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Forschungsreisenden und Gelehrten
aus den
Deutschen Schutzgebieten.
Mit Benutzung amtlicher Quellen
herausgegeben
Dr. Freiherr von Danckelman.
Achter Band.
Berlin 1895.
Ernst Siegfried Mittler und Sohn
Königliche Hofbuchhandlung
Kochstrasse 68—71.
2*7 3S3
H2, 5'^ÖXA
Si^jdt- u. Univ.-Bibl.
Frankfurt/Main
THE GETTY CENTER
LIBRARY
Inhalts verzeichniss.
Aus dein Schutzgebiete Togo. Seite
Astronomische Ortsbestimmungen von Dr. Grüner in Togo (1894).
Berechnet von Dr. Fritz Cohn in Königsberg . 109
Reiseberichte von Premierlieutenant v. Doering aus den Jahren 1893
bis 1895 231
E. Baumanns zoologische Sammlungen im Togogebiete . 271
Bemerkungen zur Berechnung der astronomischen Ortsbestimmungen
des Premierlieutenants v. Doering in Togo. Von M. Schnauder 273
Bemerkungen zu der Karte: Skizze der topographischen Aufnahmen
in der Umgebung von Bismarckburg durch Premierlieutenant
v. Doering . 275
Aus dem Schutzgebiete Kamerun.
Die Vögel des nordwestlichen Kamerungebietes. Von Yngve Sjöstedt 1
Yaünde. Von G. Zenker . 36
Meteorologische Beobachtungen von Dr. F. Plehn (Kamerun),
Dr. Preuss (Victoria) und M. Dinklage (Batanga) . 70
Bericht von Missionar F. Autenrieth über seine Bereisung des
Gebirgslandes nordöstlich vom Wuri . 80
Geologische Untersuchungen im Kamerungebiete. Von Bergassessor
B. Knochenhauer . 87
Bemerkungen zur Kartenskizze des Küstengebietes von Kamerun . . 106
Bericht des Dr. Preuss über das Gebiet des kleinen Kamerunberges 113
Astronomische Ortsbestimmungen im Hinterlande von Kamerun. Aus¬
geführt von Dr. Passarge. Berechnet von Astronom M. Schnauder
in Potsdam . 181
Die Höhenmessungen von Dr. Passarge im Hinterlande von Kamerun 182
Begleitworte zu den Karten „Reiseroute der Expedition des deutschen
Kamerunkomitees“. Von Dr. M. Limp rieht . 184
Ueber das Gebiet zwischen Mundame und Baliburg. Aus einem Briefe
von G. Gonrau . 277
Meteorologische Beobachtungen aus Lolodorf, Süd-Kamerun .... 280
Aus dem deutsch - siidwestafrikanisclien Schutzgebiete.
Seite
Meteorologische Beobachtungen aus Deutsch -Süd westafrika .... 121
Aus dem deutsch - ostafrikanischen Schutzgebiete.
Erklärung . 108
Ein neuer Kaffeeschädling aus Afrika. Yon Dr. 0. Warburg . . . 130
Astronomische Ortsbestimmungen des Herrn Kompagnieführers Ramsay
auf der Reise von Kisaki nach Dar-es-Saläm im April und Mai
des Jahres 1894. Berechnet von Dr. L. Ambronn . 141
Neue astronomische Bestimmungen des Herrn Dr. Stuhlmann in
Ostafrika aus dem Jahre 1894. Berechnet von Dr. W. Brix . . 143
Die Resultate der meteorologischen Beobachtungen im Kondeland . . 146
Begleitworte zur Karte von Deutsch- Kondeland. Yon Dr. Richard
Kiepert . 153
Ueber die Rechtsgewohnheiten der im Bezirk Tanga ansässigen
Farbigen. Yon Bezirksamtmann v. St. Paul-Hilaire . . . 191
Ueber die Uluguruberge in Deutsch -Ostafrika. Yon Dr. Stuhlmann 209
Bericht über die klimatischen und gesundheitlichen Yerliältnisse von
Moshi am Kilimandjaro. Von Dr. Widenmann, Arzt in der
Kaiserlichen Schutztruppe . 283
Sitten, Gebräuche und Rechtspflege bei den Bewohnern Usambaras
und Pares. Von Lieutenant Storch . 310
Astronomische Beobachtungen, angestellt im Jahre 1894 von Graf
Götzen in Ostafrika. Berechnet von Dr Fritz Cohn in Königsberg 331
Aus dem Schutzgebiete der Marshall- Inseln.
Bericht über die Gesundheitsverhältnisse der Eingeborenen der Marshall-
Inseln im Jahre 1893/94 und Bemerkung über Fischgift. Von
Dr. med. Steinbach . 157
Bericht von Regierungsarzt Dr. Schwabe über die Gesundheits¬
verhältnisse der Marshall- Insehi . 171
Der tägliche Gang des Barometers zu Jaluit. Von Dr. Willi. Trabert 176
Resultate der meteorologischen Beobachtungen zu Jaluit im Jahre 1894 226
Karten.
Seite
Karte No. 1. Skizze des Küstengebietes von Kamerun. Nack den Ver¬
messungen der Kaiserlichen Marine, den geologischen Beobachtungen
und Aufnahmen von B. Knochenhauer 1893/94, den Routen-
aufnahmen von Missionar J. Autenrieth 1894 und der schwedischen
Reisenden P. Düsen 1891/92 und Y. Sjöstedt 1890/91 . 106
Skizze des Weges von Victoria nach Debundja nach Dr. Preuss . . . 115
Karte No. 2. Deutsch -Kondel and nach H. Ramsay, Th. Meyer und
A. Merensky von Dr. R. Kiepert . 156
Karten No. 3 und 4. Reiseroute der Expedition des deutschen Kamerun¬
komitees in den Jahren 1893,94. Aufgenommen von Dr. S. P assarge.
Konstruirt und gezeichnet von Dr. M. Li mp rieht . 190
Karte No. 5. Skizze der topographischen Aufnahmen in der Umgebung
von Bismarckburg durch Premierlieutenant v. Doering 1893/95 . . 275
Abbildungen.
Tafeln No. 1 bis 6. Abbildungen zu dem Artikel „Yatinde“ von
G. Zenker . 38, 39, 39, 43, 55, 63
Tafel No. 7. Ein neuer Kaffeeschädling aus Afrika . 140
-
Aus dem Schutzgebiete Kamerun
Die Vögel des nordwestlichen Kamernngebietes.
Von Yngve Sjöstedt.
Um in Kamerun reisenden, sich für Ornithologie interessiren-
den Personen Gelegenheit zur Kenntniss der Vogelwelt des
Landes zu verschaffen, hat Dr. Beichenow in dieser Zeitschrift
1890 und 1892 („Die Vogelwelt von Kamerun“ 1890 Bd. III,
S. 175 bis 196, und „Zur Vogelwelt von Kamerun“ 1892 Bd. V,
S. 1 bis 11)*) Uebersichten über die Vogelfauna des Gebietes ge¬
geben, soweit sie bis dahin bekannt war. Beigefügte kurze Be¬
schreibungen zur Bestimmung der betreffenden Formen, Bathschläge
für ihre Verwahrung, Angaben, welche Arten die werthvollsten,
welche biologischen Angaben der Wissenschaft am wünschens-
werthesten wären, und Aufschlüsse über andere hiermit in Zusammen¬
hang stehende Fragen haben diese Arbeiten höchst werthvoll für
ihren Zweck gemacht, und wünschenswerth wäre, dass solche Ueber¬
sichten über möglichst viele, noch wenig erforschte Gebiete aus¬
gearbeitet würden, was in hohem Grade das Interesse der Beisenden
für die Ornithologie erweitern würde, da sie dadurch ohne zu grosse
Schwierigkeiten eine Kenntniss von der Fauna des Gebietes, durch
welches sie reisen oder in welchem sie eine Zeit lang verweilen,
erhalten könnten.
Folgende Uebersickt der Vögel, die ich auf meiner 1890 bis
1892 für zoologische Zwecke gemachten Beise im nordwestlichen
Kamerungebiete antraf, bezweckt eine Fortsetzung der angeführten
Arbeiten. Sie umfasst 180 Arten, darunter 70 bisher nicht im Gebiete
nachgewiesene; sechs für die Wissenschaft neue, sowie auch das vorher
unbekannte Weibchen des Prachtwebers Malimbus Backeliae be¬
finden sich darunter. Hierzu kommen 29, wovon elf für das Gebiet,
*) Vergl. auch: Die Vogelfauna der Umgegend von Bismarcksburg, 1893,
Bd. VI, Heft 3.
Mitth. von Forschungsreisenden, VIII. Band. I.
1
2
darunter vier für die Wissenschaft neue Vogelformen aus einer von den
Herren Knutson und Yaldau hei Manns Quelle, etwa 7500 Fuss auf
dem Kamerungebirge zusammengebrachten Sammlung, die ich zur
Beschreibung erhalten hatte. Das vorher unbekannte alte Männchen
des Symplectes croconotus und das Weibchen des Mesopicus
J ohnstoni waren auch in dieser werthvollen Sammlung repräsentirt.
ln Allem umfasst diese Uebersicht also 209 Vogelarten.
Die für das Kamerungebiet neuen Arten, mit welchen unsere
Kenntniss seiner Vogelfauna also bereichert wird, haben ihre Ver¬
breitung allergrösstentheils innerhalb des zoologischen Westafrika,
des Waldlandes vom Senegal bis nach Mossamedes, ja der grösste
Theil derselben gehört, soweit bisher bekannt, nur Guinea.
Dieses und die überraschend grosse Anzahl der wissenschaftlich
neuen Formen, welche durch die neuesten ornithologischen Forschun¬
gen in Kamerun, dem Centralpunkte des zoologischen Westafrika,
entdeckt wurden, geben einen neuen Beweis der grossen Originalität
und Selbständigkeit, welche dieses Gebiet, besonders die centralen
Theile desselben, auszeichnen.
Ausser einigen Sumpf- und nordischen Zugvögeln hat nur eine
geringe Anzahl der angetroffenen, für das Gebiet neuen Arten eine
grössere Verbreitung. So z. B. ist Alcedo cyanostigma bekannt
aus dem ganzen, Ceryle maxima aus dem grösseren Theile des
tropischen Afrika. Auch Hirundo puella, Vidua principalis,
Columba arquatrix und die Seeschwalben haben eine weite
Verbreitung, Parisoma plumbeum ist bekannt aus Senegambien
und Nordostafrika, Ckaradrius tenellus von Madagaskar.
Von besonderem Interesse ist es, zu erfahren, welche euro¬
päischen Vögel ihre Verbreitung bis zu diesen äquatorialen Gegen¬
den haben. Am zahlreichsten waren die Sumpfvögel vertreten, wozu
auch einige Schwimm-, Kaub- und Singvögel kommen. Von Sumpf¬
vögeln fand ich Actitis hypoleucus, Totanus calidris, litto-
reus, ochropus und glareola, ferner Tringa subarquata,
Numenius phaeopus, Recurvir ostra avocetta, Ardea alba,
cinerea und purpurea, und Charadrius minor. Schwimmvögel
waren durch Seeschwalben: Sterna minuta und nigra vertreten,
welche letztere während des Regens in recht grosser Menge auf¬
traten, Raubvögel durch Pernis apivorus und Strix flammea.
Schliesslich waren auch unsere bekannten Sänger Phylloscopus
sibilatrix und trochilus und Motacilla flava anzutreffen.
Mit Pholidornis Rushiae wurde eine neue Vogelfamilie,
Diceidae, für Kamerun nachgewiesen. Die Familie, deren eigent¬
liche Verbreitung Indien und Australien ist, hat in Westafrika nur
wenige Repräsentanten. Die betreffenden Vögel stehen in gewissen
Hinsichten den Blumensaugern sehr nahe, aber äusserst wenige
haben den schmalen, gebogenen Schnabel, welcher dieselben aus-
zeiclmet.
Da in Betreff der Artenkenntniss schon jetzt die Hauptzüge
der ornithologischen Fauna, des Kamerungebietes bekannt sind,
so wollen wir einen kurzen Ueberblick der ornithologischen For¬
schungsreisen liefern, die dort vorgenommen worden sind, und die
dadurch erreichten Resultate erwähnen. Zu bemerken ist indessen,
dass bei fast allen diesen Forschern die Ornithologie nicht Haupt¬
zweck war, sondern dass sie das Studium und die Sammlung von
Vögeln nur neben dem eigentlichen Zweck der Reise betrieben.
Die erste Nachricht aus Kameruns Vogelwelt lieferte Cpt.
Burton, der im Dezember 1861 zu den höheren Theilen des
Kamerungebirges hinaufdrang und Anfang des folgenden Januar die
4000 m hohe Spitze des Berges, den Mount Albert oder Mongo-ma-
loba der Eingeborenen, erreichte. Von dieser Expedition wurden
sieben Vogelarten mitgebracht, von denen Dr. Gray fünf als neu
für die Wissenschaft beschrieb. Dieses war das erste Mal, dass die
höchste Spitze des Kamerungebirges bestiegen wurde. Kurz vorher
hatte aber der deutsche Botaniker Mann von Victoria aus über
Mapanya die Waldregion bis zu der nach ihm benannten Manns
Quelle erreicht und war zum Gipfel eines der grössten Krater, dem
Mount Helen, vorgedrungen, worauf er nach Mapanya zurückkehrte.
Hier vereinigte er sich mit Burton, dem spanischen Richter Calvo
und dem Missionar Saker, mit welchen er den höchsten Gipfel
des Berges erreichte.
Der zweite Forscher, Mr. Crossley, unternahm 1870, nachdem
er Madagaskar, sein früheres Operationsfeld, verlassen, eine Reise
nach Kamerun, wo er am Ende desselben und am Anfang des
nächsten Jahres ornithologische Sammlungen auf dem Kamerun¬
gebirge und am Küstenplatz Victoria am Fusse desselben anstellte.
Das Ergebniss dieser Untersuchungen, das von Dr. Sharp e ver¬
öffentlicht wurde, umfasst 62 Arten, von denen eine für die Wissen¬
schaft unbekannt war.
Bisher waren aber nur Sammlungen gemacht worden, biologische
Nachrichten fehlten, sowie auch im Zusammenhang mit der Vogelwelt
stehende Schilderungen von der Natur und Vegetation des Landes,
nothwendige Voraussetzungen zur klaren Auffassung der Thierwelt
eines Landes. Durch die Reise, welche Dr. Reichenow in Be¬
gleitung des Dr. Lühder 1872 nach der Goldküste und Kamerun
zum Studium der Vogelwelt dieser Länder unternahm, wurde Licht
über diese Verhältnisse verbreitet, und die interessanten Schilderun-
1*
4
gen, die der Erstere darüber gegeben, können daher als grundlegend
für unsere Kenntniss der Vogelwelt Kameruns angesehen werden.
Das erste Ziel der Reisenden war die Goldküste. Mehrere Monate
lang wurden hier trotz der ungünstigen Jahreszeit und der Schwierig¬
keiten, welche der eben von Europa angekommene, mit den Ver¬
hältnissen unbekannte Europäer zu bekämpfen hat, ornithologische
Untersuchungen im Lande der Sa-Neger und in der Landschaft
Aguapim erfolgreich betrieben. Ueber 100 Arten waren das Ergebniss.
Von der Goldküste ging die Reise nach Kamerun, wo sich die
Untersuchungen besonders über die Flussgebiete des unteren Mungo
und Wuri erstreckten. Von dem Klima angegriffen, bestieg
Dr. Reiclienow nach dem Tode seines Reisegefährten das Kamerun¬
gebirge, um seine durch beständige Fieberanfälle gebrochene Ge¬
sundheit durch Luftveränderung wieder herzustellen. Seine Kräfte
waren aber nunmehr so geschwächt, dass der Gebrauch einer Flinte
ihm nicht möglich war. Die Nachrichten, welche er von der Vogel¬
welt dieses Gebirges gab, bestehen daher grösstentheils aus in der
Natur gemachten Beobachtungen.
140 dem Kamerungebiet gehörende Arten, darunter sechs wissen¬
schaftlich neue, waren auf der Reise eingesammelt worden.
Seit jener Zeit erschienen keine ornithologisclien Nachrichten
von dort bis 1886, wo der durch seine Reisen im Kilima-Ndjaro
bekannte englische Konsul 4L 4L Johnston vom Kamerungebirge,
dessen höchsten Gipfel er bestieg, eine aus 18 Arten bestehende
Sammlung, die grösstentheils auf einer 41öhe von 7000 bis 8000 Fuss,
aber auch über 11000 Fuss zusammengebracht worden und worunter
sich acht vorher aus Kamerun nicht bekannte Spezies befanden,
nach England schickte. Darunter waren vier ausgezeichnete, für
die Wissenschaft neue. Von Victoria aus, dem Ausgangspunkte
aller bisher gemachten Expeditionen zu den höheren Theilen des
Gebirges, reiste Mr. Johnston über Boyongo und Mapanva nach
Manns Quelle, wo er lagerte. Diese Gegend wurde einer genaueren
Untersuchung in botanischer und ornithologischer Hinsicht unter¬
worfen, und von dort stammen auch die meisten mitgebrachten
Formen. Hier auf etwa 7000 Fuss Höhe hört die Waldregion auf
und macht der Grasebene Platz, aus der einzelne Baumgruppen
hervorragen. Von Manns Quelle zog das Lager nach den Jagd¬
hütten (8800 Fuss) und schliesslich bis 10 500 Fuss. Die ornitho¬
logische Ausbeute ist 1887 von Cpt. Shelley beschrieben worden.
Einen werthvollen Beitrag lieferte ferner, 1890, der Hauptmann
Zeuner, der auf der Barombistation eine aus 40 Arten bestehende
Sammlung, darunter 20 für das Gebiet neue, zusamraenbraclite.
5
Die Sammlungen, welche bisher vom Kamerungebirge gekommen,
hatten zwar viele für die Wissenschaft und für das Gebiet neue
Arten; wie selbständig und von den umliegenden Gegenden abwei¬
chend aber die Vogelwelt dieses Gebirges in der That ist, erfuhr
man erst, und zwar in überraschendem Grade, durch die Sammlung,
welche Dr. Preuss 1891 daselbst auf einer Höhe von 950 bis
3300 m zusammengebracht. In derselben, welche 65 Arten enthielt,
befanden sich nicht weniger als 16 wissenschaftlich und 31 für das
Gebiet neue Spezies — Zahlen, die im Verhältniss zur Totalsumme
höchst beachtenswerth sind.
Bin eigenthümlicher Zug bei der Vogelfauna des Kamerun¬
gebirges ist ihre Uebereinstimmung mit derjenigen Ost- und Central¬
afrikas, da mehrere bisher nur aus diesen Gegenden bekannte Arten
dort wiedergefunden wurden, ohne von irgend einer anderen Stelle
Westafrikas bekannt zu sein. Durch die Sammlungen des Dr. Preuss
kennen wir von diesem Gebirge den in Uganda am Victoria-Nyansa
entdeckten und bisher nur von dort bekannten Pedilorhynchus
Stuhlmanni, den der Ugandaform Symplectes insignis sehr nahe¬
stehenden Symplectes croconotus und Hapaloderma vittatum.
Durch die Sammlungen der Herren Knuts on und Valdau von
Manns Quelle, 7500 Buss, und Mapanya, 3000 Fuss über dem Meere,
welche später erwähnt werden sollen, sind wieder ein paar solche
interessante Formen konstatirt worden, nämlich die neuerdings am
Berge Elgon in Ostafrika entdeckte Euprinodes cinereus und die
der ostafrikanischen Alseonax pumila sehr nahestehende oder
vielleicht mit ihr identische Alseonax obscura. Auch die auf dem
Kilima - Ndjaro vom Konsul Johnston entdeckte und auf dem
Kamerungebirge wiedergefundene Pratincola axillaris ist eine
solche Form.
Schon 1884 — 85 hatten die damals auf dem Kamerungebirge
sich aufhaltenden schwedischen Kaufleute, die Herren Knutson
und Valdau, bekannt wegen ihrer vielen Entdeckungsreisen im
Lande nördlich vom Gebirge, durch die Entdeckung des Flusses
Meme, des Sodensees und des Dübenfalles, unter anderen natur¬
historischen Gegenständen auch eine werthvolle, aus 52 Spezies be¬
stehende Vogelsammlung zusammengebracht und dem schwedischen
Reichsmuseum geschickt. Darunter befanden sich, ausser mehreren
neuerdings beschriebenen und nur vom Kamerungebirge bekannten
Arten auch, wie bereits erwähnt, 29 solche, die ich im Waldlande
nicht habe antreffen können, darunter elf für das Gebiet und vier
wissenschaftlich neue, was wieder einen neuen Beweis der selbstän¬
digen Fauna dieses Gebirges liefert.
Ueber die von mir in den nordwestlichen Theilen der Kolonie
6
ausgefülirten Reisen werde ich im Folgenden einen näheren Bericht
erstatten. Ihre Ausbeute ist am Anfang der Uebersicht angegeben.*)
Dr. Freu ss setzte seine Forschungen auf dem Kamerungebirge fort
und Herrn G. Zenkers Sammlungen bei Yaünde haben die letzten
Beiträge zur Kenntniss der Vogelwelt Kameruns geliefert. Bisher
sind, mit Einschluss der letzteren Sammlungen, 316 Arten bekannt.
Werfen wir nun einen Blick auf jene Theile Kameruns, die
bisher ornithologisch untersucht wurden, so nimmt das Kamerun¬
gebirge unstreitig den ersten Platz ein; Bur ton, Crossley,
Knutson, Valdau, Johnston und Preuss haben dort ihre grössten
oder alle Sammlungen gemacht und Reichen ow hat unsere Kennt¬
niss von dort mit biologischen Beobachtungen bereichert. Sein und
Lühders eigentliches Untersuchungsfeld war die Gegend an den
Flussgebieten des unteren Mungo und Wuri. Zeuners Sammlungen
stammen, wie erwähnt, von der Barombistation in der Nähe des
Elefantensees, Zenkers von Yaünde aus den östlichen Theilen
Kameruns zwischen den Flüssen Nyong und Sannaga (30° östl. L.).
Das von mir untersuchte Gebiet liegt zwischen dem 4. bis 5. Grade
nördl. Br. und erstreckt sich vom Kamerungebirge im Süden bis
nördlich nach Veväka und Itoki na N’Golo, vom Rio del Rey im
Westen bis zum Richardsee (Kottasee) im Osten. Grosse Land¬
strecken sind also noch für die Forschung frei, aber unsere bisherige
Kenntniss giebt schon ein recht klares Bild der Familien, Gattungen
und Arten, welche in ornithologisclier Hinsicht diesen Theil des
zoologischen Westafrika charakterisiren.
Von grösster Wichtigkeit für die Auffassung der Fauna eines
Landes ist die Kenntniss der Vegetation und der allgemeinen Natur
desselben. Obgleich nachfolgende Uebersicht zunächst für in diesen
Gegenden reisende Personen bestimmt ist, welche ja an Ort und
Stelle einen Ueberblick der Natur haben, so glaube ich doch, dass
eine in kurzen Zügen gegebene Darstellung des Terrains und der
Vegetation des Gebietes, wo ich die angegebenen Formen angetroffen,
zu interessanten Vergleichen auf Reisen in Gegenden mit abweichen¬
der Natur führen könnte.
Das ganze von mir untersuchte Gebiet besitzt in Bezug auf die
Vegetation eine grosse Uebereinstimmung; mit Ausnahme der
sumpfigen Deltas an den Mündungen der Flüsse Meme, Massake,
N’dian und Rio del Rey mit ihren ausgedehnten Mangrove- und
Raphiawäldern besteht dieselbe aus mit fast undurchdringlichem
Gewirr von Lianendickicht und Schlingpflanzen durchsetztem
*) Das ornithologische Ergebniss der Reise ist in Kongl. Svenska Veten-
skaps-Akademiens Handlingar Band 27 No. 1 näher angegeben.
7
Urwald. Hohe Baumwollbäume, die Biesen des Waldes, helle Aka¬
zien, prachtvoll blühende Spathodien (Spatliodia campannlata
und seltener lntea), Anthocleista Yogeli, Musanga Smithi,
Pterocarpus tinctorins, Cola und Ficus arten, mit zahlreichen
Oelpalmen gemischt, sind häufige Bäume dieser Wälder.
Hier und da breitet sich aber eine etwas freiere Landschaft
aus, gewöhnlich aber von geringerer Ausdehnung. Der dichte Ur¬
wald ist verschwunden und hat einer Vegetation von groben Schilf¬
gräsern (Pennisetum polystachyon) Platz gemacht, über denen
nur einzelne Bäume und Palmen ihre Kronen erheben. An anderen
Stellen hat der Mensch durch Kultur und Anbau die Natur um¬
gestaltet und zugleich damit auch die Thierwelt, welche ihren Aus¬
druck darin findet und sich mit demselben verwandelt.
Auch Ebenen kommen und zwar gleich nördlich vom Kamerun¬
gebirge vor, wo ein mit mannshohem Gras bewachsenes freies Gebiet,
aus dem einzelne Fächerpalmen (Borassus cetiopum) sich erheben,
sich in nicht geringer Ausdehnung erstreckt.
Jede dieser verschiedenen Landschaften hat ihre in vielen Hin¬
sichten eigenthiimliche Fauna, durch welche sie sich auszeichnet,
gewisse ihr mehr oder weniger ausgeprägt augehörende Arten. Von
der Vegetation und den Naturverhältnissen der Landschaft hängt
die Vogelwelt wie überhaupt alles Thierleben ab und die Kenntniss
derselben ist also von Wichtigkeit für eine rechte Auffassung der
Vogelwelt. Ich will diese Verhältnisse darum ein wenig näher be¬
leuchten. Der Ausgangspunkt der zoologischen Untersuchungen war
Bibundi, ein Küstenplatz am Fusse des nordwestlichen Kamerun¬
gebirges. Die vulkanische Natur dieses Gebietes kennzeichnet ein
am Meeresufer hervortretender Basaltgürtel, der sich von der Mün¬
dung des kleinen Flusses Bekongolo südwärts erstreckt. Nördlich
von diesem Fluss verschwindet dieser Gürtel und wird durch einen
niedrigen sandigen Strand ersetzt. Ein wichtiger Theil der kräftigen
Vegetation, die gleich am Meeressaum beginnt, besteht hier aus
hohem Schilfgras, Pennisetum polystachyon, das sich in dichten
Massen über recht grosse Strecken verbreitet und zugleich mit
einigen anderenMonocotyledonen: Zingiberaceen (Amomurn granum
paradisi) und Marantaceen das fast undurchdringliche Unterholz
des umgebenden Waldes bildet und sowohl in der Trocken- als in
der Begenperiode sein Grün, seine Lebensfähigkeit und Stärke be¬
wahrt. Obwohl von diesem hohen Grase bedeckt, ist aber die
Gegend keineswegs ein Steppenland. Gewaltige Baumwollbäume
und Palmen, Feigen- und Kolabäume, Gruppen von Dracaena
fragrans, Anthocleista Vogeli, Kigelia africana und andere
Bäume erheben hier und da ihre Kronen, wachsen immer dichter
8
zusammen und gehen allmählich in den umgehenden Wald über, der
im Grossen die ganze Landschaft beherrscht, jedoch kleinere oder
grössere grasbewachsene Plätze freilässt. Diese, welche von den
Europäern theil weise zu stattlichen Tabak- und Kakaoplantagen
verwandelt worden sind, bilden den Sammelplatz einer reichen
Vogelwelt. Hier sieht man den blauglänzenden Senegalliest (Hal-
cyon senegalensis) auf hervorragenden Zweigen ruhen oder pfeil¬
schnell zu Boden stürzen, um seine Beute zu ergreifen. Aus dem
hohen Gras ertönt die wunderbare Stimme des Sporenkuckucks
(Centropus monachus). Auf dem durch die Farm führenden
Wege spazieren kleine Stahlflecktauben (Chalcopeleia afra) umher
oder ruhen auf den Zweigen hier und da befindlicher kleiner Bäume.
Hin und her über das hohe Gras und über dem Faktoreiplatz
schweben schwarze Seglerschwalben (Psalidoprocne fuliginosa)
bei niedrigem Flug. Wie unsere Rauchschwalbe streichen sie dicht
über dem Boden hin, heben sich in die Luft, um ihre Beute zu er¬
greifen, senken sich wieder herab und setzen ihren Flug fort. Hier
trifft man auch regelmässig den Rostkappensänger (Cisticola rufo-
pileata) und den schwarzen Tropfenfink (Spermospiza guttata)
unter den niedrigen Kakaobäumen, auf deren äussersten Zweigen sie
sich gern niederlassen oder im dünn stehenden Schilfgras herumhüpfen.
Metallglänzende Nectarinien (Cinnyris chloropygia, Preüssi
und Reich enb aclii) besuchen die blühenden Pisange, Carica
papaya und anderen Pflanzen und von niedrigen Kronen lässt der
Gabun-Bülbül (Pycnonotus gabonensis), vielleicht der beste
Sänger der Gegend, seine klangvolle Stimme ertönen.
Einen imposanten Anblick bietet der Geier- Seeadler (Gypo-
hierax angolensis), wenn er sich bei klarem Wetter in der reinen
Luft oft zu ansehnlicher Höhe erhebt und schimmernd in seinem
schwarzen und weissen Kleid in grossem Bogen herumkreist, sich
auf gestreckten Flügeln hebend und senkend. Es sind jedoch nur
die Alten, die dies gegen den lichten Himmel so schön abstechende
Kleid tragen; die Jungen haben eine mehr anspruchslose, braune
Farbe.
Die Regen- und Trockenzeit übte geringen Einfluss auf die
Vogelwelt des Platzes aus und fast dieselben Arten fanden sich das
ganze Jahr hindurch. Die Papageien verschwanden aber während
der Regenzeit, wahrscheinlich mit ihrer Brut beschäftigt, sowie
auch die Strichvögel Milvus aegyptius und Meropiden. — Auf
diesem mehr offenen Terrain findet man auch solche Arten wie
Cypselus ambrosiacus, Corvus scapulatus, Peristera tym-
panistria, Polyboroides typicus, Elminea longicauda,
Ploceus cucullatus, personatus und nigerrimus u. a.
9
Gleich oberhalb seiner Mündung empfängt der vom Kamerun¬
gebirge kommende Fluss Bekongolo einen kleinen Nebenfluss.
Dichte Gebüsche von niederen Ficusbäumen, Coffeaceen,
Myristicaarten, Phoenix spinosa und anderen weniger hohen
Pflanzen bedecken grösstentheils das dazwischenliegende, niedrige,
bei der Fluth überschwemmte Land. Hier begegnet uns eine tlieil-
weise andere Vogelwelt. Im Schutze des herabhängenden Laub¬
werkes betreiben Eisvögel (Alcedo Guentheri) von über dem
Wasser hängenden Zweigen ihre Jagd auf die am Ufer herum¬
hüpfenden Schlammfische, auf den Sandbänken an der Flussmündung
und am Meeressaum halten sich Uferpfeifer (Cliaradrius tenellus)
auf und auch Wasser- und Uferläufer (Actitis liypoleucus, To¬
tanus calidris und littoreus) zeigen sich hier bisweilen. Unter
dem dichten Laubwerk der am Ufer stehenden Bäume bewegen sich
Sichelkuckucke (Ceuthmochares), während Meropiden (M. albi-
collis) von trockenen Zweigen ihrer Jagd nach vorüberfliegenden
Kerbthieren nachgehen.
Nachdem ich eine kürzere Zeit lang die Thier weit des Küsten¬
gebietes, zu dem ich mehrere Mal Gelegenheit hatte zurückzukehren,
untersucht hatte, trat ich zur Weihnachtszeit 1890 die Fahrt an den
Flüssen hinauf nach dem Innern des bisher zoologisch unerforschten
Landes an, wo eine weit interessantere, das heisst mehr unbekannte
Fauna zu erwarten war, Erwartungen, die sich auch in reichem
Maasse erfüllten. Die Beise wurde auf dem Meere in nördlicher
Richtung nach dem Deltaland an der Mündung des Meme angetreten.
Prachtvoll in der That ist die Naturscenerie, die sich hier auf
einer Fahrt an der Küste entlang dem Auge bietet. Im Süden das
imponirende Kamerungebirge zu einer Höhe von 4000 m aufgethürmt,
an seinem unteren Theile von den dichten Kronen des wie ein
wogendes Meer sich ausbreitenden, in verschiedenem Grün schillern¬
den Urwaldes bedeckt und mit seinem nackten Scheitel bis in die
Wolken ragend; an der Küste entlang der undurchdringliche, durch
einen schmalen sandigen Strand vom Meer getrennte Urwald, in
welchem hier und dort die runden Kronen der Oelpalinen hervor¬
ragen, während der düstere Mangrovewald im Norden den Gesichts¬
kreis begrenzt. Das Vogelleben ist jedoch wenig abwechselnd;
Massen von Seeschwalben (Sterna Bergi) schweben hier um uns
herum oder sitzen schaarenweise auf den hervorragenden Sandbänken.
Ein Geier -Seeadler scheint am Strande entlang zu ziehen, nach
einer von dem Meer ausgeworfenen Beute spähend, während
schreiende Papageien in Schaaren über den Wald streichen.
Nach etwas weniger als einer Tagereise fahren wir in den
dichten Mangrovewald hinein, der sich auf grossen Strecken an den
Flussmündungen hinzieht.
10
Ein ganz anderes Bild von Natur, Thier- und Pflanzenwelt zeigt
sich beim Eintritt in diese eigentümlichen Sumpfwälder. Unerhörte
Massen von Schlamm und Morast, die besonders in der Regenzeit
von den hoch über die Ufer schwellenden Flüssen vom Innern des
Landes mitgerissen werden, setzen sich nach und nach an den
Mündungen im stilleren Meereswasser ab und bilden grosse Schlamm¬
bänke, in denen nur die Mangrovebäume mit ihren weit verzweigten
Wurzelmassen und ihren von den Aesten herabhängenden Luftwurzeln
einen Anhalt finden können. Dicht zusammenwachsend bilden sie
grössere und kleinere Inseln, die durch breitere oder schmälere
Kanäle voneinander getrennt sind, in welchen sich eine mit der
Fluth und Ebbe steigende und fallende Wassermasse in beständiger
Bewegung befindet. Wenn das Wasser sich bei der Ebbe zurück¬
zieht und den schlammigen Grund an den Ufern dieser Wasser-
strassen entblösst, fängt ein rühriges Leben in dem einförmigen
Sumpfwalde an. Schaaren von kleinen Fischen (Periophthalmus
papilio), die hauptsächliche Nahrung der Vogelwelt in jenen
Gegenden, kommen zum Vorschein auf den Schlammbänken, welche
bald von den zahllosen Thieren bedeckt werden. Ohne Furcht vor
den glühenden Sonnenstrahlen hüpfen sie mit den zu einer Art von
Armen umgebildeten Brustflossen an den Seiten herauf oder klettern
an den herabhängenden Wurzeln der Mangrovebäume hinauf. Eis¬
vögel, Reiher und Schattenvögel, ihre gefrässigen Feinde, lassen
nicht lange auf sich warten und bald finden wir eine oft abwechselnde
und reiche Vogelwelt, wo kurz vorher nur Wasser, begrenzt von
einer Mauer von dichtem Blätterwerk der Mangrovebäume, zu
sehen war.
Der Schattenvogel, der vorher zusammengekauert in den Zweigen
oder den dichten Wurzelmassen gesessen, senkt sich nun auf die
von Fischen wimmelnden Bänke herab. Die Eisvögel (Forbesi
und Guentheri), die sich bisher im Walde aufgehalten, begeben
sich zu den zahlreichen Krieks, wo die kleinen Fische ihnen über¬
reiche Nahrung gewähren. Wo die Krieks breiter und die entblössten
Schlammbänke grösser sind, wird das Vogelleben mehr abwechselnd.
Weisse Reiher zeigen sich auf denselben oder sitzen, oft mehrere
zusammen, in den Mangrovebäumen, wo sie grell von dem um¬
gebenden grünen Laubwerk abstechen. Hier kann man auch den
stattlichen Riesenreiher und die nicht leicht erreichbaren Pelikane
antreffen. Schnepfen (calidris, littoreus und subarquataj,
Regenbrachvögel, Säbelschnäbler (Recurvirostra) und Schlangen¬
halsvögel treten auch in diesen Sumpfwäldern auf. Am reichlichsten
fand ich die Sumpfvögel auf den Schlammbänken vertreten, die im
unteren Massake (Dongoie) an der Mündung des Ekundu Kriek
liegen.
11
Unter den Säugethieren der Mangroveregion machen sich die
Affen (Cercopithecus mona) am meisten bemerkbar.
Nach einer Untersuchung der interessanten Thierwelt der Man¬
groveregion. wohin ich auch später mehrere Male zur näheren
Prüfung zurückkehrte, ging die Reise die Flüsse hinauf, zuerst den
Meme, dann den Massake, N'dian und ferner nach Rio del Rey.
Der Uebergang vom Mangrovewald zum eigentlichen Wald
wird oft durch die Weinpalme vermittelt, die sich, wro der Boden
etwas fester wird, mit der Mangrove vermischt und sie auf gewissen
Gebieten ganz verdrängt und stattliche, die Krieks bekränzende
Riesenbouquets bildet. Hier ist der liebste Aufenthaltsort von
Criniger leucopleurus. Der dem Sumpfboden zunächst liegende
Wald ist feucht, dicht und dunkel, der Boden ist mit verfaultem
Laub bedeckt und nur spärliche Sonnenstrahlen können sich einen
Weg dorthin bahnen. Die Yogelfauna in diesem dichten Buschwald
ist aber oft recht reich. Haarvögel, Bülbüls, Ameisen-Timalien,
Prachtweber, Tropfenspechte, Lappenschnepper, Fächerschwänze,
Gabunrothkehlchen, grüne Würger und Helmvögel sind die typisch¬
sten und häufigsten Einwohner des dichten Buschwaldes.
Innerhalb desselben fängt der unermessliche Urwald an. Die
Bäume, die von Lianen und anderen Schlingpflanzen umwachsen
sind, stehen vereinzelter und lassen hier und dort eine Lichtung
frei, während die untere Vegetation, die auf grossen Strecken von
breitblätterigen Marantaceen und Zingiberaceen gebildet ist, sich
womöglich noch mehr verdichtet.
Auf den erwähnten, nördlich vom Gebirge liegenden Grasebenen
waren Steppenvögel, wie Coliopasser macrurus und Melittho-
phagus pusillus, anzutreffen.
Dies ist in Kürze die Natur und die Vegetation des angegebenen
Gebietes und die allgemeinsten Züge seiner Vogelwelt. Möge Jeder,
dem es vergönnt ist, diese interessanten Gegenden zu besuchen,
seinen Beitrag zur Erforschung ihrer im Ganzen noch so wenig
bekannten Thierwelt geben.
Im Folgenden habe ich nun eine Beschreibung derjenigen Formen
geliefert, die nicht in Dr. Reichenows erwähnten Uebersichten
verkommen. Sie sind auch mit einem Kreuz bezeichnet. Da eine
weit grössere Anzahl jetzt vorliegt, mussten die Beschreibungen
etwas ausführlicher gehalten werden.
Die bei den Maassen angegebenen Abkürzungen bedeuten:
„L.“: Totallänge des ausgesti’eckten Vogels von der Schnabel- bis
zur Schwanzspitze. „F.“: Länge des zusammengelegten Flügels vom
Flügelbug bis zur Spitze der längsten Feder. „Schw.“: Schwanzlänge
von der Wurzel.
Natatores — Schwimmvögel.
Sternidae — Seeschwalben,
f Sterna Bergi Licht. — Bergs Seeschwalbe.
L. 50, F. 36, Schw. 17, Schnabel gelb 6,5 cm. Oberseite hell
blaugrau, Unterseite und Stirn weiss, übriger Oberkopf und Nacken
schwarz oder (Winterkleid) schwarz und weiss, Handschwingen
silbergrau mit weissgesäumter Innenfahne.
Jüngerer Vogel: oben dunkel gefleckt und schattirt.
Die grösste der bisher von Kamerun bekannten Seeschwalben.
Allgemein an der Meeresküste zwischen Bibundi und Meme.
f Sterna minnta L. - — - Zwergseeschwalbe. L. 22, F. 17,
Schw. 7,5 cm. Schnabel gelb mit schwarzer Spitze. Oberseite hell
blaugrau, Oberkopf und Nacken schwarz, Stirn, Schwanz und Unter¬
seite weiss, die zwei oder drei ersten Schwingen schiefergrau mit
weissgesäumter Innenfahne.
Auf Schlammbänken in dem Fluss Massake.
f Sterna nigra L. — Schwarze Seeschwalbe. L. 25, F. 18,
Schw. 7 cm. Winterkleid: Oben dunkel blaugrau, Stirn, Halsring
und Unterseite weiss, Hinterkopf und Brustseiten schwarz.
Sommerkleid: Oben dunkel schiefergrau, Kopf, Hals und Unter¬
seite schwarz, untere Schwanzdecken weiss. — Allgemein an der
Meeresküste zwischen Bibundi und dem Fluss Meme.
Phalacrocoracidae — Flussscharben.
Plotus Levaillanti Temm. — Schlangenhalsvogel.
Nicht selten in der Mangroveregion,
Pelecanidae — Pelikane.
f Pelecanus rufescens Lath. — Pelikan. Weiss, nicht
rosa gefärbt, oben mehr oder weniger dunkelschattirt, Handschwingen
schwarzbraun.
Es wäre von Interesse, festzustellen, ob die in Kamerun vor¬
kommenden Pelikane, von denen noch kein Exemplar heimgeführt
worden, dieser Art angehören. Ich sah oft Pelikane bei den
Schlammbänken im Massake an der Mündung des Ekundu-Krieks.
Grallatores — Stelzvögel.
Charadriidae — Regenpfeifer.
f Charadrius tenellus Hartl. — Uferpfeifer. Dunkles
Brustband nicht vorhanden. L. 17, F. 10, Lauf 2,3 cm. Oberseite
blassbraun mit deutlicher zimmetrother Schattirung; die ganze Unter¬
seite weiss, Brust gewöhnlich etwas isabellröthlich angeflogen,
Zügelstrich schwarz. — Am sandigen Meeresufer bei Bibundi all¬
gemein.
f Ckaradrius minor Meyer — Flussregenpfeifer.
Dunkles Brustband vorhanden. L. 17, F. 11, Lauf 2,4 cm.
Oberseite graubraun ohne Zimmetroth; Brustband schwarz. — Jung¬
vogel: die graubraunen Federn des Kopfes, der Brust und der Ober¬
seite mit gelblichen Säumen. — An der Faktorei bei Itoki beob¬
achtet. Da kein Exemplar nach Europa gekommen ist, wäre von
Interesse, ein solches mitzubriugen, um sein Vorkommen in Kamerun
zweifellos festzustellen.
f Lobivanellus albiceps Gould — Weissköpfiger Lappen-
kibitz. L. 35, F. 27, Lauf 7,5 cm. Mit einem Sporn am Flügel¬
bug und nacktem Hautlappen am Auge. Oberkopf weiss wie Vor¬
derhals und Unterseite, Bücken braun, Hinterhals und Kopfseiten
grau. — Hier und da am Ufer des Meme und Massake.
Scolopacidae — Schnepfen.
Actitis hypoleucus (L.) — Flussuferläufer. An den Fluss¬
ufern allgemein.
Totanus littoreus (L.) — Heller Wasserläufer. Nach
voriger Art die allgemeinste Schnepfe des Gebietes. Von den
Eingeborenen „Dängelänge“ genannt. Bibundi, Itoki.
f Totanus calidris (Bechst.) — Kleiner Bothschenkel.
Mit rotken Füssen. L. 27, F. 15,5, Lauf 5 cm. Schnabel an der
Wurzelhälfte roth, vorn schwarz. Oben hellbraun mit schwarzen
Flecken, unten dunkel gestreift, Handschwingen schwarzbraun,
Armschwingen mit breiter weisser Binde, Schwanz weissgebändert.
Die Jungvögel haben eine weisslich gefleckte Oberseite, Kehle
und Bauch weiss. — An der Meeresküste und im Mangrovewald
am Massake.
f Totanus ochropus (L.) — Waldwasserläufer. L. 26,
F. 14, Lauf 3,6 cm. Schnabel und Füsse dunkel. Oberseite dunkel¬
braun mit weisslicken, in der Jugend gelblichen Punkten; Bürzel
weiss; Unterseite weiss, am Halse dunkel gestreift; alle Schwingen
mit braunem Schaft; Schwanz an der Wurzel seitlich reinweiss, an
den Mittelfedern breit schwarz und schmal weiss gebändert. — -
Bonge, am Ufer des Meme.
f Totanus glareola (L.) — Bruchwasserläufer. L. 22,
F. 13, Lauf 3,6 cm. Von voriger Art durch etwas geringere Grösse,
etwas gefleckte, nicht reinweisse untere Schwanzdecken, grössere
Bückenflecken und weissen Schaft der ersten Schwinge unter¬
schieden. Schwanz von der Wurzel an gebändert. — An Gewässern,
Bibundi, Bonge.
f Tringa subarquata (Güld.) — Krummschnabel. L. 20,
F. 13, Lauf 3 cm. Schnabel leicht nach unten gebogen, Bürzel weiss.
14
Winterkleid: Oberseite braungrau mit oder ohne braunschwarze,
rostroth gefleckte Federn, Unterseite weiss, Brust fein dunkel ge¬
fleckt. Sommerkleid: Oberseite schwarz mit roströthlich gefleckten
und gesäumten Federn, Unterseite dunkelbraunroth. — Auf Schlamm¬
bänken im Massake.
Numenius phaeopus (L.) — Regenbrachvogel. Allgemein
in der Mangroveregion. Von den Eingeborenen bei N’dian „Bäke-
B?ike“ genannt.
f Recurvirostra avocetta L. — Säbelschnäbler. L. 43,
F. 22, Lauf 9,5 cm. Schnabel dünn, lang, nach oben geschwungen.
Weiss; Kopf, Nacken, Schultern, kleine und mittlere Flügeldeck¬
federn schwarz. — In der Anzahl von 10 bis 15 Stück auf Schlamm¬
bänken im Massake beobachtet.
R a 1 1 i d a e - — Rallen.
Podica senegalensis (Vieill.) — Senegal - Binsenhuhn,
ln der Mangroveregion bei Kitta; gleicht im Betragen unserem
schwarzen Wasserhuhn.
f Podica camerunensis Sjöstedt — Kamerun - Binsen¬
huhn. Lappenhäute an den Zehen. Unterseite braunschwarz mit
weissen Flecken und Zeichnungen, nicht rein weiss. L. 52, F. 20,
Schw. 15 cm. Oberkopf und Hinterhals glänzend schwarz, vom Auge
ein an den Seiten des Plalses entlang laufendes, schmales weisses
Band; Hals und Kopf im Uebrigen bleigrau. — Von mir bei Bonge
entdeckt; zur Zeit ist nur das Typusexemplar im Stockholmer Museum
bekannt. Alle Beobachtungen über diese Art sehr erwünscht.
f Himantornis haematopus Hartl. L. 48, F. 20, Lauf
7,5 cm. Füsse und Iris roth. Oben rostbraun, die Federn in der
Mitte etwas dunkler, weissgelblich gesäumt; Unterseite etwas
dunkler; Kopfseiten und Kehle gelblicliweiss, Kinn heller. Schnabel
dunkel. — Lebt im dichten Buschwald, wahrscheinlich auch in
der Mangroveregion in der Nähe des Buschwaldes. Biologische
Nachrichten von dieser seltenen Art sind sehr erwünscht.
f Ortygometra egregia (Pet.) Magen weiss und schwarz
gebändert. L. 19, F. 12, Lauf 3,7 cm. Nackter Augenkreis und
Iris roth. Mittelzehe 3 cm. Die Federn der Oberseite schwarz
mit breiten braungelben Säumen, Kopfseiten und Brust grau, Kehle
weiss. — Lebt im hohen Schilfgrase, Bibundi.
f Gallinula angulata Sundev. Aussenfahne der äussersten
Schwinge weiss. Mittelzehe 5 cm. L. 22, F. 13, Lauf 3,5 cm.
Aschgrau, Oberseite etwas bräunlicher, untere Schwanzdecken
schwarz, die an den Seiten weiss, Körperseiten mit einigen weissen
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Flecken; Schnabel grüngelb, oben roth. Jungvogel: Oben
bräunlich, unten grauweiss, Schnabel ohne Roth. — lin hohen
Grase, Bibundi.
Corethrura Reichenowi Sharpe (Syn. C. elegans. J. f. 0.
1892, S. 178) — Tropfen-Sumpfhuhn. Kamerungebirge, Manns
Quelle, 7500 Fuss.
Ciconiidae — Störche.
Scopus umbrea Gm. — Schattenvogel. In der Man¬
groveregion sehr häufig. Im Delta des Meine, Massake, N’dian.
Wird bei N’dian „Ipang“ genannt, was aber nur ein grösserer
Sumpfvogel bedeutet, da auch Reiher damit bezeichnet werden.
A r d e i d a e — Reiher.
f Ardea Goliath Rüpp. — Riesenreiher. Der grösste
Reiher des Gebietes. Rücken und Flügel schiefergrau, Unterseite
dunkelroth, Hals hell braunroth, nach vorn schwarz und weiss ge¬
zeichnet, Kehle weiss. — Der Riesenreiher ist zur Zeit in Kamerun
nur beobachtet. Es wäre demnach von Interesse, ein Exemplar heim¬
zuführen, um sein Vorkommen im Gebiete zweifellos festzustellen.
War in der Mangroveregion nicht selten. Ekundu-Kriek.
f Ardea cinerea — Fischreiher. L. 105, F. 46, Lauf 15 cm.
Oberseite bläulich aschgrau, Kopf mit zwei schwarzen, seitlichen
Scheitelstrichen und schwärzlichen langen Genickfedern, Hals und
Unterseite weiss, erstere nach vorn schwarzgefleckt. Jüngerer
Vogel: Oberseite blaugrau, Scheitel und Genickfedern dunkler,
Vorderhals und Unterseite weiss, schwarzgefleckt. — An den Flüssen
Meme und Massake.
f Ardea purpurea L. — Purpurreiher. L. 90, F. 36, Lauf
13 cm. Oberseite rostbraun und dunkel aschgrau gemischt, Scheitel
und Genickfedern schwarz, Kehle rostfarben mit schwarzen Flecken¬
reihen und Längsband; Brust dunkelroth. Jungvogel: Oberseite
graublau, die Federn breit rostgelblich gesäumt, Hals rostgelblich,
nach vorn heller, schwarzgestreift, Kehle weiss, Oberkopf schwarz-
blau, Unterseite roströthlich, dunkel gemischt. — Bibundi.
f Ardea alba L. — Silberreiher. L. 104, F. 38, Lauf 1,6 cm.
Gefieder rein weiss; Schnabel in der Jugend gelb, im Alter bis auf
die gelben Mundwinkel und die Wurzel des Unterschnabels braun¬
schwarz. — Weisse Reiher fand ich mehrfach in der Mangrove¬
gegend allgemein, wahrscheinlich gehörten sie dieser Art, was in¬
dessen noch näher festzustellen wäre. Vergleiche auch Ardea
gularis und bubulcus.
f Ardea bubulcus Sav. — Kuhreiher. L. 46, F. 24,
Lauf 7,3 cm. Viel kleiner als der Silberreiher, von der Grösse eines
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Regenbrachvogels; Gefieder rein weiss mit isabellröthlicher Scliatti-
rung auf dem Scheitel; Beine schwarz, Schnabel gelb. — An den
Flüssen Meine und N’dian.
f Ardea Sturmi Wagl. — Sturms Reiher. L. 36, F. 16,
Lauf 4 cm. Dunkel schieferblau, Vorderhals und Unterkörper isabell-
gelb, schieferschwarz gestrichelt. — Ein selten, einzeln auftretender
Reiher. Lebt zurückgezogen an Gewässern im Walde. Itoki.
Butorides atricapillus (Afz.) ■ — - Kappenreiher. Der all¬
gemeinste Reiher des Gebietes; lebt in der Mangroveregion.
„Essävä“ (bei N’dian „Njänga“) genannt.
Calherodius leuconotus (Wagl.) - — W eissrückiger Nacht¬
reiher. Laut ein zischendes „tzirp“. In der Mangroveregion und
an den Flüssen.
Gyrantes - Girrvögel.
Columbidae — - Baumtauben.
Chalcopelia afra (L.) — Stahlflecktaube. In Farmen
allgemein. Bibundi, Bell town.
Peristera tympanistria (Temm.) — Tamburintaube. Nicht
selten. Bibundi, Bonge, Itoki.
f Peristera puella Schleg. — Mädchentaube. L. 26, F. 13,
Schw. 10 cm. Rothbraun, unten etwas heller, Kopf hellgraublau,
Flügel mit grünen Metallflecken. — Lebt im Buschwalde. Ekundu,
Kitta, N’dian. „N’doüa“ genannt.
Turtur semitorquatus (Rüpp.) — Halsbandtaube. Bibundi.
f Columba arquatrix Temm. L. 36, F. 22, Schw. 14 cm.
Unterseite, Vorderrücken und Schulter weinroth, weissgefleckt;
übrigens blaugrau oder schwarzgrau, Kopf heller grau. — • Kamerun¬
gebirge, Manns Quelle, 7500 Fuss.
C a r p ophagidae — F r u c h 1 1 a u b e n.
Treron calva (Temm.) — Papageitaube. Die allgemeinste
Taube des Gebietes. Von den Eingeborenen „Bänga“ genannt.
Rasores — Scharrvögel.
Perdicidae — Feldhühner.
f Francolinus Lathami Hartl. — Latliams Frankolin.
L. 26, F. 15, Lauf 4 cm. Beine gelb. Männchen: Oberseite gelb¬
braun, rostroth gemischt, Federschäfte weiss; Unterseite schwarz
mit grossen weissen Flecken. Weibchen: Oberseite ohne Rostroth,
dunkelbraun gefleckt; Unterseite gelbgrau mit weissen, von schwarz
begrenzten Flecken. Kehle wie bei dem Männchen schwarz. —
Lebt auf der Erde im dichten Buschwald. Ekundu, Kitta. Brütet
Januar bis März.
17
Raptatores — Raubvögel.
Falconidae — Falkenar tige Raubvögel.
f Baza cuculoides (Sw.) L. 40, F. 30, Schw. 20 cm. Ober¬
seite schwarzgrau, Kehle und Brust aschgrau, Unterkörper gelbweiss,
dunkel quergebändert. — Bonge. Bisher nur einmal im Gebiete
beobachtet. Der oft wiederholte Laut ist ein klares und lautes,
pfeifendes, fünftöniges Geschrei.
Gypohierax angolensis (Gm.) — Geier-Seeadler. Allge¬
mein besonders in der Mangroveregion und an den Flussmündungen.
„Joungo“ genannt.
Haliaetus vocifer (Daud.) — Schreiseeadler. Hier und
da an den Flüssen und in der Mangroveregion, wo man dann sein
lautes Geschrei hört.
Pernis apivorus (L.) — Wespenweih. Bonge.
Polyboroides typicusA. Sm. — Schlangensperber. Nicht
selten. Hält sich oft in Oelpalmen auf, deren Früchte er wie der
Geier- Seeadler verzehrt. Bibundi, Bonge, Itoki.
Astur macroscelides Temm. u. Hartl. — Bindenhabicht.
Lebt im Buschwald. Kitta, Ekundu.
Asturinula mono grammica (Temm.) — Kehlstreifhabicht.
Wird während der Trockenzeit in Farmen u.s.w. bisweilen gesehen. Sein
Laut ist ein dann und wann ausgestossenes, etAvas langgezogenes „kll‘\
Milvus aegyptius (Gm.) — Schmarotzermilan. Erscheint
als Strichvogel während der Trockenzeit. Nicht selten. Bibundi, Bonge.
Strigidae — Eulen.
Syrnium nuchale Sharpe • — - Bänderkauz. Sein Laut „ho-
lio-ho-holu-ho“ wird während der Trockenzeit oft nachts in den Wäl¬
dern gehört. „Essukuluk“ genannt. Bonge, Itoki. Brütet im November.
f Strix flammea L. — Schleiereule. L. 32, F. 30, Schw.
13 cm. Oberseite aschgrau und rostgelb, Aveissgefleckt; Unterseite
rostgelb braungefleckt, Schwanz rostgelb mit vier dunklen Quer¬
bändern. — Kamerungebirge, Manns Quelle, 7500 Fuss.
f Glaucidium Sjöstedti Rchw. — Bandköpfige Eule.
L. 24, F. 15,5, ScIiav. 9 cm. Kopf und Nacken braunschwarz, dicht
Aveiss quergestreift, Rücken und Schulter dunkel kastanienbraun;
Unterseite isabellgelb, dicht rostbraun quergestreift. — - Kamerun¬
gebirge, Manns Quelle, 7500 Fuss. Bis jetzt ist nur das Typus¬
exemplar im Stockholmer Museum bekannt.
Scansores — Klettervögel.
Psittacidae — Papageien.
Psittacus erithacus L. — Graupapagei. Aeussei’st zahl¬
reich. Wird von den Eingeborenen „Käsä“ oder „Kussu“ genannt.
Mitth. von Forsehungsreisenden, VIII. Band. I. 9
18
t I hoeocephalus Guilielmi (Jard.) — "Wilhelm -Papagei.
L. 28, F. 19, Scliw. 9 cm. Stirn, Vorderränder der Flügel und der
untere Theil des Schenkels (Tibia) roth, Hinterrücken gelbgrün,
übrigens dunkelbraun und grün. — Kamerungebirge, Manns Quelle,
7500 Fass.
M usopkagidae — Pisa ng fresse r.
Corythaeola cristata (Vieill.) — Riesenturako. Brütet im
November bis Dezember. Nicht selten in Farmen u. s. w. Seine
laute, gackernde Stimme lässt er besonders beim Sonnenuntergang
hören.
Corythaix Meriani Rüpp. — Rotkhauben-Helmvogel.
Der allgemeinste Pisangfresser des Gebietes. Seine Stimme ist ein
wiederholtes „krö-krö . . .“. Das Fleisch ist recht gut. „Koka.“
Corythaix persa(L.) — Grüner Helm vogel. Kamerungebirge.
C o 1 i i d a e — Mausvögel,
f Colius nigricollis Vieill. — Schwarzkehliger Maus¬
vogel. L. 30, F. 9,5, Schwanz lang, stufig, 19 cm. Oberseite mit
Flügeln und Schwanz braun. Oberkopf heller, Unterseite blass gelb¬
braun, Kehle und die Federn an der Schnabelwurzel schwarz, Vorder¬
hals fein schwarz quergebändert, Schwingen mit rostrother Innen¬
fahne. — Kamerungebirge, Manns Quelle. Eine dieser sehr nahe¬
stehende Art ist die neulich von Dr. Reichenow beschriebene
Colius nigroscapalis, der sich durch schwarze, nicht hornbraune
Schäfte der Schwanzfedern unterscheidet. Vielleicht ist dies nur eine
zufällige Variation. Es wäre darum von grösstem Interesse, eine
Anzahl von Mausvögeln von Kamerun heimzuschicken, um diese
Frage zu entscheiden.
Cuculidae — Kuckucke.
Centropus Francisci Bp. — Grosser Sporenkuckuck.
Im Urwalde bei Bonge recht allgemein. Sein Ruf, den er besonders
bei Sonnenuntergang hören lässt, ähnelt dem des Mönchsporen¬
kuckucks, ist aber viel tiefer und langsamer.
Centropus monachus Rüpp. — Mönchsporenkuckuck.
Lebt im hohen Grase. Bibundi, Itoki.
f Cuculus Aurivillii Sjöstedt. — Schwarzschwänziger
Kuckuck. L. 31, F. 16,5, Schw. 15 cm. Oberseite mit Flügeln und
Schwanz schwarz, ungefleckt, Kehle rothbraun dunkel quergestreift,
Unterkörper gelbweiss mit dunklen Querbinden. — Unterscheidet
sich von Cuculus gabonensis durch seinen ganz schwarzen, nicht
weissgefleckten Schwanz. Von mir im Buschwald bei Ekundu ent¬
deckt. Zur Zeit ist nur das Typusexemplar im Stockholmer Museum
bekannt. Alle Angaben über diese Art sehr erwünscht.
19
f Cercococcyx Mecliowi Cab. — Langschwänziger
Kuckuck. L. 32, F. 15, Schw. 21 cm. Oberseite graubraun mit
hellgrauem Anstrich auf der Oberseite des Kopfes und dem Hinter¬
hals; Schwingen und Flügeldeckfedern mit rothbraunen Flecken;
Schwanzfedern schwarzbraun, an der Spitze weiss, rothbraun und
weiss gefleckt; Unterseite gelb weiss, dunkel quergebändert, Bauch
und Unterschwanzdecken einfarbig. — Im Buschwald bei Kitta. Selten,
zur Zeit nur in den Museen zu Berlin und Stockholm repräsentirt.
Biologische Angaben sehr erwünscht.
Coccystes cafer (Lecht.) — Heherkuckuck. Bibundi.
Chrysococcyx smaragdineus Sw. — Smaragdkuckuck.
Weniger allgemein als die übrigen Goldkuckucke. Weibchen: oben
grün, rothbraun quergebändert, unten weiss mit grünen Querbändern.
Fiisse hellblau. — Bibundi.
Chrysococcyxcupreus(Bodd.) — Goldkuckuck. Allgemein
bei Bibundi in der Regenzeit. Sein Ruf, den er sowohl sitzend
als fliegend hören lässt, besteht aus vier etwas melancholischen,
pfeifenden Tönen von einer Art absteigendem Triller begleitet.
Ckrysococcyx Kaasi (Sw.) — Kleiner Gold kuckuck. Brütet
im August bis September. Bibundi.
Ceuthmochares aereus (Vieill.) — Sichelkuckuck. Recht
allgemein in den Wäldern. Bibundi, Bonge, Itoki.
Trogonidae — Nageschnäbler.
Hapaloderma vittatum Shell. — Bindentrogon. Kamerun¬
gebirge, Manns Quelle, 7500 Fuss.
Capitonidae — Bartvögel.
Gymnobucco calvus (Lafr.) — Kahlkopf-Bartvogel. Bei
Bonge allgemein. Itoki na N’golo. Nisten in Baumlöchern, welche
sie selbst ausmeisseln.
f Gymnobucco Peli Hartl. — Pels Bartvogel. L. 16,5,
F. 8,5, Schw. 4,5 cm. Braun, Oberkopf und Kopfseiten kahl, blau-
schwarz, an der Schnabelwurzel zwei Federbüschel.
Eine Aufgabe von besonderem Interesse für den in diesen
Gegenden reisenden Ornithologen wäre es, zu erforschen, ob diese
Form wirklich eine selbständige Art ist oder nur Individuen eines
gewissen Alters oder Geschlechts von dem nahestehenden G. calvus.
Er unterscheidet sich von diesem durch die zwei oberhalb des
Schnabels sitzenden Federbüschel, einen etwas schmaleren Schnabel
und geringere Grösse und gelbgrüne Ränder an den Schwingen,
welche Farbe bei calvus ganz fehlt oder nur wenig hervortritt.
Sehr wünschenswerth wäre, wenn Exemplare von beiden Formen
nach dem Geschlecht und womöglich nach dem Alter bestimmt
2*
20
werden könnten oder, wenn sich dies an Ort und Stelle nicht machen
Hesse, in Alkohol heimgeschickt werden. Von grösster Wichtigkeit
wäre, zweifellos festzustellen, ob Weibchen mit Federbüscheln
Vorkommen.
f Barbatula subsulphurea (Fräs.)— Gelbbauch-Bärtling.
L. 9,5, F. 4,7, Schw. 2,5 cm. Sehr klein. Unterseite, ein Strich
über der Schnabelwurzel und einer über den Augen nach hinten
blass schwefelgelb, übrigens schwarz, Bürzel und Säume der Flügel¬
federn gelb. — Bonge-Farm.
Xylobucco scolopaceus (Temm.) — Holzbartvogel.
Nicht selten. Bonge, Itoki. Im lichten Wald. Nistet in Baumlöchern.
Xylobucco Duchaillui (Cars.) — Rothstirniger Bart¬
vögel. Nicht selten im lichten Wald. Kitta, Bonge.
Trachyphonus purpuratus Verr. — Schmuckbartvogel.
Am Waldsaum. Bonge.
P i c i d a e — Spechte.
f Campothera Tullbergi Sjöstedt — Golo- Specht
L. 19, F. 11, Schw. 7 cm. Bücken und Flügel grün, Flügelbug
blutroth, Stirn und Vorderkopf schwarz, weissgelb gefleckt, Nacken
karmoisinroth, Unterseite gelb, dunkelgrün punktirt und gefleckt. _
Diese ausgezeichnete neue Art, welche von allen bisher bekannten
Formen der Gattung auffallend abweicht, wurde von mir bei Itoki
na N’golo entdeckt. Zur Zeit ist nur das Typusexemplar (ein
Weibchen) im Stockholmer Museum bekannt.
Campothera nivosa (Sw.) — Tropfenspecht. Der all¬
gemeinste Specht des Gebietes. Wird oft mit Malimbus nitnes.
Platystira castanea und Crinigerarten zusammen gesehen.
Bonge, Kitta, Itoki.
Campothera permista (Bcliw.) — Grüner Waldspecht.
Nicht so selten in den Wäldern. Itoki, Ekundu, Kitta.
Mesopicus xantkolophus Harg. — Goldhaubenspecht.
Wurde einige Male im Walde bei Bonge erlegt.
Mesopicus Johnstoni (Shell.) — Gelbbäuchiger Specht.
Das Weibchen, das von mir kürzlich beschrieben woixlen ist, unter¬
scheidet sich vom Männchen durch den schwarzen Oberkopf. _
Kamerungebirge, Manns Quelle, 7500 Fuss.
f Mesopicus pyrrhogaster (Malh.) — Rothbäuchiger
Specht. L. 19 — 21, F. 11, Schw. 7,5 cm. Männchen: Oberseite
olivengelbbraun, Schwanz schwarzbraun; Scheitel, Bürzel, Brust-
und Bauchstrich roth; Kehle, Vorderhals, Kopf- und Halsseiten weiss,
Unterseite schwarzbraun, weissgefleckt. Weibchen: Scheitel schwarz.
— Kamerungebirge, Manns Quelle, 7500 Fuss.
21
Dendropicus Sharpei Oust. — Strichelspecht. Bibundi-
Farm.
f Dendropicus Reicheno wi Sjöstedt — Breitgestreifter
Specht. Klein; L. 13, F. 8, Schw. 3,7 cm. Oberseite grün, Hand¬
schwingen in der Aussenfahne mit zwei bis vier gelbweissen Rand¬
flecken, Armschwingen ungefleckt, Brust und Bauch blass grünlich-
weiss, breit schwarzgrün gestreift, Stirn braun mit deutlicher grüner
Schattirung, Kopf hinter den Augen und Nacken roth. — Dieser
kleine Specht wurde von mir bei Bonge entdeckt. Zur Zeit ist nur
das Typusexemplar (ein Männchen) im Gothenburger Museum bekannt.
Er unterscheidet sich leicht von Sharpei durch seine grüne, nicht
goldbraune Oberseite und ungefleckte Armschwingen.
Insessores — Sitzfüssler.
Bucerotidae — Nashornvögel.
Ceratogymua elata (Temm.) - — Helmvogel. Hält sich
gern unter Oelpalmen auf, deren Früchte er verzehrt. Der Ruf
gleicht Trompetenstössen. Recht häufig in Bibundi-Farm.
Buceros albotibialis Cab., Rchw. — Weissschenkeliger
Hornvogel. Scheu und wild. Lebt schaarenweise im Urwald unter
hohen Baumkronen. Nahrung: Früchte. Bonge.
Buceros Sharpei (Eli.) — Guinea-Hornvogel. Nicht selten
in der Mangroveregion. Scheu, wird oft über dem Mangrovewald
hervorschwebend gesehen.
Berenicornis albocristatus (Cass.) — Weisskopftoko.
Scheu; lebt im Walde. Itoki, Bonge, Kitta.
Lophoceros fasciatus (Shaw.) ■ — - Bandtoko. Der allge¬
meinste Nashornvogel des Gebietes. „Eamäka“ genannt.
Lophoceros camurus (Cass.) — Rothschnabeltoko. Im
Buschwald nicht selten. Hat eine weitschallende Stimme. Ekundu,
Kitta, N’dian. Wurde bei N’dian „Säko-säko“ genannt.
f Lophoceros ILartlaubi (Gould.) — Buschtoko. L. 41,
F. 16, Schw. 17 cm. Flügel und Schwanz schwarz, Kopf und Brust
mehr graublau, Kopf von den Augen nach hinten weisslich, Unter¬
körper weiss, die äusseren Schwanzfedern mit weissen Spitzen;
Schnabel schwarz, an der Spitze dunkelroth. — Zur Zeit nur ein¬
mal im Gebiete und zwar im Buschwald bei Bonge beobachtet.
Nachrichten über das Brutgeschäft dieser Art wie überhaupt aller
Nashornvögel sehr erwünscht.
Alcedinidae — Eisvögel.
Halcyon seuegalensis (L.) — Senegalliest. In Farmen
und Lichtungen allgemein.
22
t Halcyon Forbesi Sharpe — Blaurückenliest. L. 26,5,
F. 11, Scbw. 7,6 cm. Vom vorhergehenden durch sein blaues Brust¬
band und rothe, nicht schwarze Fiisse leicht unterschieden. Kehle
und Bauch weiss, ßrustband, Kopf, Rücken, Oberseite des Schwanzes
und ein breites Flügelband hell grünblau; Unterseite des Schwanzes,
Augengegend und der übrige Theil der Flügel schwarz; Oberschnabel
roth, Unterschnabel schwarz, Fiisse roth. — In der Mangroveregion
allgemein. Ekundu, Meme, Massake.
Ceryle rudis (L.) — Gr au fisch er. Recht allgemein in der
Mangroveregion. Massake, Ekundu-Kriek. An den Flüssen aufwärts
seltener.
f Ceryle maxima (Pall.) — Riesenfischer. L. 37, F. 20,
Schw. 11,5 cm. Kopf schwarz mit weissen Flecken; Kinn und Kehle
weiss; Oberseite schwarz, Federn bläulich gesäumt und weiss punktirt.
Brust rostroth, Bauch weiss quergestreift und gefleckt. Weibchen:
Bauch und untere Schwanzdecken roth.
Eine andere Form, die sich durch ihre ungedeckte Oberseite
unterscheidet, ist unter dem Namen Ceryle Sharpei beschrieben
worden. Es wäre von grossem Interesse, festzustellen, ob diese
Formen, die von mir beide in Kamerun gefunden sind, derselben Art
angehören. Hier und da an den Flüssen und in der Mangroveregion.
Meme, Massake.
Alcedo picta (Bodd.) — Beryll - Eisvogel, ln der Man-
groveregion und an den Flüssen. Nicht allgemein. Bibundi, Ekundu.
f Alcedo cyanostigma Rüpp. — Bandhauben-Eisvogel.
Klein, Schnabel roth, die Federn des Vorderkopfes stark verlängert.
L. 12,5, F. 6, Schw. 2,6 cm. Unterseite und Kopfseiten rostroth,
Kehle und Nackenlleck weiss, Scheitel grünblau, schwarz quergebän¬
dert, Rücken ultramarinblau, nach hinten heller, Flügel braungrau,
blau schattirt und gefleckt. — In der Mangroveregion. Ekundu,
Rio del Rey.
Alcedo Guentheri Sharpe — Günthers Eisvogel. Der
allgemeinste Eisvogel des Gebietes. Ekundu, Rio del Rey, Merne-
und Massakedelta. „Isäko-säko“ genannt. Früher unter dem Namen
A. quadribracliys angeführt.
Meropidae — Bienenfresser.
Merops albicollis Vieill. — Weisskehliger Bienen¬
fresser. Der allgemeinste Bienenfresser des Gebietes. Als Strich¬
vögel finden sie sich etwa Mitte Oktober in Kamerun ein.
Meropiscus australis Rchw. — Blauer Waldspint. Am
Ufer des Massake bei Itoki gesehen.
Meropiscus Mülleri Cass. — Rother Waldspint. Ueber
die Lebensweise dieses seltenen Vogels fehlten bisher jegliche
23
Beobachtungen. Ich fand ihn mitten im Walde, was anzeigt, dass
er wie der vorhergehende ein Waldvogel, nicht wie die meisten
Bienenfresser ein Steppenvogel ist. Weitere Beobachtungen er¬
wünscht. Bavo.
Melitthophagus pusillus (St. Müll.) — Feldspint. Lebt
auf Grassteppen. Allgemein bei Bell town und bei Bakundu
ba Foe.
Coraciidae — Raken.
Eurystomus afer (Lath.) — Zimmetbrauner Roller. Ruht
bei Tage gern auf trockenen Zweigen und kommt erst gegen
Sonnenuntergang in lebhaftere Bewegung. Wird oft in der Man¬
groveregion angetroffen. Nicht selten. Bonge. Kitta, Itoki.
Eurystomus gularis Vieill. — Blaukehliger Roller.
Nicht so allgemein wie afer. Brütet im Oktober.
Strisores — Scliwirrvögel.
Cypselidae — Segler.
f Cypselus ambrosiacus (Gm.) — Palmsegler. L. 17,5,
F. 12,8, Scliw. (5 — ) 9,5 cm. Schwarzbraun, unten etwas heller,
Flügel lang und schmal, äussere Schwanzfedern sehr lang und zu¬
gespitzt. — Aehnelt unserem Mauersegler, ist aber kleiner. Hält
sich unter Palmen auf. Bei Bibundi allgemein, Bakundu ba Foe.
Bei Bonge sah ich einen anderen Segler, der mit ausserordent¬
licher Schnelligkeit durch die Luft fuhr, und der nach meiner Ver-
muthung Chetura Sabinei Gray war. Diese ist glänzend schwarz
unten mehr dunkel, Magen, Weichen und untere Schwanzdecken
weiss; Schäfte der Schwanzfedern in eine Spitze ausgezogen. Es
wäre von Interesse, festzustellen, ob angeführte Art dem Gebiete
angehört, was sehr wahrscheinlich ist, da sie von Fernando Po
bekannt ist.
Oscines — Singvögel.
I) i c e i d a e.
f Pholidornis Rushiae (Cass.). L. 8, F. 4,3, Schw. 2.2 cm.
Auffallend klein. Kopf und Brust schwarzbraun, die Federn mit
breiten, auf der Oberseite des Kopfes schmäleren weissen Seiten-
theilen; Flügel, Schwanz und Vorderrücken schwarzbraun, oft hell
gesäumt, übrigens grüngelb. — Bibundi und Bonge-Farm.
Mit diesem kleinen Vogel ist eine neue Familie für Kamerun
nachgewiesen. Diese, deren eigentliches Verbreitungsgebiet Indien
und Australien ist, hat in Westafrika nur wenige Repräsentanten.
Hierher gehörende Vögel stehen in gewissen Hinsichten den Blumen¬
saugern nahe, nur sehr wenige haben aber den schmalen, gebogenen
24
Schnabel derselben. Auch in der Form des Nestes weichen sie
von diesen ab, indem dasselbe beutelförmig ist, nicht gedeckt mit
seitlicher Oeffhung.
H i r u ndinidae — Sch w a 1 b e n.
f Hirundo puella Temm., Schl. — Mädchenschwalbe.
L. 19, F. 10, Schw. 9 cm. Flügel, Rücken und Schwanz blau¬
schwarz, Kopf und Bürzel rothbraun, Unterseite weiss- schwarz
gestrichelt. — Aehnelt in der Form einer Rauchschwalbe. Wird
bisweilen in Schwärmen zu Hunderten gesehen. Auf der Ebene bei
Bakundu ba Foe, Bonge -Farm.
Hirundo nigrita Gray - — Wasserschwalbe. An den
Flüssen allgemein. Meine, Massake, N’dian.
Hirundo rustica L. — Rauchschwalbe. Bonge Farm
während der Trockenzeit.
f Psalidoprocne fuliginosa Skarpe. L. 12 bis 13, F. 10,5,
Schw. (5 bis) 7,5 cm. Einfarbig dunkelbraun, Schwingen, Schwanz
und Unterseite etwas dunkler, Schwanzfedern ungleich lang. —
Diese auf dem Kamerungebirge, 9000 Fuss, entdeckte Art ist bei
Bibundi sehr allgemein. Hält sich gern in der Nähe der Wohn¬
häuser. Beobachtungen über das Brutgeschäft erwünscht.
Muscicapidae — Fliegenfänger.
Muscicapa Ingens Hartl. — Mückenschnäpper. Hält sich
immer am Wasser auf, ruht auf aus dem Wasser hervorragenden
Stümpfen. An den Flüssen nicht selten. Meine, Massake.
f Parisoma plumbeum Hartl. L. 14,5, F. 7, Sch'w. 6 cm.
Hell blaugrau, Bauch weiss, Schwingen schwarzbraun, weiss¬
gesäumt, Schwanz schwarz, die äusseren Federn weiss. — Kommt
erst bei Sonnenuntergang in lebendige Thätigkeit und wird dann
in Farmen, auf freistehenden Bäumen, am Waldsaum u. s. w. an¬
getroffen. Bonge.
Arctomyias fuliginosa J. &E. Yerr. — Brauner Fliegen¬
fänger. Hier und da in den Farmen, am Waldsaum u. s. w. ein¬
zeln oder paarweise. Aeliuelt, im Betragen unserem grauen Fliegen¬
fänger. Kitta, Bonge.
Platystira cyanea (St. Müll.) — Lappenschnäpper.
Bibundi-Farm.
Platystira castanea Fräs. — Kurzsckwänziger Lappen¬
schnäpper. ln lichtem Buschwald allgemein. Sein Ruf ist ein bis¬
weilen recht wohllautendes, gewöhnlich aber geborsten klingendes,
wiederholtes Pö, pö, pö. Ekundu, Kitta, Itoki, Bonge.
Terpsiphone tricolor Fräs. — Rostbäuchiger Fächer¬
schwanz. Nicht selten im Buschwald. Der Ruf ein rauhes, wieder-
25
lioltes lp, lp, I}), Ip. Sein Nest wird in niedrigen Bäumen gebaut.
Brütet im März. Itoki, Kitta, Ekundu, Bonge.
Terpsiphone cristata (Gm.) — Paradiesfliegenfänger.
An denselben Orten wie vorgeliende Art, aber viel seltener.
f Megabias flammulatus J. & E. Verr. L. 17 bis 18,
F. 8,6, Schw. 6 bis 7 cm. Männchen: Füsse blauviolett. Ober¬
seite mit Flügeln und Schwanz blauschimmernd schwarz, Hinter¬
rücken, Bürzel und Unterkörper weiss, untere Flügeldecken
schwarz. — Von dem gleichfarbigen Dryoscopus affinis durch
die schwarzen, nicht weissen, unteren Flügeldecken unterschieden.
Weibchen: Unterseite weiss, dunkelbraun gezeichnet, Schwanzfedern
rostrotli oder schwarz, rostrotli gesäumt; Bürzel rotligelb, untere
Schwanzdecken heller, Flügel schwarz mit rothgelben Federsäumen,
übrige Oberseite braungrau, Rücken rotligelb schattirt. — ln Farmen,
am Waldsaum u. s. w. Bonge. Nicht allgemein.
Elminea longicauda (Sw.) — Meisenschnäpper. War bei
Bibundi recht allgemein auf freistehenden Bäumen. Gleicht im
Betragen der Meise. Im dichten Wald kommt er nicht vor.
Bias musicus (Vieill.) — Plattschnabel. Am Waldsaum.
Bonge. Wird oft einen Tag nach dem anderen auf demselben
Platz wiedergefunden.
f Smithornis rufil ater alis Gray — Breitmaul. L. 11,5,
F. 6,2, Schw. 4 cm. Mit auffallend breitem, gekieltem Schnabel.
Oberseite schwarz, am Rücken gelbbraun und weiss gemischt, Flügel
und Schwanz dunkelbraun, erstere mit weissen Flecken; Unterkörper
weisslich schwarzgestreift, Brustseiten rotligelb. Brütet im Februar.
Kommt im Buschwald vor. Ekundu.
Trochocercus nigr omitratus (Rchw.) — Blaugrauer
Fächer schwänz. Nicht selten im dichten Buschwald. Ekundu.
f Trochocercus albiventris Sj östedt — Weissbäuchiger
Fächerschwanz. L. 14, F. 6,2, Schw. 6,4 cm. Scheitel schwarz,
Oberseite und Brust graublau, Flügel und Schwanz schwarzgrau ;
Kehle, Vorderhals und Kopfseiten stumpf grauschwarz, Bauch
weiss, nicht graublau. — Diese von mir kürzlich beschriebene Art
wurde auf dem Kamerungebirge, Manns Quelle, 7500 Fuss, entdeckt.
Zur Zeit ist sie nur in den Museen in Stockholm und London
repräsentirt. Biologische Nachrichten gewünscht.
Cassinia Fraseri (Striclil.) — Kassinie. Im Buschwald.
Itoki.
f Alseonax obscura Sjöstedt. L. 11,5, F. 6, Schw. 4,2 cm.
Schnabel breit, Unterseite blass ockergelb, mit braungrauer
Schattirung auf Brust, weniger auf Kinn, Vorderhals und Körper¬
seiten; oben graubraun, Zügel blass ockergelb, wrie auch der
26
untere Theil der Stirn; untere Flügeldecken und Axillarfedern
roströthlich ockergelb; Unterschnabel gelblich mit dunkler Spitze,
Öberschnabel dunkelbraun. — Die Einsammlung von Exemplaren
dieser Art, wovon zur Zeit nur die Typusexemplare im Stockholmer
Museum von Manns Quelle, 7500 Fuss, bekannt sind, ist von be¬
sonderem Werth. Es wäre von grösstem Interesse, zu konstatiren,
ob Individuen mit weisslichem statt ockergelbem Unterkörper
auch Vorkommen, wodurch die nahestehende Alseonax pumila
Rchw. von Ostafrika sich von dieser Form unterscheidet.
Campophagidae — Stachelbürzel.
f Campophaga quiscalina Finsch. L. 19 bis 21,5, F. 9,2
bis 9,5, Scliw 9 cm. Männchen: Oberseite mit Flügeln und Schwanz
purpur- und grünglänzend schwarz, Kehle, Kopfseiten und Vorderhals
purpurviolett schimmernd, was auf dem Unterkörper in stahlblau
übergeht. Weibchen: Unterseite schön gelb, Scheitel und Nacken
grau; Rücken gelbgriin, Bürzel gelber, Schwanzfedern gelbgrün,
die äusseren mit gelblicher Aussenfahne und Spitze, Zügel, Kopf¬
seiten und Kehle weisslich, die ersteren dunkel schattirt.
Die Jungvögel haben die Oberseite weiss (Rücken) und gelb¬
lich (Flügel) gefleckt, Unterkörper graubraun quergebändert. — Das
Weibchen unterscheidet sich von den recht ähnlichen Haarvögeln
(Criniger) durch die von Federn bedeckten Nasenlöcher und
längere (4 bis 5 cm) Bürzelfedern, deren Schäfte an dem Basal¬
theile starr sind und gegen das Ende hin dünn und biegsam
werden. Beim Aufwärtsstreichen der Bürzelbeflederung fühlt man
die starren Schaftwurzeln wie Stacheln. Lebt im Buschwald.
Ekundu.
f Graucalis azureus Cass. — Azur-Raupenfresser. Et¬
was grösser als ein Seidenschwanz. L. 21,5, F. 10,7, Schw. 8,3 cm.
Männchen: Hell grünlich -blau, Kehle und Kopfseiten dunkler bis
schwarzblau, Stirn. Zügel schwarz, Schwingen und Schwanz schwarz-
braun, mit blauen Federsäumen. Weibchen: Hell blaugrau, Flügel
und Schwanz dunkler, Zügel blauschwarz, Kehle etwas dunkler als
der übrige Unterkörper. — N’dian. Sein Laut ist ein gellender, wieder¬
holter Schrei. Das Weibchen dieser Art unterscheidet sich von dem
Männchen des Graue alis Preussi durch graublauen, nicht schwarzen
Stirnrand. Dem Weibchen von Preussi fehlt ganz die schwarze
Färbung am Kopf.
L a n i i d a e — Würge r.
Lanius Mackinnoni Sharpe. — Mackinnons Würger.
Wurde bei Itoki na N’golo unter einzeln stehenden, kleineren
Bäumen und Gebüschen zahlreich gefunden.
27
Dryoscopus affinis Cass. — Schwarz weisser Würger
Bonge Farm; während der Dürre allgemein in einzeln stehenden
Bäumen. Der Wechselgesang des Männchens und Weibchens ist
sehr eigenthümlich. Der Lockton des Männchens ist ein schallendes
plitt, plitt, plitt oder tjoipp, tjoipp, tjoipp, das bis zu zwanzig
Mal wiederholt werden kann.
Dryoscopus Lühderi (Rcliw.) - — Lühders Buschwürger.
Bei Bibundi auf einzeln stehenden Bäumen beobachtet.
Dryoscopus leucorhynchus Hartl. — Schwarzer Busch¬
würger. Kamerungebirge, Mapanya, 3000 Fuss.
Laniarius atroflavus Shell. — Schwarzgelber Busch¬
würger. Die Jungvögel haben eine schwarzgraue Oberseite, die
zwei äusseren Schwanzfedern sind braungelb gespitzt. Kamerun¬
gebirge, Manns Quelle, 7500 Fuss.
Laniarius hypopyrrhus (Verr.) — Grauköpfiger Busch¬
würger. Im Walde bei Ekundu. Nicht allgemein.
f Chaunonotus Sabinei Gray. — Grossschnäbeliger
Buschwürger. L. 1 8,5. F. 8,3, Schw. 7 cm. Männchen: schwarz
und weiss. Unterscheidet sich von dem gleichfarbigen Dryo¬
scopus affinis durch seinen viel grösseren und breiteren, blei-
grauen, nicht schwarzen Schnabel. Länge desselben 2,6, Breite 1 cm
(affinis bezw. 1,8 und 0,8). Weibchen: Unterkörper hell rothgelb,
Magen weiss, Bücken braungelb, Oberseite des Kopfes und Hinter¬
hals hellgrau. In Farmen am Waldsaum u. s. w. Bonge.
Nicator chloris (Valens.) — Grüner Würger. Allgemein.
Fast überall im Buschwalde. Der Ruf dieses Würgers ist ein dann
und wann wiederholtes pitt, pitt, pitt, pjä, pjä. Bisweilen ähnelt
er dem Schnalzen eines Eichhörnchens.
Corvidae — Raben.
Corvus scapulatus Daud. — Schildrabe. Bibundi.
Dicruridae — Drongos.
Dicrurus coracinus Verr. — Gabelschwänziger Drongo.
Einer der gemeinsten Vögel des Gebiets; im lichten Wald, am
Waldsaum, in Farmen u. s. w. Die Stimme sehr variirend; gewöhn¬
lich ein „tjipu tjipp tjipp“.
Dicrurus atripennis Sw. — Gradschwänziger Drongo.
Viel seltener. Bibundi.
Oriolidae — Pirole.
Oriolus brachyrhynchus Sw. — Schwarzköpfiger Pirol.
Nicht selten. Der Ruf ist ein weit tönendes, etwas trauriges:
hü-li-ü oder hü hü liü, das er fast stundenlang mit kurzen Zwischen¬
räumen wiederholt, wenn er unter den Baumkronen herumhüpft.
Itoki, Ekundu, Bonge.
28
Oriolus nigripennis (Verr.) — Schwarzschwanz-Pirol.
Kamerungebirge, Manns Quelle, 7500 Fuss.
Sturnidae — Staare.
L amprocolius glaucovirens Eli. Vorher unter dem Namen
Lamprocolius splendidus (Vieill.) angeführt. Recht allgemein.
Stimme ein unangenehmer Schrei „kliä“. Ziehen beim Sonnenunter¬
gang in Schwärmen durch die Luft nach ihren Ruheplätzen. Wurde
bei N’dian „Mobili“ genannt, womit man auch Graucalis azureus
bezeichnete.
Lamprocolius purpureiceps Verr. — Sammetköpfiger
Glanz st aar. Seltener als vorhergehender. N’dian, ltoki.
Onychognatus Hartlaubi Gray. — Grosser Zimmet-
flügel-Staar. Weibchen: L. 28, F. 12,8, Schw. 13 cm. Kopf und
Hals aschgrau, die Federn mit grünschwarzer Mittelpartie. Paar¬
weise in Bonge-Farm gesehen.
Onychognatus Preussi Rchw. — Kleiner Zi mmetflügel-
Staar. Kamerungebirge, Manns Quelle, 7500 Fuss. Bisher nur
von diesem Gebirge bekannt.
Poeoptera lugubris Bp. — Schnäpperstaar. Dr. Reiche¬
no w beschrieb in der vorhergehenden Uebersicht das Männchen.
Das Weibchen unterscheidet sich durch blaugraue Unterseite; auch
Kopf und Nacken sind blaugrau, stahlblau schimmernd, Iris gelb.
L. 21, F. 8,5, Schw. 9,3 cm. — Wurde zahlreich bei ltoki na N’golo
angetroffen. Nisten viele zusammen in hohlen Bäumen. Stimme ein
klagendes „kll“.
P 1 o c e i d a e — Weber.
Malimbus scutatus (Cass.) — Schild-Prachtweber. Der
allgemeinste Weber des Gebiets. Nest lang, retortenförmig, gewöhn¬
lich in Kletterpalmen (Calamus secundiflorus) gebaut. „N’gäkä“
genannt (N’dian).
Malimbus nitens (Gray.) — Brustlatzweber. Im Busch¬
walde recht allgemein, wo er gern mit Plaarvögeln, Lappen¬
schnäppern (castanea), Lophoceros camurus, Campothera
nivosa u. a. herumzieht. Ekundu, Bonge, N’dian, Kitta.
Malimbus cristatus Vieill. — Hauben - Prachtweber.
Im Buschwald. Seltener als der vorige. Ekundu, Bonge.
f Malimbus rubricollis (Sw.) — Rothhals-Prachtweber.
L. 17,5, F. 10,2, Schw. 6,3 cm. Männchen: Schwarz, Scheitel und
Hinterhals roth. Weibchen: Unterscheidet sich vom Männchen durch
schwarzen Vorderkopf. — Nicht allgemein. Veväka.
f Malimbus Racheliae (Cass.) — Gold - Prachtweber.
Mit saffrangelben Unterschwanzdecken. Weibchen: Schwarz, Brust¬
schild und untere Schwanzdecken saffrangelb, der erstere in der
29
Mitte glänzend coclienillroth. Männchen: Der gelbe Brustschild
bildet nach hinten einen Halsring, Kopf oben roth. — Sehr selten.
Das Weibchen wurde von mir in Kamerun, und zwar im Buschwald
bei N’dian entdeckt.
Ploceus nigerrimus Vieill. — Schwarzer Weber. Sehr
allgemein. Bibundi.
Ploceus cucul latus (St. Müll.) — Goldweber. Sehr all¬
gemein. Bibundi.
Ploceus personatus Vieill. — Maskenweber. Allgemein.
Bibundi.
Symplectes brackypterus (Sw.). — Einsamer Weber.
Hier und da in Pannen u. s. w. Bibundi, Bonge.
Symplectes melanogaster — Goldkopfweber. Kamerun¬
gebirge, Manns Quelle, 7500 Fuss. Die Art ist zur Zeit nur von
diesem Gebirge bekannt.
f Symplectes auricomus Sjöstedt — Pomeranzköpfiger
Buschweber. L. 15, F. 8, Schw. 4,4 cm. Hellgelb, Oberkopf
und Nacken mit einer deutlichen Schattirung von Pomeranzengell);
Flügel, Schulterfedern und Schwanz schwarz, Schnabel weisslich. —
Von mir in Kamerun entdeckt. Zur Zeit ist nur das Original¬
exemplar (ein Weibchen) im Stockholmer Museum bekannt.
Symplectes croconotus Rcliw. — Gelbrückiger Busch¬
weber. Das von mir kürzlich beschriebene Männchen unterscheidet
sich von dem vorstehend angeführten Weibchen durch kastanien¬
braunen Scheitel. Kamerungebirge, 7500 Fuss.
Spermospiza guttata (Vieill.) — Schwarzer Tropfen-
fink. Das Weibchen ist von Dr. Reiclienow in seiner ersten
Uebersicht beschrieben. Männchen: L. 14,5, F. 7, Schw. 5 cm.
Schwarz; Bürzel, Kopfseiten, Kehle, Kropf und Brustseiten roth.
Unterkörper ungefleckt. — In Farmen und auf anderem offenen
Terrain, im Schilfgras u. s. w. Bibundi; häufig.
Urobrachia phoenicomera (Gray.) — Gebirg-Sammet-
weber. Kamerungebirge, Manns Quelle, 7500 Fuss. Zur Zeit nur
von diesem Gebirge bekannt.
f Nigrita canicapilla (Strickl.) — Perlflügel-Nigrite.
L. 14, F. 6,8, Schw. 5 cm. Stirn, Kopfseiten und der ganze Unter¬
körper mit Schwanz und Flügeln schwarz, die letzteren mit weisseil
Flecken, Oberseite grau, Bürzel weisslich. In Farmen und ähnlichem
Terrain. Bibundi, Bonge.
Spermestes cucullata (Sw.) — Elsterchen. Bei Bibundi
auf dem Faktoreiplatz erlegt.
f Spermestes punctata Heugl. L. 11, F. 5,2, Schw. 3,4 cm.
Schwarz grüngiänzend, Bauch weiss, Armschwingen weisspunktirt.
30
Die nahestehende Speriuestes poensis hat weisse Pünktchen
sowohl auf Handschwingen und Bürzel wie auf den Armschwingen.
Indessen scheinen diese Formen ineinander überzugehen. Es wäre
darum von Interesse, eine grössere Anzahl dieser Formen ein¬
zusammeln, um diese Frage zu entscheiden. — In Farmen. Bibundi,
Bonge.
f Estrelda tenerrima Rchw. — Feingebänderter Astrild.
L.9,F.5, Schw. 5 cm. Unterscheidet sich vom Kappenastrild, Estrelda
atricapilla, durch zartgraue, fein dunkelgebänderte, nicht schwarze,
untere Schwanzdecken und Bauchmitte. Häutig bei Bibundi. In
Schwärmen.
f Quelia erythops (Hartl.) — Rothköpfiger Sperling¬
weber. L. 12,5 bis 13, F. 6 bis 6,3, Schw. 3,5 cm. Kopf roth,
Kehle schwarz, oberseits sperlingfarben, unterseits isabellfarben,
Bauchmitte weiss. Jungvogel: Kopf und Kehle ohne roth und
schwarz, wie die Unterseite und Nacken gefärbt.
Vidua principalis (L.) — Dominikanerwittwe. In
Farmen. Bibundi.
Coliopasser macrurus (Gm.) — Trauerwittw e. Auf Gras¬
ebenen. Bei Bell town allgemein. Bakundu ba, Foe.
Fringillidae — Finken.
Hyphantospiza olivacea (Fräs.) — Orangefink. Mit
gelbem Schnabel. — Bibundi, auf Bäumchen in hohem Schilfgras.
Weniger allgemein. Kamerungebirge, 7500 Fuss.
Serinus Burtoni (Gray) — Burtons Girlitz. Kamerun¬
gebirge, 7500 Fuss, allgemein.
Motacillidae — Stelzen.
Motacilla vidua Sundev. — Trauerstelze. An Fluss¬
ufern. Bavo, N’dian. Bei N’dian „Dänge“ genannt.
f Motacilla flava L. — Kuhstelze. L. 16, F. 8, Schw.
7,5 cm. Oberseite gelbgrün, Unterseite gelb, oft mehr oder weniger
weiss, Flügel schwarzbraun mit hellen Federsäumen, die zwei
äussersten Schwanzfedern grösstentheils weiss. — Auf Faktorei bei
Itoki.
Anthus Gouldi Fräs. — Gould-Pieper. Kamerungebirge,
Manns Quelle, 7500 Fuss.
Pycnonotidae — Bülbüls.
Ixonotus guttatus Yerr. — Tropfenhaar vogel. Zieht
schaarenweise durch die Wälder und hält sich dabei in hohen
Baumkronen auf. Ihr Lockruf, den sie ununterbrochen hören
lassen, besteht aus schnalzenden Tönen „ztr, ztr, ztr“. Brütet im
September.
31
Pycnonotus gabonensis Sharpe — Gabun-Bülbül. In
Farmen und ähnlichem offenen Terrain allgemein. Bibundi, Bonge.
Bas Nest steht in Büschen oder auf niedrigen Baumzweigen. Eier
röthlichweiss, fein rothbraun gefleckt. 22 X 16,5 mm.
Andropadus virens — Olivengrüner Bülbül. Die ge¬
meinste Andropadus-Art des Gebiets. Singt fleissig, bisweilen sehr
gut. Jm Buschwald. Kitta, Bonge, ltoki, Ekundu, N’dian.
f Andropadus gracilis Cab. L. 15, F. 6,6, Schw. 6, Lauf 1 ,6,
Schnabel 1,3 cm, Rachen rothgelb. Olivengrün, Kopf oben grau¬
bräunlich, Kehle und Brust grau schattirt, Körperseiten nach
hinten grüner; obere Schwanzdecken und Schwanz braunröthlich,
Unter -Flügeldecken hellgelb. — Ein in Sammlungen noch seltener
Vogel. Im Walde bei Bonge.
f Andropadus cameronensis Rchw. — Kam erun-B ülbiil.
L. 16, F. 8, Schw. 7,4, Lauf 1,8, Schnabel 1,4 cm. Dem vorigen
sehr ähnlich, ist aber grösser (vergl. die Maasse). Im Buschwald
bei Kitta. Zur Zeit nur in den Museen zu Berlin und Gothenburg
repräsentirt.
f Andropadus graciliro stris Strickl. — Sclimalschnäbe-
liger «Bülbül. Untere Flügeldecken und Innenfahne der Schwingen
rostgelblich, Kehle weisslich. L. 18,5, F. 8, Schw. 8,5. Lauf 2,
Schnabel 1,6 cm. Oberseite dunkel olivengrün, schwach ins Gelbliche
ziehend, Flügel und Schwanz dunkelbraun, besonders die Flügel mit
der Farbe des Rückens schattirt; Unterseite weissgrau, besonders
an den unteren Seiten grünlich schattirt, Kehle heller, untere Schwanz¬
decken blassgelb. — Im Buschwald bei ltoki, nicht allgemein.
Von den hier angeführten Andropadus- Arten unterscheidet
sich gracilirostris leicht durch die rostgelben (nicht schwefel¬
gelben) unteren Flügeldecken und Innenfahne der Schwingen, seinen
dunkelbraunen, nicht rostbräunlichen Schwanz und helle Kehle.
Er ist auch der grösste, ln der Schnabelform ähnelt, er gracilis,
der seinerseits der kleinste ist. Dieser unterscheidet sich von
virens durch etwas geringere Grösse, Kehle und Brust wie auch
Oberkopf sind grau schattirt, der Schnabel ist schlanker, bei dem
LTnterschnabelwinkel nach vorn 3 mm breit, bei virens und came¬
ronensis 4 mm. Die Länge des Unterschnabels vom Winkel 8 mm.
bei virens 7, bei cameronensis 10 mm. Der Schnabel ist bei
gracilis und cameronensis oben gekielt, bei virens abgerundet.
Criniger calurus (Cass.) — Rostschwänziger Haar¬
vögel. Im Busch walde des ganzen Gebiets häufig.
Criniger chloronotus (Cass.) — Grüner Haarvogel. Im
dichten Buschwald. Nicht so allgemein. Hat eine eigenthümliche,
wehmüthige, trillernde Stimme. Ekundu, Kitta.
Grilliger tricolor (Cass.) — Dreifarbiger Haarvogel.
Nicht selten im Buschwald. Brütet im Juni. Ektindu, N’dian.
Criniger simplex (Hartl.) — Einfacher Haarvogel.
Kamerungebirge. Mapanya, 3000 Fuss.
f Criniger syndactylus (Sw.) — Rostbürzel-Haarvogel.
L. 23, F. 10,5, Schw. 9 cm. Oberseite olivengrün, Hinterrücken
roströtlilich ; Bürzel, Schwanz und die mittleren Schwingen dunkel
rostrotli. Unterseite hellgelb. — Im Buschwald; Ekundu. Stellt
wie calurus und notatus den Wanderameisen (Anomma arcens)
nach. Nicht allgemein.
f Criniger fl'avigula (Cab.) — Gelbweisskehliger Haar¬
vögel. L. 21, F. 9,0, Schw. 8,6 cm. Oberseite mit Flügeln und
Schwanz olivenbräunlich, Kehle gelbweiss, übrige Unterseite grau-
weiss, Brust und Körperseiten olivenbräunlich schattirt, Brustfedern
in der Mitte heller, untere Schwanzdecken dunkler. — In der Farm
bei Bibundi.
f Criniger clamans (Sjöstedt.) — Schreihaarvogel.
L. 20, F. 10, Schw. 7,6 cm. Unterkörper blass roströthlich- ocker¬
gelb; die äusseren Schwanzfedern gelbweiss, ohne Flecken. Ober¬
seite grün, Zügel aschgrau wie auch das Kinn und eine Scliattirung
an den Kopfseiten. Von mir bei Ekundu entdeckt. Lebt im Busch-
wald, wo man bisweilen seine leicht erkennbare Stimme: „beäh,
beäli“ zu hören bekommt. Zur Zeit ist nur das Originalexemplar
im Stockholmer Museum bekannt.
Criniger notatus (Cass.) — Gelbbäuchiger Haarvogel.
Im Buschwald recht allgemein. Stellt den Wanderameisen nach,
stösst dabei wehmütliige, gedämpfte, pfeifende Töne aus. Ekundu.
Criniger leucopleurus (Cass.) — Weissschwänziger
Haarvogel. Kommt allgemein unter Weinpalmen in Mangrove¬
wäldern vor, wo er bald durch seine kräftige, hall) plaudernde,
halb schreiende Stimme sich bemerkbar macht.
Schema der bisher von Kamerun bekannten Haarvögel:
A. Schwanz einfarbig oder fast so.
a. Schwanz rostrotli oder rostbraun.
1. Kehle weiss.
x. Grösser: L. 23, F. 10,2, Schw. 9 cm.
Brust aschgrau, an den Seiten oliven-
grün . chloronotus.
y. Kleiner: L. 18 bis 20, F. 8,6, Schw.
8,6 cm. Brust gelb, an den Seiten
olivengrün . calurus.
33
2. Kehle wie der Unterkörper gelb.
x. Grösser: L. 23, F. 10,5, Schw. 9 cm.
Hinterrücken roströthlicli .... syndactylus.
y. Kleiner: L. 17, F. 8, Schw. 7,3 cm.
Hinterrücken olivengrün . . . . tri colo r.
b. Schwanz olivenbräunlich oder oliven¬
grünlich.
1. Kehle weiss oder gelbweiss.
x. Rücken grün.
f Oberkopf braun . Verreauxi.
ff Oberkopf aschgrau . poliocephalus.
y. Rücken wie Oberkopf olivenbräunlich.
f Kehle weiss, Unterkörper in der
Mitte gelblicliweiss . Simplex.
ff Kehle gelbweiss, Unterkörper in
der Mitte grauweisslich, Brust¬
federn in der Mitte weiss . . . flavigula.
2. Kehle wie der ganze Kopf aschgrau . tephrolaemus.
B. Aeussere Schwanzfedern mit breiten weissen
Spitzen . leucopleurus.
C. Aeussere Schwanzfedern mit breiten blass¬
gelben Spitzen . notatus.
D. Aeussere Schwanzfedern ganz gelbweiss
ohne Flecken . clamans.
Nectariniidae — Blumensauger.
Cinnyris chloropygia (Jard.) — Grüne Nectarinie. Bei
den Ortschaften recht allgemein. Bibundi, Bonge. Brütet De¬
zember bis Januar.
Cinnyris Preussi Rchw. — Preuss-Nectarinie. Früher
irrthümlich unter dem Namen C. chalybea angeführt. Wurde
neuerlich nach von Dr. Preuss 1891 auf dem Kamerungebirge
gesammelten Exemplaren als selbständige Art beschrieben. — Bei
Bibundi in der Nähe der Faktorei recht allgemein.
Cinnyris superba (Schaw.) — Glanz-N ectarinie. L. 16,
F. 7,5, Schw. 5. Bibundi.
Cinnyris obscura (Jard.) — Graue Nectarinie. Wird
öfter als die übrigen im dichten Wald angetroffen. Bibundi, Kitta,
Bonge, Ekundu. Brütet im August und Januar.
Cinnyris Reichenbachi (Hartl.) — Reichenbachs Nec¬
tarinie. Bibundi nicht selten.
f Cinnyris cyanolaema (Jard.) — Diadem - Nectarinie.
L. 13,5, F. 7, Schw. 5,3 cm. Graubraun, Unterkörper heller, Vorder-
Mitth. von Forschungsreisenden, VIII. Band. I. o
34
köpf und Kehle metallisch blau; Achselfedern blassgelb. — Im
Wald bei Bonge. Weniger allgemein.
Anthothreptes liypodila (Jard.) — Gelb bauchige Nec-
tarinie. Bonge -Farm.
Anthothreptes aurantia (Verr.) — Weissbäuchige Nec-
tarinie. Im Mangrovewald. Brütet im März. Das Nest hängt
an einem Zweig über dem Wasser.
Anthothreptes gabonica (Hartl.) — Gabon-Nectarinie.
Diese Art wurde in Dr. Reichenows erster Uebersicht irrthümlich
unter dem Namen Stiphrornis alboterminata (Timeliidae) be¬
schrieben. Lebt in der Mangroveregion, recht allgemein. Brütet
Januar bis Februar. Nest wie das vorige.
Meliphagidae — Honigfresser.
Zosterops melanocephala Gray — Grauer Brillen¬
vogel. Kamerungebirge, 7500 Fuss. Zur Zeit nur von diesem
Gebirge bekannt.
Timeliidae — Timalien.
Stiphrornis gabonensis Sharpe — Gabun-Rothkehlchen.
Im Buschwald. Ekundu, N’dian.
Eremomela badiceps (Fräs.) - — Rothkappensänger.
Unter einzeln stehenden Bäumen in Bonge und Bibundi - Farm
beobachtet.
Camaroptera concolor Hartl. — Einfarbiger Busch¬
sänger. Bonge.
•j- Camaroptera tincta (Cass.) — Grünflügeliger Busch¬
sänger. L. 10,8, F. 5,5, Schw. 4 cm. Grau, unten heller, Flügel
gelbgrün, Tibia grüngelb, Füsse hell. — Nicht selten bei Bonge.
Lebhaft, Stimme ein klingendes „plitt, plitt, plitt“.
Cisticola ruficapilla (Fräs.) Rostkappen-Grassänger.
Allgemein in Bibundi -Farm im hohen Schilfgras.
f Cisticola discolor Sjöstedt — Gebirgs-Grassänger.
L. 14, F. 6, Schw. 6 cm. Kopf braunroth, Rücken rothbraun.
Schwingen graubraun mit breiten hell braunrothen Säumen, Schwanz
stufig, rothbraun, die Spitzen der Federn rostgelblich, von einem
dunkel, nicht scharf markirten subterminalen Fleck begrenzt. Unter¬
seite auf blass ockergelbem Grund braungrau schattirt. — Steht
C. ruficapilla nahe, hat aber rothbraune, nicht graue Oberseite,
ockergelben, nicht weissen Unterkörper. Zur Zeit sind nur die im
Stockholmer Museum aufbewahrten Originalexemplare bekannt.
Kamerungebirge, Manns Quelle, 7500 Fuss.
Ale'the castanea (Cass.) — Ameisen-Timalie. Im Busch¬
wald, häufig.
Turdinus monaclius Rchw. — Grauköpfiger Busch-
schlüpfer. Kamerungebirge, Manns Quelle, 7500 Fuss. Bisher
nur von diesem Gebirge bekannt.
f Dry m ocatapkus cleaveri Shell. L. 15 bis 16,5, F. 7 bis 8,
Schw. 5,6 bis 6,2 cm. Scheitel schwarz, Kopf- und Halsseiten
aschgrau; oben olivenbräunlich, Unterkörper weiss, Seiten bräun¬
lich schattirt. Füsse weiss. — Selten, zur Zeit mir in wenigen
Exemplaren bekannt. Lebt im dichten Buschwald. Bewegt sich am
Boden hüpfend mit grosser Schnelligkeit.
Calamonastes Bairdi (Cass.) — Bindengrasschlüpfer.
Kamerungebirge, Mapanya, 3000 Fuss.
f Euprinodes schistaceus CüSs. L. 11,5, F. 5, Schw. 4,7 cm.
Grau; Magen und untere Flügeldecken weiss, Flügel und die vier
mittleren Schwanzfedern schwarzbraun, Schwanz übrigens weiss. —
Veväka.
f Euprinodes cinereus Sharpe. L. 14, F. 5,5, Schw. 8,2 cm.
Kopf oben und Rücken grau, Unterseite gelbweiss, Flügel und
die vier mittleren Schwanzfedern schwarzbraun, das nächste Paar
der Schwanzfedern weiss und schwarzbraun, die übrigen weiss. —
Kamerungebirge, Manns Quelle, 7500 Fuss. Ein in Sammlungen
noch sehr seltener Vogel; wurde neuerlich von Jackson auf dem
Berge Elgon in Ostafrika entdeckt.
f Hylia prasina (Cass.) — Brauen-Buschsänger. L. 11,5,
F. 6,5, Schw. 4,5 cm. Oberseits olivengrün, dunkler Augenstrich
und gelbliche Augenbrauenbinde, Unterseite schmutzig weiss, Unter¬
schwanzdecken hellgesäumt. — Stimme ein klingendes „tju, tju, tju“.
Bonge..
Cossypha poensis Strich). — Graukehliger Drossel¬
schmätzer. Im Buschwald bei Ekundu, selten; lebt von Ameisen.
Callene lsabellae (Gray.) — Kamerun-Drosselschmätzer.
Kamerungebirge, Manns Quelle, 7500 Fuss.
S y 1 v i i da e — Sänger.
Pratincola axillaris Shell. — S chwarzköp figer Gebirgs-
schmätzer. Das Weibchen war in voriger Uebersicht unter dem
Namen P. pallidigula beschrieben. Die Art ist auch irrthümlich
als P. salax gedeutet worden.
f Phylloscopus sibilatrix (Bechst.) — Waldlaubsänger.
L. 13,5, F. 7,7, Schw. 5,6 cm. Oberseits gelblichgrün, Unterkörper
reinweiss, Kehle und Brust hellgelb, erste Schwinge sehr klein,
kürzer als die Flügeldeckfedern, zweite Schwinge bedeutend länger
als die fünfte. — Bonge -Farm.
f Phylloscopus trochilus (L.) — Fitislaubsänger. L. 12,
F. 6,8, Schw. 5,3 cm. Oberseits grünlichgrau, Unterkörper gelblich-
3*
weiss, erste Schwinge länger als die Flügeldeckfedern , zweite in
Länge zwischen der fünften und sechsten. — Kamerungebirge,
Manns Quelle, 7500 Fuss.
Turdus saturatus Cab. — Dunkle Drossel. Bibundi-
Farm.
Yaünde.
Von G. Zenker.
Allgemeines.
Der zu den Fangvölkern zu zählende Stamm der Yaünde zerfällt
in einzelne kleinere Abtheilungen, die nur durch ihre Benennung sich
unterscheiden, aber gleiche Sprache, Sitten und Gebräuche haben.
Es sind dies folgende Stämme:
Tsliinga
Bava
Yatinga
Imbombo
Yedute
Yande
Voghe Velinghe j p
Yoghe Banthe f ane
eigentliche Insele |
Yaiinde, Invong J Uelle.
Intom
Die letztgenannten drei, zum Theil unter den eigentlichen Yaünde
wohnend, gehören dem im Osten sitzenden grossen Volksstamm der
Uelle oder M veile an; im Südosten sitzen die Banthe oder Bane,
im Norden und Nordosten die Ntoni. im Westen die Bakokos oder
Welle; ersterer Name ist eigentlich ein Schimpfname und bedeutet
Buschmann. Im Südwesten wohnen die Ngumba und im Süden die
Bulei. Ntoni, Banthe und Bulei sprechen eine nur dialektisch ver¬
schiedene Sprache, während die östlich und westlich wohnenden
Uelle und Welle ganz abweichende Idiome sprechen.
Yaünde, auch Yawounde, bedeutet „Erdnuss“, womit, wie es
scheint, angedeutet sein soll, dass es der Stammesgenossen so
viele giebt wie Erdnüsse.
Ueber die Geschichte des Volkes war nichts zu ermitteln.
Die Familienhäupter kennen kaum die Namen ihrer direktesten Vor¬
fahren. In der kurzlebigen Tradition erhalten sich nur für kurze
Zeit Nachrichten über die unbedeutenden Stammesfehden oder wie
viele Frauen und Sklaven bei dem Tode dieses oder jenes Häupt¬
lings getödtet wurden.
Grenzen und Beschaffenheit des Landes.
