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Full text of "Flora oder Botanische Zeitung ?welche Recensionen, Abhandlungen, Aufsa?tze, Neuigkeiten und Nachrichten, die Botanik betreffend, entha?lt /herausgegeben von der Ko?nigl. Botanischen Gesellschaft in Regensburg."

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FLORA 


ODER 


ALLGEMEINE BOTANISCHE 
ZEITUNG. 


FRÜHER HERAUSGEGEBEN 
VON DER 
KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. 


NEUE FOLGE. ZWEITER BAND. 
(DER GANZEN REIHE 102. BAND.) 


HERAUSGEBER: DR. K. GOEBEL 


PROFESSOR DER BOTANIK IN MÜNCHEN. 


MIT 15 TAFELN UND 150 ABBILDUNGEN IM TEXT. 


VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 
1911. 


mv. BUT, GARDE. 
1911 


ALLE RECHTE VORBEHALTEN 


| 
r 


Inhaltsverzeichnis. 


DOPOSCHEG-UHLÄR, JOSEF, Studien zur Regeneration und Polarität 
der Pflanzen. Mit Tafel II—VIII und 32 Abbildungen im Text 


GARJEANNE, A. J. M., Die Verpilzung der Lebermoosrhizoiden. Mit 


Tafel XI u. xIL und 9 Abbildungen im Text 

HANNIG, E., Über die Bedeutung der Periplasmodien (I. und In). Mit 

Tafel XII u. XIV und 24 Abbildungen im Text . 

Ders., Über die Bedeutung der Foriplasmodien (ID. Mit 3 Abbil- 
dungen im Text. . . 

LOEW, OSCAR, Über die Wirkung von Str ontiumsalzen auf Algen . 

LOEW, O. und BOKORNTY, TH., Aktives Eiweiß und Tannin in Pflanzen- 
zellen . 

NIENBURG, WILHELM, Die Nutationsbewegungen j junger or Windepflanzen. 
Mit Tafel IX u. X und 14 Abbildungen im Text. 

SCHLUMBERGER, OTTO, Familienmerkmale der Cyatheaceen und 
Polypodiaceen und die Beziehungen der Gattung Woodsia und 
verwandter Arten zu beiden Familien. Mit 15 Abbildungen 
im Text. 
SCHROEDER, H., Über die selektiv per meabele Hülle des Weizenkornes. 
Mit 4 Abbildungen und I Kurre im Text . 
STRASBURGER, EDUARD, Kernteilungsbilder bei der Erbse, Mit 
Tafel I . 

WEIDEL. F., Beiträge zur Entwieklungsgeschichte und vergleichenden 
Anatomie der Cynipidengallen der Eiche. Mit Tafel XV und 
49 Abbildungen im Text. . 

ZEIDLER, JOSEF, Über den Einfluß der Luftfeuchtigkeit und des 
Lichtes auf die Ausbildung der Dornen von Vlex europaeus L. 


Heft ], page. 1-—116 erschien am 20, Januar 1911 
ss U. 117-208 F „ 18. Februar 1911 
„ IL „ 209-334 „» „1 März 1911 

Wo. BSH » » 7 April 191. 


Seite 
24-86 
147— 185 
209278 


335—382 
96--112 


113—116 


117—146 


383—414 
186—208 


1-23 


279-334 


87—95 


U4S 


FLORA 


ODER 


ALLGEMEINE BOTANISCHE 
ZEITUNG. 


FRÜHER HERAUSGEGEBEN 
YON DER 
KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. 


NEUE FOLGE. ZWEITER BAND. 
(DER GANZEN REIHE 102. BAND) 
ERSTES HEFT. 


HERAUSGEBER: DR. K. GOEBEL 


PROFESSOR DER BOTANIK IN MÜNCHER. 


MIT 8 TAFELN UND 32 ABBILDUNGEN IM TEXT. 


$ 


VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 
1911. 


ERSCHIENEN AM 20. JANUAR 1911. 


Inhaltsverzeichnis. 


STRASBURGER, EDUARD, Kornteilungsbilder bei der Erbse. Mit 

TaelI... . 1—23 
DOPOSCHEG-UHLÄR, JOSER, Studien zur Regeneration und Polarität 

der Pflanzen. Mit Tafel T—VIII und 32 Abbildungen im Text 24--86 
ZEIDLER, JOSEF, Über den Einfluß der Luftfeuchtigkeit und des 

Lichtes auf die Ausbildung der Dornen von Ulex europaeus L. 87—95 


LOEW, OSCAR, Über die Wirkung von Strontiumsalzen auf Algen. . 96-112 
LOEW, O. und BOKORNY, TH., Aktives Eiweiß und Tannin in Pflanzen- Ä 
zellen 2 rennen. 183-116 


VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 
Soeben erschien: 


FLORA 


oder 


Allgemeine Botanische Zeitung. 


Früher herausgegeben von der Kgl. Bayer. Botan. Gesellschaft in Regensburg. 


Herausgeber: Dr. K. Goebel, 


Prof. der Botanik in München. 


Gesamt-Register für die Bände 26-100. 


Bearbeitet von Christian Bay. 
Preis: 11 Mark. 


Dieses Gesamt-Register für 75 Bände der „Flora“ ist mehr als ein Hilfsmittel 
zum Gebrauch des Abonnenten; es besitzt vielmehr für jeden Botaniker den Wert eines 
Nachschlagebuches, eines Wegweisers bei seinen Arbeiten, eines — wenn man so sagen 
darf — andeutungsweisen Abrisses botanischer Arbeit dreier Generationen. 


PPAREe 


Soeben erschien: 


Prinzipien der physikalisch-kausalen Blütenbiologie 


in ihrer Anwendung auf Bau und Entstehung des Blütenapparates der 
Crueiferen, | 

Von Dr. A. Günthart. .— 

Mit 136 Abbildungen im Text. Do 

Preis: 4 Mark 50 Pt. i 


Soeben erschien: B 


Vergiftungen durch Pflanzen und Pflanzenstoffe. 


Ein Grundriß der vegetalen Toxikologie 
für praktische Ärzte, Apotheker und Botaniker. 
Von Friedrich Kanngießer 


Dr. med. et phil. 
Docent de }s Toxieologie vögötale A PUniversit# de Neuchäiel. 


Preis: 1 Mark. i 


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Kernteilungsbilder bei der Erbse. 


Von Eduard Strasburger. 
(Mit Tatel I.) 


Ein Beweggrund, den ich weiter angeben werde, veranlaßt mich, 
einige Bilder hier zusammenzustellen, die sich auf die Reduktionsteilung 
der Erbse (Pisum sativum) beziehen. Das Untersuchungsmaterial wurde 
einer weißblühenden Rasse entnommen, mit Chromosmiumessigsäure 
fixiert, in Schnittserien zerlegt und letztere mit Eisenhämatoxylin gefärbt. 

Von der Wiedergabe der Synapsis sehe ich für den vorliegenden 
Zweck ab. Sie bot das gewohnte Ausssehen und war nicht minder 
häufig in diesen Erbsenpräparaten, als in jenen einer beliebigen anderen 
Pflanze, deren Reduktionsteilungen man untersucht, anzutreffen. Wie 
man auch über die Ursachen ihres Auftretens urteilen mag, ihr Bild 
gehört zu den Kennzeichen der Reduktionsteilung im ganzen Pflanzen- 
reich und pflegt den Beobachter. der nach Reduktionsteilungen sucht, 
meist am schnellsten auf ihre Spur zu bringen. Ich hatte es im 
vorliegendem Falle bei der Durchmusterung meiner Erbsenpräparate 
auf die Reduktionsspindel, als den ersten Zustand, den ich in der 
Zeichnung festhalten wollte, abgesehen. Die Gemini sind an dieser 
Spindel meist in halber Länge befestigt. Durch die Zugfasern werden die 
Chromosomen jedes Paares so auseinandergezogen, daß kreuzförmige 
Figuren entstehen. Jedes der beiden Chromosomen hat dann die 
Gestalt eines V, dessen beide Schenkel aneinandergedrückt und an 
den Enden umgekrümmt sind. Nür an diesen Enden hängen sie zu- 
sammen. Das ist eine sehr häufige Form der Gemini bei den Angio- 
spermen. Die Fig. 3 Taf. I zeigt alle die an ihr sichtbaren Gemini 
so ausgestaltet. Doch es kann auch ein Geminus näher dem einen 
Ende von den Zugfasern erfaßt worden sein, und dann nur einen 
einzigen Seitenarm besitzen, seine beiden Chromosomen im übrigen 
gerade polwärts richten, bzw. an den polaren Enden mehr oder 
weniger hakenförmig umgekrümmt zeigen. Oder die beiden Seiten- 
arme des Kreuzes haben sich, statt tangential zu verlaufen, von der 
Spindel hinweg radial nach außen gewandt und bis zur Berührung 
einander genähert, so daß sie schließlich nur noch eine mittlere 
knopfförmige Anschwellung am Geminus bilden (Fig. 1 u. 2). Die 
Längshältten, in welche jedes Chromosom während der Prophasen ge- 
spalten worden war, decken sich bei einer Frontansicht der Gemini. 

„Flora, Bd. 102. 1 


2 Eduard Strasburger, 


Auch an seitlich orientierten Gemini vermag man sie in diesem Stadium 
nicht zu unterscheiden. Sie sind es auch nicht, die bei der hier ge- 
gebenen Befestigungsart der Gemini, während des Auseinanderweichens 
der Chromosomen (Fig. 5, 6) in die Erscheinung treten, vielmehr die 
beiden Schenkel des Chromosons, die auch jetzt einander meist dicht 
anliegen (Fig. 6) und gleiche oder ‚ungleiche Länge besitzen, ent- 
sprechend dem Umstand, .ob das Chromosom in seiner Mitte, oder 
näher einem seiner Enden von den Zugfasern erfaßt worden war. 
Deutlich treten die beiden Längshälften jedes Chromosoms erst in späten 
Anaphasen, wenn solche in Polansicht vorliegen, hervor, entsprechend 
dem was man an anderen ähnlichen Objekten früher schon festgestellt 
hat (Fig. 7, 8). Wie die Kernplatte einer Reduktionsspindel der Erbse 
in Polansicht aussieht, soll uns nachträglich noch die Fig. 4 lehren, 
mit ihren massigen Gemini, deren Zahl zuerst von William Austin 
Cannon richtig auf 7 angegeben worden ist’). — Von den Anaphasen 
der Reduktionsteilung soll der folgende Schritt uns gleich zu den Kern- 
platten des zweiten Teilungsschrittes der Pollenmutterzelle, der homo- 
typischen Teilung führen. Da der erste Teilungsschritt, nach dikoty- 
ledoner Art, nicht von einer Zellteilung begleitet war, so liegen die 
beiden homöotypischen Teilungsfiguren in demselben Zellraum. Meist 
sind sie parallel orientiert, können. aber gekreuzt sein. Ich habe 
letzteren Fall zur Darstellung in Fig. 9 gewählt, um eine Kernplatte 
in 'Polansicht vorführen zu können. In gewohnter Weise liegen die 
paarweise vereinten Schwesterchromosomen, welche die Prophase der 
Reduktionsteilung für die Tochterkerne schon vorbereitet hatte, mit 
ihren Enden befestigt au den Spindelfasern. Es sind kurze Stäbchen, 
die 'entweder einander der ganzen Länge nach anliegen, oder an dem 
von der Spindel abgekehrten Enden mehr oder weniger weit aus- 
einander spreizen. Die Abzählung der Kernplattenelemente in der 
Polansicht ergibt wieder die Zahl 7, sofern man berücksichtigt daß das 
Spreizen der Schwesterchromosomen eines Paars, für dieses eine Doppel- 
zahl vortäuschen kann. — Die Wanderung der Tochterchromosomen 
nach den Polen führt die Fig. 10 vor. Sie stellen einfache gerade 
Stäbchen dar, die sich weiterhin an ihrem Polende hakenförmig um- 
zukrümmen’ pflegen, Die Polansichten der Anaphase (Fig. 11) zeigen 
7 einfache Elemente von der Größe jener, welche in den Paaren 
während der Anaphasen der Reduktionsteilung vertreten waren. 


1) The Spermatogenesis of Hybrid Peas. Bull. of the Torrey Bot. Club 1903, 
Vol. XXX, pag. 519, 


Kernteilungsbilder bei der Erbse. 3 

. Hiermit sind, und das war der Zweck dieser Untersuchung, 

Bilder gewonnen, die uns für die Erbse das Aussehen der beiden 

Teilungsschritte zeigen, die miteinander im Vorgang der heterotypkischen 

Reduktionsteilung verknüpft sind. Mit ihnen sollen die Teilungsbilder 

verglichen werden, die uns in chloralisierten Erbsenwurzeln ent- 
gegentreten. . 

B. N&mec sucht in einem neuerdings erschienenen Buch!), seine 
frühere Angabe?) daß Synkarionten, die in chloralisierten Wurzeln, 
der Erbsen sowie anderer Pflanzen, aus Kernverschmelzungen hervor- 
gehen, die übernormale Zahl ihrer Chromosomen durch Reduktions- 
teilung auf die normale wieder zurückzuführen vermögen, durch weitere. 
Beobachtungen zu erhärten. In seiner ersten Abhandlung über diesen 
Gegenstand stützte er sich vornehmlich auf Wahrscheinlichkeiten. Denn 
es heißt dort an der ersten Stelle, wo die Reduktionsteilung in Ver- 
gleich gezogen wird®): „Ich habe in einer ziemlich großen Zelle, in 
welcher wir entweder zwei Teilungsfiguren oder eine mit doppelter 
Chromosomenzahl erwarten durften, eine einzige, normale Teilungsfigur 
mit der typischen Chromosomenzahl beobachtet. Es ist zwar schwierig, 
auf einen Fall eine kategorische Behauptung aufzustellen, aber mir 
scheint es möglich zu sein, daß in dieser Zelle eine Reduktion der 
Chromosomenzahl vor sich gegangen ist“. An der zweiten Stelle schreibt- 
B. N&meec®: „42 Stunden nach dem Auswaschen gibt es in den 
Wurzelspitzen keine zweikernige Zelle mehr. Die langen Zellen sind 
in großer Anzahl vorhanden, in ihnen gibt es meist Figuren mit einer 
doppelten Chromosomenzahl. Auffallend waren jedoch einige - lange 
Zellen, die eine Figur mit 14 Chromosomen besaßen, diese Chromo- 
somen waren meist dick, etwas länger als sonst; es schien mir’ in 
einigen Fällen, daß jede Chromatinschleife eigentlich aus vier Chromo- 
somen, während des Äquatorialstadiums bestehe. Doch war es mir 
nicht möglich, ganz deutliche und überzeugende Figuren aufzufinden. 
Soviel war jedoch sicher, daß derartige Figuren etwa 14 Chromosomen 
besaßen, wogegen lange Zellen sonst regelmäßig deren 28 zeigten. 
Auch hier scheint es mir wahrscheinlich zu sein, daß eine Reduktion 
der Chromosomenzahl stattgefunden hat“. — Als Beleg für die erste 
der eben zitierten Angaben zieht B. Nämec seine Tetfigur 125 (a. 


1) Das Problem der Befruchtungsvorgänge und andere zytologische Fragen, 1910, 

2) Über die Einwirkung des Chloralhydrats auf die Kern- und Zellteilung. 
Jahrb. f. wiss. Bot. 1904, Bd. XXXIX, pag. 645. 

3) a.a. 0. pag. 688. 


4) a. a. O. pag. 698. 
1* 


4 Eduard Strasburger, 


a. O. 8. 688) heran. — In einem Aufsatze'), in welchem ich das Ein- 
greifen der heterotypischen Reduktionsteilungen in die Karyokinese 
chloralisierter Erbsenwurzeln, zwecks autoregulativer Herabsetzung der 
Chromosomenzahl von Synkarionten, in Abrede stellte, reproduzierte ich 
diese Nöämec’sche Figur2. Ob aus ihr auf eine heterotypische Re- 
duktionsteilung sich schließen lasse, sollte jeder unmittelbar beurteilen 
können. Mein Urteil war das nicht. DB. N&ömee weist nun in 
seiner neuen Arbeit?) darauf hin, daß die beiden anderen Figuren, auf 
welche er sich an der zweiten Stelle, die ich vorhin angeführt habe, 
bezieht, wichtiger wären, „da sie die Chromosomen weit besser zu er- 
kennen geben“. Die N&mee’schen Textfiguren 156 und 157 (a.a. 0. 
S. 698), um die es sich handelt, sind nun ganz bestimmt ebensowenig 
heterotypische Reduktionsteilungen, wie das von mir reproduzierte Bild. 
Ich wählte sie zur Wiedergabe nicht aus, weil B. Nömec selbst, dort 
wo er diese Figuren anführte, hinzufügt: „Doch war es mir nicht möglich, 
ganz deutliche und überzeugende Figuren aufzufinden“. B. N&ämee 
hatte für diese seine erste Untersuchung die chloralisierten Wurzeln 
in Pikrin-Eisessig-Schwefelsäure fixiert, in toto mit Parakarmin durch- 
gefärbt, in Paraffin eingebettet und geschnitten. Bilder, die tieferen 
Einblick in die Kernteilungsvorgänge gestatten, sind auf diesem Wege 
nicht zu gewinnen. 

Doch dem hilft nun die erneuerte Untersuchung chloralisierter 
Wurzelspitzen in B. Nömec’s umfangreichen Buche nach. Er fixiert 
sie mit Flemming’scher Lösung und färbt die Mikrotomschnitte mit 
Safranin-Gentiana-Orange. Die gewonnenen Bilder bestärken ihn in seiner 
früheren Überzeugung, während ich nach wiederholter Untersuchung 
meiner Präparate, ebenso bestimmt bei.meiner Ansicht bleibe und in 
dieser auch nicht durch das eingehende Studium des N&mee’schen 
Buches erschüttert werde. 

Ich erkenne dabei durchaus an, daß das neue Nömee’sche Buch 
wieder manchen wertvollen Beitrag für das Gebiet, das ich hier be- 
handle, wie sonst auch in verschiedenen anderen Richtungen uns bringt, 
und betone ausdrücklich, daß es sich in diesem meinem Aufsatze nur 
um eine objektive Gegenüberstellung dessen was ich für richtig halte, 
dem was er vertritt, handeln soll. Die Vorgänge auf die es ankommt, 
verlangen aber durchaus eine Klarlegung, da sie B. Nömeec in Be 


1) Über die Individualität der Chromosomen und die Pfropfhybriden-Frage. 
Jahrb. f, wiss. Bot. 1907, Bd. XLIX, pag. 482, 

2) 2.2. 0. pag. 485. 

3) Das Problem der Befruchtungsvorgänge, pag. 12. 


Kernteilungsbilder bei der Erbse. 5 


ziehung zu den Befruchtungsproblemen bringt und meint, daß sie auch 
die Phylogenie des Generationswechels beleuchten könnten. 

B. Nömec hat diesmal seine Chloralisierungsversuche wesentlich 
ausgedehnt. Er führte sie nicht nur an verschiedenen neuen Pflanzen 
aus, sondern wiederholte auch die Chloralisierung zwei und mehrmals 
an derselben Wurzel. Ich iolgte darin nicht seinem Beispiel, da 
das Problem, um das es sich für mich handelt, an der einmal chlorali- 

_ sierten Erbsenwurzel voll zum Austrag kommt. B. N&meec hatte seiner- 
zeit schon gefunden, und ich konnte das bestätigen, daß die syndi- 
ploiden Kerne nach der Chloralisierung aus der Wurzelspitze, die weiter 
wächst, allmählich verschwinden. B. Nömec, so wie ich, führten diesen 
Schwund vornehmlich darauf zurück, daß die syndiploiden Zellen aus 
der meristematischen Zone in die Streckungs- und Dauerzone über- 
gehen. Daneben setzte aber B. Nömee noch die heterotypische Re- 
duktionsteilung, als einen autoregulativen Vorgang, der aus didiploiden, 
diploide Kerne schaffen und so die Synkarionten beseitigen sollte, in 
Tätigkeit. Ich schilderte meinerseits auch einige Vorgänge, durch 
welche syndiploide Zellen stellenweise ausgeschaltet werden; eine auto- 
regulative Korrektur durch heterotypische Reduktionsteilung gab ich 
aber nicht zu. Da meine Beobachtungen auch diesmal auf die einmal 
chloralisierten Erbsenwurzeln eingeschränkt bleiben, so betone ich noch- 
mals, daß das Problem auf‘ dessen Lösung es ankommt, voll bei den 
genannten Wurzeln vorliegt; daß meine Untersuchung dieser Wurzel 
sich über rund 70 Präparate erstreckt; daß jedes Präparat unter einem 
Deckglas von 45 zu 25 mm Größe, die Serienschnitte . von einer 
Wurzel oder von zwei Wurzeln einschließt, im ersten Falle meist 14, 
im zweiten 28 Sehnitte; daß die Zahl der Kernteilungen, die mir in 
diesen Schnitten zu Gesicht kamen, nach vielen Tausenden zählt, es 
somit ausgeschlossen erscheint, daß gewisse Teilungszustände in den 
Präparaten hätten fehlen können; daß auch Präparate mit Serien von 
Querschnitten vorlagen, etwa 100 Querschnitte in einem Präparat, daß 
endlich, wie ich es seinerzeit schon angab!), die Fixierung der Wurzel- 
spitzen 3, 5'/,, 17, 20, 27 und 42 Stunden nach ihrer Chloralisierung 
erfolgt war, mit Bevorzugung der 27. Stunde, in welcher die Abnahme 
der syndiploiden Kerne in den Bildern am meisten auffällt. 

Wie die Figuren aussehen, welche die Wurzeln anderer Pflanzen 
nach der Chloralisierung zeigen, bzw. wie sie sich in Wurzeln der 
Erbse und anderer Planzen nach wiederholter Chloralisierung darstellen, 


1) a.a. O. pag, 486. 


6 Eduard Strasburger, 


lehren uns die zahlreichen Abbildungen des neuen N&mec’schen 
Buches. An diese Bilder werden wir uns des weiteren halten und 
mit der Frage an sie herantreten, ob sie, oder wie weit sie, für die 
Nämec’sche Auffassung entscheidend sind. Zu bemerken wäre hier 
gleich, daß sich auch für B. Nömec aus der Heranziehung neuer 
Pflanzen für seine Versuche, andere Teilungsbilder als jene die ihm 
die chloralisierten Erbsenwurzeln darboten, nicht ergaben. Die wieder- 
holte Chloralisierung derselben Wurzel in Zeitabschnitten brachte auch 
nicht prinzipiell Neues, wenn sie auch, und zwar besonders bei der 
Erbse, die Bildung von tetradiploiden und sogar oktodiploiden Syn- 
karionten förderte. 

Während in der ersten Abhandlung von B. Nömee nur die 
heterotypische Reduktionsteilung als Mittel zur Herabsetzung der zu 
hohen Chromosomenzahl Anwendung findet, werden in dem neuen 
Buche zwei Arten von Reduktionsteilung unterschieden, die, zu diesen 
Ziele führen: die indirekte, die der heterotypischen entspricht, die bei 
welcher „die Chromosomen als Tetraden und später während der Me- 
takinesis als Doppelstäbehen erscheinen, und die direkte, wo in einer 
syndiploiden Zelle im Kern direkt die reduzierte Chromosomenzahl 
erscheint“. „Auf Grund einiger Übergangsfiguren“ knüpfte B. Nömec 
hieran die Folgerung, „daß die direkte Reduktion nur durch eine Ver- 
schmelzung von Chromosomen zustande kommt und daß sie nicht prin- 
zipiell von der indirekten verschieden ist“ !). 


Sehen wir uns zunächst das Beweismaterial für indirekte Reduk- 
tionsteilung in den chloralisierten Wurzelspitzen an. Weder Synapsis, 
noch sonst eine von den charakteristischen Prophasen einer hetero- 
typischen Reduktionsteilung hat B. Nömee in einer syndiploiden Wur- 
zelzelle jemals gesehen. Das gibt er an verschiedenen Stellen seines 
Buches selber zu. Doch das Aussehen der Kernplatte mancher syn- 
diploiden Kerne zeuge für Reduktionsteilung, da sie die Chromosomen 
in Tetraden führt. Ich selbst soll eine solehe Teilungsfigur gezeichnet 
haben, ohne ihre Bedeutung zu erkennen. Es sei dies die Fig. 1, Taf. V 
in meinem früheren Aufsatz. Mit ihr wollen wir uns daher zuerst beschäf- 
tigen. Ich lasse diese Figur hier als Fig. 12, Taf. I nochmals ganz unver- 
ändert reproduzieren, was nicht schaden kann, da ihre Wiedergabe auf 
der früheren Tafel hätte treuer ausfallen müssen. Man wolle vor 
allem diese Teilungsfigur mit wirklichen Reduktionsteilungsspindein 
der Erbse vergleichen, wie sie in unseren Figuren 1—-3 vorgeführt 


1) Das Problem der Befruchtungsvorgänge usw., pag. 7. 


Kernteilungsbilder bei der Erbse. 7 


werden. Irgend welche Ähnlichkeit dürfte man schwerlich heraus- 
finden. Doch ich soll selbst „betont“ haben, daß diese Kernplatte 
(Fig. 12 des jetzigen Aufsatzes) „immerhin den Gedanken erwecken 
könnte, daß ihr Bau zu einer Art Reduktionsteilung sich verwenden 
ließe !).“ Das was ich damals geäußert habe, lautet?): „Die eben be- 
schriebene Kernplatte sieht keinesfalls wie eine heterotypische Reduk- 
tionsplatte aus, doch könnte meine Schilderung den Gedanken erwecken, 
daß der Bau zu einer Art Reduktionsteilung sich verwenden ließe. 
Die paarweise Gruppierung der Chromosomen ist bisher in typischen 
Kernplatten nicht aufgefallen, sie könnte somit eine besondere Ein- 
richtung hier vorstellen, durch die erreicht wird, daß, wie bei der hetero- 
typischen Reduktionsteilung, ganze Chromosomen sich voneinander 
trennen und ihre beiden Längshälften demselben Pol zuführen. Das 
ist nun nicht der Fall, vielmehr wandern die Längshälften jedes Chro- 
mosoms nach entgegengesetzten Polen. Die paarweise Zusammenfügung 
der Chromosomen ist in dieser Kernplatte durchaus verschieden von 
jener in heterotypischen Reduktionsplatten..... Sind für typische 
Kernplatten paarweise Lagerungen der Chromosomen bisher nicht an- 
gegeben worden, so liegt der Grund nur darin, daß man sie nicht 
beachtet hat.“ 

In eben jenem meinem Aufsatz, der die in Betracht kommende 
Figur brachte, habe ich dann eingehend die Anordnung der homologen 
Chromosomen zu Paaren in den Kernplatten der typischen Teilungs- 
bilder der Erbse geschildert®. Ich konnte damit an ältere Angaben 
solcher Art, die ich für andere Pflanzen bereits gemacht hatte, an- 
knüpfen, und die Zahl entsprechender Beobachtungen hat sich seitdem 
gemehrt. Im allgemeinen liegen nun, in den Kernplatten einer Erbsen- 
wurzel, die paarigen Chromosomen in annähernd gleicher Ebene und 
frägt es sich daher, warum dies in dieser didiploiden Kernplatte (Fig. 12) 
nicht der Fall ist. Die Antwort darauf lantet, daß die durch Kern- 
verschmelzungen in chloralisierten Wurzelspitzen veranlaßte Vermehrung 
der Chromosomen, ihre Anordnung zu zwei Stockwerken oft begün- 
stigen wird. Das wird stets dann erfolgen, wenn die Kernplatte nicht 
eine zu der Chromosomenzahl entsprechende Ausdehnung erfuhr. Um 
aber in gegenseitiger Nähe zu bleiben, werden sich dann diese homo- 
logen Chromosomen in der Längsrichtung der Kernspindel verschieben 


1) B. Nömec, Das Problem der Befruchtungsvorgänge usw., pag. 12. 
2) a.2. 0, pag. 488. 
3) a. 2.0. pag. 491. 


3 Eduard Strasburger, 


müssen und in deren Seitenansicht sich als übereinander liegend dar- 
stellen. Allein auch in allen diesen Fällen wird man finden, daß die 
homologen Chromosomen nicht in der Weise zueinander halten, wie es 
in einer heterotypischen Kernplatte der Fall ist, daß es nicht zu ihrer 
vollen Berührung in der Äquatorialebene, geschweige denn zu ihrer in- 
timen Zusammenfügung kommt. Eine solche war in dem Maße nicht 
einmal zwischen den beiden längsgespaltenen Chromosomen, am linken 
Rande der in meiner Fig. 12 dargestellten Kernplatte erfolgt, wo ich 
in Wirklichkeit, um das untere Chromosom zeichnen zu können, das 
Objektiv tiefer einstellen mußte). Eine solche intime Vereinigung 
der homologen Chromosomen wie sie in den Reduktionskernplatten der 
Erbse vorliegt und durch unsere Figuren 1—3 illustriert wird, ist mir 
in den syndiploiden Kernplatten der chloralisierten Erbsenwurzeln nie 
vorgekommen... Zudem liegen in solchen syndiploiden Kernplatten, 
ebenso wie in den einfachen diploiden, die Längshälften jedes Chro- 
mosoms nach verschiedenen Polen orientiert, während sie in Reduk- 
tionskernplatten nach derselben Polseite schauen. Weiter kann man 
feststellen, daß die Längshälften jedes Chromosoms, auch in den syndi- 
ploid gewordenen somatischen Kernplatten, an den Zugfasern entgegen- 
gesetzter Pole befestigt sind, während für beide Längshälften in der 
Reduktionskernplatte die Befestigung an derselben Polseite liegt. Daher 
auch die beiden Längshälften jedes Chromosoms aus der Reduktionskern- 
platte nach demselben Tochterkern, aus der syndiploiden Kernplatte, wie 
sie in Fig. 12 dargestellt ist, nach zwei Tochterkernen gelangen. B. Nömee' 
kann aber, wie er schreibt), „nicht begreifen“, wie die Verteilung der 
Längshälften jedes Chromosoms aus einer solchen syndiploiden Kern- 
platte wie sie in meiner Figur 12 vorliegt, auf entgegengesetzte Pole, 
möglich wäre, denn die inneren Längshälften müßten bei der Bewegung 
za den Polen aneinander stoßen“. Nun, sie tun es,. trotzdem ihre 
Mutterchromosomen sich in der Kernplatte mehr oder weniger decken, 
nicht, weil jede Längshälfte von entgegengesetzer Seite befestigt ist; 
sie gleiten vielmehr aneinander vorbei, um an den richtigen Pol zu 
gelangen. Wie dann die Bilder beginnenden Auseinanderweichens sich 
darstellen, läßt sich bereits zahlreichen Abbildungen aus früherer Zeit, 
die chromosomenreiche Kernplatten, deren Chromosomen dicht gedrängt 
sind und nach verschiedenen Polen ihre Enden richten, in ähnlichem 


T) Heißt es doch auch in meiner damaligen Beschreibung, a. a. 0. pag. 448: 


„Das erste Chromosom links deckt mit seiner (in dem Bilde) unteren Längshälfte 
die obere Hälfte des tiefer gelegenen“, 


2) Das Problem der Befruchtungsvorgänge usw., pag. 14. 


Kernteilungsbilder bei der Erbse. 9 


Stadium entnehmen. Ich verweise hierfür auf einige dem protoplas- 
matischen Wandbelag des Embryosacks entstammende Bilder?), die ich 
schon im Jahre 1884 gezeichnet habe. Die Sonderung der von ent- 
gegengesetzten Seiten kommenden, die äquatoriale Ebene passierenden 
Längshälften der Chromosomen erinnert sehr an das, was ich für syn- 
diploide Kerne der Erbsenwurzel in meinen Figuren 14 und 15 zur 
Darstellung bringe Die Bilder zeigen klar, daß auch in diesen syn- 
diploiden Kernen die Längshälften der Chromosomen sich voneinander 
trennen, um nach entgegengesetzten Polen zu gelangen, daß sie somit 
nicht, wie es B. Nömec glaubt, demselben Pol zufallen. Ich kann 
hier auf das bestimmteste versichern, daß das nicht der Fall ist. In 
all den überaus zahlreichen Teilungsbildern syndiploider Kernplatten 
der Erbsenwurzeln die ich studiert habe, ist mir der von B. Nömee 
angenommene Vorgang auch nicht ein einziges Mal begegnet. Er 
konnte es somit nicht sein, der es veranlaßte, daß auch in meinen 
Erbsenwurzeln, die Zahl der syndiploiden Kerne entsprechend der Zeit 
abnahm, die zwischen der Chloralisierung und der Fixierung der 
Wurzelspitzen verstrichen war. 

An sich würde übrigens der von B. Nöämee postulierte 
Vorgang eine Verringerung der Chromosomenzahl in den Teilungs- 
produkten noch nicht zur Folge haben. Denn ob alle Chromosomen 
die eine ihrer Längshälften oder ob die Hälfte der Chromosomen ihre 
beiden Längshälften an die Tochterkerne abgeben, ändert nichts an der 
Zahl der Chromosomen, welche sich dann in diesen Tochterkernen 
befindet. Bei der heterotypischen Reduktionsteilung wird die Zahl 
der Chromosomen bei der Teilung der Tochterkerne auf die Hälfte 
herabgesetzt. Doch dazu ist die homöotypische Teilung nötig, die auch 
ihrerseits wieder ganz charakteristische Teilungsbilder liefert und darauf 
beruht, daß die von dem ersten Teilungsschritt übernommenen längs- 
gespaltenen Chromosomen zur Trennung ihrer Längshälften und deren 
Verteilung auf die Enkelkerne schreiten. Diese zweite heterotypische 
Teilung ist bekanntlich mit der ersten eng verknüpft und pflegt ihr 
unmittelbar zu folgen. Wie sie bei der Erbse aussieht, haben uns die 
Figuren 9 und 10 gezeigt. Nach solehen Zusammenhängen und Bildern 
wird man in den chloralisierten Erbsenwurzeln vergeblich suchen. 


Kernplattenbilder, wie sie meine früher mit 1, hier mit 12 be- 
zeichnete Figur vorführt, sind zwar vorwiegend an syndiploiden Kernen 

1) Fig. 712, Taf. XIII, in: Die Kontroversen der indirekten Kernteilung. 
Arch, f. mikr. Anat., Bd. XXIII, pag. 246. 


10 Eduard Strasburger, 


zu beobachten, doch nicht ausschließlich auf sie beschränkt. Auch eine 
nur diploide Kernplatte kann ihre Chromosomen in doppelter Lage führen. 
Diploide wie syndiploide Kernplatten tun es dann, wenn die gegebene 
Größe der Kernplatte eine freie Nebeneinanderlagerung der Chromo- 
somen nicht zuläßt. Die Kernplatte kann aber an ihrer weiteren Flächenaus- 
dehnung durch die geringe Breite der Zelle, oder durch eine nicht ent- 
sprechende Größenzunahme der Spindel selbst, verhindert worden sein. Eine 
diploide Kernplatte, die infolge geringer Zellweite dazu schritt, ihre Chromo- 
somen in doppelter Lage anzuordnen, zeigt unsere Fig. 13. Abgesehen 
von der Chromosomenzahl, gleicht diese diploide Kernplatte ganz der 
didiploiden Fig. 12. Ein Grund für sie, sich auf Reduktionsteilung 
einzurichten, lag nicht vor. Sie hätte eine solche in Wirklichkeit ebenso- 
wenig ausgeführt, wie die Kernplatte der Fig. 12. Dabei zeigt aber 
diese nur diploide Kernplatte der Fig. 13 noch ganz besonders aus- 
geprägt jenes, was B. Nömee als Tetraden bezeichnet. Diese Tetraden, 
oder richtiger diese vier zu einer Tetrade angeordneten Querschnitte 
der Tochterehromosomen, kommen entweder dadurch zustande, daß ein 
Chromosom, dessen Längshälften den Polen zugewandt sind, sich in 
Richtung der Äquatorialebene gefaltet hat und seine Schenkel senk- 
recht zur Beobachtungsebene im Bilde stehen, oder dadurch, daß zwei 
längsgespaltene Chromosomen aneinander liegen. In Fig. 13 ist eine 
Faltung der Chromosomen die Veranlassung der Tetraden, in Fig. 12 
kann für die der Mitte nahe Tetrade die seitliche Annäherung zweier 
Chromosomen die Ursache abgegeben haben. Zu Fig. 12 sei übrigens 
noch bemerkt, daß in sie nur der geringste Teil der vorhandenen 
Chromosomen eingetragen wurde, so daß deren gedrängte Lage in der 
Kernplatte nicht zur Geltung koramt. 

Die Fig. 14, die uns die ersten Stadien des beginnenden Aus- 
einanderweichens der Tochterehromosomen in einer syndiploiden Kern- 
platte vorgeführt hat, entstammt nicht einer chloralisierten Wurzel. Sie 
wurde vielmehr dem Längsschnitt einer normalen Wurzel entnommen, 
wie ich deren mehrere zum Vergleich untersuchte Kernverschmel- 
zung in Zellen, die durch Kernteilung, welcher Zellteilung nicht folgte, 
zweikernig wurden, sind eben auch unter normalen Verhältnissen in 
Erbsenwurzeln keine seltene Erscheinung. Und auch die Teilungsbilder, 
welche die Synkarionten dann liefern, entsprechen jenen der chlorali- 
sierten Wurzeln. Damit ist die Entscheidung dahin zu fällen, daß man 
die Kernverschmelzungen in chloralisierten Erbsenwurzeln auch nicht 
als Folge der Chloralisierung, sondern der künstlich veranlaßten Mehr- 
kernigkeit anzusehen habe. Die Zellen der meristematischen Region 


Kernteilungsbilder bei der Erbse. 11 


in der Erbsenwurzel haben somit schon normalerweiser die Neigung, 
falls sie durch eine Kernteilung, der aus irgendwelchem Grunde die 
Zellteilung nicht folgte, mehrkernig wurden, Kernverschmelzungen vor- 
zunehmen. B. Nämee verfügte für Pisum sativum und andere chlo- 
ralisierte Wurzeln, bei denen er Kernverschmelzungen beobachtete, nur 
über die nach der Chloralisierung gesammelten Erfahrungen, daher er 
sich weniger bestimmt ausdrückt‘. Es ist ihm zwar nicht wahrschein- 
lich, daß es sich hier um einen pathologischen Vorgang handle, „immer- 
hin ist es nicht sicher, ob hier nicht direkte Folgen der Chloralisierung 
vorliegen“. Es gibt übrigens auch Wurzeln, die auf mehrkernige Zellen 
eingerichtet sind, bei denen demgemäß auf Kernvermehrung ohne Zell- 
teilung eine Kernverschmelzung nicht folgt. B. Nömee?) weist das 
für die Wurzelspitzen von Ricinus nach; für die Milchröhren der Eu- 
phorbien war es schon bekannt. 

Ich sehe es als ein sicheres Ergebnis meiner Untersuchung 
an, daß die syndiploiden Kerne chloralisierter wie nichtchloralisierter 
Wurzelspitzen, in heterotypische Reduktionsteilungen nicht eintreten. 
Synapsis hat auch B. N&mec bei ihnen nicht gesehen, ebensowenig wie 
andere charakteristische Prophasen (der Reduktionsteilung. Das was 
B. N&mee für heterotypische Reduktionskernplatten hält, lasse ich als 
solche nicht gelten. So weder seine Fig. 17a, pag. 37, noch seine 
Fig. 18a, pag. 38, noch die Figuren der pag. 40, noch endlich auch jene 
der Taf. I, wie Fig. 7, 13, 17. Es sind das vielmehr Kernplatten, die 
mehr oder weniger meiner Fig. 12, Taf. I ähnlich sind und ebenso- 
wenig wie diese heterotypische Reduktionsteilungskernplatten darstellen. 
Sie decken sich auch nicht im geringsten mit den Bildern jener hetero- 
typischen Reduktionsteilungen, wie sie Pisum an den für diese vor- 
gesehenen Orten aufweist. — Bleibt die direkte Behauptung von B. 
Nämee, daß Teilungen von Synkarionten in chloralisierten Wurzeln 
erfolgen, die das Wandern ganzer längsgespaltener Chromosomen nach 
den Spindelpolen zeigen, und bleiben auch seine, post hoc aus ge- 
wissen Erscheinungen gezogenen Schlüsse, die eine vorausgegangene 
Reduktionsteilung verlangen sollen. 


Wie ich schon hervorgehoben habe, sah ich nie in meinen Erbsen- 
wurzeln die beiden Längshälften eines Chromosoms, so wie es B. Nömec 
angibt, nach demselben Pol wandern. ungeachtet jene Kernplatten mit 
doppelter Chromosomenschicht, die er für Reduktionskernplatten hält, 


1) Das Problem usw., pag. 120. 
1) Ebenda, pag. 122 ff. 


14 Eduard Strasburger, 


teilung vor, welche von der typischen abweicht, dagegen Anklänge an 
die allotypische aufweist.“ 

Allerdings ist auch mir in den protoplasmatischen Wandbelegen 
von angiospermen Embryosäcken, die ich untersucht habe, so neuerdings 
wieder bei Galtonia candicans, eine Herabsetzung der Zahl von Chromo- 
somen, die den Tochterkernen durch bestimmte Teilungsvorgänge zu- 
geführt werden, wiederholt entgegengetreten, doch handelte es sich dann 
stets um abnorme Prozesse. Bei der Endospermbildung machen sich 
bekanntlich karyolytische Einflüsse vielfach geltend und können zu 
Kernteilungsvorgängen führen, die alle Mittelformen zwischen typischer 
Karyokinese und Fragmentation annehmen. Ich brauche an dieser Stelle 
nur auf die Tafeln zu L. Buscalionis’ diesbezüglichen Untersuchungen 
hinzuweisen, die Bilder in Fülle von solchen Kernteilungen enthalten '). 
Produkte solcher Kernteilungen haben keine Zukunft vor sich. Es ist 
daher auch bedeutungslos, ob der Teilungsvorgang, der sie liefert, sie 
wit dem vollen Ohromosomensatz, also mit allen Erbeinheiten ausge- 
stattet hat oder nicht. — Ganz ähnliche Kernteilungsfiguren kann auch 
das erkrankte tierische Gewebe aufweisen, wo die pathologischen Teilungs- 
bilder auch mehrfach schon zu Vergleichen mit der heterotypischen 
Reduktionsteilung veranlaßt haben. Ich verweise hierfür auf die Zu- 
sammenstellung solcher Angaben, die sich in meinem Aufsatze über 
die Individualität der Chromosomen und die Pfropfhybriden-Frage 
findet?). Von autoregulativen Vorgängen, die zur Herabsetzung der 
Chromosomenzahl führen sollen, kann dabei naturgemäß nicht die Rede 
sein. Will man aber für solche Verminderung der Chromosomenzahl 
dureh abnorme Kernteilung einen besonderen Namen haben, so schlage 
ich dafür Diminutionsteilung vor. Die Bezeichnung ist ähnlich wie 
Reduktionsteilung gebildet, schließt andererseits Verwechslungen mit 
ihr aus. 

Über die Gründe, die B. Nömec veranlaßt haben, in den chlora- 
lisierten Wurzen neben der „indirekten“, d. h. der heterotypischen, 
auch noch eine „direkte“ Reduktionsteilung anzunehmen, klärt er uns 
zum erstenmal bei Lilium candidum auf®). „Es handelt sich“, so gibt 
er an, „um abnorm große Zellen, welche, mit den Nachbarzellen ver- 
glichen, syndiploide Kerne enthalten sollten.“ „Statt dessen enthielten 
sie Teilungsfiguren mit einfach diploider Chromosomenzahl“, „So weit 


1) Observazioni e rieerche sulla cellula vegetale. Annuario del R. Inst. bot. 
di Roma 1898, Vol. VII. 


2) Jahrb. f. wiss. Bot. 1907, Bd. XLIV, pag. 524. 
3) Das Problem usw., pag. 24, 25. Entsprechend auch auf pag. 32, 39. 


Kernteilungsbilder bei der Erbse. 15 


es mir“, schreibt B. Nemee weiter!), „die beschränkte Zahl derartiger 
Fälle, wo in einer abnorm großen Zelle eine diploide Figur vorkam, 
gestattete, konnte ich feststellen, daß sich das Spirem in typischer 
Weise entwickelte, also ohne Chromosomenverschmelzung und auch, 
ohne Synapsis, indem während der Metaphase eine einfache Längs- 
spaltung der Chromosomen vor sich ging. Wenn hier also eine Re- 
duktion der Chromosomenzahl vor sich gegangen ist, so geschah dies 
direkt dadurch, daß sich im Kern die Chromosomen statt in einer 
doppelten, in einer einfachen Anzahl entwickelten. Daher ich diese 
Reduktion als eine direkte bezeichne, im Gegenteil zu der andern, wo 
die reduzierte Chromosomenzahl durch Kopulation von je zwei Chromo- 
somen zustande kommt“. Als ich diesen Abschnitt zum ersten Mal in 
dem N&ömec'schen Buche las, erwartete ich sicher, daß auf dessen 
erste Hälfte, aus der ich erfahren hatte, daß Alles typisch in solchen 
Kernen bis zur Metakinese verlaufen war, der Nachsatz folgen müsse, 
es habe sich um eine typische Kernhandlung gehandelt, daß es somit 
in solchen Wurzeln gelegentlich auch auffällig große Zellen mit nur 
diploidem Kern geben könne. Anders urteilt B. N&mec, der hier 
eine direkte Reduktion der Chromosomenzahl postuliert. Eine direkte 
Reduktion dieser Zahl läge vor, wenn in den Prophasen ein Teil der 
Chromosomen aus dem Kerninnern ausgestoßen worden wäre, oder 
wenn Anzeichen für dessen Auflösung vorlägen. Darüber berichtet 
B. N&ömec aber nicht, vielmehr erfährt man weiterhin im Buche?) 
daß er aus seinen Beobachtungen „direkter Reduktion“ in («drei- 
mal chloralisierten Erbsenwurzeln „schließt“, „daß bei der direkten 
Reduktion je zwei Chromosomen an einem ihrer Enden verschmelzen, 
wobei zuweilen die Verschmelzung noch in einer Einschnürung an- 
gedeutet bleiben kann, in anderen Fällen vollständig ist, so daß nichts 
mehr auf sie hinweist“. „Wenn nicht alle Chromosomen paarweise 
verschmelzen, bleiben neben großen, doppelwertigen, noch kleinere, 
einwertige bestehen. Für gewöhnlich scheint diese Verschmelzung 
vollständig zu sein und simultan an allen Chromosomenpaaren aufzutreten. 


Nach solcher Erklärung für Pisum bekommt diese B. Nömee’sche 
direkte Chromosomenreduktion ein ganz anderes Gesicht. Sie ist eben 
eine g6wöhnliche somatische Kernteilung, die an ihren Enden ver- 
schmolzene Chromosomen aufweist. Mit solchen Verschmelzungen, 
welche die Chromosomenzahl scheinbar herabsetzen, habe ich mich 


1) Das Problem usw., pag. 26, 
2) pag. 5l. 


16 Eduard Strasburger, 


schon oft zu beschäftigen gehabt, wie die in meinen Veröffentlichungen 
zerstreuten Angaben lehren. Das eine wirkliche Chromosomenreduktion 
zu nennen, hätte ich mich aber schwerlich entschlossen. Denn. die 
sämtlichen Chromosen sind da, wie zuvor; lagen sie in syndiploider 
Anzahl vor, so werden sie auch weiter durch Längsspaltung in dieser 
Anzahl auch die Nachkommen übertragen. Daß dieser Vorgang somit 
nicht prinzipiell von der indirekten, also heterotypischen Reduktion ver- 
schieden sein sollte®), kann ich nicht zugeben. Er ist von ihr ebenso 
verschieden, wie jede andere, ob haploide, ob diploide, ob syndiploide 
somatische Kernteilung. Auch eine autoregulative Bedeutung für die 
Herabsetzung der Chromosomenzahl fällt diesem Vorgang nicht zu, er 
leistet tatsächlich nichts in dieser Richtung. Darauf kann es doch 
nicht ankommen, daß nunmehr der Beobachter, infolge einer statt- 
gefundenen Chromosomenvereinigung, eine geringere Zahl dieser Ge- 
bilde abzähle. Wie oft sind mir nicht schon dipioide somatische Kern- 
platten begegnet, in welchen die Chromosomen mehr oder weniger 
sämtlich untereinander verbunden waren. Im übrigen sei noch zu den 
B. Nöämee’schen Angaben über diese „direkte Chromosomenreduktion“ 
bemerkt, daß sie wohl für seine letzte Schilderung bei der dreimal 
chloralisierten Erbsenwurzel zutrifft, gemäß den Figuren), auf die er 
sich dabei beruft, nicht aber auf jene Fälle, wo eine ganz regelmäßig 
ausgestaltete somatische Teilungsfigur in einer Zelle vorliegt und nur aus der 
Größe der Zelle, bezw. der Größe der Teilungsfigur, geschlossen wird, 
sie müsse aus einer „direkten Reduktion“ hervorgegangen sein. Daß 
meine Fig. 2222), auf welche B. Nömee in gleichem Sinne hinweist, 
so gedeutet werden könne, stelle ich entschieden in Abrede Was 
soll auch in Wirklichkeit eine besonders groß geratene Zelle für 
eine Veranlassung dazu haben, ihre syndiploide Chromosomenzahl herab- 
zusetzen. Viel eher könnte man erwarten, daß in einer Zelle, die aus 
irgend welchem Grunde, zu klein für ihren syndiploiden Kern geworden 
ist, sich solche Neigungen geltend machen könnten. Die Ursachen, 
die es andererseits veranlaßten, daß eine Zelle zu auffälliger Größe, 
trotz eines diploiden Kerns heranwuchs, und daß auch ihr Kern un- 
geachtet er nur diploid ist, zu bedeutender Größe und entsprechendem 


Chromatinreichtum gelangte, wird im Einzelfall, post hoc, meist schwer 
zu ermitteln sein. 


l) Das Problem usw. Diese bereits in der Einleitun n 
g pag. 7 ausgesprochen. 
2) Taf. I, Fig. 11, 12. sep 


3) 2.2. 0. Jahrb. f. wiss. Bot., Bd, XLIV, Taf, VI. 


Penn 


Kernteilungsbilder bei der Erbse. 17 


Mir ist die, aus irgendwelehem Grunde des längeren unter-' 
bliebene Teilung einer Zelle, innerhalb einer in lebhafter Zellvermehrung 
begrifienen Zellreihe, als häufige Ursache ihrer eigenen, sowie auch 
der Vergrößerung ihres Kerns entgegengetreten, dessen Chromatinreichtum 
zugleich eine entsprechende Steigerung erfuhr. Sehr auffällige Schwan- 
kungen in der Zell- und Kerngröße, sowie in dem Chromatingehalt der 
Kerne traten mir neuerdings in den Wurzeln von Melandryum rubrum 
während einer Untersuchung, die an sich andere Ziele verfolgte, entgegen. 
Die Erscheinung frappierte mich dort dermaßen, daß’ich sie nieht un- 
berücksichtigt lassen konnte, wie dies in meinem diesbezüglichen, im 
Erscheinen begriffenen Aufsatze nachzulesen sein wird). Es handelte sich 
aber in jenem Falle um Wurzeln, die nicht chloralisiert waren, auch nicht 
syndiploide Kerne besaßen, dessenungeachtet dasselbe Problem un- 
gleicher Zeil- und Kerngröße an den Beobachter stellten. In chlora- 
lisierten Wurzelspitzen kommen aber zu den auch in normalen Wurzeln 
möglichen Abweichungen im Größenverhältnis einzelner Zellen noch 
etwaige durch die Chloralisierung veranlaßte Störungen hinzu. Auch 
in dem B. Nömec’schen Buche findet sich in Bezug auf Erbsenwurzeln 
die Stelle?): „Die Größe der Zellen und Kerne variiert so sehr je nach 
der Gewebeart, Entfernung vom Vegetationspunkt und dem Entwicklungs- 
stadium, daß man immer nur auf den Vergleich mit den Nachbarzellen 
angewiesen ist, und auch dann kann man zuweilen unschlüssig werden, 
wenn es sich fragt, was für eine Zelle vorliegt.“ 

In meinem früheren Aufsatze über die chloralisierten Erbsen- 
wurzeln3) schloß ich mich B. Nömec in dem Ergebnis an, daß die 
syndiploiden Zellen allmählich aus den Spitzen der chloralisierten 
Wurzeln verschwinden, und zwar der Hauptsache nach dadurch, daß 
sie in die Streckungs- und Dauerzone gelangen. Daß heterotypische 
Reduktionsteilungen in den Vorgang eingreifen und autoregulativ zur 
Herabsetzung der zu hohen Chromosomenzahlen beitragen, ließ ich 
nicht gelten. Wohl aber nahm ich in beschränktem Maße andere Vor- 
gänge zur Beseitigung überchromosomiger Zellen und Kerne in An- 
spruch, so vor allem deren Desorganisation®. An diesem Ergebnis 

1) Über geschlechtbestimmende Ursachen. Jahrb. f. wiss. Bot. 1910, Bd. XLVIIL, 


pag. 464. Zu vergleichen wäre übrigens hierzu auch der Abschnitt aus B. N&mec’s 
Buch, der die Beziehungen zwischen Kem- und Zellgröße behandelt, besonders 
pag. 403 ff. 

2) Das Problem usw., pag. 48. 

3) Über die Individualität der Chromosomen usw. Jahrb, f. wiss. Bot. 1907, 
Bd. XLIV, pag. 498. 

4) Ebenda, pag. 499-501. 

Flora, Bd. 102. 


18 Eduard Strasburger, 


muß ich auch nach eingehendem Studium des B. Nämee’schen Buches 
und nach erneuerter Untersuchung meiner Präparate festhalten. ‘Da 
B: Nömee seine Angaben über autoregulative Reduktionsteilungen in 
chloralisierten Wurzen in Beziehung zu den Problemen der Be- 
fruchtung und des Generationswechsels bringt, so hielt ich es für ge- 
boten, meine Ansichten hier den seinigen gegenüberzustellen. 

Auch in dem Abschnitt seines Buches, der „Verwundung, Kern- 
teilung und Kernübertritte“ behandelt), findet B. Nämee Anknüpfungs- 
punkte für „direkte* und „indirekte“ Reduktionsteilung in vegetativen 
Geweben. Er stützt diese Deutung durch ähnliche Argumente und 
Bilder, wie es jene waren, die uns schon bei den chloralisierten Wur- 
zeln beschäftigt haben. Zu den indirekten Beweisführungen gehört 
es auch hier beispielsweise, wenn B. N&mec die einer dekapitierten 
Wurzelspitze entnommene Teilungsfigur 103,2) „mit einer .Reduktions- 
teilung in Zusammenhang bringen“ möchte, weil eine Querteilung von 
Chromosomen, auf die man aus diesem Bilde auch schließen könnte, 
bisher in keinem Falle sicher nachgewiesen worden ist. Was das 
herangezogene Bild bedeutet, will ieh nicht untersuchen, nur seine 
Deutung als Reduktionskernplatte kann ich nicht akzeptieren und eben- 
sowenig überzeugen mich die auf Taf. III unter Fig. 91a und 5 dar- 
gestellten Bilder, daß es sich in ihnen um die Anapbase einer Reduk- 
tionsteilung handelt, welche nach den Polen sich bewegende Doppel- 
stäbchen vorführt. Immer wieder handelt es sich um Einzelbilder, wo 
der Beweis der Richtigkeit, der auf scheinbare Ähnlichkeiten sich 
stützenden Deutung, doch erst durch den Nachweis wirklicher Zusammen- 
hänge mit dem angenommenen Ergebnis, erbracht werden müßte. 


Sah ich mich in diesem Aufsatz zunächst veranlaßt, Kritik an den 
Angaben im B. Nömec’schen Buche zu üben, so muß ich jetzt meiner 
Besprechung eine andere Wendung geben, um die Bedeutung hervor-. 
zubeben, die ich manchen in dem Buche niedergelegten, neuen B. 
N&ömec’schen Beobachtungen beilege. So wurde B. N&mee durch 
einen wohlüberlegten Gedanken bestimmt, chloralisierte Hauptwurzeln 
zur Bildung von Seitenwurzeln anzuregen, um letztere auf etwaige von 
ihrer Mutterwurzel übernommene Synkarionten zu prüfen 3). Die Mutter- 
wurzeln wurden an fünf aufeinander folgenden Tagen chloralisiert und 
auf solche Weise an ihnen „eine mehrere Zentimeter lange Zone, we 


1) Das Problem usw., pag. 223 ff. 
2) pag. 226. 
3) Das Problem usw., pag. 73. 


Kernteilungsbilder bei der Erbse. 19 


das Perikambium zahlreiche syndiploide Zellen enthält“ .erzielt. Am 
sechsten Tage dekapitierte B. Nömec solche Wurzeln entsprechend 
weit,. worauf sie, und zwar besonders an den jeweiligen Stellen, die 
nach .den Chloralisierungen sich verdickt hatten, zahlreichere Seiten- 
wurzeln trieben. 

Erinnert sei daran, daß gemäß den Untersuchungen von Ph. Van 
Tieghem: und H. Douliot!), der Perieykel (Perikambium) bei der 
Erbse,- vor den Gefäßstrahlen, wo die Anlage der Seitenwurzeln er- 
folgt, gewöhnlich dreischichtig ist. Nur die äußerste dieser Schichten 
geht durch tangentiale Teilungen in den Aufbau des Seitenwurzel- 
körpers ein, und zwar, wie das die Van Tieghem -Douliot’schen. 
Figuren?) lehren, mit einer Mehrzahl aneinandergrenzender Zellen. 

In allen aus den chloralisierten Hauptwurzeln erzogenen Seiten- 
wurzeln, eine ausgenommen, fand B. N&ämee Synkaryonten vor. In 
den meisten dieser Wurzeln „nahm die Zahl der Synkaryonten von der 
Basis zum Vegetationspunkte ab; häufig wurden ganze Gewebepartien 
von syndiploiden Zellen durch typische diploide Zellreihen abgelöst. 
In anderen Wurzelspitzen ließen sich jedoch die syndiploiden Zellreihen 
bis ins Transversalmeristem verfolgen und aus diesem weiter in die 
Wurzelbhaube“. Aus der Erscheinung, daß syndiploide Zellen durch 
typische diploide Zellreihen abgelöst werden, möchte B. Nömee auch 
nicht unmittelbar auf erfolgte Chromosomenreduktion schließen). Denn 
schon in seiner ersten Arbeit aus dem Jahre 1904:) sah er sich ver- 
anlaßt, mit der Möglichkeit zu rechnen, daß in einer chloralisierten 
Wurzel eine syndiploide Initiale am Vegetationspunkt durch eine diploide 
abgelöst werden könne. Dann würden aber auf syndiploide Zelipartien 
diploide folgen. In einem anderen Falle sieht B. Nömec, wie syndi- 
ploide Zellen. plötzlich endigen und diploide Zellen sie fortsetzen 5). 
Doch ihnen liegen zusammengedrückte Reste abgestorbener Zellen an, 
zudem neben diesen weite Intercellularen, wie sie ungewohnt sind. 
„Das beweist, daß beim Ablösen der syndiploiden durch diploide Zeilen 
Elemente: abgestorben sind, und.ich glaube“, fügt B. Nämee hinzu 9), 
„es waren das eben. die syndiploiden. Initalien im Transversalmeristem.* 


1) Recherches comparatives sur l’origine des membres endogönes dans les 
plantes vasculaires. Ann. des sc. nat. Bot, 1889, 7e Ser., Tome VII, pag. 185. 

2) A. a. O. Taf. 18, Fig. 185 u. 186, j 

3) Das Problem usw., pag. 76. 

4) Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. XXXIX, pag. 723. - 

5) Das Problem usw., pag. 76. 


6) Ebenda, pag. 77. . 
2% 


80 j Eduard Strasburger, 


Anderswo ist aber die Situation derartig, daß sich B. Nemee den 
Übergang von syndiploiden zu diploiden Zellen „nicht anders er- 
klären kann“ als durch eine Chromosomenreduktion‘). Wieder in 
anderen Fällen beschreibt B. Nömeec die Beseitigung syndiploider 
Initialen, die genügend dem Rande des Vegetationskegels genähert sind, 
‚dureh ihre Überweisung an die Wurzelhaube. „Die nächst innere 
Zelle des Transversalmeristems wird dann nur Initiale für das Derma- 
togen.“ „Dadurch entsteht ..... im Transversalmeristem sowie dem 
Wurzelkörper eine rinnenförmige Einkerbung .. .“2). „Im ganzen nimmt“, 
wie das Schlußergebnis lautet, „die Zahl der syndiploiden Zellen mit 
.dem Längerwerden der Wurzeln ab. Das ist... begreiflich, denn es 
können im Transversalmeristem syndiploide Initialen. absterben, sie 
können ausgeschieden werden und schließlich kann auch eine Reduktion 
stattfinden 3)“ Für das Absterben und Ausscheiden syndiploider Zellen 
äus solchen Seitenwurzeln hat B. Nömee in der Tat weitere, recht 
interessante Belege gebracht. „In bezug auf die Reduktion“, schreibt 
er aber selber nieder, „ist zu bekennen, daß keine Kernteilungsfigur 
gefunden wurde, welche sicher als eine Reduktionsfigur zu deuten 
wäre %).* 

Eine Seitenwurzel, die nur aus syndiploiden Zellen bestanden 
hätte, bekam B. Nömee nicht zu sehen. Nur eine verbänderte Doppel- 
wurzel bestand aus einer rein syndiploiden und aus -einer gemischten 
Hälfte). „In der aus lauter syndiploiden Zellen bestehenden Wurzel“, 
berichtet B. Nömec, „gab es keine Anzeichen von Reduktionen“. Er 
fährt dann fort: „Dieser vereinzelte Fall ist deshalb interessant, weil 
er auf die Möglichkeit hinweist, daß die eventuellen Reduktionen sowie 
Ausscheidungen von syndiploiden Initialen unter dem Einfluß der. die 
Mehrheit bildenden diploiden Zellen geschehen 6)“ Für „Reduktionen“ 
läßt B. Nömec, auf Grund weiterer Erwägungen, diese Möglichkeit 
nicht gelten ”), wohl aber stellt er sie als autoregulativen Vorgang für 
die Beseitigung der syndiploiden Zellen, als fremdartige Elemente an dem 
Komplex der normal diploiden Initalien auf. In Wurzelspitzen mit 
dominierender Syndiploidie im Meristem könnte wohl die entgegen- 


1) Das Problem usw., pag. 76. 
2) Ebenda, pag. 78. 

3) Ebenda, pag. 85. 

4) Ebenda, pag. 87. 

5) Ebenda, pag. 87, 88. 

6) Ebenda, pag. 88. 

7) Ehenda, pag. 88. 


Kernteilungsbilder bei der Erbse. 2 


‘gesetzte "Beseitigung erfolgen‘). Ich halte diese Gedanken für sehr 
glücklich und möchte meinerseits für sie eintreten. Sie bringen uns 
eine sehr einleuchtende Stütze für die Annahme, daß die Verdoppelung 
des Chromosomensatzes in dem wichtigen Hugo de Vries’schen 
Mutanten Oenothera gigas ihren Ausgangspunkt hatte: „in einer Teilung 
der Chromosomen, die nicht von Zellteillung begleitet war, bald nach 
der Befruchtung“. Ich führe diesen Satz so an, wie ihn Reginald 
Ruggles Gates zuerst ausgesprochen hat?). Ich schloß mich diesem 
Satze in der Fassung, daß eine Zellteilung der Kernteilung nicht ge- 
folgt sei, an3), nachdem mich zuvor schon andere Fälle in meinem Auf- 
satze „Chromosomenzahl“ zu einer ähnlichen Anschauung geführt hatten ®). 
Man darf nunmehr, durch das Verhalten der von B. N&meec aus 
chloralisierten Hauptwurzeln erzogenen Seitenwurzeln belehrt, mit weit. 
größerer ‚Wahrscheinlichkeit behaupten, daß eine Verdoppelung des 
Chromosomensatzes,; die sich in der Phylogenie einer gegebenen Pflanze 
einstellte, nur dann Aussicht hatte fortzubestehen, wenn sie in einer 
Keimzelle sich vollzog, von der die gesamte Gewebebildung ausging, 
also bei den Metaphyten von der befruchteten Eizelle. Verdopplung 
des Chromosomensatzes in einzelnen Gewebezellen hat nicht Bestand, 
solche Zellen gedeihen nicht innerhalb der mit der anderen Chromo- 
somenzahl ausgestatteten „Majorität“. Wenn es Elie und Emile 
Marchal?) gelungen ist, den Chromosomensatz der Moospflänzchen 
wiederholt dauernd zu verdoppeln, so ist es auch nur, weil ihre .neu- 
geschaffenen Pflänzchen, am Ursprungsort, mitnur einer, die entsprechende 
‘Verdoppelung der Chromosomen aufweisender Kernart ausgestattet wurden. 
— Über die eigenartige Symbiose, in welche die Gewebe von spezifisch 
verschiedenem Ursprung ‚innerhalb der Chimären eintreten und dem 
etwaigen Antagonismus, der sich zwischen ihnen geltend macht, werden 
uns weitere Veröffentlichungen aufzuklären haben. 


Wichtig ist es mir, aus den B. Nömee’schen®) Angaben zu er- 
sehen, daß auch er in den Kernplatten syndiploider Kerne nur paarige 
Anordnungen von Chromosomen konstatieren konnte. Wo Grappen 


1) Das Problem usw., pag. 89 if, 

2) The Stature and Chromosomes of Oenothera gigas. Arch. f. Zellforschung 
1908, Bd. IH, pag. 546. 

3) Flora 1910, Bd. C, pag. 409. 

4) Ebenda, pag. 403. 

5) Vgl. deren Mitteilungen in den Bull. de Y’Acad. Roy. de Belgique, Cl. des 
sciences, seit 1907. . 

6) Das Problem usw., pag. 53, 84, 


22 Eduard Strasburger, 


von vier Chromosomen sich zeigten, hält sie auch B. N&mec für bloß 
zufällig. Die theoretische Bedeutung dieser Tatsache hat mich neuer- 
dings eingehend in meinem Aufsatze „Chromosomenzahl“ beschäftigt‘). 
Ich erklärte sie damit, daß durch paarweise Gruppierung der Chromo- 
somen jene Affinitäten, welche die homologen Chromosomen zusammen- 
führen, gesättigt sind. Theoretisch folgerte ich weiter daraus, daß in 
den Endospermkernen der Angiospermen, die Chromosomen auch nur 
in Paaren und nicht zu dreien, wie es aus dem Ursprung dieser tri- 
ploiden Kerne sonst folgen müßte, angeordnet sein würden. Ich fand 
meine Annahme durch die Untersuchung des protoplasmatischen Wand- 
belags der Embryosäcke von Galtonia candicans bestätigt). Es ist mir 
nun sehr wichtig, daß auch B. N&mec in den Kernplatten, die ihm in 
einer schon gefächerten Endospermanlage von Secale cereale zur Beobach- 
tung vorlagen, nicht zu drei gruppierte, sondern einerseits zu je zwei einan- 
der genäherte, andererseits okne Paarling gebliebene Chromosomen fand. 
„Es ist dies gewissermaßen überraschend“, schreibt B. Nömeec?), „denn 
man könnte auch eine Anordnung zu dreien erwarten, wenn es wirklich 
wahr ist, daß die üblichen Paarlinge aus einem mütterlichen und einem 
homologen väterlichen Chromosomen bestehen. Nichts würde hier 
eigentlich im Wege stehen, daß sich an ein mütterliches Chromosom 
zwei väterliche %) ankuppeln“. Dieser Teil des B. N&ömee’schen Buches 
war augenscheinlich gedruckt, bevor mein Aufsatz über „Chromosomen- 
zahl“ erschien. Daß die Deutung, die ich dort der ebenfalls nur paarigen 
Anordnung der Chromosomen in den Kernplatten triploider Endo- 
spermkerne gab, das richtige traf, geht wohl daraus hervor, daß 
ich imstande war, die Erscheinung vorauszusehen. Daß ich von 
meinen theoretischen Anschauungen, bei der doch immerhin subtilen 
Untersuchung, nicht beeinflußt war, folgt aus der unabhängigen Fest- 
stellung derselben Tatsache durch B. N&mee bei Secale cereale, un- 


geachtet er selbst eigentlich einen anderen Ausfall der -Beobachtung 
erwartete. 


Auf den allgemeinen Teil des B. N&ömec’schen Buches gehe ich 
nicht ein. Es brachte mir in bezug auf die Individualität der Chro- 
mosomen, in Fragen der Befruchtung und des Generationswechsels, 


1) Flora 1910, Bd. C, pag. 414. 
2) Chromosomenzahl, Flora 1910, Bd. C, pag. 416, Fig. 10 u. 11, Taf. VI. 


3) Das Problem usw., pag. 111; auch die Erklärung der Figuren pag. 522 und 
die Figuren selbst, Taf. I, Fig. 29 u. 30. 


4) Müßte eigentlich umgekehrt heißen: an ein väterliches zwei mütterliche. 


Kernteilungsbilder bei der Erbse. 25 


sowie sonstiger Probleme, die sich daran knüpfen lassen, manche An- 
regung. In vielen grundlegenden Dingen stellte sich: Übereinstimmung 
‘der Ansichten heraus, in manchen nicht, wie das anders nicht zu er- 
warten stand. Wo Gegensätze der Auffassung bestehen, diese zu 
diskutieren, hätte hier keinen Zweck. Da mag jeder nach ihrer Be- 
gründung in den Originalarbeiten suchen und auf solcher Grundlage 
ein Urteil sich zu bilden suchen. Meinungsverschiedenheiten an sich 
hätten mich auch nicht bestimmt, diesen Aufsatz zu verfassen. Mir 
galt es aber, in ihm zu begründen, daß bestimmte Kernteilungsbilder 
über die B. Nämec in seinem neuen Buch berichtet, keine zutreffende 
Deutung erfahren haben. Da nun B. N&mec diesen Teilungsbildern 
eine weitreichende Bedeutung beimißt, so schien mir eine Stellung- 
nahme ihnen gegenüber geboten. " 


Figurenerklärung zu Tafel 1. 


Alle Bilder sind Pisum sativum entnommen. Sie beziehen sich in den 

Fig. 1—11 auf Pollenmutterzellen, in den Fig. 12—15 auf Längsschnitte von 

Wurzelspitzen, und zwar wurde Fig. 14 einer im normalen Zustande fixierten 

Wurzelspitze entnommen, während die Fig. 12, 13 und 15 zuvor chloralisierten 

Wurzeln entstammen. Die Vergrößerung sämtlicher Figuren beträgt 1600. 

Fig. 1—3. Reduktionsteilungsspindeln in Seitenansicht. 

Fig. 4 Reduktionsplatte in polarer Ansicht. 

Fig. 5. Reduktionskernplatte in Seitenansicht mit beginnender Trennung der die 
Gemini bildenden Chromosomen. 

Fig. 6. Frühe Anaphase der Reduktionsteilung. 

Fig. 7 u. 8. Späte Anaphase der Reduktionsteilung, die Tochterkernanlagen in 
Polansicht. 

Fig. 9. Das homöotypische Kernspindelstadium der Tochterkerne. Rechts die 
ganze Kernspindel in Seitenansicht, links ihre Kernplatte in polarer Ansicht. 

Fig. 10. Frühe Anaphase der homöotypischen Teilung. 

Fig. 11. Späte Anaphase der homöotypischen Teilung, ein Enkelkern in Polar- 
ansicht. 

Fig. 12. Eine somatische syndiploide Kernspindel in der Seitenansicht, Die längs- 
gespaltenen Chromosomen doppelt gelagert innerhalb der Kernplatte. 

Fig. 13. Eine somatische dipleide Kernspindel in Seitenansicht innerhalb einer 
verhältnismäßig schmalen Zelle. Die längsgespaltenen Chromosomen doppelt 
gelagert innerhalb der Kernplatte. 

Fig. 14. Beginnende Trennung der Längshälften der Chromosomen innerhalb einer 
somatisehen syndiploiden Kernspindel in Seitenansicht. Die Längshälften 
jedes Chromosoms vollziehen die Trennung in Richtung entgegengesetzter 
Spindelpole. 

Fig. 15. Nächstfolgender Zustand der Trennung. 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 


Von 3. Doposcheg-Uhlär. 
(Mif 32 Abbildungen im Text und 7 Tafeln.) 


Vorliegende Arbeit behandelt zum großen Teile Fragen und 
Probleme, die Goebel in den Kapiteln „Regeneration“ und „Polarität“ 
seiner „Einleitung in die experimentelle Morphologie der Pflanzen“ ') 
zur Sprache bringt. 

Es wurde untersucht: 

1, Die Regeneration an, Farnkeimpflanzen (pag. 24). 

2. Die Regeneration an Farninternodien (pag. 30). 

3. Die Sproßregeneration an Stelle von abgeschnittenen Adventiv- 

wurzeln bei Lyeium halimifolium (pag. 32). 
4. Die Regeneration an Primärblättern von Begonia carolineaefolia 
({pag. 35). 

5. Die Polarität der Internodien (pag. 41). 

. Die Regeneration und Polarität an Internodialstücken, die an 

der Sproßachse durch zwei Schnitte isoliert wurden (pag. 45). 

7. Die Regeneration von Laubsprossen und Zwiebelknöllchen bei 
‘den Gesneraceen (pag. 54). 


fe) 


1. Regeneration an Farnkeimpflanzen. 


Daß embryonales Gewebe in erster Linie zur Regeneration 
befähigt ist, wurde durch viele Versuche verschiedener Forscher fest- 
gestellt. 

Soll Dauergewebe den Ausgangspunkt eines Regenerates bilden, 
so muß dasselbe zu diesem Zwecke erst wieder in den embryonalen 
Zustand übergeführt werden >). 

Ein Zwischenstadium zwischen diesen beiden Geweben bildet das 
Gewebe der Keimpflanzen, welches, wie Goebel®) zeigte, hin- 
sichtlich der. Regenerationsfähigkeit ‘dem embryonalen Stadium noch 
näher steht als das Dauergewebe. Die Plastizität desselben ist viel 
größer als bei letzterem und die Rückkehr zum embryonalen Stadium 
leichter. 

Dureh Goebel’s®) Untersuchungen wurde ferner bekannt, daß 
Keimpflanzen bezüglich der Regenerationsfähigkeit sich vielfach anders 
verhalten, als dieselbe Pflanze im späteren Lebensstadium. So können 
an Primärblättern verschiedener Farne 1. neue Farnpflanzen, 2. Pro- 
thallien, 3. Mittelbildungen zwischen Farnpflanzen und Prothallien ent- 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 25 


stehen. Auch an den Stämmchen 5) der Farnkeimpflanzen können bei 
der Regeneration Prothallien auftreten. 

Da über die Art und Weise der Regeneration der Farnkeim- 
pflanzen bis nun keine weiteren Untersuchungen vorlagen, so wurden an 
einer Reihe von Keimpflanzen verschiedenen Alters und dementsprechend 
verschiedener Organisationshöhe Regenerationsversuche angestellt. 

Als Versuchspflanzen dienten Athyrium filix femina, Osmunda re- 
galis, Nephrodium molle und Pteris serrulata. 


A. Athyrium filix femina. 


Keimpflanzen, ein bis zwei Primärblätter stark, wurde der Vegetations- 
punkt, welcher dem Blattstiele des ersten Keimblattes ansitzt, durch 
einen Schnitt parallel zur Längsachse entfernt, so daß nur mehr die 
Wurzel und das eine Blatt vorhanden waren. 

Die so operierten Pflanzen wurden auf Torfimull weiter kultiviert. 

Nach ungefähr einer Woche machte sich eine Reaktion in der 
Weise geltend, daß einzelne Zellen oder Zellgruppen an der Schnitt- 
fläche sich vorwölbten (Taf. II, Fig. 1), miteinander verwuchsen und 
schon bald zur Bildung einer Scheitelzelle übergingen (Taf. II, Fig. 2). 
welche, wie die Folge zeigen wird, zuerst immer eine Blattscheitelzelle ist. 

Diese noch indifferenten Zellgruppen können sich aber auch zu 
einem kugeligen, brombeerartigen Callusgebilde (Taf. IL, Fig. 3) ver- 
einigen, welches dann im apikalen Teile zur Anlage einer Scheitelzelle 
schreitet. 

Fig. 4, Taf. II zeigt, daß in dieser Callusknospe der Gefäßbündel- 
anschluß bereits zu. einem Zeitpunkte erfolgte, da am Scheitel eine 
Scheitelzelle inoch nicht aufgetreten war, also das nornıale Wachstum 
noch nicht begonnen und doch schon eine Differenzierung im Inneren 
stattgefunden hatte, 

Die Herausbildung einer Scheitelzelle und die beginnende Teilungs- 
tätigkeit an derselben ist aus Fig. 5a, ö, Taf. II zu ersehen. 

Eine abnormale Regenerationsweise zeigt Fig. 6, Taf. IL — An 
der Verwundungsstelle enistand ein blattartiges Callusgebilde, ohne 
Vegetationspunkt, das sich gleichsam schützend um ein zweites Callus- 
gebilde wölbt, welches ebenfalls noch keine Scheitelzelle besitzt, doch 
den Gefäßbündelanschluß bereits bewerkstelligte. 

Abnormal ist auch das Regenerat Fig. 7 (a und d), Taf. IL — 
Dasselbe ist eine napfförmige Calluswucherung mit der Öffnung parallel 
zur Längsachse der Keimpflanze. 


.26 J. Doposcheg-Uhlär, 


B. Osmunda regalis. 


Keimpflanzen desselben Alters wieim vorhergehenden Falle, welchen 
‘der Vegetationspunkt ebenfalls durch einen Schnitt parallel zur Längs- 
achse entfernt wurde, zeigen im Beginne einen ähnlichen Verlauf der 
Regenerätion wie Athyrium filix femina. 

Fig. 8, Taf. III ist gleichsam ein fortgeschrittenes Stadium der 
"Fig. 2, Taf. II. 

Bemerkenswert ist, daß die neuen Zellgruppen auch hier schon 
sehr bald zur Bildung von Blattscheitelzellen übergehen. 

Von Osmunda regalis wurden auch ältere Keimpflanzen unter- 
sucht. — An Exemplaren mit vier bis fünf Primärblättern wurde der 
Vegetationspunkt durch einen Schnitt senkrecht zur Längsachse ent- 
fernt; derselbe ward jedoch so geführt, daß mindestens zwei Blätter 
behufs besserer Ernährung erhalten blieben. 

In diesem Falle kann an der horizontalen Schnittfläche ein Wund- 
gewebe(-Callus) entstehen (Taf. III, Fig. 9a, 5), ‘welches die Wunde 
‘verschließt. Unter diesem Wundgewebe, acht bis zehn Zellschiehten 
tiefer, bildet sich am Ende des Gefäßbündelstranges eine Gruppe von 
embryonalen Zellen, die nun zum Ausgangspnnkte des Begenorates 
werden. 

Dies geschieht in der Weise (Taf. III, Fig. 10a, d), daß der 
Callus an verschiedenen Stellen auseinanderweicht und in mehrere 
blattartige Lappen zerreißt, welche den unter ihnen sich entwickelnden 
Vegetationspunkt schützend umhüllen. — Gleichzeitig hat sich im vor- 
liegenden Falle das embryonale Gewebe bereits geformt und bildet 
einen nach unten gekehrten spitzen Kegel, der im Begriffe ist, in 
Scheitelzellwachstum überzugehen. 

Einen weiteren Fortschritt in der Bildung des Vegetationspunktes 
zeigt Fig. 11, Taf. III, wo sich ein mittlerer vorgewölbter und zwei 
seitliche Teile erkennen lassen, dicht mit embryonalen Zellen erfüllt. 

In Fig. 12a, 5, Taf. III sieht man die Ausbildung des ersten 
Blattes aus dem Callus unabhängig vom Sproßvegetationspunkte, und 
dependierend von diesem wahrscheinlich die Entstehung des zweiten 
Blattes, 

Die Anlage des Vegetationspunktes ist demnach in den geschil- 
derten Fällen endogen unter dem Schutze eines Wundgewebes am 
Ende des Gefäßbündelstranges. 

Die Entwicklung der neuen Knospe stimmt insofern mit dem 
Wachstum der Keimpflanze aus der befruchteten Eizelle überein, als 


na wen are 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 27 


auch hier zuerst .ein Blatt (Keimblatt) und dann erst die Bildung des 
Sproßvegetationspunktes erfolgt. 

Die Bildung des Regenerates kann aber auch ohne Wundgewebe 
erfolgen (Taf. IV, Fig. 13). Die Callusknospe, an der bereits eine 
Art Epidermis von dem inneren, noch nicht differenzierten embryo- 
nalen Gewebe zu unterscheiden ist, durchbricht dann das abgestorbene 
Gewebe der Schnittfläche. 

Der Anschluß an das Leitbündel ist durchgeführt. 

Als Fortsetzung dieses Iintwicklungsganges dürfte das Regenerat 
Fig. 14, Taf. V anzusehen sein. Die Callusknospe entwickelte sich zu 
einem Achsengebilde, an deren einem Ende das erste Blatt und an 
der Basis desselben der Sproßvegetationspunkt entstand. 

Ein ebenfalls vorgeschrittenes Stadium an einer noch älteren 
Pflanze zeigt Fig. 15a, d, Taf. IV. — Von den bereits vorhandenen 
zwei Blattanlagen ist das ältere das Keimblatt ohne Vegetationspunkt, 
während das jüngere Blatt, welches vom Sproßvegetationspunkt depen- 
diert, schon eine Scheitelzelle aufweist. 

Es tritt also auch hier wie bei Athyrium filix femina der Fall auf 
Taf. II, Fig. 6), daß Blattgebilde ohne Vegetationspunkt entstehen können, 
welche wahrscheinlich lediglich dem Knospenschutze dienen dürften. . 


C. Nephrodium molle. 


Von diesem Farne standen Keimpflanzen zur Verfügung, die 
‚bereits zur Bildung von Folgeblättern geschritten waren; ihr Stämmchen 
hatte einen Durchmesser von etwas mehr als 1 mm erreicht. 

Der Vegetatiouspunkt wurde wieder durch einen Schnitt senkrecht 
. zur Längsachse entfernt, so daß noch zwei bis drei Folgeblätter vor- 
handen waren. ü 

Die Regeneration erfolgte hier in mannigfaltiger Weise. 

Aus Fig. 16, Taf. V ist ersichtlich, daß am Rande der Schnitt- 
fläche, unmittelbar aus dem zu Tage liegenden Gewebe in der Nähe 
der Leitbündelendigung sich ein Zellhöcker bildete. 

An der Schnittfläche selbst hatte sich sonst kein Wundgewebe 
entwickelt; die oberste Zellschicht ist nur gebräunt. Deren Zellwände 
sind nach außen nach Art einer Epidermis stark verdickt. 

Im Gegensatz zu diesem Beispiele kann unter der Schnittfläche 
sich ein callusartiges Wundgewebe ausbilden (Taf. V, Fig. 17a, 5), an 
dessem Rande das erste Blatt unabhängig von einem Sproßvegetations- 
punkte entsteht. Dieser wird erst an der Basis dieses Keimblattes an- 


gelegt. 


28 J. Doposcheg-Uhlär, 


Unter der neuen Oberfläche war bier auch eine lebhafte Cambiurm- 
tätigkeit entstanden, welche die Enden der nach links und rechts zu 
den Blättern abgehenden Gefäßbündelstränge miteinander in Verbindung 
brachte. 

Ein Fortschritt des letzteren Vorganges ist aus Fig. 18, Taf. IV 
zu ersehen, wo die beiden Gefäßbündelstränge durch Regeneration 
eines bogenförmigen Gefäßteiles tatsächlich vereinigt wurden und so 
für die Ernährung des jungen Gewebes eine breitere Basis geschaffen 
wurde. 

Häufig nimmt das Regenerat auch seinen Ursprung in der Blatt- 
achsel eines stehengebliebenen Blattes (Taf. V, Fig. 19, 20), wohl aus 
dem Grunde, weil hier die zugeführten Assimilate des Blattes sich stauen. 

Es bildet sich zwischen dem zentralen Leibbündel und der Blatt- 
achsei ein Callushügel, der sich oberseits verbreitert; und abflacht; an 
der neugebildeten apikalen Fläche desselben entstehen dann Blatt- und 
Sproßvegetationspunkt. 

Noch einen anderen Fall weist Fig. 21, Taf. V auf. — Der ganze 
Stumpf des Stämmcehens hat sieh über einem horizontal verlaufenden 
Gefäßbündelstrang zu einer kugeligen Callusknospe entwickelt; an der 
Basis desselben, in der Nähe eines Blattes, entsteht die erste Blatt- 
scheitelzelle. 

Daß auf einer und derselben Schnittfläche mehrere Regenerate 
äuf einmal entstehen können, ist aus Fig. 22, Taf. V zu ersehen. 

Wenn aber die Verwundung des Stämmchens eine zu große war, 
oder wenn aus einem anderen Grunde an der Schnittfläche eine Re- 
generation nicht möglich wurde, entsteht das Regenerat an irgend einer 
anderen Stelle am Stämmchen aus der unverletzten Epidermis (Taf. V, 
Fig. 23a, d). 

Es kann aber letztere Art der Neubildung auch gleichzeitig mit 
einer Knospung an der Schnittfläche stattfinden, wie aus Fig. 24, 
Taf. V zu ersehen ist, welches Präparat derselben Versuchspflanze wie 
Fig. 19, Taf. IV entstammt. 

Sahen wir in den eben geschilderten Fällen die Bildung einer 
Scheitelzelle schon bald nachdem die Wunde geschlossen war und bis 
auf einen Fall immer von der Schnittfläche aus entstehen, so kommen 
im folgenden Beispiele, daß sich ähnlich wie bei Osmunda (Taf. III, 
Fig. 14) die ganze Schnittfläche in ein walzenförmiges Callusgebilde 
fortsetz. — Am äußeren Umfange desselben bilden sich Spreu- 


schuppen und Drüsenhaare aus; der zentrale Gefäßstrang verlängert 
sich in dasselbe. 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 29 


Das Regenerat erhält schließlich dorsiventralen Charakter, indem 
sich an der Basis desselben eine Scheitelzelle und zwar die Sproß- 
scheitelzelle ausbildet (Taf. V—-VI, Fig. 25, 26, 27, 28). 

Dieses Callusgebilde ist als die Basis und der Stiel des ersten 
Blattes anzusehen. 

Eine ganz konforme Tatsache wird im nächsten Abschnitte bei der 
Regeneration der Farninternodien uns wieder begegnen. 

An dieser Callusknospe können, wie Fig. 27, Taf. VI zeigt, auch 
prothalloide Auswüchse auftreten, eine Tatsache, die, wie eingangs 
erwähnt, bereits von Goebel?) für Keimpflanzen von Üeratopteris 
thalietroides nachgewiesen wurde. 


D. Von Pteris serrulata, wurden Keimpflanzen mit entwickelten 
Folgeblättern untersucht, 

Eine Pflanze (Taf. VI, Fig. 292 u. 5) zeigte die Tatsache, daß 
sich abseits der Schnittfläche endogen eine Sproßanlage ausbildede, die 
erst nach Spaltung des sie umgebenden Parenchymgewebes zur weiteren 
Entfaltung gelangen konnte. 

Sonst verhielten sich die Regenerate ähnlich wie bei Nephrodium 
molle. 


Zusammenfassung. 


Überblickt man die Resultate der vorliegenden Untersuchungen, 
so geben sie im allgemeinen wieder Zeugnis von der großen Re- 
produktionskraft, welche den Keimpflanzen auch ‚der Farne eigen ist; 
ein abgeschnittener Vegetationspunkt kann unter günstigen Umständen 
nach einer Woche ersetzt sein. 

Im Speziellen ergibt sich als gemeinsame Eigenschaft, daß die 
Regenerate, auf welchem Wege sie auch immer zustande gekommen sein 
mögen, den Entwicklungsgang durchlaufen, welcher auch der aus der 
befruchteten Eizelle des Archegoniums entstehenden Keimpflanze zu- 
kommt — es wird immer zuerst ein Blatt unabhängig vom Sproß- 
vegetationspunkte und hernach erst letzterer gebildet. 

Dieselbe Erscheinung wurde auch von Kupper®) an blatt- 
bürtigen Knospen verschiedener Farne nachgewiesen. —- Teleologisch ist 
dieses Verhalten nicht ganz erklärlich, — Bei der normalen Ent- 
wicklung aus der Keimpflanze ist es verständlich, daß die Pflanze 
trachtet möglichst bald ein Blatt zu produzieren, um mit Hilfe der 
gebildeten Assimilate das Wachstum zu fördern. Bei der regenerierenden 
Keimpflanze aber, die so wie so im Besitze des Assimilationsapparates 


30 3. Doposcheg-Uhlär, 


sich befindet, fällt genannter Umstand weg und es kommt dieses erste 
Blatt nur als Schutz für den Sproßscheitel in Betracht. 

Im Beispiele: von Osmunda 'regalis (Taf. IV, Fig. 15) ist dieses 
erste Blatt auch eine Hemmungsbildung, ohne Scheitelzelle und ist im 
Wachstume auch bereits vom zweiten Blatte überholt. 

Die Entstehung des Regenerates ist in der großen Mehrzahl der 
Fälle eine exogene — nur bei Osmunda und Pteris serrulata kann sie 
auch endogen sein; bei ersterer unter dem neu entstandenen Wund- 
gewebe, bei letzterer im Parenchym des Stämmchens. 


2. Regeneration an Farninternodien. 


War im vorigen Abschnitte das bewurzelte, mit Assimilations- 
apparat versehene, jedoch des Vegetationspunktes beraubte Stämmchen 
der Keimpflanze das Versuchsobjekt, so soll im Folgendem die Re- 
generation an nur aus Dauergewebe bestehenden Rhizominternodien, 
die also weder aktive noch ruhende (Knospen)-Vegetationspunkte be- 
sitzen, untersucht werden. 

Die Rhizome der meisten einheimischen Farne besitzen allerdings 
so kurze Internodien, daß sie für den gedachten Zweck unbrauchbar 
sind. — Doch wurden immerhin an Cystopteris fragilis und Phego- 
pteris dryopteris brauchbare Versuchsobjekte gefunden. 

Von ausländischen Farnen wurden untersucht Davallia dissecta, 
Polypodium repens, Polypodium leiorhizum. 


Phegopteris dryopteris Fee. 


Nachdem am 24. Mai 1—1'/, cm lange Internodien in Torfmull 
gelegt worden waren, konnte an einzelnen Objekten schon: anfangs Juli 
der Beginn von Sproßregeneration konstatiert werden, deren Verlauf 
nun geschildert werden soll. 

Der Regenerationsvorgang beginnt damit, daß mehrere unter der 
Epidermis befindliche Reihen von Parenchymzellen an irgendeiner Stelle 
in Teilung eintreten (Taf. VI, Fig. 30), wobei sich die Epidermis vor- 
wölbt. 

Diese zerreißt, die äußerste Zellschicht streckt sich und tritt über 
die Oberfläche hervor (Taf. VI, Fig. 31). 

Das immer mehr sich vergrößernde Zellgebilde kann sich nun- 
mehr gleich von Anfang an in mehrere Äste teilen (Taf. VI—VII, Fig. 32, 
33, 832), oder es bildet. sich eine geschlossene Calluswucherung, die 
erst: später seitliche Äste austreibt, (Taf. VII, Fig. 34,.34 0). voor 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 31: 


Fig. 33a, Taf. VII zeigt auch, daß jeder der. drei parallel ver- 
laufenden Äste im Begriffe ist, an. seiner Spitze in (Blatt)-Scheitel- 
zellwachstum überzugehen. — Auch ein Prokambiumstrang ist bereits 
angelegt. — Rhizoiden und Wurzeln sind noch nicht ausgebildet. 


‘Aus Fig. 34 und 35, Taf. VII ist ferner zu ersehen, daß am 
Ursprungsorte des Regenerates Wundholz erzeugt wurde, an welches 
sich das neu gebildete Leitbündel anschließt. Fragt man sich nach 
dem Nutzen dieser Tracheidenplatte für den regenerierten Sproß, so 
kann man zu der Anschauung kommen, daß dieselbe für die Wasser- 
leitung insofern zweckmäßig wäre, als sie nach Art eines Saugapparates 
(Haustoriums) in dem Parenchym des Internodiums die immer größer 
werdenden Ansprüche des Regenerates nach Wasser solange befriedigen 
könnte, bis letzteres imstande ist, durch Erzeugung von Wurzeln vom 
Mutterinternodium sich selbständig zu machen. 


Wenn diese Tracheidenbildung vorher als Wundholz bezeichnet 
wurde, so ist dies nicht ganz richtig. Denn die Verwundung ist nur 
sekundär die Ursache der Holzerzeugung; das primäre ist die Bildung 
der Adventivknospe und erst infolge der Größenzunahme derselben 
wahrscheinlich durch einen von derselben ausgehenden Reiz oder durch. 
sonstige Korrelationsverhältnisse, entsteht im Parenchym das Holz. 


Küster”) nennt ähnliche Holzreaktionen „wundholzähnliche Ge- 
webe“ „die nicht nach Verwundung, sondern unter Einwirkung irgend- 
welcher anderer Faktoren entstehen“, 


Diese Holzbildung kann auch außerhalb des Internodiums inmitten 
der neuen Calluswucherung vor sich gehen (Taf, VII, Fig. 37). 

Ein eigentümliches Verhalten zeigt die Knospe in Fig. 36, Taf. VII.‘ 
Diese Knospe, an der bereits zwei Scheitelzellen entstanden sind, wird 
von einem Blattgebilde schalenartig umhüllt — ähnlich wie solche Bil- 
dungen bei Athyrium filix femina (Taf. II, Fig. 6) und auch ‘bei 
Osmunda regalis (Taf. IIT, Fig. 100) vorkamen. j 

Dieses Blattgebilde kann nun schon von Anfang an getrennt neben 
dem andern Knospenteil herangewachsen sein und sich erst im Ver-. 
laufe des Wachstums schützend, übergeneigt haben, aber die Aufeinander- 
folge der Zellenordnung in den benachbarten äußeren und inneren Zell- 
reihen’ 1äßt auch der Ansicht Raum geben, daß beide Teile ursprünglich 
ein ' Ganzes waren und die Trennung erst nachträglich auftrat, ‘ähnlich 
wie solche Trennung bei Osmunda (Taf. ‘III, Fig. 11) und Pteris 
(Taf. VI, Fig. 29) vorkam, wie sie in folgendem noeh bei Gystopteris 
sich zeigen wird. 


32 . J. Doposcheg-Uhlär, 


Im weiteren Entwicklungsgange der Knospe (Taf. VII, Fig. 37, 38) 
bildet sich das erste Blatt wieder unabhängig und vor dem Sproß- 
vegetationspunkte. 

Die ausgebildete junge Pflanze (Taf. VII, Fig. 38) zeigt bereits 
die charakteristisch langen Internodien und die Bildung von Wurzeln 
aus der Mitte des Stämmchens. 

Aus der Schnittfläche fand bei den Internodien von Phegopteris 
dryopteris keinerlei Regeneration statt. 


Cystopteris fragilis subsp. regia Bernouilli. 

An den Internodien dieses Farns entstehen Regenerate auch an 
der apikalen Schnittfläche, indem die Zellen derselben Callus bilden, 
aus welchem das erste Blatt und die Stammknospe entstehen (Taf. VII, 
Fig. 39, 40). . 

Auch hier kann der Fall eintreten, daß sich die Callusknospe in 
zwei Teile teilt (Taf. VII, Fig. 40), an deren Basis und unter derem 
Schutze sich die Stammknospe entwickelt. 


Daß die Regeneration aber auch wie bei Phegopteris aus der - 


Rinde erfolgen kann, ist aus Fig. 41, Taf. VIII zu erkennen, in der 
auch die Anlage des Sproßvegetationspunktes an der Basis des ersten 
Blattes bereits in fortgeschrittenem Stadium in Erscheinung tritt. 
Erfolgt die Regeneration von der Schnittfläche aus, so können an 
derselben eine ganze Anzahl von Sprossen entstehen (Taf. VIII, Fig. 42). 


Davallia dissecta. 
Die Internodien zeigten an den Schnittflächen nur Wundgewebe, 
eine weitere Reaktion unterblieb. 
An den ausgelegten Internodien von Polypodium repens und 
Polypodium leiorhizum fand keinerlei Regeneration statt. 
Die Regeneration der Farninternodien kann demnach endogen 


oder exogen erfolgen und stimmt mit der Regeneration der Keimpflanzen 
ım allgemeinen überein. 


3. Sprossregeneration an Stelle von abgeschnittenen Adventivwurzeln 
bei Lycium halimifolium. 


Voechting®) hatte gefunden, daß vorjährige Zweige dieser So- 
lanee, in den feuchten Raum gebracht, Sprosse-an der Spitze, Wurzeln 
aber entlang des ganzen Zweiges austrieben, ohne Beziehung zur Pola- 
rität. An jungen diesjährigen Zweigen erfolgte jedoch die Bildung von 
Wurzeln nur an der Basis. 


DB ne 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 33 


dr 


Um eventnell einen Einblick in diese - gegensätzlichen Verhält- 
nisse zu gewinnen, wurden am 9. Dezember an ca. 30 cm langen 
Zweigen alle sichtbaren Knospen und Wurzelanlagen entfernt. Letztere 
befinden sich sowohl oberhalb und unterhalb der Blattachselknospen, 
als auch zerstreut über die Internodien in der Rinde und ragen oft 
als kleme Höcker hervor. 


:Diese in den feuchten Glashafen gehängten Stecklinge zeigten 
bei der Untersuchung am 4. Januar an den apikalen und basalen 
Schnittflächen reichlich Callusbildung, und auch an den Knotenschnitt- 
flächen war mehr oder weniger Callus gebildet worden, ohne daß sonst 
irgendwelche Neubildung an den Calli dieser Schnitfflächen zu er- 
kennen war. 


Wohl aber hatte sich mitten am Internodium eines Stecklings, in 
der oberen Hälfte desselben, ein Sproß, 1 cm lang, gebildet. Da bei 
ähnlichen Versuchen mit Lyeium halimifolium Sprosse immer nur aus 
dem Gewebe in der Nähe der Blattinsertion und niemals am Inter- 
nodium aufgetreten waren, so drängte sich der Eindruck auf, daß das 
Sproßregenerat an Stelle einer abgeschnittenen Wurzelanlage sich ent- 
wickelt hatte. 


Die anatomische Uutersuchung schien diese Annahme zu be- 
stätigen, doch konnten wegen zu weit vorgeschrittenen Wachstums die 
ursprünglichen Verhältnisse nicht mehr genau erkannt werden. 


Es wurden daher unter denselben Bedingungen neue Stecklinge 
aufgehängt, nur mit dem Unterschiede, daß die Wurzelanlagen nicht 
ausgeschnitten wurden. Sie wurden zum Austreiben gebracht und erst 
wenn sie I—2 mm über die Epidermis hervorragten, wurden sie ent- 
fernt, um so auch äußerlich sicher zu sein, daß man es wirklich mit 
einer Wurzel zu tun habe. 

Tatsächlich gelang es, mehrere solcher Wurzelstümpfe zur Sproß- 
regeneration zu bringen und deren Entwicklung in verschiedenen Stadien 
zu verfolgen. 

Fig. 48, Taf. VIII zeigt die junge Wurzel in dem Stadium, da 
sie im Begriffe ist die Epidermis zu durchbrechen. 


Schneidet man nun die vorstehenden Wurzelteile ab (Taf. VIIL, 

Fig. 44), so überwallt das Rindengewebe den Wurzelstumpf, der sich 

auch an der Spitze mit Wundgummi anfüllt. In diesem den Wurzel- 

stumpf umgebenden Rindenteile treten nun Wundholzknäuel auf (Taf. VIII, 

Fig. 45), um welche sich ein Cambium bildet, das zum Ausgangs- 

punkt des neuen Sprosses wird, nachdem vorher die Verbindung 
Flora, Bd. 102, 3 


34 3. Doposcheg-Uhlär, 


mit dem Holzkörper des Stammes durch Tracheidenzüge - hergestellt 
worden war. 

Etwas veränderte Verhältnisse sind aus Fig. 46, Taf. VIII zu er- 
sehen. Hier war die Wurzel auf einem etwas jüngeren Stadium ab- 
geschnitten worden, da ihr Holzkörper eine noch geringe Ausbildung 
hatte. Die Spitze des Wurzelrestes ist kugelig angeschwollen, das 
Tracheidenknäuel ist wieder vorhanden und ebenso die Verbindung mit 
dem Holze des Stämmehens. Seitwärts von dem Tracheidenknäuel 
befindet sich eine kugelige Ansammlung embryonaler Zellen, die sich 
am Präparate vom umgebenden Gewebe durch stärkere Tinktion abhebt, 
wahrscheinlich ebenfalls der Ausgangspunkt der neuen Knospe. Durch 
die Mitte des Wurzelstumpfes verlaufen die mit Wundgummi erfüllten 
Reste der alten Gefäße. 

Die Ausbildung der jungen Knospe kann aber auch erfolgen, 
ohne daß sich ein Knäuel von Wundholz bildet (Taf. VIII, Fig. 47). 
Das Regenerat setzt sich dann direkt mit der Basis der Wurzel in Ver- 
bindung. 

Eine abnorme Regeneration des Holzteiles am stehengebliebenen 
Wurzelstumpfe zeigt Fig. 48, Taf. VIIL An der Basis desselben 
hat sich die Holzbildung nach zwei Seiten fortgesetzt, so daß zwei 
kugelschalenförmige Holzkörper entstanden, welche in ihrem Innern 
Parenchymgewebe umschließen. Sie dürften wohl ebenfalls die Basis 
für Sproßbildungen sein. Es ist diese Holzkörperverbindung ein Ana- 
logon zu den Leitbündelverbindungen bei Nephrodium molle (Taf. IV, 
Fig. 18). 

Man kann also auf Grund der angestellten Untersuchungen nicht 
von einer direkten Umbildung einer Wurzel in einen Sproß reden, wie 
sie Goebel?) bei Anthurium longifolium nachwies, sondern es 
konnte nur festgestellt werden, daß durch das Abtrennen der Wurzel 
im embryonalen Gewebe des Wurzelstumpfes Bedingungen geschaffen 
wurden, welche die Regeneration eines Sprosses ermöglichten. 

Es erinnert dieses Reproduktionsvermögen an die Fähigkeit der 
Seitenwurzeln an Hauptwurzeln in ihrem Ober- und Unterachseln Ad- 
ventivsprosse zu bilden; im vorliegenden Falle aber sitzen die Wurzel- 
anlagen an einer oberirdischen Sproßachse; auch kommen dieselben im 
normalen Leben der Pflanze niemals zum Austreiben. 

Ferner beobachtete Beyerink!‘) bei Rumex Acetosella, daß 
ein in einer Achsel einer Seitenwurzel entstandener Sproßvegetations- 
punkt sich wieder in eine Wurzel rückverwandelte. Mehrfache in dieser 
Richtung vorgenommene Versuche konnten diese Angabe nicht bestätigen. 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 35 


Der eingangs” erwähnte Unterschied im polaren Verhalten ver- 
schieden alter Zweigstücke wurde durch andere Versuche "bestätigt. 


4. Regeneration aus Pri- 
märblättern von Begonia 
carolineaefolia. 

Begonia carolineae- 
folia Regel gehört zu den 
wenigen Arten der Be- 
goniaceae, welche geteilte 
Blätter haben (Fig. 49). 
Auf dem 20—30 cm 
langen Blaitstiel des aus- 
gewachsenen Blattes sit- 
zen 6 bis 8 Teilblätter 
von ca. 10 cm Spreiten- 
. länge. 

Am 15. Mai wur- 
den zwei ausgewachsene 
Blätter aufrecht in Sand 
gesteckt. Da sich nach 


Fig. 49. Begonia carolineaefolia. Erwachsenes Blatt. 
!/, nat. Gr. 


14 Tagen beide Stecklinge bewurzelt hatten 


— und zwar sowohl am Rande als auch aus dem inneren Teile der 
Schnittfläche — wurden sie in Erde übersetzt. — In der zweiten Hälfte des 


Juli erschienen 
nunmehr am Oal- 
lüus des Schnitt- 
randes die ersten 
Blätter, welche 
im Gegensatz 


Charakter eines 
Primärblattes 


g. 50. 
trugen. 


zum Mutterblatt > 
ungetellt und 
ganzrandig wa- 
ren, und auch 
die Schiefblatt- 
form noch nicht 
ausgeprägt hat- 
ten, also den 


Begonia carolineaefolia. Übergänge von Primär- zu 
Folgeblättern. Nat. & 
gr 


36 J. Doposcheg-Uhlär, 


In der Folge traten Übergangsblätter auf ‘Fig. 50 7), welche 
bereits asymmetrisch waren mit mäßig gekerbtem Rande. Später wurden 
die Einschnitte immer tiefer (Fig. 502, 5), bis beim vierten oder 
fünften Blatte (Fig. 504) die für Begonia carolineaefolia charakteristisch 
gefingerte Teilung erreicht war, wobei das längste Teilblättchen zurzeit. 
der Entfaltung ca. 1 cm lang ist. 

Von diesen verschiedene Entwicklungsstadien darstellenden Primär- 
blättern wurden anfangs Oktober 12 Exemplare mit 1—1!,, em 
Spreitenlänge gesteckt. 

Es sollte hierbei untersucht werden, wie sich eimerseits die even- 
tuellen Regenerate dieser 
Primärblätter zu den Re- 
generaten der normal 
ausgewachsenen Blätter 
verhalten, andererseits ob- 
sich innerhalb der Re- 
generate Verschiedenhei- 
ten ergeben, je nach 
dem sie von einem un- 
geteilten oder bereits ge- 
teilten Primärblatte ent- 
stammen. 

Diese Primärblatt- 
stecklinge zeigten erst 
anfangs April des 
nächsten Jahres den Be- 
ginn einer Sproßregene- 
ration und in der weiteren 
Entwicklung dieser Re- 


3 


Fig. 51. Begonia carolineaefolia. Übergangsblatt auf generate ergaben sich 
dem ungeteilten Stadium verharrend. °/, nat. Gr. nun folgende Unter- 


schiede gegenüber der 
Regeneration an den geteilten ausgewachsenen Blättern: 

1. Das ganzrandige Stadium des Primärblattes dauert viel länger 
an; es freten vier bis fünf Blätter auf, welche entweder ‚ganzrandig oder 
nur schwach gekerbt sind, während erst das fünfte oder sechste Blatt 
den Typus 1, Fig. 50 zeigt. Beim erwachsenen Blatte wird dieses 
Stadium mit dem zweiten oder dritten regenerierten Blatte erreicht. 

2. Ein weiterer Unterschied zeigte sich darin, daß beim fort- 
schreitenden Wachstume nicht wie bei den Regeneraten des ausgewach- 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 37 


senen Blattes zur Bildung der geteilten Blätter übergegangen wird, 
sondern daß der Steckling auf dem ungeteilten Stadium längere Zeit 
verharrt, in diesem Stadium an Größe und Flächenausdehnung zunimmt 
und erst viel später zur Ausbildung der geteilten Blätter übergeht. 

Während die Abbildungen Fig. 50 zeigen, wie die verschiedenen 
Entwicklungsstadien an ein und demselben ausgewachsenen Blatte nach- ° 
einander entstanden waren, ist der zuletzt geschilderte Unterschied zu 
dieser Ausbildungsweise aus Fig. 5l zu ersehen. 

Die Blätter 3 und 4 (1 und 2 sind abgestorben) zeigen noch das 
symmetrische ganzrandige Stadium, während Blatt 5 (5 em lang, natür- 
liche Größe) auf Stadium 
1 der Fig. 50 verharrte 
und hierbei eine ab- 
norme Größe erreichte 
{5 cm Länge), ohne daß 


zu diesem Zeitpunkte ein ’ 
anderes Blatt, das einen 
Fortschritt in der Ent- 
wicklung gezeigt hätte, 5 


vorhanden war. 

Zwei Monate spä- 
ter — anfangs Sep- 
tember — sieht man 
an derselben Pflanze 
(Fig. 52a, 5), daß nach 
diesem Blatte 5, dessen 
Spreite in der Länge 
noch um 4 em, also auf 
som angewachsen war, Fig. 52@. DBegonia carolineaefolia. Dieselbe Pflanze 
noch ein eingeschnitte- 2 Monate später. ‘/, nat, Gr. 
nes Blatt 6 mit 8 cm 
Spreitenlänge und erst hernach Blatt 7, das geteilte Fiederblatt repro- 
duziert wurde. 

Das Stadium vom 2. Juli war von allen 12 Pflanzen mehr oder 
weniger erreicht worden; das letztere Stadium vom 2. Sept. nur von vier 
Pflanzen, da die Blätter der anderen infolge einer Pilzinfektion erkrankt 
und abgefallen waren. 

Eine ähnliche Tatsache wurde bereits von Goebel?!) bei Solanum 
tuberosum nachgewiesen. Die aus der Knolle normal entstehenden 
Pflanzen erzeugen zuerst 2—3 einfache, ungeteilte Blätter, auf welche 


38 J. Doposcheg-Uhlär, 


dann erst in progressiver Ausbildung die Fiederblätter folgen. Werden 
jedoch von der Knolle Knospen nur mit einem kleinen Stück 
Knollengewebe abgelöst und unter gute Kulturbedingungen gebracht, so 
bleibt die daraus erwachsende Pflanze ebenfalls längere Zeit auf 
dem Stadium der ungeteilten Blattbildung stehen; es können acht 
Blätter ungeteilt sein und erst das neunte Blatt beginnt mit der 
Fiederung. 

Goebel ist mit Recht der Ansicht, dieser Unterschied habe seine 
Ursache darin, daß in dem einem Falle die ganzen in der Knolle be- 
findlichken Beserve- 
stoffe der Pflanze zur 
Verfügung stehen, die 
in dem anderen Falle 
mangeln, daß also die 
Möglichkeit eine höher 
gegliederte Blattform 
hervorzubringenan das 
Vorhandensein von 
Baustoffen in bestimm- 
ter Quantität und Qua- 
lität gebunden ist. 

Bei Begonia caro- 
lineafolia sind die 
Gründe für die ge- 
schilderten Differenzen 
in der Ausbildung der 
Blattregenerate wohl 
ähnliche. Den Rege- 
Fig. 525. Begonia carolineaefolia. Dieselbe Pflanze neraten des ausgewach- 

2 Monate später. t/, nat. Gr. senen Blattesstehen die 

im dicken, fleischigen, 

wie schon erwähnt 20—30 cm langen Blattstiele aufgehäuften Baustoffe 
zur Disposition; außerdem gestattet die große Entwicklung der Blatt- 
fläche einen lebhaften und intensiven Nachschub der verbrauchten 
Assimilate. Im Gegensatz hierzu können die kleinen Primärblätter 
mit oft nur 1—2 cm Stiellänge und einer Spreitenläinge von 2 em 
dem sich neubildenden Regenerate wohl nur sehr wenig Nahrungs- 
stoffe liefern. Dazu kommt noch, daß in ersterem Falle die Ent- 
wicklung des Wurzelsystems eine raschere und reichlichere sein wird. 
Die dadurch ermöglichte raschere Aufnahme von Wasser und Aschen- 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 39 


‚substanzen kommt den Regeneraten des ausgewachsenen Blattes eben- 


falls zugute. 

Ferner gibt auch der Umstand einen Ausschlag, daß die regene- 
rierenden Primärblätter bald nach dem die Regenerate eine gewisse 
Größe erreicht hatten, zugrunde gingen und die Regenerate aus- 
schließlich auf ihre eigene Ernährungstätigkeit angewiesen waren. 

Teleologisch betrachtet haben letztere das Bestreben solange auf 
der Jugendform zu verharren bis sie durch Vergrößerung der Blatt- 
fläche und Kräftigung des Wurzelsystems imstande sind eine ent- 
sprechende Ernährungsarbeit zu leisten und erst dann zu der eine 
relativ größere Summe von Baustoffen erfordernden Folgeblätterbildung 
überzugehen. 

Ähnliche Regenerationsverhältnisse hat auch Winkler !?) bei den 
Regeneraten von Primär- und Folgeblättern von Passiflora 
coerulea beobachtet. Er fand, daß die ungeteilten Primärblätter 
länger auf dem Primärblattstadium verharren als die geteilten Folge- 
blätter, ist jedoch der Ansicht, „daß der Ort, an dem das Blatt an 
der Mutterpflanze stand, nicht nur Einfluß auf die äußere Form des 
Blattes, sondern auch auf die Qualität der von diesem regenerierten 
Sprosse hat“, 

Goebel?) ist bei diesem Beispiele der Meinung, daß mit dieser 
Auffassung Winkler’s nur ein äußerer Umstand in den Vordergrund 
gestellt wurde, daß die Summe der zur Verfügung stehenden organischen 
Baumaterialien das Ausschlaggebende sei und die eben geschilderten 
Verhältnisse bei Begonia carolineaefolia scheinen Goebel’s Auffassung 
zu bestätigen. 

Daß nicht nur die Summe der organischen Baumaterialien in den 
Folgeblättern eine viel größere ist. als in den Primärblättern, sondern 
auch der anorganischen, zeigt eine vergleichende Bestimmung der 
Aschenbestandteile. 

Es wurden je 5 g lebendiger Substanz von Teilhlättern eines 
Folgeblattes (und zwar nur von der oberen Hälfte, wo die Mittelrippen 
nicht so stark ausgebildet sind wie auf der unteren) und von ungeteilten 
Primärblättern, deren Spreite 4-5 cm lang war, hinsichtlich der 
Quantität ihrer Aschenbestandteile untersucht und gefunden, daß sich 
das Verhältnis im Folge- und Primärblatt wie 3,77 :1 stellte, daß also 
in den Folgeblättern fast viermal so viel Aschenbestandteile vorhanden 
waren als in den Primärblättern. 

Einen genaueren Einblick in diese Verhältnisse hätte man aller- 
dings bekommen, wenn zur vergleichenden Wägung Primärblätter und 


40 J. Doposcheg-Uhlär, 


gefiderte Folgeblätter von gleicher Entwicklungsgröße — also ähnlich 
wie sie Fig. 50 zeigt — ausgesucht worden wären. Leider stand nicht 
eine genügende Anzahl zur Verfügung. 

Man wird nicht fehl gehen, wenn man die vergrößerte Primär- 
blattform, wie sie in Fig. 51 zu sehen ist, für diejenige Blattform an- 
sieht, aus welcher entwicklungsgeschichtlich das geteilte Blatt von Begonia 
carolineaefolia entstanden ist. Damit hätte man durch die Regeneration 
aus den Primärblättern ein Mittel um Verwandschaftsverhältnisse klar 
zu stellen. Darauf weist auch schon Goebel hin ’®%), 

Von Interesse sind noch zwei gesteckte, geteilte Primärblätter, 
welche zuerst auf der Basis der Teilblätter regenerierten, ohne daß 
daselbst Einschnitte gemacht 
worden waren. Der Beginn 
war am 15. Juni konstatiert 
worden. Erst einen Monat 
später traten auch an der Basis 
des Blattstieles Knospen auf, 
zu einer Zeit, da die regene- 
rierten Blättchen auf den Fie- 
dern desMutterblattes die Zahl 
fünf bis sieben erreicht und 
also eine ziemliche Vergröße- 
rungder assimilierenden Ober- 
fläche erzielt war. Ob diese 
nun erst die Ausbildung der 
Blätter an der Basis des Blatt- 
stieles ermöglichten, läßt sich 


Fig. 53. B lineaefolia. In der N natürlich schwer entscheiden. 
‘ig. 53. Begonia carolineaefolia. In der Mitte : . 
junger Blattsteckling mit Blattregeneration auf Jedenfalls war zur Ausbildung 


der Oberfläche der Teilblättchen. Die an der der Blättehen auf den Fiedern 
Basis des Stecklings entstandenen Blätter ı, 2 N . : 
traten erst nachher auf. ®/, nat. Gr. wenig Material notwendig, da 


sie keine Stiele hatten und den 

Teilblättern dicht aufsaßen, während der ziemlich tief in der Erde sitzende 
Blattstiel des Mutterblattes für die regenerierten Blätter zur Bildung der 
Blattstiele ziemliche Arbeit leisten muß, damit er dieselben ans Licht bringt. 
Man könnte aber auch sagen, daß die Disposition der Pflanze zu 
regenerieren auf dem Fiederblättchen anfänglich eine größere, bessere 
gewesen sei, als an der Basis des Blattstieles, daß es aber in der Folge 
schwierig gewesen wäre, fünf bis sechs neu entstandene Vegetations- 
punkte durch den einen Blattstiel des Mutterblattes zu versorgen, und 


1 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 41 


daß demzufolge ein neuer Vegetationspunkt am normalen Orte ent- 
standen war, wo die Ausbildung und Weiterentwieklung desselben eine 
viel günstigere ist. Fig. 55 zeigt eine solche Pflanze nach einer 
Aufnahme vom 22. September. Das Mutterblatt mit den regenerierten 
Blättchen auf den Teilblättern ging im November zugrunde. 

Die Kultur der Primärblattstecklinge erfolgte bis zum Er- 
scheinen ihrer Regenerate unter der geschlossenen Glasglocke, hernach 
unter der gehobenen Glasglocke bis zu dem Zeitpunkte, da die neuen 
Primärblätter ca. 2 cm Spreitenlänge hatten, sodann ohne Glocke. 


5. Polarität der Internodien. 


Mit der polaren Anordnung der Regenerate an vegetationspunkt- 
losen Internodien hatte sich zuerst Vöchting!*) beschäftigt. 

Er hängte solche Internodien von Salix und Heterocentron diver- 
sifolium in einen’ feuchten Glashafen auf und fand, daß dieselben an 
der Basis Wurzeln, aber niemals Sproße, weder an der Spitze noch an 
der Basis regenerierten. Bei Begonia discolor entstanden umgekehrt 
Sprosse am apikalen Ende, aber niemals Wurzeln. Einzelne Inter- 
nodien hatten Sprosse in von der Spitze herablaufender Reihe bis 
gegen die Mitte. Sehr häufig gingen die Internodien an der Spitze in 
Fäulnis über; dann aber traten Sprosse an der Basis, meist etwas ent- 
fernt von der Schnittfläche auf, zu einem Zeitpunkte, da die Fäulnis 
bis auf wenige Zentimeter von der basalen Schnittfläche entfernt war. 

Aus diesen Versuchsergebnissen schließt Vöchting, daß ebenso 
wie bei den mit Vegetationspunkten (Achselknospenanlagen, Wurzel- 
anlagen) versehenen Sproßstecklingen auch am vegetationspunktlosen 
Internodium der Gegensatz zwischen Spitze und Basis bestehe. „An 
der Richtigkeit dieser Anschauung ist wohl nicht zu zweifeln; ich bin 
überzeugt, daß die glücklichere Wahl geeigneterer Objekte ein stets 
positiv bestätigendes Resultat ergeben wird.“ 

Nun scheinen mir aber die angeführten Versuche nicht genug 
beweiskräftig zu sein. Denn bei Salix und Heterocentron entstehen 
nur Wurzeln und zwar an der Basis. Es wäre aber die Ansicht nicht 
zurückzuweisen, daß, falls diese Internodien die Fähigkeit hätten Sprosse 
zu produzieren, diese ebenfalls an der Basis entstünden. Ebenso 
zeigt das von oben faulende Begonia-Internodium, bei dem die Sprosse 
an der Basis zu einer Zeit entstehen, wo die Fäulnis noch mehrere 
Zentimeter von der Basis entfernt ist, daß auch hier der Versuch 
nicht eindeutige Antwort gibt. Vöchting weist zwar den Gedanken 
zurück, daß die Entstehung der Sprosse in letzterem Falle eine will- 


42 J. Doposcheg-Uhlär, 


kürliche, der Polarität nicht entsprechende sei, und meint, daß durch 
das Faulen die Spitze nur immer tiefer nach abwärts verlegt werde. 

Im Gegensatz zu diesem Versuchen fand Wakker!ö), daß die Inter- 
nodien von Begonia discolor am basalen Ende Adventivknospen erzeugen. 

Goebel16) ist in Hinsicht des letzteren Resultates der Ansicht, daß, 
da Begonia discolor eine Knollenbegonia ist, zur Zeit der Regeneration ein 
besonders lebhaftes Strömen von Assimilaten nach der Knolle stattgefunden 
hat und daher die Ansammlung von 
Baustoffen am basalen Ende resultiere. 

Auch Winkler!”) zeigte, daß 
internodiale Stücke von Passiflora. 
coerulea Sprosse an der basalen 
Callusanschwellung bilden, also nicht. 
polar regenerieren. 

Bei Internodien von Pepero- 
mia rubella beobachtete er Wurzel- 
bildung aus der basalen, Sproßbildung 
aus der apikalen Schnittfläche. Und 
zwar entstehen die Sprosse derart, 
„daß jedes der bei den Peperomien 
bekanntlich über den ganzen Stengel- 
querschnitt verteilten Gefäßbündel 
einen Sproß bildete“. 

Es ist dies scheinbar der einzig 
bekannte Fall, das Sproßinternodien 
in streng polarer Weise Sprosse und 
Wurzeln regenerierten. 

Bei meinen Versuchen, die haupt- 
sächlich an Indernodien verschiedener 
Fig. 54. Begonia discolor. Internodial- Begoniaceen ausgeführt wurden, zeigte 
stück mit Sproßregeneraten aus der Epi- ., . . in 
dermis. A Apikaler, 2 basaler Pol. Sich immer ein von der Polarität mehr 

Nat. Gr. oder weniger abweichendes Verhalten. 


Begonia diseolor. 

A. Von sechs im feuchten Glashafen aufgehängten Internodien 
(drei aufrecht, drei verkehrt) regenerierten drei. 

Nr. 1 (aufrecht hängend) erzeugte an der Basis einen Sproß, 
nach dem es von der Spitze her, wie bei Vöchting’s Versuchen, in 
Fäulnis übergegangen war. 

Nr. 3 bildete einen Sproß in der Mitte, ohne zu faulen. 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 43 


‚Nr. 4 (verkehrt hängend) (Fig. 54) regenerierte oben, am basalen 
Ende acht Sprosse, von denen einer im Wachstum sehon sehr vorge- 
schritten war; ein Sproß erschien aber auch auf der unteren Hälfte, 
gegen den apikalen Pol zu und zwar zu einem späteren Zeitpunkte, 
als der eben genannte am basalen Ende. 

B. Von sechs mit der Basis in feuchten Sand gesteckten Internodien 
regenerierte eines einen Sproß in der Mitte des Internodiums. Wurzeln 
wurden in beiden Versuchsreihen nicht gebildet. 

Die Anordnung der Sproßregenerate deckt sich also in den unter- 
suchten Fällen zum Teil mit den Resultaten Wakkers, zum Teile tritt 
aber als neu in Erscheinung, daß Sprosse auch in der Mitte des Inter- 
nodiums auftreten können. 


Begonia Rex. 

Die normalen Pflanzen dieser Begonie haben 
ganz kurze Internodium, da die Blätter und Blatt- 
narben eng gedrängt aneinander sitzen. Es ist 
daher nicht möglich, ein für den Versuch brauch- 
bares Internodien herauszuschneiden. 

Mitte Dezember fiel mir aber in einem Glas- 
hause des botanischen Gartens eine Pflanze auf, welche, 
nachdem sie längere Zeit in der eben beschriebenen 
Weise gewachsen war, plötzlich ein Internodien. von 
1 dm Länge ausgebildet hatte. Dieses wurde heraus- 
geschnitten und aufrecht in dem feuchten Glashafen Fig. 55. Begoniarex. 
gehän st. Nach einem Monat waren aus den Lentizellen Do and Wurzel“ 
der Basis zahlreiche Wurzeln und außerdem, ebenfalls regeneraten. 4 api- 
an der Basis, vier Sprosse entstanden (Fig. 55). kaler, 2 basalor Pol. 

Es war also auch hier die Polarität der Sprosse 
abnormal, und zwar bei gleichzeitigem Auftreten von Wurzeln am normalen 


Eintstehungsort. 


Begonia Credneri. 

Internodiale Stücke derselben regenerierten nur Wurzeln an der Basis. 

Gar keine Regeneration erfolgte bei Internodien von Begonia 
Duchartri, — hybrida Präsident Carnot, — semperflorens, — scabrida und 
bei mehreren Hybriden von Knollenbegonien, während die Blatt- und 
Sproßstecklinge dieser Pflanzen in normaler Weise regenerierten. 

Wohl aber reagierten von Knollenbegonien (Gartenhybriden) 
Knollenteilstücke. Der Versuchsknolle war zuerst durch einen Schnitt 
senkrecht zur Längsachse der Scheitelteil entfernt, sodann der restie- 
rende Teil durch einen Schnitt parallel zur Längsachse in zwei Teile 


44 J. Doposcheg-Uhlär, 


geteilt worden. Diese vegetationspunktlosen Teilstücke regenerierten 
entweder nur Sprosse und zwar nahe der Mitte der mit der Längsachse 
parallel laufenden Schnittfläche, oder nur Wurzeln aus der Epidermis 
‚ohne polare Anlage. 


Lycium halimifolium. 

Von 12 Internodien, 2—3 em lang, bildeten 10 Wurzeln, alle am 
apikalen Ende. Dieses Resultat ist hier aber nicht maßgebend, da sich 
bei Lycium halimifolium, wie schon früher angeführt, in der Rinde 
Wurzelanlagen befinden, die äußerlich nicht immer zu erkennen sind. 


Oxalis Acetosella. 
Es entstanden nur Wurzeln ganz ohne Regel, bald am apikalen, 
bald am basalen Ende, oder in der Mitte. 


Farne., 

Die schon früher besprochenen Internodien von Cystopteris und 
Phegopteris regenerierten nur Sprosse, ebenfalls ganz unregelmäßig in 
der Anordnung. 

Es läßt sich nun nach den angeführten Versuchsergebnissen der Ein- 
druck nicht von der Hand weisen, daß hinsichtlich der Anordnung speziell 
der Sproßregenerate eine gewisse Willkür oder Zufälligkeit bestimmend sei. 

Versucht man den Ursachen dieser Erscheinung näher zu treten, 
so muß man zuerst die Verhältnisse an der unverletzten Pflanze ins 
Auge fassen. In derselben herrscht ein Strömen von Baustoffen in 
verschiedenen Richtungen: Von den Wurzeln steigt das Wasser mit 
den anorganischen Elementen zu den Sproßvegetationspunkten und den 
Blättern; von den Blättern und den assimilierenden Sproßteilen geht 
einerseits zu den Sproßvegetationspunkten, andererseits zur Wurzel und 
den Reservestoffbehältern ein Strom von organischen Baustoffen. Der- 
selbe Strom von organischen Baustoffen zieht andererseits zur Zeit der 
Entwicklung der Pflanze aus den unterirdischen Reservestoffbehältern gleich- 
zeitig mit den anorganischen Baustoffen zu den Sproßvegetationspunkten. 

Sachs und Goebel vertreten die Ansicht, daß zur Sproßbildung 
anderes Baumaterial nötig sei als zur Wurzelbildung, und speziell 
Goebel zeigte in verschiedener Weise, daß die Vegetationspunkte und 
leren embryonales Gewebe als Anziehungszentren der verschiedenen 
Baumaterialien fungieren. 

Schneidet man nun von einer Pflanze einen Sproßteil, jedoch mit 
latenten Sproß- oder Wurzelanlagen versehen, heraus, so werden die 
latenten Anlagen aktiv und es sind hinsichtlich der nun auftretenden 
Polarität dieselben Verhältnisse gegeben wie an der unverletzten Pflanze, 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 4 


da ja wiederum die neuen Vegetationspunkte als Anziehungszentren 
wirken und die polare Anordnung der Adventivorgane verursachen. 

Ganz anders sind jedoch die Verhältnisse an vegetationspunkt- 
losen Internodien. Welche Einflüsse durch das Herausschneiden in 
dem außerordentlich komplizierten Nährstofiströmen stattfinden, weiß 
man nicht. Embryonale Substanz ist anfänglich nur im Cambium vor- 
handen, später in den an der Schnittfläche auftretenden Kallus oder 
Wundkorkbildungen. Da eben an diesen Schnittflächen ein lebhaftes 
Wachstum stattfindet, ist es erklärlich, daß sie wiederum als Anziehungs- 
punkte für die Nahrungsstoffe fungieren, daß sich in der Nähe der- 
selben Material ansammelt, welches dann zum Ausgangspunkte von 
Neubildungen dient. Ist jedoch die Wachstumstätigkeit an den Schnitt- 
flächen eine geringe, so daß sich in der Nähe derselben kein besonders 
geeigneter Ort für Neubildungen bietet, so sucht die embryonale Sub- 
stanz, das Cambium, sich einen anderen Weg und einen anderen Ort 
für die Neubildung. Dieser bietet: sich nun zufällig, je nach dem sich 
für die Überführung der Dauerzellen in das embryonale Stadium nach 
den individuellen Verhältnissen des Internodiums die Möglichkeit hierzu 
ergibt. Diese Anschauung würde das Auftreten eines Sprosses in der 
Mitte eines Internodiums verständlich machen. 

Ähnliche Verhältnisse nimmt Goebel 'S) bei den vegetationspunkt- 
losen Wurzeistücken von Ophioglossum an, bei denen Knospen ohne 
polare Verteilung entstehen. 

Wir sehen also als Resultat dieser Untersuchungen, daß an Inter- 
nodien die Sproßregenerate an beliebigem Orte auftreten, daß Wurzeln, 
wenn sie überhaupt erzeugt werden, zumeist polar angeordnet sind. 

Da die Regeneration an Internodien bis nun nur wenig studiert 
wurde, käme es in Zukunft darauf an, die Gründe dieser Abweichungen 
von dem normalen Verhalten zu erkennen, die Anordnung der Regenerate 
eventuell experimentell zu beeinflussen, um so vielleicht in das Wesen der 
Polarität einen besseren Einblick zu gewinnen, als es bis nun möglich war. 

Einen ersten Beginn in dieser Richtung soll nachfolgende Ver- 
suchsreihe bieten. 


6. Regeneration und Polarität an Internodien, die durch Einschnitte 
an der Sproßachse isoliert wurden. 

An 12 kräftig entwickelten Pflanzen von Begonia discolor, 
welche am untersten Internodium einen Sproßdurchmesser von 6—8 mm 
hatten und noch nicht im Stadium der Blütenbildung waren, wurden 
am 26. Mai an diesen Internodien durch zwei in entgegengesetzter 


46 J. Doposcheg-Uhlär, 


Richtung geführte Schnitte Teilstücke isoliert. Hierbei wurden die 
Schnitte so tief geführt, als es nur möglich war, ohne eine gänz- 
liche Trennung herbeizuführen. Die Schnittflächen wurden zur Desin- 
fizierung mit Holzkohlenstaub bestreut, zwischen dieselben Deckgläschen 
eingeschoben, um das Verwachsen hintanzuhalten. 

Der ganze Sproß wurde auf diese Weise in drei Teile zerlegt; 
ich nenne sie Gipfel-, Mittel- (Internodium)- und Wurzelteil (Fig. 56). 

Der Versuch sollte in erster Linie dartun, inwieweit an den 
so isolierten Internodialstücken Regenerate auftreten, ob in ihrer An- 
ordnung eine Gesetzmäßigkeit zum Ausdrucke kommt, ferner ob sich 
infolge der Störung der Leitungs- 
bahnen ein Einblick in die Stofflei- 
tung ermöglichen ließe. 

Nach dem die operierten Pflan- 
zen durch einige Tage in einem Glas- 
kasten vorallzu großen Transpirätions- 
verlusten geschützt worden waren, und 
sie sich Soweit erholt hatten, daß die 
schlaffen Blätter wieder turgescent 
waren, kamen sie in das Gewächs- 
haus, wo sie unter den für Begonia 
discolor normalen Kulturbedingungen 
gehalten wurden. 

Schon 14 Tage nach der Ope- 
ration waren bei drei Pflanzen an 
der Basis des Gipfelteils aus Lenti- 
zellen Wurzeln hervorgetreten und 
in den ersten Julitagen zeigten sich 
Fig. 56. Begonia discolor. Isolierung auch am Mittel- und Wurzelteil ver- 
eines internodialen Teilstückes. 7 schiedener Pflanzen Regenerate. Da 
ee a A emodivm » W jedoch die Wurzeln, bevor sie noch 

i ganz ausgewachsen waren, infolge zu 
geringer Luftfeuchtigkeit eintrockneten, wurde der Stamm in der Gegend 
der Schnittstellen mit feuchtem Sphagnum umwickelt und die Pflanzen 
in dieser feuchten Hülle durch eine Woche belassen. 

Am 14. Juli,zeigten nach Entfernung. der Sphagnumhüllen eine 
Anzahl von Pflanzen folgende Bilder (Fig. 57-59). 

Der Gipfelteil hatte sowohl auf der ‘Seite, auf welcher der 


Schnitt geführt wurde, als auch auf der entgegengesetzten Seite aus 
Lentizellen Wurzeln regeneriert. 


as 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 47 


Am Wurzelteile zeigten sich auf der Schnittseite nahe dem Schnitt- 
rande und auch etwas tiefer aus der Epidermis hervorgetretene Sprosse. 

Diese beiden Teile wiesen also die normale polare Verteilung der 
Regenerate auf. 

Bevor ich die Regenerate des Mittelteiles bespreche, muß be- 
merkt werden, daß derselbe eine dem Gipfel- und eine dem Wurzel- 
teil verbundene Seite hat; ich nenne sie der Kürze halber die Gipfel- 
und die Wurzelteilseite. 

AmMittelteile 
waren nun Wurzeln auf 
der Gipfelteilseite (aus 
der Epidermis und aus 
der Schnittfläche) und 
Sprosse aufder Wurzel- 
teilseite aufgetreten. 
Letztere hatten ihren 
Ursprung in der Epi- 
dermis oder in dem 
CalluswulstdesSchnitt- 
randes. 

Es hatte also 
eine Beeinflussung des 
Mittelteils (Internodi- 
ums) in der Weise 
stattgefunden, daß der 
wurzelbildende Gipfel- 
teil im Mittelteil eine 
Wurzelsphäre und um- 
gekehrt der Wurzelteil 
eine Sproßsphäre er- 
zeugte. Die Polarität Fig 57. Begonia discoler. # Wurzeln am Gipfelteil, 


war demnach aus der S Sprosse am Wurzelteil, #2 Wurzeln auf Gipfelteil- 


Fan 0% seite, Sa Sprosse auf der Wurzelteilseite des Inter- 
Vertikalen in die Ho- nodialstückes. Nat. Gr. 


rizontale verschoben 
worden, so daß auf der einen Seite des Mittelteils Wurzeln, auf der 
andern Sprosse entstanden waren. 

Gegenüber den Regeneraten an den vegetationspunktlosen Inter- 
nodien von Begonia discolor der früheren Versuchsreihe wird hier 
besonders auffällig die Beeinflussung von seiten der Vegetationspunkte. 
Der Wurzelteil regeneriert streng polar die Sprosse an der Spitze, 


48 3. Doposcheg-Uhlsr, 


der Gipfelteil desgleichen Wurzeln an der Basis. Ebenso fällt die 
Wurzelbildung am Mittelteil auf, während in allen früheren Versuchen 
die  Internodialstücke 
von DBegonia diseolor 
niemals Wurzeln pro- 
. duzierien, sei es, daß 
sie im feuchten Raume 
oder in Erde kultiviert 
wurden. 

Herr Geheimrat 
v. Goebel hatte die 
Liebenswürdigkeit,einen 
noch nicht veröffentlich- 
ten Versuch, dessen Re- 
sultat mit der eben ge- 
zeigten Wurzelbildung 
des Ober- und Mittel- 
teiles in Parallele ge- 
bracht werden kann, mir 
zur Verfügung zu stellen. 


u Internodien von 
Fig. 58. Begonia discolat. # Wurzeln am Gipfeltel, Sambueus nicera 

S Sprosse am Wurzelteil, 92 Wurzeln auf der Gipfel- 15 ’ 
teilseite, .S»z Sprosse auf der Wurzelteilseite des welchen am apikalen 


Internodialstückes. Nat. Gr. Ende ein Blatt belassen 

‚ worden war, wurden 
in der Mitte einge- 
schnitten, teils auf der 
Seite unterhalb des 
Blattes, teils auf der 
entgegengesetzten Seite. 
Diese in Erde gesteck- 
ten Internodien regene- 
rierten Wurzeln in der 
Nähe der Schnittstelle 
und zwar immer auf der 
dem Schnitte abgekehr- 
ten Seite, also dort, wo 
die Leitungsbahnen mit 


Fig. 59. Begonia diseolor. #7 Wurzeln am Gipfelteil i 
HP Wurzeln auf der Gipfelteilseite, Sr Sprosse auf dem Blatte nicht unter- 


der Wurzelteilseite des Internodialstückes. Nat. Gr. brochen worden waren. 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 49 


Es trat also auch in diesem Versuche eine Abhängigkeit zwischen 
Wurzelbildung und assimilierender Blattfläche auf. 

Es zeigte sich ferner bei den Versuchspflanzen von Begonia 
discolor, daß der Mittelteil seine basale Schnittfläche außerordentlich 
verbreitert hatte; an derselben war reichlich Kallusbildung aufgetreten 
und die Schnittränder wulstartig aufgedreht. Der Flächeninhalt der 
basalen Schnittfläche des Mittelteils war bei einer Pflanze fast doppelt 
so groß geworden als die -apikale Schnittfläche des Wurzelteils. 

Ebenso war die Callusbildung an der basalen Schnittfläche des Gipfel- 
teiles eine reichliche, wenn auch nicht in dem Maße wie beim Mittelteile, 

Demgegenüber ist auffällig, daß die apikalen Schnittflächen des 
Wurzel- und Mittelteiles an Flächenausdehnung und an Callusbildung 
gegenüber den vorgenannten basalen Flächen weit zurückstanden. Es 
fand also eine starke Bevorzugung des Wachstums der basalen Schnitt- 
flächen statt. 

Die eben geschilderte Anordnung der Regenerate war bei allen 
Pflanzen durchwegs dieselbe; nur trat sie nicht an jedem Exemplar in 


\ DEP 


” 


6 2 1 3 
Fig. 60. Begonia discolor. Erklärung im Text. 


der genannten Völlständigkeit auf. Es konnte an einem oder anderen 

Teile die Ausbildung der Wurzeln oder Sprosse unterbleiben, wahr- 

scheinlich je nach der individuellen Disposition der einzelnen Pflanzen. 
Nachstehende schematische Aufzeichnungen (Fig. 60) zeigen, daß 

sechs Pflanzen an allen drei Teilstücken, in der zuerst geschilderten Weise, 
zwei Pflanzen am Mittelteil keinen Sproß, 


eine Pflanze „ „ keine Wurzel und keinen Sproß, 
drei Pflanzen „ » und am Wurzelteil keinen Sproß 
regenerierten. 


Es war ferner bis Ende Juli in der bis nun geschilderten An- 
ordnung der Regenerate bei den 12 Pflanzen keine Ausnahme gemacht 
worden. Erst bei einer Untersuchung am 17. August wurde bei einer 


Flora, Bd. 102. ln BUT, GARdT. 
1911 


48 J. Doposcheg-Uklär, 


der Gipfelteil desgleichen Wurzeln an der Basis. 


Ebenso fällt die 


Wurzelbildung am Mittelteil auf, während in allen früheren Versuchen 


Fig. 58. Begonia discolar. W Wurzeln am Gipfelteil, 

5 Sprosse am Wurzelteil, 7» Wurzeln auf der Gipfel- 

teilseite, S» Sprosse auf der Wurzelteilseite des 
Internodialstückes. Nat. Gr. 


2 


Fig, 59. Begonia discolor. #7 Wurzeln am Gipfelteil, 
Hm Wurzeln auf der Gipielteilseite, Sm Sprosse auf 


der Wurzelteilseite des Internodialstückes. Nat. Gr. 


die  Internodialstücke 
von Begonia discolor 
niemals Wurzeln pro- 


. duzierten, sei es, daß 


sie im feuchten Raume 
oder in Erde kultiviert 
wurden. 

Herr Geheimrat 
v. Goebel hatte die 
Liebenswürdigkeit,einen 
noch nicht veröffentlich- 
ten Versuch, dessen Re- 
sultat mit der eben ge- 
zeigten Wurzelbildung 
des Ober- und Mittel- 
teiles in Parallele ge- 
bracht werden kann, mir 
zur Verfügung zu stellen. 

Internodien von 
Sambucus nigra, 
welchen am apikalen 
Ende ein Blatt belassen 
worden war, wurden 
in der Mitte einge- 
schnitten, teils auf (der 
Seite unterhalb des 
Blattes, teils auf der 
entgegengesetzten Seite. 
Diese in Erde gesteck- 
ten Internodien regene- 
rierten Wurzeln in der 
Nähe der Schnittstelle 
und zwar immer auf der 
dem Schnitte abgekehr- 
ten Seite, also dort, wo 
die Leitungsbahnen mit 
dem Blatte nicht unter- 
brechen worden waren. 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 49 


Es trat also auch in diesem Versuche eine Abhängigkeit zwischen 
Wurzelbildung und assimilierender Blattfläche auf. 

Es ‚zeigte sich ferner bei den Versuchspflanzen von Begonia 
discolor, daß der Mittelteil seine basale Schnittfläche außerordentlich 
verbreitert hatte; an derselben war reichlich Kallusbildung aufgetreten 
und die Schnittränder wulstartig aufgedreht. Der Flächeninhalt der 
basalen Schnittfläche des Mittelteils war bei einer Pflanze fast doppelt 
so groß geworden als die -apikale Schnittfläche des Wurzelteils. 

Ebenso war die Callusbildung an der basalen Schnittfläche des ‚Gipfel- 
teiles eine reichliche, wenn auch nicht in dem Maße wie beim Mittelteile. 

Demgegenüber ist auffällig, daß die apikalen Schnittflächen des 
Wurzel- und Mittelteiles an Flächenausdehnung und an Callusbildung 
gegenüber den vorgenannten basalen Flächen weit zurückstanden. Es 
fand also eine starke Bevorzugung des Wachstums der basalen Schnitt- 
flächen statt. 

Die eben geschilderte Anordnung der Regenerate war bei allen 
Pflanzen durchwegs dieselbe; nur trat sie nicht an jedem Exemplar in 


Ba ug Eu 
__T_ _ 
— R — 
or . 


8 


e 2 1 3 
Fig. 60. Begonia discolor. Erklärung im Text. 

der genannten Völlständigkeit auf. Es konnte an einem oder anderen 
Teile die Ausbildung der Wurzeln oder Sprosse unterbleiben, wahr- 
scheinlich je nach der individuellen Disposition der einzelnen Pflanzen. 

Nachstehende schematische Aufzeichnungen (Fig. 60) zeigen, daß 
sechs Pflanzen an allen drei Teilstücken, in der zuerst geschilderten Weise, 

zwei Pflanzen am Mittelteil keinen Sproß, 


eine Pflanze „ „ keine Wurzel und keinen Sproß, 
drei Pflanzen „ „ und am Wurzelteil keinen Sproß 
regenerierten. 


Es war ferner bis Ende Juli in der bis nun geschilderten An- 
ordnung der Regenerate bei den 12 Pflanzen keine Ausnahme gemacht 
worden. Erst bei einer Untersuchung am 17. August wurde bei einer 


| 4 
lv. BUT. GARg. 
1917 


Flores, Bd. 102. 


50 J. Doposcheg-Uhlär, 


Pflanze eine Sproßbildung auf der Gipfelseite des Mittelteils bemerkt, 
an einer Seite, wo also Wurzeln hätten auftreten sollen (Fig. 61). 
Doch zeigt die Stellung des Mittelteils, daß dessen basale Schnittfläche, 
wie auch die nachfolgende anatomische Untersuchung erwies, zu diesem 
Zeitpunkte schon in die Sphäre des Wurzelteils einbezogen worden 
war, daß auch durch die reichliche Holz- und Callusbildung die an- 
fänglichen Verhältnisse verwischt worden waren. 

Schon Ende Juli begannen die Pflanzen Blütenknospen anzusetzen 
und Mitte August befanden sich alle im blühbaren Zustande. Da die 
Knollenbegonien jedoch bald nach der Blütenbildung einziehen, wurden, 
um das vegetative 
Wachstum möglichst 
lange hinauszuschie- 
ben, die Blütenknospen 
immer wieder. abge- 
schnitten. 

Begonia discolor 
hat nun die Eigen- 
schaft, daß sie im 
Herbste nach der 
Blüterbildung außer 
der unterirdischen In- 
ternodialknollen auch 
oberirdisch, in den 
Blattachseln, Sproß- 
knöllchen ausbildet. 


Fig. 61. Begonia discoler. .S Sproßregenerat am Die  operierten. 
Wurzelteil, an dessen Basis sich eine Internodiums- Pflanzen traten dem- 
knolle entwickelt; ‚S, spät aufgetretenes Sproßregenerat . . 

an der Gipfelteilseite des Mittelteils. °/, nat. Gr. nach in der zweiten. 


Hälfte des Sep- 
tember in dieses Stadium, indem in ‘allen Blattachseln Knospen 
auftraten, von rosafarbigen Deckblättchen eingehüllt, ähnlich den Blüten- 
knospen. 

Eine eigentümliche Erscheinung zeigten die vom Wurzel- und 
Mittelteil regenerierten Sprosse, indem sie nicht nur Knöllchen in den 
Blattachseln anlegten, sondern auch das mit der Mutterachse in Ver- 
bindung stehende basale Internodium in eine Knolle umwandelten. 
Dieselbe war im Gegensatze zu den grünen Sproßachsen hellweiß und 
auf dem ganzen Umfange voll von Wurzelanlagen, die dem Gebilde das. 
Aussehen einer stumpfstacheligen Kugel gaben (Fig. 61, 62, 62a, 63). 


SO Zeh we ug 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 51 


Es zeigt hier also der regenerierte Sproß eine Abweichung in 
der Art der Ablagerung der Reservestoffe von den normalen Seiten- 


zweigen der Hauptachse, 
welche ja nur Achselknöll- 
chen erzeugten. Der rege- 
nerierte Sproß weist das 
Verhalten des Haupt- 
sprosses auf, der eben 
Achselknöllchen und eine 
basale Internodiumsknolle 
in der Erde ausbildete. 
Fragt man nach dem 
Grunde dieser außerge- 
wöhnlichen Ausbildung 
einer Internodiumsknolle 
an der Basis eines Seiten- 
sprosses, so drängt sich 
der Gedanke auf, daß für 
den von den Blättern des 
regeneriertenSprossesnach 
abwärts gerichteten Strom 


Fig. 62. Begonia discolor. S Sproßregenerat 
mit basaler Internodiumsknolle X, S, späte 


Sproßregenerate am Mittelteil. Nat. Gr. 


der Assimilate an der Übergangsstelle in dem Muttersproß ein Hinder- 
nis vorhanden gewesen sein muß, welches das Abströmen derselben zur 
Erdknolle verhindert und die Ansammlung derselben in der Nähe des 


Hindernisses in einer Luftknolle 
verursacht hatte. 

