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Full text of "Monatsberichte der Königlichen Preussische Akademie des Wissenschaften zu Berlin"

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MONATSBERICHTE 


DER 


KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


ZU BERLIN. 


Aus dem Jahre 1869. 


Mit 11 Tafeln. 


BERLIN 1870. 


BUCHDRUCKEREI DER K. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) 
UNIVERSITATSSTR. 8. 


IN COMMISSION IN FERD. DÜMMLER’S VERLAGS-BUCHHANDLUNG. 
HARRWITZ UND GOSSMANN. 


sh ae iulaug PEN gi. ze 
7. 


'MONATSBERICHT 
ER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 
ai | ZU BERLIN. | 
Januar 1869. 


Vorsitzender Sekretar: Herr du Bois-Reymond. 


4. Januar. Sitzung der philosophisch -histo- 
| schen Klasse. 


Hr. Haupt las über ein griechisches Excerpt geo- 
sraphisches Inhalts. 


7. Januar. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Haupt las über des Diaconus Marcus Leben 
des Porphyrius Bischofs von Gaza. 


Hr. Borchardt übergab aus einer vom ten Januar 1869 
datirten Abhandlung des Hrn. Christoffel in Zürich, Corres- 
pondenten unserer Akademie, folgenden Auszug: 


Über die Transformation ganzer homogener. 
Differentialausdrücke. 

‘ „ Wenn man in einem homogenen Differentialausdruck pter 

Ordnung 


we 
= Eu ja 9, 98a, i OR, ; 


in welchem die Coefficienten beliebige Functionen der n Varia- 


beln 21 ,&.,..x, sind, statt dieser Variabeln ein System von 
[1869.] 1 


2 Gesammtsitzung 


einander unabhängiger Functionen der neuen Variabeln x" ‚x, 
..x,, einführt, so erhält man einen neuen Differentialausdruck 
F' von gleicher Ordnung und Dimension, welcher aus dem 
ursprünglichen auch durch zwei successive Substitutionen er- 
halten werden kann, nämlich dadurch, dafs man 1) die Diffe- 
rentiale dx durch eine in den dx’ lineare Substitution transfor- 
mirt, und alsdann 2) in den Coefficienten FE, FRE selbst eben 


falls von den ursprünglichen zu den neuen Variabeln übergeht. 
Jene lineare Substitution nenne ich im Folgenden die Hauptsub- 
stitution. 

Sind nun umgekehrt zwei Differentialausdrücke F und F’ 
von gleicher Ordnung und Dimension gegeben, so kann man 
sich ebenso wie in der Invariantentheorie die Frage vorlegen, 
unter welchen Bedingungen F in F’ transformirt werden kann 
und falls dies möglich ist, welche Substitution die verlangte 
Transformation leistet. 

Unter den verschiedenen Fällen, welche sich hier darbie- 
ten, verdienen die Differentialausdrücke zweiter Ordnung beson- 
dere Aufmerksamkeit, sowohl wegen der wichtigen Probleme, 
in denen sie vorkommen, als auch weil sie den Differential- 
ausdrücken höherer Ordnungen gegenüber einen Ausnahmefall 
bilden. 

Wenn nämlich p > 2 ist, so liefert die Invariantentheorie 
unter der Voraussetzung, dafs blofs die Hauptsubstitution ausge- 
führt wird, einerseits eine Anzahl von Bedingungsgleichungen 
für die Möglichkeit der Transformation, und andererseits mit- 
telst der, bis auf besondere Fälle stets in der normalmäfsigen 
Anzahl vorhandenen zugehörigen Formen völlig bestimmte Wer- 
the für die Coeffieienten in der Hauptsubstitution.e Damit sind 
aber nicht alle Bedingungen für die Möglichkeit der Transfor- 
mation von F in F’ gewonnen, sondern es wird nun eine 
zweite Untersuchung nöthig, die Bedingungen betreffend, damit 
‚die aus den zugehörigen Formen hervorgehenden Ausdrücke für 
dx, 0&z .. 0x, auch, wie erforderlich, die vollständigen Diffe- 
rentiale der ursprünglichen Variabeln werden. Für diese Un- 
tersuchung bilden die zugehörigen Formen selbst die Grundlage, 
und zwar genau wegen der bekannten Eigenschaft derselben, 


vom 7. Januar 1869. 3 


unmittelbar nicht die direkte, sondern die transponirte Substi- 
tution zu liefern. 
"Ohne diese Betrachtungen weiter zu verfolgen, sieht man 
nun ohne Weiteres ein, weshalb die quadratischen Differential- 
formen sich der allgemeinen Behandlung entziehen; der Grund 
hiervon liegt darin, dafs die algebraische Invariantentheorie für 
dieselben nur eine zugehörige Form liefert, also ohne Hin- 
zuziehung der Integrabilitätsbedingungen nicht die Mittel ge- 
währt, um die Hauptsubstitution durch das Resultat derselben 
zu bestimmen. | 

Ich habe daher den Fall p = 2 für beliebige Werthe von 
n behandelt, mich dabei jedoch auf die Voraussetzung beschränkt, 
dafs die Determinante von F nicht identisch = 0 ist. Im Ver- 
laufe dieser Untersuchung, welche im Journal des Herrn Bor- 
chardt erscheinen wird, trennen sich zwei verschiedene Fälle 
von einander, indem sich als Hauptfall derjenige herausstellt, 
in welchem das Resultat der Transformation die anzuwendende 
Substitution völlig bestimmt, während demselben Ausnahmefälle 
zur Seite stehen, in denen es stetige Variationen der Substitu- 
tion gibt, welche F' ungeändert lassen. Zu diesen gehört z. B. 
der Fall, wo yZ7 das Linienelement einer in sich selbst ohne 
Dehnung verschiebbaren Oberfläche ist, und es ist aufserdem 
zu bemerken, dafs diese Ausnahmefälle nicht blofs für p — 2, 
sondern auch für alle übrigen Ordnungen zu berücksichtigen 
sind. | Ze 

Für die dem Hauptfalle entsprechenden quadratischen Dif- 
ferentialformen finde ich nun das merkwürdige, und aus der 
Natur der Sache keineswegs im Voraus zu erwartende Resul- 
tat, dals alle Bedingungen für die Möglichkeit der Transfor- 
mation von Fin F', sowohl was die Hauptsubstitution ‚„ als 
was die zu ihr gehörigen Integrabilitätsbedingungen betrifft, sich 
ohne Ausnahme als Gleichungen zwischen Invarianten der 
Formen F und F’ darstellen lassen, wenn dieser Ausdruck 
zur Bezeichnung der gleichen Formverhältnifse wie in der Al- 
gebra angewandt wird, und dafs auch hier zugehörige Formen 
und Covarianten in derselben Bedeutung, wenn auch aus ganz 
anderer Quelle auftreten, wie bei den analogen algebraischen 
Transformationsproblemen. 

1* 


4 | Gesammtsitzung 


Die erwähnten Invariantengleichungen werden durch die 
allgemeine Theorie in zwei völlig bestimmte Gruppen zerlegt. 
Unter den. Gleichungen der ersten Gruppe finden sich deren 
n, durch welche ‘die ursprünglichen Variabeln als Functionen 
der neu einzuführenden völlig bestimmt sind, und diese Werthe 
müssen die übrigen Gleichungen der ersten Gruppe, soweit 
solche vorhanden sind, und alle in der zweiten enthaltenen zu 
identischen machen. Unter Voraussetzung dieser Werthe der 
ursprünglichen Variabeln liefern alsdann die Gleichungen zwi- | 
schen den zugehörigen Formen völlig bestimmte Werthe für die 
Coefficienten der Hauptsubstitution, und diese sind, ohne dafs 
neue Bedingungen erforderlich werden, in verlangter Weise die 
Derivirten der ursprünglichen nach den neuen Variabeln. 

Wenn dagegen die Anzahl der von einander unabhängigen 
Invarianten und zugehörigen Formen von F zur völligen Be- 
stimmung der ursprünglichen Variabeln und der Coefficienten 
in der Hauptsubstitution nicht hinreicht, so bietet. F' einen der 
oben erwähnten Ausnahmefälle dar, und es ist hiernach klar, 
dafs die sämmtlichen Bedingungen für diese Fälle in identischen 
Gleichungen zwischen solchen Invarianten und zugehörigen For- 
men von F bestehen, welche im Hauptfalle voneinander unab- 
hängige Functionen sämmtlicher Variabeln sind. 

Unter den besondern Fällen, welche ich behandelt habe, 
zeichnen sich die ternären Formen durch eine bemerkenswerthe 
Vereinfachung der Resultate aus. Ich erlaube mir daher die- 
selben für diesen Fall vollständig mitzutheilen. 


Man bezeichne durch E die Determinante der ternären 
Form 
F= 305,08;08, 


und durch E;,, in bekannter Weise ihre Unterdeterminanten, 
Ferner bilde man folgende 18 Ausdrücke 


[7 


T 


dan ag; GE Owgn 


2 


— 1 


TTIErZ 


und mittelst dieser. 


.e vom 7. Januar 1869. 5 


u 02 gg O?wgg O2 ws E«ß K-: 
A, en SIERT, )+3 E (\. ß u ) 


u, ug O?wg O?wz ) 


33 
I 


: — 1 
A, =3% 


490%, dx] DT, .. EA 
E,.e f\11\|23 12] [13 
en Ze en 
FE \le 2| « RE 


nebst den durch cyklische Vertauschungen von 1,2, 3 aus ihnen 
folgenden; endlich die 18 Ausdrücke 


— en AudEh, 5 
An 


Ye o%, Eds, 


E 3 


| th Furl 
14 


so wie alle ihnen entsprechenden für die neue Form 
Abi 3 oh, O2; dur» 


“  Mittelst dieser Ausdrücke als Coefflicienten werden die drei 
algebraischen Formen 


— 3A, X, , 
P= 3 EX, ’ 
= 234,.0,X,X, ; 
und für F' die entsprechenden T’, ®', ©' mit den Variabeln = 
und V an Stelle von X und U gebildet. 
Dann sind die für die Möglichkeit der Transformation von 
F in F' erforderlichen und ausreichenden Bedingungen genau 


die nämlichen, wie diejenigen, welche stattfinden müssen, damit 
durch eine lineare Substitution 


X, = Zr) Ei 
T' in I’, ® in ®’ transformirt werde und gleichzeitig unter Vor- 
aussetzung der transponirten Substitution 

P; _— Sri, U, 

i 
® und ®’ entsprechende Zwischenformen werden, welche der 
Gleichung 
ll ‚mai f 
0 — R’e 


genügen, unter R die Substitutionsdeterminante verstanden. 


6 Gesammtsitzung 


Dieser Satz findet jedoch nur unter der Voraussetzung 
statt, dafs die sechs absoluten zugehörigen Formen und In- 
varianten von T, ® voneinander unabhängige Functionen der 
Variabeln x, 2325 U, U, ZU, sind. 

Ist diese Bedingung erfüllt, so erhält man aus den Co- 
variantengleichungen die Coefficienten der inversen Substitution 


mil; 


[27 


und zwar so, dafs allgemein 


wird. 

Dazu bemerke ich noch, dafs die simultanen Invarianten 
der Functionen T', $, © diejenigen sind, welche ich als ein 
vollständiges System von Invarianten des Differentialausdruckes 
F bezeichne. 


Hr. W. Peters machte eine vorläufige Mittheilung über 
die Gehörknöchelchen der Schildkröten, Eidechsen 
und Schlangen, so wie über die Höhlen des Unter- 
kiefers der Crocodile. 


1. Über die Gehörknöchelchen der Schildkröten, 
Eidechsen und Schlangen. 


Nachdem ich die Anwesenheit des knorpeligen Hammers 
der Crocodile dargelegt habe'), bin ich natürlich angeregt wor- 
den, auch die übrigen Amphibia pholidota in dieser Beziehung 
zu untersuchen, da sich schon aus den bisherigen Beschreibun- 
gen der „Columella“ von diesen Thieren annehmen liels, dafs 
derselbe nicht fehlen würde. In der That ist das, was man 
bei den Schildkröten bisher als „eine mit dem Trommelfell ver- 
‚bundene verbreiterte Endplatte der Columella* angeführt hat, 
nichts anderes als der Hammer, welcher bei den verschiedenen 
Familien eine etwas verschiedene Gestalt zeigt, so wie auch darin 
ein Unterschied zwischen den Land- und Sumpfschildkröten, die 


1) Monatsberichte. 1868. p.593. Taf. 1. Fig. 1.2.3. 


vom 7. Januar 1869. | 7 


Einige (Bonaparte, Strauch) zu einer einzigen Familie mit 


einander vereinigt haben, sich findet, dafs bei den ersteren, wie 
bei den Trionychides das Os quadratum einen geschlossenen 
Canal bildet, durch welchen die Columella (Stapes) hindurch- 
dringt, während bei den letzteren, wie bei den Seeschildkrö- 
ten, nur ein Halbcanal gebildet wird, so dafs die Columella 
auf ihrem ganzen Wege, von unten betrachtet, frei liegt. 

Bei den Eidechsen liegt ebenfalls die Columella ganz frei, 
so dafs die Crocodile allein eine auch nach hinten und unten 
geschlossene Trommelhöhle haben, und der Hammer hat mehr 


die gabelförmige Gestalt wie bei den Vögeln. Wenigstens finde 


ich diese Form bei Psammosaurus (scincus), obgleich sich auch 
in dieser Beziehung ohne Zweifel wesentliche und für die Fest- 
stellung der Verwandtschaften wichtige Unterschiede bei den 
verschiedenen Abtheilungen der Sauri finden werden. Bei dem 
Embryo eines Hemidactylus (Gehyra) oceanicus legt sich der von 
dem Hammer ausgehende Knorpelfaden (Meckelscher Knorpel) 
dicht an das Quadratbein an und ebenso liegt bekanntlich auch 
bei den ausgewachsenen Schlangen die Columella, an deren 


Ende ein kleiner platter Knorpel sich anschliefst, den ich für 


nichts anderes, als den rudimentären Hammer halten kann. 


2. Über die Höhlen des Unterkiefers der Crocodile. 


Stannius erwähnt an zwei Stellen in seinem ausgezeich- 
neten „Handbuch der Zootomie*!) der Pneumaticität des Os 
articulare des Unterkiefers bei den Crocodilen und behauptet, 
„dals seine grofsen hohlen Zellen durch einen an der Hinter- 
seite des Os tympanicum absteigenden Canal mit den Luftzel- 
len der Schädelknochen communiciren.* Ich kann nach eignen 
Untersuchungen die Pneumatieität des erwähnten Knochens bei 
den Crocodilen bestätigen und hinzufügen, dafs die lufthaltende 
Höhle bereits in der letzten Zeit des Embryonallebens vorhan- 
den, aber zunächst von einer dünnen Knorpelwand umschlossen 
ist, welche nach vorn sich in den soliden dickeren Meckelschen 
Knorpel fortsetzt, während sie nach oben mit dem dünneren von 


% 


!) Zweite Auflage. 2tes Buch. Berlin 1856. p.58. 164. 


8 Gesammtsitzung 


dem Hammer ausgehenden Knorpelstrange zusammenhängt. In 
einem früheren Stadium findet sich dagegen keine Höhle in dem 
Gelenktheil, sondern derselbe ist von der soliden Anschwellung 
des Meckelschen Knorpels ausgefüllt. Die Höhle des Os arti- 
culare des Unterkiefers entsteht daher bei den Crocodilen und 
ohne Zweifel auch bei den Vögeln zuerst innerhalb der An- 
schwellung des Meckelschen Knorpels und durch die Verdün- 
nung und allmählige Resorption der Knorpelwände dieser Höhle 
wird der Meckelsche Knorpel von seinem, dem Hammer ent- 
springenden, Anfangstheile nach und nach ganz getrennt. 
Einen Ausführungsgang dieser Höhle nach dem Schädel hin 
habe ich übrigens bis jetzt noch nicht bei den Crocodilen fin- 
den können. Im Gegentheile finde ich bei einem Crocodilus 
biporcatus, dessen Unterkiefer 25 Centimeter lang ist, noch 
einen soliden Knorpelstrang von dem Foramen pneumaticum 
des Unterkiefers ausgehend und es ist mir daher wahrschein- 
lich, dafs dieser bei den Vögeln während der Entwickelung 
vorkommende, aber vorübergehende Zustand bei den Crocodi- 
len ein bleibender ist. 

Aufser dieser geschlossenen findet sich im Unterkiefer jeder- 
seits eine hinten offene nach vorn trichterförmig sich veren- 
sende Höhle, welche gröfstentheils im Os dentale gelegen ist. 
Dieses ist der erweiterte Canalis dentalis, welcher aufser dem 
Nerven und den Gefäfsen einen Theil des eigenthümlich gestal- 
teten Musculus temporalis enthält. Man kann an diesem Mus- 
kel zwei Portionen unterscheiden, welche an ihrem Ursprunge 
vereinigt sind, so wie sie aber bis zum oberen Rande des Un- 
terkiefers herabgestiegen sind, sich deutlich von einander unter- 
scheiden; die hintere platte Portion steigt gerade herab an der 
inneren Fläche des Unterkiefers und inserirt sich an das Os 
complementare; die vordere Portion dagegen wird neben dem 


vorderen mit Knorpel überzogenen verdickten Theile des äulse- 
ren Randes des Os pterygoideum durch einen intermuscularen 
Faserknorpel von ihrem Endtheile, welcher in die Höhle des 
Os dentale hineindringt und in seiner zugespitzten Gestalt 
einige Ähnlichkeit mit dem Muskel in einer Krebsscheere hat, 
vollständig getrennt. 


vom 7. Januar 1869. 9 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 


vorgelegt: 


Cesar C. Roma, Essai de comparaison entre l'architecture ancienne et 
moderne. Athenes 1868. 8. Mit Rescript vom 24. Dechbr. 1868. 
Delisle, Inventaire des manuscrits de Saint-Germain des-Pres. Paris 
ish, 8 
Jenzsch, Über eine mikroskopische Flora und Fauna kristallinischer 


Massengesteine. Leipzig 1868. 8. Mit Schreiben des Verf. d. d. 
Gotha 30. Dechr. 1868. 


Flora batava. Deel 13. Lugd. Bat. 1868. 4. 

Beule, Eloge de Mr. Hittorf. Paris 1868. 4. 

Berliner Astronomisches Jahrbuch für 1871. Berlin 1869. 8. 

Memorie del Reale Istituto lombardo. XI, 1. Milano 1868. 4. 

— Rendiconti, Vol. 1. ib. 1868. 8. 

Comptes rendus de lacademie des sciences. Vol. 67, no. 10—25. Paris 
1868. 4. 

Annales des mines.. XIII, 1. Paris 1868. 8. 

Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. 1. Jahrgang. Berlin 
0 8; , 
Vierteljahrsschrift der Astronomischen Gesellschaft. III, 3 u. Supplement- 

heft. Leipzig 1868. 8. 
Journal of the Royal Geographical Society. Vo1.37. London 1868. 8. 
The Quarterly Journal of the Geological Society. Vol. 24, 4. London 
1868. 4. r 
The American Journal of science and arts, no. 138. New Haven 1868. 8. 
Schweizerische meteorologische Beobachtungen. 4. Jahrg. Zürich 1867. 8. 
Schriften der südslavischen Gesellschaft der Wissenschaften. Band 5. 
Agram 1868. 38. 
Schriften der Finnischen Gesellschaft der Wissenschaften. Helsigfors 1868. 
4 Hefte. 8. 
Giornale degli scavi di Pompei. Vol. I. Pantata 3. Napoli 1868. 4. 
G. Hinrichs, Chemical Report on the fuel, rocks and water of Jowa. 
Des Moines 1868. 38.. 


Plinii, Naturalis Historia, recensuit Detlefsen. Vol. U. DI. Berol. 
1868. 8. : 

Proces-verbaux des seances de la commission pour la publication des ancien- 
nes lois et ordonnances de la Belgique. Vol. V. Cahier 5. Bruxelles 
1868. 8. Mit Rescript vom 4. Jan. 1869. 


10 Gesammtsitzung 


14. Be Gesammtsitzung der Akademie. 
Hr. Weber las: Ä 


Über eine Episode im Jaimini-Bhärata 


(entsprechend einer Sage von Kaiser Heinrich III. und dem 
„Gang nach dem Eisenhammer*). 


Vor einiger Zeit erhielt ich die im Jahre 1363 in Bombay 
erschienene Ausgabe des: agvamedhikam parva Jaiminiyam 
.d.i. des Rofsopfer-Buches (der Bhärata-Recension) des 
Jaimini. Ein Vergleich mit der auf der hiesigen Königl. Bi- 
bliothek (Ms. Or. fol. 319) befindlichen Handschrift des Werkes, 
über welche ich in meinem Verz. der S. H. derselben ausführ- 
lich (p. 111—118) gehandelt habe, zeigte, dafs dieser Bombayer 
Druck eine erheblich verschiedene Textform enthält. Während 
nämlich die Handschrift (= A) den Text in 81 Capp. aufführt, 
zeigt die Ausgabe (= E) deren nur 68; und zwar stimmen ihr 
in dieser Beziehung auch zwei Oxforder Mss. bei, s. Aufrecht 
Catalogus pag. 4°. Der Textbestand selbst ist indessen, trotz 
dieser verschiedenen Eintheilung, im Wesentlichen derselbe, ob- 
schon es auch an wirklichen, sehr erheblichen Text-Abweichun- 
gen selbst nicht fehlt'). Das Nähere über die Differenz zeigt 
die nachstehende Gegenüberstellung: 


E. 4. E. 4. 

1 (7s) bis fol 2 1 10 (as) bis fol. 17 11 

21 (il er 11(14) - - 21? 12—14 

3 (ei) - - 3 12 (14) - - 23° 15.16 

A110). 1... 4 13:.(G) 7 TE 

5 (so) - - 10 3.6 14 (14) - - 28 19.20 

6 (6) - - 122 7 15 (136) - .- 31° ‚21.22 

12) = -.13 Ro) 16 (s) - - 33% 23.24 
Be la 9 17 (18) -. -.,38%. » 25 —27 

9 (e) - - 15 10 18 (123) - - 40° 28 


1) Abgesehen von sehr zahlreichen Varianten fehlen u. A. die beiden 
in E. vorletzten Capp. in A gänzlich (ihr Inhalt entspricht dem M. Bh. 
14, 2693 £.). 


| vom 14. Januar 1869. 


E. 
19 (95) bis fol. 43% 
20 (12) - - 45% 
=>», 478 
22 (9). - - 49 
23:(19) =. 3-52? 
24 (8) -  - 5b 
25 (8) - - 54% 
26 (a), -  - 55» 
27 (8) - - 57° 
23 (a): =5059% 
29 (4) -  - 60% 
30 (4) - -  61P 
al (5) - - 63% 
32 (#7) - - 64 
33 (3) - - 656 
34 (35) - - .66? 
33 (9) - - 68 
36 (8) - - 70% 
37 (4) - - 72° 
38 (242) = 1-0 776 
Sale 4, -,,7gb 
40 (5) - - 81? 
41 (so) - - 822 
42 (1) - - 8 
43 (1) - - 84 
Es ist 


A} 


:31. 32 
393. 34 
36. 36 


E. 
44 (53) bis fol. 
45 (9) - - 
46 (9) - - 
47 (2) - - 


48 (5) - - 


49 (8) - - 
50 (4) - - 
Sl (5) - - 
52 (1) - - 
53 (5) - - 
54 (82) - - 
55 (0) - - 
56 (7) - - 
57 (5) - - 
58 (15) - - 
59 (a) - - 
60 (4) - - 
61 (3) - - 
62 (8) - - 
63 (7) - - 
64 (ss) - - 
65 (1) - - 
66 (3) - -- 
67 (m) - - 
68 (5) - - 


856 
878 
gg 
ggb 
9jb 
933 
94» 
96% 
98a 
ggb 


101° 


102° 
103b 
105» 
107® 
108» 
110? 
111* 
112° 
114® 
115» 
118° 
119? 


BULIE 


119» 


11 


80 


fehlt 
fehlt 
81 


übrigens ersichtlich, dafs auch der Schreiber von A 
eine der in E vorliegenden ähnliche Textvertheilung kannte: 
denn es zeigen die Capitel-Unterschriften darin mehrfach statt 
der zu der eignen Textvertheilung passenden Zahlen vielmehr 
solche, die zu derselben in keiner Weise stimmen, dagegen ent- 
weder mit der in E vorliegenden Vertheilung und Zählung der 
Capp. direkt übereintreffen, so bei Cap. 34 (dvdvingo ’dhydyah), 
47 (Catustringo ’dhyayah), 50 (saptatringo ’dhy.) und die Ziffern 
bei Cap. 46 (33). 48 (35), oder doch zu ihr in speciellem Bezuge 
stehen, so bei Cap. 31 (saptavingo ’dhy.; in E. ekavingo), 37 
(shadvingo ’dhy.; in E. caturvingo), 53 — 55 (mit Ziffern be- 


12 Gesammtsitzung 


zeichnet als 36-33; in E. 38-40), 59. 60 (bezeichnet als 46. 47; in 
E. 48.49), 68 — 70 (bezeichnet als 51-53; in E. 53-55), 72 (be- 
zeichnet als 55; in E. u 74 —-80 (bezeichnet als 56-62; in E. 
59-65). | 
Während Ai in der Mitte des letzten Oap., mit v. 7%, ab- 
bricht, bringt E. den richtigen Schlufs des Werkes zu unserer 
Kenntnifs. Derselbe ist insofern von Bedeutung, als seine An- 
gaben die Prätension erheben, dafs das Jaimini-Bhärata nicht 
etwa blos eine Nebenredaction des agvamedha-Buches des Mahd- 
Bhärata sei, wie dies aus dem Umstande, dafs eben nur ein 
diesem entsprechendes Buch vorliegt, denn doch zunächst zu 
folgern schien, sondern dals es das ganze Epos umfalse. Es 
heifst nämlich am Schlusse ganz ausdrücklich'), dafs hiermit: 
„vierzehn Bücher des Bhärata beendet seien, und nunmehr das 
deramavdsa genannte Buch beginne.“ Auch in der Calcuttaer 
Ausgabe des Maha-Bhärata ist das agvamedha-Buch das vier- 
zehnte, und folgt ihm das agramavasa-Buch, während z. B. 
die beiden Mss. desselben, welche sich in der hiesigen Königl. 
Bibliothek befinden (s. mein Verzeichnifs p. 105—106; Indische 
Studien Il, 138), davon abweichend dem agvamedha-Buch ent- 
weder die sechszehnte oder die siebzehnte ‚Stelle in der. 
Reihe der parvan zuweisen’). 

In wie weit nun diese Ansprüche des Jaimini-Bharata als 
eine vollständige Nebenredaktion des Maha-Bharata zu gel- 
ten wirklich begründet ‘sind, läfst sich einstweilen noch nicht 
ermessen. Aus Wilson’s Angaben über eine kanaresische Über- 
setzung des Werkes in der Mackenzie Coll. II, 2°) möchte man 
schliefsen, dafs das Werk sich vielmehr auf ein Buch beschränke. 


1) caturdaga ca parvdni kathitani vigam pate N ia ll 
atag cd ”cramavasdkhyam parva, rdjan, grinushva tat N ısll 
2) s. auch Aufrecht Catalogus fol. 2a. 
3) Es heifst daselbst: „Jaimini-Bhärata. Palm leave. 5 copies. 
A translation of the seventeenth (sic! s. oben) book of the Mahd-Bhö- 
rata, ascribed to the Muni Jaimini, giving an account of the Apvamedha 
sacrifice celebrated by Yudhishthira. It is considered as one of the best 
works in the ancient Kanara language. Translated ... in the beginning 
of the thirteenth century.“ 


vom 14. Januar 1869. 13 


Dagegen Missionar Möglings Worte (in der Zeitschrift der 
Deutschen Morgenl. Ges. 4, 395): „eine-Ausgabe einer alten 
kanaresischen Übersetzung des Bhärata des Jaimini ist voll- 
endet“ ‘führen allerdings wohl auf die Existenz einer Ge- 
sammtbearbeitung hin, sind indessen freilich nicht specifieirt 
genug, um dies mit Sicherheit zu erhärten. Von Bedeutung 
‚jedenfalls ist Wilson’s Angabe (a. a. O.), dafs das Datum der 
 Kanaresischen Übersetzung in den Beginn des dreizehnten 
Jahrh.’s falle. 

' Das vorliegende agvamedha-Buch, von dem wir zunächst 
allein direkte Kunde haben, ergiebt sich nun als eine ganz 
selbständige, resp. sekundäre, und zwar speciell von dem 
Standpunkt der Verherrlichung Krishna’s ausgehende Bearbei- 
tung des in dem betreffenden Abschnitt des M. Bhärata behan- 
delten Stoffes, die weit mehr den Character eines Purdna trägt, 
mit dem Original nur in der Reihenfolge der Erzählung theil- 
weise übereinstimmt, aber im Übrigen ganz  eigenthümliche 
Wege einschlägt (s. bereits Aufrecht 1. c. p. 4). 

Der Inhalt des Buches ist indessen höchst werthvoll, weil 
‚allerlei Sagenstoffe darin’ Aufnahme gefunden haben, die ander- 
weitig bis jetzt in Indien unbekannt sind. Ohne es zu wissen, 
‚hat uns kürzlich Talboys Wheeler in seiner sogenannten 
„History of India“ eine Analyse desselben geliefert. Denn 
das, was er auf p. 377—437 als den Inhalt des vom „Horse- 
Sacrifice* handelnden Abschnittes des Mahd- Bhärata angiebt, 
ist vielmehr‘) eben nur eine allerdings (wie bei ihm ja durch- 
weg der Fall ist) mit zahlreichen fremden Zusätzen verbrämte 
Analyse des agvamedha-Buches des Jaimini-Bhärata. Da nach 
Rajendra-Läla-Mitra’s Untersuchungen’) jene englische angeb- 
liche Übersetzung des Maha-Bhärata, die der Wheelerschen 
Arbeit zu Grunde liegt, nicht nach dem Original, sondern 
nach der persischen Übersetzung dieses Epos gemacht ist, 
so ergiebt sich hieraus, dafs man bei Herstellung dieser letz- 
teren sich eben nicht streng an das Mahd-Bhärata gehalten, 


1) vgl. Lit. C. Bl, 1868 n0.'28 p. 757. 
?) Proceedings of the As. Soc. of Bengal.: Jan. 1868. 


14 ‚Gesammtsitzung 


sondern auch andere Stoffe eingewoben hat. Oder sollten die 
vielfachen speciellen Divergenzen, die Wheeler’s Buch durchweg 
zu dem Texte des M. Bharata zeigt, etwa gar so zu erklären sein, 
dafs jene persische Übersetzung sich überhaupt gar nicht auf 
das Mahäd-Bhärata, sondern, unbeschadet noch anderweitiger 
secundärer Zuthaten, nur auf eine vollständige Recension des 
Jaimini-Bhaärata stützt, wie dies zum wenigsten bei diesem 
einen Theile, dem agvamedha-Buche, unbedingt der Fall ist? 

Unter den in diesem Buche enthaltenen Erzählungen nimmt 
die Episode von Candrahäsa und Vishayd, die Wheeler in einem 
besonderen Abschnitte seines Werkes (p. 522—534) als Mahd- 
Bhärata-Sage mitgetheilt hat, durch Inhalt wie Umfang (9 Capp. 
mit 634 vv.) eine hervorragende Stelle ein. Die nachstehende 
Analyse derselben mag zugleich als ein Specimen einerseits 
dafür dienen, wie viele fremde, erklärende Zuthaten in die 
Wheelersche Darstellung Aufnahme gefunden haben (die freilich 
dadurch an Eleganz und Anmuth erheblich gewonnen hat, was 
ihr an Original-Treue abgeht), so wie andererseits dafür, wie 
in ihr doch auch wieder allerlei, was zur Beurtheilung des 
Ganzen von Bedeutung ist, völlig fehlt, so insbesondere z. B. 
die so ganz specielle Vishnu-, resp. Krishno-itische Färbung, 
die das Original charakterisirt. 


Jaimini-Bharata, Agvamedhakanda, 
in E. Capp. 50 —58, fol. 33a — 107b 
in A. Capp. 65 — 73, fol. 159b — 182b. 


Dem Sudhärmika, König von Kerala, ward unter dem Ge- 
stirn Müla‘) ein glückverheifsender Sohn geboren (50, 22 
fol. 93®). : Einige Tage danach ward die Stadt von Feinden 
erstürmt, wobei der Fürst seinen Tod fand. Seine Gemahlin 
folgte. ihm nach. Die Amme brachte das Kind, welches am 
linken Fufs eine kleine sechste. Zehe hatte, nach der Kuntala- 


1) Dies ist sonst ein böses Gestirn, s. meine Abhandlung über die 
Nakshatra II, 315 (schol. zu (änkh. 14, 51, 1 anaharjätatä mülanaksha- 
tre [sükshma pr. m.) janma). 


vom 14. Januar 1869. 15 


Stadt (Kauntalakam puram), wo sie es drei Jahre lang pflegte 
indem sie sich zum Mahlen, Stampfen und dgl. Arbeit ver- 
dingte und so ihren Broterwerb fand (90, 26 kandanapeshadi- 
bhih karmabhih). Da starb auch sie; andre Frauen nahmen sich 
des Kindes freundlich an, welches fröhlich gedieh. Fünf Jahre 
alt kam es einst in das Haus des Ministers Dhrishtabuddhi, der 
gerade eine Versammlung weiser Männer bei sich bewirthete. 
Beim Anblick des Knaben waren diese über sein Aussehen und 
Benehmen hoch erstaunt, und als der Minister auf ihre Fragen 
nach ihm erklärte, dafs er nichts von ihm wisse, riethen sie 
ihm, des Knaben sorglich zu achten, da er den Zeichen nach, 
die er an sich trage, bestimmt sei, einst König zu werden. 
Dhrishtiabuddhi aber, von dieser Prophezeihung unangenehm be- 
rührt, beschlofs vielmehr das Kind tödten zu lassen, und 
beauftragte damit einige Candala, ihnen reichen Lohn dafür 
verheilsend. Als der Knabe aber, von ihnen dazu in den Wald 
geführt, die Gefahr erkannte, wandte er sich mit seinem Gebet 
an Krishna, wie er denn schon früher beim Spiel mit seinen 
Genossen sich durch seine Vorliebe für den runden (dlagrama- 
Stein, welcher Hari’s Abbild ist (30, 47. 48.), und den er im 
Munde zu tragen pflegte, Anspruch auf dessen Gunst erworben 
hatte. Und Ärishna wandte nun auch die Herzen der Candala 
zum Mitleid: sie schnitten dem Kinde nur die sechste Zehe des 
linken Fufses ab, um den Minister, wie er ihnen geheifsen, ein 
Wahrzeichen der Erfüllung ihres Auftrages zu bringen, und 
liefsen es im Walde zurück. Das Blut der Wunde stillten 
durch sein Weinen herbeigerufene Rehe, sie beleckend. Die 
Vögel beschatteten es mit ihren Flügeln und die wilden Tau- 
ben, traurig girrend, füllten von Schmerz verwirrt ihren 
Bauch mit Steinen (51, 9 statt mit Beeren?). Da kam der 
Kulinda-Fürst, der über das Land gesetzt war, durch den Wald 
streifend, dazu, hörte das an Govinda gerichtete Gebet des 
weinenden Knaben, stieg vom Rofs und frug ihn, wer er sei und 
wer seine Eltern. „Krishna ist mein Vater und Mutter, von 
ihm bin ich gehegt. Ihn nicht sehend, weine ich, grofser König*, 
diese Anwort des Kindes rührte den Fürsten durch ihre Krishna- 
Gläubigkeit, und da er selbst ohne Kinder war, nahm er ihn 
mit sich auf sein Rofs, und brachte ihn nach seiner Stadt Can- 


16 Gesammtsitzung 


dandvati, zur freudigen Überraschung seiner Gemahlinn. Bei 
einem grofsen Feste, das er nun anstellte, gaben die Astrologen 
dem Knaben den Namen Candrahäsa, weil der Mond aus 
seinem reinen lächelnden Munde fallen werde!). Fortab gedieh 
im Lande des Kulinda Alles aufs Schönste: der ee Vishnu’s 
war mit dem Kinde eingekehrt. 

‚Sieben Jahre alt ward es einem Lehrer zum Unterricht im 
Lesen etc. übergeben (51, 27), aber statt des Alphabets ka kd 
etc. (51, 31) recitirte es beständig nur die beiden Silben Ha-ri 
und wies den zornigen Schulmeister damit ab, dafs in diesem 
Namen Vishnu’s, resp. Krishna’s alle eästra enthalten seien. 
‚Und der Kulinda-Fürst, über diese Vishnu-Treue erfreut, stimmte 
ihm bei. Mit 8 Jahren (51, 46) ward der Knabe mit der hei- 
ligen Schnur gegürtet, und wandte sich nun dem Veda-Studium 
zu, beständig: Hari's gedenkend. Auch bei Erlernung der Bo- 
genkunst (51, 49) war sein Sinn fortwährend auf Hari gerich- 
tet. — Funfzehn Jahre alt zog er dann mit Erlaubnifs des Va- 
ters zur solennen Ersiegung der Weltgegenden (digvijaya) aus, 
nur von fünf Wagenkämpfern begleitet; und es gelang ihm, alle 
die Feinde des Vaters wie des Kuntala-Fürsten, von dessen 
Minister Dhrishtabuddhi der Kulinda eben die Herrschaft über 
hundert grdma in Lehn hatte (52, 11), sämmtlich zu: besiegen. 
Bei seiner Heimkehr festlich empfangen und von seinem Vater 
(52,25) als Nachfolger geweiht, setzte er auf den Elften des 
Monates ein ständiges grofses Fest zu Ehren Vishnu’s ein und 
liefs eine grolse Zahl gemeinnütziger Bauten, darunter Vishnu- 
Tempel und Qiva-Tempel, errichten (92, 49. 43). Von allen 
Seiten strömte nun das Volk nach der Stadt Candandvati, de- 
ren Gedeihen, in Proportion zu ihrer Hari-Gläubigkeit, bestän- 
dig wuchs (9%, 46). 


1) 51, 23; diese Auffassung des Namens als: „einen Mond lä- 
“ chelnd“ ist natürlich verkehrt; derselbe bedeutet vielmehr entweder 
„wie .der Mond lächelnd“, oder, ohne Bezug zum Monde, nur: „lieblich 
lächelnd“, s. Böhtlingk-Roth unter candra 2c. So findet sich in 1001 
Nacht (bei Lane III, 265 London 1841) bedr basim „smiling full- 
moon“ als Name des Sohnes der Jullanär (skr. jalanäri, mermaid; nicht 
aus pers. gulnar entstellt, wie Lane p. 306 will). 


vom 14. Januar 1869. 17 


Da nun auch der von dem digvijaya fällige Tribut (52, 48) 
an den Kuntala-Fürsten, so wie an dessen Minister und Ge- 
mahlin abzuliefern war (10,000' nishka an den Fürsten, die 
Hälfte an den Minister ete.), sandte Candrahäsa denselben auf 
des Vaters Antrieb mit einem feinen Begleitschreiben nach der 
nur 6Yyojana entfernten (52,50) Kuntala-Stadt') ab. Die 
Boten trafen gerade am Beginn des Elften des Abends in deren 
Nähe ein, und da sie daselbst einen Flufs vorfanden, nahmen 
sie darin die zu dem neu eingesetzten Feste gehörigen Wa- 
schungen und Gebete an Vishnu vor, legten sich die Tulasi- 
Pflanze, Hari’s geliebtes Symbol (52,59), aufs Haupt, und 
traten so, in ihren nassen Gewändern, vor Dährishtabuddhi hin. 
Dieser vermuthet nun zuerst aus diesem ihrem Aussehen, dafs 
sie gekommen seien, den Tod des Kulinda zu melden, ist da- 
her hoch erfreut, als sie ihm sagen, aus welchem Grunde und mit 
wie reichen Schätzen sie genaht sind. Er läfst ihnen eine gute 
Mahlzeit zurichten, die sie aber, durch das Fasten gebunden, 
ausschlagen. Hocherzürnt falst er dies als eine Beleidigung 
auf, beruhigt sich aber bei ihrer Erklärung, und: beschliefst 
nun am andern Tage, mit ihnen nach Candandvati zu ziehen, 
um sich von dem Gedeihen dieser Stadt, an deren Stelle früher 
nur ein grofser Wald gelegen, selbst zu überzeugen. Er über- 
giebt mittlerweile seinem Sohn Madana die Geschäfte. Als er 
eben abreisen will, tritt noch sein in frischer Jugend er- 
blühtes Töchterlein Vishay« an ihn heran (52, 73) und bittet 
ihn ?), des Festes ihres heute gerade zum Aufbrechen der Frucht 


1) Die Stadt des Kulinda-Fürsten lag somit. in deren unmittelbarer 
Nähe. „Nach dem Epos wohnten die Äulinda im höchsten Himälaya“, 
Lassen Ind. Alt. I, 547. Hier dagegen handelt es sich offenbar um 
den Dekhan. Kerala ist ja n. pr. des Volkes von Malabar, und Kun- 
tala ein andrer Name für Karnäta (Lassen I, 170 n. 4). Zu dieser 


Örtlichkeit vgl. noch den Umstand, dafs von diesem Buch des Jaimini- 
Bhär. eine altkanaresische Übersetzung existirt (s. oben p. 12. 13). 


2) Wheeler p. 526 stellt dies so dar, als ob Fishayd dem Vater zu 
verstehen geben wolle, sie selbst sei jetzt auch reif und möchte gern hei- 
rathen. Der Dichter hat diesen Doppelsinn auch gewifs im Auge, in 
den Mund des Mädchens indefs hat er nichts der Art gelegt. 

[1869.] 92 


18 Gesammtsitzung 


gediehenen Mango-Baumes (rasdla), den sie tagtäglich begossen, 
zu gedenken: er habe ja — klagt sie — vor lauter Geschäften 
beständig gar keine Zeit für sie. Er tröstet sie freudig bewegt, 
und macht sich auf die Reise. In zwei Tagen ans Ziel ge- 
langt, wird er von dem Kulinda und dessen Sohn ehrerbietig 
empfangen. Er erhält dann von Ersterem auf seine Frage wann 
und wie er zu diesem trefflichen Sohne gelangt sei, die nöthige 
Auskunft, und erkennt daran sofort, dafs dies der einst von ihm 
verfolgte Knabe ist. Erschreckt dadurch und für das künftige 
Geschick seiner eigenen beiden Söhne Madana und Amala') 
besorgt (92, 85), verbirgt er seinen Zorn unter dem Anschein 
freundlicher Theilnahme. Nach langem Überlegen — aus 
dessen Schilderung erhellt, dafs der Minister dem (iva-Kult 
huldigte (53,4. 10) — schreibt er dann an seinen Sohn Ma- 
dana einen Brief, angeblich in wichtigen Regierungsgeschäften, 
in der That aber die Weisung enthaltend, dem Überbringer 
Candrahäsa Gift (visham) zu geben (33, 10) und beauftragt 
eben den jungen Prinzen mit dessen schleuniger Besorgung, 
unter nachdrücklicher Einschärfung der Unverletzbarkeit des 
Siegels, woraus für ihn nur Gutes hervorgehen werde. Von 
seinen Eltern beurlaubt macht sich C. auch sofort zu Rosse 
auf, nachdem ihm seine Mutter Medhävati (93, 16) noch unter 
andern Segenswünschen auch den mit auf den Weg gegeben, 
dafs er mit einer passenden Gattinn heimkehren möge (53, 21 
lies: samdydhi). In der Nähe der Kuntala-Stadt angelangt 
machte er an einem schönen Teiche Halt, badete sich darin 
dem Hari zu Ehren, brachte demselben ein Blumenopfer 
dar (53, 34. 35), als seine Reisekost, und legte sich für 
einige Zeit?) unter einem Mango-Baum zur Ruhe. Da kamen 


1) dvau putrau mama vidyete yuvanau Madandmalau; von dem zweiten 
Sohn Amala ist hier aber sonst nicht weiter die Rede. In 57, 2 (putro 
’yam madvage naiva [madvaco nawa A.) vartate Madano 'malah) wird Ma- 
dana selbst als amala bezeichnet! im folgenden Verse (97, 3) indefs ist dann 
wieder der beiden Söhne gedacht: abhyam madiyam hi kulam putrabhydm 
nägitam dhruvam. 

2) praharadv ayam 93, 36; prahara „ein Zeitabschnitt von etwa 3 
Stunden“ Böhtlingk-Roth. Das gäbe sechs Stunden Rast, ein Bischen 
viel für diesen Zweck! 


vom 14. Januar 1869. 19 


gerade Campakamalini, die Tochter des Kuntala-Fürsten und 
Vishaya, die Tochter des Dhrishtabuddhi, von einer Schaar 


ihrer ebenfalls 134 Jahr alten Freundinnen begleitet, blumen- 


suchend herbei (53, 39). Unter lieblichen Scherzen beschliefsen 
sie, vom Suchen ermüdet, sich im Teiche zu baden (53, 57). 
Nachdem sie dies Vergnügen unter gegenseitigen Neckereien, 
wobei die Prinzessin der Vishayd aus gewissen Anzeichen pro- 
phezeit, dafs ihr Liebster nahe sei (53, 55), reichlich genossen, 
steigen sie aus dem Bade und gehen heim. Vishayd aber hat 
beim Verlassen des Teiches den Candrahäsa am Ufer schlum- 
mernd erblickt und bleibt, von Liebe zu ihm erfafst, zurück 
(54, 1). Ihre Fufsspangen ablegend, schleicht sie sich näher, 
ihn zu betrachten. Da sieht sie aus seinem Wamms einen 
Brief herausgucken, bemächtigt sich desselben, löst das Siegel 
und liest, erschreckend, die Botschaft ihres Vaters an ihren 


Bruder. Schnell entschlossen ändert sie nun die Worte visham 


asmai pradätavyam „Gift ist ihm zu geben“ in: viskayd ’smai 


 praddtavyd „die Vishayd ist ihm zu geben“, schliefst den Brief 


wieder zu, steckt ihn in die Tasche zurück und macht sich auf 


den Heimweg, sehnsüchtig zurückblickend. Ihre Freundinnen 


aber necken sie wegen ihres Zurückbleibens und ihres vor 
Freude leuchtenden Antlitzes'). Am Abend erst erwachte Can- 
drahäsa (54, 24) und begab sich nun schleunigst zu Madana. 
Der empfing ihn in grofser Versammlung, las des Vaters Brief 
trotz der ihm von Candrahasa werdenden Mahnung, ihn als ein 
Geheimnifs allein zu lesen, laut darin vor (34, 52) und nahm 
den nunmehr darin sich findenden Befehl, demselben die Vishayd 
zu übergeben, mit lebhafter Freude auf. Vishayd richtete mittler- 
weile ihre Gebete an Pärvati um Erfüllung ihrer Wünsche, 
ihr für den kommenden Nabhas, am dritten der schwarzen 
Hälfte, ein reiches Fest gelobend (54, 56). Madana aber befrug 
zunächst die Astrologen nach den Nativitätsverhältnissen (lagnam) 
der Schwester und des Candrahasa, und als diese ihm freudig er- 
widerten, dafs Venus’) und Jupiter darüber präsidirten (55,4), 


1) Die ganze Scene ist wirklich sehr duftig und lieblich geschildert. 
?) Diese erotische Bedeutung der Venus beruht auf der griechi- 
schen Mythologie, resp. Astrologie, vgl. Ind. Stud. 8, 413. 10, 319. 
2% 


20 ..G@esammtsitzung 


dafs auch sonst alles passe, und dafs heute gerade die Constel 
lationen vortrefflich zur Hochzeit sich eigneten, liefs er dieselbe 
sofort vor sich gehen und feierte sie mit grofsem Pomp und 
Festlichkeiten aller Art, reiche Gaben und Geschenke allseitig 
vertheilend. Bei der Frage nach: seinem Stammbaum nannte 
Candrahasa Hari als seinen Vater, Grofsvater und Urgrofs- 
vater (95, 16); auch habe er keinen Freund weiter aufser dem 
Kulinda und dessen Gattin Ädhdragakti‘). Trotz dieser aus- 
weichenden Antwort aber läfst Madana doch die heiligen Riten 
vollziehen, in dem Bewulstsein, damit nur seines Vaters Befehl 
zu erfüllen. Tänzer, Akrobaten (die auf einer Rohrspitze tan- 
zen), Jongleure (die Feuer aus dem Munde zu speien verstanden 
39,39), und Musiker aller Art trugen zur Verherrlichung des 
Festes bei, an welchem die ganze Stadt freudig theilnahm. — 
Während dessen schlug Dhrishtabuddhi in Candandvati den Ku- 
linda in Fesseln (96, 1) und presste durch schwere Torturen 
den Einwohnern das Geld ab (: er tauchte sie ins Wasser, 
mit einem am Halse hangenden Steine beschwert, liels sie über 
flammendem Feuer halten, schlitzte ihnen das Fleisch auf, liefs 
sie Mehlwasser durch die Nase einziehen etc... Er machte es 
dem Kulinda zum Vorwurf, dafs er, stolz auf seinen durch 
Candrahäsa erlangten Reichthrm, den Tribut nicht selbst gebracht, 
sondern durch Boten geschickt habe, die sich noch dazu geweigert 
hätten, die ihnen von ihm vorgesetzten Speisen zu essen. Früher 
sei weder (iva-Tempel noch Vishnu-Tempel in der Stadt gewesen 
(56,8). Jetzt aber durch seinen Reichthum stolz geworden, 
schwelgten sie in Genüssen; u. dgl. mehr. Er beauftragte seinen 
Diener Lobha’) nebst dessen Gemahlin Trishnd?’) die Stadt 
Candandvati fortab zu behüten, und zog froh, mit reichen 
Schätzen heim, die seine Sänfte tragenden Fischer unterwegs 
tüchtig mit Schlägen regalirend (56, 18.19), weil sie ihm 
nicht rasch genug vorwärts eilten, so sehr sie sich auch an- 


1) Dies ist hier ein mystischer Name, der an den Visknu-Kult erin- 
nert (s. Rämatäp. Up. p. 278. 321. 323): ihr wirklicher Name ist nach 
95, 16 Medhävatı. 


2) Beides sind symbolische Namen: lobha Begier, trishnd Durst. 


vom 14. Januar 1869. 21 


strengten. Unter allerlei üblen Vorbedeutungen !) gelangte er end- 
lich an, in der frohen Erwartung, dals Madana nun den C. um’s 
Leben gebracht haben werde. Statt dessen kam er noch gerade 
zu dem Jubel und Trouble der Hochzeitsfeier zurecht, so dafs 
ihm Alle mit Glückwünschen über seinen edlen Schwiegersohn 
entgegen kamen. Die Ersten, die ihn so begrülsen, schlägt er 
zornig mit seinem Stocke: aber je weiter er kommt, je sicherer 
wird ihm die Kunde von dem, was vorgegangen. In das Innere 
seines Hauses eintretend, findet er seine Tochter mit C. auf 
einem geweihten Platze (vedikäyam 56, 43) sitzen, mit wechsel- 
seitig zusammengebundenen Kleidzipfeln. Schweifs dringt aus 
seinen Poren, Zittern erfafst seine Glieder, sein Mund dorrt 
ihm ein vor Zorn und Schreck (56, 44). Das junge Paar be- 
- grüfst ihn freudig. Er aber fragt seinen Sohn Madana zornig 
nach der Ausführung seines Befehls. Im guten Bewulstsein 
seiner pünktlichen Erfüllung desselben rühmt sich dieser noch, 
dafs er das ganze Schatzhaus durch Spenden an die zahlreich 
herbeigekommenen Gäste ausgeleert habe und steigert dadurch 
des Vaters Ingrimm so weit, dals er ihn in den Wald verstöfst. 
_ Auch dies noch fafst er ganz falsch dahin auf, als ob der Vater 
ihm Vorwürfe deshalb mache, weil er nicht die Eltern des (. 
habe einladen lassen (56, 51): er entschuldigt sich dieserhalb 
mit der Kürze der Zeit. Endlich weist er ihm den Brief selbst 
vor, und der Minister sieht sich nun genöthigt, zunächst zum 
bösen Spiel gute Miene zu machen, den Sohn zu begütigen und 
den Candrahäsa mit freundlichen Worten zu begrüssen. Er 
beschlie‘st indels Letzteren doch noch zu vernichten. Und da 
er sich dazu, wie er nun wohl sieht, seines Sohnes Madana 
"nicht bedienen kann (5%, 2), befiehlt er heimlich jenen Cdndaäla, 
_ die er früher schon mit der Ermordung des Knaben C. beauf- 
tragt hatte, bei einem Candikd-Tempel, der aufserhalb der 
Stadt in einem Haine lag, sich versteckt zu halten, und Jeden, 


1) Krähen flogen über der Sänfte hin, nach ihm hackend: eine 
Schlange pflanzte sich vor ihm auf, und gab sich ihm als die bisherige Hü- 
 terinn seiner Schätze an Gold zu erkennen, die sich jetzt davon mache, 
weil sein Sohn die Krüge geleert und so ihren Platz leer gemacht habe 


(96, 25). 


22 Gesammtsitzung 


der des Abends ') dahin kommen werde, unverzüglich niederzu- 
machen: er warnt sie, ihn wieder zu betrügen, wie sie es da- 
mals gethan, und verheilst ihnen reichen Lohn. Darauf sprach 
er den Candrahdäsa mit freundlichen Worten an, sagte ihm, dafs 
in seiner Familie die Candikä verehrt werde, und dafs er daher, 
nunmehr ein Glied derselben geworden, heute Abend der Göttin 
ein Blumenopfer darzubringen, es derselben resp. allein in ihren 
Tempel hinauszutragen habe. Candrahäsa sagt auch bereit- 
willig zu, und macht sich am Abend auf den Weg dahin auf. 
Zu der Zeit gerade hatte aber der Kuntala-König seinen Haus- 
priester Galava rufen lassen und ihm mitgetheilt, dafs er sein 
Lebensende nahe fühle, da er seinen Körper ohne Schatten sehe. 
Durch die ausführliche Darstellung Gdlava’s über die Vorzeichen 
des nahenden Todes?) fühlte er sich in diesem Glauben bestärkt 


1) pitriprasükäle 57, 7, zur Zeit des Zwielichtes, in welchem die 
Schatten und Gespenster der Manen ihr Wesen treibend gedacht sind. 
2) Gälava mufs ihm zu besserer Klarheit hierüber den arishtädhyäya, 

d.i. die Lehre von den Vorzeichen des Todes, vortragen. Dattätreya 
hat sie einst dem Alarka mitgetheilt. Wer den Polarstern, die Venus, 
den Mondschatten, die Arundhati, nicht sieht, lebt nicht länger mehr als 
ein Jahr. Strahlenlose Sonnenscheibe oder strahlenumkränztes Feuer se- 
hend, lebt man nur noch elf Monate. Nur noch zehn dgl., wer da im 
Traum oder in Wirklichkeit Urin und Koth, oder Gold und Silber sät 
(?? vayan [vapen?] mütrapurisha[m] yah suvarnarajatam tatha | pratyaksham 
athavä svapne...; soin A.; inE. ist hier eine Lücke). Nur noch neun 
Monate lebt, wer da preta, pigäca u. dgl. (gespenstische Wesen), oder 
Erscheinungen der Fata Morgana (alles dies fehlt noch in E.), oder Bäume 
von goldner Farbe sieht. Acht Monate Frist hat noch, wer ohne Ur- 
sache plötzlich mager oder fett wird, und dessen ganze Natur sich ändert. 
Sieben dgl., wessen Fufstapfen im Staub oder Koth die Ferse vorn zeigt. 
Sechs dgl., auf wessen Haupt sich eine Taube, ein Geier, eine Eule, 
‚eine Krähe setzt. Fünf dgl., wer von Krähen mit Staub beworfen 
wird, wessen Haut, von der Brust aufwärts, zuckt. Vier dgl., wer sei- 
nen Schatten anders sieht. Zwei oder drei dgl., wer im Süden einen 
Blitz in wolkenleerer Gegend sieht, oder des Nachts einen Regenbogen. 
Einen halben Monat, wer sich in ghrita, Öl, Spiegel oder Wasser ohne 
Kopf sieht, wer einen knochenäbnlichen oder leichenähnlichen Geruch an 
sich hat. Zehn Tage, wem gleich nach dem Bade das Herz erstarrt 


vom 14. Januar 1869. 23 


und beschlofs die Regierung niederzulegen, liefs resp. den Ma- 
dana rufen und beauftragte ihn seinen Schwager Candrahdsa 
herbeizuholen (um diesem die Regierung zu übertragen). Ma- 
dana eilte fort und traf den (., wie er gerade im Begriff war, 
mit seiner Blumenspende nach dem Candika-Tempel zu gehen. 
Er hielt ihn aber an, nahm ihm die Blumen ab, und sandte 
ihn auf seinem eignen Rofs, von seinen Dienern umgeben, dem 
König zu, während er selbst an seiner Stelle mit den Blumen 
allein nach dem Tempel ging. Candrahäsa ward von dem König 
freudig empfangen. Derselbe übergab ihm seine Tochter Cam- 
pakamalini und das Königreich, legte seine Kleider ab und zog 
sich nackt in den Wald zurück, in yoga versenkt. Gälava aber 
weihte den Candrahäsa nun zum König (97, 63), der sodann die 
Campakamalini sogleich bei Sonnenuntergang nach dem Gan- 
dharva-Ritus ehelichte.. Dem Madana aber begegneten unterwegs 
auf seinem Gange nach dem Tempel allerlei böse Vorzeichen '), 
die er indefs nicht beachtete, resp. nur mit Segenswünschen 


(avapushyati 97, 29), wer Wasser trinkend doch ausdörrt. Wer im 
Traume auf einem Gespann von Bären oder Affen stehend (rikshavanara- 
yugmasthah) singend nach Süden geht, wen im Traume eine singende 
und lachende in rothschwarze Kleider gehüllte Frau nach Süden führt, 
wer im Traume einen nackten Bettelmönch (kshapanaka) lachen sieht, 
wer sich im Traume von Kopf bis zu Fufs in Koth versunken sieht, 
wer im Traume an sein eignes Haupt eine Schatzkammer oder einen 
Wagenschuppe nhinanreichen sieht (??97, 34 kordgaram rathägäram dha- 
kshayantam (Vdagh?) svakam girah, so in E.; auch A. hat ganz verderblen 
Text: kerägärais tathägara lakshayanta svakagiram 1 drishlva svapne), 
wer im Traume von schrecklichen schwarzen Männern, mit erhobenen 
Waffen, mit Steinen geschlagen wird, wer sich nicht mehr in des An- 
dern Auge (Augapfel) sieht, wer die Ohren zuhaltend kein inneres Brausen 
hört, wer seine ganze Natur ändert, wer die Götter nicht (mehr) ehrt, 
Brahmanen, Lehrer, Greise schmäht, den Eltern, den Schwiegersöhnen, 
den Yogin, den Einsichtsvollen und sonstigen Ehrwürdigen (wörtlich: 
Grofsgeistigen) nicht (mehr) gastliche Bewirthung spendet — dessen letzte 
Stunde ist gleich oder doch in 10 Tagen (97, 35) bevorstehend. 


!) Er sah vor sich zwei Katzen kämpfen (97, 65); das Gefäfs mit 
den Sandel-Blumen fiel ihm aus der Hand; Blut flofs ihm aus Auge und 
Mund; eine Eule setzte sich auf sein Haupt und schrie’ kläglich. 


24 Gesammtsitzung 


für seinen geliebten Schwager beantwortete. Auch als ihn nun 
im Tempel die Mörder erschlugen, hauchte er seinen Geist 
unter gleichen Wünschen für ihn aus.  Candrahäsa aber bestieg 
bei Einbruch der Nacht mit seiner neuen Gemahlinn einen 
schönen Elephanten und machte sich unter Paukenschall auf, 
dem Dhrishtabuddhi seine Verehrung darzubringen. Als nun 
diesem seine Diener meldeten, dafs der neue König C. ihn zu 
besuchen gekommen sei, gerieth er, der von dem ganzen Vor- 
gange des T'hronwechsels noch nicht wulste, in die gröfste Auf- 
regung: er meinte indefs, sein Sohn Madana sei gekommen und 
redete den ©. demgemäls an. C. aber stieg vom Elephanten 
und umfafste seine Füfse. Da fafste er ihn am Kinn und frug 
ihn, ob er denn nicht zum Candikd-Tempel gegangen sei. Als 
nun C. berichtete, wie Alles zugegangen, gerieth Dh. in das 

grölste Entsetzen; mit erhobenen Armen, gelöstem Haar, schrei- | 
end machte er sich auf. „Wer andern eine Grube gräbt, fällt 
selbst hinein* (98, 13 parärtham yo 'vatam kartd, tasmin sa pa- 
tati dhruvam). Er eilte hinaus zu dem Todtenverbrennungs- 
Platz (58, 15), wo die Leichengespenster (bhüta-vetäla-kankalah 
v. 16), ihn als ihren Meister höhnisch begrülsend, vor ihm flohen. 
Er rifs sich von einem Scheiterhaufen ein brennendes Scheit, 
eilte damit zum Candika-Tempel, und fand da die Leiche seines 
geliebten Sohnes. Voll Verzweiflung, und in diesem schreck- 
lichen Ende die Strafe für seine Feindschaft gegen die Vaish- 
nava (98,31) erkennend, zerschmetterte er sich selbst das Haupt 
an einem mit Metall verzierten Pfeiler des Tempels. Am Mor- 
gen kam ein Büfser mit Blumen und Wasser daher, um die 
Göttin zu ehren, und fand die beiden Leichen im Tempel. 
Er brachte die Nachricht davon sofort dem Könige, der voll 
Trauer herbeikommend in innigem Gebet an die Candika sich 
ihr selbst zum Sühnopfer darbot. Er grub vor ihrem Bilde 
eine viereckige Grube, richtete darin ein geweihtes Feuer an, 
‚schnitt sich unter Reeitirung heiliger Sprüche alles Fleisch von 
seinem Körper, opferte es darin und legte eben das Messer an 
die Kehle, um auch sein Haupt ihr, als Vishnu’s gakti (98, 47) 
zu opfern, — da erschien ihm die Göttinn selbst, wehrte ihm 
ab, sprach ihm ihre Befriedigung über seinen festen Glauben 
an Hari aus und stellte ihm zwei Wahlgaben frei. Als erste 


vom 14. Januar 1869. 25 


derselben wählte er sich denn festen Glauben an Hari in allen 
künftigen Geburten, und als zweite die Wiederbelebung der 
beiden Todten. Devi gewährte ihm huldvoll Beides und dazu 
noch einen Sohn, der ebenfalls Hari-gläubig sein werde; sie ge- 
bot ihm, vor sie hin zutreten, und einen Augenblick mit ge- 
schlossenen Augen fest zu stehen. Als er gehorchte, trat sie 
als Wishnu-cgakti mit allen Emblemen (Schwert, Lanze, Keule, 
Lotusblume etc. 58, 57) hervor, legte ihre Weisheit lehrende 
Hand auf sein Haupt und als er seine Augen öffnete, sah er 
Vater und Sohn wiederbelebt, sich selbst ohne Wunde’ wie zu- 
vor. Die Göttin aber war verschwunden. Vor Dhrishtabuddhi 
sich neigend, den Madana zärtlich umschlingend, gelobte er 
nochmals Treue dem Adhokshaja (58, 63) und ging dann freu- 
dig mit den Beiden zur Stadt. Bald holte er dahin auch seine 
beiden Eltern aus Candandvati (v.79) und regierte dann noch 300 
Jahre lang in Kuntala; Vishayd gebar ihm den Makaradhvaja, 
und Campakamdlini den Helden Padmäksha. — Daran schliefst 
sich dann noch eine Verherrlichung der dem Vishnu geheiligten 
gäligrdmagilä'), durch deren Tragen als Kind schon Oandrahäsa 
gegen alle Gefahren gefeit ward (58, 81-98) ?) und zum Schlufs 
eine Lobpreisung der ebenfalls dem Vishnu geheiligten Tulasi- 
Pflanze (98, 100-101). 


In dieser Erzählung erscheinen zwei Momente vereinigt, 
die bei uns im Oceident einzeln stehen und selbständige Kno- 
tenpunkte für daran angeknüpfte Erzählungsgruppen geworden 
sind, einmal nämlich die Änderung eines Urias-Briefes ohne 
Wissen des Überbringers in sein Gegentheil, und zwar so, dafs 
ihm statt des Todes die Tochter des Absenders zu Theil wird, 
und. zweitens 'eine besondere Bewährung des Sprichwortes: 


1) so hier durchweg in E.; während oben 50, 48 gälagrama, wie 
sonst gebräuchtich, und in A. auch hier durchweg steht. 

2) Das Bhärata, Harivanca und das grimad-Bhägavatam soll man 
in der Nähe eines galigrama recitiren heilst es v. 96. Der ganz sekun- 
däre Charakter dieses Verses, der in A. fehlt (fol. o liegt wohl 
deutlich vor. 


26 Gesammtsitzung 


„wer Andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ (s. 58, 13), 
bei. welcher an Stelle eines dem Tode Zugesandten der Ver- 
folger selbst, oder doch ein demselben Nahestehender, ums 
Leben kommt. 

Was den ersten Punkt betrifft, so findet sich eine schla- 
gende Parallele zur obigen Darstellung in der mittelalterlichen 
Sage von der Geburt Kaiser Heinrich’s IIL.'), welche in den 
„Deutschen Sagen“ der Brüder Grimm (Berlin 1818 IL, 177 £f.) 
wie folgt lautet. 

„Kaiser Conrad der Franke?) liefs ein Gebot ausgehn: wer 
den Frieden bräche, dem sollte man das Haupt abschlagen. Das 
Gebot brach Graf Leopold von Calw, und da der König zu 
Land kam, entwich Graf Leopold in den Schwarzwald in eine öde 
Mühle, meinte da sich zu enthalten mit seiner Hausfrau, bis dafs 
ihm des Königs Huld wieder würde. Eines Mals ritt der König 
ungefähr in den Wald und vor dieselbe Mühle hin. Und da ihn 
Leopold hörte, furchte er, der König wolle ihn suchen, und floh 
in das Dickicht. Seine Hausfrau liefs er in der Mühle, die konnte 
nirgends hin; denn es war um die Zeit, dafs sie ein Kind gebären 
sollte. Als nun der König nah bei der Mühle war, und die Frau 
in ihren Nöthen hörte schreien, hiefs er nachsehen, was der Frauen 
gebräche. In den Dingen hörte der König eine Stimme, die 
sprach: „auf diese Stunde ist ein Kind hier geboren, das wird 
dein Tochtermann.*“ Conrad erschrak, denn er wulste anders 
nicht, denn dafs die Frau eine Bäuerin wäre; und dachte, wie 
er dem zuvorkommen möchte, dafs seine Tochter keinem Bauern 
zu Theil würde. Und schickte zwei seiner Diener in die Mühle, 
dafs sie das neugeborne Kind tödteten und zu dessen Sicher- 
heit ihm des Kindes Herz brächten; denn er müsse es haben 
zu einer Bufse. Die Diener mufsten dem Kaiser genug thun, 
fürchteten doch Gott, und wollten das Kind nicht tödten; denn 
es war gar ein hübsches Knäbelein, und legten’s auf einen Baum, 
darum, dafs etwer des Kindes inne würde. Dem Kaiser brachten 
sie eines Hasen Herz, das warf er den Hunden vor, und meinte 
damit zuvorgekommen zu seyn der Stimme der Weissagung. 


1) 1059 — 1056. ?) 1024 — 1039. 


vom 14. Januar 1869. 27 


"In den Weilen jagte Herzog Heinrich von Schwaben auf 
dem Wald, und fand das Kind mutterallein da liegen. Und 
sah, dafs es neugeboren war, und brachte es heimlich seiner 
Frauen, die war unfruchtbar, und bat sie, dafs sie sich des 
Kindes annähme, sich in ein Kindbett legte, und. das Kind wie 
ein ‘natürliches hätte; denn es sey ihnen von Gott geschickt 
worden. Die Herzogin that es gern und also ward das Kind 
getauft und ward Heinrich geheifsen; niemand aber hielt es 
anders als für einen Herzogen zu Schwaben. Und da das 
Kind also erwuchs, ward es König Conrad gesandt zu Hof. 
Der hiefs diesen Knaben öfter vor sich stehen, denn die andern 
Junker am Hofe, von seiner klugen Weisheit und Höflichkeit 
wegen. Nun geschah es, dafs dem Kaiser eine Verläumdung 
zu Ohren kam: der junge Herzog wäre nicht ein rechter Her- 
zog von Schwaben, sondern ein geraubt Kind. Da der Kaiser 
das vernahm, rechnete er seinem Alter nach, und kam ihm 
Furcht, es wäre derjenige, wovon die Stimme bei der Wald- 
mühle geredet hätte. Und wollte wiederum zuvorkommen, dafs 
es nicht seiner Tochter zu einem Mann würde. Da schrieb 
er einen Brief der Kaiserinn, in dem befahl er ihr, als lieb ihr 
Leib und Leben wäre, dafs sie den Zeiger dieses Briefes töd- 
ten hiefse. Den Brief befahl er beschlossen dem jungen Herrn 
an, dafs er ihn der Kaiserin einhändigte und niemand anderm. 
Der junge Heinrich verstand sich darunter nichts als Gutes, 
wollte die Botschaft vollenden, und kam unterwegens in eines 
gelehrten Wirthes Haus; dem vertraute er seine Tasche von 
Sicherheit wegen, worin der Brief und anders Ding lagen. Der 
Wirth kam über den Brief aus Fürwitz, und da wo er geschrie- 
ben fand, dafs die Kaiserinn ihn tödten sollte, schrieb er: „dafs 
die Kaiserinn dem jungen Herrn, Zeiger des Briefes, ihre Toch- 
ter gebe und zulegte unverzogentlich“; den Brief beschlofs er 
wieder mit dem Insiegel gar säuberlich ohne Fehl. Da nun 
der junge Herr der Kaiserinn den Brief zeigte, gab sie ihm 
die Tochter und legte sie ihm zu. Die Mären kamen aber bald 
vor den Kaiser. Da befand der Kaiser mit dem Herzogen von 
Schwaben und andern Rittern und Knechten, dafs der Jüngling 
war von Leopold’s Weib in der Mühle geboren, von dem die 
Stimme geweissagt hatte, und sprach: „nun merk ich wohl, 


28 Gesammtsitzung 


dafs Gottes Ordnung niemand hintertreiben mag“, und förderte 
seinen Tochtermann zu dem Reich. Dieser König Heinrich 
baute und stiftete hernachmals Hirschau, das erste Kloster, an 
die Statt der Mühle, darin er geboren worden war.“ 

Dieses „wunderliche Märchen“ über Heinrichs III. Abkunft 
(s. Wattenbach deutsche Geschichtsquellen Berlin 1866 p. 428) 
stammt aus der Pantheon genannten allgemeinen Chronik des 
bis Ende des zwölften Jahrhunderts lebenden Gottfried von 
Viterbo, s. den Text bei Pistorius script. rer. Germ. II, 333-336 
(Regensburg 1726) und bei Muratori script. rer. Ital. VII, 441-4. 
Auch in den um c. zwei Jahrhundert späteren Gesta Roma- 
norum') sowie in zahlreichen Chroniken findet es sich wieder ?), 
ist resp. in äufserst mannichfachen Variationen?) ein Gemein- 
gut der deutschen Märchen- und Sagen-Welt geworden *) und 
zwar dabei mehrfach in Verbindung getreten mit dem Märchen 
von den drei Haaren des Teufels (oder sonstigen Ungeheuers) 
und den an diesen zu richtenden Fragen’). 

In Bezug auf den zweiten Punkt, der für uns die dra- 
stische Gestaltung in Schiller’ s „Gang nach dem Eisenhammer* 


1) „abgefafst um das Jahr 1340“, s. J. Dunlop history of fietion in 
Felix Liebrecht’s Übersetzung p. 199 (1851). 


2) Die Gebrüder Grimm führen weiter noch an: Thomas Lirer 
Thl. 2, Crusius ann. suev. dodecas I, 198 — 9 (Frankfurt 1595), Et- 
terlin eydgen. Chronik p. 66—68, Becherer thüring. Chronik p. 199 
(Mühlhausen 1601), Gerstenberger (f 1522) apuıd Schminke ana- 
lecta Hassiaca I, 90—94 (Cassel 1747). Zahlreiche weitere Angaben s. 
bei Massmann Kaiserchronik III, 1094 — 97. 


3) Die Geburt des Kindes in der Mühle tritt dabei stets besonders 
hervor. Im Jaimini- Bhärata verdingt sich wenigstens die Amme zur 
Arbeit des Mahlens (s. oben p. 15). 


#4) s. Grimm K.M. I, 152 ff. III, 56, Pröhle Märchen für die 
Jugend Nr. 8, Asbjörnsen u. Moe Norske Folke Eventyr 3. Ausg. 
no. 5 (Deutsche Übers. von Bresemann Berlin 1847 I, 29 „der reiche 
Peter Krämer“), Meier Deutsche Volksmärchen aus Schwaben no. u 
Alfred Waldau böhmische Märchen p. 587, Grundtwig Gamle danske 
minder I, no. 214. 215. (Diese Parallelen wie überhaupt den Hinweis 
auf die Sage von Heinrich III. verdanke ich Hın. Ernst Kuhn.) 


5) vgl. Benfey Pancatantra L, 395. 


vom 14. Januar 1869. 29 


gefunden hat, ist: auf die zahlreichen Darstellungen der Art in 
den englischen Gesta' Romanorum, in altfranzösischen Fabliaux, 
in mittelhochdeutschen Texten'), in italienischen Novellen, in 
portugiesischen Erzählungen, sowie in deutschen Sagen etc. hin- 
zuweisen, welche auf Veranlassung der Schiller’schen Ballade 
in den betreffenden Werken verzeichnet sind?). Es ist resp. 
hier auch noch jene eigenthümliche Relation hinzuzufügen, die 
sich bei Weinhold Altnordisches Leben p. 95 aus den Forn- 
mannasögur 11, 430 mitgetheilt findet?). In fast allen diesen 


1) z.B. in dem Gedicht „vom Nutzen der Messe“ von Heinrich 
dem Teichner (Handschrift des XIV. Jahrh.), s. Pfeiffer und v. d. Ha- 
gen in Germania (Jahrb. der Berl. Ges. für Deutsche Sprache) IX, 206 
—12 (1850), wohl aus französischer Quelle („daz er liden solt den mort‘*). 


2) s. Valentin Schmidt Taschenbuch Deutscher Romanzen (auch 
u. d. Titel: Balladen und Romanzen der Deutschen Dichter Bürger, Stoll- 
berg u. Schiller) p. 191—7 (Berlin 1827), Götzinger Deutsche Dichter 
erläutert I, 233 ff. (Zürich 1831), Hoffmeister Schiller’s Leben III, 322 
(Stuttg. 1839), Stoeber oberrheinisch. Sagenbuch p. 561—4 (Strassburg . 
1842), Saupe Göthe’s u. Schiller's Balladen und Romanzen p. 170 ff. 
(Leipzig 1853), Viehoff Schiller's Gedichte erläutert etc. III, 121 ff. 
(Stuttgart 1856), Kaufmann Quellenangaben zu Simrock’s Rheinsagen 
p- 152 (Köln 1862), so wie die Vorrede von E. v. Bülow’s Novellen- 
buch (Leipzig 1834), wo sich III, 242 ff. eine ital. Version der Geschichte 
aus den Hecatommithi des Cinthio aufgenommen findet. 


3) „König Svein Ulfsson von Dänemark (1047—96) hatte vier ver- 
schiedene Werkstätten: Eisen-, Silber-, Gold- und Stein-Schmieden, 
in denen ausgezeichnete Meister safsen; begabte Lehrlinge gingen stufen- 
weise durch alle vier hindurch. So that Hakon Harekson, der unter dem 
Namen Vigfüs der nordische Fridolin ist. Er wurde, nachdem er in Dä- 
nemark ausgelernt hatte, vom König nach England geschickt. Der Kö- 
nig gab ihm unter anderm guten Rath auch den mit, keinem Rothen zu 
trauen und keine Messe vor dem Ende zu verlassen.“ (Ein neidischer 
College verläumdet ihn wegen Zauberkunst, fällt aber dann in seine eigne 
Falle.) — Da die Geschichte hier nach England verlegt wird, liegt die 
Annahme nicht fern, dafs sie von da, resp. etwa von den englischen Gesta 
Romanorum aus (s. Cap. 98 bei Graesse in seiner Übers. II, 243 Dresden 
1842, sowie Swan’s Ausgabe I. p. cıv London 1824 und Douce Illustra- 
tions of Shakespeare II, 412 ff, London 1807), ihren Weg in die Forn- 
mannasögur gefunden hat. 


30 Gesammtsitzung 


Erzählungen kehrt der kindlich-naive Zug wieder, dafs es die 
Frömmigkeit des dem Tode Geweihten ist, die ihn rettet, in- 
dem sie ihn zu einer Zögerung auf dem Wege behufs an- 
dächtigen Betens in einer Kirche veranlafst'). Auch im Jai- 
mini-Bharata spielt dieser Zug wie wir sahen, eine hervor- 
ragende Rolle, und wenn auch darin allerdings die Verzögerung 
der Ankunft des Candrahäsa nicht bei seiner zweiten hier zu- 
nächst in Betracht kommenden Sendung, vielmehr bei seiner 
ersten behufs Abgabe des Urias-Briefes durch diesen Grund 
speciell motivirt wird (s. oben p. 18), so wird ein Zusammen- 
hang hierbei doch schwerlich in Abrede zu stellen sein. 

Es erhebt sich nun die Frage, wo haben wir das Vaterland 
der beiden Erzählungen zu suchen, in Indien oder im Abend- 
land? Natürlich müssen wir sie in dieser Beziehung getrennt 
behandeln, da ihre Vereinigung im Jaimini- Bhäarata eine ganz 
zufällige sein kann. Denn wenn sie auch etwa möglicher Weise 
ganz ursprünglich auf ein und dasselbe Saamenkorn als ge- 
meinschaftliche Quelle zurückzuführen sein sollten, so sind sie 
eben doch in ihrer vorliegenden Form entschieden zwei ganz 
selbständige Gewächse, die je ihre eigene Geschichte haben, 
und die Frage nach jenem etwaigen gemeinsamen Ursprunge 
ist eine sozusagen sie noch nicht selbst betrefiende.. Man 
könnte nämlich wohl vermuthen, dafs beide Erzählungen nur 
verschiedene Variationen jener einen Grundidee sind, die uns 
schon aus alter Zeit in dem Urias-Briefe König Davids 
und in dem entsprechenden Schreiben, das Bellerophon dem 
lykischen König Jobates zu überbringen hatte, bekannt ist. Am 
besten wäre es wohl an Letzteres zu denken. Während näm- 
lich Urias bekanntlich wirklich das Leben verliert, kommt 
Bellerophon nicht nur mit dem Leben davon, sondern erhält 
auch, nach glücklich bestandenen Gefahren, des Jobates Tochter 
zur Gemahlinn, und damit liesse sich denn die erste unsrer 
Erzählungen ungezwungen vereinigen. Schwieriger freilich die 


1) Dieser an den „Vitulus Flüggianus“ neuster Zeit erinnernde Zug 
war es gerade, der die Geschichte den Clerikern des Mittelalters, die ja 
hauptsächlich die Vermittler derartiger. Erzählungen waren, so werth 
machte und die weite Popularität derselben bewirkt hat, 


vom 14. Januar 1869. 51 


zweite, bei welcher zudem jedenfalls die Bestrafung des Schul- 
digen als ein wesentlich neues Moment hinzutritt, und nur 
das Motiv der durch unbefangene Unschuld verdachtlos über- 
nommenen eigenen Todesbotschaft noch auf den Bellerophon-. 
Brief zurückzuführen sein würde. 

Wie dem also auch sein mag, die Fassung auch der ersten 
Erzählung in ihren beiden Formen, der indischen wie der 
deutschen, zeigt in dem Umstande, dafs durch Änderung des 
Briefes dessen Sinn in sein Gegentheil verkehrt, und dem Über- 
bringer statt des Todes direkt die Tochter des Ab- 
senders zu Theil wird, beide Male eine so specielle Färbung, 
dafs, mag sie auch ursprünglich etwa, was ja in beiden 
Fällen ganz denkbar wäre, mit der Bellerophon-Sage zusammen- 
hängen, dennoch nicht anzunehmen ist, dafs diese Entwick- 
lung. derselben an beiden Orten, in Indien, wie im Abendland, 
selbständig vor sich gegangen sei. Es mufs hierbei viel- 
mehr, aller sonstigen Analogie nach, eine Wandernng resp. 
Entlehnung von dem einen oder dem andern Punkte aus an- 
genommen werden; und es gilt nun ein Abwägen der beider- 
seitigen Ansprüche auf Originalität. 

In Europa ist die Sage verhältnifsmäfsig früh bezeugt, 
jedoch freilich erst aus einer Zeit, wo u. A. der Einflufs der 
Kreuzzüge schon manches orientalische Gut nach dem Abend- 
lande gebracht hatte. Auffällig bleibt jedenfalls, dafs darin der 
tapfere Kaiser Heinrich III schon wenig mehr als 100 Jahre nach 
seinem Tode als Gegenstand der Sage erscheint, und dafs die- 
selbe ihn nur als Tochtermann Kaiser Konrads feiert, während 
die Geschichte ihn doch als dessen leiblichen Sohn kennt'), 
Die um 1137 verfalste, dann bis 1146 fortgesetzte sogenannte 
Kaiserchronik in deutschen Reimzeilen, die an Sagen sonst 
so reich ist, weils von dieser Geschichte noch nichts (s. Mass- 
mann’s Ausgabe). Daraus möchte man fast schliefsen, sie sei 
eben erst zwischen 1137 und 1180 bis 1190, dem Todesjahr 
Gottfried’s von Viterbo, in Umlauf gekommen. Und zwar ver- 
muthet mein geehrter Freund R. Köpke, dessen freundlichen 


!) so z. B. auch Vincentius Bellovacensis (f 1264) im speculum 
historiale lib. XXV p. 1008 (Duaeci 1624). 


32 Gesammtsitzung 


Rath ich in Anspruch nahm, darin geradezu einen Einflufs' des 
zweiten Kreuzzuges (1147-1149). Dafs Gottfriedvon Viterbo 
seinen vielfachen diplomatischen Reisen!) in Spanien, Südfrank- 
reich, Sieilien, Italien den legendarischen Stoff für seine Welt- 
chronik verdanke, ist wohl ohne Weiteres anzunehmen, so wie 
nicht minder, dafs darunter auch orientalische Stoffe gewesen 
sein mögen, und hat hierauf gerade neuerdings R. Ulmann in 
seiner Promotionsschrift über G. v. V. (Göttingen 1863) speciell 
hingewiesen, s. Wattenbach 1. c. p. 428°). — Von Bedeutung 
ist hierbei wohl auch noch der Umstand, dafs die in den Gesta 
Romanorum enthaltene Relation der Sage zwar im lateinischen 
Texte derselben (Cap. 20, ed. Keller p. 42, bei Graesse I, 44) 
auch von Kaiser Konrad, dagegen im mittelhochdeutschen 
Texte (Cap. 16, ed. Keller p. 59, Graesse II, 198) von einem 
König Hanibal oder Hanibubal erzählt wird, eine Spur, die 
denn doch direkt nach dem Orient zu leiten scheint. 

Nach Graesse (Gestall, 358) soll übrigens „dieselbe 
Geschichte“ sich nach Wharton hist. of engl. poetry I p. cL?) 


1) Er war, s. Wattenbach 1. c. p. 426, Kaplan und Notar der Kai- 
ser Friedrich I. u. Heinrich VI. Von Geburt wahrscheinlich ein Sachse, 
in Bamberg gebildet, war er zuletzt Canonicus in Pisa, lebte resp. in 
seinem Alter in Viterbo, wo er anch, vermuthlich 1190, starb. — Sollte 
etwa das Kloster Hirschau, das er am Ende der Sage als durch deren 
Helden gestiftet erwähnt, mit der Entstehung derselben in Bezug zu brin- 
gen sein? auch da wäre ja ein gelehrter, vom Orient aus vermittelter 
Einflufs leicht denkbar. Gegen eine solche Vermuthung spricht indefs, 
dafs der gelehrte Tritheim (f 1516) Abt von Hirschau in seinem Chronie. 
Hirsaugiense I, 175 — 178 (St. Gallen 1690) sehr energisch gegen die 
ganze Erzählung als „huic nostrae compilationi de fundatione Hirsaugiensis 
monasterii (die er eben viel älter ansetzt) adversa“ polemisirt. Pistorius am 
a. O. bezeichnet sie ebenfalls als fabula, Becherer führt sie auf die „wel- 
schen Historici oder Fabulisten“ zurück, Gerstenberger dagegen auf 
„Meister Diderich “, die „Cronikavon Swoben“ und die „Croniken Hermann“, 

2) „vgl. die Schrift von Ulmann, der auch den Einflufs der im 12. 
Jahrh. bekannt werdenden arabischen Erzählungen hervorhebt und bei 
Gotfried vermuthet.* (Die Ulmannsche Schrift selbst war mir nicht zu- 
gänglich.) 

3) vol. HI p. xvır in der zweiten Ausgabe (London 1775, 3 voll). 


vor Fansar> 1869. 33 


auch „als das Leben des H. Pabstes Pelagius') erzählt 
‘finden in Caxton’s Golden Legend f. CCCLXXXXvI, Ss. a. Ja- 
cob de Voragine Legenda Aurea f. cccxv.“ Dies letztere 
Werk, dessen Abfassung wie die der Gesta Rom. dem dreizehn- 
ten Jahrhundert angehört (Jacobus T 1298), verdankt den 
Gesta Lombardorum des Paulus Diaconus (+ ce. 797) einen 
Theil seines Inhaltes, s. Dunlop in Liebrechts Übers. 'p. 305; 
und gerade in dem Cap. 181 „de S. Pelagio papa“ wird in der 
That auch (s. Liebrecht p.503) gleich im Eingange auf die- 
selben als Quelle hingewiesen). Wir würden somit hierdurch 
in eine weit frühere Zeit für unsere Erzählung zurück- 
geführt werden. Die Sache steht indefs denn doch wesentlich 
anders, als Graesse angiebt. Nur der $ 1 jenes Cap. nämlich 
handelt wirklich vom Pabst Pelagius und seiner Zeit, beruht 
resp. in letzterer Beziehung eben u. A. auch auf den Angaben 
Paul Warnefrieds.. Dagegen die folgenden $$ beziehen sich 
auf spätere Zeiten, $ 3. auf Pipin, Desiderius ete., $ 4. auf 
Carolus Magnus und seine Nachfolger, und in diesem $ 4 wird 
denn auch unsere Geschichte hier (p. 840. 841 bei Graesse) 
ganz in der Weise des Gottfried von Viterbo für das Jahr 
MXXV, resp. eben auch von Kaiser Heinrich III, nicht von 
Pabst Pelagius, erzählt. Es hat im Übrigen auch Paul Warne- 
fried im entsprechenden Abschnitt seines Werkes (I, 25-II, 3 
ed. Lugd. Bat. 1595, Übers. von Otto Abel Berlin 1849) nichts 
der Art, erwähnt resp. den Pabst Pelagius überhaupt gar nicht. 
Bei näherem Hinblick reducirt sich denn auch die Angabe 
Graesse’s einfach nur auf ein Milsverständnifs seiner Quelle. 
Es heifst nämlich bei Wharton am a. O. ganz simpel: this 
story is told by Caxton in the Golden Legende, under the 
life (also nicht: als das Leben) of Pelagian the pope entitled: 
„here followeth the lyf of Saynt Pelagyen the pope with many 
other hystoryes and gestys of the Lombardes and of Macho- 
mete, with other cronycles“* (offenbar hat sich Caxton hier 
ganz genau an Jacobus de Voragine angeschlossen). 


