclitvoll stvlisirten Löwenköpfen aus Elfenbein, die
Sclmitzwerke der Flächen bestehen thcils aus dem
Mönclisleben entnommenen Scenen, theils aus Heiligen-
Gestalten und Ornamenten. Die Seitentheile , zwi-
schen welchen das Sitzleder eingespannt ist, sind am
Kande mit 2 sehr schön stylisirten Drachen ausgestattet.
Die Zeit der Anschaffung dürfte mindestens mit jener
der Verleihung des Rechtes der Äbtissin, sich des
Stabes nnd des Faltistoriunis bedienen zu dürfen, zu-
sammentreften , d. i. 12o5, die Schniizereien hingegen
dürften dem XL Jahrhundert entstammen und könnten
italienische Arbeit sein. Die Tempera -Malereien sind
bedeutend jünger. Jedenfalls hat diesem Stuhle ein
älterer zum Vorbilde gedient (Fig. 7!l).
Der zweite Wand-Schrein enthält eine grössere An-
zahl kostbarer Profangegenstände, als einen Pocal aus
vergoldetem Silber , auf dem Deckel ein Blumenslrauss
(^Xr. 253), einen zweiten solchen mit einem Bergmann
am Deckel (Xr. '2F-)9), einen Pocal aus Bauchtopas mit
erhaben eingeschnittener Maske und Blattwerk (^Xr. 257 ),
sämmtlich aus dem XVH. Jahrhundert und Eigenthum
des Grafen von Meran. Einen ähnlichen, aber etwas
höheren Pocal aus Silber brachte das Stift St. Florian
zur Ausstellung (Xr. 240). Aus dem iMuseum zu Linz
tindet sich ein dem XVL Jahrhundert angehöriges
grosses Triidvhorn (Nr. 183) ausgestellt. Dazu ist ein
Auerochshorn benützt, das in Messing gefasst und mit
zwei solchen Füssen versehen ist ; am oberen Ringe das
eniaülirte hohenlohische Wajipcn. Ein zweites solches
Hörn (Xr. 20(3) gehört dem Baron Rudolph Mandell in
Grätz; es ist in vergoldetem Silber gefasst und weit
zierlicher ausgestattet (darunter auch mit Figuren) als das
ersterwähnte, dürlte auch um mehr als ein Jahrhundert
älter sein. Ein höehst werthvoller Gegenstand ist die dem
(irafen Heinrich Herberstein in Eggenberg gehörige
Taufschüssel sanmit Kanne aus dem XVL Jahrhundert,
Silber, vergoldet; in der Mitte der Schüssel das Wappen
der Familie, herum in Hochreliefs die Verkündigung,
Geburt, Kreuzigung und Auferstehung. Auf der Kainie
in gleicher Arbeit das Opfer Abraham's (^Xr. 2(52 und
263). Hier finden sich auch zwei Krüge von Silber aus
dem XVL Jahrhundert, der eine gravirt, Eigenthum des
Grafen von Meran (Xr. 261), der andere theihveise vergol-
det, mit reicher Filigranarbeit, Eigenthum des ;\Lr.ublin in
Brodvi^Xr. 264); ferner eine sechseckige Büchse aus Lapis
l;i/,uli. lue silberne Fassung mit schöner Eniailnialerei,
XNII. Jahrhundert, (Graf Heinrich Herberstein, Nr. 265),
ein sechseckiges Schmuckkästchen des Stiftes Kloster-
neuburg mit spitzer l'x-dachiuig ; die Flächen aus ge-
schnitzten Knochen, auf deren jedem zwei Figuren, an
den Ecken hingegen Schildträger dargestellt sind. Auf
dem Deckel fliegende Genien in Beinrelief. Die Orna-
mentirung des dem XIV. Jahrhundert angehörigen Käst-
chens ist aus farbigem Beinmosaik angefertigt (Xr. 24b).
Ein sehr schöner Krug aus Elfenbein mit dem Sieges-
zuge David's in Hautrelief, die Fassung mit ver-
goldetem Silber, XVIL Jahrhundert, Stift Neukloster
(Xr. 242).
Von kirchliehen Gegenständen finden sich hier e n
Altärchen von Ebenholz mit Säulen von La]iis lazuli, in
der Mitte ein Oelbild auf Kupfer, darstellend Christus
am Oelberg, gemalt von Scozzi (Stift Schotten in Wien.
Nr. 244). Ein Reliquiensclirein aus Holz, S'/." lang,
5" 3'" tief, «Vä"''««"!' (l'"'.-- '''*')■ Sämmtliche Flächen sind
mit Pergament überzogen, worauf auf Goldgrund theils
Scenen aus dem Leben Christi, theils Heiligengestalten
und auf dem Deckel die Symbole der vier Evangelisten
gemalt sind. XIV. Jahrhundert. Eigenthum des Stiftes
Klosterneuburg in Niederösterreich (Nr. 246); ein zwei-
ter, etwas grösserer Schrein aus Holz, 1' lang, 9" tief.
ii'' hoch. Die vier Seitenflächen hat man an den in
([uadraten Feldern geschnitzte und vergoldete Roset-
ten, die Kanten des Deckels sind mit Krabben liesetzt
nnd die Flächen des Letzteren mit Ornamenten bemalt.
XV. Jahrhundert (Fig. 81); ebenfalls Eigenthum des
Stiftes Klosterneuburg (Nr. 247).
Das kostbare Kreuz aus dem Stifte Höh enfurt in
Böhmen (Nr. 248). Diese Abtei darf sich rühmen, in
diesem Gefässe eine der schönsten Leistungen zu be-
sitzen, welche die Goldschmiedekunst je hervorge-
bracht hat. Dieses kostbare , theils aus vergoldeten
Silberplatten, theils ans reinem Golde angefertigte Reli-
(|uiar hat die Form eines Patriarchen-Kreuzes mit zwei
Queren, die fünf Enden sind lilienartig gestaltet.
Einer ununterbrochenen Tratlition nach hat dieses
Kreuz der im Jahre 1290 zu Frauenberg als Rebell
enthoni)tete und zu Hohenfurt beerdigte Zävis von
Rosenberg und Falkenstein der dortigen Kirche ge-
schenkt; was auch dadurch bestätigt wird, dass in
einem im Jahre MCCCCLXXIX nach einem noch älteren
Originale gemachten Todtenverzeichnisse des Stiftes
ausdrücklich die Worte zu lesen sind: „24. Augusti
A. D. MCCXC obiit D. Zavisius de Falkcnstein qui
donavit huic monasterio lignuni sancta' crucis Domi-
nicas pretiose ornatum, et sepultus est in capitulo
nostro-'. Einer zweiten Nachricht nach wäre Heinrich
von Rosenberg der Geber gewesen, was in neuerer
Zeit dahin berichtigt wurde, dass dieser das bereits
im Stifte vorhandene Kreuz um 1410 habe umarbeiten
und zu einem Vortragekreuz einrichten lassen. Was die
Grösse dieses Kreuzes betrifft, so beträgt die Höhe des
oberen Theiles oderStammesl'4V4", des unteren Theiles
oder Postamentes 9'^", die Breite des Stammes l'/j",
Dicke 1", die Länge der oberen Quere Ü'/j", Breite 1",
Dicke 1 ", die Länge der unteren Quere lOs/4", Breite
1", Dicke 1", der Längendnrchschnitt des Postaments
9« .,", Breitendurchschnitt 1'/^". Nur der obere kostbare
Thcil des nunmeiirigen Kreuzes ist urs|irünglicli und
älter als das auf Heinrich von Rosenberg bezogene
— 204
^'^Wlrnm'
l-'i«. m;). (llolii.rifiMt,
— 20i
Diituiu, d;i (las einst bei weitem präcliii^ere l'osta-
meiit, der Sage nacli, schon vor vielen Jalirliuiulerteu
anf eine ganz unbekannte Weise verloren gegangen
sein soll. Denn in der nben eit'rteii Stelle des Jongelin
lieis.st es ferner: „Et licet l)a3c criix fere omnes in ad-
niirationeni ob pia>stantiani, excellcntiani et pretiuni
rapiat, t'undanientum tarnen, qiiod pedcm vocamus, niulto
praestantius et pretiosins fnisse ])erhibetnr, (piod per-
ditiun est per iiijiiriani teni|)uruni". Aber auch der zweite,
ans Silber verfertigte, verguldcte und mit werthvollen
Edelsteinen gezierte untere Thcil wurde bei Gelegen-
heit der allgemeinen Gold- und Silberablieferung im
Jahre 1810 der Landesregierung übergeben sanmit dem
goldenen Kreuze (Origiualiiild), weiches die ]ieli((uie
des heiligen Holzes in der Mitte- von vorne deckte.
Durch ungünstige Zeitverhältnisse verhindert, blieb
dieses ehrwürdige Denkmal im ganz vernachlässigten
Zuslande bis zum .Jahre IS.'Sn , wo das gegenwärtige,
nmimelir dritte Postament sannnt dem jetzigen Deckel
derReliquie auf Anordnung des Abtes Valentin Schopper
in Linz angefertigt wurde.
Das Kreuz ist mit doppelt übereinander gefügten
Platten belegt, zwischen denen Capseln mit Keliqiiieu
eingeschlossen sind, dabei ist das ganze A\'erk reich
mit Perlen, Edelsteinen und Kmailbildern verziert und
an der Vorderseite mit einer bewunderungswürdigen
Fiiigran-Arabeske überdeckt. Diese im blühendsten
romanischen Stvle ausgeführte Arabeske gehört dem
XIL, höchstens dem Anfange des XIIL Jahrhunderts
an und scheint italienische Arbeit zu sein , die auf der
Rückseite angeln achten En)ails (^emaux cloisonnes), vor-
stellend lirustbilder vou Heiligen, und Keliquiencapseln
tragen griecdiische Inschriften und sind byzantinischen
llrs]irnnges (^Fig. 82, Piückseite und So, Vorderseite).
Durch das AUer (12. Jahrhundert) ausgezeichnet,
ist das (.'rucifix aus vergoldetem, zum Theil emaillirtem
Kupfer und mit Edelsteinen besetzt, das der Kirche
zu Bartholomäiberg in Vorarlberg gehört (Nr. 25(j).
Obwohl noch mit golhischen Reminiseenzeu ausge-
stattet , gehört doch das Vortragekreuz der Pfarr-
kirche Gross-Lobming in der Steiermark (Nr. 258)
in das XVU. Jahrhundert. An dem runden Knaufe sind
in kleinen silberveigoldeten Medaillons Heiligengestal-
teu dargestellt und die Flächen der Vorder- und Rück-
seite des Kreuzes mit durchbrochenen Mefallidatten
auf rothem Sammigrunde belegt. Die Vorderseite zeigt
in der Glitte Christus am Kreuze, an den Enden der
Querbalken Maria und Johannes und an dem oberen
und unteren Ende des Kreuzes zwei Heilige; die Rück-
seite zeigt in der Mitte Christus als Weltrichter und in
den Kreuzesenden die Symbole der vier Evangelisten.
Endlich ist noch zu erwähnen ein kunstreich geschnitz-
tes grosses Elfenbcin-Crucitix aus dem XVH. Jahr-
hundert, Eigenthum der Stadtpfarrkiiche in Linz (^Nr.2oS).
Von den zwei hier ausgestellten Kelchen gehört
der einfachere der Pfarrkirche zu Juden bürg, er hat
die bescheidene gothische Form, stannnt aus dem XV.
Jahrhundert; derzweite und weitaus wertiivollere Kelch
von G" 3" gehört dem Stilte Ad m out, ist in der
schönsten gothischen Form ausgeführt, und zeigt
noch zahlreiche Rcminisccnzen des romanischen Styles.
Auf der Fläche des runden Fusses sind vier runde
Medaillons mit folgenden Dai-stt'llungen angebracht:
J. Maria Verkündigung, 2. Gebint Christi, ;!. Opferung
XVIII.
im Tempc', 4. Christus am Kreuze mit Maria und Juhan-'
nes. An dem Ständer ober dem Knaufe sind die
Worte: Ave Maria, unter demselben die Worte: Gra-
tia plena zu lesen, l'm den runden Knauf lauft in niel-
lirtin liuchstaben die Inschrift: J)oniinus engelber-
tus . drichopf . hunc . calicem . conipara\it . anno do-
mini MCCCLV. Der Knauf ist in Halbkreisen mit Tbier-
und Pflanzenbildungen verziert. Dieser Kelch ist eines
der schönsten Muster dieser Gefässe, voneinfaidier Hal-
lung und Harniniiie der Theile.
In diesem Kasten finden sich auch mehrere Platten
von vergoldetem Kui)fer mit Email champleve, darunter
eine, darstellend Christus in der Glorie, um.n'cben von
den \ ier Evangelisten-Syml)olen. Diese dem XII. Jahr-
hundert entstaninicnden Emails, Eigenthum des Stiftes
\ iirau, wurden in neuerer Zeit zu einem höchst ge-
schmacklosen Kästchen zusanuuengestellt (Nr. 260).
Ein kleines Relifjuicnkästchen in Häuschenform mit
Steinbesatz, eniaillirteiillalbtiguren und durchbrochener
Galleric, XII. Jahrhundert, ist der reichhalti,:;'en und
vieles Interessante bergenden Sammlung des Karl
R. V. Pichlerin Grätz entnommen. Unter Nr. .SOO treffen
wirilas Hausidtärchen der Pfarrkirche Maria Pfarrim
salzliiirgisclien Lun.i;-au. Es ist aus Silber angeferti.u't,
reich vergoldet und mit später hinzu.gefügtem Stein-
besatz geziert, in Form eines Triptychons aufgebaut und
von .'»'Höhe. DerTabernakel, d.i. das Hauptfeld des ge-
öffneten Schrankes, enthält die Darstellun.i;- des Kreuzes-
todes Christi, zur Seite des Kreuzes sieht man Johan-
nes und Maria stehend, am Kreuzesfusse die kniende
Magdalena: ober dem Kreuze Sonne und Mond durch
Steine (Carniql und Opal) dargestellt. Der Tabernakel
wird eingerahmt von kleinen Reli(|uienbehältern , doch
wird der Rahuien rechts durch die kuieeiide Figur des
Donators in Priesterkleidung unter einem kleinen zier-
lichen Baldachin unterbrochen. Säinmtliche Figuren des
Hauptfeldes sind als Hochrelief getrieben in der bek'innten
Fdrmengebung und vollendeten Technik des XV. Jahr-
Iniuderts. Unter den Figuren und Ije'm Kreuze sind
Gebete oder Stellen der heiligen Schrift enthaltende
Inschriften an.gebracht. Die Innenseiten der beiden in je
zwei Felder horizontal getheilten Flügel, die in geschw"eif
ten Wind)ergen mit Kreuzblumenbesatz absehliessen,
enthalten Darstellungen , in gegossenen Reliefs aus-
geführt, sammt erkläreiulen Inschriften. Wir sehen die
Darstellung der Geburt Christi und der Reinigung
Mariens, ferner den englischen Gruss un<l den Tod
Marions (Maria kniet vor dem Bette und Christus tührt
ihre Seele gegen den Hinnnel). Die llückseite der Flügel
zieren Figuren in kräftiger Gravirung, als : oben links
die beiden Johannes, darunter zwei nimbirte Bischöfe,
rechts die Heiligen Petrus uiul Paulus, Barbara, und
Katharina. Die dem Altärchen unter,:;eliaut(' Mensa bat
ftilgeiule Inschrift: Mille (piadringentoque (piadrageiui
(pioque terno Grillinger, pfarrer i)Ieban. pr. dedit hoc.
Auf der Rückseite des Schrankes hatte der Künstler in
sinnreicher Laubwerks-Verzierung die Evangelisten-
Symbole, das Lamm Gnttes und das Scliweisstuch ein-
gravirt; in dem Mittelfelde findet sich eine lange In-
schrift, welche die in dem Altare hinterlegten Reliciuien
aufzählt und ausserdem noch die Widmuu.2; des Peter
(irillinger (144o) wiederholt. Über dem Schranke baut
s'ch ein luftiger ISaldaidiin aus verschlungenem Ast-
und Laubwerk auf, darunter die Figur des Lcce honui.
■27
— 2or)
I 1,1 inirrulTitramiHi f'prr ihnrat a»aiiil.':i
^kM;^:^s^^s^;^m'^^^^s^^^^
Kiir. S4. 'iMii-iii ri-in-.
— 207 —
Leider i^^t (iieser Tlieil desAltärclieiis so i\v^ bescliädi^l,
dass der oberste Abschluss nicht ganz klar ist (Fig. 84).
Das letzte Fach dieses AVandscIiraiikos ist der
Aufstellung von Gegenständen meistens der elassiselien
und keltiseiien Zeit gewidmet. Wir sehen daselbst
(^Xr. '2yW) ein kurzes Schwert, Messer, Nadel aus lironce
und Brnchstücke eines entweder als Halsschmuck oder
als Kasiermesser zu deutenden Gegenstandes aus fast
unlegirtem Kuiil'er. Sännntliehe Gegenstände! wurden
einem intaet gewesenen T n m ii ins mit Steinkiste au^'
dem Plateau bei AVarmbad A'illach, der von Dr. Lus(diin
1872 aufgedeckt wurde, entnommen; vier prachtvolle,
aus freier Hand gearbeitete Thon-Urnen enthielten die
Bramlknoehen von zwei Individuen, einem älteren männ-
lichen und einem jüngeren, wahrscheinlich weiblichei:.
Ferner ist her jener höchst seltene U p f e r w a g e n aufge-
stellt, der zu Strettweg bei Judenbiirg in der Steiermark
gefunden wm-de. Er ist, wenn auch in sehr primitiver
Weise, aus Bronze angefertigt und enthält in der Jlitte
eine nackte weibliche Figur, die ein Bronzegefäss
ftir das Opferwasser auf dem Kopfe trug, herum
vier Reiter , mit spitzen Helmen und ovalen Schildern,
und rückwärts je zwei Figuren, einen Hirsch bei
den Geweihen haltend , der Mann den Kelt (die
Streitaxt) schwingend, eine sehr interessante Arbi'it
der norischen Kelten in vorchristlicher Zeit (Nr. ■j71).
Wir finden ferner das Fragment eines Kessels mit' er-
habenen Querw nisten, Buckeln und Sonuenrädern von
getriebener Arbeit aus Bronze, sicherlieh eine keltische
unter etruskischem Eintlusse enstandene Arbeit (Nr. 272V
Inline Bronzestatuette nackter Krieger mit gezücktem
Schwert.Deutsche Arbeit des XVI. Jahrhunderts(Nr. 278).
Ein römischer Kochtopf ans Bronze, im Fond eine ge-
triebene schöne Medusenmaske von Silber. I. Jahr-
hundert, wahrscheinlich ein Weihgeschenk (Nr. 274).
Zwei Hände aus Bronzeblech getrieben, wahrscheinlich
keltische Votivgaben, die den Verstorbenen mit in's
(xrab gegeben wurden, gefunden zu Klein-Glein in
Steiermark (Nr. 275, 276). Keltische Bronzeschwerter
mit Schiltblattklingen und kleinem hallimondförmigvm
Griffe, geiunden bei Kkii-Glein (Nr. 277, 278,
283). Zwei Schilde (vielleicht Weihgeschenke) mit ge-
triebenen Punktverzierungen, sehr rohen menschlichen
(Testalten, Kreuzen, Rädern und Sciiwäneii, am Bande
Klapperbleclie, keltische Arbeit aus der vorchristlichen
Zeit, gefunden zu Klein Glein in Steiermark (Nr. 279
und 280). Endlich ein höchst seltenes Fundstüek,
nämlich Panzer (Brust- und Rückenstück), aus Bronze
getrieben, ebenfalls gefunden zu Klein-Glein (Nr. 2S4).
Ferner eine sitzende weibliche Figur mit Zackenkrone
und den Symbolen der Fruchtbarkeit, Bronze, Stadt-
personificatioii, römische Arbeit des II. Jahrhunderts,
gefunden bei Cilli (Nr. 282; vielleicht die bei den
Norikern so verehrte Dea celeja), und ein etruskischer
Bronzehelm, gefunden bei Negau in Steiermark. Sännnt-
liehe Gegenstände gehören dem ständischen Joanneum
in Grätz. Hier befindet sich auch die der Renaissance
angehörige hübsche Statuette eines ruhenden Hercuh's.
sie ist ;-5o-4 Centni. hoch, trägt S])uren von Vergoldtiiiu
an sich und hat Silbereinsätze an Keule und Augen.
- Nun haben wir nur mehr die Aufmerksamkeit der
Leser auf jene Gegenstände zu lenken, die an der Nord-
wand dieses Saales ausserhalb der beiden Schränke
aufgestellt sind. Ober den Schränken s*'iieii wir zwei
grosse Gobelins aus dem XA'll. Jahrhundert, Eigentiinm
des Grafen Enzenberg in Innsbruck ; das eine Bild stellt
Europa, umgeben von Symbolen der Wissenschaft, i^as
andere Amerika mit tigureiireicher (Gruppe vor (Nr. 224
und i2.')). Zwischen den beiden Scliriiiikcn stellt jene
sciiöne, '■>' hohe Bronce-Statuettc, die fürgewöhnlicii den
Hochaltar der Kirchein der ehemaligen Burg, nun Militär-
akademie zu Wiener-Neustadt schmückt. Sie stellt den
heiligen Georg als krä't'tigcn Jüngling in voller Rüstung,
jedoch entblössteii llauptes vor, wie er mit Spiess und
Schwert den unter seinen Füssen sich windenden Lind-
wurm bekämpft ; die rechte Brustseite ziert in halb erhabe-
ner Arbeit ein kleines Kreuz. Diese aus dem XV. Jahr-
hundert stammende Statuette mag ursprünglich jenem
Georgsaltar in der Gottsleichiiam-capulle, welche Her-
zog Ernst der Eiserne gestiftet hatte, angehört haben
(s. Alt. Ver. IX. 20) (Nr. 227). Rechts und links des
Standbildes je ein sehensvrerthes Tableau von alten
Schlüsseln, aus römischer, mittelalterlicher und der Re-
naissance-Zeit (Nr. 2.31, 2'i)2. BInmauer in Vöckla-
bruck). Links der Figur stehen mehrere (>■ hohe,
höchstens dem XVII. Jahrhundert entstammende Zinn-
krüge mit dem Wai>])en der Stadt Steyer. Sie gehören
zu einem Dutzent und werden in Steier Apostel-
krüge benannt. Rechts liegt ein sehr w ithvoller. mit
Elfenbeinplatten belegter Sattel aus dem X\'. Jahrhun-
dert. Die Platten sind mit Inschriften auf Spruchbändern
und Figuren ge/.iert. Solche Sättel , davon der aus-
gestellte ilem Grafen Franz Enzenberg gehört, sind höchst
selten, die Ambrasersammlung besitzt deren nur einen,
das ungarische Natioual-Museum zu Pest hingegen deren
drei (Nr. 233, Fig. 85). Den oberen Theil dieser
Wand zieren zwei grosse hölzerne Tartschen aus dem
XV. Jahrhundert, auf deren jeder auf weisslichem
Grunde der heilige Georg gemalt ist. Diese beiilen
Schilde, von deren Gattung nicht viele Exemplare, mit
Ausnahme der Sammlung im wiener-städtischen Zeug-
hause, erhalten sind, gehören der Stadt Enns (Nr. 22!l.
231 M. Die hier aufgehängte sehr zierliche Laterne von
gothischer Form, mit vielen Thürmchen und statt «Glä-
sern mit Hornplatten verschlossen, aus dem XVI. Jahr-
hundert, gehört in die Sammlung des Museums zu Linz.
Sie befand sich ehedem im Sterbezimnier Kaiser Jlax I.
in Wels (Nr. 228 ; Fig. 8(i). Die mit Nr. ■JSC', bezeich-
neten zwei Vitrinen aus der Sammlung des Freiherrn von
Rothschild enthalten 12 Teller von Limoges, die Email-
malerei führte Jean Courtois aus ; es linden sieh darauf die
figürlichen Darstellungen der zwölf Monate ; im unteren
Fach stehen Silberfiguren : ein Bauer, Asculap, ein Jakobs-
pilger und sein Weih (Trinkgefässe), feiner eine schöne
Schale, vergoldet, mit dem Abendmahl Christi, eine
schreitende Minerva. Ferner zwei Leuchter und ein
Kästchen mit Emailmalerei en grisaille und eine Tafel
aus Eisen getrieben, mit ilen Heiligen ^ledardns. Hiero-
nvmus und Benedictus. Sämnitliihe Stücke aus dem
X\T. Jahrhundert, t'ber den Vitrinen hängt unter Glas-
rahmen die rothseidene P r a c h t-C a s u 1 a aus der Erzde-
chantei-Kirche zu Knttenberg in Bidimen. Sie ist auf
der Rückseite mit einem auf (xoldfond gestickten Kreuze
belegt; an den Seiten des Kreuzes die Evangelisteii-
Svmbole , unten die drei Frauen und Johannes. Vorzüg-
liche Arbeit des XV. Jahrhunderts (Nr. 281V
Noch sind als sjtäter eingelangt zu erwähnen ein
Gebetbuch mit deutschen und lateinischen Gebeten,
27*
— 208
einem Caleiiclarinui und einigen ziemlieh rohen Minia-
tnrbildern. Weit interessanter als die innere Aus-
stattung- ist der Einband (Fig. 86), Es werden durch ge-
presste Streifen von Silber, das nieht vergoldet gewesen
/u sein seheint, einzelne Felder gebildet, darinnen
theils Heilige, tlieils Ornamente anfPergamentgemaltund
eingelegt und ehemals durch übergelegte durchsichtige
Hornblätter überdeckt sind. Die Darstellungen sind eben-
so roh, wie die inneren. Vier Felder und zwar die beiden
oberen und unteren jeder Seite sind mit Ornamenten
ausgefüllt ; im [Mittelfelde der Vorderseite ist das
Bildniss des heil. Ricolni, auf der Rückseite des heil.
Oswald angebracht. Xeben dem Mittell)ilde der Vor-
ilerseite sind vier heilige Abte , auf der Rückseite
vier unbestinnnte Heilige dargestellt. Der Rücken des
Ruches ist mit dessinirtem Goldstoff lielegt. Als Ver-
schluss des Buches .sind an dem vorderen Deckel zwei
(ioldborten befestigt, deren Vordertheile durch aufge-
legte vergoldete Silberschliessen geziert sind. Es sind
zwei durch Charniere verbundene viereckige Rlättchcn
mit verticlter Füllung, in deren einem 3 Ruchstaben,
im anderen aber ein kleiner sitzender Löwe ange-
bracht ist. Die Buclistaben der beiden Schliessen
liildcii zusammen den Namen Elsbet. Dieser Name
im /iisammLulialte damit , dass dieses Ruch dem
^linoriten Convcnte in Wien gehört, lässt keinen
Zweifel zu. dass als dessen Besitzerin die Herzogin
Elisabeth (Isabella) v. Arragonien , Gemahlin Königs
Friedrichs dos Schönen . eine besondere Wohliliätcrin
und Mitstiftcrin dieses Klusters anzusehen ist. Sie starb
am 1-2. Juni KJJU und wünschte letztwillig in der
Ordenskirche ihre Ruhestätte zu erhalten (Mitth. d.
Gentr.-Comm. VIH. 2S'I). Das Buch selbst, abgesehen
vom Einbände dürfte jedoch bedeutend älter sein. Ferner
ein kleines Reli(|uienkreuz Nr. i')(i2) aus dem Stifte
Melk von 18" Höhe und S'/^" Breite, das noch im
XV. Jahrhundert entstanden sein mag. Für die Aus-
stellung ist dasselbe von Redeufung. da die lilienförmig
endenden Kreuzesarme aus Bergkrystall angefertigt
und Gegenstände aus diesem Materiale nur in wenigen
Exemplaren awfdieser Exposition zu finden sind. Der
kupferne und vergoldete Ständer wird aus einer runden
Fussfläche mit einem Quadraten Stamme unil einfaeli
ausladenden Nodus gebildet. Die silber- vergoldete
Fassung des sich darauf erhebenden Kreuzesstammes
zeigt Verzierungen aus Masswerk und Lilien-Ornamen-
ten. Gleichen Motiven folgt der quadrate Mitteltheil,
bestimmt zur Aufnahme der Reliquien, aus dessen vier
Ecken Lilienblätter hervortreten (Fig. SS). Endlich ein
prachtvoller Pocal aus Bergkrystall in vergoldetem Sil-
ber niontirt (Nr. 663) und ein Radschlossgewehr mit sehr
schönem Elfenbeinbezatz am Schafte (664), beides Eigen-
tluim des (irafen Karl Friedrich Lanthieri in \Vip))ach.
Wir konnnen nun zurBesprechung jener Gegenstände,
die in dem zweiten dieser Ausstellung gewidmeten Saalauf
gestellt sind. Hier sieht man schon bei nur oberflächlicher
Betrachtung, dass das Installationsromite bei der .\uf-
stellung durch das Brincip, die Gegenstände nach Län-
dern zu gruiipiren, beschränkt war und daher bedauer-
licher Weise manches Stück nicht so zur Geltung zu
bringen vermochte, wie dies an anderer Stelle der Fall
war.
Wir wollen zuerst den beiden Wandschränken
unsere Aufmerksamkeit zuwenden ; sie enthalten in der
Hauptsache Gegenstände ans Mäh r e n oder von M ä h r e r n
ausgestellt. Wir finden daselbst 14 Messkleider, sänimt-
lich von neuerem Schnitte, mitunter mit ganz köstlicher
Stickerei geziert; sie stanunen fast alle aus dem X\'I.
Jahrhundert und gehören der Domkirche zu Brunn, den
Pfarrkirchen zu ]5itescli, Wall.-^reseritsch, Nicolsburg,
Turas und Zaschau. Eine Casula verdient besonders
erwähnt zu werden, sie ist aus \iolettem Seidenstoff an-
geferiigt (^Nr. 34.'!), darauf in Relief ausgeführte Sticke-
reien, vorstellend die Conceptio Mariens, den heiligen
Wenzel als geharnischten Ritter, vier Heilige, dabei die
.lalireszahl 14^7 und die Wajipen der Herren von l)uli;i
und Zasfrizel. Auf einer anderen Gasula ist auf iler
Rückseite ein Kreuz auf Goldgrund aufgelegt, wobei
zum Kreuzbalken sehr schöner orientalischer Stoff mit
arabischen Inschriftzeichen verwendet wurde (Nr. ."Uf)).
Der Beh.'iiiillung des Materials wegen verdienen (M'wähnt
zu werilen die beiden Messkleider aus gepresstem und
mit Farben bedrucktem Leder, der l'farrkirche zu Babitz
gehörig, sie entstammen beide dem XVHI. Jahrhundert.
Fig. f.''). I liiiislirMck.)
— 200
Selir kostbar ist jene unter Nr. 4G4 auf;etiihrte Decke
aus geblümtem GdhlstofT in Ftinii einer KirduMitaline.
Noeii tinden wir liier nielirere TaiiC- und Keleiuiecken.
breite und schmale venetianer und Guipurespitzen von
Priesteralben u. s. w.
Die Reihe der aufgestellten Monstranzen, fast
sännntlich gothischen Styles, aus dem XYI. Jahrhundert
und nur wenige aus neuerer Zeit undtheilweisc und zwar
nicht ganz gelungen und styleinheitlich restaurirt, zeigen
uns in belehrender Weise diese theils silbernen, theils
kupfernen Gefiissein ihrer grössten Einfachheit als Eigen-
thum armer Landkirchen, wie auch in prachtvoller
Ausstattung als Gcräth reicher Abtei- und Ptairkircheii.
Die bedeutendsten Gefässe sind die unter Nr. 350, 354
und 441 (Hradisch, Raigern und Jamnitz) ausgestellten.
Die übrigen gehören den Kirchen in Tischnowitz, Frei-
stadt, Koprivnica, Katzendoi'f, Stannern, Ciicitz, Drasow,
Borstendorf und der Biirgcapelle in ^'öttan. Von den zahl-
reichen Kelchen heben wir hervor als durch die einfache
Form bemerkenswerth die von Ober-Dannovitz(Nr. ."J.^S),
St. Jacob in Briinn (Nr. .35.")) und Kunewald (Nr. 442),
ferner jenen der l'farrkirche zu Austerlitz (Nr. -jül!),
früher Eigenthuni der Garthause in Maueibach und
durch seine schöne Filigranarbeit ausgezeichnet. Hier sei
auch des unter Nr. o89 ausgestellten kleinen Kelches
gedacht. Er trägt am Rande das jronogramm K. 15.,
d. h. Karl ]5ischnovsky, Goldschmied im Schlosse zu
Mährisch-Trübau unter Ladislaus von Zierotin (15'J7
bis 1G20). Dieses Kelches bedienten sich die mährischen
Brüder. Schöne Arbeiten reprä.scntiren die mit i-eiclieni
Filigranbesatz gezierten Mcsskännchen des Augustiner-
Stiftes in Brunn, feiner die silliervergoldeten Jless-
kännchen sanmilTasse und eine desgleichen Kanne sammt
Tas^sedesStitfesNeureisch (Nr.4üG, 386 und 407). Diese
Gegenstände, obgleich demXVIir. Jahrhundert angehörig,
sind von mustergiltigen Formen. Das Franzensmuseum
zu Brunn stellt ein kugelförmiges Ciborium auf schlau
keniFnsse von JMcssiiig aus, das noch aus dem XM. Jahr-
hundert stamnit. Auf selbem finden sich Iblgende In-
schriften: Am Fusse: ego sum ]ianis, auf der Schale:
hoc est corpus Jesu christi, am Deckel: corpus dni
nostrijesn-j-(Fig. 81', Nr. 49]). Das den Deckel krönende
Patriarcheidvreuz dürfte eine jüngere Zuthat sein.
Der beengte Umfaug,den wir dieserBesprechung wid-
men können, uöthigt uns, mancher immerhin werthvoller
Gegenstände nur kurz zu erwähnen, wie eines hübschen
Mosaik-Reliefs, darstellend die Verkündigung ^[arien's
nach dem bekannten Bilde Fiesole's (Nr. 371 ), eines Haus-
altärchens mit schönem Elfenbein-Diptychon (Nr. 38]),
eines sehr zierlichen gothischcn , siliiernen vierjiass-
förmigen Reliquiar's zum Anhängen, aus dem XV. Jahr-
hundert (Nr. 388) , des Rosenkranzes eines geistlichen
Ritters, die Kugeln von Eisen mit Silber und Gold
tauchirt (Nr. 4()1), und eines grossen Crueifixes von
Elfenbein aus dem XVH. Jahrhundert (444).
Indem wir uns auf das früher über die Krumnistälie
Gesagte beziehen , geben wir hier eine gedrängte Besdirei-
bung des Krummstabes aus dem Stifte Raigern.
Der Obertheil ist aus vergoldetem Messing, der Schaft aus
Messing angefertigt, letzterer, der den s])ät-gothisclu'n
Charakter an sich trägt, unzweifelhaft ein jüngerer Er-
satz für den ursprünglichen, wahrscheinlich hölzernen
Stiel. Der Nodus besteht eigentlich aus drei Theilcn,
deren oberer und unterer achtseitig ist, der dritte Theil
klein , ringförmig und in einer .\rt Einkehlung zwi-
schen den beiden anderen Thcilen angebracht. .Viis dem
Nodus entwickelt sieh die sehiin gebogene Kriinnniuig
mit einer Rückbiegung beginnend. Dieselbe ist an
ihrem oberen Rande mit dünnen, wellenförmig einge-
kerbten, eine einfache Schlinge bildenden Krabben be-
setzt. Aufden beiden flaehen .Vussenseiten der Krüm-
mung findet sich je eine Inschrift auf dunkelrothem und
dunkelblauem Emailgrunde mit gothischcn Minuskeln
zwischen goldenen niellirten Laubverzerungen. Die
Inschrift lautet: christus vincit, christus reguat. christus
imperat, — Jhesus autt'm transicns per medium illoruni
ibnt. Die Mitte der Krünnnung ziert ein Doi)])elrelief
aus Elfenbein, dessen Darstellungen mit der erwähnten
Inschrift im Zusammenhange stehen. Die eine Seite
des Reliefs zeigt die Alutter Gottes mit dem Kinde am
Arme , an den Seiten je ein Engel mit einem grün be-
malten Stab, die andere Seite den gekreuzigten Erlöser
mit Maria und Johannes. Beide Flachsciten sind mit
Fig. 86. (Uaz.)
— 210 —
steinen besetzt, wikIiucIi einige Stellen (Kt Insclirilt
scliwcr losbar wurden. Dieser Stcinlicsafz ist eine
jlinf:crc Zutliat dieses ans dein zu Knde gellenden XF\'.
.lalirliundert stannnendcn Stabes (Nr. ;J84, Fig. 90).
Von rrfif'angegcnsta'nden seien erwiilinf: Einige
zinnerne und siliierne Willk'itmnenlieelier und Krüge,
ehemaligen Oimiitzei- Ziint'lenf;eliörig, wie der N.idler
(Nr. ;jf)9), der l'.inder (Nr. 410), der I'.äekergeliiHen
(Nr. 41 ;5), ferner der dortigen Schlitzengcsellseliait
iNr. :?.')7 und 41ö); sie gtdiiiren meistens in das XV. und
X\'I .laln-liinuli-rtund sind Innsielillieli üirerFdrin beacli-
leiiswertli : ferner ein Kiseidciiehter mit Silber-TMiiciii
rung I Nr. 479^, eine seiir seliöiie Tiscdiulir aus dem X\'!.
Jalnlinndert, Kigcnthiiiii der Stadt Olmlltz (Nr. 41H),
ein dem Franzensmuseum in l'rlinn gehöriger Original-
stock für Xylographie; ir wird mit einiger (iewisslieit
dein .bdiaiiii mhi l'.illnn (14.^01 zugesellrieben uiiij stellt
auf der einen Seite flie Messe d<s heiligen (iregoriii.s
(Foliobild), auf der anderen den Wucher des Judas
(kleines Hild) vor. Der llliritri Kanni dieser Seite ist mii
Textausgefllllt.,\iisserdeiii (iiiflcu sieh liieniiehrere wertli
volle. Sehmiickkästchen aus (',(Ai\ unil Silber, Hestecke,
Dosen, Cefasse aus l'ergkrystall in koslburen Fassun
am
> >f
üen ninl Hill \\(Ttli\ iillen Maji'reien.
■lll'eiibeiiiscjiu'llc . 'r.-isclieiiiiiii'en
aus dem v(n'igeii .bihrlniiulert, l'or-
C(dlan - Oegenstäiiile \nu Meisseii,
Sevi'es und Wien, Majidika-Teller
uml Sehiisselii . eine grosse Ma-
jiil:ea-< iru|ipe ii. s. w.
\'nii Wallen uml Klistungsbc-
standflieileii erwähnen wir <ies IFel-
nies zu? liüstung des Vertlieidiirers
von Wien im .lalire l.'M!*, dem (!ra
fiii Niclas Salm g(diörig; er ist
an einzelnen Stielen mit Silber
tanschirt , im (lanzen aber ein-
fach (Nr. üH.']), (Mues Panzerhemdes und dreier 'l'ai-t-
sehen, die dem Nielas Zriny, dem Meiden von Szigeth,
ziigeseiiiieheii werden iiinl, wie .alle no(di zu erwälineii-
deii und licmscdben zugeschriebenen (Jegeiistände, nun
Eigeiiilniiii der grällichen Familie Dsinn in Vöttau sind.
Zwei der Tni tsdieii sind mit eingeätzten t)rnaiiien-
Irii . die diide, älinlieh den schon erwähiilen beiden
Seiiildrii aus ilcr .'"Sammlung des Haron Hothschild.
\oii sehr schöner italienischer Arbeit, ist getrie-
— 211 —
hi'U und mit Gold taiichirt. An Waffen linden siidi zwei
Armbrüste, die Scdiät'te mit EIfenl)ein gesciimaclvvoll aus-
gelegt, ein türkischer Säbel ndt kostbarer Scheide, ein
Pnnikdegen Karl's von Zierotin aus dem Jahre IGli;^,
Gritt' und Scheidespitze ans Achat, mit Kubinen und l'ciicn
besetzt (Nr. 347). Die vielen ausgestellten Schwerte sind
theils Vortrage-, theils Richtschwerte, theihs .sind sie für
den Kampf bestimmt, und gehören den Städten: Hriinn,
Olmütz, Hradisch, Iglau, Wall.-Meseritsch, Znaim; ein
dem Grafen Rudolf Wrbna gehöriges Schwert ist beson
ders beachtenswerth wegen seines silbernen Gritfes und
der geätzten Klinge mit dem Wappen des mährischen
Landeshauptmannes Johann v. Rottal (Nr. 455); einige
mittelalterliche Gewehre mit Elfenbeinbesatz und schön
verzierten Metalltheilen, ferner zwei Sättel, beide mit
Sammtdecken untl reicher (^(dd- und Silberstickerei; der
mit blausammtner Decke wird dem Nidas Zriny zu-
geschrieben. Sciiliesslich hellen wir noch jenes, dem Gra-
fen Wrbna gehörige Vorlegebesteck hervor, liestehend
aus zwei schmalen und zwei breiten Messern, einer Gabel.
Es wurde 1515 angefertigt, die Griffe sind aus Herg-
krystall mit Silber montirt und mit dem in Email ausgeführ-
ten Salzburger erzbisehötlichen Wajjjien geschmückt.
Der hier befindlichen Siegel werden wir später erwähnen.
Von den fünf Kästen , welche in der Mitte des
Saales aufgestellt sind, enthält der gegen Osten gestellte
Gegenstände aus G a 1 i z i e n und der B u k o w i n a. Bemer-
kenswerth .sind drei Kelche und ein Crucitix mit Maria
und Johannes, Eigenthum des Domcapitels zu Tariiow.
Kelche und Kreuz sind sehr schön, im gothischen Style
ausgeführt und mit Emails reich verziert. Die Noden der
Kelche sind von ungewöhnlicher Grösse und bildea
grosse und reich geschmückte Capellen , eine Anord-
nung, die mit Rücksicht darauf, dass Stiel und Nodus
die Stellen sind, an denen diese Gefässe c^rgrift'en wer-
den, durch die scharfen Ecken und Kanten das Ergrei-
fen schwierig und unangenehm macht. Von inte-e.ssanter
Form ist das aus 15'.(1 stammende und dem griechisch-
orientalischen Kloster Suczavitza gehörige Cibori um; es ist
Fiji
iHriiiui.
Fig. 88. (Melk.)
aus vergoldetem Silber angefertigt und stellt eine Kirche
mit drei Thürmen vor. Hier finden siidi auch drei Kirchcn-
büelier mit interessanten Einbänden, das eine, dem
Kloster Suczavitza gehörig, ein auf Pergament geschrie-
benes Evangeliarium, hat einen Einband aus vergoldetem
Silber, auf der Vorderseite in flach getriebener Arbeit
Christus, den Klostersliltcr und seineFrau in den Himmel
autnehmend, auf der Rückseite die Darstellung des
Todes der heiligen Maria, vom Jahre Ifif'T (Nr. 5U0);
das andere hat am gleich behandelten Deckel die Dar-
stellung des Sieges Christi (1610) und gehört dem
griechischorientalischeu Kloster Dragomirna (Nr. 509),
das dritte endlich (Nr. 514) gehört dem Kloster Putna
in der Bukowina. Noch sind zu erwähnen zwei aus Holz
geschnitzte Vortragekreuze mit doppelten Querbalken
und reich geschnitzt, aus 1560 und 1600, und eine Ripide,
eine Art Schirm in Form eines Vierpasses, zum Vortragen
bei Proeessionen aus dem Jahre ]47it, sie ist aus ver-
goldetem Silberangefertigt. durchbiMcinn und mit reicher
Filigrauarbeit ausgefüllt.
Von anderen Gegenständen sei erwähnt : ein Trink-
hnni mit reich verzierter Silberfassung des XVH. Jahr-
bnndiM'ts , der Bergwerksdirection in Wieliczka gehörig
(Nr. 50]), eine sechseckige Uhr vonljronze auf 6 Füssen
mit dem Zifferblatte auf der oberen Fläche aus dem
XVH. Jahrhundert; ein silberner Becher aus 1681 von
runder Form mit Gravirungeu. deren Darstellungen sich
auf den Entsatz von Wien durch die Polen beziehen,
Fig. 90. (Kaigern.)
beide.« l>i,i;(iilliiiiii des Wladimir Gnicvosz; ein IJeckeii
siimnit K;iniit' aus Silber, vergoldet, Eigcntliuiii der
jüdischen Cultusgemeinde in lirody (Nr. 518), eiHllieli
ein Sattel sanunt vollsländigem Kcitzeu<r und Scliild,
Kigentlnini der Oriifin Walewska, erstercr mit Silber
liesehlagen, reich ornamentirt und mit vielen gold-
tauchirten Carnecden besetzt, Ziif;el und Geis.'ici .sind
aus jicflochtenen Silberkettehen gebildet, der schön gc-
tormte Muzogany aus vergoldetem Silber. Der Schild
liestcht aus einem Rdhrgeflcclit, mit Sijlicr umsponnen,
mit f'arncolen, Türkisen und Coralb'U besetzt (Nr. .")()8).
I)en übrigen üauni dieses Schrankes nehmen theils
sehr schöne polnische Nationalgürtel, theils ältere, mit
kostbaren Stickereien gezierte Gewänder und Decken
aus den griechiscb-oricntalisciicn Kii'chen zu Czernovitz.
Dragomirna, Tiitna nml .-^utza» iiza ein.
Ein besonderer Schrank ist den Münzen der Ol-
m 11 tze rFürstbisc höfegewidmet ( Xr.;i48). Das Münz-
regale der Glmülzer F''ürstl)ischöt'e gründet sich auf ein
l'rivih^gium Ifiidolis II. al> Königs miu IMhnien dto.
Prag ."). .lanuar jtldS. Nach diesem wurde die biseliöf-
liche Sommerresidenz-Stadt Kremsier als l'rägeort be-
stimmt , und v(;rordnet, dass die dort zu prägenden bi-
scliöfljclien Münzen den landesfllrsllichen an Schrot
und Kurn ganz gleicli sein s(dh-ii
1 nbeansliiiidet prägten die I5iscliöfc : !•' ranz < 'ordi-
nal und Fürst von Dietrichstein (f H!;iii) uml der iOrzher-
zog Leopold Wilhelm ff 1 Gn;{). '
Ais manjedoch zurZeit derJiisthums-Administration
unter dem Erzherzoge Karl Joseph (10(53 — 16(J4) die
Mlinze an Private verpachtete, welche dieses Recht nur
zu ihrem Vorthciie ausgebeutet haben, erfloss ein Re-
script Kaiser's Leopold L dto. Regen.sburg (!. Fe-
bruar HiG4, dass die Münzstätte in Kremsier aufzuhören
habe, und dass der Pachtzins aus dem bereits eingegan-
genen Vertrage von der kaiserlichen Privatcasse werde
entrichtet werilen.
Die Fünfzehnkreuzer-Stiicke des Erzherzog's Karl
Josephmit der Jahreszahl 1Ü(J4 müsseudemnach vor die-
sem Rescripte geprägt worden sein. Andere Stempel
kennt vnan von diesem liisehofe nicht.
Sein Nachfolger, Karl (!iaf von Liclitenstein (1604
— 169Ö'), musste das alte Jlünzrecht revindicirt haben,
wie die zahlreichen, von ihm geprägten Münzen darthun.
Die Verlegung der Münzstätte i.acii Wischau wurde je-
doch nicht geduldet und die Ansüliung des bischöflichen
Münzrechtes als lediglicii auf Kremsier beschränkt er-
klärt.
Unangefochten iträgten seine Nachfolger Karl Her-
zog von Lothringen (1005 — 171U) und Wolfgaug Cardi-
nal und Graf von Schrattenbach (1711 — 1738), bis die
fortwährenden Beschwerden über die verschlechterte
Scheidemünze denKaiserKarlVL bewogen hatten, durcii
ein Decret vom 30. August 17:^() den Olmützer Bischöfen
die Ausprägung der Scheidemünze gänzlich einzustellen.
Bei dieser Verordnung vei-blieb es unter dem Bi-
sch of( Jakob Ernst Grafen von Liclitenstein (1 738 — 17451
und unter dem Cardinal Ferdinand Julius Grafen von
Troyer (1745 — 1758). Auf des letzteren Gesuch vom
12. Mai 1747 ward das alte Münzregale durch eine kai-
serliche Erleiiigung dto. ^^'icn i'. August 1747 seinem
vollen Umfange nach, nnt Ausnahme des Rechtes Schei-
demiinze zu prägen, bestätigt, und ein eigener MUnz-
wardein, aber nur auf die Lebzeiten des Cardinais , nach
Kremsier gesetzt.
Nach Trdver's'l'odc' erklärte Kaiserin Maria Theresia
durch ein llofdecret vom 1. September 17511 das Münzrecht
Kremsier für erloschen und verordnete, dass, wenn der in
neue Fürstbischof Leopold Friedrich Graf von Egckli
und llungc^rsbach (1 758^] 7(>(>') .Münzen zu prägen be-
absicjitige, er sich deshalb an das k. k. Münzamt in
Wien zu wenden habe. Er unterliess es, und seine Schau-
münzen vom Jahre 1759 sind das letzte Erzeugniss der
fürstl)ischöfli(dien Münzstätte in Kremsier.
Auch dessen Nachfolger, Maxinnlian Graf \(in IIa
milton ( 1 7l')l - 1 77(i), unterliess das Fragen gangbarer
Münze und begnügte sich nur mit Inthronisatimis-Me-
dailleu, wogegen der erste Fürsterzl)isehof, Anton Theo-
dor Graf von Culloredo und W'allsee (1777— 1811)
dur(di ein llfdgesu(di die Bewilligung erlangte, ein ge
wisses (^»uantiMM \(iii verscIiiedeniMi Deids.-. Auswurfs-
und Current Münzen in dem k. k. Ilauptndinzamte in
Wien gegen Entrichtung der ülili(dieu (iebühren schla-
gen zu lassen. Dies der (Jrund, waiiim alle seinen Na
men tragenden Münzen \()m Jahre I77',l sind, und wai'um
Min den n;iclilolgenden lOrzbischöfen nur Medaillen vor-
kommen. Eine Ausnahme biblet der Erzbischof, Erzher-
zng Biidolf (1819— 18;'>1), welcher zur Verherrlichung
seines Begierungsan tritt es, wie ('(dbiredo, eine bestimmte
.\nzahl Current .Münzen in Wien prägen liess. Sie sind
alle V(mi Jahre I8LM). Von seinen Nachtolgern sind nur
liitlirdiiisatidiis Medaillen \nrli;mden. Gefi'enwäi'lig sind
213
608 Exemplare OlmUtzer bischöfliche Münzen vorlian-
den, über welche ein ci^-ener Cataloj;-, vom Grafen Ro-
bert Lichnowsky angelegt und von Eduard Edlen von
Mayer fortgesetzt, in Wien 187o erschienen ist.
Der die Mitte des Saales einnehniemle Kasten,
Eigenthuni des Prager Domcapitcls, entliält blos Gegen-
stände ans Hö Innen, darunter einige von besonderem
Werthe. Wirbi'ginnen mit der ßesprecliung der kirch-
lichen Gegenstände. Unter den vielen Schätzen und
Merkwürdigkeiten des Prager Domes fesselt vorzüglich
eine Onyx - S(diale die Anfmerksamkeit , denn einer-
seits i.st ein ausgehöhlter Onyx von dieser Grösse eine
Seltenheit , andererseits ist die Fassung von grosser
Zierlichkeit. Der Fnsstheil ist länglich und enthält fol-
gende Inschrift : f A. d. nicccl. jubileo carolus romanorum
sep. augustus et boemie rex pragön. eccle. ad usum in-
tirmorum hunc ciphoni onictrini lapidis donavit. Ausser-
dem betinden sich am Fusse vier kleine emaillirte Wap-
penschilder mit Nägeln ziemlich roh aufgenietet und
zwar je zweimal der einköpfige Reichsadler und der
böhmische Löwe. Vier Goldreifen verbinden die innen
gerippte Schale mit dem Fusse und mit dem sill)erver-
goldeten Reit, der den Rand der wahrscheinlich antiken
Schale einfasst (^Nr. 571, Fig. 91). Das silberne, theil-
vveise vergoldete Reliqu iar (Nr. 5G8) in Form einer
siebenblättrigen Rose und als Agratfe dienend, hat
eineFlächenausdclinung von 11 '/.> Centimetcr. Die obere
Hälfte ist mit reichem Laubornament, edlen Steinen und
in der J[itte mit einem Basrelief- Medaillon aus Perl-
mutter verziert, darauf der Tod Marien's dargestellt
ist. Die Rückseite enthält in der Mitte hinter Krystall-
verschluss eine RelMpiie , nm denselben hat der
Künstler sieben blattförmige Medaillons auf blau-
emailirter Fläche angebracht, Christum, die vier Evan-
gelisten, einen Strauss und einen Drachen darstellend.
Composition und Ansführnng des Schnittes, Fassung und
Email lassen vermuthen , dass dieses schöne AVerk in
der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts entstan-
den ist (Fig. 92).
Auch jene bekannten zwei Elfenbeinhörner des
Domschatzes, welche unter dem Namen der Rolands-
h ö r n e r in archacologischen Faclischi iften schon wieder-
holt besprochen wurden ', sind zur Ausstellung gebracht
(Nr. 575 und 57G). Derlei hauptsächlich als Jagd- nnd
Kriegshörner dienende Denkmale ausderkarolingischcn
Epoche und den beiden folgenden Jahrliunderten linden
sich ausser diesen nur in wenigen Sannidungen, wie zu
Aachen, Upsala, Angers, Jaszbereuy und Inder Ainbra-
ser-Sammlung zu AVien. An denselben wurde die durch
den Elephantenzahn vorgezeichnete Form beibehalten
und ihnen durch meist sehr roh ausgeführte Orna-
ment-Streifen und tigürliclie Darstellungen eine Ver-
zierung gegeben, die gewöhnlich Ans))ielungen auf die
Jagd enthielten. AVo Kaiser Karl IV. diese Hörncr.
die wahrscheinlich ausser Europa angefertigt wurden,
erworben hat , ist nicht sicher bekannt ; oliwohl eine
Tradition wissen will, dass sie aus dem am ühein gele-
genen KlosterNonnenwörtli stannnen, so ist doch anzu-
nehmen, dass er sie auf seiner ersten Römerfahrt er-
warb. Das grössere und reicher verzierte Hörn, daran
das Mundstück fehlt, ist in vier dessen Kör]>er quer
umziehende Streifen abgetheilt, die durch ein Rand \on
* S. Heidcr Eilelber^'er: Kuiisulenkmalc des österrt'iclusclien Kaiser-
tinatesNr. 65.
XVIII.
Fig. 91. (Prag.j
schönen Blatt-Ornamenten begränzt sind. Der oberste
und unterste Streifen enthält Medaillons mit Thier-
köjjfen nnd Gladiatoren, die beiden mittleren in Galo])]i
dahineilende A'iergespänne, dabei in der dritten Reihe
kleine Jagdscenen, Hasen nnd Rehe von Hunden ver-
folgt. Das thierähnliche Ornament bei dem Luftloch r, .'.i
des Hernes ist leider verstümmelt. Das zweite Hörn
ist weit einfacher und in der Hauptsache nur mit Rand-
versehlingungen decoi'irt , die Mitte davon nimmt ein
landschaftliches Relief-Bild und eine Jagdscene ein.
Ein nicht minder werthvoller Gegenstand ist die in
ihrer Ausführung äusserst edle und anziehende , elfen-
beinerne M a r i e n s t a t u e 1 1 e des Prager Domsehatzes.
Die Madonna hält in eleganter Bewegung mit beiden Hän-
den das auf dem linken Arm sitzende Kindlein und
scheint mit ihm im Zweigespräch begritfen zu sein.
Diese wechselseitige Beziehung hat der Künstler sehr
naiv ohne allen Zwang zum Ausdruck gebracht. Von
grosser Schönheit und edler Durchführung ist die wellen-
förmig lierabfliessende Gewandung nnd noch frei vom
künstlichen Faltenwurf. Gleichwie das Piedestal mit
vergoldeten Rändern, welches als Reliquiar sich unten
öHiiet nnd mittelst eines Krystalls die Befestigung der
Reli(iuie zulässt , eben so sind die Krönchen Zugaben
des XA". Jahrhunderts. Die Statuette selbst, französische
.Arbeit, dürfte in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhun-
derts entstanden sein (Nr. 565, Fig. 93).
Das den schon erwähnten Reliquienschreinen der
Stifte Klosternenbnrg und Kremsmünster ähnliche
Emailschreinchen des Prager Domschatzes ist eben-
falls ausgestellt (Nr. 580). Es hat die Form einer
Tumbe und zeigt auf blauem Email-Grunde leichtes
liankeiiwerk, an den Seiten Jletalltigürehen , Apostel
in streng typischer AA'eisc darstellend. Die Hanjit-
seite ist mit der Passionsgrnitpe (nämlich Christus,
gekreuzigt, daneben Maria und Johannes) und mit zwei
grösseren hageren Figuren geziert, die wahrscheinlich
die Synagoge und christliche Kirche, eine im XH. uml
Xin. Jahrhundert sehr beliebte Darstellung, veranschau-
lichen sollen. Die schräg .ansteigende Bedachung zieren
Halbtiguren vonEngeln. .Alle diese Figuren sindaus Mes-
sing im schwachen Relief ausgeführt und vergoldet.
28
— '^ u —
l-"i^'. 9-2. fIT;i-.j
Die Rückseite wird ihin-li m l',iii:iil ;iiisf::ci'iilii-frs \ifl-
;irtii,'cs l>auboniaii)ent in <|Ma(lrarisciien Al)theiliing-(ii
lii-lebt. iJiesc seliöne rlu'iiiisciii' Arl)eit maj;- in das l)i'
irinncnde Xllf. Jaliiliiindcrt gehören.
Der unter der ISezciclinuiii;' „(Irihidounersta^ikelcii"
im l'raji'er Doiiischatz - \'eiv,ciclini.sse orsclieinendi^
Kelcli (Nr. 570) ist von Sillicr und v('rf;()ldet und
liat eine Höhe von \H'/^ Centinieter. Seine Form ist
iiöclist einfach: ein sochsldäitriiier I'^uss mit hoher
rroliliinff. ein scchstheiii^-.r Knauf, in seinem obevm
Tiieile mit seehs mit Masswerk verzierten feiisteräiin-
iiehen Duichbreehun^jen , und endiicli eine nadi unten
sieh verengende, in derMitte mit eimnii Lilieuliande ver-
zierte Cupa: so war der Kelch, wie er im abhiufenden
XIV. oder he;i:innendctn X\ . Jahriiundert anu('ferti,ü:t
wurde; doeh kurze Zeit daraul', als n<)(di der Eiiifluss
der (Jofliik auf die Productc der Gohiseinniedekunst
unbedeutend ab;,'eseh\väeht war, sehmliekte man ilm
mit Steinhesatz und .silbernem lihittwerk am Fu.sse und
Nodus und am unteren 'J'iieih' (b'rCupa, und p^ab ilini
i'iu .jiinj;i'rrs Aussehen als sein Aller wirklieli ist. Noch
ist ein zweiter Keleh aus derselben Hamuilun.;,' au8j,'estelli.
Derselbe stammt vom Krzbisehofe Ferd nand Grafen
von Khuenburg, i.st von Silber und ver^'oldet, niii
.■^ilberfilijrraii iiber/,<if,'en und stellenweise mit l'.niail-
liildern f,'eziert (Nr. ;')(;(;). Von demselben Kr/.biscliote
sind der Oberlheil des Pcdums und eine; Mitra aus-
;,'esiellt, die bereits die jetzige nichts weniger als schöne
Form zeifAcn (Nr. i><l7). Die jcrosse. dem Domschat/.e
entnommene , sonnenföntiifre Monstran/.e (Nr. 572)
verdient besonders .lufmerksami; iiesicinifrun;; wegen
der an derselben augebrachteu AgraiVen . die dem
Iloehzeitskleide eines ungariselien Magnaten aus dem
X\'II. Jahrhundert entnonnnen wurden. I)iesell)en zeigen
kleine Thiergruppcn (Strauss. Klei)hanten. Hirsche,
Hunde etc.), sind von vorzüglicher Zeichnung, mit den
herrlichsten Emails geselunückt und in geschmack-
V(dler Weise mit Kdelsteinen besetzt. Noch i,><t zu
erwähnen das Sclnnuckkästchen der Kaiserin FJeonore,
(ienialin Kaiser Ferdinand II. (11)22 — -11555), das sehr
reich mit farbigen Kmailornanienten geschmückt ist und
auf dem Deckel ein Figürchen trägt.
Das Stift Straho\' liraclite zur Ausstellung einen
Kelch aus dem XV. .lahrhundcrt (Nr. 5t)l). ein Altar-
kreuz aus vergoldeieni Silber, 1' (5" hoidi, aus dein Kmle
des XIV. .lahrhunilerts, das in der ge>aininten ( 'Oinpo-
sition. in den Details, in dem Steinb'satz und in der
'reclinik an das schon beschriebene Mt'lker l'rachlkreuz
erinnert. Die .Ähnlichkeit ist so aulfallend, dass dieses
geradezu als eine Nachbildung des let/tereii augesehen
werden kann (Nr. 5()2). Ferner ein noch im \l\'..lahrhun-
dert angefertigtes i;eli(|uiaf aus Ncrgoldctem .Silber. Die
l!elii|iii<' -- ein lliiekenw irbel — rubel auf einem gothi-
scheii l'nlerbaue und auf ihm steht ein /.ierli(dies I'^igUr
dien eiiK'S Heiligen, die lieli(|uie ist somit ni(dit in ein
(icfäss verschlossen, sondern als Tiieil <les Schaustückes
b(diandelt I l''ig. '.15, Nr. 5li;i): endlich ein ganz vor-
zügliches in Hol/, aus;;'erührtes I Idchrclii'f mit dem Mono-
granuM ,\. I»iirci-'s und di'r .laJir/.ahl I I'.i7. DiesesSchnitz-
werk. \ icriiMkle l-'raiieii \(irstellenil. ist nach einem Kit-
(ilcrsliidie dieses Meisters in kunst\ oller Wcdse ausgefiihrl
uml slannnt aiisder ehem.ili;;en ( iallerie( »rleans(Nr. 5(!4 ).
Die in dem Kasten unter Nr. 55(i beiimlli(die
i'.ronzeschUssel, l'",i;,;-enllnini des Slilies Tepl wurde
'2 1 :;
der Tradition iincli, im Grabe der Ilro/.nata gefun-
den. Der TJodcn derselben ist ;;anz besonders ver
ziert. Die Mitte bildet ein Kreis, darinnen ein dreieekifrer
Seliild mit französiselien Lilien, um den Kreis eine breite
ISordure, die durch {:;ravirte Ornamente in sechs Bojjeii-
felder f;etliei]t wird. Jedes Feld enthält eine männliche
lind weibliche Fif;ar, von denen die erstere ein nnisi-
kalisches Instrument (Geij;-e, Harfe etc.) spielt, wäh
rend die weibliche, bis zum Gürtel entblösste (iestalt
tanzend oder die Cymbel schlagend darjrestellt ist Die
Verziernns'en sind emailirt. Die Technik und die künst-
lerische Aiistührung, insbesondere das böLmiscbe Wap-
]ien auf der lüickseite des Bodens weisen diese Schüs-
sel als ein Werk der Schule von Linio<;-es in das XIII.
oder XIV. Jahrhundert (Nr. ^uH).
Unter Nr. (H7 ist die sehr interessante Keliquien-
tafel aus dem Stifte Bi-evnov ausgestellt. Urs]irünj;licli,
wie diess die Randinschriftausdrücklieh fürdas Jahr 1 4()C>
angibt, ein Buchdeckel, wurile etwa ein halbesJahrhun-
dert später daraus die heutige Reliquientafel angefertigt.
\'on der Ausstattung als Buchdeckel dürften höchstens der
Steinbesatz am Rande und einige Stücke der Perlmut-
terschnitzcrei, nämlich jene mit den Passionscenen und
die Wappen-Emails übrig sein; alles Übrige gehört der
späteren l'mgestaltung an. Die Tafel ist 1' 11" hoch und
1' 2" breit, nut einem breiten silbervergoldeten Rahmen
eingefasst, daraut der Besatz von ungeschliffenen Stei-
nen und drei Emails mit den Wappen des Stittes und Böh-
mens. An ilen Ecken^Medaillons, die in Email translucide
die Evangelisten-Symbole zeigen. Das vertiefte Mittelfeld
theilt sich der Breite nach in drei senkrechte Felder, da-
von die beiden äusseren Je 4 unter spät-gothischen mit
Perlmutter verzierten Baldachinen eingestellte Perlmut-
terreliefs: die Verkündigung, als Doppelbild, Geburt,
drei Könige, Geiselung und Kreuzestod, und je '2 Evange-
listen enthalten, während sich im mittleren ein Cylinder
befindet, der die Bcstinmiung hat, einen Armknochen der h.
Maigarefha aufzunehmen. Eine schöne spät-gothische Ar-
chitektur in Form von weitvorspringenden Baldachinen
dient oben und unten dem Cylinder zur Stütze, der ausser-
dem in der Mitte durch einen aus Lilienornamenten ge-
bildeten Reifgelialten wird. Die Goldschmiedezunft inPrag
brachte zur Ausstellung einen Kelch und das sogenannte
■"is'. '.i;i. ifras'.
Fit
'1 ITiiy.
Eligius- Hcl i(i iiiar. Dieses interessante Gefäss sianiml
aus dem Jahre lo78 und hat die Form einer niedrigen Bi-
schofsmütze, wie selbe während des zu Ende gehenden
XIV. Jahrhnnderts noch allenthalben üblich war. Das Reli-
quiar hat eine Höhe von 12" und besteht aus einem silber-
vergoldeten Gehäus-Gerippe mit eingefngten Krvstall-
wänden. Von einem breiten metallenen Reifen als dem
Interbau des ganzen Gefässes erheben sich die Span-
gen und Stutzen mit zierlichem gothisehen Ornament,
wie an einer wirklichen Mitra die beiden Schilder
bildend. Auf jedem Cornu ist besonders ein qner-
lanfendes Band mit Vieri)ass- Ornament benierkens-
wertlr, den oberen Cornurand schmücken zierliche
Blätterknorren, die Spitze eine Kreuzblume. In diesem
durchsichtigen Gehäuse erblickt man hinter den hellen
Krystalltafeln einen rotlien Seidenstoff, der die Mitra
des heil. Eligius, des Patrons der Goldschmiede ver-
hüllet. Karl IV. erhielt diese Reliquie von König Karl
VDii Frankreich und schenkte sie den Prager Gold-
schmieden , welche dieselbe sofort kostbar fassen
licssen Die gleichzeitige Inschrift mit der Chiffre des
Kaisers d. i. dem gekrönten K versehen, enthält in zwei
Zeilen folgende Worte: anno domini MCCC I. XXVHI
imfola scti eligii aiiportata est per serenissimum princi-
pcm at. dominum dominum karolum quartum roma-
noruni imperatorem seniper augustum et boemie re^^-em
28*
216
Fig. Ö5. (Prag.)
donatiiin ei a domino Kavolo rege franrie qnc iiobis
avi-ifabris prai^eusibus per ipsnni dommuni uostnim im-
peratorcm data est et donata ex gratia speciali. (Nr 91
Fi- r)(;,s. Mitth. d. Centr.-Coniin.VIp.2S0u.Xin. p.M.)
Die Dccaiialkirche zn Melnik stellt eine sd-
berne und theilweise vergoldete Hostienbüelise aus.
Sie ist kreisrund und hat inclnsive der Figuren eine
Höhe von 5" bei einem Durchmesser von 4'/,"- Das
Gefäss, das mit Rücksicht auf die Ornanientation aus
dem ablaufenden XV. oder beginnenden XVI. Jahrhun-
dert stammen mag, ruht auf drei Füssen, deren jeder
einen knienden musicirenden Kngel vorstellt. Die
.«Schale ist unten flach und hat senkrechte .Seitenwandung,
die nach oben mit einem fortlaufenden gothisehen
Lilienornament absehliesst. Fin die ganze Aussenseite
der Wandung schlingt sich ein meisterhaft durchgeführ-
tes Ornament aus rankenden Rinnien und lilätterii, das,
selbständig ausgefüiirt , reliefartig anfliegt. Der abheb-
barc Deckel ist nach aussen mit einem Zaune abge-
schlossen, was die geflochtene üm/äunung des Ullieiges
vorstellen soll. Inner desselben ist die Todesangst
Christi am (")lberge dargestellt. Wir sehen Christum
gegen einen Felsen gewendet knien, darauf der Kelch
steht, um ihn liegen schlafend seine Begleiter Petrus,
Jacobus und Joliannes. Die Figuren sind ungenügend,
ilie Gruppirung lebliaft. Mit Klicksicht auf Zeichnung
und .Ausführung ist anzunehmen, dass dieses Werk ein
Goldsclimicd von Strebsamkeit und künstlerischer Bega-
bung angefertigt hat, dem maiiciu- bedeutende AVerke
fliese» Kunsthandwerkes aus früheren Zeiten nicht unbe-
kannt geblieben sind , wodurch in ihm eine gewisse und
an dem Werke deutlich merkharc ]>äuternng des Ge-
schmackes bewirkt wurde (Xr. T)««.!, Fig. i>7).'
Um der anderen, minder werthvollen in diesem
Kasten aufgesiieicherten Gegenstände noch zu geden-
ken, sei noch erwähnt: Ein dem König Mathias Corvi-
nus zugeschriebener lioscnkranz von dnrchlirochencr
Arbeit, XV. .lalirhundert, Kigcnthnm der Stadt Uudweis
(Nr. 054); ein Becher von Holz mit feinem tiguralen
Schnifzwerk, Eigentiinm der Stadt .Melnik (^Nr. r)HS);
derselbe ist \"2" hoch, hat die Form eines sich nach oben
I M. ll. (■ C. XIM , p. CXVIII.
erweiternden Cylinders, war ein Ehrenbecher, womit
ausgezeichneten Gästen der Stadt der Ehrentrunk
eredenzt wurde. Über und über mit Holzsehnitzwerk in
Relief, Scenen aus dem Leben Christi bedeckt, erinnert
er an die russischen Holzschnitzwerke, die mit tiguralen
Gruppen ganz bedeckt sind. Ähnlich ist der niedrige
Deckel behandelt. Der Becher stützt sicii auf kleine
Löwen mit Wappenschildern, an einem derselben die
Jiihreszahl 1582. Zwei Wärmeäpfel, runde, zierlich
durchbrochene Gefässe, bestimmt zur Erwärmung der
Hände des Priesters während des Mcsso]ifers, der erste
von reicher, zierlieh durchbrochenen Arbeit in Erz und
theilweise vergoldet und dem Herrn Richter in Königs-
saal gehörig, seheint eher orientalische Arbeit zu sein.
Der andere mag aus dem XIV. Jahrhundert stammen.
Wir finden hier noch Pocalc und Krüge, theils ans
edlem ^letall, theils mit Elfenbeinbesatz, kleine Casetten
von Silber mit Gravirungen, Elfenbeinplättehen mit
schönem Relief, zwei schön geformte Markenzähler zum
Gebrauche beim Kartensjiiel, aus Bronce, eine ganz
besonders zierliche Penaissaiice- Arbeit mit ( 'aineolbesatz,
dem Grafen Waldstein in Dux gehörig und eine kleine
goldene Kette des älteren Todtenkopf-Ordens.
Unter den Waffen finden wir das sächsische Cur-
schwert von 1533, Griff und Scheide reich mit Silber
verziert, die Ornamente im Renaissance-Style, auf dem
Knaufe die Porträts der Curfürsten : Friedrich des
Weisen und Johann des Beständigen (Nr. 555, Eigen-
thümer : Fürst Edmund Clary); einen orientalischen Dolch.
dessen Scheide reich mit Silber verziert, und ein indisches
Dolchmesser, dessen (iriff mit Edelsteinen eingelegt,
beides Eigenthum des Fürsten Camillo Rohan. Ein mit
Elfenhein besetzter Dolch des Herrn Anton Kichter in
Königssaal aus dem XVI. Jahrhundort, ein anderer
Dolch von ITlC) und ein persischer Dolch aus der
Sammlung des Ritters von Leutzendorf.
V\g. W. [Vrsig.j
217
Der vierte, die Glitte des Saales einnelimende
Schrein enthält einen Theil der Mtiny.saninilnng des
D e u t s e h e n R i 1 1 e r 0 r d e n s in Wien (Nr. .'UT). Mit der
Schenknn;: des Knlnicriandes, ]::2(), erhielt derdentsehe
Kitterorden vom Kaiser Friedrieh 11. das Mün/,rej,'ale.
Naeh der Knlmer Handfeste v<nn L'S. Deeendjer 12;i;5
nahm der Orden die Kölner Mark (IG Loth feines Sil-
ber") als die in der Handelswelt am meisten aeereditirte
znni Massstabe seiner Miin/.berechnnng, und Hess aus
derselben blos 60 Seliiilinge, den Sehilling zu 12 Pfen-
nige, sehlagen.
Die harten Verluste im Ordenslande brachten es im
Verlaufe von r,00 Jahren dabin, dass unter dem letzten
Hochmeister in Preusscn, Albrecbt von Brandenburi;',
aus einer feinen Mark Silber bereits li'j'/\ Mark Münze
geprägt wurden.
Die Hauptmünzstätte des Ordens war bis 1404 zu
Thorn, eine zweite, doch nur kurze Zeit, in Marien-
burg und eine dritte in Danzig. Nach dem Abfall der
grossen Städte vom Orden, ]4r)4, liess der Orden einige
Zeit allein in Jlarienburg prägen, darauf seit 1457 in
Königsberg, und dort verblieb die ]\[ünze bis zur Seeula-
risirung des Landes {]i^2b).
Neben dem Orden übten auch die Ordensbisehöfe
in ihren Territorien: Dorpat, IJiga und Olsel, und der
Meister in Liefland das ;\iünzregale aus, hingegen die
Städte: Danzig, Elbing, Thorn und lüga erst seit ihrem
Abfalle vom Orden (1454).
Münzen, welelie im Ordeuslande geprägt wurden,
waren :
a) Denare oder Pfennige, Bracteate (Hohlpfennige ge-
nannt); einzige gangbare Münze bis auf den Hoch-
meister Wynrieh von Kniprode, welcher i;-}82 starb.
b) Solidus oder Schilling, dieHaui)tmünze des Ordens,
als 60. Tlieil einer ]\Iark von Wynrieh bis auf
Johann von Tiefen, gestorben 14i*7.
c) Grosehen. Dieser begann zuerst unter Johann von
Tiefen und blieb, weil er nach dem Muster der da-
maligen polnischen Groschen zu ;> S(dnlliugen
gesehlagen wurde, dieLieblingsmünz(> des Landes.
d) Halbschoter, von denen 45 eine Mark betrugen,
wurden zuerst unter Wynricli, dann aber auch
unter dem Hochmeister MicbaclKuelimeister(f 1424)
sd)er nur versuchsweise ge|)r;igt.
e) Vierchen ; sie galten 4 Pfennige und waren der
vierte Theil des Halbsehoters , blos unter Wynrieh
und Konrad von Rotenstein (f 1390) geprägt.
In Liefland waren die ersten Münzen, welche man
in Dorpat schlug, Schillinge und Artige, später münzte
man auch Ferdinge, welche 5 Schillinge galten. Durch
den Münzvertrag zu Walk vom 13. Januar. 1426 sollte
der Schilling von nun an Artig und der Schestling
(<,4 Schilling) Scherf heissen, 3 Lübische Pfennige aber
auf einen neuen Artig gehen, und ausser Artigen, Lubi-
schen und Seherfen keine andere Münzsorte im Gange
bleiben.
Sowohl die preussischen, wie die liefländischen
Münzsorten waren von Silber, Goldmünzen kennt mau
nur vom Hochmeister Heinrich von Plauen (f 1470)
und von Albreeiit vou Branden!>urg.
Nachdem durch Kaiser Karl's V. Diplom vom
6. Decendjer 15i:6) die Administration des Hochmeister-
thjims in Preussen mit dem Deutsehmeistertluune ver-
Fig. 97. (Meliiik.)
bunden wurde, überging das Münzregale des Ordens in
Preussen auf den 1529 in den Reiclisfürstenstand erho-
benen Meister in Deutsehland und Wälschland, Walther
von Cronberg (f 1543) und durch ihn auf alle seine
Nachfolger. Diese hielten sich in den Münzbestimmungen
nach dem fränkischen Kreise, zu welchem der Ordens-
sitz Mergentheim gehörte , machten jedoch , mit Aus-
nahme des Titularkönigs von Polen und Hoch- und
Deutschmeisters Erzherzog Maximilian I. (f 1618),
wcdcher den Prägestoek viel benützt hatte, von dem
ihnen zustehenden Rechte nur einen sehr bescheidenen
Gebrauch, bis dasselbe die letzten zwei souveränen
Meister, Erzherzog Karl Ludwig und Erzherzog Anton
Victor, gänzlich ausser Acht Hessen.
Naeh der Aufiiebung des Ordens in Deutschland
durch den Wiener Frieden ISO!» hörte die Münzl)erech-
tigung von sieh selbst auf. Heutzutage existirt der Orden,
dessen Gesammtbesitz ein unmittelbares Kronlehcn
geworden ist, nur in der österreichischen Monarchie.
Sein Wap|)en ist ('as einfache schwarze Balkenkreuz
im weissen Felde ; das Hoehmeister'selie Wappen hin-
gegen besteht aus demselben schwarzen Balkenkreuze,
belegt mit dem goldenen Krückenkreuze von Jerusalem,
worauf der nach rechts sehemle , einköjjtige schwarze
Reichsadler im goldenen Schildchen ruht, i
Der fünfte freistehende Tisch enthält höchst werth-
voUe und seltene Gegenstände altehinesisehen und japa-
nesischen Poreellains und Emails, Lackarbeiten und
Elfenbeinstucke, davon ein Theil dem Herrn Altgrafen
F r a n z z u S u 1 m - R e i f f e r s c h e i d gehört. Diese Parthie
besteht zumeist aus vorzüglichen Gefässen altchinesi-
schem Email-Cloisonne der verschiedenen Epochen.
t über die Jlünzon des deutschen Kitterordens erschien ein eigenes.
^racht^vl■^k unter dem Titel: „Des hohen Deutschni Uitrerordens JIiinzs,lnim-
luiig in Wien. Mit steter Itücksicht auf das C,-ntraI-.\rchiv des hohen Ordens
geschiclitlich dargestellt und l>escliriebi-ii von Dr. lt. Dudik, 0-S.B. Mit31
Kupfer- und 1 Ilolztafel. Wien, bei C. Oerold. 1858, kl. Fol. S. 267.-
2Ic>
Den (_Tniml iIiimu: K'i;tr ilrr Aiik;iiil ciiRT sclir lirdni-
tcmlrii Culleclidii (^ik's Mr. Ad(liiii;t(iii i . wi'lclier iiacli
dein cliiiu'sisfiu'ii Knej;e alle Gegenstände mit beson-
ders seltenem Eniailsehniuck.welclies von den Europäern
zuerst naeii Kiiropa ^cbraclit wurde, aufkaufte. Leider
konnte wei;en liaunmians'el nur eine Au.swaiil von klei-
nen Gegenständen zur.\ufsl(lluni;- kummen, weiclie sieh
aber dureli gnu/. besondere .Seliönlieit der Farbe, Tech-
nik und Erlialtnnfr auszeichnen.
Besonders eiwälmenswertli sind :
Ein Kaucliyefäss , drei sieh den liüeken zuwen-
dende Kraniche darstellend, eine Vase in Form einer
Melone mit <;eil)em (jrund , ein goldgTundij;'es Iläuclier-
gefäss mit Email in Edelsteinmanier eingelegt, vou sehr
schwungvoller Form, eine grosse sechseckige Vase mit
weissen Medaillons, ein Iläuchergefäss von schwarz-
;:rnndigeni Kniail, zwei colossale Blumenvasen, Roth-
grunti, Email.
Ausserdem kam zur Aussstellung eine 54 Zoll
htdie Satzunia \ asc. die grösste in F,urii])a von dieser
seltenen (iaitung.
Auch einige in der \itrine beiindiiche altchine-
sische Porcellan-Vasen sind bemerkenswerth; beson-
ders hervorzuheben ist eine weisse theilweise vergol-
dete altchiiiesisehe \ase mit Blumeiiornanientik.
Der andere 'l'lieil dieser Gegenstände gehört dem
Herrn Karl Trau. Diese Parthie bestellt auseinigen lie-
merkenswerthen altchinesischen Eniail-( 'loinne-Gegen-
ständen, worunter ein Emailhild, eine Landschaft mit
I\ehen und ilirseheii darstellend, besondere Eiwiihnung
verdient. Sehr interessant ist eine aus l>eiläutig fünf
und zwanzig diversen altchinesischen Porzellan-Väs-
chen bestehende Collection, welche alleCiaquele-Arten
in allen Farl)en rejjräs'cntirt , darunter sind iiesomlers
drei kleine \'äsclien \ou grünem ('rM(|Uele in verschie
denen Nuancen; ferner k.im eine reiche Collection von
kleinen altjapancsischen Elfenbeinfigiirclien zur Ausstel-
lung, worunter manciie von sehr zarter charakteristi-
scher liehandluiig. Nebst mehreren interessanten Spe-
einn-n verschiedener (^u.ilitäteii altchinesischen Por-
/ellains ist auch eine hiibchc .\uswahl von ix'sonders
feineren altjapanesiselien Goldlack-Gegenständen aus-
gestellt. Einige w-erthvolle Gefässe von Achat. Jade, Ame-
ihvst, \er\ iillsländigen das Enseniide. wodurch der Be-
schauer einen ziemlichen Einblick in die gesannnte
Knnstindustrie der lieiilen Länder China und .Japan
erlangt.
n-. '.IS. Iln.diM'l].
Nun eriilii-igt uns die Besprechung der (Miiccte,
mit denen die Wände des Saales decorirt sind. \ er
allen sind bemerkenswerth die prachtvollen Decken
und Hängetejipiche mit reicher Go!d- und Silber-
stickerei, davon eine vorstellend die (!rablegung Christi,
eine Arbeit aus dem Jahre 1494, die amlere \orstelleud
den Tod der heil. JMaria , vom Jahre Killf; die dritte
nnt der interessanten aus dem Jahre ItilO stammenden
Darstellung des Begräbnisses der heil. Jfaria, dabei der
Israelit, dem der Legende nach, bei der Berührung des
Sarges die Hände an denselben anwuchsen, worauf ihn
ein Kugel tödtete. Diese Decken sind Eigenthum der
Klöster Suczawitza, Dragomirna und Putua in der Bu-
kowina (Nr. 5:^0, .'i;JO, 'ü')]). Die Stickereien darauf sind in
technischer Ik'ziehung vor/üglich, die (Gestalten liin-
gi>geu sind steif, hager ja unheimlich, entsprechend {{{-n
Traditionen der auf der Bahn der Entwicklung stehen
j;eblielienen Kunst der griechischen Kirche. Nicht minder
interessant sind die beiilen Begräbnissdecken der Stif-
ter des KliistersSuczawitza. Siesind ausrotliem .*^amint
angefertigt und mit reichen Silber- und (loldstiekereien
verziert, W(>lche die lebensgrossen Figuren der Fürsten
Irimid und Simon MowiUa darstelhMi. Die Zeichnungen
dafür eiinnern sehr an die während des Mittelalters im
Abemllande gel)räuchlichen Grabmale — eine Platte mit
der lebensgrossen Gestalt des \'erstorbeneii — ; die beiden
Fürsten sind im vollen fürstlic^hen Schmuck dargestellt
und tragen das Modell des Klostergebäudes ihrer Stif-
tung auf der Hand.
Kill Tlieil der Wände ist mit Watlen decorirt. als :
Bideidiäniler, Flannnberge, Rappiere, Rieht- und \'or-
trageschwerte, geätzte Partisanen, Hellebarden, Säbel,
kleine Holztarsehen u. s. \v., entnommen den Sammlun-
gen des Joannemns und H. Karl v. Pichler in Grätz.
der Städte Knns, Steyr, Iglau und llrailiseli; auch
tindet sich ein Tableau schöner südslav iselu;r Watfen.
Zum Schlüsse haben wir noch zu erwähnen einer
werthvolleu Collection vmi älteren Scvres-Porcellain-
'i'ellern (Kigenthuni des Freih. A.V.Rothschild Nr..')51)
und einer lebensgrossen pra('lit\-oll ausgct'ührten Bronze-
Bü.ste eines vornehmen \'enetianers. Dieses vorzügliche
Werk mag dem XVL Jahrhundert angehören (Nr. 223).
Wir haben früher schon bemerkt, dass in der mähri-
schen Abtheiliing einige und zwar sehr inti'ressante
S ie gc Ist e m pe I ausgestellt sind, darunter die Siegel der
Städte Leipnik. Iglau. Znaim und llradisch (^\on welchem
letztcrem, das aus dem XV. Jahrhundert stammt, in
{■'ig. '.IS eine Abliildurig tolgty Diess veranlasste das In-
stiillationsComile. eine weitere Ccdlection älterer Siegel-
stenipcl zur Ausstellung zu bringen und dieselben sammt
den dazu geliörigen Abdrüeken in besonili'ren \ itrinen
auszugelegen. Wii' linden daselbst etlicln^ Städte-
und (iemeindesiegel z. 1!. Non Braunan, Immis. Grein,
und ^^'ien, Siegel \iin Klöstern und Kirchen, z. 15.
des Klosters Znio bei VaraIJa (^l'ngarn) von 12!» I, des
Diiminic-merklosters in Sieier von !ii2!l, des Klostt'rs
( liiiliesebaii iJüihmen) \oii I(i74, Siegel \ on Innungen,
gewerblichen und anderen ( 'm-poralionen , wie der
Webci- Innung in Tinnnelkam (^HiiT)), der Frohnlcich
namsbruderschiift in Klageniurt (^Ki;!.'!), endlich Siegel
von {''amilien und einzelnen Personen, z. B. des Sibolti«
von Lonstorl' ( 12."i(l), des llermaini von Kranichfeld
(121n), des Sebastian Dcd von Gölzendorf (l'iST), des
.\lexan<lcr Schwendi (^|C>2r)). des Juachim Knzmiller,
'2M) -
Gnifcii von Wiiidliag (^KJOn) ii. s. w. Die aiisf^ostclltcii
Stt'iiiin'l reiflu'ii mit \\('iiif;'('ii Ex('iii|plarcii liis ins XIII
.lalirliundcrt zurück, t'inijjc ^cliörcn dem XI \'.. die
nici.stcn lMni;'Oi;-('n dem XV. I)is X\'III. .lalirliundcrt an.
Die Stenii)el iselbst sind theils ans Silber an;;-erertii;l.
theils wurde Bronze (Messing) dazu verwendet. Einii;-e
Stempel bestehen bloss aus einer mehr oder minder
dieken Platte, etliche sind auf der Kiiekseite mit einem
tlieils testen, tlieils be\vej;-liehen, mitunter verzierten
r>iig-(d als Handhabe versehen. Die Jüng-eren Stempel
sind bereits auf eiserne Stöcke gelöthet, oder an hol
zerneii Gritfen befestigt. Wir fügen hier in Fig. 911 und
ll»() die Abbildung in natürlicher Grösse zweier ausge-
stellter Siegel der Stadt Wien bei. Das erstere (Tironzc-
stempel) erseheint an l rkiinden um l.'lOOund zeigt das
im XI\'. Jahrhundert übliche Wappen von Wien, tlas
letztere, ein Secret-Siegel, stammt aus dem Jährt' lätt.'l
Mild zeigt das seit 14G4 übliche Siegel der Stadt mit
dem einmal gekrönten Doppeladler sannnt dem Kren/,-
s(diildlein aul der lirnst. Der stark abgenützte Siegel-
stempel ist von Silber. An dieser Siegel-Aiissiellung
brtheiligten sich die Stadt Wien, die Herren Dr. v. Hart-
inaiiii-Franzenshuld, v. Weitenhiller. Eduard v. Flank,
das Museum Francisco-Carolinuni in Linz n. s. w.
Sil bätten wir denn nns<ren Rundgang durch
die österreichische mittelalterliche Kunstausstellung
beendigt.
Überblicken wir nochmals diese Ausstellung, die mit-
unter (iegenstände enthält, die ein Alter von Zweitausend
.laliren erreichen, so driiigtsich uns vorallemauf, dassdie
meisten Objecte, voinelnnlich deren ältere, kiiciilichr
Bestimmung hatten. Es ist diess leicht erklärlich, da
die einem gewissen gerechtfertigten Prunke sich nicht
abschliessende christliche Kirche im Mittelalter fast aus-
schliesslich die Kunst in allen ihren Zweigen für sich in
Anspruch nahm und sie vollauf und mit den besten
Erfolgen beschäftigte. Es war daher unvermeidlich, dass
diese Aussttdlung, wenn auch einen unabsichtlich kircdi-
liclien Charakter erhielt.
\ erfolgt man die ausgestellten (Gegenstände hin-
sichtlich ihres Alters und wendet man zugleich dem
mannigfaltigen in Verwendung genonnnenen Jlateriale
und der verschiedenen Kunst-Technik in den einzel-
nen Epochen einige Aul'merksandvcit zu, so ist man
nicht nur in der Lage dafür bedeutende Repräsentan-
ten in den einzelnen Stylrichtungen vorzuweisen, sondern
es lässt sich auch durch dieselben ein ziendich vollstän-
diges Bild der Entwickliingsphasen der Kleinkünste
geben.
Die Antänge der Kunstthätigkeit repräsenliren ilii-
dei' Bronzezeit angehörigen Fundobjecte aus Vilhudi,
aus Klein-'ilein (die Votivhände. die Schilde, der eherne
Panzer), aus Xegau (der Helm) und aus Strettweg (der
< lliferwagen). Der 1! öme rzeit gehören di(^ beiden elien-
falls in der Steiermark gefundenen (iv.gcnstände : (\i-v
Kochtopf und die lironzestatuette, ferner das liüi.seh<'.
Uliler Nr. 94 ausgestellte Marm<ir-Figürclien. wie aucli
die grosse Collection werthv(dler (i(ddniiinzen an.
Denkmale aus der Zeit der frü h -m i 1 1 e lal t er-
liclien Periode sind der Stilterbccher von Krenisniini-
sier, ein interessantes Beispiel der zu jener Zeit geübten
Niellirkunst, die beiden fast gleichzeitigen Feuchter, die
herrliche Elfeidieintafel aus lleiligcnkreuz und ebenlalls
Mnii/.en.
I'iK ii!i
Wien
Fl-
loo.
Der ro ni a 11 i sc h e ."^tyl ist hier nicht nur in einer
bedeutenden Anzahl von (iegenständeii vertreten, son-
dern sind diese auch fast ausnahmslos noii her\orragen-
der Wichtigkeit. Wie manigfaltig sind doch die For-
men dieses Slyles, wie ernst und bedeutsam und dabei
bescheiden und anspruchslos ! I)al)ei bergen sie eine un-
endliche Geistestiefe, eine Fülle von Emittindungen. ein
lebhaftes Streben alles mit den cliristliclu n Glaubens-
wahrheiten in einen gewissen Einklang und in Bezie-
hung zu bringen. An dem Speisekebdie zu Wilten
!)ietet sich ein lehreiches Beispiel der Niellotechnik, an
dem berühmten Verduner Altar, den fünf Reliquien-
sehreinen von Prag, Klosterneubnrg und Kremsmünster,
an dem Fuss(; der Rotula von Kreinsinünster, an derCo-
lumlia von Salzburg und den r5roir/ekrücken der Stäbe
von St. Peter und St. Woifgaiig, dem Kreuze \dn Bartho-
loinäiberg, der Schüssel von Tepl hervorragende Bei-
spii'le der Emaillirtechnik. Bemerkenswcrthe Elfen-
beins(dinitzwerke dieser Zeit .sind die Klosterneuhur-
ger und Sritenstettner-Tafeln, die Zwettler Figuren-
gruppe, die Rolandshörner des Prager Doinscdiatzes, das
Spiegelgelläuse aus Stift Rein, die Tra.i;altäre von
Melk, das Fastitorium von Nonnberg. dieSiäbe von Ad-
mont, (4(ittweig, Altenburg. Noiinberg und Klostcrneu-
burg. Beachtenswerthe l'roducte im Fache der Gold-
schraiedekiinst liefern der Speisekeleh von St. Peter,
das grosse Kreuz von St. Paul, der Reliqiiienkopf von
Melk etc. In diese Zeit gehören auch die kirchlichen
Ornate von (ioess, St. Peter und St. Paul.
Weit zahlreicher sind die dem in unserem Valer-
lande im Verlaute des XHl. Jahrhunderts auftretenden
got bis eben Style angehörigen Ausstellungs-Objecte.
Dieser Styl beschränklc sich nurbei seinem anfänglichen
Auftreten auf die .\rcliitektur. kaum darin festgesetzt zog
cralsdanii alle l'^rzeugnisse iler Kunst und des Kiinstlinnd-
werks in seine Sphäre und mo.liticirte Form und Orna-
iiieiii. Als hervorragende Werke der Goldschiniedekunsi
jener Epoche können wii' bezeichnen den schönen Kelch
von Adinont. den aus dem Prager Dom, die Kelche von
St. Paul. Maiierbach. Kraiiiidiberg, Jiidenliurg. Ebenfurt,
rariiow und M;iria-Saal, die Monstranzen und Osteu-
sorieii Miii Klosterneuburg, aus der Rothschild'schen
Sainnilung, von Prieglitz, Janinitz, Tamsweg, der hiesi-
gen ('a|)uziner und \()ii Seitenstotten. das Eligiiis-
relicpiiar aus Prag, die l!elii|uiennii'ilaillons aus dem
Präger-Schatze und ans Brunn, das llausaltärcheii aus
dem Stifte St. Peter, den Tragaltar aus Maria-Pfarr.
die Standkreiize \on Melk, Ibdicniiirt. Tarinnv und
Strahov. den Praclit|iocal der Stadt Wiener Xiiistadl.
die beiden Trinkhiinier. die Bindidei kel .-ins dem Siifie
220 -
.St. Paul, der Sammlung Eotbscbild und der Stadt
Wienei--Neu.'<tadt. die Krummstäbe von St. Peter, Eai-
geru und Krenismünster, endlich die folgenden durch
ihren Email!>chmuck ausgezeichneten Gegenstände, als:
das Klai)iialtärchen des Salzburger Domes, den Trag-
altar von Admout und das Ciborium von Klosterneuburg.
Die Elfenbeinschnitzerei findet reichliche Vertretung
in den vielen Elfenbeintäfelchen, Dyi)tichen und Trip-
tichen, ferner in den Kästchen, welche die. Stifte Klo-
sterneuburg, Kein, St. Florian, Krerasmüi ster, Voran, das
Prager Domcapitel, Dr. Dndik und A. Kichter aus-
stelhen; die Statne des heiligen Georg aus 'Wiener-
Neustadt rejjräsentirt den Bronzeguss, der Schrein aus
Möchling und das grosse Holzrelief aus Herzogen-
burg die Holzschnitzerei, ein Rosenkranz der mährischen
Gruppe die Tauschiraibeit, endlich die Jlitren aus Salz-
burg und Adniont , das Autipendium des Salzliurger
Doms, die vielen Gewänder aus Geirach. Kutteiiberg,
des BrUnner-Donies den Stand der damaligen Kunst-
stickerei, die wiederholt bis zur nicht anzuempfehlen-
den Reliefstickerei ausartete.
Je mehr sich die Kunst der Gegenwart nähert,
desto grösser wird die Anzahl der ausgestellten Gegen-
stände protanerBestinmiung, während die Anzahl derer
mit urs]iriinglicli kirchlicher in der Zeit der, vom
XVI. Ja hrhundert an, die Gotliik rascli verdrängenden R e-
naissance bedeutend abninnnt. Besprechungen der
aus dieser Zeit ausgestellten Gegenstände ge.stattet der
Raum nicht, doch heben wir hervor, dass die Gold-
schmiedekunst vornehmlich durch die Gefässesammlung
des Freiherrn von Rothschild, Grafen Meran und (ira-
fen Herberstein, die Holzschnitzerei durch Schnitz-
werke aus der ersteren Sammlung urid jener des Stiftes
Strahov, der Stadt Melnik, die Bildhauerei durch eine
Marmorbüste aus Wiener-Neustadt, der Elfenbeinsclinitt
durch die In-iden Truhen aus dem Grätzer Dome, der
.Metallguss dinch die Büsten aus den .'^anmihiiigen Fürst
Metternich und -Miller vonAiehholz, die Niellirkunst durch
die lierrlichen aus der Gallerie Manfriu stammenden
Buchdeckel der Samndung Rothschild, das Email von Li-
moges, Sevres-l'iimellain in vorzüglichen l'^xemplaren
aus dieser Samndung vertreten werden. Nicht unbeachtet
darf die Verwendung des Bergkrystalls zu Prunk-tictiis-
sen und anderen Gegenständen, Kreuzen, Gläsern, Tafel-
aufsätzen, Bestecken, .Schalen, u. s. w. bleiben, wofür
der Pocal des Grafen Lauthieri (ein Geschenk Kaisers
Karl VI. an Friedrich Grafen v. I.anthieri 1728) als her-
vorragendes Beispiel erscheint. Ausserdem verweisen
wir noch auf die vielen Renaissance- Waffen und insbeson-
dere auf ilie Rüstung sammt Helm inid zwei Schilden
in der Saiiimliing li'othscliild und auf den schönen gleicii
l)eliandelfen Schild aus der Samndung des (irafen Dann
in Vöttau. Zur Ergänzung des von uns gegebenen ge-
drängten historischen Überblickes der Ausstellungs-
gegenstände, verweisen wir auf die Besprechung dieser
Ausstellung im Abendblatte der Wiener-Zeitung (Abend-
post) Nr. 144, lö2. 159, IGti und 172, die aus der ge-
lehrten fachmännischen Feder des Dr. E. Freiherrn
^■ou Sacken stammt. Haben wir durch diesen flüchtigen
Ueberblick gesehen, wie die Kunst des Occidents an
der Hand der Jahrhunderte innner vorwärts schreitet
und zur grösseren Entwicklung gelangt, so zeigt uns
die kleine Collection byzantinischer Kunstproducte ein
in den religiösen Anschauungen der griechischen Kirche
begründetes, den älteren wie heutigen Kunstproducten
dieser Art abträgliches, starres Verharren an den mehr
als tausend Jahre alten \'orltilderi].
Fassen wir noch zum Schlüsse die Bedeutung
und den Nutzen dieser Ausstellnui;- ins Auge , so
kommen dabei mehrere Gesichtsjjuukte in Betracht.
Der eine ist eine Übersicht des reichen Materials an
Denkmalen der Kunst, Kunstimlustrie und handwcrks-
mässigen Thätigkeit unseres Vaterlandes von den
ältesten Zeiten an bis zur jüngsten Vergangenheit zu
liefern , der andere die Aufforderung und Anregung
der Fachgelehrten zum tieferen Eingehen auf den
geistigen Inhalt der alten Kunstproducte, und die Be-
lehrung der Samnder, nicht jeden alten Gegenstand
seines Alters wegen der Autbewahrung würdig zu
halten , sondern mit feinem Gefühle unterscheiden
und erkennen zu lernen, was einer sorgfältigen Er-
haltung wertli ist; endlich soll diese Exposition in
jjraktischer Beziehung nutzbringend werden und der
Kunstindustrie — wenn auch nicht Vorbilder zur un-
mitteli)aren Nachahiniing — so doch zum Studium
jener Principien und Eigenthüiulichkeiten liefern, welche
die Prodiicte jeder Zeit uiul jedes Styles charakterisir-
ten, zur Erforschung der an denselben angewendeten
Kunstweisen, zu einem Studium, das für die Läuterung
des Geschmackes und für das Aufl)lühen der Kunst der
(iegcnwart und Zukunft, als dessen Fundament, unent-
behrlich ist.