Die anatomische Unter- 
suchung dieser Stelle ergab nun 
tatsächlich abnormale Verhält- 
nisse. Schon äußerlich fällt auf, 
daß der regenerierte Sproß mit 
verhältnismäßig dünner Basis 
an dem Muttersprosse ansitzt. 
Dieses dünne, zwischen Knolle 
und Sproßachse des Mutier- 
sprosses befindliche Gewebestück 
zeigt auf dem Längsschnitte 
(Fig. 64), daß der größte Teil 
des zentralen Gewebes durch 


holzknäuel eingenommen wird, 


Fig. 622. Begonia discolor. Dieselbe Pflanze 
wie vorher mit Sproßknöllchen X, und A,. 
Nat. Gr. 


ein sehr stark entwickeltes Wund- 


dessen Ausbildung in diesen Maße 
4* 


592 J. Doposcheg-Uhlär, 


sowohl der Wasserleitung, als auch der Befestigung des abnormal an- 
sitzenden Sprosses gedient haben mag. Dem gegenüber konnte die 
Ausbildung von Siebröhren in diesem Falle entweder garnicht oder 
nur in ganz spärlicher Zahl konstatiert werden. Auch das dieses Holz- 
gewebe umgebende Parenchym ist abnormal weitlumig und hat stark 
verdickte Zellwände. Andererseits zeigt der Sproß apikalwärts der 
Knolle ein ganz normal ausgebildetes Leitbündelsystem. 

Da Czapek!°) durch seine Versuche an Vitisblättern nach- 
weisen konnte, daß der Massentransport der Assimilate nicht in den 
- Parenchymzellen, sondern in den Siebröhren stattfindet, eventuell auch 
noch in den dieselben umgebenden Leitscheiden, wie Schimper ”®) 
glaubte, so wäre das 
Fehlen dieser Leitungs- 
gewebe in dem vor- 
liegenden Falleein neuer 
Beweis für die Ansicht 
Czapek’s. Aus den 
Fig. 62 u. 62a ist 
ferner zu ersehen, daß 
auf der Wurzelteilseite 
des Mittelteils ziemlich 
spät noch Sproßregene- 
rate auftraten, die dann 
ohne weitere Längen- 


x entwicklung bald in 


Fig. 63. DBegonia discoler. S Sproßregenerate am Spr ö über- 
Wurzel- und Mittelteil mit basalen Knöllchen, S, spätes proßknöllchen über 


Sproßregenerat, X Sproßknöllchen. gingen, ähnlich und 

gleichzeitig mit den 

übrigen Achselknöllchen der Pflanze. Da diese Sproßknöllchen des 

Mittelteiles ihre Assimilate nur von dem Chlorophyllapparat des Mutter- 

sprosses bekommen konnten, so ist ersichtlich, daß an den Schnittstellen 
die Verhältnisse für die Stoffleitung eine ausreichende war. 

Die anatomische Untersuchung der Schnittstellen des Haupt- 
sprosses zeigte eine außergewöhnlich reiche Holzentwicklung an den 
basalen Schnittflächen des Gipfel- und Mittelteiles; dieselben waren auf 
ihrer ganzen Fläche mit Holzparenchym bekleidet. 

Es führte demnach die Wasserleitung vom Wurzelteil über das 
die Verbindung herstellende Rindenstück zum Mittelteil, in diesem entlang 
der. basalen Holzfläche zum Rindenverbindungsstücke mit dem Gipfelteil 
und entlang der basalen Holzfläche des letzteren weiter nach aufwärts. 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 53 


Die Wiederherstellung‘ der gestörten Leitungsbahnen an den 
operierten Pflanzen erfolgte schon sehr bald; denn die nach der Ver- 
wundung schlaff herabhängenden Blätter wurden schon nach 4—5 Tagen 
wieder turgeszent. 

Anfang Juli wurde auch der Versuch gemacht 1. ein längeres 
Internodialstück, 2. einen Knoten durch zwei Schnitte zu isolieren. 
Für jeden Fall wurden drei Pflanzen verwendet. Die Operation gelang, 
wie die Fig. 65 u. 66 zeigen, doch trat bis zum Ende der Vegetations- 
periode keinerlei Regeneration auf, wahrscheinlich wohl deshalb, weil 
der Versuch zu einer Zeit ausgeführt worden war, da das Wachstum 
der Pflanzen schon zu weit vorgeschritten war. Die früheren Versuche 
waren um mehr als einen Monat vorher angestellt worden. _ 

Zur selben Zeit wurde der Schnittversuch auch an drei Pflanzen 
von Begonia semperflorens ausgeführt. Zwei derselben hatten Mitte 
August am Mittelteil auf der Ober- 
teilseite Wurzeln getrieben, doch 
blieb eine weitere Regeneration aus. 

Derselbe Versuch wurde Mitte 
Juli auch an sieben Pflanzen von 
Gesnera graciosa angestellt. Sie 
befanden sich noch im vegetativen 
Stadium, Blütenknospen waren noch 
nicht angelegt. 

Diese Pflanzen erholten sich Fig. 64. Begonia discolor. Längsschnitt 

. . durch die basale Knolle eines regenerierten 
nur sehr langsam und zeigten sich Sprosses. S Sproßachse, X Knolle, #7 
auch nicht so reaktionsfähig wie Wundholzknäuel im Verbindungsstücke 

. . . zwischen Regenerat und Muttersproßachse. 
Begonia discolor. Doch hatten sie 5mal vergr. 
einen Monat nach der Operation 
(Mitte August) ihre Achselknospen ausgetrieben und Blütenstände an- 
gelegt und Ende Oktober zeigten die sechs Pflanzen (eine war zu- 
grunde gegangen) folgende Erscheinungen: 

Vor allem fiel eine lebhafte Callusbildung auf, die sich an den 
Schnitträndern geschwulstartig vorwölbte (Fig. 67). Dieser Callus war 
bei den einzelnen Exemplaren verschieden angeordnet. Er beginnt 
öfters in den Ecken, wo die zwei Schnittflächen aneinander stoßen, 
verläuft dann entlang der beiden Schnittränder (Fig. 68, ZZ—-VT), 
verlängert sich nach abwärts parallel zur Längsachse des Sprosses, 
(Fig. 68, 7, ZT), kann auch entlang derselben eine Verbindung vom 
Gipfelteil zum Wurzelteil herstellen (Fig. 68 ZU/--VT). Fig. 68, 7 
“zeigt aber auch, daß eine Callusgeschwulst entfernt von der Ver- 


54 J. Doposcheg-Uhlär, 


wundungsstelle, warzenartig, direkt aus der Epidermis des Mittelteils 
heraus entstehen kann. 

Sprosse waren regeneriert worden in zwei Fällen an der Basis 
des Gipfelteils (Fig. 68, 777, VZ), einmal an der Basis des Mittelteils 
(Fig. 68, V); Wurzeln am Wurzelteil in zwei Fällen (Fig. 68, /Z7, VZ). 
In der Anordnung war demitach eine polare Verteilung nicht erfolgt. 
Der Verlauf des Callus ruft den Eindruck hervor, als ob derselbe 
eine zweite Stoffleitung vom Oberteil über den Mittelteil zum 
Wurzelteile bewirken würde als Ergänzung der mangelhaften inneren 
Leitung, zumal im Innern 
dieser Callusstränge auch 
Wundholz ausgebildet wor- 
den war. 


7.Die Regeneration von Laub- 
sprossen und Zwiebelknöll- 
chen bei den Gesneraceen. 


Verschiedene Gesnera- 
ceen sind hinsichtlich ihrer 
vegetativen Fortpflanzung da- 
durch bekannt, daß sie im 
Boden Seitensprosse bilden, 
welche aus einer kurzen Achse 
nit dichtgedrängten Blättern 
bestehen, die mit Reserve- 
stoffen angefüllt sind. Diese 
einem kleinen Tannenzapfen 
ähnlichen Gebilde nennt 


PR HBN Goebel2!) Zwiebelknöllchen, 
. 65. egonia discolor. Isolierung eines ERuE R Bi Fi 
längeren Internodialstückes. "/, nat. Gr. da sie, äußerlich einem Knöll- 


chen gleichend, morphologisch 
an eine Zwiebel erinnern, nur daß bei denselben die Stauchung der 
Achse zum Zwiebelkuchen unterbleibt. 

Diese Zwiebelknöllchen werden normal schon zur Zeit; der Blüten- 
bildung angelegt und bilden nach dem Einziehen der Pflanzen im 
Herbst das Vermehrungsorgan für die nächste Vegetationsperiode. 

Als Versuchspflanzen dienten Achimenes Haageana, Achimenes 
hirsuta und Naegelia hybrida, Gartenbastarde, die im Münchener bota- 
nischen Garten in Kultur sind und auch im Samenkatalog von Haage 
und Schmidt in Erfurt angeführt werden. 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 55 


Goebel hatte die genannten Pflanzen mehrfach zu Versuchen 
über Regeneration und Polarität benützt. Verschiedene bei denselben 
entstandene Fragen über die Bedingungen, unter denen Regenerate 
entstehen, speziell worauf die Verschiedenheit in der Bildung von Laub- 
sprossen und Zwiebelknölichen beruht, gaben den Anlaß zu nachfolgen- 
den Versuchen. 


Versuch 1. 


Abhängigkeit der Regenerate von dem Ernährungszustande der 
Mutterpflanze. 


(Achimenes hirsuta.) 


Am 30. Juni wurden 10 Pflanzen von Achimenes hirsuta ihrer 
Sproßvegetationspunkte beraubt und bei voller Beleuchtung dem inten- 
siven Lichtgenusse über- 
lassen, ich nenne sie 
Lichtpflanzen. Hierbei 
sollte durch das Entfer- 
nen der Vegetations- 
punkte das Abfließen der 
Baustoffe von den Blät- 
tern zu denselben ver- 
hindert werden. 

Ebensoviele Pflan- 
zen wurden ins Dunkle 
gestellt, ohne daß die 


Sproßvegetationspunkte 
entfernt wurden — Dun- 
kelpflanzen. 


Auf diese Weise 
wurde in den Blättern 
der Lichtpflanzen eine 
möglichst große Anhäu- 
fung der Assimilate er- 
reicht, während bei den 
Dunkelpflanzen diese An- 
Semng arg Fig. 66. Begonia on arang eines Knotens. 
den von den so vorbehan- - 
delten Pflanzen annähernd gleichgroße Blätter in Sand gesteckt, der in 
der Folge zeitweise mit Nährlösung von der Crone behandelt wurde. 


56 3. Doposcheg-Uhlär, 


A. Von den Lichtpflanzenstecklingen wurden 
1. zwei Kulturen mit je 10 Blättern ans volle Tageslicht, 
2. " » „10 „ Ins zerstreute Zimmerlicht; 
B. von den Dunkelpflanzenstecklingen 
3. zwei Kulturen mit je 10 Blättern in volles Tageslicht, 
E ri vn 10 Pr ins Dunkle gestellt. 


Am 24. Juli hatten regeneriert: 


ad 1: Von den 20 am vollen Tageslicht befindlichen Lichtpflanzen- 
stecklingen alle reichlich Wurzeln und 17 Blätter auch 
Sprosse, drei bis sechs an einem Stecklinge in der Länge 
bis 1 em. 


Fig. 67a, Fig. 672, 


Fig. 670. Gesnera graciosa. Die Schnittränder sind durch Callusgeschwülste vor- 
gewölbt. ",, nat. Gr. 


Fig. 675. Wie vorher. 


ad 3: Von den 20 am vollen Licht befindlichen Dunkelpflanzen- 
stecklingen alle durchwegs nur Wurzeln, aber auch deren 
Ausbildung war bedeutend geringer als im Falle vorher; 
Sproßanlagen waren noch nicht zu sehen. 

ad 2: Von den Liehtpflanzenstecklingen im zerstreuten Zimmerlicht 


19 Blätter Wurzeln, nur acht Blätter Sproßknospen, ein 
Blatt weder Wurzeln noch Sprosse, 


ad 4: Die Dunkelpflanzenstecklinge im Dunkeln weder Wurzeln 
noch Sprosse. Doch waren sie noch am Leben. 

Das Resultat des Versuches zeigt also, daß die Regenerate in 

quantitativer Beziehung abhängig sind von dem Ernährungszustande 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 57 


der Stammpfianze, und zwar wohl in der Weise, daß die besser er- 
nährten Stecklinge in erster Linie befähigt sind, eine größere Anzahl 
von Wurzeln zu produzieren, welche sodann die Möglichkeit bieten 
durch reichere Zufuhr von Wasser und Aschenbestandteilen zu rascherer 
Sproßbildung überzugehen. 

Anfang Oktober waren von den ad 1 und 2 am vollen Tages- 
licht weiter kultivierten Lichtpflanzenstecklingen noch 30 vorhanden. 
Von denselben wiesen 25 Laubsprosse und Zwiebelknöllchen, vier nur 
Zwiebelkmöllehen auf (die Knöllchen befanden sich nur auf den Mutter- 
blättern, nicht etwa auch an den regenerierten Sprossen). Ein Blatt 

dieser Ver- 


suchsreihe war 
ohneRegenerat 
geblieben; es 
hatte nur an 
der Schnitt- 
fläche eine sehr 


starke Kallus- 
bildung. ‘Von 


den ad 3 am 
Licht belasse- 
nen Dunkel- 
Dilanzensteck- 
lingen besaßen 
(15 an Zahl) 
acht Exemplare 


Laubsprosse 


und Zwiebel- un 68. Glesnera graciosa. klang im Text, 
knölichen, fünf 
nur Zwiebelknöllchen, zwei weder Laub- noch Zwiebelsprosse, sondern 


nur Wurzeln. 
Ein nennenswerter Unterschied in der Entwicklung der Regenerate 


war demnach nicht mehr vorhanden. 

Die regenerierten Laubsprosse hatten eine Höhe bis zu 15 em 
erreicht, waren aber nicht in Blütenbildung eingetreten. 

Das Auftreten der Zwiebelknöllchen in dieser Zeitperiode (Herbst) 
entspricht den Versuchsresultaten Goebel’s 22). 


Die ad 4 im Dunkeln belassenen Dunkelblatistecklinge waren alle 
zugrunde gegangen. 


58 . J. Doposcheg-Uhlär, 


Versuch 2. 
Knöllchenbildung an Sproßstecklingen. 
(Achimenes hirsuta.) 


Die Sproßregenerate des vorigen Versuches (Laubsprosse und 
Knölichen) wurden nunmehr, Anfang Oktober, von ihren Mutter- 
blättern abgetrennt und sowohl die Mutterblätter, als auch die abge- 
trennten Laubsprosse neuerdings gesteckt, mit Ausnahme von fünf 
Blättern, denen zur Kontrolle die Zwiebelknöllehen belassen wurden. 

Schon am 15. Oktober hatte sich an fünf der neu gesteckten 
Sproßstecklinge an der Spitze ein grünes Zwiebeiknöllchen, und an acht 
Stecklingen in den Blattachseln ebenfalls Zwiebelknöllchen gebildet, zu 
einer Zeit, da an der Basis der Stecklinge in der Erde höchstens drei 
bis vier ca. 1 cm lange Wurzeln entstanden waren. 

Vor der Abtrennung der Sprosse von den Mutterblättern war das 
ganze System Mutterblatt-4Laubsproß in normaler Knöllchenbildung 
gewesen, indem die von gemeinsamen Chlorophyllapparat erzeugten 
Assimilate zu der unterirdischen Reservestoffspeicherung verwendet 
wurden; der Strom der Assimilate bewegte sich also der Hauptsache 
nach zu den unterirdischen Sproßvegetationspunkten. Dadurch, daß 
aun die Sprosse abgetrennt worden waren, fehlten einerseits diese 
unterirdischen Anziehungspunkte der Assimilate, während andererseits 
die Bildung neuer Assimilate fortdauerte, die nun ihren neuen An- 
ziebungs- und Ablagerungspunkt in den oberirdischen Vegetations- 
punkten, der Sproßspitze und den Achselknospen fanden. 


Die geringe Entwicklung des Wurzelsystems zeigt, daß bis zu 
diesem Zeitpunkte Achsensubstauzen nur in sehr geringem Maße auf- 
genommen werden konnten, die Ausbildung der Knöllchen daher zum 
größten Teile auf organischen Substanzen basiert sein mußte. 


Es steht diese Luftknöllchenbildung bei Achimenes in Parallele 


mit den von Goebel ®®) bei den Ausläufern von Circaea intermedia 
gewonnenen Resultaten. 


Diese Pflanze bildet im Boden zahlreiche Ausläufer, welche 
ebenso wie» die Achimenesknöllchen als Vermehrungsorgan für die 
nächste Vegetationsperiode dienen. Goebel schnitt im Herbste Laub- 
sprosse von Üirceae ab und fand, daß sich Ausläufer nicht nur im 
Boden regenerierten, sondern die Produktion von Reservestoffen seitens 
der Pflanze war so bedeutend, daß sich auch die Sproßspitze in einen 
Ausläufer (die Ablagerungsstätte für Reservestoffmaterial) umwandelte. 
Goebel nimmt hier an, daß Auslänferbildung dann eintrete, wenn die 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 59 


Menge organischer Substanzen, welehe dem Vegetationspunkte zugeführt 
wird, im Verhältnis zu den Aschenbestandteilen größer ist, als die, 
welche die Laubsproßbildung bedingt. 

Die Luftknöllchenbildung der Achimenesstecklinge stützen diese 
Annahme. 

Auı 15. November waren von den alten Blattstecklingen noch 
40 am Leben. Davon waren drei ohne Sproßregenerat; zwei Blätter 
hatten neuerdings einen Laubsproß, ein Blatt ein Mittelding zwischen 
Laubsproß und Zwiebelknöllchen, und die restlichen 34 hatten in 
zweiter Ernte Zwiebelknöllchen produziert. 

Von Interesse sind die zwei Blätter, welche im Gegensatze zu 
dem Gros der anderen Blätter das Stadium der Knöllchenbildung be- 
reits überwunden hatten und schon wieder zur Sproßbildung über- 
gegangen waren. Auch das Blatt, welches ein Mittelding zwischen 
Sproß und Knöllchen zeigte, ist als 
Übergang hemerkenswert. Dieser 
Sproß ist kurz gestaucht, die Blätter 
sind mit Beservestoffen angefüllt, 
jedoch untereinander frei, nicht so 
dicht aneinander gedrängt, wie bei 
‚den Zwiebelknöllchen. Dasselbe Bild 
zeigt das über der Erde beäindliche Yo 


Regenerat bei Goebel ®*). Fig. 69. Achimenes hirsuta. Biatt- 
Die neu gebildeten Knöllchen stecklingmitZwiebelknölichenregenerat 


wurden nunmehr zum zweiten Male #' ne einem Blattzahm. © Callusbiläung 
abgenommen. 

Anfang Januar hatten diese Blätter neuerdings Zwiebelknöllchen 
erzeugt. Dritte Ernte. 

Anfang März waren noch 11 Blätter vorhanden, alle mit Knöll- 
chen, die dann im April austrieben, wobei die Mutterblätter zugrunde 
gingen. Auch die fünf Kontrollblätter, denen die Knöllchen belassen 
worden waren, waren bereits Ende Dezember zugrunde gegangen. 

Es hat demnach den Anschein, daß die Entfernung der Zwiebel- 
knöllchen als Reiz wirkt zur Erzeugung von neuen Knöllchen und viel- 
leicht auch zur Verlängerung des Lebens des Mutterblattes. 

Ein gänzlich anderes Verhalten zeigte jenes Blatt, welches von 
Anfang an keine Wurzeln bildete, auch späterhin nur eine starke 
Callusbildung an der Schnittfläche aufwies, Nachdem es so fast sechs 
Monate in Kultur gewesen war, zeigte sich Ende Dezember an der Spitze 
eines Blattzahnes eine stecknadelkopfartige Verdickung, welche sich Anfang 


60 J. Doposcheg-Uhldr, 


Januar zu einem Zwiebelknöllchen entwickelte, und nun direkt dem 
Blattzahne aufsaß (Fig. 69. 14 Tage später trat an einem anderen 
Blattzahn in der Nähe des bereits vorhandenen Knöllchens ein zweites 
auf, Wurzeln hatten sich noch immer nicht gebildet. 

Diese Tatsache ist nun deshalb von Interesse, weil sie zeigt, daß 
auch Blätter mit geringer Wasseraufnahme (durch die Epidermis auf- 
genommene Wassermengen können wohl nur minimale sein) und also 
auch ohne Aufnahme von Aschenbestandteilen Neubildungen produzieren 
können, was bis nun nur von Reservestoffbehältern (Knollen, Inter- 
nodien) bekannt war. Das Blatt, hatte eben durch die Assimilations- 
tätigkeit während der sechsmonatlichen Kulturzeit den Charakter eines 
Beservestoffbehälters erlangt. Da nun für das aufgestapelte Baumaterial 
an der normalen Abbaustelle an der Basis des Blattstieles scheinbar 
dureh irgendwelche innere Verhältnisse (Verstopfung der Leitbahnen) 
der Abfluß verhindert war, wurde an den Blattzähnen, wo ja Leitbündel 


endigen, eine günstige Aufbaustelle für die immer neu zufließenden 
Assimilate gefunden. 


Versuch 3. 


Regeneration an Sprossen nach Entfernung der Vegetationspunkte. 
Wasserkultur. 
(Naegelia hybrida.) 

Naegelia hybrida, ein Gartenbastard, erzeugt nicht wie Achimenes. 
hirsuta rundliche Knöllchen, sondern derbe bis 5 em lange Zwiebel- 
sprosse, An drei Pfianzen wurden die Sproßachsen soweit abgenommen, 
daß nur mehr zwei Blattpaare an derselben standen; es wurden ferner 
die Vegetationspunkte in den Blattachseln, die am Stamm in der Erde 
bereits angelegten Zwiebelsprosse und der untere Teil der Achse, an 
dem die Wurzeln saßen, abgeschnitten. Die so vorbehandelten Steck- 
linge wurden am 10. Mai in Nährlösung von der Crone gebracht. Als. 
Vergleichskultur dienten drei gleichweit entwickelte Pflanzen ebenfalls 
in Nährlösung von der Crone, welchen aber sämtliche Sproßvegetations- 
punkte belassen und nur die Achsenteile, an denen die Wurzeln saßen, 
entfernt worden waren. 

Schon nach 14 Tagen zeigten sich in der Lösung an Stelle der 
abgeschnittenen Zwiebelsprosse noch nicht differenzierte Sproßknospen, 
und am 21. Juni waren die Regenerate der Kultur ohne Vegetations- 
punkte in folgender Weise vorgeschritten: 

Pflanze I und II hatten an den Schnittflächen des untersten 
Knotens zwei dicke, an der Spitze verzweigte und etiolierte, bis 3 em 


> 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 61 


lange Laubsprosse gebildet, deren Blätter aber noch ganz rudimentär 
waren. 

Pflanze III hatte am untersten Knoten zwei ebensolche, aber 
nur 1 cm lange Sprosse, am nächst höheren Knoten drei halboffene 
Zwiebelsprosse. 

An der oberen Schnittfläche der Sprosse und in den Achseln der 
Blätter zeigte sich erst der Beginn einer noch nicht klar ausgesprochenen 
Regeneration. 

Es tritt hier also eine Bevorzugung der Regeneration an der 
Basis der Sprosse auf, au der die Sproßbildung, allerdings in Ver- 
bindung mit der Niederlage von Reservestoffen, weit vorausgeeilt war 
gegenüber der Regeneration an der Spitze der Stecklinge. 

. 22. Juli, einen Monat später, waren in der Lösung in den Achseln 
der bereits gebildeten Sprosse und höher oben am nächsten Knoten 
Knöllchen entstanden. Die bereits ‘erzeugten Sprosse waren nicht 
mehr weiter gewachsen, die Pflanzen waren im unteren Teile ihrer 
Achsen in das Knöllchenstadium übergegangen. Die Ursache dieser 
Veränderung konnte nicht festgestellt werden. 

Gleichzeitig waren an der oberen Schnittfläche des Sprosses zahl- 
reiche (bis zu 12 Stück) grüne, halboffene Zwiebelsprosse gebildet 
worden, deren Blättchen dicht behaart und eng gedrängt an der kurzen 
Achse standen. War im früheren Zeitpunkte in der Lösung eine Mittel- 
bildung zwischen Laubsproß und Reservestoffbehälter konstatiert worden, 
so zeigte sich nun auch hier ein Mittelding. Die Pflanzen hatten noch 
nicht die entscheidenden Bedingungen, um entweder direkt zur Laub- 
sproß- oder Knöllchenbildung überzugehen. 

Da Pflanze II in der Mitte der Sproßachse anfaulte, wurde der 
kranke Teil abgeschnitten und die obere Hälfte mit den Blättern in 
Erde übersetzt. 

Die Vergleiehskultur, welcher die Vegetationspunkte belassen 
worden waren, hatte an dem über Wasser befindlichen Teile ihr vegeta- 
tives Wachstum fortgesetzt, die Achse verlängert und neue Blätter 
entwickelt. An den in der Lösung befindlichem Teile der Pflanze I 
befanden sich fünf 1—1°/, cm lange, normal entwickelte, nichtverdiekte 
Sprosse. An den Teilen der Pflanze II und III war erst der Beginn 
von Regeneraten zu bemerken. Dieses Verhalten der Pflanze I tritt 
im Gegensatz zu dem Verhalten der Sprosse in Erdkultur, wo die 
unter der Erde befindlichen Teile der Sproßachsen immer nur Zwiebel- 
sprosse erzeugen. Diese Tatsache bildet den Ausgangspunkt für eine 


Reihe später folgender Versuche. 


62 J. Doposcheg-Uhlär, 


Anfang September hatte der angefaulte und in Erde über- 
setzte Steckling II die grünen Knöllchen zu 2 cm langen walzenförmigen 
Blattäbren weiter entwickelt, die sich an der oberen Schnittfläche in 
Form eines großen Sternes ausbreiteten (Fig. 70) und Ende Oktober 
erst war eine dieser Ähren zu einem normalen Sprosse weitergewachsen, 
der nun die Hauptachse fortsetzte und bereits zwei normal entwickelte 
Blattpaare aufwies, Auch die Blättchen an der Spitze der anderen 
Ähren hatten an Blattfläche gewonnen, doch war das Streckungswachs- 
tum nicht eingetreten (Fig. 71). Daß dieses unterblieb, ist wohl darauf 

zurückzuführen, daß der 
Vegetationspunkt des 
neuen Hauptsprosses — 
sowie dies Goebel?) 
für Bryophyllum nach- 
wies — alle verfügbaren 
Baustoffe für sich in 
Anspruch nahm und so 
das Wachstum der an- 
deren Sprosse hemmite. 
. Da dieser Steckling 
ohne alle Wurzeln in 
die Erde übersetzt wor- 
den war, darf man wohl 
auch hier annehmen, 
daß der Mangel des 
Wurzelsystems und der 
damit verbundene Man- 
gel an Aschenbestand- 


teilen das lange Zurück- 


Fig. 70. Naegelia hybrida. Sproßsteckling mit walzen- bleiben auf dem zwiebel- 
förmigen Sproßregeneraten aus der oberen Schnitt- . ß 
fläche, Nat. Gr. sproßartigem Stadium 


der Regeneratebedingte. 
Erst nachdem sich das Wurzelsystem ausgebildet hatte, konnte der 
eine Sproß seine Achse verlängern und zu normalem Wachstum über- 
gehen. 

Um dieselbe Zeit (Ende Oktober) waren an den in der Lösung 
verbliebenen Pflanzen I und II die an der oberen Schnittfläche be- 
findlichen Blattknöllchen geöffnet; sie zeigten nunmehr eine büischel- 
förmige Anordnung, ohne daß sie ihre Achsen gestreckt hatten (Fig.72). 
Im Raume zwischen Kork- und Lösungsoberfläche befanden sich Zwiebel- 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 63 


knöllchen, von denen zwei an der Spitze wieder in Sproßbildung 
eingetreten waren. — Die an der Basis entstandenen Sprosse waren 
verfault. 

“ Die Vergleichskultur mit Vegetationspunkten zeigte zu diesem 
Zeitpunkte an den Hauptachsen Blütenstände, deren Blüten knapp vor 
der Anthese standen. Auch in den Blattachseln befanden sich ca. 2 cm 
lange Blütenstandanlagen. An den in der Lösung befindlichen Achsen- 
teilen saßen auch hier Knöllchen, nachdem die früher erzeugten Sprosse 
verfault waren. 

Wenn wir die Ergebnisse dieses Versuches üherblicken, so 
fällt besonders auf, daß zu Beginn der Kultur an den in der Lösung 
befindlichen Teilen der 
Sproßachse, sowohl bei 
den Stecklingen ohne 
als auch bei den- 
jenigen mit Vegeta- 
tionspunkten, Sprosse 
regeneriert wurden: 
Hierbei zeigte sich der 
Unterschied, daß im 
ersteren Falle die Re- 
generateabnormaldick 
und mit Reservestoffen 
angefüllt waren, wäh- 
rend im zweiten Falle 

die regenerierten 
Sprosse den gewöhn- 


lichen Typus etio- 


ü Fig. 71. Naegelie hybrida. Dieselbe Versuchapflanze 
ierter Dunkelsprosse wie in Fig. 70. Nur ein Sproßregenerat entwickelte sich 
zeigten. Abgesehen weiter. Nat. Gr. 


davon, daß die Laub- 

sproßbildung in der Lösung gegenüber der Knöllchenbildung in der 
Erde überhaupt als Novum in die Erscheinung trat, kann man sich 
den Unterschied in der Ausbildung der Sprosse wieder durch die 
An- oder Abwesenheit der Vegetationspunkte erklären. In dem 
einem Falle arbeitete der Chlorophyllapparat hauptsächlich für die an 
der Basis zuerst entstandenen Vegetationspunkte und erst später auch 
für die an der oberen Schnittfläche aufgetretenen Sproßregenerate, 
während im anderen Falle die Assimilate sowohl die bereits vorhan- 
denen als auch die erst später an der Basis aufgetretenen Vegetations- 


64 J. Doposcheg-Uhlär, 


punkte versorgen müssen. Daß bei den vegetationspunktlosen Steck- 
lingen die Regenerate zuerst in der Lösung auftraten und so eine be- 
‘ deutende Bevorzugung der Basis gegenüber der Spitze entstand, kann 
“man sich vielleicht damit erklären, daß an den Verwundungsstellen (am 
basalen Sproßende und an den Knoten) die anorganischen Baustoffe in 
erster Linie zur Verfügung standen und daselbst eben den Anlaß zu 
Neubildungen gaben. 


Versuch 4. 


Vergleichende Stecklingskultur 
in Nährlösung, Leitungs- und Schneewasser. 


{(Achimenes Haageana.) 


Gleichzeitig mit dem vorhergehenden Versuche wurden (10. Mai) 

auch vier Pflanzen von Achimenes Haagesna in Nährlösung von der 
' 'Crone gebracht. Die 

Versuchspflanzen waren 
8—10 em hoch, mit 
ca.2 mm dicken Sproß- 
achsen; in den Blatt- 
achseln hatten sich ab- 
-norımerweise bereits 
Knöllchen entwickelt. 
Diese sowie die Blätter 
der unteren Stämmehen- 
hälfte wurden entfernt. 
Das Glasgefäß war, wie 
bei allen Wasserkul- 
turen, verdunkeli. Am 
‚24 Mai waren an 
Stelle der entfernten 
Zwiebelknöllchen Blü- 
tenknospen aufgetre- 
ten (vielleicht aus la- 


5 A 2, Naogalin ybrida, Steckling in Nährlösung tenten Anlagen), von 

altivie: ier Raum zwischen Kork und Lösungs- j 

oberfläche, 2 Lösung, Z Zwiebelknöllchen im Begriffe denen einzelne gerade 
auszutreiben. °/, nat. Gr, vor der Anthese stan- 


den. An den unter- 
getauchten Teilen befanden sich an den Schnittstellen zahlreiche etio- 


lierte Sprosse.. Während also die Pflanzen durch die Topfkultur 
oder infolge mangelhafter Funktion der Wurzeln vor dem Versuche 


rn 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 65 


im Stadium der Kuöllchenbildung gestanden waren, hatte die veränderte 
Kultur in der Nährlösung die Bedingungen zur Blüten- und Sproß- 
bilduug geschaffen. j 

"Dabei könnte man allerdings auch denken, daß nicht die eben 
genannte veränderte Kultur, sondern die Abtrennung der Knöllchen 
diese Veränderung herbeigeführt habe. 

Eine ganz überraschendes Bild zeigten diese Kulturen bei der 
Untersuchung am 18. Juni. Die Blütenknospen waren in der drei- 
wöchentlichen Kulturzeit 
nicht weiter vorgeschritten, 
sie waren geschlossen ge- 
blieben und entwickelten 
sich auch in der Folge nicht 
mehr weiter. Die Sproß- 
spitzen von drei Pflanzen 
hatten sich in Zwiebel- 
knöllchen umgewandelt 
und bei allen vier Pflanzen 
waren in den Blattachseln 
zahlreiche Knöllchen auch 
neben den geschlossenen 
Blütenknospen entstanden. ' 
Im Glasgefäße, welches 
nicht voll angefüllt war, 
so daß zwischen Kork- 
und Lösungsoberfläche ein 
ea. 3 cm hoher, freier 
Rauiı sich befand, waren 
in letzterem an den Sproß- 


‚achsen ebenfalls Knöll- Fig. 73. Achimenes Haageana. Steckling in Nähr- 


I lösung. Im freien Raume 4 entstanden Knöllchen, 
chen aufgetreten. Der un in der Lösung 3 Sprosse, an der Grenze der 
der Lösung befindliche fiässigkeitsoberfläche s Mittelbildungen. %/, nat. Gr. 


Teil der Sproßachsen war 
im Gegensatze zu den anderen Teilen derselben auf der Sproß- 


bildung beharrt. Nur in der Nähe der Flüssigkeitsoberfläche zeigten 

sich Übergangsformen zwischen Knöllchen und Sproß in Gestalt vom 

halbgeöffneten Knöllchen, oder es waren die bereits entwickelten 

Sprosse an der Spitze in Knöllehenbildung eingetreten (Fig. 73). " 

Wodurch diese Umstimmung vom klühbaren Stadium zum Stadiem 

der Knöllchenbildung hervorgerufen wurde, nachdem letzteres ja vor 
Flora, Ba. 102. 5 


66 3. Doposcheg-Uhlär, 


Beginn der Kultur vorhanden gewesen war, konnte nicht ermittelt 
werden, da ja die Pflanzen scheinbar immer unter denselben Kultur- 
bedingungen gehalten wurden. 

Das Übergehen der an Luft befindlichen Sproßspitzen in Zwiebel- 
knöllchen erinnert an dieselbe Erscheinung im Versuch 2, wo die von 
den Mutterblättern abgetrennten Sprosse bei der Kultur in Erde ihre 
Gipfel ebenfalls in Zwiebelknöllchen umwandelten. Auch bei diesem 
Versuche trat ferner in Erscheinung, daß in der Lösung anfänglich 
Sprosse regeneriert wurden, im Gegensatz zur Erdkultur, wo Knöllchen 
entstehen. Hier fällt auch noch die Tatsache auf, daß an der Grenze 
zwischen Lösung und dem freien Raume über derselben Mittelbildungen 
entstanden. 

Um diesen Unterschied etwas klarer zu legen, wurde der Versuch 
dahin erweitert, daß je drei Pflanzen von Achimenes Haageana in 
Leitungs- und Schneewasser gebracht wurden (Schneewasser wurde 
verwendet, um die Giftwirkungen des destillierten Wassers zu ver- 
meiden). Gleichzeitig wurde eine aus drei Pflanzen bestehende Kontroll- 
kultur in Nährlösung angesetzt. 

Am 22. Juli zeigten die Pflanzen dieser Versuchsreihe in den 
Blattachseln Blütenknospen, und an den eingetauchten Achsenteilen 
noch nicht differenzierte Sproßanlagen, nur mit dem Unterschiede, daß 
die Blütenknospen der Nährlösungskultur viel weiter entwickelt waren, 
als die der Kulturen in Leitungs- und Schneewasser. 

Bei den Pflanzen des ursprünglichen Versuchs war zu diesem 
Zeitpunkte die Knöllchenbildung in den Blattachseln und in freiem 
Raume unter dem Kork fortgeschritten, es standen vier bis fünf 
Knöllchen in einer Blattachsel. Unter dem Korke hatte sich an einer 
Pflanze ein Knöllchen an der Spitze gestreckt, so, als ob es zu einem 
Sprosse weiter wachsen wollte, war aber dann wieder zur Knöllchen- 
bildung zurückgekehrt, so daß sich zwei Knöllchen an einer Achse be- 
fanden. In der Lösung war dasselbe Verhältnis wie vorher, mit der 
Ausnahme, daß an einer Pflanze nunmehr auch an der Basis des 
Sprosses ein großes Knöllchen sich gebildet hatte. 

Am 3. September boten sich in der zweiten Versuchsreihe (vom 
18. Juni) folgende Verhältnisse dar: 

Die Pflanzen in Nährlösung standen in voller Blüte; eine 
Pflanze wies neben den Blüten in den Blattachseln auch Zwiebel- 
knöllchen auf. An den Spitzen befand sich kein Knöllchen. An den 


untergetauchten Achsenteilen waren Sprosse vorhanden, drei bis vier 
an Zahl. 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 67 


Die Leitungswasserpflanzen hatten in den Blattachseln erst Blüten- 
knospen angesetzt, Knöllchen waren nicht aufgetreten. In der Lösung 
waren Sprosse entwickelt, die allerdings kurz gestaucht waren und die 
Blätter eng gedrängt aneinander hatten, also wiederum eine Mittel- 
bildung zwischen Laubsproß und Knöllchen darstellten. 

Bei den’ Schneewasserpflanzen zeigte sich die Blütenentwicklung 
wie vorher, Luftknöllchen waren nicht vorhanden, dafür aber waren im 
Wasser an den Achsen zahlreiche bis 1%/, em lange Knöllchen auf- 
getreten. . 

Es wäre somit hierdurch der Beweis erbracht, daß die Konzen- 
tration der Nährstoffe einen Einfluß darauf hat, ob die in der Lösung 
entstehenden Regenerate zu Laubsprossen oder zu Zwiebelkuöllchen 
werden. In welcher Weise dieser Einfluß wirksam werden kann, wird 
erst am Schlusse dieser Versuche erörtert werden. 

An der Schneewasserkultur fiel ferner auf, daß das Wurzelisystem 
der Pflanzen außerordentlich reich und schön entwickelt war, vielleicht 
drei bis viermal so reich wie an den Pflanzen der anderen Kulturen. 
Ganz besonders zeigten an den Enden der Wurzeln die Wurzelhaare 
eine ganz enorme Ausbildung; sie umgaben die Wurzeln in einer Länge 
von 2 cm als ein dichtgedrängter Pelz, während in den anderen Kul- 
turen Wurzelhaare gar nicht oder nur in sehr geringem Maße gewachsen 
waren, wie dies bei Wasserkulturen vorkommt [Jost?)]. Eine ähn- 
liche Erscheinung beobachtete Benecke?"), indem er eine Wachstums- 
steigerung der Wurzeln in nährstoff‘, besonders stickstoffarmen Böden 
feststellte, ebenso wie auch Snell?®) bei Ranunculus fluitans. 

Die Pflanzen des Anfangsversuchs wiesen um diese Zeit keine 
besondere Veränderung auf, sie gingen im Laufe des Herbstes von 
oben her zugrunde. 


Versuch 5. 
Stecklingskultar in Nährlösung bei Herabsetzung der Transpiration. 
(Achimenes Haageana). 


Um einen eventuellen Einfluß der verminderten Transpiration auf 
die Laubsproß- und Knöllchenbildung zu beobachten, waren gleichzeitig 
mit der zweiten Kulturserie des vorhergehenden Versuchs (18. Juni) 
sechs Pflanzen von Achimenes Haageana, welche nur erst den Chloro- 
phyllapparat entwickelt hatten und noch keine Knöllchenbildung zeigten, 
in Nährlösung gebracht und über die Kulturgefäße große Glasglocken 
gestülpt worden. ° Als Vergleichskultur ohne Glasglocke diente die Ver- 


gleichskultur des vorigen Versuches. 
5* 


68 J. Doposcheg-Uhlär, 


Am 22. Juli hatte sich außerhalb der Lösung nur das Sproßwachstum 
weiter entwickelt, während die Vergleichskultur Blütenknospen aufwies; 
von denen einzelne dem Aufblühen nahe waren. In der Lösung waren 
bei beiden Kulturen Sproßanlagen entstanden, von welchem in der 
Kultur mit Glecke drei bereits zu Sprossen ausgewachsen waren. 

7. September. In der Kultur mit Glocke konstatierte ich, daß 
die oberirdischen Sproßachsen sieh verzweigt hatten, reich im Laube 
standen und die Internodien langgestreckt waren. In der Lösung be- 
fanden sich dicht gedrängt zahlreich. 
etiolierte Sprosse. - Alse weder 
Blüten noch Knöllchenbildung, 
während die Vergleichskultur ohne 
Glocke um diese Zeit in voller Blüte 
stand und eine Pflanze in den Blatt- 
achseln auch Knöllchen gebildet hatte. 
In der Lösung waren ebenfalls nur 
Sprosse. i 

Die bisherigen Resultate machten 
die Annahme wahrscheinlich, daß die 
Herabsetzung der Transpiration die 
Blüten- und Knöllchenbildung hintan 
halte, das vegetative Sproßwachstum 
aber fördere. 

Am 7. Oktober zeigte sich 
bei den Kulturen unter der Glas- 
glocke an einer Pflanze im freien 
Raume zwischen Lösung und Kork 
ein großes Knöllchen, und die unter 
Wasser befindlichen Sprosse waren 
auch im Begriffe an der Spitze 
a Ale \ in Knöllchenbildung einzutreten (Fig. 
a en langoana: Kultar 74). An der außer dem Gefäße 

befindlichen Achse waren noch keine 
Kuöllchen zu sehen, wohl aber zeigten sich an derselben zahlreiche 
Wurzeln. - 

Die Vergleichskultur hatte bereits abgeblüht und an allen Pflanzen 
waren zahlreiche Knöllchen in den Blattachseln vorhanden. 

Eine der beiden unter Glasglocken gestandenen Kulturen wurde 


nunmehr (7. Nowember) ohne Glasglocke weiter kultiviert, die andere 
unter der Glocke belassen, . 


Studien zur Regeneration und Poiarität der Pflanzen, 69 


Nach 3 Wochen hatten die Pflanzen der ersteren Kultur (ohne 
Glocke) in den Blattachseln zahlreiche Knöllchen. In der Lösung waren 
an der Achse neue Knölichen entstanden und auch die Sprosse beugten 
sich unter der Last ihrer stattlichen Gipfelknöllchen. Es ist dies also 
dasselbe Resultat, wie in der Vergleichskultur. 

Die Kultur mit Glasglocke war in dieser Zeit leider eingegangen, 
so daß ein abschließendes Urteil über den Einfluß der Transpirations- 
herabsetzung durch diesen Versuch nicht gefällt werden konnte. 


Versuch 6. 
Vergleichende Kultur von Sproßstecklingen in Lösung und Erde. 
(Naegelia hybrida.) 

Um die hinsichtlich der Sproß- und Knöllchenbildung bis jetzt 
gemachten Erfahrungen zu überprüfen, wurden Hälfte September 
noch vergleichende Versuche mit Stecklingen in Erde und Nährlösung 
angestellt; speziell auch aus dem Grunde, weil um diese Zeit die 
Pflanzen das Sproßwachstum einstellen und ausschließlich Zwiebel- 
knöllchen erzeugen. Benützt wurde die im Münchener botanischen 
Garten noch zur Verfügung stehende Naegelia hybrida, welche sich 
dadurch charakterisiert, daß ihre Hauptachse eine Blütentraube bildet. 
Die Pflanzen waren kräftig entwickelt, jedoch noch mit geschlossenen 
Blüten. Auch in den Blattachseln befanden sich ca. 1 em lange An- 
lagen zu Blütenständen. In der Erde waren bereits Knöllchen auf- 


getreten. 

Die Versuchspflanzen wurden an der Basis soweit abgeschnitten, daß 
sich an denselben keine Wurzel mehr befand; je drei Pflanzen wurden 
in Nährlösung von der Crone gebracht, drei Pflanzen in Erde gesteckt 
und beide Kulturen unter sonst gleichen äußeren Bedingungen gehalten. 

Einen Monat später (17. Oktober) hatten sich an der Wasser- 
kultar von der Schnittstelle und auch von den Internodien aus kräftige, 
lange Wurzeln gebildet. Gleichzeitig war die Spitze des Blütenstandes 
(Goebel®) im Begriffe sich in ein Zwiebelknöllchen umzuwandeln. 
Diese letztere Erscheinung zeigte sich auch an den Blütenständen der 
Erdkultur. Die obersten Deckblätter der Blütenknospen waren mit 
‚Reservestoffen angefüllt, verdickt, die Weiterbildung der innerhalb der- 
selben befindlichen Blütenknospen unterblieb. Die tiefer unten stehenden 
schon weiter vorgeschrittenen Blütenknospen vertrockneten, sie schienen 
gar keine Baustoffe mehr zu erhalten, es wurde alles zur Knöllchen- 


bildung mobilisiert. 


70 J. Doposcheg-Uhlsr, 


24. November. Auch die Spitzen der Nebenblütenstände waren 
zu Knöllchen weiter gewachsen und teilweise größer geworden als die 
des Hauptblütenstandes, An den Sproßachsen in der Lösung wuchsen 
aber die früher schon aufgetretenen Knospenanlagen zu Laubsprossen 
weiter, es befanden sich deren zwei bis drei an jeder Pflanze. 

Es ist also wiederum zu einer Zeit, wo die Pflanze an sämtlichen 
Vegetationspunkten an der Luft in Knöllchenbildung sich befand, in 
der Lösung Sproßbildung aufgetreten (Fig. 75). . 

Bei Untersuchung 
der Erdkultur zeigte es 
sich, daß im Gegen- 
satze zur Wasserkultur 
an der Basis und den 
Internodien der Sprosse 
1!/, em lange Zwiebel- 
knöllchen vorhanden 
waren, das gewöhn- 
liche Verhalten dieser 
Pflanzen. . 


Versuch 7. 


Vergleichende Kultur 
von Blatistecklingen ia 
Lösung und Erde. 


(Naegelia hybrida.) 


Zur selben Zeit wie 
im Versuche vorher wur- 


de noch ein Parallelver- 


Fig. 75. Naegelia hybrida. Sproßsteckling in Nähr- i . 
lösung. X—-K, grüne Knöllchen, S Laubsprosse. such mit Blattsteck- 
Y, nat. Gr. lingen dieser Pflanze 


angestell. Es wurden 
sechs Blätter in Nährlösung gebracht und ebenso viele in Erde 
gesteckt. 

Ende November waren an den Wasserkulturen zahlreiche etio- 
lierte Sprosse zu sehen, an den Erdkulturen. traten bei allen Steck- 
lingen Knöllchen in Erscheinung, wie sie ja auch schon bei den Kul- 
turen des vergangenen Jahres aufgetreten waren, und wie sie auch 


schon Goebel®) bei seinen vergleichenden Versuchen beobachtet 
hatte (Fig. 76 a, 8.) 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 7 


Versuch 8. 
Blütenstandsteckling ohne Blätter in Nährlösung. 
(Naegelia hybrida.) 

Die Blütenstände von drei Pflanzen (ohne Laubblätter) wurden 
17. September.in Närlösung gestellt. Nach 2 Wochen wurden 
die Spitzen derselben zu Knöllchen. Diese terminalen Knöllchen trieben 
bei zwei Stecklingen aus der Achsel eines Knöllchenblattes ein Seiten- 
knöllchen, bei der dritten Pflanze entstanden deren zwei. Aber auch 
weiter unten im Blütenstande war in der Achsel des Tragblattes einer 
noch nicht offenen Blüte ein Knöllehen entstanden. 

Bei diesem Ver- 
suche ergab sich ein 
bemerkenswerter Unter- 
schied gegenüber der 
Wurzelbildung bei den 
Stecklingen des Ver- 
suches 6. ‘Während bei 
dem letzteren schon 
einen Monat nach Be- 
ginn des Versuches ein 
kräftiges Wurzelsystem 
regeneriert worden war, 
konnte in der neuen 
Kultur erst nach 2 Mo- 
naten bei einem Steck- 
ling eine nur 5 mm 
lange Wurzel konsta-. 
tiert werden, und auch 


bis Mitte Dezember, wo Kir. 760. Naogeli vn ;da. Blatistocklinz, in Nähr 
i s ig. 76a. Naegelia rida. Blatisteckling, in - 
die Steeklinge von unten ® lösung, Tegenerierte Laubsprosse. Nat. Gr. 


her zu faulen begannen, , 
war keine neue Wurzel aufgetreten, und auch die eben erwähnte Wurzel 


war nur 2 cm lang geworden. 
Da in diesem Versuche die Stecklinge sich ohne Biätter befanden, 


im Versuch 6 dieselben aber vorhanden waren, so kann man wohl 
das Ausbleiben der Wurzelbildung mit dem Fehlen des Assimilations- 
apparates in Verbindung setzen. 

Es erinnert diese Tatsache auch an die Versuche mit Begonia 
diseolor. Die Internodien dieser Pflanze, obwohl sie in feuchtem Hafen 


12 J. Doposcheg-Uhlär, 


hingen, regenerierten niemals Wurzeln. An den mit Blättern ver- 
sehenen Sproßachsen des Zweischnittversuches aber entstanden in der 
nur mäßig feuchten Luft des Glashauses sehr bald und zahlreiche 
Wurzeln in der Nähe der Schnittstellen, 


Ursachen der Laubsproß-Regeneration in Nährlösung und 
Zwiebelknöllchenbildung in Erde. 


Wenn man nach den Ursachen dieser Verschiedenheit hinsichtlich 
der Regeneration fragen will, so muß zuerst: festgestellt werden, welche 

ö Unterschiede in den beiden Medien, 
Lösung und Erde, bezüglich der 
den Pflanzen sich darbietenden Er- 
nährungsverhältnisse herrschen. Es 
ist bekannt, daß bei Wasserkulturen 
eine Hemmung der Transpiration 
stattfindet, daß freier Sauerstoff und 
Kohlensäure in bedeutend geringeren 
Quantitäten zur Verfügung stehen, als 
bei der Erdkultur. Da diese Ver- 
hältnisse aber sewohl bei den Kulturen 
in Nährlösung, als auch bei den in 
Leitungs- und Schneewasser dieselben 
sind, und dennoch in dem einen Falle 
Laubsprosse, im anderen Knöllchen. 
Fig. 762. Naegeliahybrida. Blattstgck. Gebildet werden, so kann man die 
ling, in Erde, regenerierte Zwiebel. eben angeführten Unterschiede bei 

Inöllchen. Nat. Gr. der Frage nach den Ursachen wohl 

außer Betracht lassen. 

Ein weiterer Unterschied hinsichtlich der dargebotenen Baustoffe 
liegt darin, daß in der Lösung diese Baustoffe in konzentrierter Form 
aufnahmsbereit vorhanden sind, während in Erde einzelne Stoffe zum 
Teile erst durch das Ausscheiden des Wurzelsekrets in lösliche Form 
gebracht werden müssen. Es sind also für die Stecklinge in Erde 
in dieser Hinsicht, so lange sie noch keine Wurzeln haben, ähn- 
liche Verhältnisse vorhanden, wie für die Stecklinge im Schneewasser, 
obwohl in der Erde genügend, im Schneewasser fast gar keine Nähr- 
stoffe vorhanden sind. Da nun aber in der Nährlösung das Nährmaterial 
in Form einer mehr oder weniger konzeutrierten Salzlösung vorhanden 
ist, kann diese auf osmotischem Wege die Ernährungsbedingungen des 
Stecklings je nach dem Grade ihrer Konzentration in verschiedener 


DEE EEE TE EEE EEE EEE ABER ET 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen, 73 


“Weise beeinflussen. Nehmen wir an, der Steckling werde von einer 


Pflanze ‚genommen, die sich bereits im Stadium der unterirdischen 
Knöllchenbildung befand. Die von den Blättern gebildeten Assimilate 
(also hier, da die Knöllehen sehr stärkereich sind, besonders Zucker) 
müssen zum Zwecke der Knöllchenbildung nach abwärts geleitet werden. 
Da der Steckling sowohl an seiner Basis eine große Schnittfläche als 
auch an den Knoten, wo die Blätter standen, ebenfalls Wundstellen 
besitzt, so kann durch diese Tore die Nährlösung die Ernährung der 
Pflanze in verschiedener Weise beeinflussen. Es können die anorgani- 
schen Elemente durch Saugung aufgenommen werden, aber sie können 
auch, wenn die Außenkonzentration eine größere ist, als die Konzen- 
tration im Inneren der Gewebe auf den Inhalt derselben eine’ noch 
ganz andere Wirkung ausüben. 

Hansteen2) und Puriewitsch-%) wiesen nach, daß aus kei- 
menden Samen, wenn man ihnen den Keim wegnimmt, ferner aus 
Knollen, Rhizomen, sogar aus Zweigen Zucker aus dem offenen Ge- 
webe in die umgebende Flüssigkeit diffundierte, daß dieses Ausströmen 
aber wieder zum Stillstamde kam, wenn die Außenkonzentration der 
Zuckerlösung der inneren die Waage hielt. Allerdings konnte Purie- 
witsch bei keimenden Samen durch Kochsalz und Kalisalpeterlösungen 
den Austritt von Zucker auch verhindern. 

An eine ähnliche Beeinflussung durch die Konzentration der 
Nährlösung wäre bei den Gesnerastecklingen zu denken; dieselbe müßte 
auf die Stoffleitung derart einwirken, daß es unmöglich würde, in dem 
neu regenerierten Sprosse die Ansammlung von Assimilaten und die 
Umbildung derselben zu einem Reservestoffbehälter zu veranlassen. 
Aber auch, wenn die Wundflächen bereits geschlossen wären, so ist ja 
eine Beeinflussung der Innenkonzentration durch die Außenkonzen- 
tration noch immer mittels der neu entstandenen Wurzeln möglich, 
welche ja in Nährlösungen vielfach keine Wurzelhaare ausbilden, sondern 
die Nährstoffe dnrch die Epidermis der Wurzeln aufnehmen, oder ihnen 
auch durch dieselben einen Austritt gestatten müßten. Da übrigens 
auch die Cutieula der Blätter eine gewisse Permeabilität aufweist, wie 
Molisch 1) an den Blättern von Helianthus nachwies, könnte man 
daran denken, daß eine Beeinflussung des Plasmas auch durch die 
Cuticnla des jungen, in der Nährlösung untergetaucht wachsenden 
Sproßregenerates erfolgt. Daß infoge der Wasserkultur nicht nur or- 
ganische Baustoffe, sondern auch Aschenbestandteile aus der Pflanze 
austreten können, wäre bei der in Rede stehenden Frage ebenfalls in 


Erwägung zu ziehen (Wilfahrt®*), Deleano®”,. 


74 J. Doposcheg-Uhlär, 


Nachtrag. Nach Abschluß vorliegender Ausführungen — Ende 
Februar 1910 — fand ich in den jüngst erschienenen Arbeiten von 
Noel Bernard: L’&volution dans la Symbiose ®®) und Burgeff: 
Die Wurzelpilze der Orchideen®), daß sich die genannten Forscher 
gleichfalls mit dem Problem der Knollen und Laubsproßbildung durch 
verschieden konzentrierte Nährlösungen beschäftigt hatten. 

Bernard hatte Kartoffelsprosse nach Entfernung des Sproßvege- 
tationspunktes und der Blätter in verschieden konzentrierten anorgani- 
schen und organischen Nährlösungen kültiviert und gefunden, daß die 
Blattachselknospen in Lösungen über einer gewissen „concentration 
eritique“ sich zu Knöllchen, unter derselben aber zu Laubsprossen 
ausbildeten. 

Auch Burgeffs Nährversuche zu Orchideenkeimpflanzen zeigten, 
daß der Gehalt- des Substrates an Nährsalzen die Form der Pflanzen 
bestimmte, daß bei hoher Konzentration Knollenbildung und gedrungene 
Wachstumsform, bei geringer Konzentration (Regenwasser) langgestreckte 
Wachstumsform und nur Anfänge zur Knollenbildung auftraten. — 

Diese Resultate stehen im Gegensatz zu denjenigen meiner Unter- 
suchungen, welche zeigen, daß in höher konzentrierten Salzlösungen Laub- 
sprosse, in niedriger konzentrierten (Schneewasser) Knölichen entstehen. 

Vergleicht man nun die Versuchspflanzen dieser drei Unter- 
suchungen, so findet man sogleich, daß Noel’s Solanumstecklinge gar 
keinen, Burgeff’s Orchideenkeimpflanzen einen noch sehr unentwickel- 
ten Chlerophyllapparat aufweisen, während meine Achimenespflanzen 
ein wohlausgebildetes Laubblattsystem besitzen, dessen Assimilations- 
tätigkeit jedenfalls andere Verhältnisse schafft, als sie in den früher 
genannten Versuchen vorhanden waren. 

Um meine Resultate zu überprüfen, wurden in diesem Sommer 
zwei Kulturreihen (Achimenes Haageana — Naegelia hybrida) mit Lö- 
sungen von. der Crone — normal, "/,, 1/,, Y/ı0 normal und destilliertem 
Wasser (8000 Volt) aufgestellt. 

Die Ergebnisse waren dieselben wie das Jahr vorher, nämlich 
Laubsproßbildnug bei der hohen Konzentration und Knöllchenbildung 
bei geringer Konzentration, 

Bei mittleren Konzentrationen traten gestauchte Laubsprosse, 
Mittelbildungen zwischen Knöllchen und Laubsprossen auf, wie sie sich 
auch schon vergangenes Jahr gezeigt hatten. 

Wie weit überdies bei diesen Resultaten das Vorhandensein oder 


die Abwesenheit eines ausgebildeten Wurzelsystem von Einfluß ist, 
müßte noch näher untersucht werden. 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen, 75 


Als ich heuer anfangs April eine Anzahl Sproßstecklinge von 
Begonia- discolor (15 em lang) zu Vermehrungszwecken machte, fand 
ich nach 2 Wochen bei zwei Stecklingen, deren Blätter welk herab- 
hingen, in den Achseln’ derselben Luftknöllchen bis zu 1 cm Länge. 
Im normalen Entwicklungsverlaufe treten .diese erst im Herbste in 
Erscheinung. 

Die nähere Untersuchung der genannten Stecklinge zeigte, daß 
sie in der Erde keine Wurzeln produziert hatten, während die anderen 
in demselben -Kulturgefäße befindlichen Steeklinge von normalen Wuchs 
sich bereits bewurzelt hatten. 

Bei scheinbar gleicher Konzentration der Nährstoffe im Substrat 
muß also hier. die Knöllchenbildung durch den Mangel an Wurzeln 
verursacht worden sein, der eben wieder bewirkte, daß infolge der 
wahrscheinlich nur sehr geringfügigen Wasseraufnahme durch die Epi- 
dermis des Sprosses und die durch Schnittfläche für diese zwei Pflanzen 
die Konzentration an Nährstoffen eine sehr niedrige wurde. 

-Daß auch die Temperatur bei denselben Konzentrationsverhält- 
nissen hinsichtlich der Laubsproß- und Knöllchenbildung von Einfluß 
sei, zeigte Vöchting), indem er bei der Kartoffel Knollenbildung 
bei hoher (Austrocknung), Laubsproßbildung bei mittlerer Temperatur 
erreiehte. - - - ’ 

32 Im’ übrigen trat auch bei meinen heurigen Kulturen gleichzeitig 
mit der- Bildung -von Laubsprossen in der Lösung die Produktion von 
grünen Luftknöllchen in den Laublattachseln in Erscheinung. 

Die heuer in anderen Kultuflüssigkeiten angestellten Versuche 
bedürfen noch neuerlicher Überprüfung. 


Versuch 9. 


Die Bildung von Zwiebelknöllchen durch ein Wuchsenzym 
experimentell hervorzurufen. 
(Gesnera graciosa.) 

Wakker 5) hatte gefunden, daß an den Blättern von Begonia. 
discolor, wenn man sie im Herbst zu Regeneration veranlaßt, nicht 
Laubsprosse, wie im Frühjahr und Sommer, sondern Knöllchen ent- 
stehen. Die Mutterpflanze ist zu dieser Zeit schon in das Stadium 
der Knolienbildung eingetreten, die in den Blättern gebildeten Assi- 
milate werden nicht mehr zur Sproßbildung verwendet, sondern in 


Form von Reservestoffen abgelagert. 
Auch Goebel) hatte bei seinen Steckliugsversuchen mit den 


Achimenesblättern ein ähnliches Resultat erreicht. Von 30 im Herbste 


76 J. Doposcheg-Uhlär, 


gesteckten Blättern hatten 26 Zwiebelkmöllcken regeneriert, während 
Blattstecklinge im Frühjahr nur Laub- oder Blütensprosse erzeugten. 

Goebel34) bespricht den oben genannten Versuch Wakker's und 
nimmt an, „daß die Knollenhildung bedingt werde durch eine in den 
Blättern entstehende Verbindung, die man mit Beyerink als ein 
Wuchsenzym bezeichnen könnte. Dieses Wuchsenzym veranlaßt . die 
Sprosse sich als Knöllchen auszubilden und da es sich gegen den 
Herbst hin besonders stark ausbildet, muß auch bei der Regeneration 
die genannte Erscheinung auftreten. Ehe es gelingt ein solches 
Wuchsenzym zu isolieren und mittels desselben Sprosse zur Umbildung 
zu Knöllchen zu bringen, ist die Annahme natürlich ein bloßer Ver- 
gleich des Vorganges mit anderen, z. B. bei den Gallenbildungen auf- 
tretenden, aber es erscheint mir durchaus nicht unwahrscheinlich, daß 
wir solche Wuchsenzyme wirklich werden gewinnen können“. 

Die eben geschilderte Annahme gab Anlaß zu dem Versuche: 
Aus im Herbst gesammelten Zwiebelknöllchen von Gesnera graciosa 
mittels Glyzerin ein hypothetisches, 'knöllchenbildendes Enzym auszu- 
ziehen und mit diesem dann im Frühjahr abgeschnittene Blätter auf 
experimentellem Wege zur Knöllchen-, anstatt Sproßbildung zu ver- 
anlassen. 

Ich nehme hier Gelegenheit dem Herrn Assistenten Dr. von 
Lützelburg, der mich bei der technischen Durchführung des Ver- 
suches unterstützte und mir seine bei ähnlichen Versuchen gemachten 
Erfahrungen zur Verfügung stellte, meinen besten Dank auszusprechen. 

Eine Anzahl Gesneraknöllchen wurde Ende November in einer 
Beibschale mit ausgeglühtem, in Schwefelsäure ausgewaschenen Quarz- 
sande zerrieben, um die Zellverbände in möglichst ausgiebiger Weise 
zu zerreißen. Diese zerriebene Masse (Knöllchen -} Quarzsand) worde 
hernach in 50°,iges Glyzerin’ gebracht und darin durch 8 Tage be- 
lassen, um das Enzym ausziehen zu lassen. Ich spreche der Kürze 
halber in der folgenden Darstellung von einem Enzym, obschon es ja 
noeh nicht sicher steht, ob es gelungen ist, ein solches Innenenzym 
herauszubekommen, es bildet hier die Voraussetzung. des Versuches. 
Unter der Annahme, daß sich das Enzym im Glyzerin in Lösung be- 
fände, wurde die Knöllchen-Quarzsandmasse nunmehr abfiltriert, die 
Glyzerinlösung in den Exsikkator gestellt, um sie möglichst wasserfrei 
zu machen. Die Lösung zeigte bei längerem Stehen einen braungelben 
Niederschlag von organischen Substanzen, die beim Schütteln das Gly- 
zerin trübten. Anfang Juni des nächsten Jahres, als bereits zur 
Untersuchung geeignete Blätter zur Verfügung standen, ‚wurde die 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 17 


Glyzerinlösung mit frisch destilliertem Alkohol gefällt, hernach filtriert 
und der Filterrückstand fünf- bis sechsmal mit Alkohol nachgewaschen. 
Die ganze Filtervorrichtung wurde sodann in den Wärmeschrank ge- 
bracht, um den Alkohol verdampfen zu lassen, so daß nur mehr das 
Filterpapier+ dem darauf niedergeschlagenen Enzym vorhanden war. 
Dieses Papier wurde in Wasser mit einem sterilisierten Glasstab zer- 
rissen, einige Zeit stehen gelassen und das Ganze wieder filtriert, bis 
man eine klare Flüssigkeit, Wasser mit dem darin gelösten Enzym hatte. 

Am 6. Juni wurden 55 Blätter und 15 Laubsprosse von Pflanzen, 
welche noch nicht in blühbarem Stadium waren und auch noch keine 
Knöllchen angesetzt hatten, in nachfolgender Weise mit der Enzym- 
lösung behandelt: 

1. 33 Blätter wurden erst in der Lösung. von der Stammpllanze 
abgetrennt, so daß das Enzym durch den beim Abschneiden auftreten- 
den Saugungsdruck aufgenommen wurde, hernach mit dem Blattstiel 
aufrecht in Sand gesteckt. 

2. 22 Blättern wurde die Lösung mit der Pravazspritze einge- 
spritzt, und zwar sowohl von der Schnittfläche, als auch von der Basis. 
der Blattspreite aus. 

3. 15 Laubsprosse wurden in der Lösung abgeschnitten. 

4. 16 Blätter und fünf Laubsprosse dienten als Kontrollkulturen. 

Bei der ersten Untersuchung der Kulturen Ende Juli zeigte es. 
sich, daß alle Blattstecklinge wohl reichlich Wurzeln, sonst aber erst 
noch nicht differenzierte Sproßanlagen regeneriert hatten. Das schlechte 
Wetter im Juni und Juli dieses Jahres war dem Wachstum der Steck- 
linge sehr hinderlich gewesen. Denn ähnliche Kulturen des ver- 
gangenen Jahres hatten nach 4 Wochen schon reichlich Sprosse ge- 
zeitig. _ 

Die Sproßstecklinge hatten durchwegs nur Wurzeln regeneriert. 

Bei der nächsten Untersuchung am 2. September fanden sich 
an den als Kontrolle dienenden zwei Kulturen ä acht Blätter durch- 
wegs Laubsprosse, keine Knöllchen' vor, zwei bis fünf an einem 
Blatt, bis 4 cm hoch. 

Ferner waren entstanden bei: 

Kultur A (10 Blätter): durehgehends Laubsprosse und Zwiebel- 
knöllchen, die Sprosse bis 1 em, Zwiebelknöllchen 2/3 cm lang. 

Kultur B (13 Blätter): an fünf Blättern nur Zwiebelknöllchen, 
an sieben Blättern Laubsprosse und Zwiebelknöllchen, bei einem 
Blatte kein Regenerat. Die Sprosse waren im Wachstum weiter vor- 
geschritten als vorher. 


78 I. Doposcheg-Uhlär, 


Kultur © (10 Blätter): an sechs Blättern nur Laubsprosse, au 


zwei Blättern Laubsprosse und Knöllchen, an zwei Blättern kein _ 
Regenerat. 


Die Blattstecklinge dieser drei Kulturen hatten die Enzymlösung 
durch Saugung aufgenommen. 


Kultur D (sechs Blätter): an fünf Blättern Laubsprosse und 
Zwiebelknöllchen, an einem Blatt nur Knöllchen, aber die Knöll- 
chen waren in ca. vierfacher Anzahl vorhanden als die Laubsprosse. 


Kultur E (sieben Blätter): an allen Laubsprosse und Knöll- 
chen, wobei dreimal soviel Knöllchen als Lauksprosse; letztere waren 
auch sehr klein, nur ‘/, em lang, die Knöllchen von doppelter Länge. 


Kultur F (nean Blätter): durchwegs nur Zwiebelknöllchen 
sehr reichlich an Zahl, vier bis sechs an einem Blatt und bis 1?/, em 


lang. Diese letzteren drei Kulturen waren mit der Pravazspritze be- 
‚ handelt worden. 


Es haben also von 52 Blättern, die auf die Behandlung reagierten, 
46 oder 88°/, mit der Bildung von Zwiebelknöllchen geantwortet, zu 
einer Zeit, da die nichtbehandelten Kontrollsteeklinge ausnahmslos nur 
Laubsprosse gebildet hatten. Allerdings ist dieses Resultat insofern 
kein reines, als nur in 17 Fällen Zwiebeiknöllchen allein in Erscheinung 
traten und in 29 Fällen neben dem Knöllchen sich auch Laubsprosse 
zeigten. Der Grund zu dieser Differenz in der Reaktion mag wohl in 
verschiedenen Richtungen zu suchen sein. Er kann in erster Linie 
in der vorerst noch mangelhaften Methode der Versuchsanstellung 
liegen; denn es zeigt sich schon in den beiden Arten, wie die Enzym- 
lösung den Blättern. beigebracht wurde, ein wesentlicher Unterschied. 
Bei der Saugmethode produzierten von 30 Blättern 24 Knöllchen, das 
ist 80°/,, bei der Stichmethode von 22 Blättern alle, das ist 100%), 
Zwiebelknöllchen. Bei der Saugmethode zeigte sich ferner in Kultur C, 
daß sechs Blätter nur Laubsprosse produziert hatten und nur zwei 
Bläter Sprosse und Knöllchen, während das Extrem der Reaktion bei 
der durch Stichmethode behandelten Kultur F auftrat, wo sämtliche 
neun Blätter nur Knöllchen regenerierten. Es ist also ein ganz er- 
hebliches Plus an Reaktion bei letzterer Methode ersichtlich. Auch in 
der individuellen Verschiedenheit der inneren Organisation der einzel- 
nen Blätter dürfte ein Grund für die Unterschiede in der Reaktion zu 
suchen sein. Bei denjenigen Stecklingen, welche gleichzeitig Laubsprosse 
und Knöllchen aufwiesen, konnte leider nicht konstatiert werden, 
welches von den Regeneraten zuerst auftrat. 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 79 


Die -Kulturen wurden Mitte November, 11); Monate nachher, 
wieder untersucht, wobei sich zeigte, daß die Sproßbildung nicht mehr 
weiter vörgeschritten war, sondern daß alle Pflanzen in das Stadium 
der Knöllchenbildung eingetreten waren, sowohl in Kultur C, welche 
früher zum größeren Teile nur Sprosse erzeugt hatte, als auch bei 
allen Steeklingen der Kontrollkulturen, eine Tatsache, die ja dem nor- 
malen Verhalten der Gesnera-Blattstecklinge entspricht. 

Die 15 Sproßstecklinge hatten bei der ersten Untersuchung 
Ende Juli nur ein reich verzweigtes Wurzelsystem, 'sonst aber weder 
Laubsproß- noch Knöllchenbildung gezeigt. Dasselbe Verhalten wiesen 
die niehtbehehandelten fünf Kontrolistecklinge auf. ‘Wir haben es hier 


“eben mit Sproßstecklingen von noch nicht voll entwickelten Pflanzen 


zu tun, an denen verschiedene Vegetationspunkte in Tätigkeit waren 
und es lag also zu dieser Zeit kein Grund vor, neue Sproßvegetations- 
punkte an der Basis auszubilden. Die Pflanzen waren denn auch in 
ihrem normalen vegetativen Wachstum weiter vorgeschritten dadurch, 
daß sie neue Blätter gebildet, Seitensprosse angelegt und die Sproß- 
achse gestreckt hatten. Das Enzym war nun vielleicht aus diesem Grunde 
oder auch aus dem früher erwähnten mangelhaften Saugungsverfahren 
nicht wirksam geworden. Denn man hätte bei Aktivität der Enzym- 
lösung erhoffen können, daß, wenn auch die Sproßstecklinge an der 
Basis keine neuen Sproße regenerierten, bei der vorher erkannten 
großen Labilität der an der Luft befindlichen Vegetationspunkte sich 
in den Blattachseln und am Ende des Hauptsprosses Zwiebelknöllchen 
ausbilden würden. 

Bei der Untersuchung Hälfte November hatten nun auch diese 
Sproßstecklinge an der Basis der Sprosse zahlreiche Knöllchen regene- 
riert, nachdem anderseits an der Luft sich Blütenstände ausgebildet 
hatten. — Wirft man nun einen Blick auf das bei dieser Untersuchung 
gewonnene Resultat, so kann man einstweilen nur sagen, daß durch die 
Behandlung von Gesnera-Blattstecklingen mit einer aus Zwiebelknöllchen 
nach Art von Enzymdarstellung gewonnenen Lösung diese Stecklinge zu 
einer Zeit, wo die Kontrolistecklinge nur Laubsprosse regenerierten, 
88%), Zwiebelknöllchen in Erseheinung brachten. 

Die Stecklinge wurden alle unter denselben Bedingungen auf 
Sand kultiviert. 


Gesamtüberblick über die Untersuchungsresultate. 


1. Die an Farnkeimpflanzen nach Entfernung des Vegetations- 
punktes entstehenden Regenerate durchlaufen denselben Entwicklungs- 


80 J. Doposcheg-Uhlär, 


gang, welcher auch den aus der befruchteten Eizelle des Archegoniums 
entstehenden Keimpflanzen zukommt: es entsteht immer zuerst ein 
Keimblatt unabhängig vom S'proßvegetationspunkte, hernach erst letzterer. 

Der Entstehungsort ist in der Mehrzahl der Fälle exogen, aus- 
nahımsweise endogen. 

2. Die Regenerate an Farninternodien zeigen dieselbe, eben ge- 
schilderte Entwicklung. -— Sie können exogen unter der Epidermis ent- 
stehen oder auch auf’der Schnittfiäche sich bilden. Im letzteren Falle 
nimmt der regenierte Sproß seinen Ausgang von der Obertläche des 
der Schnittfläche aufsitzenden Callus. 

3. Entfernt man bei Sproßstecklingen von Lycium halimifolium 
die im feuchten Raume ausgetriebenen Wurzeln, so kann aus dem 
Gewebe des stehengebliebenen Wurzelstumpfes ein Sproß regeneriert. 
werden. . 

4. Die Regenerate an Primärblattstecklingen von Begonia caro- 
lineaefolia Regel unterscheiden sich von den Regeneraten der er- 
wachsenen Blatistecklinge (fingerförmig geteilte Blätter) dadurch, daß 
erstere länger auf dem ungetgjlien Primärblattstadium verharren. Es 
können ungeteilte Blätter nach Art des gewöhnlichen Schiefblattes mit 
9 em Spreitenlänge entstehen, während bei den Regeneraten des er- 
wachsenen Blatistecklings nach vier bis fünf Übergangsblättern, bei 
einer Spreitenlänge von 1 cm, das geteilte Stadium bei eben dieser 
Spreitenlänge eintritt. Ursache dieser Differenz ist wahrscheinlich der 
Unterschied in der Quantität der Baustoffe, welche den Stecklingen 
zur Verfügung stehen. 

5. An vegetationspunktiosen Internodien ist die Anordnung der 
Sproßregenerate in der Regel eine willkürliche, nur ausnahmsweise 
polare. Wurzelregenerate sind zumeist polar verteilt. 

6. Werden au Sproßachsen von Begonia discolor Internodien 
durch zwei in entgegengesetzter Richtung geführte Schnitte isoliert, so 
findet eine Beeinflussung dieses Internodiums hinsichtlich der An- 
ordnung der Regenerate in der Weise statt, daß auf der mit dem 
Gipfelteile zusammenhängenden Seite Wurzeln, auf der gegenüber- 

_ liegenden, mit dem Wurzeiteile zusammenhängenden Seite Sprosse 
regeneriert werden, wobei gleichzeitig an der Basis des Gipfelteils 
Wurzeln, am apikalen Teile des Wurzelteils Sprosse entstehen. 

Die aus der Epidermis des Wurzelteiles regenerierten Sprosse 

bilden im Herbst an ihrer Basis abnormerweise eine Internodiums- 


knolle, während solche normal nur in der Erde, oberirdisch aber Sproß- 
knöllchen in den Blattachseln erzeugt’ werden. 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 8 


. Anläßlich desselben Schnittversuches bei Gesnera grociosa zeigte 
sich in der Anordnung der Regenerate keine polare Verteilung. Be- 
merkenswert waren aber wulstartige Calluszüge, welche von den oberen 
Schnitträndern entlang des Internodiums zu den unteren- Schnitträndern 
zogen und, da in ihrem Innern Tracheiden ausgebildet wurden, in 
dieser, Weise eine Ergänzung der gestörten Stoffleitung bildeten. 

ti. Die Regenerate an Blattsteeklingen (Gesneraceae) sind in quanti- 
tativer Hinsicht abhängig von dem Ernährungszustande der Mutter- 
pflanze; gut ernährte Blätter regenerieren reichlich, schleeht ernährte 
wenig oder gar nicht (Versuch 1). 

Sproßstecklinge von Pflanzen, die bereits in unterirdischer Knöll- 
chenbildung begriffen sind, bilden neue Knöllchen oberirdisch an der 
Spitze und in den Blattachseln (Versuch 2). 

Die fortgesetzte Entfernung von regenerierten Zwiebelknöllchen 
an Blattstecklingen ist ein Reiz einerseits zur Erzeugung neuer, ander- 
seits zur Verlängerung der Lebensdauer des Blattes (Versuch 2). 

Blattsteckiinge können auch ohne nennenswerte Aufnahme von 
Wasser- und Aschenbestandteilen Knöllchen, und zwar am Rande der 
Blattspreite regenerieren (Versuch 2). 

Während Sproßstecklinge in Erde an der Basis Knöllchen re- 
generieren, werden in Nährlösung Sprosse erzeugt (Versuch 3, 4, 5, 6). 

Unter gewissen Bedingungen treten Mittelbildungen zwischen Laub- 
und Knöllchensprossen auf (Versuch 3, 4). 

Im Schneewasser entstehen ebenso wie in Erde nur Knöllchen 
(Versuch 4). 

Herabsetzung der Transpiratien fördert das Laubsproßwachstum 
in der Lösung, hindert die Knöllchen- und Blütenbildung (Versuch 5). 

Blattstecklinge regenerieren im Frühjahr in Erde Laubsprosse, 
im Herbst Knöllchensprosse, in Nährlösung jederzeit Laubsprosse (Ver- 
such 8). 

Die an Blütenstandstecklingen entstandenen Spitzenknöllehen können 
Seitenknöllehen treiben (Versuch 7). 

Stecklinge ohne Blätter regenerieren keine Wurzeln, mit Blättern 
reichlich (Versuch 6 und 7). 

Blattsteeklinge, mit einer aus Zwiebelknöllchen dargestellten Enzym- 
lösung behandelt, regenerierten zu 88°%/, Knöllchen, während die nicht 
behandelten Kontrollstecklinge alle nur Laubsprosse bildeten (Ver- 
such 9), 


Flora, Bd. 101. 6 


82 J. Doposcheg-Uhlär, 


Meinem hochverehrten Lehrer und Führer bei der Arbeit, Herrn 
Geheimrat Professor Dr. Karl von Goebel erlaube ich mir für seine 
vielen Bemühungen und für die Überlassung einer reichlichen Menge 
Versuchsmaterials den ergebensten Dank auszusprechen. 


München, Pflanzenphysiologisches Institut der Universität, 
Ende Februar 1910. 


Literaturverzeichnis. 


. 1) Goebel, Einleitung in die experimentelle Morphologie der Pflanzen. Leipzig 
1908. 
2) Ders., Organographie der Pflanzen, pag. 42. Jena 1898. 
Ders., Über Regeneration im Pflanzenreich. Biolog. Zentralbl. 1902, Bd. XXIL, 
pag. 481. 
3) Ders., Allgemeine Regenerationsprobleme. Flora 1905, Ergänzungsband, 
pag. 486. 
4) Dere., Experimentelle Morphologie, pag. 197. 
5) Ders., Experimentelle Morphologie, pag. 200. 
6) Kupper, Über Knospenbildung an Farnklättern. Flora 1906, pag. 67, 68. 
7) Küster, Paihologische Pflanzenenatomie, pag- 182. Jena 1908. 
8) Vöchting, Über Organbildung I, pag. 216. * 
Goebel, Experimentelle Morphologie, pag. 227. 
9 Ders., Über Wurzelsprosse bei Anthurium longifolium. Botan. Zeitung 1878, 
pag. 645. 
10) Beyerink, Beobachtungen und Betrachtungen über Wurzelknospen und Neben- 
wurzein. Amsterdam 1886. 
11) Goebel, Experimentelle Morphologie, pag. 15. 
12) Winkler, Über regenerative Sproßbildung an den Ranken, Blättern und 
Internodien von Passiflora coerulea. Berichte der Deutsch. bot. Ges. 1905, 
Bd. XXIII, pag. 45. 
13) Goebel, Experimentelle Morphologie, pag. 192. 
14) Vöchting, Über Organbildung I. 
15) Wakker, Onderzoekingen over adventiere Knoppen. Amsterdam 1885. 


16) Goebel, Über Regeneration im Pflanzenreich (eiehe 2 pag. 496. 
17) Winkler, Siehe 12. 


18) Goebel, Experimentelle Morphologie, pag. 238. 

19) Ozapek, Sitzungsberiehte der Akademie der Wissenschaften, math.-nat. Klasse, 
Wien 1897, 106, Bd. I, 117. 

20) Schimper, Botanische Zeitung 1885, Bd. XLIII, pag. 756. 

21) Goebel, Experimentelle Morphologie, pag. 190. 

22) Ders., Experimentelle Morphologie, pag. 191. 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 83 

23) Ders., Experimentelle Morphologie, pag. 108. 

24) Ders., Experimentelle Morphologie, pag. 232. 

25) Ders., Experimentelle Morphologie, pag. 142. 

26). Jost, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie, pag. 108. Jena 1908. 

27) Benecke, Botanische Zeitung 1903, Bd. LXI, pag. 19. 

28) Snell, Untersuchungen über die Nahrungsaufnahme der Wasserpflanzen, Flora 
1907, Bd. XCVIEL, pag. 12. " 

29) Hansteen, Flora 1894, Bd. LXXIX, pag. 419, 

30) Puriewitsch, Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik, Bd. XXXI. 

31} Molisch, Die Pfianze in ihrer Beziehung zum Eisen. Jena 1892, 

32) Goebel, Experimentelle Morphologie, pag. 191. 

33) Ders., Über Regeneration. im Pflanzenreick (siehe Nr. 2), pag. 501. 

34) Ders, Über Jugendformen von Pflanzen und deren künstliche Hervorrufung. 
Sitzungsber. der bayr. Akad., math.-nat. Klasse 1896, pag. 448. 

35) Ders., Experimentelle Morphologie, pag. 121. 

36) Wilfahrt, Die landwirtschaftlicben Versuchsstationen 63, 1. Berlin 1906. 

37) Deleano, Institut bot. Genere 1907, Ser. 7. 

36) Noel Bernard, L’svolution dans la symbiose. Ann. des sciences nat, 1909, 
geme serie, Bot, Tome IX. 

39) Burgeff, Die Wurzelpüze der Orchideen. Jena 1909. 

40) Vöchting, Über die Keimung der Kartoffelknollen. Botan. Zeitung 1902, 
Bd. LX, 


Figurenerklärung zu Tafel I—-VIH. 


(Künstlerische Ausführung der Zeichnungen von Kunstmaler Dr. phil, Gustav 
Dunzinger, München.) 


Fig. 1. Atkyrium filix femina, Beginn der Regeneration an der Wundfläche der 
Keimpflanze. 4 Apikales, 3 basales Ende. 180mal vergr. 

Fig. 2. Athyrium filix femina. Regenerat an der Wundfläche in einem späteren 
Stadium. 4 Apikales, 2 basales Einde, 27 Blattscheitelzelle. 180mal vergr. 

Fig. 3. Athyriam filix femina. Das Regenerat entwickelte sich zu einem brom- 
beerartigen Callusgebilde. 4 Apikales, # hasales Ende, 22 Biattscheitel- 
zeile. 90mal vergr. 

Fig. 4. Athyrium filix femina. Regenerat mit Gefäßbündelanschluß (G) zu einem 
Zeitpunkte, wo eine Scheitelzelle noch nicht angelegt war. 4 Apikales, 
3 basales Ende. 125 mal vergr. 

Fig. 5a. Athyrium filix femin. An der Wundfläche enistandenes Regenerat 
mit Scheitelzellwachstum. Optischer Längsschnitt. 27 Blattscheiteizelle, ZZ 
Haare. 180mal vergr. 

Fig. 55. Dasselbe Regenerat in Aufsicht aus der Richtung des Pfeiles in Fig. 5a. 
B1 Blattscheitelzelle, 7 Haare. 180 mal vergr. 

Fig. 6. Athyrium filix femina. Abnormales Regenerat. 2 Blattartiges Callusgebilde, 
welches ein zweites sproßartiges Gehilde (S}) umwölbt. Beide ohne Scheitel- 
zellen. 180mal vergr. 


3* 


84 J. Doposcheg-Uhlär, 


Fig. 7a. Athyrium filix femina. Albmormales Regenerst in Form einer napf- 
artigen Calluswucherung. 4 Apikales, 3 basates Ende. Geöffnete Längs- 
seite. 180mal verer. 

Fig. 75. Wie vorher. Geschlossene Längsseite. 180mal vergr. 

Fig. 8. Osmunda regalis. Regenerat an der longitudinalen Yerwundungsfläche 
der Keimpflanze. 2 Leitbündelanschluß, & Rhizoiden. 125 mal vergr. 

Fig. 9a. Osmunda vegalis. Längsschnitt durch das Stämmchen einer Keimpflanze 
mit horizontaler Verwundungsfläche. 7” Wundgewebe,. Z embryonale Zell- 
gruppe, & Gefäßbündelanschluß, 3 stehengebliebene Blätter. 60mal vergr. 

Fig. 9%. Osmunda regalis. Wie vorher. Oberer Teil 135 mal vergr. 


Fig. 10«. Osmunda regalis. Der Callus (C) an der Wundfläche zerreißt in mehrere 
Lappen, unter deren Schutze der Vegetationspunkt Z sich bildet. 2 Blätter. 
45mal vergr. " 

Fig. 105. Wie vorher. Oherster Teil 180 mal vergr. 

Fig. 11. Osmunda regalis. Begeneration an der horizontalen Schnittfläcke. Fort- 
geschrittenes Stadium von Fig. 10. 4 Callusbildungen der Schnittfiäche, 3 
embryonale Gewehebildungen, Z Gefäßbündelanschluß. 80mal vergr. 


Fig. 12@. Osmunda regalis. 2 Biatthildungen unabhängig vom neuen Sproß- 
vegetationspunkte 7, 1 abgestorbenes Wundgewebe, 9 Wurzeln. 45 mal vergr. 

Fig. 125. Osmunda regalis. 2 Blattbildungen unabhängig vom neuen Sproß- 
vegetationspunkte 7. Oberster Teil 180 mal vergr. 


Fig. 13. Osmunda vegalis. Längsschnitt durch ein Regenerat, ohne daß sich an 
der Wundfläche ein Wundgewebe gebildet hätte. Die Callusknospe (C) dureh- 
bricht das abgestorbene Gewebe (4) an der Schnittfläche. 135 mal vergr. 


Fig. 14. Osmunda regalis. Regenerat im forigeschrittenen Stadium. 7” Blatt-, 
T5 Sproßvegetationspunkt, 3 alte Blätter, 7 Wurzel. 1lömal vergr. 


Fig. 15@. Osmunda regalis. Regenerat an einer älteren Keimpflanze. Ys Sproß- 
vegefationspunkt, 2, erstes (Keim-) Blatt ohne Scheiteizelie, 3, zweites Blatt 
mit Blativegetationspunkt 93, 3 alte Blätter, #7” Wurzel, 1l0mal vergr. 


Fig. 155. Wie vorher. Regenerat 4Omal vergr. 


Fig. 16. Nephrodium molle. Längsschnitt durch eine ältere, des Yegetationspunktes 
beraubte Keimpflanze. 5 Gebräunte Zellschicht an der Schnittfläche, 2 Re- 
generat mit Blattscheitelzelle, Z l.eitbündelanschluß, 2 alte Blätter, 7" Wurzel. 
10mal vergr. " 

Fig. 17«. Nephrodium molle. An der Wundfläche bildete sich ein eallusartiges 
Wundgewebe (C). Am Rande das erste Blatt mit Blattvegetationspunkt (92) 
und an der Basis des ersteren der Sproßvegetationspunkt (Fe). Ca Cambium- 
bildung, die Leitbündelenden verhindend; G Grundgewebe, 3 alte Blätter. 
30mal verer. 

Fig. 175. Wie vorher. Regenerat 145 mal vergr. 


Fig. 18. Osmunda regalis. Die beiden Gefäßbündelenden wurden, ein Fortschritt 
zu Fig. 17, durch einen bogenförmigen Gefäßteil (7) verbunden. Cz Cambium- 
bildung, € Callusgewebe, G Grundgewebe, # alte Blätter. 30mal vergr. 


kig. 19. Osmunda regalis. Das Regenerat (%) entsteht in der Blattachsel eines 
alten Blattes (2), Z Leitbündelende an der Schnitifläche, 7 Wurzel. 30mal 
vergr. 


Studien zur Regeneration und Polarität der Pflanzen. 85 


Fig. 200. Osmunda regalis, Z Regenerat in der Blattachsel eines alten Blattes 
(2). ZL Leitbündel. 20mal vergr. 

Fig. 205. Wie vorher. Das Regenerat 90mal vergr. Yö Blattvegetationspunkt. 

Fig. 21. Osmunda regalis. Die Schnittfläche entwickelte sieh über dem horizon- 
tsten Gefäßbündel (C) zu einem Callushügel, an dessen Basis ein Blait- 
vegetationspunkt (P5). #7 Wurzel, 

Fig. 22. Osmunda regalis. Auf einer Schnittfläche entstanden zwei Regenerate 
(8). W Wurzel. 30mal vergr. 

Fig. 23a. Osmunda regalis. Das Regenerat (X) entstand abseits der Schnittfläche 
(5) aus der unverletzien Epidermis. 3 Alte Blätter, 7 Wurzeln. 15mal 
vergr. Be 

Fig. 235. Wie vorher. S Scheitelzellen, 7 Haare. BRegenerat 200 mal vergr. 

Fig. 24. Osmunda regalis. Regenerat (X} abseits der .Schnittfläche (S). #” Wurzeln. 
Der Schnitt stammt von derselben Pflanze wie der in Fig. 19. 30mal vergr. 

Fig. 25. Osmunda regalis. C' Oallusregenerat, 3 Blätter. 30mal vergr. 

Fig. 26. Osmunda regalis. C Callusregenerat mit Sproßvegetationspunkt (75), 
@ Gefäßbündelanschluß, 15mal vergr. 

Fig. 37. Osmunda regalis. Regenerat mit Sproßvegetationspunkt (75), Bisitvege- 
tationspunkt (75) und prothalloiden Bildungen (?). 45mal vergr. 

Yig, 28. Osmunda regalis, 75 Sproßvegefationspunkt mit Haaren und einer Spreu- 
schuppe, A alte Blätter, 9” Wurzel. 45mal vergr. 

Fig. 29a. Pteris serrulata. 7° Vegetationspunkt, endogen entstanden, hat das Ge- 
webe gesprengt. S Schnittfläche, # Wurzel. 20mal vergr. 

Fig. 295. Wie vorher. Regenerat 90mal vergr. 

Fig. 30. Pliegopteris dryopteris. Längsschnitt durch ein Internodium. Parenchym- 
zellen an der Epidermis beginnen sich zu teilen. 40mal vergr. 

Fig. 31. Phegopteris dryopteris. Das Regenerat durchbrach die Epidermis. 6Ü0mai 
vergr. 

Fig. 32. Phegopteris dryopteris. Das Regenerat (Z) teilte sich von Anfang an in 
mehrere Äste. Z Epidermis, ? Parenchym des Internodiums 90mal vergr. 

Fig. 33. Phegopteris dryopteris. Querschnitt durch ein Internodium. R Regenerat 
in drei Äste geteilt, 2 Epidermis. 15mal vergr. 

Fig. 33«. Wie vorher, Regenerat 90mal vergr. 

Fig. 34. Phegopteris dryopteris. Längsschnitt. Das Regenerat (X) bildet eine 
ungeteilte Callusknospe. 7 Tracheidenplatte. Iämal vergr. 


Fig. 34a. Wie vorher. Das Regenerat 90mal vergr. ‚S Scheitelzeilen. 
Fig. 35. Phegopteris dryopteris. Längsschnitt. # Regenerat, 7’ Tracheidenplatte, 


EZ Epidermis. 30mal vergr. 

Fig. 36. Phegopteris dryopteris. Querschnitt. Die Knospe (C’) wird von einem 
blattartigen Gebilde (2) umhüllt. .S Scheitelzellen, Z Epidermis. #0mal vergr. 

Fig. 37. Phegopteris dryopteris Querschnitt. € Callusregenerat mit dem exsten 
Blatte (3). Ss Blattscheitelzelle, 4 Holzbildung außerhalb des Inter- 
nodiums. 40mal vergr. 

Fig. 38. Phegopteris dryopteris. Regenerierte Pflanze. 7 Sproßvegetationspunkt, 
B, 2, Blätter, W Wurzeln, 7” Trennungsstelle vom Internodium. 10mal 


vergr. 


86 J. Doyoscheg-Uhlär, 


Fig. 39. Cystopteris fragilis. Längsschnitt durch ein Internodium. Auf der Schnitt- 
fläche (S—S) entstanden zwei Oalluswucherungen (£). 7° Holzbildungen. 
30mal vergr. 

Fig. 40. Cystopteris fragilis. Längsschnitt. C Callusgebilde, unter deren Schutze 
sich die Stammknospe (9) entwickelt. 30mal vergr. 

Fig. 41. Cystopteris fragilis. Längsschnitt. Regenerat aus der Epidermis (Z), 
2 Blatt, S Sproßvegetationspunkt, 30mal vergr. 

Fig. 42. Cystopteris frsgilis. Internodium mit mehreren von der Schnittfläche aus 
regenerierten Sprossen. 2mal vergr. 

Fig. 43. Lyeium halimifolium. Querschnitt. Eine Adventivwurzel (W) durch- 
bricht die Rinde. 7 Holz, R, embryonales, X, ausgewachsenes Rindenparen- 
chym, X Kork. 30mal verer. 

Fig. 44. Lyeium halimifolium. Quezschnitt. Das Rindengewebe überwallte den 
Wurzelstumpf (97), an der Spitze mit Wandgemmi angefüllt. A/ Mark, 
H Holz, R Rinde, X Kork, Zy Hypodermis. 30mal vergr. 

Fig. 45. Lyeium halimifolium. Im Rindengewebe über dem Wurzelstumpf (#7) ent- 
stand ein Wundholzknäuel (7%). 7 Tracheidenzüge, Z Holz, R, embryonales, 
AR, erwachsenes Rindengewebe, X Kork, Zy Hypodermis.' 30mal vergr. 

Fig. 46. Lycium halimifolium. Längsschnitt. Der abgeschnittene Wurzelstumpf 
ist kugelig angeschwollen. Z Ansammlung embryonaler Zellen, W## Wundholz, 
© Cambium, 7 (dunkel) alte mit Wundgummi erfüllte, (hell) neue Tracheiden- 
züge, H Holz, & Rinde, X Kork. 30mal vergr. 

Fig. 47. Lyeivm halimifolium. Längsschnitt. Die junge Knospe (7) entsteht ohne 
Anlage eines Wundholzknänels. # Wurzelstumpf, 7° Tracheidenzüge, Z Holz, 
R Rinde, X Kork. 30mal vergr. 

Fig. 48. Lycium halimifolium. Längsschnitt. Am alten Wurzelstumpfe (MW) bil- 
deten sich zwei kugelschalenartige Holzkörper (C), 7 Holz, R Rinden- 
gewebe. 30mal vergr. : 


Über den Einfluß der Luftfeuchtigkeit und des Lichtes 


auf die Ausbildung der Dornen von Ulex europaeus L. 
Von Josef Zeidier. 
(Aus der Biologischen Versuchsanstalt in Wien.) 


M. A. Lothelier‘) behauptet in einer Abhandlung über den 
Einfluß der Luftfeuchtigkeit und des Lichtes auf die Ausbildung der 
Zweige und Blätter von Dornpflanzen u. a, daß Zweige von Ulex 
europaeus, welche unter normalen Vegetationsbedingungen als Dorn- 
zweige anzusprechen sind, in mit Wasserdampf gesättigter Atmosphäre 
oder auch bei verminderter Lichtintensität die Tendenz zeigen, die 
Gestalt von normalen, heblätterten Zweigen anzunehmen oder zumindest 
den Dorncharakter zu verlieren. 


Goebel?) bemerkt hierzu, daß die Angaben Lothelier's, „ihre 
Richtigkeit vorausgesetzt“, erhebliches Interesse beanspruchen, daß sie 
jedoch einer Nachprüfung bedürfen, da es ihm, als er diesbezügliche 
Kontrolluntersuchungen selbst durchführte, nicht gelungen. sei, die von 
Lothelier in so frappanten Bildern®) vorgeführten Resultate gleich- 
falls zu erzielen. 


Lothelier ging bei seinen Versuchen in folgender Weise vor: 
Er bedeckte Ulex*)-Strünke („pieds“), welche er dadurch erhielt, daß 


1} M. A. Lothelier, Influence de l’&tat kygromötrigue et de V’erlairement 
sur les tiges et les feuilles des plantes A piquants. Lille 1898. Vgl, auch: Revue 
gengrale de botanique, Tome V. Paris 18%. - 

2) Goehel, Organographie der Pflanzen, 1. Teil, page. 226. (Jena 1898, 
Gustav Fischer.) B 

3) Vgl. Lothelier, I. c. Tafel IV, Fig. 5 u. 6. . 

4) Vlex europseus L. ist ein bis 1,5 m hoher Strauch mit deutlich gestielten, 
dreizähligen Primärblättern, deren Seitenzipfel bei den. Folgeblättern allmählich 
schmäler werden und endlich ganz verschwinden. Das ganze, in ein siechendes 
Phyliodiam sich umwandelnde Blattgebilde nimmt dann den Charakter eines schmal- 
lanzettlichen Trag- oder Deckblattes an. Aus den Achseln dieser Tragblätter ent- 
springen im Laufe der weiteren Entwieklung unter normalen Wachstumsverhältnissen 
Seitenachsen erster und zweiter Ordnung von durchwegs dornigem Charakter. Vgl. 
diesbezüglich Goebel, 1. e. pag. 146; Koehne, Deutsche Dendrologie, pag. 327 bis 
329, Siutigert 1893; Riepenhausen-Crangen, Stechginster, Leipzig 1899, sowie 
C. K. Schneiders im Erscheinen begriffenes „Ulustriertes Handbuch der Laub- 
hoizkunde“, Bd. II, pag. 2, 57 u. 58 (dena 1907, Gustav Fischer). Betreffs einer 
dormlosen Varietät dieser Art siehe Hugo de Vries, Die Mutationstheorie, Rd. II 
(41903), pag. 206 ff. 


88 Josef Zeidler, 


er ausgewachsene Ulex-Stöcke etwas über dem Erdboden absehnitt, mit 
Glasglocken und beobachtete dann das Verhalten der an diesen Strünken 
entstandenen Sprosse einerseits in täglich zweimal erneuerter, durch 
Anwesenheit von . Wasser stets feuchter Atmosphäre, andererseits in 
durch Gegenwart von Schwefelsäure getreckneter Luft. Ferner setzte 
er, um den Einfluß der Lichtintensität zu studieren, eine Gruppe von 
Ulex-Pflanzen direktem Sonnenlichte aus, während solche einer anderen 
Versuchsreihe ceteris paribus durch einen nach Norden zu offenen 


Zylinder vor direkter Sonnenbestrablung geschützt waren bzw. konstant 
im Schatten standen. 


Da Goebel, wie schon erwähnt, bei seinen Kontrollunter- 
suchungen zu einem anderen Resultate gelangte wie Lothelier, be- 
schloß ich !), die Abhängigkeit der Dornentwieklung von der Feuchtig- 
keit der Luft und dem Lichte bei Ulex europaeus, und zwar einerseits 
an Keimpflanzen®), andererseits an Exemplaren, welche bereits die 
Charaktere von ausgewachsenen Individuen aufwiesen, auf experimen- 
tellem Wege nochmals zu untersuchen. 


Da Lothelier das Verhalten der Pflanzen, außer im vollen 
Lichte, bloß bei einer verminderten Lichtintensität studiert hat, hielt 
ich es für notwendig, nicht nur die Wachstumserscheinungen von in 
verschiedenen Stadien der Entwicklung befindlichen Pflanzen bei gänz- 
licher Abwesenheit von Licht?) zu verfolgen, sondern auch, wenigstens 
von älteren Pflanzen, einerseits Sproßspitzen, andererseits basal gelegene 
Teile allein zu verdunkeln, um etwaige Korrelationsverhältnisse fest- 
stellen zu können. 


Ich benutzte zu den von mir zunächst durchgeführten Versuchen 
mit älteren Ulex-Pflanzen je vier möglichst gleichentwickelte, zwei- 


1) Angeregt durch Harm Prof. Dr. Wilhelm Figdor. 

2) Dieselben weisen bekanntlich oft ganz andere Blattformen auf wie ältere 
Individuen. Vgl. Goebel, Über Jugendformen von Pflanzen und deren künstliche 
Wiederhervorrufung. Sitzungsber. d. Kgl. bayr. Akad. d. Wiss. 1896, Math,-phys. Kl. 
Ders., Organographie der Pflanzen 1898, I. Teil, pag. 146. Molliard führt ganz 
kurz an, daß Ulex-Keimlinge, in dampfgesättigter Atmosphäre gezogen, ihre Btacheln 
nicht gänzlich in Blätter und gewöhnliche Zweige umgewandelt hatten. S. M.Molliard, 
Influence de la concentration des solutions suerdes sur le developpement des piquantes 
ches Ulex europaeus. Comptes rendus des s6ances de P’academie des sciences 107, 
Tome CXLV, pag. 880. 

3) Zweijährige Pflanzen gehen unter diesen Verhältnissen, ohne irgendwie zu 


wachsen, ausnahmslos zugrunde, so daß ich diese Versuche gar nicht speziell er- 
wähnen werde. 


Über den Einfluß der Luftfeuchtigkeit usw. 59 


jährige, aus Samen!) gezogene Topfexemplare, welche eine Höhe von 
durehsehnittlich 60 cm aufwiesen. 

Eine Gruppe (1a) wurde, Kontrollpflanzen enthaltend, unter voll- 
kommen normalen Liehtverhälinissen in einem von Norden nach Süden 
orientierten, mit einem Satteldache versehenen Kalthause kultiviert. 
Die Temperatur daselbst war während der Monate März 14° C, im 
April 149° im Mai 23,9%, im Juni 24,4%; die relative Feuchtigkeit 
betrug 87%, 2. 

Eine andere Gruppe (1b) fand bebufs Beobachtung des Ein- 
flusses der Luftfeuchtigkeit, zum Unterschiede von der vorigen, am 
selben Orte in einem Vermehrungskasten aus (las Aufstellung, in 
welchem eine mit Wasserdampf nahezu gesättigte Atmosphäre herrschte. 
Die Lufttemperatur war hier eine etwas höhere als im Glashause selbst. 


Bei zwei weiteren Gruppen (2a und 2b) verdunkelte ich aus den 
sehon früher erwähnten Gründen die Sproßspitzen in einer Längs- 
erstreckung von etwa 3 dm entweder durch Hüllen aus schwarzem. 
lichtundurchlässigem Papier oder auch durch geräumige, den Gasaus- 
tausch und das Wachstum der Pflanzen in keinerlei Weise behindernde 
Kartonschachteln, in welche die zu verdunkelnden PHanzenteile licht- 
dicht eingeführt wurden. Die eine dieser beiden Gruppen (2a) kulti- 
vierte ich unter normalen Feuchtigkeitsverhältnissen, die andere (2b) im 
Vermehrungskasten, also in feuchter Atmosphäre. 

Die Pflanzen einer fünften und sechsten Gruppe (3a und 3b} 
wurden au der Basis bis zu 3 dm nach aufwärts durch lichtdicht 
passende Holzkistchen verdunkelt und eine dieser Gruppen (Ba) außer- 
halb des Vermehrungskastens, die andere (3b) innerhalb desselben auf- 
gestellt. 

Die nachstehend beschriebenen, infolge verschiedener Umstände 
erst jetzt publizierten Versuche begannen im März 1907 und wurden 
nach dreimonatlicher Dauer abgebrochen, da nach dieser Zeit bereits 
deutliche Resultate vorlagen. Ich behielt jedoch sowohl einige, unter 
normalen Vegetationsbedingungen herangewachsene Eixemplare aus 
Gruppe 1a als auch etliche aus Gruppe 1b (feuchte Luft bei normaler 


Belichtung) noch weiter in Kultur. 
Die später zu besprechenden Versuche mit Ulex-Keimlingen 


2) Das zur Aussaat gelangte Saatgut wurde von der Firma Waillpach- 
Schwanenfeld in Innsbruck geliefert. Lothelier gibt nicht an, woher sein 


Untersuchungsmatexial stammt. 
2) Alle Werte im Durchschnitt genommen. 


EN} . Josef Zeidler, 


nahmen Mitte April desselben Jahres ihren Anfang und dauerten 
6 Wochen. 


I. Versuche mit ausgewachsenen Pflanzen. 


1a. Pflanzen, unter normalen Vegetationsbedingungen 
kultiviert. (Kontrollgruppe) 


Es bildeten sich an allen Teilen der Pflanzen, insbesonders jedoch 
in der Nähe jener Stelle an der Achse, wo sich ursprünglich die Koty- 
ledonen befanden, zahlreiche neue Sprosse. Während aber in den 
oberen und mittleren Teilen der Pflanzen (an Haupt- und Seiten- 
sprossen) durchwegs nur einfache, 3——5 mm breite, ungestielte Blätter 
auftraten, in deren Achseln sich gleichzeitig auch bereits Ansätze zu 
Dornen bzw. Dornzweigen zeigten, gelangten an der Basis anfangs nur 
zwei- bis dreizählige, mehr oder minder gestielte Blätter zur Ausbildung, 
deren Seitenzipfel ca. 3 mm breit waren. In ihren Achseln waren in 
der ersten Woche nach dem Versuchsbeginne noch keine Dornen zu 
sehen, in der zweiten jedoch traten sie allmählich auch hier auf und 
zwar zuerst an den höher inserierten Blättern, und erst später au den 
darunter stehenden. Mitte Juni wiesen schon sämtliche neugebildeten 
Blätter durchschnittlich 2 em lange dernige Axillarsprosse auf. 


1b. Pflanzen, in feuchter Atmosphäre gezogen. 


Die schon zu Beginn des Versuches vorhandenen Dornen bzw. 
Dornzweige verlängerten sich, au Starrheit verlierend, während der 
dreimonatlichen Versuchsdauer von durchschnittlich 2 em auf 3 cm. 
Außerdem war auch eine Verlängerung der ziemlich dicht stehenden 
Haare an den Blättern und Internodien um ea. 2 mm zu konsta- 
tieren‘). 

Neue Sprosse wurden bei dieser Gruppe blos wenige gebildet. 
Sie tragen nur einfache Blätter und in deren Achseln wohlentwickelte, 
weiche Dornen. Eine Umwandlung derselben zu beblätterten Zweigen 
oder eine Unterdrückung der Dornbildung fand nicht statt. 


1) Bezüglich der Literatur über Haarbildung sei hier nur auf die Zusammen- 
stellung in Pfeffer's Pfienzenphysiologie, Bd. II, pag. 139 ff., Leipzig 1904, sowie 
auf ‚Jost’s Vorlesungen über Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., pag. 885 u. 386 (Jena 
1909, Gustav Fischer) verwiesen; vgl. ferner auch A. F. W. Schimper, Pflanzen- 
geographie auf physiologischer Grundlage, pag. 35 ff. (Jena 1898, Gustav Fischer) 
und Burgerstein, Die Transpiration der Pflanzen (Jena 1904, Gustav Fischer). 


ER 


Über den Einfluß der Luftfeuchtigkeit usw. 91 


Sproßspitzen verdunkelt. 
2a. Kultur beinormalem Feuchtigkeitsgehalte der Atmosphäre. 


An den verdunkelten Gipfelpartien entwickelten sich innerhalb 
5 Wochen mehrere etiolierte, 12--29 em lange, armleuchterähnliche 
Gestalt annehmende Triebe mit durchwegs einfachen. ca. 2-3 mm 
breiten, anfangs dornfreien Blätten. Der Terminalsproß blieb im 
Wachstum sehr zurück, 

Von der 6. Woche des Versuches an traten in den Achseln der 
neugewachsenen Blätter allmählich weiche Dornen auf, ilie schließlich 
eine Länge von 2—2,5 em erreichten. 

Nach Ablauf von weiteren 3 Wochen begannen die neugebildeten 
Sprosse, ohne daß die Pflanzen etwa an Wassermangel gelitten hätten, 
zu vertrocknen; Anfang Juni waren sie bereits vollständig eingegangen. 

An den nichtverdunkelten Partien entwickelten sich äußerst 
üppige Sprosse mit anfangs dornfreien, später jedoch gleichfalls dorn- 
tragenden, zwei- bis dreizähligen Laubblättern wie bei Gruppe 1a. 


2b. Kultur in feuchter Luft. 

Die bei Einleitung des Versuches ca. 2 em langen Dornen’ ver- 
längerten sich, an Starrheit einbüßend, sowohl innerhalb als außerhalb 
der Verdunklungshülle bis zu ca. 3 em. Wie bei Gruppe ib, war 
auch hier eine gleichzeitige Verlängerung der Blatt- und Dors- 
haare zu beobachten. Die an den verdunkelten Sprossen entstandenen 
sehmallanzettlichen, ca. 2—3 mm breiten Blätter zeigten die gewöhn- 


lichen Etiolementserscheinungen. . 
Schon nach vierwöchentlicher Versuchsdaner fingen die jungen 
vergeilten Blätter an zu faulen; Anfang Mai waren sie bereits sämtlich 


zugrunde gegangen. 
Die nichtverdunkelten Pflanzenteile entwickelten sich wie bei 


Gruppe Ib. 
Von einer Umwandlung der Dornen bzw. Dornzweige zu be- 


blätterten Sprossen war nichts zu beobachten. 


Basis der Pflanzen verdunkelt. 
3a. Kultur in normaler Luft. 


Aus dem verdunkelten basalen Teile der Pflanzen entwickelten 
sich innerhalb 5 Wochen melirere neue etiolierte Sprosse, die eine 
anffallende Länge (6&5—17,7 cm) erreichten und anfangs ca. 3 mm 
breite, lanzettliche, einfache Blätter obne Dornen trugen. Bei einer 
Versuchspflanze zeigten sich beim Auftreten dieser einfachen Blätter 


92 Josef Zeidler, 


in der verdunkelten Partie gleichzeitig auch schon vereinzelte Dornen, 
während bei einer anderen Pflanze an der verdunkelten Basis nicht 
einfache, sondern sehr kleine, nur 0,5—0,9 em lange, dreizählige Blätter 
ohne Dornen gebildet wurden, deren Seitenzipfel ca. 2 mm breit waren.. 
Schon nach zwei weiteren Wochen waren in den Achseln aller neu- 
gebildeten Blätter auch bereits Dornen zu beobachten, während die 
Blätter selbst allmählich abstarben. 

Die nichtverdunkelten, in den oberen und mittleren Partien der 
Pflanzen entstandenen Sprosse zeigten normale Wachstumsverhältnisse- 
wie bei der Kontrollgruppe 1a. 


3b. Kultur in feuchter Luft. 


Die Dornen, sowie die Dorn- und Blatthaare sowohl der ver- 
dunkelten als auch der nichtverdunkelten Partien verlängerten sich wie 
bei den Gruppen 1b und 2b, doch fand auch bier eine Umwandlung‘ 
der Dornen in beblätterte Sprosse an den nichtverdunkelten Pflanzen- 
partien nicht statt. 

An der verdunkelten Basis der Pflanzen entwickelten sich mehrere 
etiolierte, ca. 4,5 em lange Neusprosse, an welchen, in Abständen von 
5—6 mm, durchwegs nur dreizählige Blätter mit ca. 2 mm breiten 
Seitenzipfeln zur Ausbildung gelangten. 

Bei diesen Blättern traten, im Gegensatze zu allen übrigen, in 
den Achselstellen die Dornen erst nach Ablauf der sechsten Woche, 
also verhältnismäßig spät, auf. Nachher stellten sich an der verdunkelten 
Basis Fäulniserscheinungen ein, die schließlich das Zugrundegehen 
sämtlicher etiolierter Neusprosse nach sich zogen. Die nichtverdunkelten 
Pflanzenpartien zeigten dieselben Wachstumsverhältnisse wie bei Gruppe Ib 
und 2b. 


1. Versuche mit Keimpflanzen. 


Außer den eben beschriebenen Versuchen mit bereits dorntragen- 
den, zweijährigen Ulex-Pflanzen stellte ich am selben Orte auch Ver- 
suche mit aus Samen gleicher Provenienz herangezogenen Keinlingen 
an, bei welchen die Entwicklung von beblätterten Sprossen an Stelle der 
Dornen im Bereiche der Möglichkeit lag. Ihrer Kleinheit wegen — 
die Keimpflänzchen waren zu Beginn des Versuches kaum 2 cm hoch 
— konnte ich eine nur partielle Verdunkelung nicht durchführen; es 
wurden daher die ganzen Individuen ‘durch darübergestürzte Tongefäße 
dem Einflusse des Lichtes entzogen. 

Ich stellte vier Versuchsreihen, aus möglichst gleichgestalteten 
Pflanzen bestehend, auf. Je vier Pflanzen bildeten eine Reihe. 


Über den Einfluß der Luftfeuchtigkeit usw. 93 


Gruppe A bestand aus Pflanzen, die sich unter normalen Licht- 
und Feuchtigkeitsverhältnissen entwickelten; sie diente als Kontroll- 
gruppe; Gruppe B umfaßte nichtverdunkelte Pflanzen, kultiviert in dem 
bereits früher erwähnten Vermehrungskasten, in feuchter Luft; Gruppe C 
enthielt verdunkelte Pflanzen, kultiviert in normaler Luft!}; Gruppe D 
bestand aus verdunkelten Pflanzen, kultiviert in der feuchten Luft des 
Vermehrungskastens. 


Licht-Kulturen. 
A. Normale Vegetationsbedingungen. 


Die zu dieser Gruppe vereinigten Pflänzchen trugen zu Beginn 
des Versuches — wie alle übrigen — außer den beiden Kotyledonen 
nur je ein dreizähliges Biattpaar. Es entwickelten sich während eines 
Zeitraumes von ca. 6 Wochen durchschnittlich je 24 kurzgestielte, meist 
dreizählige, dornfreie Laubblätter, die voneinander etwa 1 cm ab- 
standen. Nur ganz vereinzelt wechselten dreizählige mit zweizähligen 
Blättern ab. Erst vom 25.—26. Blatte an traten in den Achseln der 
allmählich zur Ausbildung gelangten Blätter Dornen bzw. Dornsprosse 
auf. Nachher entwickelten sie sich auch bei den anfangs domnfrei ge- 
bliebenen Blättern, und zwar zuerst an den höher inserierten und erst 
später an den darunter befindlichen. Nach Entfaltung des 24.—25. 
dreizähligen Blattes wurden weitere dreizählige, dornfreie Blätter 
nicht mehr ausgebildet; nunmehr traten bei gleichzeitiger Reduktion 
der Blattspreiten stets zweizählige und eiwa nach dem 36. Blatte nur 
noch einfache, ungestielte, schmallanzettliche Blätter auf, die sofort bei 
ihrem Entstehen auch schon weiche Axillardornen aufwiesen. 


B. Feuchte Luft. 


Die Pflanzen dieser Gruppe unterschieden sieh nach Ablauf der 
Versuchszeit von jenen der Gruppe A durch gestrecktere Inter- 
nodien (um ca. 3 mm) und durchschnittlich 2 mm längere Dornen; 
letztere kamen nach erfolgter Ausbildung (les 23.—24. Blattes zum 
Vorschein, 

Von Mitte April bis Anfang Juli hatten sich an jeder Pflanze 
Aurchsehnittlich 38 Blätter entwickelt. Eine Unterdrückung der Dorn- 
bildung fand nicht statt. 


1} Bei dieser Gruppe war infolge des Umstandes, daß die Keinlinge zeitweise 
begossen werden mußten und das über sie gestürzte Tongefäß ein rasches Ent- 
weichen des gebildeten Wasserdampfes verhinderte, die Atmosphäre jedenfalls etwas 
feuchter als unter normalen Verhältnissen. 


94 Josef Zeidler, 


Dunkel-Kulturen. 
C. Normale Atmosphäre. 

An den zu Beginn des Versuches je ein Blattpaar aufweisenden 
Pflänzchen dieser Gruppe bildeten sich nur je 3-4 etiolierte, drei- 
zählige Blätter, die schon nach kaum # Wochen von Pilzen befallen 
würden. Nach 5 Wochen gingen sämtliche Individuen ein, ohne vorher 
auch nur. einen einzigen Dorn ausgebildet zu haben. 

Gegen Ende Mai ersetzte ich die eingegangenen Pflänzchen durch 
andere Exemplare aus der unter normalen Wachstumsverhältnissen 
vegetierenden Pflanzengruppe A. Aber auch diese gingen nach der- 
selben Zeit und in gleicher Weise zugrunde wie die früheren. 


D. Feuchte Atmosphäre. 
Die Pflanzen dieser Gruppe gingen, ohne auch nur ein einziges neues 
Blatt gebildet zu haben, ausnahmslos schon nach 3 Wochen zugrunde und 
ebenso die hierauf aus Gruppe A herübergenommenen Ersatzexemplare. 


III. Weitere Beobachtungen. 


An den im Jahre 1907 bei Gegenwart von Licht in nahezu kon- 
stant feucht gehaltener Atmosphäre kultivierten (vgl. pag. 4 dieser 
Arbeit) und von mir am selben Orte auch noch weiter belassenen Ulex- 
Pflanzen war im Spätherbste desselben Jahres und auch der folgenden 
sowie zu Beginn einer jeden neuen Vegetationsperiode eine auffallende 
Erscheinung zu beobachten. 

Obgleich die Möglichkeit einer konstanten Weiterentwicklung der 
Pflanzen unter den erwähnten Vegetationsverhältnissen gegeben war, 
hatten diese im Herbst ihr Wachstum bis zu einem gewissen Grade 
eingestellt, und zwar in der Weise, daß an den einzelnen Sproßspitzen 
Abschlußknopsen!) auftraten, die von den zuletzt entstandenen und 
unmittelbar darunter befindlichen Blättern gebildet erschienen. 

Als nun im nächsten Frühjahre diese Pflanzen in neuerliche 
Vegetationstätigkeit traten, entwickelten sich zunächst nur einfache, 
ea. 7 mm breite, also verhältnismäßig große Blätter, die längere Zeit 
hindurch durchwegs dornfrei blieben. Es gewährte ein eigentümlich 
kontrastierendes Bild, wenn man diese breiten Blätter mit den darunter 
inserierten schmallanzettlichen verglich, die sich noch während der vor- 
ausgegangenen Vegetationsperiode gebildet hatten. Infolge dieser Merk- 


male war der Zuwachs jeder einzelnen Vegetationsperiode sehr leicht 
zu erkennen. 


1) Die Internodien waren stark gestaucht. 


— 


Über den Einfluß der Luftfeuchtigkeit usw. 95 


An einigen, während der letzten und vorletzten Vegetationsperiode 
gewachsenen Zweigstücken entwickelten sich überdies unterhalb der 
Blätter (nicht in deren Achseln) spontan neue Sprosse und an diesen 
ebenfalls längere Zeit hindurch dornfrei bleibende ungeteilte Blätter, 
die verhältnismäßig groß waren. Ganz die gleiche Erscheinung war 
auch bei zwei anderen Exemplaren derselben Pflanzengruppe (1b) zu 
konstatieren, die nach Abschluß des auf pag. 4 beschriebenen Ver- 
suches aus dem Vermehrungskaster entfernt und in einem dauernd 
beschatteten, normale Luft führenden Raume bei einer durchschnittlichen 
Temperatur von 8&—10° C überwintert wurden. 


Zusammenfassung. 


Wenn man die Resultate der vorhergehend beschriebenen Ver- 
suche, durchgeführt an Ulex europaeus, überblickt, so ergibt sich 
hauptsächlich folgendes: 

1. Die Dornbildung wurde nicht nur an in feuchter Atmosphäre, 
sondern auch bei partiell verdunkelt gehaltenen Pflanzen zwar etwas ge- 
hemmt, nicht aber auf die Dauer unterdrückt, Verhältnisse, die schon 
Goebel!) im Gegensatze zu Lothelier konstatiert hat. (Keimlinge 
sowie ältere Pflanzen gehen bei vollständiger Verdunklung verhältnis- 
mäßig rasch zugrunde.) 

2. Typische, mehr oder minder flächenförmig gestaltete Laub- 
blätter (ohne Dornen) bilden sich nicht nur an den basal gelegenen 
Teilen der Haupt- und Seitensprosse, sondern auch an älteren Indi- 
viduen im Laufe der Kultur in feuchter Atmosphäre (und manchmal 
auch in normaler) an den zu unterst gelegenen Partien der verschiedenen 
Jahrestriebe. Hierdurch erscheint die ontogenetische Entwicklung der 
ganzen Pflanze bis zu einem gewissen Grade an den einzelnen, während 
einer Vegetationsperiode gebildeten Sprossen realisiert. 

Die Ursache der Ausbildung von typischen Laubblättern, welche 
Lothelier bei der Kultur von Ulex-Pflanzen in feuchter Luft oder 
auch bei verminderter Lichtintensität beobachten konnte, liegt wohl darin, 
daß derselbe nicht unverletzte Pflanzen, sondern aus Ulex-Strünken 
hervorgegangene Sprosse zu seinen Versuchen benutzt hat?). 

Die von Lothelier in Bildern vorgeführten belaubten Sprosse 
sind, meiner Ansicht nach, nichts anderes als Jugendformen bzw. Rück- 


schlagssprosse im Sinne Goebel's. 


Ey: Goebel, Organographie, 1. e, I. Teil, pag. 146-150 u. 227. 
2) Dies ist auch der Fall bei Lothelier’s Versuchen mit Berberis vnl- 


garis L. gewesen. 


Über die Wirkung von Strontiumsalzen auf Algen. 


Von Oscar Loew. 


Da die Ähnlichkeit zwischen Kalzium- und Strontiumsalzen in 
chemischer Beziehung eine sehr weitgehende ist, eine Ähnlichkeit, 
welche weit größer ist, als die zwischen Kalium- und Natriumsalzen, so 
bat man es früher für möglich erachtet, daß ein Ersatz von Kalzium 
durch Strontium in physiologischer Beziehung stattfinden könne. 


Die ersten Versuche in dieser Richtung wurden am tierischen 
Organismus angestellt und zwar mit Hinsicht auf die Knochenbildung, 
und hier konstatierten sowohl Max Cremer als Weiske, daß eine 
Vertretung hier nieht stattfinden könne, denn die jungen wachsenden 
Tiere wurden rhachitisch, die Knochen blieben weich, als der Kalkgehalt 
der Nahrung durch Strentiumverbindungen ersetzt wurde. Dieses 
Resultat wäre unverständlich, wenn die Funktion des Kalkes in Knochen 
lediglich darin bestände, daß er als Phosphat die Festigkeit des Knochens 
bedinge, denn dazu wäre das Tristrontiumphosphat gewiß ebensogut 
zu gebrauchen als das Trikalziumphosphat. Es muß hier ein weiterer 
wichtiger Umstand mitspielen, der die Funktionen der knochenbildenden 
Zellen beeinflußt und wobei die Kalksalze eben nicht durch Strontium- 
salze ersetzbar sind. 


Strontiumsalze sind verhältnismäßig ungiftig für das Tier, denn 
sogar bei intravenöser Injektion von bis zu 1 g auf 20 kg Lebend- 
gewicht beim Hunde erwies es sich nicht als schädlich. Es können 
ferner bis zu 3 g per 0s gegeben werden, ohne eine andere Wirkung 
als eine diuretische zu erzeugen‘). Bei Kaninchen beobachtete dagegen 
Burgassi?) eine schwach toxische Wirkung von Strontiumsalzen. 


Was niedere Tiere betrifft, so hat Herbst?) gezeigt, daß bei der 


Entwicklung von Seeigeleiern Kalziumsalze weder durch Strontium- 
noch durch Bariumsalze ersetzt werden können. 


An grünen Pflanzen wurden zuerst vom Schreiber dieses‘) im 
Jahre 1892 diesbezügliche Versuche angestellt, welche ergaben, daß 


1) Laborde, Jahresber. f. Tierchem., Bd. XX, pag. 63. 
2) Ibid. 1907, pag. 587. 

3) Arch. f. Entwicklungsmechanik 1895. 

4} Flera 1892, pag. 392. 


Über die Wirkung von Strontinmsalzen auf Algen. 97 


selbst nach mehreren Wochen bei Zimmertemperatur sich keine Gift- 
wirkung an Spirogyra beobachten läßt, wenn in der vollen Nährlösung 
das Kalziumnitrat durch Strontiumnitrat ersetzt.'wird, wohl aber tritt 
bei 28° C eine Schädigung und alimähliches Absterben ein. Der 
Schluß, daß Strontium das Kalzium auch bei Spirogyren nicht ersetzen 
könne, war somit berechtigt und Molisch, welcher bald darauf eben- 
falls solche Versuche ausführte, gelangte ebenfalls zum selben Schluß. 
Dieser Autor aber erwähnte außerdem noch die interessante Erscheinung, 
daß die Bildung der Querwand bei der noch hie und da stattfindenden 
Zellteilung unvollständig blieb, wenn Strontiumsalze statt Kalziumsalze 
oder sogar neben Kalziumsalzen vorhanden waren‘). In solchen Fällen 
schien somit die Tätigkeit des Zellkernes durch Strontium beeinflußt, 
denn es ist lediglich die Querwand und nicht die äußere Zellwand, 
welche eine Veränderung zeigt. Auch Versuche an Bohnenkeimlingen 
führten Molisch zum Schluß, daß ein physiologischer Ersatz von Kal- 
zium durch Strontium bei Pflanzen nicht möglich sei. 


Bald darauf stellte Haselhoff®) Versuche mit Phaseolus und 
Zea an, indem er die Zufuhr von Kalk allmählich verminderte, die 
von Strontian aber nicht. Unter dieser Bedingung wurde keine Gift- 
wirkung beobachtet, weshalb der Autor eine Vertrefiung von Kalzium 
durch Strontium im Pflanzenkörper für möglich erachtete. 


Daraufhin wurden von mir Versuche mit Zweigen von Trade- 
scantia®) angestellt, welche wieder ergaben, daß eine solche Vertretung 
unmöglich ist, in Übereinstimmung mit der Beobachtung von Molisch 
am Bohnenkeimling. Nach 6 Wochen bei 10—14° waren ans den 
in Kalziumnitrat (0,2%) befindlichen Zweigen bis zu 3,5 em lange 
normale Würzelchen entwickelt, während unter dem Einflusse von 
Strontiumnitrat (0,2°%/,) nur ganz hurze gebräunte Stummeln zu sehen 
waren. Auch bei gleichviel Kalzium- und Strontiumnitrat, gleichzeitig 
dargeboten, war eine hemmende Wirkung des letzteren unverkennbar; 
denn die Wurzeln blieben kleiner und die Wurzelhaare waren weniger 
und kürzer als im Kontrollversuch. Selbst bei einer Verdünnung des 
Strontiumnitrats auf 0,1% blieben die Würzelehen weit kleiner als im 
Kontroliversuch mit Kalziumnitrat und ihre allmähliche Bräunung zeigte 
ihr Absterben an. Die Wurzelbaare waren sehr klein und vereinzelt, 


1). Wiener Akad. Ber. 1895, Bd. CIV. Ich hatie diese Erscheinung ebenfalls 
gesehen, aber damals für Zufall gehalten. 
2) Landw. Jahrb,, Bd. XXIT, pag. 858. 
3) Botan. Zentralbl. 1898, Bd. LXXIV. 
Flora, Bd. 102. 7 


98 Oscar Lovew, 


während im bloßen destillierten Wasser zahlreich und allerdings weniger 
lang und dicht als bei 0,1°/, Kalziumnitrat. 


Weitere Versuche, in welche auch die Wirkung von Bariumsalzen 
einbezogen wurde, wurden auf meine Anregung hin von U. Suzuki 
unternommen und zwar an Keimlingen von Hordeum und Fagopyrum 
und mit Zweigen von Phlox, Rubus und Coreopsis. Es ergab sich, 
daß Barium schädlicher wirkt als Strontium und unter dem Einflusse 
des Bariumnitrates eine allmähliche Gelbfärbung der Blätter wie beim 
Etiolieren eintrat. In der 'normalen Lösung mit Kalziumnitrat fand 
eine gesunde und kräftige Entwicklung statt, während die Keimlinge 
bei Strontium- und Bariumniirat und Ausschluß von Kalziumsalzen 
nach 19 Tagen ein so kümmerliches Aussehen hatten, daß der Versuch 
beendet wurde. Die Stengel waren so schwach, daß sie sich zur Seite 
neigten, neue Blätter kamen nicht mehr zum Vorschein, die Kotyledonen 
fielen vor der Zeit ab und die Wurzelentwicklung war völlig sistiert. 
Es ergab sich ferner auch hier, daß bei partiellem Ersatz von Kalzium 
durch Strontium die schädliche Wirkung des letzteren verzögert wurde. 
Bei den oben erwähnten Zweigen fielen unter dem. Einflusse von 
Barium und Strontium die Blätter ab und neue Blätter entwickelten 
sich nicht, während unter dem von Kalzium die Blätter gesund blieben 
und neue zur Entwicklung kamen. 


In jüngster Zeit hat Hager!) Versuche angestellt, welche den 
Einfluß von Barium und Strontium bei gleichzeitiger Anwesenheit von 
Kalzium zeigen sollten. Ein armer Sandboden mit 0,027°/, CaO und 
0,0117 %/, MgO erhielt z. B. auf 10 kg einen Zusatz von 2,5-—7,5 g Kalk 
als Karbonat und 4,6-—-13,8 g Strontian ebenfalls als Karbonat. Im 
Haferstroh wurde dann bei einem dargebotenen Verhältnis von CaO:$rO — 
1:4,6 ein Aschengehalt von 10,02°/, mit dem Verhältnis 5,60 CaO zu 
3,47 SrO oder wie 1:0,62 gefunden. War ferner im Boden das Ver- 
hältnis Ca0:BaO — 1:6,8, so lieferte das erzeugte Haferstroh bei 
3,82%, Asche das Verhältnis 4,56 Ca0:3,65 BaO oder 1:0,8. 


Bei einem dargebotenen Verhältnis CaO :SrO = 1:4,6 enthielten 
die erhaltenen Gerstenkörner das Verhältnis 1:0,12, die Haferkörner 
1:Spur, die Pferdebohnensamen 1:0,33 und die Senfsamen 1:1,08. 


Es ging also auch in die Samen ein ganz anderes Verhältnis von 
Kalk zu Strontian über, als den Wurzeln dargeboten war; Strontian 


1) Kulturversuche mit höheren Pflanzen über. die Aufnahme von Strontium, . 
Barium und Magnesium. Leipzig 1909. 


Über die Wirkung von Strontiumsalzen auf Algen. 99 


ging in die Samen noch schwerer über, als in die Blätter. Mit dem 
Eintritt von Strontian in die Pflanze war jedoch öfters eine Steigerung 


‚der Produktion verbunden (Reizwirkung); bei dem oben erwähnten 


Verhältnis im Boden aber ergab sich eine bedeutende Depression der 


‚Ernte. welche bei Gerstenkörnern 51 %/,, bei Pferdebohnen 35 %/, betrug. 


Die Barytdüngung wirkte in der Regel stark ertragsmindernd, 
nur beim Haferstroh war eine Steigerung zu bemerken. Bei Gersten- 
körnern sank der Ertag von im Kontrollfall 100 g auf 8 g; bei Buch- 
weizen von 100 g auf 6,59 g. Barium ging in die Samen gar nicht 
über. mit Ausnahme beim Senf, wo er vielleicht aber nur in der 
Schale war d). 

Der Grund, warum Barium das Kalzium plysiologisch nicht zu 
ersetzen vermag, könnte darin gesucht werden, daß die Assimilation 
des Schwefels bei der Eiweißbildung verhindert werden kann, da 
Bariumsalze die Schwefelsäure der aufgenommenen Sulphate unlöslich 
machen können. Auffällig muß es daher erscheinen, daß bei Dar- 
bietung von Bariumsalzen neben Kalziumsalzen überhaupt noch ein 


"Wachstum möglich war, es ließen sich wohl Suzuki’s Resultate bei 


Kalziumausschluß, aber kaum die Hager’s bei gleichzeitiger Kalzium- 
zufuhr mit jener Ansicht erklären; bei letzterem Falle müßte man 
höchstens annehmen, daß bei den Zuständen in den Pflanzenzellen ge- 
nügend Bariumsulfat kolloidal gelöst bleibt, um die Assimilation des 
Schwefels dem Protoplasma bei der Eiweißbildung zu ermöglichen. 
Wenn aber diese Ansicht richtig wäre, dann müßte man für Suzuki’s 
Resultate der Bariumwirkung beim Kalziumausschluß eine andere Er- 
klärung, als die obige suchen.. Bei der Annahme, daß Kalziumverbin- 
dungen lediglich für die Membranbildung nötig seien, erscheint die 
absolute Unmöglichkeit der physiologischen Vertrefung von Kalzium 
dureh Barinm oder Strontium schwer begreiflich, ebenso als bei der 
Annahme, daß Kalzium lediglich Ozalsäure oder andere Säuren, welche 
im Stoffwechsel auftreten, durch ihre Ausfällung unschädlich zu machen 
hätten; denn Barium- und Strontiumsalze dieser Säuren sind ebenfalls 
ziemlich schwer löslich, jedenfalls in genügendem Grade. Oxalsaurer 
Strontian z. B. löst sich in Wasser im Verhältnis von 1:12000, das 
Salz wäre also gewiß schwerlöslich genug. 


1) Es mag hier angeführt werden, daß nach Crawford (Bulletin No, 129 
des Bureau of Plant Industey, Washington 1908) auf gewissen Böden in Colorado 
Astragalus und Aragallus Baryiverbindungen aufnehmen und deshalb Tiere, die 
längere Zeit diese Pflanzen fressen, zugrunde gehen. 


gr 


100 Oscar Loew, ' 


Da Barium sich indessen weiter von Kalzium entiermt, als 
Strontium, und ferner bei niederen Pflanzen der Gesamteffekt sich 
leichter übersehen läßt, so stellte ich nochmals Versuche an Spiro- 
gyra mit Strontiumsalzen an und zwar in anderer Weise als früher, 
wo die Algenfäden direkt in eine Nährlösung kamen, in welcher 
Kalziumnitrat durch Strontiumnitrat ersetzt war. Die Spirogyrafäden 
wurden diesmal in relativ konzentrierte Lösungen gesetzt, wit Aus- 
schluß von Nährsalzen. Später wurden dann einige Proben von diesen 
‚Algen in eigentliche Nährlösungen übergeführt. Es war wahrscheinlich, 
daß auf diese Weise eher Erscheinungen zutage treten würden, welche 
Strontium im Gegensatz zu Kalzium im Gefolge hat. 

Beim ersten Versuch enthielt die eine Lösung 1°/, Chlorkalzium 
die andere Chlorstrontium!) in chemisch äquivalenter Menge, also 1,7%. 
Völlig normale Fäden von Spirogyra crassa wurden am 26. Oktober 
in die mit reinstem, aus Glas destillierten Wasser bereiteten Lösungen 
eingesetzt. Die Salze selbst waren als chemisch rein bezogen, das 
Chlorstrontium außerdem noch zweimal umkristallisiert worden. Die 
Glasflaschen standen. am Fenster eines Zimmers, dessen Temperatur 
mehrere Monate lang zwischen 10 und 16° wechselte. 

Nach 11 Tagen war noch gar kein Unterschied zu bemerken, 
ausgenommen, daß bei den Strontiumzellen der Zellkern, der sich hier 
bei mikroskopischer Betrachtung als Spindel darstellt, etwas in der 
Mitte verbreitert und im Längendurchmesser etwas verkürzt schien. 

Bei einer weiteren Besichtigung am 17. November ergab sich, 
daß bei Chlorkalzium die Stärkekörner größer waren als bei Chlor- 
strontium und die Färbung des Chloroplasten dort etwas dunkler war 
als hier, in beiden Fällen zeigte sich bei manchen Zellen im zentralen 
Teil eine ganz geringfügige Einschnürung des Zytoplasmas bei den 
Haftstellen der Plasmodienstränge, wahrscheinlich eine Folge des relativ 
hohen Salzgehaltes. 

Am 15. Januar, also nach 80 Tagen ergab die mikroskopische 
Prüfung, daß in beiden Fällen eine Anzahl Zeilen, deren Menge auf 
ea. 15%/, veranschlagt wurde, abgestorben war. Eine 10 °/,ige Glukose- 
lösung rief bei den gesunden Zellen in beiden Fällen normale Plas- 
molyse hervor. Beim Chlorstrontium erwiesen sich die Chlorophyll- 
bänder seitlich mehr oder weniger kontrahiert, so daß die lappigen 
Ausbuchtungen mehr oder weniger verwischt waren. Sehr auffallend 
aber war der Unterschied im Stärkemehlgehalt. Bei Chlorkalzium lag 


1) Beide Salzmengen beziehen sich auf den wasserfreien Zustand. 


Über die Wirkung von Strontiumsalzen auf Algen. -10L 


eine ıngemeine Überlällung mit Stärkmehl vor, bei Chlorstrontinm 
war der Gehalt nur sehr mäßig, ja in vielen Zellen geradezu ein ver- 
sehwindendes Minimum. Die Chlorkalziumzellen ließen ferner öfters 
an der Innenseite der Querwände Verdickungen der Zellwand in Form 
von lappenförmigen Auswüchsen erkennen, was bei «len Chlorstrontium- 
zeilen viel seltener und dann nur sehr schwach der Fall war. 


Wegen der Überfüllung mit Stärkekörnchen konnte der Zellkern 
bei den Chlorkalziumzellen nicht erkannt. werden, während er bei den 
Chlorstrontiumzellen hier und da sichtbar war, und zwar konnte dann 
nirgends mehr die normale Form wahrgenommen werden, sondern 
eine Kugelform. Bei den Chlorkalziumzellen wurde durch Verdunklung 
während 4 Tagen soviel Stärkeverbrauch erzielt, daß der Zellkern hie 
und da sichtbar wurde. Er zeigte sich dann nur unbedeutend von 
der Linsenform abweichend und weitweniger der Kugelforin sich nähernd, 
als dies beim Chlorstrontium der Fall war, was möglicherweise auf die 
verschiedene Konzentration (chemische Äquivalenz) zurückzuführen war. 


Sehr auffallend waren bei den Chlorstrontiumzellen häufig auf- 
tretende Kristalinadeln, welche entweder büschelförmig oder warzen- 
förmig augeordnet waren und manchmal in einer Art Blase (anomale Plas- 
molyse?) lagen. Diese Kristalle waren unlöslich in Alkohol, aber lös- 
lich in viel kochendem Wasser und wurden beim Erwärmen mit ver- 
dünntem kohlensauren Natron zerstört unter Bildung eines amorphen 
Niederschlags. Verdünnte Essigsäure löste sie bei gewöhnlicher Tem- 
peratur nicht, wohl aber sehr konzentrierte Essigsäure, ferner verdünnte 
Salz- und Schwefelsäure, welch letztere indessen an Stelle der Nadeln 
eine geringe Menge des amorphen Niederschlags lieferte. Demnach 
lag ein dem oxalsauren Kalk ähnliches Salz vor, jedoch wahrscheinlich 
nieht oxalsaurer Strontian, weil dieses auch in starker Essigsäure nur 
schwer löslich ist. Vielleicht war es das Strontiumsalz einer der Oxal- 
säure nahestehenden Säure (Weinsäure?). 

In den Chlorkalziumzellen dagegen konnten keinerlei Kristalle 


aufgefunden werden. 

Beim Übertragen einer Probe der Strontiumzellen in eine nor- 
male Nährlösung fand eine Regenerierung zu normalen Zellen nicht 
mehr statt!), wohl aber gelang dieses als dieselbe Algenart nur 20 Tage 
in jener Lösung von Strontiumehlorid bei einer 15° C nicht über- 


1} Eine Probe war bei einem Versuche schon nach 2 Tagen tot, was 
vielleicht nur auf zu rasche Änderung der Konzentration beruhen mochte. 


102 E Oscar Loew, 


steigenden Temperatur verweilt hatte. . Die Nährlösung hatte folgende 
Zusammensetzung: 


Monokaliumphosphat . . . . . . Olp. mn 
Kalaumnitrat . 2. 2.2 2.2.. 01, 5 
Magnesiumsuliat . . » 22.0. 08.» 
Kaliumuitrat . . . 2 22202 02 5 
Ferrosulfat . . . 2.2.2020... Spur 


Der Überschuß von Magnesia über Kalk in dieser Lösung wurde 
mit der Absicht angewandt, um eine Streckung des Chlorophylibandes 
zu erzielen und so den Kern besser sichtbar zu machen. Es zeigte 
sich, daß die kugelige Kerntasche bald wieder die für die Spezies 
normale Linsenform annahm. Ferner wurde hier in einigen Zellen bei 
der Zellteilung die schon von Molisch erwähnte unvollständige Bildung 
der Querwand wieder beobachtet, wenn Strontium in den Zellen war. 


Bei einem weiteren Versuch (März 1910) wurden Fäden von 
Spirogyra communis in 1°/,ige Lösungen von Chlorstrontium und 
Chlorkalzium eingesetzt, etwa haselnußgroße Ballen völlig gesunder 
Fäden in 30 cem der Lösungen, in größeren Proberöhren. Die Proben 
standen in den ersten Wochen bei 12—16° C an einem Fenster; 
direktes Sonnenlicht hatte öfters aber dann stets nur kurze Zeit Zutritt. 
Es ließ sich auch hier wieder konstatieren, daß die Fäden in Chlor- 
kalzium viel mehr Gasblasen im Lichte bildeten. als die im Chlor- 
strontium. Nach 43 Tagen zeigten sich in der Chlorstrontiumlösung 
zur wenige Zellen abgestorben, im Chlorkalzium scheinbar gar keine. 
Die Chlorophylibänder waren in beiden Fällen etwas mehr gestreckt 
als vorher, in vielen Fällen parallel der Längsachse. Beim Chlor- 
strontium waren die Ränder der Chlorophylibänder jedoch häufig etwas 
verquolien. Ein großer Unterschied bestand auch diesmal im Stärke- 
gehalt der Chloroplasten, welcher bei Chlorkalzium bedeutend größer 
war als bei Chlorstrontium. Kristallbildungen, wie beim ersten Ver- 
such, waren diesmal weit seltener in den Chlorstrontiumzellen zu sehen, 
was entweder darauf beruhen mag, daß eine andere Algenspezies zum 
Versuche diente, oder darauf, daß die Chlorstrontiumlösung nicht wie 
damals 1.7°/,, sondern nur 1%, Salz enthielt. Was den Zellkern be- 
trifft, so war derselbe meistens mehr oder weniger in der Mitte er- 
weitert, wie früher schon beobachtet. Dies bedingte aber eine Ver- 
längerung der Plasmodiumstränge, da die Längsachse verkürzt wurde, 
oder eine geringe Einschnürung des Zytoplasmas in der Kernzone. 


Über die Wirkung von Strontinmsalzen auf Algen. 103 


Normale Kernformen- (mit Tasche) waren nicht sehr häufig zu sehen, 
beim Chlorkalzium waren dieselben weit häufiger. 


Nun wurde (22. April) ein Teil der Zellen aus der 1°/,igen in eine 
0,3 %/,ige Lösung beider Chloride versetzt und bei höherer Temperatur wie 
bisher, nämlich bei 17—21° weiter beobachtet. Ein anderer Teil aber kam 
infolgende Nährlösung, in welcher Kalzium durch Strontium ersetzt war: 


Monokaliumphosphat . . . . 02 p.m. 
Kallumätrat . . ». 22.2.0838 4» 
Magnesiumsulfat . . . 2.2.02 2 u 
Strontinmchlorid . . - . .. 02,» 
Ferrosullat. . . . . . . . Spur 


Es starb nur ein Teil der Zellen in dieser Lösung bald ab, 
ein anderer Teil aber blieb noch längere Zeit leben und zeigte hie und 
da sogar Zellteilung, wobei aber diesmal die unvollständigen Quer- 
wände nicht zu sehen waren. Der Kern nahm allmählich wieder seine 
normale Form an, aber die Chlorophylibänder wurden immer dünner, 
iinmer schmächtiger, die ohmehin geringen Stärkemengen schwanden 
zuletzt vollständig und der Hungertod war es offenbar, der mehr und 
mehr Zellen das Leben kostete, bis schließlich, am 24. Mai, fast alle 
Fäden abgestorben waren. Der Kern mochte sich auf Kosten des 
Chloroplasten oder unter Mithilfe des aus der abgestorbenen Partie 
stammenden Kalkes regeneriert haben, aber dem Ühloroplasten war 
Regeneration nicht möglich. Von einigem Interesse schien es, daß sich 
eine Flagellatenform, Chlamydomonas, und eine nur sehr schwach 
grüne Oscillaria in dieser Lösung stark vermehrten. Letztere bedarf 
des Kalkes wahrscheinlich überhaupt nicht, hei ersterer aber wäre eine 
weitere Prüfung nötig, In der Kontrolinährlösung mit Chiorkalzium 
statt Chlorstrontium fand ein üppiges Spirogyrawachstum mit sehr 
kräftigem Chlorophyliband statt. 


Was nun jenen anderen Anteil Algenzellen betrifft, weicher nach 
43 Tagen aus der 1°/,igen Lösung in 0,5°,ige Lösungen versetzt 
und nun bei 17—21° weiter kultiviert wurde, so ergab sich ein inımer 
mehr zunehmender Unterschied. Nach weiteren 20 Tagen waren die 
Chlorkalziumaigen noch so tiefgrün wie je zuvor, reich an Stärkemehl 
und mit völlig normalem Chloroplasten, kurzum sie waren noch immer 
von sirotzender (Gesundheit, trotz Abwesenheit jedes anderen Nähr- 
stoffes und trotz Ausschluß der Zeilvermehrung. Nur die Zeilkern- 
tasche zeigte sich, wie schon erwähnt, öfters statt in Spindelform im 


104 . Oscar Loew, 


Durebschnitt nun als Elipse und hier und da auch als Kreis. Abge- 
storbene Zellen waren sehr selten, selbst nach 4 Monaten. 