1) Pabst Pelagius T 560. 
?) „in hystoria Longobardorum, quam Paulus Longobardorum hy- 


storiographus compilavit“, Leg. Aurea ed. Graesse p. 824 Leipzig 1843, 
[1869.] 3 


34 Gesammtsitzung 


Auch die zweite Erzählung ist in oceidentalischen Quellen 
ziemlich früh, wenn auch erst vom dreizehnten Jahrhundert 
abwärts, bezeugt. Die eigenthümlich asketische Wendung, 
welche sie am Schlusse der altfranzösischen Redaktion ') nimmt, 
dafs nämlich nicht nur der Edelknabe selbst, durch die sicht- 
baren Zeichen der Gnade gerührt, der Welt entsagt und Ein- 
siedler wird, sondern ihm auch sein Freund der Königssohn und 
zuletzt der König selbst darin nachfolgt, ist zwar allerdings 
auch „jener Zeit gemäfs“ (Valentin Schmidt am a. O. p. 192), 
trägt indessen in dieser ihrer Übertreibung denn doch einen 
Zug, der lebhaft an Indien erinnert. Auch die sonderbare 
Prüfung des Athems des Königs?) durch „eing puceles, gen- 
tilz femmes, joenes et beles“, mit denen er „volt dognoier, por 
s’alaine fere essoier* °), weist auf die Haremsgewohnheiten 
des Orients, wie ja denn auch die Erzählung selbst dem ent- 
sprechend in der That nach „Egypte“ *) verlegt ist. Dafs resp. 
der unschuldige Knabe der Sohn eines Seneschalls des Königs, 
der ihm Nachstellende der Hofmeister des königlichen Prinzen 
ist, stimmt treflich zu der im Jaimini- Bhärata vorliegenden 
Stellung des Candrahäsa zu dem Kulinda-Fürsten als Vasallen 
und zu Dhrishtabuddhi als Minister des Kuntala-Königs°). 

Fragen wir nunmehr nach dem Alter dieser indischen 
Quelle, des Jaimini- Bhärata, so haben wir zunächst darauf, 
wie ja leider bei der indischen Literatur gewöhnlich, keine feste 
Antwort. Nach den Angaben Wilson’s (Mackenzie Coll. II, 2) 
stammt jene alte kanaresische Übersetzung, von der wir 
schon oben (p. 13), als jüngst in Indien selbst zum Abdruck 
gelangt, gesprochen haben, bereits aus dem Beginn des drei- 


1) im Auszug bei Le Grand fabliaux ou contes du XII. et XIII. 
siecle V, 74 (Paris 1781); vollständig bei Me&on nouv. recueil des fa- 
bliaux II, 331 (Paris 1823) und danach bei C. v. Orell altfranzös. Gram- 
 matik p. 361 (Zürich 1830). 

2) Die vom üblen Athem desselben entnommene falsche ung 
findet sich auch im Dyalogus creatur. Cap. 120 wieder. 

3) Meon p. 337. *) Meon p. 334. 

5) Die Stellung des Letztern selbst freilich differirt, da er an dem 
Gange der Erzählung wesentlich unbetheiligt bleibt. 


vom 14. Januar 1869. 35 


zehnten Jahrhunderts!). Die Richtigkeit dieser Angabe, 
die ich nicht zu kontrolliren im Stande bin, vorausgesetzt, 
würde das Original selbst somit natürlich als aus noch älterer 
Zeit stammend anzusehen sein, obschon ungewils bleibt, um 


‚wie viel älter es anzusetzen wäre. Als eine etwaige Gesammt- 


recension des Mahd-Bhar. (was ja freilich aber eben auch noch 
zweifelhaft ist) würde das Werk ja ohnehin in der That wohl 
entschiedene Ansprüche auf Alterthümlichkeit machen können. 
Desgleichen spricht wohl auch der Umstand, dafs der Text 
des Werkes in zwei wo nicht mehr Recensionen vorliegt, in 
dieser Richtung. Endlich ist auch der ächt ritterliche Sinn, 
der durch die Erzählungeu von den Abenteuern des Opfer- 
rosses, resp. seiner Begleiter hindurchleuchtet, sowie der Mangel 


‚an Anspielungen auf fremde Eroberer”) in gleichem Sinne zu 


verwerthen °). Andrerseits indessen ist zu bemerken theils, 
dafs das Werk in der sonstigen indischen Literatur bis jetzt 


1) Translated by Lakshmiga Kavi, who was patronised by Vira 
Veläla Deva who reigned in the beginning of the 13th century at 
Dvära Samudra, then the capital of the Kanara country. — Es wäre 
dies also wohl Vira Ballala I, der nach Walter Elliot (s. Lassen Ind. 
Alt. IV, 133. 973) von 1189—1211 regierte? Es giebt aber aufser die- 
sem Vira-Balläla eben noch einen zweiten Fürsten dieses Namens, „den 
letzten Vertreter“ der Velläla-Dynastie, welche 1310' durch die Ein- 
nahme von Dvärasamudra durch die Moslims ihr Ende fand (Lassen ib. 
u. p. 134), der somit erst Anfang des vierzehnten Jahrh. regierte. - 


2) Ich finde nur zwei specielle Beziehungen auf die Yavana resp. Mlecha. 
Die eine klingt eher anerkennend, somit alterthümlich, bezeichnet dieselben 
jedenfalls nicht als Eroberer des Landes, sondern tadelt nur ihre Nicht- 
achtung des Veda; in 27, 30 nämlich heifst es, dafs „die gruti zwar 
von den halbgeschornen Yavana, welche unter den Mlecha eine 
ehrenwerthe Stellung einnehmen, getadelt werde“ (Mlechapüjyair ar- 
dhamundair Yavanair düshyate grutih), deshalb aber doch nicht auch 
von den Brähmana im Stich zu lassen sei. — An der andern Stelle (17, 
129. 131. 132) erscheinen Yavandk als eine Art Leibgarde des Oampako- 
Königs Hansadhvaja, nach Art der Yavani in den Dramen des Kdhdäsa. 
A. liest resp. das eine Mal hierbei: Javandh. 


3) Charakteristisch für die Abfassungszeit ist u. A. wohl auch die 
Aufführung der beiden Juristen (ankha und Likhita als purohita eines 
Campaka-Königs 17, 147 ff.; so wie etwa die Verwendung des Wortes 


a“ 


36 Gesammtsitzung 


nicht weiter ‘als erwähnt nachzuweisen ist!), theils dafs es, 
nach dem bereits im Eingang Bemerkten, eine ganz specifisch 
Krishnao-itische Färbung trägt, resp. speciell gerade auch jene 
verhältnifsmäfsig moderne Gestalt Krishna’s, in welcher er 
als dem Liebesspiel mit den Hirtinnen etc. ergeben erscheint, zum 
Gegenstande hat. Die Erwähnung des (Harivanga und des) grimad- 
Bhägavatam an der oben p. 25 angeführten Stelle (98, 96) 
würde die Abfassung des Werkes sogar sehr erheblich herab- 
drücker, da dieses Purdna ja gegenwärtig, in seiner vorliegenden 
Form wenigstens, als erst gegen Ende des dreizehnten Jahrh. 
von Vopadeva ‚abgefalst gilt: da indessen der betreffende Vers 
vermuthlich nur eine sekundäre Zuthat ist, so beweist er somit 
überhaupt nichts für die Abfassungszeit des Werkes’). Im 


mäsopaväsini in gutem Sinne (Il, 32. 22, 42). — Das Werk selbst 
prätendirt übrigens für seinen angeblichen Vf. Jaimini ein gar hohes Al- 
ter, Gleichzeitigkeit nämlich mit Janamejaya. 


1) Sollte es etwa im Dekhan (wo ja z. B. die Geschichte des 
Candrahäsa offenbar auch spielt, s. oben p. 17 n.) entstanden sein und 
jene Existenz einer alten kanaresischen Übersetzung hiermit in Bezug stehen ? 


2) Von Bedeutung hierfür wäre ferner auch die Angabe Wheeler's 
p. 405. 422, dafs darin für Manipura, die Stadt des Babhruvähana, 
„fireworks and especially fire-weapons placed in waggons, which were 
bound together by chains“ erwähnt seien, was er auf den Gebrauch von 
„artillery“ bezieht. Aber der Text (22, 95) des betreffenden Abschnit- 
tes hat hiervon nicht eine Silbe, ebensowenig wie von den Chandels 
(p. 404. 425), wie denn überhaupt die ganze Darstellung desselben bei 
Wheeler, resp. also in dessen Quelle, voll der willkürlichsten Zusätze ist, 
für die der Text gar keinen Anhalt bietet. — Seine kuriose Berechnung, 
dafs die betreffende Legende „appears to have originated at a period not 
later than the eleventh century“ (p. 422) beruht darauf, dafs dieselbe 
im Vishnu-Pur. (Wilson p. 460) erwähnt werde, welches im 10Oten, 11ten 
Jahrh. abgefafst sei (p. 149. 425). Da indessen das M. Bhär. selbst die- 
‚selbe kennt (I, 7821 fi. XIV, 2302 ff.), so ist das Zeugnifs des Vishnu- 
Pur. ganz überflüssig. Es handelt sich übrigens dabei keineswegs etwa 
um das heutige ganz moderne Munnipur im oberen Birma, auf welches 
Wheeler wiederholt mit einiger Emphase hinweist (p. 149. 425), son- 
dern um ein in Kalinga gelegenes altes Manipura, von welchem jenes 
vielleicht den Namen, und möglicher Weise damit zugleich auch alte 
Legenden, die sich an dessen Geschichte knüpften, erhalten hat. 


vom 14. Januar 1869. 37 


Übrigen ist neben der eigenthümlichen theils grotesk-erhabenen, 
theils sozusagen seelenbräutigamlichen Stellung Krishna’s‘) in 
sonderbarem Gemisch (vgl. Wheeler p. 392. 393) doch auch noch 
seine ältere Stellung .als rüstiger Krieger und Freund der 
Pändava genugsam betont”), um denn doch zu zeigen, dafs jene 
noch nicht ganz ausschliefslich zur Herrschaft gelangt war, 
wir somit noch nicht ganz an den Pforten des modernen 
Krishna-Dienstes angelangt sind. Auch die sehr häufige Er- 
wähnung seiner Mutter Devaki ist wohl ebenfalls noch als auf 
‚ eine ältere Phase desselben hinweisend anzusehen. 
Wenn somit ein eigentliches Datum für die Abfassung des 
Werkes nicht recht zu gewinnen ist, so komplicirt sich die 
_ Entscheidung der vorliegenden Frage zunächst anscheinend 
ferner noch dadurch, dafs dasselbe in der That allerlei Mo- 
. mente enthält, welche ganz speciell auf occidentalische Ein- 
flüsse hinweisen und somit auch eine Entlehnung der in Rede 
stehenden Stoffe als im Bereich der Möglichkeit liegend hinzu- 
stellen scheinen. 

Einmal nämlich sind gerade auch unter den über Krishna 
berichteten Zügen mehrere, welche eine auffällige Ähnlichkeit 
zu christlichen Legendenstoffen zeigen, so°) die Angaben von 
seiner Wiederbelebung des todten Sohnes der Duhrala *) 61, 17., 


!) vgl. z.B. 11, 4 tväm eva khalu jänanti, svapatim na tathä hridi 
(Wheeler p. 387), und s. auch 44, 47, wo ein junges Weib liebkosend 
zu ihrem Gatten, der soeben Ärishna’s Anblick ihren Reizen noch vor- 
zuziehen erklärt hat, erwiedert: sa-Krishnä 'smi dhruvam nätha, ratikale 
hi pagyasi mallocanastham Krishnam, te moksham manye samägatam | 


?) es hängt dies freilich mit dem Gegenstand der Darstellung selbst 
direkt zusammen, war durch ihn bedingt. Krishna erscheint resp. hier 
durchweg als bereits im vorgerückten Alter befindlich (vgl. 11, 132: 
shodara strisahasrani yena bhuktani bhütale 1 yüna purd, 'dya vrid- 
dhena bahuputrena kim phalam 11). 

3) Das M. Bhär. hat von alledem nichts. Es erwähnt zwar die 
Episode mit der Duhralä (14, 2281) hat aber nichts von der Wieder- 
belebung ihres Sohnes. 

%) uttishtha bho vatsa bhayam mä krithä mama samnidhau | 

ty uktva pänind balam pasparga Madhusüdanah N ı7 Il 
utthitas tatkshanad eva pranandma harim mud&. 


38 Gesammtsitzung 


— von seiner Speisuug ganzer muni-Schaaren durch ein einziges 
im Winkel des Topfes zurückgebliebenes Gemüseblatt ') 2, 66. 67, 
— von dem blutflüssigen Weibe, welches, Heilung suchend, 
seinen Füfsen naht?) 11, 86-90, — von seinem Liebesverhält- 
nifs zur buckligen Kubja 11, 136. 14, 27°)., womit offenbar die 
Bhägavata-Legende von seiner vorhergehenden Heilung der- 
selben und von seiner Salbung durch sie mit Saffran und 
Sandel-Öl*) (Wheeler p. 470. 471.475) gemeint ist, — von 
der Berührung seines Fufses als den Tod verscheuchend’°) 
49, 45., — von seinem sofortigen zu Hülfe Kommen, sobald 
man nur irgend seiner flehend gedenkt®) 2,65. 66. 19, 35., — 
von dem Wunsche eines Frommen, nicht eher zu sterben bis er 
ihn gesehen habe?) 49, 8. 9., — von der sündetilgenden Kraft 
des Anblickes von Krishna’s Antlitz oder des Gedenkens an 
ihn oder blos des Nennens seines Namens, s. z. B. 2,33. 
3,39. 6,46. 12,6. 8. 15, 94.100. 18,3. 40,38-43. 46, 60. 
Sodann aber sind unter den Abenteuern, welche das Opferrofs 
und seine Begleiter bestehen, resp. unter den Geschichten, die 
(wie die des Candrahdäsa) bei Gelegenheit derselben erzählt 


1) sthälyäh kone 'varıshtam tu gäkapattram narädhipa 11 66 N 

bhuktva muniganäh sarve nitäs triptim kripalund \ 

2) Die ganze Erzählung von dem Zuge Krishna’s von Dvärakä nach 
Haästinäpura (Wheeler p. 386 ff.) könnte wohl etwa als ein groteskes 
Schattenspiel von Christi Einzug in Jerusalem anzusehen sein. 

3) Auch die spitzige Frage der Satyabhamä (62, 33) kacit präpta 
tvayd no va näri kubja 'tha vämand? spielt wohl hierauf an. 

*) s. meine Abh. über das Geburtsfest des Krishna p. 315n.1. 339, 10 
(das an letzterer Stelle Gesagte ist nach Obigem zu berichtigen). Bemerkens- 
werth ist übrigens, dafs auch unter Buddha’s Anhängern ein buckliges 
Blumenmädchen Namens Khujjuttard eine erhebliche Rolle spielt, s. die 
Angaben im Comm. zum Dhammapada bei Fausböll p. 213. 168 ff. 177. 

5) Krishnänghrispargato. nünam mrityur me 'dya paläyitah I 

6) tadä me manasä dhydto dayäsindhur janärdanah II 65 II 

priydm ankagatdm tyaktv& väyuvegah samägatah | 
T) Gleiches gilt übrigens auch von Rama, s. meine Abh. über die 


Rama Tap. Up. p. 276, wo ich ferner auch an buddhistische Legenden 
der Art erinnert habe. 


vom 14. Januar 1869. 39 


werden, einige an sonstige occidentalische Stoffe aus dem klassi- 
schen, biblischen Alterthum etc. erinnernd, so z. B. die Angabe, 
dafs Hari durch Berührung mit dem Fufs einen Stein in ein 
Weib verwandelt habe 16,6, resp. in umgekehrter Richtung 
die Erlösung der zur Strafe für ihre Widerspänstigkeit in Stein 
verwandelten Gattin des Uddälaka') 16, 89, — sodann die Ge- 
sehichte von dem in einen grofsen, mit kochendem Öl gefüllten 
Kessel (katdha) geworfenen Königssohn, der darin unverletzt 
blieb ?), weil er Krishna lobpries und um Hülfe anrief 17, 175 ff. 
— der Fluch der bei einem Waldteiche überraschten Umad, dafs 
Jeder, der fortab demselben nahe, zum Weib werde?) 21,58, — 
die Angaben über die eigenthümlichen Sitten im „Reiche der 
Frauen“ *) 21,83 ff., — die an Hiob’s Heimsuchung erinnern- 
den schweren Prüfungen des frommen Harigcandra’) 17, 155-6, 


1) Es ist freilich sehr fraglich, ob man in diesen beiden Relationen 
noch einen schwachen Reflex der alten Pygmalion-Sage (Ovid Met. X, 
243 ff.) erkennen darf! Eine ziemlich reine Form derselben liegt uns 
wohl in der Vasavadatts vor, s. Ind. Stud. 3, 345. Für das Weib des 
Uddälaka liefse sich übrigens auch an Loth’s Weib denken. 


2) nach Art der drei Männer im feurigen Ofen und des heil. Lau- 
rentius auf dem Roste. Die Iuder haben übrigens aus dem Schmoren 
in Töpfen, resp. in mit siedendem Öl gefüllten dgl., eine besondere Hölle 
gemacht, und zwar finden sich die betreffenden Angaben bereits in Manu, 
Yajnavalkya, Mahä-Bhär., Pancatantra vor, s. Böhtlingk-Roth unter kum- 
bhipäka und taptakumbha. Bei den Buddhisten ist vipäaka, paccana „ge- 
schmort werden“ geradezu terminus technicus zur Bezeichnung der Höl- 
lenqualen, vgl. z. B. Fausböll schol. zum Dhammapadam 150, 8. 301, 4. 
394, 24 und s. Köppen die Religion des Buddha I, 240. 241. 


3) zu dieser Verwandlung s. Lane 1001 nights III, 163—4 (Lon- 
don 1840). | 
4) Wheeler (p. 400) übersetzt geradezu: „country of the Amazons“, 
bezieht die Angaben seinerseits übrigens (p. 419. 420) auf die Nayrs in 
Malabar. Nach Lassen (Ind. Alt. I, 851) ist das strirdjya vielmehr in 
Tibet zu suchen; zu den angegebenen Beweisstellen dafür ist auch noch 
Varähamih. Brih. Samk. 14, 22 hinzufügen. 
5) Kaupikäya dadau räjyam Harigcandro mahämatıh I 
kritau bharydsutau tena svasatyam pratipälitam U 155 II 
hantum priyam sthito raj& ramye Bhägirathitate I 
Varänasyädm putragäträn mritäd vastram jahära sah I 156 II 


40  @esammtsitzung 


— das „Gelübde von der Schwertklinge“ asipattravratam 1,45, 53. 
13,145. 29,48. 37,34 d.i. nach Wheeler p. 383. 390 „slee- 
ping every night for an entire year at the side of his wife 
with a naked sword between them !).“ | 

"Wenn hienach die Anwesenheit oceidentalischer Stoffe im 
Jaimini-Bhärata in der That wohl als verbürgt erscheint, so 
ist denn doch die Frage, um die es sich hier speciell handelt, 
ob nämlich auch die in Rede stehenden beiden Erzählungen 


vgl. Rückert in der Z. d. Deutschen Morg. Ges. XIII, 103 aus Mär- 
kand-Pur. 7.8. 

!) Die Erklärung, welche eine Randglosse zu 1, 45 giebt: 
darcanam sparfanam kridä gringäro guhyabhäshanam | 
mrishtännam priyam ekatra gayanam bhäryayäa saha | 
nirvikäram manah kuryäd, asipatravratam tv idam | 

hat von dem nackten Schwert nichts, betont vielmehr nur in mucker- 
artiger Weise, dafs der Geist des Betreffenden trotz alles Sinnenreizes 
sich unbewegt halten solle. Aber der Name der Pönitenz spricht aller- 
dings für die von Wheeler gegebene Auslegung. — Die heikele Situation 
selbst ist übrigens, jedoch eben mit Ausnahme der Verwendung des „naked 
sword“, resp. des Namens asipatrarrata, bereits aus dem Rofsopfer-Ritual 
des Yajurveda bekannt. — Über das occidentalische Vorkommen des 
blanken Schwertes in dieser Verwendung als ein Symbol der casti- 
tas und abstinentia s. die eddischen etc. Stellen bei J. Grimm Deutsche 
Rechtsalterthümer (Göttingen 1854) p. 168—170. Daselbst ist auch eine 
Stelle aus 1001 Nacht dafür angeführt, nämlich aus der Erzählung von 
Aladdin’s Wunderlampe bei Galland (6, 23. Paris 1806.; so auch in der 
deutschen Übersetzung von Habicht 7, 176 [Säbel zwischen sich Beide, 
zum Zeichen, dafs er damit bestraft zu werden verdiene, wofern er 
sich gegen ihre Ehre vergehen sollte] Breslau 1840, und bei Weil 
8, 179 ff. Pforzheim 1842), und eine zweite Stelle der Art findet sich 
noch ebendaselbst in der Geschichte von Saif el Molük bei Lane III, 
346. 382 (Aladdin’s Wunderlampe fehlt bei Lane, dessen Übersetzung ja 
überhaupt eine ganz eklektische ist, resp. nur etwa 500 Nächte umfafst). 
Hierauf allein indefs ist ein orientalischer Ursprung der Sitte schwerlich 
zu basiren. Nach Lane’s Ansicht, s. die preface zu seiner Übersetzung 
p. xıım und seine weitere Bemerkungen I, 307. 308. 423. II, 548. III, 
740, ist ja nämlich die vorliegende Form der 1001 Nacht erst aus 
dem Anfang des 16ten Jahrh. (soon after the conquest of Egypt by the 
Osmanli Turks, 1517) stammend! 


vom 14. Januar 1869. 41 


oceidentalischen Ursprunges seien, damit noch keineswegs er- 
ledigt. In so weit zwar, als dieselben etwa ursprünglich auf 
den Urias- resp. den Bellerophon-Brief zurückgehen, würden 
allerdings auch sie mit den soeben angeführten Einzelheiten 
gleichmäfsig rangiren. Anders stellt sich aber die Frage, wenn 
wir ihre vorliegende Form ins Auge fassen. Für alle die 
obigen Stoffe nämlich läfst sich ja ihre Aneignung resp. Ein- 
wanderung nach Indien als bereits in ziemlich früher, wenig- 
stens weit über Gottfried v. Viterbo und die Gesta Romanorum 
hinausgehender Zeit erfolgt ansetzen. Was resp. zunächst die 
christlichen Stoffe betrifft, so ist ja auf Grund der neuerdings 
bei Gelegenheit meiner Untersuchung über Krishna’s Geburtsfest 
gefundenen Resultate die Möglichkeit einer bereits in die er- 
sten Jahrhunderte u. Z. reichenden Aneignung nicht in Ab- 
rede zu stellen. In Bezug auf die nicht-christlichen Stoffe aber 
ist ja noch ein weit früherer Terminus a quo anzusetzen, da 
wir z.B. aus den Untersuchungen über den Zusammenhang 
indischer Fabelu mit griechischen!) wissen, dafs, hauptsächlich 
wohl durch die in Folge von Alexanders des Grossen Zug er- 
öffneten lebhaften Beziehungen Indiens zum Abendland, aller- 
hand äsopische Stoffe vielfach ihren Weg nach Indien, beson- 
ders in buddhistische Kreise, gefunden haben, von wo sie dann 
umgekehrt, in neue Form gegossen, in späterer Zeit wieder 
nach dem Occident zurück gewandert sind. Und hiermit ist 
uns denn wohl auch der Weg zur Entscheidung der in Rede 
stehenden Frage direkt gewiesen. Ganz in gleicher Weise 
nämlich, wie bei den Fabeln, läflst sich auch für unsern Fall 
hier die Möglichkeit wohl denken, dafs sei es der Uriasbrief, 
sei es die noch besser passende Sage von dem Bellerophon- 
Briefe schon in alter Zeit ihren Weg nach Indien fand, hier 
in die vorliegende Form, zunächst der ersten unsrer beiden 
obigen Erzählungen, umgemodelt ward und dann zurück wanderte. 
Denn wenn auch der Umstand, dafs sich im Jaimini-Bhärata 
auch sonstige occidentalische Stoffe verwerthet finden, auch für 
sie a priori wohl die Vermuthung eines gleichen Ursprungs an 


1) s. Ind. Stud. 8, 327 £. 


42 Gesammtsitzung 


die Hand geben könn te, so stellt sich dem doch theils die Un- 
gewifsheit darüber entgegen, ob jene älteste oceidentalische 
Quelle, in der uns dieselbe entgegentritt, Gottfried von Viterbo 
also, wirklich älter ist als das Jaimini-Bharata, was im Hin- 
blick auf das Bisherige, insbesondere auf die Angaben über das 
Alter der kanaresischen Übersetzung dieses Werkes denn doch 
zum Mindesten als äufserst fraglich erscheint, theils aber, und 
nicht minder, auch der Umstand, dafs ja auch umgekehrt (s. oben 
p- 32) jene älteste occidentalische Quelle ihrerseits wieder in 
ganz analoger Weise mit orientalischen Stoffen in Bezug 
zu stehen scheint, wie wir dies nur irgend für das Jaimini- 
Bhärata in Bezug auf oceidentalische Stoffe anzunehmen im 
Stande sind. 

Wenn sich nun nach dem Bisherigen allein eine feste Ent- 
scheidung in dieser Beziehung noch nicht recht gewinnen läfst, 
so ist doch nunmehr noch eines andern Umstandes zu gedenken, 
der in der That wohl allen Zweifel benimmt. Es giebt näm- 
lich in Indien noch einen zweiten Bericht von der unter- 
wegs ohne Wissen des Trägers erfolgten Änderung eines 
Uriasbriefes'), mit welchem sich Gottfried von Viterbo an 
Alter in keiner Weise messen kann. Und zwar ist es, wie 
bei den aesopischen Fabeln, auch hier eine buddhistische 
Legende, welche hierfür eintritt”). James d’Alwis nämlich, 
der gelehrte Singhalese, führt (s. Zeitsch. der D. M. Ges. 19, 663) 
in seiner Introduction to Kaccayana’s grammar (Colombo 1863) 
p. 101 aus der Atthakathä, d. i. doch wohl aus dem zu Anfang 
des fünften Jahrh. verfafsten Commentar Buddhaghosa’s, zum 


8) Der Uriasbrief allein findet sich auch im Kathäsaritsägara 
5,65 ff.; daselbst ist es aber die Klugheit des Überbringers, welche die 
Ausführung des Befehls vereitelt, indem er dem Empfänger desselben 
Angst macht wegen der Folgen, die sein Tod haben würde. 


9) Eine unterwegs durch ein Weib, aber in böser Absicht vorge- 
nommene Briefverwechselung findet sich auch bei den Tataren (Kat- 
schinzen und Kirgisen), s. W. Radloff Proben der Volksliteratur der 
türkischen Stämme Südsibiriens 2, 563 ff. (Petersb. 1868) und Schiefner 
im Vorwort p.X. Hier könnte allenfalls auch buddhistischer Einflufs 
mitwirkend gewesen sein. 


vom 14. Januar 1869. 45 


Dhammapadam') eine Legende von einem Kaufmann aus Kau- 
gdmbi an, welcher, unter verschiedenen Versuchen, seinen natür- 


_ lichen Sohn @hosika, auf den er einen Hals geworfen, aus dem 


Wege zu räumen, auch zu dem Mittel schreitet, ihn an seinen 
Aufseher über 100 grama mit einem Briefe zu senden des In- 
halts, dafs derselbe ihn tödten und in eine Grube werfen solle. 
Der junge Mensch übernachtet unterwegs und die Tochter seiner 
Wirthsleute zerstört den Brief, den sie aus Neugier geöffnet 
hat, und schreibt einen andern, über dessen Inhalt leider nichts 
angegeben wird’). Wenn nun auch aus der Dürftigkeit dieser 
Notiz nicht erhellt, ob die Änderung des Briefes etwa gar auch 
bereits in der Weise stattfindet, dafs der unschuldige Träger 
seiner eignen Todesbotschaft statt des Todes ein Mädchen zur 
Frau gewinnt, wenn ferner auch die Verhältnisse im Übrigen 
erheblich differiren, so ist es doch wenigstens theils auch 


‘ 2) in Fausböll’s Auszügen daraus in seiner Ausgabe des Dhamma- 
padam findet sich nichts Entsprechendes vor. 


2) Die Stelle lautet in wörtlicher Übersetzung bei d’ Alwis, wie folgt: 
„Such: being the case, the Setthi could not see him full (in the face). 
Pondering how he might cause his death and divising a means, viz. „that 
he would kill him by sending him to the superintendent of his Hundred 
estates“, he wrote to him a leaf as follows: „Ihis is my unfortunate son. 
Kill him and put him into the cess-pool. When that shall have been af- 
fected, I shall know how to recompense my Unele“ [a term of respect 
even to an underling], and said „Son @hosika, there is a Superintendant 
in our Hundred estates; take this letter and give it to him.“ So saying 
he tied_the letter to the end of his (son’s) garments. He was illiterate..... 
[The story then proceeds to narrate, that Ghosika, on his way to the 
Estates, took lodgings at the house of another Setthi; and that his 
daughter, who heard that the stranger had something tied to his garments], 
thinking what it could be, came down whilst Ghosika was asleep, and 
unperceived by her parents, who were elsewhere engaged. Having un- 
tied (the knot) and secured the leaf, she entered her own room; where, 
after closing the door, and opening the window, she, who was clever in 
letters, read the epistle. [That done]she exclaimed „Alas! this blind 
idiot goes about with his own death warrant tied to his garments. If 
it had not been seen by me, he would (surely) forfeit his life.“ So 
saying, she destroyed that letter, and substituted (wrote) another, as if 
it had come from the Setthi [lit. in the language of the Setthi].* 


44 Gesammtsitzung 


hier wie im Jaimini-Bhärata eben ein Mädchen, die den Brief 
ändert, theils ist die Form, welche die alte Urias-, resp. Belle- 
rophon-Sage hier bereits gewonnen hat, sich so entschieden 
als eine Mittelstufe zu der in Rede stehenden indischen wie 
occidentalischen Form der Erzählung dokumentirend, dafs eine 
Verkennung dieser Stellung in der That nicht gut als möglich 
erscheint. u. 

Was nun ferner die zweite unsrer beiden obigen Erzäh- 
lungen anbelangt, so steht in Bezug auf sie die Frage nach dem 
orientalischen oder occidentalischen Ursprung ihrer vorliegenden 
Form schon von vorn herein in so fern entschieden zu Gunsten 
des ersteren, als ja doch das Jaimini-Bhärata in der That wohl 
ziemlich sichere Ansprüche darauf hat in eine ältere Zeit 
hinaufzureichen, als die ältesten occidentalischen Quellen, die 
wir für dieselbe kennen, die altfranzösischen Fabliaux nämlich 
und die Gesta Romanorum. Wenn dies nicht der Fall wäre, 
so würde allerdings die im Jaimini- Bhärata hierbei (s. oben 
p- 24) sich direkt findende Verwerthung des alten biblischen 
Sprüchworts!) „wer Andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“, 
welche unmittelbar auf occidentalische Beziehungen, nach Art 
der früher besprochenen, hinweist, auch für die Erzählung 
selbst eine dgl. Herkunft in der That zunächst als wahrschein- 
lich erscheinen lassen. Ferner ist allerdings zu bemerken, dafs 
bei fast allen occidentalischen Formen der Erzählung denn doch 
einige sehr erhebliche Differenzen von der Darstellung des 
Jaimini-Bhärata vorliegen. Zunächst nämlich darin, dafs sie 
durchweg auf Verläumdung eines Unschuldigen, meist wegen 
sträflicher Absichten auf die Gattinn des Auftraggebers, basiren; 


1) s. Psalm 7, 16. 9, 16. 35, 8. Sprüche Sal. 26, 27. Pred. Sal. 
10, 8. Sir. 27, 28. Auch die Araber kennen dies Sprüchwort und ha- 
ben dafür eine Legende, wonach Mohammed’s Onkel Abu.Leheb in einer 
demselben direkt entsprechenden Weise anstatt Mohammeds, dem er nach- 
stellt, sein Leben verlor, s. Kaufmann am a. OÖ. p. 153. — Curios ist 
übrigens, dafs noch ein anderes biblisches Sprüchwort: „was der Mensch 
säet, das wird er erndten“ (Gal. 6, 7. Hiob 4, 8. Sprüche 22, 8) sich 
im Jaim.-Bhär. verwendet findet; s. 89, 25 yena yad vapitam vijam tat 
phalam tena bhujyate. Ein „Gemeinplatz“ freilich! 


vom 14. Januar 1869. 45 


— sodann darinn, dals sie den Verläumder selbst, nicht 
eine dritte, dem Auftraggeber nahe stehende Person um’s Leben 
kommen lassen; — endlich darin, dafs der Schuldige fast stets 
durch Feuer, sei es das Waldfeuer eines Försters (Fabliau 
bei Viehoff p. 122. 123), oder das eines Kalkofens, einer Ziegel- 
brennerei, einer Schmiede resp. eines Eisenhammers sein Leben 
verliert). In diesen drei Punkten würde somit wohl eine 
selbständige Wendung der Erzählung auf oceidentalischem Boden 
anzunehmen sein, selbst wenn man dieselbe im Übrigen als 
auf der Darstellung des Jaimini-Bharata als ihrer Grundform 
beruhend ansetzt. Man hüte sich indefs auch in dieser Beziehung 
zu rasch vorzugehen. Es frägt sich ja nämlich zunächst doch 
erst noch, ob nicht etwa auch hier, ebenso wie wir dies so- 
eben für die erste unsrer beiden Erzählungen gefunden haben, 
noch eine andre orientalische: Quelle nachweisbar ist, die resp. 
dann ja auch eben an jenen Differenzen ihren direkten Antheil 
haben könnte. Und in der That eine solche andere Quelle 
liegt 'für.'sie wirklich auch bereits vor. Schon Val. Schmidt 
(am a. O. p. 197) nämlich hat mit dem Gange nach dem Eisen- 
hammer die Geschichte von Ahmed dem Waisenknaben ver- 
glichen?),; die sich im Eingang des arabischen Romans „von 
den sieben Vezieren“ findet, welchen F. Scott aus einem ben- 


1) s..noch Gödeke in Benfey’s Orient & Occident III, 190. Nur 
in dem dyalogus creaturarum Cap. 120 (Ausgabe von 1480), wo die Er- 
zählung- übrigens etwas anders gewendet ist (s. Val. Schmidt am a. O. 
p- 195), geschieht dies durch Ertränken im Meere, und in den Hecatom- 
ınithi des Cinthio (VIII, 6) durch Hineinwerfen in einen Löwenzwinger. 


2) Es hatte resp. schon Douce am a. O. vermuthet, „that this story 
(die entsprechende Relation nämlich in den Gesta Romanorum) may have 
come‘ from the East.“ — Ahmed, ein vom Sultan aufgenommener Waisen- 
knabe, wird von dessen Favoritinn, die er mit einem. Sklaven. buhlend 
überrascht hat, aus Furcht er werde dies anzeigen, angeklagt, er habe 
ihr Gewalt anthun wollen. Der Sultan befiehlt einem Diener, an einem. 
bestimmten Orte zu warten, bis Jemand mit den Worten komme: „erfülle 
die. Befehle des Sultans“: dem solle er das Haupt abschlagen: und dieses 
in einem Korbe dem zweiten Boten übergeben, der ihn nach der Erfül- 
lung dieser Befehle fragen werde. Ahmed, vom Sultan mit der ersten 
Botschaft abgesandt, trifft unterwegs den Liebhaber der Favoritinn, der 


46 Gesammtsitzung 


galischen Bruchstück der 1001 Nacht in seinen „Tales, anec- 
dotes and letters translated from the Arabic and Persian“ 
(Shrewsbury 1800 p. 53ff.) übersetzt hat'); s. hierüber noch 
Loiseleur Deslongehamps essai sur les fables indiennes (Paris 
1838) p. 132ff., Keller li Romans des sept sages (Tübingen 
1838) Einl. p. v1. cxxxıff. und seine Einl. zu Hans von 
Bühel’s Kaiser Dyocletian (Quedl. 1841) p. 9. 10. 44. 45., Gö- 
deke in Benfey’s Orient u. Occ. IH, 191. Dieser arabische 
Roman nun, der sich als „une imitation ou comme une redaction 
du Livre de Sendabad“*, unsrer „sieben weisen Meister“ resp., 
ergiebt, somit direkt auf Indien als seine Quelle?) zurück weist, 
kennt denn zum Wenigsten auch bereits jenes in den occiden- 
talischen Formen der Erzählung durchweg wiederkehrende Motiv 
der Verläumdung; und wenn ferner auch darin zunächst nicht 
der Verläumder selbst an Stelle des zum Tode Gesandten um’s 
Leben kommt, sondern eine dem Verläumder nahestehende Per- 
son, so ist doch theils auch dies bereits eine Annäherung an 
die oceidentalische Form der Geschichte, theils erhält ja faktisch 
schliefslich doch auch Jener (dieFavoritinn resp.) seinen Lohn. 

Es liegt aber endlich auch noch eine dritte orientalische, 
resp. indische Recension vor, in der denn auch der Tod durch 
Feuer, der dritte Differenzpunkt also der occidentalischen 
Darstellungen von der des Jaimini-Bhärata, bereits mit der Er- 
zählung verflochten ist. Auch auf sie ist schon mehrfach hin- 
gewiesen worden, so von Fel. Liebrecht in seiner Über- 
setzung (Berlin 1851) von Dunlop’s history of fietion p. 486-7 (213), 
v. d. Hagen in der Germania 9, 206 (1850), und von Benfey 
Pancatantra I, 321. Es ist dies nämlich jene in Somadeva’s Ka- 


ihn aufhält, um ihn bei dem Sultan wegen Saumseligkeit in Ungnade zu 
bringen, und ihn auffordert, mit ihm und seinen Kameraden zu trinken. 
Ahmed lehnt ab, weil er erst einen Auftrag des Sultans zu erfüllen habe. 
"Da erbietet sich Jener, denselben auszuführen und findet se seinen Tod 
dnrch’s Schwert. (So nach Loiseleur Deslongehamps.) 


!) ich habe dies Werk, ebenso wie das von Douce, leider nicht einsehen 
können, da sie sich auf der hies. Kön. Bibl. nicht zu befinden scheinen. 

2) durch das Medium des Pehlevi, Deri, Neupersischen, s. Morley 
bei Lane 1001 nights III, 741, und Gödeke 1. c. III, 385 ft. 


vom 14. Januar 1869. 47 


thäsaritsägara 20, 194 ff. (auf p. 107 der dem Texte beigefügten 
Brockhausschen Übersetzung, Leipzig 1839) sich findende Er- 
zählung von der Königinn Kuvalaydvali, welche, wenn auch etwas 
anders gewendet‘), doch im Verein mit dem unmittelbar vor- 
hergehenden Abschnitt 20, 118ff. (p. 104 der Übersetzung), der 
das hier sonst fehlende Motiv der Verläumdung hinzufügt?), 
als die Grundlage der von Scott übersetzten Form der Erzählung 
erscheint und zwar eben so, dafs hiebei der an die Stelle des 
zum Tode Ersehenen Tretende durch Feuer sein Ende findet. 

Die wesentlichen Differenzen, die sich nun hierbei zu der 
obigen Darstellung des Jaimini-Bhärata ergeben, weisen darauf 
hin, dafs der Gegenstand der Erzählung, als deren Kernpunkt 
unstreitig die Rettung eines Unschuldigen, unbewufst seine eigne 
Todesbotschaft Tragenden ?®), resp. seine Stellvertretung 
entweder durch eine dem Absender nahe stehende Person oder 
durch den verläumderischen Ankläger selbst sich ergiebt, auch 
in Indien ein sehr populärer war, der mannichfache Dar- 


1) Die Königinn Kuvalaydvali überredet ihren Gemahl Adityaprabha 
behufs eines zur Erlangung hoher Macht erforderlichen Menschenopfers 
den an seinem Hofe weilenden Brähmanen Phalabhüti preiszugeben. Er 
sendet ihn daher dem vorher darüber instruirten Koch zu, damit der- 
selbe ihn tödte und aus seinem Fleisch ein süfses Gericht bereite. Statt 
des Phalabhüti fällt aber des königlichen Paares eigner Sohn dem Mes- 
ser des Koches zum Opfer, da er den dem Phalabhüti gewordenen Auf- 
trag ausrichtet, während dieser auf seine Bitte für ihn eine anderweitige 
Besorgung absolvirt. — In der Zusendung an den Koch liegt implicite 
der Hinweis darauf, dafs der Knabe im Feuer des Ofens umkommt, 


2) Die Königinn Äuvalayavali ist hier nicht selbst handelnd; sie 
erzählt nur die betreffende Geschichte, wie nämlich ihre eigne Lehrerin 
in der Zauberkunst, die Brähmaninn Äälarätri, dereinst fälschlich einen 
Schüler ihres Gemahls, den schönen Sundaraka, der ihre Anträge abge- 
wiesen, angeklagt habe, dafs er sie habe entehren wollen. Der Verlauf 
dieser Erzählung gehört nicht weiter her. — Nach Benfey Orient & Oe- 
eident III, 177 und Goedeke ibid. 390 — 2 wäre für alle die Erzählun- 
gen, wo eine buhlerische Stiefmutter ihrem keuschen Stiefsohn nachstellt, 
das Vorbild in der buddhistischen Legende von der Tishyarakshitä, der 
Gemahlin König Agoka's, und ihrem Stiefsohn Kundla zu suchen. 


?) soweit stimmt sie zur ersten unsrer beiden hiesigen Erzählungen, 


48 Gesammtsitzung 


stellungen gefunden hat. Und zwar aller Vermuthung nach auch 
noch andere und ältere, als diejenigen, welche wir nunmehr 
bereits nachzuweisen im Stande sind!). Der Kathäsarit- 
sägara beruht ja nämlich seinem wesentlichen Inhalte nach auf 
der in einem Volksdialekt abgefalsten Vrihatkathä des Gunddhya, 
der seinerseits bereits von Dandin, Subandhu und Bäna im 
Gten, Tten Jahrhundert erwähnt, resp. verherrlicht wird ?). Zwar 
läfst sich nun leider nicht nachweisen, ob ein von Somadeva 
behandelter Gegenstand bereits auch von Gunädhya behandelt 
war. Indessen im Allgemeinen besteht hierfür denn doch eine 
gewisse Praesumtion, und haben wir somit jedenfalls wenig- 
stens einigen Grund zu der Vermuthung, dafs irgend welche 
Form unsrer Erzählung bereits im '6ten, 7ten Jahrh. in Indien 
gäng und gäbe war. Leicht möglich, dafs auch hier ein bud- 
dhistischer Stoff vorliegt, und dafs in Kurzem mal aus den 
reichen, unerforschten Schätzen legendarischer Art, welche die 
buddhistische Literatur bietet, ähnlich wie oben für die Ände- 
rung des Urias-Briefes, so auch für „den Gang nach dem Eisen- 
hammer“ ein von dem milden Glanze buddhistischer Ethik und 
Humanität bestrahltes Original uns kund wird ?). 


Um Mifsverständnissen zuvorzukommen, bemerke ich hier noch, dafs 
sich meine Bem, oben p. 16 n. nicht etwa gegen die Zusammengehörig- 
keit des arab. jullanär flos mali punicae mit dem pers. gulnar richtet, - 
sondern sich nur auf das an der betreffenden Stelle vorliegende n. propr. 
der „Jullanar of the sea“ bezieht, das ich aus einem nach Hemac. 1355 
vorauszusetzenden skr. jalanarı, mermaid, (vgl. jalanara, jalamänusha, 
jalapürusha, jalaräkshasi) herleite, und das seine Gleichlautigkeit mit je- 
nem Worte wohl eben einfach nur dem Streben der „Volksetymolögie“ 
nach : Anlehnung an bekannte Wörter verdankt. 


1) Hierfür spricht auch wohl, dafs die occidentalischen Formen der 
Erzählung zu keiner der drei indischen Formen genau stimmen, dagegen zu 
jeder einen besonderen Bezug zeigen. So findet sich die Frömmig- 

keit des zum Tode Bestimmten speciell nur im Jaimini-Bhär., seine Ver- 
läumdung wegen Buhlschaft nur in den sieben Vezieren, der Tod des 
an seine Stelle Tretenden durch Feuer endlich nur im Äathäsaritsägara vor. 

2) s. meine Indischen Streifen p. 314. 357. 381. 

®) vgl. Benfey’s Vermuthung oben p. 47 n.3. 


vom 14. Januar 1869. 49 


Hr. Borchardt legte aus einer vom 4ten Januar datirten 
und ihm zur Veröffentlichung im Journal für die reine und an- 
gewandte Mathematik von Hrn. Lipschitz in Bonn zugesand- 
ten Abhandlung Untersuchungen in Betreff der ganzen 
homogenen Functionen von r Differentialen folgenden 
Auszug vor'): 

Eine Function von den n independenten Variabeln x,, &2,_ 
...%, und deren ersten Differentialen da, , daz,,... da, 
welche die independenten Variabeln in beliebiger Weise enthält, 
in Bezug auf die Differentiale aber rational, ganz, homogen 
und vom pten Grade ist, kann aufgefalst werden als eine al- 
gebraische Form des pten Grades von den n Differentialen 
dtı, dtz,... dx,, deren Üoefficienten von den Variabeln x,, 
%g,...%, abhängen. Eine solche Form /(dx) geht durch die 
Einführung eines beliebigen Systems von independenten neuen 
Variabeln y,,%Y3, ...Y, in eine Form g(dy) von entsprechen- 
den Eigenschaften über. Demgemäfs darf man zwei gegebene 
Formen f(dx) und g(dy) als zu derselben Classe oder zu ver- 
schiedenen Classen gehörig betrachten, je nachdem die eine in 
die andere in der angegebenen Weise transformirt werden kann 
oder nicht, und in dem entsprechenden Sinne auch die übrigen 
Grundbegriffe ausdehnen, die in der Theorie der Transforma- 
tion der homogenen ganzen Functionen ausgebildet sind. Un- 
ter den Formen /(dx) nehmen diejenigen Formen eine ausge- 
zeichnete Stellung ein, deren Coefficienten von den Variabeln 
%4, wo der Zeiger a von 1 bis n läuft, unabhängig oder, kür- 
zer, constant sind. Jede Form von dieser besonderen Beschaf- 
fenheit hat nämlich die Eigenschaft, durch eine Substitution, 
bei welcher die neuen Variabeln lineare Functionen der ur- 
sprünglichen Variabeln sind, in eine Form von derselben Be- 
schaffenheit verwandelt zu werden, und dadurch kommt die bis- 
her entwickelte Theorie der Transformation der homogenen 


!) Die von mir in der vorigen Sitzung vorgelegten Untersuchungen 
des Hrn. Christoffel und die hier folgenden des Hrn. Lipschitz, 
welche sich beide mit derselben Gattung von Problemen, wenn auch in 


 verschiedenem Grade der Allgemeinheit, beschäftigen, sind gleichzeitig 


und unabhängig von einander angestellt worden. 


[1869.] 4 


se Gesammtsitzung 


ganzen Functionen durch lineare Substitutionen unmittelbar zur 
Anwendung. Ich habe nun gesucht, die Bedingungen zu er- 
mitteln, welche darüber entscheiden, ob eine gegebene Form 
von n Differentialen, deren Coefficienten von den Variabeln ab- 
hängen, in eine Form mit constanten Coefficienten transformirt 
werden könne, oder nicht, und theile die hauptsächlichsten Re- 
sultate dieser Arbeit gegenwärtig mit. 

Wenn der Grad der gegebenen Form ‚f(dx) der erste ist, 
so bemerkt man, dafs eine Form mit constanten Coefficienten 
gleich dem Differential einer linearen Function der Variabeln 
ist. Die aufgestellte Frage wird daher durch die Bedingungen 
der Integrabilität beantwortet, welche man wie folgt zusammen- 
fassen kann. Es sei die Form des ersten Grades 


(da) =a,de, +a,da, +... + 0a,de, 


und durch Verwandlung des Zeichens d in ö bei den Differen- 
tialen gehe /(dx) in f(x) über. Dann hat die in Bezug auf 
die Grössensysteme dx, und ö«x, bilineare Form 


f) Ag 0a 
In dm 


wo die Zeiger a und b beide von 1 bis n gehen, die Eigen- 
schaft, bei einer Substitution neuer Variabeln sich mit f(d.) 
so zu ändern, dafs die Beziehung zu dieser Form ungeändert 
bleibt, und wird dadurch das Analogon einer Covariante. Diese 
bilineare Form verschwindet ferner dann und nur dann, wenn 
die Form (ds) in eine Form mit constanten :. CnalBeiepupn 


Sfldx) — df(öx) = ) dzuöar ; 


transformirt werden kann. 

Wenn der Grad p der gegebenen Form /(dx) die Einheit 
übertrifft, so mache ich die Einschränkung, dafs die Determi- 
nante A, deren Elemente die zweiten partiellen Differentialquo- 


Ay 
tienten Ar m n sind, nicht identisch verschwinde, und lafse 


die Voraussetzung, dafs die Coefficienten der Form f(dx) nach 
den Variabeln x, partiell differentiirt werden können, die auch 
in dem Falle p=1 stillschweigend galt, bestehn. In dem Falle 
»Z2 hängt das Wesen der Form f(dx) sehr genau mit einem 
Problem der Variationsrechnung zusammen. Dieses Problem 


vom 14. Januar 1869. 51 


verlangt, diejenige Abhängigkeit der n Variabeln x, von einer 
independenten Variable t anzugeben, bei welcher die erste Varia- 
tion des zwischen festen Grenzen genommenen Integrals 


Ire)dt | 
verschwindet. Hier ist die Differentiation nach der Variable 
t in der Weise von Lagrange notirt, und die Substitution der 
Grössen x, statt der Grössen dx, in die Form f(dx) mit dem 
Zeichen f(x’) angedeutet, wie es auch später in ähnlichen Fäl- 
len geschehen soll. Es ist bekannt, dafs das in Rede stehende 
Problem der Variationsrechnung, wenn man die Bezeichnung 


‘ 


2 
er 9x fa) 
aa. Od 


anwendet, auf die Integration des Systems von Differential- 
gleichungen 


Fa ==. 0 
führt, und man kann sich dasselbe in der Weise vollständig 
integrirt denken, dafs für einen bestimmten Werth ? = t, die 


Grössen x, und x, beziehungsweise den Integrationsconstanten 
x,(0) und x,(0) gleich werden. Wofern nun eine solche Inte 

gration dieses Systems von isoperimetrischen Gleichungen vor- 
liegt, so kann die in Bezug auf die Form (dx) aufgeworfene 
Frage durch die That entschieden werden. Es haben nämlich 
die durch die bezeichnete Integration erhaltenen Ausdrücke x, 
die Eigenschaft, reine Functionen der » Grössen &,(0) und der 
n Grössen (t — t,)x,(0) zu werden. Wenn man jetzt die Grös- 
sen 2,(0) als constant, die Grössen (t—t,)x,(0) aber als va- 
riabel betrachtet, und dieselben als neue Variabele in die Func- 
tion f(dx) einführt, so dafs die Gleichung 


/6s) = 9($(t—1,)e’(0)) 


entsteht, dann wird die rechte Seite derselben immer eine Form 
mit constanten Coefficienten, wofern f($x) in eine Form mit 
constanten Coefficienten transformirt werden kann. Die Form 


984 — t0) %(0)) geht aber aus der Form f(öx) dadurch her- 
4* 


52 Gesammtsitzung 


vor, dafs man die Differentiale dx, = d(t—t,)x;(0), und in 
den Coefficienten der Form f(82) 2. = 2, (0) setzt. 

Sobald der Grad p der gegebenen Form f(dx) gleich zwei 
ist, habe ich aufser dem so eben entwickelten indirecten Cri- 
terium ein directes Criterium gefunden, welches sich in seiner 
Gestalt an das für p==1 aufgestellte Criterium genau an- 
schlielst. Es sei die quadratische Form 


Slda)a Iagdr die 
a,b 


und es werde die mit 7, bezeichnete Function, welche zu die- 
ser Form /(d.x) gehört, wie folgt dargestellt 


Hi = Anna + /.(«) 9 


dann ist das entsprechende /, (dx) eine quadratische Form der 
n Differentiale dx, , dz,,... da,. Man bezeichne ferner die 
zu den a,, adjungirten Elemente so: 


oA 


6b — da ’ 


ferner mit du, und öu, zwei independente Systeme von Diffe- 
rentialen der Variabeln x, und «5. Alsdann hat die nach den 
vier Gröfsensystemen dü,, Sug, da,, dx, quadrilineare Form 


eg a RETACHTEBBEIC.) 


A 


n.\ 
aA—= 20,109... An» 


oda an 
+32 A oa or oda Hau 


wo die Zeiger a, b, c, d, g, b sämmtlich sich von 1 bis n er- 
strecken, die Eigenschaft, sich bei einer Substitution neuer 
Variabeln mit der quadratischen Form /(dx) so mitzuändern, 
- dals die Beziehung zu dieser Form ungeändert bleibt, ferner 
dann und nur dann identisch zu verschwinden, wenn die Form 
/(d&) in eine Form mit constanten Coefficienten transformirt 
werden kann. Dafs die quadrilineare Form Y unter der in 
Rede stehenden Voraussetzung identisch verschwinden muls, 
geht unmittelbar aus ihrer Darstellung hervor. Dafs auch das 


vom 14. Januar 1869. 53 


Umgekehrte gilt, habe ich durch eine Zurückführung auf das 
angegebene indirecte Criterium bewiesen. 

} Für eine quadratische Form von n Differentialen stimmt 
die beantwortete Frage in ihrem Wesen mit einer Frage über- 
ein, die in der aus Riemann’s Nachlasse publicirten Abhand- 
lung über die Hypothesen, welche der Geometrie zu 
Grunde liegen, erörtert ist. Daselbst wird untersucht, wann 
eine wesentlich positive Form von n Differentialen in das Ag- 
gregat der Quadrate von den Differentialen der neuen Variabeln 
transformirt werden könne. Es ist aber klar, dafs, sobald eine 
gegebene Form f(dx) in eine Form mit constanten Coefficien- 
ten transformirt ist, die fernere Transformation in ein. Aggre- 
gat von den Quadraten der Differentiale neuer Variabeln im- 
mer durch eine lineare Substitution bewirkt werden kann, und 
zwar bei wesentlich positiven Formen auf reelle Weise. Die 
Riemann’schen Criterien, wenn ich dieselben richtig aufgefalst 
habe, setzen die Integration des oben bezeichneten Systems von 
isoperimetrischen Differentialgleichungen voraus, sobald die Zahl 
n die zwei übertrifft, sind aber auch von dem angeführten in- 
directen Criterium wesentlich verschieden. 

Redueirt sich die Zahl der Variabeln x, auf zwei, so ist 
die betreffende ‚Frage in den disquisitiones generales 
circa superficies curvas durch Gauss beantwortet. Das 
Quadrat des Linearelements einer beliebigen Fläche, in den in- 
dependenten Variabeln x, und x, ausgedrückt, ist eine wesent 
lich positive Form von den Differentialen dx, und dr, 


(de) = a,,daı? + 2a,95da, dag + 0,9422. 


Die Bedingung dafür, dafs dieselbe in die Form dyi + dy} 
transformirt werden könne, ist das Verschwinden des Gaussi- 
schen Krümmungsmafses k. Nun besteht aber zwischen dem 
der Form f(dx) zugehörigen Ausdrucke von %k und der qua- 
drilinearen Form Y für n = 2 die einfache Beziehung 


Y== —2kA(du, du — du,du;) (de, 923 — dx, da;). 


Also geht das Criterium der quadrilinearen Form in diesem 
Falle in das Criterium des Krümmungsmalses über. 


54 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 
vorgelegt: 
Denkschriften der Kais. Akademie d. Wissenschaften in Wien. Mathem.- 
naturw. Klasse. 28. Band. Wien 1868. 4. 
Denkschriften der Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien. Philos.- 
historische Klasse. 17. Band. Wien 1868. 4. | 
Almanach der Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien. 18. Jahrg. 
Wien 1868. 8. | 
Archiv für österreichische Geschichte. 39. Band 2. Hälfte. Wien 1868. 8. 
Sützungsberichte der Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien. Philos.- 
historische Klasse. 57. Band. Heft II. III. 58. Band. Heft I. II. 
III. Wien 1868. 8. 
Sitzungsberichte der Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien. Mathe- 
matisch-naturw. Klasse. Jahrg. 1868. LXII. Band. Wien 1868. 8. 
Tabulae codieum in Bibliotheca palatina asservatorum. WVol.II. Vindob. 
1868. 8. 
Verhandlungen und Mittheilungen des siebenbürgischen Vereins der Natur- 
wissenschaften zu Hermannstad. XVIII. Jahrgang. Hermannstadt 


1867. 8. | 
Journal für die reine und angewandte Mathematik. 69. Band. Berlin 
1868. 4. 


v. Salviati, Berichte über den landwirthschaftlichen Theil der Pariser 
Welt- Ausstellung von 1867. Theil I. Berlin 1868. 4. 

Nouvelles Archives du Museum d’kistoire naturelle. Tome HI, 3. 4. IV, 
1.2. Paris 1867—1868. 8. 

Memoires de la societe archeologique de Moscou. Tome I, 2. Moscou 
1867. 4. 

Oppert, La chronologie biblique. Extrait. Paris 1868. 8. 

Anales de la universidad de Chile. Santiago de Chile 1857 — 1866. 
20 voll. 8. 

Eine Sammlung von 94 Druckschriften und Broschüren, die Geschichte, 
Statistik und Verwaltung von Chile betreffend. Mit Rescript vom 
2. Januar 1869. 


18. Januar. Sitzung der physikalisch-mathe- 
matischen Klasse. 


Hr. Roth las: Beiträge zur Kenntnis der tertiä- 
ren und posttertiären Eruptivgesteine. 


vom 18. Januar 1869. 55 


Hr. Auwers zeigte einige von der norddeutschen Expedi- 
tion aufgenommene Photographien der Sonnenfinsternifs vom 
18. August 1368 vor. 


Hr. Poggendorff las: Vorläufige Notiz über ein 
Paar anomale elektrische Erscheinungen. 


Wenn man den Strom einer Influenzmaschine auf eine 
zweite, noch unerregte Maschine derselben Art leitet, und nun 
die letztere auf gehörige Weise in Rotation versetzt, so kommt 
auch sie zur Thätigkeit, und zwar unter Umständen, die man 
ganz in seiner Gewalt hat, entweder in gleichem, oder in ent- 
gegensetztem Sinn wie die erste Maschine. 

Wirkt sie in gleichem Sinn, so zeigen die Verbindungs- 
drähte beider Maschinen nichts Ungewöhnliches. Sie strahlen 
an ihren Enden oder den mit ihnen verbundenen Kämmen ent- 
gegengesetzte Elektricitäten aus. Der Strom geht gleichsam 
zwischen beiden Maschinen im Kreise herum. 

Anders ist es, wenn die Maschinen im entgegengesetzten 
Sinne wirken. Dann hat man die seltsame, im Dunklen schon 
durch den blofsen Anblick erkennbare Erscheinung, dafs die 
Verbindungsdrähte an ihren Enden einerlei Electricität aus- 
senden und in ihrer Mitte die entgegengesetzte. Der eine 
Draht strahlt an beiden Enden positive und in der Mitte ne- 
gative Elektricität aus; der andere an den Enden negative und 
in der Mitte positive. 

Dabei ist kein Strom in den Drähten vorhanden. Denn 
wenn man sie an einer Stelle unterbricht und daselbst eine 
Geifsler’sche Röhre einschaltet, bleibt dieselbe dunkel, sobald 
nur beide Maschinen gleich stark wirken. 

Von dieser, meines Wissens noch nie beobachteten, ano- 
malen Anordnung der Electrieität auf einem Leiter kann man 
eine Nutzanwendung machen, darin bestehend, dafs man zwi- 
schen den beiden Verbindungsdrähten eine Brücke schlägt, 
wozu die verschiebbaren Elektroden der einen oder anderen 
Maschine die Hand bieten. Man erhält dann in dieser Brücke 
einen Strom, welcher gleich ist der Summe der Ströme beider 


56 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Maschinen. Es wäre leicht, eine Maschine von vornherein so 
zu bauen, dafs sie unmittelbar diesen Doppelstrom lieferte. 

Eine ähnliche anomale Erscheinung läfst sich mittelst der 
Leydener Flasche hervorrufen. 

In der Klassensitzung vom 18. Februar 1867 habe ich ge- 
zeigt, dals die Influenzmaschine durch eine geladene Leydener 
Flasche auf mehr als eine Weise in Thätigkeit gesetzt werden 
kann. Die eben genannten Beobachtungen haben diese Erfah- 
rung nun dahin erweitert, dafs sich bei einer und derselben 
Anwendungsweise der Flasche die Maschine ganz nach Belie- 
ben entweder in dem einen oder in dem entgegengesetzten Sinne 
erregen lälst. Und damit verknüpft ist dann die sonderbare 
Erscheinung, dafs z. B. der positive Knopf der geladenen 
Flasche in dem einen Fall positive, und in dem anderen ne- 
gative Elektricität auf die Scheibe der Maschine ausströmt, 
oder, wenn man will, in dem einen Fall positive Elektricität 
ausströmt und in dem anderen einsaugt, was denn zur 
Folge hat, dafs die Flasche in dem einen Fall erst ruhig ent- 
laden uud darauf umgekehrt geladen wird, während in dem 
zweiten Fall ihre ursprüngliche Ladung nur eine Verstärkung 
erleidet. 

Auf eine Erklärung dieser Anomalien will ich für jetzt 
nicht eingehen, sondern nur bemerken, dafs sie wesentlich Wir- 
kungen des schrägen Hülfsconductors sind, welcher in der ge- 
nannten Klassensitzung ebenfalls von mir beschrieben, später 
von Hrn. Holtz adoptirt und in gewisser Beziehung verbes- 
sert, schon mehrfach bei neuerdings in das Publikum überge- 
gangenen Maschinen angebracht worden ist. 

Mit den erwähnten Erscheinungen sind übrigens noch an- 
dere, nicht minder interessante und zum Theil sehr räthselhafte 
Vorgänge verknüpft, deren Beschreibung ich aber einer künfti- 
gen ausführlicheren Mittheilung vorbehalte. 


vom 18. Januar 1869. 57 


Hr. W. Peters machte eine Mittheilung über neue Gat- 
tungen und Arten von Eidechsen. 
1. CoLopus noy. gen. 
Palmae plantaeque pentadactylae; digiti breviores inungues, an- 
tici apice vix dilatati, subtus granulati, apice subtus squamis 
transversis, supra squama lamnaeformi munito. Beliqua ut in 
Pachydactylo. 

In allen übrigen Merkmalen mit Pachydactylus übereinstim- 
mend weicht diese Gattung von demselben ab durch die Be- 
kleidung der Finger und Zehen und bildet, da die Hinterzehen 
gar nicht verbreitert, sondern an der Spitze verschmälert sind, 
einen Übergang zu den Stenodactylus. 

Colopus Wahlbergii n.sp. (Fig.1.) 
Pachydactylo ocellato similis; supra olivaceoviridis, flavi- 
. domaculosus, subtus flavidus. 
Habitatio: Africa australis. 

Rostrale um die Hälfte breiter als das Mentale; Suprala- 
bialia 8 bis 9, das letzte unter der Mitte des Auges liegend, 
indem von da an der Lippenrand nur von kleinen den übrigen 
gleichen Schüppchen bedeckt ist; Infralabialia 7, von denen das 
erste bei weitem das gröfste ist; Submentalgegend fein be- 
schuppt. Die Nasenöffnung liegt zwischen drei Schildchen, 
von denen das gröfste dieselbe vorn und oben umgibt, das 
kleinste hinten und oben liegt. Pupille senkrecht; Ohröffnung 
klein und quer. Convexe Schüppchen der Schnauze kaum grös- 
ser als die des Rückens, welche letztere denen der Submental- 
gegend gleich kommen, während die der Kehlgegend die klein- 
- sten sind und die gröfseren glatten Schuppen der Brust und 
des Bauchs ziemlich gleich grofs sind; die Schuppen der Vor- 
derseite der Schenkel sind merklich gröfser, während die der 
Präanalgegend kaum gröfser sind. Femoralporen sind an dem 
einzigen Exemplar nicht bemerkbar. Schwanz drehrund, zuge- 
spitzt, an der Basis kaum abgeplattet, an jeder Seite der letz- 
teren 4 bis 5 dornförmige Schuppen; er ist ringsum dachziegel- 
förmig mit glatten Schuppen bekleidet, welche ungefähr doppelt 
so grofs wie die des Bauches sind. Die Unterseite der Basis 
zeigt zwei flache Anschwellungen, welche von den Copulations- 
organen herrühren. 


98 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Die Vorderextremität reicht bis zur Mitte des Auges; die 
Finger sind kurz und sämmtlich von gleicher Gestalt, an der 
Spitze ein wenig breiter, unter derselben mit zwei flachen Quer- 
schuppen bekleidet, während ihre ganze übrige Unterseite meh- 
rere Längsreihen von Körnchen zeigt; der 1. und 5. sind die 
kürzesten und fast gleich lang, eben so haben der 2. und 4. 
Finger eine fast gleiche Länge, während der Mittelfinger der 
längste ist. Die Hinterextremität reicht kaum über das dritte 
Viertel ihrer Entfernung von der vorderen hinaus; die Spitzen 
der Zehen erscheinen verschmälert, während ihre Bekleidung 
mit der der Finger übereinstimmt; von der 1. bis 4. nehmen 
die Zehen an Länge zu, und die 5. ist der 3. ziemlich gleich. 

Die Oberseite ist olivengrün, mit grofsen gelben, dunkler 
geränderten Flecken, welche auf dem Rücken zum Theil zu 
unregelmälsigen Querbinden zusammenflielsen; eine gelbe unre- 
gelmäfsige Binde geht von dem Rostrale bis zur Scheitelgegend, 
während diese und die Hinterhauptsgegend drei Längsreihen 
unregelmälsiger gelber Flecken zeigt. Die Extremitäten, na- 
mentlich die hinteren zeigen aufsen ebenfalls gelbe Flecke auf 
dem dunkleren grünlichen, netzförmigen Grunde. Die ganze 
Unterseite ist hellgelb. 

Totallänge 090845; Kopf bis Ohröffnung 070095; Schnau- 
_ zenspitze bis Analöffnung 0%044; Vorderextr. 0%014; Mittel- 
finger 0%0025; hint. Extr. 09019; vierte Zehe 0'004. 

Ein einziges Exemplar dieser Art wurde von J. Wahl- 
berg im Damaralande gesammelt und gehört dem Museum zu 
Stockholm, von wo es mir durch unser correspondirendes Mit- 
glied, Hr. Sundevall, zur Untersuchung mitgetheilt ist. 


2. RHOPTROPUS noy. gen. 

Habitus Ptyodactyli; palmae plantaeque pentadactylae, digiti 
longiores unguiculati, apice dilatati depressi, subtus squamis 
transversis muniti; digitus posticus secundus tertio a basi ultra 
medium coadunatus; ungues minimi; nares lubuliformes, inter 
scutella 3 vel 4 erecta apertae; (notaeum granulatum). | 

Diese Gattung bildet ein merkwürdiges Bindeglied agb 

Gecko, Pachydactylus und Ptyodactylus. 


vom 18. Januar 1869. 59 


Rhoptropus afer n. sp. (Fig. 2.) 
Supra olivaceoflavidus vel olivaceoviridis fuscomaculatus, subtus 
viridialbus. | 

Habitatio: Africa australis. i | 

Schnauze abgeplattet breit und abgerundet. Die Nasen- 
löcher öffnen sich jederseits hinter einem Ausschnitte des brei- 
ten Rostrale und sind von drei oder vier Schüppchen umgeben, 
welche in ihrer Gestalt und Gröfse bei demselben Individuum 
variiren und nach aufsen an das 1. Supralabiale stofsen; 10bis 11 
Supralabialia. Das Mentale und das daranstofsende Infralabiale 
jeder Seite sehr lang, aber, wie bei Piyodactylus Hasselquistiüi 
bei verschiedenen Individuen von verschiedener Ausdehnung; 
8 bis 9 Infralabialia. Submentalgegend mit kleinen polygona- 
len Schüppchen bekleidet, welche allmählig nach der Kehle hin 
an Gröfse abnehmen und etwas grölser sind als die glatten 
Schüppchen der Brust, des Bauches und der untern Seite der 
Schenkel. Die convexen Schüppchen der Schnauze erscheinen 
ebenfalls gröfser als die gleichförmigen des Rückens, welche, 
obgleich sehr klein, diejenigen der Körperseiten noch an Gröfse 
übertreffen. Die Pupille ist senkrecht, das ringförmige rudi- 
mentäre Augenlid am oberen Rande breiter. Die ziemlich weite 
Ohröffnung ist länglich und wird oben durch eine schmale 
Hautfalte verdeckt. 

Der Schwanz ist etwas abgeplattet und an den Seiten ab- 
gerundet. Er ist glatt, mit gleichförmigen Schuppen bekleidet, 
welche kaum gröfser als die der Submentalgegend sind. Bei 
einem männlichen Exemplar sind die Schuppen der untern Seite 
zu unregelmäfsigen breiten Querschildern verschmolzen. 

Die vordere Extremität ragt fast mit der ganzen Hand über 
die Schnauze hinaus; alle fünf Finger sind von gleicher Form, 
an der Basis verschmälert, während ihre Endhälfte länglich oval 
verbreitert ist; die ganze Unterseite ist mit Querlamellen ver- 
sehen, während auch die Rückseite derselben eıne mittlere Reihe 
von Querschuppen zeigt, von denen die letzte grofse die Form 
eines Plattnagels hat; alle Finger haben eine äufserst kleine, 
nur durch eine starke Loupe sichtbare Kralle; der 1. und 5. 
Finger sind gleich lang, nur wenig kürzer als der zweite, 
welcher um eben so viel kürzer ist als der vierte, im Ver- 


60 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


gleich zu dem längsten Mittelfinger. Die hintere Extremität 
reicht bis an die Schulter. Die Zehen haben denselben Bau 
wie die Finger; sie nehmen von der ersten bis zur dritten, 
welche am weitesten vorspringt, an Länge zu, während die 
vierte Zehe kaum länger als die fünfte ist. Schenkel- und 
Analporen fehlen. 

Die Oberseite ist olivengelb oder olivengrün, einfarbig oder 
mit kleinen zerstreuten dunkeln Flecken, welche vom Nacken 
bis zur Schwanzbasis etwa 12 Querreihen bilden. Auf der Aus- 
senseite der Extremitäten finden sich ähnliche kleine Flecke, 
während die ganze Unterseite grünlichweils ist. 

Totallänge 0%135; Kopf bis Ohröffnung 0%014; Schnau- 
zenspitze bis Analöffnung 0%052; Vorderextr. 0%025; Mittelfin- 
ger 0%0055; Hinterextr. 07030; vierte Zehe 090065. 

Mehrere Exemplare dieser Art wurden von J. Wahlberg 
im Damaralande gesammelt und befinden sich im Museum zu 
Stockholm. 


3. SAURITES nov. subgen. 


Verschieden von Eremias durch die gekielten grofsen 
Schuppen der Extremitäten und der untern Schwanzseite, so 
wie durch die sehr viel kleinern Schuppen am hintern Theile 
der Brust und am Anfange der Ventralgegend. Sehr oft bildet 
die Kehlhaut vor dem Halsband eine zweite vordere Querfalte, 
die Körperhaut eine längsgehende Seitenfalte und die Schuppen 
am hintern Rande der Hinterzehen sind sägezahnförmig ver- 
längert. 


Saurites (Eremias) cuneirostris. 
Podarcis (Scapteira) cuneirostris Strauch, Melang. biolog. 
Bullet. Ac. St. Petersb. IV. p. 411. 

Exemplare aus der Wahlberg’schen Sammlung im Da- 
maralande stimmen, obgleich die Schuppen der unteren Seite 
der Finger und Zehen zusammengedrückt und daher schwach 
gekielt erscheinen, in jeder anderu Beziehung so genau mit der 
Beschreibung des Hrn. Strauch überein, dafs ich an deren 
Zusammengehörigkeit nicht zweifeln kann. Hr. Strauch hat 
Scapteira und Eremias als Untergattungen unter dem Wagler- 
schen Namen vereinigt und beruft sich darauf, dafs die Angabe 


vom 18. Januar 1869. 61 


von Wagler in seiner Characteristik der Gattung Podarcis 

von der Lage der Nasenlöcher am Ende des Canthus rostralis 
_ zwischen drei Schildchen sich nur auf Eremias und Scapteira 
beziehen könne. Dieses ist allerdings richtig; auf der andern 
Seite liegen aber nur bei Lacerta (muralis) unter den von ihm 
hervorgehobenen drei Arten die Nasenlöcher „supra primum 
scutum labiale“*, während sie bei Eremias velox und Scapteira 
grammica über den zwei oder drei ersten Supralabialschildern 
liegen. Auch liegen bei oberflächlicher Betrachtung bei Z. 
muralis die Nasenlöcher zwischen drei Schildchen und da ich 
aus andern Gründen glaube annehmen zu dürfen, dafs Wagler 
von allen von ihm zu Podarcis gezogenen Arten grade nur Lacerta 
muralis selbst untersucht hat, so dürfte die Beschränkung des 
Namens Podarcis auf die Lacerta muralis doch nicht ganz un- 
berechtigt sein, obgleich es nach meiner Ansicht besser sein 
dürfte, diesen Namen ganz fallen zu lassen. Es ist auch an- 
zunehmen, dafs Wiegmann, der mit Wagler in lebhaftem 
Verkehr stand, über diese Sache mit letzterem im Einverständ- 
nisse handelte und schliefslich ist zu bemerken, dafs es früher 
ziemlich allgemein Gebrauch war, die typische Art einer Gat- 
tung voranzustellen. Ich vermuthe, dals Acanthodactylus capensis 
Smith, bei dem, wenigstens der Abbildung zufolge, die Nasen- 
löcher von drei Schildchen umgeben sind, in dieselbe Gruppe 
mit der vorstehenden Art gehört. 

Scapteira grammica kommt übrigens weder in Ägypten, 
noch in Nubien vor, indem diese leider von dem hiesigen Mu- 
seum ausgegangenen Angaben auf einer Verwechselung mit 
Acanthodactylus scutellatus beruhen. 


4. Eremias argus n. sp. (Fig. 3.) 

Unteres Augenlid mit einer vertieften, aber beschuppten 
undurchsichtigen Scheibe. Nasalia convex, aber nicht wulstig 
aufgetrieben; zwei Internasalia, zwischen ihnen und den 
Präfrontalia ein kleines rhomboidales Zwischenschild; die beiden 
Supraorbitalia vorn, aufsen und hinten mit Körnchen umgeben 
oder hinten und innen eine kleine Schuppe. Interparietale fast 
so grofs, wie eins der Internasalia; Suborbitale über den Su- 
pralabialia, deren Zahl 9 ist; Rand der Kehlfalte grade oder 


— 


62 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


schwach convex mit 9 gröfseren Schuppen. Ventralschilder in 
schiefen Reihen, 12 Schuppen in jeder Querreihe. | 

Grundfarbe der Oberseite olivenbraun, wo die Epidermis 
fehlt, graublau oder bläulichviolet, mit vielen schwarzen Ocel- 
len mit gelber Pupille; meist zwei gelbliche Seitenlinien, von 
denen die obere von dem äufseren Winkel des Parietale, die un- 
tere von dem unteren Augenlide ausgeht; eine dritte helle Linie 
geht von der Oberlippe durch die Ohröffnung; Unterseite rost- 
gelb. 

Vier Exemplare (Nr. 4532 Mus. Berol.) aus Chefoo (China) 
durch Schottmüller. 


5. Acanthodactylus dorsalis n. Sp. 


In Bezug auf die Kopfschilder mit Ac. vulgaris D. B. über- 
einstimmend und ebenfalls mit zehn Längsreihen von Ventral. 
schildern versehen. Die glatten Schuppen der (4 bis 8) mittle 
ren Längsreihen des Rückens sind aber auffallend gröfser als 
die der Rückenseiten und eben so sind die Submentalschuppen, 
so wie die Gularschuppen, welche letztere von dem Rande der 
Halsfalte bis zu der Subauricularfalte ganz allmählig an Gröfse 
abnehmen, merklich gröfser als bei jener Art. Die oberen 
Schwanzschuppen sind an zwei Exemplaren (Nr. 1056 u. 1057 
Mus. Berol.) gekielt, an einem dritten Exemplar (Nr. 1058), 
dessen Schwanzbasis spindelförmig verdickt ist, dagegen glatt. 

Oben gelbbräunlich, jederseits mit zwei Reihen grolfser, 
unregelmäfsiger schwarz und weilser Flecke; an zwei Exem- 
plaren eine von der oberen Temporalschuppe ausgehende helle 
Linie, wodurch die obere Fleckenreihe getheilt wird. An einem 
Exemplar stehen die zahlreicheren ocellenförmigen Flecken in 
ähnlicher Weise wie bei Eremias arguta Pall. 

Die erwähnten drei Exemplare standen in unserer Samm- 
lung ohne Angabe des Fundorts zusammen mit Acanthodactylus 
vulgaris D. B. (Acanth. pardalis Mus. Berol. 1823. e. p.) 


6. Onemidophorus mexicanus n. sp. 

Sehr nahe verwandt mit Un. sexlineatus und verschieden von 
ihm dadurch, 1) dafs die Submentalschuppen viel grölser, die mitt- 
leren eben so grols wie die der hinteren Reihen der Kehlfalte 
sind; 2) zwischen den Postorbitalschildchen und der Ohröffnung 


vom 18. Januar 1869. 63 


nur vier bis fünf Reihen platter polygonaler Schuppen, anstatt 
zahlreicher convexer Schüppchen liegen; 3) zwischen den hin- 
tersten Infralabialia und der innern Reihe grofser Submental- 
schilder nur eine und nicht zwei bis drei Reihen kleiner 
Schuppen liegen und 4) der untere Rand des Supralabiale 
primum wie bei On. Deppei fein gezähnelt ist. In der Zeich- 
nung stimmen beide Arten durch die in derselben Weise ver- 
laufenden sechs weilslichen Linien überein, während aber bei 
Cn. sexlineatus der schwarze Grund ungefleckt ist, zeigt die 
vorstehende dieselben hellgefleckt oder quergestreift. 

Unsere Sammlung enthält von dieser Art 3 Exemplare ver- 
schiedenen Alters (Nr. 6209 Mus. Berol.), welche aus der mexi- 
canischen Sammlung von Uhde herstammen. 

Ich erlaube mir, bei dieser Gelegenheit zu bemerken, dafs 
der zu Unemidophorus und nicht zu Ameiva gchörende On. Deppei 
Wiegmann auch in Guayaquil vorkommt und vielleicht mit 
Cn. gracilis Baird u. Girard (Mex. Bound. Rept. Taf. 34. Fig.1.) 
übereinstimmt, dafs On. tigris Baird u. Girard (Mex. Bound. 
Rept. Taf.35.) ganz ohne Zweifel identisch ist mit Cn. Sackiü 
Wiegmann!) und Cnemidophorus guttatus Wiegmann eine an 
der Basis verbreiterte zweilappige Zunge hat und daher nicht zu 
Ameiva (cf. Cope Acad. Nat. Sc. Philad. 1862. Febr.) zu zie- 
hen ist. 


T. Centropyz Renggerii n. Sp. 


Vierzehn Längsreihen gekielter Rückenschuppen, vierzehn 
Reihen kleiner Schuppen an den Körperseiten und sechszehn 
Längsreihen Ventralschuppen. Auf dem Rücken grün mit zer- 
streuten schwarzen Flecken in zwei Reihen. Eine schwarze von 
dem oberen Augenlide verlaufende und sich an den Seiten ver- 
lierende schwarze Längsbinde, unter derselben eine grüne Längs- 
binde und unter dieser die Seiten schwarz mit grünen runden 
Flecken. Die Unterseite gelblich grün. 
| Paraguay; aus der Renggerschen Sammlung (No. 896, 

"Cat. Mus. Berol.) 


!) Nicht Onemidophorus Sackii aus Montevideo des leidigen No- 
menclator Reptil. et Amphib. Mus. Berol. 1856. p.13, der nichts weiter als 
Acrantus viridis (mit vier Hinterzehen) ist. 


64 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Färbung und Beschuppung unterscheiden diese Art von den 
bekannten, unter denen ihr ©. decodon Cope (Proc. Acad. Philad. 
1861. p. 495.) am nächsten zu stehen scheint. 

©. Borckiana Merrem (Ann. d. Wetterauisch. Gesellsch. 1809. 
I. p.2. Taf.I) hat 25 Reihen gekielter Rückenschuppen, 25 Rei- 
hen kleiner Seitenschuppen und 13 (bis 16) Reihen Bauch- 
schuppen und jederseits auf dem Rücken zwei Reihen dreiecki- 
ger schwarzer Flecken. Leider ist das Originalexemplar der 
Borcke’schen Sammlung verloren gegangen, aber unsere Samm- 
lung besitzt ein Exemplar aus Guiana (Nr. 897), welches ganz 
mit der Merremschen Beschreibung und Abbildung übereinstimmt, 
abgesehen davon, dafs 16, statt 13, Bauchschuppenreihen vor- 
handen sind. 

C. vittatus Wiegmann, von dem unser Museum’ noch das 
Originalexemplar besitzt, welches von C. calcaratus Spix 
nur durch die gekielten Präanalschuppen abweicht, kann daher 
nicht mit C. intermedius (Gray) Cope (l.c.p. 496) identisch 
sein. Wiegmann sagt ausdrücklich, dafs seine Art die Rücken- 
schuppen ein wenig kleiner als C©. calcaratus hat, während 
die von Cope beschriebene Art sie merklich grölser hat. 

Nach der Färbung sollte man eher glauben, dafs Dau- 
din’s Lacerta striata näher mit ©. decodon Cope verwandt sei 
und möchte ich dahin zwei Exemplare rechnen, welche wir 
kürzlich aus Venezuela erhalten haben. Jedenfalls scheinen 
mir die Arten der Gattung Centropyx noch nicht gehörig un- 
terschieden zu sein. 2 

8. Dicrodon ce«lestis. 
Ameiva celestis, d’Orbigny, Voy. Amer. mer. Rept. p.9. Taf. 
V.Fig.1—5. 
?Cnemidophorus lacertoides, Dumeril etBibron, Erp. gen. 
V.p.135. 

Unser Museum hat ganz neuerdings ein Exemplar dieser 
- Art aus Montevideo erhalten, welches entschieden zu der Gat- 
tung Dicrodon mit querstehenden zweispitzigen Zähnen gehört. 
Es stimmt ganz vortrefflich zu der d’Orbignyschen Abbildung 
und da On. lacertoides D. B. aus seiner Sammlung und zwar 
auch aus Montevideo stammt, so würde ich beide Arten der 
Beschreibung nach für identisch halten, wenn es nicht in der 


vom 18. Januar 1869. 65 


Erpet. gen. p.134 hielse: „la rangee des plaques sousmaxillaires 
est separee de celles des labiales inferieures par une serie 
plus ou moins etendue de granules squameux“ anstatt einer 
Reihe grofser polygonaler Schilder, wie es die Abbildung und 
auch unser Exemplar zeigt. 


9. Varanus (Odatria) semiremez n. Sp. 


Sehr ähnlich in der Körperform und Stellung der Nasen- 
löcher der O. punctata Gray, aber Schuppen der Oberseite der 
Schnauze und der Interorbitalgegend platt und gröfser, wie bei 
V. timoriensis, Schuppen an der Unterseite der Schwanzbasis 
breiter als lang. Schwanz in der Basalhälfte rund, in der End- 
hälfte zusammengedrückt, mit einen doppelten Dorsalkiel.. Ober- 
seite dunkel olivenfarbig mit vielen kleinen schwarzen Punkten, 
Gliedmafsen schwarz und gelb punktirt, Endhälfte des Schwanzes 
überall schwarzbraun. Die Unterseite schmutzig gelb, mit schwa- 
chen dunklen Querbinden an dem Unterkiefer, unter dem Halse, 
an der Brust und am Bauche. 

Unsere Sammlung hat ein einziges Exemplar dieser Art von 
Cap York (Nordaustralien) durch Hrn. Dämel erhalten, wel- 
ches, obgleich die Schwanzspitze fehlt, nahe an 60 Cent. lang ist. 

Durch die viel mehr als bei V. timoriensis zusammen- 
gedrückte Endhälfte des Schwanzes ist diese Art sehr leicht 
auf den ersten Blick von den nächstverwandten zu unterscheiden. 


10. Agama Hartmanni n. sp. 


Ein Exemplar dieser Art, welche unsere Sammlung aus 
Dongola erhalten hat, hatte ich früher (Monatsber. 1862. p. 271) 
als zu A. Savignyi gehörig betrachtet, mit dem es durch die 
gleichförmigen, regelmäfsigen gekielten Schuppen des Rückens 
und durch den Mangel dornförmiger Schuppenhäufchen am Halse 
übereinstimmt. Es unterscheidet sich aber von ihm durch die 
ganz glatten Kehl- und Bauchschuppen, durch das gröfsere, 
ganz frei liegende Trommelfell und durch die einander an Länge 
ziemlich gleiche dritte und vierte Hinterzehe. In diesen beiden 
letzten Punkten stimmt es daher mehr mit A. sinaita überein, 
von der es sich aber durch die gröfseren Schuppen, die auffallend 
kürzeren Vorderarme und Unterschenkel, dagegen viel längeren 
Zehen unterscheidet. 


[1869.] 5 


66 Gesammtsitzung vom 21. Januar 1869. 


Olivenbraun, eine mittlere gelbe Rückenlinie von dem Hin- 
terhaupt bis auf die Basis des Schwanzes, unregelmäfsige kleine 
dunkelbraune Flecken auf dem Rücken und jederseits zwei nicht 
sehr deutliche Reihen grofser gelber, schwarzgerandeter Flecken 
an den Seiten; Unterseite ockergelb. 

Agama Savignyi Audouin (Savigny, Deser. Egypt. Rept. Taf. 
I. Fig. 6) ist identisch mit A. flavimaculatus Rüppell und un- 
terscheidet sich von der nahe verwandten A. agilis Olivier 
nicht allein durch die mehr oder weniger deutlich gekielten 
Kehl- und Bauchschuppen, sondern auch dadurch, dafs die 
Schuppen hinter und unter der Ohröffnung grölser und weniger 
zahlreich sind. 


Erklärung der Abbildungen. 

Fig.1. Colopus WahlbergiüPtrs.; 1a. Kopf im Profil, 1b. von unten; Ic. Vor- 
derfuls von oben, 1d. von unten; le. Hinterfufs von oben, 1f. von 
unten. 

2. Rhoptropus afer Ptrs.; 2a. Kopf im Profil, 2b. von unten; 2c. Hinter- 
fufs von oben, 2d. von unten. 

3. Eremias argus Ptrs.; Oberseite des Kopfes. 


n 


” 


31. Januar. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Beyrich las über Eugeniacrinus und Rhizo- 


erinus. 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 
vorgelegt: 
Sitzungsberichte der naturforschenden F’reunde. Berlin 1868. 4. 
Bericht der Kgl. Sternwarte zu Berlin für 1867. Berlin 1868. 8. Mit 
Begleitschreiben der Direktion vom 17. Januar 1869. 
Vierter und fünfter Jahresbericht des Vereins für Erdkunde zu Dresden. 
Dresden 1868. 8. | 
J.E. Purkin& Diem semisecularem summorum in medicina honorum celebranti 
gratulatu societas medicorum Bohemorum. Pragae 1868. 8. 
Longperier, Exrtraits de la Revue numismatiqua. Paris 1868. 8. 


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I. Colopus Wahlbersüi.2. Rhoptropus afer. 3.Eremias arsus. 