Alles, was hier geboten wird, gibt Zeugniss von
dem fortwährenden Drange des Menschen nach dem
Schönen und Edlen, und wenn auch Verirrungen nicht
abzuleugnen sind, fordert doch jedes Stück Achtung
vor dem fJeiste, der, seiner Individualität entsi)recheud,
nach schöner Gestaltung und äthetischem Werthe sei-
nes ProdiK^tes str(d)ti'. Ein Zeitalter fordert das andere
und jedes schö|ift aus dem fi'ülu'ren, das ältere reicht
dem nächsten die Fülle der Erfahrungen, der eigenen
Errungenschaften und die ]\!enge des Gcwoinienen , es
überlässt ihm aber auch zur Verbesserung seine Mängel
und l'ehler. Eben diesi^ Abliängiiikeit der (iescliloehter
und Zeilen soll uns Ehrfurcht Mir längst gestorbenen
Menschen, aber auch Nachsicht mit ihren Eeistungeit
und i'ewiindernng ihrer mitunter in Form und (^e-
br;iueli ebenso längst veialtelen Schöpfungen leln'cn.
St.Pai
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Taf.n.
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Jfnuk. etut der K "k. Saf- u. Sfcu2£sdruck£ra,
Heili^enkreuz.
cRus die k.EÖf-u ßtacttsdruckera..
Kremsniimstw .
T;ii. I\'.
->f'-Tir,;^^5^j.w/^v>X V- ;/a /9l» //Am
T&SSULöKElLrai.
^vJgen- u. ^«r .-zi-W^ ZimTrur manTi. &tjrt. z> ■ 3ultatuxjer.
Druck, der lult-^f-u- Siaalsärui^k^ra. .
^
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Äam'j'^^S-
»
TnfMI.
Drurk aus der h..k . J/o£ »..y/auln/n/t^t-j-a in fft£n, tSö^.
islrriu'iilnii'tj .
Taf VI
r ,://.ß,i//r„,e,/,r,
1/niA „„.,• ,Ar k.iMor uSlitaL-Jru.i:,Tri in Wm /.fff/ .
Doiiatello , seine Zeit und Sclinle.
Von Dr-. Hans Semper.
(Fortsetzung.)
II. 11 aiiilelsgescliichte von Florenz Itis y.inii
15 e g i 11 n des XV. .1 :i li r li ii n d e rt s.
Dil wir im Ydrigcu s;ilii.'n, wie weit die Ideen des
li echtes iiiul der Freiheit in dem wilden Strudel de«
bUrgeriielien Lebens im mittelalterlieheu Florenz ent-
wickelt wurden, .so sei es unsere nächste Aufgabe, die
Entwicklung dieser Stadt in Industrie und Handel,
den Quellen des Wdldstandes und also den Fundamenten
von Wissens ciiat't und Kunst zu untersuchen.
Der materielle ebenso wie derpolitiseheAufscIiwung
von Florenz fällt zusammen mit dem lieginn der iJÜpst-
lichen I'eliermacht, d. h. in die Zeit, da die ilarkgrätin
Matliilde Theile Tdscana's an den i)ä))stlichcii Stuhl
schenkte, und Heinrich IV. sich vor dem mäclitigen
Gregor VII. in Canossa beugen musste. Dies geschah
im Jahre 1U74. Erst um diese Zeit begannen sich die
kaufmännischen Unternehmungen der Florentiner auf
die andern Länder Europas, sowie nach dem Orient
auszudelinen. Fhirenz war in der Ausbreitung seiner
Heziehungen bedeutend beeinträchtigt durch seine Lage
im Innern des Landes ; deshalb waren ihm verschiedene
italienische Städte, die am Meere lagen, in der mercaii-
tilen Entwicklung schon längst vorausgeeilt und musste
sich auch jetzt Florenz mit der uächstgelegenen See-
stadt Pisa ins Einvernehmen setzen , um Transport-
mittel für seine Waaren zu finden.
Am frühesten unter den italienischen Handels-
städten war Venedig emporgediehen. ]\Iit Fischfang
und Salzproduction fing sein Handel an; dann lieh es
seine Schiffe den Griechen des Exarchates, unterstützte
Byzanz im Kriege gegen die Sarazenen und Longobar-
den und erhielt dadurch seine I^nabhängigkeitgarantirt,
sowie rrivilegien für den Handel mit dem (Jrient. Auch
von Karl dem (j rossen, den es bei der Einnahme von
Pavia unterstützte, ward ihm seine Freiheit l)estätigt. .
Bis zum Jahre 1172 dauerte Venedigs Freundschaft mit
Byzanz. Damals verweigerte Venedig demKaiserJIauuel
Komnenos Unterstützung gegen den König Willielm von
Sicilicn, weshalb ihm seine Schiffe in Byzanz confiscirt
wurden. Zur Bache nahmen im Jahre 1202 die Vene-
zianer unter dem Dogen Enrico Damlolo Constantinopel
im Sturme, errichteten dort das lateinische Kaiserthum,
und bemäclitigten sich der liesten griecliisclien Provin-
z.en. Der Ilauptvorfheil dieser Eroberung war für den
Handel die Verpflanzung der Seidenzucht nach Ita-
lien, eine Industrie, die nach Byzanz und Griechenland
unter Justinian durch List aus Persien eingeführt wor-
den war.
Durch Genua's I^ifersucht wurde im Jahre 1261
das byzantinische Kaiserreich wieder hergestellt, worauf
sich Venedig anfangs nach Syrien, und als auch dieses
verschlossen ward, nacli Ägypten und nach Tunis
wandte.
Byzanz war im frühen Mittelalter der Markt für
das Morgen- und Abendland, sowie für den germanischen
XVI ir.
und slavischen Norden. Ausserdem bezog das Abend-
land die morgeidändisehen Produetc auch noch in
Syrien, Alexandrien etc. Zugleich fanden die abend-
ländischen Pioducte in diesen Gegenden ihren besten
Al)satz. Vom Oriente bezog man Seide, (iewnrze, Edel-
steine, Elfenbein und tausclite dagegen AVollen-, Leinen-
stdfle, sowie Eisen-, Holz- und Lederwaaren des Nor-
dens ein. Auf diese Weise eiifstand in Constantinopel
der grösste Geldmarkt des frühen ^Mittelalters, und
darum suchten die italienischen Handelsstädte mit sol-
cher Erl)itteruiig und Eifersucht sich gegenseitig den
Orient zu verschliessen. Venedig lebte fast ganz nur
vom Trafik und bezog seine Manufacturen theils von
der Londiardei, theils von Deutschland, das sogar eine
eigene Factorei in ^'enedig besass.
Die heftigste Eivalin Venedigs war Genua. Beide
strebten nach dem Monopol des orientalischen Handels.
Als das lateinisclie Kaiserreich in Constantinojiel wieder
fiel, l)eging Genua deuFehler, seine Stellung zu lange in
Byzanz behaupten zu wollen, während unterdessen Pisa
und Venedig in Syrien und Agyjiten fast allen Handel an
sich rissen, so dass Genua sjiäter dortkeinen festeuFuss
mehr fassen konnte. Später verlor es auch seine Stel-
lung im schwarzen Meer durch Venedig.
Eine andere, sehr arge Todfeindin Genua's war
Pisa. Beider Interessen stiessen einmal in dem Handel
mit Frankreich und Spanien, von wo sie Wollenstofte
bezogen, sodann im Oriente, ausserdem wegen des
Besitzes der mittelländischen Inseln, und endlich in
Bezug auf ihre Pniduction aufeinander. In Pisa nahm,
wie in Genua, besonders die Seidenmanufactur einen
grossen Aufscliwung.
Pisa's Blüthezeit fällt in das XL und XII. Jahr-
hundert und datirt seit dem Untergange seiner Ri\alin
Amalfi, welche es, wie ein Hecht den Gründling, ver-
schlang. Amalfi's Seemacht war im Kamiife mit den
Sarazenen erstarkt, und schon im X. Jahrhundert waren
amaltitenlschc Kaufleute nach Beiruth, nacii Alexandrien,
nach Byzanz und Griechenland gedrungen.
Auch Pisa erstarkte im Kampfe mit den Sarazenen,
denen es nach einander Sardinien (1017) , Corsica,
sowie die Balearen (1114) entriss. Jlit Barcelona und
Sicilien begann Pisa seinen Handel, dann drang es nacli
Nordafrika vor, und begann endlich mit Anialti, A'enedig
und (ieuua in üyzanz zu ri\alisiren. Auch in Syrien
und Jerusalem legte es Factoreien an. Ausserdem
wurde Pisa bald der erste Handelsplatz Italiens und
eröffnete mit Liberalität fremden Schiffen seinen Hafen.
Wodurch Pisa besonders im A'ortheil war , das war
die ungeheure eigene Waarenproduction, die bald dort
aulbiühte und reichlich Export-Artikel lieferte. Beson-
ders Wollen- und später auch Seiden -Fabrication
fanden in Pisa ihre Pflege. Die Rohwolle wurde aus
Südfrankreicli, sowie auf dem Wege über Frankreich
aus England bezogen; die feinere Wolle musste Spanien
liefern.
29
— 222
Um sieh genügend mit Ausfuhrartikeln zu versehen,
nahmen die Pisaner gewiss sclion frühe auch das innere
Toscana in Anspruch, dem sie den uöthigen Rohstoff
zur Tuchfabrication zuführten. So l)lülite denn soavoIiI
in Siena wie in Florenz die Wolle nmanufactur
schon frühe auf. Pisa war jedoch so liberal, Florenz
auch auf eigene Faust seine Wollenproducte in das Aus-
land bringen zu lassen, und ihm dazu den Hafen zu
öfftien und Schiffe zu vermietheu.
Die Florentiner ihrerseits bemühten sich anfangs
auch, sich die freundschaftliche Gesinnung der Pisaner
zu bewahren, und unterstützten siez. R. in ihrem Kriegs-
zug gegen die Sarazenen auf den Balearen.
Aber das sichtliche Emporwachsen von Florenz
erregte baldPisa'sEifcrsucht, um so mehr, als es gleich-
zeitig durch seine erbitterte Kivalin Genua Schlag auf
Schlag seinem Verfalle entgegengedrängt wurde.
Den ersten harten Stoss litt Pisa's Maclit durch die Nie-
derlage seiner Flotte gegen die genuesische bei Meloria
im Jahre 1284; vom Jahre 1324 an verlor es darauf
nach einander Sardinien an die Sarazenen, Sicilien an
den König Al])hons von Aragon, sowie endlich Corsica.
In derselben Epoche entbrennt auch der Zwispalt zwi-
schen Pisa und Florenz, zunächst herbeigeführt durch
Eifersüchteleien zwischen den Gesandten beider Städte
am römischen Hofe. In einem kurzen Kriege verliert
Pisa das wichtige Castcll ^[otrone bei Pietra santa
an Florenz. Die Erbitterung beider Städte gegen
einander ward bald durch die Parteistellung, die
sie nahmen, zur Unversöhnlichkeit verewigt; Pisa, in
dessen Hafen hanseatische und niederländische Waaren-
schiffe einliefen, und das den Kaisern auf ihren Römer-
zügeu eine Transportilotte zu stellen pflegte, zeigt sich
als die specifisch ghibellinische Stadt Italiens; Flo-
renz als die kühnste Vorfechterin des Guel fenthums.
l'm seinen Handel unabhängigvon dcrverhasstenNeben-
bublerin zu maciien, versucht Florenz vom Jahre l."!.')!)
an den Hafen vonTelamone in den sienesisciien ]\Iarcni-
men statt der pisanischen zu lienützen. Darüber bricht
ein neuer Krieg zwischen beiden Städten aus, der zu
einem abermaligen Sieg der Florentiner im Jahre i;)()4
und zum I^rieden vim Pescia i'üiirt. Dennoch erkannten
die Florentiner bald die Unentbehrlicbkeit des pisani-
schen Hafens für ihren Handel, da jener von Telamone
weiter entfernt, seichter und schlechter geschützt war.
Als desshalb auf Antrieb der Florentiner der ihnen
(reundlich gesinnte Pietro Gambacorti sich zum Herren
von Pisa aufwarf, erneuerte Florenz mit ihm (ienX'ertrag
wegen PenUtzung des pisanischen Hafens. Durch
Ermordung des Pietro Gambacorti gelangte jedoch, wie
wir sahen, Visconti zur Maclit in Pisa, das in Folge
dessen Florenz von neuem anfeindete, ^\'as hieiaus
später erfolgte, werden wir in der Folge sehen.
Den früliesten Aufschwung nahm also die WoUen-
manufactur in Florenz. Den Rohstoff dazu bezog es
aus Englaiiil, den Niederlanden und Spanien. Nicht
blos al)er verstanden die Florentiner aus i-olicr Wolle
Tuch zu weben, sondern einer ihrer Hauptindustrie-
zvveigc war die Verfeinerung groben Tuches, das
aus Deutschland und den Niederlanden bezogen wurde.
Eine eigene Zunft, die der sogenannten (Ja li mala, lag
diesem Handwerk ob. Diese verfeinerten 'l'uclie fan
den besonders im Orient reichlichen Absatz, wäh-
rend die Florentiner selbst sich, so lange wenigstens die
republicanische Staatsform bestand, in grobe Stoffe
kleideten. Gleichen Sehritt mit der Kunst des Tue h-
wel)ens hielt ferner die des Färbens. So stammt
der Reichthum und der Name einer der angesehensten
florentinischen ßürgerfamilien, derRucellai, von der
Seealge, Liehen Rocello, her, welche im Jahre 1201
ein gewisser Alamanno im griechischen Archipel ent-
deckte, und womit es ihm gelang, durch Zusatz von
Urin der Widle eine kostbare violette Farbe zu ver-
leihen. Die Zunft der Wollenweber war die angesehenste
in Florenz. Im Jahre 1338 lieferten 2()() Tuchfabriken
in Florenz jährlich SO.OOO Stück Tuch; in 20 Appre-
tirungsanstalten wurde jährlich für .'iO.OOO Goldgulden
ausländisches Tuch verfeinert. Die einzigen Nieder-
lande konnten sich mit Florenz in der Tuchfabrication
messen, und waren ihm auch zeitlieh darin voran-
gegangen. Wenn sie nun au(di allmälig wieder die erste
Stelle darin sich erwarben, so lag dies daran, dass den
Niederländern die reichste Quelle von Rohstoffen, Eng-
land, näher la?, als den Florentinern. Diesen musste
die englische Wolle erst durch ganz Frankreich, sowie
dann auf fremden Schiffen herl)eigeführt werden. Vol-
lends aber saidv die Horentinisdie Tuchfabrication von
ihrer Höhe herab, als die Engländer unter Eduard III.
selbst anfingen, ihre Wolle zu verarbeiten, unterrichtet
darin durch Wollfabricanten aus Brabant, die wegen
Gonflicten mit der Regierung nach England ausgewan-
dert waren.
Dagegen entfaltete sich gleichzeitig ndt dem Ver-
lall der Wollmanufactur in Florenz die Seide nmanu-
factur zu immer grösserer Rlüthe; Hand in Hand mit
dem Luxus und der Pflege der schönen Künste , die
immer mehr das tägliclu' Leben in Florenz zu durch-
dringen begannen. Die Seidenwürmer wurden von
Sicilien, Griechenland und dem Orient bezogen, und
mehr und mehr auch im Lande selbst gepflegt. Gegen
Ende di's XIV. und im X\'. Jalirluinderts waren lloren-
tinische Seide, Sammt, sowie die kunst\'ollen Hrocate
von S a m m t mit (ü o 1 d - und S i I b e r s t i c k e r c i e u in
der ganzen AVeit berühmt und famlen nur ihres Gleichen
in den ähnlichen Producten Norditaliens. Doch hier-
über, besonders in künstlerischer l'.eziehung, weiter
unten noch mehr. Noch ist zu erwähnen, dass Florenz
schon im Mittelalterauch durch seine Strohflechte-
reien und künstliehen Rlumcn sich auszeichnete.
Der grösste Reichtlium aber floss den Florentinern
durch ihre Rank- und Wtic h s e I gesell äff e zu. Von
(Jonstantinopel \erpflanzte sieh der Geldmarkt allmälig
nach den Niederlanden und Italien. Grössere Zah-
lungen ])flegten nach deniGewichte gemacht zu werden,
wodurch die Schwierigkeiten beseitigt wurd(Ui, die
durch die verschiedenen Münzsorten eiilstandeii. Der
\enezianische Ducaten und der llorentinische (iold-
giilden, der seit dem Jahre 1252 (nach dem Siege der
Guelfen) gejjrägt wurde, fanden jedoch bald allge-
iiu'ine Anerkeniinng. Seit dem XIII. J:ilirliiiiiderte
kommen auch Wcch sei bri e fe vor, deren Erlindiing
den Juden zugeschrieben wird.
Zahlungs- nnd Leilibankcüi entstanden schon
zu Anfang des 12. .lalnlmiKlerls und wurden zuerst in
V e n e il i g eingerichtet. I'.abl liessen sieh italienische lian-
(juiers, im Wetteifer mit den Juden, in allrii d.'imals be-
kannten Welttlieilen nieder. Sie hiessen Lombardi und
waren als solche oft UbelherUehtigt wegen des Wuchers,
— 223
den sie ln'cl)oii. rutcr doiusclhen N;iiiien waren aber
auch alle iil)rii;'en Italiener, und so auch ilie Floi-enliniT,
inbef^rirtVn. Ja letztere l)etrieben diesen (!e\verl)s-
zweig in noch j^-rösscreni Massstabc, als die wirklichen
Lombarden selbst, und die ersten Familien von Floren/,
verdaiditi'u /.uniai ihm ilire lieiclitliünier. Die Florentiner
l)elierrscliten allniiili.i;' den (icldniarkt von ji'an/, Kur<i|)a,
und last Jede l)cdcutendere Anleihe wurde durch Flo-
rentiner vermittelt. Ja wegen der ausserordentlicdien
FinanzkuntU', welche sie besassen, wurden den Floren-
tinern in fast allei- Herren Ländern die Verwaltun:;-
der iitl'entlicdien Schulden anvertraut und erwarben sie
sieh auf diese Weise auch grossen politischen l-jutluss.
Vermöge des Credits, den die florentinischen Kautieute
besassen, geboten sie über unbcsehränkte^Lttel. Selbst
Venedig zog in seineu orientalischen Speeulationen mit
^'orliebe florentinische ISanciuiers zu Käthe, die zuver-
lässiger waren, als die eigenen. In Italien alk^n gab
es achtzig tiorentinisclie Banken. Nieiit nur an Privat-
leute, selbst an Fürsten und Regierungen wurden von
denselben Gelder verliehen. Besonders in England
befanden sich zahlreiche tiorentinisclie Bani|uiers, die
ihre dortige Anwesenheit zugleich benützten, Rohwolle
für iiire einheinuscheu Fabriken anzukaufen. Auf diese
Weise floss aber das tiorentinisehe Gold so massenhaft
ins Ausland, dass endlich dessen Export verboten wurde.
Einen schweren Sehlag erlitt der florentinische Wohl-
stand— (h)eh nur ^■orübergellend-— durch den Bankrott
der angesehenen Häuser Peruzzi und Bardi, denen vom
König von England mehrere Millionen, die sie an ihn
geliehen hatten, nicht zurückbezahlt wurden.
In Fhn'enz endlich entstanden die ersten Scliritten
über Finanzwesen, durch Pigidotti im XIV. Jahrhundert,
sowie durch Antonio da Uzzano im XV. Jahrhundert.
AVie wenig überflüssig für den Zweck dieses Buches
ist, die ICntwicklung des italienischen uml specicll flo-
rentinischen l[an(h;'ls, (fewerbes und Wohlstandes skiz-
zenhaft geschildert zuhaben, magaus dcrErwägung her-
vorgehen, dass weder Florenz ohne seine Reichthümer
eine solche Fih'derin der Künste hätte sein können, noch
die Jlcdici, die reichsten Bani|uiers, ohne ihr Geld an
die Spitze des Staates treten und in so grossartigem
.Massstabe die Rolle des Mäeenenthums üljcrnehmen
können.
Über die stetige Zunahme des florentinischen
Gevverbsfleisscs und Handids, gerade zu der Zeit, da
auch die Macht der Medici hervortrat, also im XV.Jahr-
huiulert, werden wir jedoch im Folgenden noch Einiges
zu bemerken haben.
HL Literarisc li-gelehrteEn twick lang von Flo-
r e n z bis z u m A n f an g d e s XV. J a h r h u u d e r t s.
Erst im XI IL Jahrhundert beginnt, in Folge eines
Austusses der provencalischen Dichtung, in Florenz
sich eine eigentliche Literatur zuentwickehi. Zahlrei(die
lyrische Dichter erheben sich und aus ilirer Mitte geht
nnt gewaltigem Aufschwünge der unsterbliche Dante
hervor.
Gleichzeitig zeichnen sich die Rechtsgelehrten von
Florenz aus und beginnt mit Ricard an o Malespini
die florentiidsche (icschichtsschreibung, die in Drim)
Compagni schon zu einer grossen Meisterschaft der
Darstellung durchgebiUIet erscheint. Sowie aber der
gelehrte und literarischeTrieblebluifter und allgemeiner
erwachte, so blickte man auch, ganz natürlich, über die
Finsterniss der ndltelalterlichen Barbarei hinweg, zu
den antiken Schriftstellern zurück. Denn nie war weder
die Erinnerung an sie und den ganzen Glanz des einsti-
gen römischen Reiches in Italien erloschen, noch das
GetVdd in den Italienern ,i;;inz]ich ausgestorben, Nach-
konnneu der alten Römer zu sein.
Zum klaren Bewusstsein gelangte diese instiuctive
Ahnung Jedoch erst wieder durch einige Dichter des
XIV. .lahrhuuderts, welche folgerecht zugleich mit Lei-
deus(diaft wieder das Stmliiim, sowie die, Nachljildung
der älternSprachen und der Autoren, die darin geschrie-
ben, aufnahmen. .S(dion Dante beruft sich in zahl-
reichen Stellen auf römische Autm-en , und erwählte
sogar Virgil zu seinem poetischen Vorbilde und Führer.
Gleichwohl kannte er die ]\Iehrzahl der alten .\utoren
nur dem Namen nach und beniiihte sich auch in seinen
Schriften durchaus nicht, die Fesseln des verdorbenen
und erstorbenen Mönchslateins seiner Zeit zu zer-
s})rengen.
Petrarca ist derjenige Dichter, der nnt einem
tiefgehenden Studium der alten Classiker zugleich das
Streben vereinigt, sie in seinen eigenen Schriften auch
wirklieh in der Reinheit des Styles zum Cluster zu
nehmen. Ebenso wie er, bestimmter als je ein Anderer
zuvor, die Italiener als leibliche Xaehkommen der alten
Römer betrachtete, ebenso wollte er selbst sich auch
direct der Reihe rönnscher Dichter angeschlosseti
wissen. Daher war er auch auf sein in lateinischen
Hexametern verfasstes Epos: „Africa" stolzer als auf
seine in classiscliem Italienisch gedichteten Sonette,
die er nur als leichte Frü(dite seiner Mussestnnden
ansah.
In der That schrieb er seit dem Dichter Claudius
wieder das beste Latein, und mit Heftigkeit kämpfte er
gleichzeitig gegen das Küchenlatein der. Scholastiker an.
Boccaccio ging noch um einen Schritt weiter als
Petrarca. Nicht nur befleissigte auch er sich einer
möglichst reinen Latinität, sondern er zog auch noch
das Griechische in den Kreis seiner Studien. Auch
dieses war allerdings, selbst im dunkelsten Mittelalter,
für Italien keine völlig todte Sprache geworden; es
hatte stets als liturgische Sprache in den Pontifiealien
zu Rom, sowie bei den .Mönchen von S. Basilio gedient.
Ausserdem war es die Handclssprache derKauflcute im
Oriente. Boccaccio brachte es nun sogar dahin, dass
vom Calabresen l^eonzio Pilato im Jahre loüU ein
Lehrstuhl der griechischen Sprache in Florenz errich-
tet werden durfte; ebenso verdankt seiner Vorliebe für
die griechische Spraclie seine Novellensanimlung den
griechischen Namen „Decameron-' i^von zehn Tagen).
Erst das Ende des XIV. Jahrhunderts ist jedoch,
wie in politischer und commereieller, so auch in literari-
scher und, wie wir sehen werden, künstlerischer Bezie-
hung, der entscheidende Wendepunkt in der Geschichte
von Florenz — ni(dit zwischen zwei Jahrhunderten, son-
dern zwischen zwei ('ivilisationse])ochen, die nach Ja hr-
tausen den zählen.
Fast gleichzeitig starben die beiden ersten literari-
schen Herolde der florentinischen Renaissance — Pet-
rarca und Boccaccio, letzterer im Jahre 1."j73, der
andere ein Jahr später. Zehn Jahre früher war der histo-
rische Vertreter des XIV. Jahrhunderts, M a 1 1 e o V i 1 1 a n i,
29»
224 —
dahin gegangen, und bald stirbt auch der letzte Schola-
stiker, Luigi Mars igli.
Anderseits erblicken aber alle die glänzenden
Geister der Kunst und Wissenschaft, welche die soge-
nannte Renaissance und den Humanismus schufen, ge-
rade in demselben Zeitabsclinitt, dem letzten Viertel des
XIV. Jahrhunderts, das Liclit der Welt. Es ist, wie
wenn die Natur der Florentiner durch die schreckliclie
Seuche, die um die Mitte des Jahrhunderts gewüthet,
sicli verjüngt und gereinigt hätten, und als Entschädigung
für die vielen , gewaltsam vernichteten Mensciienlelien
mit einer ungewöhnliclien , sowold (|uantitativen als
(jualitativen Fruchtbarkeit an Talenten und Genie's
begabt worden wäre. Lionardo Bruno, der um l.^tJD
in Arezzo zur Welt kam, darf hier allerdings, streng
genommen, nicht als 15eis])iel für unseren Satz angefüiirt
werden, wenn er auch durch sein ganzes Leben sich
zum eigentlichen Florentiner stempelte. Ein geborener
Florentiner dagegen war der erste grosse Förderer der
Wissenschaft und Literatur, PaUa Strozzi, der im
Jahre 1378 geboren ward, zugleich mit Ambrogio
Traversari, der sich uui das Sannnein und ('opiren
antiker Autoren so verdient machte. Zwei Jahre später
schenkt allerdings wiederum Arezzo, die luftige Berg-
stadt, die so reich an feinen Künsten war, den eigent-
lichen Begründer des Humanismus, l'oggio Braccio-
lini, der florentinischcn Wissenschaft. Ihnen folgen in
den achtziger Jahren die Florentiner Gianozzo
Manetti, Francesco Filelfo, sowie ein dritter
Aretiner C a r I o Ma r s u ]> p i n i.
Zwei andere bedeutende (loancr der Kunst und
Wissenschaft, Nicoiao Nicoli und Cozimo de
Mediei, gehören ebenfalls, vermöge der Zeit ihrer
Geburt, dieser baimbrechenden Generation an. Dass
die entsprechenden Erscheinungen im fiebiete derKunst
ebenso scidagend hervortreten, werden wir im ]*'nlgen-
den noch sehen.
Auch anderen, idclit toscanisclien Städten wurden
allerdings zu derselben Zeit Geister geschenkt, die an
der T'mwälzung des XV. Jahrhundirts licdcutendi'u
Anthcil nalmien. In Verona wird Guaiino im.Ialire l.'iTo,
in Forli der umfassende Historiker Flavio Biondo, in
Ancona der unermlldliclie Anticpiar Ciriaco geboren;
allein der Anstoss zu der genannten Bewegung gebt
gleicli\\olii von Florenz aus, wo sich die grösste(4ruppc
der balinbrcclienden Geister sammelte.
Diese geschlossene Reihe der ersten Humanisten
unterscheidet sich flurch mancherlei Eigenschaften von
der zweiten bedeutenden Generation eines Angelo Boli-
ziano, Mai'silio Fiiino und Anderer. Den l'ebergang
und die Vermifliuiig zwisciien beiden (rrui)iien bilden
etwa ein FiCdii Battista Alberti, ein Enea Ficcolomini,
ein Matfco l'almieri, sowie ein Lorenzo ^'alla, die
Hänniitlich im Anlange des XV. Jahrhundcrls zur Welt
kamen.
Zu di'rscjlx'n Zi'it nun, wo dir \'ertn't(i' des ersten
dichterischen Entlinsiasnnis für das Altertlunn sterben
und die ersten gelehrten Wicdcr^rweckcr desselben
geboren wurden, fanden auch in diu Einrichtungen des
öffentlichen T'nterrichts in |''|i)rriiz inanche \iirthcilli;il'lc
Verändi'rnngen statt, die; das Anbrechen der neuen Ziit
bcförrlerfen. Die Universität, die wäln-iMul der Ibii-
Hchaft der f'iom]d geschlossen geblieben, wurde seit dein
Jahre l.'JHfJ in verjitngtcr Gestalt, mit grosser Vermeh-
rung der Lehrstnlile ^\•ieder eröffnet. So wurde dem
geljorenen (iricclieii, Emanncl Clirvsoioras, Ende
des Jahrimnderts gestattet, einen Lehrstuiil der griechi-
schen Sprache zu errichten, und nicht nur fast alle aus-
gezeichneten Humanisten der Folgezeit, sondern auch
viele vorneiune Entiiusiasten waren seine Schüler. Der
immer uidier bc\orstchende l'nterg.-tng Constantinopels
hatte ihn nach Italien getrieben und übte in der Folge-
zeit dieselbe Wirkung noch hei manchen gelehrten
Griechen aus; so dass auch dieses politische Moment
incht wenig zur Wiedererweckung gediegener classi-
sclier Studien in Italien beitrug.
Wie wir schon aiuleuteten, blieb diese wissenschaft-
lich-literarische Bewegung, die das begeisterte Studium
der antiken Schriftsteller und Kunstwerke verfolgte,
keineswegs auf einen Kreis von Gelehrten beschränkt,
sondern ergriff auch die Künstler, sowie alle Classen,
die auf Bildung Ansj»ruch machten. Die Söhne der
Vornehmen erhielten die ersten Gelehrten zu Erziehern,
oder besuchten mit Eifer die öffentlichen Vorlesungen
derselben. Die Universität war nicht ein blosses Sennnar
für die Herausbildung neuer Gelehrter, sondern sie war
eine ötfentliclie Bildungsanstalt, eine Art weltlicher
Kirche, wo die Professoren blos die Ministranten waren,
welche einem jeden, der danach verlangte, die Hostie
der Wissenschaft zu Trost und Stärkung verabreichen
mussten. So kam es, dass die Wissenschaft bis zu einem
gewissen Grade populär, ein Gemeingut, ein theurer
Schatz, eine Modesache für alle Gebildeten ward. Um
dafür zu gelten, nniss man bald nicht blos ein gutes
Latein s(dn-eiben können, sondern dasselbe wird sogar
Umgangss])ra(die in den Salons. Selbst Frauen und
Mädchen werden von der allgemeinen Begeisterung für
die Werke des Alterthums hingerissen. EI)enso nehmen
die \'ornehnien nicht blos passiven Antheil an der
Bewegung, sondern sie stellen sich an die Sjjitze der-
selben als Gönner und als Sannnler von IJibliotheken
und Museen. Für schweres Geld lassen sie die alten
Schriftsteller copiren und betrachten eine ansehnliche
Sannnluiig für einen lluhni.
Es war nicht blos die träunicrisclie Zuriiekver-
setzung 1)1 die Herrlichkeit der alten Wtdt, inchl Iilos
das stolze Bewusstsein der Italiener, Xachkonnnen der
Alten zu sein, welches diesem ])lötzlich erwachten
Enthusiasmus für diescdben zu Grunde lag. Derselbe
enthielt auch noch gesundere IMotive. Der bürgerliche
dennicratischc Sinn der Florentiner, sowie der begin-
nende llass gegen mittelalterliehen Scholasticisnnis und
Dogmenkram, kurz, das Erwaclien des gesunden Men-
schenverstandes, sowie der Freude am Dasein, erkannte
instincti\ , dass die Werke der heih'rn ehrlichen .\ltcn
die; sicherste Norm, der festeste Halt seien, um einmal
gründlich in dem mittelalterli(dien Wust aufzuräinnen.
Es ist im hohen Grade interessant , wie also diese
Bewegung, was ihre |)hantastische Seite belriffi, nut
der ehrgeizigen Weltherrschaflsidee der i'äpsfe in
engerBerrdirung und \'erwandtschaft steht, während sie
doch andrerseits zugleich vermöge ihres gesunden
Gehaltes gerade die tödtlichste Feindin des I'riester-
lliums jei;-li(dier Art ist und nahe zusannnenliängt nut
den kirchlichen l\elin-mbcstrebungen eines Wiklell' und
lluss, sowie mit der Reformation schliesslich selbst.
Gerade diese Ver(|uicknng von gesunden und eitlen
'l'endenzen, \(in umwälzenden und ängstlich conser\a-
tiveii Principieii in dein italienisclicn Hunianisnuis liattc
aber zur Folge, dass er die i,'iiteii Früclite, die er der
Meiisclilieit verspracli, ■wenigstens unmittelbar zu seiner
Zeit nieiit brachte, dai;-eg-en als DeoivHiaiitei und gleiss-
nerisdie Hülle liir kirehlielie wie weltlielie J)es|)otie
geniissbrauelit werden konnte.
Dureli die Versenkung: in eine todtc Welt wurden
zudem bald, Je melir die gesunden Triebe des Huma-
nismus vergessen wurden, die besten Kö])t'e dem ötVent-
liehen Leben entiremdct, so dass auch liiedureli die
Usurpatoren darin gefördert wurden, ihre ehrgeizigen
Absiebten still und obnebedeutenden Widerstand dureh-
znführen. Dureli die (iönnersehaft, welche aus soleheu
(iründen aueh oft unverdienter Weise den Literaten in
reieheni Masse zu Theil wurde, trat an die Stelle ihres
edlen Aufschwunges oft ein niedriges Jagen nach
Gewinn. Zugli'ieh verdrängte eine kleinliche Sjjitztindig-
keit und Zanksucht die anlängliehe Originalität. Die
einheimische Literatur, vor allem auch das Drama,
w otiir so schöne Ausätze vorhanden waren, wurde einer
unfruchtbaren 6elehrs;amkeit geopfert. Wie ungemein
dramatisch an und für sich der italienische Geist des
X\'. Jahrhunderts war, das zeigt uns die Kunst; wie
zeitgeniäss aber auch die Ausbildung des Drama's
gewesen wäre, das ersehen wir in der Folgezeit beson-
ders aus Shakespeare, der die von Italien versäumte
Aufgabe für England in Ansi)ruch nahm, in seinen
Gedanken aber der echte Nachfolger und Geistesver-
wandte des freiheitlichen philosophischen Geistes der
Renaissance ist, wie dieser ausserdem auch in einem
Giordano liruno, Galilei, Spinoza zum Durch-
bnudi gelangte.
AVenn der Humanismus aber auch seine geistige
Aufgabe zunächst gänzlich verfehlt hätte — was nicht
der Fall ist — so hätte er schon durch seine physische
Arbeit ein unsterbliches Verdienst erworben, durch sein
emsiges Sannnein nändieh von Schrift- und Kunst-
werken des Alterthums. Und diese sind ja vor allem
der unersehöiifliche IJorn, aus welchem die moderne
Cultur Begeisterung zu gros.sen und wahrhaft humanen
Ideen schöpfen kann.
IV. licburt, Familie und Erziehung
Do na teile 's.
Wir sahen, wie die Geburt fast aller Männer , die
als die eigentlichen Wiedercrwecker des Studiums der
Alten zu betrachten sind , binnen eines kurzen Zeit-
raumes gegen Ende des XIV. Jahrhunderts statttänd.
Dieselbe Thatsache lässt sieh auch in Bezug auf die
Koriphäen der Kunstrenaissanee feststellen. Einer
der ersten von ihnen in der Sculptur war Donatello,
den wir, dem Zweck dieser Schrift gemäss, jetzt vor Allen
herausheben.
Donatü oder, mit einem Sclnneichelwort der Kin-
deszeit, das ihm bis in sein spätestes Alter haften blieb,
Donatello, d. h. der kleine Donato. benannt, wurde
aller Wahrscheiidichkeit nach im Jahre l.">8l) geboren.
Sein Vater hiess Kiccolo di Betto Bardi, gehörte
zur Zunft der Wollenzieher (tiratori di lana) und war im
Stadtbezirk von S. Piero in Gattolino (bei der heutigen
Porta Eomana) in Florenz sesshaft. Während des Auf-
standes der ('iomi)i hatte er für die Optiniaten Partei
ergriffen und w ar deslialb mit vielen Anderen in's E.xil
geschickt worden. Und zwar verbrachte er, zusannneu
mit anderen Vertriebenen, die Zeit seiner Verbannung
in Pisa. Dort beging er einen Todtschlag, dessen Ver-
anlassung der Chronist P>uonacc"rso di Luca Pitti uns
folgendennassen erzählt : ..Als ich einige Monate mich dort
aufgehalten hatte , geschah es im A])ril 1380, dass Mat-
teo del lücco Corbizzivom Bezirk S.Piermaggiore wegen
kaulmännischer Geschäftenach Pisa kam. Und weil er ein
Anhänger deriuFlorenz herrschenden Parteiwar, sprach
er überall ötfentlich, in Hallen und auf Plätzen, an-
gesichts der Menge und vor einem Kreis von Zuhörern,
schlecht ^ (in den Verbannten. Wenige Tage nachher
hatte ich gerade mit Matteo dello Scielto zusammen
gespeist und ging mit ihm aus, als wir Matten del Riccn
antraten. Der andere Matteo redete ihn wegen einiger
Geschäfte an. Ich verliess sie und traf Kiccolo di Betto
Bardi, mit dem ich auf Matteo dello Scielto wartete.
Bald trennte sich der andere Matteo von diesem und
redete Cliaroccin Charocci an. Und nachdem er anfangs
über Geschäfte gesprochen hatte, stellte er sich auf ein-
mal in meine Kähe und sagte laut, dass ich's hören
mnsste: „Charoccio, Sonntags kehre ich nach Florenz
■zurück, dort w ill ich etwas anrichten gegen die, die mir
drohten !" Als ich begrifl', dass dies auf mich und meine
Brüder in Florenz gemünzt sei , packte ich ihn an der
Brust, schüttelte ihn und sagte: _Was meinst du, dass
ich mit dir anfangen soll?" — Zugleich versetzte ihm
Niccdlö, ohne meinen Willen, mit einem Knittel einen
Schlag auf den Kopf, dass er sogleich zu Boden stürzte.
Es entstand Lärm, und als ich, wie betäubt stehen blieb,
kamen Büttel, die mich ergriffen hätten, wenn nicht
Vanni Bonconti dazwischen getreten wäre und mir ge-
sagt hätte: „Flieh'!" Ich eilte mit Niccolö zusammen
in's Haus des Herrn Gualterotto Lafranchi, dem ich den
Vorfall erzählte. Er beruhigte mich und sagte: .Fürchte
nichts, ich bringe dich an einen sichern Ort". Noch in
derselben Nacht starb der Verwundete."
Der Chronist erzählt weiter, wie Pietro Gamba-
corti, der Herr von Pisa, das Versteck der Beiden erfuhr
und sie, aus Furcht vor Florenz, verhaften lassen wollte.
Er Hess sich jedoch von den Freunden der Schuldigen
bereden, sie durch die am Thor aufgestellten AVachen
durchschlüpfen zu lassen und ihnen sogar noch einen
Geleitbrief an Duccino d'Armo in Lucca zu geben. Die
Erzählung des Chronisten, den wir soviel als möglich
selbst sprechen Hessen, ist in ihrer lebendigen Darstel-
lung trefflieh geeignet, uns ein getreues Bild von dem
heftigen Parteienhass und der ungezähmten Leiden-
schaftlichkeit der damaligen Vloreutiner zu .geben.
Wenn Donatello 's Vater diesmal der Strafe für
seine Gewaltthat entging, so fehlte nicht viel, dass er
kurz darauf eines schimpflichen Todes für ein neues
Verbrechen gestorben wäre, dessen er beschuldigt ward.
Am 11. Juni dessellien Jahres, da der ebenerzählte
Aiirfall in Pisa stattgefunden hatte, wurde er dazu ver-
urtheilt, „am Schwänze eines Esels zum Richtplatze
geschleift und dort enthauptet zu werden. SeineHäus er
und (iüter sollten zerstört, seine Söhne und Nachkom-
men auf ewig für Rebellen erklärt werden, . — weil er
von Florenz in's Lager der Feinde geflohen
sei und ihnen den Weg durch das florenti-
nisclie Gebiet gezeigt habe." Es steht diese An-
klage mitderThatsacheinZusannnenhang, dass bei dem
Zuge des Carlo vim Durazzo gegen Johanna von Neapel
220 —
florentinische Emigranten (zu deren Partei ja aucli
Donateilo's Vater gehörte ) Karl dazu beredeten , in
Toscana einzudringen, in der Hotthung, dureli iiin wie-
der zur Herrscliaft zu gelangen. AVie wir salien, wurde
Fliirenz nur durch den Widerstand des Generals John
Hawkwood, sowie durch ein Lösegeld von 4o.mio (iold-
gulden gerettet.
Am 26. November dessell)en Jahres wurde jedoch
der Process Niecolö's einer neuen Prüfung unterzogen
und letzterer für unschuldig erklärt. Sein Name
sollte zur Entschädigung für das erlittene l'ngemach
in ein Huch mit goldenen ]Uichstal)en eingetragen wer-
den. Die gegen Niccolö erhobene Anklage seheint dem-
nach vielleicht nur ein Act der Kaehe von Seiten der
Freunde des von ihm erschlagenen Mattco del Ricco
gewesen zu sein. Jedenfalls zeugt der Todtschlag dieses
Letzteren iür die Heftigkeit und gewaltsame Gemüths-
art des Niccolö. Wir werden sehen, ob verwandte Seiten
sich in Donateilo's Charakter oder Kunst auffinden
hissen.
Wir wissen nicht, wie lange Niccolö die eben
gescliilderten Schicksale überlebte, die jedenfalls sein
Gemüth ersdiüttern mussten. Gewiss ist, dass er 14LÖ
nicht mehr zu den Lebenden gehört, da in diesem Jahre
Donatello in einem an ihn gestellten Auftrage .,Sohn
des weiland Niccolö- genannt wird.
Dagegen blieb die Mutter Donateilo's, Madonna
Orsa, ihm bis in sein reiferes Mannesalter eine treue
Lei)ensgefährtin; noch im Jahre J427 finden wir sie,
allerdings als siijähviges ]\lütterlein,in einer Veiiiiiiii-eiis-
anzeige genannt. Da sie nun in einer ähnlichen l rkunde
des Jahres 1430 schon nicht mehr angeführt wird, so
ist es fast gewiss, dass sie zwischen diesen beiden Jah-
ren starb. Sic und ihre Tochter Tita, welclie fünf Jahre
aller als Donatello war und früh Witwe mit einem Sohn
Guglielmo blieli, ersetzten dem Künstler, welcher nie
verheiratet war, die liebende Sorgfalt einer Gattin.
Was endlich Donateilo's l'.rüder betrifft, so erfah-
ren wir schon aus dem Wortlaute der oben angeführten
Verurtlieilung, dass er deren mehrere haben musste.
Ferner scheint Donatello einer der jüngsten gewesen zu
sein, da er zur Welt kam, als seine Mutter bereits vier-
zig Jahre alt war. In der Tliat glauben wir einen älteren
IJrnder Donateilo's bezeichnen zu können, da wir wis-
sen, dass im Jahre l.'üi.'i ein gewisser Andrea di
Niccolö di I5et t i .Milglied der Domverwaltuug war.
Ausserdem führt Vasari einen gewissen Simone
als l'irudcr Donateilo's an, der gleichfalls IJildhauer
gewesen sei. Aber der .Alangel jedei' zuverlässigen
rrkntide über ihn macht es wahrscliciidieh, dass er nie
gelebt halte und dass der von \'asari genannte Simone
einer von den verschiedenen Steinlianern gleichen
Namens gewesen s(!i, die urkundlich nachgewiesen
werden können und alle mehr oder weniger unterDona-
tellu's Linlliiss standen. Doch liievon später mehr.
Dligleicii nun Donateilo's Vater ein entseiiiedencr
Anhänger der albizzischen Partei und audi nicht nnbe-
glltert gewesen war (ila mehrere Jläiiser und Besitzun-
gen von ihm zerstört werden .sollten), so hätte Donatello
iiacli Vasari seine Krzieliung dennocii duri'li eine Familie
der (!cgen]iarfei genossen, nändich die Martelli, die
'ZU den nächsten Freunden der Mcdici gehörten. Viel-
leicht dass Niccojö's Vermöf,'en durch die ihm erfahrene
l'nbill zerrüttet wortien und dass seine Verfolger am
Sohne wieder gut machen wollten, was sie am A'ater
verbrochen. Es scheint wenigstens kaum glaublich,
dass auch diese Behauptung Vasari's und seiner Nach-
reder vollständig aus der Luft gegrift'en sein sollte, so
sehr sie auch in den Einzelheiten berichtigt werden
muss. Denn niemals konnte, wie Vasari angibt, der
Freund Cosimo's, Kuberto Alartelli, des jungen
Donatello Gönner gewesen sein, da dieser gerade zwan-
zig Jahre älter als jener war. Vielleicht, dass Vasari den
eben genannten liuberto mit dessen Urgrossenkel glei-
chen Namens verwe<-hselte, welcher zwisciien den Jahren
|.")4o bis l'-ilo siebenmal das Amt eines Priors der
Zünfte bekleidete.
Wenn nun aber auch die ganze Geschichte von
Donatellos Frziehung im Hause der Martelli eine von
'den vielen Fabeln sein sollte, die Vasari uns auftischt,
wahr bleibt immerhin, dass Donatello wenigstens als
fertiger Künstler warme Gönner an den Martelli fand,
und zwar gerade an dem Kuberto, der Cosimo's
Freund war und also leicht auch dessen Kunstliebe
theilen mochte. Datiir siiricht deutlicher als das sicherste
geschriebene Document die Anzahl von Meisterwerken
Donateilo's, ndt denen zum Theil noch heutigen Tages
das Haus der Familie Martelli angefüllt ist. Allerdings
scheint es wahrscheinlicher, dass Donatello sich dafür
ordentlich hat bezahlen lassen, als dass er sie, wie
Vasari angibt, aus Dankbarkeit für ehemals genossene
Wohlthaten dem Ruberto geschenkt habe. Nicht unmög-
lich ist denn auch die Verfügung, welche Ruberto testa-
mentarisch gemacht haben soll, dass keiner seiner Nach-
komnien, bei Strafe schweri-n N'erlustes an Land zu
(iunsten der Stadt, eine Statue des S. Giovanni des
Donatello veräussern dürfe.
Wir lassen dahingestellt, wo Donatello zuerst den
Anstoss zu seinem begeisterten Studium der .\nfike
empfing; ol) in der Perührung mit seinen angeblichen
(iönnern, die jedenfalls auch der Mode huldigten, Iür
das classischc Alterthum zu schwärmen, oder auch blos
in (k'r Werkstätte des Handwerkers tind Kfinst-
1er s. Denn niclil blos (!elelirle und Gebildete, auch ilie
Künstler uml Kunsthamlwerker fühlten sich an der
Scheide der beiden Jahrhunderte mit mächtigem Antrieb
zur -Vntike hingedrängt; wie jene in den Scdu'iftstelleni
die lOleganz, sowie die l'reii^ v(n"iirtlieilslose Gesinnung,
so begannen diese in den Kunstwerken die Natur-
wahrheit, dii' he it e re AI enschl ichkei t, sowie
die l'oini en seil ön he it zu sehätzen und zu lieben.
Felier Donateilo's Lehrer in der Kunst werden uns
verschiedene Angaben gemacht, l'.inmal heisst er Schü-
ler des (ioldsehmiedcs Cione, worunter also Ghiberti's
Vater versfanden werden muss. Vasari nennt ihn wie-
ilei Schüler des Malers und Architekten Lorenzo di
liicci. ISeides schcjint uns möglich und wahrscheinlich,
umsoinehr als ja Donatello später in der Tliat ebenso-
W(dil als (öddsclimied, wie als Maler und Architekt aul-
frat. Endlich müssen wir vor allem entschieden betonen,
was allerdings in keiner Nachricht zu fiiulen ist, was
sich aber am deutlichsten diircli ein Studium der Kunst-
werke selbst, sowie dui'ch Zeitumstänile ei'gii)t , dass
nämlich Domitello vor allem der Schüler (unes Niccolö
von .\rezzo war und von dessen Styl am meisten an-
rialim, soweit er llberhaupt sich an Vorgänger anlehnte,
lihe wir jedoch das A'erhältniss Donateilo's zu dit^sem
und seinen anderen Lehrern näher betrachtiii, erachten
227
■wir es für nötliiij, einen Rückblick auf die historische
Eiitwickelinii,". vor/.iigiicli der Kunstfäclicr zu fluni, in
welchen Donatcllo sich betliätigteoder zu denen er dncli
in 15eziehun£: stand.
V. Kunst gesell iclitliclie Vorbediniiungen zu
Dona tcllo's Wirk en.
E i n I e i t u n g.
Ehe wir Donatello's Stellung in der Geschichte der
Kunst zu schildern unternehmen können, scheint es uns
nötldg, einen Kücklilick auf die Zeit vor seinem Auf-
treten zu werfen, um zu untersuchen, wie weit ihm sdion
vorgearbeitet worden, oder welche Hindernisse und
Gegensätze der Überlieferung er als Neuerer zu über-
winden hatte. Denn es i.'<t ,sell)stvcrst;indlich, dass auch
er, trotz seiner eixichemaclienden Stcihnii;-, doch nicht
blos an einzelne herausgerissene; Jlomente längst ver-
.gangener Zeiten anknüpfte, sondern an dcngcsammten
Verlauf und das Resultat aller künstlerischen Thätigkcit
sich anscidoss , die bis zu dem Zeitpunkt vor sich ge-
gangen, da er auftrat. Nicht nur werden technische
Handgriffe und technisches Können unter be-
ständigen leisen Moditicationen , Verbesserungen oder
Verschlechterungen .von Generation zu Generation ver-
erbt, dasselbe geschieht auch in Bezug auf die Art des
k ü n s 1 1 e r i s c h e n S c h a f f e n s , die A u f f a s s u n g , den
Styl. Das griisste Genie wird nimmer aus nichts etwas
schatten, vielmehr dient ihm als Stoft', als Tlion, den er
knetet, alles was vor ihm geschaften und ihm l)ckannt
ist. Und was zunächst vor ihm entstand, ist ihm am
ehesten bekannt, und dessen Eintluss kann er, auch
wenn er möchte, sieli nicht entziehen. Das Geheininiss
des Fortsciirittes, selbst der neuen Erfindung oder Ent-
deckung besteht darin , dass ein künftiger productivcr
Geist aus der Summe des schon vorhandenen eine neue
Conibination erzielt, aus der Gesammtbcit des schon
Geleisteten das Resultat einer neuen Idee herausschält.
Auch Donatcllo konnte also die antike Kunst zunächst
jedenfalls nur mit den technischen Mitteln reproduciren
die ihm idierliefert waren, oder die er, mit Hilfe des
Überlieferten, durch Analogien und Schlüsse aus den
antiken Kunstwerken zu errathen vermochte. Ausserdem
konnte er die Antike nur mit dem durch tausend Um-
stände bestimmten Auge und Geschmack seiner Zeit
ansehen. Ja, wäre er, ganz frei von solchen Einflüssen
in seinem Geiste ein reiner Grieche oder Römer des
Altertliums gewesen; selbst die unabhängigste Kunst-
schöpfung hängt doch immer von Sitten, Gewohnheiten,
Bedürfnissen, Forderungen der Zeit und des Ortes ab,
wo sie entstellt.
Ehe wir daher unternehmen, das Leben und
AVirken Donatello's zu schildern , wollen wir zuerst
untersuchen, welches in Bezug auf die von ihm geübten
Kunstfächer die technischen Vorbedingen waren, die
sich seit dem Untergange des Alterthuins bis zu seinem
Auftreten erhalten, modificirt oder enlwiekelt hatten,
sowie in wieweit das Mittelalter den antiken Formen
treu blieb oder von ihnen abwich. Denn nur nach der
Feststellung dieses Verhältnisses kann nachgewiesen
werden, welche Stellung er direct der Antike gegen-
über einnahm, und wie viel er derselben direct ent-
lehnte.
Die verschiedenen t e c li n i s c h e n Verfahren, deren
sich später Donatcllo liei seiner Kunst bediente, wurden
im Mittelalter verziiglich von den \erschiedenen Klein-
künsten fnrtgeptlaiizt . welche übcrliau])t zur Zeit des
grössten N'ertalls die monumentale Kunst überwucher-
ten und theilweise verdrängten, jedenfalls einer sorg-
fältigeren rflege genossen. Es gehörte mit zur Barbarei
des Mittelalrers , ilass an Stelle feineren plastisclien
Schmucks und schlichter edler Wandmalerei buntschini-
mernde Mosaik und übermässiger Luxus an goldenem
und silbernen Schmuck und Geräth trat. Diese prun-
kende Ausstellung der vorzugsweisen Künststücke des
Mittelalters, der Kirchen, war tlieils eine Erbschaft der
asiatisch-verweichlichteii , römischen Kaiserzeit, tlieils
ein Ausflussder iiriesterlichen Eitelkeit, tlieils eine Äus-
serung des kindischen Geschmacks barbarischer oder
gesunkener Völker.
Desshalb fiel denn auch im Mittelalter nahezu die
gesarnmte Metallotechnik der Zunft der (!old-
schmiede anheini, wurde von ihnen ausgeübt und er-
fuhr stylistisch ihren Eintluss. Fernerfand ein in das Ge-
biet der Malerei hinübergreifender Abzweig der Ste-
reotomie, die musivische Kunst und die daraus
hervorgegangene Glasmalerei im Mittelalter eine be-
sondere Pflege und wurde auch von Donatcllo vielfach
zu seinen Zwecken verwendet. Andere Zweige der Ste-
reotomie,"die gleichfalls den Kleinkünsten zugehören,
wie (lennnenschneiilereien, wurden zwar im Mittelalter
nur wenig geübt; dennoch werden wir aber auch üljer
deren Geschichte einige Notizen geben, da Donatcllo
gerade in diesem Felde als mächtiger Neuerer auftrat.
Es würde zu weit führen, wenn wir auch die orna-
mentale decorative und figürliche Steinsculi)tur des
Mittelalters von der rein technischen Seite abgesondert
betrachten wollten. Vielmehr wollen wir in ihrer Ent-
wickelung mehr die stylistische Seite hervorheben,
d. h. die Art und AVeise, wie die antiken Formen darin
erhalten oder beseitigt wurden. Anderseits werden wir
uns bei der Anführung der verschiedenen Techniken
der Kleinkünste der Stylschilderungen enthalten, einmal
weil wir es hier meist nur mit geschichtlichen Notizen
über verloren gegangene AVerke zu thun haben, sodann
weil die AA'erke der Kleinkünste im allgemeinen doch
den Styl der monumentalen Kunst befolgten, den wir
später schildern werden.
Endlieh werden wir auch einige kurze Andeutungen
über die stylistische Entwickehing der Malerei bis zu
Donatello's Auftreten zu gelien haben, da auch sie nicht
(dine Einfluss auf ihn, wie er auf sie, blieb.
Und zwar werden wir mit einem geschichtlichen
Überblick der verschiedenen Techniken der Gold-
schmiedkunst respective Metalltechnik in der fol-
genden Darstellung beginnen , vun dieser auf jene
Techniken der Stereotomie übergehen, die im Mittel-
alter hauptsächlich Pflege fanden , und endlich die
stylistische Entwickelung der decorativen Architektur,
der figürlichen Sculptur, sowie der Malerei in kurzem
darstellen. Diesen (iang verfcdgen wir einmal, weil die
Kleinkünste im Mittelalter grossen Einfluss auf den
Styl der monumentalen Kunst übten , ferner um bei
der Behandlung dieser uns weitere technische Be-
sprechungen zu ers])aren, endlich weil auch Donatcllo
selbst von den Kleinkünsten aus seine Laufbahn be-
o^nn. (Fortsetzung folgt.)
Die Siearel der steierischen Abteien nnd Conventc des Mittelalters.
Von Dr. Arnold Luschin.
(Mit 5 IloUschnitten.)
Nachstehender Versuch verdankt seine Entstehung;
einer von Herrn Dr. Lind g-egehcnen Anregung- zur üe-
nrbeitung der steirisehen Conventsiegel. So elu'cnvdll
mir diese Autforderung war, so liätte idi dennoch dor-
.selben naciizul^onunen niclit gewagt, wenn mir nicht in
Sava'sArbeit über die mittehiltcrlichen Siegel der Ab-
teien und Iicgularstifte Niederösterreichs (.Jaiirb. d. k.
Centraieoinniissidii f. l'audcnkm. lil. IP.^) — l'^s) ein trcrt'-
liches Vorbild, und im Irkundcnscliat/e des steicrmiir-
kis<']ien Landes-Arcliivs ein reichiialtiges und geordnetes
Materiale geboten gewesen wäre. Nicht zu vergessen
endlich der ^fitwirkung des Herrn Aug. Ziegel li a n e r,
dessen geschickter Hand die meisten Zeichnungen der
hier veröttentlicliten Siegel angeliören.
Das Klosterwesen hatte in der Steiermark seit dem
Beginne des XI. .Jahrhunderts festen Boden gefasst. Der
fälschlich so genannte r,rl)vei'trag zwischen dem steieri-
schen und östcrreiciiischcn Herzoge vom 17. August
lllSi) zählt die liencdictincr-Kliister Admont und St.
Lanibrecht, die C'horherrenstifte Seckau und Vorau, das
Cistcrcienserstift Eeun, die Karthause Seiz und das
Spital am Scmnieriug als Orte auf, welchen dii' ]\liniste-
riaien (iiilcr zuwenden knnulcn (ilme weitere liewilligung
des Herzogs zu bedürfen. Das 11 40 vom Edlen Dicjxdd von
Kager errichtete Benedictinerstift Obernburg in Unter-
steiermark und das der gleichen Regel folgende älteste
Kloster des Eandes, die Nonnenabtei (Üiss. sind in dieser
Aufzählung übergangen, mögen indessen trotzdem An-
theil an jenen öOO Hüben gehabt haben, welche der sieche
Hcizog (Jttokar auf seinem Todtenbette unter Kirchen
und Klöster vertheilte. Alle diese Stifte waren übrigens
gleich einigen siiätcren, wie der Kartlianse Oeiracli, der
Cisterze zu Neuberg oder dem Eraiicnkloster zu Stude-
niz von Kirchen- oder f^aienfürstcn, oder mindestens
durch ^Mitglieder des vollfreieii Adels gegründet. Seit
dem Beginn des XIH. .Jahrhunderts trat aber auch d<r
Ministerialen- Adel nnd im XIV. .lalirliundert sogar der
BUrgerstand in die Beihc der Stifter. So ist Friedrich
von Pettau (vor 1222) der Erbauer der Commende zum
Gross-Sontag, Ecutohl von Wildon jener des (,'horherreii-
stiftcs Stainz. Zu gleicher Zeit macht sich der Um-
schwung geltend, welchen die ( Gründung der Bettidordcn
hervorrief. Bald waren sie auch in der Steiermark liei-
miseii, zumal da sie den l'mstinv, ibr IJegicrung des
Iiölimischeii Otakar und den .antritt der Herrschaff
durch di(' Habsburger zu ihrem Vorthcil zu benutzen
verstanden >). So kam es, dass die Mehrzahl der fronmien
(rriindungen seit dcr.Miffe des Xlll..lalirliiui(lerts Kloster
ihres Ordens betraf und dass allmälig die DniiiinjcMmr
über Convcnfe zu l'ettau (12.'!(l), Orätz, Leoiieu, Neu-
kloster nnd über Schwesfersfifte zu (Irätz, Marenlicig
' I>lo <■ ntln. I'rm dicalorum (.Min. flcrm. S». IX. 7.10) l>crlrlilt'i
riilim(-nil, die «>5trrreiclilBclien Adelig«-!! »den von 0(akiir niicliigedeiik ficr
geletaielen ärhwür<i und Oeiieln ahgeffilleii „prnptor Inrnrrniitionoin l*rnedli-o-
lorum cl ^nnonim o( »Mnium clcrlrnrum; fjiit toUrnics aiictorlinic papao « l
*'PI»criporiifn miiiJNtRrlallliiifl nt nniniliu.« rpgl Utidolfo adfsio vok•n(^lU^ Iiirn«
inciilonim xclera ii. «. w — Wie dnnkii.ir »Ich lEinlolf ci'vlot, kann man ad* Jiod-
mann Codei eplstol. S. K.'i, Nr. XVI., fijrt. ciolicn.
und Studeinz, die ^linoriten und Franciscaner über
Klöster zu Brück a. d. Mm; Cilli, Friedan, Grätz, I^anko-
viz, Marburg und l'ettau verfügten. Clarisserinen waren
zu .ludenburg, Augustiner gal) es ebendaselb.st und auch
zu Fürstenfeld, Carmeliter zu Voitsberg. Vereinzelte
Nachzügler, die trotz kaiserlicher Stiftung oder Bestä-
tigung fast beständig mit Exisfenzsorgen zu kämpfen
hatten, waren die C'horherrenstifte liiitenuiann (^1-104)
und l'idlau (^1482). Mit ihnen erhidit sich die Zahl der
Ordenshäuser in Steiermark während des Mittelalters,
selbst wenn nniii von den Conunenden der Kitterorden
absieht, auf etliche .'i(>, wie aus der unten angefü.gten
Tatielle I. hervorgeht.
Die lletbrmation erschütterte in der Steiermark
das Klosterwesen nicht wenig. Manche Convente schienen
damals dem Untergange geweiht zu sein, andere wie
die Augustiner zu Judenburg erlagen ihr wirklich. Dies
änderte sieh, als die Gegenreformation dureligefühit
wurde. In rasidier F(dge begannen Ansiedlungeu von
Jesuiten, ('ai)uzinern, Augustinern, Bartüssern, Pauli-
nern, von Coelestinerinnen, Carmelitcr-Nonnen u. a. m.,
so dass im Jahre 1 TT.! die (Jesannntzahl der bestehenden
Ordenshäuser über TD betrug. Von diesen kamen aller-
dings durch die KlosteraufhebungunterKaiser Joseph II.
;»2, mehrere andere noch später unter Leopold II. und
Franz II. in Wegfall, allein Neugründungen besonders
von Fiaueidslö^tern, wie s(d(die in den letzten zwanzig-
I.
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*) Frauonconvcni Im Stifto Sccknii.
♦«) Cilll.
11. J
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229 —
Jahren öfters erfolg-teu, erhöhten die Zalil wieder auf
31 Männer- und 2o Fraueuconvente. Mit Heu iit/inif;- der
von J. Cäsar im 2. Bande seiner „Besciireibiinj- des
Herzogthnnis Steiermark" (S. 529 if.) gegebenen Ueber-
sicht für das Jahr 1773, sowie der Schematismen von
187o für die Seekauer- und Lavanter Diöcese gewinnt
man die unten angefügte Tabelle II. der Veränderungen
im Stande der steirischen Klöster während des letzten
Jahrhunderts :
II.
N a m ü it e s O r il e n s
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liarmlierzigc Brüder
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„ Schwestern (TnchtiT
der Christi. Liebe des h- Yin-
cenz V. Paul)
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Barmherzige vom ii. Kriuz . . .
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Fraut n vom guten Hirten . . .
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„ «hl. Herzen Jesu . .
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Jesuiten-Collegien
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Karthäu-ser
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Lazzari.^tc-n
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Ligourianer
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Marienbriider
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+ 1
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Pauliner
Piaristen
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Schulschwestern vom 3. Orden des
hl. Franz
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-f- 7
Schulschwestern von Unserer
Frau
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4- 1
I
1
1
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Ursulinerinen
Gesaniiiitzahl . .
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— 17
') ;{ Haupiklööier und C Filia
Ich.
*•) -J HaupiklÖster mit .^ Filin
l.-n.
•
II
XVIII.
V\g. 1.
I. Adinoitt.
(Benedictini'r- Abtei.)
(Adamunta, Ademunt, Agmundensis congregatio, Age-
munt.) Stiftsheilige: h. Maria und h. Blasius.
Gregor Fuchs : kurzgefasste Geschichte des Bene-
dictiner-Stiftes Admont. Graz 1858. 52 S. Marian-Wendt
Austria Sacra VI, 5'.». Muchar Gesch. d. Steiermark.
Die fromme Gräfin Hemma , Witwe des Grafen
Wilhehn von Zeltschach, ihrer Kinder durch gewaltsamen
Tod beraubt, w'andte die reichen Besitzungen ihres
Hauses kirchlichen Zwecken zu, erbaute ein Doppel-
kloster zu Gurk, und übergab um 1042 die ausgedehnten
Besitzungen im Ens- und Paltenthale dem Erzbischofe
Balduin von Salzburg zur Gründung eines Klosters. Die
Ausführung dieses fiomuien Willens besorgte, jedoch
erst ein Mcnscheualter später, der an die übernommene
Verbindlichkeit seines Vorgängers gciiiahnte Erzbischof
Gebhard. Am 28. September 1074 erfolgte die Ein-
weihung und Eröffnung des neuen Stiftes, in welches
Abt Arnold und 12 Conventualen aus dem Kloster
St. Peter zu Salzburg einzogen. Rasch mehrte sich der
schon ursprünglich reiche Besitz, wie namentlich die bis
in das XII. Jahrhundert zurückreichenden SaalbUcher
erweisen.
Seit welcher Zeit das Stift ein eigenes Siegel führte
ist leider nicht mehr genau zu ermitteln, da die ältesten
Urkunden nur abschriftlich überliefert sind , und
das Archiv durch den Brand von 1866, ausser den
Originalen der Traditions-Codiees, auch an seinem Ur-
kundenschatze einbüsste. Glücklicherweise hat sich ein
vom früheren Archivar P. Urban Ecker im Jahre 1832
vcrfasster Aufsatz über die Stifts- und Abte-Siegel
erhalten, welchen mir dessen würdiger Nachfolger P.
Jacob Wichner nebst andern Materialien mit grösster
Bereitwilligkeit zur Verfügung stellte. Demnach kannte
man selbst vor dem Brande von 1866 keine älteren
Siegelformen als jene noch erhaltenen, welche an Ur-
kunden seit Abt Rudolph (1189 — 1199) vorkommen,
und zwar:
a) Abtcsiegel.
t R\DOLIA'S DGI GRAIIIA .\ßB.\S ADAWXTENSIS.
Lapidarschrift zwischen glatten Linien auf schüssei-
förmig erhöhtem Rande >. Im Siegelfelde der sitzende
1 Der llolzsctiiiitt liat leider diese Eig''i»thiimHchkeit^ welche bei Siegeln
des XIT. Jaliiliunderts öfrers vorkommt (z. U. Sava a. a. O. S. 2J0, Nr. 20 fiir
Reicht rsber;; . . .) unberücksichtigt gelassen.
30
TAU —
Abt mit Kninunstalp und iiucli Gnisse 49 Millimeter.
iFig. 1.)
Erhalten hat sich dies S:e,i;-el und zwar in F((rui
einer spiiraj;istisclienMcrk\vürdi,i;keit an einer den Jaiiieii
1195 — 1197 angehfirenden Urkunde des Stittsarehivs,
welche einen Veri;leich nnt Herrand von Wildon betrilft.
lu einem an dicker Hant'schnur hängenden farblosen
Waclisklumpen von G4 .Alillinieter Durchmesser und
27 Millimeter Dicke erscheinen die verkehrt aufge-
setzten Siegelstempel des Abts und des Wildoners (ab-
gebildet Mitth. der k. Ceutr.-Com. 1872. «. CCXII.,Nr.2)
nach Art eines Münzsiegels eingeprägt. Bemerkt zu
werden verdient noch, dass die Urkunde, nach den vor-
handenen Einschnitten zuurtheileii, ursprünglich für zwei
an Pergameutstreifen hängende Siegel lierechnet war.
Einer andern Urkunde vom J. 1191 ist der Gyps-
abguss desselben Siegels entnommen, welchen das k. k.
geh. Haus-, Hof- und Staats-Archiv zu Wien in der s. g.
Smitmerschen Samndung (0. :')2(i) iiesitzt.
Der Ty[)üH derAdmonter Äbtesiegel blieb, die Zu-
gabe der Intel und (seit der Mitte des XIV. Jahrhunderts)
erst des Stiits- dann auch des Fainilienwajjpens abge-
rechnet, bis in die Tage des ]5(j,s resignirten Abts
Valentin unverändert. Mit Abt Johann IV. (1581 — l(il4)
verschwand dersell)e, und wurde durch zwei Schilde
mit dem Stifts- und Familienwappen ersetzt, ober wel-
chen ein Eiigelskopf erscheint. Statt des letzteren wurde
H'tlb die Intel zwischen zwei Pastoralstäben angebracht
und die Umschrift „N. D (ei) G (ratia) Abbas Admou-
tensis" beibehalten. So blieb es bis zum Jahre 1832.
b) Conventsiegel.
Kräftige Lapidarschrift zwischen einfachen Linien:
.s|(-;iI,L\-.\\. CON\'ENT\'S ADM\'\Ti;\SIS. (Fig. 2.)
Die heil. Maria mit Krone und Lilicnsccpter und
der heil. Blasius in i'oniilical-Kleidnng mit Knimmsfal)
und Buch unter zwei von romanischen Säulen getragenen
Gewölben, welche mit den Namen: 8. MARJA S. BLA-
SI\'8 bezeichnet sind. Oberhalb der Bögen die Vorder-
Ansicht eines romanischen Münsters mitkrenzgeschmück-
icni Giebel und zwei breiten Seileiilhürmen. Neben dem
Giebel zwei kreuzförmige Rosetten. Gr. 72 Mm.
.-^''^"^o,
l'iK. 2.
Dieses Siegel, welches bei besserer Ausführung
seiner ganzen Anlage nach sehr an das \on Sava (a.a.
0. S. 239 Nr.' KJ) verötfentlichte Siegel des Klosters
Molk aus dem XIIl. Jahrhundert erinnert, befand sieh
nach P. Urban's Berieht an einem nicht mehr vor-
handenen Documente vom Jahre 1198; erhalten hat es
sich an mehreren bis an das Ende des Xlll. Jain-hunderts
reichenilen Urkunden, und zwar durchaus in farblosen
Wachse.
Nr. 3. Lapidai- zwischen Pcrllinieii :
S-I6IIJAA\.GO\VENT\'S . « «CCLKSIIE . ADMOXTEX-
SIS—* (Fig. .■').) Auf giilhisclier Console dei' heil. Blasius
in liischofskleidung mit dem l'alliiiin, Pabne und Krunnn-
stab in den Händen und die heil. Maria, das si)ielende
Kind auf dem linken Arme. Zwei gofliisehe von einem
kreuzgeselnnückten Tliürmchen überragte Giebel füllen
(las Siegelfelil oberhalb der Figuren, nt'ben welchen die
Namen *S. BUAS1\'S'- iiml . 8. MARIA, als innere In-
schrift angebracht sind. Den leeren Haum zu beiden
Seiten des 'IMiiirnichens, und oberhalb des Heiligen-
scheines d(!r (jotlesmiitter füllt je eine kreuzförmige
Rosette, und aus der Console s])riesst zwischen beiden
Figuren ein IJlunu'uzweig emjxir. Spitzoval K8 und
t)3 Millimeter im Durchmesser.
In (lebrauch kam dieses Siegel um das Jahr 1300
(z. B. Urk. 181 I " des steir. B. Archivs vom Jahre l.'ili'i)
und es lindel sicii seitdem in fai'bloseni odei' giiineni
\\'aelise iiis in di(^ zweite Hälfte des X\1. .lahrhunderts.
Diesel g( iMnntiiSmidtmerischeSarmnlungbcsitzteinen
sc harte II ( 1 y|isabg-iiss, (O, riS2) Von einem 14.'')4 geferliiiteii
Abdniek. Zu Zeilen AblJnliannlV. wurde dasSlillswappen
inil einem Engelskopfe darüber und mit der I inschrilt:
„Sigillum con\cntiis Adnioiitensis'' in das Kloster-
Siegel aufgenommen, und dieses, wie es scheint bis in
die neueste Zeil, feslirehalteii.
— 231 —
Die .Stempel der älteren Siegel sind verloren
gegangen.
Das vorerwähnte Wappen des Stifts besteht aus
einem rotliweissen der Länge nach gctheiiten Schilde
mit Rauten in abwechselnden Tincturcn. Es erscheint
schon auf den Siegeln des Abts Albert II. (i;3(;i — i;5.S4)
und noch früher auf den Siegeln der Admonter Richter.
2. Adnioiit.
(Fiiuieukloster.)
Im Jahre 1120 durch Abt Wolfold unter Beihilfe
des Erzbischofs Conrad I. von Salzburg gegründet. Es
genoss im XII. Jahrhundert eines bedeutenden Rufes als
weibliche Erziehungsanstalt, gerieth jedoch allmählig
in Verfall und erfuhr 1563 völlige Autiösuiig.
Siegel der Vorsteherin und des Convcnts haben
sich nur an einem vom 4. December 1327 datirenden
Originale des Stiftsarchivs erhalten, welches einen
durch Vermittelung des B. Gerold von Gurk hinsicht-
lich der täglichen Weinportion zwischen den beiden
Admonter Klöstern verabredeten Vergleich betrift't.
Nr. 5. XIV. Lapidar zwischen einfachen Linien :
t O FIA R(E6)INA MISÄR-ÖRd . MAT . KATHARINA
plumpes Bild der heil. Maria. Spitzoval. 03 und 38 Milli-
meter Durchmesser, rohe Arbeit.
Nr. 5. XIV. Lapidar zwischen vier glatten und zwei
Perlenlinien :
t A6N\'S DGCI <Xy\ TOLLIS P (Fig. 4). Das Oster-
lamm mit der Fahne nach rechts ' gekehrt. Grösse
3U Mm. farbloses Wachs.
3. Brück au der Mur.
(Minoriten, Stiftsheiliger h. Maria.)
Austria sacra VL 132. Muchar VL 139, 248, 27!».
Göth Toi)ogrnphie von Steiermark I. 2, S. 392 flf.
Die Stiftung dieses Klosters fällt in das XIIL Jahr-
hundert, dadie „fratresin Prvka" bereits in dem um 1280
abgefassten Testamente eines gewissen Waltherus dictus
Dens mit einem Legate bedacht werden s.
Nach einer 1597 im Innern der Kirche angebrach-
ten Inschrift wurde das Gotteshaus 1301 vom Grafenlllrich
von Jlontfort ?) an seiner gegenwärtigen Stätte erbaut,
und nach seiner Lage am Zusammcnflnsse der März
lind Mar „s. Maria auf der Insel", und weil es anfänglich
vom Walde umgeben war auch „Maria im Walde"
genannt. Durch Schenkungen, welche diesem Kloster
namentlich letztwillig zugewandt wurden (z. B. 1329
' Rechts inid links im heraldischen Sinne gennmmcn, als" dein Standpunkte
d»'s Beschauers gerade enigegengeaetzl.
= I>er wesentliche Inhalt dieser ungedruckten Urkunde, deren .Abschrift
im steir. L. .V. Nr. 116:2 abschriftlich erli< gt, ist: In Tiomine sancte et inrli-
nidue trinitaiis amen. F.gn Waltherus dictus Dens Nene conipos inentis mee
feci testamenlum meum. quod ah amicis volo firmiter et lideliter nt.seruari.
IVimo leg«) fra'ribus Minoribus in Judenburcli quatunr tnillearios ferri a|>u*l
scnlarein. Item fratribus in Prvka vnum millearium. Item fratribus in (iraetz
duo inillearios. Item fratribus im Marchpurga unum millearium. Item fratri-
'bus in Petouia unum millearium, item fratril>us Prnedicatoribus in Krisaen dun
millearios. Item monacbis in Uuinn duo millearios . . . Hujus te?tamenri
executores siiit Gfeijardus de Judenburch et dominus llermannus de .leheniia
et Scolaris de Pruka.
Fif?. i-
Fi-, ö.
durch die Königin Elisabeth, 1338 durch die Äbtissin
Keitha von Göss, 1356 durch Ulrich von Wallsee)
gelangte esallmälig zu einem gewissen Wohlstande und
es war ihm unter Anderm die ganze sogenannte Gräzer-
gasse unterthan. Zur Zeit der Reformation gerieth es
indessen in Verfall. 1537 Samstag nach Kreuzerhöliung
(September) musste der Convent „zu mergklicher not-
(Uirft vnsers closters, mit vorwissen vnd willen vnsers
prouincials bruder Sigmunden Gärtner vnd vnd annderr
vaeter" eine Besitzung zu Pischk an Sixt Schintlegger
verkaufen. Kurz darauf scheinen die Mönche das
Kloster ganz verlassen zu haben, da die schon erwähnte
Inschrift besagt, die durch 40 Jahre verödete Kirche
sei im Jahre 1578 durch die Grafen von Montfort
wieder hergestellt worden. Der Convent scheint erst
1597 neu eingerichtet worden zu sein, doch war die
Blüthezeit des Klosters damals schon vorbei. 1807 wurde
dasselbe von der Regierung aufgehoben, die Kirche
jedoch auf Bitten der Bürgerschaft belassen. Im Jahre
1841 diente sie als Garnisonskirche.
Die Siegel sowohl des Guardians als des Convents
stammen aus dem XIIL Jahrhundert, wurdeu jedoch bis
in «las XVI. Jahrhundert gebraucht.
6. Lapidarschrift zwischen schwach angedeuteten
Perllinien: t SIGILIA'AV-GARD-I.WI DE PR\KKA.
Der sitzende Weltheiland rechts segnend, in der
Linken ein Buch. Spitzoval. Durchmesser 4(i und .Jd
Millimeter.
7. Lapidar zwischen zwei Perllinien:
t SIGIL.FRVa[.ö:INO-R\".\\. DH .BR\(.GA
(Fig. 5.) Im Siegelfelde die Aufopferung Jesu im
Tempel, im Abschnitte ein kniender Minoriten-Mönch.
Spitzoval. Durchmesser 44 und 26 Millim.
Erhalten haben sich diese Siesrel in rothem Wachs
und unvollständig an einem von „Bruder Johann zu den
zaiten cardian des chlosters dacz den minnern liriiedern
ze Prukke" und dem Convente dem Hauptmanne der
Steiermarkulrich vonWallsee im J. 1356 ausgestellten Ge-
genbriefe (St. LA. Nr. 2626), ferner in vortretflicheni Zn-
slande und grünem Wachse an ein jiaar rrkiinden aus
der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts, u. A. an der
oben citirten von 1537. Die Smidtmerische Snmmlung
besitzt einen stumiifen Abguss nach einem Griginalc
von 1295 (f). 350)
■.w
232
4. Cilli.
(Miuoriten.)
Austria Sacra VI. 303. Caesar Bcsclir. d. H. St.
II. 586.
Das Kkister soll 1241 von den ,, Grafen von Cilli so
liier ihre Begräbnisse haben-' gestiftet worden sein. In
der That aber findet sieh ein urkundliches Zeugniss
erst in einem am 4. Juli 1348 vom Patriarehen Bertrand
von Aqnileja an den B. Ulrich von Gurk erlassenem
Schreiben, in welchem diesem die Einweihung der vom
Grafen Friedrich, im Kloster der Blindem Brüder von
Cilli, zu Ehren aller Heiligen neuerbauten und bewid-
meten Kirche (capclla) übertragen wird (Notizenbl. d.
k. Akad. VIII, 4(j()). Erwägt man, dass Jenes Testament
des Walter Zahn, welches 5 Minoritenconvente in Steier-
mark und die Prediger zu Friesach bedenkt, von den
Cillier-Minoriten keine Erwähnung macht, dass die
Freien von Sanneck 'erst nach dein lAussterben der
Heunburger in den Besitz von Cilli kamen;, und erst
1341 von diesem Orte den Grafentitel erhielten, dass
endlich 1348 die Capelle^jdes Klosters als neugebaut
bezeichnet wird, so liegt wohl der Schluss nahe, dass die
Stiftung nicht 1241, sondern etwa hundert Jahre später,
1341 erfolgt sei.
Das Kloster überdauerte zwar die Josephinische
Periode, wurde jedoch seither (jedenfalls vor 1847) auf-
gchol)en. Conventsiegel aus dem Mittelalter sind nicht
bekannt geworden.
(Fortsetzung- folgt.)
Die Kunst des Mittelalters in Böhmen.
Von Bernhard Grueber.
Fortsctzuni;'
(,MiI :>0 Holzschnitten.)
Dif Malteser- Stift skirchcn /.» Prag u ii d
Strakoii ic.
Der ritterliche Orden der Jtdianniter, welcher nach
dem Untergänge des christlichen Königreichs Jerusalem
erst nach Cypern und Khodus, späterhin aber nach
Malta übersiedelte und alsdann den Namen Malteser-
orden annalim , wurde im Jahre llöii durch Herzog
Madislav H. in Böhmen eingefiilirt und gelangte in
kurzer Zeit zu ausgedehnten Besitzungen. \'ladislav
nberliess der entstehenden Commeii le 1158 eine grosse
auf dem linken Mdldauufer zu Prag gelegene l>austelle,
wo heute noch das Malteserstifr mit einer dazugehöri-
gen Marienkirche bestellt.
Diese Kirche ist die älteste, welche im Prager
l'.urgHecken unterhalb des llradschin (der heutigen
Kleinseite) genannt wird , sie dürlfe bei Gründung der
Fi r. Ti
ll'niff.;
Fi-. 7H.
Commende schon vorhanden gewesen und derselben
überlassen worden sein. Die Malteserkirclie liegt
grösstentlieils in Kninen und ist durch angebaute Häu-
ser so versteckt, dass sie von Fremden gewöhnlich
übersehen , von Einheimischen nur selten besucht wird.
Gegenwärtig bestehen von der einst grossartigeu Kirche
nur das Presbyterium und, von diesem abgelegen, die
Reste von zwei quadratischen Tliünnen mit einer da-
zwischenliegenden unscheinbaren Portike. Eintretend
durch das Portal gelangt man in einen Hl) Euss langen,
42Fuss breiten, mit Bäumen bepflanzten HofVaum, das
ehemalige Kirchenschiff oder Langhaus. \'on den Hussi-
teii am !». Mai 1420 niedergebrannt und im Jahre l.'")l)3
nochmals durch ein zul'älliges Br.indunglück zerstört,
wurde das Schiff nach diesen Unglücksfällen nicht
wieder in den alten Stand \ersetzt, sondern man hat
die Kuinen beseitigt, den Platz abgeebnet uiiil dann als
Friedhof benützt. Rechts nuil links greiten Wohnhäuser
in diesen Hof herein, an den Thürmen gewahrt man die
Wirkungen der furchtbaren Feuersi)riiiHte, auch h.abcn
sich hier einige sorgi'ällig ausgeführte «Gliederungen
und Ornamente erhalten. Aus diesen Resten wird er-
sichtlich, dass das Kirchenschilf ein si)ätercr gegen 1300
ausgcfülirler Zubau war, während das Presbyterium
sich zum Theile noch in den ursprünglichen Linien bewc^gt,
aliergegen 1200 erneuert und umgewandelt worden ist.
Um diese Zeit wurde nändich die ausserhalb des
Burgfleckeus liegende und deshalb mit besontU'rn
\\'ällen und Graben unizogcnc Marienkirche in die
allui'ineine Stadtbefestiginig {■inbe/.ogen und bei dieser
(ielegeniieit scheint die Ei'neUerung stallgerunden zu
ballen. Das noch bcstcdiende l'resiiyterium ist drei-
schiifig und durch allerlei aus dem vorigen .lahrhiindert
herrtihrende zoidige Einschaltungen zu einer selbstän-
digen Kireiu' eingerichtet worden: auf jeder .Seile stehen
drei <iMa(lratisclie Pfeiler, von denen die beiden hinter-
sten eiiK! Orgel-Empore tragen. Es scheint, das dieses
Gebäude in seiner gegtüiwärtigeii Ausdehnung den
ganzen iirs])rllngliclicii Kirchenbestanil repräsentirt. Die
als Chor dienende Partie ist 10 Fiiss dit; rlickwärtigc
23;i
5(iFuss lang, die Gesamtntln-oite betrügt (50 Fuss, das
Mittelsdiiif ist im Lichten von rteiler zu Pfeiler 24 Fuss
weit; Masse, welche genauest mit der.Strahover-Kirche
iibereinstiinnicn.
Die Wölbungen d^-r Seitonscliitle sind noch roma-
nisch, der ursprünglich liMlbriindeChor-.Sclduss iiisst sich
erkennen, ist aber durch Anfügung von Strebepfeilern
in einen polygonalen umgebildet worden. Die Fenster
sind spitzbogig, schmal und ohne Jlasswerke, wie sie
um die Mitte des XIII. Jahrhunderts in Böhmen ge-
bräuchlich waren, ebenso zeigen die Strebepfeiler die
grösstc Einfachheit. Das durch die Feuersbrünste allem
Anscheine nach wenig beschädigte Innere wurde zwar
in schwerfälligem Eococo-St3l mit angeblendeten Pila-
stern und Schnörkeleien überdeckt; doch ist das hin-
terste über der Empore betindliche Gewölbjocii unbe-
rührt geblieben und gehört dem Restaurations-Bau von
1:^50 an. Die Wölbungen werden durch einfache Kund-
stäbe gegliedert und von spitzbogigen Gurten unter-
stützt. Einfache kelchartige Gonsolen und schlanke
Knäufe, in Abbildungen beigeschaltet, dienen als Gurt-
iräger, andere charakteristische alte Theile kommen
nicht vor (Fig. 77 u. 78, Gurtträger über der Orgel-
Empore).
Ungleich reicher tritt der Übergangs-Styl in der
Convents-Kirche Strakonie auf, obwohl auch diese
mancherlei Unbilden erfahren hat. Die Burg Strakonie
(Strakonicc) wurde bereits im ersten Bande bespro-
chen , wo auch des Malteser - Conventes gedacht
wurde , welchen Bavor I., genannt Bavarus, im Jahre
1243 gegründet hat. Die dem heiligen Prokop gewid-
mete Kirche soll um diese Zeit schon vorhanden gewesen
sein, wahrscheinlich als Schloss-Capelle, wie der eigen-
thümliche zwischen Choi' und Sehiti' sieh erhebende
Thurm erkennen lässt. Dieser Tlmrm zeigt theils roma-
nische theils Übergangs-Formen; der aus dem DreiecJv
gezogene Chor-Schluss aber ist spät-gothisch. Das ein-
schitfige Langhaus wurde in Folge eines Brandes im
XVIII. Jain-hundert erneuert, enthält aber noch einzelne
im Übergang-Styl gehaltene Überreste, in welchem Style
auch das wohlerhaltene Atrium durchgeführt ist. An
dieses Atrium, welches hier auch die Stelle des Kreuz-
ganges zu vertreten hatte, stösst an der Westseite noch
ein Capitel-Saal, die S. Georgs-Capelle an , im Innern
verunstaltet, an der Aussenseite noch ziemlich erhalten.
Der Eingang in den Capitel-Saal ist in dem beigefügten
Grundrisse mit a bezeichnet, die südlich an die Kirche
sich anreihenden Couvent-Gebäude mit />.
Wenn die Anlage dieser Kirche auch niclit ganz
einheitlich erscheint, ist zu beachten, dass die Grund-
gestalt doch nicht wesentlich verändert werden
konnte, weil das Gebäude auf einer langgezogenen
schmalen Felsenklippe steht, folglich die Form durch
die Natur bedingt war. In ihrer Gesammterseheinuni;-
gehört die S. Prokops-Kirche zu den eigeuthümlichsten
Denkmalen Böhmens, gleich ausgezeiclmet durch das
Atrium wie den spitzwinkligen Chor Schluss. Der aus dem
Dreieck gezogene Abschluss kommt äusserst selten vor
und findet sieh in klarer Durchbildung nur noch an der
Friedhoi'skirche zu Laun, einem verniuthlieh durch Mei-
ster Benes nach 1500 ausgeführten Bau. Der Chor zu
Strakonie ist etwas älter und nach angebrachten .Jahr-
iäSSiWffP«?
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Fig. 7!'. (.Strako i:c.)
234
Fig-. fS2.
11 %
PI» III
l'iy. ^l. (.Sirakiiiiic.)
Fig. SS.
zahlen um 1490 volleinlet, niüiilicli in
Form wiederliergestellt worden.
Bei weitem als die interessanteste Partie der weit-
läufigen Scliloss- und KirciienViaulifJikeiten erscheint das
Atriinn, eine aitcinistiiciie Annrdnuiig, welche in jener
Zeit, als die Convent-Kircbe erlniut wurde, nicht mehr
üblich war und wahrscheinlich nur von den Ordensrittern
beibehalten wurde. Nach vorliegenden Zeichnungen war
auch die in Ruinen liegende, 180'.t erbaute Jolianniter-
kirclie anriÜmdusnut einem Atrium versehen. üieMasse
sind besclieiden ; das Presbyterium sammt Chor-Schluss
hält bei einer Länge von 50 Fuss die Breite von 21 Fuss
ein, das Schiff ist 30 Fuss breit und 5« Fuss lang. Das
.\triuni niisst in der Längenausdehnuiig ,54, in der Quere
5.1 Fuss, und ist durchaus mit Wandgemälden ausge-
stattet. Die Bilder umziehen in horizontalen Streifen den
ganzen Umgang, wobei bald zwei, bald drei Gemälde
übereinander angebracht sind und die Figuren halbe
Lebensgiiisse einlialten. Die .Malereien gehören gröss-
teiitlieils ilcr Kegierungszeit des Kaisers Karl IV. an
und werden in dem betreffenden Abschnitte ausluhrlicii
besprochen.
Die Strakonicer Kirche wird erklärt durcli :
Fig. 79, Onmdriss der Kirclu' sanimi Atrium,
Fig. 80, Eingang in den Capitel.saal, Fig. Hl, Profil
desselben, Fig. 82, X'6, 84, Capital aus dem Atrium.
Literatur. Das sehr reiche Archiv des M.'dteserstiftes
in Prag. — Toniek, Gescliichte von I'iag. — Schiillcr,
Beschreibung der Stadt Prag. Dessen Topographie von
Böhmen. — P. Millauer, I'.öhmens Denkmale der Tem-
pelherrn — Wocel, Beisebcricht, virötl'cntlicht im .Jahr-
Vilf. Hl. (.Stnikoiiic.)
gang 1859 der Mittheiiiingen der k. k. Central-Commis-
sion d. B. — Schiesiiiger's und Palacky's geschicht-
liche Werke. — Urkunde des Bavarus von Strakonic im
Rathhause zu Strakonic.
Die Stiftskirche S. Peter am Zderaz in Prag.
In enger Verbindung mit dem Johanniterordeii
standen die Brüder vom (^rabe Gottes, deren Orden
ebenfalls aus Jerusalem stanmit. Kojata und ^'sebor
aus dem berühmten Geschlechte der Herrn HiVj^vinmost
(Brüx), welche sich später von Riesenburg nannten, grün-
deten auf der Anhöhe Zderaz, wo schon von Alters her
eine S. Peterskirehe bestand, eine Probstei regulirter
(horherrn oder Kreuzherrn, genannt Beschützer des
heiligen Grabes, und statletendieseibe aufs reichste
aus. Kojata, welcher kinderlos starl), vermachte dem
Kloster im Jahre 1227 die Stadt Brüx mit allem Zube-
hör, dann die Orte Rudig, Kopist, Janniy und noch viele
(üifci-, so dass dieses Siitt in kurzer Zeit zu ansseror-
dentlicliem Reichthum gelangte.
Die nach einem sehr grossartigen Plane angelegte
.'Stiftskirche wurde langsam der Vollendung zugeführt
und erst ]27(i durch den liischof .loliann 111. von Dra-
zic eingeweiht. Der Reiclillnim des Stiftes, die grosse
Anzahl der daselbst befindlichen Ordensmitglieder, \iel-
leiclit auch die isolirte Lage des Klosters verursachten,
dass dasselbe bald nach dem Ausbruche der hiissitischen
liii-ülien von dem aufgcnviegelten l'öbel überfallen, ge-
plündert und niedergehi'annt wurde. Die Kirche, jeden
falls eines der kunstreichsten und erhabensten Bau
denkmale Böhmens, verblieb in ruinenbaftem Zustand
bis 1722, in welchem Jahre die noch vorhandenen Über-
reste abgetragen wurden, um einem ganz neuen, durcli
Kilian Dinzenhofer ausgeführten Kirclieidtan Platz zu
machen.
Wenn auf diese Weise das Bauwerk spurlos ver-
schwunden ist, sind doch einige (freilich sehr mangil
halte) Zeichnungen der Aussenseiten auf uns gekommen,
welche die ehemalige Herrlichkeit wenigstens eriathen
lassen. Eine dieser mich dem sclmn ruinösen Kirchen
bestand gcmaclitcn Abbildungen wird in Schall cr'sBe-
Hchreil ^^ der Stadt i'rag (IV. I'.and, Seile 1 12) mitge-
2Xi
wclclic mit i'iiiij;-('ii jccrechtfertif^ten Vcrbes-
tlicilt
scniiigeii liier bL'i^a^tligt wird.
Dieser iiöclist imgeiiü^endeii, ;il)er Jedeiitalls iiacli
der Natur iiiifgeiioiniiieneu Zeiciiiinnj;' ziitoige stand an
der Nordwestseitc ein gritsscr, abrr iiiciit liolier iscdirter
oder weit vorgebauter (ilockeiitiiurin, au welelien sieh
ein seldaiikes, aus drei Jochen bestellendes Mittelsehitt'
und niedrige Nebensehiffe anleimten. Entlang des Mit-
leisehitles war das Dach niaskirt durch aufstrebende
(üebel , deren jeder einem (lewölbjoche entsuraeli,
/.wischen den (lielieln ragten Strebepl'eilcr in iler Form
achteckiger Thürnieheu empor. Oberhalb der Seitcn-
schitt'e zogen Oratorien hin, vielleicht für Frauen, da
mit dem Stifte auch eine besondere Abtheilung für
Nonnen vom heiligen Orabe verl)undeu gewesen sein
soll. Auch stand dem Zderazer Kloster die Aufsicht über
das Nonnenkloster .Schwatz bei Teplic, welches mit
regulirten ( horfrauen vom heil. (4rabe besetzt war, seit
1278 zu.
Das Presbvteriiim war niedriger als das Haupt-
schitl', an der Linie des Triami)hbogeus scheint ein
doitpeltes Querschirt" oder eiue seltsam geformte Capelle
aus der Masse des Gebäudes vorgetreten zu sein. Ein
Mehreres lässt sich aus dem mangelhaften Materiale
niciit entnehmen.
Fig. 85. Copie einer alten Abbildung der Zderazer
Kirche.
Die C'isterc i ense r- S tiftskirche Poniuk.
Ponmk , gegenwärtig kurzweg Kldster genannt,
wurde unter Herzog v'ladislav II. im Jahre 115o ^-e-
gründet und durch Miinchc aus dem fränkischen Kloster
Ebrach bevölkert. Nach den noch vorhandenen, sehr
bedeutenden liuinen dürfte die Stiftung entweder
vom Herzoge selb.st oder einem Angehörigen seiner
Familie ausgegangen sein. Das Kloster wurde ]42n
ilurch Zizka zerstört und nicht wieder aufgebaut; inner-
halb (lerStittsgebäude hat sich ein Dorf angesiedelt, wo-
l)ei die Kirche als Steinbruch dienen mnsste , weshalb
man beinahe an jedem Hause Reste alter Steinmetz-
arbeiten ündet.
Es stehen noch viele Bruchstücke von Mauern auf-
recht, woraus zu entnehmen, dass die Kirche drei-
schiffig und der Chor aus dem Achteck geschlossen war.
Die .\nlage zeigt manche Ähnlichkeit mit dem Agnes-
Kloster in Prag, auch soll in Pomuk ein Doppelkloster
für .Mcinche und Nonnen bestanden haben. Eine von
den Neben- Capellen hat sieh, jedoch in sehr verzopfter
Gestalt, eriialten und dient gegenwärtig als Dorfkirche.
Das M;ttelschitt' war höher als die NebcnscIiiflFe und die
Arcadeii wurden ilurcli Bündelpfeiler gebildet: wie
\iele Pfeiler jedoch in einer Keilie standen und welche
Länge das Gebäude einhielt, Hesse sich nur durch
Aufdeckung der Grundmauern ermitteln. Auf alle Fälh;
gehörte diese Kirche zu den grössten im Lande und
war ganz im Uebergani;s-.Styl ausgeführt. Die Säuleu -
füsse zeigen kleine Eckblätter, an den Sciiäften der
Wandsäulen gewahrt man die bekannten Ringe, die
Capitäle sind schlank und kelchförmig geschwungen.
Zahllose Trümmer von Gewänden, Gurten, Schluss-
steinen und Capitälen liegen im Dorfe und aut' dem
Friedhofe umher, auch bestehen noch zwei kleine, mit
Spitzbogen überwölbte Eingänge , wahrscheinlich den
Fig. 85. (Prag.)
23<)
Fig. 86. (Pomuk.)
eheiiialij^i-n Kreuzgänfrcn angehörend. Einige dieser
Brnclistlicke finden sich hier aljgebildet:
Fig;. 86, Capital und Ring einer Wandsäule,
Fig. 87, Känipfergesimse, Fig. 88, Rchlnssstcin.
Diese Theilc liefern den vollgültigen Beweis , dass
der Kirchenbau zwisohen ]2;»0 — 1350 ausgefüln-t wurde.
Urkundliche Nachrichten über dieses Stift fehlen bei
nahe gänzlich, so dass es bisher nicht gelungen ist, den
Grliiiiicr mit Sicherheit zu bcstininien. Dobner tlieilt
nicht mehr als das Grlindungsjahr mit, Palacky und
Schlesinger erwähnen das Kloster nur mit einigen
■^ /■^w%zr'
Worten. Eine Beschreibung der Ruinen findet sich in
dem Reisebericht des Conservators Wocel, Mittii. d.
Centr. C'onimission , Jahrgang 1859, Seite 113 — 114.
Eine genaue Untersuchung dürfte noch viel Inter-
essantes zu Tage fordern, Hesse sich aber nur mit grossen
Kosten bewerkstelligen , weil umfassende Grundgra-
bungen vorgenommen werden müssten.
Die De chantei- Kirche Maria- Geburt in Pisek.
Der Sage nach wurde diese Kirche von den Temp-
lern gegründet, doch fehlen über diese Angabe, wie es
bei den meisten der deniToniplerorden zugeschriebenen
Besitzungen und Bauwerken der Fall ist, urkundliche
Nachweise. Allerdings sprechen mehrere Umstände da-
für, dass sowohl die Dechantei-Kirche wie auch die alte
Burg zu Pisek durch diesen Ritterorden angelegt wor-
den seien, weshalb die Sage trotz mancher ausgespro-
chenen Zweifel eine nicht zu läugnende Berechtigung
hat.
Pisek ist ein uralter Ort , welcher vermuthlich
durch Otakar II. mit städtischen Gerechtsamen begabt
und zu einem Krongute erhoben wurde. Als solches
gelangte Pisek in unbekannter Zeit durcli Verpländung
an die Herren von Rosenberg und wurde zwischen 1333
und 1335 von Kaiser Karl, damals noch Markgraf von
Mähreu, wieder eingelöst. Bald nachher finden wir die
Stadt, wenigstens die dortige Burg, wieder im Besitz
der Roseuberge, doch ist nicht bekannt, ob diese Herren
durch ein Übereinkommen mit der Krone oder unter
Fig. 87. (Pi.iuuk.
n Fi^'. 1^^- (Pomuk.)
andern! Titel sich aufs neue festgesetzt haben. Dieser
Umstand ist fUr die Geschichte der Malerei von beson-
derer Wicliligkeit, indem die genannten Dynasten in der
zweiten lliiiric des XIV. .lalirinnidcrts einen innfassen-
den Cyclus von Wandgcniäiilcu in der Pisckcr Burg und
wahrscheinlich aucii in der Kirche ausführen Hessen.