Bei den Strontiumzellen dagegen zeigte sich kein saftiges Grün, 
sondern. ein Gelbgrün, die Chloroplasten hatten nur Spuren von Stärke 
und -hatten in Länge und Breite abgenommen); die Pyrenoide waren 
öfters, mit Chloroplasma umgeben, als kugelige Massen aus dem Verbande 
getreten, in die anfänglich reihenförmige Anordnung von solchen Kugeln . 
kam allmählich Unordnung, worauf bald der Tod folgte, so daß Kern 
und Chloroplasınakugeln einen wirren Haufen in solchen Zellen bildeten. 
Die Kerntaschen von noch lebenden Zellen waren völlig kugelig ge- 
worden, hingen aber an noch längeren Plasmasträngen am Chloroplasten. 
Weit mehr als die Hälfte aller Zellen waren nach 63 Tagen tot und 
die noch lebenden fristeten wahrscheinlich nur auf Kosten des toten 
Materials ihr Leben noch einige Zeit kümmerlich weiter. 


Auffallend ist, daß die Zellen verhältnismäßig lange in 1°/,iger 
Chlorstrontiumlösung fortieben können, ehe sich eine schädliche Wirkung 
dieses Salzes zeigt. Nur wenige Salze erreichen einen solchen Grad 
von Unschädlichkeit, denn bei gleicher Konzentration erweisen sich 
Natriumsalze und Kaliumsalze schon nach wenigen Tagen schädlich, 
wobei öfters normale oder anomale Plasmolyse und irreguläre Kon- 
traktion entweder als Ganzes oder in verschiedene Ballen zerteilt, er- 
folgt). Magnesiumsalze bei gleicher Konzentration töten schon in 
wenigen Stunden, während Chlorkalzium und nach ihm Kalziumnitrat 
bei 1®/,iger Lösung monatelang ertragen werden. 


Nicht nur Spirogyra sondern auch die nahe verwandte Zyg- 
mema und Mougeotia ertragen wochenlang Chlorstrontium in 1% 
Lösung. Werden aber die Proben dann 24 Stunden im Thermostat 
auf 34° © gehalten, so sieht man bei Chlorstrontium viele Zellen tot, 
bei Chlorkalzium aber noch schön erhalten. 


Werden frische Spirogyren jedoch dieser Vergleichsprobe unter- 
zogen, so bemerkt man nicht immer schon nach 24 Stunden einen Unter- 


schied. Viel hängt jedenfalls davon ab, ob etwas Kalk in den Zellen 
gespeichert war oder nicht. 


1) Die Abnahme der Chloroplastenmasse hei Kalziummangel hat auch Bo- 
korny beobachtet. Bot. Zentralbl, 1895, Ba. LXIL. 

2) In einer 1°/,igen Chlornatziumlösung sieht man bei Spirogyra nitida z. B. 
nach 1-—-3 Tagen teils normale Plasmolyse, teils Chloroplasten-Plasmolyse, wobei 


der Chloroplast in eine Anzahl Kugeln zarfällt; ein anderer Teil der Zellen ist 
bereits tot. 


Über die Wirkung von Strontiunsalzen auf Algen. 105 


Bei einem weiteren Versuch wurden.1%/,ige Lösungen von Kalzium- 
und Strontiumnitrat (wasserfrei) verwendet, in welche Fäden von Spiro- 
gyra nitida gesetzt wurden. Die Temperatur des Zimmers schwankte 
nun zwischen 18 und 24°, war also beträchtlich höher, als beim ersten 
Versuch mit Chloriden. Zum Vergleich dienten Algen in 0,6°/, Kalium- 
nitratlösung und in Quellwasser. Nach 11 Tagen waren die sehr stärke- 
reich gewordenen Fäden in der Kaliumnitratlösung ganz abgestorben, 
meist unter beträchtlicher Konktraktion des Zytoplasmas. 'Öfters war 
das Chlorophyliband in einzelne Ballen verwandelt. Bei Strontium- 
nitrat waren etwa 20°, der Zellen tot, bei Kalziumnitrat aber war 
nichts Abgestorbenes zu bemerken, der Stärkemehlgehalt in beiden 
letzteren Lösungen war nur mäßig und etwa gleich. 

Nach 15 Tagen war die Algenmasse in der Strontiumnitratlösung 
gelblich geworden, während die in Kalziumnitrat noch schön dunkel- 
grün waren. Die nähere Prüfung ergab, daß höchstens 10°/, der Zellen 
in Strontiumnitrat noch lebend waren und die abgestorbenen verschie- 
dene Grade der Kontraktion des Zytoplasma und des Ohloroplasten 
zeigten, indem die volle Totenstarre bald früher, bald später eintrat 
und oft weitere Veränderungen verhinderte. Das Chlorophyliband war 
in den einen Zellen seitlich kontrahiert, so daß die Pyrenoide nur 
dureh dünne’ Fäden miteinander verbunden waren. In anderen Zellen 
aber waren die Pyrenoide mit etwas Chloroplasma umgeben, als kugelige 
Massen aus dem Verband getreten. 

Die Zellen in der Kalziumnitratlösung erwiesen sich in jeder Be- 
ziehung noch normal, 

Es mag hier noch erwähnt werden, daß manche Salze, selbst bei 
öfterem Umkristallisieren, aus destilliertem Wasser, welches aus Glas 
nochmals destilliert wurde, nicht von solchen Spuren Kupfer zu befreien 
sind, die sie an sich gezogen haben beim ersten Umkristallisieren aus 
gewöhnlichem destillierten Wasser in der Fabrik, welche die Salze in 
den Handel brachte. Diese leisen Spuren Kupfer werden dann be- 
sonders von dem Chlorophyliband aufgespeichert und dieses zeigt dann 
ein auffallend frühes Absterben, dem bald auck Zytoplasma und Kern 
folgt (von Nägeli oligolynamische Wirkung genannt). Diese Art des 
Absterbens ist ziemlich charakteristisch, so daß sie kaum mit dem Ab- 
sterben in reinen Salzlösungen eiwa durch höhere Konzentration zu 
verwechseln ist. Schon makroskopisch kann man in 1—2 Tagen ein 
weißliches Aussehen der Fäden beobachten, der Turgor ist vollständig 
verschwunden, wie beim Herausnehmen der Fäden mit einem Glasstabe 
sofort zu erkennen ist, und das Zytoplasma zeigt sich stark trübe. 


106 Oscar Loew, 


Unter den Salzen, welche als chemisch rein bezogen wurden und 
solche Spuren Kupfer enthielten, ist mir eine Probe Kaliumsulfat und 
eine Probe Bariumnitrat vorgekommen. Das letztere Salz war (durch: 
zweimaliges Umkristallisieren mit aus Glas destilliertem Wasser nicht 
von seiner Giftigkeit zu befreien, und tötete Spirogyren in 15— 18 Stun- 


den, während eine andere Probe Bariumnitrat. in 0,5°/, Lösung inehrere- 


Wochen lang von den Spirogyren bei 15—18° sehr gut ertragen wurde. 


Schlußbetrachtungen: Bei dem Verhalten von Algenzellen zu. 
Strontiumsalzen muß vor allem auffallen, daß diese sehr lange in einer 
Konzentration vertragen werden, wie sonst keine anderen Salze, Kalzium- 


salze ausgenommen. Man kann wohl daraus als wahrscheinlich schließen, 


daß Strontium andere metallische Elemente, Kalium, Magnesium und 


Kalzium nieht aus wichtigen Positionen im Protoplasma sofort verdrängt, 


obgleich nach dem Gesetz der Massenwirkung man einen Platzwechsel 
mit seinen physiologischen oder vielmehr pathologischen Folgen ver- 
muten könnte. 


Schädliche Wirkungen von Chlorstrontium machen sich bei Algen. 
äußerst langsam bemerklich, wenn die Zelivermehrung ausgeschlossen. 
ist, und diese Wirkungen äußern sich am deutlichsten am Chlorophyli- 
körper, dessen: stärkebildende Funktion zunächst abnimmt, worauf eine 
Änderung der Färbung in gelbgrün, dann eine Schrumpfung und 
schließlich der Tod erfolg. Diese Erscheinungen zeigen sich bei 
gleicher Konzentration von Chlorkalzium in gleicher Zeit nicht, welches 
überhaupt das einzige Salz ist, das bei einer Konzentration von 1%, 
monatelang die Spirogyren gänzlich intakt läßt. 


In zweiter Linie treten bei lange dauerodem Einfluß von Chlor- 
strontium Kristallnadeln in den Spirogyrenzellen auf, welche unter dem 
Einfluß von Chlorkalzium — ceteris paribus — nicht auftreten. Diese 
Kristalle können unter den vorliegenden Verhältnissen nur eine Stron- 
tiumverbindung einer organischen Säure sein. Sollte dieses nicht auf 
eine Behinderung normal verlaufender Respiration deuten? Wenn 
aber unter dem Einfluß von Strontium sowohl Assimilation wie Atmung 
eine Depression erleiden, welche unter dem Einfluß von Kalzium aus- 
bleibt, so kann es sich nicht um nebensächliche Stoffwechselprozesse 
handeln, sondern um die wichtigsten Ernährungsvorgänge, welche nur 
unter dem. Einfluß des Kalziums normal bei diesen Organismen ver- 
laufen, 

Nach der von mir seit lange vertretenen Ansicht ist der Zellkern 
und Chloroplast von den höheren Algen ab aufwärts aus Kalzium- 


Über die Wirkung von Stvontiumsalzen auf Algen. 107 


verbindungen von Proteiden aufgebaut, weil kalkfällende Stoffe, 
wie neutrales Kaliumoxalat oder Fluornatrium?), bei einer 
Konzentration von 1—2%, eine auffallend rasche kon- 
trahierende Wirkung auf den Zellkern ausüben, worauf dann 
bald der Chlorophylikörper angegriffen wird. Schon in 2 Minuten er- 
starrt der Kern mit Kerntasche und Plasmodiensträngen zu einem 
dünnen, fadenartigen Gebilde, wenn eine 2°/,ige Lösung jenes Oxalats 
auf Spirogyra crassa einwirkt. 


Mit jener Auffassung würden auch obige’ Beobachtungen gut | 
vereinbar sein, daß Chlorkalzium den Chloroplasten monatelang intakt 
läßt, Chlorstrontium aber nicht. Da der Chloroplast bei den Spiro- 
gyrazellen eine relativ sehr große Oberfläche darbietet, so kann er 
auch eher Unterschiede bei der Einwirkung erkennen lassen, als 
andere Chloroplasten. 

Niedere Algen bedürfen, wie sowohl Molisch als ich ungefähr 
zu gleicher Zeit beobachtet haben, des Kalkes nicht), trotzdem Kern 
und Chlorophylikörper bei ihnen normal funktionieren. Für diese ist 
aber auch neutrales Kaliumoxalat gar kein Gift und Fluormatrium ein 
sehr viel schwächeres als für die höheren Algen; ebenso sind für 
niedere Algen Magnesiumsalze bei Ausschluß von Kalziumsalzen nicht 
giftig, wie das bei den höheren Algen und aufwärts der Fall ist. Unter 
diesen Umständen blieb nur die logische Folgerung übrig, daß mit 
der höheren Differenzierung der Form und des Fortpflanzungs- 
modus Kalziumproteidverbindungen für den Kernaufbau not- 
wendig wurden. Wenn aber der Kern sich solche Kalziumverbin- 
dungen herstellt, so gibt er dieselben auch zum Aufbau des Chloro- 
plasten ab, der wahrscheinlich nicht selbst sein Baumaterial fahrizieren 
kann, und deswegen werden auch überall da, wo der Zellkern wichtige 
Kalziumverbindungen enthält, auch die Chloroplasien solche enthalten. 
Ein Austausch dieses Kalziums durch andere Elemente, wie K, Na, Mg, 
wird Strukturstörung durch Änderung des Imbibitionsgrades und da- 
durch den Tod herbeiführen. Kaliumoxalat, Natriumfluorid und Mag- 


1) Flora 1905, pag. 338. 

2) Hierher gehören Palmellaceen, ferner Scenedesmus und wahrsehein- 
lich Oseillaria Molisch hat bei Protokokkus, Stichokokkus, Mikreo- 
thamnion und Uiothrix beobachtet. Ob indes letztere bei Abwesenheit von 
Kalk auch Gumeten bildet, wäre noch zu präfen. In neuerer Zeit (Wiener Akad. 
Ber. 1909) hat Brunnthaler bei der Cyanophycee Gloeothece rupestris be- 
obachtet, daß sie von Chlormagnesium in 1°%/,iger Lösung nicht geschädigt wird, 
was für das Nichtbedürfnis dieser Alge für Kalk spricht. 


108 Oscar Loew, 


nesiumsulfat sind solche Mittel, das Kalzium abzuscheiden und durch 
kalium, Natrium oder Magnesium zu ersetzen. Säuren und sauer rea- 
gierende Salze wirken natürlich ebenfalls kalkentziehend, und die Be- 
obachtung von Benecke, daß die schädliche Wirkung von saurem Kalium- 
phosphat bei ‚Algen durch Gegenwart von Kalziumsalzen verhindert 
werden kann, ist ebenso leicht erklärlich, wie meine frühere Beob- 
achtung, daß saures Kaliumphosphat‘) die Giftwirkung der Magnesium- 
salze bei Spirogyren beschleunigt. Dort ist leicht sofortiger Wieder- 
ersatz für jedes entzogene Kalziumatom möglich, und hier addieren sich 
zwei Kalzium entziehende Wirkungen ?). 

Aus zahlreichen und interessanten Versuchen über den Einfluß von 
Kalzium- und Magnesiumsalzen auf die Wurzel von Weizenkeimlingen 
schließt Hansteen, daß Kalziumsalze hauptsächlich zur Bildung der 
Zellwand nötig sind, denn diese wird schleimig und degeneriert, wenn 
Kalk in der Lösung fehlt. Hierzu möchte ich mir zu bemerken er- 
lauben, daß nicht untersucht wurde, ob nicht schon vor dem Degene- 
rieren der Zellwand der zugehörige Zellkern abgestorben war. War 
aber dieser, resp. die Zelle tot, bevor die Degeneration der Zellwand 
eintrat, so erklärt sich diese letztere Erscheinung sehr leicht durch den 
Angriff von Bakterien, welche sich nun die aus der toten Zelle heraus- 
diosmierenden organischen Substanzen zu nutze machten, nachdem sie 
durch die austretenden Substanzen an die Membranen der absterbenden 
Zellen gelockt wurden. 

Daß die Wurzeln nicht nur unter dem Einflusse der Kalziumsalze 
Haare bilden, sondern nach Hansteen auch in einer mit Wasserdampf 
gesättigten Luft, mag vielleicht in der durch letzteren Umstand herbei- 
geführten Steigerung der Atmung beruhen, wodurch die Zellkern- 
funktionen unter der erhöhten Energielieferung ebenfalls gesteigert wurden. 

Daß ferner die Wurzeln auch abstarben, wenn für Zufuhr von 
Kalziumsalzen in das Innere der Wurzel gesorgt wurde, aber die um- 


i) Das saure oder Monokaliumphosphat wirkt selbst bei einer Konzentration 
von 1,2°%,, ziemlich langsam auf Spirogyra ein, so daß bei den meisten Zellen 
der Eintritt normaler Plasmolyse erst nach 24 Stunden und dann der Tod erfolgt, 
unter Bleichung des Chlorophyiis. 

2) Es mag hier angeführt werden, daß ein gewisser Parallelismus der Gift- 
wirkung zwischen oxalsaurem Kali und Fluornatrium auch für den tierischen Or- 
ganismus beobachtet werden kann. F. Winkler hat ferner bei Froschblutleukoeyten 
beobachtet, daß beide Salze rasch diese Komme angreifen. „Die Leukocyten des 
Frosches scheinen einem Kernzerfalle zu unterliegen, ebenso die Leukoeyten aus 


den Peritonealexsudaten der Maus. Neutrales Kaliumtartrat ließ diesen Kernzerfall 
nicht eintreten.“ (Briefliche Mitteilung.) 


Über die Wirkung von Strontinmsalzen auf Algen. 109 


gebende Lösung nur Magnesiumsalze enthielt, erklärt sich wohl daraus, 
daß infolge von stetiger Diffusion von Magnesiumsalzen in die Pflanze 
diese stets in sehr bedeutendem Überschuß waren. Es ist übrigens 
hervorzuheben, daß Hansteen keineswegs die Folgerung zieht, daß der 
Kalk nur in der Membran wichtige Funktionen zu erfüllen habe. 

Hansteen weist auch auf die unvollständige Querwandbildung 
bei der Zellteilung unter dem Einflusse von Strontium Yin, aber die 
Querwandbildung ist eine Funktion des Zelikerns, welcherffnach meiner 
Ansicht eben nicht mehr völlig normal funktionieren kanı? wenn auch 
nur ein minimaler Teil seines Kalziumgehalts durch Strontium ersetzt 
ist. Die äußere Zellwand zeigt unter dem Einfluß von Strontiumsalzen 
gar keine Anomalien, woraus man allerdings nichts gegen Hansteens 
Ansicht ableiten kann. Es ist ja sehr leicht möglich, daß Kalziumsalze 
oder Strontiumsalze in den Zellmembranen abgelagert werden können. 

Herr Warthiadi von der hiesigen Technischen Hochschule hat 
beobachtet, daß Tradescantiazweige in kalkhaltiger, aber magnesia- 
freier Lösung auf Kosten von absterbenden Blättern lange Zeit immer 
neue Triebe entwickeln, während in der kalkfreien aber magnesiahaltigen 
Lösung keine Spur eines neuen Triebes erscheint. Jene neuen Triebe 
verlangten zwar auch etwas Magnesia, aber so viel dürfte wohl aus den 
absterbenden Blättern zugewandert sein. Neue Triebe aber erfordern 
in erster Linie eine normale Tätigkeit der Zellkerne, welche vor allem 
von der Anwesenheit von Kalzium abhängt. 

Mit meiner Folgerung, daß sowohl Kern als Chlorophylikörper 
kalziumhaltige Proteide enthalten, steht auch im Einklang, 'üaß die 
Blätter die kalkreichsten Organe sind?), was nicht durch den Gehalt 
an Kalziumoxalat erklärt werden kann, denn bei Gramineen, welche, 
wie manche Liliaceen und Solanaceen, gewöhnlich Kalziumoxalat 
nieht enthalten, findet dieselbe Regel statt. Man könnte auch 
meinen. daß Kalk nur deshalb mehr in den Blättern vorhanden ist, 
weil diese überhaupt die aschereichsten Organe seien, allein es handelt 
sich hier nicht um einen absoluten, sondern um einen relativen Kalk- 
gehalt. 

Von Interesse ist die Beobachtung Ermakows, daß Kalzium- 
salze bei Assimilation des Nitratstickstoffs eine wichtige Rolle spielen, 


1) Church (1887) hat normale und Albinoblätter von gleichaltrigen Zweigen 
von Quercus rubra verglicken. Aus seinen Daten folgt, daß 1000 Teile weißer 
Blätter (trocken) 2,2 Teile Kalk, 1000 Teile grüner Blätter aber 3,98 Teile Kalk 
enthielten. Ob der Gehalt an Kalziumoxalat verschieden war, wurde leider nicht 
untersucht. Jedenfalls sind die „Leukoplasten“ bei Albinobläitern degeneriert. 


110 Oscar Loew, 


aber nicht bei der Assimilation von Ammoniakstickstoff. Dies läßt ‚sich 
wohl so am einfachsten erklären, daß sich aus den gespeicherten Al- 
kalinitraten zunächst Kalziumnitrat bildet und dieses leichter hydroli- 
‚siert: wird, als Kalium- oder Natriumnitrat. Das Kalziumoxid geht dabei 
sofort in organische Salze über, während die Salpetersäure im Moment 
des Freiwerdeus zu Ammoniak reduziert wird, das sofort als Baustein 
bei der Bildung von Eiweiß eventuell von Asparagin Verwendung findet. 

Bei niederen Algen, wenn sie bei Abwesenheit von Kalzium- 
salzen wachsen, könnten sicherlich auch Magnesiumsalze dieselben Dienste 
leisten. So interessant Ermakow’s Versuche auch sind, so können 
sie doch über die eigentliche physiologische Rolle des Kalks keine Ent- 
scheidung bringen, da die Pflanzen ja ebensogut: Ammoniakstickstoff 
als Nitratstickstoff verwenden können. . 

Es wurde behauptet, daß Kaliumsalze ebenso wie Kalziumsalze 
der Giftwirkung von Magnesiumsalzen entgegenwirken können, allein 
die hierfür angeführten Versuche an Algen dauerten allzu kurze Zeit, 
um entscheidend zu sein. Wir?) haben in dieser Beziehung junge 
Gerstenpflanzen von 8 cm Höhe nach Befreiung vom Endosperm in 
folgende Lösungen eingesetzt, je drei Stück: 


I 0,4°/, Magnesiumsulfat. 

II 04%, » + 0,2%, Kalziumsulfat. 
II 04% % -+ 0,2%, Kaliumsulfat. 
IV 0,4°/, Kaliumsulfat. 


Die Pflanzen in I waren in 7 Tagen tot, in Lösung TII starben 
zwei Pflanzen in 15 Tagen, die dritte in 41 Tagen, in Lösung IV 
starben zwei Pflanzen in 28 Tagen, die dritte in’ 36 Tagen, in Lösung II 
aber hatte jede Pflanze nach 5 Monaten noch drei völlig gesunde 
Blätter, welche zum Teil auf Kosten der ersten abgestorbenen Blätter 
sich entwickelt hatten, und die Wurzeln waren von 6 cm auf 14 cm 
gewachsen, während in den Lösungen I, II und IV gar kein Wurzel- 
wachstum zu konstatieren war. Erst 6 Monate nach Beginn des Ver- 
suchs zeigte das jüngste Blatt in II Gelbfärbung und fingen die Spitzen 
der anderen an zu verdorren. Das längste Blatt maß dann 10 em. 
Die Gesamtzahl der toten Blätter war 21. Da sich ein Pilz auf den 
Blättern einstellie, wurde der Versuch beendigt. Er zeigt aber hin- 
reichend klar, daß die Giftwirkung von Magnesiumsalzen nur 


1} 0. Loew und K. Aso, On physiologically balanced solutions. Bulletin, 
College of Agrieulture, Tokyo University, Vol. VIL, No. 3. 


Über die Wirkung von Strontiumsalzen auf Algen. 111 


Jurch Kalziumsalze vollständig aufgehoben, durch Kalium- 
‚salze aber nur verzögert wird, was auch Hansteen fand. 


Es ist auch behauptet worden, daß Kaliumsalze bei Abwesenheit 
‚anderer Salze giftig auf Pflanzen wirken. Allein Algen sterben in 
Kaliumsalzlösungen bei Ausschluß anderer Nährstoffe so langsam ab, 
daß man kaum von einer wirklichen Giftwirkung mehr sprechen kann. 
Während z. B. Spirogyren in 0,2-—-0,3°/, iger Lösung von Chlor- 
magnesiun in > Tagen total absterben, sind sie in 0,3%,iger Lösung 
von Chlorkalium erst in 18—20 Tagen erheblich geschädigt, indem der 
Kern losgelöst als unregelmäßig kontrahierte Masse in der Zelle liegt 
und der Chloroplast angegriffen ist. Das Cytoplasma ist. hierbei oft 
noch völlig intakt und der Turgor noch erhalten. 


Bei Phanerogamen ist es noch schwieriger, eine „Giftwirkung“ von 
Kaliumsalzen in Abwesenheit anderer Nährstoffe zu erkennen, Gersten- 
keimlinge von 18 cn Höhe, weiche des letzten Restes des Endosperms 
beraubt wurden, können 1-3 Monate lang in 0,5 °/,igen Lösungen von 
Kaliumnitrat-, -chlorid, oder -sulfat lebend bleiben; Maiskeimlinge blieben 
über 7 Wochen lang in einer 0,5 %/,igen Lösung von Kaliumsulfat gesund. 


Der Grund, warum Strontiumn das Kalzium physiologisch nicht 
ersetzen kann, ist jedenfalls in anderer Richtung zu suchen, als der 
für die Unfähigkeit des Magnesiums. Indessen chemische Unterschiede 
von einer solchen Art, daß man jene physiologische Unfähigkeit des 
Strontiums mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ableiten könnte, sind 
bis jetzt nicht bekannt. Dagegen existieren zwischen Kalium und 
Natrium einige sehr markante Unterschiede, die wohl geeignet sind, 
den gewaltigen physiologischen Unterschied zwischen diesen zwei 
Elenienten zu verstehen. Kalinm kann sich z. B. mit Kohlenoxyd ver- 
binden und diese Verbindung durch Einwirkung von Wasser in ein 
Benzolderivat (Trichinoyl) übergehen. Natrium aber ist unfähig, sich 
mit Kohlenoxyd zu verbinden. Kali kann hei der Einwirkung auf 
Phenol kondensierende Wirkung ausüben und viel Diphenol erzeugen, 
Natron aber liefert dabei wesentlich nur Resorzin und Phlorogluzin '). 
Sehon vor langer Zeit hat daher Schreiber dieses die Ansicht aus- 
gesprochen, daß Kali (vielleicht als Verbindung mit einem Nukleoproteid) 
bei den synthetischen Arbeiten in pflanzlichen wie tierischen Zellen be- 
tejligt sei, 


1) Weiteres hierüber 0. Loew in „The Physiological Röle of Mineral 
Nutrients“, pag. 06, Washington 1899 und II Edition, Bulletin No. 45, pag. 19 u. 34. 
U. 5. Department of Agrieulture, Division of Vegetable Physiology and Pathology. 


112 Osear Loew, Über die Wirkung von Strontinmsalzen auf Algen. 


Beim Vergleich von Baryt mit Kalk habe ich einen Unterschied 
in der Wirkung auf verdünnten Formaldehyd wahrgenommen, welcher 
hier Erwähnung finden mag. Während bei der Anwendung von Kalk 
die Kondensation zu einem Zucker (Formose) vorherrscht über die 
Spaltung des Formaldehyds in Ameisensäure und Methylalkohol, über- 
wiegt bei der Anwendung der äquivalenten Menge Baryt diese Spaltung 
über jene Zuckerkondensation, Da Strontian in bezug auf Basizität 
zwischen Kalk und Baryt steht, so kann man auch für Strontian ein 
geringeres Kondensationsvermögen als für Kalk vermuten. Indessen 
daraus könnte man wohl kaum die physiologische Unfähigkeit des 
Strontiums ableiten }). 

Jedenfalls ergibt sich aber wieder, daß es irrig ist, zu schließen, 
daß der „Kalk nichts mit dem innigsten Getriebe des Lebens zu tun 
habe“, weil die niedersten Organismen ihn nicht brauchen. 


1) Wie Meltzer und Auer fanden, wirken Kalziumverbindungen anders 
auf tierische Zellen als Strontinmverbindungen und anders als Magnesiumver- 
bindungen; sie können aber nur antegonistisch gegen letztere, nicht gegen erstere 
wirken. Amer. Journ. Physiol. 1908. 


Aktives Eiweiß und Tannin in Pflanzenzellen. 
Ven 0. Loew und Th. Bokorny. 


In den Proceedings of the Meeting of the Koninklijke Akademie 
van Wetenschappen te Amsterdan vom 26. März d. J. wurde eine 
Abhandlung von Prof. C. van Wisselingh mitgeteilt, in weicher 
Koffein und Antipyrin als neue Mittel der Abscheidung von Tannin in 
Pflanzenzellen erklärt werden. Zugleich wurde darauf hingewiesen, daß 
Loew und Bokorny bereits jene beiden Basen gebraucht hätten, um 
das nichtorganisierte labile Protein in lebenden Zellen zur Aus- 
scheidung zu bringen. Wisselingh hält die durch jene Basen er- 
haltene Ausscheidung lediglich für gerbsaures Koffein resp. gerbsaures 
Antipyrin, während wir außer allen Zweifel gestellt haben, daß die 
kugeligen Ausscheidungen durch jene Basen in Zellen von 
Spirogyren und überhaupt in äußerst zahlreichen pflanzlichen Objekten 
aus den vorschiedensten Familien hauptsächlich einen äußerst labilen 
Proteinstoff enthalten. Dieser nimmt bei seiner Ausscheidung sämt- 
lichen Gerbstoff der Zellen mit sich. Wenn Wisselingh in seiner 
Abhandlung sagt 1. e. $. 700: „I adhere to my opinion that antipyrine 
and coffeine solutions are valuable fannin reagents and suppose that 
Loew and Bokorny have given an inaccurate explanation of the 
phenomenon which they observed“, so stimmt die erste Hälfte dieses 
Natzes mit unseren Beobachtungen überein, aber nicht die zweite. 

Daß Wisselingh meint, unsere Folgerungen seien eine „inaceu- 
rate explanation of the phenomenon“, erklärt sich wohl nur daraus, 
daß er unsere diesbezüglichen Studien nur sehr unvollständig kennt. 
Diese Studien, die sich durch fast 10 Jahre hinzogen, sind in Kap. VII 
und VIII der Schrift von O. Loew zusammengefaßt worden: Die 
chemische Energie der lebenden Zellen. In dieser Schrift") 
findet sich bezüglich des Gerbstoffnachweises folgende Mitteilung: 
„Werden gerbstoffhaltige Zellen mit Koffein behandelt, so scheidet. sich 
mit den Proteosomen zugleich auch der sämtliche Gerbstoff 
aus, welcher in diesen so fest gehalten wird, daß er weder mit ver- 
dünntem Ammoniak noch mit Alkohol ganz entfernt werden kaun. 
Selbst der geringste Gerbstoffgehalt der Zellen läßt sich leicht 
auf die Weise erkennen, daß man zuerst Proteosomen mit Koffein 


i) Zweite Auflage, pag. 98. Stuttgart 1906, Verlag von Fr. Grub. Wie im 
Kap. VII erwähnt, wurden sämtliche Studien über die Proteosomen von uns heiden 


in Gemeinschaft ausgeführt. 
Flora, Ba. 102. 8 


114 0. Loew und Th. Bokorny, 


erzeugt, dann die Objekte mit etwas feingepulvertem Eisenvitrol bestreut 
und nun langsam erwärmt bis zur Eintrocknung. Nach Wiederbe- 
feuchten mit Wasser und einigem Stehen an der Luft werden die 
Proteosomen unter dem Mikroskop bei gerbstoffreichen Zellen dunkelblau 
erscheinen, selbst die geringsten Spuren verraten sich noch durch eine 
schwachbläuliche Färbung.“ . 

Wie man zugeben wird, erhalten die Beobachtungen van Wisse- 
lingh’s keineswegs eine Widerlegung unserer Auffassung, denn wir 
stimmen insofern mit ihm überein, daß sich Koffein und Antipyrin 
sehr gut zur Gerbstoffabscheidung eignen. 


In unserer zitierten Schrift wird man alles finden, was auf den 
Gehalt der Koffeinausscheidungen nicht nur an Gerbstoff, sondern auch 
an Protein Bezug bat. Daß bei genauerer Prüfung eine Verwechslung 
von Proteosomen mit bloßem gerbsauren Koffein resp. gerbsauren Anti- 
pyrin möglich sein sollte, ist eigentlich undenkbar. Man betrachte nur 


einmal folgende Unterschiede: 


Proteosomen 


Gerbsaures Koffein 


Werden bei 50—-56° koaguliert. 
Binden Ammoniak und werden dabei fest. 
Werden bei mehrtägigem Aufenthalt in 


verdünnter Koffeinlösung vakuolisiert 
und fest, 

‘Werden unter Gelbfärbung durch Jod fest. 

Verdünnte Säuren koagulieren die Proteo- 
somen und nehmen die Wasserlöslich- 
keit, 

Werden durch verdünnten Alkohol von 
20°, unter Vakuolisierung unlöglich. 

Dämpfe von Anästhetika bedingen lang- 
sam eine Koagulation der Proteosomen, 
welche bald nach dem Tode der Zellen 
einsetzt. 

Jod, Blausäure, Diamid, Hydroxylamin 
bringt die Proteosomen bald unter 
Vakuolisierung zum Ersterren (Koagu- 
lieren), und Formaldehyd führt die 
Proteosomen in ein in Kalilauge schwer 
lösliches Produkt über. 


Proteosomen geben verschiedene Eiweiß- 
reaktionen. 


Löst sich in heißem Wasser. 
Löst sich in Ammoxiak. 
Behält seine Löslichkeit. 


Bleibt bei Jodbehandlung löslich. 
Verdünnte Säuren verändern die Löslich- 


keit in heißem Wasser nicht. 
‘Wird durch verdünnten Alkohol gelöst. 


Wird durch Anästhetika nicht im ge- 
ringsten. chemisch verändert. 


Keine chemische Veränderung unter den 
gleiehen. Umständen. 


Gerbsaures Koffein gibt diese Eiweiß- 
reaktionen nicht. 


Aktives Eiweiß und Tannin in Pflanzenzellen. 115 


Es läßt sich zeigen, daß bei Kultur von Spirogyra in stickstoff- 
freier Nährlösung das gespeicherte aktive Eiweiß verbraucht wird und 
ferner, daß es sich wieder in den Zellen ansammelt, wenn bei Ein- 
schränkung der Zellvermehrung,durch Verminderung der Phosphorsäure 
für die Eiweißbildung günstige Umstände hergestellt werden. Ja, diese 
Speicherung des labilen Eiweißkörpers läßt sich soweit treiben, daß 
sich derselbe in Form von.Proteosamen von selbst, und ohne daß 
eine Spur von Koffein angewendet wird, ausscheidet). Auch die 
spontane Ausscheidung von Eiweißkugeln beim Aushungern von Zweigen 
von Prunus, wobei der Ausscheidung alsbald Erhärtung folgt, sei 
hier kurz erwähnt. 

Daß der Gerbstoffgehalt nebensiächlich ist, geht auch daraus hervor, 
daß gerbstoffreie Objekte, wie Schneebeeren, ebenfalls Proteosomen 
liefern, ja in neuester Zeit hat Fr. Winkler?) beobachtet, daß auch 
gewisse Leukozyten proteosomenähnliche Ausscheidungen bei der Ein- 
wirkung von Koffein zeigen. 

Von einigem Interesse dürfte noch sein, daß verdünnte Koffein- 
lösung öfters sowohl normale als anomale Plasmolyse hervorrufen kann, 
bei Verdünnungen, wo man diesen Effekt wahrlich nicht vermuten 
sollte. Merwürdig ist ferner das Verhalten von Infusorien gegenüber 
Koffein: unter Reizbewegungen der Tiere vergrößern sich ihre Vakuolen. 
Sämtliche Erscheinungen, welche das Koffein hervorruft, erklären sich 
am einfachsten unter dem Gesichtspunkt, daß sowohl eine Wasseraus- 
stoßung aus dem gequollenen aktiven Protein der lebenden Substanz 
stattfindet, als auch aus dem Bindungswasser des gelösten aktiven 
Albumins, Man sollte wohl vermuten, daß alle diese Verhältnisse 


einiges Interesse erregen könnten. 


Nachschrift. Diese Einwendungen gelten auch für einen Artikel 
von Czapek®), Dieser Forscher behauptete, die Proteosomen seien in 
Alkohol löslich, was aber lediglich durch die rasche Exosmose des Kof- 
feins vorgetäuscht wurde. In der oben zitierten Sehrift, 2. Auflage, 
pag. 73 ist bereits darauf hingewiesen worden, daß, wenn man zunächst 
einen verdünnten, mit Koffein gesättigten Alkohol von 20°), 3—4 Stun- 
den auf die Proteosomen wirken läßt, Koagulation derselben eintritt 
und nun starker Alkohol gar keine weitere Veränderung hervorruft. 

Czapek hat Millon’s- und Biuretreaktion mit den Proteosomen 


I) Siehe hierüber auch Flore 1892, pag. 126. 


2) Folia kaematologies 1910, Bd, IX, pag. 9. 
3) Berichte der Deutschen Botan. Gesellschaft, Bd. XXVILL, pag. 147. 
E20 


116 0. Loew und Th. Bokerny, Aktives Eiweiß und Tannin in Pflanzenzellen. 


nicht erhalten können. Wenn er sich aber genau an unsere Vorschriften 
halt (I. ec. pag. 74), so kann der Erfolg nicht ausbleiben. 

Die wichtigsten Reaktionen für Albumine sind aber nicht jene 
Farbenreaktionen, sondern: 

1. Koagulation durch Alkohol, 
2. Koagulation durch höhere Temperatur, 
3. Koagulation durch Säuren. 

Wie erwähnt, reicht schon Alkohol von 20°/, zur Koagulation der 
Proteosomen aus. In siedende Kochsalzlösung getaucht, koagulieren 
die Proteosomen momentan; bei 56° C reichen ea. 5 Minuten aus 
(l. e, pag. 91). Säuren bringen die Proteosomen sehr bald zur Koa- 
gulation, später können die koagulierten Gebilde gelöst werden durch 
einen der Acidalbuminbildung ähnlichen Vorgang. Salpetersäure von 
10°/, koaguliert die Proteosomen in 1—2 Minuten; wäscht man dann 
die Säure gut aus und färbt, so erhält man schöne Dauerpräparate. 

Es erscheint geradezu rätselhaft, daß man dieses charakteristische 
Verhalten so hartnäckig ignoriert! Ist denn in der ganzen organischen 
Welt ein zweiter Körper bekannt, dem Koagulation nach jener drei- 
fachen Richtung hin eigen wäre? Soll das etwa der Gerbstoff tun? 

Daß aber unserem aktiven Eiweiß oder Protoprotein ein sehr 
labiler Zustand zukommt, geht daraus hervor, daß er zum Unter- 
schied von Ovalbumin oder Serumalbumin 

1. mit Koffein sich abscheiden läßt, 
2. Ammoniak bindet, wobei ein Eiweißkörper von besonderem 
Verhalten resultiert, 

3. durch Blausäure, Diamid und Hydrosylamin unlöslich wird, 

4. einige Zeit nach dem Absterben der Zellen spontan koaguliert. . 

Der Umstand, daß tote Zellen keine Proteosomen mehr geben, 
beruht nicht auf der längst bekannten Exosmose von Gerbstoff aus 
toten Zellen. Wir haben diese Frage längst erledigt, aus den exos- 
mierenden Substanzen sind keine Proteosomen mehr zu gewinnen '). 
Möchte man gründliche Vergleiche anstellen zwischen dem gerb- 
sauren Koffein nach der Exosmose und wahren Proteosomen. Kugel- 
form der kleinsten Teile bedeutet, doch hier wahrlich keine Entscheidung! *) 

Wir zweifeln nicht, daß bei unparteiischer Prüfung unsere 
Schlüsse völlige Bestätigung finden werden. 


2) l.c. pag. 91, Anm. Man versuche z. B. mit den gerbstoffreichen Galläpfeln. 
2) Die Tröpfehen, welche Uzapek bei Echeveria wittelst Formaldehyd er- 
hielt, sind gewiß keine Proteosomen. Uns gelang diese Reaktion nicht. 


Eingegangene Literatur. 


1) Wilh. Becker, Violae europaeae. Systematische Bearbeitung der Violen 
Europa’s und seiner benachbarten Gebiete. Dresden-N. 1910, Verlag von 
©. Heinrich. 


2) Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Begründet von Fr. Cohn, herausgeg. von 
F. Rosen. Bd. X, Heft1. Mit 1 Tafel. Preis: M. 5,—. Breslau, J. U. Kerns 
Verlag. (Enthält: W. Herrmann, Über das phylogenetische Alter des mecha- 
nischen Gewehesystems bei Setarie; E. Pringsheim, Heliotr. Studien 3. 
Mitteilung; U. Angelstein, Über die Kohlensäureassimilation submerser 
Wasserpflanzen in Bikarbonat- und Karbonatlösungen; E. Pringsheim jun. 
und H. B. Cursky, Über Rosahefe. 


3) Boletim do Museu Goeldi de historia natural e ethnographia, Vol. X. Parä 
1910. 


4) W.F. Bruck, Wie studiert man Biologie? Stuttgart, Verlag von Wilh. Violet. 
Preis: geh. M. 2,50. 

5) A. Coben-Kysper, Versuch einer mechanischen Analyse der Veränderungen 
vitaler Systeme. Leipzig 1910, Verlag von Georg Thieme. 

6) J. M. Coulter and Ch. J. Chamberlain, Morpbology of Gymnosperms witl 
462 Figures. The University of Chicago Press, Chicago. Preis: 4 Dell. 
22 eis. 

2) E. Döring, Das Leben der Tuipe. Mit 6 Tafein. Sondershausen, Verlag von 
0. Reutier. 

8) L. Fischer, Tabellen zur Bestimmung einer Auswahl von Thallopkyten und 
Bryophyten. (Teilweise neu bearbeitet von L. Fischer.) Bern, Verlag von 
K. J. Wyss. Preis: M. 1.60. 

9) K. Giesenhagen, Lehrbuch der Botanik. Fünfte Auflage. Mit 557 Textfiguren. 
Stuttgart, Verlag von Fr. Grub. Preis: geb. M. 8,—. 

10) P. Graebner, Lehrbuch der allgemeinen Pfianzengeographie nach entwieklungs- 

j geschichtlichen und physiologisch-ökologischen Gesichtspunkten. Mit 150 Ab- 

bildungen, Leipzig, Verlag von Quelle & Meyer. Preis: geb. M. 9,— 

11) &. Haberlandt, Eine botanische Tropenreise. Mit 48 Abbildungen im Text, 
9 Tafeln in Autotypie und 8 Aquarelltsfeln. Zweite Auflage. Leipzig, 
Verlag von W. Engelmann. Preis: geh. M. 11,60, geb. M. 12,85, 

-712) E. Jörgensen, Die Ceratien. Eine kurze Monographie der Gattung Geratium 
Sehranck. Mit 184 Figuren auf 10 lithographischen Tafeln. Leipzig 1911, 
Verlag von Dr. Werner Klinkhart, Preis: M. 7.—. 

13) M. Koch, Beiträge zur Kenntnis der Höhengrenzen der Vegetation im Mittel- 
meergebiete. Halle a. 8, Druck und Verlag von C. A. Kaemmer & Co. 
Preis: M. 6,—.. ’ 

14) B. Landsberg, Didaktik des botanischen Unterrichts. Leipzig und Berlin 
1910, Verlag von B. 6. Teubner, 

15) L. Loeske, Studien zur vergleichenden Morphologie und phylogenetischen 
Systematik der Laubmoose, Berlin 1910, Verlag von M. Lande. 


Eingegangene Literatur. 


16) Memorias do instituto Oswaldo Cruz, Tiomo I, Faeieulo 4. Rio de Janeiro 1909, 
Manguinhos. ’ 


17) A. Pascher, Chrysomonaden (Der Grofteich bei Hirschberg in Nordböhmen, 
naturwissenschaftliche Untersuchungen veranlaßt und herausgegeben von der 
Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen). 
Erstes Heft des botan. Teiles. Leipzig 1910, Verlag von Dr. Werner Klink- 
hart, Preis: M. 10,—. 


18) A. Nathanson, Tier- und Pflanzenleben des Meeres. Leipzig 1910, Verlag 
von Quelle & Meyer. Preis: geh. M. 1.—, geb. M. 1,25. 


19) Ders, Der Stoffwechsel der Pflanzen. Leipzig 1910, Verlag von Quelle & 
Meyer. Preis: 


20) R. C. Punnets, Mendelismus. Ins Deutsche übertragen von Wilfr. v. Pros- 
kowetz. Herausgegeben, mit einem Vorwort und Anmerkungen versehen, 
von Dr. Hugo Iltis, Brünn. Brünn 1910, Druck und Verlag der k. u. k. 
Hofbuchhandlung Carl Winkler. Preis: M. 2.—. 


21) &. Roth, Die außereuropäischen Laubmoose, beschrieben und gezeichnet. Erste 
Lieferung. -Mit Tafel I-VIIL Leipzig, Verlag von C. Heinrich. Preis: 
M. 6,—. . 

22) O. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Mit 40 farbigen Tafeln und zahlreichen 
Textbildern. Leipzig 1910, Verlag von Quelle & Meyer. Preis: geb. 
M. 5,40. 

23) W. Schurig, Hydrobiologisches und Plankton - Praktikum. Eine erste Ein- 
führung in das Studium der Süßwasserorganismen. Mit einem Vorwort von 
R. Woltereck. Mit 215 Abbildungen im Text und 6 Tafeln. Leipzig, 
Verlag von Quelle & Meyer. Preis: 

24) R. Timm, Niedere Pflanzen (Naturwissenschaftl. Bibliothek für Jugend und 
Volk). Leipzig 1910, Verlag von Quelle & Meyer. Preis: M. 1,80. 

25) W. Wagner, Die Heide (Naturwissenschaftl. Bibliothek für Jugend und Volk). 
Leipzig, Verlag von Quelle & Meyer. Preis: geb. M. 1,80. 

26) R. v. Wettstein, Handbuch der systematischen Botanik. Zweite umgearbeitete 
Auflage, erste Hälfte. Leipzig und Wien 1910, Franz Deuticke. 

27) K. Wilhelm, Die Samenpflanzen. Systematische Übersicht ihrer Familien und 
richtigeren Gattungen und Arten mit besonderer Berücksichtigung der für 


Land- und Forstwirtschaft, Technik und Arzneikunde in Betracht kommen- 
den Gewässer. Leipzig und Wien 1910, Franz Deuticke. Preis: M. 5,—. 


Druck von Ant, Kämpfe in Jena, 


j 
Flora,Band 102. Tar.l. 
Ä = 


ElaneluthnstBerlin. 


FStrasburgerger. 


Verlag von Gustav Fischer in Jena. 


Tafel I. 


Flora, Bd. 102. 


' Verlag von Gustav Fischer in Jena. 


Doposch 


Flora, Bd. 102. Tafel II. 


Doposcheg- Uhlar. Verlag von Gustav Fischer in Jena. 


Flora, Bd. 102. Tafel IV. 


Doposcheg-Uhlär. Verlag von Gustav Fischer in Jena. 


j . Tafel V. 
Flora, Ba. 102. 


Doposcheg- Uhlär. 


Verlag von Gustav Fischer in Jena. 


Flora, Bd. 102, Tafel VI. 


Doposcheg. Uhlär. 


Verlag von Gustav Fischer in Jena. 


Flora, Bd. 102. Tafel VI. 


Doposcheg-Uhlar. 


Verlag von Gust Fischer in Jena. 


Flora, Bd. 102. ; Tafel VIH. 


Doposcheg. Chlär. 


VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 


Soeben erschien: 


Über die Traubenwickler 


(Conchylis ambiguella Hübn. und Polychrosis botrana Schiff) 
- und ihre Bekämpfung 
mit Berücksichtigung natürlicher Bekämpfungstaktoren. 


Von Dr. Schwangart 


Vorstand der zoologischen Abteilung an der Kgl. Lehr- und Versuchsanstalt 
für Wein- und Obstbau in Neustadt a. d. Haardt. 


Mit 3 Tafeln, 
{Äbdr. aus der Festschrift zum sechzigsten Geburtstag Richard Hertwigs. Bd. IL) 


1910. Preis: 5 Mark, 


| Soeben erschien: 
Kißkalt und Hartmann. 


Praktikum 
Bakteriologie und Protozoologie. 


Zweite, erweiterte Auflage. 


a Zweiter Teil: 


Protozoologie. 


Von 


| 
Prof. Dr. M. Hartmann 
Abteilungsvorsteher am hygienischen Institute der Universität Berlin. 
{ 
1 


Mit 76 teils mehrfarbigen Abbildungen im Text. 
Preis: 3 Mark 20 Pf., geb. 4 Mark. 


Früher erschien: 
Erster Teil: 
Bakteriologie. 
Von 


| Prof. Dr. Kißkalt 
Abteilungsvorsteher am hygienischen Institute der Universität Berlin. 


Mit 40 Abbildungen im Text. 
1909. Preis: 2 Mark 50 Pf, geb. 8 Mark 60 PL. 


VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 


Vor kurzem erschien: 
Die Geographie der Farne. 
. . Von 


H. Christ, Basel. 


Mit einem Titelbild, 129 Abbildungen (meist nach Originalphotographien) 
im Text und 3 Karten. 


1910. Preis: 12 Mark. 


Inhalt: 


I. Teil: Die Fame unter den Einflüssen von Boden und Klima. Die Farne als 
mesotberme Hygrophyten und als Xerophyten. 1. Edaphische Be- 
dingungen. — 2. Klimatische Bedingungen. — 3. Die Hygrophyten. — 4. Die 
Xerophyten, — 5. Arktisch-alpine Farne. — 6. Verteilung der Genera in kli- 
matischer Beziehung. — 7. Physiognomik. 


1. Teil: Die Farnfloren. I. Die Grundlagen der Floristik, — IL Die Flaren- 
gebiete. ı. Flora des kalt gemäßigten nördlichen Waldgebietes beider Halb- 
kugeln. — 2. Mediterranflora mit der atlantischen W.-RKüste und dem Kau- 
kasus. — 3. Chinesisch-japanische-Flora. — 4. Malayische Flora. — 5. Austra- 
lisch-neusseländische Flora. — 6. Tropisch-afrikanische Flora. — 7. Afrikanische 
Süd- und Randtlora. — 8. Mexikanische Xerophytenflora mit Kalifornien. — 
9. Tropisch-amerikanische Flora. Florencharakter. — 10. Südbrasilianische 
Camposflora. — ı1. Andine Flora. -—— 12. Südchilenische Flora mit Juau Fer- 
nandez und antarktische Elemente. — III. Florengeschichtlicher Über- 
blick. — Einige Litersturnachweise. — Erläuterungen zu den Karten. 


Neturwissenschaftliche Rundsehan, 1910, XXV. Jahrg., Nr. 27: 


Eine zusammenfassende Darstellung der geographischen Verbreitung der Farne war ° 


bisher noch niemals gegeben worden. Um so freudiger ist es zu begrüßen, daß Herr 
Christ es unternahm, die Resultate seiner jahrzehntelangen Arbeiten auf diesem Gebiete 
in dem vorliegenden klassischen Buche zu veröffentlichen, das für die Farne dieselbe Be- 
deutung hat wie Schimpers Pflanzengeographie für die Phanerogamen, 

Allgemeine Botanische Zeitschrift, 1910, XVI. Jahr., Nr. 6 (Juni): 

Wenn vom Altmeister Christ ein neues, zusammenhängendes Werk über Farne 
angekündigt wird, so weiß ein jeder, der sich jemals mit dieser interessanten Pflanzen- 
grappe beschäftigt hat, daß etwas besonderes zu erwarten ist. Ist man doch schon lange 
gewöhnt, in den zahlreichen kleineren Schriften des Verfassers weit mehr zu finden ala 
trockene Artbeschreibungen, so daß wohl bei vielen der Wunsch enstanden sein mag, 
Christ möge den reichen Schatz seiner langjährigen Beobachtungen in einem zusammen- 
hängenden Werk für die Allgemeinheit nutzbar machen. Diesen Wunsch erfüllt Christs 
neuestes Buch, dessen Titel seinen reichen Inhalt kaum deckt. 


Von demselben Verfasser erschien 1897: 


Die Farnkräuter der Erde. 


Beschreibende Darstellung der Geschlechter und wichtigeren Arten 
der Farnpflanzer. 


Mit besonderer Berücksichtigung der Exotischen. 
Mit 291 Abbildungen. 


Preis: 12 Mark. 
"Ant. Kämpfe, Buchdruckersi, Jona. 


FLORA 


ODER 


ALLGEMEINE BOTANISCHE 
ZEITUNG. 


FRÜHER HERAUSGEGEBEN 
VON DER 


KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. 


NEUE FOLGE. ZWEITER BAND. 
(DER GANZEN REIHE 102. BAND) 
ZWEITES HEFT. 


HERAUSGEBER: DR. K. GOEBEL 


PROFESSOR DER BOTANIK IN MÜNCHEN. 


MIT 4 TAFELN UND 27 ABBILDUNGEN IM TEXT. 


VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 
is11. 


ERSCHIENEN AM 18. FEBRUAR 1911. 


Inhaltsverzeichnis. 


Beite 
NTENBURG, WILHELM, Die Nutationsbewegungen junger Windepflanzen- 
Mit Tafel IX u. X und I4 Abbildungen im Text. . . . . 17-146 
GARJEANNE, A, J. M., Die Verpilzung der Lebermoosrhizeiden. Mit 
Tafel XI u. XII und 9 Abbildungen im Text . . . . . . 147-185 
SCHROEDER, H., Über die selektiv permeabele Hülle des Weizenkornes, 
Mit 4 Abbildungen und 1 Kurve im Text . . 2 2.2... 186-208 


VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 


Soeben erschien: 


Termitenleben auf Ceylon 


Neue Studien zur Soziologie der Tiere zugleich ein Kapitel 
kolonialer Forstentomologie 


von K. ESCHERICH 


Dr. med. et phil, o. Professor der Zoulogie an der Forstakademie Tharandt. 


Mit einem systematischen Anbang 
mit Beiträgen von 


A. Forel, Nils Holmgren, W. Michaelsen, F. Schimmer, F. Silvestri 
und E. Wasmann. 


Mit 3 Tafeln und 68 Abbildungen im Text. 
Preis: 6 Mark 50 Pf, gebunden 7 Mark 50 Pi. 


Inhaitsverzeichnis. Einleitung. Die Reise. I. Die Hügelbauer. Die Ter- 
mitenhügel. Die Hügelbewohner. Hügelgenese, Baumethode usw. — II. Die Karton- 
fabrikanten, Die „schwarze“ oder die „Kot-Temite“ Die Galerietermite. Die übrigen 
Eutermes. — Ill. Verschiedene Beobachtungen und Versuche im Laboratorium 
usw, Beobachtungen an Königinnen. Kämpfe. Versuche über Lichtempfindlichkeit. — 
IV. Ökonomisches. 


Systematischer Anhang. I. Ceylon-Termiten von Nils Holmgren, — II. Ameisen 
von Ceylon von Prof. A. Forel. — III. Termitophile Coleopteren aus Ceylon von 
E. Wasmann 8. J. — 1V. Myrmecophila Escherichi, eine neuetermitophile Ameisen- 
grille von Dr. F, Schimmer. — V. Beschreibung der von K. Escherich auf Ceylon 
gesammelten termitophilen Thysanuren, Myriapoden, sowie einer unbekannten mi- 
metischen, termitophilen Coleopterenlarve von Prof, F. Silvestri. — VI. Notoscolex 
termiticola Mich. (ein termitophiler Regenwurm) von Prof. W. Michaelsen. 


Soeben erschien: 


DIE PFLANZENSTOFFE 


Botanisch-systematisch bearbeitet 


Chemische Bestandteile und Zusammensetzung der einzelnen 
Pflanzenarten 


Rohstoffe und Produkte 


Phanerogamen 
von 


Prof. Dr. C. WEHMER 


Dozenten an der Kgl. Technischen Hochschule zu Hannover. 
Preis: 35 Mark. 


Die Nutationsbewegungen junger Windepflanzen. 


Von Wilhelm Nienburg. 
(Mit Tafel IX u. X und 14 Abbildungen im Text.) 


Einleitung. 
. Es gibt wenig botanisch-physiologische Fragen, die wie das Winde- 
problem schon seit so langer Zeit das Interesse hervorragender Forscher 
auf sich gezogen haben, ohne dabei eine allgemein anerkannte Lösung 
zu erfahren. Seit dem Erscheinen der Arbeiten von Mohl und Palm 
sind 83 Jahre verflossen, und wenn wir über viele Einzelerscheinungen 
inzwischen auch genaue Aufklärung erhalten haben, so ist: die Winde- 
frage als ganzes doch heute noch ebenso unbeantwortet, wie damals. 
Mag das auch zum Teil an der Kompliziertheit der Erscheinungen liegen, 
die eine experimentelle Behandlung erschweren, so kommt doch vor 
allem eine andere Tatsache für die Erklärung der schroffen Wider- 
sprüche in den Ansichten der verschiedenen Autoren in Betracht. Wenn 
man sich mit der Windeliteratur beschäftigt, so fällt es auf, daß sich 
die Versuche fast ausschließlich auf die schwer analysierbaren Bewe- 
gungen älterer Pflanzen, die bereits eine Stütze umwunden haben, er- 
strecken. Die Erklärung der Zirkumnutation junger, noch nicht win- 
dender Sprosse bat man gewöhnlich für so einfach gehalten, daß sie 
einer eingehenden Experimentaluntersuchung nicht zu bedürfen schien. 
Der einzige Forscher, der hierin eine Ausnahme machte, war Baranetzky. 
Da aber Ambronn nachgewiesen hat, daß der russische Botaniker 
einen ganz wesentlichen Punkt bei seinem Erklärungsversuch außer 
Acht gelassen hat, so fehlen bis heute einwandfreie nähere Unter- 
suchungen über die einfache kreisende Nutation noch nicht schlingender 
Windesprosse, denn auch Ambronn hat sich dieser Aufgabe nicht unter- 
zogen. Wir können deshalb nicht mit Sicherheit angeben, auf welcher 
Kante des Stengels in einem bestimmten Augenblick die wachsende 
Zone liegt, wie weit sie sich in der Querrichtung erstreckt, ob die Zone 
gleichmäßig wächst, oder ob sich in ihr wieder ein Maximum feststellen 
läßt. Alles was die Beobachter hierüber sagen, beruht auf theoretischer 
Überlegung ohne experimentelle Begründung. Das Zustandekommen 
der eigentlichen Windungen hat eben das Interesse so sehr in Anspruch 
genommen, daß man die Einzelheiten des Nutationsvorganges darüber 
vernachlässigte. Dieser Tatsache haben wir, glaube ich, hauptsächlich 


die heutige Unsicherheit unserer Kenntnisse von der Physiologie des 
Flora, Bd. 102. 8 


118 Wilhelm Nienburg, 


Windens zuzuschreiben. Ehe die angedeuteten Vorfragen nicht definitiv 
beantwortet sind, kann an eine Erledigung des Hauptproblems kaum 
gedacht werden. Diesem Ziele etwas näher zu kommen war meine 
Absicht bei den im folgenden beschriebenen Untersuchungen, 


1 


Das was man an einem regelmäßig nutierenden jungen Winde- 
sprosse durch die bloße Betrachtung konstatieren kann, ist ungefähr 
folgendes. Der Stengel steht nicht aufrecht, sondern neigt sich bogen- 
förmig nach einer Seite über, so daß die jüngsten Teile mehr oder 
weniger horizontal liegen. Der horizontale Sproßteil bewegt sich um 
den vertikalen, wie ein Uhrzeiger um seine Achse, wobei die Richtung 
aber bei den meisten Schlingpflanzen eine der des Uhrzeigers entgegen- 
gesetzte ist. Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß der vertikale 
Teil der Pflanze nicht wie die Achse des Uhrzeigers drehbar ist, so daß 
bei der Nutation Torsionen auftreten müßten, die aber dadurch auf- 
gelöst werden, daß der horizontale Teil seine Lage zum Horizont wäh- 
rend der Bewegungen gleichmäßig ändert. Dauernd wird die Kante 
des Sprosses, die während einer bestimmten Phase des Vorganges 
hinten (in bezug auf die Nutationsrichtung) war, nach oben und von dort 
nach vorn, nach unten und wieder nach hinten verlagert, so daß nach 
Vollendung eines Nutationsumlaufs jede Kante einmal die konvexe und 
damit. die längste gewesen ist. 

Zur Erklärung dieses Vorganges gibt es eigentlich nur eine klar 
formulierbare Theorie, das ist die der autonomen Nutation. Diese nimmt 
an, daß eine in der Längsrichtung des Stengels laufende Wachstums- 
zone während eines Nutationsumlaufes unabhängig von äußeren Ein- 
flüssen einmal den Sproß umwandert und zwar gleichsinnig mit der 
Nutationsrichtung. Sehen wir, wie weit diese Annahme mit den Be- 
obachtungstatsachen sich deckt. In dem Augenblick, wo zum ersten 
Mal einseitiges Längenwachstum zu konstatieren ist, d. h. dann, wenn 
die jüngsten Sproßteile der vorher anfrechten Pflanze sich horizontal 
krümmen, liegt die Zone des stärksten Wachstums offenbar in der 
Kante, die durch die Krümmung zur konvexen und oberen wird. Da- 
rauf müßte die Wachstumszone auf die rechte Flanke wandern, was 
mit der tatsächlich erfolgenden Bewegung des Sprosses nach links im 
Einklang steht. Wenn die Wachstumszone der Theorie gemäß auf die 
konkave Kante der Krümmung rückt, sollte man eine Aufrichtung des 
horizontalen Sproßteils erwarten. Das geschieht jedoch nicht, sondern 
die Bewegung geht in horizontaler Ebene weiter, während gleichzeitig 


w 


Die Nutationsbewegungen junger Windepflanzen. 119 


die konkave Kante zur hinteren wird. Dieser Widerspruch mit der 
theoretischen Forderung würde sich lösen, wenn man nachweisen könnte, 
daß das Eigengewicht des horizontalen Teiles groß genug ist, um das 
Ausdehnungsbestreben der unteren konkaven Kante zu kompensieren. 
Dann kann sich das Wachstum nur dadurch äußern, daß die geförderte 
Kante passiv entweder auf die Hinter- oder auf die Vorderseite rückt, 
wodurch im ersten Falle eine passive Nutationsbewegung nach links, 
im zweiten eine solche nach rechts veranlaßt werden würde. Theo- 
retisch sind beide Möglichkeiten denkbar, realisiert wird aber immer 
nur die erstere. Das läßt sich nur erklären durch die Annahme, daß 
ein Teil der Wachstumszone noch auf der Hinterseite liegt, denn dies 
muß eine aktive Nutation nach links zur Folge haben, wodurch eine 
passive Bewegung nach rechts natürlich unmöglich gemacht wird. Die 
Kante, in der ‘das Maximum der Wachstumszone liegt, würde also in- 
folge des Eigengewichtes des horizontalen Sproßteils einerseits und des 
Umsiandes, daß noch ein Teil der Wachstumszone auf der Hlinterseite 
liegt, andererseits von der konkaven Unterseite wieder nach hinten 
rücken. Wenn die Zone dann weiter wandert, müßte sich dasselbe 
Spiel wiederholen, und wenn dies dauernd so fortgeht, so muß daraus 
die kreisende Nutation mit Notwendigkeit resultieren. Die Theorie der 
autonomen Nutation rechnet demnach mit drei Faktoren: 1. die wandernde 
Wachstumszone, 2. ausreichendes Eigengewicht des Sprosses, 3. Breiten- 
ausdehnung der Zone von mindestens ein Viertel Sproßumfang. Das 
Vorhandensein des ersten von ihnen ist mit Sicherheit aus der Beobach- 
tung zu schließen, daß der gekrümmte S$proß seine Lage zum Horizont 
dauernd ändert, wodurch in jeder Nutationsphase eine andere Kante zur 
konvexen und damit zur längsten wird. Ob die andern beiden Momente 
in genügendem Maße wirksam sind, bedarf dagegen einer experimen- 
tellen Prüfung. 

Bevor ich meine Versuche in dieser Richtung schildere, muß ich 
noch die Behauptung begründen, daß nur die eben dargestellte Theorie 
für eine Erklärung der Windepflanzennutation ernsthaft in Betracht 
kommen kann. Noil hat, hierfür bekanntlich seinen Lateralgeotropismus 
verantwortlich gemacht. Darunter verstand er eine Wirkung der Schwer- 
kraft, dureh die eine Flanke des Sprosses zum stärksten Wachstum 
gereizt wird. - Diese sollte den Windern und den etiolierten Keimlingen 
einer Reihe anderer Pflanzen eigentümlich sein, während man sonst 
geotropische .Waehstumsreize nur auf der physikalischen Ober- bzw. 
Unterseite kennt. Welche Flanke durch den Lateralgeotropismus ge- 


fördert wird, hängt nach ihm davon ab, ob die betreffende Planze ein Bechts- 
gr 


120 Wilhelm Nienburg, 


oder ein Linkswinder ist, jedenfalls aber ist es immer die (in bezug auf 
die Nutationsrichtung) hintere. Es ist ohne weiteres einzusehen, daß 
diese Vorstellungen die Form einer älteren, regelmäßig um eine Stütze 
gewundenen Schlingpflanze leicht verständlich machen, worauf es wohl 
beruht, daß die Anschauungen Noll’s heute weit verbreitet sind. Un- 
möglich dagegen ist es, die Nutationsbewegungen — vor allem an }der 
jungen Pflanze, wo sie deutlich hervortreten, ohne durch den Wider- 
stand. der Stütze kompliziert zu werden — mit Hilfe des Lateralgeotro- 
pismus zu erklären. Die größte Schwierigkeit bereitet da die dauernde 
Verlagerung der Kanten des horizontalen Sproßteils. Noll (V., 
pag,. 238) hat zwar geglaubt, daß dies „durch den bogenförmigen Zu- 
sammenhang des kreisenden Gipfels mit den unteren aufgerichteten 
Stengelgliedern“ mechanisch bedingt se. Er sucht das durch einen 
Gummischlauch klar zu machen, deu man mit der einen Hand festhält, 


rg I 
Fig. 1. Schematische Darstellung eines Fig. 2, Nutierender Windesproß 
nutierenden 'Windesprosses. Erklärung von hinten nach der Spitze ge- 
im Text, sehen. Erklärung im Text. 


während man mit der anderen den überhängenden Teil im Kreise lose 
heruimführt, so daß Torsionen vermieden werden. Dieses Modell ist nun aber 
gerade im wesentlichen Punkte anders beschaffen als der nutierende Sproß. 
Bei dem Gummischlauch ist die von außen aufgezwungene Bewegung 
das Gegebene, aus der mit Notwendigkeit folgt, daß die Länge der 
Kanten sich sukzessiv gleichmäßig ändern muß, bei dem lateralgeo- 
tropisch gereizten Windesproß dagegen soll gerade die Bewegung durch 
die auf der Hinterseite liegende Wachstumszone erklärt werden. Diese 
könnte eine Verlagerung der Kanten nur durch eine energische Krüm- 
mung in dem bogenförmigen Stück a—5 der Fig. 1 erreichen. Dadurch 
müßte die ursprünglich in einer Ebene liegende Krümmung aus dieser 
Ebene herausgebracht werden, wie das durch die Stadien I und II 
der Fig. 2 veranschaulicht wird. Das beobachtet man aber nie; wenn 


Die Nutationsbewegungen junger Windepflanzen. 121 


die Lage der vertikalen Krümmungsebene gestört wird, so geschieht 
das höchstens in der Strecke 5—c, niemals in dem Stück «—d. Außer- 
dem darf die Krümmung des Bogens «—2, wenn sie eine Verlagerung 
der Kanten zur Folge haben soll, richt um vertikale Achsen (s. Fig. 1 
?v—2), sondern um solche, die mit den Radien des Krümmungsbogens 
zusammentreffen (s. Fig. 1 »—7), vor sich gehen. Die muß wieder, wie 
aus Untersuchungen Ambronn’s (II) hervorgeht, auf die wir noch zu- 
rückkommen, eine dauernde Verkürzung des Krümmungsradius o hervor- 
rufen. Da auch hiervon bei der Nutation nichts zu sehen ist, so halte 
ieh den Schluß für berechtigt, daß ein nur auf der Hinterseite wirk- 
samer Wachstumsreiz die kreisende Nutation mit der dauernden Kanten- 
verlagerung nieht erklären kann. Es könnte aus ihm nur eine spiralige 
Einkrümmung, oder — unter Mitwirkung des negativen Geotropismus 
— eine schraubenförmige Gestalt resultieren. Ebenso wenig mit den 
Tatsachen vereinbar ist die Wortmann’sche (III) Theorie, nach der die 
Nutation zwar eine autonome sein, ihre Richtung und Wirksamkeit aber 
auch von einem Flankenreiz der Schwerkraft abhängig sein soll. Diese 
Anschauung besagt im wesentlichen nichts anderes als die Noll’s, nur 
daß sie weniger klar und konsequent ist. Da Baranetzky keine all- 
gemeine Theorie aufgestellt hat und seine Vorstellungen von dem seit- 
lichen Einwirken sich mehr auf Einzelerscheinungen bei den Nutations- 
krümmungen bezogen, so bleibt tatsächlich nur die Theorie der Auto- 
nomie, wie sie zuerst Darwin (I) entwickelt hat, als diskutabel übrig. 


IL 


Auf deren Grundlage habe ich deshalb die Nutationsvorgänge zu 
untersuchen mich bemüht. Es kam dabei auf zwei Dinge an, erstens 
das Vorhandensein der oben erwähnten, für die Erklärung nötigen, 
Komponenten nachzuweisen und zweitens zu prüfen, ob alle bei nufie- 
renden Sprossen auftretenden Bewegungen mit der Theorie im Einklang 
zu bringen sind. Es ist nämlich seit langem bekannt, daß an Nutations- 
krümmungen, die aus ihrer normalen vertikalen Lage gebracht sind, 
Bewegungen wie die „transversale Krümmung“ Baranetzky’s (pag. 36) 
sich vollziehen, die der Theorie Schwierigkeiten zu bereiten scheinen. 
Um die Wirkung der einen Komponente, des Eigengewichtes, zu kon- 
trollieren, lag es nahe, eine Versuchsanordnung zu wählen, bei der dies 
durch ein Gegengewicht aufgehoben war. Ich glanbte aber diesen Weg 
nicht benutzen zu sollen, weil die Geschichte der Windeforschung zeigt, 
daß hierdurch auch bei scheinbar vorsichtigem Experimentieren leicht 


122 Wilhelm Nienburg, 


anorımale Erscheinungen hervorgerufen werden‘). Auch die Prüfung 
der Lage und des Umfanges der Wachstumszone war auf direkte Weise, 
etwa mit Hilfe von Tuschemarken, aus technischen Gründen nicht möglich. 
Ich schlug deshalb einen indirekten Weg ein und machte eine Reihe 
von Umlegeversuchen, wie man wohl kurz sagen kann; d. h. die Töpfe. 
in denen ich junge, noch nicht windende, aber schon nutierende Exem- 
plare von Calystegia, Convolvulus und anderen gezogen hatte, wurden 
horizontal umgelegt, und die dann eintretenden Bewegungen beobachtet. 
Es sollte auf diese Weise verschiedenes erreicht werden. Zunächst 
mußten hierbei, da das Eigengewicht jetzt in anderer Richtung wirkte, 
Wachstumskrümmungen, die zwar induziert, aber bisher durch dieses 
verhindert waren, zum Ausdruck kommen. Da ferner in der hori- 
zontalen Lage die „transversale Krümmung“ auftritt, zu deren Er- 
klärung Baranetizky die seitliche Wirkung der Schwerkraft für nötig 
hielt, so konnte auch diese Erscheinung bei der angegebenen Versuchs- 
anordnung geprüft werden. Schließlich hoffte ich, so auch über die Lage 
der Wachstumszone Aufschlüsse erhalten zu können. Die Methodik 
war in den meisten Fällen die gleiche. Die Töpfe wurden so gelegt, 
daß der ganze Bogen der nutierenden Pflanze möglichst in einer Ebene 
horizontal lag. Daun wurde auf einer horizontal darüber und einer 
vertikal davor angebrachten Glasplatte unter Zuhilfnahme von festen 
Visierpunkten die -Gestalt des Sprosses mit 'Fettstift projiziert. Sobald 
sich eine Veränderung zeigte, wurde auch diese fixiert, so daß am Ende 
des Versuches an den Grundrissen und Aufrissen die Bewegungen des 
Sprosses genau zu verfolgen waren. Bei dieser Versuchsanordnung 
gab es nun zwei verschiedene Möglichkeiten: einmal konnte man die 
Pflanzen so legen, daß der negative Geotropismus im Sinne der Nuta- 
tionsriehtung wirkt, das andere Mal so, daß er dieser entgegen arbeitet?). 
Die eine Möglichkeit stellt die Fig. 3 und die andere die Fig. 4 dar. 


3) Wortmann (D) hat z. B. auf Grund derartiger Versuche die Vor- 
stellung entwickelt, daß beim Winden jeder kleinste Sproßquerschnitt in einer 
schraubenförmigen Linie aufwärts geführt werden soll; eine Theorie, der die kom- 
plizierten Bewegungen einer normal windenden Pflanze durchaus widersprechen. 

2) Es ist manchmal angenommen worden, daß die jüngsten Teile der Winde- 
pflanzen noch nicht oder doch nur schwach negativ geotropisch reagieren. Man 
braucht aber nur einen Topf mit ganz jungen, noch nicht nutierenden Windesprossen 
horizontal zu legen, um sie nach kurzer Zeit sich aufwärts krümmen zu sehen. 
Bei den normal in vertikaler Krümmungsebene nutierenden Windesprossen kann 
der Geotropismus natürlich nicht bemerkbar werden, weil durch die dauernde 


sleichmäßige Verlagerung der Kanten gegen den Horizont seine Wirkung aufge- 
hoben wird. 


Die Nutationsbewegungen junger Windepflanzen. 123 


Die Figuren zeigen gleichzeitig, daß man die Töpfe in horizontaler 
Ebene beliebig drehen kann, ohne in Bezug auf die Einwirkungsrichtung 
der Schwerkraft etwas zu verändern, so daß also fatsächlich nur zwei 
prinzipiell verschiedene Fälle beobachtet werden müssen. In welchem 
Falle der Geotropismus gleichsinnig, in welchem er widersinnig wirkt, 
hängt davon ab, ob es sich um eine rechts- oder eine linkswindende 
Pflanze handelt. Da ich ausschließlich Linkswinder benutzt habe, muß 
im- Falle der Fig. 3 der Geotropismus mit der Nutation gleichsinnig, 
im Falle der Fig. 4 widersinnig arbeiten. 

Ich beginne damit, das Verhalten einer nach dem Schema der 
Fig. 3 umgelegten Pflanze zu schildern. Da die Versuche nie ganz 
gleichmäßig verlaufen, man vielmehr in einem Falle diese, im anderen 
jene Erscheinung besser beobachten kann, so müßte ich eigentlich alle 


Big. 3. Töpfe mit jungen linkswinden- Fig, 4. Töpfe mit jungen rechtswinden- 
den Pflanzen so horizontal gelegt, daß den Pflanzen so horizontal gelegt, daß 
Geotropismus und Nutation gleichsinnig Geotropismus und Nutation widersinnig 


wirken. wirken. 


Einzelversuche hier schildern, um die Schlüsse, die daraus gezogen 
wurden, zu motivieren. Dies war aber der vielen dafür nötigen Text- 
figuren wegen unausführbar, und ich habe es deshalb vorgezogen, aus 
den Einzelversuchen je einen typischen Fall zu konstruieren. 

Wenn man eine Calystegia, die noch nicht windet, aber regel- 
mäßig nutiert, in der oben geschilderten und in Fig. 3 illustrierten Weise 
um 9% horizontal legt, so wird der Sproß in der Vertikalprojektion 
etwa die in der Fig. 5 mit 9° bezeichnete Linie bilden. Die Fig. 6 
gibt die entsprechende Linie der Horizontalprojektion wieder. Die erste 
Bewegung, die man dann bemerkt, ist eine Abflachung der Nutations- 


124 Wilhelm Nienburg, 


krümmung (s. Fig. 5, 9:° und 9%), die verbunden ist mit einer schwachen 
Aufwärtsbewegung (s. Fig. 6, 9:° und 92%). Nach 925 erfolgt dann eine 
Verstärkung der Krümmung, die bis zum Ende des Versuchs fort- 
schreitet (s. Fig. 5). Begleitet ist diese Bewegung von einer energischen 
Aufrichtung der Krümmungsebene, so daß diese am Ende des Versuches 
fast vertikal steht (s. 11%0 Fig. 5 und 6). Dies sind die wichtigsten 
der zu beobachtenden Erscheinungen. Es fragt sich nun, wie sie zu 
deuten sind. " 
Da ist zunächst die interessante, 20—30 Minuten dauernde Ab- 
flachung des Nutationsbogens. Wenn diese plötzlich und ruckweise 
erfolgte, könnte man sie rein mechanisch durch ‘die Umlagerung, die 
das Eigengewicht des Sprosses beim Horizontallegen erfährt, erklären. 
Da die Bewegung aber ganz gleichmäßig und langsam vor sich geht, 
muß es sich um eine Wachstumserscheinung handeln. Sie kann nur 
auf ein schon bei Beginn des Versuches auf der konkaven Flanke 


Fig. 5. Bewe- 
gungen einer nach 
dem Schema der 
Fig. 3 horizontal 
gelegten Pflanze 
in vertikaler Pro- 
jektion. 


liegendes Ausdehnungsbestreben zurückgeführt werden, das, solange die 
Nutationskrümmung aufrecht stand, durch das Eigengewicht des hori- 
zontalen Sproßteils verhindert wurde, sich auszugleichen, das jetzt aber, 
wo das Eigengewicht ihm nicht mehr direkt entgegenwirkt, in Erschei- 
nung treten kann. Wir hätten damit schon eine von den Komponenten 
nachgewiesen, die, wie weiter vorn auseinandergesetzt ist, durch die 
Theorie der autonomen Nutation gefordert wurde. Nämlich ein Eigen- 
gewicht des horizontalen Sproßteils, das ausreicht, um ‘ein auf der 
Unterseite vorhandenes Ausdehnungsbestreben zu kompensieren. Außer- 
dem ist die gleichzeitig sich ergebende. Tatsache von Wichtigkeit, 
daß dieses Ausdehnungsbestreben besteht, denn es wurde ebenfalls 
oben schon gesagt, daß die Wachstumszone sich auch auf die konkave 
Seite erstrecken müsse. Wie weit nach rückwärts auf die ursprüng- 
liche Hinterseite, die nach dem Umlegen zur Unterseite geworden ist, 
die Wachstumszose sich ausdehnt, kann man dagegen bisher noch nicht 


4“ 


Die Nutstionsbewegungen junger Windepflanzen. 125 


sagen, da die zwischen 9% und 92% bemerkbare schwache Aufwärts- 
bewegung (s. Fig. 6) auch auf den negativen Geotropismus zurück- 
geführt werden kann. Die nach 9% eintretende dauernde Verstärkung 
des Krümmungsbogens ist das, was Baranetzky die „transversale 
Krümmung“ nannte, die er nur durch eine Art Horizontalgeotropismus 
erklären zu können glaubte. Wenn eine Nutationskrümmung in hori- 
zontale Lage gebracht wird, so soll nach ihm durch die Schwerkraft 
die linke Flanke so lange im Wachstum gefördert werden, bis der 
negative Geotropismus die Krümmung wieder vertikal gestellt hat. Auf 
den ersten Blick scheint die dauernde Verkürzung des Krümmungs- 
radius auch gar nicht anders deutbar zu sein. Denn nehmen wir auf 
Grund der Autonomie, wie ich kurz sagen will, und der zwischen 9% 
und 9° beobachteten Bewegung an, daß die Wachstumszone während 
dieser Zeit ungefähr in dem Quadranten zwischen der konkaven und 
der Unterseite lag, so muß sie nach 925 vollkommen auf die konkave 


00 
Fig. 6. Bewe- W m 
gungeneinernach 
dem Schema der 
Fig. 3 horizontal 
gelegten Pfianze 
in horizontaler 925 
Projektion. giv 


109 


Seite wandern und so eine weitere Abflachung hervorrufen. Statt dessen 
sehen wir schon zwischen 91° und 925 eine Verlangsamung der Ab- 
flachung und darauf eine energische Krümmung und Aufrichtung er- 
folgen, während die autonome Wachstumszone doch allmählich auf die 
Oberseite wandern und der Aufriehtung entgegen wirken müßte. Die 
in diesen Überlegungen für die Theorie der autonomen Nutation liegenden 
Schwierigkeiten wurden aber schon von Ambronn (I, ID) in befriedi- 
gender Weise gelöst. Er wies nach, daß ein bogenförmig gekrümmtes 
Organ in horizontaler Lage durch den negativen Geotropismus und 
natürlich auch durch jede andere auf der Unteiseite erfolgende Wachs- 
tumsförderung in folgender Weise verändert wird: Die. Ebene der 
Krümmung wird gehoben, ihr Radius verkleinert, die Krümmung also 
verstärkt, und außerdem tritt eine ganz erhebliche scheinbare antidrome 
Torsion auf. Ambronn hat diese Beziehungen mathematisch abgeleitet 
(1) und auch ein anschauliches, aber doch nicht ganz leieht zu be- 
schaffendes Modell dafür konstruiert (I). Für unsere Zwecke genügt 


126 Wilhelm Nienburg, 


es vielleicht, wenn man sich die Verhältnisse folgendermaßen klar macht. 
Man schneidet sich aus Pappe einen 2—3 cm breiten Kreisbogen von 
90—180° mit einem Radius von 10—15 em. Dann knickt man dieser 
bogenförmigen Pappstreifen in der Weise, wie es in der Fig. 7 auge- 
deutet ist, um Achsen, die in der Richtung der Radien des Kreisbogens 
liegen, so daß jedes Bogenstück gegen das benachbarte um einen 
möglichst konstanten kleinen Winkel gekrümmt ist. Wenn man das 
(dadurch entstandene Gebilde mit einem Endstück flach auf den Tisch 
legt, so kann man die oben erwähnten Veränderungen ohne Mühe kon- 
statieren. Versuchen wir nun diese Beziehungen auf unseren Fall an- 
zuwenden. Die gleich zu Beginn des Versuches einsetzende, allmählich 
immer stärker werdende Aufrichtung der Krümmungsebene zeigt, daß 
von Anfang an ein entweder durch den Geotropismus oder durch die 
autonome Nutation hervorgerufenes 
Wachstumsbestreben auf der Unter- 
seite liegt. Dieses muß in der 
oben auseinandergesetzten. Weise 
auf den Krümmungsbogen ein- 
wirken: Der Radius wird ver- 
kleinert und durch die schein- 
Fig. 7. Erklärung im Text. bare antidrome Torsion wird 
die schon auf die konkave Seite 
vorgerückte Wachstumszone wieder etwas nach unten gedreht. Daraus 
erklärt sich, daß die Abflachung, die zunächst energisch einsetzt, 
nach 91% schwächer wird und nach 92 in die umgekehrte Be- 
wegung übergeht. Bis zu diesem Zeitpunkte ist in dem Kampfe 
zwischen der auf die konkave Seite wandernden Wachstumszone und 
dem die Unterseite fördernden Geotropismus die erstere die mächtigere 
gewesen. Jetzt ist aber der Geotropismus, der ja einer gewissen Prä- 
sentationszeit bedarf, so wirksam geworden, daß er durch die schein- 
bare antideome Torsion die vorrückende Wachstumszone immer wieder 
auf die Unterseite, vielleicht sogar auf die konvexe Seite bringt. Nu- 
tation und Geotropismus arbeiten also zusammen, um die Krümmungs- 
ebene aufzurichten und den Radius zu verkleinern. Weiter als bis zur 
annähernden Vertikaistellung habe ich die Bewegungen absichtlich nicht 
wiedergegeben, um die Figuren nieht unübersichtlich zu machen. 


Aus dem Versuche ergibt sich wohl folgendes: 1. Bei den normal 
in vertikaler Ebene nutierenden Windesprossen legt ein Teil der 


Wachstumszone auf der konkaven Unterseite. 2. Das Eigengewicht 
des horizontalen Sproßteils genügt, um dieses zu kompensieren. 3. Die 


"ze zu schildern. 


Die Nutationsbewegungen junger Windepflanzen. 127 


Bewegungen, die auftreten, wenn man die Nutationsebene nach dem 
Schema der Fig. 3 horizontal legt, lassen sich durch Zusammenwirken 
von Nutation und negativem Geotropismus erklären, ohne die Annahme 
eines Horizontal- 
geotropismus nö- 
tig zu machen. 
Ich kann nun 
dazu übergehen, 
das Verhalten 
einer nach dem 
Schema der Fig. 4 
umgelegten Pflan- 


Fig. 8 gibt deren 
Bewegungen in 


vertikaler und Fig. 
9 in horizontaler 40 1 

ns 1 00 20 
Projektion wieder. ft fl 
Man sieht daran, Fig. 8. Bewegungen einer nach dem Schema der Fig. 4 
daßauch beidieser horizontal gelegten Pflanze in vertikaler Projektion. 
Versuchsordnung 


sofort eine Abflachung der Nutationskrümmung eintritt. Diese Ab- 
flachung ist aber zunächst mit einer erheblichen Senkung der Krüm- 
mungsebene verbunden, die bis 9%° anhält. Darauf tritt eine noch ener- 
gischere  Strek- 
kung der Krüm- 
mung ein, so daß 
der Sproß um 
10% eine fast ge- ge 
rade Linie bildet. 

Er hebt sieh dann 490° 
weiter undkrümmt; 
sich dabei nach 
links, Auf diese 
Weise durchläuft 


der nutierende or ner mach dem Schema der Big. & 
F H ne dr ewegungen einer Ni em »thema der . 
Sproßteil in der E izonial gelegten Pflanze in horizontaler Projektion. 


Zeitvon 1019-120 
eine Reihe von Stadien, die ganz übereinstimmen mit den auf die Abflachung 


folgenden Bewegungen im vorigen Versuch (s. Fig 5 und 6,.9%—11°%). 


1100 


20 
ji nt 


128 Wilhelm Nienburg, 


Das, was an diesen Krümmungen besonders auffällt, ist die starke 
Senkung zwischen 9% und 9% Sie weist darauf hin, daß bei Beginn 
des Versuchs auf der Oberseite, die in bezug auf die Nutationsriehtung 
die Hinterseite ist, ein kräftiges autonomes Wachstumsbestreben vor- 
handen ist, denn auf den Geotropismus kann diese Bewegung nicht 
zurückgeführt werden. Daraus ergibt sich dann, daß die ihr entsprechende 
schwache Hebung von 90%--925 in dem ersten Versuch auch als eine 
autonome Wachstumserscheinung anzusehen ist, die dort nur durch das 
Eigengewicht des Sprosses in ihrer Wirksamkeit behindert wurde. Der 
Schluß, daß es sich bei dieser Überwindung des Eigengewichtes um 
autonomes Wachstum handelt, zusammen mit der Beobachtung, daß das 
auf der konkaven Seite liegende Ausdehnungsbestreben bei vertikaler 
Stellung der Krümmungsebene das Eigengewicht nicht überwindet, 
nötigt dann ferner zu der Auffassung, daß das Wachstum auf der 
Hinterseite stärker ist als auf der konkaven. Wir kommen also zu 
dem Ergebnis, daß das autonome Wachstum über die Zone, auf der es 
zu einer bestimmten Zeit wirkt, nicht gleichmäßig verteilt ist, sondern 
so, daß die zuletzt in den. Bereich der Zone gekommenen Partien — das 
ist die konkave Seite der Nutationskrämmung —- erst verhältnismäßig 
schwach wachsen, daß die mittleren Partien — die die Hinterseite ein- 
nehmen — das stärkste Wachstum zeigen, und daß sich dieses dann 
nach oben hin allmählich wieder verliert. Ähnlich wie beim Längenwachs- 
tum, z.B. der Wurzel, steigtdie Wachstumsenergie eines jeden schmalsten 
Längsstreifens allmählich zu einem Maximum, um darauf wieder abzuflauen. 

Mit der besprochenen Senkung der Krümmungsebene ist auch die 
vom ersten Versuch her bekaunte Abflachung der Krümmung verbunden. 
Während aber dort die Abflachung immer schwächer wurde und nach 
der ersten halben Stunde sogar in die umgekehrte Bewegung überging, 
wird sie hier immer stärker. Um diese Differenz zu verstehen, muß 
man folgendes bedenken. Bei der nach der Fig. 3 umgelegten Pflanze 
wird zunächst durch das auf der Unterseite liegende Maximum des 
autonomen Wachstums und später durch den Geotropismus eine immer 
stärkere scheinbare antidrome Torsion hervorgerufen, wodurch die 
Wachstumszone immer wieder auf die konvexe Seite gebracht wird, so 
daß die Krümmung sich dauernd verstärken muß. Beim letzten Ver- 
such wird zwar zunächst durch das auf der Oberseite liegende Maximum 
auch eine schwache antidrome Torsion entstehen, die die Wachstums- 
zone etwas auf die Oberseite zurückverlagert. Nun wird aber hier diese 
scheinbare antidrome Torsion nicht durch einen allmählich "erstarkenden 
Geotropismus vergrößert. Denn dieser muß jetzt eine der ersten Torsion 


Die Nutationsbewegungen junger Windepflanzen. 129 


entgegengesetzte, also homodreme hervorrufen. Deshalb kann das 
Maximum der autonomen Wachstumszone ungehindert auf die konkave 
Seite übergehen und dort ein energisches Abflachen des Krümmungs- 
bogens hervorrufen, das bis zur vollständigen Gradestreckung, ja bis 
zur Krümmung nach der anderen Seite (s. Fig. 8, 101%) führt. Jetzt 
müßte die Wachstumszone weiterwandern und eine neue Senkung des 
Sprosses veranlassen. Da aber in der Zeit von etwa 94-10, in der 
fast immer die gleiche Kante nach unten gekehrt war, eine kräftige 
geotropische Reizung induziert worden ist, so macht sich nun die schein- 
bare antidrome Torsion wieder geltend und verhindert das Weiterwandern 
der Wachstumszone. Die Folge davon ist natürlich eine dauernde Ver- 
stärkung und allmähliche Aufrichtung der Krümmungsebene. Damit 
dürften’ auch die Bewegungen, die bei der Versuchsanordnung nach 
lem Schema der Fig. 4 auftreten, genügend geklärt: sein. 
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß sich aus den beiden ge- 
schilderten Versuchen folgendes ergibt: 1. Alle Bewegungen, die auf- 
treten, wenn man die Nutationsebene horizontal legt, lassen sich durch 
das Zusammenwirken von Nutation und negativem Geotropismus er- 
klären. 2. Das autonome Wachstum ist nicht: gleichmäßig über die Zone, 
die es zu einer bestimmten Zeit einnimmt, verteilt, sondern weist ein 
Maximum auf, zu dem es allmählich ansteigt, um dann wieder abzufallen, 
3. Bei dem normal in vertikaler Ebene nutierenden Windesproß liegt 
das Maximum auf der Hinterseite und der vorangehende, in der 
nächsten Phase zum Maximum werdende Teil auf der konkaven Unter- 
seite. 4. Das Eigengewicht des horizontalen Sprosses genügt, um 
diesen letzteren Teil des Ausdehnungsbestrebens zu kompensieren. 
Hierdurch sind dann auch die für die Theorie der autonomen Nutation 
außer der wandernden Wachstumszone nötigen Komponenten, nämlich 
ausreichendes Eigengewicht und genügende Breitenausdehnung der 


Zone, als vorhanden nachgewiesen. 


Im Anschluß an die eben geschilderten Versuche mußte gezeigt 
werden, daß die scheinbare antidrome Torsion, die bei ihnen eine große 
Rolle spielt. bisher aber uur theoretisch abgeleitet wurde, auch beim 
praktischen Experiment vorhanden ist und einen ausreichenden Betrag 
erreicht. Zu diesem Zweck wählte ich eine Versuchsanerdnung, wie 
sie ähnlich schon Kolkwitz zum Nachweis wirklicher antidromer 
Torsionen an windenden Pflanzen gebraucht hat. Die Torsion wurde 
nämlich an den Bewegungen einer senkrecht in den Sproß gesteckten 
haarfeinen Glasnadel gemessen, die mittelst eines Horizontalmikroskops 


130 Wilhelm Nienburg, 


beobachtet wurde. Da es mir darauf ankam, die horizontal gelegten 
Töpfe bis zu einem gewissen Grade um die horizontale Achse möglichst 
ohne Erschütterungen drehen zu können, so legte ich sie auf ein aus 
einer kleinen Kiste geschnittenes Lager. Dieses hing an Bindfäden. 
“die über einen rauhen Glasstab liefen, der wieder drehbar in einem 
leichten Holzgestell aufgehängt war. Fig. 10 mag diese Vorrichtung 
veranschaulichen. In dieses Gestell wurden die Pflanzen wie in den 
früheren Versuchen nach dem Schema der Fig. 3 oder dem der Fig. 4 
umgelegt aufgehängt. An der am stärksten gebogenen Stelle der 
Krümmung wurde dann die Glasnadel so eingesteckt, daß sie senk- 
recht nach ‘oben gerichtet war. Das Horizontalmikroskop wurde so 
aufgestellt, daß die Verlängerung seiner Achse durch die Befestigungs- 
' stelle der Nadel ging und 
gleichzeitig die Tangente 
an den Krümmungsbogen 
bildete. Wenn endlich 
noch dafür gesorgt war, 
daß sich die Glasnadel mit 
einem langen Teilstrich des 
Okularmikrometers in dem 
Tubus deckte, so konnte 
die Beobachtung beginnen. 
Genaue Messungen lassen 
sich auf diese Weise na- 
türlich nicht machen, weil 
der negative Geotropismus 
den Sproß und damit den 
Befestigungspunkt der Na- 
del hebt. Man kann das 
: Fig. 10. Aufhängevorriehtung, um die Töpfe ohne einigermaßen dadurch wie- 
Erschütterung eos Um die horizontale Achse der ausgleichen, daß 
man den Krümmungsbogen 
durch Drehung des Glasstabes wieder in die Horizontale bringt und 
das Mikroskop neu einstellt. Auf diese Weise habe ich’ z. B. an einem 
nach dem Schema der Fig. 3 umgelegten Sproß in 2 Stunden eine 
scheinbare antidrome Torsion von etwa 130° gemessen. Ein Betrag, 
der vollkommen ausreicht, um die dauernde Verstärkung der Sproß- 
krümmung zu erklären. 
Interessanter sind noch die Torsionsmessungen, die an Pflanzen 
angestellt wurden, die nach dem Schema der Fig. 4 umgelegt waren. 


v7 


Die Nutationsbewegungen junger Windepflanzen. 131 


Wir sahen oben, daß die starke Abflachung, die schließlich in eine 
Krümmung nach der entgegengesetzten Seite übergeht, nach einer 
Periode antidromer Torsion eine solche homodromer erwarten läßt. Um 
zu zeigen, daß das Experiment diese Annahme bestätigt, lasse ich ein 
Versuchsprotokoll folgen: 


Calystegia dahurica. 
950 umgelegt nach Fig. 4. 
955 Senkung, keine Torsion. 


10% » » ” 
10% Krümmungsebene in die Horizontale gedreht. 
1015 Senkung, Abflachung, schwache antidrome Torsion. 


105 „ „ n homodrome Torsion. 
10°° Hebung „stärkere w „ 
10685, “ „ » 
118 „5 „ „ » 


Die homodrome Torsion beträgt im ganzen über 30°. 

115 Die Abflachung ist in eine Krümmung nach der anderen 
Seite übergegangen. Es wird neu eingestellt und die Krüm- 
mung in die Horizontale gedreht. 

12° Stärkere Krümmung, Hebung, antidrome Torsion. 


Aus solchen Versuchen geht mit Sicherheit hervor, daß die schein- 
baren Torsionen, die die eigentümlichen Krümmungserscheinungen bei 
horizontal gelegten Windepflanzen erklären, tatsächlich zu beobachten 
sind. Damit verliert die „transversale Krümmung“ Baranetzky’s oder 
die „hakenförmige Krümmung“, wie andere Autoren sie genannt haben, 
wohl auch für diejenigen ihre Rätselhaftigkeit, die durch die theo- 
retischen Erwägungen Ambronn’s bisher noch nicht überzeugt wurden. 
Im übrigen werden die vorstehenden Ausführungen für denjenigen, der 
die Arbeiten dieses Autors genau kennt, wenig prinzipiell Neues geboten 
haben. Wenn ich trotzdem glaubte, die Verhältnisse eingehend dar- 
stellen zu sollen, so liegt das: daran, daß die Ambronn’schen Unter- 
suchungen anscheinend spurlos vorübergegangen sind. Alle, die sich 
nach ihm mit den Windefragen beschäftigten, haben sie in ihren wesent- 
lichen Punkten vollständig unberücksichtigt gelassen ‘).. Deshalb schien 
es mir endlich an der Zeit, noch einmal darauf aufmerksam zu machen, 
daß die von ihm entdeckten Beziehungen doch nieht so nebensächlich 
sind, wie die Autoren offenbar annehmen. 


D Das gilt nicht von Kolkwitz, der aber nur die Windungen um eine Stütze 
und nicht die einfachen Nutationsbewegungen studiert hat. 


132 Wilhelm Nienburg, 


m. 


Im Anschluß hieran möchte ich gleich einen Einwand erörtern, 
der vom Standpunkt des Lateralgeotropismus gegen meine Argumentation 
gemacht werden könnte. Wir sahen, es ist für das Zustandekommen 
der Nutation notwendig, daß sich die Wachstumszone — wenn wir eine 
normal mit vertikaler Krümmungsebene nutierende Pflanze betrachten 
— von der Hinterseite bis auf die konkave Unterseite erstreckt. Man 
könnte dementsprechend annehmen, daß die Schwerkraft nicht die Hinter- 
seite, sondern die zwischen der hinteren und der unteren Kante liegende 
Zone zum Wachstum reizt, Eine solche Vorstellung ist allerdings rein 
willkürlich und würde sich auch mit dem Noll’schen Reizfelderschema 
schwer vereinigen lassen, sie ist aber schon von Voß, einem Anhänger 
des Lateralgeotropismus, ausgesprochen worden und könnte offenbar die 
Hauptschwierigkeit, nämlich die dauernde Verlagerung der Kanten gegen 
den Horizont, erklären. Es fragt sich aber, wie weit mit dieser Hypo- 
tbese die anderen von uns beobachteten Erscheinungen vereinigt werden 
können. Da ist zunächst die in dem ersten Versuch beschriebene Ab- 
flachung in der ersten halben Stunde schwer zu erklären. Wenn durch 
die Schwerkraft immer der rechts unten gelegene Quadrant — in der 
Richtung des horizontalen Sproßteils von hinten nach vorn gesehen — 
zum Wachstum gereizt werden soll, so müßte man gleich eine links 
aufwärts gerichtete Bewegung erwarten. Ähnlich ist es bei dem zweiten 
Versuch, wo die erst auftretende Senkung schwer verständlich ist. Um 
diese beiden Bewegungen zu erklären, muß man zu der Hilfshypothese 
greifen, daß es sich hierbei um Nachwirkungen handelt. Wenn diese 
an und für sich nicht unwahrscheinliche Annahme sich bestätigen ließe, 
so wüßte ich gegen die Voß’sche Modifikation des Lateralgeotropismus 
nichts einzuwenden; wenigstens was die Bewegungen einer frei nutie- 
renden Pflanze anbetrifft. Eine andere Frage’ -— die aber über mein 
Thema hinausgeht — ist es, ob sich die Nutationsbewegungen einer 
um eine Stütze windenden Pflanze auf diese Weise erklären lassen. 
Es kam also für mich, wenn ich den eben definierten Einwand ent- 
kräften wollte, darauf an, nachzuweisen, daß die Abflachung bzw. Senkung 
zu Beginn der beschriebenen Versuche keine lateralgeotropischen Nach- 
wirkungen sind. Zu diesem Zwecke machte ich eine Reihe von Ver- 
suchen, für die ich die Anregung den bekannten Arbeiten Czapek’s 
über den Geotropismus orthotroper Organe!) verdanke. Dieser Forscher 


3) Ozapek, Untersuchungen über Geotropismus. Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, 
Bä. XXVIE, pag. 243839. . 


Die Nutationsbewegungen junger Windepflanzen. 133 


hat nachgewiesen, daß unter gewissen Bedingungen, die das Wachstum 
sistieren, ohne das Plasma zu töten, ein geotropischer Reiz perzipiert 
wird, dessen Wirkung dann aber erst zutage tritt, wenn der Starre- 
zustand aufgehoben ist. Solche Bedingungen sind z. B. ein Aufenthalt 
der betreffenden Organe in einer Wasserstoffatmosphäre und in kalter 
oder von Chloroform gesättigter Luft. Ich glaubte nun annehmen zu 
dürfen, daß der Lateralgeotropismus, wenn er überhaupt vorhanden ist, 
auch diese Erscheinung zeigen muß. Wenn man also einen Winde- 
sproß im Starrezustand genügend lange lateralgeotropisch reizt, so 
müßte er nach Aufhebung der die Reaktion hindernden Bedingung eine 
nur der Reizrichtung entsprechende Bewegung ausführen, da Nach- 
wirkungen von vorbergehenden Reizungen während des Starrezustandes 
abgeklungen sein müssen. 

Auf Grund dieser Überlegung machte ich eine Reihe von Ver- 
suchen, bei denen durch Eis gekühlte Luft zur Verhinderung der Re- 
aktion gewählt wurde, weil mir das die geringste Schädigung der 
Pflanzen zu versprechen schien. Die Versuchsanordnung war folgende: 
Töpfe mit normal nutierenden Calystegiasprossen wurden unter eine 
Art doppelwandige Glasglocke gestellt, die mit einer Kältemischung 
beschiekt war. Nach einiger Zeit, wenn die Temperatur auf etwa 5° 
abgekühlt war, kam die Nutation zum Stillstand. Dann wurden die 
Pflanzen unter der Glocke bei derselben Temperatur nach dem Schema 
der Fig. 3 horizontal gelegt. Auf diese Weise wurden sie eine halbe 
bis ganze Stunde einer lateralgeotropischen Reizung ausgesetzt. Nach 
dieser Zeit brachte ich sie in derselben Lage in die Zimmertemperatur 
von etwa 20° Hier kontrollierte ieh in ähnlicher Weise wie bei den 
früheren Versuchen die bald wieder einsetzenden Bewegungen. Nur 
wurden die Pflanzen über Koordinatenpapier beobachtet und der jeweilige 
Stand notiert. Für die Beobachtung der Bewegung in vertikaler Rich- 
tung wurde mit Vorteil ein Horizontalmikroskop benutzt, Die Versuche 
lieferten im wesentlichen vollständig übereinstimmende Resultate. In 
den ersten 5--10 Minuten war keine Bewegung zu konstatieren; so 
lange dauerte es offenbar, bis die höhere Temperatur wirksam wurde. 
Darauf trat eine 5—15 Minuten dauernde deutliche Abflachung ein, 
die nach dieser Zeit in die umgekehrte Bewegung überging. Mit der 
Abflachung gleichzeitig ging eine schwache Aufrichtung, die nach dem 
Aufhören der ersteren sehr viel stärker wurde. Das sind also genau 
dieselben Bewegungen wie sie in dem ersten Umlegeversuch beschrieben 
wurden. Die kürzere Dauer und der geringere Betrag der Abflachung 
erklärt sich wohl zur Genüge aus dem Umstande, daß während der langen 


Flora, Bd, 102. 10 


134 . . Wilhelm Nienburg, 


horizontalen Lage in der Kältestarre ein starker negativ geotropischer Reiz 
induziert werden mußte, dessen Folgen ja oben eingehend geschildert sind. 

Wenn man die Abflachung zu Beginn der einfachen Umlege: 
versuche eventuell noch, wie ich auseinandersetzte, durch einen 
etwas modifizierten Lateralgeotropismus erklären konnte, so scheint 
das bei dieser Versuchsanordnung ausgeschlossen. Denn während 
des Starrezustandes von einer halben bis ganzen Stunde müßte 
eine lateralgeotropische Nachwirkung beim Übergang in die höhere 
Temperatur bereits verschwunden sein, da bei der normalen Nutation, 
die in etwa 2 Stunden einen Umlauf vollendet, die jeweilig lateral- 
geotropisch gereizte Kante nach einer halben Stunde in den links oben 
liegenden Quadranten -— in der Richtung des Sprosses von hinten nach 
vorn gesehen — gelangen würde, wo natürlich kein Wachstum mehr 
stattfinden darf. Es hätte also in der Eisglocke ein starker neuer Reiz 
in dem rechts unten liegenden Quadranten perzipiert werden müssen. 
Da die darnach zu erwartende Bewegung, die gleich beim‘ Reaktions- 
beginn eine Verstärkung der Krümmung hätte bringen müssen, nicht 
auftritt, so ist eine seitlich wachstumsfördernde Wirkung der Schwer- 
kraft offenbar nicht vorhanden und man kann die Abflachung nur als 
eine rein autonome Nutationsbewegung auffassen. 


IV. 


Ich komme nun zu dem Teil meiner Aufgabe, bei dem es sich 
darum handelte, diejenigen Versuche zu entkräften, die nach den Ver- 
fechtern des Lateralgeotropismus die Unhaltbarkeit der Theorie der 
autonomen Nutation beweisen sollen. 

Noll sagt in seiner „Heterogenen Induktion“ (pag. 46), nachdem 
er von den Klinostatenversuchen Baranetzky’s gesprochen hat: „Durch 
eine ganz andere Art der Versuchsanstellung gelang es mir ebenfalls 
zu zeigen, daß die rotierende Nutation keine verstärkte Zirkumnutation 
sei. Ich ging dabei von folgender Überlegung aus: Ist die Bewegung 
dureh eine gewisse Einwirkung der Schwere auf eine Seitenkante ver- 
ursacht, so muß ein Stillstand derselben eintreten, sobald dem schweben- 
den Gipfelteil ein seitliches Hindernis entgegengesetzt wird. Der Druck 
muß sich dann mit der zunehmenden Spannung im Organ mit der Zeit 
verstärken. Ist dagegen die Bewegung die Folge von autonomer Zirkum- 
nutation, so muß nach einer gewissen Zeit — wie man leicht findet, 
nach einem Viertel derjenigen, welche ein ganzer Umgang benötigt — 
autonom die Unterkante des Organs die Verläugerung erfahren, der 
Gipfel müßte gehoben werden. Nach einem weiteren Viertel der Um- 


Die Nutationsbewegungen junger Windeptflanzen. 135 


gangszeit müßte dann die der ursprünglich geförderten gerade gegen- 
über liegende Stengelkante sich stärker als alle andern verlängern, was 
einem verminderten Druck auf das Hindernis oder einem Wegwenden 
von demselben gleichkormmen müßte usw. Es zeigte sich jedoch bei allen 
Versuchen, daß der Stengel sowohl der rotierenden etiolierten Keim- 
pflanzen wie auch der von normalwüchsigen Schlingpflanzen ständig 
stärker der Stütze angepreßt wurde, daß beim Aufhalten der rotieren- 
den Bewegung das .stärkere Wachstum also nicht mehr rings um den 
Stengel fortschreitet, sondern auf die eine der Stütze gegenüberliegende 
horizontale Seitenkante beschränkt blieb. Damit war auf anderem Wege 
die bisherige, besonders von Darwin herrtihrende Anschauung von der 
Natur der rotierenden Nutation als unrichtig erwiesen.“ 

Gegen diese Beweisführung läßt sich zunächst einwenden, daß sie 
die seit Schwendener’s (I) Windearbeit bekannte, und später durch 
Kolkwitz besonders anschaulich demonstrierie wirkliche antidrome 
Torsion ganz außer Acht läßt. Diese muß immer auftreten, wenn ein 
bogenförmig gekrümmtes Organ, das mit dem einem Ende irgendwie 
befestigt ist, mit dem anderen gegen einen Widerstand drückt, Durch 
die so entstandene Torsion muß bei einer Windepflanze, die mit einer 
Stütze in Berührung kommt, die Wachstumszone passiv von der Unter- 
seite auf die Hinterseite gedreht werden. Auf diese Weise erklärt sich 
wenigstens ein Teil der von Noll angeführten Erscheinung. Es fragt 
sich allerdings, ob die mechanischen Torsionen ausgiebig genug sind, 
um dauernd das Fortschreiten der Wachstumszone zu kompensieren. 
Es ist das nicht ganz leicht festzustellen, weil die Umlaufszeit ziem- 
liehen Schwankungsn unterliegt. Nach einer Reihe von Beobachtungen 
schien es mir aber, daß die antidrome Torsion hierfür nicht ausreicht. 
Bei einem Exemplar von Pharbitis hispida z. B. betrug sie in 1 Stunde 
etwa 80°, während der ganze Umlauf in 2--3 Stunden ausgeführt wird, 
so daß man mindestens 120° hätte erwarten sollen. Der gegen eine 
Stütze gedrückte Windesproß muß aber noch auf eine andere Weise 
mechanisch daran gehindert; werden, nach einem Viertel des Nutations- 
umlaufes sich aufzurichten. Er bewegt sich ja nicht frei, sondern müßte 
an der Stütze hinaufgleiten und hätte, da er in der ersten Phase stark 
gegen diese gedrückt ist, einen beträchtlichen Reibungswiderstand zu 
überwinden. Wenn man diesen Reibungswiderstand ausschaltet, so 
muß die Differenz, die zwischen dem Weiterwandern der autonomen 
Wachstumszone und ihrer Rückdrehung durch die antidrome Torsion 
besteht, durch eine Aufrichtung des Sprosses erkennbar werden. Ich 


habe mir hierfür einen kleinen Apparat machen lassen, den die Fig. 11 
10% 


136 Wilhelm Nienburg, 


veranschaulicht. Es ist eine Art Zeiger am Bogen, nur daß der Sproß, 
dessen Wachstum gemessen werden soll, nicht indirekt durch einen über 
eine Rolle laufenden Faden den Zeiger in Bewegung setzt, sondern 


durch direkte Hebung des kürzeren Armes. 


Dieser trägt au seinem 


Ende ein Widerlager a, während der viermal so lange andere Arm 5 


art Daun An 
BR 


Pe, 
Fig. 11. 
Wachstumszone. Erklärung im Text. 


Betrag senken. 


Apparat zur Konstatierung der 
auf die Unterseite des Sprosses wandernden 


vor einer bogenförmigen Skala 
spielt. Im Drehpunkte c läuft. 
der Zeiger, der natürlich genau 
ausbalanziert ist, mit der Spitze 
in kleinen Messingpfannen. Vorn 
unten an der Skala ist ein 
stabförmiger Halter Z ange- 
bracht, mit dem man den Appa- 
rat an einem Stativ befestigen 
kann. Für den Versuch wird 
der Nutationsmesser, wie ieh 
vielleicht sagen darf, so ge- 
richtet, daß die Eindknospe e 
eines Windesprosses / gegen 
das Widerlager « drückt. Wenn 
dann das Wachstum auf die 
Unterseite rückt, so muß der 
Sproß sich heben, und der 
Zeiger 5 sich um den vierfachen 


Da die Skala in Millimeter geteilt ist, so bedeutet 


eine Senkung um 4 mm eine Hebung des Sprosses um 1 mm. 
Ich will jetzt einige der Versuchsergebnisse mitteilen: 


Die Nutationsbewegungen junger Windepflanzen. 137 


Diese Versuche und viele andere, die ich anstellte, stimmen darin 
überein, daß nach einer gewissen Zeit eine energische Aufrichtung des 
Windesprosses eintritt. Im einzelnen zeigen sich allerdings manche 
Verschiedenheiten. Es fällt z. B. auf, daß häufig zuerst eine schwache 
Senkung des Sprosses zu konstatieren ist (s. Versuch 1 und 4). Das 
ist wahrscheinlich so zu erklären, daß in diesen Fällen die Knospe e 
nicht genau gegen den Mittelpunkt des Widerlagers & gedrückt hat, 
sondern an eine etwas tiefere Stelle Es ist nämlich nicht immer ganz 
leicht, den Apparat richtig zu orientieren, ohne dabei die Knospe aus 
ihrer natürlichen Lage zu bringen. Abgesehen von diesen kleinen, auf 
experimentelle Schwierigkeiten zurückzuführenden Schwankungen zeigt 
sich zunächst gewöhnlich kein Ausschlag des Zeigers. Der Sproß ver- 
stärkt während dieser Zeit, die bei Calystegia gewöhnlich eine halbe 
Stunde dauert, nur seinen Druck gegen das Widerlager, wie man leicht 
am Vorschnellen der Knospe beim Wegnehmen des Nutationsmessers 
konstatieren kann. Dann beginnt ein erst langsames, allmählich immer 
schneller werdendes Sinken des Zeigers. Diese Bewegung beweist, daß 
die Wachstumszone autonom auf die Unterseite des Sprosses wandert, 
womit die Forderung, die Noll stelit: „... der Gipfel müßte gehoben 
werden“, erfüllt ist. Ein Abwenden von dem Widerlager findet aller- 
dings nicht statt, und zwar weil während des Versuches durch den 
Druck gegen das Widerlager eine starke antidrome Torsion entstanden 
ist, die die Wachstumszone zurückdreht. Gegen Ende des Versuches 
pflegt bei sehr lebhaft wachsenden Sprossen sich die En’iknospe durch 
vollständige Aufrichtung von dem Apparat zu befreien und normal 
weiter zu nutieren. Bei langsamer wachsenden Exemplaren dagegen 
beginnt der über das Widerlager hinausragende Teil Bewegungen, wie 
wir sie bei den Versuchen mit horizontal gelegten Sprossen geschildert 
haben, die schließlich zu Windungen um den Nutationsmesser führen. 

Gegen diese Versuche könnte vielleicht der Einwand gemacht 
werden, daß die Hebung der Endknospe, die ja immer erst nach etwa 
einer halben Stunde auftritt, durch einen während dieser Zeit indu- 
zierten negativ-geotropischen Reiz hervorgerufen wäre. Ich habe des- 
halb auch einige Messungen vorgenommen, bei denen die Pflanzen 
vertikal nach unten gerichtet an den Apparat gestellt wurden. Einen 
solchen Versuch will ich hier mitteilen: 

Calystegia dahuriea, umgekehrt an den Nutationsmesser gestellt‘). 


1) Die Versuchsordnung kann man sich leicht klar machen, wenn man Fig. 11 
auf den Kopf stellt. 


138 Wilhelm Nienburg, 


105 ......61, 
10%. ...7, 
110.2... 7%. 


Es war also eine Hebung des Zeigers eingetreten, die eine Streckung 
des Sprosses entgegen dem negativem Geotropismus zeigt. Nach 
11 Uhr begann der Sproß sich vom Zeiger abzubeben. Diese letzte 
Erscheinung erklärt sich ebenso wie die starke Abflachung in dem 
Umlegeversuch nach Schema der Fig. 4 Ich brauche deshalb hier 
nicht weiter darauf einzugehen. u 


V 


Eine zweite Versuchsreihe, die Noll angestellt hat, um seine 
Theorie zu stützen, beruht auf seiner Vorstellung der geotropischen 
„Reizfelder“ (III). Diese sollten „der geometrisch bestimmte, empirische 
Ausdruck der unbekannten geotropischen Reizstruktur* (IV) durch 
die Schwerkraft in ihrer Wachstumsrichtung beeinflußter Pflauzen- 
organe sein. Diese Reizfelder, über deren Ableitung ich mich hier 
natürlich nicht auslas- 
sen kann, sollten beiden 
Windepflanzen soorien- 
tiert: sein, wie es Fig. 
12 Z für Links- und Fig. 
12. R für Rechtswinder 
angibt. Beides sind 
Querschnitte durch die 
Sprosse in der horizon- 
Fig. 12. Schema für die Wirkung der Noll’schen  fAlschwebenden Region 
Reizfelder bei Windepflanzen. Erklärung im Text. von hinten nach vorn 

gesehen. Die Halb- 
kreise geben die Lage der Reizfelder und die Pfeile die Richtung der 
Schwerkraftswirkung an. Man sieht, wie bei den Linkswindern die 
Schwerkraft nur auf die rechte und bei Rechtswindern nur auf die 
linke Kante wirken müßte. Noll schloß nun aus seinem Schema, daß 
man durch Anwendung der Zentrifugalkraft, deren Wirkung bei verti- 
kaler Rotationsachse senkrecht zur Scehwerkraftswirkung gerichtet: ist, 
bei Windepflanzen besondere Wachstumserscheinungen müsse hervor- 
rufen können, nämlich je nach der Versuchsanordnung ein Heben oder 
Senken der Endknospe. Die schematische Fig. 13 wird dies besser 
als lange Erklärungen zeigen. A und 2 stellen die Querschnitte zweier 
von hinten nach vorn gesehener Windesprosse in ihren horizontalen 


Die Nutationsbewegungen junger Windepflanzen. 139 


Teilen dar, die sich auf den beiden entgegengesetzten Rändern einer 
Zentrifuge befinden. A deutet die Rotationsachse an und die hori- 
zontalen Pfeile die Wirkung der Fliehkraft. Auf die Bedeutung der 
mit Z und W bezeichneten peripheren Pfeile, sowie der Schraffierung 
des eineh Quadranten werde ich später eingehen. Man sieht ohne 
weiteres, daß im Falle 4 eine Hebung und im Falle .2 eine Senkung 
der Endknospe eintreten muß. Noll hat nun bei seinen Zentrifugal- 
versuchen diese Vorhersage bestätigt gefunden, und ich kann auf Grund 
zahlreicher, vielfach variierter Versuche ebenfalls sagen, daß das Heben 
bzw. Sinken der Endkaöspe regelmäßig zu beobachten ist, wenn man 
genügend vorsichtig experimentiert. Man muß vor allem dafür sorgen, 
daß die Schleuderkraft nicht die Wachstumsenergie der Sprosse über- 
steigt. Wenn man zu lange und zu zarte Schößlinge nimmt, werden 


Fig. 18. 
Schema für 
die Wirkung 

der Noll- 
schen Reiz- 
felder bei 
Windepflan- 
zen, die auf 
eine Zentri- 
fuge gebracht 
sind. Erklä- 
rung im Text. 


die Knospen nach außen geschleudert und die Wachstumskrümmungen 
können nicht zum Ausdruck kommen. Man muß deshalb kräftige, in 
kurzem Bogen nutierende Pflanzen nehmen und die Gesehwindigkeit 
nicht über 100—120 Umdrehungen in der Minute steigern. Auch die 
Umdrehungsriehtung ist nicht ohne Bedeutung; im allgemeinen wird 
es am zweckmäßigsten sein, die konveze Seite des Krümmungsbogens 
vorangehen zu lassen. Wenn man diese Vorsichtsmaßregeln beachtet, 
so tritt die entsprechende Bewegung gewöhnlich schon in der ersten 
halben Stunde des Versuchs ein. Ehe ich auf die Frage eingehe, ob 
sich diese Erscheinungen nicht auch ohne Hilfe des Noll’schen Lateral- 
geotropismus und seiner Reizfelder erklären lassen, will ich einen Ver- 
such schildern, der zeigt, daß durchaus nicht alle auf der Zentrifuge 
zu beobachtenden Wachstumserscheinungen mit der Noil’schen Theorie 


übereinstimmen. 


140 Wilhelm Nienburg, 


Es handelt sich um das Zentrifugieren von horizontal nach außen 
gerichteten Pflanzen. Die beiden oberen Skizzen der Fig. 14 ver- 
anschaulichen die Versuchsanordnung. Zu beachten ist dabei, daß zu 
Anfang eine mechanische Geradestreekung der Sprosse durch die Flieh- 
kraft vermieden werden muß. Ich habe deshalb die Sprosse durch 
einen lose umgelegten Seidenfaden festgehalten, der wieder an einem 
quer um den Topf gespannten Faden befestigt war. Der Seidenfaden 
muß aber dem Sproß soviel Bewegungsfreiheit lassen, daß man die 
Nutationstendenz erkennen kann. Eine kurze Überlegung zeigt näm- 
lich, daß die Zentrifugalkraft in diesem Fall nach der NolV’schen Auf- 


Fig. 14. Zentrifugieren horizontal gelegter und nach außen gerichteter Pflanzen. 
Erklärung im Text. 


Jassung eine Nutation nach rechts zur Folge haben müßte. Wenn wir 
uns einen Querschnitt an der bei dem größeren Topf mit A2 be- 
zeichneten Stelle denken, so müßte der die in dem Schema A 2 dar- 
gestellte Reizfelderanordnung zeigen. Man sieht, daß die Zentrifugal- 
kraft wachstumsfördernd auf die linke Kante des Sprosses wirken müßte, 
so daß eine Nutation nach rechts in der Pfeilrichtung z—x eintreten 
müßte. Das war aber nie zu beobachten, sondern immer nur ein normales 
Nutieren nach links in der Pfeilrichtung #—z. Ob bei diesen Ver- 
suchen die Endknospe nach oben oder nach unten, nach vorn oder 


Die Nutationsbewegungen junger Windepflanzen. 141 


nach hinten gerichtet wird, ist prinzipiell ganz einerlei. Immer fordert 
die Nolf’sche Theorie ein Nutieren nach rechts, während tatsächlich 
nur die normale Nutationsbewegung auftritt. 

Nachdem wir so gesehen haben, daß man unter Umständen auf 
der Zentrifuge Bewegungen erzielen kann, die mit der Noll’schen Er- 
klärung im Widerspruch stehen, ergibt sich die Notwendigkeit, auch 
für die Erscheinung des Hebens bzw. Senkens der Endknospe in den 
anderen Versuchen eine neue Erklärungsweise zu suchen. Dabei kommt 
uns wieder die Ambronn’sche Entdeckung der geotropisehen Torsionen 
zu Hilfe. Diese zeigt ja, daß bei der Einwirkung der Schwerkraft 
auf bogenförmig in der Horizontalen gekrümmte Organe Torsionen 
entstehen müssen, die in bezug auf die Form der Krümmung immer 
antidrom, in bezug auf die Wanderungsrichtung der Wachstumszone 
aber bald antidrom — beim Umlegen nach dem Schema der Fig. 3 — 
bald homodrom — beim Umlegen nach dem Schema der Fig. 4 — 
verlaufen müssen. Wir sahen dann, daß diese Erscheinungen die starke 
Einkrümmung beim Umleger nach dem Schema der Fig. 3 und die 
Geradestreckung beim Umlegen nach dem Schema der Fig. 4 leicht ver- 
ständlich machen. Da man nun die Schwerkraft durch die Zentrifugal- 
kraft ersetzen kann, so muß das, was für die Wirkung der einen hei 
horizontal liegenden Krümmungen gilt, auch für die Wirkung der anderen 
bei vertikal in der Tangentialebene der Zentrifuge aufgestellten Krüm- 
mungen gelten. Wenn man darauf hin die in Fig. 13 im Querschnitt 
auf der Zentrifuge dargestellten Sprosse prüft, so zeigt sich, daß der 
Sproß 2 im selben Verhältnis zur Zentrifugalkraft steht, wie die Sprosse 
der Fig. 3 zur Schwerkraft und daß sich der Sproß A so verhält, wie 
die Sprosse der Fig. 4. Deshalb muß man in den beiden Fällen eine 
entgegengesetzte Torsion erwarten, wie es in der Fig. 13 durch die mit 
T bezeichneten Pfeile angedentet ist. Um zu zeigen, welchen Einfluß 
die Torsion auf die Wachstumszone haben muß, habe ich ihre Lage 
durch Schraffierung der Peripherie angegeben und die Richtung ihrer 
Wanderung durch die mit 7 bezeichneten Pfeile angedeutet, Im Falle 
A sind Torsions- und Nufationsrichtung gleich gerichtet, im Falle 2 
wirken sie einander entgegen. Im Falle A wird also die Wanderung 
der Wachstumszone nach unten noch befördert, im Falle 3 dagegen 
wird sie nach oben zurückgedreht. Die Senkung der Endknospe im 
Falle 2 ist also ohne weiteres verständlich; daß im Falle 4 eine 
Hebung eintritt, trotzdem wir nach den Überlegungen auf pag. 124 an- 
nehmen sollten, daß das Eigengewicht dieses verhindern müßte, erklärt 
sich dadurch, daß infolge der schnellen Rotation auch das Eigengewicht 


142 Wilhelm Nienburg, 


nieht mehr senkrecht, sondern in der aus Schwerkraft und Zentrifugal- 
kraft resultierenden Diagonale wirkt. Messungen über die Größe der 
Torsionen .ließen sich auf der Zentrifuge schwer ausführen. An der 
Stellung der Blattstiele konnte ich aber ihr Vorhandensein deutlich 
genug konstatieren. Die Versuche zeigen also, daß das Heben bzw. 
Senken der Endknospe auf der Zentrifuge sich auch ohne Noll’s 
Lateralgeotropismus einfach durch das Zusammenwirken von autonomer - 
Nutation und negativem Geotropismus (in seiner durch die Rotation - 
modifizierten Form) erklären lassen. Außerdem bemerkt man aber 
noch eine audere interessante Erscheinung, die sich wohl mit der Theorie 
der autonomen Nutation, aber nicht mit dem Lateralgeotropismus ver- 
einigen läßt. Man beobachtet nämlich häufig bei Sprossen, die der 
Fig. 13 4 entsprechend auf der Zentrifuge gedreht werden, eine Nuta- 
tion nach rechts, deren Größe wechselnd ist, aber nie über 180° hin- 
ausgeht. Sie ist nicht immer leicht festzustellen, weil meistens die 
oben geschilderte Hebung des Sprosses vorausgegangen ist. Ihr Anf- 
treten, das von Noll anscheinend übersehen würde, ist von seinem 
Standpunkt aus sehr schwer zu verstehen, während man es direkt erwarten 
muß, wenn man annimmt, daß die Wachstumszone selbständig weiter 
wandert. Denn da die Torsion im Falle A das Fortschreiten der 
Wachstumszone noch begünstigt, muß diese bald auf die linke Seite 
kommen und eine Bewegung nach rechts auslösen, weil das für die 
normale Nutationsbewegung nötige Eigengewicht (s. pag. 124) auf der 
Zentrifuge nicht mehr in vertikaler Richtung wirken kann. 


Ich möchte jetzt noch eine Beobachtung schildern, die, streng 
genommen, nicht in den Rahmen dieses Aufsatzes — der ja nur die 
Nutationsbewegungen junger Windepflanzen behandeln sollte — gehört, 
denn es handelt sich um das Verhalten älterer, um eine Stütze ge- 
schlungener Pflanzen auf der Zentrifuge. Wenn man diese in aufrechter 
Stellung schnell um die vertikale Achse rotieren läßt, so wickeln sich 
die obersten ein bis zwei Windungen von der Stütze ab. Ich habe 
das auf Taf. IX, Fig. 1—9, nach photographischen Aufnahmen dargestellt, 
bemerke aber dazu, daß aus äußeren Gründen längst nicht der auf- 
älligste Fall für die Aufnahmen verwendet werden konnte. Manchmal 
erstreckt sich die Abwicklung, wie gesagt, auf die ganzen zwei obersten 
Windungen. Bei lebhaft wachsenden Pflanzen war die Strecke länger 
als bei langsam wachsenden; offenbar war es immer die noch wachstums- 
fähige Region, die sich abwickelte. Das Abwickeln erfolgt nicht plötzlich, 
sondern ist gewöhnlich erst 8—10 Stunden nach Beginn des Versuches . 


Die Nutationsbewegungen junger Windepflanzen, 143 


beendigt (s. die Figurenerklärung zu Taf. IX). Eine ausreichende Er- 
klärung für diese Erscheinung zu geben, war mir bisher unmöglich. Ich 
möchte aber auf die große Ähnlichkeit hinweisen, die zwischen dem 
Verhalten älterer Windepflanzen auf der Zentrifuge und solchen auf - 
dem Klinostaten besteht: In beiden Fällen wickein sich die noch 
wachstumsfäbigen Partien von der Stütze ab. Das Abwickeln auf dem 
Klinostaten schien bisher für den Lateralgeotropismus zu zeugen: Da 
die Pflanze der Wirkung der Schwerkraft entzogen war, sollte sie sich 
durel Rektipetalität gerade strecken. Auf der Zentrifuge wird nun 
aber dieselbe Erscheinung nicht bei Ausschluß der Schwerkraft, sondern 
bei ihrem Ersatz durch die seitlich wirkende Zentrifugalkraft hervor- 
gerufen. Demnach müßten die Pflanzen sich auch abwickeln, wenn 
man sie einfach horizontal legt, was aber nicht eintritt, wie man sich 
leicht überzeugen kann. Deshalb scheint es mir wahrscheinlicher, daß 
das Abwiekeln in beiden Fällen als eine Art Schoekwirkung aufzufassen 
ist. Wenn diese Auffassung sich bestätigen sollte, würde das Verhalten 
der Windepflanzen auf dem Klinostaten viel von der ihm noch anhaftenden 
Rätselhaftigkeit verlieren. " 

Hat die Windepflanze sich abgewickelt, so beginnt das, was man 
nach Analogie der Zentrifugalversuche mit anderen Pflanzen sofort er- 
warten sollte: Sie winden zentripetal nach innen (s. Taf. IX, Fig. 8 
und 9), und zwar bis sie die Rotationsachse erreicht haben. Hat man 
dort eine Stütze angebracht, so winden sie nun wieder senkrecht nach 
oben (s. Taf. X). Dies ist ja nichts auffallendes, aber ich glaubte es 
doch hervorheben und auch abbilden zu sollen, weil man mit Winde- 
pflanzen und speziell mit Calystegien die Wirkung der Zentrifugalkraft 
so leicht und sicher demenstrieren kann, daß sie sich ausgezeichnet zu 
Vorlesungsversuchen eignen. Ich habe deshalb in der Figuren- 
erklärung der Tafeln auch einige Angaben über die Versuchsanordnung 
gegeben. 

Noch weniger zugunsten des Lateralgeotropismus als die Zentri- 
fugalversuche sprechen die Angaben Noll’s, daß er aus abgeschnittenen 
Sprossen von Convolvulus, dadurch, daß er sie an der Spitze fest- 
geklemmt habe und das basale abgeschnittene Ende frei habe nutieren 
lassen, Rechtswinder gemacht habe. Er erklärt das mit Hilfe seiner 
Reizfelder, aber eine einfache Überlegung zeigt, daß diese Erscheinung 
auch vom Standpunkt der autonomen Nutationstheorie leicht verständlich 
ist. Wenn man einen nach links nutierenden Krümmungsbogen ab- 
schneidet und mit der Spitze in einer Klemme befestigt, so wird die 
rechte Flanke zur linken und umgekehrt, die Wachstumszone wandert 


144 Wilhelm Nienburg, 


also nicht mehr von rechts über unten nach links, sondern von links 
über unten nach rechts. Naturgemäß muß infolgedessen der bisher 
nach links nutierende Sproß sich nach rechts bewegen, solange er 
überhaupt: im abgeschnittenen Zustande leben kann. 


Schluß. 


Ich glaube, daß aus meinen Auseinandersetzungen folgendes hervor- 
geht: Alle an jungen nutierenden Windesprossen auftretenden Wachs- 
tumserscheinungen können durch Zusammenwirken von autonomer rotie- 
render Nutation und negativem Geotropismus erklärt werden. Der 
Lateralgeotropismus Noll’s ist schon theoretisch ein Unding, und seine 
Versuche, die Theorie experimentell zu stützen, können nicht als beweis- 
kräftig gelten. Die einzige Tatsache, die für einen Zusammenhang 
zwischen Schwerkraft und rotierender Nutation spricht, ist die von 
Baranetzky entdeckte unregelmäßige Bewegung auf dem Klinostaten. 
Vielleicht gibt das von mir geschilderte Verhalten auf der Zentrifuge 
einen Hinweis, auf welchem Wege dieses Problem zu lösen ist. Wenn 
sich später doch herausstellen sollte, daß die Schwerkraft ein für das 
Zustandekommen der rotierenden Nutation notwendiger Faktor ist, so 
muß ihre Einwirkung jedenfalls auf einem ganz anderen und viel kom- 
plizierterem Wege vor sich gehen als Baranetzky, Noll oder Wort- 
mann sich das vorgestellt haben. Denn auch des letzteren Theorie, 
wonach auf dem Klinostaten als Grundform der Windebewegung eine 
undulierende Nutation auftreten soll, die in der Natur durch die Schwer- 
kraft in die rotierende Form übergeführt wird, kann unsere Erkenntnis 
nicht erweitern. Alles was im vorhergehenden gegen die Noll’sche 
Theorie vorgebracht wurde, spricht ebenso gegen die Wortmann’sche 
Auffassung. Ob das stärkere Wachstum einer Kante direkt durch die 
Schwerkraft hervorgerufen wird oder ob eine Kante autonom stärker 
wächst als die übrigen, die Lage dieser Kante aber von der Schwer- 
kraft abhängt, ist für die Praxis natürlich ganz einerlei. 


Die hier geschilderten Untersuchungen wurden in den Sommern 
1909 und 1910 im pflanzenphysiologischen Institut der Kgl. Gärtner- 
lehranstalt zu Dahlem bei Berlin ausgeführt. Es ist mir eine ange- 
nehme Pflicht, dem. Institutsleiter, Herrn Dr. G. Höstermann, für 
sein liebenswürdiges Entgegenkommen und seine mannigfache Unter- 
stützung meinen Dank auszusprechen. 


Die Nuiationsbewegungen junger Windepflanzen. 145 


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Ders. (ID), Einige Bemerkungen zu der von Schwendener gegen meine ‘Theorie 
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Ders. (ID, Über die Natur der rotierenden Nutation der Schlingpflanzen. Bot. 
Zeitg. 1886, Nr. 44. pag. 617-690. 


Figurenerklärung za Tafel IX und X. 


Tafel IX. 


Der weiße Bindfaden. ist in der Richtung eines Radius der Zentrifuge ge- 
spannt, so daß an ihm die Orientierung der Pflauze zu erkennen ist. 
Fig. 1. 8. Juni 1910. 10* bei Beginn des Versuches. 


»2 8 ,„ 1910. 11% 
„3 8 „ 190. 1® 
„ek 8 ,„ 1910. 830% 
„db 8 „190. 4@ 
„6b 8 „ 190. 5% 
„rn 8 „1910. 6% 
9 „ 10. g®e 
9. 10. „ 1910. 9% 
Tafel X, 


Die Bindfäden sind in der Richtung eines Radius der Zentrifuge gespannt, 
Der Stab rechts ist die Stütze des zentrifugierten Topfes und der links eine Ver- 
längerung der Rotationsachse, Die Ahbildung zeigt die Pflanze nach sechstägiger 
unmnterhrochener Rotation. Die Zentrifuge besteht aus einer 2,5 cm dieken Holz- 
scheibe von 70cm Durchmesser. Dicht am Rande der Scheibe sind an zwei gegen- 
überliegenden Stellen zwei kreisrunde Löcher mit nach unten konisch zulaufendem 
Rande zur Aufnahme der Töpfe eingeschnitten. Um ein Herausschleudern der 
Töpfe zu verhindern, sind um die Löcher vier Winkeleisen befestigt, an denen die 
Töpfe festgebunden werden können. Die Scheibe wird durch eine 40 cm hohe 
eiserne Achse von 1 cm Durchmesser getragen. Diese Achse ist mit Hilfe von 
zwei doppelt geknickten Winkeleisen drehbar auf einem schweren Holzkreuz be- 
festigt und läuft auf einer kleinen Messingplatte. Die Achse trägt noch drei ge- 
drechseite Holzscheiben von 1 cm dicke und 8, 14 und 20 em Durchmesser, die 
alle eine ringsum laufende Einkerbung besitzen für den Faden, der die Zentrifuge 
mit der Antriehsvorrichtung verbindet. Als solche dient eine einfache Wasser- 
turbine, die an die Leitung angeschlossen ist. Durch Regulierung des Wasser- 
zuflusses und Benutzung der verschieden großen Scheiben läßt sich jede gewünschte 
Umdrehungsgeschwindigkeit erzielen. Zur Erzielung eines gleichmäßigen Ganges 
muß darauf geachtet werden, das beide Töpfe gleich schwer sind. Um ein Heraus- 
schleudern der Erde zu verhindern bindet man am besten Watte auf die Töpfe, 


Die Verpilzung der Lebermoosrhizoiden. 


Von A. J. M. Garjeanne, Venlo. 
(Mit Tafel XI u. XII umä 9 Abbildungen im Text.) 


In den Jahren 1902 und 1903 war ich in der Lage, eine größere 
Zahl von in den Niederlanden vorkommenden Lebermoosen auf das 
Vorhandensein von Hyphen in den Rhizoiden zu prüfen!). Bekanntlich 
waren solche Hyphen schon vor vielen Jahren gefunden worden und 
speziell nach den Untersuchungen von Golenkin und Nömec wurden 
sie als Mykorrbizen aufgefaßt. 

Für diese Auffassung sprechen mehrere Eigentümlichkeiten dieser 
Bildungen. So werden in sehr vielen Fällen die Nachbarzellen der 
Rhizoidinitialen nicht zerstört oder auch nur erkrankt; die Pilzhyphen 
bleiben in vielen Fällen auf die Rhizoiden beschränkt; die in der Luft 
wachsenden Rhizoiden sind häufig pilzfrei, auch wenn die im Boden 
wachsenden Rhizoiden desselben Stämmchens stark verpilzt sind usw. 
Sehr merkwürdig ist auch die Struktur der Mykorrhiza bei Calypogeia, 
wie sie von N&mec ausführlich beschrieben wurde und von mir in den 
Niederlanden beobachtet: werden konnte. 

Gegen die Mykorrbizanatur der Verpilzungen sprechen u. a. fol- 
gende Umstände: Nicht alle Lebermoose mit verpilzten Hyphen sind 
Humusbewohner, dagegen fand man echte Humusbewohner immer oder 
doch sehr häufig pilzfrei. Weiter findet man bisweilen zwischen stark 
verpilzien Exemplaren solche, welche nur oder fast nur intakte Rhizoiden 
aufweisen und welche doch äußerlich nicht von den verpilzten Exem- 
plaren zu unterscheiden sind. Einen deutlich günstigen Einfluß hat 
die Lebermoosmykorrhiza also wohl nicht. 

Ebensowenig gelingt es aber einen schädlichen Einfluß zu be- 
weisen. Zwar sterben bisweilen verpilzte Zellen ab, aber das sind doch 
nur wenige und man kann kaum annehmen, daß dadurch die Pflanze 
merkbar geschwächt wird. 

Schon 1903 bekam ich aber die Überzeugung, daß eine nützliche 
Einwirkung der Mykorrhizabildungen eigentlich nur in Analogie mit 
den besser bekannten Fällen bei Phanerogamen vermutet wird; dagegen 
eine schädliche Wirkung, wenn meistens auch gering, direkt beobachtet 


werden konnte. 


DA. 9. M. Garjeanne, Über die Mykorrhiza der Lebermoose, Bei. z, 
Bot. Zentralbl. 1903, Bd. XV, pag. 471 H. 


148 A. J. M. Garjeanne, 


Fast gleichzeitig mit meinen Beobachtungen hatte Peklo die 
Mykorrhiza der Lebermoose in Böhmen untersucht). In der Ein- 
leitung seiner Arbeit gibt er eine Übersicht der verschiedenen Meinungen, 
welche man sich über die Bedeutung der Mykorrhiza im allgemeinen 
geformt hat. In dem Abschnitt über die Jungermanniae foliosae kon- 
statiert er, daß er die. foliösen Jungermannien nicht nitratfrei fand 
(was nach Stahl eine Eigenschaft der echten Mykorrhizenpflanzen sein 
würde). Ebensowenig fehlte die Verpilzung bei stärkeführenden Arten, 
während nach Stahl stärkebildende Pflanzen nicht sehr häufig eine 
Mykorrhiza ausbilden. 

Auch Peklo:) beobachtete das Regellose der Verpilzungen. An 
demselben Standorte waren einige Arten verpilzt, während andere, z.B. 
die foliösen Jungermannien pilzfrei waren. 


Vergleichen wir hiermit die Sachlage bei den typisch mykotrophen 
Pflanzen, so sehen wir hier eine weitgehende Wechselwirkung zwischen 
Pilz und Wirtspflanze. Wie z. B. Burgeff®) bei den Orchideen ge- 
zeigt hat, kommen viele Arten über die ersten Keimungsstadien kaum 
hinaus, wenn die Infektion mit dem Pilze unterbleibt. Hier ist also 
die Mykorrhiza eine unerläßliche Bedingung für die Entwicklung, und 
man wäre fast geneigt unsere Orchideen als eine Art Doppelwesen zu 
betrachten, etwa in demselben Grade wie einige Flechtenarten. Jeden- 
falls liegt hier wohl, wie auch Bernard‘) in seiner schönen Arbeit 
über die Orchideen und ihre Wurzelpilze dartut, ein typischer Fall von 
Symbiose vor, wobei nur nicht festzustellen ist, ob sie eine rein mutua- 
listische ist, wie Burgeff meint. 

Nennen wir hier noch die Befunde bei Monotropa, welche von 
Peklo5) untersucht wurde. Es gibt zweierlei Monotropapflanzen; die 
eine Form lebt auf Lehmboden und ist nur schwach oder gar nicht 
von Wurzelpilzen infiziert, die andere Form findet man auf humösem 
Substrat und zeigt konstant eine Mykorrhiza. Für die auf Lehm 
wachsende Monotropaform ist die Verpilzung offenbar nicht von prin- 
zipieller Bedeutung, die pilzfreien Exemplare kommen eben so gut weiter 


1) Jaroslav Peklo, Einiges über die Mykorrhiza bei den Museieneen. Bull. 
intern. de P’Acad. d. Sc. de Bohöme 1903. 


2) J. Peklo, }, c. pag. 19 ff. des Separatdruckes. 

3) H. Burgeff, Die Wurzelpilze der Orchideen. 1909. 

4) N. Bernard, L’svolution dans la symbioge. Les Orchidses et leurs 
champign. commensaux. Ann d. Se. nat. 1909. 

5) J. Peklo, Die epiphytischen Mykorrhizen nach neuen Untersuchungen I. 
Monotropa Hypopitys L. Bull. intern. de Y’Acad. d. Be. de Bohame 1900. 


Die Verpilzung der Lebermoosrhizeiden. 149 


wie die verpilzten. Für die Humusform der Monotropa ist aber nach 
Peklo der Pilz unentbehrlich. Die Bedeutung der Verpilzung würde 
man in diesem Falle zu suchen haben in einer mehr oder weniger 
weitgehenden Zersetzung von Humuslösungen, welche zu den Mono- 


tropawurzeln gelangen. 
Soviel ergibt sich aus den genannten und den vielen anderen 


Mykorrbizauntersuchungen, daß, worin man auch die Bedeutung des 
Pilzes für die höhere Pflanze erblicken will, sehr verschiedene Stufen 
der Verpilzung bestehen und daß bei den Lebermoogen (abgesehen 
vielleicht von den eigentümlichen Verpilzungen bei Calypogeia und 
Jungermannia barbata) die Symbiose auf einer niedrigen Stufe steht. 

Bei den „echten“ Mykorrhizen wird man sich doch meistens irgend- 
einen Vorteil für die infizierte Pflanze vorstellen. Der Pilz verkehrt 
bei den verschiedenen Mykorrhizen und in verschiedenen Entwicklungs- 
stadien in verschiedenen Umständen, aber man bekommt meistens den 
Eindruck, daß die infizierte Pflanze versucht den eingedrungenen Pilz 
zu übermeistern. 

Seit 1903 nun hatte ich mehrfache Gelegenheit im Freien ge- 
sammelte Lebermoose (und zwar hauptsächlich foliose Jungermannien, 
über die hier berichtet werden soll) auf ihre Verpilzung zu untersuchen. 
Die Überzeugung, daß wir die Lebermoosverpilzung als etwas ziemlich 
Zufälliges und Inkonstantes zu befrachten haben, wurde dadurch ver- 
stärkt. Es wurde untersucht, ob die Rhizoidverpilzung bei den foliösen 
Jungermannien eine allgemein verbreitete Erscheinung ist, weiter wurden 
einzelne, etwas abweichende Infektionen untersucht und schließlich wurde 
ein Pilz isoliert, womit auch gelungene Infektionsversuche gemacht 
wurden. Fierüber wird in den folgenden Zeilen berichtet. 


1. Über das Vorkommen der Lebermoosverpitzung in den Niederlanden. 

Zunächst sei hier kurz referiert über die Resultate, welche ich 
schon 1903 erhalten hatte?). 

Bei Calypogeia trichomanis kommen zwei Arten von Rhizoid- 
verpilzungen vor: solche vom N&mec’schen Typus, (wahrscheinlich ver- 
ursacht von der Pezizee Mollisia Jungermanniae), welche sieh durch 
die eigentümliche Zäpfehenbildung in den Nachbarzellen der Rhizoiden 
auszeichnen, und eine zweite Form, bei welcher der Pilz dichte Hyphen- 
knäuel in den Rhizoidnachbarzellen bildet. Eine schädigende Wirkung 


1) A. J. M. Garjeanne, le. pag. 471--483. Doch auch die ältere 


Literetur. 


Flora, Bd. 102. n 


150 A. J. M. Garjeanne, 


des Pilzes ist im ersten Falle kaum, im zweiten Falle aber recht 
deutlich bemerkbar. . 

Auch bei Jungermannia connivens ist die Rhizoidverpilzung 
häufig. Es gelang zu zeigen, daß wenigstens drei verschiedene Pilz- 
arten in die Rhizoiden eindringen konnten, wenn auch die gewöhnlichste 
Verpilzung meistens von derselben (?) Pilzart verursacht wurde. Dieser 
Pilz drang ebenfalls in die.Nachbarzellen, zerstörte dort nach einiger 
Zeit den ganzen Zellinhalt und drang dann in andere Zellen hinein. 
Auch hier ist also der Pilz dem Lebermoose wohl schädlich. 

Ebenso waren Jungermannia divaricata und bicuspidata 
meistens und stark verpilzi. Bisweilen fand man im Rhizoidende einen 
Hyphenknäuel, ohne daß sich Hyphen im basalen Teile des Rhizoids 
befanden. Bei der erstgenannten Art (und zwar bei Exemplaren aus 
einem Walde bei Hilversum) wurde dreimal beobachtet, daß Hyphen 
aus einer keimenden Spore in ein Rhizoid drangen. Obwohl damals 
die Pilzart nicht näher untersucht wurde, so füge ich hier hinzu, daß 


die Spore wahrscheinlich einer Hyphomyzetenart entstammte (vielleicht 
einer der Dematiae). 


Die Beobachtung der Verpilzung von Jungermannia ventricosa 
ergab u. a., daß der Pilz, weicher in den Rhizoiden, aber auch an der 
Außenseite des Stämmchens und der Blätter wuchs, auch Algenkolonien 
in den Blattachseln umspann. 

Ich füge hier hinzu, daß ich in späteren Jahren dasselbe mehrfach 
beobachten konnte. Der Rbizoidpilz erscheint hier wohl als sehr wenig 
spezialisiert, er bildet, nicht nur eine „Mykorrhiza“, sondern er umspinnt 
auch die ganze Pflanze und bildet überdies noch eine „Halbfiechte* mit 
Algen. 

Mit den schon genannten Arten stimmten hauptsächlich überein 
(hinsichtlich der Verpilzung): Sarcoscyphus Funckii und Ehrharti, 
Jungermannia erenulata und exsecta und Alicularia scalaris, 
Bei letztgenannter Art zeigten sich das ganze Stämmchen und auch 
die Blätter verpilzt und (ich hebe das hier besonders hervor) die Hyphen 
waren in diesen Teilen kürzer und dicker, häufig bildeten sie Sproß- 
myzelien. 

Der Zellinhalt wurde hier schließlich desorganisiert, und zwar 
unter sehr eigentümlichen Desorganisationserscheinungen der Ölkörper, 
welche sonst doch so wenig von äußeren Umständen beeinflußt werden. 

Auf moorigem Sandboden fanden sich jedoch Alicularien, welche 


in viel geringerem Maße verpilzt waren, die Blattzellen waren pilzfrei, 
die Ölkörper waren normal. 