Das von den Yaünde bewohnte Land ist ein gebirgiges Plateau
von 800 bis 1000 m Seehöhe, durchzogen von einigen SW nach NC)
streichenden Gebirgsketten, deren höchste Spitzen eine relative Höhe
von 600 bis 800 m haben; letztere sind zum Theil, besonders auf
der West- und Nordseite, reich bewaldet. Ein ausgedehntes, reiches
Netz von Wasseradern, die theils Nebenflüsse des Nyong, theils solche
des Sannaga und Lokundje sind und zu jeder Zeit Wasser führen,
ist die Ursache, dass eine üppige Vegetation vorherrscht; nur im
Norden und Nordosten geht sie in Baumsavanue über, doch gleichen
diese Gebiete mehr einem verwilderten Parke, denn die Erosions¬
rinnen und Bachränder sind dicht bewaldet. Verbreitern sich solche
Rinnen zu Thälern, so versumpfen die Ränder der Bäche und geben
zu Moorbildungen Anlass, in denen ausser Oel- und Weinpalmen
besonders Aroideen, Maranten, Gramineen und Cyperaceen und Farne
— letztere oft von 3 bis 5 m Stammhöhe — vorwalten. Solche
Gebiete erinnern in Verbindung mit einem träge daliinfliessenden
Bach lebhaft an die Bilder der Steinkohlenperiode. Durch ab¬
sterbende Wurzelstöcke, faulendes Laub und todte Hölzer bilden
sich hier oft meterdicke Schichten schwarzer Moorerde, die in der
Regenzeit fusshoch unter Wasser stehen.
Die Gebirgszüge bestehen aus krystallinischen Gesteinen, an
einzelnen Stellen tritt Raseneisenstein zu Tage oder er findet sich
lose in Konglomeraten in dem vorherrschenden Lateritboden. Pri¬
märer Laterit findet sich überall, wo dichter Wald den Boden bedeckt,
ln der Parklandschaft ist er auf die Plateaus beschränkt. In den
Senkungen findet sich sog. umgelagerter Laterit, der stufenweise
eine hellere Färbung annimmt und nach den Thalsohlen zu auch
mehr Quarzsand zeigt, um dann nach und nach in Thonablagerungen
überzugehen. Letztere zergliedern sich wieder in stark quarzhaltige,
eine rein gelbe und grünblaue Färbung zeigende Töpferthone und
in blendend weisse Kaoline von oft festem trockenen Gefüge. Die
häufige Moorbildung ist durch das Vorkommen solcher undurch¬
lässigen Thonschichten bedingt. Die Humusschicht auf den Plateaus
und in den Wäldern ist von geringer Mächtigkeit, doch ist der
umgelagerte Laterit sehr fruchtbar. Primärer Laterit aus der Tiefe
ist, wie speziell zu dem Zweck angestellte Versuche lehrten, dagegen
sehr unfruchtbar.
Die Grenzen des Yaündegebietes bildet im Süden der Lokundje,
im Norden der Mfamba bezw. der in denselben fliessende Mfulu, im
Osten eine in der Bavalandschaft sich hinziehende Gebirgskette,
deren höchster Gipfel der Efu ist, im Westen die Gebirgskette des
Elementen, Sokoye u. s. w.
Wege, Bauart der Dörfer und Hütten.
Zahlreiche, oft kaum erkennbare Pfade führen von Weiler zu
Weiler, oder auch zu den recht versteckt mitten im Walde gelegenen
Pisangplantagen. Die Pfade in der Savanne werden in jeder Trocken¬
zeit durch Niederlegen und Verbrennen des Grases verbreitert, ‘weil
die Blätter und Halme einzelner Gräser messerscharf sind und viele
Verletzungen erzeugen. Die Wege führen meist auf den Plateaus
entlang, dann und wann eine Erosionsrinne durchschneidend, und
dann, dem Flusslauf folgend und wieder aufsteigend, um ein anderes
Plateau zu erklimmen. Brücken, namentlich kunstvolle Hängebrücken
wie in einzelnen Küstengebieten Kameruns, giebt es nicht, höchstens
bildet ein gefällter Baum eine nothdürftige Passage.
Zusammenhängende Dörfer giebt es im Yaündelande nicht, bloss
Gehöfte oder besser Weiler. Wenn ein junger Mann sich zu dem
Besitz einer Frau aufgeschwungen hat, so sucht er sich einen günstig
scheinenden Platz auf einem Plateau, nie in den kleinen Thälern
aus, holzt denselben ab, errichtet sich sein grosses, 6 m breites,
8 bis 12 m langes Haus mit einer Firsthöhe von 3 m, möblirt das¬
selbe mit aus Bambus hergestellten Bettstellen und baut dann erst
ein Frauenhaus von 8 m Länge, 4 m Breite und 2 m Firsthöhe. Kauft
er noch eine Frau, so errichtet er ein zweites Haus und so fort.
Am liebsten legt man die Weiler auf den Plateaus an, nie in den
kleinen Thälern, und zwar auf einem länglich viereckigen Platze,
an dessen Breitseiten je ein grosses Männerhaus errichtet wird, die
zum Aufenthalt der Männer, Gäste und Durchreisenden dienen (Taf. 1).
An der einen Längsseite sind die Frauenhäuser errichtet und zwar je
nach dem Beichtlium des Besitzers 1 bis 20 und mehr. In derselben
Beihe befindet sich gewöhnlich auch ein Haus mit Holzthür und
Vorlegeschloss, welches von früheren Beisenden als Fetischhaus hin¬
gestellt wurde, während es thatsächlich das Vorrathshaus ist, in
welchem der Besitzer in Kisten seine Werthobjekte verwahrt. An
der anderen Längsseite wird der höchst primitive Ziegen- und Schaf¬
stall errichtet. Die Häuser werden durch ein Gerüst von Pfählen
gebildet, auf welchen das aus den Blattrippen der Bambuspalme ge¬
bildete Dachgerüst ruht, welches mit von derselben Palme stammen¬
den Matten gedeckt wird. Die Seitenwände sind aus abgeschälter
Baumrinde hergestellt. Im Ganzen genommen, werden die Hütten
sehr sorgfältig ausgeführt und durch Anordnung von Bambusstäben
sowie von kleinen, mit eingeschnitzten Figuren versehenen Holz¬
täfelchen verziert. Diese stellen verschiedene Gestalten von Thier en,
wie Eidechsen, Schlangen u. s. w., oder symmetrische Striche dar,
die dann mittelst Kohle, Bothholzpulvers und weissen Thons gefärbt
werden, so dass die Zeichnung entweder weiss und roth auf schwarzem
\ aünde- Weiler mit Grundriss eines solchen.
(S. 38)
Tafel 2.
I
Inneres eines Frauenhauses.
(S. 39)
Tafel 3.
Inneres eines Männerhauses.
(S. 39)
Grunde oder umgekehrt, roth und schwarz auf weissem Grunde, er¬
scheint. Die Herstellung anderer Farben kennt man nicht. Fenster
sind nicht vorhanden, wohl aber eine kleine Thür und in der Wand
ein kleines Loch zum Beobachten. Die bloss La m im Geviert hal¬
tende Thür wird mit Baumrinde verschlossen. Die Frauenhäuser
sind in der Regel in zwei Gelasse getheilt (Taf. 2). Der grössere Raum
ist mit mehreren breiten Betten ausgestattet, über der Feuerstätte
befindet- sich eine Art Regal, tlieils zum Aufbewahren von Töpfen
dienend, theils zum Räuchern von erlegtem Wild. An der hinteren
Wand sind geschnitzte Schüsseln und kleine Töpfe in gerader Linie
aufgehängt, desgleichen Bündel geschnitzter Löffel. Diese sind ebenso
wie die Schüsseln hübsch verziert, und erscheinen die Verzierungen
roth auf schwarzem Grunde. In dem kleineren Gemach befindet sich
bloss eine Bettstätte, welche diskretem Gebrauche dient. Beide
Räume sind immer hübsch rein gehalten. Am Dachfirstbalken werden
die mit geernteten Feldfrüchten gefüllten Körbe von länglich vier¬
eckiger Form, gefertigt aus dem Mark der Blattstiele der Weinpalme,
angehängt, um sie vor Insekten und Rattenfrass zu sichern. Ln
grossen Männerhaus sind oft bis 30 Betten aufgestellt, zwischen
welchen Tag und Nacht Feuer glimmt (Taf. 3). An den Wänden sind
auf hölzernen Gabeln Bündel von Speeren niedergelegt; zwischen den
Bambusstäben derselben werden die Haumesser gesteckt. An den
recht hübsch geschnitzten Mittelpfeiler werden die Flinten angelegt,
desgleichen die Munitionsbeutel, Pulverflaschen und die an ihnen
befestigten Medizinhörner, welche zum Schutz gegen Regen mit
einem Wildkatzenfelle bedeckt sind. Auch fehlen mehrere lange
Pfeifen nicht, deren Rohr aus der Rippe eines Pisangblattes her¬
gestellt ist. Als besonderer Schmuck des Innern sind oft an der
Rückwand einige bunte geschnitzte Bretter angebracht, eine Mittel¬
linie bildend; dieselben zeigen schwarz-weiss-rothe Muster von symme¬
trischen Figuren und Strichen. Sonst befindet sich keinerlei Schmuck
im Hause. Unter dem Dache werden auch Schädel von Kleinwild
und verzehrten Hunden, oft in grosser Zahl angebracht; grössere
Schädel werden auf das Dach gelegt, wie die von Büffeln, Antilopen,
Schweinen und Affen, um dadurch den durchreisenden Fremden zu
zeigen, dass der Besitzer dieses Weilers ein glücklicher und grosser
Jäger ist. Auf dem freien Platze stehen einige Oelpalmen, Savo-
bäume und auch des öfteren eine Kigelia mit ponceaurothen Blüthen
und riesigen Früchten; auch werden mehrere Arten Suppenkräuter,
um sie in der Nähe zu haben, dort kultivirt. Unter letzteren sei
eine Grasart erwähnt von Weizenform mit monströsen Aehren,
welche ein sehr feines Aroma beim Kochen entwickelt.
Hinter den Frauenhäusern liegen die Pisaugplantagen, in denen
40
versteckt der Abort liegt. Grössere Pisangplantagen befinden sich
in den Wäldern. Oft sind die Weiler mit einem leichten Zaun um¬
geben, und bildet dann den Ein- und Ausgang je eine halsbrecherische
Leiter. Diese Zäune dienen nicht als Schutz gegen Ueberfälle und
wilde Tkiere, sondern sollen lediglich die Hühner, Ziegen und Schafe
verhindern, die Mais- und Erdnusspflanzungen abzufresseu. Unter
einem kleinen Schutzdach oder im Männerhause befindet sich die
Signaltrommel (ngu), welche zum Telegraphiren dient. Mit Hülfe
dieser Trommel theilt man sich von Weiler zu Weiler Neuigkeiten,
den Ausbruch von Streitfällen u. s. w. mit, führt ganze Unterhaltungen
oder besänftigt die Geister verstorbener Angehöriger der Familie,
indem man sie mit ihrem Namen ruft. Jeder Eingeborene, Mann
oder Weib, hat seinen Trommelnamen, ebenso hat die Trommel jedes
Weilers einen Namen und die im Umkreise lebenden Eingeborenen
kennen den Klang jeder Trommel. Die Trommelsignale, seien sie
auch noch so leise aus weiter Ferne herübertönend, werden ver¬
standen und je nach der Wichtigkeit der Sache sofort weiter be¬
fördert. Die Yaünde lieben es, besonders in den Früh- und Abend¬
stunden, sich auf diese Weise Mittheilungen zu machen, z. ß. was
und ob man gegessen hat, ob man sich Tabak, Pulver u. s. w. holen
kann u. s. w. Es ist äusserst schwer, hinter die Bedeutung der ein¬
zelnen Signale zu kommen, bei Nachfragen wird man stets belogen.
Bei längerem Aufenthalte im Lande lernt man allmählich wenigstens
die Hauptsachen verstehen, wie Mittheilungen über Krieg und
Todesfälle.
Körperbeschaffenheit, Charakter, Kleidung und Schmuck.
Die Yaünde sind ein schönerer Menschenschlag als die Küsten¬
bevölkerung. 1,70 bis 2 m hohe muskulöse Gestalten beim männ¬
lichen wie weiblichen Geschlecht sind vorherrschend. Gesichter mit
hoher Stirn, Habichtsnasen, schmalen Lippen und wenig vorstehen¬
dem Kinn sind ziemlich häufig. Die Hautfarbe variirt vom dunklen
Kaffeebraun bis zu sehr hellen Tönen, ganz schwarze ist sehr selten.
Albinismus kommt vor, partiellen haben ich nicht bemerkt. Die
Augen sind fast durchweg dunkel, doch kommen auch blaue und
graue vor. Das Haar wird bei beiden Geschlechtern in kunstvolle
Frisuren gebracht. Die Haare des Körpers werden mittelst eines
schnellen Feuers abgesengt, die der Achselhöhlen und der Scham
werden je nach Bedürfniss und Laune abrasirt, namentlich wenn sich
Insassen vorfinden. Bärte werden wenig getragen und vorkommenden-
falls nur als Kiunbart in kleine Zöpfe geflochten und zuweilen mit
Perlen verziert. Die Augenwimperhaare werden herausgerissen.
Die Marschfähigkeit der Yaünde ist eine bewunderungswürdige.
41
sie können, wenn wenig belastet, oline sieb Ruhe zu gönnen, vom
Morgen bis zum Abend marscbiren.
Der Charakter der Yaünde weicht von dem durchschnittlichen
Negercharakter wenig ab. Sie sind abergläubisch, hinterlistig, hab¬
gierig, bei Gelegenheit diebisch und lügnerisch. Ihr Aberglaube ist
ungeheuer und kostet alljährlich Vielen das Leben, besonders den
Frauen. Tod, Krankheit, Unglücksfälle aller Art führen sie auf
Zauberei zurück. Die Schuldigen werden zum Ellongessen (einem aus
der Rinde vonErythrophlaeum guineense hergestellten Brei) verurtheilt.
Bei diesen Gelegenheiten können sie schaudererregend grausam sein,
was sie von Natur sonst nicht sind. Habgierig nach Allem, was er
sieht, liebt der Yaünde daher sehr zu stehlen, doch gilt das Er¬
wischtwerden als Schande. Das Lügen ist ihm zur zweiten Natur
geworden; man wird auf eine Frage nie die Antwort hören, und
bleibt es Einem überlassen, aus allen Aussagen das Körnchen Wahr¬
heit, welches stets in ihnen liegt, herauszuschälen. Leidenschaftlich
ist der Yaünde dem Spiel ergeben, er verspielt oft sein ganzes
Vermögen und seine eigene Freiheit. Zahlungsunfähige werden als
Sklaven für 10 bis 15 Pfund Salz verkauft. Im Kriege zeichnen
sie sich nicht durch Tapferkeit aus. Ausbrechende Palaver werden
oft in grossen Redeschlachten ausgefochten, weil Kampf nicht Jeder¬
manns Sache ist. Wie die meisten Neger, verspricht er viel und
hält wenig. Doch gehen dem 'Yaünde auch gute Eigenschaften
nicht ab: er isst und trinkt wenig, liebt Musik und Tanz und ist
friedliebend. Nur bei Abokfesten sind vom Palmwein Berauschte
keine Seltenheit; jedoch ist dies auf den üblichen Zusatz einer Rinde
zurückzuführen, welche berauschend wirkt. Ein bis zwei Glas dieses
so zubereiteten Getränkes genügen, einen ganz respektablen Rausch
zu erzeugen, welcher, obwohl vou kurzer Dauer, einen fürchterlichen
Katzenjammer verursacht. Diese Art der Zubereitung des Palm¬
weines ist besonders bei den Welle (Bakokos) gebräuchlich, und
haben die Yaünde dieselbe von jenen gelernt.
Die Kleidung der Yaünde ist die denkbar einfachste: ein
Lendenschurz aus der Rinde eines Feigenbaumes (otornbo). Es ist
dies die innere Bastlage der Baumrinde. Sie wird zuerst für einige
Zeit in das Wasser und dann in die Sonne zum Bleichen gelegt und
erhält die nöthige Weichheit durch Klopfen mit einem Hammer aus
Elfenbein oder Knochen auf einer hölzernen Unterlage. Die nur
handbreiten Streifen werden hierauf mit Bambusnadeln (odondo) zu¬
sammengenäht. Diese Rindenstoffe werden zum Theil mit einfachen
Mustern, Sternen u. s. w. versehen, die mittelst eines geschnitzten
Stempels aufgedrückt werden. Das hierzu verwendete Färbemittel
ist der Fruchtsaft eines häufig vorkommenden, buchenähnlichen
42
Baumes mit breiter Krone. Häufig werden diese Rindenstoff'e auch
mittelst Rotliholzpulvers oder weissen Kaolinthons gefärbt und bilden
so schwarz -weiss-roth gestreifte Tücher. Die Hüftschnur besteht aus
Pellriemen, Alfenschwänzen oder dünnen, selbstgefertigten Stricken.
Schmiede tragen Katzen- oder Aifenfelle als Lendenzeug. Freie
Leute und Handeltreibende sind auch im Besitz von Zeugen euro¬
päischen Ursprunges, öfters auch von einem Hemde oder Hut. Da
der Gebrauch von Seife unbekannt ist, so geht die ursprüngliche
Farbe aller Stoffe in ein tiefes Ponceauroth über, das von
dem Rothholzpulver (mba) herrührt, mit dem sich alle Welt den
Körper bemalt. Dieser Gebrauch ist die Ursache der so häufigen
Hautkrankheiten; schon Säuglinge werden bemalt. Das weibliche
Geschlecht trägt überhaupt kein Zeug, sondern begnügt sich mit
einem Lendengürtel, welcher der Träger eines starken Büschels von
zerschlitzten Pisangblättern ist, der oft auch von jungen Blättern
der Weinpalme hergestellt wird und der theils roth, theils schwarz
gefärbt wird. Dieser Hinterschmuck (inwom) gleicht auffallend einem
gestutzten Pferdeschweif. Die Scham wird mittels eines dreieckigen
Stückes Pisangblatt züchtig verdeckt. Aeltere Frauen begnügen
sich bloss mit einem fingerbreiten Streifen. Knaben und Mädchen
sind stets völlig nackt bis zum 6. oder 8. Jahre. Die jungen Mäd¬
chen durchbohren ihre Nasenscheidewand und stecken als Schmuck
ein kleines Stäbchen hindurch. Der Körper sowie Gegenstände des
täglichen Gebrauches werden mit Messing und Kupfer geschmückt.
An den Fingern, Zehen, Füssen und Armen werden diese Metalle
in Gestalt dünner Spangen, oft auch in massiven, mehrere Pfund
schweren Ringen getragen, besonders seitens der ersten Frauen.
Junge Männer und Mädchen lieben es, sich die Arme vom Hand¬
gelenk bis zum Ellenbogen mit nicht abnehmbaren Armspangen von
Messingstangen zu umgeben, ein unbequemer und gesundheitsschäd¬
licher Schmuck, denn gar oft entstehen Beulen unter diesen Ringen,
welche ihre Träger veranlassen, sich dieses Schmuckes unter grossen
Schmerzen zu entledigen. Fuss- und Armringe, früher massiv, jetzt
schon in Europa geformt, hohl und leicht, sind ungemein beliebt.
Die Häuptlinge tragen am linken Arm ein festes Messingarmband,
am rechten Elfenbeinringe. Gewehre, Tabakpfeifen, Pulverflaschen,
Messergriffe, Stöcke, Alles erhält Verzierungen aus Messing oder
Kupfer, und in Ermangelung dessen aus Weissblech. Schwarze und
blaue Perlen, böhmischen und venetianischen Fabrikates, sogenannte
Olivetten und runde, bernsteinartige Glasperlen pflegt man in dicken
Schnüren um den Hals zu tragen, Männer sowohl als Frauen und
Mädchen, je mehr desto besser und schöner. Perlen einheimischen
Fabrikates sind durchlöcherte Pflanzensamen, welche zusammen mit
Tätowirungsmuster und Haartrachten.
Tafel 4.
— 43
den Eckzähnen der Hunde einen recht hübschen Halsschmuck ab¬
geben; Eckzähne von Affen, Katzen u. s. w. sind ebenfalls recht
gesucht. Auch der Kopfschmuck eines Mistkäfers,, Vogelkrallen,
Antilopenfüsse, messingene und kupferne Patronenhülsen, Schlüssel
von Vorhängeschlössern dienen als Halsschmuck. Mein Schlüssel¬
bund war stets ein Gegenstand heftiger Sehnsucht bei den Frauen
und Mädchen. Aber ihr grösstes Verlangen geht nach Porzellan¬
knöpfen (melogo sumesso, d. li. ganz kleine Knöpfe). Diese Hemden¬
knöpfe kleinster Nummer werden auf breite Lederriemen mehrreihig
genäht und an der Stirn als Diadem getragen, auch werden sie auf
dem Schamgürtel und dem Hinterschmuck befestigt. Begegnet man
einem Mädchen auf der Strasse, so ist sicher ihr erstes Wort: „Ha
ma melogo“, d. h. „Gieb mir Knöpfe“. Die oft sehr kunstvollen
Frisuren werden ausser mit Perlen, Kauris auch noch mit Knöpfen
verziert; zwischen den geflochtenen Haarreihen wird ausserdem
dickes gelbes Palmöl aufgetragen, was zwar sehr malerisch, aber
wenig reinlich ist. Diese Fettung des Kopfes und Halses ist sehr
beliebt. Die Lendengürtel der Frauen sind etwas feiner als die
der Männer, theils Fellstreifen, theils Affenschwänze mit und ohne
Knöpfe oder Perlschnüre. Einige kleine Bambusstäbe, welche an
dem Gürtel befestigt sind, zeigen, wie viel Freunde die Besitzerin
hat. Bei festlichen Gelegenheiten, die hier ungemein häufig sind,
oder bei Palavern und im Kriege tragen die Familienoberhäupter
selbstgefertigte Kappen, verziert mit den Schwanzfedern des grauen
Papageis. In Ermangelung einer solchen werden auch rothe Tuch¬
kappen Apoldaer Fabrikates getragen, ein Leopardenfell dient als
Mantel und eine Halskette aus den Eckzähnen des Leoparden als
besondere Zier. Es giebt zweierlei Arten von Tätowir ungen (Taf. 4).
Die eine mit hervortretenden, oft schlecht verheilten Narben, bewirkt
nicht selten ganz absondexdiche Verunstaltungen der Haut. Die
zweite Art besteht nur in einer Ritzung der Haut und Einreibung
von Russ, der aus dem vei’brannten Harz der Boswelia fraxinifolia
hei’gestellt wird. Nach der Heilung ei'scheint die Zeichnung, welche
Thiergestalten, Arabesken und symmetrische Figuren dai’stellt, blau.
Kopf, Hals, Brust, Bauch, Rücken, Arm und Schenkel sind die
bevoi’zugtesten Stellen; beim weiblichen Geschlecht findet man oft
eine Tätowirung dicht über der Brust, die Spitzenmustern nicht
unähnlich sieht. Im Gesicht werden, besondei’3 auf den Wangen,
der Stirn und der Schläfengegend, geritzte Tätowirungen angebracht,
z. B. Tabakpfeifen von einem Mundwinkel bis zum Ohr. Auf der
Stirn und an den Schläfen wei’den Kreise oder Quadi'ate angebracht.
Nur die Männer tragen die Stammesmarke, welche aus drei
Reihen Querstrichen aus erhöhten Narben längs des Rückgrates
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bestellen, die am Nacken am breitesten sind und nach dem Kreuz
zu in eine Spitze auslaufen. Sie erhalten dieselbe im Alter von 12
bis 15 Jahren unter besonderen Festlichkeiten (infonu vergl. S. 52).
Kriegsschmuck und Waffen.
Ertönt Kriegsalarm, so entledigen sich die jungen Leute ihrer
Lendentücher, versehen ihre Geschlechtstheile zum Schutz gegen
Grashalme mit einer kleinen Kappe in Dütenform, beschmieren ihren
Körper rotli und weiss, oder merkwürdigerweise auch schwarz, be¬
sonders das Gesicht, bemalen die Augen mit weissem Thon, befestigen
in ihren Haaren einen Federbusch oder eine Kappe aus den blauen
Federn des Turako oder den rothen Schwanzfedern des grauen
Papageis, ergreifen Schild und Speere oder Gewehr und Flaumesser
und fort geht’s unter rhythmischem, laut tönendem Gesänge.
Die Schilder werden aus der Haut der Kuhantilope oder aus
Geflecht von Calamus hergestellt. Die leichten Wurfspeere haben
verschiedene Form und Grösse, mit oder ohne Widerhaken. Eine
gefährliche Waffe ist die Esinga, ein kurzer Speer, der aus dem
Gewehr geschossen wird. Von den Handelsgewehren entfernen sie
als unnütz Korn und Yisir, verkleinern den Kolben und oft auch
den Lauf und zielen beim Schiessen fast gar nicht, indem sie ndt
der Rechten Gewehrlauf und Drücker halten, mit der Linken den
Kolben. Die Geschosse, aus Raseneisenstein und gehacktem Eisen
bestehend, gehen nicht sehr weit und richten selten grösseren
Schaden an.
Streitigkeiten brechen zum grössten Theil der Weiber wegen
aus, doch kann der Todesfall einer angesehenen Person, Medizin¬
oder Handelsgeschäfte ebenfalls die Ursache oft langwieriger Fehden
werden. Ist ein Krieg in Sicht, so wird in den meisten Fällen eine
friedliche Lösung versucht; oft kommt es aber durch kleine Streitig¬
keiten ganz plötzlich zu einem Scharmützel, wo es dann Verwundete
und Todte giebt. Solche Vorkommnisse werden dann einige Tage
später in grossen Versammlungen geschlichtet und die Gefallenen
durch Zahlung von Entschädigungen gesühnt. Der Todesfall eines
Chefs kann Raubzüge zur Folge haben, Avenn man einen anderen
Stamm im Verdacht hat, denselben durch Zauberei und Medizin ver¬
ursacht zu haben. Kriege mit fortgesetzten Gefechten giebt es nicht;
sie enden, wenn eine Partei ihrer Werthobjekte beraubt und ihre
Dörfer und Plantagen zerstört sind. Ueberfälle der siegesgewissen
Partei sind beliebt und kommt es dabei zuweilen zum Handgemenge,
wobei das Haumesser eine Rolle spielt. Die Häuptlinge halten sich
den Kämpfen fern, sie haben das Pulver, Feuersteine und Zünd¬
hütchen in Gewahrsam und theilen dieselben an die Kämpfenden aus.
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Alle Weiber und Kinder verlassen bei Kriegsalarm sofort mit allen
transportablen Werthsachen ihre Wohnsitze und bringen sich im
Walde in Sicherheit. Ist der Strauss ausgefochten, so erscheint ein
Unterhändler, dessen Person unverletzlich ist und der von Vater¬
oder Mutterseite mit dem betreffenden Stamme verwandt ist, und
wird dann der Tag der Friedensunterhandlungen bestimmt. Ruft
ein Häuptling einen anderen zu Hülfe, so hat er die geleisteten
Dienste zu bezahlen.
Kriegsgefangene werden, wenn vom eigenen Stamme mehrere
Mitglieder gefallen sind, oft grausam behandelt, im anderen Falle
als Sklaven verkauft, wenn sie von ihren Angehörigen nicht los¬
gekauft werden. Häuptlinge werden nicht getödtet, sondern nach
Zahlung von so und so vielen Weibern freigegeben.
In Friedenszeiten ist das Leben der Familienoberhäupter ein
sehr behagliches. Sie gehen ihren Handelsgeschäften nach, besonders
dem Elfenbeinhandel, wobei sie bei dem betreffenden Verkäufer mit
Weibern und sonstigem Gefolge für einige Zeit zu Gaste bleiben.
Während die Weiber, Kinder und Sklaven und auch die alten Leute
bis Mittag die Farmarbeiten besorgen, unterhalten sich die Männer
mit Tanz oder Flötenspiel oder mit Reden in öffentlichen Versamm¬
lungen, in denen sie wahre Meister sind. Finden keine Versamm¬
lungen statt, so wird mit Leidenschaft gespielt, oft sechs bis acht Tage
hintereinander, jedoch nur am Tage, bei anbrechender Dunkelheit
hören sie auf. Oft auch sitzen oder liegen sie im grossen Männer¬
haus auf ihren Bettstätten, faulenzend und aus langen Pfeifen der
Reihe nach einzelne Züge Tabak rauchend. Wenn in der Nacht
Regen gefallen ist, so ertönt oft schon am frühen Morgen der
Trommelruf zur Treibjagd.
Glaube und Aberglaube.
Die Yaünde haben die Vorstellung von einem unsichtbaren Gott
oder Geist (Insambo), welcher Alles erschaffen haben soll. Ausser
diesem giebt es Geister, welche in der Erde leben (bokwun), zu
denen auch die Weissen gerechnet werden. Die Geister sind nur
gute, können aber mittelst Bereitung einer Medizin in Zorn gebracht
werden und verursachen dann allerlei Unglücksfälle, wie Tod und
Missernte, deswegen sind gute und kräftige Medizinen und Zauber¬
mittel dasjenige, woran ihr Glaube hängt. Eine Medizin hilft gegen
Krankheit, bösen Blick, macht kugelfest, unsichtbar u. s. w., eine
andere tödtet und schädigt die Feinde und führt allerlei Unglücks¬
fälle herbei. Die erstgenannten Mittel müssen am Körper getragen
werden, deswegen behängt der Yaünde Hals und Armgelenke
mit kleinen Antilopenhörnern, welche die Medizinbehälter bilden.
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Bei der Aufnahme in den Stamm erhält Jeder einen kleinen Ele¬
fantenzahn, in dessen hohlem Theile die Kriegsmedizin auf bewahrt
■wird. Diese wird stets am Munitionsbeutel getragen. Medizinen,
welche eine Person schädigen sollen, müssen frisch Imreitet werden,
wobei eine Ziege oder ein Huhn geschlachtet wird.
Tritt ein unvorhergesehenes Unglück ein, so wird es stets auf
Medizin zurückgeführt und der Schuldige wird eifrig gesucht, be¬
zichtigt und verurtheilt. Nie wird man den Geistern den Unglücks¬
fall direkt zuschreiben. Niemand kann ohne Ursache sterben, stets
wird ein solcher Fall auf Gift oder Zauberei zurückgeführt. Stirbt
eine angesehene Person, so sterben oft zwei bis sechs und mehr eines
gewaltsamen Todes, welche in denVerdacht der Zauberei gerathen.
Oft werden dieselben von Verstorbenen noch bei Lebzeiten bezichtigt.
Dass natürlich unter denen, die bei solchen Gelegenheiten ihr Leben
lassen müssen, die Frauen des V erstorbenen die Ersten sind, kann
nicht Wunder nehmen, da sie ja das Essen bereiten, durch das in
erster Linie das Gift zugeführt werden konnte.
Der einträgliche Geschäftszweig der Medizinbereitung liegt in
der Hand einiger pfiffiger Leute (Imboballa, von maballa = Medizin).
Die Imboballa bereiten aus Kräutern Medizin für gute Ernten, um
beim Ringspiel stark zu machen, ferner Liebestränke u. s. w.; sie
ertheilen gegen Bezahlung in Naturalien oder in der landesüblichen
Münze der kleinen Eisenstäbchen Rath in allerhand Fällen, leiten
die Giftprozesse, wahrsagen u. s. w. Besonders werden ihre Dienste
•in Anspruch genommen, wenn es gilt, den Regen zu vertreiben,
welcher Festlichkeiten unterbrechen und stören könnte. Daa FeSt-
pnblikum ist vielleicht schon versammelt, die Tänze sollen beginnen,
doch drohende Wolken thürmen sich im Osten auf. Dann errichtet
der Imboballa eine Stange, an deren oberem Ende ein Töpfchen mit
Medizin befestigt ist. Am Fusse der Stange ist ein Huhn angebunden,
Messer und Speere dabeigesteckt und ringsum ein Kreis Asche ge¬
streut. Der Zauberer verbrennt nun in der Nähe der Stange einen
Haufen Kräuter und geht des öfteren mit einem Büschel bewaffnet
im Weiler herum, den Wolken die Richtung anzeigend. War die
Medizin gut, so zieht das drohende Gewitter vorüber; war ein Fehler
begangen, so regnet es, was aber nicht Schuld des Medizinmannes
ist; das Misslingen wird vielmehr anderen Leuten zugeschrieben,
welche stärkere Medizin haben, und thut der Misserfolg dem Zauberer
keinen Abbruch. Auch das Thierorakel ist sehr beliebt, so beson¬
ders das der grossen Erdspinne (ingam), daher ingam minambd ge¬
nannt. In jedem Weiler oder auch an den Wegen findet man ein
mit Pisangstämmen umlegtes Viereck, in dessen Mitte sich ein mit
Bambusstäbchen umstecktes Loch befindet, in dem eine Erdspinne
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haust. Will nun der Besitzer des Weilers oder einer seiner An¬
gehörigen eine Reise unternehmen, so wird das Loch nachts mit
Pisangblättern überdeckt. Bleiben die Stäbchen in Ordnung, so
wird Alles gut gehen, ist jedoch ein Stäbchen aus der Lage gebracht,
so droht ein Unglück und man bleibt zu Hause.
Regierung, Gericht, öffentliche Versammlungen.
Die Regierung ist eine patriarchalische. Der Aelteste in der
Familie ist das Oberhaupt, doch kann in seinem Weiler ein Jeder
thun und lassen, was er will. Bloss im Falle eines Streites, einer
Fehde und anderer aussergewöhnliclier Vorfälle beruft er alle seine
Familienangehörigen in seinen Weiler, um mit diesen zu berathen.
Ist eine grosse Fehde mit einem anderen Volksstamme in Aussicht,
so kommen alle umwohnenden Familienchefs zusammen, um zu be-
rathscldagen. Im Falle eines Todesfalles, bei Mord, Weiberraub,
Friedens- und Kriegsverhandlungen werden grosse Familienchefs,
welche bei der Sache nicht betheiligt sind, als Schiedsrichter berufen.
Diese Art von Versammlungen werden nicht im Dorf abgehalten,
sondern stets im Waldesschatten am murmelnden Bach unter hohen,
mit Schlinggewächsen behangenen Bäumen. Die beiden Parteien
befinden sich gegenüber, in der Mitte am Bache selbst die Richter
und Unparteiischen, abseits steht das Publikum, d. h. Männer anderer
Familien. Nachdem der älteste der Richter angefragt hat, ob alle
diejenigen, welchen die Sache etwas angeht, erschienen sind, um
das Palaver nach Recht und Gewissen zu sprechen, eröffnet er die
Sitzung und giebt der klägerischen Partei das Wort. Der Sprecher
erhebt sich, indem er mit seinem Speer rasselt, und trägt die Sache
unter grosser Umständlichkeit vor. Keiner unterbricht den Redner
und nur bei ganz besonders Beifall erregenden Stellen ertönt ein
lautes zwei- oder dreimaliges „Ha“ der Anwesenden, während Miss¬
fallen durch „Oho“ ausgedrückt wird, unter einem langgezogenen
„Ojö“ wird dem Sprecher das Wort entzogen und ein anderer, besser
mit der Redekunst Bewanderter ergreift das Wort. Wird einmal
der Lärm zu arg, so bittet der Vorsitzende mit dem Rufe „tobegasi“,
„Setzt Euch“ um Ruhe. Die Erwiderung der Gegenpartei nimmt
oft viele Stunden in Anspruch. Bei Meinungsverschiedenheiten wird
die Verhandlung verschoben. Anderenfalls ziehen sich Parteien und
Publikum ausser Hörweite von den Richtern zurück. Diese und die
Unparteiischen besprechen nun die Sache nochmals, um dann das
Urtheil zu fällen. Sind sie Alle einverstanden, so tritt der Sprecher
mit dem Rufe „Ojö“ in den Bach; sämmtliche Betheiligten kehren
darauf an ihre Plätze zurück. Unter einem nochmaligen langgezo¬
genen „Ojö“ erfolgt dann mit klarer, weithin hörbarer Stimme die
48
\ erkündigung des Urtheils, welches bei allen zu solchen Verhand¬
lungen gelangenden Rechtsfällen, auch bei Mord, in Zahlung von
Geldstrafen besteht. Die siegende Partei giebt ihre Freude durch
Schiessen kund und von den nächsten Weilern erklingen die Signal-
trommeln, um das Urtheil so schnell wie möglich bekannt zu geben.
Anders verhält es sich bei Medizinpalavern, welche in den Weilern
abgehalten werden. Zu ihnen gehören alle unerklärlichen Sachen,
wie Tod, Unglück auf der Jagd, Verwundungen und Beschuldigungen,
die nicht bewiesen werden können. Der Angeschuldigte wird ge¬
zwungen, einen aus der zerkleinerten Rinde Aron Erythrophlaeum
guineense zubereiteten Brei zu essen. War das Gift (ellong) zu stark,
so tritt der Tod ein, anderenfalls nur Erbrechen. In diesem Falle
ist der Angeschuldigte jeder Schuld ledig, und der Kläger muss
Strafe zahlen. Bei dem Tode eines Häuptlings aber werden die
V eiber der Gift Verabreichung und Zauberei bezichtigt, und dann
ohne Gnade und Barmherzigkeit erst mit ellong gefüttert und dann
aufgehängt. Ist der Tod eingetreten, so wird den Weibern vom
Imboballa die Bauchdecke geöffnet, worauf derselbe an den heraus¬
tretenden Därmen die Schuld der Betreffenden herausliest. Da
Frauen an solchen Verhandlungen theilnehmen, so sollen solche
Prozesse wahrscheinlich darauf hinwirken, sie vor der Begehung
von Giftmorden abzuhalten.
Diebstahl wird mit Sklaverei bestraft, oder der Dieb wird in
den Block gelegt, bis seine Familie ihn freikauft.
Ehebruch wird mit Geldstrafen (Eisenstäben) belegt. Kann der
beleidigte Ehegatte von dem Thäter keine Sühne erlangen, .so geht
er hin und schlägt einem Dritten Ziegen und Schafe todt, worauf
dann das Palaver auf diesen übergeht. Der Geschädigte verlangt
nun von dem Ehebrecher die doppelte Anzahl von Schafen und
Ziegen und ausserdem noch Geld. Solche Palaver heissen nianga.
Das Hineinziehen von dritten, ursprünglich gänzlich unbetheiligten
Personen bei der Regelung von Schuldforderungen säumigen Zahlern
gegenüber ist überhaupt sehr üblich. Ist ein Gläubiger zu schwach,
um seinen Schuldner zur Zahlung zu zwingen, so wendet er sich
nicht an einen einflussreichen Chef, um das Palaver zu sprechen,
sondern entwendet diesem oder einem seiner Angehörigen einen
Gegenstand, ein Gewehr u. s. w., wodurch der Chef Veranlassung
erhält, sich in die Angelegenheit hineinzumischen und nun von dem
säumigen Zahler viel mehr verlangt, als die ursprüngliche Schuld
ausmachte. Erfolgt dann die Zahlung, so fliesst der grösste Theil
des Betrages in die Tasche des Chefs. Im Unvermögensfalle wird
der Schuldner, besonders bei Spielschulden, an die Bakokos gegen
Salz verkauft.
49
Familienleben.
Je mehr Frauen ein Mann besitzt, desto angesehener ist er.
Darum ist sein ganzes Streben darauf gerichtet, allmählich deinen
so viele als möglich zu kaufen; es kommt ihm nicht darauf an, ob
sie schön oder hässlich sind, nur verkrüppelt dürfen sie nicht sein.
Schon auf Kinder wird eine Anzahlung geleistet, und je nach den
Umständen erfolgt dann schnell oder langsam die Auszahlung des
vollen Preises. Ist der Mann angesehen, so wächst das Kind in
seinem Dorfe auf, bleibt es aber im Heimathsdorfe, so geht es wohl
z. B. als Pfand für Elfenbein erst für einige Zeit in andere Hände
über. Dass solche oft verwickelten Verhältnisse zu Streit und Fehden
vielfach Anlass geben, ist selbstredend. Hat ein Mann ein Weib
endgültig erworben, so giebt er dies seinen Nachbarn durch Schiessen
und Gesang kund, genau so, als wenn er ein gutes Handelsgeschäft
abgeschlossen hat. Seine Freunde kommen dann herbei und feuern
ihre Gewehre zu Ehren des neuen Weibes ab, eine Aufmerksamkeit,
welche der Gatte durch Schlachten von Hühnern oder einer Ziege
zum Festschmaus vergilt. Jede Frau erhält, um Streit zu verhüten,
ihre Hütte für sich. Wird die Frau trotz wiederholter Mahnung
nicht bezahlt, so versucht ein Angehöriger ihrer Familie sie zu
stehlen, oder sie läuft selbst weg, um dadurch ihren Gatten zur
Zahlung zu zwingen. Denn von letzterer hängt das Glück ihrer
Brüder ab, denen der Vater für das so erworbene Geld ebenfalls
eine Frau kauft.
Bis zum Eintritt in die Ehe steht den Mädchen frei, ihre Gunst
nach Gefallen zu verschenken; sie besitzen daher unter Freien und
Sklaven Freunde, je mehr, desto besser, desto angesehener ist sie
bei ihrem zukünftigen Gatten. Um zu wissen, wie viel Freunde sie
hat, zählt das Mädchen dieselben mittelst Bambusstäbchen, welche
an dem Lendengürtel befestigt werden. Jeder Freund muss ihr bei
seinem Besuche etwas mitbringen, seien es Esswaaren, wie Pisang,
Yams oder Anderes. Oft genug kommt es vor, dass sich Liebhaber
treffen, wobei dann nicht selten eine Schlägerei entsteht, die jedoch
keine weiteren Folgen hat, als dass der eine warten muss, bis der
andere geht. Ist jedoch das Mädchen an ihren Käufer, ihren Gatten,
abgeliefert, so darf sie nur mit Zustimmung desselben oder auf seinen
Befehl Jemand empfangen. Mit der Ehe verliert sie alle Freiheit,
muss alle Arbeiten verrichten und geht oft als Pfand in andere Hände
über. Nicht selten wird sie im Falle des Ablebens des Gatten von
Anderen der Zauberei verdächtigt und getödtet.
Kommt ein Mädchen in andere Umstände, so gehört das Kind
als Sklave der Familie, ist schon eine Anzahlung von dem zukünf-
Mitth. von Forschungsreisenden, VIII. Band. I. a
50
tigen Gatten geleistet, so beeilt sich derselbe mit der Zahlung, um
statt eines Wesens zwei seiner Familie anzugliedern.
Wenn Jemand ein Mädchen wirklich liebt und sie ihm kein
Gehör schenkt oder von ihrem Vater schon für einen Anderen be¬
stimmt ist, so versucht der Liebhaber es mit einem Liebestrank.
Hat das Mädchen denselben genossen, so entflieht sie mit dem An¬
beter. Ihre Familie erhebt darüber grossen Lärm, doch vergeblich.
Der Vater begiebt sich in den Weiler der Familie des jungen Mannes.
Dieselbe ist anscheinend ebenfalls aufgebracht, es wird viel hin und
her gesprochen, schliesslich aber wird eine Ziege geschlachtet, der
Preis bestimmt und der Kauf abgeschlossen. Derjenige, für den das
Mädchen ursprünglich bestimmt war, erhält das angezahlte Geld
zurück.
Die Frauen sind arme geplagte Geschöpfe, auf ihnen lastet alle
Arbeit, während der Herr Gemahl faulenzend auf seinem Bette
liegt, die lange Pfeife raucht oder seinen Nachbarn im Spiel das
Geld abzunehmen sucht.
Wird das Weib schwanger, so tritt in ihrem Leben keine Ver¬
änderung ein, sehr oft kommen dadurch Fehlgeburten vor, was
natürlich auf Medizin und Zauberei zurückgeführt wird. Geht jedoch
die Geburt gut von statten, so werden ihr Erleichterungen gestattet.
Liebt der Gatte sein Weib, so versucht er eine ältere Sklavin zu
kaufen, welche dann für sie arbeitet.
Das Kind, obwohl schon vom ersten Tage mit Brei gefüttert,
den die Mutter vorkaut, erhält nebenbei mehr als zwei Jahre die
Brust. Es empfängt ausser seinem eigenen Namen noch den der
Mutter. So heisst z. B. der Sohn Sonnos Amba, seine Mutter
Ingamba noa, folglich ist sein Name im Stamme Amba Ingamba noa,
nicht Amba Sonno. Das Kind lernt nach etwa einem Jahre von
selbst laufen. Tritt dieser Zeitpunkt ein, so bekümmert sich die
Mutter wenig mehr um dasselbe, höchstens wenn es tüchtig schreit,
um getragen zu werden oder um Milch zu trinken. Getragen werden
die Kinder in aus Ziegen- oder Antilopenfell hergestellten Sitz¬
bändern an der Seite.
Wie alle Kinder, so lieben es auch die hiesigen, sich in Schmutz
zu wälzen, wodurch ihre Hautfarbe stets ein unbestimmtes Grau
bildet; höchst selten werden sie gewaschen. In den ersten Monaten
werden sie jedoch täglich mehrere Male gebadet. Sind sie etwas
grösser geworden, so bekümmern sich die Eltern wenig um sie. Sie
treiben sich dann den ganzen Tag spielend auf dem Platze des
Weilers umher oder ziehen, mit einer leichten Armbrust bewaffnet,
jagend im Walde umher oder angeln am nahen Bach. Nur der
Hunger treibt sie in die elterliche Behausung zurück. Ihre Spiele
51
sind mannigfaltig, Haschen und Ringeltanz u. s. w. sind die belieb¬
testen. Charakteristisch ist auch das folgende Spiel : Es bilden sich
zwei Parteien, beide mit zugespitzten Holzstäbchen bewaffnet. Die
eine Partei rollt der anderen eine faustgrosse runde Frucht zu,
letztere versucht mit ihren Speeren die im vollen Lauf befindliche
Kugel zu treffen. Gelingt ihr das, so hat sie das Recht, die Kugel
zu rollen. So in früher Jugend geübt, werfen sie in späteren Jahren
den Kriegsspeer mit grosser Sicherheit auf ziemliche Entfernungen.
In den Mittagsstunden üben sie die Trommelsprache und es giebt
Knaben von noch nicht acht Jahren, die schon Alles verstehen. Den
kleinen Mädchen ist jedoch ein solch ungebundenes Leben nicht
gestattet. Sobald sie die ersten Handreichungen zu machen ver¬
stehen, müssen sie ihren Müttern helfen, kochen, Thon kneten,
Palmkerne aufschlagen; nebenbei lernen sie Flöte spielen, tanzen
und beaufsichtigen die kleineren Geschwister.
Haben die Knaben das 4. bis 6. Jahr erreicht, so werden sie
beschnitten (inkalan). Die Wunde heilt meist recht schwer, da die¬
selbe mit Rothholzpulver bestreut wird. Nach der Operation wird
das Glied mit einem grünen Blatt bedeckt. Während bei den Knaben
der Eintritt der Mannbarkeit durch grosse Festlichkeiten begangen
wird, ist dies bei den Mädchen nicht der Fall.
Das tägliche Leben ist ein ziemlich eintöniges. Der Yaünde
schläft auf blossen Bambusbetten ohne Matten, ohne jede Bedeckung
am glimmenden Feuer, welches dann und wann angeschürt wird.
Beim ersten Hahnenschrei erhebt er sich, hockt fröstelnd an dem
Feuer, putzt sich die Zähne und bereitet sich das Frühstück (Man-
jana), einen aus reifem Pisang gekochten Brei, der ähnlich wie
Apfelmus schmeckt. Geht die Sonne auf, so kriecht Alles aus den
Hütten und begrüsst sich mit „Avama“, die Gegenantw'ort lautet
„Aha“. Der Familienvater begiebt sich in das grosse Männerhaus,
um die dort schlafenden Gäste zu begrüssen und sein Vorfrühstück,
bestehend aus einer Kolanuss mit Malgettapfeffer, zu verzehren, geht
darauf zur Trommel, um irgend eine Anfrage zu stellen, sieht nach
seiner Herde und nimmt gegen 7 Uhr das eigentliche Frühstück
mit seinen Gästen ein. Die Weiber machen sich nun auf den Weg
zur Farm, holen Wasser oder Thon. Sind die Farmen in Ordnung,
so gehen sie wohl auch fischen. Gegen Mittag findet sich Alles
wieder im Dorfe ein. Die Männer spielen und rauchen, die Weiber
kochen das Essen, andere formen Töpfe, kochen Oel, flechten Körbe
oder Stricke, zanken sich auch zum Gaudium der Männer, um sich
zuletzt in den Haaren zu liegen. Andere bemalen ihren Körper mit
Rothholz und schmücken sich, um dann beim Flötenspiel zu tanzen.
Um 5 Uhr abends nehmen sie die Hauptmahlzeit. Die Speisekarte
4*
52
ist sehr abwechselungsreich. Ausser gekochtem oder geröstetem
Pisang, ferner Yams, Spinaten, Kürbis giebt es mancherlei Suppen
aus Palmöl mit Kürbiskernen, Pilzen, Eierfrucht u. s. w. Auch ver¬
schiedene Fleischspeisen sind vorhanden, tlieils solche, von denen
die Männer essen, tlieils auch solche für die Frauen. Für letztere
ist besonders Schaf- und Ziegenfleisch verpönt sowie verschiedene
Wildpretarten. Gleichgültig ist der Zustand und der Frischegrad
des Fleisches. Kleinwild, wie Vögel, Ratten, Mäuse, Schlangen,
Eidechsen, Schildkröten und Schnecken, werden ebenfalls verzehrt;
ganz besondere Delikatessen bilden Raupen, Puppen und Engerlinge,
Heuschrecken, Termiten und Ameisen. Diese alle werden mit Palmöl,
Pfeffer u. s. w. lecker zubereitet und mit grossem Appetit verzehrt.
Beim Essen bedient man sich des Löffels und der Finger.
Nach Sonnenuntergang werden Töpfe gebrannt, Oel gekocht.
Gegen 7 Uhr ziehen sich die meisten in ihre Hütten zurück. Hat
jedoch der Hausherr eine Reise gethan und seine Geschäfte günstig
abgeschlossen, so wird geschossen, getanzt, gespielt und getrommelt
bis zum frühen Morgen.
Feste.
Feste beim Eintritt der Mannbarkeit bezw. bei der Aufnahme
in den Stamm. Diese zerfallen in mehrere Theile und zwar:
1. Majen infoun: Vorstellung vor dem Volk,
2. Laa so: Medizin für den Ingium,
3. Bita abok: Krieg dem Festgeber,
4. Ingium eso: Aufrichtung des Bildes,
5. So und Infoun minsam: Medizin und Infoun ins Haus,
6. Mba: Eintritt in den Stamm.
1. Majen infoun.
Schon lange vor dem Festtag ertönen um die Mittagszeit die
Trommeln, um auf diese wichtige Feier aufmerksam zu machen, und
wird auch der Tag verkündet, an dem die zu markenden Knaben
dem Volke in grosser Versammlung vorgestellt werden sollen. An
dem so bekannt gegebenen Tage versammeln sich Verwandte, Freunde
und Fremde im Festort, um die jungen Leute zu sehen, an welchen
die Stammesmarkung vollzogen werden soll. Nach einem Reihentanz,
den die Familienchefs, Weiber und Kinder aufführen, wird getanzt,
gesungen und geschossen, worauf die Knaben vorgestellt werden.
Dieses Vorfest dauert nur bis Mittag. Die Familienchefs berat¬
schlagen im grossen Männerhaus und bestimmen und verkünden den
Tag für den Laa so (eigentlich Maballa so).
53
2. Laa so.
Diese Festlichkeit ist schon grossartiger und dauert zwei Tage.
Der Zweck derselben ist die Weihe des Platzes, auf dem das Haus
des Infoun errichtet wird. Die Medizin besteht in einer Antilope
von Rehgrösse, welche „So“ heisst. Die Hörner dieser Antilope
dienen als Medizinbehälter, welche gegen Krankheit und Unglück
verschiedener Art schützen sollen. Diese erhält jeder zu markende
Knabe. Das Infounhaus wird stets in der Nähe des Dorfes, jedoch
im Walde errichtet. Die Zwischenzeit zwischen dem ersten und
zweiten Festabschnitt wird dazu benutzt, eine Anzahl der so ge¬
schätzten Antilopen zu erlegen, was nicht immer gelingt, in welchem
Falle dann Ziegenhörner benutzt werden müssen. Am ersten Festtag
kommt wiederum Alles zusammen. Diesmal jedoch bringt Jeder
seine Reichthümer mit, um damit zu prunken. Die Familienober¬
häupter haben einige Elfenbeinzähne, schöne Zeuge, viel Messing
und Gewehre, andere haben Regenschirme, europäische Hemden,
Ziehharmonikas, während die Weiber alle möglichen Kleinigkeiten,
Spiegel, Porzellan- und Steingutsachen, in den Händen tragen. Viele
dieser Gegenstände wissen sie überhaupt nicht zu gebrauchen; weil
sie aber vonWeissen kommen, ist nach ihrer Ansicht sicher irgend
eine geheimnissvolle Kraft darin verborgen. Es folgt nun wieder
ein Reihentanz; von Zeit zu Zeit wird mit möglichst starker Pulver¬
ladung geschossen, damit es recht knallt. Ein schwacher Schuss
erregt Hohngelächter. Die vollführte Musik spottet jeder Beschrei¬
bung, mit Trommeln, Mingams (Marimba), alten Blechdosen u. s. w.
wird ein möglichst lauter Lärm gemacht; die muskulösen Gestalten,
die merkwürdigen Frisuren, die verschiedenartigen Trachten, Zeuge,
Felle von Leoparden, Katzen u. s. w., dazu der blaue Himmel und
das Grün des Waldes, Alles vereinigt sich zu einem farbenprächtigen
Bilde. Am ersten Tage ist das weibliche Geschlecht voll vertreten.
An einer Stelle des Dorfes, die mit Jagdnetzen abgesteckt ist, hat
der Imboballa seine Stange aufgerichtet, um den Regen, den grossen
Feststörer, abzuhalten (Abi invong). Ist der Reihenmarsch vollendet,
so giebt sich Alles einer ungebundenen Fröhlichkeit hin. Tanz,
Gesang und Spiel vertreiben bis zum Einbruch der Dunkelheit dem
Festpublikum die Zeit, worauf sich Alle nach ihren Dörfern begeben.
Am folgenden Tag kommen nur die Männer zusammen, um die Me¬
dizin zu bereiten, mit welcher der abgesteckte Festplatz besprengt
wird. Ist diese Zeremonie beendet, so werden Gewehrschüsse ab¬
gegeben, die Weiber und Kinder dürfen wieder in das Dorf, doch
müssen sie den umfriedigten Platz meiden.
Es tritt nun eine längei’e Pause bis zum grossen Fest, dem Ingium
eso und dem ihm vorhergehenden Scheinkrieg, dem Bita abok, ein.
54
Einige Tage nach dem Laa so ziehen alle Männer aus den um den
Festort herumliegenden Weilern mit Trommelklang in den Wald,
um die zur Umzäunung des Infounhauses nothwendigen Wedel der
Weinpalme zu holen; dieselben werden geflochten und dann auf die
Hütten des Festortes zum Trocknen gelegt. Am Anfang und Ende
des Ortes wird je ein Palmwedel aufgesteckt, um jeden den Ort
Passirenden daran zu erinnern, dass hier die grossen Festtage be¬
gonnen haben, ln den folgenden Tagen ertönen nun die Trommeln
zur Mittagszeit im Festort und es herrscht eine fieberhafte Thätig-
keit in allen in der Nähe befindlichen Weilern, welche bis kurz vor
dem Fest andauert.
Oie Weiber fischen und räuchern den Fang, die Knaben gehen
mit ihren Armbrüsten auf Vogeljagd, stellen Maus-, Ratten- und
A ogelf allen, auch die Männer liegen der Jagd ob und der Festgeber
zählt die Schafe und Ziegen seiner Herde, welche er zum Feste
opfern will. In diesem Feste gipfelt das grösste Vergnügen der
hiesigen Bevölkerung. Schon Tage vorher kommen Freunde, Gäste
und Fremde und quartieren sich in der Nähe des Festortes ein, Jeder
bringt etwas an Esswaaren mit, Jeder wechselt das Gastgeschenk;
diese schöne Sitte heisst „Mavang“; „ha ma mavang“ ist das erste
Wort, das man hört. Am Vorabend des Festes tönen die Trommeln
oft stundenlang, sei es, um den Festgeber zu verherrlichen, sei es,
um ihn zu necken. Letzteres thut man, um seine Eitelkeit heraus¬
zufordern, damit er das Fest so glänzend als möglich gestalte.
Am Tage vor dem eigentlichen Fest ertönen die Alarmtrommeln
in der Umgebung des Festortes. Krieg „treng, treng, treng, tang,
taug, tang“ tönt es überall. Die Männer und jungen Leute ver¬
sammeln sich, um den Festgeber zu bekriegen, halten feurige Reden,
bis zuletzt Alle aufbrechen, um ein regelrechtes Gefecht aufzuführen.
Der Festgeber mit den Seinen vertheidigt sein Dorf und so wird oft
den halben Tag geschossen, oft beginnt am Abend die Sache von
Neuem. Natürlich ist Alles nur Scherz und wird nur Pulver ver¬
schossen. Nach Beendigung dieses Manövers zieht die Schaar, nicht
ohne vorher im Festort unter allgemeinem Jubel einige Pisang-
pflanzen umgeschossen zu haben, unter Trommelschall in demselben
herum, Chef auf Chef nebst Familie, um den Festgeber zu begrüssen.
Am Morgen des folgenden Tages findet sich wieder Alles voll¬
zählig im Festort ein. Lange Trommelsignale und Schiessen eröffnen
das Ingiurn eso.
Zuerst thun sich die Festtheilnehmer an den mitgebrachten
Nahrungsmitteln gütlich, darauf waschen sie sich im nahen Bach
und reiben sich mit Rotliholz ein und formiren sich familienweise
zu dem Reihentanz. Alles prangt im höchsten Schmuck: Die Häupt-
Tafel 5.
Ingiumbild
(S. 55)
oo
linge in rother Kappe, Leopardenzaknkette, Leopardenfell als Mantel,
neue bunte Lendentücker, Messingspangen und Fussringe glänzend
geputzt. Die Weiber und Kinder haben sich ebenfalls mit Rotkkolz
angemalt, tragen glänzend rotken oder schwarzen Hinterschmuck,
breite Knopfbänder, breite, aus Perlen hergestellte Schamgürtel,
prächtige mit Palmöl gefettete Frisuren und wie beim Laa so die
dort genannten Gegenstände in den Händen. Dieser Reihenmarsch
dauert etwa eine Stunde. Während dieser Zeit wird das Ingiumbild,
welches bei jedem Feste eine andere Figur zeigt, aufgerichtet (Taf. 5).
Der Festgeber befindet sich mit seinen Weibern an der oberen Seite
des Platzes, Freunde undBekannte begrüssend und Fremde willkommen
heissend, und lässt den Reihenmarsch bei sich vorbeidefiliren, des
öfteren springt einer oder der andere aus dem Zuge heraus und
feuert zu Ehren des Gastgebers sein Gewehr ab. Nach und nach
bilden sich Gruppen, die tanzen, singen oder spielen. Spassmacher
mit grossen Körben drängen sich durch die Menge und theilen
Püffe aus. Sie werden mit Esswaaren beworfen, die sie in ihre
Körbe sammeln. Letztere entleeren sie dann innerhalb des Weilers
an einer bestimmten Stelle. Die Infounleute anderer Plätze vom
vorhergehenden Jahre kommen an diesem Tage zusammen, sie haben
den letzten Grad erreicht und sind an dem weissen Thonanstrich,
der bloss bis an das Knie geht, leicht erkennbar. Neue Infoun von
anderen Dörfern mit langen Stöcken bewaffnet, unter Yorantritt
ihres Imboballa, der zur Abwehr einen fliegenwedelartigen Büschel
schwingt, aus dem ein weisses, zum Niesen reizendes Pulver fliegt,
geben Tänze zum Besten und lassen auf ihren Flöten ganz melodiöse
Töne erschallen. Die anwesenden Familienchefs bereiten dem Fest¬
geber eine Ovation, wobei sich derselbe an die Spitze des Zuges
stellt, der sich von einem Ende des Weilers zum anderen bewegt,
wobei dann tüchtig geschossen wird. Bei solchen Festen versammeln
sich zuweilen mehr denn 1000 Personen, doch geht Alles ohne Streit
ab; höchstens wenn Jemand des Palmweines zu viel genossen hat,
kommt es zur Schlägerei, die aber in diesem Falle sofort unterdrückt
wird. Bei anderen Festen heisst es aber „Abok abole“, der Abok
ist gebrochen. Denn der So würde den Störer des Festes tödten;
aus diesem Grunde wagen auch zuweilen Mitglieder feindlicher
Stämme, solche Feste zu besuchen, um sich zu vergnügen.
Lautes Schiessen verkündet den Anfang der Zeremonie auf dem
Ingiumplatz. Die Knaben, welche die Stammesmarke erhalten sollen,
befinden sich in dem hinter dem Bilde befindlichen Hause verborgen.
Auf dem Platze ist eine primitive Tribüne für das aus vier bis
sechs Trommeln gebildete Orchester errichtet. In der Nähe des Ingium-
bildes sind an den Bäumen Querstangen angebracht, auf welchen
56
Leute sitzen, die von Zeit zu Zeit Schüsse abgeben. Das Ingiumbild
(Taf. 5) besteht aus einem langen halbirten Stamme, an dem vorderen
Ende sind Figuren, das männliche und weibliche Prinzip darstellend,
aufgestellt, das hintere ragt in den mit Palmwedeln abgesteckten
kreisrunden Platz, auf welchem sich auch die Infounhütte befindet,
die nun den neuen Stammesmitgliedern für ein Jahr zum Aufenthalt
dient und wo sie in die Geheimnisse des Stammes u. s. w. eingeweiht
Averden. Zunächst herrscht eine ungewöhnliche Puhe, die aber
plötzlich durch Schreien, Pfeifen, Trommeln und Schiessen unter¬
brochen wird. Darauf begiebt sich ein grosser Haufe Männer und
Weiber mit Messern bewaffnet schnell nach einem anderen Platz,
um mit Palmwedeln, grossen Blättern u. s. w. zurückzukehren und
dieselben nach dem Ingiumbild zu bringen. Dieser Vorgang wieder¬
holt sich mehrmals. Es erscheinen nun in den Zwischenpausen die
jungen Infounleute, welche gemarkt sind, auf der Galerie des Bildes,
um einen Tanz aufzuführen. Die Musik macht einen furchtbaren
Lärm und die Schüsse krachen, als ob Pulver kein Geld koste. Ist
diese Zeremonie zu Ende, so kehrt Alles in das Dorf zurück zum
Tanz und allerhand Kurzweil. Die Alten sitzen indess im Männer¬
haus um den Festgeber in Unterhaltung versammelt und trinken
dabei Palmwein, bis die Nacht der Festlichkeit ein Ende bereitet.
Nach einer Pause von wenigen Tagen feiert man den So. Dies
ist ein Medizinschmaus, daher verschwindeu Frauen, Kinder und
Ungemarkte für diesen Tag spurlos in den Wald. Am frühen Morgen
tönt eine bestimmte kleine Trommel und die Zeremonie beginnt.
Ich selbst habe trotz aller Versuche nichts darüber in Erfahrung
bringen können, nur weiss ich, dass bei dieser Gelegenheit alle die¬
jenigen Palaver ausgeklügelt werden, von denen die Allgemeinheit
nichts wissen soll. Die Infounleute machen Umzüge nach den nahen
Weilern, unter Anschlägen zweier zusammengebundener Glocken ihr
Nahen verkündend, damit kein Ungemarkter sie erblickt und Zeit
hat, zu verschwinden. Schiessen verkündet das Ende der Zeremonie.
Die Infoun gebärden sich zuweilen gleich Wilden und zerstören Alles.
Sie werden dann von ihrem Imboballa in das Infounhaus gesperrt,
das sie nun für acht bis zehn Tage nicht verlassen. Sie dürfen sich
inzwischen nicht Avaschen, kein Schaf- und Ziegenfleisch essen. Sie
reiben ihren Körper mit Aveissem Thon ein, ihre Haare werden ab-
rasirt und bloss Aveisse Streifen Aron Thon deuten die bei den Frauen
übliche Kopffrisur an.
Nach drei Monaten erhalten sie die ersten Gradabzeichen und
schmücken sich gleich den Frauen, jedoch Alles in weissem Thon,
Hinterschmuck aus weissen Bananenfasern, Lendengürtel aus Stricken
aus gleichem Material, Holzperlenschnüre um den Hals, Holzarm¬
bänder, Panspfeife und zweitönige Mingam.
57
Der Penis wird mit einer kleinen Kappe versehen, die mit einer
rothen Papageifeder geschmückt ist. Sie ziehen nunmehr in die
umliegenden Ortschaften, Tänze aufführend, singend und Flöte blasend.
Sie erhalten von Jedem ein kleines Geschenk, stehlen mitunter aber
Feldfrüchte, Hühner, Ziegen und Schafe, was aber nicht bestraft
wird. Nach weiteren drei Monaten erhalten sie wieder einen Grad
mehr. Sie brauchen dann nicht mehr zu tanzen, kleiden sich mit
einem weissen Lendentuche und einem Gürtel mit Schweif, an dessen
Ende rothe Federn befestigt sind, und tragen die Kriegskappe auf dem
Haupte. Der Körper wird bis an den Hals mit Thon bemalt, während
das Gesicht freibleibt, nur um die Augen werden zwei Ringe gemalt.
Nachdem wieder einige Monate vergangen sind, lassen sie die Haare
wachsen, bemalen aber den Körper immer noch mit Thon, bis zuletzt
nur noch die Beine bis zum Knie diese Bemalungen zeigen. Wird
ein Ingiumfest angekündigt, so kommen sie zu dem Fest und wei’den
dann nach nochmaliger Vorstellung in den Stamm aufgenommen.
Kommt es jedoch schon vorher zu einem Feste und haben die Infoun
Jemanden getödtet, so sind sie bereits von dem Tage an ihres
Schmuckes los und ledig und werden als volljährig betrachtet. Die
Vorstellung heisst Mba; bei derselben werden den jungen Männern
die weissen Lendentücher von Frauen abgerissen, während erstere
den Frauen wiederum das ihre Blosse bedeckende Pisangblatt weg-
reissen. Das Alles geschieht unter grossem Geschrei, Geschiesse
und Gejohle. Nach dieser Zeremonie ist den Infoun Alles erlaubt;
sie können sich mit den Frauen und Mädchen abgeben. Ziegen-,
Schaf- und Wildfleisch essen u. s. w.
Andere Festlichkeiten, die Abok genannt werden, linden zu
verschiedenen Zeiten statt, so z. B. bei der Ernte der Feldfrüchte.
Bei diesen Festlichkeiten wird nur getanzt, gespielt und gegessen.
Die Mahlzeit bringt jede Familie für sich mit. Zunächst findet der
Reihentanz statt, alle Theilnehmer haben Esswaaren in der Hand;
selbstverständlich spielt auch das Schiessen eine grosse Rolle. Die
Frauen des Festgebers sitzen in grossem Schmuck auf dem Dache
einer Hütte und vertheilen von da aus gekochte Esswaaren an die
einer ausgelassenen Fröhlichkeit sich hingebende Versammlung.
Dann und wann werden Ringkampffeste veranstaltet, theils
solche, wo bloss Männer, theils solche, wo bloss Frauen und junge
Mädchen ringen. Schon Wochen vorher ertönen die Trommeln, um
Tag und Stunde dieses interessanten Schauspieles bekannt zu geben.
Die Ringlustigen versammeln sich in dem betreffenden Weiler und
bilden zwei Parteien, die eine des Besitzers des Weilers, welcher
zum Ringkampf aufgefordert hat, die andere, welche diese Forderung-
angenommen hat. Zunächst werden die Schiedsrichter gewählt.
58
welche sich mit Ruthen bewaffnen. Die Zuschauer sitzen in unge¬
zwungener Reihenfolge um den Ringplatz herum. Trommelsignale
verkünden den Anfang, anzügliche Redensarten tragen theils zur
Belustigung, theils zur Anspornung der Kampflust bei. Jede Partei
sendet nun zwei Ringer aus ihrer Mitte, dieselben fordern sich
gegenseitig zum Kampf heraus und beginnen denselben. Oft schon
nach wenigen Sekunden fällt einer der Ringer zu Boden, bei manchen
bleibt die Entscheidung für längere Zeit aus. Bei jedem Sieg laufen
die Frauen und Mädchen der siegenden Partei tänzelnd, singend
und händeklatschend auf die besiegte Partei zu. Der Sieger giebt
dem Besiegten die Hand zum Zeichen der Freundschaft und wird
dann mit leichten Ruthenschlägen seitens der Schiedsrichter vom
Ringplatz getrieben, um dann von Vater, Mutter sowie Freunden
seiner Partei mit Umarmungen, Händedrücken empfangen zu werden.
Bricht ein Streit aus, so entscheidet, unterstützt von den Schieds¬
richtern, der Chef des Weilers. Als besiegt gilt derjenige, welcher
mit einem Theil seines Körpers, ausser den Füssen natürlich, beim
Ringen mit dem Boden in Berührung kommt. Bei den Weibern
gelten die gleichen Regeln, nur dass hier die jungen Männer der
Siegerin eine Ovation darbringen. Bei diesen Spielen hat man Ge¬
legenheit, die oft klassisch schönen Gestalten der hiesigen Bevöl¬
kerung zu bewundern. Bei diesen Ringkämpfen spielt natürlich auch
Medizin eine Rolle, und gelten Blätter und Bliithen einer Trades-
cantiaart als besonders kräftig. Diese Ringkämpfe dauern nur einige
Stunden und sind ganz unschuldig, Niemand erleidet dabei Schaden
und ernster Streit kommt höchst selten vor.
Musik und Tanz.
Jedes junge Mädchen spielt die Flöte, welche aus einem etwa
zwei Fuss langen, mit zwei Löchern versehenen Bambusrohr gebildet
wird. Die Mädchen verstehen dieselbe recht melodiös zu blasen,
fehlende Töne bringen sie mit dem Munde hervor, doch so, dass
man das Fehlen nicht merkt. Sie flechten auch gesungene Recitative
ein, welche dann im Chor wiederholt und mit Händeklatschen be¬
gleitet werden. Flötenspiel begleitet fast alle Tänze, welche, ob¬
wohl oft etwas obscön, doch graziöser Bewegungen durchaus nicht
ermangeln. Die Männer lieben natürlich zu ihren Tänzen eine laute
und dröhnende Musik, Trommeln, Mingam, Schellen. Sie befestigen
auch Körbchen mit Nussschalen an den Knöcheln oder Waden und
stampfen im Chor recht kräftig und taktmässig auf. Solotänze sind
sehr gebräuchlich. Der Tänzer schüttelt die Muskeln, verdreht den
Körper, den Kopf, die Arme, bis er von Schweiss und Oel triefend
die Reihe der Tanzenden verlässt. Auch Ringelreigen, in der Mitte
59
zwei Solotänzer, sind sehr beliebt, ebenso wie Pantomimentänze.
Im Allgemeinen sind die Tänze sehr verschieden, auch bei beiden
Geschlechtern. Man unterscheidet Tänze zu den Aboks, bei Todes¬
feierlichkeiten, Ausbruch von Fehden, Siegestänze u. s. w. Im Fol¬
genden seien einige solcher Tänze angeführt:
1. Insang: Männerreigentanz im Kreise, ein Solotänzer in der
Mitte. Holzharmonika, Mingam und Trommel als Begleitung.
2. Ingomo: Weibertanz zu Zweien mit Flötenbegleitung, durch
recht obscöne Bewegungen ausgezeichnet.
3. Mbia: Singtanz der Weiber. Im Kreise kniet eine Frau, welche,
die Augen verdrehend, obscöne Bewegungen ausführt und von
den anderen mit Gesang begleitet wird, während eine zweite
Frau nach dem Takte einen dem hohen C ähnelnden lang¬
gezogenen Ton singt.
4. Mbita bibong: Kriegstanz bei Fehdeausbruch, aber auch bei
Todesfällen. Dieser Tanz wird meistens bei Trommel- und
Elefantenzahntrompeten-Beg'leitung und Schiessen ausgeführt.
Unter den Musikinstrumenten ist die schon erwähnte Holz¬
harmonika zu nennen, welche erst vor einigen Jahren von einem
Yaünde selbständig erfunden sein soll. Sie besteht aus verschiedenen
dünnen Brettchen aus leichtem Holz, die mittelst Bambusstäbchen
auf zwei parallelen Pisangstammstücken befestigt werden. Sie
wird mit vier Klöppeln von zwei Mann gespielt und gleicht sehr
unserer Glasharmonika. Eine ähnliche Art, aber tragbar, besteht
aus einem viereckigen Bahmen, auf dem die dünnen, aus Rothholz
hergestellten Brettchen liegen und befestigt sind, unter jedem Brett¬
chen befindet sich als Resonanzboden ein Flaschenkürbis, an dessen
unterer Seite sich ein mit Spinneweben überklebtes Loch befindet.
Um dies Mingam genannte Instrument beim Tragen vom Körper ab¬
zuhalten, ist ein bogenförmiger dünner Stock an demselben befestigt.
Es wird beim Spielen an einem Tragband getragen und mit zwei
aus leichtem Schwammholz gefertigten Klöppeln gespielt. Die Töne
des grösseren Instrumentes entsprechen der Tonleiter, doch fehlt
öfters der vorletzte Ton h.
Saiteninstrumente giebt es zwei, ein den am Kongo gebräuch¬
lichen Harfen ähnliches Instrument und ein anderes, das aus einem
Bambusstock besteht, aus dessen Rinde vier Streifen als Saiten los¬
getrennt sind, die dann mittelst eines mit Ausschnitten vei’sehenen
Steges in der Mitte auseinander gehalten werden. Eine am unteren
Ende des Stockes befestigte halbe Kürbisschale dient als Resonanz¬
boden; zum Anziehen der Saiten dienen Ringe, welche je nach Be-
dürfniss auf- und niedergeschoben werden können. Dieses Instrument
dient zum Begleiten der Gelegenheitslieder, welche zur Verherr-
60
Heilung von Familienoberhäuptern oder der Frauen und Mädchen
von den Spielenden improvisirt werden. Das gleiche Instrument
kommt auch bei den Buleis und Ossiebas vor.
Die Frauenflöte wurde oben schon beschrieben. Die Männer¬
flöte ist bloss spanngross, halbbogenförmig, mit einem dünn und
flach auslaufenden Ende. Obwohl sie nur drei Töne hat, kann
man doch mit den Lippen eine ganze Reihe verschiedener Tonkom¬
binationen auf derselben erzeugen, so dass sogar Unterhaltungen
mit Hülfe dieser Flöten geführt werden. Sie sind daher als Er¬
kennungszeichen im Kriege sehr brauchbar und werden am Munitions¬
beutel getragen. Ein anderes, bei allen Fangstämmen gebräuchliches
Instrument sind zwei eiserne Glocken, ähnlich den Kuhglocken, die
mittelst eines Stückchens angeschlagen werden und theils zur Be¬
gleitung der Tänze, theils auch zu Signalzwecken dienen.
Spiel.
Die Männer haben ausser Kriegs- und Todtenspielen nichts,
was sie mehr lieben als das Hazardspiel. Diese Neigung bildet eine
der grössten Schattenseiten im Charakter dieses Volkes und durch
sie geht ihm mancher Mann verloren, viel mehr als durch die
Stammesfehden. Sie lieben das Spiel leidenschaftlich, trotzdem Jeder
im Nichtzahlungsfalle als Sklave für Salz verkauft wird, wenn ihn
seine Familie nicht sofort auslöst und zwar natürlich mit sehr viel
mehr, als die Spielschuld beträgt. Das Spiel hat viel Aehnlichkeit
mit dem Würfelspiel, doch wird es mit Marken gespielt, in die ver¬
schiedene Figuren geschnitzt sind. Jeder Spieler besitzt deren
mehrere und wirft eine davon in einen flachen Korb; die Maz’ken
werden in demselben gemischt und dann von dem Spielhalter mit einem
dröhnenden Schlag auf die Erde geworfen. Der Bankhalter lässt
nun den Korb kurze Zeit über den Marken und hebt ihn dann in
die Höhe. Das Geschäft des Spielhalters geht der Reihe nach auf
jeden tbeilnehmenden Spieler über. Hat der Spieler 100 Knöpfe
oder Eisenstäbe verloren, so ist er nach der Spielregel awu = todt.
Kann er nicht zahlen, so wird er in den Block gelegt: oft wird ihm
auch, wenn er renitent ist, der obere Theil des Ohres abgeschnitten
und dann, wenn Salzmangel im Lande vorhanden ist, im Laufe des
nächsten Tages an die Welle für 10 bis 15 Pfund Salz verkauft.
Dieses unglückselige Spiel ist oft die Ursache von Familienfehden,
Mord und Todtschlag. Die Yaünde lieben es auch, Fremde von
anderen Stämmen zum Spiel zu verleiten. Ich war öfters Zeuge,
dass auch falsch gespielt wird. Dass dadurch Schlägereien mit An¬
wendung von Waffen entstehen, beweisen die von mir in sehr zahl¬
reichen Fällen behandelten schweren und leichten Schnittwunden,
über deren Entstehung aber immer ausweichende Antworten gegeben
werden.
Jagd (Assasom).
Die Yaunde lieben die Jagd, doch sind sie keine grossen Jäger.
Sie fangen das Wild meist in Fallgruben; deswegen ist für einen
Weissen das Pürschen im Walde stets gefährlich. Man kann in
3 bis 4 m tiefe Löcher stürzen, die so geschickt mit Laub und todten
Holzstückchen überdeckt sind, dass sie nur sehr schwer zu erkennen
sind. Speere werden in diesen Gruben zum Glück nicht angebracht.
Nicht selten fällt das in solche Gruben gerathene Wild den Würmern
zur Beute, denn es vergeht oft ein Vierteljahr und mehr, ehe sich
etwas fängt. Fallhölzer sind ebenfalls in Anwendung. Auch Kom¬
binationen von beiden Fangweisen, die ein gutes Resultat geben,
sind in Gebrauch und werden in Verbindung damit oft 400 bis 500 m
lange dichte Zäune errichtet, die das Wild, Schweine, Antilopen,
Katzenarten, den Fangstellen zutreiben. Zum Affenfang bedient man
sich Schlingen, die im Geäst gefällter Bäume, unter Oelpalmwedeln
maskirt, angebracht werden. Die am häufigsten ausgeübte Jagdweise
ist die Netztreibjagd (Abim). Haben Frauen oder junge Leute
Grosswild oder dessen Spuren gesehen, so laufen sie in die Weiler
und rufen mit Trommelsignalen alle Jagdlustigen herbei. Diese
kommen mit ihren Netzen und Hunden, mit Speeren und Flinten
bewaffnet, schleichen sich in den Busch und umstellen mit ihren
Netzen denjenigen Theil des Waldes, in dem sie das Wild vermuthen.
Während sie nun bei den Netzen Wache halten, beginnen die halb¬
erwachsenen Knaben, die Mädchen und Weiber und die mit Schellen
versehenen Hunde mit grossem Lärm das Wild aufzutreiben. Dasselbe
geht entweder ins Netz und wird dann leicht abgethan oder es
durchbricht die Treiberkette und geht dann meist verloren. Die
mit Speeren getödtete Beute wird gemeinschaftlich getheilt, während
das mit Flinten erlegte dem gehört, welcher den Schuss abgab ;
dieser giebt dann meist gutwillig etwas von seiner Beute an die
Jagdtheilnehmer ab. Diese Jagdweise wird meist in der Regenzeit
ausgeübt. Sehr grosses Wild, wie Büffel, Kuhantilopen, Schimpansen,
Gorillas, werden oft von 50 und mehr Mann umzingelt und meist
mühsam nach langem Schiessen getödtet. Hierbei ereignen sich oft
Unglücksfälle durch unvorsichtiges Schiessen. Der einzelne Jäger
nimmt vor den grossen Affen stets Reissaus. Auf Leoparden,
welche den Ziegen nachstellen, werden auch grosse Treibjagden an¬
gestellt und das Erlegen derselben durch Tänze und Todtenspiele
gefeiert, da man glaubt, einen bösen Geist in Gestalt derselben
getödtet zu haben. Solche Festlichkeiten heissen „Fun“.
62
Handfertigkeiten.
Jede Familie fertigt für sich die Gegenstände des häuslichen
Bedarfes an. Die Frauen stellen die Töpfe und Schüsseln her, selten
werden davon welche verkauft. Die Töpferscheibe ist nicht bekannt,
Alles wird mit der Hand geformt. Der grünblaue und gelbliche
Thon wird mittelst eines Stückchens Holz geknetet, darauf von
den kleinen Mädchen zu Bollen geformt, welche dann von der
Töpferin im Kreise herumgelegt, darauf festgedrückt und mittelst
eines Stäbchens und ovaler Fruchtkerne in Form gebracht und glatt-
gestriclien werden. Ist der Topf zu einer gewissen Höhe gediehen
und fertig, so wird er mit einem gekerbten Holz verziert, dann ge¬
trocknet und später an einem schönen Abend gebrannt, eine Prozedur,
die nur 1/% bis 1 Stunde in Anspruch nimmt. Diese Töpfe sind ohne
Glasur, daher durchlässig und sehr zerbrechlich, man darf sie deshalb
nicht am oberen Band anfassen. Die jungen Männer verfertigen
Pfeifenköpfe der verschiedensten Form und verstehen dieselben recht
hübsch zu verzieren. Schnitzereien sind sehr primitiv, doch ver-
rathen einige Sachen Geschick und Geschmack. Jeder junge Mann
versteht zu schnitzen; sie bedienen sich hierbei eines dreieckigen
Messers einheimischer Fabrikation. Geschnitzt werden Löffel, Ess¬
schüsseln, Spielmarken, Kämme, Stöcke, grosse Flolzfiguren, sowohl
menschliche wie thierische, letztere oft von ganz phantastischer Form,
Holzklötzchen, welche zum Bedrucken ihrer Bastzeuge mit Mustern
dienen u. s. w. Körbe werden nach Bedarf geflochten; sie sind alle
henkellos und bloss zum Tragen auf dem Kopf oder Bücken bestimmt.
Das Flechtmaterial liefern die Wein- und Botangpalme, bei ersterer
die Blattstiele, bei letzterer die Binde des Stammes. Dünne wie
mittelstarke Stricke werden aus dem Bast einer strauchartigen
Pflanze mit gelben Blättern gefertigt, die ungeheuer wuchert und
nach der Aussaat in der zweiten Begenzeit rasch eine Höhe von
2 m und mehr erreicht. Ganz dünne Schnüre werden aus der Faser
des Pisang, von Severinia, Ananas u. s. w. gefertigt und dienen zur
Herstellung von Jagdnetzen und Tragbeuteln. Im Walde finden sich
auch einzelne weniger bekannte Faserpflanzen, besonders eine Liane
mit flachgedrücktem Stengel und ein niedriger, milchsaftführender
Baum mit lederartigen dunkelen ovalen Blättern und herrlichen
gardenienähnlichen weissen Blumen von ausserordentlichem Wohl¬
geruch. Baumwolle ist bekannt und findet sich überall wild, wird
jedoch nicht benutzt. Die einzige etwas ausgebildete Industrie ist
die der Schmiede (alui). Doch beschränken sich dieselben nur auf
die Herstellung der allernothwendigsten Gegenstände, die aber in
grossen Massen erzeugt werden, und £war sind dies Speere, Messer,
Hacken, Handspaten, Aexte und das landesübliche Geld, kleine
Tafel 6.
Inneres einer Eisenschmelzhütte und Schmiede.
Blasebalg. b. Thonröhren, um die Luft nach unten in den Ofen einzublasen.
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eiserne Stäbchen (ntet), welche an beiden Enden flachgeklopft sind.
Dieses Eisengeld dient hauptsächlich zum Ankauf der Weiber und
wird stets zu 100 Stück abgezählt. Die Schmiede haben keine
Sonderstellung, wie bei manchen anderen afrikanischen Stämmen.
Die Schmelzhütten (Taf. 6), in denen das Eisen auch gleich ge¬
schmiedet wird, fallen durch ihre hohen spitzen Dächer und Plolzver-
schalung und an den vor ihnen liegenden Eisensteinen und Schlacken
auf. In der Mitte dieser grossen Hütten steht der Schmelzofen und vier
grosse Holzsäulen. Der Schmelzofen ist viereckig und wird bei jeder
Schmelze neu errichtet. Seine Aussenwände bestehen aus Pisang-
stammstiicken, er ist etwa 1 m hoch und umfasst ungefähr 1 V*
Bodenfläche. Am Boden iu der Mitte befindet sich eine mit Thon aus-
gesclunierte Höhlung, in der sich beim Schmelzen das flüssige Eisen
sammelt. Der ganze Kasten ist mit Holzkohle, die Mitte jedoch
mit einem Gemisch von Eisenstein und Holzkohle gefüllt. Vor der
Füllung wird an jeder Seite eine trichterförmige Thonröhre hinein¬
gesteckt, welche dazu dienen, mittelst eines Handblasebalges von
der auch in anderen Theilen des westlichen Afrika gebräuchlichen
Form Luft hineinzublasen. Die diese Arbeit verrichtenden, meist
halberwachsenen Personen sitzen auf den schon erwähnten etwa 2 m
hohen Holzsäulen. Zum Schutze des Daches ist über dem Schmelz¬
kasten ein starkes Holzgitter angebracht. Die Arbeit des Schmelzens
nimmt einige Stunden in Anspruch. Das gewonnene, sehr weiche
Eisen wird zerklopft und dann geschmiedet. Den Amboss vertritt
meist ein Stein, ebenso oft den Hammer, doch bedient man sich
dazu auch dicker runder Eisenstäbe.
Speere werden tlieils mit, theils ohne Widerhaken hergestellt,
einige grössere, welche Würdeabzeichen sind, werden auch ciselirt.
Die Messer sind von sehr verschiedener Form und Stärke und
sind ebenfalls oft recht hübsch ciselirt; andere sind Nachahmungen
europäischer Fabrikate, so die kleinen sogenannten Fleisckermesser.
Diese sind so täuschend gemacht, dass man nur durch das Fehlen
der Fabrikmarke sie als einheimisches Fabrikat erkennt. Hacken,
Handspaten und Aexte werden ohne Oeffnung für die Stiele ge¬
fertigt; sie müssen daher mittelst Bindematerials am Stiel befestigt
werden, oder wie die Aexte mittelst eines Loches im Stiel; letzterer
muss daher ein Wurzelstock sein, anderes Holz würde spalten. Alles
wird im Kleinen betrieben und war es nicht möglich, die so noth-
wendigen Gartengeräthe einheimischer Form selbst für gute Bezah¬
lung von den Schmieden zu erhalten; sie versprachen wohl die
Lieferung, hielten aber nicht Wort; mahnte man sie dann, so war
schliesslich ihre Ausrede, sie seien freie Leute und keine Sklaven
des Weissen. Bei einer solchen Denkungsart kann natürlich ein
Gewerbe nicht entstehen.
64
Salz ist ein sehr begehrter Artikel; da dasselbe nicht in ge¬
nügenden Mengen bisher importirt wurde, wird ein Surrogat aus
der Asche von säuern Sumpfgräsern hergestellt, das einen sehr
bitteren Geschmack hat. Dieselben werden in der Trockenzeit ge¬
schnitten, an Ort und Stelle getrocknet und verbrannt und die Asche
nach den Weilern gebracht. Hier wird sie mit Thon gemischt und
in trichterförmige, mit Bananen- und Marantenblättern ausgelegte
Körbe gefüllt und durch Aufguss von lauwarmem Wasser ausgelaugt.
Die gelbliche Lauge wird in einem untergestellten flachen Napf
aufgefangen und dann abgedampft. Das so gewonnene graue Salz
kommt in kuchenartigen Formen in den Handel. Importirtes Salz
ist auch oft von sehr zweifelhafter Güte, da die Zwischenhändler
oft feinen weissen Sand dazwischen mengen. Sie verkaufen das-
Salz in grossen 10 bis 15 Pfund schweren Packen, oder in kleinen
flaschenförmigen Packen von etwa 3/i Pfund Gewicht. Sklaven werden
nur für Salz verkauft.
Ein eigentlicher Handel besteht kaum, nur ein Austausch der
allernothwendigsten Bedürfnisse. Märkte werden nicht abgehalten;
bei den Abokfesten wird wohl etwas gehandelt, aber bloss Töpfe,
Eisen und landesübliches Geld in Zeuge umgesetzt oder auch gegen
Naturalien, wie Hühner, Kürbiskerne, Grundnüsse, Yams u. s. w.,
aber immer nur in ganz minimalen Mengen umgetauscht. Um Artikel
europäischen Ursprungs zu erhalten, diente bisher ausschliesslich
Elfenbein; zu diesem ist seit zwei Jahren der Kautschuk getreten;
gerade der Kautschukhandel ist es, der Hunderte von jungen Yaiinde-
leuten, die nun fleissig allen Landolphialianen nachstellen, dazu be¬
wogen hat, zur Küste zu gehen, während sie vorher aus Furcht nie
weiter als bis zum ersten Ngumbadorf sich gewagt haben würden.
Insofern ist dieser Handel von der tiefgehendsten Bedeutung für
eine Aenderung der Anschauungen der Yaünde geworden. Import¬
artikel sind Gewehre, Pulver, Feuersteine, Zündhütchen, Zeuge,
Messingstangen, Fuss- und Armringe, Kupferstangen, Haumesser,
Fleischermesser, Perlen, rotliwollene Zipfelmützen, Bekleidungs¬
gegenstände, Hüte, Hemden, Hosen, Knöpfe, Salz, Handharmonikas,
Regenschirme, Steingutzeug. Kleinigkeiten wurden bisher mit
Porzellanknöpfen bezahlt, doch finden dieselben infolge des Auf¬
blühens des Kautschukhandels kaum noch Absatz. Der Elfenbein¬
handel könnte viel beträchtlicher sein, wenn er nicht durch die
gegenseitige Furcht der einzelnen Stämme, durch den komplizirten
Geschäftsgang und durch die vielen Betrügereien, welche zu vielen
Streitigkeiten und Fehden Veranlassung geben, am Aufblühen ver¬
hindert würde. Der Yaünde selbst tödtet kaum einen Elefanten,
denn es giebt in seinem Land nur wenige, desto mehr aber in der
65
Savanne bei den Ntoni oder Welle. Der Zwischenhändler an der
Küste zahlt dem Yaünde nie den vollen Preis für einen Zahn, son¬
dern macht erst eine Anzahlung und bleibt dann oft monatelang
bei ihm zu Gaste. Der Yaünde begiebt sich nun zu einem seiner
im Osten oder Nordosten sitzenden Geschäftsfreunde unter den
Ntonis — zu den Welle getrauen sie sich nicht mehr wegen der
vielen von jenen verübten Raubmorde — und übergiebt ihm gegen
einen Zahn ein Weib oder eines seiner Kinder als Pfand und bringt
dann den Zahn in sein Dorf. Die Anzahlung, die er nun empfängt,
besteht je nach der Grösse des Zahnes aus einem Gewehr, einem
Fass Pulver, zwei bis drei Faden Zeug, einem Messingbecken,
einigen Messingstangen und verschiedenen Kleinigkeiten. Der Händler
begiebt sich in seine Heimath und bestimmt dem Yaünde die Zeit,
meist einige Monate, nach welcher er kommen und seine übrigen
Waaren holen soll. An dem bestimmten Tage oder auch schon
vorher macht sich nun unser Yaünde in Begleitung eines Theiles
seiner Familie mit einem Schaf oder Ziege u. s. w. auf den Weg,
seine Reichtliümer zu holen. Beim Händler angekommen, wird er
anscheinend hocherfreut aufgenommen, aber in Bezug auf die Be¬
zahlung mit Entschuldigungen hiugehalten und lebt nun einige Zeit
auf Kosten des Händlers. Wird ihm die Zeit zu lang, so erhält er
nach verschiedenen Mahnungen noch einige Stücke Zeug, ein oder
mehrere Gewehre u. s. w. und macht sich dann auf den Weg heim¬
wärts. Schiessen und Gesang der Weiber verkünden der Nachbar¬
schaft dieses Ereigniss. Nach einigen Tagen begiebt er sich zu
dem eigentlichen Besitzer des Zahnes, zahlt den schon vorher ver¬
einbarten Preis und löst sein Weib oder Kind aus; manchmal lässt
er sie aber noch einige Zeit in Pfand und macht mit den erworbenen
Sachen erst noch ein anderes Geschäft. Der zweite Zwischenhändler,
ein Ngumba- oder Mabeamann, verkehrt seinerseits ebenfalls noch
nicht mit dem weissen Händler, sondern hat an der Küste seinen
Geschäftsfreund, der den Zahn schliesslich an den weissen Händler
verkauft, wobei er natürlich ebenfalls den Ngumbamann wieder nach
Kräften über das Ohr haut. Das Elfenbein muss also erst mindestens
durch drei Hände gehen, ehe es in die Faktorei gelangt, und häufig
erhält der erste Besitzer sehr wenig, manchmal gar nichts für den
Zahn. Er rächt sich dann dadurch, dass er den Zwischenhändler
bei günstiger Gelegenheit gefangen setzt und denselben tödtet, um
sich der begleitenden Weiber zu bemächtigen, oder er presst so viel
Lösegeld als möglich aus dessen Familie heraus. Der Elfenbein¬
handel liegt ausschliesslich in den Händen der Familien¬
oberhäupter.
Mittli. von Forscliungsreisenden, VIII. Band. I.
5
66
Krankheiten.
Epidemien sind unbekannt. Lungenerkrankungen sind in den
kühlen Monaten Juni — Juli und November — Dezember häufig und
gefährlich, Malariafieber, wie sie an der Küste auftreten, äusserst
selten und bei den Eingeborenen unbekannt. Hautkrankheiten sind
ungeheuer verbreitet, wohl infolge der üblichen Rothholzbemalung.
Es sind zu unterscheiden Psoriasis (fo oder nienge), hinterlässt
weissröthliche, eine andere Art (into) aber schwarze Flecken.
Ichthyosis, eine Schuppenflechte (ntom), befällt Brust, Hals und
Rücken, von welchen Stellen sich die Haut dann schuppig ablöst.
Nesselfriesel (atollo) u. s. w.
Die Erdbeerflechte (mabatta) ist eine den ganzen Körper über¬
ziehende, ekelerregende Krankheit. Die mit ihr behafteten Indivi¬
duen bewohnen stets eine abseits des Weilers gelegene Hütte; die
Heilung lässt, da die Eingeborenen über keine Heilmittel verfügen,
gewöhnlich sehr lange auf sich warten.
Eine weitere Hautkrankheit (esam) befällt die Zehen und Finger
und ist sehr gefürchtet. Die Krätze (gutta oder bitotoc) fehlt
auch nicht.
Elephantiasis kommt bei beiden Geschlechtern vor, sie befallt
meist Individuen mittleren Alters.
Parasitische Würmer sind ebenfalls häufig, eine grosse und eine
kleine Art Bandwurm (cucurn und angacum) kommen vor, ebenso
wie die Filaria loa, welche hauptsächlich Augen und Finger befällt
(enac a ntis, wörtlich Augenwurm). Spulwürmer (mison) sind auch
nicht selten, ebenso Geschwüre, von der Larve einer Dasselfliege
erzeugt. Weitere Krankheiten sind:
Lungenentzündung, fast immer tödlich verlaufend (assuman).
Herzkrankheiten (nzitt), Unterleibsentzündung (ujong), Fieber
(acang), Schnupfen (umboni), Luftröhrenkatarrh (ewuolö),
Epilepsie (ganda), Rheumatismus u. s. w.
Syphilis ist sehr wenig verbreitet, Gonorrhoe kommt vor, heilt
aber häufig von selbst.
Alle Krankheiten werden auf Zauber und Medizin zurückgeführt
und es existiren nach der Meinung des Volkes vielerlei Gegenmittel,
die nur der Medizinmann kennt. Wenn man sich nicht mehr zu
retten und zu helfen weiss, und wenn die Bäder, Aufgüsse von
mannigfachen Pflanzen, Massage und Reibungen nichts mehr nützen
Avollen, so greift man zu Sympathiemitteln. Bei schweren Fällen
versammelu sich Verwandte und Freunde des Kranken, eine oder
mehrere Ziegen werden geschlachtet, desgleichen einige Hühner,
das Blut wird aufgefangen, der Imboballa (Medizinmann) mischt die
Medizin, um sie t.heils dem Kranken einzugeben, theils mit derselben
67
den Körper desselben zu beschmieren, die Anwesenden suchen die
bösen Geister durch lautes Sprechen, Trommeln und allen möglichen
Lärm zu vertreiben.
Todesfall. Gericht. Tödtung der Sklaven und Frauen.
Todtenspiele. Begräbniss.
Sklaven werden im Todesfälle ohne Festlichkeiten begraben,
doch wird auch in solchen Fällen Jemand beschuldigt, den Tod durch
Zauberei herbeigeführt zu haben. Der Angeschuldigte wird, wenn er
sich nicht durch Beweise oder ellong von dem Verdacht reinigen
kann, zu Entschädigungszahlungen verurtheilt.
Wenn eine Frau stirbt, so wird die Familie derselben von dem
Manne zur Zahlung einer anderen gezwungen, was aber nicht ohne
vorheriges Palaver sich erreichen lässt. Da das Volk aber ausser
im Kriegsfälle keine andere Todesursache kennt als Zauberei und
Medizin, so erfolgt die Verurtlieilung der Familie der Frau fast
ausnahmslos; sie sucht sich nun ihrerseits wieder an der Person
schadlos zu halten, welche der Unthat bezichtigt wird.
Im Falle des Todes eines Familienoberhauptes werden immer
dessen Weiber und Sklaven bezichtigt, ja sie werden oft von dem
Sterbenden selbst beschuldigt, ihm die Krankheit gewünscht zu
haben. Kurz vor eintretendem Tode werden die verdächtigen Weiber
und Sklaven gefesselt in ein Haus gesperrt. Tritt der Tod ein, so
erfolgen Trommelsignale und Gewehrfeuer. Gleichgültig, zu welcher
Tageszeit der Tod eingetreten ist, versammeln sich sofort alle Chefs,
um das Todtengericht abzuhalten, während die Frauen sich zusammen¬
finden und durch Wehklagen der Trauer Ausdruck zu geben. Der
Ankläger ist in der Regel der älteste Mann der Familie, welcher
nunmehr den Platz des Todten einnimmt; er bringt Schlingen aus
Lianen nebst Rinde des Giftbaumes an einen dreigabeligen Ast
gebunden, mit Farn und Gras geschmückt und legt sie vor dem
Urtheilsvollstrecker hin. Letzterer ist, wie bereits früher erwähnt,
kein qualifizirter Scharfrichter, er hat sich aber durch schwarze und
weisse Bemalung unkenntlich gemacht. Eine kleine Signaltrommel
ertönt in rhythmischen Tönen, um den Umwohnenden bekannt zu
geben, dass die Hinrichtung der Angeklagten stattfindet. Dieselben
werden einzeln herausgeschleppt, sie werden mit weissem Thon von
oben bis unten beschmiert und ihnen die Hände auf den Rücken
gebunden. Dann erhalten sie einige Pillen ellong in den Mund
gesteckt und wird ihnen dann eine Schlinge um den Kopf geworfen;
sie werden dann am Boden zu dem nächsten Savobaum geschleift
und da an den Aesten aufgehängt, wo sie einige Zeit hängen bleiben.
Oft haut man ihnen mit Messern noch die Hände ab, oder spaltet
5*
68
ihnen den Schädel. Selbst schwangere Frauen werden nicht ver¬
schont, ja auch Kinder des Verstorbenen werden des Giftmordes
bezichtigt und ebenfalls getödtet. Die Institution der Anschuldigung
gegen Frauen und Sklaven ist, wie ich aus einem Yaündechef her¬
ausbekommen habe, von den Ehemännern ausgeklügelt worden, um
sich vor dem Tode zu schützen. Solche als Sklaven bezeichneten
Personen sind Leute, die von anderen Stämmen aus verschiedenen
Ursachen, auch oft des Handels wegen, aus ihrer Heimath gewandert
sind und die sich in der Nähe eines Yaündechefs mit dessen Er-
laubniss angesiedelt haben. Sie haben ihre eigenen Weiler, kaufen
ihre Weiber bei den Yaünde und vice versa und haben ihre eigenen
Gerichte und Palaver und mischen sich nie in die der Yaünde.
Stirbt nun ein Dorfchef, so wird ein solcher Zugewanderter gefangen,
des Giftmordes angeklagt und hingerichtet, ohne dass seine Stammes¬
angehörigen etwas dagegen machen können. Während dieser oft
auf sechs bis acht steigenden Hinrichtungen werden einige Spiele
mit grosser Trommelbegleitung aufgeführt, unter anderen ein Schein¬
gefecht, Bita a wu, welches oft eine Stunde dauert.
Während dieser Zeit wird der Leichnam von den Frauen heraus¬
gebracht, gewaschen, gesalbt, mit Rothholz bemalt und auf eine
Matte in sitzender Stellung, mit seinem besten Zeug geschmückt,
gehalten, sein Gesicht ist den Spielenden zugekehrt. Die jungen
Leute formiren sich am Ende des Dorfplatzes und laufen, mit Speeren
und Messern fuchtelnd, auf den Todten und die hinter ihm sitzenden
Weiber, welche immer lauter wehklagen, zu, ein Theil vertheidigt
scheinbar das Doiff gegen einen Angriff. Einige Leute sind in der
Mitte des Weilers damit beschäftigt, ein Grab herzustellen und ist
dasselbe abweichend von der an der Küste gebräuchlichen Form
rund, am Boden derselben wird eine IV2 Fuss hohe Nische lieraus-
gehöhlt, welche mit Pisangblättern ausgelegt wird. Unterdessen
führen andere wiederum ein Scheingefecht aus, das „Kekembe“ ge¬
nannt wird. Auf der einen Seite stehen Brüder oder Freunde des
Verstorbenen, mit Stöcken bewaffnet, deren untere Enden mit
Klumpen Lehm versehen sind. Aus der Mitte der am Ende des
Dorfes versammelten jungen Leute springt nun einer hervor, welcher
unter Verhöhnungen und Drohungen angreifend vorgeht. Einer der
mit Stöcken Bewaffneten wirft nun als Antwort nach dem Angreifer;
trifft der Stock nicht, so giebt der Angreifer unter Händeschütteln
denselben an den Werfer zurück und die Frauen beeilen sich, den¬
selben mit Umarmungen zu begrüssen. Trifft aber der Stock, so
war des Angegriffenen Medizin nicht gut und er geht, nachdem er
den Stock zurückgegeben, ohne Gruss an seinen Platz. Dieses
Tanzspiel wird ebenfalls taktmässig nach der Trommel ausgeführt.
69
Es folgen nun Reihentänze, wobei die Thaten des Y erstorbenen
besungen werden oder Fragen und Antworten gegeben werden,
z. B. Wer schlägt ihm die Trommel? Wer kocht ihm das Essen?
u. s. w., worauf die Männer antworten und mit den Füssen stampfen.
Wenn das Grab fertig ist, wird unter Schiessen nochmals ein Ge¬
fecht ausgeführt. Es treten nun vor den Leichnam seine Freunde
mit je einem Speer, zerbrechen denselben und werfen ihn vor die
Fiisse des Todten; hierauf wird der Leichnam ohne Zeug und
Schmucksachen in die Nische gebettet und dieselbe mit Rinde ge¬
schlossen. Es treten nun die Familienangehörigen und Freunde an
das Grab, nehmen etwas Erde und rufen dem Todten, indem sie die
Erde in die Grube werfen, einige Abschiedsworte nach. Alsdann
wird die Grube geschlossen. Um die Schuld der Hingerichteten zu
beweisen, wird nun von dem Imboballa den getödteten Frauen der
Bauch geöffnet und aus den herausdringenden Eingeweiden die Schuld
erwiesen. Ihre Körper werden in den Busch geworfen und oberflächlich
verscharrt, oder auch mit in das Grab des Verstorbenen gelegt.
Es ist sehr schwer, die Eingeborenen von diesen Bräuchen abzu¬
bringen, und wird ihre Ausführung, seitdem sich die Station hinein¬
gemischt und die Tödtung zu verhindern gesucht hat, jetzt zuweilen
auch heimlich versucht. Der Tod von Kindern und Halberwachsenen
wird ähnlich dem der Erwachsenen gefeiert. Die Klageweiber heulen
und wehklagen, Verwandte und Freunde versammeln sich, es wird
getanzt, gespielt, geschossen. Bei dem Tode einer erwachsenen
Frau finden ebenfalls gi*osse Tänze statt, die aber nur von Frauen
und Mädchen ausgeführt werden.
Auf das Grab wird ein Pfahl gesetzt, an welchen einzelne von
dem Verstorbenen gebrauchte Sachen gehängt werden, oft auch
Kopf und Hände einer bei seinem Tode hingerichteten Person. Au
dem Pfahl eines Frauengrabes hängt der Hinterschmuck, Schüssel
und Löffel. Der Pfahl grünt oft frisch und beschattet das Grab, er
wird vom Feigenbaum genommen. Bei ganz unerklärlichen Todes-
fälleu wird der Weiler verlassen und die Familie siedelt sich an
einer anderen Stelle an, oft weit entfernt, um so aus dem Bereich
des bösen Zaubers zu kommen.
Bei Sonnenuntergang oder auch in der Nacht ertönen oftmals
die Trommeln und zwar stets zu einer bestimmten Stunde. Es ge¬
schieht dies, um die Trauer für irgend einen bestimmten Todten
kundzugeben und den Geist bokrnun zu besänftigen. Die Frauen des
Todten haben für eine bestimmte Zeit sich mit weissem Thon zu
bemalen, dürfen ihr Haar nicht ordnen und tragen einen langen,
aus zerschlitzten Pisangblättern gefertigten Hinterschmuck, einen
gleichen, jedoch weniger dicken über der Scham. Kein Mann darf
— 70 —
sie berühren. Morgens eine Stunde vor Sonnenaufgang haben sie
eine Zeit lang zu klagen. Nach einiger Zeit legen sie die Trauer¬
bemalung nach und nach ab und dürfen sich mit Männern wieder
abgeben. Bei dem Tode von Kindern und Halberwachsenen klagt
die Mutter während einer von ihr selbst bestimmten Zeit und bemalt
ihre Beine bis zur Hälfte des Oberschenkels mit weissem Thon.
Meteorologische Beobachtungen.
Im Nachstehenden möge zunächst der Best der Resultate der
meteorologischen Beobachtungen des Stabsarztes Dr. Schröder am
Gouvernementsgebäude in Kamerun vom Jahre 1892 Platz finden
(vergl. Mitth. 1894, S. 29). Mit der Neubesetzung der Regierungs¬
arztstelle trat vom November 1892 bis zum 15. Mär2 1893 eine Unter¬
brechung an. Seit jener Zeit hat Herr Dr. F. Plehn die Beob¬
achtungen mit grossem Eifer und Gewissenhaftigkeit wieder auf¬
genommen; dieselben haben allerdings infolge des Kamerunaufstandes
eine unliebsame Unterbrechung vom 15. Dezember 1893 bis 3. Januar
1894 erfahren. Die Endergebnisse der Beobachtungsperiode April
1893 bis März 1894 weichen nicht wesentlich von denen der Vor¬
jahre ab, doch ist hervorzuheben, dass dieselbe eine relativ sehr
trockene war; es fielen nur 65 pCt. der Regenmenge der Periode
1891/92. Bemerkenswerth ist dabei, dass die Zahl der „Regentage
im Allgemeinen“ in beiden Zeiträumen fast genau die gleiche war;
dagegen war die Zahl der Regentage mit grossen Regenmengen —
über 25 mm — 1893/94 wesentlich geringer, fast um die Hälfte
(28 bez. 54) als 1891/92; die an einem Tage gefallenen Regenmengen
waren mithin durchschnittlich erheblich unergiebiger.
Wie eine in der Zeit von Juni bis Oktober 1894 von Dr. Plehn
sorgfältig durchgeführte Vergleichung der Temperaturangaben des
in der meteorologischen Hütte aufgestellten Psychrometers mit einem
Assmann sehen Aspirationsthermometer ergab, ist die Aufstellung
des Psychrometers eine recht befriedigende und liefert dieselbe
nahezu einwandsfreie Werthe.
Bei hundert vorgenommenen Vergleichungen stand das trockene
Thermometer in der Hütte im Mittel um 0°.134, das feuchte um
0°.262 höher als die betreffenden Thermometer des Aspirations¬
thermometers. Bei kräftiger Brise war die Differenz meist 0°. Die
höchste beobachtete Differenz der trockenen Thermometer betrug
71
0°.7, die Differenz 0°.5 wurde fünfmal erreicht; die höchste Differenz
der feuchten Thermometer betrug 1°.5, die Differenz 0°.5 wurde
siebenmal erreicht bezw. überschritten.
Von besonderem Interesse ist es, dass gleichzeitig mit Dr. Plehn
in Kamerun selbst Dr. Preuss im botanischen Garten zu Victoria
Beobachtungen anstellte. Mit Berücksichtigung der um etwa 70 m
höheren Lage von Victoria gegen das Gouvernementsgebäude in
Kamerun und der etwas abweichenden Beobachtungstermine daselbst
(72 Stunde früher) ergiebt sich eine nahezu vollständige Ueberein-
stimmung der Temperaturverhältnisse an beiden Orten. Bei einer
mittleren Temperaturabnahme von 0°.6 pro 100 m muss das 70 m
höher als Kamerun gelegene Victoria eine etwa 0°.4 geringere
Mitteltemperatur haben.
Aus diesem Beispiel ersieht man, dass zur Erforschung der
Temperaturverhältnisse des Aestuariums von Kamerun und seiner
in geringer Seeliöhe gelegenen Nachbarschaft die eine Station in
Kamerun für praktische Zwecke wenigstens vollständig genügt und
dass es daher vorläufig überflüssig erscheint, mehrere solche Stationen
in diesem Gebiete zu unterhalten. Die thatsächlicli vielleicht vor¬
handenen kleinen Unterschiede und lokalen Färbungen des Klimas
an verschiedenen Punkten dieses Gebietes werden sich auf dem
bisher üblichen und allein möglichen Wege nicht mit Sicherheit fest¬
stellen lassen, da es hierzu einer ganz haarscharf gleichen Aufstellung
der Instrumente und einer ganz exakt gleichmässigen Ablesung und
Behandlung derselben bedürfen würde, Erfordernisse, die sich ohne
die Mitwirkung spezieller Fachgelehrter nicht erreichen lassen, da
man es doch stets mit freiwilligen, durch vielerlei Berufsgeschäfte
abgezogenen Beobachtern zu thun haben wird. Inwieweit z. B.
die in Bezug auf die Luftfeuchtigkeit an beiden Punkten hervor¬
tretenden Differenzen auf die nicht genau gleiche Aufstellung und
Behandlung des Psychrometers oder auf wirklich vorhandene lokale
Unterschiede zurückzuführen sind, lässt sich nicht sagen. Dagegen
werden weitere Temperaturbeobachtungen aus dem höher gelegenen
Innern des Schutzgebietes sowie aus dem Kamerungebirge und aus
den südlichsten Küstengebieten selbstverständlich stets sehr will¬
kommen sein.
Bemerkenswerth ist, dass Victoria durchschnittlich nicht uner¬
heblich regenärmer ist, sowohl was Menge als was Zahl der Regen¬
tage betrifft, als Kamerun. Die an beiden Punkten gemessenen
Regenmengen verhalten sich in der Jahressumme wie 4 : 5. In¬
wieweit dieser Unterschied ständig ist, müssen weitere Beobachtungen
lehren, wie denn überhaupt eine möglichste Vermehrung der Regen¬
messstationen im Interesse derPflanzungsunternehmen sehr wünschens-
72
werth wäre. Den Bemühungen des Gouvernements ist es auch
gelungen, einige Beobachter für die regelmässige Messung der Nieder¬
schläge zu gewinnen, so dass mit Beginn des Jahres 1895 einige
neue Stationen in Thätigkeit getreten sein dürften.
Ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen den Resultaten
der Windbeobachtungen in Victoria und am Gouvernementsgebäude
in Kamerun. Während an letzterem Punkte der tägliche Wechsel
von Land- und Seebrise in einem fast ausschliesslichen Vorherrschen
von Ost- und Westwinden zu Tage tritt, sind in Victoria einerseits
N — NO- und S — W -Winde die häufigsten. Morgens herrschen nord¬
östliche Winde fast ausschliesslich vor, mittags südliche und west¬
liche, abends sind beide Windrichtungen ziemlich gleich häufig.
Dieser Unterschied zwischen Victoria und Kamerun wird offenbar
durch die verschiedene Richtung des Küstenverlaufes an beiden
Orten bedingt sowie durch die Nähe des Kamerungebirges bei
Victoria, welches Berg- und Thalwinde veranlasst.
Die Gleichmässigkeit der Temperaturverhältnisse wird auch be¬
stätigt durch die Beobachtungen des Botanikers M. Dinklage,*)
der, soweit es ihm seine anderweitigen Berufsgeschäfte gestatteten,
vom Oktober 1892 bis November 1893, zuerst bis zum 4. Dezember
1892 in Batanga-Dumali, einer Faktorei am Lobefluss, und dann
vom 10. Dezember 1892 an in Gross - Batanga meteorologische Beob¬
achtungen angestellt hat, deren Resultate, soweit sie auf Luft¬
temperatur und Regenfäll Bezug haben, wir hier folgen lassen.