Unter den Pfarrkirchen des südlichen Böhmen nimmt
die Maria-Gcliurl-Kirclie eine hervorragende Stelle ein,
wenn sie auch in Wiundichcr Beziehung zudcn kleineren
Bauwerken geiiört. Die Stadt wurde von vielen Fngllieks-
fällen befrofl'en, von denen keiner die Kir(^he ganz ver-
schont zu haben scheint. Sic trägt die Si)uren wieder-
hojlcr Zerstörungen und ist sowohl im XV. wie XVII.
Jalirliundcrl bedeuteiul unigcäiidert worden. Besonders
unheilvoll für Pisek war der 30. Sepfeniljcr l(;20, als
die Stadt durch den Kurfürsten im Sturm erobert und
— 237
hl Asc'lie gck'gt wurde. Durch diesen IJrand wurden
iiii'lit allein alle Dacliunpen , sondern der nördliche
'riuirni und die Portale, wie auch die Fenster der Nehen-
scliittc gänzlich zerstört, so dass das (»ebäude von aus-
sen keinen cri'reiiliclien Kindruck macht.
Um so mehr wird man überrascht , das Innere
grösstentheils unversehrt und Uberhaui)t eine Anlage zu
finden, wie sie im Lande zum zweitenmal nicht vor-
kommt.
Das Laui^^liaus ist dreischiffig und an der West-
seite mit zwei (iiiadratisclien 'rhürmen ausgestattet, von
denen der stidliche im l'ünfzehnten Jahrhundert umge-
baut worden ist, während vom nördlichen sich nur ein
18 Fuss ludier Unterbau erhalten hat. Fünf viereckige,
4 Fuss starke Pfeiler auf jeder Seite zerlegen das nur
U) Fuss lange und 48 Fuss im Licliten weite Kirchon-
naus dergestalt, dass das Mittelschift' von Pfeiler- Achse zu
Achse 24 Fuss, jedes der Nebenschiffe 12 Fuss weit ist.
Die Pasilica Fiirm wurde eingehalten, das Mittelschilf
hält mit JjG Fuss genau die doppelte Höhe der Seiten-
schitfe ein.
Die Arcaden sind mit Zwischenstellungen ange-
ordnet, doch so, dass die sämmtlichen Pfeiler gleiche
Ciestalt und Stärke einhalten: jeder zweite Pfeiler wirkt
als Ilauptiräger und es entsprechen innner einer Ge-
wölbeiuiube des Mittelschiti'es zwei Gewölbe in den
Nebenschififen. Demgemäss zeigt das Hauptschiff drei,
jedes der Nebenschiflfe sechs quadratische Kreuzge-
wölbe ; eine aus dem romanischen System herüberge-
leitete CoDstructions-Weise, wie aus der beigeschalteten
Zeichnung eines Joches zu entnehmen.
Das Presbyterium tritt in gleicher Weite mit dem
Hauptschiffe vor und wird mit einem aus fünf Seiten des
Achtecks gebildeten Chore allgeschlossen. Die hier an-
gebrachten Fenster sind noch die ursprünglichen, hoch
und schmal , dabei ohne Mittelstäbe oder Masswerk,
die Höhe beträgt 14 Fuss, die lichte Weite 1 Fuss. Am
nördlichen Seitenschiffe besteht noch ein ziemlich wohl
(Plsek.)
Fig. 1)1.)
Fig. SD. (l'i,rk.,
conservirtes Portal, welches durch seine Dcta'lirung
mancherlei Aufschlüsse über die in der Gegend vorkom-
menden gleichzeitigen Bauwerke gibt. Namentlicii sind
die Postamente der angeblendeten Säulen bemcrkens-
werth, welche in dieser Form nur in Klingenberg, Po-
muk und den beiden Piseker Denkmalen, derKirclie und
Burg, vorkommen. Eine Zeichnung ist unter Fig. iU
beigefügt.
Aus den Hauptpfeilern des Mittelschiffes treten
in der Kämpferhöhe Lesenen vor, aus denen sich die
(4ewölberippen entwickeln. Alle Gesimse, Haujitgurten
und ]!i}ipen zeigen eine für den kleinen Eanm etwas
iiberkräftige, aber mit richtigem Sinn angeordnete Pro-
filirung.
Die leider sehr verstümmelte und ruinöse West-
fronte ist mit einem nur in den allgemeinen Linien er-
haltenen spitzbogigen Portal und einem ähnlich geform-
ten darüber stehenden Fenster decorirt. In dem das
Portal umziehenden Eahmengesimse sind mehrere dem
Anschein nach von einem andern Ort hieher versetzte
Relief-Bilder und auch das Stadtwaiijien von Pisek ein-
gefügt, welches letztere aus einem offenen Stadtthore
und einem Halbmond mit gegenüberstehendem Stern
besteht und als Zeichen der Templer gedeutet wird. Die-
selbe Gegenüberstellung von Halbmond und Stern er-
blickt man auch an einein altertliüniliciien, an der Nord-
seite eingemauerten Grabstein. Wir werden diese in
flachem Kelicf gehaltenen Darstellungen in dem Ab-
schnitte über Sculptur eingehend beprechen, eben so
mehrere im Fensterbogen befindlicbe Darstellnngen,
welche trotz vorherrschender Derbheit nicht ohne künst-
lerisches Gefühl behandelt sind.
Die Ausführung dieser Bildwerke steht im engsten
Zusammenhang mit einer zu Klingenberg im Thürsturz
der Ca))elle befindlichen Votiv-Darstellung und es ist mit
Sicherheit anzunehmen, dass dieselben Steinmetzi'ii
hier wie dort und auch zu Pomuk thiitig waren. Das
Bau-Materiale ist granitisches Gestein, feinere Arbeiten
sind theils aus Leptinit, theils aus Prager Mergelstein
hergestellt.Fig. 89, Partie vom Längenschnitt mit Detai-
lirungen in Fig. DU, Fig. Dl Säulenüiss am Nord-Portal.
31
238 —
Fig. 02. (l'riotlial.)
\un ciiieni im Jalire 1280 durch die Henii von
Kcstfan gegTiiiuU'ti'ii Doininicaiier-Kloster haben sich
keine künstleri.'ich benierken.swerthen Koste erhalten,
dafregen bestehen noch einige Überbleibsel der alten
Stadtthore und Mauern, vor allen aber der berühmte
Jiittersaal in der alten Piseker Burg, welche Denkmale
in dem f'aj)itel iil)er I',urgenbauten beschrieben werden.
Auch besitzt Pisek angeblich eine im XIII. Jahrhundert
erbaute .steinerne Pirüeke über die Votava.
Kinsebiffige Pfarrkirche zu Priethal, Sel-
can, Milicin und Markt -Hohen fürt.
Diese vier wohlerhaltenen Kirchen, von denen die
rrstere bei Krumau, die beiden folgenden in der Nähe
v(in Tabor und die letztgenannte in dem Flecken (nun
Markt; llohenfurt liegen, verdanken ihre Entstehung den
Herrn von Kosenbcrg, deren Wappen an allen diesen
Hauten mehrmals angebracht ist. Die Bauzeit fällt offen-
bar um einige Jahre später, als die Gründung des Klo-
sters Holicnfiirt. Damals tx'gann das (Jeschlecht Posen-
berg mächtig in den \drdergrund zu treten und eine
Stellung einzunehmen , welche nur zu liiintig mit den
I.andesfürsten rivalisirle.
l'nter den .Adelsfamilien Böhmens zeichneten sich
die Posenln'rge \<im ersten Auftreten an his zu ihrem
KrÜiscben durch Kunstliebe aus, sie \erdunkelten durch
ihren Glanz nicht selten die Regenten und verstanden
es in hidiem (irade , von ihren Reichthümern wünb-
vollen (iebrauch zu machen. An ihrem glänzenden Hofe
waren Maler, Illuminatoren, ]>ildhauer und IJaumeister
beschäftigt, hicr.wurde die edle Gesangeskunst geptlcgt
und fand überliaupt ein für jene Zeit geistig angeregtes
Leben statt. Der Anlage des schon geschilderten Klosters
Hohenfurt folgte eine ungemessene Bautliätigkeit, welche
sich beinahe über den ganzen Süden Böhmens erstreckte.
Es entstanden die Kirchen zu Krumau, Jlarkt-Hohenfurt,
Ober-Haid, Wittingau, Höritz, Vesely, Sobieslau und
viele andere, dann die prachtvollsten Schlösser, welche
Böhmen besitzt und die in den betreffenden Alischnitten
ausfülirlich erörtert werden.
Die Pfarrkirche S. Laurentius in Priethal (l'fi-
düli) gehört zu jenen seltenen Landkirchen, die ndt
zwei Thürmen neben dem I'resliyterium ausgestattet sind,
wovon Nächod ein Beispiel aufzuweisen hat. Der aus
dem Achteck gezogene Chor-Schluss tritt frei über die
Thürme vor und ist gleich dem Presbyterium ndt schönen
Kreuzgewöllien \ ersehen, das Schirt' aber wird \on einer
Holzdecke iil)ers|)annt. Die beiden 'riiurmhnllen dienen
als Sacristeien, eine kleine vordem nördlichen Eingange
liegende Vorhalle mit Sterngewölbe aber gehört einem
spät-gothiscJHMi Zubau an. Die Masse sind beschränkt,
das Sehiff ist lo Fuss lang und .'iO Fuss breit, das I'res-
liyterium sammt Chor-Schluss hält bei einer (iesammt-
länge von iJö Fuss eine Weite \iin L'O Fuss ein, alle
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— 239 —
;\Iassc im Licht fcenoniiiicn. Den liauptsäciiliclistcn
Scjiinuck des Iniicni bilden die Waiidsiitilen und Gewölb-
rilipcn, welelie in der Art j;efünnt sind, wie wir sie in
Sclaii luid llnni|i(ilee i^cnncn f;clernt lialicn.
Von der Ciior-Seitc her j^eselien, niai-lit das Äussere
mit den zwei massigen sjiit/.hedcekten 'J'iüirmen einen im-
l)osautcn Eindnuk; dazu ist die Kirehe sehr hoeli und frei
i;elef;:en, so dass sie aiieli weithin in der lUinde gesehen
wird. Trietlial i^-ehürte zu den Stitts,i;ütern di'S Khisters
H(dient'urt, unter dessen Patronats-Heeiit die Kireiie heute
iitpch stellt.
Die beiden l'farrkirelien zu Selean und Miliei'n
traj^en durchaus sileiclien Charakter, halten beinahe
fileiclie (Iriissen ein und sind tifl'enbar von einem und
demselben liaumeister ausi;etuhrt worden. Abi;'esehcn
von einip'u dem Cberfi'angs-Styl angehörenden Knospen-
Capitälen, weleiic sich in den untern Partien der Selt-
caner Kirche vortimlen, zeigen die einzelnen Theile,
namentlich die Masswerke der Fenster eine vollständig
entwikelte (iothik von jener einfach kalten liildungs-
weise, wie sie im Donauthale üblich war. Die dem hei-
ligen Martin geweihte Stadtkirelie in Selean hat einen
eigenthündich eingewölbten Chor nnt reclite<d<igeni Al)-
schluss \ (in .■>.'! Fuss Länge und 22 Fuss ^Veite im Licht,
links von demselben liegt eine zierliche Sacristei-Cap-
])elle, überhalb deren ein Oratorium besteht. Das 45
Fuss lange und 27 Fuss breite Schiff hat eine flache
Felderdecke, doch ist die auf Steinpfeilern ruhende Kin-
gangslialle mit Kreuzgewölben versehen. Der einzige
Thurm steht an der nordwestlichen Ecke und zeigt, ob-
wohl nut dem Gebäude gleichzeitig errichtet, keine or-
ganische Verbindung mit demselben. Er steigt senkrecht
bis zur Höhe von S2 Fuss auf, ist mit einem Kranz von
/innen umgeben und mit einem bis sur Spitze gemauer-
ten Helm bedeckt.
Auch in Milicin stcdit der Thurm zur Seite, ist
ebenfalls crcnelirt und mit gemauertem Helm ausge-
stattet. Die Pfarrkirche Jfaria-Geliurt in Milicin ist
nach einem lii-ande um I TöO im Gesclmiack damaliger
Zeit arg misshandclt worden, doch sind 'Jliurm und
Imu-. i)i. f.Sclfan.'i
Fij^. !)0. uSvIcan.j
Aussenseite ziemlich verschont geblieben. l\Iit Au.snalnue
i'ines dreiseitigen Chor-Schlusses gilt hier, was von der
Seleaner Kirche gesagt wurde. Die beiden Landstädt-
clien Selean und i\lilicin gcdiörteii schon im XIII.
Jahrhundert den Herren von Kusenberg und scheinen
je für sieh eigene Herrschaften gebildet zu haben. Mili-
cin liegt 9 Meilen von Prag an der Hauptstrasse nach
Linz im Taborer- Kreise, Selean etwas mehr west-
lich im ehemaligen Herauner Kreis.
Crenelirte, bis zur S])itze gemauerte Kirchtliürme,
welche im nördlichen IJöhmeu zu den grösstcn Selten-
heiten gehören, werden in Süden häufig getroftcn : man
.sieht dergleichen an den Kii-chen zu Prachatie, Barau,
l'etrovic und anderer im Üöhmerwalde liegcmlen Oit-
scliaften.
DieMarktkirehe zu II o lienfurt zeichnet sich durch
ergiebige Päundichkeit uml besonders durch i'inen
schönen mit \\vr ( liebeln bekrönten Glockentliurm aus,
welcher auf dem Gewölbe des Presl)yteriunis ruht und
durch seine (irundpfeiler den Triumphbogen bildet.
Das i>0 Fuss lange und is Fuss breite Chor ist recht-
eckig abgeschlossen, das Schiff hält bei einer li(diten
Weite von .■)2 Fuss, SO Fuss in der Länge, ist flach be-
deckt, untl wild durch rundliogige Fenster erleuclitet.
Die Marktkirche soll schon bestanden haben, als die
Stiftskirehe Hohenfurt gegründet wurde; der Thurm
jedoch und einige andere Merkmale sprechen dafür,
31*
— 240 —
i"ig. 9G. (?-clc;iii.)
(!ass die beiden Kirclien der n:leichen Zeit atiiiclii'n-en.
iiiiiiilieh der zweiten Hallte des XIII. Jalirliiuidcrts,
Sowohl das Äussere wie Innere der Marktk'rclie ist
arg verzopft w'orden.
Fig. 92 , Grundriss der Kirehe zn l'rietlial.
Flg. Do, Grundriss, Fig. 94, Chor- Ansicht der Kirclie
in 8elcan, Fig. 95, Fenster, Fig. 9G , Capital von
Selcan.
ö'/o Fuss tief unter dem allgemeinen Niveau liegt, und
sehr solid gebaut ist; diese vertiefte Lage bewirkte,
dass der Saal von den zusammenstürzenden Trümmern
überdeckt und auf solche Weise geschützt wurde. Es
ist auch nicht die geringste Kleinigkeit , nicht einmal
das in der Mitte stehende kunstreich
Lesepult beschädigt worden.
ausgearbeitete
Fig. 1/8. (Osac-y.j
Wie die Kaiserburg zu Egcr mit ihrer DuppeF-
capelle als einziges in Böhmen befindliches Denkmal
der fränkisch- rheinischen Bauweise besteht, so reprii-
sentirt der Capitel-Saal zu Osseg die sächsische Eich-
Nördliche und westliche Gruppe.
Eine schulmässlge Behandlungsweise oder gewisse
L'bereinstinimnng der Denkmale, wie wir sie in llähren
und Ost-Böhmen kennen geleint haben, lässt sich im
Norden nidit nachweisen ; theils weil im Laufe der
Hussitenstnrnie, die meist von Deutseiien bewohnten
Gegenden mit besonderer Wulh verheert wurden, flieils
weil der dortige Volksstauim kein einiieitlieher ist und
sich hier die versciiiedensten äussern lüntliisse, nauient-
lich sächsische, fränkische und oberptälzi.-che von je
kreuzten. Seihst die Baudenkmale von Leitmeritz , dar-
unter die ]Uö7 durch Herzog Spitilinev
Collegiat- und spätere Domkiiche, wie die.
ejiründete
5^
;rosse
erbaute Stadlkinhe, sind entweder umgebaut, oder ihres
ursprünglichen Charakters vollständig entkleidet worden.
Unter solchen Umständen wird man aufs ange-
nehmste überrascht, einem wolileilialtenen Bainveiki-
ersten Banges zu begegnen : dem lierrliclieii Capitel-
Saal im Cistireieiiserkloster Osseg.
Kloster Osseg.
Vonder(iründungdc8Klo8ters Osseg (Osek) u. ib nt
dortigen Kirehenliau ist liereits im I. Theil, Seite.'!!
gesprochen w(»rden , wo auch der i'nfällc gedacht
wurde, welche dieses Stift sciion in ältester Z( it be-
troffen liabeii. Die fuiclitbarste, heute noch an nian-
clicn Stellen nacliweisbaic Zeistöinn;;' fand ohne Zwei-
fel im Juli \i-Jf) iliiich die iliissiteii statt, als die Kl<r-
sfcigeljäiide und die Kirclie ausgeplündert und danw
uicbt allein in Brand gesteckt, sondern gewaltsam zer-
stört wurden.
Wie solchen wiederholten \(i\Tii8tungen eiii um
fassendes Kniistwerk wit; der (,'apitelsaal t-ntgehen
koiittfe, l;isst si-li nur «bidiireh erklären, dass derselbe
l'ig. !JZ. (0«8e«-.)
tiirg, wie sie sieh in i\Ia4;(lebiirg, Naumburg, Erfiid (im
Domkreuzgang; und l'lorta ausspricht. Da Osseg ein
Tochterstil't des 1128 gegründeten Klosters Waldsassen
ist, miiss sehr Iticdauert werden, dass die Sliftskirclie
Waldsasseri ganz imi Jesiiitenstyl uiiigeb;iut wurde und
sich dort auch nicht dieniinilesten altertliünili(dieii Beste
erhalten haben. Bei der grossen Kinwirkiing, welcln
— 241
dieses Stift auf Röiimen übte , würdcMi erlialtcne Raii-
tiieilc vielfaclie Aiifsciiiiisse über die diesseitigen Cister-
cienserbaiiten g-iwaliieii.
Osseg: war übrigens, wie aus einer im .Stifts-Areliiv
befindlichen Urkunde vom 18. Oetober K)ÜO erhellt, in
Sachsen reich begütert, und übte unter anderm das Pa-
fronatsreeht in Haida. stand also in fortwährendem \'cr-
kehr mit dein Erzstifte J[agdeiiurg und den liisehöfeii
von Geissen , wodurch tlie Anklänge an sächsische
Kunst erklärt werden.
Der Capitel-Saal bildet im (irundrisse ein Eechteck
von 48 Fuss Länge und 32 Fuss IJreife, welcher Itaum
durch zwei Säulen in sechs gleiche quadratische (je-
wölbcfelder eingetheilt wird. An der Ostseite springt
eine aus dem Achteck g;ezogene Capelle vor, westwärts
stösst der Kreuzgang an, von welchem aus ein reich
geschniücktcr Eingang in den Saal führt. Zur rechten und
linken des Einganges befinden sich je ein dreifeldriges
mit gekuppelten .^äulenstellungen versehenes Fenster,
welche gemeinschaftlich mit zw'ei anderen , an der
gegenüberstehenden Wand angebrachten Bogenfenstern
den etwas dunkeln Saal erleuchten. Die Höhe bis in
den Gewölbescheitel beträgt 18 Fuss, die Säulen sammt
Capital und Basis sind 8 Fuss hoch, dabei kräftig und
doch elegant gezeichnet. Die beiden Capitäle, das eine
mit verschlungenen Ranken, das andere mit Weinlaub
geschmückt, gehören zu den schönsten Erzeugnissen
deutscher Steinmetzkunst. Nicht minder bemerkens-
wcrth sind die aus den Wänden vortretenden Gurt-
träger mit ihren Knospen-Capitälen und Laubwerken.
Die etwas schwer protilirten Hippen entwickeln sich
aus schildartigen, auf die Capitäle gestellten Knäufen
und contrastiren einigermassen mit den zarten und
allzuschw.-ich gehaltenen Säulenfüssen. Auch an abcn-
tencrlichen Formen, denen man l)ei i'.etrachtung der
sächsischen Bauwerke nicht selten begeg-net, fehlt es
nicht; so erblickt man unter anderen Capitäle ohne
Deckplatte, Masswerke ohne ineiiuindergreifende Glie-
der und dergleichen, wie die beigeschalteten Illustra-
tiiuien zeigen.
Das aus dem Saale vorgebaute Capellchen gehört
in seiner gegenwärtigen Gestalt eher dem fünfzehnten
als vierzehnten Jahrhundert, mithin einer Neuerung an,
wenn auch die Anlage gleichzeitig mit dem Capitel-Saal
geschah.
Die Bauzeit dieses Saales lässt sich , da von den
erhaltenen Urkunden sich keine auf die Banführung
bezieht, nur annähernd bestimmen, darf aber nicht wohl
über 1230 hinauf, noch weniger über 1245 herabge-
rückt werden. ^\'enn man durch das von der Stifts-
kirche in den Kreuzgang führende romanische Portal,
welches im l. Theil besprochen wurde, tritt, gewahrt
man alle Schattirungen der Übergangs-Periode und
Gothik vom Anfangre des dreizehnten Jahrhunderts bis
zum Schlüsse des fünfzehnten. Der Flügel entlang
des Saales ist der älteste und zeigt vorwiegend Über-
\
^5.
-I— I I I '
.10 tJ F.
@:
Fig. !>i). lOsseg.)
242
iiang'sformoii, der nördliclie entlang' der Kirclie Iiin-
zieliende Flüg:el i^ehiirt der (iotliik des XIV. Jnlirliuii-
derts an, an der West- und Südseite sind die Formen
bunt aneinander gXTeilit, wie es zul'äilige üejiaratiircn
bedingten.
Indem ^vir zur Erklärung der Illustrationen uber-
gelien, sei vor allem ein N'ersehen gut gemacht, welches
sieh in den ersten Theil eingeschlichen hat. Ka ist näm-
lich Seite 31 das oben erwähnte romanische Portal
zwar besprochen, jedoch die Beifügung der Illustration
vergessen worden, welche liier als zum ersten Theile
gehörig beigeschalfet wird.
Fig. !)7, Grundriss des Cajiitel-Saales, Fig. 98,
Aufriss desselben, Fig. 99, die anstossende Partie des
Kreuzganges mit dem P^ingang in den Saal, Fig. lOü
und 101, Säulen-Capitäle im Saale, Fig. 102, Gurt-
träger daselbst, Fig. lOo a) Kreuzgangportal, //) Ca])i-
täle und Säuleidüsse an der Thüre.
Das in der Jlitte des Saales stehende steinerne
Lesepult wird in der Abhandlung über Sculptur be-
schrit'ben und illustrirt.
Literatur: Archiv des Klosters Osseg. — Schein-
])tlug: Die l'rkunden des Klosters Osseg, besjirocbeii
in den Mittheilungen des Vereines iür Geschichte der
Deutsehen in Böhmen, VII. Jahrgang, 1869. — Erben:
Begesten.
Frind, Kirchengescliielite Böhmens.
Dobner, Annalen, \L Band.
Fig. 100. (Osseg.)
Die Franciscaner- Kirch e in Eger.
Im Jahre 1260 entschlossen sich zwei im Egcrland
begüterte Herren, Honigar von Seeberg und Hecht auf
Pdgrath, ein Minoritenkloster zu gründen und begannen
sogleich mit Erbauung der Kirche. Dieses (iebände
s H
Fif,'. 101, (Odseg.)
Fi-, lo:!. />).
243 —
Fig. 105. (Egor.)
wurde zelin Jahre später durch einen ung-elieuren Brand,
welclicr die g:an/.e Stadt in Asche legte, zerstört, aber
von densen)cn Männern auf's neue hergestellt, 'vorauf
die Kirche am 20. Jänner 1285 durch den lüsehot
Heinrich von Eegensburg in Beisein desKaisers Rudolll.
von Habsburg , seines Sciiwiegersohnes des Königs
Wenzel II. von Böhmen , dessen Gemahlin Jutta und
vieler Fürsten und Herrn feierlich eingeweiht wurde.
Eine urkundliche Beschreil)ung dieser Feierlichkeit wird
lieute noch in der Kirche aufl)ewalirt, wie auch der da-
mals von Kaiser Kudolf bewilligte Jahrmarkt noch immer
abgehalten wird.
Wie im Agnesklostcr zu Prag wurde auch hier ein
Frauenstift nach dem Orden der heiligen Clara in (UN-
Art mit dem Minoritenkloster verbunden, dass für die
Nonnen ein besonderes Gebäude errichtet wurde, die-
selben aber von einem vergitterten Oratorium aus an
dem in der Klosterkirche abgehaltenen (iottesdicnste
theilnehnien konnten. Diese Anordnung wollte sich
nicht bewähren, beide Klöster wurden späterhin refor-
mirt, die Nonnen erhielten eine besondere Kirche und
anstatt der früheren Minoriten wurden Franciscaner
\dn der strengen Observanz eingeführt. Bei diesen
kirchlichen Änderungen erfuhr auch die .Stiftskirciie
allerlei rmgeslaltungen: das schöne an der Westseite
gelegene Haupt-Portal wurde vermauert, die westliche
Fig. 106. (Eger.)
und auch die nördliche Partie erneuert und der Eingang
an die Rüdseite verlegt.
Im Innern blieb die Klosterkirche Maria-N'crkün-
digung, von einigen Flickbauereicn abgesehen, ziemlich
unberührt und zeigt eine Hallenanlage von zwar ein-
facher aber sehr harmonischer Durchbildung. Die
Gesammtlänge im Licht beträgt 150 Fuss. wobei Schiff
und Presbyteriuu) gleiche Länge (Tö) einhalten, wenn
die 'rriumphljogenniauer dem Schiffe beigerechnet wird.
Zwei Keilien von je drei schlanken kreuzförmigen Pfei-
lern theilen das Langhaus ein , dessen Gesanmitweite
T);") Fuss einhält. Diese Weite vertlieilt sicli so, dass auf
das Mittelschiff 20, auf jeden Pfeiler 4 . auf das nörd-
liciie Seitenschitf 14, und auf das südliche 17 Fuss ent-
fallen. Die bedeutende Ungleichheit der .Sehiife dürfte
w(dd durch den Brand von 1270 veranlasst worden
sein, indem man auf der einen Seite noch das alte Grund-
gemäuer beibehielt, auf der andern aber eine Erwei-
terung anstrebte. Die Pfeiler sind gegenwärtig mit ein-
fachen Gesimsen bekrönt, welche zwar nicht ursprüng-
lich scheinen , aber mit den aus der Unifassungs-
wand vortretenden Gurtträgern correspondiren Diese
Träger zeigen noch die im XIII. Jahrhundert beli(^bien
Knospen-Ornamente, während die Gapitäle der Wand-
säulen des Presbyteriunis mit Laubwerken decorirt
sind.
Fig. 104. (Egcr.,
244
Fig. 107. (E-er.)
An die Südseite des Presbyterixmis lehnt sich ein
(|nadratischer bis zur Sjjitze gemiiuertei- Thiirni jin, wel-
clier in der Hülie des Hauptgesinise.s in das Achteck
umsetzt und jene schlichte Giiedeining- einhält, welche
nlle Tluirnibauteu dieses Ordens charakterisirt. Neben
dem Tiiurnie breitet sich entlang des rechtsseitigen Ne-
bensciiittVs ein Ivleiner mit den zierliclisten Masswerken
geschmückter Kreuzgang aus, von hier fülirt gegenwärtig
der einzige Eingang in die Kirche. Der Kreuzgang ge-
hört einer etwas spätem Bauzeit an und ^■erräth den
Beginn der Luxenburg'sclien Periode, wie die angefüg-
ten zwei Fensterbildungen bestätigen.
Die Stiftskirche besitzt neben mehreren im Ge-
■iclimacke MaraJti's ausgefüln-ten Altarbildern ein italie-
nisches Scul]iturwerk, weiches im Jahre K>S] hieher
geschenkt worden sein soll. Es ist ein vier Fuss hohes,
bemaltes und vergoldetes Madonnabild von etwas der-
l)cn Formen , welches jetzt in der Sacristei aufbewahrt
wird und jedenfalls bedeutenile Modcniisirungen erfali-
i'cn hat, wenn die Aitersangal)e begründet sein sollte.
Literatur sehr umfa.ssend. lieichhaltiges Stifts-Ar-
chiv.^ — riironik des Egerer Franciscancr-Mönchs Fried-
rich Sergius. — Chroniken von Schlecht. — Salomon
Gruber und Karl Huss. — Raths-Archiv der Stadt Eger,
Bruscliii chronologia Monasteriorum Germaniae. —
V. Pröckl, Eger und Egerland.
Abbildungen: Fig. 104, Grundriss der Stifts-
kirche, Fig. lof), Gurtträger im Schiffe, Fig. lOG,
f'ajjitäl im Presbyterium, Fig. 107 — 108, Masswerke
aus dem Kreuzgang.
Die D e c a n a t - K i r c h e i n S a a z.
Obgleich Saaz (Saatz, Zatec, Zatecium) zu den
ältesten. Städten Böhmens zäiilt und schon im eilften
oder Anfang des zwölften Jahrhunderts der Sitz eines
Erz-DiaC(jnates war, sind doch die Berichte über den
Ursprung der Stadt ungemein dürftig, und es fehlt
insbesondere an Nachweisen über den Bau und die
häufigen Umgestaltungen der Dechanteikirche. Saaz
spielt in der Sagenwelt Böhmens nicht allein e!ne her-
vorragende, sondern neben Prag die llau|itrolle. Auf
dem steilen Bergrücken, welcher die gegenwärtige Stadt
trägt, soll schon in der Urzeit ein Ort gestanden liaben.
Auch die ersten Ansiedelungen der Slaven werden in
diese gesegneten Fluren verlegt, welche in der Folge
durch ihren Hoi)fenbau welthistorische l?edeutung ge-
wonnen liahen. Saaz war zugleich eines von den Theil-
fürstentiiümern.
Nach übereinstimmenden Berichten von Dobner, Bai-
bin, Ihuiimerschmied und Schaller wurde die Dechantei-
kirche unter dem 'l'itcl Maria-Uimnieltalut am 21. August
1200 gegründet, um welche Zeit waln-sclieinlicli Öta-
kar 1. die städtischen Gerechtsame dem alten Burg-
Hecken verliehen hat. Dass Saaz in jener Zeit schon ein
bedeutender Ort war, erhellt aus dem Umstände, dass
Vladislav II. den Saazern im Jahre llöH ein Wappen
verliehen liat. Über dicDechanteikirelie linden wir keine
fernere Nachriclit, als dass sie 1271 unter die Verwaltung
des Prämonstratenserklostcrs Stralui\ in Prag gestellt
wurde.
Bei Betrachtuni;- di
:'steiiendeu Kindiengebäudes
stellt sich zur Evidenz heraus, dass von dem 120() an-
gelegten Bau auch nicht die mindeste Spur vorhanden
sei, sondern dass die ältesten Partien, Presbyteriuni
und f'hor-Sclilnss, gegen Ende des XIII. Jaiirliunderts
hergestellt wurden. Die l''>rbauung darf mitliin den Prä-
Q ; o; ; D,
\ /|\ /i\ /i\ /'ii''> /\'' /i\/j\/
\ ; / \i/ \i / \i :/ \i/ \i/ \i/ \
Fig. 108. (E-i-r.j
lon w.r,
ri(j. luO. (Siiaz.)
— 24Ö —
monsfvatonsern zugcscliriebini werden uiiil liillt in line
l'oriddc, als Saaz läufj-st zur Stadt erhoben war. '
Für diese Annalnne s|)riclif auch das l'rcsliytcriiiin,
dessen aiisj;iebi,i;e Üäinidicliktit klöstcrliciicn iliiifiiiss
verräth, ferner die für eine Stadtkirche seltene Amird-
nung , dass kein Thunn vcirlianden war.
Die Maria-lIinnnelt'alnt-Kirche ist ein dreischiffiger
Hallenltau, dessen Langhaus nahezu (|uadratische (irund-
iVirni zeigt und durch drei runde Säulen auf jeder St-ite
eingetheilt wird. Es ist unendlich viel in und an diese
Kirche hingeflickt worden, man sieht gofhisclie Einschal-
tungen aus dem XIV., XY. und XVI. Jahrhundert, zoptige
Anhauten im denkbar schlechtesten Geschmack, darüiier
hin breitet sieh eine neue gothisch sein sollende llestau-
ration aus und das Ganze ist übertüncht mit einem
streifenweise aschgrau-pomeranzenfarbigen Anstrich
von unnennbarer Wirkung.
Ob die Säulen des Schiffes ursprünglieh rund
waren, darf bezweifelt werden, sie sind wiederholt
überarbeitet und erst in neuerer Zeit oben mit einem
Ring umzogen worden, aus welchem die Rijjpen in ganz
uuconstructiver Weise hervortreten. Walnscheinlich
bestanden Bündelpfeiler, welche gelegenhcitlich einer
Reparatur in Säulen umgewandelt wurden.
Das Langhaus hält 66 Fuss in der Länge und 62 Fuss
in der Hreite, wobei Hau])tschift' und Presbyterium im
lichten Hasse 28 Fuss weit sind. Die Dicke der Säulen
Ix'tiiigt 4',, Fuss, die Höhe o2 Fuss, und das Presby
lerium mit Inbegrift' des aus dem Achteck gezeichneten
Chor-Schlusses zeigt eine der Schiffweite ziemlich ent-
sprechende Länge von 60 Fuss. Im Zusammenhalte
dieser Masse lässt .sich eine grosse Übereinstimnumg
nicht verkennen und es liegt zu Tage, dass die kleinen
Abweichungen, deren nicht wenige vorkonnnen, nur den
Reparaturen zuzuschreiben sind, dass aber ein regel-
mässiger Plan zu Grunde gelegen habe. Nordwärts neben
dem Presbyterium lehnt sich eine zierliche Sacristei,
' Clicr ilcn Zeitpunkt, als Saaz si. h zuiSt.idt rutwii-kt-lte, .--icd die Ansicliten
^fllieilt. Waiirbchcinlicti ging die T'mwandluiig na» h und nach vnr sich, wie die-
=.■ s auch in Prag der Fali war. Iriter Wenzel I. 1 1230— lä.i.S) wird Saaz als Stadt
;inf;:ez:ililt Das l ikundei.liu. h v. n s.a/- gibt hieiiiUir keinen Aufschluss.
••^SM^^^^aft-"^ UMi m ^afim^ms^
Vh
in.
I .Saaz.
ein Werk des XIV. .lahrliunderts an. von allen Zubauten.
die einzige bemcrkeuswerlhe. Zwei an der Westseite
angefügte Thürme, eine ungleichseitigachteckige Johann-
Xepomuk-Capelle an der Südseite und ein zweiter
nebenstehender Anbau verdecken den alterthündiehcn
Kern von drei Seiten, und nur von Osten her bietet sich
eine freie Übersicht des Chores.
Der Chor ist sowohl im Innern wie Äussern sehr
glücklich durchgebildet und zeigt in den Masswerken
eine zwar vollständig entwickelte, aber von Übertrei-
bungen freie Gothik, während die Ornamente der Knäufe
und Gurtträger noch einige Keminiscenzen der Übergangs-
Periode an sich tragen. So entspringen die Gewölbe-
rippen noch aus vorgestellten Schilden, die Untertheile
der Knäufe treten in Form von Hörnern aus der Waml
vor und die Rippen sind einfach kräftig protilirt. Die
Ausführung sowohl der im Schitie wie im Presbyterium
vorkommenden Bauwerke ist eben so gediegen als ge-
schmackvoll,, dagegen verrathen die am Äussern vortind-
lichen Giebelblumen eine viel spätere Zeit und dürften
der nach-hussitischen Periode angehören.
Das Innere macht trotz der vielen Reparaturen und
der neuerdings glänzend überlackirten Säulen einen
würdevollen und sogar grossartigen Eindruck, was zu-
nächst den Verhältnissen des Chores zu danken ist.
Unter den im Norden Böhmens bestehenden, dem XIII.
Jahrhundert entstammenden Stadtkirchen srehört die
■V8\l¥TiirW
XVllI.
Fig. HO. f. Saaz.)
Fi.-. 112. (Saaz.)
32
246
besclir ciicue zu den besterhaltenen, weshalb sie etwas
ausfiilirlicli besprochen wurde.
IllustrationeTi : Fig. 109 Gruudriss der Decanal-
Kircbe, Fig. 110 Chorfenster, Fig. 111 Wandpleiler-
Capitäl im Chor, Fig. 112 Gurtträger im Schift'.
Literatur. Urkundenbuch der Stadt Saaz. Beschrei-
bung desselben von Dr. Schlesinger, 1872, Jüttheilungen
lies deutschen Gescliichtvereius, XI. Jahrgang. — Darin
eine Urkunde von Otakar, ddato 30. Decembcr 1266,
worin Saaz die civitas Zacensis genannt wird — fernere
Irkunde vom Strahover Abt, ddato: 27. März 1272
über Zinsungeu — und Bestätigung des Otakar'schen
Privilegs durch König Johann vom 24. November lol7.
— Über die Giiindung und älteste Zeit von Saaz spriclit
sehr austüliriieh Ilajek von Liljocan in seiner Chronik,
worin es bekanntlich an Fabeln und iM'tindungeu nicht
fehlt. Vieles die Decanal-Kirche Betreffende findet sich
im Archiv des Klosters Strahov in Prag. Abt Gottfried
i'on Strahov erwarb 1271 durch Unterstützung des
Königs Otakar TL die Administration der .Seelsorge in
.Saaz. Unter diesem Abte und seinem Nachfolger Budis
(j 1297), welcher selbst Künstler war und grosse
Thätigkeit entwickelte, wurde aller 'Wahrscheinlichkeit
nach die Saa/er Kirche erbaut. (Frind, Kirciiengescliichte
Bölnnens, IL Theil, Seite 194.)
S 1 adt[)farrkiichen zu Bilin, Briix, Laun,
Leitmeritz, Melnik, Kakonic und Sdilan.
Diese Kirchen haben deutliche Kennzeichen aufzu-
weisen, dass sie unter den Pi-emysliden erbaut wurden,
doch sind sie ohne Ausnahme wiederholt durch Feuer
zerstört und so vielfach umgeändert worden, dass nur
einzelne Reste der ursprünglichen Aulagen übrig ge-
blieben sind. In Melnik bestehen noch Theile des alten
Sciiitfes, in BrUx und Laun jedieursprünglichenTliürme,
in Makonic und Sclilan die Unterbauten der Thürme
mit den angränzendcn Partien. Im (ianzen Ijetraclitet
gehören jedoch diese Bauwerke dem spät-gothischen
Style au, wesshalb sie auch dort eingereiht und im
vierten Tiieilc behandelt werdi'ii.
Überwiegend das höchste Alter unter den obigen
Kirchen spricht die St. Peter- und Paul-Kirche in Bilin
an, welche im Jahre 1061 durch den Bischof Severus
von Prag (zweifelsohne als längst verschwundener
Holzbau) eingeweiht wurde. Das jetzt bestehende Ge-
bäude bewegt sich auf einem dem XIII. Jahrhundert
entstammenden Grundgemäuer, wurde aber nach der
durch i^izka in Jahre 1421 bewirkten Zcrstcirung gegen
den Schluss des Jahrhunderts in sehr flauer Gotliik neu
aufgebaut. Schlimmer erging es der 12o5 angelegten
Stadtkirche Aller-Hciligen in Leitmeritz, welche zwar
die allgemeinen Grundformen gewahrt hat, aber so ab-
geschabt und überkiekst worden ist, dass man unmög-
lich ein frostloseres Bild erl)lieken kann. Diese Kirche
besitzt das schönste zinnerne Taufbecken, welches
Böhmen aufzuweisen hat. Leider wurde dieses Meister-
stück des Zinngusses vor zwei Jahren mit dicker gelb-
brauner Ölfarbe überschmiert und bis zur Unformlichkeit
entstellt.
Von den städtischen Pfarrkirchen imndnl-östlichen
Böhmen zeigt keine alterthündielies Gepräge; die llei-
lig-Geistkirche in Königgrätz, sicherlicli eine der älte-
sten Stiftungen im ganzen Lande, wurde in ihrer gegen-
wärtigen Gestalt von Elisabeth, der Witwe des Königs
Wenzel IL, im Jahre 1302 gegründet und unter Jojiann
von Luxemburg vollendet. In Jung-Bunzlau, Jaromef
und Arnau scheinen alte Substructionen vorhanden zu
sein; von den übrigen Stadtkirchen dürfte nur die schon
besprochene Kirche zu Nächod in das XIII. Jalirhundert
hinaufreichen.
Die D echant ei ki rclic n zu Hohenmaiitli und
A u s s i g.
Wenn bei den oben aufgezählten Bauwerken der
ursprüngliche Charakter grösstentheils vernichtet worden
ist, lial)en zwei an den entgegengesetzten Landesgrän-
zen liegende Stadlkirehen trotz \ ielerlei ^lissgcschicken
ihre alte Form so zienilicli gewahrt: nändich die zu
Aussig uiul zu Ilohennmuth (Vysokö MytoV l>iese
lieiden Denkmale kinmen neben der Saazer- Kirche
i^u4=
>//"
11:3. 'lllllilllllKllltll
— 247 —
als cis'eiitliclR' ^^»^bildeI• und Rci)räsentanteu des
städtiscliL'ji Kirclionbaues aiifi;cstellt worden, wie sieli
derselbe in der 2. Hälfte des XIII. Jalirhiimlerls aus-
bildete.
Hohenmauth und Aussig: sind j^leiehzeitii;- dnreb
den grn.ssen Otakar iu die Reihe der Städte versetzt
worden, ilie Kirchen dieser beiden Städte wurden viei-
leieht von demselben Baumeister ani;elef;t, da sie neben
beinahe gleichen Grössenverhältnissenauch eine gleiche
Forniengebung einhalten und sich nur dadurch unter-
scheiden, dass bei der Aussiger-Kirclie ein einziger
Thurm in der Mitte der Westl'ronte steht . während in
Hohenmauth dieselbe Seite durcii zwei Thürme tiankirt
wird. Seltsamerweise stinnuen diese beiden Denkmale
auch darin überein, dass hier wie dort das Langhaus im
Laufe des XV. Jahrhunderts durch Feuer zerstört worden
ist, während die Thürme und Chorpartien unversehrt
geblieben sind. Beide Kirchenschitte wurden schliesslich
im gleichen Geschmacke zwischen l-i8ü und 152U durch
Meister Benes von Lauu wieder in Stand gesetzt.
Die dem heiligen Laurenzius gewidmete Decanal-
Kirche in Hohenmauth ist ohne Zweifel um 12()0
gleichzeitig mit der Stadt gegründet worden, welche An-
gabe durch den bestehenden alten Theil gerechtfertigt
wird. Das Laughaus wird durch ein gleichseitiges Viereck
beschrieben, eine Anordnung, die wir schon in Eger
und Saaz getroffen haben , die auch in Aussig wieder-
kehrt und überhaupt bei Stadtkirclien mit Vorliebe ein-
gehalten wurde. Die beiden an der Westseite sich
anreihenden Thürme sind zwar ursprünglich, haben
aber im Laufe der Zeiten so sehr gelitten, dass sie mit
Stützmauern umgeben werden mussten.
Das Langhaus hält trotz vollständiger Erneuerung
die alten Unifassungs-Linien ein, misst in der Längen-
richtuiig 7] und in der i^rcite 72 Fuss ('eine zufällige
Aliweichungj und wird durch vier Pfeiler, zwei auf
jeder Seite, in drei Schiffe zerlegt. Das Presbyterium
springt mit drei Gewölbsabtheilungcn und einem aus
dem Achteck constrnirten Clior-Schlusse in gleicher Län<rc
mit dem Sidiitfe vor und wiid an der Südseite durch eine
schmale Sacristei-('ai)ellc eingesäumt, ein malerischer
Anbau, welcher schon vor dem grossen Brande von 1461
an die Kirche gefügt wurde. Das Feuer entstand zu-
fällig und scheint die Kirchenschiflle so vollständig zer-
stört zu haben, dass die Üeste griisstenthcils abgetragen
werden mussten, während der Chor im Innern wie an
der Aussenseite unversehrt blieb. Der Baumeister,
welcher die Wiederinstandsetzung leitete, hielt sich nur
in Bezug auf allgemeine Dimensionen an die Ursprüng-
liche Eintheilung und die durch den Chor vorgezeichne-
ten Höhenmasse, befolgte aber sonst die decorati\e
Fomigebung der spät-gothischen Periode.
Von der Ostseite her gesehen, präsentirt sich die
Chorpartie als einheitlicher, in allen Theilen überein-
stimmender. Bau von schlichten edlen Formen und vor-
waltend ernstem Ausdruck. Die verschiedenen Neue-
rungen sind beinahe ganz verdeckt und der mit schlan-
ken Fenstern ausgestattete , von den q ladratischen
Tliürmen überragte Bau macht den Eindruck einer
romauischeu Benedictiner-Kirche. Sehr bemerkenswerth
ist der Umstand, dass an der Südseite von den Strebe-
pfeilern aus Stützbogen über das Dach des Seiten-
schiffes zur Wand des Mittelschiffes hinübergesprengt
sind, eine an böhmischen Plarrkirclien nicht gcbräuchliclie
Fig. 111. (Ilolionni.iiitii.) ■
32.
248 —
Anordnung. An der Nordseite sind diese Strebebogen
abliandeu gekommen.
Dieselbe Einfachheit, welche den Aussenban cha-
rakterisirt, umfängt uns audi im Innern des Chores,
nur sind hier die Wandpfeiler mit Figurenblenden, Bal-
dachinen nnd Untersätzen versehen. Die Figuren,
welche den Hauptschmuck bilden sollten, fehlen und es
ist die Frage, ob sie je aufgestellt wurden.
Die Nebenschifte sind niedriger als das Hauptschiff
und unter sich sowohl in Bezug auf Höhe wie Aus-
stattung verschieden. Das südliche Nebensciiiff zeigt
einfache Kreuzgewölbe und ist von Neuerungen ziem-
lich verschont geblieben; das nördliche hingegen wurde
bei der Restauration Ijedeutend überhöht, mit neuen
Netzgewölben und Fenstern versehen und mit einer
zierlichen Vorhalle in Verbindung gebracht. Meister
Bene.s hat auch au den Pfeilern des Hauptschiffes
Figurenblenden a'ngebracht, die Pfeiler jedoch in einer
ganz neuarigen Weise durchgebildet, so das zwischen
dem Mittelschiff und Chor, wie der Längendurchschnitt
zeigt, keine Harmonie besteht. Wenn auch die Arcaden-
Stellung sehr schön genannt werden darf, hat doch
Benes seinem Werke ausserordentliidi geschadet, dass
er den Lichtgaden nicht im selben Jlasse erhöhte, wie
er es mit der untern Partie gethan. Hiedurch wurden
die obern Fenster in störender Weise gedrückt und das
Gesims unterhalb deiselben steht ganz und gar an un-
rechter Stelle.
Da die Lebensgeschichte und die Werke des
Benes von Laun im vierten Bande eingehend erörtert
werden, haben wir an dieser Stelle nurl)eizufügen, da<s
der .Meister dieselbe Pfeilerstellung auch in der Jlaricn-
kirclie zu Kuttenberg angeordnet hat.
Illustrationen: Fig. IKl, Gruudriss der Dechantci-
kirehe Hohenmauth, Fig. 114, Querdurchschnitt,
Fig. 115, Choransicht.
h-'-^
VV'. 1 I.'). (Ilillirlllilil I
249 —
Aussifj, Austia, ÜstinadLahein, ein sein- alter Ort.
erhielt dureh Otakar II. städtit^elie l'rivilei;ieii und
seiieint. l)e?;linstiii-t durch die herrlichste Lai;c an dei-
Eibe, in kurzer Zeit eine hohe Bliithe erreicht /.u lialien.
Nach der .Schlacht bei Aussig (lö. Junil42(ij wurde die
Stadt von den Ilussiten niedergebrannt und soll drei
.lahre hindurch wüst gestanilen haben. Wie in Ibdien-
niauth widerstanden das Presliyteriuni einerseits nnd
der grosse westliehe Thurm anderseits der Gewalt des
Feuers, das Langhaus aber wurde hier bis in den Grund
/.erstört, so dass unbestimmt bleibt, ob sich die gegen-
wärtigen Uniiassungswäiide in den ehemaligen Linien
bewegen.
In bau-techuischer Hinsicht fällt als sehr beach-
tenswerth . auf, dass an den Denkmalen romanischen
Styles meistens die Chorpartie erneuert wurde und
das Schill' den alten Bestand gewaln-t hat, während
bei gothisclien Kirejien , falls Unglücksfälle vor-
kamen, der Chor unverletzt blieb und das Schiff" zu
Grunde ging. Die Ursache dieses Vorkommnisses ist
leicht zu erkennen. Die Absiden und Presbyterien wnir-
■den nach dem Beispiel altchristlicher Kirchen schon in
frühester Zeit mit Gewölben bedeckt, als man mit der
Technik desWölbens noch nicht genügend vertraut war:
daher der Einsturz so vieler romanischer Chorpartien.
Li der gothisclien Periode, als man gelernt hatte, den
Seitenschul) der Wölbungen nuf StreV)epfeiler zu über-
führen, erhielt der Chorschluss im Vergleich zu den
Schitfen grössere Festigkeit, hat daher ein allenfallsiges
Unglück besser überdauert,
Die Maria-Himmelfahrt-Kirche zu Aussig ist ein
Hallenbau mit drei gleich hohen und gleich weiten Schif-
fen, dessen Langhaus durch ein gleichseitiges Quadrat
von 60 Fuss Durchmesser gebildet wird. Weder die Ein-
theilung des Schiffes, noch die Umfassungsmauern und
Strebepfeiler gehören dem ursprünglichen Hau an, doch
ist wahrscheinlich, dass die quadratische Grundform alt
und bei dem Wiederaufbau eingehalten worden sei. Das
ganze Langhaus von den Strebepfeilern und Säulen bis
zu den kunstreichen Wölbungen ist documentirt als Werk
des Bene.s von Laun. welcher diesen Bau ziemlich
gleichzeitig mit der Launer-Kirche ausgeführt zu haben
scheint.
Zwei Eeihen von je drei Säulen zerlegen das Schiff
in neun gleiche sternförmige Gewölbehauben, deren
Kippen sich kreuzen und abgekappt sind. Die Säulen
steigen zu einer Höhe von 44 Fuss bei einem Durch-
I'i;;'. 117. 'Aiissijj-. I
messer von 2 Fuss 11 Zoll an, sind achteckig und canc-
lirt. Mehrere Inschriften und auch ein rückwärts im
Schiffe angebrachtes Brustbild des Königs Wladislaus
des Jagelionen mit dem Spruchband: „te deum lauda-
mus-' bestätigen, dass der Hau erst nach löO») vollendet
wurde. Auch der alte Thurm wurde damals überarbeitet,
der Chor aber hlieb unberührt.
Dieser fällt schon beim Eintritt in die Kirche durch
seine viel grössere Räumlichkeit auf. Während die Schifte
von Achse zu Achse der Säulen nur 22 Fuss einhalten,
zeigt das Presbyteriura die lichte Breite von 30 Fuss
und hielt sammt dem aus fünf Seiten des Achteckes be-
schriebenen Chor-Schluss eine Länge von 66 Fuss ein.
Es ist also hier derselbe Plan befolgt worden . welchen
wir in Saaz und H(dienniauth kennen gelernt haben. In
den Ecken des Chor-Schlusses und zwischen den drei-
feldrigen Wänden ziehen lü Zoll starke Rundstäbe mit
einfachen Kelch-Capitäleu zum Gewölb hinauf und ent-
wickeln kräftige mit tiefen Hohlkehlen prolilirte Rippen,
i-"i,-. m;. fAiissi!,^)
230 —
die drei niittlereu Seiteu des Clior-Polygous sind iiiii
Fiilhiiigen umzogen, die einst zu Sitzen für die (ieist-
lichkeit gedient liaben mögen.
Die Decluuiteikircbe zu Aussigwurde vonOtakar II.
in nielit genau zu bestinmiender Zeit dem deutsclien
Kittel orden eingeräumt, durch welciien aucli der Bau
hergestellt oder wenigstens geleitet worden ist. Der
Orden hatte die Stadtpfarrei Aussig bis zu der Zerstö-
rung vom Juni 1426 iune, si)äterlnn ging das Patronat
au den Magistrat über. Die Kirche wurcie in der Folge
noch von mehreren Unglücksfällen (unter ändern durcii
einen Daehl)rand i. J. 1871) betroffen und hat in neue-
ster Zeit allerlei unpassende Kestaurationen erfahren.
Illustrationen: Fig. ll(i Grundriss der Kirche; Fig.
117 Querdurchschnitt des Schiffes.
Denkstein SignimicVs von Wildensteiu im Schlosse Wildbacli in Steiernnirk.
Von L. Beckh-Widmanstetter.
Eine kleine Oehstunde von Deutsch -Landsberg,
dem nun nach Eröffnung der Lieboch-Wieserbahn zum
:\Iekka der Touristen gewordenen Mittelpunkte des
(iartens der Steiermark, hart an der Gränze der Bezirke
Deutsch-Landsberg und Stainz, lallt beim Eingange in
d:.s Quellengebiet der hohen Lassnitz Schloss Wildbacli
in das Auge, welches seinen Kamen von der wenige
Schritte davon fliesseuden bei den Landbewohnern auch
\Vildl)ach benannten hohen Lassnitz empfing, die von
da ab in geregeltem Bette ruhig der Siilm zufliesst,
während sie in den eben verlassenen Schluchten schäu-
mend und tosend das Gestein ihres Bettes umspült und
liei Hochwasser leider nicht selten ihren Beinamen zur
Celtung bringt.
Das baiilii 1: winig interessante und durch spätere
Zuthatcn unrcgelmässige Schloss wurde, wie uns der an
der südöstliciien Seite in der Höhe eines Stockwerkes
eingemauerte Denkstein belehrt, vom Sigmund von
Wildenstein 1040 erbaut.
Diese (iedäciitnisstafel besteht aus zwei trennbaren
Theilen, von welchen der obere nur inschriftliche (IV
breit 1' hoch) aus gelblichtem Sandstein, der unteren
schön gearbeiteten Wappentafel aus lolhgrauem Marmor
(.0' breit, 2'/./ liochj lediglich aufgesetzt ist. Die Inschrift
in römischer Capitale lautet: „üitz . wapen . ist . des .
Sigmvnts . von . t Wilden.stein . der . dvssen . hoff . zv
iVildpach . vim . grvu . wassen j erjjavt . hat . als .
man . hat . zeit .1 . b . \ vnd . im . 4U. iar.-' Die Wap-
penlafel enthält in drei (lurch zierliche Säulchen gebil-
deten Abtla-ilungen in der etwas breiter gehaltenen
Mitte das Wappen des Erbauers, zu beiden Seiten jene
seiner ersten zwei Frauen, alle mit den Erklärungen
der Personen -Zugeiiörigkeit darunter I ; die Jahrzahl
(lö 40) bciuMincn nochmals zwei liiier den mittleren
Säulen geheftete Tafeln, die Ariieit ist eine sorgfältige.
Al)geseiien davon, dass dieser Denkstein die Zeit
der Erbauung des Schlosses beurkundet, dabei zugleich
die von früheren Schriftstellern'' geäusserten Annahmen
höheren .\lters des Sitzes zu Wildbach entkräftet, ist er in
lamiliengescliiclitliciiei- llinsiclit \(>n nichrfachem Wertlie.
Schloss Wildbach war der erste IJesitz, welchen die
später so cinUnssreiehen WiUlensteine in der Steiermark
I .Mltii-Ifülil ; i:iii SchUil mit gcbAgincm b'Kcii link» govcnrtoti'n
lircifenfii»» niil »Ich (Inrnn »chlicMii'niicn Kluge (gnÄOn llnki gi'Wcnclel) , nin (.u-
krniilm Hilni wlrilorholl «Ich illo Wappoiiligiir, da» SpiiicIcliancI viilliiilt: SlK-
invnill« von . Wllüiii»liln . «o|)rli. — Kvriilo l'ilil : Im Schild» iiiid um üukrönll'ii
IJolnio ein wnchBcnden Mhnnrhen ohne Armo mit IftiiKfiii ItftrI uinl Spltziniifzo,
.Inrunicr; frav . Kllsaljet . Hin . Kehornn . Knih | enliiuplln . .MtirnviuMs . von |
\VI'ilrn>loln . orale .gcmarh [ wnben.— I,lriki'> KoliI : im Schilde criircs und vjirlo"
Ffid diei frpl»l4-h<'ndi' Stufen, Im a«clli n und dritlon Feld ein ochriit; linkcB'l'hüi-
l"»i hl»»!' (S|mi Kcj nm gvkronicn llclm: iMo dr«l SlufiO mit diiiniiii »ochucndiii
.siiAUfiihutili; dio liikciirlfl: fiav, Helena . aln . geUorno . von | Spongnteln .
^ nd . nvi I) . Slum 1 vndtw von Wildnateln . i ftndi-r« . geniftchl . waln n.
: X. J. Cne»io , Hcfcliielbii. d. Slciernmik. p. 10» j — Muchar, Omch. il.
Mel'jnioi)^, II, 1'. .'il i — Sihlnulie, Lexlcoii JV, (i. 3'M.
erwarben oder eigentlich selbst schufen, die Zeit ihrer
Einwanderung in dieses Land liegt nicht weit hinter
dem Datum der Erbauung dieses Schlosses.
Die Wildensteine stammen aus Kärnten, wohin sie
ehedem aus Bayern eingewandert sein sollen. Sie
eibauten im Jaunthale die Burg gleichen Namens beim
Wildensteiner Wasserfall und schon vor dem Jahre 115(5
tritt Uvcriandus de Wihleustein als Zeuge einer Schen-
kur.gs-ürkunde des Herzogs Bertolt von Maranieu zu
Gunsten des Klosters Viktring auf. S[)äter, 1384, war
Heinrich von Wildenstein Bischof zu Triest, dann 1390
Bischof zu Biben in Istrien.
Dasselbe grosse Erdbeben , welches am Pauli Be-
kehrungstage 1348 Villaeh zerstörte, die Viilacher Al]»e
(den Dobratsch) spaltete, brach auch die stolze herrlich
gelegene Veste, von welcher nur mehr wenige Spuren
vorhanden sind.
Von da zog sich das Geschlecht, nach dem nahen
unweit des Stiftes Eberndorf gelegenen und nun auch
in Kuinen gesunkenen Schlosse Sonnegg, Siinegk,
Sunekke oder endlich s|)äter um 1400 nach Parcival
Sunegker auch der Pareival-Tliurm genannt, a Von diesem
Schlosse haben die Wildensteinc nach der Zerstörung
ihrer Burg den Namen angenommen , denn Hanns von
Sunegk, Enkel Werners undSidinPongratze.s, erhielt von
Kaiser Friedlich 1\'. mit dem Diplome ddo. Villach 2ii.
Juli (Phintztag nach sannd Jacobstag in Snitt) 1470
unter gleichzeitiger Änderung der Farbe seines Wappen-
schildes von weiss in rotli (das Schildeszeichen und
Helnikleinod erhielt sich bis zum Erlöschen des (ie-
schlechtes stets in der urspriiiiglichcii iMiifaclien Form
— ein goldener gebogener (ireifeiituss mit sich dai'an
schlicssendeni schwarzen Fluge) das Hecht, sich wieder
des von seinen Vorfahren von Alters her Uborkomineneii
Namens. Wildenslein zu bedienen.
Dies geschah nachdem Parcival v. Sunegk 142(i
sein Schloss Sunegk dem Herzoge Friedrich verkaid't
hatte und dann auch 1444 die ihm notdi gebliebene
rfaiiiiscliait lies Schlosses \'om Hanns Fiigiiad abgelöst
wunle, wtu-aiif die Wildensteinc in Kärnten nur mehr
auf den Besitz von Tiuttendort* beschränkt blielieii
und allmählig in den Geschichten dieses Landes ver-
schwinden. Zwei George von Wihlenstein aus Kärnten
nahmen an der ersten Türkenbelageriing Wiens ir)2'.i
Antlieil, einer davon liefehligte später If);")!! als Feld-
marsehall die st(;irischen, kärntnischen und kraineri-
sclicn Kriegsvölker wider die Tiiiken.
' In VftIvnf.fir'H 'l'0|ingrnplile von Kiirntcn ICSS in heincr yiin/.en Criii hl
von 2u'oi Sel:on nligohlldct.
^ OiüB vui'kanflen sie 16Ti an Ctn-i»tof Uüril&ch.
— 21J1 —
Den vorgenannten Hanns Wildeiisteinev, vermalt mit
Anna Mordax, nennt Stadl in seinem stciermärkis; l.en
Elirens])ips'cl bereits als Herrn von Wildbach. (Jan/, mit
rm-eclit, damals war dieses Geschlecht in Steiermark
iilierliaiipt ndcli j;ar nicht landi;esessen; erst Hansens
Sühne Niklas, l'rimus nnd Andrä kamen durch ihre \er-
ehelichangeu, ersterer mit Ursnlav. Oberburg, der zv/eite
mit Helena von Herberstein, der dritte mitHarbara Wel/.er
y.u Feistritz und Spiegelfeld, in eine näliere Berülirnni;-
mit der Steiermark. Die Verbindung des wehrhaften
Niklas, gesessen zuTruttendorf mit der Ursula \(in Oiiei-
burg aus Untersteier, erklärt mit Rücksicht auf die Loca-
lität, dass der ans ihr entsprossene Sohn Si,i;mund von
Wildenstein in (Gemeinschaft mit seiner ersten Ehefrau Kii-
sabetii Fabnha upt ' ddo. Freitag nach St. Georg {'26. April)
löVi'J die Hauptmannsciiaft Sannegg in Untersteier vom
Pfandinhal)er Achaz Schrott von Kindberg, Hauptmann
zuPettan, pflegeweise übernimmt. Später war Sigmund
Pfleger zu IMankenwart bei Grätz und wahrscheinlich
wird ersieh bei diesen Pflegeführungen soweit tinanziell
gckrättigt haben, dass er endlich auch an die Erwerbung
eines eigenen Besitzes schreiten konnte. Nachdem Sig-
mund vor 1540 in zweiter Ehe die Helena vun Spang-
stein, Tochter des Herrn auf Scliwanberg, geelielicht
hatte, kombinirt sich leicht, warum er sicli seinen Wohn-
sitz in nicht zu grosser Entfernung von Schwanberg, am
Wildl^che bei Deutsch-Landsberg, erkor. Die einst sehr
ausgedehnten Güter am Wildbache wurden ohne Zweifel
von der damals dem Erzstifte Salzburg gehörigen Herr-
.schaftLaudslierg abgelöst undobgleich es nicht bewiesen
werden kann, ist es doch sehr wahrscheinlich, dass bei
diesem Geschäfte Andrä Payerl, salzb. Pfleger zu
Landsberg und als Besitzer von Limberg bei Schwan-
berg Nacid)arder Spangsteincr, vermittelte. Hierländige
Urkunden vermelden über diese Erwerbung nichts, doch
dürften nähere Forschungen in Salzburg nicht unergie
big sein.
IMit der Erbauung von Wiidbach sind wir an den
Zeitpunkt gelaugt, mit welcliem die in Kärnten in ihrem
Besitze geschwächten Wildensteine in Steiermark festen
Fuss fassen, um von hier aus sich langsamen aber
sicheren Schrittes in dem neuen Heiniathlande eine nam-
hafte Bedeutiin.n- zu erringen, die sie sich vnn der j\Iitte
des X\'H. Jalnliunderts durcii die von ihnen bekleideten,
vornehmen Amter, dann einem soliden Besitzstand bis zu
iin*em Erlöschen ehrenvoll zu bewahren w'ussten.
Sigmund von Wildenstein war viermahl verehelicht;
alle Genealogen uml selbst der gerühmte Historiograi)li
seines eigenen Hauses, Ernst Heinrich Graf Wildenstein,
vermochten die richtige Reihe nicht anzugeben. Mit Hilfe
des vorliegenden Steines ergibt sie sich ganz leicht;
die er.sten zwei, Elisabeth von Falmhaupt und Helena
von Spangstein, sind daselbst genannt, die dritte war
ArtVa von Saurau zu Horneck, die vierte Eva von Aichel-
berg, welche letztere sich nach Sigmunds Tode ddo.
Wildbach, H). Juli 1570, mit ihren Stiefsöhnen wegen
ihrer Witweusprüche vergleicht.
Hinsichtlich der Descendenz möge hier die Benen-
nung der Hauptstännne und ihrer hervorragenderen
* Ursprünglich kärntnisches, dtinn steirisches 1720 im Grnfcnstando .iiis-
gt^slorbeiies Gt-schlftlit ; lUrmann 131S um T't. Va\x\. dierniar von Orifi-n der
Valbinhaupt J383 (\Ve'.ss, Kärntens Arie] Ö7}. Mert di-r \'ftllindhalj, .Iiiiicnri* li'rr
und Hiirgcr zu }Jruck a. d. M., 13'J3 und l-lO-l führt in -einem Siegel liereits den
Kopf mit Wülze. (Steierm. I.andcsarch. "Ulk. Nr. 3792 b, 3798 a und 41.SS.;
Sigmund war Vater von Kl Kindern, von welciien
der älteste, fjeonhard, einen neuen zu Liebenfels und
Mieutschach in Käinten begüterten, doch noch im X\TI.
Jahrhunderte erloschenen Zweig gründete; Adam im
heili;;eii Lande staib; Christoph nacli Deutschland zog
und \'ater Scliweickliard-Sij;isnnmds und Hanns-Chri-
stophs wurde, von welchen der erstere als Dondierr zu
Regensburg, Zeuge seines dort noch erhaltenen Grab-
males am L'S. September ](J72 .starb, Hanns Christoph
aber, geb. If)^!', des Erzherzogs Leopolil Rath und Ober-
Schiütheiss in Elsass-Zäbern gewesen, als Befehlshaber
am Kochersberg, drei französische und schwedische Be-
lagerungen aushielt, in der lezten schwer verwundet und
gefangen wurde, doch allen Verlockungen zum Treu-
liruche widerstand. Der aus dritter Saurauscher Ehe ent-
sprossene Dietricii setzte die steirisclie Linie fort.
Dietrich feierte seinen hochzeitlichen Ehrentag mit
Sara Freiin von Teurt'enbach-Mayerhofen im Landhause
zu Graz am 9. Jänner 1575 und lebte fortan in Wild-
bach, wo ihn seine Gattin mit (j Kindern beschenkte,
welche meist früii starben, Georg Sigmund allein den
Stanun fortpflanzte. Dietrich verschied zu Wildbach am
21. August 151)4 und wurde, wie aus einem alten Tage-
buclie seiner Witwe (gest. um 1598) hervorgeht, nicht in
dem von ihm liestimmten Begräliniss zu .St. Florian, son-
dern in seiner ^'ogteipfarrkirche Garns u. z. erst am 20.
September zur Ruhe bestattet, nachdem der damalige
Bischof zu Lavant, Georg H. Stobäiis von Palmburg das
gewünschte Begräbniss des Ritters in der Kirche zu St.
Florian nicht anders, „es wurde den ein Vierttel wein-
gartten dei' Kirche dahin gestiefft'', gestatten wollte.
Der Sohn Georg Sigmund, geb. Wiidbach 12. De-
cember 1581, heirathete 1(504 die Margaretha von Stcin-
])eiss, beide starljcn noch in jugendlichem Alter am US.
Februar und 1:3. Juni Kilo mit Hinterlassung des Soh-
nes Hanns Franz, welcher wahrscheinlich noch zu Wild-
bach geboren wurde.
Dieser Hanns Franz führt sein Geschlecht im ötfent-
lichen Leben der Steiermark ein. Aus den über ihn vor-
handenen Daten geht hervor, dass er ein sehr eifriger
und nebendem kluger Jfann gewesen; durch mehr als
-'5 Jahre war er J. 0. Hofkannnerrath, ebenso führte er
durcli längere Zeit die Präsidentschaft des steiermärki-
schcn Verordneteu-Amtes , in seinen jüngeren Jahren
nahm er an der „berufenen- rönüschen Gesandtschaft
des Fürsten Eggenberg Theil. Dieser Thätigkeit ver-
dankte er die Geh. Rathswürde, dann mit dem Diplome
vom i;>. März 1(549 den Freiherrnstand, endlich in
Kraft des kais. Dii)lomes vom 18. Jänner 1678 den (ira
fenstand mit dem Prädicate „Freiherr auf Wildbach und
Kaisdorf, Herr zu Schachenthurm und Lieboch". Drei-
mal mit Töchtern aus angesehenen und reichen steier-
märkischen Geschlechtern, als mit Barbara Constantia
Freiin Scheit. Witwe Fenlinands Freiherrn von Khuen-
buri;(gest. 1G45), dann Siilonia Magdalena Freiin Eibis-
wald vcrw. Freiin Mindoi1\gest. l(j(.)5j und schliesslich
nnt I\[aria Clara F^'eiiu Gloyach (gest. 1669) vermalt,
hatte er aus jeder Ehe einige Kinder. Planus Franz starb
in hohem Alter zu Grätz am IS. Oetobcr 1()78.
Der Sohn erster Ehe Franz Christoph (geb. 1640,
gest. vor dem Vater 167(5), vermalt 1G()4 mit Theresia,
der letzten des Freiherrngesehlechtes von Mindorf,
stiftet die ältere oder kalsdorfer Linie, zu deren Gunsten
der Vater Hanns Franz in seinem Testamente vom
232
15. October 1077 das zuvörderst mit der durch die
.Sclieit'sche Ehe UberkoniTiienen beträchtlichen Herr-
schaft Kaisdorf bei Hz dotirte Faniilien-Fideicommiss
errichtet.
Dieser Linie entstammte Johann Christopli, welcher
vom Jahre 1714 bis zu seinem Ableben am 17. Jänuer
1742 Statthalter in Inner- Österreich gewesen, Vater des
in der Geschichte des deutschen Ordens rühmlich ge-
nanuten Laibaclier Comtliurs und geh. Rathes Cajetan
Aiigusi (geb. 1703, gest. 6. Jänner 17G4 und begraben
in der Laibacher Ordenskirche) < wie auch des geh. Kä-
thes Johann Joseph (geb. 1697, gest. 1731), welcher schon
]71() zu (irätz den Doctorgrad der Philosophie erlangte;
— dann Franz August, (geb. 1G71, gest. 1743), Vater
des gelehrten Ernst Heinrich Grafen von Wildenstein,
kais. Kämmerer und Landrathes, welcher sich als eif-
riger Geschichtsforsciier rlihmlich hervorthat, den Vor-
auer Chorherrn Aquilin Julius Cäsar bei Verfassung
seiner Geschichte der Steiermark ergiebig unterstützte,
auch die Numismatik ])flegte, ferners mehrere Dich-
tungen aus fremden .Sprachen in die deutsche übertrug,
ganz besonders aber sich im Gebiete der steirischen
Genealogie überiiau])t und insbesimdere der seiner Fa-
milie verbreitete. Geboren Grätz 10. Jänner 1708, gest.
ebenda 25. Februar 1768, erzielte er aus seiner am
4. October 1740 geschlossenen Ehe mit Theresia geb.
(irätin Thurn-Valesassina 5 Kinder. Aus diesen führte
sich Franz Josciili, kais.Känimerer und steiermärkischer
Ansschussrath, durch l'ebersetzung von Rapins „Ver-
gleichung Homers mitVirgil", gedruckt 1766, ebenfalls
in die Literalcnwelt ein; er lebte seit 31. Mai 1769 mit
Christina Grälin von Lehgheim in unfruchtbarer Ehe,
starb am 19. Mai 1808 nnd sein 15ruder Ernst Ignaz,
weldier nnt dem Klostcrnamcn Sigmund dem P>cnedik-
tinerstiite Admont zuletzt als Hofmeister angehörte,
endete nüt seinem am ]i>. Mai 1814 eingetretenen Ab-
lei)en die ältere K alsdorfer Linie der Wildensteine.
Des Hanns Franz Grafen von ^^'ildenstein (gest.
1678) Sohn dritter Eiic mit der (iloyacli, Hanns Joseph,
geb. Grätz 12. Februar I(i6S, vermählt IWiy mit Maria
Julianna Freiin Zollner , Witwe Michael Weickhards
(trafen Vetter von der Lilie und durch diesen Erbin
der beträchtlichen Herrschaften Windiscli-Feistritz und
'i'iitfer in Interstcicr. stiftete die jüngere odei- A\il(l-
baclier Linie; er wnide 16118 innerösterr. , 1704 kais.
gehcinier Katli, 1714 Landeshaujitmann in Görz und
1717 Adnnnistrator der durch das Aussterben der Für-
sten von Eggenberg heimgcfallenen (irafschatt (!railise;i.
.\id' diese Stellen i'csignirte er 1722, nachdem er im Juli
1718 für sich und die Söhne seines älteren Rruders
Franz Cliristo]ili dei- Kalsdorfer Linie das, in Folge Aus-
^.'anges der Eg^eid)crgc erledigte, Obcrst-lM'bkäiMmerer-
amt in Steiermark verliehen erhielt. Hanns .I(is<'pli, Er-
bauer des gegenwärtig als allgemeines Krankenhaus in
Grätz in Verwendung stehenden stattlichen Gebäudes,
scldoss am 6. .März 1747 sein Leben, nachdem ihm seine
(iemalin, «lie ihm 10 Kinder geboren hatte, bt'reils 1708
im 'J'ode vorangegangen war.
* -Sein iiinnnonici' TirAbRloln trh'gl ffi^etidr rnpilale Iniirlirifl; „Slftlc,
^litfr: lik qiiii'sclt i-ivi-rendlBi,. nr oxf^clentlMi. Ijnu^. Dihih. AukiibMii. ('ajct.
- I:. I. Cnmca de <■! in Wllilnimiein. Cvlal». ord. Tcut. cquc» halllvl«i AiiMiini',
"^uhW. Ntiiirtr, ccminpiidatxr f.flbacoii»ia, ano. caes. rcK. fipoBloIlcnoffiir iiiiijt'h.
■ "inll. Inllmna, qiii niino .MDCCI.XI V, illo VI, Jnn. «ilail» f um- LXI luorliiiia
lt. iit >ctn|iisr vivprci. rinin vlxli in tnnrlnini« od dirldcrluni Tvulonici ordinlB
ii'Mi diu, nd lea ^c^ias n\ih, nd Hifiu''ii(\ni op, ruin Bpinjicr."
Von den Söhnen erreichte Johann Max Prohus
(geb. Grätz 10. November 1702, gest. Grätz 14. März
1779) im Jahre 1763 die AVürde eines Landeshaupt-
manns in Steiermark, zwei Jahre später wurde er Prä-
sident des innerösterreichischen Guberniums; zweimal
vermalt, erstlich mit ^Maria Barbara Grätin von Traut-
mansdorf, dann mit Agnes Gräfin Nimpsch, hatte er 13
Kinder, meist Töchter.
Aus ihnen sind nur zu nennen die der ersten Ehe
entsprossenen Jlaria Ferdinand, kais. Oberst (geb.
8. December 1736, gest. 11. März 1801), vermalt mit
Maria Aloisia Herrin von Stubenberg, und Max Josef
Gottlieb (geb. 16. September 1728, gest. (>. Februar
1791), k. k. geh. Kath nnd J. Ö. Hofkammerratli; ans
seiner 1753 geschlossenen Ehe nnt ISailtara Gräfin ^■on
Trautmansdorf erfreute er sich neben mehreren Töch-
tern nur eines einzigen Sohnes Cajetan.
Dieser, k. k. geh. Rath, Kännnerer und steier-
märkischer Ansschussrath, geb. Grätz 27.]\Iai 1761, seit
1789 mit' Agnes aus dem uralten berühmten steirischen
Herrengeschlechte der SchärÖenberg auf llohenwang
vermalt, that sich durch sein energievolles Einsclireiten
während der feindlichen Invasionen von 1797, 1805
nnd 1809 in ausgezeichneter AVeise her\or; als Kaiser
Najioleon im August 1809 dem ohnehin schon ausgeso-
genen Lande den masslosen Betrag von nahezu 45 Jlil-
lionen Francs als Contribution auferlegte und diese
Snnnne nicht sogleicdi aufgebracht werden konnte,
wurden der damalige Bischof von Seckau Johann Fried-
rich Graf Waldstein, Graf Ignaz Attcms in Stellver-
tretung seines Vaters Grafen Ferdinand, damals steier-
niärkis( her Landeshauptmannes, unser Cajetan und der
Grätzer Kaufmann Ignaz Gadolla am 14. Se]»temlier 1809
als (jcis.seln in Haft geiKunmen und am Sehlo>sberge
verwahrt, aber am 27. desselben Monates wieder ent-
lassen, nachdem si(di die I'ranzosen Überzeugt hatten
dass die Geissein am Schlossbcrge, wie sich Biscliof
A\'aldstein ausdrükte, auch kein (ield machen konnten,
demnach sich der Feind mit einem Tlieile di'r ausge-
schriebenen Summe begnügte; Graf (!ajetan erhielt zur
Belohnung seiner \'erdienste 1805 den Titel eines geh.
Rathes, 1809 das Comthurkreuz des Leopold-Ordens.
Leider hangle ihm die nur zu oft vorkoiinnendc
Leidenschatt an, in den (irundliüidiern seiner Allodial
wie auch der, nach Aussterben der älteren Linie auf ihn
zur Nidzung gekommenen bedeutenden F. -C. -Besit-
zungen beider Linien (^Wildbach, Tütl'er, Kaisdorf,
Scliaelientliurn, Lannaeli) (dine Noth einen möglichst
\crw(nrenen und reichli(dien .ScluildcMstaiid zu culti-
vireii.
Als er am 4. März 1824 zu Grätz starb, sank mit
ilim das uralte Wa|ii)en seines Hauses in das (irab.
Die letzte weibliche 'l'rägerin des Namens .luliana,
geb. 17H5, Gemalin des Grafen Franz von Kulowrat
Krakowski, starb erst um 1848.
Verschwägert war das Geschlecht n»it den Fürsten
\(in llolienzolleni- lle<'hingen, d;inn v(mi einheimischen
innerösterreichischen (icschleclitern mit den Aiclielliei-g,
.\ichelburg, Ai;;l, Aui-r, Attems, Altlian, Barbo, Eibis-
wald, Falndiaupt, (iall, Gera, Gloyach, Haymb, Herber-
stein, Hdchenkircher, Kheutsehaeh, Lamberg, Leng-
heim, Mallentliein, .Mindori', Mordax, Muerzer, Oberbiu'g,
Prag, Pranekh, Racknitz, Saurau, Schärn'enbcrg, Scliäzl,
Scheit, Schratteubaeh, Secau, Spangstein, Steiudorfer,
Steinpeiss, Stubenberg, Tattenbach-Eheinstein, Teuffeii-
l)aeh-Ma}'erliotcn, TeurtVnbacli-Teufteiibacli, Trautiiiaiis-
dorf, Thuni-Valle-Sassina, Wageiisperi;, Welzer, Wurin-
brand und Z(dliier.
IV'gütert war das Gesclilecht in Kärnten mit Klieiit-
.scLacli, Liehcnt'els, Soniiegg, Tnittenddrt' und Wilden-
stein; in Steiermark mit den Herrsebat'ten Küiist'eld,
Feistritz bei Hz, St. Gotthard bei Grätz , Hohenbrucl^,
Kaisdorf bei Hz , Königsberg, Lannaeb, Preinstetten,
Sehachentburn, Schniieridtcrg, S]iarbersbacb, Spizhart
Tiitier, Wildbaeli , WindiscliFeistritz und Wisell, —
dem Klauberhut und Prämerhof, ausserdem besass es
noeli Gülten und Güter bei Luttenberg und Pettau,
Häuser in Grätz (die heutige Hildergallerie und das
Krankenhaus, 1 784 Absteigequartier des Pa])stes) Gieis-
(hirf, Htz, Leil)nitz und IJadkersburg.
Den Stammbesitz Wildliaeh verkaufte Graf Cajetan
IT'.i], beiläufig oO Jahre vor dem Erlösehen des Ge-
sehleehtes; naelideni dieser in kurzer P^)Ige mehrmals
seine Besitzer weehsclte , erwarb ihn 1801 eine feste
Hand, J(diann Massegg, dessen Toehter .Johanna, Witwe
des Nutars ;\l artin Peitler, noch gegenwärtig im iJc sitze ist.
P a s s a II.
Von ih-, Karl Lind.
IV.
Zum Schlüsse unseres Spazierganges durch die
ehemalige Bischofstadt führt uns der Weg die Iltzstadt
verlassend, zur S a 1 v a t o r - K i r c h e , die zunächst dieses
Gewässers hart am Fasse der Nordseite jenes Felsens
erbaut ist, der die Veste Oberhaus trägt. Diese Kirche,
ein spät-gothischer Bau, ist eine der merkwürdigsten
Passau's ihrer Bauart willen. Die Sage lässt an der
Stelle dieser Kirche eine Synagoge gestanden haben.
Als im Jahre 147i) die Juden eines ihnen zur Last geleg-
teUj an der christlichen Kirche verübten Frevels wegen ans
Passau vertrieben wurden, beschloss Bisehof Ulrich HL
zum immerwährenden Andenken an die Stelle, wo dieses
Sacrilegium verübt wurde, eine Kirche dem Salvator
geweiht zu erbauen. 1479 wurde der Bau begonnen,
148o war der untere Theil (C'rypta genannt), 1484 der
Aufbau vollemlet. Mit der Kirche wurde einCollegiatstift
verbanden. So bestand diese Stiftung mit wechselnden
Schicksalen bis sie zu Beginn des XIX. Jahrhunderts
ein Opfer der Säcularisation wurde. Die Kirche wurde
entweiht, kam in die Hände eines ungebildeten rohen
Menschen, der darin seine Wohnung aufschlug und
ilies Gebäude seinem Zwecke gemäss zu verändein,
respeetive zu verwüsten begann. Grabsteine und 'Sl-.n-
morpflaster, farbige Fenster u. s. w. wurden entfernt
und so ging es weiter, bis endlich im Jalire 1840 dem
Zerstörungswerke ein Dannn gesetzt wurde.
In Folge der Bemühungen des Bischofs ist die
Kirche nun wieder ihrer Bestimmung zurückgegeben
und bei dieser Gelegenheit einer eingehenden, aber vor-
züglicheu Kestaiu'ation unterzogen worden.
Das Gebäude dehnt sich vielmehr in die Breite, denn
in die Länge, zeigt mehrere Stockwerke . drei Reihen
spitzbogige, mit Ausnahme der oberen, mehr breite als
hohe Spitzbogeufenster und gleicht dadurch einem Ge-
bäude, das aus drei übereinander stehenden Hallen be-
steht, dem jedoch im Innern nicht so ist. Das untere
Geschoss des debäudes ninnnt eine schöne Halle mit
kühn gesprengten Bogen ein. Eine breite hohe Stiege
führt in den oberen Kaum, der als Kirche dient, und ohne
Uutertheilung auch das nach aussen scheinbare dritte
Stockwerk einnimmt. Zwei weitere Stiegen führen zu
beiden Seiten aus dem Kirehenschiä" in die nur den
rückwärtigen Theil der Halle einnehmende Empor-
kirche, wo sieh jetzt die Altäre befinden. Diese Stellung
der Empore und mit ihr der Altäre ist eigenthümlich,
indem die nach Norden gerichtete mit drei Seiten des
XVIII.
(ScIjIiiss.)
Achtecks schliessende Partie das Schill', die andere
gegen die Berglehne gerichtete gerade abschliessende
und mit der Emjjore versehene Partie den Chor bildet.
Gelegentlich der Restauration wurden viele alterthüm-
liche Kunstwerke (durch leider zu gründliche Restau-
ration verunstaltet) dort aufgestellt.
Das letzte Object unseres Besuches sind die forti-
ticatorischen Bauten des ehemaligen und jetzigen Passau,
die Festen Nieder- und Oberhaus. Ersteres liegt
auf der Spitze der Felsenzunge , die sich zwischen der
Hz und Donau bis zur Vereinigung dieser Gewässer
vordrängt. Die erste Anlage dieses befestigten Punktes
ist im Beginn des XIII. Jahrhunderts zu suchen. Wie-
derholtResidenz der Bischöfe und als solche mit pracht-
vollen Gebäuden versehen , zerstört bei mehrmaligen
Belagerungen von Seite der eigenen Bürger, dann in
ein Gefängniss verwandelt, endlieh Irrenanstalt, beher-
bergt es jetzt Invaliden. Die alte Herrlichkeit ist mit
den Gebäuden \erscliwunden, nur der in der Lage be-
dingte landschaftliche Reiz dieses Ortes ist geblieben.
Der Bau derFeste Oberhaus, gelegen auf deuhohen
an den Felsen von Niederhaus sich anschliessenden
Berge (li'i)!)) gegenüber Passau , wurde unter den
Namen Georgsburg, 1219 unter Bischof Ulrich II. be-
gonnen, der Name Oberhaus erscheint jedoch erst in
der Mitte des XIV. Jahrhunderts, die Schloss-Capelleist
den heiligen Georg geweiht gewesen. In den fortwäh-
renden Streitigkeiten der passauischen Bischöfe mit
ihren Unterthanen diente die Burg den Erstereu als
Hort, dem Trotze seiner Gegner zu widerstehen oder
ihre Züchtigung von da einleiten zu können. In der
Erkenntniss der AVichtigkeit dieser Feste verwendeten
die Bischöfe grosse Sorgfalt und Summen auf ihre Er-
haltung und zweckmässige Einrichtung , auf Erbauung
von Schanzen und Bastionen, auf Herstellung von Zeug-
häusern und deren Instandsetzung durch hinreichende
Geschütz- und Waftenvorrätlie , durch genügende Mu-
nitions- und Proviantmeugen.
Auch hier ist die alte Herrlichkeit gewichen ; nach
nmnchen weehselvollen Schicksalen dient das Bauwerk
jetzt als befestigte Caserne.
Von Bauwerken aus der ersten Zeit der Entstehung
der Genrgsburg ist nichts mehr ül)rig, höchstens könnte
der Untertheil des massiven hohen Thurnies zunächst
des Einganges in den Schlosshof bis dahin reichen. Der
obere Theil stammt aus der Mitte des XV. Jahrhunderts.
Im grossen Hofe steht eine ebenfalls in diese Zeit
.33
204
gehörige Georgsstatue. Daraus dem Zeughause gebildete
llittersaal zeigt au den Deeken, Fenstern und Thüren
einige srothisclie Details. An vielen Stellen der Bau-
lichkeiten tinilet mau Steiue mit i)iscliüflicheu \\'apiu'n
und Inschriften, welche die Hauthätigkeit der passaui-
schen Bischöfe verewigen.
CoiTespoiHlenzeii iiiid Notizen.
Aus einem Bericlite des k. k. Cnnservators (iraus
entnehmen wir, dass derselbe in Entsprechung des ihm
gewordenen Auftrages sieh im Monat März d. J. nach
Leoben begeben hat, daselbst den aufgefundenen Grab-
stein des Abtes und Weihbischofes J o h a n n Z o 1 1-
n e r in Augenschein zu nehmen, und dessen Erhal-
tung anzuregen. Derselbe fand ihn am beregten Orte,
im Hofe der städtischen Kaserne, nalie dem Brunnen,
au dem er gefunden worden war, an die Wand gelehnt,
augenblicklich in dieser provisorischen Lage keiner
nennenswerthen Gefahr ausgesetzt. Der Stein ist sehr
gut erhalten, und bis auf eine in seine Rückseite ein-
getiefte Dffnung unversehrt. Die Verwaltung der städ-
tischen S])arcassc zu Leoben, deren Eigcnthum Gebäude,
Fundiirt und Ejiitaiiliiunj ist, war in Angelegenheit der
Erhaltung dieses Denkmales sehr zuvorkommend, es
wurde bereitwilligst das Versprechen gegeben, dass schon
nächster Zeit für denselben ein vor Wetter und Regen
geschütztes Plätzchen an einer Wand ausfindig gemacht
wird, um ihn dnrt auf:;estellt einzumauern.
Der Seeretär des historischen Vereines Herr Beck h-
Wi dmann stätter theilt mit. dass an der südlichen
^^'and des zum Grätiicii .Aleranischen Schlosse Stainz
in Steiermark gehörigen Kuhstalles in den 1840er
Jahren ein Grabstein ans rotliem IMarmor mit Schrift
und Hausmarke nach der Längseite horizontal gelegt,
eingemauert gefunden wurde.
Leider ist der Stein an seinem oberen inschriftlichen
Rande arg niisshandclt und abgebrochen und aus den
erhalten gebliebenen letzten zwei Zeilen der gothisehen
Schrift (ist gestorben am aschtag 141)4) nur mehr die
Zeit, der er angehört, zu entnehmen. Der Stein ist gegen-
wärtig noch .')!" hoch, die Breite beträgt o(J". Da jede
Andeutung über den Familiennamen an dem Steinfrag-
niente mangelt, wäre es nur dann möglich, diesen zu be-
stimmen, ^\■enn sich ein Siegel mit dieser Ilansniarke
unter Stainzer Erkunden fände. Die Marke zeigt in
einem oben eckigen, unten abgerundeten (^d. i. umge-
kehrten) Schilde ein Kreuz, dessen verlängertes Kopf-
ende sich in seiner oberen Hälfte mittelst eines
s[)itzen Winkels gegen rechts abwäits wendet, (^i
Derselbe liess es sich nicht gereuen, aus einem
Stainzer Codex die L'rkunden jener Zeit zu durchsuchen,
um dann die etwa passenden im Landcs-Archivc im
Original ausheben zu können. A'on den drei ausgewähl-
ten Erkunden der Jahre I ll^7, 1444 und llf)."! war nur
die letztere im Driginai \oi-handen und njit Siglein
adeliger Herkunft versehen.
Was an dem Steine \nii Weith erseheint, ist der
Vmsf and, dass die cbeiibesehriel)ene Hausmarke an dem-
selben gestürzt in derselboi Weise wie an Graltmälern
von Edelherren angebracht ist, weiche als die letzten
ihres Stammes mit umgekehrten Wapi)en begraben wur-
den, wodurch sich ergibt, dass das Denkmal dem letzten
Sprossen eines (wie ans dem Materiah- und der Grösse
des Denksteines zu vermiithenj wohliiabeiiden Stainzer
Bürgers gilt, der als Stifter eines Jahrtages im Kloster
begraben wurde, wodurch sich sein Leichenstein bis in
die neuere Zeit erhielt. Die Zerstörung des Denlvmales
in seinem oberen inschriftlichen Theile datirt wold aus
der Zeit nach Aufheljung des Stiftes.
In dieses vermuthete Verhältniss des Verstorlienen
zum Stifte würden von den vorcitirten drei Erkunden
nur zwei jjassen, wobei übrigens der zweiten auch noch
der Vorrang gelassen werden müsste.
1427, 1:5. Februar, v. 0.
Johann Maurus, Bürger zu Stainz vermacht dem Stifte
daselbst einen Acker im Burgfrieden des Marktes Stainz
zu einem ewigen Jahrtage für sich, seine Ehefrau und
Vorfahren mit dem Vorbehalte lebenslänglichen Frucht-
genusses für sieh und seine (lattin (steierm. Laudes-
archiv-Erk. Nr. 5097, Absciiiitt vom Stainzer Codex.)
1444, 2,^. Mai, v. 0.
Elrich Vöclierler, Bürger zu Stainz und seine Hausfrau
Margaretha vermachen und geben dem l'robste Sigmund
und dem Convente von Stainz ihr Haus im Markte imd
ihren Weingarten im Neurat mit der IV'dingung der
Nutzung auf Lebenszeit, dann der Haltung eines Jahr-
tages mit Vigil und Seelenmessen für sie und ihre Vor-
fahren nach ihrem Absterben (steierm. Landesarchiv
Erk. Nr. 5921 ', Abschrift vom Stainzer Codex.)
Ob sich Denksteine mit Hausmarken in gestürzten
Sehilden zumal aus der Zeit des XV. Jahrhunderts öfters
finden, ist mir nicht bekannt, eine Gleichförmigkeit der
Übung bei adeligen und Ijürgerlicheu Geschlechtern sei
liiemit eonstatirt.
Dr. Kolin in Grätz theilt mit, dass im Musikver-
cinssaale des der Grätzer Burg benachbarten N e d w e d-
'schen Hauses bis vor wenigen Tagen eine Bronze-
platte eingemauert war, von deren Existenz nur We-
nige Kunde hatten. T'nmittelbar neben der Saaithüre in
einen mit Mnschelornament Aersehenen Marmorhlock
eingelassen, der ungefähr 1' über dem Fussboden
eingeniaui'rt ist, vermochte sie nicht, sieii sonderlich
bemerklicli zu inachen. In den letzten Jahren war sie
durch einen mächtigen Wandschrank \ollends allen
Blicken entzogen. Diese 4t) Cm. breite und 16 Cm.
hohe Platte widmete vor kurzem der i']igenthümer des
erwähnten Hauses, der k. k. Notar Anton Nedwed, den
Sannnliingen des Münzen- und Antiken-Cabinetes im
Joannenm.
Innerhalb einer vors|)ringenden Emrahnuing, welche
olien und unten von simsförmigen Leisten, an den Seiten
von Pilastcrn mit Pflanzenornament gebildet wird, zeigt
sich naehfnlgt'nde Insehrilt in sieben Zeilen :
DMI. MAXIAMLIAM. CAESARIS. jussu . genf-rosus
. IJfjmi I nus Si^isnimnlns de Dycti'icdistan .
Baru liljerj in . J iollciilnirg. &. VinkluMistain .
I^incerna . he | reditarius . Ducatus . CJarinthiae .
Sac . f;acs . maietis i a Gonsiliis . &. ab . Aryento
& Ducntus . Stiriae . Caput | Aruem . hancj Civi-
tatis . Cirecii: vcttistati; fjollapsam . a fun | da-
mentis . restituit . Salutis ■ anno . M . D . XX . HI.
2ä:>
Der Inschrift zur Seite sieht man links das Dietrieh-
stein'schc, rechts das llottarselie Wappen en relief.
Die Mitte nimmt ein rundes Medaillon ein, welches das
in's Protil i^cstellte Hrustbild Sigisnmnd's von Dietrich-
stein mit liut, Kleid und Ordenskette zeigt. Das Portrait
gleicht aufs genaueste demaufeiner gegossenen lironee-
medaille vom Jahre 1Ö2Ü, welche sicli im Uesitze des
Münzen- und Antikencabinetes belindet. Ohne Zweifel
rühren beide von der Hand desselben Meisters her.
Wir glauben nicht zu irren, wenn wir den hier
erwähnten Neubau der (Trätzer üiirg in liczielning
bringen mit der Urkunde vom 20. Januar 1510, womit
Kaiser Maximilian seinen geliebten Kath und Silber-
känimerer Sigisnnmd von Dietrichstein zum Landes-
hauptmann des Fürstenthums Stcj'cr i)este!lt. Dort
lieisstes unter anderm: ,,Hnddabeigunnen und iiefelchen
Avir dem Landeshaui)tiuanne von Dietrichstein 2(JÜ<> Gul-
den seines Geldes an unserm Schloss Grätz der Noth-
durft nach, doch mit Wissen unserer Commissarien,
welciie wir dazu verordnen, zu verbauen".
Aus Aulass der an der Decanat-Kirche in Kourim
vorzunehmenden Restauration berichtet der k. k. C'on-
servator Ben es über diese Stadt folgendes:
Was zum malerischen Eeize hauptsächiicli bei der
sonst einfachen eiiemaligen Kreisstadt wesentlich bei-
trägt, sind die alten Befestigungen, und gerade diesen
haben spätere Kämpfe hart zugesetzt. Mehr abernochals
der Krieg hat die folgende Friedeuszeit hier aufgeräumt.
So wurden die Mauern und Thürme abgetragen, liic und
da die Gräben verschüttet und doch sehen wir noch von
dem grauen Mauergürtel gut erhaltene grössere Bruch-
stücke. Es lässt sich freilich sehr selten sagen, dass an
einem Stück Mauer, oder an einem derartigen Tiiurme
etwas schönes sei — aber im Ganzen boten diese Mauern
mit ihren Thoren und Thürmen einen oft prachtvollen
Anblick dar.
Die alte Decanats-Kirche, dem h. Ste])lian geweilit,
gehört unstreitig zu den ältesten und merkwürdigsten
Baudenkmalen Böhmens und mochte mit der Anlage der
jetzigen Stadt, etwa 1230, entstanden sein.
Das alte Kourim, uralt Zlic oder Zlicko genannt,
war südlich hoch am langgedehnteu Hügelrücken gele-
gen. Noch heute beträgt nach meiner Jlessung der
IJmfang der ortweise o° hohen Erdwälle 14!t6 ° und
ihr mit Feldern bedecktes Innere Ü9.032QJ° an
Flächenraum. Schon in dem Sagenkreise Böhmens tritt
Zlicko mit seinem widerspenstigen Fürsten Rad is-
la v hervor, wird aber schon im Jahre OHo Kourim ge-
nannt. Herzog Boleslav II hat das Kloster Bfevnov so
gut, wie Sobeslav I, 1130 das Collegiatstift Vysehrad,
mit einem Zehent bedacht und die Stadt ci\-itas Kurym
genannt. Die Kirche war bereits IKiO als Archidiako-
uatskirclie genannt, und Urkunden nennen uns mehrere
Archidiakone Koufims. Die Kirche überrascht in ihren
äusseren Formen den Besucher gar nicht. Feuersbrünste,
feindliche Ueberfälle, Naehläsigkeit und Unverstand
haben das Ihrige dazu reichlieh beigetragen, um die
ehemalige Stärke und Schönlieit äusserlich zu beein-
trächtigen. Schon die westliche Hauptfa^ade ist voll-
kommen in der neuesten Zeit verdorben worden. Zum
Glück hat der Unverstand des Baumeisters noch das
grosse gotbische Fenster mit seinem Masswerke ver-
schont. Der ursprüngliche dreieckige hohe Giebel be-
kam im XVII. Jahrhundert unschöne, baroke Gewinde,
lSo(i endlich eine Wand, welciic abgetreppter (üebel be-
lebensollte. Was an Schönheit diesem architektonischen
Unsinne gebrach, mussten winzig klein sich ausnehmende
Heiligenfiguren aus Sandstein, die sonst einen Röhr-
kasten zierten, ersetzen. Oben kiönte ein gusseisernes
Kreuz diesen Stufengiebel. \'on den ]s die Kirche um-
gebenden Pfeilern sind alle schadliaft, ja einige sell)st
abgelöst. Die Wände haben Sprünge. Die Nordseite ist
als ^^'etterf^anke besonders beschädigt. Durch einen
unnützen unschönen \'orbau hat man das nördliche,
trefflich scui[)irtt' llaupt-Porlal böse zugerichtet. Die
Ostseite schmücken zwei 124 Fuss hohe Thürme. Sie
erheben sieh im Viereck und unsere oberwähnten Ab-
bildungen Koufims lassen uns Ijci Einem ein spitzes
und bei dem Andern ein oben gerades Zeltdach er-
kennen. Beide Thürme verband eine hölzerne gedeckte
Ueberbrückung. Schon Kiö'.i erlag der eine dieser
Thürme , 1G70 beide — einer wüthenden Feuers-
brunst. Die hohen öden Schlote, vom Feuer durchglüht,
dadurch morsch geworden, wurden bedeutend abge-
tragen und mit einem baroken hässliehen Zwiefeldache
gekrönt, Baudenkmale aus dem Jahre 1741.