Die Verpilzung der Lebermoosrhizoiden. 151 


Wenig pilzreich zeigten sich: Scapania nemorosa und irrigua, 
Jungermannia (Scapania) albicans, Jungermannia inflata, Lo- 
phocolea bidentata und heterophylla‘). Die vier erstgenannten 
Arten bilden überhaupt nur wenige und kurze Rhizoiden. Lophocolea 
bidentata wurde von Nömec immer pilzfrei angetroffen und auch im 
Baarner Wald wuchsen sehr schöne und kräftige Exemplare mit etwa 
6 cm langen Stämmchen, welche völlig pilzfrei waren. Dagegen waren 
auf sandigem Boden gewachsene Exemplare infiziert. Lophocolea 
heterophyllat) ist häufiger verpilzt als Lophocolea bidentata, 

Ptilidium eiliare wurde (damals) immer pilzfrei angetroffen. 

Lepidozia reptans zeigte zwei Arten von Rhizoiden, welche 
nur schwach verpilzt waren. N&mee fand diese Art bisweilen pilzfrei. 
Von rindenbewohnenden Arten zeigten sich die Rhizoiden meistens 
pilzfrei, in Radularhizoiden konnten sogar niemals Hyphen beobachtet 
werden. Obwohl die frondosen Jungermannien hier unbesprochen bleiben 
sollen, wollen wir doch auf den Befund bei Metzgeria weisen, weil 
dieses Lebermoos unter gleichen Umständen wächst wie Radula, 
Madotheca usw., aber doch häufig verpilzte Rhizoiden zeigte. Zwar 
war der Hyphentypus nicht der gewöhnliche, denn die Hyphen waren 
dunkel, ziemlich diek und kurzzellig. 

Fügen wir hier noch hinzu, daß Nömec bei Jungermannia 
bierenata Hyphen fand, welche in oidienariige Stücke zerfielen, etwa 
wie oben schon für Alicularia angegeben wurde, nur daß bei Junger- 
mannia bicrenata keine Sproßmyzelien entstanden. Schließlich findet 
man bei Peklo®) noch eine ganze Reihe von Lebermoosen angeführt, 
deren Rhizoiden in Böhmen von Hyphen durchwachsen sind. Die von 
mir seit 1903 gesammelten Lebermoose wuchsen hauptsächlich an ver- 
schiedenen Lokalitäten in der Umgebung von Hilversum, während. seit 
1. Dezember 1908 in der Gegend von Venlo gesammelt wurde. Es 
zeigte sich nun, daß keine einzige Art konstant hyphenlose Rhizoiden 
hatte, aber auch daß keine einzige Art immer infiziert war. Folgende 
Tabelle gibt eine Übersicht über die beobachteten Arten und ihre Ver- 


Pilzung. 


Fossombronia eristata Gewöhnlieh mit verpilzten Rhizoiden, bisweilen schwach 
verpilzt. Die Exemplare auf einem ziemlich trockenen 
Moorweg bei Hilversum hatten völlig unverpilzte Rhi- 


zoiden. 


3) ‚Garjeanne, he. pag. 480 steht: L. minor. |Dies ist eine Verschreibung. 


2) J. Peklo, 1. c. pag. 16-22. 1908. " 


152 


Sarcoscyphus Ehrharti 


Sarcoscyphus Funckii 


Alicularia scalaris 


Alicularia minor 


Plagiochila asplenioides 


Scapania compacta 
Scapania irrigua 


Scapania albicans 


Scapania nemorosa 


Jungermannia erenulata 
Jungermannia sotacen 


Jungermannia exsecta 


Jungermannia hyalina. 
Jungermannia ineisa 


Jungermannia barbata 


A. J. M. Garjeanne, 


Fast nur mit verpilzten Rhizoiden. Exemplare anı 
„Gooier Gracht“ unweit Laren bei Hilversum waren pilzfrei, 

Diese Art zeigte häufig in allen Teilen starke Ver- 
pilzung. Bisweilen waren Rhizoiden ganz mit Hyphen 
vollgepfropft, ja sogar außerhalb des Rhizoids fand sich 
mehrfach noch eine Pilzhülle. 

Völlig pülzfrei fand ich nur einzelne Exemplare auf 
nassem Sandboden. Auch in meinen Kulturen fanden 
sich unverpilzte Pflänzchen. 

Meist mit Rhizoidhyphen, aber alle Grade der Ver- 
pilzung kommen vor. 

Weniger verpilzt als vorige Art. Sie ist in den Nieder- 
landen sehr viel seltener, wenn auch stellenweise häufig. 
Ihre Standerte sind offener, nasser und sandiger als die 
der vorigen Art. Pilzfreie Exemplare ziemlich viel, 

Nur wenige Exemplare konnten untersucht werden, 
von diesen wenigen waren 30°, völlig pilzfrei, die 
übrigen waren nur schwach infiziert. 

Fast konstant verpilzt. Eine sehr üppige Kultur auf 
Moorerde im Blumentopf war pilzfrei. 

Schwach verpilzt. Hunderte Rasen bei Venlo zeigten 
keine verpilzten Hypken. 

Häufig infiziert, aber immer nur mit wenigen Hyphen. 
Völlig pilztreie Rhizoiden bei „Lage Vuursche“ unweit 
Hilversum. 

Die Art hat bisweilen fast gar keine Rhizoiden und 
ist dann auch nur schwach verpilzt. Völlig pilzfrei im 
Baarner Wald. 

Alle Grade von Verpilzung. Ziemlich häufig waren 
Flagellen pilzfrei. 

Hilversumer Exemplare waren schwach verpilzt (1904), 
aber am selben Standorte in 1907 stark verpilzt! 

Typische Rhizoidverpilzung ist nicht so häufig, da- 
gegen sind die Rhizoide fast immer von Hyphen um- 
sponnen, welche hie und da durch die Wandung in das 
Rhizoid hineindringen. Gänzlich pilzfrei bei Venlo 1910. 

Schwach verpilzt, sehr häufig gar nicht. 

Wurde nur in der Umgebung von Hilversum gesam- 
melt, auf nacktem, ziemlich feuchtem Humusboden. Die 
äußerst zahlreichen Rhizoiden waren stark verpilzt. In 
meinen Kulturen waren sie jedech 2. T. pilzfrei, ohne 
sich äußerlich von den verpilzten Exemplaren zu unter- 
scheiden. 

‚Die von Peklo beschriebene Form der Rhizoid- 
verpilzung konnte ich bei meinen Venloer Exemplaren 
nieht finden. Im Gegenteil zeigten sich die langen, dünnen 
Rhizoiden fast pilzfrei. Nur einzelne ältere Stengelstücke 
waren mit den daran wachsenden Rhizoiden stark verpilzt. 


Die Verpilzung der Lebermoosrhizoiden. 153 


Jungermannia comnivens 


Jungermannia divaricata 


Jungermannia bicuspidata 
Jungermannia inflata 
Jungermannia bierenata 
Jungermannia ventricosa 


Lophocolea bidentata 
Lophocolea minor 


Lophoecolea heterophylia 
Chiloseyphus polyanthus 
Calypogeia trichomanis 


Lepidozia reptans 
Pülidium ciliare 


Eine der atärkst verpilzten Arten. Die Rhizeiden 
sind häufig ganz mit Hyphen gefüllt. Ganze Rasen aber, 
welche im Baarner Wald an offenen Stellen gesammelt 
worden, zeigten sich pilzfrei. Die Entwieklung dieser 
Pflänzchen war eine sehr üppige. 

Dieses und einige verwandte Cephaloziellen fanden 
sich fast immer hochgradig verpilzt. 

Ich führe hier folgendes an: An einzelnen Exem- 
plaren, welche ich im Frühling 1910 am „Stalberg“ bei 
Venla einsammelte, hatte sich eine Nematodengalle ge- 
‚bildet. Diese Triebspitzengalle (meines Wissens die erste 
Nematodengalle, weiche überbaupt an Lebermoosen be- 
obachtet wurde) entwickelte an ihrer Spitze eine ganze 
Zahl von orthotropen Rhizoiden. Diese Rhizeiden, welche 
für die Ernährung der Pflanze von keinem Werte sein 
konnten, waren sehr stark verpilat! 

Überdies beweist dieser Fall, daß die Infektion der 
Rhizoiden auch bei Gephaloziellen vom Stämmehen aus 
stattfinden kann. 

In meinen Kulturen hatte ich sehr üppige pilafreie 
Rasen. Diese Exemplare waren in allen Teilen sehr 
viel kräftiger und schöner entwickelt, als die der ver- 
pilzten Stammkultur. 

Meist weniger stark infiziert als die vorige Art, Bei 
Venlo auch ganz pilzfrei zwischen Gras auf einer Wiese, 

Über diese Art wird weiter unfen ausführlich be- 
richtet. 

Ebenso häufig pilzfrei wie verpilzt, ohne erkennbaren 
Zusammenhang mit der Bodenart. 

Sehr verpilzte Exemplare sind häufig. 

Ebenso häufig verpilzt wie pilzfrei. 

Bei Venlo fast immer pilzfrei und auch die verpilzten 
! Rhizoiden zeigten nicht den üblichen Verpilzungstypus. 
{ Nur wenige und sehr dünne Hyphen umschlangen den 
Basalteil des Rhizoids, drangen aber halbwegs in das 
| Rhizoid und wuchsen darin nur wenig (etwa 8--12 a) 
! weiter. 

Diese kleine, am Fuße der Waldbäume so häufige 
| Art ist gewöhnlich verpilzt. In 1909 bei Hilversum ge- 
{ sammelte Exemplare waren pilzfrei. 
| Im Freien sah ich nur pilzfreie Exemplare. In meinen 
; Kulturen babe ich sehr häufig stark verpilzte Rhizeiden 
beobachtet. 

! Juli 1910 sammelte ich pilzfreie Exemplare am Rande 
einer Wiesenpfütze bei Venlo. 

In allen Stadien der Infektion angetroffen. 

Past immer pilzfrei. Verpilzte Exemplare u. a. hei 


| Venlo. 


154 A. J. M. Garjeanne, 


Radula complanata Mit einzelnen verpilzten Rhizoiden an Buchenstämm- 
chen am „Hooge Vuursche“ unweit Hilversum. Meist 
, ganz pilzfrei. i B 

Madotheca platyphylla Untersucht wurden nur Exemplare aus dem „Alkmaar 
der Hout“ bei Alkmaar. Fast ganz unverpilzt. Die 
Hyphen, welche in einzelnen Rhizoiden sich vorfanden, 
waren dick, braun, septiert, kurzzellig. 

Frullania dilatata Fast ganz unverpilzt. Wie bei Madotheca waren die 
einzelnen in einigen Rhizoiden wachsenden Hyphen nicht 
vom gewöhnlichen. Typus der Rhizoidhyphen, sie waren 
auch hier dick, braun und in kurze Zellen gegliedert. 


Andere Arten von foliosen Jungermannien sind nicht auf das 
Vorkommen von Rhizoidverpilzungen untersucht worden. 

Aus obenstehender Aufzählung ergibt sich, daß alle untersuchten 
Arten sowohl mit als ohne Hyphen in den Rhizoiden gefunden werden 
können. Bei.einigen Arten ist Verpilzung Regel, bei anderen (wie bei 
den baumbewohnenden) Ausnahme. Jedoch kommen auch pilzfreie und 
infizierte Exemplare der gleichen oder verschiedener Arten an den gleichen 
Standorten, ja durcheinander vor. Es gibt Arten, welche sehr leicht 
infiziert werden, andere, welche für Pilze wenig Anlockendes zu haben 
scheinen. Bei einigen Arten werden fast nur die Rhizoiden und ihre 
Nachbarzellen infiziert, bei anderen dringen sie auch in die Zellen des 
Stämmcehens oder sie umspinnen die ganze Pflanze. Hierbei wird wohl 
die chemische Zusammenstellung des Zellinhalts eine Rolle spielen. 
Die Ölkörper sind hier jedenfalls von keiner großen Bedeutung. In 
den KRhizoiden findet man zwar bei den meisten genannten Arten einige 
kleine, bisweilen winzige Ölkörperchen, auch wenn die Zellen des 
Stämmchens und der Blätter deren viele und große zeigen. Doch 
konnte ich nicht den Eindruck bekommen, daß hierin vielleicht ein 
Grund vorliegen könnte für die meist deutliche Vorliebe der Pilzhyphen 
für die Rhizoiden. 


I. Spezielle Fälle der Verpilzung. 
a) Lophozia (Jungermannia) inflata. 

Die Wahl dieser 'Lophozia-Art als Untersuchungsobjekt erscheint 
vielleicht nicht als eine besonders geeignete. In typischen Exemplaren 
bildet sie nur spärliche Rhizoiden aus, aber in der Umgebung von Venlo 
kommt sie so viel und in so vielen Standortsformen vor, daß die Ver- 


mutung nahe liegt, hier den Einfluß des Bodens auf die Verpilzung 
beobachten zu können. 


Auf. Waldboden, unter Heidesträucher usw. wachsen stattliche, 
ausgedehnte Rasen von mehr oder weniger freudiggrüner Farbe, welche 


Die Verpilzung der Lebermoosrhizoiden. 155 


aber an heller beleuchteten Standorten in braungrün, braun bis fast 
schwarz übergehen kann. Daselbst sind auch die Pflänzchen kleiner, 
sie bilden dichter verworrene Rasen mit’kleineren Blättern. Doch sind 
sie an den großen birnförmigen oder kreiselförmigen Perianthen sofort 
zu erkennen, 


Rhizoiden findet man bei den größeren orthotropen Exemplaren 
fast nur am Basalende des Stämmehens. In der Kultur entstehen sie 
auch am oberen Teil, wo überhaupt ziemlich häufig stark papillös aus- 
gewachsene Epidermiszellen gefunden wurden. Es sind dies aber keine 
Rbizoiden, sie enthalten Chlorophyll und bleiben immer kürzer. 


In den Rhizoiden findet man bisweilen eine Verpilzung, wie sie 
auch bei anderen Jungermannien häufig ist: lange, farblose, dünne 
Hyphen laufen parallel durch das Rhizoidlumen. Daneben wurde aber 
auch eine andere Art der Verpilzung gefunden, welche einerseits Ähn- 
lichkeit zeigte mit der von mir für. Metzgeria beschriebenen Form), 
andererseits an die Nämee’sche Form der Calypogeiaverpilzung 
erinnert. - 

Diese Calypogeia-Mykorrkiza wird gebildet von Hyphen, welche in 
die Rhizoiden eintreten und welche im keulenförmig angeschwollenen 
Ende ganze Knäuel bilden. Von diesem Knäue] aus gehen rechte, un- 
verzweigte Hyphen zur Rhizoidbasis und bilden dort ein, den benach- 
barten Zellwänden dicht anliegendes pseudoparenchymatisches Gewebe. 
Von diesem Pseudoparenchym aus dringen fingerförmige, haustorien- 
ähnliche Fortsätze in die Chlorophyll und Ölkörper enthaltenden Nachbar- 
zellen, ohne diese jedoch zu desorganisieren. Der Zellkern hat (wie 
N&mee beschreibt) seine Lage in der Nähe der Zäpfchen, eine Eigen- 
tümlichkeit, welehe ich bei niederländischen Calypogeien nicht beob- 
achten konnte. 

Bei Lophozia inflata waren die Rhizoiden weniger dicht von 
Hyphen durchwachsen, diese bildeten keine Knäuel in den Rhizoid- 
spitzen. Die Hyphen waren an der Rhizoidbasis kurzgliedrig, in der 
Richtung. der Rhizoidspitze werden die Hyphenzellen länger, auch etwas 
dünner und weniger gebogen. 

Die kurzen Hyphenzellen am Basalende bildeten ein an der Wand 
der Nächbarzellen liegendes Gewebe. Einige wenige kurze und dicke 
Fortsätze dringen in die Nachbarzellen hinein, aber es gehen auch Fort- 
sätze nach unten in das Rhizoid (Fig. 1). 


1) Garjeanne,l, e. pag. 481. 


156 A. J. M. Garjeanne, 


Tangentielle Schnitte zeigen das Bild dieser Hyphenkomplexe besser. 
Es ist locker und häufig wenig H zellig; die Zahl der in eine Zelle ein- 
dringenden Haustorien beträgt meistens zwei oder drei, nur selten bis 
fünf. Während die kurzen, vom „Pseudoparenehym“ ausgehenden und 
in das Rhizoid eindringenden Fortsätze alsbald in die Länge wachsen, 
bleiben die haustorienähnlichen Zapfen in den Nachbarzellen längere 
Zeit kurz; bisweilen schwellen sie kugelförmig an. Später aber scheint 
der Pilz die anfänglich ungünstigen Umstände überwunden zu haben. 
Denn an älteren Stengelstücken, welche gebräunt und mit halbverwesenen 
Blättern besetzt sind, sind die Nachbarzellen meist von Hyphen erfüllt. 


Fig. 1. Rhizoiden von Lophozia inflata. Basalende mit Hyphen und Fortsätzen in 
den Nachbarzellen. Vexgr. %,. 


Die Braunfärbung des Stämmchens ist fast auf die hyphenführende 
Zellschicht beschränkt. 


Die normalen Rhizoiden der Lophozia inflata sind rechte zylindrische 
Schläuche, welche nur an der Basis bisweilen eine schwache Erweiterung 
zeigen. In jungem Zustande sind sie noch plasmareich, führen drei 
bis sechs Ölkörper und anfänglich noch einige Chlorophylikörner, welche 
später verschwinden. Die ausgewachsenen Rhizoiden haben eine Proto- 
plasmaansammlung an der Spitze, übrigens gibt es nur eine dünne 
wandständige Protoplasmaschicht; die Ölkörper sind unverändert ge- 


E dEDEEEEi 


_ braucher der Reste, 


Die Verpilzung der Lebermoosrhizoiden. 157 


blieben, erscheinen aber kleiner durch die beträchtliche Größenzunahme 
des Rhizoids. 


Werden diese Rhizoiden auf irgendeiner Weise von Pilzen befallen, 
dann wird der lebendige Inhalt alsbald desorganisiert. Das Protoplasma 
ballt sich zusammen und bildet kleine Klümpchen oder drei bis vier 
größere Ansammlungen von elliptischer Gestalt (Fig. 2). Etwas später 
verschwinden auch die Ölkörper. Anfänglich bleiben in den Proto- 
plasmaresten noch deutliche, wenn auch winzige Öltröpfehen übrig, 
welche aber später auch verschwinden. 

Schließlich verschwinden auch die Protoplasmareste. Die Pilz- 
hyphen bilden dann den einzigen 
Inhalt des Rhizoids. Offenbar ist 


der Pilz sowohl die Ursache der 
Desorganisation als der Ver- 


Immer sind nur einzelne 
Rhizeiden von den oben beschrie- 
benen KHyphen durchwachsen, 
wenigstens wenn man normale, 
frisch aussehende Exemplare unter- 
sucht. Dagegen kann man fast 
alle Rhizoiden von Pilzen ver- 
stopft finden an alten, stark ge- 
bräunten Pflänzchen, deren Blätter 
bis aufReste ihres Inhalts beraubt 
sind. Daß dieses bestimmt kranke 
Äußere mit der Entwicklung der 
Rhizoidpilze zusammenhängt, ist 2 Di nem Rhizoid h 
klar, nur kann nicht mit Be- wechssnden Hyphen hnffzieren ein zweiten 
stimmtheit gesagt werden, was Rhizoid. Vergr. 5%,,. 
hier Ursache und Folge sei. 

Jedenfalls geht aber eine stärkere Entwicklung der Rhizoidpilze mit 
Absterbungserscheinungen des Lebermooses zusammen. 


Wie schon oben gesagt wurde, ist diese Nämee’sche Form der 
Rhizoidverpilzung keineswegs die einzige. Weitaus die meisten Exem- 


plare der Lophozia inflata zeigen in ihren Rhizoiden nur dünne, 


hyaline Hyphen, welehe aus der Rhizoidbasis in die Nachbarzellen ein- 
dringen können und dort eine Bräunung der Zellwände und ein Ver- 
schwinden des Zellinhalts verursachen (Fig. 3). 


158 A. J. M. Garjeamne, 


Bei früheren Untersuchungen von Calypogeia und Junger- 
mannia connivens wurde festgestellt, daß sehr häufig die Infektion 
des Rhizoids vom Boden aus in die Rbizoidspitze stattfindet. Bei 
Lophozia inflata verhält sich die Sache bei meinen Venloer Exemplaren 
anders. Die Infektion findet häufiger statt vom Stämmchen als vom 
Boden aus. Man beobachtet zahllose infizierte Rhizoiden, deren Spitze 
noch ganz intakt und pilzfrei ist, während am Basalende schon Hyphen 
eindringen. Dieses Eindringen geschieht nicht (oder meistens nicht) 
von der Nachbarzelle aus, aber es finden Hyphen, welche an der freien 
Oberfläche des Stämmchens und der Blätter vegetieren, ihren Weg in 
das Innere des Rhizoids (Fig. 4). Daneben findet man folgendes: 


Fig. 4. 


Fig. 3. Die gewöhnliche Infektionsform 
der Inflata-Rhizoiden, Vergr. *%/.. 


Fig. 4.  Seitliche- Infektion der Rhi- 
Fig. 3. zoiden. Vergr. %%,. 


Die Infektion des Rhizoids erfolgt von irgeneiner der Nachbarzellen 
aus, aber die Hyphen brechen, nachdem sie in das Rhizoid eingedrungen 
sind, wieder aus diesem hervor und bilden. einen strahligen Hyphen- 
kranz an der Rhizoidbasis. Dies scheint aber selten zu sein, ich konnte 
es zweimal beobachten, aber vielleicht gehört der Pilz hier einer anderen 
Art als in den übrigen Fällen. 


Weiter kann die Infektion vom Boden aus seitlich an der Rhizeid- 
wand erfolgen. Auch dieses ist nicht sehr häufig, wenigstens sehr viel 


seltener als der gleiche Vorgang bei Jungermannia connivens und 
ventricosa. 


Die Verpilzung der Lehermoosrhizoiden. 159 


Die Rhizoiden von Lophozia inflats haben sehr deutlich die 
Eigenschaft (welche übrigens allen lebenden Zeilen mehr oder weniger 
zukommen werde), sich gegen das Eindringen der Pilzhyphen zu ver- 
wehren. Das geschieht durch Bildung von Zelluloseverdickungen, welche 
sehr lange Zeit erhalten bleiben können, aber schließlich unter schleimiger 


Degeneration verschwinden oder unscheinbar werden. 
Die Bildung von abnormen Zeliuloseverdickungen in Lebermoos- 


rhizoiden wurde schon vor Jahren beobachtet bei Marchantiales. Sie 
wurden beschrieben von Lämmermayr‘), Im allgemeinen sind solche 
Membranverdickungen dort zu erwarten, wo wachstumshemmende Fak- 
toren ihren Einfluß gelten lassen?2). Daß aber diese Bildungen in den 
Rhizoiden von Marchantien vorkommen, ist eben nicht so verwunderlich. 


Fig. 5. Zellwandverdiekungen unter dem Einfluß von Hyphen. Vergr. °%),. 


Man hat beobachtet, daß an den Stellen, wo Hyphen in die Zell- 
wand hineinzubohren versuchen oder da, wo sie schon die Wand dureh- 
hohrt haben und in den Plasmaleib der Zelle eindringen, Zeilulose- 
verdiekungen auftreten. Anfänglich sind diese Verdickungen knopfartig. 
später wachsen sie zu dünnen, die Hyphen umgebenden Scheiden aus). 
Sogar können Plasmareste in infizierten Zellen sich in Zellulose ver- 


wandeln ®). 


» Lämmermayr, Über eigentümlich ausgebildete innere Vorsprungsbildungen 
in den Rhizoiden von Marchantien. Österr. bot. Zeitschr. 1898, Bä. L, pag. 321. 
2) Vgl. E. Küster, Pathologische Pflanzenanatomie 1908, pag. 62, 63 ff. 


3) Küster, 1. c. pag. 62. . j . 
9) W. Magnus, Studien über die Myeorrhiza von Neottia nidus avin. Pringsh. 


Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. XXXV, pag. 20f. 


160 A. J. M. Garjeanne, 


Solche Zellwandverdickungen scheinen sich bei den Lophozia- 
rhizoiden schon zu bilden, wenn eine Hyphe sich gegen die Außenwand 
des Rhizoids anliegt. Ein solches Rhizeid ist in Fig. 5 abgebildet. 
Die Hyphe war bis an die Rhizoidwand gewachsen, hat dann aber ihre 
Richtung gewechselt. Dennoch hat sich im Lumen des Rhizoids ein 
dicker, zapfenähnlicher Fortsatz gebildet. 

Fig. 5 zeigt den Fall einer halbringförmigen Verdickung. Die 
Hyphe hat sich gegen die Außenwand gelegt und ist, immer die 
Wandung berührend, weiter gewachsen, so daß sich ihre Spitze wiederum 
an der anderen Seite zeigt. Im Rhizoid hat sich ein halbkreisförmiger 
Wall gebildet. " 

Sehr häufig findet man aber anch Wandverdickungen ohne nach- 
weisbaren Zusammenhang mit Pilzen (Fig. 6). Die Hyphen können in 
diesen Fällen doch sehr gut die Ursache der Zellwandverdickungen sein, 

sind aber später in 


eine andere Rich- 
tung gewachsen, 
j fortgerissen oder 
abgebrochen. Es 
gibt auch zahllose, 
80 jüngere wie auch 
ältere Rhizoiden, 
welche keine Spur 


dieser abnormen 

Verdiekungen zei- 
Fig. 6. Zeilwandvordiekungen dez.äophozisinflate-Rhizoiden. er ehr häufigsind 

dieVerdiekungenan 
der Rhizoidspitze. Man findet alle Übergänge zwischen kaum sicht- 
baren Zellwandverstärkungen und großen, mehr als halbkugeligen Vor- 
stülpungen. Im letzteren Falle ist häufig die ganze Rhizoidspitze auf- 
geschwollen. 

Wenn auch an diesen verdickten Spitzen häufig Hyphenreste be- 
obachtet werden konnten, würde es sich nur durch schwer ausführbare 
Kulturversuche beweisen lassen, daß die Verdickungen von Pilzhyphen 
verursacht werden. Folgende Beobachtungen dürften aber den Verband 
zwischen Hyphen und Zeliuloseverdickangen ohne weiteres beweisen. 
Man findet gar nicht selten Rhizoiden, deren Wand tatsächlich von 
Hyphen angebohrt sind und wo es dem Pilze gelang, in das Rhizoid 
durchzudringen. Aber sofort scheint hier die Hyphe durch einen 


Die Verpilzung der Lebermoosrhizeiden. 161 


Zellulosemantel umgeben zu werden, die Hyphe wächst zwar weiter, 
aber auch die Zelluloseumhüllung vergrößert sich und bildet gleichsam 
eine Scheide, welche die Hyphe einschließt. Endlich erreicht die Hyphe 
die gegenüberliegende Wand. j 

Nun wächst sie entweder gar nicht weiter, vielleicht nicht, weil 
die doppelte Umhüllung (die Zelluloseschicht und die Rhizoidwand) ihr 
das Weiterwachsen verhindern, oder aber es gelingt ihr die Hindernisse 
zu überwinden und sie wächst, nachdem sie das Rhizoid verlassen hat, 
ruhig weiter. In dem Rhizoid bleibt nun eine mehr oder weniger zarte 
Zelluloseröhre zurück (Fig. 7). 

Es gelang, diese merkwürdige Durchquerungen in allen Ent- 
wicklungsstadien zu beobachten. Im großen ganzen erinnert der Vor- 
gang sehr an die „Haustorien“bildung, wie sie z. B. von Grant Smith) 
für Erysipheen beschrieben worden ist. Auch hier verursacht die dieht 
an einer Zellwand liegende Hyphe zunächst eine Anschwellung, so daß 


Fig. 7. Durchquerung eines Rhizeids. Die Hyphe bleibt von einem Zellulose- 
mantel umhällt. , Vergr. ®%%/,. 


ein halbkugeliger Zellulosepfropf entsteht, Darin dringt eine feine 
Ausstülpung der Hyphe. 

Entweder kann nun die Zelluloseverdickung vom jungen Haustorium 
durchbohrt werden (wobei uns hier nicht weiter interessierende Vor- 
gänge sich abspielen) oder die eindringende Hyphe bleibt, auch beim 
weiteren Wachstum, von einer Zellulosescheide umhällt, so daß ein 
direkter Kontakt zwischen Pilz und lebendigem Zellinhalt vorgebeugt 
wird. Bisweilen wird aber der Zeilulosepfropf (der immer granulös 


wird) gelöst. 


1) G. Smith, The Haustoria of the Erysiphaceae. Bot. Gaz., No. 29, pag. 153. 


162 A. I. M. Garjeanne, 


Auch bei den Verdiekungen, welche von den Rhizoidpilzen an die 
Rhizoidwandungen gebildet werden, muß etwas ähnliches stattfinden. 
Denn es gelingt offenbar einzelnen oder mehreren Hyphen, in das 
Rhizoid einzudringen. Doch scheint mir der Vorgang bei den Rhizoid- 
pilzen noch etwas einfacher zu sein als bei den rein parasitären Ery- 
Sipheen. 

Daß die gebildete Hülle wirklich Zellulose enthält, konnte mit 
den üblichen Reagentien festgestellt werden. Die Färbung mit Chlor- 
zinkjodlösung erfolgt sehr langsam, so daß vielleicht neben Zellulose 
noch andere Stoffe vorhanden sind. Die von Lämmermayr beschrie- 
benen und abgebildeten sphärokristallinischen Strukturen in den Ver- 
diekungen der Marchantienrhizoiden waren bisweilen auch in den Lophozia- 
rhizoiden zu beobachten, wenn auch nicht zu deutlich. In den Fällen, 
wo die Sphäriten sichtbar waren, wird der Zellulosegehalt ein größerer 
sein, aber einzelne Verdickungen, zumal an der Rhizoidspitze, enthalten 
auch Glukogen, wie mit der Errera’schen Reaktion festgestellt wurde. 

Die Verdickungen der Rhizoidspitzen verschleimen leichter und 
öfter als die Verdickungen an den Seitenwänden. Sobald die Spitze 

' zu verschleimen angefangen hat, dringen Hyphen leicht in das Innere 
des Rhizoids durch und wachsen darin weiter. Doch finde ich bei 
Lophozia inflata, daß die von der Spitze aus infizierten Rhizoiden 
weniger stark verpilzt sind als die, worin vom Stämmehen aus Hyphen 
gewachsen sind. Im ersteren Falle findet man das Maximum der 
Hyphenentwicklung an den Wänden der Nachbarzellen, wo sie z.B, 
die oben beschriebenen pseudoparenchymatischen Belege bilden und 
kurze Fortsätze in die Nachbarzellen dringen lassen. 

Diese Fortsätze können weiter auswachsen, denn in späteren Stadien 
sind die Nachbarzellen ganz mit einem Hyphenknäuel erfüllt. Ich 
konnfe nur einzelne Zwischenstufen finden; von einem bestimmten 
Moment aus wachsen die „Haustorien“ offenbar schnell weiter. Dieser 
Moment tritt ein, wenn der Zellinhalt bis zu einem gewissen Grade 
desorganisiert ist, denn es scheint, daß die Gegenwart von intakten 
Chlorophylikörnern die Entwickiung des Pilzes erschwert. 

Wenden wir uns jetzt noch zu den bei Lophozia inflata 
häufigeren Verpilzungen, welche also nicht der Nömee’schen Form 
angehören. Wenn man Rasen unseres Lebermooses einsammelt an 
feuchten Spätsommer- und Herbstiagen, so ergibt die Untersuchung 
der einzelnen Pflänzchen, daß sie von Hyphen umsponnen sind. 

Das sind natürlich zum größten Teile ganz harmlose Epiphyten, 
welche eben in dem Rasen günstige Feuchtigkeitszustände finden. An 


mn nn 


Die Verpilzung der Lebermoosrhizoiden, 163 


den oberen jüngeren Teilen sind die Pilzhyphen seltener, und man 
findet an offenen, hell beleuchteten Stellen auch wohl Rasen, welche 
an ihren oberen Teilen unverpilzte Pflänzchen enthalten. 

Doch sind auch diese an den älteren, unteren Teilen, zumal an 


“ der Unterseite des Stämmchens verpilzt. Die Hyphen haften bisweilen, 


wie Epheu an einem Baume, an der Ventralseite. Es entsteht schließlich 
ein ganzes Netzwerk von Hyphen, deren kurze Seitenzweige entweder 
bloß an. der Epidermis haften oder auch in die Zellen durchdringen 
und dort ein verworrenes Knänel bilden, unter vollständiger Desorga- 
nisation des Zellinhalts. 

Die Infektion der Rhizoiden erfolgt nun in nicht wenigen Fällen 
von diesen mit Hyphen erfüllten Zellen aus. Denn es sind immer 
oberflächliche Zellen, weiche verpilzt sind, häufig sind es die Nachbar- 
zellen der Rhizoiden und es scheint den Hyphen leichter zu sein, in 
die Rhizoiden als in andere chlorophylihaltigen Zellen einzudringen. 

" In diesen Fällen kann man kaum von einer Mykorrhiza sprechen; 
doch ist die Struktur der Rhizoidverpilzung hier genau dieselbe, wie 
bei so vielen anderen Jungermannien. 

Wenn auch die Blätter nicht pilzfrei sind, so ist doch die Ver- 
pilzung des Stämmchens eine kräftigere wie die der Blätter. Hier 
kriechen die Hyphen sehr häufig genau über die Querwände der Zellen 
(auch z.B. bei Alicularia scalaris). Sogar sehr junge Blätter können 
schon infiziert sein. Die Hyphen dringen dann bisweilen in die apikalen 
Schleimzellen der beiden Blaitlappen ein und verursachen dort ein 
Hyphenknäuel, welches weniger verworren ist als die in den Zellen des 
Stäimmehens gebildeten. , 

Die Untersuchung der Lophozia inflata verstärkt also wohl nicht 
den Glauben an eine typische Mykorrhiza für diese Art; der Verband 
zwischen Pilz und Lebermoos ist ein sehr zufälliger, verschiedene Pilz- 
arten können in die Rhizoiden eindringen und dort bisweilen recht 
eigentümliche Strukturen verursachen, aber die gleichen Pilze infizieren 
auch Stamm und Blätter, sogar die Schleimzellen der jungen Blätter 
und die Infektion erfolgt nicht immer vom Boden, sondern auch vom 
Stämmehen aus. Übrigens ist der Einfluß des Pilzes auf die infizierten 
Zellen immer ein ungünstiger, die Rhizoiden versuchen sich gegen 
seitlich eindringende Hyphen zu schützen durch Bildung von aus 
Zellulose und Glukogen aufgebauten Verdickungen. 

Bei Vergleichung von Exemplaren mit verpilzten und unverpilzten 
Rhizoiden zeigten sich im allgemeinen die unverpilzten freudiger grün 
und etwas üppiger entwickelt, der Unterschied ist aber meistens nur 


164 A. J. M. Garjeanne, 


ein kleiner. Stark verpilzte Exemplare sehen entschieden kränklich aus 
und beweisen damit den ungünstigen Einfluß der Verpilzung. 

Damit soll jedoch nicht gesagt sein, daß nicht vielleicht doch noch 
etwas Gutes aus der Verpilzung für das Lebermoos entstehen kann. 


b) Arten von Cephaloziella und Cepholozia. 


Die untersuchte Cephalozia-Art war Cephalozia bicuspidata 
Dum. Es ist weniger leicht zu sagen, welche Cephaloziellen zur Unter- 
suchung gelangten. Bei der ganz allgemeinen Verbreitung der Ver- 
pilzungen ist es aber weniger nötig, daß die Bestimmung der Arten 
absolut richtig sei, die untersuchten Arten stimmten jedenfalls ökologisch 
sehr überein. Im Labyrinth der Cephaloziellensystematik verirrt man, 
ohne authentisches Vergleichsmaterial, alsbald. Ich habe Formen mit 
Amphigastrien an den gewöhnlichen Zweigen als Cephalozia byssacea 
Heeg?), solche olne Amphigastrien als Cephalozia divaricata Heeg') 
aufgefaßt, was für meine in den Niederlanden gesammelten Exemplare 
ungefähr riehtig sein könnte. 

Die genannten Cephaloziellen sind sehr stark verpilzt, nicht nur 
ihre Rhizoiden, sondern auch die Blätter und das Stämmchen. Die 
kleinen zarten Pflänzchen, welche bisweilen nur einen schwärzlich grünen 
Überzug auf nackter Erde bilden, sind häufig so mit Pilzhyphen, Moos- 
protonemen, Algenfäden und schleimigen Algenkolonien durchwoben, 
daß sie eine zusammenhängende Schicht bilden. 


Dagegen findet man üppigere und in allen Teilen kräftige Exem- 
plare zwischen anderen Moosen und Lebermoosen, auf torfigem Boden usw. 


Die Untersuchung eines besonders schön entwickelten, lebhaft 
grünen Rasens, der unter sehr günstigen Umständen gewachsen war, 
ergab, daß die Rhizoiden zum weitaus größten Teile ganz pilzfrei waren. 
Die wenigen verpilzten Rhizoiden waren überdies nur von einigen 
Hyphen durchwachsen, welche offenbar nur zufälligerweise in die Rhi- 
zoiden gewachsen waren. 

Dagegen sind die düstergrünen, ärmlichen Pflänzchen, deren 
Blätter fast ganz in Brutkörner zerfallen und die mit schlüpfrigen 
Algen flache Krusten auf Waldpfaden usw. bilden, immer verpilat. 

Die Rhizoiden, welche an ihren Spitzen häufig ein wenig erweitert 
sind, werden von Hyphen ganz gefüllt. Wie ein Docht zieht ein Hyphen- 
bündel durch das Lumen des Rhizoids. Aber auch die oberflächlichen 


1) Heeg, Lebermoose Niederösterreichs, pag. 95 u. 96. 


Die Verpilzung der Lebermoosrhizoiden. 165 


“ 


Zellen des Stämmchens sind häufig von braunen Pilzmassen gefüllt, es 
können diese verpilzten Zellen in ganze Reihen aneinanderliegen. 

Bei den Cephaloziellen konnte niemals eine Verpilzung der Nämee- 
schen Form beobachtet werden. Hier aber gab es wiederum etwas 
anderes. Es zeigte sich, daß die Hyphen, welche in den Rhizoiden, 
aber auch in Zusammenhang mit diesen an der Außenseite des Stämm- 
chens und der Blätter wuchsen, eine gewisse Vorliebe hatten für die 
Brutkörner, welche am Blattrande und hauptsächlich an den Blattspitzen 


gebildet werden. 
Die Brutkörner, welche an der Spitze des Stämmcehens zu einem 


Köpfehen gehäuft sind, werden häufig so von Hyphen umsponnen und 
durchwoben, daß die ganze Brutkörnermenge dadurch zusammenhängt, 
auch wenn man z. B. das Deckglas etwas hin- und herschiebt. In 
Kulturen (worüber weiter unten berichtet werden soll) wuchsen die 
Hyphen häufig in der Richtung eines Brutkörnchens, umklammerten es 
mehr oder weniger fest, aber wuchsen doch schließlich in einer anderen 
Richtung weiter. Daß die Hyphen nicht immer in der Richtung eines 
Brutkörnchens wuchsen, hatte wahrscheinlich seine Ursache in der 
großen Entfernung von Hyphe und Brutkorn. 

Der Zusammenhang dieser Brutkörner umspinnenden Hyphen mit 
den rhizoidbewohnenden ließ sich unschwer nachweisen. Es sind in 
weitaus den meisten Fällen farblose Hyphen, seltener treten kurz- 
gliedrige, braune Hyphen auf, während braune, langzellige Hyphen 
zwar häufig epiphytisch, aber niemals endophytisch beobachtet wurden. 

Bei frischgrünen Cephaloziellen, welche im allgemeinen nur wenig 
verpilzte Rhizoiden besitzen, findet man doch häufig mehrere Zellen 
an der Außenseite des Stämmehens mit einem dichten Hyphenknäuel 
gefüllt. Von diesen aus gehen Hyphen in die Rhizoiden, wie man be- 
sonders leicht sehen kann in den Fällen, wo die Hyphen noch nicht 
bis an die Spitze des Rhizeids durchgedrungen sind. 

Nicht uninteressant ist es zu sehen, daß in einzelnen Fällen zwei 
verschiedene Arten von Hyphen in einem Rhizoide wachsen. So sah 
ich bei Cephaloziella divarieata neben den fast überall vorhandenen 
farblosen, fast ungegliederten Hyphen auch etwas dickere, welche aus 
etwa 30 „ langen Zellen aufgebaut waren und deren Oberfläche durch 
eine feine Inkrustation etwas rauh war. 

Wenden wir uns jetzt zu Cephalozia bicuspidata. Sie ist 
meist weniger stark verpilzt als die genannten Oephaloziellen, auch 
wurde bei Venlo ein ganz pilzfreier Rasen beobachtet, welcher von 


sehr schören, kräftigen und freudiggrünen Exemplaren gebildet wurde. 
Flora, Bd. 102. 12 


166 . A. J. M. Garjeanne, 


Sammelt man aber die Cephalozia auf Waldboden, so kann man fast 
gewiß sein, verpilzte Rhizoiden anzutreffen. 

Aber diese Rhizoiden sind sehr häufig nur an ihren Spitzen 
verpilzt. Während die jungen unverpilzten Rhizoiden eine nur wenig 
angeschwollene Spitze besitzen, beobachtet man an den älteren Teilen 
des Stämmehens Rhizoiden mit stark und ganz unregelmäßig ange- 
‘"schwollenem Ende. Es sind oben diese stark angeschwollenen Teile, 
welche mit Eiyphen gefüllt sind. Diese bilden dort eine verworrene 
Masse von etwas hin- und hergebogenen Fäden. Deutlich kann mar 
sehen, wie diese Pilzfäden vom Boden aus in das Rhizoid gedrungen 
sind, denn die Stelle, wo sie sich durch die Rhizoidwandung gebohrt 
haben, ist leicht zu beobachten. Bei schwacher Vergrößerung sieht 
man diese Pilzknäuel als stärker lichtbrechende Massen in den Rhizoid- 
spitzen liegen. 

Daß die Hyphen fast immer an der Außenwand des Rhizoids 
abgebrochen sind, wird sich wohl dadurch erklären lassen, daß beim 
aus der Erde Ziehen der Pflänzehen die Hyphen abgerissen werden. 

Die ganze Verpilzung erinnert sehr an die ersten Stadien der 
Infektion bei Jungermannia connivens, für welche Art die Rhizoid- 
verpilzung schon im Jahre 1903 beschrieben und abgebildet wurde‘). Bei 
dieser Art geht die Sache aber weiter. Vom Pilzknäuel in der Rhizoid- 
spitze aus wachsen bald einzelne Hyphen dem Stämmchen zu, sie dringen 
durch die Wand der chlorophyliführenden Zeilen und haben darin als- 
bald den ganzen Inhalt verdrängt. 

Soweit kommt es nun bei Cephalozia bicuspidata meistens 
nicht. Zwar habe ich in 1907 bei Hilversum Exemplare gefunden, 
wo die Sache sich fast ganz wie bei Jungermannia connivens verhielt, 
aber bei meinen Venloer Pflänzchen von 1909 und 1910 konnten nur 
sehr wenige Hyphen den Weg finden durch das Innere des Rhizoids 
und zur Infektion des Stämmchens gelangen. Zwar wurde der Versuch 
in vielen Rhizoiden gemacht, aber der basale Teil der Rhizoiden blieb 
öfters pilzfrei und gesund. 

Dagegen ist die Spitze mit dem Hyphenknäuel ganz geschwollen 
und unregelmäßig gelappt. " 

Das Ganze macht den Eindruck einer Pilzgalle von zwar sehr 
einfacher Struktur. 

Ähnliche gelappte Rhizoiden findet man z. B.’auch bei Lopho- 
eolea heterophylla, welche Art häufig an denselben Stellen wie 


1} Garjeanne, I. c. pag. 476 ff. 


—g ——— 


u 


Die Verpilzung der Lebermoosrhizoiden. 167 


Cephalozia bieuspidata wächst. Doch konnte ich da keine Pilz- 
knäuel beobachten. \ 

Weiter muß noch erwähnt werden, daß bei Cephalozia die kurzen 
einzelligen Haare meist von Hyphen durchwachsen sind, wenn die 
Pflanze überhaupt von Pilzen infiziert ist. 

Ich glaube wohl behaupten zu dürfen, daß man auch bei anderen 
Jungermannien leicht noch abweichende Verhältnisse und Strukturen 
finden kann. Die ganze Verpilzung macht eben den Eindruck eines 
von äußeren Umständen und vom reinen Zufall abhängigen Vorgangs. 


Mucor rhizophilus n. sp., ein Pilz aus den Rhizoiden. 


Wie wir gesehen haben, können verschiedene Pilzarten in die 
Rhizoiden eindringen. Einige Arten, wie Mollisia Jungermanniae (welche 
Nömec in Böhmen auf Calypogeia triehomanis fand und welche von 
mir auch in den Niederlanden auf diesem Lebermoose angetroffen wurde) 
verursachen recht eigentümliche Verpilzungen. Auch bei Jungermannia 
barbata und, wie oben gezeigt wurde, bei Lophozia inflata kann man 
ähnliche Strukturen äinden. Bei der genannten Lophozia-Art ist aber 
wohl nieht die Mollisia, welche die Verpilzung verursacht, sondern irgend- 
eine Art der Fungi inperfeeti. 


Die genannten, mehr ins Auge fallenden und eigentümlicheren 
Verpilzungen sind aber recht selten in Vergleichung mit dem üblichen 
Typus. Wenn auch meistens keine andere Unterschiede bei den Rhi- 
zoidhyphen beobachtet werden als größere oder geringere Dicke, Ab- 
weiehungen in der Verzweigung, Knäuelbildung und Farbe, und bis- 
weilen sich die Inhaltskörper der Hyphen viel deutlicher zeigen, so 
kann man doch dann und wann in den Rhizoiden Hyphen sehen, welche 
sofort als zu einer anderen Art gehörig zu erkennen sind. 


Eine Untersuchung der Pilzarten aus den Rhizoidverpilzungen 
würde sich also wohl als eine mykologische Spezialarbeit gestalten. 
Wenn dies auch nicht beabsichtigt wurde, so war es doch der Mühe 
wert, wenigstens in einem Falle zu versuchen, die Pilzart zu isolieren, 
welche die „normale“ Rhizoidverpilzung verursacht. 


Hierzu wurde nun ursprünglich Alicularia scalaris gewählt. 
Dieses Lebermoos stand, wie Lophozia inflata, immer von verschiedenen 
Lokalitäten zur Verfügung, aber während die Lophozia nicht immer 
und dann meist nicht stark verpilzt war, zeigten die Aliculariarhizoiden 
in weitaus den meisten Fällen eine deutliche Verpilzung. Dazu kommt, 


daß sich die ziemlich kräftigen Aliculariapflänzchen ohne allzu große 
_. 12* 


168 - A. J. M. Garjeanne, 


Schwierigkeiten von epipbytischen Hyphen befreien lassen, was z. B. 
bei den mit Pilzen überwachsenen Cephaloziellen geradezu unmöglich ist. 


Wird ein Aliculariapflänzchen nach oberflächlicher Reinigung in 
irgendeine Nährstofflösung gebracht (z. B. Pflaumendekokt oder eine’ 
mineralische Nährstofflösung), so entwickelt sich alsbald eine ganze 
Pilzflora. Ganz ähnliche Erfahrungen machte auch Peklo bei seinen 
Kulturen der Pilze aus den Mykorrhizen von Fagus und Carpinus?). 
Eine Aufzählung der so erhaltenen Pilze ist natürlich nutzlos, es sind 
eben die zurzeit auf dem Waldbodeu und den dort wachsenden Pflanzen 
epiphytisch lebenden Arten. 

Folgende Methode lieferte bessere Resultate. Ein mit verpilzten 
Rhizoiden dicht bewachsenes Stämmehen von Alicularia wurde unter 
der Wasserleitung während etwa 15 Minuten abgespült. Dann wurde 
unter dem Präpariermikroskop nachgesehen, ob die Rhizoiden nicht 
mehr an der Außenseite mit Hyphen bewachsen waren. Dies war, 
wenn auch natürlich nicht bei allen, doch bei mehreren der Fall. Mit 
einer lanzettförmigen Präpariernadel wurden nun solche gereinigte. 
Rhizoiden abgeschnitten. Nachdem ein Glasrohr in der Bunsenflamme 
in eine feine Spitze ausgezogen war, wurden mit dieser Spitze die frei- 
schwimmenden, abgeschnittenen Rhizoiden aufgenommen. 

Inzwischen wurden hohlgeschliffiene Objektträger zur Anfertigung 
von feuchten Kammern sterilisiert. Auf die Deckgläser gelangten 
Tropfen der folgenden Nährstofflösungen: 5°/, Zuckerwasser, Pflaumen-, 
dekokt, Dekokt von Aliculariapflänzchen, Dekokt von Alieularia unter 
Beifügung von 1°%, Ammoniumtartrat und etwas Zigarrenasche; das 
gleiche Dekokt aber mit 3°, Ammoniumtartrat. 

Es gelang, in diese Tropfen eins oder zwei der abgeschnittenen. 
Rhizoiden zu bringen. Doch wurden nur diejenigen Tropfen, welche 
nur ein einzelnes Rhizoid enthielten, weiter beobachtet. 

Merkwürdigerweise gelang die Entwicklung wenigstens eines 
Rhizoidpilzes in allen diesen Nährstoffen, was schon auf geringe An- 
sprüche hinweist, wählerisch ist er nieht. Schon nach wenigen Stunden 
fingen die Hyphen zu wachsen an, es war leicht zu beobachten, daß 
die in die Flüssigkeit auswachsenden Hyphen mit den Hyphen im Rhi- 
zoidlumen zusammenhingen (Fig. 8). 

Freilich war die Entwicklung in den verschiedenen Hängetropfen 
nicht die gleiche. Am wenigsten geeignet war wohl die 5°/,ige Zucker- 


DJ. Peklo, Beiträge zur Lösung des Mikorrhizaproblems. Ber. d. deutsch. 
bot. Ges. 1909, Bd. XXVII, pag. 239 ff. 


Die Yerpilzung der Lebermoosrhizoiden. 169 


lösung, es dauerte bei Zimmertemperatur etwa 24 Stunden, bevor die 
Hyphen merkbar zu wachsen angefangen hatten. Das Protoplasma in 
den Hyphen war stark vakuolisiert und zeigte so auffallende und sehöne 
Schaumstruktur, daß an abnorme Umstände gedacht werden mußte. 

Nachdem diese Kultur etwa 4 Tage alt geworden war und die 
Zuckerlösung sich etwas konzentriert hatte (das Deckglas war am Rande 
nicht verschlossen) hatte sich auch das Bild des Pilzes geändert. Die 
dünnen Fäden waren z. T. in. hefenartige Conidien zerfallen, teils auch 
waren die Hyphenzellen kürzer und dicker geworden und hatten sich 
neue Seitenzweige aus diesen diekeren Hyphen entwickelt. 

Es zeigte sich, daß durch Verdünnung der Zuckerlösung die 
Bildung von Conidien aufhörie, die Conidien zu neuen Fäden aus- 
wuchsen und auch das Wachstum im allgemeinen be- 
schleunigt wurde. 

In den übrigen Hängetropfen war die Entwick- 
lung meist eine tippigere. Besonders in Pflaumen- 
dekokt und in Aliculariadekokt mit 3°%/,igem Ammo- 
niumtartrat und Zigarrenasche war das Deckglas in 
wenigen Tagen bewachsen mit aus der Flüssigkeit 
hinauswachsenden Hyphen. 

Die Kulturen in hängenden Tropfen bildeten den 
Ausgangspunkt von Reinkulturen. 

Bevor aber eine genauere Beschreibung dieser 
Kulturen und des so erhaltenen Pilzes gegeben wird, 
muß folgendes erwähnt werden: 

Wie oben angegeben wurde, stammten die ersten 
Pilzkulturen aus Rhizoiden der Alicularia scalaris. 
Da aber schon ohne Kultur beobachtet werden kann, Fir. 8. Aus dem 
daß bisweilen stark abweichende Pilzarten in den Rkknord hervor- 


Rhizoiden wachsen, wurden mehrere Kulturversuche 8 wachsende 
gemacht, um auch andere unzweifelhafte Rhizoidpilze Ps, 8" 


in Reinkultur zu bekommen. So lieferten die 

eigentümlich infizierten Rhizoiden der Lophozia inflata eine Peni- 
eillium-Art. Es ist zwar sehr wahrscheinlich, daß dieses Peni- 
eillium die Ursache ist der „Nömee’schen“ Verpilzungsform, allein 
es gelang später nicht, diese Verpilzungen durch Infektion pilzfreier 
Lophozia-Kulturen künstlich zu erhalten. Wurden aber Lophozia- 
rhizoiden, welche in gewöhnlicher Weise von hyalinen Hyphen durch- 
wachsen waren, nach oben angegebener Methode abgeschnitten und 
in Kulturflüssigkeiten gebracht, so wurde hier (neben anderen 


170 A. J. M. Garjeanne, 


Arten) die nämliche Pilzart erhalten, wie aus den Rhizoiden der 
Alicularia. 

Diese ersten Kulturen stammten von im Oktober 1908 bei Venlo 
eingesammelten Lebermoosen. Später wurden noch einige andere Arten 
gesammelt und die Kulturversuche wurden November 1909, März 1910 
und Juli 1910 wiederholt. In der untenstehenden Tabelle sind .die 
Resultate verzeichnet. Mit —- sind angegeben die Kulturen, welche 
dieselbe Pilzart lieferte wie die Alicularien. 


Alicularia scalaris.. . 

Lophozia inflata . . . 
Jungermannia connivens 
Jungermannia ventricosa 
Calypogeia trichomanis . 
Scapania albieans . . . 
Lophocolea bidentata. . 
Lophoeolea heterophylia 
Cephalozia bicuspidata . 
Jungermannia erenulata . 


+++ +14 14+ 


Die Kultur dieses Leber- 
mooses wurde mir 
aus Hilversum zuge- 
schickt. 

Mit — sind angegeben die Kulturen, welche mir die später zu 
beschreibende Pilzart nicht lieferten. Die acht zuletzt genannten 
Lebermoose wurden im Oktober 1908 nicht kultiviert, die Scapania 
albieans auch nicht in 1909. Daß Jungermannia (Cephalozia) connivens 
im Juli 1910 keine positive Resultate lieferte, ist vielleicht dem zu- 
zuschreiben, daß die Pflänzchen am Fuße eines Eichenstumpfes, aber 
mehr auf dem Baume als auf der Erde wuchsen und sich also nicht 
unter den gleichen Bedingungen wie die übrigen erdbewohnenden Arten 
entwickelten. Anderes Material stand zurzeit nicht zu Diensten. 

Es läßt sich erwarten, daß bei Wiederholung der Versuche mit 
geeigneten Exemplaren die positiven Resultate von 1909 und März 
1910 wiederum auftreten. 

Immer negativ verhielt sich Lophocolea bidentata, in merkwürdigem 
Gegensatz mit der verwandten Lophocolea heterophylla. Aus meinen 
Lophocolea bidentata-Pflanzen (aus der Umgebung von Venlo, wo aber 
die Art nicht so häufig ist wie z. B. bei Hilversum) entwickelten sich 


zwei Pilze, eine Cladosporium-Art und Botrytis einerea, letztere 
wahrscheinlich als echter Parasit in den Rhizoiden wachsend. 


Die Verpilzung der Lebermoosrhizoiden. 11 


. Wenn nun aueh bei den Kulturen der Rhizoidpilze wiederholt 
andere Arten auftraten, so zeigt doch die Tabelle, daß aus fast allen 
untersuchten Arten die gleiche Pilzart wie aus Alicularia scalaris er- 
halten wurde. Da weitere Infektionsversuche, wie später gezeigt, werden 
soll, im allgemeinen gelangen, so sind wir wohl nicht weit von der 
Wahrheit entfernt, wenn wir sagen, daß die ursprünglich aus Alicularia 
sealaris isolierte Pilzart die Hauptursache ist der bei Venlo zu beob- 
achtenden Rhizoidverpilzungen der Lebermoose®), vielleicht mit Aus- 
nahme von Calypögeia und Lophocolea bidentata. 

Diese lebermoosliebende Pilzart nun ist ein Mucor. Sie muß 
wohl sehr aligemein verbreitet sein und nicht nur in den Rhizoiden, 
sondern auch in der Erde und 
epiphytisch fast überall in meiner 
Umgebung sich vorfinden. Da- 
mit in Übereinstimmung ist die 
Anspruchslosigkeit der Art, wie 
sie aus den schon erwähnten 
und aus allen übrigen Kultur- 
versuchen hervorgeht. 

Nicht nur ist der Pilz in 
der Natur häufig, er erweist 
sich in den Kulturen als sehr 
plastisch, Das erklärt auclı, wie 
es kommt, daß man beim An- 
blick der dünnen, vielfach sep- 
tierten Hyphen in den Rhi- 
zoiden wohl nicht an einen Zygo- 


myzeten denkt. oo. 
Die nachfolgende Beschrei- 


bungistabgefaßtnacheinerKultur ! 
auf Alieulariadekokt, dem so viel Fig. 9. Mucer rhizophilus. Habitus. 19. 


Gelatine beigefügt wurde, daß die 

Masse nach Abkühlung erstarrte. Weiter enthielt die Gelatine 1°/, 
Ammoniumtartrat und einige Zigarrenasche. Übrigens kann die Zu- 
sammensetzung des Nährbodens innerhalb ziemlich weiter Grenzen ab- 
geändert werden, ohne daß dadurch das Äußere des Pilzes sich merklich 


änderte (Fig. 9: 


1) Kulturversuche mit Hilversumer Exemplaren habe ich, mit Ausnahme von 
Jangermannia cerenulata, nicht gemacht. Diese Art lieferte übrigens positive 


Resultate, 


172 A. J. M. Garjeanne. 


Nährmyzel und Luftmyzel sehr deutlich verschieden. Das Nähr- 
myzel dringt bis 2 cm tief in die Gelatine ein und besteht aus wurzel- 
ähnlich verzweigten Hyphen, welche anfänglich farblos, später aber gelblich 
bis rötlich sein können. .Die Verästelungen sind sehr verschieden dick, 
der Übergang von diekeren in dünneren Hyphen erfolgt häufig fast 
plötzlich. Die geibliche bis rötliche Färbung wird verursacht durch die 
in den Hyphen sehr zahlreichen Öltröpfehen. Das Nährmyzel besitzt 
eine sehr ausgesprochene Neigung zur Querwandbildung. Diese Quer- 
wände entstehen ursprünglich ziemlich weit auseinander, später aber 
kommen mehrere bis viele neue Wände hinzu. Die so geformten Zellen 
sind meist tonnenförmig, dünnwandig und können sowohl miteinander 
in Zusammenhang bleiben wie auch als Oidien abgeschürt werden. In 
beiden Fällen entwickeln sich leicht neue Hyphen aus diesen Gebilden. 


Neben diesen Fortpflanzungszellen liefert das Nährmyzel noch 
zwei andere: Chlamydosporen und Sproßmyzelien. Chlamydosporen 
unterscheiden sich von den oben genannten Oidien durch ihre etwas 
dickere Wandung und dunklere Farbe, sie entwickeln sich nur unter 
ungünstigen Umständen, hauptsächlich Austrocknung und stärkeren 
Zuckergehalt des Nährbodens. Funktionell sind sie den Oidien gleich, 
diese aber bilden sich schon in jungen Kulturen, jene entstehen meist 
erst später. 


In Zuckerlösungen (so schon in 5°/,igem Zuckerwasser) zerfallen 
schließlich ganze Faden in kleine elliptische, farblose und dünnwandige 
Zellen, welche hefeartig sprossen. Außer Öl findet man in dem Nähr- 
myzel immer Glukogen, besonders in den dünneren Hyphen, welche 
in Zuckerlösungen wachsen. Eigentümlieh ist eine Bildung von In- 
krustationen um die Hyphen. Das Luftmyzel ist rein weiß, auch später 
ist es noch ‚weiß, aber durch die zahllosen Sporen aus den zerflossenen 
Sporangien, zerknickte Sporangienstiele usw. wird es etwas grau. Die 
jungen Sporangien bilden sich in normalen Kulturen schon nach 2 bis 
3 Tagen; die Sporangienbildung kann längere Zeit auf sich warten 
lassen in Kulturen in kleinen Glasdosen, also wohl in dampfgesättigtem 
Raum. Auch auf Nährboden mit mehr als 4%,igem Ammoniumtartrat 
unterbleibt die Sporangienbildung einige Zeit und wird auch später 
niemals eine ausgiebige. 


Der Sporangienstiel ist 1—1'/, em lang, einzellig oder mit einigen 
wenigen Wänden, 10—12 « dick, meistens recht und wenig verzweigt 
bis unverzweigt. In ungünstigen Umständen ist der Basalteil etwas 
hin- und hergebogen. 


EEE 2 


Die Verpilzung der Lebermoosrhizoiden. 173 


Die jungen Sporangien sind gelblich, werden später braun und 
zuletzt schwarz. Ihre Größe schwankt zwischen 25 « und 50 a, sehr 
selten sind sie größer. Die Wand ist sehr feinstachelig oder glatt 
und zerfließt zuletzt. In feuchten Kammern erfolgt die Auflösung der 
Sporangienwand so schnell, daß man bisweilen zahlreiche Sporen in 
Schleim eingebettet findet, ohne Spur einer Sporangiumwand. Die 
Columella ist rund, glatt, etwa 14—20 u groß. 

Die Zahl der Sporen beträgt 50—100, sie sind farblos und klein, 
ellipsoidisch, 2—3 u breit, 4—5 u lang. 

In den Kulturen bildeten sich an den Rändern der Gelatine, also 
gegen die Wand des Reagenzglases, Zweige des Luftmyzels, welche 
oidienartige Conidien abschnürten. Diese Oidien keimen sofort. 

Die Zygosporen, welche nur in Massenkulturen auftraten, sind 
klein (etwa 50 x), gelb bis gelbbraun, warzig. 

Recht stark ist die Neigung dieser Mucor-Art zur Bildung von 
Riesenzellen, wie sie z. B. auch von Ritter für Mucor spinosus und 
andere Arten beschrieben worden sind!). Diese Riesenzellen haben 
längliche, birnförmige oder kugelige Gestalt, sie sind dünnwandig und 
können entweder fast nur eine oder einige große Vakuolen oder auch 


j körniges Protoplasına enthalten. In älteren Riesenzellen findet man 


zahlreiche Fetttropfen von schwach gelblicher Farbe. 

Die von Ritter beobachtete Riesenzellenbildung bei Mucor spinosus 
erfolgt in verschiedenen Nährstofflösungen bei. Anwesenheit freier Zitronen- 
säure, aber besonders ausgiebig bei Kultur in zuckerhaltigen Lösungen 
mit anorganischen Ammonsalzen als Stickstoffquelle und geringen Mengen 
organischer Säuren?). Aus seinen Versuchen zieht Ritter den Schluß, 
daß die Riesenzellenbildung bei den von ihm untersuchten Arten be- 
dingt wird durch die H-Ionen, welche sich in der Lösung befinden 
durch die Anwesenheit der geringen Säuremengen. Eigentümlichkeiten 
der Riesenzellen werden dann durch die übrigen Bestandteile der 
Nährlösungen verursacht. 

Für die Mucor-Art der Lebermoosrhizoiden liegen offenbar die 
Verhältnisse anders. Denn die Riesenzellen treten in allen Kulturen 
auf, so z. B. in Pflaumendekoktgelatine, Gelatine mit 1—4°/, Milch- 
zucker (hier besonders zahlreich und schön) usw.®). Zwar bildet auch 
Mucor racemosus Riesenzellen ohne Säurezusatz, aber dann sind doch 


1) 6. Ritter, Über Kugelhefe und Riesenzellen bei einigen Mucoraceen. 
Ber. d. deutsch. bot. Ges. 1907, Bd. XXV, pag. 255 ff. 


2) Ritter, 1. e. pag. 259. 
3) Die Reaktion der Gelatine war mit etwas Zigarvenssche neutralisiert. 


174 A. J. M. Garjeanne, 


wenigstens Ammonsalze und auch NaCl in der Nährlösung vorhanden. 
Basidiobolus ranarum bildet Riesenzellen in Zucker-Peptonlösung mit 
10%, Glyzerin bei 30°. 

Die Mucor-Art bildet, wie gesagt, Riesenzellen in allen Nährlösungen, 
welche zur Verwendung kamen. Aber wenn die Reaktion des Nähr- 
bodens untersucht wurde nach längerer Kultur des Pilzes, so zeigt 
sie sich eine ziemlich starke Säure. Vielleicht erfolgt die Riesenzellen- 
bildung in den Kulturen auch hier nach der Säurebildung durch den Pilz. 


Die Riesenzellenbildung ist ohne Bedeutung für die Frage nach 
der Bedeutung der Rhizoidenverpilzungen für die Lebermoose. Denn, 
wenn wirklich die Riesenzellen auftreten nach Bildung irgendeiner Säure, 
so bildet sich diese Säure doch nur in den Kulturen und nicht in den 
Lebermoosrhizoiden. Man findet nie eine Spur von Riesenzellenbildung 
in den Rhizoiden. Soliten aber die Hyphen in den Rhizoiden Säure 
bilden, so könnte die Verpilzung für die Aufnahme anorganischer Nah- 
rung aus dem Boden von Bedeutung sein. Schließlich muß noch be- 
merkt werden, daß zwischen Chlamydosporen, Oidien und Riesenzellen 
alle Übergangsstadien gefunden werden können. Die Mucor-Art aus 
den Rhizoiden ist wohl nicht beschrieben, wenn sie auch eine in meiner 
Umgebung sehr häufige sein muß. Wir geben darum hier folgende 
Diagnose: 


Mucor rhizophilus n. sp. Nährmyzel reichlich verzweigt. an- 
fänglich weiß, später gelblich bis schwach rötlich. Luftmyzel weiß. 
Sporangienträger wenig verzweigt bis unverzweigt, etwa 1—1!/, cm 
lang, +12 a dick, recht, nur an der Basis bisweilen etwas hin- und her- 
gebogen. Sporangien meist 25-50 u dick, kugelig, anfänglich gelblich, 
später dunkel, braun bis schwarz, mit zerfließender, meist glatter, aber 
bisweilen schwach inkrustierter Wand mit oder ohne Basalkragen. 
Columella kugelig, etwa 15—30 u dick, farblos, glatt. Sporen ellip- 
soidisch oder (trocken) an einer Seite etwas abgeflacht, höchstens 6 x 
lang, 2—83 u dick. Zygosporen klein, + 50 u, gelblichbraun, schwach 
warzig. 

Myzel öfters mit vielen Zellwänden, bildet leicht dünnwandige 
Chlamydosporen, oidienartige „Conidien“, Mucorhefe und Riesenzellen. 


Die Art ist zwar mit Mucor racemosus sehr verwandt, unter- 
scheidet sich aber sofort durch die dünnwandigen Chlamydosporen, die 
zerfließenden Sporangien und die viel kleineren Sporen. So bestehen 
auch Ähnlichkeiten mit Mucor erectus Bain, Mucor fragilis Bain., 
Mucor genevensis Lender u. a. 


Die Verpilzung der Lebermoosrhizoiden. 175 


Es ist merkwürdig, daß Mucor rhizophilus nieht schon gefunden 
wurde von Oudemans und Koning, welche die Pilze aus dem Wald- 
boden des „Spanderswoud“ zwischen Hilversum und Bussum kultivierten 
und beschrieben‘). Ich habe selbst viele Lebermoose im Spanderwoud 
gesammelt und auch dort die fast universelle Infektion der Rhizoiden 
beobachten können. Unter den von diesen Autoren beschriebenen 
Pilzen sind drei Mucor-Arten®): Mucor geophilus Oud,, Mucor Sae- 
cardoi Oud. und Mucor racemosus Fres. Die erstgenannte Art 
unterscheidet sich von Mucor rhizophilus durch den immer deut- 
lichen Basalkragen, die stärkere Bestachelung der Sporangienwand, die 
meist sehr viel größeren Sporangien, die besonders große Columella usw. 
Auch die sehr kleinen chlamydosporenähnlichen Zygosporen sind deutlich 
verschieden von den Zygosporen des Mueor rhizophilus. 

Mucor Saccardoi hat schwach violetten Zellsaft, immer unver- 
zweigten Sporangienträger, Sporangien mit Apophyse usw. Auch diese 
Art kann also unmöglich mit Mucor rhizophilus identisch sein. 

Während also bei Venlo aus fast allen Lebermoosen Mucor rhizo- 
philus zu züchten ist, fehlt diese Art wahrscheinlich im Spanderswond. 
Auch die später im Spanderswoud gefundene Mucor-Art (Mucor adven- 
titius Oud.) stimmt nicht mit Mucor rhizophilus überein; sie hat immer 


‚einen Basalkragen, größere Sporen und leichtfarbige Sporangien. 


Es scheint also, daß die Rhizoidverpilzungen in der Umgebung 
von Hilversum (speziell im Spanderswond) von anderen Pilzarten ver- 
ursacht werden als in der Umgebung von Venlo. Doch erhielt ich 
auch Mucor rhizophilus aus Hilversumer Exemplaren von Jungermannia 


erenulata. 
Da nun Mucor racemosus ein so verbreiteter Pilz ist, welcher sich 


auch nur in Größenverhältnissen, in der Wanddicke der Chlamydosporen 
und in der Öffnungsweise der Sporangien von Mucor rhizopkilus unter- 
scheidet, legt der Gedanke nahe, daß die Rhizoidverpilzungen vielleicht 
auch vom typischen Mucor racemosus verursacht werden können. 

Es gelang tatsächlich, die Rhizoiden mit Mucor racemosus zu 
infizieren. Die wenigen Versuche mit dieser Pilzart machen es aber 
schwierig zu beurteilen, ob wirklich überall Mucor racemosus als Stell- 
vertreter von Mucor rhizophilus auftreten kann. 

Jedenfalls ist Mucor rhizophilus eine mit Mucor racemosus sehr 
nahe verwande Art. Man findet z. B. in Kulturen der erstgenannten 


1) Oudemans et Koning, Prodrome d’une flore myeologigue eto- Arch. 


nserl. 1902, Ser. II, Tome VI. 
2) 1. e. pag. 270—280, Tafel V und v1. 


176 A. J. M. Garjeaune, 


Art bisweilen Sporangien von 60—70 u, ja sogar von 108 u Durch- 
messer. Auch ist die Columella, wenn auch fast immer kugelig, doch 
bisweilen etwas birnförmig. Der Basalkragen, der bei Mucor racemosus 
immer vorhanden ist, fehlt bei Mucor rhizophilus meistens oder ist nur 
als äußerst schmaler Streifen sichtbar. Die Sporangien einer Kultur 
auf Brot mit Pflaumendekokt zeigten später allgemein einen Basalkragen. 


Die Farbe der reifen Sporangien ist bei Mucor rhizophilus immer 
schwarz oder sehr dunkelbraun. Die Sporen sind immer kleiner als 
bei Mucor racemosus. 


Kultur- und Infektionsversuche. 


Um den Einfiuß der Rhizoidverpilzungen studieren zu können, 
galt es zunächst absolut pilzfreie Kulturen der zu untersuchenden 
Lebermoose zu erhalten. 


Folgende Arten wurden dafür ausgewählt: Lophozia inflata, Cepha- 
lozia bieuspidata, Cephaloziella sp. Jungermannia ventrieosa. Sämtliche 
Kulturen wurden in Glasdosen auf Torfstücke angelegt, nachdem der 
Torf während 5—-6 Stunden in einige Male gewechseltem Wasser aus- 
gekocht worden war. Die Torfstücke wurden getränkt mit von der 
Crone’schen oder mit Pfeffer’scher Nährlösung, und zwar so, daß 
die Stärke der Lösung in den Torfstücken etwa die normale war. Auch 
wurden Versuche gemacht mit einer von der Crone’schen Lösung der 
halben Stärke. 


Bei Lophozia inflata dienten die Perianthen zur Erlangung 
einer pilzfreien Kultur. Wie bekannt, sind die meisten Perianthen 
dieser Art zwar vollständig entwickelt, aber sie umschließen fast nur 
abortierte Archegonien. Die Ansatzstelle des Perianths besteht aus 
kleineren, weniger durchsichtigen und dünnwandigen Zellen, welche sehr 
leicht losgerissen werden können. Unter geeigneten Bedingungen haften 
die Perianthen sich mittels Rhizoiden fest und wachsen dann zu mehreren 
Stämimchen aus‘). 

Durch Überstreichen mit der Hand wurden nun von einem größeren 
Rasen der Lophozia inflata die meisten Perianthen losgerissen und dann 
in eine Uhrschale mit Wasser gebracht. Bei schwacher Vergrößerung 
wurden diejenigen Exemplare ausgesucht, welche keine anhaftenden 
Pilzhyphen zeigten und die nicht von Milben bewohnt waren (was doch 
sehr häufig der Fall ist). 


DV. Schiffner. 


nun nn 


m en en mn ne m 


Die Verpilzung der Lebermoosrhizoiden. 177: 


‚Die ausgesuchten Perianthen wurden Stück für Stück unter der 
Wasserleitung abgespült und dann in die Glasdosen gebracht. . 


Es sei hier beiläufig bemerkt, daß die Entwicklung von Pflänzchen 
aus den Perianthen eine längere Zeit in Anspruch nahm als man nach. 
Schiffner’s Mitteilung erwarten durfte. Es bildeten sich an der Basis’ 
und an etwaigen Rissen zunächst Rhizoide, und in etwa 4—6 Monaten: 
hatten sich junge Pflänzchen entwickelt. " 


Auch wurde eine Kultur angelegt dureh Schwimmenlassen der 
Perianthen auf von der Crone’schen Lösung. Diese Perianthen ent- 
wickelten sich besonders schlecht, nach einem Jahre waren die jungen 
Pflänzchen kaum über ein Zwergstadium hinausgekommen. 

Bei Jungermannia ventrieosa, Cephalozia bieuspidata und die 
Cephaloziella lieferten die Brutkörner leicht pilzfreie Kulturen. Be- 
sondere Vorsichtsmaßregeln wurden hier kaum in acht genommen, die 
Resultate waren ganz gut; nur in einem einzigen Falle entwickelte sich 
auf die Cephaloziellakultur eine Isariaförmige Pilzvegetation. 


Die in den Glasdosen sich entwickelnden Lebermoose, welche also 
in absolut feuchtem Raum wuchsen, blieben in Größe alle hinter den 
in der Natur gesammelten Exemplaren zurück. Die stark positiv helio- 
tropischen Pflänzchen saben schmächtiger aus, ihre Blätter waren kleiner 
und bleicher. Doch mußten die Glasdosen verschlossen bleiben, wie 
folgender Versuch zeigt: 

Von einer Glasdose mit einer Jungermannia ventricosa-Kultur 
wurde der Deckel während zwei Stunden abgenommen und die Dose 
offen-auf dem Arbeitstische stehen gelassen. Danach wurde die Dose 
wiederum verschlossen. Nach einigen Tagen hatten sich auf dem Torf 
und auf den Lebermoosen folgende Pilze entwickelt: Rhizopus nigricans, 
Penieillium glaueum und ein steriles weißes Myzelium, das unbe- 
stimmbar war. 

Diese infizierte Kultur wurde später mehrfach auf Rhizoidver- 
Pilzungen untersucht. Es zeigte sich aber, daß die Hyphen der ge- 
nannten Arten zwar die Stämmehen umsponnen, nicht aber in die 
Rhizoiden eindrangen. 

Wenn nun auch die zufällige Pilzflora aus dem Arbeitszimmer 
also wohl nicht imstande ist, die Rhizoiden zu infizieren, so wiirden. 
doch die Hyphen eine spätere Untersuchung nach Infektion mit Mucor 
rhizophilus beschwerlich machen. 

Alle Lebermooskulturen sind daher nur wenig und dann noch 


sehr vorsichtig gelüftet werden. 


178 A. J. M. Garjeanne, 


Zur Infektion der Lebermoose wurden den Reinkulturen des 
Mucor rhizophilus kleine Myzelstücke mit oder ohne Sporangien ent- 
nommen und diese Stücke zwischen die Stämmchen und Blätter der 
Moose gebracht. Die Hyphen breiteten sich schnell über die Pflänzchen 
aus, umsponnen schnell Blätter und Stamm, aber die Infektion der 
Rhizoiden ließ meistens ziemlich lange auf sich warten. Es kann sein, 
daß die feuchten Torfstücke den Pilz wenig anlockten, doch wurden 
immer, wie aus den folgenden Tabellen hervorgeht, die Rhizoiden infiziert. 


I. Lophozia inflata. 


Die ersten B 
Datum der | infizierten Mehrere |Das + Maximum 


. FB Rhizoiden | der Infektion Auf Torf mit 
Infektion ehonden infiziert | wurde erreicht 


Kulturen 


27. Nov. 09|18. Dez. 09 | 28. Dez. 09 Febr. 10 v.d. Crone’schen Lösung 

27. Nov. 09] 16. Dez. 09 | 28. Dez. 08) Ende Jan. 10 [Pfeffer’scher 

27. Nov. 09| 12. Dez. 09|24. Dez. 09| Mitte Jan. 10 |'/,v.d.Crone’schen 

27. Nov. 09} 11. Dez. 09 |21. Dez. 09| Mitte Jan. 10 |'/, Pfeffer’scher 

1. Febr. 1020. Febr, 10) 2. März 10 | Ende März 10 |v.d.Crone’schen 

1. Febr. 10|20. Febr. 10| 1. März 10 | Ende März 10 |Pfeffer’scher 

1. Febr. 1018. Febr. 10| 1. März 10 | Ende März 10 |), v.d. Crone’schen 

1. Febr. 10|15. Febr. 1028. Febr. 10) Mitte März 10 |%/, Pfeffer’scher 

12. Mai 10 | 1. Juni 10 | 14. Juni 10 | Anfang Juli 10 |v.d. Grone’sehen 

10| 12. Mai 10 | 1. Juni 10 | 15. Juni 10 | Anfang Juli 10 |Pfeffer’scher 

11| 12. Mai 10 | 30. Mai 10 | 14. Juni 10 | Anfang Juli 10 [?,,v.d.Crone’schen 

12}12. Mai 10 | 31. Mai 10 | 14. Juni 10 | anfang Juli 10 |';, Pfeffer’scher 
Resultate dieser Versuchsreibe: Die Infektion der Rhizoiden 

mit Mucor rhizophilus gelingt bei Lophozia inflata in allen Fällen. Die 

Infektion war immer stärker, wenn das Lebermoos auf Torf mit 

Pfeffer’scher als auf Torf mit von der Crone’schen Nährlösung ge- 

wachsen war. Die Nährlösung von halber Stärke begünstigt die In- 

fektion. Der günstige Einfluß der Zusammensetzung und der Kon- 

zentration ist im Sommer viel geringer oder fast Null. Die Infektion 

erfolgt im Frühling am schnellsten. 

(Tabelle II s. nächste Seite oben.) 


Resultate dieser Versuchsreihe. Auch hier gelingt die In- 
fektion ohne Ausnahme. Die Pfeffer’sche Lösung fördert, wie in der 
ersten Versuchsreihe, die Infektion, und auch hier ist die schwächere 
Lösung die günstigere. Die Infektion erfolgt bei Cephalozia bieuspidata 
schneller als bei Lophozia inflata. Im Sommer verhalten sich von der 
Crone’sche und Pfeffer’sche Lösung mit Bezug auf die Infektions- 
beschleunigung fast gleich. B >. 


von mon 


Ts 


? At 


Die Verpilzung der Lebermoosrhizoiden. 179 


II. Cephalozia bicuspidata. 


B 
3 
=] Infektion 
[1 


27. Nov. 09 
27. Nov. 09 
27. Nov. 09 
27. Nov. 09 
1. Febr. 10 
1. Febr. 10 
1. Febr. 10 
1. Febr. 10 
12. Mai 10 
10| 12. Mai 10 
ıl| 12, Mai 10 
12| 12. Mai 10 
13] 1. Juni 10 
14} 1. Juni 10 
15} 1. Juni 10 
16| 1. Juni 10 


SR UT mu DH 


f 


Die ersten 
infizierten. 
Rhizoiden 
gefunden 


10. Dez. 09 
10. Dez. 09 
8. Dez. 09 
5. Dez. 09 
10. Febr. 10 
14. Febr. 10 
11. Febr, 10 
11. Febr. 10 
20. Mai 10 
20. Mai 10 
27.Mai 10 
26. Mai 10 
16. Juni 10 
15. Juni 10 
15. Juni 10 
14. Juni 10 


Mehrere 
Rhizoiden 
infiziert 


10. Dez. 09 
14. Dez.09 
11. Dez. 09 
10. Dez. 09 
2. März 10 
1. März 10 
26. Febr. 10 
24. Febr. 10 
12. Juni 10 
12. Juni 10 
12. Juni 10 
11. Juni 10 
28. Juni 10 
28. Juni 10 
28. Juni 10 
27. Juni 10 


Das + Maximum 
der Infektion Auf Torf mit 
wurde erreicht 


Mitte Jan. 10 |v.d. Grone’schen Lösung 
Mitte Jan. 10 |Pfeffer’scher » 
Anfang Jan. 10/*/,v.d.Grone’schen „ 
Anfang Jan. 10|',, Pfefferischer „ 
Mitte März 10 |v.d.Crone’schen » 
Mitte März 10 |Pfeffer’scher ” 
Anfang März 10 |'/,v.d.Crone'schen „ 
‚Anfang März 10|'/, Pfeffer’scher » 
Ende Juni 10 |v.d. Orone’schen ri 
Ende Juni 10 |jPfeffer'scher » 
Ende Juni 10 |'!/,v.d.Crone’schen „ 


Ende Juni 10 (1, Pfefferischr „ 
abgebrochen |v.d.Crone’schen „ 
» Pfeffer'scher „ 

» *,7.d.Crone’schen „ 

» 4, Pfefferschr , 


Die Kulturen 13—16 mußten beim Eintritt der Ferien abgebrochen 


werden. 


III. Cephaloziella spec. 


Die Resultate der Infektion von Cephaloziella sind weniger be- 
friedigend als bei den schon besprochenen Arten. Zwar haben die 
Infektionsversuche Erfolg gehabt, aber die Pilze entwickelten sich auf 
Blättern und Stämmchen so außerordentlich, daß die Lebermoose ganz 


s Die ersten N 

5 Datum ‚ger infizierten Kktaolden enden Auf Torf mit 

zen em | infiziert | wurde erreicht 
27. Nov. 09| 6. Dez. 09 }12. Dez. 10| Ende Dez. 09 |v.d. Crone’schen Lösung 
27. Nov. 09| 6. Dez. 09 |11. Dez. 10| Ende Dez. 09 |Pfeffer’scher » 
27. Nov. 09| 6. Dez. 09 | 11. Dez. 10) Ende Dez. 09 |?/,v.d.Orone’schen „ 
27. Nov. 09| 5. Dez. 09 |11. Dez. 10} + 24. Dez. 08 |), Pfeiferschr „ 
1. Fehr. 10|12. Febr. 10/14. Febr. 10| Ende Febr. 10 |v.d.Grone’schn „ 
1. Febr. 10| 12. Febr. 10| 14. Febr. 10| Ende Febr. 10 |Pfeffor’scher » 
1. Febr. 10|12. Febr. 10 |14. Febr. 10| Ende Febr. 10 |Y,v.d.Crone’schen „ 
1. Febr. 10| 8. Febr, 10 }10. Febr. 10| Ende Febr. 10 |*/, Pfeffer'schr „ 
12. Mai 10 |18. Mai 10 |abgestorben| ahgestorben |v.d.Crone’schen „ 
12, Mai 10| 16. Mai 10 |--18.Mail0] abgestorben |Pfeffer’scher ”„ 
12. Mai 10 | 16. Mai 10 | 20. Mai 10 | Ende Mai 10 |1/, v.d.Crone’schen „ 
12. Mai 10 116. Mai 10 |abgestorben| abgestorben |, Pfeffer’schr „ 


180 A. J. M. Garjeanne, 


in einem Pilzmantel gehüllt waren. Sie erkrankten und starben ab, 
wodurch die Kulturen bisweilen nicht lange genug fortgesetzt werden 
konnten. 

Resultate der Versuchsreihe. Der Einfluß der Nährstoff- 
konzentration bleibt derselbe. Die Infektion erfolgt schnell. 

Es muß bier bemerkt werden, daß die Daten etwas weniger zu- 
verlässig sind als bei den vorangehenden Versuchsreihen. In der vierten 
Spalte sind die Tage angegeben, an welchen eine Infektion von min- 
destens 10 Rlizoiden an einem Stämmchen beobachtet wurde. 

Die Hyphen legten sich fast, wie Kletterpflanzen um die Rhizoiden. 
Wenn auch, wie aus der Tabelle hervorgeht, die Infektion der Rhizoiden 
mit Mucor rhizophilus gelang, so war doch das Verhältnis zwischen 
Lebermoos und Pilz ein anderes als in den beiden vorhergehenden 
Fällen. Vielleicht wird in der Natur die Rhizoidinfektion bei den 
Cephaloziellen meistens durch eine andere Pilzart verursacht. 


IV. Jungermannia ventricosa. 


Die aus den Brutkörnern hervorgegangenen Kulturen dieses Leber- 
mooses erinnerten sehr an die langstengeligen, kleinblätterigen Formen, 
wie man sie zwischen Hypnazeen in Waldgräben unter Calluna usw. 
findet. Rhizoiden waren nur spärlich entwickelt, nur an den Stamm- 
spitzen bildeten sich Rhizoidbündel, welche aber, wie auch die Luft- 
rhizoiden bei anderen Arten, nur spärlich infiziert wurden. 


| Die ersten N 4 
Datum der | infizierten Mehrere |Das+ Maximum 


. Fa Rhizoiden | der Infektion Auf Torf mit 
Infektion | Bhizeiden | infiziert | warde erreicht 


Kulturen 


gefunden 


27. Nov. 0914. Dez. 09 | 22. Dez.09 | Mitte Jan. 10 |v.d. Grone’schen Lösung 
27. Nov. 09112. Dez. 09 | 20. Dez. 09 | Mitte Jan. 10 |Pfeffer’'scher 

27. Nov. 09 [12. Dez. 08 | 20. Dez.09 | + 10. Jan. 10 1%, v.d.Crone’schen 
27. Nov. 09112. Dez. 09 }abgesiorben| abgestorben |1/, Pfeffer’scher 

1. Febr. 10 (24. Febr. 10| 2. März 10 | Ende März 10 !v.d, Crone’schen 

1. Febr. 10 122. Febr. 10} 2. März 0 | Ende März 10 |Pfeffer’scher 

1. Febr. 10 |20. Febr. 10 |EndeFebr.10) Mitte Febr. 10 |'/, v.d. Crone’schen 
1. Fehr. 10 |%0. Febr. 10|25. Febr. 10) Mitte Febr. 10 |?/, Pfeffer’scher 
12. Mai 10 |27. Mai 10 | 8. Juni 10 | abgestorben |v.d. Crone'schen 
10) 12. Mai 10 | 27. Mai 10 | 4. Juni 10 | Mitte Juni 10 |Pfeffer’scher 
31)12. Mai 10 | 27. Mai 10 | 3. Juni 10 | Mitte Juni 10 |%/, v.d.Crone’schen 
12] 12. Mai 10 }25. Mai 10 | 1. Juni 10 | Mitte Juni 10 |3/, Pfetfer'scher 


13] 1. Juni 10 | 18. Juni 10/24. Juni‘10| abgebrochen |v.d.Crone’schen 
14] 1. Juni 10 | 14. Juni 10 |20. Juni 10 » Pfeffer’scher » 


15] 1. Jani 10 | 16. Juni 10 |20. Juni 10 Pr %/,v.d.Orone’schen „ 
16] 1. Juni 10 } 14. Juni 10 |20. Juni 10 » 2, Pfeffer’scher ” 


” 


oma mwN 


wi 


Die Verpilzung der Lebermoosrhizoiden. 181 


Resultate dieser Versuchsreihe. Die Infektion erfolgt nicht 
so schnell wie bei Cephalozia un« Cephaloziella, dagegen wurde das un- 
gefähre Maximum der Infektion schneller als bei Cephalozia. Der Ein- 
Aluß der Nährlösung ist weniger deutlich, 

Fassen wir die Resultate der Infektionsversuche zusammen, so 
steht wohl fest, daß Mucor rhizophilus imstande ist, Rhizoidverpilzungen 
verursachen zu können. Über die Zeit, welche zur Infektion nötig ist, 
die verschiedenen Intervalle zwischen den erhaltenen Daten und den 
Einfluß der Nährungsflüssigkeiten läßt sich kaum etwas mehr als das 
schon Gesagte mitteilen. Diese unter den besonderen Bedingungen 
der Kulturen erhaltenen Resultate haben ohne weitere Versuche keinen 
Wert zur Beurteilung der Infektionen in der Natur. Zwar zeigt es 
sich, daß eine konzentriertere Nährlösung und somit auch wohl eine 
kräftigere Ernährung der Lebermoose (ie Verpilzung etwas hemmt, 
und daß diese Hemmung stärker ist bei von der Crone’schen als bei 
Pfeffer’scher Nährlösung. . 

Äußerlich sehen die Lebermooskulturen auf den verschiedenen 
Flüssigkeiten einander völlig ähnlich, nur scheint es, als wären die auf 
sehwacher Nährlösung kultivierten Lebermoose etwas stärker helio- 
tropisch. Wenn die Infektion also ungleich schnell und stark erfolgt, 
so muß man wohl annehmen, daß die auf der stärkeren Nährlösung 
kultivierten Lebermoose resistenter sind als die, welche auf schwächerer 
Lösung wachsen. Es könnte zwar sein, daß die Nährlösung auch auf 
die Entwicklung des Pilzes hemmen wirkte. Wie aber aus «len Tabellen 
hervorgeht, wird der Unterschied zwischen den Infektionen der ver- 
schiedenen Kulturen im Sommer immer undeutlicher. Die Lebermoose 
(wenigstens in den Kulturen) assimilieren dann kräftiger. In diesen 
besseren Umständen ist es für (ie Lebermoose anscheinend weniger 
wichtig, auf welche Weise und in welcher Stärke ihnen die Mineral- 
stoffe dargeboten werden. 

Wenn die Infektion im Sonmer schneller erfolgt als in den anderen 
Jahreszeiten und sie auch schmeller verläuft, so kann das sehr gut 
dadurch verursacht werden, daß Mucor rhizophilus bei etwas höherer 
Temperatur bedeutend schneller wächst. 

Alles in allem bekommt man den Eindruck, daß kräftige Leber- 
moose, welche genügende Nährung aufnehmen können und an etwas 
kühlen Stellen wachsen, weniger leicht infiziert werden als Lebermoose 
unter anderen Lebensbedingungen, 

Die Beobachtungen im Freien stimmen (der Hauptsache nach 
hiermit überein. 


Flora, Bd. 102. 13 


182 A. J. M. Garjeanne, 


Einen Augenblick könnte man meinen, daß vielleicht die stärkere 
und schnellere Verpilzung der weniger kräftig ernährten Lebermoose 
diesen bei der Nahrungsaufnahme behilflich sein könnte. Das würde 
allerdings stimmen mit einer Auffassung der Rhizoidverpilzungen als 
echte Mykorrhiza. In den Kulturen aber ist die Verpilzung der Anfang 
einer Erkrankung, die schließlich zum Absterben führen kann. Im 
Freien wird die Verpilzung nur sehr selten so intensiv (häufiger z. B. 
bei den Cephaloziellen), der Pilz ist dann mehr Saprophyt als Parasit, 
während er in der Kultur entschieden parasitär auftritt. 


Bei den verschiedenen Kulturen und auch bei der Beobachtung 
der eingesammelten Lebermoose tun sich mehrere Fragen auf mit Be- 
ziehung auf die Art und Weise der Verpilzung usw. 

Wie kommt es, daß die Luftrhizoiden so ganz selten infiziert werden, 
auch dann, wenn alle oder fast alle Bodenrhizoiden von Hyphen 
durchwachsen sind? Mucor rhizophilus hat ein Nährmyzel, das positiv 
geotropisch, schwach negativ heliotropisch und hygrophil is. Man be- 
obachtet den Pilz auf den Lebermoosen immer nur in vegetativem Zu- 
stande. Die Hyphen werden also meistens die feuchteren, dunkleren 
Stellen an der Ventralseite des Stämmchens aufsuchen. Das führt sie 
bei den kriechenden Pflänzchen von selbst auf die Unterseite. Vom 
Stämmchen aus, worüber die Fiyphen kriechen, werden die Rhizoiden 
infiziert, weil der Pilz jedenfalls parasitäre Neigungen hat, aber in die 
Rhizoiden leicht eindringen kann und vielleicht auch besser wächst als 
in den Chlorophyll führenden Zellen des Stämmehens. Die Rhizoiden 
bieten dem Pilze günstigere Wachstumsbedingungen als die oberen 
Erdschichten. Chemotropie wird auch hier ihre Rolle spielen. 

Bei orthotropen Lebermoosen oder bei aufrecht wachsenden Stamm- 
spitzen werden die helleren, trockeneren Teile vom Pilze gemieden; die 
Luftrhizoiden haben schon dadurch geringere Infektionschaneen. Die 
Luftrhizoiden wachsen häufig in etwas horizontaler Richtung, auch 
werden sie heil durchleuchtet. Diese und noch wohl andere Umstände 
könnten vielleicht die Ursache sein der seltenen Infektion dieser Rhi- 
zoiden. 

Daß die Mukorhyphen überhaupt die Rhizeiden aufsuchen, auch 
wenn der Pilz in den oberen Bodenschichten vegetiert, ist in bezug 
auf die halb parasitische Lebensweise wohl begreiflich. Immerhin werden 
schwache, halb abgestorbene oder defekte Rhizoiden leichter infiziert 
als ganz gesunde Rhizoiden. Dieses findet aber häufig statt, wenn die 
Infektion vom Stämmchen aus erfolgt. Überhaupt scheint Mucor rhizo- 


Die Verpilzung der Lehermoosrhizoiden. 183 


philus eher Epiphyt als Endophyt zu sein. Das Äußere der in den 
Rhizoiden wachsenden Hyphen erinnert an die dünnen, mit Glukogen 
gefüllten Hyphen, wie man sie immer in den Kulturen, ausgehend von 
dickeren Hyphen, finden kann. Diese dünneren Hyphen entstehen aber 
auch dann, wenn durch Austrocknen des Nährmediums oder Erschöpfung 
der Nährquelle die Wachstumsbedingungen ungünstig werden. Zur 
gleichen Zeit treten dann in diese Hyphen ziemlich zahlreiche, dünne 
Querwände auf, wodurch auch die Ähnlichkeit mit Mucorineenhyphen 
verloren geht. . 


Es scheint also dem Pilze in den Lebermoosrhizoiden doch nicht 
so besonders gut zu gefallen. Nachdem der Inhalt der Rhizoiden 
größtenteils vom Pilze desorganisiert und aufgenommen worden ist, 
finden die Hyphen nur dann wiederum Nahrung, wenn sie entweder 
in eine grüne Zelle des Stämmchens eindringen oder das Rhizoid wiederum 
verlassen (was aber, wie ich meine, nur ausnahmsweise stattfindet). 


Zur Sporangienbildung bringt der Pilz es dann auch auf dem 
Lebermoose nicht. Dafür fehlt genügende Nahrung. Kaum ist diese 
vorhanden oder die Sporangienbildung usw. erfolgt innerhalb einiger Tage. 


Der Nutzen des Zusammenlebens mit einem Lebermoose ist für 
den Mukor also wohl temporär, nachdem die infizierten Rhizoiden keine 
Nährstoffe mehr darbieten, besorgen sie den Hyphen zwar noch eine 
„Wohnung“, aber weiter nichts. Die Infektion der grünen Zellen ist 
jedenfalls den meisten Pilzen (wie aueh Mucor rhizephilus) nicht leicht, 
wahrscheinlich ist der Zellinhalt für die Entwicklung des Myzels von 
ungünstiger Zusammensetzung. " 


Ob das Lebermoos irgendeinen Nutzen von der Infektion mit 
Pilzen haben kann, ist nicht leicht zu beurteilen. In den Kulturen _ 
wurde dem Lebermoose alle Nahrungsstoffe in genügenden Quantitäten 
dargeboten. Daß es durch die Infektion der Rhizoiden und besonders 
dureh die der grünen Zellen benachteiligt wird ist klar. Aber vielleicht 
können doch im Freien die mit Hyphen (durchwachsenen Rhizoiden 
leichter Wasser und anorganische Nahrungsstoffe aus dem Boden auf- 
nehmen als die unverpilzten Rhizoiden. Die Transpiration der Leber- 
moose scheint eine geringe zu sein, die Aufnahme von Wasser erfolgt 
leicht durch die Blätter, weshalb die Rhizoiden häufig mehr Haftorgane 
als „Wurzeln“ sind. Die dochtartig durchwachsenen Rhizoiden saugen 
wahrscheinlich ziemlich stark das Bodenwasser auf, vielleicht wird diese 
Wirkung noch verstärkt durch die Anwesenheit eines Pilzknäuels in 


der Nachbarzelle des Rhizoids. 
13* 


184 A. J. M. Garjeanne, 


Schließlich aber werden alle diese Meinungen und Spekulationen 
nur verursacht durch die Neigung, immer etwas Nützliches zu suchen 
in organischen Strukturen, Symbiosen, Genossenschaften oder wie man 
das Zusammenleben zweier oder mehrerer Organismen nennen will. 
Wir wissen, daß solche Symbiosen nützlich sein können, die schädlichen 
sind uns auch bekannt. Die Symbiose zwischen Lebermoos und ıhizoid- 
bewohnenden Pilzen erscheint als eine ziemlich neutrale, wobei Nutzen 
und Schaden einander aufheben. . 

Es ist aber sehr wohl möglich, daß aus solch einem neutralen 
oder sogar schädlichen Beginn sich eine nützliche Symbiose entwickeln 
kann. Die Rhizoidverpilzungen der Jungermannien können als rudi- 
mentäre Mykorrhizen aufgefaßt werden; weiter zurück als bis an die 
Bryophyten wird man im Pflanzenreiche wohl nicht zu, gehen haben, 
um (ie einfachsten. Mykorrhizen anzutreffen. 

Jedenfalls ist die Symbiose zwischen Jungermanniacee und Mueor 
rhizophilus eine sehr zufällige, die große Plastizität des Pilzes macht. 
es begreiflich, daß seine Hyphen so verschiedene Lebermoosarten infi- 
zieren können. 


Zusammenfassung. 


1. Die Verpilzung der Rhizoiden von foliösen Jungermanniales 
ist eine weit verbreitete Erscheinung. 5 


2. Doch ist die Verpilzung keineswegs konstant; dieselbe Leber- 
moosart kann verpilzte und unverpilzte Rhizeiden haben. 


3. Die Verpilzung wird, je nach Uinständen, von verschiedenen 
Pilzarten verursacht. 


4. Bei einigen Lebermoosarten (z. B. Calypogeia trichomanis, 
“ Lophozia inflata u, a.) kommen neben anderen Verpilzungsformen auch 
solehe vor, wobei der Pilz haustorienartige Fortsätze in die grünen 
Nachbarzellen des Rhizoids eindringen läßt (die Nömec’sche Form der 
Verpilzung). 

5. Bei einigen anderen Lebermoosarten (Cephalozia bieuspidata, 


Cephalozia eonnivens) billen die Hyphen dichte Knäuel in den auf- 
geschwollenen Rhizoidspitzen (Pilzgallen). 


6. Bei Lophozia inflata verursacht der Pilz, wenn er in die Rhi- 
zoiden eindringen will, Zellwandverdiekungen aus Zellulose und Glukogen. 


7. Diese Verdickungen erleichtern aber das Eindringen nicht, denn 


sie umgeben häufig die eindringende Hyphenspitze und verhindern da- 
durch das Eindringen in das Zellinnere. 


—..- 


wr 


Die Verpilzung der Lebermooschizoiden. . 185 


8. Einen sichtbar günstigen Erfolg hat die Rhizoidverpilzung 
nicht, ebensowenig aber verursacht sie irgendwie bedeutenien Schaden. 

9. Die Infektion der Rhizoiden eıfolgt je nach Umständen vom 
Boden aus oder vom Stämmchen aus. Letzteres ist bei Lophozia inflata 
sehr häufig. 

10. Die Zellen des Stämmchens, weiche vom Pilze infiziert werden, 
sind immer oberflächlich gelegen. 

11. Die Infektion der chlorophyllhaltigen Zellen gelingt nur schwer, 
die ganze infizierte Zelle wird erst von Hyphben ganz erfüllt, bevor 
eine Nachbarzelle infiziert wird. 

12. Unter anderen Pilzarten, welche in der Provinz Limburg 
(Niederlande) die Lebermoosrhizeiden bewohnen, befindet sich fast 
immer eine Mukorart, Mucor rhizophilus n. sp., sehr verwandt 
mit Mucor racemosus. 

13. Diese Art hat wenig verzweigte Sporangienträger, kleine 
Sporangien mit. kugeliger Columella, stark verzweigtes Nährmyzel, eine 
ausgesprochene Neigung zur Zellwanılbildung, bildet leicht Chlamydo- 
sporen und oidienartige Conidien. 

14. Besonders auffallend sind die zahllosen Riesenzellen, welche 
in älteren Kulturen leicht entstehen. 

15. Die Infektion mit Mucor rhizophilus gelingt, je nach der 
Jahreszeit und dem Ernährungszustand des Lehermooses, früher oder 
später, aber immer leicht. 


Figurenerklärung zu Tafel XI und X. 


Sämtliche Mikrophotogramme sind bei gleicher Kameralänge (25 cm) nach frischen, 
ungefärhten Präparaten angefertigt, 


Tafel KL (Mucor rhizophilus). 
Fig. 1. Keimung der Chlamyäosporen. Obj. D, Oec. IV. 
Yig. 2. Entwicklung des typischen Myzels aus den dünnen Fäden, die in den 
Aliculariarhizoiden wachsen. Obj. D, Or. IV. 
Fig. 3. Teile des Nährmyzels. Obj. D, Oe. IV. 
Fig. 4. Nährmyzel in Milchzuckergelatine. Dunkle Inkrustationen haben sich au 
zwei Stellen gebildet, Obj. A, Oc. IV. . 


Tafel ZIE (Mucor rkizophilus). 
Fig. I. Sporen. Obj. D, Oc. IV. 
Fig. 2, Riesenzellen und einzelne „Oidien“. Obj. D. De. IV. 


Fig. 3. Riesenzellen. Obj. D, Oe. IV. 
Fig. 4. Riesenzellen in Milchzuckergelatine. Obj. D, Oe. IV. 


Über die selektiv permeabele Hülle des Weizenkornes. 


Von H. Schroeder, Bonn. 
(Mit 4 Abbildungen und 1 Kurve im Text.) 


Die vorliegende Arbeit schließt an die Untersuchungen von 
Adrian J. Brown?) an, der fand, daß das Gerstenkorn -— wie die 
Körner einiger anderer Gramineen — umbhüllt sei von einer leblosen, 
selektiv permeabelen Membran, die wohl dem Wasser und einigen 
darin gelösten Stoffen den Durchtritt gestattet, andere dagegen, ob- 
wohl in ihrer Lösung eine Quellung, d. h. Wasseraufnahme stattfindet, 
dauernd zurückhält. | So permeieren aus wässeriger Lösung: Jod, Sub- 
limat, Quecksilbereyanid, Cadmiumjodid, sowie eine größere Anzahl 
organischer Substanzen, wie Essigsäure, Äthylalkohol, Aldehyd und 
einige mehr. Nicht einzudringen vermochten die meisten unorganischen 
Salze, z. B. Kupfersulfat, Silbernitrat, Kaliumehromat, Natriumthiosulfat, 
Chlornatrium, Chlorkalium, Ammoniumchlorid, K- und Na-Salpeter, Queck- 
silbersulfat und -nitrat u. a.; ferner Rohrzucker, Dextrose, Weinsäure 
und essigsaures Natron; von Säuren Schwefel- und Salzsäure. Endlich 
gehören hierher Stoffe, wie Salpetersäure und Kalilauge, die erst nach 
der durch ihre Einwirkung verursachten Zerstörung der Membran den 
Weg ins Korninnere finden. Schließlich wären noch Substanzen an- 
zuführen, deren Lösung die Quellung, verglichen mit reinem Wasser, 
deprimiert, doch um einen geringeren Betrag, als dies ihre osmotische 
Konzentration erwarten ließe; dies Verhalten zeigen u. a. Harnstoff 
Äthylenglykol, Cadmiumehlorid und -sulfat, die in allen erdenklichen 
Abstufungen wirkten. Es dürfte sich somit bei geeigneter Auswahl 
von Stoffen eine Reihe aufstellen lassen, beginnend mit solchen, in 
deren Lösung die Wasseraufnahme mit der gleichen Intensität wie in 
reinem Wasser verläuft, bis zu solchen, die dieselbe nach Maßgabe 
ihrer osmotischen Konzentration herabsetzen. Die oben als permeierend 
und nichtpermeierend bezeichneten Körper wären demnach nur die 
Enndglieder dieser Reihe bzw. deren nächste Nachbarn. Die Ent- 
deckung Brown’s ist von hoher Bedeutang für die Physiologie, weil 
durch sie ein bislang mit dem Leben untrennbar verknüpfter Vorgang 
in einem Einzelfaile von diesem losgelöst physikalisch-chemischer Forschung 


1) Annals of Botany 1906, Vol. XXL, pag. 79. — Proceedings of the Royal 
Society, Series B (Biologies!) 1909, Vol. LXXXI, pag. 82. — Ferner für Reis: 
Valeton, Bijdrage tot de kennis van de kieming der Rijst. Academ. Proefschrift, 


Amsterdam 1907. Zit. nach H. Micheela, Acad. Royale de Belgique. Puli. des 
elasses des seiences 1909, No. 11, pag. 1081. 


r 


Über die selektiv permeabele Hülle des Weizenkornes. 187 


zugänglich gemacht wird. Vielleicht ist ihre Tragweite eine besonders 
große um deswillen, weil die leblose, semipermeabele Hülle des Gersten- 
kornes eine recht weitgehende Übereinstimmung mit dem so intensiv 
studierten Selektionsvermögen der Plasmamembran besitzt und unter 
Umständen experimentell prüfbare Analogieschlüsse gestattet. Ich halte 
es darum für angebracht, meine z. T. länger zurückliegenden Versuche 
trotz der inzwischen erschienenen zweiten Publikation Brown’s kurz 
mitzuteilen, zumal ich in der Lage bin, in einigen Punkten eine Er- 
gänzung und Erweiterung derselben zu bieten. 

+7 Ich benutzte Weizen (Schlanstedter Sommerweizen von Haage 
und Schmidt in Erfurt) als Versuchsobjekt, da mir dieser wegen des 
Fehlens der für die fraglichen Prozesse gleichgültigen Spelzen geeigneter 
als die von Brown bevorzugte Gerste erschien. Meine Methodik be- 
stand, wie bei Brown’s zweiter Arbeit, in einer periodischen Wägung 
der in den verschiedenen Lösungen quellenden Körner und wurde die 
jeweils gefundene Gewichtszunahme gleich der Wasseraufnahme gesetzt, 
eine Annahme, die zulässig erscheint?). Allerdings ist diese Arbeits- 
weise für das vergleichende Studium der Wasseraufnahme aus Lösungen 
mit einem gewissen Fehler behaftet, .da die selezierenden Schichten in 
einem bestimmten Tiefenabstand von der Oberfläche, nämlich in der 
Samenschale angeordnet sind), ‘wovon späterhin noch die Rede sein 
soll. Es werden daher die äußeren Lagen, also ver allem gie, Frucht- 
schale, bei Gerste aber auch (die Spelzen, unterschiedslos 'mit jeder 
Lösung durchtränkt, einerlei ob dieselbe einen permeierenden Stoff 
enthält oder einen nichtpermeierenden. Doch erreicht die daraus 
resultierende Ungenauigkeit keinen Betrag, der die Versuchsresultate 
zu verwirren vermöchte). 
v In Übereinstimmung mit Brown konnte ich auf diese Weise 


folgendes feststellen: 
1. Lösungen des nichtpermeierenden Chlornatriums deprimieren 


die Wasseraufnahme nach Maßgabe ihrer Konzentration. 

2. Diese Depression ist streng an die Integrität der Kornhülle 
geknüpft; halbierte Körner zeigen sie nicht, schwächer verletzte — 
leicht angeschuittene — nur transitorisch. Es geht daraus hervor, daß 


1) Die gleiche Methodik für analoge Probleme bei Overton. FPilüger’s 


Archiv 1902, Bd. XCIL, pag. 115. 


2) Brown, 1. c. I, pag. 85, 86. 
3) Das gleiche gilt für den durch den Einfluß von Körnern mit verletzter 


Samenschale bewirkten Fehler, dessen Kausalität die oben unter 2 mitgeteilte Tat- 
sache erhellt, 


188 II. Schroeder, 


es sich bei der fraglichen Depression nicht um eine Wirkung der ge- 
lösten Substanzen auf die Inhaltsstoffe des Kornes handeln kann. 

8. Erbsen, denen eine selektiv permeabeie Membran im obigen 
Sinne abgeht, zeigen weder diese Herabsetzung der Wasseraufnahme, 
noch auch demgemäß einen Unterschied im Verhalten unversehrter und 
halbierter Körner. 

4. Daher ist ein Wechsel der Konzentration der Außenlösung auf 
Erbsen, gleichgültig ob intakt oder «urchschnitten. und ebenso auf 
halbierte Weizenkörner von keinem oder doch sehr rasch vorüber- 
gehendem Einfluß. Unverletzter Weizen hingegen erfährt je nach dem 
Sinne der Änderung entweder einen Gewichtsverlust oder eine sprung- 
hafte Steigerung desselben. 

5. In wässeriger Lösung vermochten nicht zu permeieren: NaF, 
KCh, NaCl, KNO, R,CO, Na,C0,, BaCl,, NaS0, MgSO,, AgNO, 
CoCl,, Seignettesalz und Bohrzucker. 

6. Permeabel war die Membran für: Sublimat, Jod, Methyl und 
Äthylalkohol, Athyläther, Aceton, Acetonitril und Chloroform, alle in 
Wasser gelöst bzw. damit gemischt. Außerdem Osmiumsäure (OsO,), 
was aber mit anderer Methodik festgestellt wurde). 

7. Die Gesamtheit der Erscheinungen konnte mit dem gleichen 
Erfolge an getöteten, d. h. ihrer Keimfähigkeit beraubten Körnern be- 
obachtet werden, und zwar, sofern dieselben zwischen den Einzel- 
versuchen getrocknet wurden zu wiederholten Malen am gleichen 
Material. Die Tötung erfolgte durch kurzes Kochen, trockene Hitze 
oder permeierende Gifte, wie Jod oder Sublimat. Der Verlust des 
Keimungsvermögens wurde jedesmal experimentell festgestellt. 


Das Beweismaterial für die ausgesprochenen Behauptungen ent- 


halten die aubangsweise mitgeteilten Tabellen: I, IL, III, IlIa, IV, V, 
VI und VI2, 


2) Ygl, im folgenden pag. 190. 

2) Für Phaseolus vulgaris und Lathyrus odoratus hat W. RB. Gelston 
Atkins mit Salpeterlösung das Fehlen der Semipermeabilität: der Samenschale fest- 
gestellt. (Notes from Botanical-School of Trinity College Dublin, Vol. IL, pag. 19.) 
Streng genommen sind aber weder seine noch meine in den Tabellen IL IE und IIa 
niedergelegten Versuche absolut beweiskräftig, da ein Eindxingen durch den offenen 
Mikropyienkanal (Mattirolo und Buscalioni, Memorie della R. Accademia delle 
seienze di Torino 1892, Ser. II, Tome XLID nicht ausgeschlossen war, Ich sehaltete 
darum die Hilar-Region durch nur partielles Eintauchen der Erbsen völlig aus, 
wohei ich dieselben in einer unhedeckten Schale in fenchtem Sande fixierte. Es 
blieb sodann die herausragende Region um die Mikropyle durchaus troeken. Trotz- 
dem erreichte die Gewichtszunahme in 10%, NaCl nach 6 Tagen 90%, des Trocken- 


Über die selektiv permeahele Hüllo des Weizenkornes, 189 


Besonders instruktiv gestaltet sich der folgende Versuch, bei dem 
ohne direktes Bloßlegen des Stärkeendosperms Frucht- und Samen- 
schale nur über dem Embryo entfernt wurden, eine Manipulation, die 
am lufttrockenen Korn unschwer sich ausführen läßt und durch die 
der Keimling in seiner ganzen Ausdehnung bis etwa zum Skutellum 
freigelegt wird). Nach dieser Behandlung. dringt Silbernitrat in aus- 
gesprochenem Gegensatz zum Verhalten des unverletzten Kormes be- 
reits während der ersten 24 Stunden der Berührung ein, wogegen die 
Aufnahme von Chlornatrium erst am 4. Tage erkennbar wird; so lange 
vermögen die lebenden Zellen des Embryo den Eintritt desselben zu 
verhindern. Dies illustrieren die Tabellen VIII und IX sowie Kurve L 


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Weichdauer in Tagen. 
Kurve 1. Gewichtszunahme in Prozent des Anfangsgewichts bei quellendem Weizen. ' 


gewichts, betrug also ungefähr genau ehensoviel wie bei halbierten vollständig ein- 
tauchenden Erbsen in dem gleichen Medium (Tab. I. Die Wirkung der Schale 
gab sich also nur als eine Verzögerung zu erkennen. 

D) Vgl. Schumann, Praktikum für morphologische u. systematische Botanik, 


pag. 410. 


190 H. Schroeder, 


Im Einklang mit diesem Ergebnis steht die Tatsache, daß unversehrter 
Weizen der Einwirkung von Silbernitrat sehr lange zu widerstehen 
vermag, während, wie oben angegeben, geschälter in kürzester Zeit 
erliegt?). 

Wie Brown beim Quellen von Gerste in verdünnter Schwefelsäure 
eine Konzentrationszunahme der Außenlösung durch Entzug von reinem 
Wasser von seiten der Körner feststellen konnte, vermochte ich das 
gleiche für eine Chlornatriumiösung, in der Weizen eingeweicht wurde 
(Tab. X). Die Übereinstimmung zwischen der gewichtsanalytisch ge- 
fundenen und der aus der Titerzunahme berechneten Werte für die 
Wasseraufnahme war eine befriedigende, wie die Zahlen der gleichen 
Tabelle lehren. Es ist bei ihrer Betrachtung zu berücksichtigen, daß 
das erste wie das letzte Intervall nicht zum Vergleich herangezogen 
werden dürfen, wegen des Einflusses der Fruchtschale?) das erste, 
letzteres, weil der erfolgte Durchbruch der Radieula bei einem großen 
Teil der Körner die Kontinuität der Hülle zerstört hatte. 

Von diesen durch das Studium der Gewichtszunahme gefundenen 
Gesetzen sind nach zwei Richtungen Abweichungen zu verzeichnen. 
Zunächst ist das bislang einzigartige Verhalten der Osmiumsäure (Os- 
miumtetraoxyd) zu erwähnen. Diese dringt, wie die Schwärzung des 
Inhaltes der Aleuronzellen unzweideutig anzeigt, sehr rasch ins Innere 
des unversehrten Kornes, trotzdem erleidet die Gewichtszunahme, ver- 
glichen mit der in reinem Wasser gefundenen, eine sehr beträchtliche 
Depression. Es wird diese Verlangsamung der Wasseraufnahme darauf 
zurückzuführen sein, daß durch die Imprägnation mit Osmiumsäure ge- 
wisse Elemente der Schale — gleichgültig welche — für Wasser 
schwer durchlässig geworden sind. Dafür spricht die Erfahrung, daß 
diese Retardierung bei einmal mit Osmiumsäure behandelten Körnern 
auch beim Übertragen in reines Wasser bestehen bleibt; Versetzen in 
dieses ruft also nicht, wie nach der Vorbehandlung mit z. B. Chlor- 
natrium, eine plötzliche Steigerung des Gewichtes hervor. Ferner geht 
der quantitative Wert der Osmiumsäuredepression ganz bedeutend über 
den in isotonen Lösungen nichtpermeierender Stoffe, wie Kochsalz. 


1) Keimfähigkeit ungeschälter Körner nach 14stündiger Behandlung mit 5Yy 
&AgNO, 83°j,, geschälter nach der gleichen Behandlung 0%. Von den 17%, der 
wicht gekeimten, unbehandelten Körner der ersten Serie ®/, verletzt, was die deletäre 
Wirkung erklärt. Die Keimfähigkeit war demnach normal. Näheres in meinem 


Aufsatz im Zentralblatt für Bakteriologie usw., TI. Abteilung, 1910, Bd. XXVIN, 
pag. 492. 


2) Siehe pag. 187. 


Über die selektiv permeabele Hülle des Weizenkornes. .191 


gefundenen hinaus. Es erhellt daraus, daß nicht, wie bei den oben) 
nach Brown angeführten Substanzen (Glykokoll usw.), es sich nur um 
ein langsames Eindringen handeln kann, denn sonst dürfte der Wert 
der Hemmung niemals den durch einen nichtpermeierenden Stoff ge- 
gebenen Grenzwert überschreiten (Tab. XI, XU, XIII). 

Weiter verbreitet scheint die umgekehrte Erscheinung, daß nämlich 
in bestimmten Lösungen die Gewichtszunahme, also die Wasseraufnahme, 
in rascherem Tempo als in reinem Wasser sich vollzieht. Brown hat 
dies für Essigsäureäthylester und in schwächerem Maße für Essig- 
säure selbst beobachtet, doch zeigen wässerige Lösungen von Äthyl- 
äther oder Chloroform die beschriebene Eigentümlichkeit in weit höherem’ 
Grade. Es handelt sich dabei in erster Linie um eine Beschleunigung 
der Quellung und gehen demgemäß die in der ersten Zeit sehr an- 
sehnlichen Differenzen zwischen Ätherwasserweiche und der in reinem 
Wasser allmählich zurück. Immerhin erscheint auch die endgültig 
aufgenommene Wasserquantität durch den Äther usw. etwas erhöht und 
konnte bei längerer Berührung mit dem ätherhaltigen Wasser ein 
Platzen der Einzelkörner bewirkt werden (Tab. VI, XIV). Das Selek- 
tionsvermögen der Membran wird dabei in der Regel nicht alteriert ?), 
denn die Ätherbeschleunigung ließ sich durch Chlornatriumzusatz kom- 
pensieren. 

Es ist auch nicht zulässig, die gefundene Steigerung auf Rechnung 
des rascher als Wasser permeierend gedachten Äthers zu setzen, denn 
der unter Einfluß desselben gefundene Gewichtsüberschuß kann den 
absoluten Betrag des in der Außenlösung gebotenen Äthers nicht un- 
bedeutend überschreiten (Tab. XV) 2). 

Andererseits vermögen gerade Äther, Chloroform, wie auch der 
in Wasser ungehindert permeierende Alkohol in wasserfreiem Zustand 
die Membran des luft- oder exsiccatortrockenen Kornes nicht oder doch 
nur ungemein langsam zu durchwandern). Dies läßt sich gewichts- 
analytisch nicht verfolgen, da die genannten Stoffe nicht befähigt sind, 
eine Quellung des Korninhaltes zu bewirken. Wohl aber kann die 
fraglieke Erscheinung an der deletären Wirkung der obigen Giftstoffe 


1) Siehe pag. 188. 


2) Vgl. aber pag. 192. 
3) Ob diese Beschleunigung der Wasserzufuhr nicht doch beim Ätherfrüh- 


treiben eine Rolle spielt, wäre einer experimentellen Prüfung wert, obwohl Molisch 
bei der Warmbadbehandlung eine Zunahme des Wassergehalts nicht fand. 
4) Brown, lc. II, pag. 93. Vgl. auch meine zitierte Abhandlung im Zen- 


tralblatt für Bakteriologie, pag. 495. 


192 H. Schroeder, 


erkannt werden, wie ich an anderer Stelle ausführlich mitgeteilt habe). 
Denn Alkohol, Ätlıer und Chloroform sind bei nicht übertrieben langer 
Einwirkung harmlos für ungeschälte oder selbst des größten Teiles 
der Fruchtschale beraubte Körner, Sie zerstören aber die Keimfähig- 
keit sehr rasch bei solchen, deren Embryo auf die oben beschriebene 
Weise auch von der Samenschale befreit bloßgelegt wurde ?). 

In einem Spezialfalle gelang es jedoch, durch Veränderung in der 
Zusammensetzung des Außenmediums eine Beeinflussung des Selektions- 
vermögens zu verursachen. Nämlich dann, wenn Silbernitrat in 50°%/,igem 
Alkohol dargeboten wurde. Denn alsdann war dies sonst bei tage- 
lauger Berührung nicht permeierende Salz schon nach Ablauf weniger 
Stunden im Korninnern in unzweideutigster Weise mikrochemisch: fest- 
zustellen®). Ob dieses Permeieren dadurch veranlaßt wird, daß die 
Herabsetzung der Löslichkeit des Silbernitrates durch den Alkohol- 
wosatz‘), den Verteilungskoeffizienten zwischen Außenmedium und 
Membran, derart zugunsten der letzteren verschiebt, daß ein Eindringen 
dadurch ermöglicht wird, muß ich im Hinblick auf andere Deutungs- 
möglichkeiten vor der Hand offen lassen 5). Der Gegenversuch, Sublimat, 
dessen Löslichkeit: in Alkohol-Wassergemischen mit zunehmendem Ge- 
halt an ersterem steigt, durch Alkoholzusatz am Eintreten zu ver- 
hindern mißlang. 

Es wären demnach für eine zu fordernde pbysicochemische 
Erklärung der beschriebenen Erscheinungen die folgenden Punkte ge- 
geben: . \ : 

1. Müßte eine allen permeierenden, im Gegensatz ‘zu allen nicht- 
permeierenden Stoffen gemeinsame Eigentümlichkeit aufgedeckt werden. 

2. Weiterhin wäre die Erfahrung zu berücksichtigen, daß das 
Permeieren an einen gewissen Quellungszustand der Membran ge- 


}) Zentralblatt usw., Bd. XXVIE, pag. 492; vgl. auch Kurzwelly, Jahr- 
bücher f. wissenschaftl. Botanik 1903, Bd. XXXVIIL, pag. 291; Bequerel, Annal. 
des seiences natur. Botan. 1907, Serie NIX, Tome V, pag. 211 u. 300. 

2) 1 c. pag. 495, 496. 

3) Zum Nachweis diente Behaudlung der Schnittfläche der getroekneten und 
dann längshalbierten Körner mit Filttierpapier, das mit Chlornatriumlösung ange- 
feuchtet war, und nachherige Exposition an der Sonne. Es wurden durch diese 
auch im folgenden mehrfach augewandte Arbeitsweise Strömungen, die zum Trans- 
port von Niederschlagsteilchen hätten führen können, hintangehalten. 

4) Silbernitrat ist in Alkohol-Wassergemischen schwerer löslich als in Wasser 


allein. (Eder, Journal für prakt. Chemie, N. F. Bd. XVII. zit. nach Landolt- 
Börnstein, Tabellen, 2. Aufl., pag. 255.) 


5) Siehe im folgenden pag. 202, 


Üher die selektiv permeabele Hülle des Weizenkornes. 193 


knüpft erscheint, den allein Wasser herzuführen in der Lage ist; oder 
doch, daß Wasser das Vehikel darstellt, ohne dessen Mitwirkung auch 
die sonst permeierenden Substanzen nicht einzudringen vermögen. 

3. Endlich käme die zunächst vereinzelt dastehende Erscheinung 
in Frage, daß Alkoholzusatz für das sonst nicht permeierende Silber- 
nitrat die Bedingungen zum Eintritt schafft. 

Auch die Beschleunigung der Quellung durch die oben (pag. 191) 
genannten Stoffe wird wohl in den Eigenschaften ihrer wässerigen 
Lösung, wie denen («er selektiv permeabelen Membran ihre Erklärung 
finden müssen. Fraglieh erscheint es hingegen, ob die gleiche Forde- 
rung auch für die retardierende Wirkung der Osmiumsäure zu erheben 
ist, da in diesem Falle andere, vordem allgemein, d, h. für alle Sub- 
stanzen ausnahmslos durchlässige Schichten, ohne daß diese allseitige 
Permeabilität geändert worden wäre, schwerer durchlässig geworden 
sein können, der Schlüssel für die Wirkung der Osmiumsäure also 
unter Umständen gar nicht in Eigenschaften der selezierenden Zone 
zu suchen wäre. 


Brown hat ferner die Lösung der Frage nach der Lage der 
selektiv permeabelen Membran angestrebt. Die Gramineenfrucht 
stellt bekanntlich eine Karyopse dar; die einzelnen Elemente der Schalen 
sind speziell für den Weizen von außen nach innen die folgenden '); 


1. Die Epidermis der Fruchtknotenwand mit Cuticula. 


2. Das Parenchym derselben; 45 Zellagen, von denen im Wasser 
nur 2—3 erkennbar sind. 

3. Eine Schicht stark getüpfelter Zellen, während (des Reifens 
Chlorophyll führend; beim Weizen ohne Interzellulare lücken- 
los zusammenschließend. 

4. Die innere Epidermis der Fruchtknotenwani, getüpfelte, lang- 
gestreckte, schlauchförmige Zellen, durch weite Interzellular- 
räume getrennt. 

üs folgt nunmehr als erste Lage der Samenschale 

5. das innere Integument. da das äußere schon zeitig währen! 
der Reifung resorbiert wird, Es setzt sich aus zwei Zell- 
schichten zusammen, einer äußeren farblosen und einer inneren, 
die je nach der Varietät mehr oder minder stark rotbraun 
tingiert erscheint. Daran schließen 

1) Nowacki, Untersuchungen über das Reifen des Getreides usw., pag. 2), 


21 u. 25. Halle 1870. — Kudelka, Landwirtschaftl. Jahrbücher 1875, Ba. IV, 
pag. 461. Speziell für Weizen pag. 468. Dort, Tafel V, Abbildungen. 


194 H. Schroeder, 


6. die Epidermiszellen des Nucellus mit stark verdickten Wänden 
und nur undeutlichem Lumen, auf die dann die Kleber- oder 
Aleuronzellen, also das Endosperm folgt. 

Von diesen Schichten geben die üblichen Zellalosereaktionen '): 
Epidermis wie Parenchym der Fruchtknotenwand und die Epidermis 
des Nucellus?). Verholzts) sind die unter 3 und 4 genannten Lagen, 
die letzteren jedoch nur in geringem Grade. 

Die beiden Schichten des inneren Iutegumentes widerstehen kon- 
zeutrierter Schwefelsäure®) sowie Kalilauge. Die äußere, farblose tin- 
giert sich außerdem mit Alkanna und Sudan III rot, mit Chlorophyli- 
lösung grün, mit Osmiumsäure schwarzbraun, mit Chlorzinkjod endlich 
gelb bis rotbraun. Auch kann die Öeresinreaktion mit ihr erhalten 
werden. Bei der inneren Lage macht die kräftige Eigenfarbe die Farb- 
reaktionen zumeist; unmöglich, nur die Schwärzung durch Osmiumsäure 
ist noch zuverlässig erkennbar, die Rötung mit Alkanna wohl auch vor- 
handen, so daß das innere Integument — seine gefärbte Lage mit 
einem gewissen Vorbehalt — als verkorkt oder kutinisiert anzusprechen 
wäre. 

Brown hat für Gerste unzweifelhaft nachgewiesen, daß das 
Selektionsvermögen eine Funktion der Samenschale ist‘). Die Ent- 
scheidung der Frage jedoch, um welche Schicht derselben es sich handle, 
beantwortet, er nur mit großer Reserve und unter dem Vorbehalt einer 
späteren definitiven Lösung dahin, daß die Epidermis des Nucellus‘) 
diese Rolle spiele. Dazu veranlaßt ihn vorwiegend die Beobachtung, 
daß besonnte Schnitte durch Körner, die nach A8stündigem Verweilen 
in Silbernitrat die gleiche Zeit mit Chlornatrium behandelt waren, eine 
Schwärzung der äußeren Partien der Samenschale erkennen ließen. 
Ich kann mich wenigstens für Weizen dieser Auffassung nicht an- 
sehließen, denn die Epidermis des Nucellus gibt in typischster Weise 
die Zeilulosereaktionen und löst sich ungemein prompt. in konzentrierter 


2) Blaufärbungen mit Chlorzinkjod, mit Jod und Schwefelsäure oder Jod- 
ehlorkalzium nach Russow. 


2) In Kupferoxydammoniak fast momentan bis auf die dünne Mittellamelle 
gelöst, rascher als die Wandungen der Aleuronzellen. 


3) Phlorogluein u. Anilinsulfat. Die Reaktion von Mäule bei den Schlauch- 
zellen undeutlich. 


4) Dies Reagens löst die gauze Frucht und Samenschale (sowie die Wände 


der Aleuronzellen) mit alleiniger Ausnahme des inneren Integumentes und der 
dünnen Außencutieula des Fruchtknotens. 


5) Le. I, pag. 86. 
6) Holzner und Lermer, Beiträge zur Kenntnis der Gerste, pag. 91, 92. 


- 


Über die selektiv permeabele Hülle des Weizenkornes. 195 


Schwefelsäure, dürfte also kaum für das Nichteindringen dieser Säure 
verantwortlich zu machen sein. Ich glaube vielmehr, daß das als kutini- 
siert oder verkorkt erkannte innere Integument als semipermeabele 
Membran anzusprechen sei, zumal ähnliche Funktionen derart impräg- 
nierten Zellwänden wiederholt zugeschrieben wurden ?). 

Man wird aber noch eine andere Eventualität berücksichtigen 
müssen, nämlich die, daß diese Schichten absolut — also auch für 
Wasser — impermeabel sind und daß ein lokalisierter Stoffeintritt statthat. 
In der Tat läßt sich eine ganze Reihe von 


Beohmchtungen zugunsten. dieser Aufasang al)» ii 


So fürbt sich Weizen in verdünnter 
Lösung von Jod in Jodkalium zunächst in 
einer in unmittelbarer Nähe des Embryo 
gelegenen Zone blau. Von da schreitet die 
Reaktion kontinuierlich spitzenwärts vor, 
rascher auf der Rücken- ale auf der Bauch- 
seite. Die Erscheinung ist unabhängig von r) 
der Konzentration des Jodes (Yıopoo—+ı NOX- Fig. 1. Weizenkorn nach 
mal), nur wächst die Geschwindigkeit des Vor- Einweichen in Jodjodka- 
u . F ” liumlösung. «@ Äußerlich; 
rückens mit steigendem Jodgehalt?) (Fig. 1). & im Längsschnitt, seitlich 

Genau auf die gleiche Weise beginnt und der Furche, (Die schraf- 
verbreitet sich die beim Einbringen der Weizen- orten Pe Tod. 
körner in wässerige Osmiumsäure auftretende 
Schwärzung. Charakteristisch ist: der Weg dieses Reagens im Inneren 
der einzelnen Aleuronzelle. Denn es beginnt daselbst die Schwarz- 
färbung des Inhaltes in jedem Falle am Außenrande und rückt gleich- 
mäßig durch die ganze Breite der Zelle in der Richtung nach dem 
Korninneren vor. Die nachstehende Fig. 2 läßt. dies ohne weiteres er- 
kennen; die Stadien, die dort simultan an nebeneinander gelegenen 
Zellen dargestellt sind, werden von der Einzelzelle sukzedan durch- 
laufen. Dabei bleibt aber unverkennbar, daß alle Phasen der Reaktion 


von den Zellen um so früher durchlaufen werden. je näher dieselben 
am Embryo gelegen sind. 


1) Pfeffer, Osmot. Untersuchungen, pag. 144, 179 und Tübinger Unter- 
suchungen, Bd. II, pag. 179. 

2) Bei geringen Gaben läßt sich dies äußerlich ohne weiteres erkennen; bei 
stärkeren ist es notwendig, zunächst die durch das Jod intensiv schwarzbraun ge- 
färbte Fruchtschale zu entfernen. Brown gibt für Gerste allseitiges Rindringen 
des Jodes an, nur mit Erschwerung in der Furchenregion. 


[74 


196 H. Schroeder, 


Gleicherweise lassen sich Sublimat und das aus 50°/, alkoholischer 
Lösung permeierende Silbernitrat zuerst in der Umgebung des Embryo 
feststellen. Da aber in beiden Fällen der Nachweis des eingedrungenen 
Stoffes nur mit Hilfe von Außenreagentien und an Schnitten geführt 
werden kann, so sind die Resultate nicht derart, scharf wie bei (den 
zuerst angeführten Substanzen ). 

Endlich konnte ich die Beobachtung Brown’s?) bestätigen, daß 
der Farbenumsehlag ‘der Aleuronzellen von Hordeum coerulescens beim 
Eisdringen der Salpetersäure in derselben Weise in der Gegend des 
Keimlings beginnt und von da aus nach der Spitze vorschreitet 3). 

Leider kann die Entscheidung der Kernfrage, ob derartig lokali- 
siertes oder einseitig vorauseilendes Eindringen auch für den Zu- 
tritt des Wassers gilt, nur auf Umwegen angestrebt werden. Und 
zwar um deswillen, weil die schwer durchlässigen oder undurchlässigen 
Schichten in einem gewissen Tiefenabstand unter der Oberfläche an- 
geordnet sind. -Ein partielles Überstreichen oder ein Wundver- 


Sa 


m 


Fig. 2. Längsschnitt durch ein Weizenkorn nach 16stündigem Verweilen in '/, °/, 
Osmiumsäure. 


schluß dureh oberflächlich aufgetragene, wasserundurchlässige Medien 
gewährt daher keinerlei Sicherheit dafür, daß nicht gerade an der ver- 
meintlich geschützten Stelle der Wassereintritt sich vollzieht. Sind 
doch in der Fruchtschale zwischen dem Überzug und den verkorkten 


Lagen der Samenschale Flüssigkeitsströmungen sehr wohl denkbar und 
auch tatsächlich unschwer festzustellen *). 


1) Sublimat wurde mit Jodkalium oder Ammoninnsulfid, Silbernitrat mit 
Chlornatrium und darauffolgender Belichtung nachgewiesen; beide Male durch 
Andrücken der Schnittfläche auf mäßig mit den Reagentien befeuchtetes Filtrier- 
papier. Siehe pag. 192, Anmerk. 3. 

2) 1. c. I, pag. 83, Anmerkung. 

3) Nach sehr langer Berührung drangen in einen Versuchen auch Salzsäure 
und noch langsamer Schwefelsäure ein (Brown, l. c. I, pag. 82, Anmerk.), Beide 
Säuren bewirkten Farbenumschlag gleichfalls zunächst in der Nachbarschaft des 
Embryo, mit Fortschreiten von da aus. 

4) Taucht man Weizen nur mit der Spitze in Sand (oder Gelatine), der mit- 
„odkalium durehtränkt ist, so tritt die Blaufärbung, genau ebenso wie beim voll- 


Über die selektiv permeabele Hülle des Weizenkornes. 197 


Ich durchtränkte, um den Weg des einströmenden Wassers zu 
verfolgen, halbierte Weizenkörner mit Kobaltechlorür, trocknete sie und 
beebachtete den nunmehr bei Wasserzutritt erfolgenden Farbenumschlag 3, 
Dabei war eine Verletzung der Körner leider unerläßlich, da Kobalt- 
ehlorär zu den nichtpermeierenden Körpern gehört. Wurden nun die 
dergestalt imprägnierten Teilstücke in Wasser gelegt, so zeigten sich 
charakteristische Unterschiede in ihrem Verhalten, je nachdem, ob es 
sich um die Kornhälfte mit dem Embryooder um die Spitzenhälfte handelt. 

Bei letzteren — den Spitzenteilen — erfolgte der Farbenumschlag 
und somit der Wassereintritt nur von der Schnittfläche aus und fand 
von dieser ausgehend ein ziemlich gleichmäßiges Vorrücken nach der 
Kornspitze statt, die in etwa 3—4 Stunden, je nach der Größe des 
Teilstückes, erreicht wurde. Bei den embryoführenden Hälften ließ sich 
neben der Schnittfläche noch ein zweites um den Keimling gelegenes 
Ausbreitungszentrum des Wassers erkennen und wanderten somit zwei 
Ströme, einer von der Wunde und einer vom Embryo her, einander 
entgegen. Der letztere zeigte, genau wie dies vorstehend für die 
permeierenden Stoffe beschrieben ist, die 
größte Geschwindigkeit auf der Rückseite 
des Kornes (Fig. 3 u. 4), der andere 
strömte allseits ungefähr gleich rasch. 
Die beistehenden, mit dem Zeichenprisma 
hergesteliten Figuren sind danach ohne \ 
weiteres verständlich. Fig. 3. Fig. 4. 

Werden die mit Kobalt impräg- wit CoCl, imprägnierte Teilstücke 


nierten Kornhälften statt in Wasser des Weizenkornes: Fig. 3 Embryo- 
. Ri RN 2 1 hälfte nach 14/,stündigem, Fig. 4 
in eine hochkonzentrierte Lösung des  spitzenhälfte nach 2stündigem Ein- 


nichtpermeierenden Chlornatriums gelegt, weichen. (7 Rot, IF Blau.) 


ständigen Benetzen, zuerst in der Region des Embryo ein, also an dem aus der 
Flüssigkeit in die Luft ragenden Teil. Auch dann, wenn die Oherfläche des Kornes 
vollkommen trocken blieb und äußerlich keinerlei Anzeichen für ein Hochsaugen 
erkennbar war. Überstreichen des Keimlings sowie der anliegenden Bezirke mit 
Fett, Vageline, Asphaltlack, Paraffin usw, änderte an diesem Ergebnis nichts. Danach 
sind viele der in der Literatur vorhandenen Angaben für oder gegen lokalisiertes 
Eindringen, die auf Versuchen basieren, in denen nach der Methode des partiellen 
Überstreichens mit wasserundurechlässigen Stoffen gearbeitet wurde, als nieht beweis- 
kräftig zu verwerfen. — Auch die Folgerungen von Behrens (Bericht der Versuchs- 
anstalt Augustenburg 1906, pag. 60) erscheinen nicht einwandfrei, da ich den dichten 
Wundverschluß zum mindesten für fraglich halte. Behrens selbst hat übrigens 
auf die Möglichkeit diener Fehlerquelle aufmerksam gemacht (1, «. pag. 64). 

2) Die Behandlung mußte wegen des Voranseilens das Wassers vor dem Salz 
mehrfach wiederholt werden, un: durchaus gefärbte Stücke zu erhalten. 


Flora, Bd. 102. 14 


198 H. Schroeder, 


so findet auch bei den Embryohälften die Wasseraufnahme fast aus- 
schließlich von der Schnittfläche aus statt, es tritt demnach das am 
unversehrten Korn allein in Frage kommende Einströmungszentrum 
völlig zurück, ganz im Einklang mit den Tab. I mitgeteilten Versuchen. 

Ebenso läßt sich gewichtsanalytisch zeigen, daß beim durch- 
schnittenen Korn die Wasseraufnahme in dem den Keimling führenden 
Teilstück rascher sich vollzieht als in dem Spitzenteil (Tab. XVI). Ein- 
weichen in starke Kochsalzlösung bringt auch für diese Methode die Differenz 
zum Schwinden (Tab. XVII), Es findet eher ein Umschlag ins Gegenteil statt. 

Beim unversehrten Weizen eilt gleichfalls die Wasseraufnahme 
der Embryoseite voraus, wie bei einem nachträglichen Querhalbieren 
die Wasserbestimmung der sortierten Halbkörner ergibt. In Tab. XVII 
ist eine derartige Versuchsserie Eberhart’s mitgeteilt‘). Das gleiche 


Resultat zeitigte ein eigener Versuch (Tab. XIX), in dem die Zunahme | 


des Wassergehaltes, d. h. der gefundene abzüglich des ursprünglich in 
den getrennt analysierten Hälften vorhandenen angegeben ist. : 

Für diese Befunde kommen nach meinem Dafürhalten für das 
unversehrte Korn, auf das allein die folgenden Ausführungen sich 
beziehen sollen, im wesentlichen zwei Deutungen in Betracht. Einmal 
war an lokalisiertes Eindringen am oder um den Keimling zu denken. 
Es müßte sich, sofern dies zutrifft, das Wasser am schnellsten in 
den Riehtüngen parallel zur Kornoberfläche bewegen. Denn andernfalls 
bliebe es absolut unverständlich, warum nicht die gefundenen quantitativen 
Differenzen einen weit höheren Betrag erreichen. Vielleicht kämen die 
zerdrückten Nucellarzellen als Wasserbahnen in Frage; damit wäre zu- 
gleich das auffallende Verhalten der eindringenden Osmiumsäure erklärt. 

Andererseits könnte ein allseitiger Eintritt erfolgen, der am ge- 
schwindesten am Embryo sich vollzöge und dessen Schnelligkeit ven 
da aus kontinuierlich und durchaus gleichmäßig nach der Spitze zu 
abnähme, und zwar etwas rascher auf der Bauchseite wie auf der 
Rückenseite. Diese auf den ersten Blick recht kompliziert: aussehende 
Annahme könnte in relativ einfacher Weise durch eine das Korn aller- 
oıts mmgebende schwer durchlässige Hülle von ungleicher Mächtigkeit 
realisiert sein. Die dünnsten Stellen müßten über bzw. am Keimling 
situiert sein und von da aus müßte ein gleichmäßiges und kontinuier- 
liehes Anwachsen ihrer Stärke stattfinden, die an der Spitze am größten 
wäre, wie dies der zeitliche Verlauf des Wassereintritts anzeigt. Im 
iegensatz dazu fordert die zuerst ausgemalte Möglichkeit eine voll- 


)) Über das Vorquellen der Samen, Diss, Jena 1905. Dort auch ältere 
Literatur. 


R 
h 


Über die selektiv permeabelo Hülle des Weizenkornen. 199 


kommen undurchdringliche Umhüllung mit einer oder mehr Durch- 
bruchsstellen in der Nähe des Keimlings. Für den praktischen Erfolg 
fielen die beiden Eventualitäten zusammen, wenn bei der an zweiter 
Stelle angeführten die Dickenzunahme der schwer durchdringlichen Haut 
und damit die Behinderung der Wasseraufnahme derinaßen rasch sich voll- 
zöge, daß für die nach der Spitze zu gelegenen Partien der Wasserbezug 
von den Teilen in der Nachbarschaft des Embryo geringere Widerstände zu 
überwinden hätte, wie die direkte Aufnahme von außen durch die Schale. 

Eine zwingende Entscheidung zwischen den beiden skizzierten 
Annakmen erlauben die mitgeteilten Versuche nicht, wenn sie auch in 
mehrfacher Hinsicht zugunsten der letzteren, allseitiges, aber ungleich 
rasches Eindringen, sich auswerten lassen. 

Die Hoffnung, durch eine anatomische Untersuchung des Kornes 
weitere Aufklärung zu gewinnen, erwies sich als trügerisch. 

Nur einer der vielen in der gedachten Riehtung angestellten Ver- 
suche ergab ein einigermaßen eindeutiges Resultat. Fixiert man im 
unbedeckten Gefäße Weizenkörner mit der Spitze in 5—10°/, Gelatine, 
derart, daß sie nur auf i/, bis 1/, ihrer Länge eintauchen, so zeigt 
sich, allerdings erst nach Tagen, das Endosperm der Kornspitze eben 
werklich erweicht. Die übrigen Partien besitzen dagegen noch unge- 
fähr den Härtegrad des Iufttrockenen Samens, und die Schale ließ über 
dem Embryo das übliche gerunzelte Aussehen erkennen. Jede andere 
Deutung als die einer unmittelbaren Wasseraufnahme von seiten der 
Spitze erscheint gesucht; und so spricht dieser Versuch für eine all-. 
seitige aber ungleich rasche Aufnahme. Er demonstrierte gleicherweise,, 
welchen Schwierigkeiten der Wassereintritt an der Spitze begegnet. 
Hatten doch in derselben Zeit, in der das Endosperm der mit der 
Spitze eintauchenden Körner gerade erweichte, umgekehrt also mit der 
Basis eingeschmoizene Samen, mehrere Zentimeter lange Wurzeln ge- 
trieben bei entsprechender Länge des Blattkeims, mitlin sehr beträcht- 


liche Mengen Wasser aufgenommen. 
Selbst unter diesen Bedingungen, Einschmelzen nur der Spitze in Jod- 


gelatine, konnte aber keine Aufnahme des Jodes an dieser Stelle herbei- 
geführt werden, sondern unverändert zeigte sich das früher beschriebene Bild, 
Beginn der Blaufärbung um den Keimling und Ausbreitung von da aus'), 
Die Folgerungen aus all diesen Versuchen lassen sich bei vor- 
sichtigster Erwägung in folgender Weise formulieren: 
Unter normalen Keimungs- bzw. Weichbedingungen erfolgt (die 
Wasseraufnahme des unverletzten Weizenkornes ausschließlich. am 


1) Siehe Anmerkung pag. 197, 
14* 


200 H. Schroeder, 


Embryo resp. in dessen unmittelbarer Nachbarschaft. Von da aus ver- 
breitet sich die Feuchtigkeit am raschesten parallel zur Oberfläche in 
longitudinaler Richtung, viel langsamer erfolgt die Bewegung senkrecht 
dazu von außen nach den inneren Schichten des Kornes. Doch ist an 


den übrigen Stellen die Schale nicht unbedingt undurehlässig für 


Wasser, setzt aber dessen Durchtritt einen solchen Widerstand entgegen, 
daß die Aufnahme auf dem geschilderten Wege leichter vonstatten geht. 


Über die theoretischen Grundlagen der vorstehend mitgeteilten 
Beobachtungen liegen, bereits mehrfach Äußerungen vor. Brown?) hat 
sich dahin ausgesprochen, «laß ein Zusammenhang zwischen dem Disso- 
ziationsgrad und der Fähigkeit zu permeieren oder nicht zu permeieren 
nicht bestehe. Ebensowenig glaubt er die Wirkung auf die Ober- 
lächenspannung oder (lie Viskosität als Einteilungsprinzip verwenden 
za können. Er hält es, ohne in die Betrachtung von Details einzu- 
treten, für (das wahrscheinlichste, daß die Art und Weise der Bindung 
der Moleküle des gelösten Stoffes an die des Wassers über Eintritt 
oder Nichteintritt; eutscheide. - 

Im Anschluß an die zweite Veröffentlichung Brown’s hat Arm- 
strong?) seine Anschauungen entwickelt, die, in gewissem Sinne weiter 
ausgeführt, mit den obigen (Gedankengängen Brown’s übereinstimmen. 
Denn auch Armstrong macht, wohl im Einklang wit früher von ihm 
ausgesprochenen theoretischen Auffassungen, die Bindung der Teilchen 
der gelösten Substanz an Wasser für Eindringen oder Nichteindringen 
verantwortlich. Stoffe, die Wasser kräftig anziehen und darum in der 
Lösung wahrscheinlich in Form von Hydraten vorhanden sind, seien 
nicht permeierend, die übrigen, permeierenden, ziehen Wasser nur in 
geringem Maße an und sind in der Lösung größtenteils unhydriert. 
Da die Membran in gleicher Weise hydriert zu denken ist, können die 
letzteren Substanzen gewissermaßen als indifferente das Imbibitions- 
wasser derselben passieren, wogegen bei den übrigen eine Abstoßung 
ler beiderseitigen Wassersphären eintrete. 