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Öfentliche Sitzung vom 28. Januar 1869. 67 


28. Januar. Öffentliche Sitzung zur Feier 
des Jahrestages Friedrich’s II. 


Seine Majestät der König und Ihre Majestät die Königin, 
sowie Seine Königliche Hoheit der Kronprinz geruhten der 
Sitzung beizuwohnen. v | 

Der an diesem Tage vorsitzende Sekretar, Hr. Kummer, 
eröffnete die Sitzung mit folgender Festrede: 


Als ich jetzt vor vier Jahren das erste mal die Ehre hatte 
zum Andenken Friedrichs des Grofsen vor dieser hochansehn- 
lichen Versammlung zu sprechen, habe ich aus der unendlich 
reichhaltigen Fülle interessanter Gesichtspunkte, welche die 
Thaten sowie die Schriften des grofsen Königs darbieten, mir 
nur eine sehr untergeordnete Seite ausgewählt, welche meinen 
eigenen Studien und geistigen Interessen am nächsten lag, näm- 
lich sein Verhältnifs zu den mathematischen Wissenschaften und 
zu den grofsen Mathematikern seiner Zeit. Ich habe damals 
zu zeigen versucht, wie Friedrich der Grofse, welcher selbst 
keine Neigung für die Mathematik hatte, und die Mathematiker 
gern mit Witz und Satire verfolgte, durch sein Interesse für 
Philosophie dahin geführt wurde, gerade die ausgezeichnetsten 
Mathematiker seiner Zeit, wie Maupertuis, Euler, La- 
grange, Lambert und Bernoulli an die von ihm wieder- 
hergestellte Akademie der Wissenschaften zu ziehen und wie 
er mit D’Alembert, den er nicht bewegen konnte die Stelle 
des Präsidenten der Akademie anzunehmen, fast dreifsig Jahre 
lang, bis zu dessen Tode, in den freundschaftlichsten Beziehun- 
gen und in stetem Briefwechsel blieb. Hieran anschliefsend will 
ich heut versuchen auf die philosophische Richtung des grofsen 
Königs einzugehen und einige in seinen Schriften und Briefen 
enthaltene Gedanken zu entwickeln. 

Um überhaupt philosophische Gedanken und Anschauun- 
gen richtig zu würdigen, ist es nothwendig die Zeit, welcher 
sie angehören, und die diese Zeit bewegenden allgemeinen Ideen 
in’s Auge zu fassen; denn die Resultate philosophischer For- 
schung, namentlich in dem metaphysischen Gebiete, können kaum 
auf eine absolute Geltung Anspruch machen, wohl aber können 

5* 


68 Öffentliche Sitzung 


sie einen relativ bedeutenden Werth haben, in so fern sie ent- 
weder in positiver Weise die philosophische Forschung in neue 
Bahnen lenken, oder auch negativ, indem sie gewisse, in einer 
Zeit geltende Voraussetzungen und Grundsätze als einseitig oder 
nichtig erkennen lassen. 

Zur Zeit Friedrichs des Grofsen war die sogenannte Leib- 
nitz -Wolfische Philosophie besonders in Deutschland die allge- 
mein herrschende. Sie enthielt die fruchtbaren Ideen von 
Leibnitz durch Christian Wolf’s umfassende Gelehrsam- 
keit zu einem grofsartigen Systeme verarbeitet, welches sich 
über die verschiedenen positiven Wissenschaften erstreckte und 
dieselben in sich aufnahm. Die Reichhaltigkeit des diesem 
Systeme eingefügten Materials machte es für die Zwecke des 
Unterrichts besonders empfehlenswerth, aber die Begründung in 
seinen tiefsten Fundamenten war nur eine sehr schwache, na- 
mentlich in dem metaphysischen Theile, der Ontologie. Es 
wurden hier von Gott, der Welt und was sich darin bewegt 
Definitionen von grolser Kraft gegeben, auf Grund deren diese 
höchsten metaphysischen Ideen nach denselben Regeln behan- 
delt wurden, wie die Begriffsbestimmungen endlicher Dinge. 
Der mehr speculativen Richtung, welche die Philosophie seit 
Descartes genommen hatte, entsprach dieses System nicht; 
die Methode, nach welcher Wolf seine vernünftigen Gedanken 
von Gott, der Welt, der Seele u. s. w. als Lehrsätze aufstellte 
und sodann mit sogenannten Beweisen versah, gab demselben 
einen mehr dogmatischen Charakter. 

Dagegen hatte in England und Frankreich die Philosophie 
eine ganz andere Entwickelung durchgemacht. Es wurde hier 
das Verhältnifs des philosophirenden Subjects zur Aufsenwelt zum 
hauptsächlichsten Gegenstande metaphysischer Betrachtungen 
gemacht und man war dadurch, dafs man die einzelnen Sinnes- 
organe nicht nur als Vermittler, sondern sogar als Quelle aller 
 Erkenntnifs annahm, dahin gekommen, dafs man die Möglich- 
keit der Erkenntnifs alles Übersinnlichen, oder auch gar die 
Existenz desselben leugnete. Diese als Skepticismus zu be- 
zeichnende Richtung hatte in Frankreich das Gebiet der eigent- 
lichen Philosophie vielfach verlassen und sich mehr auf die all- 
gemeine Litteratur geworfen, in welcher sie eine sehr glänzende 


vom 28. Januar 1869. "69 


Rolle spielte. Das grofsartigste wissenschaftliche Produkt dieser 
Richtung war nicht ein den inneren Zusammenhang des In- 
halts der Philosophie darstellen sollendes System, sondern die 
alphabetisch geordnete grofse Real-Encyclopädie, welche in eini- 
gen dreifsig Quartbänden von D’Alembert und Diderot heraus- 
gegeben wurde. Die Herausgeber und Mitarbeiter dieses Wer- 
kes waren Männer von Geist und umfassender Gelehrsamkeit, 
aber ihre blofs negirende Richtung in dem eigentlichen Gebiete, 
der Philosophie machte es auch untergeordneteren Litteraten 
leicht in diesem Sinne weitergehend sich den Ruf und das An- 
sehen als grofse Philosophen zu erwerben. Ein vollständiger 
Unglaube, welcher als Freiheit von Vorurtheilen und Aber- 
glauben angesehen wurde, und eine gewisse Geschicklichkeit 
und Kunst in der Verspottung dessen, was den Menschen von 
jeher als heilig gegolten hat, verbunden mit der damals in Frank- 
reich besonders blühenden Eleganz des Stiles, reichte hierfür 
vollständig aus. 

Diese beiden einander entgegengesetzten philosophischen 
Richtungen des deutschen Dogmatismus und des französischen 
Skepticismus sind es, mit welchen Friedrich der Grofse in 
nähere Beziehungen getreten ist. Er war als Jüngling nach 
den Principien der Leibnitz-Wolfischen Philosophie unterrichtet 
worden und dieselbe hatte auf seine Bildung einen grofsen 
Einflufs gehabt, der auch in seinen späteren Lebens-Perioden 
noch deutlich erkennbar hervortritt, wo er sich mehr von den 
geistvollsten Vertretern der französischen Philosophie und Litte- 
ratur angezogen fühlte. So wie es den philosophischen Lehr- 
gebäuden gewöhnlich geschieht, dafs grade die begabtesten und 
talentvollsten Schüler, welche ihnen einen guten Theil ihrer 
Bildung verdanken, zuerst abtrünnig werden, da sie am besten 
befähigt sind die schwachen Seiten des Systems zu erkennen 
und den lebhaftesten Trieb in sich fühlen zu höherer Erkennt- 
nifs fortzuschreiten, so mufste auch Friedrich über die Wolfi- 
sche Philosophie hinausgehen. Er war nicht der Mann, der 
sich der Auctorität eines Philosophen oder Theologen unter- 
ordnen mochte; was er als Wahrheit anerkennen sollte, mulste 
sich vor seinem eigenen freien Geiste als solche rechtfertigen 
können; die freiere französische Philosophie, besonders der dia- 


70 Öffentliche Sitzung 


lektische Scharfsinn Bayles und der diese Richtung weiter 
verfolgenden Encyelopädisten sagte ihm daher mehr zu, als das 
pedantische Wolfische Lehrgebäude, namentlich da er so wie 
jene das Streben hatte von Vorurtheilen und von überliefertem 
Aberglauben sich frei zu machen. Es war natürlich, dafs er 
schon als Kronprinz und ebenso später als König für seinen 
intimeren persönlichen Verkehr und seine litterarische Unter- 
haltung besonders Männer dieser Richtung sich auswählte, und 
dafs er auch die von ihm erneuerte Akademie der Wissen- 
schaften in diesem Sinne einrichtete und besetzte. Aber allen 
seinen philosophischen und litterarischen Freunden gegenüber 
behauptete er stets die vollste Selbständigkeit seines eigenen 
Denkens. Überhaupt ist Friedrich der Grofse nicht als An- 
hänger irgend eines zu seiner Zeit herrschenden philosophischen 
Systems anzusehen, noch auch als Philosoph, der sein eignes 
System hat. Obgleich er unter dem Namen des Philosophen 
von Sanssouci bekannt ist, und obgleich die Philosophen seiner 
Zeit ihn besonders gern als einen der ihrigen betrachten, so 
lehnt er selbst diese Ehre entschieden ab, und will sich nur 
als Dilettanten auf diesem Gebiete der Wissenschaft betrachtet 
wissen. In der That erscheint die Bezeichnung als Philosoph 
im strengeren Sinne des Wortes für Friedrich den Grolsen 
minder passend als die eines Dilettanten der Philosophie; denn 
es war mehr das erreichbare Gute, als die unerreichbar er- 
scheinende Wahrheit, welche er in dieser Wissenschaft er- 
strebte. Die Philosophie hatte in den Augen des grofsen Königs 
hauptsächlich darin ihren höchsten Werth, dafs sie durch die 
Ausbildung der Ethik zur sittlichen Hebung des Volkes bei- 
tragen sollte, die rein theoretischen Disciplinen derselben, na- 
mentlich die metaphysischen Speculationen achtete er im Ver- 
gleich hiermit nur gering und sah sie mehr nur als eine Unter- 
haltung des Geistes an, in der er selbst sich aber gern erging. 

Am klarsten und unumwundensten sind die philosophischen 
Gedanken Friedrichs in seinem Briefwechsel mit D’Alembert 
ausgesprochen, welcher als der Verfasser des im edelsten und 
freiesten Stile gehaltenen Vorworts zur grofsen Real-Encyelo- 
pädie sich die Hochachtung des grofsen Königs erworben hatte. 
Friedrich schätzte ihn als den geistvollsten und grölsten Philo- 


vom 28. Januar 1869. 71 


sophen seiner Zeit und redete ihn gern als seinen lieben Ana- 
xagoras an. Er holte in allen wissenschaftlichen und litterari- 
schen Fragen, namentlich auch in allen unsere Akademie der 
Wissenschaften betreffenden wichtigen Angelegenheiten seine 
Meinung und seinen Rath ein, und schickte ihm regelmäfsig 
die Schriften zu, die er verfalste. An einige dieser Zusendun- 
gen knüpfte sich sodann ein interessanter Briefwechsel philoso- 
phischen und besonders metaphysischen Inhalts, auf welchen 
ich mir erlauben will hier etwas näher einzugehen. 

Es waren im Jahre 1769 zwei Schriften erschienen; die 
eine unter dem Titel Essai sur les prejuges, die andere als 
Systeme de la nature, welche vielfach das angriffen, was im 
Staate und in der menschlichen Gesellschaft seine volle sittliche 
Berechtigung hat, und so die französische Revolution auf geisti- 
gem Gebiete vorbereiten halfen. Als die Vorurtheile, die sie 
bekämpften, galten den Verfafsern aufser den bestehenden staat- 
lichen Ordnungen hauptsächlich die Lehren der Religion, als 
Wahrheit dagegen die blofse Befreiung von diesen Vorurtheilen, 
oder der Unglaube ohne irgend welchen positiven Gehalt. Der 
König würdigte diese Schriften einer ausführlichen Besprechung 
und sehr scharfen Widerlegung, welche er in Form von zwei 
Kritiken an D’Alembert mittheilte. Die metaphysischen Fragen, 
welche in diesen beiden Gegenschriften des Königs und in dem 
über dieselben mit D’Alembert geführten Briefwechsel be- 
sprochen werden, betreffen die Erkenntnifs der Wahrheit über- 
haupt, ferner die Natur in ihrem Verhältnisse zu Gott und 
die Begriffe der Freiheit und Nothwendigkeit, welche zugleich 
der Ethik angehören. 

Über die Erkenntnifs der Wahrheit äufsert sich der König 
in seiner Kritik der Schrift über die Vorurtheile folgender- 
maalsen: „Der Verfasser versichert im Lehrtone, dafs die Wahr- 
„heit für die Menschen da ist, und dafs man sie denselben bei 
„allen Gelegenheiten sagen mufs. Diefs verdient eine Prüfung. 
„Ich stütze mich auf die Erfahrung und die Analogie, um ihm 
„zu zeigen, dafs die Wahrheiten der Speculation, weit entfernt 
„für den Menschen gemacht zu sein, sich unaufhörlich seinen 
„sorgfältigsten Forschungen entziehen. Es ist diels ein für die 
„Eigenliebe demüthigendes Geständnils, welches die Macht der 


72 Öffentliche Sitzung 


„Wahrheit mir entreilst. Die Wahrheit ist wie auf dem Grunde 
„eines Schachtes, von welchem sie an’s Licht zu: ziehen die 
„Philosophen bemüht sind. Alle Weisen beklagen sich über 
„die Arbeit die es ihnen kostet sie zu entdecken. Wäre die 
„Wahrheit für den Menschen gemacht, so würde sie sich von 
„selbst seinen Augen darstellen, er würde sie ohne Anstrengung 
„erhalten, ohne langes Nachdenken, ohne sich über sie zu 
„täuschen und ihre den Irrthum besiegende Klarheit würde 
„untrüglich die Überzeugung nach sich ziehen, man würde sie 
„durch sichere Kennzeichen vom Irrthum unterscheiden können, 
„der uns oft täuscht, indem er unter der angenommenen Ge- 
„stalt der Wahrheit erscheint, es würde keine Meinungen mehr 
„geben, sondern nur Gewissheit. Aber die Erfahrung zeigt mir 
„gerade das Gegentheil, sie zeigt mir, dafs kein Mensch ohne 
„Irrthum ist, dafs die gröfsten Thorheiten, welche eine kranke 
„Einbildungskraft ersonnen hat, zu allen Zeiten aus dem Ge- 
„hirn der Philosophen entsprungen sind, dafs wenig philoso- 
„phische Systeme von Vorurtheilen und falschen Schlüssen frei 
„Sind, sie erinnert mich an die Wirbel, welche Descartes 
„ersonnen hat, an die Apokalypse, welche Newton, der grofse 
„Newton commentirt hat, an die prästabilirte Harmonie, 
„welche Leibnitz, der an Geist jenen grofsen Männern gleich 
„war, gefunden hat. Überzeugt von der Schwäche des mensch- 
„lichen Erkenntnifs-Vermögens und erstaunt über die Irrthümer 
„dieser berühmten Philosophen rufe ich aus: O Eitelkeit der 
„Eitelkeit, Eitelkeit des philosophischen Denkens.“ 
D’Alembert erklärt sich mit diesen Gedanken des Königs 
über die Nichtigkeit aller metaphysischen Speculationen voll- 
kommen einverstanden. Wenn nun dessenungeachtet der grolse 
König Friedrich und der grofse Philosoph D’Alembert es 
nicht lassen können über die wichtigsten Punkte der Meta- 
physik weiter zu philosophiren, so mufs man annehmen, dafs 
‚sie doch von dem einen Vorurtheile, welches überhaupt allem 
Philosophiren zu Grunde liegt, dafs der Mensch durch ver- 
nunftgemäfses Nachdenken und Forschen, wenn auch nicht die 
volle Wahrheit ergründen, so doch in der Erkenntnils der 
Wahrheit fortschreiten könne, sich nicht hatten frei machen 
wollen. In einem solchen Sinne spricht sich auch Friedrich 


vom 28. Januar 1869. 73 


der Grofse, bei einer anderen Gelegenheit, in der von ihm ver- 
fafsten Vorrede zu einem Auszuge aus Bayles Dictionär aus: 
„Aber wozu, wird man fragen, soll man seine Zeit in der Er- 
„forschung der Wahrheit verlieren, wenn diese Wahrheit sich 
„aufserhalb der menschlichen Denksphäre befindet. Ich antworte 
„auf diesen Einwand, dafs es eines denkenden Wesens würdig 
„ist Anstrengungen zu machen, um sich wenigstens der Wahrheit 
„zu nähern und dafs, wenn man sich diesem Studium ehrlich 
'„hingiebt, man sicher wenigstens den Gewinn hat, sich von einer 
„Schaar von Irrthümern zu befreien. Wenn euer Feld auch nicht 
„viel Früchte hervorbringt, so wird es wenigstens keine Dornen 
„erzeugen und wird zu einer guten Cultur geeigneter werden.“ 

Die metaphysischen Gedanken des Königs über Gott und 
die Welt und deren Verhältnifs zu einander sind der Natur 
der Sache nach etwas dürftig, weil der Begriff Gottes, nach 
der Ansicht des Königs überhaupt nicht zugänglich ist, sodafs 
der Philosoph wohl bis zu der Idee eines höchsten Wesens 
gelangen könne, aber nicht im Stande sei über dasselbe etwas 
Bestimmtes auszusagen. In einem Briefe an D’Alembert 
.vom 18. October 1770 schreibt Friedrich hierüber: „Da ich in 
„dieses Labyrinth eingehen mufs, so habe ich nur den Faden 
„der Vernunft der mich darin führen kann. Diese Vernunft, 
„indem sie mir erstaunenswerthe Beziehungen in der Natur 
„zeigt, und mich so schlagende und deutliche Endzwecke beob- 
„achten lälst, zwingt mich zuzugeben, dafs eine Intelligenz dem 
„Universum vorsteht und den Gang der Maschine leitet. Diese 
„Intelligenz stelle ich mir als das Prinzip des Lebens und der 
„Bewegung vor. Das System eines entwickelten Chaos scheint 
„mir unhaltbar, weil es mehr Geschicklichkeit erfordert haben 
„würde das Chaos zu formen und zu handhaben, als die Dinge 
„gleich so zu ordnen wie sie sind. Das System einer aus 
„Nichts geschaffenen Welt ist widersprechend und darum ab- 
„surd; es bleibt also nichts übrig, als die Ewigkeit der Welt, 
„eine Idee, welche keinen Widerspruch enthält und darum als 
„die annehmbarste erscheint, da das was heute ist, auch gestern 
„gewesen sein kann und so fort. Da nun der Mensch Materie 
„ist und dabei denkt und sich bewegt, so sehe ich keinen Grund, 
„warum nicht ein ähnliches denkendes und handelndes Princip 


74 Öffentliche Sitzung 


„mit der gesammten Materie verbunden sein könnte. Ich nenne 
„dasselbe nicht Geist, weil ich keine Idee von einem Wesen 
„habe, das keinen Raum einnimmt und darum nirgends existirt; 
„aber weil unser Denken eine Folge der Organisation unseres 
„Körpers ist, warum sollte nicht das Universum, welches un- 
„endlich mehr organisirt ist, als der Mensch, eine unendlich 
„höhere Intelligenz haben, als ein so gebrechliches Geschöpf.“ 
Der König schliefst diese Betrachtungen mit den Worten: 
„Aber, mein lieber Anaxagoras, wenn ihr verlangt, dafs ich 


„genauer angeben soll, was diese Intelligenz ist, die ich mit. 


„der Materie verbinde, so muls ich bitten mir diefs zu erlassen. 
„Ich erblicke diese Intelligenz wie etwas, das man nur unbe- 
„Stimmt durch einen Nebel sieht, es ist schon viel dieselbe zu 
„ahnen, es ist dem Menschen nicht gegeben sie zu erkennen 
„und zu definiren.* 

D’Alembert als Philosoph von Fach drückt sich über 
diese Gegenstände mit gröfserer Zurückhaltung aus, als der 
König; über die Existenz einer höchsten Intelligenz sagt er 
nur, dafs die, welche sie läugnen mehr behaupten, als sie be- 
weisen können, und dafs die Zweckmälsigkeit in der Natur 
eine Intelligenz zu enthüllen scheine, wegen der näheren Bestim- 
mung dieser Intelligenz aber bescheidet er sich nur die Fragen 
aufzustellen: „Was ist diese Intelligenz, hat sie die Materie ge- 
„schaffen oder hat sie dieselbe nur geordnet? Ist eine Schöpfung 
„möglich? und wenn sie es nicht ist, ist die Materie darum 
„ewig? und wenn die Materie ewig ist und einer Intelligenz nur 
„bedurft hat, um geordnet zu werden, ist denn diese Intelligenz 
„mit der Materie vereint oder von ihr verschieden? Wenn sie 
„damit vereint ist, so ist die Materie eigentlich Gott, und Gott 
„ist die Materie, und wenn sie davon verschieden ist, wie be- 
„greift man dafs ein Wesen, welches nicht Materie ist, auf die 
„Materie wirkt. Wenn man sich alle diese Fragen aufwirft, so 
'„kann man nur hundertmal wiederholen: „Was weils ich“, aber 
„man muls sich zugleich über seine Unwissenheit trösten, indem 
„man denkt, eben dafs wir nicht mehr davon wissen, ist ein Be- 
„weis dafür, dafs es uns nicht frommt mehr davon zu wissen.“ 

In der philosophischen Betrachtung des unvermittelten 
Gegensatzes von Freiheit und Nothwendigkeit, neigte sich die 


vom 28. Januar 1869. 15 


Philosophie der damaligen Zeit überwiegend auf die Seite der 
Nothwendigkeit, sowohl die deutsche Leibnitz-Wolfische, als 
auch die französische der Encyklopädisten. Friedrich der Grofse 
aber tritt hier auf die Seite der Freiheit. Er hatte als Mann 
der That das volle Bewulstsein, dafs er in den wichtigsten Mo- 
menten seines Lebens nicht einem äufseren Zwange gefolgt 
war, sondern frei sich entschieden habe. Das System des Fa- 
talismus widersprach also seiner eigenen inneren Erfahrung. 
Aufserdem betrachtete er dasselbe auch als verderblich für 
die menschliche Gesellschaft, weil es die Fundamente auf wel- 
chen dieselbe beruht, die Moral und die guten Sitten unter- 
grabe. Ä 
In der Kritik des Systems der Natur spricht sich der 
König über den darin entwickelten Fatalismus folgendermaafsen 
aus: „Ist der Mensch nicht frei, wenn man ihm verchiedene 
„Wege vorlegt, dafs er sie prüfe dals er sich zu dem einen 
„oder dem andern hinneige und dafs er endlich seine Wahl 
.„bestimme. Der Verfasser wird mir ohne Zweifel antworten, 
„dals nur die Nothwendigkeit seine Wahl bestimmt. Ich glaube 
„in dieser Antwort einen Mifsbrauch des Begriffs der Noth- 
„wendigkeit zu erblicken, welcher mit dem der Ursache oder 
„des Grundes verwechselt wird. Ohne Zweifel geschieht nichts 
„ohne Ursache, aber nicht jede Ursache ist eine nothwendige. 
„Es ist mit der Freiheit eben so wie mit der Weisheit, der 
„Vernunft, der Tugend und der Gesundheit, kein Sterblicher 
„besitzt sie vollkommen, aber doch zu Zeiten. Wir sind in 
„manchen Punkten leidend unter der Herrschaft der Nothwen- 
„digkeit, in manchen anderen handeln wir unabhängig und frei. 
„Halten wir uns hierbei an Locke, dieser Philosoph ist ganz 
„überzeugt, dafs, wenn .seine Thür verschlossen ist, er nicht 
„Herr ist durch dieselbe hinauszugehen, aber wenn sie offen 
„ist, dafs er die Freiheit hat diefs zu thun wenn es ihm be- 
„liebt. 
Ferner sucht der König dem Verfasser des Systems der 
Natur darin Widersprüche nachzuweisen, dafs er als Fatalist 
gegen die Geistlichkeit die Regierung und die schlechte Er- 
ziehung sich ereifern könne, als ob die Menschen, welche diese 
Geschäfte treiben frei wären,- da doch, wenn alles mit Noth- 


76 Öffentliche Sitzung 


wendigkeit bestimmt würde, jeder Rath, jede Belehrung, die Ge- 
setze, die Strafen und Belohnungen durchaus überflüssig und 
nutzlos sein würden. | 

Friedrich hielt seine Widerlegung des Fatalismus selbst nicht 
für ganz genügend, denn er fügt derselben hinzu: „Je mehr 
„man diesen Gegenstand auf den Grund verfolgt desto mehr 
„verwickelt er sich und man macht ihn durch weiteres Grübeln 
„nur so dunkel, dafs man endlich sich selbst nicht mehr 
versteht.* Ferner in dem mit dem Manuscript seiner Kritik 
zugleich an D’Alembert übersendeten Briefe sagt er: „was 
„den Fatalismus betrifft, so bleiben dem Verfasser noch Ant- 
„worten übrig, denn diefs ist nach meiner Meinung die am 
„schwierigsten zu lösende Frage der ganzen Metaphysik. Ich 
„nehme eine Vermittelung zwischen Freiheit und Nothwendig- 
„keit an, ich begränze die menschliche Freiheit bedeutend, aber 
„ich lasse ihr doch den Theil den ich ihr nach der gemeinen 
„Erfahrung über menschliche Handluugen nicht versagen kann. 

D’Alembert erklärt sich mit diesen Ansichten des Königs, 
namentlich mit dem mittleren Standpunkt zwischen Freiheit und 
Nothwendigkeit im Ganzen einverstanden, aber er widerlegt 
die Ansicht desselben, dafs in dem Systeme, nach welchem die 
Menschen nur Maschinen und äulseren Gesetzen des Schicksals 
allein unterworfen sind, die Strafen einerseits und die Moral 
andererseits für das Wohl der Gesellschaft unnütz sein würden, 
denn in dem Menschen auch wenn er als Maschine aufgefafst 
werde, würden die Furcht einerseits und das Interesse anderer- 
seits immer die beiden Haupttriebräder sein, welche die Maschine 
in Gang erhalten und diese würden einerseits durch die Straf- 
gesetze, andererseits durch ein richtiges Studium der Moral in 
Bewegung gesetzt, welche zeigt, dafs tugendhaft und gerecht 
zu sein unser eigenes höchstes Interesse ist. 

Wenn der König selbst eingestehen muls, dafs ihm die 
‚versuchte Widerlegung des Fatalismus nicht gelungen ist und 
dals durch weiter fortgesetztes Grübeln ihm diese Materie immer 
dunkler werde, so liegt der Grund biervon wohl darin, dafs in 
der That der Fatalismus aus dem Principe des Materialismus 
mit grofser Consequenz abzuleiten is. D’Alembert, der 
grolse Mathematiker, der Entdecker des allgemeinsten Prineips 


vom 28. Januar 1869. 77 


der Mechanik, welches heut seinen Namen trägt, wufste wohl 
sehr gut, dafs für irgend ein System materieller kleinster 
Theile oder Atome, welche unter der Wirkung bestimmter 
Kräfte stehen, aber an sich unvergänglich und unveränderlich 
sind, durch den Zustand, welchen dieses System zu irgend 
einer Zeit hat, die Zustände desselben für jede andere Zeit 
nothwendig und vollständig bestimmt sind. Aber es war nicht 
die Sache des grofsen Königs solche Fragen der Mechanik zu 
studiren, auch fühlte er durchaus nicht die Verpflichtung als 
Philosoph ein einseitiges Prineip in consequenter Weise bis 
an seine äufsersten Gränzen zu verfolgen, wodurch es unter 
Umständen gezwungen werden kann sich als Unsinn zu er- 
kennen zu geben. Seine eigenen philosophischen Gedanken 
und Anschauungen, so wie auch die Anforderungen, welche 
er an die Philosophie stellte, waren überall mehr die eines 
grolsen Königs, als die eines Philosophen. In diesem Sinne 
schreibt er in einem Briefe an D’Alembert vom Jahre 1768: 
„Ich verzeihe den Stoikern alle Verirrungen ihrer metaphysi- 
„schen Schlufsfolgerungen zu Gunsten der grofsen Männer, 
„welche ihre Moral gebildet hat. Die erste philosophische Sekte 
„wird mir immer die sein, welche den besten Einfluls auf die 
„Sitten ausübt, welche die menschliche Gesellschaft sicherer, 
„gesitteter und tugendhafter macht. Das ist meine Denkweise, 
„sie hat einzig das Glück der Menschen und den Vortheil der 
„menschlichen Gesellschaft im Auge. Ist es nicht wahr, dafs 
„die Elektrieität und alle Wunder, welche sie entdeckt, bisher 
„nur dazu gedient haben unsere Wilsbegierde zu erregen? ist 
„es nicht wahr, dafs die Anziehungskraft und die Schwere nur 
„unsere Einbildungskraft in Staunen gesetzt haben? ist es nicht 
„wahr, dafs alle chemischen Operationen in demselben Falle 
„sich befinden? Aber raubt man darum weniger auf den 
„Landstrafsen? sind eure Generalpächter darum weniger hab- 
„süchtig geworden? giebt man seine Abgaben etwa gewissen- 
„hafter? verläumdet man weniger? ist die böse Lust etwa er- 
„stickt, oder die Herzenshärte erweicht? Was nützen also diese 
„Entdeckungen der Modernen der menschlichen Gesellschaft, 
„wenn die Philosophie das Gebiet der Sitten und der Moral 
„vernachläfsigt, in welches die Alten ihr ganzes Gewicht legten, 


A Öffentliche Sitzung 


„Ich kann diese Gedanken, welche ich seit langer Zeit auf dem 
„Herzen habe an keinen anderen besser richten, als an den Mann, 
„welcher in unseren Tagen der Atlas der modernen Philoso- 
„phie ist, welcher durch sein Beispiel wie durch seine Schriften 
„die strenge Zucht der Griechen und Römer wieder in’s Leben 
„rufen und der Philosophie ihren alten Glanz wiedergeben 
„Könnte. * | 

Jetzt, wo hundert Jahre verflossen sind, seit Friedrich diefs 
an D’Alembert geschrieben hat, können wir wohl über eini- 
ges anders urtheilen, als der grofse König. Wir haben seitdem 
erlebt, wie grade die Naturwissenschaften, welchen er damals 
nur einen theoretischen Werth beilegte, einen mächtigen Ein- 
fluls auf die Gestaltung des socialen Lebens geübt haben. Wir 
möchten auch wohl der Ansicht sein, dafs der König die Wir- 
kung, welche die Philosophie zur Zeit der Stoiker auf das 
Volk ausgeübt habe, etwas überschätzt hat, da wir in Wahr- 
heit doch nur einzelne hervorragende Charaktere kennen, die 
sie gebildet hat. Auch möchten wir glauben, dafs die Philoso- 
phie, als Wissenschaft, überhaupt nicht im Stande sei, einen 
solchen unmittelbaren Einfluls auf die Masse des Volkes aus- 
zuüben und dafs der König mehr die Diener der Religion, als 
die Philosophen für den unbefriedigenden sittlichen Zustand des 
Volkes hätte verantwortlich machen sollen. Aber zu allen Zeiten 
wird die wahrhaft königliche Denkweise Friedrichs des Grolsen, 
welcher von der Philosophie, so wie von den besonderen Wissen- 
schaften verlangte, dafs sie für seinen höchsten königlichen 
Zweck, für die sittliche Hebung seines Volkes, mitwirken sollten, 
die Anerkennung und Bewunderung der Nachwelt haben. 


Das Curatorium der Humboldt-Stiftung für Naturforschung 
und Reisen erstattet statutenmälsig Bericht über die Wirksam- 
keit der Stiftung in dem verflossenen Jahre. 

Die vierjährige Wahlperiode der drei von der Königl. 
Akademie der Wissenschaften zu wählenden Mitglieder des 
Curatoriums war mit dem 1. Jan. d. J. abgelaufen. Die Aka- 


vom 28. Januar 1869. 79 


demie wählte dieselben Mitglieder wieder, und die Vertheilung 
der Ämter im Curatorium blieb vorläufig auch dieselbe, da die 
statutenmälsige Constituirung des neuen Curatoriums wegen 
dauernder Abwesenheit eines Mitgliedes von Berlin nicht ge- 
schehen konnte. 

In dem Capital der Stiftung hat keine Veränderung statt- 
gefunden. 

Hrn. Dr. Reinhold Hensel sind für das Jahr 1868 
585 Thlr. zum Zweck der weiteren Bearbeitung des von seiner 
Reise mitgebrachten, die Wirbelthiere betreffenden Materiales 
ausgezahlt worden. 

Die laut vorigem Bericht im Jahre 1868 zu Stiftungs- 
zwecken verwendbare Summe von 4300 Thlrn. ist auf Beschluss 
der Akademie Hrn. Dr. Georg Schweinfurth aus Riga, 
zur botanischen Erforschung der südwestlichen Nilländer, über- 
wiesen worden. | 

Hr. Dr. Schweinfurth war schon einer der ersten Kenner 
der Flora der Nilländer, als er, zu Ende des Jahres 1863, 
auf eigene Kosten .eine zwei und ein halbes Jahr dauernde 
Reise nach Ägypten, dem Abyssinischen Grenzlande Galabat 
und dem Sudan antrat. Auf dieser Reise erweiterte er nicht 
allein sein Wissen und übte seine Beobachtung, sondern er 
erwarb auch einen für das Gelingen einer zweiten Reise nicht 
hoch genug zu veranschlagenden Schatz persönlicher Erfahrun- 
gen, und knüpfte in Chartum, der natürlichen ÖOperations- 
basis für Unternehmungen in jenen Gegenden, wichtige Be- 
ziehungen an. Hier an Ort und Stelle entwarf Hr. Dr. 
Schweinfurth schon damals den Plan, der seitdem durch 
die Hrn. Braun und Reichert der Akademie vorgelegt, deren 
Billigung erhielt, und in dessen Ausführung, mit den Mitteln 
der Humboldt-Stiftung, Hr. Dr. Schweinfurth gegenwärtig 
begriffen ist. 

Nach den Erweiterungen, welche der Geographie der oberen 
Nilländer in den letzten Jahren durch kühne Entdecker zu 
Theil wurden, mufste der dringende Wunsch entstehen, über 
die Natur in jenen Ländern etwas Näheres zu erfahren, als 
beim flüchtigen Durchwandern oder bei gezwungenem Ver- 
weilen im Bann barbarischer Häuptlinge beobachtet werden 


80 Öffentliche Sitzung 


konnte. Dazu mufste sich ein mit den nöthigen Specialkennt- 
nissen und Beobachtungsmitteln versehener Gelehrter in jenen 
Gegenden an einem möglichst grofse Ausbeute versprechenden 
Orte, der möglichst leicht erreichbar und in Bezug auf Klima 
und Bevölkerung möglichst gefahrlos wäre, längere Zeit nieder- 
lassen, und sowohl von diesem Mittelpunkt Ausflüge machen, 
als auch durch Verkehr mit den Eingebornen Naturproducte 
dort an sich ziehen. 

Dies ist das Ziel, welches Hr. Dr. Schweinfurth, mit 
besonderer Berücksichtigung der Flora, sich gesteckt hat, und 
zu dessen Erreichung er in ungewöhnlichem Maafse befähigt 
erscheint. Als eine für einen solchen Aufenthalt geeignete Ge- 
gend hat er das südwestlich von Port-Rek am Bahr-el-Ghazal, 
etwa zwischen dem 6. und 38. Grade N. B. gelegene Bergland 
in Aussicht genommen, von dem wir schon durch Hrn. von 
‚ Heuglin einige Nachricht erhielten. Fast die einzige mögliche 
Art, in diese Gegend einzudringen, besteht bekanntlich darin, 
sich den Expeditionen der Chartumer Handlungshäuser anzu- 
schliefsen. Hr. Dr. Schweinfurth hat sich also zunächst 
auf dem jetzt kürzesten Wege, über das rothe Meer, nach 
Chartum begeben. 

Der bisherige Verlauf der Reise war sehr glücklich. Die 
Direction des Österreichischen Lloyd gewährte, mit gewohnter 
Liberalität, dem Reisenden für die Fahrt von Triest nach 
Alexandrien, welches er am 17. Juli erreichte, bedeutende Er- 
leichterungen. Die Empfehlungen der Akademie und des Cura- 
toriums der Humboldt-Stiftung, des General-Consuls des 
Norddeutschen Bundes Hrn. Theremin und des Kaiserlich 
Russischen Vice-Consuls Hrn. Nicolaieff in Alexandrien 
hatten bei der Viceköniglichen Regierung so günstigen Erfolg, 
dafs unter anderem dem Reisenden zur Fahrt nach Suez ein 
Extrawagen für sein umfangreiches Gepäck unentgeltlich zur 
. Verfügung gestellt wurde. Die Fahrt von Suez nach Suakin 
machte Hr. Dr. Schweinfurth zum Theil auf einem -Dampfer 
der Schwefeleompagnie des Marquis Bassano, und erhielt so 
Gelegenheit, die noch wenig bekannten Schwefel- und Petro- 
leum-Minen der Gypsberge von Gimsah an der ägyptischen 
Küste des rothen Meeres zu besuchen. Von Suakin zog er mit 


vom 28. Januar 1869. 8 


zehn Kameelen nach Berber, aber nicht auf dem gewöhnlichen 
Wege, den er vor zwei Jahren gekommen, sondern einer Ein- 
ladung des ihm von seiner ersten Reise. her befreundeten 
Gouverneurs von Suakin folgend, über Singat, eine Sommer- 
frische der Suakiner. Hier verweilte er mehrere Tage in 
einer den Bergländern Abyssiniens sehr ähnlichen Gegend, 
und beobachtete unter anderem den neuen, von Hrn. von 
Heuglin erwähnten, noch nicht näher untersuchten Drachen- 
baum, Dracaena Ombet. Mit reichen Sammlungen und im Be- 
sitze einer neuen Karte sowie des barometrischen Nivellements 
der Strecke von Suakin nach Berber, schiffte er sich endlich 
am 10. October nach Chartum ein, wo er in dem Hause des 
Norddeutschen Vice-Consuls, Hrn. Duisberg, gastliche Auf- 
nahme fand. 

Die letzten Nachrichten vom Reisenden, aus Chartum vom 
10. December, eröffnen für den Fortgang des Unternehmens 
die erfreulichsten Aussichten. Hr. Dr, Schweinfurth ge- 
denkt in seinem Schreiben mit grofser Anerkennung der wohl- 
wollenden und energischen Unterstützung, die ihm Seine Ex- 
cellenz der Vicekönigliche General- Gouverneur des Sudans, 
Dschiaffer Pascha, zu Theil werden läfst. Derselbe hatte 
zwischen Hrn. Dr. Schweinfurth und einem in Chartum an- 
sässigen Koptischen Grofshändler, Ghattas, einen sehr vor- 
theilhaften Vertrag vermittelt. Danach sollte sich der Reisende 
einer von Ghattas ausgerüsteten, Chartum etwa am 7. Januar 
verlassenden Expedition anschlielsen, welche nach drei Mona- 
ten Port-Rek zu erreichen gedachte, von wo Hr. Dr. Schwein- 
furth noch 30 deutsche Meilen südlich bis zu einer für seine 
Zwecke, wie er glaubt, geeignet gelegenen Seriba (Factorei) vor- 
dringen würde. Übrigens beabsichtigte er schon vierzehn Tage 
früher als die Expedition, also um Weihnachten, mit einer 
eigenen Barke stromaufwärts aufzubrechen und die Expedition in 
' Faschoda (Denab), nördlich von der Sobat-Mündung, zu erwarten, 
um die Ufer des weilsen Niles auf dieser Strecke mit Mulse zu 
untersuchen. 

So wird, wenn nicht das Schicksal es noch anders will, das 
Jahr der Säcularfeier von Alexander von Humboldt’s Ge- 
burt sich der Lieblingswissenschaft seiner Jugend, der Pflanzen- 

[1869.] 6 


82 Öffentliche Sitzung vom 28. Januar 1869. 


kunde, ein neues, unstreitig an Wundern reiches Gebiet in 
seinem Namen erschliefsen sehen. 

Die Dauer der Reise des Hrn. Dr. Schweinfurth ist 
vorläufig auf zwei Jahre festgesetzt. 

Die in dem laufenden Jahre zu Stiftungszwecken verwend- 
bare Summe beläuft sich, abgesehen von 875 Thlrn., welche 
für Hrn: Dr. Hensel reservirt werden, ordnungsmälsig abge- 
rundet auf 2500 Thlr. 


Hierauf sprach Hr. Lepsius über Aegyptische Kunst. 


* 


ERDEHTSBERICHT 
A | _ KÖNIGLICH PREUSSISCHEN. 
"AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 
| ZU BERLIN. 


Februar: 1869. 


| Vorsitzender Sekretar: Herr du Bois-Reymon d. 


1 Februsr! ERREeN der philosophisch- histo- 
sinssgad rischen Klasse. 


een der 1a: Mittheilungen über Conservation und Re- 
stauration von Kunstdenkmälern. 


4. Februar. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Ewald las über Faserkalkbildungen. 


Hr. G. Rose legte eine zweite Mittheilung des Hrn. 
E. Reusch in Tübingen vor: 


Über die Körnerprobe am zweiachsigen Glimmer!). 
„Seit meiner ersten ‚Mittheilung über die Körnerprobe am 
Glimmer:bin ich durch die Güte des Herrn: Geheimeraths 
G. Rose in den Besitz einer grölseren Anzahl von Glimmern 
gelangt, an welchen fast durchweg irgendwelche krystallogra- 


”) Vergl. die erste Mittheilung in den Monatsberichten der Akade- 
mie vom Juli 1868, S. 428. 
[1869.] ® 


84 Gesammtsitzung 


phische Anhaltspunkte zu finden waren. Andrerseits erhielt ich 
von Herrn Prof. F. v. Hochstetter in Wien etliche sehr schöne 
Glimmer; und so hatte ich reiches Material, das mich nun erst 
in Stand setzte, die Glimmer näher kennen zu lernen. 


Die Thatsache, dafs einer der Radien der Schlagfigur bei 


einer gewissen Gattung von Glimmern senkrecht steht zur Ebene 
der optischen Achsen, bei-einer andern‘ Gattung aber parallel 
damit geht, habe ich auch .bei Glimmern von kleinem Achsen- 
winkel bestätigt gefunden. | 

Was aber meine Annahme über die krystallographische 
Bedeutung der Schlaglinien anbelangt, so sehe ich mich durch 
die Gesammtheit der neu gewonnenen Anschauungen veranlalst, 
dieselbe zu modifieiren, beziehungsweise zu vereinfachen. An 
den zuerst von mir untersuchten Glimmertafeln waren mir viel- 


fach prägnante Falten und Spalten entgegengetreten, die ich als 


zur Hauptsäule gehörig annahm; und zu diesen Falten waren 
zwei der Schlaglinien immer, senkrecht. Mehrere wohlbegrenzte 


Tafeln belehrten mich aber, dafs jene Falten zur zweiten Säule 
gehören. | | R 
Meine jetzige Auffassung ist daher folgende: 


Bus... Fig. IM. 


1.: In allen Glimmern geht der characteristische Radius y 


der Schlagfigur: parallel der Fläche g, (010), welche den schar- 
fen Winkel der Hauptsäule abstumpft, und die zwei: ‘andern 
Radien w, «# sind ‚parallel den’ Flächen m (110) der Haupsäule 
(Fig. I u. I). 

2. Bei einer ersten, am häufigsten vorkommenden Gattung 
von Glimmern, steht die Ebene der optischen Achsen ‚senkrecht 


vom 4 Februar 1869. 85 


auf y und fällt daher in die grofse Diagonale der Hauptsäule 
(Fig. D; bei der zweiten Gattung ist jene Ebene parallel mit 
y und fällt daher in die kleine Diagonale (Fig. I). | 

Leider habe ich von den Glimmern zweiter Art, wie sie 
Senarmont in seiner Liste von Nr. 34 bis 57 aufführt, nur we- 
nige in dem mir zu Gebot gestandenen Material vorgefunden. 
In Betreff der sächsischen Glimmer (Nr. 40) stimme. ich mit 
Senarmont überein; dagegen mufs ich den Glimmer vom .Bai- 
kalsee (Nr. 34) und den von Utö (Nr. 57), also den ersten und 
letzten der Liste nach meinen Bestimmungen zu der ersten 
Abtheilung zählen. Es wäre von Wichtigkeit für dle Würdi- 
gung der bekannten Hypothese Senarmont’s über die Constitu- 
tion der Glimmer, zu untersuchen, ob nicht bei der Bestimmung 
_ mehrerer Glimmer der zweiten Abtheilung die so leicht mög- 
liche Verwechslung der Säulenflächen m und g, statt gefunden 
hat. Sollte sich nemlich herausstellen, dafs bei den Glimmern 
zweiter Art die grofsen Achsenwinkel von 50° bis 70° gar nicht 
vorkommen, so würde dadurch die so sinnreiche Dr ar 
eine Stütze verlieren. 

Ich erlaube mir daher die Bitte an die Herren Mineralo- 
gen, sie mögen die ihnen zu Gebot stehenden Glimmer der 
zweiten Abtheilung einer sorgfältigen Prüfung unterziehen, und 
verbinde damit die Erklärung, dafs ich gerne bereit bin, das 
mir etwa anvertraute Material nach bestem Wissen zu unter- 
suchen und vollständig bestimmte Glimmerpräparate an die Zu- 
sender wieder zurückgehen zu: lassen.* 


An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 
Jahrbuch der, K. K. geologischen  Reichsanstalt. Jahrg. 1868.. XVIM. 
Band. Wien 1868. 8. 
men der K. K. geologischen Reichsanstalt. Jahrgang 1868. 
(Schlufs.) Wien 1868. 8. s 
‚Correspondenz-Blatt des zool. „mineralogischen Vereins in Regensburg. 22. 
Jahrg. Regensburg 1868. 8. | 
Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft in Ber lin. 'XX. Band 
3. Heft. Berlin 1868. 8. u 


ie 


86 ..  Gesammtsitzung‘ 


Mittheilungen der. K. K.‚Central-Commission zur Erforschung der Baal 
male. XIV. Jahrg. Januar-Februar: Wien.1869. 4 BR, 
Bulletin des naturalistes de. Moscow; no. 2. .Moscou 1868.18. | 
Bulletin de la societe vaudoise. X,.no. 60. Lausanne 1860. 8. 
Archivio giuridico. Bologna 1869. 8. A a | 
Memoires de la societe de Bordeaux. Tome VI, 2. a 1868. 8. 
Almanague nautico pera 1870. Cädiz 1868. 8. N ERED U RER, 
Giornale di scienze naturali. Vol. IV, 1.2.3. Palermo —_ ARE 
Annales academici. Lugd Bat. 1868: 4. Ä ij A 
Mi ide Gongora y Martinez, a icas de Andabueia. 
;, , Madrid 1868. 8. | 1,49 
Giuliari, ‚Scipione, Maffei 'e ‚la. ehe bibliöteca, ‚Genova .1868..: 8. 
Hirsch et Plan tamour, Nivellement de precision ‚de ld Suisse. Liyre 
II.. Genevre 1868. 4. ' | 
Belltrami, Teoria fondamentale degli spazi ‚di curvatara constante. 
Milano 1868. 4. 


11. Februar. Gesammtsitzung der Akademie. 
Hr. Rammelsberg sprach über die Construction einiger 
natürlicher Tantal- und. Niobverbindungen. 


Darauf legte Hr. Magnus den folgenden Auszug einer 
in dem hiesigen physicalischen Laboratorium ausgeführten Ar- 
beit des Hrn. Dr. E. Warburg vor. 


Über die Erwärmung fester Körper durch das 
| Tönen. 

Im 24ten Bande von Poggendorf’s Annalen erwähnt Wilh. 
Weber, dafs die Verschiedenheit in der Schnelligkeit des Ver- 
klingens beim Tönen, welches die verschiedenen Substanzen 
| zeigen, bei akustischen Untersuchungen seine Aufmerksamkeit 
“ erregt habe; er weis’t darauf hin, dafs der Luftwiderstand, der 
eine um so schnellere Abnahme der Amplituden bewirken | muls, 
je kleiner die Masse des Körpers ist, auf welchen er wirkt, 
zur Erklärung dieser Erscheinung nicht hinreiche und kommt 


vom ‘11. Februar 1869. 87 


zu dem Schlufse, ‘dafs dieselbe’ in der innern Natur der Kör- 
‘per begründet sein müsse. > | 

In der That verklingt Blei viel schneller, als Stahl, wäh- 
rend die Dichtigkeit des a bedeutend gröfser ist, als die 
des. Stahls. 

‚Nach .diesen engen muls ein Theil - a 

Kraft der Schwingungen : im Innern der. tönenden Körper ver- 
braucht werden, und liegt die Vermuthung: nahe, dafs. derselbe 
hier. in Wärme‘ umgesetzt wird; dieser Theil wird bei: den Ma- 
terien ‚besonders grofs ausfallen, ‘welche, wie z. B.: Blei, rasch 
verklingen,: /d. h.'nur einen geringen Antheil: der mitgetheilten 
Bewegung an! die umgebenden Medien abgeben. 
.., Zuiähnlichen. Betrachtungen geben: die Erscheinunkeh der 
Diümpfung! Anlafs, welche: Körper hervorbringen, die man: mit 
andern. tönenden ‘Körpern: verbindet.  . Setzt: man.:ein Bleirohr, 
selbst ein recht dünnes, an ein Glasrohr so an, dafs es. die 
Verlängerung desselben .bildet,. so findet man, dafs ‘der longi- 
tudinale Ton.;.des Glasrohres aufserordentlich stark gedämpft 
wird; dies findet selbst dann statt, wenn man dem Bleirohr die 
Länge einer .Halbwelle des Tones giebt, in: welchem Falle: die 
Dämpfung‘: am geringsten ist. Ein. Stahl oder 'Melsingstab 
bringt ‘unter. diesen Umständen keine merkliche Dämpfung her- 
vor. Auch diese Erscheinungen führen auf die Annahme, dafs 
ein. Theil der. lebendigen Kraft; der. Schwingungen im Innern 
der Körper verbraucht wird, in Folge dessen auf die. Annahme 
einer Wärmeerzeugung. durch. das Bone, und. zwar einer Sun 
seren in ‚Blei, als in Stahl. | 

‚Der. Verfasser stellte: sich die ‚Aufgabe, die keiner 
gung'durch das Tönen von. diesem ‚Gesichtspunkte aus zu un- 
tersuchen.') ‚Er bediente: sich dabei der Methode, dafs er..die 
eine Löthstelle eines Thermoelementes,; in dessen Schliefsungs- 
kreis: sich ein Galvanometer mit‘ astatischer Nadel befand; nach 
dem Tönen an die zu untersuchende Stelle anlegte; vor dem 
Beginn eines jeden ‚Versuches; üherzengie man sich, ' dafs das 


1) 'Dafs Wärme Äüreh ‘das Tönen in Fr Körpern erzeugt werde 
ist bisher experimentell nicht nachgewiesen; denn die Versuche von Sul- 
livan (Phil. Mag. Vol. XXVIL S. 261) und Le -Roux (C. R. L. = 
können als ein solcher Nachweis nicht betrachtet werden. 


88 .. @esammtsitzung 


Anlegen der Löthstelle keinen Ausschlag am Galvanometer ‚her- | 
vorbrachte. E 


Longitudinaltöne. 


Es gelang zuerst an einem Stabe aus Wachs (einem sehr 
rasch verklingenden Material), Erwärmung durch das Tönen 
nachzuweisen. Ein Wachsstab ward an ein diekwandiges Glas- 
rohr so angesetzt, dafs er die Verlängerung desselben bildete; 
seine-Länge betrug eine Halbwelle des Tones (berechnet nach 
der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles in Wachs, die der 
Vrf. ermittelt hat und worüber das Nähere in Pogg. Ann. erschei- 
nen wird). Legte man die Löthstelle des Thermoelementes nach 
dem Tönen an eine Stelle, wo ein Knoten war, so erhielt man 
einen Ausschlag von 300 Skalentheilen im Sinne der Erwär- 
mung; in den Bäuchen ergab sich nur ein “Anschlag” von = 
Skalentheilen in demselben Sinne. | 

Ein Bleirohr von 9=@®.äufs.. Durchm., statt des Wachses 
an, das erwähnte Glasrohr befestigt und auch von der Länge 
einer: halben Welle, zeigte im Knoten eine Erwärmung = 300 
bis 400 Skalentheilen, im Bauch — 40 Skalentheilen. Ein dün- 
neres Bleirohr (4”” äufs. Durchm.) von derselben Länge, mit 
demselben Glasrohr verbunden, erwärmte sich viel stärker; 
man erhielt einen Ausschlag von 600 Skalentheilen als das 
Thermoelement nach dem Tönen an den Knoten angelegt wurde. 
Es wurden sodann die beiden Bleiröhren parallel neben einan- 
der an demselben Ende des Glasrohres befestigt; in diesem 
Fall erhielt man in beiden merklich gleiche Erwärmung. Es 
ist daraus zu schliefsen, ‘dafs ein dünneres und dickeres Rohr 
bei gleicher Gröfse der Schwingunsamplituden in der Einheit des 
Querschnittes gleich viel Wärme entwickeln, und dafs das dün- 
nere Rohr sich in dem oben erwähnten Versuche nur deshalb 
stärker erwärmte, weil die Gröfse der Schwingungsamplituden 
. in demselben eine grölsere war; das letztere zeigte sich darin, 
dafs der Ton des Systems eine merklich gröfsere Intensität er- 
hielt, wenn man das dickere Rohr durch das dünnere ersetzte. 

Zu ähnlichen Resultaten führte die Untersuchung selbst- 
tönender Bleiröhren. Von drei Röhren gab bei gleicher Wand- 
dicke und Länge 


vom 11. Februar 1869. 89 


ein Rohr. von lie äufs. Durchm. ‘nach anhaltendem kräftigen 
Anreiben ‘im Knoten gar 
keinen Ausschlag. 
IRRE EBENE eds. 19b.,21200rSKkalthı 
alien »Aymırn „ 5 us Umrgg HER 
. Die Stärke des Ausschlages nahm ab, je weiter man sich vom 
Knoten ‚entfernte und in den Bäuchen ward so gut wie gar 
keine Erwärmung beobachtet. Es unterliegt wohl nach dem 
Obigen ‘keinem Zweifel, dafs auch hier die stärkere Erwär- 
mung ‘dünnerer Röhren sich einfach dadurch erklärt, dafs die 
Schwingungsamplituden bei gleicher 'Kraftäufserung der ton- 
erzeugenden Ursache in engeren Röhren 'eine 'gröfsere sein 
mufs, als‘ in weiteren, weil bei weiteren eine gröfsere Masse 
in Bewegung gesetzt werden mufs, als bei engeren. 

Nachdem in dieser Weise festgestellt war, durch welche 
Einrichtung des Versuchs man eine möglichst starke Tempe- 
raturerhöhung ‚durch das Tönen erhalten könne, gelang es mit 
Leichtigkeit, auch bei andern Metallen eine solche nachzu- 
weisen, hier indefs nur dann, wenn die Metalle in Form dünner 
Dräthe mit’ einem tönenden ' Glasrohr verbunden, in kräftige 
Schwingungen versetzt wurden. : Ein: 14—2"”" dünner Messing- 
drath, dessen Länge gleich der Halbwelle des: Glasrohrtones, 
gab im Knoten: eine 100: Skalentheilen entsprechende :Erwär- 
mung; 'vergröfserte man durch Verkürzung des Drathes die 
Stärke der Resonanz, :so wurden 300 Skalentheile erhalten. 
Demnächst folgen nach der Stärke der beobachteten 'Tempe- 
raturerhöhung: Kupfer, Eisen, Stahl, Holz. | 

Ein durch. seine dämpfenden Eigenschaften sehr ausge- 
zeichneter Körper ist bekanntlich das Kautschuk. Dem ent- 
sprechend erhielt man von einem kurzen, an; das tonerzeugende 
Glasrohr angefügten Kautschukröhrehen dicht an der Ansätz- 
stelle desselben eine Erwärmung von über 1000 Skalentheilen. 
Ein Thermometer, das, vor dem Tönen angelegt, 19° ‚zeigte, 
stieg, nach dem Tönen angelegt, auf 21°; die wirkliche Tempe- 
raturerhöhung mufste danach viel über 2° betragen. 

; Während bei Röhren aus anderem Material, wenn sich 
mehrere Knoten bilden, die Temperaturerhöhung in ‘den ver- 
schiedenen Knoten ziemlich gleich ausfällt, ist die Erwärmung 


90 .@esammtsitzung 


beim Kautschuk nur auf,eine geringe Entfernung von der An- 
satzstelle an das Glasrohr wahrnehmbar. Dieses auffallende 
Resultat rührt ‚offenbar davon her, dafs auf dem Wege durch 
das Kautschuk. der Schall so sehr geschwächt wird, dals er 
bald eine zu geringe Intensität besitzt, um 'eine melde Er- 
wärmung zu verursachen. | 

Der einzige untersuchte Körper, bei ln es: mir nicht 
gelang, eine Temperaturerhöhung durch das’ Tönen zu erhalten, 
war. das Glas. Dünne Glasröhren, .durch Resonanz: in : starke 
Schwingungen versetzt,  sprangen jedesmal 'entzwei; und mit 
dickeren. Stäben ist es mir. nicht ‚gelungen, Wärmeentwicklung 
zu beobachten, wahrscheinlich weil dieselben nicht in :hin- 
‚reichend kräftige Hahwingängen versetzt werden-konnten. 


Transversaltöne. 


. Nach ER Vorigen sind abwechselnde Verdicigiehhe und 
Verdünnungen, "welche bei Longitudinaltönen auftreten, :eine 
wesentliche Bedingung der Erwärmung durch das ‚Tönen. Da 
auch’ mit ‘den Biegungen, welche bei: den Transversalschwin- 
gungen eintreten, Verdichtungen und Verdünnungen''verbunden 
sind,-so war auch bei den Transversalschwingungen eine Tem- 
peraturerhöhung zu erwarten! ‘Es gelang auch, eine solche zu 
erhalten, indefs' zeigte sich 'eine viel eomplieirtere Vertheilung 
der erzeugten: Wärme, als ‘bei’ den Longitudinaltönen. : Man 
bedient sich zur Erzeugung des Tones am besten einer Stimm- 
gabel, indem man mit der einen Zinke die zu untersuchenden 
Körper in Form dünner Röhren oder Dräthe‘'so verbindet, dafs 
diese die Verlängerung der betreff. Zinke bilden. :' Durch dieses 
Verfahren gelang es, beim Kautschuk; ' Blei,‘ Messing, Kupfer, 
Eisen, Stahl’ Temperaturerhöhungen nach dem Tönen nachzu- 
weisen, und entsprach die Stärke derselben bei den verschie- 
denen Materien den durch Longitudinalschwingungen erhaltenen 
Werthen. Man findet indefs:in den Schwingungsbäuchen bei 
_ den Transversalschwingungen:nach dem Tönen im Allgemeinen 
eine ebenso starke Temperaturerhöhung, als in: den Knoten, 
ja beim Kautschuk wurde in den ;Bäuchen mit Sicherheit eine 
noch 'grölsere erhaltenz;''nur am freien Ende war die: Erwär- 
mung überall: Null. Der letzte Umstand führt zur Erklärung 


vom 11. Februar 1869. 91 


der Erscheinungen. Es sind nämlich bei den Transversal- 
schwingungen die Stellen stärkster Biegung, welche an 
frei tönenden Stäben nahe mit den Bäuchen zusammenfallen, 
auch Stellen stärkster Wärmeerzeugung, gleichwie bei den 
Longitudinalschwingungen die Stellen stärkster Dichtigkeits- 
änderung, welehe mit den Knoten zusammenfallen, sich 
als Stellen stärkster Wärmeerzeugung erwiesen haben. In 
_ entsprechender Weise nimmt nach Kundt’s Versuchen!) die 
Wirkung tönender Stäbe auf das hindurchgehende polarisirte 
Licht bei den Longitudinalsehwingungen nach den Bäuchen 
bei den Transversalschwingungen nach den Knoten und den 
freien Enden zu ab. 

Wir können danach schliefslich das experimentelle Resultat 
dieser Untersuchung dahin zusammen fafsen, dafs jeder feste 
Körper sich beim Tönen wahrnehmbar erwärmt, sofern dabei 
hinlänglich starke Verdichtungen und Verdünnungen auftreten, 
und dafs die Stärke der Erwärmung mit der Intensität dieser 
Verdichtungen und Verdünnungen sehr schnell anwächst. 

Es hat sich ferner herausgestellt, dafs die verschiedenen 
Körper eine um so gröfsere Temperaturerhöhung nach dem 
Tönen zeigen, je rascher sie verklingen, resp. je stärker sie 
den Ton anderer Körper dämpfen; dabei berechtigt die Gröfse 
der Verschiedenheit in den erhaltenen Temperaturerhöhungen 
zu der Behanptung, dafs die grölseren Temperaturerhöhungen 
nicht auf einer geringeren specifischen Wärme der betreffenden 
Körper beruhen, sondern darauf, dafs eine grölsere Wärme- 
menge beim Tönen in denselben erzeugt wird. 

Bei der Vergleichung der verschiedenen Körper rücksicht- 
lich der durch das Tönen erzeugten Wärmemenge drängt sich 
ferner die Bemerkung auf, dafs die Wärmeerzeugung in den 
Körpern um so gröfser ist, je kleiner deren Schallgeschwin- 
digkeit; sie ist am grösten im Kautschuk, in welchem Material 
der Schall kaum 40 Meter in der Sekunde zurücklegt. Es 
hängt dies jedenfalls damit zusammen, dafs mit der Schallge- 
schwindigkeit die Wellenlänge abnimmt und bei gleicher Stärke 


1) Pogg. Ann. 123. 


92 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


der Erregung in den kürzeren Wellen die Verdichtungen und 
Verdünnungen gröfser ausfallen müssen, als in den längeren. 

Dabei bleibt nicht ausgeschlossen, dafs auch specifische 
Unterschiede der Materie zu der Verschiedenheit der Wärme- 
erzeugung in den verschiedenen Körpern beitragen. 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 
vorgelegt: 

Astronomische Nachrichten. Band 72. Altona 1868. 4. 

Luerssen, Zur Controverse über die Einzelligkeit oder Mehrzelligkeit 
des Pollens der Onagrarien, Cucurbitaceen und Üorylaceen. Jena 
1868. 8. Mit Schreiben des Verfassers d. d. Bremen 29. Januar 
1869. 

Recht, Die. Entwicklung der Weltgesetzee.e München 1869. 8. Mit 
Schreiben des Verfassers d. d. München 9. Februar 1869. 

K. v. Estorff, Brief an Hrn. Prof. E. Desor. (Abdruck aus der 
Allg. Zeitung.) Zürich 1869. 8. 

G. Appun, Über die Helmholtz’sche Lehre von den Tonempfindungen. 
(Separatabdruck.) Hanau 1863—1867. 8. 


15. Februar. Sitzung der physikalisch-mathe- 
matischen Klasse. 


Hr. Pringsheim las: 


Über die Bildungsvorgänge am Vegetätionskegel 
von Utricularia vulgaris. | 

In den folgenden Blättern gebe ich die Resultate einiger 
Untersuchungen über Bildungsvorgänge am Vegetationskegel 
von Utricularia, die bereits vor Jahren meine Aufmerksamkeit 
auf sich gezogen hatten. 

Sie betreffen den Entstehungsort und die Entwicklungsfolge der 
Seitenorgane dieser Pflanzen und stehen daher im Zusammenhange 
mit den Versuchen, den morphologischen Werth der Pflanzen- 
organe aus ihrer Entwickelungsgeschichte zu bestimmen, ferner 
beziehen sie sich auf den anatomischen Bau des Vegetations- 


vom 15. Februar 1869. 93 


kegels und berühren die aufgewörfene Frage nach dem einheit- 
lichen oder gesonderten Ursprunge der anatomischen Gewebe 
des Stammes. Für die Utrieularien im Besonderen versuchen 
sie die verwickelten Verhältnisse ihrer Verzweigung aufzuklä- 
ren und' den morphologisch differenten Werth ihrer Sprosse 
nachzuweisen. — | 

Unter den Vegetationsspitzen der Phanerogamen, die meist 
flach sind oder sich nur wenig über ihre Blattanlagen erheben, 
zeichnen sich, 'wie bekannt, vorzugsweise die der vegetativen 
Sprofse einiger Wasserpflanzen durch ihre Ausbildung zu schlan- 
ken, die jüngsten Blattanlagen weit überragenden Vegetations- 
kegeln aus. Derartige hohe Vegetationskegel sind bekannt von 
Ceratophyllum, Myriophyllum, Hippuris, Elodea, Hydrilla und 
Aldrovandia. Zu: ihnen treten nach meinen Beobachtungen auch 
die Vegetationsspitzen unserer einheimischen Utrieularien und 
wahrscheinlich die. aller schwimmenden Arten dieser Gattung 
hinzu; Utricularia ‚dichotoma dagegen hat z. B. nach einer Beob- 
achtung an einem einzigen Keimlinge, mehr stand mir nicht zu 
Gebote, wie es scheint, nur eine flache Vegetationsspitze. 

Utriculuria vulgaris, auf welche Species sich zunächst die 
nachfolgenden ‘Beobachtungen beziehen, besitzt einen Vegeta- 
tionskegel von einer Höhe, die das Doppelte des Durchmessers 
seiner Basis an den jüngsten Blattanlagen erreichen kann; 
er wird bei kräftig entwickelten. Exemplaren etwa 4 Milime- 
ter. hoch. — | 

Von allen mir bekannten, schlanken Vegetationskegeln von 
Cormophyten — von diesen allein ist hier die Rede — unter- 
scheidet sich aufserdem der Vegetationskegel von Utricularia 
noch in auffallender Weise durch seine bedeutende hackenför- 
mige Krümmung (Fig. 1), die sich noch eine Strecke weit in 
die Axe unterhalb der jüngsten Blattanlagen. fortsetzt, etwa so- 
weit als diese in der bald überhängenden, bald seitlich ab- oder 
aufgerichteten Endknospe der schwimmenden Pflanze verbor- 
gen ist. Jeder Sprofs' der Utrieularia ist nämlich an seiner 
Spitze nicht nur nach Art der jungen Farrnwedel spiralig ein- 
gerollt (Fig. 2), wie dies schon unmittelbar sichtbar ist und 
von Irmisch und Buchenan bemerkt worden ist, sondern die 
letzte Windung der Axenspirale wird noch von dem über die 


94 Sitzung der .physikalisch-mathematischen Klasse 


jüngsten Blattanlagen: sich erhebenden, ee es 
kegel selbst gebildet (Fig. 1). 19 | 

Anatomisch ' beruht seine Krümmung auf der voreilenden 
Entwiekelung der Segmente seiner Rückenfläche. Über die be- 
wirkende Ursache, die hier nicht blofs die gröfsere Dehnung, 
sondern auch die raschere Vermehrung der Zellen der convexen 
Hälfte hervorruft, ‘denke ich meine Beobachtungen’ später mit- 
zutheilen. ‘Für die gegenwärtige, rein morphologische Aufgabe 
genügt es zur ersten Orientirung über die am Kegel auftreten- 
den Bildungsvorgänge auf die Krümmung aufmerksam gemacht 
zu haben. ° In Bezug auf diese ‘will ich jedoch hier’ noch 
hinzufügen, dafs meines Wissens’ an anderen schlanken 'Vegeta- 
tionskegeln von 'Cormophyten sich 'nur hin \und: wieder ganz 
leichte Andeutungen derartiger Krümmungen finden!) und auch 
diese 'sind,'wo sie auftreten, nicht überall constant. — So z.B. 
erscheinen in gewissen selteneren Fällen die Vegetationskegel von 
Ceratophyjlium, die gewöhnlich eine gerade Axe besitzen, 'leicht 
gekrümmt 'und'ebenso scheint sich ‘der Vegetationskegel von 
Aldrovandia?) zu’ verhalten. Eine beständige Krümmüng dage- 
gen, die'jedoch nur sehr schwach 'angedeutet ist, tritt noch 
beim Vegetätionskegel von Salvinia?) auf und hier’ ist es leicht 


2) Eine sehr häufige Erscheinung bei niedrigen Vegetationsspitzen 
mit sehr nahe unter der Spitze hervortretenden Zweigsprossungen ist bekannt- 
lich die Richtungsänderung der Axe der Vegetationsspitze, in Folge deren 
diese. zu einer gebrochenen Linie wird. Von diesen nicht seltenen Fällen 
unterscheiden sich jedoch die wahren Krümmungen leicht dadurch, dafs 
bei ihnen die Axe der eigentlichen Vegetationsspitze —: d. h. der über 
die jüngsten Seitensprossungen hervorragende Theil — stets eine krumme 
Linie bildet, und so liegt auch die Ursache der erst erwähnten Richtungsän- 
derung der Axe in einer Ablenkung der Wachsthumsrichtung der Haupt- 

axe durch die überwiegende Ausbildung seitlicher Sprosse, die Ursache 
der Krümmung dagegen in ungleichzeitiger Entwickelung der convexen 
und concaven Hälfte des Vegetationskegels. = 

2) Ich schliefse dies aus einer Zeichnung von upan in Bot. Zeit. 
1862. Taf. VII. Fig. ‘23. 


3) Siehe meinen Aufsatz über Salvinia. Jahrbücher f. wiss. Bot. 
III. Taf. XXIV. Fig. 2.4. XXV‘ Fig. 6. | 


“vom 15. Februar 1869. 95 


zu::constatiren; dals' dieselbe eine Aufwärtskrümmung der 
Spitze der überhängenden Endknöspe ist und: dafs 'dierunmittel- 
bar unter: der Scheitelzelle befindliche Region — etwa ‘die 4 
jüngsten Stengelsegmente umfassend — hier ae, PIERRE 
Stelle. bildet. 

»-Nächst seiner areitg zeigt der Veetatiahskeiel von 
Utricularia vulgaris nun’ zugleich noch ein auffallendes Verhal- 
ten in ‚Bezug auf die Ursprungsstellen der an ihm. hervortre- 
tenden Seitensprossungen. — Die Blätter allerdings zeigen 
keine Abweichung von den gewöhnlichen Vorgängen. Sie ent- 
springen (Fig. 1) in zwei Reihen auf den 'beiden Seiten des 
Vegetationskegels, die ich im Gegensatze zu. der ‚convexen 
Rückenfläche (r) und der concaven Bauchfläche (ec), in welcher 
der Krümmungswinkel (bei v) liegt,als seine Seitenfläehen bezeich- 
nen will. Von ihrer Entwickelungsgeschichte nur so viel, als 
zum ''Verständnils des Spätern unumgänglich nöthig ist. Sie 
entstehen, wie gewöhnlich, ‘als stumpfe, zellige Hervorragungen, 
deren jüngste (bY)'etwa in der Höhe des Krümmungswinkels sicht- 
bar wird. ' Kurz nach ihrer Anlage erscheint ihr vorderer Rand 
“ausgebuchtet (5/77 b2P Fig. 1) und hierdurch ist die erste Andeu- 
tung der Spaltung des Blattes in die beiden mittleren, stärksten 
Hauptzipfel desselben gegeben. An diesen ersten ‚Zipfeln ent- 
stehen dann aus dem rechten auf seiner rechten Seite, aus dem 
linken auf dessen linker Seite je ein seitlicher Zipfel und hier- 
mit ist’ die Grundgestalt des Blattes von Utricularia angelegt, 
das seiner typischen Form nach als vierspaltig-handförmig mit 
zwei gröfseren mittleren und zwei kleineren seitlichen Zipfeln 
bezeichnet werden kann. — Die weiteren Theilungen dieser _ 
vier'ersten Hauptzipfel des Blattes, aus: welchen später die 
“ seitlichen Sprossungen jedes ‘Hauptzipfels: in acropetaler Folge 
hervorgehen, sind ‘unbestimmt, indem: bei ‘den : verschiedenen 
Exemplaren, namentlich aber bei den Sprossen verschie- 
dener Dignität, welche bei Diricularia auftreten, die Anzahl 
der Sprossungen der vier ersten oder Haupt-Blattzipfel eine sehr 
verschiedene sein kann; wodurch die Blattform bald :mehr ‚oder 
weniger zahlreich fiedrig getheilt erscheinen kann, wobei jedoch 
immer 'die vier Hauptblattzipfel, als deren Seitensprossungen 
die andern Abschnitte erscheinen, deutlich hervortreten;, bald auf. 


96 Sitzung der :physikalisch-mathematischen Klasse 


die ersten vier Hauptblattzipfel allein, die keine weiteren Bar 
sungen gebildet haben, reducirt ist. 1 | 

Die Haare, zweizellige, von einem einkeiligeh 8 Stiel getra- 
gene Köpfchen, werden bei Utrieularia schon vom: Vegetations 
kegel angelegt. Sie treten allseitig auf dem Kegel auf, vor- 
wiegend jedoch und namentlich zuerst erscheinen sie auf dessen 
Rückenfläche und hier reichen sie (k' h?’h,... Fig. 1) bis weit 
oberhalb der jüngsten Blattanlagen hinauf. Ihr Hervortreten 
am Vegetationskegel eilt also der Zeit nach dem Hervortreten 
der Blätter: voraus und es ist daher der Vegetationskegel von 
Utricularia oberhalb der jüngsten Blattanlagen nicht, wie man 
gewöhnlich annimmt, nackt; sondern deutlich, oft mit zahl- 
reichen Haaren bis ganz nahe an seiner Spitze bekleidet. ' 

Getrennt von den Blättern auf der Bauchseite der Vegetations- 
kegel (vFig. 1u.v v1»? v*v* Fig.2) entstehen neue Vegetations- 
kegel. Die jüngsten, die als eben beginnende Hervortreibungen 
kenntlich werden unmittelbar am Krümmungswinkel, also:.in 
einer Region, die dem Scheitel des Vegetationskegels‘ näher 
‚liegt, als die jüngste Blattanlage und ihre Bildung erfolgt, ohne 
jede Beziehung zu einem Blatte des Vegetationskegels. Denkt 
man sich dessen Krümmungen aufgehoben, so liegen daher ur- 
sprünglich die bisher besprochenen Organe — abgesehen von 
den allseitig auftretenden Haaren — in drei Reihen, von denen 
zwei Blattreihen sind, die dritte peripherisch von. beiden: etwa 
90° 'abstehende die über einander stehende Reihe der neuen 
Vegetationskegel bildet (vo! v’ w* ... Fig. 2). 

Diese aber wachsen nicht unmittelbar zu seitlichen Laub- 
zweigen aus, sondern bilden sich in höchst eigenthümliche Or- 
gane um, die zwar früher bereits gesehen, aber mit den nor- 
malen Laubzweigen der Pflanze vermengt worden sind. ‚Ich 
will diese Organe als Ranken oder vielleicht besser als ranken- 
artige Knospen mit ruhender Vegetation bezeichnen. — Die 
erwähnten Vegetationskegel, aus denen sie entstehen, | nehmen 
nämlich zwar kurz nach: ihrer ' Anlage die characteristische 
Krümmung der normalen Vegetationskegel von Utricularia an, 
bilden jedoch oberhalb ihres einzigen zu bedeutenderer Länge 
entwickelten, basalen Internodiums nur noch wenige, kurze In- 
ternodien und ganz kümmerliche und völlig 'ungetheilte Blätter 


vom 15. Februar 1869. | 97- 


(v! v? v® vt Fig. 2 u.. Fig. 10. 11. 12). Auf diesem unfertigen 
Entwickelungszustande sind sie noch an: den erwachsenen Thei._ 
len der Pflanze zu finden ‘in. Form von kleinen, unter ihrer 
Spitze arm und abweichend beblätterten Haken. Eine bedeut- 
same Erscheinung, die für, die morphologische Erklärung der 
Organe, und Stellungsverhältnisse später wichtig wird, und 
auf welche ich ‚gleich hier aufmerksam ‚machen muls, ist die 
Thatsache, dafs ohne Ausnahme sämmtliche rankenartige Zweige 
gegen die Spitze ihrer Tragaxe zu gekrümmt sind (v?iv? 
v* Fig. 2). | | 

Wie.es scheint ‚spärlicher als die Vegetationskegel, aus 
denen die eben beschriebenen rankenartigen Zweige oder Knos- 
pen werden, treten am Vegetationskegel der Mutterpflanze die- 
jenigen neuen, Vegetationskegel auf, aus denen die normalen 
Seitenzweige der Mutterpflanze hervorgehen. Sie unterschei- 
den sich bald nach ihrer Anlage von den Vegetationskegeln jener 
rankenartigen Zweige durch ihre in allen Theilen stärkere Aus- 
bildung ‚und ihr den Vegetationskegeln der Mutterpflanze gleich- 
artiges Verhalten in: Bezug auf die Anlage und die Form ihrer 
eigenen: Seitensprossungen. Ihr Entstehungsort fällt in oder 
neben die Achsel ihres Tragblattes, jedenfalls ganz in die Nähe 
desselben. Bei ihrer geringen Anzahl, da nur sehr wenige 
Blätter diese normalen Seitenzweige besitzen, ist es mir bisher 
nicht möglich gewesen ihre Ursprungsstelle am Vegetationske- 
gel noch genauer festzustellen. 

Die Blüthen endlich treten schon in sehr frühen userg; 
zuständen der Pflanze aus deren Axe hervor. Auch die Anlage 
zum Blüthenstande entsteht aber hier nicht in einer Blattachsel, 
sondern sie erhebt sich am Grunde der Anlage eines Seiten- 
zweiges und ebenso auch am Grunde der Anlage zu einem 
rankenartigen Zweige (B Fig. 2), also hier ganz entfernt von 
jedem Blatte, und zwar steht dieselbe dicht neben der Basis 
des normalen oder rankenartigen Zweiges meist nicht seitlich 
neben, sondern etwas vor demselben fast in dem Winkel, den 
der Zweig mit der Achse der Mutterpflanze bildet, so dals man 
in ınanchen Fällen mit gutem Rechte sagen kann, der Blü- 
thenstand trete bei Utricularia aus der Achsel eines Zweiges 
hervor. 


98 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


' Die ‘eben geschilderten Bildungs-Vorgänge am Vegetations) 
kegel von Utrieularia lassen 'einige für die allgemeinere mor- 
phologische Betrachtungsweise der Organe nicht 'uninteressante 
Thatsachen 'hervortreten, deren einfache eo ich 
hier mit einigen Worten berühren will:  - an 

Hofmeister hat in seiner allgemeinen Morpholögie der Ge: 
wächse'), den an'sich wohl ansprechenden Gedanken entwickelt, 
dafs der .morphologische Rang der Seitensprossungen gleichen 
Schritt hält mit der Höhe ihrer Ursprungsstellen am Vegetations- 
kegel. Gewils ist zuzugeben, dafs diese Ansicht dem thatsächliehen 
Befunde der überwiegend gröfsten Mehrzahl’ der Fälle entspricht. 
Dafs sie jedoch 'nicht die'allgemeine Geltung besitzt, "die ihr 
Hofmeister zuspricht, beweist schon dieser eine von’ mir gefun! 
dene und leicht zu constatirende Fall der Entstehung der'Häare 
am Vegetationskegel von''Utricularia”) ‘oberhalb aller andern 
seitlichen Anlagen. : Übrigens dürften genauere’auf diesen Punkt 
gerichtete Untersuchungen jetzt wohl mehr derartige Fälle ans 
Licht ziehen.?) ''Begründeter als die Vorstellung, dafs der mor- 
phologische Werth der Haare ihre Ursprungsstelle bestimmt, 
scheint mir die‘ Ansicht, dafs die Zeit der ersten Entstehung 


1) Handbuch : der physiologishhen Baia h, Bqd..I .p. 408 — 416 
in . dem Abschnitte „Sprossungen verschiedener Dignität“ namentlich 
a u ge | nr 

2) Ich mufs hier bemerken, dafs Hofmeister an dem an eitirten 
Orte p. 212 auch Utricularia vulgaris — vermuthlich gegenüber einer 
ihm schon vor Jahren von mir gemachten mündlichen Mittheilung über die 
Entstehung der Haare am Vegetationskegel von Utricularia' — als eine 
Pflanze aufführt, die von dem 'von ihm aufgestellten Gesetze der Ent- 
wickelungsfolge der Organe ‚nicht: abweicht... Auch ' nach. wiederholter 
Prüfung der Thatsachen weils ich mir, den. Widerspruch in ‘unsern An- 
gaben über den Bau des Vegetationskegels dieser Pflanze und über die 
Stellung der Organe, die er trägt, nicht zu erklären. | 


3) Vielleicht bietet Cunonia ‚capensis schon einen zweiten ähnlichen 
Fall. Die Darstellung bei Hanstein.(Bot. Zeit. 1868 p. 705) läfst mich 
dies vermuthen, obgleich freilich aus der dortigen Beschreibung, da Han- 
stein diesen Punkt nicht besonders im Auge hatte, nicht recht ersichtlich 
ist, ob die Haare dort blofs über die jüngsten Blätter hinausragen, oder ° 
wirklich oberhalb deren Ursprungsstelle entstehen. 


‚vom 15. Februar 1869. 2%. 0898 


der Haare mit der Zeit der Differenzirung der Epidermis im 
Zusammenhange steht. Wie Utricularia zeigt, kann diese aber 
schon sehr früh am Vegetationskegel selbst fast unmittelbar 
unter seinem Scheitel eintreten. 

. Nicht minder interessant, als die Entstehungsart der Haare, 
scheint mir der Nachweis der Ursprungsstelle jener neuen Ve- 
getationskegel, aus denen die bisher nicht unterschiedenen, ran- 
kenartigen Sprosse oder Knospen von Dtricularia vulgaris her- 
vorgehen. — Über deren volle Bedeutung bleibt allerdigs noch 
so lange ein Zweifel, als ich noch nicht mit Sicherhelt anzu- 
geben vermag, ob sie später noch in Verbindung mit der Pflanze 
oder getrennt von derselben einer Weiterentwickelung zu fort- 
pflanzungs- oder vermehrungsfähigen Sprossen fähig sind. Ich 
glaube dies zwar nicht, allein die von mir bisher aus Winterknos- 
pen erzogenen Pflanzen sind noch nicht alt genug, um hierüber 
mit absoluter Gewilsheit zu entscheiden. Soviel steht aber fest, 
dafs es Sprosse sind von einer von der der normalen Seitens- 
prosse abweichenden, gleichsam niedrigeren Dignität. Wir ha- 
ben daher bei Utriculariu zunächst schon zweierlei Arten von 
Laubsprossen zu unterscheiden. Erstens die in geringer An- 
zahl auftretenden ersten Seitenzweige der Pflanze, die ich die 
normalen Seitenzweige oder dienormalen Laubsprosse 
nennen will und die, wie oben angegeben war, unmittelbar neben 
dem Tragblatte aber auch nicht, wenigstens nicht immer, genau 
in dessen Achsel entstehen, und zweitens die rankenartigen 
Sprosse oder Knospen, welche an ganz bestimmter Stelle am 
Vegetationskegel ganz unabhängig von jedem Blatte der Pflanze 
ihren Ursprung nehmen. — Was die ersteren betrifft, so mag 
hier noch ausdrücklich erwähnt sein, dafs sie niemals — eben 
so wenig wie die Axillarknospen der übrigen Wasserpflanzen 
mit schlanken Vegetationskegeln — etwa aus einer wahren 
Dichotomie des Vegetationskegels hervorgehen, sondern sie sind 
unbedingt, wie jene, Seitenorgane des Vegetationskegels. 

Was nun die rankenartigen Sprosse betrifft, so zeigen diese 
in ihren Characteren zwar bedeutende Unterschiede von den 
normalen Laubsprossen, verhalten sich aber in ihren Jugend- 
zuständen und ihren wesentlichsten Entwickelungssphänomenen 
dagegen wieder bald ihnen völlig gleich oder doch ähnlich. 

[1869.] 8 


100 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Sie unterscheiden sich von ihnen, wie bereits hervorgeho- 
ben, durch den Ort ihrer Entstehung am Vegetationskegel und 
durch ihre völlige Unabhängigkeit von den Blättern, die sie 
auch im späteren Alter beibehalten. Sie stehen nämlich auch an 
den älteren Theilen der erwachsenen Pflanze stets entfernt von 
den Blättern an solchen Stellen der Axe, die der Bauchseite 
des Vegetationskegels, aus welchem die Axe hervorging, entspre- 
chen. Sonst halten sie in ihrer Stellung gar keine bestimmte Be- 
ziehung zu irgend welchen Organen der Pflanze ein. Treten sie 
am Knoten auf, so stehen sie bald in gleicher Höhe mit der 
Ansatzstelle des Blattes, welches dieser Knoten trägt, bald tie- 
fer, bald höher, und am Bezeichnendsten für ihre Unabhängig- 
keit ist, dafs man sie an beliebigen Stellen zwischen den Kno- 
ten oft mitten auf einem Internodium antreffen kann (Fig. 12), 
doch jedesmal nur auf der der Bauchseite des Vegetationskegels 
entsprechenden Region der Axe. 

Dem widerspricht natürlich nicht, dafs sie auch hin und 
wieder neben einem’ Blüthenstande oder einem normalen Seiten- 
zweige gestellt sind und es ist sogar ein häufiger Fall, dafs, 
wenn diese rankenartigen Sprosse am Knoten stehen, zwischen 
ihnen und dem Blatte des Knotens, wenn auch nicht in glei- 
cher Höhe, zunächst ein Blüthenstand, und dann dem Blatte 
am Nächsten oder schon theilweise vor demselben ein norma- 
ler Seitenzweig befindlich ist. 

Fernere Unterschiede dieser rankenartigen Sprosse von den 
normalen Seitensprossen gehen dann aus der frühen Unter- 
brechung der Neubildung von Organen unter ihrer Spitze, aus 
der abweichenden Gestalt der Blätter und aus der eigenthüm- 
lichen Krümmung, ihres einzigen stark entwickelten basalen In- 
ternodiums (J-J Fig. 12), welches ihre äufsere Gestalt vorherr- 
schend bestimmt, hervor. 

Dagegen gleichen sie wieder den normalen Sprossen, so- 
wohl in der Krümmung ihres Vegetationskegels (v Fig. 12), als 
auch in der Anlage der Seiten- namentlich der Blattorgane, die 
gleichfalls in zwei Reihen an den beiden Seitenflächen des Ve- 
getationskegels hervortreten und endlich noch in der Behaarung 
der Vegetationsspitze. | 


vom 15. Februar 1869. 101 


‘Der von mir gewählten Bezeichnung dieser Organe als 
rankenartige Sprosse oder Knospen — das Letztere, weil ich 
noch nicht unbedingt ihre spätere Weiterentwickelung zu ne- 
giren vermag — liegt zunächst ihre eigenthümliche Erscheinung 
im ausgebildeten Zustande an den Knoten und Internodien der er- 
wachsenen Pflanze zu Grunde, ferner ihr Entstehungsort, da auch 
in andern Fällen rankenartige Sprossformen einen von den Blät- 
tern unabhängigen Ursprung nehmen möchten, worauf mir die 
Untersuchungen von Naegeli und Schwendener') über den Ur- 
sprung der rankenartigen Sprosse von Vitis und Ampelopsis hinzu- 
deuten scheinen; wenn nicht etwa deren Zeichnungen der Stengel- 
spitzen eine andere, als die dort gegebene, Deutung verlangen. 

‚Wie es aber auch bei Vitis und Ampelopsis sich verhalten 
mag, für Diricularia kann die von den Blättern unabhängige 
Entstehung dieser Ranken keinem Zweifel unterliegen. Sie tritt 
zu der grossen Anzahl bekannter analoger Fälle bei höheren 
Cryptogamen als ein leicht zu constatirender und keine andere 
Deutung zulassender Fall unter den Phanerogamen hinzu und 
ich kann mich in dieser Beziehung nur der Ansicht von Hof- 
meister), die er in seiner allgemeinen Morphologie ausführ- 
licher entwickelt, anschliefsen, wonach die beiden Wachsthums- 
richtungen, welche den Zweig und das Blatt bilden, trotz ihrer 
häufigen Zusammengehörigkeit bei Phanerogamen, doch nicht 
nothwendig verbunden gedacht werden müssen, auch in jenen 
Fällen, wo sie offenbar getrennt auftreten; eine Vorstellung, 
die zu vielfachen unnatürlichen und unwahren, morphologischen 
Deutungen geführt hat. 
| Dagegen ist es naheliegend anzunehmen, dafs der verschie- 
dene Ursprung vegetativer Sprosse derselben Pflanze nicht ohne 
Einflufs auf die morphologische und anatomische Beschaffenheit 
derselben bleiben wird und es eröffnet sich vielleicht hierin die 
Aussicht, wenigstens gewisse Reihen differenter vegetativer 
Sprossformen auf verschiedene Ursprünge zurückzuführen. Oft, 
wie zum Beispiel bei den Charen’), scheinen hieraus nur sehr 


1) Das Microscop. II. p. 605. ?) Handbuch d. phys. Bot. I. p. 431, 
3) Jahrb. für wiss. Bot. III. p. 294 u. f. über die nacktfüfsigen 
Zweige der Charen. 