Der neue Glockenthurm entstand zur selben Zeit,
in welchem ein ganz originelles (tIoc kengelä ute
eingefügt wurde. Es sind nändich die Glocken mit dem
Rande aufwärts gestellt, krugartig befestigt , um sie mit
einem Pedale in Bewegung zu setzen. Zum Geläute,
wenn es nicht den Charakter eines Feuerlärmes oder
Signals haben soll, gehören vier Personen. A schlägt an,
dann folgt B, C und D. Die Manipulation ist gefährlich
und hat bereits manchem Schulknaben die Fusszehen
gekostet.
Das Innere überrascht! Hier sieht der Besucher
ein Baudenkmal mit ziendich unverletzten Formen in die
Neuzeit ehrwürdig herüber ragen. Drei Schifle, wovon
das rechte schmäler ist, bilden die Eiutheilung. Der
polygone Chor-Abschluss, so wie das Mittelschiff waren
höher. Feuersbrüuste mochten ein neues Gewölbe erfor-
dern und dieses wurde viel tiefer gehalten. Zum Hoch-
altäre in dem Presbyterium führen 8 Stufen. Hier oti'en-
baren sich Phantasie und Kunstfleiss der alten Bau-
künstler im schönsten Lichte. Eine ausgezeichnete Or-
namentik überrascht das Auge. Alte Capitäle im Innern
der Kirche sind mit den mannifaltigsten durchgebil-
deten Blatt-Ornamenten geschmückt, deren Vorherrschen
den ganzen Charakter des Baudenkmals bestimmt. Nebst
dem erwähnten Portal sind es die 18 Priestersitze zu
beiden Seiten des Presbyteriums, welche eine besondere
Aufmerksamkeit verdienen. Nach Art der Stallen er-
blickt mau iniDreipass überwölbte Sitzniseheu, je durch
ein Rundsäulchen getrennt, deren Capitäle eine schöne
Ornamentik aufzuweisen haben. Steinranken, Espen,
Eichen und Epheublätter, Rosen uud Akantus dienen
zum architektonischen Schnnicke. Leider deckt eine,
wohl hie und da entfernte Kalkkruste ihre scharfen
Umrisse, auch Beschädigungen sind bemerkbar. Diese
Art der gediegenen Ornamentik des Uebergangs-Styls,
hält nur den ^'ergleich mit jener in der Koliner
Decanat-Kirche, dann in der Ludmillaeapelle der Tein-
und Agueskirche in Prag aus. Es müsste zuerst die Trag-
fähigkeit der sechs inneren Hauptpfeiler, die Gesundheit
des vielfach gespruugeneu HauptschifFgewölbes, sorg-
fältig untersucht uud die Ergänzung aller fehlenden De-
33*
2ä()
Decorationell, Fensterpfosten und des Masswerkes vor-
g-euomineu werden. Am-li Spuren einer Olver- und
Mennigbenialuug der Säuleuseliäfte und Knäufe ist be-
merkbar. Ein Saeranientshäuschen, mehrere Sclireine
oder, besser gesagt , Mauernischen, mit sehr originellen
Verzierungen sind noch zu erwähnen.
In dem rechten Seitenschiffe tührt eine enge Thüre
in die tiefer gelegene Krypta „Katefin ky" genannt.
Sie ist ein Unicnm in Höhmen, wo man gewohnt ist nur
in romanischen Kirchen unterirdische Kirchen zu finden.
Der Flächenraum zählt 10%Q°. Die schweren, einfach
jirotilirten Gewölbgurten ruhen auf einfachen Cnnsols,
laufen aber in der Mitte dieses llaumes in eine achtglie-
drige Bündelsäule zusammen. Sie entspricht dem acht-
eckigen liaume. Drei tiefe, halbrunde, enge Fensterchen
spenden dem Inneren Licht, das Capital dieser liindel-
säule schmückt ein r>latt-(>rnanient, wovon ein Tlieil durch
einen Ulitzstrahl besehädigt. mittelst eines (iy[)sersatzes
aber ergänzt worden ist. Leider fiel hier so gut wie
in der Ludmillaca pelle der Teinkirche in Prag die-
ser nie anzurathende Ornament-Ersatz ab. Was uns
sonst diese Kirche in ihrem Inneren bietet stanniit
ausser den zahlreichen Grabsteinen mcikwürdigerPatri-
cier und benachbarter Adelsgeseldechter aus dem Jahre
]7()7, wo Dechant Mars schonungslos restaurirte, was
später 1740 wiederholt worden ist. In diesen Perioden ent-
standen auch die Altäre, deren ornamentale Selnntzerci
besser als die iles figuralen Theiics ist. Erst der Neuzeit
war es vorbehalten die elenden Altarbilder mit neuen
zum Tlicile zu ersetzen. Das Kirchenpflaster ist dieses
Gottesiiauses unwürdig und elend. Inter den vielen
ninnnnientalcn Geliäudcn l'öhniens , die einer sorg-
fältigen Kestaurirung würdig sind und derselben auf das
dringendste bedürfen, stellt die Koufimer Kirche ganz
gewiss in der ersten Iteihe, denn alle Hände, die si(di je;
an dieses Paiulcnkmal gewagt, haben seinen Zustand
und Kunsütwerth nur verschlechtert. '
Aus einem weiteren IJerichte desselben Coii-
servators :
Zwei Meilen \(iii Pr;
südöstlicii gelegen, blüht
das Städtchen lilöan in einem weiten, mit Teichen ver-
sehenen Thale. Schon von der Ferne ragen in der mit
l''iddtluren bedeckten höchst eintormigen Gegi'iid die
gcibgraueii 'rrümnier der sehr alten lliirg empor.
Am südwestlichen Emljjuncte des Städtcliens erhe-
ben sich die fast letzten Reste dieser einst grossartiger
angelegten Hochburg, welche einen unbedeutenden,
fclsig(;n, kahlen llügeliiicken kriiiit. Aus dem alten
Materiale cntstmideii die iiachliarlicheii neuen Gebäude,
80 dass nur noch nclist einer schmalen eine 10° Imhe,
8° breite Manerwand mit einem lOckrestc stehen blieben.
Fünf Fensterötfnnngen, in welchen einst Steinsitze an-
geliracht waren, gälincn den licsiicher an um! deuten,
nach den Üalkeiilöclieni zu scldiessen, aui' drei liier an-
gebrachte Stockwerke. Fünf Sticlika))pen mit (icwölb-
rijipenspuren, ein Kaniinrcst, danri ganz unten ein
schmaler Eingang mit zwei engen Seifenfenstern ist
alles, was der l'esiicher bewundern kann. \'erwittert von
Stllrmeii und liegen stehen diese (,'cberrcstc da und zer-
fallen nach und nach in Schutt und Staub um so mein',
als die Mauerkrone höchst angegriflen wirklich gefalir-
di'ihend erscheint, undderAntraggestellt werden miisste,
I S MItlhcllungcn, MT. Baml.
sie der Siclierheit der Unigel)ung wegen auf einige
Schuhe aljzutragen. Dies auszufidiren wäre weniger
geratiien, weil diese Trümmer die öde Umgebung
vcm Pican malerisch emporheben. Sonst kann an diese
Gemäuer weder ein kunsthistorischer noch besonderer
Schönheitswerth geknüiift werden.
In geschichtlicher Heziehung \erliert sich der Ur-
sprung der Veste in der vaterländischen Sage, die weder
begründet noch durch logische (iründe befestigt als
Wahrheit angenommen werden darf. Erst das Jahr 1"25;5
nennt uns zuerst den Andreas von Pican als obersten
Triielisess und als intimen Pathgeber I'femysl Otakar IL,
ihm ftdgte sein Sohn Ulrich \(in Pican im Besitze dieser
Stammburg. Ferner sind uns mehrere Herrn Iticansky
und Kafkas von Pican bekannt, ohne jedoch behaupten
zu können, dass sie gerade diese Burg im Besitze gehabt
hätten. Weil später alle Picaue treue Anhänger König
Sigismunds waren, so musste ihre Stammburg den Ta-
boriten zum Opfer fallen. 1420 im Monate August zog
das 'i'aboritenheer von Prag ab und überfiel am 23. das
Städtchen und die Herrnburg Pican, so dass die über-
raschten Bewohner kaum Zeit hatten, sich von ihrem
ersten Sehrecken zu erholen, um sodann ihre Habselig-
keiten dem räuberischen Feinde hinzugebeu. Die Kelch-
ner plünderten Pican rein aus und es lässt sich ver-
muthen, dass die gänzliche Zerstörung des niemals
stark liefestigten Schlosses damals begonnen und durch
Zeit und Menschenhand so weit gedieh , wie wir diese
Puine jetzt sehen.
Ein Besuch der Stadt Kolin veranlasst den k. k.
Conservator Ben es eine flüchtige Übersieht der be-
deuteniisten Geschichtsmomenfe und Schicksale der
Bartholomäus-Kirche, welche das P>ild iiires Entstehens
ihresrnglücks und abermaliger Erhebnng entrollen soll,
zusammenzustellen. Dieses, sehr hoch gelegene Bau-
denkmal beherrscht die schöne Fläche, die sich an bei-
den Elbeufern ausbreitet, und gehört zu den seltenen
Bauwerken des Üliergangstylcs in Böhmen. Zum (ilück
illieben einige Inscliriltsiiaehrieliti'n iUirig, welche den
/eitraiiiii der Gründling und \'ollendiiiig näher andeuten
und bereits in den Miftheilungen IStJl, S. 228, von
B. fJ nie her näher gewürdigt wurden. Ob die Inschrift,
welche bereits längst verschwand, und nur in dem neueren
(iedeiikt)iiehe Kolius mit dem Gründiiiigs)alire l.'il.'i
erhalten blieb, die richtige war, ist schwer zu beiiaiip-
tcn. Zaj) und Grueber suchen im Charakter des ganzen
Baues eine bei weitem frühere Zeit. Sichergestellt ist
der Aiifliau des Kirchcnchorcs. Die dort vorhandene
Iiischrilt, bat uns zum (ilück Schal 1er in seiner Typo-
graphie aufbewahrt, denn auch sie verschwand. Zufolge
dieser begann den 20. Jänner l.'UJO der genannte Clior-
bau lind ward nach IS Jahren L">7S vollendet und am
IS. Octobcr zu Ehren der Mutter (Joffes und des
heil igen Bart lioloinä iis ausgeweiht. Pet er Arier
aus Gmünd ist der Meister dieses glorwünligen Baues
gewesen. DieLiber. erection. aus dem XIV. Jahrhundert
im Präger I)oiiica]iitiilar-Arc!ii\(', nennen uns, berc'its
]<• .lalire Iriilier: Altäre und .Mtarssliflcr, wobei auch
di'sseii gedai'ht wird, dass Joh. v. Wartenberg, Pi'arrer
am Tein in i'rag, das Begehreu stellte, es möge der
Altar des liciiigcn Geistes ,, weicher in der Krypta steht,
wegen des iiiibc(|iieiiien Zugangs, dahin übertragen
werden", was aiicli 1 lol erfolgte. Also war hier, wie in
257
Kaufim i'iiie Krypta, von wek-licr jedoch l<eiiH' Spur
mein" vorliainlLMi.
AVir wollen uiiii unser Augeninerk den beiden im
Achteck constrnirtcn hohen Zwillingst hü rnieii und
dem isolirtcn Glockenthurme widmen.
Beide diese ll>0' hohen Thürme eutstanden iileieli-
zeitii;- mit der Kirchenanlaj;e. .Schön und schlank heben
sich beide \on der Breite der hohen A\'estt'rontc ab.
Zwischen ihnen ragt der kahle, mit einem starken
(4esinise unu-andete Giebel hervor. Zwei spitze enge
Fensterclien und unter ihnen ein stark beschädigtes
Itadfcnster, dann ein reich gegliedertes ebenso deroutes
Portal, beleben die breite einförmige Gibeltiäche und
Wand. Mau trift't selten mehr in Böhmen eine so edle
Bauweise unverändert erhallen. Vier Geschosse thcileu
beide Thürme al). Die hohen acht Thurinflächen umgür-
ten l)ei einem jeden Geschosse einfache (Jesimse und
beleben je 8 schmale Spitzbogeiifenster. (Jbeu umkrön-
teu den spitzen hohen Helm vier kleine Thürmchcn und
eine hölzerne Ueberbrückung bildete ihre beiderseitige
A'erbindung. Fort und fort schmückten diese schönen
Thürme Kirche, Stadt und Landschaft bis ITlKi ein
furchtbarer Brand die Kirche und die hall)e Stadt \er-
niclitete. Die ausgebrannten Thürme blieben bis zum
Jahre 1845 nur mit einfachen Nothdächern geschützt.
Der damalige kunstliebende Herrschaftsbesitzer AVen-
zel A'eitii gab den Ini]iuls zum Wiederaufbau neuer
Tliurndielme, Ingenieur Zippe entwarf die riäne und
schmückte die Thurmkrone statt den vier EckthUrmchen
mit 8 schlanken hohen Giebeln. 1847 sah man wieder
die schlanken Thürme mit der zweckmässigen .Schiefer-
bedachung und ihren vergoldeten Knöplen stolz in die
Lüfte ragen. Allein im October des Jahres 1800 flog bei
einem Scheuerbrande in der Vorstadt ein Strohbrand
bis zu dem Dachhclmc des nördlichen Thurmes em]ior,
entzündete ihn und er fiel in kurzer Zeit zum Opfer. Lei-
der ergritfen dessen Flanmien den nachbarlichen, isolir-
ten 1504 aus Gemeindemitteln vom Meister Bartos
aufgebauten Glockenthurm mit der Wächterswohnung,
welcher 1790 so gut wie diessmal dem Stadtbrande zum
Opfer tiel und später eine unschöne Bedachung liekam.
Die Glocken wurden gerettet. Diese zwei Thurnnuinen
standen öd und ausgebrannt bis zum Jahre 1872 un-
berührt. Endlich hatte mau es dahin gebracht, dass
beide Thürme in ihrem beschädigten Mauerwerke aus-
gebessert, und mit stylrechten Helmen versehen wurden.
Die Pläne hierzu lieferte der Prager Dondiaiimeister
Joseph M o c k e r. .Sie waren meisterhaft durchdacht
und die Idee dem ursprünglichen Bestände angepasst.
Leider war es wieder der Kosteupunct , welcher das
Ausführen der Sache hinderte. Er nöthigte den Thurm-
helm seidicht zu halten und von jeder Giebelung
abzugehen, wodurch diese Thürme höchst ungleichartig
wurden und die Ansicht unliebsam stören. Der isolirtc
Glockenthurm ist jedoch glücklicher. Sein Krongesimse
ruht auf 23 Tragsteinen und Ijildet den Thürmerumgang.
Jede Ecke schmückt ein schlankes Thürmchen. lii Bund-
säuleu in der Brustwehr eingefügt tragen das breite
Zeltdach, welches mit Schiefer gedeckt und mit Zähn-
chen und vergoldeten Knöpfen geziert ist. Mocker über-
wölbte mit einem flachen Gewölbe den Glockenraum
und sicherte ihn für alle Zeiten vor einer derartigen
Vernichtung. Der Kosteupunct belief sich bei Herstel-
lung dieser Thurmhelme auf 17.000 fl.
(Gleichzeitig war (hunals die Al)traguug des Cas-
lauer Thores im Antrage und \vurde dieselbe
anstandslos bewilligt. Aus alten Abliildungen lässt sich
<ler bestandene Bau dieses Thores vollkommen bestim-
men. Es war ein l)reiter viereckiger einstöckiger Thor-
thurm, dessen Dachhelm spitz zulief, und war jede Ecke
mit einem Thürnndien \erzicrt gewesen. In Folge des 182ö
geschehenen Einsturzes des Prager oder später genann-
ten Kouriiner Thores, wurde auch dieses höchst bau-
fällige Bauwerk abgetragen. Doch wollte 1818 Kutten-
berg als keine offene Stadt noch gelten, und man baute
eine nüchterne Mauerwand mit cinerThoröfinung, krönte
sie mit vier Ziinien, machte zwei .Schiessscharten hinein,
versah die kahle Wand mit der Jahreszahl 1818 und dem
Bergmannswappen: „den kreuzweise gelegten Ham-
mer und Schlägel-' und das czaslauer Thor war fertig. Der
Neuzeit ist's zu enge und man wünscht durch dessen
Abtragung eine breitere Fahrliahn zu gewinnen.
Schlimmer ergeht es dem Ober- Bergamts-
gebäude, Wälscher Hof genannt, in Kutten-
berg. Dort, wo Könige wohnten, Münzen geprägt und
Schätze aufgespeichert wurden, wo mächtige Münzmei-
ster hausten und sich ein reiches Stück vaterländischer
Geschichte abspielte, da herrseht nun öde Verwüstung.
Die k. k. Bergbehörde ward aufgelöst und nur ein
Bergbeamter besorgt die Kanzleigeschäfte. Der alte,
weitläufige Bergbau, namentlich sein westlichster Theil
ist sehr verkommen. Nur der prachtvolle, vor zehn
Jahren restaurirte Capellcnerker ragt frisch und ge-
sund aus den grauen Gemäuer des malerischen Innern
Hofraunies, als ein künstliches Denkmal gothischer Bau-
weise hervor. Ich fand auf dessen Unterbau, der doch
früher da war als der Oberbau, ein gekröntes L und die
Jahreszahl 1512 (1516 -h 1526). EsYst Wladislavs Sohn
Ludwig gewesen, der die vom 15 Iß verstorbenen Vater
begonnene Capelle vollendet hat. Den inneren Hofraum
umgeben Wohngebäude , ein Corridor und ein ueu auf-
gebautes Kanzlcigebäude, welches fast mehr Ruiue
geworden als das alte. Die Wände des alten Baues
schmücken 10 Dreieck- und (i Tartschenschilde und
längst verwitterte Inschriften sprechen in uralten Mi-
nuskeln folgende Worte: Roma, Köln, Trier, Mor(aTia),
Brandeb(urg), Swidnice, Brzetislav, Brüx, Meklenburg;
ferner Oipava, Iglava und .... purh. — Das Uebrige
ist unkenntlich. Die .Stadt will nun die öden Kauzlei-
räume zu Schulen verwenden. —
Schou längst war es der Wunscli der Bürger von
Elbe-Teiuitz, ihre Kirche innerlich restaurirt und
geschmückt zu sehen. C'onservator Ben es besuchte
zweimal dieses Städtehen, welches zu den ältesten
Orten Böhmens gehört, doch nichts mehr von seiner
früheren Bedeutung als eine Feldflur mit heidnischen
Grabstätten, die Reste des alten Burggebäudes, endlich
zwei neuere Kirchen aufzuweisen hat.
Die Lage des Ortes selbst ist höchst pittoresk und
angenehm. Man baute das Tynec hoch oben auf den
Rücken einer lang gedehnten Hügelun.ü' am rechten I'fer
der Elbe an den Gränzmarken des Caslauer Kreises.
Weit gegen Osten in (klen Sandfeldern liegt die Feld-
flur Svarov (Svar der Thierkreis) und dort ist eben der
Fundort zahlreicher Aschenurnen, Bronzenadeln und
.Schmuckfragmenten, Steinhiinnner und selbst eines Rin-
ges aus gediegenem Golddraht.
— 2Ö8
Das ehemalige Schloss, steht südwestlich auf einem
Felsenriffe. Das alte hohe Schlossge bände ist noch
unter Dach, und wird als Schüttboden benutzt. Einige
Gemächer, drei gewölbte Keller, der leere Bodenraum
sind alles, was der Besucher tindet. Der ehemalige Zwin-
ger hat noch den Rest einer Mauer mit .Schiessscharten
aufzuweisen.
Knapp am snilwestlichen Felsenrande fliesst die
Elbe. Schon der Name ist alt und ausser Gebrauch ge-
kommen und bedeutet einen mit Pfählen umsäumten
Platz — einen befestigten Ort und erinnert an tias eng-
lische Town. Böhmen zählt ausser der uralten Teinburg in
Prag noch 30 solche Orte, welche Tyn oder Tynccheissen.
Nach A. Heber's: Burgen und Vesten Böhmens
VI B,, Seite 253, war Bozej Vesovee Herr auf Libic und
Elbe-Teinitz (1108), welches nach dessen gewaltsamen
Tode die herzogliche Kammer in Besitz nahm. 1143
gelangte Teinitz an die Cistercienser in Sedlec, in deren
Händen es bis zum Hussitenkriege blieb. Nach diesem
Kriege verpfändete Sigmund I. 1431) die Burg an Vanek
von Miletnik, dem mehrere Besitzer rasch nach einander
folgten, bis zur Zeit Königs Vladislav H. Niclas von
Miletnik 1510, später Willielm von Bernstein, dieses
Gut mit der grössten Domaine Böhmens Pardubic ver-
einigte. Da später Pardubic Kammerdoniaine wurde,
so blieb auch Eibc-Teinitz bis zum Jahre 1^48 in die-
sem Verhältnisse, nur wurde die alte Veste schon früher
ein Bustikalbesitz.
Die dortige Pfarrkirche, dem heil. Johann dem
Täufer geweiht, kömmt schon in den Errichtungs-
büchern 1384 als Pfarrkirche vor. Die alte Kirclie ward
ihrer Baufälligkeit wegen 1780 abgetragen und ein Jahr
darauf der einfache Neubau vollendet. Josef Kramolin
versah dieses Gotteshaus mit Fresken. In diesem Zu-
stande erhielt sie sich bis zum Jahre 1834, wo am 23.
September eine furchtbare Feuersbrunst binnen zweier
Stunden Städtchen und Kirche eingeäschert hat. Ihr
Aulhau ward gleich in AngritV genommen. ,jedoch wurde
sie styilos hergestellt. Vor Jaiiren Inldete sich ein
Comit6, welches eine innere Kestaurirung anzustreben
gesonnen war. Die Aufgabe wurde vortrell'lich gelöst.
Diese gelungene Eenovirung der Teinitzer Kirche ver-
anlasste .sogleich eine zweite derartige rnternehmung
in dem Dorfe Kojic Ein einfaches, uraltes, mmanti-
sches Dorfkirchlein, unbekannt und öde, wird nun inner-
lich ebenfalls polychrom und stylgemäss l)ehandelt.
Es dürfte kaum, irgend ein abgelegenes Dorfkirch-
lein, eine grössere Literatur aufzuweisen haben, wie das
zu S t. J a c 0 b. S c h a 1 1 e r , der erste Topograph Böhmens,
ahnte in seinem Werke VI. B., Seite 14 — 1787, gar
niclit, welche Bedculung di(' alten Sculiifurcn der Süd-
wand haben. Er hielt die ..hier angcl)racliten Bihl-
säulcn für Darstellungen frommer Männer aus dem
Gistcrcienser Orden'' und dachte .somit St. Jacob mit
dem nahen eiiemaligen Cistercienserstifte SedIrc in
Verbindung zu bringen.
DerCaslauerScliiddirecfnr Spudil und .Maier Herold
waren die ersten, welche den Professor Wocel auf diese
Kirche anfiiicrksiuii machten, in Folge dessen im Caso-
pis öeskeho Museum 1^47 die tretTliche IJeschrcibung
dieser Kirche erfolgte, deren Styl Woccl damals nocli
den byzantinischen nannte.
Die Entstehung des Baudenkmals schien durch die
im Jahre 184(> in der abgetragenen Tumba eines in der
Empore errichteten Altars gefundenen Weihurkunde aus
dem Jahre 1165 sieher gestellt zu sein. Dieses Perga-
mentblatt, welches besagt, dass der Altar-Weih-Act
durch den Bischof Daniel in der Gegenwart des Königs
Vladislav I. und dessen Gemalin Judith erfolgte, Hess
voraussetzen, dass diese Kirclie 10—15 Jahre früher,
daher 115(t gegründet worden sei.
Dem ist niclit so. Im Laufe des Jahres 1872, gleicli
im Frühjahre, als man mit der inneren Restaurirung der
Kirche begann, liiebei die Tumba abtrug und die breite
Mensa abhob, fand man in dem Hochaltäre, eine roh ge-
machte Blei-Capsel mit Reli(|uien in 13 kleinen seidenen
Bändchen mit einem gelblichen feinen Pulver bedeckt,
welches der \ermorschte Ueberrest der Pergament-Weih-
urkunde sicher gewesen ist. Die Länge der Kapsel be-
trägt 3", die Breite 2" IV". Der obere Theil ist mit der
Inschrift „Daniel XIILEp(iscopus)E(clesice')Prag(ensis)
versehen. Die 707 Jalire alte Schrift hat zwei Formen
des A- und des P-Buciistabens. lin-e Höhe beträgt 4'".
Sie war mit einem kreuzweis gebundenen vermorschten
Bande versehen, woran das bischöfliche Siegel, ebenso
vermorscht, befestigt gewesen.
Der Seidenstoff, worin die kleinen Rclii|uienfVag-
mente eingewickelt waren, war stark gewiikt, karmin-
roth, wohl erhalten und jenem ganz gleich, der in einer
gleichen Capsel mit gleicher Inschrift 184(> dort im
Emporen-Altare gefunden wurde. Die Bäiulclchen heftete
ein rother seidener lündfailen von gleicher Beschaffen-
heit wie jenes aus dem genannten Fundjahre. Selbst die
Schrift an dem anhaftenden Zetteichen, worin die lleili-
gennamen signirt sind, ist jener gleich, welche man an
den Reliquien der erstgefuiulenen Capsel tindet. Dem-
nach ist es sii'liergestcllt, dass beide Altäre in dem
Jahre 11G5 entstaudt'u sind und vom Bischof Daniel
geweiht wurden.
In Eilige einer vor zwei Jahren in der Gegend des
Dorfes Bohnic situirten Dynamitfabrik erfolgten furcht-
baren Exjjlosion erlitten fast alle Sfoinbauti'ii der Um-
gegend eine so heftige Erschütterung, dass Abtragungen,
Re])arafuren u. s. w. an der Tagesordnung waren und
noch sind. Dieser Unglücksfall, welcher \iele Men-
schenleben kostete, ereilte auch die Pfarrkirche nicht
nur allsogleich, sondern es entwickelten sich später noch
bedenkliche Sprünge als Folgen dieser K.'ttastrophe,
worüber der k. k. Conservatnr ISenes berichtet:
Das Dorf Bohnic, auch l'xijnice genannt, war be-
reits in vorhistorischer Zeit bevölkert, denn dort gefun-
dene Aschen-Urnen, Bronz- und Steinobjecte dienen hieflir
zum klarsten Beweise. Nun zählt der Ort .35 Häuser und
31.3 iMnwohner. Innn'tlen des Döii'cliens erhebl sieh <lie
erst t)5 Jahr(! alte S. Peters- und l'aiiluskii-elie, ein <lem
Herrn v. Osborn gehöriges Sehlösschen, endlich die
Pfarre und das Schulgebäude. Die Kirche besitzt, wie
selten eine, viele urkundliche Daten aus alter Zeit.
Es ist sichei'gestellt, dass dies (Jotteshaus auf
Kosten des \'y.sehrader Probsles (!ervasius 1158 erbaut
und bei Anwesenheit des Königs Vladislav I. und
seiner Gemalin .ludith vom Prager Bischof Daniel einge-
weiht worden isl.
Man fand im .l.'ihre I71tn hei einer Kirchen liepa-
ratur unler dem Altarsteine die Weih-Urkunde mit dem
2!)9
biscliöl'lichen Siegel und in einer lUei-Capsel Reliquien
von etwa 2U Heiligen.
'i22S gelangte das Dort' in das Kigentliunr des
Klosters von S. Georg. In den Libris eonfirniationuni ■
wird in dem Jabre 1319 der Pfarrer Albert, l'M'A) eben
dort der Pfarrer Jobann erwälint, welcher als solcher
von Vaniek v. AVartcnberg bestätigt wurde.
1357 war Bohnic bereits in den Besitz des Niko-
laus von Jentez gekommen, von welchem es der oben-
erwähnte Wartenberg erkaufte und gar nicht lange im
Besitze hatte, um es in dem J. 13i)0 an den reichen
Prager Bürger Petrus aus dem berühmten Geschlechte
der Ulbranio\ice zu veräussern. Kurz darauf ward dies
Gut dem königl. Obristburggrafenamte einverleiht, zu
welchem es fortwährend bis zu dessen Auflösung ge-
hörte und jetzt den Titel k. böhmische Donicsticallond-
Domaine tVdirt.
Was ilas Baudenkmal selbst betrifft, so bleibt kein
Zw-eifel Übrig, dass es einst, wie alle Kirchen des
XII. Jahrhunderts, im romanischen Style ausgeführt
worden war. Allein die jetzige Kirche trägt keine S]iur
mehr von ihrer alten Anlage. Schon Millauer sagt in
den gleichzeitigen ,.Abhandlnngen der königl. böhm.
Gesellschaft der Wissenschaften", dass die Bobnicer
Kirche ISOÖ vollkommen umgebaut worden ist. Gedenk-
bücher und altgewordene Zeitgenossen schreiben und
erzählen, dass man alles neu hergestellt und anders
construirt und vom alten Gebäude nur beim Eingange
ein Stück Mauer hat benützen können — sonst ver-
schwand alles!
Von Einriclitungsgegenständen dieser Kirche sind
zu erwähnen :
Ein bereits unleserlicher Grabstein nnt einer sehr
verfurchten Wappencontur, ein Weiliwasserbecken aus
Marmor aus dem J. 1(580, welches Adam Cistecky, Burg-
graf dieses Gutes, dem Kirchlein geweiht, ferner ein
kleiner zinnerner Taufkesscl mit der Jahreszahl 1730.
Die Sacristei bat hübsche Messgewäuder aus
Liouer Seidenstoffen, wovon eine Casida die Jahreszahl
1G71 in erhabenem Perlstieli gestickt trägt.
Im Thnrme hängen vier Glocken. Die älteste goss
der (Tlockengiesser Stanislav im J. 163<S, das Sterbe-
glöckcheu hat 11 Anfangsbuchstaben in seiner Umwan-
dung und entstammt dem Jahre 1772. Die übrigen
Glocken sind neu.
Aus dem Ganzen ist zu ersehen, dass die Kirche aller
Spuren alter Bauanlagen bereits entkleidet und ein sehr
nUciiternerBauaus demJ. 1805 im Grund und Aufriss ist. '
Anlässlich in neuester Zeit vorgenommener archäo-
logischer Forschungen in den Krakauer Klöstern, beson-
ders in denen der Dominicaner, Bernardiuer am Stra-
dom, und der lateranenischen Kanoniker am Kazmierz,
bat Herr St. von Krupanowski einige Nachrichten
gefunden, welcbe nicht ohne Werth für die Kunst-
geschichte Galiziens sein dürften. Es sind in chrono-
logischer Ordnung gegeben, folgende :
„1422 d. 27. septembris obiit A. E. D. Simon Prior
crac. et primus profcssus congregationis cracovieusis ^ in
scribendis libris chorali sui pergameno indefatigabilis.
1487 obiit Cracoviae V. P. Franciscus Hungarus
pictor eximius, iit imagines Coenae Domini, C'hrucitixio-
nis et lapsus Christi cracoviae et Calvariae in ecclesia
crucitixionis testantur. Sepuitiis in choro. '
1585 d. 21). Novembris obiit A. K. D. Salomon
Wierzbanowicz prior, in scribendis ])salteriis laboriosis-
sinius^ 1650 d. 27. Januarii obiit D. Thomas Dollabella
Italus ex statu \'cnetornm, ))ictor Regum Poloniae Sigis-
mundi III., AVladislai I\'. i't Joannis Casimiri qui in arte
sua neminem su" tem])<ire parcm liabuit, testimonio
omnium pictorum. Cujus fama inarte sua uon solum in
Polonia, sed in Germania, Italia et Gallia divulgata
fertur. Hie vii- j)er 4 circiter annos, in domo conventus
dicta S.Thomaemancns, nnilta suae gratitudinis ineodem
conxenlu et in ecclesia religuit monumeuta. Tandem
aetatis suae prope octogenarius anno et die ut supra obiit,
sepultus est in ecclesia nostra ante altare 5Iisericordiae.
11)55 3. Aprilis F.Andreas Organista Nizankowius,
in arte pulsandi organa suo seculo vix parem liabens ut-
pote qui in provectioni aetatis Komam profectus, et in
conventu super Minervam per trienuium organa cum laude
pulsans, cupieus in liac arte perfectior evadere, etiam
inibi Magistro Frescobaldi utebatur. Tandem in conventu
Cracoviensi, quem sua arte per multos annos, cum
admiratione et laude multorumcoudecoravit, die 3. Aprilis
aunum LXIII supergressus fatis cessit.
KjGG d. 12. Mai F. Blasius Derey Severiensis, artis
musicae jieritissimus, Antifonarium Chorale partis hiema-
lis cumnotis, habita a Beverendissimo patre generali licen-
tia, imjjrimi fecit. Graduale vero quantae pulchritudinis
nou reliquit? Est autem illud missae in dies cantantur
in pergameno opus mirandum. In conventu cracoviensi
sno nativo per plures annos manens, a carnibus abstin-
guit, pro potu sola acjua utendo. In confessionibus tam
fratrum, quam secularium audiendis usque ad mortem
assiduus, qui prope octogenarius, professionis vero L
anno die ut supra senectutis morbo extinctus.
Die Restauration des alten caroliugischen Domes
in Aachen, in welchem die Krönung der deutschen
Könige vollzogen wurde, war schon seit Decennien
Gegenstand eingehender Studien geworden, zu welchen
ursprünglich der Karls-Verein in Aachen mit einer im
Wege der Subscription aufgebrachten Summe von
40.000 Thalern den ersten Impuls gegeben, und welcbe
Idee von der deutschen Reichsregierung aut'gegritfen
und mit einer Widmung von gleicher Höhe gefördert
wurde.
Nachdem die Projeete, welche Deyer, Quast und
Schneider geliefert hatten, fallen gelassen wurden,
glaubten die massgebenden Stimmen den richtigsten
ÄVeg damit eingeschlagen zu haben, dass sie auf die
von Salviati in Venedig und Canonicus Bock in Aachen
empfohlene Durchführung in Mosaik eiuriethen, in wel-
cher Art die alte Kuppel der kaiserlichen Pfalzeai)elle zu-
folge erhaltener l'berreste ursprünglich geschmückt war.
Am 30. Juni d. J. ist in Aachen eine vom Cultus-
ministerium der deutschen Reichsregierung zusammen-
gesetzte Commissiou, bestehend aus den Herren Ge-
beimräthen Salzenberg und Schöne, den Professoren
Dubbert in Berlin, Wislicenus in Düsseldorf, Kekule in
Bonn und den vom Cai)itel in Aachen und dem Erz-
bischof Paulus in Cöln delegirten Experten Prof. Job.
Klein aus Wien und Appellationsgerichtsrath Reicheu-
' Vergl. hierüber Grueber's Meinung. Mittli. XVI, p. C'LXXXVIII.
- Can. reg. lat. Casimisc.
* Act. convent bern. atradow.
- Cau. reg. lates : Ca^imi&c.
260
sperger aus Cöln zusammengetreten, um die natur-
grossen, vom Maler Bethune crYdewalle ausgeführten
Carlons au Ort und Stelle zu begutachten.
Anfänglich hatten unter den Commissionsmitglie-
dern zwei abweichende Anschauungen l'latz gegrilten;
Prof. J. Klein aus Wien, von Reichensperger warm
unterstützt, vertlieidigte die Cartons, die im Geiste der
carolingischcn Epoche gehalten sind, die übrigen Mit-
glieder standen aber anfänglich für eine Durchführung
ein, welche sich die älteren musivischen Werke, wie sie
sich in der Sophicnkirche in Constantinoiiel, St. Vitale
in Kavenna u. s. w. vorfinden, zum Vorbilde gemunmen
hatte. Erst nachdem am letzten Tage das aufgestellte
Gerüste gefallen war und sich die Vertheidiger der
letzteren Anschauung die Überzeugung verschattt
hatten, dass sowohl die Kaunivcrtheilung als auch die
Farbenwirkung den Anforderungen entsprechen , so
gaben sie ihren Standpunkt auf, und so wird dem-
nächst die alte ehrwürdige Kuppel des Aachener
Domes in der ursprünglichen Farlienpraeht ihre Ver-
herrlichung erhalten. a
Über Antrag der Redaction besehloss die k. k.
Central Commission sich an der Wiener Weltausstel-
lung zu betheiligen und -wurden die Jalirgänge der
Mittheilungen von 1867 bis 1872, die Separatdrucke
der Sava'schen Fürsteusiegel und (irueber'schen Kunst-
denkmale Höinneiis, forncr Parthien des archäologischen
Atlas in der Gruppe XXVI zur Ausstellung gebracht.
Die Preisjury sprach diesen Publicationen die Fort-
schrittsmedaille zu. Auch der Wiener .\ltertliums-Verein
erhielt für seine ebenfalls ansg-estellten Publicati(Hien die
Verdienstmedaille.
Vom Altertlmins-Yereiiie zu Wien.
Wir haben das Erscheinen eines weiteren Bandes
der Publicationen dieses Vereines, des XIII., zu regi-
striren, In Ausstattung den früheren nicht nachstehend,
bietet sein Inhalt viel des Werthvolleu zur allgemeinen
und Kunstgeschichte Nieder-Usterreichs,
Der erste Aufsatz stammt, sowie die beigegebeneu
Zeichnungen aus der Feder des Herrn Emil Hütter,
dem man die gelungene Aufnahme vieler seither ver-
schwundener Partien des alten ^\'ien zu verdanken hat.
Der erwähnte Aufsatz hat die grosse Glocke bei St.
Stephan in AVien zum Gegenstand , bespricht ihren
Guss, die Zeit (1710) und den Ort ihrer Anfertigung
und iln-en Meister Job. Aichinger, ihre künstlerische
Ausstattung, ihren Transport in die Stadt zur Kirche,
ihr Aufziehen und ihre ersten Schicksale. Das beige-
gebenc interessante Bild, eine getreue Copie des im
städtischen Archiv erliegenden Originals, zeigt den
Moment, wie die mit Bändern geschmückte Biesen-
glocke auf einem massiven Wagen von vielen hundert
Menschenhänden gezogen, von ihrem Gussorte am
Neubau durch da.s Fischerthor bereits in die Stadt
gebracht, in der Biscliofsgasse zunächst dem Ivk der
Wollzeile anlangt.
Im nächsten Aufsätze stellt Prof. A. Senibera
mit grossem Scharfsinne die bisher nicht fixirte Stätte
in Nieder-Österreich fest, auf welcher im .lahrc 1221
jener Kirclicncongrcss stattfand, durch diu der viil-
jährigc Streit zwischen Kilnig Preniysl (»lakar I. und
dem Prager Erzbischofe Andreas um die Privilegien des
Präger Bisthunis beigelegt wurde. Prof. Sembera
nnicht es zweifellos, dass die Stelle, wo jener
Staatsact geschlossen wurde und den die Chronik
,.MonsScas" nennt, derScbatzberg ist, der sieh zwischen
Petz und Seefcld in Mieder-Osterreich, südlich von
Znaim in der Nähe der mährisclien Grenze, erhebt.
Grosses Interesse erregend und reiche Belehrung
enthaltend sind die kunsthistorisclien 15emerkungen und
Beiträge, gesammelt von Dr. .Ilg, in AVien und auf
Wanderungen durch Nieder- Osterreich. Wenn auch
Nicder-Östcrreich durch die alten Toiiographien eines
AVeiskern und Fischer, durch die späteren Arbeiten
Seh midi 's, Schcigcr's, Tsclii sclika's, dann, seit
jene Fntcrsuchungen in wissenschaftlicher Weise ge-
halten werden, von Hei der, Feil, Camesina,
Sacken, AA^eiss u. a. in kunst-archäologischcr Hin-
sicht als ein durchforschtes Land angesehen werden
darf, und mir mehr im kleinen Einzelnen, in der Feiu-
arbeit noch zu schaffen übrig ist, so hält es der \^er-
fasser und mit ihm die Bedaction der Schriften des
Altherthum-A'ereines und der Referent für ganz zweck-
mässig und angezeigt, dass über selbst bekannte Monu-
mente die oft divergirendc und manches Neue zu Tage
fördernde Ansicht verschiedener Facligenossen registrirt
und der Öffentlichkeit übergeben wird.
Ilg's AA'anderungen beginnen mit der Wiener Ste-
phanskirche, woselbst Einzelnheiten derselben einer ein-
gehenden Betrachtung untei'zogen werden. Den ersten
Gegenstand bibh-n die prachtvollen, leider noch nirgends
genügend publicirten Chorstühle. 11g gibt zu, dass an
einzelnen Sculjjturen die Meistcrliaml Lerch's zu erken-
nen ist, dass in der Construction des AA^erkes im Ganzen
und Grossen und in der Ordnun:;- der Sitze, in der Ver-
wendung der Baldachine die Alöglichkeit eines .\ntheils
Lerch's liegt, glaul)t jedoch, dass die Ausführung zahl-
reichen Kleistern, deren erster Rollinger hiess, über-
tragen war und ein nicht unbeträchtlicher Theil der Bild-
werke, \on zierlicheren und beträchtlich jüngeren Händen
aus (b'r Benaisancc^ieriode stannne. Auch die wenigen
alten, noch erhalten gebliebenen, farbigen Fenster- \'er-
glasungcn werden bes])rochcn und insbesondere wird dem
AVunsche Ausdruck gegeben, dass die seit einiger Zeit
aus der Halle unter dem grossen '{''hin'me entfernten
alten Glas-Alosaike, vorsttdlend österreichisehe l''ürsten-
l'ilder, recdit bald an einem passenderen Orte ihre Auf-
stellinig wiederlinden nnichlen. Uber das Aladonnabilddes
Speisaltars, ein von einem AViener Bürger Hfl.'! gestiitetes
Tai'elgeniälde, über dii; Consecratiunszeielien, über einen
verschwundenen Grabstein, wie auch über den I'lügel-
allar In der Scliatzkanniier-Capelle finden wir intcres-
sanf<' Mifllieilungcu; dass dieser FlllgelaUar der von
Bischof Ludwig lOiiner um ]i)(.)l consccrirte ist , der in
seiner abseilsficlegenen Aufstellung sein Heil, sowie
seine l'jhaltnng wüIii'^mhI der Zeit des Zopfes fand,
sclieinl ihm ausser Frage; dass AVolgemut an diesem
Altäre keinen Aidheil, ist dem Verfasser unzweifelhaft,
eiier dürfte es nniglich sein, dass ein Meister aus der
S(dnde Dlb'cr's d.-ii-.in, nanientliidi an den Gemälden
tiewirkt habe.
— 261
In weiterer Folge bc,si)richt Dr. Ili;- den .scliinuu
Grabstein des Freilicrrn 'l'ruciisess \o\\ Woc/.liauscn
f 1023, in der Deiit.srli(ir(ienskirelie zu Wien, die Fran
ciseancrkirclie und zwei ihrer Grtibniale , die durcli
reichen Bihlerseliniucic ansg'czeichnet sind, die Kii-cjie
von I5ercht(iidsdiirt', die liundeai)elic', Othniars- und
.Spitaiivireiie in j\l ii d 1 i n i;' und dir Cartliäuserlvirclie zu
Gauiing' nebst anilereu kleineren Denkmalen.
Eine ausgedehntere Bearbeitung fand die interes-
sante verfallene Piurg Licehtenst ei n liei Jlödling mit
ihrer merkwürdigen romanischen C'apelle. Sie verdient
auch diese Rücksicht, denn sie ist eines der .frühesten
Monumente dieses Stylcs, die noch in Nieder-Ostcrreicli
erhalten sind. In einigen (iemäcliern finden sich
Kaniinreste mit Scnlpturen am Mantelträger, die zwar
etwas .Starres an sich haben, aber immerhin merkwürdig
sind durch ihre scharfe Stylisirung.
Mit Vorlielie wendet sich Dr. II g den an verschie-
denen Orten erhaltenen Gemälden zu und bespricht zwei
altdeutsche Gemälde, die im Jahre 1869 die Capelle der
Ruine Lichtenstein zierten, ferner die Bilder, welche sich
in der sogenannten Rittergruft im Laxenbnrgcr Parke
befinden, zwar Arbeiten minderen Werthcs, doch gute
Repräsentanten des österreichischen Schulcharakters,
vier davon des beginnenden XVI., vier andere noch des
XV. Jahrhunderts. Längere Betrachtungen sind der Ge-
mäldesannnlnng des Stiftes Heiligen k r e n z gewidmet,
die neben einem netten xnu der Neer und einem bedeu-
tenden italienischen Bilde etwa ein Dutzend altdeutsche
Gemälde enthält. Den Fresken im Karner zu Mödling
und im Vorbaue der Kirche zu OtTenbach ist grosse
Aufmerksandvcit zugewendet; bei den letzteren stellt der
Verfasser die Verwandtschaft von der Giotto'schen Schule
ausser Frage, was sich wohl bei der bekannten Wan-
derlust, die sicli bald nach der reichsten Blüthe dergrottes-
ken Schule ■ — d. i. seit dem Ende des XIV. Jahrliun-
derts an den zahlreichen («liedern dieser Schule kund-
gab, allerdings leicht erklären lässt.
Aus der Feder unseres Mitarbeiters, des tüchti-
gen Genealogen und Siihragistikers Dr. Hartmaun-
F ran zensliu Id sfamnit ein sehr gründlich gearbeiteter
ISeilrag zur (iescliiclile des Hauses Gollallo.
Als der Heaclitinig besonders würdig niiissun wir
den Aufsatz des Dr. Anton Kerschbaumer über das
kaiserliche Frauenstift zu Tu In bezeichnen. Wie der
N'cifasser selbst diesen Aufsatz liencnnt, ist derselbe
eint' Studie, die niclil allein den Zweck hat, die Ge-
schichte des durch seine Stiftung und die damit verbun-
denen Traditionen merkwürdigen Fraucnklosters sicher-
zustellen, sondern insbesondere die mit dessen Auf-
lösung verbundenen Nachrichten ins klare zu bringen
und auf ihren richtigen Kern zu reduciren. Wir zweifeln
nicht, dass diess dem gelehrten Autor dtunit gelungen ist.
Eine Lücke in der bisherigen Landesgeschichte
wird durch den w^erthvollen Aufsatz des Dr. Th. Wiede-
mann: „Geschichte der Garthause Mauerbach-' bestens
ausgefüllt.
Von weiteren Aufsätzen seien noch erwähnt die
Besprechung einer Ansicht Wiens aus dem XVI. Jahr-
hundert, Mittheilungen über einige mittelalterliche Grab-
denkmale in Nieder-Üsterreich und Camesina's Ver
öifentlichung zweier Urbare des Stiftes Schotten aus den
J. l.'iTG und 1390, deren Interesse durch eine Fülle von
Noten, die Formation der Frei uugu. s.w., wie auch durch
die Beigabe entsprechender Ansichten gesteigert wird.
Die Ausstattung durch Tafeln und Holzschnitte
steht an (iediegenheit und künstlerischem A\'ei'the den
früheren Bänden nicht nach.
An Tafeln linden wir beigegeben jene, wie schon er-
wähnt, den Glockentransport darstellend, ferner eine sehr
gute Ansicht der Ruine Liechtenstein von der Nordseite,
die sehr seltene Ansicht des nun fast ganz verschwun-
denen Tulner Fraucnklosters nebst Gruudriss der ganzen
Baulichkeiten, endlich die schon erwähnte Ansicht der
Stadt Wien \(in der Donauscite aus der Mitte des
XVI. Jahrhunderts, mit Zugrundelegung der Hirsch-
vogelschen Ansieht von ]r348, endlich die Ansicht des
Schottenklosters nach Vischer (1609) und der Partie,
welche die Freiuug sammt den angränzenden Stadt-
theilen enthält, aus dem HufnagFscIien Wiener Vogel-
perspectivplane.
Statut
für die
Central-Comniission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmaie.
Piililicirt mit Erlass des Miuistorimus für Ciiltiis luul Uiiteniclit ildto. 21. Juli 1S73 (R.-G.-Bl. lol).
1.
Die Central-Comniission iür Erforschung und Erhal-
tung der Kunst- und historischen Denkmale ist berufen,
das Interesse für die Erforschung und Erhaltung der
Kunst- und historischen Denkmale immer mehr zu be-
leben, die Tliätigkeit der wissenschattlichen Vereine
und Fachmänner der im Reichsratlie vertretenen König-
reiche und Länder hiefür rege zu erhalten und zu för-
dern, die Denkmale unserer Vorfahren und der einzel-
nen Volksstännnc allgemein bekannt zu machen und
zur Eiire derselben vor Vernichtung und Verdcrbniss
zu bewahren.
Die Central-Connnission
für Cultus und Unterricht.
XVIII.
untersteht dem ^linister
Die Central-Comniission hat ihre Wirksamkeit auf
die folgenden Objecte zu erstrecken:
I. Objecte der prähistorischen Zeit und der antiken
Kunst (Jlonuniente, Geräthe etc.).
II. Objecte der Architektur, Plastik, Malerei und der
zeichnenden Künste (kirchliche und profane) des
Mittelalters und der neueren Zeit bis zum Schlüsse
des 18. Jahrhunderts.
III. Historische Denkmale verschiedener Art, von der
ältesten Zeit bis zum Schlüsse des 18. Jahr-
hunderts.
Hiernach zerfällt ilic Thätigkeit der Central-Com-
niission in ebenso viele Sectioneii.
34
— 262 —
§•4.
Die Central-Coniniission besteht aus einem Präsi-
denten und 12 bis If) J[iti;-liedern, welelie den einzelnen
Sectionen zugewiesen werden.
§. 5.
Jede Section der Central-Coraniission verhandelt
selbständig die ihr z.ugewiesenen Geschäfte. Zu Ver-
ii:nidluiii;en über Gegenstände, welche mehrere Sectionen
lulfr allgemeine Angelegenheiten i)etretlen, versam-
meln sich dieselben über Aufl'orderung des Präsidenten
zu gemeinschaftlichen Sitzungen. Jede Section hat das
Hecht, sich über Antrag des Präsidenten oder eines
Mitgliedes für rinzelne Fälle durch Fachmänner mit be-
schliessendcr Stimme zu verstärken. Die vorgenommene
Wahl wird vom Präsidenten bestätigt.
§. •'.
Zu Mitgliedern der t'entral-Commission für die
einzelnen Sectionen werden I\Iänuer berufen, deren
Leistungen auf dem Gebiete der bildenden Kunst,
Archäologie oder Geschichtsforschung anerkannt sind.
Dieselben werden vom rnterrichtsmiuister nach
eingeholtem Voi'schlage des Präsidenten auf die Dauer
von fünf Jahren ernannt und können nach Alilauf dieser
Zeit wieder liestcllt werden. Sie beziehen für das von
iiini'ii bekleidete Fiireuamt keinen Gehalt.
Der Präsident wird vniii K.iiser über Vorschlag des
Unterri(ditsministers ernannt.
Er führt bei allen Sitzungen den Vorsitz.
Im Falle seiner Vcrliinderung vertritt ihn das von
ihm bezeichnete Mitglied der Giunmission.
Dem Präsidenten k(uniut iiei gleichgetiieilten
Stimmen die Entscheidung zu. Kr leitet die Anträge
der Central -Coniinission, aih'nfalls unter Peifligung
seiner eigenen Afeinung, an den Minister und wird
durch diesen \on den hierüber geti'nfiV'nen Verfügungen
verständigt.
§.8.
Den niiliei-en Wiikungskreis der Sec^tionen, sowie
die GeschäftsbeliandJung in den <!esanimt und Sections-
silzungen reg(dn liesondere Instriictiduen und die Ge-
schäftsordnung, welche vom Minister genehmigt werden.
§.9.
Die wichti,:;slen iiilfsni-^jine dei- ('entr:i] Cominis
sinn tür Kunst- und iiistoriscJie Denkmale sind die
„('(inservatorcn" , dieseli)en haben die Zwecke der
(JonimissioM innerhalb des ihnen zugewiesenen Bezirkes
zu waliri'u und zu birdeiii. Sie werden Je naidi der
li'icbtung ihrer Studien und iiires Herufes entweder für
alle oder für eiiiz( Ine Sectinnen ernannl.
Elienso kann sich der Umkreis ihres Wirkens auf
einen Kreis oder auf mehrere solche, evi nluelj .-luch auf
verschiedene Kronländer bezichen.
Pici d('r I'.(sl(dlung der (Jouservalinen ist d.iflir
Sorge zu tragen, dass mit lllieksiclil :iuf iede iIit drei
Sectionen der Central-Commission das ganze Gebiet
der im Peichsrathe vertretenen Königreiche und Länder
möglichst vertreten ist. Die Ernennung der CNniser-
vatoren erfolgt über Vorschlag der Central-Commission
vom Fnterrichtsuiinister mit der Funetimisdauer von
fünf Jahren.
§• 10.
Die Sectionen corresitondiren mit den betreffenden
Conservatoreu nur durch die Central-Commission.
i<. n.
Die Commission hat mit allen für ähnliche oder
verwandte Zwecke bestehenden Local- und Landes-
vereinen in gescdiäftliche Berührung zu treten und an
allen Orten, wo es wünschenswerth erscheint, auf die
Gründung neuer Vereine dieses Faches hinzuwirken.
Die Geschäftsverbindung mit Vereinen , sowie mit
Privaten, erfolgt durch die Conservatoreu , welch' letz-
tere überhau])t als Vermittler zwischen diesen und
der Central-Commission im beiderseitigen Interesse zu
wirken haben.
Nach Mass des sich nudireuden Stoffes und des
sich erweiternden Kreises der Verlnndungen kann die
Counnission Persönlichkeiten , welche sich den Ruf
gründlicher Kenntnisse und wissenschaftlichen Strebens
in Beziehung auf Kunst- und bistoris(du; Denkmäler er-
worben haben, zu „Corresjxmdenten- ernennen.
Die Counnission kann aus ihrem Sidmsse oder aus-
serhalb desselben geeignete Persönlichkidten für beson-
dere Zwecke ihrer 'l'liätigkeit mit Aufträgen dahin ent-
senden, w(p dies zur Aiifnuhme eines Objecfes oder zur
Abgabe eines faeliuiiinnisehen Irllieils noihwendig er-
sidu'int.
Am Schlüsse eines Jeden Jahres erstattet die Cen-
tral-Connnission einen in Druck zu legenden General-
bericlit über ihre Tliiitigkeit an das Unterrichtsmini-
sterium. Überdies pulilieirt sie in freier I''(dge wissen-
scli;ifllielie .Abhandlungi'H anlilein (iebiele ihrer Wirk-
samkeit.
Die k. k. l*.(diörden sind berufen, die Central-Com-
niissi(ni und diicn Organe in ihrem Wirken zu initer-
sliitzen, siiwnid übei' specielli's .\nsinnen, .als aueii un-
;iul'gefiirdei't. insiiesoudei-e dur(di geeignete Miltheilung,
wenn il u in ilireni Wirkungskreise das Vorhanden
sein eines Kunst ddei' histdrisclien Deukmides zur
Kemdniss kcninul.
§. k;.
Die Central Cmunnssitm hat alles D;isje.nige vorzu-
bereiten uihI in .Antrag zu bringen, was auf dem \\'ege
dei- staatlicdieu ( !esetzg(d)ung zur \ idlsländigeu Duridi-
flilil'uug dei' ihr ^■(•stellten Aufü'aiieu erlnr(lei-|ich ist.
I't'ttk i.i k. k. Hof iiiiil St. nti.liiirkrroi.
2()3
Doiiatollo , seine Zeit und Sclmle.
\'oii Dr. Hans Semper.
(Fortsetzunj;-.
€t 0 1 (l s c h in i e (1 k 11 n s t , r e s p. ;\[ e t a 1 1 o t e c Ii n i k des
Mittelalters.
Ein jedes Metall ist dehnbar, sc hin elzltar und
s c b n e i d b a r. Vermöge seiner ü e li n b a r k e i t kann es
zu Blättclien, lUeeli oder Platten geschlagen
lind g-e walzt, vermittels Hämmerns verdichtet
und geformt, vermittels Ziehens zu Fäden und
Draht gedehnt werden.
In Folge seiner Sclimclzbarkei t kann man es
in die verschiedensten Formen gi essen.
Seine S chueidbarkeit endlich gestattet eine
Ausschneidung dlinner Platten nach bestimmten Zeich-
nungen, oder aber eine Musterung seiner Oberfläche
durch Wegnehmen von Theilen.
iSoiche ausgehöhlte .Stellen einer Metallfläche
können mit andern Stoffen ausgefüllt werden, um den
Schmuck zu erhöhen.
I. Metall als dehnliarer Stoff,
nj Arbeit mit Me tall blech.
Es dient zur glänzenden Bekleidung einer weniger
edeln Unterlage und wird gewöhnlich mit Zeiciinungen
in Relief geschmückt.
Die Herstellung solcher getriebener Metallblech-
tafeln geschah in kurzem Iblgendermassen: Eine Metall-
tafel wird gegossen und gehämmert oder gewalzt, bis
sie gleichmässig dick und ohne Risse ist. Mit einem
Eisengriffel werden hierauf die Umrisse der Figuren
eingekratzt und sodann durch Hämmern auf weicher
Unterlage, wie Pecli, in Relief herausgetrieben, oder
auch durch Stempel hineiiigepressf.
Diese Technik fand schon in den mythischen Zeiten
des Alterthums iln-e Verwendung, kam in der classi-
schen Zeit etwas in Abnainne, um unter den Alexandri-
nern und römischen Kaisern wieder mit Vorliebe zum
Schmuck von ÄFöbeln, Geräthen und selbst Wänden ver-
wendet zu werden. In der besten Zeit wurden beson-
ders Metallgefässe auf diese Weise geschmückt, so im
Nationalmnseum von Neapel mehrere schöne antike
Silbergeiässe mit getriebenen Centauren, Amorinen,
Masken, Frauen, die Toilette machen etc. Die getrie-
bene dünne Platte dient als Bekleidung einer stärkeren
glatten Mctallunterlage.
Im christlichen Cnlt fand ganz besduders diese
Technik der Goldschmiedkunst Aufnahme, seitdem
dieselbe durch Constantin zur Staals-Religion erhobem
worden war. Dem beginnenden \'erfall des Ge-
schmacks entsprechend wog diese Technik vor dem
Bronceguss, vor, da sie leichter auszuführen ist, als der
Guss. In Rom Hess Constantin vermuthlich in dieser
Technik einen Silbergiebel von 2025 Pf Gewicht
mit den 12 Aposteln und Christus in Relief an
der Basilica seines Namens herstellen ; in derselben
Kirche errichtete er 7 Altäre, die mit getriebenem Sil-
ber im Gewicht von je 200 Pf. bekleidet waren u. s. f.
Im folgenden Jaluhuntlert (c. 482) erneuert Kaiser
Valcntinian auf die Bitte des Pai)stes Sixtus III. den
Silbergiebel (Ur constantinischcn Basilica, der von den
Barbiiren geraulit worden. Derselbe Kaisei- stiftete über
der Confession von S. Peter ein „goldenes Bild" (imago)
mit den 12 Aposteln und Jesus unter 12 Bögen fcum
dnodeciin })ortis) etc.
Von Cdiistantin war ein neuer Kunst -Impuls auch
nach Byzanz, und von dort wieder sclion l)ald darauf
nach einigen Punkten Italiens getragen worden. Con-
staiitinopel war die eigentliche Heimstätte für den mit-
telalterlichen Blech -Styl und alle zur Flachheit ver-
kinuinerten Reliefdccorationen.
Das sechste und siebente Jahrhundert waren, aus-
genommen vielleicht in Ravenna, eine Zeit tiefen Verfalls
aller Künste und so auch der Goldschmiedekunst. Ur-
sache hie\on waren einmal die Kämpfe ('(instantino]iels
gegen die (iothen, sodann die Einfälle der Longobarden,
welche sich anfangs keineswegs als Freunde feinerer
Kunst erwiesen, vielmehr Städte, Kirchen und Paläste
schonungslos niederbrannten, ja selbst Rom mit solchem
Schicksal bedrohten, dessen monnmentrciche Umgebung
sie schrecklich verwüsteten. Gleichwohl ist der Wieder-
aufschwung der Künste in Italien, der mit dem achten
Jahrhundert wieder eintrat, wohl eben so sehr der festem
Gestaltung des Longobardenreichs und der Kunst oder
Prunkliebe einiger seiner Könige, als denravennatischen
und byzantinischen Einflüssen zuzuschreiben, welch'
letztere gewiss nicht gering waren, und in Rom selbst
vorwiegend. In Byzanz hatte nämlich Leo der Isaurier
im Jahre 72G eine Massregel ergriffen, wodurch er das
dem christlichen Cultus drohende Zurückversinken in
heidnische Götzenverelirung verhüten, und dadurch dem
liolitisch- moralischen Vortheil des, wie ein Phänomen
aufgetretenen, jeden Bilderdienst verscheuchenden Islam
entgegenwirken wollte. Er verbot den Bilderdienst und
vertrieb die Bilderverehrer und Bilderverfertiger. Der
römische Pa]ist, der auf einer Synode das Vorgehen des
byzantinischen Kaisers als Ketzerei erklärte, empfing
die vertriebenen Künstler mit offenen Armen in Rom.
Dicss dauerte unter Constantinus Koi)royinos fort. In
Folge davon beginnt, trotz des gleichzeitigen Krieges
gegen die Longobarden , unter dem Pontificat Gregors,
III. (^TÜl — 4] die Kunst in Rom wieder einigen Auf-
schwung zu nehmen. Da aber, wie wir schon andeuteten,
in Byzanz die Kleinkünste die muinimentalcn Künste
die (loldschmiedkunst , die Mamorsculptur, l\Iosaik
und Tepiiichstickerei, die Malerei verdrängten, so dass
dort selbst alles plastische oder architektonische Detail
einen flachen mosaikartigen Charakter annahm, —
so trat mit dem Eindringen byzantinischen Einflusses in
Rom hier auch eine Zunahme der Metallblech-
technik und eine Abnahme gegossener Met all-
arbeit oder erhabner Marmorsculptur ein. —
Wo von jetzt an imLiber poniticalis des Anastasius von
Metallfiguren die Rede ist, heisst es fast immer: ,.inves-
titur argento" etc. — So Hess Gregor III. (7ol — 741)
35
— 264
eine Statue der Jungfrau, mit walirscbeiulich hölzernem
Kern, durcli Silber bekleiden. Zahlreiche Arbeiten
solcher Artfallen unter Hadriansl. Poutiticat (112 — 795).
Er Hess 6 Figuren, Christus, S. Michael, Gabriel, die
Jungfrau, S, Andreas und S. Johannes ..mit silbernen
Platten belegen" (ex laminibus argenteis investitasV
Die zahlreichen Keliefs aus edlem Metall, die er herstel-
len Hess, waren ohne Zweifel von getriebner Arbeit. —
So in der Basilica von S. Peter, avo er am Haupt-Portal
ein ..Bild" Christi von Silberaubringen Hess; terncr am
Haujitaltar gold eue Reliefs ; die Confession Hess er
mit goldenen Platten bekleiden, die mit verschie-
denen Darstellungen geschmückt waren; neben der
Leiche des Apostels befand sich ein goldenes Bas-
relief mit den Gestalten des h. Petrus, der Jungfrau,
sowie der Apostel Paulus und Andreas. Gleichfalls ein
grosser Förderer der Kunst war Hadrians Nachfolger,
Leo III. (^796 — 816). Er Hess unter Auderm silberne
Thiiren an der Basilica des S. Peter herstellen. Inder
Basilica des S. Paul errichtete er über dem AHare ein
goldenes Bild mit dem Heiland und den 12
Aposteln (das also wahrscheinlich in der Composi-
tion Verwandtschaft mit dem hatte, welches der Kaiser
Yalentinian iu S. Peter stiftete).
Unter den genannten Päpsten, Gregor III., Hadrian
I. und Leo IIL, wurde auch der Wiederaufbau des seit
vielen Jahren zerstörten und verlassenen Klosters von
Montecassino wieder begonnen. Abt Gisulf Hess (797)
einen Altar errichten, den er ,,mit Silbertafeln be-
kleidete." Abt Johannes that im X.Jahrhundert das-
selbe. Ebenso Abt Aligern, der ausserdem noch die
Vorderseite eines Altars des S. Johannes aul die näm-
liche Weise schmückte. Unter den folgenden Päpsten ist
es wieder Leo IV., der solche Arbeiten ausfüiiren lässt.
(«47 — .855.) Er lässt die Silbertliüren von S. Peter er-
neuern. Das Grab dieses Ainistels sclimiickt er mit ."5
Silberreliefs. — Ebenso stiftet er dort eine Silber-
kanzel mit ausgezeichneter Arbeit in Relief.
So barbarisch die Longobarden anfangs in Italien
aufgetreten waren, so sclmell nahmen sie milde Sitten
und Christenthum an, und zeigten sich demi aucii als
eifrige Förderer und Freunde der Kunst, in der von
TheodcHnde gegründeten Basilica des S. Joliannes zu
Monza befand sich ,,ein grosses Altarblatt vim
Gold und Silber-, das idine Zweifel in der \on uns
besprociieneu Technik gelialten war. .\ls das Longo-
Itardenreich politisch zwar durcii Carl den Gros-
sen zcrtrllnimert worden, bestand es doch cultnr-
gesc ii ich 1 1 i eil micli längen- Zeit fort.
Ein lon:;(ibardisclier Künstler mit Namen Woll-
win ist es, der auch um tlie .Mitte des neunten Jahr-
hunderts im Auftrage des Erzbischofs von Mailand, An-
gilbcrt n., ein Meisterwerk aller getriebenen Metallarbeit
des .Mittidalters herstellte, ilas noch erhalten ist. Das-
selbe betindet sieh in der l'.asilica von S. Ainbrogiu zu
Mailand, die im Jahre '-'i^l durch den .S. Anilirosins
8ell)St eingeweiht worden, und von AngilluMl II. restan-
rirt ward. Vier Por|)liyrsäiilen tragen einen l)aldaehin
mit reliefgesclnnliekten Üundliinetten. .\dler mit Fiseiien
an den Caiiitälen stellen die üezichnng auf den longn-
bardisciien Stifter Ang(dbcrf aus der Familie Pusteria
dar. Der unter diesem Baldachine bchndliclie Altar
selbst ist rings mit Gold- undSillieriilatten bekleidet, die
iriit Edelsteinen gariürt sind, und getriebenem Relief
verschiedene Episoden aus dem Leben desh. Ambrosius,
einige Geschichten des Evangeliums so wie die Por-
träts des Stifters und des Künstlers zeigen. 80.000
Goldgulden kostete dieser Altar.
Gegen Ende des IX. und im Laufe des X. Jahr-
hunderts brach wieder eine Zeit des tiefsten Verfalls
über Italien herein. Das Longobardenreich, das ein
italienischer Nationalstaat werden konnte, war zer-
trünnnert, das fränkische Königshaus entartet und von /
innerem Hader zerrissen, so dass Italien eine herrtu-
lose Beute der kleinen Fürsten und ehrgeizigen Priester
ward.
Am päpstlichen llofe\var deralte Geist desChristen-
thums schon gänzlich durch den schamlosesten Egoismus
und Ehrgeiz verdrängt worden . und unerhörte Gräuel
fielen dort vor; ausserdem üiierzogen Schwärme von
Sarazenen und Hunnen das unglückliehe Land mit
Raub, Jlord und Verwüstung. Vor allem aber beäng-
stigte eine Prophezeihung, die den Weltuntergang auf
das Jahr KUH) angesetzt hatte, aufs Tiefste die Ge-
mütlier, lähmte jeden Unternehmungsgeist und löste
alle Bande. Das Jahr 1000 bildete einen scharfen
Abschnitt zwischen dem frühen und dem späteren
Mittelalter. Ein allgemeiner Jubel ging durcli die
Christenheit über den glücklich überlebten Weltunter-
gang. „Als das dritte Jahr nach dem Jahre IdOi) heran-
nahte, geschah es, dass fast auf dem ganzen Erdkreis,
besonders aber in Italien und Gallien, die Kirchen
erneuert wurden. Wiewohl die meisten ganz würdig
ausgestattet waren und einer Erneuerung gar nicht
bedurft hätten, so wollte doch in der ganzen Christen-
heit die eine Nation immer schönere Kirchen haben als
die andere. Es war gleichsam, als ob sieh die ganze
Welt gehäutet hätte, und, nach Abwerfung der alten
Hülle, allüberall das reine Gewand der Kirchen an-
legte.-' Und mit der Architektur nahmen auch wieder
die Kleinkünste einen Aufschwung. Energische Förderer
der Kunst traten in Italien auf: Heinrich HI. und seine
Fi-au Kunigundc (Gründerin von St. ]\Iiniato bei Flo-
renz), Gregor VII., sowie die Grälinnen Beatrix und
ihre Toehtei- Mathilde von Toscana. Auch die Städte
hatten in der dunkeln herrenlosen Epoche des X. Jahr-
hunderts Zeit und Gelegenheit gefunden, sich unab-
hängiger von der kaiserlichen Gewalt hinzusti-llen, und
begannen gewerblich mächtig aufzublühen. Abermals
wurdt-n zahlreiche byzantinische Künstler herbeigezogen,
da in Italien selbst manche Technik uiul mancher Kunst-
zwcigvöllig oder beinahe in Vergessenheit gerathen war.
Abermals begannen liyzantinisehe Arehitekt(-n wie
(;oIds(-hniiede, Maler wic^ Mosaikisten (-inen niüi-htigen
Einliuss ;iuf Italiens Kunst zu gewiniu-n, er\v(-ckteii
(iadureii aber zngjeii-ii nni-ii wieder eine einheimische
künstlerische li'e.'ielicm . weh-lie, im Gegensatz zum
starren und (lachen Hyzantinisnius, an die lebensvollere,
rund(-r mndriliric Antike anknü|ilte. Im Zns.-mnnen-
hange hiemit steht (U-nn aiu-li \ielleiclit die Tli;itsachc,
dass in dieser Zeit solcher (Soldbleeharbeiten weniger
{■a-w.-ihniing geschieht, ^\■as Italien betritl't, ist uns gar
kein Iteispiel bekannt; ddch dass diese Technik auch
hier nie ganz aufgeliiii't haben nnig, scheint (-ininal der
i'mstand zu beweisen, dass sie später wieder einen
grossen Aufschwung nimmt, sowie ferner, d.ass sie
gleichzeitig in Frankreich geübt wird. Im Kloster
.St. \'iton bei \'erdiin Hess .\bt Ilicliai-(1 um l(»(ll eine
— 26!>
Kanzel herstcUi'u, deren vier Seiten mit Hasreliefs aus
getriebener und ver,i;oldeter Bronee gcsclimiiekt waren.
b) Ailic'it mit JI e t a 1 1 p I a t tc ii.
Die Verarbeitung stärkerer Metallplatten zu Hohl-
körpern nahm von jeher nicht bloss in der (i(dds(hmied-
kuust, sondern aueh der Klem|nierei, Wart'enscJüniede-
kunst etc. schon deshalb einen liervorraiienden Platz
ein, weil sie eines der geeignetsten Mittel bildet, Ge-
räthe des Bedürfnisses und täglichen Gebrauchs, wie
Gefässe, gowie Küstiingen iierzustellcn.
In offenen Hohlkörpern, (Schüsseln etc.) können
]\Ietallplatten durch blosses Hämmern verarbeitet wer-
den. Nach allen Seiten geschlossene Hohlkörper ent-
stehen durch Zusammensetzung (vermittels des Nietens,
Löthens oder Schweissens) mehrerer offener IU)hlkör-
per. Ausser der einfachen, dem Zweck dienenden
Höhlung, können an der Innern AVandung derselben
auch noch kleinere nach einer bestimmten Zeichnung
ausgehännnert werden, welche dann au der Aussenseite
des Hohlkörpers als Keliefs hervortreten. Diese aus-
schnuickende Hännnerung von sich selbst tragenden
Metalhväiiden ist verwandt mit der Hännnerung V(m
Bekleidungsblecli und wahrscheinlich daraus entstanden.
Die ältesten Völker kannten diese Technik. In der
Bibel kommen viele Stellen über goldne Gefässe vor.
In si»ätrömischer /.eit, wie vielleicht schon früher, wur-
den ganze Statuen, Säulen etc. auf diese Weise her-
gestellt.
Die Zeit Coustautni's blieb dieser Technik, insbe-
sondere in Bezug auf Statuen, treu. Denn gegossen
wurden meist bloss lironcestatuen, und auch dies
hört mehr und mehr auf. In der Apsis seiner Basilica
stellte Constantin einen silijerneu, sitzenden Heiland von
140 Pfund Gewicht und 5 Fuss Höhe, sowie vier Silber-
engel von gleicher Höhe und je 105 Pfund Gewicht auf.
Dieselben hatten als Augen Edelsteine nud hielten ein
Kreuz. Auch Kronen, Becher und Ampeln, die er
daselbst stiftete, gehören jedenfalls dieser Technik an.
Auch der Taufi)rnnnen in derselben Kirche , worin
er von Pa])st Sylvester getauft worden , war reich an
solchen Arbeiten. Der Trog bestand aus Kupfer, das
mit Silberplatten von 'MOS Pfund Gewicht bedeckt war.
Inmitten des Brunnens erhob sich auf porphyrncn
Säulen eine goldene Schale mit einer Kerze darauf.
Auf dem Bande des Brunnens stand ein giddenes,
wasserspeiendes Lamm von 30 Pfund Gewicht, rechts
davon Christus, silbern, von 170 Pfund Gewicht, links
S. Johannes mit der Schriftrolle, 100 Pfund schwer.
Ausserdem schmückten den Band noch sieben wasser-
speiende Hirsche aus Silber von je i^O Pfund Ge\vi(dit.
Anderer Werke dieser Art Constantin's zu geschweigcn.
Auch die Herrscher selbst erhielten um diese Zeit
noch Silberstatuen. So Gratian , als er mit seiner Frau
Julia Constantina nach Rom kam.
Während des VI. und VII. Jahrhunderts hörte auch
diese Technik in Kom fast gänzlich auf. Nicht so in
Eavenna. Galla Placidia hatte schon 425 die Kirche
des S. Johannes mit goldnen Tauben, Vasen etc. be-
schenkt. Der Erzbischof S. Ecclesins (j 542) schenkt
seiner Metropolitankirche eine Menge goldener Gefässe;
Victor, sein Nachfolger {j 55(5), errichtet über dem
Altar des St. Ursinus ein silbernes Ciboriun..
Auch unter den Germanen, besonders den (!othen
und den Fi-auken, liiühte schon seit dem \'..lalirhundert,
wenn nicht früiu-r, dieser Zweig der (ioldschmiedekunst
empor. Beiden Völkern mochten dabei nelien den römi-
schen auch noch gallische Traditionen zu Gute kommen.
I^nter den Longobarden wurde die Kirche St. Jo-
hannes in Monza ausser mit der obenerwähnten Altar-
tafel von Silberblech, auch noch reichlich mit Kelchen,
Bechern, Kronen etc. l)eschenkt; unter letzteren die
beiden Kronen des Agilulf und der Theodelinde, sowie
die eiserne.
In Rom selbst nahm, w ie wir sehen, die Goldschmie-
tlekunst im \TII. Jaluliuudert einen neuen Aufschwung.
Pa])st Paulus [. (757 — 7G8) gründete an der Via Sacra
eine Kirche zu Ehren der Apostel, worin er eine Statue
d e r M a d o n n a von vergoldetem Silber, im Ge-
wicht von 100 Pfund aufstellte. Leo III. (795—816)
stiftete unter anderem in S. Lorenzo drei Silberstatuen,
des Heilands, des Ajjostels Petri und des S. Laurentius,
zusammen von 54i'o Pfund Gewicht.
Auch sein Zeitgenosse, Karl der Grosse, Hess sich
die Pflege der Goldschmiedkunst angelegen sein. In
seinen ("apitularien verordnet er, dass ein jeder Graf
in seinem Gau gute (Jold- und Silberschmiede habe.
Sein Biograf Eginhardt erwähnt vieler Prachtstücke aus
Gold, Silber und Edelsteinen, die ihm angehörten, so
Itesouders drei Tischplatten, auf die wir noch zurück-
kommen werden.
Eine Folge des Sturzes des Lougobardenreiches
war die Entartung der longobardisehen Herzogthümer
im südliciien Italien. Durch Raub und Fehde fristen sie
kümmerlich noch eini,i;e Zeit lang ihre Existenz fort.
S(i4 schleppt der Lougobardeufürst v. Capua Sicouolf
fast den ganzen Schatz weg, womit Karl der Grosse,
sein Bruder Pipiu, seine Söhne Karlnmnu und Ludwig
das Kloster von Montecassino beschenkt hatten. Bloss
an Kelchen, Schalen, Kronen, Kreuzen, Ölgefässen und
Sjjungen nahm er loO Pfund reinen Goldes weg. Ferner
zwei Silberpokale (^bazias) von 30 Pfund. Einen mit
Relief geschmückten Pokal (in anaglifis baziam), ein
coustantinopolitanisches Gussgefiiss (scattonem?), beide
von vergoldetem Siibei-. Acht Monate später nahm er
nliermnls goldene und silberne Geschirre und Geräthe
von 500 Pfund Gewicht.
Abt Johannes beschenkte die Kirche mit einer
grossen, vergoldeten Silberkiste, mit silbernen Weih-
rauchfässern, Urnen, Waschbecken etc. Aligern stif-
tete unter anderm drei silberne Kronen; ebenso
Athenulf eine. Über die weitere Geschichte auch dieser
Technik am Schluss.
c) Metall-Drall t- iiiul -Faclcn.
Vermöge seiner Weichheit kann das Gold oder
Silber auch zu Draht oder Faden gezogen werden.
Dieser Draht von Silber oder Gold kann zu ver-
schiedenen Zwecken verwendet werden. Einmal zur
Verfertigung von Ketten etc., sowie zum Aneinan-
derniethen von verschiedenen zusammengehörigen
Theilen eines Gegenstandes. Ferner zu Schnüren ge-
wunden als allerhand Einfassung, oder zur Ü ber-
g i 1 1 e r u n g. Sodann liesonders zu F i 1 i g r a n a r b e i t e n.
Diese werden so hergestellt, dass die einzelnen
DrahtstUckchen gedreht, radientormig nebeneinander-
35*
266 —
gelegt etc. und nach der gewünschten Zeichnung
geordnet, mit GumiTii zusammengeklebt, und endlich
zusanimcngelöthct werden.
Endlich kann das Guld und Silber noch so fein
gesponnen werden, dass es wie Zwirn oder Wolle zu
Webereien und Stickereien verwendet werden
kann. Zu demselben Zweck wird sogenannter Gold-
oder Silberfaden auch auf folgende Weise bereitet.
Eine längliche Silberplatte wird in eine goldne einge-
schlagen, so dass sie auf beiden Seiten von derselben
umgeben ist. Hierauf schlägt man sie so dünn , dass
sie mit der Scheere in Streifen zersc4initten werden
kann, worein man sodann gelbgefärbte Zwirnfäden
einwickelt.
Das Filigran kommt wie die Goldblattarbeit schon
bei den ältesten Völkern als Schmuck vor und erhielt
sich bis in die jüngste Zeit.
Die Goldweberei und Goldstickerei war schon im
Alterthum bekannt. Im Mittelalter wurde sie haupt-
sächlich in Asien gepflegt, von wo sie durch Sarazenen,
Byzantiner, sowie italienische Kautfahrer dem Abend-
land vermittelt wurde. Es mögen liier einige sporadische
Beispiele von goldgestickten Stoffen des frühen Mittel-
alters angeführt werden.
Leo III. (105) beschenkte die Basilika des S. Peter
mit einem weissen, ganzseidnen Vorhang, mit gold-
gesticktem Kreuz darauf. In Santa Endoxia stiftete er
eine Altardecke mit goldgestickten Kränzen, Kreuzen
und goldnem Saum.
Pasqualis I. («17 — 824) beschenkte S. Maria
maggiore mit einem Gewände, worauf Christi Taufe
durch Johannes im Jordan in Gold gestickt war,
ebenso war der Saum golden. Gregor IV. (S37 — 844)
Hess ein goldgesticktes Gewand anfertigen, worauf die
Geburt, Taufe, Präsentation und Aufer-
stehung dargestellt war; diese Geschiiditcn waren
von Edelsteinen cingefasst.
Nach Leo Ostiensis beschenkte Ende des VUI. Jahr-
iiunderts ein gewisser Auribert das Kloster von
Montecassino mit einer goldgcsaumten Alba etc.
Kaiser Heinrich III. schenkte dem Kloster ein sehr
schönes Messgewand (planetai von grüner Farbe, mit
goldenem Besatz. Ferner eine gcddgt'stickte Stola, mit
ihrer Manipel. Aus Dank zu Gott über die A\'iedcrli(i--
stellung desselben Kaisers von einer Krankheit sclienkle
der Erzbischof Belgrin ein purpurnes Messgewnnd mit
sehr guten, goldenen Säumen, aui' denen die Bilder der
]'J Monate des Jahres dargestellt waren, i'erner eine
jroldgestic Stdia und ein I'hncale. Endlich durch kaiser-
liche Munilizenz ein Messgcwand mit gdbieiieii l'.esätzeii,
eine Stola, eine Mam'pcl und einen mit (iuld durehweb-
fen Gürtel.
Doch es ist iiekannt, welcher Luxus an (idld-
stickerei besonders an den Priestergewändem und Kir-
clientüchcrn etwa vom IX. .I.ihrhundert an getrieben
wurde, tber den Zustand der (ioldweberei und
-Stickerei im XIV. und XV. Jahrhundert, die ein beson-
deres Interesse für uns haben, werden wir siiäfer zu
sprechen Gclegenlii'it Hilden.
11. Metall
1 s seh m e I z b a r e r S t o ff.
M e t a 1 1 g u s s.
Im Jlittelalter wurde nicht bloss der Guss edler
Metalle, sondern auch der Broneeguss von Goldschmie-
den ausgeübt.
Was die edeln Jletalle zunächst betrifft, so ist die
einfachste Verwendung derselben vermittels des Gusses
die des Körnergiessens für Filigranarbeiten.
Die Körner entstehen , indem das geschmolzene Metall
in ein Gefäss voll Holzkuldenpulver gegossen wird.
Sodann werden die Henkel der goldenen oder silber-
nen Geiässe meist gegossen. Das Waehsmodell wird in
Thon eingeschlossen, sodann lässt mau es beraus-
schmelzen. Oben und unten werden die Henkel mit
nach aussen nicht sichtbaren Löchern versehen, um
durch Stifte an das gleichfalls oben und unten durch-
bohrte Gefäss angenicthet zu werden. Endlich pflegen
Gefässe, Weilirauchfässcr, Lampen, Kelche etc. auch
gegossen zu werden. Das \'erfaliren ist in Kurzem
folgendes.
Die Form zu dem Gefäss wird in zwei Hälften her-
gestellt. Der Kern wird aus getrockneter Erde geformt
und mit den gröberen Reliefdetails versehen. Hierüber
streicht man gleiclimässig Wachs, in dessen Oberfläche
alle die Feinheiten modellirt werden, die am fertigen
Gegenstand sichtbar sein sollen. Hierüber streicht man
weichen Thon und lässt dann das Wachs heraus-
sclinielzen. Dann wird die Form gebrannt und nach
dem (Juss zerbrochen.
Solche Gefässe können auch aus Bronee oder
jMessing gegossen werden. Ausserdem erstreckte sich
der Bronee- oder Mcssingguss, soweit er in den Bereich
der Goldsehmiedkunst iiel, hauptsächlich auf Kirchen-
thüren, Statuen, Reliefs und Glocken. Über
das Verfahren beim Guss s(dcher grösserer Gegenstände
die allgemeinsten Andeutungen:
Das M(tall für Statuen besteht nach Vasari aus
■' :, Kuiifer und > ~ Messing nacdi italienischer Sitte; das
umgekehrte \'erhältniss zeige sich an egyptischen
Bronee - Arbeiten. Für Glocken komme auf 100
Theile Kupfer 20—30 Tlieile Zinn , des Klanges
wegen. Die zu giessende Figur wird zunächst in der
gewünschten (irösse in Tlum modellirt. Hiervon wird in
mehreren Tlieilen ein Gyi)sal)guss genommen. Sodann
wird um eine aiifrecditsteliende Eisenstange herum aus
Lehm ein Kern oder eine Seide von i!er Form des
i:ewlinscliten Gnsswerks doch \dn etwas geringerem
Inilang geniaclit. Dieser Kern wird mit Wachs über-
strichen und die (iy))sabdrlicke darauf gedriiikt. Das so
get'ornito Wachs wird rnndi nMcInnodellirt und dann mit
feuchter Asche und dariilier Lclini liestriclien. So ent-
stidit der M.'intel. Mehrere Zapfen gellen (|Uer (lur(di
Kern und Mantel, um .\lles zu stützen und znsaminen-
zuhalten . und wci-deii aussen mit eisernen Stangen
untereinaiKler befestigt. Lultrinneu werden seitwärts
ii;icli oben in Kern und IMantel eingehiddt. Sodann lässt
man das Wachs lierauss(dinielzeii. Üeini Guss wird ilie
Form ,,eingeniaiiei-t in der Erden". -Vnl' diese \\'eise
werden sowcdil Statuen wie Glocken gegossen; Reliefs
1111(1 andere Gegenstände, die nicht ludil sein s(dlen,
nach Art der Henkel, deren (!uss wii- olien beschrieben,
Im .■ilteii Rom gelangte der Broneeguss zu einer
hohen \'olleiidung und wurde mit N'orlicbe betrielicii.
267 —
Diese Tendenz wird sammt dem teelinischeu Verfaliren
während des IV. und V. Jahrliunderts noch beibehalten.
Im Gesetze des Thcddo.sius, durch weh-lies gewisse
Künstler von ])ersönli(lien Lasten befreit wurden, waren
auch die Broncegiesscr inbegriti'en. In Betreff der
Stellung, die Constantin diesem Knnstzweige gegen-
über einnahm, erfahren wir allerdings bloss, dass er in
der Basiliea seines Kaniens sieben Messing-
leuchter von 10' Höhe mit Silberschmuck und Sie-
geln (d. h. aufgesetzten Gemmen) vor dem Altar auf-
stellen liess. Ein jeder derselben wog 30 Pfund. In
der Basiliea im Sestorianischen Palast stiftete er so-
dann 40 Bronceleuchter, in S. Giovanni in Albano
ebensolche von 10' Hrdie und je ISO Pfund Gewicht.
Papst Hilarius beschenkte (^41)1 — G8) die Kirchen
S. Joh. Bapt. und S. Job. Evang. mit Erzthüren, die
mit Silber damaszinirt waren. Vor dem Oratorium des
H. Kreuzes errichtete er aus Bronce einen Brunnen,
der von architravtragenden Säulen mit Gittern dazwi-
schen umgeben war.
Besonders blühte vom IV. bis zum ^'. Jahrhundert
der Bronceguss in Constantinopel, wo eine grosse
Menge von bronceneii Statuen und f'rucitixen gegossen
ward. In Barletta steht noch heutigen Tages eine
Colossalstatue von Bronee, welche wahrscheinlich in
dieser Epoche in Constantinopel gegossen wurde.
In Rom ninnnt der Bronceguss seit Hadrian I. (772)
ab. Er muss antike Broncetbüren aus Perugia kommen
lassen, um S. Peter damit zu schmücken. Doch wird
diese Technik auch noch unter Leo III. und IV. in Rom
fortgeUbt. Ersterer lässt die Confession von S. Paul
durch Broncegitter abschliessen.
In Frankreich, Deutschland und England warder
Bronceguss gleichfalls schon im V., VI. und VII. Jahr-
hundert bekannt und ausgeübt. Karl der Grosse
beschenkt den Dom von Aachen mit Broneethüren ; das
Gleiche thut zu derselben Zeit der Mönch Airard
in Betreff der Kirche von S. Denis. Ja, wenn im
X. Jahrhundert, wie alle andern Künste, so auch der
Bronceguss in Italien völliger Vergessenheit und ^'er-
naehlässigung anheimfällt, so ist es der Erzbischof
Wil legis von Mainz (976 — 1011\ welcher zuerst
wieder Tliüren, Olielisken etc. aus Bronce herstellen
lässt.
Wie die andern Künste, so wurde auch der Bronce-
guss in Italien wahrscheinlich zunächst wieder durch
byzantinischeu Einfluss ins Leben gerufen. Wenigstens
zeigen die Thürtliigel von S. Marco in \'enedig, welche
im Jahre Uli* im Auftrage eines gewissen Leo de
Molino ausgeführt wurden, durchaus byzantinischen Styl.
Ferner wurde für die Basiliea S. Paolf» fuori le mura
in Rom eine aus zwei Flügeln bestehende Broneethüre
vom Kaufmann Pantaleon im Jahre l(i70 in Constan-
tinopel bestellt und dort durch den Künstler Staurakios
gegossen. Ein jeder Thürtiügel besass neun Reihen von
je drei quadratischen Feldern ; beide Flügel zusammen
also 54 Felder, die mit Szenen aus dem neuen Testa-
ment, aus der Geschichte der Märtyrer, mit Piopheten,
Aposteln und Evangelisten, mit heiligen Symbolen und
Inschriften geschmückt waren. Diese Darstellungen
waren aber nicht in Relief, sondern (entsprechend der
byzantinischen Vorliebe für flache Techniken) durch
gravirte und mit Niellomasse ausgefüllte Um-
risse erzeugt. Auch der Styl der Figuren verräth die
byzantinische Schule, starr und leblos, oder doch con-
ventionell verzerrt und verschoben in der Bewegung.
Es ist bekannt, dass Theile der vermeintlich beim
Brande von 182« verloren gegangenen Tliüre im Jahre
1870 von Piper und hernach von Dobbert wieder ge-
sehen worden sind.
Im Jahre 1180 stellte sodann ein Künstler
Bonanno Broneethüren an der Kurdseitc des Domes
von Pisa, sowie am Dom von Mimreale iier. Erstere
wurden im XVI. Jahrhundert durch eine Feuersl)runst
zerstört, letztere ist noch erhalten. Sie ist verwandt mit
den sogenannten Rainercothüren an der Südseite des
Domes von Pisa, welche in 4^ Reliefs Szenen des alten
und neuen Testaments zeigen, und bereits theilweise
von byzantinischen Einflüssen frei, eine verwilderte,
aber naive und lebendigbewegte italische Kunst zeigen.
Die weitere Entwicklnng der Broncegusstechnik
seit den Pisanis in Italien behalten wir uns für ein
anderes Capitel vor.
III. Metall als schneidViarer Stoff.
Eine weitere Art der Verarbeitung des Metalls
besteht im Sehneiden desselben. Es wird in dieser
Beziehung als ein dem Stein verwandter Stoff behandelt.
Die einfachste Art des Metallschneidens besteht darin,
Metallplatten oder -blättchen durch Aussehneiden
bestimmte Umrisse zu geben.
Auf diese Weise wurde bei Egyptern, Etruskern
und Griechen, wie bei Kelten, Germanen, Finnen, ja
Amerikanern (nebendemFiligrau) am häutigsten Schmuck
verfertigt. Auch ganze Siegeskränze. Im Mittelalter
wurden vorzüglich Rosetten, Blumen etc. von Gold-
oder Silberblech an Crucifixen und dergleichen ange-
bracht.
Eine weitere Combination der Metallbleehteehnik
mit der des Metallschneidens besteht in den durch-
brochenen Metallblecharbeiten, wondt im Mittelalter
unter anderm Messbüclier beschlagen w'urden.
Das Schneiden der blossen Metalloberfläclie zer-
fällt in zwei Hauptverfahren :
nj Ciselireii.
Vermittels verschiedener Schneidinstrumente uml
des Bohrers wird der Grund der Zeichnung weg-
genommen, während diese letztere entweder mit scharf
vertikal abfallenden oder selbst unterhöhlten Rändern
sich mit einer zweiten, erhöhten Fläche davon abhebt,
oder in allmählich abgerundetem Flach- oder Hochrelief
darüber heraustritt. Der Grund lässt sich auch noch
dadurch dunkler bilden, als das Relief (^so dass dessen
Hervortreten begünstigt wird), indem man dem ersteren
eine rauhe, körnige Oberfläche durch Meissein verleiht,
während man letzteres glatt polirt.
Das Ciseliren ist eine jüngere Tecknik als das
Treiben des Metalls, das Drahtziehen desselben etc.
Bei den Griechen fand es erst eigentlich durch Theo-
doros von Samos (Ol. 50 — 60) Aufnahme, wurde dann
aber dort zu hoher Vollendung gellihrt.
Aus der christlichen Ära mögen folgende Beispiele
angeführt sein :
— 2G8
Constantin weiht iu Ostia der Basilica der Apostel
Peter und Paul, neben dem römischen Thore, einen
silbernen Keieh mit eiselirtem Relief. Damasns (oGT)
schenkt eben einen solclien von 10 Pfund Gewicht der
Basilica seines Namens. Leo III. (795 — 810) schenkt
an die Basilica des S. Peter neun ciselirte Hängelam-
pen von je 1 1 Pfund Gewicht.
Ein Werk byzantinischer Ciselirknnst aus dem
XII. Jalirhundert befindet sich in der C'athedrale von
Citta di Castello. Es ist dies ein silbernes Altarblatt
von neun Palmen Länge, welches der Papst Celestin 11.
(1143 — 44) der Kirche schenkte.
Ein Werk romanischer Schule ist dagegen der
Reliquiensehrein im Oratorium S. Sanctorum bei S. Gio-
vanni in Laterano in Rom. Die Thüren desselben be-
stehen aus .Silbertafeln, worin Ornamente ciselirt sind.
Das Werk wurde nnter Innocenz III. gegen Ende des
XII. Jahrliunderts ausgeführt.
li) (Jraviren,
Vermittols des Gravireus wird, im Gegensatz
zum C'iseliren, die Zeichnung eiugegrabeu, der
Grund stellen gelassen. Entweder schneidet man
erstere mit dem Grabstichel bloss in Linien und Um-
rissen ein (und dieses Verfahren wird oft auch auf
flach erhaben ciselirten Figuren angewendet, um feinere
Details daran anzugeben), oder man höhlt die ge-
wünschten Figuren in breitereu, vertieften Flä-
chen oder endlich in negativem rundem Relief
in die Mctallfläclie ein. Da an und für sieh solch ein
negatives Relief wenig wirken kann, so ])flegt es nur
als Mittel zu weiteren künstlerischen Absichten zu
dienen.
Das Graviren ist, wie vielleicht das Ciselircn,
jedenfalls von der Stcinteclinik auf die Metalltechnik
übergegangen, und bildete iu ersterer wahrsclieinlicli
die älteste Art der liäciienverzierenden Bildhauerkunst,
aus der sich zugleich als ein Seitenzweig das Inschrift-
wesen abzweigte. Doch davon später mehr.
Das negative Relief dient off nicht einmal .ils
Be st :i iidtheil. Tut erläge etc. eines künstlerischen
Schmuckes, sondern bloss als eine Art Werkzeug und
Schablone, um positiv wirksame Reliefs durch Al)-
klatseh auf einen weicheren Ge,i;-enstand hervorzubrin-
gen. Betrachten wir zunäclist die praktischen Verwen-
dungen des negativen Reliefs in dieser Hinsieht.
Siegel.
Die llersteliiiiig \oM Siegeln gesehiilit iiiigetiihr
folgendermasseii. Man macht ein positi\cs \\'a<'hsrelief
mit der gewlinsciiten Darst('llung. Uievon nimmt man
einen negativen Gypsabguss Diesen drückt man in
Thon ab, aus welchem nun die Form mit ])ositi\eni
Relief entstellt. Hierauf giesst man das Metall, welches
also wieder negatives Relief annimmt. Letzteres
arbeit(rt man endlicii nach dem Muster des Gyps-
abgusscH feiner aus.
Siegel wurden schon im Alterthiini jicbraurdit.
Zweck der Siegel bei den Alten war zunächst, Doeu-
mcnte oder Briefe zu schliessen, zu unterzeichnen, zu
bekräftigen, oder auch Vasen, Ziegelsteine etc. mit
einem Fabrikzeichen zu verschen. So trägt ein
Terracottadeckel, der Ijci Modeua gefunden wurde, die
gestemiielte Inschrift: L. Feti , Sami. (Hiemit stimmt
die Stelle des Plinius (o5.^c. \'l) überein, wonach
sowohl Sanios als Modena sich durch Töpf'erwaaren
auszeichneten.)
Die Siegel der Alten bestanden häufiger aus Stein
als aus Metall, doch bediente man sich auch der
Metallsiegel. Die armen Leute in Rom bedienten
sich statt der Siegel meist hölzerner oder metallener
Täfelchen mit einer bald erhöhten, bald vertieften In-
schrift darauf, welche statt der Unterschrift diente.
Auch Bronceringe als Siegel kamen vor.
^luratori führt solch t inen Ring mit einem Delphin
in der Mitte sowie der Umschrift „P. Cae. Diagne" an.
Ferner zwei Bronceringe mit den Namen Fortunius
und Vitalis. Ein Kupferring ferner musste einem
Bäcker angehören, da die ]Mündung eines Ofens, sowie
daneben die Stange, um das Brod hineinzuschieben,
darauf dargestellt ist.
Im Mittelalter gebrauchten zumal regierende
Fürsten, Vornehme. Päpste und hohe Geist-
liche, sowie später auch Städte und Gilden Siegel.
Dieselben wurden aul Wachs, Blei oder Gold
abgedrückt. Auch das Volk hatte Siegel, aber bloss
mit dem Namen. So ein Beispiel mit der Inschrift:
,,S. inchontrata Jacomi''. Die hochgestellten Personen
trugen dagegen auf den Siegeln ihr Bildiiiss mit einer
Namenumschrift. Als später die Wappen aufkameu,
traten diese oft an die Stelle der Porträtköpfe.
Zwei merkwürdige goldene Ringe, wahrscheinlich
longobardisehen Ursprungs, wurden im .lahre 17l'7 liei
Bagnorea gefunden und kamen in den Besitz eines
Alessandro Gapponi. Der eine zeigt eine Büste mit der
Inschrift: Aufret, am andern ist beides sichtbar, letz-
tere jedoch unleserlich. Beide Köpfe zeigen kurzes
lockiges Haar.
Beiden longobardisehen undnoniiannisehen Fürsten
kamen meist nur Wachs- und Bleiabdrüeke vor. Im
Kloster Montecassino befindet sieh noch eine Menge
Urkunden von longobardisehen Fürsten, Kaisern,
Päpsten aus dem IX. bis XII. .lalM'humlert, welche mit
solchen Piiei- oder AVachssiegelu geschlossen sind, z. B.
zwei Privilegien der Könige Hugo und Lothar vou
Italien (it41 und !t42) mit Wachssiegeln, worauf die
Häupter der Könige mit Lilienkroiien ; beide fragen
Scepter mit Lilien an der Spitze. Ebenso zeigen zwei
Diplome Otto's I. (9(i4 und '.»(w) Waehssirgel ndt dem
Porträt des Kaisers und der Inschrilf:
„Otto iui]ierator .\ugustus".
Mit Blei zu siegeln, w.w vornehmer als mit Wachs
und nicht jedem gestattet. Muratori erwähnt ein solches
Bleisiegel mit der Inschrift: .loh. et Deeibilis ^'pa (viri-
patr.). Es waren dies Herzöge von Gacta im Jahre H75.
Auf der Kehrseite: Sctus Erasmus (^Schutzheiliger
Gaeta's). Karl der Grosse und seine Naeid'olger
begnügten sieii dagegen meist mit Wachssiegeln. Doch
brauchen letztere manchmal auch («old zum Siegeln.
(Es entstand hiedurch ein gcpresstes Goldbläftchen-
reiief.) An den l'rkunden der Kaiser Karl, Ludwig,
l'ippin, Karlmann im Kloster von Montecassino belin-
den sich Siegel .Mller drei Arten. Die goldenen Siegel
verschwanden meist unter der damaligen Plünderungs-
liist. Abt Hugo von Tarfa erzählt uns in seiner Chronik:
— 261) —
„De dt'i<tnictioiie Jlouasterii'' (^nm\<> iMtSj : „sie raubten
alles, was sie konnten. Sie rissen die goldenen Siegel
von den Urkunden weg, und setzten die ])ieienien, die
man noch jetzt sieht, an deren Stelle!- Nacii der-
selben Chronik raubte der Mönch Hildebrand aus dem
Kloster: „Zwei goldene Siegel, welche Karl und sein
Sohn Pipin auf eine Urkunde gesetzt hatten. Ferner
zwei andere goldene Siegel, welche dieKaiser Guido und
Lambert auf andere Urkunden , die sie angefertigt,
gesetzt liatten-.