Wir haben nur diejenigen Temp eraturmi ttel werth e aufgenommen,
für die mindestens zwanzig Beobachtungen im Monat Vorlagen. Die
Werthe der Regenmengen dürften durch die öftere Abwesenheit des
Beobachters insofern nicht wesentlich beeinflusst worden sein, als
wenigstens die Totalregensummen der Wahrheit ziemlich entsprechen
dürften, wenn es auch unmöglich ist, die Zahl der Regentage und
die grösste Regenmenge wärend eines Tages aus diesen Beobach-
tungen abzuleiten.
7 a
Lufttemperatur
2p 9p
Mittel
Mittleres Regenmenge
Max. Min. in mm
O
o
O
O
O
O
Oktober 1892
22.5
26.1
23.3
23.8
27.4
21.5 411.2
November
22.9
27.2
24.2
24.6
28.2
21.7 326.9
Dezember
- —
—
—
—
— -
48.3
Januar 1893
23.4
27.4
25.3
25.3
29.2
22.3 165.9
Februar
—
—
—
—
—
— 338.9
März
—
—
—
—
—
268.2
*) Die Beobachtungen wurden der Redaktion
seitens
der Direktion der
Seewarte in Hamburg giitigst zur Verfügung gestellt.
73
Lufttemperatur
Mittleres
Regenmenge
7 a
2p
9p
Mittel
Max.
Min.
in mm
April
o
23.4
o
28.1
o
25.3
0
25.5
o
30.0
O
22.1
479.4
Mai
23.4
28.6
25.2
25.6
30.6
22.1
212.5
Juni
23.1
27.9
24.5
25.0
29.9
21.7
347.5
Juli
23.0
26.5
24.6
24.7
28.2
21.8
346.8
August
23.1
26.0
24.7
24.6
27.6
21.9
559.7
September
23.0
25.4
24.1
24.1
27.5
22.0
601.5
Oktober
22.5
25.9
23.7
23.9
28.1
21.6
585.1
November
23.3
27.1
' 25.3
25.4
29.3
22.6
202.2
Im Mittel
von
neun
Monaten
gleichzeitiger
Beobachtungen
(Oktober 1892, April bis November 1893) ergiebt sich für das Gou¬
vernement in Kamerun eine Mitteltemperatur von 24°. 7, für Batanga
von 24°. 8, die Mitteltemperaturen der meisten Monate stimmen voll¬
ständig miteinander überein, die grösste Abweichung beträgt 0°.4.
Die gleichzeitig gemessene Regenmenge betrug 3036 mm in Kamerun
bezw. 3746 mm in Batanga. Durchschnittlich fielen also am Gou¬
vernement in Kamerun 81 pCt. der in Batanga gemessenen Regen¬
menge.
Weiter im Süden des Schutzgebietes, am Kampofluss z. B., dürften
die Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse sich wesentlich anders
gestalten und bleibt die Errichtung einer meteorologischen Station
daselbst sehr erwünscht.
Victoria.
' nördl. Br. A = 9° 13' östl. Gr. Seeliölie = 80 m.
74
bß
5 pH
CßCOOCO^OOt^CDHfM^ CP
CO CO CO CO 05 05 C5 00 GO CO GO CO CO
U0rHD~05U0C0Olt>»C0C0Olrtl CP
l>l>I>l>COCOGOl>I^O[>l>
(MCxM^cDißiOTjioKjsajtM 01
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7
2
Juli 1893 . 9
7
2
August 1893 9
7
2
Septbr. 1893 9
7
2
Oktober 1893 9
Häufigkeit der Windrichtungen in Victoria.
- 78 —
Summe
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2
Novbr. 1893 9
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Dezbr. 1893 . 9
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Februar 1894 9
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2
März 1894 . 9
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2p
Jahr 1893/94 9p
Summe
79
Häufigkeit der Windrichtungen in Kamerun.
Monat
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April 1893 . 9p
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2
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—
84
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Jahr
1
6
226
4
9
382
122
00
161
1095
Bericht von Missionar F. Autenrieth über seine Bereisung des
Gebirgslandes nordöstlich vom Wuri.
Nachdem die Gewinnung von Trägern für eine nach dem
Nkosigebirgsland (Bakosi) vorbereitete Reise infolge eines falschen
Gerüchtes, nach welchem ich bei meiner vorjährigen Reise drei
Nkosileute zu Tode gezaubert hätte, und wolür ich bei nächster
Gelegenheit todt geschlagen werden sollte, im letzten Moment noch
vereitelt wurde, entschloss ich mich, nach den östlich vom Nkosi-
gebirge gelegenen, bis dahin noch unbekannten Gegenden vorzu¬
gehen. Mit acht Trägern, deren jedem eine 50 Pfundlast zugetheilt
war, brach ich am 7. Mai in nordöstlicher Richtung nach dem
Mabombefluss (auf Karten irrthümlich Dibombe genannt) von
Mangamba auf und erreichte denselben bei Baiseng nach fünf¬
stündigem Marsch. Baiseng und das ihm auf dem jenseitigen Ufer
gegenüberliegende Nkom befinden sich am Knotenpunkt ver¬
schiedener ins Land hineinführenden Verkehrswege, auf welchen
die Handelsprodukte von Ndokripenda, Bonking, Fan und den
hinter denselben gelegenen Gebieten hier zusammenlaufen und
dementsprechend diese Dörfer zu belebten Handelsplätzen machen.
Der von hier aus nach dem Innern gerichtete Verkehr wird zum
grösseren Theil auf dem Mabombe, soweit derselbe fahrbar ist,
vermittelt. Der Endpunkt der Schiffbarkeit liegt an der etwa
12 Stunden oberhalb Nkom errichteten Handelsstation Nyanga, bis
wohin neuerdings die Handelsgrenze des Dualastammes vorgeschoben
wurde. Ein in dem östlich vom Mabombe gelegenen Ndokripenda-
gebiet ausgebrochener Krieg nöthigte mich, dieses Gebiet unberührt
zu lassen und direkt zu den nördlich und nordöstlich von diesem
Stamme gelegenen Mfun und Bonking vorzugehen. Von dem
Handelsplatz Nyanga, welchen wir auf dem Wasserweg erreichten,
verfolgten wir auf dem rechten Ufer, in nordöstlicher Richtung,
während eines achtstündigem Mai’sches den Lauf des Mabombe, welch
letzterer auf dieser Strecke durch sein enges, in Basaltfelsen ein¬
gegrabenes Bett, in welchem er fortwährend Schnellen und einige
Abstürze bildet, wie durch den ihn auf beiden Seiten ununterbrochen
81
begleitenden Hochwald ein wildromantisches Gepräge gewinnt.
Von der Stelle, an welcher wir den Mabombe, nach Osten uns
wendend, überschritten, schlägt derselbe nordwestliche Richtung
ein, bis er in den nördlichen Nkosibergen seine Quelle erreicht.
Oestlich vom Mabombe im Gebiet der Bonking überraschte
uns durch seine vielen Dörfer wie durch seinen reichen Ackerbau
ein zwischen steilen Bergen und Hügeln fast geradlinig sich hin¬
ziehendes schönes breites Thal, dessen reissendes Flüsschen dem
Mabombe zufliesst und in seinem ganzen Verlauf mit dem Namen
Tinge genannt wird. In einer Längenausdehnung von etwa zehn
Wegstunden reiht sich in diesem Thal fast Dorf an Dorf, deren
aber beinahe jedes einem anderen Stamme angehört. Es sind ver¬
treten die Stämme: Bonking, Mbaga, Banibwa, Manekai,
Ndyem und Ekom. Nach der freundlichen Aufnahme zu schliessen,
die uns dort zu Tlieil wurde, dürfte einer Missionsthätigkeit von
Seiten der Leute kein Hinderniss entgegenstehen. Die vielen
kleinen Stämme bezw. Staminestkeile, welche hier und in den an¬
grenzenden Gebieten bis zum Fuss der Hochgebirge die Bevölkerung
ausmachen, sind eine auffallende Erscheinung: sie lindet jedoch ihre
Erklärung in der fortwährenden Bewegung, welche von den Stämmen
des Innern ausgeht und nach der Westküste hindrängt. Von bei¬
nahe allen in diesem Strich angesiedelten Stämmen konnte ich in
Erfahrung bringen, dass sie nur kleine Bruchtheile grösserer weiter
im Innern existirender Stämme sind. Dass diese Bewegung bis
heute ununterbrochen weiter geht, davon konnte ich mich durch
mehrere ganz neue Ansiedlungen, die zum Tlieil erst in der Bildung-
begriffen sind, überzeugen. Obwohl nach einigen unbestimmten
Angaben der Eingeborenen dei Vortheil einer besseren Handels¬
verbindung der Grund zur Wanderung gewesen sein soll, und hier
noch Niemand etwas von der Mohammedanerherrschaft des Innern
weiss, so dürfte es doch wahrscheinlich sein, dass der Anfang dieser
Menschenbewegung von den Mohammedanern veranlasst ist. Der
geringe Verkehr, welcher zwischen dieser vielstämmigen Bevölkerung
und den weiter landeinwärts wohnenden Völkern stattlindet, lässt
es übrigens begreiflich erscheinen, wenn eine sichere Kunde aus
dem Innern hier nicht zu erhalten ist. Ein Vortheil ist es jedoch,
dass diese zusammengewürfelte Bevölkerung einen regen Verkehr
sowohl unter sich als auch mit den küstenwärts liegenden Stämmen
unterhält, denn ohne solchen würden z. B. noch viel mehr Sprach¬
schranken bestehen, als es bereits sind, auch würde Misstrauen und
abergläubische Furcht vor Fremden nicht schon in der Weise be¬
seitigt sein, wie es thatsächlich der Fall ist. Gerade in letzterem
Punkt unterscheidet sich diese Bevölkerung sehr wesentlich von
Mitth. von Forschungsreisenden, VIII. Band. I. p
82
den weiter landeinwärts wohnenden Stämmen, welche den Fuss und
die Südabhänge des Hochgebirges bewohnen.
Vom mittleren Tingethal aus durchzogen wir zunächst in öst¬
licher und dann in nordöstlicher Richtung ein ziemlich dünn be¬
völkertes, aber sehr dicht bewaldetes Bergland von vulkanischem
Charakter, dessen höchste Rücken etwa 300 m sich übers Meer
erheben mögen. Schöne breite Thalgründe mit fruchtbarem Lava¬
boden, in welchem die Pflanzungen der Bewohner prächtig gedeihen,
wechseln mit Lavatrümmerfeldern, welche von Zeiten vulkanischer
Eruptionen berichten. Etwa 1 \h Tagemärsche vom Tingethal in
nordöstlicher Richtung entfernt erreichten wir den 21 Dörfer
zählenden Stamm Babong, welcher einen schluchtenreichen Theil
des Berglandes bewohnt. Auf einen freien, hochgelegenen Punkt
angelangt, wurden wir unerwartet durch einen in nächster Nähe
vor uns etwa 2500 in aufsteigenden Berg überrascht, den wir aber
sofort als einen von Mangamba in weiter Perne am nordöstlichen
Horizont sichtbaren Berg erkannten. Zur Orientirung und zur
Kenntniss der geographischen Lage unseres Standortes gab er,
nachdem bis dahin jede Fernsicht durch Busch und Wald unmöglich
war, erwünschte Auskunft. Den bis dahin noch unbekannten Namen
dieses durch seine kühnen Formen und seine beherrschende Lage
sich auszeichnenden Berges konnten wir als Nlonako feststellen.
Nach den Angaben der Eingeborenen, wonach ein Theil der im
Babonggebiet fliessenden Bäche nach dem Osten laufe, nehmen wir
an. dass wir uns hier an der Wasserscheide der rechten Zuflüsse
des mittleren Mbam und des Wuri befanden. Zu dieser Annahme
»Raubten wir uns um so mehr berechtigt, als das erwähnte Bergland
hier, wie der Augenschein ergab, seine höchste Höhe erreicht und
sich in nordöstlicher Richtung — östlich vom Nlonako — weit
nach dem Innern zu langsam abflacht; dasselbe ist der Fall nach
Südwesten hin, bezw. küstenwärts. Hier in Babong und seinen an¬
grenzenden Gebieten ist der Hochgebirgskranz, welcher das
Kamerunfluss-Gebiet umschliesst, durchbrochen und findet sich in
dem breiten Durchgang eben das nach dem Innern abfallende
Bergland. Hier dürfte nach meiner Ueb er zeugung der geeignetste
Durchpass und der nächste Weg für die nach dem mittleren Mbam
gerichteten Unternehmungen sein. Derselbe sollte nach meiner
Schätzung kaum mehr als acht Tagemärsche von Babong entfernt
liegen und würde somit von Mangamba in etwa 14 Tagen zu
erreichen sein. In der Richtung nach dem Mbam von Babong aus
weiter zu gehen und denselben womöglich zu erreichen, hätte
meiner persönlichen Neigung am meisten entsprochen, aber ab-
o-esehen davon, dass ich für diese Unternehmung kaum genügend
83
ausgerüstet gewesen wäre, hätte dies auch weniger praktischen
Nutzen für unsere Zwecke gehabt, als es die Bekanntschaft mit
den zwischen hier und dem etwa 4 bis 5 Tagereisen weiter westlich
gelegenen Nkosigebirge, im Hinblick auf das wahrscheinliche, baldige
Vorgehen unserer Mission dorthin, haben musste. Nach fünftägigem
Aufenthalt in Babong, wo uns die freundlichste Aufnahme zu Theil
wurde, wendeten wir uns dementsprechend nach Westen und Nord¬
westen und gelangten, nachdem wir uns unterwegs in verschiedenen
Dörfern aufgehalten und die Eingeborenen wie überall über den Zweck
unseres Kommens, soweit es die Sprachverhältnisse noch zuliessen,
unterrichtet hatten, nach mehreren Tagen in ein weit ausgedehntes,
etwa 500 bis 600 m hoch gelegenes, schönes Weide- und Palmenland,
durch dessen Anblick wir beim Eintritt in dasselbe aufs Angenehmste
überrascht wurden. Dasselbe bildet die unteren Regionen eines
wohl über 2000 m hoch ansteigenden, breitgelagerten Gebirgs-
stockes, der im Osten an den Nlonako und im Westen an das
Nkosigebirge grenzt. Den Namen dieses Berges ermittelten wir
als Manenguba. Sowohl das Landschafts- als auch das Vegetations¬
bild ist hier plötzlich ein völlig anderes. Das wilde, schluchten¬
reiche und dichtbewaldete Bergland nimmt hier unvermittelt die
Gestalt eines sanft gewellten, langsam und gleichmässig ansteigenden,
angenehmen Pai’k- und Weidelandes an, in welchem reiche Palmen¬
bestände die zerstreut angelegten menschlichen Ansiedlungen ver-
rathen. Unter den vielen kleinen Stämmen dieses Gebiets erreichten
wir Bakaja und Banihwa, von welchen wir einem kleinen Brucli-
theil schon im Tingethal begegneten, ferner streiften wir die
Stämme: Nkwarr, Ndonge, Salimwa, Manengolo und
Manengoteng. Die Aufnahme, die wir hier fanden, war eine
weniger freundliche, als sie uns bis dahin zu Theil geworden war,
wras aber wohl nicht Folge schlimmerer Charaktereigenschaften
als vielmehr tiefer abergläubischer Furcht gewesen sein mag. Die
Sprachschranke, die uns hier entgegenstand und die wir auch mit
den drei uns zur Verfügung stehenden Kamerunsprachen nicht
überwinden konnten, war dabei ein wesentliches Hinderniss, das
Misstrauen zu beseitigen. Es ist jedoch meine Ueberzeugung, dass
wir bei einem nächsten Besuch schon eine freundlichere Aufnahme
finden würden. Infolge des Palmenreichthums ist hier die Palmöl¬
produktion eine ziemlich bedeutende und ich konnte mich über¬
zeugen, dass der grösste Theil des Palmöls, welches die von hier
küstenwärts liegenden Stämme — Abo und Ndokripenda etwa
ausgenommen — in den Handel bringen, von dieser fernen Gegend
kommt. Auffallenderweise sind alle zwischen dem Abogebiet und
diesem Palmenland gelegenen Gegenden sehr schwach mit Palmen
6*
84
besetzt. Der Oelhandel wirft aber infolge des Zwischenhandelsystems
einen sehr geringen Gewinn für seine Produzenten ab. Für ein
Quantum Oel, welches der Europäer an der Küste mit 8 Mark
bezahlt, wird dort nur ein Lendentuch im 'Werth von 1 Mark oder
sonstige Waaren im selben Werth gegeben. Es lässt sich daher
nicht verwundern, dass in jener Gegend Lendentücher noch eine
Seltenheit sind, ln agrikultureller Hinsicht scheinen jene Bewohner
nicht mehr Zeit und Kraft zu verwenden, als eben die bittere
Nothwendigkeit erfordert. Die gebauten Nutzpflanzen sind ziemlich
dieselben wie im Niederland, neu und überraschend ist nur ein
für den eigenen Bedarf getriebener Tabakbau. Bei jedem Gehöfte
ist eine kleine Tabakpflanzung zu treffen, welche meist sorgfältig
eingezäunt ist.
Hier in dieser schönen, durch ihre landschaftlichen Beize und
gemässigte Temperatur bevorzugten Gegend länger zu verweilen
und die weiter bergauf wohnenden Stämme aufzusuchen, müsste
uns zur augenehmsten Aufgabe geworden sein, wenn uns nicht die
aus abergläubischer Furcht entsprungene Böswilligkeit, sowie die
Sprachschranke hindernd in den Weg getreten wäre. Aus Furcht,
der nach ihrer Ansicht mit bedeutender Zaubermacht ausgerüstete
weisse Mann könnte bei den Nachbarstämmen Unheil anrichten, an
welchem sie dann die Schuld zu tragen hätten, suchten die dortigen
Bewohner mein Vordringen bergaufwärts in jeder Weise zu ver¬
hindern. Als ich es dennoch versuchen wollte, hatte ich das Ver¬
gnügen zwei Tage lang im Kreis herumgeführt zu werden und am
Abend wieder im selben Dorfe zu sein, von welchem wir am
Morgen ausgezogen waren. Als wir noch einen Tag gefangen gehalten
wurden, sahen wir uns genöthigt, statt noch weiter die nördliche
Dichtung zu verfolgen, uns nach Südwesten dem Kupeberg zuzu¬
wenden. Trotz der Unfreundlichkeit, mit der uns jene Leute
begegneten, Hessen sie uns doch in genügendem Maasse ihre Gast¬
freundschaft erfahren, und wir konnten mit den drei Ziegen und
den beigegebenen Pflanzenfrüchten während unseres sechstägigen
Aufenthalts in jenem schönen Grasland hinlänglich unseren Bedarf
decken.
Auf dem Marsch in der Richtung nach dem Kupeberg ver¬
tauschte sich bald das leicht und bequem zu bereisende Grasland
mit der Hochwaldregion, in welcher wir mehrere Quellflüsse des
Mabombe und später diesen selbst unmittelbar unterhalb eines
prächtigen Wasserfalls auf einer von einem Fels zu einem Baumast
gespannten Pflanzenseilbrücke zu überschreiten hatten. Nach
1 1/2 Tagemärschen erreichten wir vom Grasland aus den östlichen
Fuss des kuppelförmigen, fast senkrecht ansteigenden Kupeberges,
dessen Höhe auf 2500 bis 3000 m angegeben wird. Die wildromantische
Grossartigkeit dieses Berges wie dessen in der Erinnerung der
Eingeborenen noch lebenden, einstigen vulkanischen Thätigkeit
hat dem Volke nicht nur grosse abergläubische Furcht und Grauen
eingeprägt, sondern auch reichlichen Stoff zu Geistersagen gegeben.
Bei dem am östlichen Fuss des Küpe in acht Dörfern angesiedelten
Stamm Manehas fanden wir während unseres viertägigen Auf¬
enthalts sehr freundliche Aufnahme; auch konnten wir uns hier
wieder mit der Abosprache ohne besondere Schwierigkeiten ver¬
ständlich machen. A^on Interesse war mir hier, zu erfahren, dass
der Küpe auch von der Ostseite nach Norden umgangen werden
kann, und von hier ein Weg nach den nördlichen Nkosidörfern
führt. Hätte nicht die Regenzeit einem weiteren Plane entgegen¬
gestanden, so würde ich diesen östlichen Nkosiweg verfolgt und
den Nkosileuten meinen voriges Jahr versprochenen Besuch er¬
stattet haben, und das mit um so grösserem Vergnügen, als ich
gerade hier mit Nkosileuten zusammentraf, von welchen ich erfuhr,
dass das oben erwähnte Gerücht nicht nur keinen Grund habe,
sondern dass man schon lange auf mich warte und dass man in
der Stadt Nyasoso den Wunsch habe, wir sollen uns bei ihnen für
beständig niederlassen. Da wir bereits mit diesem Plane umgehen,
war mir diese Botschaft von besonderem Werth und eine freudige
Ueberraschung.
In dem einige Stunden südwestlich von den Manehasdörfern
gelegenen Lom betraten wir wieder durch eine im vorigen Jahr
ausgeführte Reise uns bekanntes Gebiet. Ein häufig begangener
Verkehrsweg führt von hier in etwa achtstündigem Marsche nach
dem bereits erwähnten Handelsplatz Nyanga am Mabombe, von wo
man mit Kanu leicht an die Küste gelangen kann. Dem Zweck
unserer Reise entsprach es jedoch besser, einen südwärts führenden
Weg durch das Mamelo-, Mfun- und Fangebiet einzuschlagen, auf
welcher Route Mangamba in drei Tagen ohne Schwierigkeiten zu
erreichen ist, wo wir auch am 38. Tage unserer Reise glücklich
wieder anlangten.
Hinsichtlich der sprachlichen Verhältnisse der durchreisten
Gebiete möge noch ein Wort beigefügt sein. Trotz der Viel-
stämmigkeit der Bevölkerung konnte ich durch meine Nachforschungen
und Beobachtungen doch zu einem günstigeren Resultat kommen,
als es zu erwarten gewesen wäre. Abgesehen vom Duala herrscht
unter den Stämmen des Kamerunflussgebietes eine ziemlich grosse
Sprachverwandtschaft, die erst in der Nähe des Hochgebirges ihre
Grenzen hat. Die Sprachverhältnisse dieses Gebiets noch be¬
günstigend, herrscht unter diesen Stämmen auch ein sehr reger
86
Handelsverkehr, der dazu dient, dass fast Jedermann mehrere
Dialekte versteht und dieselben zum Theil auch spricht. Ueberall
bis zu der genannten Grenze in der Nähe des Hochgebirges konnten
wir uns mit Bankon (Abo) und Bonking verständlich machen, und
ich zweifle nicht an der Möglichkeit, dass das ganze Gebiet vom
Mungo bis zu den östlich vom Wuri gelegenen Basas mit einer
Sprache bedient und unterrichtet werden kann. Am geeignetsten
würde mir einer der Dialekte des weitverzweigten Basastammes,
sei es das östlich vom Wuri gesprochene, eigentliche Basa, sei es der
Bankon- oder der Ndokripendadialekt, zu diesem Zwecke erscheinen.
Uebrigens glaube ich, dass sich diese Stämme auch nicht ungerne
dazu verstehen würden, die Dualasprache, welche trotz ihrer be¬
deutenden Verschiedenheit doch schon einen grossen Einfluss weit
ins Land hinein gewonnen hat, zu lernen und sich darin unter¬
richten zu lassen, denn das Duala steht bei den sogenannten Busch¬
leuten in höherem Ansehen als ihre eigene Sprache, weil es auch
von Weissen gesprochen wird, auch fällt bei ihnen der Vortheil,
welchen das Duala als Handelssprache hat, ins Gewicht. Dieses
— wenn man will — Niederlandsprachgebiet hat sowohl sprach-
verwandtschaftlich als auch geographisch eine ziemlich scharfe
Grenze, und zwar verläuft dieselbe ziemlich nahe dem Fuss des
Hochgebirges. Die am Fuss und an den Südabhängen des Hoch¬
gebirges gesprochene Sprache, die auffallenderweise unter den vielen,
meist kleinen Stämmen vom Nlonako im Osten bis ins Nkosigebirge
im Westen eine und dieselbe ist, nämlich Mini’-e, scheint eine
bedeutende Verschiedenheit von den Niederlandsprachen aufzu¬
weisen. Doch ist es für eine spätere Missionsarbeit, in diesem
Gebiet von besonderem Werth, dass diese Sprache viele Stämme
und weite Gegenden umschliesst.
Geologische Untersuchungen im Kamerungebiete.
Yon Bergassessor B. Kno chenliauer.
Entsprechend der geringen Gliederung der Küsten des afrika¬
nischen Kontinentes erscheint auch der geologische Aufbau des
Landes im Grossen und Ganzen einförmig.
Wie schon Karl Ritter seiner Zeit auf den Zusammenhang
hingewiesen hat, wie die schwerfällige Gestalt und Verschlossenheit
Afrikas im Typus der Neger, der zierlich gegliederte Körper Europas
in der geistigen Bliithe der kaukasischen Rasse sich wiederspiegelt,
so kann man noch weniger in der Uebereinstimmung zwischen dem
geologischen Aufbau und der geographischen Gestaltung eine blosse
Zufälligkeit erblicken wollen.
Freilich haben sich die geologischen Gebilde im schwarzen Erd-
theile in anderer Weise und unter anderen Bedingungen entwickelt
als bei uns, aber soweit bisher die Forschungen dargethan haben,
linden wir nicht entfernt die mannigfache Verschiedenheit der Ab¬
lagerungen, wie dies in Europa der Fall ist. Die räumliche Aus¬
dehnung der einzelnen Glieder ist grösser, die Lagerungsverhältnisse
erscheinen gleichmässiger, das ganze Schichtensystem weist kaum
nennenswerthe Störungen auf, so dass wir in weiten Gebieten den¬
selben Typus der Gebirgszüge bei gleichen Streichungslinien und
Fallrichtungen in ewiger Wiederholung wahrnehmen.
Abhängig von dieser einfachen Tektonik folgen die Gebirgszüge
dem Verlaufe der Schichten, und mit dem der Küste zugewendeten
Fallen dacht sich das Land zum Meere ab.
Gerade an der Stelle, wo der Golf von Guinea am tiefsten in
das Land einschneidet, werden die sedimentären Gesteine, aus denen
die Küstengebirge von Obei’- und Nieder- Guinea sich aufbauen, von
jener grossen vulkanischen Spalte durchbrochen, auf der das gewal¬
tige Bergmassiv des Kamerungebirges aufsetzt und deren weiterer
Verlauf durch die Lage der vulkanischen Inseln Fernando Po,
Principö und St. Thomö angedeutet wird.
88 —
Der Ursprung der beiden Gebirgsketten fällt in entfernte Welt¬
alter zurück, während das überragende Kamerungebirge sich erst
sehr viel später aufgebaut hat und Bildungen zeigt, deren Entstehung
in der geologischen Gegenwart zu suchen ist.
Beide Gebirgszüge gehören überdies verschiedenen geologischen
Formationen an. Im südlichen, niederguineischen linden wir aus¬
schliesslich Gesteine der Urgneis- und krystallinischen Schiefer¬
formation, während die Küste von Ober -Guinea von Monrovia bis
Alt-Kalabar aus Sandsteinen und Thonschiefern jüngeren Alters
gebildet wird.
Notli wendigerweise muss die beim Zusammenstoss der beiden
Gebirge auftretende gewaltige Störung eine grössere Verschieden¬
artigkeit im Aufbau des Landes hervorrufen, als dies im Süden und
Westen davon der Fall ist. Vielleicht bietet gerade darum unsere
Kamerunkolonie dem Geologen die interessantesten Probleme.
Die Küstenebene.
Im Süden vom Kamerungebirge stellt sich die Küste als eine
weite, mit Urwald bedeckte Tiefebene dar, die nur in der Gegend
von Londje und Kribi von einzelnen unbedeutenden Höhen überragt
wird. Erst bei weiterem Eindringen in das Landesinnere erblickt
man im Hintergründe die verschwommenen Umrisse einer ferneren
Gebirgskette. In der vorliegenden Küstenniederung, die ihre grösste
Breite nördlich vom Sannaga erreicht und sich nach Süden zum
Kampogebirge hin allmählich verschmälert, treten uns zunächst zwei
den Tropen eigenthümliche geologische Gebilde entgegen. Einmal
als jüngste, noch im Entstehen begriffene Bildung die Mangroven¬
gebiete, denen wir namentlich am Kamerunbecken in gewaltiger
Ausdehnung begegnen, und zweitens bis zur ersten Gebirgskette
eine ausgedehnte Zone von Lateriten.
Brandungs- und Flussthätigk eit.
Nirgendwo reichen jedoch die Mangroven bis unmittelbar an
das Meeresufer heran, von dem sie stets durch einen schmalen,
entweder mit niedrigem Busch oder mit Urwald bewachsenen Streifen
alluvialer Sande getrennt sind. Zweifelsohne wird man den Ursprung
dieser Sandablagerungen auf die Thätigkeit der hier mündenden
Flüsse zurückzuführen haben, und in der That zeichnen sich särnrnt-
liche Ströme durch einen ungewöhnlichen Reichtlmm an schweben¬
den Bestandtheilen aus. Auffallen muss aber die Erscheinung, dass
der grössere Theil des Schwemmlandes sich an dem linken Flussufer
der Strommündungen ausgebreitet hat. Diese Ungleichheit weist
auf die Mitwirkung noch einer anderen Kraft, als die der Fluss-
89
thätigkeit selbst hin, die wir in der ausserordentlich starken Meeres¬
brandung finden, welche an der ganzen Guineaküste herrscht. In
westsüdwestlicher Richtung wälzen sich die gewaltigen Dünungs¬
wellen an das Ufer heran und werfen die Schwenuntheilchen, welche
die Flüsse weit her aus dem Landesinnern mit sich geführt haben,
zu Uferwällen auf, die sich dann in der Richtung der Komponenten
beider wirkenden Kräfte, Stromstärke und Meeresbrandung, theils
als Landzungen aufbauen, theils als gefährliche unterseeische Barren
und Sandbänke vor der Flussmündung bis weit in das Meer hinaus
ablagern. Dadurch erhalten sämmtliche Flüsse an ihren Mündungen
eine Verschiebung nach Norden.
Im Besonderen wird dann die Gestaltung dieser Bildungen von
dem Verhältnis abhängen, in dem die beiden Kräfte zueinander
wirken. Je stärker der Strom, desto geringer seine Ablenkung nach
Norden, desto grösser aber die Bildung von Barren und Sandbänken
vor seiner Mündung. So sehen wir beim Sannaga nur an seinem
nördlichen Mündungsarm, dem Bengo, eine Landzunge, die sich von
Jahr zu Jahr nach Norden hin vergrössert, während der südliche
Arm, der Bungo, kaum eine Verschiebung durch die Brandung er¬
fahren hat. Dagegen sind die Barren hier gefährlicher als an irgend
einer anderen Strommündung, und die Sandbänke reichen so weit
in das Meer hinaus, dass die Woermann -Dampfer bei Malimba vier
bis fünf Seemeilen vom Ufer entfernt auf offener See vor Anker
gehen müssen.
Umgekehrt sehen wir bei der Mündung des Lokundje die grösste
Ablenkung nach Norden. Aber es macht sich hier kaum eine Mün-
dungsbarre bemerkbar, und während sowohl beim Nyong und noch
mehr beim Sannaga eine Fahrt über die Barre stets mit Gefahr
verknüpft ist, vollzieht sich hier der Uebergang von Flussfahrt zur
Seefahrt durchaus unbedenklich.
Freilich ist diesem Wachsthum der Landzungen eine Grenze
geboten. Strom und Brandung nagen unaufhörlich an ihren eigenen
Gebilden. Sie zerstören, führen fort und lagern an anderen Stellen
wieder ab, so dass die Meeresküste auch da, wo meilenweit entfernt
keine Flussmündung zu finden ist, mit ehemaligen Flusssanden be¬
deckt ist. Wird nun eine solche Landzunge, gewöhnlich an der
Stelle, wo sie am Festlande anhaftet und wo der Strom in fast
senkrechter Richtung auf das Ufer eindringt, mehr und mehr ge¬
schwächt, so bedarf es nur einer gelegentlichen Springfluth und der
Uferwall wird durchbrochen und dem Flusse eine neue Mündung
gegeben. Auf diese Weise erklären sich die Lagunenbildungen der
westafrikanischen Küste, welche nichts Anderes als die Ueberbleibsel
ehemaliger Flussläufe bedeuten. Allerdings ist die Küste der Kamerun-
90
kolonie verlia! tnissmässig arm an solchen Lagunen, aber die zahl¬
reichen Wasserläufe, welche die Küstenniederung durchziehen, weisen
darauf hin, dass die Strombetten nicht zu allen Zeiten dieselben
gewesen sind. So können wir in dem Kriek, der die Insel Ehongo
zwischen den Mündungsarmen des Sannaga durchzieht, nur den Rest
eines früheren Bungolaufes erblicken, zu einer Zeit, ehe noch die
jetzige Mündung südlich der Bungospitze durchgebrochen war.
Ebenso deutet die tiefe südlichere Einbuchtung des Kamerunbeckens
östlich vom Kap Suellaba, welche durch einen Kriek noch heute
mit dem Sannaga in Verbindung steht, auf einen früheren Lauf dieses
Stromes ähnlich dem noch heute schiffbaren Kwakwa.
Geradezu als ein Kuriosum muss aber die Thatsache angesehen
werden, dass fast alle Flüsse untereinander in Verbindung stehen,
so dass man vom Kamerunbecken, ohne das Meer zu berühren, zu
Wasser in den Lokundje gelangen kann. Diese Wasserverbindungen
bleiben ein bisher noch unaufgeklärtes Durcheinander, dessen Ent¬
wirrung Schwierigkeiten bietet, besonders da, wo der fortwährend
wechselnde Wasserstand, wie ihn die Thätigkeit der Gezeiten mit
sich bringt, die Erforschung nur in bestimmten Stunden möglich
macht.
Das Mangrovengebiet.
In erster Linie betrifft dies die Wasserläufe innerhalb der
Mangroven. Kaum hat man die Mündung irgend eines Flusses passirt,
so beginnen die Mangrovensümpfe, die wir gerade hier an der Biafra-
bucht ausgedehnter als sonst irgendwo an der afrikanischen Küste
finden, als unmittelbare Folge der hier grösseren Höhe der Fluth-
welle; denn je grösser der Unterschied zwischen Ebbe und Fluth,
desto weiter dringt die Brackwasserzone in das Land hinein.
Dem Geologen sind diese Brackwassergebiete besonders in¬
teressant, da ihre Eigenart ihm einen Anhalt bietet für die Erklärung
wichtiger geologischer Vorgänge früherer Perioden.
Während der höchsten Fluth erscheint ein solches Mangroven-
dickicht, das sich hier bis zu 20 Seemeilen in das Landesinnere
hinein erstreckt, wie ein überschwemmter Wald. Zur Ebbezeit
tauchen schlammige Massen hervor und meterhoch ragen dann die
Wurzeln über dem mit modernden Stämmen bedeckten Boden, wäh¬
rend sich ungezählte grössere und kleinere Wasserarme wirr durch
das Dickicht schlängeln. Die Engländer haben diese Wasserarme,
welche nicht selten eine beträchtliche Tiefe besitzen, Creeks genannt.
Der Ausdruck hat sich mangels eines besseren Ersatzes auch bei
den Kameruner Deutschen erhalten und hat somit Bürgerrecht er¬
langt, weswegen er auch hier, nur in der Schreibweise verdeutscht,
beibehalten werden mag.
91
Aelmlich den heutigen Mangrovendickichten haben wir uns die
Brackwassergebiete vorzustellen, wie sie in früheren geologischen
Perioden, namentlich zur Steinkohlenzeit, viel häufiger und üppiger
gewesen sind. Aus dem seichten Wasser sieht man hier und da
vereinzelte Mangrovenbäumchen hervorragen. Wenige Jahrzehnte
später sind es wohl schon stattliche Bäume, die nicht mehr isolirt
stehen, sondern mit den jetzigen Uferwäldern zusammengewachsen
sind. Nur eine einzige geologische Zeitperiode später, vielleicht
gar nur wenige Jahrtausende, und das stattliche breite Wasserbecken
des Kamerunflusses ist verschwunden. An seiner Stelle finden wir
unendlich viele kleinere Mündungsarme, in denen Ebbe und Fluth
kaum noch wahrnehmbar sind. Dann haben wir kein Aestuarium
mehr, sondern ein vollendetes Delta, dergleichen heute der Nil,
die Donau und der Bhein bieten.
Die Lateritzone.
Allmählich geht die Mangrovenvegetation in die Busch- und
Urwaldregion über. An Stelle der schlammigen Grundmassen treten
alluviale Sande, und schliesslich werden die Flussufer höher und
steiler. Die Mangrove tritt nur vereinzelt auf und macht schliesslich
ganz den Palmen und den Hunderten von verschiedenen Urwaldbäumen
Platz. Bald gelblich, bald röthl ich -braun gefärbte Lehme dehnen
sich von hier bis an den Fuss der ersten grösseren Erhebungen
aus. Zweifelsohne sind diese Gebilde, die wir unter der Bezeichnung
Latente zusammenfassen, durchaus verschiedener Natur. Von dem
typischen Latent an, der an Ort und Stelle durch die den Tropen
eigenthiimliche Verwitterung krystallinischer Gesteine entstanden
ist, finden, wir alle Stadien der weiteren Zersetzung, Auswaschung,
Fortschlemmung und Wiederablagerung vertreten. Hierzu kommt,
dass je nach der Natur der ursprünglichen Gesteine diese särnint-
lichen Stufen andere Eigenschaften erhalten können, so dass wir
infolge all dieser wirkenden Faktoren eine schier unendliche Reihe
von einzelnen Lateritspezies vorfinden.
Ungeachtet all dieser Verschiedenheiten haben wir jedoch zwei
Hauptgruppen auseinander zu halten. Erstlich den durch Zersetzung
der anstehenden Gesteine an Ort und Stelle entstandenen, den wir
eluvial nennen wollen, dann den aus fortgeführten und an anderen
Stellen wieder abgelagerten Verwitterungsmassen gebildeten allu¬
vialen Latent.
Zweifelsohne hat man den eluvialen Laterit dabei als die ur¬
sprüngliche, ältere Bildung, den alluvialen dagegen als die jüngere
Ablagerung aufzufassen. Beide wechseln miteinander scheinbar
unregelmässig ab, doch ist im Allgemeinen eine Zunahme des
92
eluvialen Latentes wahrzunehmen, je mehr mau sich dem ersten
Randgebirge nähert.
Ueber die Mächtigkeit dieser gesammten Lateritschicht liegen
leider keine Anhaltspunkte vor. Die oft recht tief eingeschnittenen
Wasserläufe bieten indessen nicht selten vorzügliche Aufschlüsse,
aus denen die Ueberlagerung des sekundären Latentes über den
primären deutlich erkennbar wird. Von ungemeiner Deutlichkeit
ist das Profil am Sannaga namentlich dann zu beobachten, wenn
der Wasserstand plötzlich sinkt. Während gegen Ende Oktober
und Anfang November der Fluss seine Ufer in der Küstenebene
weithin überfluthet, so dass das Wasser stets in die in der Nähe
des Flusses belegenen Negerhütten eindringt, fällt der Wasserstand
in der zweiten Hälfte des November mit ausserordentlicher Schnellig¬
keit. Bei Ndoko-Buang wurde beispielsweise ein Unterschied von
über 10 m gemessen, der in einer Zeit von nicht ganz drei Wochen
eingetreten war. Dabei liess sich deutlich etwas weiter flussaufwärts das
nachstehend skizzirte Profil erkennen (Fig. 1). Hier bei Dibongo treten
am Sannaga die ersten Erhebungen hervor. Namentlich steigt das
Figur 1.
a = alluvialer Latent, e = eluvialer Latent, g = Glimmerschiefer.
linke Flussufer bis zu einer Höhe von 50 m über dem Sannagaspiegel
bei Hochwasser*) auf. Die Insel Dibongo selbs terhebt sich in zwei
Bergspitzen ebenso hoch, während am anderen Ufer sich der Höhen¬
zug allmählich verläuft. Zugleich wird das Flussbett beträchtlich
verengt. Oberhalb verflachen sich die Ufer wieder und treten
zurück. Am ersten Ufer zweigt sich ein kleiner Wasserarm ab und
windet sich durch das mit dichtem Urwald bedeckte flache Terrain.
Nach wenigen Kilometern lichtet sich der Wald und ein grösseres
Wasserbecken tliut sich auf, von dem nach verschiedenen Richtungen
sich unzählige Krieks abzweigen. Ob diese Wasserarme eine Ver¬
bindung mit dem Donga herstellen, konnte nicht ermittelt werden.
Jedenfalls scheint in der Trockenzeit, während welcher das durchweg
seichte Wasser nur mit Kanus befahrbar ist, eine solche Verbindung
heute nicht mehr zu bestehen, doch unterliegt es kaum einem
Zweifel, dass diese ganze Einsenkung den Rest eines alten Strom¬
bettes darstellt. Ehemals hat der Sannaga, bevor er sich bei
*) Barometrische Messung des Verfassers.
93
Dibongo den Durchbruch durch die vorgelagerten Höhen
erzwungen, durch den Dongakriek sich direkt in das
Kamerunbecken ergossen. Danach hätten wir also das Kamerun¬
becken als das ursprüngliche Aestuarium des Sannagastromes an¬
zusehen. Durch diese Annahme wäre auch das Räthsel gelöst,
welches den Ursprung dieses grossen Wasserbeckens um webt, von
dessen Mitte kaum die mangrovenbewachsenen Ufer sichtbar sind.
Schwerlich wäre seine Entstehung lediglich auf die Stromwirkung
der Flüsse Mungo und Wuri zurückzuführen gewesen.
Das erste Randgebirge.
Mit diesem Durchbruch bei Dibongo hat man die eigentliche
Küstenniederung verlassen, noch ehe man das jetzige erste Katarakt¬
gebiet des Sannaga erreicht hat. Ich sage das jetzige, denn zweifels¬
ohne hat in nicht allzu weiter Vergangenheit an dieser Durchbruch¬
stelle ein Wasserfall bestanden, und noch heute macht sich bei
besonders niedrigem Wasserstande eine Stromschnelle bemerkbar.
Ganz ausschliesslich sind es Gesteine der Gneis- und Glimmer¬
schieferformation, welche an dem Aufbau des Gebirges Antheil
nehmen. Die auffallend rothe Färbung, durch welche sich die
Glimmerschiefer auszeichnen, deutet auf einen erheblichen Eisen¬
gehalt hin. Eine scharfe Grenze zwischen der Zone der Glimmer¬
schiefer und Gneise lässt sich kaum feststellen. Zwischen den
Schiefern treten geschichtete Gneise auf, die ein um so feineres
Figur 2. Umgebung von Ediä nach Ramsay und v. Braucliitsch.
Gefüge annehmen, je mehr man aufwärts schreitet. Aus Gneis von
ungemeiner Härte bestehen auch die Felsen, über welche der
Sannaga bei Ediä in zwei Haupt- und mehreren Nebenarmen über 30 m
94
lierunterstürzt (Figur 2). Wandert man von Ediä noch weiter ostwärts,
so treten die Glimmerschiefer allmählich ganz zurück. Nach und
nach verliert auch der Gneis seine anfangs so deutlich ausgesprochene
Schichtung und geht schliesslich in Lagergranit über, der sich über
das ganze Gebiet bis in die Nähe von Yaünde hinzieht. Auch der
Gneis ist stark eisenhaltig und wird weiter oberhalb dunkelgrau
durch Beimengung von Magneteisensteinkörnchen.
Es ist in diesem mit dichtestem Urwald bedeckten Lande kaum
möglich, ein Bild über die Anordnung der Höhen zu erlangen. Die
schmalen Fusspfade winden sich mit unendlichen Krümmungen durch
das Waldesdickicht und gestatten nur da einen weiteren Blick, wo
etwa der Wald von den Eingeborenen niedergebrannt ist, und auch
nur so weit, als. die Lichtung reicht. Der Weg von Ediä sannaga-
aufwärts bleibt zudem stets in der Nähe des Stromes, wo das Terrain
infolge der zahlreichen, alle dem Flusse zugeneigten Wasserrinnsale
besonders zerklüftet ist. Die barometrische Messung eines isolirten
Gneiskegels in unmittelbarer Nähe des Dorfes Mangane ergab eine
Höhe von 90 m über dem Spiegel des etwa D/2 Stunden entfernten
Sannaga. Es ist dies vielleicht der einzige Hügel hier, von dessen
Gipfel eine zufällige Lichtung eine Umschau über ein gutes Stück
des Sannagalaufes gestattet. Soweit man den Fluss verfolgen kann,
erblickt man ein einziges Stromschnellengebiet, aus welchem aller¬
orten Gneisfelsen hervorragen. Ein Befahren des Stromes, selbst
mit noch so flachgehenden Booten, scheint undenkbar.
Selten dürften die Höhen dieses Hügellandes um mehr als 100 m
das Flussniveau übersteigen. Man täuscht sich indessen leicht bei
solcher Abschätzung in den Tropen, wo alles Umgebende in riesen¬
haftem Maassstabe angelegt ist. Sind doch selbst die Urwaldbäume
bis zu 50 ja 60 m hoch, und angesichts solcher Baumriesen, von
denen der Sannaga umrahmt ist, unterschätzt man leicht die Breite
des Stromes, die an manchen Stellen bis 2 km beträgt, ebenso wie
die Höhen seiner Ufer. Erst bei dem zweiten Kataraktgebiet, ober¬
halb dessen der Fluss wieder schiffbar wird, beginnt das Rand¬
gebirge des innerafrikanischen Plateaus mit Erhebungen von 800
bis 900 m Meereshöhe.
Anders entfaltet sich das Landschaftsbild im Süden. Der Nyong
hat nicht entfernt die stattliche Breite des Sannaga, aber sein
Fahrwasser ist nicht so versandet, und auch in der Trockenzeit
läuft man nicht Gefahr, mit der Dampfpinasse auf verborgenen und
stets wandernden Sandbänken festzurennen. Das auffallend dunkel
gefärbte Wasser deutet auf einen morastigen Boden und dement¬
sprechend ist auch die Vegetation anders. Die zahlreichen Inseln
sind schilfartig mit Pandaneen bedeckt und an den Flussufern wächst
95
die Süsswassermangrove, die sich vor ihrer Schwester im Brack¬
wasser durch ein saftigeres Grün ihrer Blätter vortheilhaft aus¬
zeichnet.
Noch schmaler, aber gleichmässig tiefer als der Nyong ist der
Lokundje, der auch jenseits der Schnellen von Ebea schiffbar bleibt.
Wenn man hier die erste Hügelkette überschritten hat, so senkt
sich das Land wieder und dieselben flachen Ufer seines unteren
Laufes bleiben auch hier bis zu dem eigentlichen Bandgebirge,
welches bei Bepindi aufsteigt. Diese wasserreiche, mit Hochwald
bedeckte Einsenkung zwischen den beiden Gebirgsrändern setzt sich
südlich fort bis in jenes sumpfige und unbewohnte Urwaldterrain,
welches die von Kribi aus unternommenen Expeditionen zu durch¬
schreiten haben. Die Vegetation unterscheidet sich kaum von der
Umgebung des Nyong, nur das gänzliche Fehlen der Kokospalme
fällt auf und findet wohl darin seinen Grund, dass die Seebrise,
deren meeresfrischer Hauch ihr einmal Lebensbedürfniss ist, durch
die hohen Urwaldbäume aufgehalten wird und nicht in das tief
gelegene Becken einzudringen vermag.
Im Uebrigen ist der geologische Aufbau des ganzen Gebietes
vom Sannaga bis Kribi durchaus eiufach. Solange sich eine Schich¬
tung beobachten lässt, behält sie dasselbe nordsüdliche Streichen
und westliche Fallen bei mit sehr geringen Aenderungen im Einfalls¬
winkel. Noch am Nyong ist keine Aenderung hierin wahrzunehmen
(vergl. Figur 3), erst bei Ebea am Lokundje ist eine entschiedene
Abweichung im Schichtenstreichen nach Südwesten zu beobachten
(vergl. Figur 4), die bei Londje vollends in die Dichtung Ostnordost
96
nach Westsüdwest übergeht. Zugleich mit dieser Wendung der
Schichten nach Westen nimmt auch der Fallwinkel, der im nörd¬
lichen Theile 28 bis 30 Grad beträgt, bei Londje bis auf 40 bis
45 Grad zu.
Störungen in dem Gebirgsbau sind weder am Sannaga, noch
irgendwo südlich davon gefunden worden, ja nicht einmal Gang¬
spalten und sonstige Hohlraumausfüllungen von irgendwelcher
Bedeutung. Häufig sieht man wohl Quarzblöcke halb im Humus
eingebettet umherliegen, aber alle weiteren Untersuchungen führten
Figur 4. Kataraktgebiet des Lokundje bei Ebea.
stets zu demselben Ergebniss. Meistens handelte es sich nur um
Quarzbänke von sehr geringer Mächtigkeit, welche niemals 30 cm
überschritten und schon bei einer Tiefe von 2 bis 3 m sich bald in
unendlich viele kleinere Schnürchen zertrümmerten. Seltener waren
es nesterförmige Quarzausscheidungen, deren grösste Dimensionen
niemals 1 m überstiegen. In diesem Falle wurden häufig Drusen¬
bildungen beobachtet mit nicht selten gut ausgebildeten Krystallen
von Arsenkies. Während der anstehende Quarz meist bräunlich
oder grau gefärbt ist, sind die umherliegenden Blöcke durch die
Einwirkung der Humussäuren milchweiss gebleicht.
Noch innerhalb der Glimmerschieferzone beobachtet man häufig
auf den durch den Urwald getretenen Negerpfaden ein braunes bis
schwarzes Geröll von haseluussgrossen Eisenkieseln. Anstehend ist
ein derartiges Gestein hier am Sannaga nirgends gefunden worden,
dagegen wohl im Süden bei Londje, wo Gesteine dieser Zone bis
an das Meer heranreichen und sich sogar unterseeisch weiter fort¬
setzen. Dort treten diese Eisenkiesel als Einschlüsse in einem stark
schieferigen Gneise auf, der sich durch ausgesprochene Fältelung
seiner Schichten auszeichnet (vergl. Figur 5). Die Eisenkiesel sind
zwar mehr linsenförmig, indessen lässt sich die völlige Rundung,
mit der sie am Sannaga auftreten, leicht durch Waschung und Fort-
schwemmung erklären, welche die durch Verwitterung des umgebenden
Gneises freigewordenen harten Einschlüsse erfahren haben.
Figur 5. Gneis mit eingeschlossenen Eisenkieseln.
Die eigentlichen Glimmerschiefer selbst linden sich südlich vom
Sannaga am Nyong nicht mehr. Es scheint daher, dass die Glimmer¬
schiefer durch Aufnahme von Feldspat allmählich in Gneisglimmer¬
schiefer und schliesslich in reinen Gneis von schieferiger Struktur
übergehen. Eine unmittelbare Folge davon ist, dass die Ufersande
bei Malimba sehr glimmerhaltig, die bei Klein - Batanga an der
Mündung des Nyong dagegen glimmerarm sind. Die bei der Fak¬
torei Köln am Wasserfall des Nyong auftretenden Gneise zeichnen
sich durch linsenförmige, röthlich-weisse Feldspatausscheidungen in
dem sonst grau gefärbten Gneise aus (Figur 6).
Figur 6. Gneis mit linsenförmigen Feldspatausscheidungen.
Bei derartig mannigfachen Modifikationen in der petrographischen
Zusammensetzung, die nur durch das Ueberwiegen oder Zurücktreten
des einen oder des anderen wesentlichen Bestandtheiles hervor¬
gerufen werden, kann eine grosse Verschiedenheit der zufälligen
Gemengtheile keineswegs befremden. Dies gilt in erster Linie von
dem Eisengehalt, der im nördlichen Theile sehr beträchtlich ist und
sich nach Süden zu erheblich verringert.
Mit.th. von Forsch tmgsreisenden. VIII. Band. I. j
98
Der grosse Eisenreich tlnun hat denn auch zur Bildung von
Eisensteinlagern Veranlassung gegeben. Andern ersten Höhenzuge,
dem Avir am Sannaga bei Dibongo begegnen, fällt uns ein braun-
rotkes, konglomeratartiges Gestein durch sein hohes spezifisches
GeAvickt auf. Bei näherer Untersuchung erweist sich dieses als
eine Thoneisensteinbreccie, Avelcke in einem mehrere Meter mäch¬
tigen Lager die Glimmerschieferzone konkordant überdeckt. Es
sind mehr oder minder scharfkantige, kaselnuss- bis walnussgrosse
Stücke eines thonhaltigen Brauneisensteins von braunrotlier Farbe,
die von einer dunkler gefärbten Masse zusammengekittet sind. Das
Ganze Avird von zahlreichen Quarzschnürchen durchzogen, die nach
ihrer durchsichtigen, glasigen Beschaffenheit sich erst später aus¬
geschieden haben müssen. Sowohl auf dem linken Sannaga-Ufer, als
auch auf der Insel Dibongo bestehen die Berggehänge bis zur halben
Höhe aus diesem Material. Ueber den Ursprung des klastischen
Lagers kann man bei dem grossen Eisenreichthum der unterlagern¬
den Glimmerschiefer nicht im Zweifel sein. Die Erscheinung steht
übrigens keineswegs vereinzelt da, sondern tritt soavoüI am Ural
an mehreren Stellen, Avie auch in Brasilien auf, Avoselbst die Eisen-
breccien unter dem Namen Tapanhoacanga - Erz bekannt sind.*)
Weiter oberhalb finden sich die Tkoneisensteinbreccien noch einmal
längs des Weges, der von der Woermann - Faktorei „Ediä“ nach
Mbomedorf führt, und zwar ebenfalls als Ueberlagerung der hier
fast genau nordsüdlich streichenden und flach nach Westen ein¬
fällenden Schichten des Eisenglimmerschiefers. Ueberdeckt werden
die Breccien hier von alluvialen Latenten. Will man aus der an
einzelnen Stellen aufgenommenen Lagerung ein Profil zwischen Ediä
und Dibongo konstruiren, so hat man dabei vor allen Dingen zu
berücksichtigen, dass diese Breccien Bildungen sekundärer Natur
und wesentlich jüngeren Alters sind als die anstehenden Glimmer¬
schiefer. Dieser Umstand schliesst eine Ueberdeckung der Tkoneisen¬
steinbreccien bei Ediä durch die Glimmerschiefer bei Dibongo von
selbst aus. Man muss also das Profil, Avie auf nebenstehender Skizze
(Figur 7) angegeben, konstruiren und eine Mulden- und Sattelbildung
annehmen, deren Muldentiefstes von Latenten überdeckt ist. Die
Mulde entspricht auch vollkommen der vorhandenen Einsenkung.
Die Annahme einer zwischen beiden Punkten durchsetzenden Ver-
Averfung findet nicht nur keine Bestätigung durch die Aufschlüsse
am Flussufer, sondern sie scheint auch durchaus gezwungen, wenn
man in Betracht zieht, dass Störungen im Gebirgsbau in dieser
ganzen Gegend nirgendwo beobachtet worden sind.
*) a7. Groddeck, Die Lagerstätten der Erze, S. 267.
— 99 —
Diese Zone der archäischen Gesteine setzt sich auch im Norden
des Kamerunflusses weiter fort. Doch treten hier zugleich Gesteine
jüngeren Alters auf, welche muthmaasslich eine Fortsetzung des
Küstengebirges von Oberguinea bedeuten. Leider war es dem Ver¬
fasser nicht vergönnt, dieses Gebiet, wo der Zusammenstoss dreier
Dibon^o Eöbe
Figur 7. Profil zwischen Ediä und Dibongo.
u = Latent, b = Thoneisenbreccien, g = Glimmerschiefer, gn = Gneis.
verschiedener Gebirgssysteme stattfindet, geognostisch näher zu
untersuchen. Zweifelsohne aber hat man eine weniger einfache
Tektonik und eine grössere Mannigfaltigkeit des geognostischen
Materials zu erwarten, als dies im Süden der Fall ist.
Das Kamerungebirge.
Unbekannt bleibt es auch ferner, auf welchen Gesteinen die
Laven und Basalte des Kamerungebirges ruhen, ob unmittelbar auf
sedimentären Formationen, oder ob auf älteren plutonischen Ge¬
steinen, vielleicht nach der Analogie der kanarischen Inseln auf
Diabasen! Im Süden und Südwesten setzen sich die jungen vulka¬
nischen Gebilde unterseeisch fort, wahrscheinlich in ununter¬
brochenem Zusammenhänge über Fernando Po bis St. Thome, so
dass die Küste hierfür keine näheren Anhaltspunkte bietet.
So einfach und gleichförmig wie die geologische Natur auf der
Karte erscheint, so unendlich mannigfache Gebilde weist der Ge-
birgsstock des Kamerunberges auf. Bis zu der gewaltigen Höhe
von 4000 m, höher als die Meereshöhe des Ortler, strebt der Götter¬
berg aus den Meeresfiuthen himmelan. Nicht das schön geformte
Profil des Pic von Teneriffa oder die scharfe Spitze des schlanken
Pic Clarence auf Fernando Po verleihen dem Kamerungebirge seinen
Zauber, sondern die Grossartigkeit der gewaltigen Bergesmasse,
deren höchste Spitzen weit über die Urwaldregion hinaus, fast an
die Grenze des ewigen Schnees ragen, ist es, die jeden Morgen
von Neuem den erstaunten Blick fesselt.
Zwar sucht man vergebens nach den bizarren Formen der über
und über zerklüfteten Lavamassen, wie sie den Inseln des Mittel¬
meeres, der Madeira- und Canarengruppe ihr eigenartiges Gepräge
geben. Die stets mit Feuchtigkeit gesättigte Luft und die reichen
Niederschläge der Tropen, verbunden mit dem üppigen Pflanzen-
100
wuchs lassen eine raschere und intensivere Verwitterung eintreten,
als dies in dem trockenen, subtropischen Klima der Fall ist. Die
scharfkantigen Felsen werden abgerundet und die Gehänge mit einer
Humusschicht bedeckt, in der jede Pflanze reichliche Nahrung findet.
Ueberall aber liegen dunkel gefärbte Lavablöcke zerstreut umher,
theils porös, theils von dichtem Gefüge, je nachdem, ob der Block
von dem äusseren Rande oder dem inneren Kern eines Lavastromes
herrührt. In der bald grauen, bald bläulich schwarzen, aber niemals
braunen Grundmasse sind zahlreiche Olivinkrystalle ausgeschieden,
was namentlich am Westabliange des Gebirges bei Bibundi häufiger zu
beobachten ist als im Osten. Diese Erscheinung muss befremden,
da am Westabliange viel reichlicher Niederschläge fällen als bei
Victoria. Die Ursache der ungleichen Verwitterung ist also viel¬
mehr in der verschiedenartigen Beschaffenheit des Gesteins zu
suchen. Während dies bei Bibundi durchweg massig ist, zeigt die
basaltische Lava von Victoria eine deutliche Neigung zur Zerspal¬
tung in polyedrische Absonderungsstücke, ähnlich der Bildung der
Basaltsäulen. Bei der sonstigen Härte des Gesteins legt die gerad-
fiächige Gestalt der Bruchstücke die Frage ihrer Verwendbarkeit
als Baumaterial nahe. In der That würde gerade dieses poröse und
doch feste Material einen werthvollen Ersatz für das in Ostafrika
angewendete Korallengestein liefern, und auf jeden Fall eine Ein¬
schränkung und Verminderung der kostspieligen Einfuhr von euro¬
päischem Baumaterial, wie sie zur Zeit in Kamerun in hervorragen¬
dem Maasse stattfindet, herbeiführen helfen.
Ob der grosse Kamerunberg noch in historischer Zeit vulkanisch
thätig gewesen ist, hat mit Bestimmtheit noch nicht festgestellt
werden können. Die Angaben älterer englischer Schiffskapitäne,
welche zu Anfang der sechziger Jahre glühende Lavaströme auf
dem Gipfel gesehen haben wollen, beruhen höchst wahrscheinlich
auf einer optischen Täuschung. Die in dem oberen Graslandgebiete
wohnenden Eingeborenen haben nämlich die Gewohnheit, alljährlich
vor Eintritt der Regenzeit das Gras niederzubrennen. Die dadurch
hervorgerufene Feuererscheinung hat vermuthlich zu der Annahme
einer vulkanischen Eruption geführt.
Andererseits aber weisen sowohl noch heute sichtbare Spuren
vulkanischer Thätigkeit, als auch die Angaben der Eingeborenen
darauf hin, dass die letzten Ausbrüche noch in der Jetztzeit statt¬
gehabt haben müssen. 01) dieser Zeitpunkt nun Jahrzehnte oder
Jahrhunderte zurückzuführen ist, lässt sich bei der kurzen . Zeit¬
spanne, seit wir von dem Dasein des Kamerunberges etwas wissen,
kaum nachweisen. Solche Spuren noch währender vulkanischer
101
Arbeit bat seiner Zeit Schran in der Nähe der Kriegsschiffsbucht
in naphthahaltigen Quellen entdeckt.*)
Weiter oberhalb dieser Quellen, etwa 100 m über dem Meere,
finden sich auch Säuerlinge. Wenn man den alten Weg von der
Theuzfarm nach Bimbia verfolgt und die erste Höhe erklommen
hat, so hört man ein dumpfes, unterirdisches Geräusch, das in be¬
stimmten Zeitabständen wiederkehrt. Links vom Wege findet man
auch bald die Quelle, wenn man sich vom Ohre leiten lässt. Hier
setzt durch eine sehr dichte, blauschwarze, basaltische Lava eine
nordsüdlich verlaufende Spalte, aus der allerorten kohlensäurehaltige
Wasser hervorsprudeln. Die meisten Wasser kommen aus einer
kleinen Höhle, in der, nur Armlänge vom Eingänge entfernt, die
Hauptquelle zu liegen scheint. Die tief aus dem Erdinnern hervor¬
dringende Kohlensäure stösst in Zeiträumen von drei bis fünf Se¬
kunden die in dem Kanal stehende Wassermenge heraus und ver¬
ursacht dabei jenes eigenthümliche Geräusch. Das Wasser hat einen
angenehm prickelnden Geschmack, enthält aber viel Eisen, das sich
als rotlibrauner Ocker ausscheidet. Auffallend ist die niedrige
Temperatur des Wassers, welche mit 17 bis 18° C. wesentlich tiefer
liegt als die mittlere Ortstemperatur, die hier mit etwa 25 Grad
anzunehmen ist. Wir sind es gewohnt, beim Eindringen in das
Erdinnere mit wachsender Teufe wohl eine Wärmezunahme zu er¬
fahren, niemals jedoch eine Abnahme der Temperatur jenseits einer
bestimmten Grenze, an der wir jahraus jahrein die mittlere Orts¬
wärme beobachten. Die Kühle des Säuerlings muss daher auf
andere Ursaclieu zurückgeführt werden, und zwar auf den Wärme¬
verbrauch, der bei Druckverminderung der hochgespannten Kohlen¬
säure entsteht.
Wandert man von diesen Quellen zurück nach der Farm, so
erreicht man links abzweigend eine andere Meeresbucht, welche
etwas östlich vom Kriegsschiffshafen liegt und von diesem durch
einen Bergkegel getrennt ist, an dessen Gehänge vor Zeiten ein
Bergrutsch stattgehabt haben muss. Ganz jungen Datums kann der
Bergrutsch nicht sein, denn sonst würden sich am Ufer statt des
Lavagerölles noch die rothen Lehmmassen finden, welche der Stelle
den charakteristischen Namen „die rotlie Wand“ gegeben haben.
Die Fluthwelle hat längst die herniedergefallenen, losen Massen
hinweggespült und damit ein eigenartiges Schichtenprofil blossgelegt.
Ganz zu unterst liegt ein blauer, stellenweise schwach rötlilich ge¬
färbter Thon, überdeckt von einer fingerdicken, harten und festen
*) Schran, Spuren vulkanischer Erscheinungen am Kamerunl erge. Mit¬
theilungen aus den deutschen Schutzgebieten, Band I, S. 46.
102
Thonscliiclit. Unter der harten Decke findet man im Thon zahl¬
reiche versteinerte Holzstämme, die allem Anschein nach von Pan-
daneen herrühren, wie sie sich unweit davon am Ufer eines dort
mündenden Baches finden. Darüber liegen rothe Tuffmassen, in
denen sich deutlich eine den Bergabhängen parallele Schichtung
erkennen lässt. Wohl selten weisen die Erscheinungen selbst so
deutlich auf ihre Entstehung hin. Auch dem geologischen Laien
wird es nicht zweifelhaft sein, dass liier in nicht sehr fernen Zeiten
ein Regen von vulkanischen Aschen und Lapilli in einen mit Pan-
daneen bedeckten Sumpf niedergefallen ist. Die einzelnen Blatt¬
abdrücke im Thon lassen die Struktur des schlanken Pandanusblattes
erkennen, aber die geringe Festigkeit des Thones ist der Erhaltung
der Abdrücke nicht günstig und auch die versteinerten Stämme zer¬
fallen leicht, wenn sie einmal aus ihrem natürlichen Lager entfernt
sind.
Deutlicher als diese Pflanzenreste sind die in der Nähe von
Dibundja im Tuffe Vorgefundenen Blattabdrücke von Urwaldbäumen,
welche sämmtlich Arten anzugehören scheinen, die heute noch den
Bestand der Wälder bilden. Ob nicht dennoch geringe Verschie¬
denheiten zwischen der fossilen Flora und der jetzigen obwalten,
soll nicht als ausgeschlossen hingestellt werden, aber gleichwohl
weisen diese Pflanzenreste darauf hin, dass die damaligen Ausbrüche
im Kamerungebirge noch zu einer Zeit stattgefunden haben, als die
Pflanzenwelt im Wesentlichen schon ihren heutigen Charakter
trug.
Man darf auch nicht ganz die abergläubischen Vorstellungen
der Eingeborenen ausser Acht lassen. Sie lassen erkennen, dass
die Leute zum mindesten aus Ueberlieferungen Kunde haben von
gewesenen vulkanischen Eruptionen. So verehren die Bakwiri den
Berggeist Efassamite, auf den sie alle Naturereignisse unmittelbar
zurückführen, sei es Regen, sei es Hitze und Dürre. Tritt zufällig
mit oder bald nach dem Erscheinen eines Weissen irgend eine
Witterungsänderung ein, so wird dieser dafür verantwortlich ge¬
macht. Er hat Efassamite erzürnt, der dafür Regen, Blitz und
Donner schickt. So wurde einst Dr. Preuss, dem Leiter des
botanischen Gartens in Victoria, als er kurz zuvor den grossen
Kamerunberg bestiegen und Pflanzen von dort mitgebracht hatte,
in Buea ein Palaver gemacht. Der Häuptling Kuba verbot ihm,
jemals wieder den Berg zu besteigen. Diesmal habe Efassamite nur
Wasser geschickt, das nächste Mal würde er sicherlich Feuer
schicken.
Wenn auch alle Aeusseruugen der Eingeborenen mit Vorsicht
aufzunehmen sind, so muss doch in jedem Falle die Vorstellung
103
eines Feuer schickenden Berggeistes ihren Ursprung in einem that-
sächlichen Ausbruche des Götterberges haben, welcher zum wenig¬
sten von den Vorfahren der jetzigen Generation erlebt ist.
Nutzbare Mineralien.
Ob das Kamerungebirge, abgesehen von der Verwendbarkeit
einzelner basaltischer Laven als Baumaterial, irgend welche nutz¬
bare Mineralien birgt, sei es in Form von kohlensäurehaltigen
Wassern oder bitumenführenden Quellen, oder seien es bergmännisch
auszubeutende Lagerstätten, muss dahingestellt sein und einer ein¬
gehenderen Forschung überlassen bleiben.
Wirkliche Lagerstätten nutzbarer Mineralien sind vom Verfasser
nur an einer Stelle mit Sicherheit entdeckt worden, und zwar ist
dies jenes oben bereits erwähnte Thoneisensteinvorkommen, das am
unteren Sannaga bei Dibongo und Ediä auftritt.
Eine Analyse dieses Eisensteins ergab einen Gehalt an metalli¬
schem Eisen von 37,08 Prozent, und zwar:
Eisenoxyd .
Eisenoxydul
Thonerde .
52,57
0,36
12,69
0,23
24,77
Kalk . .
Kieselsäure
Ob nun ein solches Erz in Kamerun jemals Veranlassung zu berg¬
männischer Gewinnung geben wird, bleibt zweifelhaft. Soweit eine
Darstellung von Eisen an Ort und Stelle und zwar von Ilolzkohleneisen
in Betracht käme, bliebe die Möglichkeit eines solchen Unternehmens
immer abhängig von dem Vorhandensein phosphorfreier Kalksteine,
ohne deren Zuschlag eine Verhüttung des kalkarmen Erzes nicht
möglich sein würde. Hierfür bietet aber die nächste und selbst die
weitere Umgebung keinerlei Anhaltspunkte. Selbst unter der Vor¬
aussetzung der vollständigen Reinheit des Erzes, insbesondere der
Abwesenheit von Phosphor und Schwefel, würde es in Anbetracht
der heutigen ungünstigen Lage des Eisenmarktes unter so unfertigen
Verhältnissen ausgeschlossen erscheinen, einen solchen Betrieb
eröffnen und unterhalten zu können. Es müsste denn sein, dass das
Erz Nebenbestandtheile enthält, um derentwegen allein seine Ge¬
winnung lohnend sein würde.
Es ist bekannt, dass das Tapanhoacanga-Erz überall da gold¬
führend ist, wo das Nebengestein, oder richtiger die unterliegenden
archäischen Schichten Gold als zufälligen Gemengtheil enthalten.
Diese Eigenschaft ist bei den Thoneisensteinbreccien am Sannaga
zwar nicht mit Sicherheit nachgewiesen, jedoch hat eine Reihe von
104
Analysen zu dein Ergebniss geführt, dass die Gesteine der Ur-
formationen aus verschiedenen Gegenden der Kamerunkolonie Gold
in kleinen Mengen enthalten.*) Dies trifft auch zu bei den Gneisen
und Glimmerschiefern am Sannaga. Alle weiteren Untersuchungen
des Verfassers ergaben indessen, dass der Goldgehalt durchaus nicht
durchweg in jedem Urgesteine angetroffen wird, vielmehr nur
stellenweise auftritt, ohne dass sich hierfür eine bestimmte Regel
linden liesse. Durchgängig handelt es sich um Spuren, nur in
einem Falle ergab die Analyse eines Glimmerschiefers den ansehn¬
lichen Gehalt von 23 g auf die Tonne. Wollte man dieses Auftreten
von Gold zum Gegenstände einer besonderen und eingehenden
Untersuchung machen, so hätte diese ihr Hauptaugenmerk auf das
Vorhandensein von quarzitischen Ausscheidungen oder Quarzgängen
zu richten, in denen eine Anreicherung des im Nebengestein
accessorisch enthaltenen Goldes hätte vor sich gehen können. Der
Verfasser glaubte gerade diesem Umstande Aufmerksamkeit schenken
zu sollen. Jedoch ergaben sämmtltche Analysen**) von Quarzen,
sowohl vom Sannaga, als auch vom Nyong und Lokundje, dasselbe
negative Resultat, was auch bei der bereits beschriebenen Natur der
Quarzausscheidungen, dem Mangel jeglicher Gangbildung kaum
anders zu erwarten war. Befremdend musste es aber sein, dass
nicht einmal in den Thoneisensteinbreccien eine Spur Gold nach¬
gewiesen werden konnte. Es muss hierzu aber bemerkt werden,
dass die zur Untersuchung gekommenen Erzstücke nur von zwei
Stellen in der Nähe des Flusses entnommen waren, und dass eine
genauere Untersuchung des Lagers auf seine Goldführung hin nicht
stattgefunden hat. Eine solche nähere Erforschung des Thoneisen¬
steinlagers wird vermuthlich seine Goldführung an anderen Stellen
nachweisen.
Die Frage, ob überhaupt begründete Aussicht vorhanden ist,
ein bauwürdiges Goldvorkommen in unserer Kamerunkolonie zu
erschürfen, lässt sich zur Zeit weder im bejahenden noch im ver¬
neinenden Sinne beantworten. Soweit das bisher erforschte Gebiet
in Frage kommt, ist bei dem Fehlen jeglicher Gangbildungen, bei
*) Die im Hamburger Staats -Hüttenlaboratorium ausgeführten Analysen
Kameruner Gesteinsproben ergaben u. A.
im Glimmerschiefer einen Gehalt von 0,4 g in 100 kg
, 2,3 „ „ 100 „
in reinen Quarzstücken . 0,6 * „ 100 „
, » „ . 0,2 „ „ 100 ,
**) Sowohl im Laboratorium der chemisch -technischen Versuchsanstalt zu
Berlin, als auch im Königlichen Laboratorium zu Clausthal wurden zusammen
21 Analysen von Quarzen ausgeführt, von denen nicht eine einen Goldgehalt
ergab
105
der fast vollständigen Goldarmuth sämmtlicher untersuchten Quarz-
ausscheidungen diese lediglich auf das erwähnte Eisensteinlager
beschränkt.
Vielleicht würde ein weiteres Vordringen in das Innere von
Erfolg gekrönt sein: zu bedenken ist dabei aber stets, dass die
Rentabilität eines solchen Unternehmens desto fraglicher wird, je
mehr man sich von der Küste und von den schiffbaren Theilen der
Ströme entfernt.
Von anderen Gebieten käme in erster Linie das sogenannte
Aboland in Betracht, wo vor einigen Jahren, allerdings von nicht¬
fachmännischer Seite, thatsächliche Schürfungen vorgenommen worden
sind. Die entnommenen Proben, soweit sie dem Verfasser vorgelegt
sind, beschränken sich zwar ausschliesslich auf Belegstücke anstehen¬
der Gesteine oder lose umherliegender Blöcke und erlauben keinerlei
Schluss auf das Vorhandensein von Lagerstätten; ihre analytische
Untersuchung hat jedoch die Anwesenheit von Gold und Silber er¬
geben, aus denen zum mindesten eine andere Führung von accesso-
risch beigemengten Metallen folgt, als dies im südlichen Gebiete
der Fall ist. Ob eine fachmännische Untersuchung mehr Erfolg
haben wird, wird wesentlich davon abhängen, ob man nach Lage
der etwas anderen und vielseitigeren geologischen Verhältnisse
dieses Gebietes mehr Aussichten auf das Vorhandensein von Gang¬
bildungen erwarten darf als in den bisher untersuchten Gegenden.
In jedem Falle aber sind alle Annahmen und Schlüsse so lange rein
hypothetischer Natur, als Ergebnisse einer genauen fachmännischen
Untersuchung nicht vor liegen.
106
Bemerkungen zur Kartenskizze des Küstengebietes
von Kamerun.
Karte 1.
Die Darstellung des Küstenverlaufes der Kamerunmündung beruht auf den
aus den Jahren 1888 bis 1894 stammenden Aufnahmen der Kaiserlichen Marine,
welche demnächst zu einer Neuausgabe der Karte der Kamerunmündung
1:100 000 verarbeitet vom Reichs -Marine -Amt herausgegeben werden und die
auch die Grundlage der vorliegenden Kartenskizze bilden, nachdem seitens der
Nautischen Abtheilung der Redaktion der „Mittheilungen aus den deutschen
Schutzgebieten“ die Benutzung des vorhandenen Materials in dankenswerther
Weise gestattet worden war.
Ohne die einzelnen dieser Arbeiten anzuführen, sind davon in erster Linie
die Aufnahmen des Vermessungs- Detachements 1893 bis 1894 zu nennen, welche
durch reguläre Basismessung und Triangulation zugleich den früheren Ver¬
messungen eine lange entbehrte feste Unterlage schufen. An sie angeschlossen
sind die Manokabucht nach den Aufnahmen S. M. S. „Hyäne“ 1890, das Mungo¬
delta, aufgenommen durch S. M. S. „Habicht“ 1889 bis 1890, die Mündung des
Bimbiaflusses nach S. M. S. „Naehtigal“ 1891, Kriegsschiffhafen 1892 u. s. w.
Für den Sannaga von der Mündung bis zu den Ediäfällen bildete die
Aufnahme S. M. S. „Naehtigal“ 1888, Lieutenant zur See Sonntag, die
Grundlage, die sich von den Aufnahmen des Lieutenants zur See Vanselow
1886 insofern unterscheidet, als durch sie die Ediäfälle in 3° 53' nördl. Breite
und 10° 13' östl. Länge zu liegen kommen, während ihre Position bisher zu
3° 45' nördl. Breite und 9° 30 '.5 östl. Länge angenommen wurde. Die durch
diese Verschiebung um mehr als 15 km vergrösserte Stromlänge des Sannaga
entspricht auch den bei mehrmaligen Berg- und Thalfahrten gemachten Beob¬
achtungen des Herrn Bergassessors Knochenhauer.
Der nördlich des Sannaga bei Dibongo eingezeichnete Lungasisee ist eine
Entdeckung des Herrn Agenten Scholz zu Malimba, auf dessen Skizzenmaterial,
welches er Herrn Knochenhauer zur Verfügung stellte, auch die Darstellung
des Nyong, soweit er in die Karte fällt, beruht. Nach diesen Beobachtungen
hat der Nyong oberhalb der Kölner Wasserfälle eine fast nordsüdliche Richtung
und nähert sich damit dem Laufe des Sannaga in Uebereinstimmung mit der
Behauptung der Eingeborenen, dass die Entfernung von Mangane am Sannaga
nach dem Nyong nur wenig mehr als eine Tagereise betrage, während man für
den Marsch von Ediä nach der Faktorei Köln gut drei Tage braucht.
Der untere Lauf des Lokundje ist durch Bergassessor Knochenkauer
aufgenommen worden, der die Mündung um etwa drei Minuten nördlicher legt,
als es bisher auf den Karten der Fall war. Auch die Küstenlinie von Klein-
Batanga nach Kribi sowie die Kataraktgebiete des Nyong und Lokundje sind
von demselben Forscher neu aufgenommen worden.
i Iiora I
Skizze des Küstengebiets
KAMERUN
Nach den Vermessungen der Kaiser 1. R
den geologischen Beobachtungen und Aufnahmen
Bergassessor B. Knochenhauer 1893
Routenaufnahmen von Missionar
J. Autenrieth 1894
und der schwedischen Reisenden
P. Düsen 1891 — 92 und Y. Sjöstedt 1890
Mafsstab 1:500000
Kilometer.
Autenrieth 1894
Erklüi
.CUteller
107
Zum ersten Male gelangen auf dieser Skizze die Aufnahmen des Missionars
J. Autenrieth 1894 in dem Quellgebiete des Wuri zur Darstellung, wo die
gewaltigen Höhen des Manenguba und Nlonako — offenbar identisch mit dem
Ndobo Pindaberge Zintgraffs — das Tiefland von Kamerun abschliessen.
Das Quellgebiet derjenigen Flüsse, welche das Delta zwischen Akwa Yafc
und Meme bilden, ist das Resultat der Aufnahmen der schwedischen Forscher
P. Düsen und Y. Sjöstedt und direkt der Zeitschrift „Ymer“ entnommen.
Hinsichtlich der Grenzen der einzelnen geologischen Formationen, welche
auf den Beobachtungsergebnissen vom Bergassessor B. Knochen ha uer beruhen,
macht die Karte selbstverständlich keinen Anspruch auf absolute Genauigkeit;
mit weitergehender Forschung werden sich noch manche Aenderungen als notli-
wendig ergeben. Immerhin wird aber die Karte eine Orientirung über den
geologischen Aufbau des Landes ermöglichen.
108
Erklärung.
„Petermanns Mitteilungen“ 1894, S. 272, bringen eine
Anzeige der beiden obersten Sektionen der R. Kiepertschen
„Karte der Nyasa - Expedition“, in der nach. Aufzählung des
neuen darin enthaltenen Materials bemerkt wird: „Dagegen fehlt jede
Andeutung des von der verunglückten Expedition v. Zelewskis
gegen die Waheke verfolgten Weges; auch die Telegraphenlinie
von Bagamoyo bis Kilwa ist nicht eingetragen.“ Da es hiernach
den Anschein haben könnte, als sei irgend welches Quellenmaterial
unbenutzt geblieben, so wird hiermit ausdrücklich erklärt, dass
weder von der v. Zele wskischen Expedition irgend welche topo¬
graphischen Aufzeichnungen bei der Kolonial -Abtheilung des Aus¬
wärtigen Amtes eingegangen sind, noch von der erwähnten
Telegraphenlinie beim Kaiserlichen Reichspostamte oder der Kolonial-
Abtheilung bis jetzt eine Aufnahme existirt, welche bei der Karte
der Nyasa -Expedition hätte verwerthet werden können.
Schluss der .Redaktion am 8. März 1895.
Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdrackerei von E. S. Mittler & Sohn,
Berlin SW., Kochstrasse 68—70.
Ans dem Schutzgebiete Togo
Astronomische Ortsbestimmungen von Dr. Grüner in Togo (1894).
Berechnet von Dr. Fritz Cohn in Königsberg.
Das liier bearbeitete Material enthält im Wesentlichen die in
der ersten Hälfte des Jahres 1894 von Dr. Grüner in Togo,
speziell in der Umgegend von Misahöhe, angestellten Ortsbestim¬
mungen, die wie früher mit dem bekannten Universalinstrument von
Hildebrand in Preiberg angestellt worden sind; nur zweimal kam
ein Prismenkreis in Anwendung. Die Breitenbestimmungen, um die
es sich zunächst handelt, sind durch Beobachtung von Circum-
meri dianhöhen von Sternen erlangt — nur einmal wurden Sonnen¬
höhen gemessen — , und zwar galt es als Regel, einen Nord- und
einen Südstern sowie stets in beiden Kreislagen zu beobachten.
Die Anzahl der Einstellungen belief sich dabei in jeder Kreislage
auf zwei bis drei. Durch diese Anordnung der Beobachtungen sind
der Zenithpunkt und etwaige systematische Unterschiede zwischen
Nord- und Südsternen eliminirt. Um endlich eine genaue Zeit¬
bestimmung zu haben, wurden an jedem Beobachtungsabend zugleich
zwei Sternhöhen im Osten und Westen gemessen. Nur in zwei
Fällen, in denen eintretende Bewölkung die Erledigung dieses
normalen Beobachtungsprogramms verhinderte, beruhen die Breiten
auf unvollständigerem Material.
Zur Charakterisirung der erlangten Genauigkeit möge Folgendes
dienen:
Obwohl der Höhenkreis direkt nur halbe Bogenminuten abzu¬
lesen gestattet, sind die Ablesungen, die auf Zehntelminuten ge¬
geben sind, erheblich genauer. Da sämmtliche Einstellungen der
Kontrole halber stets einzeln reduzirt sind, lässt sich dies leicht
daraus erweisen, dass die Beobachtungen in derselben Kreislage
selten um mehr als VT, nie um mehr als 1/->’ voneinander abweichen.
In ähnlicherWeise difi'eriren die aus zwei gleichseitigen EinstePungen
Mittli. von Forschungsreisenden, VIII. Band. II. g
110
berechneten Zeitbestimmungen selten um mehr als ls. Aehnliches
beweist sowohl der Verlauf des für jeden Abend aus den Stern¬
beobachtungen (nur der Kontrole halber) ermittelten Zenithpunktes •
1893 Juli 4. 359° 59'.26 1894 März 15. 359° 58'. 95
Dez. 3.
Dez. 5.
1894 Febr, 20.
März 13.
März 14.
als auch die Differenz der
Abend erhaltenen Breiten:
59.0(5
59.21
59.41
58.91
59.18
März 17.
März 30.
Juni 5.
Sept. 20.
Sept.
aus Süd- und Nordsternen
58.83
59.20
58.74
59.16
59.05
am gleichen
S — N:
1893 Dez. 5.
+ 0'.39
1894 März 17.
+ 0'.15
1894 Febr. 20.
+ 0.23
März 30.
+ 0.55
März 13.
+ 0.40
Juni 5.
+ 0.12
März 14.
— 0.14
Sept. 20.
(+ 0.85)
März 15.
+ 0.11
Sept. 23.
— 0.08
Die letztere Uebersicht spricht ausser für die Güte der Beob¬
achtungen auch für einen geringen systematischen Unterschied
zwischen Nord- und Südsternen von 0'.2, der jedenfalls eine reelle
Ursache hat und daher in solchen Fällen, wo nur ein Stern beob¬
achtet ist, angebracht wurde. Aus diesen Differenzen berechnet
sich der mittlere Fehler einer Breite aus einem Stern zu + 0'.21.
[Bei Fortlassung des Sept. 20., an welchem der Nordstern in einem
Stundenwinkel von ‘/a Stunde bei etwas unsicherer Zeitbestimmung
beobachtet wurde, zu + O'.IG.] Sonach ist man wohl berechtigt,
die auf einer vollständigen Beobachtung beruhenden Breiten auf
mindestens 0'.2 genau zu erachten. Im Speziellen zeigen dies die
folgenden vier Beobachtungen der Breite von Misaliöhe:
1893 Juli 4. + 6° 56'.88
Dez. 3. 56.98
Dez. 5. 56.82
Febr. 20. 56.96
Mittel -f- 6° 56'.9l
Im Ganzen ist an sieben Orten je eine vollständige, an zwei
eine unvollständige ßreitenbestimmung gemacht worden; dazu
kommen noch eine Reihe von Zeit- und Breitenbestimmungen in
Misaliöhe (Station und Observatorium auf dem Hausberge) selbst.
Ferner sind einige Azimute beobachtet worden, die indessen wegen
nicht deutlich markirter Objekte weniger genau auslielen. Besonders
unsicher ist die Bestimmung des absoluten Azimuts am 19. Mai, da
die Beobachtung der Sonne in zu geringer Zenithdistanz, wo sich
das Azimut sehr rasch ändert, stattfand. Während daher die rela-
111
tiven Azimute der irdischen Objekte gegeneinander auf einige
Zehntel Bogenminuten genau sind, können die Fehler der absoluten
Azimute leicht einige Minuten betragen.
Endlich wurde noch der Versuch eines Längenanschlusses von
Misahöhe an Lome, dessen Länge zu 1° 17' östlich von Greenwich*)
angenommen ist, mittelst Zeitübertragung ausgeführt. Als Beobach¬
tungsuhr fungirte eine Glashütten Uhr, als V bezeichnet, die auf der
Station Misahöhe täglich mit dem fest aufgestellten Chronometer
Nieberg 621, auf der Reise mit einer zweiten Glashütten Uhr ver¬
glichen wurde. Das Verhalten des Chronometers zeigen die folgenden
Korrektionen:
Korrektion von Nieberg 621 Tägl. Gang
1893 Dezbr. 3. . . .
_ 2 ii 4 m
4742
Dezbr. 5. . . .
4
51.7
1894 Febr. 7. . . .
6
54.6
Febr. 23. . . .
7
31.4
März 1. . . .
t
42.4
März 12. . . .
8
0.4
April 14. . . .
8
35.7
Mai 19. . . .
9
6.0
Juni 5. . . .
— 2 11 9 111
2547
— U.8
1.93
— 2.30
— 1.84
— 1.64
— 1.04
— 0.89
— 1.07
Aus diesen recht gleichmässigen Gängen wurden die täglichen
Korrektionen des Chronometers und damit aus den Uhrvergleichungen
die täglichen Korrektionen der Beobachtungsuhr V abgeleitet. Ein
willkürlich herausgegriffenes Stück möge hier folgen:
Korrektion von V
1894 April 8.
. . . . + 16’“
58s.7
„ 9.
.... -j- IN
11.3
„ 10.
25.5
„ 11.
37.9
„ 12.
51.6
.. 13.
.... +18
5.2
„ 14.
19.6
„ 15.
31.8
„ 16.
43.4
,, 17.
52.5
„ 18.
.... +19
4.2
„ 19.
16.8
„ 20.
30.1
„ 21.
42.2
Gang von V
+ 1246
+ 14.2
+ 12.4
+ 13.7
+ 13.6
-4- 14.4
+ 12.2
+ 11.6
+ 9.1
+ 11.7
+ 12.6
+ 13.3
+ 12.1
Die Güte der Beobachtungsuhr dürfte hierdurch erwiesen sein.
) Nach den Seekarten ist vielleicht 1° 15'. 5 richtiger.
Die Ked.
8*
Da die Uebertragung von März 13. bis März 30. ausgeführt
wurde, und am 8. April durch die Rückkehr nach Misahöhe der
mittlere Uhrgang während der Reise genau ermittelt werden konnte,
darf man hiernach die ermittelten Längen bis auf einige Bogen¬
minuten genau erachten. Uebrigens sind inzwischen einige absolute
Längen von Misahöhe erhalten worden, welche indessen noch nicht
vorliegen.
Im Folgenden sind die Resultate kurz zusammengestellt:
X östl. v. Greenwich
Misahöhe (Station) . . . . -f- 0°
4P
+ 6'
556'. 9
„ (Observatorium)
+ 6
57.0*
Klönu (Platz nahe dem Südende) 0
45
+ 6
49.8
Batsha-koffi (Mitte des Weilers) 0
53
+ 6
41.0
Tove (Mitte des Südrandes) . . 0
57
+ 6
34.2
Glogui am Sio (Nordende) . . 1
7
+ 6
28.6
Tovd-Djibe (b. Palime, freier Platz)
+ 6
52.4
Kurnäpe (Nordende) .
+ 6
23.0
Tshegbo (Dorfplatz) .
+ 6
28.6
Kpandö (dicht bei der Audienzhalle
und Königswohnung) . .
+ 6
59.7
Kunya - Alienkuro (Platz bei der
Wohnung des Oberkönigs)
4“ 'i
7.0
Absolute Azimute (von N über
0
nach S)
(nur 1 Stern)
(nur auf 1' sicher)
Agu (höchste Spitze, X = 0° 50')
— Adäklu (höchste, rechte Ecke) 213° 0'.5
— Misahöhe (Station) .... 295 7.0
— Misahöhe (Observatorium) . 296 7.5
Misahöhe (Observatorium) — Gemikuppe (höchster Punkt) 250 33.0
— Moltkespitze „ „ 199 33.0
— Sandrokoffiberg (Mitte der
breiten Kuppe) .... 316 13.0
— Agu (höchste Spitze) . . . 116 2.0
*) Nach dem Ergebniss der topographischen Aufnahmen der Umgebung
von Misahöhe liegt das Observatorium auf dem Hausberg in 26°. 5 W. recht¬
weisend in 605 m Luftlinie von der Mitte des Hauptgebäudes der Station Misa
höhe entfernt. Hiernach wäre der Werth <p = 6°57'.0 auf 6° 57'. 2 zu ändern.
Die Red.
Aus dem Schutzgebiete Kamerun
Bericht des Dr. Preuss über das Gebiet des kleinen Kainerunberges.
1. Bodenbeschaffenheit.
Die Beschaffenheit des Bodens am Busse und an den Hängen
des kleinen Kamerunberges (Etinde) kann in Bezug auf seine Taug¬
lichkeit zum Plantagenbau mit geringen Einschränkungen als eine
gute, zum grossen Theil sogar als eine vorzügliche bezeichnet werden.
Das Land besteht aus den Zersetzungsprodukten vulkanischen Ge¬
steins in mehr oder weniger vorgeschrittenem Stadium, untermischt
mit Humus. Es ist überall mit der üppigsten Vegetation, Urwald
oder Buschwald, bedeckt, und diese Ueppigkeit deutet in erster
Linie auf die grosse Fruchtbarkeit des Bodens hin. Aus den den
ganzen Berg bedeckenden Urwäldern ist reichlich fruchtbare Erde
hinabgeschwemmt und in den Thälern abgelagert worden. Allerdings
ist der Boden überall steinig und mit losen Lava- und Basaltbrocken
oder auch grösseren Felsen durchsetzt und bedeckt, stellenweise so
sehr, dass an eine Bearbeitung nicht zu denken ist. Grosse Strecken
nichtsteinigen Bodens, welche etwa mit Egge und Pflug bearbeitet
werden könnten, habe ich nirgends gesehen. Jedoch eignen sich
die weniger steinigen Strecken, besonders an der See, vorzüglich
für Kakao und Pflanzen mit ähnlichen Wachsthumsbedingungen, die
mehr steinigen aber für Kaffee, worauf auch das zahlreiche Vor¬
kommen wilden Kaffees gerade an stark steinigen Stellen hindeutet.
Stellenweise, jedoch selten, findet sich eine eigentümliche vulka¬
nische Asche ohne jedes Bindemittel. Sie knirscht wie Kies unter
den Füssen und ist lose wie Triebsand, dennoch ist die Vegetation
auf solchem Boden nicht schlecht, jedoch leidet z. B. der Kaffee in
diesem sehr lockeren Boden durch Trockenheit. In Debundja findet
sich an einer Stelle, etwa 50 cm tief, eine Lage solcher Asche von
gutem Boden überdeckt. Hier bildet sie eine feste Schicht, welche
für Pflanzenwurzeln schwierig zu durchdringen sein dürfte. Solche
Vorkommnisse sind jedoch nur vereinzelt.
114
Als besonders fruchtbar ist zu nennen fast der ganze Ost- und
Ostsüdostbang des Etinde nach Victoria bin und hier wieder in
erster Linie das Gebiet von Mokunda und die zwischen Mokunda
einerseits und Bota, Ngemme, Bovindi, Boniamatanga und Mokun-
dange liegenden Länderstrecken und Vorberge. Die Eingeborenen
haben den Werth dieses Landes schon erkannt, und zwischen Victoria
und Bota, Ngeinme und Mokundange stösst, man überall auf Kakao¬
pflanzungen von geringerer oder grösserer Ausdehnung. In Mokun¬
dange besitzt ein Eingeborener eine Pflanzung von etwa 4000 Bäumen.
Als die beste und fruchtbarste von mir begangene Strecke ist zu
nennen das Gebiet von Udje und Batoki, welches wenig hügelig,
wenig steinig und sehr fruchtbar ist. Von hier nach Nordwesten
findet sich an der ganzen Küste in einer Erstreckung von etwa
5 km, also bis 1,5 km vor Bakingele, Haches, nur sehr sanft anstei¬
gendes Land, aus welchem sich der Etinde mit nach dieser Seite
hin besonders steilen Wänden ganz unvermittelt emporhebt, in einer
Entfernung von 3 bis 4 km von der Küste. Der Einblick in dieses
Gebiet, welches nur von Ebenholz Suchenden besucht wird, ist
durch den Mangel an Wegen sehr erschwert. Jedoch ist der Boden,
soviel ich davon habe sehen können, gut und die Vegetation un-
gemein üppig. Den eigenthümliclien topographischen Verhältnissen
entsprechend ist dieses Gebiet von einer grossen Anzahl von
Wasserläufen durchflossen und dürfte gelegentlich in der Regenzeit
theilweise überffuthet werden, jedoch deutet die starke, oft reissende
Strömung der Bäche bei jetzt in der Trockenzeit verlud tnissmässig
geringen Wassermengen auf eine immerhin genügende Steigung des
Geländes hin, um die Annahme einer Sumpfbildung im Allgemeinen
auszuschliessen, wie denn diese überhaupt bei dem ungemein durch¬
lässigen Boden des Kamerungebirges wenig Wahrscheinlichkeit für
sich hat. In einzelne der Bäche dringt allerdings das Seewasser zur
Zeit der Fluth ein, und so bildet sich an der Mündung etwas
sumpfiges Terrain.
Etwa 1 4/2 oder 2 km südöstlich von Bakingele beginnt das Ge¬
lände wieder bis an die Küste hin leicht hügelig zu werden, und
der Boden ist, wie überall, bald steinig, bald frei von Steinen und
mit Urwald und Buschwald bestanden. Nordwestlich von Mowanga
aber tritt der Urwald allmählich mehr vor dem Buschwald zurück,
in welchem sich allerdings verhältnissmässig viele hohe Bäume be¬
finden zwischen sehr dichtem Unterholz, und hier fällt sofort am
Strande, etwa 3 km südlich von Debundja, eine eigenthümliche Art
eines geschichteten, weichen, leicht zerbröckelnden, nesterweise
zahlreiche Blattversteinerungen führenden Gesteins von vulkanischem
Ursprung auf, welches in geringer Tiefe unter oder ganz an der
115
116
Erdoberfläche breite Platten bildet. Diese Formation des Bodens
bleibt bis Debnndja bestehen, und obgleich der Boden selbst ein
sehr fruchtbarer ist, hat hier die Bildung eines Urwaldes doch nicht
stattfinden können. Der Busch aber ist sehr dicht und der Tummel¬
platz zahlreicher Elefanten, Wildschweine u. s. w. Ein kleiner Theil
der Pflanzung in Debundjä, nahe der See, steht auf solchem Terrain,
und nur der grossen, das ganze Jahr hindurch andauernden Feuch¬
tigkeit ist es zu verdanken, dass hier die Kakaobäume immerhin
zum grossen Theile ganz gut gedeihen, obgleich die Krume des
allerdings sehr guten Bodens nur 30 bis 50 cm tief ist. ln geringer
Entfernung von der Küste hört in Debundjä die Bildung der Stein¬
platten auf, und der Boden wird tiefgründig.
2. Wasser Verhältnisse.
Die Vertheilung des Wassers im Gebiete des Etinde ist, weil
zu unregelmässig, keine günstige zu nennen. Besonders der Ost-
und Südosthang sind wasserarm. Bonyongo und Mapanya besitzen
zusammen nur eine Quelle, welche von Mapanya über eine Stunde
entfernt ist. Mit Mokunda und Boando steht es ebenso übel. Bota
besitzt nur eine Quelle dicht am Seeufer. Aebnlich ist es bei Ngemme,
wo die Quellen zur Zeit der Fluth von der See bedeckt werden,
was übrigens an der ganzen Küste zwischen Victoria und Mokundange
ein häufiges Vorkommen ist. An dem etwa 500 m langen Sandstrande
nordnordwestlich von Ngemme befindet sich eine grosse Anzahl
solcher Quellen, welche zur Ebbezeit in kleinen schnell im Sande
ausgewaschenen Betten in die See fliessen. Durch die Fluth werden
sie bedeckt. Dennoch liefern sie theilweise recht beträchtliche
Mengen eines ganz vorzüglichen Trinkwassers, dessen Temperatur
ich auf nur 21,8° G. feststellte. (26. Februar 1895, vormitt. 11 Uhr.)
Mokundange schöpft sein Wasser unter ganz ähnlichen, aber
etwas weniger günstigen Verhältnissen.
Nordwestlich aber vom Kap Limpoh bis nach Isongo hin sind
die Wasserverhältnisse meist ganz vorzügliche zu nennen. Zwischen
Mokundange und Udje ergiesst sich ein an der Mündung zur Ebbe¬
zeit etwa 4 m breiter Fluss in die See, welcher wenig Strömung
und nur einen sehr kurzen Lauf hat, so dass man ihn auf dem Wege
von Mokundange nach Udje über Mekoffi umgeht. Dieser Fluss hat
an seiner Mündung bei Fluthzeit eine Tiefe von mehr als 1 m und
dürfte dann als Hafen für Boote benutzt werden können. Das Dorf
Batoki wird durch einen Fluss in zwei Theile getheilt. Er führt
den Namen Kelle und entspringt, den Aussagen der Eingeborenen
gemäss, nahe Boando. Er versorgt die Dörfer Boniamatanga, Basse,
Etome mit W asser und erhält in seinem unteren Laufe einen grossen
117
Nebenfluss von der rechten Seite, der den Namen Nyeka führt und
vom Etinde herkommt. Zwischen ßatoki und Bakingele ergiessen
sich in einer Strecke von einer deutschen Meile nicht weniger als
zehn Flüsse bezw. Bäche oder kleinere Wässerchen in die See,
welche alle thcils vom Etinde, theils aus dem dachen Gelände
zwischen Etinde und der See ihren Ursprung nehmen. Für die
Richtigkeit der mir für die grösseren von ihnen angegebenen Namen
EwOle, Mbendje, Maiungu, Mekandje, Bokwole, Söke, Mbelle kann
ich nicht bürgen. Die beiden auf der Karte als Soke und Mbelle
bezeichneten Flüsse sind besonders reissend und führen sehr klares
Wasser. An ihren Mündungen haben sie grosse Mengen von Geröll
aufgehäuft, welche von der Kraft dieser Gewässer Zeugniss ablegen.
Zwischen Bakingele und Jsongo, 500 m von den letzten Häusern
von Bakingele entfernt, ergiesst sich noch ein Bach von 2 m Breite,
welcher ziemlich viel Wasser und lebhafte Strömung besitzt, in die
See. Ein in der Trockenzeit ganz kleines Wässerchen in einer
Schlucht im Urwald, etwa in der Mitte zwischen Isongo und Mowange,
ist das letzte bis zu dem Bache, der bei Debundja mündet und
welcher jetzt nur in seinem untersten Laufe Wasser führte. Einige
grosse Tümpel linden sich noch in dem Buschwalde zwischen
Mowanga und Debundja nahe der See.
Zum Maschinenbetrieb würden sich sämmtliche grösseren, vom
Etinde herkommenden Gewässer eignen, da sie starke Strömung
besitzen und sogar hier und dort Wasserfälle bilden. Auch der
Bach zwischen Bakingele und Isongo würde hierbei in Betracht zu
ziehen sein.
3. Meteorologisches.
Kaum dürfte es viele Gegenden der Welt geben, welche auf
so engem Raume so verschiedene meteorologische Verhältnisse zeigen
wie der Bezirk Victoria und besonders das Gebiet des kleinen
Kamerunberges. Indessen ist dieses natürlich, da es nur wenige
Orte in der Welt geben mag, wo ein mehrere Tausend Fuss hohes
Gebirge in nächster Nähe der See sich erhebt. Die das ganze Jahr
hindurch aus westlicher bezw. südwestlicher Richtung wehende, mit
Wasserdämpfen beladene Seebrise stösst gegen das sich in einer
Entfernung von 4 bis 5 km von der Küste fast ganz unvermittelt
aufthürmende Gebirge. Sie steigt daran in die Höhe, kühlt sich ab,
und es entstehen Wolken und Regen. Diese Verhältnisse treffen zu
für den ganzen Bezirk im Westen des Etinde von Debundja bis
Batoki hin, und dieser Bezirk hat daher das ganze Jahr hindurch
Regen. Es lässt sich wohl, entsprechend der Trocken- und Regen¬
zeit auf der Ostseite des Gebirges, eine regenärmere und eine regen-
118 —
reichere Zeit unterscheiden, indessen gehört selbst in der regen¬
ärmeren, sogenannten Trockenzeit eine Periode von sieben regenlosen
Tagen zu den grössten Seltenheiten. Pflanzen und säen kann man
hier das ganze Jahr hindurch.
Gerade südlich und südöstlich vom Etinde, in Batoki und Udjer
dort, wo die Seebrise nur auf die niederen Vorberge stösst, sind
die Regenmengen schon viel geringer, und noch geringer sind sie
an der Ostseite. In Victoria betrug im letzten Jahre die Regen¬
menge 4717 mm und sie wird im Mittel etwa 4500 mm betragen.
Dabei besitzt der ganze Osthang des Etinde eine deutlich geschie¬
dene Regen- und Trockenzeit. Die erstere fällt in die Monate Juni.,
Juli, August, September, wozu bisweilen ein Tlieil des Mai und
Oktober kommen. Trockenmonate sind Dezember und Januar. Im
Februar beginnt die Tornadozeit, wo kurze Regen- bezw. Gewitter¬
perioden mit längeren Perioden trockenen Wetters abwechseln.
Diese dauert bis Ende Mai. Am Ende der Regenzeit pflegen die
Tornados Ende Oktober zu beginnen und mit dem November zu
schliessen.
In Debundja, wo seit einigen Monaten Regenmessungen an¬
gestellt werden, beträgt die Regenmenge sicher 7000 mm oder mehr.
Dort kommt es vor, dass ein für europäische Verhältnisse berechneter
Regenmesser in l1/? Stunden bis zum üeb erlaufen vollregnet.*)
4. Landungsplätze.
Verfolgen wir die Küste von Victoria nach Nordwesten, so
treffen wir zunächst nahe bei Victoria, etwas vor der Mitte zwischen
Victoria und Bota, einen in jeder Jahreszeit sehr guten Landungs¬
platz, der zu den besten an dieser Küste zählt. Er heisst bei den
Küstenbewohnern Diwola'tin und wurde früher als Marktplatz benutzt.
Einige Quellen guten Trinkwassers treten dort zur Zeit niederen
Wassers zu Tage. Dieser Landungsplatz liesse sich mit geringer
Mühe noch durch Errichten eines Steinwalles (Bootpier), dessen
*) Seit Ende 1894 bestellt in Debundja dank der Bereitwilligkeit des
Herrn Stationsvorstehers F austmann eine meteorologische Station. Wir lassen,
um jene grossen Kontraste zahlenmässig zu belegen, die Regenmessergebnisse
der ersten drei Monate folgen und fügen zum Vergleich die am Gouvernements¬
gebäude in Kamerun zur gleichen Zeit gemessenen Regenmengen bei:
Debundja Gouvernementsgebäude Kamerun
Dezember 1894 . . 403.1 mm 36 7 mm
Januar 1895 . . . 353.2 „ 25.0 „
Februar „ ... 394.1 „ 126.4 .
Summe 1150.4 mm 188.1 mm
In Debundja fiel also mehr als die sechsfache Regenmenge von der in
Kamerun beobachteten. Die Red.
119
Untergrund bereits in einer in die See liinausgesckobenen Felspartie
gegeben ist, bedeutend verbessern. Etwa fünf Minuten weiter west¬
nordwestlich befindet sich ein zweiter, mehr offener, aber immerhin
noch leidlich guter Landungsplatz, und wieder fünf Minuten weiter,
am Südostende des langen sandigen Strandes vor dem Botaberge,
noch einer, der Wetända-tända heissen soll. Ein kleines Wässerchen
mit sehr kurzem Lauf, das aber nie versiegt, mündet hier in die See.
Es folgt weiter nordwestlich eine Landungsstelle bei dem Dorfe
Bota selbst, die bei Hochwasser wohl ganz gut zugänglich ist und
auch geschützt liegt, bei Ebbe aber durchaus unbrauchbar ist, da
dann die vorlagernden Felsen über die Wasserfläche hervorragen.
Besser ist der Landungsplatz nordwestlich von dem Dorfe
Ngemme. Die Ambasbai Trading Co. hat dort an dem felsigen
Ufer in einer Bucht eine leidliche Landungsstelle für Kanus und
Boote durch Hinwegräumen der Steine geschaffen. Weit besser
jedoch ist das Landen an dem langen Sandstrande zwischen Ngemme
und Bovindi zu bewerkstelligen, welcher Nyonge heisst, und wo auch,
wie früher erwähnt, so vorzügliches Trinkwasser sich befindet. Das
Kap Limpoh schützt die grosse Bucht zwischen Mokuudange und
Ngemme vor den aus Westen herandrängenden Wogen, ausserdem
bricht eine quer vor die Bucht gelagerte Klippenreihe die Gewalt
derselben. Ich möchte diese Landungsstelle als eine gute bezeichnen.
Mokundange selbst hat einen kleinen, aber ausgezeichneten Hafen,
von Felswänden eingeschlossen und gegen Tornados, Seebrise und
Wellen gleichmässig geschützt, mit einer Oeffnung nach Südsüdosten.
Von dem Kap Limpoh ab, wo die Küste immer mehr nach
Nordwesten biegt und von der das ganze Jahr hindurch aus west¬
licher bezw. westsüdwestlicher Richtung wehenden Seebrise fast im
rechten Winkel getroffen wird, ist leider Mangel an guten Landungs¬
plätzen. Zwar überwiegt der sandige Theil des Strandes den felsigen
an Ausdehnung, jedoch ist die Brandung stark, und wenn sie auch
nicht mit derjenigen an der Goldküste oder in Togo verglichen
werden kann, so wird das Landen und Y erschüfen von Waaren doch
immerhin sehr schwierig sein. In der Trockenzeit freilich ist die
Brandung in der Regel gering, und dann können die Landungsplätze
bei Udje, Batoki, Bakingele und Wete-Wete als ganz gut gelten,
in der Regenzeit sind sie aber nur als sehr mittelmässige zu be¬
zeichnen. Eine Ausnahme macht wieder Isongo, das einen das ganze
Jahr hindurch sehr guten Landungsplatz aufweist. Ein guter Lan¬
dungsplatz findet sich ferner bei Debundja.
Inwieweit die Flussmündungen bei Udje und zwischen Batoki
und Bakingele bei Fluthzeit als Häfen und Landungsplätze benutzt
werden können, müssen erst nähere Beobachtungen dartliun. Der
120
Fluss bei Udje und einer nahe bei Batoki scheinen mir für diesen
Zweck auszureichen, ebenso wie es die Mündung des Debundja-
liusses thut.
5. Bevölkerung und Arbeiterfrage.
In dem Bezirk Victoria haben sich die Eingeborenen in den
letzten Jahren mehr und mehr an das Arbeiten für den Europäer
gewöhnt, und es ist zu hoffen, dass z. B. die Bakwilis mit der Zeit
ganz gute Arbeiter abgeben werden. Für eventuelle Plantagen¬
unternehmungen wird dieses schwer ins Gewicht fällen und zu be¬
rücksichtigen sein, denn die fremden Arbeiter werden immer seltener
und tlieurer. Betrachten wir nun die Umgebung des kleinen
Kamerunberges, so linden wir an den Ost- und Südosthängen des¬
selben eine ganze Anzahl Dörfer, welche Arbeiter stellen können:
Bonyongo, Boana, Bongalla, Busumbu. Boniadikombo, Mapanya,
Mokunda, Boando, Bota, Ngemrne, Bovindi, Mokundange und Bonia-
matanga, also zwölf Bakwilidörfer und ein Isubudorf (Bota). An
den Südhängen des Etinde finden wir Udje, Mekoffi, Batoki, Basse,
Etome, also fünf meist kleine Dörfer, deren Bewohner schon theil-
weise mit Bambokos vermischt sind. Westlich vom Etinde linden
wir nur eine ausserordentlich dünne Bambokobevölkerung. Die
einzigen Dörfer, welche bei der Arbeiterfrage in Betracht kommen
können, sind Bakingele und Yonye. Die Plätze Isongo und Mowanga
haben nur je drei Hütten.
Bei dem grossen Widerwillen der Eingeborenen, sich weit von
ihren Heimathsplätzen hinweg als Arbeiter zu vermiethen, lässt sich
hieraus ersehen, dass die Arbeiterfrage im Südosten und Osten des
Etinde weit leichter zu lösen sein wird als an den Süd- und Westhängen.
Im Westen würde man so gut tvie ganz und im Süden zum aller-
grössten Theile auf fremde Arbeiter angewiesen sein, im Südosten
und Osten dagegen würde man mit den Eingeborenen als Arbeitern
immerhin als mit einem wichtigen Faktor rechnen können.
Aus dem deutsch -siid westafrikanischen
Schutzgebiete.
Meteorologische Beobachtungen aus Deutsch- Siidwestafrika.
Die bisher noch nicht veröffentlichten Beobachtungen aus
Otyiseva, Nordnordwest von Windhoek gelegen, stammen noch aus
jener Zeit, in der einige Missionare der Rheinischen Missionsgesell¬
schaft, angeregt durch den Verein für Erdkunde in Leipzig, einige
Jahre lang meteorologische Aufzeichnungen Vornahmen. Die Tein-
peraturwerthe dieser Station werden ebenso wie diejenigen der
Stationen Kubub, Angra Pequena und Olukonda nach allen
bisherigen Erfahrungen wesentlich zu hohe sein infolge der enormen
StrahlungseinHiisse auf die Thermometer. Den thatsächlichen Ver¬
hältnissen entsprechende Temperaturwerthe aus Südwestafrika werden
erst zur Verfügung stehen, wenn die ersten Resultate der von
Herrn Dr. Dove eingerichteten und mit Aspirationsthermometern
ausgerüsteten neuen meteorologischen Stationen vorliegen werden.
Immerhin schien es aber doch angezeigt, die an diesen älteren
Stationen erlangten Resultate der Oeffentlichkeit nicht vorzu¬
enthalten, zumal sie auch andere wissenschaftlich werthvolle An¬
gaben über Wind, Bewölkung und Regenmenge enthalten. Die
Instrumente für die Stationen Kubub, Angra Pequena, Olukonda
sowie für Bethanien sind seiner Zeit von der Direktion des König¬
lich preussischen meteorologischen Instituts zur Verfügung gestellt
worden.
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10
—
2
1
1
1
7
1
O
26
9 p
2
—
1
1
5
4
2
—
9
24
Summe
13
1
3
o
11
6
9
2
28
76
Dezember . . 7 a
2
1
i
5
4
_
_
_
7
20
2p
5
3
4
3
1
1
5
i
—
23
9 p
2
1
1
2
4
—
4
i
5
20
Summe
9
5
6
10
9
1
9
2
12
63
J alir . 7 a
7
3
2
32
120
33
4
i
142
344
2 p
89
65
33
20
10
13
67
27
21
345
9 p
11
8
12
20
72
56
23 ,
2
121
325
Summe
107
76
47
72
202
102
94
30
i
284
1014
Kabul».
>. = ca. 16° 10' östl. Gr. cp — ca. 26° 42'. h = ca. 1530 m.
Beobachter: E. Hermann.
1892/93
T e m p e r a t u r
7 a 2 p 9 p Mitt.