8* 


102 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


geringfügige Differenzen hervorzugehen. Nichts desto weniger 
sind sie vorhanden und verdienen schon ihrer Unterscheidung 
wegen und der unbekannten Beziehung, die sie zum Entwicke- 
lungsgang der Pflanze haben, auch wenn sie nicht unmittelbar 
in die Reihe der innerhalb der Sprossfolge wesentlichen Sprosse 
fallen, eine genauere Berücksichtigung. — 

Ohne auf analoge Fälle hinzuweisen, die doch wieder erst 
einer neuen Untersuchung unter dem bezeichneten Gesichts- 
punkte bedürfen würden, will ich hier vielmehr die hierauf be- 
züglichen Erscheinungen bei den Utricularien, soweit ich die- 
selben bisher habe verfolgen können, noch ausführlicher be- 
sprechen; da diese, vor Allen aber Utricularia vulgaris, ein 
‚geeignetes und lehrreiches Beispiel von Pflanzen mit mehrfachen, 
ihrer morphologischen Erscheinung und ihrem anatomischen 
Bau nach sehr verschiedenen, vegetativen Sprossformen liefern, 
die sich je nach ihren Ursprungsstellen verschiedenartig ent- 
wickeln. Eine überzeugende und beweisende Darstellung mei- 
ner Auffassungen und Deutungen der Organe und. Stellungs- 
verhältnisse der Utricularien würde zahlreiche Abbildungen ver- 
langen, die ich mir hier versagen mufs. Ich werde mich daher 
durch die Beschreibung und einige wenige Zeichnungen deut- 
lich zu machen suchen und verweise auf die Nachuntersuchung 
an der lebenden Pflanze, die meine Behauptungen bestätigen 
wird. — 

Wir haben im Vorhergehenden bereits zweierlei Spross- 
formen von Dtricularis vulgaris kennen gelernt. Erstens die 
normalen Seitensprosse, welche in jeder Beziehung der Mutter- 
pflanze gleichen und der Zeit nach die ersten Seitenverzwei- 
gungen derselben bilden. Sie werden unmittelbar neben oder 
in der Achsel ihres Tragblattes angelegt. Zweitens die ranken- 
artigen Sprosse, die unabhängig von den Blättern an der Bauch- 
seite des Vegetationskegels alle an seinem Krümmungswinkel 
gebildet werden. — Diese beiden Sprossformen sind jedoch nicht 
die einzigen der Pflanze. | Ä 

Eine dritte Reihe von Sprossen entsteht auf den Blättern 
der alten Pflanze; sie erscheinen auf diesen sowohl nach ihrer 
Trennung von der Mutterpflanze als auch noch in Verbindung 
mit derselben. Die Vegetationskegel, aus welchen sie hervor- 


vom 15. Februar 1869. 103 


gehen, entstehen exogen vorzugsweise in der Nähe der Winkel 
der obern Blattabschnitte. Ich habe 3—4 Sprosse auf einem Blatte 
angetroffen; sowohl an solchen Blättern, die noch mit der Mut- 
terpflanze in Verbindung waren, als auch an abgeschnittenen. 
Der Vegetationskegel dieser Sprosse zeigt, abgesehen von einer 
durchwegs geringeren Kräftigkeit aller Theile keine wesentlichen 
Unterschiede vou dem der normalen Sprosse. In ihrer späte- 
ren Ausbildung zeigen diese Blattsprosse aber grofse und 
auffalende Abweichungen von den normalen Sprossen der Pflanze, 
die in ihrer in allen Theilen schwächeren und kümmerlicheren 
Ausbildung hervortreten. Anatomisch macht sich diese gel 
tend durch die geringere Anzahl der Elemente, die den Stamm 
auf dem Querschnitte zusammensetzen; also durch eine gerin- 
gere Anzahl von äufseren Rindenzelllagen, durch eine geringere 
Zahl der zum Kreise zusammentretenden Luftlücken und durch 
geringere Dicke des axilen Fibrovasalstranges. Eine ähnliche 
schwächere Ausbildung erleiden auch ihre Blätter, die sich 
äufserlich sogleich in der bedeutend geringeren Anzahl der 
Fiederungen der 4 Blatthauptzipfel ausspricht. — Diese Sprosse 
machen auf den ersten Blick einen von dem normalen Aus- 
sehen der Utricularia vulgaris so verschiedenen Eindruck, dafs 
man sie unbedingt ohne Kenntnifs ihres Ursprunges nicht als 
zu dieser, sondern vielmehr zu Utricularia minor gehörig be- 
trachten würde. Ich will sie als kümmerliche Sprosse be- 
zeichnen. — Allein auch mit diesen Blattsprossen ist die Anzahl 
der Sprossformen der Utricularia vulgaris noch nicht abgeschlos- 
sen, vielmehr entstehen an dieser Pflanze ferner noch vegetative 
Sprossformen: 

1. Am Grunde des gemeinschaftlichen Stieles 
der Blüthenstände und zwar gewöhnlich mehrere 
weit unterhalb des untersten Blattes dieses Stieles und 
gleichfalls exogen und sichtbar ohne Beziehung zu ir- 
gend einem Blatte, welches hier gar nicht vorhanden ist. 

Ich kenne bisher nur die Jugendzustände dieser 
Sprosse und muls es noch unentschieden sein las- 
sen, in .wie weit sie im fertigen Zustande den küm- 
merlichen Blattsprossen oder den Ranken gleichen 
möchten; ich habe aber Grund zur Vermuthung, 


104 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


dafs auch am Blüthenstand noch mindestens zweierlei 
den kümmerlichen Blattsprossen oder den Ranken 
sich anschliefsende Sprossformen gebildet werden. 

2. Aus den Stielen der Schläuche; und zwar ent- 

stehen die Vegetationskegel dieser Sprosse hier an den 
noch jugendlichen Schläuchen ganz nahe an deren Basis 
auf der concaven Seitenfläche des Stieles, die, wie 
wir bald sehen werden, in ihrem morphologischen 
Werthe der Bauchseite einer Sprossaxe entspricht. 
Auch diese Vegetationskegel entstehen exogen und 
ohne sichtbare Beziehung zu irgend einem Blatte 
(Fig. 6C). 
Die aus diesen Vegetationskegeln hervorgehenden 
Sprosse, von denen ich gleichfalls nur die Jugend- 
zustände kenne, haben in diesen eine grofse Ähn- 
lichkeit mit den Jugendzuständen der an den Blät- 
tern und den Stielen der Blüthenstände entsprin- 
genden Sprosse. 

Einen Abschlufs gewinnt endlich der Reichthum an Spross- 
formen bei Utricularia durch die Erkenntniss des morphologi- 
schen Werthes ihrer Schläuche, der ebensowenig als ihr ana- 
tomischer Bau bisher genügend aufgeklärt ist. 

Die Entwickelungsgeschichte der Schläuche und der Ver- 
gleich der Entwickelungserscheinungen ihrer Jugendzustände 


mit den Vorgängen an den Vegetationskegeln der normalen ° 


und rankenartigen Sprosse läfst darüber. kaum einen Zweifel, 
dals die Schläuche eigenthümlich modifieirte Sprosse sind, die 
den rankenartigen Sprossen am nächsten verwandt noch eine 
gröfsere Metamophose als diese erlitten haben. — 

Wie die Seitenansicht junger Schläuche (Fig. 7u. 8) zeigt, 
krümmt sich der Vegetationskegel der Schläuche (p Fig. 7u.8) 
bald nach seiner Entstehung und legt schon sehr früh unter seine 
. Spitze 1 od. 2 später zu Einem verschmelzende Blätter (bFig.7u.$) 
an, die den jugendlichen Blättern der rankenartigen Sprossen glei- 
chend eine noch geringere Entwickelung als diese erlangen und ka- 
pottenartig den Vegetationskegel überwachsen. Aufser diesen Blät- 
tern entspringt an ihm auf seiner Bauchseite nur noch ein ganz 
kleiner nackter Vegetationskegel (s Fig. 7u.8), der sich sehr bald 


vom 15. Februar 1869. 105 


nach seiner Anlage, wie dies ja Regel ist, der Spitze seiner Trag- 
axe zukrümmt. Diese zu einander geneigten Organe, der pri- 
märe Vegetationskegel p, dessen Blattorgane d und der aus ihm 
_ enstandene secundäre Vegetationskegel s, schliefsen zusammen 
den Hohlraum des künftigen Schlauches ein, der sich dann nur 
noch durch das Wachsthum der ihn begrenzenden Organe ver- 
gröfsert. Eine Complication tritt aber hier im Laufe der spä- 
teren Entwickelung durch das eigenthümliche zur Bildung des 
sogenannten Ventils führende Verwachsen der beiden ursprüng- 
lich freien Vegetationskegel, des primären p und secundären s 
ein. Es verwachsen diese in den Hohlraum des Schlauches 
‚bis dahin nur einfach hineinragenden Vegetationsenden (Fig. 9) 
nämlich noch einseitig mit einander längs eines Stückes der 
einander berührenden Seite und das aus dieser Verwachsung 
entstehende Verbindungsgewebe entwickelt sich fortwuchernd 
zu einer die beiden ursprünglichen Vegetationsspitzen verbin- 
denden Gewebeplatte') mit diesen gemeinschaftlich eine Art an 
einer Seite offenen Trichters bildend (g in Fig.6 Au.B), der sich 
nach Innen erweitert und von der Mündung in die Höhlung des 
Schlauches hineinragend, einen canalartigen Zugang in das 
Schlauch-Innere darstellt. Ein fernerer Umstand, der über die . 
Spross-Natur der Schläuche ebensowenig Zweifel läfst, wenn 
man die Bildungsvorgänge am Vegetationskegel von Utricularia 
kennt, liegt in der bereits erwähnten Entstehung von wirklichen 
vegetativen Sprossen oder von secundären Schläuchen aus 
ihrem Stiele (Fig. 6). In gewissen Fällen nämlich, von denen 
gleich die Rede sein wird, entsteht an dem Stiele des Schlauches 


!) Dieser Trichter wird später zu dem bald als Klappe bald als Ventil 
oder Falte bezeichneten Organ der Utrieularien-Schläuche. Den anatomi- 
schen Bau der ihn bildenden Gewebeplatte mit den auf ihr befindlichen ab- 
weichenden Epidermoidalbildungen u. s. w. übergehe ich hier als zu weit 
von der Aufgabe abführend, obgleich die ganze Bildung dieses Trichters 
wohl eine eingehendere -Schilderung verdient, zumal sie nirgends richtig 
beschrieben ist. Über die Epidermoidalbildungen dieser den Trichter 
bildenden Platte an ihrer nach Aufsen gekehrten Seite findet man einige 
richtige Notizen in den beiden sonst in jeder Beziehung unbrauchbaren 
Arbeiten von Benjamin (Bot. Zeit. 1848) und Reinsch (Jubelschrift der 
K. Bayr. Bot. Ges. zu Regensburg 1859). 


106 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


unterhalb des secundären Vegetationskegels noch ein zweiter 
secundärer Vegetationskegel (s? Fig. 8) und aus diesem wird 
entweder wieder ein Schlauch (so entstand in Fig. 6 der Schlauch 
B an A) oder ein beblätterter Spross (so entstand in Fig. 6 der 
Spross Ü am Schlauch 3). Wir sehen daher, dafs aus der 
primären Schlauchaxe an ihrer Bauchseite mehrere neue Vege- 
tationskegel hervortreten können, ganz so wie die Vegetations- 
kegel der Ranken an der Bauchseite der Axe der normalen 
Sprosse und dafs sich diese auch hier, wie dort, verhalten, in- 
dem sie gleich nach ihrer Enstehung sich der Spitze ihrer Trag- 
axe zukrümmen. Dafs der oberste dieser secundären Vege- 
tationskegel in Gemeinschaft mit dem primären jene sonderbare 
Metamorphose in den Schlauch und dessen Trichter erleidet, 
setzt seiner Fortentwiekelung eine Schranke. 

Diese aus der Entwickelungsgeschichte entlehnten Beweise 
für die morphologische Natur der Schläuche werden nun endlich 
noch durch die gegenseitige Vertretung von Schläuchen und 
Sprossen und durch ihr Auftreten in den Blattachseln be- 
stätigt.!) — 

' In vielen Blattachseln findet man nämlich und zwar genau 
. in der Blattachsel je nach dem Alter des Knotens 1, 2, 3 und 
mehr Schläuche, und es läfst sich von diesen mit der gröfsten 
Entschiedenheit nachweisen, dafs sie genetisch aus einander her- 
vorgegangen ein kurzes Sympodium bilden. Sie sind immer 
von verschiedenem Alter, der eine geht aus dem andern an 


1) Schacht (Beiträge zur Anatomie und Physiologie p. 29 u. f.) hat 
bereits die Schläuche der Utricularien als Knospen bezeichnet wegen 
ihrer Stellung in der Blattachsel. Allein dieser Schlufs ist aus einer 
irrthümlichen Auffassung hervorgegangen; er kennt nicht die Schläuche, 
die in der wahren Blattachsel stehen; sondern nach seiner Ansicht ist 
vielmehr das Blatt der Utricularia ein beblätterter Zweig, die Blattab- 
schnitte hält er für die eigentlichen Blätter und schliefst von der Stellung 
der Blattschläuche in den Winkeln der Blattabschnitte auf die Knospen- 
natur des Schlauches. Diese ganze Auffassung der Blätter als Zweige 
ist aber schon an sich nicht berechtigt, ganz abgesehen davon, dafs die 
Blattschläuche nicht einmal gesetzmäfsig in den Winkeln der Blattab- 
schnitte, sondern etwas von ihnen entfernt, stehen. 


‘vom 15. Februar 1869. 107 


s 


dessen Stielbasis in der kurz vorher beschriebenen Weise her- 
vor (wie Fig. 6, wo aber statt des jüngsten der Spross C' vor- 
handen ist). Der zweitälteste B ist deshalb mit seinem Krüm- 
mungswinkel dem ältesten A zugekehrt. Der dritte und jüngste 
ist immer der mittelste von den dreien, aus dem zweiten ent- 
standen, sieht er wieder nach diesem hin. 

In anderen Blattachseln findet man anstatt der Schläuche 
eine gleiche Anzahl Jugendzustände beblätterter Sprosse, die 
ganz dieselben Verhältnisse, Stellungen und genetischen Bezie- 
hungen zu einander, wie dort die Schläuche einhalten. 

In noch anderen stehen endlich Schläuche und Sprosse 
gemischt neben einander (Fig. 6) und halten gegenseitig wie- 
derum genau dieselben Beziehungen und Stellungsverhältnisse 
zu einander, Schlauch zu Spross oder Schlauch; Spross zu 
Schlauch oder Spross, wie in den Fällen, wo nur Sprossun- 
gen einerlei Art auftreten, ein. — Es ist demnach ersichtlich, 
dafs das einfache Gesetz, welches hier herrscht, folgendes ist: 
In den meisten Blattachseln der Utricularien wird ein Spross 
erzeugt, aus welchem ein kurzes wickelartiges Sympodium 
ohne jede Tragblätter hervorgeht mit Ausnahme des ersten, 
in dessen Achsel das ganze Sympodium steht. — Die Anzahl . 
der Sprosse hat in den mir vorliegenden Fällen von allerdings 
noch nicht alten Pflanzen die Zahl 4 nicht überschritten. Die 
Ausbildung der einzelnen Sprosse dieses Sympodiums kann eine 
verschiedene sein; sie können sowohl zu Schläuchen als zu 
beblätterten Sprossen werden; diese letzteren sind jedoch nicht 
identisch mit den normalen am frühesten zur Entwickelung ge- 
langenden Seitenzweigen der Mutterpflanze. — Eine Regel in 
der Ausbildung dieser Sprosse zu Schläuchen oder beblätter- 
ten Sprossen habe ich nicht auffinden können. 

Dies sind die Thatsachen, welche uns gestatten, ein über- 
sichtliches Bild von der Verzweigunsnorm und den Sprossverhält- 
nifsen der Utricularien zu entwerfen, deren Sonderbarkeiten und 
Abweichungen vom Gewöhnlichen schon in einigen Puncten we- 
nigstens Irmisch') und Buchenan?) aufgefallen sind. Dafs es 
ihnen nicht gelang, eine übereinstimmende Lösung zu finden, 


') Flora 1858. 2) Bot. Zeit. 65. 


108 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


lag unbedingt daran, dafs sie sich auf die Untersuchung der 
fertigen Zustände beschränkt und die Erklärung innerhalb des 
alten morphologischen Schemas von Zweig- und Tragblatt ge- 
sucht haben; Irmisch behauptet, dafs der Blüthenstand und 
die vegetativen Zweige auf demselben Knoten ein Sympodium 
bilden; Buchenan gelangt nach vielerlei Zweifeln und Beden- 
ken zu der Ansicht, sie möchten doch wohl eher Beiknospen 
sein. Das eigentliche Sympodium der Blattachsel ist von Bei- 
den unberücksichtigt geblieben. 

Dafs wirkliche Verhältnifs ist nun aber Folgendes. Man 
mufs unterscheiden zwischen den in der Blattachsel und den 
neben der Blattachsel am Knoten stehenden Sprossen. 

Die in der Blattachsel stehenden, auf welchen sich aber 
eigentlich die Behauptung von Irmisch nicht bezog, stehen zn 
einander in einer wirklichen genetischen Beziehung. 

Von den neben der Blattachsel stehenden kann Verschie- 
denes gelten. Man findet hier häufig den normalen Seiten- 
zweig daneben einen Blüthenstand und endlich eine Ranke. 

Der beblätterte Seitenzweig und die Ranke haben gar 
keine Beziehung zu einander. Der Blüthenstand kann zu dem 
einen oder anderen eine Beziehung als Bei- oder vielleicht so- 
gar Achselknospe dieses Zweiges haben. Wenn endlich aufser 
diesen drei Organen aufserhalb der Blattachseln noch meh- 
rere andere, rankenartige und 'beblätterte Sprosse auftreten, so 
stehen diese sicher zum Blüthenstande, vielleicht auch zum be- 
blätterten Sprosse in genetischer Beziehung. 

In Bezug auf die Anzahl verschiedener Sprossformen der 
Utricularia und deren Ursprungstelle muls man nun — abge- 
sehene von dem Blüthenstande — mindestens fünf vegetative 
Sprosse verschiedener Dignität unterscheiden. 

l. Die normalen Seitensprosse, welche die wichtig 
sten und frühesten Verzweigungen darstellen und der 
Mutterpflanze gleichen. Sie entstehen unmittelbar neben 
auch wohl in der Achsel ihres Tragblattes. 

2. Die kümmerlichen Blattsprosse, sie entstehen 
exogen vorwiegend an den vorderen Blattabschnitten, 
meist in der Nähe des Winkels der Blattabschnitte — 
ähnlich wie die Schläuche. 


vom 15. Februar 1869. 109 


3, Die rankenartige Sprosse, sie entstehen unabhängig 

von jedem Blatte auf der Bauchseite der Tragaxe und 
kommen deshalb später nicht nur auf dem Knoten, 
sondern auch mitten auf dem Internodium vor; nur 
immer auf der der ursprünglichen Bauchseite der Axe 
entsprechenden Region. 

4. Die sympodialen Sprosse der Blattachseln, die 
ich nur in ihren Jugendzuständen kenne,. von denen ich 
jedoch vermuthe, dafs sie den kümmerlichen Blattsprossen 
ähneln möchten; jedenfalls schwächerer Ausbildung sind 
als die normalen Seitensprosse. — Abgesehen von dem 
ersten in der Blattachsel entstandenen Spross, der in 
seiner Ausbildung vielleicht mehr den normalen Sprossen 
gleichen dürfte, entstehen die andern Sprosse dieses 
Sympodiums ohne Blätter aus einander oder aus den 
sie hier vertretenden Schläuchen. 

5. Die Schläuche endlich, gleichsam Ranken noch nie- 
drigerer Dignität,') d. h. noch mehr metamophosirte 
Sprosse als diese; haben in ihrem Ursprunge den wei- 
testen. Spielraum. _Mit den kümmerlichen Sprossen 
haben sie ihren bekannten Ursprung auf den Blättern 
gemein, mit den sympodialen Sprossen den Ursprung in 
der Blattachsel oder am Grunde eines anderen sym- 
podialen Sprosses ohne jegliches Tragblatt. 

Ich mufs hier am Ende meiner Darstellung der Spross- 
verhältnifse bei Utricularia noch erwähnen, dafs zu den Unter- 
schieden, welche die beblätterten Sprosse verschiedener Dignität 
zeigen und die ich bereits bei der Beschreibung der kümmer- 
lichen Sprosse, und ihrer Unterschiede von den normalen Sprossen 
angeführt habe, auch noch eine analoge Verschiedenheit der von 
ihnen gebildeten Winterknospen hinzukommt, zu welchen, wie 
bekannt, im Spätherbst die Endknospen der Sprosse sich um- 


1) Diese Betrachtung hat um so weniger Auffallendes, als ja auch 
in anderen Fällen Ranken zu Hohlformen werden und die Existenz von 
Ranken an Wasserpflanzen gerade in der Form hohler Organe vom Dar- 
winistischen Standpunkte aus z. B. durch die Auffassung der hohlen Ran- 
ken (resp. Schläuche) gleichsam als Wasserkletterer erklärlich wird. 


110 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


wandeln. Von der Winterknospe eines sympodialen Sprosses 
stammt z. B. das Blatt ab, welches Reichenbach als typisches 
Blatt der Winterknospen von Utricularia zeichnet (Deutschlands 
Flora XXter Band Taf. 1822 Fig 8); es rührt nicht von den 
Winterknospen der normalen Laubsprosse her, deren Blätter 
die normale Form des Utriculariablattes besitzen. 

Ich schliefse hier diese morphologischen Betrachtungen mit 
der nochmaligen Zusammenstellung des wirklichen Befundes 
an der erwachsenen Pflanze. 

Es ist bekannt, dafs nicht alle Blattachseln oder Knoten der 
 Utricularia Sprosse erzeugan. Viele sind ganz unproductiv. Die 
meisten jedoch erzeugen Sprosse. Einige wenige von diesen in 
ihrer Blattachsel einen normalen Laubzweig. Die meisten ein 
Sympodium von Schläuchen oder beblätterten Sprossen oder von 
beiden Sprossformen gebildet. An einigen Knoten treten nun 
zu diesen Achselerzeugnissen des Knotenblattes andere, aulser- 
halb der Blattachsel gebildete Sprosse hinzu. Diese zu den Achsel- 
sprossen in keiner Beziehung stehenden Sprosse sind gewöhn- 
lich ein normaler Laubzweig; ein Blüthenstand; eine Ranke; 
und auf dem Blüthenstand können nun wiederum secundäre 
Sprosse dieses Blüthenstaudes auftreten. Die Ranken treten 
sowohl am Knoten als auf dem Internodium auf. Die Blätter 
der Utricularien endlich sind durch ihre reiche Sprossbildung 
sehr ausgezeichnet, die normal in Form von Schläuchen und 
weniger häufig in Form von kümmerlichen Sprossen in die 
Erscheinung tritt. 

Eine vergleichende Untersuchung der anderen namentlich 
der bewurzelten Utricularien in Bezug auf die hier hervorgetre- 
tenen morphologischen Betrachtungen dürfte gewils von Inter- 
esse sein. Ich denke dieselbe, sobald mir das lebende Material 
zu Gebote stehen wird, noch auszuführen. — 

An die vorhergehenden Untersuchungen schliefse ich noch 
einige Bemerkungen über den anatomischen Bau des Vegeta- 
tionskegels von Utricularia an. 

Dieser zeigt, wie ja vorauszusetzen, auch hierin eine er 
Ähnlichkeit mit den Vegetationskegeln jener Wasserpflanzen, die 
gleich der Utricularia schlanke Vegetationskegel und einen durch 
den axilen Fibrovasalstrang ausgezeichneten Stammbau besitzen. 


vom 15. Februar 1869. 111 


.* Caspary hat bei Aldrovandia') und Hydrilla?); Sanio vor- 
zugsweise bei Hippuris”) auf den Bau dieser Vegetationskegel 
die Aufmerksamkeit gelenkt, und der Letztere hat es nament- 
lich scharf betont, dafs die Scheitelzelle für das innere Gewebe 
hier von einer mehrschichtigen Mantelzelllage, von welcher 
Epidermis, Rinde und Blätter gebildet werden, überdeckt sei. 
Diese Vorstellung hat Hanstem‘) neuerdings auf sämmtliche 
Phanerogamen auszudehnen gesucht, indem er die bei jenen 
Wasserpflanzen beschriebenen Verhältnisse bei den niedrigen 
Vegetationsspitzen der Landpflanzen wiederfindet und daraus 
schliefst, dafs die Phanerogamen überhaupt einen von dem der 
höheren Cryptogamen durchaus verschiedenen Bildungsgang der 
Gewebe in der Vegetationsspitze befolgen. Mir scheint diese 
Ansicht, namentlich aber ihre Beweisführung, nicht wohl be- 
gründet. Sie beruht ganz allein auf der sehr vieldeutigen Be- 
urtheilung eines fertigen Zellnetzes. Die Thatsachen, auf welche 
sie sich stützt, liegen in der Erscheinung von Mantellagen, die 
sich scheinbar ununterbrochen über den Scheitel der Vegeta- 
tionsspitzen hinwegziehen und in die peripherischen Gewebe 
des Stammes und der Blätter übergehen; ferner in dem Man- 
gel tangentialer Theilungen in den äufsersten Mantellagen des 
‚Scheitels, dann noch in der Schwierigkeit, eine oberflächliche 
Zelle als Scheitelzelle der gesammten Vegetationsspitze nach- 
zuweisen und endlich in dem Auffinden sogenannter innerer 
Scheitelzellen, d. h. Scheitelzellen für die inneren Gewebe, die 
von jenen Mantellagen bedeckt sein sollen. 

Bei den Vegetationskegeln von Uiricularia fallen ähnliche 
Erscheinungen sofort in die Augen. 

Wenn man jedoch eine grofse Anzahl von Vegetations- 
kegeln verschiedener Entwickelung und Kräftigkeit untersucht 


1) Bot. Zeit. 1859. 

2) Verhandlungen der 35. Versammlung deutscher Naturforscher 
nnd Ärzte. 1860. 

3) Bot. Zeit. 1864 u. 1865. 

4) Die Scheitelzellgruppe im Vegetationspunct der Phanerogamen 
(Festschrift der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- u. Heilkunde, 
Bonn 1868.). 


112 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


und das Gewebe aufhellenden Reagentien unterwirft, die hier 
noch immer Sichereres leisten als Schnitte, wird man sehr bald 
zweifelhaft, mit wie viel Mantellagen z. B. man es hier zu 
thun hat, und welche der inneren Zellen man ferner als die 
eigentliche Scheitelzelle für die inneren Gewebe ansprechen soll. 
Bald erhält man den Eindruck zweier, bald den einer einzigen 
Mantellage. Bei genauerer Untersuchung wird man bald ge- 
wahr, dafs die Mantellage gerade an der Stelle, wo man die 
Scheitelzelle des Vegetationskegels zu suchen hat, weniger be- 
stimmt ist; dafs hier jedesmal 1-— 2 Zellen sich wesentlich, 
wenn auch nicht auffallend, von den benachbarten Zellen der 
Mantellage unterscheiden und, wenn auch unbedeutend, doch sicht- 
lich tiefer als diese nach Innen greifen (Fig. 3.4.5). Daneben erhält 
man, wenn man das Gewebe des Vegetationskegels im Ganzen 
betrachtet (Fig. 1), den Eindruck als ob der Kegel von immer 
kleineren in einander steckenden Schalen aufgebaut sei oder 
vielmehr von radiär gestellten, in einander eingeschobenen keil- 
förmigen Zellmassen, die auf einen Punct am Scheitel als ihrem 
Gipfel hinweisen; ein Aussehen, welches ganz und gar der 
Vorstellung eines Aufbaues des Kegels aus Segmenten einer 
Scheitelzelle conform ist. Auf irgendwie gelungenen Durch- 
schnitten (Fig.3-5) zeigt das Zellennetz der Spitze eine dieser 
Auffassung entsprechende Zeichnung. Sie wird unterstützt 
durch die Betrachtung des Kegels von oben und läfst offenbar 
die Erklärung zu, dafs die eine der beiden gröfseren Zellen in 
der Mantellage des Scheitels die eigentliche Scheitelzelle sei 
(v Fig. 5), die nur in ihrer Form von der der grofsen und tief 
nach unten einschneidenden Scheitelzellen der höheren Crypto- 
gamen etwas abweicht und dafs die von dieser Scheitelzelle durch 
radiale Wände abgeschnittenen Stengelsegmente sich schon bei 
der ersten Theilung in eine Epidermiszelle und eine innere Ge- 
webzelle (s! und s! Fig.5) differenziren. Es würden hiernach, 
wie ja an andern Pflanzen auch, hier schon die ersten periphe- 
rischen Tochterzellen der Segmente die Epidermislage, d. h. 
die Mutterzellen der Epidermis bilden und auch das innere Ge- 
webe wird in der gewöhnlichen Weise durch die weiteren Thei- 
lungen der nach einander gebildeten inneren Segment-Tochter- 
zellen angelegt. — 


vom 15. Februar 1869. 113 


Hieran schliefsen sich folgende Betrachtungen an. 

' Die Erscheinung der Mantellage an sich genügt offenbar 
nicht zum Beweise, dafs die Scheitelzelle fehlt, denn sie wird 
schon hervorgerufen in den Fällen, in welchen die Scheitelzelle 
in ihrer Erscheinung sehr wenig von ihren Tochterzellen ab- 
weicht, namentlich wenn sie nach unten nicht deutlich spitz endet, 
wie dies bei Utricularia der Fall ist, sondern von einer Fläche be- 
grenzt wird und das auffallend frühe Hervortreten der Epidermis- 
lage weist nur auf ein sehr frühzeitiges Eintreten eines Wachs- 
thumsunterschiedes zwischen den ersten Tochterzellen der Seg- 
mente hin. x 

Dafs ferner die Theilungswände der Scheitelzelle nothwen- 
dig mehr oder weniger gleichlaufen den radialen Theilungswän- 
den der Zellen, welche die Mantellage bilden, kann ja gar nicht 
auffallen, denn jeder Blick auf die Vegetationskegel der höheren 
Cryptogamen, die unzweifelhaft aus einer Scheitelzelle ihr Ge- 
webe anlegen, zeigt ja dasselbe; man vergleiche z. B. nur die 
Vegetationskegel-Durchschnitte von Salvinia, Equisetum, Sela- 
ginella‘), und sie alle würden überdies ebenso auch den Eindruck 
einer Mantellage machen, wenn wir, wie z. B. bei Selaginella, 
die Scheitelzelle uns etwas kleiner denken und wenn z.B. bei 
Salvinia die tangentialen Theilungen der Segmente den horizon- 
talen vorausgingen und unmittelbar nach der Anlage der Seg- 
mente erfolgen würden. — Mit einem Worte, das Vorhanden- 
sein einer Mantellage und die radialen Theilungen sind unbe- 
dingt kein Beweis gegen die Existenz einer oberflächlichen 
Scheitelzelle.e Dafs diese nun schwierig nachweisbar ist oder 
in bestimmten Fällen nicht gefunden werden konnte, ist — 
was die Landpflanzen betrifft — gewils ohne Belang; ganz ab- 
gesehen davon, dafs ja ihr. Nachweis hier und da schon gelun- 
gen ist; und in dem Wirrwarr, welchen die Längsschnitte von 
Vegetationskegeln der Phanerogamen oft zeigen, sie zu läugnen, 
halte ich wenigstens für noch gewagter als sie zu finden. 

Was endlich die inneren Scheitelzellen betrifft, welche die 
einzige wesentliche Grundlage der Beweisführung sein könnten, 


!) Bequem neben einander im Lehrbuch von Sachs p. 129.132.141, 


114 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


so finde ich in den vorliegenden Angaben keinen Beweis für 
ihren vorausgesetzten Werth, denn die Annahme einer Scheitel- 
zelle hat offenbar nur einen Sinn durch den Nachweis der be- 
sonderen gesetzmälsigen Zellfolge, in welcher das Gewebe un- 
ter ihr aus ihren Theilungen hervorgeht. Dieser Nachweis ist 
bei Hanstein gar nicht geführt, bei Sanio findet sich zwar eine 
beiläufige Andeutung, allein weder mit der für diesen Punct 
wünschenswerthen Ausführlichkeit, noch von den nöthigen und 
für die Beweiskraft einzig entscheidenden Zeichnungen unter- 
stützt. 

Was ich sehe ist Folgendes. Es finden sich im inneren 
Gewebe Zellen, welche die Spitze von mehreren Zellreihen ein- 
nehmen, so also, dafs diese Zellreihen in jene einzelnen Zellen 
auslaufen (aaa Fig. 3). | 

Die Deutung dieser Zellen nach der Vorstellung, dafs das 
Gewebe sich aus Segmenten einer Scheitelzelle aufbaut, scheint 
mir eine einfache. | 

Jede aus irgend einer Segmentzelle hervorgegangene Toch- 
terzelle irgend welcher Generation, die selbst später durch tan- 
gentiale Theilungen in zwei Tochterzellen zerfällt, muf[s natür- 
lich auf 2 Zellenreihen stehen, wenn die unter ihr befindlichen, 
ihr gleichwerthigen Zellen diese tangentialen Theilungen bereits 
erlitten haben und sie erscheint daher, so lange sie selbst noch 
nicht getheilt ist, als Gipfelzelle von 2 oder — wenn unter 
ihr noch eine ähnliche Spaltung eingetreien ist — von mehr 
Zellreihen. In jedem aus Segmenten einer Scheitelzelle und 
deren fortgesetzten gleichartigen Theilungen hervorgegangenen 
Zellkörper müssen sich offenbar solche Gipfelzellen finden, wie 
z.B. die Zellen a, a, a in Fig.3. Ihr deutlicheres oder undeutliche- 
res Hervortreten hängt von vielerlei Umständen ab, niemals 
aber sind solche Gipfelzellen die Mutterzellen des unter ihnen 
befindlichen Gewebes; sie sind nicht die ältesten, sondern im 
- Gegentheil die jüngsten Zellen der ganzen Zellpyramide, deren 
Spitze sie einnehmen. | 

So lange daher von den inneren Scheitelzellen nicht das 
Gesetz nachgewiesen ist, durch welches das Gewebe unter ihnen 
aus ihren Theilungen entsteht, scheint mir ihre Deutung eine 
willkührliche zu sein, und trotz der grolsen Schwierigkeiten, ' 


vom 15. Februar 1869. 115 


welche die Vegetationsspitzen der Phanerogamen, namentlich 
ihrer Blüthensprosse, der Untersuchung und Deutung entgegen- 
stellen, scheint es mir so lange immer noch geboten, sich in 
der Beurtheilung ihrer Zellnetze von der Analogie der höheren 
Cryptogamen leiten zu lassen. | 


Erklärung der Abbildungen Taf. Il. 


(Es versteht sich von selbst, dafs die Zellnetze nur dort, wo es darauf 
ankam, im Einzelnen genau ausgeführt sind.) 


Fig. 1. Gekrümmter Vegetationskegel von Utricularia vulgaris 
bis weit oberhalb der jüngsten Blattanlagen mit 
Haaren besetzt. 
rr Rücken; c Bauchfläche; A! AT a Haare; 
v Rankenursprung; 5? b!! p!!T p!V Blätter. 


2 Pradls eingerolltes Ende eines Sprosses; v v! v!! vi!!! 

Y” Ranken in ihren jungen Entwickelungsstadien; 

B jugendlicher Blüthenstand; A’ A’ AT Haare des 

Rückens; Ah h Haare der Bauchfläche;; bbb stehen- 
gebliebene Zipfel abgeschnittener Blätter. 


„ 3, 4 u. 5. Zellnetze der Scheitelzellgruppe. 

v Scheitelzelle; s! s! das jüngste Segment in eine 
peripherische (Oberhaut-) und eine Innen- Zelle 
getheilt; s? s’ s? das nächstältere Segment, des- 
sen peripherische Tochterzelle bereits getheilt; 
s? s? s? s’ ein noch älteres Segment, dessen pe- 
ripherische und Innen-Zelle bereits jede eine 
Theilung erfahren haben. 


6. Sympodium aus einer Blattachsel, bestehend aus zwei 
Schläuchen A u. B und einem Sprosse C’ in jugend- 
lichem Zustande. A ist älter als B; Bälter als ©. 
— Die Vegetationskegel der Schläuche sind schon 
verwachsen und bilden mit der Verwachsungsplatte 
g den Trichter, der den Zugang ins Innere darstellt. 


„ 7. Sehr früher Entwickelungszustand eines Schlauches. 
p der primäre; s der secundäre Vegetationske- 
gel; b das Blatt. 


8. Etwas weiter vorgeschrittener Entwickelungszustand 
eines Schlauches, aus dessen Stiel noch ein neuer 
Vegetationskegel s” hervorwächst, der ein secundä- 
rer Schlauch oder auch ein Spross werden kann; 
p, s u. b wie in Fig. 7. 


[1869.] ® 


SF 


116 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Fig. 9. Ein jugendlicher Schlauch durchschnitten; die beiden 


Vegetationsspitzen p u. s noch nicht verwaehsen. 


„ 10 u. 11. Stücke der Bauchseite von Vegetationskegeln 
der Gegend nach der Region unterhalb v in Fig. 1 
entsprechend. rrr verschiedene jugendliche Ent- 
wickelungszustände der Ranken, hier noch nackte 
Vegetationskegel darstellend. 


a 12. Eine schon völlig entwickelte Ranke, bei welcher nur 
das unterste Internodium JJ JJ noch länger wird; 
v Vegetationskegel, bb bb Blätter. 


Hr. Poggendorff sprach über das galvanische Ver- 
halten des Palladiums. 


In seiner merkwürdigen Arbeit über das Hydrogenium hat 
Hr. Graham unter Anderem gezeigt, dafs das Palladium, 
wenn es Wasserstoff aufnimmt, sich ausdehnt, und wenn es 
denselben entläfst, sich zusammenzieht, anscheinend stärker als 
es sich zuvor ausgedehnt hatte. Ein Palladiumdraht, der an- 
fangs 609"M144 maals, und sich durch Einsaugung von Was- 
serstoff um 9%%77 verlängert hatte, kam nach Vertreibung des 


Gases auf 599WM444 zurück, verkürzte sich also gegen seine 


ursprüngliche Länge um I". 

Beide Erscheinungen lassen sich, wenn man gerade keine 
numerischen Bestimmungen verlangt, in sehr demonstrativer 
Weise darthun, wenn man das Palladium auf elektrolytischem 
Wege mit Wasserstoff beladet, und sich dabei einer sehr dünnen 
Platte bedient. Ich benutzte eine Platte, die bei 1180 Länge 
und 280 Breite, nur 0W”] dick war, und 8%®0 entfernt von 
einer Platinplatte in verdünnter Schwefelsäure stand. 

Wenn man dieses Plattenpaar mit einer kleinen Grove’- 
schen Batterie von zwei Elementen verbindet, in solcher Weise, 
dafs sich das Palladium mit Wasserstoff beladen mufs, so be- 
obachtet man folgendes. | 

Schon nach wenigen Minuten beginnt die Palladiumplaite 
sich vom Platin abzubiegen und allmählich ganz bedeutend zu 


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vom 15. Februar 1869. 117 


krümmen. Nach ungefähr einer Viertelstunde hat diese Krüm- 
mung ihr Maximum erreicht. Nun tritt eine Biegung im ent- 
gegengesetzten Sinne ein, dergemäfs die Platte sich erstlich ge- 
rade richtet und dann dem Platin zuwärts krümmt, was in 
kurzer Zeit so weit geht, dafs sie mit demselben in Berührung 
kommt, wodurch denn natürlich der elektrolytische Prozefs 
seine Endschaft erreicht. 

Offenbar haben diese beiden Krümmungen ihren Grund 
darin, dafs sich die dem Platin zu- und abgewandte Seite der 
Palladiumplatte succefsive mit Wasserstoff sättigen und in Folge 
dessen ausdehnen, in ähnlicher Weise wie es bei einer Bre- 
guet’schen Feder durch Temperaturveränderungen geschieht. 

So wie durch’ diesen Versuch die Ausdehnung des Palla- 
diums bei Aufnahme von Wasserstoff augenfällig nach gewie- 
sen wird, so läfst sich auch die Zusammenziehung des Metalls 
bei Entlassung des Gases deutlich darthun, fast noch auffallen- 
der als die Ausdehnung. 

Dazu ist nur erforderlich, die Palladiumplatte, nachdem 
sie das Maximum ihrer ersten Krümmung erreicht hat, aus 
der Flüssigkeit zu nehmen, sie abzuspülen, abzutrocknen und 
in eine Weingeistlamme zu bringen. So wie sie hinreichend 
heifs geworden ist, krümmt sie sich in entgegengesetztem Sinn, 
'aufserordentlich rasch und so stark, dafs sie förmlich wie auf- 
gerollt erscheint. 

Bei diesen Verlängerungen uud Verkürzungen der Platte 
erleiden auch die Querdimensionen derselben eine Änderung. 
Namentlich wenn man den Prozefs der Beladung mit Was- 
serstoff und der Austreibung desselben durch Hitze mehrmals 
an einer nämlichen Platte wiederholt hat, kann man deutlich 
wahrnehmen, dafs sie dadurch nicht allein kürzer, sondern 
auch schmäler und dicker geworden ist. Nach sechsmaliger 
Wiederholung jenes Prozefses hatte meine Platte 8"=0 an 
Länge und 1%®5 an Breite verloren, dagegen reichlich 0”®] an 
Dicke gewonnen. Diejenige Dimension der Platte also, welche 
beim Auswalzen eomprimirt wird, dehnt sich aus, und die bei- 
den andern, nach welchen das Metall gestreckt wird, schrum- 
pfen bei Austreibung des Wasserstofis zusammen. Dafs ein 
Palladiumdraht bei seiner Verkürzung dicker wird, hat bereits 

9* 


118 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Graham durch die Abnahme des specifischen Gewichts er- 
wiesen. | | 
Schliefslich mag noch bemerkt sein, dafs wiewohl es Gra- 
ham und Würtz nicht geglückt ist, auf rein chemischem Wege 
ein Palladiumhydrür darzustellen, dennoch eine solche Verbin- 
dung durch den elektrolytischen Prozefs gebildet zu. werden 
scheint, denn die verdünnte Schwefelsäure in welcher dieser 
Proze[s vorgenommen wird, färbt sich braun, ohne sich zu 
trüben oder etwas abzusetzen. Eine Lösung von ätzendem 
Kali oder Ammoniak, in welcher letzteren, nach einer älteren 
Beobachtung von mir (Monatsberichte 1848 S. 259) das Telluer, 
als negativer Pol angewandt, eine so schön und tief weinrothe 
Färbung hervorbringt, bleibt dagegen mit Palladium wasserhell. 


Hr. Dove las: 
Über das barometrische Maximum im Januar 1869. 


Durch seine niedrige Temperatur, seinen hohen barome- 
trischen Druck, die geringe Spannkraft der in ihm enthaltenen 
Dämpfe und seine relative Trockenheit bildet der Polarstrom 
den entschiedensten Gegensatz zu dem feuchten, durch hohe 
Temperatur stark aufgelockerten Äquatorialstrom. Das gegen- 
seitige Verdrängen beider Ströme bestimmt in Verbindung mit 
dem Drehungsgesetz die Regeln für die mittleren Verände- 
rungen des T'hermometers, Barometers und Hygrometers so 
wie die grölste Zahl der wälsrigen Niederschläge, ihr einsei- 
tiges Vorwalten die vorkommenden Extreme des Standes dieser 
Instrumente. 

Wenn der Äquatorialstrom mit grofser Beständigkeit und 
erheblicher Intensität lange Zeit geherrscht hat, so versperrt er 
der polaren Luft, welche aus der kalten Zone in die gemäflsigte 
abfliefsen will, den Weg. Ein Gebiet intensiver Kälte ist dann 
südlich begrenzt durch ein Gebiet von ungewöhnlich hoher 
Temperatur. Bei der verhältnilsmälsig geringen Ausdehnung 
unsrer Beobachtungsnetze in der Richtung von Süd nach Nord 


vom 15. Februar 1869. 119 


läfst sich aber,- wenn die Grenze beider Gebiete schon ziem- 
lich nördlich fällt, nur das südliche Gebiet hoher Temperatur 
übersehen, während umgekehrt bei einer südlichern Lage der 
Grenze nur das nördliche Gebiet der Kälte sich scharf bestim- 


men läfst, das der erhöhten Temperatur hingegen nach Afrika 


fällt, sich also der Ermittelung entzieht. Die Aufstauung ver- 
mehrt die Dichtigkeit der in den untern Schichten durch die 
niedrige Temperatur bereits verdichteten Luft und dadurch 
steigert sich der Seitendruck derselben so, dafs die Luft des 
Polarstromes in den Äquatorialstrom unten eindringt. Da das 
Bett, in welchem jene kalte Luft flielst, sich allmählig erwei- 
tert, so erniedrigt der Polarstrom seine Höhe und in diesen 
frei werdenden Raum dringt der Äquatorialstrom in den obern 
Schichten des Luftkreises ein. Während daher ein mehr oder 
minder östlich gewordener Polarstrom abkühlend unten in süd- 
lichere Gegenden vordringt, fliefst oben ein anderer Strom nach 
entgegengesetzter Richtung, der, je weiter er nach Norden ge- 
langt, seinen: Wasserdampf immer mehr in mächtigen Schnee- 
fällen verliert. Die im Niederschlag freiwerdende Wärme bricht 
die Intensität der Kälte des Polarstromes, während in den süd- 
lichern Gegenden jenen Schneefällen eine relativ bedeutende 
Kälte folgt, wenn nämlich der Polarstrom so weit hin nach 
Süden vorgedrungen ist, dafs der obere Äquatorialstrom bereits, 
ehe er zum Beobachtungsort gelangt, seinen überschüfsigen 
Wasserdampf in noch weiter südlich gelegenen Gegenden ver- 
loren hat. Das barometrische Maximum vermindert auf dem 
ganzen Beobachtungsgebiete nun seine Höhe, in den nördlichen 
Gegenden durch Abfluls, in den südlichen durch seitliches Aus- 
breiten des Stromes. Streng genommen ist die Gesammter- 
scheinung die Zusammenwirkung eines nach Süden in den 
untern Schichten des Luftkreises fortschreitenden Maximums, 
und eines in den höhern Regionen nach Norden sich bewegen- 
den Minimums, wie ich bereits im Jahr 1823 an dem Mini- 
mum vom 2. und 3. Februar 1823 (Pogg. Ann. 13. p. 606) 
nachgewiesen habe. 

Den Zusammenhang barometrischer Maxima mit local her- 
vortretenden Kältegebieten habe ich in der Darstellung der 
Wärmeerscheinungen durch fünftägige Mittel (Berlin 1856 fol. 


120 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


pag. vım) und im Gesetz der Stürme (3. Auflage pag. 195) be- 
sonders an dem auffallenden Beispiele im Januar 1850 erörtert. 
Das seit jener Zeit erheblich vergröfserte Beobachtungmaterial 
erlaubt den im Januar 1869 eingetretenen Fall eines barome- 
trischen Maximums von einer Grölse, wie sie, so viel wie mir 
bekannt ist, noch nie beobachtet worden ist, näher zu erörtern. 
Dies ist im Folgenden versucht worden, so weit es die bisher 
mir zugegangenen Beobachtungen gestatten. Eine Ergänzung 
der jetzt noch bleibenden Lücken hoffe ich später geben zu 
können. Es fehlen nämlich noch die Beobachtungen aus Eng- 
land, Schottland, Niederland, Österreich, Schweiz, Italien, 
Schweden und Rufsland. 


Die Untersuchung zerfällt in folgende Abschnitte: 


1. Nachweis der hohen Wärme des dem Maximum vor- 
hergehenden Äquatorialstromes, die ihn bezeiehnen- 
den Niederschläge und die elektrischen Erscheinun- 
gen, wie sie als Wintergewitter in der Regel einen 
rasch nach Norden vordringenden Südstrom be- 
gleiten. 


2. Das barometrische Maximum 
Erhebung des Barometers von dem December- 
Minimum bis zum Januar-Maximum, 
Gröfse der Erhebung über den vieljährigen mitt- 
leren Barometerstand der einzelnen Stationen, 
Fortschreiten des Maximums nach Süden. 


3. Die Temperaturerniedrigung durch den nach Süden 
vordringenden Äquatorialstrom dargestellt durch fünf- 
tägige Mittel. ; 

Die intensiven aber local begrenzten Kälteextreme, 
die er hervorruft. 


4. Der wieder eintretende Äquatorialstrom. 


vom 15. Februar 1869. 121 


I. Die Wärme des vorhergehenden Äquatorial- 
stromes. 


Der December 1868 war zu warm um folgende Grös- 
sen (R.): 

Christiansund 0.15, Aalesund 0.26, Skudesnes 0.04, Mandal 
0.74, Sandösund 0.73, Christiania 2.02, Dovre —0.11. 

Memel 1.56, Tilsit 1.50, Claussen 2.36, Königsberg 1.48, 
Hela 1.08, Danzig 1.57, Lauenburg 2.68, Conitz 2.21, Oöslin 
2.42, Regenwalde 2.94, Stettin 2.34, Putbus 1.92, Wustrow 1.95, 
Rostock 2.27, Poel 2.20, Schwerin 2.23, Schönberg 2.60, Kiel 
3.26, Hamburg 3.64, Neumünster 3.30, Altona 3.04, Neustadt 
a. d. Ostsee 2.75, Lübeck 2.78, Husum 2.58, Eutin 3.05, Ot- 
terndorf 2.77, Lüneburg 3.46, Hinrichshagen 2.72, Berlin 3.04, 
Frankfurt a. d. O. 3.08, Posen 3.25, Bromberg 2.79, Cracau 3.07, 
Ratibor 4.19, Zechen 3.35, Breslau 3.67, Landeck 3.83, Eich- 
berg 3.60, Kirche Wang 3.80, Görlitz 3.22, Landskrone 2.93, 
Gohrisch 3.91, Riesa 4.37, Leipzig 4.02, Dresden 5.07, Zwenkau 
4.25, Wermsdorf 4.05, Bautzen 3.37, Zittau 3.17, Zwickau 4.67, 
Chemnitz 5.14, Königstein 3.29, Plauen 4.16, Hinter-Hermsdorf 
3.23, Grüllenburg 4.29, Freiberg 4.14, Elster 4.02, Annaberg 
(untere Stadt) 4.26, (obere Stadt) 4.41, Rehefeld 3.79, Georgen- 
grün 3.81, Reitzenhain 3.74, Oberwiesenthal 3.65, Bernburg 4.05, 
Torgau 3.51, Halle 4.36, Erfurt 4.54, Mühlhausen 4.20, Son- 
dershausen 4.07, Wernigerode 3.34, Heiligenstadt 4.15, Göttin- 
gen 3.90, Kassel 3.80, Clausthal 3.58, Braunschweig 3.76, Han- 
nover 3.59, Oldenburg 3.24, Jever 3.38, Norderney 2.05, Em- 
den 2.66, Lingen 3.62, Löningen 3.21, Münster 3.61, Gütersloh 
3.80, Olsberg 3.94, Cleve 3.48, Crefeld 3.99, Aachen 4,33, Brüs- 
sel 3.80. 

Guernsey 1.59, Helston 2.31, London 2.62, Oxford 2.21, 
York 2.30, Boston 3.02, Manchester 2.22, Liverpool 1.34, Car- 
lisle 2.99. 

Cöln 4.23, Boppard 4.41, Trier 4.79, Birkenfeld 4.59, Kreuz- 
nach 4.59, Dürkheim 4.36, Frankfurt a. M. 4.09, Hanau 4.04, 
Darmstadt 3.72, Hechingen 5.90, Hohenzollern 4.82, Stuttgart 
4.87, Canstadt 4.86, Heilbronn 3.85, Freudenstadt 4.50, Calw 
4.05, Ulm 3.86, Schopfloch 4.38, Heidenheim 3.84, Issny 4.40, 


122 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Friedrichshafen 3.61, Mergentheim 3.91, Mänchesg 2.06, Wien 
2.96, Pesth 3.33. 

Metz 4.08, Ichtratzheim 5.02, Paris 3.93, Tours 3.61, Nan- 
tes 4.02, Bourg 6.07, le Puy 4.67, Beyrie 5.16, Fecamps 3.18, 
Marseille 3.65, Montpellier 3.38, Madrid 2.41, Lissabon 0.97, 
Mailand 2.43, Florenz 3.62, Rom 1.30, Palermo 1.53. 

Eine. so bedeutende Temperaturerhöhung gehört zu den 
grölsten Seltenheiten. In Berlin ist sie seit 1723 nur 1748, 
1755, 1765, 1775, 1806, 1824, 1853, 1841, 1845, 1852 also 
in 138 Jahren nur 10 Mal, in London in 97 Jahren nur 2 Mal, 
1806 und 1850 übertroffen worden. Niemand erinnert sich, 
heifst es in den Berichten mancher Station, eines Decembers, 
in welchem das Thermometer nicht ein einziges Mal unter den 
Frostpunkt sank. Die bedeutendste Wirkung des Äquatorial- 
stromes tritt grade im mittleren Europa hervor. Sie schwächt 
sich ab, sowohl nach Norden hin, als nach Bude, auch nimmt 
sie nach den Westküsten hin ab. 

Ein erheblicher Theil jener ungewöhnlichen Temperaturerhö- 
hung im December ist entschieden in dem Freiwerden der Wärme 
in der Condensation der Wasserdämpfe des Ädquatorialstromes 
zu suchen. Der regenlose Sommer 1868 hatte das Niveau der 
Ströme so erniedrigt, dafs die Flufsschifffahrt, in Deutschland 
wenigstens, überall gehemmt war. Der einzige December er- 
setzte diesen Mangel in so ungewöhnlicher Weise, dafs nach 
der excessiven Trockenheit des Sommers doch die Niederschlag- 
summe des ganzen Jahres nahe dem vieljährigen Mittel ent- 
spricht. In Lissabon fielen im December 1868 202.5 Mm. 
Regen statt 77.2, in Fecamp 139.2 statt 63.4, in Greenwich 
54 Zoll statt 2, die gröfste Menge seit 1815, in Guernsey 8%7, 
in Osborne 7.8, in Aldershot 8.'2, in Lampeter 11.2, in Allen- 
heads 10.3, in Stonyhurst 9.5, in Santiago, welches seiner Re- 
genmenge wegen in Spanien einen so bekannten Beinamen er- 
halten hat, 509.0 Mm. Am 24. traten der Cher, Indre und 
die Vienne über ihre Ufer, die Loire stieg auf 3.4 Meter, in 
Verdun fielen am 29. 15 Mm. in einer Stunde, in Beyrie gaben 
13 Tage 77.5 Mm. Ähnliche Erscheinungen zeigte Deutsch- 
land. Es fielen in Schwerin 67 par. Linien, in Kiel 66, in Al- 
tona 72, in Segeberg 68, in Flensburg 87, in Eutin 67, in 


vom 15. Februar 1869. 123 


Gram 72, bei der Kirche Wang an der Schneekoppe 74, in 
Grofsbreitenbach 103, in Clausthal 96, auf Norderney 80, in 
Arnsberg; 65, in Freudenstadt 171, in Issny 92. 

 Wintergewitter wurden bei dem stets sich erneuernden An- 
drängen des Äquatorialstromes beobachtet: 


"am 
am 


am 


am 
am 


am 
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am 
am 
am 


am 
‚am 
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am 
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am 
am 
am 


3. December in Jever; 

5. Dee. in Eutin, Görlitz, Mühlhausen, Göttingen, Wer- 
nigerode, Clausthal, Braunschweig, Hannover, Alt- 
morchen, Löningen, Münster, Gütersloh, Olsberg, 
Arnsberg, Cleve, Crefeld, Cöln, Kreuznach, Darm- 
stadt; 

6. Dec. in Berlin, Zechen, Breslau, Eichberg, Halle, Tor- 
gau, Erfurt, Mühlhausen, Sondershausen, Heiligen- 
stadt, Kassel, Hanau, Regenwalde; 

7. Dec. in Eichberg, Münster, Regenwalde, Posen; 

8. Dec. in Arnsberg, Crefeld, Hanau, Hohenzollern, Mün- 
chen, Ischl, Wien, Lemberg, Lorient, Cosne sur 
Loire, Blois, Tours (Trombe in Mettray und Notre 
Dame d’Oe), Beauficel; 

9. Dec. in Smeaton; 

11. Dec. in Schönberg in Mecklenburg; 

14. Dec. in Bath; 

15. Dec. in Lorient, Santiago, Eastbourne; 

16. Dec. in Brignolles, Bezieres, Cal&ves, Marseille, La- 
vallade, Lorient, Foix, Beauficel, Guernsey und Os- 
born; 

17. Dee. in Sieie; 

18. Dec. in Santiago; 

22. Dec. in Caleves, Beauficel, Santiago, Truro und 
Bournemouth; 

23. Dec. in Guernsey, Truro und Wilten; 

24. Dec. in Stuttgart, Heilbronn, Freudenstadt, Verdun, 
Auxerre, Guernsey, Helston, Osborne, Worthing, 
Tunbridge Wells, Bath; 

25. Dec. in Beauficel, Helston; 

26. Dec. in Llandudno, Liverpool; 

27. Dec. in Caleves, Guernsey, Sidmouth, Taunton, Bath, 
Stonyhurst; 


124 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


am 28. Dec. in Schwerin, Ratibor, Krakau, Truro, Osborne, 
Worthing, Aldershot, London, Halifax, Stonyharst; 

am 29. Dec. in Beauficel; 

am 30. Dec. in Lorient und Douai (auch in Fecamp und 
Beyrie). 

. Aulserdem wurde der Donner gehört, am 14. in Hawar- 
den, am 16. in Streatly Vicarage, am 24. in Royston, am 29. 
in Strathfield Turgiss und Allenheads, hingegen Blitze gesehen 
ohne gehörten Donner am 5. in Oardington, am 7. in Bath, 
am 10. in Bournemouth, am 13. in Helston und Oxford, am 
14. in Helston, Truro, Bournemouth, Taunton, Oxford und 
Eccles, am 15. in Bournemouth, am 16. in Halifax, am 18. in 
Bournemouth und Welton, am 22. in London, am 24. in East- 
bourne, am 26. in Wisbech und Hawarden, am 27. in Strath- 
field Turgiss, am 28. in Helston und Eccles, am 29. in Halifax. 


II. Das barometrische Maximum. 


Von dem niedrigsten Stande im December 1868 bis zu 
dem höchsten im Januar 1869 erhob sich das Barometer um 
folgende in pariser Linien ausgedrückte Gröfsen: 

Cristiansund 21.32, Aalesund 20.34, Skudesnes 21.90, Man- 
dal 24.75, Sandösund 24.91, Christiania 23.94, Dovre 21.54, 
Memel 26.75, Tilsit 25.05, Claussen 23.19, Königsberg 25,05 
Conitz 21.61, Cöslin 23.28, BRegenwalde 23.31, Stettin 23.07, 
Putbus 19.64, Wustrow 23.11, Rostock 22.50, Poel 22.31, Schwe- 
rin 22.78, Schönberg 23.10, Kiel 23.56, Hamburg 22.41, Neu- 
münster 23.10, Altona 22.25, Glückstadt 22.00, Meldorf 22.81, 
Segeberg 22.69, Neustadt a. d. Ostsee 22.90, Lübeck 22.89, Flens- 
burg 24.00, Cappeln 23.91, Wolteremühle 24.03, Gram 23.50, 
Cuxhaven 22.72,. Otterndorf 21.73, Lüneburg 21.38, Hinrichs- 
hagen 22.28, Berlin 22.96, Frankfurt a. d. ©. 20.99, Posen 22.59, 
Bromberg 22.47, Ratibor 17.21, Zechen 20.12, Breslau 18.80, 
‚Reichenbach 18.38, Landeck 16.38, Eichberg bei Hirschberg 17.38, 
Kirche Wang 14.23, Görlitz 18.24, Torgau 19.72, Halle 19.14, 
Leipzig 19.05, Dresden 18.19, Bautzen 18.62, Tharandt 13.54, 
Zittau 17.39, Zwickau 17.44, Chemitz 17.09, Königstein 17.70, 
Freiberg 17.24, Elster 15.49, Annaberg 15.47, Rehefeld 15.46, 
Reitzenhain 14.99, Oberwiesenthal 14.24, Erfurt 15.14, Mühl- 


or Äh 190: 125 


hausen 17.90, Grofsbreitenbach 15.14, Göttingen 13.54, Claus- 
thal 17.50, Hannover 20.38, Kassel 18.44, Altmorschen 18.16, 
Marburg 17.52, Fulda 17.04, Oldenburg 21.62, Jever 23.02, 
Norderney 22.77, Emden 22.45, Lingen 20.99, Löningen 21.14, 
Münster 19.69, Gütersloh 19.21, Olsberg 18.01, Arnsberg 18.45, 
Cleve 20.08, Crefeld 18.88, Cöln 19.19, Boppard 17.77, Trier 
17.22, Birkenfeld 16.25, Dürkheim 17.18, Kreuznach 17.34, 
Frankfurt a. M. 19.55, Hanau 17.82, Darmstadt 16.96, He- 
chingen 13.51, Hohenzollern 13.26, Stuttgart 15.20, Canstadt 
15.30, Heilbronn 14.80, Freudenstadt 13.00, Calw 13.20, 
Ulm 13.30, Schopfloch 13.00, Heidenheim 13.10, Issny 10.40, 
Friedrichshafen 11.20, Mergentheim 15.90, Meersburg 12.41. Ho- 
henschwand 11.68, Villingen 12.45, Freiburg 13.81, Petersthal 
13.60, Baden-Baden 10.69, München 12.99, Wien 14.97, Pesth 
15.20. 


Daraus folgt, dafs auf dem Beobachtungsgebiet die Schwan- 
kung am gröfsten in Ostpreulsen war und nach der Schweiz 
hin ununterbrochen abnimmt. Vergleicht man diese Schwankung 
mit den gröfsten Schwankungen, welche überhaupt in dem 
Zeitraum vom Januar 1848 bis Januar 1869 auf dem nord- 
deutschen Beobachtungsgebiete vorgekommen sind, so findet 
man folgende Grössen. Der Unterschied zwischen dem wahr- 
genommenen höchsten und niedrigsten Stande des Barometers 
war nämlich in pariser Linien: 


Maximum. Minimum. Unterschied. 
Barometer Jahr Barometer | Jahr 
BetesbiB..—.),... : 353.20 | 1869 818.81 | 1863 34.39 
Memeh, Zu da. % 350.55 | 1869 318.80 | 1863 31.75 
E12. 2 Fe PA une 350.20 | 1869 319.60 | 1855 30.60 
Königsberg ..... 350.04 | 1869 320.55 | 1855 29.49 
Glanssen . - .ia ;..» 344.18 1869 316.02 1855 28.16 
Vomtz.: .. .. kraghsäi 342.19 | 1964 315.58 | 1863 26.61 
STE 347.56 | 1864 319.18 | 1863 28.38 
Regenwalde..... 348.35 | 1864 321.18 | 1863 27.17 
Bee, L., 348.18 1858 319.24 | 1863 28.96 


1.1 A 345.58 | 1864 318.08 | 1868 27.90 


126 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Maximum. Minimum. |Unterschied. 
Barometer Jahr Barometer | Jahr 
Kill Biansdsnief 347.82 1858 321.03 | 1863 26.79 
Neumünster ..... 347.20 | 1869 | 321.30 | 1863 | 25.90 
Altona rs.» n%s 346.71 1864 320.51 1865 26.20 
Lübeck „0:42, 346.32 | 1864 319.82 | 1865 26.50 
Bauche n Z een 345.80 | 1858 »18.95 | 1868 26.85 
Ötterndorf. ... . 3 347.14 | 1858 319.66 | 1865 27.48 
Enneburg' 24 2% 1 346.55 | 1858 | 322.23 | 1863 29.32 
Wustrow 2.22. . | 347.48 | 1858 | 320.05 | 1863 27.43 
Rostock 4.2 Lew 1 346.50 | 1858 320.30 | 1863 26.50 
Sehwerin-. 2.1... 345.70 | 1858 319.11 | 1863 25.59 
Schönberz. . . 2 ;% 347.23 1858 310.93 1863 26.30 
Hinrichshagen. .. . 343.41 | 1858 318.12 | 1863 24.29 
Bern Man I IT 346.91 1869 320.72 | 1863 26.19 
Frankfurt a.d.0O. .. 346.21 1850 320.99 1869 25.23 
Pos 2) 22% 347.21 1869 320.88 1863 26.33 
Brömbers naar 346.96 | 1869 321.20 | 1863 25.86 
Kaliber. 2.0 0.32% 339.81 | 1864 317.235 371869 22.60 
Zechen2i3a, cha 343.60 | 1869 320.12 | 1869 23.48 
Breslau... . oyu. 2% 342.11 1850 318.80 1869 23.31 
Hiekbere. .. ... u. 332.36 1864 812.49 1863 19.87 
Gotz.n 2er... 339.10 1864 316.91 1863 22.19 
Torgau. ....... 343.36 | 1859 | 320.86 | 1863 22.50 
Halter er ae 343.27 1859 320.91 1863 22.36 
Fra > 338.89 1859 12.29 1863 21.60 
Mühlhausen ..... 338.79 1859 317.39 1865 21.40 
Göttingen ...... 340.86 | 1859 | 318.92 | 1865 20.94 
Clausthal: .!..... » 3283.08 1859 302.92 1865 21.61 
Hannoyer . .i. .... 345.39 1864 319.64 | 1969 25.71 
Oldenburg. „I... . 346.44 | 1859 320.89 | 1865 25.55 
EVER one 346.66 1864 313.08 1865 28.58 
Norderney au. ,... 347.15 | 1864 | 320.11 | 1865 27.04 
Emden; s 2% „3% 387.82 1864 320.67 1865 27.15 
Lingen: web. Ziu% 345.37 1864 321.06 1865 24.37 
Löningen. „.?. ....% 346.17 1859 320.67 1865 25.90 


Miiinster na. 2 hr saneın 544.87 | 1859 320.45 | 1865 24.42 


a a ee 


vom 15. Februar 1869. rn 127 
Maximum. Minimum. |Unterschied. 
Barometer | “ Jahr Barometer Jahr 


Gütersloh -...... | 344.16 | 1859 320.67 | 1865 23.49 
Olsberg . -...... | 331.93. |.1864 311.33 | 1865 20.60 
Ceresa as pulse 344.62 | 1859 320.56 | 1865 24.06 


Exetelle „-- zn. 2. 345.77 | 1859 | 321.85 | 1865 23.92 
Bean. 344.66 7 1359- | 323.51 | 1865 21.15 
Boppard... 2... 343.20 | 1859 | 322.50 | 1865 20.70 
Dürkheim ...... 340.52 | 1866 | 321.45 | 1865 19.07 
rien naeh | 18er 21.62 
Birkenfeld... ... 328.29 | 1869 | 310.80 | 1865 17.49 
Kreuznach... ... 342.80 | 1859 | 321.48 | 1865 21.32 


Frankfurt a.M.... | 343.72 | 1859 | 321.65 | 1869 22.09 
Hanau... - or....1.343.24 |.1859.| 322.05 | 1865 21.19 
Darmstadt. ..... | 339.24 | 1869 | 321.38 | 1865 17.86 
Hechingen ... .... | 324.87 | 1863 | 309.12 | 1865 15.75 
Hohenzollern . ... | 310.29 | 1863 295.04 | 1865 15.15 


Man sieht, dafs die ungewöhnliche Anhäufung der Luft 
sich auf die rulsischen Ostseeprovinzen, Preufsen, Posen und 
Schlesien beschränkt, denn im mittleren und westlichen Deutsch- 
land ist der jetzige hohe Stand von denen andrer Jahre über- 
troffen worden. Die Erniedrigung unter das Mittel war aber 
mit Ausnahme einiger Stationen in den andern Jahren bedeuten- 
der als im Winter 1888. Da die Stelle des Zusammentreffens 
einander aufstauender Ströme zu verschiedenen Zeiten eine 
verschiedene ist, das Fallen des Barometers aber von der Rich- 
tung der Äquatorialströme, möglicher Weise aber auch von der 
wirbelnden Bewegung eines Oyclon abhängt, so sieht man, dals 
der Spielraum der Oscillationen ein äufserst complieirtes Phä- 
nomen ist. Die Abnahme der Gröfse der Schwankung nach 
der Höhe tritt auch hier deutlich hervor, ein Beweis, dafs die 
Ursache derselben vorzugsweise in den untern Schichten der At- 
mosphäre zu suchen sei, nicht in den obern, ebenso wie die 
Zunahme nach Norden, welche in viel höhern Breiten wahr- 
scheinlich wiederum in eine Abnahme übergeht. 


128 


Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


II. Fortrücken des barometrischen Maximums. 
Die Beobachtungssstunden des preufssischen meteorolo- 
gischen Instituts sind 6, 2, 10. Aus diesen gleichweit abste- 
henden Stunden läfst sich das Fortrücken des barometrischen 
Maximums ziemlich genau ermitteln. Es trat ein (BRSE 


Stunden sind besonders angegeben): 


anı"t7, 


am 17. 


amı17. 


am 18. 
am 18. 


am 19. 


Morgens 6 Uhr in Memel 350.55, Tilsit 350. 20, Kö- 
nigsberg (7) 350.04, Conitz 342.02, Cöslin 347.42, 
Regenwalde 347.82, Bromberg 346.96, Sandösund 
(8) 346.30, Christiania (8) 346.17; 

Nachmittags 2 Uhr in Claussen 344.13, Reichenbach 
in Schlesien 335.88; 

Abends 10 Uhr in Breslau 341.09, Posen 344. 96, 
Ratibor 338.21, Zechen 343.60, Pesth 340.56, Frank- 


' furt a. d. O. 345.73, Wien 338.19, Zittau 335.72; 


Nachm. 2 U. in Christiansund (8) 341.73; 

Ab. 10 U. in Lüneburg 355.56, Hinrichshagen 342. 30, 
Berlin 344.91, Landeck i. Schl. 328.64, Hechingen 
323.84, Hohenzollern 309.49, Putbus 344,53, Tor- 
gau 344.22, Aalesund (8) 342.13, Skudesnes (8) 
343.33, Mandal (8) 344.80, Dovre in Norwegen 
317.84, Leipzig 341.28, Dresden 341.01, Bautzen 
337.385 

Morg. 6 U. in Eutin 345.20, Hamburg 345.38, Cux- 
haven 345.69, Otterndorf 345.56, Eichberg 332.01, 
Erfurt 338.15, Braunschweig 342.64, Hannover 343.78, 
Cassel 338.08, Emden 346.13, Gütersloh 342.22, Cre- 
feld 343.39, Cöln 342.87, Kreuznach 340.17, Dürk- 
heim 340.06, Darmstadt 339.24, Frankfurt a. M. 
341.18, Lingen 344.53, Halle 342.69, Norderney 
345.54, Löningen 344.54, Jever 845.49, Oldenburg 
345.17, Brüssel (9) 342.32, Zwickau 334.59, Tharand 
336.975 


am 19. Nachm. 2 U. in Mühlhausen 337.46, Göttingen 339.10, 


Clausthal 331.58, Münster 342.69, Cleve 343.21, 
Aachen 337.15, Boppard 340.22, Salzwedel 345.70; 


am 19. Ab. 10U. in Grolsbreitenbach 319.40, Arnsberg 337.12, 


Altmorschen 337.80, Fulda 334.91, Marburg 323.29, 


vom 15. Februar 1869. 129 


Hanau 340.79, Laach 332.87, Birkenfeld 328.28, 
Trier 337.47, München (6) 322.86, Rom (9) 541.56 
(nach stürmischem N.); 

am 20. Morg. 7 U. Civitavecchia 341.24. 

Zu demselben Ergebnifs des Fortrückens führen die Sta- 
tionen, von welchen nur angegeben ist, an welchem Tage das 
Maximum eintrat. Dies war: 

am 17. in Stettin 347.11; 

am 18. in Cappeln 349.40, Chemnitz 332.95, Freiberg 328.97, 
Annaberg 320.69; 

am 19. in Kiel 346.49, Neumünster 347.20, Altona 345.33, 
Glückstadt 345.00, Meldorf 345.68, Segeberg 344.04, 
Neustadt 345.53, Lübeck 345.78, Flensburg 345.81, 
Eutin 345.20, Woltersmühle 345.02, Wustrow 346.89, 
Rostock 345.5, Schwerin 344.55, Schönberg 346.03, 
Poel 347.96, Oldesloe 344.86, Heidenheim 324.5, 
Mergentheim 336.4, Carlsruhe 339.7, Mannheim 340.1, 
Buchen 331.7, Wentheim 338.9, Königstein 331.32, 
Elster 324.80, Rehefeld 317.17, Reitzenhain 313.62, 
Oberwiesenthal 332.47. 

Nach den in den Nouvelles meteorologiques der meteorologi- 
schen Gesellschaft in Frankreich mitgetheilten Abweichungen 
scheint das Maximum in Italien, Griechenland und der Türkei erst 
am 20. eingetreten zu sein, auf der iberischen Halbinsel hingegen 
früher, zwischen dem 17. und 19. Bei der verschiedenen Erhebung 
der einzelnen Stationen über das Meeresniveau lassen sich die 
angegebenen Zahlen nicht unmittelbar mit einander vergleichen, 
Die Bestimmung, wie viel das barometrische Maximum das 
Monatsmittel des Januar von 1869 übertrifft, würde eben so 
wenig eine richtige Vergleichung geben, da dieses Mittel unge- 
wöhnlich hoch war, und zwar in Ostpreufsen sich viel mehr 
von seinem aus vielen Jahren bestimmten Werthe unterschied, 
als im südwestlichen Deutschland. Ich habe daher das Maxi- 
mum auf den aus vielen Jahren bestimmten Werth des Jahres- 
mittels bezogen und die Stationen nach der Gröfse ihrer Ab- 
weichung geordnet. Zahlen ohne Zeichen bedeuten den Über- 
schuls des Druckes über das barometrische Mittel der Station, 
Nur bei den mit einem * bezeichneten Stationen habe ich mich 


130 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


begnügen müssen, bei der in den Nouvelles meteorologiques 
gegebenen Abweichungen vom Monatsmittel stehen zu bleiben. 

Petersburg 15.97. 

Helsingfors 14.44. 

Memel 13.88, Tilsit 13.86, Stotkhake 13.75. 

Claussen 12.42. 

Cöslin 11.53, Bromberg 11.34, Conitz 11.07. 

Christiania 10.99, Regenwalde 10.99, Leipzig 10.98, Neu- 
münster 10.77, Poel 10.67, Posen 10.62, Stettin 10.38, Lemberg 
10.33, Torgau 10.30, Zechen 10.24, Wustrow 10.24, Frankfurt 
a. d. Oder 10.01. 

Lübeck 9.95, Putbus 9.82, Dürkheim 9.76, E 
9.70, Sandösund 9.66, Woltersmühle 9.60, Kiel 9.52, Schönberg 
9.42, Meldorf 9.38, Berlin 9.26, Salzwedel 9.20, Rostock 9.16, 
Schwerin 9.14, Emden 9.09, Neustadt a. d. Ostsee 9.08, Ottern- 
dorf 9.05, Breslau 9.04, Krakau 9.00. 

Lüneburg 8.96, Altona 8.93, Jever 8.77. Norderney 8.68, 
Erfurt 8.67, Ratibor 8.64, Halle 8.64, Hannover 8.45, Oldenburg 
8.22, Dovre 8.22, Eichberg 8.20, Löningen 8.15. 

Mühlhausen 7.93, Gütersloh 7.89, Mandal 7.89, Cleve 7. 85, 
Cöln 7.84, Görlitz 7.83, Kassel 7.76, Münster 7.75, Crefeld 7.69, 
Göttingen 7.43, Prag 7.36, Ofen 7.32, Brüssel 7.31, Skudesnes 
7.18, Frankfurt a. M. 7.06. | 

Olsberg 6.98, Darmstadt 6.97, Wien 6.37, Kreuznach 6.82, 
Aalesund 6.78, Ischl 6.69, Christiansund 6.60, Aachen 6.53, Ha- 
nau 6.41, Heidenheim 6.14, Szegedin 6.12, Boppard 6.09, De- 
breczin 6.03. 

Agram 5.98, Klagenfurt 5.95, Mailand* 5.85, Ferrara* 5.85, 
Birkenfeld 5.79, Triest 5.50, Ancona 5.50, Hermanstadt 5.45, 
Florenz* 5.41, Trier 5.40, München 5.35, Ile d’Aix* 5.32, Athen* 
5.23, Hechingen 5.09, Bludenz 5.05, Aosta* 5.01. 

Pola4.83, Hohenzollern 4.66, Lesina 4.48, St. Matthieu* 4.43, 
Smeaton” 4.26. 

Santiago* 3.86, Lissabon* 3.72, Rom 3-59, Ellabus* 3.50, 
Sieie* 3.46, Madrid* 3.26, Durazzo 3.24, Murcia* 3.06. 

Constantinopel* 2.35. 

Palermo” 1.86. 

Ponta Delgada* —2.08. 


vom 15. Februar 1869. 151 


IV. Der abkühlende Einflufs des vordringenden 
Polarstromes. 


Eine den mittleren atmosphärischen Druck sechszehn Li- 
nien übersteigende Barometerhöhe, wie am 17. in Petersburg, 
ist, so viel mir bekannt, noch nie beobachtet worden. Der 
Druckunterschied zwischen dem 17. Jan. 1869 u. 20. Jan. 1863 
entspricht dem Drucke einer Wassersäule von 39 Zoll Höhe. 
Lälst eine solche Erscheinung sich allein durch anomale Wärme- 
verbreitung erklären, oder müssen wir noch andere Ursachen 
als mitwirkend annehmen? 

Die folgende Tafel enthält zur Beantwortung dieser Frage 
die Abweichungen der fünftägigen Wärmemittel vom 27. De- 
cember 1868 bis zum 30. Januar 1869 von vieljährigen Mitteln 
dieser Pentaden in Reaumurschen Graden. 


Decb. Januar 

27—31I] 1—5 | 6—10 | 1-15 16-20) 21—25126—30 
Christiania ... — 1.29 3.31 2.03 2.58 | —1.06 2.97 
Memei. o.... 5.94 1.39 5.77 5.00 | —2.97 | —1.91| —0.24 
bay 1 HE 4.15 1.81 5.92 5.16 | —3.83 | —4.55 | —0.49 


Claussen ....1 6.36 227 5.67 4.00 | —5.02 | —7.00 | —0.19 
Königsberg...| 5.31 2.18 5.58 3.94 | —3.93 | —3.93 | —0.32 
a A a a cl 3.96 2.60 | —2.48 | —4.24 | —1.27 


Gahilz 42»... 4.05 | 3.52 | 6.57 | 4.86 |—2.88| —4.93| 1.56 
Colin )...:. 2.66 | 2.94 | 5.20 | 3.35 |—3.63| —4.18| - 1.35 
Regenwalde ..| 3.49 | 3.43 | 4.59 | 2.89 | —3.40 | —3.57 | —0.57 
Stein... ..:. 4.40 | 3:56 | 5.95] 2.82 | — 8.32 —4.08| : 2.18 
Putbus...... — | 3.12 | 5.04 | 2.79 |—2.17 | —2.52| 0.84 
Wustrow ....| 2.28 | 2.83 | 4.20 | 1.35 | —2.94 | —2.03| 1.06 
Rostock... 3.08 | 3.68 | 5.29 | 1.81.|—2.60| —3.65| 1.22 
i a: DE Be Ba 3.84 | 48T || 1.87 | -2207 1--365 ai 


Schwerin....| 2.91 | 3.32 4.70 1.71 | —9.34 | —4.79 1.69 
Schönberg ...| 3.12 | 3.86 9.58 1.96 | —2.64 | —4.34 1.95 


Kiel ....... 2.64 | 3.63 4.79 1.63 | —2.68 | —3.35 1.59 
Altona...»..: 2.69 | 3.75 4.40 0.36 | —2.99 | —4.54 1.57 
Enbeck |. 3.65 | 4.01 9.99 1.84 | —2.76 | — 3.34 1.854 
Batın- . 8:47 2.89 | 3.38 4.82 0.88 | —3.25 | —3.76 1.45 


[1869.) 10 


Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


132 
Decb. Fan aa 
27—31] 1—5 | 6—10 | 11-15] 1620) 21-23|26—30 
Cuxhaven.... — 3.47) 3.94 | —0.21 | — 3.93 | — 4.62 | — 0.18 
Ötterndorf ...| 2.73 3.23 4.05 0.53 | —1.92 | —4.98 T8 
Lüneburg... 3.02 3.94 5.11 2.06 | —2.12 | —5.25 1.88 
Hinrichshagen . | 3.78 4.17 6.06 2.83 | —2.86 | —4.89 2.42 
Berlin: Ir. Hl 5.62 4.64 5.95 2.48 | —3.47 | —4.13 1.85 
Frankfurt a. 0.| 5.41 | 461| 6.14| 3.14 | —3.55 | —6.47| 1.32 
Posen, nr 0% 5.97 3.73 6.45 4.53 | — 3.26 | — 7.26 1.78 
Bromberg....| 4.98 4.66 6.67 5.11 | —3.29 | — 6.46 1.42 
Ratıbor,...-. 7.83 5.90 5.29 2.50 | —2.88 | — 9.40 1.34 
Krakau .....-1 6.58 5.81 5.01 1.44 | —5.92 | —8.42 0.93 
Zeehen. „3.3 5.92 4.53 6.00 2.67 | —4.16 | — 8.85 2.00 
Breslau... 5.817 35) 6.37 2.42 | —4.90 | — 8.60 1.98 
Eichberg ....| 6.24 5.17 4.38 1.49 | —4.83 | -10.01 0.25 
Görlitz... 6.01 4.98 5.24 1.35 | — 3.86 | — 8.72 0.84 
BrastL. 0er it = 5.46 4.85 | —0.03 | — 4.35 | — 7.82 | —0.99 
Wienrzrr7r 7.00 5.22 3.65 | —0.87 | — 3.97 | — 7.73 0.23 
Debreezin.... — 6.85 4.18 0.13 | —5.92 | —6.30 | —1.39 
Lemberg .... — 4.26 3.78 0.13 | -10.06 | — 8.88 | — 1.36 
Szegedin ee Fa — 4.62 1.22 | —0.77 | —6.82 | —9.04 | —2.59 
Hermanstadt. . — 5.88 3.15 | —1.86 | — 7.71 | — 7.70 | —5.74 
Agram...... — _ 4.16 0.00 | — 3.96 | —8.80 | —1.62 
isst Sr — 3.09 2:10 0.14 | —2.18 | —4.74 | —1.04 
Pola . J32.2.. — 3.68 1.66 0.14 | —0.94 | —6.03 0.16 
Ancona 2.4. — — 1.84 0.10 —4.02 | —2.05 
Rom ..! 304 2.94 | —1.79 | —1.62 | —1.83 | —2.51 | —7.31| —2.72 
Torgau]: !..: 5.47 4.61 4.77 1.61 | —3.60 | —6.56 1.18 
Felle. er... 5.17 3.94 3.81 0.43 | —2.37 | — 7.03 0.94 
Birfnrt :.%_. 2:52. 9.35 5.13 0.50 | —2.99 | —6.74 2.24 
Mühlhausen ..| 4.92 4.48 4.27 0.06 | — 3.57 | —6.95 2.27 
. Heiligenstadt. .| 5.03 4.76 4.01 1.18 | —2.77 | — 7.10 2.74 
Göttingen. ....| 4.10 4.53 3.62 | —0.27 | —2.67 | —6.39| 0.40 
Clausthal ....| 3.14 3.03 3.40 2.47 0.88 | — 7.07 1.59 
Hannover... .| 3.82 4.46 4.97 1.46 | —1.59 | — 6.33 1.58 
Oldenburg ...| 3.25 4.18 4.05 | —0.07 | —2.29 | — 6.27 1.08 
IENET. hab 2.88 3.14 3.99 | —0.02 | —2.17 | — 9.48 1.24 


vom 15. Februar 1869. 133 


Deck. Januar 

gi 1—5 | 6— 10] 11— 15 16-20 2125 26—30 
Emden ».... 1.80 2.47) 4.20 0.02 | —0.96 | 1.24 
Einzen.....:; 2.43 |; 3.64| 4.33 0.58| 0.33|—6.64| 1.61 
Löningen ....| 3.43 3.58| 2.66 | —0.59 | —1.90 | —6.97 | 0.46 
Münster .....| 3.46 3.68 | 3.66 0.29| 0.071 —6.19| 1.43 
Gütersloh ....| 4.58 7 er 0.97 | —0.34 | —5.83 1.25 
Cleve ......| 3.41 3.67 | 3.85 047]1..0.231—6.11}. 41.72 
Crefeld ..... 4.63 4.62 | 3.56 9.251 -O.111 6.14) 1% 
DE WARE 4.80 2.99 3.11 0.14 | —0.64 | — 7.20 1.76 
Boppard..... 5.28 21 3.68 1.004 8.0.59) 7.62 | 153 
A NE 5.31 A354 AS 1021 7.0341 684 0.40 
Kreuznach ...| 5.97 5.44 | 4.23 0.05 | —0.59 | —6.49 | 0.32 
Frankfurt a.M.| 5.06 | 3.90 | 3.00 047| 0.21) —7.42 0.05 
Mannheim ...| — 458 1.2.88 1:20.93 1E 2.001 7.461.084 
Darmstadt ...| 5.22 4419 || 312 108581 „2.17 17.16 |:..0.75 
Hechingen ...| 6.00 6.27 | 3.87 0.05 0.01 | —9.63 | —0.48 
Hohenzollern. .| 4.94 | 5.23| 2.16 | 0.78 | —0.35 | —9.09| 0.21 
Stuttgart ....| 5.10 3.99| 3.40 | —0.85 | —0.71 | —8.43 | —0.32 
Carlsruhe....| 6.48 5.09) 5.14 | —0.38 | —0.96 | —6.37 | 0.66 
Heilbronn. ...| 3.96 3.83 | 2.39 | —1.70 | —2.12 | —8.69 | —1.71 
Freudenstadt. ..| 3.86 4.74| 3.90 0.05 | —0.81 | — 8.28 0.43 
a 4.96 3.63| 4.27 0.35 | —0.25 | —8.48 | —0.54 
Bin. 0.: 1 31487 4.11| 3.64 | —0.87 | —1.47 | —9.00 | —0.45 
Schopfloch...| 4.15 3.28| 1.87 | —0.07 | —1.59)—9.49| 1.12 
Canstadt..... 5.04 5.06 | 4.71 141 || -0,971 — 25 1.50 
Heidenheim ..| 5.10 3.97 | 3.96 | —0.64 | —1.03 | —9.42 | —0.65 
A E 5.21 4.05 | 4.49 0.89 | —0.38 | —9.25 | —0.10 
Friedrichshafen | 4.62 2.93 | 3.57 0.66 | —1.55 | — 8.10 | — 2.02 
Mergentheim. .| 4.18 4.31| 3.35 | —0.43 | —0.50 | —6.52 0.60 
re ee 4.96| 4.53 |—0.03 | —2.38 | —9.25 | —0.98 
Klagenfurt ... —_ 3.06 | 4.74 1.94 | —0.24 | —6.53 | —1.82 
Bludenzi.a s-.-| =: > das 1.13 | —0.30 | —5.30 | —0.35 
Brüssel .....| 4.02 3.83 | 527 | —-057|| 0.421 4.88, ..,.0.19 
Paris.......| 4.42 2.99| 5.35 0.24| 0.81 | —-5.79 | —0.80 
Lissabon . -..| 0.64 |—0.54 | 0.60 1.66) 1.52| 0.20| 3.07 


10* 


134 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Wo wegen einer zu wenige Jahre umfassenden Beobach- 
tungsreihe ich die mittleren Werthe nicht für die fünftägigen 
Mittel bestimmen konnte, füge ich die direct abgelesenen 
Temperaturen in der folgenden Tafel hinzu (Grade Reaumur). 