Die Siegel der Geistlichen unterschieden sieh
von denen der Weltlichen durch die ovale Form.
P. Baldini besass ein Siegel vonHonorius I (620 — 640):
(lori bringt in d. illustr. Doniana eines von Adeodat
((J72). [in Museo Musselliano befanden sich ferner zu
Muratori's Zeit Bleisiegel von Paul I, (757), von Sergius
(L? IL? III. ?), von Zaeharias (741), sowie von einem
der Leo. Das Siegel des Paulus zeigt die Kö]»fe der
Apostel Peter undPaulus, sowie die Inschrift IIAYAOY.
Als die italienischen Städte ihre Unabhängigkeit
erlangten, begannen sie gleichfalls ihre Urkunden mit
Siegeln zu versehen. Einige stellten das Bildniss ihres
Schutzheiligen mit leoninischen Versen daraut dar.
Ferrara's Siegel trug das Bild des h. Georg mit der In-
schrift: „Ferraram cordi teneas o sancte Georgi!-'
Florenz hatte anfangs Hercules mit dem Löwenfell und
der Inschrift : Herculea clava domat Florentia prava.
Später wurde das Bild des Täufers statt dessen ange-
nommen. Siena gebrauchte anfangs eine Burg mit
dem Vers: „Vos veteris Senae Signum noscatis amenae-;
später die Jungfrau mit der Inschrift: „Sancit Virgo
Senam quam signat amenam".
Andere Städte gebrauchten ein Symbol oder
Wappen auf ihren Siegeln: Das ghibellinische Pisa
hatte im Jahr lllJl einen Adler mit folgenden Versen:
„Urbis me dignum Pisanae nomiua Signum-' . Rom
hatte einen Löwen; Pavia einen Fuchs; Piaccnza einen
Hahn; Crcmona eine Sau; Genua einen Fuchs, der einen
Hahn am Hals packt, während ihn selbst ein Greif
packt mit der Inschrift: Gryffus ut has angit sie hostes
Janua frangit u. s. f.
In der Folge der Kreuzzüge nehmen viele Städte
jedoch ein Kreuz in ihre Siegel.
Die Städte bedienten sich fast nur des Wachses;
eine Auszeichnung ist es, als im Jahre 10G4 Papst
Alexander II. Lucca gestattete, bleierne Siegel zu
gebrauchen, ,wie die Dogen von Venedig-'. Von die-
sen heisst es, dass der griechische Kaiser Einanuel
sie des Privilegiums eines bleiernen Siegels wieder be-
raubte, welches ihnen die andern Kaiser verliehen
hatten.
M ü n z s t e m p e 1.
Die ähere Art der Herstellung ist folgende. Es
werden Wachsmodelle in positivem Relief von beiden
Seiten der Münze oder Medaille gemacht. Hievon nimmt
man einen Gypsabguss, nach welchem man nun in die
zwei, gleichgeformten, viereckigen Stahlstenipel das
negative Relief einschneidet. Später , zu Benveniito
Cellini's Zeit wurden sogenannte Mütter von Stahl ge-
schnitten, d. h. positive Stempelchen für die einzelnen
Theile der darzustellenden Gegenstände, wie Kopf,
AVappen, Inschriften etc. Mit diesen wurde dann den Präg-
stöcken durch Hämmern <las negative Relief einge-
trieben. Auf diese Weise wurde die Arbeit schöner
und konnten schnell mehrere gleichmässige Prägstöcke
hergestellt werden. — War in die Prägstöcke auf die
eine oder andere Weise das negative Relief der beiden
Seiten derMünze eingravirt, so wurden dieselben durch
Glühen und plötzliches Erkalten gestählt.
Solche Stem])el dienten auch dazu, gepresste Ar-
beiten von dünnem ]\lctalll)lecli herzustellen. Das
zu prägende ]\Ietallblatt wurde zu diesem Zweck auf
Blei gelegt.
Bei den Griechen und Römern waren die Stempel
aus Bronec. Bei erstercn nahm die Stemi)eischneiderei
von 500 v. Christus an, besonders inSyraeus und Mace-
donien, grossen Aufschwung. Ihre höchste Blüthe aber
erreichte sie erst unter Alexander. Die Römer setzten
die griecliischen Traditionen fort, führten jedoch zum
ersten Mal die Schaumünzen oder die ]\Iedaillen ein.
Man prägte daselbst Münzen wenigstens bis zur Zeit
des Kaisers Heraclius. Aus Justinus Zeit (570) ist eine
Münze erhalten, welche auf der Kopfseite die Büste
eines Kaisers mit edelsteingeschmücktem Diadem, und
der Inschrift D. N. Justinus p. p. Aug., auf der Kehrseite
das Monogramm Raosd (Komae obsignat. den.) zeigt.
In der Zeit der Völkerwanderung wurde das Münz-
prägen von den germanischen Fürsten, die in Italien
herrschten, fortgesetzt. Aluratori erwähnt einer Münze
des Museums Zeno, welche aus einer kleinen viereckigen
Broncetafel von Jledaillenstärke besteht. Auf der Kopf-
seite ist zu lesen: DN. THEODERICI; auf der Kehr-
seite ist ein Lorbeerkranz mit einem T in der Milte zu
sehen.
Rings um den Rand läuft die Inschrift Catuliuus
V. C. E. L . . . . I . . . . P V. — Dieser Catulinus
war gegen Ende des V. Jahrhunderts Präfect in Rom.
Hervorzuheben ist, dass die Buchstaben eingravirt
und mit Silber daraascinirt sind. Hievon später
mehr.
Andere gothische Münzen tragen den Kopf Justi-
nian's und bloss den Namen des gothischen Königs. So
eine Münze, welche auf der Kopfseite Justinian's Büste
mit Diadem und der In.schrift: D. N. IVSTINIAXVS.
P. FHVG, auf der Kehrseite die Inschrift D. N. ATHA-
LARICVS REX in einem Lorbeerkranz zeigt (527).
Eine andere ähnliche Münze mit Theodatus R. (535),
eine dritte mit D. X. Vitiges Rex {531}.
Von dem Longobardenherzog Grimwald von Bene-
vent heisst es, dass er auf seine Münzen den Namen
Karl's setzte. Interessant i.st die Notiz, dass im
VIH. Jahrh. der Herzog Siconolf von Capua aus dem
Kloster Montecassino unter anderm 365 Silberpfund und
14000 geprägte Golds olidi raubte. Später fülirte er
abermals eine gleichgrosse Summe weg.
In Ravenna wurden iiis zur Einnahme durch die
Longobarden Münzen geprägt. Diese nahmen der Stadt
das Privilegium, welches erst wieder im Jahre 1063 die
Erzbischöfe von Ravenna durch Kaiser Heinrieh IV.
erhielten. Dagegen ertheilten die Longobarden, ausser
an Benevent und S])oleto. auch an Pavia, Mai-
land, Lucca und Treviso das Vorrecht, Münzen zu
prägen.
Eine der ältesten päpstlichen Münzen stammt von
einem Hadrian. Auf der Kopfseite: Papstbüste und
die Inschrift: I. B. Hadrianus Papa I. B. ; auf der Kehr-
270 —
seile: Ein Kreuz mit R. M. daruutei- und der Umschrift
Victoria. DNN. Conob. Walirscbeiulicli wurde das
Recht Münzeu zu prägen von den griechischen Kaisern
an diePäjiste übertragen, wie später an andere Rischöt'e
von den Frauken.
Im ganzen waren die italischen Münzen
den byzantinischen in der Ausführung über-
legen. Es würde uns zu weit führen, dieEutwickelung
des Münzwesens im späteren Mittelalter, duicli die ver-
schiedenen Fürsten, geistlichen Würdenträger, Städte,
zu verfolgen. Die wenigen hier gesammelten Notizen
aus dem früheren I\[ittelalter in Italien sollen nur dar-
thun, dass auch die Münzkunst nicht, wie bisweilen
angenounnen wird, aufliörte, in Italien geübt zu werden,
sondern durch eine ununterbrochene Tradition mit dem
Aiterthum verknüpft ist.
Noch einige Worte über die Siegel der Wildoner
Vom Fürsten zu Hohenlohe-Waldenburg.
JUt 2 Holzsclinüt.ti.
In den .Mittheilungeu der k. k. Central-Com-
mission für Ertorschung und Erhaltung der Kunst- und
historischen Baudenkmale", 1872, theilt L. Beckh-
Widinanstetter in seiner Abhandlung .,das Grabmal
(oder der Grabstein) Leutold's von Wildon in der .Stifts
Kirche zu .Stainz und die Siegel der Wildoner", 12 sehr
interessante Siegel-Abbildungen (Fig. 2 — 13) mit, wo-
durch er sich ein wahres Verdienst um die mittelalter-
liche Siegelkunde erworben und gewiss alle Freunde
dieser wichtigen, leider immer noch nicht geliörig ge-
würdigten historischen Hilfswissenschaft zu grossem
Danke verpflichtet hat.
Unter diesen 12 Siegeln sind namentlich die unter
Fig. 2., ;;., ;")., 0., 11 und 13. abgebildeten, für die
Sphragistik im allgemeinen von so hohem Interesse,
dass ich mir nicht versagen kann, dieselben, von
diesem Standpunkte aus, liier nochmals kurz zu be-
s])rechen.
/ai Fig. 2. Dieses Siegel llcrrand's von Wildon,
\on ca. IHK") — !)7., ist in mehrfacher Reziehung ein
sphragistisches Kleinod; vor allem aber, als Siegel des
niedern Adels aus dem XII. Jahrhundert, bis jetzt ein
Unicuni. Seine äussere Form entspricht der der ältesten
l-i-. 1.
Wajjpensiegel. Die Stellung der Legende hat wohl
auch kaum ihres Gleichen, da trotz der gewöhnlichen
Stellung des Kreuzes oben, dieselbe unten beginnt,
aber nicht wie andere derartigen Legenden in der Spitze
des Siegels. Das Tliier im Siegelfelde, oberhalb des
Wappenbildcs, den drei Linden- (oder See-?j Rlättern,
kann ich nur für den steirisehen Panther halten,
als Zeichen des Ministerialen-Verhältnisses Herrand's,
ungeachtet seiner ganz ungewöhnlichen Zeichnung und
Stellung. Für ein blosses Siegelbild kann ich dieses
Thier nicht annehmen, dazu nimmt es doch einen zu be-
deutenden Tlieil des Siegelfeldes ein ; noch viel weniger
für einen integrirendeu Theil des Wildon' sehen Wap-
pens, der in diesem Falle doch wohl kaum wieder
aufgegeben worden wäre. Die geschickten Stempel-
schneider waren eben zu jeuer Zeit noch sehr selten,
namentlich auf dem Lande, und dieser Umstand möchte
die uncorrecte Zeichnung erklären und entschuldigen.
Den s. g. l'antlicr halte, ich entschieden für ein ursjtrüng-
licli tlem steirisehen A\'appen ausschliesslich augehö-
riges heraldisches Ungeheuer i), zu dessen Erfindung
— dem alten Namen „Stir-' für Steiermark entsprechend
— ein wilder, flanmiensi)rüliender Stier, wie ihn auch die
Ziiriclici- Wnppenrolle zeigt, den Grundlv]» geliefeit hat.
Die Uiirnei' selieiuen wenigstens im XIII. Jahrhundert
bei keiner Darstellung desselben zu fehlen. Am deut-
lichsten ist allerdings der Stierkopf auf dem Uelm-
seluuiick in der Züricher Rolle zu erkennen, was freilich
nur beweist, dass der bt'ti-elfende Maler denselben so
aufi;efasst hat, — allein dcudi schwerlich im Wider-
spruch mit der damals gebräuchlichen Rlasonirung.
Allerdings scheinen die Uelmzierden in dieser Wap-
prnrolle zum 'l'tieil mehr willkürlich erfunden zu sein,
was hei dem früheren mehr persönliidien Charakter
derselben uml ihicr Veränderlichkeit eher zu entschul-
digen ist; die Wappenschihle dagegen blieben bekannt-
lich schiiu \ iel fiiiher iiincriindeit und waren daher
auch alL^emeiner bekaniii.
* l>cr Prtiillii'r in fti'ii HohenbcrKl.schoti SieBuIii, von laCö — M.*>1 uml In
dem SleKi-l dürfiraliii Kuiilioniln von l'llNteln, von lUtSo. (verRlolcho II an i ha I or
reccn». dlijlom. T;il>. X.SXIV., Fi«. .Will — XXVI und Tal.. XI, , I'lg. XIV).
iat wolil un/.wi'ifuMkart (In;* leirlsohc ^^■nI)^>(■l.llll(l. Dauf-elbe A\'ftl)l.enI.IId,
führen iiRcli O. T. von Ilcfncr audi rii« i'"i'l8onln'i-g, Iliill.or. Miuiipr, I'fürin-
gcr, SohoMorl, sowlo dlo SlncK, lng..lf.ta(ll. Iiio ortttorcn fünf ^^■alJI.ürl ^lnd
wohl npHliTi-n rmprnnKe. \Va^ da» Wap|>*.n ^ n.i Tni;f>l«tadt hctrilTr, no .scheint
<lat>noI).o von lluiv.'.K lloinrich von Niodor-Ilayuin zu utanimon. Dor.M-lbo
ftihrto nach d.n „Al.liitndhingen der chunlirst. baycrl-sclion Akademie der
Winseniichari X., Jll'.l uml aiu," nuf Kclnuni .S|g. III, H J, von l-'71, auf
doMi hii.U-rn 'I'Jiell d.-r I'fcrdodcckc .-Incn Panllicr. l'lior den llr.sprung diOHCS
Woppcnblld.'B «lud andern Ort« einig» IIyp<>tho.<en ana älteren Schriften an-
Rofülirt; aun der nülieren Unlcrsui-Iiuni; geht aber hervor, das» der Panther
aurh hier an., dem h t c I r 1 f. c h e ii XV'appen »(aiiimt.
271
Trier, in seiner Eiiileitiuis zur ^^'alJ]H■n Kunst, bla-
sonirt den steirisclicn Pantlier als uuyeHii,i;i'iten Creif.
aus tlessen Kaeiien inid Olircu Feuer i;elit, iicnierkt
aber dazu: „Andere nenni.'n dieses Thier ein rmilliir-
Tliier.
Sigisniiind von lÜrken liäit vor wahrscheinlieli,
dass es vor Zeiten ein Stier i;e\vesen, wegen des
Namens der Iiiwoiiiier, welche Tanrisci, auf deutsch
Stierer oder Steyrer genannt worden.'- Siehmacher
macht sich in seiner beliebten Weise die Sache leicht,
und nennt es „ein weisses Thier mit ausspeieten
Feuer".
Dass dieses Siegel Herrand's von 'Wildon mit dem
Sig. III, 15. 2. 6. <) des Abtes Eudolph von Admont als
Doppel-Siegel vereint* erscheint, erhöht dessen Selten-
heit noch ungemein; denn ausser von Mann und Frau
sind mir durchaus keine weiteren derartigen Doppel-
Siegel bekannt. -)
Da Prof. Lnschin den Avers dieses, in seiner äus-
seren Form runden und an einer hänfenen Schnur hän-
genden Doppelsiegels in seiner Abhandlung über stei-
rische Convent-Siegel in diesen Iilättern abbilden und
beschreiben wird, theile ich hier das für den Sphra-
gisten interessante Profil desselben mit (Fig. 1). Die
beiden Siegel sind vertieft, so dass sie mit einem ca. 2
millimetres hohen liande inngebcn sind. Beide Siegel
hängen verkehrt an der Urkunde.
Zw Fig. 3. Dieses Siegel Ulrich's von ll.'2;'), ist
wie das \'orhergehende schon durch seine Form in-
teressant. Es ist diess die gewöhnliche Form der wirk-
liehen Schilde aus dem XII. Jahrhundert, welche später
nur selten mehr vorkommt, und durch die Dreieck-
schilde in der deutschen Sphragistik und Heraldik
verdrängt wurde. =) Auffallend ist die Abkürzung
WU^D'A für ■\Vildona oder ^Yildonia, da sie nicht we-
gen Mangel an Eaum geboten war, wodurch häutig Ab-
kürzungen in den Legenden notliwendig wurden. Ob
,.die S c h i 1 d s t h e i 1 u n g-' , welche nur auf dem Siegel
Fig. 4 mehr als „Schildhaupt-' erscheint, ursprüng-
lich zu diesem Wappen gehörte, und auf dem Siegel
des Vaters (Fig. 2) nur zufällig, oder um den Raum
für das Thier nicht zu beschränken, weggeblieben ist,
wird nicht mehr festzustellen sein.
Zu Fig. 5. Dieses Siegel Leutold's (III. B. 3), von
122;'), spricht nicht gegen die urkundlich erwiesene
Ministerialität dieses Geschlechtes. Porträts-Siegel von
Ministerialen kommen schon seit dem XIIl. Jahr-
hundert nicht selten vor *), und waren die leicht be-
greifliche Folge des Bestrebens der höheren, mächtigeren
Ministerialen 5\ sich den freien Herren immer
mehr gleichzustellen. Auftallend gegen die drei früheren
Siegel ist der Mangel der Bezeichnung Sigillum in der
Legende, und die darauf folgende Stellung des Tauf-
namens im Nominativ, wie auf den Siegeln der älteren
Zeit. Auch der Mangel einer Helmzier ist auf Siegeln
dieser Zeit ungewöhnlich ; dagegen entspricht die
1 Porträt-Siegel, ohne A\'appeii, in ganzer Figur, sitzend.
= Vergl. 6. Z. Xr. LXXXund LXXXI meiner 5phr.igisclien Apliorismeu.
* In italienisclien Wjippenbiichern tindet sicli diese Form (etwas we-
niger läiiglidi) nocli im XVI. , mit verscliiedenartig ausgeschnittenen Einfas-
sungen im llenaissance-Styl.
* Vergl- IC. von .Sava, die Siegel der Landes-Erbämter des Erzherzog-
tbums Österreich unter der Enns im Mittelalter. (Berichte und filittheilungen
des Wiener Alterthurns-Yereins 38G1 Auch die Jlarschälle von Justingen, von
Sunchingen. KrKtzel u. A. führten Portrats-Siegel.
^ Leutold von Tiernstein nennt z. B. die Urkunde von 1291: -nobilem
Ministcrialcm.
XVIII.
decorative nicht iieraldische — Anbringung der
Wnppenl)ilder im Siegelfelde dem ziemlich verlireiteten,
siniii;;cn (:ol)rauclie im Mittelalter auf Siegeln, an Ge-
wändern. Decken und Gerätiischaften. Die gebrauchte
Bezeichnung -Tartsche- für den alten Dreieekschild
hier und bei Fig. 4 ist nicht zu emi)fehlen.
Zu Fig. '.I. Ist es an sich schon ganz ungewöhnlich
zu F.nde des XIII. Jahrhunderts, vier verschiedene Siegel
Eines Herrn •) zu tiuden, zumal lieim niedern Adel, so
zeichnen sich die Siegel Hennid's durch ihre auffallende
A'erschiedenhcit unter sich noch ganz besonders aus.
Das tiir den Sphragisten Interessanteste ist aber
(las achteckige Siegel, Fig. !', von 12il.'^. Eckige Siegel
mit geraden Seiten gehören immer unter die Selten-
heiten; die vier- und sechseckigen konnuen etwas häu-
tiger vor, als die drei- und fünfeckigen; die achtecki-
gen sind aber jedenfalls tiis gegen das XVT. Jahrhun-
dert unter allen die Seltensten.
Ich kenne nur noch drei Weitere aus dem Ende des
Xm. Jahrhunderts, die Beiden Friedrichs von Stuben-
berg und das Otto's von Ehrenfels, deren Mittheilung
ich gleichfalls der Güte des Herrn Beckh- Widman-
stetter verdanke.'^) Von diesen unterscheidet sich
aber Fig. 9 dadurch, dass nicht wie bei den drei Ande-
ren eine der Seiten, sondern eiue der Ecken oben
steht. Hei-tnid nmss jedenfalls, nach seinen Siegeln zu
schliessen, ein ]irachtliebender Herr gewesen sein, und
einen besondern Wertli auf seine Siegel gelegt haben.
Dass er auf seinem Siegel von 127s bis 1301, Fig. 8,
als ^Marschall sein Anitswappen führte, und nicht sein
eigenes angestanuntes, wie auf den beiden Fig. 9 und
10, ist ganz erklärlich und zeitgemäss; dass er aber auf
seinem ersten Siegel, Fig. 7, ein anderes AVa]ipen ge-
führt haben sollte, wäre gegen Ende des XIII. Jahrhun-
dert, wo die Wappen bereits unveränderlich waren,
höchst autfallend, um so mehr, als auf dem Helme der,
nach Fig. 1 zu schliessen, zum Wildon'schen Wappen
gehörige Helmschmuck erscheint. Sollte nicht etwa der
vermeintliche Dreizack einfach das Beschläge seines
Kampfschildes darstellen? s) Den Helmschmuck auf
Fig. 8 möchte ich eher folgendermaassen blasoniren:
ein halbrundes, mit Lindenblätter belegtes Schirm-
brett, besteckt mit Pfauenspiegeln, welche unter sich
mit einem schmalen Bande verbunden sind, an wel-
chem zwischen den Spiegeln Lindenblätter herab-
hängen.
Zu Fig. 11. Dieses Siegel des Truchsess Ulrich von
Wildon, von 1282, ist besonders merkwürdig durch
die sitzende Gestalt, welche auf Porträts-Siegeln von
Frauen zwar sehr häutig *), dagegen bei Herren selten,
und in dieser Stellung, so viel mir bis jetzt be-
kannt, sonst gar nie vorkommt. Wenn der Taufname
nicht so vollständig erhalten wäi-e, würde ich dieses
Siegel entschieden tur das einer Frau erklärt haben.
' Von Gottfried 1. von Hohenlohe, Crafen von Komaniola. sind Tiinf
verschiedene Siegel aus den Jahren rilu — 1253 bekannt. 3Iau muss sich da-
her sehr hüten, mittelalterliche Siegel desshalb für gefalsiht zu erkl'aren,
weil sie von den anderen bekannten Siegeln desselben Herrn auch lyi)isch
ganz abweichen.
- In späterer und namentljch in neuerer Zeit, kommen achteckige
Siegel, doch meist viereckige mit gebrochenen Ecken , bekanntlich häufig vor.
^ Vergl. den von mir mitgetheilten ähnlichen Fall auf dem Grabstein
des Minnesäugers Graf Albrecht von Ilohenberg in der Zeitschr. „Der deutsche
Herold-. IS'.i, Nr. 1, Seite :i.
* Z. IS. auf den beiden Siegeln der Grälin Elisabeth von Heunberg, Ge-
malin Heinrichs von Hohenlohe. Wernsberg, von 1304 und 1312, Nr. 135 und
136 voii Albrechts Hohenlohe'scben Siegeln des Mittelalters. I^etzteres auch
bei Meli)-, Beiträge zur Siegelkunde des Mittelalters, Seite 238, Nr. 23.
36
272
Ohne das Original genau geprüft zu haben, wage icii
nicht zu entscheiden, ob diese Gestalt eine niänuliche
oder weibliche ist ; im ersteren Falle wäre es ein Por-
trät-Siegel III. B. 2, 6., meines sphragistischen Systems,
im anderen ein Wappen-Siegel III. C, mit Schildhaltcr. i)
Der Hchnschmuck niijclite jedenfalls als Federn zu blaso-
niren .sein. Die decorative Anbrin-
" b gung des Wappenbildes an der
Rank, entspricht dem bereits oben
bei Fig. 5 erwähnten Gebrauche.
Dass Ulrich und Herrand (^Fig. (>)
steirische Truchsessc waren,
Fig. 2.
während llertnid Marschall, ist
nicht auffallend, denn zweiHofämfer
wurden öfters von Mitgliedern ein und derselben Fa-
milie gelührt : so waren z. 15. die von Cliunring österrei-
chische Marschälle und Schenken, und ebenso die von
Tanne herzogliche und kaiserliche Truchsesse und
Schenken.
Zu Fig. 13. Dieses Sig. II. B., der Jlargarethe von
Wildon, von 1.^02— 1328, ist nach Form undjiild merk-
würdig. Viereckige Siegel sind sehr selten ; da alier Ulrich
von Liechtenstein und dessen Sohn Otto, sowie Hartnid
von Stadeck, auch Siegel von dieser ungewöhnlichen
Form lührten, so scheint dieselbe in der dortigen Ge-
gend damals liesonders Mndc gewesen zu sein. Aucli
der Christusko]if ist auf dem Siegel einer weltlichen
l'ersou sehr ungewöhnlich, und möchte auf den Wittwc-
stand der Sieglerin hindeuten. Dieser Kopf erinnert
sehr an den auf dem bekannten DeutsclKirdens - Siegel
in Wien aus der Blitfe des XIV. Jalirlanidcrts.
AVas endlich die Frage dt r lilasonirung des Wildon'-
schcn \\'a])pens betrifft : ob „Lindenldati" oder „See-
blatt", so bin ich der unmas.sgebliclicn Ansicht, dass
die Blätter urs|)rünglicli die des in unserer deutschen
Heraldik des Mittelalters s<i beliebten l.iiidenliaiunes wa-
ren. Flir diese Annahme sprechen die Siegel Fig. 2, 3,
4 und 8, und theilweisc Fig .">, (> und lU; besonders
' i-ber Schildlräger ut.tl Schildlialter ini XlII. Jahrb., auf Siegeln und
Denkmälern, vcrgl. nitin<- sphragistischen A]ihori>nicii Nr. .WVII bis XXXI
Im Anzeiger für Kundi.' der deutsciicn Yorzept, 1S70. Nr. 3.
aber auch die in der Note 15 erwähnten Zeichnungen,
auf welchen das Blatt einen .Stengel-' hat, sprechen
entschieden dafür. Dass auch noch im XV. Jahrhun-
dert diese ßlasonirung angenommen wurde, bezeugt der
Fig. 1 mitgetheilte Grabstein Leutold's, welcher s. Z.
doch wohl dem ursprünglichen Originale nachgebildet
w'orden ist. Dagegen ist auf den Siegeln Fig. 'J und 12
das AVappenbild von der bekannten heraldischen Form
eines s. g. Seeblattes.
Das heraldische „Seeblatt" , welches allerdings
auch schon im XIII. Jahrhundert \ ci-einzelt auf Siegeln
vorkommt ''), unterscheidet sich von dem viel häutiger
verwendeten Lindenblatte durch den meist kleeblatt-
förmigen, hier aber mehr lilienförmigen Ausschnitt oder
Durchschlag au seiner Basis. •) Die heraldischen See-
blätter wurden bisweilen abgerundet, ohne Spitze,
wie hier unter Fig. 2 a ange.gebcn, abgebildet, was be-
kanntlich manche ältere Ileraldiker zu der irrigen
Blasonirung als Hirsch- oder Schröten-Hörner verleitete.
Auch für das untei-e Beschläge einer Schwertscheide,
was die Franzosen Itoiilcro/r nennen, wie Fig. 2 b abbil-
den, wurden die Seeblätter mitunter augesproclien.
Dass ursprüngliche Linde n blätt er theils aus
Missverständniss, theils zur Verzierung in manchen
Wa]ipcn nach und nach in Seeblätter metamorpho-
sirt worden sind, ist nachzuweisen. Aus der mir unbe-
kannten Genealogie der Wildoner wüi-dc sich vielleicht
ergeben, ob die Veränderung des Wappens, — der
ursprünglichen drei Blätter in das spätere Eine, eine
besoiulere licdcutun.i;- hatte und welche. Und vice versa
könnten wohl auch die Siegel der Wildoner dem Ge-
nealogen bei seinen Forschungen über dieses Geschlecht
gerade dadurch weitere Anhaltspunkte bieten, da es
nicht unwahrscheinlich, dass auch hier, wie so häufig,
die veränderte Zahl der Wappenbilder als heraldisches
Beizeichen zur Unterselieidung der verschiedeneu
Linien ani;-eweu(let worden ist.
' ^'e^!;l. das Siegel Ulrichs von Vreienstein von 12SS, hei ILmthaler
1. r. Tab. XI, Vir, KiK. IX.
- Vergl. meine ^phl■agistischen Apliorisnien Nr. I.IX und l.X, im An-
zeiger des Germanischen .Mu enin'.-^, Is7"2, Nr. 8.
Ein Ueitrag- zur yeri^leichendeii Oniaineiiteii-Kuiulc.
Vor. Dr. Georg Dehio.
.Mit i; IIol/■^chullUll■
Di(! verglciclieiide Meiliuilr hat liir die Geschichte Material zur vergleicheiideii ( Ininmeiitkiinde, ohne dass
iler l'"ormcnspraelie diescilie llrdriitung wie für die Ge- man seine Ilnll'nnn.i;' diii'eliaus \ini neuen Uiinden ali-
scliichle dei' Wortsprache. A\ unn diireli die Ncrglei
chende Linguistik die Scliwesferwissenseliafi sn uneml ■
lieh vorausgeeilt ist, so ist eine der voriudimsten l'isn- — -^
ehen wohl die, da.ss die liberreste aus derVorgescIiichle
der bildenden Kunst un\ eigleichlich geringer an /alil
und örtlich weit zerstreut sind. Immerhin liisst sieh d.is
rig. 1 «.
l'-ig-. 1 /;.
Iiängig zu maeheii hraurhte, schon durch ein vidlstän-
digere.s Sammelndes liii' und da Vorhandenen, in seiner
Vereinzelung seheinbai' iiichtssagenden, sehr erheliliih
vermehren. Xuii wird aber gemäss der ISeschatlVnheit
273 --
des Stoffes das systciiinlisclic Aufspüi-en desselben stets
nur einen cinij'esehränktcu Krtblj;' liahcn; alles li;ini;t
vielnieln-, dünkt ans, davon ab, dass jeder Kiii/.elne,
•\veleher in diesem oder jenem Zusanunenbanj;' dureii
<lie rinnst des ZutaUes eine einsehläi;'iffe lieobaelitinii;'
o o o
O o <:•
O ^ o
c lli'o-
o
c
1 c o c
^';^
c
o o
c
r
c
Fig. 3.
bat niaelien können, diesellie znr allgemeinen Kennt-
niss bringt nnd es niebt versebmäbt, wenn die Notiz, für
den Angenblick noeb keine bestimmten Folgerungen
gestattet, nur ein Körncben Robstoff ist. So darf man
das Sannnein niebt allein von den engeren Faebgelebr-
ten verlangen, sondern an<di die' entfernteren Forseluings-
kreisen Angcbörigen werden gelegentlich in die Lage
konnnen, in aller Bescbeidenbeit ein Weniges beisteuern
zu können. In diesem Sinne erlaube ieb mir bier die
folgende kleine Bemerkung zu veröffcntlieben.
Fin bekanntes lüitliscl der Kunstgesebicbte ist das
an der Grabkirebe Tbeoderieb's des Ustgotbenkönigs zu
Ravenna vorkommende sogenannte Zangen-Ornament.
(Fig. 1 a. und b.) Jlan bat es, vorwiegend ans negativen
( ; runden, d. b. weil es der antiken l'ormenwelt ganz fremd -
aitig gegenüberstellt, als gernmniseb bezeichnet; ein
ausreichendes Analogen ist jedoch, soviel ich linde, bis
jetzt nicht nachgewiesen. Ich habe nochmals einen Ver-
0 i» ^ ^
l\g. 4.
gleich mit den rublicatidnen deutscher und nordischer
Alterthümcr angestellt nnd gleichfalls keine genügende
Siciierlieit getiindi'u Nun begegnete mir Folgendes:
lieim Dnrcbwandern di'r städtischen Galerie in Düssel-
doif erblicke i(di plötzlich das Zangen-Onninient auf
einem modernen norwegischen Bilde: „Die llaugianer"
von Tideniand. Fs tritt hier als Schnitzerei auf einem
hölzernen L(dinstnbl auf, unter dem Sitz rings um die
Seitenwände laiii'end — also auch die tektonische Finii'-
tion eine äiinlicbe, wie am Mausoleum des Theoderich,
wo es den Fries unter der Kuppel und die Gesimse
unter dem Fenstersturz schmückt. Ich erfuhr, dass Tide-
niand als Modell einen alten, etwa aus dem XV. Jahr-
hundert stammenden Stuhl, der sieb jetzt im .Museum
zuCliristiania behiiden soll', benutzt bat. Das betretfcnde
Stück des Stuhles ist in Fig. 2 beigedruckt, nach einer
Durchzeichnung der Tidemand'scben Originalaufnahme,
welche Herr Cb. v. Beidimann in Düsseldorf mir ge-
fälligst besorgt bat-. Ich wandte mich nun dircct an
Herrn Prof. 'J'ideniaiid mit der Frage, ob das betreffende
( »i-nanient noeb beute in Korwegen gebränchlich sei.
Die Antwort war: Sehr ähnliche Formen (die Varia-
tionen sind schon dnrcb das verschiedene Material
<|o <^f> ♦!«-
Fis.
bedingt) seien noch vielfach in l'ebung; zugleich hatte
er die Güte, aus den xVnfzeichnungen, die er gerade
zur Hand hatte, einige Iicispiele mitzutbeilen. Fig. 3
ist eine Perlenstickerei am l'rustlatz, Fig. 4 die Rand-
verzierung eines Kopftuches, nach Beispielen ans
Bergenstift, llardanger nnd Wers; Fig. 5 in ein Holz-
gefäss eiug;eschnitten.
Die Ähnlichkeit zwis(dien den Ornamenten der
Theoderichsgrabkirchc nnd der sogenannten Rüstung
des Odoaker auf der einen Seite und der norwegischen
l^irmen auf der an<leru ist evident; es fragt sich nur, ob
'Eine kli-ino Abbildung des ganzen Stuhles bei Weiss, Knstiiinkuiide,
Millcl.ilt.r ).. 447.
- Am iiÜL'hsteD steht das von R ii ii n in v. Z .1 li n 's Jahrbitchern für
Kunstwissenschaft I., p. "J^.t mitfjetheilte Fragment einer in Itagusa sefundeneii
liüstungj ein positiver Nachweis über dessen germanischen Ursprung ist aber
auch nicht zu führen.
36'
274 —
wir daraus sofort auf eine historische Yerwaiultschaft
schliesscn dürfen. AVenu es sich um einzelne primitive
Zierformen handelt, wie sie zu jeder Zeit und an jedem
Orte selbständig' erfunden werden können, ist eine solche
Folgerunj;' gewiss bedenklich; wenn es dagegen be-
stimmt charakterisirte Jlotive sind, die sich zugleich als
Glieder eines festen Ornamcntsystenies erweisen, so
wird man Dothwendig einen gemeinsamen Ursprung an-
nehmen müssen. Dieses letztere findet in unserem Fall
unstreitig statt. Somit wäre der Beweis des germani-
schen Ursprunges jener raveunatisclien Ornamente
positiv erbracht und wir stehen vor der denkwürdigen
Tiiatsachc, dass in dem norwegischen Volke, dem von
fremden Cultureinflüssen am wenigsten berüin-ten ger-
manischen Stamm, ein Stück uralt natiimales künstleri-
sclies P.rbtlieil lebendig ist, welches den Deutschen
schon
\iir dreizehnhundert Jaiiren verloren ge-
Es sei uns gestattet, noch eine Vermuthung laut
werden zu lassen über die mögliche Entstehung jenes
Ornamentes aus einer noch einfacheren Urform. Auf
den ältesten, vom orientalischen Styl noch nicht beein-
flussten griechischen Vasen bilden ein häutiges Ziermotiv
horizontale Reihen von scharfwinkligen Zickzacken und
von Kreisen mit einem Punkt oder kleineren Kreis in
der Mitte. (ISeispiele gielitConze in den Sitzungsbe-
richten der Wiener Akademie v. 1870.) Dasselbe findet
sich auch zahlreich auf nordischen Altertliümern der
Bronzezeit. Zuerst Sc im]) er, dann Conze haben diese
Ornamente als indogernumiscdies Gemeingut in Ansprucii
genonnnen. ]\Ian denke sicli nun zwei solcher Ileihen
von Zickzacken und Kreisen unmittelbar aneinander
gerückt (vergl. Sacken, Leitfaden zur Kunde des
heidnischen Alterthums Fig. 41 a) und inisei- Zangen-
Ornament ist fertig. Dass diese, wenn man so sagen
soll, Erlindung nicht übeiall gemacht worden ist, dass
sie vielmehr ausser bei den (iothen nur bei den Nor-
wegern vorkommt, das erklärt sich daraus, dass die
ersteren der den Scandinaviern am nächsten verwandte
germanische Stannu waren.
Die Waii(l2:emäl(le der Georgskirclie in Praa:»
l!(>^proclieii vcm Karl Kellner,
Die Geschichte bezeugt, dass die St. Georgskirelie,
naiiczu das älteste Baudenkmal romanischer Kunst in
Böhmen, vom Herzoge Vratislav, dem Vater des lieil.
Wenzels, etwa anno itl6 erbaut worden ist.
Eines der ältesten Bantheile derselben ist die im
rechten Seitensehitfe angel)aute, <'t\va .'!•• Fuss lange
und 1.") Fuss breitt! Gaiielle sannut Apside und sehr
altem und höchst einfachem Steinaltari'. Uebei' dieser
Capelle wurde (1142) später ein steinerner Tliurm anf-
geltaut. Die Capelle selbst wurde von den hier ange-
sieilelteii IJenedictinerinen im vorigen .lalnliunderte zur
Sacristei ailajitirt, \\(il»ei die daselbst befindlielien
uralten Wandgemälde, mit denen die Capelle ii beisäet
ist, mehrmals übertlindit wurden. In diesem Zustande
Illieb die Ca|)('lle bis zum Jahre I8()5, in welchem der
iJericIiterstatter als damaliger Beetor der Kirche durch
einige von übertünchten Nimbeii an der Wand ^(■rur
sachte Unebenheiten auf das \drliandensein \on Wand-
gemälden aufmerksam gemacht worden ist. Sofort
begann man mit aller Vorsicht weitere Nachforschungen,
und wurden diu meisten liilder aus der mehr als zoll-
starken Verweissnung hcraiisgekratzt, sodass in dei'
A])side Christus in der ^landorla, umgeben von den
4 apokalyptischen 'I'liieren, dann \on den Ajiosteln
einerseits, andererseits von heiligen l'"rauen ersicht-
lich wurde. Nach Beseitigung des augebauten Ziegel-
wcrkes trat auch der oberwähnte Allai zu Tage. Obei-
lialb der .\p«ide erbli(d<t man AN'älle und Sfaditlioic
mit Spruchbändern und abbre\ierten insehrilten in
Majuskeln. Di(! slidliclie j'ensterwand zieren von der
Wölbung bis zur Kiiieliölie i)ar>tellungen, tlieils \oii
iüschöfen theils von Herzogen und .Fagdiiartien. Der
l''enHterwand gegenüber befindet sich der nodi ver-
mauerte frühere IJogeneingang; die angränzende Mauer
wurde zur Gewiiniung einer kleinern Sacristei-TliUre
und behufs der Aniiringung einer Ofenheizung ausge-
brochen, und liiedurelidie W amhiialerei arg beschädigt.
Die rückseitige, derAjtside zugekidirte und sich abwöl-
bende Sehlusswand trägt in ."> Abtlieiliingen ebenfalls
Heiligengemälde, unter welchen ein Herzog inmitten
von zwei Chorherrn und die Figur des Künsllers mit
dem l'insel in der Hand, der Kopf fast unverletzt, die
anderen Kör|iertheile hingegen sehr bescdiädigt, erhalten
sind. Sänimtliche Gemälde überragt die etwa 10 Fuss
hohe Christo))horus-Abbildung, das Jesukiml mitten durch
Wellen tragend. C<niservafor Benesch, \\'ocel und
Zap selirit'i)en diesen ({emählen den vor-karolinisehen
Charakter zu. Professor (!ruel)er versetzt wohl <lie
Aspid und Jlauergemälde in die vor-karoliniscIii'Zeit, die
Wölbungsmalcrei jedoch ins XIV. Jahrhundert, da sie
den (,'haraktcr der Wandgemälde im F.niautiner Kreuz-
gange zu tragen sidieinen.
i^eider ist der liestand diT ülteren Wandgi'mälde
besomlers an der fJassen- res|i. I'ensterwaud sehr ge-
fährdet; dei- angrän/.eiidc Fahrweg bewirkt nämlich
viele Frseliütteruugen, wodurch einzelne Tlieile der
\\^andgem;ilde, sieh al)bröckeln ; die Gelalir der gänz-
lichen Abruts(dinng derselben ist so gross, dass eine
niet- und n a ge I fe st e J5 efe St i gu ng derselben sieh
s(d'ort als unabweisbnre Noi li wen d igkei t dar-
stellt, falls diese uralten böinniselieii Kuiist;;<'bilde
gerettet werden sollen.
Wäri' es dem Berieliterstalter vergömit gewesen,
in seiner Stellung (als lii^ctor der St. (ieorgskirche) zu
verbleiben so halle er die Conservirung dieser Wand-
:,'em;ilde selbi'r dureligellilirt ; do(di durch die Auf-
hebung des mit dieser Kirche in N'erbiudiing stehenden
-eistliehen CNn'rections-llauscs musste derstdbe das ihm
so lieh gewordene alterthümliclie (iotteshaus verlassen,
ilas nun seinem Innern Vorfalle innnei- mehr entgegen
geht; und doch wäre dieses Gottc-sliaus \(irz!lglieh be-
rufen gewesen, bei der '.MlOjährigen (iriindungsfeiL'r des
•Zlii
Präger Bistbums als Ihuipttactor iiiitziiwiikcn , da die
Bistlmms-])eg:rün(lcr ISolesIaus der Froiimic und st'iiif
Schwester ]\Iaria (^Jlladai eben daselbst ihre L'uliestätte
haben.
Auch die Wände des im Hauptscliitfc oberhalb der
Kryiita betindliehen Presl)yteriuins sind jL;lei(d]lalis mit
doppelt autlica'endeh (iemäldcn übersäet. Die (Ir-
mäkle der oberen Hehiehte dürften dem XVI. Jahrhun-
dertc angehören. Unter diesen befinden sich die ur-
sprünglielien uralten 'Wandmalereien, welche allerdings
nur t'ragmeutariseh aufgedeckt ■\verilen konnten , wo-
runter die Abbildungen des iieiligen Wenzels mit dem
Speere in der Hand dem Arler'schen üaudbilde des-
selben Heiligen zum Muster gedient haben mochten.
Auf der linken \\'andHiiclie treten einige Ülierrestc roma-
nischer Gold-Arabesken hervor, als Hintergrund eines
die Verkündigung ^[ariens darstellenden Wandgemäl-
des. Darunter zielit sich eine abgebrochene durch f^äul-
chen getrennte Nischengallerie. Die Säulen- Capitäle
haben eine romanische Decoration, in den Nischen sieht
man hie und da einen Kopf von den noch unanfgedcck-
ten Heiligen, l'ntcr der .\btissin mit dem für den Bau
bedeutungsvollen Namen .,von .Schönweiss- wurden
(etwa l()Sö) alle diese A\'andgemälde, s(diön weiss über-
tüncht, was seitdem mehrmals wiederholt worden ist,
so dass die Gemälde-Fragmente nur mit grosser Mühe
ausj;ekrat/.t werden konnten.
Bis zum Jährt! 1X'J4 besass die St. Georgskirclic
vier Tafeln, resj). Flügelbilder der bölimisclR'n und
deutschen Schule des XV. oder XVI. Jahrhunderts cnt-
stanmiend. Das grösste Fliigclbild stand am Ghor-.\ltar
und bestand aus seciis Abtlieilungen, den gekreuzigten
Heiland inmitten von F.ngeln und aiideni Iieiligen dar-
stellend — (aus dem X\I. Jalirhuudertei. Die ül)rigen
drei Holznialereien zierten die untere Kirche. Kaiser
Franz I. lies im Jaln-e IH'24 alle diese Ilolzgemälde in
die Hradscliiner Gemälde-* lalleric übertragen, wo sie
mit der IJezeichnuiig als „dem Prager Domcapitel ange-
liörig" verwahrt werden. Jedoch so niedrig hängen, dass
sie dort der absichtlichen und znlalligen Beschädigung
viel mehr ausgesetzt sind, als sie es trüber in der Kirche
waren.
Das Portal des elieinaliiieu k. Zeiiuhauses in Wiener-Neustadt.
Besproclicn von Dr. Karl Lind.
(Mit 1 Holischnitle.)
Wilhelm Lübke führt mit Recht in seinem ver-
dienstlichen Buche über die deutsche Kenaisance, davon
wir bereits in den Mittheilungen unter Anerkennung
der Gediegenheit des Inhaltes Erwälinunng gemacht
haben, an, dass die Stadt ^^'iener-Neustadt ein Pracht-
stück der Renaisance in dem Haupt-Portal der jetzigen
Artillerie-Caserne besitzt und schreibt dieses Werk mit
Rücksicht auf die Eleganz der Composition, Feinheit der
Ausführung und Zierlichkeit der Details einem italieni-
schen Meister zu.
Wir geben in derangescblosseuen Ansicht eine Ab-
bildung dieses herrlichen Portals, wahrhaftig eines Mei-
sterstückes der Renaisance. Dasselbe ninnnt die Mitte
des (istlichen Flügels an dem sonst unscheinbaren Baue
ein, der unter Ferdinand I. (1524) aufgetülirt wurde, und
ist gegen den Platz gewendet , dessen Gegenseite die
alte Burg (nun Militär-Akademie) mit dem bekannten
spät-gothischen Capellenbau ober der mächtigen Ein-
gangshalle einninnnt.
Elegante Rahmen-Pilaster mit Löwenköpfen an den
Sockeln, durch Medaillons mit antikisireudeu Kaiser-
köpfeu untertheilt und mit geschmackvollen frei korin-
thisirenden, mit xVkanthus, Greifeu und Genien ge-
schmückten Capitälen abschliessend, begränzen das Thor
au beitleu Seiten. Auf denselben ruhet ein breiter Sturz-
stein und darauf das den gauzeu Aufbau abschliessende
Giebelfeld mit dem grossen reichbemalten österreichisch-
spaniscli-burgundischen Wa])pen , das von zwei Greifen
gehalten und durch einen Engel mit der Krone über-
deckt wird.
Die Leibung des aus einem Halbkreis construirten
Tliorbogens, der auf einem besonderen Pfeiler-Aufbaue
ruhet, ist mit Engelsköpfen geziert, die in aneinanderge-
reihten cassetirten Feldern angebracht sind. Die Bogen-
zwickeln enthalten grosse Medaillons mit schönen
antikisireudeu Brustbildern , einem männlichen und
einem weihlichen. Die Medaillons sind mit Kränzen
umrahmt und mit flatternden Bändern geziert.
Die am, mit zwei Wajtpen geschmückten Sturz-
steine angebrachte lusclirift lautet :
Ferdinandus-Phillipi . hispaniarvm . et. Joanne,
reg . f . nepos . maxiniiliani . ees . | aug". .
ac . Ferdinandi . senoris . regis . eatholici -
ti'atei" . germanus ; earoli . \' . irap . pri j
oeps . ac . infans . hispaniaruni . archidux .
austrie .xc . hoc . armamentarium . ob . 2)atrie .
tuic; I ionem . in . hostivni . terrorem . e .
fvndanientis . extruebat . anno . a . nato . jesv .
MD. XX . IUI .
Der rückseitige Ausgang des Gebäudes ist eben-
falls, aber im Vergleich mit dem eben beschriebenen
Thore bedeutend weniger verziert. Dieses kleinere Por-
tal hat die gleichlautende Inschrift, ist mit einem be-
malten Wappen versehen und mag von demselben
Künstler wie das vordere herstammen.
Ein ähnliches , aus der Zeit desselben Regenten
(1552) stannnendes, aber bedeutend einfacheres Thor,
linden wir in dem älteren Theile der Wiener-Burg, im
Schweizerhof, gegen den Franzensplatz iiin.
— 270
lif '- ~
fy-^^ PfFTPCiNANcvS :pplLL"Pl-HlSPANiARV>\ E:T•lOA^^ E-TTECT; "•NEPOS-/viAXIAILlASil-CCS'^
;'«ate?>'t AVC- AC- FERDINiANDI''SEN.0RIS- = FCIS-CATHOI..ICI-FRATER-CER,n/^-VS'CAROLIVI>\P-PRJ
U_l I CEPS AC-INrA\'S-HISPJi\:ARVfr\-AR'H!DV/AVSTRIE'X0-HOCAR;^\AnfTARIV,*\-0BPATRIETVIC|
.'^-f-i.' '^ !QME>V|NHOSTI\.nT':RK0aE;AVF;FVMDj\ DENTIS EXTRVrBATANNnANATO lESi'y^i-DJEXÄ-.-- ,
'"««S1t„
Fi":. 1. 'Wicnor Nfiist.adt.
277
Die alten Waiulgeiiiälde in der Capelle der Bnrsrrnine Hoch-Eppan.
Voi] Karl Atz.
Diese Capelle, freistehend eibaiit auf der Südseite
des Felseiikegels, worauf die alte Teste lair, wurde
1131 zu Elireu der hl. Katharina vom Trienter Bischof
Altman geweiht. Sie bildet ein Viereck, das aussen
30' 8" lang und 15' 6 " breit ist, die Dicke der Mauer
beträgt 2' 0". Auf der Ostseite sjiringt eine auf einem
Kragstein ruhende Apsis vor. Tritt man durcli den
höchst einfachen ärmlichen Eingang (in Vierecksform)
in (las Innere, so bemerktman noch zweiNeben-Absiden,
welche ebenfalls wie erstere gewölbt sind, aber nicht
über die JlaucrUucht vorspringen. Jede Abside ist durch
ein schmales Fenster erleuchtet : zwei andere Fenster,
ein wenig grösser , sind auf der Südseite angebracht,
jenes auf der Westseite dürfte einer späteren Zeit an-
gehören, da es nicht ausgeschrägte Gewände, noch
den halbkreislörmigen Abschluss wie erstere zeigt.
Über das ganze Schiff breitete sich einst eine Hache
Oberdecke von Holz aus, jetzt ist sie theilweise zerstört,
überhaujit hat das Ganze stark gelitten, da man es der-
zeit als Scheune benützt. Allgemeinesinteresse erregen
die AVandgeniälde, welche aussen (auf der Xordseite)
und innen zu sehen sind; sie dürften bald nach der Ein-
weihung der Capelle entstanden sein, denn für dieses
hohe Alter sprechen ihre Formen und ihre Ausführung;
es begegnen uns hagere lange Gestalten , in fast contur-
artiger Behandlung. Alle ornamentalen Einzelntheile
sind durchaus im streng romanischen Style gehalten,
dem auch die Farbentöne genau entsprechen. Aussen,
über dem Eingange sieht man Christum am Kreuze mit
^faria und Johannes, Longinus mit der Lanze und eine
fünfte Figur, in enganliegendem Gewände, die beiden
Arme in die Seite stemmend und voll Verwunderung auf
den Gekreuzigten hinschauend, was etwa an ihm noch
geschehen wird; oben Somie und Mond. Die Umrahmung
der ganzen Darstellung bilden zwei Säulen, welche einen
Rundbogenfries tragen. Weiter rechts ist Christoph ge-
malt; sein Oberkleid besteht aus einem mit Kreisen und
Quaclraten gemusterten Stotfe, was sich eigentlüunlicli
ausnimmt. Zur linken Seite vom Eingange begegnen
wir einer Hirschjagd, die nur mehr theilweise sichtbar
ist; ein noch sichtbarer Jäger bläst ins Hörn. Der ver-
folgte Hirsch ist gut gezeichnet. Diese Darstellung ist
zweifelsohne sinnbildlich zu nehmen, nämlich als die in
diesem Leben von den Feinden stets verfolgte mensch-
liche Seele, deren Sinnbild bekanntlich der Hirsch ist.
Innen und zwar am (Jewölbe der Haupt- undMittel-
Apsis erscheint die Hinnnelskönigin sitzend mit dem
segnenden Jesuskinde, rechts und links je ein knieender
Engel, der eine Kugel mit der durch das Oberkleid ver-
hüllten Hand trägt. Die Kugel bedeutet wohl die Welt,
welche durch Christus ihr Heil finden soll, und zwar die
Doppelzahl der Kugel die stets in zwei Tlieile gespaltene
Menschheit, in Gute und Böse. Denen entsprechend
sind nun etwas tiefer, rechts und links vom Fenster die
klugen und thörichten Jungfrauen dargestellt, je drei
beisammen. Die zur Rechten liegende oder südliche
Xeben-A]isis zeigt oben Christus und in den Gewänden
des Fensters Petrus und Paulus, von denen ersterer die
Schlüssel, letzterer eine Rdlle vom Gottessohne erhält.
In der nördlichen Nebeu-Apside(die Capelle ist geostet)
ei'seheint oben das Lamm Gottes und darunter die bei-
den Johannes, der Täufer und der Evangelist. Interessant
ist auch am ersteren die stylisirte Fcllbekleidung. Die
Ränder jeder Apsis fasst ein schönes Laubwerk ein.
Die über alle drei A])siden noch höher, bis zur ebenen
Oberdecke reichende Wand war ebenfalls mit einer
Reihe von thronenden Figuren geschmückt, aber wegen
Schmutz und zu grosser Dunkelheit des Raumes sind
sie nicht leicht erkennbar, wir verniuthen, dass Chri-
stus mit den zwölf Aposteln dargestellt gewesen sein
möchte.
Auf der Südwand sind noch der englische Gruss
und Maria Heimsuchung gut sichtbar. Die Gewände der
zwei Fenster auf dieser Seite schmückt ein kräftiges
Ornament; es besteht aus rothen dreiblättrigen Blumen
mit weisser Einfassung, in je einem quadratischen Felde
liegend, das von gelben Blättern mit schwarzer Contour
gebildet wird. Die übrigen Wandflächen sehen heute
ziemlich roh aus, ob und wie sie einst geschmückt
waren, lässt sich daher nicht mehr leicht bestimmen,
aber zu wünschen wäre, wenn diese Capelle besser ge-
schont und nicht zu einer Scheune missbraucht würde.
Die ewige Liclitsänle von Wels.
Von Job. Gradt.
(Mit I Holzschnitt.
L'ngefähr acht Jahre vor dem in Wels erfolgten
Tode des letzten deutschen Ritters, des römischen Kai-
sers Maximilian , thaten die drei Zünfte der Fisch-,
Floss- und Schiff baumeister der Stadt Wels das Gelübde,
zu ihrem eigenen und zum Seelenheile ihrer bereits ver-
storbeni'u und noch auiLeben befindlichen Zunftgenossen,
die in ihrem Beruf so oft der Gefahr des plötzlichen
Todes ausgesetzt sind, eine Liehtsäule auf dem Fried-
hofe zu errichten, welches fromme Vorhaben im Jahre
IT)!! zur Tliat gewtirden war. Die ewige Lichtsäule,
woNon Fig. 1 eine Ansicht gibt, steht inmitten des in
beträchtlicher Entfernung der Stadt Wels und seiner
Vorstädte angelegten Friedhofes. Diese hat nebst dem
architektom'schen Interesse auch insoferne eine local-
geschiclitliclie Bedeutung , als dadurch der Beweis
vorliegt, dass zur Zeit ihrer Aufrichtung entgegen dem
allgemein üblichen Herkommen die Verstorbenen nicht
mehr in dem um die Stadtpfarrkirche gelegenen Fried-
278
liof aussebliesslicL beerdigt wiirilen, soiicleni die Bestat-
tung derselben zuAnfnng desXVI.Jalirhuudertes in dem
ausserlialb des Stailtfriedens angelegten weitläufigen
Friedlinfe stattgefinidi-n Imt. Es ist sitgar nicht unwalir-
seheinlic'h, dass mit devErriciitung der ewigen Lielitsäulc
die Einsegnung und Übergabe dieses Fleckes Erde zu
seiner traurigen Bestimmung unter einem vollzogen
wurde, zu welcher Annahme der Verlasser dieser Zeilen
durch (h'u Tnistand veranlasst wurde, weil die nächst
der Pfarrkirche und in der Stadt zerstreuten (Trabsteine
einiger weniger Fatricier sämmtlich, mit Ausnainne der
GraVinialplatten der Pollhainier älter als die Lichtsäule
sin<l. am Friedliof aber scIkiu die Grabsteine mit dem
XVI. Jahrhundert aniieben, worunter sich die Grab-
malplatte des Jörg Pullinger, f lötlO, in prachtvoller
Ausstattung findet.
Kehren wir von die.ser Abschweifung zur Licht-
säule zurück; sie gehih-t, wie es ein tlüclitiger Blick hin-
länglich darthut, der Ausgangszeit der Gothik an, ohne
dass durcli diese spate Entstehungszeit die Theil-
nahrne datür abgeschwächt würde. Dreimal sich ab-
stufende kreisrunde Sockelplatten von beträchtlichem
Ausmasse (der Diameter der obersten Sockcii)latte
misst f)' '1" , der Dianieter der nächstunteren S' 9"),
l)i]deu das Aufiager der Licht.säule, auf welchem sich
zuvörderst ein aus dem Quadrate errichteter geglie-
derter Fuss aufliaut , der durch die Abschrägung
seiner vier Ecken ins Achteck übergeht. Von dem
Fussgesinise an geht der Träger des Laternenkör-
))ers zunächst in einen kurzen kreisrunden Säulen-
schaft über, der durch eine aus dem Sechseck voll-
zogene Cannelirung mit spiraler Windung belebt
wurde. Ein ebenso kurzes Stück des Säulenschaftes
ist auch an iiireni oberen Ende kreisrund geformt, und
darüber baut sich, vermittelt durch ein eapitalisirendes
Zwischenglied, eine anziehende Verdacbuug auf, aus
welcher der aus dem Sechseck construirte Laternen-
körper in reizender Austiildung licraus wäciist. Die
sechs sciiarfen Ecken dessell)en iiaben mittelst gewun-
dener Säulchen ihren strengen siiröden Charakter ein-
gebüsst ; über den spiralen Säulchen . deren Fuss und
Capital nur durch eine glatie Abschrägnng angedeutet
wurde, scidiesst die Seciisecksseite im gescliwächten
Bogen untl mit einem knopfigen Knauf ab. Drei Seiten
des Sechseckes sind voll gehalten, mit vertieften ge-
kehlten Feldern versehen, welche mit den im IToch-Relief
ausgetührtcn Gestalten des Heilandes am Kreuze, der
^[adonna mit dem Kinde und des Patrones der Schitf-
fahrer, des heiligen Kicolaus, ausgefüllt sind. Die ül)ri-
gen drei ganz ähnlich gerahmten Felder der Laterne
sind, um als Seelenieuchte dienen zu können , durch-
brociien und die ( »ftnungen mittelst Verglasung und
Eisengitters gescidossen worden. Aus den im gesclnveif-
ten Bügen geschlossenen Giebeln ragt ein Bruclistück
des einstigen, steil anziehenden und mittelst Kehlung
gegliederten Riesen heraus . diM- wahrsclieinlich mit
Knauf und Kreuzrose endigte.
In den spiralförmig gewundenen Fiäclien des Säu-
lenschaftes sind drei Schilder gehauen, welche die
WerkszeicJien der Fischer- , der Flösser- und ^ der
Schifl'bauerzünfte enthalten. Die in der Kehluug des
Hauptgesimses geliauene Inschrift ist zum Tlieil noch
lesbar , die am unteren Rande des Säulensciiaftes
gehauene Inschrift durch vollständige Verwitterung des
Steines unlesbar geworden.
Die Gesammthöhe der Säule tdine Einrechnung
der kreisrunden Sdckeliilatten beträgt !>'(,)"; das Mate-
rial derselben ist der Itunte Marmor der Gosauformation
t'i^. 1. (Wels.;
279
der in der Niilie von Wels liiiclit. Die Liclitsiiidc, jine
in arcliitectdiii.seher Reziehunj;- siiiiiii;- (•(iii(i|)iite Zierde
des Friedliiit'es, ist Vdii den zerstörenden Einflüssen der
Atniospliäriiien im holien Grade ausgewittert und restau-
rationsbedürftig- geworden , es wäre atier immerhin
Schade, ein so ehrwürdiges Denkmalehristiiclier Pietät,
welches die stolzen und reckenhaften Traunfahrer ge-
schaffen hatten, der völligen Zerstörung Preis zu geben.
Eine kleine Anregung seitens der hocliwürdigen Seel-
sorger würde sichcrlieii hinreichen , die anerkannte
Opferwilligkcit der Bürger des alten Ilandels-Eiuporiums
Wels zur l'j-haltung und Restaurirnng des Denkmales
und Wahrzeichens iu Tliätigkeit zu bringen.
Die ßestauririiiisr der alten DreiköiiigsCapelle zu Tiilln.
\on Hr. Kerschbaumer.
Zur Zeit der alten Römer soll in TuUn ein heid-
nischer Tempel des Jupiter Dolicheuus sich liefuuden
haben, auf dessen Trümmern später eine christliche
C'apelle gebaut wurde, welche den Namen D r e i k ö n i g s-
Capelle erhielt, weil sie zu Ehren der heiligen drei Kö-
nige geweiht war. Dass diese C'apelle sehr alt ist, be-
weisst ihre Bauart und wird durch geschichtliche Docu-
meute ausser allen Zweifel gestellt. Am Festtage der
heiligen drei Könige (G. Jänner) fand in Tulln alljähr-
lich ein grosses Zusannnenströmen von Leuten aus der
ganzen Umgebung statt , weil an diesem Tage das
Kirchweihfest der genannten Capelle begangen wurde.
Erst später (1362) wurde dieses Fest wegen der Un-
gunst der kalten Jahreszeit auf den ersten Sonntag nach
dem Feste Maria Himmelfahrt (im August) verlegt.
W\'r die Capelle eigentlich erbaute, kann nicht an-
gegeben werden, weil sich darüber gar keine Aufzeich-
nungen in den alten Archiven finden. Nach der Bauart
zu schliessen, dürfte die Capelle aus dem Anfange des
XIII. Jahrhunderts stammen; denn der romanische Bau-
styl Ist uuleugbar an den aus gerollten Blättern gebil-
deten Capitäleu der Hauptsäulen, an dem mit Zahn-
schnitten verzierten Hauptgesimse und dem sogenann-
ten Eundbogenfries zu erkennen.
Das 5' dicke Gebäude besteht aus Sandstein-
Quadern, die in ungleichen Schichten aufeinander ruhen.
Nach aussen hat die Capelle die Gestalt eines fast
gleichseitigen coustruirten Eilfecks, wovon jedoch zwei
Seiten durch die halbrunde Apsis an der Ostseite und
zwei andere an der Nordseite durch das Portale ver-
baut sind. Die untere, zum Theile unterirdische Käum-
lichkeit bildet ein Rundgewölbe, das zur Aufbewahrung
der Todtengebeine bestimmt war, denn die Capelle
stand mitten im Friedhofe, welcher einst die Pfarrkirche
umgab. Als letztere durch den Ausbau des Presbyte-
riums (14SG — 1513) vergrössert wurde, kam die Drei-
königs-Caiielle so nahe der Pfarrkirche zu stehen, wie
wir sie erblicken. In der Capelle ober den Todten-
gebeinen wurde das heilige ]\Iessoi)fer für die verstor-
benen Gläubigen verrichtet, und dadurch den Lebenden
ein ernstes Memento mori in die Seele gerufen.
Von dankbarer Liebe zu den Verstorbenen durch-
drungen machten zwei Dechante von Tulln fromme
Stiftungen für den Karner. Der erste, Namens Heinrich,
wollte, dass auf dem „Charncr-' des Friedhofes zu Tulln
ein ewiges Licht unterhalten werde (13-?1); der zweite
Namens Heinrich Öschel, ein geboruer Tullner, stiftete
einen eigenen Priester an dem Karner, dass er daselbst
XVIII.
täglich für die A'erstorbeueu Messe lese (1357). Seinem
Wunsche gemäss, sollte der jeweilige Dechaut zu Tulln
diesen Priester (Caplan) ernennen, auch sollte beijeder
Seelenmesse im Karner von der Wandlung an bis nach
dem Agnus Dei eine Wandlungskerze brennen. Der
Kaplan aber hatte die Verpflichtung, beijeder Seelen-
messe der Verwandten des Stifters und insbesouders
„seiner guten Katrein" (so hiess seine Mutter) zu ge-
denken. Auch andere Tullner Bürger stifteten zu dem
Karner-Beneficiuni fronnne Legate. 01)genannfer De-
chaut, Heinrich Oschcl, errichtete üiierdies in der Ca-
pelle einen neuen Altar zu Ehren der heiligen Katharina.
Diese Caplan-Stiftung bestand fast 200 Jahre. Seit
der Reformafionszeit wird kein eigener Beneficiat am
Karuer iu den Urkunden erwähnt; doch erhielt sich der
alte Ciebrauch, dass alljährlich am heiligen Dreikönigs-
feste eine anderthalbpfündige weisse Wachskerze bei
der ersten Vesper des Festes und am Festtage selbst
während des Hochamtes und während der zweiten Ves-
l)er des Festes auf dem Friedhofe brannte , bis zum
Jahre 1770. Die Einkünfte des Beneliciums, welche im
Laufe der Zeit auf jährlich 95 fl. 45 kr. ly., Pfennig
herabgesunken waren, bezog der jeweilige Pfarrer von
Tulln.
Das altehrwürdige Kunstdeukmal erlebte allerlei
traurige CTCSchiclve. Im X\T. Jahrhundert wurde es als
Pulverthurm , im XVIII. als WaÖen- und Salzmagazin,
im XIX. als kirchliche Rumpelkammer benützt. Bei der
grossen Feuersbruust am 21. Jlärz 1752 brannte das
Dach der Capelle ab, so dass sie viele Jahre lang als
Ruine dastand, indem niemand die Kosten der neuen
Bedachung tragen wollte, bis sich endlich der damalige
Weihbischof von Passau und Dechant von Tulln Pliilipp
Ciraf von Dann ..aus Rücksicht für das Alterthum und
ohne Präjudiz für seine Nachfolger- dazu herbeiliess.
Mit Ausnahme einer längeren Unterbrechung im
XVI. und XVI I. Jahrhundert blieb die Capelle fort-
während dem CJottesdienste gewidmet; wenigstens
wurde derselbe einmal im Jahn
un Feste der
heiligen drei Könige darin abgehalten. Weilibischof
^lartin CTciger. der 1G71 Dechant zu Tuln war, hatte
die Capelle auf seine Kosten durchgehends renoviren
lassen. Erst am Ende der vorigen Jahrhunderts wurde
die Capelle als entbehrlich für den Gottesdienst ge-
schlossen und im höheren .-Vuftrage von dem damaligen
Dechant Franz Mösle am 4. Jänner 1787 entweiht. Die
Kirchensachen und die Capelle selbst wurden öfl'eut-
lich licitaudo (letztere um den Schätzungspreis von
37
280
320 fl.) freigeboten. Auf BefeLl Kaiser Josefs II. wurde
jedoch die Capelle der Pfarrkirelie später uueutgeltlieli
überlassen.
Seitdem erfolgten wohl einige nothdürftige Restau-
rationen au der Aussenseite der Capelle, desto schauer-
licher aber verwildeten die inneren Räume, so dass man
sich schämen musste, wenn ein wissbegieriger Fremder
dieselben zu sehen wünschte. Bei dem in neuerer Zeit
erwachten Kunstsinne war eine totale stylgcmässe Re-
stauration im Innern und Ausseren der altelnwürdigen
Dreikönigscapelle eine unabweisbare Nothwendigkeit,
ja eine Ehrensache der Stadt Tulln. Es erging dalier
ein öffentlicher Aufruf au die kunstsinnigen Bewohner
der Stadt Tulln, welcher allenthalben Anklang fand.
Eine gleichzeitig an die hohe Central-Conimission für
Erhaltung der Baudenkmale in Osterreich gerichtete
Bitte um Unterstützung fand thunlichste Erhörung. In
Folge dessen wurden im Frühjahre 1873 die Restau-
rafionsarbeiten mit Emsigkeit begonnen und fast ohne
Unterbrechung dergestalt fortgesetzt, dass jetzt die Ca-
pelle nicht nur von der grausamen Mörteltünche befreit
ist, mit der die schönen Quadern überzogen waren, son-
dern dass auch die herrlichen Frescobilder, welche die
Apsis und den inneren Bogenl'ris der Capelle zieren, und
deren Existenz fast unbekannt war, vollkommen her-
gestellt sind. Am 26.0ctober wurde die Capelle von dem
Herrn Bischof von St. Polten Dr. Matthäus Josef Bin-
der geweiht und dem Gottesdienste zurückgegeben.
Das Äussere der Capelle ist mit Ausnahme des
theilweise sehr ruinirten Sockels noch gut erhalten. Die
ausgewaschenen Fugen zwischen den Quadersteinen
wurden gefüllt und die S|)rünge und Klüfte vermauert.
Ein Meisterwerk der Ürnamentation ist die ruiid-
bogige Portalhalie. Diese verengt sich in fünf recht-
winkeligen Abstufungen, in deren einspringende Ecken
je eine Säule steht. Die Säulen ruhen auf würfelförmi-
ger Unterlage, die Capitäle haben die einfache Kclch-
form mit gerollten Blättern. Das Zick/,ack<irnament
und das oval gewundene Band im Gewölbe erinnert an
ähnliche Motive an dein Wesiportalc bei St. Stefan
in Wien. ImTym])anon befinclet sich ein Kleeblatt-
bogcn, in welchem ein ganz \crwittertesFrese()geniälde
angebracht war, von dem man nur den Nynibus und die
Flügel zweier Engel und in der Mitte einen grösseren
und kleineren Nvnibus erkamite, woraus der Künstler
die jetzt sichtban; neue Composition schuf, nämlich
Maria mit dem Jesukind , welches die Engel anlictcn.
Ein 'i'lieil des Portales war iiiil verschiedenen Farben
bemalen.
Der Eingang in die K rypta (Gruft) ist klein und
eng; die Grnamcnlation in Folge der Stcinvcrwitteiung
fast unkenntlich. Die Kryjita dehnt sich unter dem Mit-
telraum der Capelle, nicht aber unter der Apsis aus und
dürfte drei Klafter hoch sein; sie war früher ganz mit
Todtengebein(!n v(!rschUttet, gcgenwäilig ist sie mehr
als zwei Drittel tief ausgeräumt und njil Kies bedeckt.
Im Mittciraume wurden im F^aufe dieses Jahres die aul-
gcfundenen und gesammelten Reste aus der Ilabsbui-
gcr-Gruft des ehemaligen kaiserlichen Fraucnsliftcs zu
Tulln beigesetzt, wie ein darüber angebrachter Denk-
stein aus Granit besagt; so dass also <ler ehrwürdige
Kanier zugleich eine ArtMa usole um der zu Tulln be-
stalteten .Mitglieder des allcrdurchlauchtigslen Kaiser-
hauses ist.
Das Innere der Capelle, 33' hoch, bildet eine
vollkommene Rundung und ist wie die Mauerfläche
durch sechs an Pilastern aufsteigende Säulen in sechs
Felder getheilt. Fünf dieser Wandsäulen steigen vom
Fussboden (_der jetzt mit sechseckigen Cementplatten,
die sich sternförmig gruppiren, neu belegt ist) empor,
die sechste tritt erst ober dem Scheidebogen der Apsis
aus der Wand heraus und ruht auf einer mit reichem
Figurenschmucke versehenen Console. Die Längenaxe
incl. der Apsis beträgt 25'. Einen besonderen Schmuck
des Hauptraumes bilden die doppelten kleeblattförmigen
Blenden, welche paarweise in den vier Wandflächen
eingefügt sind, llechts vom Eingang der Capelle führt
eine in die Mauer eingeführte Wendelstiege auf den Dach-
raum empor.
Die grösste Zierde der Capelle jedoch ist der Cyclus
von Fresconialereien, welche in der Halbkuppel der Apsis
und an dem oberen Theile der 'Wände um den ganzen
Innenraum angebracht sind. Bisher kannte man nur
einige fragmentarische Spuren davon, und diese waren
verbleicht otler theilweise verwittert. Herr Franz Storno
aus Oedcnburg reinigte mit Benützung der in diesem
Specialfachc gemachten Erfahrungen die Fresken, so dass
die Contouren sichtbarer hervortraten, fixirte dieselben
mit kunstgeübter Hand nach reiflichem Studium und
stellte sie — alle Schwierigkeiten bewältigend — mit
pietätvoller Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit wieder her.
Dieselben Bilder, welche jetzt wie neu aussehen, sind
jedoch wenigstens tJOO Jahre alt und gehören zu den
besterhaltenen Frescogemählcn aus der romanischen
Periode in Österreich.
Der leitende Grundgedanke aller Bilder ist das
jüngste Gericht, als Illustration dieser Glaubeuswahrhcit
wählte der Künstler die evangelische Parabel von
den fünf klut;cn und fünf thörichten Juii<;-fraueu. (Matth.
25, 1 ff'.)
Auf dem ersten Felde rechts (ober dem Eingang)
sind die tünf klugen Jungfrauen dargestellt, liel)licli
fromme Gestalten in langen weitfaltigen Gewändern, das
Haupt mit dem Nimbus geschmückt, in den Händen mit
einer Art frohen Selbstbewusstseins die vollen Oelkrügc
aufrecht tiagcnd. Ein Engel reicht der ersten der Jung-
frauen seine Hand, als wollte er ihr als Führer in das
Reich der himndisehen Glorie dienen, denn im nächst-
liegenden zweiten Felde erblicken wir Maria mit dem
Kinde, welches die heiligen drei Könige anbeten, deren
(Miier vorn kniet. Zwischen Maria und dem Engel steht
eine weibliche Figur mit einem Heiligennimbus, zu deren
Füssen sich ein zerbrochenes Rad befindet, welches
Emblem zweifelsidine auf die h. Katharina schliessen
lässl; wahrscheiulicli wollte der Künsller der lürliiiten-
den l'alronin der Capelle einen Ehrcn])l.itz anweisen. Im
dritten Felde sieht man eine weibliche i"igui- mit einem
liilienseepter und ohne Nimbus, welche \(iii zwei Engeln
gekrönt wird ; eine alIegoiisclie.\ns|iiclung auf die Krone
deiMierechtigkcil, welche .MIen zuTheil wird, die gleich
den klugen .luiigfrauen mit dem gesaMimelten Vorrath
ihrerguten W^'rke vor (km RichterstuhKiot tes erscheinen.
Der fiegensatz ist in den gegenüber angebrachten
drei Wandbildern (beiläufig 4' hoch) dargestellt: die
Bestrafung des IJöscii. i)i(! fünf thörichten .lungfraucn
tragen elienfalls flaschenähnlicheGeiässe in den Händen,
jedoch halten sie dieselben verkehrt zum Zeichen,
dass ,sic leer sind. Die Jungfrauen sind mit bunten Ge-
— 281
wandern angctban und mit koketten Kronen gesehniiickt,
trafen aber alle die Miene des Entsetzens, denn ein bc-
wall'neter Engel jagt sie dem Reiche des Satans zu, der
die erste der tliörielifen, Jungfrauen trotz ihres Sträubens
in Empfang nimmt. Der .Satan mit seinen vielen
Geuossen zeigt grosse Freude über den Zuwachs in
der Hölle, aus welcher das Feuer herausloilert. Einer
der nach den mittelalterlichen Anschauungen i)han-
tastisch dargestellten Dämonen sitzt auf eiueni Tiiiere
und trägt eine Kette um den Hals. Ober ihm krönt ein
kleiner Kobold eine klagende männliche Figur spöttisch
mit einer Dornenknme. wahrscheinlich als Gegenstück
zu dem nebenan befindlichen allegorischen ISildc, welches
die Krönung der Gerechtigkeit darstellt. Ober den
thörichten Jungfrauen stehen die biblischen Worte: „Itc
maledicti in ignem eternam-. Unter diesen Bildern zieht
sich eine Hordüre mit typologischen und phantastischen
Figuren (\\lc Eiiduirn, Drache, Löwe, Hirsrli u. dgl.).
Auch die Darstellungen in der Apsis passen zu dem
ganzen Bildercyclus. Im Abschlussgewölbe sieht nmn
Christus in der Mandorla sitzend, die Füsse auf den
Regenbogen stützend , zu liciden Reiten Bfaria und
Johannes. Ein Engel reicht Christus das Buch des Le-
bens und das llieliterschwert hin. während auf der an-
deren Seite ein Engel dem Richter das Kreuz vorhält,
als wollte er umwillen des Erlösungswerkes Barm-
herzigkeit erl)itten. Zu oberst schwebt der heilige
Geist als Taube auf 1)lauem Grunde.
Ober dem Triumphbogen ist der Kamjjf des Erz-
engels Michael mit dem Teufel dargestellt; der letztere
erscheint als geflügelter Drache, dem der Engel die Lanze
in den Rachen stösst , als AvoUte er jeden Eintretenden,
der zuerst dieses Bildes ansichtig wird, warnen und an
die W(H-te <ler heil. Schrift erinnern : „Der Teufel geht
herum wie ein brüllender Löwe und suchet, wen er ver-
schlinge. Wachet also, denn ihr wisset weder den Tag
noch die Stunde." (1. Petrus 5, 8. — Matthäus
•2b. ];i).
Die ('i)nt(iuren all' dieser Figuren wurden urs])riing-
lich mit braunrother Farbe kräftig gezeichnet und dann
mit der betrett'endeu Farbe ausgefüllt, worauf man die
Details zeichnete. Die ehemalige Farben))racht und reich-
liche Vergoldung konnte zwar nicht wieder hergestellt
werden, doch sind die Bilder mit gewissenhatter Bei-
behaltung des alterthündichcn Kuustcharakters zur all-
gemeinen Zufriedenheit restaurirt worden.
V(ui nun an wird Inder Dreikönigscapellc das heil.
Gral) in der Charwoche errichtet und in der Allcrseeleu-
woclic das heil, ^fessopfer dargebracht werden. Jlöge
dadurch das Andenken an die Verstorbenen geehrt, der
Glaube der Lebendigen aber geweckt und genährt wer-
den'.Möge die Stadt Tulln sich der restaurirteuDreikönigs-
capelle freuen, da sie an derselben ein durch Kunst und
Altcrthumdopiielt wertlies geschichtliches Ehrendenknial
besitzt. Viele Jahrhunderte sah derKaruer, dieses Wahr-
zeichen der Stadt, an sich vorüberziehen, aber keines hat
sich seinermit einer so allgemeinen und freudigen Ojifer-
willigkeit angeniunnien, wie das jetzige.
Zur ßestauratioii des Prager Domes.
In diesem Jahre hat die Restauration des ehrwür-
digen St. Veiimünster bedeutende und erfreuliche Fort-
schritte gemacht, doch war das erfreulichste Ereigniss,
dass der Dom wieder der Feier des Gottesdienstes
übergeben wurde. Mit Freuden wurde das Weihfest des
schönen gothischen Hochaltars begrüsst, welcher viel-
leicht nicht so vollendet und edel dastünde, wenn des ver-
storbenen WeihbischdJ's Peter Krejci frcigchige Hand
nicht jene grosse Summe hergegeben hätte (25-000 fl.),
um Kranner's meisterhaften Entwurf durchzuführen und
jene von ihm entworfenen, durch Maler Sequens mit den
Abbildungen der Landes -Patrone decorirtcn und im
schönen Email durchgeführten sechs Reli(]uiare, aus-
führen zu können. AVir sahen den Chorbau renoviren und
mit florentischen rothen und vlaSimer weissen Marmor-
platten schacliartig belegen, die Canäle für die künftige
Gasbeleuchtung legen, die gefahrdrohenden Gewöll)e ob
der S. Anna, Johannes und Wahlstein'schen Capelle ab-
nehmen und neu ersetzen. In der S. Auna-Capelle kam
man iinter der dicken Kalkkruste auf eine alte Wand-
malerei. Die vorkommenden, etwa 4' hohen Figuren,
stellen die Propheten, Chcrubims, den Erlöser und Maria
vor, und duch sind sie jünger, als man Anfangs dachte.
Vorerst muss die für den Landesausschuss be-
stimmt gewesene Gallerie weggeschafft werden, ehe man
zur näheren Würdigung dieser Wandnuxlereien wird ge-
langen können. In der sogenannten Philijip und
Jakobs-Cape lle, nun dem heil. Johann v. Nepomuk
geweiht, fanden sich die Gewölbrippen polychromirt :
Oker, Meuning und Bergblau. Die Gewölbflächen waren
blau und so wie in Karlstein mit foliirten Glassterneu
besetzt, die mittelst Stifte auf geharztem Grunde befestigt
waren. Leider kam man bei der eingehenden L'nter-
suchung der Capellengewölbe und ihrer Widerlager
auch auf die Pfeiler des Hoclischitfcs. Man unterzog sie
einer eingehenden Prüfung und fand ihren Kern unver-
lässlieh, ja bei einem dieser Pfeiler einen bis in den
Grundbau gehenden Sprung. Dieser hatte zur Folge,
dass alle Durchgänge des Pfeilerbanes in der Em-
pore ausgefüllt und vermauert wurden, wodurch der
Zugang zu den Königs-, Bischofs- und Architektenbüsten
unmöglich geworden. Wer diese näher besehen will, dem
stehen die Fensterlückeu offen, um durch sie in die ge-
trennten Umgangsparzellen zu gelangen.
Auch wurde durch die Freigebigkeit des Dom-
]irobstes Adolf Würfel der Achtermann'sche mar-
morene Krcuzaltar in Rom angekauft und hier im Monate
August durch den Künstler selbst aufgestellt.
Die florentinische Gothik dieso Altars passt frei-
lich zu der ernsten Guthik unseres Domes nicht.
Was den gegenwärtigen Eindruck, welchen der
Dom in seiner unvollendeten, inneren Restaurirung auf
den Eintretenden hervorbringt betrifft, so ist dieser un-
befriedigend, unschön!
Die öden Mauern, beleuchtet durch den reichen
Lichtstrom der hohen breiten Chorfenster, von welchen
nur drei en geissail gehalten, sind nicht geeignet, einen
namhaften Effect hervorzurufen — wirken nüchtern auf
37*
282
den Bescbaucv. Unter der schönen Unigangsgallerie
zieht sich das Band der verbiassten , beschädigten in
dem Wiedergeburtsstyl gehaltenen Läuderwappen und
dann kommt wieder nacktes Pfeilergemäiier. Die un-
vollendete Polycliromirungsprobe wirkt störend auf
den Eintretenden. Man sieht in dem Gewölbenetz eines
Fünfecks, vier Felder blau, das fünfte leer und erkennt
daraus, welch einen überwältigenden Eindruck eine Po-
lychroniie hätte hervorrufen müssen.
Doch die Zeit drängte, die 900jälirige Jubelfeier
sollte im Dome festlich begangen werden. Das theuere
Gerüst ward abgehoben und der Altar schnell aufge-
stellt, und so blieb das Innere, wie man sich es nie zu
denken wagte; viele Kenner und Laien erklären den
Hochaltar für klein, ohne zu bedenken, dass Frank-
reichs alte Dome und anderwärts auch kleine Altäre
haben. Die Polychromie hätte diesen scheinbaren Um-
stand behoben, hätte den Altar plastischer gemacht und
hervortreten lassen.
Noch ist das Dompflaster zu legen, was heuer kaum
mehr geschehen dürfte, sind Chorstühle aus der Tyroler
Cirbelnusskiefer herzustellen und tausend noch wün-
schenswerthe Sachen. Leider versiegen unsere Ein-
nahnis(|uc!len in unserer materiellen und unfrommen
Zeitriclitung immer mehr und mehr und die Staatssub-
vention von 10 000 fl. und jene aus dem Landesfond
eben so gering, lassenkeiu rasches Ineinandcrwirkeu zu.
Am 26. August wurden die Überreste Pudolfs von
Habsburg, dann Rudolf des ungekrönten Königs von
Böhmen in ein frisch gemauertes Grab beigesetzt. Die
mit Erde vermengten ganz in Staub gefallenen Über-
reste derselben, wurden von mir in einen rothen Seiden-
damast , die Knochenfragmente des letzteren für sich
eingehüllt — die zerfallenen Gewandstofife mit beige-
geben und alles in einen Jletallsarg, und dieser nach
erfolgter Einsegnung, dort wo man sie vor zwei Jahren
fand, unterhalb des Südfensters, knapp an der Haupt-
wand der St. Simon und Judacapelle des rechten Sei-
tenschiffes in ein '■>' 4" langes, I'IS" breites und 2' tiefes
(irab durch mich und Kranner gesenkt. Eine neue Platte,
worauf Name, Sterbetag und Jahr tief ausgemeisselt
sind — wurde auf das kleine Se])ulchrum gelegt.
Das Fest der Grundsteinlegung, am J. Öctolierl. J.
war würdig. In dem , dem Dom;nischlusse zu nächst
stehenden eillten Pfeiler des künftigen rechten Seiten-
schiffes, Avar in Mitten derPfeileraxe 2' 8" von der Erd-
iläche hoch, der Glascylindcr mit der Gruudsteinlegungs-
Urkunde, welche kurz und in lateinischer Sprache ver-
fasst, in eine blecherne Büchse getlian, eingelegt.
Baues.
Zur tleschiclito der Ffarrkirclie St. Jacob in Yilljicli.
\'nii Hl-. A. Luschin.
Eine eingehende Baugeschichte dieser interessan- cuius introitus sit in capella nobilinm (ieer~) Kraicer
ten Hallenkirche hat Freiherr von Ankershofen im 111.
Bande der Mittheiliingeu (S. 123 fgde.) gegeben, einen
Grundriss derselljcn nebst Abbildung und Beschreibung
bemerkenswerther Details hat Dr. Karl Lind im heu-
rigen Märzheft (S. HO fgde.) geboten. Ein glücklicher
Zufall setzt mich in die Lage, aus einer bisher unbe-
nutzten Quelle, dem 20. Bande (fol. 154) der sogenann-
ten Protocolü des ErzbisthumsUdine, eine Urkunde lie-
fern zu können, welche neue Aufschlüsse iilier diesen
Gegenstand enthält. Sic ist am 12. (Jct(
14! IS vom
Generalvicar des Patriarchen zu Cividalc ausgestellt
und lautet mit Hinweglassung der unwesentlichen
Stellen :
„Doctor Franciscus Manzaini eanonieus Kavenna-
tensis, pro revcrendissimo d. Dominicd Grimaud patri-
archa Aquilejensi in spiritualibus et temi)oralil)Us vica-
rius generalis, dilcctis nobis in Christo providis viris
judici et consiliariis et coninHinitati iip|)idi Villaci ac
vitrico ecciesia- sancti Jacolii dicti loci, dietae.\i|uilejen-
sis diocesis Xu)»er nobis supplicatione mon-
strastis, quod licet in dieta parrochiali ecclessia s. Ja-
cobi circa mcdiani ))orta7n ecclesias a suiyeiiori ])arte
(|uasi in testiidine (;recta fuerit capella si\e basiiiea
ipionrlam cum altari consccrato in iHUiorem ln-aldrum
Sebastiani et Koclii et alioruni sanctornni, nihilominus
(piia non patct aditus ad eam longo tempore in ea iion
fnit celcbratum, in divini cultiis et deuotionis Christi
iidelium ilhie ascendere et oraliones suas et preees deo
fundcre non valcnfium diminutionem, ac in non niodi-
cam injuriam sanctarum reliqniarum ibidem rccondi-
tarum. Cnpitis propterea deuotionc acccnsi scalam in
gyrnni et asccnsuni ad ca])ellani ipsam fabricari facere,
sita Jii dicta ecciesia s. Jacobi et congiiitinata ac eoin-
paginata duobus muris muro et parieti eiusdem ])aro-
chialis, ita qnod fracto muro eedesiiie paroehialis in an-
gulo ejusdem eapell.ie sine ali(|u;i diminutidue i|)sius ac
injuria dietorum noliiliiim tiat porta scalae et ascensus
fabricandi in cimiterio ad ])arietem dictiCieeclesiae. Sed
quia sine nostra speciali licencia deuotionem hanc vc-
stram implere non potestis. vobis hoc concedi humiliter
suppiicastis alieiijiis contradietione non obstante." Der
(ieneralviear bewilligt nun das .\nsuclien mit der Be-
gründung: ,,(piodex jjraemissis usus ail quem est desti-
nata dicta capella nobilinm non impeditur nee incom-
modatnr, et (iiiemadniodum ])er ijjsani parochialem lia-
lielur ascensus ad dietam capellam, ita. non inconvenit,
(ptod de dicta caiiella nobilinm ascendatnr, (|U(iil l'ran-
gere possitis ibidem mumm dictix; paroehialis et portam
in ca fieri ac ascensum in gyruni ad parietem eiusdem
fnliricari per quem aseendattir ad dietam siiperiorcm
basilieani siiic capellam aiietoritate ardinaria ipia fun-
giiiiur li.irum Serie läcultatem concedimiis.''
Die erste neue Nachricht, welche obiger Urkunde
entnommen werden kann, ist die Angabe, dass die von
Balthasar Wcisbiiaeher vor Zeiten eihaute ICmiiorkirche
zu l'",hreii der heil. Seba.-tian und llochus gestiftet war.
Auch die Lage derselben wird beschrieben, und über-
einstimmend mit Aidccrshofen, welcher in ihr den heu-
tigen Mtisikehor erblickt, über den Uau|)teiiigang ver-
setzt. Zugleich erfahren wir, dass im Jahre 14'.t8 der
Zugang zu dieser Caiielle fast ganz verschollen war,
und dass darum schon seit langer Zeit weder ein
(ioltesdieiist darin gehalten worden war, noch sie von
den Gläubigen besucht wurde. Dies bestätigt die von
283
Ankershoi'cn am aiiicufülirten Orte uus^esproclicue Ver-
mnflmiig', dass dci- Bau der ges'ciiwärtigeii St. Jacolis-
kirclie in \illacli dci' ersten Hälfte des XV. Jalirhiui-
derts angcliörc und noch vor dem im .Jabre 14tJ2 er-
folgtem Anl)au der Drcifaltigkeits-Capellc vollendet
worden .sei.
Aiisserdi'iii erfahren wir von dem Dasein einer
jetzt vcrsehwundenen Capelle der Familie Kreig. Sie
wird dem schönen Bau der Kirche zu keiner Zierde
gereicht haben, da sie den rechts vom Haupteingange
befindlichen Baum unter der Empore einnahm, und von
dem Kirclicuscliirt'e durcli einspringende Mauern abge-
grenzt war.
Das Vorhaben der Villacher Stadtgenieinde, wel-
cher wir diese baugeschichtlichcn Daten verdanken,
bezweckte nun die Herstellung eines bequemeren Auf-
stiegs zu der Emporkirche Weisbriachs. Zu diesem Be-
hnfe .sollte iu die südliche Seitenwand der Kirche neben
dem zweiten Strebepfeiler entsprechend der Südo.st-
Ecke der Kreiger Capelle vom Friedhofe au.s ein Ein-
gang gebrochen werden, und an diesen eine Wendel-
treppe unmittelbar anschliessen. Bedingung war, dass
durch diese Umgestaltung der Zweck der unteren
Capelle wenig beeinträchtigt werde, und dies erklärt
nicht allein die "Wahl des Verbindungsmittels, sondern
auch den l'latz, der ihm angewiesen wurde.
Da die Südwand der Kirche an der bctreflfenden
Stelle keinerlei Spuren eines ehemaligen Durchbruchs
aufweist, so wurde dieser Plan ungeachtet der Zustim-
mung des kirchlichen Obern, sei es wegen Widerspruchs
der Familie Kreig, sei es aus andern uid)ekannlen Ursa-
chen, nicht Ncrwirklicht. Wohl aber wurde im Laufe des
XVI. Jahrhunderts, vermuthlieh gleichzeitig mit der
Auflassung der Kreiger Capelle oder bald darauf jene
Steiiitrci)i)e licM-gcstellt, welche noch jetzt zum ^fusik-
clior cni|Hirfiilirl und in web-lier Ankershofen mit Becht
den späti'sten Eiuiiau der Kirche erblickt hat.
Es erübrigt noch der Verbindung zn gedenken,
mittelst welcher man vor dem .\usiiau dieser steilen
Stiege zur Em|iore gelangen konnte. Dass eine solche
von Anbeginn bestand, liegt in der Xatni- der Sache und
bezeugt überdies die nutgetheilte Urkunde ausdrück-
lich. Der Gefälligkeit des Herrn Franz ^'■vv. Interberger
von Villach, welcher sich mit theilnehmcuder Liebe in das
Studium der baugeschiclitliclien Details dieser interes-
santen Kirche vertieft hat, vei'daidvC ich den Xachweis
dieses alten, in Wirklichkeit nichts weniger als comfor-
tablen Weges. Man mnsste nändich das erste Geschoss
des Thurmes ersteigen und dann unter dem Dache des
Gewölbes, welches diesen mit der \'orderseite der
Kirche verbindet, fortschreiten, bis man eine niedere,
jetzt durch die Orgel verdeckte Tliür erreichte. Die
Otfnung derselben ist in neuerer Zeit zum Theile mit
Steinen versetzt worden, alter wie ich mich persönlich
überzeugte, noch immer deutlich erkennbar. Es liegt auf
der Hand, dass ein derartiger Zugang sehr bald der all-
gemeinen Kcnntniss entschwinden, oder mindestens den
Wunsch nach grösserer Bequemlichkeit erregen mnsste.
Zur Gescliiclite der Klosterkirclie Göss.
Von Dr. A. Luschin.
Die W'anderversanmilung, welche der historische
Verein für Steiermark am 12. und ].'!. October 1873 zu
Leoben abhielt, war Veranlassung, dass der Herr Pfar-
rer von Göss über Intervention des Herrn Direetors
Dr. Gregor Fuchs einen Holzverschlag ausräumen Hess,
iu welchem angeblich eine alte Wandmalerei entdeckt
worden war. Der Augenschein bestätigte das Gerücht.
An der Aussenseite des rückwärtigen Abschlusses der
Kirche, unmittelbar neben dem Eingange in die Sacri-
stei und gegenüber den in die Umfriedung des Kirch-
hofes eingemauerten alten Grabdenkmälern mehrerer
Abtissinen, betindet sich zwischen zwei Strebepfeilern
eine Bretterverschallnng, welche gewöhnlich als Holz-
lege benützt wird. Die Bückwand lässt in zwei Beihen
obereinander sowohl die Kreuzigung, als die Abnahme
Christi erkennen. Irre ich nicht, so sind auch noch die
Personen der Stifter und Spruchbänder kenntlich. Auf
dem Strebepfeiler zur Beeilten sind Spuren einer ,, Ver-
kündigung Marions" sichtbar, auf dem gegenüberliegen-
den besser erhalten, ein grosses Wappen. Da dasselbe
einen weissen Wolf im rothen Felde zeigt und die
gleiche Figur als llelmkleinod wiederholt, so dürfte es
dem aus den) oberen Lavant-Thale stammenden Ge-
schlechte der Weissenwolf angehören. Die schlichte
Gestalt der rothen, tuchartig behandelten Helmdecke
und die dreieckige Form des gelehnten Schildes, end-
lich der in's Profil gestellte Topfhelm verweisen die
Malerei etwa in die zweite Ilähte des XIV. Jahr-
hunderts. Vernuithlich hat sie zu einen Grabbildc
gehört.
Bekanntlich hatte die Kirche von Göss, an welcher
diese Malerei entdeckt wurde , vor Zeiten nur den
Zwecken des uralten Nonnenstiftes zu dienen, ^vährend
für die Pfarrgemeiude eine eigene , gegenwärtig bis auf
den stehen gebliebenen Thurni verschwundene Kirche
bestand. Ihre heutige dreisehiffige Gestalt erhielt die
Stiftskirche erst nach dem Brande von 1515, weshalb
sie auch die überwuchernden Formen der absterbenden
Gothik aufweist, wogegen das in der Breite des Mittel-
schiffes vorgelegte Presbyterium mit einfachem Kreuz-
gewölbe eine ältere Bauzeit verräth. Die aus dem Vor-
handensein des obenbeschriebenen Geraäldes für die
Baugeschichte des Münsters zu gewinnenden Folgei'un-
gen bestätigen, nicht nur das der Umbau des XVI. Jahr-
hunderts bloss ein theilweiser war, sondern dürften auch
zum Aufschlüsse ül)er die Zeit in Betracht kommen, wann
die Umänderung der romanischen Kirche in einegothische
vor sich ging. Inwiefern die Darstellungen der Cou-
vent-Siegel, welche seit dem XII. Jahrhunderte regel-
mässig ein romanisches, seit 1489 ein gothisches Kir-
chengebäude zeigen, für die Bangeschichte benutzbar
sind, bleibe dahin gestellt. Vielleicht bietet diese An-
zeige, welche sicli leider auf eine sehr flüchtige Be-
augenscheinigung gründet, Sachverständigen Anregung
zu weiterer Nachforschung, dann ist ihr Zweck genü-
gend erfüllt.
— 284
Die Kunst des Mittelalters in Böluiieii.
Von Bernhard Grueber.
FortsetzuDK-
(Mit So JI>lzsclinitten.)
Einzelne Kirchenbauten, ohne schul-
mässigen Gliarakter.
Die bisher g-escliilderten Baugruppen lassen Je für
sieh eine gewisse stylistische Zusammengehörigkeit er-
kennen, und es ist nicht schwer, innerhalb einer jeden
Gruppe die allmähligen Umwandlungen zu verfolgen.
Neben und zwischen diesen (Iruppen machen sich ein-
zelne Denkmale von durchaus unabhängiger Stellung
bemerkbar, welche, meist dem Zeitalter des Königs
Wenzel II. (1278 — 1305) angehörend, eine abgeson-
derte Besprechung erfordern.
Die beiden Kirchen in Ben e schau.
Beneschau (Benesov) bei Konopist scheint durch
die Herren von Bechyne angelegt und mit städtischen
Rechten bcgal)t worden zu sein. Die Pfarrkirche unter
dem Titel des heiligen Nicolaus ist ein sehr interres-
santes Gebäude, wenn auch kein Theil desselben über
die Mitte des XIII. Jalirlinnderts hinaufreicht. In den
Krriclitungsl)üchern des Prager Domstiftes kommt die
Kirche im Jahre 1384 bereits als Dechantei-Kirche vor.