B e w ö 1 k u
7 a 2 p 9 p
Mitt.
Regen-
m enge
in Max-
i 111
mm | 24 St.
Zahl der Ta
Regen
jm ! mit mehr als
A1Jtr 0.2 | 1.0 i 25.0
ö’ | mm mm | mm
ge
CS
1
o
O
nit
S *2
ü
^ 2
©
Hagel
August. . . .
O O
4.9 15.9
°
7.3
O
8.8
1.7
0.8 ! 0.8
1.1
3.1
2.0
2
2
1
2 0
l
0
0
September . .
7.6 19.2
7.7
10.5
1.4
1.0 1.0
1.1
9.9
9.5
2
2
1 0
0
0
0
Oktober . . .
14.3 28.9
11.2
15.2
2.4
2.7 1 2.1
2.4
0.7
0.3
4
2
0 0
0
3
1
November . .
18.0 28.0
14.2
18.6
0.8
1.3 ! 0.4
0.8
0.0
0.0
1
0
0 0
0
2
0
Dezember . .
17.1 27.1
14.3
18.2
1.6
2.9 1.6
2.0
5.9
2.7
3
2
2 0
0
4
0
Januar ....
21.5 27.5
17.3
20.9
2.7
2 5 2.6
2.6
39.2
22.3
4
3
2 0
o
O
7
0
Februar . . .
20.4 26.9
17.3
20.5
2.0
3.8 3.7
3.2
40.6
19.7
6
5
4 0
8
5
0
März .
18.1 24.5
16.4
18.9
3.3
5.6 4.0
4.3
54.5
14.3
23
16
10 0
24
0
1
April .
11.5 22.0
12.8
14.8
2.0
1.6 1.5
1.7
15.0
9.2
5
5
3 0
2
0
0
Mai .
7.2 18.2
8.8
10.7
1.6
1.6 1.5
1.6
22.1
20.5
3
2
2 0
1
0
0
Juni .
5.2 14.9
6.3
8.2
1.7
1.7 2.2
1.9
29.6
17.7
6
1 ^
5 0
2
0
0
Juli .
4.3: 16.3
6.5
8.4
2.0
1.4 0.7
1.4
0.0
0.0
0
0
0! 0
0
0
0
August. . . .
3.6 16.5
5.7
7.9
1.9
1.4 1.8
1.7
7.3
7.0
2
2
1 0
1
0
0
September . .
7.1 18.7
8.0
10.4
1.6
1.1 1.7
1.5
0.4
0.4
1
1
0 0
1
0
0
Jahr
12.4 22.0
116
14.4
1.9
2.8 2.0
2.1
215.8
22.3
58
41
29 0
47
21
2
Bethanien.
A = ca. 10° 52' östl. Gr. cp = ca. 26° 30' südl. Br. h = ca. 1020 m.
Beobachter: F. Heinrichs.
1892/93
Regenmenge
\n Max. in
mm 24 stdu.
im
Allg.
Zahl der Tage r
Regen
mit mehr als
0.2 mm i 1.0 mm I 25. 0mm
nit
Ge-
wittern
nur
Wetter¬
leuchten
Juli .
0.7 0.7
1
1
0 0
0
0
August .
0.0 0.0
0
0
0 0
0
0
September .
— —
—
—
— —
—
—
Oktober (vom 12. ab) . . . .
(14.0) | (10.5)
(3)
(2)
(2) 0
(1)
(4)
November .
0 0 0.0
1
0
0 0
0
4
Dezember .
0.0 0.0
0
0
0 0
0
1
Januar .
76.8 54.0
5
4
4 1
2
4
Februar .
61.8 27.2
10
9
8 2
8
5
März .
63.6 17.3
14
11
9 0
15
o
O
April .
0.0 0.0
2
0
0 0
1
0
Mai .
0.0 0.0
2
0
0 0
1
0
Juni .
23.7 19.5
2
2
2 0
2
0
Juli .
— ! —
—
—
- i -
—
—
August .
13.2 13.2
1
1
1 0
i
0
125
Häufigkeit (1er Windrichtungen in Kubub.
1892/93
N
NE E
SE
S
SW
W
|
NW
Wind¬
stille
Summe
Oktober . . 7 a
6
11
3
1
2
1
_
4
28
2 p
1
1
—
1
2
4
6
11
—
26
9 p
2
O
1
2
10
2
3
4
2
29
Summe
9
15
4
4
14
7
9
19
2
83
November . 7 a
—
9
4
1
3
—
1
3
1
22
2 p
2
2
1
1
1
9
5
4
—
25
9 p
1
1
1
4
13
3
—
1
—
24
Summe
3
12
6
6
17
12
6
8
1
71
Dezember. 7 a
3
16
2
4
1
1
2
—
1
30
2 p
1
3
—
o
c>
5
4
7
6
—
29
9 p
—
1
—
4
21
—
3
—
1
30
Summe
4
20
2
11
27
5
12
6
2
89
Januar . . 7 a
—
11
4
8
1
—
__
2
2
28
2 p
—
—
1
5
11
11
3
—
—
31
9p
—
—
1
3
25
1
1
—
—
31
Summe
—
11
6
16
37
12
4
2
2
90
Februar . . 7 a.
2
11
3
3
_
—
—
1
3
23
2 p
—
1
—
i
7
6
2
5
—
22
9 p
1
—
4
3
8
l
3
—
8
28
Summe
3
12
7
7
15
7
5
6
11
78
März . . . 7 a
3
13
3
—
_
—
_
—
3
22
2p
3
4
4
2
2
2
2
—
8
22
9 p
2
3
2
2
4
1
—
—
8
22
Summe
8
20
9
4
6
3
2
—
14
66
April ... 7a
10
6
—
2
1
2
1
2
6
30
2 p
4
2
—
—
2
3
11
7
—
29
9p
6
1
1
—
7
1
3
3
8
30
Summe
20
9 '
1
2
10
6
15
12
14
89
Mai . . . 7 a
4
6
—
1
1
—
3
5
8
28
2p
3
6
—
1
1
—
10
5
2
28
9 p
4
6
1
—
2
—
1
6
11
31
Summe
11
18
1
2
4
—
14
16
21
87
Juni ... 7a
10
4
—
1
_
—
5
5
3
28
2 p
0
1
_
1
1
1
6
8
1
24
9 p
8
1
3
—
4
—
2
4
7
29
Summe
23
6
3
2
5
1
13
17
11
81
Juli ....7a
12
1
1
1
1
—
_
3
9
28
2 p
4
O
—
1
1
—
8
5
—
22
9p
4
5
1
—
1
—
4
3
13
31
Summe
20
9
2
2
3
—
12
11
22
81
August . . 7 a
7
8
1
—
2
—
2
3
6
29
2p
1
6
1
o
O
2
2
5
7
1
28
9 p
4
6
o
1
3
1
3
5
6
31
Summe
12
20
4
4
7
3
10
15
13
88
September . 7 a
8
4
4
—
2
—
3
7
28
2p
1
4
—
2
5
Q
O
6
7
—
28
9 p
—
3
1
—
5
o
O
3
2
13
30
Summe
9
11
1
6
10
8
9
12
20
86
J ahr ...7a
65
100
21
26
12
6
14
31
49
324
2 p
25
33
7
21
40
45
71
65
7
314
9p
32
30
18
19
103
13
26
28
77
346
Summe
122
163
46
66
155
64
111
124
133
984
Mitth. von Forschungsreisenden, VII[. Bnnd. II.
126
Missioiistation Olukonda, Amboland, Deutsch - Südwestafrika.
1 = ca. 16° 18' östl. Gr. y = ca. 17° 57' südl. Br. h = ca. 1400 in.
Beobachter: Aug. Pettinen.
1891/92
Temperatur
7a 1 2p 9p Mitt.
Bewölkung
7 a 2p 9p [Mitt.
Regenmenge n i n
iil | 2 p 9 p | Summe
mm
Max.
in
24 St.
O
O
O
O
Oktober . . .
45.0
20.7
November .
134.7
39.6
Dezember . .
32.6
17.5
J anuar . . .
78.8
214
Februar . . .
—
78.5
27.8
März ....
20.1
30.1
22.0
23.5
6.1
6.0
5.9
6.0
59.9
33.0
12.4
105.3
32.2
April ....
18.3, 29.5
21.2
22.5
4.4
4.9
4.3
4.5
190.2
6.8
16.2
213.2
92.9
Mai ....
11.9
29.8
17.6
19.2
1.2
1.3
0.9
1.1
0.0
00
0.0
0.0
0.0
Juni ....
8.1
29.5
14.6
16.7
0.4
0.2
0.4
0.3
0.0
0.0
00
0.0
0.0
Juli ....
7.1
28.9
142
16.1
0.4
0.1
0.3
0.3
0.0
0.0
00
0.0
0.0
August . . .
10.7
34.3
18.2
20.4
0.2
01
0.0
0.1
0.0
0.0
0.0
0.0
0.0
September .
15.2
35.7
23.7
24.6
1.8
2.1
2.3
2.1
0.6
0.0
0.0
0.6
0.6
Oktober . . .
19.8 35.1
23.6
25.5
5.5
4.4
5.0
5.0
42.8
0.5
10.3
53.6
27.7
Jahr
(Oktober 1891 bis
September 1892)
—
—
—
—
—
—
—
—
- -
—
688.7
92.9
1891/92
im
Allg.
Zahl der Tage
Regen
mit mehr als
0.2 m in | 1 .0 mm ' 25.0mm
Ge- 3
wittern ^
nur
Wetterl.
heiter
trübe
Sturm
1
Nebel
Oktober1) ....
6
6
4
0
6
5
November ....
16
15
14
2
14
6
—
—
—
—
Dezember ....
4
4
4
0
3
8
—
—
—
—
Januar .
12
11
11
0
6
9
—
_
_
—
Februar ....
9
7
6
1
5
11
—
—
—
—
März .
15
15
12
1
12
12
1
6
1
1
April .
11
9
8
3
9
11
4
1
1
0
Mai .
0
0
0
0
0
2
23
0
1
1
Juni .
0
0
0
0
0
0
28
0
0
0
Juli2) .
0
0
0
0
0
0
29
0
2
0
August3) ....
0
0
0
0
0
0
31
0
1
0
September4) . . .
1
1
0
0
0
2
19
1
1
0
Oktober ....
12
11
6
1
12
11
4
1
1
0
Jahr
74
68
59
7
55
66
—
—
—
—
!) Am 5. Oktober der erste Regenfall der Regenzeit 1891/92.
2) 1 Nachtfrost am 18.,
6 mal vormittags zwischen 7 — 11a stürmischer NE— E.
3) 2 „ * „ , NE-E.
4) 1 „ . » »ne.
Erstes Wetterleuchten am 24. September, erster Regen am 23.
127
Häufigkeit der Windrichtungen in Olukonda, Amboland.
1892
N
NE
E
SE
|
S
SW
W
I
NW
Still
Summe
März ....7a
1
2
9
11
2
1
2
2
1
31
2p
4
5
9
4
2
3
3
1
—
31
9 p
1
2
8
6
2
—
—
_
12
31
Summe
6
9
26
21
6
4
5
3
13
93
A pril ...7a
1
4
12
11
—
—
—
1
1
30
2p
3
5
12
4
3
1
—
2
—
30
9p
_
11
8
—
—
—
11
30
Summe
4
9
35
23
3
1
3
12
90
Mai ....7a
—
3
ii
11
5
—
—
- -
1
31
2 p
2
•5
10
7
2
1
1
O
—
31
9 p
—
—
10
5
—
1
—
—
15
31
Summe
2
8
31
23
7
2
1
3
16
93
Juni . . . . 7 a
—
—
20
9
-
—
—
1
30
2 p
1
3
14
9
1
1
1
—
30
9p
—
1
13
1
—
1
—
—
14
30
Summe
1
4
47
19
1
1
1
1
15
90
J uli ....7a
—
2
17
8
2
—
—
_
2
31
2p
2
4
13
8
3
1
—
—
—
31
9p
—
1
12
3
3
—
1
—
11
31
Summe
2
7
42
19
8
1
1
—
13
93
August ...7a
1
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Beobachter: Hafenmeister Morlienne.
129
Häufigkeit der Windrichtungen in Angra l’equena.
(Juli 1893 fehlt.)
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Februar ...7a
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23
1
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1
90
Ans dem deutsch-ostafrikanischen Schutzgebiete
Ein neuer Kaffeeschädling aus Afrika.
Von Dr. 0. Warburg.
Neuerdings liat sich an mehreren Stellen Deutsch-Ostafrikas ein
Kaffeeschädling gezeigt, der zwar, wie seine Lebensweise und Ver¬
suche ergeben, wohl unschwer zu vertilgen sein wird, der aber doch
schon bei seinem ersten Auftreten mit Umsicht bekämpft werden
muss, will man verhüten, dass er weiter um sich greift und be¬
trächtlichen Schaden anrichtet.
Zuerst hat sich dieser Schädling im Oktober 1893 in der kleinen
Kaffeepflanzung der Missionsstation von Morogoro gezeigt und hat
dort, da man nicht rechtzeitig Gegenmaassregeln unternahm, einen
nicht unbeträchtlichen Schaden angerichtet. Es ist zu bedauern,
dass die Missionare nicht gleich der Ursache auf den Grund ge¬
gangen sind, sie hätten dann vermuthlich den grösseren Theil der
jetzt eingegangenen Bäume retten können. Erst im Juni 1894 ist
Dr. Stuhlmann bei seinem Aufenthalte in Morogoro die Thatsache
bekannt geworden, und er hat dann sofort zusammen mit dem Frere
Maturin Beobachtungen in Bezug auf die Ursache der Krankheit
angestellt und das Material nebst einem werthvollen Bericht darüber
der Regierung eingesandt. Es zeigte sich, dass die Kaffeebäume
der Länge nach im Holze durchbohrt waren und dass Käferlarven
die Ursache dieser Krankheit bildeten.
Welchem Käfer die Larve angehört, liess sich damals nicht
konstatiren, da zwar die Larven zu einem Bockkäfer zu gehören
schienen, man auch einen solchen neben einer Menge dem Maikäfer
verwandter Lamellicornier an den Wurzeln fand, aber die Sicherheit
der Zusammengehörigkeit von Larve und Käfer fehlte. Jetzt hat
man durch Zucht nicht nur den Käfer, sondern auch die Puppe
sicher konstatirt, und so sind wir in den Stand gesetzt, auf der
beigefügten Tafel die vollständige Entwickelungsgeschichte bis auf
Tofoi i. *
131
das Ei darstellen zu können. Nach der Bestimmung von Herrn
Kolbe vom Königlichen zoologischen Museum in Berlin heisst der
Käfer Herpetoppygas fasciatus Fahr (Herpetopliygas bedeutet
kriechend und flüchtig [fliehend], also entweder schnell kriechend,
oder durch Kriechen sich zu retten suchend; fasciatus heisst ge¬
bändert, wegen der bandartigen Zeichnung der Flügeldecken). Bisher
ist nur diese eine Art der Gattung bekannt, und zwar kennt man
sie nur von Kaffraria, südlich von Natal, also aus einem Lande, wo
es keine Kaffeekultur mehr giebt. Dies ist von Wichtigkeit, denn
daraus geht hervor, dass es kein zufällig oder etwa mit dem Saat¬
kaffee oder Kaffeepflänzchen eingeführter Schädling ist, sondern ein
Thier, welches sich wild in Afrika findet, so dass jede Plantage
gewärtigen kann, früher oder später Bekanntschaft mit diesem
Schädling zu machen.
In der Tliat wird dies auch durch die Praxis bestätigt. Denn
neuerdings soll sich das Thier (ob es freilich wirklich dasselbe ist,
bleibt noch zu konstatiren) auch auf einer Plantage in Handei ge¬
zeigt haben, und ebenso findet sich ein, nach der mir vorliegenden
Larve und der Durchbohrung der Kaffeebäume zu urth eilen, absolut
identischer Schädling in einer Kaffeeplantage Kameruns, welcher er
nicht unerheblichen Schaden zufügte. Ferner erzählte Pere Macher
in Meonda schon 1888 Dr. Stuhlmann, dass die dortige Kaffee¬
kultur durch dasselbe Insekt zu Grunde ginge. Dass auch auf
Sansibar die Kaffeekultur wesentlich durch ein Insekt beeinträchtigt
wurde, erwähnt schon Dr. Kirk 1877; er schreibt über eine wahr¬
scheinlich einem Bockkäfer zugehörige Larve, welche die Stämme
der Kaffeepflanzen von oben bis hinunter zu den Wurzeln durch¬
bohrt: „It does great damage and clears a garden of trees in a few
months“, und dasselbe wird durch einen Araber bestätigt, welcher
Dr. Stuhlmann mittheilte: „Früher hätten sie in Sansibar viel
Kaffeepflanzen zu bauen versucht, aber nach drei bis vier Jahren
seien die Bäume stets ausgegangen, weil ein Thier das Holz
auffrässe.“
ln keinem anderen Kontinent ausser Afrika hat sich bisher
dieser Schädling gezeigt, dagegen wird er in Indien durchaus er¬
setzt durch die Larve eines anderen im Kaffeeholz bohrenden Käfers,
Xylotrechus quadripes Chevr. (= X. coffeophagus Rieht.), des sogen,
„white borer“, über den der Verfasser im „Deutschen Kolonialblatt“
1894 (in einem Aufsatz „Ueber die wichtigsten Krankheiten des
Kaffeebaumes und die Mittel dagegen“, S. 438) einige Angaben ge¬
macht hat, ein Thier, das zeitweilig so drohend auftrat, dass man
die ernstlichsten Befürchtungen hegte; doch ging auch diese Gefahr
wieder vorüber. Ueberhaupt mag hierzu bemerkt werden, dass die
132
tropischen Bäume (ich erinnere nur an die Kokospalme) viel mehr
unter den Angriffen im Holze bohrender Käfer leiden, als die Bäume
unserer Zone.
Wenngleich wohl die Abbildungen schon für die Charakterisirung
des Käfers genügen dürften, so möge hier doch eine kurze Be¬
schreibung der verschiedenen mir bekannten Entwickelungszustände
des Insektes folgen.
Her ausgewachsene Käfer ist fast 272 cm lang, das heisst das
Kopfschild ist oben 3 mm, das Brustschild 4 mm, die Flügeldecken
16 mm lang; letztere sind vorne zusammen 8 mm breit, das 4 mm
breite Brustschild endet seitlich beiderseits in einen 1 mm langen
Horn; die Färbung ist dunkelbraun mit sehr schwacher röthlich
gelber Behaarung, nur die Flügeldecken sind bis auf den vorderen
3 mm breiten Rand und jederseits einen seitlichen unregelmässigen
ungefähr 6 mm vor dem Ende der Flügeldecken befindlichen 4 mm
breiten Fleck dicht anliegend gelblichweiss behaart; ebenso ist das
Bauchschild unterseits bis auf einen dreieckigen Fleck in der Mitte
weisslich behaart. Hie Fühler sind ungefähr 4 cm lang, das unterste
3 mm lange Glied ist braun und dicker als die anderen, an dem
etwas angeschwollenen oberen Ende etwa 1 mm dick, das zweite
Glied ist sehr klein, beinahe kugelig, dann folgt das längste 5 mm
lange, 2/s mm breite, bis auf die Spitze anliegend gelblich behaarte
Glied, welchem sich noch neun andere gleich gefärbte, allmählich
immer kleiner und dünner werdende Glieder anschliessen. I)ie
Oberschenkel sind relativ wenig behaart, glänzend schwarzbraun,
schwach verdickt, die Unterschenkel sind an dem sich allmählich
verbreiternden unteren Ende dicht behaart, weniger die Tarsen.
Hie bis auf den dunkleren Kopf und die Zeichnung der Seg¬
mente hellgelblichen Larven zeichnen sich aus durch den gänzlichen
Mangel an Beinen und das stark verdickte Brustschild, die mini¬
malen, kaum mit einer starken Lupe sichtbaren Augen und die
mächtigen Kiefer. Hie Seiten der 12 Segmente sind mit einzelnen
abstehenden Haaren besetzt, das Brustschild ist dichter behaart,
vorne und an den Seiten abstehend, auf dem breiten, matten, ein¬
gedrückt punktirten Schilde, das die hintere Hälfte des Rückens der
Oberseite des Brustschildes einnimmt, findet sich am Hinterrande eine
ganz schwache, gelblich schimmernde minutiöse gelbliche Behaarung.
Hie Rücken der einzelnen Segmentschilde sind mit Zeichnungen
versehen, die aus sehr kleinen erhabenen Punkten bestehen; bis auf
die beiden ersten und die beiden letzten Segmente findet sich jeder¬
seits seitlich eine sehr deutlich sichtbare, dunkler gefärbte, elliptische
Tracheenöffnung, desgleichen eine etwas tiefer liegende beiderseits
seitlich an dem Brustschilde; stets unterhalb dieser Oeffnungen
133
finden wir immer eine kleine schief gestellte, durch eine Furche
umgrenzte minimale Erhöhung, vielleicht der letzte Rest des Fuss-
stummels; den beiden ersten und letzten Gliedern sowie dem Brust¬
schilde fehlen sie. Die ausgewachsenen Larven sind 36 mm lang
und 7, am Brustschild über 8 mm breit,*) die jungen Larven des
ersten Zerstörungsstadiums sind 2 cm lang und 3 mm breit. Die
Puppe ist dem vollkommenen Insekt ausserordentlich ähnlich, aber
bis auf die dunkleren Augen völlig hellgelblich ohne Zeichnung, die
Fühler sind spiralig eingerollt, die Flügel und Flügeldecken nur
als IV2 cm lange Stummel entwickelt. Die Details der Füsse und
Fresswerkzeuge sind noch nicht so fein ausgebildet. Die mir vor¬
liegende Puppe ist 28 mm lang, also eher grösser als das voll¬
kommene Insekt.
Wir wenden uns jetzt der Lebensweise unseres Schädlings zu,
so weit sie durch die Beobachtungen Stuhl man ns sowie durch
sorgfältige Prüfung des reichlichen eingesandten Materials sich
konstatiren lässt.
Der Käfer legt seine Eier vermuthlich irgend wo am Stamme
in eine Rindenspalte, die junge Larve frisst sich sogleich durch die
Rinde hindurch in den Stamm hinein und bohrt sich langsam in
dem Holze von oben nach unten hinunter, zuweilen ganz in der
Mitte des wenige Centimeter dicken Stämmchens, zuweilen, und so
wohl bei älteren Stämmen immer, ziemlich nahe der Rinde. Von
Zeit zu Zeit, im Durchschnitt meist vielleicht alle Centimeter,
macht sie eine 2 bis 4 mm weite runde Oeffnung nach aussen, wie
Stuhlmann meint, um den Mulm herauszubefördern, den man in
kleinen Packeten, wie Holzraschel aussehend, am Stamme sehen
könne; ob aber nicht vielleicht das Bedürfniss, die saftigere Rinde
zu fressen (vielleicht nachts), der Hauptgrund sein mag, bleibt zu
untersuchen; nur relativ wenige der kleinen Löcher zeigen nämlich
Mulm, und die grösser gewordene Larve lebt, wie wir gleich sehen
werden, hauptsächlich von der Rinde. Diese Reihenlöcher fanden
sich an den eingesandten Proben nur an relativ dünnen, 3 bis 4 cm
dicken Stämmchen oder Aesten derselben, und zwar häufig begleitet
von kanalartigen, meist mehrere Centimeter langen Aushöhlungen,
das heisst tiefen und breiten, bis auf den Holzgang offenliegenden
Spalten, die sich direkt neben den Löchern befinden und offenbar
späteren Ursprungs sind als die rundlichen Löcher, da, wenn so
breite Kanäle schon offen liegen, die Bohrung der Löcher daneben
gar keinen Sinn mehr haben würde. Es ist demnach wahrscheinlich,
*) Die aus Kamerun eingeschickte Larve hat mehr gestreckte und schma¬
lere Glieder.
134
dass die jungen Larven sich zwar in der angegebenen Weise nach
unten bohren, dazwischen aber sich doch noch wieder nach oben
zurückziehen und ihre Gänge hier und da nach aussen zu Kanälen
erweitern. Die Gänge werden innen zuweilen von dem Käfer mit
einer harten, wohl aus zusammengeklebtem Holzmehl hergestellten
Kruste überzogen. Es ist diese Art der Bohrung mit Reihenlöchern,
die wir als das erste Zerstörungsstadium bezeichnen wollen, etwas
bei Bockkäferlarven sehr Ungewöhnliches, erleichtert aber, wie wir
sehen werden, die Bekämpfung des Schädlings ungemein.
Leider wird die Lebensweise an den dickeren unteren Theilen
der jungen Stämme, und namentlich am Grunde des Stammes unter
der Erde, eine andere. Die Larve beschränkt sich hier nicht mehr
darauf, einen longitudinalen Gang zu machen mit vertikal gestellten
Löchern oder höchstens Kanälen, sondern sie legt ihr Hauptarbeits¬
feld auf die Rinde und die äussersten Schichten des Holzes; sie
frisst vor Allem rings um den Stamm herum in unregelmässiger
Weise die zarte Cambiumscliicht fort, das heisst die Zellenlage, von
der aus sich Holz und Rinde vermehren; und dies hat selbstver¬
ständlich in Kurzem den Tod des Baumes zur Folge. Theilweise
bewegt sich die Larve hierbei in Gängen, die noch von Borke be¬
deckt sind (zweites Zerstörungsstadium), theilweise, namentlich an
den unterirdischen Theilen und den obersten Wurzeln, auch ganz
frei, indem die ganze Rinde fortgefressen wird (drittes Zerstörungs¬
stadium). Die bedeckten breiten Rindengänge sind theilweise noch
mit Mulm ausgefüllt, man kann sie durch Druck mit dem Finger
leicht verfolgen, da die Rinde an solchen Gängen dem Fingerdruck
nachgiebt, während sie sonst natürlich massiv ist. Das Holz ist in
diesen Gängen oft flach muldenförmig ausgenagt, andererseits gehen
aber von hier aus auch wieder Gänge ins wirkliche Holz hinein,
die dann oft einen halben Fuss weit das Holz der Länge nach
durchziehen. Da diese 3 bis 5 mm breiten Holzgänge meist in die
bedeckten Rindengänge münden, so lassen sich ihre Oeffnungen
nicht ohne Weiteres linden, sondern gewöhnlich erst nach Abkratzen
der Rinde, welche die Rindengänge bedeckt. Auch gehen diese
Holzgänge durchaus nicht immer von oben nach unten, sondern
steigen zuweilen von unten nach oben an. Vermuthlich dienen die
Holzgänge den Larven wesentlich auch als Schlupfwinkel, aus denen
sie dann (wohl nachts) in die Rindengänge, hier und da auch,
namentlich an den unterirdischen Theilen, ins Freie hinaustreten.
Schliesslich linden sich dann noch, meist aber unter der Erde,
einige ganz grosse kreisrunde Löcher von ungefähr 1 cm im Durch¬
messer in dem von der Rinde entblössten Holze; sie führen in etwa
2 cm breite, meist kurze, das heisst nur G bis 10 cm lange senkrechte
Holzkammern, die den Aufenthaltsort der erwachsenen Larven sowie
auch wohl der Puppen darstellen. Stuhlmann fand hier die Larven
stets in Packeten von Mulm, mit dem Kopfe nach unten gerichtet,
liegen; es leben nach ihm drei und mehr Thiere in einem Baume.
Ueber die Lebensweise des fertigen Insekts wissen wir nichts,
abgesehen davon, dass Stuhlmann einen Käfer an den Wurzeln
fand, und dass derselbe, nach dem Namen zu urtheilen, schnell
kriecht.
Was nun den Kaffeebaum betrifft, so sucht er sich natürlich,
so gut er kann, des Eindringlings zu erwehren; er versucht die
kleinen Reihenlöcher durch Callusgewebe zu sehliessen, ebenso die
offenen Kanäle. Es würde dem Kaffeebaum auch zweifellos gelingen,
den Schaden bald zu überwinden, wenn nicht die weiter entwickelten
Larven im unteren Theile des Baumes die Rinde vollkommen zer¬
stören würden, wodurch die Ernährung der Wurzeln vermittelst der
in der Rinde hinabsteigenden Nahrungsstoffe unmöglich gemacht
sowie die Neubildung von Holz verhindert wird. Auch an diesen
Rindenschälungen findet man genügend Ansätze zur Callusbildung,
aber die Zerstörung schreitet in viel schnellerem Maasse fort als
die Heilung; die Blätter des Baumes beginnen bald zu welken, und
nach kurzer Zeit schon geht der Baum vollkommen ein.
Welche Mittel kann man nun gegen diesen Schädling in An¬
wendung bringen?
Das erste ist natürlich das Absuchen und Sammeln der Käfer
selbst; so lauge wir nichts über die Lebensweise derselben wissen,
lässt sich freilich auch nichts Näheres über die beste Methode des
Sammelns angeben; man muss eben darauf Acht geben, wo sich der
Käfer mit Vorliebe aufhält, ferner, ob er vielleicht nachts an die
Laterne anfliegt u. s. w. Man hat die Einlieferung der Käfer durch
Prämien zu unterstützen, jedoch nur durch kleine, da sonst die Ver¬
lockung entsteht, die Käfer absichtlich gross zu ziehen.
Die Vernichtung der Eier wird sich wohl kaum bewerkstelligen
lassen; sie werden so klein sein und wahrscheinlich auch in nicht
grosser Anzahl so versteckt in Rindenrisse gelegt werden, dass es
sich kaum der Mühe lohnen wird, ihnen auf der grossen Oberfläche
der Stämme nachzuspüren; auch das Abwaschen der Bäume dürfte
kaum Erfolg haben, eher vielleicht das Kalken, wo es nicht zu
grosse Kosten verursacht.
Die Vernichtung der jungen Larven dagegen erscheint nach der
Lebensweise überaus aussichtsvoll. Wir haben gesehen, dass sie
sich senkrecht im Holze herunterbohren, mit dem Kopf nach unten,
und dass ihre Gänge bei den jungen Bäumen durch senkrechte Reihen
von Löchern an den dünnen Stämmchen und Aesten kenntlich sind.
13G
Man kann nun einerseits versuchen, mit einem festen und doch
biegsamen Draht ihnen beizukommen, indem man den Draht in das
unterste Loch jeder Reihe einführt und so weit wie möglich
nach unten einschiebt; andererseits wird es zweifellos leicht ge¬
lingen, die in solchen Reihenlöchern befindlichen Larven durch
Chemikalien zu vernichten. Da dem Verfasser keine lebenden
Bockkäferlarven zur Verfügung standen, hat er andere ähnlich
konstituirte Käferlarven, speziell Mehlwürmer sowie auch Raupen
u. s. w. in die Gänge der abgestorbenen Kaffeebäume gesteckt, um
die verschiedenen Chemikalien zu erproben. Es stellte sich hierbei
Folgendes heraus. Kampher, Naphthalin, Insektenpulver und Borax
wirkten durchaus unvollkommen; es war einerseits schwer, diese
Stoße in die kleinen Stammlöcher in genügender Quantität hinein¬
zubringen, andererseits tödteten diese Stoße, selbst in grösseren
Mengen mit den Thieren in Tüten oder Kästchen gethan, dieselben
nur überaus langsam; namentlich mit Kampher eingeschlossen, blieben
die Mehlwürmer tagelang leben, ebenso mit Borax, während frisches
Insektenpulver und Naphthalin die Thiere zwar nach einiger Zeit
deutlich ermattete, aber selbst nach Stunden noch nicht tödtete..
Ganz anders verhalten sich aber zwei flüssige Mittel, die, wie es
scheint, durchaus zu empfehlen sind; diese beiden Mittel sind
Petroleum und Schwefelkohlenstoff; mit ersterem brauchte
man die Mehlwürmer u. s. w. nur zu benetzen, und sie starben nach
ganz kurzer Zeit, wahrscheinlich infolge von Verstopfung ihrer
Tracheen an Luftmangel, Rettung war für sie absolut nicht vor¬
handen; Schwefelkohlenstoff hingegen tödtete sie bei Benetzung fast
unmittelbar, während auch schon die Dämpfe allein genügten, um
sie sofort wenigstens zu betäuben und nach kurzer Zeit auch zu
tödten. Beide Mittel sind leicht zu beschaffen und anzuwenden.
Verfasser benutzte eine kleine Oelkanne, wie sie bei Nähmaschinen
im Gebrauch sind; die dünne Röhre derselben lässt sich leicht in
die Bohrlöcher einführen, ein Druck auf die Hinterseite der Kanne
mit dem Finger genügt, um eine hinreichende Menge Flüssigkeit
hervorzupressen zur Abtödtung des Thieres. Noch sicherer verfährt
man, wenn man der Ausflussrohre der Kanne nahe der Spitze eine
Krümmung giebt, dann muss ja die ausgepresste Flüssigkeit durch¬
aus in den Bohrgang gelangen. Natürlich würde es unter normalen
Verhältnissen, wo die Larve am untersten Ende des Bohrganges
sitzt, genügen, die Kanne in das tiefste Loch jeder Reihe einzu¬
führen, weil dann ja die Flüssigkeit nicht wieder aus dem nächsten
unteren Loche ausfliessen kann; da es aber, wie wir sahen, nicht
unwahrscheinlich ist, dass die Larve sich auch manchmal wieder
nach oben zurückzieht, so tliut man gut, ausserdem noch einen
137
Schuss Flüssigkeit in das oberste Loch jeder Reihe zu geben.
Dass das Petroleum den Bäumen schädlich ist, steht zwar fest, aber
wahrscheinlich nur, wenn es die Blätter oder Würzelchen benetzt,
nicht jedoch, wenn es in so kleinen Quantitäten in den Stamm
eingeführt wird; Schwefelkohlenstoff hat jedenfalls den Vorthei],
dass er sehr schnell verdampft, nachher also den Baum keinenfalls
mehr schädigen kann.
Viel schwerer dagegen ist die Vertilgung der Larven in der
unteren Region des Baumes, wo sie von der Rinde leben und die
Eingangslöcher der Holzgänge vielfach verdeckt sind. Da ist jedes
einzelne sichtbare Loch mit Schwefelkohlenstoff zu behandeln, und
da die Löcher zuweilen aufsteigen, ist es am besten, mit einer
kleinen Glasspritze die Flüssigkeit einzutreiben und das Loch dann
mit Baumwachs zu verstopfen. Ferner ist die Rinde zu befühlen,
um die Reihengänge zu linden, dort die Rinde abzunehmen und die
versteckten Löcher ebenso zu behandeln. Je sorgsamer man aber
die Bäume auf das erste Stadium hin untersucht und behandelt, um
so seltener wird man in die Lage kommen, das mehr Mühe ver¬
ursachende zweite Stadium in Angriff nehmen zu müssen.
Die erwachsenen Larven finden sich, wie gesagt, unter der Erde,
und um zu deren grossen Löchern und Kammern zu gelangen, müsste
man schon die Erde am Fasse des Stammes und auch an den obersten
Theilen der Hauptwurzeln entfernen. In diesem Stadium ist aber
der Baum doch schon verloren, und man erkennt dies an dem
Welken der Blätter; dann muss man schleunigst den Baum mit
seinen dickeren Hauptwurzeln, wenigstens den oberen Theil der¬
selben, herausnehmen und sofort verbrennen. Da es noch nicht
feststeht, ob die Puppen in den Wurzeln oder in der Erde sich be¬
finden, so ist es zweifellos am besten, die Erde nach Herausnahme
des Baumes mit Petroleum zu überbrausen (1 bis 2 Liter pro Quadrat¬
meter), ein Mittel, das sich zur Vernichtung der Reblaus ausser¬
ordentlich bewährt hat; regnet es nach dem Ueberbrausen, so soll
die Wirkung (bei der Reblaus) erhöht, regnet es vorher, so soll sie
unregelmässig oder beeinträchtigt werden. Bei der Reblaus wird
auch empfohlen, Schwefelkohlenstoff in 60 cm tiefe Löcher zu giessen,
ob das aber auch bei diesen grossen Thieren genügt, bleibt fraglich;
vielleicht ist ja, wie gesagt, die Petroleumbehandlung der Erde
unter dem ausgezogenen Kaffeebaum überhaupt überflüssig, wenn sich
nämlich herausstellt, dass sich auch die Puppen des Käfers nur in
dem abgestorbenen Stamm- und Wurzelholze finden.
Selbstverständlich sind bei der Behandlung der ersten beiden
Stadien die Bäume zu markiren (namentlich durch einen Farbestrich
bei dem untersten auffindbaren Loche), um sie nach zwei bis drei
138
Tugen einer erneuten Untersuchung unterwerfen zu können; findet man
Spuren neuen Mulmes oder tiefere Löcher als beim ersten Stadium,
so ist natürlich die Prozedur zu wiederholen, ebenso im zweiten
Stadium, falls man durch Wachs nicht verstopfte Löcher findet oder
neue verdeckte Eindengänge.
Bei dieser Behandlung ist auf das Allerstrengste zu berück¬
sichtigen, dass die sorgfältige Aufspürung des ersten Stadiums bei
Weitem die meisten Garantien für die dauernde Vertilgung bietet,
und es sind demnach Prämien auf Entdeckung dieses Stadiums für
jeden neuen Baum auszusetzen, natürlich aber die volle Prämie nur
dann auszuzahlen, wenn sich noch nicht das zweite Stadium an dem¬
selben Baume gezeigt hat, da in diesem Palle der Aufseher den
Insektenangriff eben nicht rechtzeitig entdeckt hat. Zu dem dritten
Stadium dürfte es bei einer sorgfältig kontrolirten Plantage über¬
haupt nicht kommen. Man sollte glauben, dass zu der Aufspürung
sich speziell Kinder besonders eignen und ausbilden Hessen, ebenso
zu dem Fang der Bockkäfer.
Wie sich der Käfer zu älteren Bäumen verhält, wissen wir
bisher freilich absolut nicht; ob dort das erste Stadium oben in der
Krone sich findet oder auch an dem Stamme, und ob sich dort
gleichfalls die Reihenlöcher zeigen oder bei der dickeren Rinde
gleich das zweite Stadium auftritt, das sind alles Fragen, die nur
an Ort und Stelle beantwortet werden können.
Soviel über die ILauptmittel zur Vertilgung des Schädlings; in
Bezug auf den indischen Kaffeebohrer Xylotrechus quadrupes
wird angegeben, dass er durch Schatten zu verdrängen sei; ob dies
kei dem afrikanischen Kaffeebohrer gleichfalls der Fall ist, bleibt
noch zu erproben.
Ferner wird im Allgemeinen angegeben, dass sich die Bockkäfer
hauptsächlich in frisch urbar gemachten Waldpartien finden, und dass
es von grosser Bedeutung sei, sorgfältig alles verrottete und wilde
Holz, das den Insekten als Schlupfwinkel dienen könnte, zu entfernen.
Verfasser ist der Ansicht, dass dies ziemlich überflüssig ist, solange
noch in der Umgebung Wald ist, von wo die Käfer immer wieder
in die Plantage fliegen können. Schlupfwinkel für die Käfer selbst
bieten die Kaffeebäume und deren Schattenpflanzen an sich schon
genügend. Dagegen sollte man in dem umgebenden Walde versuchen,
die ursprünglichen Nährpflanzen des Käfers zu entdecken, um sie
dann möglichst auszurotten. Vor Allem sollte man auf die ver¬
wandten Rubiaceen des Waldes einmal gründlich achten. Vielleicht
würde man hierdurch in den Stand gesetzt, die Quelle des Uebels
zu verstopfen.
139
Ein vielleicht unter Umständen nicht unbrauchbares Mittel
könnte darin bestehen, die stark angegriffene Plantage zeitweilig
unter Wasser zu setzen, doch ist es fraglich, ob die in den luft¬
haltigen Löchern sitzenden Larven dadurch wirklich zerstört werden,
ferner ist die Maassregel auch nur in besonderen und seltenen Fällen
durchführbar, würde bestenfalls nur die unter der Erde befindlichen
Larven und Puppen tödten und häufig auch die gesunden Bäume
schädigen. Immerhin wäre die Maassregel in verzweifelten Fällen
als letztes Bettungsmittel, namentlich zum Schutze benachbarter
Neuanpflanzungen er vvägungs werth.
Schliesslich ist genau darauf zu achten, welche Feinde die Käfer¬
larven attakiren, seien es nun Vögel, Schlupfwespen, Pilze oder vor
allen Dingen Ameisen. Gerade auf letztere möchte ich das Haupt¬
augenmerk richten, und zwar aus folgendem Grunde. Von der, wie
oben erwähnt, durch den Bockkäfer angegriffenen Plantage in
Kamerun wurde Material eingesandt mit dem Bemerken, dass der
Schaden wahrscheinlich durch eine Ameise verursacht würde, und
zwar wurden von den Ameisen Proben eingesandt. Die Prüfung
durch Herrn Dr. Stadelmann vom Königlichen zoologischen Museum
ergab nun die Zugehörigkeit der Ameise zu der Art Odontomachus
haematodes L., einer sehr weit verbreiteten, in den gesammten
Tropen gemeinen, recht kräftigen und grossen Ameise mit unge¬
wöhnlich grossem Kopfe und starken zangenartigen Kiefern, einer
Ameise, die absolut nichts mit der Zerstörung der Bäume zu thun
hat. Es kann ja sein, dass diese Ameise nur zufällig einmal in die
Kaffeebäume hineingekommen ist; wahrscheinlich ist es aber immer¬
hin, dass eine so starke Baubameise den Käferlarven zu Leibe gehen
wird, und dass sie also nicht zufällig gleichzeitig mit der Larve
gefunden wurde. Offenbar hielt der Verwalter der Plantage die
eingesandte Larve als von den Ameisen in ihre Wohnung (die hohlen
Kalfeebäume) hineingeschleppte Beute, während es in Wirklichkeit
wohl das Bestreben der Ameisen war, die Larve aus ihrem Gange
hinauszuschleppen in das vielleicht irgendwo in der Erde befindliche
Nest der Ameisen. Ist diese Annahme richtig, so hätten wir in der
Ameise einen mächtigen Bundesgenossen, dessen Werth eventuell
ganz unschätzbar sein kann. Die Probe wäre ja leicht dadurch zu
machen, dass man untersucht, ob die Ameisen eine ihnen in den
Weg gelegte Bohrkäferlarve angreifen oder nicht; manche Larven
haben nämlich einen die Ameisen abschreckenden Geruch. Da sich
die angeführte Ameise auch in Ostafrika vielfach findet, so schien
es von Wichtigkeit, hier ihre Abbildung zu geben; durch die Grösse,
den Kopf und die Zangen sowie durch die glänzend schwarze Farbe
ist die Art ausserordentlich leicht kenntlich und demnach eventuell
in die Plantage einzuführen.
140
Wir haben hiermit dasjenige, was sieb bei dem jetzigen Stand
der Frage sagen lässt, zusammengestellt; die beigefügten Abbildungen
werden in dem einzelnen Falle jeden Zweifel ausscbliessen, ob man
es mit diesem Schädling zu thun hat oder nicht. Alles Uebrige
bleibt der praktischen Erprobung überlassen; der Verfasser glaubt
sich der Hoffnung hingeben zu können, dass die hier mitgetheilten
Details genügen werden, um zu zeigen, dass die Chancen des in¬
telligenten Pflanzers im Kampfe gegen diesen Schädling günstig
liegen. Durch sorgsame Beaufsichtigung der Pflanzung und umsich¬
tige Benutzung aller ihm zu Gebote stehenden Hülfsmittel wird der
Kaffeepflanzer in Afrika auch mit diesem Schädling schon fertig
werden, und schliesslich hat die Erfahrung noch immer gelehrt, dass
auf Raupen-, Käfer-, Mäuse- und Heuschreckenjahre auch schon von
selbst wieder andere folgen, und dass sich im Verlauf der Zeit das
Gleichgewicht in der Natur doch stets wieder hei’Stellt, eine That-
sache, die übrigens auch bei der Hemileja ihre Gültigkeit haben
dürfte.
Figurenerklärung.
1. Afrikanischer Kaffeebockkäfer, Herpetophygas fasciatus Fahr, von der Seite;
natürliche Grösse.
2. Derselbe, von oben; natürliche Grösse.
3. Derselbe, Kopf von der Seite; in vierfacher Vergrösserung.
4. Derselbe, unterer Theil des Beines; in vierfacher Vergrösserung.
5. Derselbe, junge Larve von oben; natürliche Grösse.
6. Derselbe, junge Larve von unten; natürliche Grösse.
7. Derselbe, erwachsene Larve von oben; natürliche Grösse.
8. Derselbe, erwachsene Larve von unten; natürliche Grösse.
9. Derselbe, Vordertheil der erwachsenen Larve von oben: in dreifacher Ver¬
grösserung.
10. Derselbe, Puppe von oben; natürliche Grösse.
11. Derselbe, Puppe von unten; natürliche Grösse.
12. Stamm eines jungen Kaffeebaumes im ersten Zerstörungsstadium, mit Reihen-
löchern, in halber Grösse.
13. Stück desselben Stammes in natürlicher Grösse.
14. Stück desselben Stammes im Längsschnitt, Höhlung theilweise inkrustirt;
natürliche Grösse.
15. Unterer Theil des Stammes in dreifacher Verkleinerung, im Längsschnitt,
oben das zweite Zerstörungsstadium mit Mulmgängen und Rindenkanälen,
unten das dritte Zerstörungsstadium mit ausgedehntem Rindenfrass und
grossen Holzkammern zeigend.
16. Stammstück mit dem zweiten Zerstörungsstadium in natürlicher Grösse, im
Längsschnitt, Enden der Gänge mit Holzmulm gefüllt, seitlich ein ober¬
flächlicher Rindenkanal im Durchschnitt getroffen.
17. Stammbasis und Pfahlwurzel im dritten Zerstörungsstadium mit ausgedehntem
Rindenfrass und Holzkammern in natürlicher Grösse.
18. Die Ameise Odontomachus haematodes L. von der Seite in natürl. Grösse.
19. Dieselbe, der Kopf von oben, stark vergrössert, um die gewaltigen Kiefer
zu zeigen.
141
Astronomische Ortsbestimmungen
des Herrn Kompagnieführers Ramsay auf der Reise von Kisaki
nach Dar-es-Saläm im April und Mai des Jahres 1894.
Die Beobachtungen sind mit demselben kleinen Universal¬
instrument ausgeführt, dessen sich Ramsay schon aufseinen früheren
Reisen bedient hat, und welches eine direkte Ablesung bis auf
0.5 Bogenminuten gestattet. Die Beobachtungen beziehen sich nur
auf Breitenbestimmungen einiger weniger Orte auf der Route
zwischen Kisaki und Dar-es-Saläm. Es sind ausschliesslich Sterne
beobachtet sowohl für die Breiten als auch für die zur Ermittelung:
des Uhrstandes nöthigen Zenithdistanzen ausserhalb des Meridians.
An den beiden Tagen im April ist nur je ein Stern ( a Urs. majoris)
im Norden zur Breite beobachtet, während an den folgenden Beob¬
achtungstagen sowohl im Norden als im Süden Sterne beobachtet
wurden und so die Resultate eine noch grössere Zuverlässigkeit
erhielten. Ueberhaupt kann auch hier wieder gesagt werden, dass
sämmtliche Beobachtungen durchaus zweckmässig angestellt wurden
bis auf den 27. Mai, an welchem Tage leider eine Zeitbestimmung
fehlt; doch konnte auch dieser Mangel durch die Rechnung so
ziemlich unschädlich gemacht werden.
Zur Bestimmung des Zenithpunktes des Kreises liegen zwei
spezielle Beobachtungen vor, nämlich eine solche vom 14. April,
welche für denselben 358° 42' 18", und eine solche vom 27. Mai,
welche für denselben 358° 42' 13" ergeben; also eine sehr gute
Uebereinstimmung.
Die Zeitbestimmungen liefern als Stände der Beobachtungsuhr:
Mengua . April 14. 8h.8 Uhrzeit At = + 4m 31s gegen mittl. Ortszeit
Kissangire a 16. 9k.O „ + 4 27 Ä „ „
Kisegese Mai 27. (7h.O „ —0 48)*),,
Mkamba „ 28. 6h.27 „ -f- 0 21 „ „ „
Vikindu „ 30. 7h.4 „ +25 „ „ „
*) Der Uhrstand vom 27. Mai kann nur als rohe Näherung betrachtet werden,
derselbe ist auf folgende Weise gefunden (Längendifferenz nach der Kiepertschen
Karte von Ostafrika):
At für 7 Uhr in Yikindu 30/5 . = -+- 2m 5 3
Läugendifferenz zwischen Vikindu u. Mkamba — 14
At für 7 Uhr in Mkamba 30/5 . +11
n »7 „ „ „ 28/5. . ■ ■ ■ + 0 21
Gang für zwei Tage = + 0 40, tagt. Gang + 0ni 20 s
Damit At für 7 Uhr in Mkamba 27/5. . = + 0 20
Längendifferenz zwisch. Mkamba u. Kisegese == — 18
At für 7 Uhr in Kisegese . — — 0 48
Mitth. von Forschungsreisenden, VJII. Band. II. -iq
142
Mit diesen Uhrständen sind die beobachteten Circummeridian-
zenithdistanzen auf den Meridian
reduzirt.
Dieselben
ergeben :
Ort:
Datum:
Breite:
Stern : Einstellungen :
Mengua .
1894 April 14.
— V
1 12' 18"
a Urs. maj.
10
Kissangire
» n 16-
— 7
25 31
n
7
Kisegese
v Mai 27.
— 7
32 59
u Crucis
(3 ohne
Zeitangabe)
— 7
33 38
7} Urs. maj.
li
— 7
32 54
ß Centauri
7
Mkamba
„ Mai 28.
— 7
23 51
a Crucis
6
— 7
24 24
7} Urs. maj.
5
— i
23 41
ß Centauri
5
Yikindu
„ Mai 30.
— 6
59 57
a Crucis
4
— 7
0 22
rj Urs. maj.
5
Der wahrscheinliche Fehler einer solchen Breite kann aus der
inneren Uebereinstimmung jeder Reihe zu etwa + 0'.3 angenommen
werden. Betrachtet man aber die Werthe für die Breite, je nach¬
dem sie aus nördlichen oder südlichen Zenithdistanzen folgen, so
sieht man, dass da noch ein konstanter Unterschied vorhanden ist.
Man hat:
Kisegese: siidl. Zenithdistanz — 7° 32' 59"
— 7 32 54
Mittel — 7 32 56
nördl. Zenithdistanz — 7 33 38 Diff. N — S = — 40"
Mittel — 7° 33' 17"
Mkamba: südl. Zenithdistanz — 7 23 51
— 7 23 41
Mittel — 7 23 46
nördl. Zenithdistanz — • 7 24 24 Diff. N — S = — 38”
Mittel — 7° 24' 5"
Vikindu: südl. Zenithdistanz — 6 59 57
nördl. „ — 7 0 22 Diff. N— S = — 25"
Mittel — 7° 0' 10" Mitt.d.Diff.N-S— — 34"
i/2 (N-S) = - 17”
Danach würde an die einseitig gemessenen Breiten vom 14. und
16. April noch je eine Korrektion von -)- 17" anzubringen sein, so
dass man hat: Mengua (p = — 7° 12' 1" und für
Kissangire (p = — 7° 25' 14".
Worin diese dem Einfluss einer Biegung ähnliche Abweichung
ihren Grund hat, lässt sich so ohne Weiteres nicht angeben, aber
eine Biegung von solcher Grösse ist bei einem so kleinen und fest¬
gebauten Instrumente eigentlich nicht gut anzunehmen, zumal die
vielfachen früheren Beobachtungen keinen derartigen Unterschied
143
zeigen. Die Breiten der drei letzten Orte können aber infolge der
angemessenen Kombination von südlichen und nördlichen Zenith¬
distanzen als sehr sicher betrachtet werden. Dr. L. Ambronn.
Neue astronomische Bestimmungen des Herrn Dr. Stuhlmann
in Ostafrika aus dem Jahre 1894.
Berechnet von Dr. W. Brix.
Die Beobachtungen, um die es sich hier handelt, sind auf zwei
kürzeren Keisen angestellt. Die erste Reihe umfasst 13 Breiten¬
bestimmungen in der Nähe der Küste zwischen Bagamoyo und Dar-
es-Saläm aus dem Januar und Februar, die zweite sieben Breiten¬
bestimmungen, darunter eine durch Wolken vereitelte, und zwei
Bestimmungen der magnetischen Deklination aus dem Mai und Juni
1894. Die Beobachtungen sind in derselben Weise angestellt wie
die früheren, über die im Y. und VI. Bande dieser Mittheilungen
berichtet ist. Auch die Instrumente sind dieselben geblieben. Ich
kann deshalb hier auf die früheren Veröffentlichungen verweisen.
Nur einen Punkt habe ich an dieser Stelle hervorzuheben:
Um die Genauigkeit seiner Beobachtungen zu erhöhen, hat Herr
Dr. Stuhl mann diesmal bei allen Einstellungen (wenn es nicht
durch einen Zufall vergessen wurde) die Libelle abgelesen, während
er früher vor jeder Einstellung die Blase zum Einspielen brachte.
Das alte Verfahren war völlig ausreichend, die neue Methode, die
ja astronomisch viel richtiger ist, hat aber leider ihren Zweck
direkt verfehlt. Denn erstens ist die Libelle nicht genau genug
abgelesen worden, nämlich nur auf ganze, höchstens einmal halbe
partes, während bei einem Winkelwerth von 0'.6 für 1 pars die
Zehntel hätten geschätzt werden müssen, zweitens aber — und das
ist das Bedenklichere — hat Herr Dr. Stuhlmann offenbar in der
Geschwindigkeit der Beobachtungen nicht genügend darauf geachtet,
die richtige Reihenfolge in den Ablesungen der Blasenenden ein¬
zuhalten. Am Schlüsse der ersten Reihe giebt er zwar eine genaue
Anweisung, in welchem Sinne die Libellenablesungen hinsichtlicli
des Vorzeichens zu verstehen seien. Die Diskussion der Beobach¬
tungen lehrt aber ganz unzweideutig, dass er das von ihm selbst
aufgestellte Prinzip keineswegs immer befolgt hat. Es müssten
sonst, abgesehen davon, dass ganz unwahrscheinlich grosse Schwan¬
kungen der Gleichgewichtslage Vorkommen würden, die Beobachtungen
10*
144
stellenweise von einer Unsicherheit sein, die gegenüber seinen
früheren Leistungen unbegreiflich wäre.
Wo daher die Libellenablesungen, nach dem aus seinen Angaben
folgenden Verfahren reduzirt, keine zufriedenstellende Ueberein-
stimmung ergaben, das heisst in einer ganzen Reihe von Fällen,
blieb nichts weiter übrig, als das Vorzeichen der Libellenkorrektion
für willkürlich gelten zu lassen und die Korrektionen durch syste¬
matisches Probiren so anzubringen, dass die reduzirten Zenith¬
distanzen einen möglichst guten Gang zeigten. Dies Verfahren ist
natürlich sehr bedenklich; und man würde es einem geübten Astro¬
nomen gegenüber niemals für erlaubt halten. Da ich aber in
einzelnen Fällen unzweideutige Beweise für die oben ausgesprochene
Vermuthung habe und aus der Diskussion der früheren Beobach¬
tungen weiss, wie leicht Ablesefehler unterlaufen (die quantitativ
bisher allerdings immer belanglos geblieben sind), wie gut aber
andererseits die einzelnen Einstellungen, richtig reduzirt, überein¬
stimmen müssen, und da endlich das systematische Ablesen einer
unbezifferten Libelle, wie der Stuh lmannschen, thatsächlich grosse
Aufmerksamkeit erfordert, habe ich nicht gezögert, gegebenenfalls
über die Vorzeichen der Libellenkorrektionen willkürlich zu verfügen.
Freilich auch nicht so, dass ich sie einfach als vogelfrei angesehen
hätte. Ich habe mir vielmehr die Beschränkung auferlegt, wenigstens
innerhalb einer Beobachtuugsreihe ein festes Ableseprinzip anzu¬
nehmen. Ausser dem von Dr. Stuhlmann selbst angegebenen ergab
sich auf diese Art nur noch ein zweites wirklich wiederkehrendes
Prinzip, während durch Kombination der beiden Kreislagen und der
beiden Libellenseiten vier verschiedene denkbar wären. Dies Resultat
hat keine innere Unwahrscheinlichkeit, und persönlich bin ich der
IJeberzeugung, auf solche Weise an der Wahrheit nicht allzuweit
vorbeigegangen zu sein. Wenigstens wurde fast immer ein leidlicher
Gang in den Zenithdistanzen erreicht. Die Breite von Morogoro
stimmt auch gut mit dem alten Schynseschen Werth. Doch darf
dies nicht über die wirklich erreichte Genauigkeit hinwegtäuschen.
Ich glaube vielmehr der Willkürliehkeit des Verfahrens dadurch
Rechnung tragen zu müssen, dass ich die Unsicherheit der Breiten¬
bestimmungen, auf die sich die ganze Auseinandersetzung bezieht,
auf etwa l'.ö statt, wie früher, 1' vei’anschlage. Die Breiten, für
die dies gilt, sind in der unten folgenden Zusammenstellung besonders
ausgezeichnet.
Bei den Deklinationsbestimmungen habe ich die Libellen¬
ablesungen, da sie hier bei den sonstigen Ungenauigkeiten der
Beobachtung entbehrlich sind, überhaupt nicht berücksichtigt. Die
Genauigkeit der Deklinationsbestimmungen dürfte etwa 10' bis 20'
betragen.
145
Ich gebe nun die Resultate selbst:
1. Breitenbestimmungen vom Jan
uar
und Febril;
ar 1894.
Ort:
D
atum
Br e
ite:
Yikindo, Haus des Jhumbe .
1894 Jan.
12. -
- 7°
1 0'.9 *);
Tambani .
51
13.
6
59.8 J)
Kisserawe. Gruppe von Mangobäumen
westlich der Mission . . . .
n
15.
6
54.7 ‘)
Kasi kwa Magombeka .
51
16.
6
58.4
Lügurüni, Dorf nördlich von Kisserawe
51
19.
6
48.2
Dilo .
n
21.
6
39.0 2)
Kibülulü .
55
24.
6
40.2
Misswe, letzt. Gehöft vor verl. Stat.Dunda
51
25.
6
35.9
Kikongo, dicht am Teich .
Febr.
7.
6
48.1
Kibavu, Ussaramo .
55
9.
6
55 d)
Mafisifähre . .
51
10.
6
59.0
Kwemba kwa Tschansi .
51
12.
7
8.1
Mar ui .
51
16.
7
21.2*)
2. Breitenbestimmungen vom
Mai
und
.1 u n i
1894
Kiwansi (Viwänsi) kwa Brassim (Wadöe)
Mai
20. -
- 6°
19'.9
Mandera, Missionsstation .
51
25.
6
12.61)
Morogoro, Mission .
Juni
7.
6
49.3 3)
Mhanssa kwa Kirolera .
51
11.
7
0.1 4)
Tshembera .
51
12.
7
5.2 >)
Mssongösi (Tembe) .
51
14.
4
2.3 *)
3. D eklinationsbestimmungen
vom
Juni
1894.
Deklination.
Mission Morogoro .
Juni
6. 9
0 20'
westl.
Station Kilossa .
51
24. 9
6
51
Aus der Deklinationsbestimmung folgt noch für Kilossa eine
Breite von — 6° 43'. 7. Die entsprechende Breite für Morogoro ist
— 6° 49'. 7. Da diese richtig ist, und auch bei Kilossa die einzelnen
Beobachtungen gut stimmen, bin ich geneigt, die so ermittelte Breite
von Kilossa trotz des grossen Stundenwinkels der Sonne für ebenso
richtig zu halten wie die anderen, möchte es aber nicht fest be¬
haupten.
!) Infolge von willkürlicher Libellenreduktion unsicher auf 1'. 5. Yergl. Text.
2) Sehr unsicher, durch Wolken gestört.
3) Scliynse fand 1890 — 6° 49'. 6 und — 6° 49'. 5. Yergl. frühere Yer-
öffentlichung.
4) Libellenangaben fehlen ganz. Unsicherheit wie bei p.
146
Die Resultate der meteorologischen Beobachtungen im Kondeland.
Bei Begründung der Missionsstationen der Berliner Mission iiu
Kondeland wurde Herrn Missionssuperintendent Merensky auf
seinen Antrag liin eine Anzahl aus dem Afrikafonds beschaffter
meteorologischer Instrumente mitgegeben. Mit Hülfe derselben
haben die Herren Merensky, A. L. Nauhaus und G. Hübner in
Wangemannshöhe sowie Herr C. Schumann in Manow (Kiedyo)
die im Nachstehenden erörterten Beobachtungen angestellt.
Die Thermometer in Wangemannshöhe waren ursprünglich,
wahrscheinlich bis Ende 1892, in einem Schuppen aufgestellt, der
Wände hatte, aber mit fünf offenen Fenstern und einer luftigen
Thür versehen war. Es kann keinem Zweifel unterliegen, wie sich
auch aus der Reduktion der Monatsmittel des Jahres 1892 auf das
Meeresniveau und einem Vergleich der so gewonnenen Daten mit
den neuesten Isothermenkarten sowie ferner aus einem Vergleich
der gleichzeitigen Beobachtungen an beiden Stationen in der Zeit
von Oktober bis Dezember 1892 unter Berücksichtigung der Höhen¬
unterschiede beider Punkte ergiebt, dass die in Wangemannshöhe
während der Zeit von November 1891 bis Dezember 1892 beobach¬
teten Temperaturen infolge dieser Aufstellung der Thermometer zu
hohe waren.
Herr Nauhaus theilte mit, dass er beobachtet habe, dass das
Thermometer abends um 9 Uhr im Freien um 3° niedriger stehe
als in dem Schuppen.
Die Differenzen der Temperatur Wangemannshöhe — Manow
stellen sich, wie folgt:
J
7 a
2 p
9 p
Mittel
Dezember 1892 . .
. . 7°.0
6°.2
4M
5°. 3
Januar 1893 . . . .
. . 4.5
6.3
3.8
4.6
Februar .
. . 3.9
5.8
3.1
4.0
März .
5.4
2.6
3.6
April .
. . 3.9
5.3
3.1
3.8
Mai .
. . 3.4
5.1
3.9
4.1
Juni .
. . 4.1
6.1
4.7
4.9
Juli .
7.2
3.5
5.0
Mittel Januar — Juli
1893 3.9
5.9
3.7
4.3
Während bei einer
verbesserten
luftigeren
Aufstellung
Thermometer in Wangemannshöhe (seit Anfang 1893) unter einem
grossen Dach hinter Traillenwänden und später (seit Mai 1893) in
einer speziellen meteorologischen Hütte die Differenz der Monats¬
mittel im Durchschnitt von sieben Monaten 4°. 3 betrug, was bei
147
einer Höhendifferenz von rund 700 m einer durchaus wahrschein¬
lichen Wärmeabnahme von 0U.61 auf 100 m entsprechen würde,
betrug die Differenz im Dezember 1892 5°. 3. Die mittlere Monats¬
temperatur der Beobachtungsergebnisse der Periode November 1891
bis Dezember 1892 scheint also in Wangemannshöhe mindestens
1° zu hoch zu sein, die Beobachtungen zu dem Abend- und besonders
dem Morgentermin sind durchschnittlich sicher um mehrere Grade
zu hoch, während die Beobachtungsergebnisse von 2p eher etwas
zu niedrig erscheinen.
Es kann unter Hinweis auf diese Mängel der Beobachtungs¬
ergebnisse an dieser Stelle nur nochmals au alle diejenigen, welche
meteorologische Beobachtungen in den Kolonien anzustellen bereit
sind, die Mahnung gerichtet werden, vor Allem für eine möglichst
luftige aber doch andererseits die Thermometer wieder vor Strah¬
lungseinflüssen schützende Aufstellung derselben zu sorgen, sonst
sollten solche Beobachtungen besser unterbleiben.
Die Beobachtungen in Wangemannshöhe sind im Juli 1893 ab¬
gebrochen worden. Es wäre sehr zu wünschen, dass wenigstens die
Regenbeobachtungen wieder aufgenommen würden.
Ueber die Aufstellungsweise der Thermometer in Manow ist
nichts bekannt geworden, doch scheint dieselbe mit Ausnahme der
ersten beiden Monate, in denen dieselben meist in einem Zelt unter¬
gebracht waren und deshalb unbrauchbare Daten lieferten, zweck¬
mässiger als in Wangemannshöhe zu sein.
Was nun die klimatischen Verhältnisse des Kondelandes im
Lichte der Beobachtungsresultate der beiden Stationen betrifft, so
ist zunächst die Temperatur betreffend hervorzuheben, dass der
kühlste Monat der Juli, der wärmste der November oder Dezember
ist. Die mittlere Jahresschwankung beträgt etwa 7°. Die niedrigste
beobachtete Temperatur betrug in Wangemannshöhe 13°. 1, in dem
700 m höheren Manow 9°. 3. In Wangemannshöhe kommen während
der Regenzeit noch recht hohe Temperaturen vor, besonders im
November, etwa bis 35°, während in Manow die höchste Temperatur
30° noch nicht erreichte. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in
Wangemannshöhe etwa 21° (korrigirt), in Manow 17°.
Beiden Stationen gemeinsam ist eine mei*klicke Zunahme der
mittleren Windgeschwindigkeit besonders in den Mittagsstunden in
den Monaten September bis November.
Dass die mittlere Bewölkung in Manow grösser ist als in
Wangemannshöhe, erklärt sich einfach aus der höheren Lage. Am
heitersten sind die Monate September bis November. Die Ver-
muthung liegt nahe, dass der grosse Gegensatz in der Erwärmungs¬
fähigkeit von Land und Wasser bei der meerartigen Grösse des
148
Nyassasees in den Windbeobacktungen nach Art der Land- und See¬
brise zum Ausdruck kommen sollte. In der Tkat ergiebt eine
Zusammenstellung der Windhäufigkeiten an beiden Stationen zu den
drei Beobachtungsterminen ein diese Voraussetzung bestätigendes
Resultat :
Windhäufigkeit in Prozenten.
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NW— NB SE— SW NW— NE SE— SW NW— NE SE— SW
Wangemannshöhe 55 11 18 70 71 8
Manow ... 47 34 11 80 49 15
Besonders macht sich dieser offenbar durch den Gegensatz der
Temperatur der Land- und Wasserflächen bedingte tägliche Wechsel
der Windrichtungen in dem niedriger und dem Nyassa näher gelegenen
Wangemannshöhe geltend, stärker als in dem höher und entfernter
gelegenen Manow; an ersterer Station beträgt im Jahresmittel die
Häufigkeit der Nordwinde um 7 a und 9 p 84 bezw. 134, die der
Südwinde um 2p 156. Theoretisch sollte man in diesen Gebieten
in der Zeit von April bis Oktober den Südostpassat als herrschen¬
den Wind erwarten. Thatsäcklick erkennt man aus der Tabelle der
Windbeobachtungen um 2p an beiden Stationen während dieser
Monate wenigstens eine Konzentrirung der Winde um die Südost-
bezw. Südrichtung, während in den übrigen Monaten eine grössere
Zersplitterung stattfindet. In Manow weist der April die grösste
Zahl von Südostwinden auf (47 Prozent aller beobachteten Winde).
Die auch sonst in Gebirgsländern zu beobachtende Zunahme
der Regenmenge mit der Höhe der Stationen sehen wir auch hier
im Kondeland eintreten.
Während der zehn Monate mit gleichzeitigen Beobachtungen
an beiden Punkten fielen in Wangemanushöhe 1177.7 mm, in Manow
dagegen 2717.7 mm, Wangemannshöhe hatte also nur 43 Prozent
der Regenmenge von Manow.
Die Regenzeit beginnt sehr verspätet erst etwa mit der dritten
Novemberdekade und dauert bis etwa Ende der zweiten Maidekade.
Eine Abschwächung der Regenmenge im Februar oder März, also eine
Zweitheilung der Regenperiode mit einem Maximum im Januar bezw.
Februar und April, ist nicht zu verkennen. Auffällig ist es, dass
der Juli 1892 in Wangemannshöhe und der Juli 1893 in Manow
eine Wiederzunahme der Regenmenge und Regentage aufweisen
gegenüber dem vorausgegangenen Juni. Der trockenste Monat
scheint der September zu sein.
Die Zahl der Gewitter ist in Wangemannshöhe eine auffällig-
geringere als in Manow, vielleicht sind an ersterer Station nur die
näheren und stärkeren verzeichnet worden.
AVang-emaunshöhe.
9° 19' siidl. Br. 1 = 34° 1' östl. Gr. h = ca. 880 m.
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Februar . .
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März . . .
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2.2
1.7
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April . . .
15.9
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18.4
15.2
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21.3
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1.5
Mai. . . .
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12.1
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Juni
12.5
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13.8
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Juli . . .
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August
12.7
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11.1
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19.8
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2.1
Sept. (1.-17.)
15.0
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15.4
16.5
20.8
13.5
7.3
(22.8)
(11.8)
11.0
1.2
3.5
1.8
2.2
Okt. (9.-31.)
18.0
23.5
17.5
19.1
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15.1
9.0
(25.9) (13.2)
12.7
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2.0
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November .
19.7
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Dezember
19.6
24.2
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20.6
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Jalu-
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Zahl der Tage
mit
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Februar . .
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März . . .
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April . . .
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Juni
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Juli
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Sept. (1.-17.)
3.7
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Okt. (9.-31.)
2.4
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2.8
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Dezember
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(143)
(27)
(123)
Hagelfall am 10., 13., 15. und 31. Dezember 1892 und am 26. Dezember 1893 beobachtet.
In der Nacht vom 26. zum 27. Januar 1893 einige leichte Erdbeben.
*) 7a + 2p + 2 x 9p
4
**) Vorn 23. bis 28. Dezember fiele:) die Beobachtungen wegen Abwesenheit aus.
Nur die Summe des während dieser Zeit gefallenen Regens konnte nachträglich mit
62.8 mm gemessen werden.
151
Wangeniannsliöhe.
Windhäufigkeit um 7a, 2p und 9p.
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SW
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Juni .
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August .
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Juli .
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7
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0
September . . .
12.5
6.5
6
0
0
0
3
2
0
Oktober .
11
5
2
0
0
2.5
3.5
5 i
0
November ....
12
8
1
0
2
0
1
5
1
Dezember ....
13
6
1
0
1
2
0
8
0
Summe
134.0
84.0
57.0
7.5
9.5
13.0
14.5
39.5;
4
Gesammtsumme
238.5
125.5
95.5
30.5
176.0
116.5
129.0
160.5
13.0
152 —
Manow.
Windhäufigkeit um 7a, 2p und 9p.
1893
N
NE
E
SE
S
SW
W
NW
Cal-
men
Nicht
beob.
Januar. .....
ß
1
0
1
8
3
0
9
2
1
Februar .
2
3
0
1
0
1
4
14
3
0
März .
2
1
7
2
0
0
5
11
2
1
April .
2
2
0
13
4
1
0
2
5
1
Mai .
1
2
5
2
8
5
4
3
1
0
Juni .
3
i
1
4
2
1
6
11
1
0
Juli .
2
2
0
3
4
0
5
12
3
0
August .....
14
i
l
3
1
1
0
10
0
0
September. . . .
9
0
0
0
7
0
0
1
0
1.3
Oktober .
7
0
2
1
12
0
0
1
0
8
November ....
3
0
1
4
18
1
0
0
0
3
Dezember ....
17
0
1
0
5
0
1
3
3
1
Summe
.68
13
18
34
69
13
.25
77
20
28
J anuar .
2
1
2
4
10
2
0
5
2
3
Februar .. .... . .
3
4
4
3
9
0
2
2
1
0
März .......
4
0
2
10
11
1
1
0
0
2
Api-il ......
1
0
1
21
6
1
0
0
0
0
Mai . .
1
0
6
11
6
5
0
1
0
1
Juni .......
0
0
2
16
10
0
1
0
0
1
Juli .
0
0
0
15
14
0
1
0
0
1
August .
0
0
1
14
13
0
0
0
0
3
September. . . .
0
1
0
1
14
0
0
0
0
14
Oktober .
0
0
0
2
19
0
0
0
0
10
November ....
1
1
1
3
19
0
0
1
0
4
Dezember ....
3
3
1
5
16
0
0
2
0
1
Summe
15
10
20
105
147
9
5
11
3
40
Januar .......
19
0
1
0
1
1
4
2
3
0
Februar .
13
1
4
1
1
0
2
5
1
0
März .......
16
3
2
0
5
0
2
2
1
0
April .
8
1
2
8
0
1
6
1
0
Mai .
6
3
2
0
7
2
8
2
1
0
Juni .
8
0
2
1
3
1
8
7
0
0
Juli .......
4
1
0
2
7
0
5
12
0
0
August .
3
1
2
0
1
1
8
15
0
0
September ....
8
0
0
0
0
0
1
7
0
14
Oktober .
22
0
0
1
0
0
o
0
o
8
November ....
19
0
0
0
2
0
o
5
1
3
Dezember ....
20
1
1
0
2
0
1
3
2
1
Summe
146
11
16
13
32
5
40
66
10
26
Gresammtsumme
229
34
54
152
248
27
70
154
33
94
153
Begleitworte zur Karte von Deutsch -Kondeland.
Von Dr. Richard Kiepert.
(Karte 2.)
Die Grundlagen für die neue kartographische Darstellung des
Kondelandes, das früher schon von zahlreichen Reisenden besucht
worden ist, ohne dass seine Karte dadurch wesentlich gewonnen
hätte, sind die handschriftliche Karte des Nyassasees, aufgenommen
Oktober bis Dezember 1893 durch Kapitän M. Prager, über welche
ich in dieser Zeitschrift VII. ßd. 1894, S. 298, schon berichtet habe,
und die Aufnahmen und Breitenbestimmungen des Kompagnieführers
H. Ramsay in der Zeit vom 16. bis 26. Januar 1894 anlässlich der
v. Scheleschen Nyassa-Expedition. Ueber die Art und Weise seiner
Beobachtungen, seiner Aufzeichnungen, deren Verarbeitung u. s. w.
ist am angeführten Orte S. 296—300 ausführlicher gehandelt worden.
Sein Material über Konde besteht in Folgendem: die unterwegs
aufgezeichnete Route, 5 Blatt Rohkonstruktion, 11 Bergprofile mit
Peilungen, 3 Breitenbestimmungen (die Missionsstationen Muakareri
— 9° 9' 41", Rungwe — 9° 10' 5" und Wangemannshöhe — 9° 19'8"),
7 Siedepunktbestimmungen (Kururu, Mansumbura, Manow, Muakareri,
Eltonpass, Mission Rungwe und Wangemannshöhe) und eine Anzahl
Aneroidablesungen. Danach wurde von Herrn Moisel eine Kon¬
struktion der Reise in 1:71 500 ausgeführt, welche in Bezug
namentlich auf Geländeformen, weniger auf Nomenklatur so reich¬
haltig ausgefallen ist, dass ein weit grösserer Maassstab für die
endgültige Karte gewählt werden musste, als bei den übrigen
Ramsayschen Routen, nämlich 1:150 000. Die kurze Zeit, welche
Herr Ramsay auf die Reise verwenden konnte, hatte ihn leider
nicht dazu kommen lassen, einen oder mehrere der nach Süden vor¬
geschobenen Berge, wie den Kieyo, Rungwe, Ikururu, Kapera u. s. w.,
zu besteigen und von dort Kreuzpeilungen auf den Gebirgshorizont
anzustellen; vielleicht hat ihn auch der dort häufige Nebel, über
welchen z. B. Dr. Kerr-Cross (The Geographical Journal, February
1895, S. 115 f.) klagt, gehindert, vom Eltonpass (2900 m) aus Pei¬
lungen zu nehmen. Die Darstellung des Westabfalles des Kinga
oder Livingstonegebirges rührt auch nicht von ihm, sondern von
Herrn Merensky her; dagegen beruht das ganze Terrain in dem
Dreieck Wangemannshöhe, Rungwe, Eltonpass durchaus aufRamsays
Aufnahmen. Nicht klar ist die Lage des Kalenga-lenga- Gebirges;
154
Th. Meyer braucht, wie es scheint, den Namen für einen Ausläufer
des Rungwe unweit nördlich von der gleichnamigen Missionsstation,
während er nach Ramsays Peilungen von drei, für Gewinnung von
Kreuzschnitten freilich sehr ungünstig gelegenen Punkten aus viel
nördlicher zu liegen kommt. Ich habe ihn deshalb an beiden Punkten
mit einem ? eingetragen, es der Zukunft überlassend, das Richtige
festzustellen.
Für das Gebiet des oberen Mbaka und des ganzen Kibira sowie
den Weg nach Utengule, Merere’s Stadt, lag uns eine Original¬
zeichnung des Missionars Th(eodor) M(eyer) „Das Gebiet des
Kibira, Mbaka und Lufirio (Nkonde). 1893“ (Maassstab etwa
1 : 250 000) vor, von deren Inhalt der kleinere Theil schon in der
Hassens teinschen „Karte der Berliner Missions -Expedition im
Norden des Nyassa“ (Petermanns Mittli. 1892, Taf. 19) sowie in der
„Kartenskizze des nordwestlichen Ufers des Nyassa“ (v. Danckelmans
Mittheilungen V. 1892, S. 205) Aufnahme gefunden hat. Meyer
hat später eine ganze Anzahl neuer Routen gemacht und zahlreiche
Dörfer verzeichnet, welche unsere Karte reproduzirt; Herr Merensky
lobt seine Arbeiten als zuverlässig. Eines eigenen Urtheils mus3
ich mich enthalten, da es mir einstweilen an jedem Maassstabe der
Kritik gebricht. Die meist auf eine Anzahl von Dörfern bezüglichen
Namen in Th. Meyers Reisegebiet sind solche von Häuptlingen.
Ausserdem hat Herr Superintendent A. Merensky die Güte
gehabt, uns sein Originalmaterial, welches gleichfalls zum Theil
schon in der erwähnten Hassensteinschen Karte benutzt worden
war, zur Verfügung zu stellen; es besteht aus einer Uebersichtskarte
der Reise nach Utengule „Deutsch -Kondeland von A. Merensky 1894“
(Maassstab 1 : 500 000), welche die richtig gestellte Nomenklatur
enthält, einer ebensolchen in fünfmal grösserem Maassstabe und in
zwei Blatt, einigen Detailskizzen und einer Reihe von Peilungen,
die zum Theil recht gut zu Ranis ay stimmten.
Unsere Karte hat ausserdem Routen von neun anderen, darunter
sieben englischen Reisenden verzeichnet, unter denen die Beobach¬
tungen der ersten beiden von 1877, Eltons, der unterwegs starb,
und Cotterills, auch in Bezug auf die Terraindarstellung, gewöhn¬
lich die schwächste Seite englischer Kartographie, noch die besten
zu sein scheinen; vergl. „Map of route from the Nyassa to Ugogo“
in „Elton, Travels and researches among the lakes and mountains
of Eastern and Central Africa“, London 1879. Das Stück ihres
Weges zwischen dem Kisiwasee (der Name bedeutet nach Kerr-
Cross, „Geogr. Journ.“, February 1895, S. 115, einfach „Quelle“
und wird auf alle sieben dort vorkommenden vulkanischen Seen
angewendet) und Muaisote lässt sich freilich mit den Routen von
155
Ramsay und Merensky wegen der bei letzteren nur spärlich vor¬
handenen Namen nicht kombiniren; es scheinen eben in diesem
Gebiete durch die früheren Einfälle Merere’s viele Dörfer zerstört
worden zu sein. Bemerkt sei noch, dass die S. 333 des El ton sehen
Buches angegebene Breite für Mazote (= Muaisote) — 9° 5' 45",
vielleicht zufällig, genau zur Konstruktion von Ramsays Weg
stimmt.
Alle übrigen Reisenden sind für die Topographie minderwerthig
oder so gut wie werthlos, ihre Aufnahmen dürftig, viel zu allgemein
und in viel zu kleinem Maassstabe gehalten. Wenn sie dennoch
angegeben worden sind, so geschah es nur. um zu zeigen, dass die
betreffende Gegend einmal von einem Gebildeten durchzogen worden
ist. Dieser Mangelhaftigkeit der Quellen ist es auch zuzuschreiben,
dass der westliche Steilrand, welcher nach Beschreibungen und
Skizzen die Kondeniederung begrenzt, nicht entfernt so bestimmt
niedergelegt ist, wie der östliche und nördliche durch Ramsay und
Merensky. Zunächst ist zu nennen J. Thomson 1879 (Karte in
Proceedings R. Geogr. Soc. Dez. 1880 und in seinem Reisewerke
„Expedition nach den Seen von Central- Afrika“, Jena 1882), dessen
Route nur iu den rohesten Zügen angedeutet ist. Sein Nachtlager
am 17./18. September, Mtandala, ist dem Namen nach identisch mit
dem Mtandalo Dr. Bumillers (s. unten), avo derselbe am 5./6. Fe¬
bruar 1893 sich befand. Doch ist es wohl unmöglich, beide zu
identifiziren, wenn es sich auch herausstellen sollte, dass Thomsons
Abstieg vom sogenannten Livingstonegebirge zum Nyassasee auf
seiner Karte viel zu lang dargestellt ist; immerhin brauchte Thomson
Aron Mtandala bis zum See noch vier Tagemärsche, während
Bumillers Mtandalo nur 18 km in gerader Linie vom Nyassa ent¬
fernt ist.
Ohne jeden Werth für uns sind ferner Rev. W. P. Johnsons
Karte „The country east of Lake Nyassa“ in Proceed. R. Geogr.
Soc. 1894, September, und diejenige des französischen Schiffsfähnrichs
Giraud 1883 (Comptes rendus der Pariser Sociötö de Geographie
1885, No. 7/8; de Lannoys Carte d’Afrique Bl. 45 und sonst). Solche
schnurgeraden Wege, Avie sie diese und die folgenden Reisenden
auf ihren Kartell verzeichnen, sind in Gebirgsländern eben einfach
unmöglich.
Mc Ewans Routen 1884 und 1885 betreffen lediglich das
englische Gebiet im Süden des Songwe und sind, wie einige andere,
nicht mit Namen bezeiclmete, der E. G. Ravensteinschen „Map of the
country between Nyassa and Tanganyika. 1 : 750 000“, The Scottish
Geographical Magazine IY, 1888, August, entlehnt. H. H. John-
stons bedeutungslose Wege 1889 sind angegeben auf der Karte
156
„The Nyassa-Tanganyika Plateau“ in Proceed. R. Geogr. Soc. Dezem¬
ber 1890, die von Kerr-Cross, der übrigens am unten angeführten
Orte S. 281 selbst offen gesteht, dass er im Aufnehmen unerfahren
sei und seine Beobachtungen unzuverlässig, auf „Map of the Stevenson
Road country 1 : 1 000 000“ in The Scottish Geographical Magazine
VI, 1890, June, die von Dr. Bumiller 1893 in Petermanns Geogr.
Mittheilungen 1893, Tafel 14.
Schliesslich ist ganz neuerdings im „Geogr. Journ.“, February
1895, S. 112 ff., eine Abhandlung des Dr. Kerr-Cross über die von
ihm 1893 besuchten Kraterseen im Norden des Nyassa erschienen
mit einer rohen Kartenskizze auf S. 117, welcher ich andeutungs¬
weise fünf neue kleine Seen entnommen habe. Leider haben Text
und Karte die Namen zum Theil verschieden geschrieben (Kingire
— Karte: Kingwe; Kiunguvuvu — Karte: Kiunguraru; Itende,
Ramsay: Untende — Karte: Kende); ich bin dem anscheinend rich¬
tigeren Text gefolgt. Den Ikapa- oder den Kingiresee hat vielleicht
schon Thomson besucht, ohne den Namen im Text zu nennen oder
den See auf seiner Karte zu verzeichnen; vergl. seine Ersteigung
des Kegels bei Pokirambo in seinem Reisewerke, deutsche Ueber-
setzung, I, S. 209.
Aus dem Schutzgebiete der Marshall -Inseln
Bericht über die Gesundlieits Verhältnisse der Eingeborenen der
Marshall-Inseln im Jahre 1893/94 und Bemerkung über Fischgift.
Von Dr. med. Steinbach.
Unter den Krankheiten der Eingeborenen stellte wieder die
Syphilis ein Hauptkontingent, indem 33.2 Prozent der ärztlich be¬
handelten Eingeborenen daran litten. Es liess sich jedoch diesmal,
wie das auch im vergangenen Jahre in geringerem Grade der Fall
war, schon ein Erfolg der in den früheren Jahren ausgeübten Be¬
handlung, besonders bei den Bewohnern der Lagune Jaluit, die
natürlich eher ärztliche Hülfe als die auf den entfernteren Insel¬
gruppen wohnenden Eingeborenen in Anspruch nehmen konnten,
konstatiren. Die Zahl der aus der hiesigen Lagune zugegangenen
Kranken, die an Syphilis litten, war bedeutend geringer. Ausserdem
waren die meisten der noch von hier zur Behandlung gekommenen
Eingeborenen Personen, die, da nach kurzer Behandlung die ihnen
sichtbaren Zeichen der Krankheit verschwunden waren, sich für ge¬
heilt gehalten hatten und nicht mehr zum Arzt gekommen waren,
bei denen sich aber nach einiger Zeit Recidive eingestellt hatten.
Die Zahl der hereditären Fälle war dagegen noch immer eine recht
erhebliche. Zugang von neuen schweren tertiären Erkrankungen
fand fast nur von entfernteren Inselgruppen statt.
Die Folgen einer fortgesetzten ärztlichen Hülfe werden aber
erst in einigen Jahren bei dieser Krankheit deutlicher hervortreten,
indem die Zahl der auf syphilitischer Basis beruhenden Aborte und
der hereditär belasteten Kinder ebenso wie die Zahl der Neu¬
infektionen, dadurch, dass die Infektionsquellen seltener werden,
abnehmen wird.
Der Verlauf und die Folgen dieser Krankheit unterschieden
sich bei den Hunderten mir während dreier Jahre zu Gesicht ge¬
kommenen Erkrankungen in nichts von den in Europa beobachteten,
Mitth. von Forschungsreisenden, VIII. Band. II. 11
158
nur dass natürlich die Erkrankungen durch Mangel jeglicher ärzt¬
licher Hülfe durchschnittlich viel weiter vorgeschritten waren, als
dies in civilisirten Ländern der Fall ist. Auch jetzt, wenn auch
in geringerem Grade als im Anfang meiner Thätigkeit, kommt immer
noch der Uebelstand in Betracht, dass erst bei schweren sekundären
oder oft erst tertiären Erscheinungen die Kranken zu mir kommen,
da die Primärerkrankungen die Eingeborenen nur wenn sie sehr
schmerzhaft sind, zu stören pflegen. Infolgedessen habe ich auch
nur sehr selten die anfänglich auftretenden Hautexantheme zu Ge¬
sicht bekommen, ganz abgesehen davon, dass dieselben überhaupt
nur sehr schwer auf der schmutzig- oder dunkelbraunen Haut zu
sehen sind. Obgleich in Fällen mit unzweifelhaftem Ulcus durum
das Auftreten des Exanthems meist abgewartet wurde, ehe eine
Allgemeinbehandlung begann, war es oft unmöglich, ein solches zu
konstatiren, trotzdem dass die im Rachen auftretenden syphilitischen
Geschwüre und andere Krankheitszeichen, ebenso wie das schnelle
Heilen des Ulcus durum nach Beginn der antisyphilitischen Kur
unzweifelhaft das Vorhandensein von Syphilis bewiesen. Ich habe
es mir daher zur Regel gemacht, bei zweifelhaften Fällen und bei
nur irgendwie auf Syphilis zurückzuführenden Erscheinungen stets
eine antiluetische Behandlung zu beginnen, und habe fast ohne Aus¬
nahme durch die dadurch erzielten Erfolge die muthmaassliche Diagnose
bestätigt gefunden. Oft war ich in solchen Fällen ganz erstaunt,
wie täuschend die Syphilis die Erscheinungen anderer Krankheiten
hervorrufen kann, hier, avo ich jederzeit aus dem Munde des Kranken,
da er in Bezug auf seine Erkrankung keine falsche Scham, wie in so
vielen Fällen der weisse Patient, kannte, den Verlauf der Syphilis
bis zu diesen merkwürdigen Nachahmungen der ausgeprägtesten
Symptome anderer Erkrankungen verfolgen konnte. Ich könnte nur
jedem in den Kulturländern thätigen Arzte wünschen, dass er einmal
ein so wenig oder vielmehr gar nicht durch subjektive Verheim¬
lichungen getrübtes Material syphilitisch Kranker vor sich hätte,
wie es hier vorhanden ist. Es würden dann, öfters als jetzt, mit
so verhältnissmässig einfach anzuwendenden Mitteln wie Quecksilber
und Jodkalium die wunderbarsten Erfolge erzielt werden, gerade in
Fällen, die allen sonstigen Behandlungsmethoden trotzten.
Dass die Syphilis, die Weisse hier im Verkehr mit Eingeborenen
acquiriren, einen schlimmeren Charakter als die in Europa erworbene
hätte, wie dies atou der Syphilis, die im Verkehr' mit farbigen Rassen
(z. B. von China) erworben wurde, behauptet wird, dafür habe ich hier
keine Beweise gesehen. Alle mir zu Gesicht gekommenen derartigen
Fälle, eine verhältnissmässig sehr grosse Anzahl, verliefen sogar
ziemlich leicht.
159
Gegenüber dieser Seuelie treten die sonst unter den Eingeborenen
herrschenden Krankheiten ganz zurück. Es fällt vor Allem das
Fehlen fast aller Infektionskrankheiten, die durch epidemische Aus¬
breitung den Menschen bedrohen, wie Scharlach, Diphtherie, Masern,
Typhus u. s. w., auf; nur durch Einschleppung sind einzelne davon,
wie Masern und Influenza, früher unter den Eingeborenen aufgetreten.
Ebenso scheint die Phthisis pulmonum, wie schon früher ausgeführt
wurde, nur bei mit Weissen in engerem Verkehr stehenden Frauen
oder in Kulturländern gewesenen Personen (Matrosen) vorzukommen.
Denn auch im vergangenen Jahre betrafen die zwei mir bekannt
gewordenen Fälle mit weissen Männern zusammenlebende Frauen,
wobei merkwürdigerweise die betreffenden Europäer keine Zeichen
einer derartigen Erkrankung selbst bei eingehendster Untersuchung
darboten. Varicellen, ebenso eine kontagiöse Bindehautentzündung
scheinen unter den Eingeborenen endemisch zu sein, wenn dieselben
auch nur zeitweise in grösserer Ausdehnung auftreten; ebenso sind
immer einzelne Personen von der Ruhr, die allerdings meist nicht
sehr schwer und mehr chronisch verläuft, betroffen; zu einer epidemie¬
artigen Ausbreitung dieser Krankheit ist es dagegen während meiner
Anwesenheit nicht gekommen. Auch vom Mumps (Parotitis) können
immer vereinzelte Fälle beobachtet werden, zeitweise breitet er sich
auch als unbedeutende Epidemie aus.
Diese Seltenheit von Infektionskrankheiten wird durch die ganz
isolirte Lage der Inseln mitten in einem grossen Ocean, die be¬
deutende Entfernung von allen Kulturländern und den besonders in
neuerer Zeit wieder sehr geringen Verkehr mit der Aussenwelt ge¬
nügend erklärt. Dazu kommt noch die Kleinheit des Flächenareals
der Inseln, die überall der Seebrise ausgesetzt sind, die ausser¬
ordentlich starke Durchlässigkeit des Bodens und das dadurch be¬
dingte Fehlen von stagnierenden Gewässern und Sümpfen.
Von sonstigen Krankheiten zeigen nur rheumatische Affektionen,
Katarrhe der Respirationswege und Erkrankungen der Nieren zeit¬
weise unter den Eingeborenen eine ziemliche Verbreitung. Die
Rheumatismen verlaufen oft sehr schwer mit Hinterlassung dauernder
Herzerkrankungen. Unter den Erkrankungen der Luftwege kommen
dagegen, obgleich die Katarrhe oft sehr hartnäckig sind, nur selten
Lungen- und Brustfellentzündungen vor. Einmal wurde ein Lungen-
abscess beobachtet. Die Nierenerkrankungen bestehen, abgesehen
von Nierenamyloid, das öfters als Folge langwieriger, durch tertiäre
Syphilis hervorgerufener Eiterungen auftritt, in akuten und chronischen
Nierenentzündungen. Die akuten Formen schliessen sich dabei ebenso
wie die beiden vorhergehenden Krankheitsgruppen an Erkältungen,
die durch anhaltend feuchtes Wetter entstanden sind, an. Denn der
11*
160
hiesige Eingeborene ist ganz auffällig empfindlich für geringe
Temperaturunterschiede und „erkältet“ sich sehr leicht. Diese
Eigenschaft lässt sich einerseits aus der Gewöhnung an eine ungemein
gleichmässige Temperatur und der dadurch bedingten geringen Ab¬
härtung der Haut erklären, andererseits hat aber auch die Ein¬
führung europäischer Kleider, die im hiesigen Schutzgebiet soweit
vorgeschritten ist, dass Frauen stets mit Kleidern, Männer nur
noch beim Fischfang und ähnlichen Arbeiten mit Matten, sonst
aber auch mit europäischem Zeug bekleidet sind, an dieser Empfind¬
lichkeit, die bei einem Naturvolk den Witterungseinflüssen seiner
Heimath gegenüber doch etwas sehr Aussergewöhnliches ist, Schuld.
Die fast täglich vom Kegen durchnässt werdenden Kleider werden
auch Nachts meist nicht oder nur zum Theil abgelegt, und während
der Marschallaner an seinem Körper durch fleissiges Baden, wie
ich oft bei ärztlichen Untersuchungen zu meiner grössten Freude
bemerken konnte, sehr sauber ist, werden die schmutzigen Lappen,
die ihm die Kultur gebracht hat, da aus pekuniären Gründen nicht
immer neue beschafft werden können, und eine Wäsche derselben
aus Trägheit nur selten vorgenommen wird, nach jeder Reinigung
im alten Zustande wieder angelegt, oft auch gar nicht erst aus¬
gezogen, um dann meist am Körper wieder zu trocknen. Dass
daraus „Erkältungen“ entstehen können und die Disposition zu
Gelenk- und Muskelrheumatismen gegeben wird, ist nicht wunderbar.
Da diese Kleider aber auch oft von verschiedenen Personen hinter¬
einander getragen werden, so stellen sie zugleich ein recht gefähr¬
liches Verbreitungsmittel für die verschiedensten Krankheiten (Haut¬
erkrankungen, Syphilis u. s. w.) dar, ganz abgesehen davon, dass
diese plötzliche Umhüllung der bis dahin zum grössten Theil nackten
Körper als ein gewaltiger Eingriff in den Wärmehaushalt des
Organismus der Eingeborenen anzusehen ist. Diese Errungenschaft
der Kultur, auf deren Einführung die amerikanischen Missionare so
stolz sind, kann demnach in keiner Weise als ein Segen für die
eingeborene Bevölkerung bezeichnet werden, zumal da auch der
sittliche Vortheil, um dessen Willen die Einführung der Bekleidung
von der erwähnten Seite so sehr betrieben wurde und noch betrieben
wird, vollständig hinfällig ist: Die Bekleidung hat die wirkliche
Schamhaftigkeit der hiesigen Bevölkerung absolut nicht gehoben,
sondern durch die Einführung dieses dem Eingeborenen künstlich
aufgedrängten und in Bezug auf die Nacktheit seines Körpers voll¬
ständig fremden Begriffes ist eher die Schamlosigkeit, wie hier
täglich Gelegenheit gegeben ist zu beobachten, grossgezogen worden.
Trotz dieser auf die Eingeborenen einwirkenden Schädlichkeiten
ist, wie schon im vorigen Bericht erwähnt wurde, eine Abnahme
161
der Zahl der Eingeborenen im hiesigen Schutzgebiet nicht wahr¬
scheinlich.
Einen Beweis für diese Ansicht ergeben zwei Zählungen, die
auf der ebenfalls zum Schutzgebiet gehörenden Insel Nauru, die
vollständig abgeschlossen ist und deren Eingeborene, abgesehen von
einigen hier und da in ihren Kanus antreibenden, verschlagenen
Einwohnern der Gilbertinseln, weder Zuzug von anderen Inseln
noch Abgang nach solchen haben, von den dortigen Beamten am
4, September 1890 und am 18. Dezember 1893, also ungefähr in
einem Zwischenraum von drei Jahren, angestellt worden sind. Es
sei hierbei allerdings bemerkt, dass diese Insel von einem von den
Marschallanern verschiedenen Volksstamm (wahrscheinlich einem
vorwiegend polynesischen Mischvolk) bewohnt wird. Die Zählungen
sind sehr genau ausgeführt worden, da sämmtliche Bewohner der
Insel von den Beamten in ihrem Hause persönlich gezählt, Personen,
denen es. sei es aus Krankheit, Alter oder sonstigen Gründen nicht
möglich war, zu erscheinen, sonst ermittelt wurden. Die beiden
Zählungen beanspnichen einen um so grösseren Werth, weil sie
erstens innerhalb eines bestimmten Zeitraumes in gleicher Aus¬
führung wiederholt worden sind, und zweitens ein noch vollständig
im Naturzustände sich befindendes Volk betreffen.
Es ergab nun die Zählung vom Jahre 1890 (von dem damaligen
Beamten Johannsen vorgenommen):
443 Männer, 580 Frauen, 141 Knaben und 153 Mädchen unter
10 Jahren, im Ganzen also 1317 Personen.
Die Zählung im Jahre 1893 (von dem Beamten Jung angestellt)
ergab dagegen:
388 Männer, 620 Frauen, 177 Knaben und 192 Mädchen unter
10 Jahren, also im Ganzen 1377 Personen.
Die Gesammtzunahme während dieser drei Jahre beträgt demnach
60 Personen, das sind, durchschnittlich aufs Jahr berechnet, 15,1 pro
Mille, eine sicher sehr hohe Zunahme, wenn man bedenkt, dass in
Gesammtdeutsckland im Zeitraum 1816 bis 1880 der Zuwachs jähr¬
lich 9,4 pro Mille, in dem Lande der grössten Zunahme, dem König¬
reich Sachsen, im selben Zeitraum 13,3 pro Mille betrug. Auffällig
ist dabei die Abnahme der erwachsenen Männer; doch dürfte das
zum Theil auf eine verschiedene Beurtheilung der beiden Beobachter
in Bezug auf das Alter der männlichen Eingeborenen, das fast nie
zu erfragen, sondern nur zu schätzen ist, zurückzuführen sein. Denn
die starke Zunahme unter den Knaben und Mädchen, die in beiden
Geschlechtern fast die gleiche (36 Knaben, 39 Mädchen) ist, zeigt, dass
auch ein reichlicher männlicher Nachwuchs erzeugt wird. Immerhin
ist das Ueberwiegen des weiblichen Geschlechts eine ganz auffällige
162
Thatsacke: 812 Frauen (die Mädchen unter 10 Jahren eingerechnet)
stehen 565 Männern gegenüber. Eine Erklärung für diese Er¬
scheinung ist, wie ich glaube, darin zu linden, dass bis zum Jahre
1888 fast unaufhörlich unter den zahlreichen auf Nauru ansässigen
Stämmen die erbittertsten Kriege herrschten. Da die Eingeborenen
damals in überreichem Besitze von zum Tkeil sehr guten Feuer¬
waffen waren, so wurden eine grosse Menge Eingeborener und zwar
gerade Männer, die natürlicherweise im besten, kampffähigsten Alter
standen, getödtet, so dass die übrig bleibenden männlichen Ein¬
geborenen einen verhältnissmässig grossen Prozentsatz zum Kampf
zu alter oder zu junger Personen aufzuweisen hatten, abgesehen
davon, dass sie überhaupt in ihrer Zahl gegenüber den Frauen
dezimirt waren. Nachdem dann im Jahre 1888 die deutsche Schutz¬
herrschaft auf die Insel ausgedehnt und mit der Abnahme sänimt-
licher Waffen die Kriege mit einem Schlage verschwunden waren,
war ein natürliches Absterben der Bevölkerung wieder möglich; es
konnte aber, indem die vorhandenen alten Leute starben, natürlicher¬
weise der Nachwuchs jüngerer Jahresklassen auf einmal nicht so
bedeutend sein, um die durch die früheren Kämpfe und durch den
Tod der übrig gebliebenen alten Leute herbeigeführten Verluste und
Ausfälle zu decken, so dass infolgedessen noch eine weitere Ab¬
nahme in der Zahl der männlichen Bevölkerung stattfand. Denn
durch eine Ueberzahl weiblicher Geburten lässt sich dieser Ueber-
schuss des weiblichen Geschlechts nicht erklären, da, wie schon
oben ausgeführt wurde, die Zunahme beider Geschlechter in den drei
Beobachtungsjahren ziemlich die gleiche ist.
Günstig für den Gesundheitszustand auf Nauru wirkt ohne
Zweifel das schon früher erwähnte Fehlen der Syphilis auf dieser
Insel; ebenso sind die Eingeborenen, die schon auf Betreiben daselbst
eingesetzter Missionare begonnen hatten, Kleider anzulegen, wieder
gänzlich zu ihrem alten Grasschurz zurückgekehrt, und zwar deshalb,
weil sich die betreffenden Missionare (als solche ausgebildete Ein¬
geborene der Gilbertinseln) selbst für das Empfinden dieser „Wilden“
so schlimm betrugen, dass die Bewohner von Nauru in merkwürdiger
Konsequenz mit den Missionaren zugleich die von denselben ein¬
geführten Kleidungsstücke hinauswarfen. Wenn also diese Umstände
für den Gesundheitszustand und die Zunahme der Eingeborenen als
förderlich angesehen werden müssen, so ist andererseits die Insel
Nauru den eigentlichen Marschallinselu gegenüber dadurch sehr be-
naclitheiligt, dass die Nahrungsmittel, die der sehr dichten Be¬
völkerung (das ganze Terrain der Insel beträgt nur einige Quadrat-
kilometei') zu Gebote stehen, noch bei Weitem beschränkter als in
den Marschallinseln sind. Oft Jahre lang herrschende Trockenheit
liefert nur den für das Leben nöthigsten Ertrag an Kokosnüssen;
ebenso fehlt infolge dieser Dürren der Brodfruchtbaum, der auf den
meisten Marschallinseln sehr gut gedeiht, vollständig. Die Be¬
dingungen also, unter denen die Zunahme der Bevölkerung auf Nauru
vor sich gegangen ist, werden im Allgemeinen nicht wesentlich
günstiger als auf den Marschallinseln sein, so dass auch hieraus,
wenn nicht auf eine Zunahme, so doch wenigstens auf ein Stehen¬
bleiben der Bevölkerungszahl letzterer Inseln geschlossen werden
kann.
Zum Schluss muss ich noch auf eine Erscheinung eingehen, die
auch sonst Gegenstand der widersprechendsten Angaben ist, das
ist die sogenannte „Fischvergiftung“.
Von den Eingeborenen werden eine sehr grosse Anzahl von
Fischarten für giftig gehalten, und auch die hiesigen Weissen haben
grosse Furcht vor dieser „so häufigen Vergiftung“. Es handelt sich
dabei um zwei ganz verschiedene Dinge, einerseits um die Er¬
krankungen, die durch den Genuss von Fischfleisch entstehen,
andererseits um die im Anschluss an Verletzungen durch Flossen¬
stacheln oder Fischbisse sich einstellenden Krankheitserscheinungen.
Was nun zunächst die Erkrankungen, die sich an den Genuss
von Fischen anschliessen, betrifft, so habe ich während meiner bald
dreijährigen Anwesenheit im Schutzgebiet nur dreimal einen Fall
gesehen, der bei objektiver Untersuchung Symptome einer Ver¬
giftung mit einem Gift, wie es hier überhaupt in Frage kommen
könnte, darbot, und auch unter diesen drei Kranken traten nur bei
einem einzigen die betreffenden Symptome deutlich und schwer
hervor. Häufig ist also diese Erscheinung keineswegs, wenn man
nicht, wie dies hier von Seiten der weissen Laien gethan wird, alle
möglichen sonstigen unerklärlichen Krankheitserscheinungen einlach
mit dieser Diagnose belegt. Da die Eingeborenen fast täglich
Fische essen, so wird auch von ihnen eine unverständlich und
aussergewöhnlicli erscheinende Krankheit stets auf den Genuss von
Fischen zurückgeführt. Tritt man dann solchen Fällen näher, so
stellt sich oft der dann selbst dem betreffenden Eingeborenen
wunderbare Umstand heraus, dass erst zwei oder gar drei Tage
nach dem letzten Verspeisen von Fischen die angebliche Vergiftung
in Erscheinung getreten ist. Gegenüber der Thatsache, dass diese
Eigenschaft von Fischen demnach keineswegs häufig ist, kann auch
der. Einwand, dass die Eingeborenen die giftigen Fische kennen
und daher nicht essen, nicht als stichhaltig angesehen werden, da
bei Eingeborenen verschiedener Inseln die Ansichten über die
Giftigkeit einer Fischart sehr verschieden sind. Es giebt nach An¬
gaben der Eingeborenen Fische, die in der Lagune von Ebon ge-
164
fangen, als ungiftig gegessen werden, bei den Einwohnern von
Jaluit dagegen für sehr giftig gehalten werden. Ja, derselbe Fisch,
der z. Jß. auf der Ostseite der Lagune Jaluit ohne Schaden genossen
werden kann, soll auf der Westseite derselben Lagune giftig sein!
Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass irgend ein Unterschied
zwischen verschiedenen Lagunen oder den beiden Seiten einer Lagune
existire, dass etwa, wie bei den Fundorten der giftigen Miesmuscheln,
an den betreffenden Stellen stagnirendes Meerwasser mit einer
Menge sich zersetzender organischer Substanz sich befände, wodurch
die Fische, die daselbst Vorkommen, ihre giftigen Eigenschaften
erhielten. Das ist aber in keiner Weise der Fall. Das Wasser in
den Lagunen ist überall gleichmässig rein und verkältnissmässig
frei von solchen Stoffen und wird regelmässig durch Ebbe und Fluth
vom offenen Meere aus erneuert. Ebenso sind die Nahrungsstoffe,
die den verschiedenen Fischarten innerhalb der Lagunen zur Ver¬
fügung stehen, überall dieselben. Ausserdem geben die Eingeborenen
ganz bestimmt an, dass viele der ausserhalb der Lagunen im offenen
Meer gefangenen Fische ebenfalls giftig seien; auf hoher See sollen
sie allerdings fehlen.
Die Marschallaner haben auch eine eigene Methode, um nach
ihrer Meinung giftige Fische zum Gemessen tauglich zu machen.
Solche Fische (besonders kleinere Arten) werden in die auf den
Inseln sich iindenden Teiche und Tümpel gesetzt. Letztere sind
durch unter dem Meeresspiegel liegende Spalten und Risse mit
Meerwasser, dem ein wenig Regenwasser beigemischt ist, gefüllt;
ihr Wasserspiegel hebt und senkt sich mit Fluth und Ebbe. Nach
mehreren Wochen Aufenthaltes darin sollen die Fische ihre
Giftigkeit verloren haben. Gerade diese Tümpel aber enthalten
eine Unmenge verwesender und sich zersetzender organischer
Substanzen.
Weiterhin sind aber auch die Angaben der einzelnen erfahrenen
eingeborenen Fischer über die Giftigkeit einer bestimmten Fischart
sehr verschieden und oft geradezu widersprechend. Die Zahl der
Arten, bei denen gleichmässig von allen Seiten behauptet wird,
dass dieselben giftig seien, stellt sich nach den von mir angestellten
Nachfragen als eine sehr geringe heraus. Meist wird auf Befragen
der erfahrensten Leute mit der stereotypen Antwort: J djädje (ich
weiss nicht) die Entscheidung des Einzelnen getroffen; ein Anderer
wieder hält den Fisch für unbedingt giftig, während der Dritte das
Gegentheil behauptet. Schliesslich wurde die Frage in vielen von mir
beobachteten Fällen in letzterem Sinne entschieden, indem der Fisch
mit vereinten Kräften verzehrt wurde, und zwar ohne dass irgend¬
welche Vergiftungserscheinungen auftraten.
Manchmal sollen sich solche Y ergiftungen sogar nach dem Ge¬
nuss allgemein als unschädlich bekannter Fische, wobei bei einem
Fang die einen Exemplare derselben Art giftig, die anderen harmlos
sind, einstellen; ja, es sind mir sogar Fälle mitgetheilt worden, in
denen mehrere Personen von einem Fisch gegessen hatten, von
denen einige erkrankten, die anderen nicht. Hier könnte es sich
also nur um einzelne das Gift enthaltende Organe, wie z. B.
die Leber, der betreffenden Fische gehandelt haben. Schliesslich
sollen manche Fischarten nur zeitweise giftig sein. Doch können
die Eingeborenen über den Grund dieser Erscheinung und über den
genaueren Zeitpunkt derselben keine Angaben machen.
Es sind also eine Menge Widersprüche in den Angaben und
Thatsachen in Bezug auf diese Eigenschaft bestimmter Fischarten
vorhanden. Offenbar spielen zunächst, ausser dem oben erwähnten
kritiklosen Schluss „post hoc, ergo propter hoc“, bei den Aussagen
der Eingeborenen eine Menge alter religiöser Anschauungen mit,
die jetzt, wo nur noch wenige alte Leute von dem alten Glauben
etwas wissen, für das Gros der Bevölkerung unverständlich und
ohne Zusammenhang sind. In den vorhandenen Sagen spielen
Fische, die von einem Geist resp. bösen Wesen, anidj genannt,
besetzt sind, eine grosse Rolle. Solche Fische durften natürlich
nicht, manchmal nur zu bestimmten Zeiten oder an bestimmten
Orten, gegessen werden, ohne dass dieser Frevel von den schlimmsten
Folgen begleitet sein musste. So z. B. wird eine grosse Aalart,
die in verschiedenen Varietäten hier zwischen den Korallenblöcken
der Werft in Jaluit und in den mit Brackwasser gefüllten Tümpeln
sehr häufig ist, von den Eingeborenen im Allgemeinen für sehr
giftig gehalten. Von älteren Leuten weiss ich nun, dass dieser
Fisch einen solchen anidj in sich birgt. Hier befindliche Ein¬
geborene der Gilbertinseln verspeisen denselben aber mit grösstem
Wohlbehagen, ebenso ist er, da er sehr wohlschmeckend ist, von
den hiesigen Europäern schon verschiedene Male ohne irgendwelche
nachfolgende Vergiftungssymptome gegessen worden. In gleicher
Weise hatte ich bei vielen anderen von den hiesigen Bewohnern
für sehr giftig gehaltenen Fischen durch die hier sich aufhaltenden
Eingeborenen anderer Länder, die nichts von solchen Eigenschaften
der Fische wussten und sie deshalb ruhig verzehrten, Gelegenheit,
die Ungiftigkeit dieser Arten zu konstatiren.
Andererseits waren, und sind zum Tlieil noch, bestimmte Fische
(früher bei Todesstrafe) dem gemeinen Mann zu essen verboten;
nur die höchsten Häuptlinge durften dieselben gemessen. Das Gi'os
der Bevölkerung hatte also eine sehr natürliche Furcht vor ihrem
Genuss. Auch dieser Umstand mag jetzt bei Angaben über Giftig¬
keit von Fischen eine Rolle spielen.
Was nun die für giftig gehaltenen Fische selbst betrifft, so
werden als solche in einzelnen Lagunen nur sehr wenige oder gar
keine angesehen, in anderen wieder giebt es deren, wie z. B. hier
in Jaluit, eine sehr grosse Menge. In Bezug auf ihre zoologische
Stellung gehören verhältnissmässig viele derselben der Klasse der
Stachelflosser (Acanthopteri) und hier besonders den Familien der
Percidae und Synammipinnes und weiterhin der Klasse der Edel¬
fische (Physostomi) an. Doch sind auch in verschiedenen der
übrigen Klassen solche Angehörige vorhanden. Diese grosse Zahl
von angeblich giftigen Fischarten giebt ebenfalls schon zu Bedenken
Anlass.
Untersucht man nun einen solchen Fisch, so weist er weder
äusserlich irgendwelche besonderen Merkmale auf, noch bieten Aus¬
sehen, Geruch oder Geschmack seines Fleisches Eigenthümlich-
keiten dar. Auch an den einzelnen Organen, z. B. an der Leber,
lassen sich sichtbare Veränderungen nicht konstatiren. Ebensowenig
konnte ich an Fischen, die nur zeitweise oder nur an bestimmten
Stellen für giftig gehalten werden, irgend einen Unterschied gegen¬
über unschädlichen Exemplaren der gleichen Art feststellen. Durch
Kochen und Rösten wird das Gift nicht beeinflusst.