Deck. Jannar 


16-20 222512630 


27—s1l| 1—5 | 6-10 11-15 


Lauenburg. ...| 3.39 0.551 3.22| + 1.05 | —5.67| —5.49| 0.25 
Hamburg ...| 4.46 3.87|/ 4.06 |: O5L|F 27a -DRa 20 
Neumünster ..| 3.85 3.26 1° 3.751090 | abs 2. DE 
Glückstadt. . .| 3.95 3.601: 406|. 0.42 |--2,37| —2839) 7 2.00 
Meldorf ....| 4.27 3.761.393 || 012 | 244 1 1786 7205 
Segeberg. ...| 3.72 3.10 3.85 | —0.07 | —3.62 | —3.64| 1.99 
Neustadt... .]| 3.58 3.34 4.08 0.26 | —3.36 | — 3.12 1.84 
Flensburg ...| 3.43 ».59 4.59 1.28) —2.40 | —0.81| 2.85 
Woltersmühle .| 3.18 350| 415| 045|-3.024 —3.00) 1.42 
Cappeln .....| 3.60 3.61) 415| 1.091—2.26| —141| 2.39 
Oldesloe ....| — 3.85| 4.22] 0.25) —3.22| —3.10| 2.68 
Gram...... 2.94 3.17 3.37) 0.99) —2.26 | —0.60| 1.92 
Marmitz.....| 3.62 3.01 3951-027 | A411 - Asree 
Reichenbach. .| 4.75 2.791 2.35| —1.33 | —8.56 |—-11.55]| 0.81 
Landeck ....| 4.48 2.151 1.07| —2.49 | —9.00 [—11.38] —0.89 
Kirche Wang .| 0.71 0.32 | —0.66 | —1.46 | —5.54 |— 11.48] —0.42 
Grofs Breiten- 

bach..... 3.20 0.57 | —0.23 | —2.87 | —4.94 | —9.56| —0.51 
Kassel ..... 5.26 3.95| 2.69 | —0.52 |—1.99 | — 5.32] 1.89 
Altmorschen. .| 5.17 3.56 || 2.20 | —1.34|- 3:7 I — 7.020090 
Marburg ... .| 4.79 2801: 1.47 | 9.02 | -D.87 1 — 20801 
Arnsberg ...| 5.09 4.08 2.55 | —0.39 | —0.40 | —5.36| 3.39 
Aachen. ....| 5.60 4.881 427| 0.68| 0.97| —4.19| 4.26 
Taach ..%%V, 7 5.01 3.531 2.45 | —0.97 | —6.67 | —6.23| 2.09 
Dürkheim ... .| 6.97 5.04| 4.25 | —0.43 | —0.69| —5.74| 1.54 
Fulaa: 1290 4.82 2 1.35 | —2.11 3.41 | 8.02 
Hanau .....| 6.04 4221| 2.26 | --0:22) E-.1.45 11 = Ssa a 
Biberach. ...| — 1.67| 1.80 | —2.35 | —4.10 —10.65|) —1.70 
Meersburg... | 4.85 379||. 310 | 0.80 | 2.71 820 "OR 


Höchenschwand| 2.01 1—0.12 0.67 | —1.52 | —4.44 | — 9.52) —0.20 
Villingen... .| 3.56 0,24 1.57 | —2.77 | —4,32 |—11.39| —1.29 


vom 15. Februar 1869. 435 


Decb. Januar | | 
| | 6-10 | 11-15 1620) 21—25|26—30 
| 


Freiburg... .| 7.06 | 5.06 | 3.70 | —1.23 | —0.95 | —6.65 | 3.89 
Petersthal ...| 4.79 | 4.27 | 2.75 | —1.48 | —0.63 | —6.84| 1.72 
Baden-Baden .| 6.69 | 5.09 | 3.08 |—1.89 | —0.61| —6.18| 2.07 
Buchen. ..... 4.55 | 1.92 | 1.36 |—2.12 | —2.98 | —8.29| 0.12 
Wertheim ...| 6.10 | 4.13 | 1.48 | —1.50 | —3.38 | —8.03 | 0.81 
Beauficel....| 5.12 | 4.22 | 6.37 3.761 3.71[|-1.28| 3.58 
Fecamp ....| 6.16 | 5.54 | 6.54 2.46| 4.08|—1.12| 3.82 
Dowi ..... 5.66 | 4.38 | 6.02 0.701 2.481 —2.88| 2.54 
Soissons . » ..| 6.77 | 4.22 5.79 1.84 1.82 | — 3.66 | 3.25 
Rouen, , WET, 6.27 | 6.06 | 6.75 2.64| 3.47) —1.98| 4.64 
Tours ..... 6.43 | 5.58 | 7.06 3.39| 3.49) —0.69| 4.18 
Blois...... 6.22 | 4.64 | 6.67 2.06| 3.41|—1.98 | 2.18 
Montargis .....| 5.82 | 5.34 | 6.54 2.061 3.54|1—2.32| 2.51 
Chatillon s. L.| 5.42 | 4.32 | 5.51 | 1.34| 142|—443| 1.71 
la Charite ...] 4.96 | 4.42 | 5.18 240| 1.52\)—3.55| 1.28 
Cosne. ..... 5.92 | 4.64 | 6.74 3.20| 2.42) —1.94| 2.10 
Auxerre ....| 6.74 | 5.47 | 6.83 2.081 2.241 —3.76| 2.64 
Doulevant ...| 5.76 | 4.85 | 5.87 BASNNDLEE | 5.7.1 1587 
Metz ...... 5.57 | 4.42 | 4.74 0.351 0.75|—5.09| 1.28 
Ichtrazheim ..| 5.70 | 3.90 | 3.90 | —1.17 | —0.37 | —7.14 | 0.42 
Verdun. ...- » 5.60 | 4.42 4.86 0.56| 0.50) —4.69 | 0.58 
Borient. .... 6.93 | 7.92 | 7.66 5.871 5.33| 0.91| 6.66 
Nantes® .... 7.04 6.90 8.16 4.24 4.64 8.64! 4.88 
Lavallade ...| 4.56 | 4.56 | 5.76 3.94| 5.15| 3.44| 7.50 
Beyrie ..... 8.96 | 6.93 | 6.58 6.271 5.651 3.95| 8.88 
loyBüy:i --.issir 4.82 | 2.26 | 5.17 3.281 1.18|—2.64| 3.89 
Bodez 1... 4 3:66 | 510 4.29) 2.74| 0.83| 4.64 
Caleves’ ....| 4.08 | 2.22- |. 4.50 123 1..049 2.785.043 
Bow. .... 6.45 | 4.32 | 3.95 0.40| 0.661 —3.78| 2.86 


Perpignan ...| 8.29 | 6.37 9.63 7.20 7.38 5.23 | 7.58 


Foix ...... 6.19 | 7.50 4.59 3.41 4.42 2.10} 5.86 
Montpellier ..| 7.24 | 4.69 5.95 5.981 3.98 0.34 | 4.26 
Marseille. ..*| 7.73 | 5.28 7.31 6.14 9.60 2.10 | 6.82 
Brignolles ...| 6.96 | 4.00 9.60 3.68 3.68 1.28 | 4.80 


Cames...:.« — 7.04 71.86 7.70 6.90 3.62 | 5.34 


136 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Decb. Jann®ar 
es | 6-10 11-15 16-20 21—25/26—30 
Pointe St. Mat- | 
thieu ....| 768 | 2.79 | 732 | 670| 2312| 2.641. 608 
Cap Gris-Nez .| 7.09 | 5.15 | 6.37 | 146| 429|—1.79| 2.77 
Iste dAix...| 830 | 7.65| 776) 544!I 616| 131|. 5.34 
Biarritz. ....| 9.39| 7.9| 6829| 858] zı8| 5.951 7.95 
Madrid..... 3.76 | 1.71 | 4.02| 5.09] 4.72| 3.79| 3.33 
St. Jago ....| 7.36 | 6.37 | 7.09 | 832] 731! 654| 8.22 
Murcia ..... 8.94 | 6.58 | 8.21 | 8.61] 8.67) 8.64| 11.79 
Ponta Delgada| 9.14 | 12.82 | 13.74 | 11.81) 12.85! 13.07| 12.42 
2.77 | 0.99 | 3.10 | —0.98 | —1.28 |—3.76 | —3.18 
Mailand ....| 3.60 | 2.34 | 1.20 | 0.22| 0.40 | —3.07 | —1.22 
Ferrara ....| 5.33 3.97 3.17 1.50 1.58 | —2.13 0.37 
Florenz ....| 9.09 | 640 | 451 | 448! 3.34|—-1.49| 2.29 
Palermo ....] 11.98 9.62 5.02 3.32 = 4.86 8.08 
Constantinopel — 7.46 4.24 3.95 —0.30 | —1.78 | —0.91 
PO 10.56 | 9.25 | 547 | 4538| 2338| 2.29| 3.34 
Bagdad..... e 4.22 | 640 | 7.09 | 6.61| 8.24| 7.62 


Ein Blick auf die vorhergehenden Tafeln zeigt, dafs die 
ungewöhnliche Wärme, mit welcher das Jahr 1868 schlofs, bis 
in die Mitte des Januars 1869 anhält, und dann plötzlich einer 
sehr starken Abkühlung Platz macht. Dafs diese Abkühlung 
durch den stürmisch einbrechenden Polarstrom hervorgerufen 
wird, zeigt besonders schön das Journal von Rom. Hier 
herrschte 48 Stunden lang vom 24. Abends 6 Uhr bis zum 26. 
eine tramontana furiosa von 35 Meilen Geschwindigkeit in der 
Stunde. Mit dem Gange des fünftägigen Mittels stimmt sehr 
gut der Eintritt der höchsten Kälte überein. 

In Schleswig und Holstein fällt diese unmittelbar vor das 
barometrische Maximum auf den 18. Januar, in Östpreufsen 
und Pommern auf den 22., in Schlesien, Westphalen, Rhein- 
land, Württemberg und Baden auf den 23., in Frankreich auf 
den 24. und 25., in Italien auf den 26., wie folgende Zusam- 
menstellung zeigt. Die grölste Kälte war: 


' am 16. 


am 17. 


am 18. 


am 19. 
am 21. 
. Jan. in Königsberg —12.9, Hela —9.5, Conitz — 16.5, 


am 22 


vom 15. Februar 1869. 137 


Januar in Neustadt an der Ostsee —7.8; 


Jan. in Neumünster —9.5, Tilsit —12.0, Flensburg 


—7.2, Cappeln —6.0, Poel —8.0, Rostock —8.0; 
Jan. in Kiel —7.5, Hamburg —7.7, Altona —3.6, 
Glückstadt —7.1, Meldorf —5.8, Segeberg —3.1, Lü- 
beck —8.1, Wustrow —8.1, Schönberg —7.7, Eutin 
— 7.8, Woltersmühle —3.0, Oldesloe —7.5; 


Jan. in Cuxhaven —6.0, Otterndorf —6.4, Gram — 7.3; 


Jan. in Perpignan 0.6; 


Lauenburg in Pommern —11.0, Cöslin —10.7, Re- 
genwalde —11.8, Stettin —10.7, Putbus —7.6, Lü- 
neburg — 10.0, Schwerin —9.6, Marnitz —12.9, Hin- 
richshagen —11.5, Berlin —10.6, Frankfurt a. d. O. 
— 12.2, Kirche Wang a. d. Schneekoppe — 20.0, Halle 
— 11.0, Erfurt — 14.9, Grofsbreitenbach — 16.2, Mühl- 
hausen —14.2, Göttingen —10.5, Clausthal —12.3, 
Braunschweig —8.6, Hannover —9.0, Fulda —12.8, 
Jever —7.0, Norderney —6.7, Cannstadt —12.2; 


am 23. Jan. in Claussen —18.8, Posen —14.7, Bromberg 


—15.9, Zechen —19.3, Breslau —18.6, Landeck 
—18.8, Reichenbach — 22.5, Eichberg — 25.2, Gör- 
litz —17.0, Torgau —11.4, Kassel —10.8, Altmor- 
chen — 14.5, Marburg —13.0, Oldenburg —9.2, Em- 
den —9.0, Lingen —9.8, Löningen —10.3, Münster 
—10.0, Olsberg —13.0, Arensberg —11.8, Cleve 
—9.0, Crefeld —9.1, Aachen —9.4, Cöln —10.4, 
Boppard —10.6, Laach —11.8, Trier —10.2, Bir- 
kenfeld —14.4, Kreuznach — 11.4, Frankfurt a. M. 
— 12.0, Darmstadt —13.0, Hechingen —15.7, Ho- 
henzollern —14.2, Heilbronn —13.5, Freudenstadt 
— 16.0, Calw — 14.7, Ulm — 15.0, Schopfloch — 17.5, 
Heidenheim —18.0, Issny —15.2, Friedrichshafen 
— 14.0, Mergentheim — 13.0, Biberach — 19.5, Meers- 
burg— 12.6, Höchenschwand — 14.1, Villingen — 17.3, 
Freiburg —11.4, Petersthal —11.3, Baden-Baden 
— 11.0, Carlsruhe — 11.5, Mannheim —11.2, Buchen 
— 13.7, Wertheim —13.1, Verdun —10.1, Brüssel 


138 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


— 7.0, Beyrie —0.4, le Puy —9.2, Rodez —4.6, Mar- 
seille —2.4, Pointe St. Matthieu —0.4, Rom —4.8, 
(Maestro furioso, starke Nachtfröste vom 21. bis 28. 
auch in Civitavecchia); 
am 24. Jan. in Landeck —18.8, Krakau —18.2, Ratibor 
— 20.0, München —18.5, Salzburg —22.0, Stuttgard 
— 14.0, Rouen —7.2, Metz —9.2, Lorient —2.7, 
Cap Gris-Nez —4.8, Brignoles —1.6, Palermo 1.9; 
am 25. Jan. in Beauficel —6.6, Fecamp —4.5, Douai —6.5, 
Soissons —10.1, Paris —7.2, Tours —6.4, Blois 
—8.7, Montargis —9.0, Chatillon sur Loire —9.2, 
la Charite —9.0, Cosne —9.9, Auxerre —9.9, Dou- 
levant —12.0, Hanau — 12.5, Ichtratzheim —12.6, 
Nantes —4.8, Poitiers —6.8, Lavallade —2.4, Ca- 
leves —10.7, Bourg —11.3, Biarritz —1.6, Mailand 
— 7.6, Szegedin —15.5, Valona —4.9. Hier war der 
Schaden an Citronen und Orangen, welche von der 
Last des Schnees, welcher bei südlichem und süd- 
westlichem Wolkenzuge fiel, während in den untern 
Schichten N und NO herrschte, so niedergedrückt 
waren, dafs sie wie abgebrochen aussahen, sehr grofs. 
Der Schnee fiel schon in der Nacht vom 18.—19., 
dann stärker in der Nacht vom 22.—23. (Nieder- 
schlag 5.54 Lin.) und vom 23.—24. (8.76). Das 
Laub war erfroren und fiel ab, fünfjährige Bäum- 
chen gingen ganz zu Grunde. “Auch die Oliven- 
bäume litten sehr, indem der Schnee an denselben 
festfror und viele deshalb bis zur Wurzel abbrachen. 
Die indischen Feigenbäume, sowohl einzeln stehend 
als in Hecken, gingen bis zur Wurzel zu Grunde. 
Alle Pflanzen mit dieckem Laub litten bedeutend, 
während Aloen und japanische Mispeln der Kälte 
gut widerstanden. 
am 26. Jan. in Montpellier —8.8, Cannes —1.0, Isle d’Aix 
—3.4, Eullabus —2.1, Aosta —8.6, Florenz —6.8, 
Constantinopel —6.6, Durazzo —4.3. Die Kälte und 
der in diesen Gegenden ganz ungewöhnliche Schnee- 


vom 15. Februar 1869. 139 


fall verursachte grofse Verluste an den Viehheerden, 
welche dort im Freien übernachten. 
am 27. Jan. in Athen —1.8. 

Das Fortschreiten der Kälte von höhern nach niedern Brei- 
ten zeigt sich auf dem ganzen Beobachtungsgebiete in überzeu- 
gender Weise. Diesem Gebiete gehört aber Norwegen, Schott- 
land, England und Spanien nicht an. Während in Memel schon 
am 3. Januar das Thermometer sich über den Frostpunkt er- 
hebt, fällt in Christiania die grölste Kälte des Monats —11.2 
grade auf diesen Tag, in Dovre auf den 2. —17.3, ebenso in 
Sandösund — 7.1, auf den 1. in Mandal —3.7, und in Skudes- 
nes —0.5. In Schottland war es am kältesten am 1, —2.9 in 
Smeaton, in Stonyhurst in England —4.7. In Spanien ist das 
Minimum am 3. in Madrid —3.4, in Murcia —3.0, in Lissa- 
bon 3.5 am 2., in Ponta Delgada auf den Azoren 7,1 am 10. 

Damit ist aber die Herrschaft des Polarstromes beendigt, 
er wird von Neuem vom Äquatorialstrom zurückgeworfen. Das 
am 29. in ganz Deutschland hervortretende barometrische Mini- 
mum beweist es. Es ist von Wintergewittern begleitet, die am 
heftigsten in Santiago hervortreten. Der Kampf beider Ströme 
ist noch nicht beendigt und als Folge desselben verdecken auf 
einander folgende Gegensätze der Wärme und Kälte den regel- 
mälsigen periodischen Verlauf der Jahreszeiten in der, an be- 
stimmten Stellen durch stets wiederkehrende heftige Stürme 
aufgeregten Atmosphäre. 

Wenn die Vertheilung des atmosphärischen Druckes in dem 
hier vorliegenden Falle allein durch thermische Verdichtung 
hervorgerufen wäre, so mülste die Temperaturerniedrigung an 
der Stelle des höchsten barometrischen Maximums am bedeu- 
tendsten gewesen sein. Dies ist nicht der Fall, denn bei dem 
Vordringen nach Süden steigert sich der abkühlende Effect des 
Polarstromes. Es bleibt also nur die Annahme einer Mitwir- 
kung der Aufstauung, welche den Erscheinungen genügt. 


140 Gesammtsitzung 


18. Februar. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Roth legte Beiträge zur Petrographie der plutonischen 
Gesteine, gestützt auf die von 1861—1863 veröffentlichten Ana- 
lysen, vor. 


Herr G. Rose legte eine Mittheilung des Herrn Dr. P. 
Groth vor: 


Ueber Krystallform und Circularpolarisation und 
über den Zusammenhang beider beim Quarz und 
überjodsauren Natrium. 


Es ist bekannt, dafs man bisher unter den einaxigen eir- 
eularpolarisirenden Krystallen am Quarz allein mit Sicherheit 
solche Krystallflächen kennt, welche den Sinn der Drehung 
der Polarisationsebene des Lichtes vorher zu bestimmen erlau- 
ben. Es sind dies die Trigonoäder (trigonalen Pyramiden), 
welche bei rechtsdrehenden Krystallen die Kante des Haupt- 
rhomboöders, wenn der Beobachter eine obere Fläche desselben 
vor sich hat, mit der zur rechten Seite liegenden Prismen- 
fläche abstumpfen; ferner die Trapezoäöder, von welchen 
zweierlei Arten unterschieden werden müssen, welche Herr 
G. Rose in seiner Arbeit „über das Krystallisationssystem des 
Quarzes, Berl. 1846 (Abh. d. Akad. d. Wiss.) als Trapezoöder 
erster und zweiter Ordnung trennt. Die dihexagonale 
Pyramide zerfällt durch Hemiödrie in zwei Skalenoöder, von 
denen eines (1. Ordnung) seine flacheren Polkanten über dem 
Hauptrhomboöder liegen hat, das andere (2. Ordnung) dem 
Gegenrhomboäder entspricht. Aus jedem dieser beiden entsteht 
durch nochmalige Hemiädrie (Tetartoödrie) ein rechtes und ein 
linkes!) Trapezoäder, deren Flächen also an oder unter dem 


1) Hierbei ist immer dasjenige Trapezo@der ein rechtes genannt, 
welches aus einem Skalenoöder, dessen flachere Polkante der obern Hälfte 
dem Beobachter zugekehrt ist, durch Bleiben der rechten obern Fläche 
und der entsprechenden, durch Verschwinden der linken und ihrer Zu- 
gehörigen, entsteht (vergl. G. Rose ]. c. p. 46, Anm. 2.). 


vom 18. Februar 1869. 141 


Hauptrhombo&der liegen, wenn sie erster Ordnung sind, unter 
dem Nebenrhomboäder, wenn sie einem der weit selteneren 
Trapezo&der zweiter Ordnung angehören. Zwischen dem Auf- 
treten dieser Formen und der Drehung besteht nun folgende 
gesetzmälsige Beziehung: 

Rechtsdrehende Krystalle zeigen rechte Trapezo&der 
1. Ordnung und linke der zweiten (entgegengesetzten) Ordnung; 

Linksdrehende Krystalle linke Trapezo&der erster und 
- rechte zweiter Ordnung. 

(Würde man das Haupt- und das Nebenrhombo&der mit 
einander vertauschen, so würde sich das ganze Gesetz um- 
kehren.) 

Rechte und linke Trapezoäder gleicher Ordnung 
und gleichnamige verschiedener Ordnung schlie[lsen 
sich aus. Wo sich dieselben an Quarzkrystallen zusammen- 
finden, hat man es stets mit Zwillingsverwachsungen zweier 
Individuen zu thun, wie dies zuerst Herr G. Rose l. c. nach- 
gewiesen hat. Gewöhnlich ist diese Zusammensetzung aus zwei 
Krystallen auch äufserlich zu erkennen und die Trapezoeder- 
flächen sind unregelmäflsig, theils rechts, theils links, vorhan- 
den; zu diesen gehören die von Hrn. Dove (Farbenlehre p. 253. 
Pogg. Ann. 40, 607) optisch untersuchten Krystalle mit rech- 
ten und linken Trapezflächen, von welchen Derselbe zeigte, 
dafs sie aus rechts- und linksdrehenden Parthieen zusammen- 
gesetzt seien. Doch beschreibt Hr. G. Rose, 1. c. p. 40, Fig. 50, 
kleine Krystalle eines schwach violblau gefärbten Quarzes aus 
Brasilien, welche anscheinend völlig einfach sind und ein voll- 
ständiges Skalenoeder, d. h. die Combination desselben rech- 
ten und linken Trapezoöders ersfer Ordnung tragen. Herr 
G. Rose war so gütig, mir einige derselben zur Untersuchung 
zu übergeben, da gerade dieses Vorkommen wegen der grolsen 
Regelmäflsigkeit der genannten Form zuweilen als Beweis an- 
geführt wird (z. B. Naumann’s Elem. d. theoret. Krystallo- 
graphie p. 223, Anm.) dafür, dafs rechte und linke Trapezo- 
der zusammen vorkommen könnten. Ich habe von einem 
ziemlich klaren Krystall eine Platte derart geschliffen, dafs auf 
drei der sechs Seitenflächen jedesmal beide Trapezo&@derflächen 
erhalten blieben, so dafs man genau denjenigen Theil des 


142 | Gesammtsitzung 


Quarzkrystalls auf seine Drehung untersuchen konnte, welcher 
die besprochenen Flächen enthielt. Es zeigte sich nun im po- 
larisirten Licht, dafs auch dieser Quarz ein Zwilling eines 
rechts- und eines linksdrehenden Krystalls sei, von derselben 
Art der Verwachsung, wie die grolsen Amethyste von Brasilien 
ohne Trapezflächen sie zeigen. Fig. 1 giebt in 5—6/f. Ver- 
grölserung eine Skizze Seiner Zusammensetzung, wobei die 
sechs prismatischen Seitenflächen gleichsam aufgeschlagen da- 
neben gezeichnet sind, um das Auftreten der Trapezoöderflächen 
an denselben zu zeigen. Die Platte besteht in der Mitte aus 
linksdrehendem Quarz (durch Schraffirung bezeichnet); drei 
Sectoren gleicher Substanz ziehen sich von da nach denjenigen 
Theilen des Randes, welche linke Trapezoöderflächen tragen. 
Die punktirt bezeichnete scharf begrenzte Parthie besteht in 
der ganzen Dicke der Platte aus rechtsdrehendem Quarz, und 
hier nimmt auch die gleichnamige Trapezoöderfläche fast die 
ganze Dicke ein. Alle andern, weils gelassenen, Theile der 
Platte bestehen in der oberen Schicht, wo die rechten Trapezo- 
&derflächen sich befinden, aus rechts drehender, in der unteren 
Schicht der Platte aus linksdrehender Substanz, so dafs sie 
sehr schön die Airy’schen Spiralen zeigen. Die Grenze beider 
Individuen ist dort, wo der Krystall Trübungen enthält (die 
auch in der Zeichnung angedeutet sind) verwaschen, sonst 
scharf. Demnach ist dieser Krystall ein Zwilling aus einem 
rechten und einem linken, mit theils vertikalen, theils horizon- 
talen Begränzungsflächen, wie dies bereits Hr. G. Rose ver- 
muthet hatte, und es ist also auch dieses Vorkommen auf jene 
oben ausgesprochenen, wohl allgemein für den Quarz gültigen 
Gesetze zurückgeführt. * 


Beim normalen überjodsauren Natrium, Na JO, + 
3.ag, welches Herr Rammelsberg (krystall. Chemie, p. 148) 
beschrieben, hat vor einiger Zeit Herr Ulrich in Oker Cir- 
cularpolarisation entdeckt. Nach einer brieflichen Mitthei- 
lung an den Verfasser, hat er unter den von Herrn Rammels- 
berg ihm übergebenen Krystallen sowohl rechte als linke ge- 
funden, und durch Uebereinanderlegen zweier die Airy’schen 
Spiralen beobachtet. 


vom 18. Februar 1869. 143 


Die Krystalle dieses Salzes sind (vergl. Rammelsberg 1. c.) 
durch ihre Hemimorphie ausgezeichnet, indem sie einerseits 
vorherrschend von der Basis begrenzt werden, während das 
andere Ende von derselben Nichts zeigt. An diesem Pol herrscht 
gewöhnlich (s. Fig. 2—4) ein Rhomboeder r= R von dem 
Axenverhältnifs a:c=1:1,094, mit Polkantenwinkeln von 94° 
28' und 38° 22’ Neigung der Flächen gegen die Hauptaxe 
(Rammelsberg), vor. Geht man von diesem als Grund- 
rhomboöder aus, so findet sich ferner das nächste schärfere 
2r'=—2R und sehr schmal die gerade Abstumpfung der 
Polkanten von R, d.i. 7 = — 5 R. Aufserdem giebt Herr 
Rammelsberg noch undeutliche Flächen eines Dreikantners 
(Skaleno@eders) aus der Endkantenzone des Hauptrhomboäders 
an. — Ich verdanke der Güte Desselben die Mittheilung einer 
Anzahl schöner neu von ihm dargestellter Krystalle, welche er 
mir übergab, um jene interessante Entdeckung des Hrn. Ulrich 
an denselben weiter zu verfolgen und genaue Bestimmungen 
des Drehvermögens anzustellen. An diesen fand ich nun, dafs 
jene von Herrn Rammelsberg an weniger deutlichen Krystallen 
für Skalenoöder genommenen Formen nicht solche, sondern 
theils trigonale Trapezoöder, theils Trigono£der, seien, 
da besonders an den schön ausgebildeten gröfsten Krystallen 
in der That schiefe Abstumpfungen der Polkanten des Grund- 
rhomboöders sich finden, diese aber stets nur nach einer 
bestimmten Seite. geneigt sind. Es ist also das überjod- 
saure Natrium die zweite derartige Substanz, da man sowohl 
Trigonoe@der, als Trapezoöder bisher nur am Quarz kannte. 

Die als trigonale Pyramide (Trigonoöder) erkannte 
Form, s Fig. 2, gehört zu den schiefen Abstumpfungen der 
Polkanten r:r und hat das Zeichen: 

Pr 
s = °— = (da:$a:3a:c), 
ist also flacher, als die Rhombenflächen des Quarzes. Der 
Messungen bedurfte es nur eine, da die Flächen in der End- 
kantenzone von r liegen; diese ergab: 
berechnet: beobachtet: 
S1y):Fa) 154° 22’ 154° ungef. 
s : c (Basis) 145 54 


144 Gesammltsitzung 


Dieses Trigonoe&der liegt, wie man aus der Figur sieht, zur Linken 
des Hauptrhombo&ders, ist also ein linkes. Es konnte nur an 
einem Krystall mefsbar beobachtet werden. Dagegen finden sich 
sehr häufig Flächen, z Fig. 3, welche flacher gegen die von —IR 
geneigt sind, und in derselben Zone liegen, also die Kanten 
von s und —4R abstumpfen würden. Dies sind Trapezoöder 
zweiter Ordnung, da sie die Hälften von denjenigen Skale- 
no&ödern sind, welche dem (hier nicht auftretenden) Gegenrhom- 
bo&der entsprechen. Ihre Flächen sind immer nur einseitig 
vorhanden, also entweder nur linke oder nur rechte (beide 
etwa gleich häufig). Diese sind stets nach —4 R und nach 
R zu so stark gerundet (s. die Andeutung dieses Verhältnisses 
in der Fig. 3), dafs sich keine genauen Messungen anstellen 
liefsen; der am meisten spiegelnde Theil dieser ziemlich matten 
Flächen war etwä 174° gegen die von — 4 R geneigt, entsprach 
also nahezu dem krystallographischen Zeichen 
2 I (Ba:!$a:lda:e). 
Dagegen liels sich ein anderes Trapezoäder, ebenfalls eines der 
zweiten Ordnung, aber nicht in der Polkantenzone von R ge- 
legen, genauer bestimmen. Es ist die Form ti in Fig. 4 und 
hat das Zeichen 
I I - ($a:a:3a:}c) 
oder: (!a:4a:4a:c). - 


Die Neigungen dieser kleinen Flächen gegen die beiden be- 
nachbarten Rhomboöderflächen (r.ı, und r.,, in der Fig.), so- 
wie gegen die Basis wurden gemessen; da aber auch die letztern 
Flächen nicht ganz eben waren, sondern mehrere Bilder reflec- 
tirten, so ist jede Einstellung auf 4 — 2°, also die Messung 
jedes Winkels zwischen zwei Flächen nur auf 1—14° genau, 
was aber für die Bestimmung des Zeichens des Trapezoöders 
genügt. Es wurde gefunden: 


berechnet: beobachtet: 
t,»c (Basis) 39° 53 41° 18 
bir) 124 50 126 9 


ir 148 54 147 38 


ERTEEETEESTDEREENDE VBRERWEENEER 


vom 18. Februar 1869. 145 


t! liegt in der Zone der darüberliegenden Fläche von —4R 
und der Fläche von  R, auf welche r.,, grade aufgesetzt ist. 

Endlich findet sich über den Flächen des Hauptrhombo- 
@äders oft noch durch eine matte sehr gerundete Fläche ein 
flacheres Rhombo&der erster Ordnung x angedeutet, deren eine 
Seite in die gerundete z Fläche übergeht (s. Fig. 3). 


Es wurde nun eine Anzahl Krystalle, welche die Flächen 
der Trapezo&@der z, theils rechte, theils linke, enthielten, ange- 
schliffen und auf den Sinn der Drehung untersucht. Es fand 
sich, dafs zwischen beiden Erscheinungen dieselbe Beziehung 
stattfinde, wie beim Quarz; demnach ist, da hier nur 
Trapezoöder zweiter Ordnung, die bei letzterem Mineral sehr 
seltenen, vorhanden sind, die Beziehung die folgende: 

1) Rechtsdrehende Krystalle des überjodsauren Natrium’s 
tragen linke Trapezo&der 2. Ordnung; 

2) Linksdrehende tragen rechte Trapezo@der zweiter 
Ordnung. 

Zwillinge: Die Krystalle sind fast sämmtlich einfache; 
nur an einigen Individuen fand ich Zwillinge mit der Fläche 
des Hauptrhombo&ders verbunden, so dafs die vier übrig blei- 
benden Hauptrhomboäderflächen des obern Pols zu je zwei fast 
in eine Ebene fallen, da das Rhomboäöder dem Würfel sehr 
nahe steht. Da diese Krystalle aber keine Trapezoöderflächen 
zeigten und, von einer frühern Darstellung herrührend, durch 
Verwitterung trübe geworden waren, konnte nicht ausgemacht 
werden, ob die beiden den Zwilling bildenden Individuen gleicher 
oder entgegengesetzter Drehung waren. 


Was die Circularpolarisation betrifft, so zeigten die 
Messungen derselben, dafs, wie in allen analogen Fällen, die 
der rechtsdrehenden Krystalle eben so grofs war, als die der 
links drehenden, und dafs die Grölse der Drehung die 
des Quarzes noch um ein Weniges übertrifft, diese 
Substanz also nach dem Zinnober, dessen aufserordentlich grofse 
Cireularpolarisation Hr. Descloiseaux kennen gelehrt hat, das 
stärkste Drehvermögen zeigt. 


146 Gesammtsitzung 


Die Messungen desselben wurden nach der Brocch’schen 
Methode mittelst des Speetralapparats ausgeführt, um die Dre- 
hung für die einzelnen Farben zu bestimmen, und zwar wurde 
mittelst der Skala die Stelle gewisser Fraunhofer’scher Linien 
bestimmt und die Mitte des dunkeln Absorptionsstreifens auf 
diese Stelle eingestellt. Die beiden besten Platten, deren Dicke 
mit dem Sphärometer bestimmt wurde, gaben folgende Resultate: 

1. Platte, rechts drehend, Dicke 3,25 Mm. 

C = 764%, d.ı f.1 Mm. Dicke = 719% 


D 76 
Drehung T A 
93,8 28,9 
a 343 
Br ass 47,8 


2. Platte, links drehend, Dicke 2,90 Mm. 

C= 56,d if 1 Mm. Dicke - ie 

D 67,3 23,2 

er BER 2, 

| B 98,6 34,0 

@ 134,6 46,4 
Beide Reihen stimmen in Betreff der mittleren Linien ge- 
nauer überein, als für C und G, weil in jenem Theile des 
Spectrums der Absorptionsstreifen schärfer erscheint. Das Mittel 
dieser beiden Zahlenreihen und zum Vergleich die. denselben 
Linien entsprechenden Drehungen des Quarzes nach den neueren 
Messungen von Hrn. Stefan (Sitzungsberichte d. Wiener Akad. 
math. naturw. Kl., Bd. 50, Abth. H, p. 583) sind die folgenden: 

Drehung des überjods. Natr., d. Quarzes 


fur C —='19%1 17» 
D 23,3 21,7 
E 28,5 27,5 
F 34,2 32,7 
G 47,1 42,4 


Die Lösung dieses Salzes zeigt keine Einwirkung auf das po- 
larisirte Licht; es wurde eine kalt gesättigte Auflösung solcher 
Krystalle, welche keine Trapezoöder zeigten, sowie eine nicht 
ganz gesättigte von nur linken Krystallen, im Saccharimeter 
untersucht. 


, 


vom 18. Februar 1869. Mr 


Bei dieser Substanz sind, ganz ebenso, wie beim Quarz, 
niemals entgegengesetzte Trapezoäder gleicher Ordnung an 
demselben einfachen Krystall beobachtet worden, also sind 
bis jetzt nie die beiden Theilformen, welche durch Hemiedrie 
aus demselben Körper entstehen, zusammen gefunden worden, 
wenn es solche Theilformen waren, welche einander nicht con- 
gruent, sondern von denen das eine das Spiegelbild des andern ist 
(enantiomorphe Gestalten nach .der Naumann’schen Bezeich- 
nung). Dies scheint einen durchgreifenden Unterschied anzu- 
deuten dieser Hemiödrien von solchen, welche zwei einander 
congruente, nur durch Drehung verschiedene Hälftgestalten lie- 
fern, und welche letztere sehr oft an demselben Individuum 
zusammen vorkommen. 

Dann müfste man alle Arten von Hemiödrien und Tetar- 
to@drien einaxiger Krystalle in zwei Klassen theilen: 

1) Congruente H. und T. (hem. superposable), welche die 
Krystallformen in je zwei Hälftgestalten zerfallen lassen, welche 
nur durch ihre Stellung sich unterscheiden und an demselben 
Krystall zusammen vorkommen können (keine Circular- 
polarisation). 

2) Enantiomorphe Hem. u. Tet. (hem. non superpo- 
sable), welche Theilgestalten liefern, die durch Drehung nicht 
zur Deckung zu bringen sind (rechte und linke) und welche 
an demselben Krystall einander ausschliessen, und 
zwar ist dies der Fall mit entgegengesetzten Hälftgestalten der- 
selben Ordnung und gleichnamigen verschiedener Ordnung. 

Obgleich für diese letztere Klasse bisher nur der Quarz . 
und das überjodsaure Natrium bekannt sind, so ist doch wohl 
anzunehmen, dafs mit diesen Eigenschaften stets auch Circular- 
| polarisation verbunden sein wird, und zwar in der Art, wie es 
bei diesen beiden Substanzen der Fall ist, dafs verschieden- 
namige Trapezo&der verschiedener Ordnung, sowie gleichnamige 
gleicher Ordnung denselben Sinn der Drehung besitzen. 
Dafür, dafs der angedeutete Unterschied dieser letzten Art von 
Hemiödrien von allen übrigen, begründet ist, spricht ferner die 
Betrachtung, dafs ein solcher Krystall, der die beiden entgegen- 
gesetzten Theilgestalten gleichzeitig enthielte, gar keine Drehung 
besitzen dürfte, wenn man den Zusammenhang zwischen Kry- 

[1869.] il 


143 Gesammtsitzung 


stallform und Drehung als allgemein gelten läfst, wie er bis 
jetzt allerdings erst an zwei Substanzen, aber hier ohne Aus- 
nahme, gefunden worden ist. Solche nicht drehende Krystalle 
haben sich aber weder von Quarz, noch von überjodsauren 
Natrium, bis jetzt gezeigt. Damit stimmen ferner auch die Be- 
obachtungen von den HH. Rammelsberg und Marbach (Pogg. 
Ann. 90. u. 91. Bd.) über das chlorsaure Natrium überein, 
welches Salz enantiomorphe (tetarto@drische) Combinationen 


des- Pentagondodeka&ders mit einem Tetraäder, entweder nur 


dem linken oder nur dem rechten, zeigt. In wieweit die obigen 


Gesetze die enantiomorphe Hemiedrie des rhombischen System’s 


berühren, bei welcher bekanntlich die Circularpolarisation nicht 
nachzuweisen ist, mufs vorläufig dahin gestellt bleiben. 


Die im Vorstehenden mitgetheilten Messungen sind in dem 
unter Leitung des Hrn. G. Magnus stehenden physikalischen 
Laboratorium der hiesigen Universität ausgeführt. 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 
vorgelegt: 

Bremisches Jahrbuch. Herausgegeben von der Abtheilung des Kunstver- 
eins für bremische Geschichte und Alterthümer. Band 1—4. Bre- 
men 1863 — 1869. Mit Begleitschreiben des Geschäftsausschufses 
d. d. Bremen 12. Febr. 1869. 

J. Orsier, Pie et travaux de Karl Salomon Zachariae. Paris 1869. 
8. Mit Begleitschreiben des Verfassers d. d. Toulouse 12. Februar 
1869. 

Sella, Relazione salla Memoria di G. Struever, inlitolata: Studü sulla 
mineralogia italiana. Torino 1869. 8. 

Adamo, Drei mathematische Broschüren. Cosenza 1864—1867. 8. 

'Giornale degli scavi di Pompei. no. 4. Napoli 1868. 4. 

Journal of the Asiatic Society of Bengal. Fasc. 1—5. Calcutta 1868 8. 

- -Hedwigia. Band 7. Dresden 1868. 8. 

14. Jahresbericht des Germanischen Museums. Nürnberg 1868. 4. 

C. F. Gauss, Werke. Band 1. 2. 3. 5. Göttingen 1863—1867. 4. 


| 
| 
| 
| 


‘ 
( 


Monatsbericht d.BA.d.W. Febr. 1809. 


Fig. 4 


DR Gioth H- Sl. Schar ze Auch ; 


vom 25. Februar 1869. 149 


25. Februar. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Mommsen las über die Erzählung vom Gnaeus Mar- 
cius Coriolanus. 


Hr. Ehrenberg las über viele in Berlin lebend beobachtete 
mikroskopische Land- und Süfswalser-Organismen der Insel 
Spitzbergen. 


Ne“ v 

Hr. Kirchhoff legte im Namen des Hrn. Köhler in 
Athen der Akademie einen vorläufigen Bericht über eine 
neue Bearbeitung der Attischen Tributlisten vor. 


Die gewöhnlich unter dem Namen der attischen Tribut- 
listen zusammengefafsten Inschriften, welche theils Verzeich- 
nisse von Tributansätzen, theils gewisser von den gezahlten 
Tributsummen jährlich der Athene geweihter Quoten enthalten, 
sind von Rangabe und nach ihm von Böckh ausführlich behan- 
delt worden. Eine später von Pittakis im 32. Heft der Athener 
Ebymepis dpymoAoyızy gegebene Zusammenstellung ist, trotz der 
gegentheiligen Versicherungen des Herausgebers, mit Ausnahme 
einiger weniger Nummern zu Anfang, für welche die Steine 
neu verglichen sind, lediglich ein Abdruck der früheren Publi- 
kationen und nur geeignet, Verwirrung anzustiften. Die Ori- 
ginale der diesen Publikationen zu Grunde liegenden Stücke 
befinden sich, einige neuere Verstümmelungen abgerechnet, bis 
auf wenige kleine Fragmente, die sich nicht auffinden liefsen, 
im Übrigen wie es scheint wesentlich in demselben Zustande, 
in welchem sie die früheren Abschreiber gesehen haben, theils 
in der Pinakothek und unter den Propyläen eingemauert, theils 
an anderen Stellen der Akropolis aufbewahrt. Der Zuwachs, 
den der Bestand seitdem durch neue Funde erfahren, ist dem 
Umfang nach nicht erheblich, doch befindet sich darunter die 
Überschrift der 34. Jahresliste, welche vor einiger Zeit hier 
zuerst mitgetheilt worden ist und aus welcher sich das Anfangs- 
jahr dieser Listen und das Verhältnils der in einem Theile 

KL 


150 Gesammtsitzung 


derselben verrechneten Quoten zu den vollen Tributsummen 
definitiv hat feststellen lassen. Auch diese Stücke sind mit 
‚Ausnahme des eben erwähnten und eines bisher übersehenen, 
zur 10. Liste gehörigen zu verschiedenen Zeiten in der &pyus- 
eis und den ebenfalls in Athen erschienenen Zrıypadaı avszdoroı 
bereits veröffentlicht worden. Die Originale befinden sich, zwei 
kleine Fragmente abgerechnet, welche die hiesige archäologische 
Gesellschaft besitzt, ebenfalls auf der Burg, wo diese Urkun- 
den ursprünglich aufgestellt waren. Der Gesammtbetrag aller 
bis jetzt zum Vorschein gekommenen Stücke beläuft sich auf 
122 Nummern, von denen indefs mehrere bereits aus verschie- 
denen Bruchstücken zusammengesetzt sind. 

So Vorzügliches Rangabe und Böckh für die Gesammt- 
auffassung der Tributlisten und für die Herstellung und Er- 
klärung im Einzelnen geleistet haben, so. wenig hält die von 
ihnen beliebte Zusammensetzung der einzelnen Bruchstücke und 
die Anordnung derselben nach Jahren eine ernstliche Prüfung aus. 
Nach zuverlässiger Überlieferung fand in 'der Regel von 4 zu 
4 Jahren eine neue Schätzung der tributpflichtigen Bundesge- 
nossen statt; dafs nach Rangabes und Böckh’s Anordnung sich 
in den Listen von diesen vierjährigen Schätzungsperioden keine 
Spur zeigt, spricht allein entscheidend gegen die Richtigkeit 
derselben. Wären die Tribute in der That so unregelmäfsig 
bald gesteigert, bald herabgesetzt worden, wie es nach dieser 
Anordnung den Anschein hat, so mülste man an der politischen 
Klugheit der Athener zweifeln. Vergebens bemüht man sich 
den Einflufs der Wandlungen zu erkennen, welche die attische 
Politik von Kimon bis Alkibiades durchgemacht hat. Um solche 
Erwartungen nicht übertrieben zu finden, möge man sich ver- 
gegenwärtigen, dafs die Tribute den Hauptbestandtheil der Ein- 
künfte des attischen Staates bildeten, auf welchen, wie Thuky-. 
dides nicht müde wird hervorzuheben, die Macht und Gröfse 
‘ desselben beruhte; wenn irgend wo mulste auf diesem Felde 
die verschiedene Politik der leitenden Staatsmänner zum Aus- 
druck kommen, worüber sich auch in der litterarischen Über- 
lieferung ausdrückliche Andeutungen erhalten haben. Aber auch 
im Einzelnen vermifst man die vorauszusetzende Übereinstim- 
mung mit den gleichzeitigen Begebenheiten. Die historische For- 


vom 25. Februar 1869. 151 


schung in engerem Sinne hat daher diese Urkunden, denen sich 
doch an Bedeutung und Umfang auf diesem Gebiete schwerlich et- 
was Anderes möchte an die Seite stellen lassen, bisher ignorirt. 

‚Fragt man nach den Prinzipien, nach welchen die bisheri- 
gen Anordnungen gemacht sind, so ist es schwer, hierauf Aus- 
kunft zu geben. Rangabe führt ausdrücklich nur den Wechsel 
der älteren und jüngeren Form des Sigma an, welchen er in 
das elfte Jahr setzt; sowie dafs in der Liste desselben Jahres 
ein und dieselbe Stadt nicht zwei Mal vorkommen dürfe; wollte 
man aber hieraus schliefsen, er habe sich im Übrigen durch 
die Beschaffenheit der Originale leiten lassen, so ist, wie die 
Autopsie der letzteren lehrt, dıefs nur in sehr beschränktem 
Mafse zuzugeben. Böckh, der sich auf vielfach ungenaue Kopien 
und Beschreibungen der Steine angewiesen sah, hat die Anord- 
nung Rangabe’s in den Grundlinien angenommen, ohne indels, 
wie aus einzelnen Äufserungen zu schliefsen ist, recht daran 
zu glauben, und kommt dem gegenüber, so ungern man diels 
auch ausspricht, für die Sache wenig darauf an, wie oft er bei 
den im Einzelnen vorgenommenen Veränderungen das Richtige 
getroffen habe. 

Die einzig mögliche Art und Weise Ordnung in diese zahl- 
reichen Bruchstücke zu bringen, war unzweifelhaft die, sie zu- 
"nächst nach dem Schriftcharakter und der sonstigen Beschaffen- 
heit der Originale nach Jahren zu scheiden und dann die 
Reihenfolge der letzteren nach Mafsgabe der Überschriften oder, 
wo solche fehlen, der in den Listen selbst enthaltenen Daten 
herzustellen. Diese Arbeit konnte selbstverständlich nur in 
Athen Angesichts der Originale gemacht werden. Sie wird er- 
schwert durch die Vertheilung der Steine an verschiedenen 
Orten sowie durch die Einmauerung derselben. Die Unter 
scheidung nach Jahren ist verhältnifsmäfsig leicht und in paläo- 
graphischer Beziehung instruktiv für die Bruchstücke aus den 
ersten 15 Jahren, weil innerhalb dieses Zeitraums der Über- 
gang aus dem alten in das jüngere attische Alphabet stattge- 
funden hat, später seit der Ausbildung eines festen Schrifttypus 
sind die verschiedenen Hände schwerer zu scheiden. Die jün- 
gere Form des Sigma ist, nachdem sie viermal vereinzelt in 
der Überschrift des zweiten Jahres gebraucht worden ist, zuerst 


152 Gesammtsilzung 


in der Liste des sechsten Jahres durchgängig angewandt, hat 
im siebenten und achten Jahre der älteren Form wieder Platz 
gemacht und ist seit dem neunten Jahr konstant. Auch die 
Annahme, dafs in derselben Liste dieselbe Stadt nicht mehr- 
mals vorkomme, hat sich nicht bestätigt. Nachdem die vor- 
handenen Bruchstücke nach Jahren geschieden waren, hat sich 
herausgestellt, dafs bei Weitem mehr, als man bisher angenom- 
men hat, entweder unmittelbar an einander anstofsen, oder sich 
durch sichere Ergänzungen in Verbindung bringen lassen. Durch 
diese Zusammensetzungen sowie durch Rektifizirung der bisheri- 
gen Abschriften hat der Text eine durchgreifende Umgestaltung 
erfahren; ging doch die Ungenauigkeit der ersteren in einzelnen 
Fällen so weit, dafs verschiedene Abschriften desselben Steines 
als verschiedene Inschriften aufgeführt und kommentirt wurden 
und Abschriften von Abschriften als Originalabschriften gelten. 
Eine Anzahl Namen, welche durch Ergänzung in den Text ge- 
kommen waren, wie Ilegrasaioı, ’Alwra, Mwwäreı, MiAycıaı Ev 
"Anogyw, IrAvcıo Yo en ’Iön, Zıyatoı, Nerwıcı, sind daraus ver- 
schwunden, andere wie Koscatoı, Ilzoyanos, oder wie die Ein- 
wohner einmal genannt werden, Ilieges &v Tlegyapı, Bouzovvrior, 
verschieden von Barzwöngıo, jene auf Karpathos, diese anf Rho- 
dus; Awovpns, Muyeroys, IAayagns, Tpvßavıs, YWoscns, Xlor 
(am Triopion), Hezrvn, Angıronor, Eupuuayireı, "Agdırsos, Zat- 
Baxris neu hergestellt worden. Von andern Namen haben sich 
doppelte Formen gefunden, wie MAzwgro: und MiArwpor, Touy- 
sıns Bouyxeejs und Ähnliches. Endlich ist die Form der Lis- 
ten und ihrer Überschriften in den verschiedenen Zeiträumen 
eine gleichmäfsigere geworden als diels bisher der Fall war. 

Die Ergebnisse dieses Rekonstruktionsverfahrens, von dessen 
Mühseligkeit man sich schwerlich wird einen Begriff machen 
können, sind in Kurzem folgende: 

Die Listen der ersten 15 Jahre waren, wie im Wesentlichen 
bereits Rangabe und Böckh erkannt hatten, auf einem massiven 
rechteckigen Steinwürfel eingegraben, dessen Breitseiten je 5, 
die Schmalseiten in der Regel je 2 Spalten enthielten. Auf 
der Vorderseite standen die Listen der ersten 6 Jahre; auf der 
rechten Schmalseite die siebente und achte, auf der Rückseite 
die neunte bis dreizehnte, auf der linken Schmalseite die vier- 


vom 25. Februar 1869. 133 


zehnte und funfzehnte Liste. Aus jeder dieser Jahreslisten 
sind Bruchstücke, mehrere sind annähernd vollständig erhalten. 
Von den 122 Bruchstücken der Tributlisten gehören allein 89 
Nummern diesem ersten Steindenkmal an. 

Von einem zweiten Denkmale sind bis jetzt nur 15 oder 
16 Stücke bekannt geworden. Dasselbe war aus zwei Stein- 
würfeln zusammengesetzt und enthielt auf den Breitseiten je 6 
Spalten. Erhalten sind der untere Theil der Vorderseite, die 
rechte Schmalseite ziemlich vollständig und der obere Theil 
der linken Schmalseite. Hiervon gehören die Reste der Vorder- 
seite dem 20sten, 21lsten und 22sten Jahre, diejenigen der 
rechten Schmalseite den beiden folgenden Jahren an. Auf der 
Rückseite ist die Schrift bis wenigstens in die Mitte bereits im 
Alterthum sorgfältig‘ getilgt worden, wodurch die Herstellung 
der Reihenfolge für die folgenden Stücke sehr erschwert wird. 
Die Zeitereignisse oder Nachlässigkeiten in der Redaktion schei- 
nen Veränderungen nöthig gemacht zu haben und daher dieselbe 
oder dieselben Listen nochmals eingetragen worden zu sein. 
Vielleicht darf man den Grund suchen in dem um Ol. 87,1. 
432 erfolgten Abfall der Städte der Chalkidike und Bottiäa. Die 
Reste der Überschrift zu Anfang der linken Schmalseite schei- 
nen nur auf das 26ste oder 28ste Jahr ergänzt werden zu 
"können. 

Ein drittes Steingefüge muf[s sich an das vorhergehende 
unmittelbar angeschlossen haben. Dasselbe war ebenfalls aus 
zwei Steinblöcken zusammengesetzt, von dem rechtsstehenden 
ist, selbst wieder in 3 Stücke gebrochen, das Mittelstück er- 
halten. Auf der Vorderseite ist die Schrift getilgt, die Rück- 
seite rauh gelassen, woraus zu schliefsen, dafs auch die linke 
Schmalseite nicht benutzt worden ist. Von der auf der rechten 
Schmalseite eingegrabenen Liste ist ein Theil des ionisch- 
karischen und der Anfang des Inseltributes, das Ende des 
hellespontischen und der vollständige thrakische Tribut erhal- 
ten. In dem letzteren fehlen die chalkidischen und bottiäischen 
Städte, welche um Ol. 87, 1. 432 vom Bunde abfielen, dagegen 
sind die Städte am strymonischen Meerbusen und auf der Akte, 
die Ol. 89, 1. 424 von Brasidas eingenommen wurden, noch 
darin aufgeführt. In der Anordnung und den Beträgen stimmt 


154 Gesammtsitzung 


die Liste überein mit der 24sten und den zunächst vorherge- 
henden. | 
Dieselbe Übereinstimmung in der Hauptsache zeigt eine 
andere Liste, welche auf der Vorderseite einer jetzt in zwei 
Stücke zerbrochenen Steinplatte eingegraben, aber wegen der 
Verwitterung nur theilweise zu entziffern ist. Auch der Bestand 
der thrakischen Provinz ist derselbe. Die Methonäer werden 
darin unter denjenigen Städten aufgeführt, at auryv ryv dmap- 
Xyv amyyayov, denn so ist der mehrfach besprochene Passus 
zu Schreiben; nach neueren Untersuchungen scheinen sie diese 
Vergünstigung um Ol. 87, 4. 429 erhalten zu haben. Auch 
auf der linken Schmalseite stehen Reste einer Liste, welche in- 
defs, wie die Schriftzüge und die Orthographie zeigen, jünger 
als diejenige der Vorderseite und nach dem Inhalt in eines der 
letzten Jahre vor der Auflösung des Bundes zu setzen ist. 

Die demnächst zu besprechende Urkunde beweist, dafs 
Ol. 88, 4. 425 eine neue Schätzung der Bundesstädte stattge- 
funden hat, durch welche die Tribute um ein Bedeutendes er- 
höht wurden; in Kraft getreten ist diese Schätzung möglichen- 
falls erst im folgenden Jahre. Die beiden an letzter Stelle 
besprochenen Listen sind daher vor diese Jahre zu setzen, wo- 
für auch der Bestand der thrakischen Provinz spricht. 

Es mufs einer neuen Bearbeitung der Tributlisten - vorbe- 
halten bleiben, den Beweis für die Richtigkeit dieser Aufstel- 
lungen aus innern Gründen, vornehmlich aus dem Nachweis 
der Schätzungsperioden zu führen; nur an einem Beispiel möge 
mir hier gestattet sein zu zeigen, wie die gewonnenen Resul- 
tate sich in Übereinstimmung befinden mit der litterarischen 
Überlieferung und geeignet sind, dieselbe zu ergänzen. 

Nach Ausweis der Liste des sechsten Jahres waren Ol. 82, 
4. 449/48 eine Anzahl Städte mit ihren Zahlungen entweder 
theilweise oder ganz im Rückstande geblieben und hatten diese 
Rückstände am Ende der betreffenden Schätzungsperiode im 
achten Jahre in einmaliger Zahlung oder ratenweise, verzinst 
oder unverzinst abgetragen. Offenbar aus diesem Grunde war 
diese letztere Liste in derselben Ordnung abgefalst wie die 
sechste, wodurch die Herstellung sehr erleichtert wird. Da die 
im Rückstand gebliebenen Städte in derselben‘ geographischen 


vom 25. Februar 1869. 155 


Sphäre, nämlich in und um den Hellespont liegen, so ist ein 
gemeinsamer Grund für deren Zahlungsunfähigkeit anzunehmen, 
und, da die politischen Verhältnisse einen solchen nicht ge- 
währen, mit Wahrscheinlichkeit ein verheerendes Naturereignils 
vorauszusetzen. In der That führt Thukydides in seiner Skizze 
der Unternehmung gegen Kypros, welche Ol. 82, 4 stattfand, 
als Grund, wefshalb die letztere aufgegeben wurde, aufser dem 
Tode des Bundesfeldherrn Kimon eine Hungersnoth (Aıuos) an, 
und es ist um so interessanter die Angabe des Historikers durch 
eine gleichzeitige Urkunde bestätigt zu finden, als die späteren 
Berichterstatter jener Kalamität, welche auf den plötzlichen Ab- 
bruch der bis dahin erfolgreichen Expedition aller Wahrschein- 
lichkeit nach mindestens ebenso viel Einfluls gehabt haben wird 
als der Tod des Feldherrn, gar keine Erwähnung thun und im 
Zusammenhang hiermit den Feldzug mit einem für Athen vor- 
theilhaften Vertrag, dem vielberufenen Frieden des Kallias, 
schliefsen lassen. Es bedarf kaum des Hinweises, wie fühlbar 
sich ein. Mifswachs am Hellespont im übrigen Griechenland 
und namentlich in Athen, welches einen grofsen Theil seines 
Getreides aus jenen Gegenden bezog, machen mulfste. 

Der nächste chronologische Anhaltspunkt liest vor aus Ol. 
88, 4. 425. In diesem Jahre hat, wie bereits bemerkt, eine 
neue Schätzung stattgefunden. Von der darüber ausgestellten 
Urkunde, welche die Überschrift r«£:s $ogov trug, sind mir 26 
Bruchstücke bekannt geworden, andere mögen sich noch unter 
den unedirten Inschriften der Sammlungen auf der Burg befin- 
den. Die Urkunde bestand aus Volksbeschlüssen und der auf 
Grund derselben festgestellten Schätzungsliste, der letzteren ge- 
hören die bereits von Böckh als Reste einer solchen von den 
Quotenlisten ausgeschiedenen Inschriftenfragmente an. Obgleich 
der zertrümmerte Zustand eine Herstellung des Dokumentes im 
Einzelnen nicht gestattet, gewährt dasselbe doch auch so, in 
Verbindung gebracht mit einzelnen bisher unerklärten Andeu- 
tungen in den Quotenlisten, wichtige Aufschlüsse und wird dazu 
dienen, eine weniger äufserliche, des attischen Volkes würdigere 
und zugleich, wenn ich mich nicht täusche, den Gesetzen histo- 
rischer Entwickelung konformere Auffassung des Bundesverhält- 
nisses seit der Verlegung des Mittelpunktes nach Athen anzu- 


156 Gesammtsitzung 


bahnen, als bisher gang und gebe war. — Nicht viel später 
als diese Schätzungsliste scheint eine andere Urkunde zu fallen, 
von welcher bis jetzt 6, oder, wenn meine Vermuthung mich 
nicht trügt, 7 Bruchstücke edirt worden sind und welche zum 
Zwecke hatte, eine gröfsere Regelmäfsigkeit in der Zahlung der 
Tribute herbeizuführen und das im Weigerungsfalle nöthige ge- 
richtliche Verfahren zu regulieren. 

Des Anfangs der 34sten Liste ist bereits oben gedacht 
worden, dieselbe steht auf einer einfachen Marmorplatte. Aus 
einem der nächsten Jahre wird die Liste n. LXXXI nach Böckh’s 
Zählung herrühren. Der Stein ist leider jetzt eingemauert, nach 
den Angaben der früheren Abschreiber ist es eine einfache Stein- 
platte. Unter dem thrakischen Tribut fehlen aufser den Städten 
der Chalkidike und Bottiäa diejenigen im Norden des strymo- 
nischen Meerbusens, dagegen sind die Städte der Akte und 
Pallene, welche nach den Friedensstipulationen von Ol. 89, 4 
an Athen zurückgegeben wurden, bereits wieder aufgeführt. 
Unter den letzteren befindet sich auch Dion am Athos, welches 
gegen Brasidas den Athenern treu geblieben war, aber in der 
Folge Ol. 90, 3. 418 abfiel. Die Quotenbeträge sind sehr hoch, 
was mit den Ergebnissen der Untersuchung über die Schätzung 
von Ol. 88, 4 stimmt, im Einzelnen läfst sich ein Vergleich 
nicht anstellen, weil die betreffenden Partien der Schätzungs- 
liste des genannten Jahres fehlen oder verstümmelt sind. 

Es verbleiben hiernach noch zwanzig zusammenhangslose 
Fragmente, deren gröfserer Theil indessen nur einzelne Buch- 
staben und Ziffern enthält; die übrigen rühren sämmtlich von 
einfachen Steinplatten her und erweisen sich auch durch die 
hohen Quotenbeträge als jünger als Ol. 88, 4. Aus der Zeit 
nach der Wiederherstellung der Verfassung Ol. 92, 2 läfst sich 
nur das: bereits erwähnte Stück nachweisen, welches von mir 
in eines der letzten Jahre vor der Schlacht bei Ägospotamoi 
gesetzt worden ist. 

Athen den 6. Februar 1869. 


vom 25. Februar 1869. 157 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 
vorgelegt: 


Kopp, Beiträge zur Geschichte der Chemie. 1. Stück. Braunschweig 
1869. 8. Mit Schreiben des Verfassers d. d. Heidelberg 16. Fe- 
bruar 1869. 

Archives neerlandaises, par Baumhauer. III, 4—6. La Haye 1868. 8. 

Videnskabernes Selskabs Skrifter. Kjobnhavn 1867—68. 4. u. 8. 

Bulletin de la societe de geographie. Nov.-Dez. Paris 1868. 8. 

Annales des mines. XIV, 4. Paris 1868. 8. 


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MONATSBERICHT 


KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 
ZU BERLIN. 


März 1869. 


Vorsitzender Sekretar: Herr du Bois-Reymond. 


1. März. Sitzung der philosophisch -histo- 
rischen Klasse. 


Hr. Buschmann las Zusätze zu seinem Verzeichnifs 
der aztekischen Wörter in den sonorischen Sprachen. 


4. März. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Kronecker las eine Abhandlung „über Systeme 
von Functionen mehrer Variabeln.* Von den darin ent- 
haltenen Resultaten sollen die hauptsächlichsten hier in kurzem 
Auszuge mitgetheilt und auch über die dabei benutzten Metho- 
den einige Andeutungen gegeben werden. 


Es seien, Ze, Zu, Fasi.r »». 7, eindeutige reelle Functio- 
nen der n reellen unbeschränkt veränderlichen Grölsen 2,, 2, 
ehr 2,, und zwar solche, die sowohl eine nfach unendliche 
Anzahl positiver als negativer Werthe annehmen. Überdies 
werden die Functionen 7 als im Allgemeinen stetig und nach 
den einzelnen Variabeln differentiirbar vorausgesetzt und es soll 
endlich angenommen werden, dafs keine der (n-+-1) Functional- 
determinanten gleichzeitig mit den betreffenden Functionen für 


[1869.] 12 


160 Gesammtsitzung 


unendlich viele Werthsysteme z verschwindet. Um diese (n-+1) 
Funetionaldeterminanten auch ihrem Vorzeichen nach zu fixiren, 
stelle ich den aus den n partiellen Ableitungen gebildeten n 
Verticalreihen eine voran, deren (n+1) Elemente resp. mit 
Foo» Fin » + no bezeichnet werden mögen, und bilde aus 
den auf diese Weise resultirenden und nach der Folge der 
Indices zu ordnenden (n-+ 1)? Elementen die Determinante. 
Alsdann ist der nach F,, genommene partielle Differentialquo 
tient dieser Determinante die auch dem Vorzeichen nach be- 
stimmte Functionaldeterminante der n Functionen: F,, Fı,... 
.. Fr-ı, Frrız --- F), welche mit A, bezeichnet werden soll. 
Wenn man irgend welche (n— 1) der Functionen F' gleich 
Null setzt, so wird hierdurch die Veränderlichkeit der Varia- 
beln z auf eine einfache Unendlichkeit oder Mannigfaltigkeit 
eingeschränkt. Die derselben angehörigen Werthsysteme der n 
Gröfsen z bilden eine stetige Folge und man kann jene Werth- 
systeme füglich als „Punkte“ und deren stetige Folge als „Linie“ 
bezeichnen. Um an einem beliebigen Punkte der Linie: 


F,=0, für i alle Indices mit Ausnahme zweier (h und k) gesetzt, 


den Sinn des Fortgangs in derselben zu fixiren, setze ich ent- 
weder an die Stelle von 7, oder an die von 7‘, irgend eine 
eindeutige Function $® und bestimme den Fortgang so, dafs an 
der betrachteten Stelle d® dasselbe Vorzeichen erhält, welches 
die aus den (n— 1) Funktionen F, unter Hinzunahme von ® 
gebildete Funktionaldeterminante in dem bezeichneten Punkte 
hat. Nach dieser Bestimmung ist der Sinn des Fortgangs ver- 
schieden, je nachdem ® an die Stelle von F', oder an die von 
F, getreten ist, und es soll demgemäfs die Linie selbst mit 
[" k] oder mit [k }] bezeichnet werden; aber der Sinn des Fort- 
gangs ist in allen Punkten der Linie, welche nicht Doppel- 
punkte sind, genau fixirt und übrigens von der Wahl der Func- 
‘ tion ® unabhängig. Da bis zu beliebiger Nähe der Doppel- 
punkte der Sinn des Fortgangs noch festzustellen ist, so schliefst 
auch das Vorkommen von Doppelpunkten die Anwendbarkeit 
jener Bestimmung nicht aus. Das hier auseinandergesetzte 
„Fortgangsprineip* bildet die eigentliche Grundlage meiner Un- 
tersuchungen über Systeme von Functionen mehrer Variabeln. 


vom 4. März 1869. 161 


II. 

Es .soll jetzt noch vorausgesetzt werden, dafs sämmtliche 
4n(n-+-1) Linien, welche aus dem Functionen-Systeme F auf 
die angegebene Weise entstehen, geschlossene Linien seien und 
dafs die Anzahl der durch je rn Gleichungen = 0 bestimmten 
Punkte endlich sei. Betrachtet man nun die Linie [%k] in dem 
durch dieses Zeichen fixirten Sinne des Fortgangs an denjeni- 
gen Stellen, wo sie die (a—1) fache Mannigfaltigkeit F}, = 0 
schneidet, so tritt dieselbe dort — wenn nicht zugleich 7, = 0 
ist — aus einem Bereiche wo F,-F, negativ ist in einen sol- 
chen wo F,-F, positiv ist, oder umgekehrt. Insofern man den 
ersteren Bereich als einen inneren, den letzteren als einen äus- 
seren bezeichnen kann, wird darnach eine Schnittstelle von 
[%k] mit F, = 0 als ein Austritt oder als ein Eintritt der Linie 
[hk] aufzufafsen sein; und diese auf das Fortgangsprincip ge- 
gründete Auffassung ist, wie sich zeigen wird, von der wesent- 
lichsten Bedeutung für die naturgemäfse Interpretation analyti- 
scher Beziehungen. — Die Gesammtzahl der Ein- und Aus- 
tritte ist eine grade Zahl; wenn man also von der Anzahl der 
Eintritte die der Austritte subtrahirt, so ist die Hälfte der so 
gebildeten Differenz eine ganze Zahl, die positiv oder negativ 
oder auch Null sein kann. Von dieser Zahl gilt das Funda- 
mentaltheorem, dafs dieselbe constant ist, wie man auch die 
Indices A} und %& auswählen mag; die Zahl ist demnach für das 
ganze Functionen-System charakteristisch und soll darum die 
„Charakteristik“ desselben genannt werden. 

Die hier betrachteten Ein- und Austrittsstellen der verschie- 
denen In(n-+-1) Linien des Functionen-Systems können auch 
als die gemeinsamen Punkte von je n Functionen F angesehen 
werden. Jeder dieser Punkte gehört also einem Systeme von 
nur n nach Weglassung irgend eines 7’, übrig bleibenden Func- 
tionen an. Nimmt man nun zu diesen n Functionen an Stelle 
von F', eine andere Function %, hinzu, welche die Eigenschaft 
hat, dafs sie nur für einen einzigen der durch: 


a 
A .o.0» a IHN 


bestimmten Punkte negativ für alle andern aber positiv ist, so 
ist die Charakteristik dieses neuen Systems von (n-+1) Func- 
12% 


162 Gesammtsitzung 


tionen ihrem absoluten Werthe nach gleich Eins und ihrem 
Vorzeichen nach mit dem der Functionaldeterminante A, in 
jenem Punkte übereinstimmend, A,<0 vorausgesetzt. Diese 
Charakteristik soll „der Charakter des Punktes“ genannt und 
mit x, bezeichnet werden'). Es ist hiernach für jeden einfachen 
durch die Gleichungen: 


PS Br oraeeee m), —=0,(e=0,1,...k—1,k+1,..n) 
deRninten Punkt SU MER, EM SIE 
Ash LS RR ET 03) DT Als a en ®) >o 


und also vermöge des Fortgangsprincips längs der Linie [A k] 
in jedem Punkte £®; 
lg») . dF,, >0. 


Hieraus folgt unmittelbar, dafs die algebraische Summe 
der Charaktere sämmtlicher Punkte £® gleich Null ist und 
ferner dafs die algebraische Summe der Charaktere aller der- 
jenigen Punkte £®, für welche: 


F(E® , 2W , ...... e®) <o 


ist, mit der halben Differenz zwischen der Anzahl der Ein- und 


1) Ich habe mir keineswegs verhehlt, dafs es etwas Mifsliches hat 
von der Bezeichnung „Charakteristik eines Systems, von Functionen“ zu 
dem Ausdrucke „Charakter eines Punktes“ überzugehen. Denn während 
es durchaus unverfänglich ist die Charakteristik als eine Eigenschaft des 
Systems (Fy, Fi +... F,„) von der Reihenfolge und den Vorzeichen der 
“ Functionen F' abhängig zu machen, ist es doch bedenklich eine solche 
Eigenschaft auch als die eines durch die Gleichungen: F; = 0 bestimm- 
ten Werthsystems zu bezeichnen. Aber das Ungewöhnliche oder Anstös- 
sige einer solehen Bezeichnung haftet nicht an dem Begriffe des Punkt- 
charakters, da derselbe ja mit dem einer gewissen Charakteristik voll- 
kommen identisch ist, sondern nur an dem Ausdrucke; und ich habe 
mich nach reiflicher Überlegung für Benutzung dieses Ausdrucks ent- 
schieden, weil einerseits die Darstellung dadurch ganz ungemein an Über- 
sichtlichkeit gewinnt und weil es andrerseits freisteht, da wo etwa durch 
den Ausdruck Schwierigkeiten eintreten sollten, auf die ursprüngliche 
Bezeichnung zurückzugehen. 


vom 4. März 1869. 163 


Austritte der Linie [Ak], d. h. also mit der Charakteristik des 
Functionen-Systems übereinstimmt. | 

Diese einfache Relation zwischen den Charakteren der 
Punkte { und der Charakteristik des Systems F setzt es in 
Evidenz, dafs die letztere für alle Linien [%%k] bei constantem 
Index & unverändert bleibt. Aber dieselbe Relation führt auch 
zum Beweise der Unveränderlichkeit der Charakteristik bei Ver- 
tauschung der Indices A und & und also zum vollständigen Be- 
weise des Satzes über die Constanz der Charakteristik. Be- 
trachtet man nämlich sämmtliche Punkte g% und &® als durch 
die n Gleichungen: 


‚v 
W) ——— SRRRRRR — F,-ı = IF). Fr = Frrı =... = Fr-ı =I, 


ER = F,+2 = ss. 0 1. = Der — 0 
definirt, deren Functionaldeterminante 
F,.A,— Fy,.A, 

ist, so ist in Bezug auf dieses Gleichungssystem der Definition 
semäfs der Charakter eines Punktes g®: 

2.4(g®), wenn e= #1 und e.F,.(@®) >o, 
und der Charakter eines Punktes £M; 

—2.x9,(5®), wenn == =1 und e.F,(&®) > 0; 


und deshalb: 

Zex (ls) — Ze (li) = 2. 
Überdiefs ist: 

SEN) =0, 3xl@®)= 0, 


wenn die Summation resp. auf alle Punkte g® und g® er- 
streckt wird, und hieraus folgt schliefslich, dafs 


34) = Ex) 


“ ist, wenn die erstere Summe nur auf alle diejenigen Punkte g® 
ausgedehnt wird für welche 7, < 0 und die letztere nur auf 
diejenigen Punkte $% für welche 77, < 0 ist. 


164 Gesammtsitzung 


Die vorstehenden Auseinandersetzungen behalten unter ge- 
wissen Modificationen ihre Gültigkeit auch für besondere Fälle, 
welche als Grenzfälle der allgemeinen angesehen werden können; 
z. B. wenn in Punkten, die durch n Gleichungen F = 0 definirt 
sind, zugleich die Functionaldeterminante derselben verschwindet, - 
wodurch der Charakter der bezüglichen Punkte von Eins ver- 
schieden werden kann. Ferner aber lassen sich die angeführten 
Sätze im Wesentlichen auch für den Fall aufrecht halten, dafs 
die Variabeln z auf rfach unendlich viele discrete Punkte be- 
schränkt werden. Doch sollen die hierfür nöthigen, etwas um- 
ständlichen Erörterungen übergangen, und nur einige für die 
folgenden Anwendungen der aufgestellten Sätze ganz wesent- 
liche Bemerkungen beigefügt werden, um die Functionen F' von 
gewissen Beschränkungen zu befreien. Es ist nämlich keines- 
wegs erforderlich, dafs die Functionen F' durchgehends an ein 
und dasselbe analytisch gegebene Gesetz gebunden sind, und 
es kann überdiefs jede der Functionen F' durch irgend eine an- 
dere ersetzt werden, wenn dieselbe nur so beschaffen ist, dafs 
sie längs der zu betrachtenden Linien stets gleiches Zeichen 
mit jener Funktion F hat. In Folge dessen lassen sich z. B. 
Systeme von Functionen, welche nicht geschlossene Linien er- 
geben, durch solche mit geschlossenen Linien ersetzen. 


III. 


Die Charakteristik des Systems 7 selbst gewinnt eine be- 
sondere Bedeutung, wenn man die Functionaldeterminante von 
n Functionen F mit in Betracht zieht. Wird nämlich die 
Functionaldeterminante von F} , F,,..... F, wie oben mit A, 
bezeichnet, so ist jene Charakteristik gleich der Differenz, welche 
man erhält, wenn man von der Anzahl der Punkte wofür: 


dee Fe Fe a erert 
.ist, die Anzahl der Punkte subtrahirt, wofür: 

Pe er re re ee ze 
ist. Bezeichnet man also mit: 


ne .o00. is Cora soo... En yarase die a 


vom 4. März 1869. 165 
die sämmtlichen gemeinsamen Werthsysteme der Gleichungen: 
RE A REN RR 

so giebt die Charakteristik des ee 
Areal kl. - F'.) 


den Überschufs der im Innern von F,—=0 liegenden Punkte (£) 
über die aufserhalb F, = 0 belegenen Punkte an. Wenn end- 
lich der Bereich: F\, < 0 einen anderen Bereich: Fy < 0 voll- 
ständig einschliefst, so wird die Anzahl der zwischen den bei- 
den Umgrenzungen F, = 0 und Fy' = 0 belegenen Punkte (5) 
durch die halbe Differenz der beiden Charakteristiken von: 


(Ao-Fo, Fı, P:; ah Kyaund A 0 Fi, Es 
ausgedrückt. 


Aufser diesem Zusammenhang zwischen der Anzahl von 
Systemen (£) und der Charakteristik existiren noch besondere 


Beziehungen für den Fall, dafs — wenn n=2m ist — die n 
Bunctionen F,,F,;.-... F, die n Theile von m Functionen 


ebensovieler complexer Variabeln sind. Wird namentlich für 
F, alsdann eine Function gewählt, welche nur für endliche 
'Werthe der Variabeln z verschwindet und überdiefs so be- 
schaffen ist, dafs für sämmtliche Punkte (2) zugleich F, < 0 
ist, so giebt es in diesem Bereiche (7, < 0) nur Eintritte und 
gar keine Austritte; dasselbe findet auch auf der Umgrenzung 
F, = statt, und zwar liegen auf derselben doppelt so viel 
Schnittpunkte jeder durch Ausschluls einer der übrigen Func- 
tionen F' gebildeten Linie als im Innern. Ist F, <0 ein von 
F, < 0 eingeschlossener Bereich, so giebt endlich die Charakte- 
ristik des Systems: AR 


ag id 7.) 


gradezu die Anzahl der in dem Bereich F, < 0 liegenden 
Punkte (2) an. Hierbei ist aber vorausgesetzt, dafs dem Be- 
griffe der Charakteristik entsprechend die in dem betrachteten 
Falle sich ins Unendliche verzweigenden Linien in dem Be- 
reiche F, > 0 durch geschlossene Linien ersetzt werden. 


166 Gesammtsitzung 


IV. 
Wenn ont F, ganze rationale Functionen der n - 
Variabeln 2 sind, so läfst sich auf dieselben mit Hilfe der von 
mir im Monatsberichte vom December 1865 aufgestellten Inter- 
polationsformel ein der Kettenbruchs-Entwickelung analoges 
Verfahren anwenden. Die durch dasselbe gelieferte Reihe von 
Functionen bildet die Verallgemeinerung der Sturmschen Reihe 
und kann zur Ermittelung der Charakteristik des Systems F 
dienen. Um dies an dem einfachsten Falle zu zeigen, sei 
2) =&2,2, = y und zuvörderst: 


F,=y ’ F,=/@)—y ’ F,=f,@)—Y; 


wo fund f, ganze Functionen resp. vom Grade 2v und (2v— 1) 
bedeuten, in denen die Coefficienten der höchsten Potenzen von 
x positiv sind. DBildet man nun in bekannter Weise durch die 
Kettenbruchs-Entwickelung des Quotienten der beiden Functionen 
f und f, eine Sturmsche Reihe: 


Id, fe) 5 Frl) 5m ’ 
so kann der Verlust an Zeichenwechseln, den diese Reihe beim 
Übergange von <= — » bis @—= + erleidet, auf Grund 


der obigen Auseinandersetzungen in einfacher und anschaulicher 
Weise gedeutet werden; dieser Verlust ist nämlich genau — 
auch dem Zeichen nach — mit der Charakteristik des Systems 
(F, „Fı, F,) übereinstimmend. Wenn ferner f mit f, von 
einem und demselben, /—/ı aber von niedrigerem Grade ist, 
und man bildet die Sturmsche Reihe: 


FR) II TIL): Sal) essen 


und setzt darin für x zuerst irgend einen Werth « und nachher 
einen grölseren Werth 5, so ist die Differenz der Anzahl der 
Zeichenwechsel — vorausgesetzt dals alle Zeichenwechsel mit 
Ausnahme eines zwischen den ersten beiden Gliedern doppelt 
gezählt werden — gleich der Differenz der Charakteristiken 
der beiden Systeme: 


(y.@— 0), f) —y Fl) —Y) , (y-@—d), Fo) Fa) —Y):- 


vom 4. März 1869. 167 


Wenn man sich also auf der Abscissenaxe von 5b nach a be- 
wegt und die Stellen wo 7’, passirt wird als Ein- und Aus- 
trittsstellen bezeichnet, je nachdem man dort in ein von f\, 
und 7, umschlossenes Gebiet hinein oder aus einem solchen 
herauskommt, so wird die Differenz der Anzahl dieser Ein- 
und Austritte durch den Verlust an Zeichenwechseln bestimmt, 
den die Sturmsche Reihe von @= a bis «= b erleidet. Der 
hier erwähnte einfachste Fall ist meines Wissens zuerst von 
Herrn Sylvester behandelt und in einer ähnlichen wenn auch 
weniger anschaulichen Weise interpretirt worden. Herr Syl- 
vester hat dabei (Philosophical Transactions, Part. III. 1853. 
pag. 495) einige Bemerkungen hinzugefügt, aus denen hervor- 
geht, dafs derselbe eine Ausdehnung gewisser Sätze auf Func- 
tionen mehrer Variabeln vermuthet hat. Es scheint mir, dafs 
dieser Vermuthung durch den oben unter Nr. II gegebenen 
Satz über die Constanz der Charakteristik entsprochen ist. Die 
' Schwierigkeiten der Verallgemeinerung, deren Herr Sylvester 
Erwähnung thut, dürften wohl zumeist in der Beschränkung 
auf algebraische Gebilde liegen, die er festgehalten hat. So- 
bald ich die Einsicht gewann, dafs alle bezüglichen Betrach- 
tungen ausschliefslich jenem allgemeinen Gebiete angehören, 
welches für den Fall wo n = 2 oder 3 ist als „Geometrie der 
Lage“ bezeichnet wird, ergaben sich mir die einfachsten Mittel 
zur Bewältigung der entgegenstehenden Schwierigkeiten. 


V. 
Wird eine durch die n reellen Variabeln x, , #2, ..... 2, 
gebildete Mannigfaltigkeit auf die der Variabeln 2 durch die 
Gleichungen: 


a a BE ZUENETU RBEN a \ 
a DZ 2) 


bezogen, so entspricht jedem Punkte z ein Punkt x, jedoch im 
Allgemeinen so, dafs auch zu verschiedenen Punkten 2 ein und 
derselbe Punkt x gehören kann, und es entspricht daher der 
(n—1)fachen Mannigfaltigkeit: 


IP, (2? 2% ie: re N a) 


168 Gesammtsitzung 


eine (n—1)fache Mannigfaltigkeit: 


Von der Function F, wird stets vorausgesetzt, dafs sie nur 
für endliche Werthe der Variabeln 2 negativ sei. Setzt man 
nun sämmtliche Variabeln x — nur x, und «, ausgenommen — 
.gleich Null, so bekommt man eine in der (n—1)fachen Man- 
nigfaltigkeit ®= 0 enthaltene einfach unendliche Folge von 
Werthsystemen x d. h. also eine Linie. Diese Linie windet 
sich genau so vielmal um den Nullpunkt, als die Charakteristik 
des Functionen-Systems F' angiebt, und dabei bezeichnet auch 
das Vorzeichen der Charakteristik den Sinn der Windung. 
Denn jedem Eintritte der Linie [hk] bei: F, = 0 entspricht 
ein Durchgang durch: &,= 0 in dem einen Sinne der Drehung, 
jedem Austritte ein Durchgang durch: x, = 0 im entgegen- 
gesetzten Sinne; und von einem Eintritte bis zum folgenden 
wird eine halbe Windung vollendet. Wenn man also das „Vor- 
wärts-Kommen“ im ersteren Sinne der Drehung auffafst, so 
kommt man ebenso oft vorwärts als es Eintritte giebt und 
ebenso oft rückwärts als Austritte vorhanden sind, so dafs das 
wirkliche Vorwärts-Kommen um halbe Windungen durch das 
Doppelte eben jener Zahl angegeben wird, welche als „Charak- 
teristik * definirt worden ist. Da die Indices %k und k ganz be- 
liebig gewählt und überdiefs auch nach der am Schlusse von 
No. II gemachten Bemerkung für die Functionen F gewisse 
andere — z.B. 


FH — 2, VYR + Hfr fr, „B-uVEH ER mn... 


substituirt werden können, so bleibt die Bedeutung der Charak- 
teristik als Windungszahl nicht auf gewisse zu $P = 0 gehörige 
Linien beschränkt, sondern die Charakteristik erhält auch eine 
Bedeutung für die gesammte durch: ® = 0 repräsentirte Mannig- 
faltigkeit. Ebenso hat dieselbe Mannigfaltigkeit (® = 0) je 
eine bestimmte Windungszahl wie in Beziehung auf den Null- 
punkt so auch in Beziehung auf irgend einen beliebigen Punkt 


EEE £,), und die betreffende We ist En 
der Charakteristik des Systems: 
(Fo, FE, y— Er; Du a  £ 


vom 4. März 1869. 169 


Nach dem Werthe dieser Charakteristik kann nun die Mannig- 
faltigkeit x in verschiedene Bereiche eingetheilt werden, so dafs 
ein und derselbe Bereich von allen denjenigen Punkten £ ge- 
bildet wird, für welchen jene Charakteristik denselben Werth 
hat. Der Übergang aus einem Bereiche in den andern erfolgt 
alsdann in der Mannigfaltigkeit ®=0. Doch will ich die 
weitere Ausführung bei Seite lassend sogleich zu der wichtig- 
sten Anwendung der vorstehenden Betrachtungen übergehen, 
nämlich zu einem Ausdrucke der Charakteristik durch ein (n—1) 
faches Integral, wozu man unmittelbar durch dieselben geführt 
wird. 

Es sei nämlich dw überhaupt das positiv genommene Ele- 
ment der durch irgend eine Gleichung: F(2,, 23,...-.» N! 
repräsentirten (na— 1)fachen Mannigfaltigkeit und es möge zur 
Abkürzung das seinem Werthe nach bekannte durch Potenzen 
von z ausdrückbare Integral: 


Saw 3 uber na Zi .n... = 2 = 1 erstreckt, 
mit , ferner die positiven Werthe von: 
resp. mit S und © bezeichnet und endlich: : 
0, For» Foa> » - Fon 


F,Fı» Fi» 2 are 
FF, Fyı; Fa ES Fon 


Ve N u 2 


gesetzt werden. Alsdann ist die Charakteristik des Systems F 


durch: 


ausgedrückt, wo die Integration über die (n— 1)fache Mannig- 
faltigkeit: F, = 0 zu erstrecken ist. 


170 Gesammtsitzung 


Nach den in No. III enthaltenen Erörterungen kann die 
Begrenzungsfunction F, so gewählt werden, dals durch den 
hier angegebenen Integralausdruck die Anzahl der in einem 
bestimmten Gebiete enthaltenen Punkte $ dargestellt wird, also 
im Falle n = 2 für zwei Ourven: F, = 0, F, = 0 die Anzahl 
der reellen Durchschnittspunkte, welche ir eines gege- 
benen Bereiches liegen. 

Ich bemerke in Bezug auf das Element dw, dafs dafür 
die Gleichung: 


Bi er ne. 3 a. 


stattfindet. Wenn man nämlich für n dem Punkte (2? , 23 ,..2}) 
unendlich benachbarte der Mannigfaltigkeit: F, = 0 angehö- 
rige Punkte und einen (n-+-1)sten aulserhalb liegenden Punkt 
(21, 235 . . 2,) die bekannte Inhalts-Determinante bildet und 
durch: 


Ka are zz)... a 


dividirt, so nähert sich dieser Quotient dem für das Element 
dw gegebenen Ausdrucke, wenn der Punkt (2,, 22,:..... E 
ins Unendliche rückt. 

Wenn man sämmtliche der Mannigfaltigkeit: F, = 0 an- 
gehörenden Punkte z mit 2° bezeichnet, so dafs also 21, 23, 


ee 2° mit einander durch die Gleichung: 


FRE TR N 
verbunden sind, und wenn man alsdann irgend einen Punkt 2 
mittels der Gleichungen: 
F 
2 = HtP: 7ei 

so zu sagen auf die Mannigfaltigkeit F, — 0 bezieht (ef. Gaufs 
„Allgemeine Lehrsätze etc.* Art. 23), so repräsentirt die Va- 
riable p eine Grölse, welche der Entfernung des Punktes 2 
vom Punkte 2° in der Normal-Richtung für n = 3 entspricht 
und deren Vorzeichen mit dem von F, übereinstimmt. Als- 


Fox 
dann erhält der Quotient die Bedeutung, dafs derselbe 


vom 4. März 1869. 171 


gleich dem partiellen Differentialquotienten: = Fir 2, 2, 


wird und es kann dieser Bedeutung entsprechend: 


gesetzt werden. Die Determinante R erhält hiernach die Ge- 
stalt: 
N EEE 
FF» Fi» Far» » Fin 
Fa, Pay Fan - « Pan 


F, En; u: " nn 


n? 


IF, 


und © stimmt mit dem partiellen Differentialguotienten 


überein. 