Das Langhaus ist dreischiffig , 50 Fuss lang, eben
so breit und wird auf beiden Seiten durch je zwei recht-
eckige, oft iibcrkleckste Pfeiler unterstützt. Mittelschift'
und Clior halten eine liclite Weite von 25 Fuss ein, wo-
bei das Presbyterium saiumt dem aus fünf Seiten des
Zehnecks construirten Abschlüsse und mit Inbegriff der
4 Fuss starken Triumphbogcnmauern 40 Fuss tief ist.
Der Chor trägt durchaus den Charakter der Übcrgaugs-
(iothik, an den Knäufen der AVandpfeiler sieht mau
Thicrverschlingungen und korinthisirende Ornamente,
l'ig. 118. (Beneschau.)
an den angeblendeten Säulen eines kleinen Portals
kommen Knospen-Capitäle und mit Kckliiättern aiisge-
.stattete Säulenfllsse vor. DiescKirche ist auch merkwürdig,
weil sie das schönste aus der Zeit des Kaisers Karl IV.
stammende Altarlilatt und eine der ältesten (ilockeii
Böhmens besitzt. Diese beiden Kunstwerke sollen der
vom Präger Domprobste Tobias v(ui licnesch.'iii ncgiiin-
detcn Minoriten-Kirche angehört haben und liei dem
grossen ilurch di(; 'i'aboriten 14i'0 vcraidassten Brande
auf unbekannte Weise gerettet worden sein, (iegeii
wärtig bietet das ziendich abgelegene und verwahrloste
Kircheidiaus keinen erfreulichen .\idilick; es ist durch
Flick(;rcien und Übertllnchungen nach und nach so cut-
stellt worden, dass sellist der (leissige P. Vlasäk, wel-
cher in der Zeitschrill P;nniitky archeolo;,qcke a ndsto-
]mn{; II., Seile 2«;», die Stadt Bene.schau mit ihren
Kirciien ausflilirlich bespricht, die herrliche im Presby-
terium angebrachte Ornamentik llbcrschcn hat.
l'ber das Alter der vom Doniijrobst Tobias von
Beneschau gestifteten Minoriten-Kirche, deren liuinen
etwa zweihundert Schritte von der Pfarrkirche entfernt
liegen, macluni sich zwei verschiedene Ansichten geltend,
\velclie .-luf dem zufälligen Umstände beruhen, dass
zwei l)omhei-ren dieses Namens aus Beneschau hervor-
gegangen sind und sich um das Kloster verdient ge-
macht haben. Tobias i. wirkte als Domherr, Dechant
und Propst von 1 L'.'i.'J iL'iiO, Tobias II., Dondierr, von
i;!2(l ^ |;J17. Dieser letztere, dem Slannne der Be-
chyne an^tdiörend, trat seine (Üitcr Beneschau und
K.ono|)iist an die Herren von Sternberg ab, und widmete
zugleich einen grossen Theil seines Vermögens dem
jungen Miiioriten-Kloster, so dass er als dessen zweiter
Stifter an/.usehen ist. Aus diesem Grunde versetzen
Frind und Seh Icsi nger die Aidage der Klosterkirche
in das vierzehnte .lahi-hundert , während Dohne r,
II a mmersc li Ml i cd , 1! erghaue
Sc hall er und
Beneschau.
«Hj ■ "<J
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n 1
■■^.
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•tssa*»* 3:-:'-
Aus da- ■•-rieieimWier.
Mitlh (1 k k (Vntr Cimi 1872
281) —
Vlasäk das Jnhi- 1240 als Oründuiigszeitaui'iilirLU iiiul
die Einweihung- durch den Bischof Nicolans von Prag
im Jahre 1257 vollziehen lassen.
Bei solchen Widersprüchen, indem man sich
beiderseits auf Urkunden beruft, bleibt nur die arch.äo-
log'ische rntersuciiuns' übrig und diese lässt die spär-
lichen Ruinen als ein Hauwerk erkennen, weiches jeden-
falls nach 1280, aber auch vor KilO angelegt worden
ist. Dessen unbeschadet kann die Nachricht von be-
sagter Einweihung richtig sein, da häutig einzelne
Altäre oder Capellen mit grossen Feierliclikeiten
consecrirt wurden, ehe der Kirciienbau vollendet war.
Drei Feusterpfeiler, dem Chor-Schlu.-^se der Kirche
angehörend, sind die einzigen Reste des berülmiten
Stiftes und geben Kunde, dass der edle Stifter alles
aufgeboten hat, um seinem AVerke die liücliste \o\\-
endung zu verleihen. Aus den Vermessungen ergibt sich,
dass der Chor einen fünfseitigen Schluss hatte, aber
nicht wie die nahe Pfarrkirche aus dem Zehneck,
sondern aus dem Keuneck construirt war. Die lichte
Weite des Chores und Hauptschiftes dürfte 21 bis
28 Fuss betragen haben, und zwar von den gegenüber-
stehenden Yorsprüngen der Wandpfeiler an gemessen.
Der hier entwickelte gothische Styl ist glänzend und
dabei streng kirchlich, die Rundstäbe in den Fenster-
leibungcn sind nach alter Weise unterhall) der Bogen
mit Capitälen verschen, und die Protilinmgcn aus grob-
körnigem (jranit mit bewunderungswürdiger Sorgfalt
ausgeführt. Die Pfeiler ragen heute nocli über 80 Fuss
in die Luft und sind durch zwei Eanzetbogen verbunden.
Die in diesen Bogen noch vorhandenen Masswerke sind
aus Sandstein gemeisselt und zeigen keine Spuren des
grossen Brandes, welche sowohl an den aufrecht stehen-
den Pfeilern wie den umherliegenden Bruchstücken
sichtbar werden. Es scheint, als dl) nacii dem Brande
eine Restauration eingeleitet worden sei, welche aber
aus Mangel an Fonds nicht durchgeführt werden
konnte, wesshalb nach Re])aratur einiger Fenster das
Unternehmen aufgegeben wurde.
Seit etwa KUHJ wurden die Ruinen als Steinbruch
benützt und n)an erblickt an den in der Nähe betind-
lichen Häusern unzählige Bruchstücke von Pfeilern,
Gesimsen, Gewölberijtpen und andern Steinarbeiten,
welche der Minoriten-Kirehe entnommen sind; hie und
da begegnet das Auge auch einem eingemauerten
Sculpturwerke, dessen Ursprung nicht zweifelhaft ist.
Grosse Beachtung verdient ein aus Sandstein ausge-
führtes, dem Schlüsse des XIII. Jahrhundert ange-
Fig. 119. (Bcnoschau.)
28G
hörendes Marienbild von 3 Fuss Höhe, dermal in einer
Nische am Stadthaus aufjrestellt. Die schon erwähnte
etwa 25 Zentner schwere Glocke wurde im Jahre 1799
bei Al)räumung des Schuttes aufgefunden, sie trägt
eine Inschrift, lautend, dass derGuss 1322 durch Meister
Eudger bewerkstelligt worden sei. Diese Glocke gehört
zu den ältesten, welche Böhmen aufzuweisen hat und
zeichnet sich durch AVohlklang wie durch zierliche
Form aus. Wie sie bis auf die Gegenwart sich erhalten
hat, bleibt räthselhaft.
Auch die Kettung des schönen, ö'/s Fuss hohen
und ;> Fuss 9 Zoll breiten Altarbildes erscheint unbe-
greiflich; doch konnte eine gegen SO Pfund schwere
Holztafel leichter in Sicherheit gebracht werden, als
die schwere Glocke. Die Beschreibung dieses Bildes,
eines der hervorragendsten Meisterwerke der durch
Karl IV. gegründeten Kunstschule, findet sieh im
HI. Theile.
In Bezug auf malerische Wirkung stehen die
Kuinen des Minoritenklosters unerreicht, sie bieten ein
unvergessliches Bild und überragen weithin die von
schöner Umgebung eingerahmte Stadt. Jetzt, da Bene-
schau eine Eisenbahnstation geworden, darf die Be-
sichtigung sowohl der Kuine wie der Pfarrkirche jedem
Keisenden als sehr lohnend empfohlen werden.
Illustrationen: Fig. IIS Grundriss der noch
licstehenden beiden Churpfciler mit Angabe der Ein-
theilung, Fig. 119 Grundriss um! Aufriss des Wand-
lifcijers, Fig. 120 Fenstermasswerk, Fig. 121 — 122,
f'apitäle der Rundstäbe, die Ansicht der Kuine gibt die
beifolgende Talel.
doch besitzen wir in der Lebeusgeschichte der seli-
gen Prinzessin Agnes, der Gründerin und ersten Äbtissin
des Frauciscaner- und Clarissen-Klosters in Prag eiue
urkundliche Nachricht, dass Jungfern - Teynitz als
Tochterstiit des Frager Agnes-Klosters noch bei Leb-
zeiten ins Leben gerufen worden sei. (Prinzessin
Agnes, die Schwester des Königs Wenzel I., starb am
(j. März 1282, mithin durfte die Gründung gegen 1280
stattgefunden haben.)
Das Kloster wurde durch die Hussiten zerstört und
es wiederholte sicli hier dasselbe Schauspiel, welches
wir bei Besprechung der Stifte Trebic, Pomuk und
Beneschau kennen gelernt haben: die reichen Stifts-
gliter gelangten an unrechtmässige Besitzer und diese
trachteten vor allen dahin, jede Urkunde zu vernichten.
Die noch bestehenden sehr grossartigen Ruiuen
lassen den alten Bestand mit ziemlicher Sicherheit fest-
stellen : erhalten haben sich nämlich das Presbyterium
bis zur Höhe des Dachgesimses, dann ilic südliclie Um-
fassungsmauer des Schiffes ganz , die nördliche theil-
Die Kuinen von Ju ngfrauen -Teinitz.
Mit dem Minoritenstifte Beneschau theilte gleiches
Los das Klarisscnkloster Jungfrauen-Teinitz (Tynec pa-
nensky) durcliPlichta von Zerotin gegründet, und durch
seine Enkel Johann und llabard im Jahre 1321 vollen-
det wurde. Die Stiftuugszcit ist nicht genau bekannt,
Fig. 121.
(Beneschau.)
Fiff. 1-2-2.
I'ig. 120. (licncschaii.)
weise und ein Stück von der au die Vorhalle angrän-
zenden Westwand. Von der Vorhalle jedoch sind nur
unbedeutende Spuren aufzufinden. Der im Lichten
30 Fuss weite und 72 Fuss lange Chor zeigt einen
fünfseitigen aus dem Zehneck gewonnenen Abschluss,
doch sind hier an die geraden Umfassungswände
noch kleine Verlängerungsstücke angesetzt und so ein
etwas willkürlich construirter siebenseifiger Abschluss
herausgelirachf worden, welcher im Vergleich mit dem
Zehneck ein ungleicii harmonievolleres Polygon-Gewölbe
gewinnen liess.
Das Langhaus war dreischiifig mit niedrigen
Nebenschittcn, zwischen der Vorhalle und dem
Presbyterium standen zwei reicJigcgliederte Bündel-
pfeiler auljeiler Seite: die Form derselben kann aus
den ücstcn eines eorrespondirenden W:indpl'eilers ent-
nonnnen werden. Die Länge des Schilfes (>line \drhalle
l)eträgt M Fuss, dürfte aber mit Inbegriff derselben
72 Fuss gemessen haben, wiilirend die Gesanimtbreite
()(■) Fuss einhält. Obwohl die 1 intässinigsmauern des
Presbyteriums zur beinahe vollen Höhe aufrecht stellen,
hat sich doch kein einziger Fenstcrhonen und kein
Masswerk erhalfen: dagegen finden sich an der Süd-
wand des Schilfes die Reste eines eigenthündiehen
Portal-Haues, von wi'lcliem sehr zu bedauern ist, dass
eine Restanration zu den rmnögliehkeilen gehört.
Dieses Portal tritt nut zwei kräftigen Pfeilern
G Fuss aus der Wandfläche vor und hält eine Gesannnf-
breil(! von 2.'") Fuss ein. Die schräg zur Thüröffnung zu-
rücktretenden IMeiler sind je an den Adrderseilen mit
Prai
Aus der k.k.lofu.Staalsäruekerei m We:
— 287 —
zwei, an den sclirä,i;'eu Fläclien mit fiinrFi,:;ni-enl)I('iiilrn
verziert, welelie mit ihren zart iui.sget'ülirtcußaldacliinen
und Consoleu lun so seltsamer ausselieu, als die Pfeiler
siinst iianz glatt belassen sind. Die (P /, Fuss weite
Tliürotl'iuiiii;- ist mit einer besonderen Leii)ung' umzoj;'en,
in deren llnlilkehlen zu i)eiden Seiten je zwei 15 Zoll
liolie Figürelien (Engel) sich erhalten haben, neben den-
selben gewahrt man zur Rechten und Linken A\'api)en-
schildcr mit Adler und Lciwen.
Imu ferneres kleines Sciiliitiirwerk befindet sich an
dem linken Wandpfeiler, welcher einst den Triumph-
bogen trug, es ist das ßildniss eines Königs, waln--
siheinlich Wenzels IL, an einer Console .angebracht.
Alle .Steinmetzarbeiten sind von höchster Vollendnng
und aus wunderschönem goldbraunen Sandstein herge-
stellt, das Zwischenmauerwerk besteht wie gewöhnlich
aus Bruchsteinen. Leider ist das in der Gegend vor-
kommende Gestein niergelartig und schon bei geringer
Hitze zersplitternd; wesshalb die Zerstörungen auch in
ungewöhnlicher Weise um sich gegriffen haben.
An der Süd- und Westseite ist die Ruine durch
angebaute Ökonomie-Gebäude versteckt, der Chor greift
in einen Park hinein und dient gewissermassen als
künstlerische Ausstattung desselben. Sehr auffallend
ist, dass entlang der Nordseite sowohl des Presliy-
fcriums wie des Schiffes kein einziges Fenster ange-
braciit war, obgleich an dieser Seite niemals Baulich-
keiten angränzten. Bei der freien Lage des Klosters
auf einer Anhöhe scheint mau sich vor den Stürmen
möglichst gesichert zu haben. Die Frofilirungen der
Fenster zeigen grosse Ahnlichkt'it mit denen der Bene-
schauer Stiftskirche, wie denn die Anlagen dieser
beiden Denkmale manches Übereinstimmende zeigen.
Illustrationen: Fig. 123 Grundriss der Kloster-
kirche Jungfranen-Teinitz, Fig. 124, Ansicht des Restes
^om Portal.
(Literatur: Über die Kirchen von Beneschan und
Junfrauen-Teinitz finden sich Nachrichten inFrind's
Kirchengeschichte und den schon genannten Werken,
in den Mittheilnngen der k. k. Central- Conmiission,
Jahrgang IHTO. dann in Tomek's Geschichte der Stadt
Prag, I., und in den Pamatky archäologicke.
Das C i s t e r c i e n s e r s t i f t K ö n i g s a a 1.
Das bedeutendste Knnstdenkmal, welches durch
den wohlwollenden und praclitliebeuden König Wenzel IL
hervorgerufen wurde, war der Kirchenbau in König-
saal. Aula Regia, dem alten Zbraslav, an der Mündung
des Beraunflusses in die Moldau gelegen. Otakar IL
hatte sich an dieser reizenden Stelle ein Jagdschloss
erbauen lassen , welches sein Sohn AVenzel in ein
Kloster umwandelte, der Sage nach zur Sühne für die
(nebenbei gesagt wohlverdiente) Hinrichtung des Zaviis
von Falkenstein, seines Stiefvaters. Von der Pracht
dieses 1292 begründeten Gebäudes wissen die Zeit-
.gcnossen nicht Wunders genug zu erzählen, es musssehr
uuitangreich gewesen sein, da die Anzahl der Kloster-
geistlichen unter Karl IV. sich auf dreihundert belaufen
haben soll.
Die Stiftskirche war dreischilfig und hatte, so viel
sich aus den dürftigen Beschreibungen entnehmen
lässt, Basilikaform: die Gestalt des Chores scheint
siebenseitig gewesen zu sein, da Königin Elisabeth,
Wenzels zweite Gemahlin, Capellen ringsum anfügen
Hess. Hochberühmt in der Geschichte Böhmens ist die
unterhalb des Chores sich erstreckende Königsgruft,
eine aus mehreren Gängen bestehende Krypta, welche
die Bestiuunung hatte, die Gräber aller böhmischen Re-
genten aufzunehmen. Der Besuch dieser Gruft durch
König Wenzel III. ist von der Sage mit vielen romantischen
Zügen ausgestattet worden. Im Kreuzgange soll nach
Ancas Sylvius eine Illustration der ganzen Bibel in der
Höhe von 5 Fuss sich hingezogen haben, und zwar auf
feiugeschliftene Steinplatten geschrieben. Oflcnbar
waren es Miniaturbilder mit beigeschriebenen Erläu-
terungen , von denen Sylvius spricht. Diess ist so
ziemlich alles, was sich mit Sicherheit über die Gestal-
tung der Königsaaler Stiftskirche beibringen lässt: .sie
war ein Nationalheiligthum in jedem Sinnne des Wortes,
das Grabmal eines der menschenfreundlichsten und ge-
rechtesten Regenten , welcher je über Böhmen ge-
herrscht. Am lü. August 1420 übei-fiel der Taboriten-
führer Koranda das Kloster, plünderte es aus und zer-
störte die Kirche dergestalt , dass kein Stein auf dem
andern geblieben ist. Von dem gepriesenen Bau Wen-
zels ist keine Spur mehr vorhanden.
(Nachrichten über das Stift finden sich überaus
viele, so bei Neplach, Pulkawa und in den Chroniken
des Domherru Franciscus und des Abtes Peter von
Königsaal. Archäologische Aufschlüsse und Ül)erbleibsel
des Gebäuiles wird man jedoch vergeblich suchen.)
XVlIl.
Fig. 123. (Jungfer-Teinitz.)
38
288
Dio Stiftskirche Maria-Him mclfabrt
zu S e d 1 e e.
Ein Hi'ir Miroslav jiTümlete unter dem Herzoge
Madislav II. im Jahre 1142 oder 1143 das Kloster
.Sedlec und berief dahin Ordensglieder aus dem bay-
rischen Cistercieuser-Stifte Waldsasseu bei Eger. Die
damals errichteten Klostergebäude sammt der Kirche
scheinen gegen Ende des XIII. Jahrhunderts so bau-
fällig gewesen zu sein, dass König Wenzel II. durch den
Abt Heidenreich einen neuen Kircheubau auffülnen liess,
welcher zwischen 1200 bis l;i04 in der Hauptsache
vollendet wurde.
Dieses Gotteshaus war das grösste, welches man
in Böhmeu bisher gesehen hatte und zugleich das
erste, welches nach dem mittlerweile in Frankreicli und
den Eheinlanden entwickelten Kathedral-System ange-
ordnet wurde.
Von den Hussiten geplündert und niedergebrannt
standen die Kirchenruinen über zweihundert Jahre
lang uni)cdeckt. bis sich das Stift nach der Schlacht am
weissen Berge wieder etwas erholte, worauf Abt Heinrich
Snopek im Jahre 1693 die Wiederherstellung sich ange-
legen sein und ein neues Dach aufstellen liess. Dann
wurde die ganze Kirche mit solch' klösterlicher Emsig-
keit wieder erbaut, dass die ursprünglichen Formen
verschwanden und eine neue höchst abenteuerliche
Mischung von C4othik und Roccoco an die Stelle des
.Mtcn trat. Diese Restauration wurde von dem P>au-
mei.ster Ignaz Bayer aus Prag geleitet und in der Haupt-
sache bis zum Jahre 1707 vollendet. An dem zwar be-
deutend überarbeiteten Aussenbau wunle im allge-
meinen eine gewisse Einfachheit festgehalten, welche
dem Charakter des (lanzen entspricht : im Innern je-
doch tritt uns eine Bizarrerie der Formen entgegen, wie
sie kaum an den spät-gothischeu Bauwerken Spaniens
gesehen werden kann. Erst wenn das Auge sich etwas
an die seltsamen Verschlingungen der Gewöll)e, die
toscanischcn mit gothischen liipjjcn durcliwaclisenen
Capitäle und andere WundcHichkeiten gewöhnt hat, ist
man im Stande, die wirkliche Grossartigkoit dieser An-
lage herauszufinden und zu würdigen.
In Bezug auf Räumlichkeit schliesst sich die Sed-
lecer Kirche den bedeutendsten Bauwerken an: die
äussere Gesammtlänge beträgt mit Zurechnung der
Vorhalle o05 Fuss, die Länge des Innern 270 Fuss
und die lichte Weite des Schiffes 91 Fuss.
Das Kirchenliaus ist fünfschitfig, mit Chor-Umgang,
CapelU-n-Kranz und Krcuztlügcln verseilen: über der
\'ierung erhob sich ein mächtiger Kupiicltliurm. Sieben
Gapellen und zwei Halb-Capelleu umziehen den Chor-
schluss, welcher aus drei Seiten des Achtecks gezogen
ist und im Umgang durch Verdopplung in sieben Seiten
umsetzt. Die Pfeiler des Hauptschirt'cs sind noch die
alten, jedocii über und über mit Stuccaturen bedeckt,
die Xebenscliifte iiingegen werden durch neue Huudsäulen
eingetheilt. ^lit Zuzäldung der sehr starken Vierungs-
pfeiler stehen auf jeder Seite des Hauptschiffes fünf-
zehn Pfeiler, nändich neun im Langhause, zwei an der
Vierung und vier im Chore: im Herumführen der Seiten-
schiffe um den Chor wird die Anzahl der dort befind-
lichen Säulen auf jeder Seite um zwei erhöht, so dass
siebzelin Säul(>n der Nebenschiffe den fünfzehn Haupt-
pf'eilern entsprechen.
Die Kreuzarme treten um die Breite eines Neben-
schiffes aus der allgemeinen Umfassungsliuie vor, sind
aber durch die Restauration zu Capellen und Oratorien
umgewandelt worden. Unterhalb der Pultdächer, welche
Fig. 123. (Jungfcr-Teinitü.;
— 289 —
die Seitenscliiffe üljcrdeckeii, eben so im Dacliniumc
des Haui)tst'liirt'fS haben sich iiocli viele Reste von
Fenstevmasswerl^en . Gesimsen und scmsligen Deco-
rationeu in filtern Zustand erlialtcn, deren Beliand-
lung'sweise genau den in Ilolienniautli und Saaz vor-
kommenden älteren Detailiirungen entsjiriciit.
Trotz aller Entstellungen durcli Stuceaturen, Ein-
bauten und grelle Tünche macht das lüO Fuss hohe,
nur 25 Fuss im Eicht weite Mittelschiff einen über-
wältigenden H^indruck; man fühlt in dieser Halle so
recht, mit welcher Gewalt grosse Massen selbst dann
auf uns einwirken, wenn die künstlerische Behandlung
dem Auge nicht ganz zusagt.
Nach der Aufhebung des Sedlecer Klosters im
Jahre 1783 wurde die Maria-Himnielfahrts-Kirche ge-
sperrt, und die Altäre mit allen Kunstwerken licitando
verkauft, wobei der Hochaltar mit dem Meisterbilde
(Maria Himmelfahrt) vou Peter Brandl (1728) und mit
schönen Sculptureu käuflich an die Hohenmauther-Kirche
überging, deren Zierde derselbe gegenwärtig bildet.
Die Friedhof -Gap eile in Sedlec.
Wenige Schritte von der Stiftskirclie entfernt liegt
zwischen uralten Linden die Begräbniss-Capelle des
Klosters, welche schon 1318 genannt wird und alle
Anzeichen trägt, dass sie gleichzeitig mit der llaupt-
kirclie entstanden ist. Auf einem quatlratischen Unter-
bau, welcher das übliche Beinhaus enthält und mit
einer Plattform bedeckt ist, erhebt sich ein zierliches,
an der Westseite mit zwei sechseckigen Thürmen
flankirtes Kirchlein, einst ein berühmter Wallfahrtsort.
Die Tliürme sind an den Ecken nach alter Weise mit
Ruudstäben eingefasst und deuten wie die sonstigen
Gesimse , Gurten und Einzelheiten den Schluss des
XIIL Jahrhunderts an.
Das Schilf ist 23 Fuss lang und eben so breit, es
wird in drei Gewölbekappen zerlegt, von denen die
mittlere 9 Fuss in der Längenrichtung misst. An der
Ostseite .springt ein aus zwei Gewölbeabtlieilungen be-
stehender, 914 Fuss weiter und 19 Fuss tiefer ('liorl)au
vor, in wclchcni sich ein alter steinerner Alfartiscli Ite-
tindet.
Mit .Ausnaiime der zwiebeliormigen Hauben, mit
denen die 'J'liürme eingedeckt sind, hat das Kirchlein
seine ursprüngliche Gestalt beibehalten, freilich ein
schwacher Ersatz für die ruinirte Stiftskirche.
Illustration: Fig. 12:') Seiteuansicht der Friedhof-
( ai)elle.
Die 1-j rz (1 ec li a n t e i - K i rcli e in Pilsen.
Obwohl diese prächtige, dem heiligen Bartholomäus
gewidmete Kirche zum grösstenTlieile in der folgenden
Luxemburg'schen Periode ausgeführt wurde und dess-
halb dem dritten Theile einverleibt werden musste,
haben wir derselben doch hier mit einigen Worten zu
gedenken.
Der Bau wurde im Jahre 1292 durch den deut-
schen Kitterorden unter Mitwirkung der Bürgerschaft
und namentlich einer Frau Anna v.Pi-eborov begonnen,
seheint aber langsam vorwärts gerückt zu sein. Der
ersten Bau-Periode entstammt nur das Presbyteriuui mit
dem aus tünf Seiten des Zehnecks construirten Chor-
Sclilusse. Diese Partie ist einheitlich . mit einfachen
Kreuzgewölben überspannt und gewährt durch seine
ergiebige Weite von 32 Fnss einen eben so wohlthuen-
den als kirchlichen Anblick. Das 125 Fuss lange und
80 Fuss breite Langhaus scheint zwar in seineu allge-
meinen Grundlinien dem ursprünglichen Plane anzuge-
hören, ist aber während der Regierung Karl IV. zu
Stande gebracht worden. Die runden Säulen des 31ittel-
schirt'es, die säinnitlichen ^^'ölbungen des Langhauses
die Neben-Gapellen und Vorhallen gehören dem fünf-
zehnten, theilweise sogar dem Beginne des sechzehnten
Jahrhunderts an.
Vig. 125. (Sedlec.)
38'
— 290 —
An dieser Stelle sollte zmiäebst hervorgehoben
werden, wie im letzten Viertel des XIII. Jahrhundert
der einfache Chor-Sehlnss ans dem Achteck mehr nnd
mehr znrücktritt, während Innf- nnd siebenseitige
Formen beliebt werden. Alle übrigen diese Kirche be-
treffenden Verhältnisse sind im dritten Theile erörtert.
Zweisehiffige Kivcheubauteu.
Es ist angeführt worden, dass das zweisehiffige
Kirchcniians im südlichen Böhmen nngewidmlichen An-
klang gefunden hat und dass sogar Hauiitkirclicn auf
solclie Weise angeordnet wurden. Aiifäiiglich trat diese
Form nur vereinzelt auf, im Verlauf der gothischen
Periode mehren sich die Beispiele, so dass wir einige
höclist interessante Denkmale, darunter anch eine
Stiftskirche zu verzeichnen haben. Die Anregung
scheint sich aus dem Donauthale zu schreiben, wo wir
in Passan undEnns schon sehr frühe derlei zweisehiffige
Bauwerke treffen.
Die Minori t cn-Kirciie in liecliyn.
Das alte Bechyn (Bechyne) war scIkih in irühester
Zeit eines von den dreizehn Erzdiaconattn, in welche
die Prager Diözese eingetheilt war. Die dortige roma-
nische Dechantei-Kirche wurde bereits im I. Theile,
besprochen, wo auch des Prager Bischofs Tobias von
Bechyne gedacht worden ist , der diese zu seiner Zeit
schon bestehende Kirche mit Gralicn und ^Mauern hat
umgeben lassen.
"Während der Regierung dieses Kircheufürsten
(1278— 129(i) stifteten mehrere reiche Beciiyner Bürger
im Jalire 12sl ein Minoriten-Kloster mit einer Maria-
biiiimclfahrts-Kirclic in ihrer Stadt. Da die Stiftung so
eigentlicli aus der P.ürgcrsciialf hervorging, ist es be-
greiflich, dass die Form der Decanal-Kirche als muster-
giltig angesehen nnd dem Neubau zu Grund gelegt
wurde. Das Kloster wnrde 1428 von den Taboriten iil
Brand gesteckt, doch scheinen damals mit dem Dach-
stuhl nur die AVölbungen eingestürzt zu sein, während
die Masse des Gebäudes geringen Schaden gelitten hat.
Zdisiav von Sternberg stellte 1490 — 1492 Kirche
und Klostergebäude wieder her und gab den Bauten
die Gestalt, weldie wir heute noch erblicken.
Das Langhaus ist 84 Fuss lang und 48 Fuss im
Licht weit, es wird (liin-ii dni rumle in der "Mitte
/,Xi-^-..ji/..-'-^''-..'ii/. •-■.■,■■ : 1-.. ; ..■■■.. .••'..
ley
Fig. 12f!. (Sobieslaii.j
stehende Säulen in acht Gewölbfelder zerlegt. Das
48 Fuss tiefe und 24 Fuss weite Presbyterium tritt
nicht aus dem Mittel des Hauses vor, sondern reiht
sich dem linken Schiffe als dessen Forsetzung an, so
dass die Vermuthung nahe liegt, es sei jedes Schiff mit
einem eigenen Presbyterium versehen gewesen. Reiclie
Netzgewölbe überspannen die aus dem Achteck ge-
schlossene Chorpartie, die Schiffe aber sind mit eigen-
tliümliehen, aus vielen kleinen Kappen bestellenden
Wölbungen überdeckt. An die Nordseite der Kirche
stösst ein noch theilweise erhaltener Kreuzgang mit
einer spät-gothischen Capelle an, welche jetzt dem heil.
Karl Borromens geweiht ist.
Die Dccana 1 - K irehe St. Peter und Paul in
Sobieslau.
Dieses sehr schöne und eigenthümliche Gebäude
kommt urkundlich erst im Anfange des XIV. .Talirliuu-
derts vor, doch ergibt sich aus dem ganzen J5estande,
dass die Anlage einer etwas früheren Zeit entstammt
nnd die Gründung mit 1280 angenommen werden darf.
Sobieslau gehörte sehen im XIII. .Jahrhundert den Her-
ren von Kosenberg, welche den Ort l)efestigten, ein
Schloss nnd Avahrscheiniich auch die Kirche erbauten.
Im Verlaufe der Hussitenstürme zweimal, namentlich
während der letzten taboritischen SchihU'rlieliung von
14;!") arg verwüstet, wurde die Kirche 1490 durch die
Herren von Rosenberg als Patrone wieder in Stand
gesetzt und nnter Beibehaltung des alten Mauerwerks
mit neuen Gewölben, das Schiff auch mit neuen Portalen
und Fenstern versehen. Dieser Restanratidus-Bau wurde
mit wahrhaft fürstlicher Pracht dureligefiiiirt.
Das (i4 Fuss lange und 44 Fuss weite Schiff wird
durch zwei achteckige, noch von dem alten Bau her-
rührende l'feiler in sechs gleiche Felder zerlegt und ist
in derselben Weise eingewölbt, wie gelegentlieh der
Beciiyner Minorilen-Kirelie erwähnt wurde. Diese im süd-
lichen liöhnien vorzugsweise beliebten (iewölbe sind
rippenlos und aus vielen kleinen vertietten Kappen zu-
sammengesetzt, welche die verschiedenartigsten geome-
trischen Musterbilder zeigen. Die Form erinnert an die
maurisclien Stalaktiten-(!ewölbe, ist aber nicht aus-
schliesslich auf Böhmen beschränkt, sondern es werden
solche Gewölbe auch anderwärts, z. B. im Schlosse zu
Meissen und dem .lagdseidosse Grünau, erbaut 15.55
durch lleiv.dg und ri'al/gi-af < Min Ileinrirh von llayern,
Der Chor zeigt rechteckigen Abschluss und gerippte
Wölbungen, ist mit Einschluss der 'l'riumi)hbogen-Maucr
48 Fuss tief und 22 Fuss weit. Dieser Theil blieb von
dem l'.rande und auch von Neuerungen beinahe ganz
versclMinl, und zeiehnel sich (Inreli eine glänzende 0|-na-
nientiic aus. Neben den bekannten selnm I2."i() vcn'kom-
ineii(l<>ii Knospen-t 'apitälen ti-ilV( man au deuAVandsäulen
uinl (lurllrägeni iles ('linres allerlei Menschen- nnd
Tliiergestallen, auch Laulnvei'ki', wie sie an den üanlen
Otak'ir's II. zu sehen sind. Im unjzK'ieh mehr einen-
erten SehitVe dagegen kdinnn ii keine Ornamente vor.
An den beiden in di'r IMitle des Schiffes sich ge-
genüberst(dienden i'ortalen erblickt man zu wiederhol-
ten Malen das R'osenberg'sclie Wappen, die eiid'ache
fünfblätterige Ruse, jenes stolze Danuer, welches einst
in BöhniciiH Geschichte eine so grosse Rolle gespielt hat.
— 291 —
Der nordwärts an das Schiff angefügte Tluuiu
wurde von der Sobicslaucr Bürf^ersclialt um 1480 er-
richtet und zeiclinet sich nur durch liedeutcnde Höhe
aus, steht aber in Bezug' auf Fornii;el)ung den liantcn
der Eoscnberg-e weit nach. Eine nebenstehende Ca-
pelle, jetzt als Sacristei dienend, scheint einem älteren
Kirchenban anzugehören und enthält lutcli einzelne m-
mauisirende Beste.
Illustrationen: Fig. l'JC> (Irundriss der Deca-
nal-Kirehe, Fig. 127 Chor- Ansicht derselben, Fig. l:.«
— 131 Capitäle und Gurtträger im Chor; Fig. 132,
Rosenberg'sches Wappen am Nord-Portal.
(Lite r a t u r : Archive zu Wittingau und Hohenfurt.
Hieher Bezügliches findet sich zuniiclist in den Abhand-
lungen des P. Max Mi 11 au er, theils im Wiener Archiv,
theils in den Heften des böhmischen Museums veröffent-
licht. Fernere Aufklärungen bieten zwei Abhandlungen
von A. Pangerl über Vok Rosenberg unil Zavis
F^'alkenstein , in den Mittlieilungen des deutschen Ge-
schichts- Vereins für Böhmen, 1870 und 1872.
Ferner: die Herren von Rosen berg als Förderer
der Künste, von B. G rueber, ebenfalls in den Mitthei-
lungen des deutschen Geschichts-Vereins, 1860. Frind
Kirchengeschichte Böhmens. In den Errichtungsbüchern
des Prager Domcapitels konnnt die St. Peter- und Pauls-
kirche zuerst 13(57 vor.)
Die De c a na 1- K i rc li e Maria Himmelfahrt in
Deut sc ht)rod.
Die Stadt Dcutschbrod, Teutobroda, Neniccky
Brod, verdankt ihre Entstehung und (ierechtsame den
mächtigen Herren von Lichtenburg, welche im An-
fange des XIII. Jahrhunderts hier ergiebigen Bergbau
auf Silber betrieben. Im Jahre 1278 erhielt Dcutschbrod
Stadtrechte und eine Hergordnung, welche dem von
König Wenzel I. der Stadt Iglau ertheilteu Privilegium
nachgebildet waren. l"m diese Zeit wurde auch der
Kirchenbau begonnen, über dessen Fortschritte wir
keine Kachrichten besitzen.
Die beinahe ausschliesslich von deutsehen Berg-
leuten bewohnte Stadt wurde im Jahre 1422 nach der
in der Nähe vorgefallenen Sehlacht von Zizka in einen
Aschenhanfen verwandelt nnd soll, wenn anders die von
Fig. 127. (Sobieslau.)
— 292 —
Fif;-. 128.
Dolmer T. 4 mitiietlicilteii Berichte keine Übertrei-
biiiii,^^! enthalten, bis zum Jahre 143(3 leer gestanden
sein. Dass die Kirche nicht verschont blieb, ist selbst-
verständlich: in der Folge wurde das ursprünglich ein-
fache Haus im Innern so oft überändert und verzopft,
dass man beim Eintritt eine wahre Miisterkarte von
verdorbenen Stylproben (^darunter sogar eine über dem
Hoch- Altare errichteteD iuzenhofe r'sche Kuppel) über-
blickt. Nur ein einziger unter der Orgel-Empore stehen-
der achteckiger Pfeiler deutet noch die ursiirüngliche
Einthfiiung an.
An d.en Aussenseiten hingegen l)estclieu noch alle
.Strebepfeiler und viele Einzelheiten, welche die zwei-
schiffige Anlage in unwiderleglicher Weise documen-
tiren. Der Grundriss wird durch ein Rechteck von an-
nähernd fiH Fuss lichten AVeite und HO Länge beschrie-
ben, ein besonderer Ciior war nicht vorgebaut. Die
Länge war durch drei achteckige, in der Mitte stehende
Pfeiler und eine Trium])hbogen-Mauer in fünf gleiche
Abtheilungen von je 22 Fuss (in der Längenrielitung)
so eingetheilt, dass die östliche innerhalb des TriuniDli-
bogens liegende Abthcilung als Chor diente. Das süd-
liche Schilf war etwas schmäler als das nördliche, die-
ses hielt 28, jenes 22 Fuss in der Weife, von dcrPfeilcr-
aclise bis an die Wand gemessen. Übrigens ist die
ganze Nordwand erneuert worden und scheinen die
Schiffe ursi)rünglich gleich, iiümlich 22 Fuss weit ge-
wesen zu sein.
Ein quadratischer 'riiiirm, der sich an der West-
seite iunerliajl) der allgenieinen l.infassuiigslinie erhebt
und das erste südwestliche (Jewölbefeld eiiininnnt, er-
weist sich als sjjäterer Einbau und dürfte dem Zeitalter
des Königs Georg von Podebrad angehören.
Die Kirche besitzt eine schöne spät-gothiseh auf-
gebaute Orgel, auf welcher eine; ältere trefflich gear-
beitete Marienstatue steht. Diese in Holz geschnitzte
Figur wie auch ein widderhaltenes, auf Holz gemaltes
Madonna-Hild am linken Seiten-Altare lassen sieh als Ar-
beiten der unter Karl \\ . bliilienden Kunstschule er-
kennen. Der praciitvolJe .Mini;ilMrcodex. welcher in der
Kirelie aiifljewiilirt wird, findet im vierten 15ande, Ab-
theilung Malerei, ausführliche 15esclircibung. Endlich
besitzt die Kirche einen vorzüglich .schönen im lienais-
sance-Styl gearbeiteten Iloeh-Altar.
Ausserdem haben sich in Deutschlnod mehrere
Thiirme und Kcste der alten Stadtmauern erhalten, welche
Beachtung verdienen; in den Strassen sieht mau viele
zierliche Wohnhäuser aus dem XV. und Anfang des
XVL Jahrhunderts.
(Literatur: Zunächst die Geschichte der böhmi-
schen Bergwerke, von Graf Caspar von Sternberg;
dann alle jene AVerke, welche bezüglich der Stadt Iglau
und des Klosters Selau genannt wurden. Die Verhält-
nisse von Deutschbrod werden auch ausfiihrlicli besjjro-
chen von Dr. Schlesinger in seiner Gesch. S. 174 ff.)
Die alte Synagoge in Prag.
Kaum über ein zweites Denki
in Böhmen ist so
viel geschrieben und gefabelt worden, als über diese
Synagoge, genannt ..Alt-Neu-SchuF', in der Judenstadt
zu Prag. Wir übergehen die unzähligen Märehen, welche
in Form von Novellen, Romanzen und angeblich ge-
schichtlichen Fberlieferungen seit etwa einem Jahr-
hundert verbreitet worden sind und \\euden uns in
Ermanglung i)ositiver Nachrichten den Beurtheilungeu
zu, welche Hirt, Kugler, Quast, Schnaase, Miko-
vec, 5Iertens ausges])roclien haben. AVährend der
Erstgenannte bis ins XII. .lahrhundert zurückgreift,
Mertens die erste, und der sehartblickende Kugler die
zweite Hälfte des XIII. Jahrhunderts als Bauzeit an-
nehmen, rücken Quast und Schnaase dieselbe um ein
volles Jahrhundert herab, weil im April 1816 die Juden-
stadt sammt der Synagoge niederbrannte. Mikovec, der
das Gebäude in seinem A\'erke _Alterthümer und Denk-
würdigkeiten Böhmens-' aiisfüiiriieh beschreibt, sehliesst
sich in Anbetracht des erwähnten Brandes der von
Schnaase ausgesprochenen Meinung an.
Schnaase erkennt zwar den alterthündielu-n Charak-
ter des Innern an, legt aber auf die Naehriclit \(in dem
Bramle und einige an den Aussenseiten vorkonunende,
dem XIV. Jahrhundert angehörende Einzelheiten zu
grosses Gewicht und glaubt, dass die jüdischen Kirchen-
vorsteher den Biiumeister Iieeinliusst hätten, solche
alterthiunlielic, (hnnais nielil iiieiii' übliche Formen einzu-
halten.
Diese Ansicht widcrsti-ei)t g;uiz und gar dem
Geiste des Mittelalters. Das llerumlasten in verschie-
denen Bau-Sfylen, dem die Künstler der Neuzeit so sein-
huldigen, w;ir (Jdtt sei Dank in Irüherer Zeit unbeküiint:
die ehrsamen Werkmeister folgten der allgenieinen Strö-
mung je nach Jk'gabung und individueller Anschauungs-
Fig. 129. (.Sobicshiu.)
— 293 —
Fi^. 130. (öobieslau.)
weise, wobei alliTilings vorkam, dass iler eiue oder andere
sich schneller mit den neuen Ideen vertraut machte.
während einzelne zäher am Hergebrachten festhielten.
So konnte allerdings vorkommen, dass der eine Bau-
meister romanische Formen anwandte , während ein
gleichzeitiger Genosse nebenan zum l'bergangs-Styl vor-
geschritten war. Dass aber verkehrten Falles ein
Künstler jener Zeit längst aufgegebene Formen wieder
hervorgesucht und in Anwendung gebracht habe, ist
geradezu unerhört und lässt sicli dnrcli kein einziges
Reisiiiel erweisen.
Ein Rechteck von 27Fuss Breite und 45Fuss Länge
(3:5) lichten Masses bildet den Grundriss, welcher
durch zwei achteckige Mittelsäuleu in sechs gleiche
Felder zerlegt wird. Die ^['^ Fuss dicken Umfassungs-
wände erscheinen allerdings überstark in Anbetracht des
beschränkten Kaunies, aber sie haben ein schweres aus
Bausteiueu construirtes Gewölbe zu tragen und dürften
auch auf Vertheidigung eingerichtet gewesen sein.
Der Altarschrein, in welchem die Thora aufbewahrt
wird, ist an der Ostseite angebracht und um vier Stufen
erhöht, der Eingang l)etindet sich an der Südseite. Die
Höhe des Innern vom Fussboden bis in den Gewölbe-
schcitel brträgt 30 Fuss, die Säulen selbst haben einen
Duichmesser von o Fuss, sind 20 Fuss hoch und je mit
acht aus dem Schafte vortretenden Knäufen oder Gurt-
trägern bekriint.
Schmale romanisch gebildete, aiier mit Spitzbogen
überdeckte Fenster von 7 Fuss lichter Höhe und 10 Zoll
Weite beleben künnnerlich die beiden Langseiten und
die Westfronte, die östlielie Stirnseite aber wird durch
zwei winzige Kdsetten-Fcnster decurirt; diese Fenster
gewähren so schwache Beleuchtung, dass der von Alter
und Rauch geschwärzte innere Raum selbst um Alittags-
zeit in Dunkel gehüllt ist. Die Decke wird durch ein-
fache Kreuzgewölbe, welche gegen die Fenster hin mit
besonderen Ripiien lialUirt sind, gebildet, und es ent-
wickelt sich die Gliederung derJ!ii)i)en aus schildartigen
Untersätzen, wie wir sie an allen Bauten von 1230 bis
1270, namentlich in Osseg kennen gelernt haben. Wand-
säulen von 10 Zoll Durcinnesser ruhen auf kleinen mit
Laubwerken verzierten Consolen und tragen T'apitäle,
die mit den Knäulen der Mittelsäule correspondiren.
Hiermit haben wir die architektonische Eintheiiung
des Gebäudes geschildert und es bleibt nur beizufügen,
Fig. 132. (Sobieslau.)
Fig. 131. (Sobieslau.)
dass dasselbe ringsum mit einem in der Neuzeit auge-
bauten Gange umzogen ist, wie die beigefügte Ansicht
der Ostseite zeigt. Aus dieser Abbildung lässt sich zu-
gleich entnehmen, dass die aufgesetzten Giebelmauern
einer viel späteren Bauzeit angehören, als der massige
aus Bruchsteinen aufgeführte Untertheil. Die Giebel
bestehen aus Ziegeln, und es sind bei den Füllungen und
den an der Westseite angebrachten Zinnen sogar Form-
ziegel angewandt worden. Der grosse Brand von 131(3
hat deutliche Spuren an den Aussenseiten des Unter-
baues hinterlassen, besonders ist die Kordseite stark
ausgebrannt und zerklüftet, auch haben die dortigen
Fenster gelitten.
Wenn einerseits die Brandspuren als Beweis eines
liölierenAlters dienen, wird anderseits die Bauzeit durch
das ornamentistische Gepräge bis auf wenige Jahre
festgestellt. Schon beim Eintritt kündigt sich das im
Thürsturz befindliche Relief, der symbolische Wein-
stock, das Zeichen Israels, als Werk des XIII. Jahr-
hunderts an; die schön gearbeiteten Blätter sind in der
— 294
itoKR.
Jlitte vertielt luul frei von jenen Anscliwellungen und
Knoten, ohne welche nach 1300 kein Laubwerk darge-
stellt werden kann. Vcrüleichen wir mit dieser Sculptur
das am Sacristei-Portal zu Ilolienfurt befindliche . er-
wiesenermassen um 1260 ausgel'üln-te Relief, so erken-
Fig. 137. (Prag.)
neu wir dieselbe Üehandliing'sweise und sogar denselben
Entwurf. Auffallender noch gibt sicli das Zeitalter
Otakar II. kund, in den aus der Mauerfiäclie vorsprin-
genden Wandsäulen mit ihren Untersätzen und C'ajjitä-
Icn, dann in der Ornamentik der MittclsänJen.Miin wird
vergeblich die sänuntlichen deutsclien Ilnnwcrki' des
XIV. .lahrliundcrts durclisuclien, um Gliederungen und
Laubwerke zu finden, wie sie in Fig. 135 — 138 mitge-
tlieilt werden; diese Ftunien gehören unbestritten der
begninenden zweiten Hallte des dreizehnten Jalirlmn-
derts an.
Fig. 135. (Pr.ag.)
Fig. 13ü. (Prag.)
Ausserlicii unscheiuljar und verkiunniert, inwendig
reich decorirt, füln-f uns diese Synagoge als einziger
'rcnipel einer iil)eraus zahlreichen Gemeinde die mittel-
aherlichcn Zustände des Judcnthunics recht deutlich
\()r die Augen. AVäln-cnd auf je eintausend Christen
l'ig. 1:J4. (Prag.)
— 291) —
eine grosse Kirche fjezählt werden kniuiic, inusstcii
sieh gegen dreitausend Judeii mit einem engen iläus-
lein begnügen und liier Oott danken, wenn sie V(ir
l'eindliciien Angrift'en siclier waren.
V(in allen Forseliern, welche sieh mit diesem Denk-
mal hescliiit'tigtcn, hat Kugler die Entstehungs/.eit am
richtigsten bezeiehnet ; wir kiinnen seinen oben ange-
füiirten Ausspruch dahin iiräcisircn, dass die Alt-Neu-
schule zwischen 12(iO und 1270 ausgeführt worden sei.
Das Befremdliche, welches jeden Besuclier dieses Tem-
pels umfängt, da.s selbst einen Schnaasc und Quast
irreführte, liegt nicht in der baulichen Anlage, sondern
in der seltsamen Ausstattung. Alte Fahnen, < Jitterwerke,
Lampen, Pulte und andere Kequisiten stehen in sonder-
barer Ordnung auf der erhöhten Bima, dem Lectorium,
undier und zeicdnien sich grell auf den tiefgeseliwärzten
Wänden, durch Streiflichter der schmalen und verdü-
sterten __Fenster bestrichen. Das Gebäude selbst hat
grosse Ähnlichkeit mit einem der Capitel-.Säie, wie sie
sich in Goldenkron, Hohenfurt und Pilsen vollständig
erhalten haben, nur ist die Synagoge viel höher.
Illustrationen: Fig. 133 Grundriss der Alt- und
Neu-Sclmle, Fig. 134 Querdurchschnitt, Fig. 135 — 137
Detaillirungeu des Portals, Fig. 138 Relief im Thürsturz,
Fig. 139 Säulenbekrönung, Fig. 140 Gewölbrippe,
Fig. 142 — 143 Knäufe im Innern, die beigegebene Tafel
zeigt die östliche Ansicht der Synagoge.
Die alte Synagoge in E g e r.
Das Alt-Neu-Schulgebäude in Prag stand nicht
isolirt, Böhmen besass noch vor kurzer Zeit die Beste
eines zweiten ähnlichen Gebäudes in der Maria Ileim-
suehungskirehe zu Eger, ursprünglich einer Synagoge,
welche 1430 durch einen Gewaltstreich zu einem eln'ist-
lichen (lOtteshausc verwandelt wurde. Die Erbauung-
fällt in jene Periode, als Otakar II. die Stadt inne hatte
(12C)ii — 1:;7.")). Damals waren die Juden in Eger so
zahlreich, dass sie den vierten Theil der Bevölkerung
ausmachten , im Besitze grosser Keichthüiner waren,
folglich auch die Ausgaben für einen Monumentalbau
Fiff. i;J'J.
(Pi-ag.j
bestreiten konnten. Von 1S02 — 1810 diente dieses Ge-
bäude als jirotestantische Militär-Kirche, wurde später
wegen Bautailigkeit gesperrt und vernachlässigt, bis
1839 das Gewölbe einstürzte. Die Ruinen wurden erst
1856 abgetragen, um einem Wohubause Platz zu machen.
Ich habe im Jahre 1833 das Denkmal noch in leidlichem
Zustande gesehen und 1840 die Ruinen vermessen.
Von einigen in späterer Zeit hinzugefügten Erwei-
terungen abgesehen, bestand diese Synagoge aus einem
4.') Fuss langen und 22'/.. Fuss breiten Saale, dessen
sternförmiges Gewölbe durch eine einzige in der Mitte
stellende Säule unterstützt wurde. Die Rippen entwickel-
ten sieb aus Consolen, genau in derselben Weise wie in
der Alt-Neu-Schule zu Prag, die Wandsäulen mit ihrem
Flg. 1.3b. Pia;;.
XVIII.
39
— 296
Ornamenten -Schmuck, die Fenster und Gesimse waren
liier und dort die gleichen. Otak.nr II. stiftete damals
auch eine Kreuzherrn- C'ommende mit einer Heilig-Geist-
Capelle (späterhin S. Bartholoniäus-Capelle) in I'^ger,
deren Gewölbe ebenfalls auf einer Jlittelsäule ruhten.
Da jedoch diese Capelle im Jahre 1414 gründlich er-
neuert worden ist, haben wir die Beschreibung dersel-
ben dem vierten Tlieile einverleibt, wo die Form des
.Sterngewölbes augegeben wird.
Die S. Barbara -Capelle bei den Francis-
canern in Pilsen.
Neben den genannten Egerer Bauten finilen sich
noch zwei merkwürdige, dem Schlüsse des XIII. Jahr-
hunderts angehörende Capellen mit je einer Mittelsäule
C^Ctab'
l-'iS. 112.
Vis. 141.
(Prag.)
und Sterngewölbe versehen. Die S. Wenzels-Capeilc im
wälschen Hofe zu Kuttenberg und die S. Barbara-Capelle
im KreuzgangdcsMinoriten-. jetzt Franciscaner Klosters
in Pilsen. Über die (Gründung dieses Klosters lauten die
Angaben verschieden und schwanken zwischen V24ij
bis VJiüi. Die Klosterkirciie Maria-Himmelfahrt ist wie-
derholt abgebrannt und scheint nicht in die Gründungs-
zeit liinaufzureichen; es spreclien vielmehr allerlei Uni-
stänile dafür, dass wir in diM- wohlerhaltenen Barbara-
( ai»elic die alte Stiftskirche vor uns iiaben. Kommt es
doch in den Franciscaucr-Sliften öfters vor, dass für den
anfänglichen Bedarf eine klciiu'Capelle schon vorGrün-
dung der Ilaiipikirclic angelegt wurde; wie unter an-
dern die \-j:',-J von Wenzel I. nach Prag berufene erste
Colonie sogleich eiiicS. Barbara-Ca])elle anlegte und den
beabsichtigten Klostcrbau erst in etwas späterer Zeit
dureiiflibrte. In der Folge wurde die in Hede stehende
l'ÜMier Capelle alsCapitel-Saai benutzt, ddcli verrätli der
Bau solche Selliständigkeit, dass an einer untergeord-
neten Bestimmung gezweifelt werden darf.
Die Barbara-Capelle ist (pmdratisch mit einem Duicli-
nicsscr von y,() Fuss, die Mittelsäule wird durch ein
Achteck gebildet; von hier entwickeln sieh die Hippen
zu einem regelmässigen achteckigen Stern , dessen
.Spitzen auf Consolen aufruhen. Das Gepräge des
(ranzen i.st alterthllmlieii und scheint mit Ausnahme
einiger Reparaturen der Stiftungszeit anzugehören. Die
Capelle dient gegenwärtig noch dem allgemeinen
Gottesdienste
lUustrirt durch Fi;;-. I4;i, Grundriss.
S. Vi' e n z e 1 s - C a jie 1 1 e in K u 1 1 e n 1) e rg.
Die interessanteste und jüngste der einsäuligen
Capellen, welche unter den zweischitfigeu Kirchenge-
bäuden eine eigene Stellung einnehmen, ist die von
König Wenzel II. um 1 2',» > augelegte .Schloss-Capelle zu
Kuttenberg. Damals ergaben die dortigen Silberwerke
unermessliehe Ausbeute und der hierüber erfreute
König, welchem auch die Lage der rasch aufhlühenden
Stadt getiel, Hess sich daselbst eine Burg als Somnier-
aufenthalt erbauen. Nach einiger Zeit, als eine Münz-
Eeform dringend nothwendig geworden war, räumte
Wenzel einen Theil seines Schlosses zu einer könig-
lichen Münzstätte ein, berief aus Florenz Münzmeister
und Hess hier die T)crühniten böhmischen (iroschen
prägen, deren Oo Stück auf <lie Prager Mark giengen.
Weil die italieni.schen Münzer im Schlosse wohnten, er-
hielt dasselbe bald den Namen „der wälsche Hof", eine
Bezeichnung, welche noch heute üblich ist.
Beinahe alle spätem Regenten IJöhmens Iiaben
sich längere oder kürzere Zeit im wälschen Hof aufge-
halten und es fänden in demselben viele Landtage statt,
wesshalb die Baulichkeiten häufig umgeändert wurden.
Grosse Partien der einst mit königlicher Pracht ausge-
statteten Burg sind durch Feuersliriinste zerstört und
abgetragen worden, andere liegen in Ruinen und nur
ein kleiner Theil steht noch aufrecht. Hier befindet sich
im ersten .Stockwerke das dem heiligen Wenzel geweihte
Schloss-Capellchen im westlichen Flügel des Gebäudes.
Der Unstern, welcher über allen von Wenzel II.
gegründeten Bauten waltete, hat auch diese Capelle
nicht verschont. Die Rückseite des .Schiffes ist zerstört
und durch einen nnjiassenden Einbau entstellt worden,
auch sieht man verschiedene s])ätgothische Fmarbei-
tungen; der Hau])tbestand indess hat sich in s(dchcr
Vollständigkeit erhalten, dass wir uns vom Ganzen
einen vollständigen Begriff machen können.
Die Grundform des Schiffes war rechteckig,
22 Fuss lang und 1'.'' , I^iss weit; durch den rück-
wärtigen Einbau eines Oratoriums wurde die Länge um
G Fuss verkürzt, wolici /ledoch das Mirdere Gewölbe
keinen Schaden gelitten hat. Die in der Mitte des
.SchitTes stehende Säule ist rund. \on hier aus spinnt
sich ein reiches und eigenthüailiehcs ,Sterngew<illie über
den kleinen Raum hin und findet seine A\'idcrlager in
kräftigen, mit einfachen Kelch-Cai)itäleii \ersehenen
Watiilsä'ulen. I )('r\vnnderschönc Chor-Sehlusswird durch
l'i;^. IKt. /l'nig.j
297 —
eineu weit vorsprinyendeu Erker gebildet, ist elieiil'nlls
mit einem Stenig-ewölb iiherspninit und setzt durch eine
besondere (vielleicht später ani;elii^'tc) cliedenini;- aus
dem Viereck in dns Aehteclv über.
Die malerische Wirkung', sowohl des inneru
Raumes wie des vom .Schlossliofe aus zu betrachtenden
Erkers, ist überraschend, unter <len zaiilreichen Denk-
malen Kuttenbergs Itcluiuptrt die \\'cu/,els-< apelle hin-
siciitlich ihrer eleganten und wohlverstandenen Gotliik
den Vorrang. Sie verdient zugleich die höchste Schonung
als das einzige unmittelbar durch AVenzel 11. hervor-
gerufene Bauwerk, welches die alten Formen gewalirt hat.
Auch der noch bestehende mit Laubengängen um-
zogene Schlosslmt darf nicht unerwähnt bleiben, ob-
wohl er unter Wladislaus dem Jageionen grösstentheils
umgebaut wurde. Dieser Hof diente einst als Börse,
wo die Kautlente der verschiedenen Länder zusammen-
kamen , Silber anzukaufen. Die bevorzugten in Kutteii.-
berg regelmässig verkehrenden (Jeldmänner hatten ihre
besondern Plätze, welche durch Länder- oder Städte-
wappen bezeichnet wurden; so sieht man die Wapi)en
von Breslau, Sclnveidnitz, Mecklenburg, Nürnberg und
andere mehr oder minder gut erhaUene Schilde mit Ab-
zeichen. Einige nicht sehr bedeutende Schnitzereien untl
ein originelles Gemälde aus dem Jahre 1492 werden
in dieser Capelle aunjewahrt und sollen an geeigneter
Stelle bes]n'ochen werden.
Die S. Wenzels-Capelle und der Chor-Schluss der
Maria-Himmelfahrts-Kirche sind die einzigen Denkmale
Kuttenbergs, welche in das letzte Decenninin lies
XHL Jahrhundert hinaufreiehen.
(Literatur in Bctretf der mit einziger Mittelsäule
versehenen Bauwerke, l'röckl : Eger und das Egerland
— Grueber, die Kaiserburg zu Eger. — Derselbe :
die Baudeukmale der Stadt Kuttenberg. Mitth. d. k. k.
Frankreich vorkounnt und in Deutschland sieh zu aner-
kennenswe.lhesler Selbständigkeit entwickelt hat , in
Böhmen nml .Mähren nicht Eingang gefunden habe. Die
wenigen dieser lÜclitung angehörenden Denkmale liegen
an den Gränzen und verrathen äussere Einwirkungen;
in Trel)ie sprechen sieh österreichische , in Eger und
Osseg fränkisch-sächsische Einflüsse aus. Die im Luu'i'n
des Landes V(nk(inmienden aus dem XIH. Jahrhundert
stammenden Bauwerke sind entweder romanisch oder
sie zeigen einen eigenthümlich früh-gothischen Sty',
welcher gegen Ende des Jahrhunderts eine strenge mit-
unter sogar harte Gliederung anninnnt. Fntergeordnete
stylistisclie Schaftirungen kunimen häutig vor, selbst in
jenen Gegenden, wo eine Bauschule nachgewiesen wer-
den kann.
Die Klöster wie die aufidüheuden Städte gingen
nicht aus der einheinn'schen Bevölkerung hervor, son-
dern waren auswärtige, meist ans Deutsehland herüber
gezogene Colonien, welche je nach den Ausgangsorten
ihre besomlerc Kunstübung und Anschauungsweise mit-
brachten. Durch diese Verhältnisse wird erklärliehe
warum in ganz entgegengesetzten Orten gleichartige
Formen auftreten , während nmnchuial in unmittelbar-
ster Nähe die verschiedensten Styl-Iiichtungen getrotfen
\yerden. So stimmen z. B. die Kirchen von Saaz und
Caslau, von Hohenniauth und Aussig Uberein , währeml
die Denkmale zu Pilsen eine durchaus cigenthümliche
Iiichtung beurkunden.
In der ersten Hälfte des XHL Jahrhunderts ist
der von den Klöstern ausgehende Einfluss noch allent-
halben vorherrschend; nach 1250 macht sich das mehr
und mehr erstarkende Städteleben geltend und gewinnt
bald die Oberhand. Unter der Regierung König Wen-
zel I. begann der Handwerkerstand sich auszubreiten;
unter Utakar IL bildeten sich in Böhmen die ersten
Centr. Connn. Jahrg. 18(31. Wocel, archäologischer Zünfte und Innungen, und es entstand das sogenannte
Reisebericht durch das westliche Böhmen, Mitth. der
k. k. Centr. Connnission, Jahrgang 185'.). — Stare
Pameti Kutno-Horske. Praci Jana Kofinka. 1G75. --
Graf Sternberg, Gesch. der böhmischen Bergwerke.)
RückbHeke auf die Kirelieiibauteu des XIV.
Jalirliuuderts.
Meilenrecht, welches den städtischen Handwerker m
seincjji Betrieb schützte.
Über die Herkunft der Colonisten, welche damals
naeii Böhmen und Mähren einwanderten, besitzen wir
nur mangelhafte Andeutungen. Die Mehrzahl der Ein-
wanderer gehörte wohl den umliegenden Gebieten,
Franken, Sachsen und dem bayerischen Xordgau an, die
gebildetere Classe der Städter jedoch waraus Flandern,
Schon bei flüchtiger Betrachtung der in diesem Holland, Seeland und Xiedersaehsen herübergezoge
Theile angeführten Denkmale stellt sich heraus, dass
ein eigentlicher Übergangs-Styl, wie er in England und
I
Die kunstreichen Handwerker scheinen meist Rhein-
länder gewesen zu sein.
' iV
1 ._1^ — ^1 — 1
j^-c
|+Hr|!H+|-
Fig. 143. (Pilsen.)
39 =i
— 298
Röiniselier Grabstein von Jennersdorf.
Von Prof. Dr. Friedrich Pichler.
Am Tage der Eröffnung der (Jrätz-Kaaiier Eisen-
liahu wurde mir im Joanneum zu Grätz die Aiiftindinig'
eines römischen Grabsteines zu Jenuersdorf in Ungarn
an der steierischen Gräuze gemeidet. Später iiber-
liraclite mir der Bürgermeister dieses Ortes eine C'ojiie
der Reliefs und Schrittzeilen des Jlunuirnntes, deren
Fehler bei einer näclistiiachgefolgten LSesiehtigung' des
in Jennersdorf aufbewahrten Denkmals sich behoben.
Das firabmal ans dem weissgelblichen krvstalli-
nischeu Kalke des liachern-Gebirges in l'ntersteiner,
1-74 Met. hoch, 73-8 Cm. breit, 10-5 Cm. dick, zeigt im
Frontisi)iz einen linkssehenden Adler mit ausgebreiteten
riügeln, in den zwei unteren Frontispiz- Winkeln je
ein Ei)henblatt und als Seitenanfsätze Je einen kauern-
den Löwen , von denen der rechte abgebrochen, doch
vorhanden ist. Über dem Frontispiz setzt sich eine
kleine Basis an, welche eingehöhlt und als der
eines noch aufzusuchenden bärtigen Kopfes entweder
oder des aufstreliendcn Ikarus zu betrachten ist. Unter
dem Frontispiz folgt zunächst ein Ornament von je
drei Epheublättcr-Paaren mit einem oben und unten
dreigetheilten J'iumen-Motiv (Lotos?) inmitten. Zwischen
den beiden Seitensäulen , deren Cajiitäle veiinitzt, die
Schäfte gewunden sind, und dem Untersatz-Belief die
links gewendete ziiriickschauende Wöltin mit den Zwil-
lingen, befindet sich die sicbenzeilige Inschrift. Voraus-
zuschicken ist noch, dass die Steinplatte in der Rich-
tung der zweiten Zeile gebrochen und zu unterst mit
einem Einsatzstücke versehen ist, zu (Mneni breiteren
und dickeren Sockel, der auch erst aufgefunden wer-
(bn muss. Die Aufgrabungsstelle ist, wie gesagt, Jen-
nersdorf bei St. Gotthard und Neumark, in dem Wald-
liiigel-Complexe östlich v<un steierischen Schlosse Ho-
henbruck und zwar von Jennersdorf (Gyanifalva) nörd-
lich aufwärts jenseits der lehinichten Aulschiittungen
innerhalb des eine halbe Stunde entfernten Waldthäl-
chens in einem kleinen Ackergrunde. ]}ci den Aus-
hebungen am ('). April ]M7'5 soll der Stein schon gel)ro-
chen, von Münzen und 'i'öijfergerätlien nichts \ortindig
gewesen sein.
Die Inschrift, mit Siegeln von der Grösse 8-5 bis
4-.') Cm., in schönen theilweise zierliclicn Zfigen. gegen
l'^nde sich verjüngend, zwar mit Abkürzungen, aber
ohne Liuatiircn, lautet :
A DNA M ATI
F AN . LXXX
ET CAT\LI„\E
CGI V . (ON
AN . I.X . \l'!'\
IJI'.KKIA . F . ('
Qiiartn Adnamati lilio aiinonini octogint;i et Catul
lac Coi tiliae coningi annorum se.xaginta Uppii libcrta
facienduni curavit. — Wir liabcn also hier einen Quartus,
Sohn von Adnamat, eine Catulla, Tochter des Coi, lati-
nisirt Coius, des Quartus Gemalin , dann Up))U, die
Freigelassene der Beiden, die Denkmalsetzerin.
Die landeseigentliüniliclien pannonisciien Namen,
die grosse, gute, noch nicht sehr längliche und noch
ziemlich tiefe Schrift, das Absein der Ligaturen fordern
für dieses Denkmal noch eine frühere Zeit, als deren
Gränze etwa die Haltte des ersten und die Hälfte des
zweiten christlichen Jahrhundertcs zu erachten wären.
Es scheint, dass, fänden sich nachmals fundbegleitende
Münzen, diese nur Traiane, Hadriane, Aelier, Antonine
sein könnten.
Dem übrigen norisch -pannonisciien Inschriften-
wesen sehliesst sich der jennersdorfer Schriftstein so
verwandt au, dass er kaum wie ein neuer erscheint.
Geht doch zunächst an der steierischen Ostgränze gegen
Ungarn eine Reihe von Rinner-Fundorten herab von Fried-
berg* bis Polsterau als: Ilochstrasse, Dcchantskirchen*,
Ehrenschachen , Grafendorf*. Kaindorf*, Löff'elbach*,
Penzeudorf, St. Johann bei Hartberg, Hartberg*, (Inder
Breite von Steinamanger), weiterhin Ebers-, Walters-*
und Hainersdorf*. Altenniarkt*. Riegersburg*, Feld-
bach*. Gleichenberg*, Kohlberg, Straden, Hunnners-
dorf, Radkersburg, Kerschbach*. (irosssonntag*. Frieda u
und Polsterau, von denen 14 Schriftdenkmal-Fundorte
(*) sind. Speeiel im und nächst dem Raabgebiete
finden sich solche ^lonuniente von Heilbrunn, Rossegg
(Mitth. d. h. V. XV. ISC. 204), Fladnitz, Weiz, Pischels-
dorf, St. Ruprecht, Freiberg, Gleisdorf (Steiner corp.
inscr.Ü.u.Rh. 2!t24, 2926, 2'J22— 2;i. 2<t()L 2027. 2899,
2900, Mitth. XV. 187) abwärts bis Feldbach, Riegers-
Imrg, Gleiclienberg (Nr. 2928, 29;;o. 2^)29), welche
letzteren Fiimlpuidvtc im Westen die jennersdorfer
Sieile umschliessen.
In Betreff der Xamens-Eigcnthündichkeiten stimmt
die oben angeführte Inschrift zu einer grossen An-
zahl derer, wie sie sich in Steiermark, Kärnten, Krain,
Österieicli und Salzburg tinden. Die Vermuthung, dass
ein guter 'Plieil der römischen Zahlnamen auf die er-
sten Generationen nach den nocii keltisch Benannten
der Eroberungszeit hinweise, eine Vermuthung, wie sie
bislu'i' allzu wenig in Retracht gezogen worden, erhält
auch hier ihre liestätigung. Quart us heisst der Sohn
des keltisch, oder sagen wir allgemeiner einheimisch
lienannten Adnamat. Der Name Quartus erscheint auf
.steierischen Sehriftsteinen zu Cili, (ieisthal, Leibnitz,
Qiiartius zu Cili, Quarta zu Cili, .ludenliurg. Leil)nitz,
St. Stephan iiei Tütl'er, Strass, Qiiartina zu Cili, Stra-
nitzen, aucii Quadratus zu Cili. Wollte man miler sol-
chen Zalilnanicn bis Decimia (Cili') linselniu halten,
so würden jjeispiele, dass nüt Zahlnanien lien.annte von
keltischen Altern sind, der Verniuthung eine sichere
L'nterlage geben. So ist Secundus von Veracus (Admont),
von Magimarus (Cili), Secunda von Catullus ((iallen-
hoi'en), Secundinus von Quispitulus (^(iains), Secuudina
\<ui Sc'ccon (^Einöd) ; 'i'ertius sicher eines Kellen Sidni,
ist Genial der ,\tepodua und diese die Tochter eines
Quartus (Leibnilzi: Quarta von Daniion(St. Stephan
liei Tntfcr), Quarta, die Freigelassene der Camula
(.ludeiibiirg), Q>iiadralus lieist der Sohn des Trogimar
(^Slranitzeiij, (^uintiaiius der von Citton (^Eppenstein),
•i9<)
auf ähnlii'lie Lebergaiigszustiiiitle liiiiweist Successus-a,
oder die Beibeiieiuiuii^' Sextia Siiputa (^Cili).
Der Name Adnaiiiatus, dem Niuni.siuatiker be-
kannt von den f;nllischen und quadiselien oderboiisclien
Tetradraehmeu (Lelewcl III. \-2 , f'onbrouse ."UH,
Moninisen G. d. r. JI. (iiif). Üepert. d. steienn. Münzk. I.,
S. 1(J7 — 170), ist stcininscluil'iiicii naobiiewiesen zu
Altenniarkt, Eppenstein, Grossiobniini^'; da ist Adna-
niat der Vater der Kessilla, mit erscheinen Kessimar
und Jantumar; da ist Adnnmat der Sohn von Qnintia-
nus C'ittonis F. mit NigcUa Liliboudes; da ist endlich
Adnamat' (leiual der Caleti, mit erscheinen Piiuicus
Victoris F. und Kanona. llielier zählen auch der Ad-
iiamaeton von ZoUfeld, Adnamus von Gurk, Gmünd,
Adnama von St. Georgen oberhalb Murau und Geis-
thal, Annanius von Wolfsl)erg-, Adnamius von Cili, mit
cdgn. Flavinns (^genaue Zeit 157, 158 n. Chr.), Gurk,
Wörschach, ähnlich zu St. Ursula in Krain.
Wenn auch Catulla, Catullns reinrömische Namen
sind, so geben sie sich doch unter Umständen und be-
sonders nach lucalen Motiven als Latinisirung einhei-
mischer Namentormen. Ist doch in reinkeltisciien Wort-
formen die Composition Aon CAT ebenso nachgewiesen
(Cattiin, Catussa, Catur, Catus, Cattos, Caturix, Catug-
iiatus, Zcuss 8.'!7, vgl. Gotulial, wie der Ausklaug aut
nl in Aili.-itul, Bellatul, Bussul(a), f'amul(a), Uotul(^ia),
DiastuU, Jantul. .Itul. Marnll(^a), Marull(ins) Medull(ia),
vgl. Ortsname Metullum), Quispitul, Saitull, Totul, um
Tertiill und Ursul(a) nicht herbeizuziehen. Wie sollte
hier Catulla. des Coi Tochter, des Adnamat Gemalin,
anders als keltisch, etwa von Cotula, benannt sein? Zu
Leibnitz auf dem Carminier-Steine ist Catulla Mannes-
iiame, zu Einöd die Catulla, möglicherweise Bucci oder
älml. f., aus diesen scheint nichts hierher Bezügliches zu
folgern. Der Catullus von Gallenhofeu mit seiner Toch-
tei- Secunda gehört einer sicher keltischen Familie
(Vibeniis, Couson, Successus) an, der Cilier Catullus
(C. Fuscinius) dagegen ist Bömer oder doch vollständig
romanisirt , noch zutretYender die IJomaina C'atullina
aus Landscha. (Arch. f. k. oe. G-Q. 18(30. 24. 273.)
Die Stelle i'OI erinnert zunächst an der Coio oder
Coios, nach den französischen Archäologen ein Gallier-
fürst, nach de Saulcy (Rev. num. 1861, p. 86, vgl. 18G2
Tab. 1) des Cäsar Seqnanerhäuptling Coiosticus; wei-
terhin an ähnlich inscribirte Silbcrmüuzen, wie sie
Eckhel doct. IX. 17] angezogen hat, oder das San-
toneiistück mit Anuicoios (CrazanuesRev. 1840 pl. XVI.
11). Im Übrigen zählt der Name Coins zu den norisch-
pannonischen Seltsanüieiten, da doch, ausser Coireca,
noch Coateo oder Co\'ius von Cili, Seckan und Covido-
miar zu Laak bei Stein brück lerner liegen.
Das meiste Interesse bietet der Name Uppu.Dem
Wortkerne nach erinnert man sich an den Upulalus von
Oberingelhcim; auf nurisch-pannonischem Gebiete liegt
der Ippo von Schwechat. daini etwa Oitiio. Oppalo,
Opalo nahe, ebenso der Ortsname Ui)ella. Das Voll-
ständige gibt uns der Grabstein von St. Lanibrecht mit
den Namen der Hörigen, Calupa und Uppon , (wenn
nicht, nunmelir liekrältigt, sicherer Upjiu, Uppo), vgl.
Knabl in Mittli. I. 42. Die veraltete Ansicht von der
halb lateinischen, halb griechischen Declination etlicher
einheimischer Namen löst sich eben in eine gelegent-
lich freie Auslautung und Alländerung der Namcnformen
auf. Wir haben hier den nuni. Uppu, wie auf dem lilein-
schelkener Steine ( Ackner-Müller 825) die cives norica
Cotti, wie auf dem lanibrechtcr Steine in Übereinstim-
mung richtiger S | IBI . ET . VI'PO^ | CÜN .
KAR . den Dativ. Dagegen wenden .sich die ebenfalls
auf u auslautenden Caixu fzu Hartberg des Rantillius
Tochter, nom.) in Caixuni (in (ieisfhal des (^iiartus
Tochter, dat.), Cattu (zu Baierdorf wohl des IMontanus
Tochter, dat.) in Cattuni ; wie denn so auch Japaru (zu
St. Margarethen bei Knittelfeld des Senecius Tochter,
dat. IA1'AR\'N), Samicantu (zu Wayer des Gou-
ton Tochter, dat. SAMICAnX'NI [ "cOVTONS)
gedacht werden könnten. Antlere in u auslautende sind
masculin, das beweist Itttt des Ripanus Sohn zu Admont
und Ittu Peculiaris (ob Peculiari f?) zu Trog bei Anger,
A. f. k. oe G-Q. 18Ü0. 24. 2(50. Im ersten Falle ist das
Aufgeben des u dargestellt durch das
ILA HE . I ITTONI.S FIL
in der Schlusszeile des nämlichen Monumentes. So
folgt: die auf u auslautenilen Namen können masc.
und fem. sein, sie können als onis, oni oder unis, uni
declinirt werden. Mit o jedoch oder on verstehen sich
im Nom. die mit onis, oni declinirten Buccion (St. Mar-
garethen bei Knittelfeld), Goutton (Wayer), Otton und
Propion (St. Margai'ethcn) u. a. als masculina; Contucon
((irottenhofen), Petton (^Leibnitz) u. a. als fem., wenn
niciit eben letztere und derartige auch mit u im nom.
nachweisbar werden. Auf Abnormitäten wie Cotulia
(St. Veit bei Pettau, St. Margarethen am Silberberg),
Vitoria (St. Martin im Greut) als Mannsname, Caleti
(Grosslobming) als fem. noniin. ist hier nur hinzuweisen.
Auf dem strassgangcr Steine möchte die angebliche
Geuitivform Materiu „endigend auf die tiefen Vocal u",
da flenn doch unter ..einem liefen Vocal u-' nichts Hand-
festes zu verstehen, vielmehr die Leseart fordern
NAMMONIA MARTERN
also Materni; denn die Schrift bringt auch ausserdem
drei Ligaturen und Maternus ist sonst nachgewiesen.
Liberia, libertus, conliberti, endlich sind hinrei-
chend vertreten auf den Denkmalen von Cili, Gross-
sonntag, Hofmanngrund, Judenburg, Kaindorf, Klein-
stübing. Kötsch, Leibnitz, Leitring, Saaneck. Traboch,
^^'aldstein, Wayer, Wörschacli, wie vollends Servus zu
Letusch, St. Landirecht. Triebendorf, Tüft'er, Venia zu
St. Lambrecht. Lauter Bestätigungen, dass diese Stan-
deskreise in die Familie hineingezogen sind und nach
L^mständen ganz wohl als Denknialsctzer aufzutreten
das Vermögen haben.
Zum N'ergleiche in betretf des linkssehenden
Adlers im Frontispiz sei hier noch eines in den letzten
Jahren wiedergefundenen Inschriftsteines zu Adriach
bei Fronleiten in (;)i)ersteiermark erwähnt. Das Relief-
bild ist im allgemeinen das nändiche , wie auf dem
jennersdorfer Steine, wie denn auch ein zweiter adiia-
cher Grabstein, erwähnt bei MucharGesch. I. o40, das
gleiche Bild der Wölfin in der Basis bringt. Jedoch ist
Muchar zn berichtigen in Betreft" der Schriftcopie, so-
' Dieselbe Ligatur, wolil .-auch auf dem leihnitzer Steine bei Knabi Sclir.
d. h. V. f. I-O S. 33, Steiner-Nr. 29G0, Zeile 3 PETTO.N als Pettoni, nämlich So-
cundi filiae coniugi.
— 300
wohl wie er solche im Texte Bd. I., S. 349, als wie er
sie in der lithoi;raphischcn Ahhildniiü: gegeben hat. Da-
mals, 1844, lag der zertrümmerte Stein im Holranme
des alten Ftarrhaiises, darauf verschwand er und fand
sich vor 18(i9 als Pflasterstein im Hause der Thekla-
Wirthin ; seither lagert er im Friedhofe zu Adriach und
lautet :
I) M
M E ^' E L A 0
LA' CIA
FI 1- i A
Dieses Denkmal, vermnthlioh eines Tliirigen, feh-
lend in Steiner's c. inscr., Dan. it Kh. zu Xo l'.^s, zeigt
im Style von Schrift und Relief eine bei weitem spiltere
Zeit als der Stein von Jennersdorf.
Die Gruppe XXIA'. der Wiener Weltausstellung.
Besprochen von J'i'. Karl 'Lind.
Mit 16 noizschnillin.
So wäre denn die Wiener Weltausstellung beendet,
ihre Hallen sind geschlossen , der Menschenstrom der
■Besucher hat sich zerstreut, das chaotische Gawirre von
Menschen-stimmen, Orgeln, Glocken, Claviers, u. s. w.
ist verstummt, und statt der Fahnen siiielf jetzt der Wind
mit losen farblosen Fetzen , die noch hie und da an den
zahlreichen Flaggenstangen haften geblieben. Die Aus-
stellung selbst gehört der Vergangmlieit, der Geschichte
an, die Zeit wird sie richten und manches voreilig ge-
sprochene harte Urtlieil mildern. Leider knüpfen sich
an dieselbe ungeachtet ihrer weltiiistorischen Bedeutung
und ihres Gelingens im Grossen und Ganzen so viele
Bitterkeiten, Hnttäusehnngen und unnngenehnie Erfah-
rungen, dass sich nicht leicht und nicht so bald ein
Staat oder sonst jemand entschlicscn wird, eine Wieder-
holung dieses grossartigen Sclianspieles zu versuchen.
Statt der bewundernden schau- und kauflustigen
Menge drängen sicli jetzt Arbeiterzüge durch die mit
Kisten und Karren umstellten RiUurc, überall ist man
beschäftigt, das was man vor .Monaten mit ameisen-
gleicher Emsigkeit und in rastlosei' Lliätigkcit zusani-
mengcl)raclit, aufgestellt und mii-liclist gefällig aus-
gestattet hat, alizutragen, zu entfernen, zu zerstören;
dort, wo ehedem Prunk und (ilanz, ist jetzt Sehmutz
Fig. 1. (Tepl.)
— •M)\ —
und Staub. Viele Käiinie Mm\ verödet, den meisten
steht diess für die näeiistc Zeit in Anssiclit, überall
rüstet man sich zum Aiis/.us'.
Es ist ein welimütliii;er Gedanke, der uns all die
entschwundenen, aus der seciismonatlichen Vereinif^ung
vielleicht für immer g-erisseneu Gegenstände und Herr-
lichkeiten der ganzen Exposition, insbesondere der
die Producte früherer Kunst und Gewerbe umfassenden
XXIV. Gruppe wieder ins Gedächniss zurückruft. Es ist
zum zweitenmal, dass Referent viele dieser Gegen-
stände in AVien vereinigt sah , wann wird diess wieder
sein? Beidemal hat derselbe an dem Znstandekommen
der Ausstelhuig redlich mitgeholfen. Noch einmal wollen
wir die ausgestellten anti(inarischen Gegenstände des lu-
und Auslandes flüchtig mustern und versuchen, unsere
Leser durch Reniiniscenzen an diese Exposition zu
erfreuen, während die Antirpiitäten selbst nach allen
Kichtungeu der Windrose von Wien weg und wahr-
scheinlich bereits allerorts, selbst in weitester Ferne
wieder in ihre Heimat zurückgelangt sind.
lieginnen wir mit den kleineren Ausstellungen
ausserhalb des Pavillon des amateurs.
Die Exposition des Amateurs auf der AVeltaus-
stellung hatte unter anderen auch diesen Fehler, dass die
in die XX I\". (;ni])pe gehöi-igen Gegenstände der verschie-
deneu Länder nicht an einem Orte, wie z.B. in den beiden
Pavillons nächst der Kunsthalle, vereint ausgestellt waren,
sondern, was auch leider bei anderen Grujipen derFall
war, wurden die Objecte theils in der Industriehalle mit
den Landes- und Indnstrie-l'roducten vereint, wie bei
Komanien, Tunis, Griechenland etc., oder in abgeson-
derten, nicht ganz leicht auftiudbaren Pavillons, die den
Annex zu vielerlei Ausstellungs-Gruppen des liezüg-
lichen Landes enthielten, unter aderlei nnzusammen-
gehörigen Gegenständen versteckt.
So war es zum Beispiel mit Spanien der Fall. Ein
ziemlich ausgedehntes einstöckiges Bretterhaus , aussen
einem Ziegelrohbau ähnlich bemalt, enthielt ebenerdig
viele interessante Producte des Bergbaues und der Land-
wirthschaft, insbesondere Sämereien, Tabak; dagegen
waren die Eäumlichkeiteu des ersten Stockwerkes der
Aufstellung vielartiger Gegenstände gewidmet, wie mo-
dernen Watten und militärischen Ausrüstungsgegenstän-
den, Producten des Kunst- und Buchhandels, Lehrnntteln
und Schülerarbeiten, und endlich auch den Denkmalen
früherer Zeiten. In dem letztgenannten Fache hatte
Spanien, dessen Betheiligung an der Ausstellung unter
den gegenwärtigen Verhältnissen ü))erhaui)t volle Aner-
kennung verdient, wenn auch wenig, so doch grössten-
theils Gegenstände von höherem kunstgeschichtlichen
und wissenschaftlichen Werthe eingesendet.
Vor allem nahmen die volle Aufmerksamkeit des
Beschauers die einigen Stücke auf sicli, durch welche .
die Armeria nacional zu Madrid vertreten war. Da fand
sich der interessante arabische Helm des Boabdil, des
letzten Königs von Granada. iJcrseibe repräsentirt eine
ganz eigentluunli(die und in l^auni mehr als diesem
Exemplar erhaltene Helmform, ist oben ziemlich flach,
lässt das Gesicht ungeschützt , deckt vorn die halbe
Stirn und reicht an den Seitentheilen und am Bücktheile
bis gegen die Achseln. Am Piande und an der K<tpf-
rundung ist ein reich oruamentirtes in Gold-Tauschi-
rung ausgeführtes Band angebracht.
Die FussrUslungen Königs Karl V. (1500 — 15.58)
und Philipp 11. (1:27— LöO«), auHallend durcii den
mächtigen glockenförmigen Schurz, zeichnen sich durch
ihre reiche Verzierung, bestehend in schön ornamentir-
ten goldtauschirten Stri(dien aus.
Die Pruukrüstung Philip]) III. i löH.S -1(;21) gehört
hinsichtlich der darauf verwendeten \'erziernng in getric-
ener Arbeit zu den interessantesten Objectcu dieser Ab-
tiieilung. Sämnitliclic Püstungsbestandfheile sind mit
zierlich gemusterten, aneinandergereihten Bändern
überzogen, die Dessins zeigen neben sehr geschmack-
vollen Kenaissance-Mustern auch noch eines, das dem
gothischen Lilicnliande sehr ähnlich ist. Die vierte
Rüstung, bestimmt für das schwere Gestech, wird dem
Don Juan von Oesterreich, geb. 154711577, zugeschrie-
ben. Sänmitliche Theile sind mit stark hervortretenden
vergoldeten Strichen verziert, die Brust ist rechts nnt
einem derben Rüsthakcn und Schwebscheibe und an der
linken Seite mit kleiner unten abgerundeten gegitterten
Fig-. 2. (Admont.)
Tartsche versehen. Ausserdem waren noch zwei Kinder-
rüstungen ausgestellt, bestehend aus l)lau angelaufenem
Harnisch undllelni. Beide Stücke haben die gewöhnliche,
gegen die Mitte des XVI.Jahrluin<lerts übliche Form und
sind mit reicher Gold-Tauschirung geschmückt.
Aon den übrigen (Tegcnständen dieser (iruppe
seien noch erwähnt eine Sturndiaube von der bekannten
in eine Spitze zulauteuden Gestalt ohne Genickschirm
mit Naseneisen und geätzter vergoldeter Verzierung,
erbeutet in der See-Schlacht bei Lcpanto und zuge-
schrieben dem türkischen Admiral .\li Pascha; zwei
Schilder runder Form, der eine mit goldtauschirter Ein-
fassung, der andere mit reicher Gravirung, im Ganzen
aber mindere Arbeiten, endlich vier, theils ins XVIII.
theils XIX. Jahrhundert gehörige Gewehre, beaehtens-
werth durch die in (iold aufgeführten besonders ge-
schmack\olIen Verzierungen des Laufes und des
Schlosses.
_ ;jü2
Fig. 3. (Wieu.)
Die Elickwiiiid des Cabiuets, in welcliein diese
Itüstuni;en, Helme, 8cliildcuiul Waft'eu aufgestellt waren,
zierte eine grosse mit Hoelistickercien versehene Tapete
aus dem X\ III. Jahrhundert.
Als Jluster sehr scliöner Ilolzsehnitzereicn muss
man erwähnen einen kleinen tragbaren der Kntliedrale
zu Leon gehörigen Predigtstuhl und den Kücktheil
eines Chorstnhles; ersterer. <dine Sehalldcekel, hat die
acht Felder der Ürust mit sehr zieriieiien Sehnitzereien
in Relief geschmückt, und zwar ist der obere Theil
jedes Feldes mit spätgothischeni Masswerk, der untere
mit lllumengewinden und Kngelsfigiirchem imOesclnnacke
der li'cnaisance ausgefüilf, der Kanzelftiss zeichnete sich
durch (ieschniackldsigkcit ans, ist eine jüngere Zuthat.
Weitere Holzschnitzereien fanden sich im nächsten
Saale, darunter zwei niedrige Kästen, einer mit spät-
gofhischcr Verzierung, der anderem im Geschmacke der
h't iiaissance ausgestattd.
Diesen zweiten Saal betrat man dm-ch eine 'l'liür,
an welcher, eigentiiUmlichcr Weise, wenn auch gut aran-
girt, ein l'luviale als Vorhang verwendet wurde. Das-
selbe, insbesondere dessen breite, kostbare, mit Sticke-
rcien auf (ioldgi-und gescimiiicktc li'an(l\ erlii-iimung und
der ebenso behandelte lilickenschild \erdienten einige
15eachtung. In der Nähe befanden sich noch weitere mit
Stickereien gezierte Fragmente kircldicher Gewänder,
sämnitlich der «"apellc des .lacobsspitals zu Sant-Jago
entnommen und aus dem X\\. .laluhiindert stammend.
In diesem Saale linden sicii zahlreiche Anti(|uitäten
der verschiedensten .\rt, wie Stein waffen, Original-Per-
gamenf-Urkundcn mit angchängicn Siegeln, vergoldete
alt-araliischc und pernanische \'as<n und Thongefässe
mit seltsam |diantastischen Fornuni, zwei sehr interes-
sante bronzene und gravirle Astrojaiiirn, alte sjianischc
Landkarten, antike oricntalischr und mexikanische Ge-
lasse, viele sehr beachtcnswertiic antike nnd mexikani-
sche Figuren und lldiefs, ferner s(dche ;ius der Zeit der
\'()lkerwanderiing , des romanischen und g(jtliiNchen
Styles,theils im Original, theils in (iyits-Abglisscn, l'ubli-
cal Ionen der neuesten Zeit llber die architektonischen
Kunstdenkmale und Gemälde-Sammlungen Spaniens,
zahlreiche, mitunter grossen Meistern zugeschriebene
Öhlgemälde. Aus der Fülle dieser Gegenstände müssen
wir auf lo Statuen des [Madrider ^luseums zurückgreifen.
Sie erscheinen uns einer besonderen lieachtiing werth,
da sie sich dadurch charakteiisirteu, dass sie sänimtlich
einen Becher, sicherlich nur mit symbolischer Beziehung,
an die Brust drücken. Die mittlere grössere Statue ist
mit einem altertbünilichen Mantel mit beschwerenden
und herabziehenden Knöpfen an den Enden bekleidet
und hat auch gleich alterthündiche reihenweis geord-
nete Haarlocken, wie sie zur Zeit Hadrian's üblich waren.
Ueber dem Kelche der einen Figur ist ein kleines Wid-
derbild, einer anderen ein Apfel, bei einer dritten schwebt
ülier dem Gefässe ein Stern, am rechten Oberarm der
Halbmond, am linken die Sonne, die Gewamlung aller in
der Hauptsache antikisirend. Wir wollen, mit Dr. Henszel-
mann übereinstinnnend. darin die Kunst der dama-
ligen Bewohner der pyrenäischen Halbinsel, der im V.
Jahrhnndert eingewanderten (rothen erkennen, die sieh
mit roher Technik der Antike anschliesst und mannig-
faltige Muster derselben zum Vorbilde nahm.
Das bedeutendste Ausstellungs-Object dieses Saales
war unstreitig die grosse bronzene Grab]datte , nach
Art der Brasses, welche vom archaeologischen .Museum
zu Madrid zur Austeilung gebracht wurde. Sie bedeckte
ursprünglich die Begräbnissstätte des Hauses Gastrour-
diales in Barcebnia und tiiigt die Jahreszahl 1411. Wir
sehen in der Mittein tief gravirtenl'nirisscn unter einem
baldachinartigen Überbaue und auf gemusterten Hinter-
gründe eine männliche Figur, auf einem Löwen stehend,
in langer Kleidung und unbedeckten gelockten Hauptes.
Die Unn'ahnunig des P.ildes besteht aus gothischen
Jlotiven, zeigt in vier Nischen sechs A]iosteltiguren,
oben den thronenden Erlöser umgeben von musicirenden
Engeln, den äussersten Rand füllt die Inschrift aus.
Gleichwie in Deutschland derlei nu'tallene , frülier
selten und erst seit der Mitte des XH'. Jahrhunderts
in einigermassen grösserer Anzahl erscheinende Grab-
platten, für Besonderheiten und als kostbare Reste ver-
Fig. 4. (Wien).
303
gangener Jahrliuiulerte geschätzt werden, dürften dieser
Art Denkmale aiidi in Spanien zu den \veni.i;er vor-
konnneiuien Kunstwerken g'eliüren.
Der dritte Kaum des ersten Stockwerkes eiitiiielt in
arciiaeolugisclier Bezieluini;' Weniges, dafür für den
Etiniograhiicu desto mehr, darunter einen höchst merk-
würdigen Aztcken-f'odex, mit noch inuner nicht cnt-
zitferten mcxicanisclien Hieroglyphen -Sclirift, Wafl'en
aus Jlexico und Peru. Von Antiquitäten sind zu er-
wähnen ein grosser vergoldeter , etwas nüchterner
Holzaltar ans der Si)ät-lvenaissance und ein Vortrage-
kreuz aus derselben Zeit mit nnverläugbaren aus der
Gothik herüliergenonnncnen Motiven bezüglich dessen
Form.
Wir wollen nun unsere Leser in den östlichen
Theil der Industriehalle führen, woselbst unter andern
Ländern Griechenland, Romanien, Persien, Tunis, ]\ra-
rocco, die Türkei ihre Schätze , Laudesproducte und
Paritäten ausbreiteten, und darunter gar manche kost-
bare Antiquität zur Schau stellten.
So standen in den Abtheilungen fürTunis und Ma-
r 0 c c 0 unter den Erzeugnissen der neuesten Zeit mehrere
sehr interessante classisch-antike Sculpturen, insbeson-
dere eine prachtvolle Ceres-Statue und die eines Bachus,
dann herrliche ornamentale Reliefs , Grabdenkmale
n. s. w., sämmtlich aus weissem Marmor, dann Fragmente
von Mosaik-Fussböden untl einige metallene Schmuck-
gegenstände, unter denen eine hübsche Kette dess-
halb bemerkenswerth erschien, weil sie gewiss nicht
orientalischen, sondern europäischen Ursprunges ist
und im frühen Jlittelalter von irgend einem italienischen
Goldschmied angefertigt worden sein mag.
stücke von solchen Originalen und eine grössere Partie
farbiger Ani])horen.
Die 'J'ürkei, deren Brennpunkt hinsichtlieh anti-
(|iiar;scher Gegenstände die selbständig aufgestellte
herrliche Sammlung von Waffen, Helmen, Gefässen
u. s. w. aus dem Schatze des Padischah war, brachte
in ihrer Abtheilung auch noch etliche Gegenstände,
meistens alte Stickereien, Messer, Säbel, Gewehre und
Sjjitzen untergeordneten Werthes. Der Kaiserschatz
war in einem Hofraume des Industrie - Palastes nächst
der türkischen Abtlieilung ausgestellt. Ein auf gemauer-
tem L'nterbau freistehender Kiosk aus Eisen, zu dem
zwei Seitentrejtjien empor führten, enthielt in seinem
kleinen Räume an den vier Wänden und in der Glitte
je einen Glasschrank, dessen Inhalt Dr. v. Vincenti in
der Wiener Abendpost ausführlich beschreibt, woher
wir unsere Notizen entnehmen. Von den Schau-
kästen enthalten drei fast ausschliesslich Waffen und
Rüststücke , der vierte Gelasse und Raritäten und der
jMittelschrank nebst Porzellangeschirren und Gewehren
den viel berühmten Thron Nadir-Schachs , mit seinen
wunderbaren Emails-Translucides und dem kostbaren
Steinbesatz, uebstdem Helm und Panzerhemd Murad IV.
und die reich emailirten Armschienen Taraerlaus. Wir
nennen das gerade Schwert Mohamed IL, die stark
gekrümmte Damascener-Klinge des vorletzten egypti-
schen Mameluken -Sultans El Ghuri und die Klinge
Skanderbegs, Jenes Epiroten, von welchem die Ambraser
Samndung und das kaiserliche Waffeumuseum ebenfalls
Gegenstände besitzen. Die Satteldecke und die goldenen
Steigbügeln mit dem Juwelen- , C'orallen- und Lapis-
lazzuli-Besatz erregten durch den Reichthum ihrer Aus-
Griechenland legte eine grosse Collectiun von stattung allgemeine Bewunderung. Wir verzeichnen noch
Gypsabgüsseu antiker Sculpturen aus, daneben Bruch- die eiserne Streitkeule mit reicher Goldtauschierung
miw m jS "iF B^ n s n m. 2 ^^w
v^
a ^°Ä ET Ä TT M
iKLl
XVIII.
Fig. 5. (\'ui-au.)
40
— 304 -
Selim II., den Säbel Murad III. , dessen Scheide mit
Rubinen und Diamauten bedeckt, so wie dessen Pfeil-
köclier aus getriebenem Golde mit Edelgestein bestreut,
den prachtvollen Dolch Suleiman I., die Kleinudien, ein
Paiium-Ei, Opiumkajjsel, Schreibscliatulle und Taschen-
uhr Ibrahims, das albanische Clewehr mit silbereinj^e-
legten Schaft Achmed I., die Zinngefässe mit Steinbe-
satz, desgleichen solche aus Rhinoceroshorn u. s.w.
In Ägyptens Abtheilung fand sich zwar wenig
Alterthümliches , doch gehören die drei Glaslampen,
Moscheen entnommen , und das bronzene .\strolabiuni
zu grossen antiquaren Kostbarkeiten.
Persieu und Romauien hatten einige ältere
Waffen ausgestellt , darunter schöne tscherkessische
Helme mit Goldtauschirung. Letzteres zeigte überdiess
einige ältere kirchliche Gefässe , darunter ein Ciborium
mit schönem Zellenschmelz, mehrere Silber- vergoldete,
getriebene Buchdeckel, ähnlich den in der österreichi-
schen Abtheilung aus griechisch- orientalischen Klö-
stern ausgestellten, fein geschnitzte Holzkreuze mit
Metallfassungen, etliche Ripiden , mehrere für den Ge-
brauch der niorgenländischen Kirche bestimmte grössere
und kleinere Hängeteppiche undKelchdccken, mit darauf
in Flachstich gestickten christlichen Darstellungen,
(hauptsächlich Christi Grablegung und der Tod Ma-
riens). Sämnitliche Gegenstände dürften dem XVI. und
XVII. Jahrhundert angehören; die Anfertigungszeit
derartiger Producte mit Rücksicht auf Technik und
Ornamentatinn selbst nur annäherungsweise zu be-
stimmen, hält sehr schwer, da in der byzantinischen
Kunst eine solche Stabilität herrscht , dass dieselbe
zu einer, man könnte sagen, unveränderlichen, ja
verknöcherten wurde. Wird diese strenge Richtung
einmal verlassen und werden dem Kunstgesciimackeder
Neuzeit durch Fri'igubung des künstlerisch individuel-
len Strebens Concessionen gemacht, so hatte diess für
jetzt auf kirehliclieni Gebiete eine gewisse Nüchtern-
heit zur Folge, was die Ausstellung kircidiclier Kunst-
gegenstäiide der Neuzeit in der russischen Al)thcilniig
klar und deutlich zeigte, Koch haben wir des Sciiat/.es,
gefunden in Petrossa, zu gedenken, der .stets, wo
immer er ausgestellt wurde, grosses Aufsehen erregte.
Derselbe wurde im Jahre ]H'.'>7 von zwei runiänischen
Bauern entdeckt, welche mit licm Ausheben von Steinen
aus dem Berg Istrit/.a, in dem J5ezirke Petrossa gelegen,
beschäftigt waren. Im Jahre 1842 brachte -Fürst Michael
Ghika diese kostbaren ]{eliquicn vergangener Zeiten
durch Kauf an sich, um sie dem Museum \(in liii-
karcst zu übergeben. Man vermutiiet allgemein, dass
der Fund in seiner (iesammtheit ans 22 Stücken, sännnt-
lich aus jinrem Golde angefertigt, bestand, doch nur zwölf
davon konnten erhalten und in der Samndnng vereint
werden. Darunter sind : Ein grosser einfacher goldener
Ring, ein grosser Ring mit einer Inschrift, eine grosse
flache Schüssel (in vier Stücken zerbrochen), eine
Gicsskanne, eine ciselirtc Patera, ein Halsband, eine
grosse Fibula in Form eines Sperbers , zwei grosse
Fifmlae in Form von Ibissen, eine kleine Fibula und
zwei Vasen oder Körbe mit zwei Henkeln.