Es erübrigt nun noch, die Vergiftungserscheinungen, die durch
Genuss von Fischen angeblich vergiftete Menschen darbieten, zu
besprechen. Meist kamen die Eingeborenen einfach mit der An¬
gabe zu mir, dass sie Fische gegessen hätten und dadurch vergiftet
seien. Wurden sie näher gefragt, so gaben sie an, Kopfschmerzen,
Uebelkeit, manchmal Diarrhoe, Gefühl von Hitze, zeitweise auch
kalte Füsse und Hände, verbunden mit Prickeln oder Abgestorben¬
sein derselben, zu empfinden. Letztere Empfindung wird aber über¬
haupt von Seiten der Eingeborenen bei den verschiedensten Krank¬
heiten angegeben. In anderen Fällen wurde über Schwäche der
Gliedmaassen, allgemeine Körperschmerzen, zweimal auch über
Schwindelgefühl und Sehstörungen ausser den vorgenannten Sym¬
ptomen geklagt. Aber auch alle möglichen anderen Leiden, wie
Zahnschmerzen, Ohrensausen, erhöhte Körpertemperatur, Schwanger¬
schaftsbeschwerden, hysterische Erscheinungen u. s. w. wurden oft
auf den Genuss von Fischen zurückgeführt. Die objektive Unter¬
suchung ergab in allen bis jetzt erwähnten Fällen nichts, was
unbedingt für eine Vergiftung gesprochen hätte. Auch die an¬
geführten Sehstörungen konnten in beiden Fällen objektiv nicht
nachgewiesen werden. Es war entweder die Diagnose auf akuten
Magen- und Darmkatarrh infolge Ueberladung des Magens mit
167
unglaublichen Mengen von Fisckfleisch (man muss nur einmal die
Eingeborenen essen gesehen haben!) oder auf irgend eine andere
Krankheit, wie z. B. auf Muskel- und Gelenkrheumatismus, zu stellen.
War das Erstere der Fall, so beseitigte ein stai-kes Brechpulver
und mehrere danach gegebene Löffel Ricinusöl sofort alle Er¬
scheinungen, in den übrigen Fällen führten die dagegen anzuwendenden
Heilmittel Besserung herbei. Verschiedene Male habe ich auch
innerhalb der allerkürzesten Zeit durch Verabreichung vollständig
indifferenter Medikamente eine wunderbare Heilung gesehen!
Wirkliche Symptome einer Vergiftung fanden sich dagegen nur
in den drei schon oben angeführten Fällen. Bei den zwei leichteren
derselben bestanden die subjektiven Symptome in Uebelkeit, heftigem
Prickeln und lähmungsartiger Schwäche in den Extremitäten, be¬
sonders den Beinen. Der Gang war schwankend und unsicher.
Die angegebenen Erscheinungen, ebenso wie eine deutlich aus¬
gesprochene Akkommodationslähmuug konnten durch die objektive
Untersuchung bestätigt werden; auch ergab letztere eine Herab¬
setzung der Sensibilität an den Enden der Gliedmaassen. Der Puls
war klein und schwach, die Athmung etwas oberflächlich, das Be¬
wusstsein ganz leicht benommen. Eine starke Gabe von Zineurn
sulfuricum als Brechmittel und darauf folgende Abführmittel be¬
seitigten aber auch hier innerhalb einiger Stunden die angeführten
Symptome.
Viel schwerer stellte sich der dritte Fall dar. Der betreffende
kräftige, ungefähr 35 Jahre alte Eingeborene hatte mit drei anderen
(zwei Männern und einer Frau) ungefähr drei Stunden vor Inanspruch¬
nahme meiner Hülfe von einem grossen Fisch gegessen. Da Alles
verzehrt war, konnte ich leider nicht die Art, wenigstens ungefähr,
feststellen. Während die drei anderem Personen vollständig wohl
waren und auch weiterhin gesund blieben, bot der Erkrankte bei
meinem Erscheinen ein sehr ausgeprägtes Symptomenbild dar. Zunächst
klagte er über die bei den zwei eben besprochenen Fällen angegebenen
Erscheinungen in erhöhtem Grade. Die Sprache war lallend, das
Bewusstsein erheblich gestört, das Gesicht leicht cyanotisch, die
Pupillen erweitert und nur schwach auf Lichteinfall reagirend.
Der Kranke knickte, Avenn er aufrecht gestellt Avurde und, gehen
sollte, nach einigen hülflosen, mit starkem Taumeln verbundenen
Versuchen sofort zusammen; ebenso konnten sonstige aktive Be¬
wegungen der Beine fast garnickt vorgenommen Averden. Auch
die oberen Extremitäten wiesen, Avenn auch in viel geringerem
Grade, Beschränkungen in ihrer Bewegungsfähigkeit auf. Die Haut¬
sensibilität der Extremitäten war fast ganz erloschen, Fussklonus
und Patellarreflex waren in erhöhtem Maasse, später nur sehr schwach,
168
nachweisbar. Die Körpertemperatur war etwas unter der normalen
(36,4 ° C.), der Puls klein und fadenförmig, die Atkmung oberflächlich
und etwas beschleunigt.
Trotzdem durch Greben von Zincum sulfuricum reichliches Er¬
brechen und durch Ricinusöl reichlicher Stuhlgang erzeugt wurde,
nahmen im Laufe der nächsten Stunden die Erscheinungen derartig:
zu, dass der Patient im tiefsten Koma lag. Das Bewusstsein erlosch
vollständig, die Athmung bot das Ckeyne-Stokes’sche Phänomen dar,
bei der Auskultation hörte man an allen Stellen der Lunge starke
Rasselgeräusche. Der Puls wurde kaum fühlbar, der Herzschlag-
ganz unregelmässig. Die Cyanose nahm bedeutend zu, die Ex¬
tremitäten fühlten sich eiskalt an und waren vollständig unempfind¬
lich. Da Gaben von Alkohol und andere Excitantien, weil das
Schlucken im höchsten Grade erschwert war, nicht angenommen
wurden, Kampherinjektionen keinen Erfolg zeigten und das Ableben
des Patienten baldigst zu erwarten stand, entschloss ich mich, ver¬
suchsweise Injektionen von Liquor ammonii caustici (0,3 g dreimal
innerhalb 14/2 Stunden) in die Magengegend zu machen. Es trat
danach (ob als Folge des Medikamentes) innerhalb ganz kurzer
Zeit bei dem Patienten, den ich schon für verloren gegeben hatte,
eine derartige Besserung ein, dass das Bewustsein wiederkehrte, die
Herzaktion stärker, der Pulsschlag kräftiger wurde und die Atkmung
einen regelmässigen Charakter annahm. Am nächsten Morgen konnte
der Patient schon wieder deutlich sprechen und etwas zu sich nehmen,
fühlte sich auch subjektiv bis auf ein Gefühl von Abgestorbensein
der Extremitäten und allgemeine Körperschwäche wohl. Dagegen
war das Gehen noch vollständig unmöglich. Um so überraschender
war es, als der Kranke am Abend desselben Tages von mir wieder
im tiefsten Koma angetroffen wurde und alle Erscheinungen vom
vorhergehenden Tage darbot. Doch hatten auch diesmal, da ich
von Brech- und Abführmitteln bei der Unmöglichkeit, ihm dieselben
beizubringen, Abstand nehmen musste, zwei gleich starke Injektionen
wie vorher, von Liquor ammonii caustici sehr raschen Erfolg. Alle
krankhaften Erscheinungen verloren sich in den nächsten Tagen,
doch war der Patient erst nach vier Tagen im Stande, am Stocke
zu gehen. Im Laufe einer Woche trat vollständige Wieder¬
herstellung ein.
Dieser vorliegende Fall kann wohl kaum anders als eine Ver¬
giftung und zwar mit einem sehr energisch und verhältnissmässig
rasch wirkenden Gift gedeutet werden. In vieler Hinsicht stimmen
seine Wirkungen mit den Erscheinungen, die nach dem Genuss
giftiger, an bestimmten Lokalitäten lebender Miesmuscheln beschrieben
worden sind, überein. Aber auch mit den Erkrankungen, die durch
169
Genuss verdorbenen Fleisches entstehen können, linden sich in
einigen Punkten gewisse Aehnlichkeiten. Es handelt sich in dem
vorliegenden Falle um ein sehr stark wirkendes Nervengift, das
zuerst die peripheren sensiblen und motorischen Nerven, besonders
der unteren Extremitäten, zu beeinflussen scheint, um bei stärkerer
Einwirkung auch die Thätigkeit von Herz und Lungen zu hemmen.
Da in dem letzten ausführlicher beschriebenen Falle von vier
Personen, die sich am Verspeisen eines Fisches betheiligt hatten,
drei ganz gesund blieben, kann die Vergiftung nur durch den Ge¬
nuss eines bestimmten, das Gift enthaltenden Organes stattgefunden
haben. Denn es ist bei so hochgradigen Erscheinungen nicht denkbar,
dass der betreffende Mann besonders für die Wirkung eines solchen
Giftes disponirt war. Um was für ein Organ es sich gehandelt
hatte, konnte leider nicht festgestellt werden, ln einem anderen
Falle, der allerdings nur die Symptome einer Magenüberladung
darbot, behauptete der sich für vergiftet haltende Eingeborene,
durch den Genuss der Leber erkrankt zu sein.
Es fragt sich nun, ob diese Eigenschaft von Fischen, vom
Magen aus Vergiftungserscheinungen hervorzurufen, den Fischen
schon im lebenden Zustande anhaftet oder ob dieselbe erst einige
Zeit nach dem Tode durch Zersetzungsvorgänge, die eventuell nur
in einzelnen Organen stattfinden, entsteht. Ich bin sehr geneigt,
die Frage in letzterem Sinne zu beantworten. Vor meiner Ankunft
hier ist z. B. ein Fall vorgekommen, dass von zu gleicher Zeit ge¬
fangenen Fischen einer Art kurz nach dem Fange von mehreren
Personen (Weissen) gegessen wurde, die sämmtlich gesund blieben,
dass aber am anderen Morgen Personen, die die übriggebliebenen
Fische sich zubereiten liessen, sämmtlich an ähnlichen wie den be¬
schriebenen Erscheinungen erkrankten. Dass das Fleisch oder be¬
stimmte Organe gewisser Fischarten die Eigenschaft haben, sehr
schnell unter dem Einfluss der hohen Lufttemperatur giftige Zer¬
setzungsprodukte zu bilden, wird ausserdem durch die Zubereitungs¬
weise der Eingeborenen, die bei Fischen angewendet wird, sehr be¬
günstigt. Die Fische werden, oft nachdem sie einen Tag und länger
im glühendsten Sonnenbrand gelegen haben, mit allem Darm¬
inhalt auf heissen Steinen gebraten und dann meist mit Stumpf
und Stiel aufgegessen.
Thiere scheinen dem Gift gegenüber sehr empfänglich zu sein.
Zweimal habe ich Katzen gesehen, die nach dem Fressen von Fischen,
wie ich mich an dem Mageninhalt überzeugen konnte, gestorben
waren. In einigen anderen Fällen liefen Hunde und Katzen mehrere
Wochen mit einer anhaltenden lähmungsartigen Schwäche der
hinteren Extremitäten herum, von denen mir gesagt wurde,, sie
170
seien fischvergiftet gewesen. Wie weit hier andere Dinge mit¬
gespielt hatten, konnte ich nicht konstatiren.
Falls die Beobachtung richtig war, werden auch diese Thiere
nur mehr oder weniger zersetzte Abfälle zu sich genommen haben.
Leider war es mir nicht möglich, Thierexperimente anzustellen,
ebenso konnte ich nicht aus Mangel an darauf bezüglichen Büchern
die für giftig geltenden Fischarten näher bestimmen. Es bietet sich
hier aber ein lohnender Gegenstand wissenschaftlicher Thätigkeit.
Durch das ausführlichere Eingehen auf denselben wollte ich erstens
die Anregung zu weiteren Forschungen geben, andererseits aber auch
darthun, dass die Angaben von Eingeborenen und auch von Weissen
und das wird nicht nur hier der Fall sein — in Bezug auf solche
Dinge, wie überhaupt alle naturwissenschaftlichen Erscheinungen,
meistens sehr ungenau und übertrieben sind und nur mit vorsichtiger
Kritik als den tliatsächlichen Verhältnissen entsprechend angesehen
werden dürfen.
Dies gilt in Bezug auf den vorliegenden Gegenstand in gleicher
Weise auch von den Verletzungen, die durch Fischbisse oder durch
Flossenstacheln hervorgebracht werden und Vergiftungserscheinungen
im Gefolge haben sollen. Die betreffenden verletzten Glieder sollen
ganz rapid anschwellen, zugleich soll sich Bewusstlosigkeit ein¬
stellen und in schweren Fällen selbst der Tod ein treten. Ich habe,
obgleich gerade deshalb eine grosse Menge von Eingeborenen zu
mir gelaufen kam. keinen Fall gesehen, der etwas Derartiges dar¬
geboten hätte. Allerdings waren oft, besonders wenn die gezackten
Stacheln in der Wunde stecken geblieben waren, Schwellungen der
Umgebung oder auch leichte Lymphgefässentziindungen zu bemerken,
ja es kam selbst zur Bildung eines Abscesses: das sind aber Dinge,
die eben auch nach jeder anderen Verletzung, wie durch Holz¬
splitter, Nägel u. s. w. Vorkommen können. Oft konnte dabei die
Verletzung nicht einmal bestimmt auf einen Fisch zurückgeführt
werden. Durch Zufall habe ich mich selbst einmal mit dem angeb¬
lich giftigen Stachel eines Fisches, der mir zur Demonstration ge¬
bracht wurde, am Handballen derartig verletzt, dass ein grosses
Stück des Stachels in der Wunde stecken blieb. Obgleich ich
nichts weiter that, als dieses Stück zu entfernen, traten irgend¬
welche weiteren Folgen nicht auf. Uebrigens behaupten die Ein¬
geborenen auch, dass nicht allein Fischstachel, sondern auch die
Stachel der verschiedensten Seeigel, die allerdings besonders leicht
abbrechen und aus einer Wunde schwer zu entfernen sind, diese
Eigenschaft besässen.
Wie schon erwähnt wurde, sollen früher sogar Todesfälle nach
solchen Verletzungen vorgekommen sein; während meiner Anwesen-
171
heit habe ich weder einen Todesfall gesehen, noch von einem
solchen gehört. Es ist aber garnicht ausgeschlossen, dass eine
durch eine derartige Verletzung hervorgerufene Wunde entweder
•durch an dem betreffenden Stachel u. s. w. selbst haftende oder
nachträglich eingebrachte Mikroorganismen infizirt werden und eine
allgemeine Septicämie mit letalem Ausgang zur Folge haben kann.
Die bei derartigen Verletzungen anzuwendenden therapeutischen
Maassnahmen ergeben sich aus dem Vorangehenden von selbst;
ebenso sind die Heilmittel für die durch Genuss von Fischen hervor¬
gerufenen Vergiftungen schon oben bei den einzelnen Fällen be¬
sprochen worden.
Bericht von Regierungsarzt Ür. Schwabe über die Gesundheits-
verhältnisse der Marshall -Inseln.
Der Gesundheitszustand der weissen Bewohner von Jaluit in
der Zeit vom 21. August bis 31. Dezember 1894 war im Ganzen ein
guter. Krankheiten, die zum tropischen Klima in enger Beziehung
stehen, sind unter ihnen nicht beobachtet worden. Es sollen früher
wiederholt bei Weissen, die sich erst kurze Zeit im hiesigen Schutz¬
gebiete befanden, Fieberanfälle von kurzer Dauer ohne nachweisbare
Ursachen und ohne nachtheilige Folgen aufgetreten sein. Bei den
Europäern, welche in diesem Jahr nach Jaluit gekommen sind, wm'de
dergleichen nicht beobachtet. Nach dem, was ich bisher gesehen,
halte ich das hiesige Klima für ein verhältnissmässig gesundes.
Es giebt Deutsche, welche seit langen Jahren — der eine seit 23,
der andere seit 17 Jahren — ohne oder fast ohne Unterbrechung
hier leben und an ihrer Gesundheit keinen Schaden gelitten haben.
Bei der Akkliinatisirung machen sich manche Beschwerden geltend,
die später grösstentheils verschwinden. Herz und Nieren werden
stark in Anspruch genommen. Der Harn ist sehr konzentrirt, der
Schweiss scheint es ebenfalls zu sein; wenigstens lässt das heissende
Gefühl, welches er auf der macerirt.en Haut verursacht, auf einen
starken Säuregehalt schliessen. Manche subjektive Empfindung
deutet auf erschwerte IJerzthätigkeit. Nicht selten tritt leichtes
Oedem der Beine auf. Nikotin wirkt so schädlich, dass man gut
thut, das Rauchen sehr einzuschränken. Am unangenehmsten ist
wohl die Nervosität und Schlaflosigkeit, unter der sensible Personen
zu leiden haben. Es wäre begreiflich, wenn diese, verbunden mit
dem tödtlichen Einerlei des Lebens in Jaluit, solchen Naturen
schliesslich Schaden an ihrer Gesundheit brächten. Die sein- gleich-
massige, verhältnissmässig hohe Temperatur, welche hier herrscht,
wird durch die fast immer in grösserer oder geringerer Intensität
wehende Brise erträglich gemacht. Diesen guten Einfluss kompensirt
allerdings zum Theil der hohe Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Die
Abkühlung durch die zahlreichen, heftigen Niederschläge pflegt nur
von kurzer Dauer zu sein. Die Wirkung der Seebrise, welche fast
immer aus östlichen Richtungen weht, macht sich trotz der Schmal¬
heit der Insel Jabwor auf der Lagunenseite, an der fast alle Ge¬
bäude liegen, wenig bemerkbar.
Von Krankheiten, welche in ihrem Auftreten einen epidemischen
Charakter zeigten, ist erstens ein fieberhafter Katarrh der Respi¬
rationsorgane zu nennen, der bei einem Theil der Erkrankten mit
heftigen Kopf- und Gliederschmerzen verbunden auftrat und vielleicht
als Influenza angesprochen werden konnte. Die Krankheit verlief
durchaus leicht und rasch. Da sie sich anscheinend erst nach Ein¬
treffen des amerikanischen Missionsschiffes „Morning Star“ von
Kusaie im hiesigen Hafen ausbreitete, lag der Gedanke nahe, dass
dieses die Krankheit eingeschleppt habe. Doch war bei der ärzt¬
lichen Kontrole kein Kranker an Bord angetroffen worden.
Unter den Eingeborenen trat ein Bindehautkatarrh auf, in
geringer Ausdehnung zwar, aber bei den davon Befallenen ziemlich
gleichzeitig, so dass man eine Kontagiosität desselben annehmen
musste. Komplikationen, wie Entzündungen der Hornhaut und
Regenbogenhaut, wurden nicht gesehen.
Zu Zeiten reichlicher Niederschläge verbunden mit kühleren
Nächten kamen gewöhnlich eine Anzahl akuter Darmkatarrhe zur
Behandlung, ausschliesslich bei Eingeborenen. Durch mässige Opium¬
gaben wurde stets rasche Heilung erzielt.
Schon früher sollen sporadisch Brechdurchfälle in Jaluit beobachtet
worden sein. Anfang Dezember traten dieselben in grösserer Anzahl
gleichzeitig auf. Die Kinder der Europäer erkrankten grösstentheils,
von den Erwachsenen nur einer und sehr leicht. Dagegen stellten
die Eingeborenen ein grösseres Kontingent. Die von der Krankheit
Befallenen lebten unter den verschiedensten äusseren Bedingungen.
Da man für einen epidemisch auftretenden Brechdurchfall eine
Infektion als Ursache annehmen muss und nach Angabe eines Ein¬
geborenenmissionars die Krankheit gleichzeitig auf anderen Inseln
des Jaluit- Atolls grassirte, dürfte der bereits vorhandene Infektions¬
stoff unter günstigen klimatischen Bedingungen wirksam geworden
sein. Auffallend war zu jener Zeit der niedrige Barometerstand.
In der Nacht zum 8. Dezember trat böiges Wetter mit starken
Regengüssen, 95 mm in 24 Stunden, ein, und das Barometer stieg,
173
um dauernd hoch zu bleiben. Es war auffallend, wie rasch sich
eine Anzahl der Kranken im Laufes dieses Tages erholte. Neue
Erkrankungen blieben aus.
Von chronischen Infektionskrankheiten sind Tuberkulose und
Syphilis zu nennen. Die Tuberkulose kam in Form von Lungen¬
schwindsucht zweimal zur Behandlung. Der erste Pall betraf einen
Eingeborenen, der sich in weit vorgeschrittenem Krankheitsstadium
befand. Seine Schwester ist an Lungenschwindsucht gestorben. Sie
lebte bei einem Europäer, der sich noch hier befindet und selbst
kräftig und gesund ist. Der zweite Pall betraf einen Händler, der
seit seinem zwölften Lebensjahre im Schutzgebiete wohnt. Ferner
befindet sich ein Angestellter der Jaluit- Gesellschaft wegen Lungen¬
spitzenkatarrhs in meiner Behandlung. Unstreitig übt auf derartige
Lungenerkrankungen das Klima von Jaluit einen ungünstigen Ein¬
fluss aus. Der letztgenannte Kranke unternahm seiner Gesundheit
wegen eine Seereise von mehreren Wochen und hat sich dabei be¬
deutend erholt. Er nahm 15 Pfund zu. Nach seiner Angabe fühlte
er sich auf Inseln mit trockener Witterung bedeutend wohler und
empfindet jetzt wieder sehr den nachtheiligen Einfluss des hiesigen
feuchten Klimas. In wenigen Tagen verlor er vier Pfund an
Körpergewicht.
Das weitaus grösste Kontingent für ärztliche Thätigkeit stellten
die Geschlechtskranken und von diesen speziell die Syphilitischen.
Tripper mit seinen Komplikationen und Folgen, Hodenentzündung,
Blasenkatarrh und Strikturen, kam häufig zur Behandlung. Merk¬
würdig ist die Indolenz, mit der schmerzhafte Hodenentzündungen
von den Eingeborenen ertragen werden. Bei einem jungen Mädchen
fand ich neben Tripper der Genitalien einen solchen des Mastdarms
mit Ulcerationen der prolabirten Schleimhaut. Ulcus rnolle, weicher
Schanker, in reiner Form wurde nie gesehen; es handelte sich dann
stets um eine Mischinfektion mit syphilitischem Virus. Nicht selten
kommen Schanker zur Behandlung, welche infolge alter, latenter
Syphilis induriren und nur durch antiluetische Mittel geheilt werden
können. Die Zahl der mit Syphilis infizirten Personen ist auf
50 Prozent der Bevölkerung geschätzt worden. Eher ist diese Zahl
zu niedrig als zu hoch gegriffen. Der Zulauf von syphilitisch
Kranken war anfangs ein sehr grosser. Bei der weitaus grössten
Zahl handelte es sich um tertiäre Erscheinungen. Das Nomaden¬
leben und das geringe Verständniss der Eingeborenen für die Natur
ihrer Krankheit und die Mittel zu ihrer Heilung bringen es mit
sich, dass frische Syphilisfälle nie oder fast nie einer gründlichen
Kur, die zur Heilung führt, unterzogen werden. Es werden so und
so viele Einreibungen mit Quecksilbersalbe gemacht; die Krankheits-
Mitth. von Forschungsreisenden, VIII. Band. U. 12
174
erscheinungen verschwinden, und die Eingeborenen, welche sich für
geheilt halten, verschwinden ebenfalls. Die Folgen bleiben nicht
aus. Wenn Häuptlinge nach längerer Rundreise mit ihren Schiffen
zurückkehren, führen sie dem Arzt gewöhnlich eine stattliche Anzahl
von Kranken mit ausgedehnten Zerstörungen der Haut, der Knochen
u. s. w. vor. Mitunter kommen verzweifelte Fälle mit vorgeschrittener
Kachexie und schwerer Erkrankung innerer Organe zur Behandlung.
Die Organe, welche durch Syphilis am häufigsten mitgenommen
wurden, waren die Haut und die Knochen mit ihren Gelenkverbin¬
dungen. Nichts Seltenes ist der Anblick von Leuten, denen die
Syphilis auf dem Gesicht geschrieben steht, durch ausgedehnte
Narben mit Verziehung der Lippen, Ektropium der Augenlider und
völliger Zerstörung der Nase. Nächst dem Gesicht sind es die
Unterschenkel, welche die meisten Zerstörungen aufweisen. Ge¬
schwüre. welche die ganze Vorderfläche vom Knie bis zum Fuss
bedecken, sind häufig. Darüber werden ohne weiteren Schutz die
Hosen gezogen, und man ahnt oft nicht, was für Dinge sich bei
einem gleichmüthig dreinschauenden Marshallinsulaner unter der
Kleidung verstecken. Geradezu abenteuerlich sind die Gelenk¬
deformationen, welche durch Syphilis veranlasst sind; Hyperextension
der Glieder, mit Flexion wechselnd und verbunden mit Pro- und
Supination, bringt an Händen und Füssen so komplizirte Stellungen
zu Stande, wie sie eben nur durch ungestört verlaufende Krankheits¬
prozesse geschaffen werden können. Es wurden mehrfach Erkran¬
kungen der Knie-, Ellenbogen- und Schultei'gelenke in der tertiären
Periode beobachtet, dagegen bis jetzt noch keine des von der
Syphilis sonst bevorzugten Sterno-Claviculargelenks. Erkrankungen
des Kehlkopfes sind ebenfalls häufig. Ozaena syphilitica wurde nur
einmal gesehen. Von Erkrankungen des Auges sind Entzündungen
der Iris und der Hornhaut oft zur Behandlung gekommen. Einmal
wurde fast völlige Taubheit infolge von Syphilis gefunden.
Erkrankungen des Nervensystems scheinen selten zu sein.
Einige Neuralgien konnten auf obengenannte Affektion zurück¬
geführt werden; eine solche des Trigeminus und mehrere im Bereiche
der grossen Armnerven. Ein Kranker, der sich zur Zeit wegen
Syphilis in meiner Behandlung befindet, scheint an epileptiformen
Anfällen zu leiden. Sie wurden von mir selbst nicht gesehen, doch
lässt die Beschreibung, welche seine Umgebung davon machte,
kaum einen Zweifel zu. Dabei sind keine Lähmungserscheinungen
vorhanden; doch scheint, soweit sich das bei mangelhafter Ver¬
ständigung infolge sprachlicher Schwierigkeiten konstatiren liess,
die Intelligenz des Kranken gelitten zu haben. Ausserdem war eine
Herzaffektion im Entstehen begriffen. Durch Erzählungen habe ich
175
den Eindruck gewonnen, als ob auch sonst schon epileptiforme
Krämpfe bei Eingeborenen mehrfach vorgekommen seien. Es ist
nur die Frage, ob es sich dabei um Syphilis oder um genuine
Epilepsie handelte. Tabes dorsalis habe ich nicht beobachtet, doch
einmal einen Eingeborenen gesehen, welcher den bekannten Hahnen¬
tritt der Tabiker hatte. Er kam mir nicht wieder zu Gesicht.
Eines will ich noch erwähnen, dass sämmtliche fibromartigen Ge¬
schwülste der Schamlippen, die ich bisher gesehen, sich bei Frauen
mit tertiärer Syphilis fanden.
Der Häufigkeit der Syphilis bei Erwachsenen sowie ihrer aus
oben erwähnten Gründen mangelhaften Behandlung entspricht die
Zahl der hereditär syphilitischen Kinder und der Aborte. Dass die
Bevölkerung durch die verheerende Krankheit an körperlichen und
wohl auch geistigen Qualitäten zurückgegangen ist, ist mir sehr
wahx-scheinlich. Die Männer sind im Ganzen noch kräftiger, aber
unter den Frauen sind auffallend viele schwächliche Individuen.
Statistische Erhebungen über das Verliältniss der Geburten zu den
Todesfällen zu machen, dürfte auf unüberwindliche Schwierigkeiten
stossen; ist ja die Einwohnerzahl der Marshallgruppe immer noch
nicht sicher zu eruiren gewesen.
Um eine wirkliche Besserung der Gesundheit unter den Ein¬
geborenen zu erzielen, bedürfte es eingreifender Maassregeln, unter
die ich in erster Linie Hospitalbehandlung rechne. Diese Einrich¬
tung würde aber bei den hiesigen Verhältnissen auf erhebliche
Schwierigkeiten stossen.
12*
Der tägliche Gang des Barometers zu Jaluit.
Yon Dr. Willi. Tr aber t.
In Heft 4 vom Band YII (1894) der „Mittheilnngen aus den
deutschen Schutzgebieten“ ist eine sehr interessante Schilderung des
Klimas von Jaluit nach Br. Steinbach enthalten.
Es ist gewiss von höchstem Interesse, von einer solchen mitten
im Ocean gelegenen kleinen Koralleninsel auch eine längere Reihe
stündlicher Barometeraufzeichnungen einer kurzen Diskussion zu
unterwerfen, ln Betreff der Lage und Einrichtung der Station beim
Orte Jabwor (unter 169°40' östl. L. und 5° 55' 29" nördl. Br.) mag
auf den eingangs erwähnten Artikel verwiesen werden.
Es ist in diesem letzteren auch schon der tägliche Gang der
meteorologischen Elemente nach 26 je 24 stündlichen Termin¬
beobachtungen mitgetheilt worden, und eine vorläufige Berechnung
der stündlichen Barometeraufzeichnungen von 20 Tagen durch Herrn
Hofrath Hann ergab, dass der tägliche Gang des Luftdruckes auf
Jaluit recht gut mit den Beobachtungen auf offener See in diesen
Breiten (Novara- und Challenger -Expedition) übereinstimme. Der
tägliche Gang liess sich (von Mitternacht an gezählt) durch die
Gleichung darstellen :
0.270 sin (4° .7 + x) -f 0.823 sin (157°.3 + 2 x)
Es liegen nunmehr von einem vollen Jahre (1894) Aufzeichnungen
eines von der Direktion der deutschen Seewarte in Hamburg gütigst
zur Verfügung gestellten Richard sehen Barographen vor, die da¬
durch noch bedeutend an Interesse gewinnen, dass dieser Apparat
in vorzüglicher Weise besorgt wurde und tadellos funktionirte.
Nach Mittheilungen von Herrn Dr. Steinbach wurde der
Barograph jeden Montag Mittag um 12 Uhr mittlere Jaluitzeit nach
dem bereits reduzirten, am Quecksilberbarometer abgelesenen Luft¬
drucke eingestellt. Die Zeitmarken wurden regelmässig gemacht
und geben Zeugniss dafür, dass die Uhr sehr gut regulirt war.
Ihr Voreilen oder Zurückbleiben ist auf jedem Streifen angegeben
und betrug fast stets nur wenige Minuten. Nur im Oktober war
der Gang der Uhr imregelmässiger. Die Barometerkorrektion
-f- 0.4 mm gegen das Hamburger Normalbarometer wurde dagegen
nicht angebracht, da sie Herrn Dr. Steinbach unbekannt war.
177
In Tabelle I sind die Monatsmittel des Luftdruckes nach den
Aufschreibungen des Barographen für die einzelnen Stunden rnit-
getheilt. Tabelle II giebt die Abweichungen vom Monatsmittel.
Besonders die letztere Tabelle illustrirt deutlich die grosse Regel¬
mässigkeit des täglichen Ganges. Jeder einzelne Tag lässt übrigens
bereits das doppelte Maximum und Minimum erkennen, so dass die
Aufzeichnungen des Barographen auf manchen der achttägigen
Streifen fast ideale Doppelwellen darstellen.
Interessant ist es übrigens, dass die Regenböen nicht ohne
Einfluss auf das Barometer bleiben. Sie vermögen zwar den
Charakter der Doppelwelle nicht zu alteriren, aber es zeigt sich
doch eine zitternde Bewegung der Kurve. Es kommen kleine
Schwankungen um die normale Lage vor, die wohl bis fast auf
1 mm ansteigen können.
Noch klarer geht natürlich die Regelmässigkeit des Ganges
aus den Konstanten der Besselsclien Formel hervor, die im Fol¬
genden mitgetheilt werden sollen. Die Bedeutung der Konstanten
geht aus der Gleichung
ai sin
(Ai
+ :
0 + a2
sin (A
2 + 2 x)
Die Zeit ist
von
Mitternacht an gezäldt.
A
1
A
2
ai
a2
Januar .
19°
29'
164c
6'
0.285
0.808
Februar .
19
35
159
12
0.429
0.850
März . . .
22
5
163
27
0.378
0.897
April . . .
27
28
165
14
0.376
0.906
Mai . . .
15
2
164
53
0.277
0.866
Juni . . .
28
19
164
43
0.306
0.778
Juli . . .
18
37
157
7
0.258
0.765
August . .
26
31
161
53
0.249
0.751
September .
22
27
166
19
0.311
0.875
Oktober
33
56
(168
0)*)
0.498
0.873
November .
33
43
169
4
0.398
0.895
Dezember .
30
39
166
17
0.343
0.887
Jahr
24°
2'
165c
34'
0.341
0.835
Der Eintritt des Maximums der einfachen Welle fällt im Mittel
auf etwa 4V2 Uhr a.m., jener des Maximums der doppelten Welle auf
etwa 3V2 a.m. und p.m. Diese letztere Eintrittszeit fällt etwas früh.
Der ihr entsprechende Winkel (A2 — 165° 34') ist eben grösser,
als man erwarten sollte; normal wäre ein Winkel von etwa 160°.
Besonders gross ist die Abweichung im Oktober. Der sich durch
die Rechnung ergebende Werth 179° 48' ist viel zu gross, er findet
*) Die direkte Rechnung ergab 179° 48'.
178
wohl in dem schon erwähnten unregelmässigen Uhrgang in jenem
Monat seine Erklärung, und es wurde deshalb in der vorangehenden
Tabelle für ihn ein Werth von 168° interpolirt.
Der Gang der Amplitude des zweiten Gliedes ist vollkommen
normal, zwei Maxima im April und Oktober. Auch die Grösse der
Amplitude des zweiten Gliedes ist normal, jene des ersten Gliedes
etwas gross. Die Schiffsbeobachtungen, die allerdings kaum sehr
verlässlich sind, ergeben als Werthe für ai 0.165 bezw. 0.140 im
Atlantischen Ocean. Für die Bai von Bengalen ist ai = 0.302,
Ascension ai = 0.284, St. Helena ai = 0.166, Mauritius ai = 0.308.
Für eine Koralleninsel wie Jaluit spielt wohl die Erwärmung
des Landes keine Bolle mehr, und man wird deshalb hier wohl
einen Luftdruckgang finden, wie er dem offenen Meere entspricht.
Einen deutlichen Beweis für die grosse Kegelmässigkeit des
Ganges giebt auch die Gegenüberstellung der „aperiodischen“ und
„periodischen“ Schwankung.
Mittl. Max.
Mittl. Min.
Differenz
Periodische
(aper.Scliw.)
Schwank.
Januar
757.29
755.14
2.15
2.02
Februar .
8.71
6.32
2.39
2.28
März . .
9.04
6.57
2.47
2.28
April . . .
8.78
6.29
2.49
2.24
Mai . . .
9.34
6.98
2.36
2.08
Juni . . .
8.70
6.51
2.19
1.88
Juli . .
9.25
7.10
2.14
1.85
August . .
9.02
6.89
2.13
1.95
September .
9.29
6.92
2.37
2.12
Oktober . .
9.32
6.81
2.51
2.35
November .
8.16
5.66
2.50
2.27
Dezember .
7.83
5.32
2.51
2.21
J ahr
8.73 mm
6.38 mm
2.35 mm
2.11mm
Die Differenz der mittleren Extreme ist nur ganz unbedeutend
grösser als die Amplitude des mittleren täglichen Ganges. Im
Jahresmittel ist der Unterschied nur 0.24 mm, im Februar nur 0.1
und nie grösser als 0.3 mm. Die Extreme fallen ebeu so regelmässig
auf dieselben Tagesstunden, dass die mittleren Tagesextreme fast
identisch werden mit dem mittleren Stande der Stunden 9 Uhr a.m.
und 3 bezw. 4 Uhr p. m.
Erstaunlich gering sind auch die Differenzen der absoluteu
Extreme eines Monats. Wir theileu im Folgenden die absoluteu
Maxima imd Minima der einzelnen Monate nach den Barographen-
aufzeichnungen mit.
179
Absol. Max.
Absol. Min.
Differenz
Januar .
. 8.1
3.3
4.8
Februar .
. 11.3
4.3
7.0
März . .
. 10.8
5.0
5.8
April . .
. 10.2
5.0
5.2
Mai . .
. 11.4
5.0
6.4
Juni . .
. 10.3
5.3
5.0
Juli . .
. 10.3
5.6
4.7
August .
. 10.2
5.3
4.9
September
. 11.2
5.8
5.4
Oktober .
. 10.9
5.0
5.9
November
. 9.6
4.3
5.3
Dezember
. 9.7
3.0
6.7
Die grösste Differenz beträgt nur 7.0 mm. Es illustrirt dieselbe
deutlich, wie ausserordentlich gering die Druckunterschiede in den
Tropen sind.
Tabelle i. Jaluit, Luftdruck 1894.
750 mm -)-•
Januar
Februar
März
April
Mai
Juni
Juli
August
Septbr.
Oktbr.
Novbr.
Dezbr.
Jahr
1 Uhr a.
6.29
7.72
7.86
7.56
8.08
7.70
8.22
8.00
7.93
8.06
7.07
6.74
7.60
2
5.99
7.46
7.52
7.26
7.73
7.42
7.89
7.73
7.66
7.84
6.75
6.40
7.30
3
5.76
7.23
7.35
7.05
7.50
7.22
7.71
7.57
7.57
7.76
6.51
6.15
7.11*
4
5.78
7.21
7.38
7.06
7.53
7.21
7.68
7.60
7.61
7.82
6.48
6.16
7.13
5
6.00
7.34
7.56
7.32
7.80
7.44
7.85
7.71
7.82
8.11
6.72
6.40
7.34
6
6.23
7.60
7.86
7.61
8.08
7.72
8.11
7.93
8.06
8.47
7.03
6.71
7.62
7
6.68
8.05
8 38
8.06
860
8.17
8.54
8.35
8.56
8.91
7.57
7.15
8.09
8
7.05
8.44
8.70
8.49
8.95
8.43
8.83
8.80
8.92
9.15
7.86
7.53
8.43
9
7.20
8.65
8.91
8.62
9.15
8.54
9.04
8.89
9.08
9.17
7.98
7.67
8.57
10
7.15
8.57
8.80
8.51
9.09
8.48
8.99
8.80
9.00
8.94
7.90
7.59
8.49
11
6.91
8.28
8.49
8.16
8.79
8.13
8.74
8.50
8.73
8.33
7.53
7.19
8.15
Mittag
6.52
7.76
7.95
7.65
8.26
7.75
8 37
8.02
8.09
7.82
6.89
6.71
7.65
1 Uhr p.
5.85
7.15
7.32
6.93
7.65
7.25
7.93
7.56
7.52
7.25
6.28
6.18
7.07
2
5.36
6.66
6.94
6.57
7.25
6.89
7.59
7.24
7.22
6.91
5.80
5.71
6.68
3
5.18
6.37
6.63
6.38
7.07
6.68
7.27
7.03
6.98
6.82
5.71
5.46
6.46*
4
5.24
641
6.64
6.41
7.08
6.66
7.19
6.94
6.96
6.96
5.87
5.53
6.49
5
5.51
6.62
6.91
6.65
7.30
6-87
7 37
7.13
7.20
7.33
6.14
5.82
6.74
6
5.85
6.88
7.23
7.03
7.68
7.20
7.64
7.45
7.63
7.69
6.49
6.20
7.13
7
6.34
7.41
7.78
7.60
8.14
7.68
7.97
7.87
8.10
8.24
7.02
6.73
7.57
8
6.63
7.83
8.17
7.87
8 48
8.05
843
8.19
8.41
8.62
7.42
7.14
7.94
9
6.88
8.24
8.51
8.23
8.74
8.34
8.83
8.56
8.81
8.87
7.77
7.46
8.19
10
6.91
8.29
8.66
8.46
8.82
8.40
8.94
8.66
8.92
8.90
7.77
7.41
8.34
11
6.83
8.24
8.60
8.37
8.77
8.35
8 86
8.59
8.75
8.79
7.64
7.34
8.26
Mittern.
6.69
8.09
830
8.07
8.53
8.11
8.56
8.34
8.45
8.50
7.45
7.18
8.02
Mittel
6.28
7.60
7.85
7.58
8.13
7.70
8.19
7.98
8.08
8.14
6.98
6.69
7.60
180
Tabelle ii. Jaluit, Luftdruckab weichunge n.
Januar
Februar I
N
£
April
Mai
Juli
•4-3
02
S
öß
<1
Septbr.
Oktbr.
Novbr.
Dezbr.
|
1 Uln- a.
.01
.12
.01
—.02
-.05
.00
.03
.02
-.15
-.08
.09
.05
.00
2 „
—.29
—.14
—.33
-.32
-.40
-.28
—.30
—.25
-.42
-.30
—.23
-.29
-.30
3 „
—.52
—.37
—.50
-.53
—.63
—.48
—.48
—.41
-.51
-.38
-.47
—.54
-.49
4 „
—.50
—.39
—.47
—.52
—.60
-.49
-.51
-.38
—.47
-.32
—.50
-.53
-.47
5 „
—.28
—.26
—.29
-.26
—.33
—.26
—.34
—.27
—.26
—.03
—.26
—.29
-.26
6 „
—.05
.00
.01
.03
—.05
.02
—.08
—.05
—.02
.33
.05
.02
.02
7 „
.40
.45
.53
.48
.47
.47
.35
.37
.48
.77
.59
.46
.49
8 „
.77
.84
.85
.91
.82
.73
.64
.82
.84
1.01
.88
.84
.83
9 „
.92
1.05
1.06
1.04
1.02
.84
.85
.91
1.00
1.03
1.00
.98
.97
10 „
.87
.97
.95
.93
.96
.78
.80
.82
.92
.80
.92
.90
.89
11
.63
.68
.64
.58
.66
.43
.55
.52
.65
.19
.55
.50
.55
Mittag
.24
.16
.10
.07
.13
.05
.18
.04
.01
- .32
— .09
.02
.05
1 Uhr p.
— .43
- .45
- .53
— .65
— .48
— .45
— .26
— .42
— .56
— .89
— .70
— .51
- .53
2 „
— .92
- .94
— .91
-1.01
— .88
— .81
— .60
— .74
— .86
—1.23
-1.18
— .98
- .92
3 „
-1.10
—1.23
-1.22
—1.20
—106
-1.02
— .92
— .95
—1.10
—1.32
-1.27
-1.23
-1.14
4 „
-1.04
-1.19
-1-21
-1.17
—1.05
-1.04
—1.00
—1.04
-1.12
-1.18
-1.11
-1.16
-1.11
5 „
- .77
— .98
— .94
— .93
— .83
— .83
— .82
— .85
- .88
- .81
— .84
- .87
- .86
6 „
— .43
- .72
— .62
— .55
— .45
— .50
— .55
— .53
— .45
- .45
— .49
- .49
- .47
7 „
.06
— .19
— .07
.02
.01
- .02
— .22
— .11
.02
.10
.04
.04
- .03
8 „
.35
.23
•32
29
.35
.35
.24
.21
.33
.48
.44
.45
.34
9 „
.60
.64
•66
.65
.61
.64
.64
.58
.73
.73
.79
.77
.59
10 „
.63
.69
■81
.88
.69
.70
.75
.68
.84
.76
.79
.72
.74
11 „
.55
.64
.75
.79
.64
.65
.67
.61
.67
.65
.66
.65
.66
Mittern.
.41
.49
.45
.49
.40
.41
.37
.36
.37
.36
.47
.49
.42
Mittel
.53
.58
.59
.60
.57
.51
.51
.50
.57
.61
.60
.57
.55
Schluss der .Redaktion am 8. Juni 1895.
Gedruckt in der Königlichen Hofbuckdruckerei von E. S. Mittler & Sohn,
Berlin SW., Kochstrasse 68—71.
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Aus dem Schutzgebiete Kamerun
Astronomische Ortsbestimmungen im Hinterlande von Kamerun.
Ausgeführt von Dr. Passarge.
Berechnet von Astronom M. Schnauder in Potsdam.
Die Berechnung der Stationen Gärua bis zum Schlüsse der
Forschungsreise geschah nacli denselben Grundzügen wie die der
Stationen Kassa bis Gärua (vergl. Jahrgang 1894 S. 39). Nur wurde,
auf Grund einer Bestimmung nach Rückkunft des Instrumentes, der
Parswerth des Höhenniveau zu 24” angenommen.
Die Genauigkeit der Breitenbestimmungen ist wieder erheblich.
Aus dem gesammten, dafür verwendbaren Material ergiebt sich als
wahrscheinlicher Fehler einer einzelnen Breitenbestimmung der Werth
+ 14”. Mit diesem Werthe erhalten die Resultate der Breiten¬
bestimmungen der Stationen Bila bis Nyeri den Betrag + OM,
Gärua (wegen der grösseren Anzahl) + 2” und die letzte Station,
vom 10. März 1894, Uro Matshlbbo, den Betrag + 0'.2.
Die Resultate aus den Breitenbestimmungen sind:
Gärua .
+ 9
3 17'.9
Gfddir .
. + 9‘
55'. 7
Bilä .
9
20.8
Bangäi .
9
30.8
Läddo .
9
2.8
Bökki .
8
47.2
Neu Assäli . . .
8
48.8
Alhädjin Galibu
8
25.8
Malumfe .
8
58.6
Uro Gäbdo . . .
7
59.1
Adumre .
9
14.7
Ngäumdere . . .
7
21.0
Djoma .
9
33.3
Söngo Kantüddu
7
40.4
Ssaräuiel baläraba
9
47.2
Gar! Maharbä . .
8
27.7
Ndokülla .
10
16.4
Nyeri .
8
40.9
Söngoia .
10
28.8
Uro Matshlbbo .
8
41.5
Die Länge von
Gärua
ergiebt
sich aus drei Sätzen Mondzenith-
distanzen mit zusammen 66 Einzelmessungen zu 54 m
7S (13°
31' 45”)
östlich von Greenwich.
Da die
Zeitüb er tr agu n g
von Kässa aus
Jlitth. von Forsdmngsreisenden, VIII. Band. III.
13
182
fast denselben Werth (54.0"') liefert, so erfährt dadurch auch dieLängen-
bestimmung von Yöla eine willkommene Bestätigung. Nach Gärua
versagt aber die Methode der Längenbestimmung durch Zeitüber¬
tragung, da in den Uhrkorrektionen der benutzten Beobachtungsuhr
No. 31 944 Sprünge Vorkommen, eine Kontrole durch Uhrvergleichung
mit der Sternzeituhr nicht ausgeführt ist und sich schliesslich ein
Werth für den täglichen Gang der Beobachtungsuhr nicht ermitteln
lässt, da an jedem Orte immer nur eine Zeitbestimmung vorliegt.
Die Höhenmessungen von Dr. Passarge im Hinterlaiide von Kamerun.
Die v. Ueehtritzsclie Expedition des Deutschen Kamerun -Komitees war
mit drei Bohne sehen Aneroiden und einem Siedeapparat nebst drei Siede¬
thermometern ausgerüstet. Infolge des unglücklichen Umstandes, dass vergessen
worden war, Brennspiritus für den Siedeapparat mitzunehmen und solcher auch
am Benue aiicht zu beschaffen war, sind leider die Höhenbestimmungen von
Dr. Passarge nicht so gut ausgefallen, wie seine vortrefflichen Leistungen auf
topographischem Gebiete und auf dem der geographischen Ortsbestimmungen.
Als Einsatz für den fehlenden Spiritus mussten Stearinlichtstümpfchen zur Heizung
des Apparates benutzt werden. Dieser Umstand und die mit ihm verbundene
Umständlichkeit hat es wohl veranlasst, dass erstens Siedepunktbestimmungen
zur Kontrole der Aneroide weniger häufig, als dies wiinsclienswerth gewesen wäre,
vorgenommen wurden, und dass ausserdem einzelne dieser Bestimmungen augen¬
scheinlich noch mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sind, weil die Heizkraft
der Stearinlichter nicht genügte, um ein stetiges Kochen zu unterhalten.
Yon den drei Siedethermometern wurde stets nur eins, Fuess No. 229, be¬
nutzt, das nach dem Prüfungscertificat der physikalisch -technischen Reichsanstalt
bei 90° eine Korrektion von + 0°.01, bei 95° von -f- 0°.01 und bei 100° von
+ 0°.00 hatte, dieselbe ist dementsprechend durchweg als ± 0°.00 angenommen
worden. Der Berechnung wurden zu Grunde gelegt die gleichzeitigen meteoro¬
logischen Beobachtungen des Regierungsarztes Dr. F. Plehn in Kamerun, wobei
die Seehöhe dieses Punktes zu 12 m angenommen wurde. Erleichtert wurde die
Berechnung durch den Umstand, dass Dr. Passarge vorwiegend zu den gleichen
Beobachtungsterminen wie in Kamerun, das heisst um 7a, 2p und 9p, beobachtet
hat. Wo eine Reduktion einer zu einer anderen Zeit angestellten Beobachtung
nothwendig war, ist dieselbe mit Hülfe der durch die Bearbeitung der Registrir-
beobachtungen in Kamerun durch Dr. Trabert (vergl. Mitth. 1894, S. 261)
gewonnenen Werthe erfolgt. Für die Periode vom 15. Dezember 1893 bis
2. Januar 1894, für welche infolge des Kamerunaufstandes die dortigen Beobach¬
tungen fehlen, ist das Mittel der in der ersten Monatshälfte gewonnenen Beob¬
achtungen in die Berechnung eingesetzt worden. Es liegen nur folgende acht
Siedepunktbestimmungen vor:
183
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i 2 ! ' ^
, "S Korrektion
der
See-
Ort
Datum
<D
ülhsP
'S p*1 Aneroide
höhe
N
•+J |
J S 1
1 1 I ' II
III
in m
° 1 min
° 1 mm 1 mm
mm
1.
Kassa bei Yola
13. Sept. 93
2p
99.04] 734.2
25.7 — 4.2— 2.0
+ 6.7
270* )
2.
Garua .
23. Oktbr.
11a
99.06 734.7
31.6 — 7.8 — 10.8
+ 2.3
286(?)
3.
1. Novbr.
9a
99.23 739.3
22.6 — 4.5— 5.7
-f- 6.3
211
4.
Laddo .
16. „
8aoa 99.11 736.1
25.1 — 6.6 — 17.2
+ 3.2
220(?)
5.
Adumre ....
6. Dezbr.
730a 99.13 736.6
19.5 — 2.4 —
+ 6.8
234
6.
Garua .
5. Jan. 94
8a
99.33 741.9
17.6 — 0 6 —
+ 7.1
183
7.
Ngaumdere . . .
29. „
8a
96.36 666.1
14.0 + 1.9 —
+ 9.1
1104
8.
Gari Maherba .
23. Febr.
745a! 99.04, 732.7
16.8+1.5 —
+12.3
269
Bei Aneroid I hat sich die ursprünglich negative Korrektion im Laufe der
Reise immer mehr vermindert und ist schliesslich positiv geworden, bei III ist
die positive Korrektion immer mehr angewachsen, II wurde am 10. November
einer starken Erschütterung durch einen Galoppritt ausgesetzt, hatte deshalb am
16. November gegen früher seine Korrektion ganz erheblich geändert und wurde
am 24. desselben Monats als ganz unbrauchbar ausgesondert. Dr. Passarge
hat freilich bei jeder Höhenmessung, die mit grossem Fleiss, wenn irgend angängig,
mindestens zweimal täglich zwischen 6 bis 7a und 8 bis 10p, oft auch noch
gegen 2p, vorgenommen wurden, immer nur ein Aneroid abgelesen, bis zum
24. November 1893 No. II, von da ab aber No. I, so dass über das Verhalten
der Aneroide zueinander ausser bei Gelegenheit der Siedepunktbestimmungen
kein Material vorliegt. Letztere lassen aber erkennen, wenn man die Korrek¬
tionen der Aneroide untereinander vergleicht, dass sehr wahrscheinlich die
Siedebestim.mung No. 2 in Garua und wahrscheinlich auch die No. 4 in Laddo
mit einem Fehler behaftet ist. Merzt man diese beiden Bestimmungen aus, so
zeigen die Korrektionen der Aneroide I und III (und auch II vor dem 10. No¬
vember, s. oben) einen leidlich übereinstimmenden Gang, der es in der Tliat
gerathen sein lässt, auf die Bestimmungen 2 und 4 zu verzichten.
Mit Hülfe der übrigbleibenden sechs Siedepunktbestimmungen ist die je¬
weilige Korrektion der Aneroide graphisch interpolirt und den Berechnungen
zu Grunde gelegt worden. Diese Siedepunktbestimmungen sind aber über zu
grosse Zeiträume vertheilt, und fehlt namentlich nach dem Abstieg von dem
Ngaumdereplateau in der Mitte des Februar 1894 eine solche Bestimmung, so
dass eine relativ erhebliche Unsicherheit, betr. die jeweilig anzunehmende Aneroid-
korrektion unausbleiblich war.
Die auf Grund des vorstehend charakterisirten Verfahrens ermittelten Höhen
sind auf den die Routen der Expedition zur Darstellung bringenden Karten¬
blättern eingetragen.
Die Uebereinstimmung mit den von Flegel gefundenen Höhendaten ist, wie
man sieht, immerhin noch eine recht befriedigende, zumal wenn man erwägt, dass
auch Flegels Werthe infolge der nicht ganz beseitigten Unsicherheit betreffs
der Korrektionen der von ihm gebrauchten Siedethermometer nicht ganz ein¬
wurfsfrei sind.
*) Wegen ungünstiger Beobachtungsstunde wohl sicher zu hoch.
13*
184
Begleitworte zu den Karten „Reiseroute der Expedition des
deutschen Kaiuerunkomitees“.
Von Dr. M. Limp rieht.
(Karten 3 und 4.)
Das von Dr. Pass arge eingereichte und für die vorliegenden Karten
bearbeitete topographische Material bestand aus
1. einer Anzahl von Ortsbestimmungen (24 Breiten und 2 Längen), ausgeführt
durch astronomische Beobachtungen;
2. der eigentlichen Routenaufnahme mittels Kompass und Uhr, enthalten
einschliesslich sämratlicher Marschpeilungen (über 600), zum Theil als
Kopien in sechs Quartheften, zum Theil in des Reisenden Originaltagebuch,
sowie auch von ihm selbst unterwegs ausgeführte flüchtige Konstruktionen
von Routentheilen;
3. 45 Blatt mit dem Detaillirbrett ausgeführter Rundpeilungen, ungefähr
1200 Einzelpeilungen enthaltend;
4. vier Skizzenbüchern mit Bergprofilen;
5. einigen Kartenskizzen, in denen einige Theile des Reisegebietes in unge¬
fähr zutreffender Form zur Darstellung gebracht sind;
6. Höhenbestimmungen, beruhend zum Theil auf Kochpunktbestimmungen,
zum Theil auf Aneroidablesungen.
Ueber das unter 1. und 6. angeführte Material ist von anderer Seite be¬
richtet worden, nur möge von den astronomischen Ortsbestimmungen auch an
dieser Stelle erwähnt werden, dass ihre grosse Genauigkeit eine feste Grundlage
für den Aufbau des Kartenbildes bot.
Die Aufnahme des Reiseweges geschah durch Kompassablesungen und
Zeitnotirungen bei allen wahrgenommenen Wegkrümmungen. Hierbei hat der
Reisende grosse Sorgfalt und einen riihmenswerthen Fleiss angewandt, denn
während die längsten Intervalle der Ablesungen nur ganz vereinzelt 10 Minuten
überschritten, dauerten sie im Mittel nur drei bis vier Minuten, auf einzelnen
Strecken jedoch wurde sogar in Zeitabständen von nur ein bis zwei Minuten
die Wegrichtung notirt. Daneben hat Dr. Passarge auch die Marschgeschwin¬
digkeit zu ermitteln gesucht und zumeist in Metern für die Minute als Einheit
beigeschrieben. Doch ergab sich im Verlaufe der Zusammenarbeitung seiner
Routenaufnahme mit seinen astronomischen Ortsbestimmungen, dass er die
Marschgeschwindigkeit ausserhalb der Strecke Kassa — Gärua um etwa ein
Siebentel unterschätzt hatte, ein Fehler, der durch die zahlreichen Breiten¬
bestimmungen ausgeglichen werden konnte. Das ausserordentlich reichhaltige,
besonders die geologischen Verhältnisse des durchzogenen Länderraumes be¬
leuchtende Notizenmaterial Dr. Passarges konnte leider bei der Kleinheit des
Maassstabes vorliegender Karten nur in sehr verallgemeinerter Form zur Auf¬
nahme gelangen; selbst der grosse Maassstab der Rohkonstruktion, 1:50 000.
reichte zuweilen für die Aufnahme aller Notizen bei der Fülle des Stoffes
nicht aus.
185
Was die Rund- und Marschpeilungen Dr. Passarges anlangt, so
sind namentlich im ersten Theil der Route, auf dem Wege von Kassa nach
Garua, Peilungen in übergrosser Zahl gemacht worden, die zum Theil unberück¬
sichtigt bleiben mussten, da der Reisende selbst nicht mehr in der Lage war,
die Identität oder Verschiedenheit der gepeilten Objekte festzustellen. Im
weiteren Verlaufe der Reise ist Dr. Passarge mit mehr zweckentsprechender
Beschränkung verfahren sowohl in der Zahl der gemachten Peilungen, als in der
Auswahl der anzupeilenden Objekte, so dass hierdurch auch die Konstruktion
wesentlich erleichtert und von allem verwirrenden Material befreit wurde.
Abgesehen von diesem kleinen Mangel hat Dr. Passarge aber in sehr
verständnisvoller Weise gearbeitet, insofern als er dieselben Objekte schon
aus grosser Entfernung und möglichst oft anpeilte. Wie die Fäden eines Spinnen¬
netzes laufen z. B. die Peilungslinien nach dem H. Bdsima von allen Seiten
zusammen, im W vom Sarätse aus, im S kommen sie bis von Gamssärgu her,
im NE erreichte der Blick des Reisenden dieses Gebirge noch von Golümbe aus.
In ähnlicher Weise bilden H. Beri, H. Hedjematari, H. Diili, H. Kemni u. a.
Peilobjekte erster Ordnung, so dass es gelungen sein dürfte, ein Kartenbild zu
zeichnen, das in seinem Inhalt der Wirklichkeit ziemlich nahe kommt.
Von grossem Werthe war es für den Bearbeiter der Karte, dass er über
alle zweifelhaften Punkte durch persönliche Rücksprache mit dem Reisenden
sich Aufklärung holen konnte, so dass auch dessen nicht zu Papier gebrachte
Beobachtungen in umfassendsterWeise zur Verarbeitung kamen. Grosse Klar¬
heit in der Auffassung der Terrainformen, sowie eine staunenswerthe Treue
des Gedächtnisses sind Dr. Pas sarge zu eigen, und diese Vorzüge förderten
auch die kartographische Arbeit in wirkungsvollster Weise.
Blatt I. 1. Weg von Yola bis Garua. Eine feste Basis für den Aufbau
von Blatt I bildete die Strecke Kassa — Garua, deren Anfangs- und Endpunkt
durch zahlreich angestellte astronomische Beobachtungen von Dr. Pas sarge
nach Länge und Breite bestimmt wurden, nämlich:
<p Kassa = -f- 9° 15'. 9 cp Garua = + 9° 17'.9
Kassa = 12° 46'.5 östl. Gr. 1 Garua = 13° 31'.75 östl. Gr.
Diese Länge von Garua weicht von der durch Zeitübertragung gewonnenen
nur um 1'.8 ab. Die Mizonsche Länge (bei Maistre, A travers l’Afrique cen¬
trale PI. C., flle. 12), nämlich 13° 34’ 29" östl. Gr., wurde deshalb vernachlässigt,
desgleichen dessen Länge von Yola, das vielmehr nach Passarges Angabe
4V2 km genau südlich von Kassa*) angesetzt wurde. Die Route liess sich ohne
Zwang zwischen die beiden gegebenen Punkte einzeichnen; im Azimut ergab
sich eine Aenderung von nur 1°.5, in der Marschlänge eine Verkürzung um 1/s.
Selbstverständlich wurden auf der Strecke Yola — Garua auch die von
Dr. Passarge bestimmten Breiten von Gfre, Bulküttu und Klein-Bar- n-daki
(s. Mitth. a. d. d. Schutzgeb. VII, 1, S. 41) berücksichtigt. Dagegen hat sich nach
Berechnung der Länge von Garua herausgestellt, dass die durch Zeitübertragung
gewonnenen Längen oben genannter Orte, die auf der R. Kiepertschen vor¬
läufigen Karte des Reiseweges der Expedition von Yola bis Garua benutzt worden
sind (in demselben Hefte der Mitth. a. d. d. Schutzgeb.), zu der Länge von Garua,
wie sie sich nach der definitiven Berechnung ergiebt, nicht stimmen. Die Längen
von Gire, Bulküttu und Klein-Bar- n-däki sind daher auf konstruktivem Wege
ermittelt und danach eingetragen worden.
*) Vergl. hierzu R. Kiepert, Bemerkungen zur Karte der Expedition des
deutschen Kamerunkomitees (Mitth. a. d. d. Schutzgeb. Bd. VII, Heft 1, S.41, 42).
186
2. Dreieck Garua — Adumre — Ssaräuiel-baläraba. Für den Theil
östlich von Garua liegen nur Breitenbestiminungen vor und zwar innerhalb des
obengenannten Dreiecks für die Orte Bilä, Adumre, Djoma, Ssaräuiel-baläraba
und Bangäi. Die Längen wurden auf konstruktivem Wege gefunden. Während
nun bei Bilä und Adumre die Uebereinstimmung der beobachteten und der durch
Konstruktion gefundenen Breite eine nahezu vollkommene war, stellte sich bei
Djoma, Bangäi und Ssaräuiel-baläraba die Nothwendigkeit heraus, entweder
die Marschlängen der einzelnen Strecken verhältnissmässig bedeutend zu dehnen,
oder ihre Azimute zu ändern. Um eine Entstellung der durch die Rohkonstruk¬
tion gewonnenen Gestalt des Dreiecks Garua — Adumre — Ssaräuiel-baläraba
möglichst zu vermeiden, wurde zwischen Azimutänderung und Dehnung der
Marschlängen vermittelt.
3. Ssaräuiel-baläraba — Märrua. Breiten wurden bestimmt in Giddir,
Xdokülla und Söngoia. Die Längen wurden auf konstruktivem Wege ermittelt
und zwar mit Benutzung der Azimute der einzelnen Theilstrecken. Obwohl
auch hier wieder die Nothwendigkeit einer zum Theil 1/i betragenden Dehnung
sich ergab, wurde doch von einer Vermittelung zwischen Azimutänderung und
Dehnung abgesehen, da bei dem sich stark der Richtung des Meridians nähern¬
den Verlaufe der Route durch eine selbst relativ bedeutende Azimntänderung
keine nennenswerthe Verringerung des Dehnungsbetrages erreicht worden wäre.
4. Adumre — Dyfrum und zurück. Breitenbestimmungen wurden aus¬
geführt in Läddo, Malumfe und Neu-AssÄli. Die Längen wurden auch hier auf
konstruktivem Wege gefunden, wobei die Strecke Adumre — Läddo um 1/s, die
Strecke Adumre — Malumfe um 2/e gedehnt werden musste. Böngi wurde nach
M aassgabe seiner Lage zu Läddo, Adumre und Malumfe, wie sie sich aus der
Rohkonstruktion ergab, eingetragen und von hier aus Alt-Assali mit Berück¬
sichtigung der bestimmten Breite und des Azimutes der Strecke Böngi — Neu-
Assali niedergelegt, der Rest des Weges bis Dyfrum nach der Rohkonstruktion
eingezeichnet.
5. Garua — Ngäumdere und von da zurück bis zur Wegtheilung.
Von dieser Route fällt nur der bis reichlich Alhädjin— Galibu reichende Theil
noch auf Blatt I, doch muss bereits an dieser Stelle ihre Besprechung erfolgen,
da die Einzeichnung der ganzen Route Garua — Ngäumdere nach einheitlichen
Gesichtspunkten erfolgte.
Ueber die bisher angenommene Lage von Ngäumdere siehe R. Kieperts
„Bemerkungen zur Karte der Expedition des deutschen Kamerunkomitees“ in
Mitth. a. d. d. Schutzgeb. VII, 1, S. 42. Sowohl Flegels (13° 19' östl. Gr.) als
die neue französische Längenbestimmung (13° 58' östl. Gr.) von Ngäumdere wurden
verworfen, da keine von beiden mit der Passargeschen Aufnahme, nach der
sich für 1 Ngäumdere der Werth 13° 40’ ergab, ohne Zwang sich vereinigen liess
und keine von beiden durch beglaubigte Zuverlässigkeit Anspruch auf Berück¬
sichtigung machen kann. Somit wurden die Längen von Ngäumdere sowohl, als
auch aller übrigen zwischen Garua und Ngäumdere liegender Orte, für die
Dr. Pass arge Breitenbestimmungen ausgeführt hat, nämlich Bökki, Alhädjin
Galibu, Uro Gäbdo, Söngo Tagueläfi oder Söngo Kantuddu lediglich auf kon¬
struktivem Wege gefunden, wobei der Dehnungsbetrag ziemlich stetig als
zwischen Vc und Vv liegend sich ergab.
In den so geschaffenen festen Rahmen wurde das ältere Kartenmaterial
eingepasst, was nicht immer ohne Zwang zu ermöglichen war.
Der nordwestliche Theil von Blatt I wird ausgefüllt durch die südliche
Hälfte des Barthschen Reiseweges von Kuka bis Yola. Entsprechend
187
der durch die Passargesclie Ortsbestimmung erfolgten östlichen Verschiebung
Yblas erfuhr auch Barths Route eine Drehung in demselben Sinne um Kuka,
dessen Lage nach Länge und Breite durch Vogel bestimmt worden ist, als
Mittelpunkt.
Da nach der mündlichen Mittheilung Dr. Pass arges Barths Barrendake
(ein Ort dieses Namens existirte zu Barths Zeit augenscheinlich noch nicht,
sondern nur ein Sumpfsee) identisch ist mit seinem Gross -Bar- n-daki, so wurde
Barths Route zwischen Ivuka und Gross -Bar- n-daki der Passargeschen
Route eingepasst. Das dadurch entstandene Kartenbild erlitt nur in der Aus¬
gestaltung der östlich von Barths Wege verlaufenden Gebirge eine der Auffassung
Dr. Pass arges entsprechende Umformung, während die topographischen Details
unverändert beibehalten werden konnten.
Nach Peilungen und nach mündlichen Mittheilungen Dr. Pass arges war
es möglich, Tepe, den Zusammenfluss von Benue und Faro, festzulegen. Danach
wurde die Strecke Barrendake — Taepe der Barthschen Route eingetragen, wobei
sie sich allerdings eine bedeutende Richtungsänderung gefallen lassen musste.
Der Rest der Barthschen Route endlich zwischen Tepe und Ybla, der schon
in Flegels Reisegebiet fällt, liess sich in befriedigender Weise mit Flegels
Aufnahmen in Einklang bringen.
Eduard Robert Flegels Aufnahmen zu Wasser wie zu Lande erfuhren
die relativ bedeutendsten Veränderungen bei ihrer Einpassung in das Passar ge¬
selle Routennetz, woraus allerdings bei der Mangelhaftigkeit der benutzten
Instrumente und den erschwerenden Umständen, unter denen Flegel reiste, fin¬
den fleissigen und gewissenhaften Reisenden kein Vorwurf erwächst.
Was zunächst seine Flussaufnahme des Benne (Petermanns Geogr. Mitthei¬
lungen 1880, Tafel 7) anlangt, so ist durch Dr. Passarge festgestellt worden,
dass der grosse Benuebogen zwischen dem Fiesgel sehen „Ribago“ und der
unterhalb „Gurua“ erfolgenden scharfen westlichen Umbiegung viel zu weit
nach Norden ausgreift, dass ferner „Gurua“ oder Gurua falsch angesetzt ist,
und drittens, dass Flegels „Ribago“ identisch ist mit Passarges „Leinde“.
Beide Worte sind Appellativa und bedeuten „Landsitz des Statthalters“ und zwar
Ribago als Fullah-, Leinde als Haussawort.
Einen Anhalt für die Festlegung des Endpunktes von Flegels Fluss¬
aufnahme bietet der sich auf seiner Karte findende Name „Bagelegebirge“ auf
dem südlichen Benueufer gegenüber von „Ribago“ ; es ist identisch mit dem
Hossere Bögole Dr. Passarges, dessen Lage durch eine grosse Anzahl von
Peilungen von diesem bestimmt worden ist. Zwischen H. Bögole also und
Tepe konnte nun der betreffende Theil des Bünuelaufes eingetragen werden, wobei
sich die Nothwendigkeit einer starken Verkürzung und in dem besprochenen
grossen Bogen die einer nicht unbedeutenden Umformung ergab.
Ferner hat Dr. Pass arge festgestellt, dass die von Flegel als die Mün¬
dung des Mao Til angenommene Flussmündung nicht die Mündung des genannten
Flusses, sondern die des Mao Dässin ist, den Dr. Pass arge in der Nähe seiner
Mündung überschritt. Der Mao Til verliert sich vielmehr in einem der zahl¬
reichen Hinterwässer des Benue, was der Reisende vom Sarätse aus direkt ge¬
sehen hat. Die Identifizirung obiger Flussmündungen ermöglichte die Einzeichnung
des Benuelaufes zwischen Tepe und die Mündung des Mao Dässin, wobei ersterer
eine beträchtliche Dehnung auf dieser Strecke erfuhr.
Der Rest des auf Blatt I fallenden Theiles des Benuelaufes wurde unter
ziemlich starker Verkürzung zwischen die Mündung des Mao Dässin und den
Berg von Kassa eingepasst, doch konnte dies ohne jede Aenderung der Form
188
geschehen, abgesehen von der Zeichnung des Flusslaufes in unmittelbarer Nähe
von Yola und dem Berge von Kassa, die einer handschriftlichen, an Ort und
Stelle entworfenen Kartenskizze Dr. Passarges entnommen wurde.
Von Flegels Reisen zu Lande fällt zunächst die von Yola nach Ngäum-
dere mit der Strecke bis reichlich Alhädjin Gfalibu auf Blatt I. (E. R. Flegels
Reisen im Benuegebiet in den Jahren 1882 bis 1885. Ivonstruirt von Richard
Kiepert. Mitth. d. afrik. Gesellsch. Bd. V, Tafel 6, 7, 8.)
Von Giim na an, wo Flegels Route in die Passargesche einmündet,
wurde des Letzteren Aufnahme zu Grunde gelegt, die Flege Ische Route
zwischen Yola und Gumna eingepasst.
Eine Drehung um etwa 25° erfuhr die Flegelsche Route im Farothal, die
in der Ecke links unten von Blatt I zur Darstellung gekommen ist, unter An¬
schluss an den Lagerplatz der Expedition des deutschen Kamerunkomitees vom
18./19. Februar 1894. Dieser Lagerplatz fällt nach der ganz bestimmten Aussage
Dr. Passarges mit derjenigen Stelle der Flegelschen Route zusammen, wo
er Mao Deo und Färo sich vereinigen lässt, doch irrthümlicher Weise. Flegel
hat nach Dr. Pas sarge zweifellos einen damals vielleicht vorhandenen Arm
des Färo für den Mao Deo gehalten. Der Färo ist liier fast 1 km breit und
durch viele Inseln getheilt, so dass ein Irrthum wohl erklärlich ist. Wenn
Dr. Richard Kiepert in den Begleitworten zu seinen Karten der Flegelschen
Reisen im Benuegebiet dessen Aufnahmen einen nur bedingten Werth beimisst
(Mitth. d. afrik. Gesellsch. V, S. 159), so hat sich nunmehr, schneller als er es
vielleicht gedacht, gezeigt, wie Recht er damit gehabt hat. Ganz besonders tritt
die Unzulänglichkeit der Flegelschen Aufnahmen hervor in der Darstellung
des Geländes, das nach Dr. Pass arges Aufnahmen ein völlig verändertes Bild
zeigt. Man vergleiche z. B. auf Blatt I nur die Gegend um Alhädjin Galfbu
nach Flegel und Dr. Passarge!
Der Flusslauf des Mao Kebbi wurde der Karte in Proc. R. G. S. 1891,
Augustheft, die nach einer allerdings nur flüchtigen Aufnahme durch Kapitän
Mockler Ferryman gezeichnet ist, entnommen und mit Dr. Passarges Route
in Einklang gebracht. Letzterer hat genannten Fluss sowohl zwei Mal über¬
schritten, als auch an mehreren Punkten nahe berührt. Während nun der
Reisende die Punkte zwischen Adumre und Golömbe zu bezeichnen vermochte,
an denen er den Mao Kebbi überschritten oder gesichtet hatte, was eine An¬
passung des Flusslaufes an seine Route auf befriedigend sicherer Grundlage
ermöglichte, war es ihm nicht möglich, die Stelle seines ersten Uebergangs
zwischen Be und Adumre zu bezeichnen. Der Unterlauf des Flusses wurde also
unter Berücksichtigung der Maistreschen Karte (A travers l’Afrique centrale
du Congo au Niger, Paris 1895, Planche C., flle. 11), auf der die Einmündung
des Mao Kebbi in den Benue an einer Stelle angedeutet ist, die auch
Dr. Passarges Auffassung entspricht, nach der Ferrymanschen Aufnahme
zwischen Dr. Pass arges zweiten Uebergangspunkt und die Mündung eingepasst.
Trotz dieser allerdings nur geringfügigen Unsicherheit in der Darstellung des
Unterlanfs des Mao Kebbi ist durch Dr. Passarges und auch Mai str es Reise
erwiesen, dass der als Nothbelielf zwischen die Mündung des Mao Kebbi und
die Grenze der Flegelschen Benueaufnahme eingeschaltete wunderliche Bcnue-
bogen der Ferrymanschen Karte in Wirklichkeit nicht existirt.
Maistres Route, endlich (A travers l’Afrique centrale du Congo au Niger,
Paris 1895, Planche C., flle. 12 und 13), die sich zum Theil im Passargeschen
Reisegebiet bewegt, fällt zwischen Garua und Yola mit der Dr. Passarges
zusammen; eine Anzahl abweichender Namen, wie Kilengue, Chareki u. a., er-
. TsüamÖ
Reiseroute
der Expedition des Deutschen Kameruncomites
in den Jahren 1893 -94-.
Aufgenommen von DI" S.PnsSrtl*«e.
Construirt und gezeichnet von Df Jtf. LimprichL
Blatt II.
Maßstab 1 : 350000
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Reiseroute
der Expedition des Deutschen Kameruncomites
in den Jahren 1893- 94 .
Aufgenommen von DI’ S . PrtS Sarge.
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Maßstab 1 : 350000
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11° östl. Länge v. Greenwich
Geographische Verlagshandlung
DIETRICH REIMER in BERLIN
JMiitlteil. a . il. deutschen SchutzgeMflen Bil.Vm. lRfln.
189
klärt sich wohl daraus, dass Maistre Führer anderer Nationalität gehabt hat
als Dr. Pass arge. Die Strecke Lame — Garna stimmte im Bereich des Passarge¬
schen Beisegebietes in befriedigender Weise mit des Letzteren Aufnahmen über¬
ein, nur musste südlich des Hossere Göre Maistres Koute ein wenig nach
Süden gerückt werden. Auch die Höhendaten beider Beisenden liessen sich
recht gut miteinander in Einklang bringen.
Blatt II. Ueber die Ansetzung von Ngäumdere sowie die zwischen Garua
und Ngäumdere von Dr. Passarge bestimmten Breiten ist bereits in den Be¬
gleitworten zu Blatt I gesprochen worden. Nur sei hier noch besonders erwähnt,
dass bei der Konstruktion der Pass argeschen Aufnahmen auch die Blätter der
Bohkonstruktion von Flegels Booten zum Vergleich herangezogen werden
konnten. Diese Vergleichung liess am besten den Minderwerth der F leg eisehen
Aufnahmen gegenüber denen Dr. Pas sarges erkennen. Beide gingen denselben
Weg bis Ngäumdere und zurück etwa bis zum östlichen Songo-n-Tapare; dann
führte sie ihr gemeinsamer Weg westlich bis in die Gegend, wo Mao Deo undFaro
sich vereinigen. Während Flegel aber am Faro abwärts ging, biegt Passarges
Boute westlich ab, um durch hohes Gebirgsland Dalami zu erreichen, wo die
Flegelsche Boute Yola — Köntsha gekreuzt wurde. Von hier an führte der
Weg durch bisher vollkommen unbekanntes Land; ein hohes Gebirge, das mit
einzelnen Gipfeln 2000 m erreicht, wird entdeckt und kartographisch festgelegt,
soweit dies bei einer flüchtigen Aufnahme möglich ist.
Von Dr. Passarges Breitenbestimmungen entfallen auf Blatt II die von
Alhädjin Galfbu, Uro Gäbdo, Söngo Tagueläfi oder Söngo Kantüddu, Ngäumdere,
Garf Maharbä und Nyeri. Die Längen der genannten Orte mussten also sämmt-
lich durch Konstruktion ermittelt werden, was ohne Vergewaltigung der Boh¬
konstruktion sich ausführen liess.
Im Anschluss an die durch Dr. Passarges Boute gefundene Lage von
Dalami, wo, wie bereits erwähnt, sein und Flegels Weg sich kreuzen, wurde
des Letzteren Beiseweg bis Köntsha nach Blatt III von Dr. B. Kieperts Karten
der Flegelschen Beisen im Bennegebiet eingetragen; er liess sich ohne grossen
Zwang den Passargeschen Aufnahmen anpassen. Freilich erfuhr auch hier
das Geländebild zum Theil eine bedeutende Formveränderung.
Auch Maistre (Maistre, a. a. 0. PI. 0.) und Zintgraff (E. Zintgraff,
Nord-Kamerun, Berlin 1895) sind von Yola nach Köntsha gegangen und zwar,
wie sich aus der Identität mehrerer Ortsnamen ergiebt, auf demselben Wege,
abgesehen von einer kurzen Strecke nördlich von Köntsha, die Zintgraff auf
dem linken Ufer des Mao Deo zurückgelegt, während Maistre, wie vor ihm
Flegel, auf dem rechten Flussufer sich hielt. Aus der dem Zintgr affsclien
Beisewerke beigegebenen Karte von L. von der Vecht sowohl wie auch aus
einem Vergleich der Maistr eschen Boute mit derjenigen Flegels erhellt, dass
der Weg der beiden erstgenannten Beisenden westlich von Dalami vorbeigeht,
um sich erst nördlich von Laro mit dem Flegelschen wieder zu vereinigen.
Das eingetragene Boutenstiick westlich von Köntsha gehört sowohl Flegel
wie Maistre und Zintgraff an; es wurde nach Dr. B. Kieperts obengenannter
Karte eingetragen.
Blatt III. Eine einzige Breitenbestimmung Dr. Passarges fällt auf
Blatt III, nämlich die von Uro Matslübbo, dessen Länge auf konstruktivem
Wege ermittelt wurde.
Der Landweg der deutschen Expedition endet in Ibi am Benue.
Dr. Passarge bedauerte es sehr, dort keine astronomischen Ortsbestimmungen
mehr haben ausführen zu können. Es musste also untersucht werden, wie Ibi
190
nach Dr. Passavges ßoute zu Ibi nach der Baikieschen Ben ueaufn ahme,*)
die bisher allein für die Ansetzung dieses Ortes maassgebend gewesen, passen
würde. Das Ergebniss war höchst befriedigend: sowohl unter Zugrundelegung
der Marschlänge als der Marschrichtung fiel der Endpunkt der Pass arge¬
schen Route fast genau mit Ibi der englischen Karte zusammen. Es war deshalb
kein Grund vorhanden, von der Niederlegung Ibis nach der genannten Karte ab¬
zusehen zu Gunsten von Mizons Bestimmung (bei Maistre a. a. 0. Pl.D.), nach
der Ibi um 1 ' . 9 nördlicher liegen soll, umsoweniger als die Benueaufnahme
Bai kies auf der Ausführung von astronomischen Ortsbestimmungen beruht
(Petermanns Mittli. 1854, S. 210). Zudem ist Mizons Breite nach ihrer Zuver¬
lässigkeit für uns unprüfbar und wurde deshalb vernachlässigt.
In Bantädji (Muri) kreuzen sich Dr. Passarges und Flegels Routen.
Flegel hat in Bantädji eine Breitenbestimmung ausgeführt. Der Längenunter¬
schied von Bantädji und Ibi kann bei der geringen Entfernung beider Orte nur
innerhalb enger Grenzen schwanken, so dass die Lage von Bantädji auf Dr.
R. Kieperts Karte der Flegelschen Reisen als ziemlich sicher gelten kann.
Auch hier zeigte sich eine fast vollkommene Uebereinstimmung mit der
Passargeschen Aufnahme, und es wurde deshalb Bantädji genau nach
Dr. Kieperts oben erwähnter Karte eingetragen.
Endlich ist Guriö Dr. Passarges identisch mit Flegels Wurio oder
Wurbo am Taräbba. Während dieser Fluss nach Flegel hier als eine einzige
zusammenhängende Wasserrinne erscheint, fand ihn Dr. Pass arge in zwei
Arme getheilt.. Vielleicht erklärt sich diese Verschiedenheit dadurch, dass die
beiden Reisenden nicht in derselben Jahreszeit den Fluss befuhren bezw. über¬
schritten. Dagegen existirt nach Dr. Passarges Aussage der Höhenzug, den
Flegel Wurbo gegenüber auf dem rechten Ufer des Taräbba verzeichnet
hat, nicht.
Zwischen Guriö also und der Mündung des Taräbba in den Benue, die
nach R. Kieperts Karten der Flegelschen Reisen eingetragen wurde, wurde
der Unterlauf des Taräbba eingezeichnet, was sieh ausführen liess, ohne dass
die Grenzen des methodisch Erlaubten überschritten wurden.
Unverändert wurden Flegels Routen um Ibi und Bantädji auf Blatt III
eingetragen. Maistres und Dr. Zintgraffs Reisewege fallen zum Theil mit
denjenigen Flegels, zum Theil mit Dr. Passarges Route zusammen. Wo sie
abweichen, wurden sie an des Letzteren Aufnahmen angepasst.
*) The Rivers Kowara and Benue or Ohadda as explored by the Expedition
under W. Balfour Baikie . . . Brit. Admiralitätskarte No. 2446.
Aus dem deutsch-ostafrikanischen Schutzgebiete
Ueber die Rechtsgewohnheiten der im Bezirk Tanga
ansässigen Farbigen.
Von Bezirksamtmann v. St. Paul-Hilaire.
Die Rechtsgewohnheiten der im Bezirk Tanga ansässigen Far¬
bigen sind nacli Religion und Stammesangehörigkeit derselben
wesentlich verschieden.
Wir haben demnach vor Allem zu unterscheiden:
I. Mohammedanisches Recht.
II. Rechtsgewohnheiten der Wadigo.
III. „ „ Wabondei.
IV. „ „ Washambaa.
V. „ „ Wasegeju.
Ausser den unter II bis V genannten Völkerschaften sitzen im
Südwesten des Bezirkes Tanga einige Waseguha, die nördlichsten
Vorposten dieses zwischen dem Pangani- und Wamiflusse sitzenden
grösseren, der Jurisdiktion des Bezirksamtes Pangani und des Neben¬
bezirksamtes Saadani unterstehenden Volksstammes; ferner im Norden
des Bezirkes am Abfall der Usambaraberge einige Wakamba und
Wataita, südliche Ausläufer der im Norden auf englischem Gebiete
sitzenden Völkerschaften sowie schliesslich im nordwestlichen
Usambara einige Wapare und das noch wenig bekannte kleine
Hirtenvolk der Wambugu.
Ueber die Rechtsgewohnheiten der Waseguha wird seitens der
südlichen Bezirksämter zu berichten sein; die anderen genannten
kleinen Fremdenkolonien haben mehr oder weniger die Rechts¬
gewohnheiten ihrer Nachbarn angenommen. Ueber die Rechtsgewohn¬
heiten der Wambugu fehlt es zur Zeit noch an eingehenden
Forschungen, doch scheinen dieselben wenig Abweichung von denen
der Washambaa zu zeigen.
192
I. Mohammedanisches Recht.
Das mohammedanische Recht ist das einzige hier vorhandene
schriftlich fixirte Recht. Ihm unterwerfen sich ausser den Arabern,
Suaheli und Indiern an der Küste diejenigen Wasegeju und Wadigo,
welche zum Islam übergetreten sind, jedoch mit der Maassgabe, dass
sie in einzelnen Fällen noch an ihren besonderen, ihnen traditionell
überkommenen Rechtsgewohnheiten festhalten und Berücksichtigung
derselben bei gerichtlichen Entscheidungen des Bezirksamtes finden.
Die Grundlage dieses mohammedanischen Rechtes bildet für alle
mohammedanischen Sekten, wie bekannt, der Koran; aus ihm sind
entsprechend der verschiedenen Auslegung der einzelnen Sekten
alle vorhandenen Rechtsbücher derselben abgeleitet.
Im Bezirk Tanga haben wir fast ausschliesslich mit den Sekten
der Sunni und Ibadki zu thun. Die Sunni zerfallen in Shafei,
Ilanafi, Maliki und Hambali.
Shafeiten sind alle Suaheli, südarabische Shihiri und mohamme¬
danische Wadigo und Wasegeju, Hanafiten die meisten der hier
ansässigen Indier (Sindi) und Belutschen. Maliki und Hambali
existiren hier nicht. Die Sekte der Shii, welche in anderen Bezirken
durch viele Koja repräsentirt werden, hat hier nur einen Repräsen¬
tanten. Die wenigen vorhandenen indischen Bohora sind Rafitlii.
Alle Maskataraber sind Ibadhi; indessen folgen auch diese vielfach
hier ebenso wie die Belutschen in den Hauptpunkten dem Shafei-
tischen Recht.
Das gesammte komplizirte Civil- und Strafrecht ist in einer
grossen Reihe mehr oder weniger ausführlicher Rechtsbücher und
Kommentaren zu denselben niedergelegt; sämmtliche sind im Druck
erschienen, die wichtigsten hier vorhanden. Auf Grund derselben
werden beim Bezirksamt sämmtliche mohammedanische Civilsachen
entschieden. Eine auch nur ganz auszugsweise Wiedergabe dieses
Rechtes würde zu weit führen, und scheint, da es Jedem im Druck
zugänglich, auch überflüssig. Ich beschränke mich darauf, unten
eine Liste der gebräuchlichsten Rechtsbücher der verschiedenen
Sekten zu geben. In Strafsachen finden dagegen meist die Grund¬
sätze des deutschen Strafrechtes Anwendung, da in vielen Fällen
die nach arabischem Recht zu verhängenden Strafen nicht mit den
civilisirteren bezw. humaneren Anschauungen einer europäischen
Nation in Einklang zu bringen sind.
Liste der gebräuchlichsten Rechtsbücher.
a. Skafeitiscke Rechtsbücher.
Minhaj ettalibina (= ennawawi).
193
Kommentare :
Makali, skerhe il minhaj.
Kut il muktaj, skerhe il minhaj.
Ihn Shakbak, skerhe il minhaj.
Tukfat il muktaj, skerlie il minhaj.
Nikayat il muktaj, skerhe il minhaj.
Mugkuni il muhtaj, skerhe il minhaj.
Il’ujalah, sherhe il minhaj.
Kataat essabki ala il minhaj.
Sherhe ibn ulmulkini ala il minhaj.
Kitab irshadi.
Kommentax*e:
Janat ettalibu, sherhe il irshadi.
Isaadu, sherhe il irshadi.
Imdadi, sherhe il irshadi.
Fathul jawadi, sherhe il irshadi.
Talkhisi, sherhe il irshadi.
Anwar il fakiki.
Tbabu.
Minhaj ettulab.
Kommentar:
Fathulwahabu, sherhe il minhaj ettulab.
Kommentar dazu:
Bujermi, hashiat Fathulwahabu.
Ghayat il ikktissar.
Kommentare:
Il ikinafi, sherhe rayat il ikktissar.
Bajur, hashiat rayat il ikktissar.
Fatkultakribu, sherhe rayat il ikktissar.
Tukfat il abrari, sherhe rayat il ikktissar.
Sherhe il bermawi fi rayat il ikktissar.
Fathulmufnu.
Kommentar :
Janat ettalibina, hashiat Fathul mufnu.
Kitab erraudki.
Mukhtassar erraudhat.
Junfiu iljawami fi usul il fakiki wa eddini.
Sherhe il buhyat.
Sherhe ettakriri.
Sherhe ettankihi.
Sherhe risalat il kashiri.
Sherhe adabu il bakthi.
Kitab adabu ilkadhai.
194
Kitab il kathit.
Kitab il takmulat.
Kitab ettanbihi.
Sherlie erraudba.
Kitab zawaid ilkbadim.
Kitab zawaid ilmubimat.
Kitab zawaid, sberbe il mubatbab.
Sberbe errafei il kebir.
Kitab il basit.
Kitab il wasit.
Kitab il wajiz.
Fetawi il Kifali.
Fetawil kadbi Hussen.
Fetawi ibn essalabi.
Fetawil Gbazali.
Fetawi ibn Hajar.
Fetawi erramli.
Fetawil kbalili.
Bugbyat il mustarsbadina.
Rayat ul bayani.
Mawabib issamatu ala subat il fakibi.
Hasbiet il bajuri ala Sbensburi li matin errabibia.
Sberbe ettartib fi ilm il feraidli.
Subat il fakibi.
Kommentar:
Sberbe essubat il fakibi.
b. Hanafitiscbe Kecbtsbücber.
Kitab sberbe il kadri.
Sberbe majina’ il babarain.
Sberbe il kanzi.
Fetawi kadbi Khan.
Mantbuma innesli.
Sberbe il bidaya.
Kitab eddurra.
c. Ibadbitiscbe Iiecbtsbiicber.
Bayan essberia.
Dalaidi filawatliim.
Mukbtassar il kbisali.
Mukbtassar il bessewi.
Jamf il mufid.
Jami il jawarni ibn ennatbar.
Kamus esbsberia.
Mubatbab.
195
Für die Praxis des hiesigen Bezirksamtes würde die deutsche
Uebersetzuug eines der Hauptwerke, etwa das Minhaj ettalibina,
allen Anforderungen genügen.
Das Shafeitische Erbrecht wird in gut verständlicher Form in
dem von Leo Hirsch verdeutschten Werke: „Der Überfliessende
Strom in der Wissenschaft des Erbrechtes der Haneliten und Shafeiten,
arabischer Text von Shekli Abd ul Kadir Mohammed“ dargestellt.
Das Buch ist für sämmtliche Bezirksämter von grossem Nutzen.
II. RecMsgewolmheiten der Wadigo.
Ueber die Rechtsgewohnheiten der Wadigo, ebenso wie der
später zu behandelnden anderen oben angeführten Volksstämme sind
mir irgend welche Aufzeichnungen bisher nicht bekannt geworden.
Ich gebe nachstehend eine kurze Darstellung derjenigen Rechts¬
grundsätze, welche hier für die Praxis grössere Bedeutung haben,
so wie sie bisher von mir festgestellt und gesammelt werden konnten
und werde sie in dem Maasse, wie mir Neues bekannt wird, nach
und nach ergänzen.
I. Digo - Erbrecht.
Während es nach mohammedanischem Recht mehrere Klassen
von Erben giebt, unter welche der Nachlass eines Verstorbenen nach
bestimmten Grundsätzen vertheilt wird, kennt das Digoreckt nur
einen jedesmaligen Erben, soweit das eigentliche Vermögen des
Verstorbenen in Betracht kommt.
a. Vererbung des Vermögens.
Hauptgrundsatz :
„Beim Tode eines Mannes oder einer Frau erbt der
durch die Mutter in auf- und absteigender Linie nächst
vorhandene männliche oder weibliche Blutsverwandte
des Verstorbenen das gesammte Vermögen.“
Die Bestimmung der Nähe der Verwandtschaft nach Digo-
anschauung zeigt die nachstehende Aufstellung.
1. In erster Linie erbt das älteste der vorhandenen Geschwister
gleicher Mutter, also der älteste vorhandene Bruder oder Halbbruder
von Mutterseite (mweneku mlume mviere), oder die älteste vorhan¬
dene Schwester oder Halbschwester von Mutterseite (mwenehu
mchetu mviere). Ob dieser bezw. diese den gleichen oder einen
anderen Vater hat wie der Verstorbene, ist also gleichgültig; es
kommt bei Bestimmung der Verwandtschaft lediglich die Abstammung
von gleicher Mutter in Frage, der Ansicht folgend, dass die Mutter
eines Menschen meist mit einer gewissen Bestimmtheit, der Vater
aber nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit festzustellen ist.
196
2. Sind keine Geschwister von gleicher Mutter vorhanden, so
erbt die Mutter das ganze Vermögen (mayo mviere = grosse Mutter
im Gegensatz zu mayo mdide = kleine Mutter, Schwester der Mutter).
3. Sind die vorstehenden Erben nicht vorhanden, so erbt der
älteste vorhandene Bruder oder Halbbruder der Mutter von
gleicher Mutter wie diese (awu, Onkel mütterlicherseits) oder die
älteste vorhandene Schwester oder Halbschwester der Mutter von
gleicher Mutter wie diese (mayo mdide = Tante mütterlicherseits).
4. Sind auch diese nicht vorhanden, so erbt der vorhandene
älteste Sohn (muwa mlume = Neffe) oder, falls solcher nicht da ist,
die älteste Tochter (muwa mchetu = Nichte) der ältesten Schwester
oder Halbschwester der Verstorbenen von Mutterseite. Hat diese
älteste Schwester keine Kinder oder sind dieselben nicht mehr vor¬
handen, so treten für sie der älteste Sohn bezw. die älteste Tochter
der nächst jüngeren Schwester des Verstorbenen ein.
(NB. Für diese Neffen bezw. Nichten heisst der Verstorbene
awu, die Verstorbene mayo mdide.)
5. Sind auch Neffen oder Nichten des Verstorbenen nicht vor¬
handen, so erbt die Grossmutter mütterlicherseits, das heisst die
Mutter der Mutter (wawa mviere = grosse Grossmutter im Gegensatz
zu wawa mdide = kleine Grossmutter, das heisst Schwester der
Grossmutter).
6. Falls diese nicht mehr vorhanden ist, tritt für sie ihr ältester
vorhandener Bruder oder Halbbruder mütterlicherseits (tsawe mviere)
oder ihre älteste vorhandene Schwester oder Halbschwester von
gleicher Mutter (wawa mdide) ein.
(NB. Her Grossvater heisst auch „tsawe“; derselbe kommt bei
der Erbschafft aber nicht in Betracht.)
7. Sind alle diese Erben, bei denen jeder in der aufgeführten
Reihenfolge Vorstehende alle Nachstehenden ausschliesst, nicht vor¬
handen, so erbt der nächste etwa vorhandene Verwandte mütter¬
licherseits; bei Feststellung der Nähe der Verwandtschaft wird stets
auf die gemeinsame Mutter, Grossmutter (d. h. Mutter der Mutter),
Urgrossmutter (d. h. Mutter der Mutter der Mutter) u. s. w. zurück¬
gegangen; bei gleichem Grade der Verwandtschaft hat der durch
die aufsteigende Linie Verwandte das Vorrecht vor dem durch die
absteigende Linie Verwandten.
Die alleinige Erbberechtigung der weiblichen Linie ist also
streng durchgeführt.
b. Vererbung der Frau und Kinder.
Vorstehend ist lediglich von der Vererbung des Vermögens des
Verstorbenen die Rede gewesen, d. h. das Vermögen nach deutschen
Rechtsbegriffen.
197
Nach Digorecht gehört die Frau (bezw. Frauen) eines Verstor¬
benen und deren Kinder aber auch zum Nachlass; sie werden eben¬
falls nach bestimmten Grundsätzen vererbt.
Hauptgrundsatz :
„Beim Tode eines Mannes erbt der nächst vorhandene
männliche Verwandte von Mutterseite die Frau oder
Frauen des Verstorbenen und deren Kinder.“
In erster Linie ist also der älteste vorhandene Bruder des Ver¬
storbenen von gleicher Mutter erbberechtigt, dann die anderen
männlichen Verwandten des Verstorbenen von Mutterseite nach den
oben angeführten Grundsätzen der Nähe der Verwandtschaft.
(Der Onkel [awu] des V erstorbenen kann auf diese Art seine
angeheirathete Nichte, der Neffe unter Umständen seine Tante erben.)
Auf den Erben der Frau (bezw. Frauen) mit ihren Kindern
gehen gewisse vermögensrechtliche Vortheile über, indem ihm ein
gewisser Antlieil von dem Heirathsgut, welches die etwaigen Töchter
der Frau (oder Frauen) bei ihrer Verheirathung einbringen, zusteht.
(Näheres über die Höhe desselben unter „Eherecht“.)
Die Frau des Verstorbenen kann sich weigern, dem
nächstberechtigten Erben zu folgen.
Es können hier drei Fälle in Frage kommen:
1. Die Frau kehrt mit ihren Kindern zu ihren Ver¬
wandten zurück.
In diesem Falle sind ihre im Abschnitt über das Eherecht näher
bezeichneten Verwandten verpflichtet, dem berechtigten Erben das
von seinem verstorbenen Erblasser bei der Hochzeit jener Frau an
deren Verwandte gezahlte Heirathsgut voll zurückzuzahlen.
Nach erfolgter Zurückzahlung erlöschen jede Ansprüche des
Erben an Frau und Kinder.
2. Die Frau kehrt zu ihren Verwandten zurück und
überlässt dem berechtigten Erben ihres Mannes ihre
sämmtlichen Kinder.
In diesem Falle sind die Verwandten der Frau nicht verpflichtet,
das Heirathsgut zurückzuzahlen, da dem Erben aus der Verheirathung
der Töchter der Frau seines Erblassers, wie angedeutet, vermögens¬
rechtliche Vortheile erwachsen, durch welche das Heirathsgut kom-
pensirt wird. Der Erbe hat in solchem Falle ausdrücklich zu
erklären, dass er auf die Rückzahlung des Heirathsgutes verzichtet
und dafür die Kinder der Frau des Verstorbenen für sich behält.
Dieser Fall wird natürlich nur eintreten, wenn diese Kinder
„Töchter“ sind, denn die Verheirathung von Söhnen bringt den
Erben nicht nur nichts ein, sondern kostet ihnen noch etwas.
Mitth. von Forschungsreisenden, VIII. Band. III.
198
3. Die Frau kehrt nicht zu ihren Verwandten zurück,
sondern wählt sich einen anderen als den erbberechtigten
männlichen Verwandten ihres verstorbenen Mannes zum
Gatten.
Dieser Fall tritt nur ein, wenn der berechtigte Erbe selbst seine
Zustimmung giebt. Da für ihn lediglich die vermögensrechtliche
Frage ausschlaggebend ist, wird er, falls die Frau noch nicht zu
alt und noch Aussicht vorhanden ist, dass sie Kindern das Leben
geben wird, ihrer Wahl zustimmen.
Die Kinder, welche diesem neuen Verhältnis entspriessen,
gelten nämlich rechtlich als Kinder des erbberechtigten Ver¬
wandten, nicht des von der Frau erwählten stellvertretenden Gatten;
Ersterer zieht also auch aus ihnen, soweit es Töchter sind, bei der
Verheirathung die Vortheile des Heirathsgutes, nicht der natürliche
Vater.
Sind mehrere Frauen des Verstorbenen vorhanden, so können
verschiedene der vorstehenden Fälle gleichzeitig eintreten.
Wenn auch de jure nur eine Person das ganze Vermögen eines
Verstorbenen erbt, so gehen doch in praxi die anderen näheren
Verwandten, besonders die Neffen, nie ganz leer aus. Der Erbe
schenkt ihnen, falls der Nachlass gross genug ist, einige Stück Vieh,
einige Palmen oder dergleichen; ein liecht, dies zu beanspruchen,
liegt aber nicht vor.
c. Ausschluss von der Erbschaft.
Söhne und Töchter erben ebenso wenig wie die Ehefrau (bezw.
Frauen) oder der Gatte, der Vater, Grossvater oder irgend ein
Verwandter durch die männliche Linie.
Halbbruder oder Halbschwester von Vaterseite gelten nicht
als verwandt.
d. Erbschafts - Vormundschaft.
Aus der eigenartigen, wenig untergeordneten Stellung der
Sklaven bei den Wadigo hat sich eine Rechtsgewohnheit heraus¬
gebildet, welche mit allen Grundsätzen des Erbrechts eigentlich im
Widerspruch steht.
Es kommt nämlich vor, dass ein Sklave, der durch besondere
Tüchtigkeit und Stärke sich Achtung und Einfluss in der Familie
erworben hat, beim Tode seines Herrn dessen gesaminte Erbschaft
antritt. Es geschieht dies besonders, wenn der berechtigte Erbe
noch sehr jung ist, und kann dieser Fall als eine gewisse Erbschafts-
Vormundschaft angesehen werden. Sämmtliche etwa später erb¬
berechtigte Verwandte haben ihr Einverständniss mit dieser Vor-
199
mundscliaft auszudrücken und erkennen dann den betreffenden Sklaven
als Haupt ihrer Familie an, dem sie sich unterstellen.
Er tritt die Erbschaft vollständig und mit allen Konsequenzen
an, ist also auch berechtigt, die Frauen seines Herrn zu übernehmen,
Töchter desselben zu verheirathen und den dem Vater bezw. Erben
desselben gebührenden Antlieil am Heirathsgut für sich zu nehmen.
Er bleibt bis zu seinem Tode in seiner Stellung, tritt also nicht
etwa, wenn der berechtigte Erbe erwachsen ist, diesem das Erbe ab.
e. Haftbarkeit des Erben für Schulden des Erblassers.
Der berechtigte Erbe ist verpflichtet, die etwaigen Schulden
seines Erblassers zu bezahlen. In erster Linie haftet der Nachlass
für die Schulden, in zweiter Linie die Kinder des Verstorbenen von
einer Nebenfrau (shuria) und in dritter Linie die Kinder von einer
rechtmässigen Frau, insofern sie vom Erben zur Erlangung von
Mitteln zur Deckung der Schulden als Sklaven verkauft werden
konnten. Es kam selbst vor, dass der Erbe, Bruder oder Onkel (awu)
des Verstorbenen, sich selbst oder einen seiner Brüder oder die
Kinder seiuer Schwester zur Tilgung der Schulden in die Sklaverei
verkaufte oder verpfändete. War es dem Erben später möglich, so
kaufte er seine Verwandten wieder frei, wo nicht, blieben sie Sklaven.
Die Gewohnheit des Verkaufs von Verwandten zur Tilgung von
Schulden verschwindet neuerdings übrigens, da sie vom Bezirksamt
nicht geduldet wird. Der Erbe tilgt etwaige Schulden des Erblassers
aus dessen Nachlass, soweit er reicht, und übernimmt die nicht
gleich zu deckenden Summen als eigene nach und nach zu tilgende
Schulden.
Wenn der berechtigte Erbe auch jetzt noch im Allgemeinen die
volle Haftbarkeit für Schulden seines Erblassers zu übernehmen
pflegt, so kommen doch schon vereinzelte Fälle vor, in welchen
diese Haftbarkeit nur bis zum Betrage des vorhandenen Nachlasses
nach europäischen Begriffen anerkannt wird. Der Erbe tritt dann
also eigentlich die Erbschaft nicht an.
Die bisherigen Rechtsgewohnheiten befinden sich also in diesem
Punkte in einem Stadium der Umbildung, welches durch Maassnahmen
der Regierung gegen den Sklavenhandel herbeigeführt ist.
2. Digo-Ehereclit.
a. Zahl der Fraue n.
Bei den Wadigo herrscht Vielweiberei; die Zahl der recht¬
mässigen Frauen und der Nebenfrauen (Kebsweiber, shuria) ist ge¬
setzlich unbeschränkt. Da die Möglichkeit, eine oder mehrere Frauen
zu heirathen, lediglich, wie weiter unten ausgeführt wird, von dem
14*
200
Reickthum der Familie des Bräutigams abkängt, gestaltet sick die
Frauenfrage in praxi kier ebenso wie in den meisten Ländern mit
Vielweiberei; der Begüterte keiratket rnekrere Frauen und kält sick
Sklavinnen als Kebsweiber. Der Aermere begnügt sick mit Wenigen
oder Einer.
Jede recktmässige Frau erkält ikre Hütte und ikren Hausstand
für sick.
Heiratken unter Verwandten sind in einigen weiter unten er-
wäknten Fällen gestattet.
b. Ekesckliessung und Hockzeitsgut.
Es giebt zwei rechtsgültige Arten der Ekesckliessung, die eine
okne vorherige Befragung der Angehörigen der Frau, die andere
mit vorheriger Befragung derselben.
1. Erste Art der Ekesckliessung.
(Kidigo: nyambura ya wirani. Kisuaheli: liarusi ya ngouiani.)
Tanz-Hockzeit.
Der Jüngling, welcher ein Mädchen heiratken will, einigt sick
einfach gelegentlich eines Tanzfestes mit ihr und entführt sie, bezw.
sie geht mit ihm nach seinem Dorfe und Hause durch, wo die Eke¬
sckliessung okne weitere Formalitäten vollzogen wird.
Am nächsten Morgen tkeilt der Ehemann seinen Freunden und
Dorfgenossen die Tkatsacke mit; ein Schmaus wird von den Weibern
unter Gesang bereitet und im Freien von den Männern und Weibern
des Dorfes eingenommen. Getanzt wird danach nickt.
Der Ehemann sendet weder seinem Schwiegervater noch anderen
Verwandten der Frau irgend welche Nachricht.
Das Verschwinden der Tochter kann den Eltern aber nickt
lange verborgen bleiben; sie stellen Nachforschungen an, und nach¬
dem das Gerückt ihnen die Kunde der Ereignisse zugetragen, macken
sick Vater und Mutter auf, suchen ikre Tochter und bringen ihr
Ricinusöl (rnafuta ya uto) zum Einsalben des Körpers und Kleider.
Sie geben dadurch der Ehe bereits eine gewisse Sanktion. Der
wichtigste Tkeil des „Geschäftes“ folgt für den Vater aber erst;
für ihn ist, wie oben angedeutet, die Verkeiratlnmg einer Tochter
eine Einnahmequelle; die Frage des Ilochzeitsgutes bleibt zu er¬
ledigen, denn ehe dies nicht bezahlt ist, kann die Ehe noch rück¬
gängig gemacht werden.
Berechtigt, die Zahlung des Hochzeitsgutes zu verlangen, ist
der Vater und der älteste Bruder der Mutter der Braut (d. h. ihr
awu, Onkel, mütterlicherseits bezw. Schwager des Vaters, mlamu),
verpflichtet, die Zahlung zu leisten, der Vater und älteste Bruder
201
der Mutter des Bräutigams, da dieser in den seltensten Fällen selbst
bereits genügend besitzen wird.
Als Hochzeitsgut sind folgende Zahlungen zu leisten:
1. „mahunda“ (kisuaheli: vitu = Dinge), das eigentliche Hoeh-
zeitsgut und zwar eine erwachsene Kuh, goma ra ng’ombe (kisw. :
koo la ng’ombe), eine Ferse, mori ya ng’ombe (kisw. ebenso oder
matamba wa ng’ombe), ein männliches Bind, sau ya ng’ombe (kisw.
ebenso).
2. „madzuchi“ (kisw. matembo, Palmwein) an Stelle der durch
das Wort bezeichneten Palmweinlieferung, eine Ferse, mori ya
ng’ombe.
Diese vier Binder werden je nach den Vermögensverhältnissen
auf einmal oder nach und nach entweder in natura oder in Geld
bezahlt, wobei eine Kuh bezw. Ferse = 8 bis 12 Dollar ä, 2 Rup.,
ein Ochse = G Dollar zählt.
Der Vater des Bräutigams zahlt zwei Kühe und einen Ochsen,
der Onkel mütterlicherseits eine Kuh, davon erhält der Vater der
Braut zwei Kühe und einen Ochsen, der Onkel mütterlicherseits
eine Kuh. Falls der Vater des Bräutigams todt ist, tritt für ihn
der älteste vorhandene Bruder des Vaters ein.
Falls der Onkel mütterlicherseits des Bräutigams sich weigert,
seinen Antheil zu zahlen, so zahlt der Vater Alles.
3. „kigube“ (kisw. sime, das Schwert), eine Ziege, Schaf oder
einen Dollar und
4. „mlala“ (kisw. mnyää, Dumpalme, Hyphaena tebaica), eine
Ziege oder Schaf oder einen Dollar.
Beide zahlt der Onkel des Bräutigams an den Onkel der Braut.
Der Sinn des kigube und mlala ist der: „kigube“, das Schwert,
um „kudosa malau“ (kisw. kukata maneno) „die Worte abzuscheiden,
d. k. die Sache zu erledigen.
„mlala“, die Dumpalme bezw. Blätter derselben, die als Flecht¬
material dienen, um „kufunga malau“ (kisw. kufunga maneno) „die
Worte zu binden, d. h. ebenfalls die Sache zum Abschluss bringen,
festmacken, dass sie nicht mehr rückgängig gemacht wird.
2. Zweite Art der Eliesclfliessung.
nyambura ya kubwaga (kisw. liarusi ya kutoa vitu).
Die Braut lässt sich hier nicht, wie bei der ersten Art der
Eheschliessung, einfach stehlen bezw. entführen, sondeim verlangt,
•bevor sie ihrem Manne folgt, die Erledigung einer Reihe von For¬
malitäten und die Zahlung von mindestens einem Theile des Hock¬
zeitsgutes.
Es ist die Form, wie die Ehe unter Vornehmen, Begüterteren
geschlossen wird.
202
Die genaueren Vorgänge bei dieser Eliescliliessung sind folgende:
Der Jüngling begiebt sich in das Dorf seiner Auserwählten und
bittet sie um ihre Hand. Ist das Mädchen gewillt, ihn zu nehmen,
so erklärt sie, falls ihr Vater einverstanden sei und er mit ihr wegen
des Hochzeitsgutes einig werde, seine Frau werden zu wollen. Der
Bräutigam sendet nun zunächst einen Freund als Freiwerber
(Kungwi, auch Pathe) zum Vater der Braut, welcher ihm das Be¬
gehren des Bräutigams vorträgt. Ist der Vater gewillt, den Freier
anzunehmen, so lässt er ihm bedeuten, er solle zahlen.
Vielfach werden bei solchen Verhandlungen stereotype Redens¬
arten angewandt, so: kama mayo ammenza baba, ndiye mtsedza
wangu; mwambire abwage, d. li. wenn die Mutter (das ist seine
Tochter) den Vater (das ist der Freier) liebt, so ist er mein
Schwiegersohn, sage ihm, er solle zahlen (kidigo mtsedza = kisua-
heli mkwe; kubwaga = kutoa mali).
Der Bräutigam begiebt sich nach Empfang dieser Nachricht
zurück zu seinem Vater, theilt ihm sein Vorhaben mit und bittet
ihn, „ndekwa“, d. h. Anzahlung auf das Hochzeitsgut, zu zahlen.
Nachdem er diese in Gestalt einer Kuh oder von 1 bis 6 Dollar
erhalten hat, begiebt er sich wieder mit seinem kungwi zum Dorfe
der Braut, sucht aber hier das Haus der wawa der Braut, d. h.
ihrer Grossmutter mütterlicherseits, auf. Dem Mann derselben wird
die ndekwa, die Anzahlung, übergeben, und dieser bringt sie zu¬
sammen mit dem kungwi des Bräutigams zum Brautvater.
Jetzt erst fragt dieser die Tochter selbst um ihre Meinung und
macht sie, falls ihm die Ehe nicht günstig erscheint, auf bessere
Partien aufmerksam. Ist das Mädchen wirklich bereits fest ent¬
schlossen gewesen, den Freier zu heirathen, so werden etwaige
Einreden des Vaters nicht viel nützen; er wird auch nicht sehr in
die Tochter dringen, da er weiss, dass sie sich eben so gut ohne
seine vorherige Einwilligung hätte beim Tanze entführen lassen
können. Er wird also in den meisten Fällen die ndekwa annehmen
und dadurch ausdrücken, dass er seine Einwilligung formell ertheile;
bekräftigt wird diese noch dadurch, dass er dem Bräutigam bestellen
lässt, er solle jetzt „madzuchi“, d. h. Palmwein, bringen.
Der Mann der Grossmutter (wawa) der Braut theilt dem Bräu¬
tigam, der persönlich nie mit dem Schwiegervater verhandelt, das
Resultat seiner Sendung mit, und der Bräutigam erhält, falls die
Antwort gut ausgefallen ist, jetzt bereits die Erlaubniss, die nächste
Nacht mit seiner Braut allein im Hause der Grossmutter zu ver¬
bringen; dadurch ist der erste Theil der Eheschliessung beendigt;
es folgen nun die weiteren Formalitäten, die zur Hochzeitsfeier führen.
Am nächsten Morgen begiebt sich der junge Ehemann wieder
203
zu sich nach Hause, um den „madzuchi“, d. h. Palmwein, zu besorgen;
in diesem Falle bestellt der „madzuchi“ aus Palmwein in natura
und einer Ziege.
Die Eltern des Bräutigams senden diese Gaben dem Vater der
Braut, und dieser bereitet den Leuten, welche sie in festlichem Zuge
überbringen, ein Festmahl, übergiebt ihnen auch wohl noch beim Ab¬
schied eine Ziege, welche gleich geschlachtet und nach Hause
mitgenommen wird.
Sobald der Bräutigam seine Vorbereitungen getroffen hat oder
ihm der Zeitpunkt günstig erscheint, begiebt er sich wieder zur
Braut und theilt ihr, ohne länger bei ihr zu weilen, den Tag mit,
an welchem er sie abholen würde. Die Braut giebt ihrem Vater
diesen Tag bekannt.