Wenn man das die Charakteristik ausdrückende Integral 
aus der Mannigfaltigkeit z in die Mannigfaltigkeit « transfor- 
mirt, so bekommt dasselbe eine anschauliche Form; denn das 
Element desselben ist alsdann die Verallgemeinerung desjenigen, 
welches für n = 3 das Element des am Nullpunkte liegenden 
und einem Elemente der Fläche P = 0 entsprechenden räum- 
lichen Winkels bildet. Das Integral der Charakteristik stellt 
also in doppelter Hinsicht eine Verallgemeinerung des von 
Gaufs in der Theoria attractionis corporum sphaeroidicorum 
ellipticorum Art. 6 gegebenen Integrals dar; denn es ist die Be- 
schränkung auf drei Integrations-Variabeln und selbst für n — 3, 
die Beschränkung auf Begrenzungen einfacher Körper aufge- 
hoben, also der Fall einer gegenseitigen Durchdringung von 
Körpern nicht ausgeschlossen. 


v1. 
Das eben erwähnte Integral von Gauss ist ein speecielleres 
als dasjenige, welches er bei Herleitung der Potential-Gleichung 
benutzt. Dieses allgemeinere Integral geht in jenes über, wenn 


:172 | Gesammtsitzung 


die Dichtigkeit constant ist. Dieser Umstand führte mich auf 


die durch den Erfolg vollkommen bestätigte Vermuthung, dafs 
die Potential- Theorie Anhaltspunkte bieten dürfte, um zu einer 
allgemeinen Darstellung beliebiger Functionen der durch ein 
Gleichungs -System: F = 0 definirten Punkte $ und damit auch 
zu einer Verallgemeinerung des sogenannten Cauchy’schen Inte- 
grals zu gelangen. 

Bedeutet 5 eine eindeutige Function der Variabeln z und 
setzt man zur Abkürzung dv für das Element einer nfachen 
Mannigfaltigkeit d. h. also für: 


A121: WW. ie d2.5 


ferner: S(E) für den positiven Werth der Quadratwurzel aus: 
N N 


so ist das über den Bereich: F, < 0 ausgedehnte Integral: 


Z a 
er so" 


eine dem Potential analoge Function der n Variabeln £ und 
soll mit: IL(£) bezeichnet werden. Für den Fall n= 2 aber 
ist statt des Divisors unter dem Integralzeichen; — log. S(Z) 
als Factor zunehmen. Das Integral II, welches ich auch kurz- 
weg Potential nennen will, erhält die gewöhnliche Form, wenn 
man es aus der Mannigfaltigkeit 2 in die Mannigfaltigkeit x 
transformirt, da A, die Functionaldeterminante der n Functionen 
F ist. Aber in der Mannigfaltigkeit x ist % im Allgemeinen 
nicht mehr eindeutig sondern eine mehrdeutige Function der 
Punkte x, so dafs das Potential Il auch für den Falln=3 ein 
Potential bei mehrdeutiger Dichtigkeit oder mehrfacher Raum- 
Bedeckung darstellt. 

Für die Functionen F werden die früheren Voraussetzun- 
gen festgehalten, dafs sie — wenigstens innerhalb des betrach- 
teten Gebietes F,<0 — im Allgemeinen stetig und differentiir- 
bar und endlich seien, obgleich sich diese Voraussetzungen noch 
modifieiren lassen. Das Gebiet: F, <o0 soll nur endliche 
Werthe der Variabeln z enthalten. Die Function 5 soll so be- 
schaffen sein, dafs %.4&, innerhalb des Integrations - Gebietes 


vom 4. März 1869. | 173 


überall endlich und stetig bleibt und dafs % selbst diese Eigen- 
schaften in der unmittelbaren Umgebung der Punkte 2 besitze, 
deren Anzahl wie bisher als endlich vorausgesetzt wird. Über- 
diefs soll die Function % nach sämmtlichen Variabeln differen- 
tiirbar sein. Bezeichnet man nun in üblicher Weise mit 7 II(£) 
die Summe der zweiten Ableitungen von II nach den Variabeln 
&, so kann man sich unbeschadet der Allgemeinheit auf den 
Fall beschränken, wo sämmtliche £ nach der Differentiation 


gleich Null gesetzt werden und man erhält alsdann die funda- 
mentale Gleichung: 


MB AUG = —wEyu6).80) 
wo sich die Summation auf alle durch die Bedingungen: 
Beer 0, 1,0, ...: el 


definirten Punkte Z bezieht. In dieser merkwürdigen Gleichung 
tritt sowohl die eigenthümliche Bedeutung des Potentials TI als 
auch die Wichtigkeit der Unterscheidung der Punkte nach ihren 
Charakteren auf das Klarste hervor. Man kann diefs auch 
dadurch erläutern, dafs — wenn nur einfache Punkte /? vor- 
handen sind, %.A, = Y(z) gesetzt und mit A(Z) der absolute 
d. h. der positive Werth von 4A, (£) bezeichnet wird — die 
Gleichung (W) in: 
. Rx 


Fe) 
Yo) 


übergeht. Aber die Beziehung zu den für den Fall n= 2 be- 
kannten Resultaten zeigt sich erst bei der Umwandlung von 
AI in die Differenz zweier Integrale, mittels deren ich jene 
Fundamentalgleichung erlangt habe, 


AM) = —L, 


vn. 
Wenn man in dem Potential II die Variabeln x einführt, 
so erhält man das über das Gebiet ®<0 (ef. No. V) zu er- 
streckende Integral: 


K(«) 
Dar lo 
+ (E (m — Eu) a 


174 Gesammisitzung 


wo K (x) die durch die Gleichungen: 
EEK) ei Irre Fr erde 


gegebene mehrdeutige Function der Variabeln « ist. Die 
Gaufs’sche Methode zur Bestimmung von /Il, auf ein allge- 
meines n angewendet, besteht nun im Wesentlichen darin, dafs 
nach einmaliger Differentiation unter dem Integralzeichen für 
die Variabeln x neue Variabeln &' mittels der Gleichungen: 


= — 

eingeführt werden. Alsdann kommen nämlich die Gröfsen & 
unter dem Integralzeichen nur noch in der Function K und 
aber auch in jener Function ® vor, welche das Integrationsge- 
biet bestimmt. Indem man nunmehr nochmals nach den Grö- 
fsen E differentiirt und summirt, erhält man für 7 II das Aggre- 
gat zweier Integrale die den Gaufs’schen durchaus analog sind. 
Man kann übrigens die Einführung der Variabeln x’ schon in 
dem Potential selbst vornehmen und erst nachher zweimal nach 
den Variabeln & differentiiren, ein Verfahren, bei welchem man 
nach der ersten Differentiation den Ausdruck erhält, welcher 
in den Dirichlet’schen Vorlesungen über das Potential durch 
partielle Integration erlangt wird. Endlich aber ist zu bemer- 
ken, dafs die Betrachtung mehrdeutiger Functionen X(x) oder 
mehrfach bedeckter Mannigfaltigkeiten und die damit verbundene 
Schwierigkeit zu umgehen ist, wenn man die ursprünglichen 
Integrations- Variabeln 2 beibehält und alsdann Variabeln 2’ zu 
Hilfe nimmt, die durch die Gleichungen: 


2.) Er = Fy(z‘) 


für kleine Werthe der Z£ eindeutig bestimmt sind, sobald die 
. Übereinstimmung sämmtlicher 2’ mit den bezüglichen z für die 
Nullwerthe der & festgesetzt wird. 

Wenn man in der ersten Horizontalreihe der unter No. V 
eingeführten Determinante die Ableitungen von F', durch die 
von % ersetzt und die hierdurch entstehende Determinante mit 


N bezeichnet, so dafs: 


vom 4. März 1869. 175 


0,3 da: + Bm 
I, Fir» Fa» + - Fin 
5 Pas Fa» - Fi 


Se AENEN Ajar\ Te Dr 
wird, so sind es die beiden durch die Gleichungen: 


| R 
[ Sm dv (über Zu < 0 erstreckt) 


R 
W= [3 Sn dw (über FF, = 0 erstreckt) 


definirten Integrale V und W, deren Aggregat JII ergiebt. Es 


ist nämlich: 


ATI) = —V+W, 


und eine genauere Untersuchung der Natur der beiden Integrale 
V und W führt zu der oben für 7/II gegebenen Fundamental- 
gleichung. 


VI. 


Die beiden Integrale V und W sind einerseits von den in 
den Functionen 7 vorkommenden Constanten andrerseits von . 
den durch die Function F, bestimmten Integrationsgebieten ab- 
hängig. Wenn der Bereich 7, =0 keinen Punkt £ enthält, so 
ist die Differentiation unter dem Integralzeichen von II gestattet 
und dieselbe ergiebt: Il) =0 also: 


—V+W=o. 


Wenn man ferner den Bereich 7, =o auf die unmittelbare 
Umgebung eines einfachen Punktes £ beschränkt und den In- 
halt des Gebietes ins Unendliche abnehmen lälst, so ver- 
schwindet das Integral V, während der Werth von W sich 
der Grenze: 

[1869.] hs 


176 Gesammtsitzung 


R 


nähert d. h., unter- Berücksichtigung von dem in No. V Ge- 
sagten, der Grenze:. . ’ | 


9.49.80. 
Hieraus folgt alsdann, dafs KR 


A) Er 


wird, wenn die Integrationen in V und W über Gebiete erstreckt 
werden, die durch eine beliebige Function #', bestimmt sind, 
und wenn die Summation rechts sich auf alle Punkte £ bezieht 
für welche F, (£) < 0 ist. Nur ist anzunehmen dals für keinen 
Punkt £ die Function F', selbst verschwindet. 

Für den: -Falh n==3 nnd. AM, = 2, 2, 2a. u, 72 
gehen die beiden Integrale Vund W, beide negativ genommen, 
“ in die von Gaufs in seinen „Allgemeinen Lehrsätzen etc.“ 
pag. 14 (Gaufs Werke Bd. V. pag. 209) mit Mund N bezeich- 
neten über. Für ein beliebiges n und lineare Functionen F 
sind dem Integrale W verwandte Integrale von Jacobi (Journal 
für Mathematik, Bd. XIV pag. 51 sqq.) behandelt worden; doch 
will ich mich hier auf dieses blofse Citat beschränken, ohne 
auf den Inhalt und die Bedeutung der erwähnten Jacobischen 
Abhandlung näher einzugehen. 

Wenn $ —= 1 ist, so verschwindet V und die Relation (A) 
ergiebt: | 


1 2 
BEMTEN () | 

d. h. die mit der Charakteristik des Systems (5, , Fi ,-.. #,) 
gleichbedeutende Summe der Punktcharaktere durch das Inte- 
gral W ausgedrückt, was mit dem Inhalte des Abschnittes V 
_ übereinstimmt. Für den allgemeinen Fall aber giebt die Glei- 
chung (A) analog dem sogenannten Cauchy’schen Satze einen 
Integral- Ausdruck für die algebraische Summe aller Werthe, 
welche eine gegebene Function %(2,,23,.....2,) ahnimmt, 
wenn darin die durch die Bedingungen: 


vom 4. März 1869. 177 
Bl sel sh) a F 


definirten Werthsysteme 2 substituirt werden, vorausgesetzt je- 
doch, dafs man jeden dieser Functionswerthe bei der Summation 


mit demselben Vorzeichen versieht, welches die Functionalde- 


terminante von Fi, Fr ,:.-... F,„ für das bezügliche Werth- 
system hat. Wenn also die Functionaldeterminante für alle 
jene Werthsysteme z ein und dasselbe Zeichen behält, so wird 
durch die Gleichung (A) genau wie durch den Cauchy’schen 
Satz die Summe aller Functionswerthe $ durch einen Integral- 
Ausdruck dargestellt. 


IX. 


Wenn für eine grade Zahl: n=2m die Functionen F\,, 
Fy,....#, die n Theile von = Functionen der complexen 
Variabeln: 


JE Mrz 2, + VZm+i » Ya = ?9 sE5 VZu+2 3 ere. ,. m = 5 


sind, so hat die Functionaldeterminante stets einerlei Zeichen. 
In diesem Falle stellt sich aber die Analogie der Gleichung 
(A) mit dem Cauchy’schen Satze noch vollständiger dar, indem 
sich alsdann das Aggregat der beiden Integrale V und W in 
ein einziges (n—1)faches oder Begrenzungs-Integral verwan- 
deln läfst. Um diese merkwürdige Umformung näher zu prä- 
eisiren seien fı ;‚Js 5 ----- F;, Funetionen von Yyı ,Y2;5-.»--. Ya 
und für jeden Index % sei f} zu f, conjugirt; ebenso sei f eine 
Function der complexen Variabeln y und f’ zu f conjugirt; 
ferner sei fj, die Ableitung von f, nach y, und fx, econjugirt 
zu fin; endlich sei: 


Mehr, Hr hm 
ul 3 m und: 
= ef+e, 


wo entweder =. = +1 oder e= — 2 =i zu setzen ist; 
Ich führe nun zur Abkürzung noch folgende Bezeichnungen ein: 
1a 


178 Gesammtsitzung 


[I : . deu.d , 
For Fo man = 2Ffor 5. Fort Fo,msr = 27 or 


MN; ale 4.8 
Fı >» Ju» Fi > 


I» Sa: Sa B 


eo . [7 


vr I RR Im2 » 


0 ’ Ja > Joa» 
Fi ’ Jr» Jı2 > 


in. 
Sb ir 3. 


Ja ? Ja» Faa » r 


a ara Yo: S 


Jıı ’ Jıa = 
Ja» Ja» : 
D, = ; . 


In Ya = 


Alsdann wird: 


= Tr 
= m 
= dam 


2. und N, conjugirt zu N, 


7 ha 


x Has 
3 Sas 


® Bank 


und Rz, conjugirt zu R, 


‘ und D, conjugirt zu D;. 


oe 
Por 


NR—=EeN,D,+ER,D, 
A MM, Din R,D, 


d.h. die Determinanten R und R lassen sich beide als Deter- 
minanten zweiter Ordnung darstellen, deren Elemente Determi- 


vom 4. März 1869. 179 


nanten (m-+-1)ster und mter Ordnung sind. Ferner läfst sich 
das nfache Integral V für Gebiete, die keine Punkte 2 ent- 
halten, in ein (na—t)faches transformiren, und zwar wird: 


j : d 
v=[eirD.+eR,D,).® 
während 


£ dw 
vw [ei+.M (R,D,+R,D,)' Sm 


ist, beide Integrationen über die ganze Begrenzung ausgedehnt. 
Hieraus folgt also, da (—V-+W) gleich Null ist, dafs: 


BD 
g „f ' 1 2 
2 gr aure [fi ‚gr 


wird. Da nun in dieser Gleichung einerseits: e=!—=-+1 
andrerseits: e= — 2’ =i zu setzen ist, so folgt endlich dafs 
‚jedes der beiden einander conjugirten Integrale für sich ver- 
schwinden muls. Das hier auftretende Integral: 


Bs:D, 
fi Sn dw 


ist es nun, welches als eine Verallgemeinerung des Cauchy’schen 
Integrales betrachtet werden kann. Denn während dasselbe 
verschwindet, sobald die Begrenzung F, = 0 keinen Punkt $ 
umschliefst, reducirt sich dasselbe, wenn F, < 0 die unmittel- 
bare Umgebung eines einzigen Punktes £ bildet, auf: 


Br, 


9). 


Es läfst sich aber zeigen, dafs bei derartiger Begrenzung: 


d 
un any@L. 


rs fd, R,D, 
gr W — ( zE: de 


also: 


180 Gesammtsilzung 


wird. Da nun die rechte Seite dieser Gleichung nach dem in 
No. V. Gesagten den Charakter des eingeschlossenen Punktes, 
mit: — 3” multiplicirt, darstellt, so erhält man bei der ange- 
nommenen Begrenzung: 


NP a0 = 48.29.10, 


und demnach bei einer beliebigen Begrenzung F, endlich: 


(B) . ee 


wo die Integration über die (n—1) fache Mannigfaltigkeit: 
F, = 0 und die Summation auf alle Punkte £ auszudehnen ist, 
für welche F, einen negativen Werth annimmt. 


, 


Die Charaktere sämmtlicher Punkte £ die den r Gleichungen 
F, = 0 genügen sind positiv und für einfache Punkte der Ein- 
heit gleich. Die rechte Seite der Gleichung (B) wird also, 
wenn man: 1, = $,+if,+:, Setzt: 


Ta 30: In); 


vorausgesetzt dals man bei der Summation jeden Werth f(r) 
so viel mal nimmt als der Charakter des betreffenden Punktes 
angiebt. Ferner wird: 


en 17? 
= (I f,.fi) 
und (cf. No. V): 
2for = Korte oin > pt nap 3 
also wenn man: 
Er zur 


und demgemäls: 


0 0) 0 
Yrp TE ?kp air VEn-tk,p 


En 3 = 


vom 4. Marz 1869. 181 


setzt, wo x), den — so zu sagen — nach der Normale p ge- 
nommenen partiellen Differentialquotienten von y, in dem der 
Mannigfaltigkeit: F, = 0 angehörenden Punkte y, bedeutet; 


Endlich sei: 
[0] 0° [0] 
0 3 Yip 9 Ya» Ze 1 0 Yaıp 
) ’ ’ ’ 
) er) Jıı ‘) Jia end 


3. 


- } Ay‘ 
er: ’ Ma ’ Yen LT 


und f.D, = #, wo D, wie bisher die Functionaldeterminante 
der Functionen f bedeutet. Nach Einführung dieser Bezeich- 
nungen geht die Gleichung (B) über in: 


® Pr) 
e Schr“ a EN 


wo die Integration über die Mannigfaltigkeit: F, = 0 auszu- 
dehnen ist, und ‚zwar stets in dem Sinne dals fdw positiv 
bleibt, während die Summation rechts sich auf sämmtliche 
Punkte + bezieht, welche den Bedingungen: RER 


EN re er; un % ale N 


genügen, aber jeder Punkt so vielmal gerechnet als sein Cha- 


rakter angiebt. 
Für m=1 geht die Gleichung (C) in die Cauchy’ She 
Formel über, denn es wird alsdann: 


sen, Sf =fifi, = yy fi; 


und wenn statt 27; 23 die Buchstaben #9, yo für die Coordi- 
‚naten der Punkte auf der Curve: F, = 0 eingeführt werden: 


182 GFesammtsitzung 


y® _ 9@tYN | 
Nimmt man nun dw d.h. das Element wachsenden Boe- 
gens auf der Curve: F, = 0 so, dals man in diesem Sinne 
_ fortgehend die negativen Werthe von p also auch die Een 
Werthe von F, zur Linken behält, so ist: 


A _ 0% ®Yo A 080 
02 N dw. sap, gw 
also: 
Oi ;.9@o +y9%) 
Me is 
und die Gleichung (C) erhält demnach — wenn überdiefs für 


Jı, /ıı resp. f, f und E-+ri für 4 gesetzt wird — die be- 
kannte Form: 


P(E+n) 
INS" 


u) 
KR tYd 


d(2,+Y,0 — di 


welche sich somit in der That als specieller Fall der Gleichung 
(C) darstellt. 


XI. 


Diejenigen Werthsysteme oder Punkte ($,, %3,..... 2 
für welche mit den Functionen: F,,F3,....- F',, zugleich 
deren Functionaldeterminante verschwindet, haben — wie schon 
oben bemerkt — einen Charakter, dessen absoluter Werth von 
Eins verschieden und auch gleich Null sein kann. Der Cha- 
rakter derartiger Punkte kann als durch das Integral der Cha- 
rakteristik also (cf. No. V) durch: 


ı {R 
_ — dw 
‚gr 
definirt angesehen werden, wobei die Integration auf ein be- 
liebiges Gebiet F', = 0 zu erstrecken ist, welches aber aufser 
dem betrachteten Punkte £ keinen andern umschliefsen darf. 


vom 4. März 1869. 183 


In gleicher Weise kann also für den speciellen in den Ab- 
schnitten IX und X behandelten Fall von Functionen ecomplexer 
Variabeln der Ausdruck: 


1 8D, 


m m) em” 


als Definition des Charakters eines Punktes gelten; d. h. das Inte- 
gral (D) giebt an, wie vielfach ein Werthsystem (71, 12, - 7.) 
zu rechnen ist, welches den Gleichungen: 


fı Na m) =I, F: (H1>%a ee) =, fm 159129. m) —\ 


genügt, sobald die Integration über eine (n—1)fache Mannig- 
faltigkeit: F, = 0 erstreckt wird, für welche der Bereich F, <o0 
nur jenen einzigen Punkt (7) enthält. 

Die Formel (C) bleibt anwendbar, wenn die Gleichungen 
f=0 aufser für discrete Punkte 5 auch noch für eine einfache 
oder mehrfache Mannigfaltigkeit von Punkten erfüllt sind; nur 
mufls dann die Begrenzung F, so gewählt werden, dafs jene 
Punktfolgen von dem Bereiche F, < 0 ausgeschlossen bleiben. 
Wenn nun in diesem Falle F, zugleich so bestimmt wird, dafs 
der Bereich F, <0 die sämmtlichen discreten Punkte ; enthält, 
so wird die Anzahl derselben durch das Integral (D) ausge- 
drückt. Man könnte deshalb von einer genaueren Discussion 
dieses Integrals vielleicht einigen Aufschlufs sowohl über die 
eben erwähnten bemerkenswerthen Fälle erwarten als über die- 
- jenigen, wo eine Multiplicität von Punkten auftritt, Fälle welche 
selbst für algebraische Gleichungs-Systeme bisher noch wenig 
erörtert worden sind. Aber es ist nicht zu verkennen, dafs 
die Ermittelung des Werthes jenes Integrals (D) für die be- 
zeichneten Fälle Schwierigkeiten darbietet, die eben mit der 
allgemeinen Gültigkeit desselben untrennbar verbunden sind. 
Diefs erhellt schon aus dem Umstande, dafs sämmtliche hier 
betrachteten Integrale eine ganz andere Form annehmen, wenn 
man für die Gleichungssysteme: F,—= 0 oder f; = 0 andere aber 
aequivalente nimmt, d. h. solche, welche genau dieselben Punkte 
5 oder ; (sammt deren Charakter) bestimmen, während natür- 
lich die Integrale ihrem Werthe nach dabei unverändert bleiben 


184 . Gesammtsitzung 


müssen. Andrerseits sollen aber auch die Erleichterungen her- 
vorgehoben werden, welche man sich bei der directen Ermittelung 
jener Integralwerthe erlauben darf. Man kann nämlich für ge- 
gebene T}egrenzungs-Functionen F, andere einer möglichst be- 
quemen und geeigneten analytischen Darstellung zugängliche 
Begrenzungen substituiren, da es ja nur darauf ankommt dafs 
diese mit jenen in Bezug auf die umschlossenen Punkte (7) 
übereinstimmen. 
An die hier berührte Werth-Ermittelung für Integrale von 
der Form: | AEaN 


will ich noch einige erläuternde Bemerkungen knüpfen. Die 
Einführung solcher Begrenzungs-Integrale war bei dem Gegen- 
stande meiner Untersuchungen durchaus geboten und auch von 
denselben Vortheilen gröfserer Einfachheit und Anschaulichkeit 
begleitet wie im Falle, wo n die Werthe 2 oder 3 hat, d.h. 
wie im Falle der Ebene und des Raumes. Aber derartige Be- 
grenzungs-Integrale sind nicht unmittelbar für die Berechnung 
geeignet sondern müssen zu diesem Zwecke erst in angemes 
sener Weise transformirt werden. Das Integrations- Gebiet für 
die erwähnten Integrale ist: Fu, = 0.d.h. also eine aus der 
nfachen Mannigfaltigkeit (2) ausgeschiedene (n — i) fache Mannig- 
faltigkeit, und das Element derselben dw findet sich (cf. No. V) 
durch: 


=> 021 BES TINEN Sa | 
Fa u 
ausgedrückt, während das Element einer an sich betrachteten 
(n—)fachen Mannigfaltigkeit (2), 22, ----- 2.77" QAurch! das 
Product: 
| 2 I RS, 


gegeben sein würde. Die hierbei auftretende Verschiedenheit 
der Natur von vfachen Mannigfaltigkeiten, je nachdem man die- 
selben an sich betrachtet oder aus einer Mannigfaltigkeit höherer 
Ordnung aussondert, kann nicht genug hervorgehoben werden; 
in den wenigen der geometrischen Interpretation zugänglichen Fäl- 
len sind derartige Unterscheidungen auch vollkommen geläufig. 


u oa 


vom 4. März 1869. 185 


Eine an sich betrachtete oder (nach Riemann) ebene vfache Man- 
nigfaltigkeit hat als Element das Product der Elemente der vVa- 
riabeln d.h. also das Product der Elemente der v einfachen 
Mannigfaltigkeiten aus denen die vfache hergeleitet ist. Man 
kann nun kurzweg die für die Auswerthung jener Begrenzungs- 
Integrale erforderliche Transformation dahin charakterisiren, dafs 
durch dieselbe die ausgesonderte (n—1)fache Mannigfaltigkeit: 
Fo, =0 auf eine an sich betrachtete oder ebene (n — 1)fache 
Manmnigfaltigkeit eindeutig bezogen und in dieselbe transformirt 
werden mufs. Die Möglichkeit einer solchen Transformation 
geht unter Anderm aus folgenden Betrachtungen hervor. 

Wenn man den Polarcoordinaten entsprechend für die Va- 
riabeln 2 die durch die Gleichungen: 


ru, = ı — Zı 6) TU) =22—Z yo». y TUR — Lei 


utur..+Wml 


definirten neuen Variabeln: r, u, , Ug, .».... %, einführt, wo r 
positiv zu nehmen und unter (Z,, Za3, .....Z,) irgend ein 
fixirter Punkt (z) zu verstehen ist, so kann bei dieser Trans- 
formation die Gleichung: F, = 0 den Radius Vector r als ein- 
deutige Function der Veränderlichen u bestimmen. In diesem 


Falle soll der Bereich: F, <0 ein „Bezirk“ des Punktes Z 


(oder in Beziehung auf den Punkt Z) heifsen. Da die nVa- 
riabeln % eindeutig durch (n—1)Variabeln ausdrückbar sind, 
überdiefs auch jede einfache Folge von. Werthen einer Variabeln 
x zwischen beliebigen Grenzen: 


a b 
see 


durch eine Substitution — z. B. indem: 


aeıt-+ber! 
Ye - 
ae Ur ber 


gesetzt wird — eindeutig in die gesammte unendliche Werth- 
folge der Variabeln y zu transformiren ist, so leuchtet ein, dafs 
sobald nur F, < 0 für irgend einen Punkt Z einen „Bezirk“ 
bildet jedes über die (n—1)fache Mannigfaltigkeit F, = 0. zu 


186 Gesammtsitzung 


erstreckende Begrenzungs-Integral in ein solches verwandelt 
werden kann, in welchem die- Integration über eine gesammte 
ebene (n—1)fache Mannigfaltigkeit auszudehnen ist. Wenn 
aber F, < 0 keinen Bezirk bildet, so kann man denselben in 
Bezirke theilen, vorausgesetzt dals der im vorliegenden Falle 
mehrwerthige Radius Vector r doch überall nur eine Anzahl 
von Werthen hat, welche eine bestimmte Zahl nicht über- 
schreitet. Geht man nämlich von irgend einem Punkte Z des 
Bereiches: F, < 0 aus, so erfüllen die Linien r, wenn man die- 
selben nur bis zu den kleinsten der Begrenzung: F, <0 an- 
gehörenden Werthen r, fortsetzt, einen bestimmten Theil des 
Bereiches: F, <0, welcher alsdann einen Bezirk des Punktes 
Z bildet, jedoch mit einer leicht zu behebenden Modification. 
Diese Modification wird im Falle der Ebene (n==2) anschaulich, 
wenn man sich eine das Stück einer Graden enthaltende Be- 
grenzung vorstellt und dabei den Ausgangspunkt der radi 
vectores so annimmt, dafs einer derselben mit jener graden Linie 
zusammenfällt. Die nach erfolgter Ausscheidung des einen 
Bezirks von dem Bereiche F, < 0 übrig bleibenden Theile hat 
man alsdann in gleicher Weise zu behandeln, bis der ganze 
Bereich: F, = 0 erschöpft ist. Die hier angedeutete Theilung 
eines Bereiches in Bezirke bietet für den vorliegenden Zweck 
gewisse Vortheile dar; aber man könnte unter den gemachten 
Voraussetzungen auch ohne dieselbe zu einer eindeutigen Be- 
stimmung der verschiedenen Werthe von r, gelangen, indem 
man dieselben als erste, zweite, dritte etc. der Grölse nach 
unterscheidet. Hierbei will ich schliefslich auf die Erörterungen 
über Transformation vielfacher Integrale verweisen, welche 
Herr Lipschitz in Borchardts Journal Bd. 66. pag. 281 sqq. ge- 
geben hat. 


XII. 


Bei den Untersuchungen, deren Entwickelungsgang ich hier 
in Umrissen dargelegt habe, bin ich vom Sturm’schen Satze 
ausgegangen. Eine Ausdehnung desselben auf Systeme von 
Gleichungen ist schon vor längerer Zeit von Hrn. Hermite 
angegeben worden, aber es kam mir überdiefs darauf an, das 


vom 4. März 1869. 187 


den Sturm’schen Entwickelungen zu Grunde liegende Ketten- 
bruchs-Verfahren selbst zu verallgemeinern und nachdem diefs 
geschehen war die dadurch erhaltenen allgemeineren Resultate 
naturgemäfs zu interpretiren. Ich wurde hierbei auf jene Be- 
trachtungen geführt, welche den Inhalt der ersten vier Ab- 
schnitte vorliegender Notiz bilden, und welche ich damals in 
mündlichen Unterhaltungen meinem Freunde Weierstrass mit- 
theilte. Dabei wurde ich von ihm angeregt unter den erlangten 
neuen Gesichtspunkten den Gegenstand meiner Untersuchung 
weiter und namentlich in derjenigen Richtung zu verfolgen, in 
welcher nicht blofs eine Ausdehnung des Sturm’schen sondern 
auch des Cauchy’schen Satzes erhalten würde. Die Arbeiten 
welche ich darauf hin unternommen und die Resultate welche 
ich dabei erlangt habe finden sich in den Abschnitten V bis X 
auseinandergesetzt und zwar im Wesentlichen in derselben Rei- 
henfolge, wie sie sich mir bei der Untersuchung ergeben haben. 
Ich habe diese genetische Darstellung sowohl in der vorliegen- 
den auszugsweisen Mittheilung als auch in der den Denk- 
schriften vorbehaltenen ausführlichen Abhandlung gewählt, weil 
dadurch die Einsicht in den Zusammenhang der verschiedenen 
Resultate erleichtert wird; aber ich darf nicht unerwähnt lassen, 
dals man auf kürzerem und einfacherem Wege zur nachträg- 
lichen Verification einiger der gefundenen Resultate gelangen 
kann. Die hierbei anzuwendenden Methoden stützen sich zu- 
meist auf die pärtielle Integration vielfacher Integrale und 
deren Variation nach den Grenzen. Ich will die bezüglichen 
Formeln defshalb hier am Schlusse noch aufstellen, zumal die- 
selben auch bei denjenigen Methoden benutzt werden müssen, 
welche ich in der vorliegenden Notiz angedeutet habe. 

mem BP Q,QaD, Q), ..... Q”) reelle eindeutige und 
im Allgemeinen stetige Functionen der n Variabeln z bedeuten 
und deren Ableitungen nach den einzelnen Variabeln durch 
Anfügung entsprechender unterer Indices bezeichnet werden, 
so hat man folgende Formel für die partielle Integration: 


(1) [ZP,Q®.do+JP.2QPdv—=[P.2Q®. z,dw . 


Die Summationen sind hier überall von k=1 bis k=n zu er- 
strecken. Für die beiden auf der linken Seite stehenden nfachen 


188 Gesammtsitzung 


Integrale wird der gemeinsame Integrations-Bereich als gegeben 
betrachtet; die Integration auf der rechten Seite ist alsdann über 
die gesammte (n—1)fache Mannigfaltigkeit: F, —=0 auszudehnen, 
welche „die natürliche Begrenzung “ jenes Bereiches bildet. Unter 
diesem Ausdrucke „natürliche Begrenzung“ soll nämlich die ge- 
sammte (n—1)fache Mannigfaltigkeit verstanden werden, welche 
die Unstetigkeitsstellen der zu integrirenden Functionen (d.h. 
sowohl einzelne Punkte als einfach oder mehrfach ausgedehnte 
Punktfolgen) unendlich nahe umschliefst oder abschliefst. In 
dem allgemeinsten Sinne des Ausdrucks „natürliche Begren- 
zung * ist also auch die gegebene Begrenzung des Integrations- 
Bereiches der nfachen Integrale mit inbegriffen, insofern bei 
Erweiterung dieses Bereiches anzunehmen ist, dafs die Werthe 
der zu integrirenden Functionen an der gegebenen Begrenzung 
plötzlich zu Null übergehen. Übrigens ist zu bemerken, dafs 
für gewisse Theile der natürlichen Begrenzung das Integral auf 
der rechten Seite der Gleichung (1) verschwinden kann und 
dafs man also dergleichen Theile überhaupt wegzulassen be- 
fugt ist. | 

- Die in der Formel (1) rechts vorkommende Gröfse z£, ist 
wie im Abschnitt V durch die Gleichungen: 


Ertl eni lee 

01 09a T +: On ” 

bestimmt,” wo_in Fi, Fa; ----- für 2, ; 2,5%.» , die autder 
Begrenzung liegenden Werthe 29, 2),.... einzusetzen sind. 


Wenn mit J ein nfaches Integral: 


[P dv (über Fo (213 295°. 2%,; 0) <O erstreckt) 


bezeichnet wird, so hat man für die Differentiation desselben 
nach dem in der Begrenzungs-Function enthaltenen Parameter 
4 die Formel: 


Le PAF, 
> CE 


das Integral rechts über die Begrenzung: J, = 0 ausge- 
dehnt. 


vom 4. März 1869. 189 


Setzt man in der Gleichung (1) einer Borchardt’schen 
Formel entsprechend (ef. Liowville's Journal Bd. XIX Pag. 383): 
©. Aw — Fy;, so geht die rechte Seite über in: 


7 Paw ö 
und die Gleichung kann alsdann dazu benutzt werden, Begren- 
zungs-Integrale durch nfache Integrale auszudrücken. 
Setzt man ferner in der Gleichung (1): QP — Q,, so.wird 
(ef, No. V): 
02, 
k dp ? 


wo die rechte Seite nichts Anderes ist, als der nach p genom- 
mene partielle Differentialquotient von Q in irgend einem Punkte 
(2°). Die Gleichung (1) geht also bei der gemachten Annahme 
in folgende über: 


(3) ie PiQdo + | P.2 :Qudo = | PIR.au 


Endlich resultiren aus der Gleichung (1) die folgenden 
beiden Formeln für Funetionen complexer Variabeln, wenn die 
im Abschnitt IX eingeführten Bezeichnungen: 


an n—=>Q 


Yin tin > gi; JE 


In 
beibehalten und überdiefs noch m Functionen g® eingeführt 


werden, welche sowohl von den Variabeln y als von deren con- 
jugirten y' abhängen können: 


(4) ni (PM +F.g)dv = y [ FE (Fon —iFoumy). gm. U 


© 
.() fr. Sgdv ST JE En eng”. * 


Die Summationen sind hierbei von h=1 bis A=m zu er- 
strecken, unter f’ ist die zu f conjugirte Function und endlich 
unter g, die partielle Ableitung von g nach y, zu verstehen, 


190 Gesammtsitzung 


während für die Integrationsbereiche dieselben Bestimmungen 
gelten wie bei der Formel (1). 

Mit Hilfe der angegebenen Formeln lassen sich auch die 
von Gaufs und Green herrührenden Potential-Sätze auf das 
Potential TI übertragen, aber es soll hierauf nicht näher ein- 
gegangen sondern nur noch eine Anwendung von den obigen 
Formeln gemacht werden, welche dem hier behandelten Gegen- 
stande näher liegt. | 

Setzt man in der Formel (3) statt der nIntegrations - Va- 
riabeln 2 die nVariabeln Z und zur Unterscheidung dv’ für dv 


so dafs: 
wird und ferner: 


so erhält man: 


(6) Eier: A - dw, 


wo die Integration links über ein Gebiet: 


Uo($: ENT FEDLEON 


rechts über dessen Begrenzung: U, = 0 zu erstrecken ist. 
Da nun, wenn man der früheren Bezeichnung analog: 


— YOAL+U, + ee TU, 
Setzt, 
oU Dr 
ne 


wird, so verwandelt sich mit Rücksicht auf den im Abschnitt VI 
"für II(E) gegebenen Ausdruck das Integral auf der rechten Seite 


der Gleichung (6) in: 


BB dw!' 
iR aan [SU En ; 


\ 


f 


vom 4. März 1869. 191 


Das innerste dieser beiden Integrale stellt nach Abschnitt V die 
Charakteristik des Systems von Functionen der Variabeln £: 


(U, ; &—HFı 9 &—F, ..... En ) 


multiplieirt mit: —w dar, und diese Charakteristik ist offenbar 
Eins oder Null je nachdem 


Uo(Fı, Fr; :-.. FA) 


einen negativen oder einen positiven Werth hat. Das in Rede 
stehende Integral mit dem Element dw’ übernimmt also bei 
der weiteren Integration nach dv die Rolle eines discontinuir- 
lichen Factors und schliefst alle diejenigen Werthsysteme z 
aus, für welche U, (F)>0 ist, so dafs endlich aus der Glei- 
chung (6) die bemerkenswerthe Formel: 


(7) [AIKE dv = — w[$.&0-dv 


resultirt. Die Integration ist hierbei links auf das Gebiet 
Un(E1, Er, --- &,)<0 und rechts auf alle diesen Punkten £ 
entsprechenden Punkte 2 zu erstrecken, während die Beziehung 
der Mannigfaltigkeiten E und z zu einander durch die Glei- 
chungen: 


> F,(@;; dar) (k =, 2; on.00 n) 


definirt wird. 

Die im Abschnitte VI aufgestellte fundamentale Gleichung 
(0) kann als Grenzfall der Formel (7) betrachtet werden, wenn 
nämlich das durch U, < 0 definirte Gebiet auf die unmittelbare 
Umgebung des Punktes (£,= 0) eingeschränkt wird. Da die 
Formel (7) nicht blofs auf einfacherem Wege zu erlangen ist 
sondern auch ohne die Voraussetzung, dafs Ableitungen der 
Function & existiren, so würde es durchaus vortheilhaft er- 
scheinen die Formel (7) zur Begründung der Gleichung (X) 


_ zu benutzen. Aber es ist dabei nöthig entweder — wie es bei 


der obigen Herleitung der Formel (7) geschehen ist — die Exi- 
stenz der zweiten Differentialquotienten von II(£) von vorn 
[1869.) 14 


192 Gesammtsitzung 


herein zu supponiren, oder aber nachzuweisen dafs die Aufein- 
anderfolge der beiden Grenzoperationen verändert werden kann, 
von denen die eine in dem Übergange von einem endlichen 
Gebiete: UT<0 zu einem einzigen darin enthaltenen Punkte 
besteht, die andere in dem Übergange von einem Differenzen- 
quotienten: 


1 
zit. =) Et SS 3 BIT... & 2. 


den ich mit D, bezeichnen will, zu dem entsprechenden Diffe- 
rentialquotienten TI;,. Ohne die Voraussetzung der Existenz 
von II,, ergiebt sich nach obiger Methode nur dafs: 


lim.[2 D,.dv' — Be 


wird, wenn sich die in D, enthaltenen Grölsen 6, sämmtlich 
der Null nähern, und es ist immerhin bemerkenswerth, dafs 
eine solche für den Fall der gewöhnlichen Massen - Potentiale 
anschaulich zu deutende und der partiellen Differentialgleichung 
des Potentials durchaus entsprechende Relation stattfindet, bei 
deren Herleitung keinerlei Voraussetzung über die Dichtigkeits- 
Function erforderlich ist, als die dafs der Potential - Ausdruck 
selbst einen bestimmten Sinn haben mufs. Sollte durch die in 
Rede stehende Relation die Potential-Gleichung bei Anwen- 
dungen auf die Physik ersetzt werden können, so würde man 
damit von der Nothwendigkeit einer Voraussetzung befreit, die 
man im Falle der Natur nicht füglich machen kann, nämlich 
von der Voraussetzung dafs die Dichtigkeits- Function differen- 
tiirbar sei. Man braucht freilich selbst bei der Herleitung der 
Potential- Gleichung diese Voraussetzung nicht so unbedingt, 
wie es nach der Gaufs’schen Darstellung auf den ersten Blick 
scheint; dieselbe läfst sich vielmehr noch wesentlich einschrän- 
kend modificiren, und bei der Clausius’schen Herleitung wird 
— im Grunde genommen — nur von dem Differentialquotienten 
der mittleren Dichtigkeit eines vom angezogenen Punkte aus- 
gehenden Radius Vector Gebrauch gemacht; aber es mufs doch 
erst weiterer Untersuchung vorbehalten bleiben über die Frage 


vom 4. März 1869. 195 


zu entscheiden, ob man ohne irgend eine Voraussetzung über 
die Dichtigkeits-Function zu machen die partielle Differential- 
gleichung des Potentials begründen kann, und ob überhaupt 
diese Differentialgleichung in eben solchem Umfange ihre Gültig- 
keit behält wie die obige derselben entsprechende Relation. 


Hr. W. Peters legte eine Abhandlung des Hrn. Dr. 
Adolf Bernhard Meyer vor: 


Über den Giftapparat der Schlangen, insbesondere 
über den der Gattung Callophis Gray. 


_ Trotz der Untersuchungen einer Reihe der namhaftesten 
Forscher gehen die Ansichten über die Giftigkeit oder Nicht- 
giftigkeit gewisser Schlangen heut zu Tage noch auseinander. 
Unterschieden sich die giftigen von den giftlosen nur durch 
die Besonderheit dafs ihr Mundsecret auf andere Organismen, 
wenn auch nicht auf alle, einen vernichtenden Einfluls ausübte, 
während das der andern unschädlich wäre, so böte diese Erschei- 
nung kein tieferes naturhistorisches Interesse, da es sich nur 
um die Reaction eines Organismus auf den andern handelte; 
allein die Eigenschaft der Giftigkeit einer Schlange ist verbun- 
den mit einer mehr oder minder complicirten anderweitigen 
Verschiedenheit im Bau der Schädelknochen, der Zähne und 
der drüsigen Organe, so dafs diese Kriterien für die Systematik, 
und das will sagen für die ordnende Erkenntnils des Natur- 
Ganzen überhaupt, von nicht zu umgehender Wichtigkeit sind. 

Zwar ist man sich darüber vollständig einig, dafs die 
Schlangen mit durchbohrten Zähnen im Oberkiefer giftig seien 
und es ist jetzt wohl schwer noch möglich wie es früher viel- 
fach geschah, dafs diese Durchbohrung') übersehen würde; 


!) Troschel in seinem Handbuch der Zoologie, 6. Aufl. 1864 
S.179, sagt von den Proteroglyphen: „Der Oberkiefer ist von mittlerer 
Länge und trägt vorn Giftzähne, die an der convexen Seite der ganzen 


14* 


194 Gesammtsitzung 


aber es existirt eine ganze -Reihe von Schlangen mit nur ge- 
furchten, nicht durchbohrten Zähnen und über die Giftigkeit 
dieser sind die Meinungen der Forscher noch nicht ganz einig, 
wenn auch die Mehrzahl der competenten Urtheiler sich jetzt 
für ihre Unschädlichkeit entschieden hat. Diese gefurchten im 
hinteren Theile des Oberkiefers sitzenden Zähne wurden von 
Reinwardt zuerst aufgefunden, von Boie und Schlegel!) 
näher untersucht und constatirt, dafs bei manchen Schlangen 
der gefurchte Zahn eine grölsere Drüse mit gesondertem Aus- 
führungsgang zu ihm hin besitzt. „Es ist also wohl gewils,“ 
sagt Johannes Müller’), „dafs einige der Coluber-artigen 


Länge nach gefurcht aber nicht eigentlich durchbohrt sind.“ Dieser Aus- 
druck „nicht eigentlich durchbohrt“ könnte zu Mifsdeutungen Anlafs ge- 
ben. Ich finde bei Owen (Article „Teeth“ in Cyclopaedia of Anatomy 
aud Physiology, Sep.-Abdr. S. 25) folgende Betrachtung, der ich nach 
eigener Anschauung beizustimmen Grund habe: „The duct which conveys 
the poison, although it runs through the centre of a great part of the 
tooth, is really on the outside of the tooth, the canal in which it is 
lodged and protected being formed by a longitudinal inflection of the 
dentinal parietes of the pulp-cavity. This inflection commences a little 
beyond the base of the tooth, where its nature is readily appreciated, 
as the poison-duct there rests in a slight groove or longitudinal indentation 
on the convex side of the fang; as it proceeds it sinks deeper into the 
substance of the tooth, and the sides of the groove meet and seem to 
coalesce, so that the trace of the inflected fold ceases, in some species, 
to be perceptible to the naked eye; and the fang appears, asitis 
commonly described, to be perforated by the duct of the 
poison-gland. In the Aydrophis the groove remains permanently open, 
as in fig. 567 c.“ Was diese letztere Bemerkung anbetrifft, so hat schon 
J. @. Fischer (Die Familie der Seeschlangen S. 19) nachgewiesen, „dafs 
alle Meerschlangen ohne Ausnahme wirkliche Giftzähne besitzen“, und 
Owen selbst sagte früher in seiner Odontography S. 228: „The poison- 
fang in this genus (marine serpents) is relatively smaller than in the ve- 
nomous serpents of the land, but presents the same peculiar structure.“ 
1) Unters. der Speicheldrüsen bei den Schlangen mit gefurchten 
Zähnen, in Vergleich mit denen der giftlosen und giftigen. Act. Acad. 
Caes. L. C. Nat. Cur. XIV. I. 143. 
2) Beitr. zur Anat. u. Naturgesch. der Amfibien, Tiedemann und 
Treviranus’ Zeitschrift 4. Bd. S. 269. 


vom 4. März 1869. 195 


Schlangen mit gefurchten Hinterzähnen giftig sind, aber zweifel- 
haft ob auch diejenigen welche keine besondere Drüse für die 
 gefurchten Hinterzähne besitzen.“ Ebenso nennt Milne Ed- 
_ wards') diese Schlangen giftig: „Chez les opisthoglyphes, 
serpens venimeux & dents posterieures cannelees, il existe une 
glande analogue, mais moins developpee.* Von Duvernoy’) 
wurde besonders hervorgehoben, dafs diese gröfsere Drüse am 
gefurchten Hinterzahne in ihrem hinteren Abschnitte wenigstens 
den Habitus einer Giftdrüse besitze und er stand daher nicht 
an die Schlangen mit gefurchten Zähnen für giftig zu erklären. 
Auch fand Bächtold’°) bei Dipsas annulata eine aus Kanälen 
zusammengesetzte Drüse, „welche gegen die Oberfläche hin 
blind geschlossen sind und in einen gemeinschaftlichen Gang 
zusammenkommen, der hinten an der äufseren Zahnreihe, wo 
die gefurchten Zähne sich befinden, in die Mundhöhle übergeht.“ 
Diese Angabe kann ich durchaus nicht bestätigen. Die grö 
fsere Drüse bei Dipsas annulata unterscheidet sich in ihrem 
ganzen Verhalten nicht im geringsten von den andern Speichel- 
drüsen dieser Schlange, so dafs kein Grund vorliegt, sie für 
etwas Anderes als für eine Speicheldrüse zu halten. Ebenso 
eonstatirte Schlegel*) bei Homalopsis monilis Kuhl aus Java 
(Coluber monilis et buccatus Linn.), dafs diese Drüse „ganz von 
derselben Beschaffenheit sei wie die gewöhnlichen Speicheldrü- 
sen der nicht giftigen Schlangen“ und bildete eine solche Drüse 
auch in Fig. 8 Tafel XVI ab. A. Smith’), gestützt auf eigene 
Beobachtungen in den Tropen, sagt: „We have tried but in 
vain to discover grounds for entertaining a like opinion“. 
Owen‘) schreibt von den hintern gefurchten Zähnen: „They 
are not in connection with the duct of an express poison-gland.“”) 


!) Lecons s. 1. Phys. et l’Anat. comp. VI. 225. 

2) Ann. dd. Sc. Nat. T. 26, 149. 

3) Unters. über die Giftwerkzeuge der Schlangen. Diss. Tübingen 
1843. S. 12. *) 1..0..8.- 153. 

5) Illustr. of the Zool. of South Africa. Reptilia. Text zu Tafel X. 

6) Article „Teeth“ in Cyclopedia of Anatomy and Physiology, Sep.- 
Abdr. S. 24. 

7) Derselbe Autor bemerkt in s. Odontography S. 225 über diesen 
Punkt noch Folgendes: „Having been favoured by Dr. A. Smith with 


196 Gesammtsitzung 


Bei einer Reihe von Schlangen mit gefurchten Zähnen end- 
lich, die ich untersuchte um diese Frage zu erledigen, fand ich 
keine Drüse vor welche in ihrem Bau dem einer Giftdrüse 
ähnlich wäre, und das Resultat aus der anatomischen Betrach- 
tung zusammengehalten mit den Beobachtungen der Reisen- 
den!) ist wohl geeignet keinen Zweifel mehr an der Unschäd- 
lichkeit der Schlangen mit gefurchten Zähnen aufkommen zu 
lassen, es sei denn dafs exactere physiologische Experimente 
mit dem Drüsensecrete derselben, die bis jetzt noch nicht an- 
gestellt worden sind, einen entgegenstehenden Erfolg zeigten, 
Experimente die ich selbst in den Tropen zu machen Gelegen- 
heit nehmen werde. 

Der Entwickelung nach sind wohl gefurchte Zähne, durch- 
bohrte und gefurchte Zähne, endlich durchbohrte Zähne ohne 
Furche nur verschiedene Stadien desselben Prozesses, derselben 
Intention oder Tendenz, wenn man so zu denken und zu spre- 
chen berechtigt ist, und a priori hätte man wenig Grund zu der 
Behauptung dafs nur die durchbohrten Zähne mit Giftdrüsen, 
d. h. Organen von einer Bauart sui generis, in Zusammenhang 
ständen; allein die Thatsachen zwingen zu dieser Annahme, wenn 
sie auch einer Erklärung spotten. Die Bildungsgeschichte der 
Giftzähne ist wenig bekannt. Ich finde dafs an den Papillen, 
welche die Ersatz -Giftzähne tragen, — diese sieht man oft zu 
sechs und mehr im Keime und in der Anlage verschieden weit 
vorgeschritten — die lanzettförmige Spitze des Zahnes zuerst 
gebildet ist mit einer längeren, breiteren und tieferen Öffnung 
als man sie am funktionirenden Zahne beobachtet und dafs zu 


specimens of the Bucephalus Capensis the results of my dissections are 
confirmatory of his own as regards the absence of a poison-apparatus 
in that snake: the ordinary salivary gland is large, especially at its poste- 
rior part which transmits its secretion by many pores into the sheath of 
the grooved fangs. The presence of a distinet poison-gland and duct 
eommunicating with the grooved posterior teeth requires to be established 
before the serpents with these teeth can be ranked with the poisonous 
genera.“ 


!) s. auch Schlegel, Essai sur la physiognomie des serpens I. 27 
ü. U. 263. 


rn: 197 


N einer Zeit, wo die Basis der Papille bis herab zu ihrer Hälfte 
noch ohne wenigstens feste Zahnsubstanz in der für den Zahn 
bestimmten Hautfalte verborgen liegt, der untere Theil des 
Zahnes mit der Spitze schon fertig vorhanden ist. Über den 
Modus der Ersetzung bin ich nicht im Stande etwas auszu- 
sagen; diese Frage liegt noch ebenso wie sie von Owen') in 
folgenden Worten geschildert worden ist: „But how the cylin- 
drical cavity of the dilated fold is occupied in the loose gro- 
wing poison-fang, and by what contrivance it is brought 
into the same relation with the severed duct of the poison 
gland as the displaced fang which it succeeds is not yet clearly 
understood.* 

(Exacte Abbildungen der Giftzähne sind s. Z. auch von 
Thomas Smith gegeben worden’). 

Mit dem Bau der Giftdrüsen hat sich eingehender nur 
Johannes Müller?) beschäftigt und Abbildungen ihrer Struc- 
tur geliefert. Die Resultate seiner Untersuchungen sind die 
folgenden: *) „Glandulae serpentium venenatae constant 1) aut 
ex folliculis sarmentosis, in folia conjunctis, quae folia truneis 
duetui communi excretorio affiguntur, uti in Trigonocephalo; 
2) aut tubulis, pariete interno celluloso instructis, e ductu com- 
muni inferiori recte fere et parallele versus superficiem ascen- 
dentibus, ubi neque ramosi, neque extenuati coecis finibus de 
sinunt; 3) aut ex lobulis, a parte anteriori glandulae exeuntibus, 
posterius loculis propriis divisis, qui in minores denique fasci- 
culos discedunt.* 

Johannes Müller unterscheidet also drei immerhin 
distinete Formen von Giftdrüsen. R. Owen’) dagegen sagt 
ganz allgemein über ihren Bau: „Each gland consists of a 
number of elongated narrow lobes, extending from the main 


1) Odontography S. 233. 

2) On the structure of the poisonous fangs of serpents. Phil. Trans. 
of the R. Soc. of London 1818. P. II. S. 471. 

3) De Glandularum secernentium structura penitiori. 1830. Taf. VI. 

are 8.157. 

5) Article „Teeth“ in Cyclopedia of Anat. and Phys., Sep.-Abdr. 
S. 25. 


198 Gesammtsitzung ' 


duct, which runs along the lower border of the gland upwards 
and slightly backwards: each lobe gives off lobules throughout 
its extent, thus presenting a pinnatifid structure; and each lo- 
bule is subdivided into smaller secerning caeca which constitute 
the ultimate structure of the gland.* 

‚ Aufserdem hat sich nur gelegentlich und nicht eingehender 
der eine oder der andere Schriftsteller über den Bau der Gift- 
drüsen geäufsert, indem er von einem zelligen, von einem 
röhrenförmigen, von einem sackartigen Bau spricht. Ich kann 
mich der Ansicht jener beiden genannten Forscher nur theil- 
weise anschliefsen. Die Giftdrüsen der Schlangen sind wie mir 
scheint alle nach demselben Principe gestaltet das im Wesent- 
lichen, einzelne Modificationen abgerechnet, in folgendem be- 
stehen dürfte: das Organ ist durch Bindegewebszüge in röhren- 
förmige Abschnitte getheilt von gröfserem oder geringerem 
Kaliber, deren Lumen durch Vorsprünge der Wandungen ins 
Innere wieder in einzelne Fächer senkrecht zur Axe der Röhre 
abgegrenzt ist; in diesen Fächern liegt die Drüsensubstanz, je- 
doch so dafs sie innerhalb einer Röhre ein continuirliches 
Ganzes bildet. Am besten kommt diese Beschreibung mit der 
zweiten von Johannes Müller gegebenen Kategorie von Gift- 
drüsen überein, die auf Tafel VI Fig. 24 und 25 durch die 
Drüse von Naja haje illustrirt ist; allein in den Einzelheiten 
differirt sie von derselben. Zu der Annahme eines andern, diffe- 
renten Baues anderer Giftdrüsen kann man dadurch veranlafst 
werden, dafs die Längsaxen der die Drüse durchsetzenden 
Röhren nicht immer parallel der Längsaxe der Drüse selbst lau- 
fen, sondern in einem spitzen ‘oder stumpfen Winkel oder sogar 
senkrecht zu ihr; und ferner dadurch, dafs bei einigen Drüsen 
aufser dieser Abtheilung in Röhren noch eine in gröfsere Lappen 
besteht die sich mehr oder weniger von einander sondern lassen. 

In Fig. 5 Tafel II ist ein Querschnitt einer Drüse von 
Elaps corallinus L. 4 Mal vergröfsert dargestellt. Das Kaliber 
der Röhren in der Mittel-Längsaxe der Drüse ist häufig etwas 
grölser als das derjenigen an der Periferie. Aus den mittleren 
Röhren ist die Drüsensubstanz zum Theil herausgefallen und 
man kann in dieselben hineinsehen; es kommen dadurch die 
Vorsprünge der Wandungen zu Gesicht, durch die manchmal 


vom 4. März 1869. 199 


die Röhren ganz abgeschlossen zu sein scheinen, ein Schein der 
dadurch noch verstärkt wird dafs sie nicht immer gerade ge- 
streckt sondern oft gekrümmt verlaufen. Aus den Röhren der 
Mitte entsteht allmählig der gröfsere Hauptausführungsgang. 
Über den mikroskopischen Bau der Drüsensubstanz selbst kann 
ich defshalb nichts Sicheres mittheilen, weil dieselbe in den hier 
allein zu Gebote stehenden Spiritus-Präparaten dem Verfalle un- 
terworfen ist, in höherem Mafse als z. B. das Parenchym der ge- 
wöhnlichen Speicheldrüsen. Das Verhalten des die Drüse bedie- 
nenden Muskels ist genügend bekannt; ich erwähne nur dafs auf 
dem Querschnitt, der ungefähr an die Mitte der Drüse gelegt wird, 
der Durchmesser des Muskels sich mehr als doppelt so grols als 
die Drüse erweist. 

An dieses Verhalten schliefst sich der Bau der Drüsen von 
Elaps lemniscatus L., Naja haje L. und Naja tripudians Merr., 
Bungarus semifasciatus Kuhl und Dungarus fasciatus Schnei- 
der, Hoplocephalus curtus Schleg. und Pelamis bicolor Schnei- 
der genau an, auch was die Gröfse und Zahl der Röhren 
betrifft. 

Über die. Drüsen der Wasserschlangen sagt Johannes 
Müller‘): „Glandulam venenatum Hydrorum quae denti pos- 
tremo sulcato’) venenum largitur, investigare non potui. Monuit 
Schlegel textura cum glaudulis salivalibus vulgaribus serpen- 
tium insontium illam convenire.“’) J. G. Fischer?) lälst 
sich über den Bau der Giftdrüsen bei den Seeschlangen nicht 
aus. Die von Cantor’) gelieferte Abbildung eines Längs- 
durchschnittes bei Aydrophis schistosa lälst von der Structur 
der Drüse Nichts erkennen. Bächtold°) sagt: „Wir unter- 
suchten bei Hydrophis pelamis Schl. (Pelamis bicolor Daud.) den 
Bau der Giftdrüse und fanden sie wie bei den übrigen Gift: 


Le; 57. 

2) s. oben Anm. S. 194. 

3) Diese von Johannes Müller angezogene Angabe Schlegel’s 
habe ich nicht finden können. 

4) Die Familie der Seeschlangen. 

5) On Pelagie serpents. Trans. of the Zool. Soc. of London. Vol. II. 
1841. 8.303. Taf..57 Fig.. 6. 

BL 0.'S. 8. 


200  Gesammtsitzung 


schlangen aus gestreekten kurzen Röhren zusammengesetzt, die 
in den gemeinschaftlichen Ausführungsgang sich münden.“ In 
Fig. 4 TafelI seiner Abhandlung ist die Drüse abgebildet von 
ihrer fibrösen Hülle befreit und zeigt nun eine Längsstreifung 
die wohl der selbst von aufsen zur Geltung kommende Aus- 
druck sein soll der gestreckten Röhren im Innern. Ich kann 
nicht finden dafs die Röhren in dieser Weise angeordnet sind, 
auch sind sie an Zahl zu gering und an Kaliber zu grofs ange- 
geben. Ohne Läsion des Organes läfst sich die eigentliche und 
innerste fibröse Hülle der Drüse überhaupt nicht abpräpariren, 
so dals von aulsen keine Längsstreifung zu erkennen ist. Bei 
manchen Drüsen dagegen, z. B. bei Elaps corallinus und lemnis- 
catus ist die Membran so durchscheinend dafs der optische Aus- 
druck der Röhren-Querschnitte von aufsen zur Geltung kommt der 
Art, dafs dieses Verhalten für einen grobzelligen Bau der Drüse 
imponiren konnte. 
Modifieirt in der Anordnung der röhrigen Elemente ist der 
Bau der Giftdrüsen bei Bothrops atrox Dum. Bibr. und Lachesis 
muta L.. Hier sind die Drüsen durch starke bindegewebige 
Scheidewände in Lappen getheilt die sich anatomisch selbst 
von einander bis zu einem gewissen Grade scheiden lassen. 
In diesen Lappen liegen aber die das Drüsenparenchym enthal- 
tenden Röhren oft abgeplattet oder mehr weniger eckig und 
sammeln sich am unteren Rande des Organes allmählig den gemein- 
samen runden Ausführungsgang bildend. Auch hier handelt es 
sich nicht um einfache gerade Röhren, sendern dieselben ge- 
wissermafsen perlschnurartigen Ein- und Ausbuchtungen finden 
_ sich vor wie sie oben beschrieben wurden. Johannes Müller 
hat!) das Äufsere einer Giftdrüse von Trigonocephalus mutus 
(wohl identisch mit Lachesis muta) abgebildet und einen folli- 
culären Bau constatirt, während ich die Structur dieser Drüse 
in ihrem Wesen dem oben geschilderten Typus anreihen möchte, 
wenn auch als eine in ihrem gröberen Gefüge modificirte. 
Fig. 8 Tafel II giebt eine dieses Verhalten erläuternde Abbil- 
dung eines Querdurchschnittes der Drüse von Bothrops atrox 
4 Mal vergröfsert. 


DE Ne Ti VRR: 


ne 901 


Diesen letzteren schliefst sich wiederum der Bau der Drüse 
von Pelias Berus L. an. Brandt und Ratzeburg!) sagen: 
„die Viperndrüse stellt sich demnach als aus zahlreichen Säck- 
chen zusammengesetzt dar wie die Zirbeldrüse und ähnliche 
Drüsen.“ Ich finde dafs sie vielmehr einen röhrigen Bau zeigt, 
wenn auch nicht in so ausgesprochener Weise wie die weiter 
unten zu beschreibenden Drüsen von Causus und Callophis. 
Lest man bei einem Spiritus-Präparat einen Querschnitt an 
wie ihn Fig. 6 Tafel II 6 Mal vergröfsert aufweist, so kommt 
deutlich zur Anschauung wie die in gröfsere Abtheilungen ge- 
schiedene Drüsensubstanz innerhalb dieser Abtheilungen röhren- 
förmig angeordnet liegt, der Art dafs man oft in der Tiefe 
einer Röhre die vorspringende Wandung einer andern mit ihr 
communieirenden erblickt. Über die Structur des eigentlichen, 
das Gift absondernden Parenchyms vermochte ich an einer frisch 
der lebenden Schlange excidirten Drüse durch die mikroskopische 
Untersuchung festzustellen, dafs es aus glashellen nebeneinander 
liegenden und hier und da gegeneinander abgeplatteten zelligen 
Elementen besteht, welche in acinösen von Bindegewebe umge- 
benen und von Capillaren reichlich umspülten Complexen ange- 
ordnet sind; diese Zellen finden sich bedeckt oder umgeben von 
kleinen scharfeontourirten Körnern, welche Molekular -Bewegung 
‚zeigen, Körner die in grofser Anzahl auch in dem ausgeprefsten 
Secrete vorhanden sind. Fig. 7 Taf. II giebt die Abbildung eines 
solchen Parenchym-Theilchens, gezeichnet bei der Vergröfserung 
durch das Objektiv Nr. 8 und das Ocular Nr. 2 eines Hartnack’- 
schen Mikroskopes. Doppelt-contourirte Nerven waren an meh- 
ren Orten sichtbar, allein über den Verbleib derselben bin ich 
nicht in der Lage etwas aussagen zu können. 

Durch einen exquisit röhrenförmigen Bau zeichnet sich 
die Giftdrüse von Causus rhombeatus Wagl. aus, die ich ihrer 
Besonderheit wegen erst hier aufführe. Die Giftdrüse dieser 
Schlange ist durch ihre Gröfse und ihre Lage bemerkenswerth; 
sie reicht über den Nacken bis auf den Rücken hinab und 


1) Medic. Zool. oder getreue Darstellung und Beschreibung der 
Thiere die in der Arzneimittellehre in Betracht kommen. Berlin 1829. 
08.176, 


202 Gesammtsitzung 


kommt an Länge selbst dem sechsten Theil des ganzen Thieres 
gleich; sie liegt direct unter der Haut, der Rückenmuskulatur 
aufgelagert. Diese besondere und bis dahin einzig dastehende 
Giftdrüse wurde 1839 von Reinhardt entdeckt, wie in den 
Förhandlinger vit det af skandinaviska Naturforskare och Lä- 
kare, Hällna Möte I Götheborg Är 1839. S. 141—45 mitge- 
theilt ist. Eine kurze Notiz darüber kam später, 1843, in die 
Isis'). Bei der Unzugänglichkeit der Originalbeschreibung dieses 
bemerkenswerthen Organes sei es gestattet aus derselben (in 
der Übertragung) folgendes anzuziehen: „Aus der oben gege- 
benen Beschreibung der Form wird es ersichtlich dafs die 
Drüse in ihrer gröfsten Ausdehnung dem Einflufse der Backen- 
muskeln entzogen ist und dafs daher hier ein anderes Mittel 
zur Ausspritzung des Giftes angewendet werden mufste. Dieses 
‚glauben wir in einer dichten Lage von Muskelsubstanz zu fin- 
den, die gleichsam wie eine Muskelhaut die der Drüse eigen- 
thümliche, weilse, glänzende Haut bekleidet und die sich schon 
durch die bräunliche Farbe kennzeichnet welche die Drüse hat. 
Durch die Zusammenziehung dieser Muskelbündel mufs sich die 
Drüse beträchtlich verkürzen. Aber aufserdem giebt der mit- 
telste Schläfenmuskel wie gewöhnlich zwei Bündel ab, die hier 
sehr dünn sind und die sich an den entgegengesetzten Seiten 
des Ausführungskanales inseriren von wo aus sie sich nach 
hinten fortsetzen, ein jedes auf seiner Seite längs der scharfen 
Kante der Drüse, zu deren Bildung sie am meisten beitragen 
und wo sie sich in den vorhin genannten übrigen Muskeln ver- 
lieren. Diese Muskelbündel können unstreitig die Drüse nach 
vorn ziehen; bei einem zwar der untersuchten Individuen fand 
ich sogar die Drüse auf der einen Seite nach vorn gezogen 
und in zwei grofse Querfalten gelegt, so dafs sie nur ein Drittel 
der Länge der Höhlung”) einnahm. Eine andere Folge der 
langgestreckten Form der Drüse ist die Gestalt der das Gift 
absondernden blinden Röhren, welche in der Richtung der Drü- 
sen-Längsaxe liegen, mit welcher sie sehr spitze Winkel bilden. 
Sie erhalten dadurch selbst eine grofse Länge und bleiben mehr von 


1) 8. 219. 
?2) in welcher die Drüse liegt. 


vom 4. März 1869. 203 


einander gesondert als es der Fall ist bei den gewöhnlichen 
Giftdrüsen, wo diese sehr kurzen Röhren auf einen kleineren 
Raum zusammengezogen sind. Mehre dieser blinden Röhren 
vereinigen sich wie dies ein durch den Ausführungsgang inji- 
eirtes Präparat deutlich zeigt, zu Ästen und diese sammeln sich 
seitwärts in zwei Hauptbündel, deren Stämme allmählich zu- 
sammentreten und den gemeinschaftlichen Giftausführungsgang 
bilden.* Abgebildet und nochmals beschrieben (aber ohne Be- 
zugnahme auf diesen Originaltext) wurde die Drüse später von 
Bächtold'). Ich finde aber sowohl diese letztere Beschreibung 
als auch die Abbildung nicht ganz genau. Die parallelen Röhren 
aus denen die Drüse besteht laufen nicht so in einer Flucht 
und geradlinig nebeneinander wie die Figur es giebt; sie sind 
überhaupt von aufsen, wenn die Muskelschicht abpräparirt ist, 
nicht zu sehen oder wohl nur dann zu sehen, wenn sie künst- 
lich injieirt sind, so dafs die Zeichnung zu einer Täuschung 
Anlafs geben kann. Da der die Drüse umgebende Muskel 
ferner ein Muskel ist der sich nirgend sonst inserirt sondern nur 
die Drüse umgiebt, so ist durchaus nicht, ohne dafs das Ex- 
periment es feststellt, zu sagen dafs die Drüse durch denselben 
„vorwärts gegen den Kopf gezogen werden kann.“ Nach 
Bächtold besteht das eigentliche Drüsenparenchym nur aus 
einer glatten Schleimhaut die mit einem Plattenepithel versehen 
ist; allein dieser Angabe kann ich nicht beistimmen. Die Röh- 
ren sind vielmehr erfüllt von dem eigentlichen Drüsengewebe 
in derselben Weise wie ich es weiter unten bei der Giftdrüse 
von Callophis (von einer Abbildung begleitet) beschreiben werde. 
Bei dem Zerfall des feineren Gewebes, wie es in Spiritus-Prä- 
paraten vor sich geht, sind mikroskopisch nur mehr oder 
minder erhaltene Zellencomplexe zu constatiren. In der Zeich- 
nung ferner bei Bächtold ist einer hinter dem Auge lie- 
genden Speicheldrüse nicht gedacht welche schon defshalb 
nicht unerwähnt gelassen zu werden verdient, weil sie eigen- 
thümlicherweise ihren Ausführungsgang nach hinten sendet 
und zwar in den Ausführungsgang der Giftdrüse hinein, in 
gleicher Weise wie es auf Tafel II Fig. 3 für Callophis in- 


Dil7eriS:n9 w.10 Taf. IE: 


204 Gesammtsitzung 


testinalis abgebildet ist. Diese Speicheldrüse ist von einem Mus- 
kel in ihrem hinteren Abschnitt bedeckt, über den sich je-- 
doch der Ausführungsgang der Giftdrüse legt, so dafs man 
ihn erst wegpräpariren mufs will man die Einmündung des 
Speicheldrüsenausführungsganges in den Giftdrüsenausführungs- 
gang zu Gesicht bekommen. Die Natur dieser Drüse hinter 
dem Auge als Speicheldrüse erschliefst sich lediglich aus ihrer 
Structur — mit derselben Sicherheit oder Unsicherheit wie es 
stets ohne das physiologische Experiment für diese Frage nur 
geschehen kann. In der Zeichnung bei Bächtold ist endlich 
die kugelförmige Anschwellung des Ausführungsganges dicht 
vor seiner Mündung über dem Giftzahne nicht angegeben auf 
deren Natur ich weiter unten zu sprechen kommen werde. 
Endlich habe ich besonderer Erwähnung zu thun der Gift- 
drüsen von ÜCallophis intestinalis Laur. und Callophis bivirgatus 
Schlegel-Boie (Elaps int. und biv. Wagler), Giftdrüsen welche 
bis dahin sich unserer Kenntnifs entzogen haben. Bei Gelegen- 
heit einer Untersuchung die ich anstellte über die Lage des 
Herzens bei den Schlangen'), fand ich innerhalb der Vis- 


1) Fr. Schlemm (Anatomische Beschreibung des Blutgefälssystems 
der Schlangen in Tiedemann u. Treviranus’ Zeitschrift 1827, I. S.101) 
meint dafs je nach der Länge des Schwanzes das Herz vom Kopfe wei- 
ter entfernt sei. Ist der Schwanz kurz (wie bei den meisten giftigen 
Schlangen) so entferne sich das Herz weiter vom Kopfe und umgekehrt. 
Wenn auch a priori nicht einzusehen ist welcher Zusammenhang zwi- 
schen der Länge des Schwanzes und der Lage des Herzens obwalten 
sollte und es sogar wahrscheinlicher scheinen könnte, falls man sich eine 
aprioristische Ansicht erlaubt, dafs je länger der Schwanz sei, desto wei- 
ter das Herz vom Kopfe fortrücken müsse und nicht umgekehrt, da die 
Wirkung der Contraction des Herzens doch weiter zu reichen hat bei 
langem als bei kurzem Schwanze, so zeigt doch die Erfahrung dafs im 
Allgemeinen bei längerem Schwanze das Herz näher dem Kopfe liegt, 
‘wenn man die relative Schwanzlänge in Rechnung zieht (das will sa- 
gen das Verhältnifs der Totallänge der Schlange zur Schwanzlänge). 
Schlemm hatte jenen Satz aufgestellt nach seiner Erfahrung an nur 4 
Schlangen, aber ich finde ihn bewahrheitet nach zahlreicheren Messungen 
die ich bei den verschiedensten Schlangenarten anstellte. Der ursächliche 
Zusammenhang dieses Verhaltens entzieht sich noch unserer Einsicht. 


vom 4. März 1869. 205 


ceralhöhle zwei grofse, nebeneinanderliegende. langgestreckte 
Organe von tief gelber Färbung, welche sich bei näherer Ana- 
lyse als Giftdrüsen auswiesen'). Sie sind auf Tafel Iaa abge- 
bildet. Ihrem Bau nach reihen sich diese Giftdrüsen durchaus an 
den der Drüsen von Causus rhombeatus an, nicht ihrer Lage nach; 
denn während jene oberflächlich direet unter der Hautbedeckung, 
über der Muskulatur der Rippen liegen und sich von den ge- 
wöhnlichen Giftdrüsen nur dadurch unterscheiden dafs sie sehr 
grols und lang gestreckt weit nach hinten reichen, liegen die 
von (. intestinalis und bivirgatus unterhalb der Rippen 
und deren Muskulatur, in der Bauchhöhle des Thie- 
res vor dem Herzen; es gränzen die Drüsen jeder Seite 
dicht an einander und erst die Ausführungsgänge trennen sich 
unweit des Kopfes von einander um ein jeder zum Giftzahn 
seiner Seite zu ziehen, Die Länge der Drüse übertrifft noch 
bei Weitem die von Causus rhomb.; sie varlirt selbstverständlich 
mit der Länge — dem Alter — des Thieres. Bei einem Exem- 


Dagegen kann ich eine weitere Behauptung desselben Forschers (l. c. S.118), 
dafs bei Schlangen mit langem Schwanze das Herz über (vor) der Lunge 
liege, bei Schlangen mit kurzem Schwanze unter (hinter) derselben nicht 
bewahrheitet finden. Bei vielen Schlangen mit kurzem Schwanze_ liegt 
das Herz vor der Lunge näher dem Kopfe. Es kommt auch vor, dafs 
das Herz in der Mitte der Lunge liegt, so dafs vor und hinter demsel- 
ben ein gleich langer Theil Lunge sich befindet. Das Herz ist übrigens 
nicht immer verhältnifsmälsig weiter vom Kopfe entfernt wenn es auch 
hinter der Lunge liegt, wie Messungen mir ergaben. Meckel (System 
der vergl. Anal. V. S. 218) hat gezeigt dafs bei den Ophidiern das Herz 
im Allgemeinen weniger weit nach vorn liegt als bei den übrigen Am- 
phibien, doch hat er zwischen den Extremen eine Reihe von Übergängen 
nachgewiesen. Er meint dafs die Verschiedenheiten wohl zum Theil mit 
der Gestalt, Zahl und Länge der Lungen zusammenhängen, doch berück- 
sichtigt er nicht weiter die Lage des Herzens vor und hinter der Lunge, 
Es haben bekanntlich manche Schlangen nur eine, manche zwei und 
noch andere nur Rudimente einer zweiten Lunge und die Abhängigkeit 
der Lage des Herzens von diesen Umständen oder von andern bleibt 
noeh zu ermitteln. 

- 1) Ich habe die erste Mittheilung über diese Drüsen auf der Natur- 
forscher-Versammlung zu Dresden 1868 gemacht. Siehe Tageblatt S. 138, 


206 Gesammtsitzung 


plar von Call. bivirg. von 99 Centimeter Länge fand ich die 
Drüse mit dem Ausführungsgang 25 Centim. lang, also 4 des 
ganzen Thieres; bei einem ganz kleinen Exemplar von Call. 
intest. nahm sie fast die halbe Länge der Schlange ein. In 
Folge dessen ist das Herz sehr weit nach hinten, dem After 
des Thieres zu gerückt und alle Organe erleiden demgemäls 
eine entsprechende Modification in ihrer Lage. Die Drüsen 
beginnen gleich vor dem Herzen, seinen grofsen Gefäfsen und 
den daran liegenden drüsigen Organen, allein es reichen wie 
es scheint nicht beide gleich weit an das Herz hinan, sondern 
die eine beginnt erst etwas höher als die andere. Die Drüse 
ist ebenso wie die von C’ausus rhomb. von quergestreiften Muskel- 
bündeln umgeben, die in Folge des Aufbewahrens der Schlange 
in Spiritus eine tiefgelbe Färbung angenommen haben. Die 
Längsaxe der Muskelfasern geht parallel der Längsaxe der 
Drüse so dafs. wenn sie sich alle gleichmäfsig zusammenziehen 
die Drüse sehr stark verkürzt werden mülfste. Allein es ist 
von vornherein nicht zu sagen und mir auch nicht wahrschein- 
lich dafs die Zusammenziehung zum Zweck der Giftausspritzung 
der Artvorsich geht, oder ob sie nicht in Form einer peristaltischen, 
über die Drüse hinlaufenden Welle statt hat, etwa wie wenn man 
über eine elastische mit Flüssigkeit gefüllte Röhre einen engeren 
Ring zöge der dann die Flüssigkeit vor sich her treiben mülste. 
Die Querstreifung des Muskels zeigt oder macht es wenigstens 
in hohem Mafse wahrscheinlich dafs der Akt der Entleerung 
des Giftes der Willkür unterworfen ist und bei diesen Drüsen 
braucht daher nicht wie bei jenen Giftdrüsen, die der Wirkung 
der Kaumuskeln mit unterworfen sind, beim jedesmaligen Schlufs 
des Maules eine Giftausspritzung zu erfolgen; dieser Muskel 
funetionirt nur ad hoc, wie bei den meisten Giftdrüsen der diesen 
anliegende Muskel.') Die Mächtigkeit der -Muskelschicht ist 
ziemlich gleich stark um den ganzen Körper der Drüse und 


1) Keinenfalls gilt für alle Schlangen, was Owen (Article „Teeth“ 
S. 25) sagt: „as the action of the compressing muscles is contempo- 
raneous with the blow by which the serpent infliets the wound, the 
‘poison is at the same moment injected with force into the wound from 


the apical outlet of the perforated fang.“ 


vom: 4. Marz 1869. 207 


bietet auf der Oberfläche ein ganz glattes Aussehen; die Un- 
gleichheiten die in der Dicke des Querschnittes der Muskel- 
schicht hier und da zu beobachten sind können ebenso gut 
herrühren von einem Zustand der Contraction in welchem die 
Muskelsubstanz starr wurde in. der Aufbewahrungsflüssigkeit 
als normal. gegeben sein. Die Muskelschicht wird dünner und 
dünner je mehr die’ Drüse sich verschmälert und hört endlich 
mit derselben, wenn nur. noch der Ausführungsgang vorhanden 
ist, auf bis auf einen. schmalen Strang, wie ihn die Zeichnung 
des Querschnittes in Fig. 4 Tafel II 8 mal vergrölsert aufweist. 
Es inserirt sich also der Muskel der Drüse nirgend als an der 
Umhüllungshaut der Drüse selbst; diese steckt demnach vollstän- 
dig in einem Cylinder von quergestreiften Muskelfasern und erst 
nachdem sie von allen Seiten abpräparirt sind kommt die weifse 
glänzende Umhüllungshaut, mit der'sie nicht allzufest. verwachsen 
scheinen!) zu Tage, eine Umhüllungshaut die derjenigen 'aller 
Giftdrüsen ‚gleicht. Die Structur der Drüse läfst sich am 
Quer- und Längsschnitt wie.sie in Fig. 1u.2 Tafel II (Fig. 1 
3 mal, Fig..2' 6mal vergröfsert) gegeben gut erkennen. Ent- 
weder die Umhüllungshaut oder aber: eine noch innerhalb 
dieser liegende bindegewebige Membran (abpräpariren läfst 
sich die Umhüllungshaut nicht ohne Läsion) sendet ins In- 
nere der Drüse eine gröfsere Reihe von Ausläufern, so 
dafs sie durch dieselben vollständig in Röhren verschieden an 
Zahl abgetheilt wird. In diesen Röhren nun liegt die Drüsen- 
substanz selbst, sie ganz ausfüllend wie es scheint; ihre feinere 
Struetur aber zu eruiren verbietet der Zustand des Zerfalles in 
dem sich das Spiritus-Präparat befindet. Je mehr’ man den 
Querschnitt dem Ausführungsgang der Drüse zu anlegt, desto 
weniger Abtheilungen bilden die Ausläufer der Umhüllungshaut. 
In der' Mitte der Drüse bis zu 15 und mehr, zuletzt 3, 2, endlich 
bleibt nur der einröhrige Ausführungsgang in den alle einzelnen 


1) Das zeigte ein Präparat von Call. biv. ziemlich deutlich. Die Drüse 
war wohl beim Tödten der Schlange an mehren Stellen durchtheilt 
worden; es hatte sich in Folge dessen der die Drüse umgebende Muskel 
contrahirt und zurückgezogen, so dafs an der 'Durchtrennungsstelle die 
weils aussehende Drüse selbst in gröfserer Ausdehnung vorlag. 


[1869.] 15 


208 Gesammtsitzung 


an ihrem andern Ende blind schliefsenden Röhren der Drüse 
münden. Auf dem Längsschnitt sieht man wie die Seitenwände 
der Röhren ausgekleidet sind von der durch Vorsprünge der 
Röhrenwandungen noch in einzelne mit einander zusammen- 
hängende Abtheilungen geschiedenen Drüsensubstanz. An einer 
Stelle (ce) ist die Drüsensubstanz entfernt und man sieht dort 
diese Vorsprünge der Röhrenwandungen in Form von 'Riffen 
deutlicher. Die Ausführungsgänge nun der beiden dicht an ein- 
ander liegenden Organe laufen ebenfalls weiter neben einander 
bis sich: unweit des Kopfes ein jeder nach seiner Seite hin- 
wendet, indem er sich über das Quadratbein legt von einem 
eigenen Ligament und darüber liegender Muskulatur in einer 
Furche desselben festgehalten, am Abgleiten gehindert. Die 
Ausführungsgänge haben an diesen Stellen eine beträchtliche 
Breite. “Weiterhin auf dem Oberkiefer entlang ziehend mündet 
in diesen Ausführungsgang der Ausführungsgang einer hinter 
dem Auge sich befindenden grofsen Drüse von der Structur 
der Speicheldrüsen indem sie denselben nach hinten sendet. 
Fig. 3abc Tafel II giebt dieses Verhältnifs wieder. Ehe der 
Ausführungsgang der Giftdrüse sich in weiten Falten wie be- 
kannt über den Giftzahn ausbreitet, schwillt er bei seiner Krüm- 
mung nach oben, die fast alle Giftdrüsenausführungsgänge zeigen, 
noch erst kugelig an (d Fig. 3 Taf. II). Während in verschie- 
denen Zeichnungen dieser Krümmung nach oben wohl Rechnung 
getragen ist, ist es nicht der Fall mit dieser Anschwellung. 
Sie findet sich allerdings nicht bei allen Schlangen; bei denen 
mit gröfseren Giftdrüsen z. B. Zachesis muta wohl, aber sie 
ist da nicht verhältnifsmälsig so grols wie bei Call. int. u. biv.. 
Die Vermuthung dafs sie Muskelelemente zum Verschlufs des 
Ausführungsganges enthalte läge nahe, allein die mikroskopische 
Untersuchung ergiebt dafs es wiederum Drüsensubstanz ist und 
ein Längsschnitt zeigt dafs dieselbe in Längsfalten angeordnet 
liegt. Diese Beschreibung gilt sowohl für Call. int. als auch 
für Call. bivirg.'). Die Präparation läfst darüber keinen 


1) Welcher Nerv die Drüse selbst und die sie umgebende Muskel- 
schicht versorgt habe ich nicht eruiren können; breite markhaltige Ner- 
venfasern sah ich wohl, allein ihre Endigungen nicht. Pflüger hat in 


| vom 4. März 1869. 209 


‚Zweifel obwalten dafs diese Drüse in anatomischer Continuität 
mit dem Giftzahn stehe, dafs man es also mit einer Giftdrüse 
zu thun habe. Der ununterbrochene Zusammenhang aber wurde 
von mir auch durch eine Injeetion in den Ausführungsgang 
nach der Richtung des Giftzahnes hin erwiesen, indem bei 
‚jedem leisen Stempeldruck der Spritze ein Tropfen Flüssigkeit 
‚aus der feinen Spalte des Giftzahnes hervorquoll. Die Struc- 
‚tur ferner der Drüse erlaubt den Analogieschlufs dafs man es 
‚mit einer Gift absondernden Drüse zu thun habe, ebenso stützt 
ihn der Umstand dafs die Structur der hinter dem Auge lie- 
‚genden grolsen Drüse der Structur der gewöhnlichen Speichel- 
‚drüsen gleich ist, sie entbehrt auch die weilse glänzende 
'Umhüllungshaut, die alle-Giftdrüsen besitzen; endlich die That- 
sache dafs diese Schlangen als giftig bekannt sind trotz ihres 
von nicht giftigen Schlangen nicht abweichenden Äufsern. 
Russel!) sagt: „I have hardly met with a venemous serpent 
‚of less suspieious external appearance than the present subject.“ 
‚Der Gröfse der Giftdrüsen nach im Vergleich zu der anderer 
Giftschlangen (und die Gleichheit der Wirkung des Secretes 
‚ vorausgesetzt) müssen diese Schlangen trotz ihrer Unscheinbar- 
keit sehr gefährlich sein und Lenz’’) Ausspruch,‘ dafs „die 
‚gröfsten Schlangen die gefährlichsten sind“ darf daher nicht ohne 
Weiteres allgemein gelten. Auch wird man nicht dem fol- 
genden Ausspruch von Günther über diese Schlangen (the 
 Reptiles of British India London 1864 S. 347) beitreten können: 
| 


seinen Untersuchungen über „die Endigungen der Absonderungsnerven 

in den Speicheldrüsen, Bonn 1866,“ den Weg vorgezeichnet zum Studium 
| der Nervenendigungen in Speicheldrüsen, allein die von ihm ermittelten 
' Resultate ermangeln bis jetzt durchaus einer zuverläfslichen und sachlichen 
‚ Bestätigung. Ich selbst habe mich vor längerer Zeit schon durch an- 

dauernde und mühsame Untersuchungen (im Laboratorium des Hrn. Kühne 
‚im pathologisch-anatomischen Institut der berliner Charite) bestrebt die 
\ Pflügerschen Nervenendigungen genau nach seiner Vorschrift aufzufinden, 
‚allein mit durchaus negativem Erfolg, wenigstens mit positivem nur in 
| Betreff der gröberen Verhältnisse. 
!) Indian Serpents II. p. 22. 
?) Schlangenkunde S. 88. 


15* 


210 Gesammtsitzung 


„Ihe shortness of their fangs' and the small quantity of their 
poisonous fluid will always ‚give a. very fair chance: of recovery 
if an accident should occur and the proper remedies be applied.“ 
Sehr auffallend bleibt, es mir aber, dafs diese interessanten und 
auf den ersten Blick sehr in die, Augen springenden Organe 
bis jetzt sich unserer 'Kenntnils entzogen haben, da von ver- 
schiedenen Forschern die Schlange zerlegt und präparirt worden 
ist. So sagt Schlegel!): „Wir können versichern .dafs' alle 
Elaps-Arten von. Boie denselben Giftapparat' „besitzen * . wie 
Elaps :lemniscatus; diese. Schlange aber besitzt den Giftapparat 
der Call. int. und. biv. nicht, ‚sondern , nur den: gewöhnlichen 
und bekannten. ‚Ferner ?):; J’ai:trouve des Calamars dans l’esto-. 
mac de 2’Elaps furcatus de Java“ und?): „Le eanal intestinal, 
beaucoup plus court que dans les autres especes, se trouve 
resserre dans la partie inferieure de'la-cavite abdominale;..le 
canal alimentaire est: par. consequent extremement alonge.“ 
Diese Verhältnisse resultiren eben aus der Lage der Giftdrüsen 
welche die Eingeweide weit nach hinten schieben: und: bei der 
Section die diese Resultate zu Tage förderte hätten sich leicht 
die. Giftdrüsen dem’ Auge des. Untersuchers darbieten können. 
Meckel*) spricht u. A. viel von den Eingeweiden der Gattung 
Elaps,; aber er erwähnt diese Drüsen nicht; er hat also wohl 
keine der betreffenden Schlangen untersucht, steht 'äber trotz- _ 
dem nicht an, seine Angaben auf alle Zlaps- Arten zu beziehen. 
Günther”) sagt: „Specimens dissected by me exhibited only 
a small number of eggs.“ Er giebt allerdings nicht an welche 
Arten er secirt hat und es könnten Call.-int. und div. nicht 
darunter gewesen sein. Von diesen beiden allein ‚aber bin ich in 
der Lage mit Bestimmtheit das Vorhandensein dieser besonderen 
Giftapparate aussagen zu können. Meine Vermuthung geht 
dahin dafs sie noch einer Reihe von andern Schlangen zu- 


1) Unters. der Speicheldrüsen etc. S. 143. 