Mehrere dieser Stücke sind massiv und mit <;iscli
rungen geschmückt, wUlirend andere noch Ornamente
von Krystall oder Steinen tragen. Dr. Franz Bock
hält diese grösstentheils von byzantinischen Künstlern
im W. .lahrhnndcrf angefertigten Gegenstände llir den
Sehatz des zu Beginn der Völkerwanderung vorkom-
menden Gotheukönigs Athanarich, welchen derselbe bei
seiner Flucht vor den Hunnen in der Erde verbarg. Athana-
rich starb in Byzanz; der Schatz, sowie sein Versteck
geriethen in Vergessenheit, bis ein günstiger Zufall ihn
wieder ans Tageslicht brachte und der kunst histori-
schen Forschung eine der grössten Merkwürdigkeiten
übergab.
Wir konnnen nun zu den beiden Pavillons, die sich
als Flügelbauten der Knnsthalle östlich anschlössen und
den Kunsthof gegen Süden und Norden abgrenzen. Be-
treten wir zuerst den gegen Norden gelegenen. Die bei
Weitem grossere Mehrzahl der Säle beansiirnchte die
heutige Kunst Italiens, wenige Räume waren der älteren
Kunst verschiedener Staaten gewidmet.
D ä n emark beschränkte sich, eine Sammlung der
wichtigsten Typen der Steinzeit, zusammengestellt aus
Fundgegenständen verschiedener Länder, auszustellen.
Wir sahen da grobgehauene Werkzeuge , geschliflene
Axtblätter, halbrunde Messer oder Sägen, Schaber,
Pfeilspitzen aus Feuerstein, wenige Stücke aus Bein,
meist von geringen Verhältnissen, mit Ausnahme jener,
die aus Dänemark selbst sfannnen, gefunden in Frank-
reich, Belgien. Holland, Irland, Schottland, DäiuMnark,
auf der Insel Rügen, am Cap der guten Hottnung, in
Indien, in Pensylvauien, Massaehutsets, Brasilien, auf
den Sandwichs- und Freundschafts-Inseln (auf letzteren
noch zu Beginn unseres Jahrhuiulerts im Gebrauche
stehend). Diese Collection zeigte uns, <lass die in der
europäischen Vorzeit gebräuchlichen \\'erkzeuge mit
Jenen, deren Benützung diu'eh die wilden Völker unsere
Zeit erreicht, in einer gewissen l'bereinstinnnung stehen.
Sehr interessant sind die grönländischen Antiquitäten,
deren grössere Anzahl in Gräliern und unter sog. Küchen-
abfällen gefunden wurden. Leider war diegrosse königl.
Sammlung in Kopenhagen , die an derartigen Fundgegen-
ständen überreich ist, nicht vertreten, wie diess wohl bei
der letzten Pariser Ausstellung der Fall war. Wir haften
da (irnppen h(K'hinferessniiter Gegenstände kennen ge-
lernt, die tiieils in den Torfmooren auf Fünnen und See-
land ausgegraben (Waffen, Geräthe, Kleider, Gewebe),
fheils mit den Kiökenmo(ldings(Küclienabfallresten) ver-
mischt (Sfeinwerkzeuge) aut'gefiinilen wurden. Die letzt-
genannten sind ninssenhatte .\nli;iut'uiigen vcni Austern-
und anderen .Muscludschalen mit Thierknochen (Hirschen,
Wildschweinen, Bären, Wölfen, Auerhähnen, Häringen)
mit den erwähnten I'undstücken gemengt, die an den
ri'ern des Kattegats und der beiden Belle in Millionen
]vnl)ikschidien gefunden werden und deren .VIti'r man
bis zu 1 ().()( )0 Jahren anninnnt.
Schweden stellte unter And crem ältere Brodcrien
und Gewebe, Holzarbeiten älterer Zeiten, darunter ein
Service ans dem Ki. .lahrhnnderl (die i'"ornu'n derTrink-
gefässe naciiArt der Kelche und Becher) \c'rzii'rt mit auf-
gesetzten kleinen Beinkügclchen, etliche deniGöteborger
Museum gehörige sillierne Löffel und zwei ziemlich neu
scheinende Trinkhiirner mit Silberfassung aus. Eiiu'r
Art Waii(ite])|)icli müssen wir an dieser Stelle erwähnen,
der durch die in ganz absonderlicher Weise ausgeführten
Bilder der Passion beachtenswerth erschien. Die Figuren
siiul in höchst primitiver Weise gezeichnet und in Farben
ausgeführt, das roslüm aller Figuren, sei es Christus
oder die Apostel, Pilatus oder Krieger , ist das der
sciiwedischen l,:nMllie\ iilkerung.
;]o:>
ItaÜLMis antiiiuarische Ausstellunf? war zieiiilicli
nnhedeutend, siehet'aiul sicli in einem Saale, der mit einem
licnlichen, reieligeschnitzten, aus Ober-Oesterreich da-
liingebraeliteu Holzplafond geschmückt war. Auch liier
trat uns eine grosse CoUection von Steinwerkzeugen,
darunter viele noch uni)olirte, davon ein Theil im Vihrju
jathal gei'unden wurde, entgegen, doch ohne grosse
Besonderheiten oder Seltenheiten aufzuweisen. Wie
es scheint, treibt Italien in neuerer Zeit das Studium
der vorhistorischen Alterthümer mit grösserer Aufmerk-
samkeit, denn früher. Wenn wir noch der in Bronze
und Ebenholz ausgeführten Copie des capitolinisdien
Thrones, danchen des Modells eines antiken römischen
Hauses, einer antiken Doppelherme, alter S])itzen und
gestickter Bettdecken, ferner eines Marmorbasreliefs
aus dem XV. Jahrhundert, vorstellend Maria mit dem
Kinde, umgeben von Engeln und Heiligen, zwölf sehr
schöner Teller mit Emails-Linioges, deren Vorstellungen
meist dem alten Testamente entnommen sind, und end-
lich einer mit Gold ciselirteu Flinte erwähnen, haben
wir die llauptgegenstände dieser Gruppe erschö])ft.
Die englische Abtheilung bescliränkte sich auf die
Vorweisung einer höchst bedeutenden CoUection von
Silber- (theilweise vergoldet) und Messing-Gegenständen
(Becher, Krügen, Kannen, Pocalen, Tassen, Leuchter,
Löffeln, Theckesseln, Spülgefässen u. s. w.), die aus
den Zeiten der Könige Karl I. und H., Georg I. und H.
stammen, aber weder an Form noch Verzierung etwas
Hervorragendes bieten.
liussl and hatte eine namhaite Anzald von Gyps-
Abgüssen altchrwürdiger, meist kirchlicher Gegenstände,
darunter auch der beiden Thorflügeln der Soiiliienkirche
von Nischnci-Nowgorod ausgestellt. Dieselben wurden
durch einen Meister Riquinus auf Befehl des Bischofs
Alexander v. Block um die Mitte des XH. Jahr-
hunderts verfertigt und zeigen in den Darstellungen
den Sündenfall und die Erlösung. Dem Prachtvollsten
der Ausstellung muss die viele Stücke umfassende
CoUection von Sevres-Porcellan aus der zweiten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts angereiht werden, die Prinz
Nicolaus Repnik aus Kiew zur Schau brachte. Ähnlieh
der Suite solchen Porcelans, welche Freiherr von Roth-
schild in der österreichischen Amateur-Abtheilung aus-
stellte, zeichnete sich diese Sammlung durch das herr-
liche Blau, die vorzügliche Malerei und geschmack-
volle Vergoldung aus. Interessant sind die vielen und
vielartigen Heiligenscheine aus (xold , häutig mit
Emailbesatz, die für die Madonnen- und Heiligenliilder
der griechisclien Kirche bestinnnt, in einigen Exemplaren
bis ins XV. Jahrhundert zurückreichen. Manche
dieser Niiubeu sind durch ihre Ornamente interes-
sant. Wenn wir noch einiger Silbergelasse des
XVI. und X\'II. Jahrhunderts, einer grossen alt-
chinesischen Vase und eines Gobellins mit \ov-
stellungen aus der Geschichte des bayerischen
Regentenhauses erwähnen, haben wir diese Aus-
stellung so ziemlich erschöpft. Auch alte Bilder
mit Namen berühmter Jfaler, wie Andrea del
Sarto, Rafael u. s. w., hatte Russland zur Ausstel-
lung gebracht; ob diese Vaterschaft den Bildern
mit Recht vindicirt wird, wollen wir hier ununter-
sucht lassen, und uns nur des einen (iemäldes
erfreuen, vorstellend den Stannnbaum Jesse, ein
herrliches Bild der niederdeutschen Schule.
Die Schweiz, deren archäologische Exposition
last einen ganzen Saal füllte, hatte mit gutem Erfolge ver-
sucht, in der XXIV. Grupjjc vorerst eine möglichst um-
fassende Übersicht ihrer ältesten Cultur-Denkmale und
gewerblichen Thätigkeit vorzuführen. Es sind diess vor
Allem Gegenstände der vor-historischen Zeit , welche
auf Schweizer Boden besonders zahlreich gefunden
worden sind, die Denkmale der sogenannten Stein-,
Bronze- und Eisenzeit. Wir werden durch diese Gegen-
stände bis in die Anfange der Cultur zurückgeführt, als
der Mensch nur aus Steinsi)litfern und Knochen sich
einige Werkzeuge zu schatten wusste, um mit deren
Hilfe die zur Erhaltung des Lebens, zur Ernährung und
Bekleidung allernöthigsten Arbeiten vollführen zu kön-
den. Dr. Gross in Neuenstadt stellte eine reichhaltige
Auswahl derartiger Fund-Objecte aus der Station Locras
aus. Wir sahen da zahlreiche Beile, ^leissel und Häm-
mer aus Diorit, Hornblende, Ser])entiu , Feuerstein,
Messer, Dolche und Nadeln aus Knochen und Hirsch-
horn, Amulette und Schmuckgegenstände aus Hirsch-
hora, Bärenzahn, Knochen und Steinen, Thonteller und
Triukgefässe. Herr Messikonnner in Stegen stellte
Schnüre, Fäden, Gewebe verschiedener Stücke, Fran-
sen, vielartige Geflechte, meistens aus Bastfäden aus,
die in den Pfahlbauten von Koberhausen am Pfäfiiker-
see gefunden wurden. Diese interessanten Fundstücke
liefern den Beweis, dass schon damals die ^\'eberei
nicht unbekannt war und zu Beginn der Cultur geübt
wurde.
Die Zeit dieses Culturanfauges, die jedenfalls
einen grossen, viele Generationen zählenden Zeitraum
umfasste, lässt sich wohl nicht in Ziffern ausdrücken,
doch ist es ausser Zweifel, dass damals nicht nur die
Vereinigung in der Familie, sondern auch in einem,
wenn auch sehr primitiven staatlichen Organismus be-
stand. Die Zeit einer etwas höheren Entwicklung, des
ersten Culturfortschrittes, etwa lOUU liis löOü Jahr-
hunderte vor unserer Zeitrechnung begränzt sich durch
den Gebrauch des Bronzes, der zu dem früher erwähn-
ten Materalien noch hinzutritt. Es ist wahrscheinlich,
dass das Bronze den Völkern des mittleren und nörd-
lichen Europa's anfänglich von anderen in Süden gele-
genen Völkern duich Vermittlung des Handels bereits
verarbeitet gebracht wurde, bis diese erst später selbst
kundig wurden, Bronzegeräthe zu erzeugen. Bronze-
gegenstände aus Pfahlbauten der Neuenburger, Züricher
und Bieler Seen, der Jura-Gewässer-Correction stellten
in zahlreichen Exemplaren Prof. Desor in Neuenburg, das
Museum Schwab in Biel und die Stadtbibliothek in Bern
Fig. 6. (.Salzburg.)
40*
}0G —
Fifi
(Bartliolomäiberg.]
aus. Wir fanden darunter plattgedrückte Ringre, die am
Arme getragen und für Münzen angcselicn werden,
Nadeln mit Olir und Kinsclmitteii, welche zui' Verfer-
tigung von Kleidern gedient haben mochten, einfache
und doppelte l^^ischangeln, Pfeile, Sicheln, Messer, dar-
unter eines mit Ilirschhyrnhcft, Dolche, Grabstichel,
iJeile, Hämmer, Lanzenspitzcn, Cliirtellieschliige, Sägen,
diinuf Klingen, liasirmesscr, l)rahtgcwin<le, Haar-
nadeln, Ohrgehänge, Schnallen, Arm- und Fingerringe,
die ersteren mitunter bedeutend gross und mit Gra-
virungen verziert, PferderilstungsIJestaiiiltheile, endlich
eine iJllstc der .Juno, ausserdem (!las- und Hernsliin-
perlen, solche aus Tlion, thönerne Tassen, Trinkge-
iässc, Schmelztiegel, ein Werkzeug aus Hirschhorn,
wahrscheinlich als Weberschiffchen gebraucht, u. s. w.
Eine weitere Stufe der Culturentwicklung begrenzt sich
für viele nord- und mitteleuropäische Völker durch die
Hinflihrung des Eisens (die Eisenzeit), was etwa um
das erste Jahrhundert unserer Zeitrechnung geschehen
sein mag. Die Vermittlung dieses Materials durfte
durch die liömer besorgt worden sein. Eiserne Gegen-
stände, besonders Waffen, sind in reicher Auswahl in
der weiteren Collection des Prof. Desor, des Museum
Schwab und der Stadt-Bibliothek in Bern ausgestellt. Die
bedeutenderen und zwar meistens Fundgegenstände aus
den Pfahlbauten desNeuenburgcr Sees waren : Schwerter
mit hölzernem Griff' sammt Scheide, einige, auf deren
Klinge ein Fabrikszcichon, Lanzen, mehrere mit Holz-
resten, Heftnadeln, Gürtelriugc, Sicheln, Sensen, Frag-
ment eines Schildes mit Kägcln, die ihn an die hölzerne
Bekleidung hefteten, zahlreiche Fibeln, Axtc, darunter
eine von besonderer Grösse, Pi'erdegebisse, Kettenringe.
Alle diese Gegenstände wurden, wie erwähnt, in
lYahlbauten, vermischt mit den ins Wasser geworfenen
Überresten der Nahrung gefunden, was den Beweis
liefert, dass diese Art Wohnungen in der Stein- und
Bronzezeit, wie auch zum Theil noch in der Eisenzeit
im Gebrauehe war. Auch zeigt sich hinsichtlich aller
dieser Gegenstände, dass sie, je mehr sie sich unserer
Zeit nähern, in Form und Gebrauch der unsrigcn nahe-
kommen. Die Art und Weise einer Pfahlbaute versinn-
liclite ein von Max Götzingen in Basel ausgestell-
tes, nach Angabe Dr. Keller's in Zürich angefertigtes
Modell einer Pfahlbau-Ansiedlung, das, wenn auch
etwas ideal ausgefidn-t, doch ein werthvolles, eultur-
geschichtlich belehrendes Bild für jene Zeit liefert.
Aus der beiläufig in die Mitte des ersten .Jahrtau-
send und in die nächsten darauttVdgenden Jahrhunderte
fallenden Zeit des burgundisclien und merovingisehen
Reiches brachte das Cautonsmuseum zu Lausanne eine
Reihe, mitunter besonders interessanter Gegenstände,
mannigfaltig geformte Schnallen von damascirtem Eisen
oder von Bronze, eine mit verziertem silbernen Blatte in
der Mitte, Agraffen, Halsbänder, Jironze-Ivämnie, Fibeln
Fig. ö. (St. Paul.;
;{0
( —
Fig. 9. (St. Paul.)
niul Gürtelplatteu mit Emails; manolie der Platten und
Schnallen haben silberne, ja selbst goldene eingeschla-
gene Verzierungen, die meistens aus phantastischen,
geflügelten, schlangenähnlichen Thieren bestehen, ferner
kleine Figürchen aus Bronze, Daniel in der Löwengrube,
phantastische Thiere, theilweise mit Inschrift, endlich
Messer, Beile, Scliildfragmente, n. s. w.
Das Mittelalter, im C4el)iete der Kunst, sei e.s die
romanische Periode, sei es der gothisehe Styl ist in der
schweizerischen Ausstellung fast nicht vertreten ge-
wesen, wenn man von den etlichen Gypsabgüssen, die
die antiquarische Gesellschaft in Zürich ausstellte, ab-
sieht.
Aus der Zeit der .Spiith-Gothik fanden wir etliche
kleine gestickte Teppiche, wahrscheinlich bestimmt zur
l]edeckung der Rücklehne von Gestühlen, und eine
Thür mit in der Zeichnung und Arbeit prachtvollem
Eisenbeschläge.
Weit bedeutender ist die CoUcction von Gegen-
ständen der Kenaissance und ihrer weiteren Phasen.
Da ist es vor allem die Ausstellung von 26 in
den pikantesten, off durch Scherz und heitere Laune
iiKitivirten Formen ausgeführten , kostbaren Bechern
und Zicrgefässen aus Gold, Silber und Elfenbein, im
Besitze der Bib-gergeineinde von Bern und dortiger
Zünfte. Die bedeutendsten darunter waren: ein
grosser Greif (1712), ein auf einem Kreb.se rückwärts
reitender Affe, ein aufrechter vorwärtsschauender Aife
mit einem Spiegel, ein aufreclitstehender Bär in .Silber
getrieben und ciselirt, zwei, in Form und Verzierung
geschmackvoll ausgeführten Staufte, das sind zwei
Gefässe aus je zwei aufeinander gestellten Pocalen ge-
bildet. Ein Pocal mit der .Jahreszahl H».3ij, ein solcher
in Gestalt eines stehenden ^Metzgers mit dem Beile auf
der Schulter, ein aufrecht stellender Löwe nut einem
Gerbermesser, ein kleiner Becher in Form einer Narren-
kappe, einer in der eines Kaufmanns mit der rechten
Hand auf einem Waarenballen. ein Becher darauf ein
Fig. 10.
— 308 —
Schützenzug, U.S.W. Das Hauptstück der ganzen Samm-
liiDg war ein grosser Pocal sanimt Schüssel , ein herr-
liches Werk in getriebenem, vergoldetem und ciselirtem
Silber mit prachtvollen durchsichtigen Emails und
Darstellungen cn reliet in Medaillons, am Rande drei
und vierzig Wappen in durchschimmerndem Email.
Dieser Collection schliesst sieh als ebenbürtig eine von
Glasgeniälden, im Besitze des .1. Vincent in Constanz
an, davon jedoch einzelne noch der Gothik augehören,
^on diesen nennen wir durch Zeichnung und Farbenton
hervorragend das mit dem ii. Joiiannps, ein anderes
mit einem betenden Mönch und Wappen des Klosters
Wettingen , dann das Dürer'sche Keminicenzen enthal-
tende Votivbild des Caspar v. Klingenberg und seiner
Gattin Elsbeth (1559), das Jos. Murer'sche Doppel-
wappen mit der Orpheusgruppe darüber, endlich das
Hans Muller'sche Wappen mit der schönen Pilaster-
Umrahmung. Eine Ergänzung dieser Collection bilileten
die zahlreichen, mitunter ganz vorzüglichen Entwürfe
zu Glasmalereien, sämmtlich aus dem XVI. Jahrhundert
stammend.
Hinsichtlich der Textilkunst erwähnen wirnoch eines
rriesterornats aus dem XVH. Jahrhundert, mit bunter
und Goldstickerei.
Schliesslich wollen wir noch gedenken der aus
Einsiedeln stammenden Bronze-Glocke mit hübscheu
Reliefs und iler .Jahreszahl 1573, — zahlreicher Werke
des Buchdruckes, in alten, wcrthvollen Ausgaben, mit-
unter mit interessanten Holzschnitten ausgestattet und
meistens in Beziehung auf die Druckgeschichte der
Schweiz stehend und des reich geschnitzten leider grau-
sam restaurirten. als Herrschafts-Symbol dienenden Hän-
gestückes der Familie Steiner (1(V_*0\ endlich zweiermit
reicher Sciniit/.arbeit versehener Kästen.
In Bezug auf Wehren und Watfen hatte man sicii
mit der Aufstellung eines einzigen laflfettirten Geschützes
begnügt. Es ist diess die vom Zeughause zu Zürich ein-
gesendete s. g. ,.Zürichbraut oder Jungfrau", ein bron-
zenes Hinterlader-Geschütz mit gewundenen Zügen aus
dem Jahre KJll. Es führt den Namen von einem Relicf-
bilde, eine Dame, das auf dem Kopfstücke angebracht
ist; dabei die Verse: „Ich liin ein' Jungfrau Wohlgestalt,
welchen ich kUs.s, der wird nit alt."
Um mit der Ausstellung in diesem Pavillon ab-
schliessen zu können, erübrigt noch der antiquarischen
j)ersi sehen Exposition zu gedenken. Es ist dies eine
Sammlung von chinesischen Pnrcrllangefässcni, von
])ersiscl]eii 're|»pichen und ge.stickten Decken, die einen
]iersischcn Prinzen und Minister, dessen ungewöhnlich
langer Name selbst der geläufigsten Zunge kaum aus-
sprechbar sein dürfte, gehörten. Die Porcclians sind
last neu und gerade so gesclmiacklos. wie alles l'brige
dieser Partie. Das wenige (Jute, das sich darunter fand,
ist mit feinem Kenner-Auge für eine rrivatsaiiinilung
Wiens acquirirt worden.
Iiiisüdjiclicn Pavilliiii liatlni die aiitii|U:nisclien .\us-
stcllungen Gsterreiclis, Ingarns iiml iJeiilselilaiids einige
Sälcocciipirt, in ibin übrigen waren moderne Kunstwerke
von Russland, Dänemark , Sciiwcden u. s. w, ausgestellt.
Es ist höchstbedaiicrlich, dassman vonein(!r 15(!thci-
lignng Deut sc h lands an dieser I'artie der Weltans-
stcllung iMirgan/. WeiiigesbiM'ichten kann. Dergeräumige
Saal, der iliescr l'.cstinnrnmg gewidmet war, sah recht
nüchtern aus. An die Stelle der vielen Denkmale der
vergangenen Jahrhunderte , die das daran überreiche
Deutschland hätte zur Schau stellen können, machten
sich Reproductionen aller Art, darunter die ganz aner-
keunenswerthen Leistungen des römisch-germanischen
Museums zu Mainz, des reichen bayerischen National —
Museums zu München und des Gewerbe-Museums zu
Nürnberg, wie auch einige antiquarische Publicationen
breit, ohne die zahlreichen Schränke auch nur halb-
wegs füllen zu können. Doch ist diess kein Vorwurf für
Deutschland. Die geringe Betheiligung erscheint bei dem
Zaudern, mit welchem man von Seite der General-Direc-
tiou an die Durchführung der sogenaunten Exi)Osition
des Amateurs ging und über deren Schicksal man sich
erst im diessjährigen Ajjril klar war, sehr entscliuldigbar.
War doch in Deutschland fast allerorts die Meinung ver-
breitet , diese Gruppe der Ausstellung wäre aufgege-
ben. Die natürliche Folge davon war , dass nur von
vereinzelten Orten etliche Gegenstände einlangten,
welche während der sechs Monate ihrer Ausstellung ein
recht kümmerliches Dasein führten und nicht einmal ge-
würdigt wurden, im Katalog aufgeführt zu werden.
Diese wenigen Objecte waren : Eine ca. vierzig Stück
umfassende Collection von mitunter sehr schönen älteren
Gläsern, Elfenbein- und Thonkrügen, Pokalen und
Bechern, Toilette-Gegenständen, Handspiegeln, Käst-
chen, Kannen und Becken, Rosenkränzen, sämmtlich
aus Silber, meistens den beiden letzten Jahrhunderten
entstammend, ferner eine kaum sehr alte, zicndich grosse
Statuette sannnt Postament aus Silber, eine Kehlheimer
Platte, darauf das fürstlich Fürstenberg'sche Wappen
nebst einigen Ornamenten cingeätzt und theilweise
bemalt (lo(iO), ferner Bruchstücke antiken Glases, das
die römische hnlustrie in so vorzüglicher Weise erzeugte;
ein grosses, mit reichen Schnitzereien, eine ilirschjagd
vorstellend, geziertes Elfenbeinhorn Königs F'riedrich
August II. von Idolen und endlich aus dem Wagner-Museuin
in Wür/.burg ein sehrschöner, grosser Wandlepi)ich, vor-
stellend Christum am Kreuze, umgeben von Maria und
Johannes. Dieses Webekunstwerk, sicher für kirchliche
Zweke bestinnnt, dürfte in der Zeit des ablautenden
XV. Jahrhunderts angefertigt worden sein.
Die XXiV. Ausstellungsgrniipe war in der unga-
rischen Abfheilung durch die Menge, wie auch durch
den anti(iuarischen Wcrtli der ausgestellten Gegenstände
vorzüglich > ertrcfen. Es fand sich eine so bedeutende
Anzahl von Objecten in dem einzigen Saal vereinigt und
in vielerlei Kästen oder freistehend und an den Wänden
untergebracht, dass daduich nicht allein die l'l)ei-sicht
erschwert, sondern auch die Bewegung der Beschauer
beengt und in Folge dessen das ruhige Besichtigen und
Geniessen der einzelnen Gegenstände einigermassen
beschwerlich war. Man kann, ohne gegen die ,\mateurs-
l*/xpositi(inen der übrigen Staaten ungerecht zu sein,
behaupten, das« diese Expositidii eine wahre .Auiateur-
Exinisition, nach jener Österreichs den nächsten Rang
einnahm, ja selbst sie in manchen Partien, wie in jenen
der ])räliisii)risclien F^'unilgi'gcnständi' und der Objecto
der .Antike bcileiitend iil)ertr:il'. Die hier \ ereinigten
Gegenstände lief(Mlen in ihrer (Jesannntheil ein inhalts-
reiches Bild der künstlerischen Vergaiigcnln^il des j^an-
des, insbesondere des engeren Ungarns und den Beweis,
dasK Sammellust und Verständniss für anti(|uarische
Denkmale inl ngarn niäehtige Wurzeln geschlagen lialien.
Wenngleich bei ilirer Aufstellung das Priiiei|p einer ,\nia-
— 309 —
teurs- Exposition vor allem der leitende Gedanke blieb,
was zur natürlichen Folfio iiatte, dass die Ke])rüsen-
tanten der verschiedenen .Saninduii^eii uns'ctrcnnt auf-
gestellt wurden, somit nichts weniger, als eine chrono-
logische Folge, selbst nicht einmal annähernd, einge-
halten werden konnte, so muss man doch zugestehen,
dass diese Abtheilung mit besonderer Liebe und Sorg-
falt geordnet wurde und dafür dem uncrniüdlicdien
Ordner und Redactenr des lelirrcichcn Katalogs Dr.
Heuszlmann die verdiente Anerkennung nicht ver-
sagt werden kann.
Wir wollen nun diese reichhaltige Sanunlung im
Fluge durchmustern, und stellen unseren Lesern einen
eingehenden Bericht über diesclhe aus der Feder
Henszimann's für die Folge in Aussicht.
.Sehen wir zuerst nach den Gegenständen der
prähistorischen Zeit. Wir ünden da unter anderen einen
eigenthünilichen Schinuckgegensland aus der, übrigens
nur durch wenige Nummern vertretenen Steinzeit, eine
fossile Schnecke, aussen nn"t Fhisskieseln I)esetzt.
Die Bronzezeit war vor allem durch die ausge-
zeichnete weit über 1000 Stück zählende Georg von
Rath' sehe Sammlung glänzend vertreten. Nicht leicht
dürfte sicii eine Privatsaninilung finden, die so viele
Kostbarkeiten aus dieser Zeit aufzuweisen vermag. Es
ist diess eine Amateurs-Sammlung im vollen Sinne des
Wortes. Um dieselbe in ihrer Gesammtheit nicht zu
stören , wurden die ihr einverleibten antiken , alt-
christlichen, byzantinischen und mittelalterlichen Ge-
genstände nicht ausgeschieden, sondern vereint belassen
und im selben Kasten aufgestellt. Bezüglich dieser
Samndung sei für jetzt erwähnt, dass sie 27 Stück
Palstäbe, 37 Stück Kelte, viele Meissel und Hämmer,
30 vollkonnnene Spiralen, S9 Fibeln der verschiedensten
Formen, zahlreiche Ringe, Nadeln, Sicheln u. s. w. ent-
hält. Insbesondere sei hervorgehoben ein bronzener
Halsberg, von welchem Gegenstande man überhaupt
nur drei Exemplare kennt, die alle in Ungarn gefunden
wurden. Etliclie (Gegenstände der Bronzezeit liat auch
das Erlauer und Klausenburger Museum ausgestellt.
Nicht minder zahlreich waren die Bronzen der
classischen Zeit, seien es etruskischc oder egyptische,
griechische oder römische Erzeugnisse. Wahrhafte
Kunstwerke aus diesen Knnstepociien entliält die Franz
v. Pulszky'sche Sammlung. Fast alle Stücke derselben
sind kostbar, und eines oder das andere davon hervor-
zuheben würde sich kaum rechtfertigen lassen. Wir
fanden Bronzevasen der elegantesten griechischen
Form, dessgleichen eine silberne ]\Larsstatuette, egyp-
tische Katzen aus Bronze, dessgleichen eine sitzende
Figur, eine herrliche Morpheusstatuette aus Bronze,
römische Arbeit u. s. f. Aus der Rath' scheu Sammlung
seien erwähnt: die Büste einer Bachantin, griechische
Arbeit; eine Jlaus an einer Nuss nagend, ebenfalls
griechische Arbeit, einige Bronze-Krüge, darunter
einer, dessen Körper einen Mädchenkopf bildet, ein
kleines Modell eines römischen Rennwagens und als
Hauptstück einBronzegefäss, das Modell eines mit einer
Katapulte und mit beweglichem Anker ausgerüsteten
Kriegsschiffes. Anderen Sannnlungen angehörig: ein
egyptisches Bronzekännchen mit Silber und Gold ein-
gelegt. Am Bauche des Gefässes ist ein Aufzug von
Göttern dargestellt; eine ähnlich behandelte, mit Stiel
Tersehene Flachschale, die jedoch weniger egyptischen
Charakter trägt. Beide Gegenstände wurden im Öden-
burger Comitatc gefunden und dem ungarischen Museum
einverleibt. Ferner eine sillierne Schale, riTigshcruni mit
Fischen, Wasservögeln und Fischereigeriitlien in Relief
geschmückt, und zum Theile vergoldet, an Schönheit
und Interesse den Gegenständen des Hildesheimer-Fun-
dcs nahekommend, eine Bachantin mit Trauben im Haar,
ein männlicher Kopf aus Tciracotta, statt der .Augen-
äpfel mit Steinen, mehrere Mithras-Reliefe, Spiegclgc-
häuse aus Metall u. s. w. Ferner die dem ungarischen
National-Museum einverleibten Gegenstände, die in Alt-
ofen im Jahre 18n4 gefunden wurden, und einige
Stücke des im Jahre 18011 auf Pusta-Bakod gemachten
und in den Mittheihingen bcschriebi'ncn Fundes. Inter-
essant ist auch eine bronzene Hängelampe in Gestalt
eines zu Pferde sitzenden Imperators , eine Arbeit aus
der späten Kaiserzeit.
Auch sahen wir wieder jene, ebenfalls dem Natio-
nal-JIuseuin gehörigen sieben Riindl)ogcu-Sciiildcheu
und zwei kleine Medaillons von Goldblechen, die in den
Jahren 1860 und 1861 im Neutraer Comitat beim Pflü-
gen eines Feldes gefunden wurden, und sich durch den
Zellenschmclz auszeichnen, mit dem sie auf der Vorder-
seite überzogen sind; unter den damit ausgeführten
figuralen Darstellungen findet sich die Figur des römi-
schen Kaisers Constantinus Monomachos und seiner
beiden Frauen. Der Catalog bezeichnet diese Bruch-
stücke zu jener Krone gehörig, welche dieser Kaiser
zwischen 1042 und 1050 dem ungarischen Könige
Andreas zum Gescdienke machte. El)cnfalls bjzantini-
schen Ursprunges ist jene kostbare Tafel aus dem
Graner Domschatze , die zur Aufbewahrung einer
Kreuzpnrtikclbestinnnt, nach Dr. Bocks Meinung Inder
zweiten llältte des XII. Jahrhunderts entstanden sein
dürfte.
Der Zeit des romanischen Styles gehört ein
niederer bronzener Standleuchter an , dessen Fuss aus
drei Drachen geiiildct und der Schaft mit einer grossen
Krystallkugel als Nodus geziert ist ; dieser Leuchter
ist unstreitig eines der schönsten characteristischesten
Exemplare, die sich bis auf unsere Tage erhalten haben.
Ausserdem erwähnen wir noch einer aus dcmXIII. Jahr-
hundert stammenden Emailplatte, Fragment eines Re-
liquienkästchens , ähnlich jenen von Klosterneuburg,
und zweier, sehr beachtenswerther Elfenbcintäfelchen,
das eine in der Rath'schen Sammlung (XII. Jahrhun-
dert), das andere etwas jünger und vorstellend Daniel
in der Löwengrube.
Die meisten aus der Zeit der Gothik stannnenden
Kunstwerke, welche die Ausstellung uns vorweist,
haben kirchliche Bestimmung; dahin gehören drei
prachtvolle, silber-vergoldete Messekelehe, der eine
mit Emails und Filigranschnuick; ein zweiter mit
reichem Filigranbesatz, wahrscheinlich aus dem Beginne
des XVI. Jahrhunderts und der dritte kostbarste aus
der Mitte des XV. Jahrhunderts mit Emails und reichen
tiguralem Schmuck am Nodus , der eine Capelle
bildet; zwei Bütlelhörner, davon eines besonders gross,
in vergoldetem Silber auf die zierlichste Weise ge-
fasst, als Ohlgetlisse verwendet, und in den letzten
Jahren des XV. Jahrhunderts entstanden, drei
medaillonförmige Reliquien- Behälter, der eine mit Perl-
mutter-Relief, der andere mitKrystallplatte in der Mitte,
der dritte und kleinste als Mittelstück mit in Gold ge-
— 310
triebener und ausgeschnittener Darstellung der Ver-
kündigung auf blauem Eniailgrunde. Die Fassungen
bei allen drei Medaillons besonders fein und tbeilweise
ebenfalls mit Email ausgestattet. Zu den zier-
lichsten Gelassen gebort ein kleiner Cbrysambehälter
von Bergkrystall in Form einer Kugel, getragen von
einem mit Email translueide überzogenen FigUrehen ;
vorstellend den verlorenen Sobu; dieses in Form
und Ausstattung reizende Getliss mag zu Anfang des
X\l. Jahrhunderts angefertigt worden sein. Ferner ein
grosses spät-gothiscbes Processionskreuz mit in Silber
gefassten Krystallbalkon; alle diese Gegenstände ge-
hören in den Graner Domschatz. Durch Grösse und
Gewicht hervorragend verdient die Monstranze der
Pressburger Capitelkirche einige Beachtung , auch sahen
'^yf.
■^■-
^MiMiMmm
\\g. 11. (Klagenfu
wir noch andere kostbare Kelche, zwei aus der Capitel-
kirche zu Pressburg und einen des ungarischen Ka-
tioual - Jluseums , die durch Email- und Filigran-
schniuck sich auszeichnen. Ein der Lcprosencapelle zu
Leutschau angeböriges thurmtöriniges Ciborium aus dem
XV. Jahrhundert. Kirchliche Eisenarbeiten repräsentireu
ein zwölfarniiger Standleucbter und zwei Armleuchter,
die ehemals zur Seite des Altars angebracht waren, sehr
geschmückvnlle Arbeiten des beginnenden XVI. Jahrhun-
derts. Von Holzschnitzwerken, die kirchliche Bestim-
mung hatten , nennen wir einen theils vergoldeten, tbeils
bemalten OsterkerzeuStänder aus dem XV. Jalirhun-
dert, eine Holzstatuette des Erzengels Gabriel und den
grossen auf Bädern stehenden stark restaurirten Holz-
Schrein , aus dem XVI. Jahrhundert, den der Katalog
das heilige Grab des
St. Benedict nennt, be-
stimmt entweder Beli-
quien dieses Heiligen
zu verwahren, oder was
wahrsclieinlieber ist, in
der Osterzeit als beili-
ges Giab — gleich den
Schreinen zu Salzburg
und Möcliliug — ver-
wendet zu werden.
Von den aus der
Zeit der (iotliik stam-
menden Elfcnbcinge-
genständen nennen wir
ein Elieiibeiu-Dii)tliy-
cliou aus dem XIV.
Jahrhundert mit Dar-
stellungen aus dem Le-
ben Christi, ein öpie-
gelgcbäuse , auf der ,
Kückseite die Erstür-
mung einer Liebesburg,
das Fragment eines
Schmuckkästchens mit
Darstellungen nach
einem mittelalterlichen
Bomane und einen mit
Ellenbeinsclniitzwcrk
bedeckten Sattel. Das
ungarische National-
Jluseuni besitzt drei
solche Sättel , die im
XV. Jalirliundert gefer-
tigt, aller kaum Je ihrer
Piestinnnnng gemäss ver-
\vi'ndet wurden, einen
(lerscll)en sendete man
zur Ausstellung. Die
ganze Fläche des Sitzes
ist mit Figuren und Li-
srjii-iften überzogen.
I )\r iistcrreicjiisclic Ab-
llieiiung entiiielt eben-
falls rincn solchen
Sattel.
An dieser Stelle
ist auch der Aussfel-
hiiigsgcgenstände tex-
'■■^
V \
rt.)
311
tiler Kunst zu gedenken , als da sind die vielen
aus den Saoristeicn von Gran , Neusold und Bart-
feld eingesendeten ;\Iessgew;inder, die zwar bereits den
noch jetzt üblichen Zuschnitt haben, aber sich sowohl
durch die dazu verwendeten StoiTe, fast ausschliesslich
Goldbrocat oder Sannut mit den herrlichsten in Samnit
oder Seide eingearbeiteten Dessins, wie aucli durch die
darauf augelirachten Stickereien bemerkbar machen.
Es sind diess entweder breite Mittelstreifen oder auf
dem Rücktheil aufgelegte Kreuze, thcils mit Gold- und
Silberfäden, theils nnt farbiger Seide gestickt und mit
Perlen besetzt. Die in Stickerei ausgelührtcn Darstellun-
gen veranschaulichen uns meistens Scencn aus dem Leben
Christi oder den Kreuzestod, dann Apostelgestalten
u. s. w. Fast alle diese Caseln gehören in das XVI.
oder begimiende XML Jahrhundert, zeigen jedoch in
Stoff und Stickerei Reminiscenzen der Gothik, nur
wenige reichen in das XV. zurück. Von anderen Sticke-
reien verdienen hervorgehoben zu werden : eine in
Gold- und Silberfäden vortrefflich ausgeführte Perlen-
stickerei, vorstellend die Passiouswerkzeuge und ein in
Hochstiekerei ausgeführtes Dyiiticlion, vorsfellentl die
Autlitze Christi und ]\Iariens , endlich ein kleiner Go-
bellin mit dem Jahre 1580, darauf die Anbetung Christi
durch die Magier. Auch die in den Graner Domschatz
gehörige Mitra verdient erwähnt zu werden. Sie hat
nocii die ältere niedere Furm, ist ganz mit Perlen l)e-
stickt und mit Edelsteinen besetzt.
Den mit dem Eintreten der Renaissance begin-
nenden gewaltigen rmschwung der Kunst repräsen-
tirte jene schön geformte aus drei Figuren bestehende
ehemals bemalte Terracottagruppe (Christus und zwei
kniende Engel), welche gegen den Eintritt des XV.
Jahrhunderts angefertigt, wahrscheinlich italienischen
Ursprunges ist.
Wir erwähnen ferner mehrerer Kelche, darunter
eines, im Barokestyl ausgeführten, nnt reichem Besätze
von Edelsteinen, samnit der dazu gehörigen und
ähnlich behandelten Credenztasse mit den beiden
Kännchen, ferner einer Krystall-Casette mit vergoldeten,
niellirten Sill)orbän<lern montirt und eines grossen Steli-
kreuzes mit Email-translucide-Schmuck, eine ausgezeich-
nete florentinische Arbeit des beginnenden XVI. Jahr-
hunderts, mit gothischen Reminiscenzen, sodann einer
bedeutenden Anzahl von Pectoral-Kreuzen und Bischofs-
ringen aus dem Grauer Schatze, ausserdem enthielt auch
die gräflich Em. Andrassy'sche und Franz von Pulszky'
sehe Sammlung eine kostbare Collection von geschnit-
tenen Steinen.
Die erstgenannte Sammlung und das ungarische
Museum stellten eine namhafte Anzahl von schönen
Silbergegenständen der Renaissance aus, darunter
Kelche, eine Tasse sammt Kännchen, Poeale, Krüge,
Bücher, zwei in Silber getriebene Figuren (Braut und
Bräutigam), ein Silberbechcr auf drei Löwen, einen sol-
chen auf drei Hirschen stehend. Beachtenswertli ist der
Einband eines im Jahre 1492 gedruckten Buches, enthal-
tend Petrarca's Triumphe und Sonetten. Wir fanden auf
jedem Buchdeckel innerhalb eines reichen, in Elfenbein
ausgeführten Renaissance-Rahmens je eine in Bein ge-
schnittene Darstellung, entnommen jenem Cyclus, der
auf den prächtigen Schreinendes Grätzer Domes, die in
der österreichischen Amateur-Ausstellung sich l)efanden,
angebracht ist. Die eine Vorstellung zeigt den Triinnidi
XVIII.
der Liebe, die andere den des Todes. Obgleich mit den
bezüglichen I'ildern der Grätzer Seh reine in der Zeichnung
gleich, stehen diese Schnitte jenen in der Ausführung
bedeutend nach.
Wollten wir all die sonstigen werthvollen Sachen an-
führen, wir würden kein Ende finden. Da sahen wir,
herrliche Bronzen des Cin<|necento, zwei grosse Bronze-
vasen, venetianisclie Arbeit im Barokestyl, ungarische
Nationalkleider sammt den herrlichen dazu gehörigen
Schmucksjichen, wie Jlanlelschlüssc, Gewandspangen,
Gürtel, Knöpfen, Forgos, dann Goldspitzen, Dosen, Uhren,
altes Wiener, säehsisches und Sevres-Porzellan, chine-
sische und japanesisehe Gefässc, darunter eine Zellen-
schmelzsidiüssel nnt Henkeln, an denen Elstern nisten.
Altpersische Kistchen ndtElf'enbeinschnitzwerk und eine
grosse Suite von Thonkrügen von den praehistorischen
Zeiten an bis in's XVIII. Jahrhundert. Auch zahlreiche
Wallen waren ausgestellt, und theils in den verschiedenen
■f.
&!-'W%3
Fig. 1-2. (Salzburg.)
41
312 --
V\sr. Ui.
Wioii.i
Kästen untergebracht, tlieils an den Wänden in zwei Grup-
pen vereinigt. Viele Stüdve davon sind durch ihre Selten-
heit, viele durch das dazu verwendete kostbare Material,
oder die Ansschmückiuig werthvnll. Wir sahen türki-
sche und tscherkessische Säbel, Dolche und Watfen,
ungarische Säbel, spanische Degen, Panzerstecher,
Streitkolben, Eisenfokos, silberne llellebarden, kostbare
Gewehre und Pistolen mit Mail- und Steinschlössern, die
Schlüsser mit Elfenbein, Perlmutter oder geschnittenem
Eisen verziert. Pf'erderiemzeuge und Schabraken, Heime,
eine Eisenrlistung, zwei japauesische Kviegsrllstnngen.
Von miniirten Handschriften erwähnen wir ein
Psalteriiiiri aus dem XHI.,ein Pont iticale ans dem W. ,Jahr-
humlert, ein Ofl'icium mit zehn miniirten Blättern, ein
llainltcste der Stadt Wien aus dem Jahre 1444 n. s. w.
FUr Sphragistiker und Heraldiker .stellte Ungarn einen
kleinen Schatz ans, wir sahen viele interessante Urknn
den mit den Originalsiegeln, ausserdem einzelne wertli
volle Siegel und 'i'yiiare.
Noch eriibi'igt uns der ^liinz- und .Meilaillen-.'^aunn-
liingen Erwähnung zu thuen, dietheils complet tlieils in
einigen Hauptre])räsanten zur Ausstellung gebracht wnr-
ilen. Da ist die Sinnmhing des Klansenl)urgcr Eandes-
muscinns, enthaltend Münzen der nati(jn;Uen l''iirstcn
von der Mitte des X\'I. .faiirhnnderts beginnend; da
ist die Sammlung des Fürsten Montennovo mit kost-
baren Goldmllnzen und 5Iedaillen auf P'ngarn und
Siebenbllrgen. Endlich gab eine Sannnliing von De
naren und (Goldmünzen von den .\rpadzeiten bis zum
X\'F. .lalirhundi'rt, eine l'bersicht der nngariseheii
Münzen in den herrsclienden Epochen.
Obwohl wir schon somanclu'r l'erlen dieser .\usstel-
lung crwähnt'habeii, so verbleil)t ducli noch vmi einer
Perle, einer Kostbarkeit ersten Ranges derselben zu be-
richten. Es ist diess eine auserlesene Auswahl \(n\ Origi-
nalhandzeiehnungen und Kupferstichen der ehem. fürstl.
Esterhazy-Sammlung, nnnmehi- ungarische N. Gallerie.
P'nter den erstem finden wir A. Altdorfer. Hans P)urk-
majT, Aug. Hirsclivogel, Kembrandt, Pul)ens, M. Wohl-
gemuth , unter den letztern die Kamen Marc Anton,
iMantegna, Peregrini de Cesena vertreten.
Die F. V. Pulszky'sche Kupferstich-Sammlung mit
den vielen Pendirandt's steht den früher erwähnten nicht
nach.
Eines Eindruckes konnten wir uns bei Durch-
wanderung der ungarischen antiquarischen Ausstellung
nicht erwehren, nämlich dass die Amateurs Trans-
leithaniens, die übrigens von nicht geringer Zahl sind, ihre
Samndungen mit weitaus grösserer Freigebigkeit ge-
öffnet hal)en, denn jene C'isleithaniens, etliche hervor-
ragende Kamen des Laienstandes und die geistlichen Cor-
j)orationen ausgenommen, deren Theilnahme au der
ungarischen Ausstellnng überhnui)t minder rege ge-
wesen zu sein scheint.
Wir konnncn nun zum Schlüsse unserer Wan-
derung. Obw(dil wir ül)erzeugt sind, dass sieh noch so
Manches in den Ansstellungen von Portugal, Frankreich,
Indien u. s. w vereinzelt findet, v,as wir zu besin-echen,
hätten, wollen wir nur noch in Kürze der Exposition
der anthropologischen Gesellschaft zu Wien, gedenken,
da diese sich der: vorhistorischen Periode Österreichs,
die in der österreichischen Amateur- Ausstellung nur
weuig vertreten war, angenommen hat. Wir sahen ein
grosses Lendengehänge, bestehend aus einer ver-
zierten Scheibe, Plättcdien, lüugen u. s. w. aus P.ronze,
Armknochen mit Pronzeringeu , Thougefässfragmente
hauptsächlich in Böhmen gefunden u. s. w.
Ki£f. 11. (Wifliezka.)
31.'} —
Manche Stücke wurden noch im v/eiteren Ver-
laufe der Ausstellung eingesendet und in die Collection
auf'genoninion. Ais aus der Sannidung Artaria eine
Reihe kleiner ^liniaturen der vor/.iigliciisten Art, eine,
das Pcirträt einer Dame vom Hofe Ludwig des XIV.
(Schule Petitot's), ein Porträt eines französischen
Herzogs, gemalt von Petitot und das Email-Porträt
Erzherzogs Eeopold Wilhelm, gemalt von Prieux
(l'iriS'i; ferner ein kleiner Bronzelcuchter, Eigcnthum
des Professors Job. Klein. Derselbe, mit einer starken
Patina überzogen, stammt von der in Donnersbachau
im oberen Ennsthale bestandeneu, nunmehr in Puinon
liegenden Kirche und gehört zu den selten vorfindliehen
Repräsentanten der Kunst -Industrie des romanischen
Mittelalters. Seine spröde, gedrungene und dabei an-
muthige Form, der conventionelle Typus in der Ausbil-
dung des Dreifusses, das durch vertiefte Linien in roher
handwerksmässiger Durchfüln-nng behandelte Ornament
des Fus>gestelles, welches im Interesse der Stabilität
eine zur Gesammthöhe unverhältnissmässige Erweite-
rung in der Breite und Höhe erhalten hat, charakterisiren
ihn als ein in der spätromanischen Periode erzeugten
Altarlcuchter. An demselben befremdet es, dass in der
Form die strenge, correcte Haltung, im Aufhau die derbe,
schöne Protilirung beibehalten wurde, in der Durclibililung
des Ornamentes hingegen eine flüchtige llandwerksmäs-
sigkeit Platz gegriffen hat, — eine Erscheinung, die
bei romanischen Arbeiten nicht leicht getroffen wird;
denn wenn das Ornament schon bisweilen eine schwer-
fällige l'nbeholfenhcit und bei .\nwendung von Men-
schen- und Thiergestaltcn eine crasse Unkmntniss der
Natur verrätli, so keiinzcicluiet die Arbeiten der roma-
nischen Periode eine sorgfältige, hingebende Ausfüli-
rung, wie sie unter dem Einflüsse einer erst begonnenen,
noch naiven nationalen Kunstthätigkeit denkbar sein
konnte. So stellen sich die Durclibrechungen des Orna-
mentes am Fasse als einfache gel}ohrte Offnungen dar,
die nicht strenge den Conturen der Verzierungen folgen,
bei welchen erst noch eine weitere Nachhilfe uothwen-
dig gewesen wäre, die aber hier unterblieben ist, und
die man bei aller Pietät für die romanische Kunstthä-
tigkeit als flüclitige P.ehandlung, wie sie an moderner
Marktwaare angetroffen wird, bezeichnen darf. Nichts-
destoweniger verdient dieser Altarleuchter als Reprä-
Fig. 1.'). (Wien.)
41-
3i4 —
sentaut der Geschichte der Arbeit ans der ablaufenden
romanischen Zeit die vollste Würdigung-.
Ferner ein Sessel ans Elephantenknochen zu-
sammengesetzt, ans dem Jahre 1554 mit gravirten
Inschriften, Ornamenten und Figuren. Jeder Fuss 60™
hoch, der Sitz 57'^" breit, Eigeuthum des Stiftes Krems-
münster. Die Knochen rnliron von dem rechten Fnsse
jenes Elephanten her, weklicn Kaiser IMax II. im Jahre
1552 bei seinem Einzüge in Wien aus Spanien mitge-
führt hatte. Den Fuss erhielt Bürgermeister Huetstocker
zum Geschenke, welcher daraus zum Angedenken den
Sessel anfertigen lies. Die obere Fläche des Sitzes
enthält folgende Inschrift: Cum. Illnstriss-Frinceps.
Maximilianus. Rcx. Buhemiae. Arcbidux Anstriae. etr
una cum regia cunjuge. Sua. Jlaria. Caroli Y. Rom.
Imp. filia. duobus regiis liberis Viennam ex Hispaniis
Anno MDLII. die VII. mens. mai. vcniret. Elephas in
suburbio viennenzi moritnr. E mortui ])ondns centena-
riorum XLII. librarum LXXIII. fnit. Ex cujus ossibus
mihi Sebastiane Huetstocker tunt tem]»oris consnli
Fif?. IC.
Vicnnensi dominus Franciscus Delasso suprcmus stabuli.
Regii Pracfcctus jussu rcgis armus dexter dono niissus
est, ex (pio lianc sellani memorie ergo f. f. 1554. Auf
den beiden Vordcrflisscu die Wa]»i)en des Königs Max
und seiner Gemahlin, an dem rückwärtigen Fussc das
Wappen des jBllrgermeisters Huetstocker in gravirten,
scliwarzgcbciztcn Conturcn.
Eigcntliinii der Stadt Wien ist aucli jenes nacli-
Irägiicli zur Ausstelhing gebrachte Schwert des Stadt-
riclitcrs ans dem Jahre J580. Das obere und untere
Ende der Lederscheide ist im reichlichen Maase mit
Sill)crbcschlägcn geschmückt, das obere; Besfliliige zeigt
auf einer Seite die auf einer Kugel stellende Figur der
'Gerechtigkeit mit Wage, Schwert und Zügel, darüber
den im Strahlennimbus schwebenden heiligen Geist
in Taubcngestalt i^^getri ebene Arbeit"), auf der Rückseite
in gravirter Arbeit das Reichswappen und folgende
Inschrift: Rudolfus II. Imp. 158u. Ren. 1690. Ren. "1702.
Rex. 1864. Der Griti' ist ans reich verziertem Silber her-
gestellt, die Klinge theils geätzt, theils mit Gold tau-
schirt. Auf der einen Seite sieht man das Wap]ien von
Nieder-Usterreich, den Binden- und den Wiener Kreuz-
scliild, auf der anderen den Reichsadler mit dem grossen
habsbnrgischcn Wajipen.
Endlich sendete das Stift St. Paul zwei Kreuze, die
noch im Verlaufe dieses Berichtes besprochen werden.
Zur Ergänzung (mseres Berichtes über die öster-
reichische Amateur- Ausstellung tragen wir im An-
schlüsse noch die Abbildungen einiger interessanter
bisher nicht abgebildeter Gegenstände derselben nach.
Essinddiessdie s, g. Ilrosnata-Schnsselmitdem schönen
Email aus dem XIII. oder XIV. Jahrlinndert, Eigenthuni
des Stittes Tcpl in Böhmen (Fig. 1) , der s. g. Kelch
ans der Pfarrldrche zu Gaishorn im Schatze des Stiftes
Admont (Fig. 2) , der schöne venetianer Glas]iokal des
Freiherrn Anselm von Rothschild (Fig. ?>) und der der-
selben Sammlung angehörige Doppelpoeal aus Silber
und vergoldet (^Fig. 4).
Die oberste Platte der mit alten Eniailplatteu
gezierten Cassette im Schatze des Stiftes "\'orau. Die
darauf belindliche Eniailnialerei stellt Christum in der
(41orie, auf dem Regenbogen sitzend, vor, in der linken
Iland ein Bncli, die rechte zum Segen erhoben. In den
vier , die Mandola umgebundenen Feldern die Evange-
listen mit den nindjirten Kö)ifen ihrer Synd)ole. Diese
Darstellungen umrahmt ein luschriftband , darauf fol-
gende Worte: t in nie jiraeterito | n (sie) prese | ns
manet atq | futurum. (Fig. 5 ')
In Fig. 6 tragen wir die Abbildung eines der
vielen Elfenbeinbilder, nnt denen der berühmte Falt-
stuhl des Salzburger Frauenstittes geziert ist , über
welches wir in der Folge eine eingehende Beschreibung
bringen wollen. Fig. 7 zeigt uns die Vorderseite des inter-
essanten romanischen Emailkreuzes von Bartholomäus-
berg in Vorarlberg. Daselbe ist ganz ndtEnmil überzogen
und mit gefassten (Ilasfiüssun reich besetzt. An den Enden
derQuerl>alken zwei nimbirtellalldiguren in Relief, tlieil-
weise emailirt, am Fnsse eine solche ohne Nimbus.
Christus, halbrunde Figur, trägt die Characteristik der
für diese Darstellung üblichen früli-romanisclien Concep-
tion, hat ziemlich jugendliches Aussehen, ein bis zu den
Knien reichendes, lilaneniailirtes I,en(lengew;ni(l,ist liär-
tig und gekrönt, die Füsse auf einem Schemel gestellt
und abgesondert angenagelt. Die ebenfalls blau emai-
lirt (■ Rückseite ist an den Balkenenden, nnt je einer
vierpassi'örniigen Platte, darauf in Schnud/farben die
Evangelisten-Symbole und mit einer grösseren rliomlien-
förndgcn Platte in der Witte besetzt, darauf der trium-
l)hirende (.'hristus ebenfalls in Schmelz dargestellt ist.
Fig. H zeigt uns ein* älteres, Fig. !1 ein etwas jüngeres
Kreuz, beide vom Stifte St. Paul nacliträglieh zur Aus-
stellung gesendet. Das erstere, eigentlich nur mehr die
Clirislusfigin', aus grün patinirter Bronze, ziemlich roh
gearbeiti't, an den Steilen der Augeidöcher, die früher
mit Steinen ausgefüllt waren, das Lendentucli reicht
rückwärts bis über die halben Waden, vor.'in bis zu den
Knien und ist mit eim-ni ringl'örmij;cn Dessin geschinückl
(X. oder Xi. .I:ilii-Iiini(leri i, dei- Christus des zweiten
13
CO
CO
— 31 :> —
Kreuzes ist weit fciuer, wenn auch der Gewoliulieit met worden. Yon den Gegenständen hatten einige
des XI. Jaln-huuderts getreu geformt, aus vergoldetem mittlerweile ihre liesitzer geändert. So kam die sciiöue
CoUeetion von Majoliea's, die das Stift Neureusch in
!\r;iliren ausstellte, als Geschenk an das ]\Iuseum für
Jümst und Industrie, den Sehrein von Miiehling und
das lieldielie Marmorköi)fehen aus der Antifjuitäten-
Sammlung des Stiftes Neuklosters erwarb seine
Majestät für die Anibraser-Sammlung. Leider fand sich
für den schönen silljernen Löft'el, den Dr. AFerta in Iglau
ausstellte und welcher mittelst eines Federwerkes als
Gabel benüt/t werden kann, ein Käufer aus C'öln, der
dieses seltene Stück nach dem Auslände schaffte. Auch
noch für andere Objeete fanden sich der Liebhaber
genug, doch war theils der Kaufpreis zu übersi)annt.
thcils waren die Gegenstände überhaujit nicht ver-
käuflich.' Kin Stück, eine kleine goldene Kette, wahr-
scheinlich ein Armband mit Kmailschmuck, aus dem
XVII. — XVIIL Jahrhundert, gefunden in der Thaya
und Eigenthuni des Grafen Dann in Vöttau ist. nachdem
die Übergabe an den Vertreter des Eigeuthümers vcdl-
zogen, gelegentlich des liücktrans])ort(s verloren ge-
gangen, ohne dass es bisher gelang, dieselbe auf-
zufinden.
Bronce, das Scliamtueh blau emailirt und nnt buntför-
migem Saume gcschniückt. Auch hat sich das aus einer
Kupferplatte mit reichem Schmelzüberzug auf der Vor-
derseite gebildete Kreuz erhalten. Fig. U) gibt die Ab-
bildung der Georgsstatne aus W.ener-Xeustadt. Fig. 11
das Schwert des Hochmeisters Siebenhirter vom St.
Georgs Eitter-Orden, Fig. 12 der rracht-]\ritra aus dem
Schatze des Petersstittes in Salzburg, Fig. i;; der Kanne
des gräflich Herberstein'schen Taufzeuges, Fig. 14 des
der Bcrgwcrks-Direction zu Wicliezka gehörigen Trink-
horncs, Fig. 15 des rathen, mit Gold gestickten .Stoffes,
ein Marsui)ium des heil. König Stefan, das sich im be-
schriebenen Keliquiar des Ka]iuzinerklosters zu Wien
befindet und Fig. IG des romanischen Leuchters, im
Besitze des Prof. Klein zu Wien.
Endlich geben wir in der angeschlosseneu Tafel
die Abbildungen der sehr interessanten Darstellungen
auf der geschlossenen Vorder- und auf der Rückseite
des Salzburger Hausaltärchens, welchen Abbildungen
Abdrücke von den Original-Gravuren zu Grunde liegen.
Während wir diess schrieben, bestand die öster-
reichische Amateur-Ausstellung factisch nicht mehr,
die Säle waren bereits völlig leer, und einer weiteren,
wenn aucii nur interimistischen Verwendung gewid-
' Wir haben KeDiitni.*-£ von zahlreichen, insbesouders an die iniändischeo
Stifte und Klöster gerichteten Zuschriften anstiindischer Antiquitäten-Händter,
die sicli anbothen, einzelne, wie ganze Saitimluniieu zu den höchsten Preisen
zu übernehmen.
Die Siegel der steierisclieii Abteien und Convente des Mittelalters.
Von Dr. Arnold Luschin.
(Fortsetzung. Mit lö Holzschnitten.)
5. Friedau.
(Frauciscaiicr. Stiltshuiligc : Maria.)
P. Vigil Greiderer's Germania Franciseana. Inns-
bruck 1777, L Band IIL Buch, 495—97 (S. 538) und
darnach bearbeitet bei Marian-Wendt VL , 306. —
Cäsar, Staats- und Kirchengesch. des Herzpgthums
Steiermark, VI., 374.
Gründer ist der Freiherr Jacob Zeckel , welcher
unterm 1(). April 1493 vom P. Alexander ^"I. die Bewil-
ligung zur Errichtung eines Klosters der reformirten
Franciscaner erwirkte und das Kloster sanimt Kirche
zu Friedau nielit lange darauf (z. B. im Jahre 150l
den Hochaltar) vollendete. In den achtziger Jah-
ren des vorigen Jahrhundert besass dieser C'onvent nur-
mehr so wenig Geistliche, dass der Ordensprnvincial
selbst auf Auflassung antrug, welche dann von der Re-
gierung nnterm 23. Februar befohlen und am ."i. April
]78() ausgeführt wurde.
Siegel dieses Conveuts aus dem ;\tittelalter sind
nicht bekannt.
6. Fürsteufeld.
(Augustiner de Larga oder Eremiten, Stiftsheilige: 1439 heilig';
Dreifaltigkeit, heilige Maria ; später der heilige Mauritius.)
Marian Wendt VI, 185, Cäsar, Staats- und Kirchen-
ges, d. St. V. — VII.
Im Laufe des Jahres 1362 war die Bürger-
schaft Mni Fürsteufeld bei dem Angustiner-Provin-
cial zu Wien, Xicolaus de Laun, um eine Colonie
Eremiten bittlieh eingeschritten und hatte nicht allein
einen geräumigen Platz für das zu errichtende Kloster
angewiesen, sondern auch milde Beiträge zum Baue zu-
gesagt. Diesen Gedanken griff Herzog Rudolf IV.,
welcher der Verhandlung darüber im Ordeuscapitel an-
gewohnt hatte auf, und verwirklichte ihn durch die Ur-
kunde vom 3. December 1362, in welcher er sich an-
heischig macht „ad hoc novnm monasterium Firstenfel-
densium dare locum et fundos ul)i temiilum et chorum
cumaliis neccessariis habitatioiiibus aptis illis aedificare
et habere possunt, secundum consuetudineni ordinis
Fig. ü. 'Fürstenfeld.)
illorum-. Die Zahl der Brüder wurde auf 12 festgestellt,
die Erwirkung der Beistimmung seitens des aposto-
lischen Stuhls und des Erzbischof, von Salzburg zuge-
316
sagt und die neue Stiftung in den besondern herzog-
lichen Schutz genommen. Gleiclizeitig wurden die from-
men Verpfiiehtinigen des Klosters gegen die herzog-
liclie Familie geregelt. .Vlsliald begann der Bau einer
^geistlich hofstat zu einem ganczen conuent vnd newer
Stift" und mit demselben mancherlei Anstände, welche
der f'onithnr der dortigen Johanniter Tommende namens
der Stadtitfarrkirehe erliob, weil er für diese einen be-
deutenden Entgang an den herkihnmliclien Opfergaben
befürchtete. Herzog Albrecht III. beglich endlich (am
!). October 1365) die Streitigkeiten, zu deren Aus-
F\g 7. /Oeirach.)
tragung nicht einmal die aufgerul'enen Schiedsrichter
genügten ' dahin, dass das Kloster der Pfarrkirche die
Schmälcrung der Einkünfte durch einen binnen drei
Jahren zu bewerkstelligenden Ankauf von sechs Pfund
Gülten zu widerlegen habe. Nachdem noch der Erz-
bischof Pilgrim von Salzburg, seine bisher ausständige
Zustinnuung am (2. August 1867 zu Lcibniz) gegeben
hatte, erfolgte im Jalire l.'iCS die Kinweiliuug der Kirche
durcli Erzbisch((f Urtuliili von .Vpaniia.
Zu grösserer Blütlic gelangte das Kloster erst
durch das Vermächtniss des Fürstenfelder Stadtrichters
Nietdaus Iiiegersdorfer und seiner Gattin Margareth,
welche darum geradezu als die ersten und wahren
Stifter betrachtet wurden. ~ Diese verschrieben dem
Convente, niichdera sie schon vorher eine eigene Capelle
in der Klosterkirche gestiftet hatten, für den Fall ihres
kinderlosen Todes iin-e gesanmiti' bedeutende Habe
und zwar sowoiil zur Ausstattung von .lalii'tagcn und
ewigen Lichtern, als auch zur Vervollständigung des
Klosters durch Erbauung eines Kreuzgangs, eines Ca-
pitel- und eines Schlafhauscs. Nach mancherlei widrigen
Erfahrungen, die das Kloster (z. I'.. 14SK durch corvini-
sclie Sehaaren, 150;) durch völlige iMiiäscherung) er-
fahren hatte, schien es der Ueformation zum Opfer
fallen zu sollen. Schon hatte die Stadt, nachdem die
meisten Besitzungen in den Jahren 1547- -1551 ver-
kauft worden waren, nach dem Tode des allein übrig
gcbli(;bcnen l'riurs l^ranz Wan, Besitz von den Kloster-
gehänden genommen , als es den energischen Be-
mühungen des Ordensobern noch einmal gelang, die-
selben ihrem ursprünglichen Zwecke zurückzugewinnen.
Das Khisfei' iilieilelitc sogar ilie Joseiihiiiischc Epoche,
' l>]o von Schle(l»1ctitun do« Klosters beantrrtgtc KntschücUi;ungiisummo
bctriii; 'i Pfd., wog*-K'*n Jone do» Oegenthi-H« 32 Pfd. hcroilBgorcrlmet hfttlon.
Orlg. Pitt. Im «tci<r. I.. A. Nr. JfllS«.
' Mio Stiflurig ItloKomdorrir'a ddo. lUm, 27. .Juni lal aligeihuckt bei
Cnesar Ann. Styr. III, 7UA. In ItoaltK dor Erbschllft kam dns Kloster vor
1 t3ii, denn vom 18. .Mal d. J. dmlrl ein ISeslXlIgungsbrlof Herzog l'rlodrlch V.
wurde indessen später (ISll) von der Regierung auf-
gehoben und 181o an die k. k. Tabakfabrik um den
Preis von 8000 fl. abgetreten.
Der Augustincr-Convent von Fürstenfeld hat sich
während des Mittelalters, wie es scheint von seiner
Gründung an, bis in die zweite Hallte des XVI. Jahr-
hunderts eines und desselben Siegels bedient, das jedoch
bisher nur aus sehr ungenügenden Abdrücken be-
kannt ist:
8. (XIV. Jahrhundert.) Lapidar zwischen Perlen-
linien:
-f S ° aO ° FR " (h o ORDI) S => S (.WaXT)
i .W'G (\-STIl(F) \HR t/JTtf\'«LD '
(Sigillum conventus fratrum heremitarum ordinis s.
Augustini in Fverstenveld.)
Die sitzende Gottesmutter mit dem Kinde auf dem
rechten Arme. Zu beiden Seiten erscheint im Siegel-
felde ausser emporrankenden Blumenzweigen je ein
betender Ordensljruder ober einem getheilten Wapjien-
schilde mit Querbalken und Panther: Rund. Gr. 50 Mm.
Fig. C), schwarzes oder grünes Wachs.
Die beiden Schildchen enthalten das Wappen der
Stadt Fürstenfeld, dlnvolil in einer von der gewidui-
lichen abweichenden Anordnung. Dieselbe kann jedoch
um so weniger autilallen, als bei diesem Wapjjcn die
grössten Schwankungen vorkommen, und z. B. schon
im XIII. Jahrhundert der vorher neben dem Panther an-
gewandte Adler dem (österreichischen) Balkenschilde
weichen niusste. (Melly Beitr. S. 81 fgd.) Gemeiniglich
(^auch bei Widimsky Nr. 25) wird es darum als eine
Vereinigung der österreichisch-steierischen Landeswap-
pen: weisser Querbalken in Bnth, und weisser Panther
in Silber blasonirt. Schmutz gibt dem Balken die Gold-
Fii;
(Güss.)
linkliir, wogegen Bartsch (15(17) diesen ganz verwirft
unil nur einen i;(ilileiieii l'aiidier im schwarzen I'elde
angibt.
I I':rliaU(.'n hat altli da» Slogcl In uhior l'orKnniuiit-lrkmiilü dd". 1553,
»nntag vor ». fülgontng ln'tl'. den Vorkiiuf dor Kloslur-Iindstillio nn Muiili.irt
llloMchiiogl In so boscIiKdlgtom Ziistnnriu, d.i»» dlo iianzo Unko Scito dc-r Um-
«chrlft, dlo Iliiclislabori S . (lO ausuonnninii'n bi» .\V(; orgiinzl wcnlun iiuissto.
Eine kiirzllcb aufgofumlon.: rnplor-Uikundc ddo. 1551), Sunntaii nacli Si.
fAnloiilonlng) , betredond dlo Auf.-nndung von :! Schll. .'IDon., 1 Ilollcr an den
I'rocin-ator der »tcicr. I.and-rhafl, Tablan /VllinKOv verkaufter llorron^iilten,
hat von dr;m Siegel nur dl.' Jilldlliicli.' und die Anfani;»- Hurhslalicn .S , OO .
Kl'" erübrigt. Die Darstellung nlninil nill der vom Slogolzolohiii'r ank'odeii-
toten Ergänzung völlig überoln, allein dlo Umschrift mus» nun In dor Im
Texte angedoutcton Weise vorvollsinndlgl werden.
— ;}1T
Mittelalterliche Siegel dor rrioren sind iiiclit be-
kannt.
7. Geii'iich.
(Kartliiinser, Stiftsheiligev : Mauritius.)
Puscil luul Frölilicli DiiiimiKitaria sacra dnoatus
Styriae II, 133 — 177 (Dipiuuiatariuni ('arthusiae Gyiien-
sis.) Marian Wciidt \i, 344. Über die .späteren Schick-
sale Dr. R. Peinlich Jahresbericht des k. k. I. Staats-
Gymnasiiims in Graz 1872, S. G2.
Um das Jahr 1174 hatte Bischof Heinrich von Giirk
mit Zustininunii;' seines Capitels und seiner Ministerialen
..in praedio quodam Gyrio nomine in ]\Iarchia sito'' ein
Karthäuser-Kioster gegründet, welches Papst Alexan-
der III. genehmigte und in seinen Schutz nahm. Als
jedoch Bischof Heinrich kurz darauf (117(5) starb, drohte
der neuen Stiftung grosse (-efahr, da dessen Nach-
folger dieselbe einem andern Orden einräumte. Schon
war sie ganz eingegangen, als Herzog Leojjold VI. sie
im Jahre 1209 erneuerte , die verschleppten Güter wie-
der zusamnienbraciite und durch ansehnliche .Schenkun-
gen vergrösscrte. Die Karthause bestand sodann unter
wechselnden Schicksalen durch vierthalb hundert Jahre,
bis sie der Verschwendung und schlechten Klo.sterzucht
zum Opfer fiel. Als solches durch die Visitation 1564
festgestellt war, bekam sie .Administratoren, erst den
Kardinal Zacharias \on Daupiiince , dann 1589 den
Abt von Kenn, ohne dass der Zustand wesentlich
gebessert worden wäre. Zwei Jahre darauf wurde die
Karthanse, nachdem sie schon vorher Beiträge znr Er-
liauung des Jesuiten- C'ollegiums zu Grätz und zum
Unterhalte des Convicts liatte leisten müssen, zu (Gun-
sten dieser aufgehoben, und den Jesuiten die Verpflich-
tung auferlegt, einen Theil der Einkünfte für eine An-
zahl von Zöglingen (ahnnni Gyrienses) zu verwenden.
Über dem reichen Urkundenschatze des Klosters
schwebte ein böses Verhängniss, die weit grösste An-
¥ig. 9. (Üöss.j
zahl der alten Originale ist verloren gegangen und es
sind darum nur folgende Siegel bekannt :
9. (XIU. Jahrhundert.) Lapidarschrilt zwischen
glatten Linien :
■h S \'ALLIS SCCI *A-,\'Rian IRGV) ROW
Ober einem dreifachen Bogen die heil. .Maria mit
dem Jesukinde auf dem linken Arme, unterhalb ein
kniender .Mönch von der rechten Seite. Spitzoval Gr.
37/23 Mm., ungefärbtes Wachs, sehr beschädigt an der
Urkunde B. Dietrichs von Gurk ddo. 1200, 24. Decem-
ber Grätz, erhalten, in welcher dieser die Beilegung von
N'ogteistreitigkeiten zwischen dem Kloster St. Paid und
Fig. Kl. (GÜ.SS.)
dem Grafen von Pfannbcig durch das I'rtheil des
Königs Otak'ir II. bezeugt. (K. k. geh. Haus-Hof- und
Staats-Arehiv in Wien.)
10. (XIV. Jahrhundert.) Lapidarschrift zwischen
S c \HLLIS o -SAnaTI = 0'^7T\RI(CII = IN - GWUO o
Die stehende Muttergottes nnt dem Jesukind auf
dem Arme. Spitzoval G. 45 32 Mm. Fig. 7.
Vorhanden an einer Vergleichuugs-Urkunde der
Karthausemit den Montpreisern ddo. 1335 , .30. März,
Geiraeh im k. k. geh. II. II. und .Staats -Archiv zu Wien.
8. Göss.
iBenL'dictiner-NoniK'ii. Stittsheilige : Maria, Andreas.)
Pusch und Fröhlich, Dijil. s. Duc. Styr. I., Seite
1 — 13ü. Marian Wendt. VI, 141. Schmutz" Topograph.
Le.\. I, 529.
Auf den Gütern im Leobeuthalgau , welche ein
Graf Aribo im Jahre 904 vom Könige Ludwig zu Ge-
schenk erhalten hatte, begann mehr als ein Jahrhun-
dert später die Gemaliu seines gleichnamigen, vom
Sehlage gerührten Enkels, Adala, die Errichtung eines
Frauen-Klosters nach der Regel des heiligen Benedict.
Vollendet wurde dasselbe durch deren Sohn Aribo, da-
mals Diakon, der Salzburger Kirche und später Erz-
bischof zu Bfainz, um das Jahr 1020 und gleichzeitig\ani
1. Mai d. J.) bestätigte König Heinrich II. dessen Be-
sitzungen. Trotzdem wurde Adala als die eigentliche
Stifterin betrachtet. Schon vom Jahre 1023 stammt eine
reiche kaiserliche Schenkung ,,cuidam nostro mona-
sterio Gossia dicto'- und rasch folgten andere , so dass
das adelige — wohl auch kaiserlich genannte — Frauen-
stift zu den reichsten des Landes zälihe , als es am
318
21. März 1782 der Grätzer Kreis-Hauptuuiun Graf Wolf
vou Stubenberg für aufgelöst erklärt. Mit dem Stifts-
vermög-eu wurde das vou Kaiser -Tosef 1783 geschaffene
Bisthum Leoben dotirt, und dem ersten und einzigen
Bisehofe Alexander Grafen von Engel das auf loGSS fl.
3 ',2 kr. geschätzte Erträgniss anstatt der Congrua jähr-
licher 12000 fl. überlassen.
Fig. 11. (Göss.)
Während dos Mittelalters bediente sieh der Con-
vent dieses Klosters vier verschiedener Siegelstempel,
welche den überlieferten Typus in der spitzovalen Form,
der rmsclirift und in der Darskdlung durch Jahrhun-
derte bewahren, in Kinzeliiciten dagegen nicht uninte-
ressante Veränderungen zeigen. Alle enthalten nämlich
das von der knienden Stifterin Adala emporgetragene
Bild des Münsters ndt der vomllinmiel herabsegnenden
Hand Gottes und il(>ni leoninischen Hexameter als Um-
schrift: „Adela sunnue deus, hoc fert tibi fanuila mu-
nus". Daneben aber verändert sich nicht allein die
Tracht der weiblichen Figur, sondern auch der Bau-
styl der Kirche.
11. (XII. Jahrhundert.) Eapidarschrift zwischen
einfachen Linien :
+ IVdElJl " SWWOl = I)S 0 I-GK r
F77.WVLA o mvms.
TIHI
Adala, bekleidet mit einem in liatterndc Fiügel-
ärmcl cndigi'ndciii (lowandc, hält mit wc'it ausgebreite-
ten Armen das rumauische Kirchengebäude, das einen
in der Mitte aufragenden Thurm aufweist, an welchem
die .\psis mit Kupi)clbedacliiing auschliesst. Kirche und
Tliin-m sind mit mehreren Jicihen übereinander ange-
brachter l!iindl)Of;-en-l''enster versehen, der Eingang ist
an dei- \orderscitc und dem 'J'hurme scli\\a(li sichtbar,
die Hand Gottes ist kurz, und senkrecht :iiir das Kir-
ciicndach geriditct. Fig. H,
G. fi(i'4i) Mm. rohes Wachs an bhiu gcflirbten
IlanlVädcn hängend, (•rhal(('n an IJrkiimle von 1220,
(Xr. 423) des steirm. lyandes-Arciiivs.
Bald darauf scheint dieser schlicht gearbeitete
Stcmjjcl verloren gegangen zu sein und es wurde die
Anfertigung eines neuen Siegels offenbar nach einem
Abdrucke des alten angeordnet. Die Arbeit fiel, nament-
lich was die Schrift betrifft, nicht zum Besten aus, ob-
gleich sich der Graveur möglichst genau an sein Vor-
bild hielt.
12. (XlII. Jahrhundort.) La]iidarsclirift zwischen
einfachen Linien am untern Thoile des Siegels be-
ginnend :
■{' KDKLh ^\y\V. ns HOC (FK)RT TIBI FTTMAI-h
.>\\'X\S.
Die Darstellung Adala's ist sich gleich geblieben
und nur vergröbert, die romanischen Portale an dem
Thurme und der im Giebel mit einer aufragenden Spitze
versehenen A'ordorseitc erscheinen deutlicher. DcrThurm
ist schlanker, die segnende Hand bedeutend grösser
und länger geworden. Fig. 'J.
G. 66/43 Mm. ungefärbtes Wachs, au Seidenfäden
oder Pergamentstreifen hängend , an Originalien des
steirm. LandcsArchivs, während der Jahre 1200 — 1269
(Nr. 732, 746, 933).
Der so ersetzte Sicgelstcmpol erfreute sich nicht
lange der Zustinnnung , sondern man begegnet seit
1292 einem dritten, welcher alsdann bis in das XV.
Jahrhundert im Gebrauche stand. '
13. (XIII. Jahrhundert.) Lapidarschrift zwischen
einfachen Linien :
7iD«LK o S\OM I)\ S ° HOC FffRT TIBI InOA'LTJ »
Adala erscheint in ]\Iönchskleidung mit weiten
Ärmeln und Capuze. Das Kirchengebäude tritt in den
Details viel klarer hervor; die Eingänge sind ver-
schwunden , dafür zeigt die Vorderfront ein kleeblatt-
förmiges Fenster und einen kreuzgeschmückten Giebel.
Die Kuppel der .\psis, auf den früheren Siegeln durch
Fig. \2. (Graz.)
den Thurm zur Hälfte verdeckt, ist hier vollkonnnen
sichtbar.
G. 65/44 Mm. — meist an Pergamentstreifen an-
hängend, z. B. 1292, 9. (»ctober. Güss. Fig. 10.
14. (XV. Jahrhundert.) Übergangs -Lapidar zwi-
schen einer Perlen- und einer einfachen Linie.
; Äi.'iA i s\-.\\K : 'c)\s hoc j fkrt ; niii ;
FTTAWLTi ; .\\\\CI t Zierrath und -I-.
'Kino »clulnbnro Ausnahino von cllreov KoihcnMk'o blldtt ürk. liOO;
Oö»B. (Nr. 7H7 de» «Icliir. T,. A.), In wi^lrhor Otto vun Pornock für «ich unil
scino vorwilwoto Scliwo»lor Cuncguiul einen Hof zu Hvntostdrf an dus Klo-
ster (iöss schonkt , well hier «clion dn» Nr. lil beschrlolicno .Sichel an Seiden-
fSdcn nngeliiinKl, Allein die l'rkundo »rholnt nur In einer I"—'-'" Jahre spiito-
ron Auufcrtigunii «Ich orli.ilten zu halien, du Olto's von rorneck Siogcl fehlt,
obwohl e» angekündigt «Ird und dafür Jone» seiner Schwester da l»t^ welche
nach dem Worllauto der Urkunde durch Otto von Liechtenstein vortreten
werden sollte.
319 —
Adala in engärnu'liger ^löiiclistraclit und Ca-
pntze, hält das gnthisclie Kirchengehäiide, hinter wel-
chem der in eine Kreuzrose endigende Thuruieiiiporragt.
Den Giebel der Vorderseite, in welcher ein grosses Tlmr
ersclieint, sclnnückt gleichfalls eine Kreuzrosette. Die
segnende Hand ist klein und parallel mit der Richtung
des Kirchendachs. Die untere Hälfte des Siegclfeldes
erfüllt endlich ein verschlungenes Schriftband, auf
welchem , von den emporgestrecktcn Armen Adalas
unterbrochen , die Jahreszahl der Siegelanfertigung
14_S9 steht.
G. 70/44 Mm. Fig. 11. An Pergamentstreifen an-
hängend erscheint dieses Siegel meist in grünem Wachs,
an mehreren Urkunden des steir.Landes-Archivs bis tief
in das XVI. Jahrhundert.
Die Abtissinen lührteu \\:iliren(l des Jlittelalters
eigene Bildsiegel, in neuerer Zeit auch Wappensiegel.
Das Wappen des Stifts, wie es bereits 15G7 im Bartsch'
sehen Wappenbuch vorkiinnnt, war ein schwarzes Huf-
eisen im goldenen Felde.
9. Grätz.
(Minoriten. Stiitsheilige : Mariii.)
Kaisers Max 1. geforderte Itefurmirung anzunehmen uml
zur strengern Observanz überzugehen, seiner Besitz-
rechte auf das Kloster bei der Murbriieke für verlustig
erklärt.
Als die Minoriten im Jahre 1520 abermals nach
Grätz zurückkehrend, iiir altes Kloster nicht mehr zu-
rück erlangen konnten, dankten sie dem frommen Sinne
der Familie Eggenberg einen provisorischen Aufenthalt,
bis ihnen zu Knde des XVI. Jahrhunderts die schöne
Mariahilf-Kirehe auf dem rechten Murufer nebst einem
stattlichen Klostergebäude erbaut wurde, in welchem
sie sich noch gegenwärtig befinden.
Herzog Cosmographia Austriaco-Franciscana. Köln
1750, 264 ff., Marian Wendt Austr. Sacra VI., 237
und 256.
Schon ums Jahr 1226 soll der Minoritenorden zu
Grätz eine Ansiedlung zur „Hinnnelfalirt Maria" genannt,
besessen haben. Andere nennen die Jahre 12;jOund 1240.
In der That werden in einer am 13. Juli 1239 zu Graz
ausgesfellteu Urkunde Minoriten unter den Zeugen an-
geführt, doch lässt sich nicht erkennen, ob dieselben
bereits in der Stadt ansässig waren, oder ob sie sieh
wie die ebenfalls erwähnten Dominicaner ohne Convent
und nur vorübergehend aufhielten; ' für das Jahr 12.54
bewahrt indessen das fürstbischöfliche Archiv zu Lai-
bach ein unzweifelhaftes Zeugniss, eine Bulle Papst
Innocenz IV., in welcher dieser „(piardiano et fratril)us
ordinis fratrum Jlinoruni de Grecz" die Frlaubniss zur
Annahme frommer Vermächtnisse und dg), gewährt.
Fig. 13. (Grätz.)
Im Jahre 1515 wurde der Orden, da er sich wei-
gerte die vom Papste Leo X. über Einsehreiten des
I Hfinrich von Grafenstein und Ulricii vnu Trixfn erklären sicli mit
einer Schenkung ilires Brurlers Ch(olo) an das ])eutschordenshaus zu Graz
einverstanden. Unter den Zeugr-n: de ordine fratrum Minorum Alliertum,
Marchwardum sacerdotes , de ordine Praedicatorum frater Fridericus et Her-
manuns sacerdotes, u. s.w. Original im Drutschordens Archive zu Wien uml
Copie Pap, im steierm. Land'^s-.\rchivp.
XVIII.
Fig. 1-1. (Griitz, Miiioritt'u-Coiivent.)
15. (Xl\'. Jahrhundert.) Lapidarschrift zwischen
Perllinien.
■i- . S. — GT^HLlHÜ - I II* . GR.\TZ-€.
Brustbild der heil. Maria mit dem Kinde in gotinseher,
altarähnlicher Nische, unterhalb der betende Quardian.
Spitzoval G. 29/25 Mm , Fig. 12 grünes Wachs an
Pei-gameut-Streifen. An einer L'rknnde vom Jahre 1514
im Archiv des Grazer Franciscaner-Convents.
16. (XIH. Jahrhundert.) Lapidarschrift zwischen
Perllinien :
■b S o I'RÄTR\'0^ o Oll - \ CR o (I N G) o RSTZe
die Krönung Maricns, unterhalb ein betender Minorit
mit aufgesetzter Kaputze.
Spitzoval G. 42/26 Mm. Fig. 13, weisses Wachs,
erhalten an einer Originalurkunde des Klosters Admont
ddto. 1265, 14. October, Grätz, in weicherbezeugt wird,
dass Stadtarzt Johannes, der Quardian Br. Absolon und
der Reetor des Grätzer ^Minoriten-Klosters gewisse Pri-
vilegienbriefe des Stiftes Admont in der öffentlichen
Gerichtssitzung laut abgelesen, gejjrül't und verdeutscht
hätten.
17. (Xn'. Jahihundert.'i Lapidarschrift zwischen
Perlenlinien.
4- S . aÖV«RT' FRHTR . »IdRüR . 11* . GRtfZ.
Die Krönung Mariens. Spitzoval G. 46/32 Mm.
Fig. 14, grünes Wachs an Pergamentstreifen, erhalten
an einer Urkunde, welcher der Provinzial-Custos und
der Convent der Minoriten von Grätz den Dr. Hanns von
Halweyl „zu einem proeurator oder geistlichen vater
vnsers closters zw Gratz bei der .Murprueken ernennen
und ihm den Besitz sämmtlicher (Uiter des Klosters
einräumen u. s. w. ddo. 1514, 19. October.
42
320
10. Grätz,
I Üomiuicanerineii, Stiftslieilig-er: heilige M;ii-ia.)
Herzog' a. a. 0. Jlaiiau We'iult VI., 2o4.
Unter'm G. April loOT crfheilte Herzog Friedrich
der Schöne dem Landeshauptmann der Steiermarlc
ririch vonWallsee die liewilligiuig-, auf seinen Gründen
nächst Orätz ein Frauenkloster des Predigerordens zu
stiften. Schon im folgenden Jahre begann der Bau des
Klosters, welches ir>13 bereits bezogen wurde und im
Laufe der Zeit reichliche Dotirung, n. A. auch ein von
denllorneckern gegründetes Spital erwarb. Als aber im
Jahre 1481 eine Belagerung der Stadt durch das Heer
des Ungarnkönigs Mathias Corvin drohte und man be-
sorgen musste, dass das ausserhalb der Stadtmauer auf
dem (jetzt imbekannten") (Trillbühel gelegene Kloster
dem Feinde einen vortheilliaften Stützpunkt abgeben
könnte, da wurde dasselbe geschleift und die Über-
>iedlHng der Nonnen ins Innere der Stadt angeordnet.
Fi<?. 15. (Orätz, Dniiiinic.iiiei-iiien.)
Hier wurden dieselben zunächst in l'rivathäuser unter-
gebracht, weil die Stadt mit Kücksicht auf den Stand
ihrer Finanzen die Erbauung eines neuen Klosters ab-
lehnte. Als der auf die Ul)ersiedlung des Franciscaner-
f'onvents abzielende l'lan 1407 nicht zur Ausführung
kam, wies man ihnen ihre ^\'(dlnung■ nächst dem Fried-
hofe der .Minoriten (im sogenannten I'aradeis) an , bis
sie 1517 das von Franciscancrii nach Einräumung des
Minoritcnklosters leergewordene Ordenshaus am soge-
nannten 'rummcl])latzc beziclicn konnten. Die so in
ihren Besitz gilaiiglr Kirche S. Leonhard bestand
liis zu der im Jahre ]7«4 von der Regierung vertilgten
.\ufhebung des Klosters, welche am 1. Jänner des fol-
genden Jahres vollzogen wurde. Aus dem dabei cr-
haltencnBaarvcrmögen wurde ein Betrag von25().0()()li.
für die Errichtung eines adeligen Damenstilts mit
18 I'lätzen ausgeschieden, und tliesem seli)st das weit-
läufige Klostergcbäude zur Verfügung gestellt.
18. (XIV. Jahrliinidcrt) Lapidarschrift zwischen
Perllinien :
+ S . 'VÜNH'S . S(i{{ . A\7:U1(( . IN (;U((I)D o
Unter einem von Säulen getragenen gothischen
Vorbau die heil. Maria als Himmelskönigin, das Jcsu-
kindlcin auf dem linken Arme und den Zepter in der
Ki'cliten. Spitzoval. ('•. b'.'i/'.iU .Mm. Fig. Nr. In farblost'S
\V:ic
IS ;in
I'crgamentstreifen anhängend, eriiidtin
an
einem Original des steier. Landes- Archivs vom Jahre
1388 (Nr. 3G5n.
11. Grätz.
(Franciscancr. Stiftsheilig'er — 1515. h. Leonli;ir4 ,
s|)äter die heil. Jlana.)
Herzog C'osmügra]iina Austr.-Franc. 2t)4 — 303. P.
Vigil Greiderer Germania Franeiscana I. Band, 3. Buch
81, S. 306, Marian Wendt VI, 236.
Kaiser Friedrich III., ein besonderer Gönner der
„refonnirten Franeiscaner", die er schon 1451 in Öster-
reich einführte, nachdem er zuvor beim Papste dem
Orden die Erlaubniss zur Errichtung von 10 Conventen
in seineu Gebieten verschafft hatte, begünstigte auch
deren Niederlassung zu Grätz. Schon am 8. October 1463
gab der Erzbischol Burkiiard von Salzburg auf Ver-
wendung des Kaisers als Diöcesan seine Zustimmung
zur Ansiedlung nächst der St. Leonhards-Capelle, ausser-
halb der Stadt (in eeclesia St. Leonhardi prope Graz
sub limitil)ns parrochialis ecclesiae oppidi). Doch iiatte
der kaum begonnene Bau anfangs namentlich sei-
tens der Anrainer mancherlei Aiitcindungen zu erdul-
den, welche den Kaiser im Jahre 1467 zu einer gemes-
seneu Weisung an den Landesverweser Veranlassung
gaben. Die förmliche Schenkung von Grund und Buden
auf welciien das Kloster noch innner im l'aue betindlich
war, erfolgte erst 1471, sie betiaf die Gegend des heu-
tigen Tummelplatzes, der damals noch ausserhalb der
Stadt lag. Als dann der Convent der Donduieanerinen
seit der im Jahre 1481 verfügten Abtragung des Ge-
bäudes an dem Grillliühel obdachlos geworden war,
machten König Jlaxinnlian und dessen Gemalin Bianca
Maria dem l'apstc Alexander VI. 1497 den Vorschlag,
das Minoritcn Kloster, bei der Murbrücke gelegen, des-
sen Bewohnerzahl sehr zusannnen geschmolzen sei, den
relbrnnrien Franciscanern zu ülierlassen, und deren
theilweisc noch unausgel)aute Ansiedlung den Doniini-
canerinen einzuräinnen. Doch verzögerte sich diese An-
gelegenheit. Erst am 25. Mai 1515 wurden die Mino-
ritcn, weil sie auf die vorgeschlagene Pelormation incht
eingehen wollten, \o\\ den päjistlichen Connnissiiren
ihres Klosters für verlustig erklärt und dieses an die
Fi'anciscaner überwiesen. Dieselben bezogen es sofort,
noch vom gleichen Jahre datirt ein Revers, in welchem
sie der Stadt (Jrätz vcrs|)rechcn, tlie in die Stadtmauer
zur Erheltung ihres Rcveiit und ihres Schlafsaals ge-
Inochenen Fenster mit dicken I]isenstangen zu verwali-
ren, und behielten es bis zur (u'genwart.
Siegel dieses Convcnts aus dem Mittelalter sind
nicht bekannt, ein neueres vom Jahre 1652 beschreibt
Herzog a. a. O. S. 303.
13. Grätz.
( DniiiiniciiKT, /Hill lii'il. liliit.)
Caesar .\enales Stvriae 111, 523. Marian Wendt
253.
Mit Urkunde vom Charsamstage 1466 genehmigte
K. Friedrich HL, dass die Dominicaner die im ehemali-
gen Judcnvicrtel neu errichtete Gapelle nebst dem
dazu gehörigen Grunde übernehmen, und daselbst ein
Klostei' rrliaiien illnflen. Nieht lange darauf, .am 16.
VI,
321
Juni (1. J. crfolg-te die piipstliclic I'cstäti.n'inij;' und es
blieben min Kirclie und Kloster durcii nahezu 120 Jahre
im Besitz des Ordens, der es 1586 an die Jesuiten ab-
treten musste, und sich dann naeh Kt. Andrä auf das
rechte Murufer zurückzog. Von hier aus übersiedelte er
18o8 in das frühere Augustinerkloster im Münz,i;ral)en,
musste aber auch dieses im Jahre 1832 zu Gunsten der
Jesuiten aufgeben. Xach deren Weggange wurde das
Dominicanerkloster wieder eingerichtet, und besteht als
solches bis zur Stunde.
in. (XV. Jahrhundert.) IMinuskel zwisclien einer
einfachen Linie und äusserem Stufen rand.
J& : priorio röuf tua : frm : nrtitiiio : ^ tiiratoru :
i : grcf:5
(Sigillinn prioris conventus fratruni ordiuis Praedica-
torum in Grecz.)
Im Siegelfelde ein Kelch, ober demselben die bis
zum halben Leibe aus dem Grabe aufgerichtete Gestalt
des Heilands, die Linke erhoben und mit der Eechten
nach der Brustwunde deutend.
Spitzoval, G- 43 27 ^Im. rothes Wachs au Seiden-
scbnüren oder Pergamentstreifen hängend (an zwei
Originalen des steierm. Landes-Archivs aus den Jahren
1514 und 1528).
20. (XV. Jahrhundert.) Minuskel zwischen einer
einfachen Linie und äusserem Stufenrand.
8 : roüctua : ror|]Drio ¥ti frum nrlliniö p ^tra'
tnru t grä^ j
(sigillum conventus corporis Christi fratruni ordiuis Prae-
dicatorum in Graez 4-)
Iiu Siegelfelde ober einem Kelche mit emporragender
Hostie, das Lamm mit der Osterfahne.
Fig. 1(). ((4ratz, Dominicaner.)
Spitzoval G. 43/29 IMm. Fig. Nr. IG, rothes Wachs,
an einer Urkunde des Steierm. Landes-Archivs vom
Jahre 1514 an einem Pergamentstreifen anhängend.
13. Hoheninaiitlien.
(Augnstinei'-Ereniiten oder de Larga , znni heiligon Johannes d.
Täufer.)
Marian Wendt VI., Seite 325.
Auch für dieses Kloster (wie für die Minoriten zu
C'illi) gelten die Grafen von Cilli als Gründer, oder
doch als ganz besondere Wohlthäter. Die Entstehung
wird bis in die Mitte des XIIL Jahrhundert hinaufge-
rUckt , doch lässt sicli die Existenz desselben erst für
das Jahr 1200 durch einen Ablassbrief urkundlich er-
härten, welchen ein IS. Bonifaz dieser Kirche des heil.
Joliann des Täufers verlieh. Die Ordensl>rüder führten
ein kümmerliches Dasein bis zum Jahre 17-^5, wo die
Aufhebung des Klosters erfolgte.
Fig. 17. ( Hohenniauthen. )
21. (XIII. Jahrhundert.) Lapidarschrift zwischen
zwei Perlenlinien, deren innere von zwei einfachen
Linien umschlossen wird.
■i- S o PRIORIS (C(f)\\'«.\T' I-R.W) SSI (.W6 , I)
.\\\ TA
(Sigillum ])riorir conventus fratruni sancti Augustini
in -Miita)
Ober einem Bogen die Taufe Christi im Jordan,
unterhalb der betende Prior.
Spitzoval G. 50/35 Mm. ein schlechter Gipsab-
drnck zum Jahre 132St in der Smitnierischen Samm-
lung 0. 404, des k. k. g. II. II. u. Staats-Archivs zu
Wien.
22. (XIIL Jahrhundert.) Lapidarschrift zwischen
Perlenlinien:
■h SC(Ö\ffT\S o F ROITRU (!) S A\'G\S TI.M o D'O^TA
Getheiltes Siegelfekl, in der obern Hälfte der stehende
heil. Johannes der Täufer, das agnus dei in der Hand,
in der unteren drei betende Mönche.
Spitzoval G. 5;!/;!4 ^Ini. Fig. 17 nach einem Gips-
abdruck der Smitnierischen Sammlung zum Jahre 1329
— 0.503.
14. Jiuleiiburg.
iMinoriten, hei). .Johannes der Täufer.)
Herzog, Cosniogr. .\ustr. Franc. 39() fsde. Marian
Wendt VI., 122.
Die Ansiedluug der Minoriten zu Judenburg soll
noch bei Lebzeiten des Ordensstifters erfolgt sein und
wird den Babenbergern zugeschrieben. Sichergestellt
ist sie tür das Jahr 1259, in welchem bereits die Mino-
ritenkirche urkundlich genannt wird.
4-2 *
322
Auch dieses Kloster miisste von seinen Bewohnern
gleich dem Grazer unter Kaiser Friedrich III. den refor-
niirten Franciscanern überlassen werden.
2o. (XIV. Jahrhundert.) Lapidarschrift zwischen
einer einfaclien Linie und äusserem Stufeurande.
■i- S . GÄRDIÄId 0 D IUDFABIRGa
eine stehende g-ekrünte Heilige, die Linke auf der Brust,
den Palmenzweig in der Eechten (wohl die heil. Katha-
rina, welcher eine eigene zum Kloster gehörige Capelle
geweihi war).
G. 38 '2G Mm. Farbloses Wachs an Pergament-
streifen.
24. (XIIL Jahrhundert.) Lapidarschrift zwischen
einfachen Linien
■i- S FRM Mn'IOR D' I\DffNB\'RCh
die Taufe Christi im Jordan.
Spitzoval, G. 3G''26 Mm. (Fig. 18), ungefärbtes oder
grünes Wachs an Pergamentstreifen anhängend. Beide
Siegel (Nr. 23 und 24) kommen an Frkunden aus den
Jahren 1357 bis 1427 (St. L. Arch. Nr. ,")120a) vor.
15. Jmlenbiir^.
(Cliirisseriiinen, heil. Maria, i
Herzog Cosmogr. Austr. Francisc. Seite 70U — 723.
-Afarian Wendt VL 135, Muchar Geschichte der Steier-
mark V. 200.
Seit dem Jahre 1222 wohnten Clarisser- Nonnen
in einem bürgerlii-iien Hause zu Jiidinburg. Allmählig
Vig. 1«. i.luilciiliurg.)
wurde der Wunsch nach einer förmlichen Ordensniedcr-
las.sungregc, und der reiche Judcnburger Bürger Hein-
rich und dessen frommefiemMliliii (ieiscl beganncM nach
dem Jalire ]2.")0 den ]5au eines Klosters ausserhalb der
Stadt, da.s Paradeis genannt. Gleichzeitig waren nach
dem Tode der heil. Clara zwei Schlilerinncn derselben
aus dem Klosler s. Daniian zu Assisi nacii Jiidenburg
gekommen, um die regelmässige Finriehtung der neuen
Stiftung zu leiten, und schon vom Jalire 1254 ilulirl eine
vom l'apst Innoccnz IV. an die Priorin und dent'onvent
gerichtete Bulle, in welcher diesen die Annahme von
Legaten gestattet wurde.