Auf umfassender Basis hat J. Traube in letzter Zeit eine Er- 
klärung angestrebt, im Anschluß an die von ihm entwickelte Theorie 
des Haftdruckes®). Es würde zu weit führen, wollte ich auf diesen 
Begriff des näheren eingehen. Es sei nur bemerkt, daß nach Traube 


YLeM, peg 3. 


2) Proceedings Royal Society, Ser. B (Biological), Vol. LXXXL, pag. 9. 


3) Biochem. Zeitschrift 1910, Bd. XXEV, pag. 328, speziell pag 329 und 
Plüger's Archiv 1910, Bd. CXNKII, pag. BlL. 


nn. 


l 


Über die selektiv permeabele Hülle des Weizenkornen. 301 


die Lösungsenergie einer Substanz proportional ist der Zahl der ge- 
lösten Teile (Kapazitätsfaktor) und dem Druck, welcher dem An- 
ziehungsvermögen des gelösten Stofles für das Lösungsmittel ent- 
spricht‘). Letzteren für Aguivalent des gelösten Stoffes berechnet, 
nennt Traube Haftdruck. Es steht in gesetzmäßigen Beziehungen 
zur Wirkung des gelösten Stoffes auf die Oberflächenspannung des 
Lösungsmittels, worüber genaueres in den angeführten Publikationen 
Traube’s zu finden ist. 

Die Bedingungen für den Eintritt eines Stoffes resultieren nach 
Traube aus dem Haftdruck desselben in der Außenlösung, der Membran 
selbst und endlich der Innenflüssigkeit, d. h. der Flüssigkeit auf der 
Gegenseite der Membran, wobei sonstige in den Lösungen vorhandene 
Stoffe in entsprechender Weise in Rechnung zu setzen sind. Soweit 
mir als Nichtfachmann ein Urteil in dieser schwierigen Materie möglich 
ist, hat der Traube’sche Erklärungsversuch, der eine gewisse Ver- 
wandtschaft mit den Anschauungen von Brown und Armstrong be- 
sitzt, vieles für sich. Er vermöchte außer dem Permeieren oder Nicht- 
permeieren auch die Beschleunigung der Quellung durch Äther, Chloro- 
form usw. zu erklären ?). 

Das Nichteindringen der wasserfreien Stoffe, wie Alkohol usw., 
wird auch auf dem Boden dieser Annahmen mehrfache Deutungen zu- 
lassen, entsprechend der komplizierten Struktur ler Schale, deren Ein- 
Huß sich natürlich auch am toten Korn geltend macht. So könnte man 
sich leicht vorstellen, daß die Zelluloseschichten, z. B. Fruchtschale 
oder Nucellarüberrest, die in wässeriger Lösung alle Substanzen aus- 
nahnıslos durchlassen, in trockenem, ungequollenem Zustande undurch- 
dringlich seien. Eine derartige Perspektive hat, ohme Beziehung zum 
vorliegenden Spezialfalle, Traube selbst ausgemalt, indem er ausführt, 
daß beim System Wasser, Zellulose, Alkohol eine Wanderung des 
ersteren zum Alkohol stattfand, ein Prozeß, der sich beim Verdünnen 
des Alkohols mit Wasser umkehrt®). Es wäre aber nicht undenkbar, 
daß die selektiv permeabele Schicht auch in diesem Falle die aus- 


ji). ec. I, pag. 512. 

2) 1. c. II, pag. 533, 534. 

3) 1l.c. I, pag. 327 und I, peg. 535. Die Abnahme des Gewichts luft- 
troekner Weizenkörner in Alk. absol. wird man nicht mit diesen Verhältnissen 
allein in Beziehung zu bringen haben, zeigen doch das gleiche Verhalten, einen 
Gewichtsverlust, halbierte Körner, bei denen nach dem Vorgetragenen die Membran- 
wirkung ausgeschaltet ist. (Für unverletzte Körner enthält meine Arbeit im Zen- 
tralblatt f. Bakter. usw., pag. 496, Anmerk., einige Zahlen. Die bei durchsehnittenen 
gefundenen stimmten vollständig mit ihnen überein.) 


202 H. Schroeder, 


schlaggebende Rolle spielt. Sie könnte in ungequollenem Zustande — 
Quellung bewirkt eben nur der Zutritt von Wasser — entweder die 
fragliche Substanz überhaupt nicht aufnehmen oder im Gegenteil einen 
derartigen Haftdruck besitzen, daß eine Abgabe an das Innenmediun 
nicht stattfände. . 

Endlich läßt sich mit Traube’s Ideen die Tatsache, daß Alkohol- 
zusatz das ohne diese nicht permeierende Silbernitrat zum Permeieren 
veranlaßt, gut erklären, hat er doch derartige Vorgänge als Haftdruck- 
lockerung gefordert. Allerdings liegt wohl gerade hier der Schlüssel 
für weitere experimentelle Prüfung seiner Theorie, denn es müßte ent- 
weder «dieser Fall aus seiner Vereinzelung heraustreten oder eine Er- 
klärung für diese Ausnahme gegeben werdent). 

Ob man ohne die komplizierteren Annahmen Traubes unter alleiniger 
Berücksichtigung des Teilungskoeffizienten wird auskommen können, um 
(ie Kausalität der beschriebenen Erscheinungen in befriedigender Weise 
zu erklären, läßt sich heute nieht wohl voraussagen, da die vorliegen- 
den experimentellen Daten zu dürftige sind, und namentlich die Frage 
nach dem Einfluß von Lösungsgenossen erst ganz neuerdings aufge- 
worfen und experimentell behandelt wurde 2). 

Man wird sich hei allen Deutungsversuchen für die beschriebenen 
Vorgänge davor küten müssen, die Schale des Weizenkorns als schlecht- 
weg semipermeabel und einheitlich anzusehen, sondern man wird sich 
stets vor Augen halten müssen, daß bei eingetretenen Veränderungen 
(ler Außenbedingungen ein abweichendes Resultat durch den Eingriff 
vorher unbeteiligter Lagen der Hülle zustande kommen kann, wie das 
vorstehend wiederholt angedeutet wurde. Es erscheint diese Warnung 
gerade im Hinblick darauf, daß nicht Biologen die theoretische Ver- 
wertung anstreben, nicht ungerechtfertigt. 

Was schließlich die quantitative Seite der Frage anbelangt, so 
wird man in vielen Fällen eine präzise Übereinstimmung meiner Zahlen 
mit den berechneten Werten Traube’s oder den Befunden Brown’s 
vermissen. Es wäre verfehlt, diesen Mangel gegen die entwickelten 
Theorien ausbenten zu wollen. Denn die von mir wie Brown benutzte 
Methode ist recht wenig genau; bedingt doch, wie oben ausgeführt, die 
Fruchtschale unter allen Umständen einen gewissen Fehler, der durch 
die unvermeidlichen verletzten Körner eine Steigerung erfährt. 


1) Traube, I. c. II, pag. 529. 
2) Spiro, Physikal. Chemie der Zelie, pag. 32 (Oppenheimer’s Handbuch 


der Biochemie, Bd. J. erste Hälfte, pag. 1). Reichel, Biochem. Zeitschrift 1909, 
bd. XXIL pag. 149, speziell pag. 166. 


u oo 


8. 


} 
i 
i 
; 
{ 
j 
3 
! 
| 


Über die selektiv permeabele Hülle des Weizenkornes. 208 


Tabelle I. 
Gewichtszunahmen von Weizen und Erbsen in Wasser bzw. Chlor- 
natriumlösungen, ausgedrückt in Prozent des Lufttrockengewichts (An- 
fangsgewicht). 


Erbsen Weizen 


Unverletzt | Halbiert 


An 51020) o |slıoso| o | 5 110 a0|33] 0 | z |10| 20:3 
‘ ER BR IR ERBE BEER BEER Il 
Dauer j | ! I | 
Tage \ | H 
1 69 |81,,161 1061866474130 j21 j18 113 101, 
2 87! 82”|83|| 108 9210187140 B7Y,B3/,l6 127, 
3 92| 89 |80! — Hasaao|45 jan "ası,ız 12", 
4 91 95, — [48 l264/, 
5 1158 D7%, 
6 —! —— 1551,,814,,28,,20 | — ! 
7 1 [1 [1-56 sa 29 20 | — | 
8 1-1 1---[59 ss be har, — | 
9 | 61 88 Bay) — | 
10 N 162 24) 1 — |! 
u |-|- 63 — 5", j - 
| | | 


Tabelle EI. 
(rewichtszunahme in verschieden konzentrierten Chlornatriumlösungen 


in Prozent des bei gleichlangem Verweilen in reinem Wasser ge- 
fundenen Wertes. 


Erbsen Weizen 


NaCl 


in 5% 109%, 20% 5% 10% 20%, 
o 


Hal- [Unver-! Hal- [Unver-| Hal- |Unver-' Hal- 


Dauer Unver-' Hal- |Unver-| Hat- |Unver- 1 
biert| letzt |hiert letzt !biert! letzt Pier? 


Tage | letzt | biert| letzt | biert| letzt 


ı jo, !|81 |) w jo 1 8 | oo 09, joa |5 [9 28 

2 lani 8 | Isay, za |8ı 69 is Ia6 92 I 29 has, 

3-86 1851| 8 183 84 | 84 | 6427, 1954,,| 5317, 102 | 88 1103 

ll) |< |<)" ao) — os 
| | 


Tabelle DIT. 


(tewichtszunahme angeschnittener Weizenkörner in 20%, NaCl (in 
Prozenten dies Trockengewichts). 


- Dauer in Tagen 1 2 , \ 4 
— 1 

Zunahme 23 i 32 38 ! 43, 465 
Zum Vergleich können die entsprechenden Zahlen der Tabelle I dienen. 


264 H. Schroeder, 


Tabelle Ina. 


Wechsel der Konzentration der Chlornatriumlösungen (Angaben in 
Prozent des Lufttrockengewichts). 


Daner Tage“ | sılala | ia |5 6 
- ! — (m j 
2% | ührt 
Gabe! ; | Übergeführ | 
i l 
| IT| 
, Bil en iM 197) 98 
Kirbsen { 20. | 61 | 88 | Er U > | nmbnah 
' tewichtsabnahme 
Halbierter (| 50,149 51 52 | 20% |56 | 5% |] aurch Ausschlim- 
Weizen 20 DM a2 | 56, | 58 | 5%, 56 50 || men aus den er- 
| a Bu weichten. Körnanı 
Unyersehrter 5% | ai lei my Jam,|a6i » {nadl dba 
Weizen 209,18, 15% | 9 Be ala 


Tabelle IV. 


Unverletzter Weizen in Lösungen von !/, Grammformelgewicht in 
1 Liter Wasser (Thermostat. 26° O). 


Zunahme in Prozent des Zunahme in Prozent des 


Lufttrockengewichts Wertes in reinem Wasser 

Dauer in Stunden 24 48 72 
Hell, . - 117,5 

Aq. dest... . 100 
Rohrzucker , 77,2 
NaF 76,4 
Kal. 76, Mi 
KNO, 75,8 
Nat . 74,8 
K,C0, . KEN 

N2,00, 72 
Ball, 71,5 
N2,80, 712 


Tabelle V. 


Umverletzter Weizen in Lösungen des Grammformelgewichts in 1 Liter. 
Dauer 36 Stunden. Thermostat, 28° C 


nee — = | 


ı 
des Anfangs Br Bar | 30,7 180 haar | 
gewichts ! \ | 
Annahme in ®, 1 
des Waser- 10 ( P87 1 55,1 168,8 | 505 | 48,3 | 464 | 41,5 
i ! 


wertes j 


Über die selektiv permeabele Hülle des Weizenkornes. 205 


Tabelle VI 
Unverletzter Weizen in Lösungen des Grammformelgewichts in Liter. 


Zunahne in Prozent | Zunahme’iu Prozent| Keimfähig- 


des Trockengewichts) des: Wasserwertes keit 
Weichdauer in Stunden 22 47 22 47 

a 2 n 0 

Äthyläther. . 2... - 60,05 66,75 162 197 alle geplatzt 
Actonitll. 2...» 41,65 53,6 104 104 80%, 
Aceton.» 2 22. 42,5 51,9 106 101 84%, 
Ag. dest. 22.2.0. | 401 51,5 100 100 98%, 
Athylalkobel . . . . . 40,5 51,2 101 99,4 100%, 
Methylalkohel . . . . 40,8 49,95 103 97 8% 
Seignettesalz - . - - . | 261 29,3 65,1 57 36%, 

Tabelle VIL 


Halbierte Weizenkörner in Lösungen des Grammformelgewichts in 1 Liter. 


Zunahme in Prozent | Zunahme in Prozent. 


des Treckengewichts} des Wasserwertes 
R Dauer in Stunden. 23 48 | 23 48 
! 
Ball, . .. . - 53,8 62,7 104 118,5 
RNO,..... 55,7 55,4 108 105 
Aceton... - 52,5 535 | 1015 | 101 
Aq. dest... . 51,7 52,9 100 100 
Mill ..... 48,8 51,7 94,5 97,7 
Rohrzucker . . . 42,8 48,3 82,9 91,3 
M8S0, .. .. 414 45,6 80,1 862 
\ 
Tabelle VILLE. 


Gewichtszunahme bei Weizen in Prozent des Lufttrockengewichts (für 
unversehrte und am Embryo vollständig geschälte Körner s. 8. 189). 


Dauer in Tagen ı 2 3 4 6 8 10 13 


ofen | aa | a8 | 502 | 50 | 025 | 6a2 008 | — 
eat 325 | ana | 58 | sıı | 578 | 019 | 5 | — 


1, N. f geschält 28,3 | 352 | 389 | 417 | 46,5 49 53,3 | 56 
ac 25,6 | 32,6 | 35,2 | 38 39,2 | 405 | 42,1 | 43,1 


2, N. fgeschält | 205 | 106 | ana | 536 | 394 | 86 | 663 | — 
ungeschäls | 24,1 | 32 | 35,8 | aa8 | sgs5} auz | 485 | 458 


en N 
=} 
C) 


| 


206 H. Schroeder, 


Tabelle IX, 


Gewichtszunahme der geschälten Körner, ausgedrückt in Prozent der 
für unversehrt Körner im gleichen Medium gefundenen Werte. (Der 
gleiche Versuch wie in Tab. VIIL) 


Dauer in Tagen 


Wasser . . 108 104 982 | 982 
%, N. NaCl. 116 121 | 127 184 
21 N. AgNO, 1 |ı2 | — 


Tahelle X. 


Titerzunahme einer Chlornatriumlösung durch den Wasserentzug quellen- 
den Weizens. 


Beobachtu ings- | Gefundene Ge- . Aus letzterer 
Dauer intervall | wiehiszunglume | Tieerzunahme | ch note Wasser- 
in Stunden in Stunden in @ von 10 com aufnahme 
1 1 0,590 0,3 0.20 

25 24 1,420 1,6 1,28— 1,38 

49 ‚24 0,410 0,5 0,38—0,48 

121 72 0,440 0,35 0,24—0,34 

Tabelle XI. 


Gewichtszunahme unverletzten Weizens in Prozent der für reines 
Wasser gefundenen Zunahme. 


Dauer in Tagen 1 | 2 °’ . 
9 080 . 73,5 79 79,3 
a 2 | a8 | dur | 388 
Tabelle ZIEL 


Zunahme in Prozent des Trockengewichts. 


Dauer in Tagen 


-Über die selektiv permeabele Hülle- des Weizenkornes. 207 


. Tabelle XIII. 
Zunahme wie vorstehend innerhalb von je 24 Stunden in reinem Wasser. 


A. mit OsO, vorbehandelte Körner: 28,5%, 39%, 455% 
B. frische Körner: 42,4°%, 50,2%. 


Tabelle XIV. 
Zunahme in Ätherwasser (Versuchsdauer 24 Stunden). 


Zunahme in Prozent des Zunahme in Prozent des 


Trockengewichts Wasserwertes 
ganze Körner | Halbkörner | ganze Körner | Halbkörner 
Ag. dest... . - 36,2 53,5 100 100 
Ges. Ätherwasser . . 5L1 50,3 141 94 


In gesättigtem Chloroformwasser nach 24 Stunden 150 %% und nach 
43 Stunden 145°/, des Wasserwertes. 


Tabelle ZV. 


Gewichtszunahmen absolut. 


100 Weizen in gen. Ätherwasser 2,425 g 
in Aq. dest... . 1840 & 


Differenz 0,585 g 
Im ges. Ätherwasser vorhandene Äthermenge (absolut) 0,429 g. 


Tabelle XVIa. 


Weizen. Gewichtszunahme in Prozent des Trockengewichts. Destilliertes 
Wasser. (Vor dem Einquellen halbiert.) 


A B 6 


Dauer Unversehrie | Embryo- Spitzen- Differenz 
Kömer halften halften | — 

3 Stunden . 139 T 26,15 228 +3,35 

6 u 19,7 36,3 30,2 +51 
18%, » 309° BLB 47,4 +41 
2 Oo, 40,1 55,8 54,9 0,8 

3 Tage 45,3 56,1 55,2 +09 

6,» 53,8 

Tabelle XVIb (wie oben) 

1 Stunden 95 15,1 17,5 —24 

4 y 15,4 29,2 25,65 +3,55 

7» 21,5 87,45 31,2 +6,25 
0 5, 25, 41,8 34,8 +70 
23 33,25 51,7 42,8 +39 
2 o „ 88 54,3 50,4 +39 
2 „ 41,2 Abnahme 58,3 +) 

3 Tage 44,6 _ Abnahme _ 

6. 52 _ _ _ 


208 H Schroeder. Über die selektiv permenbele Hülle des Weizenkornes. 


. Tabelle XVIL (wie vorstehende Tab. XV). 
Nalezu gesättigte Chlomatriumlösung. 


B-6 
(wie Tab. XVH 


Wassergehalt in Prozent nach Eberhart (nachträglich halbiert und 


| | 
| 


analysiert). 
Trieitum polonicum Gerste 
Daver 
in 20° C. ‚22° 6. 20° C. 
Tagen _ . - B - F 
”g° Eule Spitze Bat 2 Spitze Bubıyo Spitze 
Y, 57,64 4,0 | 46,26 36,02 5746 | 35,01 { 
i 64,67 53,37 53,19 43,49 64,84 50,27 h 
2 75,33 6432 1. 59,96 50,14 74,62 63,59 ; 
3 .L 7748 70,92 63,88 57,09 81,18 71,38 | 
4 80,74. 77,35 68,71 61,60 85.93 75,65 
5 82,45 78,70 79,92 66,84 86,44 78,73 f 
Tahelle XIX. 


Zunahme des Wassergehalts in Prozent. Versuchsdauer 7'/, Stunden. 
(Nachträglich halbiert und analysiert.) 


8°C. | 17°C. | 29°C. 
Embryohältten . . 13,4 21,1 | 267 
Spitzen.» 2... 61 10,7 175 
Differenz . . . . 7,8 10,4° 92 


Druck von Ant. Kämpfe in Jena, 


Flora, Bd. 102. j Tafel IX. 


Nienburg phot. Verlag von Gustav Fischer in Jena. 


VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 


Soeben erschien: 


Probleme der Protistenkunde. 
Von Dr. F. Doflein, 


a. 0. Prof. der Zoologie an der Universität München. 
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Heft 1: Die Trypanosomen, 
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UNGSPTODIEM. Berlin. Mit 27 Abbildungen im Text. 1909. 

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Praxis und Cheorie der Zellen- und Beiruchtungslehre. Von Dr. 


Valentin Häcker, a. o. Prof. in Freiburg i. Br. Mit 157 Abbildunger. im 
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Zellkerns. Mit 75 Abbildungen im Text. 1904. Preis: 2 Mark 50 Pf. 


VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 


ne tan 


Über die Traubenwickler 


(Conchylis ambiguella Hübn. 
und Polychrosis botrana Schiff) | 


und ihre Bekämpfung mit Berück- } 
sichtigung natürlicher Bekämpfungs- ' 
faktoren. 


Vorstand der zoologischen Abteilung an der Kgl. Lehr- und 
Versuchsanstalt für Wein- und Obsthau ia Neustadt a. d. Hdt. 


Mit 3 Tafeln. 
(Abdruck aus Festschrift zum sechzigsten Geburtstag Richard Hertwigs. Bd. 11) 


Von 
Dr. Schwangart | 


Preis: 5 Mark. 


Deutsche Wein-Zeitung, Nr. 87 vom 24. November 1910. f 


Die Schäden, die der Traubenwickler (Heu- und Sauerwurm) in allen Weinbau- 
gebieten in letzten Jahren verursacht, sind derart gewaltig, daB die Naturwissenschaft 
sich vorwiegend mit diesem Schädling befaßt. Auch der Verfasser hat in dankens- 
werter Weise seine reichen Erfahrımgen in diesem Buche niedergelegt und wird solches 
sicherlich dazu beitragen, die natürlichen Bekämpfungsfaktoren, auf die man mit Recht 
besonderen Wert legt, immer mehr zu berücksichtigen. Anch mit den sonstigen Be- 
kämpfungsarten mittels chemischer Mittel und mechanisch-physikalischen Methoden 


beschäftigt sich das lehrreich und gemeinverständlich abgefaßte Werk, das allen Interessenten 
nur empfohlen werden kann. 


Prof, Dr. Omeis, Direktor der Laudwirtschaftlichen Kreisversuchsstation in Würz- 
burg, im „Fränkischen Weinbau“ Nr. 12 vom ı5 Dezember ıgı0, 

Auf 70 Seiten behandelt der Verfasser, welcher Vorstand der en 
Abteilung an der Kgl. Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Neustadt 
a. d. H. ist, dieses Thema, das zurzeit für den Weinbau, insbesondere für das vom Y 
Heu- und Sauerwurm in so schlimmer Weise heimgesuchte westdeutsche Weinbaugebiet, 
zu den aktuellsten Fragen gehört. In 4 Kapiteln bespricht Schwangert 1. die 
Biologie der Traubenwickler, 2, die chemischen Bekämpfungsmittel, 3. die Aussichten 
der Bekämpfung mit mechanischen und physikalischen Methoden, 4. die Heranziehung 
natürlicher Bekämpfungsverfahren, Ein reichhaltiges Literaturverzeichnis, sowie eine 
Reihe vortrefflicher Abbildungen bilden den Schluß der vorzüglichen zeitgemäßen 
Schwangattschen Arbeit. Die Schilderungen des Verfassers fber seine Versuche 
zeigen den Leser, daß die zoologische Abteilung der Pfälzer Versuchsanstalt in 
rührigster Weise an der so sehr schwierigen Frage der Wurmbekämpfung 
arbeitet, Der Verfasser erhofft am meisten Wirkung von der Heranziehung ' 
natürlicher Bekämpfungsfaktoren. Auch Rezensent steht auf diesem Standpunkte 
und wünscht, daß die dabinzielenden Bekämpfungsmethoden, wie 2. B. die 
Winterbekämpfung, vonden Weinbergsbesitzern angesichts der bestehenden Wurm- ' 
kalamität in intensivster Weise zur Anwendung gebracht werden möchten. 

Die auch hinsichtlich ihrer Ausstattung mustergültige Schrift Schwangerts 
kann slien Weinbergsbesitzern, welche sich ein tieferes Wissen über den Heu- und 
Sauerwwrm und dessen Bekämpfung aneignen wollen, wärmstens empfehlen werden. 


’ 


"Ant. Kämpfe, Buchirucheren, Jena. 


FLORA 


ODER 


ALLGEMEINE BOTANISCHE 
ZEITUNG. 


FRÜHER HERAUSGEGEBEN 
VON DER 


KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. 


NEUE FOLGE. ZWEITER BAND. 
(DER GANZEN REIHE 102. BAND.) 
DRITTES HEFT. 


HERAUSGEBER: DR. K. GOEBEL 


PROFESSOR DER BOTANIK IN MÜNCHEN. 


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1911. 


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HANNIG, E., Über die Bedeutung der Periplasmodien (J. und IL). Mit 

Tafel XIH u. XIV und 24 Abbildungen im Text, . . . - 209—278 
WEIDEL, F., Beiträge zur Entwicklungsgeschichte und vergleichenden 

Anatomie der Cynipidengallen der Eiche. Mit Tafei XV und 

49 Abbildungen im Text. . » «2... - Deren. 279—334 


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Direktor des pflanzenphysiologischen Institutes der K. K. deutschen Universität in Prag. 


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Von W. Johannsen, 
0. Prof. der Pflanzenphysiologie an der Universität Kopenhagen. 
Zweite, wesentlich erweiterte Auflage 
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1906. Preis: 1 Mark 50 Pf. 


nn 


| 
| 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 
Von E. Hamig. 


Einleitung. 


Unsere Kenntnis vom Bau und der Entwicklung der Sporen- 
membranen verdanken wir hauptsächlich den ausgedehnten Unter- 
suchungen Strasburgers (1882, 1889, 1898, 1907). Strasburger 
hat gezeigt, daß die oberflächlichen Skulpturen der Sporenmembran 
auf zweierlei Weise zustande kommen können, entweder durch zentri- 
fugales Diekenwachstum einer ursprünglich glatten Haut, des 
Exospors, oder durch Auflagerung von der Protoplasmamasse her, 
in welcher die Sporen eingebettet sind. Für den ersteren Fall bieten 
z. B. die Pollenkörner von Cobaea und Malva typische Beispiele, für die 
letzteren die äußere Sporenhülle von Marsilia, das sogenannte Perispor. 
Strasburger (1898, 1907) hat durch mehrfach wiederholte Unter- 
suchungen sichergestellt, daß der Makrospore von Marsilia aus dem 
umgebenden Tapetenplasma eine Hülle aufgelagert wird, die in ihrem 
Bau einer einfachen Zellschicht nicht unähnlich ist und somit eine sehr 
auffallende formative Betätigung des Protoplasmas darstellt. Eine noch 
merkwürdigere Bildung liegt nach Strasburger’s Untersuchung bei 
den Makro- und Mikrosporen von Azolla vor. Sehr eigenartig ist 
schließlich auch die äußere Sporenhülle von Equisetum, von der Stras- 
burger angibt, daß sie ebenfalls von dem Tapetenplasmodium abge- 
spalten wird. Strasburger ist bei all seinen Untersuchungen vom 
Standpunkt des Membranenwachstums ausgegangen. Wenn man 
nun aber bedenkt, daß die so auffällig gestalteten Perisporien Produkte 
des Tapetenplasmodiums sind, so erscheint es von Interesse, einmal das 
Verhalten dieses Plasmodiums in den Vordergrund zu stellen und 


dessen Entwicklung und Bedeutung genauer zu untersuchen. 

Hier kommen vor allem zwei Objekte in Betracht, Equisetum und 
Azolla. Equisetum deshalb, weil dessen Tapetenplasmodium besonders 
groß ist und hier die Entwicklung des Plasmodiums sich am besten 
“ verfolgen läßt, und außerdem, weil man nach den bisher vorliegen- 
den Untersuchungen noch nicht mit Bestimmtheit sagen kann, ob 
das Perispor dieser Sporen, mit anderen Worten, die Elateren, tat- 
sächlich von dem Tapetenplasmodium gebildet werden. Auf der anderen 
Seite Azolla deshalb, weil hier, wenigstens bei den Mikrosporen, kein 


Mlora, Ba, 102. 15 


210 E. Hannig, 


eigentliches Perispor vorliegt, sondern große schaumartige Massen, in 
die jedesmal mehrere Sporen eingebettet sirid. 

Außer den beiden von Strasburger aufgestellten Typen der 
Sporenhautbildung ist ein dritter von Leitgeb, Treub u. a. geschildert 
worden. Danach soll die äußerste Sporenhaut weder von den Sporen- 
protoplasten noch von dem Tapetenplasmodium herrühren, sondern von 
der Membran der „Spezialzelle“ (Strasburger 1907), in der sich 
die Sporen bilden, abgespalten und auf die Sporen aufgelagert werden. 
Es gäbe also, wenn letztere Auffassung begründet wäre, drei Arten der 
Sporenmembranbildung, die alle drei zu sehr ähnlichen Gestaltungen 
der Sporenhaut führen können. 


Andererseits ist bekannt, daß sehr viele Sporenpflanzen Tapeten 


besitzen und ein Plasmodium bilden, obgleich dieses sich nicht direkt 
an dem komplizierten Aufbau der Sporenmembranen beteiligt; oder die 
Tapeten werden überhaupt nicht aufgelöst und die Membranen der 
Sporen trotzdem weitgehend differenziert. 

Wenn man die Bedeutung des Tapetenplasmodiums, das wir im 
folgenden als Periplasmodium bezeichnen wollen, allgemein fest- 
stellen will, so ist eine vergleichende Untersuchung aller Sporenpflanzen 
bezüglich der Verhältnisse bei der Bildung der Sporenmembranen un- 
erläßlich. 

Unsere Untersuchungen über die Bedeutung des Periplasmodiums 
werden also zuerst eingehend Equisetum, dann Azolla behandeln 


und schließlich eine vergleichende Darstellung für das gesamte 
Pflanzenreich liefern. 


L 


Die Bildung des Perispors bei Equisetum. 
(Mit Tafel XIEI und 7 Abbildungen im Text.) 


Es ist schon lange bekannt, daß in manchen Fällen die Sporen 
während ihrer Entwicklung in eine „schleimige körnige Flüssigkeit“ 
(Mohl bei Lycopodium 1833, pag. 70) eingebettet sind. Diese Flüssig- 
keit erkannte Mettenius (1846) bei Salvinia als „Bildungsstoff*“, was 
damals mit Protoplasma gleichbedeutend war, und fand auch Zellkerne 
darin, faßte aber sowohl ihren Ursprung als ihre Bedeutung falsch auf). 


1) Er glaubte, daß sich um die Kerne herum die Sporenmutterzeilen bilden, 
daß bei der Isolierung der Makrosporen der „Bildungsstoff“ aufgebraucht werde, 
und daß dann während der Verdickung der Makrosporenmembran von neuem eine 
solche Einbettungssubstanz von den Makrosporen sezerniert werde, 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. il 


Ihre Herkunft stellte Hofmeister (1851, pag. 98) bei Equisetam fest, 
indem er beobachtete, daß sie durch „Verflüssigung“ der Zellen ent- 
stehe, welche an die Sporenmutterzellen angrenzen (Tapetenzellen). 
Hofmeister erkannte auch die allgemeine Bedeutung ‚dieses Vorganges 
und betonte, daß derselbe in analoger Weise bei der Pollenbildung 
der Phanerogamen und Abietineen wiederkehre. Auch Sanio (1856, 
pag. 194) behandelt das Periplasmodium in den Equisetum-Sporangien 
als etwas Bekanntes und Nebensächliches, spricht ihm aber eine 
Rolle bei der Ernährung zu; „Da hier keine andere Nahrung zu 
Gebote steht als einerseits die im Sporensack enthaltene Flüssigkeit, 
andererseits der von der Sporenmembran umschlossene Inhalt....... 
Besondere Aufmerksamkeit hat erst Fischer von Waldheim bei. 
der Untersuchung der Farnsporangien dieser Substanz geschenkt. 
Von ihm stammt die Bezeichnung „Epiplasma“, er hat somit gegen- 
über dem unbestimmten Ausdruck „Sporangiumflüssigkeit“ die proto- 
plasmatische Natur dieser Substanz ein für allemal betont. Aber 
trotz der Angaben Hofmeister’s, daß bei Equisetum dieses „Epi- 
plasma“ durch Verflüssigung der Sporangienwandzellen entsteht, konnte 
er sich über die Natur des „Epiplasmas“ bei den Farnen nicht 
klar werden, besonders war ihm unverständlich, woher die Zeilkerne 
in dem „Epiplasma* kämen. Er fand, daß sich in dem „Epiplasma“ 
- Kohlehydrate (Stärke) anhäufen, daß es während der Sporenanlage an 
Volumen zunimmt, sich im weiteren Verlauf der Entwicklung verdünnt 
und zuletzt verschwindet und schloß daraus, wie Sanio, daß es zur 
Ernährung der Sporen verbraucht wird. Einen neuen Gesichtspunkt 
deutete später Russow (1871, pag. 34) in seiner „Histologie und 
Entwicklungsgeschichte der Sporenfrucht von Marsilia“ an, wo er aus- 
sprach, „daß die Hülle der Makrosporen wahrscheinlich dadurch gebildet 
wird, daß die protoplasmareichste Substanz des „Epiplasma“ (welches 
er „eine protoplasmareiche Flüssigkeit“ nennt) sich in ihr ansammelt“. 
Erst durch die Arbeiten von Strasburger (1882, 1898) wurde 

die Wichtigkeit der Periplasmodien voll erkannt und deren direkte Be- 
teiligung an der Bildung des Perispors z.B. von Marsiliaund Azolla völlig 
sichergestellt. Bei Pilularia und Salvinia spielt, wie später Hein- 
rieher und Meunier zeigten, das Periplasma eine ähnliche Rolle. Ob 
aber auch bei Equisetum das Periplasma die Perisporien aufbaut, ließ 
sich aus den bisherigen Untersuchungen nicht mit Gewißheit entnehmen. 
Strasburger gibt an (1882, pag. 120), daß die Sporenprotoplasten sich 
nach ihrer Isolierung mit einer zarten Haut umgeben, die sich bald 


braun färbt und die Anlage des Exospors darstellt, und schreibt dann 
15* 


912 E. Hannig, 


weiter; „Hierauf läßt sich an der hyalinen Kugel, in Kontakt mit der 
umgebenden Plasmamasse, ein Häufchen erkennen, das aus aneinander- 
gereihten Körnchen (Mikrosomen) zu bestehen scheint. Es ist das ein 
ebensolches Häuichen, wie wir es bei Cucurbita während der Bildung 
der ersten zelleigenen Membranen zu beobachten Gelegenheit hatten. 
Auch hier wird dieses Häutchen leicht von dem umgebenden Plasma 
durch das Messer abgelöst. Mittelstufen lehren, daß es sich um die 
mit einer Schicht Mikrosomen beladene Hauischicht des umgebenden 
Protoplasmas handelt. Dieses Häutchen färbt sich mit Chlorzinkjod 
gelb), die aus demselben hervorgegangene Membran blau“ 

Es fehlt uns in diesen Ausführungen der strenge Beweis dafür, 
daß das Mikrosomenhäufchen tatsächlich aus dem Periplasma hervor- 
gegangen ist und nicht etwa samt den Gallertschichten und der Mittel- 
haut als Differenzierung aus der Außenschicht des Exospors entsteht. 

Leitgeb hat denn auch (1884, pag. 68) auf Grund seiner Unter- 
suchungen an Lebermoosen noch eine andere Eintstehungsweise für 
möglich gehalten. Er glaubte, daß die Elaterenhaut als Abspaltung der 
Spezialmutterzellen zu betrachten se. Campbell dagegen schreibt 
(1905, pag. 478), allerdings auch ohne selbst besondere Untersuchungen 
angestellt zu haben: „Das äußere Perinium scheint unzweifelhaft durch 
die Wirkung des kernführenden Protoplasmas, in welches die junge 
Spore eingebettet ist, gebildet zu sein.“ 

Nun zeigen die Elateren von Equisetum nicht nur eine komplizierte 
Struktur, sondern auch polare Anordnung. Wenn die Elaterenbildung 
vom Exospor ausginge, wäre eine polare Anordnung leicht zu verstehen. 
Denn die Sporen bilden sich in Tetraden und zeigen häufig an den 
Stellen, an denen sie mit den Schwesterzellen in Berührung standen, 
eine dreistrahlige Leiste. Das Exospor weist somit in diesen Fällen 
eine leicht erklärbare Polarität. auf, die zugleich eine Polarität der Ela- 
terenhaut verständlich machen würde, Ist aber die Elaterenhaut ein 
Produkt des Perispors, dann werden die Verhältnisse viel komplizierter; 
denn dann muß entweder das Periplasmodium selbst die Polarität im 
im Bau der Elaterenhaut direkt bewirken oder die Polarität muß durch 
dis Sporenprotoplasten in der Hautschicht des Periplasmodiums bestimmt 
werden. Von diesem Gesichtspunkte aus erschien es daher besonders 
erwünscht, die Entstehung der Elaterenhaut nochmals eingehend zu ver- 


1) Hier liegt offenbar eine Verwechslung mit der Mittelhaut vor, denn die 
Elaterenschicht färbt sich zu keiner Zeit mit Chlorzinkjod gelb, und ein Irrtum ist 


deskalb sehr leicht möglich, weil auch die Mittelhaut „an der Peripherie einer 
hyalinen Kugel“ entsteht. 


rer nenn in 


aa 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 218 


folgen und dabei im Hinblick auf die eventuelle aktive Rolle des Peri- 
plasmodiums die ganze Entwicklung dieser Protoplasmaimasse im Auge 
zu behalten. 


1. Untersuchungsmethode, 


Es ist von vornherein klar, daß bei solchen Untersuchungen das 
Arbeiten mit fixiertem Material allein nicht zum Ziel führen konnte, 
sondern daß auf die Bearbeitung lebenden Materials das Hauptgewicht 
gelegt werden mußte. Da an den Sporen von Equisetum Gallert- 
schichten vorhanden sind, die in gewissen Entwicklungsstadien in Wasser 
sehr stark aufquellen, wurden die jungen Sporen immer zuerst in der 
„Flüssigkeit des Sporangiums“, d. h. in dem Periplasma, untersucht und 
diese Präparate mit solchen, die in Wasser oder physiologischer Koch- 
salzlösung (0,75°/,) lagen, verglichen. Die Untersuchung lebenden 
Materials war aber nur für die Entwicklung der Sporenhäute möglich, 
für die Entwicklung des Periplasmas führte sie wegen der Kleinheit der 
Zelle und der Durchsichtigkeit des Plasmas zu keinem Resultat. Es 
mußten deshalb auch Mikrotompräparate untersucht werden, die meistens 
mit Chromesssigsäure, zum Teil mit 1°/,igem Sublimat oder 70 °/,igem 
Alkohol fixiert und stets mit Hämotoxylin Dealefield gefärbt waren. 
Ein Teil der Schnittserien wurde ungefärbt gelassen, um die Möglich- 
keit. zu haben, jederzeit an Mikrotomschnitten auch mikrochemische 
Reaktionen vorzunehmen). 

Das Hauptuntersuchungsobjekt war Equisetum limosum, daneben 
dienten zum Vergleich Equisetum palustre und E. hiemale. Wesent- 
liche Differenzen ergaben sich bei-den drei Arten nicht. 


2, Entwicklung des Periplasmodiums, 
Die Tapetenzellen. 


Die Entwieklung der Tapetenzellen wurde ausführlich verfolgt, 
weil es wünschenswert. schien, festzustellen, wie weit diese Zellen ihrem 
Ursprung nach miteinander übereinstimmen. Für die Bedeutung der 
Periplasmodiumbildung ist es offenbar nicht gleichgültig, ob die fusio- 
nierenden Zellen gleichartige Schwesterzellen darstellen oder ob sie vor 
der Verschmelzung schon mehr oder weniger differenzierte Zellen ver- 
schiedener Herkunft. sind. 

Der Beginn der Tapetenzellbildung läßt sich fast bis zum Auf- 
treten des Archesporiums zurückverfolgen. In der jungen Spor- 


1) Herrn Dr. M. Mücke, der einen großen Teil dieser Präparate angefertigt 
hat, danke ich auch an dieser Stelle für seine freundliche Unterstützung, 


214 E. Hannig, 


angienanlage entsteht dieses aus einer hypodermalen Zelle, deren 
Umriß man selbst dann noch leicht erkennen kann, wenn schon zahl- 
reiche Teilungen in ihr aufgetreten sind. Meine Beobachtungen stimmen 
hierin mit denen Goebels überein (Goebel 1880, pag. 551), während 
nach Bower (1894, pag. 497) noch andere Zellen an der Bildung 
des sporogenen Gewebes beteiligt sein- sollen. Es ist wahrscheinlich, 
daß sich die Archespormutterzelle, wie Bower angibt, auf eine Ober- 
flächenzelle zurückführen läßt; denn an jungen Sporangiumanlagen, in 
denen auch das Archespor noch nicht vorhanden ist, findet man überall 
in den Oberflächenzellen perikline Teilungen. Ebensolchen Teilungen 
der Epidermiszellen verdankt die Tapete ihre Entstehung. Da das 
Archespor auch an der Seite des Sporangiumstieles von Tapeten- 
zellen abgegrenzt ist, kann die Tapete nicht nur von der Epidermis, 
sondern muß z. T. auch von dem unter dem Archespor liegenden 
Parenehymgewebe abstammen. Ob, wie Goebel angibt (Entwicklungs- 
geschichte, pag. 384), auch die Archesporzellen selbst beteiligt 
sind, läßt sich schwer entscheiden, da die Archesporzellen in un- 
regelmäßig gestaltete Tochterzellen zerfallen, die Größe ihrer Quer- 
schnittsbilder also keinen Aufschluß geben kann und andere Anhalts- 
punkte für die Zuwanderung solcher Tochterzellen zu der Tapete nicht 
vorhanden sind. Übrigens hebt Goebel (Bot. Ztg. 1881, S.-A., pag. 11) 
hervor, daß die Herkunft der Tapetenzellen phylogenetisch von geringer 
Bedeutung ist, da bei Biota und in anderen Fällen die Tapetenzeilen 
z. T. vom Archespor, z. T. von der Sporangiumwand gebildet werden. 

Die allerersten Tapetenzellen sind leicht zu erkennen, weil das 
Archespor als Ganzes sich deutlich von dem umgebenden Gewebe ab- 
hebt und die Tapete eben von den Zellen dargestellt wird, die zwischen 
Archespor und Epidermis liegen (Taf. XIII, Fig. 1). Im Laufe der 
weiteren Entwicklung läßt sich aber eine Zeitlang (besonders bei E. limosum 
und E. hiemale) eine scharfe Grenze weder zwischen dem Archespor 
und der Tapete, noch zwischen Tapete und Sporangiumwand ziehen. 
Zwar haben die typischen Tapetenzellen große runde Kerne und 
plasmareiche, annähernd isodiametrische Zellen, die Sporangiumwand 
dagegen plattgedrückte Zellen, kleine längliche Kerne und wenig Plasma; 
aber beide Zellformen gehen ganz allmählich ineinander über. Auf der 
anderen Seite sind die innersten Archesporzellen verhältnismäßig sehr 
groß, die peripheren aber oft ebenso klein wie die größten Tapeten- 
zellen. Auch Goebel führt an (1880, pag. 552), daß die Tapeten „bei 
Equisetum keine so scharfe Ausbildung finden, wie bei Botrychium, wo 
sie durch Form- und (chlorophylihaltigen) Plasmainhalt sich deutlich 


Beer r 


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Über die Bedeutung der Periplasmodien. 215 


hervorheben“, und ebenso weisen Bower (1894, pag. 497) und Campbell 
(1905, pag. 474) darauf hin, daß es kaum möglich ist, in den ersten 
Entwicklungsstadien eine scharfe Grenze zwischen Archesporium und 
Tapete zu ziehen, weil kein scharfer Unterschied zwischen den Zell- 
inhalten beider Zellformen ausgebildet ist. 

Bei weiterer Ausbildung heben sich die Tapetenzellen von den 
Archesporzellen wieder ab, weil bei jenen die Kerne stärker, das Plasma 
dagegen weniger stark Farbstoff speichert. In noch älteren Stadien 
werden die sporogenen Zellen sehr viel größer als die Tapeten und 
kontrabieren sich infolge ihres großen Wassergehaltes beim Fixieren 
sehr stark, so daß das sporenbildende Gewebe von den Tapetenzellen, 
weit. abgesetzt: ist. 

Die Unregelmäßigkeit im Aussehen des jungen Tapetengewebes 
läßt also keinen Schluß darüber zu, ob die einzelnen Tapetenzellen, 
wie das Goebel z. B. für Biota angegeben hat, verschiedenen Ursprungs 
sind oder nicht. Man könnte aus ihr höchstens folgern, daß die Diffe- 
renzierung in der ganzen Sporangiumanlage zur Zeit der Tapetenzell- 
bildung noch nicht weit vorgeschritten ist. Bei anderen Sporangien, 
deren Archespor und Tapeten deutlich voneinander verschieden sind, 
beteiligen sich denn auch, wie wir noch sehen werden, die angrenzenden 
Gewebe nicht an der Tapetenbildung. 


Vermehrung der Tapetenzellen. 

Wenn die Differenzierung im Sporangium so weit vorgeschritten 
ist, daß die Archesporzellen ihre definitive Größe erreicht haben, aber 
noch ein zusammenhängendes Gewebe mit abgeflachten Seitenwänden 
bilden, dann sind bei Equisetum hiemale sämtliche übrigen Zellen des 
Sporangiums bis auf die Epidermis zu typischen Tapetenzellen umge- 
wandelt, die Sporangienwand ist also nur noch einschichtig. Später, 
wenn die Archesporzellen anfangen sich voneinander zu trennen, das 
ganze Sporangium bedeutend größer geworden ist und die Epidermiszellen 
in die Länge gestreckt sind, ist an vielen Stellen die Sporangiumwand 
infolge perikliner Teilungen der Epidermis wieder mehrsehichtig. Die 
Zellen, die jetzt unter der Epidermis liegen und von ihr abstammen, 
sind stark in die Länge gezogen, haben langgestreckte Kerne und sind 
oft zerdrückt und teilweise entleert. Diese zerdrückten Zellen werden 
übrigens bald resorbiert, und zwar noch zu einer Zeit, in der das 
Tapetenplasmodien vollkräftig ist. Die Absorption muß von dem Plas- 
modium vorgenommen werden, das allein in direkte Berührung mit 
diesen Zellen tritt; diese Wandzellen dienen also jedenfells zur Ernäh- 


216 E. Hannig, 


rung des Plasmodiums. Ich habe im Gegensatz zu Campbell, der 
angibt. (1905, pag. 475) und abbildet, daß Reste der inneren Sporangium- 
wand noch im reifen Sporangium übrig seien (bei welcher Equisetumart 
ist nicht gesagt) bei E. hiemale niemals mehr Zellreste unter der 
verdickten Epidermis gefunden; bei Equisetum limosum bleiben die 
inneren Zellschichten länger erhalten wie bei hiemale, sind aber in 
dem reifen Sporangium ebenfalls ganz verschwunden. 


Bildung des Plasmodiums. 


Da die Tapete bei Equisetum mehrschichtig ist und die Tapeten- 
zellen verhältnismäßig groß sind, kann man die Periplasmodiumbildung 
besonders gut verfolgen. Der ganze Vorgang läßt erkennen, daß es 
sich nicht etwa um einen Zerfall oder um eine Degeneration der Tapeten- 
zellen handelt, sondern um eine entschiedene Lebensäußerung, die 
ebenso als normaler Lebensvorgang zu betrachten ist, wie irgend eine 
andere Differenzierung eines embryonalen Gewebekomplexes. Es darf 
bei der Beurteilung des Vorganges der Periplasmodiumbildung nicht 
beirren, daß das Periplasmodium schließlich nahezu vollständig resor- 
biert wird. Das findet auch sonst sehr häufig statt (Endosperm, Nucel- 
lus usw.), ohne daß man deshalb solche Gewebe als Degenerations- 
produkte bezeichnen könnte. 

Verfolgt man die Bildung des Periplasmodiums, dann ergibt sich, 
daß die Verschmelzung der Tapetenzellen nicht überall zur selben Zeit 
stattfindet, sondern an zahlreichen, beliebig nebeneinander liegenden 
Zellen gleichzeitig oder zu verschiedenen Zeiten anfängt. Entweder be- 
ginnen zuerst nur zwei Zellen miteinander zu verschmelzen, und eine 
oder jede von diesen beiden fängt dann an, mit einer anderen Nach- 
barzelle zu fusionieren, oder die Fusion ergreift gleich mehrere Zellen 
auf einmal. Auf jeden Fall entstehen zuerst Nester von Fusionszellen 
(Taf. XIM, Fig. 22 u. 6), die ganz verschieden groß sind und dam 
wieder an verschiedenen Stellen miteinander in Verbindung treten, bis 
schließlich die ganze Masse der Tapetenzellen zu einem einheitlichen 
Individuum zusammengeflossen ist (Taf. XIH, Fig. 3). 

Der Beginn der Fusion ist daran zu erkennen, daß die trennenden 
Zeilwände unsichtbar werden. Die Protoplasmakörper bleiben dann 
aber noch eine Zeitlang isoliert und stehen an den fixierten Präparaten 
infolge der Kontraktion durch die Wasserentziehung weit voneinander 
ab. Offenbar lösen sich die Zellwände nicht in ihrer ganzen Breite 
auf einmal auf, sondern die Resorption beginnt an einer beliebigen 
Stelle der Scheidewand, von der aus sie fortschreite. An den zuerst 


EEE. MEERE. EEE 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 917 


Jurchbrochenen Wandstellen fließen die Plasmainhalte zusammen und 
bilden einen schmalen Isthmus, der mit dem weiteren völligen Fallen 
der Trennungswand sich verbreitert (Taf. XIII, Fig. 2@). Fusionierende 
Zellen, die während des Fusionsvorganges fixiert sind, ‚hängen daher 
teilweise zusammen, teilweise klaffen sie weit auseinander. Die fusio- 
nierten Zellen zeichnen sich von den noch selbständigen Tapetenzellen 
einerseits dadurch aus, daß ihr Plasma etwas stärker Farbstoff speichert, 
andererseits dadurch, daß die Kerne eine unregelmäßigere Gestalt auf- 
weisen. Der gesamte Prozeß der Plasmaverschmelzung geht offenbar 
nicht sehr schnell vor sich, denn man findet in ein und demselben 
Präparat meist alle Entwicklungsstadien vor. 

Die Auflösung der Membranen wird wohl durch ein Enzym be- 
wirkt, das sieh in den Protoplasten der Tapetenzellen befindet. Dieses 
Enzym muß entweder zur Zeit der Fusion auftreten oder wenigstens 
zu dieser Zeit wirksam werden, so daß man annehmen kann, daß das 
Wirksamwerden des Enzyms in Abhängigkeit von dem Entwicklungs- 
zustand des Sporangiums oder, genauer gesagt, des Archesporiums steht. 

Bei der Fusion werden aber nicht nur die Zellwände gelöst, es 
müssen auch die Hautschichten der Tapetenprotoplasten verschwinden, 
und zwar vollständig bei den im Innern der Tapetenschicht gelegenen 
Zellen, wenigstens teilweise bei den peripherischen. Bei letzteren 
müssen dann die nicht: gelösten Oberflächenstücke der ganzen Peri- 
plasmamasse wieder zu einer einzigen Hautschicht verschmelzen. 


Fragmentation der Plasmödiumkerne. 


Eine merkwürdige Erscheinung zieht die Fusion der Tapeten- 
protoplasten nach sich, die schon erwähnte amitotische Teilung der 
Plasmodiumkerne. 

Es fällt schon bei flüchtiger Betrachtung eines fertigen Tapeten- 
plasmodiums auf, daß eine schr große Anzahl von Kernen um den 
Archesporkörper dicht, gedrängt beisammenliegt (Taf. XIII, Fig. 3), während 
zur Zeit der Verschmelzung die Kerne viel spärlicher waren, so daß 
der Gedanke nahe liegt, daß in dem Plasmodium eine Vermehrung der 
Kerne stattfindet. 

In den noch ruhenden Tapetenzellen sind die Kerne groß, kugelig 
(nur in den länglichen Zellen oder am Rande zuweilen langgestreckt) 
und besitzen ein dichtes Kerngerüst mit zahlreichen splitterförmigen 
Fadenanschwellengen und einem mittelgroßen Nukleolus. Das Aussehen 
der Kerne ändert sich beim Eintreten der Plasmodiumbildung kaum. ' 
Sie behalten ihre Größe bei, höchstens wird ihr Kernfadengerüst ein 


218 E. Hannig, 


wenig lockerer. Wenn die Plasmodiumbildung aber im Gang ist, findet 
man die charakteristischen Fragmentationsbilder, wie sie von Trades- 
cantia (Zimmermann 1896, pag. 76, Fig. 41), vom Embryosackwandbelag 
von Vicia Faba (ebenda, pag. 77, Fig. 42), aus den Chara-Internodien 
(Strasburger 1908) usw. bekannt sind. Derartige Kernbilder von Equi- 
setum sind auf Taf. XIII, Fig. 6 abgebildet. Es geht aus ihnen ün- 
zweifelhaft hervor, daß sich die Teilkerne hier weit auseinander ziehen 
können. Es würde sich danach hier um eine Distraktionsamitose (Dia- 
spase, Wasiliewski 1903, pag. 401) handeln. Andere Bilder dagegen, 
wie Fig. 26, erinnern an die Teilungen, die Wasiliewski Dissektions- 
amitosen genannt hat {l. e. pag. 402). Da Nömee (1903) diese Er- 
scheinungen als Kernverschmelzungen zu deuten versucht hat, schien 
es wünschenswert, die Vermehrung der Kerne durch Zählung sicher- 
zustellen. Wenn sich bei der Zählung eine Vermehrung der Kerne 
herausstellte, so bliebe trotzdem noch die Möglichkeit offen, daß diese 
„Diatmesen“ Fusionen sind, aber wahrscheinlicher ist es dann, daß es 
sich bei diesen Fällen ebenfalls um Amitose handelt. 

Beim Zählen der Plasmodiumkerne von zwei jüngeren Spor- 
angien mit noch getrennten Tapetenzellen wurden auf Serienschnitten 
1226 bzw. 997 in älteren, mit fertig ausgebildeten Plasmodien 3071 
bzw. 3218 Kerne gezählt. Natürlich sind die Fehlerquellen bei diesen 
Zählungen verhältnismäßig groß; denn einmal dürften die Sporangien 
im allgemeinen nicht direkt miteinander vergleichbar sein, dann sind 
in jüngeren Stadien die Wand- und Tapetenkerne nicht immer sicher 
voneinander zu unterscheiden, während später eine Verwechslung fast 
ausgeschlossen ist, und schließlich werden viele Kerne durchgeschnitten 
und kommen daher auf zwei aufeinander folgenden Schnitten zum Vor- 
schein, ohne daß man das immer mit Sicherheit erkennen kann. Nichts- 
destoweniger geben die Zahlen eine bestimmte Antwort auf die ge- 
stellte Frage; denn der Unterschied in der Anzahl der Kerne in den 


beiden Entwicklungsstadien ist so groß, daß er nur als Kernvermehrung 
gedeutet werden kann. 


In den fusionierten Tapetenzellen findet also eine Vermehrung 


der Kerne durch Fragmentation statt. Das ist für uns deshalb von 
großer Wichtigkeit, weil es ein untrügliches Zeichen dafür ist, daß das 
Periplasmodium ein lebender Protoplast und nicht etwa eine tote Eiweiß- 
nasse ist. 

Als ein weiteres Anzeichen dafür könnte man auch die Um- 
lagerungen in dem Protoplasma ansehen, auf die man aus den lang- 
gestreekten Verbindungsfäden zwischen den Kernfragmenten schließen 


dr 


ze. 


Über die Bedeutung der Periplasmodien, 219 


muß. Diese Bilder deuten allerdings auf eine starke Bewegung inner- 
halb der Protoplasten hin; aber diese kann auch z. T. passiv sein und 
dadurch zustande kommen, daß die Sporenmutterzellen auseinander- 
weichen und das Protoplasma nun in die Lücken eingedrängt wird. 


Zerklüftung des Archesporiums. 

Das weitere Verhalten des Periplasmodiums wird zunächst durch 
die Vorgänge im Archesporium hedingt. 

Das Archesporium bildet ursprünglich eine geschlossene, rundliche 
Zeilmasse. Bei der ungleichmäßigen, nach allen Richtungen hin er- 
folgenden Vermehrung der Archesporzellen springen bald hier, bald da 
einzelne Zellgruppen vor, und es entsteht ein morgensternartig ge- 
staltetes homogenes Gewebe, dessen Unebenheiten auf der Oberfläche 
aber stets durch die Tapetenzellen ausgefüllt sind. Wenn das Tapeten-. 
plasmodium fertig ausgebildet ist, beginnen die Zellen des Archesporiums 
von außen her sich voneinander zu lösen, ein Vorgang, der zuerst zu 
einer Zerklüftung, später zu einer völligen Isolierung der sporogenen 
Zellen führt (Taf. XIII, Fig. 2). Die Zerklüftung geht so vor sich, daß 
das Archesporium sich zuerst in größere Gruppen von Archesporzellen 
teilt, und diese erst später in einzelne Zellen auseinanderfallen. Die 
Membranen des Archesporiums, die anfangs als scharfe, feine Linien 
zwischen den kontrahierten Zellinhalten sichtbar sind, geben keine 
Zellulosereaktion (mit Chlorzinkjod), färben sich dagegen in Jodkalium 
gelblich und zerfallen in H,SO, cone.+-JJK unter Gelbfärbung, be- 
stehen also wahrscheinlich aus einem eiweißartigen Körper. Sie werden 
bei der Zerklüftung der Archesporzellen allmählich aufgelöst, indem sie 
zuerst ein unregelmäßiges Aussehen bekommen, dann zähflüssig werden 
(so daß sie sich an lebenden Präparaten zu Fäden ausziehen lassen), 
sich bis auf ein spinnwebenartiges System feiner Fäden auflösen und 
schließlich ganz verschwinden. Sobald die Sporenmutterzellen infolge 
der Auflösung der Membranen aus dem Verband getreten sind, runden 
sie sich ab. Sie liegen dann als membranlose, aber selbständige, scharf 
abgegrenzte Plasmakörper inmitten des Tapetenplasmodiums (Taf. XIII, 
Fig. 3). 

Einwanderung des Plasmodiums zwischen die Archesporzellen. 

Das Eindringen des Plasmodiums in das sporogene Gewebe ge- 
schieht vom Rande her, wo ja ursprünglich die Tapetenzellen liegen, 
und schreitet in dem Maße vorwärts, als die Archespor- und später die 
Sporenzellen sich voneinander trennen (Taf. XIII, Fig. 3 u. 4). Zuerst 


. dringt es nur zwischen Gruppen von Sporenmuiterzellen, dann umgibt 


220 E. Hannig, 


es die einzelnen getrennten Sporenmutterzellen (Taf. XIII, Fig. 3 u. 4) 
und nach dem Zerfallen dieser in die eigentlichen Sporen dringt es 
auch hier weiter, bis die Sporen annähernd gleichmäßig in das Peri- 
plasma eingebettet erscheinen (Taf. XIII, Fig. 5). Dabei wandert, wenn 
irgendwo Platz in den Sporenzellen frei wird, zuerst das Plasma ein, 
während die Tapetenkerne noch dicht gedrängt an der Wand des Spor- 
angiums liegen (Taf. XIXL, Fig.3). Erst später folgen auch die Kerne nach. 
Ein Schnitt durch ein Sporangium in diesem Stadium sieht sehr auf- 
fallend aus. Das ganze Sporangium ist angefüllt mit einer gleichmäßig 
schaumigen Plasmamasse, die in den fixierten Präparaten auffallend 
wenig kontrakiert. erscheinen, und in dieser Masse liegen dicht beiein- 
ander, aber ziemlich unregelmäßig verteilt eine große Menge Sporen- 
zellen und Plasmodiumkerne (Taf. XIIL, Fig. 5). 

Die Einwanderung des Periplasmodiums zwischen die Archespor- 
zellen und weiterhin zwischen die Sporen ist für uns von besonderer 
Wichtigkeit. Man kann aus dieser Plasmaverschiebung einerseits auf 
eine aktive Bewegung des Protoplasmas schließen, andererseits ist sie 
ein Anzeichen dafür, daß das Protoplasma der verschiedenen Tapeten- 
zellen nach der Verschmelzung zu dem Periplasmodium durcheinander 
kommt. Zuerst erfolgt von dem hohlkugelförmigen Plasmodium aus 
eine zentripetale Bewegung, später, wenn sich die Sporen gleichmäßig 
in dem Plasmodium verteilen, werden die einzelnen Plasmapartien nach 
allen Richtungen hin durcheinandergemischt. Die Tatsache, daß an den 
fixierten Bildern während des Eindringens auch eine Änderung der 

„Schaumstruktur“ stattfindet, läßt erkennen, daß auch in der intimeren 
Struktur des Periplasmas Umlagerungen stattfinden, welche die vorhin 
erwähnte grobe Mischung noch bedeutend verstärken. 

. Das Plasmodium selbst besteht zur Zeit der Fusion aus dichtem, 
schaumartigem Cytoplasma, dessen Fäden als feinflockige Netzlinien er- 
scheinen, die besonders dieht und gleichmäßig an der Grenze von Plas- 
modium und Archespor ausgebildet sind, dagegen nach der Sporangium- 
wand zu verschieden große Vakuolen und unregelmäßige Schaumstruktur 
bilden (Taf. XII, Fig. 4). Die Farbstoffspeicherung ist in diesem Stadium 
etwas intensiver wie später. Wenn das Plasmodium zwischen die 
Sporen eingedrungen ist, sind die Alveolen größer geworden, die Wände 
weniger körnig und die Struktur überall gleichmäßig. 


Zerfall der Plasmodiumkerne und Auflösung des Plasmodiums. 


Der allmähliche Zerfall der Kerne des Plasmodiums geht auf folgende 
Weise vor sich. Während der Fusion waren die Tapetenkerne mittel- 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 221 


groß, speicherten Hämatoxylin ziemlich stark und hatten ein dichtes, 
körnig erscheinendes Fadengerüst. Die Archesporzellen standen in 
diesem Stadium noch miteinander in Verbindung. Später, wenn die 
Archesporzellen auseinanderweichen, sind die Periplasmakerne fast um 
ein Drittel größer, das Kerngerüst etwas weniger dicht geworden. Je 
weiter die Trennung der Sporen fortschreitet, desto unregelmäßiger wird 
die Gestalt der Kerne; kleine, große, langgestrekte, elliptische liegen 
durcheinander. Die Kerne werden dann immer „leerer“, sehen aus wie 
Blasen, die von einzelnen Fäden durchzogen sind, an denen zerstreute, 
kugelig oder flockige Anschwellungen aufgereiht sind. Dieser Zustand 
findet sich nicht in bestimmten Stadien der Sporenentwieklung, sondern 
bald früher, bald später, meistens aber innerhalb eines Sporangiums 
überall gleichzeitig, Zur Zeit der Sporenentwicklung, wenn das Plas- 
modium selbst grobmaschiger geworden ist, zeigen die Kerne deutliche 
Spuren des Verfalls, während sie bis dahin in fixiertem Zustande noch 
glatte Oberflächen besaßen, sind jetzt die fixierten Kerne höckerig ge- 
worden. Das feinflockige und enge Fadengerüst hat sich in zähflüssig 
aussehende Stränge umgewandelt, die um einen anscheinend dünnflüssigen, 
wenig oder nicht färbbaren Kerninhalt ein grobmaschiges Gerüstwerk 
bilden. Dieses Gerüst erscheint zäher als die Kernwand, zieht sich beim 
Fixieren weniger zusammen und bedingt dadurch das höckerige Aus- 
sehen der Kerne. Die Kernmasse sowie das Netzwerk des Plasmodiums 
werden immer größer, so daß sich die höckerigen Kerne oft nur noch 
durch ihre stärkere Färbbarkeit von dem Plasmodiumschaum abheben. 
Das schaumig-vakuolige Aussehen der Plasmodiumkerne darf noch nicht 
als Zeichen des Zerfalls betrachtet werden; denn die Sporenkerne sehen 
in diesem Stadium ganz ähnlich aus wie die Tapetenkerne und sind 
z. T. ebenfalls höckerig geschrumpft, z. T. allerdings glattkugelig ge- 
blieben. Außerdem findet ıman bei fixierten Sporenmutterzellen zuweilen 
noch stärkere Schrumpfung der Kernmembran bei im übrigen tadel- 
loser Fixierung des Plasmas. Je weiter die Ausbildung der Sporen 
fortschreitet, je größer diese werden, und je mehr sie den Innenraum 
des Sporangiums erfüllen, desto mehr schwindet das Periplasma. Zu- 
letzt stößt Spore an Spore und das Periplasma findet sich nur noch in 
dünnen Lagen in den Zwickeln zwischen den Sporenkugeln. Es er- 
scheint jetzt als flockige Masse, nicht mehr als schaumiges Netzwerk. 
Die Plasmodiumkerne sind allmählich so zusammengeschrumpft, daß sie 
nur noch dunkle unregelmäßig zerdrückte Klumpen bilden, bis sie zu- 
letzt ebenfalls in flockig körnigem Zustand zwischen die Sporen ein- 


geklemmt sind, 


222 E. Hannig, 


Das Plasmodiam ist nun die ganze Zeit vor seiner Auflösung leb- - 


haft aktiv tätig. Es vermehrt sich stark durch Wachstum, nimmt also 
Nährstoffe von außen her auf und übermittelt sie wahrscheinlich den 
Sporen durch deren kutinisierte, aber noch wachsende Membran. Das folgt 
daraus, daß die Sporen sich während der Elaterenentwicklung vergrößern 
und schließlich Reservestoffe aufspeichern. Dasselbe geschieht. vorüber- 
gehend im Periplasmodium. In dessen anfangs homogener Grundmasse 
treten zuerst Mikrosomen, dann zahlreiche eigenartig gestaltete Stärke- 
körnchen auf. Die Körnchen sind scheibenförmig, stäbchenartig, meist 
aber scherbenförmig oder sattelartig gebogen und von sehr verschiedener 
Größe (Textfig. 5, pag. 233) und färben sich mit Jod schmutzigviolett 
bis schwarzblau. Mit der Reife der Sporen verschwinden diese Ein- 
schlüsse des Periplasmodiums allmählich. 

Zuletzt werden, wie hier gleich vorweg genommen sein soll, auch 
die Tapetenkerne samt den spärlichen Resten des Periplasmas resorbiert. 


In dem reifen Sporangium sind auch die letzten Spuren dieser Proto- 
plasten verschwunden. 


3. Bildung der Spezialzellen. 


Auf die Kernteilungsvorgänge in den Sporenmutterzellen soll 
kier nicht näher eingegangen werden. Es sei nur erwähnt, daß nach 
Vollendung der Tetradenteilung die vier Tochterzellen (Spezialzellen) 
noch eine Zeitlang in der bekannten Form einer dreiseitigen Pyramide 
auf gewölbter Basis liegen bleiben, sich dann voneinander trennen, um 
sich schließlich als kugelige Zellen in dem Periplasma zu zerstreuen. 

Ehe wir das Verhalten der Membran der Spezialzellen, weiches 
den Ausgangspunkt für die histologische Entwicklung der Sporen- 
membran und damit für unser Problem der Entstehung des Perispors 
bildet, näher beschreiben, soll der Bau der reifen Sporenmembran 
geschildert werden. Wir müssen das deshalb in aller Ausführlichkeit, 
tun, weil wir nur so einen Einblick in die komplizierte formative 
Tätigkeit des Periplasmodiums bekommen können. 


4. Die Membran der reifen Sporen. 


Alle früheren Beobachter sind darin einig, daß an der reifen 
Spore mindestens drei getrennte Häute ausgebildet sind. Diese sind 
von außen nach innen fortschreitend: 1. die alaterenbildende Haut, das 
Perispor; 2. die Mittelhaut (Strasburger) und 3. das Exospor 
(Sachs). Einige Autoren, Hofmeister (1863, pag. 289), Sanio (1856, 
pag. 195), Sachs (1874, pag. 400) und Leitgeb (1884, pag. 67), geben 


EEE 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 223 


noch ein viertes innerstes Häutchen an, das als Endospor (Sachs 1. c., 
400) zu bezeichnen wäre. 

Das Perispor oder vielmehr die Elateren sind am eingehendsten 
von Sanio (1856 u. 1857) beschrieben worden. Sanio gibt an (1856, 
pag. 194), daß die Elateren aus einem breiten mittleren Band bestehen, 
das sich mit Chlorzinkjod violett färbt und aus zwei schmalen „Fasern“, 
welche das Mittelband beiderseits begleiten, sich aber mit ‚Chlorzinkjod 
nicht färben und auch in H,SO, nicht lösen. Das’ Mittelband zeigt 
außerdem besonders schön bei E. hiemale schräg verlaufende Streifung, 
die sich an den spatelförmig verbreiterten Enden der Elateren strahlig 
‚auseinander ziehen und die auch Pringsheim (1853, pag. 213) erwähnt 
und abgebildet hat. Außerdem will Sanio durch Zerren und Quetschen 
‚eine künstliche Spaltung der Elateren in eine innere und äußere Schicht 
‚erreicht haben, doch handelt es sich hier offenbar, wie unten noch ge- 
zeigt werden soll, um ein Versehen. Von der feineren Struktur der 
Elateren erwähnt Strasburger nichts, bestätigt aber die Differenzierung 
in einen breiten inneren und schmalen äußeren Randstreifen (1882, 
pag. 122), während Campbell schreibt, daß die Außenseite der 
Elateren kutikularisiert wird. 

Über die sogenannte Mittelhaut (Strasburger 1882, pag. 121) 
sind die vorliegenden Angaben am unklarsten. Sanio bezeichnet: diese 
Haut als „äußere, sich schichtweise ablösende gallertige Haut“ (1856, 
pag. 181), Hofmeister schreibt (1863, pag. 284) „wird dem frischen 
Präparat Wasser zugesetzt, so schwillt die äußere lockere Schicht be- 
trächtlich auf, so daß sie die unverändert bleibende innere als dieke 
Hülle aus fast flüssiger Gallerte umgibt... Chlorzinkjod färbt die 
‚aufquellende Schicht in ihrer ganzen Masse blaßblau . . . bei den im 
Alkohol liegenden Zellen wird die äußere Schicht der Haut von Chlor- 
zinkjod blaßgelb gefärbt. Zusatz von Wasser ruft die blaue Färbung 
hervor“. Strasburger (1882, pag. 121) gibt an, daß die Mittelhaut 
sich von der darunter liegenden Membran (dem Exospor) abhebt; „der 
Vorgang des Abhebens wird jedenfalls durch eine Quellung der betr. 
Schicht veranlaßt und entspricht dem Abheben der Flügel au Koniferen- 
pollen. Es tritt auch hier Flüssigkeit zwischen die beiden Schichten 
ein. Die Mittelhaut färbt sich in Chlorzinkjod und ist in H,SO, un- 
löslich“. Diese Abhebung der Mittelhaut hat auch Sanio gesehen (1856, 
Taf. 6. Fig. 28), aber wie es scheint als eine besondere Spaltung der 
Exespore betrachtet: (1356, pag. 195). Leitgeb (1884, pag. 68) nennt 
die Mittelhaut kutikularisier. Daraus geht hervor, daß er unter Mittel- 
haut ebenso wie Strasburger nicht die Gallertschicht, sondern nur 


224 E. Hannig, 


das-dünne Häutchen versteht, das bei Quellung der Gallerte sichtbar wird. 
Campbell dagegen gibt wieder an, daß die Mittelhaut.in Wasser auf- 
quillt und sich von der Spore abhebt (1905, pag. 479). Wir werden 
im weiteren unter Mittelhaut nur das dünne ablösbare Häutchen, nicht 
die Gallertschicht verstehen. 

Die dritte Haut von außen gerechnet ‘ist die dickste und wider- 
standsfähigste (kutinisierte) Hülle der Spore. Sie ist jedenfalls eine 
sporeneigene Membran und zwar die zuerst gebildete und muß deshalb 
als Exospor bezeichnet werden (Leitgeb 1884, pag. 5 und 6). Von 
diesem Exospor berichtet Sanio, daß es sich in zwei Schichten spalten 
lasse. Aber auch hier liegt offenbar eine Verwechslung vor, denn 
Fig. 28 1. e. läßt deutlich erkennen, daß die scheinbare Spaltung nichts 
anderes ist, als die Abhebung der Mittelhaut. Von den übrigen Autoren 
wird das Exospor als homogene derbe kutisierte Membran beschrieben 
und nur Sachs (1874, .pag. 400) fügt noch hinzu, daß sie körnige 
Struktur besitze. 

Eine vierte innerste Haut hat Strasburger nicht finden können 
(1882, pag. 122). Sanio hat eine solche auch nicht gesehen, denn 
was Leitgeb in der Beschreibung Sanio’s als vierte Hülle auffaßt, 
ist, wie schon hervorgehoben, das eigentliche Exospor. Dagegen hat 
Hofmeister (1863, pag. 289) „nach Quetschung der völlig reifen, ver- 
stäubten Sporen“ eine vierte Membran gefunden, die „nur nach außen 
hin scharf begrenzt ist, nach innen allmählich in eine Schicht halbfester 
Gallerte übergeht. Zu einer beiderseits glatten festen Haut wird sie 
erst während der Keimung“. Leitgeb hat später (1884, pag. 67) diese 
Membran „schon vor dem Verstäuben aus dem Sporangium“ sichtbar 
machen können, indem er die Sporen zerdrückte und den Inhalt zum 
Herausquellen brachte. An der Inhaltskugel läßt sich dann nach Zu- 
satz von Kali oder ohne vorausgegangene Kalibehandlung „eine ungemein 
zarte, stellenweise faltig abgehobene Haut auf das unzweifelhafteste 
erkenuen und mit Chlorzinkiod unter starker Quellung blau färben“. 
Wegen der Zellulosereaktion und der nachträglichen Entstehung be- 
zeichnet Leitgeb dieses Häutchen als Intine bzw. Endospor. Camp- 
bell erwähnt von einer solchen vierten Hülle nichts. 

Aus den folgenden Untersuchungen hat sich ergeben, daß alle 
außerhalb des Exospors liegenden Hänte selbständige Bildungen sind, 
die dem Exospor von dem Periplasma aufgelagert werden. Im ganzen 
sind sechs Sporenhäute vorhanden. Von dem Exospor nach außen 
fortschreitend zunächst eine Gallertschicht (innere Gallertschicht), 
dann die „Mittelhaut“ (Strasburger), dann eine zweite Gallertschicht 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 225 


(äußere Gallertschicht), zu äußerst die Elaterenschicht und 
schließlich innerhalb des Exospors wahrscheinlich als späteste Bildung 
das Endospor. Es würde keinen Zweck haben, alle diese Schichten 
mit besonderen Namen zu belegen, denn sobald derartige Häute bei 
einer anderen Pflanze in anderer Anzahl auftreten, würden die Namen 
unbrauchbar werden. Es wird deshalb das beste sein, in Anlehnung 
an die Bezeichnung Strasburger’s alle Häute, „die den Membranen 
eines gegebenen Protoplasten von einer anderen Plasmamasse aufgesetzt 
werden“ (1907, pag. 181 u. 1882, pag. 155) als Perisporien zu be- 
zeichnen. Die Perisporien können in mehrere Lamellen differenziert 
sein. Sie wären dann als differenzierte Perisporien zu bezeichnen. Bei 
Equisetum handelt es sich aber durchgehends um selbständige Sporen- 
‚häute, weshalb es nötig erscheint, derartige Perisporien als zusammen- 
gesetzte Perisporien zu bezeichnen. Zu den Bestandteilen des zu- 
sammengesetzten Perispors zählen in diesem Fall auch die Gallertschichten 
zwischen Mittelbaut und Elaterenschieht, obwohl diese in der .reifen 
Spore nicht mehr nachzuweisen sind. 

Die Sporenmembran der Equiseten besteht also aus folgenden 


selbständigen Häuten: 


1. Perispor, welches zerfällt in 
a) die Elaterenschicht, 
b) äußere Gallertschicht, 
c) die Mittelhaut, 
d) die innere Gallertschicht. 

2. Exospor. 

3. Endospor. 

Über den Bau dieser Häute braucht zu dem Gesagten nur noch 
weniges hinzugefügt zu werden. 

Es ist unmöglich an der unversehrten kugeligen Spore den Bau 
der Membran ohne Zuhilfenahme von Reagenzien festzustellen, denn 
bei jeder geringsten Verschiebung des Tubus ändert sich das Bild der 
‘Membranlinie; es läßt sich nicht sagen, ob gewisse feine konzentrische 
Konturen auf Lichtbrechungserscheinungen beruhen, oder ob sie von 
Membranlamellen herrühen, und es ist ferner auch unmöglich, ein 
sicheres Kriterium für genau äquatoriale Einstellung zu finden. Am 
besten läßt sich die Struktur an geplatzten und entleerten oder an ein- 


gefalteten Sporen untersuchen. 
Man erkennt an solchen geplatzten Körnern mit Immersion eine 


‚scharfe innerste stark hellblau lichtbrechende Lamelle, das Endosporium. 
Ungefähr dasselbe Bild erhält man nach Behandeln mit Chiorzinkjol. 
Flora, Bd. 102. 16 


226 E. Hannig, 


Werden die Sporen dagegen zuerst in KOH gebracht (4 Stunden), wobei 
die Sporen platzen und der Inhalt aus der Sporenhaut heraustritt, 
dann in Glyzerin gelegt, ausgewaschen und schießlich mit Chlorzinkjod 
behandelt, dann färbt sich die Intine schwach violett — gibt also 
Zellulosereaktion —, aber die Färbung hält nicht lange an. 

Auf die Intine folgt nach außenhin das derbe Exospor, das sich 
in der frischen Spore als eine stark lichtbrechende bläuliche Membran 
darstellt, die nach der Oberfläche zu etwas dunkler schattiert ist, jedoch 
keine Differenzierung aufweist. In Chlorzinkjod tritt dunkle, braun- 
gelbe Färbung auf. Untersucht man eingedrückte Sporen, so findet 
man im optischen Querschnitt auf der konvexen Seife eine radiale 
Streifung in der Membran (Textfig. 1a und c), die vielleicht, mit einer 
feinen Punktierung oder Körnelung der Oberfläche zusammenhängt. 


Fig. 1. a Junge Spore nach 
Su 5 Behandlung mit Chlorzinkjod. 
a, Das Exospor ist eingedrückt, 
@ die Mittelhaut in weiten Falten 
abgehoben; nur an einer Stelle, 
ums € dem Nabel, mit der Spore ver- 
bunden. 3 Der Nabel vergrößert. 
e Radiale Striefung auf der 
Fig. 1. konvezen Seite. 


Die Körnchen treten in der Profilansicht als kleine leuchtende Halb- 
kügelehen hervor. Es ist zu beachten, daß die radiale Streifung auf 
der konkaven Seite der eingedrückten Spore nicht zu erkennen ist, 
während die Körnelung der Oberfläche dort ebenso deutlich ist wie 
auf der Gegenseite. Aber bei der Feinheit der Struktur war es unmöglich 
die Beziehungen zwischen der Körnelung und der Streifung vollständig 
sicher zu stellen. 

Die Abgrenzung der Gallertschicht ist, solange die Spore in 
der Sporangiumflüssigkeit liegt, nicht zu erkennen. Auch in Wasser 
tritt sie wenig hervor, da nur ganz geringe Quellung stattfindet. Man 
sieht dann zwar außerhalb der scharf konturierten Exospore noch eine 
feine, etwas gelblich gefärbte Lamelle, aber diese stellt, wie die Be- 
handlung mit Reagenzien lehrt, die Gallertschicht der Mittelhaut dar 
und ist so fein, daß keine Differenzierung möglich ist, Mit Hilfe von 
Reagenzien kann man aber die Gallertschicht sehr schön zur Anschauung 
bringen. Wenn man frisches oder Alkoholmaterial mit Glyzerin be- 
handelt und dann wieder in Wasser legt, quillt die feine Außenschicht 
außerordentlich stark auf und erhält eine scharfe konzentrische Streifung. 
Bei Zusatz von Chlorzinkjod erkennt man weiter, daß die Gallertsehieht 


en Zr EEE de 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 227 


außen von einem ganz dünnen Häutchen begrenzt wird, der Mittelhaut, 
die sich nach einiger Zeit intensiv gelb färbt (Textfig. le). Auch die 
Gallertschicht nimmt in Chlorzinkjod nicht, wie Hofmeister (1863, 
pag. 284) angibt, eine bläuliche, sondern eine gelbliche Färbung an. 
Noch schöner lassen sich die Gallertschicht und zugleich die übrigen 
Schichten deutlich machen, wenn man zu einem in Wasser liegenden 
Präparat JJK zusetzt. Dann quillt die konzentrisch gestreifte Gallert- 
schicht nicht überall gleichmäßig, sondern fleckenweise auf, und die 
Mittelhaut, welche gelbe Färbung annimmt, hebt sich an verschiedenen 
Stellen halbkugelig oder unregelmäßig gewölbt von dem Exospor ab, 
während sie an anderen Stellen an dem Exospor haften bleibt (Textäg. 22 
ud. Wird dann H,SO, konz. zugesetzt, dann wird die Gallerte 


Fig. 2, a Junge Spore 
während der Quellung in 
Chlorzinkjod. Die Mittel- 
haut an einer Stelle noch 
nicht abgehoben; hier die 
Vakuolenhaut, aus der die 
Elateren hervorgehen, sicht- 
bar. & Ältere Spore mit 
Mittelhaut und Elateren- = - “ 
hant, in Quellung. Die & 
innere und äußere Gallert- . 
schicht sichtbar. Fig. 2. 


augenblicklich zerstört und regelmäßige braunrote Stäbchen (Kristalle) 
ausgeschieden, welche die Oberfläche des Exospors bedecken. Legt man 
eine Spore in KOH, so quillt die ganze Spore sehr stark (von 
32-35 auf 42—-45 Teilstriche) und die konzentrische Streifung in der 
Gallertschicht tritt schärfer hervor. In Chlorzinkjod nimmt die Gallert- 
schicht übrigens nur wenig Wasser auf, und in jüngeren Stadien schrumpft 
die in Wasser stark auseinander gegangene Gallerte bei Zusatz von 
Chlorzinkjod sogar bis fast auf die halbe Dicke wieder zusammen. 
Da gewisse Farbstoffe (z. B. Methylviolett) von der Gallerte ziemlich stark 
gespeichert werden, kann man diese Schicht auch mit Hilfe von derartigen 
Farbstoffen nachweisen. Rutheniumrot wird übrigens nicht von der 
Gallerte gespeichert; diese scheint danach keine Pektinsubstanzen zu 


enthalten. 
Die Gallertschieht ist nicht überall gleichmäßig, vielmehr treten 


die beiden ersten bzw. drei ersten innersten Schichten am schärfsten 
hervor und sind durch einen schwachen rötlichen Schimmer vor den 


übrigen ausgezeichnet. 
16* 


228 E. Hannig, 


Die Mittelhaut ist ebensowenig wie die Gallertschicht an deı 
reifen Spore zu unterscheiden, läßt sich aber auch mit Hilfe von Rea- 
genzien sehr gut sichtbar machen. Bei Zusatz von Chlorzinkjod schrumpft 
nämlich die Sporenkugel stark zusammen und faltet sich wie ein ein- 
gedrückter Gummiball einseitig ein (Textfig. 1a, pag. 226). Zu gleicher 
Zeit wird an der äußeren Grenze über der Gallertschicht die Mittel- 
haut als dünne Lamelle sichtbar, die sich nach einiger Zeit hellgelb 
färbt. Sie hebt sich dabei von dem dicken Exospor in dünnen scharfen 
Fältchen ab, so daß die Spore mit ihrem runzelig, faltigen Überzug 
ein sehr auffallendes Bild bietei. Bei Zusatz von JJK und H,SO, 
färbt sich das Häutchen gelb und löst sich nicht auf, ist also kutisiert, 
wie schon Strasburger (1882, 122) angegeben hat. In KOH färbt es 
sich schwach gelblich, ähnlich wie das Exospor, und speichert auch wie 
dieses Methylenblau sehr stark. 

Die äußere Gallertschicht befindet sich zwischen Mittelhaut und 
Elaterenschicht, läßt sich aber nur nachweisen, solange die Elateren- 


Fig. 3. « Fast reife 
Spore in Quellung. 
An der Außenseite 
der Mittelhaut eine 
feine Körnchen- 
schicht. 3 Stück 
eines Blaterenbandes. 


Tg. 3. 


haut noch geschlossen, also noch nicht in die Bänder gespalten ist. 
Sie tritt in die Erscheinung, wenn man eine Spore von entsprechendem 
Alter in Wasser einlegt; dann zeigt: sich eine ebensolche fein kon- 
zentrische Streifung, wie bei der inneren Gallerthülle (Textfig. 25, pag. 236). 
Mit Methylenblau oder mit Methylviolett läßt sich diese Schicht aber nicht 
färben, dagegen nimmt sie in Hämatoxylin schwachviolette Färbung an. 

Die Elateren. Von den Schraubenbändern wird allgemein an- 
gegeben (s. o.), daß sie aus einem breiten Streifen bestehen, der an 
seinen Rändern von zwei schmalen „Fasern“ begleitet ist. Diese 
schmalen Streifen sieht man auf der Flächenansicht, aber sie sind auch 
bei den auf der Kante stehenden Bändern sichtbar, und Querschnitts- 
bilder durch eine Elatere zeigen einen ovalen Kern, der von einer 
feinen Lamelle umgeben ist (Textfig. 35). Es handelt sich also nicht 
um zwei Streifen an den Rändern der Elatere, sondern um eine dünne 
Schicht, welche die ganze Elatere geschlossen umhällt. Der Kern der 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 239 


Elatere besteht aus Zellulose und färbt sich mit Chlorzinkjod sehr 
schön blau; die Hülle dagegen ist nicht, wie meist angegeben wird, 
kutikularisiert, denn sie färbt sich weder mit Chlorzinkjod noch mit‘ 
JJK-HH,SO, und löst sich ferner in H,SO, vollständig auf, An der 
Oberfläche sind die Bänder (bei Equisetum palustre) mit verhältnis- 
mäßig großen Körnchen bedeckt, die man am Rande der Bänder her- 
vorragen sieht. 


. Über die Art und Weise, wie die Elateren an der Sporenkugel 
befestigt sind, findet sich nur bei Goebel (1882, pag. 300) eine kleine 
Notiz. Dort heißt es nämlich: „Diese Bänder sind in der Mitte ver- 
engt und an dieser Stelle der zweiten Haut angeheftet; diese Stelle 
ist es wahrscheinlich, die man schon an der unreifen Spore in Form 
einer nabelartigen Verdickung . . . erkennt.“ Sucht man an einer reifen 
Spore von E. limosum die Befestigungsstelle der Elateren auf, so zeigt 
sich, daß hier eine schwache Verbreiterung der Bänder vorliegt und 
weiter. daß die äußeren Grenzen der beiden Bänder ununterbrochen 
über die Ansatzstelle fortlaufen, während die inneren vor einem ge- 
meinsamen Verbindungsstück zusammenfließen (Textfig. 3«). Die Ver- 
wachsungsstelle springt in der Tat von dem Elaterenband nach dem 
Exospor zu nabelartig vor. An jüngeren Entwicklungsstadien sieht 
man diesen Vorsprung sowohl im Querschnitt (bei eingefalteten Sporen) 
als auch in der Flächenansicht, in der er als kleiner unregelmäßig kon- 
turierter Kreis erscheint. An dieser Verbindungsstelle sind das 
Exospor, die Mittelhaut und die Elaterenschicht miteinander verwachsen, 
weshalb sich auch die Mittelhaut, wie Strasburger angibt, bei der 
Quellung an dieser Stelle nicht von dem Exospor abhebt (Textfig. 7a, 
pag. 236). 


5. Entwicklung der Sporenmembran. 


Bildung der Spezialmembran. Von einer Spezialmembran 
kann man, wie schon oben angeführt, nicht sprechen, da nach der 
Trennung der Tetradenzellen keinerlei Membran um die Spezialzelle 
erkennbar ist. Irgendeine hautartige Abgrenzung muß aber jedenfalls 
auf seiten des Periplasmas von vornherein vorhanden sein, denn das 
Plasma der Spezialzellen ist stets scharf von dem Plasmodiun gesondert. 
Diese Sonderung macht sich besonders bei der Behandlung der Prä- 
parate mit wasserentziehenden Mitteln, vor allem an fixiertem Material 
geltend, weil dann eine starke Kontraktion des Periplasmas eintritt‘ 


(Taf. XIII, Fig. 3 u. 4). 


230 E. Hamuig, 


Bei der Tetradenteilung werden zwar sechs Zellplatten gebildet, 
es kommt aber auch hier in den Zellplatten nicht zur Ausscheidung einer 
"nachweisbaren gemeinsamen Membran. Vielmehr lösen sich die vier 
Tetradenzellen noch in ihrer Tetradengestalt voneinander ab und nehmen 
erst Kugelgestalt an, wenn das Periplasma zwischen sie eingedrungen 
ist. Diese Kugelzellen, welche die zukünftigen Sporen darstellen, be- 
sitzen anfangs keine sporeneigene Membran, sondern sind nur dureh 
die Vakuolenhaut des Periplasmas gegen letzteres abgegrenzt. Die 
Vakuolenhauft. kann man in Schnitten durch lebendes Material an der 
Grenze von Periplasma und Spore sehen; aber erst an fixiertem Material, 
wo die Sporenzellen weit von dem Periplasma abgehoben sind, läßt 
sich feststellen, daß der Sporenprotoplast nackt ist, das Periplasmodium 
dagegen eine Vakuolenhaut besitzt (vgl. Taf. XII, Fig. 7 u. Text pag. 232). 

Bildung des Exospors. Wenn sich die Sporenzellen nach der 
Tetradenteilung isoliert und abgerundet haben, liegen sie bald dicht 
aneinanderschließend im Spornsack nebeneinander und lassen meistens 
zur sehr kleine Zwickel, die mit Periplasma ausgefüllt sind, zwischen 
sich frei. Diese Lagerung kann man am frischen Material nur fest- 
stellen, wenn man dünne Schnitte. in der Sporenflüssigkeit untersucht. 
Man findet dann die Zwickel zwischen den Sporen von Periplasma 
erfüllt, in dessen hyaline Grundsubstanz ziemlich große lichtbrechende 
Körnchen eingebettet sind, die sich mit Jod nicht färben. Gelingt: es 
einzelne Sporen aus dem Zytoplasma zu entfernen, so sieht man, daß 
auch an den Stellen, an denen die Sporen sich zu berühren schienen, 
noch eine trennende Plasmaschicht vorhanden war. Der Inhalt der 
Spore ist wasserhell, der große Kern dureh eine Vakuole, die mehr als 
die Hälfte des Sporeninhaltes ausmacht, an die Wand gedrückt. Bald 
nach ihrer Isolierung erscheint die Spore von einem dünnen Häut- 
chen umgeben, der Anlage des Exospors (Taf. XIII, Fig. 5), an dem 
keine Differenzierung zu erkennen ist. Auch in der ersten Periode, 
in der diese Membran in die Dieke wächst, bleibt sie undifferenziert 
und färbt sich von Anfang an in Chlorzinkjod gelb. 


Entwicklung des Perispors. 


Um diese Zeit beginnt die uns hauptsächlich interessierende for- 
mative Tätigkeit des Periplasmodiums. Sie ist insofern besonders be- 
merkenswert, als nicht etwa eine Spore in einen Protoplasten ein- 
gebettet ist, wie wir das z.B. von den Oosporen der Peronosporeen ker 
kennen, sondern eine dicht gedrängte aber unbestimmte Menge. Um 
jede einzelne dieser Sporen entfaltet der Periplast die gleiche -mannig- 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 981 


faltige Tätigkeit, bildet zuerst die innere Gallertschicht, dann die Mittel- 
haut, die äußere Gallertschicht und schließlich die Elaterenhülle Es 
macht den Eindruck als ob die Perisporbildung um jede Spore herum 
wie um einen Fremdkörper, der im Plasma eingebettet ist, erfolge. 
Das ist aber durchaus nicht der Fall. Wir werden sehen, daß ganz 
bestimmte Beziehungen zwischen dem Periplasmodium und jeder Einzel- 
spore bestehen müssen. " 

Die Beziehungen des Periplasmodiums zu der Sporenhülle sind 
durch die bisher vorliegenden Angaben über diesen Punkt keineswegs 
geklärt. Strasburger hatte nur angegeben (1882, pag. 120), daß zu 
einer gewissen Zeit an der Peripherie der hyalinen Kugel in Kontakt 
ınit der umgebenden Plasmamasse ein Häutchen zu erkennen ist, das 
aus aneinander gereihten Körnchen zu bestehen scheint und weiter, als 
Hinweis auf den Ursprung dieses Häutchens: „Zwischenstufen lehren, 
daß es sich um die mit einer Schicht Mikrosomen beladene 
Hautschieht des umgebenden Plasma handelt“. Diese Angaben 
gestatten keinen Einblick in den Entwicklungsgang der Elatern und 
können somit auch nicht die Überzeugung erwecken, daß die Elateren 
wirklich von dem Periplasmodium gebildet werden. Es wäre ja auch 
denkbar, daß die Mittelhaut oder das Häutchen, aus dem die Elateren 
ihren Ursprung nehmen, eine äußere Lamelle des Exospors darstellt, 
die anfangs so dünn sein könnte, daß sie nicht zu erkennen wäre. Von 
manchen Sporenlamellen, die später eine mächtige Entwicklung erfahren, 
können wir tatsächlich trotz genauester Untersuchung nicht sagen, ob 
sie eine solche äußere 'Exospordifferenzierung darstellen oder ob sie 
von einer außerhalb der Spore liegenden Membran, der Spezialmembran, 
abgespalten werden (Fitting 1900, Beer 1906). Es ist demnach bei 
der Untersuchung des Ursprungs der Elateren ganz besondere Vorsicht 
geboten. 

Am wenigsten ließ sich Sicherheit gewinnen über die Entstehung 
der inneren Gallertschicht. Diese Neubildung tritt zuerst als farb- 
lose, ganz dünne Lamelle auf der Sporenaußenseite auf. Sie färbt sich 
zu keiner Zeit mit Chlorzinkjod, während das Exospor in diesem Rea- 
genz früh fast braunrote Färbung annimmt. Diese Lamelle bleibt 
anfangs im Wasser anscheinend unverändert und wird erst später, wenn 
die nächstfolgende Schicht, die Mittelhaut aufgelagert ist, in Wasser 
stark quellbar. Mit absoluter Sicherheit läßt sich freilich nicht sagen, 
daß diese Gallertschieht vom. Periplasma ausgeschieden und aufgelagert 
wird, denn obgleich sie außerhalb des Exosporiums liegt, könnte sie 
durch Verquellung der äußeren Schichten dieser Lamelle entstanden 


232 E. Hannig, 


sein. Es konnten nun aber einerseits keinerlei Anzeichen - einer Ver- 
quellung oder Ausscheidung ausfindig gemacht werden; andererseits 
wurde beobachtet, daß unter Umständen die ganze innere Quellungs- 
schicht von der sich ablösenden Mittelhaut mitgenommen wird (Textfig. 4 2). 
Wenn man außerdem noch bedenkt, daß auch die äußere Gallert- 
schicht, die, soviel sich erkennen läßt, von gleicher Beschaffenheit ist. 
wie die innere, vom Periplasma abgeschieden wird, wird man annehmen 
dürfen, daß auch die innere Gallertschicht ein Produkt des Peri- 
plasmas ist. 

Die Entwicklung dieser, wie auch der übrigen Lamellen des 
Perispors läßt sich am lebenden Material nur verfolgen, wenn man die 
Sporen isoliert. Denn in dem frischen Sporangium liegen diese so dieht 
aneinandergepreßt, daß eine Unterscheidung feiner Konturen um das 


Fig. 4 « Spore nach 
Quellung. Die innere 
Gallertschicht ist an der 
Spore hängen geblieben, 
die Mittelhaut, ist abge- 
glitten. & Desgl. die 
Mittelhaut samt innerer 
Gallertschicht sind vom 
Exospor abgehoben. 
ec Zerdrückte junge Spore 
mit kragenartig zurück- 
geschlagener Öffnung, 
die Mittelhaut als feine 
äußere Tamelle sicht- 
ar. 


[2 Fig. 4. 


Exospor unmöglich ist. Werden nun beim Schneiden die ganz jungen 
Sporen aus dem Periplasma herausgerissen, dann erkennt man, daß 
das Periplasma durch eine scharfe Kontur gegen die Lücken abgegrenzt 
ist. Diese Kontur, die Vakuolenhaut, ist an fixiertem Material beson- 
ders gut zu erkennen. Hier läßt sich nun noch eine Tatsache fest- 
stellen, die für die Frage nach der Entstehung der Mittelhaut und 
damit zugleich der Elaterenhaut von entscheidender Bedeutung ist. 
Es zeigt sich nämlich, wie schon hervorgehoben, daß in der allerersten 
Zeit nach der Isolierung der Sporen. zwar das Periplasmodium gegen 
den Sporenprotoplasten scharf abgegrenzt, ist, das Protoplasma der 
Spore aber noch keinerlei Membran erkennen läßt. Das kann man 
an den fixierten Sporangien deshalb sehr schön sehen, weil das 
Periplasmodium, das aus außerordentlich lockeren Netzmaschen.-besteht, 


er Tr A 


Dt 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 233 


sich weit von dem dichten Plasma der jungen Spore abhebt. Während 
die junge Spore kugelig ist und höchstens an der Oberfläche einschrumpft, 
bildet die Periplasmodiumvakuole oft sehr lang elliptische Hohlräume. 
Die Sporenprotoplasten liegen also anfangs ebenso membranlos in Va- 
kuolen des Periplasmodiums, wie die Sporenmutterzellen. Daß die 
Membran nicht etwa nur besonders dünn ist, sondern tatsächlich fehlt, 
geht daraus hervor, daß man sehr häufig Bilder antrifft, an denen 
man dünnere oder feinere Plasmafäden sieht, welche die Wand der Vakuole 
mit den Sporenprotoplasten verbinden (Taf. XIII, Fig. 7). Das läßt er- 
kennen, daß der Protoplast eventuell an der Vakuolenhaut ankleben, 
und bei der Kontraktion während des Fixierens wie eine zähflüssige 
Masse in Fäden ausgezogen werden kann, also noch keine differenzierte 
Sporenhaut besitzt. Das heißt mit anderen Worten,, daß die Va- 


Fig. 5. @ Geyuollene 
Junge Spore mit innerer 
Galiertschicht und weit 
abgehobener Vakuolen- 
haut, aus der die Mittel- 
haut hervorgebt. Im 
Periplasma Kerne und 
Stärkekörnchen. 5 Äl- 
tere Sporenanlage, ge- 
quollen,. Mittelhaut in 
unregelmäßigen Falten 
abgehoben, Elaterenhaut 
regelmäßig, mit feiner 
Körnchenschicht. 


kuolenhaut des Periplasmodiums vor dem Exosporium angelegt 
wird. Da wir nun weiter zeigen können, daß die Mittelhaut aus der 
Vakuolenhaut hervorgeht, ist der Einwand, den man bisher noch er- 
heben komnte, daß nämlich die Lamellen des Perispors schon mit dem 
Exospor als äußere, aber wegen ihrer Geringfügigkeit anfangs nicht er- 
kennbare Schichten angelegt sein könnten, hinfällig. 

Wie die Mittelhaut entsteht, geht aus folgenden Beobachtungen 
hervor: Löst man in gewissen Stadien die Sporen aus den Periplas- 
modien, dann läßt sich auch an lebenden Sporangien feststellen, daß 
ein ganz dünnes hyalines Grenzhäutchen entstanden ist. An isolierten 
Periplasmastückchen kann man dann durch Wasserzusatz die Gallert- 
schicht um das Exospor (innere Gallertschicht) zur Quellung bringen. 
Dadurch hebt sich das Periplasmahäutchen als weiter ellipsoider Mantel 
von der Spore ab (Textfig. Ba). Mit dem Periplasma selbst ist es fest 
verbunden und läßt sich von ihm weder auf mechanischem Wege noch 


234 E. Hannig, 


durch Reagentien abtrennen. Mit Chlorzinkjod erhält man zu dieser 
Zeit keine Färbung des Häufehens, dagegen nimmt es eine schwach 
körnige Stroktur an and hebt sich infolgedessen deutlich gegen das gelb- 
liche grobkörnigere Periplasma ab. Durch Druck auf das Deckglas gelingt 
es mitunter das Häutchen mitsamt der inneren Gallertschicht von der, 
Spore loszulösen, so daß es wie eine Kappe auf der Spore aufsitzt 
(Textfig. 42). Auf etwas späteren Entwicklungstufen kann man dann 
das Häutchen, also die junge Mittelhaut, als feine Doppellinie um das 
Exospor herum erkennen. Daß keine Täuschung durch Liehtbrechung 
vorliegt, läßt. sich feststellen, wenn man die Sporen so fest drückt, daß 
sie platzen. Es bildet sich dann eine kleine kragenförmig vorgewölbte 
Öffnung, an deren Rändern nur auf der Außenseite, der Mittelhaut 
entsprechend, die Doppellinien sichtbar sind, nicht aber auf der Innen- 
seite (Textfig. 40). Zu dieser Zeit sammeln sich nun auch aus dem 
Periplasma auf der Außenfläche des Mittelhäutekens ganz kleine Körn- 
chen an, die in einfacher Schicht dicht gedrängt nebeneinander liegen 
(Textfig. 4c). Die Lagerung dieser Körnchen ist wichtig, weil sie einen 
charakteristischen Unterschied gegen die ähnlich entstehende Elateren- 
sehicht hefert. Dort sind die Körmnchen, abgesehen davon, daß sie be- 
trächtlich größer werden, in das Vakuolenhäutchen eingelagert (Text- 
fig. 52). Mit der Ausammlung der Körnchen auf der Oberfläche des 
Mittelhäutchens beginnt die chemische Umwandlung desselben. Setzt man 
jetzt Chlorzinkjod zu einem Präparat hinzu, dann färbt sich das Häutchen 
gelb und hebt sich außerdem in ganz feinen Fältchen von dem Exospor 
ab — wohl infolge von Quellung des Häutchens und Schrumpfung der 
Spore. Offenbar steht: die Ansammlung der Körnchen in Beziehung 
zur Kutisierung; denn nach Beendigung der Kutisierung sind sie ver- 
schwunden. 

Sobald die Kutisierung des Häutchens deutlich geworden ist, löst 
sich dieses vom Periplasına los, und wenn man jetzt eine Spore zer- 
drückt, kann es gelingen, das Sporenhäutchen als geschlossenen Sack 
isoliert abgleiten zu machen, während die innere Gallertschicht an der 
Spore haften bleibt (Textfig. 40). Anfangs steht das Mittelhäutchen 
nach allen Seiten gleich weit vom Exospor ab, später aber, wenn es 
ausgewachsen ist, zeigt sich (Textlig. iz u. d, pag. 226), daß es an dem 
Nabelfleck mit dem Exospor verwachsen ist. Die Verwachsung findet 
somit erst nach der Kutisierung statt. 


Der geschilderte Entwieklungsgang zeigt, daß die Mittelhaut aus 
einer Vakuolenhaut des Periplasmas hervorgeht, „also keine sporen- 


eigene Membran ist, sondern zum Perispor gerechnet werden muß. 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 235 


Entwieklung der Elateren. 


Die Elateren entstehen aus einem ganz ebensolchen homogenen 
Vakuolenhäutchen, wie’ die Mittelkaut. Eine Verwechslung in diesem 
Anfangsstadium wäre möglich, wenn nicht die Anlage des Elateren- 
häutchens noch zu einer Zeit homogen wäre, zu der schon die 
Mittelhaut mittels Chlorzinkjod nachzuweisen ist. Auch bei dem Elateren- 
'häutchen kann man den Ursprung aus dem Periplasma sicher feststellen. 
Nach der Spore zu ist es anfangs allein scharf abgesetzt, während 
nach dem Periplasma zu keine Abgrenzung feststellbar ist. Niemals 
findet man, daß das Häutchen irgendwo vom Periplasma abgehoben 
wäre, und es läßt sich, wie das junge Mittelhäutchen, auch auf keine 
Weise zur Abtrennung bringen. Das Häutchen steht also zweifellos mit 
“dem Periplasma in organischer Verbindung. Da wir nun vorhin fest- 
gestellt haben, daß die Mittelhaut schon vorhanden ist, ehe man vom 
Exospor etwas sehen kann, und da das BElaterenhäutchen noch auf die 
Mittelhaut aufgesetzt wird, ist an die Möglichkeit der Entstehung des 
Elaterenhäutchens aus einer Differenzierung des Exospors nicht mehr 
zu denken. 

Die erste Veränderung, die sich an dem lebenden Elaterenhäutchen 
‚geltend macht, ist die, daß es anfängt außerordentlich feinkörnig zu 
werden. Die Körnchen sind vorläufig wenig lichtbrechend, und weder 
sie noch das Häutchen, in dem sie liegen, färben sich mit Chlorzinkjod. 
Später werden die Körnchen in dem Elaterenhäutchen bedeutend größer 
und man kann die Stufen der weiteren Umwandlung leicht innerhalb 
‚ein und desselben Sporangiums feststellen. Es treten an den Stellen, 
.an denen die Bänder entstehen, in dem Häutehen Körner auf, die auf 
‘optischen Querschnitten durch das Häutchen sehr regelmäßig in einer 
Reihe geordnet erscheinen, also nur in einfacher Schicht vorhanden 
sind (Textfig. 52). Die Körnchen werden bald verhältnismäßig groß 
und lassen dann auch verschiedene Liehtbrechung erkennen. Wenn die 
Konturen an der hyalinen Schicht schärfer geworden sind, kann man 
feststellen, daß das Häutchen etwas dicker ist, als die in dasselbe ein- 


‚gebetteten Körnchen. 

Bei Zusatz von Wasser quillt die äußere Gallertschicht sehr stark 
auf, hebt sich aber nur an zwei Polen von der Sporenkugel ab (Textfig. 7a, 
pag. 236). Dreht man eine solche Sporenanlage, so zeigt sich, daß diese 
Art der Abhebung daher rührt, daß die Elaterenschicht schon in diesem 
Stadinm an dem oben beschriebenen Nabelfleck mit der Sporenkugel 
verwachsen ist. Man kann das manchmal noch deutlicher sehen, wenn 
man die Elaterenschicht beim Schneiden oder Durchquetschen von der 


236 E. Hannig, 


äußeren Gallertschicht abreißt oder über die Spore zurückschlägt. Dann 
bleibt der Elaterensack nur au dem Nabelfleck mit der Spore in Ver- 
bindung (Textlig. 65. Wenn die Elaterenhülle etwas dicker ge- 
worden ist, erkennt man besonders gut die eben erwähnten größeren 
Körnchen, welche sich zu parallel verlaufenden Reiben angeordnet 
haben, Sie ziehen in ziemlich geringen aber gleichmäßigen Abständen, 


Fig. 6. « Junge Ela- 
terenhaut mit Körnchen- 
reihen, vom Bxospar- 
abgerissen. 5 Etwas äl- 
tere Blaterenhaut, am 
Nabel am Exospor 
hängend, 


a Fig. 6. 6 


die der Mitte der späteren Bänder entsprechen, über die ganze Elateren-- 
hülle hin (Textäig. 62). Setzt man jetzt Chlorzinkjod zu, so färbt sich 
das ganze Häutchen schwach hellviolett, zeigt also zum erstenmal 
Zellulogereaktion. Die Körnchen scheinen sich nicht zu färben, jeden- 
falls ist bei der starken Lichtbrechung derselben eine Färbung nicht 
mit Sicherheit zu erkennen. An der Stelle, wo die Körnchen liegen,. 
treten dann sehr bald‘ breitere, zuerst: undeutlich begrenzte Streifen. 


Fig. 7. Fast reife Sporen. a Elaterenhaut abgehoben. 5 Elaterenhaut und Mittel- 
haut abgehoben. c Elaterenhaut grob gekömnelt. 


auf, die bei Behandlung mit Chlorziukjod dunkelviolett werden (Text- 
fig. 65). Wenn man in etwas älterem Stadium ein solches „Blateren- 
hemd“ im optischen Querschnitt betrachtet, erkennt man sehr schön die 
Querschnitte der Bänder als starke Verdickung und sieht, daß zwischen 
jeder Verdiekung (Bandquerschnitt) ein etwa halb so breiter unverdickter 
Streifen liegt (Textfig. 7a, 5, c). Die Bandqnerschnitte springen nach 


UELI nennen nn 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 237 


außen vor, sind aber nur auf dem Querschnitt deutlich zu sehen, 
während sie sich in der Flächenansicht nur schwach von der übrigen Haut 
abheben (Textfig. Te). Sobald die Elaterenbänder sichtbar geworden 
sind, verschwinden die Körnchenreihen und die ganze Elaterenhaut er- 
scheint auch an den Stellen, an denen die Bänder liegen, gleichmäßig 
punktiert (Textfig. 7c). Auf optischen Querschnitten kann man nun 
feststellen, daß auch auf der Innenseite des Elaterenhäutchens und der 
Elaterenbänder Körnchen liegen (Textfig. 72), also umgekehrt, wie bei 
der Mittelhaut, wo die Körnchen zuletzt auf der Außenseite der Mittel- 
hautschieht angeordnet waren. Je dicker die Elateren werden, desto’ 
‚deutlicher wird die Zellulosereaktion mit Chlorzinkjod, und bei Behand- 
lung mit JJK-+-H,SO, zerfließt die ganze Elaterenschicht in intensiv 
blauvioletter Farbe. Später treten an den Elaterenbändern über dem 
inneren dicken Zeliulosekern die äußeren zarten Hüllen auf, die keine 
Zeltulosereaktion geben (Fig. 35, pag. 228). Wie diese Hüllen entstehen, 
ob durch Auflagerung oder durch Umwandlung der äußeren Partien 
4er Bänder, konnte nicht ermittelt werden. Nach Fertigstellung der 
Elateren verschwinden die Reste des Elaterenhäutchens und, wie es 
scheint, auch die äußere Gallertschicht, die in der reifen Spore nicht 
mehr vorhanden ist 

Bei der Entwicklung der Elateren ist ein Punkt von besonderem 
Interesse. Wenn man das Perispor der Equiseten etwa mit dem Perispor 
einer Oospore von Peronospera vergleicht, so ergibt sich, daß hier das 
Perispor nach allen Seiten hin gleich ist, während es bei Equisetum 
einen polaren Bau hat. Im ersten Fall könnte man sich noch vor- 
stellen, daß die Perispormasse durch allmähliche, chemische Umwandlung 
des Periplasmas entstünde und wie ein Sekret mechanisch auf die 
‘Spore abgelagert würde. Im zweiten Fall ist etwas Derartiges aber 
nicht denkbar. Wir sehen hier eine spezifische formative Tätigkeit des 
Plasmodiums. Es treten Reihen von Körnchen auf, die in zwei einander 
entgegengesetzten Richtungen um die Sporenachse herumlaufen, also eine 
polare Anordnung darstellen. Die Körnchen bilden sich in einer Hantschicht 
der Periplasmodiumvakuolen, welche die Sporen einschließen, sind aber 
bei jeder Spore anders gerichtet. Es liegt also nicht etwa eine Polarität 
des gesamten Periplasmodiums vor, denn dann müßte die Achsen- 
richtung der Spiralbänder bei allen Sporen die gleiche sein. Nun haben 
wir aber gehört, daß die Elateren alle an dem Kreuzungspunkt 
der vier Bänder an die Spore angewachsen sind (Textfig. 32). Die 
Polarität der Spiralbänder ist also durch die Anheftungsstelle gegeben. 
Hier läßt sich nun freilich nicht entscheiden, ob die Ausbildung der 


238 ö E. Hannig, 


Verwachsungspunkte von der Spore oder von dem Blaterenhäutchen 
aus bestimmt wird. Denn der Nabelfleck, den wir an der älteren 
Spore antreffen, fehlt in der ersten Zeit der Verwachsung, ebenso läßt 
sich zu der Zeit auch an dem Elaterenhäutchen noch nicht feststellen, 
ob der Kreuzungspunkt der Elateren schon angedeutet ist. Mit anderen 
Worten, wir haben keine Anhaltspunkte dafür festzustellen, ob zuerst 
der Nabelfleck an der Sporenmembran vorhanden ist und dann an 
dieser Stelle das Blaterenhäutchen anwächst und von da aus seinen 
polaren Bau orientiert oder ob es umgekehrt ist. Es konnten ferner 
keine Beziehungen zwischen der Lage des Sporenkerns und der An- 
heftungsstelle ermittelt werden. Für die erste Zeit der Entwicklung, 
läßt sich das schon aus dem Grunde nicht nachweisen, weil die Ver- 
bindung des Perispors mit dem Exospor anfangs so locker ist, daß die 
Mittelhaut bzw. die Elaterenhaut bei jeder Quellung allseitig von dem 
Exospor abgehoben wird (Textlig. 5, pag. 233). Später kann man da- 
gegen oft sehen, daß der Kern der Spore jedenfalls nicht gegenüber 
der Anwachsungsstelle liegt (vgl. Textfig. 7, pag. 236), und zwar auch 
in Stadien, in denen die Elateren noch in Entwicklung begriffen sind. 

Es ist nun allerdings nicht anzunehmen, daß die Anwachsung an 
einer ganz beliebigen Stelle erfolgt, denn ein Punkt an der Oberfläche 
des Exospors ist besonders ausgezeichnet, nämlich derjenige, an dem 
in der Tetradenteilung die Sporen aneinanderstoßen. Es ist daher 
wahrscheinlich, daß die Anwachsung an dieser Stelle stattfindet. Bei 
E. limosum ließ sich das aber nicht festsellen, da ja die jugendlichen, 
unregelmäßig geschrumpften Sporen keine Membranen besitzen, also 
auch keinen Tetraederpol differenzieren können. 

Wie dem aber auch sein mag, die räumliche Anordnung der 
Körnchen, welche die Bahn der Elaterenbänder bestimmen, muß auf 
die Tätigkeit des Periplasmodiums zurückgeführt werden, nur wissen 
wir bis jetzt nicht, ob die Elaterenhaut auch die Richtung der Achse 
dieser räumlichen Konstruktion bestimmt. Dagegen können wir mit 
Sicherheit sagen, daß die Plasmodiumkerne an dieser räumlich be- 
stimmenden Tätigkeit des Periplasmodiums nicht beteiligt sind. Das 
wäre nur denkbar, wenn die Kerne eine hestimmte Lage zu der Achse 
der Elaterenbänder einnähmen. Das ist aber keineswegs der Fall. 
Vielmehr sind die Plasmodiumkerne ganz unregelmäßig zwischen die 
Sporen eingestreut, in wechselnder Anzahl um die einzelnen Sporen 
gelagert und außerdem in Gestalt und Größe ebenfalls überall ver- 


schieden. Die räumlich anordnende Tätigkeit kann also nur von dem 
Plasma des Periplasmodiums ausgehen. 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 239 


Das Endosporium. Wann und wie das Endosporium gebildet 
wird, konnte bei der Schwierigkeit dasselbe überhaupt nachzuweisen, 
nicht festgestellt werden. In jüngeren Stadien, wenn das Exospor schon 
ausgewachsen ist, fehlt es, während es bei fast reifen Sporen sichtbar 
gemacht werden kann. Daraus geht jedenfalls soviel hervor, daß 
das Endosporium eine nachträglich gebildete Sporenhülle ist. Aus den 
oben angeführten Eigenschaften wird man aber weiter auch schließen 
dürfen, daß es eine selbständige Membran ist; denn es läßt sich 
glatt von dem Exospor ablösen und bleibt auch bei der Keimung nach 
dem Abwerfen des Exospors als erste Membran erhalten. Vielleicht 
bieten günstigere Eqnisetumarten (E. telmateja, Leitgeb 1884, pag. 67 
Anm.) die Möglichkeit auch diese Frage sicher zu beantworten. 


Die äußere Gallertschicht. 


Von der äußeren Gallertschicht können wir nur angeben, daß sie 
nach der Mittelhaut gebildet wird, aber nicht wie sie entsteht. Es 
ist wahrscheinlich, daß die Körnchen, die man lange nach Fertigstellung 
der Mittelhaut an deren Außenseite (Textfig. 32) und manchmal bei 
abgehobenen Elaterenhäutchen an deren Innenseite (Textfig. 65) in 
einschichtiger, ziemlich gleichmäßiger Lage antrifft, mit der Bildung 
dieser Gallerte in Zusammenhang stehen. Es könnte aber auch sein, 
daß die Gallertsubstanz aus dem Periplasmodium direkt durch das 
Elaterenhäutchen sezerniert wird. Denn das Periplasmodium scheint 
überhaupt gallertige Einschlüsse zu enthalten. Schon bei der Archespor- 
bildung, wenn die Spormutterzellen noch in geschlossenen Gruppen zu- 
sammenliegen, kann men nach Wasserzusatz in der Lücke, die zwischen 
den Archesporzellen und dem abgehobenen Periplasmodium entsteht, 
eine feine konzenfrische Streifung erkennen, die von einer gallert- 
artigen Infiltration herrührt. Da die äußere Gallertschicht nach der 
Mittelhaut auftritt, kann sie aber nicht von einer Differenzierung des 
Exospors herrühren, sondern stammt jedenfalls auch vom Periplasma 
und gehört somit zum Perispor. 


Zusammenfassung. 


Das Periplasmodium entsteht aus unregelmäßig abgegrenzten Ta- 
petenzellen, von denen sich nieht sagen läßt, ob sie alle genau gleicher 
Herkunft sind. Die Tapetenzellen vermehren sich zuerst eine Zeitlang 
dureh Zellteilung mit karyokinetischer Kernteilung ehe sie fusionieren! 
Nach der Fusion erfolgt durch typische Amitose starke Kern vermehrung. 
Die Fusion beginnt an verschiedenen Stellen in dem Tapstum, in dem 


240 E. Hannig, 


zuerst schmale Verbindungsbrücken zwischen den einzelnen Tapeten- 
protoplasten auftreten, von denen ausgehend die Verschmelzung die auf 
einzelnen Protoplasten übergreift, um mit einer Fusion sämtlicher Proto- 
plasten zu einem einzigen neuen mantelförmigen Plasmakörper zu endigen. 
Bei diesem Vorgang werden die Hautschichten der innen liegenden 
Protoplasten ganz, die der übrigen zum Teil aufgelöst, und der Fusions- 
protoplast bildet eine neue zusammenhängende Hautschicht. Das Peri- 
plasmodium dringt dann zwischen die Sporenanlagen ein, bis diese 
gleichmäßig in der Plasmamasse verteilt sind. Infolgedessen werden 
die Grenzen der ursprünglich individuell gesonderten Tapetenprotoplasten 
verwischt und schließlich die ganze Protoplasmamasse gründlich durch- 
einander gerührt. In dieser Plasmamasse bilden sich charakteristisch 
gestaltete Stärkekörnchen aus, die später wieder verschwinden. Die 
Haupttätigkeit des Periplasmodiums ist eine formative. Es bildet um 
jede Spore zuerst eine kutinisierte Lamelle, die sog. Mittelhaut und 
dann das Elaterenhäutchen, aus dem die Elateren hervorgehen. Die 
Elateren sind an einer bestimmten Stelle an die Spore angeheftet und 
laufen von hier aus nach zwei Polen der Spore in gegenläufigen Spiralen. 
Die Elateren zeigen also eine polare Anordnung. Da sie aus Körn- 
chenreihen in dem Elaterenhäutchen hervorgehen, muß dem Proto- 
plasten die Fähigkeit einer räumlich geordneten formativen Tätigkeit 
zugesprochen werden. Eine Mitwirkung der Tapetenkerne ist dabei aus- 
geschlossen, da diese keine bestimmte Lagerung zeigen. Die formative 
Tätigkeit des Periplasmodiums ist auch insofern mannigfaltig, als die 
Elateren eine komplizierte Struktur aufweisen, und als von dem Peri- 
plasmodium außer den Elateren und der Mittelhaut noch zwei (?) 
Gallertschichten um jede einzelne Spore gebildet werden. Die Mittel- 
haut sowie die Elateren gehen aus Vakuolenhäuten des Periplasmodiums 
hervor. Die Mittelbaut ist von dem Exospor und das Elaterenhäutchen 
von der Mittelhaut durch eine Gallertschicht: getrennt, die nach außen 
hin allmählich verquellen, also keine scharfe Abgrenzung aufweisen. 
Schon das spricht angesichts der festen Verbindung der Vakuolenhäute 
{aus denen die Mittelhaut bzw. die Elaterenhaut entsteht) mit dem Peri- 
plasmodium gegen eine Differenzierung dieser Häute aus dem Exospor. 
Einen sicheren Beweis für die selbständige Entstehung der Mittelhaut 
und der Elaterenschicht aus dem Periplasma bietet die Tatsache, daß 
die jungen Sporen noch keinerlei Anlage eines Exospors zeigen, wenn 
‘die Vakuolenhaut schon vorhanden ist, aus der später die Mittelhaut 
bervorgeht, daß also die Anlage der Mittelhaut vor der Anlage des 
Exospors erfolgt, Damit ist auch die formative Betätigung des Peripläs- 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 24]: 


modiums festgestellt. Das Periplasmodium stellt also einen lebenden 
Protoplasten dar, der mit formativer und räumlich anordnender Bau- 
fähigkeit begabt ist. 


Literatur. 


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242 E, Hannig, 


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Zimmermann, A., Morphologie und Physiologie des pflanzlichen Kernes. 
Jena 1896. 


Figurenerklärung zu Tafel XIII. 


Fig, 1. Zyuisetum limosum. Längsschnitt durch ein junges Sporangium (Quer- 
schnitt durch einen Zapfen). In der Mitte die Zellen des Archespors mit 
dichtem Plasma und großen Kernen. Außen die Tapetenzellen mit kleinen 
Kernen und wenig Plasına. 

Fig. 2. Desgl. Tapstenzellen in Fusion begriffen. In « vier Zellen, von denen 
schon je zwei verschmolzen sind. An dem linken Paar ist noch ein Ein- 
schnitt vorhanden, der die Grenze zwischen den beiden ursprünglichen Proto- 
plasten andentet. In der Mitte eine Verbindungsbrücke, von der die weitere 
Verschmelzung ausgeht. 5 fünf Protoplasten, z. T. miteinander verschmolzen. 

Fig. 3. Desgl. Sporenmutterzellen in Reduktionsteilung begriffen. Das Periplasma 
dringt zwischen die Sporenmutterzellen ein, die Tapetenkerne liegen noch 
dicht gedrängt an der Peripherie, 

Fig. 4. Desgl. Tetradenteilung. Die Sporenmutterzellen sind alle in das Periplasma 
eingebettet, die Tapetenkerne überall in dem Periplasma zerstrent. 

Fig. 5. Desgl Die Sporen sind isoliert, mit einem sehr zarten Häutchen, der An- 
lage des Exospors umgeben. Das Periplaamodium das unregelmäßig grob- 
netzige Struktur besitzt, ist gegen die Sporen darch eine scharf konturierte 
Vakuolenhaut abgehoben. Die Periplasmodiumkerne sind unregelmäßig ge- 
Bet (die kleineren z. T. Querschnitte), einige zeigen noch Fragmentations- 
bilder. 

Fig. 6. Desgl. typische Fragmentationsbilder aus etwas jüngerem Periplasınodium. 

Fig. 7. Desgl. Aus etwas jüngerem Studium wie Fig. 5. Der Sporenprotoplast hat 
noch keine erkennbare Membran, seine Oberfläche ist an einigen Stellen an. 


der Vakuolenhaut des Periplasmodiums, die schon scharf konturiert ist, 
hängen geblieben. 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 243 


1. 


Die Bildung der Massulae von Azolla. 
{Mit Tafel XIV und 17 Abbildungen im Text.) 


Unsere Kenntnisse über Azolla stammen der Hauptsache nach 
aus der bekannten Monographie Strasburger’s (1873) und einer späteren 
Publikation desselben Autors in den histologischen Beiträgen II (1889). 
Vor Strasburger war nur einmal (Griffith, 1846) die Entwicklungs- 
geschichte untersucht worden, abgesehen von einigen kurzen Bemer- 
kungen hierüber bei Mettenius (Linnaea 1847, II), wo auch die ältere 
beschreibende Literatur angeführt ist. Strasburger hatte jedenfalls 
bei seiner Untersuchung, wie es scheint auch bei seinen späteren Nach- 
prüfungen (1898), nur Alkoholmaterial benützt, an dem die feineren 
Strukturen kaum zu erkennen sind. Den späteren Forschern, Campbell 
(1893) und Pfeiffer (1907), stand zwar lebendes oder nach neueren 
Methoden fixiertes’ Material zur Verfügung, sie berücksichtigten aber 
die Vorgänge im Periplasma nur nebenbei. Daher kommt es, daß die 
Entwicklungsgeschichte noch manche Lücken aufweist, daß vor allem 
die Rolle des Tapetenplasmodiums noch der Klärung bedarf. 

Zur Orientierung sei zunächst kurz angeführt, was über die Ent- 
wicklung der Sexualorgane durch die Untersuchungen Strasburger’s, 
Campbell’s, Goebel’s u. a. bekannt geworden ist. 

Die vegetativen Blätter der Azollen sind in zwei Lappen geteilt, 
einen Oberlappen und einen Unterlappen; eine analoge Gliederung kehrt, 
bei den Sporophylien wieder. Nach Goebel (Organogr; pag. 669) teilt 
sich der Blattunterlappen sehr früh und jeder der beiden Teile gibt 
einem Sorus den Ursprung. Der Oberlappen, dessen apikale Partie in 
eine Anabaenahöhle umgewandelt ist, bildet an seiner Basis einen 
füügelartigen, einschiehtigen Auswuchs, welcher die Sori kapuzenartig 
überdeckt. . 

Im allgemeinen stehen niemals mehr wie zwei Sori zusammen, 
die ohne Regel bald beide männlich oder weiblich, bald männlich und 
weiblich sind. 

Die männlichen Sporokarpien haben Kugelgestalt, ihr Durchmesser 
ist fast so groß wie die Oberblätter, der flügelartige Auswuchs derselben 
wird durch sie auf die Seite gedrückt. 

Die weiblichen Sporokarpien sind viel kleiner, läuglich und flaschen- 
förmig; ihr Längsdurchmesser etwa */; so groß wie derjenige der 
männlichen Früchte. 


17* 


244 . E. Hannig, 


Während sich in den männlichen Früchten zahlreiche langgestielte 
Sporangien springbrunnenartig aus einer zentralen Plazenta abzweigen, 
kommt in der weiblichen Frucht in der Regel nur ein einziges Spor- 
angium zur Entwicklung. Auch der Inhalt der männlichen und weib- 
lichen Sporangien ist scheinbar sehr verschiedenartig. 

In den männlichen Sporangien liegen fünf bis acht rundliche Körper 
von schaumiger Struktur, die sog. Massulae, so fest eingepreßt, daß 
sie sich an den Berührungsflächen etwas abplatten. In diesen Schaum 
sind die Sporen eingebettet und gleichmäßig auf die Massulae verteilt. 

Das weibliche Sporangium umschließt nur eine einzige Spore, 
welche so groß wird, daß sie die Sporangiumwand zu einem verschwin- 
dend dünnen Häutehen zusammendrückt. Diese Spore ist von einer 
kompliziert, ornamentierten dieken Hülle umgeben und auf dem Scheitel- 
pol mit einem Aufsatz versehen, dem sog. Schwimmkörper nach 
Strasburger, der aus drei birnenartigen Körpern, von ähnlich schaumiger 
Struktur wie die männlichen Massulae besteht. 

Werden die Massulae von den männlichen Sporangien befreit, so 
sieht man, daß von ihrer Oberfläche eine größere Anzahl langgestielter, 
ankerartig ausgebildeter Körper nach allen Seiten senkrecht emporragen, 
die sog. Glochidien, während von der Oberfläche der weiblichen 
Spore, sowohl allseits von der Sporenmembran selbst (an bestimmten 
Stellen) als auch von dem Schwimmkörper und hier besonders von der 
Spitze desselben, lange peitschenartige Organe entspringen. 

Von den hier in kurzer Übersicht aufgeführten Gebilden fehlt 
erstens noch vollständig die Kenntnis der Entwicklung der Glochidien. 
und der peitschenförmigen Anhänge der Makrospore; zweitens ist.ebenso 
wie bei Equisetumvdie Bedeutung des Plasmodiums fürdie Entwicklung der 
Sporenhüllen sowohl in den männlichen wie in den weiblichen Spo- 
rangien überhaupt noch nicht speziell untersucht worden und schließlich 
bedarf die morphologische Bedeutung der Sporangien selbst noch der 
Aufklärung. 

Es sollen daher in den folgenden Abschnitten behandelt werden: 

1. Bau und Bedeutung der Sporokarpien (pag. 244). 

2. Entwicklung des Periplasmodiums (pag. 247). 

3. Entwicklung der Massulae in den Mikrosporangien {pag. 249). 

4. Entwieklung der Massulae in den Makrosporangien (pag. 266). 


1. Bau und Bedeutung der Sporokarpien. 


Die Anlagen der Makrosporokarpien und Mikrosporokarpien, die 
wegen ihres Zusammenhanges mit den Tapetenzellen aufgeführt werden 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 245 


müssen, sind in den ersten Stadien völlig gleich. - Sie beginnen mit der 
papillenartigen Hervorwölbung einer Zelle, an deren Spitze sich eine 
zweiseitige Scheitelzelle abschnürt (Fig. 1, 2, 3 bei Pfeiffer, 1907, und 
9, 10 und 11 bei Campbell, 1893). Aus der Scheitelzelle entsteht 
durch tetraedrisch aufeinanderfolgende Wände ein Sporangium, während 
sich dicht unter dem Sporangium ein Ringwall hervorwölbt (Pfeiffer 
1907), der schließlich als zweischichtiger Mantel integumentartig über 
das Sporangium emporwächst (Textfig. 1). Erst wenn das Indusium 
sich gerade zu schließen beginnt, entscheidet es sich, ob ein Sporokarp 
zu einem weiblichen oder männlichen Sorus wird. Es können nämlich 
in beiden Fällen direkt unter der ersten Sporangiumanlage seitliche Aus- 
sprossungen entstehen (Textfig. 2 z und 5) (Pfeiffer, 1907, Fig. 9—11 und 


@ 


Fig. 1. Junges Makrosporangium. 7 Tapetenzellen. zy 
Cyanophyceen. 
Fig. 2. Zwei Sori mit je einem terminalen Makrosporau- 
gium (za) und zahlreichen lateralen Mikrosporangien (27), 
mas Makrospore, sd verkümmerte Makrosporen. 


Goebel, Organographie, Fig. 448, vergl. dagegen nebenstehende Fig. 1), 
die anfänglich der Anlage des ersten Sporangiums durchaus gleichen. Bei 
der Weiterentwicklung zeigt sich, daß die Anlage des ersten Sporangiums 
am Scheitel der Kolumella und die neuen seitlich aussprossenden Anlagen 
in korrelativen Beziehungen zueinander stehen. Entweder entwickelt sich 
die terminale Sporangiumanlage nicht, dann wachsen die seitenständigen 
stark und bilden sich in basipetaler Reibenfolge zu langgestielten männ- 
lichen Sporangien aus; oder aber das endständige Sporangium kommt 
zur Entwieklung, dann wird aus ihm ein Makrosporangium und die 
lateralen Anlagen verkümmern. (Vgl. auch Strasburger 1889, pag. 8 
und Goebel, Organogr., pag. 669). 

Campbell (1893) faßt allerdings die Verhältnisse anders auf. Seiner 
Ansicht nach sind die Sporangien alle eingeschlechtig. Die nicht ent- 
wickelte soeben beschriebene erste Sporangienanlage ist nach ihm 


246 E. Hannig, 


ein Mikrosorus, das sterile Ende eine Kolumella, und die seitlichen 
unentwickelten Sporangienanlagen in dem Makrosorus entsprechen 
verkümmerten weiblichen Sporangien. In Wirklichkeit ist aber, 
wie Pfeiffer gezeigt hat, in dem Mikrosorus keine sterile Kolumella- 
spitze, sondern eine richtige Makrosporangiumanlage vorhanden, und nur 
dadurch, daß oft in den Hohlraum desselben von der Kolumella aus 
konfervoide Fäden einwachsen, wird der Anschein eines soliden Gewebes 
erweckt. Wenn dem aber, wie ich bestätigen kann, so ist, dann fällt 
auch für Campbell der Grund weg, die Makrosori für einhäusig zu er- 
klären. Denn Campbell gibt selbst an (1898, pag. 159), daß der Zell- 
teilungsmodus für alle seitlichen Anlagen derselbe ist. Als weiteres 
Argument gegen Campbell kann ich noch hinzufügen, daß ich zwei 
reife zwittrige Sori gefunden habe; eines mit einem terminalen Makro- 
sporangium und einigen lateralen Mikrosporangien und ein zweites mit 
zwei vollentwiekelten Makrosporangien und einem gestielten männlichen 
Sporangium. Da das eine dieser beiden Makrosporangien terminal, das 
andere lateral war, darf man annehmen, daß die seitlichen Sporangien- 
anlagen zu männlichen und zu weiblichen Sporangien auswachsen 
können. Das heißt aber mit anderen Worten, daß der jetzige ein- 
geschlechtlige Zustand aus einem eimhäusigen hervorgegangen ist. 
Dazu kommt nun noch, daß die Makro- und Mikrosporangien in den 
Jugendstadien ziemlich weitgehend — bis zur Bildung des Tapetenplas- 
modiums (s. unten) — übereinstimmen, so daß auch diese beiden 
Organe auf gemeinsamen Ursprung weisen. 

Wir haben somit den interessanten Fall, daß wir bei einer Farn- 
pflanze aus den morphologischen Verhältnissen nachweisen können, daß 

1. ursprünglich nur einerlei Sporangien vorhanden waren, daß 

dann im Laufe der phylogenetischen Entwicklung 

2. später die Differenzierung in Mikrosporangien und Makro- 

sporangien innerhalb eines Sporangiums statifand, und daß 
schließlich 

3. eine weitere Trennung in Sporangien mit nur weiblichen und 

aur männlichen Soris eintrat. 

In ähnlicher Weise hat sich neuerdings Goebel, auf Grund ver- 
gleichender Untersuchungen, über die Geschlechtsverhältnisse von Azolla 
ausgesprochen (1910), und Shattuck (1910) hat bei Marsilia experi- 
mentell festgestellt, daß Mikrosporangien dazu veranlaßt werden können 
eine ihrer Sporenanlagen zu einer Makrospore umzubilden, die übrigen 
verkümmern zu lassen und die Makrosporen dazu, die Mehrzahl’ ihrer 
Sporenanlagen zu Mikrosporen zu entwickeln. 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 247 


2, Entwicklung des Periplasmodiums. 


Das Sporangium entsteht, wie schon erwähnt, aus einer dreiseitigen 
Scheitelzelle, von welcher durch eine der Oberfläche parallel laufende 
Wand eine flache Zelle nach dem Scheitel zu abgeschnitten wird. Aus 
letzterer und den übrigen flachen, die ursprüngliche Scheitelzelle be- 
grenzenden Zellen wird die Wand des Sporangiums gebildet. Nach- 
einander treten nun in der tetraedrischen Zentralzelle der Sporangium- 
anlage perikline Wände auf, weiche eine einfache Zellschicht zwischen 
die Sporangiumwand und die Zentralzelle einschalten. Diese Schicht 
zerfällt weiterhin durch eine Anzahl antikliner Wände in die eigent- 
lichen Tapetenzellen (Textfig. 17). Letztere liegen also im (Gegensatz 
zu Equisetum in regelmäßiger einfacher Schicht, die scharf von der 
Sporangiumwand und von den Sporenmutterzellen abgesetzt ist (Campbell 
1893, Pfeiffer 1907). 

Die Sporenmutterzellen gehen aus der Zentralzelle des Sporangiums 
hervor. Diese zerfällt zuerst durch zwei aufeinander senkrecht stehende 
Wände in vier Kugelquadranten; letztere bleiben aber nur kurze Zeit 
im Verband, dann lösen sich die Mittellamellen und die isolierten Proto- 
plasten runden sich ab. 


Fusion der Tapetenzellen. 


Gleichzeitig mit den Wänden der Sporenmutterzellen werden auch 
‚die Wände der Tapetenzellen aufgelöst. Damit beginnt der Prozeß, der 
für das Folgende von besonderer Wichtigkeit ist, nämlich die Bildung 
des Periplasmodiums. Zunächst ist bei der Untersuchung von 
Sehnitten durch dieses Stadium bloß festzustellen, daß mit der Auf- 
lösung der Tapetenzellenmembranen die Grenzen zwischen den einzelnen 
Tapetenprotoplasten nach und nach ganz verschwinden. Aus den zahl- 
reichen Individuen entsteht somit durch Fusion ein einziger neuer 
Protoplast, der die Sporenmutterzellen mantelförmig umhüllt. Daß dieser 
Protoplast nicht nur lebend, sondern auch in spezifischer Weise tätig 
ist, wird aus zahlreichen später anzuführenden Beobachtungen hervor- 
gehen. Zunächst sei nur bemerkt, daß das jugendliche Plasmodium von 
wasserheller Beschaffenheit ist, also das Bild eines normal lebenden 
Plasmas bietet. An fixiertem Material kann man weiter feststellen, daß 
das Tapetenplasma sich von dem Plasma der Tapetenmutterzellen unter- 
scheidet. Jenes speichert Hämatoxylin nur schwach, erscheint daher 
stark graublau, während sich das Plasma der Sporenmutterzelien und 
der Sporangiumwand als intensiv blaugefärbte Masse scharf von ihm 
absetzt (Taf. XIV, Fig. 1). Aus dieser Verschiedenheit der Färbung 


348 oo. ö E. Hannig, 


läßt sich folgern, daß die beiden Protoplasmaarten in bezug auf 
ihre chemischen Eigenschaften sehon voneinander abweichen, obwohl 
beide sehr jungen Ursprungs sind. In dem Maße als die Archespor- 
zellen sich bei der Weiterentwicklung voneinander lösen, drängt sich 
das Plasmodium von allen Seiten her zwischen die abgerundeten Sporen- 
mutterzellen. Die Kerne beteiligen sich vorerst nicht an dieser Wande- 
rung, sondern bleiben im peripherischen Plasmodium zerstreut liegen. 
Bis zu diesem Jugendstadium stimmen Makro- und Mikrosporangien, 
‘soweit äußerlich erkennbar, in ibrer Entwicklung miteinander überein. 


Vermehrung der Plasmodiumkerne, 


Nach dem Verhalten von Equisetum, wo eine bedeutende Zunahme 
der Kerne durch Fragimentation festzustellen war, konnte auch bei 
Azolla eine Vermehrung der Plasmodienkerne erwartet werden. Nach 
Ausbildung der Massulae ist dies nun nicht mehr festzustellen, da die 
übrigbleibenden Kerne in dünne Plasmaplatien eingeklemmt und schon 
zum größten Teile zerfallen sind. Vergleicht man aber ein Stadium, 
in dem eben das Plasmodium gebildet ist und anfängt zwischen die 
Sporenmutterzellen einzudringen, mit einem Sporangium, in dem die 
Tapetenzellen noch regelmäßig nebeneinanderliegen, so lehrt schon der 
Augenschein, daß Kernvermehrung stattgefunden hat. Zählungen der 
Kerne in einem Mikrotompräparat ergaben für das jugendliche Stadium 
ungefähr 34, 36 bzw. 42 Kerne, für das Plasmodium zur Zeit der 
Sporenmutterzellbildung dagegen 130, 148 bzw. 172 Kerne. Die Kerne 
der Tapetenzellen sind übrigens außerordentlich ebarakteristisch und 
können weder mit denjenigen der Sporangiumwand noch mit den Sporen- 
mutterzellkernen verwechselt werden. Sie zeichnen sich dadurch aus, 
daß sie aussehen wie große Bläschen mit dunkler Kontur, aber ohne 
Inhalt, abgesehen von einigen zarten Gerinnseln, und zwei bis drei Nukleolen. 
Sie haben ungefähr den vierfachen Durchmesser der Kerne der Sporangium- 
wand und unterscheiden sich von denen der Sporenmutterzeilen be- 
sonders durch ihre Chromatinarmut. Nach der Vermehrung haben die 
Plasmodiumkerne etwa den halben Durchmesser der Tapetenkerne, 
machen also einen ganz bedeutend kleineren Eindruck. Während vor- 
her mehrere Nukleolen vorhanden waren, ist jetzt stets nur noch einer 
übrig, also umgekehrt wie bei dem Equisetumplasmodium; der Inhalt 
der Kerne dagegen ist ebenso blaß wie vorher. 

Ob diese Plasmodienkerne aus den Tapetenkernen durch karyo- 
kinetische Teilung oder durch Fragmentation entstanden sind, gelang 
nieht festzustellen. So viele Präparate auch durchmustert wurden, niemals 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 249 


kam eine Karyokinese oder eine Fragmentation zur Beobachtung, übrigens 
auch keine langausgezogenen. Kerne, wie sie sich bei Equisetum so 
häufig finden. Trotzdem ist; es wahrscheinlich, daß die Kerne sich auf 
direktem Wege vermehren, und zwar nicht nur aus Analogie mit den 
Plasmodiumkernen der Equiseten, sondern auch, weil in den’ Stadien, 
in welchen die Plasmodinmbildung beginnt und die Tapetenzellen an- 
fangen sich voneinander zu trennen, mehrere Kerne in den Tapeten- 
zellen gefunden wurden, die so dicht beieinander lagen, wie man es 
sonst nur bei amitotischer Teilung findet. 


3. Entwicklung der Massulae in den Mikrosporangien, 


Bei den Mikrosporangien bleiben nun die Archesporzellen noch 
eine zeitlang miteinander verbunden, his sie durch weitere Teilungen 
in 16 Spormutterzellen zerfallen. 
Zwischen diese dringt dann das 
Periplasma mehr und mehr ein und 
umschließt bald sämtliche, manch- 
mal noch in Gruppen zusammen- 
hängende Sporenmutterzellen. Die 
ganze Nahrungsaufnahme für die 
Sporenmutterzellen wird von nun 
ab durch das Periplasmodium ver- 
mittel. Die Weiterbildung der 
Sporen beginnt damit, daß die 
Sporenmutterzellen durch Tetra- 
denteilung in je vier Sporen zer- 
fallen, so daß in einem Mikrospo- 
rangium im ganzen 64 Sporen zur 
Anlage kommen. Die Sporen 
liegen nach ihrer Isolierung zuerst 
vollständig gleichmäßig im Plas- 
modium verteilt (Textfig. 3« u. 5). 
Man wird annehmen müssen, daß 
die Verteilung der Sporen durch 
die Regulierung der Lage der Vaku- 
‚olen geschieht, in denen die Sporen Fig. 3. Zwei junge Mikrosporangien. s£ 
liegen, daß also durch besondere a mom, Sporen 
Bewegungsvorgänge innerhalb des 
Periplasmas die Regelmäßigkeit der räumlichen Anordnung herbeigeführt 
wird. Die Sporenvakuolen sind in den frischen Präparaten als scharfe 


350 \ * E. Hannig, 


zarte Konturen zu erkennen, die sich von den tetraedrischen Sporen 
bier und da etwas abheben (Textig. 6). In dem fixierten Material 
haben sich letztere stark kontrabiert und zu kleinen Tetraedern zu- 
sammengezogen, während sich die Sporenvakuolen als große runde: 
Blasen von den Sporen absetzen (Textfig. 2). Die Sporenmembranen 
sind dann schon teilweise heligelb gefärbt, fangen also an, die 
spätere orangegelbe Farbe der Membranen auszubilden. Zur selben 
Zeit wie die Sporen werden auch die Kerne gleichmäßig durch das. 
Plasmodium verteilt (Textfig. 4), eine Bewegung, bei der wahrscheinlich. 
auch das Plasmodium der 
aktive, die Kerne der pas-- 
sive Teil sind. Man findet 
zwar ausnahmsweise Kerne,. 
diespindelartig ausgezogen 
sind, diese Deformation 
hängt aber mit den Tei- 
Tungsvorgängen zusammen 
— wie das bei Equisetum 
gezeigt wurde — und kann 
nicht als Zeichen amöboider 
Bewegung gedeutet wer- 
den. Auch hier ließ sich 
an lebendem Material der 
Vorgang nicht beobachten, 
da die Kerne in diesem 
Zustand ebenso klar und. 
Fig. 4. Junges, durch Zerdrücken des Mikrosporan- wasserhell sind, wie das in- 
giums freigelegtes Periplasmodium. sö Sporen. :z takte Plasma und daher erst 


Kerne des Periplasmodiums. » Vakuolen, die beim . 
Befreien des Periplasmodiums entstanden sind. nach dem Absterben oder 
Fixieren erkennbar werden.. 


Die Sporenmembranen nehmen währenddessen intensivgelbe Färbung 
an, d. h. sie sind sehr resistent, vielleicht auch schwer durchlässig ge- 
worden und liegen wie Fremdkörper in dem Plasmodium. 


Bildung der Massulavakuolen. 


Die Massulae werden in Vakuolen gebildet, die wir als Massula- 
vakuolen bezeichnen wollen. Die Entstehung dieser Vakuolen wird: 
durch weitere Bewegungen im Plasmodium eingeleitet, die im wesent- 
lichen vom Zentrum nach der Peripherie zu gerichtet sind und dazu 
führen, daß die Sporen aus ihrer zerstreuten Anordnung schließlich 


Über die Bedeutung der Peripiasmodien. 1 


alle an der Perpherie des Plasmodiums 
in ziemlich gleichen Abständen voneinan- 
der liegen (Textfig. 55 u. Taf. XIV, Fig. 3). 
Mit diesen zentrifugelen Bewegungen 
stehen wahrscheinlich radial verlaufende 
faserartige Strukturen in Beziehung, die 
noch nach Abschluß der peripheren Ver- 
lagerung der Sporen in dem zentralen 
Plasma fixierter Sporangien aufgefunden 
werden. Auch die Plasmodiumkerne 
lassen in diesem Stadium die zentrifugal 
gerichtete Plasmabewegung erkennen. Sie 
sind in radialer Richtung in die Länge 
gezogen und nach dem Zentrum zu ein 
wenig spindelartig verlängert, während 
das dicke abgerundete Ende nach außen 
gewendet ist (Taf. XIV, Fig. 4). 

Der kugelartige Raum, den das 
Plasmodium einnimmt, vergrößert sich 
im Laufe der Entwicklung ganz be- 
deutend (Taf. XIV, Fig. 4), sein Durch- 
messer wächst von ca. 0,05 mm auf ca. 
0,20 mm, dem Volumen nach also un- 
gefähr um das 600 fache. Es geht daraus 
hervor, daß eine außerordentlich lebhafte 
Stoffaufnahme und ein bedeutender Stoff- 
umsatz in dem Plasmodium stattfindet. 
Dieser Stoffwechsel steht zweifellos zum 
Teil im Dienste der schr merkwürdigen 
formativen Tätigkeit, die sich weiterkin 
in dem Plasmodium abspielt. 