2) Essai II. 439. 

3) Essai II. 451. 

4) System der vergl. Anatomie. 

5) On the Genus Elaps of Wagler. Proc. of the Zool. Soc. of Lon- 


don. XXVI. 1859. 8. 79. 


} 


“ kommen, die mir aber leider nicht zur Untersuchung vorlagen. 
Meine Vermuthung stützt sich auf folgende Gesichtspunkte: 


vom 4. März 1869. 211 


‘ Es wurde im Jahre 1859 von Günther!) eine neue Ein- 


| theilung der Gattung Elaps vorgeschlagen die sich in erster 
- Linie auf die Zahl der Schuppenreihen und auf die geogra- 


phische Verbreitung stützte. Sie ist die folgende: 
Mit 13 Schuppenreihen: Callopkis, Ostindien. 
Mit 15 Schuppenreihen und einem doppelten Nasalschild: 


 Elaps, tropisches Amerika. 


Mit 15 Schuppenreihen,; einem einfachen Nasulsohild und 
zwei Postocularschildern: Vermicella, Australien. 
Mit 15 Schuppenreihen, einem einfachen Nasal- und einem 


- Postocularschild: Poecilophis,”) Afrika. 


1862 'hat denn Peters°) nachgewiesen dafs dieser Einthei- 
lung auch kraniologische Unterschiede entsprechen die von be- 
deutenderem Gewichte scheinen als die Zahl der Schuppenreihen. 
Die asiatischen Elaps-Arten besitzen alle einen Processus post- 
orbitalis, der den amerikanischen und afrikanischen fehlt. Auf 
die kraniologischen Unterschiede, die zwischen den amerikani- 
schen und afrikanischen Elaps- Arten (Elaps und FPoecilophis) 
nach Peters obwalten will ich hier nicht näher eingehen, da 


beide den oben bei Callophis int. und bivirg. beschriebenen Gift- 


apparat nicht besitzen, ebensowenig wie die australischen 
Elaps-Arten (Vermicella). Peters weist aber ferner nach 
dafs bei den asiatischen noch zwei Typen zu unterscheiden 
seien. Er sagt: „Den einen bilden die Callophis (Elaps) in- 
iestinalis (bifure.), CO. bivirgatus, und aller Wahrscheinlichkeit 
nach auch (©. gracilis (Gray), ©. M’Clellandü (Reinh.), ©. uni- 
virgatus (Gthr.), C. trimaculatus, C. maculiceps, welche letzte- 
ren ich leider nicht habe untersuchen können. Diese haben 
in ihrer Schädelform viel gröfsere Ähnlichkeit mit Naja (spu- 
tatrix) durch die grofse Ausdehnung des Planum superius 
cranü und die Art der Verbindung der ossa ord. mit den front. 
media, sie unterscheiden sich aber sehr auffallend dadurch dafs 


1» E92: 
' 2) Später wurde diesen von Jan der Name Homoroselaps beigelegt. 
3) Über Elaps. Monatsber. d. k. preufs. Akad. d. Wiss. S. 635. 


212 Gesammtsitzung 


ihr Gaumenbein sich fast in 'gleicher Querlinie mit dem os 
pterygoideum ext. (transv.) an ‚das os pter. int. anlegt, so dafs 
das letztere kaum so lang ‘wie das Gaumenbein ist und es ent- 
weder gar keine ((. bivirg.) oder nur 2—3 (Ü. intest.) Zähne 
trägt.* | 

Dieser Abhandlung ist auf Tafel II Fig. 9—11 die Ab- 
bildung eines Schädels von (©. bivirg. beigegeben, (2mal ver- 
grölsert) da bis jetzt nirgend eine Abbildung eines Schädels der 
Gattung Elaps geliefert wurde. Diese Zeichnung!) bestätigt 
genau das hier dargelegte Verhalten. Zu dem zweiten Typus der 
asiatischen Elaps-Arten gehört allein Elaps calligaster von: der 
Peters folgendes sagt: „Am meisten hat mich jedoch das ganz 
verschiedene Verhalten des Schädels von Zlaps. ealligaster über- 
rascht. Derselbe stimmt abgesehen von seiner Kleinheit in jeder 
Beziehung so vollkommen mit dem von Bungarus (semifasciatus) 
überein, dafs man zweifelhaft sein könnte, ob man diese Art 
(sowie Elaps collaris Schlegel)?’) von den Bungarus trennen 
darf. Auch die hinteren ungefurchten Oberkieferzähne fehlen 
nicht und stehen in derselben Weise wie bei den Bungarus. 
Die geringelte Zeichnung haben sie ebenfalls mit den .B. ge- 
mein, auch unterscheiden sie sich von den asiatischen Elaps 
durch dieselbe Zahl (15) der Schuppenreihen, wie die ameri- 
kanischen Elaps, stimmen aber mit beiden überein durch die 
in keiner Weise ausgezeichnete Beschaffenheit der: mittleren 
Rückenschuppen. Durch dieses letztere sowie durch die dop- 
pelte Reihe unterer Schwanzschilder unterscheiden sie sich 
äufserlich von Dungarus und schlage ich vor sie mit dem gene- 
rischen Namen Hemibungarus zu bezeichnen.“ | 

Diese Aussonderung von Elaps calligaster aus den asiati- 
schen von Günther ausschliefslich Callopkis genannten Elaps- 


1) Das Präparat zu derselben rührt her von der Hand des Hrn. Pro- 
fessor Peters, der es mir gütigst zu diesem Zwecke zur Verfügung ge- 
stellt hat. 

2) Nach Mittheilung des Hrn. Prof. Peters ist diese eine amerika- 
nische Art und stimmt genau mit den anderen ächten Elaps s. s. im 
Schädelbau überein, wie derselbe neuerdings an den Schlegelschen Ori- 
ginalexemplaren gefunden hat. 


a nn 


vom 4. März 1869. ; D13 


Arten erhält eine weitere Berechtigung — wenn sie noch einer 


solchen bedürfte — dadurch, dafs diese Schlange den \Giftap- 
parat von Call. int. und biv. nicht besitzt, sondern nur den 
gewöhnlichen: eine kleine Giftdrüse hinter und unterhalb dem 
Auge. Bei der Übereinstimmung der andern Arten der Gattung 
Callophis Gray aber glaube ich diesen Apparat auch bei Call. 
gracilis Gray, M’Cellandi Reinh., trimaculatus Daud., ma- 
euliceps Gthr., annularis Gthr. und nigrescens Gthr. vermuthen 
zu dürfen. Diese Schlangen kommen auf dem britisch-indi- 
schen Festlande vor und sind wohl (mit wenigen Ausnahmen) 
nur in den dortigen Museen und in denen Grofsbrittaniens: ver- 
treten. Meine Bemühungen sie von dorther zu erhalten sind 
nicht von Erfolg gewesen und mufs ich die Entscheidung ob 
diese Schlangen jene grofsen Giftdrüsen innerhalb der Visceral- 
höhle besitzen oder nicht andern Forschern überlassen. Nach 
der folgenden (in der Übersetzung mitgetheilten) Angabe von 
Reinhardt'), scheinen sie allerdings bei Elaps M’Clellandii 
nicht vorzukommen: „Ich habe nämlich alle beide im könig- 
lichen naturhistorischen Museum aufbewahrte Exemplare ana- 
tomisch untersucht und gefunden dafs beide die geringelte 
sowohl als auch die ohne Ringe trächtige Weibchen 
sind, welche Eier von etwa 1 Zoll Länge in sich haben.“ 


Ich meine bei der Section hätten die Drüsen nicht übersehen 


werden können, allein dennoch getraue ich mich nicht mit 
Sicherheit darüber zu urtheilen in Anbetracht der oben mitge- 
theilten Erfahrungen bei Call. int.. | 
Besonders untersucht auf das Vorkommen dieser Giftdrüsen 
innerbalb der Visceralhöhle habe ich folgende zu den Elapidae 
zu zählenden Schlangen und kann mit Bestimmtheit behaupten, 
dafs sie bei ihnen nicht vorhanden sind: Elaps corallinus L. 
(bei einer dieser Schlangen lag auffallender Weise das Herz 
mit seiner Spitze dem Kopfe zugekehrt), Elaps lemniscatus L., 
Elaps Maregravü Wied., Homoroselaps (Elaps) Hygiaeae Shaw, 
Vermicella (Elaps) occipitalis Dum. Bibr., Hemibungarus (Elaps) 
calligaster Wiegmann, Bungarus semifasciatus Kuhl und fasci- 


I) Om Elaps Macclellandü Rhdt. Videnskabelige Meddelser fra den 
aturhist. Forening i Kjobenhavn for Aaret 1860 S. 249. 


214 Gesammtsitzung 


atus Schneider, Naja tripudians Merr. u. hajeL., Sepedon hae- 
machates Merr., Causus rhombeatus Wagl., Hoplocephalus curtus 
Schl., Ogmodon vitianus Pet.. Die von’ mir aus den: Familien 
der Orotalidae, Viperidae und Hydrophidae daraufhin untersuchten 
Schlangen hier 'namhaft aufzuzählen halte ich nicht für gebo- 
ten. Mit Sicherheit von mir nachgewiesen sind also 
diese Drüsen nur bei Callophis intestinalis und bi- 
virgatus. .ı Sie bieten ein besonderes Interesse. dar nicht nur 
ihrer Gröfse wegen sondern mehr noch wegen ihrer Lage für 
die eine Analogie fehlt; es bleibt auffallend und entwicklungs- 
geschichtlich nachzuweisen wie ein Organ, das sonst allgemein 
direct unter der Hautbedeckung am Kopfe sich bildet, seine 
Lage innerhalb der Visceralhöhle finden kann. — 

Ich kann schliefslich nicht umhin dankbar der seltenen 
Liberalität zu gedenken, mit welcher mir die Schätze des zoo- 
logischen Museums der berliner Universität zu Gebote gestellt 
waren. | | | 

Berlin, Januar 1869. 


Nachschrift. Durch die Güte des Hrn. Prof. Wil- 
helm Peters erhielt ich noch nachträglich ein Exemplar von 
Callophis maculiceps Gthr. zur Untersuchung, bei dem sich 
jedoch die in Frage stehenden Giftdrüsen nicht vorfanden. 

Mai 1869. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel I. 

Giftdrüsen von Callophis intestinalis in situ, von ihrem 
Muskel bekleidet und in natürlicher Gröfse. Die Schlange 
.liegt am Kopf und Hals auf der Seite, dann bis jenseit des 
Herzens auf dem Rücken und in ihrem untern Theile auf dem 
Bauche. Es ist, um die Drüsen zu zeigen, das entsprechende 
Stück der Haut herausgeschnitten. 

aa Giftdrüsen; bb deren Ausführungsgänge; c Speichel- 

drüse; d Giftzahn; e Herz; f Leber; 9 Ruthe. 


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DL.Franz Wasner dezu lich 


Callophis intestinalis. 


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Monatsber dBerl Akad dWiss 1869 März 


IDi.Frauz Wagner der.ulich 


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Iruckr. Gebr Delius 


Fig. 1. 


10. 
11. 


vor Mir Be 215 


Tafel 1. 


Längsschnitt eines Stückes der Drüse von Callophis 
intestinalis, 3mal vergrölsert. «@ Muskelschicht; 5 Drü- 
senparenchym; ..c Stellen wo das Drüsenparenchym 
entfernt: ist. 

Querschnitt derselben Drüse, 6mal vergröfsert. — 
@ Muskel; 5 Drüsensubstanz; ce natürliche Lücke. 
Kopf von Call. int., 2 mal vergröfsert. a Ausführungs- 
gang der Giftdrüse; d Speicheldrüse; c Ausführungs- 
gang derselben; d Anschwellung des Giftdrüsen-Aus- 
führungsganges; e Giftzahn. 

Querschnitt des Ausführungsganges der uf lerse 
von Call. intest., 8mal vergrölsert. a Wandung des- 
selben; 5 D c anliegender Muskelstreif. 
Querschnitt der Giftdrüse von Elaps corallinus, Amal 
vergrölsert. a Röhren; db Muskel. 

Querschnitt der Giftdrüse von Pelias Berus, 6mal 
vergrölsert. «a Röhren. | 

Parenchym der Giftdrüse von Pelias Berus. Ver- 
gröfserung mit dem Hartnack’schen Objectiv Nr. 8, 
Ocular Nr. 2 (400mal). «& Drüsenzellen; db Bindege- 
webe; c Blutgefäfs mit Blutkörperchen. 
Querschnitt der Giftdrüse von Dothrops atrox, 4mal 
vergrölsert. 


. Schädel von Callophis bivirgatus von oben, 2mal ver- 


grölsert. 
Ebenso von unten. 
Unterkiefer desselben, 2mal vergrölsert. 


Hr. Dove machte eine Mittheilung über die meteorologi- 
schen Verhältnisse des Sommers 1868. 


216 Gesammtsitzung  _ 


An eingegangenen Schriften nebst ee wurden 
vorgelegt: | 
F. Palacky, Über die Beriähiongen und das Verhälmifs der Waldenser 
zu den ehemaligen Secten in Böhmen. Prag 1868. 8. 
F. Unferdinger, Das Pendel als RE Instrument. _Greifs- 
wald 1868. 8. 
Sitzungsberichte der k. bayr. Akademie der Wissenschaften zu München. 
1868. II. Heft 4. 1869. I. Heft 1. München 1869. 8. 
Matthiessen, Kleine Schriften über 'specielle Theile der Mathematik 


und analytischen Mechanik. Mit Schreiben des Verf. d. d. Husum 


25. Febr. 1869. 

Perrot, Exploration archeologique de la Galatie. _ Livre 20. 21. Pa- 
ris 1869. fol. 

Memoires de l’academie de Petersbonrg. Vol. xı, 1—3. Petersbourg 
1868. 4. | | | 

Bulletin de l’academie de Petersbourg. Vol. XII, no. 1—3. Peters- 
bourg 1868. 4. | H; 

Journal of the chemical Society. Vol. 6. London 1868. 8. 

Journal .of the Royal Asiatic Society. WVol..III, 2. London 1868. 8. 


11. März? Gesammtsitzung der Akademie. 
Hr. Kiepert las: 


Über älteste Landes- und Volksgeschichte von 
Armenien. 


Unter den- kleineren Völkern Vorderasiens, welche in alter 
-Zeit das Gebiet zwischen den grolsen Culturnationen der Me- 
der und Assyrer einerseits, der Griechen anderseits bewohn- 
ten, haben in Vergleich zu denjenigen der kleinasiatischen 
Halbinsel, die frühzeitig grölstentheils hellenisirt, mit ihren 
letzten Resten in der türkischen Einwanderung spurlos ver- 
schwunden sind und so kaum die dürftigsten Spuren ihrer 
Sprachen hinterlassen haben, nur die Armenier ein günstigeres 
Schicksal erfahren, indem sie ihre beim Verfalle des Seleuki- 
denreiches wiedergewonnene staatliche Selbständigkeit über ein 


ee 


vom 11. März 1869. 217 


halbes Jahrtausend, ihre Sprache aber und mit der frühzeitig 
begründeten nationalen Kirche, das Bewulstsein ihrer Zusammen- 
gehörigkeit selbst in weitester Zerstreuung, bis auf den ‚heutigen 
Tag behaupteten. Einen ähnlichen Vorzug, selbst manchen ge- 
bildeteren und historisch bedeutenderen Nachbarvölkern gegen- 
über, begründet ihre bald nach der Annahme des Christenthums 
und dem Bekanntwerden mit griechischer Wissenschaft um den 
Anfang des 5. Jahrhunderts beginnende Litteratur, die sich von 
theologischen Anfängen schon sehr früh auch der eignen Lan- 
des- und Volksgeschichte zuwandte. ‘Ja die historische Bedeu- 
tung der Armenier würde eine fast alle ihre Nachbarn über- 
wiegende sein, wenn eines jener Werke, das besonders durch die 
Übersetzung der Brüder Whiston schon seit länger als einem 
Jahrhundert auch weiteren Kreisen der europäischen Gelehrten- 
welt bekannte Geschichtsbuch des Moses von Chorni mit Recht 
den Anspruch machte, die vaterländische Geschichte von ihren 
Anfängen an in Zusammenhang, zu überliefern, wenn nicht des 
sen Glaubwürdigkeit nur den Volksgenossen selbst und deren 
blinden Nachbetern'!) als Dogma gälte, von der Kritik aber 
vielfach und mit guten Gründen angefochten worden wäre. Doch 
so wenig Gewicht gegenüber den Zeugnissen griechischer und 
römischer Autoren auf Moses angebliche Geschichte der Arsa- 
kiden-Könige Armeniens zu legen ist, so enthält doch gerade 
das erste, die älteste Geschichte bis auf Alexander herabfüh- 
rende Buch neben werthlosen aus späten griechischen Büchern 
geschöpften synchronistischen Zuthaten des Compilators und 
euhemeristischen Verdrehungen epischer und  lyrischer 'Volks- 
diehtung, eine Reihe von Auszügen aus einem älteren syrischen 
Logographen, Mar Abas, welche uns zwar keine eigentlich 
historischen Daten liefern, aber in Ermangelung einer ächt ar- 
menischen Überlieferung wenigstens die gelehrte Ansicht des 
gebildeteren Nachbarvolkes über die Ursprünge des armenischen 
Volkes und deren locale Begrenzung kennen lehren. Der 


1) E. Bore, l’Armenie, Paris 1842; @. Cappelletti, !’ Armenia, Fi- 
renze 1841, bis jetzt seit St. Martin’s M&moires sur I’Armenie, die 


einzigen neueren das armenische Alterthum in Zusammenhang behandeln- 
‚ den Werke. 


218 Gesammtsitzung 


fast ausschliefslich geographische ‘und ethnographische Inhalt 
jener Tradition ‘möge ‘es rechtfertigen, :wenn ich die Fol- 
gerungen, die sich mir 'aus wiederholter Prüfnng des’ armeni- 
schen Textes in Verbindung mit dem Studium der Natur des 
Landes 'ergeben haben, auch öffentlich mittheile, nachdem ich 
die Ausführung dieser Untersuchung durch einen Berufeneren 
seit Jahrzehnten vergeblich erwartet habe.') 

Von der langen Reihe von 52 armenischen Königen, welche 
Moses aus Mar Abas aufführt, kommen hier nur die zehn er- 
sten Generationen in Betracht; die folgenden sind durchaus 
leere Namen, mit einziger Ausnahme Tigran’s, Zeitgenossen 
des Kyros,: dessen kriegerische Thaten und angebliche 'grofse 
Eroberungen die einzige epische Unterbrechung in jener 'trock- 
nen Aufzählung bilden, Sagen, deren hohes Alter wenigstens 


1) Während ‘die deutschen Armenisten, die Herren Petermann, 
Gosche, de Lagarde, Fr. Müller sich bisher fast ausschliefslich der sprach- 
lichen Seite zugewendet haben, verdanken wir der jüngeren französischen 
Schule literarhistorische Untersuchungen, die sich aber ‘im vorliegenden 
Falle, ohne auf den Inhalt. der Tradition einzugehn nur mit dem Zeital- 
ter des Mar Abas beschäftigen. Ob wir diesen in der That mit 'E. Du 
laurier (Etudes sur les chants historiques et les traditions populaires 
de l’ancienne Armenie, Journal Asiat. 1852, XIX. 1 ff. und Considera- 
tions sur les plus anciennes origines de l’histoire Armenienne, Revue de 
l’Orient 1860 p. 92 ff.) dem Zeugnisse des Moses zufolge als einen Zeit- 
genossen des ersten Arsakiden (um 130) anerkennen, oder mit V. Lan- 
glois (Etude sur les sources de l’histoire d’Armenie de Moise de Kho 
ren, Bull. de I’ Acad. imp. d. sc. de St. Petersb. 1861 p. 531ff.) in das 
erste vorchristliche oder mit E. Renan. (Hist. des langues 'semitiques 
1. HI. ch. 2) als Zögling der Schule von Edessa ins erste oder zweite 
nachchristliche Jahrhundert hinabrücken, wird ‚für die hier vorliegende 
Untersuchung von keinem Gewicht sein, da auch im letzten Falle dem 
syrischen Autor noch Quellen zu Gebote stehen und verständlich ‚sein 
konnten, deren erste Aufzeichnung in die assyrische Vorzeit („die Archive 
von Nineve“ wie sich Moses I, 9 naiv ausdrückt) hinaufreichte. — Das 
neueste Werkchen, dessen Titel zu dieser Frage in Beziehung; zu stehen 
scheinen könnte: Pichard, Essai sur Moise de Khoren, Paris 1866, 
enthält in der That gar. nichts zu deren Lösung und behandelt seinen 
Autor einfach als epischen Dichter. 


vom 11. März 1869. 219 


dadurch gesichert ist, dafs -Xenophon sie auf dem langen Win- 
termarsche durch Armenien kennen lernte ‚und für seinen poli- 
tischen. Roman verwerthete. Dies aber ist der einzige Licht- 
punkt der von auswärts auf jene armenische Überlieferung fällt; 
wie bedenklich es: selbst um die Namen und. die Existenz der 
übrigen: Könige‘ nach und. vor jeneni Tigran: steht, zeigt die 
Vergleichung wenn auch. spärlicher, aber gleichzeitiger Zeug- 
nisse der. Griechen, Perser, Assyrer ‚über jene älteren Zeiten 
Armeniens. o 


4 1) Auf Tigran läfst Moses I, 31: dessen Sohn Vahagn (den nur 
seine Unkritik mit dem eleichnamigen auch aus andern Zeugnissen be- 
kannten Gotte, dem. phryg gischen ”Vayvıg, verwechselt) und dann noch sie- 
ben Namen folgen, welche die Zeit bis auf den Untergang des Reiches 
durch die makedonische Eroberuug ausfüllen. Werden diese letzten auch 
nicht ausdrücklich Könige genannt, so schweigt der Autor doch auch 
völlig über ihr Verhältnifs zu den persischen Königen und ihren Satra- 
pen, die für ihn so gut wie nicht vorhanden sind. An Vasallenfürsten 
unter‘ achämenidischer  Oberhoheit zu ‚denken, ähnlich den kilikischen 
paphlagonischen, karischen, ‘wie St. Martin und andere neuere wollen, 
verbietet zwar nicht der Umstand, dafs der einzige  berichterstattende 
Augenzeuge des Landes unter den Griechen dieser Zeit, Xenophon, in 
dem von ihm durchzogenen westlichen Armenien nur persische Satrapen 
kennt: eine Beschränkung einheimischer Fürsten auf einen einzelnen Lan- 
destheil wäre immerhin denkbar, aber gewichtiger ist die negative Auto- 
rität eines Denkmals wie die historische Inschrift des ersten Dareios zu 
Bagistan, welche den mehrjährigen Aufstand der. Armina erzählt, ohne 
auch nur den Namen ihres Anführers zu nennen; ja auch den Namen 
eines Fürsten, für dessen. legitime Nachfolge die Empörer kämpften, 
würde man, wie in den,Berichten über die Aufstände der andern Provinzen 
hier erwarten, wenn es noch Fürsten im Lande gegeben hätte; jedenfalls 
würde mit der Unterdrückung der Empörung selbst wohl auch das natio- 
nale Fürstengeschlecht ein Ende gefunden haben. — Ein ähnliches Va- 
sallenverhältnifs zu den assyrischen Grofskönigen räumt der armenische 
Autor selbst ein für seine älteren Landesfürsten, vom 9ten bis zum 35sten, 
so dafs eigentlich nur die folgenden neun bis auf Tigran als selbständige 
Herscher zu gelten hätten; dals aber als Name des mit dem Sturze des 
assyrischen Reiches zusammenfallenden ersten derselben Paroir, d. i. 
Umdrehung, und als der seines Vorgängers Skajorti, d. i. Riesensohn, 
als ob ein Geschlecht von Giganten mit ihm zu Ende gehe, angegeben 


220 Gesammtsitzung 


"Die ersten zehn Namen dagegen :und die sich im Gegen- 
satz zu‘ der folgenden 'einförmigen Namenreihe als Seitenglie- 
der daranschliefsenden, durch welche jene Zahl verdoppelt wird, 
erweisen sich als völlig der aetiologischen Mythenbildung ange- 
hörig durch die vom Autor selbst daran geknüpften etymologi- 
schen Ableitungen armenischer Localnamen. ‘ Die bei den Se- 
miten so‘ beliebte genealogische Form ihrer Coordinirung und 
Subordinirung könnte leicht veranlassen, die Autorschaft_ dieser 
Anordnung dem syrischen Logographen, dem Moses sie ent- 
lehnt hat, zuzuschreiben, wenn nicht aus der Stellung einzelner 
Namen selbst sich ergäbe, dafs derselbe sie bereits so vorge- 
funden, und einer ältern, vielleicht einheimischen, wenn auch nicht 
schriftlich verzeichneten Quelle entlehnt hat. Mit Übergehung 
der Anknüpfung an die bekannte hebräische Noachiden-Stamm- 
tafel durch Japhet, Gamer und Tiras') ergiebt sich aus Moses I, 
9—15 folgendes genealogische Schema?):: 


wird, hat doch mehr mythischen: als historischen Anstrich. Und vollends 
bedenklich gegen jede Autorität dieser ganzen Namehnreihe macht der 
Umstand, dafs sich darunter weder an der chronologisch entsprechenden 
Stelle (8.— 7. Jahrh.) noch überhaupt irgendwo gleiche oder auch nur 
ähnliche Namen finden, wie Argisti, Ursu, Iranzu, Aza, Ulusuna, welche 
für Herrscher des südlichen und östlichen Armeniens, am See von Van 
und am Araxes aus den Inschriften des assyrischen Königs Sargon zu 
Nineve und Van entziffert worden sind. (Oppert et Menant, les fastes 
de Sargon, Paris 1863, P. 36, 39, 42, 44, 50, 72, 77.) 

1) Wegen der Abweichung von der genealogischen Folge der Ge- 
nesis durch Einschiebung des Namens Tiras und zur Rechtfertigung der 
Transscription Gamer statt der masorethischen Gomer vgl. Monatsber. 
1859, S. 202—205. | 

2) In der Transscription der armenischen Namen bezeichne ich die 
sogenannten Aspiraten durch p‘, X, f, die zusammengesetzten Sibilanten 
&, &, g nach St. Martins Vorgang, da sich nicht wohl einfache Zeichen 
dafür substituiren lassen, durch dz, ds, ts und die entsprechenden Pala- 
talen %, 9, 5 analog durch ds, ds, t8, 2 durch $, u durch X, x, g als 


Gutturallaut durch {, das aspirirte n. durch »”. 


vom 11. März 1869. 291 


Torgom 


| 
Haik 


| 
: Armenak Xor Manavaz 
m  — ———— | 
'Kadmos Armajis Baz 
GER TORTEN E73 
Amasiaj Sar 
:  Arast 'G@elam Parok Tsolak 
j —eeeT 
Harmaj Sisak 


 ———— 
Aram Garnik 
| i 

Araj 


Vu nn 
Anusavan Kardos 


Die drei ersten Namen personificiren offenbar die dem Auf- 
zeichner bekannten drei Benennungen des Volkes, die einheimi- 
sche Hai und die bei den südlichen Nachbarn, Syrern und 
Medopersern gebräuchlichen. Aber schon der erste selbst er- 
scheint, so alterthümlich sein Ursprung ist, in dieser Combi- 
nation als eine spätere, der semitischen Gelehrsamkeit des Mar 
Abas zu verdankende Hinzufügung, also auf gleicher Linie mit 
seinen Vorfahren Gamer und Japhet stehend. Die armenische 
Litteratur zeigt den Namen Torgom und die davon gebildeten 
Ableitungen erst bei späteren Autoren als gelehrten Redeschmuck 
benutzt, nie in allgemeinen Gebrauch zur Bezeichnung des eig- 
nen Volkes übergegangen, die Wortform selbst wie ihr Vorbild, 
das Ocopyanz der LXX. hatP. deLagarde') als dem ältern ma=ıın 
nicht streng organisch entsprechend und wohl erst der seleuki- 
dischen Periode angehörig erwiesen, aber seine neue Deutung 
des Namens selbst auf ein von Armenien weit abliegendes Ge- 
biet im westlichen Kleinasien ‘scheint mir weder sprachlich 
(TeıSgavie = Tograma) noch sachlich haltbar: in der Tafel der 
Genesis liefse sich Mysien noch neben andern kleinasiatischen Ge- 
bieten (Gamer und Askenaz) begreifen, wenn nur die anderen, 
namentlich die südlicheren, dem Standpunkt des Autors der 


!) Gesammelte Abhandlungen, 1866, S. 255, 


222 Gesammtsitzung 


Tafel näher gelegenen Gebiete derselben Halbinsel und vor al- 
lem, wenn das noch näher liegende und mit den südlichen 
Euphratländern in uraltem Verkehr stehende Armenien selbst, 
das doch neben Madai und Arpaksad nicht fehlen kann, darin 
durch andere Namen vertreten wären. Besonders aber wider- 
sprechen ebenso der neuen Erklärung, wie sie zu der alten gut 
passen, die Erwähnungen Togarma’s bei Ezechiel: die Pferde 
und Maulthiere, die es nach 27.14 nach Tyrus ausführt, — 
Thiere, deren Zucht in Armenien altberühmt ist, während von 
einer solchen in Mysien kein altes Zeugnils redet, ein Export 
von da nach Tyrus aber vollends unwahrscheinlich ist, — 
nicht weniger die Bezeichnung der Lage mit Gamer (Kappa- 
dokien) zusammen durch die nördliche Himmelsgegend (38. 6 
per n>2>), was allenfalls auf Kleinasien bezogen werden 
könnte, wenn ein Bewohner Kanaans sich so ausdrückte, ‚nicht 
so bei dem: in Mesopotamien unter Syrern schreibenden Prophe- 
ten, der offenbar auch in der eigenthümlich syrischen Compo- 
sition des Namens (mann ma in beiden Stellen) an den Sprach- 
gebrauch jenes Landes sich anschliefst. Diefs sowohl, wie die 
Erwägung, dafs Phönikier und Hebräer nur durch Vermittelung 
des zwischenliegenden Syriens Kunde von Armenien haben 
konnten, führt zu der Annahme, dafs Togarma oder vielleicht 
schon eine dem Oopyayı der LXX. oder dem Ouyoarıung des 
Josephus ähnlichere Form die gewöhnliche Benennung Armeniens 
oder wenigstens des südwestlichen am Tauros gelegenen Ar- 
meniens bei den Syrern war. Denn wenn Moses als Benen- 
nung. seines Volkes bei Persern und Syrern die Form Ar- 
min!) angiebt, so folgt er nur dem Sprachgebrauch seiner Zeit, 
wo längst griechische Wörter und Namen in Syrien eingebür- 
gert waren: vorgefunden haben die Griechen diesen Sprachge- 
brauch in Syrien sicher nicht, denn dafs er bereits der Zeit 
der persischen Herrschaft angehören sollte, wird durch die Bei- 
‚behaltung eines ganz andern Namens für Armenien im Assyri- 


1) Diese Form oder Armun folgt aus der im Text I, 12 Ende 
allein vorkommenden Pluralform Armnik, das i der zweiten Silbe wird 
aber durch die altpersische Form Armina in den Dareios-Inschriften 


gesichert. 


vom 11. März 1869. 223 


schen (in den babylonischen Texten der Dareios-Inschriften) 
höchst unwahrscheinlich. Den Namen ’Agnuevi«, welcher schon 
vor Herodot aus Hekatäos angeführt wird, können die Griechen 
mithin nur auf dem anderen nördlichen Seewege, durch den 
Pontos, von den seit dem Falle Assyriens bis zum Halys herr- 
schenden Medern überkommen haben, deren Sprache das 
einzige denkbare Mittelglied zwischen Griechen und Persern, 
soweit sie derselben Benennungen sich bedienen, bildet; es wird 
hierdurch von vorn herein wahrscheinlich, dafs jener Volks- 
name auf der medischen, d. h. südöstlichen Grenze Armeniens 
vielleicht in der überaus häufigen Weise der Übertragung 
eines einzelnen Landschaft- oder Stamm-Namens im Munde der 
Nachbarn auf das ganze hinterliegende Land und Volk ent- 
standen sei. Gerade an dieser Stelle aber localisirt ihn auch 
die einheimische Tradition bei Mar Abas, indem sie dem Stamm- 
vater der ganzen Nation Haik, als ältesten Sohn Armenak 
giebt und diesen im Gegensatze zu Haik’s Niederlassung im 
westlichen Landestheile, als ersten König der Araxeslandschaft 
Airarat, welche sich bis zur Nordgrenze Mediens ausdehnt, be- 
zeichnet.) Denn der Name Armenak ist so offenbar eine 


f) Mos. Chor. I. 10: Haik zieht mit seinem Sohne Armenak und 
zahlreichem Gefolge aus Babylon nördlich nach der Ebene Airarat, 
dann weiter nach Westen nach Hark, wo er Haikasen gründet (vgl. 
das Kärtchen). — cp. 12: daselbst hinterläfst er als Nachfolger jüngere 
Söhne, während Armenak nach Osten zurückgeht in die grofse Ebene 
am Fufse des Aragadz, wo sein Sohn Armajis die Stadt Armavir 
erbaut. — Dafs schon vor der persischen Herrschaft, unter der Herodot 
Medien bis zum Araxes reichen läfst (wiewohl in diesem nordwest- 
lichen Theile, dem späteren Atropatenischen Medien, auch noch manche 
unarische Stämme wohnten) wirkliche Meder Wohnsitze selbst nörd- 
lich über den Araxes hinaus, bis ins Herz der araratischen Landschaft 
innehatten, erkennt die armenische Tradition bei Moses I. 30 selbst 
an, für eine Reihe namentlich angeführter, gröfstentheils verscholle- 
ner Orte am Araxes (von denen jedoch Naxdzavan und Dzula (Däulfa) 
noch jetzt ihre alten Namen bewahren), deren Gründung sie ihrem gros- 
sen Nationalhelden Tigran zuschreibt, welcher als Sieger über den medi-. 
schen König Aödahak (Astyages) dessen Familie und andere medische 
Gefangene hier angesiedelt habe: eine in orientalischer Geschichtschrei- 


[1869.] 16 


224 Gesammtsitzung 


Weiterbildung aus dem Volksnamen Armina durch ein allen 
arischen Sprachen angehöriges Suffix'), dafs er als individua- 
lisirter Vertreter desselben füglich nur in einer älteren, als 
der uns zufällig überlieferten Form der Tradition seine Stelle 
erhalten haben kann, während Mar Abas und der ihm nach- 
sprechendeMoses, diese klare Beziehung übersehend, zwei ferner- 
liegende an deren Stelle setzen: von Armenak wird, in Ermange- 
lung jeder anderen lautlichen Analogie, sehr gezwungen der Name 
des Gebirges Aragadz abgeleitet und dafür der armenische 
Volks- und Landesname auch nicht etwa mit Armajis und Ar- 
mavir, welche lautlich noch näher ständen, sondern erst mit 
dem siebenten Könige, namens Aram in Verbindung gebracht. 
Diesem werden dann (cp. 12—14) weite Heereszüge nach dem 
Süden und Westen, namentlich die Unterwerfung Syriens’) und 
Kappadokiens und die Gründung der Hauptstadt Mazaka in 
letzterem Lande zugeschrieben, — offenbar nur um damit die 
Angabe der Entstehung eines aus dem Königsnamen gebildeten 
Volksnamens bei den Fremden zu motiviren. Sicher nicht 
zufällig werden hier als Eroberungen König Arams gerade das 
Land, welches ursprünglich und in einheimischem Sprachge- 
brauche den Namen Ardm trug und ein anderes genannt in 
welchem wenigstens spätere aramäische Colonisation durch die 


bung nicht eben befremdende Umkehrung des wahrscheinlicheren Sach- 
verhalts medischer Ansiedelung in Folge der Eroberung Armeniens und 
des ganzen Nordens des früheren assyrischen Reiches durch Kyaxares. 


1) Welches aber in solchen Namen — denn auch Haik ist analog ge- 
bildet — wohl nicht, wie Dulaurier (Revue de I Orient 1860, p..105) meint, 
Deminutivbedeutung zu haben braucht, so wenig wie die römische En- 


dung in Romulus, Rutulus, Siculus u. a. 


2) ghınıludp.p wunpbumwbf Anf. des 14. cp. Die Armenier 
haben nur die eine Form Asorik, Asorestan für die beiden griechischen 
. Zupta und ’Aroupia; dafs aber hier nicht, wie alle Übersetzer es ver- 
stehen, das von den Griechen speciell sogenannte Assyrien am Tigris 
gemeint ist, beweist neben der Anerkennung der dauernden Herrschaft 
der -Grofskönige von Nineve in Moses Erzählung, die ausdrückliche Er- 
‚wähnung der Besiegung des Bar$am, von dessen Sitz am westlichen 
Euphrat unten die Rede sein wird. 


vom 11. März 1869. 225 


griechischen Angaben über die Leukosyrer, wie durch den Ge- 
brauch aramäischer Sprache in den Satrapenmünzen der Perser- 
zeit bezeugt ist. So viel auch vom Standpunkte heutiger Phi- 
lologie gegen die Ableitung des armeniscehen Namens vom 
aramäischen (wie sie auch Strabon I, 2, 23, p. 42 C. annimmt) 
einzuwenden ist, so kann man eine solche Etymologie einem 
'Syrer des 1. Jahrh. wie Mar Abas oder vielmehr, da dieser 
nach Moses (I, 14 Ende) die Sage von Aram’s Kriegszügen alten 
Liedern entlehnt haben soll, einer noch älteren semitischen 
Quelle zutrauen: national-armenisch kann sie in keinem Falle 
gewesen sein. 

Einer ähnlichen Quelle mufs auch der offenbar semitische, 
iin Armenischen durchaus bedeutungslose Name Kadmos ange- 
hören, an welchen Moses ausnahmsweise keine etymologische 
Deutung anknüpft. In einer wörtlich aus Mar Abas angeführ- 
ten Erzählung (I, 10) ist Kadmos der Sohn Armenaks als 
lHerscher von Airarat, welches ihm Haik überläfst, indem er 
mit Armenak weiter nach Westen zieht; sodann (cp. 11) erfolgt 
der Angriff des babylonischen Heeres gegen Airarat nur auf 
Kadmos, dem Haik zu Hülfe zieht, ferner nach dem Siege der 
Armenier (cp. 12) vertheilt Haik die Beute zwischen sich und 
Kadmos, ohne dafs von Armenak die Rede ist, in einer vierten 
Stelle endlich, wo Kadmos erwähnt wird (II, 8 Anfang) heifst 
sein Stamm mit dem des Sisak geradezu „herschend in 
den östlichen Gegenden an den Grenzen der haikanischen 
Sprache“ (yupkıky [19 Inydlubk gbgkpp Susyluhulı froufg) — 
er erscheint mithin als Repräsentant des ganzen Ostens 
des Landes, ohne Zweifel nur weil sein semitischer Name wie 
in a=p und &4p ">= keine ethnische, sondern nur die geo- 
graphische Bedeutung Osten zulälst. Derselbe Sinn scheint 
wieder in der Angabe cp. 14 zu liegen, dafs das Geschlecht 
des Kadmos in Assyrien hersche: kaum kann hier der alte 
Erzähler denselben Heros meinen, dem er früher Airarat als 
Erbtheil zugewiesen hat, vielmehr bezeichnet er damit Assyrien 
als das von seiner Heimath (Syrien und Mesopotamien) östlich 
gelegene Land. Dafs jene poötischen Stücke des Mar Abas 
zu den jüngeren Bestandtheilen seines Werkes gehören, zeigt 
übrigens die erst durch griechische Vermittelung überkommene 

16° 


226 Gesammtsitzung 


Form des Namens Kadmos, so dafs für die angebliche alt- 
assyrische Quelle schwerlich etwas anderes als die einfache 
Namenreihe übrig bleiben wird. 

Diese nun verzweigt sich von Armajis, dem Sohne Ar 
menaks, auf Amasiaj den etwas gezwungenen Eponymen 
des Berges Masis, und Sa r, den Archegeten einer Nebenlinie, 
als deren Erbtheil „die fruchtbare reich bewässerte Ebene an 
der Nordseite des Gebirges Aragadz, das Länd von Sirak“ 
genannt wird (cp. 12 Mitte). Dieser Name hat sich an der- 
selben Stelle in der Form Soregel bis heute erhalten und 
wird von Ptolemaeos als Zıoazyvy an die gleiche Stelle gesetzt, er 
findet sich aber auch an verschiedenen Stellen des Orients in 
alter und neuer Zeit bezeugt, welche es zweifelhaft lassen, ob 
man für ihn, ohne seine Bedeutung nachweisen zu können, 
arischen oder anarischen (turanischen, skythischen) Ursprung 
beanspruchen dürfe.') 

Unter den’ Enkeln des Armajis, ist Arast merkwürdig, 
weil von ihm der Name des Hauptstromes Ost-Armeniens ab- 
geleitet wird, den die Armenier selbst Erasy, die Georgier 
(Iberer) Raysi, die Griechen "Ag«&ys schreiben. Abgesehen 
von der Trübung des vokalischen Anlauts, dessen «a sowohl 
in dem Namen des Eponymos als in der griechischen Schreib- 


1) Beide Annahmen lassen zu Zıpaxnm in Hyrkanien (Ptol.) Fırwa 
in Parthien (Isidor Char., jetzt Seraxs), Siricae in Kappadokien (Itin. 
Ant.), ja selbst das Volk der Zipaxeg oder Zipaxot (Zıpayoı der tanaiti- 
schen Inschrift C. I. Gr. I. 2132e, Zıpaxnvot bei Ptol.) am Ostufer der 
Maeotis, in einem Gebiete wo arische und anarische Stämme von Alters- 
her durcheinander wohnten, und selbst letztere leicht mit arischen Namen 
bezeichnet werden konnten. Der nur aus den römischen Itinerarien be- 
kannte Ortsname Siracellae in Thrakien, wofern er nur demselben Wort- 
stamme angehört, würde allerdings für arischen Ursprung entscheiden. 
Aber selbst eine turanische Niederlassung, wenn sie von dem grofsen 
Skythenzuge des 7. Jahrh. zurückgeblieben wäre, könnte leicht lange vor 
‘ der Zeit der Aufzeichnung jener Bruchstücke altarmenischer Tradition 
‚n überwiegend arischer Bevölkerung verschwunden sein, unter blofser Zu- 
rücklassung eines Namens, der dann, wenn er nur geographisch dem Um- 
fange des ältesten Armeniens angehörte, unbedenklich von Mar Abas oder 
schon von einem früheren Autor jenen nationalen Genealogien eingefügt 


werden mochte. 


vom 11. März 1869. 227 


art bewahrt ist,') wird die armenische Form des Flufsnamens 
für ursprünglicher gelten müssen, als die wohl nur euphonische 
Umstellung der Gutturale vor die Sibilans im Georgischen und 
Griechischen.”) Alle drei aber stimmen wenigstens überein im 
festhalten des Gutturallautes,?) statt dessen der Name des Heros 
auffallender Weise dentalen Auslaut zeigt. Will man nicht in 
dieser, leider der einzigen Stelle, wo er genannt wird (Mos TI, 12), 
einen Schreibfehler annehmen,*‘) so verlangt jene Differenz eine 
Erklärung, die sie wohl nur in der Annahme einer Modification 


1) Dasselbe Herabsinken eines offenen «a im Anlaute zu e zeigen 
die älteren griechischen Transsceriptionen ’AxıAtoyvy, "Apvavdyg (Herod.IV, 
166, und noch im Pahlavi Aruvandu, Oppert Journ. Asiat. XVIII, 564) 
verglichen mit der im 5. Jahrhund. auftretenden armenischen Schreibart 
Erovand, Ekeleats, eine Aussprache die Procop (Pers. I, 17) und 
die Coneilien-Unterschriften consequent durch ’ExeAsonvy ausdrücken. 


2) Die griechische Form kann leicht, wie in vielen ähnlichen 
Fällen, bedingt sein durch die Bekanntschaft der Berichterstatter (schon 
Hekatäos und Herodot) mit fast gleichklingenden Namen ihrer Heimath, 
wie "Aro£a in Lykien, "Arukos Vorgebirg der Peloponnesos, "Apa&oı Volk 
in Illyrien, ja ’Araeng selbst als Flufsname, angeblich des thessalischen 
Peneios (woran Strabon XI, p. 531 verwegene Hypothesen über thessa- 
lische Abstammung der Armenier knüpft), deswegen auch das Vorkom- 
men desselben Flufsnamens in Persis (Strab. Curt.) und Mesopotamien 
(Xenoph. Anab. aber hier gleichbedeutend mit dem bekannten semitischen 
Namen Chabor) keinen Schlufs auf die Sprache gestattet, welcher der 
Name ursprünglich angehörte; auch ist eine befriedigende Erklärung des- 
$elben aus arischer Etymologie meines Wissens noch nirgend gegeben wor- 
den; der von Spiegel (Ausland, 1864, S. 367) zur Vergleichung ange- 
führte, aus dem Avesta bekannte Flufsname Rarha scheint mir doch 
lautlich zu weit ab zu führen. 

3) Der nur in der erweichten, zuerst durch die arabischen Geographen 
des Mittelalters bezeugten, bei Persern, Türken, Armeniern jetzt gewöhn- 
lichen Aussprache Aras ganz geschwunden ist. 

*) Die Ausgaben, auch die neue der Mechitaristen (deren kritischer 
Apparat allerdings noch viel zu wünschen läfst) bemerken keine Variante; 
die Annahme einer Verwechsclung der Zeichen für x und £ aber ist 
selbst in der jüngeren Minuskelschrift (du in) nicht unbedenklich, in der 
Majuskel der älteren Hss. (Ju Ss) kaum denkbar. 


228 Gesammtsitzung 


des einheimischen Namens durch fremde Aussprache oder die 
Anlehnung an einen ähnlich klingenden, aber ursprünglich ver- 
schiedenen Namen findet. Und hier glaube ich in der That 
die einzige sprachliche Spur aufgefunden zu haben, welche auf 
die wirkliche Benutzung einer altsemitischen Quelle durch Mar 
Abas hinweist: ich kann es nicht blofsen Zufall zuschreiben, 
dals Arast fast unverändert derselbe Name ist, mit welchem 
in den assyrisch-babylonischen Texten der Dareios-Inschriften 
das Armina des persischen Textes wiedergegeben wird: Urastu. 
In den dem 8.—7. Jahrhunderte angehörigen Inschriften von 
Nineve und Umgegend, also im nordassyrischen Dialekte, lautet 
derselbe Name bekanntlich mit geringer lautlicher Abweichung 
‘Urartu; ın beiden Formen ist, nach übereinstimmender Auto- 
rität französischer und englischer Assyriologen, der Anfangs- 
vokal vollkommen sicher gelesen, mufs also altsemitischer Aus- 
sprache angehören; ') wie ihn in derselben alten Zeit, als sie 
ihn zuerst kennen lernten, die Hebräer aussprachen, wissen wir 
nicht, aber die masoretische Vocalisation mit & wird wenigstens 
für mehrere Jahrhunderte früher schon durch die griechische 
Übersetzung bestätigt.?) Noch früherer Zeit gehörte Herodot’s 
Transscription ’AArgodıoı an?) welche er aber, wenn auch zu 


!) Dafs der Anfangsvokal von Arast erst der Lesung des Moses 
angehört und in seiner syrischen Quelle nicht ausgedrückt war, braucht 
kaum erinnert zu werden, vielleicht aber ist es nicht überflüssig zu be 
merken, dafs das Armenische überhaupt den helleren Laut an der Stelle 
‘dunklerer Vocale entlehnter Wörter liebt, wie in dem wohl erst unter 
den Arsakiden eingeführten Aramazd, aus Auramazda, welches damals, 
nach dem griechischen ’Rpoudöng zu schliefsen, sicher schon mit ö ge- 
 sprochen wurde, in Zradaöät gegenüber Zarathustra u. a. 

2) Da die bekannte Stelle der Genesis (wo die LXX "Apapar schreiben) 
chronologisch unbestimmbar ist, zuerst sicher in der Erzählung von der Flucht 
der Söhne des assyrischen Königs Sanxerib nach dem Lande Ararat bei 
Jes. 37, 38 (LXX. eig ’Appeviav) und II. Reg. 19, 37 (LXX. eis yav "Apa- 
par) dann als Feind der Könige von Babel Jerem. 51, 27 (LXX. Baei- 
Asıa "Apapi9). 

3) Dafs die Alarodier, ein Namen, welchen alle Interpreten He- 
rodots und Bearbeiter der herodotischen Geographie bis jetzt unerklärt 
gelassen haben, im östlichen Armenien zu suchen sind, ergiebt sich aus 


y 
i 


vom 11. Marz 1869. 229 


Babylon, doch trotz des uniranischen und blofs euphonischen 
? eher aus persischem, als aus semitisehem Munde überkommen 
haben mag. Den Armeniern selbst endlich ist vom Beginn 
ihrer Litteratur dieser Name in der alterthümlichen volleren 
Orthographie Airarat (der Diphthong nach heutiger Aussprache 
= a) bekannt, welche nach aller Analogie die älteste und 
ursprünglichste Aussprache wiedergeben mufs, so dafs die 
übrigen als durch Verschiebung des Accents bewirkte Verkür- 
zungen erscheinen. An der sachlichen Identität ist ebenso- 
wenig ein Zweifel: der einheimische Gebrauch hat die ursprüng- 
lichste Bedeutung festgehalten, wie sie die mythische Erklärung 
bei Moses I, 15 = Araji-dast (Ebene des Araj) andeutet') 
als Bezeichnung der grofsen vom Araxes in seinem Mittellaufe 
durchströmten, bergumschlossenen hohen Ebene,”) des "AgaErvov 
zsöicvn der griechischen Autoren, deren Fruchtbarkeit und Men- 
schenfülle diese und die einheimischen wetteifernd erheben; es 
ist in der That, wie ein Blick auf die Karte lehrt, die einzige 
gröfsere Ebene des ganzen im Verlaufe der alten Geschichte 
von Armeniern bewohnten Landes, ?) die einzige, in welcher 


ihrer Stellung in der XVIII. Satrapie des persischen Reiches neben den 
Saspeiren, den Bewohnern des Grenzlandes von Kolchis, d. i. des nord- 
armenischen Gebirgslandes Sper, und den Matienern, deren Landschaft 
vom Araxes längs des Tigris bis an die Grenze Kissiens reichte (wie ich 
Monatsb. 1857, S. 138 nachgewiesen habe): zwischen beiden bilden sie 
so das einzige mögliche Verbindungsglied und dafs neben ihnen "Apuevie 
die XIII. Satrapie bildet (während in den Inschriften des Dareios der 
Name Armina geographisch das Ganze begreift) ist kein Widerspruch, 
da die Reichseintheilung, wie sie Herodot überliefert, offenbar die schon 
mehrfach veränderte seiner Zeit, nicht die ursprüngliche des Dareios ist. 

!) Sachlich ganz richtig, aber nicht sprachlich, da der durch Ebene 
erklärte zweite Theil des Namens im Armenischen keine Bedeutung hat, 
während art, welches „Feld, Ackerfeld“ bedeutet, doch nur einen 
unvollkommenen Anklang bietet. 


?2) Die ihr an Ausdehnung nahekommende Thalebene des oberen 


-Tigris, wiewohl lange Zeit politisch zu Armenien gehörig, blieb doch, 


wie üınten gezeigt werden soll, eine Eroberung auf fremdem Boden. 


3) S. die von Indäidzi, Alt-Armenien, S. 376 ff. gesammelten Stel- 
len der älteren Historiker, welche‘ von einem königlichen Gau Airarat 


230 Gesammtsitzung 


eine das ganze Volksgebiet zusammenfassende und noch da- 
rüber hinaus ihre Eroberungen tragende königliche Macht sich 
bilden konnte. Daher denn schon bei Jesaias die Bezeichnung 
als Land (y8) bei Jerem. als Reich (n>>==) während daneben 
noch Minni (Miwv«s des Nikol. Dam.) und fast gleichzeitig bei 
Ezechiel Togarma als andere Theile Armeniens, offenbar im 
Süden und Westen, erwähnt werden; ebenso das Urartu der 
assyrischen Inschriften aus Sargons Zeit für ein Land und 
Reich verschieden von dem in Südarmenien näher der assy- 
rischen Grenze gelegenen Reiche von Van;') dagegen unter 
den Persern Urastu schon ganz Armenien umfassend. Wenn 
auch diese letzte Form zufällig nur aus Monumenten bekannt 
ist, deren Aufzeichnung mehrere Jahrhunderte später fällt, als 
die der assyrischen, worin Urartu erscheint, so würde sie 
doch nach allgemeiner sprachlicher Analogie des Lautwechsels 


(armenisch gavar‘, das Wort mit welchem kleinere Landesabtheilungen, 
otearnylaı oder praefecturae bei Plinius, deren es an 200 gab, bezeichnet 
werden) gleichbedeutend der Araxes-Ebene reden, verschieden von der 
nahang Airarat der Geographie des Moses, d.i. einer und zwar der 
gröfsten der 15 Provinzen, in welche erst gegen Ende der Arsakiden-Her- 
schaft das Reich eingetheilt worden zu sein scheint; in diesem Sinne ge- 
hören dazu auch Sirak und Basean am oberen Araxes und eine Menge 
kleiner umliegender Gebirgsgaue. Die aus Misverständnis der allbekann- 
ten Genesis-Stelle entstandene Übertragung des Namens auf die höchste 
Gebirgsgruppe des Landes, die von den Armeniern zu jeder Zeit nur mit 
dem Namen Masis bezeichnet worden ist und von den griechischen 
Autoren andere, vielleicht persische Benennungen, erhält (Bapıs = vE- 
rezat, hoch?), ist bekanntlich den Einheimischen stets ebenso fremd ge- 
blieben, wie den älteren Commentatoren, da noch St. Hieronymus ganz 
richtig Ararat eine „regio campestris per quam Araxes Auit ineredibilis 
ubertatis“ nennt, ist aber von europäischen Philologen, wenn auch fast un- 
ausrottbar verbreitet, doch nicht zuerst erfunden, da schon die LXX. 
. den status constr. vn »"m ungeschickt durch Ta opn ra ’Apapadr über- 
setzen und ein pseudosibyllinisches Orakel, wenn auch mit localer Über- 
tragung nach Phrygien, von einem „Alßarov ravuunxeg opog "Apapar redet. 
Aber dafs auch P. de Lagarde (ges. Abh. S. 170) vom Berge Ararat 
spricht, mufs billig befremden. 


1) Oppert et Menant, fastes de Sargon, S. 36 ff. 


vom 11. März 1869. 231 


von s und r als die ältere gelten müssen, sie hat daher völlig 
den Anschein, aus dem Flufsnamen (Arast als euphonische 
. Veränderung des einheimischen Arasy, in semitischem Munde 
angenommen) erst ebenso gebildet zu sein, wie die Griechen 
dasselbe Land nach dem Flufse als ’ApaEyvöv mediov bezeichnen. 
Der Übergang des s in r im Dialekte Nordassyriens, welches 
mit Armenien natürlich in engerem Verkehr stand, als das ent- 
fernte Babylon, erklärt sich dann als Assimilation an den aus 
ganz anderer Wurzel entstandenen, nur zufällig ähnlich klingen- 
den Landesnamen Airarat, daher denn für diesen der syrische 
Autor einen anderen Eponymen als für den Flufs in seinen 
Stammbaum einfügen mufste. 

Von den weiter abwärts in der Genealogie folgenden Na- 
men haben nur zwei eine historische Bedeutung als Vertreter 
des östlich an Airarat grenzenden Gebirgslandes: Amasiaj’s 
Sohn Gelam und dessen jüngerer Sohn Sisak'). Ihre Wohn- 
sitze bezeichnet Moses a. a. O. bestimmt genug: Gelam zieht 
gegen Nordost jenseit der Berge um die Ufer des grofsen Sees, 
der mit seinem Gestadeland fortan den Namen Gelak'uni führt,” ) 
Sisak erhält das Land östlich (genauer würde es heifsen: süd- 
‚ östlich) vom See bis zum Durchbruch des Erasy, durch Eng- 
schluchten des Gebirges zur Ebene des Küstenlandes. Befrem- 


!) Der ältere heifst Harmaj, ein Name, dessen Bedeutung früh 
verschollen sein muls, da Moses keine Etymologie daran anknüpft 
(s. Langlois, Collection des hist. de l!’Arm. I, P. 16 Note 6, sieht darin 
dieselbe Wurzel des Volksnamens, wie in Armenak, Armajis, Aram, was 
doch des gutturalen Anlauts A wegen bedenklich scheint). Nur ganz be- 
schränkte Örtlichkeiten bezeichnen Harmaj’s Sohn Gar'nik (Gar’ni, Schatz- 
feste der arsakidischen Könige) und Amasiaj’s jüngere Söhne Pfar’'ox 
und 7’solak, deren völlig durchsichtige Namendeutung (glänzend, leuch- 
tend) schon auf jüngere Entstehung hinweist, so dafs sie ihre Stellung 
im Stammbaum wohl nur der Lage der angeblich nach ihnen benannten 
Ortschaften Pfaraxot und Tsolakert am Fufse des Masis (des 
nach Amasiaj benannten Berges) verdanken. 


?) Der zufällige Anklang dieses N amens (mit Ausschlufs der ersten 
Sylbe) scheint die griechischen Eroberer zur Übertragung des aus dem 
makedonisch-illyrischen Grenzlande bekannten Seenamens Avxvinıg auf 
diesen See (so bei Ptolemäos) veranlafst zu haben. 


252 Gesammtsitzung 


dend ist nur der Zusatz, dafs nach Sisak das Land Siunik 
benannt sei, welches die Perser genauer Sisakan nennen, 
und dals in diesem Lande noch zu Moses Zeit die von Valar- 
sak, dem parthischen Eroberer, als Fürsten eingesetzten Nach- 
kommen Sisak’s herschen. Specieller noch wird dann in Va- 
(arsak’s Geschichte (I, 8) Aran, ein Nachkomme Sisak’s 
als Fürst des „nordöstlichen Theiles, an den Grenzen der hai- 
kanischen Sprache sowohl des Berglandes am Erasy, als der 
von den Aluank' (Albaniern) bewohnten Ebenen am Flusse 
Kur“ genannt und. unter den kleineren Landschaften, deren 
Fürsten von ihm ihre Abstammung ableiteten, neben einigen 
nicht genauer bekannten, namentlich Uti oder Oti (Dry) und 
Gardman, deren Lage am Kyros auch aus anderen Quellen 
bekannt ist. Es ist nicht klar, ob Moses jene Angaben schon 
in seiner syrischen Quelle vorfand, oder, wie von den letzten 
‘wahrscheinlich, aus anderen Nachrichten und aus der leben- 
digen Kenntnis der Zustände seiner eigenen Zeit hinzufügte, 
und ob unter dem persischen Namen sSisakan ein schon seit der 
Perserherschaft der alten Zeit, vielleicht gar den Medern vorhan- 
dener oder vielmehr ein erst unter den Parthern und Neupersern 
eingeführter Sprachgebrauch zu verstehen sei: in letzterem Falle 
müfste man allerdings mit P. de Lagarde') die ganze von 
Moses aufgezeichnete Tradition für „jung und werthlos* er- 
klären. Aber die schon von Saint Martin versuchte, ?) von 
Langlois’) wiederholte, von Lagarde neuerdings durch scharf- 
sinnige Combinationen vertheidigte Vergleichung dieses Sisakan 
mit Strabon’s Saz«ryvy mus ich aus geographischen und sprach- 
lichen Gründen zurückweisen. Nicht allein durch die hand- 


schriftlichen Lesarten an vier Stellen und durch die wenig ab- 
weichenden Formen bei Plinius*) und Ptolemäos (in Nazerzrır, 


1) Gesammelte Abhandlungen, S. 155. 

2) Memoires sur I’Armenie, vol. I, p. 143. 209. 

3) Collection des Historiens de l!’Armenie, vol. I, 1867, p. 21, not. 2, 
p- 48. 

4) Sacassani soll Plin. nach Lagarde aus einem bereits (kaum 
-ein paar Decennien nach der Abfassung) willkürlich corrigirten Exem- 
plar des Strabon geschöpft haben, während er doch diesen Griechen un- 


vom 11. März 1869. 238 


verschrieben) wird jener Name gegen die vorgeschlagene Emen- 
dation in Sısazavy geschützt, sondern, was von jenen Kritikern 
übersehen worden ist, auch durch die genau entsprechende 
armenische Form Sakasen'!) in der dem Moses zugeschrie- 
benen Geographie: so heifst daselbst ein Distrikt der längs 
der Kur gegen die albanische Grenze gelegenen armenischen 
Provinz Uti oder Öti, deren Name von dem gleichnamigen 
kleineren Distrikte (der ’Qryry am Kyros bei Ptol. u. Steph. 
Byz., Odızie bei Strab. XI, 14. 14 p. 531) eine weitere Aus- 
(dehnung erhalten hatte. In völliger Übereinstimmung damit 
giebt auch Strabon (Il. c. $. 4 p. 525) Sakasene als neben Al- 
banien und dem Kyros, bis gegen Gogarene hin gelegen an; 
die aufserordentliche Fruchtbarkeit, welche er an andern Stellen 
rühmt (II, 1, 4 p. 73, XI, 7, 2 p. 503) findet sich auch heute 
noch in dem schmalen ebenen Striche am Flufse des Gebirges, 
während die daneben längs des ganzen Laufes des Kur sich 
ausbreitende Steppenebene für die Niederlassung eines No- 
madenvolkes, wie die Saken, vorzüglich geeignet war;°) daher 


ter den zahlreichen von ihm benutzten Werken nirgend anführt, also 
offenbar gar nicht gekannt hat. 


1) Wörtlich „Saken-Anbau“, von &inel „bauen“, so dafs nur 
das letzte n, nicht wie in zahlreichen andern Landschaftnamen des Orients 
m griechische Endung ist. St. Martin hatte im Pariser Ms. dieses 
Werkchens die falsche Lesart Sikasen gefunden und edirt (Mem. sur 
Arm. I. 326, II. 366), die richtige giebt aber schon seit 1822 Indzi- 
dzis geographisches Werk (S. 340) und seit 1843 die Ausgabe der 
Mechitaristen; auch in P. Leon Alisan’s neuerer Beschreibung Grofs- 
armeniens (Venedig 1855) steht so richtig S. 85 $. 167, so dafs die alte 
Lesart im Verzeichnifs der Distrikte S. 24, no. 151 wohl nur Druck- 
fehler ist. 7 

2) St. Martin, Mem. I. 142. 


°) Die Epoche dieser Niederlassung setzt Lagarde seiner Hypothese 
zu Liebe gleichzeitig der parthischen Eroberung Armeniens, nach der 
strabonischen Stelle XI, 8. 4 (p. 511) über die Eroberungen der Saken, 
worin allerdings auch Baktrien erwähnt wird, aber sicher keine chrono- 
logische Bestimmung gegeben werden soll, da die noch der vorpersischen 
Zeit angehörigen Kimmerier und Treren Kleinasiens gleichfalls darin auf- 


234 Gesammtsitzung 


auch heutiges Tages wieder dieselbe Ebene ihrer ganzen Aus- 
dehnung nach von tatarischen neu eingedrungenen Stämmen 
eingenommen ist, während im Berglande die armenische Be- 
völkerung sich erhalten hat. Gerade diesem Berglande gehört 
dagegen Sisakan, oder das damit ziemlich gleich bedeutende!) 
Siunik an, dessen Name nur im weiteren Sinne, weil die ar- 
menische Eroberung der östlichen Landschaften bis zum Kur 
von hier ausgegangen war, zuweilen auf dieselben mit ausge- 
dehnt wird, wie diefs auch indirekt in der angeführten Stelle 
des Moses über die Abstammung der dortigen Fürstenge- 
schlechter von Sisak geschieht. Das eigentliche ursprüngliche 
Sisakan ist nicht an der nordöstlichen, sondern an der süd- 
östlichen Grenze Armeniens gegen Medien hin, am Araxes zu 
suchen, wo auch ein Gau der späteren, zwischen Siunien und 
der Ebene der Kaspier gelegenen Provinz Artsay, in Moses 
Geographie unter dem Namen Sisakan erwähnt wird.) Da- 


treten; .auch ist es übel, dafs jene Hypothese nur durch die gewaltsame 
Änderung von Ilepowv in Zvpwv in der darauf folgenden Erzählung von 
dem Vordringen der Saken bis nach Kappadokien gerettet werden kann 
und dafs von einem so weiten westlichen Vordringen jener innerasiatischen 
Nomaden in einer historisch doch ziemlich bekannten Zeit keine andere 
Geschichtsquelle das mindeste weils. So scheint es denn räthlich, auch 
für die Ansiedelung in Armenien die Epoche der einzigen älteren be- 
kannten grofsen Skythenwanderung im 7. Jahrhundert v. Chr. als spä- 
testen Termin beizubehalten. : I 

1) Nämlich Gelak’uni, der auch ebenere Striche enthaltende nörd- 
liche Gau am grofsen See, den Moses Geographie mit zu Siunien rechnet, 
darf man sich, da es einen eigenen Stammheros hat, von Sisakan aus- 
geschlossen denken; unterschiedslos brauchen beide Namen die armeni- 
schen Historiker des Mittelalters, Stephanos Orpelean und Johannes Ka- 
tholikos (s. die Stellen bei /ndäidz, A. A. p. 229— 231) für das bis ins 
13. Jahrhundert bestehende nationale Fürstenthum, damals noch das ein- 
zige in Ostarmenien (die Apxovtes ns Zuvns bei Constant. Porphyr.), des- 
sen Bestehen selbst noch in der Periode türkischer Einwanderungen be- 
weist, wie schwer zugänglich dieses Land fremden Eroberern stets blieb. 

?) Indädzi A. A. p. 309; demselben benachbart ein anderer Gau 
P'ar'nes, dessen Fürsten bei dem mittelalterlichen Historiker Asolik auch 
Fürsten von Sisakan genannt werden; dieser Name P’ar'nes scheint 


er 


{ vom 11. März 1869. 235 


raus folgt, dafs Sisakan jedenfalls auch eine einheimische Be- 
nennung war die nur, wie in so vielen ähnlichen Fällen, im 
Munde der Grenznachbarn, also hier der Meder und später der 
Perser, eine geographisch erweiterte Bedeutung erhielt, die 
offenbar erst im Mittelalter auch in den einheimischen Sprach- 
gebrauch überging: ein fremder, nicht armenischer Ursprung 
des Namens selbst ist daraus aber mit nichten zu folgern.') 
So zeigt sich das ursprüngliche Verbreitungsgebiet des 
ächt armenischen, d. h. des von Medern und Persern zunächst 
mit dem Namen Armina bezeichneten, in der einheimischen 
Tradition durch Armenak von Haik abgeleiteten Stammes be- 
schränkt auf das mittlere Stromgebiet des Araxes oder die 
Ebene Airarat mit den sie unmittelbar in Ost, Nord und West 
umgebenden Berglandschaften.”) Daneben kennt die Sage weiter 
westlich eine zweite Gruppe der armenischen Urzeit angehö- 
riger Localnamen, welche sie unmittelbar auf Haik, nicht erst auf 
Armenak zurückführt, also chronologisch höher hinauf zu rücken 
scheint, obne doch in ihrer Fassung die Erinnerung an eine 
spätere Niederlassung auf fremdem Boden zu verleugnen. Denn 
ausdrücklich heifst bei Moses (I. 12) Armenak ältester Sohn 
Haik’s im Gegensatz zu den jüngeren Xor und Manavaz, 


in der strabonischen Lesart Pavvirıs (XI, 14. 5) zu stecken, womit eine 
armenische Landschaft neben Kaozıavy (in O.) und Basoporneda (Vaspu- 
rakan in W.) an der Grenze Medien’s bezeichnet wird; wenigstens fin- 
det sich unter den 180 Gaunamen bei Moses kein anderer ähnlich klin- 
gender, denn Haband, ein Doppelgau von Siun.ik und Artsax liegt 
doch lautlich noch weiter ab. 


1) Lagarde’s Vermuthung, dafs die Sylbe si, von der Siunik‘ durch 
das im Armenischen gewöhnliche Suffix -un? gebildet sei, den eigent- 
lichen Landesnamen enthalte, sakän aber als persische Pluralform des 
Sakennamens zu erklären sei, setzt doch allzukühn die neupersische (eigent- 
lieh semitische) Art der Zusammensetzung voraus, in einer Zeit aus der 
uns eine ächtarische Composition mit demselben Volksnamen in dem 
Zaxacravn des Isidoros (Segistän, Seistän) in Ost-Erän bezeugt wird. 

2) Die obere Araxes-Thalebene gehört offenbar nicht mehr dazu, 
denn ihr einheimischer Name Basean ist der Tradition fremd und Xeno- 
phon als Augenzeuge kennt die Phasianer als ein fremdsprachiges nicht 


zur armenischen Satrapie gehöriges Volk. 


256 Gesammtsitzung 


denen Haik die erst von Airarat aus eroberten westlichen Ge- 
biete anweist'): von jenem stammt das dem Gau an der Nord- 
ostseite des Sees von Van gleichnamige Fürstengeschlecht der 
Xoryorunik‘, von diesem das der Manavazeank‘, dessen Sitz in 
oder neben dem Gaue Hark’ durch die Stadt Manavazakert 
(noch jetzt Melazgerd) bestimmt wird, von seinem Sohne Baz 
das der Beznunik am Nordwestufer des Sees. In Hark 
aber am östlichen Euphrat weils die Tradition überdiefs von 
einem direkten Denkmale des Urpatriarchen Haik in dem von 
ihm erbauten, auch sein angebliches Grabmal bewahrenden Orte 
Haikasen („Haik’s Bau“), welches man ohne allen Grund als 
Ausgangspunkt des ganzen haikanischen Stammes hat deuten 
wollen. Was in der That im Sinne der Überlieferung vorliegt, 
ist eine doppelte Anknüpfung localer Namen mittelst irriger Ety- 
mologie: der Name Hark‘, wörtlich „Väter,“ den Moses I, 10 
als Wohnsitz der von den Urvätern T’orgom und Haik abstam- 
menden deutet, ist offenbar mit der Form Haik selbst, als ob 
dieselbe aus dem sing. hair, Vater, durch das Deminutivsuffix 
gebildet sei, in Zusammenhang gebracht;?) der Ortsname Hai- 
kasen, ebenso wie ein anderer analog gebildeter aus der öst- 
lichen Nachbarschaft, Haikaberd (Haik’s Burg) sollen nach 
einheimischer Ansicht den Namen des Archegeten bewahren, 
während sie in der That nur den damit identischen Namen 
des Volkes selbst enthalten’) und ebendadurch, wie zahllose 


1) Es ist ganz gegen diesen Wortlaut des Autors und nur eigne 
Combination, wenn Dulaurier (Rev. de l’Or. l. e. p. 98) die Tradition 
von einem Zuge Haik’s (der von Babylon kommt) aus dem Tigristhale 
unmittelbar nach Har!: am Euphrat und von dort erst nach der Araxes- 
Ebene gelangen läfst, was allerdings natürlicher scheint. 

2) Diese auch neuerdings wieder aufgebrachte etymologische Spie- 
lerei, sollte doch durch Fr. Müllers einzig richtige Erklärung (hair: hai 
— patr: patı, also hai —= Herr) definitiv beseitigt sein. 

3) Denn dafs haik in der That nur eine gleichbedeutende Neben- 
form des einfachen haj ist, ergiebt sich aus den abgeleiteten und zusam- 
mengesetzten Wörtern, harka-kan, haika-zean „armenisch“, haika-zarm, 
haik-azn, haik-azean „armenischen Stammes“, neben haja-zin, haja-tsi, 


haj-eren „armenisch“, hajastän „Armenien“ u. a. 


vom 11. März 1869. 23T 


‚analog gebildete Ortsnamen anderer Sprachen, beweisen, dafs 
sie zur Zeit ihrer Entstehung, wenn nicht aufserhalb des arıne- 
nischen Volksgebietes, doch auf der Grenze desselben lagen. 
Am  deutlichsten ist dieses von der „Armenierburg* Haika- 
berd, deren Umgebung geradezu Hajots-dsor. „der Armenjer 
Thal“, (so schon in mythischer Beziehung auf den Sieg des 
Haik über das Heer des babylonischen Belos, Mos. I, 11) oder 
zusammen gezogen Hajudsor') genannt wird; diese Örtlichkeit 
gehört dem Hochlande im Osten des Sees von Van an, der 
Landschaft, welche als Provinz des späteren armenischen Rei- 
ches und im Mittelalter als eigenes Fürstenthum Vaspurakan 
hiels; dafs dieser Name, wiewohl er unter den Einzelnamen 
der Gauen nicht erscheint, schon älteren Ursprungs ist, be- 
weist die offenbar durch gräcisirende Umdeutung daraus ent- 
stellte Form Baroscreö« bei Strabon.”) Diese Landschaft aber 
nennt der griechische Autor neben den östlich benachbarten 
am Araxes, Phaunitis und Kaspiane, ‘von denen schon oben 
die Rede gewesen ist, als eine Eroberung des Artaxias auf 
medischem Gebiete und übereinstimmend damit setzt Ktesias 
Xavwr, d. i. Van, die durch ihre assyrischen Monumente be- 
rühmte Hauptstadt des Reiches, welches uns die Inschriften 
Sargon’s im 8.—7. Jahrh. in dieser Grenzlandschaft am See 
als selbständig neben Urartu bestehend zeigen, nach Medien’). 
In der That also bezeichnet, wie ein Blick auf die Karte 
zeigt, die Lage der „Armenierburg* Haikaberd für die ältere 
Zeit schon die äufserste südliche Grenze des ächt arme- 


1) Indzidzi A. A. p. 199. Alisan, Beschr. von Armenien (Vene- 
nedig 1858) p. 94. Nerses Sarkisean (des ersten europäischen Reisenden, 
der die Örtlichkeit verificirt hat) Reise nach Klein- und Grofs-Armenien, 
Venedig 1864, p. 250 u. Karte. 


2) Was St. Martin entgangen, von Indzidzi aber (A. A. p. 136) schon 
richtig bemerkt worden ist. | 


3) Vgl. was ich darüber Monatsb. 1859, S. 139 gesagt habe. Dals 
Herodot den grofsen Zab aus den Gebirgen Armeniens entspringen 
läfst, steht damit nicht in Widerspruch. 


238 Gesammtsitzung 


nischen Gebietes oder selbst einen Aufsenposten in fremdem 
Volksgebiete, nämlich medischem oder karduchischem.!) 
Ebenso aber darf für dieselbe Zeit Haikasen am östlichen | 
Euphrat als westliche Grenzmark Armeniens angesehen wer- 
den. Denn die den Gau Hark‘ zunächst westlich oder strom- 
abwärts begrenzende Thallandschaft Tarön, bezeichnet Strabon 
in der mehrerwähnten Angabe der Eroberungen des Artaxias 
als ein syrisches Land’) und auf syrische Bewohner in | 


1) Das aus Xen. Arnab. so wohlbekannte Volk der Karduchen selbst 
nennt Steph. Byz., darin vielleicht auch dem Ktesias folgend, geradezu 
ein medisches, und mit Recht, sofern die kurdische Sprache noch jetzt 
ein näheres Verhältnifs zum eranischen Hauptstamme bezeugt, als die ar- 
menische. Daher ist es auffallend, dafs in der armenischen Tradition 
(Mos. I. 15) zu Ende der ersten Periode von zehn Patriarchen, als Sohn 
des Königs Araj, ein Kardos erscheint, dessen Name ihn doch unzwei- 
felhaft als Archegeten dieses Volksstammes kennzeichnet: dafs er in die- 
ser Form einer griechischen Quelle entlehnt ist, beweist die Endung, 
während der helle Vocal der Stammsylbe auf eine ältere syrische deu- 
tet, da die Syrer Xardu, die Armenier Xordu sprechen, — daher bei 
Strabon und den späteren, deren Nachrichten über dieses Volk über Ar- 
menien her eingezogen sein müssen, regelmäfsig der dunklere Vokal, in 
den Formen Kopdovnvot, T’opdunvoi, T’opdvaloı und dem daraus abstrahirten 
Archegeten T'op&vg, während das ältere KapdoVxo: aus der auf syrischem 
Sprachgebiete zuerst vernommenen Singularform und der armenischen 
Pluralendung X’ zusammengesetzt scheint. Aber die freien Karduchen der 
älteren Berichte werden so bestimmt von den Armeniern unterschieden, 
selbst die Gordyäer erscheinen noch in römischer Kaiserzeit, wenn auch 
abhängig von Armenien, doch unter ihren eigenen Stammfürsten, dafs 
man überhaupt nicht begreift, was sie in der armenischen Urgeschichte 
zu thun haben. Sollte vielleicht die genealogische Anknüpfung an den 
Namen Araj ein Mifsverständnifs des syrischen Autors sein, der sie in 
einer älteren Quelle (wie bei Herodot die Meder) als einen Stamm der 


Arier bezeichnet gefunden haben konnte? 


2) Die Erwähnung der Chalyben, Mosynöken, Kataonen als früherer 
Besitzer der westarmenischen Landschaften zeigt, dafs der Autor Volks- 
gebiete, nicht politische Grenzen meint; auch kann das syrische Reich 
der Seleukiden umsoweniger verstanden werden, als demselben ja ganz 
Armenien unmittelbar vor Artaxias Erhebung angehört hatte. Tapwvtrız 


vom 11. März 1869. 2339 


älterer Zeit deutet ebenso die Sage, welche den Namen auf 
die Niederlassung eines Patriarchen Tarban, Sohnes des Sem 
zurückführt.') Den Namen dieses Noachiden glaubten die Ar- 
menier ebenso in dem des Hochgebirges zu finden, welches sich 
südlich der Thalebene von Tarön, das Euphratgebiet von den 
Tigriszuflüssen trennend, erhebt; es wird von Moses (I. 23) 
unter dem Namen Sim als südwestliche Grenze des ältesten 
Armeniens gegen Asorestan (Assyrien und Syrien) und als 
Wohnsitz assyrischer Geschlechter bezeichnet, die ihre Ab- 
stammung auf Sanasar, den nach Assyrien flüchtigen Sohn San- 
herib’s zurückführten.°) Dafs aber die ganze südliche Ab- 
dachung des Gebirges nach dem oberen Tigris zu und die von 
diesem durchströmte Thalebene altsyrisches Land war, würden 
schon die überlieferten Localnamen beweisen,?) wenn auch nicht 
ein ausdrückliches Zeugnils aus dem vierten Jahrhundert von 
den Raubzügen der Hunnen in das von Syrern bewohnte Land 


oder Tapavyirıg bleibt aber die einzig mögliche, einen bekannten Namen 
herstellende und darum mit Recht von den Herausgebern aufgenommene 
Änderung der verderbten Lesart Tapuwvirız, trotz Lagarde’s Widerspruch 
(ges. Abh. S. 188 Note 1), dessen Grund, dafs Tarön keine Grenzland- 
schaft Armeniens sei, durch das oben beigebrachte wohl einige Einschrän- 
kung erleidet und dessen gewaltsame Emendation Tlavfavirızg die Sache 
nicht bessert, da die Landschaft Gozan am Chabur im mittleren Meso- 
potamien zu keiner andern Zeit, als während der kurzen Vereinigung 
ganz Syriens mit Armenien unter Tigranes II. zu diesem Reiche gehört 
haben kann. 

1) Mos. ],6. II, 74, angeblich nach Olympiodoros. Tarban schliefst 
sich lautlich eng genug an die ältere noch bei Prokop vorkommende 
Form Taraun, für deren Diphthong erst im 12. Jahrhundert die arme- 
. nische Schrift ö setzt. 


2) Aus dem Namen Sanasar (im A.T. Sar-eger) soll nach Ansicht 
der Armenier der des Gaues Sasun am südlichen Abhange des Gebirges 
entstanden sein, der sich in dem von Hrn. v. Moltke besuchten Zasu bis 
_ jetzt erhalten hat; zwischen Sasun und Tarön liegt das Gebirge Sim 
auch nach Aristakes von Lastiverd und Thomas Ardzruni bei Ind 
AulA.ıp- 70. 

3) z. B. OeAßaAavn bei Ptol., Thalbasaris, Nararra in der Tab. Peut. 
Maipherakta u. a. bei den syrischen Kirchenschriftstellern. 


[1869.] | 17 


240 Gesammtsitzung 


von Arzun, Maipherakta, Amid und Hanazet (arm. Handzit‘) 
spräche.') Unter dem, unzweifelhaft von dem wichtigsten und 
centralen Gau Arzn ("Aggavyvy der byzantinischen Autoren) ab- 
geleiteten, nur dialektisch verschiedenen Namen Aldsn, plur. 
Aldsnik'‘, erscheint dieses ganze Tigris-Gebiet in der dem Moses 
zugeschriebenen Geographie als eine der 15 grofsen armenischen 
Provinzen, während dasselbe, worauf schon Indäidzi (A. A. 65 ff.) 
mit Recht aufmerksam macht, schon bei älteren Autoren — 
Faustus Byz., der die häufigen Empörungen der Aldsnik‘ gegen 
die armenische Herrschaft erzählt, und Elisaeus — geradezu 
neben Korduk‘, Albanien, Iberien als ein gewissermalsen selbst- 
ständiges, Armenien coordinirtes Land (asyarh) bezeichnet 
wird: ohne Zweifel wegen des nicht armenischen Charakters 
der Bevölkerung.?) | 
Vielleicht ist eine Spur solcher im Westen den Armeniern 
vorangegangener semitischer Bevölkerung, wie wir sie eben 
am östlichen Euphrat in Tarön nachgewiesen haben, auch am 
westlichen Arme dieses Stromes noch weiter gegen Norden zu 
verfolgen: wenn nicht in der Sprache, so wenigstens im Cultus. 
In dem schon dem eigentlichen „Hocharmenien“ (Bardsr-Haik 
in Mos. Geogr.) angehörigen Gebirgsgaue Daranali im Orte 
T’ordan wurde, wie Agathangelos in der Geschichte der Be- 
kehrung Armeniens durch den H. Gregor berichtet, der „weils- 
glänzende (spitakapar) Gott Barsamin?) verehrt; sein 
Bild war hier nach Moses (II. 14, wo der Name Barsam 
lautet) von König Tigran II. im 1. Jahrh. aufgestellt worden, 


1) Dionys. Patr. ad a. 706 (375 p. Chr.) bei Assem. I, 249. 

2) Dafs dieser Landestheil schon bei Herodot und Xenophon, wie 
ich früher nachgewiesen habe (Monatsb. 1857, S. 131 ff.), mit unter 
dem Namen "Apuevia begriffen wird, also wohl auch schon im Beginn 
der persischen, vielleicht schon unter der medischen Herschaft dazu ge- 
rechnet wurde, ist natürlich nur für die damalige administrative Begren- 
zung, nicht für die ethnographische beweisend. | 

3) So die unzweifelhaft bessere, auch durch das Basaununs der grie- 
chischen Übersetzung gestützte Lesart, welche die Mechitaristen in ihrer 
Ausgabe von 1843 nachträglich S. 669 anführen, statt des S. 585 im 
Texte stehenden Barsimnia. 


vom 11. März 1869. 241 


‘der es aus Mesopotamien entführt hatte. In der Mythenge- 
schichte dagegen (I. 14) heifst derselbe Barsam ein ge- 
waltiger Riese, den König Aram in den Ebenen von Aso- 
restan (Assyrien oder Syrien) geschlagen, und den die Syrer 
unter die Götter versetzt haben. Den semitischen Charakter 
des Namens haben zu dieser Stelle schon die Whistons be- 
merkt; namentlich in der volleren Form bei Agathangelos läfst 
sich der allgemein semitische Himmelsgott Baal-samin nicht 
verkennen. Die scheinbar historische Notiz über die Errich- 
tung des Bildes berechtigt nicht an eine ebenso späte Einfüh- 
rung des Oultus zu denken; da wir im übrigen Armenien überall 
nur den nationalen arischen Göttern‘) begegnen, so scheint der 
syrische Cultus vielmehr einen Rest semitischer Bevölkerung 
zu bezeugen. 

Auch sonst fehlt es in dieser Westhälfte des späteren ar- 
menischen Reiches nicht an Zeugnissen für die Mischung mit 
fremden ethnischen Elementen: wie schon Xenophon als Augen- 
zeuge die Bewohner des Nordwestens, Phasianer, Chalyber, 
Taocher, deren Sprache der des Armenischen kundige Dolmetsch 
nicht mehr versteht, von Armenien ausschliefst, so bezeichnet 
Strabon einen ferneren Aufsenring von Grenzlandschaften als 
erst durch Artaxias mit Armenien verbunden: Akilisene als 
ursprünglich kataonisch, Derxene und Karenitis als chaly- 
bisch (chaldäisch), die Paryadres-Landschaft (die er andrer- 
wärts Syspiritis nennt, das Gebiet der Saspeiren bei Herodot) 
und die nördlichsten Grenzgaue gegen Kolchis Gogarene und 
Chorzene?) als früher zu Iberien gehörig und seine Angabe 


1) Vahagn und Astlik in Tarön, Vahagn neben den von den Per- 
sern entlehnten Aramazd und Anahit in Airarat, Mikr (Mithra) unter 
den Parthern eingeführt in Derdian und der Haupttempel der Anahit in 
Erez im Gau KEkeleats (’"Axıdıcyvn oder ’Avairıg) unmittelbar nördlich 
an Daranali angrenzend, so dafs wir im KEuphratthale die Grenze 
zyrischen arischer und semitischer Götterverehrung ziemlich genau be- 
stimmen können. 


?2) Diese ausdrückliche zweimal wiederholte Bestimmung der Lage 
erlaubt nicht mit früheren Erklärern an Xordsean (Procop’s KopLıavnun) 
in der Nähe der Vereinigung der beiden Euphratarme zu denken; der 


ie. 


3 


242 Gesammtsizung 


wird in Beziehung auf die letztgenannten nördlichen Land- 
schaften noch durch die Erfahrung des heutigen Tages bestä- 
tigt, denn die oberen Thäler des Kur und des D£oroy, (Akamp- 
sis der Alten) bewahren bis jetzt theils ausschliefslich, theils 
mit armenischer Mischbevölkerung, die georgische oder iberische 
Sprache. Gegen Westen dagegen, über den Euphrat hinaus, 
ging schon der vorhistorische Zug armenischer Volksbewegung, 
der diese Nation unter dem phrygischen Namen bis an die 
europäischen Gestade trieb, der sich dann nach der Unterwer- 
fung Ostarmeniens unter das intolerante neupersische Reich im 
5. Jahrh. und noch intensiver seit dem Eindringen türkischer 
Stämme im 10. Jahrh. wiederholte und massenhafte armenische 
Ansiedelung in Kleinasien, besonders im östlichen Theile des- 
selben, zur Folge hatte. Diese westliche Richtung war der Wan- 
derung des Volkes schon durch die natürliche Gestaltung des 
Bodens vorgezeichnet, indem die Hochebene und die in west- 
östlicher Richtung streichenden Flufsthäler des Innern der Halb- 
insel ebenso bequeme Wege darbieten, wie die in derselben 
Hauptrichtung streichenden mächtigen Randketten, des Tauros 
im Süden, des Paryadres im Norden, schwer übersteigbare Hin- 
dernisse der Erreichung der Küstenländer entgegenstellen, daher 
wir die türkische Einwanderung im Mittelalter derselben Rich- 
tung folgen sehen: schnell wurden über die innere Hochebene die 
Westküsten der Halbinsel erreicht, viel später erst die Gebirge 
und Küstenländer in Süd und Nord den griechischen und arme- 
nischen Besitzern entrissen. Armenische Bevölkerung wird sich 


bezeichneten Lage dagegen entspricht der zur Provinz Gugark gehörige 
Gau Klardik, georgisch Älardieti, in vollerer und wie es scheint älterer 
Form bei Agathangelos KalardzK (p. 624 des Textes der Mechit. Kadapeoi 
der griech. Übersetz. ed. Stilting, Act. Sanct. Sept. Vol. VII. p. 390); 
nach dieser Form wird es wohl gerathen sein, die an derselben geogra- 
“ phischen Stelle in der ptolemäischen Karte stehende Landschaft Karap- 
Cnvy oder Korap&yvy (deren Namen A. v. Gutschmidt, Rhein. Mus. 1864 
S. 384, auf den Partherkönig Gotarzes zurückführen wollte) in Kadap- 
Cnvn zu verbessern und Strabons XopCyvn als weitere Entstellung davon 
durch Verwechselung mit dem angeführten ähnlichen Gaunamen zu 
nehmen. 