Am bestimmten Tage kommt der Bräutigam mit einem Freunde,
seinem chandama, man könnte sagen „Brautjunker“, um seine Frau
aus dem Plause ihrer Grossmutter zu sich abzuholen. Die junge
Frau nimmt Abschied von ihrem Vater, packt ihre Sachen und folgt,
ebenfalls von einer jüngeren Freundin, ihrer chandama (Brautjungfer),
begleitet, ihrem Manne.
Der Weg muss in ganz langsamer, gemessener Gangart zurück¬
gelegt werden, und das Paar muss sich so einrichten, dass es bei
Einbruch der Dunkelheit im Dorfe des Mannes eintrifft, um nicht von
allen Leuten gesehen zu werden. Vor dem Dorfthor pflegt jedoch
der junge Ehemann zu schiessen, damit seine Dorfgenossen wissen,
dass er gekommen ist und dass am nächsten Tage das Hochzeits¬
fest stattfinden wird.
Das Ehepaar bezieht eine eigene Hütte, nicht die des Vaters.
Brautjunker und Brautjungfer verbringen die Nacht mit dem jungen
Paare in der gleichen Hütte, und das Mädchen darf, ohne dass es
ihrem Bufe schadet, hier mit dem Jüngling in nähere Beziehung
treten.
Am nächsten Tage wird das eigentliche Hochzeitsfest gefeiert.
Die Dorfgenossinnen haben bereits am Tage, an welchem der Bräu¬
tigam ging, seine Braut zu holen, Mais hergerichtet. Am Hochzeits¬
morgen wird er gestampft, ugali gekocht, und sieben Hühner werden
herbeigebracht; nur eins davon wird indess am ersten Tage ge¬
schlachtet. Die Freunde des Mannes versammeln sich am Nachmittag
und essen; falls ein Unverheiratheter hierbei einen der Hühuer-
knochen zerbeisst oder zerbricht, muss er ein neues Huhn bringen.
Die Weiber gehen bereits am Morgen ins Haus zur jungen Frau
und tanzen, singen und spielen den ganzen Tag. (dendere, eine
bedeckt sich die Augen mit der Hand, wird von einer anderen mit
den Fingern getupft und muss rathen, wer es gewesen ist u. s. w.).
204
So wird dies fünf Tage fortgesetzt, während welcher die junge Frau
das Haus nicht verlassen und nicht essen, sondern nur Kokosmilch
trinken darf. Es findet sich aber meist eine gute Freundin, welche
ihr, nachdem die anderen das Haus abends verlassen haben, etwas
Speise bereitet. Her junge Ehemann darf essen, jedoch nicht mit
den anderen zusammen.
An dem Tage, an welchem die Braut ihr Heimathsdorf verlässt,
senden ihre Eltern 12 Flaschen Ricinus- und Sesamöl in das Hoch¬
zeitshaus. Am fünften Tage der Hochzeit salbt sich Alles damit
schön ein. Am selben Tage gegen Abend kommt die junge Frau
aus dem Hause; vor ihr ihre chandama (Brautjungfer), hinter ihr
im Gänsemarsch die anderen Frauen des Dorfes, indem sich Alle
am Halse halten und den Kopf auf den Nacken der Vorderen legen.
Ganz langsam, einen Fuss vor den anderen schiebend, begeben sie
sich zum Hause der Mutter des Bräutigams. Diese erscheint mit
ihren Schwestern; trillernd und kreischend streuen sie Reis umher.
Die junge Frau wird an der Thür des Hauses gelassen, die anderen
gehen nach Hause, und die Feierlichkeit ist beendet. Die junge
Frau besorgt zunächst alle Wirthschaftsgeschäfte im Hause der
Mutter ihres Mannes, in seinem Hause bleibt sie nur des Nachts.
Nach etwa einem Monat begiebt sich die junge Frau zu ihrem
Vater zurück und bittet ihn, ihr ihren Kochplatz herzurichten.
Der Vater besorgt Reis und ein Huhn, event. eine Ziege, kommt
und richtet ihr im Hause ihres Gatten ihren Kochplatz her, indem
er die üblichen drei Steine hinlegt, einen Topf darauf stellt und
ihr erklärt, jetzt solle sie hier im Hause ihres Mannes kochen.
Damit ist die letzte der Formalitäten der Eheschliessung erledigt.
Der Rest des Hochzeitsgeldes — mahunda, kigube und inlala —
ist inzwischen schon in der oben angeführten Weise bezahlt oder
wird es nach und nach. Neuerdings wird das Hochzeitsgut vielfach
in Geld bezahlt und die Flöhe desselben etwa von 15 Dollars auf¬
wärts vorher vereinbart.
Die Vereinbarung eines mahari, das ist einer an die Frau zu
zahlenden Morgengabe, wie dies bei den Mohammedanern der Fall
ist, findet nicht statt.
c. Folgen der Nichtzahlung oder unvollständigen
Zahlung des Heirathsgutes.
1. Unter Behandlung der Rechtsgebräuche bei Zahlung des
Hochzeitsgeldes war der Fall angedeutet, dass der Onkel mütter¬
licherseits des Bräutigams sich weigert, seinen Antheil am Hoch-
zeitsgelde für denselben zu zahlen, und der Vater infolgedessen
Alles zahlt.
205
Diese Weigerung bat für ibu nachstehende Folgen: Stirbt der
Ehemann, ohne dass ein Bruder vorhanden wäre, der, wie im Erb¬
recht auseinandergesetzt ist, die Frau des Verstorbenen übernehmen
könnte, so wäre der Onkel mütterlicherseits, der awu, bezw. dessen
Bruder berechtigt, die Wittwe zu übernehmen.
Er erhält aber, wenn er seinen Antheil am Hochzeitsgute seines
Neffen nicht gezahlt hat, die Wittwe und mit ihr ihre Kinder und
die ihm daraus event. erwachsenden Vortheile nicht, es sei denn,
er (oder sein Bruder) zahlte noch nachträglich den erwähnten An¬
theil am Hochzeitsgelde an den Vater des verstorbenen Neffen oder
falls auch dieser schon todt ist, an dessen Erben heraus.
2. Wenn, bevor kigube und mlala bezahlt ist, ein Bind des
mahunda oder des madzuchi verendet, ist der Bräutigam oder rich¬
tiger sein Vater und Onkel zum Ersatz verpflichtet; nach vollstän¬
diger Zahlung des kigube und mlala nicht mehr.
3. Falls ein Vater heirathsfähiger Töchter — gleichviel eigener
oder von der Frau ihm zugebrachter — das Heirathsgut für seine
Frau nicht oder noch nicht vollständig bezahlt hat bezw. durch die
Zahlungspflichtigen Anverwandten nicht hat zahlen lassen, geht er
der Vortheile, die ihm aus der Verheirathung seiner Töchter er¬
wachsen würden, ganz oder theilweise verlustig.
Er erhält gar keinen Antheil an dem etwa für eine Tochter
gezahlten Heirathsgute, wenn für seine Frau überhaupt noch gar
kein Hochzeitsgut bezahlt ist; alles erhält dann der Onkel mütter¬
licherseits der Frau, es sei denn auch hier, dass er dafür sorgt,
dass das rückständige Heirathsgut nachträglich bezahlt würde, bevor
sein Schwiegersohn bezw. dessen Verwandte anfangen, zu zahlen.
Ist schon ein Theil des schuldigen Heirathsgutes bezahlt, so
erhält der Vater von dem Heirathsgut eines Schwiegersohnes nur
einen Antheil, dessen Höhe sich nach dem für seine Frau bisher
gezahlten Hochzeitsgute richtet. Ist für diese z. B. erst die Hälfte
erlegt, erhält er auch nur die Hälfte des ihm als Vater eigentlich
gebührenden Antheils.
Auch hier kann der Vater dieser Kürzung durch Vollzahlung
seines schuldigen Hochzeitsgutes Vorbeugen. Falls der Ehemann
das rückständige Hochzeitsgut für seine Frau nicht aufbringen kann,
ist der Onkel der Frau (awu) mit deren Einwilligung befugt, die
Frau mit ihren Kindern wieder zu sich zu nehmen, dem Ehemanue
den Theil des für die Frau gezahlten Heirathsgutes zurückzuerstatten
und die Frau anderweitig zu verheirathen. Der neue Ehemann hat
dann seinerseits für die Neuzahlung des Hochzeitsgutes zu sorgen,
und die Kinder der Frau werden nach seinem Namen umgetauft.
Falls die Frau indess bei ihrem Manne bleiben will, auch ohne
206
dass das lloclizeitsg'ut voll bezahlt wird, so tritt eben der oben
angeführte Fall ein, dass der Onkel die Töchter verheirathet und
dem Vater event. nur ein kleiner Antheil Hochzeitsgut zukommt.
d. Kinde r.
Die Kinder von Nebenweibern (shuria), d. h. von Sklavinnen,
gelten als Freie. Alle Kinder wurden in früherer Zeit zur Deckung
von Schulden (wie oben angedeutet) oder in Zeiten der Hungersnoth
ohne Weiteres von ihren Eltern oder dem Onkel mütterlicherseits in die
Sklaverei verkauft. In erster Linie traf dies Loos allerdings Kinder
von Nebenweibern, wo solche vorhanden waren. Für die Verwandt¬
schaft der Kinder ist, wie auch aus dem vorigen Abschnitte ersicht¬
lich, lediglich die Mutter und mütterliche Linie maassgebend.
Den Namen erhalten die Kinder in erster Linie nach ihrem Vater,
und zwar wird bei Söhnen dem Namen des Vaters ein Mwa-, bei
Töchtern ein Ni- vorgesetzt, also z. B. Mwamtenda, der Sohn von
Mtenda; Nimnemo, Tochter von Mnemo. Diese Namen sind ver¬
änderlich insofern, als, wenn die Mutter einen neuen Mann bekommt,
ihre Kinder als dessen Kinder gelten und nun vielfach nach ihm
genannt werden. Ausser der Bezeichnung nach dem Vater — bezw.
jeweiligen Vater — erhalten Söhne bei ihrer Geburt einen Rufnamen,
der, wenn sie erwachsen sind, geändert wird. Jeder männliche er¬
wachsene Digo trägt also zwei Namen: seinen eigenen, von welchem
die Namen seiner Kinder abgeleitet werden, und den des Vaters
mit der Vorsilbe Mwa.
Auch Digomädchen erhalten bei der Geburt ausser dem Namen
des Vaters einen eigenen Rufnamen; dieser wird indess später nicht
lungeändert, höchstens wird eine Frau, wenn sie ein Kind bekommt,
ausserdem noch als „Mutter, Erzeugerin des so und so, nine wa . .“
bezeichnet.
e. Ehescheidung.
Die Scheidung der Ehe kann vom Manne oder von der Frau
ausgehen. Die Folgen sind in beiden Fällen nicht sehr verschieden.
Gründe brauchen von keiner Seite angeführt zu werden: es genügt
die einfache Erklärung, dass man sich scheidet.
1. Mag also ein Mann seine Frau nicht mehr haben, so schickt
er sie einfach ihren Verwandten wieder.
Solange die Frau ohne einen anderen Mann bei diesen lebt,
kann der Ehemann nicht auf Rückzahlung des Heiratlisgutes klagen.
Wird die Frau aber neu verheirathet, so sind ihre Verwandten —
Vater und Onkel mütterlicherseits bezw. deren Erben — verpflichtet,
dem ersten Ehemanne sein Heirathsgut zurückzuerstatten. Die Ver¬
wandten werden daher in solchem Falle von dem neuen Ehemanne
207
stets die Zahlung seines ganzen Hochzeitsgutes auf einmal be¬
anspruchen, um mit demselben die Forderung des ersten zu be¬
gleichen und dadurch die Scheidung eigentlich erst perfekt zu machen.
Auch in dem Falle, dass die Frau, ohne verheirathet zu sein, nur
mit einem anderen Manne lebt, kann der erste Ehemann die Rück¬
zahlung des Hochzeitsgutes beanspruchen.
Die Verwandten werden dann, um zu ihrem Gielde zu kommen,
den zweiten Mann entweder veranlassen, die Frau zu heirathen, oder
eine Ehebruchsklage gegen ihn anstrengen. Die Kinder folgen,
wenn der Mann die Rückzahlung des Heirathsgutes beansprucht^
der Mutter. Falls er aber bei Scheidung von seiner Frau den Ver¬
wandten derselben gegenüber ausdrücklich auf Rückzahlung des
Heirathsgutes verzichtet, behält er die Kinder und kann etwaige
Töchter verheirathen, ohne verpflichtet zu sein, seinem Schwager,
dem Bruder seiner geschiedenen Frau, etwas von dem Heirathsgut,
welches sie einbringen, abzugeben.
2. Falls die Frau sich von ihrem Manne scheidet oder ihren
Mann verlässt, sind ihre Verwandten, d. h. ihr Vater und Onkel,
verpflichtet, dem Gatten das volle von ihm bezahlte Heirathsgut
zurückzuerstatten. Sie können die Frau nicht zwingen, bei ihrem
Manne zu bleiben.
Die Frage der Kinder erledigt sich auch hier wie unter 1 .
Der Mann kann aber auch erklären, dass er nicht in die Schei¬
dung und Neuverheiratliung seiner Frau einwilligt. Er giebt seine
Zustimmung, dass die Frau mit einem anderen Manne lebt, lässt
sich das Heirathsgut nicht zurückzahlen und behält die Kinder.
Auch die Kinder, welche die Frau mit dem anderen Manne fernerhin
ausserehelich zeugt, gelten als rechtmässige Kinder des eigentlichen
Ehemannes. Er giebt ihnen also den Namen und verheirathet
etwaige Töchter zu seinem Nutzen.
Stirbt die Frau bei dem Manne, mit dem sie ausserehelich lebt;
so darf dieser sie auch nicht beerdigen, sondern muss dazu den
rechtmässigen Gatten rufen.
f. Verführung und Ehebruch.
Wenn ein Mädchen sich verführen lässt oder in wilder Ehe
(uhawaa) mit einem Manne lebt, so hat dies, falls die Verwandten
des Mädchens das Verhältniss entdecken, für den Verführer keine
weiteren üblen Folgen. War die Verbindung ohne Folgen, so holt
der Vater seine Tochter einfach ab und bestraft sie väterlich, unter¬
lässt aber auch dies sehr häufig. Ist das Mädchen indess schwanger
oder hat sie bereits geboren, erledigt sich die Sache nicht so ein¬
fach. Der Vater lässt sie bei dem Manne, verlangt aber, dass er
208
sie ordnungsmässig lieirathe; er sendet also zum Vater und Onkel
des Mannes und fordert Zahlung des Heirathsgutes.
ln früheren Zeiten gaben Vater und Onkel des Verführers, falls
sie das Heirathsgut nicht aufbringen wollten oder konnten, diesen
dem Vater des Mädchens als Sklaven; er durfte mit dem Mädchen
weiter leben, bis diese eiuen anderen Mann bekam; der Verführer
blieb auch dann noch Sklave des Vaters.
Neuerdings wird der Verführer nicht mehr zum Sklaven gemacht;
der Vater klagt auf Zahlung des Heirathsgutes, und wenn die Ver¬
wandten des Verführers nur irgend etwas haben, so werden sie
bemüht sein, eine Ehe zu Stande zu bringen, damit sie von seinen
späteren, sich stets wiederholenden Schadensersatzklagen verschont
bleiben. Nur wenn thatsächlich gar nichts vorhanden und auch keine
Aussicht da ist, dass je etwas zu bekommen sein wird, lässt der
Vater den Verführer so laufen und sucht die Tochter anderweitig
zu verheirathen.
Wenn ein Mann seine Frau beim Ehebrüche (uzinzi) mit einem
anderen ertappt (kufumania), so sucht er sich schleunigst Zeugen
zu verschaffen; wenn er sie nicht direkt ertappt, sucht er voll¬
gültiges Beweismaterial zusammen zu bringen. Alsdann begiebt er¬
sieh zu seinem Schwager, dem Bruder der Frau, theilt ihm den
Vorfall mit und fordert ihn auf, mit ihm zu kommen und gegen
den Ehebrecher auf Ehebruchsentschädigung (kidigo malu, kisw.
ngoni) zu klagen.
Der Schwager behandelt die Sache lediglich als Geschäfts¬
angelegenheit. Hat der Ehegatte seinerseits das Hochzeitsgut voll
bezahlt und will sich nicht wegen des Ehebruchs von der Frau
scheiden, leiht ihm der Schwager unweigerlich seine Unterstützung.
Die Klage auf Zahlung der Ehebruchsentschädigung wird gegen den
Verführer angestrengt. Die Entschädigung beträgt eine Ferse oder
6 Dollar.
Hat der Ehegatte sein Heirathsgut aber noch nicht voll bezahlt,
so beräth der Schwager zunächst mit dem Verführer und seiner
Schwester, stellt fest, ob die Schwester diesen vielleicht lieber mag
als ihren Mann und prüft seine Vermögensverhältnisse. Ergiebt
diese Prüfung, dass der Verführer geneigt und auch pekuniär in der
Lage ist, die Frau zu heirathen, die Schwester ihn auch mag, so
stellt er sich auf ihre Seite, lässt durch den Verführer dem Gatten
das von ihm bereits gezahlte Heirathsgut zurückerstatten und ver-
heirathet, nachdem die Ehe so geschieden, seine Schwester an den
Verführer. Dieser zahlt dann den Rest des Heirathsgutes an den
Vater und Onkel der Frau, dessen Erbe ja ihr Bruder ist. Wenn
eine Frau, welche von ihrem Manne zu ihren Verwandten zurück-
209
geschickt ist, beim Ehebruch ertappt wird, versucht der Bruder der
Frau auch zunächst den Verführer zu einer Heirath, d. h. zum Zahlen
des Heirathsgeldes, zu bewegen, denn die Verwandten der Frau sind
jetzt verpflichtet, dem ersten Gatten das Heirathsgut zurückzuerstatten.
Falls der Verführer nicht in der Lage oder Willens ist, das Heiraths-
gut zu ersetzen, suchen die Verwandten der Frau den Ehegatten zu
bewegen, die Frau wieder zu sich zu nehmen und mit ihm auf Zah¬
lung des malu zu klagen. Vielfach geht der Gatte darauf ein, be¬
sonders wenn die Frau schwanger ist oder wieder geboren hat. Er
nimmt dann die Frau zusammen mit der Ehebruchsentschädiffuna;
und dem Zuwachs an Familie wieder zu sich.
Findet eine Einigung mit ihm nicht statt, so müssen die Ver¬
wandten dem Manne das Heirathsgut ersetzen und nehmen die Ehe¬
bruchsentschädigung für sich. Sie haben so natürlich Schaden, denn
diese ist niedriger als jenes.
Bei der Wiederverheirathung der Frau suchen sie aber den
Schaden dadurch wieder einzubringen, dass sie ein entsprechend
höheres Heirathsgut vereinbaren.
Ueber die Uluguruberge in Deutsch- Ostafrika.
Von Dr. Stnhlmann.
I. Geographische Lage.
Wenn man, von der Küste kommend, im nördlichen Theile
Deutsch- Ostafrikas nach Westen marschirt, so trifft man überall nach
einigen Tagen auf ein mächtiges Gebirgssystem, das, aus krvstalli-
nischen Gneissen gebildet, den aufgewulsteten und durch Erosion
stark zerfaserten Band des riesigen Plateaulandes darstellt, das den
grössten Theil von Deutsch- Ostafrika ausfüllt. Im Norden liegt,
nur durch eine schmale Ebene von der Küste getrennt, das Hoch¬
land von Ussambara, weiter südlich springen das Xgurugebirge und
das Hochland von LXsagara bedeutender nach Westen zurück, indem
ihnen das breite Flachland von Usegüha vorgelagert ist. aus dem
inselartig nur einzelne Gneisskuppen, wie der Pongweberg, hervor¬
ragen. Koch mehr südlich wendet sich der Hochgebirgsrand wieder
mehr dem Meere zu: eine gewaltige Bergmasse ist fast wie eine
Insel dem südlichen Theile von Ussagara östlich vorgelagert, von
ihm durch die breite Ebene des Mkattaflusses getrennt. Es ist das
Gebirge der Landschaft Uluguru, das nur in seiner südlichen Hälfte
210
durch ein niederes Hügelland mit den Gneissgebirgen von Süd-
Ussagara bezw. Uhaehae zusammenhängt. Noch mehr nach Süden
gehend, weicht das Centralbergland bezw. Plateauland bedeutend
mehr nach Westen zurück.
Mit Ausnahme der obenerwähnten Hügellandverbindung ist das
Ulugurugebirge rings von Ebenen begrenzt, die dem Beschauer fast
völlig flach erscheinen. Ganz schroff und unvermittelt steigt das
Gebirge im Nordwesten aus der nur etwa 400 m hohen Mkatta-
ebene bis zu 2500 m an, während im Osten und Süden dem Central¬
massiv ein breites, allerdings auch scharf von der Ebene abgesetztes
500 bis 600 m hohes Hügelland vorgelagert ist.
Sehen wir nun die allgemeine Gestalt des Berglandes an, so
bemerken wir, dass in seiner südlichen Hälfte eine schroff nach
Westen abfallende Kette dem Westrande ganz nahe liegt; nach
Osten hin ist der Abfall bedeutend sanfter und durch zahlreiche
Querthäler durchfurcht. Hie südliche Hälfte besteht im Westen aus
einem gewaltigen, oben abgeplatteten Massiv, dem östlich eine Reihe
grosser Bergmassen vorgelagert ist.
II. Geologische Zusammensetzung.
Die Grenze zwischen den Gebirgen und Ebenen entspricht durch¬
aus nicht derjenigen zwischen den geologischen Formationen. Viel¬
mehr läuft, soweit es bisher untersucht werden konnte, eine fast
gerade Linie von NNO nach SSW, welche die krystallinischen
Gneisslager von den mesozoischen Gesteinen trennt. Im Norden
nähert sich die Grenzlinie sehr der Küste, um je mehr nach Süden
gehend, desto mehr zurückzuweichen. Südlich von Uluguru scheint
es, als ob sie — im Süden der Ebene von Kissaki — ziemlich
scharf nach Westen abbiegt. Doch ist diese Gegend noch genauer
zu erforschen.
Speziell im Osten der Uluguruberge folgt die geologische Grenze
fast genau dem Laufe des Ruonflusses, wo derselbe nach seinem
Austritt aus dem Gebirge sich nach Süden wendet. Wir finden hier
— von einer Stunde westlich Tununguo bis Magogoni — rothe Thon-
scliiefer, die einen nordsüdlichen Strich und leichtes Einfallen nach
Osten zeigen. Mehr nach Norden wird wahrscheinlich die geologische
Grenze dem Ostabhange der Vorhügel folgen, denn auf der Kara¬
wanenstrasse Bagamoyo — Morogöro begegnen wir ihr bei Ssagati,
wo man einzelne Septarien beobachten kann, und bei Mssua, wo
alte Korallenkalke im Flussbette anstehen.
Oestlich von den oben erwähnten Thonschiefern gelangt man
in eine weite, völlig flache und mit graubraunem, thonigem Boden
bedeckte Ebene, in der keine Gesteine zu finden sind. Aus ihr
211
ragt der von Norden nach Süden sich erstreckende Höhenrücken —
Gongarögwa — hervor, der aus Oolithenkalken*) besteht. (Strich
N. 310° E. Fall nach NE. 10 °.) Hart westlich vom Gongardgwa-
höhenzug (vom Gumbabaclie an) iindet man anstatt des Mandelsteins
quarzitartiges Material von violettgrauer oder röthlicher Farbe
(Strich N. 340° E. Fall W. 10 °). Noch mehr östlich treffen wir
wieder auf eine weite, ebene Fläche, den Kingani-Ruon, bezw. auf
Nord-Usaramo und Ukliwere, während südlicher das eigenartige
Plateau von Usaramo liegt, über das ich früher bereits berichten
konnte, eine wohl aus jungjurassischen oder noch jüngeren Schichten
gebildete, nach SE. scharf abgebrochene, nach SW. sanft geneigte
Fläche. Ich konnte diesmal nur an einer einzigen Stelle (Senkung
östlich von Yegea) am Vikurutibacli einen ganz schlecht erhaltenen
Conchylienabdruck in rothern, verwittertem Material, das quarzit¬
artigen Kieselsandstein überlagerte, finden.
Gehen wir von Magogoni südlich, so beobachten wir am Abfalle
der Moaberge viel Gneiss- und Quarzschotter, während im Bachbett
des Yiansi bereits ein violettgrauer, deutlich geschichteter Thon¬
schiefer anstelit (Strich N. 40 °E. Fall SE. 5°), und in der Nähe
nördlich Septarien, südlich helle graugelbe Kalke gefunden wurden.
Das Hügelland selbst, zwischen Kissaki und den Panganifällen des
Rufiyi gelegen, konnte ich nicht besuchen, doch hat es nach den
Funden von Thomson am Hatambulo und von Lieder an den
Panganifällen den Anschein, als ob es ganz der mesozoischen For¬
mation angehörte.
Die Vorberge von Uluguru, die sich bis etwa 600 m erheben,
bestehen theilweise aus Quarzmassen, die ein krystallinisches Gefüge
aufweisen. Diese Gesteinsart findet man durchgehends auf dem
plateauartigen Lande, welches zu beiden Seiten des Ruon dort liegt,
wo derselbe von Westen nach Osten iliesst. Vielfach sieht man
die aus dem Boden hervorragenden Felsen seltsam in runde Formen
zernagt, gerade so, als wenn einst Gletscher diese Zonen bedeckt
hätten. Aber die runden Höhlungen und breiten ausgerundeten
„Schliffe“ sind offenbar Produkte der Gesteinszersetzung durch
Atmosphärilien, die auf dies bestimmte Gestein so merkwürdig
wirken. Am auffallendsten beobachtete ich solche „Schliffe“ in Pugu
und Pamha. Die Lagerung der Quarzite ist sehr verschieden, bei
Kondutshi z. B. Strich N. 70° E. Fall 35° S.; bei Makongölo Strich
N. 33° E. Fall W. 40° u. s. w. Neben dem Quarz kommt vielfach
noch Gneiss vor, und zwar hauptsächlich in der Randhügelkette
sowie westlich von dem erwähnten Plateauland. Sein Strich ist
*) Auch Lieder (vergl. Mitth. a. d. D. Schutzgebieten. VII. S. 274) fand
Oolithe in Ukami.
212
meistens NNE., der Fall nach ESE., doch kommen auch Stellen vor,
z. B. in der Nähe von Lussegwa, wo die Gneissschichten nach Westen
einfallen. Offenbar handelt es sich hier um eine sekundäre Faltung-,
die sich auch im Gebirgsbau ausdrückt.
Das eigentliche Centralgebirge besteht aus Gneiss mit einem
Strich nach NNE. und einem Fall nach ESE. In den westlichen
Yorbergen tritt wieder ein Quarzit auf.
An technisch wichtigen Mineralien wurde nur Folgendes
gefunden :
1. Glimmer, der im Norden und Nordosten des Gebirges
ziemlich häufig vorkommt, in Nestern im Gneiss eingelagert. Das
Material ist von gelblicher bis leicht bräunlicher Farbe und tritt in
Platten von 20 bis 40 cm Durchmesser auf. Theilweise ist es gut
spaltbar, theils aber infolge geologischer Schiebungen vielfach ge¬
knickt und gesprungen und deshalb für den Handel unbrauchbar.
Das gute Material ist je nach der Grösse der Stücke in Deutschland
nach einem Gutachten der geologischen Landesanstalt in Berlin
pro Kilo 1,50 bis 3 Mark wertk.
2. Graphit findet sich in winzigen Partikeln sehr viel im
Gneiss. Stellenweise kann man ihn auch reichlicher eingelagert
finden, so am oberen Buon bei Kingäras Dorf, am Mkambaku, am
südlichen Abhänge vom oberen Mkalatsithal u. s. w. Die Vorkommen
scheinen mir aber zu gering zu sein, um einen Abbau zu lohnen.
Auf Graphitspuren sind ausserdem die Angaben zurückzuführen, dass
Zinn- und Bleierze bei der französischen Missionsstation Tunungüo
vorkämen.
Ob noch andere Mineralien vorhanden sind, entzieht sich meiner
Kenntniss. Denkbar ist es, dass in den Kalkbergen von Ukämi
und Siid-Uk’hutu Kohlen vorhanden sind, aber noch nicht erwiesen.
Etwa drei Stunden südwestlich von Kissaki befinden sich heisse
Quellen. Es scheint nicht, dass sie auf vulkanische Erscheinungen
zurückzuführen sind, auch wenn Thomson am Hatambuloberge Lava
gefunden hat. Es befinden sich vielmehr die an der Südwestecke
des Madyi-ya-weta-Höhenrückens gelegenen Quellen auf einer geolo¬
gischen Y erwerfungsspalte. Gneissgebiet grenzt hier an mesozoische
Formation. Ich selbst war verhindert, die Quellen zu besuchen, und
muss ich deshalb Herrn Oberarzt Dr. Schwe singers Schilderung
so geben, wie er sie mir gleich nach seinem Besuche machte: 20 bis
30 warme Quellen liegen auf einem ziemlich grossen Baume im
hohen Grase vertheilt, sie sind in kraterartige Sinterkessel eingefasst;
eine brüchige, kalkige Sinterdecke bedeckt die Umgebung der Quellen.
Das oft aus tiefem Loch kommende Wasser ist völlig klar, wallt
leicht und soll nach Aussage der Eingeborenen manchmal sogar
213
zwei Fuss liocli sprudeln; es ist so warm, dass man noch die Hand
hineinstecken oder es ohne Weiteres trinken kann (ein Thermometer
fehlte). Die meisten Quellen zeigen reinen Wassergeschmack, nur
einige lassen ein wenig Kohlensäure und Eisen bemerken. Inter¬
essant ist, wie sich in dem Sinter Blätter eingebettet haben, ein
Beispiel, wie die Süsswassertuffe mit rezenten Blattfossilien ent¬
standen sein können, die man eine Stunde nördlich von Pangani findet.
III. Orograpkie und Hydrographie.
Im Osten, Westen und Süden von Uluguru sieht man, dass ein
Centralmassiv von einem breiten Strich von Vorbergen sich scharf
absetzt. Nur im Nordwesten fehlen diese Vorlagerungen. Die
Grenze zwischen diesen beiden Partien zieht sich von Utondwe aus
nach Mafumba, folgt dann dem breiten Bücken von Gongorögwa
und Lolo. In der Mitte des Gebirges ist sie etwas undeutlicher,
indem sie den Tkälern des Massambwe, Mtumbasi, Mtokia und
Tombosi, darauf dem Mkalatsitkale bei Barani folgt. Etwa bei der
Gebirgsecke nahe dem Dorfe Bassatsi wendet sie sich nach Westen,
etwa bis zum Ny am kolaberg reichend, um von dort aus in NNW.-
Richtung etwa dem Thale des Mbakäna und Msinga zu folgen.
Weiter nördlich würde der Mhöngweberg noch zum Centralmassiv
zu rechnen sein.
Die Vorberge stellen im Nordosten eine Art von Plateau dar,
das vielfach von Erosionsthälern unterbrochen ist, und auf das
einzelne Hügel aufgesetzt sind. Die wichtigsten Gruppen dieser
letzteren sind die von Mgoma, von Myanda und Gumba, endlich
die aufgewulsteten Plateauränder von Lussegwa und Magali sowie
von Botelo, Ssongoni und Gagama. Der Plateaucharakter dieses
Gebietes tritt erst hervor, wenn man sich oben befindet, beim
Marsche in den Tkälern, z. B. in dem des Kigerengerebaches, glaubt
man sich in einem Hügellande zu bewegen. Nach Nordosten dachen
sich die Vorhügel zu einem niederen Hügellande ab, das bis nach
Köo und Yangiyange an die Karawanenstrasse Bagamoyo — Kilossa
sich erstreckt. Als zwei bedeutende Landmarken sind der Küngwe-
und Luhäkwiberg im Nordosten den Vorhügeln vorgelagert, ersterer
durch seine Tafelform, letzterer durch eine scharfe Spitze charakte¬
ristisch. Der gegen die Ebene scharf abgesetzte Plateaurand ist
fast überall aufgewulstet; ganz besonders sind der Mliaraka- und
Gagamaberg hervortretend.
Im Südosten zerfallen die Vorhügel in etwa drei Reihen paralleler
Rücken, die von Nordosten nach Südwesten streichen.
Im Süden sind die Vorhügel durch Paralleltkäler in eine Reihe
von Nord nach Süd ziehender Rücken angeordnet, setzen sich scharf
Mitth. von Forschungsreisenden, Yin. Band. III. je
214
gegen die Kissakiebene ab und haben im Ngaramo und besonders
im Wigu bedeutendere Erhebungen.
Nach Westen setzen sie sich jenseits des Mgetathales unmittelbar
in das Hügelland von Mgunda fort.
Die westlichen bezw. südwestlichen Vorberge werden durch den
Ost-West verlaufenden Theil des Mgetathales in zwei Partien ge-
theilt. Der nördliche bildet einen von Mhongwe nach WSW.
streichenden Zug, der in das Hügelland südlich der Mkattaebene
übergeht. Es sind kahle, runde Rücken, die nach Norden zum
Ngerengerethal steil ab fallen. Eine scharfe, nach Süden schroff
abfallende Spitze, der Fulukisa, erhebt sich aus dem westlichen
Theil dieses Höhenzuges. In ihm sind eine Reihe von Höhlen, die
durch einen alten Bergrutsch entstanden sind. Bei Kriegsgefahr
flüchten die Bewohner ihre Frauen und ihr Vieh in solche Höhlen,
die sich noch an vielen Stellen des Gebirges finden sollen.
Durch eine ganz flache Terrainwelle ist der erwähnte Höhenzug
nach Norden mit den Mindubergen und weiter mit dem Nguru ya
Ndege verbunden, die alle durch das Ngerengerethal von dem
eigentlichen Ulugurugebirge getrennt sind. Sie bilden so die Wasser¬
scheide zwischen Ngerengere und Mkatta bezw. Kingani undWami.
Südlich vom Mgetathal befindet sich ein bedeutend höherer
Rücken, der ebenfalls von ENE nach WSW streicht, und der, in
dem gigantischen Felsberg Kiwe banduka (auch Ndjovu, das ist
Elefant, genannt) seine höchste Erhebung hat. Der Rest des Zuges
ist aus kahlen Bergen gebildet, auf denen ein winziges, Mongu
mongo genanntes Gehölz die Stelle anzeigt, wo der Gebirgsweg von
Kissaki nach Kilossa etwa den höchsten Punkt passirt. Weiter
südlich bilden die Vorberge zwei niedere, von Norden nach Süden
streichende Züge; und jenseits des Mgeta setzt sich das Hügelland
bis zu den Erhebungen von Mbamba und Mejoda fort.
Mit zu den Vorbergen sind die isolirten, den Ulugurubergen
im Norden vorgelagerten Kuppen zu rechnen, vor Allem der Fulwe-
rücken und der steile Toankalloberg rechts des Ngerengerebaches
sowie der Mkuinba links desselben. Letzterer bildet eine der Er¬
hebungen in der flachen Terrainwelle, die als Wasserscheide zwischen
Ngerengere und Wami sich vom Nguru ya Ndege nach Osten zieht.
Wie bereits oben erwähnt, bildet der Hauptstock des Gebirges
im Norden eine hohe Kette mit schroffen Gipfeln, unter denen der
Lupanga, Pagali und Nsiwani besonders auffallen. Nach Westen
fällt diese Kette steil zur Ebene ab, von schroffen Thälern zerrissen,
aus denen die Zuflüsse des Ngerengerebaches entspringen. Nach
Osten ist der Abfall weniger steil, indem sich eine Art von Mittel¬
gebirge vorlagert, und besonders im Norden eine Querkette sich
215
anschliesst, die in Utondwe endigt. Dieses ganze Gebirge wird
durch den eigentlichen Euon (an der Quelle Mbesi genannt) mit
seinen zahllosen Nebenflüssen entwässert. Tief haben sich die Bäche
in das Gebirge eingeschnitten; sie haben zunächst an der Haupt¬
kette Querthäler gebildet, dann grösstentheils entsprechend der
Strichrichtung des Gesteines in dem Mittelgebirge Längsthäler, und
endlich durchbrechen sie vereinigt die Randberge in einem Querthal.
So sieht man deutlich, wie sich der Lauf der Flüsse aus dem Ge-
birgsaufbau ergiebt.
Die südliche Hälfte von Central- Uluguru wird von einem riesigen
plateauförmigen Massiv gebildet, dem langgestreckten Lukwangülo,
der über 2400 m Höhe erreicht und nach allen Seiten schroff abfällt.
Ihm ist östlich eine Gruppe von sehr hohen, schroffen Bergen
(Mkambaku, Mumieholo u. s. w.) vorgelagert, die offenbar Bruchtheile
des ursprünglichen Gebirgsstockes vorstellen. Weiter südlich sieht
man noch zwei, durch Erosionsthäler voneinander geschiedene Quer¬
rücken. Der Aufbau wird dadurch etwas komplizirt, dass der Ost¬
abhang des Lukwangulo vom Fisigo entwässert wird, der in einem
breiten, fruchtbaren Längsthal dem Euon zufliesst, während die
grossen Vorberge ihr Wasser den Quellflüssen des Moüha zusenden.
Die oberen Thäler der Moühazuflüsse, insbesondere der Kessel des
Tombosi, sind prachtvoll malerisch, unvergleichlich fruchtbar und
wasserreich. Im weiteren Verlauf des Moüha kann man auch hier
das System der Längsthäler beobachten (z. B. im Thal von Baräni).
Vom Plateau des Lukwangulo selbst kommt die Quelle der
Mgeta, die in der Nordostecke des Plateaus dieses verlässt, dann
ein Querthal durchströmt, fernerhin in einem Längsthal in den
westlichen Vorbergen entlang läuft, um schliesslich westlich vom
Wiguberge sich nach Osten zu wenden. Diese Spirale der Mgdta
ist einer der merkwürdigsten Flussläufe. Zahllose kleine Bäche eilen
ihr im Oberlauf zu, in 'der mittleren Partie aber empfängt sie nur
den Mbakana und Luhangasi. Auch an der Westseite fällt der
Lukwangulo schroff ab, jedoch nicht ganz so auffallend wie die
erwähnte Nordkette, da die grossen Mgetaberge ihr vorgelagert sind,
die ihre Haupterhebung in dem Felsberg Rivve Banduka haben.
Nach Süden löst sich der Centralstock von Uluguru in eine
Anzahl von Längsthälern auf, die unmittelbar in die Thäler der
Vorberge übergehen. Die Bäche Mgata (Dunkumi), Mbakira und
Mgasi verlaufen in diesen Thälern.
Das ganze Land ist so gebirgig, dass man im eigentlichen
Centraltheile mit Ausnahme des Lukwanguloplateaus kaum einen
Fuss breit ebenen Landes antrifft. Sämmtliches von diesem Gebirge
kommende Wasser fliesst ausschliesslich dem Kinganiflusse zu, der
15*
216
auch einzig von diesem Lande aus gespeist wird, denn die periodi¬
schen Rinnsale in seinem Mittel- und Unterlauf kommen nicht in
Betracht. Es ist eine merkwürdige Erscheinung, dass von allen
Seiten die Quellflüsse des Ivingani dieses Gebirge umklammern.
IY. K 1 i m a.
Es ist selbstverständlich nicht möglich, bei einem Aufenthalt
von nur etwa zwei Monaten sich ein Urtheil über das Klima eines
Landes zu bilden.
Das Steppenvorland mit seinem Alluvialbecken hat dasselbe
Klima wie das ganze Küstengebiet von Deutsch- Ostafrika, nur
scheinen die Regen etwas häufiger zu sein. Die Vorberge haben
ebenfalls, der Vegetation nach zu schliessen, ein Steppenklima.
Doch je mehr man sich dem Centralgebirge nähert, desto feuchter
wird das Land. So scheint das Längsthal, welches die Vorberge
von den Hauptbergen trennt, schon recht wasserreich zu sein. Das
eigentliche Hochland ist ganz ausserordentlich feucht und wasserreich;
da aber keine ebenen Flächen vorhanden sind, kann das Wasser fast
nirgends stagniren und eilt in raschem Laufe zu Thal. Von etwa
1500 m Meereshöhe an sind Nebel sehr häufig, und Niederschläge
giebt es fast jeden Tag. Ich habe in der Höhe von 1800 m Tage
hintereinander im Nebel gelebt und bei einer Temperatur, die 20° C.
nicht überschritt. In noch etwas höheren Lagen ist die Temperatur
noch niedriger, die Bäche haben bei etwa 1700 m Höhe nur 14 bis
16° C. Wassertemperatur , oben auf dem Lukwanguloplateau nur
9 bis 10° C. Auf diesem Plateau war es morgens früh nur 8° warm,
und auch am Tage stieg die Temperatur nicht über 15°, trotzdem
wir uns während des dortigen Aufenthalts in der heissen Jahreszeit
(November) befanden. Während der Monate Mai bis September soll
es im Gebirge noch viel kälter sein, doch wurde mir von Frösten
nichts erzählt. Hagelschauer sollen dann und wann einmal Vor¬
kommen.
Die Differenzen zwischen den Temperaturen von Tief- und
Hochland sind sehr bedeutend; im selben Monat beobachtete ich
oft 34 bis 35° C. Schattentemperatur in den Thälern der Vorberge.
Ob nun das Hochland malariafrei ist, wage ich nicht zu entscheiden.
Die Eingeborenen der oberen Dörfer erzählten mir freilich, dass sie
oben nie am Fieber litten, dass aber die Malaria viele Opfer ge¬
fordert hätte, als sie einmal ihre Dörfer aus Bequemlichkeit ins Thal
verlegt hätten. Sie seien bald der Fieber wegen in ihre luftigen
Höhen zurückgekehrt.
Der Boden der Waldregion besteht aus einer sehr starken
Humusschicht, die dem Latent aufgelagert ist. Wenn man diese
217
umarbeitet, so wird man voraussichtlich nicht von Malaria verschont
bleiben. Anders ist es wohl auf dem Hochplateau des Lukwangulo,
das nur mit einer Grasnarbe und einzelnen Waldparzellen bedeckt
ist. Hort wird auch die niedere Temperatur der Entwickelung von
Malariakeimen entgegen sein. Die tieferen Thäler werden jedenfalls
nicht malariafrei sein, die höher gelegenen Theile des Gebirges aber
möchte ich für leidlich gesund, das Plateau für ganz malariafrei
halten.
Erdbeben sind nach Aussage der Missionare ziemlich häulig und
zwar häufen sie sich nach der Regenperiode und verlaufen bei
Morogöro meistens in der Ostwestrichtung der Bergzüge.
Y. Bodenverhältnisse.
Ein grosser Theil der Vorberge ist mit tiefschwarzer Erde be¬
deckt, sie scheint an ihrer ursprünglichen Stelle zu lagern und das
Zersetzungsprodukt der darunter liegenden Gesteine zu sein. Schwarz¬
erde kommt auch noch auf dem Centralgebirge vor; doch ist dort
auch vielfach Laterit als Grundlage zu beobachten, dem eine sehr
dicke Humusschicht aufgelagert ist, wo noch Wald steht. In dein
Rodungsgebiet ist letzterer grösstentheils zu Thal geschwemmt,
ln den engen Gebirgsthälern ist kein Schwemmland liegen geblieben,
wohl aber in breiten Mulden, wie z. B. bei Tana oder auch in Ge¬
birgskesseln, wie am oberen Tombösi oder in Tegetero.
VI. Vegetation.
Das Vorland des Ulugurugebirges ist mit lichtem Steppenwald
bedeckt, der sich im Osten, zwischen dem Gebirge und dem Ngeren-
gereunterlauf, durch grosse Trockenheit auszeichnet. Am mittleren
Kingani-Ruon (etwa bei Kwa Ssalalla und Dunda) sind ausgedehnte
Grassavannen zu finden, die einen Theil des Jahres überschwemmt
sind; weiter nach Westen aber steht ein geschlossener, wenn auch
ziemlich lichter Steppenwald, in dem durchweg höhere Laub¬
bäume vorherrschen. Nur stellenweise, so z. B. an den Gongarogwa-
bergen, begegnet man dicht verfilztem Busch. Unmittelbar am Ruon,
in der Nähe seines Gebirgsaustrittes, findet mau schöne Gruppen
hoher Bäume, sonst aber nichts als trockenen Steppenwald bis an
den Fuss der Berge. Der Norden des Bergfusses ist dem Osten
ganz ähnlich, nur auf dem nordöstlichen Hügelland, das sich bis
Koo hinzieht, steht meistens Myombowald, und auch an den Fulwe.
bergen sieht man etwas üppigere Vegetation. Die Ebene südlich
der Berge, also um Kissaki herum, ist ebenfalls mit leichtem Steppen-
wrald, in dem viel Akazien und Hyphänen stehen, bedeckt, und nur
wro bei Kwa Mkunsa der Mgasibacli aus den Vorbergen tritt, ist
eine schön bewaldete Stelle zu finden. Auf den Vorhügeln steht
218
ebenfalls durchweg lichter Steppenwald und zwar keine Akazien,
sondern meistens Myombobäume. Im Nordosten der Yorhügel sind
manche Gebiete mit dichtem Busch bedeckt, in dem viele Euphorbien
und stellenweise auch Pandanus Vorkommen.
In den Thälern, die das Centralmassiv von den Vorbergen
trennen, ganz besonders am mittleren Tkeil vom Gebirgslaufe des
Ruon, findet man einen üppigen Tropenwald mit hohen Stämmen,
Lianen, Farnen, wilden Aroideen und anderen Blattpflanzen. Der
Untergrund ist feucht. Stellenweise sind ausgedehnte Bestände
dichten Waldes vorhanden, stellenweise schmale Streifen nach Art
der Galeriewälder. Es ist auflallend, wie viele Pflanzenformen hier
für das Auge des Nichtfachmannes denen des westafrikanischen
Urwaldes gleichen.
Die ganzen Hänge der Centralberge sind von einer Vegetation
eingenommen, die ich die der Rodungszone nennen möchte. Sehr
wenige Bäume sind hier vorhanden, doch lassen alle Umstände
darauf schliessen, dass früher einmal die ganze Zone von Bergurwald
eingenommen war. In den unteren Regionen scheint dieser vor
langer Zeit schon ausgerodet zu sein, weiter oben aber sieht man
noch überall Baumstümpfe und stellenweise sind grosse Strecken
mit ganz frisch gefällten Bäumen, deren Leiber vermodernd umher¬
liegen, bedeckt. Hier und dort, besonders an Bachläufen und Thal¬
einschnitten, sind kleine Bestände oder Baumgruppen stehen ge¬
blieben. Es ist sehr merkwürdig, dass an Stelle des abgeholzten Waldes
keine Bäume und Büsche wiederwachsen. Nur Kräuter verschiedener
Art, unter denen Balsaminen, Immortellen, Rubus u. s. w. aufl’allen,
und enorme Massen von Adlerfarnen wuchern dort; Gras kommt
nicht zum Vorschein. Eine sehr charakteristische Erscheinung für
dies Gebiet sind die oft recht grossen und viel verzweigten
Dracaenen.
Vielfach reichen in Schluchten und Bachthälern die Ausläufer
des Urwaldes in dieses Rodungsgebiet hinein, der die oberen Theile
des Gebirges von etwa 1800 bis 1900 m an bedeckt. Von geradezu
bewundernswertlier Schönheit und Fruchtbarkeit sind die hoch¬
gelegenen Tliäler und Thalkessel, die oben umrandet sind von Ur¬
wald, der in Streifen auch hineinragt, und die von zahllosen Bächen
und Rinnsalen bewässert sind. Alle fünf bis zehn Minuten hat man
auf dem Marsche einen kleinen Lauf von klarem und eiskaltem
Wasser zu überschreiten, und überall kommt man zu dem Gedanken:
„Was könnte hier durch künstliche Bewässerung gemacht werden!“
Der Urwald hat seine schönste Ausbildung auf dem Firste der
grossen Nordkette und auf dem südlichen Centralmassiv. Seine
untere Grenze ist immer scharf abgesetzt, und schon daraus kann
219
man auf eine Thätigkeit der Menschen schliessen, die den Wald
zurückdrängten. Eine dichte Masse von mächtigen Baumriesen be¬
deckt diese Hänge, umsponnen von Lianen. Prachtvolle Baumfarne,
baumförmige Lobelien mit langem Blüthenstand und die hellgrünen
Blätter der Musa Ensete fallen uns auf, und am Boden finden wir
eine üppige Vegetation von Farnen verschiedenster Arten, von ganz
kleinen Formen bis zu solchen, deren Wedel 2 m Länge übersteigen,
von Aroideen, Balsaminen u. A. m. Stellenweise, besonders am Ost-
abhange des Lukwangulo, sind breite Zonen dichten Bambuswaldes
in die Waldzone eingestreut.
Dieser tropische Laubwald nimmt allmählich, je mehr man am
Lukwangulo in die Flöhe steigt, ein ganz eigenartiges Gepräge an.
In etwa 2000 bis 2100 m beginnen alle Bäume sich in ein Gewand
von Bartflechten zu kleiden, die als eisgraue Zapfen Alles bedecken,
und alle Baumarten zeigen lederharte, ganz dunkelgrüne Blätter und
fast pinienförmige Kronen. Steigen wir noch höher, so treten all¬
mählich baiunförmige Ericeen, Podocarpus sowie eine zweite Art
Lobelia auf, und plötzlich bei 2300 bis 2400 m Meereshöhe hört der
dichte Wald schroff auf und wir, die wir eben noch mit grosser
Mühe kletterten, befinden uns auf einem offenen, leicht welligen
oder hügeligen Graslande, das von Inseln des dunkelfarbenen Waldes
durchsetzt ist. Wir sind auf dem Hochweidengebiete, das allerdings
in diesem Gebirge nur auf dem Plateau des Lukwangulo zu finden
ist. Das Land ist von 5 bis 15 cm langen „sauren“ Gräsern, Junca-
ceen u. s. w. bedeckt, zwischen denen manche Zwiebelgewächse und
andere blühende Pflanzen stehen. Die Gräser schliessen sich jedoch
nicht zu einer verfilzten Narbe zusammen, sondern lassen nackte
Erde zwischen sich frei, die mit Erdflechten bedeckt ist. Dort, wo
letztere abgestorben, hinterlassen sie einen kleinen Erdklumpen, der
wie Regenwurmauswurf aussieht. Die Oberfläche ist ziemlich trocken
und knistert beim Gehen durch Zerbrechen dieser Erdhäufchen, als
wenn sie leicht gefroren wäre. Das Gras ist wohl höchstens als
Schafweide zu vervverthen. Ueberall sind 2 bis 3 m hohe Krüppel¬
bäume auf dem Graslande zerstreut. Der Boden besteht bis zu einer
Tiefe von G0 cm aus humösem Thon. Sehr viele kleine Wasserläufe,
die in Rillen oder auch halbunterirdisch laufen, durchziehen dies
Gebiet und fliessen der Mgeta zu. Ihr Wasser hat am Tage nur
etwa 7 bis 9° C. Kalter Wind streicht über das Plateau. Nachts
und morgens war es bitter kalt (morgens 8 Uhr 2° C.) und oft ver¬
hüllen Nebel die Sonne. Ob sich das Land für europäische Kulturen
eignet, ist ohne Weiteres nicht zu entscheiden.*)
*) Ein viel begangener Fusspfad führt über das Plateau. Er verbindet
das obere Fisigo-, Mgeta- und Mgasithal. Wohnstätten aber giebt es dort nicht.
Eia sehr bedeutender Vegetationsunterschied ist zwischen dem
östlichen und westlichen Gebirgsabhange. Auf dem — im Ganzen
genommen — sanfteren östlichen Abhange ist eine bedeutend grössere
Feuchtigkeit und infolgedessen üppigere Vegetation; die geschlos¬
senen Wälder reichen viel tiefer (1700 m), während sie im Westen
schon bei 2000 m auf hören. Ferner sind im Westen die „Rodungs¬
gebiete“ fast gänzlich baumlos; die wenigen Bäume sind so verstreut,
dass ich sie fast einzeln in die Karte aufzunehmen versucht war.
Höchstens findet man hier und dort auf einem Rücken etwas niederes
Gestrüpp. Erst in der Tiefe, am Nordwestabhange der Vorberge
tritt Myombowald auf, während die ganze mittlere Zone, vor Allem
das Land um den Kiwibanduka, Fulukisa u. s. w., ganz kahl zu
nennen ist. Trotzdem scheint es nicht unfruchtbar, wie seine zahl¬
reichen Felder beweisen, und viele kleine Rinnsale strömen auch
hier der Mgeta zu.
Ob wir in den Bergen pflanzliche Naturschätze finden werden,
muss erst nähere Untersuchung des gesammelten Herbariummaterials
und spätere Forschung lehren. Kautschuklianen kommen in den
Vorbergen sowie im Grenzgebiet der Thal-, Urwald- und Rodungs¬
zone vor. Viele der Pflanzenarten mögen auch werthvoll sein.
Erwähnenswerth ist ein „Mkänyi“ genannter hoher, botanisch noch
unbekannter Baum bei Tegetero und am oberen Ruon, aus dessen
grossen und zahlreichen Früchten ein von den Hindus in Bagamoyo
gern gekauftes Pflanzenfett gewonnen wird.
VII. Die Entwaldung und ihre Folgen.
Wie oben bereits erwähnt, wird der Wald in den ülugurubergen
von den Eingeborenen sehr stark abgeholzt, und was durch Riegeln
bezw. Umhauen der Bäume nicht zerstört wird, das fällt den Bränden
zum Opfer. Wenn gewiss schon früher die Bewohner weite Strecken
abgeholzt haben, so ist dies in dem letzten Jahrzehnte offenbar bei
W eitern schlimmer geworden, da zahlreiche Bewohner der Ebenen
sich aus Furcht vor den Mafitieinfällen in die Berge zogen und dort
nun durch Ausschlagen neuer Lichtungen ihre Felder herstellten.
Wie überall in Ostafrika, so ist auch hier das eigenartige Wirth-
schaftssystem der Neger schuld an dem Abholzen. Fast Jahr für
Jahr wechseln sie ihre Felder und müssen deshalb neue Gebiete
entwalden. Sobald aber Bäume und Gesträuch fortgeschlagen sind,
schwimmt bei der sehr starken Neigung des Bodens und den heftigen
Regen die ursprünglich sehr dicke Humusschicht zu Thal. Es ist
deshalb mehr als erklärlich, dass die Einzelnen bei ihrem Raubbau
immer wieder frische Humusgebiete aufsuchen, da sie ebenso wenig
wie irgend andere Neger durch Düngung ihren Feldern neue Stoffe
Zufuhren. Man kann ganz deutlich dies Abschwemmen des Humus
verfolgen, ln dem unangetasteten Walde findet man eine sehr dicke
Schicht von lockerem, zersetztem Pflanzenmaterial. In den Gebieten,
in denen noch die Baumstümpfe stehen (man schlägt etwa 1ji bis
3/j m über dem Boden ab) und in denen die gefallenen Waldesriesen
noch am Boden liegen, ist die Schicht schon viel dünner geworden,
und unterhalb dieser Zone, wo durch Entfernen und Verbrennen der
Stämme auch dieser Schutz fehlt, ist nur normaler Boden, theils
auch nackter Laterit zu sehen. Es ist ein Jammer, anzusehen, wie
das tausendjährige Material vernichtet wird, nur um dort ein oder
zwei Jahre lang Mais zu bauen. Selbstverständlich spricht Alles
dafür, dass durch die Entwaldung auch die Wasserverhältnisse des
Landes sehr leiden; ja es scheint sogar, dass die letzten Jahre der
intensiven Abholzung darin schon gewirkt haben; denn die seit acht
Jahren in Tununguo sitzenden französischen Missionare erzählen
von einer merklichen Abnahme des Kinganiwassers.
Es ist zu fürchten, dass, falls so fortgefahren wird, in einigen
Jahrzehnten der Wald in Uluguru und damit die Fruchtbarkeit ver¬
schwunden sein wird. Es ist nämlich, wie oben erwähnt, eine sehr
merkwürdige Erscheinung, dass überall in Ostafrika dort, wo einmal
der ursprüngliche Wald niedergelegt ist, kein neuer Wald nachwächst,
auch wenn man das Land ganz sich selber überlässt. Das kann
man in dem Steppenwald der Ebene überall sehen, ganz besonders
in dem hochstämmigen Myombowalde, wo als Nachwuchs ebenso
Krüppelbäume oder Dornbusch erscheinen wie im Akazienwalde.
Die in entwaldetem Gebiet weit um sich greifenden Brände mögen
theils mit dazu beitragen, theils auch die Verschlechterung des
Klimas, das nun einem Hochwalde nicht mehr günstig ist. ln den
Ulugurubergen scheinen Klima und Bodenveränderung sowie die
immer wieder angelegten Brände nicht einmal Busch als Nachwuchs
aufkommen zu lassen. Die Baumstümpfe verschwinden allmählich und
nur Farne und Kräuter wachsen noch auf den Hängen.
Wie kommt das? Ich bin zu der Ueberzeugung gekommen und
habe dies auch früher ausgesprochen („Mit Emin ins Herz von
Afrika“, Seite 466 und 840), dass in entlegenen Zeiten das Klima
Aequatorialafrikas ein ganz bedeutend feuchteres war, dass wahr¬
scheinlich ein grosser Tlieil mit Urwäldern bedeckt war, oder dass
doch wenigstens eine Brücke zwischen der westafrikanischen Ürwald-
region und den Gebirgswäldern Ostafrikas bestand, wie dies auch
in der Folge durch die botanischen Untersuchungen von Professor
A. Engler („Gliederung der Vegetation von Usambara“, Abh. Berl.
Akademie physik. Kl. 1894, I.) bestätigt wurde. Nur in den feuchten
Hochgebirgen hat sich der Wald erhalten und zwar einerseits, weil
in bedeutenden Höhen (etwa 1800 m) die Wolkenbildung sehr leicht
vor sich geht, dann weil an der der Küste zugekehrten Seite der
Gebirge ein Steigungswind entsteht und Niederschläge erzeugt, dann
aber auch, weil der Wald selbst Feuchtigkeit liefert bezw. festhält.
An kahlen Gebirgen lliesst der Regen rasch zu Thal, ohne dem
Lande viel Nutzen zu bringen, die Wälder halten ihn. Sobald nun
der bestehende Wald auch hier, wo er sich trotz des säkularen
Klimawechsels gehalten hat, der die Wälder der Ebene unmöglich
machte, abgeschlagen wurde, wird das Wasser nicht mehr zurück¬
gehalten, und der Wald findet seine Existenzbedingung (dauernde
Feuchtigkeit) nicht in genügendem Maasse, und eine andere, die
fruchtbare Humusschicht, wird durch Zuthalschwemmen ebenfalls
entfernt. So glaube ich den Satz aufstellen zu können: Der Wald
ist nur da, weil er eben noch esistirt. Sobald inan ihn abschlägt,
sind die Existenzbedingungen für Neubildung von Wald verschwunden.
Ich weiss nicht, ob ich dem schnellen Abfliessen des Regens
oder der Humusentfernung mehr die Schuld geben soll, kulturell
ist jedenfalls letztere.
Man könnte einwenden, die Thatsache, dass der geschlossene
Wald erst jenseits 1700 bis 1800 in beginnt, liesse schliessen, dass
die Wolken- und Nebelbildung die Ursache seines Vorhandenseins
in diesen Höhen sei. Dem gegenüber aber ist anzuführen, dass auch
in tieferen Regionen Urwald besteht (Thalwald am Ruon), und ferner,
dass man überall beobachten kann, wie der Wald nach Abholzung
nicht wieder erscheint, dass er dagegen in tiefer gelegenen Thälern,
wo man aus Bequemlichkeit nicht abholzte, wohin die Brände nicht
gelangen, und wo ein Bach günstige Bedingungen schafft, noch
vorhanden ist.
Der Umstand, dass in höheren Regionen andere Pflanzen als
in den Thälern zu finden sind, ist natürlich ebenso auf die Klima¬
unterschiede der Höhenlagen zurückzuführen wie das Vorhandensein
der Hochweiden in einer Region, die dem Hochwald nicht mehr
günstig ist.
Um die Entwerthung dieses prachtvollen Waldgebirges zu ver¬
hüten oder wenigstens aufzuhalten, muss möglichst bald etwas ge¬
schehen, was natürlich nur durch Beaufsichtigung der Eingeborenen
möglich ist; denn Ermahnungen sind fraglos unwirksam. Da nun,
um Kulturland zu erhalten, der Wald doch niedergelegt werden
muss, so ist eine genaue Anordnung der abzuholzenden Gebiete
nöthig. Die Kämme der Gebirge und Streifen zwischen den einzelnen
Feldern müssen verschont bleiben, das Brennen ist möglichst zu
unterdrücken und zu bestrafen, und endlich müssen stellenweise neue
Strecken angeforstet werden. Die einzige Möglichkeit, dies durch-
zuführen, ist die Errichtung einer Kulturstation durch das Gouverne¬
ment. Ein Forstassessor mit zwei bis drei Unterförstern bezw.
Gärtnern scheint mir die geeignetste Besetzung zu sein. Ausser
obigen Aufgaben fielen diesen auch noch Versuche über das Gedeihen
von allerhand Kulturpflanzen zu; denn ein sehr grosser Theil des
Landes ist ohne Frage sehr geeignet für Gewächse, die feuchte
Gebirgsthäler erfordern, für Kaffee, Tliee, Kakao u. s. w.
VIII. Die Bevölkerung.
Ueber die Bewohner des Gebirges will ich nur ganz kurz be¬
richten, indem ich hoffe, später noch einmal Genaueres mittheilen
zu können. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass sie sehr wenig-
interessant sind, d. h. durch Einwanderung von aussen hat sich ihr
ethnographischer Charakter stark verwischt. Ausserdem stellen sie
keine einheitliche Bevölkerung dar. Es ist zwar wahrscheinlich,
dass es ursprünglich Waluguru im eigentlichen Sinne gegeben hat,
doch sind jetzt vom Süden Wak’hutu, vom Osten und Norden Wakami
und Wassagara u. s. w. eingewandert. Man begegnet überall ver¬
schiedenen Stammnamen, über deren Herkunft die Leute oft nicht
viel anzugeben wissen, doch scheint es mir, dass mehrere Gruppen
unterschieden werden können.
1. Die Bewohner des Nordens um Kinole herum sind der Ueber-
lieferung nach aus Nord - Ussagara bezw. Gedja eingewanderte
Wakagura. Alljährlich sollen sie noch zu Festen oder Opfern
nach jenem Stammlande gehen. Oft hört man sie Waböna nennen.
Sie sind stark sswahilisirt, bauen ihre Hütten nach Art der Küsten¬
leute und kleiden sich wie diese.
2. Die Wakami, welche sonst die Ebene nördlich und nord¬
östlich der Berge bewohnen, sind an vielen Stellen in die östlichen
Vorberge hineingegaugen (z. B. Mirambo). Das eigentliche Ukami
hat jedoch mit Uluguru nichts zu thun. Vielleicht sind auch auf
den westlichen Vorbergen an der Mgeta noch einige Wakamikolonien
wohnhaft. Ihnen sind wohl auch die Waponda bei Taua zuzuzählen.
3. Die Wak’hutu, die die Ebene südlich und südöstlich der
Berge bis zum Bufiyi bewohnen, sind offenbar den Wasaramo (be¬
sonders sprachlich) stark verwandt, oder es hat eine ausgiebige
Mischung zwischen beiden stattgefunden. Eine ganze Anzahl der
Bewohner der südlichen Vorberge scheint mir Wak’hutu zu sein,
ganz besonders aber die Wam’hädse, welche ursprünglich in Lupindi
und am Kiwibandukaberg wohnten, aber allmählich nach Usaramo
ausgewandert sind, wo sie angeblich die heutigen Dorfschulzen (pasi,
224
mhadsi) bilden. Ihnen scheinen die Wap’hangala (bei Fungo im
Distrikt Ningwa u. s. w.) nahe verwandt zu sein, die in das Fisigo-
thal vom Westen gekommen sein sollen. Ebenso gehören offenbar
die Wagunga in Ssonga, die Walelengwe am Mbakanafluss und die
Wan’ghamba, welche aus dem Mgetathale nach Osten gewandert
sind, zu dieser Gruppe. Alle diese Stämme haben runde Hütten
mit Kegeldach, deren Wände, entsprechend dem Material, aus Holz¬
platten gemacht sind. Die kleinen Holzpuppen der Wasaramo (Mwana
Kiti) sind hier aus einer kleinen Kalebasse nachgebildet. Als Waffen
dienen Speere, selten Bogen und Pfeil, zum Zerkleinern des Getreides
benutzt man nur den Stampfmörser.
4. Es bleibt eine Gruppe von Leuten übrig, die man wohl als
eigentliche Waluguru bezeichnen könnte, doch sind auch sie in
ihren Zweigen sehr verschieden untereinander, und ich möchte an¬
nehmen, dass auch sie versprengte Beste von einst in der Ebene
wohnenden Stämmen vorstellen, die dort heutigentags durch Zulu¬
einwanderung u. s. w. fast ganz vernichtet sind. Ich möchte hierher
die Wag’haemo in Ng’hweme, die Wamgera bei Bugögo und andere
Stämme, die hauptsächlich im südöstlichen Centralmassiv wohnen,
zählen. Als charakteristische Eigenthümlickeit glaube ich die vier¬
eckige Hüttenform bezeichnen Zu können, die neben der runden —
wohl als ursprüngliche — vorkommt. Sechs bis zehn Schritte lang,
zwei bis drei Schritte breit und 1,5 m hoch sind diese mit Giebel¬
dach versehenen Gebäude. Der Eingang ist meistens an einer
Schmalseite und zwar dort nicht in der Mitte, sondern (meist links)
seitlich und mit 80 bis 40 cm hoher Thürschwelle versehen. Sehr
oft ist die andere Kurzseite nach Art eines Kirchenchors altgerundet,
als wenn noch eine halbe Rundhütte an den langen Schuppen ge¬
klebt wäre. Der Innenraum ist meistens in drei Räume getheilt.
Die Seitenwände hat man aus senkrechten Holzplatten (die Stämme
werden mit Keilen gespalten) hergestellt und das Dach mit Bananen¬
blättern bezw. den faserigen Gewebsbündeln eines Waldbaumes so
gedeckt, dass man das Material geknickt über die Dachfirste hängt.
Mir sind ähnliche Hütten nur aus dem Kongogebiete bekannt.
Ebenso merkwürdig ist die Frauenkleidung bei diesem Volke. Ein
Fransenschurz von 30 bis 40 cm Länge der gedrehten Fransen, bei
denen oft schwarz und roth gefärbte Partien abwechseln, sitzt vorne
dem Mons veneris auf, während er hinten die obere Plälfte des
Gesässes blosslässt. Etwas höher, oberhalb des Gesässes, wird eine
Schnur grosser, weisser Perlen (Manga dju, dju) und um den Bauch
noch zwei Schnüre getragen, und zwar letztere so, dass sie sich
hinten vereinigen, vorne aber weit divergiren. Es ist gewiss eigen¬
artig, dass dieser Schurz der Zulu bei Natal und der Leute in
225
Vitschumbi am Albert Edward- See sich liier wiederfindet. Männer
haben oft Lederschürzen vorne und hinten an einer Schnur hängen,
oft auch Zeuglappen ebenso befestigt, manchmal einen Schurz aus
Fransen oder aus Baumwollenstoff. Die Weiber tragen rothe Thon¬
pomade im Haar. Dogen und Pfeile sind unbekannt, ebenso Reib¬
steine; Lanzen haben eine mit Dorn eingesetzte Spitze.
Das Land steht unter kleinen unabhängigen Chefs, höchstens
Kingaru in Kinole und vielleicht noch Mirambo haben etwas
grösseren Einflusskreis.
IX. Acke r b a u.
Je nachdem man es mit Waldland oder Rodungsgebiet zu thun
hat, ist natürlich die Kulturmethode eine verschiedene. Ueber das
maasslose Niederschlagen des Waldes wurde oben berichtet. Auch
auf der Rodungszone zerstört man, um ein kleines Feld zu bebauen,
weite Strecken durch Feuer. Das Land kann als recht dicht be¬
völkert gelten. Ueberall auf den Vorsprüngen und Satteln der
Hänge sieht man die kleinen Häuserkomplexe, deren man von einem
Standpunkte aus oft 50 bis 100 zählen kann. Die Thäler sind nicht
bewohnt, wohl aber oft bebaut. Hauptsächlich wird Mais gepflanzt,
den man viermal im Jahre erntet und von dem man ganz .junge
Pflanzen neben ausgereiften sehen kann. Die fortwährende Feuch¬
tigkeit gestattet Säen und Ernten das ganze Jahr hindurch, Cajanus
indicus und Kürbisse, in den Thälern auch Sorghum, kultivirt man
ebenfalls viel, und Colocasien sowie Bohnen (Phaseolus vulgaris)
gehen bis in die höchsten menschlichen Ansiedelungen hinauf (etwa
1900 m). Sowohl im Thale (besonders in Tana und Mtukia) als
auch auf den Hängen bis weit über 1000 m Höhe gedeiht vorzüg¬
licher, allerdings leicht röthlich gefärbter Reis (Bergreis). Papaya
sind häufig. Irgend welche Versuche mit Einführung europäischer
Gewächse fehlen noch, doch gedeihen schon am Fusse des Gebirges
in Tununguo und Morogoro Gemüse ganz ausgezeichnet, in letzterem
Orte sogar Kaffee (von Bourbon stammend) und Zimmet. Die
Kaffeepflanzung ist leider durch die Larve eines Bockkäfers, die
den Stamm ausbohrt, stark beschädigt worden. Kaffee, Weizen und
vieles Andere wird man in den V orbergen schon bauen können,
Kakao, Vanille und Thee ganz gewiss in den feuchten Bergkesseln.
X. Die Viehzucht.
Dieselbe ist sehr wenig entwickelt; einige Schafe und etwas
mehr Ziegen ist die Hauptsache, letztere Thiere sind oft von einer
grossen, langhaarigen Rasse. Rinder giebt es nur etwa ein- halbes
Dutzend am oberen Mbakanabache. Die ganze Vegetation weist
226
uns darauf hin, dass das Land für den Viehzüchter nicht in Betracht
kommen kann. Ob sich auf der Hochweide Thiere werden halten
lassen, muss zum mindesten erst bewiesen werden. Den Bedarf an
Fleisch und Dünger müssen spätere Kolonisten sich aus den Ebenen
bei Kissaki beziehen, wo Binder, Schw'eine u. s. w. gut gedeihen.
Aus dem Schutzgebiete der Marsh all -Inseln.
Resultate der meteorologischen Beobachtungen zu Jaluit
im Jahre 1894.
Die Beobachtungen wurden in gewohnter sorgfältiger Weise bis
Ende September 1894 durch Regierungsarzt Dr. Steinbach, von da
ab durch Regierungsarzt Dr. Schwabe angestellt. Durch Errichtung
einer eigenen Arztwohnung wurde es nöthig, die Aufstellung der
Instrumente zu verändern. Dieselben sind jetzt in der Nähe dieser
neuen Wohnung bezwr. in derselben aufgestellt. Die Wohnung selbst
liegt etwa 40 m vom Meeresstrand entfernt in einer Seehöhe von
etwa 3 m. Dieselbe ist, besonders nach der Seeseite hin, von lichtem
Gebüsch umgeben. Die Höhe der Thermometer, in einer freistehen¬
den Hütte aufghängt, beträgt 1,5 m über dem Erdboden. Barometer
und Barograph befinden sich etwas höher als früher, etwa 4 m über
mittlerem Hochwasser. Die Windrichtung wird au einer auf dem
Hause befindlichen Wetterfahne, etwa 10 m über dem Erdboden,
beobachtet. Die Auffangefläche des Regenmessers befindet sich wie
früher 1,5 m über dem Erdboden.
Durch Verlegung der Station fand während zweier Tage, 29.
und 30. September 1894, eine Unterbrechung der Temperatur¬
beobachtungen statt, die übrigen Beobachtungen wurden nicht
unterbrochen.
In der Zeit vom 15. August bis 9. September, während welcher
Herr Dr. Steinbach auf einer Dienstreise von Jaluit abwesend war,
besorgte Herr Lehrer Vassen die Beobachtungen; während dieser
Zeit erlitten die Beobachtungen des feuchten Psychrometerthermo¬
meters, welches Herr Dr. Steinbach mit sich führte, eine Unter¬
brechung.
227
Die meteorologischen Verhältnisse erweisen sich auf Jaluit als
so gleichmässig, und die Beobachtungsergehnisse des Jahres 1894
weichen von denen des Jahres 1893 so wenig ab, dass auf das in
Jahrgang 1894, S. 311 11'., Gesagte hier verwiesen werden kann.
Auffällig erscheinen nur die hohen Maxima seit der Verlegung der
Station, die wohl auf eine ungünstige Beeinflussung des Maximum-
thermoineters durch Strahlungseinflüsse zurückzuführen sind. Selbst
die Niederschläge erweisen sich bei ihrer Massenhaftigkeit von einer
erstaunlichen Gleichmässigkeit:
1892 . . . etwa 4365 mm
1893 ... „ 4618 „
1894 ... „ 4550 „
Die jährliche Periode derselben erscheint so wenig deutlich
ausgesprochen, dass es der Fortsetzung der Niederschlagsmessungen
eine längere Beihe von Jahren hindurch bedürfen wird, um über
dieselbe Aufschluss zu bekommen.
Jaluit.
55' nördl. Br. X — 169° 40' östl. Gr. li = 3 bezw.
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Schluss der .Redaktion am 4. September 1895.
Aus dem Schutzgebiete Togo
Reiseberichte von Premierlientenant v. Doering
ans den Jahren 1893 bis 1895.
(Hierzu Karte No. 5.)
1. Reise durch das Pessi- und Anyangaland.
(5. bis 31. August 1893.)
Tn der Zeit vom 5. bis 31. August 1893 habe ich das Pessiland
bereist, von dort eine Wegeverbindung mit der Linie Klein -Popo —
Atakpame — Bato — Bismarckburg hergestellt und bin dann durch das
Anyangaland marschirt.
Leider wurde mein Marsch in keiner Weise vom Wetter be¬
günstigt. Jeder Tag brachte uns Regen. Die Flüsse waren daher
angeschwollen und reissend und boten grosse Hindernisse. Das
tägliche Durchnässtwerden brachte mir mehrere Fieberanfälle. Der
Himmel war stets bedeckt, so dass ich auch nicht zu einer einzigen
astronomischem Beobachtung kam. Der Siedeapparat, den ich mit¬
nehmen wollte, war in seinem Fussgestell unbrauchbar geworden
und bedurfte einer grösseren Ausbesserung; ich nahm daher nur das
Aneroid No. 1573 mit, welches ich vor und nach der Reise mehrfach
mit dem Quecksilberbarometer verglichen habe.
Am 5. August brach ich mit 6 Weis, 2 Popoleuten, dem Dol¬
metscher und einem Jungen auf. Ich marschirte über Ketshenki
und Kalabo nach Mpoti. Hier erkundigte ich mich nach dem von
Dr. Büttner erwähnten Weg nach Pessi über Shifoma. Letzterer
Ort wurde mir dabei als so weit entfernt geschildert, dass ich be¬
schloss, in Mpoti zur Nacht zu bleiben. Ich wurde hier, wie überall
auf meinem Marsch, sehr freundlich aufgenommen und erhielt Mais
und Maniok geschenkt. Zum ersten Mal seit der Küste sah ich
hier wieder eine Katze, was sich später im Pessilande noch einmal
wiederholte. Hunde sind jedoch in jedem Dorfe zahlreich: jene
kurzhaarige gelbe Rasse mit langen Läufen und spitzem Fang.
Mittli. von Forschungsreisen den, VIII. Band. IV. Iß
232
Der 6. August führte mich über Shifoma, das letzte Adeledorf,
nach Digna, dem ersten Anyangadorf, das einen sehr ärmlichen
Eindruck machte. Yieh war anscheinend gar nicht vorhanden.
Am nächsten Tage durchschreiten wir den hüftentiefen Okum
und kommen dann an den reissenden, angeschwollenen, 60 m
breiten Angnä. Ich schicke einige Leute in den von grossen Fels¬
blöcken durchsetzten Fluss, um festzustellen, ob ein Durchwaten
möglich ist. Doch erweist sich der Angnä als übermannstief. Ein
Versuch, ihn mit verkleinerten Lasten zu durchschwimmen, scheitert.
Ich muss daher hier Biwak beziehen. Am Nachmittag wird ein
Lianenseil quer über den Fluss gespannt, an welchem wir am
nächsten Morgen den Uebergang versuchen wollen.
Am 8. morgens stellt sich heraus, dass das Wasser nicht ge¬
fallen ist, sondern vielmehr das Lianenseil zerrissen hat. Wenn
wir heute den Fluss nicht überschreiten können, müssen wir urn-
kekren, da die Leute nichts mehr zu essen haben. Wieder werden
Lianen aus dem Galeriewald geholt, dieselben über dem Feuer mit
Steinen geklopft, bis sie knüpf bar werden, und dann gelingt es
endlich, nach einem nochmaligen Zerreissen, ein festes Seil über¬
zuspannen. Mit hallten Lasten wird dann schwimmend der Ueber¬
gang bewerkstelligt. Dann kommt ein Marsch ohne Führer, nur
nach dem Kompass, durch die endlose Savanne. Nirgends ist das
Gebirge sichtbar, nur hohes Gras und Sheabutterbäume. Nach¬
mittags gegen 3 Uhr bleibt der letzte Träger zurück. Um 43/i Uhr
kommen wir endlich an einige Farmhütten, Akapo Akble. Die Be¬
wohner sprechen die Ewesprache, was uns zeigt, dass wir uns im
Pessilande befinden, wo diese Sprache gesprochen wird. Man weist
uns dann den Weg zum nächsten Dorf Tepai, wo wir gegeu 5 Vs Uhr
eintreffen. Hier höre ich zum ersten Male Klagen über die Tshautsho,
die den Ort ausgeraubt haben. Spät abends treffen erst die
Träger ein.
Am folgenden Tage geht es wieder durch Baumsavanne in süd¬
östlicher Dichtung weiter. Wir durchschreiten die Pessidörfer
Kornoyo und Babame und gelangen zu dem grossen volkreichen Ort
Nyamassilä. Liier wird uns gesagt, dass wir heute doch nicht nach
Pessi kämen, da der Monn zu sehr angeschwollen sei. So entscliliesse
ich mich, hier zu bleiben. Zum ersten Male sehe ich hier Geier,
die in grosser Anzahl auf den Bäumen hocken. Herden in grosser
Zahl und mehrere hohe Häuser zeugen von der Wohlhabenheit der
Pessileute, die ich noch oft Gelegenheit hatte, feststellen zu können.
Der Häuptling Foli übernahm die Verpflegung meiner Leute für
diesen Tag, da ich ihm etwas Arznei gegeben hatte.
Von Nyamassilä aus führte uns der Weg durch ebene Baum-
savanne, die sich durch ihren Reichthum an „Buschhühnern“ aus¬
zeichnete, nach dem mehrere Hundert Hütten zählenden, volkreichen
Kokoti. Das ganze Pessiland ist dicht bevölkert. Man findet ent¬
weder grosse, aus mehreren Dörfern bestehende Ortschaften, oder,
nahe beieinander liegend, kleine Dörfer, nur wenige Kilometer von¬
einander entfernt. So traf ich es besonders auf meinem Rückmarsch
von Bato durchs Pessiland (siehe Karte). In Kokoti, wo wir unter
einem riesigen Alfenbrotbaum auf den Fährmann warten mussten,
beschäftigen sich die Bewohner viel mit Weberei. Das baumwollene
Garn wird auf einfachen Webstühlen in leicht verständlicher Weise
zu etwa handbreiten Streifen gewebt. Die Streifen werden zu den
Tüchern dann aneinander genäht. Die Tücher bilden dann selber
die Kleidung oder man fertigt jene ärmellosen, buntgestreiften
Hemden daraus, welche man überall im Hinterlande von Atakpame
an findet. Auch die so viel getragene phrygische Mütze und den
auch an der Küste recht bekannten, als Regenschirm benutzten,
grossen Strohhut sah ich im Pessilande. Feuersteingewehre sind auf
dem linken Angnäufer selten. Leute, die zur Feldarbeit gingen,
oder von dort kamen, führten hier sowohl als weiter südlich und
nördlich häufig Pfeil und Bogen mit sich. Von Kokoti aus begaben
wir uns dann zu dem reissenden, 80 m breiten, tiefen Monu, über
den wir mittelst Kanus übergesetzt wurden. Dann erreichten wir,
nachdem wir das Dorf Supe durchschritten hatten und zum ersten
Mal über den Nliuto gekommen waren, um lD/i Uhr das erste Pessi-
dorf. Wir kamen dann noch durch drei andere Pessidörfer, liessen
ein grosses links liegen, überschritten den wohl zum Monu messen¬
den Nliuto zum zweiten Male und hielten dann in dem grössten der
Pessidörfer. Zusammen mögen diese die Stadt Pessi bildenden Dörfer
wohl 1000 Hütten zählen, darunter viele einstöckige Häuser. Auch
hier traf ich viel Weberei. Grosse Herden, besonders Rindvieh,
machen den Reichthum der Bewohner aus.
Der König von Pessi hatte schon vor meinem Abmarsch von
Bismarckburg zur Station gesandt und um eine Flagge gebeten.
Als ich ihm dieselbe jetzt geben wollte, erfuhr ich, dass König Adam
nicht in Pessi selber, sondern einige Stunden nordöstlich davon inSikita
(Adam koffi) wohne. Ich hörte Wunderdinge von seinem Reichthum
und der Grösse seiner Hauptstadt erzählen. DiePessihäuptlinge sandten
sofort zu ihm, er möge kommen, da ich nicht nach Sikita marschiren
wollte. Da er am Nachmittage nicht kam — er war krank und
konnte nicht kommen — , so baten mich die Häuptlinge, den nächsten
Morgen erst etwas später abzumarschiren, damit ich noch einen
Bevollmächtigten König Adams empfangen könne.
Am 11. August sandte der König seinen Sohn, welcher mich
16*
234
bat, einige Tage Gast seines Vaters zu sein; wenn ich nicht mar-
schiren wolle oder könne, so würde Adam mir ein Pferd schenken.
Doch hatte ich schon zu viel Zeit verloren — ich hatte gehofft,
Pessi in drei Tagen erreichen zu können — und erklärte daher, dass
ich weiter marschiren würde. Ich erfuhr hierbei Folgendes: Adam
hat mit Pessi nichts zu thun. Nur sein Reichthum hat ihm im Pessi-
lande das Ansehen verschafft, dass er hier „König“ von Pessi ge¬
nannt wird. Die Landessprache in seinem Gebiete ist nicht einmal
die in Pessi gesprochene Evesprache, sondern Anago. Sein Sohn
konnte sich mit den Pessileuten sogar nur durch Dolmetscher ver¬
ständigen. Er nahm im Namen seines Vaters die Plagge gegen das
schriftliche Versprechen: Frieden zu halten und nach Möglichkeit
zu stiften, fremde Händler zu schützen und ein treuer Freund der
Deutschen zu sein. Ich marscliire an diesem Tage zurück nach
Kokoti, wo ich zur Nacht im Zelt bleibe. Der Weg führt durch
reiche und grosse Felder: Mais, Kürbis, Bohnen und vor Allem
Yams, der hier ganz die Stelle von Maniok zu vertreten scheint.
Ich sah armlange, 25 cm starke Yamsknollen.
Am 12. ging es bei strömendem Regen morgens weiter durch
die Baumsavanne, die oft einen waldartig dichten Baumbestand auf¬
weist. Ich hatte mir einen Führer genommen und von ihm erfahren,
dass Pessi mit der Linie Popo — Atakpame — Adele durch drei Wege
verbunden sei: einer führe nach Atakpame, einer nach Akposso
Game und einer nach Bato. In Wirklichkeit giebt es aber nur
zwei Wege; denn der nach Bato führende ist derselbe wie der, der
nach Aposso Game führt; er gabelt sich erst dicht vor letzterem
Orte. Hätte ich das gewusst, so hätte ich nur Aposso Game und
nicht Bato zu erreichen versucht, wodurch ich zwei Tage gespart
hätte. Der Weg führte über das grosse noch zu Pessi gehörige
Dorf Dussebe, über den wohl zum Monu fliessenden Pette zu¬
nächst zum Dorfe Gauble. Dieses gehört nicht mehr zu Pessi, son¬
dern hier wird schon Anago gesprochen. Dann geht es über die
ebenfalls wohl dem Monu zufliessenden Flüsschen Podde-Podde und
Alablatö. Durch die völlige Durchnässung war ich während dieses
Marsches so fiebrig geworden, dass ich um 12^2 Uhr, trotz des
immer noch anhaltenden Regens, Halt machen liess und Biwak in
der Savanne bezog.
Am 13. war durch den die ganze Nacht strömenden Regen das
Wasser morgens völlig lehmig und dunkelbraun und daher, da mein
kleiner Filter längst unbrauchbar ist, ungeniessbar. Wir hatten
während unseres recht beschwerlichen Marsches zur Rechten die
Wasserscheide zwischen Monu und Angnä. Der Weg zeigte uns
viele und grosse Antilopenspuren. So kamen wir durch das Dorf
235
Tak-Angnä (Anagospracke) und gleich darauf an den Angnä, über
den uns diesmal ein Kanu hinüberbrachte. Der Fluss soll Krokodile
haben. Unweit des rechten Ufers hielten wir in dem etwa 100 Hütten
zählenden Dorf Koko-Bleme. Alle diese Ortschaften mit der Anago-
sprache kennen keinen Verband zu einem Lande: ich erhielt in jeder
Ortschaft auf meine Frage nach dem Namen der Landschaft immer
die Antwort: „Wir sind Tak - Angnäleute“ oder Minikeleute, oder
Gaubleleute; „das Land hier hat keinen Namen.“ Koko-Bleme ist
reich an Herden; im Orte wird viel Flechterei getrieben. In der
Umgegend sah ich viele Geier und braunweisse Adler; auch das
überall häufige Buschhuhn fehlte nichts
Am 14. marschirten wir wieder bei Regen ab. Bald tauchte auf
dem nach Westen gerichteten Marsche das Wahrzeichen Batos, die
von mir mit M bezeichnete Kuppe auf. Meine Leute bestritten
übrigens die Richtigkeit der Bezeichnung „Kebuto“, die mir bei
meinem ersten Durchmarsch durch Bato dort genannt wurde. Wir
kamen durch das grosse, herdenreiche Dorf Yieku, überschritten
den Kossi und bezogen dann, meines fiebrigen Zustandes wegen, in
der Savanne Biwak. Regen bis zum anderen Morgen.
Am 15. hatte ich das Unglück, beim Ueb er sehr eiten des Akbaba
auf einem glatten Felsblock auszugleiten und auf die rechte Hüfte
zu fallen. Wir durchschritten das aus drei Theilen bestehende,
felderumgebene Akpossodorf Betia, das einen ärmlichen Eindruck
macht und dessen Bewohner sich vielfach mit Spinnerei zu beschäf¬
tigen scheinen; die Spindel mit der Baumwolle wird unter dem
linken Arm gehalten, mit der linken Hand aus dieser Watte der
Faden gedreht und mit der Rechten ein herunterhängender, kreisel¬
artiger Garnwinkel in rasch drehende Bewegung versetzt, so dass
dadurch der Faden noch schärfer gedreht und dann aufgewickelt
wird. Um IV2 Uhr gelangten wir nach Bato, wo ich meiner Hüfte
wegen leider am 16. August einen Ruhetag machen musste. Der
Häuptling Kapa hatte hier fünf Atakpameleute gefangen, deren
Vater ihm Elfenbein schuldete. Er trug mir die Sache vor und
versprach, die Leute bald frei zu lassen, da ihm bereits die Nach¬
richt geworden, dass der Vater, sein Schuldner, schon Lösegeld
schicke. Meine Hoffnung, in Bato einen Weg nach Norden nach
Blitta zu finden, hatte sich nicht erfüllt. Ich musste auf dem Wege,
auf dem ich gekommen, nach dem Angnä zurück.
Am 17. und 18. wurde nach Osten zur iickm arschirt, mittelst JKanu
über den Angnä gesetzt und dann in dem herdenreichen, etwa
100 Hütten zählenden Dorfe Minike Halt gemacht.
Durch ebene Baumsavanne setzten wir am 19. den Marsch nach
Norden fort, durchschritten das Dorf Aütelle, das letzte, in dem
236
die Anagosprache herrscht, und kamen gegen 12l/2 Uhr nach
Dafole-Nyamme. Hier wird Eve gesprochen, wir befanden uns also
wieder im Pessilande. Das Dörfchen zählt etwa 20 Hütten. Nach¬
mittags starker Regenguss.
Die dichte Ansiedelung — wir durchschritten sechs Dörfer —
und der reiche Anbau der Gegend bewiesen uns auch am 20., dass
wir uns noch im Pessilande befanden. Zahlreiche Tauben bevölkern
die Felder und die wellige Baumsavanne; ich schoss hier auch einen
grauen, grossen Papagei mit gelbem Schnabel und langem Stoss.
Um 127+ Ulir hielten wir in dem ganz von Busch umgebenen Dorfe
Adomi. Abends war es ganz kurze Zeit sternenklar, doch zu kurze
Zeit, als dass ich eine Beobachtung machen könnte.
Am 21. ging es immer bergauf und bergab durch hügeliges
Gelände. Noch einige Pessidörfer wurden durchschritten. Gegen
123/4 Uhr hielten wir in den Ruinen des früheren Anyangaortes
Okbande. Nur die Lehmmauern von etwa 200 Häusern stehen noch.
Der Ort ist von den Tshautsho gänzlich ausgeplündert und nieder¬
gebrannt worden. Die Bewohner haben ihn verlassen. Aus den
niedrigen Ruinen ragen die Mauern einiger höherer Häuser hervor.
In den Häuserresten finden sich einige grosse Thongefässe und
einige Fetischfiguren, mit Kauris verziert, das ist Alles. Es macht
einen traurigen Eindruck.
Der nächste Marsch führte uns durch ebenfalls wellige Savanne
zu dem etwa 300 Hütten zählenden Anyangaort Blitta. Unterwegs
treffen wir kein Dorf, da Digina und Orani (Oränyi) nur schilfüber¬
wucherte, gänzlich verlassene Ruinen sind. Auch Blitta ist von den
Tshautsho ausgeraubt, aber nicht verbrannt worden. Der einst reiche
Viehbestand beschränkt sich jetzt nur noch auf Schweine, Ziegen,
einige Hühner und ein kleines Pferd. Es war sehr schwer, hier
Lebensmittel zu bekommen.
Am 23. führte uns ein kurzer Marsch nach dem Angnä. Der¬
selbe war so reissend angeschwollen, dass jeder Versuch, ihn zu
überschreiten, ausgeschlossen war. Es blieb uns daher nichts Anderes
übrig, als nach Blitta zurückzukehren und dort das Fallen des Flusses
abzuwarten. Nachmittags Regen! Ich sandte nun täglich morgens
schon vor Sonnenaufgang einen Mann zum Angnä, um die Wasser¬
tiefe festzustellen. Am 24. war das Wasser noch mehr gestiegen.
Am 25. war es gefallen, aber noch nicht durchschreitbar. Nach¬
mittags starker Regen, ebenso nachts. Am 26. kam die Meldung,
dass der Fluss wieder gestiegen sei. Die Verpflegung war in Blitta
so knapp, dass ich beständig Hunger litt. Yams, Mais, Eier oder
gar ein Huhn war fast nie zu bekommen. Meine mitgenommenen
Vorräthe waren bereits zu Ende, und so lag mir viel daran, weiter
237
zu kommen. Ich hatte mich erkundigt, ob nicht ein Weg nach
Nordwesten führe; vielleicht dass man dort eine flachere Stelle des
Flusses fände. Doch erfuhr ich von den Eingeborenen, dass es
keinen anderen Weg gäbe. Ich beschloss daher, am anderen Tage
unter allen Umständen den Uebergang zu versuchen.
Am 27. begaben wir uns zum Angnä. Immer drei Leute mussten
versuchen, mit einer Last den Fluss zu durchschwimmen. Das
Schwierige lag dabei in der reissenden Strömung; ein gutes Hülfs-
mittel war die vielfache Inselbildung im Flusse, so dass nur immer
verhältnissmässig schmale Wasserarme zu durchschwimmen waren.
Der Uebergang gelang. Nur eine Last ging verloren, wurde aber
wieder gefischt. Durch schilfreiche Savanne gelangten wir dann
nach Dofoli. Auch dieser grosse, aber ärmliche Ort war von den
Tshautsho ausgeraubt; daher keine Rinder. Die Bevölkerung zeigte
viele Kröpfe, ein Zeichen, dass wir ins Gebirge kamen.
Am 28. marschirte ich des stark strömenden Regens wegen,
dem ein heftiger Tornado folgte, nicht weiter.
Am 29. kamen wir in das Gebirge. Der Marsch zeichnete sich
durch schlechte, nasse Wege aus. In den Galeriewäldern der zahl¬
reichen Bäche sahen wir viele Hunds- und andere Affen und Perl¬
hühner. Am Baha bezogen wir Biwak.
Der 30. brachte uns dann nach Mpoti und der 31. nach der
Station zurück, wo wir nach 27 tägiger Abwesenheit wohlbehalten
eintrafen. Ich war durch Fieber und mangelhafte Verpflegung sehr
geschwächt, vor Allem hatten wir aber Alle durch den täglich nieder¬
strömenden Regen zu leiden gehabt.
2. Reise in das Adjuti- und westliche Adeleland.
(14. bis 19. Oktober 1893.)
Am 14. Oktober morgens brach ich von der Station mit 2 Popo-,
2 Wei- und 1 Minikemann auf. Ich wollte am ersten Marschtage das
Adjutidorf Siäre über Pereu, also auf der Klingschen Route erreichen.
In Pereu machten wir einen kurzen Halt. Den von Kling auf¬
geführten Ort Niangba kannte hier Niemand. Man behauptete, es
gäbe nur einen Weg nach Siare: den über Tslioyö. In der Nähe
dieses Dörfchens und der letzten Adeleniederlassung Mbombo oder
Aibahome sah ich den ersten Tabak, der von Eingeborenen gezogen
wurde, später allerdings noch viel von dieser Pflanze bei Abrdwanko
und Nyarno. Ueberall stand der Tabak nicht so gut wie der der
Station. Bis Aibahome war der Weg verhältnissmässig gut gewesen.
Jetzt aber zeigte er sich so von übermannshohem Grase überwuchert,
dass er fast gar nicht zu erkennen war, und wir nur sehr langsam
fortkamen. Dabei war er so glatt und so voller Unebenheiten, dass
238
wir Alle Läufig hinfielen, leider sehr zum Schaden meiner Lasten,
deren Träger allmählich immer mehr in der Savanne zurückblieben.
Dabei zerschneidet das scharfe Gras unbarmherzig Hände, Gesicht
und Hals. Gegen Mittag kommen wir in wildere Gebirgsgegend, die
ab und zu köstliche Fern- und Nahsichten bietet. Der Pfad wird
immer unwegsamer. Er führt oft sehr steil zu Bachthälern hinunter,
so dass man nur kletternd und dabei fortwährend fallend weiter
kommen kann. Ich glaube, Abfälle bis zu 60, ja 70° passirt zu
haben. Kein Mensch, kein Feld, keine Hütte war zu sehen. Gegen
3 Uhr brach ein heftiger Regen los, der mich bis auf die Haut im
Nu durchnässte. So gelangte ich ohne Träger, ganz allein an das
letzte kleine, ungemein tief eingeschnittene Gewässer vor Siare. Hier
musste ich, obwohl fröstelnd vor Nässe, doch die Träger abwarten, da
ich nicht allein in das fremde Dorf gehen wollte. So hatte ich Zeit,
die köstliche Scenerie zu bewundern, die mich umgab. Von allen
Seiten von hohen bewaldeten Bergen eingeschlossen, rauschte der Bach
in lauter kleinen Fällen über grosse Felsblöcke dahin. Endlich kamen
zwei Träger, aber es waren meine beiden Weileute, der Landes¬
sprachen unkundig. Mit diesen kam ich gegen 4‘/4 Uhr nach Siare.
Wenn man um die letzte Felsecke vor dem Ort herumbiegt, so ist
man überrascht über den malerischen Anblick, den man geniesst.
Das Dorf besteht aus lauter rothen Lehmhütten, die über- und unter¬
einander in den Berg hineingebaut sind, und ist rings von Hochwald
und vielen ganz besonders hohen und schlanken Oelpalmen umgeben.
Einer meiner Weis verstand etwas Eve und so gelang es uns mit
Hülfe eines anwesenden Assante, der ebenfalls Eve sprach, eine
Hütte zu bekommen. Meine drei Träger blieben fort; so konnte ich
mich weder umziehen, noch irgend etwas essen oder trinken, was
ich sehr vermisste, da ich nur morgens um 6 Uhr einige Maisfladen
und etwas Wassersuppe auf der Station genossen hatte.
Am 15. morgens musste ich im Bett bleiben, da meine Kleider
noch völlig nass waren; doch erschienen um 7l/2 Uhr meine anderen
drei Leute. Einer derselben, welcher hingefallen war, hatte dabei
das Thermometer des von ihm getragenen Siedeapparates zerbrochen,
so dass ich nur auf die Höhenberechnungen mittels Aneroids ange¬
wiesen war. Beim König hatte ich dann „grossen Empfang“. Als Dol¬
metscher diente ein Pessimann, welcher nach Siare gekommen war,
um „Fetisch zu machen“; denn Siare ist grosser Fetischort. Auch
zwischen mir und dem König Koränti, von jedem etwa 10 Schritt
entfernt, steckte ein Fetischzeichen im Felsboden, ein mit irgend
etwas beklebter eiserner Stock. Der König war anfangs unwillig,
dass ich ihn nicht gestern besucht, ihm noch keine Geschenke ge¬
sandt hatte und noch heute weiter marschiren wolle; denn, hob er
239
hervor, er sei nicht Häuptling von Siare, er sei König von Adjuti.
Trotzdem schieden wir als gute Freunde. Als ich ihm aber die Hand
reichen wollte, wies er dies entschieden als „bösen Fetisch“ zurück, was
mir am nächsten Tage noch einmal inOdome begegnete. Zum Marschiren
war es nun doch zu spät geworden, ich blieb den Tag in Siare und
bearbeitete meinen gestrigen Marsch. Als ich, vor der Hütte am Tisch
sitzend und zeichnend, einmal anfing zu pfeifen, sah sich Alles sofort wie
auf Kommando nach mir um, und der zufällig anwesende König winkte
mir, schnell aufzuhören; Pfeifen sei böser Fetisch. Auch wurde ich
gebeten, keinen der vielen Geier zu schiessen, da es ihr Fetischvogel
sei. Strassen und Plätze Siares zeigen solche Unebenheiten, dass
man stets Gefahr läuft, zu stolpern, und dass ich glaube, ich hätte
hier keinen Platz gefunden, mein Stativ aufzustellen, selbst wenn
nicht fortwährender Regen jede Sternbeobachtung schon sowieso
unmöglich gemacht hätte. Nach Aussagen Koräntis unterhält Siare
lebhaften Handel mit Tshautslio, Pessi, Accra, Salaga, Wu und Fasugu,
welch letzterer Ort von Siare in sechs Tagen zu erreichen sei.
Köstliche Urwaldscenerien bot der Gebirgsmarsch des folgenden
Tages. Wir marschirten stundenlang längs des Sabu, aus dessen Galerie¬
wald wir wiederholt das Bellen der Hundsaffen vernahmen. Aber der Weg
als solcher liess leider wiederum sehr viel zu wünschen übrig. Gegen
9 Uhr hörte das Gebirge auf, und wir kamen in die Savanne und
um IOV2 Uhr in das Adjutidorf Odome, wo ich mich bei einer
Todtenfeier von der grossen Anzahl der vorhandenen Gewehre über¬
zeugen konnte. Es war schon 1 Uhr geworden, als wir bei ziemlicher
Hitze Abrewanko erreichten. Der eine halbe Stunde vor diesem
Dorf fliessende Bach ist in seiner Richtung auf Tafel 2 des 2. Heftes
im 6. Bande (1893) der „Mittheilungen“ falsch angegeben. Im Orte
fand ich eine mindestens 20 Mann starke Yeudikarawane, lauter nette
Leute, die mich auf das Freundlichste begrüssten und meinen Leuten
während unserer Rast schon fertig gekochten Yamsbrei schenkten.
Es war sehr interessant, das Leben dieser Leute zu beobachten, wie
sie ihre Gebete verrichteten, im Koran lasen, unsere Leute ausfragten,
oder mit schwarzer Tinte vermittelst einer Rohrfeder auf einer
schwarzen Holzplatte schrieben. Vom Häuptling Bado erhielt ich
ein Huhn und zum Trinken die wenig schön schmeckende, flaue
Maissuppe geschenkt und marschirte dann weiter nach N}ramo. Hier
wieder grosser, ernster Empfang. Ich sprach dabei englisch zu
meinem Koch, dieser Eve zu einem Träger, dieser Timu zum
Sprecher und dieser Adjuti zu dem Häuptling, der meine Gegen¬
geschenke für sein Huhn und Yams erst nehmen wollte, nachdem ich
ihn versichert hatte, dass ich seinem König in Siare mehr gegeben
habe. Auch hier traf ich eine Yendikarawane.
240
Am folgenden Tage marschiren wir durch ebene heisse Savanne
und dann durch völlig unter Wasser stehenden Urwald nach Odomase,
einem kleinen, unter riesigen Bäumen liegenden Adeledorf. Die
Häuser haben hier zum Theil Veranden vor der Thür, indem sich
vor der ganzen, langen Wand eine breite Lehmstufe hinzieht, über
welche das Dach des Hauses weit herübergeht. Innerlich fand ich
an den Wänden schwarze, weisse und braunrothe Malereien, Menschen,
Schildkröten, Krokodile und allerlei Schnörkel darstellend, sowie
Affenschwänze und auch Straussenfedern, wold Jagdtrophäen oder
irgend welche Erinnerungszeichen. Der Häuptling Kuhin, ein freund¬
licher, geschwätziger Alter, ist ein weit gereister Mann, der jeden
Weg und Steg im Lande kennt. Nachmittags ein sehr heftiger
Regenguss, während dessen sich die nackten Kinder auf der Strasse
baden, Ziegen, Schafe, Hühner und dergleichen aber sich unter mein
V erandadach retten.
Am folgenden Tage marschirten wir über Korintai auf oft nassem
Savannenweg nach Dadease. Von einem Dorf Buminde oder Bumi-
nolle habe ich nichts gesehen, auch wissen die Korintaileute nichts
von diesem Nachbardorf. Dadease ist ein sehr weitläufig gebauter
Ort, in dessen Mitte sich ein grosser Wiesenplatz befindet. Im Dorf
sah ich viel Töpferei. Der noch jugendliche Häuptling Komlapentö
gilt auch als Fetischmann.
Am 19. d. Mts. zeigte uns der letzte Marschtag noch einmal all
die Anstrengungen der ersten beiden. Immer längs des Pala mar-
schirend, haben wir einige hohe und steile Berge in überaus er¬
müdendem Klettern zu überschreiten. Dann belohnt uns zwar oben
ein köstlicher Rundblick über das Gebirge, aber schon winkt der
nächste Berg, der auch zu überschreiten ist. Herrlich ist die
Insektenwelt mit ihrer Mannigfaltigkeit im Gebirgswald. Endlich
erreichen wir den Fetischwald von Pereu, der mit seinen breiten
Wegen und schönem Grün den Eindruck eines Parkes macht.
3. Reise nach Fasugü.
Vom 28. Oktober bis 12. November 1893.
Am 28. Oktober brach ich mit 8 Weis, 2 Popos, 1 Miuikemann,
sowie mit Dolmetscher und Junge von der Station auf. Meine Ab¬
sicht war, über Siare nach Fasugü, von dort, wenn möglich, nach Wu
und dann über Nyamo zurückzumarschiren. Doch es fand sieb, dass
nur ein Weg vom Adjuti- zum Fasugülande führt, welchen ich ein¬
schlug. Zurück marschirte ich dann den schon von Dr. Büttner u. A.
begangenen unmittelbaren Weg von Fasugü nach Adele.
Hatte ich Siare auf meiner Adjutireise über Pereu, also auf dem
Klingschen Wege erreicht, so wollte ich jetzt über Kue und das
241
Adjutidorf Shininga dorthin marscliiren, einen Weg, der bisher noch
nicht von Weissen meines Wissens betreten war.
Was den Weg Bismarckburg — Kue anbelangt, so möchte ich nur
bemerken, dass der Name der zwischen Ketshenki (nicht Kötshenki)
und Kue belegenen Farm auf den Karten falsch angegeben ist. Die
Farm heisst Gedemi und nicht Asuina. Asuma ist eine nach ihrem
Besitzer benannte Farm nördlich von Gedemi. Von Kue aus bog ich
nach Nordwesten ab und erreichte nach heissem Marsch gegen 1 Uhr
nachmittags das im Thal gelegene Dorf Shininga, das etwa 90 runde
Hütten zählt. Bei dem Einmarsch in das Dorf bemerkte ich, dass
es fast ganz leer stand. Alle Bewohner hatten sich bei unserem An¬
marsch in den Busch begeben, von woher Trommelklänge zu uns
herüber schallten. Da der Felsboden des Dorfes das Aufstellen des
Zeltes fast unmöglich machte, so sandte ich einige Leute aus, um
eine Hütte für mich zu besorgen. Doch kehrten dieselben bald
eiligst zurück mit der Nachricht, dass sich hinten im Dorf die Krieger
sammelten, um uns mit den Waffen in der Hand zu vertreiben. Ich
begab mich nun mit dem Dolmetscher unbewaffnet zu den Leuten,
erklärte ihnen meine friedliche Absicht und erhielt nun eine Hütte.
Der Häuptling setzte mir auseinander, dass in diesem Ort noch nie
ein Weisser gewesen sei, und er daher die Meinung gehabt hätte,
ich käme in kriegerischer Absicht. In Shininga wird Anyänga oder
Adjuti gesprochen; Beides ist dieselbe Sprache. Doch rechnen die
Bewohner sich nicht mehr zu Anyänga, sondern zu Adjuti, da sie
dem Häuptling von Siare unterthan sind. Tabakpflanzungen traf ich
hier, wie fast überall, mitten im Dorf, aber eingezäunt, um gegen das
Vieh geschützt zu sein. Doch dient der Tabak so gut wie nie zum
Rauchen — er stinkt fürchterlich in der Pfeife — , sondern fast nur
zum Schnupfen. Dazu wird er auf Steinen fein gerieben, und das
Pulver dann auch gelegentlich gegessen, wie ich es im Fasugülande
mehrfach gesehen habe.
Am folgenden Tage überschritten wir dicht westlich Shininga
einen 8 bis 10 m breiten, nach Norden fliessenden Wasserlauf, der
keinen Namen hatte. Dieser Fluss muss meiner Ansicht nach alle
jene Bäche in sich aufnehmen, die man auf dem Wege Fasugü — Kue
nach Westen fliessen sieht. Auch ist er sicher jener 40 m breite
Fluss, den ich drei Tage später überschritt, wenngleich er dort auch
von Osten nach Westen fliesst; schon sein Name Kue scheint mir
dafür zu bürgen. Der Marsch von Shininga nach Siare ist nur kurz
und bis auf den letzten Abstieg zu dem im Kessel gelegenen Siare
nicht so gebirgig, als wenn man sich von Pereu aus diesem Orte
nähert. Des felsigen Bodens wregen liegen die Felder schon stunden¬
weit vor dem Dorf, meistens mit Guineakorn, Bohnen oder Erdnüssen
242
bestellt. Der Anblick, den Siare von diesem Wege aus gewährt, ist
fast noch schöner als der vom Pereuwege aus: man blickt von oben
auf die rothen Hütten inmitten des dichten, grünen Bergwaldes hin¬
ab; dazu das Rauschen des Säbu und die hohen, steilen Gebirge
ringsum.
Am folgenden Tage marschiren wir den Weg nach Odome,
biegen aber IV2 Stunden vor diesem Ort ab, nach Norden zu, und
nun geht es stundenlang durch glühende Savanne nach dem etwa
35 Hütten zählenden Assantedorf Koü (vergl. S. 256). Trotz der
verschiedenen Sprache gehört auch Koii zu Adjuti; denn es ist auch
dem Häuptling von Siare unterthan. Das Dorf zeichnet sich durch
einige praktische Einrichtungen aus: eine breite, gerade Strasse
durchschneidet den Ort. Auf ihr steht eine lange Bank mit Lehne
und Fussbank. Vor dem Ort befindet sich im Busch ein gemeinsamer
Abort. Die Hütten sind viereckig, doch fällt das Strohdach nicht
wie anderswo über alle vier Wände, sondern die schmalen Hausseiten
laufen giebelförmig spitz zu, so dass das Dach auf ihnen ruht und
nur die beiden Längsseiten bedacht.
Ein kurzer, aber des kaum gangbaren, völlig überwucherten
Weges halber recht unangenehmer Marsch führt uns folgenden Tags
nach dem Assantedorf Paua. Dasselbe zählt etwa 100 Hütten und
ist durch ein grosses Tabakfeld in drei Theile geschieden; auch
Paua gehört zu Adjuti. Im Dorf fand ich weder Rindvieh noch
Schweine, wohl aber Pferde. Anwesend war eine ziemlich grosse
Kratyikarawane. Die Leute boten mir verschiedene Sachen, besondere
jene weissen, durchbrochen gewebten Baumwollenstoffe, zum Kauf
an. Doch wollten sie nur englisches und kein deutsches Geld
nehmen. Der blinde Häuptling Kwayö erzählte mir, vor etwa drei
Jahren sei ein Weisser, ganz allein, ohne jegliche Begleitung, dui'ch
den Ort gekommen. (G. A. Krause?)
Auf dem Marsch des 2. November haben wir zur Linken die
Ebene, zur Rechten einen Gebirgszug, der aber durchaus nicht so
lückenlos ist, als dass nicht die nach Westen fliessenden Wasserläufe
zwischen Ivue und Fasugü ihren Weg zu den beiden 40 m breiten
Flüssen finden könnten, die wir auf diesem Marsch zu überschreiten
haben. Es sind dies der schon oben erwähnte Kue und der von
Südost nach Nordwest fliessende Palä. Der Marsch führt uns auf
der Karawanenstrasse, die von Kratyi (oder, wie es die Eingeborenen
hier nennen, Käraki) über Nyamö und Fasugü nach Tshautsho geht.
Von der Lebhaftigkeit des Verkehrs auf diesem Wege hatte ich an
diesem und den folgenden Tagen vollauf Gelegenheit, mich zu über¬
zeugen. Da kamen Haussa mit ihren zierlich gepackten Lasten,
meistens braunes Salz und bunt geflochtene Matten enthaltend, vom
243
Süden, Tshautsho mit braunem Rindvieh und Körben voll Hühnern
von Norden, Alle mit Pfeil und Bogen, Wurfspeeren, Dolchen oder
langen Schwertern bewaffnet. An der Karawanenstrasse findet man
allenthalben ganz einfache Strohhüttchen, die den Händlern unterwegs
Schutz bieten sollen. Auch in der Nähe unseres Quartiers, des
Fasugüdorfes Kaya, finden sich solche Hütten; denn das nur etwa
50 Hütten zählende Dorf kann die Menge der hier Rastenden nicht
beherbergen. Die Händler sitzen schweigend und im Koran lesend
vor ihren geringen Waaren: eine kleine Kalabasse ungereinigten
Salzes, ein Dutzend Kolanüsse, einige geschliffene Achate und ein
paar kupferne Daumringe, vielleicht auch etwas Fleisch, und harren
geduldig der Käufer, während die Weiber Bohnen rösten und Fische
braten. Ich wurde in Kaya ganz besonders freundlich aufgenommen,
obwohl hier angeblich noch nie ein Weisser gewesen war.
Am folgenden Morgen marschiren wir weiter. Wohl 100 Leute
und darüber begegnen uns unterwegs. Zum Theil sind dies Händler,
zum Theil Leute, die zur Feldarbeit gehen; letztere ziehen gewöhn¬
lich truppweise und unter Musikbegleitung. Alles macht einen frohen
und frischen Eindruck. Einmal beginnen die Feldarbeiter sogar mit
den vordersten meiner Träger ein kleines Tänzchen: Bogen und Köcher
werden beiseite gelegt, die Trommel gerührt, die Doppelglocke ge¬
schlagen und der Pfeife jene eintönige Weise entlockt, die durch die
geringe Anzahl der möglichen Töne bedingt ist. Unser Unterkunfts¬
ort, das Fasugüdorf Täshi, welches etwa 400 Hütten zählt, liegt in
der ungemein fruchtbaren Ebene hart am Fusse des etwa 200 m
hohen, ziemlich steilen, oft felsigen und zum Theil bewaldeten Ge¬
birges. Ich werde freundlich aufgenommen, erhalte die unvermeid¬
liche, widerliche Kornsuppe, Käffa genannt, als Willkommentrank
und habe nur sehr unter der Neugier der Eingeborenen zu leiden,
der ich natürlich als erster Weisser, der den Ort betritt, sehr aus¬
gesetzt bin. Der alte Häuptling Wrinyam trägt eine Art Krone oder
krempenlosen Hut aus Korbgeflecht, mit in Leder oder Tuch ein¬
genähten Amuletten verziert, und ist bei meinem Empfang von allen
seinen Unterhäuptlingen umgeben, denen ich nachmittags aufseine Bitte
allen meinen Besuch machen muss. Dabei werde ich gewarnt, mich
nicht allein ausserhalb des Dorfes zu ergehen, die Verkehrsverhält¬
nisse seien noch nicht so sicher, als dass mir dort nicht irgend etwas
zustossen könnte. Nachmittags sendet mir Wrinyam einen Klarinetten¬
bläser, der mir ein halbstündiges, schreckliches Ständchen bringt.