Die Sporen, die ursprünglich im 
Plasma gleichmäßig verteilt waren (Text- 
figur 5a, Taf. XIV, Fig. 2), wandern, wenn 
das Sporangium eine gewisse Größe er- 
reicht hat, nach der Peripherie des 
Periplasmodiums, wo sie dicht an der 
Sporangiumwand, in annähernd gleichen 
Abständen verteilt sind, und anfangs in 
Vakuolen liegen, die eng an die Sporen 


e 


Fig. 5. Schema der er Messulabildung. 
Vakuolen, in denen.d.Sporenliegen. 
mv Massulayakuol. vo Mesanlamal 2 


252 ” E. Hannig, 


anschließen (Textfig. 52, Taf. XIV, Fig. 3). Allmählich sammelt sich um 
die einzelnen Sporen eine Flüssigkeit, die in lebenden Sporangien 
glashell und homogen erscheint. Infolgedessen wachsen die Vakuolen 
um die einzelnen Sporen beträchtlich, bis sie schließlich nur noch 
durch dünne Plasmalamellen voneinander getrennt sind (Textfig. 6, 
Taf. XIV, Fig. 4). 

Diese Vakuolen verschmelzen zuerst: zu zweien, dann zu dreien usw. 
miteinander (Textfig. 5), bis schließlich nur noch 5—8 große 
ellipsoidische Vakuolen übrig bleiben, deren jede 8-12 Sporen um- 
schließt (Textfig. 5e und /). Eine Vakuolenbildung hat schon Stras- 
burger beobachtet und in ähnlicher Weise geschildert. Er schreibt in 
seiner Abhandlung über die pflanzlichen Zellhäute, in der er gerade 
auf die Bildung der Azolla-Massulae besonderes Gewicht legt (1898, 
S. 545) folgendes: „Wäh- 
rend das Mikrosporangium 
an Größe zunimmt, be- 
ginnen unbestimmteWaben 
des alveolar gebauten Zyto- 
plasmas des Plasmodiums 
sich zu vergrößern und 
schwellen zu mehr oder 
weniger ansehnlichen Kam- 
mern an. Im kleinwabigen 
Zytoplasma zwischen diesen 
Kammern liegen die Zell- 
kerne verteilt (Fig. 17, 
Taf. XV). Dann beginnt 
das Plasmodium um die 
Fig. 6. Querschnitt durch eine reife Massula. s> einzelnen Sporen eine glas- 


Spore in einer körnigen Masse & Bei 2 in den helleFlüssigkeitauszuschei- 
Waben plasmatische Inhaltsreste. den. Da sich diese Flüssig- 


keit nicht tingiert, so kommt 
jede Spore in eine farblose Blase zu liegen. Diese Blasen nehmen an 
Größe zu, stoßen aufeinander, verschmelzen in Mehrzahl, verdrängen 
das Plasmodium an die Mikrosporangiumwand sowie den zwischen 
ihnen zurückbleibenden Raum. In dem so verdrängten Plasmodium 
schwinden die großen Kammern und es läßt sich annehmen, daß es ihr Inhalt 
war, der sich in den Blasenräumen sammelte. Die Verschmelzung der um 
die einzelnen Sporen angelegten hellen Räume schafft. so viel größere 
Blasen, als Massulae in dem Mikrosporangium ersetzt werden sollen“. 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 255 


Wenn wir vorerst nur die Tatsache. betrachten, daß jede Vakuole 
gleich viele Sporen enthält, so erscheint diese an sich schon sehr merk- 
würdig. Man fragt sich vergeblich, welcher Art die Kräfte und 
Regulationen in den Plasmodien sind, die das Gleichgewicht in der 
Verteilung von solchen „Fremdkörpern“, wie es die Sporen für das 
Plasmodium sind, bewirken. Das sind Vorgänge, bei denen es sich 
nur um Bewegungs- oder Gleichgewichtserscheinungen -handein kann. 
Über die dabei wirksamen, treibenden und regulierenden Kräfte der 
Protoplasten lassen sich . keinerlei morphologische Anhaltspunkte ge- 
winnen. Es steht aber fest, daß die Kerne des Periplasmas nicht beteiligt 
sind. Denn erstens werden die Plasmodiumkerne selbst passiv um die 
entstehenden Vakuolen herumgeführt. Sie finden sich anfangs alle in 
dem zentralen Plasına zusammengehäuft, werden von ‚dort aus, wie 
sehon geschildert, teilweise nach der Peripherie gezogen und liegen 
zuletzt nach allen Richtungen hin durch das Plasma zerstreut, teils 
außerhalb der Massulavakuolen, teils in dem zentralen Plamodium- 
zwickel zwischen denselben. Zweitens ist die Anordnung der Tapeten- 
kerne in dem Periplasmodium völlig regellos. Da sie sich also fortwährend 
verschieben und dabei niemals eine regelmäßige Gruppierung zeigen, 
können sie schlechterdings nicht die zeitlichen oder räumlichen Stützpunkte 
sein, von denen die raumordnenden Kräfte des Plasmodiums ausgehen. 

Beim Öffnen eines jugendlichen lebenden Sporangiums in physio- 
logischer NaCHLösung zeigt sich, daß eine verhältnismäßig sehr dicke 
Lage Plasma um die Massulae vorhanden ist. Dies Plasma erscheint 
grobkörnig und umschließt: außer den Periplasmakernen noch eine Anzahl 
blaßgrüner Chloroplasten (Textfig. 4), die mehrere Stärkekörner enthalten. 
Die Körner geben mit Chlorzinkjod weinrote Färbung, sind also nicht 
reine Stärke, sondern eine Art Amylodextrin. Obgleich dies Periplasma 
den einzelnen Massulis eng anliegt, ist es doch nicht etwa in soviel 
selbständige Teile geteilt, als Massulae vorhanden sind, sondern besteht 
nur aus einer einzigen, einheitlichen Plasmamasse. Dies zeigt sich beim 
Befreien des lebenden Sporangieninhalts. Hierbei tritt in physiolo-' 
gischer Kochsalzlösung das Plasmodium des Mikrosporangiums als zu- 
sammenhängende, turgeszente, von scharf abgegrenztem Häutchen um- 
gebene Masse aus. Die Einheitlichkeit des Periplasmodiums ergibt sich 
auch aus fixierten älteren Objekten. Wenn sich hier die jungen Mas- 
sulae unter dem Einfluß des Fixierungsmittels stark kontrahiert haben, 
läßt sich leicht feststellen, daß der umhüllende Periplasmamantel, der 
weit von den Massulis absteht, eine einzige Plasmamasse bildet, die in 
ihrem inneren Bau keinerlei Abgrenzungen aufweist. 


254 ö E. Hannig, 


Bildung der Vakuolenmembran. 


Die formative Tätigkeit des Periplasmas kommt nun weiter darin 
zum Ausdruck, daß es um die Massulaevakuolen eine zwar sehr feine, 
aber doch feste Membran ausscheidet, die manals Vakuolenmembran be- 
zeichnen muß. Werden die Vakuolenblasen nach dem Herauspräparieren 
aus dem Sporangium verletzt, so können die Sporen durch Wasserzusatz 
zum Teil aus der Blase herausgeschwemmt werden, ohne daß die Blasen- 
wand zusammenfällt. Die Wand ist scharf konturiert, läßt aber mit 
Immersion eine feinkörnige Beschaffenheit erkennen, d. h. die Kontur 
der Blase scheint aus lauter aneinander gereihten Körnchen zu bestehen. 
Aus der eben angeführten Festigkeit der Membran ergibt sich, daß 
diese Körnchen fest miteinander verbunden sein müssen, daß also die 
Vakuolenhaut aus einer homogenen Grundsubstanz besteht, die durch 
feinste Körnchen dicht punktiert ist. Mit Chlorzinkjod färbt sich die 
Membran anfangs genau in derselben Weise gelblich wie der plasma- 
tische Inhalt. Man hat danach die Membran als Plasmamembran auf- 
zufassen. 

Innerhalb der Vakuole wird nun im Verlauf der weiteren Ent- 
wicklung das Netzwerk schaumartiger Struktur, in dem die Sporen ein- 
gebettet sind, die Zwischenmasse Strasburger’s, gebildet. 

In dem lebenden Sporangium erscheint der Vakuoleninhalt wasserklar 
und vollständig homogen und läßt auch mit Immersion keinerlei Trübung 
erkennen. Auch gallertiger Inhalt, den Strasburger (1898, pag. 546) 
nach dem Zerdrücken der Blasen in Wasser auftreten sah, konnte nicht 
direkt nachgewiesen werden; dagegen fehlen zweifellos, entgegen den 
Angaben Strasburger’s, innerhalb der Vakuolen stets die Kerne und 
die Stärkekörnchen. Der Inhalt der Vakuolen dürfte danach aus ge- 
lösten Substanzen bestehen. Daß sich unter diesen eine Menge eiweiß- 
artiger Stoffe befinden, zeigt sich bei der Fixierung. Hierbei bilden 
sich nämlich feinflockige Gerinnsel, die mindestens zweierlei Kolloide 
enthalten. Eines derselben scheidet sich in Form feiner netzartig anein- 
anderhängender Fäden aus, das zweite in Gestalt feiner körnchenartiger 
Einsehlüsse in diesen Fäden (Textfig. 3 und Taf. XIV, Fig. 4). Die Fäden 
selbst speichern Hämatoxylin nur schwach, während die Körnchen den 
Farbstoff sehr fest zurückhalten. Diese Inhaltsbestandteile der Vakuolen 
hat Strasburger übersehen, und ist wohl dadurch zu der Annahme 
geführt worden, daß das Zytoplasma, wenn ich die Angabe recht ver- 
stehe, direkt als geformte schaumige Masse event. in Form der späteren 
Massulaewaben von dem Periplasmodium her einwandert. Strasburger 
schreibt (1898, pag. 546): „Die Einwanderung vollzieht sich der Haupt- 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 255 


‚sache nach von dem stärkeren plasmodialen Belage aus, der sich an 
‚der Mikrosporangiumwand befindet. Die Waben der an die Blase an- 
grenzenden Zytoplasmaschicht schwellen dann zu noch bedeutenderer 
Größe an, als es diejenige war, welche die Kammern des Plasmodiums 
‚zwischen den Sporen vor Beginn der Blasenbildung zeigten, und dringen 
gleichzeitig in die wenig konsistente Gallertmasse der Blasen vor. Sie 
nehmen so den Blaseninhalt, den sie zuvor ausgeschieden hatten, jetzt 
wieder in sich auf. Man kann die Zytoplasmakammern solchermaßen 
in den Blasenraum vorrücken sehen, oder richtiger gesagt, in den 
Präparaten verschiedener Stadien auffinden, welche die Blasen mehr 
‚oder weniger tief von den Zytoplasmakammern durchsetzt zeigen“. 

Ein solcher Einwanderungsprozeß von schaumigem Zytoplasma 
ist unwahrscheinlich, weil die Massulablasen, wie oben gezeigt, von 
‚einer ziemlich derben Vakuolenhaut umgeben sind. An dieser Haut 
sind sogar schon die Anlagen der Glochidien vorhanden, wenn noch 
von Maschen innerhalb der Blasen nichts zu sehen ist, ein Zeichen dafür, 
‚daß tatsächlich die Massulablase schon eine Struktur und beträchtliche 
Dichte besitzt, so daß man ohne zwingenden Grund nicht annehmen 
kann, daß geformte Zytoplasmateile in großen Mengen durch sie hin- 
‚durchwandern. Ein zwingender Grund ist aber keineswegs vorhanden 
und auch sonst keinerlei Andeutung dafür, daß wirklich strukturiertes 
Plasma einwandert. Dagegen kann man wohl annehmen, daß die 
Substanzen, welche die Fäden und die Körnehen bilden, in gelöster 
Form durch die Wand der Massulavakuole diffundieren, zumal in dem 
Maße, als die Vakuolen sich vergrößern, das Periplasma außerhalb der 
Vakuolen verschwindet. 


Entstehung der Zwischenmasse. 


Die Entstehung der Zwischenmasse ließ sich nieht an lebenden 
Sporangien verfolgen, weil hierin der Inhalt der jüngeren Massulae so 
gleichartig erscheint, daß überhaupt keine Differenzierungen wahrzu- 
nehmen sind. An fixiertem Material kann man feststellen, daß der 
eiweißartige Inhalt der Massulae anfangs in dicken, gerinnselartigen 
Flocken koaguliert und spärlich über den ganzen Innenraum der Massula- 
blase verteilt ist. Die Fiocken werden dann allmählich feiner und 
gleichmäßiger und nach einiger Zeit ist statt ihrer ein unregelmäßiges 
aber engmaschiges Netzwerk aus ziemlich dünnen Fäden zu sehen, 
die zahlreiche mit Hämatoxylin stark färbbare dicke Körnchen ent- 
halten. Sehr auffallend ist dann der Unterschied zwischen diesem 
Plasmanetz und der Schaumstruktur des Periplasmodiums. Denn dieses 


256 E. Hannig, 


besteht, im Gegensatz zu dem eben geschilderten Bau der Massula- 
gerinnsel, aus einem sehr zart spinnwebigen Gerüst wit kleineren und 
größeren Vakuolen und einer Menge äußerst feiner, nicht sehr stark 
färbbarer Körnchen (vgl. Taf. XIV, Fig. &. Dieser Gegensatz bildet 
übrigens ein weiteres Indizinm gegen die Annahme Strasburger’s, 
daß ‚das Zytoplasma des Periplasmodiums in die Gallerie der Massula- 
blase zur Bildung der Wabenwände in geformtem Zustande einwandert. 

An Stelle der feinen Massulagerinnsel entsteht nun eine Art grob- 
schaumigen Gerüstes, dessen Kammern den späteren Waben entsprechen. 
Die Kammerwände dieses Gerüstes scheinen aus homogener proto- 
plasmatischer Substanz aufgebaut, (sie färben sich mit Jod gelb, mit 
Hämatexylin blau). Bei starker Vergrößerung (Immersion bei Häma- 
toxylinpräparat) zeigt sich aber, daß die Maschen der Wände aus sehr 
feinen Fäden von heller gefärbter Substanz zusammengewebt. sind, in 
denen dunklere Partieen liegen, die nicht oder kaum dicker sind als die 
Fäden (Textfig. 6). Aus diesen fädigen Kammerwänden entstehen dann 
die späteren homogenen scharf umrissenen Wabenwände. Eine rest- 
lose Umwandlung der ganzen Wabenwände, wie Strasburger angibt 
(pag. 547), findet. dabei aber nicht statt. Denn es bleibt in den alten 
Massulis mit fertig ausgebildeten Waben noch plasmatischer Inhalt in 
jeder Wabe zurück, der bei schwacher Vergrößerung aussiebt wie ein 
kontrahierter Protoplasmaschlauch in einer abgetöteten Zelle (Textfig. 6), 
der dagegen in Wirklichkeit aus einem feinen fädigen Netzwerk ge- 
bildet wird, das den Wabenwänden dicht anliegt. Zwischen solchen 
Fadensystemen liegt also die junge Wabenwand als anfangs homogene 
Lamelle. Später treten aber in dieser Lamelle Differenzierungen auf. 
Die fertige Wabenwand ist nicht homogen, sondern sie ist aus zwei 
sehr feinen und scharfen Lamellen zusammengesetzt, zwischen denen 
sich eine äußerst feinkörnige Suhstanz befindet. An manchen Stellen, 
besonders in der Umgebung von Sporen, weichen die beiden Lamellen 
auseinander. Dann geht die feinkörnige Mittelschicht in eine körnige 
Ausfüllungsmasse über, die bei relativ größerer Ausdehnung größere 
Schaumblasen und Vakuolen aufweist (Textfig. 6). Diese feineren 
Strukturen wären nicht der Erwähnung wert, wenn wir ihnen nicht bei 
den Makrosporen, dort aber in viel mächtigerer Ausbildung, wieder be- 
gegneten, . 

Aus dem Angeführten geht also hervor, daß die Massulablasen 
in ziemlieb beträchtlichen Mengen eiweißartigen Inhalt aufnehmen und 


daß durch Vermittlung dieser Substanz das schaumartige Wabenwerk 
gebildet wird. . 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 257 


Bezüglich der chemischen Natur der Wabenwände sei nur folgendes 
bemerkt: In jüngeren Entwicklungsstadien gibt die Maschensubstanz eine 
Zeitlang Zellulosereaktion. Allerdings ist die Reaktion leicht zu über- 
sehen, denn wenn man die Blasen mit Chlorzinkjod behandelt, erhält 
man nur eine dunkelgelbbraune Färbung. Erst wenn man nach einiger 
Zeit ein solches Präparat mit Wasser auswäscht tritt eine, und zwar 
eine sehr intensiv violette Färbung auf. 

Die ausgewachsenen Wabenwände zeigen dann, wie auch Stras- 
burger angibt, mit Jod oder Chlorzinkjod, auch nach vorheriger Be- 
handlung mit KOH stets nur noch Gelbfärbung und erweisen sich gegen 
H,SO, sehr widerstandsfähig. Sie bestehen somit aus einer kutinartigen 
Substanz. ” 


Wachsen die Maschen der Massulae? 


Die bisher beschriebenen Bewegungsvorgänge innerhalb des Plas- 
modiums, die Bildung der Massulaevakuolen, sowie der Wabenwände 
in deren Innern und schließlich die Kernvermehrung in den Peri- 
plasmodien lassen keinen Zweifel mehr darüber bestehen, daß das Peri- 
‚plasmodium einen lebenden, einheitlich funktionierenden Protoplasten dar- 
stellt. Zu diesen Feststellungen kommt nun als weitere Lebensäußerung 
die Tatsache, daß die Massulae im Laufe der Entwicklung eine beträcht- 
liche Vergrößerung erfahren, d. h. daß sie wachsen. Schon der bloße 
Vergleich von jungen und alten Massulis legt die Vermutung sehr nahe, 
daß Wachstum stattfindet. Sicherheit ergab sich dann bei Messung der 
Maschengröße. Diese wurden an verschiedenen Massulis in der Weise 
vorgenommen, daß in annähernd isodiametrischen Maschen der kürzere 
Durchmesser gemessen wurde. Ich führe einige Zahlen an: 


447176553 8 
se 5 788 88 
81 10 8 

12 11 14 12 iO 

1 2 ı 1 12 i4 

14 12 11 13 15 10 


Maschen mit außergewöhnlich großem Durchmesser (20) wurden nicht 
gemessen. Ferner wurden Massulae zur Messung herausgesucht, die 
sich nicht merkbar kontrahiert hatten. Denn bei schlechter Fixierung 
an jungen Massulis zeigte sich oft starkes Zusammenschrumpfen, das 
an einer Zerknitterung der Wabenwände zu erkennen war. 

Die Zahlen der beiden ersten Reihen — jüngere Massulae mit 


schon ganz scharfen Konturen der Maschen — zeigen, daß bis zur 
Flora, Bü. 102. 18 


258 ®. Hannig, 


Reife — die beiden letzten Reihen — die Durchmesser der Maschen sich 
fast verdoppeln. 

Damit ist also ein Wachsen der Wabenwände festgestellt, das in 
keiner Weise dem Wachstum normaler Zellwände, sondern höchstens 
einem Wachstum von Wänden kernloser Zellen mit spärlichem plas- 
matischem Inhalt vergleichbar wäre. 


Die Glochidien. 


Wir haben bisher gesehen, daß das Wabenwerk der Massulae sich 
innerhalb einer großen Vakuole, der Massulavakuole entwickelt, die im 
Periplasmodium liegt. Auf der Außenseite dieser Vakuolen, die Pro- 
dukte des Periplasmodiums sind, entstehen nun die für die Pflanzen- 
welt, ganz ungewöhnlichen ankerfürmigen Anhänge, die Glochidien. Mit 
der Bildung dieser Organe erreicht die formative Tätigkeit des Peri- 
plasmodiums ihren Höhepunkt. In gewisser Beziehung ist diese Tätig- 
keit derjenigen bei Bildung der Massulawaben analog, denn in beiden 
Fällen handelt es sich um Neubildung von Membrankörpern innerhalb 
des Periplasmodiums durch Vermittlung eines hautschichtartigen Organs. 


Bau der Glochidien. 


Der Bau der Gloebidien ist von Strasburger folgendermaßen 
beschrieben worden (pag. 58): „Sie sind der Haut schmal inseriert ohne 
stets deutliche Beziehungen zu den unter ihr liegenden Hohlräumen ... 
Diese Glochidien sind bei Azolla filieuloides einkammerig, bei A. fili- 
euloides var. rubra im oberen Teile zwei bis dreimal septiert, wobei häufig 
die untersten Scheidewände unvollständig, nur als einseitige Leisten in 
das Lumen der Glochide vorspringen. Die Membran der Glochide ist farb- 
los durchsichtig. An der Basis und am Scheitel sind die Glochidien ein- 
seitig zusammengedrückt, in ihrer Mitte etwas bauchig angeschwollen, 
an ihrer Spitze enden sie in einem ankerförmigen Köpfchen. Das 
Köpfchen und der flachgedrückte Fuß sind ihrer ganzen Masse nach 
fast ohne Lumen. Die Glochidien besitzen eine erstaunenswerte Elasti- 
zität. Solchen Pflanzen, die viele Dezennien lang getrocknet aufbewahrt 
worden waren, entnommen und ins Wasser gebracht, werden sie sofort 
turgeszent und stellen sich mehr oder weniger senkrecht auf die 
Massulae“. 

Diese Beschreibung ist noch an zwei Punkten zu ergänzen: erstens 


in bezug auf den Ansatz an die Massulae, den Fuß, zweitens in bezug 
auf die chemische Reaktion. 


ne Fe 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 259 


Bau des Glochidienfußes. 


Bei der auffallenden Erscheinung des Aufstehens der Glochidien 
mußte dem Bau des Glochidienfußes besondere Aufmerksamkeit ge- 
widmet werden. Man sieht zuweilen Bilder, aus denen hervorzugehen 
scheint, daß die Glochidien durch ein langes stielrundes Fußstück mit der 
Zwischenmasse verbunden sind. Sorgfältige Untersuchung an gefärbten 
Präparaten — besonders Saffraninfärbung eignet sich dazu — ergaben 
mit Sicherheit, daß die Bilder nur die Profilansicht der Glochidien 
geben (Strasburger). Die Verbindung des Glochidienkörpers mit der 
Zwischenmasse wird durch eine bandförmige Fortsetzung der Glochide 
hergestellt, die nur von der Seite fadenförmig dünn erscheint. Wenn 
die; Glochidien innerhalb des Sporangiums der Massula angedrückt 
sind, liegen sie stets mit der flachen Seite an. Die außerordentliche 
Elastizität kann man leicht feststellen, wenn man viel Wasser unter 
das Deekglas gibt, dann zittern die Glochidien senkrecht zur Fläche 
des Fußes auch ohme besondere Erschütterung lebhaft hin und her. 


Chemische Beschaffenheit der Glochidien. 


Um die Leistung des Periplasmodiums bei der Bildung der 
Glochidien richtig einschätzen zu können, müssen wir auch die chemische 
Natur dieser Anhänge genauer analysieren. Ihrer chemischen Be- 
schaffenheit nach bestehen die Glochidien im großen und ganzen ans 
einer kutinartigen Substanz. Sie färben sich mit Sudanglyzerin schwach- 
rötlich, mit Chlorzinkjod gelb, auch nachvorheriger Erwärmung mit KOH, 
während Jod allein nur sehr schwache Reaktion gibt. In ganz jungen 
Stadien werden die Glochidien, wie die Zwischenmasse, mit Chlorzinkjod 
noch gelb, sind also noch eiweißartiger Natur. Später konnte, wie bei 
der Zwischenmasse, vorübergehend Zellulosereaktion erhalten werden, 
wenn das Präparat nach Behandlung mit Chlorzinkjod mit Wasser aus- 
gewaschen wurde; erst die erwachsenen Massulae zeigen überall Kutin- 
reaktion. Übrigens gibt auch Mettenius (Linnaea 1897, pag. 271) an, 
daß sich die Glochidien mit J+-H,8S0, konz. violett färben, während 
Strasburger (1873, pag. 60) wohl häufig, bei der Zwischenmasse aber 
nicht bei den Glochidien nach Zusatz dieser Reagentien violette Färbung 
auftreten sah. 

Strasburger schreibt ferner, „daß sich die Glochidien .... 
besonders die verdickte Spitze mit Chlorzinkjod hellgelb färben“, und 
„daß nach Erwärmen mit KOH die Glochidien an den Spitzen hell- 


bräunlich gefärbt“ wurden. 
18* 


260 E. Hannig, 


Der Unterschied zwischen Kopf und Körper der Glochidien ist 
in der Tat vorhanden und zwar ganz scharf ausgebildet. Bei eben 
fertiggestellten Glochidien erhält man mit Jodjodkalium schwach hellgelbe 
Färbung des Körpers und braungelbe des Stückes, das zwischen den 
beiden Ankerzähnen gelegen ist (Textfig. 7). Das letztgenannte Stück 
zaimmt Hämatoxylin gar nicht auf, während die Ankerzähne blaßblau, die 
übrigen Teile dunkler werden; mit Saffranin färben sich Körper und 
Faß intensiv rot, der Anker dagegen nur sehr schwach. In den leisen 
Anschwellungen der Ankerzähne bleiben zwei Stellen ungefärbt und 
erscheinen stark lichtbrechend, so daß der Eindruck erweckt wird, als 
sei dort ein luftleerer Raum vorhanden. 

m Wir erwähnen diese Differenzierungen absichtlich, 
obwohl sie an sich wenig Interesse beanspruchen, weil 
sie zeigen, daß die Glochidien nicht nur morphologisch, 
sondern auch chemisch mehrfach differenziert sind. 


Entwicklung der Glochidien. 


Sehr viel Schwierigkeit bereitete die Untersuchung 
der Entwicklung der Glochidien. Bei fixiertem und ein- 
gebettetem Material konnte niemals irgend ein jüngeres 
Fig. 7. Köpf- Entwieklungsstadium aufgefunden werden, auch nicht nach- 
ne dem die Entwicklung bekannt war; ebensowenig gelang 

Mittelstück. es, die Bildung der Glochidien an Alkoholmaterial festzu- 
£ a stellen. Deshalb haben auch weder Strasburger, der 

" anscheinend nur Alkoholmaterial untersuchte, noch Camp- 
bell oder Pfeiffer, die aur Mikrotomsehnitte durehmustert haben, die 
Entstehung der Glochidien beobachten können. Auch bei frischem 
Material kostete es viele vergebliche Mühe, ebe es gelang, der jüngeren 
Entwicklungsstadien habhaft zu werden. 

So oft man Sporangien untersucht, in deren Zwischenmasse, auch 
wenn sie noch so jugendlich ist, das Maschenwerk deutlich zu erkennen 
ist, findet man nur vollständig fertig gegliederte Glochidien, so daß es 
den Anschein gewinnen könnte — und Strasburger hat auch diese 
Ansicht ausgesprochen — als ob die Gebilde sich in ihrer endgültigen . 
Gestalt mit einem Male fertig aus dem Periplasma entwickelten. Auf 
den Gedanken kann man um so eher kommen, als die Glochidien stets 
an die Oberfläche der Massulae angelegt und somit in dem die Masssulae 
einhüllenden Plasma eingebettet sind. Diese Lage der Glochidien er- 
gibt sich daraus, daß die Massulae den Raum des Sporangiums so 
sehr ausfüllen, daß gar kein Platz für nur einigermaßen abstehende 


En FE 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 261 


Anhangsorgane vorhanden ist. Erst wenn die Massulae aus dem Spo- 
rangium befreit werden, richten sich die Glochidien auf, und zwar geht 
bei reifen Sporangien die Aufrichtung so schnell vor sich, daß man 
glauben könnte, man habe die Glochidien vorher übersehen, und diese 
sejen von vornherein senkrecht zur Massulaoberfläche gestellt gewesen. 
Nur bei jüngeren frischen Massulis findet man beim Öffnen der Spo- 
rangien die Glochidien noch durch die Periplasmahülie festgehalten 
und mehr oder weniger an die Massulae angedrückt. Das Aufrichten 
der Massulae findet in lebenden und in fixierten reifen Massulis mit 
gleicher Schnelligkeit statt, hängt daher nicht vom osmotischen Druck 
oder anderen Vorgängen, die an lebendes Plasma gebunden sind, ab, 
sondern nur von der elastischen Beschaffenheit und dem Bau des 
Glochidienfußes, der vermöge seiner hohen Elastizität federartig auf- 
schnellt, 

Um die Entwicklung der Glochidien verfolgen zu können, muß 
man Sporangien aufsuchen, in denen’zwar die Massulavakuolen schon vor- 
handen, die 
Massulae aber 
noch ganz jung 
sind und keine 
Schaumstruk- 
tur zeigen. Die 
Oberfläche der 
Massulae, die 
wir schon als 
Vakuolenhaut 


bezeichnet ha- 

z Fig. 8. Vakuolenhaut einer jungen. Massula-Vakuole, an der 
ben, erweist die Anlagen der Glochidien als schlauchartige Ausstülpungen 
sich, darum bei zu sehen sind. 


Betrachtung 

mit homogener Immersion als äußerst fein punktiertes plasmatisches 
Häutehen, während das Innere der Massulavakuole, wie schon hervor- 
gehoben, noch vollständig homogen und wasserhell erscheint. 

Gelingt es eine solche Blase im richtigen Stadium in physiolo- 
gischer Kochsalzlösung zu isolieren, dann erkennt man bei Anwendung 
starker Vergrößerungen, daß sich aus der Vakuolenwand schlauchartige 
Ausstülpungen hervorheben. Die jüngsten beobachteten Stadien sind 
stets etwas flaschenförmig aufgetrieben (Textfig. 8); ältere zeigen die 
Anfänge des Kopfes als ungefähr spatelförmige Erweiterungen mit be- 
ginnenden Aussackungen nach unten, aus denen die Ankerhaken ent- 


262 E. Hannig, 


stehen (Textfig. 9). Der Kopf ist schon gleich von Anfang an seitlich 

etwas zusammengedrückt, nieht kugelig, wenn auch in seitlicher Ansicht 
etwas angeschwollen. 

Die Anlagen der verschiedenen Glochidien entstehen an einer 

Massulablase, ungefähr, aber nicht genau zu gleicher Zeit, so daß man 

immer verschiedene, 

wenn auch nahe bei- 

einanderliegende Ent- 

wicklungsstufen findet, 

Die ursprünglichen 

stumpfen Widerhaken 

schärfen sich schnell 

zu und biegen sich 

schließlich noch nach 


innen zurück.Dannerst 

. R . tritt die Querwand auf, 
Fig. 9. Vakwolenhaut € einer la a etwas älterem welche das Köpfchen 
von dem Ankerstiel ab- 


trennt (Textfig. 13). Die jugendlichen Schläuche entstehen aus der Substanz 
der Vakuolenmembran und erscheinen als äußerst feinkörniges Plasma- 
häutchen, das sich bei Zusatz von Jod in gleicher Weise gelb färbt wie 
der übrige plasmatische Inhalt des Sporangiums. Anfangs sind sie noch 
ganz weich, so daß sie sehr leicht beim Präparieren deformiert werden 
(Textfig. 10). Sie müssen 
aber mit dem unter hohem 
Druck stehenden Inhalt 
der Vakuole gefüllt sein. 
Denn dieeinzelnen Massula- 
blasen liegen innerhalb des 
Sporangiums so dicht an- 
einander, daß auch die 
Glochidienanlagen an die 


. j Oberfläche der Blase ange- 
Fig. 10. Junge Massula mit Giochidien, deren R ang 
Merabranen noch nicht fest sind. » Hantschicht drückt wachsen. Trotzdem 


der Vakuole, in der die Massula liegt. richten sich diese Anlagen 
bei Befreiung der Massulae 
sofort auf, was nur durch Zuhilfenahme eines hydrostatischen Druckes 
im Innern der Blase zu erklären ist, da der Fuß in diesem Stadium noch aus 
protoplasmatischer Substanz besteht. Ein solcher Druck ist hier um so 
leichter zu verstehen, als die Massulavakuole noch keine Maschen aus- 


» 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 263 


gebildet hat, also noch ganz mit Flüssigkeit angefüllt ist. Auch wenn 
die Anker am Köpfehen der Glochidien schon fertiggestellt und die 
Maschen schon ausgebildet sind, erweisen sich die Glochidien noch als 


Fig. 11. Junge Massula. ® Die Vakuolenhaut des Periplasmodiums, in der die 
Massula liegt, hat sich in Wasser weit abgehoben. 


sehr weich und zeigen infolge der Präparation oft wellige Verbiegungen. 
des Stieles oder der Widerhaken des Ankers (Textfig. 10). 
Ursprünglich sind die Glochidien freie Ausstülpungen der großen 
Massulavakuolenhaut, die 
gebildet werden, wenn vom 
Netzwerk der Zwischen- 
masse noch nichts zu sehen 
ist. An den fertigen Mas- 
sulis aber scheinen die 
Glochidien aus einer 
Schaumblase der Zwischen- 
masse hervorgewachsen zu 
sein (Textfig. 12). Diese 
Sehaumblasen werden erst 
später durch Verbindungs- 
stücke gebildet, die sich 
zwischen die Massula- 
vakuolenhaut und die an- Fig. 12. Ältere Glochidienanlagen, die den An- 
grenzenden Waben ein- satz der Glochidien an die Waben zeigen. 
schieben. In einem Prä- 
parat ließ sich sehr schön beobachten, daß die äußerste Wahenschicht 
zuletzt gebildet wird. Die freigelegte Massulablase zeigte ein zartes 
feines Netzwerk im Innern als Anlage des Waben werkes, das noch nicht 


264 E. Hannig, 


bis an die Oberfläche der Massula reichte (Textfig. 18). Durch Druck 
des Deckglases wurde nun die äußere Massulablase aufgerissen, der 
Inhalt herausgedrückt und die Vakuolenhaut samt den Glochidienanlagen 
freigelegt. Der vorher sichtbare Teil der Netzwerke ging dabei übrigens 
vollständig zugrunde, war also in leicht zerstörbarer Form aus- 
geschieden gewesen. 


Wachsen die Glochidien? 


Um diese Frage zu entscheiden, wurden Massulae verschiedenen 
Alters mit Saffranin gefärbt, wobei die Glochidien besonders scharf her- 
vortraten, in Kanadabalsam eingeschlossen und dann die Glochidien der 
verschiedenen Massulae gemessen. 

jüngere Glochidien 23 19 28 22 23 
26 29 27 28 23 
ältere »n 33 832 836 34 
sı 37 33 35 
Daraus geht hervor, daß die Glochidien, nachdem sie ihre ankerförmige 
Gestalt erreicht haben, sich noch beträchtlich verlängern. Die Verlänge- 


Fig. 13. @ Junge Massula mit 
GIochidien und Wabenwänden. 
5 Die Vakuolenhant derselben 
Massula nach dem Zerdrücken 
im Wasser; stärker vergrößert. 
Die Waben sind verschwun- 
den, in den Glockidien ist 
noch ein plasmatisches Häut- 
chen sichtbar. 


Fig. 13. 


rung ist insofern verständlich, als die Glochidien nicht nur nach außen 
hin ganz in das Periplasma eingebettet sind, sondern auch noch lange 
Zeit feinkörnigen homogenen Inhalt führen, welcher den Rest des Plas- 
mahäufchens, aus dem sie entstanden sind, darstellen dürfte und den 
plasmatischen Substanzen entspricht, die in den Waben der Zwischen- 
masse übrig bleiben. Meist sieht man im Innern der Glochidien auch 
noch tropfige Inhaltsbestandteile, die den alten Glochidien fehlen, also 
wohl beim Wachstum aufgebraucht werden. 


Verhalten der Mikrosporen. 


In der Zwisehenmasse nahe der Oberfläche der Massula sind die 
Mikrosporen eingebettet. Strasburger gibt an, daß sie „eine einfache 


| 
| 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 265 


ziemlich stark verdickte Membran“ besitzen und daß sie meist auf der 
einen Seite noch drei Leisten erkennen lassen, die von ihrer tetraedrischen 
Teilung herrühren (1873, pag. 58). Ob die Mikrosporenmembranen 
später noch eine weitere Differenzierung erfahren, ließ sich nicht mit 
Sicherheit feststellen, ist auch für unsere Zweeke nicht von Wichtigkeit. 
Erwähnt zu werden verdient aber, daß auch die Sporen, nachdem die 
Massulawaben fertig gestellt sind, noch wachsen. Es geht dies aus 
den folgenden Messungen hervor (die Zahlen jeder Serie stammen von 
Sporen verschiedener Sporangien): 

1. Massulae noch ohne Waben 54 52 55 60 58 52 54 54 

2. jüngere Massulae mit Waben 62 60 60 65 60 58 60 65 

3. alte Massulae mit Waben 80 82 78 82 80 85 80 82 

Nach Anlage der Massulawaben vergrößern sich also die Durch- 
messer der Sporen noch um ca. 30 %/,. 

Hier interessiert nun noch die Frage, woher die Baustoffe für 
dieses Wachstum stammen. Eine ganz sichere Entscheidung ließ sich 
nicht treffen. Wahrscheinlich aber wird das Baumaterial von dem 
Plasmodium geliefert. Dieses enthält nämlich viel Stärkekörner, die 
erst spät verschwinden, während die jungen Sporen in den Massulis, 
welche eben ihre Waben geschlossen haben, sehr arm an Reserve- 
stoffen sind. Sie besitzen wasserklares Plasma und eine zentrale 
Vakuole, die fast den ganzen Sporenraum einnimmt. In älteren Stadien 
dagegen lassen sich in den Sporen verhältnismäßig reichlich Stärke- 
körner und Fettropfen nachweisen. Da zudem die Sporen stets an 
der Peripherie der Massulae liegen und hier nicht in einer Wabe, 
sondern zwischen den Waben in einer schaumartigen Masse von plasma- 
ähnlichen Farbreaktionen, kann man sich vorstellen, daß aus dem Peri- 
plasmodium Nährstoffe in die Sporen einwandern. Allerdings wäre der 
Vorgang insofern auffällig, als die Nährstoffe nicht nur durch die kuti- 
sierte äußere Wand der Massulae, sondern auch durch die dieken 
Sporenmembranen, die ebenfalls längst Kutinreaktion zeigen, hindurch- 
diffundieren müßten. 


Zerfall des Periplasmodiums 
Im Gegensatz zu den Equisetumsporangien wird bei Azolla das 
Periplasmodium nicht. vollständig aufgebraucht. Auch um ganz reife 
Massulae findet man noch ein dünnes mit Hämatoxylin färbbares Häutchen 


von unregelmäßig netzartiger Struktur. 
Das Plasmodium stirbt zweifellos nicht gleich nach Bildung der 
Glochidien ab. Es enthält nach Fertigstellung dieser Gebilde noch 


266 E. Hannig, 


längere Zeit Chlorophylikörner und Stärke, die erst allmählich auf- 
gebraucht werden. Ferner scheidet es nach der Bildung der Glochidien- 
hautschicht eine neue Hautschicht gegen die einzelnen Massulae ab, die 
sich oft sehr weit von den Massulis abhebt, wenn man ein Mikro- 
sporangium in der ersten Zeit nach Ausbildung der Glochidien in phy- 
siologischer Kochsalzlösung zerdrückt (s. Textfig. 11). 

Die Plasmodiumkerne, die anfangs chromatinreich sind, fangen 
nach der Bildung der Glochiden an chromatinarn und blasig zu werden. 


Später zeigen sie nar noch undeutliche Konturen und zerfallen schließ- 
lich vollständig. 


Makrosporen. 


Der Bau der Makrosporen von Azolla ist mindestens ebenso merk- 
würdig, wie derjenige der Mikrosporen und ihrer Anhangsgebilde und 
scheint auf den ersten Blick von dem der Mikrosporen sehr stark ab- 
zuweichen. Die Entwicklung der Makrosporangien wurde nun zwar nicht 
lückenlos verfolgt, aber doch so weit als nötig war, um die Homologie- 
'verhältnisse zwischen Mikro- und Makrosporangien feststellen zu können. 


Bau der Makrosporen. 


In dem reifen Makrosporangium, das wesentlich kleiner ist als 
das Mikrosporangium, wird reichlich die untere Hälfte von einer einzigen 
großen kugeligen Makrospore eingenommen, die von einem gelben, sehr 
kompliziert gebauten Perispor*) umhüllt ist. Auf dem Scheitel der Spore 
sitzen drei annähernd eiförmig gebaute Körper, die sich gegenseitig 
berühren und an den Berührungsflächen so abflachen, daß die Trennungs- 
flächen einen Winkel von 120° miteinander bilden. Die Schnittlinie dieser 
drei Flächen fällt in die Längsachse des Sporangiums und stößt gerade 
an der Stelle auf die Membran der Makrospore, wo drei Leisten unter 
einem Winkel von 120° ausstrahlen. Diese drei- Leisten rühren von 
der tetraedischen Teilung der Sporenmutterzelle her, die der Makro- 
spore und ihren verkümmerten Schwesterzellen den Ursprung ge- 
geben hat. 

Von den Scheiteln der drei biruförmigen Körper (Schwimmapparate 
nach Strasburger) entspringt ein dichtes Büschel äußerst feiner 


1) Bezüglich der Einzelheiten muß auf die Ausführungen und Abbildungen 
in Strasburger’s Werk (1873) verwiesen werden. 


! 
; 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 2367 


peitschenförmiger Anhänge, die innerhalb des Sporangiums nach rück- 
wärts gerichtet und der Oberfläche der Anhänge dicht angedrückt sind, 
da, ähnlich wie bei den Glochiden, in den Mikrosporangien kein Raum 
verfügbar ist, in dem die Peitschen sich ausdehnen könnten. Ebensolche 
peitschenförmige Anhänge finden sich auf der Oberfläche des Perispors 
der Makrospore, nur entspringen sie hier nicht büschelweise, sondern sind 
einzeln und gleichmäßig über die ganze Oberfläche der Spore verteilt. 
Diese drei birnförmigen Körper hängen mit der Makrospore zusammen, 
aber nicht so fest, daß man sie nicht mit einiger Geschicklichkeit ohne 
weitere Beschädigung von der Makrospore und voneinander abtreunen 
könnte, . 

An den Sporenmembranen sind zwei Hauptschichten zu unter- 
‚scheiden, die eigentliche Sporenmembran, Exospor, und das Perispor. 
Das Exospor läßt sich leicht von dem Perispor ablösen und ist bei 
fixiertem und. geschnittenem Material sogar stets mehr oder weniger 
aus dem Perispor herausgerissen. Es stammt von der ursprünglichen 
Membran der Sporenzelle und zeigt während seiner Entwicklung nichts 
außergewöhnliche. Da sein Schicksal mit dem Periplasmodium nicht 
direkt in Zusammenhang steht, brauchen wir in folgendem auf diese 
Membran nicht einzugehen. 

Das Perispor läßt, abgesehen von den peitschenförmigen Anhängen, 
zwei Teile erkennen: 

1. zu innerst eine schaumartige Masse, die Zwischenmasse (nach 

Strasburger); ö 

2. eine derbe gelb gefärbte Außenschicht. 

Die schaumartige Masse (Textfig. 14) ist für uns von besonderer 
Wichtigkeit. Sie erinnert in ihrem Aussehen an die Waben der Massulae 
in den Mikrosporen und stimmt auch in ihrem chemischen Verhalten 
mit diesen überein. An dem apikalen Pol der Spore, wo die Zwischen- 
masse ziemlich mächtig ist, sind die Waben verhälteismäßig regelmäßig, 
nach unten zu dagegen, wo das Perispor die walzenförmigen Erhebungen 
aufweist, sind sie nach Form und Größe unregelmäßiger. Große, aber 
ziemlich unregelmäßige Waben weisen die Ausfüllungen der krater- 
artigen Erhebungen auf. Hier stoßen die Waben nicht unmittelbar an- 
einander, sondern sind an manchen Stellen durch Partien der nicht 
vakuolisierten Grundmasse getrennt, die eine dichte feine Körnelung 
zeigt. Diejenigen Teile der Zwischenmasse, die in den dünnen Feldern 
zwischen den Kratern liegen, zeigen im allgemeinen dieselbe feinkörnige 
Grundsubstanz, die nur vereinzelte kleine Vakuole ausgebildet hat und 
sich scharf gegen die großvakuolige Füllung der Kraterhoklräume ab- 


268 E. Hannig, 


setzt (Textfig. 14). Die derbe Außenschicht ist ungefähr ebenso dick 
wie die eigentliche Sporenmembran, dabei aber auf ihrer ganzen Innen- 
seite mit unregelmäßig tropfigwarziger Körnelung versehen, und macht etwa 
den Eindruck einer ursprünglich sirupartigen, plötzlich erstarrten Hülle. 


Fig. 14. Seitlich geführter Längsschnitt durch die 
Spitze eines Makrosporangiums. sö Gelbe Einschlüsse, 
die Reste der verkümmerten Sporen. 4 Peitschen- 


förmige Anhänge. ?e Äußere derbe Schicht des 
Perispors, 


An welcher Stelle 
des Perispors die peit- 
schenförmigen Anhänge 
entspringen, ist sehr 
schwer festzustellen. 
Auch Strasburger 
scheint darüber nicht 
klar gewesen zu sein, 
denn an einigen seiner 
Schnittbilder läßt er die 
Peitschen an der derben 
Außenschicht anfangen, 
und zwar an der Ober- 
fläche der warzenför- 
migen Krater; an an- 
deren Figuren setzen 
sie an die wabige Zwi- 
schenmasse an, welche 
die Krateröffnungen um- 
gibt. Man sollte glauben, 
daß die Frage nach 
dem Ursprung der Peit- 
schen leicht zu ent- 
scheiden wäre. Es ist mir 
aber trotz vieler Mühe 
nicht gelungen, ganz. 
sicher die Ansatzstelle- 
festzustellen; doch halte 


ieh es für wahrschein- 


lich, daß die Peitschen. 
nicht auf der derben 
gelben Schicht, sondern. 
auf der Oberfläche der 
Wabenmasse entstehen. 

Von besonderer 
Wichtigkeit ist nun noch. 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 269 


die Frage nach dem Bau der Peitschen. Einstweilen ist es das 
wahrscheinlichste, daß sie hohle Schläuche darstellen, die also den 
Glochidienschläuchen homolog wären. Man kann an saffranin- 
gefärbten Präparaten bei starker Vergrößerung (ca. 1500) mit Sicher- 
heit feststellen, daß die Peitschen auf dem Querschnitt innen un- 
gefärbt sind, während die Peripherie einen dunkelroten Ring 
bildet. Ebenso sind auf den Längsbildern zwei dunkle Außen- 
konturen und ein ungefärbter mittlerer Streifen zu erkennen. Diese 
Bilder stimmen mit der Annahme, daß die Peitschen Schläuche sind, 
überein; denn es gibt kaum eine Zellstruktur, die sich mit Saffranin 
nieht färben läßt. Immerhin ist bei den winzigen Dimensionen des 
Peitschenquerschnittes der Beweis dafür, daß den ungefärbten Stellen 
tatsächlich ein Hohlraum entspricht, nicht direkt zu erbringen. 


Die Schwimmkörper unterscheiden sich von dem Perispor da- 
durch, daß bei ihnen die derbe gelbe Außenschicht fehlt, und daß sie 
vollständig aus großen Waben aufgebaut sind, die ungefähr ebenso 
gleichmäßig erscheinen, wie die Waben der Mikrosporenmassulae. Die 
körnige Grundmasse, die wir bei dem Perispor fanden, fehlt hier; die 
peitschenförmigen Anhänge entspringen alle dichtgedrängt an dem zu- 
gespitzten Pol der Schwimmkörper. 


Makrosporangium und Tapetenbildung. 


Für die ersten Entwicklungsstadien der Tapetenzellen im Makro- 
sporangium gilt, wie schon erwähnt, genau das von den Mikrosporangien 
Gesagte. 


Es wird auch hier eine scharf von dem Komplex der Sporen- 
mutterzellen abgegrenzte Tapetenschicht gebildet, deren Zellen ursprüng- 
lich durch Querwände voneinander getrennt sind, dann aber durch Auf- 
lösung dieser Membranen zu einem Plasmodium verschmelzen. 


Zwischen die Sporenmutterzellen dringt das Plasmodium in der- 
selben Weise ein wie beim Mikrosporangium und wandert nach voll- 
endeter Teilung der Sporenmutterzellen auch überall zwischen die einzelnen 
Sporen, bis diese ganz gleichmäßig im Plasmodium verteilt sind. Während 
bei den Mikrosporangien 16 Spormutterzellen gebildet werden, hören 
die Zellteilungen im Makrosporangium schon nach Bildung von acht 
Sporenmutterzellen auf. Die acht Zellen zerfallen dann durch Tetraden- 
teilung in je vier Sporen, so daß im Makrosporangium im ganzen 
32 Sporenzellen angelegt werden gegenüber den 64 Sporen des Mikro- 
sporangiums. 


2709 j E. Hannig, 


Das Verhalten der Sporenzellen ist schon von Strasburger, 
Pfeiffer und Campbell dahin klargestellt worden, daß von den 
32 Sporen nur eine sich entwickelt, die zukünftige Makrospore, während 
alle übrigen verkümmern. Diese eine Spore liegt stets zentral im 
unteren Teile des Sporangiums (Textfig. 15«@ u. 2). 


Pfeiffer bildet Sporangien ab, in denen die drei Schwesterzellen 
der auserwählten Spore größer sind als die verklimmerten übrigen 
Sporen, woraus hervorgeht, daß nicht nur die eine Spore, sondern die 
ganze Sporenmutterzelle vor den übrigen bevorzugt sein kann. 


Das Schicksal der verkümmerten Sporen. Das Verhalten 
der zugrunde gehenden Sporenanlagen ist von den genannten Autoren 
nicht genauer verfolgt worden. Alle begnügen sich damit anzugeben, 
daß sie anfangs im Periplasma gleichmäßig verteilt sind (s. Abb. von 
Campbell und Pfeiffer) und später zugrunde gehen. Nur Mettenius 
spricht die Ansicht aus, daß die gelben Einschlüsse, die man später in 
dem Schwimmkörper der Makrospore. findet (s. pag. 268, Textfig. 14), 


Fig. 15. 


Fig.15. Zwei Makrosporangien. sp Makro- 
sporen. » Vakuolen, in denen die Makro- 
sporen liegen. sö Verkümmerte Makrosporen. 


Fig.16. Junge Makrospore. mv Massulavaku- 
olen, in denen die Schwimmkörper entstehen. 
Mo Vakouole um dieMakrospore, geplatzt und 
zurückgeschlagen. sö Verkümmerte Sporen 
in den Massulavakuolen. 255 Makrosporen. Fig. 16. 


mit diesen verkümmerten Sporen gleich seien, eine Ansicht, die Stras- 


burger als unbegründet zurückweist, die aber, wie sich gleich zeigen 
wird, zu Recht besteht. 


Daß die verkümmerten Sporen ursprünglich ebenso wie die Ta- 
petenkerne gleichmäßig um die weiterwachsende große Spore herum- 
legen, ist an jungen Sporangien sehr leicht festzustellen. Das Peri- 
plasmmodium solcher Sporangien scheint an fixierten Präparaten durch 
das ganze Sporangium hin die gleiche Struktur zu besitzen. Etwas später 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 271 


aber treten in dem Plasmodium Bewegungsvorgäuge und Strukturverände- 
rungen auf. Wenn die junge Makrospore einen Durchmesser von ı% 
Durchmesser des Sporangiums erreicht hat, besteht die innere Zone 
des Periplasmodiums aus dichtem kernlosem Plasma, während die 
äußere sehr lockere, schaumige Struktur zeigt und die sämtlichen Kerne 
nebst den verkümmerten Sporen enthält. Bei etwas größeren Sporan- 
gien findet man dann, daß die Hauptmasse des Plasmodiums sich an 
dem apikalen Ende des Sporangiums angesammelt und diese verküm- 
merten Sporen, die ebenso wie die reifende Spore gelb gefärbte 
Membranen besitzen, mitgenommen hat (Textfig. 15@ und 5), während 
stets ein Teil der Plasmodiumkerne in dem dünnen seitlichen und basalen 
Plasmamantel zurückgeblieben ist. Die geschilderte Plasmabewegung fällt 
ungefähr mit einer be- s 

merkenswertenDrehung 
der großen Makrospore 
zusammen. Diese Spore 
läßt nämlich sehr deut- 
lich die drei Kanten 
erkennen (Textfig. 17 2), 
an denen sie in der Spo- 


Fig. 17.0. Makrosporan- 


renmutterzelle mitihren 
Schwesterzellen zusam- 
menstieß, es ist das die 
Stelle, an der später bei 
der Keimung der Makro- 
spore das Prothallium 
durchbricht. Die Orien- 
tierung dieses Drei- 


gien. #5 Makrospore 
sd Verkümmerte Makro- 
sporen. cy Cyanophy- 
ceen. 
Fig. 175. Die herans- 
gedrückte Makrospore 
mit einem Teil des Peri- 
plasmodiums, das bei st 
die Wülste über dem 
Dreistrahl der Spore er- 
kennen laßt. 


strabls ist ursprünglich 

dem Zufall unterworfen (vgl. Fig. 9, Taf. XXXII bei Pfeiffer); wenn die 
Spore aber größer geworden ist, findet sich der Dreistrahl stets nach der Öff- 
nung des Sporokarps zu orientiert. Die Drehung der Makrospore ist not- 
wendig, weil bei der Keimung dem ganzen Bau des Perispors nach die 
Öffnung nur an dieser Stelle erfolgen kann. Rein mechanisch aus den Raum- 
verhältnissen und der Gestalt der Spore läßt sich die Drehung nieht 
erklären, da die Spore ja kugelförmig ist und der Dreistrahl aus sehr 
niedrigen Leisten besteht. Da ferner die Sporenmembran schon in 
diesem Stadium sehr derb ist, kann die Drehung wieder nur auf eine 
nicht näher definierbare Aktivität des Plasmodiums zurückgeführt werden. 
Je mehr die Spore sich vergrößert, desto vollständiger füllt sie den 


272 E. Hannig, 


Raum des Makrosporangiums aus. Man könnte denken, die wachsende 
Spore ‚drängte das Plasma nach dem apikalen Ende des Sporangiums. 
Das ist aber nicht der Fall; vielmehr muß das Plasma sich im. wesent- 
lichen aktiv an das apikale Ende bewegen. Denn 1. beginnt die An- 
häufung des Plasmas sehen, wenn die Spore noch kaum den halben 
Durchmesser des Sporangiums. besitzt, und 2. sind apikales und basales 
Ende des Sporangiums der Gestalt nach ganz gleich, so daß kein 
mechanischer Grund für die Verschiebung des Plasmas nach der einen 
oder der änderen Seite vorliegt. Die Bewegung des Periplasmas endet 
damit, daß eine große Plasmakappe über der ‘Spore liegen bleibt, 
während nach den übrigen Seiten bin nur ein verhältnismäßig dünner 
Plasmaschlauch die Spore umgibt (Textfig. 17a). In diesem letzteren 
sind nur noch Tapefenkerne enthalten, während alle verkümmerten 
Sporen im Verlauf der weiteren Entwicklung nach der Kappe abge- 
sehoben sind. Bein mechanisch läßt sich diese Bewegung nicht er- 


klären, denn sonst müßten auch die Tapetenkerne dorthin gedrängt 
werden. 


In der unteren dünnen Plasmahülle wird das Perispor der Makro- 


spore in der oberen Plasmakappe der sog. Schwimmapparat (Angel- 
apparat), gebildet. 


Die weitere Entwicklung, die im wesentlichen an fixiertem Material 
studiert wurde, ergab, daß trotz der großen äußerlichen Verschieden- 
heiten eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den Makro- und 
den Mikrosporen besteht. Die Unterschiede ergeben sich sozusagen 
von selbst, wenn man den Bau des reifen Makrosporaugiums kennt. 
Die eine Spore, die in dem Makrosporangium entwickelt wird, liegt 
allein in einer großen Vakuole (Textfig. 16, wo die Vakuole geplatzt 
und nach unten zurückgeschlagen ist und Textfig. 15 a und 5. Die 
31 verkümmerten Sporen dagegen verteilen sich annähernd gleichmäßig 
auf die drei birnförmigen Vakuolen tiber der großen Spore (Textfig. 16), 
ein Vorgang, bei dem, ähnlich wie bei dem Mikrosporangium, Kräfte 
des Periplasmas wirksam sein müssen, welche die Verteilung der ver- 
kümmerten Sporen regulieren, 


In diesen Vakuolen bildet das Periplasmodium die bekannten 
Schaumkörper des Angelapparates aus. Man kann diese Entwicklungs- 
stadien am besten an fixierten, mit Eau de Javelle durchsichtig ge- 


machten Sporangien feststellen. Die drei Vakuolen des Angelapparates 
liegen dann in dem oberen Teil der Makrospore so zusammen, daß sie 
in der Richtung der Längsachsen des Sporangiums etwas gestreckt sind 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 273 


und sich außerdem gegenseitig ein wenig abflachen. Das Periplas- 
modium bildet aber diese Vakuolen in viel regelmäßigerer Anordnung 
als dies in den Mikrosporangien der Fall war. Es tritt um die Makro- 
spore eine große Vakuole auf, die fast den ganzen unteren Teil des 
Sporangiums einnimmt. In der Plasmakappe über dieser Makrosporen- 
vakuole entstehen gleichzeitig drei Vakuolen, die .sich gegenseitig so 
abplatten, daß ihre gemeinsame Berührungskante in der Längsachse des 
Sporangiums auf der Makrospore senkrecht steht, also eine ähnliche 
Anordnung wie bei der Teilung gewisser Sporenmutterzellen in Kugel- 
quadranten. Diese Anordnung kehrt ausnahmslos bei allen Makro- 
sporangien wieder, ist somit keine zufällige. Die gegenseitige Ab- 
flachung und die glatte Einfügung in das Sporangium sind ja nun 
zweifellos durch die Raumverhältnisse verursacht, aber die regelmäßig 
polare Anordnung und die Regelmäßigkeit in den Größenverhältnissen 
können, wie oben bei den Mikrosporangien, wieder nur durch eine 
räumlich regulierende Tätigkeit des Periplasmodiums bedingt sein. 

Die Vakuolen sind anfangs gerade wie bei den Mikrosporangien 
mit wasserklarem Inhalt gefüllt und liegen wie dort, wenigstens anfangs, 
dicht unter der Oberfläche der. Massulablasen. In diesen Blasen treten 
beim Fixieren ähnliche Gerinnsel auf, wie in den Blasen des Mikro- 
sporangiums und lassen sich sogar in den fast fertig ausgebildeten 
Waben besonders gut beobachten. Wenn auch die Beziehungen dieser 
Gerinnsel zu den Waben nicht in ihren Einzelheiten verfolgt werden 
konnten, so kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß die Schaum- 
struktur der Schwimmkörper auf ähnliche Weise entsteht wie die Waben 
der Mikrosporenmassulae. Die Homologie der drei Teile des sog. 
Schwimmapparates mit den Massulis der Mikrosporangien liegt so auf 
der Hand, daß wir sie als Massulae der Makrosporangien be- 
zeichnen müssen. 

Das Gleiche gilt auch für die Hülle, welche die Makrospore um- 
schließt, d. h. für das Perispor der Makrospore. Verfolgen wir bei 
dieser die Entwicklung weiter, dann zeigt sich, daß sie in ihrer Vakuole 
so lange wächst, bis nur noch ein schmaler Saum zwischen ihr und 
der sie umschließenden Vakuolenwand freibleibt. Hier sammeln sich im 
Gegensatz zu den Mikrosporangien dichte körnige Plasmamassen an, 
aus welchen das Perispor entsteht, während aus der Oberfläche der 
Vakuolenmembran die peitschenförmigen Anhänge vorsprossen. Bilder, 
die mit Sicherheit als Entwieklungsstadien der Peitschen hätten ange- 
sprochen werden können, ließen sich aber an fixiertem Material nicht 


auffinden. Auch an lebendem Material habe ich vergebens nach Anfangs- 
Flora, Ba. 102. ı9 


274 E. Hannig, 


stadien gesucht. Wenn schon die verhältnismäßig großen Glochidien der 
männlichen Massulae nur äußerst schwierig zu erkennen waren, läßt 
sich begreifen, daß die Entwicklung dieser Peitschen eher durch einen 
Glücksfall, als durch mühsames Suchen gefunden werden kann. Da 
aber, wie oben (s. 269) ausgeführt wurde, die Peitschen wahrscheinlich 
Schläuche darstellen, ist auch anzunehmen, daß sie, wie die Glochidien, 
als schlauchförmige Ausstülpungen aus den Massulamembranen entstehen. 


Innerhalb der Vakuolenhaut, zwischen dieser und der schon 
intensiv gelben Sporenmembran bildet sich nun ein feinkörniges Plasma 
aus. Die Oberfläche dieser Plasmahülle ist ursprünglich ziemlich gleich- 
mäßig die. Dann entstehen Einkerbungen und an dem apikalen Pol 

. der Wulst, welcher später die Anhangskörper trägt, sowie ein drei- 
spaltiger Wulst über der dreistrahligen Verdickung des Exospors 
(Textfig. 175). Die Wülste und Vorsprünge sind bald verhältnismäßig 
solide, sie bleiben auch erhalten, wenn man das ganze Periplasmodium 
aus dem Sporangium herausdrückt. Sie treiben infolgedessen auch die 
Vakuolenmembran mit vor, so daß diese mit ihren Peitschenanhängen 
überall dicht anliegt. Unterdessen entstehen in dem Massulaplasma 
kleine und große, Vakuolen, welche der ganzen Hülle eine schaumige 
Struktur verleihen, die aber sehr viel unregelmäßiger ist wie diejenige 


der apikalen Massulae. Außerdem bleibt ein großer Teil einer körnigen _ 


Substanz übrig (Testäg. 14), die in den Mikrosporenmassüulis, wie oben 
erwähnt, nur in geringer Menge hie und da um die Sporen herum ge- 
funden wurde. An der Oberfläche dieser Perispormasse entstehen 
dann die auffallend massiven Verdichtungen, aus denen die homogene, 
aus kutinartiger Substanz bestehende äußere Membran gebildet wird, 
die der Oberfläche der Massulae zwar homolog, aber im Vergleich zu 
jener außerordentlich stark entwickelt ist. Im ganzen unterliegt es 
keinem Zweifel, daß das Perispor um die Makrospore entsprechend dem 
Sehwimmkörper gebaut und gebildet worden ist, daß somit das Peri- 
nium der einen’Makrospore den Massulis des Schwimmkörpers und 
ebenso den Massulis der Mikrosporangien homolog ist. j 


Die Kerne des Periplasmodiums. 


Was für die Kerne der Mikrosporangien ausgeführt würde, gilt 
in gleicher Weise für die Entwicklungsvorgänge im Makrosporangium. 
An denjenigen Umlagerungen im Gesamtplasmodium, die eine be- 
stimmte Orientierung erkennen lassen, können sie nicht beteiligt: sein, 
da alle Kerne im Periplasma regellos zerstreut liegen. Und für die 


Ps 


Über die Bedeutung der :Periplasmodien. 375 


Vorgänge der Maschenbildung in den Massulis kommen sie schon des- 
wegen nicht in Betracht, weil die Tapetenkerne alle außerhalb der 
Massulavakuolen liegen. Auch diese Kerne haben sich übrigens, wie 
die Zählung an jungen Stadien beweist, nachträglich vermehrt. Ob 
eine Fragmentation oder eine mitotische Teilung stattfindet, konnte 
ebensowenig entschieden werden wie bei den Mikrosporangien. Ihrem 
Aussehen nach verhalten sich die Kerne ähnlich wie dort. Sie sind 
nach der Fragmentation blasig, hell und bis auf einen dunklen Nukleolus 
scheinbar inhaltsleer. Wenn die Makrospore so groß geworden ist, daß 
sie die Sporangien annähernd ausfüllt, was schon sehr früh eintritt, 
sind die Kerne stark zusammengeschrumpft und unregelmäßig, oft auch 
zusammengedrückt und lassen erkennen, daß sie nicht mehr normal 
zu funktionieren vermögen. 


Zusammenfassung der Resultate. 


4. Die jetzigen eingeschlechtigen Sporangien haben sich phylo- 
genetisch aus einhäusigen entwickelt. 

2. Die Periplasmodien entstehen aus einer scharf differenzierten 
Tapete und erfahren eine starke Vermehrung ihrer Kerne (dureh 
Fragmentation?). j 

3. Die Periplasmodiumkerne liegen ursprünglich an der Sporan- 
giumwand und verteilen sich dann durch passive oder aktive 
Bewegung annähernd gleichmäßig in dem Protoplasma, 

4. Das Periplasmodium erfährt eine bedeutende Volumzunahme 
durch Wachstum, assimiliert und speichert Stärke. 

5. Es bildet im Mikrosperangium eine bestimmte Anzahl Va- 
kuolen, die in regelmäßiger Anordnung an der Peripherie des 
Plasmodiums liegen. 

6. In jeder dieser Vakuolen ist ungefähr die gleiche Anzahl Sporen 
eingeschlossen. 


7. Die Sporen werden in den Vakuolen dicht unter der Va- 
kuelenhaut ungefähr gleichmäßig verteilt. 

8. Innerhalb- der Vakuolen entstehen-zwischen den Maschen eines 
feinen Plasmahetzwerkes die Wabenwände der Massulae. 

9. Die Maschen der Massulae erfahren nach ihrer Ausscheidung 
noch eine Vergrößerung ihres Durchmessers um ca. 1/,. 

i0. Aus der Wand der Wabenwände stülpen sich handschuhfinger- 
förmige Fortsätze aus, die zu den hochdifferenzierten Glochidien 


ausgebildet werden. 
19* 


276 


11. 


12. 


13. 


14. 


E. Hannig, 


Auch die Glochidien wachsen noch nach Fertigstellung ihrer 
Ankergestalt. 

Ebenso vergrößern sich die Mikrosporen noch nachdem sie 
in die Massulawaben eingeschlossen sind. 

Die 31 verkümmerten Makrosporen liegen als unregel- 
mäßige gelbliche Einschlüsse in den Maschen der „Sehwimm- 
körper“ der Makrospore verteilt. 

Die zur Entwieklung kommende Makrospore, die ursprünglich 
in dem Sporangium eine zufällige Lage einnimmt, wird zu 
einer gewissen Zeit in dem Periplasmodium stets so gedreht, 


. daß die dreistrahlige Erhebung an ihrer Oberfläche der Mikro- 


15. 


16. 


18. 


19. 


pyle zugewendet wird. Diese Drehung muß durch das Peri- 
plasma aktiv herbeigeführt werden. 


Die Schwimmkörper der Makrospore entstehen ebenso wie die 
Massulae der Mikrospore aus Periplasmodiumvakuolen, müssen 
daher ebenfalls als Massulae bezeichnet werden. 


Auch die Makrospore liegt in einer Vakuole und die derbe 
Makrosporenhülle mit ihren zum Teil wabenartigen Strukturen 
entsteht innerhalb dieser Vakuole, ist also ebenfalls der Mikro- 
sporenmassula homolog. 


. Das Perispor der Azollamakrospore ist also eine Massula. 


Die peitschenartigen Anhänge des Schwimmapparates und des 
Perispors entstehen wahrscheinlich auch durch Ausstülpung 
aus der Oberfläche der Massulavakuolen; ihre Entstehung 
konnte aber nicht mit Sicherheit festgestellt werden. 


Die Periplasmodiumkerne können weder im Mikro- noch im 
Makrosporangium an den Orientierungsvorgänge beteiligt sein, 


da sie selbst passiv bewegt werden und eine unregelmäßige 
Lagerung haben. 


. Im ganzen ergibt sich, daß das Periplasmodium ein lebender 


Protoplast ist, der die Fähigkeit besitzt, gewisse Einschlüsse 
(Sporen, Vakuolen, Kerne [?]) in seinem Innern in bestimmter 
Weise räumlich anzuordnen und außerdem eine ganz eigen- 


artige formative Tätigkeit (Bildung der Massulawaben, Glo- 
ehidien usw.) auszuüben, 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 277 


Literatur. 


Campbell, D. H., On the development of Azolla filiculoides. Ann. of bot. 1893, 
Vol. VIE, pag. 155. 

Ders, The structure and development of Mosses and Ferns. New York 1905. 
Goebel, K., Beiträge zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte der Sporangien. 
Bot. Zeitg. 1880, Bd. XXXVII, pag. 545, 1881, Bd..XXXIX, pag. 681. 

Ders. Organographie der Pflanzen. Jena 18981901. 

Ders., Über sexuellen Dimorphismus bei Pflanzen. Biol. Zentralbl. 1910, Bd. XXX VII, 
pag. 657. 

Griffith, W., On Azolla and Salvinia. Caleutta 1844, Vol. VIII, pag. 49. 


Heinricher, E., Die näheren Vorgänge bei der Sporenbildung von Salvinia natans, 
verglichen mit den übrigen Rhizocarpeen. Sitzungsber. d. k. k. Ak. d, Wiss., 
‘Wien 1882. 

Mettenius, G, Beiträge zur Kenntnis der Rhizocarpeen. Fraukfurt a. M. 1846. 

Ders, Über Azolla. Linnaea 1847, Bd. IV, pag. 259282. 

Pfeiffer, W. M., Differentiation of spotocarps in Azolla. Bot. gaz. 1907, Vol. 
XLIV, pag. 445. 

Pringsheim, H., Zur Morphologie von Salvinia natans. Jahrb. f. wiss. Bot. 1853, 
Bd. IIT, pag. 484. . 

Russow, E., Vergleichende Untersachungen usw. M&m. ac. St. Petersb. 1872 
[Ser. 7], Bd. XIX. \ 

Sadebeck, R., Salviniaceae. Engler u. Prantl, Natürl. Pflanzenfamilien, 1900. 

Shattuck, Ch. H, The origin of heterospory in Marsilia. The bot. Gaz. 1910, 
Vol. XLIX, pag. 19—40. 

Strasburger, E., Über Azolla. Jena 1873. 

Ders., Über den Bau und das Wachstum der Zellhäute. Jena 1882. 

Ders., Über das Wachstum vegetabilischer Zellhäute. Jena 1889. 

Ders., Die pflanzlichen Zellbäute. Jahrb. f. wiss, Bot. 1898, Bd. XXXI, pag. 543. 

Ders., Apogamie bei Marsilis. Flora 1907, Bd. XCVII, pag. 176. 


Figurenerklärung zu Tafel XIV. 
. Alle Figuren sind in gleichem Maßstab gezeichnet. 

Fig. 1. 4solla fliculoides. Junges Sporangium mit Arehespor, dessen Zellen sich 
zu trennen beginnen. Bei x dringt das Periplasmodium zwischen die Arche- 
sporzellen. ein, 

Fig. 2. Desgl. Älteres Sporangium, die Sporen (sd) liegen noch gleichmäßig im 
Periplasmodium verteilt. 


273 E. Hannig, Über die Bedeutung der Periplasmodien. 


Fig. 3. Desgl. Die Sporen sind an die Wand gerückt, das Periplasma hat sich 
etwas kontrahiert und läßt die Vakuolen um: die Sporen erkennen; die Peri- 
plasmodiumkerne liegen in der Mitte. 


Fig. 4. Desgl. Um die einzelnen Sporen haben sich die Vakuolen stark vergrößert; 
sie liegen in einer wasserklaren Flüssigkeit, in der beim Fixieren unregel- 
mäßig angeordnete helle Fäden und dunkle Körnchen ausgefallen sind. 

Fig. 5. Desgl. Erste Anlage der Massulawahen (w). Die Waben sind erst: in der 
Mitte erkennbar und noch weich, so daß sie beim Fixieren stark schrumpfen 
und zusammenfallen. Vorwiegend außerhalb der Waben liegen noch die- 
selben fädigen und körnigen Ausfällıngen wie in den kleinen Vakuolen 
ig. 2. " 

Fig. 6. Desgl. Älteres Stadium, Die mittleren Waben haben schon starre Wände, 


die äußeren z. T. noch nicht. Die Körnchen in der Mitte liegen über, nicht 
in den Waben. 


ge 


. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte und ver- 
_ gleichenden Anatomie der Cynipidengallen der Eiche. 
on "Von F. Welle, ' 
(Mit Tafel XV und 49 Abbildungen im Text.) 


Obgleich es trotz vieler Versuche nicht gelungen ist, experimentell 
die näheren Ursachen der pflanzlichen Gallenbildung aufzuklären und 
bisher noch immer keine Beweise für die naheliegende Vermutung ge- 
geben sind, daß die Gallen spezifischen, von den Erzeugern ausgeschie- 
denen Stoffen ihren Ursprung verdanken, stehen doch bisher nicht ge- 
nügend begangene Wege offen, in das Wesen der Gallenbildung tiefer 
einzudringen: Man kann einerseits versuchen, auf das genaueste die 
anatomischen Verhältnisse klarzulegen, welche bei der Entwicklung der 
Gallen vor sich gehen, und daraus Rückschlüsse auf die Art des Reizes 
ziehen; andererseits kann man die anatomischen Elemente der Gallen 
untereinander und mit den normalen der Mutterpflanze vergleichen, um 
so zu sehen, ob und welehe Mannigfaltigkeit vorliegt und auch wieder 
diese zu Rückschlüssen auf das Wesen der Gallenbildung benutzen. 
Konnten beide Wege von mir auch nur eine kurze Strecke. verfolgt 
werden, hoffe ich doch zu zeigen, daß auf beiden für allgemein be- 
kannte und oft untersuchte Gallen wesentlich neue Gesichtspunkte auf- 
zufinden waren. 


IL Teil. 


Die Entwicklungsgeschichte der Galle von 
Neuroterus vesicator Schlecht. 


Das Verständnis der Ätiologie der Gallenentwieklung, deren Be- 
deutung für das Verständnis der Formenbildung der Pflanze überhaupt 
von vielen Seiten hervorgehoben wurde, setzt. die genaue Kenntnis der 
bei der Gallenbildung vor sich gehenden anatomischen Verhältnisse 
voraus. Für die wohl am höchsten entwickelten von allen Gallen, für 
die Cynipidengallen, hat Beyerinck!) die ersten Entwicklungsstadien 
in einer sehr ausführlichen und in vieler Hinsicht bewunderungs- 
würdigen Arbeit untersucht. Sein. theoretisch wichtigstes Resultat ist; 
daß, wenn auch bei’ manchen Gallen eine Verletzung der Pflanze bei 
der Eiablage vorkommt, diese dennoch für die Gallenbildung ganz ohne 


D Dr. M. W. Beyerinck, Über die ersten: Entwicklungsstadien einiger 
Cynipidengallen. Verh. der Kgl. nederl, Ak. d. Wetensch. Amsterdam 1882. 


280 F. Weidel, 


Bedeutung ist, denn bei einer großen Reihe von Gallen beginnt die 
Entwicklung bereits zu einer Zeit, in der die Larve noch in der festen 
Eihülle eingeschlossen und der völlig unverletzten Epidermis aufgelagert 
ist. Da aber nachgewiesen werden konnte, daß bei der Ejablage vom 
Muttertier kein Gallenreiz ausgeht, muß dieser also von der sich ent- 
wickelnden Larve herrühren und Eihaut und Cuticula durchsetzen. 
Beyerinck nimmt als Reizerreger ein „Wuchsenzym“ an; unter dessen 
Einfluß wölbt sich rings um das Ei das Blattgewebe empor, und, in- 
dem es das Ei umwallt, gelangt dasselbe in das Innere der Pflanze. 
Diese Darstellung erscheint zurzeit unbestritten, ist in die botanischen 
Lehrbücher") übergegangen und wird, wie sich aus Rössigs?) Arbeit 
ergibt, auch von den Zoologen als richtig angesehen. Nur W. Magnus?) 
hat in einer vorläufigen Mitteilung festgestellt, daß bei der Eiablage 
der Cynipiden Rhodites Rosae und Mayri das anscheinend freiliegende 
Ei schon gleich bei der Eiablage durch einen Fortsatz in die Epidermis 
der Rose eingesenkt ist. — Bei genauer Überlegung ergibt sich aber, 
wie wir sehen werden, daß überhaupt eine ganze Reihe von Punkten 


in der von Beyerinck gegebenen Darstellung der Entwicklung der 
Gallen schwer verständlich ist und der Aufklärung bedarf, Ich ent- 


schloß mich daher, die Entwicklung einer Eichengalle genauer zu unter- 
suchen, bei der nach Beyerinck der Entwicklungsgang ohne Verletzung 
der Epidermis in der oben angedeuteten Weise erfolgt. 

Da mir Gallen von Neuroterus lentieularis (nach Adler‘) die 
agame Muttergeneration zu Neuroterus baccarum), die Beyerinck ein- 
gehend untersuchte, zur Zucht in ‘größerer Anzahl nicht zur Verfügung 
standen, benutzte ich bei meinen Versuchen eine ganz nahe Verwandte, 
Neuroterus nmnismatis (agame Muttergeneration zu Neuroterus vesi- 
cator), für die. wie Beyerinck®) selbst festgestellt hat, in den ersten 
Eintwieklungsstadien genau die gleichen Verhältnisse wie für Neuroterus 
baccarum bestehen. Auch die große Ähnlichkeit im Bau der Gallen- 
tiere sowie der beiden Muttergallen — Neuroterus lentieularis und 


1) Jost, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie, pag. 392. E. Küster, 
Pathologische Pflanzenanatomie, pag. 215. Jena 1908. 


2) Heinr. Rössig, Von welchen Organen der Gallwespenlarven geht der 
Reiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? Zool. Jahrb., Abt. f. Syst. 1904, Bd. XX. 


3) Werner Magnus, Experimentell-morphologische Untersuchungen. Ber. 
d. deutsch, bot. Ges. 1903, Bd. XXI. 


4) Adler, Über den Generationswechsel der Eichengallwespen. Zeitschr. £. 
wissensch. Zool. 1881, pag. 156. 


5) 1. e. pag. 9. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. p153 1 


numismatis einerseits —— und der beiden Tochtergallen — Neuroterus 
baccarım und vesicator andererseits — lassen schon auf die gleichen 
Verhältnisse bei der Entwieklung schließen. 

Anfang April sammelte ich etwa 40 Numismatis-Gallen®), die ich 
in Blumentöpfen, mit Moos bedeckt, unter Glasglocken brachte. Da 
mir nicht sogleich Eichenstämmchen zur Kultur zur Verfügung standen, 
brachte ich die ersten Wespen, die am 16. April auskrochen, in Glas- 
gefäße, in die ich abgeschnittene Eichenzweige stellte. Sofort nach dem 
Ausschlüpfen gingen die Tiere auf die Knospen, und ich konnte so das 
Ablegen der Eier im Zimmer recht genau und bequem beobachten. 

Diese Kulturmethode genügte natürlich nur, um die Lage der 
Eier in der Knospe zu studieren. Für die weiteren Kulturen der 
Gallen benutzte ich eine etwa 30jährige Eiche, auf die ich die Eier in 
folgender Weise ablegen ließ: Ich überband beiderseits offene Glas- 
zylinder an der einen Seite mit Gaze. Nachdem ich die Tiere in die 
so vorbereiteten Gefäße gebracht hatte, schob ich diese über das Ende 
eines Zweiges und verschloß dann auch die andere Seite des Zylinders. 
Wenn die Knospen mit einer Anzahl von Eiern belegt waren, was ge- 
wöhnlich innerhalb weniger Stunden geschehen war, band ich denselben 
Zylinder über einen anderen Zweig. Auf diese Weise erhielt ich von 
den 30 Wespen — in den übrigen Gallen hatten sich Inquilinen 2) be- 
funden — mehrere Hundert Eier. Die belegten Knospen bezeichnete 
ich mit dem Tage der Eiablage. 

Die Untersuchungen über die Entwicklung des Eies und der Galle 
wurden nun in der Weise ausgeführt, daß ich von der Eiablage an 
täglich mehrere Knospen teils frei unter dem Mikroskop bei schwacher 
Vergrößerung präparierte, teils mit verdünnter Flemming’scher Lösung 
fixierte. Von den fixierten Knospen, bei denen die verholzten Schuppen 
sorgfältig entfernt waren, wurden Mikrotomschnitte von 5 zw Dicke an- 
gefertigt und nach dem Flemming’schen, im Bonner botanischen In- 
stitut üblichen Verfahren?) gefärbt. Nach dieser Methode war das 
pflanzliche Gewebe sehr gut fixiert und gefärbt, während das tierische 


1) Ich werde im folgenden häufig von der von Beyerinck vorgeschlagenen 
Vereinfachung Gebrauch machen, die Gallen nur mit dem Artnamen des Tieres zu 
bezeichnen, zumal da in bezug auf die Gattungsnamen unter den Autoren große 
Uneinigkeit herrscht. 

2) Unter Inquilinen versteht man unrechtmäßige Bewohner der Gallen, die 
nicht mehr imstande sind, eigens Gallen zu bilden. 

8) Vgl. A. €. Hof, Histologische Studien an Vegetationspunkten. Bot. Zen- 
iralblatt 1898, Bd. LXXVI, pag. Bf. 


282 5 F. Weidel, 


wenigstens die gröberen Strukturen deutlich erkennen ließ. Solange 
die -Eikörper noch nicht fest mit dem pflanzlichen Gewebe verbunden 
waren, mußten die Knospen nach Entfernung der Schuppen als Ganzes. 
geschnitten werden. Später jedoch fixierte ich nur. die Teile der 
Blätter, auf denen die Eier lagen. Man kann diese mit unbewaffnetem 
Auge gerade noch als kleine, glänzende Punkte erkennen, unter dem 
Mikroskop fallen sie wegen der spiegelnden Eihaut schon bei schwacher 
Vergrößerung anf.. 

“ Vergegenwärtigen wir uns num in kurzen Worten das, was. 
Beyerinck') über das Ablegen der Eier sagt: Durch hin- und her- 
‚schiebende Bewegungen wird die Legeröhre zwischen zwei Knospen- 
schuppen hindurch bis zur Knospenachse hinabgedrückt, bier nach. 
innen umgebogen und zwischen die gefalteten Blätter gebracht, wo das 
Ei abgelegt wird. Hierzu möchte ich bemerken, daß bei Beyerinck’s 
Versuchen ‘die Lentieularis-Wespen schon Mitte März auskrochen, zu 
einer Zeit also, in der die Knospen noch klein und in einem wenig 
entwickelten Stadium waren, während die Numismatis-Wespen — übrigens 
auch die wenigen Lentieularis-Wespen, die ich züchtete — bei meinen 
Versuchen trotz des milden Winters und des frühzeitig einsetzenden 
Frübjahres erst Mitte April ihre Wohnung verließen. Um diese Zeit 
waren die Knospen schon bedeutend in die Länge gestreckt, so daß. 
der Legestachel niemals bis zur Knospenachse hinabreichte, sondern die 
Stichwunden fanden sich bei der Untersuchung stets als eine Reihe 
übereinanderliegender, brauner Punkte in der Mitte der Knospenschuppen 
und Blättchen (Taf. XV, Fig. 12). Auf diese Weise war einerseits der Weg 
bis zur Ablegestelle kürzer, als wenn erst die Knospenachse berührt 
worden wäre, und andererseits konnten so auch unverholzte Stellen der 
Schuppen durchbohrt werden. Denn bei den Knospenschuppen, die zur 
Zeit der Ruhe bis auf die Ansatzstellen vollkommen verholzt sind, 
strecken sich im Frühjahr beim Austreiben gerade diese unverholzten 
Stellen®), so daß dann nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der 
Schuppenspitze verholzt ist. 

Weiter sagt Beyerinck®) über die Lage des Eies in der Knospe: 
Der Eikörper wird „gewöhnlich an den Rand oder zwischen die beiden 
Hälften eines durchmitten gefalteten Blattes dermaßen niedergelegt, 
daß eine direkte Berührung zwischen demselben und dem pflanzlichen 


D Le pag. 86. 


Dr. Grüß, Beiträge zur. Bio der Knospe. Pringsh. Jahrb., Bd. XXIII, 
pag. 639. . 


391. c. pag. 86. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 283 


Gewebe zustande kommt.. Wenn das Tier nach Beendigung dieser: 
ersten Phase des Eierlegens seine Legeröhre zurückzieht, verharrt der 
Eikörper an der einmal behaupteten Stelle, doch bleibt der Eistiel teil- 
weise in dem Bohrkanal in der Knospenachse oder in den Knospen- 
schuppen zurück, um andernteils frei zwischen diesen zu enden.“ An 
einer. anderen Stelle!) heißt es: „Wie schon bemerkt. geht das Ver- 
kleben des Eies diesem Prozeß voran.* 

Mit diesen Angaben Beyerinck’s über die Lage des Eies in der 
Knospe decken sich meine Beobachtungen im wesentlichen (vgl. Taf. XV; 
Fig. 1), nur möchte ich aus folgenden Gründen weniger das Verkleben 
des Eikörpers als des Eistieles mit der Blattspreite betonen: Beim. 
Freipräparieren der Knospen unter dem Mikroskop genügte schon die 
leiseste Berührung des Eies - 
mit einer Nadel, um dasselbe 
auf der Blattspreite zu ver- 
schieben, und wenn das mit 
Eiern belegte Blättchen in eine 
Flüssigkeit (Wasser oder Chlo- 
salhydrat) gebracht wurde, 
schwamm der Eikörper stets in 
derselben. Die beiden ange- 
führten Tatsachen beweisen 
natürlich noch nicht, daß eine: 
Verklebung nicht stattfindet, 
denn sie kann ja so lose sein, 


daß sie durch den geringen Fig. 1. Bier von Nenrota hamatie 
. - . 4. vi roterus numismatis. 
Druck oder die Wirkung der „ Eimembran, 5 Stichkanal im Blatt. Vergr. 70. 


Flüssigkeit aufgehoben wird, 
aber so fest ist sie auf keinen Fall, wie man nach Beyerinck’s Worten 
annehmen muß. Die feste Verbindung zwischen. Eikörper und Blatt 
gehört einem viel späteren Stadium der Entwicklung an. . 
Dagegen fand ich den Eistiel stets fest mit dem Blatt verbunden. 
Teils war er unmittelbar neben der Bohrwunde am Blatt befestigt, 
meistens jedoch ragte er dureh das Blatt hindurch in den Stichkanal 
hinein, war dann aber durch das bei der Verwundung aus den Zellen 
ausfließende Plasma oder durch ein von der Mutterwespe ausgeschie- 
denes Sekret so fest mit dem Blatt verklebt (Textfig. 12), daß beim 
Präparieren häufiger der Eistiel in der Mitte riß, als daß er sich aus 


mg. 


DL o.108. 8. on ® 


284 F. Weidel, 


der Bohrwunde herauszog., Damit möchte ieh nun nicht behanpten, 
daß das Verkleben des Eistieles mit der Gallenbildung in irgend- 
welchem Zusammenhang stehe, sondern ich stimme darin Adler!) und 
Beyerinck®) zu, daß die Gallenbildung von der Verwundung durch 
den Cynipidenstich unabhängig ist. 


Was die äußere Form des Eies anbetrifft, so ist sie für Neuro- 
terus lenticularis von Beyerinck®), von Adler‘) für Biorhiza aptera, 
Neuroterus fumipennis und Aphilothrix autumnalis abgebildet. Ich 
selbst hatte Gelegenheit, die Eier von Neuroterus Ienticularis, Andricus 
radieis und hauptsächlich von Neuroterus numismatis zu beobachten. Sie 
haben alle die gleiche Form: Der birnenförmige Eikörper (Textfig. 1) 
mit einem Querdurchmesser von etwa 130 « verjüngt sich an dem 
einen Ende und setzt sich in einen langen, dünnen Stiel fort. Eikörper 
und Stiel sind zur Zeit der Ablage mit einer homogenen, trübkörnigen 
Eiweißmasse angefüllt. Adler) schreibt dem Stiel die Funktion einer 
Atemröhre zu, was mir aus folgendem Grunde wnrichtig erscheint: 
Einige Tage nach dem Ablegen des Eies tritt das Eiweiß aus dem 
Stiel in den eigentlichen Eikörper zurück und grenzt sich mit einer 
Membran ab (Texifig. 1), so daß die Luft von der Röhre aus keinen 
Zutritt mehr hat. \ 

Zur Entwicklung der Larve und der Galle sei von vornherein 
bemerkt, daß sich der ganze Vorgang von der Eiablage der Numis- 
matis-Wespe bis zum Ausschlüpfen der Vesicator-Wespe in dem er-: 
staunlich kurzen Zeitraum von 31 Tagen abspielte. Dazu kommt noch, 
daß von diesen 31 Tagen 16 ausschließlich auf die Entwicklung der 
Larve ohne irgendwelche Gallenbildung entfielen, so daß die eigentliche 
Galle in 15 Tagen ihre ganze Ausbildung erfuhr. Es ist erklärlich. 
daß bei einer so kurzen Entwicklungsdauer eine hohe Differenzierung 
der Gewebe wie bei den meisten anderen Cynipidengallen nicht statt- 
finden kann, aber die Vorgänge, die in Beyerinck’s Darstellung nicht 
klargelegt sind, kann man auch in diesem kurzen Zeitraum sehr wohl 
verfolgen. — Übrigens entwickelten sich die wenigen Baccarum-Gallen, 
die ich kultivierte, genau so sehnell®). 


DLe 
2) 1. c. pag. 190. 
H Le. Taf. I, Fig, 28, 

41. c. Taf. XI, Fig. 8-10. 

5) 1 e. pag. 224. 

6) Einen Beweis für die Behauptung Beyerinck’s, daß sich die Gallen (wohl 
nur die Frühjahrsformen) im gleichen Verhältnis wie die sie tragenden Blätter ent- 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 285 


Was die Vorgänge im Ei während der ersten 15 Tage anbetrifit, 
so überschreitet eine genauere Darstellung der sich in diesem Zeitraum 
abspielenden Entwicklungsphasen den Rahmen der Arbeit. Ich möchte 
nur so viel bemerken, daß sich nach dem Zurücktreten des Eiplasmas 
aus dem Eistiel und der oben erwähnten Membranbildung aus dem 
körnigen Eiweiß ein dunklerer Kern herausdifferenziert und das Ei 
nach 4 Tagen in das für Arthropoden charakteristische Stadium der 
superfiziellen Furchung') tritt (Taf. XV, Fig. 15). Äußerlich betrachtet, 
erweitert sich das Ei dann im Laufe der nächsten 12 Tage nach der 
einen Seite um seine eigene Größe und man kann im Inneren die 
Form der langgestreckten Larve undeutlich erkennen. Das Ei, das 
vorher die Blattfläche nur in einem Punkte berührte, hat sich, wie aus 
Textfig.2 hervorgeht, eng an die Oberfläche des Blattes angelegt, und erst 
jetzt ist die von Beyerinck erwähnte feste Verbindung eingetreten. 
Diese Anschmiegung geht so weit, daß alle Unebenheiten der Blatt- 
spreite auch in der Membran des 
Eikörpers zu erkennen sind, so 
daß häufig Fremdpartikel, die sich 
gerade an der Stelle befanden, 
in die Eihaut, eingedrückt sind. 

Wie ich beim Überblick 
über die gesamte Entwicklung er- . 
wähnte, tritt die Gallenbildung am Fig. 2. Schnitt durch Larve und Blatt vor 
16. T. 'h der Eiabl . Beginn der Gallenbildung. 2 Blattober- 

age nacı er Biablage em, seite. Vergr. 120. 
und wir kommen damit zu dem 
Punkte, der die Gallenforscher von jeher am meisten interessiert hat, 
nämlich zur Frage der ersten Gallenbildung und des Gallenreizes überhaupt. 

Man kann in der Geschichte dieser Frage zwei Perioden unter- 
scheiden: Bis zum Jahre 1872 nahm man allgemein an, daß der 
Gallenreiz durch ein beim Oynipidenstich in die Wunde ergossenes 
Sekret verursacht würde. Vertreter dieses Standpunktes sind die ältesten 
uns bekannten Gallenforscher Malpighi?), Reaumur®), Prillieux®), 


wickeln, lieferte mir eine Baccarum-Galle, die ich im Warmhause auf einem abge- 
schnittenen Zweige in 14 Tagen zur vollständigen Entwicklung brachte. Ob nun 
dabei auch die Larve ihre normale Entwicklung erfahren hatte, konnte ich noch 


nieht entscheiden. 
1) Hertwig, Lehrbuch der Zoologie, pag. 133. 8. Aufl. 1907. 


2) Marcelli Malpighii opera, Tomus sec.: De Gallis, pag. 37. Londini 1686. 

3) Reaumur, M&moires pour servir & P’histoire des Inseetes, Tome IIL 

4) Prillieux, Formation et developpement de quelques Galles. Annales 
des seiences nat. Botan. 6. Serie, Tome IEL 


286 : F. Weidel, 


Lacaze-Duthiers?), die zum Teil recht eigenartige Erklärungen geben: 
So schreibt Malpighi die Entstehung der Galle einer Gärung zu, die nach 
Einführung eines Fermentes entsteht — „vitrioi enim portio, quae in 
Quercubus luzuriat, infuso terebrae ichore, turgentiam eoneipit“ ——,Lacaze- 
Duthiers einem ähnlichen wie beim Bienenstich eingespritzten ‚Gifte. 


1872 sprach sich Thomas?) gegen diese Hypothesen aus, aber 
erst Adler und Beyerinck gaben dieser Behauptung durch experi- 
mentelle Untersuchungen eine bestimmte Form. 


Adler?) sagt über die ersten Anfänge der Gallenbildung: „Bei 
den Gallwespen wird erst durch die ausschlüpfende Larve die Galle 
erzeugt, wie sich unschwer nachweisen läßt... Natürlich wird es 
von Interesse sein, den Zeitpunkt wahrzunehmen, wo die Larve dem 
Ei entschlüpft und die Gallbildung einleitet. Leider ist dies recht 
schwierig. Mag das Ei in einer Knospe oder einem Blatt eingeschlossen 
sein, stets ist es dem Blicke entzogen und es hält schwer, den Moment 
abzupassen, wo die Larve ausschlüpft. Es ist mir gelungen, einigemal 
bei Neuroterus laeviuseulus (einer nahen Verwandten von Neuroterus 
numismatis, d, Verf.) und Biorhiza aptera dieses Stadium zu beobachten. 
In dem Augenblick nun, wo die Larve die Eihaut durchbrochen hat 
und zum ersten Male mit den feinen Kiefern die nächstgelegenen Zellen 
verwundet, beginnt eine rapide Zellenwucherung. Dieselbe‘ geht so 
rasch vonstatten, daß, während die Larve mit dem Hinterleibsende noch 


in der Eihaut steckt, vorn bereits eine wallartige Wucherung von Zellen 
sich erhebt.“ 


Beyerinck, dessen Arbeit 1 Jahr später erschien, steht auf einem 
ganz anderen Standpunkte. Er sagt im Schluß“) seiner Beobachtungen: 
„Einige Autoren (gemeint ist wohl Adler) haben in dem Nagen der 
Gallenlarve einen Reiz sehen wollen, welcher, nach ihrer Ansicht, die 
pflanzlichen Gewebe affızieren, möglicherweise zur Wucherung bringen 
könnte. — Freilich besitzen die Cynipidenlarven schon dann, wenn die- 
selben noch als vollständig kugelförmige Tiere innerhalb der Eischale 
eingeschlossen sind, feine Chitinkiefer, allein, ‘zu dieser Zeit, wenn von 
einem Zernagen der pflanzlichen Zellen natürlich kein Reden sein kann, 


1) Lacaze-Duthiers, Recherches pour servir A Phistoire des Gallen. Anmales 
des sciences nat, Botan. 3. Serie, Tome XIX. 


2) Thomas, Zur Entstehung der Milbengallen und verwandter Pflanzenaus- 
wüchse. Botan. Zeitg. 1872, Sp. 281 ff. 

3) 1. ec. pag. 209, 

4) 1. c. pag. 180. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 287 


ist das Wachstum des Gallplastems (d. i. Neubildungsgewebe der Galle, 
(d. Verf.) schon in vollem Flusse.* 

Wenn ich die Differenz, die zwischen den beiden genannten 
Forschern besteht, noch einmal kurz hervorheben darf, so ist es die, 
‚daß Adler vor dem Einsetzen der Gallenbildung ein Durchbrechen der 
Eihaut und damit eine Verwundung des pflanzlichen Gewebes von seiten 
‚der Larve annimmt, während Beyerinck auf dem Standpunkte steht, 
daß eine Gallenwirkung schon von der noch vollständig in der Eihaut 
‚eingeschlossenen Larve ausgehe. 

Bevor ich nun zu meinen Beobachtungen übergehe, möchte ich 
Adler’s Angabe bestätigen, daß es tatsächlich sehr schwer ist, gerade 
den Moment der ersten Gallenbildung abzupassen, denn sobald diese 
‚einmal eingesetzt hat, greift sie mit einer rapiden Geschwindigkeit um 
sich. Es gelang mir jedoch, dieses Stadium zu finden und in Taf. XV, 
Fig. 2 wiederzugeben. An der Hand dieser Figur möchte ich den 
Vorgang folgendermaßen erklären: 

Die in der Eihaut noch vollständig eingeschlossene Larve durch- 
bricht diese au einer Stelle und senkt in die Epidermis des Blattes 
ein Organ ein (Taf. XV, Fig. 2a), durch das die Cutieula durchbrochen 
und das pflanzliche Gewebe verletzt wird, ganz analog der von Magnus 
(vgl. pag. 280) festgestellten Verletzung bei der Rose, nur daß sie dort 
schon bei der Eiablage stattfindet. 

Die Deutung dieses Organs bereitete einige Schwierigkeiten, da 
mir in der zoolegischen Literatur über die ersten Entwicklungsstadien 
‚der Cynipiden keine Hilfsmittel zur Verfügung standen. Wohl ist hier 
ie Arbeit von Rössig!) zu nennen, aber sie behandelt viel spätere 
Entwiekiungsstadien, und auch aus der ausführlichen Arbeit von Car- 
riöre und Bürger”, konnte ich nichts entnehmen. 


Der intensiv rote Farbten jedoch, den dieses eingesenkte Organ 
bei der oben angeführten Behandlung annahm, ließ mich auf Chitin- 
struktur schließen und legte mir die Vermutung nahe, daß es sich um 
einen zum Kieferapparat gehörigen Körperteil der Larve handle. 

Dieser Ansicht pflichtete auch Herr Prof. Heymons bei, der die 
große Liebenswürdigkeit hatte, die Präparate durchzusehen und dem 
ich auch an dieser Stelle nochmals meinen verbindlichsten Dank aus- 


sprechen möchte. 


1) Vgl. Anm. 2, pag. 280. 
2) Carridre und Bürger, Entwicklung der Chalicodoma muraria im Ei. 


Nova Acta Acad. Leop. 1898, Bd. V. 69, Nr. 2, 


288 F. Weidel, 


Herr Prof. Heymons konnte mir mit ziemlicher Sicherheit er- 
klären, daß es sich um die Kiefer handle, da er sowohl den Ansatz 
derselben an den Darm als auch die Nähe der Speicheldrüsen fest- 
stellen konnte, und wenn sich auch aus den vorhandenen Präparaten 
ler Zusammenhang mit den übrigen Organen des Körpers nicht ge- 
nügend klar feststellen ließ, so sprach doch nichts gegen die Annahme, 
daß es die Kiefer seien, die in die pflanzliche Epidermis eingesenkt 
werden. 

Wenn man nun bedenkt, daß der eingesenkte Kieferapparat nur 
einen Durchmesser von 10—12 u hat, so ist es erklärlich, daß die 
Wahrscheinlichkeit, ihn bei einem mit der Hand geführten Schnitt zu 
treffen, nur äußerst gering ist, und er kann Beyerinck bei seinen 
Untersuchungen wohl entgangen sein, denn ein Schnitt, der an einer 
anderen Stelle geführt wird, muß natürlich den Auschein erwecken, als 
ob das Tier in der Eihaut noch vollständig eingeschlossen liegt. 

Vor Besprechung der Entwicklung der eigentlichen Gallenbildung 
scheint es mir ratsam, auf die schon von Lacaze-Duthiers‘) und 
Beyerinck?) gegebene anatomische Struktur eines jungen, noch in der 
Knospe eingeschlossenen Blättchens näher einzugehen, denn durch die 
angewendete Färbemethode war es mir möglich, auch die Zustände der 
Zellkerne 3) genauer zu studieren. 

Das in der Knospe zusammengefaltete Blättchen hat schon fast 
die Dicke des entfalteten und vollkommen ausgewachsenen Blattes. Die 
Epidermis der Ober- und Unterseite zeigt insofern Unterschiede, als 
die Zellen auf der Oberseite bedeutend größer sind und durchgehends 
ruhende Zellkerne führen (Textfig. 20), während sich die etwas kleineren 
Epidermiszellen der Unterseite — jedoch nur an den gefäßbündelireien 
Stellen — in lebhafter Teilung befinden. Von den Zellen des Meso- 
Phylis hebt sich deutlich das jetzt noch einschichtige Palisadenparenchym 
durch seine senkrecht zur Oberfläche gestreckten Elemente ab. Die 
Zellen der übrigen drei bis vier Schichten, aus denen das Schwamm- 
parenchym hervorgeht, schließen einstweilen noch lückenlos aneinander. 
Über die Beschaffenheit ‘der Zellkerne des Mesophylls möchte ich be- 
merken, daß sie im Palisadenparenehym und in der diesem auf der 
Unterseite entsprechenden subepidermalen Schicht fast durchgehends 


i)i. ce. pag. 115, 
2) 1. ce. pag. 87. 


3) Nach der von Hof angegebenen Methode „erscheinen die Kernkörperchen 
rahender Kerne intensiv rot gefärbt, während bei in Teihıng befindlichen Kemen . 
das Chromatin intensiv rubinrot, das Kinoplasma hellvioleit tingiert ist“ (1. . pag. 5}. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 2389 


ruhen, und nur in den in der Mitte gelegenen Zellschichten befinden 
sie sich in lebhaftester Teilung. Diese verschiedenartige Beschaffen- 
heit der Zellkerne kommt, wie wir unten sehen werden, auch in der 
Entwicklung der Galle zum Ausdruck. 

Die ersten Wirkungen des Gallenreizes (Taf. XV, Fig. 2) äußern 
sich nun in der Epidermis der Blattoberseite, und zwar darin, daß sich 
die Zellen und ruhenden Zellkerne mit ihren Nukleolen sowohl an der 
Stelle, an der das Ei liegt und die Verletzung stattgefunden hat, als 
auch in einiger Entfernung von dieser vergrößern, und daß das Proto- 
plasma der Zellen und das Chromatin der Kerne größere Färbbarkeit 
annehmen, woraus man auf eine regere Tätigkeit 
in den infizierten Zellen schließen kann. Gerade ® 
an der intensiven Farbstoffaufnahme des Protoplas- m 
mas wie der Kerne dieser Zellen kann man die je- 
weilige Ausdehnung des Infektionsherdes sehr deut- 
lich erkennen. 

Ich betone jedoch ausdrücklich, daß diese I 5 
Vergrößerung der Zellen und ihrer Kerne auch 
unmittelbar unter dem Ei stattfindet, denn Beye- 
tinck sagt im Gegensatz dazu an der betreffenden 
Stelle seiner Entwicklungsgeschichte): „Während <>: 
die Neubildung des Plastems noch dadurch fortdauert, 
daß stets neue, darangrenzende Gewebeschichten des 
Blattes, in Plastem übergehen, tritt an der Be- . 
rührungsstelle des Eies mit demselben, in gleicher <= a 
Weise wie bei der Terminalisgalle, eine Wach NZ 
tumshemmung ein, welche auch in diesem Falle Ur- Fig. 3. Bildung der 


sache der Entstehung der Larvenkammer ist. Diesen lLarvenkammer nach 
Beyerinck. Vgl. 


a 


Vorgang sollen die halbschematischen Fig. 30a, Text. 
d, c und d, Taf. II (reproduziert in Fig. 3, 
d. Verf.) verauschaulichen .... Die verschiedenen Stadien dieser Über- 


wallung: die Bildung des Plastemwalles rings um die Larve, die Er- 
hebung desselben bis oberhalb des Larvenkörpers und das Zusammen- 
neigen der Wulstränder, wodurch das Kammerloch entsteht, alle diese 
Vorgänge werden durch die angeführten Figuren so vollkommen deutlich, 
daß ein längeres Verweilen bei denselben unnötig erscheint.“ 

Gerade diese Stelle war es, die mich zu meinen Untersuchungen 
anregte, denn eine große Anzahl von Fragen bleibt bei diesen Aus- 


DL e. pag. 898. 
Flora, Bd. 102. 20 


290 F. Weidel, 


führungen Beyerinck’s unaufgeklärt: Wie kommt es, daß an der 
Stelle, wo das von der Larve abgesonderte Enzym am stärksten wirken 
muß, keine Vergrößerung der Zellen stattfinden sell, sondern nur in 
einiger Entfernung? Was wird aus der Epidermis unmittelbar unter 
dem Ei? Aus Beyerinck’s Figuren muß man annehmen, daß sie in 
Nährgewebe umgewandelt wird, da sie die Larve unmittelbar berührt. 
Wie kommt das „Sinken“!) oder „Vergraben“2) zustande, Vorgänge, 
für die ihn seine Erklärungen selbst nicht befriedigen?® Ich hoffe, 
daß alle diese Fragen durch meine Untersuchungen hinreichend klar- 
gelegt werden. 


Wenn nach den oben erwähnten ersten Anzeichen der Gallen- 
bildung die Vergrößerung der Zellen an der betreffenden Stelle das 
ganze Blattgewebe ergriffen hat, beginnt von der Epidermis her eine 
rapide Auflösung des infizierten Gewebes, die so schnell vor sich geht, 
daß im Laufe von 24 Stunden eine Höhlung von der Größe der Larve 
entstanden ist (Taf. XV, Fig. 30), und zwar ist die Form der Kammer 
so, daß die Öffnung in der Epidermis nur aus zwei bis drei Zellen im 
Quadrat. besteht, während sie sieh im Mesophyll kugelartig erweitert. 
Ein Schnitt, der seitlich von der Medianebene geführt ist, kann also 
den Anschein erwecken, als ob der Hohlraum in der Mitte des Meso- 
phylis, noch von einigen Zellschichten bedeckt, entstünde. — Jedoch 
ist ausdrücklich zu bemerken, daß die Eihülle mit der Larve in diesem 
Stadium der Kammerbildung noch außerhalb des Loches der Epidermis 
aufliegt (Taf. XV, Fig. 38), Während dieser Vorgänge wachsen die 
Epidermiszellen in einiger Umgebung der Larve papillenartig aus (Taf. XV, 
Fig. 3c) und in diesen sowie in den darunter liegenden Palisadenzellen 
treten Zellteilungen durch perikline Scheidewände auf, wobei man alle 
möglichen Stadien der vegetativen Zellteilung sehr schön beobachten kann. 


Nachdem so die Larvenkammer vorgebildet und die Zellteilungen 
eingeleitet sind, folgt das Stadium des Ausschlüpfens der Larve aus 
der Eihaut in den Hohlraum, ein Vorgang, der im Verhältnis zur 
Bildung der Kammer langsam vor sich geht, denn er nimmt den 17. 
bis 19. Tag der Entwieklung in Anspruch. Infolgedessen ist es leicht, 
beim Ausschlüpfen der Larve alle Stadien zu beobachten. Überhaupt 
muß das Einkriechen in die Kammer für das Tier mit ziemlich großen 
Anstrengungen verbunden sein, denn, wie man aus Taf. XV, Fig. 3, er- 


Le pag X. 
2) Le. pag. 181. 
31 c pag. 90. 


Du 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 291. 


sieht, ist die Larve im Verhältnis zum Durchmesser der Eingangs- 
öffnung groß, so daß sie sich beim Eingang stark zusammenpressen 
muß (Taf. XV, Fig. 4). Wie fest diese Einschnärung ist, geht auch 
daraus hervor, daß es mir einigemal gelang, von einer Larve, die sich 
zur Hälfte schon in der Larvenkammer befand, zur Hälfte noch in der 
Eihülle war, die letztere herunterzuziehen, während das Tier selbst in 
der Öffnung stecken blieb. Der Grund dafür, daß die Eingangsöffnung 
so klein angelegt wird, könnte vielleicht darin zu suchen sein, daß sich 
die kleine Öffnung nach dem Einschlüpfen schneller schließt als eine 
große. 


Scheinbar hat Adler, der ja auch das Ausschlüpfen der Larve 
schon beobachtete, von der Vorbildung des Hoblraumes nichts gewußt 
und doch ist ohne sein Vorhandensein ein Ausschlüpfen eigentlich un- 
denkbar. Erst jetzt, wo wir wissen, daß die Larve in eine vorgebildete 
Larvenkammer kriecht, wird uns das von Beyerinck als rätselhaft 
hingestellte „Einsinken“ klar. Wenn man eine Gallenbildung in diesem 
Stadium bei schwacher Vergrößerung von der Fläche betrachtet. so 
kann es allerdings den Anschein erwecken, als ob das Ei zwischen den 
ringsum wachsenden ‚Epidermiszellen einsinke. 


Während der Ausbildung der Larvenkammer ist auch die Epidermis 
der Blattunterseite in der Mitte der Gallenbildung in Teilung getreten 
(Taf. XV, Fig. 32) und das Palisadenparenchyın hat seine doppelte Aus- 
dehnung erreicht; die ersten Teilungswände sind fertig ausgebildet und 
in den Tochterzellen legen sich die zweiten gerade an (Taf. XV, Fig. 30). 
Die Zellen der Mittelschichten des Mesophylis haben sich senkrecht zur 
Oberfläche gestreckt und befinden sich, dem ursprünglichen Zustand 
des normalen Blättehens entsprechend (vgl. pag. 289), in lebhafter Zell- 
teilung, während die Subepidermalschicht der Unterseite gegen die Pali- 
sadenschicht stets etwas im Rückstande ist (Taf. XV, Fig. 3/). 


Wenn sich die Larve vollständig in der Kammer befindet (Taf. XV, 
Fig. 5), zeigen die schlauchförmigen Zellen in ihrer Umgebung trüb- 
körniges Protoplasma: sie werden zum Nährgewebe. Jetzt erst. teilt 
sich die Subepidermalschicht der Unterseite zum zweiten Male, während 
die Zellen, die aus dem Palisadenparenchym hervorgegangen sind, keine 
Scheidewände mehr anlegen, sondern sich nur in tangentialer Richtung 
etwas strecken. Damit haben die Teilungen der beiden letztgenannten 
Schiehten ihr Ende erreicht, denn die weitere Vergrößerung der Galle 
beruht nur noch auf Teilung neuer normaler Blattparenchymzellen und 
der Mittelschichten des bereits affizierten Mesophylis, wie schon Pril- 
. 908 


292 5 F. Weidel, 


'lieux?) sagt: „O’est surtout dans la couche moyenne que ’hypertrophie 
et la proliföration des cellules atteint son maximum.“ 

Die Epidermiszellen, die sich meistens nur einmal teilen, wachsen 
nach dem Einschlüpfen der Larve weiter schlauchförmig aus, jedoch 
nicht radial nach dem Mittelpunkt der Gallenbildung, sondern es sind 
zwei Richtungen bevorzugt (Textfig. 4). Der Verschluß der Galle findet 
aber nicht durch die Epidermiszellen — gewöhnlich befindet sich 
zwischen diesen noch die leere Eihülle — sondern durch die aus den 
Palisadenzeilen hervorgegangene Schicht statt: (Taf. XV, Fig. 6). 


Fig. 4.  Oberflächenansicht 
des Zentrums der Vesicator- 
Galle. Vergr. 150. 


Fig. 5. Gesamtansicht der 
reifen Vesicator-Galle. c Zeu- 
trum, vgl. Fig. 4. Vergr, 13. 


Die äußere Form der bereits von Prillieux?) eingehend beschrie- 
benen reifen Galle ist in Textfig. 5 wiedergegeben. Sie besteht aus 
einer linsenförmigen Erhebung auf beiden Seiten des Blattes und geht 
an ihren Rändern kontinuierlich in die normale Blattspreite über. Die 
radiale Streifung rührt von den Nerven des Blattes her, die infolge der 
Anschwellung stark in die Länge und Breite gezogen sind. Im: Zentram 
(ec) erkennt man die schlauchförmigen und in Textfig. 4 bei stärkerer 
Vergrößerung abgebildeten Epidermiszellen. 

Wenn wir die ganze Entwicklung der Visikatorgalle noch einmal 
kurz überblicken, so hat sie sich folgendermaßen abgespielt: Am 
16. Tage nach der Riablage beginnt die Gallenbildung nach voran- 


3) Le. pag. 118. 
2) Le. pag. 114, 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 293 


gehender Verletzung der pflanzlichen Epidermis durch den Kieferapparat 
der Larve; man kann wohl mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß es 
sich dabei um einen von der Larve ausgeschiedenen Stoff!) handelt. 
Mit großer Geschwindigkeit wird das ganze Blattgewebe an der be- 
treffenden Stelle affiziert, und schon am 17. Tage ist durch Auflösung 
der Zellen unter der Larve ein Hohlraum entstanden, die künftige 
Larvenkammer. Im Laufe der nächsten 2—3 Tage schlüpft die Larve 
aus der Eihaut in diese Höhlung hinein. Im Blattgewebe vollziehen 
sich folgende Veränderungen: Die Epidermiszellen wachsen um die 
Eingangsöffnung zur Larvenkammer schlauchförmig aus, ohne diese 
jedoch zu schließen. Der Verschluß der Galle geht vielmehr von den 
ehemaligen Palisadenzellen aus, die sich ebenso wie die Subepidermal- 
schicht der Blattunterseite nur zweimal, d. h. in je vier Zellen, teilen. 
Die Nährschicht wird aus den Mittelschichten des Mesophylis durch eine 
beliebige Anzahl von Zellteilungen gebildet. Die Epidermis der Blatt- 
unterseite teilt sich nur einmal in der Mitte der Gallenbildung. 


IL Teil. 


Vergleichende Untersuchung der Sklerenchymzellen 
von Quercus pedunculata Ehrh., sessilifllora Smith und von 
den auf ihr auftretenden Cynipidengallen. 


Dank der Untersuchungen Prillieux’s®), Lacaze-Duthier’s®), 
Beyerinck’s“), Hieronymus’®), Küstenmacher’s®), Küster’s”) 
und anderer sind wir über die Anatomie der Cynipidengallen ziemlich 
genau orientiert. Da die genannten Autoren gewöhnlich eine möglichst 
große Anzahl von Gallenarten behandeln und sich meistens nicht auf 
die Cynipidengallen beschränken, so geben sie zwar genaue Angaben 
über die Verteilung der Gewebe in den Gallen, auf die Form der 


1) Nach Molliard, Remarques sur le dsterminisme des Galles, Bulletin de la 
soe. botan. de France 1910, handelt es sich scheinbar um eine chemische Einwirkung. 

2) Vgl. Anm. pag. 285. 

3) Vgl. Anm. pag. 286. 

4) Vgl. Anm. pag. 279, 

5) @. Hieronymus, Beiträge zur Kenntnis der europäischen Zoosseidien 
und der Verbreitung derselben. Ergänzungsheft z. 68. Jahresber. der Schles. Ges. 
f. vaterländ. Kult. 1890. 

6) M. Küstenmacher, Beiträge zur Kenntnis der Gallenbildungen mit Be- 
rücksichtigung des Gerbstoffes. Pringsh. Jahrb. 1894, Bd. XXVI. j 

7) Ernst Küster, Beiträge zur Kenntnis der Gallenanatomie, Flora 1900. 


294 F. Weidel, 


einzelnen Elemente gehen sie jedoch gar nicht oder nur ganz 'gelegent- 
lich ein. Sie setzen aber damit nicht voraus, daß alle diese Elemente 
sowohl bei den einzelnen Gallen die gleichen sind als auch mit denen 
des normalen Baues der sie tragenden Mutterpflanze übereinstimmen: 
8o wird von Küster hervorgehoben, daß die bei Neuroterus numismatis 
auftretenden zweiarmigen Haare und die einseitig verdickten Steinzellen 
der Gallen in der Eiche nicht vorkommen, und es zeigt schon die Be- 
trachtung der vorhandenen anatomischen Abbildungen, daß z. B. die 
für die Cynipidengallen so charakteristische Schutzschicht aus sehr ver- 
schiedenartigen sklerenchymatischen Elementen bestehen kann. Ich ent- 
- schloß mich daher, eine möglichst eingehende und genaue vergleichende 
Beschreibung dieser deutlich abgegrenzten Gewebegruppe, der Skleren- 
chymzellen, aus einer Anzahl der bekanntesten und verbreitetsten Cyni- 
pidengallen der Eiche zu versuchen. 

Es sind schon von verschiedenen Seiten Vorschläge zu einer syste- 
matischen Einteilung der Gallen gemacht worden‘) Ich werde mich 
in folgenden jedoch an keine dieser Einteilungen halten, sondern die 


Gallen in der Reihenfolge aufzählen, wie sie nach ihren Sklerenchym- 
zellen miteinander verwandt sind. 


Andricus globuli Hart.) 


Die Galle von Andrieus globuli, der agamen Form zu Andricus 
inflator, sitzt als „dunkelgrüne, heller punktierte, von Hüllblättern mehr 
oder weniger bedeckte Kugel von ca. 6 mm Durchmesser“ am Vege- 
tationspunkt der Zweige. Diese Beschreibung Küstenmacher’s>) 
möchte ich dahin ergänzen, daß die unveränderten Knospenschuppen 
die Hällblätter bilden, die gewöhnlich in Fünfzahl angeordnet sind. Da 
das Parenchym der Galle bis auf die Stellen unter den Schuppen chloro- 
phylihaltig ist, erscheint bei der lesgelösten Galle ein hellgelber, fünf- 
teiliger Stern. 

Da ich außer den Angaben von Küstenmacher und Hiero- 
nymus‘), die nur allgemeiner Natur über die Verteilung der Gewebe 
sind, sonst in der Literatur über die Galle nichts gefunden habe, so 


will ich auf die Anatomie der Schutzschicht und dann der Galle über- 
haupt etwas näher eingehen. 


1) Lacaze-Duthiers, 1. c. pag. 287. Küstenmacher, I. c. pag. 110. 
Küster, l. e. pag. 119. 


2) Fundort und Zeit: Meuro b. Wittenberg, Aug. u. Sept. 
31. e. pag. 119, 
4) 1. c. pag. 211. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 295 


Textifig. 6 gibt einen Schnitt durch die reife Galle, wie man sie An- 
fang September finden kann, wieder. Sklerenchymzellen treten nur in 
der Schutzschicht (Textfig. 65) auf, die aus etwa sechs Zellreihen besteht. 
Textfig. 7 zeigt die Elemente der Schutzschicht bei stärkerer Vergröße- 
rung: Die allseitig gleichmäßig verdickten Zellen mit ziemlich großem 
Lumen — es nimmt etwa !/, des Durchmessers der Zelle ein — sind 
tangential zur Larvenkammer etwas gestreckt und bilden kleine Inter- 
zellularräume (Textfig. 77). Die Tüpfelung ist reich und die Tüpfel selbst 


Fig. 7. Andrieus globuli. Sklerenchym- 
zellen aus der Schutzschicht, vgl. Text. 
Vergr. 290, 


Fig. 6. Andrieus globuli. Schnitt durch die reife Galle. e Epidermis, 4 Stärke- 

parenchym, s Schutzechicht, » Nährgewebe, « angenagie Nährzelle, > Neubildung 

von Nährgewebe aus Schutzgewebe, c maximale Anhäufung von Stärkekörnern im 

Nöhrgewebe, 4 Auflösung der Stärke, / Umwandlung von Stärkeparenchym in 
Schutzgewebe, g Gefäßbündel. Vergr. 90. 


durchsetzen meistens die ganze Zellwand, um außen gegen den korre- 
spondierenden Tüpfel der Nachbarzelle mit einer kleinen, trichterförmigen 
Erweiterung zu münden (Textfig. 72). 

" Nach außen schließt sich an die Schutzschicht ein außerordentlich 
stärkehaltiges Parenchym an, das zusammen mit der Epidermis bei der 
Überwinterung von der Galle losgelöst wird. Dadurch kommt die 


296 F. Weidel, 


Schutzschicht nach außen zu liegen, so daß ich die Galle im Frühjahr 
als weißliche Kugel mit steinharter Schale, der Schutzschieht, unter 
dem Laub der Eichenbäume fand. 

Innen grenzt an das Sklerenehymgewebe die Nährschicht an 
(Textfig. 62), um diese Zeit bereits die sekundäre. Auf die Entstehung 
dieser sekundären Nährschicht, deren Vorhandensein sich bei den höher 
organisierten Cynipidengallen nicht allgemein, aber doch sehr häufig 
konstatieren läßt, und deren Entwicklung überall im wesentlichen die 
gleiche ist, möchte ich etwas näher eingehen. 

Der erste, der uns auf die Entstehung von Nährgewebe aus 
sklerenchymatischen Elementen — das sogenannte „sekundäre Nähr- 
gewebe* im Gegensatz zum „primären“, das sich unmittelbar aus dem 
Galiplastem herausdifferenziert — aufmerksam gemacht hat, war Beye- 
rinck. Er zeigte es für die Gallen von Dryophanta folii*) und in ge- 
wissem Sinne auch für Biorhiza terminalis®). Da die Entstehung des 
sekundären Nährgewebes bei allen Cynipidengallen die gleiche ist und 
bei Andrieus globuli sich besonders gut verfolgen läßt, möchte ich 
meine Beobachtungen an dieser Stelle wiedergeben. Vergegenwärtigen 
wir uns zunächst in der Hauptsache das, was Beyerinck über diesen 
sonderbaren Vorgang sagt: 

„Die in dem diekwandigen sklerotischen Gewebe auftretende Ver- 
änderung ist sehr merkwürdig... In Gallen von ca. 7 mm Mittellinie 
ist es leicht am Ende des Monats Juli die Entstehung des sekundären 
Nahrungsgewebes zu verfolgen. In den sich vergrößernden Zellen 
sieht man zuerst Stärkekörnchen auftreten... Die Jodiumreaktion lehrt, 
daß die Stärke in dem Gewebe, weiches sich weiter zu vergrößern auf- 
hört, allmählich verschwindet — das ausgewachsene sekundäre Nahrungs- 
gewebe ist gänzlich stärkefrei. Zu gleicher Zeit mit der Stärke ent- 
stehen im diekwandigen Gewebe zahlreiche Vakuolen, deren Auftreten 
offenbar mit der beträchtlichen Zellenvergrößerung in Beziehung steht . .. 
Im sekundären Nahrungsgewebe der Foliigalie verschwinden die Vakuolen, 
ebenso wie die Stärke, zuletzt wieder vollständig, der Raum innerhalb 
der Zelle, welcher dadurch entsteht, füllt sich mit dem, durch Imbibition 
mit Eiweiß und Öl anschwellenden Protoplasten.* 

Meine Beobachtungen decken sich im wesentlichen mit Beyerincks 
Angaben, zu denen ich noch einige Bemerkungen hinzufügen möchte. 
Sie geben jedoch keine Lösung des Problems und sind nur als eine’ 
Mitteilung der beobachteten Tatsachen zu betrachten. 


)1e pag. 115 ff. 
2) Le. pag. 78. ‘ 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 297° 


. Zunächst sei betont, daß in den zur Umwandlung bestimmten, 
verholzten Zellen keine Stärke vorhanden ist, obwohl das Parenchym, 
aus dem diese Holzzellen entstanden sind, außerordentlich stärkereich 
war. Behandelt man ein Präparat, in dem die Wände der Sklerenchym- 
zellen uoch in der Entwicklung begriffen sind und etwa die Hälfte 
ihrer endgültigen Dieke erreicht haben, mit Chlorzinkjod, so sieht man, 
daß. das Zeilumen mit einer dicken Schicht von Zellulose ausgekleidet 
ist, die sich tiefblau färbt. Man erkennt auch deutlich, daß mit der 
Zunahme der Wanddicke der Stärkegehalt der Zellen abnimmt, so daß 
die vollkommen verholzte, ausgewachsene Sklerenchymzelle keine Stärke 
mehr enthält. 

Da die Umwandlung dieser Schutzschicht in sekundäres Nähr- 
gewebe, wie schon erwähnt, bei allen Gallen in gleicher Weise vor 
sich geht und die Steinzellen der Globuli-Gallen verhältnismäßig wenig 
diekwandig sind, möchte ich . 
die weiteren Vorgänge — 
wenigstens für die Zellwände 
— an einer anderen Galle 
demonstrieren, bei der die 
Sklerenchymzellen eine stär- 
kere Wandverdickung haben 
und sich die Umwandlungen 
dementsprechend besser be- 


obachten lassen. Ich wähle 

H : Fig. 8. Biorkiza terminalis. Umwandlung der 
zu diesem Zwecke die ‚Zellen Schutzzellen in Nährgewebe. a Normale, ver- 
der Schutzschicht von Biorhiza holzte Schutzzelle, > Verquellen der Zellwand, 


rminali Typ : e die sekundäre Membran ist vollständig ver- 
te is, deren us m quollen und gibt Zellulosereaktion, Z Auflösung 


Textfig. 8 wiedergegeben ist. der sekundären Membran. Vergr. 436. 
Die ersten Anzeichen 
der Umwandlung in Nährgewebe dokumentieren sich darin, daß die 
verholzten Zellmembranen beginnen, wieder Zellulosereaktion zu geben, 
und zwar findet die Verwandlung von der Innenseite der Wand nach 
außen zu statt, d. h. in umgekehrter Richtung, in der sich die Ver- 
holzung vollzogen hat. 
Bei der Umwandlung der Holzwände in Zellulose quillt die sekun- 
däre Wandverdickung so stark auf (Textfig. 85), daß die Tüpfel vollständig 
verschwinden (Textfig. 8c)%). Primäre und sekundäre Zellwand zeigen aber 


1) Die verschiedene Tönung der Zellen soll die mehr oder weniger starke 
Zellulogereaktion veranschanlichen. 


298 F. Weidel, 


immer noch ein vollständig homogenes Aussehen, und erst allmählich 
heben sich beide deutlich voneinander ab, wobei die sekundäre Membran 
ihre deutliche Abgrenzung gegen das Zellumen verliert (Textfig. 8). Bei 
der Chlorzinkjodreaktion ist die Auflösung der Zellulose deutlich sichtbar. 


Die weiteren Vorgänge mögen wieder an der Globuli-Galle erläutert 
werden. 


. Gleichzeitig mit der Auflösung der sekundären Membran treten 
Stärkekörner auf, zunächst klein und allmählich größer werdend (Textfig. 63), 
bis sie an Größe und Anzahl ein Maximum erreichen (Textlig. 6c). Viel- 
leicht könnte man die Bildung der hier auftretenden Stärke als „Aus- 
druck für die Steigerung des Inhaltes der Zellen an gelösten Kohle- 
hydraten über eine bestimmte Grenze hinaus“!) auffassen. Die ge- 
bildete Stärke ist aber nur transitorischer Natur, denn in dem Maße, 
wie sich die Zeilen der Larvenkammer nähern und strecken, verschwindet 
die Stärke wieder (Textfig. 64), wofür dann, wie auch Beyerinck?) beob- 
achtet hat, Öl®) auftritt. Jedoch ist wohl kaum anzunehmen, daß sich 
nur die Stärkekörner in Öltropfen und vielleicht gar direkt verwandeln, 
denn man findet schon vor Beginn der Auflösung der Stärke Öl in 
den Zellen. Beide Vorgänge, das Verschwinden der Stärke und das 
Erscheinen des Öles müssen aber unbedingt in irgendwelchem Zu- 
sammenhange stehen, denn beide treten stets in umgekehrtem Ver- 
hältnis auf. In den unmittelbar zur Aufzehrung bestimmten Zellen 
(Textfig. 62) findet sich niemals Stärke, eine Tatsache, die man bei Gallen 
auch da, wo eine Bildung sekundären Nährgewebes nicht zu beobachten 
ist, ganz allgemein konstafieren kann‘). 


Wenn nun bei der Globuligalle die Umwandlung der Schutz- 
schicht in Nährgewebe in zentrifugaler Richtung immer weiter fort- 
schreitet, so müßte in Kürze natürlich das ganze Schutzgewebe ver- 
braucht sein, ‘wenn nicht dadurch Ersatz geschaffen würde, daß die 
außen an die Schutzschicht angrenzenden Zellen des stärkeführenden 
Pareuchyms verholzen. Die dabei auftretenden Vorgänge in bezug auf 
die Stärke und die Zellwände sind genau die umgekehrten, wie wir sie 
bei der Bildung des sekundären Nährgewebes kennen lernten: 


1) Werming-Tokannsen, Lehrbuch der allgemeinen Botanik, pag. 384. 
Berlin 1909. 


2) 1. c. pag. 117. 


3) Der Deutlichkeit halber sind in Fig. 6 die Öltropfen fortgeiassen und 
‚nur die Stärkekörner angedentet. 


4) Küstenmacher, 1. c. pag. 179. 


Beiträge zur Entwicklungsgesehichte usw. 299 


Etwa in der zweiten Reihe von der fertigen Schutzschicht aus 
beginnen die Zellen Verdiekungsschichten in Form von Zellulose auf- 
zulagern (Textfig. 6/), wobei man das Schwinden des Stärkegehaltes der 
Zeile deutlich beobachten kann. Allmählich verholzen die aufgelagerten 
Verdickungsschichten von außen nach innen, und die vollkommen ver- 
holzte Zelle weist keine Stärke mehr auf. Diese Ergänzung der Schutz- 
schicht gibt uns ein getreues Bild der Entstehung der Schutzschicht 
überhaupt aus dem Gallplastem. 


Durch den Ausgleich zwischen Verbrauch und Neubildung wandert 
die Schutzschicht immer weiter nach außen, so daß die Gefäßbündel 
(Textfig. 62), die ursprünglich in einiger Entfernung von der Schutzschicht 
verlaufen, vollständig von mechanischem Gewebe umschlossen werden. 
Die Wanderung des Schutzgewebes geht aber niemals bis zur Epidermis, 
da inzwischen die Larve in das Puppenstadium, das Stadium der Ruhe 
tritt, in dem die Nahrungsaufnahme und dementsprechend auch die Neu- 
bildung des sekundären Nährgewebes eingestellt wird. Wie schon ein- 
gangs erwähnt, löst: sich das unverletzt gebliebene Parenchym — wahr- 
scheinlich nach Verbrauch der Stärke — mit der Epidermis während 
der Überwinterung von der Galle los. 


Als Ursache für die Entstehung des sekundären Nährgewebes 
kommen zwei Möglichkeiten in Betracht: Entweder können die Zellen 
an sich die Fähigkeit haben, sich nach ihrer Verholzung in Nährgewebe 
zu verwandeln, oder die Veranlassung geht von einem durch die Larve 
ausgeschiedenen Stoff aus, was mir aus folgendem Grunde wahrschein- 
licher ist: In der reifen, von der Wespe verlassenen Galle findet sich 
niemals eine größere Menge unaufgezehrten, sekundären Nährgewebes, 
was doch wenigstens gelegentlich zu erwarten wäre, wenn die Umwand- 
lung unabhängig vom Tier fortschritte. Man könnte vielleicht dagegen 
einwenden, daß im allgemeinen mit dem Ausschlüpfen oder dem Tode 
des Tieres das Leben der Galle und damit auch die Funktion der Zellen 
ihr Ende erreicht‘), aber auch in der Inflator-Galle, die nach dem Aus- 
kriechen des Tieres noch weiterlebt und sogar Blätter treiben kann, 
wird sekundäres Nährgewebe nicht mehr gebildet, sobald sie von der 
Wespe verlassen ist. 

So sonderbar die Tatsache der Umwandlung von Sklerenchym- 
zellen im Nährgewebe auch erscheinen mag, finden sieh in der Natur 
doch auch anderweitig ähnliche Lösungsvorgänge, wie man aus der 


D) W. Magnus, 1. e. pag. 132. 


300 F. Weidel, 


Arbeit von Grüß?) ersehen kann, in der die‘ Auflösung verholzter' 
Membranen durch die im Kirschgummi enthaltene Zytase gezeigt wird. 
Unserem Fall noch weit ähnlicher sind die Vorgänge, die nach Sachs 
bei der Keimung der Dattel auftreten und auf die ich wegen der vielen 
Analogien mit der Bildung des sekundären Nährgewebes etwas näher- 
eingehen möchte. Sachs?) sagt an der betreffenden Stelle: 

„Während das Saugorgan (des Keimes, d. Verf.) sich ausbreitet,. 
wird fortwährend eine dasselbe umgebende Schicht des hornigen Endo- 
sperms erweicht; die erweichte Schicht ist ungefähr 1 mm breit und 
zeigt eine teigartige Beschaffenheit... Bei sorgfältiger Betrachtung‘ 
hinreichend dünner Schnitte gelingt: es, .die doppelt konturierten primären 
Häute von den noch hornigen Endospermzellen bis in die erweichte- 
Schicht zu verfolgen und in dieser selbst: die primären Häute noch in 
Gestalt geschlossener Zellen zu erkennen ... Gewiß scheint mir, daß- 
der Zellstoff der Verdickungsschichten selbst in der Nähe des auf- 
saugenden Epithels nieht zu einem völlig homogenen Brei innerhalb- 
einer primären Zellhaut zusammenfließt, sondern daß die Verdickungs- 
schichten sehr stark aufquellen.* 


„Da die Verdickungsschichten der Endospermzellen nur in der 
unmittelbaren Nähe des immer vorrückenden Saugorgans erweichen, 50: 
dürfte wohl die nächste Ursache der Erweichung in dem Saugorgan 
selbst zu suchen sein. Läge diese Ursache im Endosperm allein, so- 
müßte die genaue Coincidenz auffallen, womit die Erweichung des 
Endosperms dem Wachstum des davon ganz unabhängigen Saugorgans- 
entspricht. Dieser Umstand macht es eher wahrscheinlich, daß das. 


Epithel einen Stoff an die nächsten Endospermzellen abgibt, der die 
Lösung des Zellstoffes bewirkt.“ 


Zwar handelt es sich bei der Keimung des Dattelkernes um die 
Auflösung und Verwendung von „Reservezellulose*®) zur Ernährung, 
aber wenn wir bei den Gallen von der vorangehenden Metamorphose 
der Holzmembranen in Zellulose absehen, haben wir in beiden Fällen 
annähernd die gleichen Verhältnisse: Hier ein Parasit, die Oynipiden- 
larve, die wahrscheinlich durch Ausscheidung irgendeines Stoffes die: 
Umwandlung mechanischen Gewebes in Nährgewebe verursacht, dort 


DJ. Grüß, Über das Verhelten von C; i 
/ , ytase und Cytokoagulass bei der 
Gummibildung. Pringsh. Jahrb. f. wiss. Bot. 1910, Bd. XLVI. 


2) Julius Sachs, Zur Keimungsgeschichte der Dattel. Bot. Zeitg. 1862. 
pag. 242 ff. 


3) J. Sachs, 1. e. pag. 242. 


Beiträge zur Entwieklungsgeschichte usw. 301 


ebenfalls ein Parasit, der Embryo!), der dasselbe bewirkt. Auch die 
Umwandlung selbst weist viele Analogien auf: Die Verquellung und 
Auflösung der sekundären Wandverdickung, das dadurch bedingte 
Hervortreten der primären Membran und schließlieh das ganz gleich- 
mäßige, vom Parasiten abhängige Fortschreiten der Umwandlung, alle 
diese Vorgänge sind in beiden Fällen durchaus identisch. 

Bevor ich die Besprechung der Globuli-Galle schließe, möchte ich 
doch eine Eigentümlichkeit nicht unerwähnt lassen, die etwa 30%, der 
untersuchten Globuli-Gallen zeigten und für die sich zunächst keine 
rechte Erklärung finden konnte. Es ragen nämlich in die Larven- 
kammer oft Wülste hinein, bei denen die sekundäre und teilweise auch 
die primäre Nährschicht noch ihre volle Ausdehnung hat, während in 
der Umgebung diese und auch ein Teil der sekundären schon längst 
aufgezehrt ist. Schließlich fand ich, daß in den Wülsten stets ein 
Hohlraum vorhanden war, in dem Inquilinen-Eier oder -Larven lagen. 
Einigemal hatte ich auch Gelegenheit, den Stichkanal des Inquilinen 
durch das Gallengewebe zu beobachten. Die rechtmäßige Bewohnerin 
hat also diese Stellen des Nährgewebes gemieden, die vielleicht von 
einem durch den Inquilinen ausgeschiedenen Stoff durchsetzt sind; auf 
‚diese Weise kommen beide miteinander nicht in Berührung. 

Dureh diese Eigentümlichkeit kann man noch bei der reifen 
Globuli-Galle primäres und sekundäres Nährgewebe nebeneinander liegen 
sehen. Es fällt sofort der Formunterschied zwischen beiden auf: Die 
primäre Nährschicht (Textfig. 9) grenzt ihrer ursprünglichen Anlage 
entsprechend an die Larvenkammer und besteht aus isodiametrischen 
Kollenchymzellen, die sonderbarerweise in den verdickten Ecken im 
Querschnitt kreisrunde oder dreieckige Interzellularen führen®). An die 
so gebauten acht bis neun Zellreihen schließt sich nach außen zu das 
sekundäre Nährgewebe in der oben beschriebenen Form an (Textüg. 6x). 


Andricus ostreus Gir.>) 


Die äußere Form der Ostreus-Galle, die von Küstenmacher‘) 
beschrieben und schematisch abgebildet wird, ist durch die beiden 
Klappen, zwischen denen die Galle seitlich am Blattnerven sitzt,‘ be- 


1) 6. Haberlandt, Physiologische Pflanzenanatomie, pag. 221, 4. Aufl. 

2) Vgl. Wiesner, Anatomie und Physiologie der Pflauzen, pag. 26, Fig. 15 C. 
Wien 1881. 

3) Fundort und Zeit: Ruhla i. Thür. und Meuro b. Wittenberg, August und 


September. 
4) 1. c. pag. 118, Tat. X, Fig. Al. 


302 5 F. Weidel, 


sonders charakteristisch. Der etwa 4 mm große Gallenkörper selbst 
ist etwas länglich und rot punktiert auf grünem oder gelblichem Grunde. 

Scheinbar haben Küstenmacher zur Untersuchung reife Gallen 
nicht zur Verfügung gestanden, da er über die Schutzschicht nur die 
Vermutung ausspricht, daß sie sich erst nach dem Abfallen bilde. Auch 
hat er wohl die Beschreibung, die Hieronymus!) vor ihm von der 
Galle gab, nieht gekannt, denn es heißt dort: „Sie besitzen eine harte, 
aus sklerotischen Zellen bestehende Innengalle.“ 

Ich fand die Schutzschicht noch vor Ablösung der Galle vom 
Blatte folgendermaßen ausgebildet (Textfig. 10s): Unmittelbar an die 
Epidermis grenzen etwa vier Reihen allseitig gleichmäßig verdickter 


Fig. 9. 


Fig. 9. Andrieus globuli. Kollenchymatisch 

verdickte Zellen aus dem primären Nährgewebe, 
Vergr. 205. 

Fig. 10. Andrieus ostreus. Schnitt durch die 

reife Galle. e Epidermis, c« Cuticularschicht, 

£ verholzte Zellaloseschicht, s Schutzschicht, 

> dünnwandiges Parenchym, » Nährgewebe. 
Vergr. 354. 


Zellen, von denen die äußersten starkwandig sind, während nach innen 
mit zunehmender Größe und Lumen die Wanddicke und auch der 
Tüpfelreichtum abnimmt. 

Zur Bildung sekundären Nährgewebes kommt es bei der Ostreus- 
Galle aus verschiedenen Gründen wöhl kaum: Einmal ist das primäre 
Nährgewebe sehr stark ausgebildet, denn es ist zur Zeit, wenn sich die 
Galle vom Blatt löst, noch nicht vollständig aufgezehrt (Textfig. 10%), 
und zum anderen ist die Schutzschicht so schwach ausgebildet, daß 
eine Verringerung derselben nicht in Betracht kommen kann. Aus 
dem zwischen Nährgewebe und Sehutzschieht liegenden Pareuchym 


3) 1. e. pag. 206, Nr. 639, 


Beiträge zur Eintwicklungsgeschichte usw. 308 


(Textlig. 105) und aus der Tatsache, daß die Verholzung der Schutz- 
schicht. von der Epidermis in zentripetaler Richtung vorgeschritten ist, 
kann man wohl eher auf eine Vergrößerung der Schutzschicht als des 
Nährgewebes schließen. 


Eigentümlicherweise muß man bei der Ostreus-Galle — wir werden 
später noch weitere Fälle kennen lernen — auch die Epidermis 
(Textfig. 10e) zu den sklerenchymatischen Elementen rechnen. Wenn 
man mit Haberlandt‘) in der Außenwand einer Fpidermiszelle von 
außen nach innen Cuticula, Guticularschicht, Zelluloseschicht unter- 
scheidet, so ist bei der Ostreus-Galle die Zelluloseschicht (Textfig. 10.) 
vollständig verholzt und hebt sich infolgedessen von den übrigen 
Schichten der Wand durch die deutlich hervortretende, konzentrische 
Schichtung ab. Diese verholzten Wandteile machen durchaus den Ein- 
druck, als ob es selbständige Zellen wären, zumal da sie auch an den 
Seiten- und Innenwänden genau wie die Elemente der Schutzschicht 
mit den Nachbarzellen korrespondierende Tüpfel tragen. 


Andricus radicis Fabr.2) 


Die dunkelbraunen, sehr harten, nuß- bis faustgroßen und mehr- 
kammerigen Gallen — zu ihnen gehören die größten Gallenexemplare, 
die ich überhaupt gefunden habe — entstehen unter der Erde an den 
Wurzeln alter Eichen. Über die Verteilung der Gewebe in der Galle 
sind wir durch Lacaze-Duthiers®) und Hieronymus‘) unterrichtet, 
deren Angaben ich zunächst an Hand der schematischen Textfig. 11 
im wesentlichen wiedergebe: 


In der reifen Galle besteht das ganze Grundgewebe (Textfig. 11a) 
mit Ausnahme der Partien, in denen die Gefäßbündel zwischen den 
Larvenkammern verlaufen (Textfig. 113) aus verholzten Elementen. Die 
Kammern selbst sind je von einer Schutzschicht umgeben, die, wenn 
sie nahe zusammenrücken, häufig ineinander übergehen — „les couches 
protectrices des deux loges voisines sont accol6es“ 5) (Textfig. 11e). 


Bei näherer Betrachtung der Gewebselemente ist besonders eigen- 
tümlich das Grundparenchym in den äußeren Teilen der Galle, haupt- 


1)1 0. pag. 96. 
2) Fundort und Zeit: Schmiedeberg (Bez. Halle), September. 
31 e. pag. 3281, 

4) 1. e. pag. 210, Nr. 6432, 

5) Lacaze-Duthiers, 1. c. pag. 329. 


304 F. Weidel, 


sächlich der Anheftungsstelle gegenüber. Die Zellen sind in der Längs- 
achse der Galle etwa um das Doppelte ihres Queräurchmessers ge- 
streckt und zylindrisch, so daß sie auf Querschnitten fast als exakte 
Kreise erscheinen (Textfig. 12). Durch die außerordentliche Dünnwandig- 
keit der Zellen im Verhältnis zum Durchmesser und die großen Inter- 


Fig. 11. 


Fig. 11. Andricus radieis. Schema der 
Anordnung der Larvenkammern. a 
Grundparenchym, 5 Gewebe, in dem die 
Gefäßbündel verlaufen, Schutzschicht. 


Fig. 12. Andricusradieis. Schnitt durch B 
Grundparenchym. Vergr. 235. Fig. 12. 


zellularräume hat das ganze Gewebe trotz der Verholzung einen 
schwammigen Charakter. Die geringe Anzahl der Tüpfel wird durch 
ihre Weite kompensiert, die gewöhnlich an der Außen- und Innenseite 
der Wand am größten ist. Teilweise haben sie einen Durchmesser von 
8 a (Textfig. 124). Überhaupt sind die Zellen 
sowie Tüpfel die größten, die ich bei Gallen be- 
obachtet habe. Nach dem Zentrum der Galle zu 
wird das Gewebe des Grundparenchyms dichter 
und besonders in der Umgebung der Schutz- 
schichten dickwandiger. 

Die Zellen der Schutzschicht selbst (Text- 
figur 13) sind denen der Globuli-Galle sehr ähn- 
lieh: Wegen der etwas tangentialen Streckung 
zur Larvenkammer, der abgerundeten Oberfläche 
und schließlich auch wegen der Interzellular- 
räume könnte man sie in beiden gleich nennen, 
wenn nicht die Schutzzellen der Radieis-Galle 
Fig.13. Andriensradieis. enger getüpfelt und - dünnwandiger wären, 
Sklerenchymzellen aus wodurch denn auch ein größeres Lumen be- 


derSch: i Kor 2; . 
ler Scl atzechicht. Vergr. dingt ist. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 305 


Andricus albopunctatus Schlecht.!) 


Nach v. Schlechtendal2} ist die Galle „gestreckt eichelförmig, 
grün oder rötlich mit weißlichen Längsflecken“ und erscheint im April 
oder Mai aus den Knospen. 

Da ich in der Literatur über die Anatomie der Galle keine An- 
gaben gefunden habe, möchte ich mit Hilfe der schematischen Textfig. 14 
zunächst die Verteilung der Gewebe erläutern: 

Die Larvenkammer wird von einer ziemlich starken Nährschicht 
(Textfig. 14x) bekleidet, die ihrerseits wieder vom Schutzgewebe um- 
schlossen wird (Textfig. 14), dessen Gestalt der äußeren Form der Galle 
entspricht. Die Gefäßbündel laufen in jüngeren Stadien zu 15—20 
Strängen in der Längsrichtung um die Schutzschicht herum, während 
sie späterhin, wenn das Schutzgewebe bei der Bildung der sekundären 
Nährschicht weiter nach außen wandert, vollständig von Sklerenchym- 


Fig. 14. Andrieus albopunctatus. Schematisierter 
Längsschnitt. » Nährgewebe, s Schutzschicht, g Ge- 
fäßbündel, 2 Rindenparenehym. Vergr. 6. 


Fig. 15. Andricus albopunctatus. Sklerenchymzellen 
Fig. 14. aus der Schutzschicht. Vergr. 394. 


zellen eingeschlossen sind. Außen folgt auf -die Schutzschicht ein 
Parenchym mit verdickten Zellulosewänden (Textfig. 145), das mit Stärke, 
Chlorophyll und teilweise auch mit einem roten Pigment im Zeilsaft. 
versehen ist. Durch das Fehlen des Chlorophylis in mehreren über- 
einander liegenden Zellreiben kommt die weiße Streifung zustande. 
Die Zellen der Schutzschicht, die in den unteren Teilen der Galle 
schwächer ausgebildet ist als in den übrigen, sind in Textfig. 15 ab- 
gebildet. Sie gleichen denen aus dem Schutzgewebe der Radieis-Galle 
in bezug auf die geringe Wanddicke, die reichlichen, aber engen Tüpfel 
und schließlich den ganzen Zellverband durchaus, wenn man davon 


1) Fundort und Zeit: Finkenkrug b. Berlin, April und Mai. 
2) v. Schlechtendal, Die Gallbildungen (Zoocecidien) der deutschen Gefäß- 
Pflanzen. Zwickau 1891. 
Fiora, Bd. 102. 21 


306 " F. Weidel, 


absieht, daß sie auch in der reifen Galle die Größe jener nicht ganz 
erreichen. 


Andricus inflator Hart.!) 