Das Schicksal dieses Klosters, welches wiederholt
vom Feuer hart heimgesucht wurde, war ein sehr wech-
selndes. Die Kriegsunruhen bewirkten 1480 dessen
Aufnahme in die Stadt („gegen s. ;\Iärthen so in der-
selben vnserer stat ligt"), Seuchen vei'niinderten die
Zahl der Bewohnerinnen, innere Streitigkeiten bedrohten
ernstlich den Fortbestand desselben. Schliesslich nahmen
die Nonnen die vom Papste UrbanIV. gemilderte Ordens-
regel an und hiessen seitdem I'rbanistinnen. Im Jahre
1782 wurde der Convent von der Regierung aufge-
hoben.
25. (Xn'. Jahrhundert.) Lajndarschrift auf jeder
Seite je von einer einfachen und einer Perlenlinie be-
grenzt.
S : HBH TISS« . Ut — ILSD«XB1SR6H -h
die heilige Clara, stehend mit Zweig und Buch. Im
Siegelfelde ausser leichtem Rankenwerk von oben herab:
^ X t!)lara.
Spitzoval G. o'J 23 Mm., rothes Wachs, an Perga-
mentstreifen, erhalten an Urkunden de.s steier. Landes-
Archivs aus den Jahren 1540 und 1587, und als „der
Abtey ge wonlich in sigH bezeichnet.
20. (XIV. Jahrhundert.) Lapidarschrift zwischen
Perlen und einfachen Linien wie oben :
•i- S : TTbblSS« . S^: Öl . D't'ADISCJ (JRDIS Säl
DAO^I I\DäB\RCIj
(sigillum abbatissae sanctae Mariae de Paradiso ordi-
nis sancti Daniiani in Judenburch.)
ober einem, an der unteren Seite mit Perlen besetzten
dreifachen Bogen das Brustbild der heil. l\Iaria mit dem
Kinde. In der unteren Hälfte des Siegelfeldes, die durch
die senkrechte Nebenschrift hAIN -RIC\'S und GöISl.A
bezeichneten, einander zugewandten Figuren der Stifter,
die romanische, mit kreiizgeschmückter Kupiiel und
schlankem Thurm versehene Kirche emporhaltend.
Spitzoval, 6. 58/34 Mm., Fig. 19, grünes Wachs
an Pergamentstreifen; erhalten an Urkunde ddo. 1540
25. Juli und ausdrücklich als des „Conuents aigen in-
sigel" bezeichnet. Imu Siegel mit gleicher Darstellung
und ähnlicher Umschrift:
SI . Ah . SAC . MO . DK , P.\ . f)R . S . CLAR . DF
.^S . IN INI),
beschrciiit Herzog S. 723 als das noch 17 Id übliche
sia-illum abbatissae minus.
16. Jiidciilmi'g.
r.Viif^iistiiier-Ei'ciiiiti'ii eilor de Larga — zur |]<'il. Dreifaltigkeit.)
Caesar Ann. Styriae III. 247. - .lalnesberieht des
I. Staatsgynin. zu Graz 1870, S. 11).
Am ."!. Deceniber 1302. demselben Tage, von wel-
elieni der Stiftl)rief ilir den Augustiner-Coincnt zu Für-
st) iifeid datirt, gründete Herzug Rudolf 1\\ in seinem
iiiel den Niimen seiner Brüder auch iiuch ein zweites
Kln^ter dieses Ordens zu Judenburg, der heil. Drei-
faltigkeit gewidmet. Die Schwierigkeiten, welche, äiiu-
licli wie in l*'iirslenfel(l die Sta(lt|ilaire dagegen erhub,
wurden durch eine jährliche iMitschädignng von 20(nil(l
gülden beglichen, von welchen der Convent die Hälfte
bezahlen sollte, das Übrige Vdui Herzoge auf die Bür-
gerstcHier angewiesen wurde. Iiiterm 8. Octob(>r I.'JOö
bestätigte llerziig Albreeht III dieses y\bkiimmeii und
— 323
Fig-. 19. (Judenburg.)
erhöhte sogar die Ablösungssumme um 4 fl., welclie er
auf das Erträgniss des Judeuburger Gerichtes sehlug.
Der Couvent, welcher sich in Urkunden mitunter
als jenen ,,iu dem niedern kloster" oder ,.der newen
Stift'' bezeichnet, scheint es niemals zu einigem Wohl-
stande gebracht zu haben. Im Jahre 1620 wurde das
Kloster, nachdem es bereits durch längere Zeit nur
mehr von einem alten, der Landessprache unkundigen
Jlönche war bewohnt worden, mit päi)stlicber Zustim-
mung an den Freiherru Balthasar von Thannhausen um
2000 fl. verkauft, und von diesem dem Jesuiten-Orden
geschenkt, der es am 14. Juni J620 bezog.
27. (XIV. Jahrhundert.) Laiiidarschrift zwischen
einfachen Linien:
S + PRIOS + in I\'DÖB\7lCh ORDTS + FR07 +
heRfC.:-SttI SLS6 +
(Sigillum prioris in Judenburch ordiuis fratrum heremi-
tarum sancti Augustini.)
IJas Siegelfeld von leichtem Eankenwerk ertullt,
und darin die heil. Dreifaltigkeit , dargestellt durch
Gott Vater, welcher Christum am Kreuze hält, und den
zwischen beiden in Taubeugestalt erscheinenden beil.
Geist, das Ganze ober einer gothischen Nische, in wel-
cher der betende Prior kniet.
Si)itzoval G. 48/29 Mm., grünes Wachs au Perga-
mentstreifen. Kommt an Urkunden des steier. Landes-
Archivs aus den Jahren 1415 — 1528 vor.
28. (XIV. Jahrhundert.) Lapidarschrift zwischen
Perlenlinien :
•i- S ttÖN'SNö . II* I\Daii\Rah . ÜRDIS . FROi .
hiRff . Sai . ASC
Im Siegelfi'lde zwisciicii leichten Blätterranken
und oberhallt vier knienderMiinche die Himmelskönigin
mit entfaltetem Mantel, die Kechtc gegen die Betenden
gekehrt, in der herabgesenkten Linken ein aufgeschla-
genes Buch
Bund. G. 42 Mm., Fig. 20, farbloses oder grünes
A\achs an Pergamentstreifen hängend. Vorhanden an
Urkunden des steier. Landes-Archivs aus den Jahren
1415— 14:!0 (Nr. 4004, 4837).
17. .Iiidcnburg.
(Frunciscaner. Zum lu'il. Joliannes de.s Täufer.)
Herzog Cosmugr. .\ustr. Francisc. 369 — 412. Jla-
rian Wendt"^ VI, 1 22.
Zu den ersten Klöstern, welche Kaiser Frie-
drich III., nach dem Auftreten des Johann Capistran,
seit dem Jahre 1451 den reformirten Franciscanern ein-
räumte, gehörte der ehemalige Minoriteu-Convent zu
Judenburg. ,.Die Zahl seiner Bewohner habe so sehr
abgenommen und die Mittel zum Unterhalte hätten sich
so sehr vermindert, dass eine gedeihliche Fortexistenz
der Ausiedluug kaum möglich gewesen wäre-', schrieb
begütigend der Kaiser an dem Minoriten-General Jacob
de Jlozanico. Die päijstliche Bestätigung langte im
Jahre 14ri5 ein, und das Kloster bestand dann, trotz
der widrigen Schicksale, die es während des XVI. Jahr-
hunderts zu erdulden hatte, bis die völlige Verwüstung
die es durch den Bi-and \on 1S07 erfuhr, dessen Auf-
hebung veranlasste.
(Sigillum conventus in Judenburch ordinis
heremitarum sancti Augustini.)
fratrum
Fig. 20. (Judenburg.)
Siegel des Convents aus dem Mittelalter sind nicht
bekannt. Einen Abdruck des schön geschnittenen Stem-
pels von 1599 mit dem heil. Johann d. T. bewahrt das
Archiv des GrätzerFranciscaner-Convent au einer Ur-
kunde vom 24. Juli 1601. Ein neueres vom Jahre 1652
beschreibt Herzog S. 412.
Ein (leutsclies Schaclizabelbuch des XIV. Jahrluiiiderts.
Von Albert Ilg.
Im Sommer des Weltausstellungsjahres war iui t heilweise schon im Anzeiger für Kunde deutscher Vorzeit
österreichischen Museum durch Vermittlung des Herrn d. J. , Spalte 226-229, berichtet habe. Hier soll von
Professor Dr. Dudik ein der Fürst Dietriclisteinschen dem Schachzabelbuche allein die Bede sein , dessen
Bibliothek in Nikolsburg gehöriger Pergameutbaud mit künstlerische Ausstattung es einer eingehenden Wür-
Malereien geziert ausgestellt, über dessen Inlialt ich digung wohl werth erscheinen lässt. Doch möchte ich
324
aucli (las Kaleiularium, -welches im selben Bande damit
zusammengebunden ist , der Aufmerksamkeit jener
empfehlen, die das Studium mittelalterlicher Chronologie
betreiben.
Der Anfang des Buches ist vollständig, obwohl es
auf den ersten Anblick scheinen möchte, als fehle der-
selbe. Es ist nämlich das zweite Blatt vor das erste ge-
. banden. Dieses enthält Titel und Inhalt: Schachzabel
vnd von seinem syten vnd was den chvnig angehört.
Das ander von der chvniginn wie dij sey gestaltvndvon
irn sj'ten. Das dritt ist von den alten vud auch von irn
syten. Das vierd ist von den Rittern vnd von irn syten vud
amptcn. Das fvnft ist von den rochen vnd von im syten
vnd auch von irr gestalt vnd von irrn ampten. Das erst
Capitel des dritten tails ist von den pawlewten. Das
auiler ist vondeu sniiden.Das dritt ist von wolbertchern.
Das vird ist von den chavflewten vnd von den Wechslern.
Das fvnft ist von den ertzten vnd von den Apotekern.
Das sechst ist von den leykgebern ynd von den gast-
gebern. Das sibund ist von amptlewten vud von stat-
])h]egern vnd von der gemaiu. Das acht ist von gnftern
Spylern vn.I lottern. Das erst Capitel des vierden tails
ist wie geniainleich sich das gestain von stat hebt. Das
ander des chünigs gankch von stat. Das dritt der chv-
niginn gankcii. Das ^ierd der alten gankcli. Das fvnft
\on der Ritter für gankch. Das sechsts von der Roch-
vart. Das sybund von den gemayn lewtcn. Das acht ein
wyderred der ding dy vor gesalzt sein.
Das hvbsch Schachzabel spil hat der Meister
Xerses in Chaldaea erfunden. Es ist darum nicht walir,
was einige sagen, dass es von Troja seinen Anfang ge-
nommen, es kam vielmehr erst aus Babyhm zu den
Griechen, dann zu .Mexanders Zeiten in Aegyptenland,
und darnach in dy laut gein Südens, also sagt aus ein
f^hrichiscijer maister der heisst dyomcdes. Damals
hiTi'schto der wilde fraysam König Emimaradrach, der
die Meister tödtcte und Grausandceiten (dine Zaid be-
ging; ihm zur Lehr und Warnung ersaun der Meister
Xerses dieses Spiel, welches die gute Ordnung des
königlichen Regimentes darstellt. Der König fand
flcfallen daran, liess sich von dem Meister unterweisen
niid nahm auch dessen Erniainnuigen hin. Aber auch
zur Vermeidung scliädiichcn Müssiggangcs war es er-
funden worden, und drittens endlich durch lust ncwcr
sadi wann all menschen begercn ze hörn und ze wissen
new dinkcli. Xacli dieser Erläuterung der Eitindung ist
ein IJlatt herausgeschnitten, das erhaltene beginnt
nieder mit Aufzählungen von Beispielen hervorragender
fieduldproben. Es ist hier nämlich bereits v(m der ersten
Bersmi des S])ielcs, dem Könige, die Rede und W(;rdcii
die Tu^rcndcn genannt, die er besitzen soll. W'alir-
>cheinlicli theilt alles dieses der Erfinder des Schacli-
zabels, der weise Meister Xerses dem Fürsten in seiner
1'ntcrredung mit. In einem der hiebei zahlreich einge-
llnclitenen Beispiele aus der alten Geschichte, der
Anekdote vcni dem ehernen Ochsen des Ferillus, wird
der Verfertiger dieses AVerkes ein giezniaistcr ges-
maides genannt, der machet einen glockspcisenen
ochsen.
Die Königin soll sein: eync sclione lr;i\v in\(ig(d-
tcm gewant ^mbswaift mit vcdiem vnd sol dy fraw sten
zu der tcnken haut auf dem Schaclizabel , darunib das
Hey der Chunig mit der rechten haut mag gehalscn ;
auch liier fehlt das Übrige. Das Manuscript begin?it wie-
der, wo von den Tugenden der Königin, deren fünf auf-
gezählt werden, die Rede ist. Gar merkwürdig ist die
hier vorkommende Stelle, in welcher von einen guten
Fürsten verlangt wird , dass er die chvust der pücher
haben solle, was ist anders ein vngelert chunig dann
ein gechrönter Esel.
Dy alten auf dem Scliachzabel sullen sein also ge-
stalt daz zweu sitzen auf zwain stüln vnd haben e)^l
l)ucli auf der schoz vnd dy pedewten richter. Sie stehen
je auf einem weissen und einem schwarzen Felde und
richten über Cnzucht und Habe, nahe an des Königs
Seite. Die Ritter sitzen zu Pferde mit ganzer "W.itlen-
rüstuug, das Ross soll bedeckt sein. Auch ihnen wer-
den, wie d«n Richtern und Alten und sämmtliehen Per-
sonen des Spiels, ^'orschriften gegeben, bei den Rittern
auch insbesondere für die Aufnahmscerenionie in ihren
Stand, wann man das Scliwert gesegnet, da sollen sie
gebadet sein, der Fürst möge sie auf den Hals schla-
gen etc.
Das Roch auf dem Schachzabel soll sein ein rittcr
sitzend auf aineni ross mit einer vel vnd soll auf haben
ein gugel mit ainem vehem vnterzug vnd soll ein reyss
haben in seiner rechten haut vnd pedewt vitztum vnd
legatum der fürstcn.
Die Venden bedeuten die Gemain lewt und arbai-
ter. Der erste sei ein ])a\vmann; mit einer Gerte in der
linken, mit der man das \'ieli austreibt, im Gürtel trage
er eine Sichel oder ein Reutraesser um Bäume und Re-
ben zu schneiden. In diesem Capitel heisst es, dass die
.luden in der Wüste des goldene Kalb smittcn undNoali
wird der erste wein/.üi'l genannt; er düngte den wilden
Wein mit Löwen- und Affenniist, weil der Eine vom Ge-
nasse des Weines kühn, der andere unkeusch wird. Der
anderVend Ijcdeutet was nuin nut Hännnern schmiedet und
mit Zinnnerparten; er stehe vor dem Ritter, weil dieser
seines Werkes zur Rüstung bedarf. Den \^'erkieuteu
wird Treue empfohlen , da man ihnen grosses Gut anver-
traut, Silber, Gold und edle Steine, als den goltsmyden
vnd den münczern. El)enso vertraut nmn den Maurern
\ n<l dy stet turn clicler Chenniaten maurn, Schätze an.
Der dritte \'ende trägt eine Scheere insofern er Schnei-
der und Tiichl)ereitcr, ein breites ^Messer insofern er
Fleischhacker, Ledcrcr, Schuster, , Ircher und Kürschner
bedeutet. Am Gürtel trage er ein Schreibzeug und die
Feder hinter dem Ohr, da er ancii die Scln-eil)er be-
zeichnet, liier wird aus Petrus Aipliiinsus die liekannte
Geschichte von derFreun(U'sprol)e milgetiieilt, die darin
besteht, dass sich alle vorgeblichen Freunde weigern,
den Sack mit dem Schweine ins Wasser zu werfen, wo-
rin sie die Leiche Eines von ihrem (Ühmer ICrmordeten
vcrmuthen ; desgleichen ans derselben (imdle die (!e-
schichte von den beiden Freunden, die l'ür einander am
Galgen steri)en wollen.
Der vierte Vende, mit Elle und Wage in Händen,
ist der Repräsentant der Wechsler, Leiber und auch
dl']- Tnchbereiter. fieschichle \on der römisciicu I^raii
Paiilina, die von dem Ritter Jlundus, unter der \ov-
spiegciung er sei ein Gott, der ihrer verlange, entehrt
wird; aus .losephus. Der fünfte \'end sitze auf dem
Meisterstidde und halte ein Bncli und eine lUichse in
den Händen, inrGürtcl s1c(d\(! ein Winideisen. llii'iher
gehören uändich die Ar/Je und alle Li'hrer der iVeien
Künste, die auch aufgezählt werden, die Ajjotheker und
Salbcninachcr. Der sechste Vend mit einer Semmel,
32ä
eiueiu Gläsloiii. fincm Schlüssel im Gurt uml Winkeu
der Haiul ist ein Leutg-eh oder Ga.stwirth. Der siebente
Veud luit Elle und Schlüssel bedeutet Amtleute und
Stadtpfleger, sein Beutel mit Pfenninge die Krämer und
Zöllner. Die Attribute des achten Venden sind Würfel
Pfennige und ein Biieft'ass, denn darunter zähh'u
gutter das pedewt spiler, Hüflig-an, Schelter und liihal-
den, sowie Briefträger. In diesem Capitel ist die Ge-
schichte von dem Undank der Kinder und dem imvor-
sichlig-freigebigen Vater aufgenommen, die von der
Hagen unter dem Titel das Bloch in den Gesammtaben-
teuern publicirt hat. Der Vater lieisst hier .Jan von
Cauati. Hier endet die Beschreibung und allegorische
Auslegung der einzelnen Schachfigui-en, den Schluss
der Handschrift bildet noch ein Capitel, überschrieben:
Von dem Scliachzaliel spil wie es sein fürgang hat mit
seim gestain. Das Brett zunächst hat i)4 Felder und be-
deutet die Stadt Babylon, da das spiel funden ist. Folgt
eine Beschreibimg der berühmten Metropole aus Hie-
ronymus. Das Brett sei aussen und Innen gespanget vnd
gesmitt zu ainer zier des spiels. Seine Borde und symiss
(Simse) bedeuten die Mauern Babylons. Schliesslich
wird zwar wiederholt, dass diese Stadt ursprünglich
mit dem Schachbrette gemeint sei, doch mag maus
gleichen allen reicben vnd halt aller weit. Hierauf folgt
ziemlich kurz gefasst, die Schilderung der Spielbewe-
gung der einzelnen Figuren. Obwohl auch noch die
gemeinen Leut, d. s. die venden berücksichtigt werden,
so scheint doch das Werk, welches hiemit im Manu-
script sein Ende erreicht, nicht vollständig zu sein; der
Text bricht ab, wo noch ein allgemeiner Schluss wenig-
stens erwartet würde. Auch fehlt jegliche .\ndeutung
des Endes. Der Verfasser war ein bücherkundiger
Autor, wie das nachfolgende Verzeichniss der von ihm
citirten Schriften zur Genüge ausweist. Er entnimmt,
namentlich zu den Exempelu, die er bringt, den Stoff
der heil. Schrift, Gregor Xaz., Hieronymus, Augustinus
de civ. dei, .Ambro.sius, Macrobius. Von griechischen
und römischen Schriftstellern kennt er : Valerius de
Alex., Seneca, Varro ,.cin hoher maister-, Quinctilian,
Plato, Ovid, ,,Tulius" (^Cicero), Aristoteles, Sueton,
Trogus Pompejus, Basilius, Virgil, Josephus, Architas
Tareutinus, Sallust, Galen, Hippokrates, Claudianus,
endlich Theophrast, Paulus Diacouus, Avicenna, Sym-
machus. Seltener sind Anführungen , wie: ,. Dyomedes
der Griech-, Ozanius vom Könige Parillus, Helymandus,
Angellus de Socrate, Petrus Alphunsus von .\rabia etc.,
dass ihm auch die Kenntniss vieler zur Zeit landläufiger
deutscher Erzählungen und bispelle zu Gebote gestan-
den haben muss, beweisen die gegebenen Beispiele von
der Geschichte der Freunde, vom bloch, etc.
Da ich nicht beabsichtige, den eigentlichen Inhalt
für die Culturgeschichte im allgemeinen oder für die
Geschichte der Spiele zu untersuchen , so begnüge ich
mich mit den gegebenen Bemerkungen und wende
meine Aufmerksamkeit den Jlalereien zu. Gegenwärtig
schmücken die Handschrift noch 12 Bilder, Jedes auf
der ganzen Octavseite entworfen , deren Kückseite
Schrift enthält. Indem, wie schon erwähnt, in den Par-
tien des Buches, wo von König und Königin die Rede
ist, einige Blätter mangeln, sind auch die Abbildungen
dieser beiden Figuren verloren. Alle Bilder stellen die
Figuren nicht in der Gestalt der Spielsteine, sondern
als jene wirklichen Menschen dar, deren Tyiien die
Schachfiguren bedeuten.
1. Die Alten. Ihrer zwei sitzen auf einer hölzer-
nen Bank, einander zugewendet, indem sie gemein-
schaltlich oin grosses aufgeschlagenes Buch halten.
Der Eine hat ein blaues L'ntergewand und einen rosen-
i'arbenen Mantel, am Haupte ein liarett derselben Fär-
bung. Der .Andere ebenfalls ein blaues Kleid . mit
grünem Mantel, über dem Kopfe eine An Kapuze von
blauer Farbe , die auf die Achseln rechtwiidvelig aus-
gezackt niederfällt, über dieser Kopfbedeckung kommt
ein Bund, wie bei dem Ersten, zum Vorschein. Auf einem
Spruchbande ist zu lesen: Von der gestalt der alten
vnd von irn ampten.
2. Ein Ritter. Sein Ross ist grau, das Geschirr
Zinnoberroth, die Decke, welche mit dem Sattel zusam-
menhängt , und den ganzen hinteren Theil sammt dem
Schweife verhüllt, grün. Der Reiter trägt vollständige
Eisenhoseu, die jedoch schon aus grossen Platten be-
stehen, an den Zehen der Füssen in Spitzen auslaufen
und am Knie Buckel bilden; die letzteren, sowie die
Sporen sind goldfarb. Den Leib bedeckt knappes rosen-
farbes Wannns (Lendner), dessen Ärmel im Geschmacke
der Zatteltracht in viele La])pen auslaufen und wie
gewaltige lange Flügel nach abwärts fallen. Innen
sind sie grün gefüttert, die Hände stecken in kurzen
Eisenfäustlingeii, das Haupt deckt ein gespitztes kes-
selartiges Gefäss ohne Visir (HundskogeV) . welches am
Hals in einen vielgliedrigen Koller von Eisen übergeht.
Der Ritter trägt das Spruchband in der Hand , wefches
326
lautet: Das vierd Capitel von Kitteru viul von im syteii.
Waffen sind im Bilde nicht zu sehen , im Texte heisst
es: der Ritter soll zu Ross sitzen mit ganczem wappen.
3. Ein Roch. Auch er ist ein Ritter zu Pferde, einer
Art Falben, mit ähnlichem Gezäume, wie das Erste,
jedoch ohne Decke, der Sattel, welcher vorne und rück-
wärts hoch hinaufreichende Ränder hat, ist blau und
geht unten in abgerundete Zacken aus, der Steigbügel
ist golden. Die ganze Figur des Reiters ist in einen
enganliegenden grünen Anzug gekleidet, bestehend
aus goldengegürtetem Wannns mit Zattelärmeln, welche
blaues Futter haben, und Beinkleid, das auch die Füsse
bedeckt und über die Zehen in langen Lappen herab-
lällt. Grün ist die Kopfbedeckung, welche im Texte
gugel genannt wird, d. h. eine Art Schärpe, die an der
linken Achsel befestigt ist, und über das Peizbarett
des Hauptes geschwungen, auf der anderen Seite wie-
der herabfällt, eine seltsame, doch nicht unmalerische
Tracht. Diese Gugel. sowie das Barett, sind mit her-
raelinartigem Pelzwerk, velien, gebrämt. In der Rechten
hält der Ritter einen Zweig; das Spruchband besagt:
von der gestalt des Rochs.
4. Der erste Vende. Sein gegürtetes blaues Ge-
wand geht bis zu den Knieen herali, die weitbauschigen
Ärmel hängen wie grosse Säcke nieder. Beine und
Füsse stecken in lichtvioletter knapper Undiüllung,
das Haupt ist unbedeckt, die Attribute dem Wortlaut
entsprechend. Spruchliand : von der gestalt des ersten
Vendcn.
5. Der zweite Vende als Handwerksmann mit
dem im Text g.Miannten Werkzeug, Hammer, Axt etc.
abgebildet, trägt über seinem, dem vorigen ähnlichen
Obergewande den weissen Schurz; Beinkleiiler wie bei
dem vorigen, am Kopfe eine ebenso gefärbte Haube,
die in einem Zipfel herabfällt, die Umschrift lautet: von
der gestalt des andern Venden vnd auch mmi scim
gevert.
6. Der dritte Vende mit Scheere , Schreibzeug,
Messer, unterscheidet sich in der Form der Kleidung
von dem vorigen nur insofern, als das Obergewand
vorn an der IJrust mit Kniijjfen versehen und an den
Achseln etwas aufgei)uttt ist; die Ärmel hängen sehr
tief herab. Die Farbe ist liclitviolett, jene der Beinklei-
der blau, dessgleichen die enganliegenden Unterärmcl
und die Kopfbedeckung, l'nter der Taille hängt lose
emporgczogeii der Gürtel , der aus einem schwarzi'ii
Lederriemen mit silberner Schnalle besteht, dasSchreü)-
gerätli, nämlich eine kleine Vase zur Tinte und ein horn-
artigcs Besteck, sind daran befestigt. Inschrift: Der dritt
vend wie sein gestalt sein sol vnd .sein gevert.
7. Der vierte Vend. Die Bedeckung der Heine in
jenem fahlen Violett gleicht den Übrigen ,__ das grüne
Wamms dagegen isi kürzer und hat die Annel nicht
von Tuch, sondern braunem Pelze, so dick \\ui\ nuför-
mig, da8.s es aussieht, als hätte der Mann die Arme in
zwei massive Kränze von Pelzwerk gesteckt, um sie
fortzutragen. Die rnterärmel sind schwarz, auf dem
IIauj)te ruht eine bundartige Bedeckung von grünem
Stoff. Dem Texte entsprechend, demzufolge auch dieser
Vende mit Elle und Wage erscheint, besagt «las S|n-uch-
band: 0 verfluchtew gcitichaid. Dir ist nahet allwelt
berait. In der ledernen, silberbeschlagencn (lürtcltascho
steckt ein Dolch.
!^. Der fünfte Vend, gemäss seines Amtes als Arzt,
mit Büchse und Wundmesser ausgerüstet. Er sitzt auf
einem niederen breiten Gestühl mit einem Staffel , in
ein weites, bis zum Boden niedcrwnllendes blaues Ge-
wand gehüllt, das in der Innenseite der aufgestülpten
Ärmel und im Futter überhaupt von grüner Farbe ist.
Die Haube ist violett und grün, violett auch Unterärmel
und Fussbekleidung. Die Rechte hebt ein offenes Buch
empor, die Umschriit mangelt.
9. Der sechste Vende (Gastwirth). Er steht, mit
der Hand winkend, unter seiner Herberge, in die er
einen Wecken und ein Glas hineinträgt. Sein Gewand
ähnelt dem der vorbeschriebenen Venden mit Ausnahme
des Arztes, dessen langer Rock der Gelehrtentracht
näher konnnt. Das grüne, am unteren Saume zierlich
ausgezackte Wamms mit weiten , herabhängenden
Ärmeln, ist zugeknöpft und an den Achseln etwas ge-
pufft. Im Gürtel steckt ein gewaltiger Schlüssel, dessen
Griff ein gothischcr Vicrpass, Fussbeklei'lung und Kopf-
bedeckung sind blassrotli. Das (iasthaus ist, nach Art
älterer Kunst, durch eine Architektur mehr bloss ange-
deutet, als genau dargestellt. Man sieht ein gemauertes
Häuschen mit rothem Ziegeldach und spitzem Giebel,
der in eine gothische Biunie ausgeht. Durch zwei rund-
bogige Eingänge, vor welchen Trittsteine liegen, sieht
man in das Innere, wo zwei Gäste, im eifrigem Gespräch
begriffen, bei einem Fasse sitzen, vor ihnen auf einem
Tische ein Glas. Eine Inschrift fehlt auch auf diesem
Bilde. Am meisten interessant erscheint die Form der
Trinkgläser. Die Farbe des .Materials ist gelhlichgrün,
wie die schönsten erhaltenen Römer zeigen, die Gestalt
liecherförmig, doch ohne Fuss; indessen bildet unten
eine kleine Platte die Basis. Der Jlantel des Gefässes
ist mit zahlreic'lien Zä])fchen oder kleinen Buckeln be-
setzt, kurz die Form eines solchen, wie sie sich bis in"s
vorige J;ihrhundert an Glasgcfässcn erhalten hat. Be-
achtenswerth bleibt die frühe Zeit, in der diese Darstel-
lungen von Gläsern vorkonnnen, da aus derselben kaum
Beispiele in natura auf uns gekonnncn dürften und so-
mit daraus erhellt, dass die erhaltenen der späteren
Perioden aus uralter Tradition ihre Formen herleiten.
Auch dürfte zu beachten sein, dass man um diese Zeit
an den meisten Orten gläsernes Ti inkgeräth noch ziem-
lich selten gebrauchte und vornändich im gemeinen
Leben aus Töpfen oder Zinngeliissen zu trinken ])ilegte.
10. Der siebente Vend, in Gestalt eines zierlichen
Junkers, die schönste Figur im Manuscripte. Die Be-
kleidung der Beine ist dieselbe enganliegemle, von
liclitviolettem Ton, doch tragen die Füsse starke
schnabelförmige Ansätze. Das Wannns ist ganz kurz
geworden, mit knapper Taille und mit schräg lierab-
laufenden breiten Streifen \ on abwechselnd blauer und
rother Farbe geziert. Der tief herabhängende Gürtel
besteht aus grossen goldenen Gliedern; von dcMu Ba-
i-ett, welches diesell)e, Farbe trägt wie das Wamms,
(lattert ein rothes und ein hlaues Band herab , die
grünen gezackten Zattelärmel übersteigen alles Mass
und reichen bis zur Erde; am Gürtel hängt eine Ici-
nerne dreieckige Tasche. Der grosse Schlüssel gleicht
dem des Wirthes, ist aixsr vergoldet, eben so dei' Stab
in der anderen Hand. Die I^rsclieinung hat etwas Zier-
lich-elegantes, was sie von den anderen hervorhebt.
Inschrift des Spruchb;indes: wer vil sache ausrichten
sol, Dei' pedarf gutci- witz wol. (Siehe ilic ALibildung.)
327 -
11. Der achte Vende ist seinem Cliarakter als
Spieler und Kauts'cselle cntspreeliend i;edaclit. Sein
Gang, schwankend und liastig, das Haar in's Gesiclit
fallend , iu Händen hat er Würfel und Geld , am Gürtel
ein Fässchen. Das Kleid gleicht den früher beschriehe-
nen, von Farbe grün, ist es unten ausgezackt, an den
Achseln geschoppt und mit dünnen, rotiien Streifen
schräg durcliwol)en. Er ist haarhäuptig. Inschrift: wer
sich mit priefen macht auf ain strass Der soll sich
nichts auf halten lass.
12. Die letzte Darstellung befindet sich beim An-
fang des Schlusscapitels, vom Fürgang des Spieles.
Sie zeigt einen Herrn und eine Dame beim Schach-
zahelspiele, das auf einem Tische aufgestellt ist, wobei
sich die Spielenden jedoch nicht gegenübersitzen, son-
dern Achsel an Achsel. Der Tisch ist ein ziemlich rohes,
derbes Eichengezimraer, mit zwei Füssen von geschweif-
ter Form, deren einziges Ornament ein geschnitzter
Bogenfries bildet. Die Bilder des Spielbrettes sind
schwarz und weiss, die Figuren liegen darauf, woran
wohl die mangelhafte Fertigkeit im perspectivi-
schen Zeichnen Schuld trägt. Nur die Thürme haben
die gegenwärtig übliche Form, das andere ist glocken
förmig und hackenartig, ohne überhaupt an eine Figur
zu erinnern. Die mehr vorne sitzende Dame ist ganz
grün gekleidet, mit mächtigen , gezatteltcn Ärmeln,
unter denen sehr enge Unterärmel von gleicher Farbe
zum Vorschein konnnen, die sich aber am Handgelenke
trichterförmig erweitern. Die Linke hat sie vertraulich
auf den Arm des Mannes gelegt, ihr Haupt ziert ein
blau und rothes Barett mit Bändern, vollkommen wie
hei 10. Der Mann, welcher auf einer Bank sitzt, trägt
grüne Beinkleider, ein blaues Röckchen und eine grüne
haubenartige Koptloedeckung. Er scheint eben gewon-
nen zu haben und streicht einen Stein als Gewinn ein.
Die Inschrift bildet den Anfang des Capitels.
Sämmtliclie Bilder sind mit der Feder und zwar
ziemlich flüchtig entworfen, indessen mit manchem Ge-
schick im sprechenden Ausdruck der Geberde und
Bewegung. Alle Körper leiden an übergrosser Schlank-
heit, welche dadurch noch gesteigert wird, dass die
Beine unverhältuissmässig dünn und lange, der Ober-
körper dazu dann sehr kurz und kugelig gestaltet sind.
Dadurch erhalten die Figuren etwas spindelförmiges,
skelettartiges, ohne eigentlich etwa im Sinne der deut-
scheu Kunst des XV. Jahrhunderts hager genannt
werden zu dürfen. Vielmehr tragen sie noch ganz das
Gepräge des älteren Styles, den Kugler im Zusammen-
hange mit den Erscheinungen am Gebiete der Bau-
kunst den gothischen betitelt. Jenes kleinliche Bestre-
ben, im Andeuten der Muskulatur das Äusserste zu
leisten, welches das XV. und XVI. Jahrhundert selbst
auszeichnet, ist hier noch nicht nachzuweisen ; von jeg-
licher anatomischer Kenutniss, von dem blossen Bewusst-
sein iu dieser Richtung ist hier noch keine Spur wahr-
zunehmen, nur dass die Kniescheiben iu den engen
Hosen sehr deutlich sichtbar werden. Die Hände sind
gut gezeichnet, wenn auch etwas knochig und gross,
was beides ebenso von den Köpfen gilt. Diese besitzen
keinerlei Ausdruck, sind aber gut modellirt, während
die Leiber grösstentheils an Puppen erinnern und aus-
sehen, als wären sie mit Wolle oder dgl. ausgestopft.
Viele Gewandtheit beweist der .Meister im Zeichnen der
Füsse, deren Schnabelschuhe ihm sehr wichtig vor-
SVITI.
gekommen zu sein scheinen; er hat sie in mannigfachen
Stellungen, Skurzen und Perspectiven aufgefasst. Der
Habitus iler meisten Figuren hat etwas an Gobelinfigu-
ren der Zeit erinnerndes, so die geschwungene, ja ge-
wundene Haltung, das Zurückwerfen des Oberleibes,
die steigen. le Bewegung der Beine, wobei es oft aus-
sieht, als wäre die Gestalt aus Rankenwerk heraus-
genommen, in dem sie nach Art der Figuren in textilen
Dessins kletternd dargestellt war. Der Faltenwurf ist
mehr run<Ilich als stark gebrochen, wie das der Malerei
des XIV. Jahrlnmderts in Deutschland eigenthümlich.
Allem zufolge kann der Schluss gezogen werden,
dass die Malereien des Schachzabelbuches einem zünf-
tigen Maler oder vielmehr dem Ausdrucke des Mittel-
alters gemäss, Illuminator zugeschrieben werden müs-
sen, der das südliche Deutschland, vielleicht Österreich,
zur Heiuuit hatte. Auf letzteres scheint mir nebst der
Sprache des Textes auch manches Stylmässige iu den
Figuren hinzudeuten. Sehr interessant ist das Kostüm-
liche an denselben, worüber zum Schlüsse noch einige
Worte gestattet sein mögen.
Das Costüm, welches wir au den Gestalten der
Gemälde antreti'en, ist dasjenige, welches für Deutsch-
land die Zeit nach der Mitte des XIV. Jahrhundert's be-
zeiehuet. Daher findet sich die Kapuze, welche mit dem
Rock zusammenhängt, wie die selbständigen, enge so-
wie auch schon talteureichen Hängeärmel au sehr kurzem
und knappen Rocke. Die Beinkleider überziehen auch
die Füsse, noch mangeln gänzlich Stiefel oder Schuhe,
die Schnäbel erreichen noch keine unbescheidene Grösse
und sind an den Beinlingen der Hosen selbst ange-
bracht. Die häufigen Kopfbünde , welche die Periode
charakterisiren , sind an dem einen Alten vertreten,
während der Andere über dem Mantel eine gezackte Ka-
puze trägt. Indessen ist dieselbe nicht vor dem Gesichte
mit Zacken versehen, welche Mode für geckenhaft galt und
in Speier z. B. im Jahre 1.S56 vom Raihe verboten wurde.
Das gewöhnliche Kleid der Männer ist auch auf unsern
Bildern der kurze Rock, die rundellus, garnache, gar-
naccia, welche mit Knöpfen geschlossen werden, oder
die einfacheren, welche man Schecke nannte. Hosen
mit verschieden gefärbten Beinlingen konunen noch
nicht vor, auch nicht die langen Zipfel der haubeu-
artigeu Coruettes, wogegen die Ärmelspitzeu bereits bis
zur Erde herabfallen. Auch die sehr tief hängenden Män-
nergürtel, sowie ihre unbedeutende Erscheinuug au den
Frauen, deren enge Leibcheu und enggeschlo.ssenen
Halstheile des Kleides bezeichnen die genannte Zeit-
epoche, nicht minder die schon sehr stoffreiche Kopf-
binde und die (4ugel-des grüngekleideten Reiters, die
Gürteltascheu (gipcieres oder aumeniers). Achselwülste
erscheinen bereits \ ereinzelt, allgemein wurden sie erst
i;)S5 und zwar iu Frankreich unter Karl VI.
In Deutschland sind die langherabfallenden Ärmel
als neue Mode 1349 von der Limburger Chronik ange-
führt. Die enge Kleidung, wie sie der hier abgebildete
Jüngling trägt, ist nach der Mitte des Jahrhunderts in
Deutschland eine stutzerhatf e ; er hat genugsam das
Aussehen eines eitelu, selbstgefälligen Gesellen, trägt
daher den Gürtel auch bereits tief herabgesetzt, bis zur
Scham, und ganz am äussersten Saume des Röckchens.
Noch fehlt selbst bei dieser am meisten gezierten Figur
das niiparti. Der Kojjfbuud tritt häufiger auf als die
Gugel, die später mahoitres (Achselwülste deuten auf
43
328
die zweite Hälfte des Saeculums. Deu rückwärts ge-
schnürten, bis zu den halben Sehenkeln reichenden
Watfenrock (Lendner), den der Kitter trägt, führt die
genannte Chronik 1370 an, und um 1380 die kleinen,
konischen Hund^kogelu als Kopfbedeckung, die Plat-
ten und glatten Beingewande der Reisigen, die eben-
falls an dieser Figur wahrzunehmen sind.
Yorläufiger Bericht über eine archaeologiscli-epigTapliisclie Eeise in Dacien.
Im Auftrag der hohen Regierung wurde uns durch
Herrn Hofrath von Eitelberger die Aufgabe gestellt, die
Antikensanimlungen, sowie die römischen Alterthümer
Siebenbürgens ülierhaupt zu untersuchen, und diese
Untersuchung, ihrem natürlichen Zusammenhange ge-
mäss , über die heutigen Laudesgränzen hinaus soweit
möglich auf alle in dem einstigen Umfange Daciens
noch vorhandenen bildlichen oder inschriftlichen Denk-
mäler der Kömerzeit auszudehnen. Die Stellung dieser
Aufgabe schien geboten, da eine vollständige Bereisung
Daciens seit längerer Zeit nicht unternommen worden
ist und genügende Berichte über deu Bestand privater
wie öffentlicher Samndungen, auch nacli den verdienst-
lichen Arl)eiteu siebenbürgischer Gelehrter, namentlich
Ackner's und Müller 's, vermisst werden. Ihre Aus-
führung im gegenwärtigen Augenblick aber wurde in
hohem Grade begünstigt durch das Erscheinen des
dritten Bandes des Corpus inscri|)tionum latinarum, in
welchem für anticpiarische Erforschung jener Gegenden
und für wisseuschaltliche Behandlung dacischer Alter-
thümer im weitesten Sinn des Worts durch Theodor
Mommsen zum erstenmal eine sichere Grundlage ge-
boten ist.
Wir haben unsere Reise am 4. August angetreten
und konnten sie trotz ungünstiger Umstände, welche
hauptsäcidich durch die herrschende Cholera-Epidemie
hervorgerufen waren, ohne Unterbrechung liis zum 20.
September gemeinsam fortsetzen. An jenem Tage haben
wir uns in Bazias getrennt, da der Erstunterzeiclmcte
noch einmal nach Siebenl)ürgen zurückzukehren veran-
lasst war, um das Studium der Klausenburgcr Sammlung,
welches in F(dge zufälliger Abwesenheit des Custoden
nicht vollständig hatte ermöglicht werden können, nach-
träglich wieder aufzunehmen.
Ein kuizer Aufentlialt in l'estnmsstc geniigen, um
von dem Inhalte des dortigen National-Museums eine
Vorstellung zu gewinnen. In einigen Sälen des obern
Stockwerks und in weiten unteiirdischen liäiimlich-
kciten bietet es, zum Theil nur vorläidig geordnet, eine
überra.schende Menge römischer Denkmäler, über welche
ein von dem Vorsland des Münz- und Antikenkabinets
Dr. Florian Römer verfasster ,.illiistiirter Führer"
(2. Auflage, Budapest 1873) schon jetzt einen will-
kommenen Überblick gewährt. Vor kurzem sind von
Seiten der Fester Akademie die inschriftliclicn Monu-
mente des Museums, nach Zeichnungen und mit Er-
läuterungen von Desjardins in einer selbständigen
prächtig ausgestatteten l'idilication herausgegeben
wordrii, welche freilich, nachdem die Texte in niuster-
giltiger Weise von Mommsen jiublicirt sind, wesentlich
um der gegebenen Abbildungen willen benutzt werden
wird. Es wäre ungleich erwlinsclitcr und steht hei der
energischen Leitung, deren sich das ganze Institut von
Seiten Franz vonPulsky's erfreut, wühl bald zu helfen
dass ein ähnliches Unternehmen oder wenigstens ein
wissenschaftlich beschreibender Catalog für die übrigen
Gegenstände derselben Abtheilung zu Stande komme.
Einstweilen denkt man die besser erhaltenen Sculp-
turen zu jjhotographiren, in richtiger Schätzung des
Werthes, welchen sie ungeachtet ihrer künstlerischen
Unvollkommenheit, die in dem durchgängig angewand-
ten rohen Kalkstein besonders auffällig wird, für ver-
gleichende Untersuchungen römischer Kunst und ihrer
verschiedenen Entwicklung in d^n Provinzen besitzen.
Eine Sarkophag-Vorderseite mit einer Darstellung der
Schleifung Heetors an den Stadtmauern von Troja, ein
fragmentirtes siiiiies Relief nut jMedea, welche, das
Schwert noch ungczückt im Arm, zwischen ihren Kin-
dern steht, einige in Einzelheiten beschädigte Sarkophag-
Compositionen mit seltenen mythologischen Gegen-
ständen (^IMenelaos Helena verfolgend, vor einem Altar
auf welchem Eros steht — Mars zur schlafenden Rliea
Silvia herabschwebend — Tlicseus im Kani|)f mit Mino-
tauros — Tlieseus und Ariadne mit dem Knäuel vor dem
Eingang in's Labyrinth), ferner mehrere symbolisch aus-
gezeichnete Verzierungen grosser Grabstelen — dies
und manches Andere gleichfalls Unbekannte, wird man
in jenen ])hotographischen Auiiiahmen erwarten dürfen,
welche denniach auch gegenständliches Interesse be-
anspruchen werden.
In Siebenbürgen war es unsere Absicht, zunächst
die nördlichen Thcile zu liereisen, welche erst neuer-
dings in Folge gründlicher Durchforschungen Karl von
Torma's zahlreiche und wichtige Inschriften geliefert
haben. Wir gaben jedoch diesen Plan auf, da nach
miindliclien Mittbeilungen jenes Gelehrten auf eine
weitere Ausbeute im Norden vorliiutig nicht zu horten
war, und gewannen dadurch in willkonnnener Weise
Zeit, um von Klauseuburg ausgeheiul dem Westen und
Süden eingehendere Aulmerksand^eit zu schenken.
In Kla usenburg ist es vor allem der einsichtigen
Tliätigkeit Karl von Torma's und dem regen Interesse
der Professoren Fi na, ly und Karl Szabo zu danken,
dass ihr Samndung und Erhaltung römischer Alter-
thümer ein vielvers]ire(hender .Anfang gemacht worden
ist. So hat die Bibliothek des Vereins für sielicnbür-
gische Landeskunde mehrere Folianten handschrift-
licher Aulzeielinungen erworben, welche Reinbold,
Andreas Fodor und Joseiih Kemeny in früheren Zeiten
von siebenbürgischen Fimdgegenständen geiionniien
liiiben. Sie bietr^n ein iiiiiiängliches Material von un-
gleichem Werl he, welches Minnmsen für das Corpus
inscri])tionum ausgenutzt hat, und welchesauch archäo-
logisch verw-crthen zu können — was auf der Reise
selbst nicht ausführbar war -- imch zu wünsehenbleibt,
obwidil nur an einen Auszug der Fundnolitzcn und
329 —
Beschreibuugeii verloren gegaugeuer Moiiumente ge-
(laclit wcrdeu könnte, da alles Weitere, iso besonders
die znlilreichen .Skizzen, welche jene Jlanuscripte ent-
halten, flir eine Piil)lic';ition nnbrauciihar sind. Das ge-
genwärtig in einigen Zinunern des Univer.sitätsgebäudes
nntergebrachte Miisenni, welches unter der Leitung
F i u a 1 y's steht, ist grösstentheils aus Privatsehenkungen,
uarnentlieh Karl von Torma's erwachsen und kann
schon jetzt als die erste Samndung Siebenbürgens
gelten.
Es ist übersichtlich geordnet und wird gewissen-
haft vermehrt. Ausser einem ansclmlichiMi Münzcabinet
enthält es grössere .Serien geschnittener .Steine, Ter-
racotten und kleiner 15ronzen, eine Anzahl Votivreliefs,
unter denen vorwiegend der Mithrascnltus vertreten
ist, eine Menge Utensilien, zum Theil natürlich auch
hier aus vorhistorischer Zeit, und einige interessante
Brouzereliefs : eine Beinschiene mit gestempelten Darstel-
lungen, ein Bruchstück von der Verschahing eines Thür-
pfostens und zwei Fragmente vom Beschläge eines Wagen-
kastens (V) mit kämpfenden Figuren. Das Beraerkens-
wertheste war nach Wien zur Ausstellung geschickt wor-
den(Catalog derWeltausstellung .;. AuflageGruppeXXI\'.
p. 44), eine mit zahlreichen Jagd- und Fischereige-
räthen verzierte silberne Schale, mehrere Wachstafeln,
ein Mithrasrelief und einige ihrer praktischen Bestim-
mung nach noch räthselhafte Bronzefragmente, welche
vor Jahren auf Mommsen's Vermittlung im Berliner
Museum zusammengesetzt und von J. F r i e d 1 ä n d e r und
W i e s e 1 e r in E. Gerhard's archäologischer Zeitung 1 .S58
Tafel CXII veröffentlicht worden sind. Der Zuwachs
an unedirten Inschriften, den das Museum in den letzten
Jahren erfahren hat, ist nicht beträchtlich; einige
Steine, welche von verschiedenen Orten .Siebenbürgens
nach Klausenburg geschafft \vorden sind, harren noch
im botanischen Garten der Überführung in dasselbe,
unter Anderm auch ein Grabrelicf, auf welchem
.Spuren rother Bemalung deutlicher als auf anderen
dacischen Monumenten erhalten sind. Eine Reihe neu-
ester Erwerbungen aus Kai'lsburg und Deva, zum Theil
durch unsere Nachweise veranlasst, ist in diesen Tagen
von Finaly eingebracht worden.
Von Klausenburg wandten wir uns südlich nach
Torda, dem einstigen Standquartier der Legio V.
Macedouica, wo unter der freundlichen Führung des
ortskundigen Apothekers Wolf ein kurzer Aufenthalt
hinreichte, um einen Ül)erblick über die in Privatbesitz
verstreuten meist unbedeutenden Alterthümer zu ge-
winnen ; sodann über S z ti k e 1 }' - F ö 1 d v ä r , ein Fundort,
der unsere Erwartungen enttäuschte, zu den schon von
den Römern angebauten grossartigen Salzbergwerken
von Maros-Ujvär und nach Nägy-Enyed, wo die
einst reiche Sammlung im reforniirteu Colleg durch die
Revolutionsereignisse von 184!^/49, welche viele Trüm-
mer der .Stadt noch jetzt veranschaulichen, bis auf
eine Wachstafel und geringfügige Überbleibsel theils
zerstört, theils zerstreut worden ist.
Am längsten waren wir in K a r 1 s b u r g beschäftigt,
in dessen unmittelbarer Kähe, bei Maros-Porto, sich
der militärische Centralpunkt Daciens, das Standlager
der Legio XIIL gemina, befand. Die architektonischen
Überreste der im Anschluss an dasselbe entstandenen
.Stadt A])ulum, welche im z\veiten un<l dritten Jahrhun-
dert zu hoher Hlütlie gelangt war, sind ülierraschend
gering. Aber eine Fülle von Antiken, wie sie hier bei
Fundamentirnngen, bei Bestellung der Felder, hei
Festungsarbeiten und den Übung(,'n der Genietruppen
.lahr aus Jahr ein zu Tage gefördert wird, zeugt nach-
drücklicher, als Ruinen vermöchten, von der einstigen
Bedeutung dieser Ansiedelung.
Leider kommt diesem Reichthum kein Interesse
von Seiten der Bevölkerung entgegen. Die Verwahr-
losung der Alterthümer, welche mit verschwindenden
Ausnahmen in ganz Siebenl)ürgen an der Tagesordnung
ist und über welche alle Berichterstatter bis in die neu-
este Zeit mit vollem Recht Klage führen, tritt hier be-
sonders augenfällig und in wahrhaft befremdender
Gestalt auf. .So ist noch vor wenigen Jahren ein Fund
antiker Goldmünzen und .Silberschalen nach glaubwür-
diger ]\Iittlicilung an die k. Münze übergelien und so-
fort leider eingeschmolzen worden. Zahlreiche ]\Ionu-
mente, auf die man im Jahre 1<S()7, wie vorauszusehen war,
beim Bau der Eisenbahn stiess, sind nach Aussage der
Bahubeamten von den Arbeitern zerschlagen oder ver-
schlepi)t worden und zum Theil in die verschiedenste
Hände, angeblich ins Ausland, gelangt. Drei kolossale
Dedicationsbasen, welche bei Fortiticationsbauten im
Jahre 18(31 zu Tag gekommen sind und seit längerer
Zeit verschollen waren (C.I.L.ni.l074-107ß\ fanden
wir zufällig in einem dunklen Keller, dem Aufgang zur
Festung gegenüber, in .Stücke zerbrochen wieder. Noch
jetzt liegen wie vor langen Jahren, nur mit verwitterten
und überwachsenen .Schriftzügen, zwei grosse Blöcke
inmitten der christlichen Grabdenkmäler des griechisch
katholischen Friedhofes, auf dem wir den Pfarrer seine
Büffel weidend antraten. Leichter zu transportirende
Steine sind, ohne Rücksicht auf Schrift oder Sculptur, von
jeher zu Kalk verbrannt, als das billigst zu beschatfende
Material beim lläuserl)au vermauert und iür die ver-
schiedensten praktischen Zwecke verarbeitet worden.
Vor unseren Augen zog ein wallachischer Bauer aus
einem hohen Steinhaufen, den er in seinem Hofe ange-
sammelt hatte, einen Altar mit einer griechischen In-
schrift und ein fragmentirtes Grabmonument hervor;
womit der Inhalt, den völlig herauszusclmtl'en er
sich weigerte , nach seiner Aussage noch nicht er-
schöpft war. .Säulenschäfte dienen überall als Prell-
steine, Capitäle als Bänke oder Treppen vor den Ge-
bäuden auf den Wegen. Reliefs sind bis zur Unkennt-
lichkeit übertüncht oder durch bunte Bemalung fratzen-
haft entstellt, an Wänden und über Tlioren eingelassen.
Grabaufsätze wie sie häufig in Form von Pinienzapfen
vorkommen, Hermen, Köjite und Statuetten (beispiels-
weise ein Jupiter in der Apati Utcza no. 186) liegen
missachtet inid verstünnnelt. meist zur Hälfte in den
Boden vergraiicn. andenllauseingängen in den .Strassen.
Allerdings finden sich an mehreren Orten, im bischöf-
lichen Garten, in einigen Gebäuden der Festung, an
der .Stadtpromenade, in dem Garten einer Badeanstalt,
sowie hie und da in Höfen von Privathäusern, Monu-
mente aus früheren Zeiten vereinigt, aber (dme Sorge
für ihre Erhaltung und ohne dass Jemand über ihre
Herkunft Bescheid wüsste. Auch die kleine Sammlung
der Bathyanischen Bibliothek, welche mehrere aus älteren
Pul)licatioiien bekannte Mithrasdenkmäler und Votiv-
43*
330
reliefs besitzt, hat noch jetzt keine geordnete Auf-
stellung und seit lauge keine Vermehnmg erfaliren.
Kein Wunder, dass es uuter solchen Verhältnissen
schwer fällt , eine Übersicht über den Antikenbesitz
der Stadt zu gewinnen. AVähreud es in den entlegensten
Proviuzialstädten Italiens kaum je an IMäiinern fehlt,
welche sich mit grösserem oder geringeren! Verstäud-
niss um die Geschichte ihrer Heimath und ihre ältesten
Urkunden beuiühen. wollte es uns trotz aller Versuche
nicht gelingen, unter den am Ort befindlichen Geist-
lichen, Officieren und Municipalbeamten einen Führer
zu finden, der von dem Vorhandenen auch nur ober-
flächlich Kenntniss gehabt hätte. Auf alle Anfragen
ablehnend oder in unzuverlässiger Weise beschieden,
sahen wir uns zu dem zeitraubenden, mannigfach un-
erquicklichen Geschäft genöthigt, von Haus zu Haus
Nachfrage zu halten, in Gärten. Höfen und Ställen,
auf freiem Felde und in den umliegenden Ortschaften
das nicht Beachtetete zusammen zu suchen. Wie uner-
lässlich diese Bemühung war, welche bei genügcuder
Kenntniss der Landessprachen und mit Unterstützung
eines Ortskundigen ungleich erfolgreicher hätte aus-
fallen müssen, kann der Umstand beweisen, dass von
den auf der ganzen Reise in Siebenbürgen neugewon-
nenen Inschriften etwa die Hälfte aus Karlsburg
stammt.
Sollen wir es oft'cn bekennen, so dürfte es schwer
halten, für die geschilderten Zustände Analogien aus
einem andern nicht uncivilisirten Lande zu finden.
Indessen ist, da man jetzt überall in Ungarn Interesse
für die historischen Schätze des Landes zu wecken
sucht, die Erwartung wohlberechtigt, dass auch hier
geeignete Massrcgcln zur Verhütung weiteren Schadens
bald getrotfen werden. Allerdings wäre nachdrücklich
zu betonen, dass eine zeitweilige Nachfrage nach neuen
Funden, wie Finaly oder (ioos sie nicht unterlassen, um!
die Ueberführung des Wiclitigsten in die Museen von Klau-
senburg oderllerniannstadt dem vorhandenen I'>edürfniss
nicht Genüge leistet. Namentlich für umfängliciie :\lonu-
mente, die sich nur schwer versenden lassen, müsste
an Ort und Stelle Schutz und Unterkunft gesucht
werden. Vielleicht Hesse sich die Sammlung der
bischöflichen l'.ibliothek zu diesem Zweck erweitern
oder die Überlassung einer entsprechenden Häumiicli-
keit von Seiten der Municiiiaiitiit erreichen; eine Per-
sönlichkeit, der etwa unter dem üeinttlu von Finaly die
Aufsicht über ein solches Localniuseum überwiesen
werden könnte, würde sich ohne Zweifel am Orte
finden lassen. Ks wäre im hohen Grade erfreulich, wenn
die ungarische Begiernng zu energischer Förderung
eines solchen Unternehmens sich veranlasst fände.
Von Karlsburg nnternalimen wir einen kurzen Aus-
flug nach Zahlt ii na fAinp.lum), wo der Cameralphysi-
cus Dr. Gerbert die (üile liatlc, uns im Suchen beliilf
lieh zu sein, und weiter hinein in das Gebirge, nach A b-
riidb.'uiyaundVcre8patak zuden aitberUlnnteiiaura-
riae Dacicae.DcrKrtrag dieses Ausflugs war gering. In
schritten und Alterthünier kommen übcrhaui)t siiärlicii
vor in jenen abgelegenen fiegenden, wie sie sidi denn
auch fast ausschliesslich auf das Personal der dortigen
Goldbergwerke beziehen — und sind bei allgemeiner
Interesselosigkeit, auch der (ieliildeten, dem blinden
Zufall preisgegeben. In Abrudbänya erregte ein kleiner
gothischer Bau des XII. oder XIII. Jahrhunderts unsere
Aufmerksamkeit, in welchem neuerdings Ueberreste
alter Temperamalereien zum Vorschein gekommen
sind. 1
Von Karlsburg wandten wir uns südlich nach Deva,
wo wir an 1 )octor S p a n y c h , einem eifrigen Samnüer
von allerhanil Antiquitäten, einen guten Führer fanden.
In seiner Begleitung besuchten wir das benachbarte
römische Lager von Vcczel und Jlaros-Nemeti,
woselbst sich im Schlosspark des Grafen Gyulai üenk-
niäler aufgestellt finden, welche in einer wenig verbrei-
teten mit lithographischen Tafeln ausgestatteten Mono-
graphie von Fodor zum grössten Theile verötfentlicht
worden sind. In Deva selbst trafen wir verhältniss-
' Das kleino cothisehe (iebliude ist aus Bruchsteinen, einschiffig, mit
eckiger Apsis, aufgefülirt. Nacli urkundiichen Notizen, die wir dem Gcistliclien
der katliolischen (iemeinde Terd.inkeii , lässt es siih über das Jalir 1272 zu-
rückverfolgen. Seit löiiO war es im Ilesitz der Unitiirier, wurde ITT.t durch
Maria Theresia den Katholischen zuriick;^egeben und erfuhr zugleich im Styl
jener Zeit einen diirchi^reifeiiden L'nihau in Backstein, welcher 1825 vollendet
war. In der llevolution von l.s4s ward es zerstört nnd steht jetzt ohne Bach
mit einer bedeutenden Anhäufung von Schult im Innern, als Kuiue da.
Bei Ausräumen des Schuttes sind kürzlich bis zu einer llbhe von
3 Meter über dem ursprünglichen Fusshoden Reste alter Temperamalereien
an den Wanden des SchiJTes nnd der Apsis zum Vorschein gekommen. Sie
stehen auf einem schlechten dünnen und seiir unehenen Bewurf der alten
Brnchsteinmauern, sind iihi rzogen durch eine zweifaclie spjitere Stuckscliichte
nnd werden tinilweise durehschnilten Ton dicken Backsleinwaudpfcilern,
welche bei der Erneuerung des Oehitudes in d.is Schiff eingebaut worden sind.
Einigermassen erhalten ist nur ein Jtild an der südlichen I>angwand, dessen
Composition sich trotz einiger ausgi-stossenen l';irtien wolil erkennen lässt.
Auf einem grau geinalli-n Kussboden steht in der Mitte eine runde, oben
offene hellblaue Wanne, welche von rothen Flammenliiiien umspielt wird-
In dieser sitzt en face eine unbärtige Figur in langem Mantel nnd mit einer
Bischofsmütze, den Kopf mit einem Heiligenschein nmgelien, die Hände mit
steif zusammeiigcfügTeu flachen über der Brust aufrecht haltend. I^inks stellt
ein bärtiger I^Ianu mit engen braunen Beinkleidern, gegürtetem gelben Armel-
rock und diinkelrotlier Mütze, der vier cylindrische weisse Gegenstände
fUolzscheirej in den .\rmen hält. Uir ent.spricht zur liechten eine jugendliche
Figur, das eine Bein roth, das andere weiss, bekleidet mit einer violetten
Armeltunica, deren Falten zum Theil mit weisser Farbe angegeben sind. Sie
hält mit der recliten Hand den langen geraden Styl eines Löffels aufrecht,
aus welchem eine Flüssigkeit .--ich in die Wanne ergiesst. Auf dem schwärz-
lichen Grund des Bildes sind einige .Sterne gelb aufgemalt. Links vom Ko])fe
des Ueiligcn weiss anfgelragen. der Nanu-;
Unmittelbar unter dies, m Felde linden sich Überbleibsel einer weiteren
lleiligcDgeschicliio , in welcher sich derselbe Name fragmentarisch , aber
deutlich erkentibar wiedorlinll.
Im siidliciicn Theil der Apsis sind von einem längereu Bilde, welches
die Anbetung der heil, drei Könige d:irstcllte, nur einige Stücke der
oberen Hälfte erhalten. Auch hier i.^t di-r Grund schwärzlich. Links das
Oiebeldach der Hütte, über der ein gro.seer .Stern steht. Rechts daneben der
Kopf der Jltirla mit schwarzem Tuch. Dann etwas tii^t'er derjenige des ersten
Königs, der gekniet zu haben scheint. Der zweite stand eu faci' und wies
mit dem Zeigefinger der erhobenen rechten Hand auf das Wuniler hin, der
dritte sieht mit verwendeten Augen entzückt In die Höhe nnd führt in Ver-
wunderung die Hand an die Stirn. Alle Köpfe haben Iliiligeusehein. Keben
dem der Maria steht folg..nde zum Theil erloschene Inschrift;
F ^ n
'^
en .-ind inall. stumpf nnd Ihollwelso »lark verbliche u. Hal-
. ..... I . i I .... 1. ..:■!.. .11» y ..I..I...II iiir vmi
Alle Farben .-ind inall. stumpf nnd Ihollwelso »tarK veriuicueu. '•"'-
tiiDg und BowcKung der Figuren l.sl ilurchaus lirltnillv, die /.eichnung von
nacl)l仫lger Unvollkoniincnhell, mit stark und brcil nmf.breneu Contiireii,
ilas Innere mit eingcsolzlon Ilalblönen einfach colorlrl. Da» Bild der Apsis
Im sorgfältiger und mit grösserer Kiiintnls« ausgeführt. Auch der iiiter.esantc
(irabsloln eine. IWl Bc^lo^bcncn Johaiiiic» Herzog de Frankovlon veidlent
noch besonder» honorgohobon zu w.rdcn. (.egonwärllg ist er auf d. r Aussen-
BOllo de« Gebäude», In der Nähe der Absl» angebaut.
331 —
Der wichtigste antike Ort, der in Siebenbürgen
noch zu untersuchen blieb, die Stätte der alten Landes-
hauptstadt S a r ni i z e g e t h u s a, heute V a r h e 1 y, hat seit
langen Zeiten fast in allen Theilen des grossen mitDorf-
sehaften dicht besetzten Ilatzeger Thaies Fundgegen-
stände abgegeben, denen man in einem Umkreis von
wenigstens fünf Stunden nachzugehen genöthigt ist.
Nach einem kurzen Aufenthalt in ^'aJda-Hnnyad, wo
vor mehreren Jahren Marmorsculpturen und Inschriften
zu Tage gefördert worden sind, haben wir von Hatzeg
aus die wichtigsten Besitzungen und Ortschaften des
ganzen Thaies liesucht: Farkadin mit der Antikcn-
sanimlung im Schloss des Grafen Lonyay, Denis us
mit einer aus antiken Werkstücken aufgebauten hoch-
alterthümlichen Kirche, Pesteny, Brazova, Zaj-
k ä n y, N a g y - 0 s z t r ö mit seiner gewaltigen i)alisaden-
artig aus antiken Blöcken zusanunengesetzten Kireh-
hofsmauer, Poklisa, und zum Schluss, nördlich von
Hatzeg, im Thale des Strehlflusses Rus, Zejkfalva
und Kis-Kalän.
In Varhely fanden wir das im Jahre 1823 ent-
deckte berühmte 3Iosaik bis auf einen kleinen Theil,
der im Stall eines wallachischen Bauern gezeigt wird,
wieder zugeschütlet. In der Nähe des Dorfes lag auf
freiem Felde eine colossale fein profilirte viereckige
Ära aus Marmor, welche auf drei Seiten in schönster
Ausführung den identischen Wortlaut einer flrabinschrift
zeigt (C. J. L. III. ()369) , und auf ihrer obern Fläche
einen Aufsatz von mindestens anderhalb Bieter Höhe, in
Form eines gleichfalls marmornen Pinien-Zapfens trug,
den wir wohlerhalteu in unmittelbarer Nähe vorfanden.
Wenige ^Minuten östlich \or dem Dorfe ist ilas ehemalige
Amphitheater der Colonie in einer schüsseiförmig ovalen
Aushöhlung des Bodens unverkennbar. Die Arena,
durch eine Maispflanzung bestanden, welche nur an-
nähernd eine Schätzung der Grösse zuliess, misst in der
längern gegen Nordost streichenden Achse GO— G5, in
der kleinern 32 — 35 Schritte. Den Achsenenden ent-
sprachen die flaupteingänge des Gebäudes, welche
durch vier tiefe Ausschnitte des von Erde bedeckten
Walles, der die Cavea bildet, deutlich bezeichnet werden.
Eine doppelte Reihe vereinzelter gleichweit abstehender
kleiner Einseukungen, welche ohne Zweifel die Zu-
gänge zum ersten und zweiten Rang markiren, läuft
auf der Höhe des Walles und auf seinem unterm Rande
rings um die Arena. Von Substructionen unter der letztern
und von Sitzstufen ist gegenwärtig nichts zu bemerken.
Eine Samudung existirt in ^'ärht■ly nicht. Was
wir hie uiul da in Privatbesitz antrafen ist numerisch
nicht von Belang; aber die bessere Qualität aller Fund-
stücke veranschaulicht den höhern Wohlstand, welcher
die dacische Metropolis vor den nördlicheren Colonien
auszeichnete. Für Sculptiiren und Inschriften ist durch-
gängig weisser iMarmor verwendet, der in den übrigen
Landestheilen nur ausnahmsweise auftritt. Die ersteren
sind geschickter und soiglältiger, die letztern correcter
und theihveis sogar mit unleugbarer Eleganz in Anord-
nung und Form der Biiclistaljen ausgeführt. Bronze
konmit häutiger und in grösseren Stücken vor. Um so
mehr bleibt es zu beklagen , dass an diesem Orte
niemals systenmtische Ausgrabungen unternommen
worden sind. Ohne Frage müsste es zu erspriess-
liehen Ergebnissen führen und würde überdies nur
geringen Aufwand erfordern, wenn man beispielsweise
die Gruppe von unterirdischen Grotten und Ruinen,
welche auf einem Grundstück des Grafen Lonyay zu
Tage liegen, oder das noch unberührte Amphitheater
bloss legen wollte. Eine Gesellschaft die sieh vor einigen
Jahren zu ähnliehen Zwecken in dieser Gegend gebildet
hatte, ist leider an der Ausführung ihres Planes ver-
hindert worden.
Jlit \'arliely waren für uns die wichtigeren Fund-
orte Siebenbürgens erschöiift ; denn der Osten des Landes
ist von den Römern ofienbar nur schwach besetzt ge-
wesen. Auszubeuten blieb aber vor allem noch das
älteste Siebenbürger Museum, welches BaronBrucken-
thal in Herniannstadt gegründet und nut andern
grossartigen Schenkungen dem Besitze der Stadt über-
wiesen hat. In dankenswerther Weise unterstützt wur-
den wir in diesem Studium durch die liebenswürdige
Zuvorkommenheit des zeitigen ('ustodeu der Bibliothek
und des Museums, Professor Ludwig R e i s s e n b e r g e r.
Der ältere Bestand der Sanunluug, insbesondere
die Mithrasdenkmäler, ist wiederholt namentlich durch
Koppen beschrieben, thcil weise publicirt worden; doch
ergab eine Revision mancherlei Nachträge, besonders
zur bekannten Hekate (Müller- Wie sei er Denk-
mäler alter Kunst II. 71, 839a S39b), deren Reliefs in
Bezug auf Zahl, Attribute und Bewegung der Figuren
irrthiiinlich aufgefasst worden sind, und neu verölfent-
licht zu werden verdienen. Zu publiciren sind ferner
mehrere Reliefs, welche die Innenseite derSchmalwände
von Grab-Capellen zierten, einige Bronzen, Terracotten
undVotivreliefs mit zum Theil räthselhaftenCnltus-Dar-
stellungen, eine iuschriftlich bezeugte Junostatuette
(C. I. L. III. 'l<^^S^ und vor allem ein mit interessanten
Graffitdarstellungen ausgestatteter bronzener Umbo
eines römischen Schildes (C. I. L. III. 1G40, 2). Ausser
einer sitzenden Jupiterstatue und mehreren Inschriften
ist die Sammlung in neuester Zeit durch die an Zahl
und Bedeutung untergeordnete Hinterlassenschaft des
Pfarrers Aekner und namentlich durch einen be-
deutenden Hammersdorfer Fund von Gegenständen der
Bronzezeit vermehrt worden, welche von Reissenberger
im If). Bande des Archivs für siebenbürgische Landes-
kunde X. F. lehrreich beschrieben worden sind. Im
Privatbesitz haben wir mit Ausnahme eines reichhal-
tigen Münzcabinets des Landesins])ectors Bielz in Her-
mannstadt nichts vorgefunden.
Das rumänische Gymnasium in Blasendorf ent-
hält einige unitedeutende Marmor- und Terracotta-Stncke.
die aus Varhely und Broos staimnen, nebst zahlreichen
Ziegeln mit bekannten Stempeln aus Karlsburg. Wich-
tiger sind die dort im Besitz des gelehrten Canonicus
und Gymnasialilirectors Cipariu befindlichen Wacbs-
tafeln aus Vercspatak, deren Vergleichung derselbe iu
zuvorkommender Weise gestattete. Leider sind die-
selben seit ihrer Auffindung und ersten Piiblication theil-
weise sehr beschädigt und die leicht in Wachs geritzten
Schriftzüge an vielen Stellen unleserlich geworden oder
ganz geschwunden.
Die Sammlung des Gymnasiums von Schässburg,
welche Professor Goos,der sich durch mehrere Publi-
cationen um die Alterthumskunde von Siebenbürgen
verdient gemacht hat, zu vermehren besorgt ist, bietet
ausser einer Anzahl antiker ^lünzeu, einigen Intaglios
— 332
imd Geräthschafteu nichts Römisches von Belang. Auch
der östlichste Ort in Siebenbürgen, den wir besuchten,
Kr onstadt, hat nur einige geschnittene Steine und
römische Ziegel, die von andern Orten hieher gebracht
worden sind, in der naturliistorischen Sammlung des
Gymnasiums aufzuweisen.
Siebenbürgen nmfasst bekanntlich nur einen Tlieil
des alten Dacieu, dass sich bis an die Donau erstreckte.
Wie überhaupt der bestimmende Einfluss, welchen der
Lauf der Ströme und Wasseradern auf die Ausdehnung
der römischen Occupation ausgeübt hat, in jenen Gegen-
den deutlich herantritt, so besonders im Süden, wo der
Altfluss unverkennbar eine Gräuze bildet. Während die
grosse Wallachei noch spärlicher als der Osten Sieben-
bürgens von Römern bewohnt gewesen zu sein scheint,
lassen sich westlich vom Alutas in der sogenannten
kleinen Wallachei zahlreiche Ansiedelungen nachweisen,
denen natnrgemäss ein ungleich liöherer Antheil an
römischer Cultur zufiel, als dem vorgeschobenen Gebiete
jenseits der Karpathen. Während im Norden, wo es
sich um den Schutz der äusse'rsten Gränzen liandelte,
das militärische Element eine freiere städtische Ent-
wicklung darniederhielt, wurde im Süden durch die
grössere Sicherheit der Existenz, den regen Verkehr
mit dem benachbarten Mösien, die vortheilhafte Kähe
des grossen Stromes und die bedeutendere Ergiebigkeit
des Bodens das AulljUihen von Städten im hohen Grade
begünstigt.
Dieses natürliche V'erhiiltniss wird, obwohl in
Rumänien nur gelegentlich und an wenigen Orten Aus-
grabungen vorgenommen worden sind, durch alle bis-
herigen Funde, welche grösteiitheils nach Bukarest ge-
kommen sind, anschaulich vergegenwärtigt. Da wir bei
beschränkter Zeit und den Schwierigkeiten des Verkehrs
in den Donangegenden nicht an einen Besuch der Fund-
orte denken koiniten, so durften wir es um so weniger
unterlassen, die zugängliciiercn.Sanniilungcn derllaupt
Stadt eingehend zu untersuchen. Wir hatten diesen
Entschluss, aucli nach der verbindlichen Aufnahme, die
wir bei einigen Gelehrten von Bukarest, namentlich
Flerrn Odobescu fanden, nicht zu Ix'i'cuen.
Das öHL-nflicIic Museum der Stadt ist in verschie-
denen Räumen des Universitätsgebäudes aufgestellt,
und hat in den letzten Jahren, unter der Leitung des
Dircctors Russo in Folge der Einverleibung grösserer
Sainiulungen des Generals !\I a v ms und des Fürsten
]\[ichael Ghika an Umfang und liedcutung gewonnen.
Nach dem berühmten Funde von Petmsa , der wie auf
der Pariser- Sf> auf der Wiener- Weltausstellung die ru-
mänische Abtheilung zierte, ist als wichtigster Bestand-
theil hcrvor/adicbcn eine Reihe griechischer und
lateinischer Insclnitten, die zum grössten Theile v<ni
D esjardins annalid. instit. l?<(iHp..') Fig. venitirnllii lit
worden sind; ein kolossaler Sarkophag aus Kalkstein,
auf dessen Front vier stehende i'orfraitfiguren , auf
dessen übrigen Seiten Eroten , liaruntin- einmal Ei'ns
und Antcros um (sine l'almc ringend dargestellt sind;
einige durili den Charaktei' ihrer Form und Verzierung
interessante spätrönnsclie (irabnmnuniente ; einige
griecliisciie Scitulcralstclcn, unter anderin drei Todten-
malile. und ein schönes wdhierhaltenes llocln'clief etwa
des III. .Iahrhun<lerts mit der Figur einer l';]ih('l)en ;
eine grössere Zahl rüinisch( i und griechischer Voiiv-
reliefs, wozu auch einige attische Bruchstücke , wie es
scheint von der Akropolis, gekommen sind; schliess-
lich eine Menge kleiner Broncen, unter denen freilich
Falsiticate oder Fabricate von zweifelhaftem Werthe
überwiegen.
Nach dem öffentUeheu Museum konunen besonders
zwei Privatsammlungen in Betracht, deren Studium uns
durch die Lil)eralität der Besitzer uneingeschränkt er-
möglicht worden ist. Die Samudungen des Rcdacteurs
der Zeitung Trompetta carpatiloru, Cesare B o 1 1 i a c und
des Majors Dimitrie P a p a s o g 1 u, beide meist aus eigenen
Nachgrabungen an versfhiedenen Orten der kleinen
Wallachei gebildet. Der Erstgenannte , der zu wieder-
holten Malen in seiner Zeitung umständlich über seine
Ac(|uisitionen und Funde Bericht erstattet hat, besitzt
ausser einer werthvoUen Münzsammlung und einer
ebenso reichhaltigen als auserlesenen Serie vorhistori-
scher Utensilien eine beträchtliche Zahl kleiner Bronzen
und römischer Reliefs. Der Letztere hat in mehreren
kleinen Pavillons seines Gartens mit vielseitigem Inte-
resse eine überraschende Menge der mannigfaltigsten
Gegenstände vereinigt , Fragmente von Statuen, In-
schriften, Reliefs, Terracotten, kleine Bronzen u. s. w.
und hat seinen ganzen Besitz in einem eigenen Cata-
loge „Muzeul Papazoglu , Bueuresci, Colörea albasträ
Väcäresci Nr. 151 — 18()ö" pp. 145, 8«. unter Angabe
der Provenienzen beschrieben. Den wichtigsten Be-
standtheil des fianzen bildet eine ansehnliche Daktylio-
thek deren Hauptstiick einO"', 075 langer ovaler Achat
mit vertiefter Darstellung einer Haruischtigur ist , und
eine 1863 im Altfluss bei Riesca gefundene 0™, 235
hohe, 0™, 21 breite und 0™, 12 tiefe Gesichtsmaske aus
0'", 003 dickem Bronceblech, auf deren Innen- und
Aussenseite der Name des Besitzers oder Verfertigers,
T . PII . PRISCI, in punctirten Lettern sieht. Sie ist
unbärtig, in idealen Formen gehalten, und zeigt einen
Eichenkran/, im Haar. Uijer der Stirn und an den hin-
teren Enden der Backen sind kleine Löcher angebracht,
welche zur Befestigung von Bändern beim Tragen der
Maske dienten. Für diesen Gebrauch sind auch Lip-
penspalte , Nasenlöcher und AugenhiUdcn durch-
brochen. '
Nach kurzem Aufenthalt in T um - Se vcri n uiul
einem Abstecher nach ]\[eliadia, wo die bekannten
Alterthümer trotz zahlreicher Neubauten aufl'älliger
Weise keinen Zuwachs erhalten haben, unterzogen wir
die grosse tra.ianisehe Fclsinschrift in der Nähe von
Orsova auf serbischem Ufir einer neuen Untersuchung,
die jedncli bei fast viillständiger Zerstörung der unteren
Tlieile nur zu bedingten Resultaten ffdiren konnte. Zum
Schluss unserer Reise besichtigten wir das städtische
Museum von Belgrad, das tili' Mösia superior eine ähn-
liehe Px'deutung beans])ruelit wie die Sannnlungen vtm
Bukarest ftir Dacia infi'rior.
In Folge daidvcnswertlu'ster Unterstfit/.ung von Sei-
ten des Direcfors Staatsrat!! Dr. Schafäfik und des
k. k. östeir. Mceconsuls Anger ward es uns mög-
' Kin zweite» Kxem|»lar einer Itronzoinaske von gleicher He.'^tinimung,
leider etwn» beBchndUt, aber von schöner Arboll. mit di-n Kornien eine» bnr-
linen I'onriilB, befin<let »Ich Itn Mu»>mm tob Jleli^rad. Andere liat K. Hubnor
In den .lahrbiichern de» Vereines von Alterth. im Khelnlaiide' 1873 p. 17-1
lehrreich zuHnmniongentellt ; »le (luden pleh im Museo Gregorlano In Rom, Im
britischen MiiHOUm hl London, in den Sammlungen von Metz und Mainz. E»
hIii'I Anstalten getroffen, diese interessante Clnsse von Jlonuntenlen, deren
praktipcher Zweck vorlänllt; nicht mit .Slchorli.lt zu LcHtlmmen ist, In einer
eigenen Publlcntion zn vereinigen.
333 —
lieh von dem wichtigsten Bestand in kurzer Zeit Keiint-
niss zu nehmen. Ausser einigen fignrenreieiien Grat)-
monnmenten und einer grösseren Serie von Yotivreliefs
und Bronzestatuetten erregte nanientlieh eine Samm-
lung von Goldsehmuckgegenständeu, geschnittenen
Steinen und Silbersachen unsere Aufmerksamkeit. Von
den letzteren sind sechs antike Barren, deren Inschriften
nach Jlittheilungen Sat'afik's von Jlonnnsen i^C. I.L.III.
add. (io.'il) verölit'entlicht sind und ein schon um des
metallischen Werthes willen hervorragender Fund von
über 20 Gefässen und Utensilien, darunter eine elegante
Schale mit bachischen Reliefs hervorzuheben.
An den meisten Orten, die wir besuchten, Hessen
sich von unbekannten Monumenten Abgüsse, Abdrücke,
Photographien oder Zeichnungen gewinnen und wurde
überhaupt für eine möglichst vollständige beschreibende
Aufnahme des Vorhandenen Sorge getragen. Es konnte
auf diese Weise anuäliernd ein Überljlick über die
Kunstthätigkeit einer römischen Provinz erzielt werden,
welclier trotz des künstlerisch untergeordneten Werthes
und des meist bekbigenswcrthen Zustandes des zufällig
Erhaltenen Nutzen zu gewähren verspricht. Eine nähere
Mittheiiung der eiiigraphischen und archäulogischen
Ergebnisse wird demnächst erfolgen. Wenn wir dieselben
im Ganzen als nicht unliefriedigcnd bezeichnen können,
so danken wir das vorzügHch dem liebenswürdigen Ent-
gegenkonniien, das wir überall auf unserer Keise ohne
Unterschied der Nation oder des Standes gefunden
haben, und wir empfinden es als eine angenehme Pfliclit,
für alle Förderung, die uns zu Theil wurde, auch öftV'nt-
licli unserer Dankbarkeit Ausdruck zu geben.
Prag den ."]. December 1873.
Otto Bemidorf, Otto Hirsch fehl.
In Betreff des Strassbiirger Wandteppichs.
Ich habe in diesen ^littheilungen, Jahrg. 1872,
pag. 40 — 48, den Bilderschmuck des Pressburger Wand-
teppiches zu. erklären v(?rsncht und erlaube mir im Zu-
sammenhange und in Übereiustimnumg mit dem dort
Gesagten Folgendes als nachträgliche Erweiterung der
gegebenen Erklärung zu bringen. Aus Simrock's
Handbuch der deutschen Mythologie, pag. 461 ft'., ersehe
ich, dass auch von der Volkssage und Literatur dem
wilden Manne die Rolle des Hüters wilder Thiere zu-
getheilt wird. In mehreren Märchen sind es Hasen und
Füchse, sonst aber auch wilde Bestien, gewöhnlich in
einem von Eisengittern umschlossenen Garteugehege
gehalten, in dessen Mitte ein vom wilden Mann bewach-
ter Baum steht. Simrock zeigt, dass mit diesem Baume
der Weltbaum, die wunderbare Esche Ygdrasill gemeint
ist, sowie der dabei befindliche Brunnen, im Iwein als
gewittererregender Quell, im Märchen vom lebenden
Wasser als Zauberborn geschildert, der heilige Urdaquell
sein muss; er zeigfferner, dass diese Persönlichkeit des
Vieh hütenden wilden Mannes uns zuerst in den Ge-
stalten des wachhabenden Hüters in den eddischen Lie-
dern Skirnisför undFiölswinnsmal begegnet, wobei auch
der heilige Baum und die Hunde der Hirten nicht fehlen.
In der flammenden Umzäunung des Wafurlogi ist
aber der Scheiterhaufen und somit im weiteren Sinne
die Behausung des Todes und die Unterwelt zu denken,
welcher Thatsache der Volksglaube entspricht, dass vor
dem Reiche der Unterwelt eine Viehweide liege. Sim-
rock gibt Beispiele aus Fastuachtspielen des XVI. Jahr-
hunderts und Volksmärchen. In dem lateinischen Liede
vom Bischof H e rigor heisst es von der Hölle, sie liege
hinter einem dichten Walde (densis undique silvis), der
von wilden Thieren augefüllt sei und die ein wilder
Mann hüte. Denselben wilden Hüter wilder Thiere fin-
den wir ferner im genannten Iwein Hartmann's von Aue,
Vers 403—517.
Fassen wir dies zusammen, so ergibt sich für das
Verständniss des Gegenstandes ein tieferer Einblick,
ein Bild einer tiefsinnigen Phantasie. Wir haben dem-
zufolge also einen uralten nationalen, poetischen Sagen-
stoft", dem selbst mythologische Bedeutung innewohnt,
vor uns, den das Märchen des Volkes verkündete und
beliebte Dichter der ritterlichen Zeit für ihre ergreifenden
Gesänge gewählt hatten. Aus beiden Quellen musste er
der vornehmen Gesellschaft auch noch in der Entste-
huugsperiode unseres Teppiches geläufig sein und konnte
dann auch in zcitgeniässer Weise moralisirend verwen-
det werden. Aus diesem Zusammenhange aber wird
uns noch deutlicher als aus den Charakter-Eigenschaften
der einzelnen dargestellten Thiergattungen ihre zum
Theil böse Bedeutung klar, denn sie sind Geschöpfe der
Unterwelt. Dass diese wilden Männer und Hüter der
wilden Thiere hier jedoch die hässliche Waldschraten-
Figur abgelegt haben und feine Jüngelchen geworden
sind, wird weiter nicht wundern und den Zusammen-
hang mit Obigem auch nicht lösen können ; der Grund
ist in der Abhandlung bereits augeführt: wir haben,
was dies betrifft, eine modehafte Aus- und Linibildung
des volksthündiclien Sagenstoftes vor uns, weil, wie es
scheint, die Maske des wnlden Mannes eine in den ge-
nannten Ständen beliebte gewesen war.
Zum Schlüsse füge ich noch hinzu, dass mir nun
erst das Bildwerk auf einem Grahdenksteine an unserer
Stefanskirche erkiärlieh ist. An der Stirnseite dieses
Domes befindet sieh nämlich auf dem Grabmale des
Endres Wolf von Ober-Volkach, der 1568 starb, eine
Viehweide mit einem Brunnen, darüber das jüngste Ge-
richt dargestellt. Wieder ein neuer Beweis, wie innig
die Sage des Volkes und die alte Kun.st desselben im
Zusammenhange stehen.
Alb. Ilg.
334
Die scliiniedeisernen Leuchter der Stiftskirche zu Heiligeiikreuz.
Vun Job. Gradt.
(Mit 1 Holzschnitt.)
In der Stiftskirche des Cistercienser - Ordens zu
Heiligenkreuz haben sich vier gleiche schmiedeiserne
Leuchter von der in Fig. 1 ersichtlichen Form erhalten,
welche Leuchter bei den kirchlichen Functionen, wie sie
Fife'. 1.
nach dem Kitiis derselben für die Verstorbeneu eingehalten
werden, im Gebrauch waren. Obgleich an diesen Werken
kein ausgcs]irochenes figurales oder ornamentales Merk-
mal vorkommt, durch welches sich dieselben als Er-
zeugnisse dos frühen Älittelalters kennzeichnen würden,
so legitimiren sie sich nichtsdestoweniger als solche
in prägnanter Weise. Darin liegtebendas Eigeuthümliche
an den selten mehr vorfindliehen Kosten des Kunst- und
Gewerbcfleisscs unserer vor vier und noch mein- Jahr-
hiniderten thätigen Werkmeister, dass die aus ihrer
Hand hervorgegangenen Arbeiten, mögen sie für höhere
Zwecke oder den alltäglichen Gebrauch bestimmt ge-
wesen sein , in naiver schlichter Autfassung gebildet
und dabei die Formschöniieit bei hilialtung der Um-
stände, die von der Eigenschaft des Materiales und der
Gebrauchsverwendung des Gegenstandes bedingt waren,
nicht ausser Acht gelassen war. Darin liegt zum
wesentlichen auch ihr unmittelbarer fortwährender Keiz,
dass diese Werke, bei deren Anfertigung lange noch
nicht jene vervollkonunneten Werkzeuge vorhanden
waren, die dem in der Gegenwart schaffenden Werks-
küustler zur Verfügung stehen, mit voller Präcision
und aller Solidität und in der ureigenen durchgeistigten
Form hervorgegangen sind, wobei der Keiz durch eine
mitunter liarte und steife Ausbildung einzelner Theile
nur noch erhöht wird und an die Gebundenheit der
alten Ägypter erinnert. Aus diesem Grunde verdienen
solche Werke mit dem ausgeprägten Typus ureigener
Erfindung und nationaler Tcclniik , widclie noch nicht
von der aus der Antike überkommenen Forinenaus-
bildung augekränkelt sind, eine eingehende Würdigung,
welche ihnen derzeit auch von den in der Kunst-Indu-
strie am weitesten fortgeschrittenen Culturvölkern Eu-
ropa's dadurch wieder zu Tlieil wird, dass man auf die
natiitnale Teclniik und ureigene Ausbildung des Mittel-
alters zurückgreift, wie diess die Arbeiten hervorra-
gendster englischen Firmen beweisen , die aber der
Liel)hal)er stylvoller Arbeiten auf der gegenwärtigen
Ausstellung leider \erniisst hat.
Der vorliegende ]>eucliter entwickelt sich , von
einem drcifüssigen, krallig geformten Untersatze gehal-
ten, der ihm die erforderliche Stabilität gibt, als drei-
mal durcli Knäufe unterbrochene cyliiidrische Köhre,
die sich mit ihren gescidit/.len und umgeliogeneu vier
Auslaufen nacii unleii .-luf dem rntersafz anscliniiegt
und vermittelst einer im Innern der Köhre angebrach-
ten Durchzugsstange befindlichen Schraube in steter
Spannung gehalten werden kann, zu einer Höhe von
vier Fiiss, wozu woid noch dii' Schale, nicht aber mehr
der Dornsiiitz gerechnet ist. Am oberen Auslauf der
cylindrischen Köhre von 1 Va" Durchmesser liegt, durch
einen Knauf vermittelt, die flach gehaltene Schale von
fi" Diameter auf, aus der die Dnrclizugsstangc mit dem
Dornsi)itz lierausragt. Die Ausailicitiing der Schale, der
Köhre, des Fasses inid des l'.ciwerkes ist ladellos, und
das Ganze mit einem schwarzen Lack ülterzogcn. Zier-
— 33Ö —
lieh s;'Owuii(leiie Stiihfhen beglcitfii den Rölireiistämlev,
von wl'IuIk'hi sie sich in stianinicr Au.sl)ifguni;- nacli
oben au die Schale mittelst volutenfönnif;- gehaltener
Kn(lii;-ang, naeli unten mittelst /.nni;eni"iirmift'er Ahplat-
tunt;' anschliessen.
Die Arbeit fällt in die Ausuansszeit des Komanis-
mns; Inder Periode der Gotliik hätte es der Werks-
Hieister nicht über das Herz gebracht, dem Geiste seiner
Zeit durch die Anbringung eines tyiiisehen oder scitc
matiselieii ' hnanientes am Fuss, Ständer oder an dci-
Seiialc gerecht zu werden und seiner Leistung den
Stempel seiner Zeit äusseilitdi mit mehr Schürfe aufzu-
drücken.
ICs ist ein Glück zu nennen, dass sich diese zwar
unsclieiubaren , aber selten mehr vorfnidliclien Werke
mitlelalterlieher 'l'echnik unter di-r (Jbhut des kunst-
sinnigen Stiftes betindeii; denn dasselite ist uns Bürge,
dass die Leuchter den Nachkonnnen erhalten bleiben
und als miistergiltige Arbeiten zur Nachl)ilduiig anregen
werden.
Der Statltiiietzeii von Wels.
Von Joh. Gradt.
(Mit 1 Holzschnitt.)
Wie das alte betriebsame Nürnberg seine berühmte
öflentlicbe Stadtwage hatte , auf welche es mit Recht
stolz sein konnte, weil der Erzgiesser Kraft in küust-
lerisch vollendeter Form dieses AVerk geschatlen hatte,
und wie auch andere iudustriereiche deutsche Städte,
wie z. B. Wien, Freiburg, im Mittelalter verschiedent-
liche, an ötfeutlicheii Gebäuden angebrachte l'rmasse
besassen, um den Bedürfnissen des ötilentlicheu Ver-
kehrs gerecht zu werden, so hielten es auch die öster-
reichischen Handels-Kmporien im Mittelalter mit den im
Verkehr üblichen Mass- und Gewichtseinheiten. Sie
standen unter der Coutrole des Stadtregimentes und
unter der Aufsicht öilentlicher Organe und waren wie
die 'Wahrzeichen der Stadt selbst Gegenstand pietäts-
voller Pflege und desslialh gegen niuthwilligc Verletzung
gefeit. Ein solches aus dem Jfittelalter stanuiiendes Jlass
besitzt die Stadt Wels an dem sogenannten Stadtmetzen,
welcher am Platze in der Stadt nächst dem ^lagistrats-
gebäude angebracht ist und wovon Fig. 1 eine Ansicht
gibt.
Solche Überreste haben, ganz abgesehen von der
Form, in welcher sie auf uns überktnninen sind, in der
Gegenwart insofern ein erhöhtes Interesse bekommen,
weil sie als Mass-Einheiten derA'ergangenheit den Schlüs-
sel zur Beantwoitung einer in dei' Gegenwart nut Kecht
wichtig gewordenen Frage, zur Geschichte der Preise
enthalten, weil sie über den Verkehr, dessen Ausdehnung,
Art und Weise der Geschäftsabwicklung und anderer
culturgeschichtlicli niei'kwürdiger Verhältnisse gar
manche .Vufsclilüsse zu bieten im Stande sind. Von
diesem (ieschichtspunkte verdienen solche Blass-Ein-
lieiten eine besondere AVerthschätzung, und aus diesem
Grunde würde es sich empfehlen, dass das erwähnte
Denkmal, welches schon lange her ausser Gebrauch
gesetzt ist, an einem Orte aufbewahrt werde, wo es den
rnbilden der Atnios|)härilien, oder was mehr noch zu
befürchten ist, zufälligen oder nuithwilligen Beschädi-
gungen weniger ausgesetzt wäre. \'or allem scheint
mir dazu das Museum Francisco-Garolinum in Linz be-
rufen, diesem \aterl;inilischen Denkmale eine schützende
Stätte zu gewähren.
So hat sich auch für den in der rasch emporblüheu-
den Handelsstadt Wels seiner Zeit und noch dermalen
lebhaften Marktverkehr namentlich in Körnerfrüchten,
XVllI.
deren Abschlüsse für die benachbarten Lander Ober-
Steiermark, Salzburg , Bayern , Böbmen und Nieder-
Osterreich noch immer von Einfluss sind', im Jlittelalter
aber im höheren Grade waren, als ein unabweisliches
Bedürfniss eine, keinen Schwankungen unterliegende
Mass-Einheit herausgestellt, um deniuternationalen\'er-
kehr mit Ländern, in welchen abweichende Einheiten
üblich waren , zu regeln und zu erleichtern. Dieser-
wegen wurde unter der Controle und Autorisation der
Statltbeliörde der dem A'erkehr zu Grunde liegende
Metzeu aus einem dauerhaften, der Abnützung nicht
leicht unterliegenden Materiale angefertigt, aus dem
bunten l\Iarmor, welcher in den Steinbrüchen der im
Fis- 1.
44
— 336
Salzkammergute stark verbreiteten Gosauforiuatii)ii ge-
wtiiinen wird. Der Metzeu ist nach aussen als reguläres
aeiitseitiges Prisma von 18" Hölie und -21 < .," Breite ge-
halten, naeli nuten einfach abgeschrägt. Die innere
cylindrische Aushöhlung ist mit lüicksieht auf die vorn
angebrachte Ausmündungs-Uft'nung so gehalten, dass
sich beim Entfernen der Abschlussklappe das Gefäss
seines gesammten Inhaltes ohne Rticklassung etwaiger
Überbleibsel schnell entleeren konnte. Zur Fixiruug der
Verschlussklappe au der Oft'nnng ist im Steine eine vier-
eckige Vertiefung ausgearbeitet, und nebstdem sind in
dem vertieften Felde zwei Löcher angebracht worden,
in welche die VerschUisskla])])e rasch eingepasst und
schnell genug beseitigt werden konnte.
Dieses prismatisch geformte Gefäss wird von einem
kurzen kreisrunden Säulenschafte getragen , der aus
einem {inadratiscb gehaltenen Sockel mit anziehender
Verschrägung herauswächst, — eine Form, die in der
Spät-Gothik mit besonderer Vorliebe für Vermittlungen
zwischen runden uud eckigen Gliederungen gewäldt
wurde. Die (lesammthöhe des IMctzens samnit Ständer
beträgt o' — 9", der Dianicterder Aushöhlung 21".
Nimmt mau auf den kubisciicn Iniiait des mittel-
alterlichen Masses und sein Verhältniss zu dem gegen-
wärtig üblichen Metzeu llücksicht , so stellt sich der
Wiener Metzeu ^=0-6148682 Hectoliter ungefähr sechs-
mal grösser als das zu Wels übliche mittelalterliche
Urmass = 0.1118189 Hectoliter heraus.
GefässFuiid in Dalmatieii.
Der Conservator für den Bezirk Spalato, Professor
Michael Glavinic berichtet, dass vor kurzem auf einem
an der Strasse von Salona nach Trau gelegenen Acker
achtundvierzig grosse Thongefässe an ein und derselben
•Stelle gefunden wurden. Es sind dies A])horen, deren
sich die Römer zur Anlbewahrung des Weines bedien-
ten, wobei das unten zugesjiitztc (Udäss. in den S;ind
des Kellers oder Depots eingedrückt wurde. S(dclie Ge-
lasse, die eine Hohe von 3 Fuss erreichen , sind nicht
selten und belindet sich davon eine Anzahl \i>n ver-
schiedenen Formen im k. k. Antiken-C'abinet ^ unteres
Belvedere). Ein grosser Theii dei- Gefässe \\;ir zer-
trümmert, doch fanden sich auch mehrere ganz wohl
erhaltene.
Aus der grossen Anzahl dieser Fundstückc scheint
hervorzugehen, dass man hier entweder auf ein antikes
Weindepot sticss, oder in der Nähe der Fundstelle eine
Fabrik für S(dche Gefässe liestand.
Interessant ist der am Halse eines Gefässcs ange-
l)rachte Name Heren Flav (Herepius Havus) , wahr-
scheinlich der Name des Fabrikanten; auch einer der
Deckel war mit einer runden, ganz eigentliümliche
Zeichniini;en enthaltenden Marke verseilen.
B ü c h e r s c h a u.
Hocznik dia Archeologow Numizniafyköw Hililio-
grafow polskich v. 1870 wydal Stanislaw Krzyza-
novvskilJr. Filozofii. Krakow. Drukarnia IJniwersy-
tety Jagiellonskiciio iiodzarzadem K. Mankowskiego.
1873. 8°. Str. 287.'
(Jahrbucli für Archäologen. Xiiiin'smatiker und Hib-
liograjihen in Polen. Jain'gang. I87() lleraiisgi'gelH'n von
Stanislaus Krzyzanowski Dr. der l'hilosophic. Krakau.
in der Fnivcrsitäts-Buchdruckerci unter der Fülinin:;
des K. Mankowski 1K73, 8°. S. 287.)
I)i-r Inhalt dieses ist: Zuerst ist dir I )(Mlication
/inu Andeid<en der vicrliniidcrtjährigen (ielnut des
Nicolaus Kopernik; daini folgt „die Jugendjahre des
Sl;inislaMs liohusz" \(>n Alexander Weryha Daro-
wski; „die Huchdruckerei an den Moldawischeu Grän-
zen" \dn Dr. Jose])!! Rolle; ,,dii' Gründung der Jagiello-
nischen l'niversität in Krakaii im Jahre l.'ilU" von Dr.
Alfred Brandowski; zuletzt das Jahrbuch seihst, wel-
ches aus neun Abschnitten besteht, in welchen die
••irchäologischen (iesellseluiften und Vereine, der öfl'ent-
liciie \'orti-ag der Archäologie, die im Laufe des Jahres,
aiigeschalfteii arcliiiojoi^isehen Crcgenstände, Finidge-
genstände aus Polen, die Liste der archäologischen
Sannnler, archäologische Untersuchungen, Nckrologie
der verstorbenen .\rchiioIogen, archäologische l'ililio-
graphie, und die ('iironikzMs;innncngelasst sind. Strenge
Studien, der Reiehtlium \'on wissenselial'tiielieu N.-uli
richten empfehlen dies Werk.
Itoilnt.t^iir: Pr. Karl Mnd. — llriirk <l<'r k> k. l[or- Hill H(jintjl(lrllrkr>n
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