Die Fruchtbarkeit des Fasugulandes und den reichen Anbau des¬
selben möchte ich noch besonders erwähnen. Nirgend, vielleicht das
Pessiland ausgenommen, sah ich so ausgedehnte Felder mit Yams,
Bohnen, Erdnüssen, Tabak und besonders Guineakorn. Kassada hin¬
gegen sah ich hier niemals.
244
Der kurze Marsch des 3. November führt uns wieder durch
schöne, felderreiche Ebene zu dem am Fusse des Gebirges gelegenen
Fasugüort Süruku. Von einem Fasuguort kann man nur insofern
reden, als liier die Fasugü- oder Timusprache herrscht; in irgend
einem abhängigen Verhältniss zu Fasugü steheu diese Orte nicht.
Als wir uns auf etwa 500 m dem Orte genähert haben, erscheinen
zwei weiss gekleidete Boten des Häuptlings, der eine mit einem
Speer, der andere nur mit jenem am linken Handgelenk befestigten
Dolche bewaffnet, dessen Griff stets in der Fland ruht, während die
Scheide in dem weiten Aermel verschwindet. Sie überbringen mil¬
den Befehl ihres Herrn, dem Ort fern zu bleiben. Ich sende nun
unsere Führer nach Süruku hinein und lasse dem Häuptling sagen,
dass ich im Frieden käme, nur mit der Absicht, ihn zu besuchen,
und dass ich daher bäte, mich einzulassen. Nach etwa dreiviertel¬
stündigem Warten kamen plötzlich zwei Reiter aus dem Ort in vollster
Karriere durch das hohe Gras auf uns zugesprengt, gefolgt von einer
Abtheilung Fussvolk. Sie schwingen ihre in der Sonne glitzernden
Speere über sich und gewähren in ihrer weiten, weissen Gewandung,
dem den unteren Theil des Gesichtes verhüllenden Turban oder dem
bunten mit Lederriemen befestigten Strohhut auf dem Kopf einen
prächtigen Anblick. Hosen und Schabracke sind von schönem,
teppichartigem Gewebe. An den nackten Füssen tragen sie scharfe
Sporen, so dass die Weichen ihrer mit Fellen und Kaurimuscheln
reich geschmückten Pferde heftig bluten. Dicht vor uns pariren sie
zum Stehen, senken die Speere zur Begriissung, heissen mich im Namen
ihres Häuptlings willkommen und reichen mir über den 20 bis 30 cm
hohen Zwiesel hinweg die Hand. Nun ordnet sich der Zug zum
feierlichen Einzug in Süruku. Voran ein Pfeifer, dann etwa
40 Krieger mit Speer und Schwert, meistentheils aber mit Feuerstein¬
gewehren bewaffnet, die sie, wie „Gewehr über“ auf der linken
Schulter tragen. Dann folge ich mit meinen Leuten, während die
Reiter immer wie ein Sturmwind hin- und herjagen. Im Ort ist
Alles auf den Beinen; selbst die Bäume sind dicht besetzt. Einige
Leute schlagen mit Peitschen unter das sehr lästig fallende Volks¬
gedränge. Unter einem grossen Schattenbaum wird dann Aufstellung
genommen. Nach langem Warten kommen endlich einige Grosse
mit den üblichen Fliegenwedeln in der Hand und geleiten ein Weib,
das mir im Auftrag des Häuptlings die schreckliche Kornsuppe kre¬
denzt. Endlich werde ich vor den Häuptling geführt, der mich, unter
einem Baume sitzend, umgeben von seinen Grossen empfängt. Er
ist in reinstes Weiss gekleidet und trägt auf dem Kopfe, wie auch
viele seiner Unterhäuptlinge, jene bunt verzierte, kronenartige Kappe.
Häuptling Ulangmä ist ein etwa 40 Jahre alter Mann mit intelligenten
245
Gesichtszügen und lebhaftem Interesse für Alles, was ihm neu ist.
Als ich ihm nachmittags meinen Besuch mache und als er denselben
abends erwidert, wird er nicht müde, mich über alles Mögliche aus¬
zufragen: ob es wahr sei, wie ihm die englischen Händler erzählten,
dass Pulver aus Elfenbein und Palmkernen gemacht werde; ob Ham¬
burg grösser sei als Süruku; ob es in Deutschland auch Elefanten
gäbe und ob Rinder; wie man Kerzen bereite und wie Butter; wie
ein Wagen aussähe; wie das Schloss eines Mehrladers wirke u. s. w.
Zum Schluss sagte er mir, er möchte gern eine deutsche Station in
seinem Gebiet haben, er würde den Deutschen das Land zum Bau
schenken. Früher hätte er keinen Weissen sehen wollen, jetzt sehe
er aber ein, dass sie Gutes brächten. Einmal — er meinte fälsch¬
licherweise, es müsse schon 5 Jahre her sein — sei ein Weisser, der
auf der Adelestation wohnte, von Westen her bis dicht an Süruku
herangekommen, er hätte ihn aber durch seine Krieger vertreiben
lassen. Hieran merkte ich, dass dieser Flecken Süruku das Klingsche
Wu sein muss. Allerdings ist dieser Name bei den Eingeborenen
und Nachbarn überhaupt gar nicht bekannt, auch die Adeleleute
kennen ihn nicht, und die Kratyihändler nennen ihn auch nur Süruku,
aber es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Süruku und Wu das¬
selbe ist. Auch den Namen Yerepä kannte hier Niemand; der grosse
Ort heisst nur Yänepanga. Was den Wunsch des Häuptlings betreffs
einer Station in Süruku anbelangt, so möchte ich in der Tliat diesen
Ort, der übrigens nur 400 und nicht 600 bis 800 Hütten zählt, für
späteres etwaiges Vorschieben einer Station in das Hinterland in
Vorschlag bringen. Die Lage unweit einer verkehrsreichen Handels¬
strasse (Kratyi — Täshi — Fasugü) und an einer anderen (Bimbila —
Napari — Paratau) würde den Ort vielleicht geeignet zur späteren
Anlage der Station machen. Wasser ist wohl reichlich vorhanden;
der nahe Koli, wie ich den Sako immer nennen hörte, kommt in
einem 15 m hohen Fall aus dem ganz dem deutschen Mittelgebirge
ähnelnden Gebirge. Die Verpflegung der Station dürfte aber bei
einem so fruchtbaren und fleissig bestellten Lande und so grossem
Viehstand keine Schwierigkeit machen. Rinder, Schafe, Schweine und
Ziegen sali ich ebenso wie Pferde in Menge. Besonders reich scheint
aber das Fasugüland an Hühnern zu sein. Die Menge von Eiern,
die mir gebracht wurde, liess ebenso darauf scliliessen wie der Um¬
stand, dass Federvieh sogar an auswärtige Händler verkauft wurde.
Bei dem Abschiedsbesuch, den ich dem Häuptling machte, wurde ich
in dem als Empfangshalle dienenden Thorweg empfangen, wo ich
Gelegenheit hatte, einige etwa zwei Fuss lange mit Kuhfell um¬
wickelte Elfenbeinzähne zu sehen. Elefanten soll es hier viel geben,
ich habe nicht einmal eine Spur von ihnen gesehen. Ueberhaupt
246
habe ich auf der ganzen Reise nicht ein einziges Stück Wild zu Ge¬
sicht bekommen. Der Häuptling bat mich, nicht den unmittelbaren
Weg über das Gebirge nach Fasugü einzuschlagen, doch lehnte ich
diese Bitte ab.
Am folgenden Tage schickte morgens vor dem Abmarsch der
Häuptling zu mir: er habe nachts nicht schlafen können, der Landes¬
fetisch habe ihn besucht und ihm gesagt, wenn der Weisse den un¬
mittelbaren Weg nach Fasugü gehe, so werde er einen seiner Be¬
gleiter durch den Tod verlieren. Trotzdem bestand ich darauf, diesen
Weg zu marschiren. Doch fand sich nun kein Führer, so dass ich
doch nach Täshi zurückmarschiren musste. Ein Fieberanfall zwang
mich, gleich nach dem Einrücken mein Bett aufzusuchen. Als daher
gegen Abend eine Todtenfeier mit dem unvermeidlichen Lärm los¬
gehen sollte, schickte erst der Häuptling zu mir, ob mich das
Schiessen, Schreien und Trommeln auch nicht stören würde.
Unser Sürukuführer, der als Kopfbedeckung eine aus Bambus¬
fasern gefertigte Perücke trägt, geleitet uns am nächsten Tage in
sechsstündigem Gebirgsmarsch nach Osten zur Fasugüfarm Külange
und geht dann nachmittags allein nach Fasugü weiter, um dort meine
Ankunft für morgen zu melden. Der Marsch lässt uns das Gebirge
überschreiten, doch stellt dasselbe hier nicht so sehr einen Kamm
als vielmehr den Abfall einer muldenartigen, unebenen Fläche dar,
an deren tiefstem Punkt wir mehrere kleine Bäche überschreiten.
In Kelange rasten ebenfalls einige mohammedanische Händler, die
durch ihr fortgesetztes lautes Beten und die dabei ausgeführten Be¬
wegungen meine Aufmerksamkeit erregen.
Am folgenden Tage gelangen wir schon früh nach Fasugü. Der
Ort liegt lang gestreckt am Abhang einer Bergkette und zählt
ziemlich genau 700 Llütten, von denen sich diejenige, welche als
Eintrittshalle zu dem Gehöft des Häuptlings dient, durch ein auf die
Spitze aufgesetztes Straussenei auszeiclmet. Vor dem Ort werden
wir durch einige Abgesandte des Häuptlings eingeholt und dann folgt
nach einigem Warten der grosse Empfang beim Häuptling Ula Yabö.
In der als Pferdestall dienenden Eintrittshalle sitzt der Häuptling,
umgeben von allen seinen Grossen, angethan mit einem mit Gold¬
tressen besetzten rothseidenen Kaftan, auf dem Kopf einen mit Blech¬
platten besetzten, langen rothen Fes mit blauer Quaste, auf einer mit
bunten Lederkissen belegten Lehmstufe. Jetzt und bei jedem späteren
Zusammensein spricht er über den Handel von Fasugü. Salaga sei
nicht mehr vorhanden, in Kratyi begegnen seine Händler tausenderlei
Schwierigkeiten, er würde es daher gern sehen, den Handel nach
Süden nach Adele, Kebu, Atakpame, Pessi u. s. w. zu tragen. Doch
seien die Verkehrsverhältnisse dort, und besonders in Adele, keines-
— 263 —
mit etwa 2000 Hütten, Nyangba mit 1500, Naparba, Wodande und
Kore mit je 1000 und Enungalibe mit etwa 800 Hütten. Ausser
diesen Orten, von denen einzelne wieder aus mehreren Dörfern be¬
stehen, sah ich noch acht andere Stadttheile. Im Ganzen mag Bassari
wohl 10000 Hütten mit wohl sicher gegen 40000 Einwohnern zählen.
Es hat sich nach aussen hin ganz abgeschlossen und ist weithin als
Räubernest verrufen. Da Ilaussas so gut wie nie hierher kommen,
fehlt den Bassaris ganz die Kenntniss von europäischen Waaren.
Die Männer gehen nur sehr kümmerlich mit einem Fell bekleidet.
Junge Mädchen sah ich roth gefärbt einhergehen. Weiber, welche
Zeuge gebrauchen, um sich ihre Säuglinge auf dem Gesäss fest¬
zubinden, erhalten von den Tshayos einheimische Tücher, da die
Bassaris keine Weberei kennen. Die Tshayos kommen nach Bassari,
um hier Eisenwaaren zu kaufen, die sie dann auf die Märkte von
Adele, Anyanga, Adjuti und Pessi bringen, von wo sie — meist sind
es Hacken — zur Zeit der Feldbestellung dann massenhaft nach Kebu,
Akposso, Tribu u. s. w. verkauft werden. Bassari war der erste Ort
in Togo, wo ich Eisen habe bearbeiten und gewinnen sehen. Selbst
die Nacht hindurch tönt das laute Pochen fortwährend, das durch
das Zerschlagen der eisenhaltigen Felsstücke mittelst grosser Steine
hervorgerufen wird. In Naparba allein sah ich wohl ein Dutzend
Schmieden. Der Blasebalg steht hier keinen Augenblick still, und
immerfort werden Wallen fertiggestellt, ohne die kein Bassari sein
Dorf auch nur um wenige Schritte verlässt. Besonders fiel mir ein
krummes breites Dolchmesser mit Holzgriff auf. Doch konnte ich
kein einziges Stück davon für die Sammlung kaufen, obwohl sie
massenhaft auf den Märkten feilgeboten wurden. Von solchen Märkten
hatte ich während meines Aufenthaltes in Bassari Gelegenheit, den
von Naparba und den bei Kore kennen zu lernen. Sie werden beide
nachmittags von etwa 3 Uhr an und zwar stark besucht. Die Weiber
sitzen auf grossenSteinen und halten ihre meist in Gemüsen bestehenden
Waaren feil. Besonders stark wurde eine mir bis dahin unbekannte
Art Kolbenhirse gekauft. Auch sah ich stets sehr viel Bier ausbieten,
das gleich dort ausgeschenkt wurde. Was ich nie wo anders im
Togohinterland gefunden hatte, sah ich hier vielfach ausbieten: Butter
und Käse! Allerdings liess der grosse Reichthum an Herden, die
zum grössten Theil aus in steinernen Umwallungen untergebrachten
Rindern bestanden, auf ausgiebige Milchgewinnung schliessen. Acker¬
bau und Viehzucht werden überhaupt sehr lebhaft in Bassari betrieben.
Noch mehr aber sind die Bassaris als Jäger bekannt. Von zehn
Bassarimännern hatten sicher zwei immer schöne Leopardenfelle als
Kleidung. Pferde giebt es in Bassari nicht.
Mitth. von Forscliungsreisenden, VIII. Band. IV.
18
264
Während meiner Anwesenheit in Naparba und dann in Kore
habe ich stets reichlich zu essen gehabt: frisches Fleisch, gedörrten
Fisch, Yams, Bohnen, Butter, Käse und — was als Seltenheit her¬
vorgehoben werden muss — stets Ueberlluss an frischen Eiern, da
die vielen Perlhühner, die hier das gewöhnliche Haushuhn fast ganz
verdrängen, vorzügliche Legehennen sind. Auch will ich erwähnen,
dass das Trinkwasser einen leicht salzigen, aber angenehmen Ge¬
schmack hatte.
Nach langem, vergeblichem Hin- und Plerpalawern gelang es mir
endlich, meinen Besuch bei dem schon sehr alten Naparbahäuptling
Atakrä machen zu können, und nachdem ich ihn reich beschenkt
hatte, wurde ich bald gut Freund mit ihm. Ich machte ihm klar,
wie es seinen Landsleuten doch schade, sich von allem Aussenverkehr
abzuschneiden, wie die Fremden doch nur Handel vermitteln wollten
und so Gutes für das Land thun wollten. Endlich hatte ich die
Genugthuung, ihn zu überzeugen. Er sagte mir, ich hätte Glück
gehabt, nicht früher gekommen zu sein. Noch vor kurzer Zeit, als
einer seiner Brüder, der Häuptling eines anderen Bassaridorfes, noch
am Leben war, wäre ich nicht lebendig aus Bassari hinausgekommen;
doch dieser sei vor einiger Zeit durch einen Pfeilschuss von einem
Haussa getödtet worden, der an ihm die Ermordung eines Lands¬
mannes rächte. Dass schon früher einmal ein Weisser durch Bassari
gekommen sei, behauptete er nicht zu wissen. Hatte man doch auch
mich nicht als Europäer, sondern als Haussahändler bei ihm angemeldet.
Atakrä hielt eine grosse Rede an mich und das umstehende Volk,
die in den Worten gipfelte, meine Anwesenheit und die dadurch an¬
geknüpften freundschaftlichen Beziehungen der Bassaris zu einem
Fremden würden bewirken, dass das beständige Blutvergiessen in
ihrem Lande aufhöre. „Menschenblut“, sagte er, „wird hier nur noch
fliessen, wenn eine Frau gebärt oder ein Löwe einen Feldarbeiter
zerreisst!“ üebrigens war es mit den von ihm erwähnten freund¬
schaftlichen Beziehungen zwischen seinen Leuten und mir doch eine
eigene Sache, und ich konnte froh sein, den Alten, der eine ziemlich
grosse Macht über seine Unterthanen zu haben schien, für mich
gewonnen zu haben; denn sonst wäre es mir wohl noch schlecht
während der unangenehmen Tage in Naparba ergangen. Unser
Gehöft war ständig der Schauplatz tumultuarischer Auftritte. Gegen
50 Eingeborene trieben sich stets in demselben herum, uns durch
allerhand Frechheiten belästigend. Schob man auch nur einen bei
Seite, um selbst Platz zu bekommen, so zog das Pack sofort die
Messer, ein wüstes Geschrei erhob sich, und im Nu waren wir von
einer Menge Bewaffneter umringt, die uns zu Leibe gehen wollten.
Manchmal verdankte ich es da nur dem Einschreiten Atakräs, dass
265
die geplanten Feindseligkeiten unterblieben, deren Ende nicht zweifel¬
haft sein konnte. Nur mit unendlicher Geduld, die ich auch stets
meinen Leuten predigen musste, konnte man hier auskommen. Meine
Hütte war so dunkel, dass an Arbeiten in derselben gar nicht gedacht
werden konnte. Sobald ich aber meinen Feldtisch in einem der
winzigen Höfe aufschlug, stürmte sogleich eine Menge Zuschauer, die
stets schreiend über die niedrigen Lehmmauern zu gucken pflegte,
in das Gehöft, betastete den Tisch oder warf ihn gar um und benahm
sich so ungenirt, dass ich sie gar nicht loswerden konnte. Jeder
wollte bezahlt oder beschenkt sein, ehe er das Haus verliess, jeder
wollte ein Geschäft machen und schrie dabei so laut als möglich.
Viele kamen bewaffnet in die Häuser, und Palawer und Prügeleien
hörten nie auf. Dabei log der uns als Dolmetscher dienende Ein¬
geborene beständig und verlangte dann unter Androhung von Gewalt
überhohe Bezahlung. Dann kamen wieder prahlende Leute, welche
meine Weijungen aufforderten, mich ihnen auszuliefern, dann würde
man sie am Leben lassen. Ich aber sei kein Mensch wie sie, dass
heisst kein Schwarzer, und müsse daher getödtet werden. Von den
entfernteren Orten kamen wiederholt bewaffnete Banden nach Naparba,
die Leute dort zu unserer Niedermetzelung aufzufordern.
Fragt man einen Bassari, welche Land- und Ortschaften sich
nördlich von seiner Stadt befinden, so wird man die Antwort erhalten:
Timmu! Doch nennen die Fasugüs auch die Gegend von Bassari
Timmu, und ein Tshayo, der nach Adele kommt, sagt, er käme von
Timmu. So glaube ich, dass „Timmu“ nichts weiter bedeutet als
„Norden“. Obwohl mir schon lange klar war, dass ich nicht über
ßassari hinauskommen würde, erkundigte ich mich doch nach dem
Wege nach Norden, nach „Timmu“. Zwei Tage nördlich von Bassari
soll eine nicht unbedeutende, zu Yendi gehörige Landschaft Käbu
liegen, die dem Fremdenverkehr geöffnet ist und aus der die Yendis
Elfenbein holen sollen. Auf dem Wege nach Käbu trifft man das
seines Viehreichthums wegen von den Salagahaussas stark besuchte
Kotoche.
Der Oberhäuptling von Bassari hatte mich bisher nicht empfangen
und wollte mich auch nicht empfangen. Doch war ich der Meinung,
schon lange mit ihm in Unterhandlungen zu stehen, da wiederholt
Leute bei mir erschienen waren, die sich als Boten ihres „Königs“
ausgegeben hatten. Erst zu spät bemerkte ich leider, dass ich an¬
geführt worden war und dass die Gesellen nur ein möglichst grosses
Stück Kattun als Geschenk für die „Königsboten“ zu erwerben gehofft
hatten. Als ich dies erfuhr, beschwerte ich mich in heftigen Worten
■bei Atakrä über das, was ich erfahren hatte, und kündigte ihm an,
dass ich den Ort verlassen würde, ohne den Oberhäuptling Tagbä
18*
266
gesehen zu haben, da ich nicht geneigt sei, mich als „Buschmann“
behandeln zu lassen. Der Greis bat mich aber, doch noch einen Ta»-
. 7 Ö
wenigstens zu warten; Tagbä würde es ihm sicher nie verzeihen,
wenn er mich, der so reiche Geschenke gäbe, aus Bassari fortlasse,
ohne dass auch für Tagbä ein paar Meter Stoffe abgefallen seien.
Zum Schluss fügte er mir, dem Ungeduldigen, den Rath hinzu: „Wenn
du eine Schlange fangen willst, so warte geduldig, bis die Zeit zum
Zutassen günstig ist. Wenn du Tagbä von Bassari zum Freunde
haben willst, so warte ebenfalls auf einen für deine Pläne günstigen
Augenblick !“ Das that ich denn auch und gab noch einen Tag zu
meinem Aufenthalt zu. Atakrä theilte dies sofort Tagbä mit, und
noch an demselben Abend erhielt ich Botschaft von letzterem, dass
er mich am folgenden Tage empfangen wolle. Doch wolle er vorher
wissen, was meine Absicht sei. Ich liess ihm ohne Umschweife er¬
klären, dass ich die deutsche Schutzherrschaft auch über sein Land
erstreckt sehen möchte, damit die von den Bassaris geschlossene
Handelsstrasse von Yendi nach Sakodai und Lau (oder Sugu) wieder
geöffnet werden möge. Am nächsten Morgen liess er mir wieder
sagen, er würde in meiner Gegenwart die Dorfältesten seiner Stadt
über meinen Plan befragen. Dann kam all der Aerger, der stets
dem Empfang bei einem afrikanischen Grossen oder sich gross Dün¬
kenden vorhergeht: langes Warten, Drohen mit sofortigem Abmarsch,
Vertröstungen, Ungeduld und Aerger, Boten, die mit nichtigen Ein¬
wendungen kamen u. s. w. Erst als ich wirklich Ernst machte, ab-
zumarschiren, erschien eine Botschaft, die mich in Tagbäs Dorf Kore
geleiten sollte. Vor unserem Aufbruch aber erschienen zwei Ein¬
geborene, die sich schon recht gut mit uns augefreundet hatten, und
verlangten eine Unterredung mit mir. Der eine warf sich vor mir
nieder und beide erklärten, dass sie meine aufrichtigen Freunde seien.
Aber gerade deswegen könnten sie mir das nicht verschweigen, was
gegen uns im Werke sei. Man beabsichtige einen Ueberfall gegen
uns auf dem Wege nach Kore. Der Weg führe durch volkreiche
Ortschaften und die Bewohner derselben wollten uns Alle nieder¬
macheu. Die Botschaft Tagbäs sei erlogen. Derselbe wisse noch
gar nichts über mich. Das Beste sei, so schnell als möglich nach
Süden abzumarschiren. Ich verheimlichte diese Botschaft meinen
Leuten, um nicht neue Furcht in ihnen aufkommen zu lassen, und
gegen 3 Uhr nachmittags marschirten wir wohlgemuth nach Norden.
Der Weg führte durch eine äusserst anmuthige Gegend. Zur Rechten
erhob sich nur wenige Hundert Meter entfernt das Gebirge, auf dessen
grünen Hängen zahlreiches Rindvieh weidete. Links, soweit das
Auge reichte, saftige Wiesen mit niedrigem Gras und dicken, hell¬
grauen Baobabstämmen. Vor uns einige nahe Bergzüge. Ueberall
267
aber Dorf an Dorf, aus denen uns viele Neugierige, den unvermeid¬
lichen, aus einem ganzen Ziegenbalg bestehenden Ledersack über der
Schulter, das Geleit geben. Nachdem wir einige Male aus Achtung
vor dem hohen Herrn, dessen Residenz wir uns näherten, hatten
halten müssen, erreichten wir Kore, wo uns ein Gehöft angewiesen
wurde. Was den Empfang bei Tagbä anlangte, so wurden wir auf
den folgenden Tag — den 7. Juni — verwiesen. Doch schickte uns
Tagbä noch abends Boten, welche uns die Erlaubniss bringen sollten,
auf Jeden zu schiessen, der sich etwa nachts unserem Gehöft nähern
würde. In Kore haben wir nicht mehr so sehr unter der Frechheit
der Eingeborenen zu leiden gehabt. Ich kam sogar dazu, eine Stern¬
beobachtung zu machen. Nur einmal kam es zu Yerdriesslichkeiten,
indem nämlich ein Haufe Friedensstörer uns von aussen her mit einem
Hagel von grossen Feldsteinen bombardirte.
Der 7. Juni kam und mit ihm die offenbar erlogene Nachricht,
ein Kind Tagbäs sei diese Nacht gestorben, der Häuptling könne
mich in seinem Schmerz heute nicht empfangen. Ich erklärte darauf
sofort, dass ich abmarschiren würde. Während meine Leute nun ihre
Lasten unter grossem Volksandrang packten, trat ein Alter vor und
sagte mir, er hätte gehört, der Zweck meines Kommens sei das Ab-
schliessen eines Vertrages. Wenn ich nun ohne einen solchen fort¬
ginge, was würde dann der sagen, der mich zu diesem Zweck entsandt
habe? Nach längerer Auseinandersetzung begab sich dann eine Bot¬
schaft zu Tagbä, um ihn zu bewegen, seine Trauer etwas abzukürzen.
Sofort liess er mir sagen, ich solle doch noch bleiben, er verspräche
mir sicher den Empfang für den folgenden Tag, selbst wenn ihm
nachts noch ein Kind sterben sollte. Ich blieb daher geduldig noch
einen Tag länger. Es regnete den ganzen Tag, und ich war ge¬
zwungen, in der kleinen Hütte mit ihrem winzigen Thürloch zu ver¬
weilen. Diese Thürlöcher sind höchstens zwei Fuss hoch und U/2 Fuss
breit, dazu so hoch über der Erde angebracht, dass man schon
gymnastische Vorkenntnisse haben muss, um in den Hütten Bassaris
aus- und eingehen zu können. Der Grund für diese Einrichtung ist
in der Unsicherheit des Landes zu suchen. In einzelnen Gebieten
soll man, wie mir gesagt wurde, sogar innerhalb der Hütten stets
feuchten Lehm vorräthig haben und nachts die Thüröffnungen mit
demselben vermauern, damit niemand in das Innere der Hütte Pfeile
schiessen kann.
Am anderen Tage wehte über Bassari die schwarz- weiss-rothe
Flagge! Vormittags war nach langem Warten und nachdem ich
mehrfach von einem Ort zum anderen geführt worden war, der grosse
Empfang, der im Freien stattfand. Zuerst wurden mit je viertel¬
stündigen Pausen die Matte, das Kissen und eine Kuhhaut gebracht,
dann erschien Tagbä selbst. Er kam zu Fuss, umgeben von einer
Menge jubelnden Volks, begleitet von vielen Bewaffneten und grossem
Gefolge. Er war mit einer Haussatobe bekleidet und trug einen
Turban, der fast das ganze Gesicht bedeckte. Sein „Sprecher“
hielt eine lange Rede, in welcher er hervorhob, dass, solange
Bassari bestände, noch nie ein Fremder vor den Augen des Herrschers
erschienen wäre. Darauf wurde an die anwesenden Unterhäuptlinge
die Frage gerichtet, ob sie die deutsche Schutzherrschaft annähmen.
Ein alter Mann erhob sich darauf und sagte, allerdings nicht ohne
Widerspruch, dass es ihm und wohl den meisten Anderen erst jetzt
bei meiner Anwesenheit klar geworden sei, wie viel ihnen die Weissen
doch bringen könnten. Er bäte Tagbä, meinem Wunsche zu will¬
fahren. Tagbä liess darauf um die deutsche Flagge bitten. Ich liess
eine holen, die unter drei Salven meiner paar Leute aufgepflanzt
wurde. Darauf wurde Bier herbeigeholt, und es begann nun ein
grosses Festtrinken. Am Nachmittag sandte Tagbä mir seine Ge¬
schenke: ein Schaf, Guineakorn, Hirse und ein paar Riesentöpfe mit
Bier. Im Ganzen mögen mir in Bassari wohl 400 1 Bier, das
aber nicht so gut ist wie das Pessibier, geschenkt worden sein. Am
folgenden Tage empfing Tagbä meine Geschenke und liess es sich
von mir schriftlich geben, dass er nun unter deutschem Schutze stebe.
Am 10. Juni verliess ich unter „amtlichem“ Geleit Bassari auf
demselben Wege, den ich gekommen war. Ganz spät erfuhr ich noch,
dass Tagbä selbst ein Fremder sei. Die Sitte, dass die Sprecher
stets Fremde sein müssen, hatte ich schon in Suruku kennen gelernt.
In Bassari aber herrscht der Gebrauch, die Königswürde nicht zu
vererben, sondern ihre Verleihung vom Zufall abhängig zu machen:
von drei Steinen eines bestimmten schattigen Platzes wird einer aus¬
gesucht und der erste Fremde, der sich auf dem ausgesuchten zum
Ausruhen niederlässt, wird mit Jubel zum König ausgerufen. Tagbä
ist ein Tshayo, der vor Jahren nach Bassari kam, um Eisenwaaren
gegen Gewebe einzuhandeln.
Als ich am 10. Juni bei den südlichsten Feldhütten Bassaris Halt
machte, zeigte mir ein Vorfall wiederum, wie unsicher doch diese
ganze Gegend für den Reisenden ist. Ich war, um Perlhühner für
mich und meine Leute zu schiessen, in einen nahen ßachwald ge¬
gangen. Plötzlich gewahrte ich drei Schwarze, welche wüthend
schreiend, Pfeile und Bogen in der Hand, auf mich zu liefen. In
meiner Nähe angekommen, legten sie sofort auf mich an. Ich that
dasselbe, und vermuthlich wären wohl Schüsse gewechselt worden,
wenn nicht mein Koch, den ich bei mir hatte, schnell mit seinem
Gewehr mir zur Hülfe geeilt wäre, worauf die drei Leute davonliefen.
Am nächsten Tage kam ich wieder nach Kwakwamuri. Ich hatte
269
geglaubt, dass es diesmal zu ernsten Feindseligkeiten daselbst kommen
würde. Doch war das ganze Dorf leer, fast die ganze Bevölkerung
war auf den Feldern. Nur der alte Häuptling Peu sass in seinem
Hof und trocknete in der Sonne einige Dutzend frisch vergifteter
Pfeile. Nachdem er gehört, wie es uns in Bassari ergangen, bat
auch er mich um die deutsche Flagge, die ich ihm auch aushändigte.
Ein tüchtiger Marsch brachte uns am folgenden Tage nach
Fasugii. Ich war meinen Leuten weit vorangeritten und wurde mit
grösstem Staunen empfangen. Niemand wollte es glauben, dass wir
unversehrt aus Bassari zurückgekehrt seien. Als ich dies aber ver¬
sicherte. liess der Häuptling sofort für meine Leute Bohnen kochen,
ich erhielt zwei Schafe und Yams geschenkt, und immer wieder
kamen Leute, die sich die Nachricht bestätigen Hessen, dass wir noch
unsere Köpfe auf den Hälsen hätten. Ich benutzte den Abend dazu,
den Häuptling zu bewegen, von nun an Bassaris, die zur Station mit
Kautschuk oder Vieh wollten, freien Durchzug zu gewähren. Anfangs
wollte er davon nichts wissen, und es bedurfte vielen Zuredens, bis
er mir zugestand, solche Bassaris durchziehen zu lassen, die das
Papier mit sich führten, das ich Tagbä gegeben hatte. Dass ich
letzteren selbst gesehen, wollte er gar nicht glauben. Schliesslich
sagte er, er müsse die Thatsache, dass zum ersten Mal Verkehr
zwischen Bassari und Fasugii stattgefunden habe, feiern, und liess
mir noch einen Ochsen schlachten. Jedenfalls waren die Schilderungen,
die er und seine Leute mir von der Gefährlichkeit der Bassaris ge¬
macht hatten, übertrieben gewesen.
Ich konnte mich nun nicht mehr länger aufhalten, iiberliess daher
das Verspeisen des mir zugedachten Ochsen den Fasugüs selber und
brach trotz des Widerspruchs des mir wegen meines Aufbruchs
grollenden Häuptlings auf. Nach zwei Tagen erreichte ich Kue und
war am 16. Juni wieder wohlbehalten in Bismarckburg.
7. Reise durch Boem nach Kratyi.
Boem gehört zu den mächtigsten Landschaften des deutschen
Togogebiets. Der Oberhäuptling Akpanya, welcher in Borada resi-
dirt, hat sich durch mehrere siegreiche Kriegszüge einen gefürchteten
Namen gemacht. Er dürfte im Stande sein, 2000 bis 3000 mit Ge¬
wehren bewaffnete Krieger aufzustellen. Aber der Macht des Landes
entspricht auch seine Intelligenz und sein Wohlstand. Es ist in den
reichen Waldungen Kautschuk in Menge vorhanden, und dieser mag
wohl ursprünglich das Lockmittel gewesen sein, das die Händler in
solchen Mengen in das Land gezogen hat. Jetzt aber erscheint Boem
noch wichtiger als Absatzgebiet für die in unglaublich grossen Mengen
eingeführten europäischen Waaren. Die Bevölkerung Boems ist reich,
270
und die Händler finden daher bedeutenden Absatz für ihre Waaren.
Wie die Tracht der Eingeborenen, die fast alle über europäische
Kleidung verfügen, ganz an die doch immerhin acht Tagemärsche
entfernte Küste erinnert, so tragen auch die schönen, eckigen Lehm¬
häuser mit Fenstern und Fensterladen ganz den Charakter der Wohn¬
häuser der Küstenneger. Die Strassen sind breit und schattig, und
die Verbindungswege zwischen den Dörfern oft — wie z. B. zwischen
den beiden Gyeasekangs — sogar mit Abzugsgräben versehen.
Jeder Reisende muss erstaunt sein, in ein äusserlich so civilisirtes
Land zu kommen.
Boem ist zum grössten Theil mit Hochwald der prächtigsten Art
bedeckt. Es ist dies derselbe grosse im Mittelpunkt des heutigen
Togo gelegene Wald, welcher viele Tagereisen weit Tribu bedeckt,
von den westlichsten Gebirgsketten bis nach Ivebu hinein und dann
über Boem bis in die schöne Landschaft Kunya. Ist aber der riesige
Gebirgswald in Tribu der Schrecken des Reisenden, da er hier nur
ganz langsam vorwärts kommt, so ist der Boemwald von schönen,
schattigen und breiten Wegen durchschnitten.
Von dem mir schon von meinem Aufenthalt im Juli 1894 her
bekannten Gyeasekang-akura führt der Weg meistens durch Hoch-
wald in nordwestlicher Richtung über Atonko und Kudyi über den
Oberlauf des Konssu auf zwei Gebirgsketten los, von denen man die
eine zur Rechten, die andere zur Linken hat. Letztere läuft schräge
auf die Marschrichtung zu, und schliesslich steigt der Weg ziemlich
steil zu dem Gebirgszug an, auf dessen Kamm das grosse Worawora
liegt. In der reizend gelegenen Mission fand ich eine sehr freund¬
liche Aufnahme bei dem liebenswürdigen Missionar Clerk. Man
sieht von hier aus den breiten Pass nach Adele, der zwischen dem
„Schafstein“ (Oboguang) und dem „Blitz“ (Oprama) sich öffnet, so¬
wie das sich ganz um Worawora herumziehende Gebirge, dessen
tiefste Stelle den Pass nach Kratyi andeutet. In Worawora wird
Assanti (Tshi) gesprochen, doch versteht natürlich Jedermann, kleine
Kinder ausgenommen, auch Boem, ebenso wie im übrigen Boem
Jedermann auch Tshi versteht. Von Worawora führt ein Weg über
Asuto und Kagyabi nach Adele, einer über Amanya nach Tappa,
einer über Akkre, Eni-Akrada und Frikoso nach Konyokrum und
einer über Bowiri, Odomi, Apato und Sando-Koffi nach Lullobi.
Am Nachmittage desselben Tages verabschiedete ich mich von
meinem freundlichen Wirth und brach noch weiter nach Nordwesten
auf. Kommt man von Boem, so hat man nicht allzu viel zu steigen,
jedoch geht es nach Ueberwiudung der Passhöhe tief bergab, da Boem
weit höher als Kratyi liegt. Bald darauf erreichte ich den Assuoko
(eigentlich Assuokoko „auf dem rothen Wasser“, gewöhnlich aber
ganz kurz, etwa wie Asbyoko gesprochen der hier etwa 40 m breit
ist. Nahe beiden Ufern liegt je ein gleichnamiges Dörfchen: in dem
westlicheren derselben blieb ich zu Nacht.
Am anderen Tage ging der Weg durch ebene, von wenigen
trockenen Bachbetten durchschnittene Grassavanne zu dem ersten
Kratyidorf, dem unbedeutenden Tuntum. das mit Adumadu durch
einen Pfad verbunden sein soll. Hier zweigt sich der Weg nach
Tappa ab. Am Nachmittage wurde dann der fast 200 m breite, etwa
1 1 2 m tiefe Oti durchschritten, und dann führte der W eg durch leicht
gewelltes Gelände, das durch mehrfache tiefe Erosionsschluchten
interessant war. So erreichten wir den Ort Motodia. wo zur Nacht
geblieben wurde.
Am anderen Morgen gelangten wir zunächst nach Ayierafie,
und bald darauf nach Makokwoe, von wo aus mir der Weg nach
Kratyi schon von meiner Beise im April her bekannt war.
E. Baumanns zoologische Sammlungen im Togogebiete.
Die Direktion der zoologischen Sammlung des Königlichen
Museums für Naturkunde in Berlin berichtet hierüber, wie folgt:
Ernst Baumann hat in den zwei Jahren seines Aufenthaltes
auf der Station Misahöhe durch seine unermüdliche Sammelthätigkeit
das Museum für Naturkunde durch zahlreiche gut konservirte Thiere
verschiedener Klassen bedeutend bereichert.
Säugethiere sammelte er 57 Arten: von diesen sind nicht
weniger als 31 zum ersten Male für Togo nachgewiesen, und fast
alle übrigen sind durch sehr interessante Jugendkleider vertreten:
Alles ist tadellos präparirt. Baumann hat es verstanden, die ihm
von dem Museum mitgegebene Belehrung zu einem zielbewussten
Forschen zu verwenden.
Von wesentlicher Bedeutung für die Kenntniss des Togoge' oietes
ist der durch Baumann geführte Nachweis, dass im Hinterlande
viele nordwestliche Arten auftreten und an die Stelle der für das
Küstenland charakteristischen Goldküstenformen treten. Wir wissen
durch ihn. dass das Hinterland von Togo, soweit es die Säugethiere
betrifft, viel mehr Verwandtschaft mit Abessinien als mit den am
Busen von Guinea liegenden Gebieten hat.
Die ornithologische Thätigkeit E. Baumanns im Togo¬
lande war eine höchst verdienstvolle. Seinem rastlosen Sammeleifer
ist es zu danken, dass über 100 V ogelarten für das Schutzgebiet neu
272
nachgewiesen worden sind, worunter zwei von ihm neu entdeckte
Spezies: Eremomela baumanni und Phyllostrephus baumanni (be¬
schrieben in dem Ornitholog. Monatsber. 1894 S. 157 und 1895 S. 96).
Es ist ihm ferner gelungen, von einer grösseren Anzahl von Arten
die bisher unbekannten Jugendkleider, Nester und Eier zu sammeln.
Das Königliche Museum hat durch Baumanns Sammlungen eine
sehr werthvolle Bereicherung erhalten. Ausserdem hat Baumann
wichtige Beobachtungen über die Lebensweise vieler Togovögel ge¬
macht, worüber sich zum Theil Notizen in seinen nachgelassenen
Tagebüchern vorfinden.
Reptilien und Amphibien sammelte E. Baumann gegen
200 Exemplare. Sehr anzuerkennen ist nicht nur das Verständniss,
mit dem gesammelt wurde, sondern auch der Pleiss, mit dem Beobach¬
tungen über Farbe, Lebensweise, Häufigkeit des Vorkommens der
Thiere zusammengetragen sind.
Seine Ins in Einzelheiten überaus sorgfältig behandelten
1 nsekten-Sammlungen sind so reich und so intei’essant, dass sie
nicht allein sehr viel für das Museum und für die entomologische
Wissenschaft vollständig Neues enthalten, sondern sogar ein brauch¬
bares Material zu einer vergleichenden Insektenfauna der Landschaft
Agome mit der einigermaassen bekannten der Nachbarlandschaft
Adele liefern. Baumanns Ausbeute allein an trocken konservirten
Schmetterlingen. Schnabelkerfen und Heuschrecken füllte
nach deren vollständiger Aufpräparirung über 70 grosse Sammlungs¬
kasten; davon entfielen rund 40 auf die Schmetterlinge und etwa
20 auf die Heuschrecken. Es ist bewundernswert!», mit welch liebe¬
voller Vertiefung in den subtilen Gegenstand und mit welch fach¬
männischer Ausdauer, der selbst grössere Schwierigkeiten nicht Halt
gebieten konnten, Baumann sich bemüht hat, besonders die von
ihm gesammelten Tagfalter und Springheuschrecken nach dem ersten
Bande der Insekten von Adele (Berlin 1893) zu bestimmen, und wie
er mit seltenen Ausnahmen das Richtige traf; für die übrigen
Insektenordnungen legen von dem gleichen Eifer Baumanns Unter¬
bliebene Manuskripte beredtes Zeugniss ab.
Bis jetzt konnte nur die Einordnung und Durchbestimmung der
B a um an nschen Schmetterlingsausbeute wesentlich gefördert werden;
von den zahlreichen neuen Arten derselben sind bereits 14 (6 Tag¬
falter, 8 Nachtfalter) von Professor Karsch beschrieben worden.
Vier neue Arten tragen Baumanns Namen; es sind das die drei
Tagfalter: Diestogyna ernesti-baumanni, Mycalesis baumanni
und Epitola ernesti sowie der Nachtschmetterling Pseudhypsa
baumanni.
Unter den von E. Baumann gesammelten Käfern waren eine
ziemlich grosse Anzahl für die Sammlung und die Wissenschaft neu.
Seine näheren Angaben über Fangzeit und Fundort, Lebensweise
der verschiedenen Arten u. s. w. sind sehr sorgfältig. Das von ihm
hinterlassene Tagebuch enthält biologische Aufzeichnungen über
298 Arten Käfer, welche für eine demnächstige Bearbeitung der
Coleopterenfauna von Misahöhe von grossem Werthe sind.
Von Mollusken hat E. Baumann 17 Arten gesammelt und die
meisten in Spiritus so gut konservirt, dass auch die Weichtheile noch
untersucht werden konnten; darunter namentlich zwei seltene und
für die Berliner Sammlung neue Arten: Hapalus guineensis
Jonas und Melania Mörchi Beck., sowie zwei auch für die
Wissenschaft neue Nacktschnecken, Dendrolimax continentalis
und. die neue Gattung Microcyclus baumanni Simroth, Reprä¬
sentant einer bisher nur aus Ostafrika bekannten Abtheilung in
Westafrika, daher von besonderem geographischen Interesse.
Bemerkungen zur Berechnung der astronomischen Ortsbestimmungen
des Premierlieutenants v. Doering in Togo.
Von M. Schnauder.
Die Berechnung dieser mit einem Hildebrandtschen Reisetheodolithen an-
gestellten Beobachtungen erfolgte unter Zugrundelegung des Werthes lp=l'.00
für das Höhenniveau, der vor der Abreise im Geodätischen Institut in Potsdam
ermittelt worden war. Auf Grund dieses Werthes geschieht die Befreiung der
Höhenkreisablesungen wegen Niveauangabe nach der folgenden Tabelle, deren
Argument die Summe der Blasenenden ist:
10p
4- 2’ 30" —
20 p
11
+ 20 —
19
12
+ 1 30 —
18
13
+ 10-
17
14
+ 0 30 —
16
15
o
O
15
Da an jedem Orte nur eine Zeitbestimmung angestellt ist, konnte kein
Uhrgang abgeleitet werden. Es wurden also für die Breitenbestimmungen die
Uhrkorrektionen so benutzt, wie sie aus der Zeitbestimmung folgten. Die
Unkenntniss über den Uhrgang vereitelt auch jede Längenbestimmung' durch
Zeitübertragung, was um so mehr zu bedauern ist, als die Vergleichung der
nach Sternzeit gehenden Beobachtungsuhr mit der nach mittlerer Zeit regulirten
überall streng durchgeführt ist, und als die verhältnissmässig kurzen Reisen
immer wieder zur Ausgangsstation zurückgeführt haben.
Die Genauigkeit der Breitenbestimmung ist bemerkenswerte Aus dem
gesammten vorliegenden und dazu geeigneten Material ergiebt sich als mittlerer
Fehler einer Doppelzeitdistanz (d. h. des Mittels aus einer Beobachtung bei
27.4
Fernrohr rechts und einer bei Fernrohr links unter Eliminirung des Zenithpunkt¬
fehlers) der Werth ± 20", und damit ergiebt sich für die ganze vorliegende
Beobachtungsreihe (zu venverthen sind 18 Stationen mit 120 Beobachtungen) als
wahrscheinlicher zufälliger Fehler des Mittels aus vier, sechs, acht Beobachtungen,
die sich auf beide Fernrohrlagen gleichmässig vei'theilen, zu bezw. ± 10”,
± 8", ± 7".
Bei den Stationen Tashi und Suruku war der Zeitstern nicht a Tauri,
sondern Jupiter, wie aus der Station Fasugü. in Verbindung mit den Uhrver¬
gleichungen und den Breitenbeobachtungen unzweifelhaft folgt.
Die Breitenbestimmung der Station Pusebu beruht nur auf einer Kreislage,
da die für die andere Kreislage gültigen Zahlen durch Brandschaden eines
Originalbeobachtungsbuches zerstört sind. Der Zenitlipunktfehler musste aus der
Zeitbestimmung abgeleitet werden.
Bei Ahamansu fehlen bei den beiden letzten Breitenbeobachtungen die
Zeitangaben, so dass auf drei Beobachtungen in der einen nur eine Beobachtung
in der anderen Fernrohrlage kommt. Als Resultat ist der Mittelwerth angenommen
worden, der entsteht, einmal, wenn das Mittel aus Fernrohr rechts und Fernrohr
links genommen wird, das andere Mal, wenn der Zenithpunktfehler aus der
Zeitbestimmung angebracht und dann das Mittel aus allen vier Beobachtungen
gewonnen wird.
Bei Dadease beruht die Zeitbestimmung nur auf einer einseitigen Ein¬
stellung, und der Zenithpunktfehler wurde aus der Breitenbestiramung herüber¬
genommen. Da aber diese fast völlig unabhängig ist von der angewandten
Uhrkorrektion, so wird das Resultat für die Breite nicht wesentlich gefälscht sein.
Werden für die Resultate die umstehend ermittelten wahrscheinlichen
u Grunde gelegt, so ergiebt
sich
Täshi .
+ 8°
41'.1
Suruku .
+ 8
45.3
F asugü .
+ 8
41.7
Shiföma .
+ 8
11.0
Dofoli .
+ 8
19.S
Pusebu .
+ 8
2.4
Abrewanko . . . .
+ 8
21.3
0 dorne in Atyuti . .
+ 8
19.4
Bismarckburg . . .
+ 8
11.4
Padji (östl. Dorftheil)
4- 7
55.4
Tutukple .
+ 8
5.6
Dambabing . . . .
+ 7
51.0
Dodö .
+ 7
50.6
Pampayoe ....
+ 7
49.1
Ahamansu ....
+ 7
42.8
Blumfu .
+ 7
43.7
Tshapüyi .
-4- 7
46.3
Kwakwamuri . . .
+ 8
56.8
Kore (nördl. Theil) .
+ 9
15.3
Dadease .
+ 8
13.8
8 Beob.
4 »
14 „
8 »
8 ,
3 „
8 ,
8 „
4 „
6 ,
8 „
6 v
4 „
6 „
4 „
6 *
6 „
6 »
8 „
4 „
± <
io
5
7
7
einseitig!
7
7
10
8
8
8
10
8
unsymmetrisch !
8
8
8
7
10
wahrscli. Fehler
Nach Abschluss der Berechnung obiger Beobachtungen gingen noch Orts¬
bestimmungen von weiteren Stationen ein, nämlich von Bismarckbnrg und von
einem Biwak am Wege Kete — Tutukple. An beiden Stationen wurde Zeit,
Breite und Länge beobachtet. Die Längenbestimmungen sind zwar berechnet
worden, sie ergaben aber ein zu unsicheres Resultat, um hier veröffentlicht
zu werden.
27.4
275
Die Zeitbestimmungen ergaben folgende Resultate:
— KO
— D.6
Bismarckbu rg.
1894 April 10. . . ß Librae Ost aU = + 0h 3m0ä.2
1895 Febr. 17. . . a Leonis Ost — 1 46 14.8
Febr. 25. . . Venus West — 1 46 23.0
Febr. 28. . . „ — 1 46 27.9
Wegen der Kleinheit der Uhrgänge wurden die Zeitbestimmungen direkt
weiter verwendet, um so mehr, als die Längenbestimmung am 28. Februar von
den beiden Zeitbestimmungen nach Venus West unmittelbar eingeschlossen ist.
Die Breitenbeobachtungen ergaben:
1895 Febr. 17. . a Argus Süd 3 Beobacht. <p = -f 8° ll'.l
, 25. . a „ ,6 „ +8° ll'.l
Früher war aus 4 Beobachtungen erhalten worden q> — -f- 8° 11'. 4
so dass im Mittel folgt <p = + 8° 11'.2.
Biwak am Wege Kete — Tutukple 1895 März 4. ("und 1894 April 27,/28.).
Es liegen drei Zeitbestimmungen vor, a Leonis Ost und a Tauri West, letzterer
Stern ist zweimal beobachtet worden, so dass die Längenbestimmung ein¬
geschlossen wird.
Die resultirenden Uhrkorrektionen, gerechnet mit <y = -+- 8° 4'. 7, sind :
« Leonis Ost — lll48m26s.7 1 im Mittel also AÜ = — lh48'“25s
« Tauri West — 1 48 23.2 J um 9h.l Uhrzeit.
Die Breitenbestimmung, acht Beobachtungen von « Argus, ergiebt cp = + 8° 4'. 7.
Die Zeitübertragung von Bismarckburg nach dem Biwak, mit vier Tagen
Zwischenzeit und unter Zuhülfenahme des letzten Uhrganges, gestaltet sich so:
AU Bismarckburg Febr. 28.
4 Tage Gang, ä — ls.6
AÜ übertragen nach Biwak
AU beobachtet im Biwak
Längendifferenz „ _
lh 46u> 28s
— 6
46
48
34
25
v ... lra 51s westl. Bismarckburg
= 27'.8 „
Nach handschriftlicher Mittheilung hat das Biwak, aus der Routenkonstruktion
folgend, 58,6 km S78°W von Bismarckburg gelegen, demnach ist die Längen¬
differenz 58,6 km cos 12° = 57,3 km = 31 '.2.
Bemerkungen zu der Karte;
Skizze der topographischen Aufnahmen in der Umgebung von
Bismarckburg durch Premier lieutenant v. Doering.
(Hierzu Karte 5.)
Die vorliegende Kartenskizze soll im Wesentlichen nur zur Erläuterung der
Reiseberichte v. Doerings dienen, sie macht auf eine volle Verwerthung
des von dem Reisenden mit grossem Fieiss aus der weiteren Umgebung von
Bismarckburg zusammengebrachten topographischen Materials keinen Anspruch.
Das Reisen in einzelnen dieser Gebiete, besonders in dem überaus gebirgigen
und unwegsamen Tribu, ist so schwierig, dass es hier mit flüchtigen Routen¬
aufnahmen nicht gelingen dürfte, ein zutreffendes topographisches Bild der durch¬
zogenen Gegenden zu gewinnen. Wenn man, wie zwischen Dambabing und
Pampayoe, häufig nur auf Händen und Füssen kriechend, fortwährend bergauf,
276
bergab durch dichten, jede Fernsicht hindernden Wald ziehend, vorwärts gelangen
kann, so wird eine bei solcher Gelegenheit hergestellte Routenaufnahme, weder
was Richtung noch was zurückgelegte Kilometerzahl betrifft, auf besondere
Zuverlässigkeit selbst beim besten Willen und Können des Reisenden Ansprüche
machen dürfen. Aus diesen Gebieten wird zum mindesten zunächst noch eine
grössere Zahl von zuverlässigen Breitenbestimmungen zu be¬
schaffen sein, ehe auch nur das allgemeine kartographische Bild einige
Zuverlässigkeit bieten wird. Auf einem Theil seiner Reisen, die in die Regen¬
zeit fielen, wie z. B. die nach Pessi, war Premierlieutenant v. Doering durch
das anhaltend ungünstige Wetter verhindert, astronomische Breiten zu beob¬
achten, so dass die Lage des wichtigen Ortes Pessi noch immer recht unsicher
ist, zumal auch der Punkt, an dem sich die beiden Routen des Reisenden auf
dem Hinmarsch von Digna nach Kornoyo und auf dem Rückmarsch von Kulaün
nach Okbande schnitten, nicht genau identifizirt werden konnte. Auch die Lage
eines bereits von Bato aus nach Norden zu sichtbaren, durch eine besonders
spitze Bergkuppe ausgezeichneten Bergsystems, das zwischen Mpoti, Dofoli und
nordöstlich vom Gilda zu liegen scheint, und von dem der Balia nach Norden
abfliesst, konnte nicht genau ermittelt werden. Recht unsicher erscheint auch
noch die Darstellung der Route zwischen Kete und Borada über Worawora.
Hier waren besonders an den Otiufern die Darstellungen v. Frangois’, des
Missionars Mischlich, dessen Material von der Leitung der Basler Mission
gütigst zur Verfügung gestellt war, und v.D oerings kaum zu vereinigen, auch
die Namen der Dörfer sehr abweichend. Missionar Mischlich ist übrigens,
was auf der Karte der Unklarheit der topographischen Situation wegen nicht
angegeben ist, von Kofipanyin auf dem linken Otiufer nach Nordwest marschirt
und erst in der Nähe von Ayerafie auf das rechte Ufer übergetreten.
Da aus dem Hinterlande von Togo zuverlässige Längenbestimmungen immer
noch fehlen — die von Dr. Grüner sind noch nicht berechnet — , so wurde die
alte Länge von Bismarckburg beibehalten. Aus der neuerdings recht sicher
ermittelten Länge von Misahöhe und den Routenaufnahmen v. D oerings
zwischen Misahöhe und Bismarckburg könnte geschlossen werden, dass sich die
definitive Länge dieses Ortes um etwa 10' westlicher lierausstellen wird, als
bisher angenommen wurde. Jedoch ist die mittlere Marschrichtung einer etwa
eine Woche dauernden Reise durch sehr gebirgiges Terrain eine zu unsichere
Grundlage, um darauf hin Längenverschiebungen vornehmen zu können. Der
kleine Maassstab der Karte gestattete nicht die zahlreichen Reisen v. Doerings
in der unmittelbaren Umgebung von Bismarckburg vollständig wiederzugeben.
Die Darstellung des Gebietes westlich von Bismarckburg am Sabu hat gegen
die Karte der Klingsclien und Wolffschen Reisen (Mitth. 1893, Tafel 2) eine
erhebliche Aenderung erfahren, indem hier das Gebirgsland 'zwischen Odome
und Odumase, das man nach den früheren Darstellungen Klings hier vermuthen
musste, verschwunden ist bezw. eine erhebliche Einschränkung erfahren hat.
Die Lage der Orte Goklong und Keri zu der Route Koü — Paua ist eine recht
unsichere und bedarf einer gelegentlichen Prüfung durch erneute Aufnahmen
an Ort und Stelle.
Die von früheren Karten zum Theil erheblich abweichende Schreibart der
Namen (z. B. Tutukple statt Dutukpenne, Ketsiebi statt Ketshebi, Nyamo statt
Niamvo, Abrewanko statt Abronko u. s. w.) beruht auf den Angaben der sprach-
und landeskundigen Missionare in Worawora. v. D.
Aus dem Schutzgebiete Kamerun
Ueber das Gebiet zwischen Mundame und Baliburg.
Aus einem Briefe von G. Conrau.
im Anschluss an seine früheren Schilderungen (vergl. Mitth. 1894
S. 99) und zur Berichtigung der bei dieser Gelegenheit veröffent¬
lichten Kartenskizze jenes Gebietes tkeilt Herr G. Conrau neuer¬
dings Folgendes mit:
„Im Januar 1895 nach Mundame zurückgekehrt, hatte ich Ge¬
legenheit, meine Wegkarte von Mundame nach Bali zu bereichern
und zu berichtigen, da ich in Handelsangelegenheiten letzteren Ort
wieder besuchte. Ich habe mein Augenmerk namentlich auf das
Flusssystem gerichtet und in den verschiedensten Orten und bei
einer grossen Anzahl von Leuten meine Erkundigungen eingezogen.
Der Weg von Mundame nach Bali berührt drei Stromgebiete,
das des Mungo, des Calabar und des Benue. Zunächst wandert man
in dem des Mungo von Mundame bis Köbum (nicht Koko uma). In
Köbum, der Wasserscheide des Mungo und Calabar, wird der Mungo
Nale genannt. Heber sein Quellengebiet konnte ich nichts in Er¬
fahrung bringen. Nördlich von Köbum stösst man auf einen grösseren
Bach, den Makuwe, welcher in den Mafömbe sich ergiesst. Letzterer
gehört zum Stromgebiete des Calabar und fliesst westlich von
Manyemen nach Norden.
Jener Fluss war auf meiner Karte unrichtig gezeichnet, ebenso
wie der Mamfe bei Bakuni. Letzterer fliesst in einem Bogen westlich
und nordwestlich um Guti herum und mündet nordnordöstlich von
diesem Orte in den M’bu, den grössten Fluss des Banyanglandes. Dieser
vereinigt sich mit dem Manyu, welchen wir bei Banti zu überschreiten
haben. Der Mänyu ist dort noch nicht allzu gross, nimmt aber eine
Unmenge Bäche zwischen Banti und Fo Tabe II auf, unter denen
einige ziemlich bedeutend sind, so das Wasser östlich von Sabe.
Dieses ist mehr ein kleiner Fluss als ein Bach. Ebenso ist das
dritte Wasser, von den Farmdörfern westlich von Sabe gerechnet,
278
ziemlich gross. Bei der Vereinigung mit dem M’bu ist der Manyu
diesem wahrscheinlich an Wassermenge gleich und kann sehr wohl
den ferneren Lauf nach Westen und Südwesten bestimmen. Ein
Nebenfluss des M’bii ist der M’fii unmittelbar östlich Fo Tabe II.
Der Bach zwischen der alten Station und dem Balidorfe soll,
vereinigt mit dem Bache östlich von der Station, nach dem Lande
der Haussa fliessen, sagten mir die Balis, während die Bäche im
Südwesten zwischen Bali und Bamesong zum Stromgebiete des
Calabar gehören sollen. Der Name des Balibaches ist Fösse. Bali
ist also die Wasserscheide zwischen dem Calabar und dem Benue.
Ferner habe ich genau auf die Aussprache der Namen geachtet,
mir dieselben zu wiedeidiolten Malen vorsprechen lassen und ver¬
schiedene berichtigt.
Das Volk nördlich vom 300 bis 400 m hohen Sarkophag (N’da-ali)
heisst nicht Skiaha oder Kehera, sondern Keäkä. Das Banyangdorf
nördlich von Koko uma bezw. Köbum heisst Mänyimen, ferner Bame-
song nicht Babesong. Kebinde nicht Ikiliwindi u. s. w. Die Volks¬
stämme zwischen Mundame und Bali sind sehr durcheinander gewürfelt.
Mundame und Mokonge sind Balungdörfer. Die Balungs bewohnen
ferner das linke Mungoufer und grenzen dort an Bafärami. Die
Bafäramis haben runde Mattenhäuser. Mamban (nicht Mabanda),
Kumba, Kebinde, Bulö, Komböne, Köbum, Dikumi sind Bafodörfer.
Eingesprengt wohnen die Bakundus, welche auch Mungo abwärts
von Mundame verschiedene grosse Dörfer besitzen. Die Bakundus
sollen früher in der Nähe der Keakas gewohnt haben und von den
Komeu (Zweigvolk der Keakas) vertrieben worden sein. Die Banyang¬
sprache soll mit der Sprache der Keakas verwandt sein, während
die Bakundusprache ganz verschieden ist. Die Balungs, Bafös und
Bakundus haben viereckige Mattenhütten, innen oft mit Baumrinde
ausgekleidet. Von Mänyimen fangen die Banyangs an. Zwischen
diesen siud die Mabuni eingeschoben (Guti Fobia u. s. w.). Nord¬
östlich von Sabe wohnen die Bantileute. Alle diese haben Lehm¬
hütten, deren Grundriss ein Rechteck darstellt. Dann folgt der
Bamesong- und ßanyongestamm (Bali). Beide bauen Hütten, deren
Grundriss ein Quadrat darstellt.
Die Entfernung von Köbum bis Mänyimen dürfte auf unserer
Karte um 5 bis 6 km zu kurz sein.
Noch Einiges über Anthropophagie und Sklaverei. Anthropo-
phagen sind hier die Bakundu- und Mabumleute, ferner einige Stämme
nördlich von Bali, so die Bamitä u. s. w.
Die Bakundus, wahrscheinlich auch die Mabum, geniessen
Menschenfleisch, nicht weil sie es besonders schmackhaft linden,
sondern aus religiösen Rücksichten. Bei ihnen wie überhaupt bei
279
allen liier umwohnenden Negerstämmen befinden sich geheime Fetisch¬
verbindungen, welche einen ziemlichen Druck auf das gewöhnliche
Volk ausüben. Sie gestatten z. B. nur Leuten, welche den Verbin¬
dungen angehören, Hemden, Hüte, Röcke, Schirme u. s. w. zu tragen,
suchen jungen Leuten, welche sich durch Arbeit etwas erübrigt
haben, aber der Verbindung nicht angehören, durch allerlei Hokus¬
pokus ihre Schätze abzutreiben u. s. w. Stirbt ein Mann der Ver¬
bindung, so nimmt man dessen Sohn an seiner Stelle auf. Stirbt
bei den Bakundus ein Mann der Fetischverbindung, der zum dyudyu
gehört, wie die Neger sagen (dyudyu ist Zauber, Medizin), so wird
er nicht beerdigt, sondern verspeist. Man tödtet ihn in der Regel,
wenn er schwer krank ist und au seinem Aufkommen gezweifelt
wird, damit sein Fleisch nicht ungeniessbar wird. Wahrscheinlich
glauben die Leute, dass die Kraft des Todten in die Lebenden über¬
geht, indem sie ihn verzehren.
Anders ist die Anthropophagie der Bamita beschaffen, wenn die
Balis richtig unterrichtet sind. Diese scheinen Menschenfleisch aus
Liebhaberei zu gemessen. Man erzählt von ihnen unter Anderem,
dass sie sich als Leichenhyänen auf dem Schlachtfelde einstellen,
wo ihre Nachbarn ein Scharmützel ausgefochten haben, um die
Leichen der Gefallenen wegzuschleppen und zu verzehren.
Die Sklaverei im Kamerungebiete ist ziemlich milde, namentlich
in der Nähe der Küste, wo die Herren ganz machtlos den Sklaven
gegenüber sind. Letztere wohnen abgesondert von den Fx-eien in
besondei'en Dörfern. So erlebte ich hier, dass die Sklaven des
Makia in Mokonye, welcher sehr mächtig sein will, ihrem Heri’n
nicht gestatteten, in der Nähe ihres Dorfes Palmti'iebe für mich zu
schlagen. Das betreffende Baumaterial musste von einem anderen
Distrikt, der dem Makia selbst gehörte, liei'beigeschaift werden.
Die Balungs und Bafös gestehen es auch selbst ein, dass sie ihren
Sklaven gegenüber völlig machtlos und ganz auf deren guten Willen
angewiesen sind. Die Sklaven liier, meist Hochländer aus Bali,
Bamum u. s. w., sind physisch und auch geistig ihren Herren über¬
legen. Sie haben auch meist eine anständigei’e Gesinnung als diese.
Die Banyangs haben ihre Sklaven mehr unter ihrer Gewalt, nehmen
ihnen öfter ihre Hühner u. s. w. weg, indem sie sagen, ein Sklave
braucht kein Fleisch zu essen u. s. w. Die Häuptlinge halten sich
hier nur die Sklaven des Renommees wegen, um gross zu ei’scheinen.
Dabei kommt es oft vor, dass ein alter angesehener, thatkräftiger
Sklave sich wieder selbst Sklaven kauft und über dieselben in seinem
Dorfe herrscht. Stirbt ein Häuptling, so werden Sklaven getödtet,
um sein Gefolge im Jenseits zu bilden. Da die Sklaven aber meist
nicht gewillt sind, ihrem Herrn freiwillig zu folgen, so wird der
Mittli. von Forschungsreisenden, VIII. Baud. IV.
280
Tod desselben so lange geheim gehalten, bis man eine Anzahl der
Sklaven heimtückisch eingefangen hat. Oft soll es aber auch schon
zu blutigen Schlägereien gekommen sein, wenn die Sklaven vorher
Wind davon bekamen, in denen sie Sieger blieben. Dem Häuptling
von Köbum (Koko uma), Essömbe, der kurz, ehe ich nach Mundame
kam, gestorben war, sollen zwei Sklaven mit ins Grab gegeben
worden sein, nachdem sie mit dem Todten zusammengebunden und
ihnen Arme und Beine zerbrochen waren.
Viele der Hochlandstämme, wie die Balis (Banyonge), Bafönen
u. s. w., besitzen keine Sklaven. Alle Kriegsgefangenen wie auch
die Verbrecher verkaufen sie nach der Küste. Sie wollen keine
unsicheren Elemente in ihrer Nähe haben, die im Falle einer Fehde
zu dem Feinde überlaufen und diesen verstärken könnten. Diese
Leute sehen deshalb auch die Arbeit nicht als etwas eines freien
Mannes Unwürdiges an, wie die Duallas, Balungs, Bafos u. s. w.,
und werden vielleicht bei der ferneren Entwickelung der Kolonie
eine wichtige Bolle spielen. Auch haben die Hochländer eine viel
anständigere Gesinnung als die Stämme der Küste, namentlich die
Duallas.“
Meteorologische Beobachtungen aus Lolodorf, SM - Kamerun.
Die nachstehenden von dem Gärtner und Stationsvorsteher 0. Nette an-
gestellten Beobachtungen lassen erkennen, dass Lolodorf schon ganz in dem
südhemisphärischen Witterungs- und Regenregime liegt, wie es von Gabun
bekannt ist, mit einer kühlen und Haupttrockenzeit in der Jahresmitte. Nach
G. Zenkers Angaben liegt an der Küste die Grenze zwischen nord- und süd¬
hemisphärischem Regime zwischen Klein-Batanga und Malimba.
Die Station befindet sich fünf Tagemärsche von der Küste auf dem Gipfel
eines etwa 80 m relativ hohen Hügels im Lokundjethal und mitten im Gebirge.
Das Thermometer, über dessen Korrektion nichts bekannt ist, war im Freien
unter dem weit vorspringenden Dache des Wohnhauses nach Nordwesten zu in
Augenhöhe aufgehängt. Die Ablesungen desselben besitzen also nur einen
relativen Werth.
Die Temperaturmittel, aus dem Mittel der drei Beobachtungswerthe be¬
rechnet, dürften nach Ausweis der Begistrirbeobachtungen in Kamerun (vergl.
Mitth. 1890 S. 99) etwa um 0°.6 im Mittel zu hoch sein, so dass sich die wirk¬
liche Januartemperatur, abgesehen von dem durch die mangelhafte Aufstellungs¬
weise des Thermometers veranlassten Fehlerquellen, auf 24° .3, die Julitemperatur
auf 21°.3 und die mittlere Jahrestemperatur der Station auf etwa 22°. 6 stellen dürfte.
Bemerkenswerth erscheint die grosse Stärke der abendlichen Westwinde
im Juni und Juli. Es gehört diese Erscheinung wahrscheinlich zu jenem myste¬
riösen Gesammtphänomen der starken Abend- und Nachtwinde an der äquato¬
rialen Westküste Afrikas während der Trockenzeit im Juni bis Oktober, auf
die ich bereits 1884 (Memoire sur les observations meteorologiques faites ä Vivi
u. s. w. S. 37) die Aufmerksamkeit gelenkt habe mul für die bisher eine Er¬
klärung noch nicht gefunden wurde. Diese nächtlichen starken Winde sind in
Loanda, im Innern von Angola, im ganzen Kongothal bis Stanleypool, in Gabun
und im Okandeland am Ogowe beobachtet worden.
Meteorologische Beobachtungen aus Süd -Kamerun.
Station Lolodorf. h = etwa 500 m.
281
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November. . . .
Dezember ....
Januar .
Februar . . .
März (7Beob.Tage)
April .
Mai .
Juni .
Juli .
August .
September . . .
Oktober ....
November ....
Mittel
19*
282
Lolodorf.
Häufigkeit der Windrichtungen.
1893/94
N
NB
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SB
S
SW
W
NW
Stille
fehlt
Dezember . ,7a
2
1
1
1
2
24
2 p
1.5
1
3
2
3
5
11
3.5
1
—
9 p
2
1
2
2
3
6
8
2
5
—
Summe
3.5
4
5
4
7
12
20
7.5
30
—
Januar. . . 7a
_
_
1
—
_
—
1
1
26
2
2 p
—
—
—
1
1
10.5
11.5
4
1 *
2
9p
—
—
—
—
1
8.5
13
1.5
5
2
Summe
—
1
1
2
19
25.5
6.5
32
6
Februar . .7a
_
_
_
_
0.5
1
3.5
_
21
2
2 p
—
2
—
—
2.5
16
3.5
1
1
2
9p
—
—
1
1
1
12.5
9.5
1
1
1
Summe
—
2
1
1
4.0
29.5
16.5
2
23
5
April ...7a
—
_
1
—
—
2
_
—
21
6
2p
4
—
3
1
1
4
9
1
1
6
9 p
—
0.5
0.5
1
4
2.5
7.5
—
8
6
Summe
4
0.5
4.5
2
5
8.5
16.5
1
30
18
Mai .... 7a
_
0.5
0.5
_
—
—
1
_
29
—
2 p
2
0.5
2.5
—
3
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7
—
3
—
9p
—
0.5
0.5
1
—
7
11
—
11
—
Summe
2
1.5
3.5
1
3
20
19
—
43
—
Juni ...7a
1
_
_
_
2
3
1
_
23
—
2P
1
1
—
—
2
17
8
1
—
—
9 p
—
—
—
—
2
2.5
23.5
—
2
—
Summe
2
1
—
—
6
22.5
32.5
1
25
—
Juli .... 7 a
_
_
_
_
9
3
1
_
17
1
2p
—
3
—
—
1
15
11
—
—
1
9 p
—
—
—
1
—
—
27
—
2
1
Summe
—
3
—
1
10
18
39
—
19
3
August ...7a
_
_
_
_
1
8
_
_
19
3
2p
—
—
—
—
—
5
20
—
2
4
9 p
—
—
—
—
—
3
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—
2
4
Summe
—
—
—
—
1
16
42
—
23
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September . 7 a
—
—
1
—
1.5
5.5
1
—
19
2
2p
2
—
1
—
1
8.5
8.5
2
4
3
9 p
—
—
—
—
—
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1
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3
Summe
2
—
2
—
2.5
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3
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Oktober . .7a
_
1
_
—
_
—
—
_
26
4
2 p
4
1
—
—
2
4.5
11.5
—
3
5
9 p
—
—
—
—
1
5
10
—
10
5
Summe
4
2
—
—
3
9.5
21.5
—
49
14
November. . 7 a
30
—
2 p
3
1
6
—
—
5
12
1
2
—
9 p
1
—
1
1
1
3
11
—
12
—
Summe
4
1
7
1
1
8
23
1
44
—
Aus dem deutseh-ostafrikanischen Schutzgebiete.
Bericht über die klimatischen und gesundheitlichen
Verhältnisse von Moshi am Kilimandjaro.
Von Dr. Widenmann, Arzt in der Kaiserlichen Schutztruppe.
I.
Der leider so früh verstorbene Oberarzt Dr. Br eli me hat bereits
im 7. Band dieser Zeitschrift mit einem durch längeren Aufenthalt
in Ostafrika geübten Blick über dieses Thema Bericht erstattet.
Ueber den Kilimandjaro waren und sind noch in Deutschland, be¬
gründet auf zu allgemein gehaltenen Darstellungen einzelner Reisender,
vielfach so unzutreffende Vorstellungen im Gange, dass es einer
nüchternen auf längere Zeit ausgedehnten Beobachtung bedarf, um
aus den meist übertriebenen Schilderungen des Werthes des Landes
den Kern herauszuschälen, der vor einer objektiven Prüfung stand¬
halten kann. Nicht auf aprioristischen Schlüssen einzelner kurzer
Besuchei’, sondern nur auf physikalischen Beobachtungen und im
engsten Anschlüsse an das bisher Bestehende kann ein Urtheil über
den wirklichen Werth dieses Gebietes aufgebaut werden.
Nachstehende Erörterungen sollen wesentlich eine Fortsetzung
der Brehmeschen Beobachtungen bilden, einerseits bedingt durch den
späteren an Brehmes Zeit anschliessenden Zeitraum der Beobachtung,
andererseits durch die Veränderung des Standpunktes, indem seit
Brehmes Abgang der Sitz des Beobachters von Marangu nach der
jetzigen Hauptstation Moshi verlegt worden ist. Auch habe ich die
Grenzen der Berichterstattung enger gezogen, weil es gerade am
Kilimandjaro erst längerer Beobachtungen an einem gegebenen Punkte
bedarf, eine Verallgemeinerung der gewonnenen Ergebnisse bei der
grossen regionären Verschiedenheit des Gebietes aber nicht angängig
ist. Es erübrigt nur noch, über die Lage von Moshi selbst einiges
Einleitende vorauszuschicken.
284
Die Militärstation Moshi liegt an der Südseite des Kilimandjaro
so ziemlich unterhalb der Mitte des Sattels, welcher die beiden Berg¬
gipfel Ivibo und Mawensi verbindet, im untersten Theile der Land¬
schaft Moshi auf einem von Nordosten nach Südwesten sich herab¬
ziehenden Höhenrücken. Diese wohl charakterisirte Lage ist, wie
später noch auszuführen sein wird, in mancher Hinsicht von ziem¬
licher Wichtigkeit. Es sei hier nur hervörgehoben, dass sie in Ver¬
kehrs wirtschaftlicher und politischer Beziehung eine günstige ist,
weil die Militärstation zwischen die einflussreichen Landschaften
Kibosho— Madshame im Westen und Marangu im Osten eingeschoben
und von der Steppe aus wegen ihrer tiefen Lage leicht zu erreichen
ist. Die Station ist bei 1150 m Höhe (Lent) der niedrigste Wohn-
platz von Europäern am Berge, Militärstation Marangu 1430 m (Lent),
Wissenschaftliche Station Marangu 1560 in (Lent), Missionsstation
Kilema 1435 m, Missionsstation Kibosho etwa 1430 m (Lent), Missions¬
station Madshame etwa 1450 m, Missionsstation Mamba etwa 1560 m.
Der Fuss des Berges, in Moshi bei 800 m gelegen, ist in dreiviertel
Stunden erreichbar, 15 Minuten unterhalb der Station beginnt die
Zone des dichten Busches, die weiter abwärts in die Buschsteppe
übergeht, in IV2 Stunden bergwärts betritt man bei 1750 m den Ur¬
wald. Der Höhenrücken wird auf beiden Seiten von Schluchten be¬
grenzt, in dereD östlichen der Moshibach Langatshi mit spärlichem
Wasser herabfällt, während die flachere westliche wasserlos ist. Im
Westen findet sich erst in der dritten Schlucht, in der tiefen Erosions¬
rinne des Msarangabaches, wieder Wasser, doch nicht zu allen
Zeiten. Die nächsten Höhenrücken im Osten sind sämmtlich höher
und fallen steiler gegen die Steppe ab, im Westen aber ist der Blick
ungehindert bis zum Fusse des gewaltigen Meruberges.
In Moshi ist seit dem 1. Juli 1894 eine meteorologische Station
eingerichtet, welche mit einem trockenen, einem feuchten Thermo¬
meter, einem Maximum- und einem Minimumthermometer und einem
Regenmesser ausgerüstet ist. Die Thermometer sind in einem nach
den Anweisungen der deutschen Seewarte erbauten Wetterhäuschen
ausserhalb der Borna aufgestellt.
Es möge zunächst eine Zusammenstellung der Beobachtungs¬
ergebnisse des ersten Jahres hier ihren Platz finden.
Militärstation Moslii am Kilimandjaro.
etwa 37° 20'. <p — etwa 3° 18'. h = etwa 1150 in.
285
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0
17
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Summe
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5.5
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Summe
3
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0
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1
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0
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5
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1
0
0
0
0
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Summe
0
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0
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Summe
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7
7
3
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9p
1
9.5
1.5
1
0
1
1
0
15
Summe
5
10
8.5
7.5
9
8
12.5
4.5
65
Januar . . . 7a
1
0
3
1
8.5
1.5
3
0
18
2p
2.5
3
6
3
4
3
4
1.5
27
9p
3
6
7
0
0
0
0.5
0.5
17
Summe
6.5
9
16
4
12.5
4.5
7.5
2
62
Februar . . 7 a
0
1
0
1.5
0.5
3
0
0
6
2 p
2.5
7
5
3
2.5
0.5
3.5
4
28
9 p
0.5
8.5
5.5
0
0.5
0.5
0
0.5
16
Summe
3
16
10.5
4.5
3.5
4
3.5
4.5
50
März . . . 7 a
1
0
6
2
3
2
2.5
0.5
17
2 p
3
2
11.5
3.5
2
2
2
2
28
9 p
2
2.5
10.5
0
0
2
1
2
20
Summe
6
4.5
28
5.5
5
6
5.5
4.5
65
April ...7a
0.5
3
2.5
1
2.5
2.5
0
0
12
2p
1
1
2
3
6
4
6
2
25
9 p
0
3
10
3
1.5
0.5
0
0
18
Summe
1.5
7
14.5
7
10
7
6
2
55
Mai .... 7a
3
1
3.5
0.5
5
0
3.5
2.5
19
2 p
1
0.5
1.5
2.5
3
1
11.5
4
25
9 p
1
3.5
6.5
4.5
3
0.5
0
0
19
Summe
5
5
11.5
7.5
11
1.5
15
6.5
63
Juni ...7a
8.5
3
1.5
1
0.5
0.5
2.5
65
24
2p
10
0.5
1.5
0
0.5
1
6.5
10
30
9p
5.5
2.5
8
5
1
0
0.5
1.5
24
Summe
24
6
11
6
2
1.5
9.5
18
78
Jahr ... 7a
20
19
50
21
30
13.5
24.5
16
194
2 p
31
26.5
76.5
40.5
42
25
49
33.5
324
9 p
15.5
52
135
37.5
10
4.5
5
4.5
264
Summe
66.5
97.5
261.5
99
82
43
7S.5
54
782
287
Wenn wir uns nun aus den gewonnenen Zahlen*) und den nicht
rubrizirbaren Eindrücken ein Bild des Klimas von Moshi machen
wollen, so muss erst mit kurzen Worten der Charakter des ostafrika¬
nischen Kontinentalklimas und die Modifikation desselben, die wir
theoretisch von dem Einflüsse des Kilimandjaro erwarten dürfen,
herangezogen werden. Erst durch den Vergleich mit dem ostafrika¬
nischen Klima im Allgemeinen können die Sonderheiten des Kilima-
ndjaroklimas verständlich werden.
Der Kilimandjaro stellt ein riesiges Bergmassiv dar, welches sich
unvermittelt aus dem Gebiete der ostafrikanischen Steppe emporhebt.
Charakteristisch für das letztere Gebiet ist die Neigung zur Trocken¬
heit infolge gänzlichen Regenmangels ausser der Periode der Zenithai¬
regen, schroffer Wechsel zwischen Trocken- und Regenzeit, geringe
jährliche, aber sehr beträchtliche tägliche Schwankungen der Tempe¬
ratur, d. h. sehr bedeutende Hitzegrade am Tage und starke Ab¬
kühlung in der Nacht, Spärlichkeit der Bewölkung, erhebliche Inso¬
lation, grosse Periodizität der Luftströmungen. Diesen klimatischen
Eigentümlichkeiten entspricht ein besonderes Vegetationsbild: die
grosse Dürre und lange Dauer der Trockenperiode lässt die Bildung
eines Humusbodens nicht zu Stande kommen und ermöglicht nur
sehr widerstandsfähigen, meist dornigen und kleinblättrigen Pflanzen
ein Fortkommen. Nur im Verdunstungsbereiche der Flüsse bilden
sich schmale Säume von üppigen Uferwäldern. Der Kilimandjaro
theilt mit dieser seiner Umgebung die Zugehörigkeit zum Bereiche
*) Dem Herrn Verfasser lagen, als er obigen Aufsatz schrieb, nur Beobach¬
tungen und Notizen für die Zeit von März bis Dezember 1894 vor. Wir haben in
der vorliegenden Tabelle die Ergebnisse eines vollen Jahrganges der später ein¬
gelaufenen Beobachtungen vereinigt, der die Zeit Juli 1894 bis Juni 1895 umfasst;
in den Monaten vor Juli 1894 waren die Thermometer noch nicht vorsclirifts-
mässig in einer besonderen freistehenden Hütte aufgestellt. Wenn auch die
Stärke der abendlichen Ostwinde, die besonders in den Monaten Juli bis Oktober
zur Beobachtung kamen, vielleicht überschätzt ist — mehrfach sind Stärkegrade
von acht bis zehn uotirt — , so verdient dieses abendliche Anschwellen der
Windstärke doch volle Beachtung. Die abendlichen starken Wrinde sind, wohl
bemerkt, nordöstliche bis östliche Luftströmungen. Die Angaben über die
Windrichtungen sind vielfach lückenhaft, derart, dass man nicht deutlich er¬
kennen kann, ob Windstille herrschte oder ob die betreffende Beobachtung aus¬
gefallen ist; wir haben daher nur die unzweifelhaft sicheren Beobachtungen
ausgezählt.
Zur Ergänzung der Tabelle sei noch bemerkt, dass' die erste Regenzeit mit
dem 2. November 1894 einsetzte und bis zum 13. Dezember dauerte. Es folgte
dann die Trockenzeit, welche mit zwei Unterbrechungen am 29. Dezember und
27. Januar durch Gewittergüsse bis zum 5. Februar anhielt. Die zweite Regen¬
zeit währte von letzterem Datum, allmählich stärker und dann wieder schwächer
werdend, bis zum 9. Juni. Am Ende dieses Monats trat noch eine kurze Regen¬
periode mit ganz geringen Niederschlägen ein. Die Red.
288
der Zenithairegen und der Herrschaft der Passatwinde. Er modifizirt
aber die klimatischen Erscheinungen seiner Umgebung durch seine ge¬
waltige Erdmasse und beträchtliche Höhe (bis 6000 m), welche durch
die in den höheren Regionen eintretende Abkühlung der Luft und
die Hemmung und Ablenkung, welche die regelmässigen Winde er¬
fahren, ausser den Passatwinden auch Berg- und Thalwinde, ausser
den periodischen Regen auch Steigungsregen erzeugt und so viel
Feuchtigkeit aus der umgebenden Atmosphäre kondensirt, dass seine
Hänge, wenigstens auf der Südseite im Bereiche des feuchten Südost¬
passats, auch ausser der Periode der Zenithairegen noch genug
messendes Wasser besitzen, um während der ganzen Dauer des
Jahres den Anbau von Kulturgewächsen zu ermöglichen.
Es ist klar, dass eine so gewaltige Bergmasse ausser der all¬
gemeinen Verschiedenheit des klimatischen Charakters von seiner
Umgebung noch eine Reihe von individuellen Verschiedenheiten zeigen
muss, je nach Höhen- und gegenseitiger Lage seiner einzelnen Gebiete.
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass mit der absoluten Erhebung über
dem Meeresspiegel die mittlere Temperatur abnimmt. Die Kulturzone
besitzt schon eine derartige Höhenlage, dass die mittlere Temperatur
denjenigen Grad, welcher sonst als untere Grenze für die tropische
Zone gilt, nämlich 20°, kaum noch erreicht, und ich brauche nicht
daran zu erinnern, dass jeder Neuankömmling am Kilimandjaro,
wenigstens in der Regenzeit, die ihm ungewohnte Kühle der Tempe¬
ratur unangenehm empfindet und in wärmerer Kleidung Schutz gegen
dieselbe sucht. In der That erfreuen sich die europäischen Nieder¬
lassungen in Marangu, Mamba, Kilema, Kibosho und Madshame mit
ihrer Höhenlage von 1400 bis 1550 m einer Temperatur, welche den
Verhältnissen der gemässigten Breiten näher steht als den spezifisch
tropischen. Die mittlere Jahrestemperatur in Marangu betrug 1893
nach Brehmes Monatszahlen 17°, 8, in Moslii vom Juli 1894 bis
Juni 1895 20°, 7. Wenngleich sich nun zwei Jahrgänge nicht ohne
Weiteres vergleichen lassen und zur richtigen Würdigung eine lang¬
jährige Beobachtuugsreihe gehört, so geht doch aus der beträchtlichen
Verschiedenheit dieser Zahlen und noch mehr aus unseren tagtäglichen
Erfahrungen zur Genüge hervor, dass Moshi viel wärmer als Marangu
und die übrigen europäischen Stationen ist, was sich aus seiner tiefen
Lage am Berge ohne Weiteres erklärt. Moshi ist daher bei den
übrigen Stationen am Kilimandjaro wegen seiner „Hitze“ verrufen.
Maximaltemperaturen bis 32° und 33° sind in den heissen Monaten,
besonders Januar, in Moshi keine Seltenheit, während man nach
Brehmes Zahlen für Marangu nur auf eine Maximaltemperatur von
etwa 28° schliessen darf. Wenn man dazu nimmt, dass wenigstens
in den trockenen wolkenärmeren Monaten die täglichen Amplituden
281)
recht gross sind (bis 17° Differenz) und dass die Niederschläge ausser
in den periodischen Regenmonaten nur sehr geringe sind, entschieden
geringer als in den höher gelegenen Stationen der westlichen und
östlichen Landschaften, so ergiebt sich ohne Weiteres, dass die Station
Moshi ein Klima besitzt, das dem Steppenklima weit näher kommt
als einem solchen, wie man es von einem tropischen Vorzugsgebiete
a priori zu erwarten geneigt ist. Die Europäer der Station bewegen
sich dementsprechend den grösseren Theil des Jahres über auf der
Station im baumwollenen weissen Tropenanzug ohne Unterkleidung.
Die Höhe der mittleren Temperatur giebt aber nach zwei Seiten
hin nur ein sehr unvollkommenes Bild der Wärme. Einmal ist bei
ihr die Insolation, d. h. die Wirkung der direkten Sonnenstrahlung,
ausser Acht gelassen. Eine mittlere Lufttemperatur von 19 bis 20°
wird von vielen mitteleuropäischen Städten im Juli erreicht, aber die
Wärme ist dort weit weniger belästigend, weil in diesen nördlichen
Breiten die intensive Strahlung der hochstehenden Sonne fehlt. Für
das gesundheitliche Verhalten, das Wohlbefinden und die Arbeits¬
fähigkeit des Menschen ist aber die Strahlungswärme der Sonne
wichtiger als die Lufttemperatur im Schatten. Man unterschätzt ge¬
wöhnlich zu Hause die Kühle des tropischen Schattens und würdigt
zu wenig die Intensität der Sonnenstrahlung. In einer Temperatur
von 45 bis 50° C., die in Moshi im Januar in den Mittags¬
stunden in der Sonne herrscht, können nur sehr wenige Europäer
angestrengt im Freien arbeiten und auch der Neger verlässt nur
ungern in dieser Zeit seinen schattigen Buheplatz. Ferner ist für
die Beurtheilung des Klimas ausser der mittleren Jahrestemperatur
die Vertheilung der Wärme im Laufe des Jahres und die tägliche
Schwankung von grösster Wichtigkeit. Die Kleinheit der Tages¬
und Jahresamplituden ist als Charakteristikum des echt tropischen
Klimas bekannt und mit Recht als ein Hinderniss für die Akklimati¬
sation des Europäers gewürdigt. Jede Abweichung von der ausser¬
ordentlichen Gleichmässigkeit des tropischen Küstenklimas — in
Sansibar beträgt der Unterschied des wärmsten und kühlsten Monats
nur 3,0°, in Singapore nur 2,2° — ist in hygienischer Beziehung
von grösstem Vortheil. Von den ziemlich grossen Tagesschwankungen
der Temperatur in Moshi war schon oben die Rede. Dieselbe als
eine spezifische Erscheinung des Gebirgsklimas anzusehen, halte ich
nicht für angängig. Dazu ist die Lage Moshis am Berge zu tief.
Erst in höheren Lagen, am deutlichsten über dem Urwald, kommen
die sehr grossen Tag- und Nachtunterschiede, wie sie dem Gebirgs¬
klima eigen sind, zum deutlichen Ausdruck. Wie die täglichen, so
nehmen auch die jährlichen Schwankungen mit der Entfernung von
der Küste und mit der Erhebung über dem Meeresspiegel zu. Der
290
Unterschied zwischen wärmsten und kältesten Monaten betrug in
Marangu 1893: 5,5° C., in Moshi 1894: 5,9° C. Dieser für euro¬
päische Binnenverhältnisse sehr geringe jahreszeitliche Wechsel der
Temperatur — in Berlin beträgt die Differenz 21,2°, in Prag 22° —
ist in den Tropen schon sehr fühlbar und für das Wohlbefinden des
dort lebenden Europäers recht wichtig, ebenso wie eine beträchtliche
Abkühlung in der Nacht auf Schlaf, Appetit und Psyche von wohl-
thätigster Wirkung ist.
In der grossen Regenzeit und in den ihr folgenden Monaten ist
die mittlere Temperatur geringer und erreicht 20° kaum mehr. Sie
betrug vielmehr im kühlsten Monate der Beobachtungszeit — Juli
1894 — nur noeli 18,0° (in Marangu im August 1893: 15°, 2), das
Mittel des Maximums nur 22,4°. Zugleich sind infolge der reichlichen
Bewölkung die Amplituden der täglichen Temperatur geringer; das
absolute Maximum betrug nur 26,2°, das absolute Minimum im Juli
1895 (im Juli 1894 war ein Minimumthermometer noch nicht vor¬
handen) 12,1°. die grösste Differenz also etwa 14°. In diesen Mo¬
naten holen auch die Europäer eine wärmere Kleidung hervor, die
gewöhnlich aber nur im gelben Drellanzug mit Unterkleidung besteht;
zum Anlegen europäischer Anzüge ist auch dann kaum eine Veran¬
lassung.
In ähnlicher Weise wie das Verhalten der Temperatur ist auch
das der relativen Feuchtigkeit in hygienischer Beziehung von Wichtig¬
keit. Dem Körper am wohlthätigsten ist eine Feuchtigkeit, die sich
in täglichen und jahreszeitlichen Grenzen von 40 bis 70 pCt. bewegt.
Die Höhe und Stetigkeit der relativen Feuchtigkeit in den tropischen
Küstengegenden, welche deren Luft die bekannte Bezeichnung „Treib¬
hausluft“ eingetragen hat, übt auf den Körper eine erschlaffende
Wirkung aus. Wir sind gewohnt, einen Ort mit einer mittleren
Feuchtigkeit von 60 bis 70 pCt. als klimatisch günstig anzusehen-
Die mittlere relative Feuchtigkeit Moshis betrug im Jahre 1894/95
66 pCt. In dem sehr trockenen Monat Oktober fiel die Feuchtigkeit
im Mittel bis auf 57 pCt. und bewegte sich um die Mittagsstunden
um 30 pCt. Diese niederen Werthe sind es, welche die Hitze er¬
träglich machen. Es unterliegt somit keinem Zweifel, dass Moshi
in den Trockenzeiten ein zwar heisses, aber weniger feuchtes und
damit gesünderes Klima besitzt als die tropischen Küstenplätze.
In der Regenzeit ist allerdings die relative Feuchtigkeit beträcht¬
lich gesteigert. Sie betrug im April 1895 im Mittel 76 pCt., im
Mai 1894 im Mittel 79 pCt. und fiel um die Mittagsstunden nur
selten unter 50 pCt. In den Regenmonaten hat also auch Moshi ein
entschieden feuchtes Klima, was sich ausser der starken Bewölkung,
reichlicher Nebelbildung und vielfacher Niederschläge im praktischen
291
Leben durch leichten Schimmelansatz an Leder und mangelhaftes
Trocknen von Wäsche u. s. w. nachtheilig äussert. In gesundheit¬
licher Beziehung möchte aber die Regenzeit weniger durch ihre
grosse Feuchtigkeit als durch die Kombination mit der Kühle der
Temperatur von nachtheiliger Wirkung sein. Der in den Tropen
rasch verweichlichte Europäer empfindet wie der Neger der Steppen¬
gebiete diese feuchte Kühle ganz besonders unangenehm. Hieraus
resultirt die Neigung zu Katarrhen, die in der Regenzeit auftreten,
wie wir später sehen werden.
In wirthschaftlicher Beziehung sind für tropische Gegenden weit
wichtiger die Niederschlagsmengen und der Reichthum an fliessenden
Gewässern als die Temperaturverhältnisse. Wenn der Kilimaudjaro
die Bezeichnung eines tropischen Vorzugsgebietes rechtfertigen soll,
so kann dies nur durch den Nachweis geschehen, dass die Nieder¬
schläge nicht an die periodischen Regenzeiten gebunden sind, sondern
auch in den übrigen Theilen des Jahres nicht zu spärlich bestehen.
Br eh me hebt nun für Marangu ausdrücklich hervor, dass kein Monat
der Regen gänzlich entbehre, dass die Häufigkeit der Niederschläge
und ihre Wassermenge sehr gross sei. Nun war im Jahre 1893 die
grosse Regenzeit im Allgemeinen in Ostafrika besonders stark und
langdauernd, die im Jahre 1894 aber auffällig gering. Es lässt sich
daher in diesen beiden Jahren ein Vergleich der beiden Stationen
Moshi und Marangu hinsichtlich des Regenfalles nicht ziehen. Wir
wissen aber aus den Erfahrungen der Europäer, welche länger als
ein Jahr am Kilimaudjaro verweilten, dass in der That in Marangu
die Regenzeit frühe, d. h. gewöhnlich in der Mitte des März einsetzt,
lange dauert und sehr grosse Wassermengen produzirt und dass auch
in der sogenannten Trockenzeit Niederschläge ziemlich häufig sind.
Die Erklärung dieser Niederschlagsverhältnisse hat Hans Meyer in
treffender Weise gegeben. Er erklärt, wie der feuchte Südostpassat
an den Südhängen des Kilimandjaro einen Widerstand erleidet, dem¬
zufolge dort die Regen früher einsetzen, als sonst dem Zenithstand
der Sonne entspricht, dass sie sehr ergiebig sind durch die beträcht¬
liche Abkühlung, welche der Passat in den hohen Regionen erfährt,
und dass die Kondensation der am Berge aufsteigenden Luftströmungen
aus der Ebene, der Steigungswinde, in der Nacht dem Djaggalande
seine häufigen Regen bringt. Es ist nun von vornherein verständlich,
dass dieser allgemeine Effekt des Kilimandjaro auf die Feuchtigkeits-
Verhältnisse wiederum für die einzelnen Regionen des Berges von
verschiedener Intensität sein muss. Die hauptsächlichsten Konden¬
sationspunkte sind die beiden Berggipfel Kibo und Mawensi, der
eigentliche Feuchtigkeitssammler ist der Urwald. Gebiete, welche
dem Urwald nahe liegen und zugleich am Fusse eines der beiden
292
Gipfel, müssen grösserer Niederschläge theilhaftig werden als die
tieferen Partien und müssen reicher an Wasserläufen sein als die unter
der Mitte des Plateaus gelegenen Landschaften. Dementsprechend
sind die westlichen unter dem mit einer ewigen Eishaube bedeckten
Kibo gelegenen Landschaften Kibosho und Madshame reich an Nieder¬
schlägen und Gewässern, und jeder Besucher aus Moshi, der diese
beiden Landschaften durchwandert, wird mit Neid den Reichthum an
Bächen, den Schmelzwässern des Kiboeises, sehen, welcher diese
Landschaften so vortheilhaft gegen Moshi auszeichnet. In ähnlichem
Maasse, wenn auch nicht so ergiebig, sind die unter dem Mawensi
gelegenen Landschaften Marangu, Mamba und Muika bewässert, so
dass sie Brehme den Garten des Landes nennt. Ein Blick auf die
Tabelle der Regentage und Regenmengen zeigt nun deutlich, dass
Moshi ausser den Monaten der Regenzeit leider nur ganz minimale
Niederschläge gehabt hat. Wie in den Steppengebieten so ist auch
in Moshi der Wechsel von Trockenperioden und Regenzeiten ein ganz
schroffer und fast die ganze Menge des gefallenen Regens ist auf die
Regenmonate (November und erste Hälfte des Dezember einerseits und
April —Mai andererseits) beschränkt, in denen die Regen mit echt
tropischer Heftigkeit und Reichlichkeit auftraten. So fielen in einer
Nacht (vom 8. zum 9. November) 68,7 mm Regen, also im ganzen
Monate November 202 mm. Es wurden in Moshi im Jahre 1894/95
1165 mm Regen gemessen, eine für ein tropisches Gebirgsgebiet sehr
kleine Zahl. Die Landschaft Moshi ist infolge der erwähnten Eigen-
thümlichkeit ihrer Lage ärmer an fliessendem Wasser als die öst¬
lichen und westlichen Landschaften. Sie besitzt nur drei Bäche, von
denen nur der eine schon erwähnte Sangatshibach das ganze Jahr
über Wasser führt. Staunend sieht der Fremde die gewaltigen
Erosionsschluchten, welche die Grenzbäche Mosliis, Nanga und Msa-
ranga, gebildet haben, und doch erreicht kein Tropfen dieser in der
Regenzeit sehr starken Bäche in den trockenen Monaten die Steppe.
Dies ist eines Theils durch die enorme Verdunstung bedingt, welche
die starke Insolation in den heissen Monaten erzeugt, theils durch
die Abzweigungen der Bäche, welche die Eingeborenen zur Bewässe¬
rung ihrer Schamben vom Oberläufe der Bäche aus anlegen. Diese
Wasserleitungen, welche im ganzen Djaggalande angetroffen werden,
oft sehr kunstvoll angelegt sind und durch Stauchwehre in den
Trockenzeiten in ihrer Leistungsfähigkeit erhöht werden, sind ein
schönes Zeugniss für den Fleiss und den praktischen Sinn der Ein¬
geborenen. Die Vertheilung des Wassers unter den Schambenbesitzern
spielt eine wichtige Rolle im inneren Leben der Djaggas. Die
Spärlichkeit des Wassers, welches der Stationskanal in Moshi aus
dem Sangatshibache lieferte, veranlasste den Kompagnieführer
293
Johannes im Juni 1894, einen neuen Zufluss zu diesem Kanäle her-
stellen zu lassen, der drei Stunden oberhalb Moshis im Urwalde aus
dem nach Kilema fliessenden Muebach gewonnen wurde.
Leider wird auf dem langen Wege der an sich sehr reichliche
Zufluss trefflichen Wassers theils durch die Gefährdung, welche die
Leitung durch Elefantentritte im Urwalde und Ausbrüche erleidet,
theils durch diebische Abzweigungen von Seiten weiter oben sitzender
Djaggas oft so geschmälert, dass die Station manchmal nicht
genug Wasser zu Nutzzwecken erhält. Als Trinkwasser ist dasselbe
sowieso nicht zu gebrauchen, da es schon oberhalb zu viel Verun-
reinigung erleidet. Das Trinkwasser wird für die Europäer aus dem
*/4 Stunde entfernten Sangatshibaclie geholt und einer Filtration durch
ein Kohleufilter auf der Station unterzogen, während die farbigen
Garnisonmitglieder trotz vielfacher Warnung aus Bequemlichkeit
immer wieder auch aus der Stationsleitung ihr Trink wasser entnehmen.
Ein Bohrversuch in dem benachbarten westlichen Grunde zur An¬
legung eines abessinischen Brunnens lieferte bei einer Eintreibung
der Röhren bis zu 10 m leider kein Wasser, weitere Versuche wurden
durch das Platzen zweier Röhren vereitelt. Bei Regenfällen ist das
von den Wellblechdächern der Borna abfallende Regenwasser ein
hochgeschätztes Gut, zu dessen Gewinnung alle Gefässe beigebracht
werden, welche die Weiber sämmtlicker schwarzen Bewohner auf¬
treiben können.
Es erübrigt noch, auf die Luftströmungen und die damit eng
zusammenhängende Bewölkung des hiesigen Gebietes einzugehen.
Der Kilimandjaro liegt im Bereiche des Nordostmonsunes und des
Südostpassates,*) von denen aber nur der letztere von besonderer
Bedeutung für die Südseite des Berges ist. Er ist es wesentlich, der
infolge seiner vom Indischen Ocean hergebrachten Feuchtigkeit diese
Seite des Kilimandjaro zu der wasser- und vegetationsreichen macht,
während die nördliche nur den trockenen Nordostwinden ausgesetzte
unter seinem Windschatten bleibt. Die Nordseite ist daher steril
und entbehrt vor Allem des zusammenhängenden Urwaldbandes. Die
Reinheit, mit welcher der Passatwind am Kilimandjaro auftritt, ist
aber infolge der Modifikation durch Lokalströmungen und durch die
Verschiedenheit der topographischen Lage der Bergtheile unterein¬
ander oft eine sehr abgeschwächte. ln Moski wehen in den
Monaten August bis November vorwiegend östliche und südöstliche
Winde, in den Abendstunden oft von sturmartiger Stärke. In der
*) Nacli den Ergebnissen der Beobachtungen an der wissenschaftlichen
Kilimandjarostation wird die bisherige Anschauung über die Richtung der jahres¬
zeitlich verschiedenen Winde wahrscheinlich eine Aenderung erfahren müssen.
Die Red.
294
zweiten Hallte des Dezembers, im Januar und Februar weht der
Nordostmonsun, öfters mehr als Ostwind denn als reiner Nordost.
Die Aufwirbelung des ausgetrockneten, aus der Verwitterung des
hiesigen Basalttuffes hervorgegangeDen Lateritbodens ist in diesen
Monaten recht unangenehm und der rothe Moshistaub macht die Lage
der Station schon von Weitem kenntlich. In dem mehr östlich ge¬
legenen Marangu soll im Januar und Februar der Nordostpassat
durch seine Heftigkeit und Trockenheit oft belästigend wirken. In
den Regenmonaten ist die Intensität der Winde eine geringe und
ihre Richtung eine sehr wechselnde.
Die Bewölkung ist in den Trockenperioden zwischen den Regen¬
zeiten gering, in den heissen Monaten Mitte Dezember bis Ende Fe¬
bruar ist nächtliche Wolkenlosigkeit die Regel. So geniesst man in
Moshi in diesen Monaten in den Nächten und in den Abend- und
Morgenstunden den Anblick des unverschleierten Riesenberges in voller
Schönheit. Erst wenn am Vormittage die aufsteigende warme und
feuchte Luft die kühleren oberen Regionen erreicht, hüllen sich die
beiden Berggipfel, vor Allem erst die Südwestseite des Kibo, in einen
Mantel von Kumuluswolken, der in den heissen Stunden des Tages
den ganzen oberen Theil des Berges bis zum Urwald herab völlig
bedeckt und erst mit Nachlass der Lufterwärmung in der zweiten
Hälfte des Nachmittages von unten her die beiden Gipfel allmählich
wieder dem Blicke freigiebt. ln der Regenzeit ist dieses Bild freilich
ein anderes. Die grosse Feuchtigkeit der Luft in den Zeiten der
Zenithairegen bedingt in Verbindung mit lokalen Ursachen an dem
Bergmassive eine besonders starke Bewölkung, die in den Monaten
Mai und Juni die hohen Durchschnittszahlen von 8,7 und 7,4 erreichte,
während die regenarme zweite Hälfte des Dezembers nur die mittlere
Bewölkungsstärke 3 aufwies. Bemerkenswerth ist, dass auch in den der
Regenzeit folgenden Monaten Juli und August, in denen nur noch
sehr geringe Regenmengen fielen (im August nur 4,6 mm), die Be¬
wölkung noch eine erhebliche war, und es ist nicht zu leugnen, dass
die starke Bewölkung während so langer Zeit (Mitte März bis Ende
August), in welcher es oft 14 Tage dauern kann, bis man den Kibo
zu Gesicht bekommt, auch in hygienischer Beziehung von Nachtheil
ist, da sie eine Depression der psychischen Stimmung herbeiführt.
Es ist dies wieder eine der starken Kontrastseiten, welche das Klima
von Moshi aufweist. Die Sache ist so wichtig, dass es sich wohl
lohnen würde, an mehreren Plätzen des Kilimandjaro einen Sonnen¬
scheinautographen aufzustellen. Es sei nur vorübergehend auch darauf
aufmerksam gemacht, dass eine so lang dauernde starke Bewölkung
infolge der damit verbundenen Abnahme der Insolation und Belich¬
tung auch von kultureller Bedeutung ist, indem sie den Anbau ge-
295
wisser tropischer Gewächse, welche mit dem reichen Gehalte ihrer
Früchte an Zucker und Fetten an eine längere Dauer intensiver Be¬
leuchtung gebunden sind, ausschliesst (Oelpalme, Dattel, Ananas, Feige,
Kaffee, Kakao).*) In den Regenmonaten März — Mai und deutlicher
in den Monaten Juni — August, in welchen die Regenzeit ausklingt,
sind in Moshi die lokalen meteorologischen Wirkungen des Kilima-
ndjaro am deutlichsten. In diesen Monaten hat auch Moshi seine
Morgenregen. Während mit grosser Regelmässigkeit bald nach
Sonnenuntergang der Abendwind einsetzt und in den ersten Stunden
der Nacht mit sturmartiger Heftigkeit aus Südosten oder Osten
braust, weicht er in der zweiten Hälfte der Nacht einem langsam
sich senkenden Thalwinde, mit welchem eine erhebliche Abkühlung
an den Hängen des Berges tief herab platzgreift. Wenn nun mit
Sonnenaufgang die Erwärmung des Erdbodens wieder beginnt und die
warmfeuchte Luft aufwärts steigt, entsteht in der rings am Berge
lagernden Wolkenbank eine Kondensation, infolge deren ein Sprüh¬
regen niedergeht. Dann hat der am Morgen aus der Borna tretende
Bewohner Moshis ein eigenthümlich reizvolles Bild: er sieht hinab
in die sonnig glänzende Steppe der Kilimandjaroniederung, während
unmittelbar über seinem Haupte eine dicht geschlossene Wolkenkappe
ihm den Blick nach oben verschliesst, bis mit fortschreitender Er¬
wärmung und südlichem Bergwinde der Nebel am Berge in die Höhe
geht. Freilich giebt es in der Regenzeit auch in Moshi Tage, in
denen den ganzen Vormittag über der Nebel nicht weichen will.
Wenn ich resumirend die Hauptzüge des Klimas von Moshi zu¬
sammenfassen soll, so sind diese folgende :
Eine mittlere Temperatur, welche der tropischer Küstenplätze
nur wenig nachgiebt, ziemlich starke Tagesamplituden, mässig grosse
Jahresamplituden der Temperatur, exquisiter Wechsel von Trocken-
und Regenperioden, erhebliche Feuchtigkeit und Bewölkung in den
Regenzeiten, Spärlichkeit der Niederschläge und Wolkenarmuth in
den Trockenperioden.
Es ist selbstverständlich, dass das hier wiedergegebene Bild des
Klimas von Moshi bei der Kürze der ßeobachtungszeit noch kein
feststehendes sein kann. Es ist eben aus den Anfängen einer regel¬
mässigen meteorologischen Beobachtung konstruirt. Dass das Klima
von Moshi eine Verallgemeinerung auf das Klima der gesummten
Kulturzone nicht zulässt, habe ich wiederholt betont. Dazu ist die
Differenz in der topographischen Lage, im Landschaftscharakter und
in der Höhenlage der einzelnen Theile der Kulturzone zu gross.
*) Vergl. den Aufsatz Dr. Volkens in Nr. 14 des Deutschen Kolonial¬
blattes vom 15. Juni 1894.
Mitth. von Forsch ungsreisenclen, VIII. Band. IV.
20
296
Soweit bis jetzt bekannt, Laben die meisten übrigen Gebiete ein
Klima, das vor Moshi eine grössere und stetigere Feuchtigkeit und
eine niedrigere Temperatur voraus hat. Aber nur eine langdauernde
und regelmässige Beobachtung an verschiedenen Plätzen des Berges
kann uns hierüber Aufschluss bringen und den praktischen Nutzen
ergeben, welchen Hygiene und Agrikultur aus der Meteorologie
ziehen. Man darf daher mit grösstem Interesse der Veröffentlichung
des reichen Materials entgegensehen, welches der so jäh aus dem
Leben geschiedene Dr. C. Lent von der wissenschaftlichen Station
in Marangu mit unermüdlichem Fleisse auf der Station und auf Expe¬
ditionen gesammelt hat.*) Zunächst bleibt noch das Wort des Mannes,
dem wir die besten Kenntnisse des Kilimandjaro verdanken, Hans
Meyers, zu Recht bestehen, der bescheiden sagt, dass „noch auf
unabsehbare Zeiten das Gebirge ein überaus ergiebiges Feld der
Spezialforschung bleiben wird“.
II.
Wenn wir die bei dem Klima gewonnenen Erfahrungen auf die
nunmehr zu besprechenden Gesundheitsverhältnisse anwenden, so
drängen sich zwei Fragen in den Vordergrund:
1. Ist das Klima ein derartiges, dass die Malaria für ein
endemisches Vorkommen noch ihre Bedingungen findet?
2. Bedingt das Klima mit seinen starken Kontrastseiten einen
von diesen abhängigen Wechsel in dem Gesundheitszustände?
Man spricht so viel von dem „gesunden Klima“ des Kilimandjaro,
in welchem die Europäer ihnen ganz zuträgliche Lebensbedingungen
finden und von der Geissei der Tropenländer, der Malaria, verschont
bleiben sollten. So preisen die Einen den Kilimandjaro als das ge¬
lobte Land, während man Andere wieder, meist auf Grund der Er¬
fahrungen bei vorübergehenden Expeditionen nach und an dem Berge,
sich keineswegs günstig aussprechen hört und nur Klagen vernimmt,
dass man „dort oben“ so wenig vor Malaria gefeit sei wie in den
Küstengegenden. Beide Urtheile leiden an dem gleichen Fehler, dem
der zu grossen Verallgemeinerung kurzer und räumlich beschränkter
Erfahrungen.
Wenn man im Allgemeinen eine mittlere Temperatur von 15° C.
als untere Grenze der Existenzbedingungen endemischer Malaria an¬
sieht, so dürfte nahezu die ganze Kulturzone des Kilimandjaro der
endemischen Malaria verfallen sein. Die Malaria bedarf jedoch
ausser einer gewissen mittleren Temperatur auch noch eines hohen
Maasses von Feuchtigkeit, während ein Reichthum an zersetzlichem,
*) Die meteorologischen Beobachtungen der -Marangustation befinden sich
in Bearbeitung. Die Bed.
297
organischem Material, der Malariaboden, zwar ihre Entstehung ausser¬
ordentlich begünstigt, aber keine nothwendige Bedingung zu sein
scheint.*) Während nun moorige und sumpfige Strecken an den
Hängen des Berges innerhalb der Kulturzone nicht Vorkommen, ist,
wie oben geschildert, die Feuchtigkeit zeitweilig am Berge eine sehr
erhebliche. Immerhin muss man nach diesen Voraussetzungen an-
erkennen, dass die Malaria auch für endemisches Bestehen ihre
Existenzbedingungen finden wird.