Die Anatomie der Galle, die „keulenförmige, aus verkürzten Inter- 
nodien bestehende, meist normale Laubblätter tragende, bis 2 cm lange 
und 1 cm dicke Anschwellungen der Sproßenden“?) bildet, ist von 
Hieronymus?), ausführlicher von Küstenmacher?®) gegeben worden. 
Letzterer hat auch die Schutzschicht, die allein Sklerenchymzellen auf- 
weist, wenn man von einigen dünnwandigen, in das Parenchym der 
Außengalle eingestreuten verholzten Elementen absieht, schematisch 
abgebildet®). 

In Textfig. 16 habe ich die Form dieser Zellen genau wieder- 
gegeben: Sie sind teils ein wenig tangential zur Larvenkammer ge- 
streckt, teils isodiametrisch und mit weiten Tüpfeln versehen, die sich, 
wie meistens bei den Sklerenchymzellen der Gallen, nach außen er- 
weitern. Was die Wandverdickung anbetrifft, so ist sie im Verhältnis 
zum Durchmesser der Zelle gering, und, während wir in den bisher 
betrachteten Gallen nur allseitig gleichmäßig verdickte Steinzellen kennen 
lernten, treten uns hier zum ersten Male neben solchen Zellen auch 
Andeutungen zu einseitiger Wandverdiekung entgegen (Textfig. 16a). 

Da mir nur ganz reifes, bereits von den Tieren verlassenes Material 
zur Verfügung stand, konnte ich über die Verwandlung der Sklerenchym- 
zellen in sekundäres Nährgewebe keine Beobachtungen machen; die an 
die Larvenkammer grenzenden Wände (Textlig. 165) gaben keine Re- 
aktion mehr, da die Zellen durch die ausgebildete Wespe verletzt und 
infolgedessen vertrocknet waren. 


Andricus curvator Hart. 5) 


Die 5 mm dicken, kugeligen, auf beiden Seiten des Blattes hervor- 
tretenden Auftreibungen sind anatomisch zuerst und am ausführlichsten 
von Prillieux) behandelt worden. Ich möchte aus seiner Beschreibung 
zur s0 viel entnehmen, daß sich im Laufe der Entwicklung eine Innen- 
galle bildet, die mit der Außenwand der Gallenbildung nur an einer 


3) Fundort und Zeit: Meuro b. Wittenberg, Juli. 
2) Hieronymus, I. c. pag. 205, Nr. 638, 

3) Küstenmacher, 1. ©, pag. 187 1f. 

4) Ders, le. Taf. IX, Fig. 35. 

5) Fundort und Zeit: Potsdam, Juni. 

8) 1. 6. pag. 126-136. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 307- 


Stelle verwachsen ist, während in jüngeren Stadien der Entwicklung 
beide im ganzen Umfange fest miteinander verbunden waren. Den 
hierbei stattfindenden Trennungsvorgang bildet Prillieux!) sehr schön ab. 

Die Außenseite der Innengalle und die Innenseite der Außengalle 
weisen einige Reihen von Sklerenchymzeilen auf (Textfig. 17«), die sich 
von denen der Inflator-Galle durch die regelmäßige Begrenzung des 
Zellumens und ihre geringere Größe unterscheiden. Sie gehören teils 
dem einseitig, teils dem allseitig gleichmäßig verdickten Typus an, wenn 
auch die Unterschiede in der Wandverdickung nur sehr gering sind. 
Die Tüpfel haben nach dem Zell- 
lIunmen zu eine weite Mündung, 
so daß die Zellwände, von der 
Fläche gesehen, netzartig verdickt 
erscheinen. 


Fig. 16. Andricus inflator. Sikleren- 


chymzellen aus der Schutzschicht mit Fig. 17. Andrieus carvator. Skleren- 

einseitig verdickten Zellen (a), # eine chymzellen aus der Schutzschicht. 

durch die Cynipide verletzie Zelle. « Andeutungen zu einseitiger Wand- 
Vergr. 360, verdiekung. Vergr. 435. 


Andricus Sieboldi Hart.2) 


Angaben über die Galle habe ich nur bei Hieronymus?) ge- 
funden, der sie ungefähr folgendermaßen beschreibt: Eikegelförmige, 
5—6 mm hohe, dicht über der Basis oft ebenso breite, kahle, rote 
Gallen an jungen Eichen oder an Stockausschlag alter Eichenstümpfe. 

Zur Untersuchung standen mir nur Gallen zur Verfügung, die 
bereits von ihren Bewohnern verlassen waren. An solchen Exemplaren 
hat sich die weiche Außengalle abgelöst und das ganze übrige Gewebe, 
das sich aus folgenden zwei Zelltypen zusammensetzt, ist: verholzt: 

1. Tangential zur Larvenkammer gestreckte, dickwandige und mit 
zahlreichen, engen Tüpfeln versehene Schutzzellen, die teilweise dünnere 
Seitenwände als Außen- und Innenwände tragen und kaum merkliche 
Interzellularen aufweisen (Textfig. 19); 

D1e. Pl 18, Fig. 9. 


2) Körbin (Prov. Sachsen), September. 
3) 1. c. pag. 209, Nr. 6422. 


21* 


308 F. Wetdel, 


2. zylindrische, in der Längsachse nur sehr wenig gestreckte, 
dünnwandige Zeilen, von denen der ganze obere Kegel der Galle ge- 
bildet wird. Auf Querschnitten sehen diese Zellen den in Textfig. 12 
abgebildeten aus dem Grundparenehym der Radieis-Galle täuschend 
ähnlich, so daß man ohne die entsprechenden Längsschnitte nicht: ent- 
scheiden kann, aus welcher von beiden Gallen das Präparat ent- 
nommen ist. 


Andricus cortieis Hart.‘) 


Wenn Küstenmacher?) die Galle von Andricus cortieis mit 
einem Maiskorn vergleicht, so ist dies durchaus zutreffend, denn genau 
80 wie die Maiskörner im Kolben eingesenkt sitzen, durch gegenseitigen 


Fig. 18. Fig. 19. 
Fig. 18. Andrieus Sieboldi. Sklerenchymzellen aus der Schutzschicht. Vergr. 294. 


Fig. 19. Andrieus cortieis. Schnitt durch die Schutzschicht (s) und Kristallschicht (2). 
«a Typische Schutzzelle, 5 große Ninzelkzistalle, c Anhäufung kleiner Kristalle. 
ergr, 276. 


Druck abgeplattet, sind auch die Gallen, oben abgerundet und breit, 
unten spitz, in das Kallusgewebe von Rissen an Hochstämmen einge- 
lassen. 

Bemerkungen über die Anatomie habe ich nur bei Küsten- 
macher gefunden, und zwar sagt er über die Schutzschicht: „Die 
Schutzschicht ist nach der oberen fleischigen Haube und seitlich am 


stärksten als starkwandiges Tüpfelparenchym ausgebildet, während sie 
nach unten dünnwandiger wird und fast aufhört,“ 


3) Fundort und Zeit: Wittenberg (Probstei), September. 
2) 1. ce. pag. 137. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 8309 


Hierzu sei aus meinen Beobachtungen bemerkt, daß die Schutz- 
schicht zur Zeit der Reife, wo also die Umwandlung in sekundäres 
Nährgewebe eingestellt ist, im Gallendach aus etwa 12 Zellreihen be- 
steht, die sich an den Seiten der Larvenkammer auf die Hälfte redu- 
zieren. Die charakteristische Form der Zellen dieses Schutzgewebes 
findet sich unmittelbar oberhalb der Larvenkammer (Textlig. 19s) und 
ist, wie bei der Sieboldi-Galle dadurch ausgezeichnet, daß die Seiten- 
wände dünn, die Außen- und Innenwände stark verdickt sind. Be- 
sonders fällt hier die außerordentlich geringe Tüpfelung — in einzelnen 
Zellen trifft man mitunter auf Schnitten gar keine Tüpfel — und die 
unregelmäßige Begrenzung des Zellumens auf; allein durch die beiden 
letzten Merkmale unterscheiden sich diese Zellen von den in der äußeren 
Form gleichen der Sieboldi-Galle immerhin merklich. 

In der fleischigen Haube grenzt unmittelbar an die Schutzschicht 
und durch keinerlei Übergänge verbunden ein sklerenchymatisches 
Gewebe, das durch den großen Reichtum an Kristallen aus Kalzium- 
oxalat ausgezeichnet: ist: (Textfig. 194). Wenn auch sonst im Gallen- 
gewebe Kristalle durchaus nicht selten sind), so habe ich sie doch nie 
in solcher Größe und Anzahl gefunden wie hier. Oft ist das ganze, 
an sich schon große Zellumen durch einen einzigen Kristall ausgefüllt 
(Testfig. 193), dem anscheinend so ansehnliche Zellulosemassen — 
späterhin waren sie verholzt — aufgelagert worden sind, daß diese die 
Wand des Behälters erreicht haben und mit ihr verwachsen sind?) 
Besonders naheliegend ist diese Annahme dadurch, daß das sonst un- 
regelmäßig begrenzte Zellumen an diesen Stellen glatte und den Flächen 
des Kristalls genau entsprechende Wände aufweist. Durch diese Ein- 
riehtung wird eine außerordentlich gute Verstärkung der Schutzschicht 
erzielt. — Neben den großen Rhomben finden sich auch kleinere sowie 
Drusen in größerer Anzahl in einer Zelle angehäuft (Textfig. 194). 


Wenn wir auch schon Zellen mit einseitiger Wandverdickung 
(Intlator, Curvator) kennen gelernt haben, so treten sie uns hier in der 
Kristallschicht der Cortieis-Galle zum ersten Male in ihrer typischen 
Ausbildung entgegen, bei der die Verdiekung in allen Zellen nach einer 
bestimmten Richtung, hier nach der Larvenkammer zu, liegt. Jedoch 
ist die Einseitigkeit der Wandverdiekung hier bei weitem nicht so aus- 
gesprochen, wie wir es später in den Blatigallen werden kennen lernen. 
— Im Gegensatz zu den Zellen der Schutzschicht der Cortieis-Galle 


1) Küster, Beiträge zur usw., pag. 170. 
2) Vgl. G. Haberlandt, 1. c. pag. 481. 


310 F. Weidel, 


weisen diese kristallführenden Elemente größere Tüpfel auf, die oft 
reich verzweigt sind, aber auch hier selten die ganze Zellwand durch- 
setzen. . 


Andricus fecundatrix Hart.%) 


Die überall verbreitete, einer Ananasfrucht ähnliche, artischocken- 
förmige — „Galles en artichaut“ —?) und von dichtgedrängten, schuppen- 
förmigen, außen breiten, innen schmäleren Hüllblättern umgebene Galle 
ist von Hieronymus?), ihre Anatomie von Lacaze-Duthiers?) und 
ausführlicher von Küstenmachert) beschrieben, ohne daß diese Autoren 
näher auf die Form der einzelnen Gewebselemente eingehen. 

Der innere Gallenkörper, der in seiner Form große Ähnlichkeit 
mit einer Eichenfrucht hat, trägt „zwischen Nährschicht und Gefäßbündel 
eine Sklerenchymschicht, welche bis ins Spitzchen reicht“). Diese 
Sklerenchymschicht setzt sich aus tangential zur Larvenkammer ge- 
streckten Elementen mit verdickten Außenwänden zusammen, doch 


_H 


Fig. 20. 


Fig. 20. Andricus fecundatrix. Sklerenchym- 
zellen aus der Schutzschicht. Vergr. 440. 


Fig. 21. Andrieus fecundatrix. Sklerenchym- 
zellen aus der Gallenspitze. Vergr. 396. 


weichen diese Zellen von den uns bisher bekannten einseitig verdickten 
insofern ab, als sie infolge ihrer prismatischen Gestalt und senkrecht 


aufeinander stoßenden Wände oft längere, zusammenhängende Reihen 
ohne Interzellularen bilden (Textfig. 20). 


. Die Sklerenchymzellen der Schutzschicht setzen sich zwar bis in 
die Spitze der Galle fort, doch nehmen sie hier eine ganz andere Form 


2) Fundort und Zeit: Kemberg (Prov. Sachsen) und Eisenach, August und 
September. 


2) Laeaze-Duthiers, I. c. pag. 350. 
3) l. e. pag. 205, Nr. 637 a. 

Hio pag. 1208. 

5) Küstenmacher, ], e. pag. 121. 


Beiträge zur Entwieklungsgeschichte usw. 3il 


an. Der Unterschied zwischen beiden Gewebegruppen ist durch die 
Entwieklungsgeschichte erklärlich, da beide, wie ich feststellen konnte, 
in jüngeren Stadien der Entwicklung in keinem Zusammenhange mit- 
einander stehen, denn die Spitze ist, noch bevor überhaupt die Anlage 
der Schutzschicht aus dem stärkehaltigen Gallplastem angedeutet ist, 
schon vollständig verholzt. Erst in weit späteren Stadien tritt ein 
Zusammenhang zwischen beiden ein. 


Die sklerotischen Elemente der Gallenspitze (Textfig. 21), die bei 
außerordentlich geringer Tüpfelung überall die Tendenz zu einseitiger 
Wandverdickung erkennen lassen, sind besonders durch die lockere 
Zeilverbindung und die großen Interzellularräume charakterisiert, wo- 
durch man vielleicht geneigt sein könnte, dieses Gewebe mit dem in 
Textfig. 12 abgebildeten der Radieis-Galle zu vergleichen. Beide sind 
jedoch dadurch wesentlich voneinander versehieden, daß in der Radieis- 
"Galle die Verbindung der Zellen eine viel innigere und ihre Gestalt 
eine viel regelmäßigere als hier ist. 


Weiter treten in der Fecundatrix-Galle « 
Sklerenchymzellen in den Ansatzstellen der 
Schuppen auf, und zwar bilden sie hier 
keine regelmäßigen Gewebegruppen, son- 
dern sind in regellosen Nestern in das 
unverholzte Parenchym und zwischen die 
Gefäßbündel eingestreut, was Lacaze- 
Duthiers‘) durch die Worte recht an- 
sehaulich macht: „On aura une idee 
complete de la structure de cette por- Fig. 29. Andricus fecundatrix. 
tion de la Galle, si Fon y suppose des Siklerenchymzellgruppe aus der 
ilots, compos6s de quatre, eing, jusqu’ A aumrune germngene Belle, j 
six cellules ponetuses.* Oft findet man Interzellularraum. Vergr. 218. 
in den Gruppen Lücken (Textfig. 222), in 
denen man noch die Reste zugrunde gegangener, unverholzter Zellen 
finden kann. Die einzelnen Nester haben gewöhlich ein Zentrum 
(Textfig. 225), in dem die Zellen je nach ihrer Anzahl mit mehr oder 
weniger spitzem Winkel zusammenstoßen. An sich sind die einzelnen 
Elemente außerordentlich dünuwandig, großlumig und von sehr regel- 
mäßiger, polyedrischer Struktur. Die korrespondierenden Tüpfel sind 
im Verhältnis zur Wanddicke weit und durchsetzen die ganze Zellwand. 


1. c. pag. 352. 


312 F. Weidel, 


Biorbiza terminalis G. Mayr.‘) 


Die von Lacaze-Duthiers?), Beyerinck?) und Hieronymus®) 
beschriebene Ceeidie von Biorkiza terminalis entspringt nach letzterem 
aus den Terminal- oder Axillarknospen als „vielkammerige, fast kugelige 
oder etwas unregelmäßig knollige, 1--4 cm Durchmesser besitzende, ... 
saftige, blaßgelbe, bisweilen rot angelaufene, später braune, ... . ziemlich 
weiche Galle.“ Wenn auch die Anatomie und besonders die Entwicklungs- 


geschichte hinreichend bekannt ist, so habe ich doch eine genaue Be- 
schreibung der Steinzellen vermißt. 


Sklereuchymzellen treten in der Terminalisgalle nur in der Um- 
gebung der Larvenkammern auf, die besonders im unteren Teil der 
Galle unregelmäßig und zahlreich eingestreut sind, so daß für die 
Terminalis-Galle genau dasselbe Schema wie für die Radieis-Galle gilt 
(Textfig. 11). 


Trotz dieser Ähnlichkeit in der Verteilung der Gewebe und der 
gauzen Form der Gallen überhaupt sind die Zellen ihrer Schutzschichten 
doch weit verschieden voneinander: Es fällt bei der Terminalis-Galle 
(Textfig. 8) sofort die einseitige Wandverdiekung ins Auge, die hier 
schon ziemlich stark ausgeprägt ist. Die Öffnung der Tüpfel zeigt 
nach dem Lumen zu eine der Wanddicke angemessene Weite; nach 
außen verzweigen sie sich reich, so daß man Zweige 3. Ordnung be- 
obachten kann, münden aber außen niemals mit der gleichen Weite wie 
innen. — Die Schichtung der Wände läßt sich hier wegen der Dicke 
der einzelnen aufgelagerten Schichten — teilweise beträgt sie pro Schicht 
45 a — deutlich erkennen. Von den sechs bis acht: Verdiekungs- 
schiehten sind selbst in der ausgewachsenen Zelle die beiden innersten 
niemals verholzt, so daß diese beim Übergang in sekundäres Nähr- 
gewebe nieht erst in Zellulose zurückverwandelt zu werden brauchen. 


Oft ist auch das Parenchym außerhalb der Schutzschichten ver- 
holzt und zeigt dann dem der Radieis-Galle sehr ähnliche Struktur und 
allseitige Wandverdickung, jedoch gilt auch hier von der Schiehtung 
der Membranen dasselbe wie für die Schutzzellen. 


1) Fundort und Zeit: Finkenkrug b. Berlin, April und Mai. 
2) 1. c. pag. 308. 

31 e. pag. 38-8. 

4) 1. ec. pag. 211, Nr. 648. 


Beiträge zur Entwieklungsgeschichte usw. 313 


Dryophanta divisa Hart.‘) 

„Die Galle von Dryophanta divisa?) ist erbsengroß, glänzend, etwas 
niedergedrückt kugelig, rötlich bis rot oder gelbbraun. Der Anheftungs- 
punkt liegt in einer Kerbe®)“ Sie sitzt gewöhnlich auf den Seiten- 
nerven der Blattunterseite in großer Anzahl, oft mit der Disticha-Galle 
dasselbe Blatt teilend, so daß ich häufig Verwachsungen von Divisa- 
und Disticha-Gallen beobachten konnte. 

Hieronymus gibt die eingehendste Beschreibung der anatomischen 
Verhältnisse der Galle, die ich zum Verständnis in der Hauptsache 
wiederholen werde, bevor ich zu meinen Untersuchungen übergehe: 
„Unter der spaltöffnungslosen kleinzelligen, bisweilen mit rotem Zellsaft 


Fig. 23. 


Fig. 23. Dryophanta divisa. Schnitt durch die 
Epidermis und die Subepidermalschicht. Vergr. 
573. 


Fig. 24. Dryophanta divisa. Schnitt durch die 

Hypodermschicht. « Zelle mit sehr starker Außen- 

wand, 5 verdickte Mittellamelle, ec Mittellamelle 
nicht wahrnehmbar. Vergr. 250. 


Fig. 24. 


erfüllten Epidermis finden sich einige wenige Lagen von etwas tan- 
gential gestreekten oder isodiametrischen .. . ziemlich diekwandigen 
Hypodermzellen, welche nach innen zu in dünnwandigere, stark gerb- 
stoffhaltige, radial gestreckte, prismatische Parenchymzellen übergehen. ... 
Weiter nach innen zu gehen dieselben in die aus isodiametrischen Stein- 
zellen gebildete Schutzscheide plötzlich über.“ 

Zu Hieronymus’ Ausführungen über die Epidermis möchte ich 
hinzufügen, daß wir hier besonders an den Seitenwänden der Galle 


I) Fundort und Zeit: Winterstein i. Thür. und Meuro b. Wittenberg, August 
bis Oktober. 


2) Die Anatomie der Galle wird beschrieben von: Lacaze-Dutbiers, 1. c. 
Pag. 301 f.; Hieronymus, 1. «. Pag. 219, Nr. 653 a; Küstenmacher, 1. c. 
Pag. 125. 

3) v. Schlechtendal, 1. c. pag. 25. 


314 F. Weidel, 


wieder die starke Verholzung der Zelluloseschicht haben (Textfig. 23), 
die wir schon bei der Ostreus-Galle kennen lernten. Die verholzten 
Partien haben hier jedoch plattgedrückt ellipsoidische Gestalt, während. 
sie dort isodiametrisch waren. Bei der Divisa-Galle beschränkt sich 
auch die Tüpfelung auf die Innenwände. 

Die Zusammensetzung der Hypodermschicht ist in der Mitte der 
Galle, der Anheftungsstelle gegenüber, besonders charakteristisch und 
die folgende (Textfig. 24): Unmittelbar unter der Epidermis liegen. 
einige Reihen tafelförmiger Zellen, deren Außenwände im Verhältnis. 
zu den Innenwänden sehr stark verdickt sind, so daß nur ein ganz 
flaches Zellumen übrig bleibt (Textüg. 24a). An die Epidermis und. 
auch untereinander schließen sich die Zellen ohne Interzellularen an, 
und wo in früheren Stadien der Entwicklung solche gewesen sind, haben. 
sie sich durch Verquellung der Mittel- 
lamellen ausgefüllt (Textfig. 242). 
Teilweise sind die Membranen anch 
so ausgebildet, daß selbst nach Fär- 
bung eine Mittellamelle nicht hervor- 
tritt (Textfig. 240) Auf diese ein- 
seitig verdickten Elemente folgt eine 
Lage von Zellen, deren Außen- und 
Innenwände sehr stark, deren Seiten- 
wände dagegen dünn sind; von den. 
ähnlich gebauten Zellen aus der Cor- 
Fig. 25. Dryophanta divien. Schnitt tieis-Galle unterscheiden sich diese 


durch das Schutz- und Nährgewebe, durch die regelmäßige Begrenzung 


«a In Nährgewebe umgewandelte Skle- des Lumens. In den sich nach der 
renchymzeilen, 5 kugelförmige sekun- 


däre Nährzelle. Vergr. 200. Kammer zu anschließenden Ele- 

menten tritt die Verdickung der 
Außenwand immer mehr zurück, so daß bei der konstant bleibenden 
Größe der Zelle das Lumen bedeutend zunimmt. Die Wandverdickungen 
sind also in den inneren Teilen der Hypodermschicht gerade entgegen- 
gesetzt orientiert wie in den äußeren. Die Tüpfelung ist in der ganzen. 
Schicht eine äußerst spärliche. 

Weiter kommen für unseren Vergleich die Zellen der Sehutz- 
schicht (Textfig. 25) in Betracht, die, abgesehen von der reichlicheren 
Tüpfelung, den zu innerst gelegenen Elementen der Hypodermschicht 
durchaus gleich sind, 


Was die Verwandlung der Schutzschicht in sekundäres Nähr- 
gewebe betrifft, so konnte ich konstatieren, daß sie sich genau in der 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 8315 


für Andricus globuli angegebenen Weise abspielt, nur löst sich hier 
nach der Verwandlung die Zelle aus dem festen Verbande mit ihren 
Nachbarzellen und rundet sich mehr oder weniger ab (Textfig. 25a), 
um teilweise als Kugel in das Innere der Larvenkammer zu ragen 
(Textfig. 252). 

Da mir von dieser Galle Material in geeigneten Stadien zur Ver- 
fügung stand, konnte ich die Entwicklungsgeschichte der Schutzschicht 
verfolgen: Anfang August, wenn die Galle einen Durchmesser von 
3—4 mm, also nahezu ihre endgültige Größe erreicht hat, besteht das 
ganze Gewebe der Galle noch aus Zellen mit gleichmäßig verdickten 
Zellulosemembranen. Mitte August beginnt die Bildung der Schutz- 
schicht damit, daß die Zellen, in einer Entfernung von drei bis vier 
Zellreihen vom Nährgewebe beginnend und nach außen und innen 
gleichmäßig fortschreitend, auf der nach der Larvenkammer gekehrten 
Seite Zelluloseschichten auflagern, die dann in der Reihenfolge der 
Auflagerung von außen nach dem Zellinnern zu verholzen, aber nie 
sämtlich, so daß das .Zellumen stets von einer Zelluloseschicht: ausge- 
kleidet wird. Zur Zeit, wenn das primäre Nährgewebe aufgezehrt ist, 
hat die Schutzschicht ihr Maximum erreicht, d. h. im oberen Teil der 
Galle eine Ausdehnung von sechs bis sieben Zellreihen. 

Die durch die Umwandlung im Nährgewebe bedingte Ergänzung 
der Schutzschicht: geht aber hier nicht wie bei der Globuli-Galle kon- 
tinuierlich nach außen weiter, sondern an den radial gestreckten, pris- 
matischen Zeilen, zwischen denen die Gefäßbündel verlaufen, wird ihr 
Halt geboten, während die Umwandlung in Nährgewebe gleichmäßig 
fortschreitet. Daraus ist eg erklärlich, daß man in reifen Gallen nur 
noch einige Zellagen der Schutzschicht vorfindet. Ein Eirsatz für das 
allmählich schwindende Schutzgewebe wird durch die rechtzeitig ein- 
setzende Verholzung der Epidermis und der Hypodermschichten ge- 


schaffen, deren außerordentlich feste Zusammensetzung zur Zeit der 
Reife wir oben kennen lernten. 


Dryophanta longiventris Hart.!) 


Dryophanta longiventis erzeugt nach Adler?) auf der Blattunter- 
seite höchstens 1 em große, kugelige Gallen, die bei lebhafter Färbung 
schön rot und. weiß gebändert sind — „Galles z&br6es“, wie Lacaze- 


1) Fundort und Zeit: Goseck i. Thür, und Sehmiedeberg (Bezirk Halle), 
August und September. 


2) 1. ec. pag. 189. 


316 F. Weidel, 


Dutbierst) sagt. In den anatomischen Beschreibungen, die von 
Lacaze-Duthiers, Hieronymus?) und Küstenmacher®) gegeben 
sind, behandelt letzterer die Schutzschicht am eingehendsten, und ich 
habe zu seinen Angaben nur einiges über die Stellung dieser Skleren- 
chymzellen (Textfig. 26) zu den uns bereits bekannten Formen hinzu- 
zufügen. 

Die größte Verwandtschaft zeigen die Steinzellen der Longiventris- 
Galle mit denen aus der Schutzschicht der Divisa-Galle: die sehr aus- 
gesprochen einseitige Wandverdiekung, die gänzlich auf die Innenwand 
beschränkt ist, die dagegen verschwindenden Außen- und Seitenwände 
und das sehr große Lumen lassen beide Formen durchaus gleich 


erscheinen, wenn man von der reichlicheren Tüpfelung in der Longi- 
ventris-Galle absieht. 


Fig. 26. 
Fig. 27. 
Fig. 26. Dryophanta longiventris. Einseitig verdiekte Sklerenchymzellen aus der 
Schutzschicht. Vergr. 200. 


Fig. 27. Dryophanta folii. Einseitig verdickte Sklerenehymzellen aus der Schutz- 
schicht. 2 Großer Suterzellularraum. Vergr. 290. 


Dryophanta folii L.*). 
Durch die Untersuchungen Beyerinck’s®), Hieronymus’®) und 
Küstenmacher’s”) sind wir über die Anatomie und vor allem über 
die Entwicklungsgeschichte dieser am weitesten verbreiteten, grünen, 


D1 c. pag. 308. 

2) 1. c. pag. 216, Nr. 65la. 

Ic. pag. 1251. 

4) Fandort und Zeit, Hobenprießnitz (Pror. Sachsen) und Meuro b. Witten- 
berg, August und September. 

D) 1. c. pag. M—-119. 

61. ce. pag. 217, Nr. 6522. 

Die pag. 124, 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 317 


bis 2 cm Duchmesser besitzenden Blattgalle auf das genaueste unter- 
richtet, so daß ich sofort zum Vergleich der Sklerenchymzellen über- 
gehen kann: 

Die im Prinzip den beiden zuletzt behandelten Formen ähnlichen 
sklerotischen Elemente der Folii-Galle (Textlig. 27) weichen doch in 
vielen Punkten von diesen ab. Zunächst geht die Wandverdickung, 
die sich hier noch weit bis in die Seitenwände hinauf erstreckt, nicht 
kontinuierlich mit spitzem Winkel, sondern plötzlich und mit stumpfem 
Winkel in die dünneren Wandstellen über; dann ist auch der ganze 
Zellverband ein ziemlich lockerer, so daß hier im Gegensatz zur Longi- 
ventris-Galle bedeutende Interzellularen auftreten (Textfig. 27 a). 


Die Linsengallen!). 

Unter dem Namen „Galles lentieulaires“ faßt Lacaze-Duthiers?) 
vier Blattgallen zusammen, die sich sowohl in der äußeren, linsenähn- 
lichen Form wie in anatomischer Beziehung sehr nahe stehen. Es sind 
dies die Gallen von: 

Neuroterus numismatis Ol. 
Neuroterus laeviusculus Schenck. 
Neuroterus lenticularis Ol. 
Neuroterus fumipennis Hart. 


Ihrer weiten Verbreitung entsprechend sind sie auch in der Lite- 
ratur®) oft behandelt worden, teils in dieser Zusammenstellung, teils 
einzeln. 

Wenn sich die vier Gallen auch durch verschiedene Eigentümlich- 
keiten und für jede Art charakteristische anatomische Merkmale unter- 
scheiden, sind die Sklerenchymzellen bei allen vier Vertretern dieser 
Gruppe vollständig gleich. Es genügt daher zur Kenntnis dessen, was 
bisher über die Sklerenchymzellen dieser Gallen bekannt ist, wenn ich 
die ausführliche Beschreibung Beyerinck’s für die Lenticularis-Galle 
wiederhole: 

„Der konvexen Seite der Galle zugewendet, besteht dieses Gewebe 
aus zwei Zellenschichten, dagegen lassen sich in dem Nabelende selbst, 
die zahlreichen sklerotischen Zellen bis tief in das Stielehen, mittels 


2) Fundort und Zeit, Rubla i. Thür. und Meuro b. Wittenberg, August, 
September und April. 


2) 1. e. pag. 318-315, DI. 18. 

3) a) Beyerinck, 1. c. pag. 80-85; b) Frank, Krankheiten der Pflanzen. 
1880, pag. 766—768; ce) Hieronymus, 1. e. pag. 220ff,, Nr. 6542, 656, 6572, 
6582; d) Küstenmacher, L c. pag. 180-138, 


318 F. Weidel, 


dessen die Galle am Blatt befestigt ist, verfolgen. Die Zellen selbst 
haben sehr merkwürdige Eigenschaften; zwar sind ihre Wände mehren- 
teils stark verdickt, doch sind besonders die der Larvenkammer zu- 
gekehrten dünn geblieben.“ 

Die von Beyerinck so beschriebenen Zellen habe ich in Text- 
fig. 28 wiedergegeben, und zwar sind sie einem zu den Flächen der 
Galle senkrecht geführten Schnitt an der Stelle entnommen, wo die 
beiden Teile der Schutzschicht zusammenstoßen. Unter den uns bisher 
bekannten Formen stehen diese Zellen bis auf die etwas weiteren 
Tüpfel denen aus der Subepidermalschicht der Divisa-Galle sehr nahe. 

Daneben findet sich aber in den Linsengallen noch ein anderer 
Typus, den man besonders auf Horizontalschnitten an den Rändern 
der Schutzschicht antrifft (Textfig. 29): Die in radialer Richtung etwa 


Fig. 28. Neuroterus lenticularis. Sklerenchym- 

zellen aus der Schutzschicht. « Grenze, längs 

der die Schutzschichten der Ober- nnd Unter- 

seite während der Überwinterung auseinander- 
weichen. Vergr. 200. 


Fig. 29. Neuroterus lenticularis. Sklerenchym- 
zeilen vom Rande der Schutzschicht (Horizon- 
telschnitt). Vergr. 290. 


doppelt so langen als breiten Zellen haben eine verdickte Außenwand, 
während die langgestreckten Seitenwände und die Innenwand erheblich 
weniger verdickt geblieben sind. Tüpfel treten hier reichlicher auf und 
durchsetzen die ganze Zellwand. 

Als besonders interessant an den Linsengallen ist von vielen 
Seiten ihr Wachstum während ‘der Überwinteruug, also nach der Ab- 
lösung vom Baume, erwähnt worden, auf das ich an dieser Stelle auch 
eingehen muß, da man bisher mit Beyerinck allgemein annimmt, daß 
dieser sonderbare Vorgang auf der Dehnung der Sklerenchymzeilen 


nach dem Abfallen beruhe; Beyerinck?) faßt seine Ansicht mit den 
Worten zusammen: 


Dice pag. 8. 


Beiträge zur Eintwicklungsgeschichte usw. 319 


„Die mikroskopische Untersuchung lehrt, daß die Vergrößerung 

‚der Galle in der Hauptsache auf Dehnung der sklerotischen Zellen 

beruht. Die Möglichkeit einer solchen Dehnung beruht auf das Vor- 
kommen unverdickt gebliebener Partien der Wandung dieser“1). 


Ich hatte selbst Gelegenheit, das Wachstum während der Über- 
winterung an Neuroterus lenticularis und numismatis zu beobachten. 
Vergleichen wir die Dimensionen einer Numismatis-Galle Anfang Ok- 
tober und Anfang April (Textfig. 30 und 31, bei derselben Vergröße- 
rung wiedergegeben), so sehen wir, daß die Höhe etwa um das Drei- 
fache, die Breite um die Hälfte zugenommen hat, Beruhte nun, wie 
Beyerinck behauptet, das Wachstum auf der Dehnung der Skleren- 
‚chymzellen, so kann man sich wohl vorstellen, welche Dimensionen eine 
‚einzelne Sklerenehymzelle während der Überwinterung annehmen müßte, 


Fig. 30. 


Fig. 30. Neuroterus numismatis. 
‚Schnitt durch die Galle vor der 
Überwinterung im Sept. Vergr. 38, 


Fig. 31. Neuroterus numismatis, 
‚Schnitt durch die Galle nach der 
Überwinterung im April, Vergr.33. Fig. 31. 


zumal da für die Streekung in die Höhe höchstens acht bis neun Zellen 
in Betracht kommen. 


Abgesehen von dieser theoretischen Unmöglichkeit einer solchen 
Erklärung des nachträglichen Wachstums, lehren die anatomischen Be- 
funde, daß die Vergrößerung der Galle auf ganz anderen Vorgängen 
beruht. Wenn wir die beiden Textfig. 32 und 38 (der Lenticularis- 
Galle entnommen) und Textfig. 30 und 31 (der Numismatis-Galle ent- 
nommen) vergleichen, so sehen wir ganz unzweideutig, daß das Wachstum 
aur dem unverholzten Parenchym zuzuschreiben ist, und zwar weniger 


1) Dies scheint mir schon aus dem Grunde unwahrscheinlich, daß bisher 
Wachstum verholzter Merbranen nicht beobachtet; worden ist. 


320 F. Weidel, 


den Subepidermalschichten als den in der Mitte der Galle gelegenen 
Elementen, die teilweise zu langen Schläuchen geworden sind (Text- 
figur 330). Es scheinen aber nach dem Abfall keine Zellteilungen; 
sondern nur Streekung der vorhandenen Zellen und Vergrößerung der 
Interzellularen stattzufinden. Dabei wird die Stärke, mit der die Galle 
im Herbst bei der Loslösung vom Baume außerordentlich reich ange- 
füllt ist, vollständig verbraucht. — An dieser Streckung haben aber 
die Zellen der Schutzschichten nicht teilgenommen, sondern sie sind 
längs einer Grenze, die man schon im September deutlich erkennen 
kann (Textfig. 282), auseinander gewichen, und der obere Teil ist mit 
den sich streckenden Parenchymzellen emporgehoben worden. Die ein- 
zelnen Elemente 
der Schutzschich- 
ten haben sich 
dabei aber so un- 
merklich geändert, 
daß es für die 
Vergrößerung der 
Galle überhaupt 
nicht in Betracht 
kommt. 

Sehr schön 


27 


1 


Fig. 82. S 
om) kann man die 
Herlaris. Sehnzer durch Sireckung der Zel- 


das Parenchym der Galle 
vor der Überwinterung im 
Sept. Vergr. 88. 


len, die teilweise 
auf Kosten der 
Wanddicke  ge- 
schehen muß, an 
der Epidermis der 


Fig. 33. Neuroterus len- 
tienlaxis. Schnitt durch 
das Parenchym der Galle 
nach der Überwinterung 


im April. = schlauch- Fig. 33. Benticularis-Galle 
fbrmige Parenchymzelle, Vereröf, . verfoigen. Im Sep- 
auf deren Streckung die Vergrößerung der Galle während R = 

der Überwinterung beruht, ergr. 83, tember wird die 


Galle von einer 
besonders außen starkwandigen Epidermis umgeben (Textfig. 34). Im 


April, nachdem eine so gewaltige Vergrößerang des zu umkleidenden 
Volumens stattgefunden hat, ist sie so verändert, wie wenn sie als 
elastisches Band stark in die Länge gezogen worden wäre: Die Höhe 
der Zellen hat sich merklich verkleinert, die Außen- und Innenwände 


sind durch die Verlängerung schwächer geworden und die Zellumina 
haben sieh dabei merklich vergrößert, (Textfig. 35). 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 3231 


Dryophanta disticha Hart.) 

Die oben abgeplattete, nach unten etwas dickere, zylindrische 
und durch eine horizontale Schicht in zwei Kammern geteilte Blattgalle 
ist von Lacaze-Duthiers?) und Küstenmacher?) beschrieben und 
anatomisch untersucht worden. Ich konnte bei meinen Untersuchungen 
die Angaben beider Autoren bestätigen, jedoch möchte ich an Hand 
der schematischen Textfig. 36 besonders über die reife Galle noch 
einige Zusätze machen. 

Die untere der beiden Kammern, die Larvenkammer, wird von 
einer ausgedehnten Nährschicht umgeben (Textfig. 36), die ihrerseits 
wieder von einem Schutzgewebe bekleidet wird (Textfig. 36). Die 
tangential zur Larvenkammer gestreckten Elemente dieser Schutzschicht 
sind im unteren Teil der Galle, wo sie die Epidermis unmittelbar be- 


Fig. 55. Fig. 36. 
Fig. 34. Neuroterus lentieularis. Schnitt durch die Epidermis im Sept. Vergr. 218. 
Fig. 35. Neuroterus lentieularis. Schnitt durch die Epidermis im April, Vergr. 218. 


Fig. 36. Dryophanta disticha, Längsschnitt dureh die reife Galle (schematisch). 
% Nährgewebe, s Schutzschicht, c vgl. Text, @ verstärktes Gallendach, 5 vgl. Fig. 37, 
e vgl. Fig. 38. 


rühren, und auf der horizontalen Grenzwand zwischen den beiden 
Kammern am stärksten ausgebildet und verholzt. 

In der Gegend, wo die Sehutzschicht: nach oben einbiegt (Text- 
fig. 36c) schiebt sich zwischen diese und die Epidermis ein radial 
gestrecktes, verholztes Hypoderm ein, das in Textfig. 87 dargestellt 
ist: Die Subepidermalzellen (Textfig. 372) sind isodiametrisch und zeigen 
bis auf die hier nach innen liegende Wandverdickung und das etwas 
größere Lumen dieselbe Form wis im gleichen Gewebe der Divisa-Galle 


2) Fundort und Zeit, Ruhla i. Thür. und Meuro b. Wittenberg, August bis 
Oktober. 


2) e. 1. pag. B04£. 
91 ce. pag. 197, 
Plore, Bd. 102. 22 


322 F. Weidel, 


(Textfig. 23). Die sich daran anschließenden Zellen bilden den Über- 
gang zu den radial gestreckten Elementen; aus ihnen kann man sich die 
letzteren sehr wohl durch radiale Streckung entstanden denken. Wenn 
wir unsere bisherige Orientierung der Zellwände nach ihrer Richtung 
zur Oberfläche und Larvenkammer beibehalten, so haben wir hier bei 
den radial gestreckten Sklerenchymzellen den seltenen Fall, daß eine 
Seitenwand, mitunter auch noch die Innenwand verdickt ist, während 
die übrigen Wandteile gänzlich unverdickt geblieben sind. 

Die ebenfalls verholzten Zelluloseschichten der Epidermis haben 
die lache, ellipsoidische Gestalt wie bei Dryophanta divisa, jedoch 
treten hier keine Tüpiel auf (Textfig. 37 e). 

. Aus dem sonst gleichmäßigen Paren- 
chym der Galle hebt sich das Gewebe über dem 
oberen Hohlraum durch stärkere Wandver- 


Fig. 37. Fig. 38. 


Fig. 37. Dryophanta disticha. Schnitt durch die Epidermis (e) und das Hypoderm. 
« Stark einseitig verdickte Sklerenchymzeile, Vergr. 158. 


Fig. 39. Dryophanta disticha. Sklerenchymzellen aus dem Dache der oberen 
Kammer. Vergr. 330. “ 


diekung ab (Textfig, 36.2). Der Zeilverband dieses Gewebes, der im 
allgemeinen ein fester ist, wird nach der Kammer zu reich an Inter- 
zellularen, und die Zellen, die den Hohlraum auskleiden, ragen teil- 
weise frei in diesen hinein (Textfig. 36). Trotzdem wird aber durch 
tolgende Einrichtungen eine feste Verbindung der Zellen an dieser 
Stelle erzielt (Textfig. 38): Einmal sind die durch große Hohlräume 
von einander getrennten Zellen an korrespondierenden Stellen durch 
Fortsätze verbunden, die auch Holzreaktion geben und teilweise mit 
Warzen versehen sind (Textfig. 380). Zum anderen wird eine innigere 
Verbindung auch dadurch erzielt, daß die Mittellamellen mit den Wänden 
der beiden Nachbarzellen vollständig homogene Massen bilden (Textlig.383). 


Beiträge zur Entwieklungsgesckichie usw. 323 


Cynips Kollari Hart.') 

Cynips Kollari erzeugt in den Blattachseln eine 2—3 cm große 
Kugel von grüner, später bräunlicher Farbe, die anatomisch von La- 
caze-Duthiers?) und Hieronymus), entwicklungsgeschichtlich sehr 
„eingehend von Beyerinck®) untersucht worden ist, 

Ich möchte deshalb nur eines Gewebes Erwähnung tun, dessen 
Elemente man wohl zu den sklerenchymatischen rechnen kann, wenn 
sie auch von den bisher betrachteten Formen in ihrer Entstehung und- 
Ausbildung gänzlich abweichen. Beyerinck’, erwähnt das Gewebe 
zwar als eigentümlich, wenn er sagt: „Die äußere Oberfläche der 
Kristallschicht (Bekleidung des Nährgewebes, d. Verf.) grenzt an ein 
sehr eigentümliches ... . Gewebe, welches ich oben als primäres Stärke- 
gewebe bezeichnet habe. ... Die Zellen schließen ohne Interzellular- 
räume aneinander, und da die Grenzen zwischen denselben auch nirgend- 
wo anders wahrnehmbar sind, besitzt das Gewebe ein kollenchymatisches 


Fig. 39. . Fig. 40. 
Fig. 39. Cynips Kollari. Kollenchymatisch verdickte und verholzte Zellen aus der 
äußeren Partie des „primären Stärkegewebes“. «= Interzellularraum. YVergr. 408. 


Fig. 40. Cynips Kollari. Zellen aus der inneren Partie des Gewebes. « Unver- 
holzt gebliebener Teil der Zellwand. Vergr. 408. 


Vorkommen“ — doch sind ihm die Momente, weshalb man dieses 
Gewebe zu den sklerotischen stellen kann, nicht aufgefallen. . 

In Textfig. 39 habe ich einen Radialschnitt durch dieses Geweb: 
in seinen äußeren Partien, in Textfig. 40 einen solchen in der Nähe 
der Kristallschicht wiedergegeben. Beide Präparate wurden mit Phloro- 
gluein und Salzsäure behandelt, wodurch die Eigentümlichkeiten recht 


1) Fundort und Zeit, Wildpark b. Potsdam, September. 
2) lc. pag. 291. 
3) Le. pag. 218, Nr. 648, 
4) 1, e. pag. 132—156. 
51. ec. pag. 148, 
29%* 


324 F. Weidel, 


deutlich zutage traten. Die Zellwände, als Ganzes betrachtet, könnte 
man wohl mit Beyerinck kollenchymatisch nennen, aber das Aussehen 
dieses Kollenchyms weicht doch ganz beträchtlich von der uns sonst 
bekannten Form desselben ab: Zunächst treten, wie man besonders 
aus Textfig. 39a ersehen kann, Interzellularen auf, die teilweise durch 
Auflösung der Mittellamelle, eine ganz beträchtliche Ausdehnung er- 
reichen. Wenn uns auch mit Interzellularen durchsetztes Kollenchym 
bei Gallen häufiger entgegentritt (Textfig. 9), so haben die Interzellular- 
räume doeh nie eine solche Ausdehnung wie hier. 

Besonders auffällig und der Grund, weshalb ich das Gewebe an 
Jdieser Stelle anführe, ist die Verholzung der kollenchymatischen Wände, 
die sich allerdings nur auf die äußeren Teile derselben erstreckt, da 
das Lumen stets von einer unregelmäßig gestalteten Zelluloseschicht 
ausgekleidet ist. Ein Vergleich der beiden Textfig. 39 und 40 lehrt, 
daß nach der Larvenkammer zu die Verholzung viel weiter fortgeschritten 
ist als in den äußeren Teilen dieser Stärkeschicht, denn hier sind nur 
die Ecken der Zeilwände und einzeine Partien der Mittellamelle ver- 
holzt, während dort die Ecken ganz bedeutend und die Mittellamellen 
mitsamt eines Teiles der sekundären Membran vollständig verholzt sind. 


Gallen ohne Sklerenchymzellen. 


In den von mir ebenfalls untersuchten Gallen von 

Neuroterus baecarım L., 

Neuroterus vesicator Schlecht, 

Neuroterus albipes Schenck, 

Neuroterus aprilinus Gir. 
treten keine Sklerenchymzellen auf. Das Fehlen der sklerenchymatischen 
Elemente in diesen Gallen, die sämtlich Frühjahrsformen sind und sich, 
wie wir es bei Neuroterus vesicator gesehen haben, außerordentlich 
rasch entwickeln, könnte man vielleicht so erklären, daß es bei der 
Kürze der Entwicklung zu einer so weitgehenden Differenzierung, wie 
sie die Bildung sklerenchymatischer Elemente erfordert, nicht kommen 
kann. Andererseits sind auch so ausgedehnte Schutzvorrichtungen, wie 
sie Gallen mit monate- ja jahrelanger Lebensdauer und Überwinterung 


(Globuli, Fecandatrix, Badieis usw.) brauchen, bei einer 30—40tägigen 
Lebenszeit nicht erforderlich, 


Die sklerenchymatischen Elemente der Eiche. 


Nachdem wir uns mit der großen Mannigfaltigkeit der Formen 
bekannt gemacht haben, die eine einzige Gewebeart in Gallen, die noch 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 325 


dazu derselben Mutterpflanze angehören, annehmen kann, dürfte es 
interessant sein, einmal zuzusehen, zu welchen Variationen in derselben 
Gewebeart die gallentragende Pflanze normalerweise ohne den Gallen- 
reiz befähigt ist. Zwar haben wir Cynipidengallen betrachtet. die teil- 
weise auf Quercus pedunculata und sessilifiora gleichzeitig vorkommen, 
doch habe ich weder in den sklerenchymatischen Elementen solcher 
Gallen noch in denen der beiden Eichenarten selbst irgendwelche Unter- 
schiede konstatieren können‘). Ich will nun versuchen, im folgenden 
eine möglichst eingehende und erschöpfende Beschreibung der Skle- 
reiden von Quercus peduneulata und sessiliflora zu geben. 

Es finden sich zerstreut in der Literatur Angaben über das Vor- 
handensein und die Form einzelner Sklerenchymzellen, doch ist die 
einzige zusammenhängende Arbeit, die ich diesen Untersuchungen zu- 
grunde legen konnte, Küster’s „Bemerkungen über die Anatomie der 
Eichen“?). Da er jedoch eine umfassende Darstellung sämtlicher Ge- 
webearten unter Berücksichtigung möglichst vieler Spezies der Gattung 
Quercus geben will, kann er auf die Einzelheiten wenig eingehen. 

Um eine gewisse Ordnung in die Aufzählung der mannigfaltigen 
Formen zu bringen, will ich sie in zwei Gruppen einteilen, die sich 
allerdings nicht scharf abgrenzen lassen, sondern dureh Übergänge mit- 
einander verbunden sind: 

1. die isodiametrischen Formen, 
2. die nach einer Dimension gestreckten Formen. 

1. Die typische, isodiametrische Sklerenchymzelle, die „Steinzelle“, 
findet sich in Gruppen regellos in der Borke®) und nach Möller*) 
auch im Weichbast eingestreut. Die Wände (Textfig. 41) sind bis zum 
fast vollständigen Verschwinden des Lumens verdickt, und auch die 
Tüpfelung ist außerordentlich schwach und kaum sichtbar. Mitunter 
kommen aber auch einzelne Zellen mit ‘größeren und reichverzweigten 
Tüpfeln vor, deren Wand dann rissig erscheint (Textfig. 42). Stets 
schließen aber die Zellen in diesen Gruppen lückenlos aneinander. 

Diesen sehr nahe stehende Formen findet man in der Cupula 
(Textfig. 432), wo sie den Übergang zu einem etwas großlumigeren 


1) Die Unterschiede zwischen beiden Spezies bestehen wohl hauptsächlich in 
der äußeren Morphologie und in der Anordnung der Gewebe im Stamm. — Vergl. 
Abromeit, Über die Anatomie des Eichenholzes. Jahrb, f. wissenschafil. Botanik, 
Bd. XV, pag. 209. 

2) Botan. Zentralblatt 1900, pag. 177 ff. 

3) Solereder, Systematische Anatomie der Dikotyledonen, pag. 893. 

4) Möller, Anatomie der Baumrinden, 1882, pag. 63. 


3236 F. Weidel, 


und weiter getüpfelten Typus bilden. Sie sind in das dünnwandige 
Grundparenchym (Textfig. 435) „in Gruppen von wechselnder Größe 
eingestreut“), schließen aber auch hier wieder infolge der glatten 
Oberfläche der Zellen vollständig lückenlos aneinander. 

Weiter treten in den oberen Teilen der Knospenschuppen isodia- 
metrische Zellen auf, die aber von den beiden besprochenen Formen 
insofern abweichen, als sie eine streng prismatische Gestalt haben und 
sich infolgedessen zu längeren Gruppen eng aneinander ‚reihen (Text- 
figur 44). Tüpfel weisen diese Zellen nicht, auf, wenn man nicht gerade 


die wenigen Aussackungen (Textfig. 442) des Lumens an den Zellenden 
als solche ansehen will. 


Schließlich möchte ich bei der Besprechung der isodiametrischen 
Form noch eines Gewebes Erwähnung tun, das die Frucht mit der 


Fig. 41. 


Fig. 43. 
Fig. 41. Quereus robur. Sklerenchymzellgruppe aus der Borke. Vergr. 246. 
Fig. 42. Quercus robur. Einzelne Sklerenchymzelle aus der Borke. Vergr. 246. 
Fig. 43. Quercus robur. Sklerenchymzellen aus der Cupula. Vergr. 294. 


Fig, 44, Quereus robur. Sklerenehymzellen aus dem oberen Teil einer Knospen- 
schuppe. Vergr. 294, 


Cupula an der Ansatzstelle verbindet und sich dadurch von allen 
übrigen sklerenchymatischen Geweben der Eiche unterscheidet, daß hier 
Interzellularen auftreten, die teilweise eine recht beträchtliche Größe 
annehmen können (Textfig. 45a). Die Zellen selbst sind dickwandig 
und an korrespondierenden Stellen mit Fortsätzen versehen, an denen 
die Wände benachbarter Zellen ohne Hervortreien einer Mittellamelle 
kontinuierlich ineinander übergehen (Textfig. 455). Jedenfalls soll das 
von Interzellularen durchsetzte Gewebe, ähnlich wie die beim Laubfall 


1) Küster, Bemerkungen über usw., pag. 182. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 397 


auftretende 'Trennungsschicht, eine leichtere Loslösung der Frucht von 
der Cupula ermöglichen. 

2. Den Übergang von der ersten zur zweiten Gruppe, bei der 
eine Richtung in der Zelle bevorzugt ist, findet man in der Fruchtspitze 
(Textfig. 462) mit Zellen zu einem Gewebe verbunden, die schon deut- 
lich eindimensional gestreckt sind (Textlig. 462). Überhaupt läßt sich 
in der Fruchtspitze eine einheitliche Form der Zellen nicht erkennen, 

- wie auch die Tüpfelung ganz verschieden ist. Bald durchsetzen die 
Tüpfel mit unverändertem Durchmesser die ganze Wand, bald verjüngen sie 
sich nach außen zu. Allen diesen Zellen gemeinsam ist aber das im 
Verhältnis zum Durchmesser weite und meistens unregelmäßig begrenzte 
Lumen, wodurch auch die Zellen des in der Regel doppelschichtigen 
Gewebes unter der „Palisadenschicht“") der Samenschale charakterisiert 
sind (Textfig. 49). 

Nahe verwandt, sowohl was Wandstärke und auch Tüpfelung an- 
belangt, mit der soeben besprochenen Gruppe sind die Zellen, die zur 


Fig. 46. 


Fig. 45. Quereus rohur. Sklerenchymzellen aus der Ansatzstelle der Frucht an_die 
Cupule, @ Interzellularräume, 5 die Mittellamellen sind nicht sichtbar. Vergr. 294. 


Fig. 46. Quereus robur. Sklerenchymatisches Gewebe aus der Fruchtspitze, be- 
stehend aus isodiametrischen Zellen (e) und gestreckten Zellen (2). Vergr. 294. 


Zeit der Winterruhe den Fuß der Knospenschuppe2) bilden (Textlig. 47). 
Sie sind jedoch etwas mehr gestreekt und reihen sich mit: den schmalen, 
genau kongruenten Seitenwänden ähnlich wie in der Spitze der Schuppe 
zu zusammenhängenden Ketten aneinander. 

Die in Textfig. 48 abgebildeten Sklerenchymzellen fand ich in der 
weiblichen Blüte, und zwar sind sie dem Innern des Griffels entnommen, 
wo er an der Verwachsungsstelle der drei Narben eine einheitliche 


1) Haberlandt, I. e. pag. 149. 
2) Vergl. Anm. 2, pag. 282. 


328 F. Weidel, 


Röhre bildet‘). Die Zellen sind außerordentlich glatt- und starkwandig 
mit kaum merklichen Tüpfeln, so daß das ganze Gewebe, zumal da es 
auch frei von Interzellularen ist, eine große Festigkeit hat. 

Über die Sklerenchymzellen des Perikarps sagt Küster?) folgen- 
des: „Im Perikarp liegen unter der einschichtigen äußeren Epidermis 


Fig. 47. 


Fig. 47. Guercus robar. Sklerenchymzellen aus dem Sul 
Fuße einer Kuospenschuppe. Vergr. 280. 


Fig. 18. Quercus robur. Sklerenchymzellen aus der . 
weiblichen Blüte. Fig. 48. 


, mehrere Lagen von ‚Palisadensklerenchym‘, unter diesem .... mehrere 
Lagen rundlicher oder polyedrischer Sklereiden“ Das Palisaden- 
sklerenehym habe ich in Fig. 495 abgebildet. Eis besitzt, wie man aus 
Erfahrung weiß und wie man aus dem anatomischen Bau schließen 
kann, eine ganz anßerordentliche Festigkeit, die einerseits durch die 
starkwandigen, fast gänzlich ungetüpfelten Zellen mit außerordentlich 
kleinem und sehr flachem Lumen, anderer- 
seits durch die geradezu prosenchymatische 
Einkeilung ‘der Zellen ineinander erreicht 
wird. Dazu kommt noch, daß die Längs- 


achse dieser Zellen senkrecht zur Oberfläche 
orientiert ist. 


Vergleich der Sklerenchymzellen der Gallen 
untereinander und mit denen der normalen 
Eiche. 


Nig. 49. Quereus robur. Wenn wir die große Vielgestaltigkeit 


Sklerenchymzellen aus dem der Formen der Sklerenchymzellen, die wir in 
'erikarp. a „Polyedrische* Pi 
Sklerenchy er » „Pali- den Gallen kennen gelernt haben, noch ein- 


sadensklerenchymzellen“. mal überblicken, so finden wir mit Aus- 
Vergr. 886. nahme der Linsengallen nicht einen einzigen 


1) Wohl konnte ich mich nach den Handbüchern von Schacht, „Beiträge 
zur Anstemie und Physiologie der Gewächse“, 1854, pag. 33 und Eichler, Blüten- 


diegramme, Leipzig 1875, Teil IL, pag. 26 über die äußere Morphologie der weib- 
lichen Blüte, deck nickt über deren Anatomie informieren. 


2) Bemerkungen über usw., pag. 182. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 329 


Fall, in dem zwei verschiedene Gallen genau dieselbe Form der 
Sklereiden aufweisen. 

Alle betrachteten Steinzellen lassen sich auf zwei Grundformen 
zurückführen: die allseitig gleichmäßig und die einseitig verdickte, von 
denen die große Vielgestaltigkeit durch Variation in der Weite und 
Anzahl der Tüpfel, der Richtung der Zelle zur Larvenkammer und der 
Verteilung der Wandverdickung abzuleiten ist. 


Sehen wir uns die Formen der ersten Gruppe genauer an, so finden 
wir, daß allen Zellen, wenigstens soweit sie den Schutzschiehten an- 
gehören, die tangentiale Streckung zur Larvenkammer gemeinsam ist, 
so daß also die Unterschiede durch Kombination der übrigen Merkmale 
bedingt sein müssen. 

Am nächsten stehen sich unter allen betrachteten sklerenchyma- 
tischen Zellen diejenigen aus den Schutzschichten der Radieis- und 
Albopunctatus-Galle, da sie sich einzig und allein durch ihre Größe 
unterscheiden. Nahe verwandt mit diesen beiden Formen und nur 
durch die Tüpfelung unterschieden sind die Steinzellen der Globuli- 
Galle, etwas weiter entfernt stehen schon diejenigen aus Andricus 
inflator und curvator, da bei ihnen, und besonders bei der letzt- 
genanuten Art, die Gleichmäßigkeit der Wandverdickung nicht mehr 
streng eingehalten wird. 

Wenden wir uns zur zweiten Gruppe, dem einseitig verdickten 
Typus, so finden wir hier einen weit größeren Formenreichtum, was 
auch erklärlich ist, da sich hier besonders durch die Veränderung der 
gegenseitigen Lage der dünnen und verdiekten Wände große Mannig- 
faltigkeit erzielen läßt. . 

Zwar möchte ich die Sklerenchymzellen der Sieboldi- und der 
Cortieis-Galle in diese Gruppe nehmen, doch kann man sie auch mit 
demselben Recht, zur ersten Gruppe stellen, da die beiden Gallen die 
alleinige Verdiekung der Außen- oder Innenwände nicht immer streng 
durehführen und in der Kristallschicht der Cortieis-Galle der Unter- 
schied in der Wandstärke bei weitem nicht so ausgeprägt ist wie in 
den eigentlichen einseitig verdickten Zellen. 

Aus der Zahl der typisch einseitig verdiekten Elemente hebt sich 
die Gruppe der Linsengallen durch die völlige Formengleichheit ihrer 
Sklerenchymzellen heraus, während die der übrigen Gallen durch je 
eine charakteristische Form ausgezeichnet sind, die bald durch die 
Weite der Tüpfel (Divisa) und großes Lumen (Longiventris), bald durch 
eigenartige Übergänge der verdickten Wandstellen in die unverdiekten 


330 F. Woidel, 


(Foli) und die radiale Streckung zur Larvenkammer (Linsengallen, 
Distieha) bedingt ist. 


Ebenso wie die Sklerenehymzeilen der Gallen untereinander große 
Formverschiedenheit aufweisen, lehrt aueh ein Vergleich dieser Zellen 
mit denen der normalen Eiche, daß von der Galle nicht eine einzige 


Form, sei es als Zelle, sei es als Gewebe unverändert aus der Mutter- 
pflanze entnommen wird. 


Was die Form der Zellen selbst anbelangt, so kommen für einen 
Vergleich uur die allseitig gleichmäßig verdickten Elemente der Galle 


in Betracht, da die Eiche normalerweise zur Bildung einseitig verdickter 
Zeilen nicht befähigt ist‘). 


Die größte Ähnlichkeit zwischen den betrachteten Elementen der 
Galle und der Eiche konnte ich in den Steinzellen der Globuli-Galle 
und denen aus der Cupula konstatieren, aber es fallen auch sofort 
Unterschiede ins Auge (Textfig. 7 und 43), da die Zellen aus der 
Galle größer und weiter getüpfelt sind, ein größeres Zellumen besitzen 
und ihre ganze Oberfläche weit mehr abgerundet ist. 


Es erübrigt sich wohl, nachdem ich so Unterschiede an einander 
sehr nahe stehenden Formen nachgewiesen habe, all die einzelnen Ver- 
schiedenheiten in beiden Fällen aufzuzählen. Ich möchte nur ganz 
allgemein die beiden Sklerenchymzellgruppen dahin charakterisieren, 
daß in den normalen Elementen der Eiche die Tüpfel eng, dabei wenig 
zahlreich und die Oberflächen der Zellen glattwandig sind, während in 
der Galle die Tüpfel gewöhnlich weit und die Zellformen abgerundet sind. 


Durch diese verschiedene Gestaltung der Oberfläche der Zellen 
wird bier auch der durchgreifende Unterschied zwischen normalem und 
pathologischem Gewebe bedingt: Während wir in der Mutterpflanze — 
ich konnte nur die eine Ausnahme an der Ansatzstelle der Frucht 
konstatieren — stets Gewebe ohne Interzellularen mit fest aneinander- 
schließenden Wänden haben, werden in den Gallen durchgehends Ge- 
webe mit Interzellularräumen gebildet, die teilweise eine recht beträcht- 
liche Größe erreichen. Ferner bilden die Sklerenchymzellen in der Eiche 
mit Ausnahme der Samenschale und der Knospenschuppen keine ge- 
schlossenen Gewebemassen, sondern stets sind in dieselben unverholzte 
Elemente eingestreut (Cupula, Fruchtspitze usw), so daß nie so zu- 


2 Küster, Bemerkungen ‚zur usw., pag. 183, Ders, Beiträge zur usw., 
pag. 188. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 331 


sammenhängende Sklerenchymzellgruppen mit stets wiederkehrender, 
konstanter Größe und Zusammensetzung wie in den Schutzschichten 
oder z. B. im Dach der Cortieis-Galle zustande kommen. 


Wie schon von Küster!) hervorgehoben wurde, sind die Gallen 
nicht imstande, Stereiden zu bilden, was als sonderbar zu bezeichnen 
ist, da gerade die Gefäßbündel, aus denen die Gallen zur allergrößten 
Anzahl entspringen, in der normalen Eiche stets von Stereiden begleitet 
werden. Andererseits bilden wieder Gallen, die Organen der Mutter- 
pflanze entstammen, welche keine dickwandigen, parenchymatischen 
Sklerenchymzellen — z. B. die Blätter — führen, solche in großer 
Anzahl und Mächtigkeit. 


Welche Schlüsse können wir nun einerseits aus der Mannigfaltigkeit 
der zahlreichen Zellformen der Gallen und andererseits aus den Unter- 
schieden, den die pathologischen Elemente gegen die normalen Zellen 
(der Mutterpflanze aufweisen, ziehen? 


Zunächst steht, es wohl unbedingt fest und bedarf keiner weiteren 
Diskussion, daß von jedem Gallentier eine spezifische Gallenwirkung 
ausgehen muß, denn es werden auf genau denselben Organen, ja in 
unmittelbarer Nachbarschaft und miteinander verwachsen (Divisa und 
Disticha) gänzlich verschiedene Gallen mit: weit voneinafder entfernten, 
oder wenn auch mit, ähnlichen, so doch immer merklich verschiedenen 
Elementen gebildet (Divisa und Longiventris). 


Es fragt sich nun, ob diese Mannigfaltigkeit und anderenteils auch 
die Verwandtschaft der Elemente allein den Gallentieren zuzuschreiben 
ist oder ob auch die Pflanze einen gewissen Anteil daran hat. Aus 
unseren anatomischen Befunden kann man diese Frage nicht mit ab- 
soluter Sicherheit entscheiden, doch werde ich zeigen, daß, die Elemente 
‚der Schutzschichten immerhin in einem gewissen Zusammenhange mit 


dem Organ der Mutterpflanze stehen, dem die betreffende Galle ent- 
sprossen ist. 


Vergleichen wir nämlich die Organe der Mutterpflanze, welche 
die beiden oben angenommenen Gruppen der Gallen tragen, so finden 
wir, daß die Gallen mit allseitig gleichmäßig verdickten, also wuchtigen 
Schutzzellen, meistens dem Stamm, der Wurzel oder den Sprossen, 
jedenfalls nie den Blättern entspringen, während die Blattgallen in den 


1) Beiträge zur usw., pag. 154. Pathol, Pflanzenanat,, pag. 238. 


332 F. Weidel, 


Schutzschichten nur einseitig verdiekte Elemente führen. Aber ebenso 
wie die beiden Gruppen der Sklerenchymzellen durch Übergänge mit- 
einander verbunden sind, muß man natürlich erwarten, daß sich auch 
Ausnahmen von dieser Regel finden. So hat z. B. die Blattgalle von 
Andrieus curvator, wie wir oben sahen, in der Schutzschicht teilweise 
gleichmäßig verdiekte Zellen, aber es tritt doch eine deutliche Tendenz 
zu einseitiger Wandverdickung zutage. Auch umgekehrt zeigen stamm- 
bürtige Gallen (Cortieis) einseitige Wandverdickung, die aber bei weitem 
nicht so kraß wie in den Blattgallen ausgebildet ist. 

Gegen diese Auffassung, daß die Form der Elemente auch vom 
gallentragenden Organe abhängt, könnte man den Einwand erheben, 
daß die Verwandtschaft der Elemente der Gallen von der Verwandt- 
schaft der erzeugenden Tiere herrühre. Welche von beiden Auffassungen 
die richtige ist oder ob vielleicht beide Ursachen zusammenwirken, können 
erst weitere Untersuchungen experimenteller Natur entscheiden. 

Der Vergleich der Sklereiden der Gallen mit denen der normalen 
Eiche lehrt ein Zweifaches: Der Gallenreiz ist imstande, die Skle- 
reiden der Mutterpflanze so umzubilden, daß sie sämtlich deutliche 
Unterschiede von diesen aufweisen, und zum anderen, auf Organen, die: 
normalerweise keine Steinzellen tragen, solebe zu erzeugen. 

Die Bildung der einseitig verdickten Elemente erscheint ziemlich 
rätselhaft, da &s bisher nicht gelungen ist, in der Mutterpflanze selbst 
oder in deren Verwandtenkreise ähnliche Formen nachzuweisen. Man 
muß jedoch annehmen, daß die Potenz, solche abweichenden Elemente 
zu bilden, in der Eiche latent vorhanden ist, und daß diese durch 
äußere Einflüsse, hier den Gallenreiz, ausgelöst werden kann. Eine 
Berechtigung zu dieser Annahme können vielleicht die folgenden beiden 
Tatsachen geben. . 

“ Wie schon betont wurde, ist der durchgreifendste Unterschied 
zwischen sklerenchymatischen Pflanzen- und Gallengeweben der, daß 
die Sklerenchymgruppen der Gallen reichlich von Interzellularen durch- 
setzt sind. Daß aber auch die Pflanze imstande ist, wenn auch nur 
vereinzelt, so charakterisierte Gewebe zu bilden, haben wir an der 
Ansatzstelle der Frucht gesehen. Der Gallenreiz kann also bewirken, 
daß Eigentümlichkeiten, die in der Mutterpflanze sehr selten sind, in 
den Gallen zur Regel werden. 

Noch lehrreicher ist vielleicht ein zweites Beispiel, denn es zeigt, 
daß auch Elemente, die den Gallen ganz eigentümlich zu sein scheinen, 
gelegentlich und nur als Ausnahme in der Mutterpflanze vorkommen 
können. Wir hatten bei der Betrachtung der Epidermis der Ostreus-, 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 333 


Divisa- und Disticha-Galle die regelmäßige Verholzung der Zeilulose- 
schicht kennen gelernt, und so sehr diese Tatsache auch den Gallen 
eigentümlich zu sein schien, hatte ich doch Gelegenheit, einmal bei der 
Untersuchung .des Griffels eine ganz ähnlich gebaute Epidermis zu 
finden, denn aus der Membran hob sich deutlich die Zelluloseschieht 
durch beginnende Verholzung heraus. Wenn diese auch niemals einen 
solchen Grad erreicht wie in der Galle und nie zur Regel wird — denn 
der Griffel stand schon im Begriff, sich von der Frucht zu lösen — 
80 sieht man aber doch, daß die Möglichkeit einer solchen Bildungs- 
‚abweichung in der Eiche vorhanden ist. 


Resultate, 


1. Der Beginn der Gallenbildung setzt erst ein, nachdem die Ei- 
haut von der Cynipidenlarve durchbrochen ist und eine Verletzung der 
pflanzlichen Epidermis stattgefunden hat. 

2. Die Larvenkammer wird nicht durch Umwallung des Eies vom 
umliegenden, sondern durch einen Lösungsvorgang im darunterliegenden 
Gewebe gebildet und erst 

3. in die so vorgebildete Kammer schlüpft die Larve aus der Ei- 
haut ein. 

4. Von jeder Cynipide muß eine spezifische Gallenwirkung aus- 
gehen, denn 

a) jede Galle führt: ihr eigentümliche Sklerenchymzellen; 
b) es wird kein sklerenehymatisches Element aus der Mutter- 
pflanze unverändert übernommen. 

5. Auch das gallentragende Organ der Mutterpflanze hat einen 
Einfluß auf die Gestaltung der Elemente in der Galle, denn die blatt- 
bürtigen Gallen führen in der Schutzschicht einseitig verdickte, die 
übrigen allseitig gleichmäßig verdickte Zellen. 


Es sei mir gestattet, auch an dieser Stelle meinem hochverehrten 
Lehrer, Herrn Geh. Reg-Rat Prof. Dr. L. Kny, aufriehtig zu danken. 
Zu ganz besonderem Danke bin ich aber Herrn Prof. Dr. W. Magnus 
verpflichtet, welcher während der längeren Beurlaubung des Direktors 
des pflanzenphysiologischen Instituts der Universität Berlin meiner 
‚Arbeit großes Interesse entgegenbrachte. 


334 F. Weidel, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte usw. 


Figurenerklärung zu Tafel XV. 


Fig. 1. Querschnitt durch eine mit einem Numismatis-Ei belegte Knospe. a Stich- 
kanal, 3 Ei im Teilungsstadium. Vergr. 50. 

Fig. 2. Schnitt durch Larve und Blatt mit den ersten Anzeichen der Gallenwirkung. 
Bei @ hat die Larve den Kieferapparat in die Epidermis des Blattes gedrückt. 
Vergr. 160. . 

Fig, 3. Bildung der Larvenkammer. « Larvenkammer, 5 Larve, c vergrößerte Epi- 
@ermiszellen der Blattoberseite, d der Blattunterseite, e Palisadenschicht, 
/ Subepidermalschicht der Blattunterseite. Vergr. 127. 

Fig. 4. Einsinken der Larve in die vorgebildete Larvenkammer. Vergr. 120. 

Fig. 5. Die Larve befindet sich vollständig in der Kammer. Vergr. 83. 

Fig. 6. Verschlaß der Larvenkammer durch das ehemalige Palisadengewebe. Vergr.88. 


U BNT. KAMFE, BUCHORUCKERE, JENA, 


Flori. Band 102. 


: Gustav Fischer nr 


Taf. XW. 


Flora.Band 102. 


vor. Gustav Fischer ır .!era 


Hannig. 


Flora Bd. 102. Tafel XV. 


Fig. 5. Fig. 6. 


Weidel. Verlag von Gustav Fischer in Jena. J. B. Obernetter, München. 


VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 


Ergebnisse und Fortschritte der Zoologie 


herausgegeben von 


Dr. J. W. Spengel, 


Professor der Zoologie in Gießen. 


Erster Band. Mit 121 Abbildungen im Text. 1909. Preis: 20 Mark. 

Heft ı: Valentin Haecker, Die Chromosomen als angenommene Vererbungs- 
träger. Mit 43 Abbildungen. — Richard Heymons, Die verschiedenen Formen der 
Insektenmetamorphose und ihre Bedeutung im Vergleich zur Metamorphose anderer Arthro- 
poden. Mit 7 Abbildungen. — Otto Maas, Die Scyphomedusen. 

Heft 2: H. F. Nierstraß, Die Amphineuren. Mit 22 Abbildungen, — Ulrich 
Gerhardt, Der gegenwärtige Stand der Kenntnisse von den Copulationsorganen der 
Wirbeltiere, insbesondere der Amnioten. Mit 16 Abbildungen. 

Heft 3: Siegfried Becher, Die Stammesgeschichte der Seewalzen. Mit ız 
Textfiguren. — Max Rauther, Morphologie und Verwandtschaftsbeziehungen der Nema- 
oden und einiger ihnen nahegestellier Vermalien. Mit zı Textliguren, 


Soeben wurde vollständig: 
Zweiter Band.‘ Mit 254 Abbildungen im Text. 1910. Preis: 20 Mark. 
Heft 1: J. B, Johnston, The Central Nervous System of Vertebrates. With 
103 Figures, 
Heft 2: E, A. Minchin, Sponge-Spicules. A summary of present knowledge. 
With 26 Figures, — Johannes Meisenheimer, Die Excretionsorgane der wirbeilosen 
Tiere. I. Protonephridien und typische Segmentalorgane. Mit 37 Figuren. 


Heft 3: H. F, Nierstraß, Die Amphineuren,. Mit 32 Figuren. —- Reinhard 
Demoli, Die Physiologie des Facettenauges. Mit 22 Figuren. 


Heft 4: Max Rauther, Die akzessorischen Amtuugsorgane der Knochenfische. 
Mit 34 Figuren. 


Jährlich_erscheint_etwa ein Band in zwanglosen Heften im Gesamtumfang 


von etwa 40 Druckbogen. 


Preis des Bandes: 20 Mark. 


Unter dem Titel „Ergebnisse und Fortschritte der Zoologie“ 
ist hier eine periodische Publikation ins Leben gerufen, deren Auf- 
gabe darin bestehen soll, aus der Feder bewährter Fachmänner 
Berichte zu liefern, die in zusammenhängender Darstellung ihren 
jeweiligen Gegenstand behandeln und von ihm eine dem gegen- 
wärtigen Stande der Forschung entsprechende Schilderung geben, 
die das Neue und für den Fortschritt der Erkenntnis Bedeutsame 
hervortreten läßt und auch den Nicht-Spezialisten sowie den Freunden 
der Zoologie zugänglich macht. Hierbei soll keine Richtung der 
Forschung vor der anderen bevorzugt werden, sondern es wird für 
die Gesamtheit der Berichte anzustreben sein, möglichst allen ihren 
Seiten gerecht zu werden. Die Aufsätze sollen in keiner Weise 
den Charakter der üblichen Jahresberichte mit Wiedergabe des In- 
halts der einzelnen Abhandlungen des verflossenen Jahres tragen, 
vielmehr über die Entwicklung und den Fortschritt der 
Zoologie in größeren, je nach Umständen verschieden zu 
bemessenden Zeiträumen Rechenschaft geben, wobei der 
Verfasser nicht als nüchterner Referent, sondern als selbst urteilender 
Darsteller seinen Stoff behandeln wird, erforderlichenfalls unterstützt 
durch Abbildungen in Gestalt von Textfiguren. 


VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 


Vor kurzem wurde vollständig: 


Archiv für Protistenkunde 


begründet von 


Dr. Fritz Schaudian 
herausgegeben von 


Dr. M. Hartmann und Dr. S. von Prowazek 
Rertin Hamburg. 


Zwansigster Band. 
Mit 19 Tafeln und 101 Textfiguren. 
1909;1910. Preis: 30 Mark. 


Inhaltsübersicht, 


Erstes Heft, 
Mit 7 'Iafeln und 9 Textfiguren. Preis: 10 Mark. 
Borgert, A, Kem- und Zellteilung bei marinen Ceratium-Arten. (Mit Tafel I—If.) 
Haase, Gertrud, Studien über Euglena sanguinea. (Mit Tafel IV--VL) 


Dogiel, Valentin, Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. IV. Callynthrochlamys phro- 
nimae Frenz. (Mit Tafel VII und 9 Textfiguren.) 


Zweites Heft, 
Mit 6 Tafeln und 50 Textfiguren. Preis: 9 Mark. 


Kasanzeff, W, Zur Kenntnis von Loxodes rostrum. (Mit Tafel VIII und 4 Textfig.) 

Teichmann, Ernst, Über das Gift der Sarkosporidien. (Mit 2 Texifiguren,) 

Stevens, N. M., The Chromosomes and Conjugation in Boveria subeylindrica, var. con- 
charum, (Mit 22 Textfiguren.) 

Sun, A., Über einen Parasiten aus der Körperhöhle von Prtychodera minutz. (Mit 
Tafel IX und 5 Textfiguren.) 

Mercier, L., Contribution & P&inde de ’Amibe de la Blatte (Entamoeba blaitae Bütschli.) 
(Mit Tafel X-——XH und 6 Textfiguren.) 

Broch, Hjalmar, Die Peredinium-Arten des Nordhafens (Val di Bora) bei Rovigno im 
Jahre 1909. (Mit Tafel XII und 11 Texıfiguren.) 


Drittes Heft. 
Mit 6 Tafeln und 42 Textfiguren, Preis: 11 Mark, 


Prowazek, 5. v., Studien zur Biologie der Protozoen. V. (Mit 7 Teztfiguren.) 

Faure-Fremiet, E., Le Mycterothriz tuamownensis (Trichorhynchus tuamotuensis; Bal- 
biani. {Mit Tafel XIV und 8 Textfiguren.) . 

Erdmann, Rb,, Kern und metachromatische Körper bei Sarkosporidien. {Mit Tafel XV 
und 6 Textfiguren.) 

Reichenow, Eduard, Haemogregarina stepanowi. Die Eutwicklungsgeschichte einer 
Haemogregarine. (Mit Tafel XVI--XIX und 8 Texifiguren.) 

Hartmann, Max und Carlos Chagas, Vorläufige Mitteilumgen über Untersuchungen 
an Schlangenhämogregarinen nebst Bemerkungen zu der vorstehenden Arbeit von 
E. Reichenow über Haemogregarina stepanowi. (Mit ız Textfiguren.) 

Hartmann, Max, Notiz über eine weitere Art der Schizogonie bei Schizotrypanum cruzi 
[Chagas]. (Mit s Texıfigur.) 


Das Archiv für Protistenkunde ist eıne rein wissenschaftliche Zeitschrift, die 
alle Zweige des sich immer mehr ausdehnenden Gebietes der Einzelligen in gleichmäßiger 
Weise berücksichtigt und daher den Zoologen und Botaniker, den Zell- und Gewebeforscher, 
den Anstomen und Physiologen, den Pathologen und Hygieniker in gleicher Weise angeht. 

Das Archiv für Protistenkunde bringt in erster Linie Originalunter- 
suchungen über alle Gruppen der Protophyten und Protozeen, von den Bakterien bis 
zu den Infusorien, soweit sie die Biologie dieser Organismen fördern, 

Um den Überblick über das Gebiet zu erleichtern und die Wechselbeziehungen 
zwischen den verschiedenen Zweigen der Protistenforschung zu pflegen, werden in einem 
reierierenden Teil zusammenfassende Übersichten und Literaturberichte von 
berufener Feder gegeben. 

Das Archiv für Protistenkunde erscheint in zwangiosen Heften; diese werden 
zu Bänden von je 45 Bogen bzw. entsprechenden Ausgleich von Tafeln vereinigt. 


Ant, Kämpfe, Buchdruckerei, Jana, 


FLORA 


ODER 


ALLGEMEINE BOTANISCHE 
ZEITUNG. 


FRÜHER HERAUSGEGEBEN 
VON DER 


KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. 


NEUE FOLGE. ZWEITER BAND. 
(DER GANZEN REIHE. 102. BAND) 
VIERTESHEFT. 


HERAUSGEBER: DR. K. GOEBEL 


PROFESSUR DER BOTANIK IN MÜNCHEN. 


MIT 18 ABBILDUNGEN IM TEXT. 


VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 
“ag. 


ERSCHIENEN AM 7. APRIL 1911. 


Inhaltsverzeiehnis. 


Seite 


HANNIG, E., Über die Bedeutung der Periplasmodien (III). Mit 3 Ab- 
dildungen im Test, oo een 335— 382 

SCHLUMBERGER, OTTO, Yewnilienmerkmale der Cyatleacsen und 
Polypodiseeen und die Beziehungen der Gattung Woodsia und 


verwandter Arten zu beiden Familien. Mit 15 Abbildungen 
im Te een nennt 38844 


Soeben erschien: 


FLORA 


oder 


Allgemeine Botanische Zeitung. 


Früher herausgegeben von der Kgl. Bayer. Botan. Gesellschaft 
in Regensburg. 


Herausgeber: Dr. K. Goebel, 


Prof, der Botanik in München. 


Gesamt-Register 
für die Bände 26-100. 


Bearbeitet von Christian Bay. 
Preis: 11 Mark. 


Dieses Gesanit-Register für 75 Bände der „Flora“ ist mehr als ein Hilfsmittel 
zum Gebrauch des Abonnenten; es besitzt vielmehr für jeden Botaniker den Wert eines 
Nachschlagebuches, eines Wegweisers bei seinen Arbeiten, eines — wenn man so sagen 
darf — andentungsweisen Abrisses botanischer Arbeit dreier Generationen. 


Flora (Botanische Zeitung) Register 1818-42 


Nachdem weben ein (zweiter) Registerhand über die Jahrgänge 26--100 
der „Flora“ erschienen ist. machen wir darauf aufmerksam, daß 


Allgemeines Sach- und Namen-Register 
zu den ersten 25 Jahrgängen der 
Flora 


oder Allgem. Botanische Zeitung von 1818-42 


von uns zu beziehen ist zum ermälligten Preise von 6 Mark statt 10.50 M. 

Dieser erste Registerband, bearbeitet von J. K. Hasskarl (Regensburg 
1851}, bildet einen starken Band von 884 Seiten und ist für die praktische Be- 
nutzung der „Flora“ unentbehrlich. 


R. Friedländer & Sohn, Berlin NW. 6, Karistraße 11. 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 
Von E, Hannig. 


. IN. 
Kritische Untersuchungen über das Vorkommen und die 
Bedeutung von Tapeten und Periplasmodien. 


(Mit 3 Abbildungen im Text.) 

An den beiden Beispielen von Equisetum und Azolla ist eine 
komplizierte formative Tätigkeit eines auf außergewöhnliche Weise ent- 
standenen Protoplasten nachgewiesen worden. Während im allgemeinen 
die Organisation des pflanzlichen Organismus darauf hinausläuft, daß 
seine gesamte Protoplasmamasse zum Zweck der Arbeitsteilung in 
einzelne durch Zellwände gegeneinander abgeschlossene Protoplasten 
zerfällt, wird bei den Tapeten von Equisetum und Azolla die angebahnte 
Trennung nach kurzem wieder gelöst. Zwischen den zahlreichen Proto- 
plastenindividuen schwinden die Zellwände und die einzelnen Plasma- 
körper verschmelzen zu einem einzigen neuen Individuum, einem Plas- 
modium, das mantelförmig das sporogene Gewebe umhüllt. Dieses ist 
somit, in seiner Weiterentwicklung, nicht wie das sonst bei allen anderen 
Zellen oder Gewebekomplexen der Fall ist, von anderen geschlossenen 
Zellen oder Geweben, sondern von einer Art flüssigen Gewebes ab- 
hängig. Schließlich isolieren sich die einzelnen sporenbildenden Zellen 
in der zähflüssigen Plasmamasse und nun beginnt die formative Tätig- 
keit der letzteren, die in doppelter Beziehung bemerkenswert ist: 1. weil 
die von ihr gebildeten Membranen von sehr auffälliger Struktur sind 
und 2. weil in diesem Fall nicht ein Protoplast für sich selbst eine 
schützende Hülle baut, sondern für zahlreiche andere gewissermaßen in 
ihm parasitierende Protoplasten. 

Der Vorgang der Periplasmodiumbildung und seine Beteiligung 
an dem Aufbau der Sporenmembran fällt so sehr aus dem Rahmen 
des gewöhnlichen Verhaltens der Zellen höherer Pflanzen heraus, daß 
das Bedürfnis entsteht, seine Verbreitung und Bedentung genauer zu 
untersuchen, Es wäre möglich, daß eine so auffällige Erscheinung phylo- 
genetische Beziehungen aufdeekt und es empfiehlt sich somit, die Peri- 
plasmodiumbildung von morphologisch-systematischen Gesichtspunkten 
aus genau zu untersuchen. 

Wir werden daher im folgenden 

1. das Vorkommen der Tapetenzellen (pag. 336—354), 

2. die Bildung der Periplasmodien (pag. 354--360), 


Flora, Bd. 102. 23 


8336 . E. Hannig, 


3. die Beziehung der Tapeten oder Periplasmodien zur Bildung 
der Sporenmembran (pag. 360—369); im Anschluß daran 
4. die (Sporen-)Membran der Embryosäcke (pag. 369—374) 
zu behandeln haben. 


1. Übersicht über das Vorkommen von Tapetenzellen. 


Typische Tapeten sind bei allen isosporen Farnpflanzen und sowohl 
in den Mikro- als in den Makrosporangien der heterosporen ansge- 
bildet (nur über die Hymenophplleen fehlen ausdrückliche Angaben; da. 
aber die Sporenentwieklung auch hier untersucht ist [H. Fischer 1881, 
Prantl 1881] und von einem Fehlen der Tapete nichts bemerkt ist, 
kann über das Vorhandensein einer Tapete kein Zweifel bestehen). 


In typischer Ausbildung sind sie ferner beschrieben worden für 
die Mikrosporangien der Oycadeen, Ginkgoaceen, Koniferen, Gnetaceen 
und Angiospermen, und hier so gleichmäßig und übersichtlich, daß nicht 
weiter auf sie eingegangen zu werden braucht. 


Schwer zu beantworten ist die Frage dagegen für die Makro- 
sporen der letztgenannten Pflanzengruppen. Hier hat sich die Be- 


zeichnung Tapete für tapetenähnliche Gewebe bis jetzt i in der Literatur 
nicht fest einbürgern können. 


Das hängt wohl hauptsächlich damit zusammen, daß die Tapete 
kein morphologisch scharf definierbares Gewebe ist. Ein solches ist es 
wenigstens nicht in dem Sinne, daß sich die Tapetenzellen aus einer 
bestimmten Gewebeschicht ableiten lassen, wie man ursprünglich ge- 
glaubt hatte (Warming, 1873). Nachdem sich diese Anschauung all- 
mählich als unhaltbar erwiesen hatte, blieb überbaupt keine scharfe ent- 
wieklungsgeschichtliche Definition mehr übrig. Die Tapetenzellen 
sfammen nicht von einem bestimmten Gewebe, sondern bald vom 
Archesporium, bald von der Sporangiumwand, bald auch von beiden 
Geweben und sind somit, abgesehen von ihrem Inhalt, nur durch ihre 
Lage charakterisiert als Hülle, die direkt an das sporogene Gewebe an- 
schließt und nach außen an die Sporangiumwand stößt. Goebel nennt 
Tapeten, ohne Rücksicht auf ihre Entstehung „Hüllzellen zwischen sporo- 
genem Zellkomplex und Sporangiumwand, von charakteristischem Aus- 
sehen“ (Organ. pag. 768). Das „charakteristische Aussehen“ erhalten die 
Zeilen dadurch, daß sie im Gegensatz zu den übrigen Zellen der Spor- 
augiumwand mit dichten protoplasmatischem Inhalt gefüllt sind, Be- 
zeichnend für die Tapeten ist aber, daß sie 1. direkt an das sporogene 
Gewebe angrenzen und 2, besonders inhaltsreich sind. 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 337 


Die Ausbildung der Tapeten steht in engem Zusammenhang mit 
ihrer biologischen Bedeutung. Die Tapeten werden stets im Verlaufe der 
Sporenentwicklung aufgebraucht, dienen also in irgend einer Weise zur Er- 
nährung der Sporen. Die typischen Sporen sind fast durchweg abgerundet 
und dabei stets mit einer derben kutinisierten Membran versehen. Die 
Bildung der Verzierungen und die Kutinisierung kann erst erfolgen, 
nachdem die jungen Sporen abgerundet sind, also erst, wenn sie 
sich aus dem Zellverband gelöst haben. Solange die Sporenanlage ein 
geschlossenes Gewebe mit zarten Membranen bildet, können die Nähr- 
stoffe von dem peripherischen Sporenaulagen per Diffusion an die zen- 
tralen weitergegeben werden; wenn aber zahlreiche isolierte Sporen 
vorhanden sind, muß jede einzelne in dem ernährenden Medium ein- 
gebettet sein. Das günstigste Einbettungsmedium ist wohl das von 
den Tapetenzellen gebildete Periplasmodium. Wo ein solches fehlt, 
wird statt dessen (von den Tapeten?) eine Flüssigkeit ausgeschieden, 
in der die Sporen schwimmen und aus der sie anscheinend ihre Nahrung 
geliefert erhalten. - 

Wie man sieht, steht die Funktion der Tapetenzellen in Zusammen- 
hang mit der Existenz der zahlreichen voneinander losgelösten, abge- 
rundeten Sporen. Solange — von den Farnen an aufwärts — mehrere 
freie Mikro- oder Makrosporen gebildet werden, sind daher auch ty- 
pische Tapeten vorhanden. " 

Das gilt in erster Linie für die Farnpflanzen selbst (eusporangiate 
und leptosporangiate Filices, Equisetaceen und Lycopodiaceen). Nach 
Aufschluß der Literatur finden sich überall (Hymenophylieen? s. pag. 67) 
Tapetenzellen, die in manchen Fällen scharf abgegrenzt ein- oder zwei- 
schichtig sind (Polypodiaceen usw.), in anderen eine unregelmäßige Um- 
hüllung bilden (Equisetum usw.). 

Dieselben Bedingungen wie bei den Farnpflanzen gelten dann weiter 
auch für die männlichen Sporen sämtlicher höherer Pflanzen, Cycadeen, 
Koniferen, Gnetaceen und Angiospermen. In den Sporangien entstehen 
zahlreiche Fortpflanzungszellen, die sich isolieren, absondern und mit 
derber Membran umgeben. Daher finden wir in allen Mikrosporangien 
der höheren Pflanzen eine typische Tapete. 

Anders liegen die Verhältnisse bei den Makrosporangien. Auch 
hier gibt es tapetenähnliche Gewebe; in der Literatur werden diese 
aber entweder gar nicht oder nur mit Einschränkung mit den typischen 
Tapeten verglichen. Eine Diskussion darüber, ob und inwieweit diese 
Bezeichnung berechtigt ist, findet sich nirgends, so daß wir auf 


diese Frage näher einzugehen genötigt sind. Die Funktion der Tapeten 
23* 


338 E. Hannig, 


hängt, wie oben ausgeführt, von dem Verhalten der Sporen, ihrer An- 
zahl und ihrem Zusammenhang mit dem Sporophyten ab. 

Schon bei Selaginella und Isoetes werden nur vier, bei den 
Hydropteriden nur eine Makrospore ausgebildet, obgleich bei Azolla 
z. B. noch 32, bei Salvinia acht Sporenmutterzelien (Heinricher [1882]), 
bei Marsilia 64 (Russow 1872, pag. 58), Pilularia 32—64 (Camp- 
bell 1893 und Meunier 1887), bei Selaginella 48 (Fitting 1900) 
und Isoetes 16 (Fitting) Sporen angelegt werden (bei Isoetes Duriaei 
werden in jeder Tetrade nur zwei Sporen reif [Fitting]). Bei den 
Gymnospermen beginnen oft noch vier oder mehr Embryosäcke sich 
stärker zu entwickeln, es bildet sich aber typisch nur eine zu einer 
Makrospore (Embryosack) aus (Coulter, Seed plants, pag. 161). Auch 
bei den Angiospermen wird nur noch eine Makrospore reif, 

Diese eine Spore bleibt im Gewebe eingeschlossen. Statt der 
zahlreichen voneinander losgelösten und abgerundeten Sporen, wie bei 
den älteren Archegonisten und den Antheren der Phanerogamen ist 
also nur noch eine Spore vorhanden, die sich nicht mehr aus dem 
Gewebeverbande loslöstt. Für diese Makrosporen wäre eine derbe 
Membran überflüssig und damit hängt es wohl auch zusammen, daß 
niemals mehr ein Plasmodium gebildet wird. 

Bei den typischen Tapetenzellen kommt nun als Funktion nicht, 
nur die Lieferung der Baustoffe für die Membran, sondern auch für 
den Inhalt der Sporen in Betracht. Denn die Sporen erfahren während 
ihrer Entwieklung, d. h. nach ihrer Isolierung, noch eine beträchtliche 
Vergrößerung, zu der die Tapeten einen Teil des Bau- und Betriebs- 
materials beisteuern müssen. In dem Maße, als die Abhängigkeit der 
Makrospore von dem Sporophyten zunimmt, ändert sich das Verhältnis 
von Sporenmembran und -inhalt. Die typischen Sporen keimen erst 
nach ihrer Befreiung von der Mutterpflanze, die Embryosäcke keimen auf 
der Mutterpflanze, ein wesentlich neues Moment gegenüber den Arche- 
goniaten, welches gerade die Frage der Ernährung betrifft. 

Streng genommen dürfte man als Tapeten nur diejenigen Ge- 
webe bezeichnen, die sich vor der Befruchtung an der Ernährung des 
Eimbryosacks beteiligen, da nur sie den typischen Tapeten homolog sind. 
Ungefähr würde das dann mit dem zusammentreffen, was Thomson 
(1905) primäre Tapete nennt, während die nach der Befruchtung 
funktionierenden Nährgewebe sekundäre Tapeten wären. Da keine 
Anzeichen darauf hindeuten, daß die Embryosackzelle von vornherein 
besonders mit Reservestoffen bedacht ist, müssen dem Embryosack für 
die Keimung, d.h. die Aushildung des Eiapparates, mehr Nährstoffe 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 339 


zugeführt werden, als dies bei den typischen freien Sporen nötig ist. 
Dazu kommt, daß die Embryosackzellen für allseitig eingeschlossene 
Zellen, eine ganz außergewöhnliche Größe erreichen, also wohl auch 
reichlichere Ernährung nötig haben. Schließlich sei auch hier gleich 
darauf hingewiesen, daß die Membranen der Embryosäcke noch sehr 
häufig stark verdickt und kutinisiert oder wenigstens kutinisiert sind. 
(s. unten pag. 105 ff), daß also auch in diesem Sinne die Verhältnisse 
noch ähnlich liegen wie bei den Archegoniaten bzw. Mikrosporangien 
der höheren Pflanzen. Es bleibt also eine reichliche Nahrungszufahr 
zu dem Embryosack nötig, nur hat sich das Verhältnis der Anteile, 
welche auf die Membran und auf den Inhalt entfallen, zugunsten des 
Inhaltes verschoben. Da die Embryosackzellen im Verhältnis zu ihrer 
Volumgröße eine besonders kleine Oberfläche haben, können sie auch 
besondere Einrichtungen zur Nabrungszufuhr gebrauchen. Es wäre 
daher wohl begreiflich, wenn im Laufe der phylogenetischen Entwick- 
lung die Einrichtung der Tapete, die sich am Scheidewege der Differen- 
zierung in Mikro- und Makrosporen bei den Mikrosporen ganz er- 
halten hat, auch bei den Makrosporen nicht vollständig verschwunden wäre. 

“ Eine Übersicht über das Verhalten der Makrosporen (Embryo- 
sack)-Hüllzellen zeigt nun folgendes: 

Unter den heterosporen Farnen sind, wie schon gesagt, noch 
überall typische Tapeten vorhanden, weil die Sporen in den Sporangien 
noch isoliert sind und später aus ihnen entleert werden (Hydropteriden, 
Selaginellen, Tsoetaceen.) 


Cycadeen. 


Bei Cycas besteht nach Thomson (1905, pag. 11.ff) die Tapete 
beim Beginn der Endospermbildung aus einer einfachen Schicht großer 
kubischer Zellen, die gleichmäßig den ganzen Embryosack umgibt. Die 
Zellen sind mit großen Amylodextrinkörnern angefüllt, während in den 
-Nuzellus- und Integumentzellen kleine Stärkekörner enthalten sind. 
Später verschwindet das Amylodextrin und die Tapetenzellen führen 
homogenes dichtes Plasma. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß 
alle Tapetenzellmembranen, wie die Embryosackmembranen kutinisiert 
sind (Gelbbraunfärbung mit. Chlorzinkjod), während die übrigen Zellen 
des Nuzellus Zellulosemembranen besitzen. 

Bei Stangeria, wo die Tapete nach Lang (1900, pag. 287) von 
dem sporogenen Gewebe abstamınt, ist sie einschichtig, nach Thomson 
(1905, pag. 15) in der Jugend mehrschichtig, nach innen und außen 
scharf abgegrenzt. Die Zellen sind sehr groß, stehen mit ihrer 


340 E. Hannig, 


Längsachse senkrecht auf der Oberfläche des Embryosacks und ent- 
halten oft zwei Kerne. Die Membranen der älteren Tapetenzellen sind 
nach Lang verhältnismäßig diek und kutinisiert, während die übrigen 
Zellen des Nuzellus aus Zellulose bestehen und diünnwandig sind. 
Nieht befruchtete Ovula behalten ihr mehrschiehtiges Tapetum, ein 
Zeichen dafür, daß die Tapetenzellen als Nahrung bei der Prothallium- 
bildung dienen (Lang, l. e, Thomson, 1905). 

Dioon ist von Chamberlain (1906) ausführlich untersucht worden. 
Chamberlain nennt die Nährschicht um den Embryosack „jacket“ 
und spricht sich erst am Ende seiner Beschreibung der jacket cells 
dahin aus, daß diese physiologisch und morphologisch den Tapeten um 
die sporogenen Zellen der Mikrosporangien entsprechen. Jugendzustände 
hat Chamberlain nicht untersuchen können. Aus dem Bau der fertigen 
Tapete scheint aber hervorzugehen, daß diese von vornherein einschichtig 
ist (mit vereinzelten periklinen Querwänden) und nicht wie bei Cycas 
und Stangeria erst im reifen Zustand. Die Tapete ist auch gegen 
das Nuzellusgewebe scharf abgegrenzt und besteht aus sehr großen 
Zellen, die, soweit sie nicht geteilt sind, mit ihrer Längsachse senk- 
recht auf der Embryosaekoberfläche stehen. -—— Der Inhalt: der Tapeten- 
zellen ist insofern bemerkenswert, als die Kerne besonders groß, aber 
auffallend arm an Chromatin sind. Sie enthalten reichlich Protoplasma 
und darin dieselben Amylodextrinkörner, die Thomson für Cycas be- 
schrieben hat. — Die Membranen der Tapete sind wieder kutinisiert, 
während das Endosperm- und Nuzellusgewebe nur Zellulosemembranen 
aufweisen; Tüpfel — wie in dem archegonial jacket — fehlen. 

Encephalartos ist bisher nicht untersucht. 

Zamia besitzt (Thomson, 1. c. pag. 19) eine ähnliche Tapete wie 
Cycas und Stangeria, die gleichmäßig das ganze Ovulum umschließt 
und „in verschiedenen Entwicklungstadien verschieden dick ist“. Coulter 
und Chamberlain (1910, pag. 127) verglichen sie mit dem „spongy 
tissue“ der Koniferen. Die Zellen enthalten einige Amylodextrinkörner, 
sind einkernig und besitzen kutikularisierte Membranen. 

Über die Tapete von Ceratozamia ist nichts bekannt, da Treub 
sie bei seinen Untersuchungen (1885) nicht berücksichtigt hat. 


. Ginkgoaceen. 

Bei Ginkgo ist sicher ein Tapetum vorhanden, Zweifel bestehen 
nur darüber, wie weit sich diese Tapete erstreckt. Sprecher be- 
zeichnet (1907, pag. 113) ein vier- bis sechssehichtiges Gewebe, in dem 
der Embryosack sich differenziert, als sporogenes Gewebe und nennt 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 341 


nur die nach außen hin folgenden, auffallend inhaltsreichen Schichten 
„tissue nutritive* oder „Tapete“, Carruthers dagegen (1907, pag. 117/18) 
läßt die Möglichkeit offen, daß das zentrale Nachbargewebe der Em- 
bryosackmutterzelle nicht das sporogene Gewebe bedeutet, sondern 
zur Tapete gehört. Sichere Beweise können für keine der beiden 
Ansichten erbracht werden. Daß aber das sog. sporogene Gewebe 
sehr wohl zur Tapete gehören könnte, dafür läßt sich als gewichtiger 
“ Grund die Tatsache anführen, daß seine Zellen eine starke Kern- 
fragmentation aufweisen. Fast in jeder Zelle sind zwei, häufig drei 
oder vier Kerne vorhanden, Da für die Tapetenzellen — soweit sie 
kein Plasmodium bilden — die Kernfragmentation geradezu typisch ist, 
kann auf dieses Argument wohl ein gewisses Gewicht gelegt werden, 
zumal die Abstammung der Tapetenzellen auch in den typischen Fällen 
schwankt und teils auf das Archespor, teils auf die Wandzellen zurück- 
geführt werden muß. — Auf jeden Fall ist das außerhalb dieses zweifel- 
haften Gewebekomplexes gelegene Gewebe so scharf als Nährgewebe 
differenziert, daß man zum mindesten dieses als Tapete bezeichnen muß. 


Koniferen. 


Bei den Koniferen hat schon Goebel (1881) mehrfach für die 
Hüllzellen, die eine Spore oder einen mehrzelligen sporogenen Komplex 
umkleiden, den Ausdruck „Tapete“ verwendet. Daun hat vor allem 
Thomson systematisch neben den Membranen die „Tapete“ mitberück- 
sichtigt. Nach diesen Untersuchungen ist jedenfalls nicht bei allen 
Koniferen die Tapete scharf differenziert. Wir sind wohl berechtigt, 
darin eine Übergangsstufe zu dem Verhalten bei den Angiospermen 
zu sehen, bei denen die Tapete überhaupt nur noch schwer nachzuweisen ist. 

Wir geben hier eine kurze Übersicht über die diesbezügliche 
Literatur der Koniferen: 


Taxaceae. Cephalotaxus besitzt nach Lawson (1907) keine deut- 
liche Tapete. Bei Torreya ist nach Thomson die Tapete ebenfalls nicht 
scharf differenziert, mehrkernige Zellen und verkorkte Wände sind nicht 
vorhanden. Die Hülle um den Embryosack ist trotzdem tapetenarfig 
ausgebildet, da sie große Zellkerne enthält und ihre Zellen dicht mit 
Stärke gefüllt sind. Auch bei Taxus fehlt in jedem Entwieklungs- 
stadium {nach Thomson, pag. 45) eine Tapete, die angrenzenden 
Nuzelluszellen sind höchstens durch Plasmareichtum ausgezeichnet Jäger 
1899). Dagegen kommt ein „spongy tissue“ bei Phyllocladus (Young 
1910), Podocarpus (Coker 1902), Daerydium (Young 1910) und Saxe- 
gothaea (Noren 1908) vor. 


343 E. Hannig, 


Araucarieae. Bei Agathis fand Thomson (pag. 25) um den 
Embryosack Gruppen von Zellen, die sehr reich an Stärke und Plasma 
sind. Diese Zellen müssen als Tapete bezeichnet werden. Sie unter- 
scheiden sich von den Tapeten bei Cyeas und Ginkgo nach Thomson 
dadurch, daß ihre Zellen einkernig, ihre Membranen nicht kutikularisiert, 
die Grenze nach außen hin nicht scharf gezogen ist und schließlich 
dadurch, daß sie sicher vom Nuzellus (Thomson nennt sie deshalb 
sekundäre Tapete) und nicht vom sporogenen Gewebe wie bei Oyeas 
(primäre Tapete, pag. 27) abstammen. 

Die Verhältnisse bei Araucaria sind von Thomson nur kurz 
angedeutet. Nach seinen Angaben soll die Tapete nur an der Basis 
des Embryosacks ausgebildet sein, aber wie sonst bei den typischen 
Koniferentapeten kutinisierte Membranen haben. Diese Ausbildungs- 
weise ist deshalb bemerkenswert, weil bei Agathis die Tapete keine 
gleichförmige Hülle um den Embryosack bildet, man also allen Grund 
hat, das lokalisierte Nährgewebe von Araucaria und die typische Tapete 
von Agathis homolog zu setzen. Damit ist dann auch ein Übergangs- 
glied zu den lokalisierten Nährgeweben der Angiospermen festgestellt. 


Abietinae. Für die Abietineen läßt sich aus der Literatur kein 
klares Urteil über die Verhältnisse der Tapetenzellen gewinnen. " 

Coulter und Chamberlain scheinen anzunehmen, daß keine 
Tapete ausgebildet wird, obwohl sie ein ähnliches Gewebe beschreiben. 
Es ist (bei Pinus Laricio) eine scharf begrenzte Schicht von zwei bis 
vier Zellen Breite, die sie „spongy tissue“ nennen. Nach Beendigung 
der Endospermbildung wird es in zwei Zonen differenziert, eine äußere 
Schicht tafelförmiger, fast leerer Zellen und eine innere Schicht poly- 
gonaler Zellen mit dichtem Inhalt. „It is this appearenee, which has 
sometimes led to the impression, that a difinite tapetum surrounds a 
sporogenous mass“ (C. und Ch., Seed plants, pag. 81). Strasburger 
dagegen (1879) nennt bei Larix die von dem Archespor nach außen ab- 
geschiedene Zelle „Tapetenzelle“. Thomson bezeichnet bei Pinus resi- 
nosa, Pinus strobus, Pinus silvestris und Pinus austriaca, ferner bei 
Larix Europaea, Larix Americana und Abies balsamea offenbar dieselben 
Gewebe unbedenklich als Tapeten. In der zweiten Auflage ihres Gymno- 
spermenbuches (1910) haben Coulter und Chamberlain sich eben- 
falls direkt für das Vorhandensein einer Tapete ausgesprochen, indem 
sie in dem „spongy tissue“ drei Zonen unterscheiden: 1. eine Tapeten- 
zone, bestehend aus großen Drüsenzellen, die besonders zurzeit der 
Endospermbildung aktiv tätig sind, 2. eine Zone, die aus tafelförmigen, 


Über die Bedentung der Periplasmodien. 343 


zuletzt zerfallenden Zellen besteht und 3. eine Zone mit sehr stärke- 
reichen Zellen. In einigen Fällen umhüllt diese Tapete den Embryo- 
sack ziemlich gleichmäßig (Pinus Strobus [Ferguson 1904], Larix Ameri- 
cana), in anderen wird sie, ebenso wie die Embryosackmembran, nach 
der Mikropyle zu mehr oder weniger stark abgeschwächt. Für die 
Tapetennatur dieser Zellen spricht aber unbedingt die häufig beob- 
‚achtete Mehrkernigkeit, die Kutinisierung der Membranen und die all- 
mähliche Resorption. 


Taxodieae. Für die Taxodieae werden Tapeten beschrieben von 
Thomson für Sciadopitys (Tapete an der Basis des Embryosackes 
stärker ausgebildet, Membran mit Chlorzinkjod gelb) für Cunninghamia 
von Arnoldi. Schwach ausgebildet und jedenfalls früh zerstört wird die 
Tapete nach Shaws (1896), Lawson (1904) und Thomson bei Sequoia 
sempervirens und Sequioia gigantea und ebenso bei Cryptomeria 
“Thomson, Lawson). Eine scharf differenzierte Tapete findet sich 
dagegen bei Taxodium (Coker 1908, Arnoldi), nämlich große stärke- 
führende Zellen, anfangs zwei- bis dreischichtig, an der Basis bis fünf 
Zellen dick, die schon vor der Prothalliumbildung nur noch einschichtig 
sind und schließlich von dem reifenden Prothallium ganz aufgebraucht 
werden. Die Membranen scheinen nach Thomson etwas kutinisiert zu 
sein (pag. 38). 


Cupressineen. Bei den Cupressineen sind die Tapeten im all- 
gemeinen weniger entwickelt wie bei den Abietineen. Der sporogene 
Komplex ist bei Callitris von tafelförmigen, plasmareichen Zellen um- 
geben, die wir als Tapeten bezeichnen dürfen (Goebel 1881). Libo- 
sedrus hat nach Lawson (1907) ein deutliches aber wenig entwickeltes 
Tapetum. Bei Thuja und Biota sind (Thomson) nur Spuren einer 
Tapete aufzufinden, Für Cupressus gibt wieder Goebel tafelförmige 
Tapetenzellen an (1881), Chamaeeyparis besitzt nur eine wenig ent- 
wickelte Tapete (Thomson, pag. 40). Juniperus schließlich zeigt in 
jungen Entwicklungsstadiem große, oft zweikernige Tapetenzellen, die 
nicht scharf abgegrenzt sind und dünne mit Chlorzinkjod gelb färbbare 
Membranen besitzen, (Thomson, pag. 40 bei Juniperus sabina). Nach 
Nor&n (1907) und Ottley (1909) wird bei Juniperus communis und 
Juniperus virginiana eine einschichtige, großzellige und scharf ab- 
gegrenzte typische Tapete gebildet (nur für J. communis abgebildet), 
deren Zellen oft zweikernig sind. 


344 E. Hannig, 


Gnetaceen. 


Bei Ephedra ist in etwas älteren Stadien keine Tapete mehr 
zu sehen, es ist nur noch eine Hülle von zerdrückten Zellen in dem 
Embryosack vorhanden. Während der Entwieklung des Embryosacks. 
ist dieser nach Jaccard (1894, pag. 14) von tafelförmigen Zellen um- 
geben, „dont le eontenu lui a fourni sans doute les aliments que 
ndcessite son rapide accroissement“. 


Welwitschia ist nicht genauer untersucht. Aus der Abbildung 


bei Thomson scheint aber hervorzugehen, daß eine typische Tapete - 
ausgebildet wird. 


Besonders beachtenswert, vor allem zur Beurteilung der Ver- 
hältnisse bei den Angiospermen, ist Gnetum Gnemon. Hier ist der 
Embryosack nicht von einer 'Tapete umhüllt, sondern es ist nur an 
seiner Basis in der Region der Chalaza ein „Pflastergewebe“ oder 
„Drüsengewebe“ (Coulter) ausgebildet, das durch besonderen Inhalts- 
reichtum ausgezeichnet ist und bei der Vergrößerung des Embryosacks 
nach der Befruchtung absorbiert wird, also zweifellos ein Nährgewebe 
darstellt. Coulter benützt und erwähnt die Bezeichnung Tapete nicht. 
Nach dem ganzen Verhalten der bisher beschriebenen Gymnospermen 
müssen wir aber dieses lokalisierte Nährgewebe als umgewandelte 
Tapete betrachten. Bei einer großen Anzahl von Gymnospermen hatte 
sich schon die Tendenz geltend gemacht, die Tapete hauptsächlich an dem 
Chalazaende des Embryosacks stark zu entwickeln (Abietineae usw.). 
Guetum muß danach als eine Gymnosperme aufgefaßt werden, bei der 
der ganze apikale Teil des Nährgewebemantels um den Embryosack 
nicht mehr ausgebildet ist, der untere dagegen sich um so schärfer 
der Funktion der Nahrungszuleitung angepaßt hat. Die Ausbildung 
einer solchen Polarität ist gegenüber den in ein Periplasmodium einge- 
hüllten Sporn leicht zu begreifen, da der Embryosack die Nahrung 
durch Vermittlung des Funiculus von der Seite der Chalaza her emp- 
Zängt und überhaupt das ganze Ovulum (Chalaza, Mikropyle) polar 


gebaut, ist, während die Mikrosporangien nach allen Seiten hin gleiche 
Entwicklung zeigen. 


Angiospermen. 

Wenn wir somit bei den Gymnospermen-Embryosäcken fast durch- 
weg noch Tapeten antreffen, dann ist anzunehmen, daß auch bei den 
Angiospermen zum mindesten noch Reste dieser Organe nachweisbar 
sein werden. Bei den Gymnospermen ist an Stelle der freien 
Makrospore eine enorm große und schnellwachsende Zelle getreten, 


Über die Bedeutang der Periplasmodien. 345 


der Eimbryosack, zu dessen Ernährung die Tapete dient. In dieser 
Beziehung hat sich auf der höchsten Entwicklungsstufe des Pflanzen- 
reiches bei den Angiospermen nichts wesentliches geändert. Gerade 
in bezug auf die außergewöhnliche Größe und das schnelle Wachstum 
dieser Sexualzellen stimmen Gymnospermen und Angiospermen überein, 
Dagegen tritt ein wesentlicher Unterschied in der Ausbildung der 
Embryosackmembran hervor. Bei den Gymnospermen ist diese 
Membran noch sehr stark entwickelt und kutinisiert, bei den Angio- 
spermen ist sie zwar auch oft noch kutinisiert, aber — abgesehen 
. von extremen Anpassungsfällen wie Loranthuıs uws. — nicht mehr 
verdickt. Bei den Gymnospermen zeigte sich übrigens schon ein auf- 
fallender Zusammenhang zwischen Ausbildung der Tapeten und der 
Sporenmembranen: wo die Membran schwächer entwickelt war, trat 
auch die Tapete stark zurück. 

Es ist darnach direkt zu erwarten, daß bei den Angiospermen 
überhaupt keine deutliche Tapete mehr vorkommt, und das ist auch 
tatsächlich der Fall. Leider ist in der Literatur eine irreführende 
Ausdrucksweise eingeführt worden, die zu der Meinung verleiten könnte, 
daß sogar sehr scharf differenzierte Tapeten in weiter Verbreitung 
vorhanden wären. Es sind das die schon lange bekannten Hüllen 
um die Embryosäcke der weisten Sympetalen, die ausführlich von 
Warming (1878), Vesque (1879), Goebel (1882), Hegelmaier (1889), 
Westermaier (1890), Chamberlain (1895), Goldfluß (1898/99), 
Balicka-Iwanowska (1899, Lang (1901) und Billings (1901), 
beschrieben worden sind. Hegelmaier nannte diese Hüllschicht Endo- 
dermis, Schwere (1896), Endothel, Goebel und nach diesem 
Goldfliuß Epithel Chamberlain jedoch bezeichnet sie als Tapete 
(„Its appearance and function ist that of a tapetum, and there seemes 
to be no good reason why it should not receive the name“), ebenso 
Balicka-Jwanowska, Lang und Billings. Billings bemerkt zur 
Begründung: „Der Ausdruck „tapetum“, wie er in dieser Abhandlung 
gebraucht wird, bezieht sich auf die regelmäßig angeordnete Lage von 
Epithelzellen, die den Embryosack umschließt und dazu dient, Nahrungs- 
material durch Auflösung und Absorption von dem umgebenden Inte- 
gument zu gewinnen, ohne Rücksicht auf ihre Entstehung aus 
dem Nuzellus oder dem Integument“ (Billings 1901, pag. 25). 
Der Ausdruck Tapete ist aber in diesem Falle vollständig unberechtigt. 
Die Tapete ist ursprünglich — bei den Farnpflanzen — ein Organ, das, 
wie oben erwähnt, aus einer Gewebeschicht des Sporangiums entsteht, 
die zwischen dem sporogenen Gewebe und der Sporangiumwand liegt. 


346 E. Hannig, 


Wenn der Ursprung dieses Gewebes auch insofern wechseln kann, als 
es bald vom Archespor, bald von dem Sporangiumwandgewebe oder 
auch von beiden abzuleiten ist, dann beweist das nur, daß morpho- 
logisch das Wesentliche an diesem Gewebe seine Lage zwischen 
Sporangiumwand und sporogenem Gewebe ist und nicht seine Ab- 
stammung von einem. bestimmten Zellkomplex. Es scheint mir auch die 
natürlichste Auffassung der Gewebedifferenzierung, wenn man annimmt, 
daß von dem Gewebe, welches die Determination zum sporogenen 
Gewebe in sich trägt, der Reiz zur Differenzierung des Tapetengewebes 
ausgeht, zumal, wenn man bedenkt, daß der Umfang des sporogenen 
Gewebes sehr oft Schwankungen unterworfen ist. Das sprechen auch 
Coulter und Chamberlain aus (I. c, pag. 37), wenn sie sagen, daß man 
nach dem, was bisher bekannt geworden ist, schließen dürfe, daß alle 
sterilen Zeilen, die mit dem sporogenen Gewebe in Berührung kommen, 
die Funktion von Tapetenzellen übernehmen. 

Die Annahme, daß das Tapetum nur dann morphologischen Wert 
besäße, wenn es von einem bestimmten Gewebekomplex gebildet würde, 
läßt den Differenzierungsvorgängen nicht den nötigen Spielraum und 
ist deshalb für ein Gewebe von bestimmter physiologischer Funktion 
nieht zulässig. Sie stammt aus der Periode der rein anatomisch-morpho- 
logischen Zellableitungsuntersuchungen, die auf die Funktion wenig 
Rücksicht nahm und hat sich im Laufe der Zeit als unbrauchbar er- 
wiesen. Auch Gefäßbündel, Wurzelhaare, Spaltöffnungen usw. entstehen 
im allgemeinen nicht aus bestimmten Zellen und haben trotzdem einen 
bestimmten morphologischen Wert. Die Definition der Tapete wäre 
danach eine topographische und zugleich physiologische und würde 
lauten: Die Tapete ist ein Nährgewebe für das sporogene Gewebe, das 
zwischen diesem und der Sporangiumwand eingeschaltet ist, eine Defi- 
nition, die in ihrem Charakter etwa mit derjenigen des Markes oder 
der Rinde übereinstimmt. Daß das Nährgewebe dem Sporangium und 
somit dem Nuzellus selbst angehören muß, ist darnach selbstverständlich. 
Die sog, „Tapeten“ der Sympetalen gehören nun aber alle dem Inte- 
gument an, denn der Nuzellus bildet ursprünglich nur einen einschich- 
tigen Mantel um den Embryosack, der sehr früh resorbiert wird, so 
daß die nackte Embryozelle direkt von dem Integument eingehüllt ist. 
Die an den Embryosack grenzenden Epidermispartien bilden sich dann 
zu dem bekannten Epithel aus, das zwar die Funktion der Tapete über- 
nimmt, aber morphologisch nicht mit dieser vergleichbar ist, das man 


also ebensowenig Tapete nennen darf, wie man einen etwa assimilieren- 
den Stengel als Blatt bezeichnet. 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 347. 


Wie es nun mit der Tapete bei den Angiospermen steht, läßt sich 
am besten an der Hand eines historischen Überblicks über die dies- 
bezüglichen Auffassungen darlegen. Der Ausdruck „Tapete“, der 
zuerst von Warming (1873) für die Antherengewebe angewendet 
worden war, wurde von Warming selbst noch nicht ausdrücklich auf 
das Ovulum übertragen; Strasburgers Bezugnahme (1879, pag. 5) und 
ebenso A. Fischer’s (pag. 92) auf Warming (1877, pag. 220) beruht 
auf einem Irrtum. Aus Warming’s Ausführungen in seiner klassischen 
Arbeit, „de l’ovule“ und fast noch schärfer in seiner kurzen Mitteilung 
in der Botanischen Zeitung (1874) geht zwar hervor, daß er die Zellen, 
die zwischen der Embryosaekmutterzellen und der Epidermis eingeschaltet 
werden, mit der Tapete der Antheren vergleicht; aber das Wort Tapete. 
wendet er nirgends an (abgesehen von einem Falle, 1873, pag. 18: bei 
den „Epithel“zellen der Sympethalen schreibt er „un döveloppement 
partieulier en forme de tapis)“ Ganz allgemein wurde der Ausdruck 
dann von Strasburger (1879, pag. 5 usw.) wie gesagt, unter Be- 
rufung auf Warming, eingeführt und angewendet. Die Zellen, die 
Strasburger als Tapetenzellen bezeichnet, sind aber, ganz im Sinne 
Warming’s, nur der engbegrenzte Komplex von Zellen, die von der sub- 
epidermalen Schwesterzelle der Embryosackmutterzelle abgeteilt werden; 
die Tapetenzellen des Embryosackes würden also nach Warming und 
ebenso nach Strasburger (1879, pag. 5, 12, 13, 14 für Dicotylen, 
pag. 17, 18, 19 und 23 für Monoceotylen) nur einen schmalen Gewebe- 
pfropfen bilden, der zwischen dem apikalen Ende des Embryosacks 
und der Epidermis eingekeilt ist. Diese streng histologische Auffassung 
hat sich so lange gehalten, bis an ihre Stelle für die Autheren die 
wesentlich physiologische Definition trat, daß die Tapete eine Nähr- 
gewebehülle um den sporogenen Komplex sei (Goebel, 1881, pag. 719 
und alle neueren Autoren). Die erste Auffassung läßt sich nun mit 
der Ernährungsfunktion insofern nicht klar in Einklang bringen, als 
bei der Entwicklung des Embryosackes stets nicht nur die Tapeten im 
Sinne Strasburger’s, sondern auch eine Hüllschicht um den Embryo- 
sack, die sich an jene „Tapeten“ anschließt, durch Plasma und Kohlen- 
hydratgehalt besonders ausgezeichnet sind und zur Auflösung kommen. 
Die angeführte Goebel’sche Definition ist phylogenetisch nicht ohne 
weiteres verwertbar, da sie eine rein physiologische is, An anderer 
Stelle (Goebel, Phys.-med. Ges, Würzburg 1880, Bd. XVI, pag. 9) 
hebt Goebel hervor, daß die Tapetenzellbildung auch bei den Samen- 
knospen der Angiospermen nicht auf die Abgabe einiger Tapeten- 
zellen vom Archespor nach oben (der Spitze des Eikerns zu) beschränkt 


348 E. Hannig, 


ist. Die Embryosäcke von Alisma Plantago z. B. sind von einer Schicht 
sehr scharf abgegrenzter Tapetenzellen umhüllt, die vom umliegenden 
Gewebe stammen. Nun ist aber offenbar die Auffassung Warming's 
und Strasburger's unvoliständig, da sie den Vergleich mit der Tapete 
der Antheren nicht zu Ende führt. Auch bei diesen beginnt die 
Tapetenbildung mit einen eng begrenzten Komplex zwischen der sub- 
epidermalen Schwesterzelle des Archespors und der Epidermis, sie 
bleibt aber nicht auf diesen Bezirk beschränkt, sondern schließt sich, 
von da aus fortschreitend, zu einer Hülle zusammen, welche den sporo- 
genen Komplex allseitig umfaßt. Ganz ebenso liegen meiner Ansicht 
nach die Verhältnisse bei dem Embryosack der Dialypetalen und Mono- 
<otyien. Der Zellkomplex, den Strasburger als Tapete bezeichnet, 
bildet nur den Ausgangspunkt dieser Hülle. Von da greift die Bildung 
der Nährschicht weiter um sich und umhüllt schließlich den ganzen 
Embryosack. Voraussetzung für diese Auffassung ist, daß die an die 
„Tapete“ im Sinne Strasburger’s anschließenden Hüllzellen histo- 
logisch und physiologisch mit diesen Tapetenzellen übereinstimmen. 
Da in der Literatur bisher dieser Punkt nicht berücksichtigt ist, läßt 
sich auch noch keine Verallgemeinerung aussprechen. Wie bei dem 
typischen Tapetum werden auch hier die Tapetenzellen während der 
Entwicklung der Makrospore — nicht erst während der Entwicklung 
des Embryos (Sporophyten) — verbraucht. Zweifellos aber sind die 
Tapetenzellen nieht mehr so scharf differenziert, wie noch bei den 
Gpmnospermen. Bilder wie das vom Embryosack von Capsella bei 
Coulter und Chamberlain (l. e. Fig. 89, pag. 97) zeigen, daß die Tapeten- 
zellen immerhin noch hinreichend deutlich gegen das übrige Nuzellus- 
gewebe abgesetzt sind; sie sind bedeutend größer, haben viel größere 
Zellkerne, enthalten reichliches Protoplasma und große Stärkekörner. 
Es ist zu erwarten, daß, wenn bei weiteren Untersuchungen der Nuzellus- 
entwicklung auf diesen Punkt genau geachtet wird, sich auch bei den 
Dialypetalen und den Monoeotylen eine weitere Verbreitung der Tapete 
nachweisen lassen wird. Beispiele von Tapetenbildung in dem engeren 
Sinne der Strasburger’schen Auffassung finden sich bei Alfred 
Fischer (1880) für eine Anzahl Mosocotylen und Choripetalen. 

Bei den Sympetalen dagegen wird man im allgemeinen nicht 
anehr von Tapete sprechen können. Hier besteht der ganze Nuzellus 
zur Zeit der Embryosackanlage nur aus den Embryosacktetraden und 
der Epidermis, weiche diese Tetraden direkt umhüllt. Noch während 
des Reifungsvorganges des Embryosacks wird auch die Epidermis des 
Nuzeilus absorbiert, so daß der Embryosack direkt von dem: Integument 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 349 


eingeschlossen ist. Funktionell vertritt hier, könnte man sagen, die 
Nuzellusepidermis vorübergehend die Tapete, morphologisch ist sie dieser 
‚aber keinesfalls homolog. Sie wird übrigens, wie schon oben hervor- 
gehoben, sogleich durch das „Epithel“ des Integumentes ersetzt, das ja 
dann auch den Eindruck einer Tapete macht und tatsächlich in letzter 
Zeit meist so genannt wurde. Goebel gebraucht in seiner Organo- 
graphie nicht den Ausdruck Tapete, sondern Epithel. 

Ob die eigentliche Tapete bei allen Sympetalen fehlt, wäre erst, 
‚durch weitere Untersuchungen festzustellen. 

Es scheint nun nach den Angaben Strasburger’s und anderen 
Untersuchungen, daß im allgemeinen bei den Monokotylen die Aus- 
bildung der Tapete bedeutend geringer ist wie bei den Choripetalen. 
Die Reihenfolge der großen Angiospermenabteilungen wäre alo nach. der 
Ausbildung der Tapete folgende: Dialypetalen, Monokotylen, Syınpetalen. 
Hier scheint, daß man darin eine Bestätigung der zuletzt von Woett- 
stein (Systemat. Bot., Bd. II, pag. 193) ausführlicher begründeten phylo- 
genetischen Theorie sehen kann, nach der die Monokotylen sich 
früh von den Choripetalen abgezweigt haben, und die Sym- 
petalen die jüngste Abteilung bilden. 


Moose. 


Die vergleichende Darstellung hat gezeigt, daß sich die Tapeien- 
bildung von den isosporen Filizinen über die heterosporen aufwärts 
bis zu den Antheren und Embryosäcken der Angiospermen verfolgen 
läßt. Wenn aber ein Organ so durchgehend von den Farnen an bis 
zu den jüngsten Formen auftritt, dann muß man sich fragen, ob es 
nicht auch schon bei den Vorläufern der Farne, bei den niedersten 
‚Arehegoniaten, d. h. bei den Moosen vorhanden ist. 

Die Frage ist, soviel ich sehe, in der Literatur bisher nicht diskutiert 
worden, und der Ausdruck Tapete hat auch nirgends Verwendung gefunden. 
Nur Goebel legt sich (1886, pag. 569) die Frage vor, ob auch bei den 
Bryinen Archespor und Tapete vorkommen, spricht aber nachher nur 
noch von dem Archespor ohne die Frage der Tapete weiter zu verfolgen. 
Es ist klar, daß als Homologon für die Tapete — wenn wir zunächst die 
Laubmoose ins Auge fassen — nur der sogenannte Sporensack in Be- 
tracht kommen kann. Es wäre wieder zu untersuchen, ob dieser Sporen- 
sack histologisch und physiologisch der Tapete der Farnpflanze ent- 
spricht. Über die Zellteilungsvorgänge an sich sind wir nun durch eine 
Reihe sehr sorgfältiger Arbeiten von Lantzius Beninga (1850), 
Leitgeb (1874—1882), Kienitz-Gerloff (1874) u. a. genau unterrichtet, 


350 E. Hannig, 


auf den Inhalt und dessen Zusammenhang mit der Ernährung der Sporen 
ist aber bei dem damaligen vorwiegenden Interesse für rein histologische 
Zusammenhänge wenig geachtet worden. Nur Goebel führt an (1881), 
daß die Zellen des äußeren und inneren Sporensacks durch Inhalts- 
reichtum ausgezeichnet sind und die Aufgabe haben, die Nährstoff- 
zufuhr zu den Archesporzellen zu besorgen. Der Funktion nach stimmten 
dann auch die Sporensäcke mit den typischen Tapeten überein. Die- 
selbe Übereinstimmung finden wir aber auch, soweit wir eine solche 
gelten lassen wollen, in histologischer Beziehung. Die Zellen des 
Sporensackes geben, wie sehr schön u. a. die Abbildung 108 bei 
Campbell (Mosses and Ferns, 2. Aufl, pag. 206) zeigt, ebenso wie 
bei vielen Filizinen und wie später bei den Antheren durch peri- 
kline Teilungen aus den angrenzenden Geweben hervor. Daß hier eine 
sterile zentrale Partie (die Kolumella) übrig bleibt und somit die 
innere Tapete zu liefern hat, kann die Auffassung nicht weiter be- 
einträchtigen. 

Ähnlich wie die Bryales verhalten sich die Sphagnaceen (Waldner) 
und Andraeaceen (Kühn und Waldner); der innere und äußere 
Sporensack sind auch hier mit feinkörnigem Plasma gefüllt und führen 
Stärkekörner. 

Bei den Lebermoosen existiert, soweit aus der Literatur zu er- 
sehen ist, nur eine einzige Gruppe, bei der man von einer rudimen- 
tären Tapete reden könnte. Es sind das die Anthoceroteen, die 
bekanntlich eine Sonderstellung unter den Lebermooseu einnehmen, 
insofern sie einerseits Beziehungen zu den Algen zeigen (ein Chroma- 
tophor mit Pyrenoid), andererseits in der Ausbildung ihrer Sporophyten 
wieder die höchste Organisation aufweisen. Eine Angabe über den 
Inhalt der Sporogonwandzellen findet sich wieder nur bei Goebel (1895, 
pag. 10): „Die dem Sporenraum angrenzende innerste Schicht dient offen- 
bar zur Aufbewahrung der Assimilste und Überführung derselben zu 
den sporenbildenden Zellen“. Diese Schicht ist, wie die Abbildung 2 
bei Goebel zeigt, auch durch die Gestalt ihrer Zellen etwas von der 
übrigen Wand abgehoben. Ihre Entstehung scheint nach der erwähnten 
Figur eine ähnliche zu sein, wie diejenige des Sporensacks bei den Laub- 
zmoosen, so daß kein Grund vorhanden ist, diese Schicht nicht als 
primitiven äußeren Sporensack oder als primitive Tapete zu bezeichnen. 
Man kann übrigens noch weiter gehen und auch schon Andeutungen 
oder Vorläufer des inneren Sporensacks bei Anthoceros feststellen. 
Es werden nämlich nach Goebel (I. c., pag. 11) auch in der Columella 
Stärke und andere Bildungskörper gespeichert und dem sporogenen Ge- 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 351 


webe zugeleitet. Wenn auch keine bestimmte Gewebeschicht diffe- 
renziert.ist, so kann die Ausbildung der Columella doch als Vorläufer 
des inneren Sporensacks angesprochen werden. 

Eine derartige Tapete wie bei Anthoceros treffen wir bei den 
übrigen Hepaticae nicht mehr an. Noch einfachere Formen kommen 
aber bei einzelnen, vielleicht bei allen Lebermoosen vor. Genaue 
Angaben darüber finden sich nur für die Rieeiaceen. Hier übt die 
einschichtige Sporogoniumwand selbst die Funktion des Tapetums aus. 
Sie ist nach Lewis (1906) und Garber (1904) durch Plasma- 
reichtum ausgezeichnet, sondert Nährstoffe in das Sporogonium ab und 
wird schließlich (nach Beer) resorbiert. Die Sporen liegen dann frei 
im Archegoniumbauch, der oft mehrsehiehtig wird und somit die Funk-" 
tion der fehlenden Kapselwand übernimmt. Auffällig ist bei diesen 
Sporogonen, daß die Sporen in eine sog. „schleimige“ Flüssigkeit ein- 
gebettet sind. Diese Flüssigkeit liefert zweifellos zum großen Teil die 
Nährstoffe für die Entwicklung der Sporen, die unter den oben ange- 
führten Bedingungen ihre Membranverdickung. ausbilden. Dieselbe 
Flüssigkeit scheint bei allen übrigen Lebermoossporogonen vorhanden zu 
sein, und wir werden auch weiter unten bei denjenigen Pteridophyten usw., 
die kein Tapetenplasmodium erzeugen, von ähnlichen Vorkommnissen zu 
sprechen haben. Bei den Moosen muß man in dieser Flüssigkeit wahr- 
scheinlich zwei Stoffgruppen auseinander halten, die schleimigen Sub- 
sStanzen und die eigentlichen Nährstoffe. Denn die schleimigen Substanzen, 
die in manchen Zellen die biologische Aufgabe zu haben scheinen, das 
Sporogon bei der Reife unter Wasseraufnahme zur Öffnung zu bringen 
@. B. Riella, Goebel 1895, pag. 8), bleiben bis zur Reife zum großen 
Teil im Sporogon erhalten, während die eigentlichen Nährsubstanzen 
während der Entwicklung aufgebraucht werden. Nach Goebel ent- 
stehen die Schleimsubstanzen bei Riella wahrscheinlich durch Ver- 
quellung von sterilen, zwischen die Sporen eingestreuten Zellen. Nach 
Campbell soll ein ähnlicher Schleim bei Anfhoceros von der Auf- 
lösung der Sporenmutterzellen stammen (1907, pag. 480), während 
Beer über den Ursprung des Schleimes bei Riceia keinen Aufschluß 
zu geben vermochte. Die Nährstoffe dagegen werden bei Riceia und 
Rieeiocarpus nach Angabe der Autoren durch das Amphitecium selbst 
ausgeschieden, dem damit die Nährfunktion, also die Funktion einer 
Tapete zukommt. Etwas anders liegen die Verhältnisse bei den- 
jenigen Formen der Marchantiaceen, Jungermaniaeeen und Antho- 
ceroteen, die rudimentäre oder typisch ausgebildete Elateren besitzen. 
Goebel hat in seinen Archegoniatenstudien. darauf hingewiesen (1885, 

Ficrs, BE. 102. 24 


350 E. Hannig, 


pag. 7 ff), daß die sterilen Zellen zwischen den Sporen, also die primi- 
tiven Elateren, als Reservestoffbehälter für die sich entwickelnden Sporen 
dienen und bezeichnet sie direkt als Nährzellen (pag. 10), Goebel 
führt hier und später aus (Org. pag. 326), daß beiden höher organisierten 
Lebermoossporogonen die Elateren in der Jugend langgestreckte Leitungs- 
. bahnen bilden, die den größten Teil ihres Inhaltes zur Ernährung der 
Sporen abgeben. 

Wir sehen also, daß bei den Sphagnaceen, Andraeaceen und 
Bryaceen das sporogene Gewebe allseitig von einer Nährschicht um- 
geben ist. Man könnte sagen, daß ein Nährgewebe an dieser Stelle aus 
physiologischen Gründen vorhanden sein muß, und daß diese einfache 
“Tatsache nicht genügt, um das Gewebe mit dem Tapetum zu homo- 
logisieren. Aber erstens haben wir festgestellt, daß auch die Entstehung 
der Nährschicht in vielen Fällen mit derjenigen der typischen Tapeten 
übereinstimmt und zweitens können wir wohl sagen, daß das Nähr- 
gewebe durchaus nieht die Beschaffenheit haben muß, die wir bei den 
Laubmoosen antreffen. Denn abgesehen davon, daß das Nährgewebe 
auch einseitig etwa an der Basis der Kolumella entwickelt sein könnte, 
finden wir bei den Lebermoosen tatsächlich noch ganz andere Ein- 
richtungen vor. Beiden niederstehenden Marchantiaceen, Jungermaniaceen 
und den Anthoceroteen sind besondere „Nährzellen* vorhanden — teils 
sterile Sporenzellen, teils die Vorläufer der Elateren -—, die hier 
zwischen die Sporen eingestreut sind. Auch die typischen Elateren 
funktionieren in ihrer Jugend nach Goebel als Nährzellen. Bei einem 
Teil der genannten Moose sind außer diesen Nährzellen noch die Zellen 
des Amphitheeiums an der Ernährung beteiligt. 

Wenn also bei den Laubmoosen nur der Sporensack als Nähr- 
gewebe funktioniert, so sind wir berechtigt, ihn als besondere Ein- 
richtung zu betrachten und als einen Vorläufer der Tapete der Farn- 
pflanzen anzusprechen. Die Moose würden sich im ganzen von den 
Farnpflanzen dadurch unterscheiden, daß bei ihnen das Nährgewebe, 
die „Tapete“, noch?) sehr wenig charakterisiert ist und ferner dadurch, 
daß innerhalb der Gruppe der Moose noch keine Stetigkeit in der 
Form der Nährgewebe besteht, die wir dagegen von den Farnpflanzen 


1) In einer Untersuchung jüngsten Datums über ein sehr merkwürdiges 
Tebermoos, Monoselenium tenerum, hat Goebel (1910) durch vergleichende Unter- 
suchungen sebr wahrscheinlich gemacht, daß Riccia nieht am Anfange, sondern am 
Ende der Riccien-Marchantiaceen-Reihe steht und als reduzierte Form zu betrachten 
ist. Es wäre danach möglich, daß man hier wie bei den Elateren, so auch bei den 
Tapeten von einem raduziorten, nicht von einem primitiven Organ zu sprechen hätte. 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 353 


an aufwärts überall antreffen. Nur bei den Sympetalen, dem letzten 
Gliede der Entwicklungsreihe, hat, wie wir gesehen haben, ein an- 
grenzendes Gewebe die Nährfunktion übernommen, weil hier die der 
Tapete entsprechende Zellschicht schon ganz im Anfang der Entwicklung 
verschwindet. 


Fassen wir zum Schlusse das Ergebnis der vergleichenden Unter- 
suchung der Archegoniaten, Gymnospermen und Angiospermen zu- 
sammen, so ergibt sich folgendes: Nicht nur bei den Filicinen und 
den Antheren (Mikrosporangien) der Gymnospermen und Angiospermen 
ist ein Tapetengewebe ausgebildet, sondern dieses Gewebe existiert 
auch schon bei den Moosen und existiert noch bei den Embryosäcken 
{Makrosporen) der Gymnospermen und Angiospermen. Bei den Moosen 
finden sich die Vorläufer der Tapetenzellen (Lebermoose) und zum 
Teil schon rudimentäre Tapeten (Anthoceros, Sporensack der Laubmoose), 
bei den Embryosäcken greift allmählich eine Reduktion der Tapete 
Platz. Sehr deutlich ist diese noch vorhanden bei den meisten Gymno- 
spermen (bei den Cycadeen), nur noch in spärlichen Resten bei einem 
Teil der Angiospermen (Dialypetalen); und die höchst differenzierte und 
wohl jüngste Gruppe, die Sympetalen, sind fast wieder auf die Stufe 
der Riccien binabgesunken, da nur noch eine einschichtige Makrospo- 
rangiumwand vorhanden ist, die ganz im Anfang der Entwicklung von 
dem Embryosack (Makrospore) resorbiert wird. Dafür ist an Stelle der 
Tapete ein anderes Ernährungsgewebe getreten, das sehr auffällige 
„Epithel“ (Goebel), das dem Integument angehört, und oft fälschlich 
Tapetum genannt wird. 


Die von Hofmeister aufgestellten Gründe für die Annahme 
eines phylogenetischen Zusammenhanges der Archegoniaten- 
Gymnospermen-Angiospermen lassen sich also noch ergänzen 
durch Berücksichtigungder Tapetealseinescharakteristischen, 
durch die ganze Reihe nur wenig variierenden Organs. 


.  Tabellarisch würde sich die Übersicht über das Vorkommen der 
Tapete folgendermaßen gestalten: 


Moose. 

Anthoceroteen. Lebermoose. Laubmoose. 
Primitive Tapete und Andeutung einer Tapete und Rudimentäre Tapete 
„Nährzellen“., „Nährzellen“ (Elateren). (Sporensack). 
Farnpflanzen. 


Übersil typische Tapote. 


354 E. Hannig, 


‚Gymnospermen. \ 
Makrosporen. Mikrosporen. 
Hier meist typische zu- Typische Tapete. 
weilen reduzierte Tapete. 
Angiospermen. 
Choripetalen. j 
Makrosporen. Mikrosporen. 
Reduzierte Tapete. Typische Tapete. 
Monoecotylen. , . 
Reduzierte Tapete. " Typische Täpete. 
Sympetalen. . 
Keine Tapete (als Ersatz Typische Tapete. 
„Epithel“ des Integu- 
ments). 


2. Übersicht über das Vorkommen und Fehlen eines Periplasmodiums. - 


Es ist nötig, der folgenden Übersicht eine Erklärung über den 
Ausdruck Periplasma vorauszuschieken. Die Bezeichnung Periplasma 
wird in letzter Zeit vielleicht mehr als früher, für zwei verschiedene 
Dinge angewendet. Einmal im Sinne der vorliegenden Arbeit für den 
Protoplasten, der durch Verschmelzung der Tapetenprotoplasten ent- 
standen ist, dann aber auch für die Protoplasmareste, die in den Aseis 
der Ascomyeeten, bei den Siphoneen usw., der Anlage der Sporen in dem 
Sporenbehälter um die Sporen herum übrig bleibt. Im letzteren Falle 
kann man natürlicherweise auch vom Periplasma reden, nicht aber von 
einem Periplasmodium. Denn hier verschmelzen nicht Protoplasten 
nachträglich miteinander, die ursprünglich eine Hülle um die Oosporen 
oder Askussporen bildeten, sondern das Periplasma ist: der Rest eines 
einzigen vielkernigen Protoplasten, dem sozusagen der Kern zur Sporen- 
bildung ausgeschnitten ist. Bei den Ascomyceten ist dieser Rest kern- 
los, bei den Phyeomyceten liegen in ihm zahlreiche Kerne. 

Da zwischen diesen beiden Arten von Protoplasten ein wesent- 
licher Untersehied besteht, sollte der gemeinschaftliche Name nicht bei- 
behalten werden. Die Abkehr von diesem Gebrauch ist um so leichter 
und natürlicher als de Bary für die Hüllprotoplasten bei den Pilzen , 
den Namen Epiplasına eingeführt hatte, wir also nur auf die ursprüng- 
liche Bezeichnung zurückzugreifen brauchen. Es soil daher im folgen- 
den der Ausdruck Epiplasma im Sinne de Bary’s verwendet werden, 
Periplasma und Periplasmodium aber nur da, wo eine Verschmelzung 
von Tapetenzellen vorliegt (vgl. unten pag. 92). 

Die weite Verbreitung der Periplasmodienbildung hängt mit ihrer 
Bedeutung für die Sporenentwicklung zusammen. Die Hauptfunktion 


m 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 355 


des Plasmodiums, die aber z. T. auch von den nicht aufgelösten Tapeten- 
zellen ausgeübt werden kann, ist die Ernährung der wachsenden Sporen, 

Die Beispiele von Equisetum und Azella haben nun gezeigt, daß 
dazu als weitere Aufgabe der Ausbau der Sporenmembranen kommen 
kann. Wo letzteres der Fall ist, liefert das Plasmodium zugleich das 
kolloidale Medium, in dem die isolierten Sporen in kugelförmiger Ge- 
stalt ihre derben Membranen ausbilden können. Fehlt das Plasmodium, 
so muß trotzdem ein derartiges Medium für die Entwicklung der 
isolierten Sporen vorhanden sein. Es ist das der sog. schleimige Inhalt 
der Sporangien, über dessen nähere Beschaffenheit bis jetzt nur wenig 
bekannt ist. Wenn tatsächlich ein schleimiges Medium in den plasmodium- 
freien Sporangien gebildet wird, dann hätten wir hier eine Art natür- 
licher Nährgelatine vor uns. Der Schleim soll in diesem Fall entweder 
von den Tapetenzellen ausgeschieden werden, oder von den verquellen- 
den Sporenmutterzellmembranen (Leitgeb, Campbell) oder von den 
sterilen Zellen (Goebel, 1895). Aus ihm beziehen die Sporen ihre 
Nährstoffe und das nötige Wasser. Er ist also der Ersatz für das 
Medium des Periplasmodiums. Wir werden somit bei den Pflanzen, 


' bei denen kein Periplasmodium ausgebildet wird, ein solches schleimiges 


Sekret der Tapetenzellen im Innern der Sporangien erwarten. Die 
folgenden speziellen Ausführungen sollen nun unter Innehaltung der 
systematischen Reihenfolge darlegen, wie weit die bisherigen Unter- 
suchungen die Existenz eines Periplasmodiums oder an dessen Stelle 
eines Sekretes aus der Tapete nachgewiesen haben. 

Riceiaceen. Nach Garber (1904, pag. 161) und Lewis (1906) 
wird von dem Amphitheeium von Riceiocarpus eine große Menge Nähr- 
material abgesondert, das den Baum zwischen den Spormutterzellen 
ausfüllt und allmählich von diesen resorbiert wird. Das Sporogon von 
Riceia glauca enthält „Schleim“ (Beer, 1906), der im Laufe der Sporen- 
entwicklung wieder verschwindet. 

Marchantiaceae. Hier erwähnt nur Goebel (189% und Or- 
ganogr, pag. 322) eine Flüssigkeit im Innern des Sporogons. Sie 
enthält Nährstoffe von den sterilen Zellen bzw. den Elateren im Sporen- 
raum. Leitgeb spricht: von einem Periplasma bei Corsinia, womit er 
aber nur Sekrete aus den sterilen Zellen (Nährzellen) meinen kann 
(1884, pag. 37, 38), und von einem umhüllenden Schlein bei Reboulia, 
über dessen Entstehung er sich ebenfalls nicht äußert. Bei den 
Anthocerotaceen sind die Sporen in eine schleimige Substanz ein- 
gebettet die nach Leitgeb (1884) und Campbell (1907) von der 
Auflösung der Sporenmutterzellen rühren soll. Über den Inhalt des. 


356 E. Hannig, 


Sporangiums von Notothylas und Dendroceros (Mottier, 1894; Lang, 
Ann. of bot, Vol..XXI) existieren keine näheren Angaben. ‘Auch bei 
den Jungermaniaceen ist die Frage nach dem Inhalt des Sporan- 
giums wenig untersucht. Bei Sphaerocarpus hebt sich das Sporogon 
früh vom Inhalt ab, die Sporen sind von einer schleimigen Flüssigkeit 
umgeben (Leitgeb, 1889, pag. 15; Goebel, Organ. pag. 321), die 
Goebel mit derjenigen der „Wasserbäuche“ der Kalyptra einiger Laub- 
moose vergleicht. In dem Sporogon von Riella verschwindet nach 
Goebel (1895, pag. 8) die sterile Zelle frühzeitig, und an ihrer Stelle 
tritt eine schleimige Substanz auf, durch deren Quellung das Sporogon 
später gesprengt wird.. Während Porsild (1903, pag. 494) angibt, daß 
die Sporen durch Fäulnis der Kapselwand frei werden, berücksichtigt 
Leitgeb in seinen Untersuchungen den Kapselinhalt nicht, und Kienitz- 
Gerloff erwähnt nur, daß die Räume zwischen den Sporenmutterzellen 
bei Marchantia von Flüssigkeit erfüllt zu sein scheinen (1874, pag. 169) 
und spricht bei Pellia epiphylla direkt von „freischwimmenden“ Primordial- 
zellen (1874, pag. 197). 

Die Farnpflanzen seien in der Reihe besprochen, in der sie im 
Englerschen System angeordnet sind. 

Die Hymenopbyllaceen sind eine der wenigen Familien der Filices, 
bei denen ein Plasmodium nicht ausdrücklich beschrieben ist. Trotz- 
dem ist anzunehmen, daß ein solches auch hier ausgebildet wird, da, 
wie schon angeführt (pag. 67), nirgends etwas von einem besonderen 
Verhalten dieser Familie bemerkt wird. 

Abgebildet oder beschrieben ist das Plasmodium im übrigen für 
Cyathaeaceae (Bower 1900, pag. 58), Polypodiaceae (Rees 1866, Huy, 
Tschistiakoff 1871, 1874, 1875, Bower 1900), Mattoniaceae (Bower 
1900), Gleicheniaceae (Bower 1899), Sehizaeaceae (Prant! 1881, Bower 
1900, Binford 1907), Osmundaceae (Bower 1899, Strasburger 1889), 
Marsiliaceae (Russow 1872, Strasburger 1907), Salviniacege (Russow 
L ec, Juranyi 1872, Heinricher 1882, Strasburger 1873, Hannig), 
Marattiaceae (Luerssen 1872, Tschistiakoff 1875, Bower 1897), 
Ophioglossaceae (Holtzmann 1892, Cardiff 1905, Steven 1905, 
Beer 1906, Burlingame 1907), ferner für die 


Equisetaceen (Strasburger 1882, 1889, Russow 1872, 
Hannig). 

Lyeopodiaceen. Bei ILycopodium werden nach den Figuren 
Bower’s (1894) und nach Lotsy (1909, pag. 439) die Tapeten nicht 


gelöst. Wie es hier mit der Sporangiumflüssigkeit steht, wird nicht 
angegeben. 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 357 


Auch für Psilotum und Tmesipteris ist das Verhalten der 
Tapetenzellen nicht sicher bekannt. Bower’s Figuren (1894) für 
Psilotum sind vielleicht als Plasmodium zu deuten; ebenso möglicher- 
weise Abbildung 180, Fig. 5 bei Wettstein (1903-1908), in der 
nach dem Text zu der Abbildung die Sporenmutterzellen zwischen 
„aufgelösten“ Zellen liegen. Für Tmesipteris ist außer der Angabe 
Bower’s (1894), daß die Tapetenzellen „are undergoing disorganisation“, 
nichts bekannt. Das Schieksal der Tapetenzellen bleibt also hier zweifel- 
haft, um so mehr als man bei den unsicheren Verwandtschaftsbeziehungen 
der Psilotaceen zu den Lyeopodiaceen keinen Rückhalt für die Be- 
urteilung hat, und also die Angaben Bower’s in bezug auf die 
Tapetenzellen sich nicht immer als zuverlässig erwiesen haben (8. Fitting 
1900, Selaginella).. Für Selaginella und Isoetes ist durch Fitting’s 
Untersuchungen festgestellt, daß die Tapetenzellen nicht aufgelöst 
werden, daß also kein Plasmodium entsteht. In beiden Fällen aber 
verflüssigen sich trotzdem die Mittellamellen der Sporenmutterzellen, 
und es tritt in dem Sporangium des Plasmodiums eine schleimige 
Flüssigkeit mit eigenartigen Gerinnseln auf, die aber nach Fitting 
keine Plasmareaktion geben und sonst nicht näher zu definieren sind. 
Die Flüssigkeit wird nach Angabe. Fitting’s von den Tapetenzellen 
sezerniert, die schließlich völlig schrumpfen. 

Bei den heterosporen Filicineen verhalten sich die Tapeten in 
den Mikro- und Makrosporangien noch gleich, da in beiden Fällen die 
Mikrosporen bzw. die Makrospore noch isoliert werden. Von den Gycadeen 
an aufwärts wird die Makrospore zum Eimbryosack und damit in Zu- 
sammenhang bei keiner Pflanzengruppe mehr ein Tapetenplasmodium 
gebildet. 

. Die Mikrosporen werden aber nach wie vor isoliert, das Ver- 
halten der Tapeten muß daher für diese von Fall zu Fall besprochen 
werden. 

Cycadeen. Es scheint, daß die Tapetenzellen nicht aufgelöst 
werden. Lang (1897) gibt für Stangeria an, daß die Wände der 
Tapetenzellen verschwinden, die Tapetenprotoplasten aber erhalten 
bleiben. Vermutlich hat Lang. die Wände nur übersehen, denn, wie 
oben gezeigt, sind die Wände z. B. bei Equisetum so zart, daß sie 
selbst mit Immersion nur schwer zu erkennen sind. . 

Für Zamia und Ceratozamia gibt Smith (1907) an, daß die 
Tapetenzellen bis zum Tetradenstadium erhalten bleiben, daß dann ihre 
Zellwände aufgelöst werden und schließlich „The mass of nutritive 
substance lines the sporangial cavity“. Die Tapetenzellen sollten darnach 


358 . E. Hannig, 


zu einem Plasmodium verschmelzen, däs aber nicht zwischen die Sporen 
eindringt, sondern nur wie ein plasmatischer Wandbelag die Sporangium- 
wand auskleidet (vgl. 1. c. Fig. 38). Wahrscheinlich sind auch hier die 
Tapetenzellwände übersehen. Wäre das nicht der Fall, dann hätten 
wir hier ein Zwischenstadium zwischen den unaufgelösten Tapeten und 
dem typischen Periplasmodium. Über das Verhalten der Tapetenzellen. 
in den Mikrosporangien der übrigen Oycadeen (Cycas, Dioon, Ence- 
phalartos, Macrozamia) liegen keine Angaben vor. Im ganzen scheint 
also aus der Literatur hervorzugehen, daß bei den Antheren der 
Cyeadeen kein Periplasmodium, gebildet wird. 

Auch bei Ginkgo bleiben, wie es scheint (Sprecher, pag. 157), 
die Tapetenzellen unaufgelöst. 

Dasselbe ist wohl der Fall bei den Koniferen. Auch bier ist 
das Verhalten der Tapetenzellen nur wenig berücksichtigt. Coulter 
und Chamberlain geben für Pinus an, daß die Tapete nicht aufgelöst 
wird. Coker beschreibt bei Taxodium Tapeten mit dichtem Inhalt, die 
zur Zeit der Kernteilung in den Pollenkörnern desorganisiert werden 
(1903, pag. 4). Der Wortlaut dieser Notiz läßt darauf schließen, daß es 
sich nicht um ein Periplasmodium handelt, sondern nur um die all- 
mähliche Resorption der Tapetenzellen. Bei anderen Koniferen Biota 
(Goebel 1881), Callitris (Goebel 1881), Juniperus (Land 1904), Podo- 
earpus (Burlingame 1908) ist wohl festgestellt, daß eine Tapete ge- 
bildet wird, deren weiteres Schicksal aber nicht verfolgt. Die vor- 
liegenden Untersuchungen lassen es jedoch als wahrscheinlich erscheinen, 
daß auch bei den Antheren der Koniferen die Tapeten zum Teil auf- 
gelöst. werden. 

Über Ephedra macht Land (1904) ebenfalls keine Angaben, 
woraus auf Übereinstimmung mit den Koniferen, also auf ein Unter- 
bleiben der Auflösung, geschlossen werden kann. Karsten schreibt 
(1893, pag. 345) bei Gnetum, daß die Tapetenzellen zur Zeit der 
Tetradenbildung bereits „desorganisiert“, höchstens noch in ihren 
Umrissen erkennbar sind. Also auch hier, wie es scheint, keine Auf- 
lösung der Tapete. Wie die Tapeten bei Welwitschia sich weiter ent- 
wiekeln, ist nicht untersucht. 

Wenn wir dagegen die Angiospermen durchmustern, kommen wir 
zu dem Resultat, daß die Tapetenzellen in der Regel aufgelöst werden 
und ein Plasmodium bilden. Strasburger hat bei seinen ausgedehnten 
Untersuchungen eine große Reihe von Pflanzen aus den verschiedensten 
Familien (Potamogeton, Araceen, Liliaeceen, Orchideen, Geraniaceen, 
Malvaceen, Passifloreen, Oenothereen, Polemoniaceen, Acanthaceen, Dipsa- 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 359: 


eaceen, Cucurbitaceen und Kompositen) untersucht und bei fast allen 
Plasmodiumbildungen beschrieben. Bei einigen wenigen (Ericaceen, 
Boragineen, Labiaten, Valerianeen und Campanulaceen) ist die Plas- 
modiumbildung nicht beschrieben. Da aber keine besonderen Angaben 
über ein Fehlen derselben vorliegen, ist es wahrscheinlich, daß diese 
Fälle kein abweichendes Verhalten zeigen. Nicht so sicher ist die Aus- 
bildung eines Periplasmodiums, wenn wir von anderen Angaben ab- 
sehen, bei den von den Amerikanern bearbeiteten Pollenentwicklungen. 
Coulter und Chamberlain. haben in ihrem Buch die Plasmodium- 
bildung gar nicht erwähnt, sondern sprechen nur von „desorganisation“. 
Ob damit Auflösung und Verschmelzen oder nur Resorption gemeint 
ist, läßt sich nicht sagen. Jedenfalls kehrt dieser Ausdruck bei allen 
Schülern des Hull bot. laboratory (Schaffner 1897, R. Schmitt 1898, 
Wiegand 1900 usw.) wieder, die alle nur nebenbei die „desorgani-. 
sation“ erwähnen. Nur Duggar (1900) und Merrel (1900) beschreiben 
kurz für Symplocarpus und Silphium die Bildung eines „general proto- 
plasmie stratus“ durch die aufgelösten Tapetenzellen. Es wäre möglich, 
daß in allen Fällen, in denen nur von „desorganisation“ oder „disinte- 
gration“ gesprochen wird, Plasmodiumbildung gemeint ist. Das gilt 
vielleicht auch für die merkwürdige Beschreibung und Abbildung, die 
Caldweil (1899) von Lemna gibt. Dort sollen einige Sporenmutterzellen 
steril bleiben und zwischen die fertilen eingekeilt sein; vielleicht liegt 
aber nur eine Verwechslung mit Plasmodiumbildung vor. Sicher ist, 
daß keinesfalls bei allen Phanerogamen ein Plasmodium gebildet wird. 
Denn für eine Pflanze, Sarrazenia, hebt Shreve (1906) zweimal aus- 
drücklich hervor, daß zu keiner Zeit die Tapetenzellen zwischen die 
Sporen einwandern. Wenn also für einen einzigen Fall erwiesen ist, 
daß die Plasmoniumbildung unterbleibt, dann könnte dies leicht weiter 
verbreitet sein, als sich aus der Literatur ersehen läßt. Soviel steht 
trotzdem fest, daß das typische Verhalten bei den Pollenkörnern der 
Angiospermen die Auflösung der Tapete ist. Im übrigen bedürfen 
die meisten Beispiele der Literatur, für die eine solche Auflösung nicht 
beschrieben ist, im Hinblick auf das Verhalten von Sarracenia der 
Nachuntersuchung. 

Es sei hier in tabellarischer Übersicht nochmals kurz zusammen- 
gefaßt, was wir über das Vorkommen von Periplasmodien wissen: 


Moose. 
Tapete nicht aufgelöst. 


Filices. 
Typisches Plasmodium. 


360 E. Hannig, 


Equisetaceen. 
Typisches Plasmodium. 


Lycopodiaceen. 
Lyeopodinen. Psilotineen. Selaginelleen. Isoetaceen. 
Tapete nicht aufgelöst. Kein Plasmodium (2). Kein Plasmodium. Kein Plasmodium. 


Cyeadaceen. . 
Makrosporen. Mikrosporen. 
Tapeten nicht gelöst. Tapeten nicht (?) gelöst. 
Koniferen. 
Makrosporen. Mikrosporen. 
Reduzierte Tapete nicht gelöst. Tapeten nicht (?) gelöst. 
Angiospermen. 
Makrosporen. Mikrosporen. 
Tapeten, wenn überhaupt vorhanden, In der Regel typisches Plasmodium. (In 
nicht gelöst. einzelnen Fällen Tapeten nicht gelöst.) 


3. Die Beziehung der Tapeten oder Periplasmodien zur Sporenmembran. 


Wenn die Ausbildung der Tapete in der Reihe: Archegoniaten, 
Gymnospermen, Angiospermen als Ergänzung zu den bisher bekannten 
Merkmalen des phylogenetischen Zusammenhanges dieser Abteilungen 
dienen konnte, so ist das bei der Periplasmodienbildung nicht mehr 
der Fall. Denn wenn man sieht, daß die Tapete bei den Laub- und 
Lebermoosen noch nieht aufgelöst wird, daß bei dem Gros der Filieinen 
überall Tapetenplasmodien auftreten, daß sie bei höchst organisierten 
Farnpflanzen und dann bei den Gymnospermen wieder verschwinden, 
dann sollte man erwarten auch bei den Angiospermen keine Plasmodien 
mehr zu finden. Das ist aber merkwürdigerweise nieht der Fall, viel- 
mehr tritt bei der Mehrzahl der Phanerogamen in den Antheren 
wieder ein typisches Periplasmodium auf. Die Plasmodienbildung kann 
somit nieht von phylogenetischen, sondern nur von histologischen Ge- 
sichtspunkten aus betrachtet werden, d. h. wir können nur untersuchen, 
inwieweit das Periplasmodium bei der Bildung der Sporenmembranen 
beteiligt ist und auf welche Weise die Sporenmembranen gebildet werden, 
wenn kein Periplasmodium vorhanden. ist. 

Ehe wir damit beginnen, sind einige Worte über die Nomenklatur 
der Sporenhäute nötig. Die verschiedenen Sporenhänte sollen folgender- 
maßen benannt sein: 

Exospor (Exine) (mit Leitgeb und den meisten übrigen Autoren), 


die zuerst von dem Sporenprotoplasten selbst gebildete Haut der 
Sporenzelle. 


rn 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 361 


Endospor (Intine) (Leitgeb, Strasburger u. a.) die Lamelle, 
welche nach Anlage des Exospors vom Sporenprotoplasten direkt als 
innerste Lamelle der Sporenhaut gebildet wird. 

Mesospor (Fitting), eine Lamelle, die mitunter zwischen dem 
Exospor und dem Endospor vom Protoplasma angelegt wird. 

Perispor (Strasburger, 1907, pag. 181), Lamellen, die den 
Membranen eines Sporenprotoplasten von einem Periplasmodium auf- 
gesetzt werden. 

Speziallamelle in Anlehnung an Strasburger (1907, pag. 182) 
die äußere Schicht des Exospors, Diese Schicht wird von mehreren 
Autoren als eine von der Spezialmembran abgespaltene Lamelle betrachtet 
(Leitgeb, Treub, Fitting u. a.) und Epispor (Strasburger) oder 
Perispor (Leitgeb, Fitting) genannt. Daß die Bezeichnung „Perispor“ 
für die von außen aus dem Plasma aufgelagerten Lamellen zweckmäßiger 
beizubehalten ist, hat Strasburger betont (1907, pag. 182); Stras- 
burger möchte daher den Namen Epispor für die von der Spezialmembran 
‚abgespaltenen Lamellen reserviert haben. Es dürfte aber praktischer sein 
von der Verwendung dieser Bezeichnung bei den Sporenpflanzen ganz ab- 
zusehen. Denn erstens ist, wie wir zeigen werden, bisher noch nirgends 
mit Sicherheit nachgewiesen, daß das sog. Epispor der Sporenpflanzen von 
‚der Spezialmembran stammt, und es bleibt als .gleichbegründete Mög- 
lichkeit die Dilferenzierung aus dem Exospor übrig; und zweitens müssen 
wir logischerweise die Bezeichnung Epispor für die Thallophyten re- 
servieren. Dort finden wir ebenfalls häufig eine Plasmamasse, die an 
‚der Bildung der Sporenmembran beteiligt ist. Diese Plasmamasse ist 
‚zwar biologisch, nicht aber histologisch mit dem Periplasmodium gleich- 
wertig, da sie einen Plasmarest, nicht ein Plasmodiumi darstellt. De 
Bary hat sie bei den Pilzen Epiplasma genannt, um sie von dem 
Periplasma der höheren Pflanzen zu unterscheiden. Nach Analogie des 
Ausdruckes Perispor müßten wir die äußerste Sporenhaut der Pilze 
und Algen, soweit sie aus dem Epiplasma stammt, als Epispor be- 
zeichnen. Um für die Außenschicht des Exospors, die aus der 
Spezialmembran entstanden sein soll, einen kurzen Ausdruck zu haben, 
wollen wir sie Speziallamelle nennen, was in Anbetracht ihrer oft 
auffälligen Gestalt, auch wenn sie nicht von der Spezialmembran her- 
rühren sollte, noch bezeichnend bliebe. 

Wenn wir nun dazu übergehen, die Beziehungen der Sporen- 
membranen zu dem Periplasmodium bzw. den Tapetenzellen zu unter- 
suchen, so können wir von einer Lamelle der Sporenhaut, vom Endospor 
ganz absehen. Denn diese wird ja vom Sporenprotoplasten inner- 


362 E. Hannig, 


halb und nach dem Exospor gebildet, kann also zu der Umgebung‘ 
des Exospors gar keine Beziehungen haben. Im übrigen ist also fest- 
zustellen, inwieweit das Periplasmodium an dem Aufbau der Sporen- 
häute beteiligt ist — denn merkwürdigerweise wirkt es selbst da, 
wo auffällige zentrifugale Membranverdickungen vorhanden sind, durch- 
aus nicht immer direkt mit —, und ob sich bei fehlendem Plas- 
modium andere Elemente in der Umgebung der Sporen formativ 
betätigen. 

Moose. Für die bisher untersuchten Moossporen ist es noch ganz un- 
entschieden, wie die Sporenmembran gebaut ist. Nach Leitgeb’s Unter- 
suchungen sollte eine „Speziallamelle (vgl. unsere Nomenklatur), ferner 
Exine und Intine bei Sphaeroearpus, Riecia, Grimmaldia u.a. Marchantiaceen 
und hei Anthoceros vorhanden sein. Leitgeb gibt an, daß die Spezial- 
lamelle aus der innersten Schicht der Spezialmutterzelle (bei Sphaero- 
earpus), aus der innersten Schicht der Spezialzellen (bei Riecia usw.) 
entstehe. Straßburger dagegen glaubte mit Sicherheit entscheiden zu 
können, daß die äußerste Lamelle der genannten Sporen eine eigene 
Haut sei und bezeichnet: sie deshalb nicht als Epispor, sondern als 
Außenschicht der Exine (Str, 1889, pag. 104—118). Beer hat 
gerade die Frage der äußersten Lamelle sehr eingehend geprüft, konnte 
aber trotz aller Bemühungen zu keinem entscheidenden Resultate 
kommen (1906, pag. 281). Man muß dieser vorsichtigen Beurteilung 
Beer’s unbedingt recht geben. Gegen Leitgeb wendet er im wesent- 
lichen ein, daß man daraus, daß die in Frage stehende Lamelle mit 
der Spezialwand anfangs fest verbunden sei, nicht schließen dürfe, daß 
sie aus dieser differenziert und abgespalten werde. Gegen Stras- 
burger ist das entgegengesetzte Bedenken zu erheben. Die äußerste 
Lamelle ist von vornherein der Spezialwand so innig angeschmiegt, 
daß sie als ein Saum derselben erscheint. Wenn auch Strasburger 
(1899) angibt, daß sie sich von dieser abhebe, so gilt dies doch nur, 
wie Strasburger's Fig. 24, Taf. III zeigt, für ein Stadium, in dem 
diese Membran schon verhältnismäßig dick ist; und das könnte gerade 
das Stadium sein, in dem nach der Annahme Leitgeb’s die Lamelle 
sich von der Spezialwand abzutrennen beginnt. 

Von den Moosen können wir also mit Sicherheit nur aussagen, 
daß die Sporenmembran kein Perispor besitzt, nicht aber, ob statt 
dessen (wie Campbell, 1905, pag. 64 usw. annimmt), eine von außen 
aufgesetzte Speziallamelle oder nur eine aus zwei Schichten zusammen-. 


gesetzte Exine, eine Innenschicht und eine Außenschicht der Exine, 
vorhanden ist. 


Tamm 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 363 


Auch für die Farnpflanzen sind nur verhältnismäßig wenige 
und vielfach sich widersprechende Daten bekannt. 

H. Fischer (1891) gibt an, daß bei Hymenophyllum ein Epi- 
spor bzw. Perispor fehle, daß dafür das Exospor warzig sei. Bei den 
von ihm untersuchten Polypodiumarten (Ausg. Polypodium aureum 
und Polypodium vulgare) soll ein Perispor vorhanden sein. Nach 
Russow (1872) sollen die Verzierungen auf dem Exospor von den 
Spezialzellwänden stammen. Aspidium filix mas bildet nach Kny ein 
Perispor, das sich in Falten vom Exospor abhebt. Alle diese Autoren 
haben aber die Entwicklung der Sporenmembran gar nicht oder nur 
nebenbei untersucht. Der einzige, der die Bildung der Sporenhäute 
‚genau verfolgt hat, ist Tschistiakoff, der für Aspidium falcatum an- 
gibt (1874), daß sich aus verdichtetem Periplasma ein Epispor bilde, 
das anfangs nur ein dünnes Häutehen darstelle, später grobschaumige 
Struktur annehme. - 

Sehr merkwürdig ist eine Angabe von Karsten (1894) über die 
Sporenmembran von Polypodium imbricatum. Die bilateralen Sporen 


Fig. 1. Fig. 1a. 
Fig. 1. Schnitt durch die Sporenmembran ven Aspidium falcatum mit schaum- 
artiger Struktur (Perispor?), (nach Tschistiakoff 1874). 
Fig. 1a. Polypodium imbriestum. Links Spore mit, rechts ohne „Elstere“ (nach 
Karsten 1894). 


‚dieser Pflanze sind jede einzeln umgeben von einem, aus zahlreichen 
‚annähernd konzentrischen Windungen zusammengelegten Band, das 
Karsten wegen seiner Übereinstimmung mit den Spiralbändern der 
Equisetummembran direkt als Elatere bezeichnet (s. nebenstehende 
Textfig. 1a, nach Karsten 1894), Es entsteht auch anscheinend in 
‚ganz analoger Weise aus einem Häutchen (unserem Elaterenhäutchen), 
das von dem Periplasma um die Spore abgelagert wird. Hier wäre 
‚demnach ein echtes Perispor vorhanden. Leider war das Unter- 
suchungsmaterial Karstens nicht derartig, daß eine ausreichende Ver- 
folgung der Entwicklungsgeschichte dieser Elateren möglich gewesen 
wäre, und eg ist deshalb zu wünschen, daß diese bei Gelegenheit noch- 
mals vollständig durchgeführt würde. 


364 E. Hannig, 


Jedenfalls lassen die bisherigen Angaben über Polypodium imbri- 
catum es möglich erscheinen, daß auch die grobschaumige Struktur von 
Aspidium faleatum und anderer Filieinen (H. Fischer spricht bei 
Blechnum spicant von einer Hülle mit zeilenartigem Bau, bei Aspidium 
iobatum von „Zellen“, die in eine Spitze ausgezogen sind, usw.) einem 
echten Perispor entspricht. 

Bau und Entwicklung der Sporenmembranen sind für die Matto- 
niaceen und Gleieheniaceen gar nicht untersucht. 

Bei den Schizaeaceen erwähnt Prantl (1881) ausdrücklich, daß 
das Periplasmodium an der Bildung der äußersten Membranlamelle nicht. 
beteiligt sei. Es könnte also hier höchstens eine Speziallamelle vor- 
legen. 

Das gleiche gilt nach den Angaben Strasburgers (1889, pag. 98 
bis 100) für Osmunda, da die Osmundasporen sich noch innerhalb- 
der Spezialzellen mit einer Membran umgeben. Freilich treten erst nach 
Auflösung der Spezialzellwände die mäandrischen Verzierungen auf. 
Ob wirklich die dazu nötigen Substanz- 
massen „die deutlich radial-poröse Exine 
durchwandern“, ob dieselben nicht viel- 
leicht doch vom Periplasma direkt ge- 
liefert werden, müßte doch wohl noch- 
mals untersucht werden. 

Zweifellos sichergestellt ist die Bil- 
dung der Makrosporenmembran von 
Marsilia durch Strasburger’s wieder- 
holte Untersuchungen (1882, 1889, 1898 
und 1907). Auf die Vakuole, in welcher 
der Sporenprotoplast liegt, wird von dem 
umgebenden Periplasmodium zuerst ein Fig. 2. Teil des Periplasmodiums 
feinporiges Häutchen aufgelagert. Daun are he 
treten in einem hellen Hof des Plas- aus dem Periplasmodium gebildet 
modiums um dieses Häutchen herum und dem Exospor aufgelagert wird 
Körnchen auf, welche die Anlage der sog. (nach Btranburger 1D0N. 


Prismenschicht bilden, im Längsschnitt als radiale Streifen, im Quer- 
schnitt als Netzwerk erscheinen (s. nebenstehende Textfig. 2, nach 
Strasburger 1907). 

Die Prismenschicht ist anfangs nach außen zu offen (wie solche 
Partien erkennen lassen, die bei der Präparation losgerissen sind), die 
Prismen mit gallertiger Substanz gefüllt. Wenn die Prismen ihre defi- 
nitive Größe erreicht haben, werden sie nach außen durch ein zu- 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 365 


sammenhängendes Häutchen abgeschlossen. Schließlich wird noch eine 
Gallertschicht, das sog. Außenperispor, aufgelagert. Marsilia besitzt 
demnach ein echtes und zwar sehr massiv ausgebildetes Perispor. 

Bei den Mikrosporen sollen die Verhältnisse nach Strasburger 
ähnlich. sein wie bei den Makrosporen. 

Von Pilularia hat Meunier eingehend die Bildung der Mikro- 
und der Makrosporenmembran beschrieben und zweifellos dargelegt 
(Campbell 1893, Meunier 1887), daß die Perisporbildung der beiderlei 
Sporen ähnlich verläuft wie bei Marsilia. 

Sicher gilt das auch für Salvinia. Strasburger bezeichnet 
sogar den Inhalt des Makrosporangiums direkt als Massulae (1889, 
pag. 18.) Die Beschreibungen von Juranyi (1872), Heinricher (1882) 
und Strasburger lassen erkennen, daß Salvinia ein Perispor besitzt, 
das große Ähnlichkeiten mit demjenigen von Azoila zeigt. 

Bei den Marattiaceen sind die Verhältnisse wieder nicht klar- 
gestellt. Nach Tschistiakoff (1875, pag. 6) soll ein Perispor vor- 
handen sein, das von der innersten Schicht der gallertigen Spezialwand 
abgespalten wird, aber an der reifen Spore wieder verschwindet. Jonk- 
mann (1878) findet es auch noch an der fertigen Spore, gibt aber an, 
daß es sich leicht ablösen lasse. 

Eine direkte Beteiligung des Periplasmas an dem “Aufbau der 
Sporenmembran ist nach den neuesten Untersuchungen (Stevens 1905, 
Cardiff 1905, Beer 1906, Burlingame 1907) bei den Ophio- 
glossaceen nieht nachzuweisen, es soll hier überhaupt nur ein Endo- 
sporium und ein, allerdings verhältnismäßig dickes, Exosporium vor- 
handen sein. 

Eqguisetum besitzt nach den Ausführungen im ersten Teil der 
Arbeit ein Perispor. 

Bei den Lycopodiaceen ist die Sporenentwicklung nur für Lyco- 
podium eingehender untersucht (Tschistiakoff 1874 und 1875). Epi- 
oder Porispor fehlen nach diesem Autor, Periplasma ist aber auf keinen 
Fall an der Bildung der Sporenmembran beteiligt. Nach Tschistiakoff 
soll nur Exo- und Endospor vorhanden sein, während Strasburger 
und Leitgeb drei Lamellen beschreiben, die nach Strasburger’s 
entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen alle drei sporeneigene Mem- 
branen darstellen. Ein Perispor ist also bei Lycopodium sicher nicht 
vorhanden. Allem Anschein nach fehlt überhaupt ein Plasmodium. 
Es wäre möglich, daß bei eingehender Untersuchung sich ein ähn- 
licher Verlauf der Membranentwicklung herausstellte, wie bei Sela- 


ginella. 


366 ö E. Hannig. 


Ami genauesten untersucht ist ‚die Entwicklung der Makrösporen 
von Selaginella und Isoetes (Fitting 1900, Lyon 1901), -und trotzdem 
ist auch hier die Frage nach dem ' Vorhandensein einer Spezial- 
lamelle nicht entschieden. Die Sporen werden innerhalb der Spezial- 
membran fertig ausgebildet: und erhalten ein Exo-, Endo- und zwischen 
beiden eingeschaltet ein Mesospor. Außerhalb dieser drei’ Lamellen 
bildet sich dann bei Isoetes (weniger entwickelt bei einigen Selaginella- 
Arten) noch eine dicke mit stachelartigen Verzierungen versebene La- 
melle („Perispor“ nach Fitting, nach unserer Nomenklatur „Spezial- 
lamelle“). Fitting selbst konnte nicht entscheiden (pag. 130) ob diese 
Lamelle aus den innersten Schichten der Spezialzellmembran hervorgeht, 
ob sie aus der äußersten Lamelle des Exospors entsteht, oder ob sie 
‚sich aus einer Lamelle bildet, die noch vor Entstehung des Exospors 
vom Plasma an die Spezialwand angelagert wird. Am wahrscheinlichsten 
ist die Annahme, daß die Lamelle eine Differenzierung der Spezial- 
membran darstellt. Die Untersuchungen Fitting’s, die mit aller mög- 
lichen Sorgfalt und Gründlichkeit durchgeführt sind, zeigen, daß auch 
bei Isoetes und Selaginella die Frage nach dem Vorhandensein einer 
‚Speziallamelle vollständig unentschieden ist. Die Substanzen, die das 
Material für die Verdickung der Speziallamelle zu liefern haben, müssen 
auf jeden fall zuerst andere Membranen durchwandern, und zwar, wenn 
‚sie von dem Sporenprotoplasten geliefert werden, die schon vorhandenen 
Sporenhäute {Meso- und Exospor), wenn sie von der Sporangium- 
füüssigkeit geliefert: werden, die Spezialmembran. Für die Erklärung 
hätte also in dieser Beziehung keine der drei von Fitting angeführten 
möglichen Fälle besondere Vorzüge. 

Unentschieden ist ferner auch das Verhalten der Cycadeen- 
pollenkörmer. Juranyi (1882, pag. 47) und Treub (1885, pag. 41) 
finden, daß die Pollenmembran aus der inneren Schicht der Spezial- 
wände hervorgehe, wenn auch Treub (bei Zamia muricata) sich nicht 
ganz sicher darüber aussprechen wollte. Strasburger dagegen (1898, 
pag. 89) bestätigt bei Ceratozamia longifolia zwar die tatsächlichen 
"Angaben von Treub im wesentlichen, folgert aber daraus, daß die 
kutinisierte Pollenhaut von dem Protoplasten der Spore gebildet werde, 
und daß sie als Exine (Exospor) zu bezeichnen sei, da an reifen Sporen 
noch eine, wenn auch sehr zarte Intine vorgefunden werde. Bei den 
Cyeadeon zeigt also die Mikroporenmembran nur zwei Lamellen, 
sine Exine und eine Intine, so daß formative Beziehungen zu 


einem Periplasma oder einer Sporangiumflüssiekeit icht 'exi- 
stieren können. ” “s N 


| 
| 
! 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 367 


Der Bau und die Entwicklung der Sporen von Ginkgo sind nicht 
untersucht. 

Eine dritte Haut neben Emdospor (Intine) und Exospor (Exine) 
scheint auch bei den Gymnospermen zu fehlen. Strasburger hat 
gefunden (1882, pag. 115 und 1889, pag. 92), daß die Sporenmembran 
bei Pinus Jaricio als polleneigene Membran innerhalb der Tetraden ge- 
bildet wird und gibt dann weiter an, daß erst nach der Auflösung 
der Tetraden die Flügel entstehen und zwar dadurch, daß sich eine 
Außensckicht der Exine von einer gleichstarken Innenschicht abhebt. 
Nach einer Abbildung bei Coulter und Chamberlain (1901, pag. 91, 
Fig. 690), deren Richtigkeit ich nach eigenen Untersuchungen bestätigen 
kann, bilden sich die Flügel noch innerhalb der Spezialzellen aus. Es 
ist wahrscheinlich auch hier im allgemeinen keine Speziallamelle vor- 
handen (da kein Periplasma gebildet wird, ist natürlich die Bildung 
eines Perispors nicht möglich). 

Von den Gnetaceen ichlen wieder entwicklungsgeschichtliche 
Untersuchungen. Das Verhalten der Mikrospore wird aber kaum 
wesentlich von demjenigen bei den Koniferen abweichen. 

Auch bei den Angiospermen-Pollenkörnern mit den auffälligen 
stacheligen oder gitterförmigen Verzierungen besteht die Membran nur 
aus Exine und Intine. Die mehrfachen Untersuchungen von Stras- 
burger (1889 und 1898), ebenso diejenigen von Wille (1886) und 
in neuester Zeit von Beer (1905) haben gezeigt, daß die Stacheln und 
Gitter auf der Exine schon in ihrer Gestalt fertig angelegt sind, ehe 
das Periplasmodium gebildet und zwischen die Sporen eingewandert ist. 
Die Stachel- und Leistenbildung bei den Angiospermenpollenkörnern 
beruht danach auf zentrifugalem Membranwachstum, eine direkte for- 
mative Beteiligung des Periplasmas liegt dabei nicht vor. 

Eine Vergleichung der Bildungsweise der Sporenmembranen hat 
also für den Charakter der äußeren Sporenhäute folgendes ergeben: 


Bakterien. 
Exospor und Epispor. 
Pilze. 

Exospor event. + Epispor. 


Algen. 
[Exospor event. + Epispor?j'). 


1) Berthold (1886, pag. 316) gibt an, daß bei der Bildung des Epispors 
von Spirotaenia wahrscheinlich Epiplasma beteiligt ist, und Oltmanns (1904, pag. 55) 
betont, daß die Bildung der Zygotenmembran von diesem Gesichtspunkt aus neu 
zu untersuchen wäre. 
Flora, Bd, 102. " 25 


368 E. Hannig, 


Moose. 
Exospor (event. + Bpeziallamelle?). 


Farnpflanzen. 
Hydropteriden . Ba sıhat 
. Ophioglossa- Die übrigen 
und Lycopodiaceen ceen Filioes 
Equisetaceen 
Exospor + Peri- Exospor -- Nur Exospor. Vielleicht außer 
Rpor. (Speziallamelle ?). dem Exospor ein 
echtes Perispor, 
Cykadeen. 


Exospor (+ Speziallamelle ?). 


Koniferen. 
Nur Exospor. 


Angiospermen. 
Nur Exospor. 


Das Auffallende an dieser Zusammenstellung ist, daß durchaus 
nicht überall, wo ein Periplasmodium gebildet wird, dieses auch formativ 
an dem Aufbau der Sporenmembranen teileimmt. Ob das bei den 
Eufilieinen und den Marattiaceen der Fall ist, wo überall ein Peri- 
plasmodium auftritt, ist, wie gesagt, noch näher zu untersuchen. Wahr- 
scheinlich fehlt ein Perispor bei den Ophioglossaceen. Dasselbe gilt 
für die Gymnospermen und Angiospermen, bei denen wohl allgemein 
die Tapeten aufgelöst werden. Das geschieht aber erst, nachdem inner- 
halb der Spezialzellen die Strukturen der Sporenoberfläche schon an- 
gelegt sind, so daß zwar eine Materiallieferung vom Periplasma aus 
stattfinden dürfte, aber kein Aufsetzen einer Periplasma-Membran. 

Es ist nun nieht zu verkennen, daß zwischen den Skulpturen der 
Perisporien und denen der Exosporen (Exinen) ein gewisser Unterschied 
besteht. Bei allen Perisporien ist die Oberflächenstruktur mehr oder 
weniger schaumig und unregelmäßig. Eine Ausnahme macht vielleicht 
Equisetum, wo nur eine unregelmäßige Körnelung, aber keine schau- 
mige Struktur festzustellen ist. Dafür hat Equisetam mit den übrigen 
Perisporien die Kompliziertheit (das Schraubenband), der Struktur ge- 
meinschaftlich. Auch bei Aspidium faleatum, dessen Entwicklungs- 
geschichte genauer untersucht ist und ein Perispor besitzen soll, 
(Tschistiakoff, Kny), erinnert die unregelmäßige schaumige Struktur 
auffallend an diejenige der Makrospore von Azolla, und dasselbe scheint 
nach H. Fischer der Fall zu sein bei Blechnum spicant, Aspidium 
lobatum und einigen anderen Polypodiaceen. Polypodium imbrieatum 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 369 


besitzt sogar (Karsten, 1894, pag. 87) ein vielfach gewundenes Elateren- 
band, weiches demjenigen von Equisetum nach Entwicklung und Funktion 
genau entspricht. Die übrigen Sporenmembranen, bei denen kein Peri- 
spor vorhanden ist, zeichnen sich alle durch Regelmäßigkeit der Ober- 
tlächenstruktur aus, die meist in Form von Stacheln, Gitterwerk, Netz- 
werk usw. auftritt. Diese letzteren, dem Habitus nach untereinander 
sehr ähnlichen Membranen, können unter den verschiedensten histo- 
logischen Bedingungen entstehen, bei xudimentärer Tapete (Moose), 
innerhalb eines Plasmodiums (Filices ?. Gymnospermen, Angiospermen) 
und innerhalb der sog. Sporangiumflüssigkeit, ohne daß die Tapete auf- 
gelöst wird (Isoetes, Selaginella). Der wesentlichste Teil der Exospor- 
anlage verläuft dabei allgemein innerhalb der Spezialmutterzellen oder 
Spezialzellen. Die angeführten Unterschiede sind sicher im Wesen der 
beiden Lamellen begründet. Die aus dem Periplasma gebildeten machen 
direkt den Eindruck erstarrter, schaumiger Plasmamassen und die Kom- 
pliziertheit des Baues hängt auch damit zusammen, daß die Lamellen 
direkt von einem lebenden Protoplasten aufgebaut werden, während sich 
die Skulpturen auf den Exinen unter Intussuszeption aus Differenzie- 
rungen zu der Sporenmembran herausbilden müssen, die in ihren Anfangs- 
stadien gar nicht direkt zu erkennen sind. Dahinzu kommt noch, daß 
die Perisporien in der Regel mit den Exosporen gar nicht fest ver- 
wachsen sind, sondern sich sehr leicht von denselben loslösen lassen, 
während die übrigen Sporenhäute, auch da, wo eine Speziallamelle vor- 
handen sein soll, vollständig einheitliche Membranen darstellen. 

In beiden Fällen liegen zweifellos komplizierte aber fundamental 
verschiedene Äußerungen der direkt, beteiligten Protoplasten vor, wir 
können jedoch bis jetzt gar nicht feststellen, welcher Art dieselben 
sind. Nur so viel läßt sich aussprechen, daß die Perisporbildung 
über den Umweg der Beteiligung eines fremden Profoplasten 
und der Unregelmäßigkeit der Struktur, phylogenetisch betrachtet, den 
Eindruck eines älteren Typus macht wie die regelmäßige und selb- 
ständigere Exosporbildung. 


’ 4. Die Sperenmembran der Embryosäcke, 

Wir haben bisher nur die typischen Sporen behandelt und wollen 
num noch einen Blick auf diejenigen von den Makrosporen abzuleitenden 
Zellen werfen, die als Embryosäcke bezeichnet werden und gerade 
in phylogenetischer Beziehung besonderes Interesse darbieten. In einer 
schwer zugänglichen Arbeit (s. Referat Bot. Zeitg. 1905, S. 227) hat vor 


einiger Zeit Thomson (1905) darauf hingewiesen, daß bei den Einbryo- 
25* 


370 E. Hannig, 


säcken der Gymnospermen noch vielfach „Megasporenmembranen“ aus- 
gebildet werden. Auch hierbei handelt es sich wieder um einen Gesichts- 
punkt, der für die Beurteilung der phylogenetischen Entwicklung der höheren 
Pflanzen aus den Archegoniaten von Interesse ist. Man sollte erwarten, 
daß die Megasporen der Gymnospermen, sobald sie ihre Selbständig- 
keit verlieren, d. h. in dem Nuzellus der Mutterpflanzen dauernd und 
fest eingeschlossen bleiben, also zu Embryosäcken geworden sind, daß 
sie damit auch keine derbe widerstandsfähige Membran mehr erhalten. 
Die Arbeit Thomsons und einige spätere Untersuchungen haben aber 
gezeigt, daß bei den Gymnospermen unter Umständen noch eine sehr 
dicke Membran ausgebildet wird, an der man sogar mehrere Schichten 
unterscheiden kann. Beim Verlust der Selbständigkeit der Makrosporen 
(Embryosack) ist also in der phylogenetischen Entwicklung noch ein 
Merkmal übriggeblieben, welches eigentlich überflüssig wäre. Die Eigen- 
schaft der Derbwandigkeit geht zwar, je weiter man in der Pflanzen- 
reihe emporsteigt, um so mehr verloren; sie wird aber durchaus nicht 
in dem Augenblick unterdrückt, in dem sie überflüssig geworden ist. 
Es sollen nun zunächst die Untersuchungen von Thomson und 
andere einschlägigen Arbeiten kurz besprochen und daran die Frage an- 
geknüpftwerden, ob nicht auch bei den Angiospermen noch Reste dieser 

Membran vorhanden sind. 
. Cyeadeen. Schon in dem jungen Embryosack von COycas revo- 
Iuta, ist die Embryosackwand sehr stark verdickt (4,5 «) und besteht 
aus zwei Schichten (nach Thomson Endosporium und Exosporium). 
Wir fügen hier absichtlich die genaueren Angaben hinzu, damit man 
ermessen kann, wie scharf dies Relikt noch charakterisiert ist. Die 
äußere Schicht ist radial gestreift, gelblich gefärbt, in zwei Lamellen 
differenziert, eine innere, homogene, farblose und stark lichtbrechende 
und eine äußere, körnige und schwach gelbliche, aber beide Schichten 
sind scharf voneinander getrennt. Mit Chlorzinkjod färbt sich die 
äußere gelbbraun (Warming 1879, Thomson 1905), während sich 
die innere in einer inneren Lage violett färbt, in der äußeren ebenfalls 
braungelb; das Exosporium ist demnach kutinisiert, das Endosporium 
besteht zum Teil aus Zellulose, In älteren Embryosäcken treten ge- 
vinge Änderungen in der Form und der chemischen Zusammensetzung - 
der Membran auf, Ähnlich wie bei Cycas ist die Embryosackmembran 
bei Stangeria gebaut (Thomson, pag. 14, Lang 1900), Dioon 
(Thomson, pag. 16, Warming 1879, Chamberlain 1906), wo das 
Fra Be Iemogene Lamelle ist, während das Exospor aus nagel- 
‚perchen besteht (s. nachstehende Textfig. 3, pag, 371; nach 


Uber die Bedeutung der Periplasmodien. 871 


Chamberlain 1906), Zamia (Thomson, pag. 17) und Ceratozamia 
(Thomson, pag. 20). Die Membran ist, wie noch hervorgehoben werden 
muß, bei allen Oycadeen um den ganzen Embryosack herum gleich- 
mäßig ausgebildet. 

Ginkgoaceen. Die Embryosackwand besteht wie bei den 
Oycadeen aus zwei Schichten, einer äußeren kutikularisierten, mit un- 


- regelmäßig radialer Streifung und einer inneren Zelluloseschicht und 


verläuft ebenfalls anf allen Seiten des Embryosackes gleichmäßig 
(Thomson, Sprecher 1907, Caruthers 1907). 

Koniferen. Bei den Araucarieen ist die Embryosackmembran 
am wenigsten typisch ausgebildet. Sie ist zwar auch hier (bei Agathis 
australis) beim jungen Eimbryosack durchschnittlich 
4—5 u diek aber nicht mehr kutinisiert, sondern 
nach Thomson von gleicher Struktur und chemischer 
Beschaffenheit wie die Intine der Pollenkörner. Ähn- 
lich, aber dünner und reicher an Zellulose ist die 
junge Embryosackmembran von Araucaria imhri- 
cata. 

Pinus resinosa besitzt eine Embryosackmem- 
) bran (ca. 4—2 u), die mit derjenigen der Oycadeen im 
Fig.3. Dioon edule. wesentlichen übereinstimmt, nämlich eine äußere 
Quorschnitt durch kutinisierte Schicht („Exosporium“) und eine innere, 
ie Makrosporen- . . . . " 
membran mithomo- die in zwei Lamellen differenziert ist, von denen die 
gener innerer La- äußere wieder kutinisiert ist, die innere wesentlich 
melle („Eindospor“) x , ji 
undnagelartigeVer-- aus Zellulose besteht. Bei anderen Pinusarten ist 


zierungen tragender gie Membran nicht ganz so diek. Bei Larix sind 


äußerer Lamelle . la , , 
(„Exospor*), (nach Bau und chemische Beschaffenheit ähnlich wie bei 


engen Pinus; die Membran keilt sich aber nach dem 
" Archegoniumpol des Embryosacks zu mehr 


-oder weniger schnell aus. Nicht wesentlich sind die Unterschiede 


in der Struktur bei Pices, Abies, Cedrus, Sciadopitys, etwas weniger 
ausgebildet bei Seguoia, Cryptomeria, Taxodium, Biota und Juniperus 
(bei den beiden letzteren fehit die Verdünnung der Membran nach der 
Mikropyle zu). Bei Podocarpus scheint eine verdiekte Membran zu 
fehlen, während sie bei Daerydium gut ausgebildet ist. Ebenso fehlt 
sie bei Cephalotaxus, ist höchstens in sehr schwacher Ausbildung 
bei Taxus vorhanden (Sokolowa bildet. bei Cephalotaxus Fortunei eine 
ziemlich starke Membran ab, Lawson findet eine solche bei Cephalo- 
taxus drupacea erst nach der Befruchtung), während wieder die nahe 
verwandte Torreya eine stark entwickelte Membran besitzt. 


372 E. Hamnig, 


Gnetaceen. Auch bei Ephedra scheint eine innere zellulose- 
artige und eine äußere kutinisierte Lamelle vorhanden zu sein; beide 
zusammen sind aber wesenflich schwächer (ca. 1 „) als bei den meisten 
Koniferen (Sokolowa 1880, Thomson 1906). Ähnliche Ausbildung 
findet sich bei Welwitschia (Hooker 1863 und Thomson) und Gne- 
tum (Karsten 1892, Lotsy 1899). 

Daß bei den Gymnospermen im allgemeinen eine auffallend derbe 
Membran um den Embryosack ausgebildet ist, geht also aus den soeben 
angeführten Daten unzweifelhaft hervor. Die chemische Beschaffenheit 
der Membran ist allerdings nicht überall genügend untersucht, so daß 
man, wie schon Solms (1905) hervorgehoben hat, nicht direkt sagen 
kann, daß die Wände der Embryosäcke kutinisiert sind. Die Reaktionen 
gegen J-+-H,SO,, Chlorzinkjod und Saffranin genügen hierzu allein nicht. 
Immerhin aber läßt das Verhalten gegen diese Reagentien erkennen, 
daß erstens die Membranen verhältnismäßig widerstandsfähig und daß 
sie zweitens noch auffallend differenziert sind. Das allein dürfte ge- 
nügen, um darzutun, daß die Embryosäcke noch Rudimente von Makro- 
sporenwandausbildung erhalten haben. Es ist ja zu erwarten, daß die 
Embryosackwände der Gymnospermen, die sich unter ganz anderen 
histologischen Bedingungen entwickeln wie die isolierten Makrosporen 
nicht mehr genan die gleiche Struktur zeigen werden. Immerhin wäre es 
wünschenswert, worauf auch Solms (pag. 218) hinweist, daß entwicklungs- 
geschichtlich verfolgt würde, ob die beiden Schichten, die Thomson 
als Exosporium und Endosporium bezeichnet, tatsächlich diese Namen 
verdienen und ferner, daß mittels eingehender mikrochemischer Unter- 
suchung festgestellt würde, ob die Ermbryosackmembranen sich in gleicher 
Richtung verändert haben, wie die entsprechenden Mikrosporen. Ließe 
sieh dieser Nachweis erbringen, dann wäre die Beweisführung eine sehr 
viel sicherere. Aber notwendig ist diese Bedingung, wie nochmals ge- 
sagt sein soll, nicht, da schon bei typischen Sporen, wie z. B. Azolla, 
ein wesentlicher Unterschied in der Struktur der Mikro- und Makro- 
spore vorhanden ist. Die bisherigen Befunde berechtigen daher sehon 
jetzt zu dem Schluß, daß die starke Ausbildung der Embryosackmembran 
bei den Gymnospermen ein Analogon der Ausbildung bei den ent- 
sprechenden Mikrosporen ist, mit anderen Worten, daß reduzierte 
Makrosporenmembranen vorhanden sind. 

Für solche Hypothesen lassen sich natürlich nur Wahrscheinlieh- 
keitsgründe beibringen, und die Begründung wäre daher für die Gymno- 
spermen zweifellos eine sehr viel tiefere, wenn gezeigt werden könnte, 
daß die „innere Schicht“ entwicklungsgeschichtlich dem Endosporium, 


Tr 


Über die Bedeutung der Periplasmodien. 373 


die äußere dem Exosporium entspricht, und daß die chemische Be- 
schaffenheit der Embryosackmembran mit derjenigen der Pollenkorn- 
membran mehr oder weniger übereinstimmt, 

Verfolgen wir nun noch einen Schritt weiter die Entwicklung der 
Makrosporenmembran, nämlich bei den Angiospermen, so müssen 
wir auch auf solche Beweisführung noch verzichten. Die Rückbildung 
hat hier von den Mikrosporen schon so weit abgeführt, daß ein direkter 
Vergleich keinen Wert mehr hat. Wir können nur noch untersuchen, 
ob die Entwicklung der Embryosackmembran bei den Angiospermen 
in demselben Sinne verläuft wie bei den Gymmospermen. Das 
scheint tatsächlich bei einem Teil der Angiospermen noch nachweisbar 
zu sein. So haben schon Warming (1878) und Vesque (1878, pag. 242) 
darauf hingewiesen, daß die Embryosackmembran häufig in derselben 
Weise verquollen erscheint wie die Sporenmutterzellwand. Diese Ver- 
quellung findet sich aber nur in dem ganz jungen Embryosack, und 
aus den Angaben der beiden Autoren ist nicht recht zu ersehen, um 
was es sich dabei eigentlich handelt. Dagegen zeigen, und das ist für 
uns wichtiger, die reifen Embryosäcke häufig eine Kutinisierung der 
Membran. Diese wurde wohl zuerst von Westermaier (1890) an- 
gegeben, und zwar hauptsächlich für die von ihm untersuchten Monoco- 
tylen. Später von Balicka Iwanowska (1899) für eine Anzahl 
Scrophulariaceen. Nach Westermaier soll die Kufikularisation an 
der Chalazaregion, nach Balicka Iwanowska an der Mikrophyle 
fehlen. Es wäre sehr wohl möglich, daß eine größere oder geringere 
Unterbrechung an beiden Stellen vorliegt, an einem Pol für das Ein- 
dringen des Polleuschlauchs, an dem anderen für die Zuleitung von 
Nährstoffen aus der Chalaza. Im übrigen ist die Beschaffenheit der 
Embryosackmembran nicht genau untersucht worden, so daß über sie 
noch kaum etwas bekannt sein dürfte. Dagegen wird hier und da, z. B. 
bei Trieyrtis hirta (Ikeda 1902) ausdrücklich angegeben, daß der Embryo- 
sack keine Kutikula besitzt, sondern nur die Oberflächenschicht des Inte- 
guments kutinisiert ist. Ähnlich wird es wohl bei den Araliaceen sein, 
wo Ducamp (1902) festgestellt hat, daß die inneren und radialen 
Wände der Tapetenschicht kutinisiert sind, aber von der Embryosack- 
membran nichts berichtet. Soweit eine Kutinisierung nachgewiesen ist, 
und vielleicht stelit sich eine solche bei genauer Untersuchung als 
weiter verbreitet heraus, ist sie jedenfalls sehr auffallend. Sie ist bis- 
her verschiedentlich zur Erklärung der Funktion der Antipoden als 
eines Absorptionsorgans benützt worden (Westermaier, Goldilus, 
Lötscher), Daraus nämlich, daß die Kutikularisierung des Embryo- 


374 E. Hannig, 


sacks nur am Antipodenende unterbrochen ist, wurde geschlossen, daß 
der Nahrungsstrom an dieser Stelle in den Embryosack eintritt und von 
den Antipoden verarbeitet wird. Dem widerspricht aber die Anordnung 
des Epithels, das doch zweifellos zur Übermittlung von Nährstoffen 
dient und somit direkt als Drüsengewebe bezeichnet werden kann 
(Goebel, Goldfluss u. a). Es erscheint selbstverständlich, daß die 
durch das Epitkel mobil gemachten Nährstoffe nicht erst an die Anti- 
poden geleitet werden, sondern wie schon die radiale Streckung der 
Epithelzellen schließen läßt, direkt in den Embryosack abgeführt werden. 
Es wäre ferner, gerade für den Embryosack, d. h. für eine Makro- 
spore nicht auffallend, daß kutinisierte Membranen Nährstoffe passieren 
lassen, denn, wie wir wissen, entwickeln sich ja die meisten Sporen im 
Periplasmodium oder in einem anderen flüssigen Medium, sind dabei 


schon in ganz jungem Zustand stark kutinisiert und wachsen und füllen - 


sich trotzdem noch mit Reservestoffen an. Wenn man aber auf der 
anderen Seite an den Unterschied von freier Spore und Embryosack 
denkt und in Erwägung zieht, daß eine Zelle, die so schnell und stark 
wächst: und so lebhaften Stoffumsatz bewirken muß, eine möglichst 
leicht permeable Membran haben müßte und statt dessen kutinisiert ist, 
so ist dies eigentlich nur verständlich, weun man annimmt, daß bei den 
Angiospermen im Anschluß an die phylogenetische Entwicklung der 
Embryosackmembran bei den Gymnospermen noch ein Rudiment der Mega- 
sporenmembran in der Kutinisierung enthalten ist. Unterstützt wird diese 
Annahme dadurch, daß sich schon innerhalb der Reihe der Gymno- 
spermen eine starke Rückbildung der Makrosporenmembran geltend macht 
und zwar nicht nur in dem Sinne, daß die Membran überhaupt schwächer 
wird, sondern auch insofern, als bei den höher stehenden Formen 
die Kutikula am Mikropylepol schwächer wird oder schließlich gar 
uicht mehr zur Ausbildung kommt. Es ist darnach zu erwarten, daß 
bei den phylogenetisch noch höher stehenden Organisationsstufen die 
letzten Reste der Makrosporenmembran verschwinden werden. Streng 
beweisen läßt sich also die Behauptung, daß die Kutinisierung 
einiger Embryosäcke derjenigen der Gymnospermen homolog ist, einst- 
weilen nicht, sie erscheint aber als die beste Erklärung des Vor- 
kommens kutinisierter Embryosackmembranen. Diese Kutinisierung ist 
sicher nur bei einem Teil der Angiospermen vorkanden. Die übrigen 
würden also zu denen gehören, bei denen die Reduktion der Megasporen- 
membran vollständig abgeschlossen ist. Diese wären streng genommen 
erst die typischen Embryosäcke, also soweit umgebildete Megasporen, 
daß kein Rest der Ausbildung einer Megasporenmembran mehr übrig ist. 


Uber die Bedeutung der Periplasmodien. 375 


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Familienmerkmale der Cyatheaceen und Polypodiaceen 
und die. Beziehungen der Gattung Woodsia und ver- 


wandter Arten zu beiden Familien. 


Von Otto Schlumberger. 
(Mit 15 Abbildungen im Text.) 


Inhaltsübersicht: 
1. Einleitung: Historisches. 
2. Der Gametophyt der Gattung Woodsia und verwandter Arten, verglichen mit 
dem der nächstverwandten Cyatheaceen und Polypodiaceen. 
&) Prothallienform, Haarbildungen. 
b) Antheridienfrage. 
c) Abnorme Bildungen, biologische Notizen. 
3. Der Sporophyt, desgl. ö 
a) Sporangien, Sorus. 
b) Indusien. 
ec) Anatomie. . 
4. Zusammenfassung der Untersuchungsresultate. 
Schlußfolgerung. 


1. Einleitung. 


Die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Oyatheaceen 
und Polypodiaceen sind schon sehr häufig der Ausgangspunkt ein- 
gehender Untersuchungen gewesen. 

Wie weit dieselben geführt haben, charakterisiert die Tatsache, daß 
die neueste Darstellung von Diels‘) (in Engler-Prantl) im wesent- 
lichen die Einteilung wiedergibt, wie sie bereits von Mettenius?) auf- 
gestellt worden ist. Die in den neueren Darstellungen) vorgenommene 
Trennung in Polypodiaceen und Cyatheaceen als fest umschriebene 
Familien fand nicht allgemeine Anerkennung. " 

Auch die Versuche derjenigen Autoren®), welche die Oyatheaceen 
mit den Polypodiaceen vereinigen, konnten sich keinen Eingang ver- 
schaffen. 

Die heute für die Systematik der leptosporangiaten Farne maß- 
gebenden Faktoren sind die Beschaffenheit des Indusiums und der 
Verlauf des Annulus am Sporangium. 

Es ist natürlich, daß das Herausgreifen dieser beiden Merkmale 
allein notwendigerweise zu einer künstlichen Einteilung führen muß, 

1) Diels in Engler-Pranti, Natürliche Pflanzenfamilien I, 4. 

2) Meitenius, Filices horti bot. Lips. Leipzig 1856. 

3) Diels, 1. ec, Christ, Farnkräuter der Erde. Jena 1897. 

4) R. Brown, Prodromus Fl. Nov. Hollandiae. — Kaulfuß, Das Wesen der 


Farnkräuter. — Brongniart, Hist, des vög6t. fossil. — Fe, Exposition des genres 
de la famille des Polypodiacdes. Straßburg 1850—1852. — Endlicher, Genera 


plantarum. 


Fiore, Bd, 108. 26 


384 Otto Schlumberger, 


während ein natürliches System auf einer Vergleichung des Gesamt- 
organismus und der Entwicklungsgeschichte basieren muß?). 


&oebelt) nimmt wiederholt Veranlassung darauf hinzuweisen, daß 
in der heutigen Systematik ausschließlich die Beschaffenheit des Sporo- 
phyten in Betracht gezogen wird, während der Gametophyt gar keine 
Berücksichtigung findet. 

Wohl am meisten macht sich die Mangelhaftigkeit der heutigen 
Einteilungsprinzipien fühlbar bei der Gattung Woodsia. Diese vereinigt 
das für die Cyatheaceen charakteristische unterständige Indusium mit 
dem geraden Annulus der Polypodiaceen. Je nachdem man nun das 
eine oder das andere Merkmal als das maßgebende betrachtet, muß 
man Woodsia entweder zu den Cyatheaceen oder zu den Polypodiaceen 
stellen. In der neuesten systematischen Bearbeitung der leptosporan- 
giaten -Farne von Diels (Diels 1. c.) wie überhaupt in allen Farn- 
systemen, wo die Cyatheaceen und Polypodiaceen als gesonderte Fami- 
lien betrachtet werden, wird Woodsia. und die verwandten Arten (Diacalpe, 
Peranema, Hypoderris) zu den Polypodiaeeen gestellt. 


Im folgenden soll der Versuch gemacht werden, an der Hand, 
sänntlicher bis jetzt bekannter Merkmale ‘des Gametophyten und Sporo- 
phyten die systematische Stellung der Gattung Woodsia zu klären. 

Die zur Aussaat verwandten Sporen von Woodsia ilvensis ent- 
stammten teils einem von Herrn Geheimen Rat von Goebel in Nor- 
wegen gesammelten und mir gütigst überlassenen Material, teils hatte 
ich dasselbe im September 1907 bei Ebersdorf in Thüringen gesammelt: 
Das Sporenmaterial von Discalpe aspidioides wurde einem Herbar- 
ezemplar entnommen, welches 1906 gesammelt war. Die Sporen von 
Woodsia obtusa, sowie sämtlicher anderer untersuchten Oyatheacsen 
und Polypodiaceen, stammten von Pflanzen des botanischen Gartens in 
München. 


Die Anlegung der Prothallienkulturen geschah unter Anwendung 
aller Vorsichtsmaßregeln auf sterilem Lehm oder Torf. 


2. Der Gametophyt. 


Bei so stark variablen Gebilden, wie dies die Prothallien der Farne 
unter verschiedenen Lebensbedingungen sind, ist es einigermaßen 


1) &oebel, Heeistopteris, eine verkannte Farmgattung. Flora 1896. — 


Ders, Zur Keimungsgeschichte einiger Farne. Annales du jerdin botanique de 
Buitenzorg, Vol. VII, pag. 107. 


Familienmerkmale der Cyatheaeeen und Polypodiaceen usw. 385 


schwierig, einheitliche systematisch verwertbare Merkmale herauszufinden. 
Den zahlreichen’ Arbeiten Goebels!) in dieser Richtung verdanken wir 
es, daß hier bestimmte Gesichtspunkte geschaffen worden sind. Heim?) 
hat durch seine Untersuchungen festgestellt, daß es eine Anzahl von 
Merkmalen gibt, die sich bei veränderten Kulturbedingungen als 
konstant erweisen. Für die vorliegenden Familien, die Cyathea- 
ceen und Polypodiaceen, kommt. hier nur in Betracht das Auftreten 
bestimmter Haarbildungen und der Bau der Antheridien. In der 
Keimung und Entwicklung des Prothalliums weisen beide Gruppen 
nach den Untersuchungen Bauckes®) keine wesentlichen Verschieden- 
heiten auf, Auch ich konnte bei den untersuchten Spezies keine solchen 
nachweisen. Bis zur Entwicklung der Herzbucht und des Mittelpolsters 
war die Entwicklung der Prothallien bei allen Arten gleichartig. Ich 
kann daher gleich auf die Beschreibung der Verschiedenheiten der 
fertigen Prothallien eingehen. 


a) Haarbildun gen. 


Charakteristisch für die Cyatheaceen ist das Vorhandensein von 
von borstenförmigen mehrzelligen „Haaren“ auf der Unterseite des Pro- 
thalliums zu beiden Seiten des Mittelpolsters und teilweise auch am 


Rande). 


In dieser Hinsicht steht den Cyatheaceen am nächsten Diacalpe 
aspidioides (Fig. 1r—4). An den erwachsenen Prothallien treten auf 
der Fläche der Unterseite zahlreiche gestielte Drüsenhaare mit zwei 
und drei Stielzellen auf, deren mittlere Zelle gelegentlich auch eine 
Längsteilung aufweist. In manchen Fällen, in denen die Endzellen nicht 
als Drüsenköpfehen ausgebildet sind, sind diese Bildungen von den mehr- 
zelligen Cyatheaceenhsaren nicht zu unterscheiden. Am Rande der 
Prothallien treten mehrzellige Haarbildungen nicht auf, auch das Auf- 
treten von einzelligen Drüsenhaaren am Rande ist nicht häufig, An 
älteren Prothalien trat in einigen untersuchten Fällen, doch dann immer 
an beiden Prothallienlappen, je ein neuer Vegetationspunkt auf, so daß 
die Prothalien im Alter ein gekräuseltes Aussehen erhielten. 


1) Goebel, Annales du jardin bot. de Bnitenzorg, Vol. VIL — Ders, 
Flora 1896, Bd. LXXXII. — Ders., Organograpbie, pag. 411 ff. 

2) Heim, Flora 1896, Bd. LXXXH, pag. 355 ff. 

3) Baucke, Pringsh. Jahrb., Bd. X. ’ 


4) Heim, lc 
26* 


386 


Otto Schlumberger, 


Mehrzellige Haarbildungen konnte ich auch bei Woodsia 
obtusa Torr. nachweisen (Fig. 1, 5 6, r70—12). Die an dem Rande 
und auf der Fläche auftretenden Drüsenhaare standen meist auf einer 


Fig. 1. r—4 Haarbildungen auf dem 

Prothallium von Discalpe aspidioides; 

5—6 Haarbildungen auf dem Protkallium 

von Woodsia obtusa; 7—-g Haarbildungen 

auf dem Prothallium von Woodsia ilvensis; 

10—r2 junge Prothallien von Woodsia 
obtusa mit Drüsenhaaren. 


Basalzelle, die gelegentlich‘ noch 
eine Querteilung aufwies. Drüsen- 
haare traten bei Woodsia obtusa 
schon sehr früh auf, gleich nach- 
dem die Bildung einer Zeilfläche 
eingeleitet war. Das Prothallium 
erhielt dadurch einecharakteristische 
Form, daß die Randzellen der herz- 
förmigen Prothallien in lange Lappen 
oder Zeilfäden auswuchsen, deren 
jeder als Endzelle ein Drüsen- 
haar trug. 


Ganz in der nämlichen Weise 
wie bei Woodsia obtusa traten auch 
bei Woodsia ilvensis sogleich 
nach Bildung einer Zellfläche rand- 
ständige Haarbildungen auf. Die auf 
dem ausgewachsenen Prothallien in 
großer Zahl auf der Fläche und 
am Rande auftretenden Drüsenhaare 
waren aber zum Unterschiede von 
den bei Woodsia obtusa beobach- 
teten meist einzellig.. Die Pro- 
thallienzelle, welche das Drüsenhaar 


trägt, wölbt sieh polsterförmig empor, in manchen Fällen grenzt sich 
durch eine Querteilumg eine Trägerzelle von der Prothallienfläche ab 


(Fig. 1, 7-9). 


Die außerdem untersuchten Prothallien von Cystopteris fragilis 
wiesen zahlreiche, aber nur einzellige rand- und flächenständige Drüsen- 
haare auf, Auch die Prothallien der Dicksonieen besitzen Drüsenhaare, 
die auf einer Trägerzelle stekent), es erscheint jedoch fraglich, ob diese 
als Übergänge zwischen den Oyatheaceen und Polypodiaceen zu be- 
trachten sind. Jedenfalls ist es wahrscheinlich, daß, wie aus dem 
unten zu erwähnenden Beispiel von Seolopendrium hervorgeht, Haar- 


1) Goebel, Organographie, pag. 412. 


Familienmerkmale der Cyatheaceen und Polypodiaceen usw. 887 


bildungen in verschiedenen Reihen unabhängig von einander aufge- 
treten sind. 

Bei der Besprechung der Haarbildungen möchte ich noch auf 
eine von Beck!) gemachte Angabe eingehen, der bei den Prothallien 
von Scolopendrium mehrzellige Haare nach Art der bei den Cyatheaceen 
vorkommenden beschreibt. Heim?) hält diese Beobachtung einer 
Nachprüfung bedürftig, Da mir Prothallien von Scolopendrium in 
großer Zahl zur Verfügung standen, untersuchte ich ältere Vorkeime 
und konnte die Angaben Beck’s bestätigen. Ob hier wirklich nur 
Scolopendrium vorlag, konnte leicht festgestellt werden durch Unter- 
suchung der Antheridien, die sämtlich eine ungeteilte Deckzelle hatten; 
es konnten also keine Oyatheaceenvorkeime sein, desgleichen wurde 
auch eine große Zahl von Scolopendriumkeimpflanzen aus der betreffen- 
den Kultur erhalten, und es liegt daher kein Grund vor, die Angabe 
Beek’s für unrichtig zu erklären. Die Haare treten allerdings nicht 
in dieser Regelmäßigkeit wie bei den Cyatheaceen auf. 


b) Antheridien. 


Nach den Untersuehungen Heim’s®) ist der Bau der Antheridien 
wohl das innerhalb bestimmter Verwandtschaftsgruppen konstanteste 
Merkmal der Geschlechtsgeneration der leptosporangiaten Farne. 

Bei den Antheridien der Oyatheaceen ist, die Deckelzelle in der 
Regel in zwei oder mehr Zellen geteilt, während sie bei den Poly- 


podiaceen stets ungeteilt ist*). 


Bau der Deckelzellen. 


. Bezüglich der Cyatheaceen-Antheridien kann ich auf die Ar- 
beiten von Kny?) und Bauke®) verweisen. 


ti) Beck, Günther, Entwicklungsgeschichte des Prothalliums von Seolopendrium. 
Verhandlungen der zool. botan. Gesellschaft in Wien 1879, 
2) Heim, I. e. 


3) Heim, l.c. pag. 829 ff. 

4) Heim, 1. c. pag. 360 u. 363. Dortselbst ist auch die wichtigste diesbezüg- 
liche Literatur angeführt; ergänzend für die Polypodiaseen möchte ich hier noch 
anführen: Thuret, Sur les antheridis des fougeres. Annal. d. sc. nat,, Tome III, 
Ser. 1, 11, 18, 49. — Beck, Entwieklungsgeschichte des Prothalliums von Scolo- 
pendrium. Verhandlungen der k. k. zool. botan. Gesellschaft in Wien 1879, Bd. 


XXIX, Abhandl. p. 1. 
5) Kny, Monatsberichte der Berliner Akademie der Wissenschaften. 1870. 


6) Baucke, L c. 


388 Otto Schlumberger, 


Den Cyätheaceen am nächsten stehen zweifellos Diacalpe und 
Peranema. Leider konnte ich nur die Antheridien der ersteren unter- 
suchen, da jedoch Peranema der Gattung Diacalpe sehr nahe steht!), 
ist eine Verschiedenheit im Bau der Antheridien wohl kaum anzunehmen. 

Der normale Bau der Antheridien von Diacalpe aspidioides 
Bl. (Fig. 2, 2—4) stimmt mit dem für die Cyatheaceen charakteristischen 
vollkommen überein. Das häufig auf einer Basalzelle aufsitzende Anthe- 
ridium besteht aus zwei übereinanderliegenden Ringzellen, die den 
spermatogenen Innenraum umgeben. Der Deckel besteht, wie bei der 
einmal geteilten Deckeizelle der Oyatheaceenantheridien aus zwei Teil- 
zellen, derart, daß durch eine hkogenförmig verlaufende Querwand aus 


Fig. 2. 7 Woodaia obtusa; 2—-4 Diacalpe aspidioides. Antheridien von der Seite 
und von oben. d,, d,, @, Teilstücke der Deckelzelle; 7 obere Ringzelle, « Cutieula. 


der Deckelzelle eine halbmendförmige Zelle ausgeschnitten wird 
(Fig. 2, 3 u. 4). Nur in seltenen Fällen fand ich noch eine zweite 
zur ersieren annähernd senkrecht verlaufende Querwand (Fig. 2, 2). 
Mehr als zwei Teilungswände wurden nie beobachtet. Bei jüngeren 
Antheridien, bei denen jedoch der spermatogene Innenraum bereits 
in die Spermatezoidmutterzellen geteilt war, fand ich manchmal noch 
ungeteilte Deckelzellen. Genaue Feststellungen über den Zeitpunkt 
des Auftretens der Querwand in der Deckelzelle zu machen, war mir 


nicht möglich®). Jedenfalls variiert derselbe innerhalb ziemlich weiter 
Grenzen. 


1) Diele, Le. Bd. T, Heft 4, pag. 160: „Vielleicht mit Diacalpe zu vereinigen“. 
2 Baucke, Jahrbücher für wissenschaftl, Bot., Bd. X, Entwieklungsgeschichte 
des Prothalliums bei den Cyatheaceen usw., pag. 72, gibt allerdings an: Noch ehe 


Familienmerkmale der Cyatheaceen und Polypodiaceen usw. 389 


Systematisch am nächsten steht Diacalpe von der Gattung 
Woodsia nach Diels!) die Sektion Physematium Kaulf. Als Vertreter 
derselben konnte untersucht werden Woodsia obtusa Torr. (Fig. 2). 
Die im übrigen nach dem normalen Typus gebauten Antheridien unter- 
scheiden sich von Diacalpe nur durch den Bau der Deckelzelle. Bei 
Woodsia obtusa wird nämlich aus der ursprünglichen Deckelzelle eine 
kreisförmige Zelle herausgeschnitten, die jedoch soweit nach der Seite 
verschoben ist, daß sie an einer Stelle mit dem Rand der Deckelzelle 
und der angrenzenden Ringzelle zusammenfälli. Ungeteilte Deckel- ' 
zellen kommen nur selten vor. 

Eine weitere Vereinfachung im Bau der Deckelzelle finden wir 
bei Woodsia ilvensis R. Br. Hier ist die Deckelzelle gewöhnlich 
ungeteilt, hierin also vollständig mit dem Polypodiaceen-Typus überein- 
stimmend. Nur in ganz seltenen Fällen konnte eine Zweiteilung der 
Deckelzelle wie bei Diacalpe und den Üyatheaceen festgestellt werden, 
auf denselben Prothallien, auf welchen der größte Teil der Antheridien 
keine Teilungen in der Deckelzelle aufwies. 

Cystopteris fragilis und Cystopteris montana besitzen nur 
Antheridien mit ungeteilten Deckelzellen. 

Die "Unterschiede der Gattung Woodsia und ihrer nächsten Ver- 
wandten im Antheridienbau von dem gewöhnlichen Polypodiaceen-Typus 
und die teilweise vollkommene Übereinstimmung mit den Oyatheaceen 
sind, was die Geschlechtsgeneration betrifft, vielleicht die einzigen kon- 
stanten Merkmale, die uns bei der Betrachtung beider Gruppen ent- 
gegentreten. 

Es ist wohl möglich, daß diese Vereinfachung im Bau der Deckel- 
zelle innerhalb dieser Gruppen eine phylogenetische Reihe darstellt. Die 
Entscheidung dieser Frage ist natürlich erst möglich, wenn alle zu den 
Polypodiaceen gestellten Gattungen und besonders die zweifelhaften auf 
diesen Punkt hin untersucht sind. Bis jetzt sind von den zu den 
Polypodiaceen gestellten Gattungen die Woodsien die einzigen, bei 
welchen geteilte Antheridiendeckelzellen nachgewiesen sind. 

Ein weiteres, ganz allgemein als feststehend betrachtetes Merkmal 
bei der Unterscheidung der Antheridien der Cyatheaceen und Poly- 
podiaceen ist die Öffnungsweise der Antheridien. Bei den ersteren 
wird die Deckelzelle abgeworfen, bei letzteren sternförmig durchbrochen. 


die Deckelzelle sich geteilt hat, zerfällt bei den Gyatheaceen die innere Zelle des 
Antheridiums durch eine auf der Ebene des Prothalliums senkrechte und zur Achse 


beliebig gerichtete Wand in zwei Tochterzellen usw. 
1) Diels in Engler-Prantl, Natürl. Pflanzenfamilien, Bd. I, Heft 4, pag. 161. 


390 . Otto Schlumberger, 


Eine genaue Untersuchung ‘und Prüfung dieser Verschiedenheiten schien 
zur Beantwortung der vorliegenden Frage von besonderer Wichtigkeit. 


Öffnungsmechanismus. 


Die kausalen Beziehungen, die zwischen dem Ötfnungsmecha- 
nismus und der Öffnungsweise bestehen, machen es notwendig, 
zunächst auf jenen näher einzugehen, zumal da die Ansichten hierüber, 
trotz der mannigfachsten Arbeiten über Antheridien, immer noch sehr 
voneinander abweichen ?). 

Die Angaben Suminskis?) und Wigands®), wonach das Öffnen 
beim Eintritt eines bestimmten Reifestadiums „freiwillig“ stattfindet, 
sind keine Erklärung des Vorgangs. 

Sonst stehen sich im aligemeinen zwei Ansichten gegenüber: 

Nach der einen ist der Druck, der durch Quellen der Spermato- 
zoiden und der zwischen ihnen befindlichen schleimigen granulösen 


Substanz auf die Wandung .des Antheridiums ausgeübt. wird, das die 
Öffnung desselben bewirkende Agens. 


Fig. 3. Woodsia ilvensis. Antheridien verschiedener Entwieklungsstadien. Er- 
klärung im Text. 


Nach der anderen wird das Öffnen des Antheridiums durch den 
Druck der aufquellenden Ringzellen auf den Inhalt bewirkt, es ist also 
bier das Vorhandensein quellbarer Substanzen in den Ringzellen not- 
wendig. . 

Ob die eine oder andere dieser Erklärungen oder eine Verbindung 
beider dem wirklichen Sachverhalt entsprechen, soll im folgenden genau 
ausgeführt werden. - 

Sind im Antheridium die Ringzellen und die Deekelzelle gebildet 
und die Teilungen in der Spermatozoidenmutterzelle abgeschlossen, so neh- 


men die Wandzellen des Antheridiums (inkl. Deckelzelle) etwa zwei Drittel 


1) Siehe Goebel, Organographie 1898, pag. 389. 


2) Lesezic-Suminski, Zur Entwieklungsgeschichte der Farnkräuter, 1848. 
3) Wiegand, Bot. Zeitung 1849, pag. 22, 


Familienmerkmale der Cyatheaceen und Polypodiaceen usw. 331 


des Gesamtvolumens des Antheridiums ein, während das eine Drittel 
‚auf den spermatogenen Innenraum entfällt (Fig. 3, r). Die inneren Wände 
‚der Ringzellen verlaufen meist in der Weise, daß aus dem Antheridium 
der Innenraum als ein Doppelkegel herausgeschnitten wird (Fig. 8, 7), 
‚der durch die Deckelzelle und die Basalzelle auf beiden Seiten abge- 
‚stumpft ist, oder sie wölben sich sogar konvex nach innen vor (Fig. 3, 2). 
In dem Maße, wie sich die Spermatozoidmutterzellen von einander durch 
Verschleimen der Mittellamellen loslösen und sich abrunden, wird von 
diesen ein Druck auf die Ringzellen und die Deckelzelle ausgeübt, der 
Innenraum nimmt an Volumen bedeutend zu und allmählich die Form 
einer Kugel an. Dadurch werden die Wandzellen oft bis zum Sehwinden 
‚des Lumens zusammengedrückt, sie werden „passiv gespannt“ (Fig. 3, 3). 

Durch Auflösen (Verschleimen) der Mittellamelle zwischen Deckel- 
zelle und oberer Ringzelle wird erstere, oder bei geteilter Deckelzelle 
zumeist das kleinere Teilstück derselben, aus_dem Zellenverband los- 
‚gelöst und hängt nur noch oben mit der das Antheridium überziehenden 
ziemlich starken Cuticula zusammen (Fig. 4). Gefördert wird diese Loslösung 
(dureh das Quellen desSchleimes, 
in den die Spermatozoiden ein- 
gebettet sind und den dadurch 
auf die Deckelzelle ausgeübten 
Druck. Damit hat das Anthe- 
ridium sein „Reifestadium“ er- 
reicht. 

Daß den äußeren Anstoß 
zum Öffnen des Antheridiums 
‚das Vorhandensein von Wasser 
gibt und die Öffnung nicht 


‚ohne weiteres vor sich geht, Fig. 4. Woodsia ilvensis. Reife Antheridien. 


dari tim: i isten Die Deckeizelle @ hat sich yon der oberen 
darin s men die meis r Ringzelle (r) losgelöst. 3 Die Trennungssteile 
Untersucher überein. Kny?), stärker vergrößert. 


Baucke2) und Beck®) nehmen . 
an, daß die Wandzellen an der Öffnung aktiv beteiligt sind. Merklin®), 


Thuretd und Straßburger‘) dagegen geben an, daß das Öffnen 
1) Kny, Sitzungsbericht der Berliner Akademie der Wissenschaft 1870, 


. 427. 
Ds 2) Baucke, Jahrbücher für wissenschaft. Bot., Bd. X, pag. 75. 
3) Beck, Verhandlungen der zool. botan. Gesellschaft in Wien 1880, pag. 9. 
4) Beobachtungen über das Prothallium der Farnkräuter. Petersburg 1850. 
5) Annales d. sc. nat. 1849, 3. Ser, No, 11, pag. 7. 
6) Jahrbücher für wissenschaftl. Bot., Bd. VII, pag. 395. 


392 Otto Schlumberger, 


durch Quellen des: Schleimes, in den die Spermatozoiden eingebettet 
sind, bewirkt wird und die Wandzellen nicht aktiv daran beteiligt sind. 
Weitere Details über den Öffnungsvorgang finden sich nirgends. Aller- 
dings ist die Beobachtung dieses Vorgangs dadurch erschwert, daß 
durch den beim Öffnen austretenden Schleim die genaue Verfolgung 
behindert wird. Außerdem vergehen oft Stunden bis ein anscheinend 
völlig reifes Antheridium, in Wasser gebracht, sich öffnet. 

Wenn wir von der 
Ansicht, daß die Öffnung 
durch das Quellen des Schlei- 
mes, in den die Spermato- 
zoiden eingebettet sind, be- 
wirkt wird, absehen, so ist 
für die Entscheidung der 
Frage: Welches sind die Fak- 
toren, die bei der Öffnung 
beteiligt sind? zunächst fol- 
gendes von Wichtigkeit. 

Die beiden Ringzellen !) 
und die Schwesterzelle der 
oberen Ringzelle, die Deckel- 
zeile resp. deren Teilstücke, 
weisen, was ihren Inhalt be- 
trifft, keine Verschiedenheit. 
auf. Im fertigen Zustand ent- 
halten sie meist gar kein 


| oder nur sehr wenig Chloro- 


Fig. 5. Woodsia ilvensis. 7 Reifes Antheridium " i 
die Gutieula ist geplatzt. 2-4 Entleerte An- Phyll, außer dem deutlich 


theridien. c Cuticula; & Deckelzelle; obere Sichibaren Zellkern ist nur 

- Ringzelle, wenig körniges Protoplasma 

enthalten. Durch Färbungen 

mit schleimfärbenden Reagentien, besonders mit dem empfindlichen 

Rutheniumrot, wurde festgestellt, daß in Ring- und Deckelzellen ein. 
wasserheller Schleim abgelagert ist. 

Der Öffnungsmechanismus ist bei den von mir untersuchten Cya- 

theaceen und Polypodiaceen-Antheridien im wesentlichen überall der näm- 

liche, und ich glaube, daß er auch, soweit die diesbezüglichen Angaben 


)) Bei der Beschreibung der Antheridien nehme ich, wenn nichis anderes 
angegeben, das zweistöckige Antheridium (mit zwei Ringzellen) als Normalfall an. 


Familienmerkmale der Cyatheaceen und Polypodiaesen usw. 393 


hierüber Schlüsse gestatten, bei den anderen Familien der leptosporan- 
giaten Farne von diesem Typus nicht bedeutend abweicht. 

Was die Vorgänge beim Öffnen betrifft, so zeigen dieselben mutatis 
mutandis eine große Ähnlichkeit mit den von Goebel?) für die Moos- 
antheridien ausführlich beschriebenen. Durch Wasseraufnahme findet in 
den Wandzellen eine Volumenzunahme statt. Durch den Druck der 
unteren Ringzelle auf die Spermatozoiden werden diese gegen das apikale 
Ende des Antheridiums gedrängt. Dadurch wird der Druck der oberen 
Ringzelle und der Deckelzelle nach innen aufgehoben. Andererseits 
wird durch ihre Wasseraufnahme ein Zusammenpressen verhindert. 
Jedenfalls gleichen sich hier Druck und Gegendruck aus, da durch 
Messungen vor der Öffnung Schwankungen im Querdurchmesser dieser 
beiden Zellen nicht festgestellt werden konnten. Nach einiger Zeit 
kann die stark gespannte Outicula dem Druck nicht mehr das Gleich- 
gewicht halten und platzt an der Stelle des stärksten Druckes (Fig. 5). 
Eine dureh ihren von den 
übrigen Teilen der Guti- 
cula abweichenden Bau 
prädestinierte Aufrißstelle 
ist nicht vorhanden. Die 
Druckrichtung ist abhängig 
von dem Bau der unteren 
Ringzelle. Ist dieselbe z. B. 
schief, d.h. ihre der Außen- 1 2 
seitoanliegende Wand nicht Fig. 6. Woodsia ilvensis. Das gleiche Anthe- 
überall gleich hoch, so wird yidium geschlossen (x) und entleert (2). c Cuticula; 
die Aufrißstelle derCutieula d Deckelzelle; r obere Ringzelle. 
dadurch mehr oder weniger 
seitwärts verlegt (Fig.6). Bei stark turgeszenten Antheridien von feuchten 
Kulturen vergrößert sich das Loch in der Cutieula sehr rasch, die 
Deckelzelle oder deren Teilstück löst sich von dieser los, und gelangt 
durch die Öffnung in das umgebende Wasser, wo sie sich durch Wasser- 
aufnahme bald stark ausdehnt, so daß sie als ein kugeliges oder ei- 
förmiges Gebilde vor der Öffnung liegen bleibt (Fig.5). Bei kümmerlichen 
Antheridien trockener Kulturen vergrößert sich der Riß nur langsam. 
Platzt die Cutieula mehr seitlich, so ist häufig beobachtet worden, daß 
sich die Deckelzelle gar nieht von der Cuticula ablöst, sondern die 


1) &oebel, Üher den Öffnungsmechanismus der Moosantheridien. Sapple- 
ment aux annsles du jardin botanique de Buitenzorg 1898. — Ders,, Organographie 


1898, pag. 238." 


394 Otto Schlumberger, 


Spermatozoiden durch einen Spalt zwischen oberer Ringzelle und Deckel- 
zelle ins Wasser austreten (Fig. 6). Das Auspressen der Spermato- 
zoiden erfolgt in der bekannten Weise durch starke Quellung der Ring- 
zellen, wobei in denselben Faltungen auftreten,. von der Mitte radial 
nach allen Seiten ausstrahlen (Fig.5, 3; Fig. 7), die von den Untersuchern 
verschieden gedeutet wurden. Von den ältesten‘) sind sie als Scheide- 
wände gedeutet worden, von den meisten als „sternförmige Aufrißstelle 
der Deckelzelle‘®. Baucke spricht allerdings trotzdem auch von 
Faltungen in den Ringzellen, Die in Engler-Prantl®) von Kny über- 
nommene Abbildung eines geöffneten Antheridiums, die Kny richtig 
gedeutet hat, ist dortselbst falsch, indem die von Kny als Ringzelle 
mit Faltungen gedeutete Zeile in Engler-Pranti als Deckelzelle be- 
zeichnet ist. Auf die Deutung der einzelnen Autoren einzugehen dürfte 
wohl zu weit führen, die diesbezügliche Literatur findet sich ausführ- 
lich bei Heim). Soviel steht jedoch fest, daß die Ringzellen mit ihren 


Fig. i. Woodsia ilvensis. Antheridien Fig. 8. Woodsia ilvensis, Antheridium 
entleert von oben. 7 obere Ringzelle; von der Seite, entleert.  c Cutieula; 
< Cutiovla. (Punktiert die Ansatzstelle r obere Ringzelle. 

der Deckelzelie.) 


sternförmigen Falten und ihre Deutung als durchbrochene Deckelzelle 
den Anlaß.zu dem Irrtum gegeben haben, daß die Öffnung der Poly- 
podiaceen-Antheridien durch einen sternförmigen Riß in der Deckelzelle 
erfolgt. Die Faltungen in den Ringzellen kommen dadurch zustande, 
daß sich diese nicht gleichmäßig nach außen und innen ausdehnen 
können, da ihnen die Cuticula auf der Außenseite einen- Widerstand ent- 
gegensetzt. 

Betrachtet man das entleerte Antheridium von oben, so ist die 
Cuticula ohne Färbung in den seltensten Fällen zu sehen Fig. 7). 
Bei der Seitenansicht ist sie jedoch sehr deutlich sichtbar (Fig. 8). 
Daß auch bei den Polypodiaceen-Antheridien die Deckelzelle „in manchen 


1) Merklin, i. co, z.B. Taf. IE, Nr, 4. 

2) Baucke, Pr. Jahrh,, Bd. X, Tat. VI, Nr. 17. 
2) Natürliche Pflanzenfamilien, Bd, I, Heft 4. 

4) Heim, Flora 1895, 


Familienmerkmale der Gyatheaceen und Polypodiaceen usw. 395 


Fällen“ abgehoben wird, gibt schon Thuret!) an, dessen Untersuchungen 
und Zeiehnungen für die damalige Zeit sicher mit als die sorgfältigsten 
und exaktesten angesehen werden können. 

‚Als Material zu vorstehenden Antheridienstudien dienten Cibotium 
Schiedei, Hemitelia aspera, Cyathea dealbata, Diacalpe aspidioides, Woodsia 
obtusa, Woodsia ilvensis und hyperborea, Cytopteris fragilis, Athyrium 
filix feınina, Asplenium Ruta muraria, Scolopendrium offieinale (Fig. 9), 
Pteris serrulata und Polypodium aureum, 

Bevor ich die Betrachtung der Antheridien beschließe, möchte ich 
noch eine Frage aufwerfen, deren Beantwortung mir zur Beurteilung 
der früheren Ansichten über die Ansatz stelle 
Öffnungsweise der Antheridien von der Deckolzelle 
Wichtigkeit erscheint: Warum 
wurde bei den einen Gruppen der 
leptosporangiaten Farne das Ab- 
heben der Deckelzelle erkannt, bei 
den anderen nicht? Offenbar deshalb, 
weil bei den einen Gruppen die als 
sternförmig durchbrochene Deckel- 
zelle gedeutete obere Ringzelle nicht 
so deutlich sichtbar war. Dies ist 
der Fall bei den Antheridien mit 
geteilten Deckelzeilen, wo das Anthe- 
ridium nach dem Öffnen oben nicht 
mit einer geschlossenen Ringzelle 


abschließt, sondern mit dem Teil- 7 Atioula 

stück der Deckelzelle. Bei diesem Finfaltungen der 
kommt eine Einfaltung normaler- oberen Ringzelle 
weise nicht zustande, denn die Zelle Fig. 9. Scolopendrium offieinsle. An- 
kann sich, da sie keine geschlossene theridien entleert. 


Ringzelle ist, nach erfolgter Öffnung 
nach allen Seiten gleichmäßig ausdehnen. Ich entnehme aus Heim!) 
die Zusammenstellung der Öffaungstypen für die verschiedenen Familien: 
a) Deckelzellen geteilt, springen ab: Hymenophyllaceen, Cyatheaceen, 
Osmundaceen, Gleicheniaceen?) (Deckelzellen mitunter in zwei 

Hälften geteilt), Lygodium. 
b) Deckelzellen ungeteilt, durchbrochen: Polypodiaceen, Aneimia, 


Mohria. 


1) Thuret, Annales des sciences, Tome XI, 3. Ser, 
21le 


396 Otto Schlumberger, 


Die ungeteilten Deckelzellen der beiden Schizaeaceen Aneimia 
und Mohria werden durchbrochen, während bei Lygodium mit geteilter 
Deckelzelle die Teilzelle abgeworfen wird. 

In abnormen Fällen kommt wohl eine Durchbrechung der Deckel- 
zelle vor. Bei normal geöffneten Antheridien konnte ich die Reste 
einer durehbrochenen Deckelzelle auch nach Färbung nicht feststellen, 
immer nur die geplatzte Cuticula. 

Der Unterschied zwischen den Cyatheaceen-Antheridien und denen 
der Polypodiaceen: daß bei den ersteren die Deckelzelle bzw. ein Teil- 
stück derselben abgehoben wird, bei den letzteren durchbrochen, muß 
demnach fallen, als einziges sicheres unterscheidendes Merkmal kommen 
die Teilungen der Antheridiendeckelzelle in Betracht, welche bei den 
Polypodiaceen im allgemeinen, soweit Uuftersuchungen darüber vorliegen, 
fehlen. Übergänge kommen bei der Gattung Woodsia vor. 

Fassen wir die bei der Geschlechtsgeneration gewonnenen Ge- 
siehtspunkte zusammen, so lassen sich wohl die Haarbildungen wie die 
verschiedenen Formen im Bau der Antheridien unschwer in fortlaufende 
Reihen anordnen. Es ist zweifellos, daß hier die Woodsieen den Über- 
gang zwischen den Cyatheaceen und den Polypodiaceen vermitteln. 


Haare. Antheridien. 
1. Cyatheaceen: 


Typische mehrzellige Haare (teilweise Deekelzelle stets geteilt, normal 1, aber 
flächenförmig ausgebildet). auch 2 und 3 Teilungen. 


2. Diacalpe aspidioides:- 
Starke Neigung zur Bildung mehrzelliger Deckelzelle geteilt; mehr als eine Teilung 
Haare, Drüsenhaare meist auf einem tritt selten auf. 
Postament von 2—3 Trägerzellen. 


3. Woodsia obtusa: 
Mehrzellige borstenfürmige Haare fehlen, Deckelzelle geteilt in eine kreisrunde und 


Drüsenhaare stehen auf Trägerzelle, einesichelfürmige Zelle; mehr Teilungen 
die manchmal 1—2 Querteilungen auf- treten nieht auf, 
weist. 

Randzellen starke Neigung zur Faden- 
bildung. 

4. Woodsia ilvensis: 

Einzellige Drüsenhasre, die manchmal Deckelzelle ungeteilt. Auftreten einer 
auf einer einzelligen Trägerzelle auf- einzigen Teilungswand sehr selten. 
sitzen. 

5. Cystopteris und andere Polypodiaceen. 

Niemals mehrzellige Drüsenhaare, Deckelzelle stets ungeteikt. 


3) Aus den Rauwenhoff’schen Zeichnungen in Arch, Neerland d. se. 1891, 
Bd. XXIV, lassen sich jedoch nicht alle Details klar erschen. 


Familienmerkmale der Oyatheaesen und Polypodisceen usw. 897 


Auffallend ist.in obenstehender Tabelle der Parallelismus der 
beiden Reihen; bei den Antheridien und den Haarbildungen geht gleich- 
zeitig eine Reduktion in der Zahl der Teilungen vor sich. Ob die 
Reihen als natürliche aufzufassen sind, wird sich, soweit hier überhaupt 
Schlüsse erlaubt sind, bei der Vergleichung mit den entsprechenden 
Sporengenerationen ergeben?). 

Die Untersuchung der Prothallien der interessanten Gattung 
Hypoderris scheiterte leider an der Keimunfähigkeit des mir zur Ver- 
fügung stehenden Sporenmaterials. 


c) Abnorme Bildungen und biologische Notizen. 


Am meisten plastisch, sagt Goebel?), sind die Farnprothallien. 
Man kann sagen, auf jeder Prothallienkultur findet man interessante 
Formen, die geradezu zur biologischen Erklärung reizen, natürlich mit 
dem Nebengedanken, dadurch neue Gesichtspunkte und Zusammen- 
hänge in dem — ich darf wohl sagen Wirrwar — der Farnprothallien 
zu finden. 

Als „Alterserscheinungen“ möchte ich die Gesamtheit aller Ver- 
änderungen zusammenfassen, die bei Unterdrückung der Embryobildung 
an Prothallien eintreten, nachdem der ursprüngliche Vegetationspunkt, 
der im vorliegenden Fall in der Herzbucht liegt, sein Wachstum ein- 
gestellt hat. Daß das Eintreten dieses Zeitpunktes bei den verschiedenen 
Farnen sehr stark variiert, geht aus den Versuchen Goebels?) mit 
Osmunda hervor. Bei Woodsia ilvensis tritt er unter anscheinend 
normalen Bedingungen ziemlich früh ein. Daß Alterserscheinungen bei 
ein und derselben Spezies unter verschiedenen Außenbedingungen in 
verschiedener Weise zum Ausdruck kommen, geht aus folgendem Ver- 
such hervor. . 

Zwei Kulturen von Woodsia ilvensis, deren Sporen allerdings ver- 
schiedenen Provenienzen entstammten, hatten bei mittlerer Feuchtigkeit 
normale herzförmige Prothallien mit, Mittelpolster und beiderlei Ge- 
schlechtsorganen entwickelt. Nach etwa 10 Monaten traten regellos 


D) Goebel, Organographie, pag. 421: „Aber es wird bei unseren jetzigen 
Kenntnissen auf eine einigermaßen sichere phylogenetische Deutung der Prothallien 
überhaupt nicht zu rechnen sein, wir werden uns begnügen müssen überhaupt Zu- 
sammenhänge aufzufinden, deren genetische Bedeutung unsicher bleibt“. 

2) Organographie, pag. 403. 

3) Goebel, Bot. Zeitung 1877. 


398 Otto Scehlumberger, 


zerstreut auf den Prothallienflächen beider Kulturen Adventivprothal- 
lien auf. 

Die eine wurde nun bei maximaler Feuchtigkeit, die andere 
bei maximaler Trockenheit weiter kultiviert. Die Beleuchtung war 
keine intensive, die Kulturen befanden sich im Arbeitssaal des In- 
stituts an einem Nordfenster und waren mit einer gewöhnlichen Glas- 
scheibe bedeckt. 

Die Prothallien der Feuchtkultur zeigten nach etwa einem Monat 
alle das gleiche Aussehen. Sie hatien sich in die Höhe gerichtet und 
wiesen sämtlich am Rande eine starke Kräuselung auf. Diese war 
dadurch hervorgerufen, daß an 
verschiedenen Stellen des Randes 
neue Meristeme entstanden, an 
denen zahlreiche autikline Teilungs- 
wände gebildet wurden. 

Ein ganz anderes Bild bot 
die Trockenkultur. Hier hatte sich 
fast jedes Prothallium zu einem 
kleinen Räschen umgebildet. Mas- 
senhaft waren auf der Prothallium- 
fläche Adventivprothallien gebildet 
worden, die mit wenigen Aus- 
nahmen Zellfäden darstellten, an - 
denen teilweise Antheridien auf- 
traten. Es war also hier die 
Fadenbildung bei normaler Be- 
leuchtung durch geringe Feuch- 
tigkeit und dadurch bedingtem 
Mangel an der nötigen Nährstoff- 
zufuhr erreicht. 


Fig. 10. Woodsia ilvensis. Losgeirenntes Von beiden Kulturen wurden 


Prothalliumstück (2) in schwacher Be- im ersten Fall einzelne Lappen- 
leuchtung, zu fadenförmigen Zellen mit stücke, im letz 1 pP x 
einzelnen endständigen Antheridien (4) , Im letzteren solche mit 


entwickelt. fädigen Adventivprothallien sepa- 


riert und auf feuchtem Torf 
unter Glasglocken, die mit gewöhnlichem weißen Papier bedeckt 


waren (also bei abgeschwächtem Licht) weiterkaltiviert. Es wuchsen 


aun auch die der ursprünglichen FPeuchtkultur entuommenen Pro- 
thallienstücke zu fadenförmigen Adventivprothallien aus. Diese ver- 
zweigten sich bald, ebenso wie die der Trockenkultur, schr reichlich. 


Familienmerkmale der Cyatheaceen und Polypodiaceen usw. 39 


Teilweise trugen die Endzellen der Zellfäden Antheridien von normaler 
Ausbildung (Fig. 10). Ein Versuch, diese Fadenprothallien durch Darbietung 
günstiger Ernährungs- und Beleuchtungtverhältnisse zur Bildung von 
normalen Prothallien oder zur Archegonienbildung zu bewegen, hatte 
leider ein negatives Resultat. Da keine Rhizoiden ausgebildet waren 
und die Fäden dem Substrat nicht anlagen, konnten sie jedenfalls die 
ihnen dargebotenen Nährstoffe nicht gentigend ausnützen; nach kurzer 
Zeit starben sie ab. 


Wie verschieden Prothallien auf Reize, je nach dem Zeitpunkt 
des Eintretens derselben, reagieren, soll durch Gegenüberstellung eines 
zweiten biologisch interessanten Falles dargetan werden. 


Eine Kultur von Woodsia ilvensis hatte unter normalen Kulturbe- 
dingungen nach j 
etwa5 Monaten 

herzförmige 
Prothallien mit 
Mittelpolster 
und  beiderlei 
Geschlechtsor- 
ganen hervor- 

gebracht. 
Durch Aufle- 
gen einer Matt- 
glasscheibe auf 

die Kultur- 

schale und 
Herabsetzung 


der Fenchüg- Woodsia il Protballium mit: zylindrisch 
z ig. 11.° Woodsia ilvensis. z ium mit zylindrischem 
keit. trat Ent- a. 2 Knöllchenbildung am Ende des Fortsatzes. 3 Rück- 
wicklungshem- schlag zum flächenförmigen Prothallium. 4 Wiederholte Bildung 
in, di eines Fortsatzes. 5 Querschnitt durch einen solchen mit zwei 
mung ein, die T,.cheiden in der Mitte. 6 und 7 Scheitel eines Fortsatzes im. 


zunächst das Längsschnitt und von oben. 


Einstellen des 
Randwachstums zur Folge hatte. Durch das Auftreten von Grünalgen und 


Pilzen starben die Rhizoiden. und auch die Basis der Prothallien größten- 
teils ab. Das Meristem in der Herzbucht wölbte sich bald durch Bildung 
zahlreicher perikliner Teilungswände höckerartig in der Verlängerung 
des Mittelpolsters vor und wuchs zu einem im Querschnitt elliptischen 
bis kreisrunden zylindrischen Fortsatz aus (Fig. 11, 7). 


Flora, Bd. 102. 27 


400 Otte Schlumberger, 


Es sind derartige Bildungen schon bei verschiedenen Farnen be- 
beobachtet und als apogame Sprossungen bezeichnet worden‘). Die 
biologische Erklärung solcher Bildungen ist jedoch meist unterlassen 
worden. Ich möchte deshalb zunächst darauf etwas näher eingehen, 
bevor ich ihre Bedeutung für die Frage der Apogamie bespreche. 

Der zylindrische Fortsatz hatte typisches Scheitelwachstum mit 
zweischneidiger Scheitelzelle (Fig. 11, ö und 7) und erreichte allmäh- 
lieh eine durchschnittliche Länge von 3—4 mm. In diesen setzten 
sich die bereits sehr früh im Gewebe des Mittelpolsters entstehenden 
Tracheiden fort, die im Querschnitt meist in der 2—3-Zahl vor- 
handen waren (Fig. 11, 5). Um diese gruppierte sich ein meist 
einschichtiges kleinzelliges Gewebe aus im Längsschnittt rechteckigen, 
langgestreckten Zellen, die durch ihren reichlichen protoplasmatischen 
Inhalt auffielen und denen jedenfalls stoffleitende Funktionen zukommen, 
In späteren Stadien entwickelte sich die wachsende Spitze der Fort- 
sätze zu stärke- und reservestoffreichen Knöllchen (Fig. 11, 2). Bio- 
logisch handelt es sich hier zweifellos um eine analoge Bildung, wie 
sie Goebel?) bei Anogramme chaerophylla beschrieben hat, um eine 
künstlich hervorgebrachte „Einrichtung zum Überstehen von Trocken- 
perioden“. . 

Die Tatsache, daß unter normalen Umständen bei Woodsia ilvensis 
der Sporophyt aus der befruchteten Eizelle hervorgeht, lassen die Frage 
nicht ungerechtfertigt erscheinen, ob es sich hier tiberhaupt um eine 
apogame Bildung handelt. Das Auftreten von Tracheiden, welche 
„normal“ nur der ungeschlechtlichen Generation angehören®), macht 
dies sehr wahrscheinlich. 

Das einheitliche Bild, weiches die ganze Kultur bot, gab Veran- 


“ dassung sich diese Form der Apogamie aus den Kulturbedingungen zu 
erklären 3). 


3) Merklin, Beobachtungen au den Profhallien der Farnkräuter 1880, 
Tef. VII, Fig. 6 — Farlow, Über ungeschlechtliche Erzeugung von Keim- 
pflänzchen an Farnprothallien. Bot. Zeitung 1874, pag. 181. — Druery, Ferns 
aposporous and apogamous, Science Progrees, Tome V, pag, 242 ft. — Lang, W. H, 


Preliminary Statements the developmenis of Sporangia upon Fern Prothalli. Proceed. 
of the royal Soc. of London 1897, Vol. LX. 


2) Goebel, Bot. Zeitung 1877. 
3) Goebel, Organographie, pag. 431. 
. 4 Leider ist be mir nieht gelungen, trotz Darbietung der nämlichen Ver- 
hältnisse, die Erscheinung bei anderen Kulturen einheitlich von neuem hervor- 


zurufen, ich konnte dabei immer nur wieder Einzelfälle solcher Sprossungen kon- 
statieren. 


” 


- 


Familienmerkmale der Cyatheaceen und Polypodiaceen usw. 401 


Es gibt allerdings eine ganze Reihe von Farnen, bei denen die 
Apogamie ein inhärenter Speziescharakter zu sein scheint‘). Es sind 
aber auch zahlreiche Fälle bekannt, wo Apogamie neben sexuell er- 
zeugten Embryonen auftritt. 

Ich bin wie Goebel?) der Überzeugung, daß sich die Apogamie 
als „Korrelationserscheinung“ erklären lassen müsse, Es ist nicht der 
Zweck der nun folgenden Kulturversuche, eine Entscheidung darüber 
treffen zu wollen, ob unser Fall als apogame Sprossung zu bezeichnen 
ist, vielleicht geben dieselben aber Anhaltspunkte, wenn man der. bio- 
logischen Klärung der Apogamie etwas näher gerückt ist. 


Versuch I. 


Fragestellung: Ist es möglich, durch bestimmte Kulturbedingungen 
die apogamen Anlagen zur weiteren Entwicklung in der Richtung der 
ungeschlechtlichen Generation zu veranlassen? 

1. Die Prothallien wit zylindrischem Fortsatz wurden einzeln auf 
sterilisiertem Torf, der mit Knop’scher Nährlösung getränkt war, pikiert 
und möglichst intensivem Sonnenlicht bei mäßiger Feuchtigkeit aus- 
gesetzt (mit Glasglocke bedeckt). 

2. Die zylindrischen Fortsätze wurden von den Prothallien los- 
getrennt und in derselben Weise wie 1. kultiviert. 

Dureh die starke Lichtintensität sollte die Bildung von Sporangien 
angeregt und die Prothallienentwicklung unterdrückt werden, da, wie 
Goebel nachwies, ein wesentlicher Faktor für die Sporangienentwicklung 
starke Beleuchtung ist, während diese nicht das Optimum für das Wachs- 
tum ‘der Prothallien ist. 

Ein großer Teil der pikierten Pflanzen ging natürlich ein. 

Die Prothallien der Kultur 1°) starben größtenteils allmählich ab, 
bei den am Leben gebliebenen bildete sich die Spitze des zylindrischen 
Fortsatzes zu einem Knöllehen um, irgendwelche Bildung von Geschlechts- 
organen oder Rhizoiden fand nicht statt. Auf diesem Stadium verharrten 
diese Fortsätze monatelang ohne jegliche sichtbare Veränderung. Da 


1) Wie weit dieselbe vielleicht auf einer Vererbung erworbener Eigenschaften 
beruht, ist nieht bekannt. 

2) Goebel, Organographie, pag. 401, spricht von Apogamie: Alles Er- 
scheinungen, die, wie mir scheint, auf eine Störung hindeuten, deren Folge dann 
auch das ungeschlechtliche Auftreten nener Pflanzen am Prothallium ist, 

3) Diese Kultur bildet gewissermaßen ein Gegenstück zu den von Heilbronn 
kürzlich gemachten Versuchen (Flora, Bd. CI, Heft 1), der durch ähnliche Kultur- 
bedingungen an apogamen Pflanzen normale Embryonen zu erzielen versuchte. Es 


gelang ihm dies ebensowenig, wie hier die Erzielung eines apogamen Sporophyten. 
27* 


402 Otto Scehlumberger, 


einer nach dem anderen abstarb und ich das dem intensiven Sonnenlicht 
zuschrieb, verpflanzte ich den Rest, hielt ibn feucht und bei mäßiger Be- 
leuchtung. Es trat nun bald eine Veränderung ein. Die Knöllchen bildeten 
sich teilweise zu Prothallien um und entwickelten normale Archegonien 
oder diese entstanden direkt auf den Knöllchen, desgleichen bildeten sich 
auf beiden zahlreiche Rhizoiden. Die Reste des ursprünglichen .Pro- 
thalliums bildeten zahlreiche männliche Adventivsprosse. Bei einigen trat 
dann normale Embryobildung auf und es entwickelten sich Keimpflanzen. 

Die isolierten Fortsätze der Kultur 2 verhielten sich durchweg 
rein passiv. Es wurden keine Rhizoiden gebildet, ein merkliches Längen- 
wachstun der Fortsätze 
war nicht zu konstatieren, 
aber trotzdem erhielt sich 
eine ganze Reihe davon 
lange Zeit gesund und 
grün. Auch hier war teil- 
weiseKnöllchenbildungein- 
getreten, sonst aber keiner- 
lei Veränderung. Die eben- 
falls verpflanzten über- 
lebenden Fortsätze wurden 
wie die von Kultur I be- 
handelt. 

Nur zwei konnten 
gerettet werden. In den 
auf der Spitze gebildeten 
Knöllchen häuften sich 
immer mehr Reservestoffe 
an und es kam zu reich- 
licher Archegonien- und 
Rhizoidenbildung. An dem 


Fig. 12, Zylindrischer Fortsatz von Woodsia ji. einen kam es zur Bil- 


vensis, Knöllehenbild: N 
m LE Gy achuppen @&), dung von Spreuschuppen, 


wie sie bei apogamer 
Sprossung normal auftreten. Während 6 Monaten traten irgendwelche 
weitere Veränderungen nicht ein (Fig. 12). 


Versuch IT. 


Das die Neigung zur Bildung solcher zylindrischer Fortsätze 
auch bei veränderten Kulturbedingungen vorhanden ist und dann 


Familienmerkmale der Cyatheaceen und Polypodiaceen usw. 403 


durch Verminderung der Beleuchtungsintensität wieder hervorgerufen 
werder kann, sollte folgender Versuch zeigen. 

Die Prothallien mit zylindrischen Fortsätzen wurden einzeln pikiert; 
durch für Prothallienbildung möglichst günstige Ernährungsbedingungen 
entwickelten sich bald gewöhnliche Prothallienlappen mit normaler Herz- 
bucht und zahlreiche Archegonien wurden auf dem Mittelpolster gebildet. 
Die Pflanzen wurden sodann, soweit sie nicht: zur Embryobildung ge- 
kommen waren, unter die gleichen Verhältnisse gebracht, unter denen 
die zylindrischen Fortsätze entstanden waren. Nach kurzer Zeit begann 
vom Meristem der Herzbucht der neugebildeten Prothallienfläche aus- 
gehend von neuem die Bildung zylindrischer Fortsätze. 

Ob die Bildung von Tracheiden und das Auftreten von Spreu- 
schuppen allein die Deutung der Erscheinung als Apogamie rechtfertigt, 
erscheint mir fraglich, da es in keinem Falle gelungen ist, die Fort- 
sätze zur Blattbildung zu veranlassen. 


3. Der Sporophyt. 


In der allgemeinen Einleitung wurde schon andentungsweise auf 
die Einteilungsprinzipien der leptosporangiaten Farne hingewiesen. Je 
weiter wir in der genauen Kenntnis der Farne fortschreiten, desto un- 
zureichender werden jene, und desto mehr verdienen sie den Namen 
künstlicher Einteilungsprinzipien. 

Früher begnügte man sich, möglichst scharf umschriebene Gruppen, 
aufzustellen, wo man jeder Pflanze seinen festen Platz anweisen konnte, 
heute suchen wir phylogenetische Reihen und Zusammenhänge und 
hierbei kommen wir mit den beiden Merkmalen, Annulusverlauf und 
Indusienbildung, nicht mehr aus, wenn sie auch immer mit die wich- 
tigsten bleiben werden. Der einfachste Weg ist freilich der von Christ 
eingeschlagene, der sich die unbeguemen Formen vom Halse schafft, 
indem er sie als Parallelbildungen diagnostiziert‘). 

Die nahe Verwandtschaft der Woodsieen mit den Cyatheaceen 
wird in neuerer Zeit ganz allgemein anerkannt. 

Prantl?), der die Bildung der Sporangien aus dem Vegetations- 
punkt eines Blatistrahles für das Ursprüngliche erklärte, stellt an den 
Anfang seiner Reihe der leptosporangiaten Farne die vandfrüchtigen 


D Christ, Farnkräuter der Erde, pag. VII: „Wir sehen Diacalpe, die im 
gesamten Aufbau ein Aspidium ist, im Sorus eine Oyathea nachahmen, wir sehen 
Loxsoma, eine Davallia, einen Sorus, ähnlich dem von Trichomanes, tragen“. 

2) Pranti, Das System der Farne, Arbeiten des. botanischen Gartens zu 


Breslau 1892. 


404 Otto Schlumberger, 


Hymenopbyllaceen und läßt aus diesen als gleichwertige Reihen die 
Polypodiaceen und Cyatheaceen entstehen, indem er an den Anfang 
der ersteren die Deunstädtiinae mit randständigen Soris und die Aspi- 
diinae mit unterständigen Soris anreiht, wozu er auch Woodsis und 
Verwandte stellt; die Dieksonieen sollen den Übergang zwischen 
Hymennophyllaceen und Cyatheaceen vermitteln. 

Nach der neuesten Einteilung von Bower?‘), der der Gedanke 
zugrunde liegt, daß die sporeniragenden Gewebe entwieklungsgeschichtlieh 
primär, die vegetativen sekundär sind, also die Laubblätter ursprünglich 
alle fertil waren, sind die Dieksonieen von den Cyatheaceen getrennt 
und, was zweifellos auch das Richtige ist, die Polypodiaceen als poly- 
phyletische Familie dargestellt. Hier werden Woodsia und die ver- 
wandten Arten direkt an die Cyatheen angeschlossen. Sie bilden in 
der Sorusbildung einen Übergang zwischen den Gradatae und Mixtae. 
Etwas bestimmter formuliert Lotsy?) den im wesentlichen von Bower 
entnommenen Stammbaum. Er läßt in drei parallelen Reihen aus 
Loxsomaceen ähnlichen Formen die Cyatheaceen, Dicksonieen und Hymeno- 
phyllaceen entstehen. Die Gruppe der Woodsieen, in der von Diels 
und Christ aufgestellten Begrenzung erleidet dadurch eine Zweiteilung, 
indem Cystopteris und Verwandte von der Dicksonia-Davallia-, Woodsia 
und Verwandte von der CGyatkea-Onocleareihe hergeleitet werden. 


Ich bin hier auf die systematische Frage nur soweit eingegangen, 


als sie für die folgenden Untersuchungen als Grundlage in Betracht 
kommt. 


a) Sporangien, Sorusentwicklung. 

Im Bau der fertigen Sporangien stimmen Diacalpe und Peranema 
sowohl wie die übrigen untersuchten Woodsieen (Woodsia obtusa, Woodsia 
ilvensis und glabella, Hypoderris) vollkommen mit den übrigen Poly- 
podiaceen überein. Bei Diacalpe verläuft der Annulus allerdings nicht 
genau vertikal über den Scheitel des Sporangiums, sondern wird durch 
das ungleiche Wachstum der ursprünglich gleicehgroßen Hälften etwas 
seitlich verschoben. Es wird diese Errscheinung als Annäherung an 
das Oyatheaceensporangium gedeutet. 

Die unverdickten Stomiumzellen sind jedoch stets streng horizontal 
angeordnet, die Öffnung erfolgt in der für die Polypodiaceen charakte- 
ristischen Weise, Der Annulus ist kein vollständiger, sondern wird durch die 
Ansatzstelle des Stieles unterbrochen. Derartige Verschiebungen kommen 


1) Bower, F. O., Origin of a Landflora 1908, pag. 653. 
2) Botanische Stammengeschichte 1909, Bd. II; pag. 664. 


Am 


EEE 


Familienmerkmale der Cyatheaceen und Polypodiaceen usw. 405 


bei verschiedenen Polypodiaceen gelegentlich vor. Auch die Entwicklung 
der Sporangien und Anlage des Annulus bieten keine Verschiedenheiten n, 

Wichtigere Unterschiede ergeben sich bei der vergleichenden Ent- 
wicklungsgeschichte der Sori. Von Diacalpe und Peranema konnte ich 
mir leider kein Material zu entwieklungsgeschichtlichen Untersuchungen 
verschaffen. Hier ist es ja — nach dem Bau des fertigen Sorus zu 
schließen — unzweifelhaft, daß er ein Receptaculum besitzt, das 
bei Diacalpe direkt als Gewebepolster der Blattfläche aufsitzt, während 
es bei Peranema langgestielt ist. Es liegt also der Zusammenhang 
mit den Gradaten Bowers, speziell den Cyatheaceen klar. Von den 
übrigen Woodsisen nähert sich den Gradaten Woodsia obtusa. Hier be- 
ginnt die Sorusbildung damit, daß sich auf der Blattunterseite zunächst 
eine Zellgruppe vorwölbt, auf der dann die Sporangien in unbestimmter 
Reihenfolge sich entwickeln (Fig. 13, 7—6). Eine Fortsetzung von 
Tracheiden in das Gewebe des Receptaculums findet nicht statt. 

Bei Woodsia ilvensis und glabella entstehen die Sporangien direkt 
aus der Blattunterseite, nachdem die an der Bildung der Sporangien 
beteiligten Epidermiszellen sich vorher geteilt haben, in regelloser Folge. 
Ein Emporwölben der Sorusbasis findet, auch nachträglich nicht statt. 
Ebenso liegen die Verhältnisse bei dem verwandten Hypoderris Brownii 
und bei dem möglicherweise in demselben Verwandtschaftskreis ge- 
hörigen Cystopteris. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Ausbildung 
eines Receptaculums in Beziehung steht zu der Menge der Sporangien. 
Besonders bei Woodsia glabella und Hypoderris ist hier ein ursächlicher 
Zusammenbang nicht ausgeschlossen, da die Zahl der Sporangien eine 


sehr geringe ist. 


b) Indusium. 


Ein Moment, auf den meiner Ansicht nach besonders in der 
neuesten Systematik zu wenig Gewicht: gelegt wird, ist die Indusien- 
bildung. Außer von Burck2) liegen besonders über die Entwicklungs- 
geschichte noch wenig genaue Untersuchungen vor. Gerade im vor- 
liegenden Fall ist die Prüfung dieser Verhältnisse von Wichtigkeit, da 
in der Gruppe der Woodsien sicherlich eine allmähliche Reduktion im 
Bau des unterständigen Indusiums bis zum fast vollständigen Auflösen 
desselben in Einzelhaare vor sich gegangen ist. Die Feststellung dieser 


1) Vgl. Kündig, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Polypodiaceen- 


eporangien (Hedwigis 1888), 
2) Burek, W., Over de ontwieklingsgeschiedenis an den aard van bed indusium 


der Varens. Nederland. Kruidk. Arch. II, 1875. 


406 Otto Schlumberger, 


Tatsache gibt uns allerdings keinen Beweis für die Verwandtschaft der 
Woodsieen mit den Oyatheaceen. Wir haben hier vielmehr eine Ent- 
wieklungsreihe im Bau des Indusiuns, die bei den Cyatheaceen parallel 
verläuft, denn auch bei diesen können wir die Reduktion des bei der 
Gattung Cyathea meist kugelig geschlossenen Indusiums zu einem 
häufigen schuppenförmigen bei Hemitelia, bis zum vollständigen Schwinden 
bei Alsophila feststellen. Die nämlichen Ansichten äußert auch Bower‘); 
die Bedeutung der Indusien für die Systematik scheint er indes für 
eine untergeordnete zu halten: „We shall then hold the indusium to 
be an inconstant body, varying in oceurrence and in position, and the 
term will be used to designate outgrowihs protective of the sorus 
what ever their position and wathever their evolutionary history may 
have been“. Mag man über den Wert des Indusiums als systematisches 
Merkmal verschiedener Ansicht sein, für die systematische Stellung 
gerade der Woodsieen scheint mir die genaue Kenntnis der Indusien 
und ihrer Entwicklung von großer Bedeutung. 

Bei Diacalpe und Peranema ist im Bau des Indusiums eine völlige 
Übereinstimmung vorhanden mit gewissen Cyathea-Arten. Es besteht 
aus derbwandigen, stark verdickten Zellen, ist anfangs geschlossen und 
öffnet sich bei Diacalpe durch mehrere unregelmäßige Risse am Scheitel, 
bei Peranema teilt es sich in zwei Klappen. 

Den genannten Arten am nächsten scheint. Hypoderris mit 
schüsselfürmigem gewimpertem Indusium zu stehen, das an der Basis 
lückenlos zusammenhängend ist. Im wesentlichen hiervon verschieden 
liegen die betreffenden Verhältnisse bei Woodsia obtusa. Rings um 
den die Bildung des Sorus einleitenden Zeilhöcker wölbt sich eine 
Gruppe von Epidermiszellen vor, die das hier nur der Kürze wegen 
als Receptaeulum zu bezeichnende Gebilde als einschiehtiger Ringwall 
umgibt und zwar in der Weise, daß dieser das Receptaeulum nicht 
allseitig umschließt, sondern gegen den Blattrand zu offen läßt (Fig. 18, 5)- 
Es geht also, was noch ausdrücklich hervorgehoben werden soll, das 
Indusium nicht aus dem Receptaculum, sondern aus den umgebenden 
Epidermiszellen hervor. 

Später treten auf der dem Blattrand zugewandten Seite nock 
einzelne isolierte Indusialhaare auf. In seinem weiteren Wachstum zerfällt 
der Ringwall in einzelne Lappen, indem je zwei, drei oder mehr nebenein- 
ander liegende Zellen zu kleineren Zellflächen auswachsen @Fig.13, 6, 8). 
An den Enden der Lappen stehen zahlreiche Drüsenhaare, Auch die 


1) Bower, Origin of a Land. Flora, pag. 637. 


TREE m nn A 


Familienmerkmale der Gyatheaceen und Polypodiaceen usw. 4097 


isoliert stehenden Indusialhaare wachsen zu kleineren Zellflächen aus. Das 
Indusium ist also kein geschlossenes und’ zerreißt nicht nur in wenige 


breite Lappen), sondern ist von Anfang an in mehrere Lappen ge- 
gliedert. - 


Fig. 13. r Woodsia ilvensis, ganz junge Sorusanlage; s5 Sporangium, z Indusial- 

haare. 2 Woodsia ilvensis, weiteres Stadium; s> Sporangium, ; Indusialhaare. 

3 Woodsia ilvensis, weiteres Stadium; s$ Sporangium, 7 Indusialhaare, 4 Woodsia 

obtusa, Anlage des Reseptaculums. 5 Woodsia obtusa,- Anlage des Ringwalls (»), 

s$ Sporangien. 6 Woodsia obtusa, älteres Stadium; = Indusium, s> Sporangien. 

7 Woodsia ilvensis, fertiges Indusium; 57 Blattrand. 3 Woodsia obtusa, fertiges In- 
dusium; 22 Blattrand. 


Noch weiter geht diese Auflösung des Indusiums in einzelne 
Haare bei Woodsia ilvensis. Die Entwicklung des Sorus wird 
dadurch eingeleitet, daß sich eine oder zwei Epidermiszellen annähernd 
gleichzeitig emporwölben, aus denen sich später direkt Sporangien ent- 


1) Diels, L e. pag. 161. 


408 . Dtto Schlumberger, 


wiekeln. Diese haben sich meist schon durch eine Querwand von der 
Mutterzelle abgetrennt, bevor die.ersten Indusialhaare auftreten. Diese 
sind von den Sporangienanlagen zunächst nur durch ihre geringere Größe 
zu. unterscheiden. Sie entstehen meist zuerst auf der dem Blattrand 
abgewandten Seite direkt neben den Sporangien, später treten weitere 
auf beiden Seiten auf, so daß schließlich die Sporangien von einem Ring 
von Indusialhaaren umgeben sind, aber auch hier bleibt der Sorus gegen 
den Blattrand hin zunächst offen (Fig. 13, , 2, 9 7). 

In manchen Fällen sind an der Bildung eines Indusialhaares zwei 
nebeneinanderliegende Epidermiszellen beteiligt. Meist treten zunächst 
nur Querteilungen auf (Fig. 13, 5). Die Endzellen der entstandenen Zell- 
fäden wachsen zu borstenförmigen Gebilden aus, während die anderen 
Zellen durch Längswände sich teilen und dadurch die Bildung einer 
schmalen Zellfläche zustande kommt (Fig. 18, 7). Durch das Auftreten 
einer größeren Zahl von Längswänden in den basalen Zellen der einzeinen 
Haare hat es manchmal den Anschein, als ob die Indusialhaare an der 
Basis verwachsen wären. 

Wir sehen also die bei Woodsia obtusa noch kongenital ver- 
wachsenen Ringwallzellen bei Woodsia. ilvensis in einzelne Indusialhaare 
aufgelöst. 

Die auffallende Reduktion der dem Blattrande zugewandten In- . 
dusienbälften legte den Gedanken nahe, es könnten hier doch Über- 
gänge zu Cystopteris gefunden werden. Die Untersuchung der Ent- 
wieklungsgeschichte bestätigte dies jedoch nicht. Auch bei dem unter- 
suchten Cystopteris fragilis wird die Bildung des Sorus durch Anlage 
eines Sporangiums eingeleitet). Hinter diesem wölbt sich sodann eine 
Reihe von meist drei bis fünf nebeneinander und in einer Linie liegenden 
Zellen empor, die zu einer Zellfläche auswachsen, welche mit der Blatt- 
fläche einen spitzen Winkel bildet und so den jungen Sorus bereits 
frühzeitig dachförmig überzieht. Die kugelige Form des fertigen In- 
dusiums kommt dadurch zustande, daß in der gebildeten Zellfläche 
zahlreiche Längsteilungen stattfinden. Durch die Bildung zahlreicher 
Sporangien, besonders gegen das Indusium hin, wird dieses an der 
Basis zurückgedrängt und macht so den Eindruck eines unterständigen 
Indusiuras. 

Ich glaube, daß dies wohl mit ein gewichtiger Grund ist, die 
Gattung Cystopteris, wie es auch von Bower und Lotsy neuerdings 


1) Es dürfte also für die untersuchten Formen die Angabe Bower’s nicht 


zutreffen: „that the indusium (in many cases) is formed before the earliest sporangia 
appear“. Origin & a Land Flora, pag. 636, 


Familienmerkmale der Cyatheaceen und Polypodiaceen usw. 409 


gemacht worden ist, aus der Familie der Woodsieen auszuschalten und 
vielleicht von Davallia ähnlichen Formen abzuleiten. 


Spreuhaare. 


Der von Kulın gemachte Versuch, nach dem Vorhandensein von 
Spreubaaren und Spreuschuppen eine Trennung der leptosporangiaten 
Farne in Chaetopterides und Lophopterides vorzunehmen, führte zu 
keinen Resultaten. Auch in unserem Falle dürfte von einer ge- 
naueren Untersuchung der diesbezüglichen Verhältnisse nichts zu er- 
warten sein, da bei den Oyatheaceen ebenso wie bei den Woodsieen, 
sowohl Spreuschuppen als auch Spreuhaare vorkommen. 


c) Anatomie. 


In neuerer Zeit ist besonders von Bower der Verlauf der Gefäß- 
bündel als wichtiges Merkmal in die phylogenetische Systematik ein- 
geführt worden. Als der ursprüngliche Typus wird die Haplostele 
betrachtet. Aus dieser geht die Siphonostele hervor, welche sich bei 
den Cyatheaceen zur Dictyostele entwickelt. 

Auch bei Diacalpe aspidioides sind die Gefäßbündel zu einer 
Dietyostele angeordnet, prinzipielle Verschiedenheiten mit den Cyatheaceen 
bestehen hier nicht. Außer den Blattlücken tritt wie bei den Oyathea- 
<een eine ganze Reihe von „Perforationen“!) auf. Entsprechend den 
geringeren Größenverhältnissen bedeutend einfacher gebaut sind die 
übrigen untersuchten Formen der Woodsieen, alle aber sind dietyostel. 

Die Dietyostele von Hypoderris Brownii ist durch die be- 
deutende Größe ihrer Blattlücken ausgezeichnet (Fig. 14, 5). Das 
kriechende Rhizom hat dorsiventralen Bau, die einzelnen Internodien 
sind von bedeutender Länge. Von jeder Blattlücke treten vier isolierte 
Gefäßbündelstränge in das Blatt über. Der zwischen den seitlich 
liegenden Blattlücken befindliche Ober- und Unterstrang weist weit- 
maschige Perforationen auf. 

Die nun folgenden Formen haben einen radiären Stamm. 

Bei Woodsia obtusa stehen die Blattlücken dicht gedrängt und 
sind bedeutend kleiner als bei Hypoderris, Perforationen treten infolge- 
dessen nicht auf (Fig. 14, 2). In der Mitte jeder Blattlücke tritt rechts 
und links je ein Bündel in das Blatt über. . 

Infolge der geringen Größe der Blattlücken viel massiver gebaut 
ist das Gefäßbündelrohr im ausgewachsenen Stamm von Woodsia ilvensis 


1) Tausley, A., Lectures on the evolution ‘of the Filieinean Vascular 
System. New Phytol. 1907-1908. 


410 : Otto Schlumberger, 


(Fig. 14, n). Die Blattbündel zweigen von den ebenfalls dicht gedrängt. 
stehenden Blattlücken in der Zweizahl wie bei Woodsia obtusa, jedoch 
an der Basis der Lücken, ab, Auch hier treten Perforationen nicht 
auf. Bei jungen Keimpflanzen sind die Blattlücken bedentend größer, 


Fig. 14. Yreipräparierie Gefüßbündelskelette. 7 Woodsia 
ilvensis. > Woodsia obtuse. 3 Woodsia ilvensis, Keimpflanze. 
4 Cystopteris fragilis, Keimpflanze. 5 Hypoderris Brownii; 
bE Blatihtindel, = Wurzeln, 2/ Perforationen. Die rückwärts 
gelegenen Teile der Abb. 5 sind dunkel schraffiert. 


die ersten Blätter 
besitzen meist nur 
ein Bündel. 
Oystopteris- 
fragilis stimmi mit 
diesem Bauplan 
im wesentlichen 
überein und ist 
nur dadurch ver- 
schieden, daß nur 
ein an der Basis. 


der Blattlücken 


stehendes Bündel 
ins Blatt abzweigt 
(Fig. 14, 4). On- 
togenetisch gehen 
alle diese dityo- 
stelen Formen aus. 
einer amphiphlo- 
ischen Siphono- 
stele hervor. 
‚Akzessorische 
mark- und rinden- 
ständige Bündel 
kommen weder bei 
Diacalpe noch bei 
den übrigen un- 
tersuchten Arten 
vor. Die letzteren 


zeigen den für einen großen Teil der Polypodiaceen charakteristischen 
Bau. Ob diese Übereinstimmung zu phylogetischen Schlüssen berech- 
tigt, erscheint mir fraglich, oder derzeit, wenigstens noch nicht spruch- 
reif. Zunächst ist jedenfalls anzunehmen, daß der komplizierte Bau 
des Gefäßbündelskelettes bei Formen wie Diacalpe zusammenhängt mit. 
den bei den größeren Dimensionen gesteigerten „Bedürfnissen“ der 
Ernährung und Wasserzufahr. Finden wir doch unter den typischen 


Bi} 


mn 


Familienmerkmale der Cyatheaceen und Polypodisceen usw. 411 


Cyatheaceen Formen wie Alsophila pruinata und blechnoides‘), welche 
‚entsprechend ihrer geringeren Größe (beide sind nicht baumartig und 
stamınlos) ein einfacher gebautes Gefäßbündelskelett entsprechend dem 
zahlreicher Polypodiaceen haben. 

Chrakteristisch für die Cyatheaceen und Diksonieen (soweit unter- 
sucht) ist das Auftreten von Schleimschläuchen im Gefäßbündel und 
Parenchym. Bei Polypodiaceen sind bis jetzt solche nicht: nachgewiesen. 
(Ich konnte sie bei der Osmundacee Todea barbara feststellen.) Ihr Auf- 
treten erwähnt schon Mohl”). Von Trecul?), der sie genauer unter- 
sucht hat, werden sie als „Gerbstoffschläuche“ bezeichnet. Ich ziehe 


jedoch den Namen Schleimschläuche vor, weil es mir nicht gelungen 


ist, den Inhalt durch mikrochemische Reaktionen einwandfrei als Gerb- 
stoff zu diagnostizieren. Über die Natur des Schleimes konnte ich mir 
keinen Aufschluß verschaffen“). Bei den untersuchten Woodsieen 
konnte das Vorhandensein soleher Schleimschläuche nicht nachgewiesen 
werden. Da über ihre Entwicklung Untersuchungen nicht vorliegen, 
und sich die Angaben nur auf die ausgewachsenen Organe beziehen, 
so zog ich diese in den Kreis meiner Untersuchungen. Als Unter- 
suchungsobjekt wurde Dicksonia antarctica gewählt. Mit Jodgrün- 
fuchsin wurde der Schleim intensiv blaugrün gefärbt. 

In geringer Entfernung vom Vegetationsspunkt bemerkt man auf 
dem Längsschnitt im parenchymatischen Gewebe zahlreiche in Längs- 
reihen angeordnete rechteckige Zellen, die durch ihren intensiv gefärbten 
Inhalt: und durch ihre Größe sich von dem übrigen Gewebe abheben. 
Der durch die Fixierung der Präparate geronnene Schleim ist haupt- 
sächlich an den Querwänden abgelagert. Zwischen diesen Schleim- 
nassen sieht man die Zellwände als stark lichtbrechende Linien (Fig 15, 7). 
Auf älteren Stadien sieht man, daß diese verschwunden sind (Fig. 15, 2), 
sie sind stark gequollen und verschleimt. Das Auflösen der Querwände 
schreitet von der Mitte nach dem Rande hin weiter, bis schließlich der fertige 
Schleimschlauch von einem zunächst granulösen Inhalt: ganz erfüllt ist. 

Auf ausgewachsenen alten Blattstielen, z. B. von Cyathea dealbata 
ist der Schleim eine homogene stark lichtbrechende Masse, der die 
Schläuche wurstförmig durchzieht, an ihren Wänden sieht man noch die 


2) De Bary, Vergleichende Anatomie, pag. 297. 

2) Mohl, Vermischte Schriften. Baumfarne, pag. 113. 

3) Treeul, Ann. des sc. nat., 5. Ser, Tom. XII, pag. 373, dortselbst auch 
die Literatur. 

4) Verdunkelungsversuche der noch unentwickelten Wedel führten zu keinem 
Resultat. ’ 


412 Otto Schlumberger, 


Reste der aufgelösten Querwände (Fig. 15, 5, 2) Sehr häufig — bei 
manchen Arten ist es die Regel — stehen die Schleimschläuche im 
Gruppen von zwei und drei zusammen. Mitunter werden dann auch 
die aneinanderstoßenden Längswände teilweise aufgelöst (Fig. 15, 2). 

Die innerhalb der Gefäßbündel auftretenden Schleimschläuche 
scheinen inhaltlich von den im Parenehym befindlichen nicht ver- 
schieden zu sein. Neben den noch undifferenzierten Gefäßinitialen 


Fig. 15. r—3 Entwicklung der Schleimschläuche von Dieksonja antaretiea. r Jüngstes 
Stadium; s Schleim, ga Querwand. = Querwände verschleimt, 3 Querschnitt durch 
eine Gruppe ausgebildeter Schläuche. 4 und 5 Cyathea dealbata, Schleimschläuche 
aus alten Biatistielen. 

treten zylindrische Zellen etwa von der Länge der Gefäßinitialzellen auf, 
jedoch etwas breiter als diese. Auch hier ist bereits sehr früh, noch | 
vor der Verholzung der Gefäßwände, granulöser Schleim gebildet. Die 
Schläuche entstehen in derselben Weise durch Verschleimen und Auf- 
lösen der Querwände, wie die extrastelären. Ihre Entwicklung ist im 
allgemeinen schon vollständig abgeschlossen, bevor sich die Treppen- 
gefäße ausgebildet haben. Was die fertigen Schläuche betrifft, so 
kann ich wohl auf die Ausführungen Tr&culs a. a. O. verweisen. 


4. Zusammenfassung der einzelnen Untersuchungsresultate. 


1. Die normale Öffnungsweise der Polypodiaceenanthe- 
ridien besteht in dem Abheben der Deckelzelle, ein Durchbrechen 
derselben findet nicht statt. 

2. Der bisherige Unterschied zwischen den Cyatheaceen und Poly- 
podiaceen — Öffnen des Antheridiums durch Abheben der Deckel- 


Familienmerkmale der Oyatheaceen und Polypodiaceen usw. 413 


zelle bzw. deren Teilstück und Durchbrechen der Deckelzelle — 
muß daher fallen. j 

3. Ein wesentlicher Unterschied im Antheridienbau zwischen 
den Cyatheaceen und Polypodiaceen ist nur im Bau der Deckelzelle 
vorhanden. 

4. Die Antheridien von Diacalpe aspidioides und Woodsia obtusa 
haben eine geteilte Deckelzelle. 

5. Die Antheridienwandzellen sind „aktiv“ an der Öffnung des 
Antheridiums beteiligt. 

6. Bei den Woodsieen kommen am Prothallium Übergänge von 
den für die Cyatheaceen charakteristischen „Haaren“ zu den gewöhn- 
lichen Drüsenhaaren der Polypodiaceen vor. 

7. „Alterserscheinungen“ können sich bei Farnprothallien je nach 
den beim Zeitpunkt ihres Auftretens herrschenden Ernährungsbedingungen 
verschieden äußern. Bei Feuchtkultur „Kräuselung“, bei Trocken- 
kultur „Adventivprothallienbildung“. 

8. Durch schwache Beleuchtung können fadenförmige Adventivprothal- 


"lien zur Bildung verzweigter Zellfäden mit Antheridien veranlaßt werden. 


9. Durch ungünstige Ernährungsbedingungen (schwache Beleuch- 
tung und Trockenheit) die eintraten, bevor der Vegefationspunkt sein 
Wachstum eingestellt hatte, wurde in einer Kultur von Woodsia ilvensis 
das Meristem der Herzbucht zur Bildung eines zylindrischen Fort- 
satzes veranlaßt, der wegen des Vorhandenseins von Tracheiden als 
apogame Sprossung aufgefaßt werden muß. Es ist also möglich, durch 
bestimmte Kulturbedingungen normal sexuelle Keimpflanzen erzeugende 
Formen zur Bildung apogamer Sprossungen zu veranlassen. 

10. Im Bau der Sporangien und im Verlauf des Annulus stimmen 
die untersuchten Woodsien vollkommen mit dem Polypodiaceentypus 
überein, mit Ausnahme von Diaealpe, bei welcher sich der zwar unvoll- 
ständige und an der Stielansatzstelle unterbrochene, aber schief über 
den Scheitel verlaufende Annulus als Annäherung an Oyatheaceen ähn- 
liche Sporangien auffassen läßt. 

1i. In der Bildung des Sorus tritt bei den Woodsieen eine 
Reduktion des Receptaculums ein; das gestielte Receptacalum 
von Peranema ist bei Diacalpe bereits stark reduziert; bei Woodsia 
obtusa entstehen die Sporangien auf einem wenig gewölbten Zellpolster, 
bei Woodsia ilvensis direkt aus der unveränderten Epidermisfläche. 

12. Das Indusium geht bei Hypoderris aus einem geschlossenen 
Ringwall hervor, bei Woodsia obtusa ist der Ringwall nach dem 
Blattrand zu offen, bei Woodsia ilvensis geht das Indusium aus 


4i4 Otto Sehlumberger, 


einzeinen Indusialhaaren hervor, die sich, später’ auf gemeinsamer Basis 
emporheben.. Auch im fertigen Zustand ist eine starke Reduktion der 
dem Blatirand zugewandten Indusienseite zu konstatieren. 

13. Das Indusium von Cystopteris fragilis ist entwicklungs- 
geschichtlich nieht als unterständig zu bezeichnen. 

14. Entwicklungsgeschichtlich als „unterständig“ kann ein Indusium 
nur dann bezeichnet werden, wenn ein Receptaculum vorhanden ist, an 
welchem unterhalb der Sporangienanlagen das Indusium entsteht. 

15. Die untersuchten Woodsieen sind sämtlich dietyostelisch. 

16. Die Schleimschläuche der Cyatheaceen und Dieksonieen 
gehen aus Zellreihen durch Verschleimen der Querwände hervor. 


Schlußfolgerung, 


Die Woodsieae-Woodsiinae in ihrer von Diels aufgestellten Be- 
grenzung (Peranema, Diacalpe, Hypoderris, Woodsia) mit Ausschluß von 
Cystopteris, dürften höchstwahrscheinlich eine monophyletische Reihe 
bilden. In dieser geht, sowohl in der Geschlechtsgeneration (Verein- 
fachung im Antheridienbau und in den Haarbildungen) als im Sporo- 
phyten (Beceptaculum, Indusium) eine stetige Reduktion vor sich. Am 
nächsten verwandt ist die Gruppe sicherlich mit den Cyatheaceen und 
zwar mit Cyathea ähnlichen Formen mit geschlossenem unterständigem 
Indusium. Jedenfalls ist sehr früh eine Spaltung eingetreten in zwei Reihen, 
an deren einen Basis Cyathea-artige Formen, an der andern Peranema 
ähnliche standen. Im Bau der Sporangien stimmen die Woodsieen jedoch 
vollständig mit den Polypodiaceen überein, als ihre nächsten Verwandten 
in der Familie sind wohl gewisse Polypodium-Arten aufzufassen, der 
Bau des nicht ganz geschlossenen und nach dem Blattrand hin stark 
reduzierten Indusiums bei einzelnen Formen machen einen möglichen 
Übergang zu gewissen Formen der Davallia-Reihe nicht unwahrscheinlich, 

Die vorliegender Arbeit zugrunde liegenden Untersuchungen wurden 


in den Jahren 1907-—1909 im pflanzenphysiologischen Institut der Uni- 
versität München ausgeführt. 


Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geh. Rat Prof. Dr. von 
Goebel, der mir soviel Anregung gab und meiner Arbeit reges Interesse 
und weitgehende Unterstützung (durch Überlassung einiger Notizen 


über Woodsia) zuteil werden ließ, spreche ich hierfür meinen ergebensten 
Dank aus. 


Druck von Ant, Kämpfe in Jene. 


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Leitfaden für gärtnerische 
 Pflanzenzüchtung 


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Inspektor am Kl. botanischen Garten und der pflanzenphysiol. Versuchsstation zu Dresden. 
Mit 10 Abbildungen im Text. 
1910. Preis: karteniert 1 Mark 50 Pf. 
Preisschrift des Vereins zur Beförderung des 
Gartenbaues in den Kgl. Preußischen Staaten. 


Inkalt: Einleitung, Allgemeiner Teil: ı. Die Gewinnung neuer Pflanzen durch 
einfache Aussaat. — 2. Die Gewinnung von Neuheiten durch Ausiese (Selektion). — 
3. Die Gewinnung neuer Pflanzen durch Kreuzung. — 4. Die Gewinnung neuer Pflanzen 
durch Sportbildung. — 5. Die Gewinnung neuer, Pflanzen durch Importation. — 6. Die 
Gewinnung neuer Pflanzen durch den Einfluß eines Edelreises auf eine Unterlage. — 7. Über 


“ die landwirischaftliche Pflanzenzüchtung. — Angewandter Teil: ı. Die Züchtungen in 
der Blumerkultur. — 2. Die Züchtungen im Batmschulbetrieb, — 3. Die Züchtuugen im 
Obst- und Gemüsebau, — Anhang. ı. Die Taufe der Neuheit und Ungehörigkeiten, — 

= 2. Über den nutzbringenden Absatz der Pflanzennenheit. . 


In dem schweren Existenzkampf, den der deutsche Gartenbau zu führen hat, 
kommt es unter anderem sehr wesentlich darauf an, die Gesetze für die Durch- 
züchtung der gärtnerischen Kulturpflanzen mehr als bisher zu verbreiten. Für die 
so außerordentlich wichtige gärtnerische Pflanzenzüchtung fehlt es bisher allent- 
halben noch an der nötigen Unterweisung und Ausbildung der Gärtner. Für den 
selbständigen Gärtner aber ist keine Arbeitsbetätigung so fruchtbringend wie die 
zielbewußte, mit Ausdauer betriebene Verbesserung und Neuzucht von Pflanzen. 
Für Blumen wie für Geniäsebau gilt der Satz: ohne hochgeztichtete Sorten kein 
intensiver Betrieb. Und auch für den Obstbau ist die Sortenfrage von größter 
Wichtigkeit, Die nach allen diesen Richtungen fehlenden Kenntnisse vermittelt in 
einleuchtender Weise diese preisgekrönte Schrift. 


Österreichische Garten-Zeitung V. Jahrgang: „... Anläßlich der vof- 
jährigen Großen Internationalen Ausstellung hatte der „Verein zur Beförderung des Garten- 
haues in den preußischen Staaten“ einen Preis für ein Buch über „Gärtnerische Pflanzen- 
züchtung" ausgeschrieben. Löbners Schrift wurde von der Jury der Preis zuerkannt und 
wobl mit Recht, denn Text sowohl wie Illustrationen sind vorzüglich. Das Werk ist für 
jeden strebenden Gärtner von großem Nutzen und empfehlen wir dasselbe auf das An- 
gelegentlichste zur Anschaffung. Es ist nicht nor für den wirklichen Züchter interessant, 
sondern für jeden, der sich für die Geheimnisse der Pflanzenzüchtung interessiert.“ 


Naturwissenschaftliche Rundschau Nr. 18 vom 5. Mai ıg10: „...Das 
vom „Verein zur Beförderung des Gartenbaues in den kgl. preußischen Staaten“ preis- 
gekrönte Werk kann allen Pflanzenzüchtern als zweckmäßiges Handbuch warm empfohlen 
werden. Es bringt neben den für den Praktiker unenibehrlichen Tatsachen viele in- 


teressante biologische Hinweise, die dem denkenden Gärtner und Gartenfreunde viel An- 
regung bieten.“ 


Naturw. Wochenschrift Bd. IX, Nr. 32 vom 7. Aug. igio: „... Das 
Buch von Löbner wird oder sollte bei Gattenbesitzern und -Liebhabern eine besondere 
Beachtung finden, Es ist eins der wenigen Bücher der Gartenliteratur, die mit der gegen- 
wärtigen wissenschaftlichen Erkenntuis nicht auf gespanntem Fuße stehen, sondem im 
Gegenteil erfreulich alles das, was die Wissenschaft derzeitig Nützliches für die Pflanzen- 
züchtung vorgebracht hat, auch kennt und auszunutzen versteht.“ 


Ant, Kämpfe, Buchdruckerei, Jans