Damit decken sich auch die ärztlichen Erfahrungen. Es ist
allerdings ausserordentlich schwer und Brehme hat dies gebührend
betont, bei den zahlreichen Malariaerkrankungen am Berge ihren
Ursprung einwandsfrei festzustellen, da die Inkubationsdauer der
Malaria offenbar eine sehr grosse ist bezw. sein kann. Die meisten
Erkrankungen sind zweifelsohne die Folge einer Infektion in der
Kilimandjaroniederung, welche von der Mehrzahl der Bewohner des
Djaggalandes zeitweise betreten wird, und Brehme führt mehrere
treffliche Beispiele für die Gefährlichkeit solcher Besuche im Steppen¬
gebiete an. Aber es bleiben noch genug Fälle von Malaria übrig,
bei denen eine Infektion in der Niederung ausgeschlossen ist, bei
Personen, welche ihren Wohnplatz nie verlassen oder seit Jahren
nicht verlassen haben. Während in dieser Beziehung die Er¬
krankungen unserer Askaris, welche durch häufige Expeditionen sich
einer Infektion nicht entziehen können, eine einwandsfreie Be-
urtheilung nicht zulassen, sind deren Frauen und Kinder ein werth¬
volleres Material für die vorliegende Frage, wie auch diejenigen
Eingeborenen, bei denen Alter, Gebrechen oder besondere Lebens¬
weise den Besuch der Kilimandjaroniederung ausschliessen. Unter
diesen kommen Malariaerkrankungen nicht selten vor und sie erscheinen
dann gern auf der Borna, um sich das bereits wohlbekannte Chinin
zu erbitten. Diesem Punkte hat Brehme ausführliche Beachtung
geschenkt, und ich kann mich seinem Urtheil nur anschliessen, dass
die Kulturzone bis zur Höhe von 1500 m von endemischer Malaria
nicht frei ist. Ich habe vielmehr die Ueberzeugung, dass der Malaria¬
keim auch hier noch seine Bedingungen für ein exogenes Dasein
findet. Dies zu beweisen, ist der Umstand geeignet, dass während
des Baues der Station Moshi im Juli 1894, also in einem der grossen
Regenzeit folgenden Monat, die Malariaerkrankungen gehäuft auf¬
traten, als viel an der Aushebung von Erde zur Herstellung eines
Bomagrabens gearbeitet wurde; ferner eine Angabe, die mir der
Pater G. von der französischen Mission in Kilema gemacht hat: er
erkrankte ebenfalls im Juli 1894 an einem ernstlichen Malariafieber,
*) Siehe M. Kirs ebner, Grundriss der Militärhygiene S. 404.
20*
298
nachdem er zwei Tage lang bei der Umackerung eines Stückes
jungfräulichen Bodens zur Herstellung eines Gartens beschäftigt ge¬
wesen war.
Ich möchte nur noch auf zwei Punkte aufmerksam machen, die
allerdings auch Br eh me schon berührt hat. Es ist eine nahezu
konstante Erscheinung, dass europäische Neuankömmlinge am Ki-
limandjaro in den ersten Tagen nach ihrer Ankunft an Malaria er¬
kranken. Hierfür Hessen sich zahlreiche Beispiele anführen. Einem
Theile dieser Erkrankungen gingen solche auf der Reise in bekannten
Fieberplätzen, wie Muanamata, am Djipesee, Kahe, voraus und die
Anfälle nach der Ankunft stellen also nur Recidive dar, andererseits
treten sie auch ohne solch kurz voraufgegangene Erkrankungen auf.
Es handelt sich dabei um eine latent gewesene Malaria, die mit der
Veränderung des Klimas und der Lebensweise nach der Ankunft
manifest wurde. Diese Eigenthümlichkeit der Malaria ist ja auch
sonst häufig beobachtet. Es kommen aber auch Anfälle von Malaria
nicht selten am Berge selbst vor bei einfachem Wechsel der Höhen¬
lage ohne Berührung der Steppe, speziell wenn man von nieder¬
gelegenen Plätzen nach höheren zieht, beispielsweise von Moshi nach
Marangu. Auch in diesen Fällen kann nur die Veränderung der
äusseren Lebensbedingungen den Ausbruch einer bisher latenten
Malaria verursachen. Der Europäer in den Tropen lebt eben viel¬
fach in einem Zustande des labilen Gleichgewichtes, bei dem ein
kleiner Anstoss genügt, um ihn zum Fallen zu bringen.
In klinischer Beziehung waren die zur Beobachtung gekommenen
Fälle von Malaria meist kontinuirliche oder irreguläre Fieber, nur bei
Schwarzen auch solche von regelmässigem Quotidiantypus. Die
Diagnose Malaria wurde im Allgemeinen nur gestellt, wenn jede
andere Ursache des Fiebers auszuschliessen und eine Schwellung der
Milz zu konstatiren war. Bei den Europäern verliefen die Anfälle
leicht und ohne Komplikationen bis auf zwei Ausnahmen, von denen
der eine Befallene im Anschlüsse an eine Expedition ein längeres
kontinuirliches Fieber mit erheblicher Milz- und Leberschwellung,
doppelseitiger Hodenentzündung und Ischias durchzumachen hatte,
und der Andere (ein Amerikaner) ebenfalls von einer Steppentour,
bei der er ganz ungenügend ausgerüstet war, ein Schwarzwasser¬
fieber davontrug, übrigens der einzige Fall von perniziöser Malaria,
den ich am Berge gesehen und von dem ich gehört habe.
Gesichtsneuralgien nach Malaria kamen bei Schwarzen häufiger zur
Behandlung. Milztumoren erheblicher Grösse gelangten, besonders
bei Kindern, oft zur Beobachtung und es muss auch erwähnt werden,
dass bei Schwarzen, welche mit solchen hierher kamen, trotz red¬
lichen Chiningebrauches dieselben sehr lange bestehen blieben.
299
In einem Theile der Malariafälle wurde im Blute nach Parasiten
gefahndet. Die meisten Untersuchungen hatten insofern ein positives
Resultat, als sich übereinstimmend auf der Höhe des Fiebei’s im
Blute amöboide Körperchen fanden, die nur als Sporen und junge
Parasiten angesprochen werden konnten. Sie haben die Grösse von
'/'io bis V2 eines rothen Blutkörperchens, sind von ovaler, elliptischer
oder rundlicher Form und liegen oft zu zweien oder in kleinen
Gruppen beieinander. Im ungefärbten Zustande fallen sie fast nur
durch ein intensiv lichtbrennendes gewöhnlich exzentrisch, oft an
einem Pole sitzendes Körperchen (nucleolus) auf, während die Kontur
des Plasmaleibes sehr schwer zu erkennen ist. Dieser enthält bei
nicht mehr ganz jungen Formen gewöhnlich einige leicht lichtbrechende
Granulationen. In den mit Methylenblau gefärbten Präparaten*)
trägt der Plasmaleib eine nur blasse Blaufärbung, während das Korn¬
körperchen sich intensiv färbt. Endoglobuläre Formen habe ich nur
in einem Falle gesehen trotz wiederholt angestellter Untersuchungen
in verschiedenen Perioden: es waren keine Parasiten mit Nucleolus,
(randständig oder „reitend“). Pigmenthaltige Parasiten und malanifere
Leucocyten wurden nicht angetroffen. Häufig waren degenerirte,
rothe Blutkörperchen, die in ihren Konturen vollkommen erhalten
waren, aber unregelmässig eingestreute blaue (Methylenblau) Körnchen
enthielten und nur noch eine minimale Farbe zeigten,**) während die
schweren Anämien zukommenden Poikilocytenformen nie zur Be¬
obachtung gelangten. Ich habe diese Blutuntersuchungen bei ihrer
Unvollkommenheit nur angeführt, weil sie einerseits als Belege für
die Diagnose dienen, andererseits von tropischer Malaria immer
noch sehr wenig Plasmodienbefunde vorliegen im Gegensatz zu den
fast übereinstimmend positiven Befunden bei den typischen Fiebern
in den gemässigten Breiten.
Obgleich nun das endemische Vorkommen der Malaria in der
Kulturzone anzuerkennen ist, so muss doch ausdrücklich hervorgehoben
werden, dass die Zahl der beobachteten Erkrankungen im Ganzen
eine geringe und die Form derselben wesentlich eine leichte ge¬
wesen ist.
Wenn schon die Zahl der Malariaerkrankungen unter den
schwarzen Soldaten durch Expeditionen in die Höhe getrieben ist,
so ist sie doch immer noch eine recht kleine, welche hinter der der
Küstenplätze erheblich zurückbleibt.
*) Mit Vortlieil wurde die Färbung der lebenden Parasiten im frischen
Präparate mit Methylenblau-Kochsalzlösung angewendet (Rosin, Deutsche mediz.
Wochenschrift 1893, No. 44).
**) Siehe Abbildung auf Tafel IV, No. 68 in Mannaberg, die Malariaparasiten,
Wien 1893.
300
Die Zugänge von Malariaerkrankungen unter der hiesigen
schwarzen Besatzung in Prozenten der Iststärke betragen:
März
1894 . 0.00 pCt.
im
August 1894 .
4.16 pCt.
April
„ . 0.84 „
w
Septbr. „
0.80 „
Mai
„ • 0.00 „
V)
Oktober „
0.86 „
Juni
o
o
cd
n
Novbr. „
0.86 „
Juli
„ . 3.33 „
Dezbr. „
0.80 „
traf also hier der für ostafrikanische Garnisonen wohl uner-
hörte Pall zu, dass in zwei Monaten überhaupt keine Krankmeldungen
wegen Malaria stattfanden. Das übrige farbige Material (Bauleute,
Boys und Weiber auf der Station, Eingeborene) lässt sich leider bei
seiner steten Fluxion statistisch nicht verwerthen. Auch unter den
Europäern der Station Moshi kamen Malariafälle immer nur spärlich
vor und diese waren, wie schon erwähnt, fast immer leichter und
unkomplizirter Art. Ja manche Herren erfreuen sich, von ihrem An¬
kunftsfieber abgesehen, ein Jahr und darüber völligen Freibleibens
von Malaria, während andere in den ersten Monaten mehrere kleine
Attacken zu bestehen haben, die sich später nicht mehr wiederholen.
Das Gleiche höre ich von Europäern der anderen Stationen. Man
darf daher unzweifelhaft eine relative Immunität des Kultur¬
landes gegen Malaria konstatiren und wird deren Ursache u. A.
wesentlich in dem Fehlen eines günstigen Nährbodens zu suchen
haben. In den heissen Monaten ist überdies die grosse Trockenheit,
in den Begenmonaten die Kühle der Temperatur ein der Malaria¬
entwickelung entgegenstehendes Moment und mit dem Ausbau der
Stationen und der zunehmenden Verbesserung der Wohnplätze werden
die Fälle von autochthoner Malaria gewiss noch spärlicher werden.
Dagegen bleibt die Gefahr der Infektion in den umgebenden Steppen¬
gebieten wohl noch auf längere Zeit bestehen, da der Erreichung
des Kilimandjaros erst ein vieltägiger Marsch durch ungesunde Ge¬
genden vorausgeht und die äusseren Umstände der Kilimandjaro-
bewohner einen zeitweiseu Besuch der Niederung nothwendig machen.
Ich füge zum Schlüsse der Malariafrage noch einige Zahlen der
Hämoglobinbestimmungen bei den Europäern der Station Moshi bei,
welche mittelbar einen Schluss auf den Grad einer Malariaeinwirkung
erlauben, da die Entstehung der tropischen Anämie doch in erster
Linie eine Folge häufiger Fieber ist.
Auch diese Zahlen lassen den Kilimandjaro nicht in ungünstigem
Lichte erscheinen.
301
Mitte Januar 1895.
Namen
In Ostafrika
Seit?
am Kilimandjaro
seit?
% des
Hämoglobin-
gebaltes
Herr A .
3 Monaten
(aus Urlaub in
Europa)
2 Monaten
97 0/o
B .
14 Monaten
11 „
90 0/0
,0 .
14 ,
6 „
890/o
D .
23
18
88 0/0
„ E .
19
15
86 0/0
F .
^ . .
22
11
77 0/o
Eine grössere Bedeutung als die Malaria am Kilimandjaro be¬
ansprucht die Dysenterie. Sie ist hier eine endemische und häufige
Krankheit. Wenn auch in dem Zeitraum der Berichterstattung unter
den Europäern der Station Moshi von Dysenteriefällen nur einer (bei
dem hiesigen Griechen) vorgekommen ist, so waren sie doch unter
der schwarzen Bevölkerung recht häufig. Auch sonst ist unter den
Europäern der verschiedenen Stationen Dysenterie öfters vorge¬
kommen, so dass die Zahl derer, die ihretwegen in den letzten zwei
Jahren den Berg verliessen, bis auf vier gestiegen ist. Von den im
verflossenen Monate (Januar 1895) in der poliklinischen Ambulanz
in Zugang gekommenen 107 Kranken litten sechs an Dysenterie, also
5,6 °/o. Es kann einem Zweifel nicht unterliegen, dass die Ursache
der Dysenterie in erster Linie im Trinkwasser zu suchen ist. Ge¬
wiss ist es nicht das Wasser, das im Urwald und in den oberen
Regionen der Landschaften in den Bächen überall frisch und klar
angetroffen wird. Aber das Wasser, das die Bäche der Kulturzone
in ihren Unterläufen und die zahlreichen Wasserleitungen führen,
muss in hohem Grade Bedenken erregen, da es auf dem Wege durch
die Schamben der Bewohner groben Verunreinigungen vegetabilischer
und animalischer Natur ausgesetzt ist. Das Wasser, das in der
Wasserleitung die Station Moshi durchfliesst, stellt fast immer eine
schmutzigdickliche, lehmfarbene Flüssigkeit dar und auch das Wasser
in dem nahen Sangatshibache, das in den trockenen Monaten ziem¬
lich klar ist, zeigt in den Regenmonaten infolge seitlicher Zuflüsse
obige Beschaffenheit. Es gilt daher in Moshi für die Europäer stets
als Regel, kein ungekochtes bezw. unfiltrirtes Wasser zu trinken.
Ein Verbot des Kanal Wassers als Trink wasser für die schwarze Be¬
völkerung ist aber undurchführbar, da es als Nutzwasser nicht zu
entbehren ist. Hier könnte nur eine in den Stationskanal eingeschobene
grössere Filteranlage in gemauertem Bassin von durchgreifender
302
Wirkung sein. Für die Gefährlichkeit des Trinkwassers zeugt ein
Fall, der die Beweiskraft eines Experiments haben dürfte. Der
deutsche Kolonist N., der erste und einzige übrigens, der sich bisher
am Kilimandjaro niedergelassen hat, war aus mehrjährigem früheren
Aufenthalt in tropischen Ländern von der Zweideutigkeit des Trink¬
wassers so sehr überzeugt, dass er nur gekochtes Wasser trank.
Dieser Regel wurde er untreu, als er auf dem Rückmarsch von dem
Besuche eines benachbarten Häuptlings so erschöpft war, dass er
sich des wiederholten Genusses von Wasser nicht mehr enthalten
konnte. Der diesem Besuche sich anschliessenden Dysenterie ist er
erlegen. Begünstigend für die Entstehung der Dysenterie mag der
Umstand sein, dass das hiesige Wasser bei manchen Personen eine
abführende Wirkung hat und der Dysenterie schon ein Darmkatarrh
vorausgeht. Bei Eingeborenen kommt noch wesentlich die Einseitig¬
keit der Ernährung, die oft fast ausschliesslich aus Bananen besteht,
und die Reichlichkeit des zeitweisen Pombegenusses hinzu. Ihre Un¬
reinlichkeit erleichtert dann die Weiterverbreitung der Krankheit.
Für die Europäer, die besonders leicht auf Expeditionen erkranken,
sind es die auch sonst gewürdigten Umstände, welche das Zustande¬
kommen der Dysenterie begünstigen: die Unregelmässigkeit der Lebe¬
weise, Erkältung in den Biwaks u. s. w.
Die Dysenterie gehört zu den Erkrankungen, bei denen eine
geeignete Pflege und Behandlung sehr viel thun kann. Freilich ist
diese sehr theuer, da sie einer ausgewählten Diät und reichlichen
Zufuhr von alkoholischen Mitteln bedarf, Beides im Innern von Afrika
oft schwer zu beschaffen. Die hier geübte arzneiliche Behandlung
mit Calomel, Ipecacuanha und Höllensteineingiessungen hat sich so
bewährt, dass kein Grund vorlag, mit anderen Medikamenten thera¬
peutisch zu experimentieren. Es gehört aber auch von Seiten der
Kranken ein guter Wille und eine gewisse Energie dazu, die nicht
immer angetroffen wird. Mehr Chinin und weniger Opium möchte
ich als Devise für die Prophylaxe und Behandlung der Malaria und
Dysenterie ausgeben.
Von anderen Infektionskrankheiten ist erfreulicherweise
wenig zu berichten. Die Tuberkulose ist offenbar sehr selten,
Lungentuberkulose habe ich bei Eingeborenen nur einmal gesehen,
von anderer örtlicher Tuberkulose nur zwei Fälle (ein Fall von
Drüsentuberkulose, Wirbelcaries und Psoasabscess und ein Fall von
Sehnenscheidentuberkulose). Masern, Scharlach, Diphtherie, Croup,
akuter Gelenkrheumatismus und Unterleibstyphus kamen nicht zur
Beobachtung. Auch die Pocken, die 1893 hier herrschten, traten
1894 nicht auf. Von Wundinfektionskrankheiten kamen Rose und
der sonst in den Tropen häufigere Starrkrampf nicht zur Erscheinung,
303
dagegen sind Phlegmonen und Lymphdrüsenabscesse häufig, wie dies
bei dem mangelhaften Hautschutz einer Negerbevölkerung nicht
anders erwartet werden kann. Auch kamen zwei Fälle von Eiter¬
fieber mit metastatischen Abscessen (Pyämie) zur Behandlung, die
an Schwere nichts zu wünschen übrig liessen und von denen der eine
8, der andere 17 Incisionen erforderlich machte. Hier muss auch
ein Fall von Lungen-, Rippenfell- und Leberabscess Erwähnung finden,
dessen tödlicher Ausgang durch eine ausgiebige Rippenresektion
zwar aufgehalten, aber nicht abgewehrt werden konnte. Auch hier
in Moshi wie sonst in tropischen Plätzen bildet das Heer von ver¬
nachlässigten Wunden und Beingeschwüren das Hauptkontingent der
poliklinischen Fälle.
Die starken Kontrastseiten in dem Klima Moshis,- der Wechsel
zwischen trockenen und heissen Monaten einerseits und kühlen
feuchten Monaten andererseits, lassen von vornherein einen Einfluss
auf den Gesundheitszustand der Bewohner erwarten (s. I. Theil). In
der That treten mit Beginn der grossen Regenzeit allgemein eine
Anzahl von Erkältungskrankheiten unter Europäern, Sudanesen
und Küstenleuten ein, ein Punkt, der in dem Brehmeschen Berichte
gebührende Beachtung gefunden hat. Ich will, um Wiederholungen
zu vermeiden, nur anführen, dass meine Erfahrungen die Brehmeschen
Angaben bestätigen mit der Modifikation, dass Moshi zweifellos durch
sein wärmeres Klima Marangu gegenüber im Vortheil ist und Er¬
kältungskrankheiten daher keinen so breiten Raum einnehmen, wie
dies in Marangu der Fall ist. Ernstliche Erkrankungen dieser Art
sind unter den Europäern nicht vorgekommen, aber auch bei den
sehr empfindlichen Sudanesen nur in vereinzelten Fällen (katarrhalische
Pneumonien).
Die Zugänge von akutem Bronchialkatarrh in Prozenten der
Iststärke der hiesigen schwarzen Besatzung betrug:
im
März
1894
. 3.6 pCt.
im
August 1894
. 1.6 pCt.
r>
April
55
. 3.3 „
55
Septbr. „
. 0.8 „
55
Mai
r>
• 5-1 „
55
Oktober „
. 0.8 „
y)
Juni
55
. 5.0 „
55
Novbr. „
R
GO
Ö
r>
Juli
55
• 1-6 „
55
Dezbr. „
. 0.8 „
Erwähnenswerth ist noch das Verhalten der Eingeborenen den
Temperaturveränderungen gegenüber. Es ist wahr, dass sie an
Regentagen ihre Hütten nur ungern und spät verlassen, was für die
Station Moshi manchmal nachtheilig ist, da es dann an der nöthigen
Zufuhr von Lebensmitteln fehlt. Aber sie fürchten weit mehr die
Nässe als die Kälte. Wer Gelegenheit gehabt hat, bei Expeditionen
in der Steppe und in den höheren Bergregionen, wo die Abkühlung
nach Sonnenuntergang eine sehr grosse ist und die Temperatur in der
304
Nacht oft unter den Gefrierpunkt fällt, Djaggas zu sehen, wie sie mit
einem einfachen Baumwolllappen bekleidet im Grase biwakiren, sich
mit der kärglichsten Nahrung zufrieden geben und dabei grosse
Marschleistungen ausführen, der kann diesem Negerstamme seine
Bewunderung nicht versagen. Magen- und Darmaffektionen sind
bei Weissen und Farbigen häufig und einfache Diarrhöen bilden für
Manche eine wahre Plage während ihres hiesigen Aufenthaltes. Bei
den Farbigen erleichtert die, wie oben bemerkt, vorwiegend aus
gekochten unreifen Bananen bestehende Nahrung durch ihre Ein¬
seitigkeit das Zustandekommen von Diarrhöen. Auch das Trink¬
wasser hat seinen Antheil.
Ganz besonders häufig sind Fälle von Eingeweidewürmern,
Bandwürmern und Spul- und Springwürmern (Ascaris lumbricoides
und Oxyuris vermicularis). Entsprechend der allgemeinen Sitte,
Fleisch roh oder nur leicht angeröstet zu essen, ist der Bandwurm
bei der einheimischen Bevölkerung, wie bei den Soldaten, ausser¬
ordentlich verbreitet und zwar handelt es sich immer, entsprechend
dem Genuss von Rind-, Ziegen- und Schaffleisch, um die Taenia
saginata (mediocannellata). Man kann sich beim Schlachten von
Djagga- und Massaivieh sehr leicht von der grossen Häufigkeit
finnigen Fleisches überzeugen. Auch der Blasenzustand der Taenia
ecchinococcus ist beim Rindvieh in einem exquisiten Falle (Leber¬
und Rippenfell) beobachtet worden. Fälle von Bandwurm und Spul¬
wurm bilden ein sehr grosses Kontingent in der Poliklinik. So
erschienen im verflossenen Monat Januar 19 Djaggakinder (17,7%)
wegen Spulwürmer, in den ersten Tagen dieses Monats (Februar)
sogar 12 Kinder an einem Tage. Zwar ist der Koussobaum, der im
Urwald sehr verbreitet ist und dessen arzneiliche Wirkung unseren
abessinischen Soldaten wohl bekannt ist, auch den Djaggas be¬
kannt — sie nennen ihn muanga — , jedoch habe ich von einer
therapeutischen Verwerthung desselben nichts erfahren können.
Hautkrankheiten, speziell Ekzeme und Krätze, sind recht häufig.
Lepra habe ich nicht gesehen.
Dass Rachitis bei eingeborenen Kindern einige Male beobachtet
worden ist, bemerke ich mit Rücksicht auf eine Notiz Belows,*)
dass Rachitis nach den eingelaufenen Berichten eine seltene Krank¬
heit in den Tropen sei. Da schon die kleinsten Kinder der Djaggas
oft eine Nahrung erhalten, welche derjenigen des grossstädtischen
Proletariats in Europa nicht viel nachgiebt, nämlich gekochte unreife
Bananen, Kartoffeln (Colocosien) und saure Milch, so ist es nicht zu
verwundern, dass man auch rachitische und atrophische Kinder hier
zu Gesicht bekommt.
*) JBelow, Ergebniss der tro p e 1 1 ky gienis eilen Fragebogen, Leipzig 1892.
305
Von Struma habe ich nie etwas gesehen oder gehört.
Geschlechtskrankheiten sind unter der einheimischen Bevölkerung
anscheinend weniger verbreitet als sonst in Ostafrika.
In Verbindung mit dem „schwarzen Lazareth“ hat sich hier eine
Poliklinik herausgebildet, welche erfreulicherweise von Seiten der
Eingeborenen in rasch steigendem Umfange besucht wird. Es trägt
diese Poliklinik ihr Scherf lein dazu bei, um den Verkehr der Ein¬
geborenen mit der europäischen Station zu heben.
Betreffs der beiden Fragen, welche hier anhangsweise den Schluss
bilden sollen, der Gründung eines Sanatoriums und der Besiedelung
des Berges mit Europäern, kann ich mich kurz fassen.
Die Idee eines Sanatoriums am Kilimandjaro ist eine wenig
glückliche. Wenn es auch nicht absolut erforderlich scheint, dass
der Platz eines solchen gänzlich malariafrei sei, so würde man
dasselbe doch, um eine möglichst hohe relative Immunität zu erzielen,
in die höheren Lagen der Kulturzone (nicht unter 1500 m) zu legen
haben. Hans Meyer spricht sich in der neuen kleineren Ausgabe
seiner „Ostafrikanischen Gletscherfahrten“*) dahin aus, die Region
der Grasfluren über dem Urwald (zwischen 3000 bis 3500 m) zur
Errichtung eines Sanatoriums zu wählen. Diese Höhenlage ist wohl
zweifelsohne von Malaria frei und bietet bei gutem Wetter in der
That, wie ich selbst wiederholt Gelegenheit gehabt habe, zu erfahren,
einen angenehmen Aufenthalt.**) Aber ihre grosse Entfernung vom
Fuss des Berges, die Schwierigkeit der Beförderung durch den Ur¬
wald,***) die Umständlichkeit und Kostspieligkeit der Verpflegung
neben den klimatisch ungünstigen Faktoren (ungewohnte Kühle, viel
Nebel und Regen) lassen diese Höhenregion noch viel weniger aus¬
sichtsreich erscheinen als die höheren Lagen der Kulturzone, welche
dem Verkehr weit besser zugänglich sind. Das Klima erfüllt aber
auch hier meines Erachtens nicht die Anforderungen, die man an
ein Sanatorium stellen muss. Allerdings sind die trockenen Monate,
besonders die zugleich kühleren, September und Oktober, sehr schön
und gewähren zum Ausgleich der Hitze am Tage eine genügend
erfrischende Abkühlung in den moskitofreien Nächten, aber die übrigen
*) Leipzig 1893.
**) In einer Höhe von etwa 2750 m an der oberen Urwaldgrenze am Fusse
des Kifinikakegels, 4x/2 Stunden oberhalb Marangus, haben Lt. v. d. Marwitz
und der englische Kaufmann Fraser eine geräumige Schutzhiitte errichtet.
Dort weilte die Familie Fraser im Januar d. Js. 4 Wochen „zur Erholung“.
Der Aufenthalt daselbst ist infolge des Trägerverkehrs mit Marangu zur Ver¬
pflegung u. s. w. übrigens sehr theuer.
***) Das Sanatorium müsste wohl mit Rücksicht auf die Lage der jetzigen
Hauptstation oberhalb Moshis zu liegen kommen. Der Urwald ist über Moshi
wesentlich breiter und steiler ansteigend als über Marangu.
306
Monate sind viel zu rauh für den Europäer, der zuvor in dem
tropischen Küstenklima verweichlicht ist und nun hier eine Kräftigung
seines durch die Malaria geschwächten Körpers erlangen soll. Die
Kühle der Temperatur, der viele Regen, der oft langdauernde Nebel,
die ausserordentliche, reiche Bewölkung sind für die Erholung un¬
günstig und geeignet, eine Depression auf die Stimmung der Kranken
auszuüben*) Ich finde mich hier in Uebereinstimmung mit Dr. Preuss,
der in einem Bericht über die eventuelle Anlage einer Gesundheits¬
station in Buea am Kamerunberg, etwa 950 m, sagt:**) „Die starke
Bewölkung ist der wunde Punkt an der Sache.“ Ein Sanatorium
im Innern Afrikas zu gründen, das nur wenige Monate im Jahre
geöffnet sein dürfte, wird aber weder mit den praktischen Zielen,
noch mit dem Kostenpunkte vereinbar sein. Dieser Umstand mag
für Kamerun wenig Bedeutung haben, da Buea in 6 bis 8 Stunden
von der Küste erreichbar ist. Für den Kilimandjaro aber ist die
Entfernung von der Küste das grösste Hinderniss seiner Entwickelung
und daher die Küstenverbindung die wichtigste aller Fragen. Mit
ihr steht und fällt jeder Plan einer Besiedelung oder eines Sanatoriums.
Von hygienischem Gesichtspunkte muss eine möglichst rasche Be¬
förderung unbedingt gefordert werden, um die Kranken oder die aus
Europa zuziehendeu Kolonisten vor den Schädlichkeiten einer langen
Reise durch ungesunde Gegenden zu bewahren. Aber auch von
wirthschaftlicher Seite ist sie so wichtig, dass alle anderen Fragen,
die bei einer eventuellen Besiedelung mitspielen werden, wie der
Umfang des freien kulturfähigen Landes, die Ertragsfähigkeit des
Bodens, die Qualität der Produktion, neben ihr weit zurücktreten.
Der Wichtigkeit dieser Frage verdanken wir die eingehenden Studien
Dr. Lents über die Küstenverbindung des Kilimandjaros.***) Wenn
wir den Ansiedlern keinen Absatz oder keinen gewissen Grad von
Gewinn in Aussicht stellen können, dürfen wir füglich nicht zum
Zuzug auffordern. Zu allen Zeiten hat die Erfahrung gelehrt, dass
die Gefahren der Gesundheit nur wenig geachtet werden, wenn das
dem Europäer eröffnete fremde Land eine reiche materielle Ausbeute
versprach. Wenn nun die Gesundheitsverhältnisse des Kilimandjaros
auch nicht den Erwartungen entsprechen, die man in Europa an-
*) Der Kilimandjaro unterscheidet sich dadurch sehr nachtheilig von den
klimatischen Höhenkurorten der Schweiz, wie Davos (15 HO m) und Arosa (1850 m),
deren Hauptvorzug gerade in der langen Sonnenstrahlung im Winter und der
geringen Nebelbildung liegt.
**) In den Regenmonaten Juli, August, September, zum Theil auch im Juni
und Oktober sei Buea kein Aufenthalt für Kranke und Rekonvaleszenten, denn
es herrsche fast stets Nebel und Sprühregen und nur selten sehe man die Sonne.
Deutsches Kolonialblatt 1894, No. 3.
***) Deutsches Kolonialblatt 1894, No. 20 bis 26.
zunehmen geneigt ist, wenn auch das Klima nicht, wie man noch
manchmal zu lesen bekommt, „ganz wie in Europa ist“, weil es
nicht so sein kann, so ist doch nicht daran zu zweifeln, dass hier
Europäer längere Zeit leben und wahrscheinlich auch sich fort¬
pflanzen können, zumal da sich die Gesundheitsverhältnisse durch
geeignete hygienische Maassregeln noch bessern lassen werden. Ihre
körperliche Leistungsfähigkeit freilich wird nie die gleiche sein wie
in Europa, was von einem dem Aequator so naheliegenden Gebiete,
wie dem Kilimandjaro, auch wenn es ein Gebirgsland ist, nicht er¬
wartet werden kann. Aber die materiellen Aussichten für einen
europäischen Kolonisten sind keineswegs günstig. Es ist eine klein¬
bäuerliche Besiedelung vorgeschlagen worden. Dass dem Neu¬
ankömmling das Djaggaland in seinen bisherigen Produkten recht
wenig bietet, hat Brehme ausgeführt. Es ist in der That erstaunlich,
zu sehen, welch geringe Abwechselung die vegetabilischen Erzeug¬
nisse der Eingeborenen zeigen. Allgemein am Berge finden sich nur
die Banane, die Charakterkulturpflanze des Kilimandjaros in mehreren
Sorten, verschiedene Bohnen aus den Gattungen Dolichos, Vigna und
Phaseolus, und die beiden Knollengewächse Colocasia antiquorum,
(Taro) und Dioscorea (Yams), während die eigentliche Süsskartoffel
(Batate) nicht überall gezogen wird. Die einzigen Getreidearten sind
die Eleusinehirse und der Mais, werden aber nicht in allen Land¬
schaften gepflanzt, letzterer sogar bisher nur in sehr beschränktem
Maasse (Sorghum — Mtarna soll in den östlichen Landschaften in ganz
geringem Umfange gebaut werden). Wenn wir noch zufügen, dass
Kürbisse und Tomaten überall wild oder verwildert Vorkommen, dass
die Tabakstaude sich bei jeder Hütte findet und noch der allent¬
halben wildwachsenden Brombeere gedenken, so ist die Zahl der vege¬
tabilischen Nahrungs- und Genussmittel erschöpft. Es ist daher
kein Wunder, wenn unsere hiesigen Küstenleute nur mit Verachtung
auf die Djaggas als armselige Schlucker herabsehen, und man kann
ihnen wahrhaftig nicht verdenken, wenn sie mit schmerzlicher Er¬
innerung an die Reistöpfe, an Maniok, Sorghum und Zuckerrohr, an
Kokosnüsse und Mangos, an Ananas und Papayen, Apfelsinen und
Limonen der Küste zurückdenken. Noch viel schlimmer aber steht
es für den Neuankömmling mit der Fleischversorgung. Bei dem
jetzigen Viehstand, der jetzigen Viehrasse und Viehpflege (s. die
Gründe bei Brehme) gehört es zu den Unmöglichkeiten, eine grössere
Europäerkolonie mit Fleisch zu versorgen. Die Missionare in Mamba,
Kilema, Kibosho und Madshame erzählen, dass sie oft mehrere
Wochen lang den Genuss von Fleisch bezw. frischem Fleisch ent¬
behren müssen. Auch die beiden Militärstationen wären in übler
Lage, wenn sie nicht infolge von Kriegslieferungen bisher noch aus-
308
reichend Yieli gehabt hätten. Die Lebensmittel sind durchschnittlich
theuer und Vieh ist oft um die höchsten Preise nicht zu erhalten.
Man wird dem entgegenhalten, dass dies Alles nur Uebergangs-
schwierigkeiten seien, bis die Kolonisten selbst ihren Bedarf an
animalischen und vegetabilischen Nahrungsmitteln produzirt haben
würden, und dass die Regierung durch Prämien oder unentgeltliche
Ueberlassung des Landes den Anfang erleichtern könnte. Allerdings
darf man es jetzt als erwiesen erachten, dass die Zuzügler ihren
Bedarf durch Anbau europäischer Produkte bald decken können. Die
meisten europäischen Gemüse und Hülsenfrüchte und die Kartoffeln
gedeihen auf den europäischen Stationen am Berge ganz gut und
können bei Wasserzuleitung das ganze Jahr über gezogen werden.*)
Auch Weizen und Gerste gedeiht am Berge, wenn auch bisher nur
Versuche im Kleinen dies beweisen.**) Viel schwieriger ist die Er¬
werbung eines ausreichenden Viehstandes: das hiesige Vieh ist sehr
empfindlich gegen Temperaturwechsel, bedarf anscheinend den
grösseren Theil des Jahres der Stallfütterung, vermehrt sich nicht
stark und giebt nicht sehr viel Milch. Auch giebt es kaum gute
Weiden in der Kulturzone. Doch mag auch hierin durch europäische
Ansiedler eine Verbesserung eintreten, etwa durch Einführung einer
anderen Rinderrasse, durch Aussaat von Klee und Futterrüben und
vor Allem durch Einführung von Schweinen. Dass der europäische
Kolonist durch eigene Produktion seine Bedürfnisse in einer ihm
angemessenen Weise decken kann, muss man daher entschieden an¬
erkennen. Aber die Schwierigkeiten sind gross und die materiellen
Aussichten zu gering. Das kulturfähige freie Land ist nicht umfangreich,
befindet sich in festen Händen und muss den Häuptlingen entweder
von der Regierung oder von den einzelnen Kolonisten abgekauft
werden. Dass der Europäer, wie vielfach angenommen wird, hier
alle Arbeit selbst thun kann oder soll, halte ich für unmöglich, aber
auch nicht für nothwendig und nicht zweckmässig. Er bedarf der
Eingeborenen zur ersten Lieferung von Lebensmitteln, zur Bei¬
schaffung von Baumaterialien, beispielsweise der Bauhölzer, welche
er schwerlich allein im Stande sein wird, im Urwald zu schlagen und
herunterzutragen, und der Bananenblätter zum Decken seiner Häuser,
wenn er auf das theure Wellblech verzichten will. Für diese Dienst-
*) Vereinzelt haben die Eingeborenen unter europäischer Mithülfe an-
gefangen, europäische Kartoffeln zu pflanzen, und sich damit wohl befreundet.
**) Wenn aber H. H. Johnston (The Kilimandjaro Expedition, London
1886) sagt, dass Ostafrika Distrikte besitze, welche dereinst die Kornkammern
der Welt (granaries of the world) werden möchten, da sie in weitem Umfange
ein europäisches Klima besässen, so gehört dies zu jenen märchenhaften Ueber-
treibungen, mit welchen er seine Beobachtungen am Kilimandjaro zu verschönern
pflegt.
309
leistungen müssen die Eingeborenen bezahlt werden und, was
schwieriger ist, sie müssen erst angeworben werden. Zwar ist die
Annahme nicht gerechtfertigt, dass der Djagga als Lohnarbeiter
nicht zu gebrauchen sei, wie man so häufig hört und auch Brehme
noch angiebt, er war wesentlich bisher an den Europäer noch nicht
gewöhnt. Beim Bau der Station JVloshi sind Djaggas in ausgiebiger
Weise herangezogen worden, auch für die Missionen leisten sie als
Träger und Arbeiter häufig Dienste, auch lernen sie, was wichtig ist,
leicht Kisuaheli, da sie selbst ein Bantustamm sind. Aber es bedarf
zu ihrer Heranziehung immer eines gewissen obrigkeitlichen Druckes
oder Zwanges, welcher nicht zu weit gehen darf, um sie ihren
eigenen Haus- und Feldarbeiten nicht zu sehr zu entziehen. Die
Erwerbung der kleinen Kolonne von Eingeborenen, deren der
Europäer bei seiner Niederlassung bedarf, macht den jetzigen
europäischen Stationen am Berge schon recht grosse Schwierigkeit.
Man hört von allen Seiten Klagen, dass es so schwer sei, die noth-
wendigen Bedürfnisse von den Eingeborenen zu beziehen. Wie viel
mehr würde das zutrefl'en, wenn ein grösserer Zuzug von Europäern
stattfände! Die Herstellung von guten Kommunikationen, vor Allem
Fahrwegen, ist wegen der schluchtenreichen Fältelungen der Hänge
sehr schwer und ein erprobtes Zugthier fehlt noch gänzlich. Es
muss auch daran erinnert werden, dass der zur Herstellung solider
Häuser erforderliche Kalk am Kilimandjaro nicht vorkommt, viel¬
mehr in der Steppe (eine Tagereise von Moshi entfernt) gebrochen und
gebrannt werden muss, dass die Bauhölzer zum Schutze gegen die Alles
zerstörenden Bohrkäfer und Termiten mit Karbolineum, Lysol, guten
Oelfarben oder Kalkmilch imprägnirt werden müssen.*) Einen
grösseren Theil seiner Lebensbedürfnisse müsste der Einwanderer
noch aus Europa beziehen, selbst das Salz wird noch nach Ostafrika
eingeführt.**)
Es können sich daher nur Kolonisten niederlassen, die über ein
grösseres Kapital bereits verfügen. Welche Hoffnung auf Gewinn
kann ihnen aber gemacht werden? Es giebt kein Produkt tropischer
oder subtropischer Natur oder der gemässigten Breiten, welches nicht
*) Ziegel zu brennen, ist in Moshi bei mehrfachen Versuchen unter ver¬
schiedener Mischung nicht gelungen. Dagegen sind an der Luft getrocknete
Ziegel in Moshi und anderen Plätzen mit Erfolg verwendet worden. Eine grosse
Dauerhaftigkeit können freilich solche Trockenziegelbauten nicht beanspruchen.
Geeignete Lavabausteine finden sich aber überall.
**) Es sei bemerkt, dass das „Steppensalz“, welches einen Handelsartikel
zwischen den Djaggas und den Bewohnern der Steppenoasen Kahe und Arusha
tshini bildet, kein Kochsalz, sondern wesentlich Soda ist. Johnstohn scheut
sich nicht, von Salpeter zu sprechen, der weite Flächen im S, W und N des
Kilimandjaro bedecke.
310
ebenso gut oder besser näher an der Küste, vor Allem in Usambara,
bezw. an der Küste selbst gezogen werden könnte. Europäische
Gemüse und Kartoffeln können auch bei günstigen Verkehrsmitteln
(Schifffahrt oder Eisenbahn) den Transport zur Küste unmöglich
lohnen und tropische für den Welthandel bestimmte Produkte nur
bei sehr vorzüglicher Qualität. Die Auswahl an letzteren, die am
Kilimandjaro Aussicht haben, zu prosperiren, ist aber nach Volkens
nicht gross: Thee (chinesischer und Paraguay - Thee), Chinarinde,
Manilahanf, Kautschuk (Manihot Glaziovii und Kautschukliane).
Unter solchen Umständen ist es schwer, einer europäischen Be¬
siedelung das Wort zu reden. Wohl mag dereinst die Zeit kommen,
in der auch der Kilimandjaro in den Wettbewerb der Vorzugsgebiete
der Kolonie treten mag. Dies wird besser geschehen durch Nieder¬
lassung einzelner Kapitalkräfte und ausgiebige Heranziehung der ein¬
heimischen bedürfnisslosen Arbeitskräfte als durch Niederlassung
von Bauernfamilien, denen man eine Verbesserung ihrer häuslichen
Lage schwerlich in Aussicht stellen könnte. Es ist der Kolonie und
dem Vaterlande wohl mehr gedient, wenn die hiesige an sich be¬
scheidene und sehr arbeitsame Bevölkerung in ihren Lebensumständen
gehoben, an grössere Bedürfnisse und reichere Produktion gewöhnt
wird, als durch einen grösseren Zuzug von deutschen Landleuten,
die nicht finden würden, was sie von dem gelobten Lande erhoffen.
Sitten, Gebräuche und Rechtspflege bei den Bewohnern
Usambaras und Pares.
Von Lieutenant Storch.
Die Bewohner Usambaras und Pares, worunter hier nur Süd-Pare,
nicht Ugueno verstanden sein soll, zerfallen in drei Hauptstämme,
nämlich:
1. die Wakilindi und Washambaa,
2. die Wapare,
3. die Wambugu.
Hierzu kommen in der Niederung des Mkomasifiusses ein Misch¬
volk aus zum grössten Theil Waseguha mit Washambaa und Wapare.
Die Sitten und Gebräuche der vorgenannten Stämme sind schon
theilweise in Dr. Baumanns „Usambara und seine Nachbargebiete“ be¬
schrieben, weshalb ich mich in dieser Hinsicht nur darauf beschränke,
Ergänzendes zu liefern.
311
1. Die Wakilindi und Waskambaa.
Die Wakilindi sind ein von Arabern abstammendes, eingewandertes
Geschlecht, welches sich über ganz Usambara verbreitet und vermöge
seiner höheren Intelligenz und Energie zur Herrschaft empor¬
geschwungen hat, so dass ganz Usambara unter einem Oberhäuptling
steht, während die Familienglieder der Wakilindi sich im Lande als
Jumben (Häuptlinge) vertheilt haben. Zum Theil erhielten sie sich
rein und zeichnen sich dann durch eine auffallend helle Hautfarbe
aus, zum Theil haben sie sich schon sehr mit den Washambaa ver¬
mischt. Die Washambaa zerfallen selbst wieder in eine Reihe von
Unterstämmen, ursprünglich wohl nur grössere Familien, deren Sitten
und Gebräuche mitunter etwas voneinander abweichen mögen.
A. Sitten und Gebräuche.
Nach der Geburt eines Kindes hat dessen Mutter sechs Tage
in der Hütte zu bleiben. Ist das Kind 1 bis 2 Monate alt, so wird
ein zwei Nächte währendes Tanzfest abgehalten, wobei in der ersten
Nacht nur Weiber, in der zweiten Nacht verlieirathete Männer und
Weiber, welche schon Kinder haben, sich zusammenfinden. Bis zu
diesem Zeitpunkt muss der Vater des Kindes von seiner Familie fern
bleiben. Am Morgen nach beendigtem Tanz wird das Kind zum
ersten Male ausgetragen.
Auch hier herrscht wie überall der Brauch, die Kinder zu er¬
morden, wenn sie nicht regelmässig zahnen. Erst müssen die unteren,
dann die oberen Schneidezähne erscheinen. Kommt aber erst ein
seitlicher Zahn, so wird das Kind den Aeltesten des Dorfes über¬
geben, welche es heimlich erwürgen. Zwillinge werden stets getödtet.
Das von Dr. Baumann für die Wabondei beschriebene galo,
hier ararna genannt, wird auch in Usambara durchgemacht, dagegen
fällt das kiwanga der Mädchen weg. Die Wakilindiweiber sollen
eine dem galo ähnliche Ceremonie beobachten. Vor der Reife haben
die Mädchen ein Tanzfest (losa) mitzumachen, bei Eintritt der Reife
eine weitere zweinächtige Tanzerei (kimbissi und ndagiro), wobei in
der ersten Nacht nur Weiber zugegen sind.
Die Verlobung geschieht in der Weise, dass der Bräutigam
dem Vater der Braut 2 Ziegen, 1 Tuch oder dergleichen und
1 Topf Honig überbringt. Es geschieht dies oft schon vor der
Reife des Mädchens. Ein Mkilindi, der ein Washambaaweib haben
will, hat es leichter, er wirft einfach ein Stück Zeug oder Perlen
vor die Thüre der Braut, worauf der Vater derselben seine Tochter
dem Mkilindi zuführt und dafür unter Umständen eine Ziege erhält.
Früher erfolgte meist einfach die Wegnahme eines Weibes durch den
Mitth. von Forscliungsreisenden, VIII. Band. IV. 21
312
Mkilindi ohne weitere Umstände, gleichviel, oh dasselbe schon
verheirathet war oder nicht.
Bei der Hochzeit wird ausser dem unvermeidlichen Ziegen¬
schlachten und Tembotrinken keine weitere Festlichkeit veranstaltet.
Bei Eintritt der Schwangerschaft erhält der Vater der Frau von
ihrem Manne eine Ziege, nach der Geburt des ersten gesunden Kindes
ein Rind.
Vielweiberei ist gebräuchlich und hängt von dem Reichthum
des Betreffenden ab. Insbesondere besitzen die Wakilindi eine grosse
Zahl von Frauen; Simboja und dessen Sohn Kimeri mochten deren
etwa je 50 besessen haben. Arme Leute haben meist nicht mehr
wie ein Weib. Immer ist eine Frau, gewöhnlich die zuerst gehei-
rathete, die Bevorzugte vor anderen; sie und ihre Kinder besitzen
gewisse Vorrechte.
Beim Begräbniss wird die Leiche mit dem Kopf nach Norden
in das Grab gelegt, Männer kommen auf die rechte, Weiber auf die
linke Seite zu liegen. Die Sitte, Leichen im Hause zu begraben,
wie bei den Wapare, ist nicht üblich, auch folgt kein Tanz. Die
Wakilindi begraben ihre Todten bei Nacht und legen unter die
Leiche ein Rinds- und ein Schaffell, ein Brett und zuletzt ein dunkles
Tuch. Bei einem grossen Häuptling wird nach dem Begräbniss die
ngoma (Trommel) geschlagen.
Die Ablegung der Trauer erfolgt einige Tage darauf. Der
zunächst erbberechtigte Verwandte (Bruder) setzt sich nachts in Be¬
gleitung eines Freundes (rntani) in die Hütte des Verstorbenen, wo
dessen oberstes Weib schläft, die er nachher heirathen muss. Letztere
hat gleichfalls eine Freundin als Aufsicht bei sich. Am darauf¬
folgenden Morgen werden Waschungen vorgenommen und die ganze
Verwandtschaft scheert sich die Haare ab. Ein Stück Vieh wird mit
grünen Zweigen auf Kopf und Rücken geschlagen und dem Todten
geopfert. Der Mageninhalt des Thieres wird sodann auf das Fell
gelegt, daneben die Tücher des Verstorbenen. Jeder der Anwesenden
berührt mit den Spitzen der kleinen Finger Beides, damit das Eigen¬
thum des Todten hiermit von ansteckenden Krankheiten gereinigt
werde. Das Fleisch wird verzehrt, wobei der Erbe den Kindern des
Verstorbenen Fleischstückchen giebt mit dem Bedeuten, dass er nun
ihr Vater sei. Dieser wird nachher noch in die Felder geführt, wo¬
selbst seine neuen Kinder die Arbeit des Ackerbauens nachahmen
und so ihn als Vater anerkennen.
Drei Tage nach dem Todesfall wird das Orakel befragt, woran
der Betreffende gestorben ist (mlamuro). Dieser Brauch ist von den
Wapare übernommen worden und wird bei der Besprechung von
deren Sitten noch näher erörtert werden.
313
Was die Religion der Washambaa betrifft, so unterscheiden
sie dreierlei höhere Wesen: einen Gott, die Geister ihrer verstorbenen
Ahnen und die bösen Geister. Ueber das Wesen derselben machen
sie sich weiter keine Vorstellungen, wie ja viel Nachdenken über
abstrakte Begriffe ohnedies nicht ihre Sache ist. Die schädlichen
Einflüsse der bösen Geister sucht man durch Opfer oder Gegenzauber
hintanzuhalten. Ebenso opfern sie Gott und ihren verstorbenen Vor¬
fahren, von welchen sie sich Hülfe erhoffen. Bei Krankheiten und
Unglück, bei bevorstehenden Unternehmungen tliut man häufig ein
Gelübde, Gott oder den Verstorbenen ein Opfer zu bringen, falls die
Sache gut abläuft.
In Bezug auf Aberglauben wird sehr viel geleistet. Schwarze
und Pythonschlangen werden meist nicht getödtet (ursprünglich
Waparesitte), da deren Tod Krankheit nach sich ziehen würde.
Ebeuso werden die Katzen, wohl als Vertilger der zahlreichen Ratten,
heilig gehalten; desgleichen eine in der Mkomasigegend vorkommende
Art grosser schwarzer Vögel (bissi). Hühner, die an den Fuss ihrer
Leiter Eier legen, Rinder und Kleinvieh, welche ungewöhnliche
Handlungen ausführen, z. B. mit den Vorderfiissen auf eine Bettstelle
steigen, sich selbst säugen und dergleichen, müssen sofort als Krank¬
heit bringend getödtet werden.
Die Begriissung der Washambaa besteht in der Anrede des
Namens und einem darauffolgenden langen Zwiegespräch. Der Ober¬
häuptling Kimeri in Wuga, welcher über ganz Usambara herrscht,
darf aber nicht anders als mit „Simbamweni“ begrüsst werden.
Bei der Geburt erhält das Kind den Namen eines näheren Ver¬
wandten des Vaters. Jeder führt zwei Namen. Oft wird auch der
Name des Vaters mit der Vorsilbe mana (Sohn) gebraucht. Zufällige
Umstände können sehr oft veranlassen, dass der richtige Name in
Vergessenheit geräth, und ein sich auf irgend eine Begebenheit be¬
ziehender Name angenommen wird. So hiess z. B. Sultan Simboja
ursprünglich Paula. Da sein Geburtshelfer, ein mgauga (Arzt) aus
Pare, Simboja hiess, so wurde der junge Paula nach diesem benannt.
Der häufig vorkommende Name Msungu (Europäer) ist z. B. darauf
zurückzuführen, dass bei der Geburt des Betreffenden gerade ein
Europäer in dem Orte anwesend war. Der Akida Kivuma in Masinde
wurde so benannt, weil er zur Zeit eines Krieges gegen Kivuma,
Vater des Waseguhahäuptlings Sedenga, geboren wurde u. s. f. Die
Weiber erhalten oft den Namen eines Verwandten mit der Vorsilbe
„0“, namentlich nehmen sie bei der Heirath den Namen eines Ver¬
wandten des Mannes mit „0“ an. Bei den Wakilindi ist in diesem
Falle die Sache folgendermaassen: Kimeri hat z. B. zwei Enkel, der
älteste Hisa, der zweite Kihio genannt, dann heissen die Weiber
21*
314
dieser Enkel der Reihenfolge nach. 1. O’kimeri, 2. O’hisa, 3. O’kihio
u. s. w. Die oberste Frau des Sultans Kimeri in Wuga führt stets
den Titel O’kimera.
Zum Schlüsse seien hier noch die bei der Einsetzung des Ober¬
häuptlings in Wuga, sowie seines Thronfolgers in Bumbuli gebräuch¬
lichen Feierlichkeiten erwähnt.
Für den Thronfolger sind folgende Ceremonien vorgeschrieben:
Er begiebt sich von Wuga nach Bumbuli. Unterwegs wird von einer
bestimmten Stelle aus ein eigener Weg durch das Dickicht geschlagen,
dem er zu folgen hat. In der Nähe der Residenz angekommen,
wartet er die Nacht ab. Beim ersten Hahnenschrei erfolgt gegen
Morgen der Einzug unter Trommelschlag und Hörnerblasen. In der
darauf folgenden Nacht wird ihm ein Weib zugeführt. Dieses, nicht
etwa eine früher geheirathete, wird die oberste Frau (O’kimera) und
deren Sohn wird der Nachfolger in der Regierung.
Gelangt der Thronfolger zur Herrschaft, so zieht er von Bum¬
buli aus nach Wuga. ln der Nähe dieser Stadt, von einem Orte
Kihitu an, schlägt man wieder einen eigenen Weg durch das Dickicht,
den der Häuptling bis zu einem zweiten Ort Fune begeht. Dort
begrüssen ihn die Aeltesten von Wuga und entführen ihn nachts
heimlich ohne sein Gefolge nach seiner Residenz. Gegen Morgen
verkünden Trommel und Horn die Ankunft des neuen Herrschers.
B. Organisation und Rechtspflege.
Vor der deutschen Herrschaft waren die Washambaa den Waki-
lindi gegenüber ziemlich rechtlos. Die Letzteren thaten als Herrscher
meist, was ihnen beliebte, Todtschlag und Frauenraub waren an der
Tagesordnung, und die von Haus aus unglaublich feigen und energie¬
losen Washambaa wagten nicht, gegen sie anzugehen. Die Waki-
lindi verstanden es, durch sehr drakonische Gesetze ihr Ansehen und
ihre Macht zu behaupten. Bei Gehorsamsverweigerung wurde der
Schuldige gefangen und gebunden. Die Todesstrafe wurde bei den
Männern durch Erdrosseln, bei den Weibern durch Erwürgen mit der
Hand vollführt. War der zu einer Strafzahlung Verurtheilte oder
überhaupt ein Schuldner unvermögend, so wurden er oder seine An¬
gehörigen als Sklaven verkauft. Bei jeder Rechtsstreitigkeit, die
einem Mkilindi zur Entscheidung vorgelegt wird, erhält dieser Ge¬
richtskosten in Gestalt von Vieh. Auch wird, wie aus den weiter
unten folgenden Strafgesetzen ersichtlich ist, in vielen Fällen ein
Stück Vieh nach Schluss der Gerichtssitzung von dem Gerichtshof,
dem Kläger und dem Beklagten, welch letzterer die Kosten trägt,
gemeinsam verzehrt.
Kimeri (d, i. König) von Wuga ist als oberster Herrscher die
höchste Instanz im Lande. Ihm unterstehen sämmtliche Unterhäupt-
315
5.
6.
7.
8.
linge, die er nach Belieben ein- oder absetzen kann. Zu Lebzeiten
Sembojas jedoch gehorchte diesem bezw. seinem Sohne als dem nicht
regelmässigen Herrscher nur ein Theil der Wakilindi.
Jeder Häuptling hat eine Anzahl Würdenträger um sich, wählbar
durch ihn im Einvernehmen mit dem Volke. Diese bilden zusammen
mit den Aeltesten des Dorfes als Beisitzer auch gleichzeitig das
Gerichtspersonal.
In Wuga führen diese Würdenträger, deren einzelne Obliegen¬
heiten übrigens nicht strenge abgegrenzt sind, folgende Titel:
1. rnlugu, Stellvertreter des Herrschers, erster, oberster Beamter,
2. mdoembasi i stets im G-efolge, empfangen Fremde, hören deren
3. kaoneka j Anliegen und melden sie dem rnlugu,
4. doekulu | p)egorgen mejgf; (];e auswärtigen Angelegenheiten.
mbaruku, Militär, Verwalter der Kriegsmittel (Pulver),
bereko, dem Vorigen beigegeben,
bilali, unter den beiden Vorigen.
Ausserdem giebt es noch Aufseher über die Weiber, über die
Kinder, Vorläufer, Anführer u. s. w.
Der Hofstaat Sembojas in Masinde hat (noch jetzt) eine eigene
abweichende Zusammensetzung, nämlich:
1. mdoe, Stellvertreter, oberster Beamter,
2. matnbashi, meist ein Alter,
3- die Akidas, zur Verfügung für jederlei Dienstleistung.
Im übrigen Usambara, also bei säramtlichen Unterhäuptlingen,
bestehen folgende Würden:
1. mdoe, oberster Beamter, ihm beigegeben mambashi,
slieshe,
kaoneka,
mbiru,
Akidas als Gefolge.
Die Entscheidung bei Gerichtssitzungen wird nach vorausgehender,
meist sehr langer und umständlicher Berathung durch den Jumben,
möglichst im Einvernehmen mit dem Gerichtspersonal, herbeigeführt.
I. Im Folgenden seien die durch Ueberlieferung bestehenden
Strafgesetze der Wakilindi aufgeführt.
1. Diebstahl und Betrug, a) In der Schamba (Acker), also
Lebensmittel, Ackergeräthe.
Strafzahlung: 1 Ziege an den Bestohlenen,
1 Ziege an den Häuptling,
1 Ziege an die Aeltesten und Richter;
ausserdem 1 Ziege (lugole) als gemeinsames Mahl für sämmtliche
Gerichtsbeisitzer.
2.
3.
4.
5.
b) In oder bei der Wohnung (Vieh, Hausrath, Hühner, Zeug)
Bienenstöcke mit Honig, ebenso geraubte Leute.
Strafzahlung: 1 Kuh an den Bestohlenen,
I Kuh an den Jumben (Häuptling),
1 Rind an die Aeltesten und Richter;
und als Mahl ausserdem 1 Ziege (lugole) wie im vorigen Fall.
Gestohlene Rinder werden eventuell mit unterdessen geworfenen
Jungen zurückgegeben, Ziegen und gestohlene Sachen verbleiben dem
Diebe. Geraubte Leute werden ebenfalls zurückgegeben.
2. Die Weigerung eines Unterthanen, das Feld des Mkindi-
jumben bearbeiten zu helfen oder das eigenmächtige Wegziehen aus
dem Dorfe zieht Strafzahlung von 1 Ziege an den Jumben nach sich.
3. Körperverletzung. Strafzahlung: 1 Ziege an den Ge¬
schädigten, 1 Ziege (lugole) für alle Anwesenden.
Spezielle Bestimmungen.
Für ein ausgeschlagenes Auge:
3 Rinder, vorher 1 Ziege an den Geschädigten,
1 Kuh an den Jumben,
1 Rind an die Richter u. s. w. als Mahl.
Dem Geschädigten kann bei Wiederholung der Klage, da er als
Einäugiger viel verspottet wird, noch weiteres Vieh (im Ganzen bis
zu 10 Rindern) zugesprochen werden.
Für ein abgerissenes Ohrläppchen (das nach der Sitte
durchbohrt ist und lang herunterhängt) Strafzahlung bis zu 3 Rindern
nach Uebereinkunft.
4. Todtsclilag (kimba). Strafzahlung: 5 Rinder und 1 Sklavin
(oder dafür 3 Rinder) an die Verwandten des Getödteten, ferner
1 Ziege (furuga), 3 Rinder an den Jumben, 2 Rinder an die Richter,
Aeltesten.
Die Ermordung eines Mkilindi durch einen Mshambaa zog den
Tod des Mörders, Einziehung seiner Leute als Sklaven und seines
Vermögens nach sich.
5. Unehelicher Beischlaf (der sehr häufig vorkommt):
a) Begangen mit einem Weibe eines mächtigen Mkilindi:
Todesstrafe, Einziehung der Verwandten des Thäters als Sklaven,
sowie seines Besitzes. Das Kind wird ebenfalls getödtet; bei den
strengeren Wakilindi (wie Semboja) auch das verführte Weib.
b) Begangen mit dem Weibe eines weniger hochgestellten
Mkilindi:
Strafzahlung: 6 Rinder, wovon 2 eventuell an Kimeri, 1 an die
Richter und Aeltesten als Mahl, ferner 2 Ziegen (furuga und via).
Bei Schwangerschaft noch weitere (etwa 4) Rinder.
c) Begangen durch Washambaa untereinander:
317
a) Ohne Schwangerschaft. Strafzahlung: 1 Kuh an den Mann
des Weibes, feiner 1 Ziege (furuga), 1 Kuh an den Jurnben, sowie
1 Ziege (via), 1 Rind an die Richter und Aeltesten.
ß) Mit Schwangerschaft. Ausser der vorgenannten Zahlung noch
1 Kuh an den Vater der Frau.
Das Kind wird meistens getödtet. Ist das Weib unverheirathet,
so tritt keine oder nur geringe Strafe (Zahlung von 1 Kuh an
den Vater des Weibes) ein. Das Kind wird aber auch in diesem
Falle meist getödtet.
6. Zauberei. Leute, welche als Zauberer oder Hexenmeister
beschuldigt wei’den, haben die Feuerprobe zu bestehen, indem ihnen
ein glühendes Eisen zweimal auf die Zunge geschlagen wird. Ein
anderes, bei den Waseguha und Wapare gebräuchliches Verfahren ist,
dass der Betreffende Steine aus kochendem Wasser und Oel heraus¬
zuholen hat. Erscheinen danach keine Brandwunden, so ist der Be¬
treffende unschuldig und erhält eine Entschädigung (etwa 3 Ziegen)
von dem Kläger. Im anderen Falle wird der Zauberer durch
Keulenschläge auf den Kopf getödtet, ebenso seine erwachsenen
Kinder; sein Besitz wird eingezogen; in einzelnen Fällen kann er
sich durch Zahlung einer Summe im Werthe von 10 Rindern aus-
lösen, was meist dadurch geschieht, dass man ihm seinen ganzen
Besitz wegnimmt oder seine Angehörigen verkauft; der Zauberer
selbst bleibt mitsammt seinen Nachkommen geächtet und darf sich
nicht mehr im Lande blicken lassen.
Das bei den meisten Stämmen vorkommende Gifttrinken ist hier
nicht gebräuchlich. Statt der vorgenannten Strafzahlungen für ein
Vergehen können auch Sklaven, statt Rinder auch Kleinvieh gezahlt
werden, wobei 1 Sklave (gleichviel ob erwachsen oder nicht) gleich
1 männlichen und 1 weiblichen Rind, 1 Sklavin gleich 1 männlichen
und 2 weiblichen Rindern, 1 männliches Rind (njeku) gleich 3, 1 weib¬
liches (mori oder mbuguma) gleich 5 Ziegen werth gilt.
II. Erbrecht. Bei den Wakilindi geht die Jumbenwürde vom
Vater auf den Sohn der obersten Frau über. Ist dieser unmündig
oder sonstwie zum Herrschen ungeeignet, so tritt ein Bruder des
Vaters für ihn ein. Auch Weiber sind bis zu einem gewissen Grade
erbberechtigt, jedoch nur in kleinen Ländereien. In jedem Falle
bedarf es der Bestätigung durch den Kimeri.
Die Weiber eines Verstorbenen werden von dessen Brüdern ge-
heirathet. Derjenige, der das oberste Weib erhält, vertritt Vater¬
stelle bei den Hinterbliebenen. Sklaven, Vieh und Felder verbleiben
bei einem Häuptling bei dessen Nachfolger, sonstiges Vermögen wird
unter sämmtliche Kinder vertheilt.
318
Bei den Washambaa ist aer älteste Bruder des Verstorbenen
meist alleiniger Erbe und nimmt die Vaterstelle ein. Doch haben
die Kinder das Recht, diesen zur theilweisen Herausgabe der Erb¬
schaft zu bewegen, wenn er sich geizig zeigt oder sich sonstwie
missliebig macht.
III. Ehescheidung, welche aus beliebigen Anlässen (Unfrucht¬
barkeit, Unverträglichkeit) erfolgen kann, wird in der Weise erledigt,
dass das Weib zu ihrem Vater zurückkehrt, welcher das bei der
Heirath erhaltene Vieh dem Manne zurückstellt. Diesem Letzteren
verbleiben die Kinder. Sind keine Kinder geboren worden, so er¬
hält der Mann sein Vieh mit den unterdessen geworfenen Jungen
zurück.
IV. Verträge, welche meist nur in Handelssachen Vorkommen,
werden mündlich im Beisein von mindestens je einem Zeugen für
jede Partei abgeschlossen. Auch kommt es dabei vor, dass der
Schuldner dem Gläubiger irgend einen Gegenstand als Zeichen seiner
Schuld aushändigt.
V. Eigentliumsrecht. In Usambara hat Kimeri von Wuga
das Verfügungsrecht über das ganze Land, welches er seinen Unter¬
häuptlingen zu Lehen giebt. Jede engere Familie und in ihr jeder
Einzelne hat eigenen Grund und Boden zum Ackerbau, über welchen
der Jumbe nur in dem Falle verfügen kann, wenn der Eigentkümer
ohne Hinterlassung von Erben stirbt. Eingewanderte wenden sich
mit der Bitte um Verleihung eines Stück Landes an den betreffenden
Jumben; eine Zurücknahme eines einmal verliehenen Grundstückes
erfolgt — schwere Verbrechen ausgenommen — nicht. In Wuga
ist es Sitte, dass beim Tode eines reichen Einwohners, der mehrere
Schamben (Felder) besitzt, eine derselben an den Kimeri zurück¬
fällt, doch können die Erben das Land gegen Zahlung von drei Ziegen
behalten.
Jeder Eingeborene hat vollkommenes Verfügungsrecht über sein
Stück Ackerland, das er beliebig verkaufen kann. Auch leihweise
Ueberlassung des unbebauten Feldes an Andere kommt vor, jedoch
immer ohne irgend welche Zahlung oder Entschädigung an den Eigen-
thürner des Grundstücks. Schulden auf Hütte, Grund und Boden
sind unbekannt. Dagegen können Hütte, sowie bebaute, namentlich
Bananen- und Zuckerrohrfelder als billige Schuldzahlungen angenommen
werden. Abgrenzungen von Weideland bestehen nicht.
Grössere Funde auf Grund und Boden gehören dem Jumben.
Bei den nahe an Jagdgebieten Sitzenden gehört, wenn ein Elefant
erlegt wurde, ein Zahn dem Häuptling. Ist ein essbares Stück Wild
geschossen worden, so erhält der Häuptling einen Schenkel davon.
319
VI. Verhältniss der Sklaven. Sklaven entstanden früher
durch Leute, welche im Kriege geraubt und gefangen worden waren,
oder dadurch, dass ein Straffälliger oder überhaupt ein Schuldner
seine Schuld (masa) nicht bezahlen konnte. Schuldner sein heisst
schon fast so viel wie Sklave sein.
Die Sklaven haben ihr eigenes Feld, Hab und Gut, welches sich
fast durchweg ganz oder theilweise auf ihre Kinder vererbt. Sie ge-
niessen dieselben Rechte wie Freie, nur müssen sie ihrem Herrn beim
Feld- und Hausbau — die Weiber im Hauswesen — helfen. Darin
besteht ihre ganze Sklaverei, die Behandlung ist dieselbe wie bei
Freien, Misshandlungen kommen ausser den oben angeführten Strafen
selten vor, namentlich seitdem die Sembojapartei erledigt ist.
Verheirathet sich die Tochter eines Sklaven, so gehört der dafür
gezahlte Brautpreis zur Hälfte dem Herrn. Heirathet ein Freier eine
Sklavin, so werden die aus der Ehe hervorgehenden Kinder durch
Zahlung des bei der Heirath besprochenen Preises an den Vater der
Frau frei. Heirathet dagegen ein Sklave ein freies Weib, so bleiben
die Kinder Sklaven. Die Kinder reiner Sklaven bleiben gleichfalls
Sklaven. Die Verwandten eines Sklaven können denselben durch
Zahlung von Vieh auslösen, wobei die früher angegebenen Preise
massgebend sind. Schulden oder Strafzahlungen des Sklaven werden
nur in dessen Unvermögensfalle durch den Herrn bezahlt.
2. Die Wapare.
Es giebt wenig Volksstämme, die in Bezug auf Aberglauben,
Hexenkünste, Sympathiekuren u. s. w. mehr Leistungen aufzuweisen
haben wie die Wapare. Nirgends giebt es mehr Schwindeldoktoren
wie dort, und diese machen, dank der Dummheit und dem Aber¬
glauben des Volkes, ein profitables Geschäft. Infolge ihrer grossen
Kenntniss der Beschwörung von Geistern und der Besprechung von
Krankheiten stehen sie bei ihren Nachbarstämmen in einem gewissen
Ansehen, und letztere holen sich sehr oft Rath bei Waparemedizin-
männern, denen sie mehr Kenntniss Zutrauen wie ihren eigenen. Von
Semboja wird erzählt, er habe durch einen Medizinmann aus Pare
(Mlemba bei Kisuani) die grosse Heuschreckenplage ins Land gebracht,
um die Europäer durch Hunger aus dem Lande zu treiben. Nach
Sembojas Tod liess dessen Sohn Mputa den Mlemba zu sich kommen
und forderte ihn auf, die Heuschrecken wieder zu bannen, worauf
Mlemba eine Zeit lang mit Beschwörungen in Usambara sein Unwesen
trieb. Viele abergläubische Gebräuche der Wapare sind von den
Nachbarstämmen übernommen worden.
A. Sitten und Gebräuche
der Wapare sind von Dr. Baumann ziemlich eingehend behandelt
worden. Ebenso wie bei den Wasliambaa sind sie nicht durchweg
320
die gleichen, da auch die Wapare sich auf eine Anzahl von Unter¬
stämmen zurückführen. Es dürften noch folgende Bemerkungen er¬
übrigen.
Die Heirath kommt den Wapare theurer zu stehen wie den
Mshambaa. Ausser einer grossen Menge Ternbo und Honig bringt
er dem Vater seiner Auserwählten nach und nach 3 Rinder und
2 Ziegen, nach der Geburt eines Kindes noch 2 Ziegen.
Bei jedem Todesfall wird wie bei den Washambaa ermittelt,
woran der Betreffende gestorben ist (mlamuro). Dies geschieht auf
folgende Art:
Man nennt die verschiedenen möglichen Todesursachen (Gottes
Wille, böser Geist, mehrere Krankheiten, Schlange, Katze u. s. w.)
und befragt bei jeder das Orakel, indem man eine grössere Anzahl
von Fruchtkernen zu je fünfen zusammenlegt. Bleibt dabei schliess¬
lich eine gerade Zahl oder gar keine Kerne übrig, so ist die gestellte
Frage bejaht, im anderen Falle verneint. Fällt die Frage jedoch
immer verneinend aus, so ergiebt sich von selbst, dass ein Mensch
den Verstorbenen verzaubert hat. Zur Ermittelung dieses Zauberers
begiebt man sich zu einem Medizinmanne. Dieser rätli der Reihe
nach verschiedene Personen und sticht bei jeder derselben eine
Nadel durch den Kern einer Kürbisart. Dringt die Nadel durch den
Kern durch, so ist der Genannte unschuldig und es wird weiter ge¬
ratheu, bis die Nadel einmal stecken bleibt. Damit ist der Zauberer
ermittelt und muss, wie schon früher erwähnt, die Feuerprobe be¬
stehen. Natürlich hat es der Medizinmann völlig in der Hand, ob
er die Nadel durch den durchaus nicht harten Kern durchdrücken
will oder uicht, und der Schwindler wird vielfach bestochen, um
Jemanden für schuldig oder unschuldig zu erklären.
Uebrigens kommt es auch häufig vor, dass irgend Jemand, der
sich missliebig gemacht hat, einfach der Zauberei beschuldigt wird
und dann ohne Weiteres die Feuerprobe durchmachen muss.
Von den Wapare stammt auch die Sitte der Heilighaltung der
schwarzen und Pythonschlangen. Jedoch werden dieselben nicht
überall geschont, sondern von den Muthigsten auch getödtet, dann
aber durch Opfer versöhnt. Erkrankt ein Familienmitglied und man
glaubt die Krankheit auf die Tödtung einer Schlange zurückführen
zu müssen, so wird ein Medizinmann gerufen, der ein Huhn oder eine
Ziege opfert und die Krankheit bespricht. Die Knochen des Opfer-
thieres werden aufgelesen, hinter dem Rücken zu einem Baume ge¬
tragen und dort niedergelegt.
B. Organisation und Rechtspflege.
Ein gemeinsames Oberhaupt für Pare existirt nicht. Die höchste
Instanz bildet der Häuptling (mfuma) der betreffenden Landschaft.
321
Dieser hat einen Beamten (mlao), dem ein Zweiter (mossi) beigegeben
ist, deren Aufgabe die Untersuchung und Schlichtung aller Streitig¬
keiten bildet, wobei ihnen die Aeltesten als Beisitzer assistiren. Die
von einigen Jumben nebenbei gehaltenen Akidas sind eine neue von
den Wakilindi erlernte Einführung.
Die Handhabung der Rechtspflege ist keine energische, und nur
die intelligenteren Jumben haben die Macht, ihren Willen durchzu¬
setzen, insbesondere da die Wapare nicht in geschlossenen Ortschaften,
sondern in einzelnen Hütten zerstreut wohnen und überhaupt auf einer
niederen Kulturstufe stehen.
Wie bei den Wakilindi haben auch hier die einflussreicheren
Jumben in gewissen Fällen Antheil an der Strafzahlung, ebenso folgt
nach Schluss einer Gerichtssitzung ein gemeinsames Mahl.
Im Unvermögensfalle tritt wie überhaupt bei jeder unbezahlten
Schuld auch hier Sklaverei des Schuldners und eventuell seiner Ver¬
wandten ein.
Oft verschafft sich der Gläubiger sein Recht auf sehr naive Weise,
indem er einem schwächeren Dritten einfach das benöthigte Vieh ab¬
nimmt und ihn dann auf seinen bisherigen Schuldner verweist, von
dem er sich sein Eigenthum wiedergeben lassen könne.
I. Das Strafrecht der Wapare ist folgendes:
1. Diebstahl und Betrug:
a) Von Lebensmitteln: Strafzahlung von 3 Ziegen, wovon 1 an
den Jumben, 1 au die Richter.
b) Von Ziegen, Hühnern, Kleidungsstücken, Hausrath: Straf¬
zahlung von 1 Kuh und 1 Ziege (barika) an den Bestohlenen, 1 Rind
(kambaku) an die Richter. (Die Ziege wird gewöhnlich dem Jumben
als Geschenk gegeben.)
c) Von Bienenstöcken mit Honig, sowie von Rindern.
Strafzahlung: 1 Rind und 1 Ziege an den Bestohlenen,
1 Kuh an den Jumben (nicht überall),
1 Rind an die Richter.
d) Bei Raub von Leuten: Noch 1 Kuh mehr an den Vater
bezw. Verwandten und Rückgabe der Leute.
2. Körperverletzung. Strafzahlung von 1 Rind, welches von
allen bei der Sitzung Anwesenden als Versöhnungsmahl verzehrt
wird (der Häuptling erhält ein Schulterstück).
Spezielle Bestimmungen.
Für ein aus geschlagenes Auge. Strafzahlung von etwa
8 Rindern an den Geschädigten, wovon 1 Rind gewöhnlich an den
Jumben.
Für ein ausgerissenes Ohrläppchen. 1 Kuh an den Ge¬
schädigten.
322
3. Todtschlag. Strafzahlung von 10 Rindern an die Ver¬
wandten des Ermordeten, wovon 1 Kuh an den Jurnben und 1 Bulle
für alle Anwesenden als Versöhnungsschmaus, ferner 1 Kuh mit Kalb
(mshanga) an die Mutter des Ermordeten.
4. Unehelicher Beischlaf.
a) Ohne Schwangerschaft: Strafzahlung des Verführers von
2 Ziegen an die Mutter des Weibes.
b) Mit Schwangerschaft:
a) Bei einer Jungfrau vor Eintritt der Reife:
Das Weib wird durch eine eigens in die Wand der Hütte ge¬
brochene Oeffnung ins Freie befördert und verstossen. Der Verführer
zahlt dieselbe Strafe wie bei Todtschlag. Ein allenfalls schon ge¬
borenes Kind wird getödtet.
ß) Bei einer Jungfrau nach Eintritt der Reife oder bei einer
verlieiratheten Frau:
Strafzahlung des Verführers von 1 Rind an die Mutter des
Weibes. Das Kind wird nicht getödtet.
5. Zauberei. Die Feuerprobe geschieht hier in der Weise,
dass der Beschuldigte aus kochendem Wasser, in welches Fett ge¬
mischt ist, nacheinander 4 (ein Weib nur 3) Steine herausholen
muss. Verbrennt er sich dabei, so wird er durch Keulenschläge auf
den Kopf getödtet, ebenso seine erwachsenen Söhne, sein Hab und
Gut wird eingezogen, seine nächsten Angehörigen werden zu Sklaven.
Die Wapare kennen eine Art prophylaktisches Gifttrinken, indem
möglichst viele Leute ein Gebräu aus Rinderblut, Theilen von
Eidechsen zu sich nehmen. Will dann von diesen Leuten Einer später
Hexenmeister werden, so stirbt er.
Selbstredend können auch bei den Wapare statt Rindern Ziegen
oder Sklaven gezahlt werden, wie dies bei den Washambaa an¬
gegeben wurde. Auch dürften einige Strafzahlungen bei verschiedenen
Unterstämmen wieder etwas verschieden sein.
II. Erbrecht. Die Jumbenwürde geht im Allgemeinen nicht
auf den Sohn, sondern auf den Bruder über. Weiber sind nicht erb¬
folgeberechtigt.
Beim Tode eines Mpare wird der älteste Bruder oder Schwester
bezw. Mann derselben Universalerbe (auch der Weiber) und tritt an
die Stelle des Vaters, wobei er den Kindern gewöhnlich etwas von
dem Erbe zutheilt. Falls sich der zweite Vater irgendwie unbeliebt
macht, können ihn die Kinder zur Herausgabe der Erbschaft zwingen.
III. Bei Ehescheidungen wird der Heirathspreis zurück¬
gegeben, wobei die von dem Vieh geworfenen Jungen nur mit in
Betracht kommen, wenn kein Kind in der Ehe geboren wurde. Dem
Manne gehören die Kinder. Vermag der Vater der Frau den Heiraths-
323
preis nicht völlig zuriickzuzahlen, so hat der geschiedene Ehemann
Anspruch auf das nächste Kind, welches das Weib nach ihrer Wieder-
verheirathung zur Welt bringt. Dieses Kind wird gewisserraaassen
adoptirt. Gewöhnlich aber kann der Heirathspreis eben durch die
Wiederverheirathung zurückgezahlt werden, da ja der Vater bei dieser
Gelegenheit wieder Vieh erhält.
IV. Die Schliessung von Verträgen erfolgt wie bei den
Washambaa.
V. Eigenthumsrecht. Die einzelnen Landschaften in Pare
gehören au sich den betreffenden Jumben, welche die Schamben ver¬
geben, nicht aber zurücknehmen können. Jede engere Familie und
in ihr wieder jeder Einzelne besitzt ein abgegrenztes Ackerland als
unbestrittenes Eigenthum, über welches frei verfügt werden kann.
Leihweise Ueberlassung eines Feldes an Andere geschieht stets ohne
Entschädigung. Schulden auf Hütte, Grund und Boden sind un¬
bekannt; das Weideland besitzt keine Grenzen; früher, als auch noch
Wambugu in Pare existirten, soll dies anders gewesen sein.
Funde auf eigenem Grund und Boden werden gewöhnlich nicht
an den Jumben abgeliefert; bei gefundenem Elfenbein erhält der
Häuptling in der Regel ein Stück Vieh, ebenso bei der Tödtung
eines Elefanten. Bei guten Jagdergebnissen hat der Jumbe auch
einigen Antheil am Fleisch.
VI. Die Sklaverei, welche die Wapare wohl von den Wa¬
shambaa abgelernt haben, ist ausser den schon erwähnten Schuldnern
nicht sehr verbreitet. Die Behandlung der Sklaven ist wie diejenige
der Freien; Misshandlungen kommen kaum jemals vor. Die Sklaven
haben Vermögen und Ackerland, welches sich auf ihre Verwandten
vererbt.
Verheirathet sich die Tochter eines Sklaven, so gehört der
Heirathspreis dem Vater, nicht dem Herrn.
Im Uebrigen gilt das bei den Wakilindi und Washambaa Ge¬
sagte auch für die Sklaven der Wapare.
3. Die Wambugu.
Das interessanteste, weil aus dem gewöhnlichen Rahmen fallende
Volk Usambaras ist das Hirtenvolk der Wambugu. Dieselben bilden
in ihrer jetzigen Verfassung nur mehr den Ueberrest eines grösseren
Stammes. Sie haben schon theilweise ihre alten Sitten verlassen und
die der Wapare und Washambaa angenommen, ja zum Theil ver¬
stehen sie kaum mehr oder nur noch nothdürftig ihre eigene Sprache,
von welcher im Anhang Proben beigegeben sind, da solche meines
Wissens noch nicht gesammelt wurden.
A. Von den ursprünglichen Sitten und Gebräuchen der
Wambugu haben sich nur wenige erhalten. So hauptsächlich daö
324
}
ms hi tu, welches ein Jüngling durchzumachen hat, wenn er in die
Reihe der Männer eintritt, und welches dem arama (galo) der Wa-
shambaa entspricht. Wie die Washambaa und Wapare ihre Ab¬
stammung von einer Reihe grösserer Familien herleiten, so theilen
sich auch die reinen Wambugu in sechs Unterstämme: Wakansu,
Wagonja, Wangarito, Waombeji, Warombweni, Wagwangwana. Von
diesen wallfahrten die vier erstgenannten nach einer Stelle in der Wild-
niss von Shumme (West-Usambara), während die beiden letztgenannten
nach einer eben solchen Stelle in Suji (Westabhang von Rare), wo¬
selbst sie in früheren Zeiten hausten, pilgern. Der Aufenthalt an
diesen Plätzen, an welchen sich grosse, durch überhängende Felsen
gebildete Höhlen befinden, dauert nur eine Nacht. Die Wallfahrer
bestreichen sich dort mit weisser Erde und rufen Gott an, auf dass
er ihnen gesunde Kinder und Reichthum an Vieh schenke, auch böse
Krankheiten von ihnen fernhalte. In Suji befindet sich an dem
Wallfahrtsorte ein Baobab, unter welchem man Vieh opfert, dessen
Mageninhalt an den Baum geklebt wird. Riesige Tembogelage und
mehrmonatliche Tänze, wobei man von einem Ort zum anderen zieht,
beschliessen das Fest. Ein Mbugu, der diese Ceremonien unterlassen
würde, könnte keine Ehe eingehen, seine Kinder würden getödtet
werden.
Die Weiber, welche in das mannbare Alter eintreten, haben das
aigwa durchzumachen. Sie werden, immer zu mehreren, in eine
Hütte gesperrt, in der sie sehr lange (oft etwa sechs Monate) zu ver¬
bleiben haben. Nach Eintritt der Reife, wobei für jedes Weib 1 Rind
geschlachtet wird, werden sie herausgelassen und sogleich von
ihrem Verlobten in Empfang genommen. Letztere haben dem Vater
der Braut vorher Tembo und 1 Ziege zum Geschenk gemacht.
Nach einem fünftägigen Tanzfest führen die Männer ihre Weiber
heim. Als Zeichen ihrer Verheirathung legen die Männer Draht¬
spangen um den rechten Unterarm. Nach der Geburt eines Kindes
werden 6 Rinder an den Vater der Frau gezahlt.
Kindsmorde und Begräbn isssitten sind von den Washambaa
und Wapare, je nach der Nachbarschaft der Wambugu, entnommen;
ebenso das ml am uro (Ermittelung der Todesursache für einen ATer-
storbenen), welches übrigens nicht überall durchgeführt wird. Zur
Ermittelung eines Zauberers begiebt man sich zu einem Paremedizin-
mann. Ursprünglich scheinen die Wambugu nichts von Zauberern
gewusst zu haben.
Auch kennen die Wambugu von Haus aus keinen bösen Geist.
Für sie giebt es nur einen Gott (kiumbi), dessen Tkätigkeit sich
vornehmlich in Geburt und Tod äussert. Daneben verehren sie die
Geister ihrer Vorfahren. Auch das Ablegen von Gelübden ist ge¬
bräuchlich.
325
Die Sitte der Heilighaltung der Katzen gebt von den Warn-
bugu aus, da in früherer Zeit diese Thiere nur in Kwambugu zu
finden gewesen sein sollen. Der Gegenzauber gegen die schädlichen
Folgen des Todes einer Katze wird nach dem Eintritt einei’ Krank¬
heit in der Familie folgendermaassen gemacht.
Ein Schaf wird um den Kranken viermal im Kreise herumgeführt,
dann geschlachtet; der Kopf des Thieres wird vergraben. Eine
lebendige Katze wird eingefangen und derselben ein Stück vom
Herzen des Schafes, bestrichen mit Honig und Fett, zu fressen ge¬
geben. Nimmt die Katze das Fleisch nicht, so ist die Krankheit auf
eine andere Ursache zurückzuführen. Schliesslich erhält die Katze
ein dunkles Band um den Hals und wird wieder freigelassen.
Die Begriissung der Wambugu besteht in der gegenseitigen
Nennung des Namens, worauf der Jüngere den Aelteren mit abu, der
ältere den Jüngeren mit elamma begrüsst.
B. Organisation und Rechtspflege.
Die einzelnen Landschaften der Wambugu stehen unter kleinen
Jumben (mdilau), die so gut wie keine Autorität besitzen und auch
keine beanspruchen. Streitfälle schlichtet der Jumbe im Verein mit
den Aeltesten der Landschaft. Einen Antheil an der Strafzahlung
besitzt der Jumbe nicht, dagegen folgt oft nach der Gerichtssitzung
ein Schmaus, wozu der Schuldige das Fleisch liefern muss.
Im Unvermögensfalle tritt keine Sklaverei ein , sondern der
Gläubiger muss eben einfach warten, bis der Schuldner zahlen kann.
I. Für die einzelnen Vergehen sind folgende Strafen festgesetzt,
die sich natürlich nur auf Rechtshände], welche die Wambugu unter¬
einander, nicht vor Wakilindijumben ausmachen, beziehen:
1. Diebstahl und Betrug, ln Kwambugu giebt es ausser
Vieh nichts Werthvolles zu stehlen. Entwendete Kleinigkeiten werden
einfach zurückgegeben, höchstens zahlt der Dieb noch 1 Ziege
dazu. Bei Rückgabe von gestohlenem Vieh müssen auch die unter¬
dessen geborenen Jungen gezahlt werden. Für den Diebstahl von
Rindern ist ausser der Rückgabe noch 1 Rind als Strafe festgesetzt.
2. Körperverletzung. Strafzahlung von 1 Ziege.
Für ein ausgeschlagenes Auge. Strafzahlung bis zu zehn
Rindern, 1 Ziege als Versöhnungsmahl für alle Anwesenden.
Für ein ausgerissenes Ohrläppchen. Strafzahlung von
1 bis 2 Rindern.
3. Todtschlag. Strafzahlung von 13 Rindern an die Verwandten
des Ermordeten, meist auch 1 Rind als Versöhnungsschmaus für
alle Anwesenden.
4. Unehelicher Beischlaf. Ohne Schwangerschaft tritt keine
Strafe ein.
326
Mit Schwangerschaft:
a) bei einer Jungfrau vor der Reife: Das Weib wird wie bei
den Wapare verstossen, der Verführer zahlt an die Verwandten des
Mädchens 5 Rinder, die sogleich geschlachtet werden, und muss
auswandern. Das allenfalls schon geborene Kind wird getödtet.
b) Bei einem Weibe nach der Reife: Strafzahlung von 1 Rind
an den Mann, sowie 1 Ziege zum Ankauf von Lebensmitteln für das
Weib während des Wochenbettes.
Das Kind bleibt, wenn männlich, beim Verführer, wenn weiblich
beim Vater der Frau (offenbar, weil sich mit einer Tochter durch
deren Verheirathung ein Geschäft machen lässt).
5. Zauberei. Wenn überhaupt Zauberer ermittelt werden, so
geschieht dies durch die benachbarten Wapare und es werden dabei
deren Gebräuche beobachtet. Der Zauberer wird getödtet oder ein¬
fach vertrieben.
II. Erbrecht. Beim Tode eines Jumben wird in der Regel
dessen ältester Sohn Nachfolger, in zweiter Linie der Bruder. Bei
der Erbschaft erhält ein Bruder des Verstorbenen die Weiber, Hütte
und Felder und übernimmt die Vaterstelle an den Kindern, welche das
Vieh und Weideland unter sich theilen.
III. Bei der Ehescheidung wird der dem Vater der Frau ge¬
zahlte Brautpreis zurückgegeben; die Kinder verbleiben beim Ehe¬
mann. Wurde kein Kind geboren, so wird das Vieh sammt den
unterdessen geborenen Jungen zurückgestellt.
IV. Die Schliessung von Kaufverträgen erfolgt wie bei den
übrigen Stämmen.
V. Eigenthumsrecht. Der Jurnbe besitzt seine Landschaft
nur ganz nominell ohne praktische Bedeutung. Jedermann hat sein
Stück Land, über das er frei verfügen kann, unbebautes Land nimmt,
wer Verlangen danach hat. Auf die Felder legen die Wambugu
überhaupt wenig Werth, da sie vegetabilische Kost nur als Noth-
belielf ansehen und ursprünglich wie ihre Verwandten, die Massai,
nur von Fleisch, Milch und Honig lebten. Grossen Werth legen sie
dagegen auf den Besitz des Weidelandes, der für jede Familie ab¬
gegrenzt ist.
VI. Die Sklaverei kennen die Wambugu von Haus aus über¬
haupt nicht.
Alle vorgenannten Sitten und Rechte beziehen sich nur auf solche
Wambugu, die sich noch nicht mit den Nachbarstämmen vermischt
haben oder unter Wakilindihäuptlingen stehen.
327
4. Die Bewohner der Mkomasi- und Ruvuniederung
sind kein reiner Stamm, sondern bestehen hauptsächlich aus ein¬
gewanderten Waseguha mit Washambaa vermischt. Soweit sie unter
Semboja (zur Zeit unter Sembojas Söhnen) stehen, haben sie zum
Theil die Sitten und Rechtsgewohnheiten der Wakilindi angenommen,
zum Theil folgen sie noch untereinander ihren milderen Waseguha-
rechten. In Kihuiro am Mkomasi und in Mkaramo am Ruvu herrschen
reine Waseguhahäuptlinge mit derselben Autorität wie Wakilindi.
Längs des Ruvuflusses sitzen die sogenannten Waruvu, degenerirte
Waseguha, welche ausser dem Bereiche des Häuptlings Sedenga von
Mkaramo unter einer Reihe von kleineren, ziemlich machtlosen
Jutnben stehen. Ihre Sitten und Bräuche bieten wenig Interessantes;
die Rechtspflege ist ähnlich derjenigen der Washambaa, jedoch in
milderer Form.
Eine Beschreibung der Waseguha fällt nicht mehr iu den Rahmen
dieses Aufsatzes.
Vergleichen wir schliesslich die Sitten und Rechtsgewohnheiten
der einzelnen Stämme miteinander, so sehen wir, dass überall dem
Charakter des Negers entsprechend die praktische Seite hervor¬
gehoben ist. So namentlich bei der Verheirathung. Hie Weiber
werden nur als Waare behandelt, mit der sich ein Geschäft machen
lässt; insbesondere zeigt sich dies bei den Wapare und Wambugu,
welche durch die Verheirathung ihrer Töchter sich ein kleines Ver¬
mögen erwerben. Auch die harte Strafe, welche bei diesen beiden
Stämmen auf den unehelichen Beischlaf mit einer Jungfrau vor deren
Reife gesetzt ist und die noch heute besteht, ist nicht etwa auf
Gründe der Moral, sondern darauf zurückzuführen, dass ein solches
Mädchen keinen willigen Abnehmer mehr findet.
Der Neger geht naturgemäss von dem Grundsätze aus, dass er
um so reicher ist, je mehr Weiber, Kinder (namentlich Mädchen) und
Sklaven er besitzt. Sie helfen ihm arbeiten, geben ihm durch Ver¬
kauf bezw. Verheirathung Anlass zu einem guten Geschäft und kosten
ihm wenig, da Jedes sein Stück Land zum eigenen Unterhalt zu be¬
bauen hat.
Interessant ist zu sehen, wie gering eine Körperverletzung be¬
straft wird, wie hoch aber der Verlust eines Auges geschätzt wird.
Die Strafe dafür ist fast so gross wie für Todtschlag.
Alle Strafzahlungen geschehen sehr langsam; es dauert oft eine
Reihe von Jahren, bis die Schuld abgezahlt ist. Auch schleppt der
Neger eine Streitsache oft jahrelang mit sich herum und vererbt
sie auf seine Kinder und Kindeskinder, bis sie zur Erledigung kommt.
Mittli. von Forscliungsreisenden, VIII. Band. IV. 22
328
Bei Rechtsfällen, welche der Station zur Entscheidung vorgelegt
wurden, habe ich stets möglichst die Rechtsgewohnheiten und Sitten
der Eingeborenen berücksichtigt und in Anwendung gebracht. Nur
einzelne schwere Fälle erledigte ich nicht der Sitte gemäss, sondern
meist durch Kettenhaft.
Durch die deutsche Herrschaft haben sich die barbarischen Sitten
schon bis zu einem gewissen Grade gemildert, wobei bei dem Neger
die Furcht vor Strafe allein maassgebend ist. Die Sitte der Wakilindi,
Leute zu ermorden, welche mit Häuptlingsfrauen Ehebruch getrieben,
dürfte nun gänzlich aufgegeben worden sein, der Letzte, welcher diese
Sitte durchzuführen wagte, war Sembojas Sohn Mputa, welcher dafür
hingerichtet wurde.
Was den Aberglauben und die Verfolgung der Zauberer betrifft,
so werden diese Gebräuche wohl kaum in absehbarer Zeit auszurotten
sein, was nicht Wunder nehmen kann, wenn man bedenkt, dass in
unserem Mittelalter die Hexenprozesse an der Tagesordnung waren,
und sogar heutzutage die Leute in Europa noch lange nicht alle ge¬
worden sind, die an derlei Zeug glauben. Die Zauberer werden wohl
nicht mehr in allen Fällen getödtet, sondern man begnügt sich mit
deren Vertreibung. Wenn die Tödtung erfolgt, so geschieht diese
in aller Heimlichkeit. Eine Hauptaufgabe muss es sein, die Schwindler
von Medizinmännern, welche die Zauberer ermitteln, zu fassen. Die
Sitte der Kindesmorde dürfte trotz aller Strenge noch lange heimlich
fortbestehen, da sie gleichfalls auf Aberglauben zurückzuführen ist,
denn ein Kind, dessen Zähne unregelmässig wachsen, gilt als Krank¬
heit und Tod bringend.
Aufklärung allein kann da helfen.
329
Anhang.
Sprachproben der Kimbugu.
K imbugu
Kimbugu
1
we
viel
kurnure
1 Mann
muhe mue
neu
kuale
2
nu
alt
ya alalu
3
kai
allein
kokii
4
hai
Rind
nde und wa
5
koi
Kuh
mili
6
tisu
Stier
tschuru
7
mfungate
Ziege
afa
8
nane
Schaf
alu
9
kenda
Hund
die
10
hadu
Katze
mnjaue
11
hadu na we
Maus
kerje
20
mahadu manu
Vogel
himeno
heute
wai
Huhn
kweno
morgen
senu
Ei
makokoha
übermorgen
hugo
Milch
maiba
gestern
ossa
Schlange
bome
sogleich
igi ji i
Biene
ngilenu
hier
idi
Honig
nnäa
dort
irai
Horn
haremu
wieviel
mme
Mann
mgi u. muhe u. kiome
wer
nigi
Leute
wahe
ich
ani
J ungfrau
mualeta
dn
ari
Frau
mnaseta
er
niga
Kind
iiigi und njache
dieser
ja
grösseres Kind
milo
diese (PI.)
vä
Heirath
eshla
ja
neto
Vater
aba
nein
tehelo
Mutter
läge
drinnen
sa
Bruder (älterer)
mkugiru
draussen
gana
Bruder (jüngerer)
ngaugu
vorn
kara
Schwester
nitaugu
hinten
lia
Greis
magiru
oben
ana
Knochen
fara
unten
di oder egendera
Stirn
bassa
alle
kabuna
Gehirn
wongo
gross
mgiru
Fleisch
nihena
klein
kitutu
Blut
sako
weiss
kuä
Haut
mkwangu
schwarz
kuhame
Haare
usha
klug
epitije
Kopf
muha
dumm
kivile
Auge
ila
gut
kusso
Ohren
malame
schlecht
kussa und asanu
Nase
nunga
330
Kimbugu
Kimbugu
Hand, Arm
muharega
Lüge
lame
Ellbogen
kigogara
Stock
mtate u. burane
Finger
kisatu
Wald
guge
Fingernägel
luchimu
Berge
bwao
Mund
müo
Stein
sahu PI. masahu
Zähne
mai'ki
Sonne
ase
Zähne spitz machen
kupa maiki
Mond
mushie
Zunge
luanda
Regen
mare
Hals
waga
Tag
cli ach o *)
Brust
kate
Nacht
ama
Busen
rnasemu
Kälte
sää
Bauch
maso
Hitze
muäsa
Knie
murra
ich habe
nilo
Fuss
same
ich habe nicht
silo
Sohle
lubalime
du hast
ulo
Handfläche
segera
er hat nicht
telo
Speisen
vijauhu
wir haben nicht
tetulo
Banane (Frucht)
magern
er ist todt
agaiga
Banane (Pflanze)
kindeno
er ist sehr alt
elo magiru
Mais
gagalla
der Hund bellt
die a lcalä
Salz
mnaru
wo gehst du hin
uhonle
W asser
mai
ich esse
niaviäuhu
Feuer
muashla
er isst
a a viauliu
Rauch
muäo
ich will essen
nadakü a viäuhu
Topf
köre
ich will nicht essen
si ka a viäuhu
Löffel
lumeko
ich koche Essen
niatu viäuhu
Hunger
kela
sprechen
kohoro
Ohrklotz
papale
rufen
kuse
H litte
minda
sehen
kuesu
Thiire
afeta
tanzen
kura
Stuhl
kire
ich kaufe
nawe
Messer
kauahä
ich liebe meinen
mim dumu mbahu
Axt
lioia
Bruder
koö
Markt
kihojä
suchen
kudä
Krankheit
mruchäii
ausruhen
kuvuvui
Medizin
muha
sitzen
kusokodi
Pfeil
muhibe
schneiden
kutöu
Bogen
mgusso
Bäume fällen
kutöu mihatu
Schwert
muaha
der Stock bricht
burane ya buike
Speer
toru
ich schlage
nama
Häuptling
mdilau
ich werde schlagen
nekuma
Gott
kiumbi
ich habe geschlagen
nama
Sklave (Schuldner)
mheje
ich bin geschlagen
namaiwe
Freund
msaho
worden
Fremder
mgasho
ich schöpfe Wasser
nibuhu mai
Krieg
aku
ich decke zu
n aha bare
Friede
haue
ich freue mich
nashamiwa
*) ch nicht wie tsch auszusprechen.
Kimbugu
Kimbugu
er ist ein guter Mann
elo kiome kikusso
dieser Mann ist gut
mgf ja ni mkusso
früher war er gut
aseto ne mkusso
dieser Mann ist
mhe ja ni mkussa
jetzt ist er schlecht
ko ja asanu
schlecht
Die Ziege trinkt
afa jasawaha mai'
dieser Mann ist bes-
mhe ja ni nikusso
Wasser
ser als alle Leute
e liorei' wa aro
ich gebe der Ziege
minio i waha mai'
ehemals als er kam
aseto ku lita
Wasser zu trinken
k’nfa
wer ist der Besitzer
salau nigi
er hat die Thür ge¬
öffnet
asa luhige afeta
wieviel Kinder hast
du
ulo wamilo wamme
die Thür öffnen
saja afeta
er war 3 Tage beim
asocho miase milcai
ich friere
nahewa ni sää
V ater
liegi
oder nakoja sää
Feuer anzünden
kuvuvu
es regnet
marisi
das Wasser ist heiss
mai' a saä
ich ergreife ihn
nnemdara
mein Stock ist lang
burane koo ni küsse
ich habe ihn er-
namdara, nimdari
wo bist du geboren
uehai welle
griffen
Diese Frau hat
j a mnaseta acha wa-
er ist getödtet wor¬
den
agai'wa
6 Kinder geboren
milo matisu
Astronomische Beobachtungen, angestellt im Jahre 1894
von Graf Götzen in Ostafrika.
Berechnet von Dr. Fritz Cohn in Königsberg.
Die astronomischen Beobachtungen, welche Graf Götzen auf seiner Reise
durch Afrika ausgeführt hat, erstrecken sich über den Zeitraum von Anfang
Januar bis Ende August 1894. wo er den Kongo erreichte, und enthalten:
1. Höhenbeobachtungen, die dem Zweck der Breiten- und Zeitbestimmung
dienten,
2. Azimuthbeobachtungen, welche theils die Azimuthe irdischer Objekte
festlegen, theils in Verbindung mit den Ablesungen einer Magnetnadel
die magnetische Deklination bestimmen sollten.
Betreffs dieser letzteren, der magnetischen Beobachtungen, sei schon hier
bemerkt, dass das vorliegende Material nur mangelhaft ist und keine erhebliche
Genauigkeit bietet, so dass dieselben ganz bei Seite gelassen werden können.
Die Beobachtungen sind angestellt mit einem Universalinstrument von
Sprenger-Berlin; beide Kreise, von 20' zu 20' getheilt, ermöglichen mit Hülfe
der Nonien eine Genauigkeit der Ablesung von 1/2I bis 1/i'. Der Höhenkreis
wird durch zwei miteinander fest verbundene Klappnonien abgelesen, eine Ein¬
richtung, die in Verbindung mit einem später zu besprechenden Mangel der
ganzen Beobachtungsart von Nachtheil für die Resultate gewesen ist. Das
Fadennetz bestand aus je fünf etwa 10' voneinander abstehenden Horizontal-
und Vertikalfäden. Bei Zeitbestimmungen wurde der Durchgang des Sternes
durch die drei mittelsten Horizontalfäden beobachtet; bei den Breitenbestim-
332
mungen in der Mähe des Meridians wurden die Beobachtungen am Mittelfaden
gemacht. Stets wurde, wenn nicht Bewölkung es verhinderte, in hei den Kreis¬
lagen beobachtet.
Eine Beschädigung, welche das Instrument am Beginn der Reise durch
Fall erlitt, ist ohne merklichen Einfluss gewesen.
Ehe ich hier auf die Beobachtungen selbst eingehe, ist es nöthig, einen
Punkt zu erörtern, der der Ableitung sicherer Resultate trotz aller nachträg¬
lichen Bemühungen nicht selten schädlich gewesen ist.
Bei allen Beobachtungen, sowohl der Höhe als auch des Azimuths, wurde
von dem Beobachter stets nur ein Nonius abgelesen. Es wäre das unerheblich
gewesen, wenn wenigstens in beiden Kreislagen derselbe Nonius benutzt worden
wäre; dann würde nur der Exzentricitätsfehler, den man nachträglich hätte be¬
stimmen können, von Einfluss gewesen sein; ausserdem wäre die Genauigkeit
der Ablesungen und der Schutz gegen Ablesefehler bei der Ablesung zweier
Nonien grösser gewesen. Leider sind aber in beiden Kreislagen stets ver¬
schiedene Nonien abgelesen worden, so dass in die Höhen eine vollkommen
unbekannte Grösse, die konstante Reduktion des einen Nonius auf den anderen,
die ja nicht genau 180° zu betragen braucht, eingeht. Man kann auch sagen,
der Zweck des Beobaclitens in beiden Kreislagen, nämlich die Elimination des
Indexfehlers, wird durch diese Art der Beobachtung vereitelt. Es war dieses
der Hauptmangel der ganzen Beobachtungen, und es war die Hauptaufgabe fin¬
den Berechner, diese Fehlerquelle nach Möglichkeit zu eliminiren, indem so oft
als irgend möglich aus den Beobachtungen selbst jene konstante Reduktion des
einen Nonius auf den anderen, die als ein konstanter Fehler d h aller Höhen
erscheint, ermittelt wurde. Es kam hier jener Mangel der Klappnonien hinzu,
da man nicht sicher ist, ob sie für längere Zeit eine unveränderliche Beziehung
zueinander haben. Es zeigt sich indessen, dass sie in gewissen Zeiträumen
konstant gewesen ist.
Meistens gelang es nun, einen plausiblen Werth für diesen Fehler dh zu
ermitteln, nur für den Schluss der Reise, wo die Beobachtungen etwas spärlicher
werden, war dies nicht immer möglich, so dass hier die Breitenbestimmungen,
in welche dh oft mit doppeltem Gewicht eingeht, unsicherer werden. Ein
Mittel, den Fehler ganz zu eliminiren, wäre es gewesen, wenn stets zu allen
Breitenbestimmungen ein Nord- und ein Südstern, zu allen Zeitbestimmungen
ein Ost- und ein Weststern benutzt wäre; dann hätte gleichzeitig aus der
Differenz der beiden Bestimmungen d h ermittelt werden können. Indessen ist
das gerade bei den Breiten meist nicht der Fall.
Die folgende Uebersicht giebt alle Werthe von dh, welche sich aus den
Beobachtungen ermitteln Hessen:
28. und 29. Januar 1894
Kondoa . . .
. dh = + 0’.77
Gewicht
l
31. ,
Borishalager .
+ 0'.29
„
2
9. Februar „
Mangati . . .
+ 0'.16
„
1
21. und 22.
Kitagandalager
+ 0'.14
„
0
25.
Ishikabach . .
+ 0'.41
„
1
28.
Uduhe . . .
— 3'.45
„
1
23. März
Ushirombo . .
— 3'. 01
V
1
24.
„
— 3'.99
1
23. März u. 2. April „
„ • •
— 3’. 28
V
2
18. Mai „ Nyavarongo .
dieser Werth ist unsicher,
— 0'.4
aber jedenfalls y
— 3'.
0
17. Juli „
Lager . . .
— 0'.90
V
1
21. und 22. August „
Tupalo . . .
— 1 ' .45
n
2
333
Nach dieser Uebersicht ist es klar, dass zwischen dem 25. und
28. Februar ein Sprung eingetreten ist: unsicherer ist die Entscheidung nach
dem 2. April 1894. Es wurde angenommen:
dli = -f- 0'.4 bis 25. Februar 1894 einschl.,
= — 3'.4 vom 25. Februar bis 2. April einschl.,
= — 1\3 vom 18. Mai bis Schluss.
Man sieht zugleich, dass in den beiden ersten Abschnitten die Sicherheit
der Bestimmungen nichts zu wünschen lässt.
Die übrigen Instrumentalfehler, wie die Exzentricitätsfehler der Kreise, die
Fehler der Nonien u. s. w., der Werth eines Niveautheils, konnten, da sie ja
konstant sind, nachträglich bestimmt werden. Zu diesem Zweck, und um noch
einige andere Instrumentaluntersuchungen anzustellen, unternahm ich im März
1895 in Leipzig an dem Instrument, an dem bis dahin nichts geändert worden
war, eine Reihe von Beobachtungen. Es ergab sich eine im Ganzen befriedi¬
gende Sicherheit derselben und eine genügende Konstanz der Felder, um die¬
selben in Ermangelung anderer Bestimmungen während der Reise selbst in An¬
wendung bringen zu können.
Was nun die Beobachtungen des Grafen Götzen selbst anbetrifft, so sind
dieselben, abgesehen von dem erwähnten Mangel, zweckentsprechend angestellt;
stets wurde darauf geachtet, Sterne in der Nähe des Meridians zur Breiten¬
bestimmung zu beobachten, und nur bei einigen Sonnenbeobachtungen ist die
zu geringe Zenitlidistanz von Nachtheil gewesen.
Im Ganzen liegen aus 24 Orten astronomische Beobachtungen vor, die
indessen nur 15 Breiten ergeben, da theils die Beobachtung durch eingetretene
Bewölkung gestört wurde, theils nur den Zweck einer Zeitbestimmung hatte.
Ueberliaupt ist meistens auf die Güte der Zeitbestimmungen mehr Gewicht gelegt
worden als auf die der Breiten, welche letzteren in den meisten Fällen nur auf
einem einzigen Stern beruhen. Dabei ist dann die Möglichkeit des Unterlaufens
gröberer Fehler viel grösser als bei zahlreicheren Beobachtungen.
Ich stelle nun hier die erlangten 15 Breiten zusammen und gebe daneben
die ungefähre Unsicherheit derselben an. Diese beruht indessen auf einer ganz
subjektiven Schätzung meinerseits und soll nur einen ungefähren Maassstab für
die den einzelnen Breiten zukommende Genauigkeit geben.
Mgeralager .
Kondoa .
Borishalager .
Wurumanangi in Mangati .
Rastplatz am 20. Februar 1894 . . .
Kitagandalager .
Rastplatz am Ishikabach .
Lager beim Hauptdorf von Uduhe
Lager beim Hauptdorf von Bukombe
Lager bei Igulwa, Usliirombo . . .
Am Kageraflusse .
Am Nyavarongoflusse (18. Mai 1894) .
Kivusee, erstes Lager (17. u. 20. Juni)
Kivusee, Insel ip .
Tupalo . .
<1 Ungefähre Unsicherheit
— 5° 24'.8 ± F
— 4° 54'.1 ± 1'
— 4° 49'. 6 ± 1/2’
— 4° 15'. 8 ± iV
— 3° 38'. 1 ± 2’
— ■ 3° 28'. 8 mindestens + 1’
— 3° 35' .4 ± 1'
— 3° 36'.3 mindestens ± 1'
— 3° 30'.9 d= 3'
— 3° 25' .4 dr W
— 2° 19' oder — 2° 3' ± 3’
— 1° 58'.3 dt 2'
— 1° 40'.4 db 2'
— 1° 46'.0 ± 2'
— 0° 58’.2 ± 2'
334
Betreffs Kagera ist zu bemerken, dass die beiden Werthe auf verschiedenen
Sternen beruhen und zunächst nicht entschieden werden kann, welche Beobach¬
tung fehlerhaft ist.*)
Besonders hervorzuheben ist noch der ausgezeichnete Gang der Uhren.
Graf Götzen hatte deren drei mit, von denen eine (Dürrstein No. 26) durchweg
als Beobachtungsuhr diente. Insbesondere diese letztere Uhr, aber auch die
beiden anderen sind, wie schon eine oberflächliche Betrachtung des Uhrjournals
zeigt, ganz vorzüglich gegangen, so dass für einen Theil der Reise sogar der
Versuch eines Längenanschlusses gemacht werden konnte und erfolgreich war.
Für die Orte Kondoa (A — 35° 57', 28. /29. Januar 1894) und Nindo (A = 33° 6'.3,
6. März 1894) waren nämlich ziemlich sichere Längen bekannt, auch lagen Zeit¬
bestimmungen vor. Aus diesen konnte mithin der Gang der Beobachtungsuhr
und daraus der Gang des Mittels der drei Uhren bestimmt werden. Indem
dieser letztere als konstant angesehen wurde, konnte für die dazwischen liegen¬
den Orte der Stand der Uhr in mittlerer Zeit Kondoa berechnet und durch die
Vergleichung mit den gemachten Zeitbestimmungen die Längendifferenz gegen
Kondoa ermittelt werden. Um zu zeigen, wie genau die erhaltenen Längen-
dilferenzen sind, stelle ich hier in Klammern die von Dr. Kiepert aus dem
ltinerar erhaltenen daneben:
Ort Längendifferenz gegen Kondoa (35° 57' 10" östl. Gr.)
Borishalager . -f- 0'.2 (-)- lr)
Wurumanangi in Mangati . — - 24'. 9 (— 15'. 3)
Zweites Vemberelager (18./19. Februar 1894) — 1° 1,6'. 3 ( — 1° 15')
Kitagandalager . — 1° 30’.0 ( — 1°31')
Ishikabach . — 1° 53'.0 (— 1° 53')
Lager beim Hauptdorfe von Uduhe .... — 2° 5'. 6 ( — 2° 7')
Nindo . — 2° 50'. 7 —
Missionsstation St. Michael in Mssalala . . — 3° 21'.3 ( — 3° 18'. 6)
Nur bei Mangati ist ein erheblicherer Unterschied vorhanden, der nicht
weiter erklärt werden kann.
Die Azimuthmessungen beziehen sich, wie bemerkt, auf einzelne irdische
Objekte, sie sind häufig unsicher, wie schon die oft merklichen Differenzen in
beiden Kreislagen zeigen; es hat dies jedenfalls an der Unbestimmtheit der
beobachteten Objekte gelegen.
Ausser diesen astronomischen Beobachtungen ist mit dem Theodoliten
noch eine ausführliche Triangulation des Kivusees, und zwar der nördlichen,
von Graf Götzen befahrenen Hälfte desselben, ansgeführt worden. In Ver¬
bindung mit den zugehörigen astronomischen Beobachtungen giebt dieselbe ein
ziemlich anschauliches Bild der Begrenzung des Sees, der zahlreichen Vor¬
sprünge seines Ufers und der Inseln, die sich in diesem Theile des Sees
vorfinden.
*) Nach der Routenkonstruktion ist keine von beiden zu gebrauchen, doch
kommt — 2° 19’ der Wahrheit näher. Die Red.
Schluss der .Redaktion am 4. Dezember 1895.
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