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u vom 11. März 1869. | 243 


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also auch schon in vorhistorischer Zeit im Euphratthale und 
weiter westlich an geeigneten Stellen erobernd und herrschend 
niedergelassen haben, aber nicht zahlreich genug, um alle die 
oben hervorgehobenen Reste früherer Bevölkerung sich zu assi- 
miliren. Folgerichtig wird auch uns die Westhälfte des späteren 
Armeniens als ein später erobertes Land, die Osthälfte und 
namentlich der Kern des Landes um die Araxesebene als der 
_ ältere Sitz dieses Volkes gelten, und die bei Moses aufbewahrte 
Tradition, indem sie diese Thatsache anerkennt und die Grenzen 
der ältesten Niederlassung durch die in der Mythe aneinander- 
gereihten Namen genauer umschreibt, als ein nicht verächt- 
liches Dokument historischer Anschauung syrischer Gelehrten 
aus einer Zeit, über welche nur wenige uns zugängliche geschicht- 
liche Überlieferungen über den Orient hinaufreichen. 


Darauf machte Hr. Pinder unter Vorlegung einer Photo- 
- graphie Mittheilung über die Trümmer von Sanchi Tope in 
Bhopal in Central-Indien. 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 
vorgelegt: 

Württembergische naturwissenschaftliche Jahreshefte. 24. Band. 3. Heft. 
1868. 25. Band. 1. Heft. 1869. Stuttgart 1869. 8. 

Neues Lausitzisches Magazin. 25. Bd. 2. Heft. Görlitz 1869. 8. 

"Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinen-Wesen. XVI.Bd. 5. Lf. 
Berlin 1868. 4. Mit Beilage. 

Max Schultze, Die Stäbchen in der Retina der Üephalopoden und 
Heteropoden. (Bonn 1869.) 8. 

Bavaria: Landes- u. Volkskunde des Königreichs Bayern. V. Band. 
3. Abth. 3. Theil. München 1868. 8. Mit Ministerialschreiben 
vom 5. März 1869. 

Annuaire de l'academie royale de Belgique. Bruxelles 1869. 8. 

American Ephemeris and Nautical Almanac for 1870. Washington 
1868. 8. 


244 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse” 


Archives du Musee Teyler. Vol. 1. Harlem 1868. 8. 


Mancini, Osservazioni e scoverte sopra l'imperatore Pupieno. Napoli 


1869. 8. 


15. März. Sitzung der physikalisch - mathe- 


matischen Klasse. 
v 
Hr. Ehrenberg machte folgende schriftliche Mittheilungen: 
I; 
Über die formenreichen von Hrn. Dr. Jenzsch 
aufgefundenen mikroskopisch-organischen Ein- 
schlüsse im Melaphyr. 


Die von dem Bergrath Dr. Jenzsch in Gotha seit einiger 
Zeit im Melaphyr oder Basaltit von Zwickau und in ähnlichen, 


selbst porphyrartigen, Gebirgsmassen in Thüringen bei Friedrichs- 


rode und bei Halle aufgefundenen organischen Einschlüsse mikros- 
kopischer Gestaltung sind mir seit wenig Tagen erst zur eigenen 
Anschauung und Beurtheilung gekommen. Die mannigfache 
gro[se Schwierigkeit, gleichartige Urtheile von Beschauern eines 
und desselben Naturverhältnisses zu erlangen, die ja auch. in 
anderen Gebieten oft recht auffällig und störend hervortritt, 
steigert sich, wie ich schon seit vielen Jahren lebhaft hervor- 
gehoben habe, bei dem Urtheil über mikroskopische Verhältnisse. 
Das sogenannte Eozoon, die sogenannte Cholerapflanze, Beurthei- 


lung der Hefe, der Zellen und vieler anderer Dinge sind jetzt - 


nicht weiter auszuführende Beläge für derartige Schwierigkeiten, 
welche mich veranlafst haben eine Rundschau dieser Erscheinun- 
gen ohne Arbeitstheilung unter mehrere Hülfskräfte zu versuchen. 
Es schien vielmehr immer nothwendig, ein einziges aber scharf 
begründetes Urtheil für den Einzelnen in Geltung zu erhalten. 
So sind auch im gegenwärtigen Falle die Urtheile weit ausein- 
ander gehend und es tritt die Nothwendigkeit hervor, die zur 
Kenntnils gekommenen neuen Thatsachen einer übereinstimmen- 
den Beurtheilung zugänglich zu machen. 


vom 15. März 1869. 245 


Aus den neuen Thatsachen ist jedenfalls unzweifelhaft 
hervorzuheben, dafs dieselben ein ansehnliches Interesse ein- 
schliefsen und eine glückliche Bereicherung unserer wissen- 
schaftlichen Kenntnisse sind. Herr Bergrath Jenzsch hat in 
krystallhellen, doppelt lichtbrechenden Einschlüssen des Mela- 
phyrs sehr zahlreiche Formen nachgewiesen, welche sowohl 
unzweifelhafte fragmentarische Pflanzenelemente, als ganz be- 
sonders schön erhaltene selbstständige kleine Thierorganismen 
darstellen. In einer besonderen kleinen Schrift vom vorigen 
Jahre hat derselbe diese Beobachtungen mit vielerlei Details 
vorläufig angekündigt und im neuesten Hefte der Dresdener 
Zeitschrift Isis findet sich ein Auszug seiner Mittheilungen 
vor der Gesellschaft der Naturforscher in Dresden im gleichen 
Jahre. Das Wichtige dieser Mittheilungen besteht in einer 
scharfen Auffassung sehr eigenthümlicher mikroskopischer 
Lebensformen aus einer der jedenfalls früheren Bildungs- 
perioden der Erdrinde. Zwar sind dergleichen Erkenntnisse 
schon in verschiedenen älteren Gebirgsverhältnissen, in Halb- 
opalen der Tertiärzeit, in Feuersteinen, sehr wahrscheinlich 
der Kreide, in Hornsteinen des Coralrags und auch in dem 
schwarzen lydischen Stein der Steinkohle von Potschappel, im 
Bergkalk und in den Grünsanden der silurischen Gebirge fest- 
gestellt worden; ja sogar die bisher erkannten Genera der Tbier- 
gestaltung waren bis zur Steinkohle den. neu hinzutretenden 
keineswegs fremdartig. Dennoch sind meinen Prüfungen ge- 
mäls die neu gewonnenen Formen durch ihre grofse Klarheit, 
ihre Menge und ihren Einschlufs in krystallhelle quarzartige 
Verhältnisse, welche Hr. Jenzsch auch Fettquarz genannt hat, 
einer wie sehr auch problematischen und gemischten, doch mäch- 
tigen Felsart besonders merkwürdig. 

Die mir zur Ansicht vorgelegten Exemplare schlies- 
sen sich sämmtlich, so weit sie Thierorganismen angehö- 
ren, an die Polygastern- Gattung Peridinium an, deren einige 
mit hörnchenartigen Fortsätzen versehen sind, andere fast 
kugelrund dergleichen entbehren. Dieselben Verschiedenhei- 
ten der Gestaltung finden sich bei den noch jetzt lebenden 
Peridinien. Bei den gehörnten fehlen "oft einzelne Hörner 
und deren Länge ist sehr verschieden. Ganz ebenso zeigten 


246 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


sich im Jahre 1836 schon die Peridinien der Feuersteine und 
des Coralrags mit und ohne Hörnchen, wie es 1836 in den 
Abhandlungen der Akademie und 1854 in der Mikrogeologie 
erläutert und abgebildet ist. Die schön krystallhellen Quarz- 
theile im Melaphyr sind trüber in den C'halcedonen und Feuer- 
steinen, obschon auch deren Formen, sowohl massenhaft zahl- 
reich, als auch hier und da schön erhalten, erkennbar waren. 
Sehr richtig wird von dem Beobachter der neuen Verhältnisse 
wieder hervorgehoben, dafs sowohl in den Feuersteinen als in den 
Hornsteinen des Coralrags Meeresformen beigemischt oder über- 
wiegend sind, während die Quarztheile des Melaphyrs nur Süls- 
wasserformen einschliefsen. Diese letztere Erscheinung ist auch 
am lydischen Stein von Potschappel hervorgetreten und be- 
zeichnet die Halbopale von Bilin in gleicher Art. Überraschend 
waren mir die vom Entdecker vorgelegten, dicht beisammen lie- 
genden Gröfsenverschiedenheiten gleichartiger Formen, welche 
unzweifelhaft zu erkennen gaben, dafs bei denselben Jugend- 
und Alterszustände nicht differiren. Sehr schön erhalten er- 
kannte ich das an seiner Mittelfurche jederseits mit einem wa- 
gerechten Spitzchen versehene, nach hinten etwas stielartig aus- 
laufende, vorn abgerundete Körperchen, vom Entdecker Tricolos 
Melaphyri genannt, welches mich sofort als ein ganz unbe- 
kanntes Glied der Peridinien-Gattung ansprach. Ebenso deut- 
lich und schön erhalten war das von Herrn Jenzsch mir in 
vielen Exemplaren vorgezeigte, von ihm ARynchopristes Mela- 
phyri genannte kugelartige Thierchen, welches meist mehrere 
dunkelschwarze kleine Kugeln sehr regelmäfsig enthielt. Das- 
selbe war in einem Exemplar mit in Zerstörung begriffenen 
anscheinenden Zellgewebstheilen irgend eines feinzelligen, orga- 
nischen, doch wohl pflanzlichen, Verhältnisses begleitet. 

Eine dritte mir vorgelegte Form aus diesen Verhältnissen 
ist die von dem Entdecker Tricolos Thuringiae genannte Gestalt, 
welche derselbe, wie das erstere, als ein fossiles Räderthier be- 
- zeichnet hat. Diese Form soll ein aus einem Futteral hervor- 
tretendes grofses Räderwerk mit zwei Respirationsröhren, wie 
sie bei Melicerta vorhanden sind, darstellen. Auch diese Form 
ist in einigen ihrer Theile sehr deutlich, allein das sogenannte 
Futteral erschien mir als ein am Vorderende zweihörniges ge- 


vom 15. März 1869. 247 


täfeltes Peridinium, welches seiner Natur nach mit dem soge- 
nannten danebenliegenden Räderwerke nicht in Verbindung ge- 
dacht werden kann und. welches am Hinterende ebenfalls in 
einen kurzen Stiel ausläuft. Ich kann nur wiederholen, dafs 
diese drei, von mir aufmerksam betrachteten, Gestalten des Me- 
laphyrs zu den deutlichsten und best erhaltenen mikroskopischen, 
in feste Massen eingeschlossenen, Lebensformen gehören, die ein 
um so grölseres Interesse haben, als sie Einschlüsse in ein 
grolses massiges Gebirgsverhältnils sind, welches Erdbildungen 
-durchbricht und überlagert, die man gewohnt ist in die erste 
Bildungsperiode des organischen Lebens einzureihen. 

Dafs diese drei Hauptformen, deren Analoga bereits in den 
Kreidefeuersteinen von Delitzsch bekannt worden sind, bisher unter 
den lebenden und fossilen ganz unbekannte Gestalten sind, welche, 
wenn man nicht unmotivirte, mafslose generische Zerspaltungen 
eintreten lassen will, nicht anders, als getäfelte oder ungetäfelte, 
gehörnte oder ungehörnte Peridinien bezeichnet werden sollten, 
erhöht das Interesse, welches sie gewähren. Dafs diese fossilen 
Formen sich nach Herrn Jenzsch generisch von der Gattung 
Peridinium durch einen convexen mittleren Wulst, anstatt einer 
concaven mittleren Rinne, unterscheiden sollen, erscheint mir 
nicht als ein wesentlicher Charakter, da diese Furche bei den 
lebenden Formen deutlich vertieft und offen ist, bei den fossilen 
aber durch inneren und äufseren Druck der Erfüllungsmasse 
leicht undeutlich wird. Ebenso mag nun das fragliche Peridi- 
nium Monas sammt dem Peridinium Lithanthracis und den Chae- 
thotyphlis der Steinkohle, welche 1845 und 1849 verzeichnet 
worden sind, eigenthümliche Formen der frühesten Erdbil- 
dung wirklich darstellen. Fast mehr noch als die Eigenthüm- 
lichkeit der Formen hat mich der zweite Charakter dieser Be- 
obachtungen zu einem hohen Interesse bewegt, der Charakter 
nämlich, dafs diese deutlichen organischen Einschlüsse durch 
ihre auffallende Durchsichtigkeit, sowohl ihrer Linien, als der 
Substanz in welcher sie vorkommen, an der Grenze fast alles 
des mit der Sehkraft Wahrnehmbaren liegen. Dieser Umstand 
gebietet allen Forschern daran zu denken, dafs selbst ganz 
durchsichtig erscheinende Verhältnisse fester Stein- und Gebirgs- 
arten möglicherweise eine Quelle unerwarteter Aufklärungen 


248 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


über feinste Lebensverhältnisse werden können. Über die mir 
weniger deutlich anschaulich gewordenen, angeblich reichen Pflan- 
zenverhältnisse, deren geringe Klarheit Veranlassung geworden, 
dafs man die ganzen Ergebnisse dieser Forschung als unbrauch- 
bar ansah (s. Dresdner Tagesblatt. 1869 13. Februar) glaube 
ich mit Hinsicht auf das so eben ausgesprochene weggehen zu 
können. 

Ich kann diese kurze Mittheilung über die neuen Erkennt- 
nisse der Verbindung des unsichtbaren Lebens mit grofsen Ge- 
birgsmassen und ihren, wie wandelbar man alle Gebirgsmassen 
auch ansehen möge, wichtigen Einflufs auf herrschende Vor- 
stellungen nicht abschliefsen, ohne nochmals auf jene Hinder- 
nisse hinzuweisen, welche durch verschiedenartige Beurtheilung 
eines und desselben Gegenstandes von verschiedenen Beobach- 
tern die ruhigen wissenschaftlichen Betrachtungen der Natur 
beeinflussen. Wenn manche Melaphyr-Einschlüsse nach Dr. 
Jenzsch kleiner Schrift: „Über eine mikroskopische Flora und 
Fauna krystallinischer Massengesteine 1868* die Vorstellung in 
ihm erwecken, dafs nach pag. 19 das pflanzliche und thierische 
Leben gleichzeitig, anstatt des Wassers, in einem flüssigen Ver- 
steinerungsmittel (colloidale Kieselsäure) bis zum Momente der 
Krystallisation sich fortentwickelt habe, dafs Räderthiere mit 
ausgespannten Räderorganen in Quarz gebettet klar vorliegen, 
dafs man aus halb zerstörten Pflanzen auf unsichtbare sägende 
Rüssel und von verschiedenen Gröfsenverhältnissen auf einen 
sichtbaren Generationsakt und ein bisher unbekanntes doppeltes 
Geschlecht bei Peridinium-artigen Thieren schliefsen dürfe, so 
fühle ich mich doch gezwungen, ein Widerstreben meiner Auf- 
fassung derselben Gegenstände hierbei auszusprechen. Sobald 
man der Phantasie in diesen feinen Einzelheiten der Natur 
einen Spielraum gestattet, welcher über die unmittelbarsten An- 
schauungen und Ermittelungen auch nur wenig hinausgeht, so 
treten alsbald jene Wunderbarkeiten in die Wissenschaft, gegen 
welche eben das Mikroskop zu Hülfe gezogen wird. Alle mir 
sehr wohlbekannten lebenden Räderthiere haben die Eigenthüm- 
lichkeit, dafs sie überaus empfindlich sind gegen die leisesten 
Veränderungen ihrer Umgebung, auch der Flüssigkeit, in welcher 
sie leben. Dafs bei so tiefen Eingriffen in die natürlichen Ver- 


vom 15. März 1869. 249 


hältnisse so zarter Formen, wie sie das Versteinern bedingt, 
nicht Contraktion sondern Expansion erfolgt sei, ist meinen 
Vorstellungen unzugänglich und ich mufs mithin dem Beobach- 
ter dieser Verhältnisse, so wenig ich auch vielerlei glatte und 
punktirte Linien und feine neben den Peridinien liegende, mir 
unerklärliche, Zeichnungen läugne, es überlassen, dieselben 
immer klarer zu entwickeln. 

Ebenso berühre ich nicht weiter die durch eine lebhafte 
Einbildungskraft des Verfassers verzeichnete Conjugation und 
Struktur jener algenartigen Gebilde, welche in der Schrift 
pag. 12 erwähnt werden, denen etwas Positives und Beachtens- 
werthes auch meinen theilweisen Anschauungen nach zum Grunde 
liegt, die aber zu klarer Beurtheilung keine Berechtigung geben. 

Unerläfslich scheint es mir noch hinzuzufügen, dafs diese 
neu gewonnenen Anschauungen nicht besondere mikroskopische 
Vorrichtungen dringend verlangen, wie es nach der kleinen 
Schrift als Bedingung der Erkenntnils erscheinen könnte. Zwar 
sind die von Hrn. Jenzsch angezeigten besonderen Vorrich- 
tungen gewils mannigfach förderlich, allein die Formen lassen 
sich mit dem gewöhnlichen Schiek’schen Mikroskop, welches 
ich meist benutze und somit offenbar mit allen guten Mikro- 
skopen scharf auffassen, indem nur die gewöhnlichen Verände- 
rungen der Blende und Spiegelbeleuchtung für diese überaus 
durchsichtigen Gegenstände verlangt werden. Als ich das far- 
big polarisirte Licht auf die krystallhelle Grundmasse, welche 
die Körperchen enthält, anwendete, zeigte die Grundmasse sich 
mehrfach einfach lichtbrechend, nur am Rande hier und da bei 
unregelmäfsigen Bruchflächen sehr lebhaft farbig. Man darf 
vielleicht daraus schliefsen, dafs diese Grundmasse nicht ur- 
sprünglich krystallinischer Quarz, sondern dem gemeinen Opal 
ähnlich war und sich allmälich, wie es 1858 p. 118 in den 
Monatsberichten erläutert wurde, in ein krystallinisches, doppelt 
liehtbrechendes Verhältnifs umgewandelt hat, wie ja schon längst 
bekannt ist, dafs Chalcedone oft nur theilweis eine doppelt 
liehtbrechende, krystallinische Eigenschaft besitzen. Da schon 
von der Moya von Quito an in sehr verschiedenen trachytartigen 
neuen und neuesten vulkanischen Auswürflingen, ja selbst im 
eingeschlossenen Schaumstein einer Bombe des Kammerbühl 


250 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


bei Eger, mikroskopische Formen in ganz und gar verschie- 
dener Anhäufung, nachgewiesen worden sind, auch die leicht 
vergleichbaren Süfswasser-Infusorien-Schichten, welche am Ha- 
bichtswalde bei Kassel mit vulkanischen Tuffen abwechseln, 
sowie auch die am Fallriver in Oregon Porzellanerde genannten 
mächtigsten Schichten von Süfswasserformen, welche, nach 
Fremont, mit 100 Fufs hohem Basalt überlagert sind, so ist 
weniger die Existenz auffallend-heterogener Verbindungen im 
Melaphyr überraschend, als vielmehr der Nachweis von organi- 
schen Formen in so schöner Erhaltung und deren so eigen- 
thümliche von den jetzt lebenden Formen abweichende Gestal- 
tung, welche allerdings auf das höhere Alter des Melaphyrs 
einen vorsichtigen Schlufs zu machen erlaubt. Es können wohl 
diese Formen aus älteren, vom Melaphyr durchbrochenen und 
überlagerten Schichten einer früheren Zeit, dem Rothliegenden oder 
der Steinkohle, aber nicht aus jüngeren Verhältnissen stammen. 

Da schon hier und da die Vorstellung erweckt worden 
ist, als existire sogar noch ein mikroskopisches aktives Leben 
in Massengesteinen der Gebirge und da die so klar erhaltenen 
neuesten mikroskopischen Organismen des Melaphyrs eine solche 
Vorstellung begünstigen könnten, so halte ich für nicht unan- 
gemessen hervorzuheben, dafs bei keiner der von mir zahlreich 
nun selbst beobachteten Formenarten des Melaphyrs irgend ein mit 
Speise erfülltes Individuum vorgekommen. Alle von mir ge- 
prüften Formen aus dem Melaphyr zeigten sich als leere 
Schaalen und nur in dem mit dem unhaltbaren Namen Ryncho- 
pristes genannten Körperchen waren schwarze Kugeln sichtbar, 
welche zwar von Dr. Jenzsch für Eikeime gehalten worden 
sind, die sich aber an die fälschlich für Eier gehaltenen Kugeln 
von schwarzem Schwefeleisen und buntem Eisen-Silikat in 
leeren Polythalamien-Schalen anreihen,. die ich bei Gelegenheit 
des Grünsandes mit Abbildungen erläutert habe, Abh. d. Akad. 
1855. p.128 Taf. VII, wenn es nicht vielleicht bei Peridinien mehr- 
‘ kammerige Luftblasen sind. Was die angeblichen Räderthiere an- 
langt, so fehlt nicht nur Speise im Innern, als Charakter lebender 
Formen, sondern auch das der grofsen Mehrzahl dieser Gestal- 
ten zugehörige grellrothe Auge sammt den übrigen Organisa- 
tionstheilen. 


. vom 15. März 1869. 251 


Sieht man ab von diesen und ähnlichen Anlässen zu ver- 
schiedenartigen unsicheren Deutungen der Lebensverhältnisse 
dieser mikroskopischen Formen und vergleicht man damit die 
mancherlei Nebel- und Wolkenumhüllungen, welche die Insekten 
des Bernsteins nicht selten “begleiten, und die durch Anfangs 
vorhandene, allmälig immer kleiner werdende Luftblasen ein 
concentrisches Gefüge erlangen können, so ist meinerseits nur 
auszusprechen, dafs in der neueren Zeit keine so klare Bestä- 
tigung der Existenz mikroskopischer Lebensformen in wichtigen 
Gebirgsschichten vorgekommen ist, als die, welche Hr. Jenzsch 
so glücklich gewesen im Melaphyr zu finden, zumal seiner Mit- 
theilung nach diese Auffindung nicht in Geschieben, sondern in 
kleinen, oft aber auch zollgrofsen Einschlüssen des massigen 
schwarzen Melaphyrs bei Zwickau, aber auch in Gängen des 
Porphyrs in Thüringen und im Porphyr selbst bei Halle, wie 
er mündlich mir gesagt hat, stattgefunden hat. 

Da sich schon längst der nasse Auswurfsschlamm der 
Moya in Quito nicht, wie es dem ersten Beobachter Anfangs 
geschienen, als ein Urgraphit aus dem Innern der Erde er- 
wiesen hatte, vielmehr als wirkliche, zum Brennen sich eignende 
Pflanzenkohle von Gras- und Holztheilen erkannt worden war 
und wie ja selbst Pimelodus Cyclopum, als lebender Fisch, im 
direkten Auswurfstoffe von Alex. von Humboldt aufgezeichnet 
war, so scheint es auch nicht die geringste Schwierigkeit zu 
haben, sich den Melaphyr als zähflüssigen Eruptivstoff einer 
weit früheren Periode zu denken, welcher mit fremden Ein- 
schlüssen sich verbreitet hat. So können ja, unbeschadet alles 
Vulkanismus und Plutonismus, in sekundär-quarzigen Einschlüssen 
organische Spuren der verschiedensten Art enthalten sein. Solche 
organische fremde Einschlüsse sind auch nicht vergleichbar den 
öfter vorkommenden metallischen Einschlüssen im krystallinischen 
Quarz, etwa wie Gold und Silber. Vielmehr ist auch der 
kleinste organische Einschlufs einer geprägten Gold- oder 
Silbermünze vergleichbar, zuweilen wohleiner mit Jahres- 
zahl versehenen. So sind eben in diesem Falle die erkannten 
organischen Formen, weil sie bisher ganz unbekannte Gestal- 
tungen, aber doch mit den jetzt lebenden noch übereinstimmende 


252 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Gattungs-Charaktere zeigen, von einem besonders erläutern- 
den Einfluls. | 

Der Name Tricolos für neue Räderthierchen läfst sich 
deshalb nicht rechtfertigen, weil die für Futterale gehaltenen 
Theile schön erhaltene neue Peridinien-Arten sind, welche 
zwar ihrer Täfelung und conischen Gestalt halber einige Ähn- 
lichkeit mit Anuraea stipitata der gepanzerten Räderthiere haben, 
aber sonst ohne alle Übereinstimmung der wesentlichen Charak- 
tere solcher Räderthier-Panzer sind. Auch die sogenannten Weich- 
theile der Räderwerke dieser Räderthiere haben zwar einige 
‘ Formenähnlichkeit mit solchen hervorstehenden ausgebreiteten ° 
Räderorganen, allein es fehlt diesen theils glatten, theils punk- 
tirten feinen Lineamenten jede Andeutung der starken Musku- 
latur solchen Körpers und seines anderweitigen reichen Or- 
ganismus. Die Formen mögen als Peridinium Melaphyri 
Jenzsch und Peridinium Thuringiae Jenzsch ihre weitere Ver- 
wendung und Anerkennung finden, während die feinen Linea- 
mente weiterer Entwickelung ihrer andersartigen Bedeutung 
entgegensehen, zumal auch die für Zahnplatten im Räderwerk 
gehaltenen Theilchen nicht, wie bei den Räderthieren, die deut- 
lichsten, sondern die undeutlichsten und unsichersten Gegen- 
stände sind. 

Was die zierliche Form der zahlreichen Rynchopristes an- 
langt, so fehlt den krystallhellen getäfelten Kugeln, welche den 
Mittelkranz der Peridinien ebenfalls zeigen, jede Spur frisch 
aufgenommener, wie es heilst ausgesägter, Nahrung sammt der 
Säge, welches die sichtbarsten Theile des Organismus sein 
sollten. Die überaus feinen Befruchtungsorgane, sammt dem 
Sperma, habe ich ebenfalls nicht bestätigen können, allein die 
dunkelschwarzen Kugeln, welche für Brutkeime gehalten werden, 
sind sehr deutlich. Im Jahre 1778 sah Freiherr von Gleichen 
solche Kugeln der Vorticellen auch für Eibildungen an, die er 
Sekundeneier nannte und deren Auskriechen er zu beobachten 
_ versuchte (Infusionsthierchen pag. 270). Es war aber umsonst, 
da die Eier die mit Speise erfüllten polygastrischen Magen- 
zellen und deren Excremente waren. Ganz ähnliche Kugeln 
wurden 1854 für die durch Säure und kaustisches Kali unzer- 
störbaren Eier der Polythalamien gehalten (Abhandl. d. Akad. 


vom 15. März 1869. 253 


1854). Es waren aber dies die Anfänge der Steinkernbildung 
die als Eisensilikat nachgewiesen wurden. So erscheinen auch 
die Kugeln der Rynchopristes (Peridinium Jenzschü). Da bisher 
nie dergleichen wahre Keimgebilde in verwandten Formen nach- 
gewiesen sind und diese Kugeln nur Silicat-Anhäufungen oder 
- Luft zu sein scheinen, so wird es auch stets eine unfruchtbare 
Bemühung bleiben, das Ausschlüpfen der Jungen beobachten 
zu wollen. So ist denn die Vorstellung, dafs die neu gewon- 
nenen Thatsachen von denen des schon Bekannten wesentlich 
abweichen, nicht annehmbar. 

Indem ich der Akademie diese Mittheilungen über so merk- 
würdige fossile Lebensformen in massigen Gesteinen, von Hrn. 
Dr. Jenzsch erkannt, vorlege, bin ich mir wohl bewulfst, dafs 
die Mittheilungen des Beobachters, weil sie noch nicht in voller 
Umständlichkeit und Klarheit vorliegen, in geognostischer und 
mineralogischer Hinsicht noch mancherlei Erläuterungen ver- 
langen und gewisse Schwierigkeiten auszugleichen haben. Da 
aber kein Zweifel in mir obwaltet, dafs die zur Beurtheilung 
gekommenen zahlreichen Formeneinschlüsse völlig klar vorliegen 
und von überraschend unbekannter Gestaltung sind, so empfehle 
ich diese Thatsachen als einen guten wissenschaftlichen Fort- 
schritt, ohne mich den gedruckten Folgerungen und anderwei 
tigen Deutungen des eifrigen und verdienstlichen Beobachters an- 
zuschliefsen. 


1. 
Weitere Entwickelungen aus den vom Schiffe 
„Germania“ bei seiner Nordfahrt unter Kapitain ' 
Koldewey’s Führung gehobenen Grundproben. 


Nachdem ich im December vorigen Jahres von den 39 
Grundproben, welche Kapitain Koldewey eingesammelt hat, die 
Nachricht mitgetheilt habe, dafs 17 davon nur gröbere steinige 
Elemente ohne Schlammanhang enthielten, so ist seitdem auch 


die andere Reihe von 21 Proben mit Ausfall der 22sten in 


eine Übersicht gebracht worden, In einer beigefügten Tabelle 
werden die Lokalitäten und die Tiefen des Grundes, aus denen 
die Proben gehoben worden, anschaulich gemacht; in einer an- 


254 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


deren Tabelle verfehle ich nicht die Bestandtheile der Grund- 
verhältnisse nach mikroskopischen Analysen aller einzelnen 
übersichtlich vorzulegen. Diese Analysen erschöpfen keines- 
wegs den Mischungsgehalt jener örtlichen: Bodenverhältnisse, 
sondern sind nur geringfügige Vorläufer weiter nöthig werden- 
der Forschungen, wenn das Lebensbild jener Gegenden und 
Tiefenverhältnisse weiter entwickelt werden soll. Es möge nur 
dazu dienen, zu erkennen zu geben, dafs ein vielgestaltiges 
massiges Lebensverhältnifs in den Tiefgründen vorhanden ist, 
welches sich dem natürlichen menschlichen Auge ganz entzieht. 

Da in der genannten zweiten Tabelle alle einzelnen Ört- 
lichkeiten in ihrem in kurzer Zeit erreichbar gewesenen Lebens- 
gehalt gesondert neben einander gestellt sind, so wird ein ein- 
ziger Blick schon hinreichen, die vorherrschenden oder verein- 
zelten, daher für das Ganze mehr oder weniger wichtigen klein- 
sten Lebenselemente erkennen zu lassen. Im Ganzen haben die 
21 Grundproben, von denen meist nur 5, zuweilen aber 10 Ana- 
lysen stecknadelkopfgrofser 42" Theilchen, nach der von mir ge- 
übten Weise bis in alle Einzelheiten ihrer Elemente geprüft worden 
‘sind, 21 Polygastern, 14 namhafte und mehrere jugendliche, 
nicht nennbare Polythalamien, 3 Polycystinen, 19 Phytolitharien, 
sämmtlich Spongolithen, 2 Geolithien, 5 Zoolitharien und einen 
weichen Pflanzentheil ergeben, mithin im Ganzen 24 Formen. 
Die schwierige und saubere Reinigung des Tiefgrundschlammes 
vom Talg verdanke ich der freundlichen Hülfe Hrn. Rammels- 
bergs durch einen seiner Assistenten im. chemischen Labora- 
torium der Gewerbe- Akademie. 

Aus dem Verzeichnifs ergiebt sich, dafs die vorherrschen- 
den organischen Formen jener Tiefgründe Spongolithen und 
Polythalamien sind. Eine der Spongolithen-Formen ist mit 
Ausnahme von 3 Nummern in allen Proben erkannt worden 
und diese Spongolithis acicularis ist die verbreitetste Kieselnadel- 
form in allen, ein Kieselskelet führenden, Spongiaceen. Wenn 
man nun auch aus dem Vorherrschen und allseitigen Vorkom- 
men der Spongolithen zu schliefsen berechtigt ist, dafs im Po- 
larmeer jener Gegenden die kieselskelethaltigen Spongien eine 
egrofse Entwickelung haben, so ist doch andererseits die Über- 
einstimmung der meisten erkannten Formen mit den überall 


vom 15. März 1869. 255 


sehr verbreiteten aller Meere auffällig. Dennoch giebt es aber 
unter diesen Formen einige, welche auf das Vorhandensein bis- 
her unbekannter Gestaltungen schliefsen lassen. Zu diesen ge- 
hören ganz besonders Spongolithis bifrons n. sp., vielleicht auch 
eine Varietät der Spongolithis Pulsabulum und der Sp. clavus 
var. b. Da auch der ausgezeichnete Naturforscher Professor 
Loven in Stockholm bereits generisch eigenthümliche Schwamm- 
formen 1868 aufgezeichnet hat, so bestätigt sich damit dieser 
Formengehalt des Porlarmeeres, welcher durch wenige bei Linne- 
Gmelin u. A. verzeichnete Formen bekannt war. Die Litho- 
‚sphaeren gehören offenbar Schwämmen aus der Gattung Geodia 
oder ähnlichen von dort noch nicht bekannten Formen an. 

Nächst den Spongolithen befanden sich in 12 der genann- 
ten Lokalitäten kalkschalige zuweilen sehr zahlreiche Polytha- 
lamien, in 15 Lokalitäten haben sich Polygastern aus der Klasse 
der Bacillarien zu erkennen gegeben; ferner fanden sich in 2 
- Lokalitäten Polyeystinen und Geolithien in 2 Lokalitäten, be- 
sonders ansprechend sind noch kalkerdige Zoolitharien aus 4 
Örtlichkeiten, welche Strahlthieren der Klasse der Korallen 
oder Holuthurien angehören mögen, vielleicht auch sogenannten 
Kalkschwämmen. [I 

Das allgemeine Resultat ist, dafs sämmtliche Formen schon 
bekannten Thierklassen' angehören und dafs auch im Verhält- 
nils nur wenige dieser Formen bis jetzt unbekannt gebliebene 
Arten sind. Die Zahl dieser neuen Arten beträgt 8 Polytha- 
lamien, 1 Polygaster, 3-—4 Spongolithen, 3 Zoolitharien, zu- 
sammen 15—-16 Arten. Besonders interessant ist noch der 
Gesichtspunkt, ob in den in Übersicht genommenen Grundver- 
hältnissen wirklich lebende Formen vom Grunde gehoben sind. 
Es ist kein Zweifel geblieben, dafs in verschiedenen kalkscha- 
ligen Polythalamien und auch in kieselschaligen Polygastern 
eine gelbbraune weiche Erfüllung bei der Revision derselben 
anschaulich geworden ist, so wie sie aus den Tiefgründen der 
Davis - Strafse am Eingange der Baffins Bay, ebenfalls und auch 
anderwärts reichlich erkannt worden ist. Vergleicht man die 
im Jahre 1861 (Monatsbericht pag. 280) von mir der Akademie 
vorgelegten Verzeichnisse des Tiefgrundlebens der Davis-Strafse 
und ihrer Umgebung nahe dem 60. Breitengrade, so finden sich 

[1869.] ar 


256 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


in denselben von den dort verzeichneten 189 Formen 18 mit 
den jetzigen übereinstimmende Arten. Alle übrigen gehören 
aber. nördlicheren, bis dahin nicht gekannten  Breitenverhält- 
nissen an, haben aber zum Theil eine weitere Verbreitung in 
allen Oceanen. Da ich schon im Jahre 1854 in der Mikro- 
geologie von Island und auch von Spitzbergen bis ungefähr 
zum 79. Breitengrade und später von Assistance Bay und an- 
deren Punkten Mittheilungen gemacht habe, so liegt ein beson- 
deres Interesse an den noch höher im Norden gelegenen Tief- 
gründen, welche die Reise des Kapitain Koldewey berührt hat. 
Solche Formen, welche vom 80. bis 81. nördl. Breiten- 
grade bis jenseits Spitzbergen aus den Tiefgründen gehoben 
sind, betragen nach dem hier mitgetheilten Verzeichnifs im 
Ganzen 27 Arten; 13 Polygastern, 9 Spongolithen, 2 Geolithien, 
1 Polyeystine und 2 Polythalamien. Alle diese Formen sind 
nicht aus sehr grofsen Tiefen, alle unter 100 Faden = 600 
Fufs, Recht sehr wünschenswerth wäre es, dafs die von den 
schwedischen so verdienstvollen Naturforschern und Seefahrern 
neuerlich gehobenen Grundproben aus 2100 Faden Tiefe 
— 12,600 Fufs mit aller Sorgfalt ebenfalls mikroskopisch 
geprüft würden. Gegen jene alte Vorstellung, dafs das Po- 
larmeer ohne Tiefe sei, was durch die unterseeische Hoch- 
ebene von Island bis Spitzbergen, welche daselbst eine ge- 
ringere Tiefe bedingt, hervorgegangen sein mag, sind nun- 
mehr zwei unvergleichbar tiefere Einsenkungen des Grundes, 
sowohl in der Davis-Straflse, wo von 12,540 Fufs Tiefe Grund 
gehoben und analysirt worden, als von jener Hebungsstelle der 
schwedischen Nordpolfahrer, zur Kenntnils gekommen. Der 
Mangel an Grundhebungen in früherer Zeit erlaubt an grofse 
Irrthümer bei allen Tiefmessungen zu denken und es tritt jetzt 
die Vorstellung nahe, als könnte wohl, vom nördlichen Meeres- 
grunde: aus gedacht, Spitzbergen ein dem Montblane ähnliches, 
- mit manchen anderen gleichartigen Inselerhebungen schroff 
enıporsteigendes Alpenland sein. In den Monatsberichten vom 
Jahre 1861 ist zu meinem Vortrage über die Grundhebungen 
in der Davis-Stralse eine kleine Situations-Karte beigegeben, 
in. welcher die damaligen, die unterseeische Telegraphenlinie 
betreffenden, örtlichen Untersuchungen vergleichbar sind. 


vom 15. März 1869. 257 


+ Als allgemeineres Resultat der mikroskopischen Analyse 
_ der ‘von der „Germania“. gehobenen Grundproben, läfst sich in 
Vergleichung mit den früheren aus dem atlantischen Ocean und 
dem mexikanischen Golfe bei Florida und der Davis- Strafse 
von 1853 bis 1861 mitgetheilten Ergebnissen besonders hervor- 
heben, dafs die damals gewonnene Ansicht über das in der 
Tiefe zunehmende Vorkommen der Polyeystinen dadurch be- 
stätigt wird, dafs diese neuesten, im Verhältnifs geringen Tief- 
gründe des isländisch - spitzbergenschen, unterseeischen Hoch- 
plateaus fast gar keine Polycystinen, welche in den grofsen 
Tiefen der Davis-Strafse 44 Arten betrugen, vorgekommen 
sind und es ist darauf aufmerksam zu machen, dafs in der 
grofsen über 12,000 Fufs reichenden Tiefe, jenseits Spitzber- 
gen, welche von der schwedischen Expedition gemessen ist, 
wahrscheinlich wieder reichlichere Formen dieser Thierklasse zu 
erkennen sein werden. Dafs auch hier, wie bei den Unter- 
“suchungen der Davis-Strafse, Polytbalamien und Spongolithen 
in den weniger tiefen Verhältnissen überwiegend sind, stimmt 
wieder mit den 1861 mitgetheilten Beobachtungen sehr gleich- 
artig überein. 
Ich gehe nun über zu einer hiermit eng zusammenhängen- 
den Beobachtungsreihe, betreffend: 


| Ben: | 
Die mikroskopischen Lebensverhältnisse auf der 
Oberfläche der Insel Spitzbergen. 


Am 25. Februar d. J. habe ich bereits in der Gesammt- 
sitzung der Akademie eine vorläufige mündliche Mittheilung 
„über viele in Berlin lebend beobachtete Land- Organismen der 
Insel Spitzbergen“ gemacht und halte für zweckmäfsig, diese 
Beobachtungen hier unmittelbar anzureihen. Da diese Beobach-: 
tungen sich auf jene vielfach besprochenen Erscheinungen des 
Wiedererwachens scheintodter Formen zu einem kräftigen Leben 
beziehen und es überflüssig erscheinen könnte, den Gegenstand 
von Neuem zu behandeln, so ist doch nicht zu übersehen, dafs 
in der neuesten Zeit selbst in den Lehrbüchern der Physiologie 
und in systematisirenden Schriften sich die Vorstellung wieder 

18 * 


258 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


verbreitet, als gäbe es unbegrenzte Formenveränderungs- Ver- 
hältnisse, welehe der Formenkenntnils und Formbestimmung 
ihre frühere Wichtigkeit entziehen. 

Schon im Jahre 1701 hatte Leuwenhoek die iishreinni 
an wieder erwachenden scheintodten Räderthieren umsichtig be- 
obachtet. Needham übertrug sie 1743 auf die Waizen - Alchen 
der Fadenwürmer. Man hat sie dann auf die polygastrischen 
Thiere, die sogenannten Infusorien, vielfach anzuwenden gesucht 
(Guanzati 1796) und auch schon 1776 hat Spallanzani sie auf 
die milbenartigen Bärenthierchen (Tardi gradi) ausgedehnt. 
Diese sämmtlichen zahlreichen Beobachtungen sind von mir im 
Jahre 1838 in dem Buche „die Infusionsthiere als vollendete 
Organismen * pag. 492 zusammengestellt worden. Die Beobach- 
tungen einiger Formen gingen bis auf 6 Jahre eines sogenann- 
ten Scheintodes solcher Thiere. Dieser Zustand wurde aber 
von mir weder mit dem Scheintode, noch mit latentem Leben 
vergleichbar angesehen, vielmehr als ein fortbestehendes durch 
grofse Beschränkung sehr kärgliches volles Leben anerkannt. 

Nachdem schon im Jahre 1848 aus süd-amerikanischen 
Baummoosen eine durch atmosphärischen Staub vermittelte 
grölsere Reihe (gegen 40 Formen) mikroskopischer Thierarten 
im todten Zustande beobachtet worden war, (s. Monatsbericht 
1848 pag. 213; besond. pag. 273; ausführlicher Mikrogeologie 
1854 pag. 337) wurde die Aufmerksamkeit auf die in Moosen 
auf Bäumen lebenden mikroskopischen Thiere gelenkt und mit 
geschärften Methoden ihre Lebensfähigkeit festzustellen gesucht. 
So sind in den Monatsberichten von 1849 pag. 97 13 mikros- 
kopische Formenarten festgestellt, die aus Laubmoosen, durch 
destillirtes, nochmals gekocht und wieder abgekühltes, Wasser 
aufgeweicht, zu schneller lebendiger Thätigkeit gelangten, wie 
sie dieselbe in den Blattachseln der Moose selbst nicht gehabt 
haben konnten (vgl. Monatsber. 1855 p. 191). Ein besonderer 
. Abschnitt ist diesen, als atmosphärisches Leben und: mikrosko- 
pische Baumfauna bezeichneten, Betrachtungen in der Mikrogeo- 
logie 1854 pag. 43 gewidmet. 

Im Jahre 1853 und 1855 ist in den durch die Gebrüder 
Schlagintweit auf den Alpen des Monte rosa gesammelten Ma- 
terialien, welche mir erst nach zweijährigem Trockenliegen zu- 


vom 15. März 1869. ve 259 


gekommen, eine sehr reiche Wiedererweckung solchen kümmer- 
lichen Lebens in frei bewegte Zustände an Räderthieren ‘von 
mir beobachtet und festgestellt worden. In den Monatsberich- 
ten von 1853 pag. 336, besonders 1855 pag. 275 ist hiervon 
ausführlich Nachricht gegeben. 

Im Jahre 1862 wurden in den auf der Reise des Baron 
Barnim von Dr. Hartmann 1860 im centralen Afrika bei 
Roserres im l1ten Breitengrade gesammelten Schlammproben, 
also nach zwei Jahren, eine grofse Menge lebender Rä- 
derthiere, auch im eiertragenden und keineswegs abgemagerten 
Zustande und sich schlängelnde Anguillulae beobachtet, welche 
‚nach langer völliger Trockenheit mit destillirtem Wasser in 
Berlin wieder zu freier Bewegung und voller Lebensthätigkeit 
gelangten (siehe Beschreibung der Reise des Baron Barnim von 
Dr. Hartmann 1865 Anhang p. 77. 

So glaube ich denn, dafs eine ähnliche Erscheinung be- 
sonders deshalb Interesse haben werde, weil sie den tiefen Nor- 
den der Polargegend mit den Alpen der Schweiz und den fast 
'aequatorialen afrikanischen Lebenszuständen in Verbindung 
bringt. Zu den jetzt mitgetheilten Tiefgrundverhältnissen des 
mikroskopischen Lebens hat sich neuerlich noch ein anderes 
Element gesellt, welches dem nordischen Lebensbilde eine mehr 
abgerundete Gestaltung zu geben geeignet ist. Während die 
Meeresniederschläge und Grundverhältnisse in überwiegender 
reichster Fülle Meeresorganismen enthalten, doch aber die Flüsse 
aller Küstengegenden auch die Süfswasserformen des Luftkreises 
in die Meere abspülen, so liegt zugleich ein Bedürfnifs vor, 
diese Sülswasser- und Luftkreisformen aller Gegenden als zu- 
fällige Beimischungen zu den Meeresformen kennen zu lernen. 
In dieser Beziehung ist denn eine Einsicht in das Oberflächen- 
leben der Insel Spitzbergen von entschiedenem Interesse. Aus 
diesen Gründen wurde von mir das Verlangen ausgesprochen, 
auch Moosrasen und Erdverhältnisse Spitzbergens, wo die „Ger- 
mania“ gelandet war, zur Prüfung zu erhalten. Durch Herrn 
von Freeden, Direktor der norddeutschen Seewarte in Hamburg, 
wurde mir mitgetheilt, dafs Moose und Pflanzen der Insel an 
Herrn Hofrath Bartling in Göttingen schon im Oktober v. J. 
gesendet worden und von demselben erhielt ich alsbald ein 


260 Sitzung der physikalisch-matkematischen Klasse 


Kästchen mit trocknen Moosen und Erdproben, wie sie bei der 
Landung im Belsund in eine Kiste eingeschlossen worden waren. 
Da meinen von Herrn Hofrath Bartling speciell darüber einge- 
zogenen Nachrichten zufolge, nach Herausnahme der botanisch 
nützlichen, zum Theil noch lebenden Pflanzen, die übrigen 
Moos- und Erdreste unvermischt und, wenn auch leicht bedeckt, 
seit Oktober von: ihm bei Seite gesetzt worden waren, so sind 
die mir übersandten Gegenstände wohl als ursprüngliche unver- 
änderte Oberflächenverhältnisse der Insel zu betrachten. 
Ich habe nun durch Übergiefsung einiger Moosrasenstücke 
und Erdproben mit destillirtem Wasser jene von mir schon oft 
und in einigen Fällen mit sehr auffällig gutem Erfolge ange- 
wendete Methode wieder benutzt, um etwa zu rascher Ent- 
wickelung noch taugliche kleine Thiere lebend zur Anschauung 
zu erhalten. In drei kleinen Porzellangefälsen aufgeweichte 
Moosrasenstücke trübten das Wasser bei ihrem Druck und diese 
Trübung wurde in Uhrgläser aufgefangen und nachdem ein Bo- 
densatz das Wasser abgeklärt hatte, wurde mit einem feinen 
Federpinsel von dem Bodensatz' etwas auf den ÖObjektträger 
gebracht. Am anderen Morgen zeigten sich in diesen Boden- 
verhältnissen und oft auch an der Oberfläche des Wassers viele 
sich lebhaft schlängelnde Anguillulae, verschiedene Oxytrichen 
und Arcellen. Bei weiterem Durchmustern fanden sich bis 
jetzt folgende nennbare Formen, von'denen zwischen mehr oder 
weniger aufgelösten zelligen Pflanzentheilen und gröberen und 
feineren Sandkörnchen, sich die zuerst in. der folgenden Reihe 
verzeichneten 7 Polygastern mit den beiden Anguillulis munter 
bewegten. | 
Verzeichnifs der sämmtlichen beobachteten Arten: 
POLYGASTERN: 

Kolpoda cucullulus. 

Oxytricha pellionella? 

Stylonichia pustulata ? 

Trichodina tentaculata? 

Arcella n. sp.? 

Monas. 

Vorticella microstoma? 

Diffiugia areolata 


vom 15. Marz 1869. 261 


Difflugia microstoma 
Eunotia amphyoxis. 
Fragillaria striata. 
Pinnularia affinis. 
— borealis 
Stauroneis. 
lebende NEMATOIDEN: 
Anguillula longicaudis 
— .  brevieanudis. 
ROTATORIA: 
Callidina alpium. 
Ei eines Räderthieres? 
‚1 Acaroid. 

Um die volle Sicherheit zu erlangen, dafs auch in dem 
aus einer Apotheke bezogenen destillirten Wasser lebende Or- 
ganismen sich nicht befanden, wurde ein Theil des Wassers 
von Neuem bis zum Kochen erhitzt und nach dem Abkühlen 
auf dergleichen ‚Spitzbergensche: trockene Moostheile in einem 
reinen Glase gegofsen und die Mündung des Glases mit Pa- 
pier überbunden. Auch in diesen Versuchen zeigten sich nach 
15 Stunden über Nacht entwickelte gröfse voll ausgebildete 
Anguillulae, Oxytrichen u. s. w. Die sorgfältig in ähnlicher 
Weise gemachte Beobachtung an inländischen Moosarten von 
Berlin‘. ist früher von mir mitgetheilt, wörden und in den Mo- 
natsberichten beschrieben. 

Es darf hierbei nicht unbemerkt bleiben, dafs in der grofsen 
Zahl der von mir bereits in der Mikrogeologie publicirten Analy- 
sen von Oberflächenerden aller Erdtheile nur so selten lebende 
Formen angezeigt worden sind. und dafs besonders auch eine 
sehr grofse Sorgfalt auf die Analsyen der von den Hrn. Schla- 
gintweit gesammelten himalayischen Alpenerden von 21,000 Fufs 
Höhe gewandt worden, die zwar viele Formen erkennen liefsen, 
von denen aber keine wieder zum Leben erweckt werden 
konnte. Ebenso waren die Baumformen von Venezuela so we- 
nig als die der Cedern des Libanon zu wirklicher Lebensthätig- 
keit zurückzuführen. 

Es geht hieraus hervor, dafs auch dieses ok 
Leben, dessen sehr im Wachsen begriffene Massenerkenntnilse 


262 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


immermehr Theilnahme erlangen dürften, keineswegs maschie- 
nenmälsig durch Wasser in Thätigkeit versetzt wird und dafs 
das Aufquellen mit Scheinbewegung auch bei ihnen scharf un- 
terschieden werden mufs von wahrer Lebensthätigkeit, die bald 
kärglich, bald reich und in aller Freiheit hervortreten kann. 
Die auf den Dächern unserer Häuser in Moosrasen und Dach- 
rinnen bei glühender Sonne sich erhaltenden Lebensformen 
sterben, wie man jetzt genugsam weils, dann ab, wenn sie 
schutzlos solcher Hitze ausgesetzt werden. 

So ist denn das Wiederaufleben bei zugeführtem Wasser 
keineswegs eine physikalische Erscheinung, welche unter glei- 
chen Bedingungen stets eintritt, sondern überall, wo es von 
mir beobachtet worden, das Anfachen eines noch nicht erlosche- 
nen Lebensfunkens oft unter vielen des Todes Verblichenen. 

Dafs i. J. 1844 von der Reise des Kapitain I. Rofs lebende 
Formen des Südpols durch Hooker gesammelt, in Berlin lebend be- 
obachtet werden konnten (Monatsb. 1844 p.182) und dafs lebende 
Formen von New-York in Berlin beobachtet worden, findet sich in 
den Abhandlungen der Akademie 1841 p. 333. Zu dem hier 
vorgelegten Verzeichnifs der mikroskopischen selbstständigen 
Lebensformen von Spitzbergen, von denen 9 wieder vollständig 
als ausgewachsene Thierformen zu einem kräftigen Leben zu- 
rückgekehrt sind und sich weiter vermehrt haben, möge ‘noch 
bemerkt werden, dafs Eunotia amphyowis, Pinnularia borealis 
und Callidina alpium als zu den den letzten Polarformen bei- 
der Pole und den höchsten Alpenformen verschiedener Erd- 
theile gehörend, hervorgetreten sind. Mit der Gesammtzahl dieser 
Inselformen beträgt die Summe der aus dem Material der Ger- 
mania hervorgegangenen Arten des hiermit bekannt werdenden 
kleinen Polarlebens 82 Formen. 


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POLYGASTERN: 21 
Coceoneis lineata 5 ö 5 & ® 5 . R © a > a ö = B ci x 3 
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Coscinodisceus u er & & 3 S 5 ö S 5 ° 5 B S c 5 5 . EEE, 
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Navicula ? ee len: +?| +? 
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Calcarına ? 'paradoxa n. Sp. . . . . . > . . o H k . Dr & R . 5 ä n | + 
Dexiopora horealis n. sp. N ae ee 
Dexiospira borealis n. Sp. R © 5 ö 5 5 5 +|-+ { 
Megathyra dilatata - SURER ar | 
Nodosaria balaenarum n. sp. - . . 5 - . « |: ar 
Nonionina ? - - |: . Sr 
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Planulina Koldeweyi n. sp. | 
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Dictyocephala ö 5 3 ö D | 2 “ ü 5 0 an 
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ZOOLITHARIEN: 5 
Coniodendrum amphidiscus n. sp. © B E ol Sr | j 
Coniodichtum tubulosum n. sp. - . . . - Ws: « . san 
== microporum 2 5 x 2 5 . sb 3 lassen Se 
Coniasterias triceros . . - a a | 
Conioraphis calcarata n. sp. 5 Ö . . . Ger 3 n ü R 5 3 Be + 
PHYTOLITHARIEN: 19 
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* Amphidiscus Anceps D D . - . 
* Spongolithis aciculanıs Sl let elite Sy ar Dr Be ll ar en SE Ele EB Er 
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vom 15. März 1869. 263 


"Übersicht der von der ersten Deutschen Nordfahrt 
mitgebrachten Proben Seebodens nach wachsender 
Breite geordnet. 


Die Örtlichkeiten, welche gröberes Geröll ohne Tiefgruudschlamm ergaben, 
mithin eine tiefe Meeresströmung anzeigen, sind durch Sternchen bemerkt. 


Laufende Datum 
Aurashea En Boilımp Schiffsbreite | Schiffslänge Tiefe 
24 August 5. 73° 23° N. | 17° 22’W. | 140 Faden 
3 3, IP IN.) To AORWe 0200 0, 
25 jurnlh 73T wet Te 
54 Juni 27. 250.15 Nr). 30, War 2405 5 
*19 Juli 6. 75° 20" N. 21,13 ©: 2.05 
18 a 79 "32 N. 200 9070: 2 Eupen 
21 any: 75 Su 1 o: A 
17 RR 159.38 N. .4.239. 94° 0, 30: 
20 Be. 7a 39 N. | f3.,48- 0. 4 „ 
+14 Jans, TI AROT NINO HG! 309°, 
*13 Se; 7542 N«lm2230294 O: DON, 
*12 nn 252 43 N: ‚212590, 9.0 
2 Juni 27. Se a a ae Pe id ser a 
*15 Juli 5. 75945/,N3172257750 DER 
16 AIR 75° 45 N. | 23° 24’ 0. dan 
*11 BR 5.6. N. | 90312 0, rege 
*10 ne TI NSINEO U IS RIGARGN ar 
*9 4 5; 759 5415:N; or 209,25, Da 
3 Juni 27. TA Ho N, +1 2100 1 WW... 150, 5 
*g Juli 4. 75° 98.N.., 20° 14 O: BI 
’7 IW4 15°:59 N.) 289 55% 0: 304.0, 
5 nt 769%:,3,.N»415 199. 47°: O. 8 
6 nn 76° 3 N. |. 19,47 © Bor 
4 Be 10° SOHN AD GE. 300. 6, 
*22 Mn ZEN 19; 35, 
*26 August 17 79° A’ N. .| 10° .&,0. iE, . 
34 ) 73° 19 ‘N. | 20° 52 0, 3 
Ep EYES 79 ıy9 N. | 21° 0 0. ana, 
36 53:80 TEL 21954670; DS 
20 SEREN| zZ dUN. .. 10, 22 ©. Sn 
+28 Eu TI Da N® | 11080, 2, 
29 enlıtst7 79° 58’ N. | 11° 46’ O. She, 
30 BES 5 N 79°. 59.N. | .11° 52°,0. 38 5; 
A 307 0 °N7 13° 582 0. 80 
+33 FRAGE 8° ON. | 14° 8 0. 4, 
31 on VE 80 Net, ©: 80, 
39 September 14. 80° 16’.N. 13° 37 O0. N , 
37 a 1%.1 30°.28. W. 1. 19° 88.0, DON, 
38 , LAN SHMITEN. 16957 0. aaa‘ 


264 


Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


‚Hr. Rammelsberg machte eine fernere Mittheilung über 
die natürlichen Tantal- und Niob-Verbindungen. 


Hr. Dove theilte eine von Dr. Rühlmann in Carlsruhe 
ausgeführte Untersuchung über das Höhenmessen mit dem 
Barometer mit. Aus Beobachtungen, welche derselbe mit 
Dr. Albrecht im Jahre 1864 am Valtenberg in Sachsen 
(Höhendifferenz beider Stationen 869 par. Fufs) angestellt hatte 
und aus‘ 6 jährigen Mitteln der meteorologischen Beobachtungen, 
welche in Genf und auf dem grofsen St. Bernhardt unter Plan- 
tamour’s Leitung angestellt werden (Höhendifferenz 2070 Met.) 
haben sich folgende Erfahrungsresultate ergeben: 


1, 


Die aus Barometer- und Thermometerbeobachtungen 
gerechneten Höhen sind im Allgemeinen am Tage 
wesentlich gröfser als bei Nacht, sie zeigen eine be- 
deutende tägliche Periode. 
Die barometrisch bestimmten Höhen erreichen ihr 
Maximum kurz vor der Zeit der höchsten Tages- 
temperatur (also meist gegen 1”), sinken dann rasch 
während des Nachmittags, langsamer während der 
Nacht und erreichen. ihren kleinsten Werth nahe zur 
selben Zeit, wo auch die Temperatur am niedrigsten 
ist. Vom Minimum aus steigt die Curve dann rasch 
und steil bis zum Maximum ‚gegen Mittag. 

Ein kleines relatives Maximum, ungefähr 2 bis 
3 Stunden vor dem Minimum scheint mehrfach 
angedeutet, tritt aber nicht immer unzweifelhaft 
hervor. 
Die tägliche Periode zeigt sich ferner nur deutlich 
bei Tagen, an denen bei nahe wolkenlosem Himmel 
eine regelmäfsige Bestrahlung durch die Sonne bei 
Tage und eine ungestörte Ausstrahlung der Wärme 


des Erdbodens gegen den kalten Himmelsraum statt- 


findet. | 

An trüben oder windigen Tagen vermindert 
sich die Amplitude der Periode sehr, ohne jedoch 
ganz zu verschwinden. Die Grölse der täglichen 


! 


vom 15. März 1869. 265 


Periode ist auch von den lokalen Verhältnissen sehr 
abhängig, sie scheint besonders da wesentlich her- 
vorzutreten, wo die Aus- und Einstrahlungsfähigkeit 
des Bodens für die Wärme grofs, die Wärmecapa- 
cität desselben aber gering ist. 

Nur für kurze Zeit kann dieselbe durch zu- 
fällige Störungen der normalen Verhältnifse Baur 
zum Verschwinden gebracht werden. 

Der Character der täglichen Periode ist in den 
einzelnen Monaten, den sehr verschiedenen Um- 
ständen der Jahreszeiten entsprechend, sehr ver- 
schieden. Die Sommermonate zeigen sehr grofse 
Ausdehnung der täglichen Periode (mit einer mitt- 
leren Amplitude von 40Met. bei einer Höhe von 
2070 Met.) wärend dieselbe in den Herbst und Win- 
termonaten sehr klein wird, im December aber fast 
ganz verschwindet (die mittlere Amplitude beträgt 
für die gleiche Höhe dann nur noch 15 Met.). 

4. ‘Die aus Tages- und Monatsmitteln gerechneten Hö- 
hen zeigen eine jährliche Periode. Dieselben sind 
im Winter zu klein und im Sommer zu grols. Die 
Amplitude der jährlichen Periode ist jedoch geringer 
als die der täglichen. 

9. Die Jahresmittel meteorologischer Berbacktuiieh 
geben Höhen, welche von den wahren Werthen sich 
immer nur sehr wenig entfernen. 

6. Die Perioden der barometrisch gefundenen Höhen, 
die tägliche sowohl als die jährliche, zerfallen in 
zwei Theile, von denen der eine, und zwar der bei 
weitem grölsern von den Variationen der Tempe- 

“ratur und der ‘andere von den Variationen der Ba- 

rometerstände herkommt. 

Die tägliche und die jährliche Periode der barometrischen 
.Höhenmessungen rühren davon her, dafs dem Luftgewichte, 
welches zur Basis der Rechnung dient, falche Temperaturen 
zugeschrieben werden, wenn das arithmetische Mittel der Ther- 
mometerablesungen an der obern und untern Station oder sonst eine 
einfache Funktion derselben als Lufttemperatur eingeführt wird. 


266 Öffentliche Sitzung 


Die Methode,‘ nach welcher diese Temperatur zu be- 
stimmen ist, wird der‘ Verfasser in einem besondern Werke 
veröffentlichen. 


. 


18. März. Öffentliche Sitzung zur Feier des 
Geburtstages So er des 
Königs. 


Der an diesem Tage vorsitzende Secretar, Hr. du Bois- 
Reymond, eröffnete die Sitzung mit folgender Rede: 


Die Akademie feiert nach ihren Statuten schon heute das 
nahe Geburtsfest Seiner Majestät des Königs, ihres erhabenen 
und huldvollen Beschützers. 

Gern sieht unsere Körperschaft alljährlich diese Gelegen- 
heit wiederkehren, es öffentlich auszusprechen, dafs sie in der 
Zurückgezogenheit ihres Berufes, und in Arbeiten vertieft, für 
die es keine Schranke des Staates und Volksthums giebt, sich 
doch als ein Glied des Gemeinwesens 'empfindet. 

Als eine deutsche Akademie vermag sie, gemäfs einem 
der edelsten Züge deutscher Eigenart, das Feld ihrer Thätig- 
keit, die reine Wissenschaft, sich nur vorzustellen als das 
gemeinsame Arbeitsgebiet der Forscher aller Nationen, offen 
wie die hohe See jeder Flagge, nur nicht der Piratenflagge 
der Unwahrheit. Sie begreift nicht den Zustand jener Ge- 
lehrten des Auslandes, für die nicht da ist, ‘was jenseit 
ihrer Sprachgrenze geschieht, geschweige den Chauvinismus in 
der Wissenschaft, für den es keine Entdeckungen giebt, als 
nationale, und keine Form der Anerkennung fremdländischer 
Entdeckungen, als, wo sie nicht länger zu ignoriren sind, deren 
. irgendwie bewirkte Nationalisirung. Wie Goethe von einer 
Weltliteratur sprach, so lebt die Akademie in einer Weltwissen- 
schaft. Im Innersten weltbürgerlich gesinnt, fühlt sie sich als 
eine der Mutterlogen jener modernen Freimaurerei, deren Brüder, 
über den Erdball verbreitet, am lichten Tage das Werk der 
Erhebung und Befreiung der Menschheit treiben, und um sich 


vom 18. März 1869. | 267 


zu erkennen keines Geheimzeichens bedürfen, nur des Grusses 
im Namen der Wissenschaft. 

Der heutige Tag aber lenkt von solcher Höhe der An- 
schauung, in der sie sonst Luft und Licht sucht, den Blick der 
Akademie auf den Boden, in dem sie wurzelt, und erinnert sie 
daran, dafs sie die Akademie der Preufsischen Könige ist. Nur 
fünfundzwanzig Jahre nach der Schlacht bei Fehrbellin, die 
seine äufsere Macht begründete, und nur funfzehn Jahre nach 
der. Aufnahme der Refugies, die ihm die ersten bürgerlichen 
Culturelemente zuführte, schuf der kleine Brandenburgische 
Staat nach umfassendem Plane diese Societät der Wissen- 
schaften, wie er, gleichsam im Vorgefühl seiner grofsen Ge- 
schicke, weit über seine damaligen Verhältnisse hinaus Neh- 
ring’s Zeughaus und Schlüter’s Königsbau erstehen liefs. 
Nur ein Menschenalter früher hatte das mächtige Frankreich 
seine Academie des Sciences erhalten, das altberühmte Eng- 
land seine Royal Society sich bilden sehen. Es ist kein Zu- 
fall, vielmehr bezeichnend für den Geist, der die Preulsische 
Monarchie in’s Leben rief, dafs die so spät nachgeborne unter 
den Europäischen Grofsmächten so des drittältesten unter 
den grofsen Gelehrtenvereinen sich rühmen darf. Keine Aka- 
demie hat so lange fortgesetzte innige und glorreiche Be- 
ziehungen zu dem Fürstenhause ihres Landes gehabt,‘ wie 
diese. Während Buffon im. Boudoir einer Pompadour Schutz 
für Daubenton gegen Reaumur’s Bedrückungen suchte, 
warb der Sieger von Rossbach, der Neubegründer der Akademie 
in: dem von ihm neubegründeten Staate, mit seinen eigenen 
literarischen Arbeiten um den Beifall unserer Vorgänger auf 
diesen Sesseln.. Dann hebt sich vor uns das Bild Alexander 
von: Humboldt’s, der während der letzten zwanzig Jahre 
seines ruhmgekrönten Lebens zwischen dem musenfreundlichen 
Könige Friedrich Wilhelm IV. und der Akademie eine 
Verbindung unterhielt, wie nur der seltenste Zusammenflufs 
von Umständen und persönlichen Eigenschaften sie ermöglichte. 
Warten auch jenseit des Rheines glänzendere Ehren eines 
hochgestiegenen Gelehrten, als bei uns; wurden in unserem 
bürgerlichen Preufsen Boeckh und Jakob Grimm, Johannes 
Müller und Mitscherlich nicht zu Baronen und Pairs er- 


268 Öffentliche Sitzung 


nannt; was gleicht dem Gefühl tiefen, nie getäuschten Ver- 
trauens, mit dem die Berliner Akademie sich — ‘dem 
Könige von Preufsen nahen darf! | 

Heute, wo nach kurzem, gewaltigem Sturme die‘ See des 
Völkerlebens noch immer hohl geht, theilt die Akademie vor 
Allem die Empfindungen des Dankes, mit denen die unbe- 
fangen urtheilenden Deutschen zu König Wilhelm’s sieghafter 
Gestalt emporblicken. Ist es in höherem Sinne tragisch, wenn 
herrliche Gaben, edle Gesinnung, mühevolles Streben einem 
schleichenden Verhängnifs erliegen, das auf dem Boden gege- 
bener, unseliger Verhältnisse durch Schwächen und Irrungen, 
aber auch durch Tugenden und löbliche Handlungen des Hel- 
den heraufgeführt wird: so war tragisch das Loos des deut- 
schen Volkes in der Neuzeit bis vor noch’ nicht drei Jahren. 
Mit wie bitteren Gefühlen, 'aus Ingrimm und Verzagtheit ge- 
mischt, waren die Deutschen gewohnt, gegenüber dem von Natur: 
und Geschichte begünstigten, übermüthigen Auslande ihre Zer- 
rissenheit, ihre Ohnmacht einzugestehen! Wie karg erschien 
selbst uns, denen doch die Wissenschaft zumeist am Herzen 
liegt, der Trost einer angeblichen Ueberlegenheit auf geisti- 
gem Gebiete! Aus dieser das deutsche Leben vergiftenden Qual, 
in welcher die nach den Freiheitskriegen Gebornen aufwuchsen, 
"hat König Wilhelm’s kühner Entschlufs uns erlöst. Sie liegt 
hinter uns wie ein böser Traum, in dessen Pein wir. am 
Morgen uns nicht mehr hineindenken können. Zum ersten 
Male seit langer Zeit schreitet das deutsche Volk erhobenen 
Hauptes einher, gleich Einem, der von schimpflicher Anklage 
in ritterlichem Kampfe sich gereinigt hat. Die Geringschätzung, 
mit der man sonst Deutschland begegnete, ist einer Furcht vor 
ihm gewichen, die keinen anderen Grund hat, als dafs man 
sich im Stillen bewufst ist, wie frevlen Gebrauch von so’ plötz- 
lich erlangter Uebermacht man selber wahrscheinlich gemacht 
. hätte. Ja, die schnellen, starken, sicheren Schläge von 1866 
haben bewirkt, was nicht unsere Eisenbahnen und Telegraphen, 
nicht unser Handel und Gewerbefleifs, nicht unsere Labora- 
torien und naturwissenschaftlichen‘ Lehranstalten vermochten: 
die Deutschen haben über Nacht aufgehört, dem Auslande ein 


vom 18. Mürz 1869. 269 


Volk unpraktischer Grübler, in nebelhafte Speculation versun- 
kener Schwärmer zu sein. 

Für solche Wohlthat also, an der widerwillig auch die 'ehe-- 
maligen Gegner Theil haben, zollen wir an diesem Tage wieder 
unseren Dank dem Manne auf dem Throne, den. das Schicksal 
Preufsen zur guten Stunde beschied. Wir zollen den Dank, 
ohne an der Gabe zu mäkeln, und überlassen es Anderen, die 
Wirklichkeit zu „hassen, weil nicht alle Blüthenträume reiften.* 
Denn wir wissen, dafs Nichts in der Welt rein geschieht, dafs 
alles Geschehen tausendfältig bedingt wird; dafs, wie unser 
Wissen Stückwerk ist, wie es die Kunst nur zu einem mehr 
oder minder trüben Abbild des Schönen bringt, so auch im wirk- 
lichen Leben der Erfolg stets in. seiner Art beschränkt bleibt. 
Darum, nicht aus Urtheilslosigkeit oder Liebedienerei, beruhigen 
wir uns, wenn gleich das: deutsche Vaterland, wie König 
Wilhelm es uns gab, noch nicht das einst besungene ist; 
wenn es durch seinen Staatsbau an ein in der Metamorphose 
begriffenes Geschöpf erinnert, welches neben dem Organen für 
den kommenden Lebensabschnitt die für den verflossenen noch 
ansich trägt; wenn die alte Verwaltungsmaschine sich den neuen 
Aufgaben: vielleicht nicht sogleich in allen Stücken gewachsen 
zeigt. Viel tiefer jedenfalls schmerzt es uns, dafs im jenseitigen 
Lager, zu erneuter Schmach des deutschen Namens, nichts- 
würdiger Landesverrath mit. den schlechtesten Leidenschaften 
Gallischer Volksart liebäugelt. 

Es könnte uns auch betrüben, wenn wir glauben müfsten, 
die Neugestaltung Deutschlands werde, wie man nicht selten 
versichern hört, einen ungünstigen Einflufs auf das deutsche 
Geistesleben im Ganzen und: Grofsen üben.‘ Es wäre traurig, 
wenn Deutschland seine Stelle unter den Völkern nur erringen 
sollte auf Kosten der Güter, die ihm sonst die  theuersten sind; 
die in Zeiten der Erniedrigung ihm Trost gewährten und als 
Feuersäule den Weg durch die Wüste wiesen; wenn es die 
Kleinstaaterei nicht los werden könnte, ohne von der geistigen 
Höhe herabzusteigen, die es zum Theil allerdings ihr verdankt; 
wenn es nicht aufhören könnte zerrissen zu sein wie Hellas, 
ohne barbarisch zu werden wie Rom. 


270 | Öffentliche Sitzung 


Gewifs ist zu,bedauern, dafs bei jener Neugestaltung schon drei 
Universitäten, darunter eine hochberühmte, die Selbständigkeit ver- 
loren, vermöge deren sie früher zum Vortheil der Wissenschaft mit 
den preufsischen Hochschulen wetteiferten; und es wäre sicher be- 
denklich, wenn noch mehr deutsche Universitäten so in Eine Hand 
geriethen, ohne dafs ihnen eine Autonomie in der Berufung von 
Lehrern bliebe, die sie in Stand setzte, jene nützliche Concurrenz 
fortzuführen. Auf alle Fälle beweist die Blüthe der Englischen, 
Schottischen, Irischen Hochschulen und Gelehrtenvereine, dafs po- 
litische Einheit sich sehr gut mit der Selbständigkeit im Lande 
zerstreuter literarischer und wissenschaftlicher Mittelpunkte ver- 
trägt. An geistiger Unabhängigkeit übertreffen die Deutschen alle 
Völker, auch die Britten, und so ist offenbar dies das richtige Bei- 
spiel, nicht, worauf sich die Gegenansicht beruft, die geistige 
Verödung der französischen Provinz durch eine Alles aufsaugende 
Centralisation. Nie wäre dieser ihr verderbliches Werk ge- 
lungen, kennte ‘nicht, wie in politischen Dingen, so auch in 
Dingen des Geistes der französische Volkscharakter nur die 
beiden Extreme: unbändiges Niederwerfen jeder Schranke oder 
knechtisches Beugen unter Despotie. Würde je das deutsche 
Volk einer deutschen Akademie der schönen Literatur die un- 
bedingte Macht zu binden und zu lösen in der Sprache, zu ca- 
nonisiren in der Literatur einräumen, welche die Academie fran- 
caise trotz allen Wandlungen um sie her stets besals, und die 
ihr auch Hrn. Lanfrey’s scharfe Kritik ihres Wesens in seiner 
Geschichte Napoleon’s I. nicht schmälern wird? Hat man 
in Deutschland auch nur einen Begriff von der Allgemeingültig- 
keit ihrer Entscheidungen, von der Heiligkeit, mit der die offi- 
cielle Weihe den Namen eines französischen Gelehrten oder 
Schriftstellers umgiebt? Gerade so wenig würde, auch bei 
noch so grofsem Übergewicht einer gewaltigen Hauptstadt, 
Deutschland je des Vortheiles ganz verlustig gehen, der für 
die Entwickelung seines Geisteslebens ihm daraus erwuchs, dafs 
die gegenseitige Überwachung zahlreicher, in Aller Augen 
ebenbürtiger Pflegestätten der Wissenschaft lange keine Irrlehre 
unaufgedeckt, keine Wahrheit verkannt, keine Einseitigkeit ohne 
Gegenwirkung, keinen Übergriff ohne Zurechtweisung liels. 


vom 18. März 1869, 971 


Wenn es erlaubt ist, in der Geschichte aus der öfteren 
Wiederkehr derselben Folge von Erscheinungen zu schliefsen 
auf ein sie verknüpfendes, stets gleich wirkendes Gesetz, so 
dürfte im Gegentheil während der kommenden Jahrzehnde ein 
erneuter geistiger Aufschwung unserem Lande bevorstehen. Auf 
die Machtentfaltung des Brandenburgischen Staates zu.Ende 
des 17. Jahrhunderts folgte die Stiftung dieser Akademie mit 
Leibnitz zum Präsidenten. Auf die Machtentfaltung Preufsens 
unter Friedrich dem Grolsen folgte, unmittelbar durch ihn 
heraufgeführt, eine Glanzepoche der Akademie, und wenigstens 
mittelbar durch ihn erregt, eine gewaltige Bewegung der Geister 
in Norddeutschland. Auf die dritte grofse Machtentfaltung Preu- 
fsens in den Freiheitskriegen endlich folgte unter Friedrich 
Wilhelm’s III. erleuchteter Regierung die Entwickelung der 
Berliner Universität, und ihr entspriefsend eine Blüthezeit der 
Wissenschaft in Preufsen, bei deren Andenken uns, die wir 
damals zu den Fülsen der Meister safsen, das Gefühl nie verläfst, 
ein Geschlecht von Epigonen zu sein. 

Wäre die Hoffnung zu gewagt, so werde auch die jüngste 
Entwickelungsphase Preufsens, welche mehr als alle früheren 
für seinen weltgeschichtlichen Beruf entscheidend ward, noch 
geistige Frucht tragen? Wie bisher in jeder aufsteigenden Pe- 
riode unserer Geschichte werde auch diesmal in dem Maalfse, 
wie dieser Beruf in den Vorgrund tritt, der wahre preufsische 
Geist einen Sieg feiern? Das ist der Geist, der neben dem 
preulsischen Heldenthum in Friedrich selber den höchsten 
persönlichen Ausdruck fand; der, in anderen Zeiten in anderen 
Formen wirkend, für Gewissensfreiheit den grofsen Churfürsten 
wider den Dragonnadenkönig in die Schranken rief, und 
durch Wilhelm von Humboldt und Altenstein Preu- 
fsen zum Staate der Intelligenz erhob. Das ist der kühne freie 
klare hochschwebende Geist voraussetzungsloser Kritik, der in 
Preufsen nicht blofs in Akademieen sich verschlielst; der Geist, 
dessen ungehemmtes Walten auf jeder Stufe der Volksbildung, 
in ihr angemessener Erscheinungsweise, so wesentlich zu Preu- 
fsens Gröfse beitrug. Gleich dem Blinkfeuer eines Leucht- 
thurmes kann dieser Geist zeitweise an Glanz abnehmen, ja 
verschwunden scheinen, doch er verlischt nicht; und nach dem 

[1869.] 19 


272 Öffentliche Sitzung vom 18. März 1869. 


früheren Verlaufe der Geschichte zu urtheilen, mufs er jetzt 
einem neuen Gipfel der Helligkeit entgegengehen. 

So blicken wir für beide, für den Staat wie für die Wis- 
senschaft, getrost in die Zukunft, und vertrauen der König- 
lichen Weisheit und Stärke, denen schon so Grofses gelang, 
und denen wir heute abermals für ein Jahr friedlichen Gedei- 
hens zu danken haben. Sei es uns schliefslich vergönnt, sie 
über die Schwelle des neuen für sie anbrechenden Jahres mit 
unseren heifsen ehrfurchtsvollen Wünschen zu geleiten. Was 
immer dies Jahr bringe, Alles was die Herzen in Norddeutsch- 
land schlagen macht, findet auch in diesen, der Wissenschaft 
geweihten Räumen einen Wiederhall. 


Nachdem sodann der Vorsitzende den statutenmälsigen Be- 
richt über die Thätigkeit der Akademie während des ver- 
flossenen Jahres erstattet hatte, las Hr. Haupt in Abwesenheit 
des Hrn. Mommsen eine Abhandlung über die Erzäh- 
lung vom Gnaeus Marcius Coriolanus. 


MONATSBERICHT 
| KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 
ZU BERLIN. 


Aprıl 1869. 


Vorsitzender Sekretar: Herr du Bois-Reymond. 


5. April. Sitzung der philosophisch -histo- 
rischen Klasse. 


Hr. Riedel las über die Verbesserung der Brandenburgi- 
schen Gerichtsverfassung durch den Kurfürsten Friedrich II. 


Hr Bekker sprach über misbrauch des apostrophs, 


Der apostroph wird im Grichischen gesezt zwischen zwei 
wörter, deren erstes seinen endvocal aufgibt um nicht hiatus 
zu machen mit dem anfangsvocal des zweiten: r«ür’ 2do£&’ dta0eg- 
zevsıv. wie weit die scheu vor dem hiatus reiche, dürfte für 
die prosa schwer sein fest zu stellen: handschriften wenigstens 
geben darüber keine sicherheit, stimmen vielmehr in den mei- 
sten fällen weder mit sich selbst überein noch unter einander: 
in versen dagegen, zumal in Attischen, scheint apostrophirt zu 
werden so oft irgend vocale. sich begegnen, bisweilen sogar auf 
kosten der verständlichkeit. so lesen wir bei schauspildichtern 
_pronominalformen in unzal elidirt: | 


us 0 dmarraku boßw US ©’ OAcmevov arevw cbeü\zys 
E) ); J NE J ’ 27 3.2.3 ’ [7] ) 
Avams' ws ©’ Emoreipw marcı ws a’ amazısy Ws 
oüx ag’ Zus? Av m Faras Asia Ws Fam iAmdwv ouX%, 
DV mep BEimeıumov siredsbaunv wg 0 Eyyı yis ariewsı 
> ‚ ‚ Yy Li % 
Kadnsins u6 0’ Armada Mario nes yap 6 venvisaag 


[1869.] 20 


274 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse 


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TOoUMoV puragsı 5’ ovont TOTHE de moso Bus Tuv- 
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Öraeus © E00UTRTO 05 ©’ woE moı mooumsuVe TIS 
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o’ w TAYMOV meoseßy pavın meoız © EYE TYATOS Mo- 


7 ’ 
Außdos WMooRANS ©’ aryırv tasgos ?Eorguvsı: 


begreifen wir aber wie das schon in seiner volständigkeit win- 
zige c&, nun gar noch beschnitten und eingeschnürt, seines vo- 


cales verlustig und seinen consonanten von dem voraufgehen- 
den selben consonanten kaum im stande abzulösen und zu un- 
terscheiden, also zugleich entseelt und halb entkörpert, wie 


solch ein dem or so gut wie ganz entzogenes wörtchen den- 
noch habe gehört und verstanden werden können, und zwar 


auf beträchtliche entfernung hin, von der büne bis in die äus- 
sersten zuschauerreihen, oft noch überdis mit dem gewicht der 


betonung das ein gegensaz darauf legt: 


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omoU oreve 00 © AA Eumuryv ve maps y © 
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AVaTTrevazu YOoLS DUTOS HTAVEID JAEV OLTE © OUTE OUY- 
> 6) 55, ’ Q Se) ’ I 
SYovov EIG Vo w yepmıa zarDTavew Ayırdkws dbavrasıı 
> ’ 3) \ ‚ 37, 
Aymovs aa Tivö’ yrycaro 
oder 
Ü c N} n 79 b) \ SEEN e) 3 \ m. 
MOTEor vonigeis UISTUYEW EM ES TE TEN T ES TE DAUsCU. 
- REN N \ $) 3 7 3 \ 8’ =) ’ 
Mar Aov TEAK 2 TR T MITIAMATE Ey oU MN MOTE 
Y og e a E] \ \ 3 ’ J > m ’ 
Tau ws av EImTWw My Ta © Erdbyvw ara ooyn Aerey,Ioı | 
\ Aa 25, 5 A 3 \ > S / \ Rn 
zer Ta 7 ODiörmov Ooxeı Olluı MEV RgREIV To YE za Ta © 
% ,’ e) 4 \ En „> ’ ’ 3 N m Ö 
W.TRARV AAYYMARTE TE Yovv 7’ EyW) Tor Marris Ei Tor 
e)] = 
4908. 


dazu kömt dafs der apostroph sich schlecht verträgt mit der 


interpunetion: wärend dise stilstand gebitet, langt er über die 


grenzscheide hinüber: 


vom 5. April 1869. 275 


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P dir \ m ’ J F 
EEeAusayv Boorous | Moos TaÜre Bovrsv’, Ws 00° OU e- 
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TÄRTWEVOS KOMTTOS AAN 0UR EaTE ToVTO y % den ©, 
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AanET" Eyu yap Ei0ov aprıns %Xoovos muraksı ©’ oudev 
$ e FI Sg, e7] >) 
E59 0 zarIavwv our cv vıw EEemeumov sig Mayyv Öooos 
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Savarov mooraploüs’; aAr? Emony’ ein veüs Em’ "Ag- 
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yeınv EOyv zung Emismasdeis Ems 0° adızommv fan Rey 
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OU yao EoT Ent Tı ROTE TO Yoraz ws Oswov % Piragyır 
(| \ ß EN x Ss 9 Q“ \ 5 X \ KEN 
ev usv Dadıde za zaIyT’" ovdsv yap'cı 4 CU Tov Euuov 
5 a \ & DL) y YJ En x 
0120V OIANTEIS MoAuv OELp 5 0UX, as For TWV ARTE Zmaoryv 
2 ’ „ [N 
zo@rew vumbev’" ırwsu’ yap. 
das fält am meisten auf wo im gespräch die interlocutoren 
wechseln: denn da wird one divination auf beiden seiten der 
apostroph unmöglich: 
E) / 7 \ m Y 3% 
A. Errewa 0’ azous’. B. 2& emoÜ 7’ ouy, ori’ EOvyTaec 


re ‚ ,’ BD) h ’ 
A. anodsıs amısrWv mavr. B. amısrrrousı ya 
f 


b) e} E) ’ \ , b) PENS) \ 3 2 
Ar oür adyaw na Alc 0’. B. oUds nv Eyu 


. ’ 7, b) PEN „ ) 
Emonevos ein. B. @rR” oudev error vor mAcoV 


>>> 


Ä \ ’ J ’ ’ 
modanu) ro yavos Ö; B. oIev ai romgeıs ai zadaı 


J ° / b) ’ (7) [) Ie j} Ä 7) 
0: ME TOV Yalımv RTERRAOUV YTovV. BR. 12.22.7127 de 21, 


e:E 


3 = ’ y. ’ 5° E u = 
ETOGES FEUNN Pepovras TOVTO; B. ovaıo zur bazvuv 


j) „ [2 3 \ J 
un Tem m’ osrow zarasyms’; B. ara undsusw 0’ du) 


m ns =) a} b) \ U 
mol mapD>evuvers &rdımouc,; B. avo TIRTOV 


\ 


>p>> 


or orIa; Padısr Öeüp’; B. aberw vov 1 aüry 


Ösugt nev oWv 19° ws zw. B. dv ydı m abe 

Sonach erheben sich mancherlei bedenken gegen derartige an- 
wendung des apostrophes, und drängen zu der anname, es sei 
der damit als ungesprochen bezeichnete vocal denn doch wol 
gesprochen worden. dafs dis habe geschehn können one me- 
trischen verstols, zeigt der Lateinische und der Romanische 
vers. auch Shakspeare, und vermutlich mit ihm alle übrigen 
Englischen dichter, schreiben mehr sylben als sie dem verse 


anrechnen: 
there where my fortune lives, there my life dies. 


solte nicht ratsam sein so bewärtem vorgang in unsern 
ausgaben der Grichischen autoren zu folgen und nirgend zu 
apostrophiren auf gefar der deutlichkeit? 


20* 


276 Gesammtsitzung 


8. April. Gesammtsitzung der Akademie. 
| wi: Be vr 
Hr. Haupt las folgende Abhandlung des Hrn. Parthey, 


‘Die koptischen Handschriften in Rom. 


Die Aufschliefsung der ägyptischen Hieroglyphen gelang 
durch das Studium der koptischen Sprache, und verlieh diesem 
Studium eine neue, nicht geahnete Wichtigkeit. Seitdem man 
die Überzeugung gewonnen, dafs die Sprache der Denkmäler 
aus den Zeiten der Cheops und Mykerinus zu der Sprache der 
koptischen Bibelübersetzung ungefähr in demselben Verhältnisse 
stehe, wie das Lateinische zum Italiänischen oder der Ulfilas 
zum Neuhochdeutschen, seitdem betrat die Hieroglyphenforschung 
den einzig richtigen Weg, aus dem Bekannten das Unbekannte, 
aus den überlieferten koptischen Formen den Klang und die 
Deutung der krausen hieroglyphischen Zeichen zu enträthseln. 

Bis jetzt beschränkt sich der Sprachschatz des Koptischen 
auf die theilweisen Übersetzungen des Alten und Neuen Testa- 
mentes, sowie auf einige Heiligengeschichten und liturgische 
Werke. Die umfangreiche Probe aus der Profanlitteratur der 
ägyptischen Gnostiker, die Pistis Sophia, hat zur Bereicherung 
der Sprache wenig beigetragen, und uns in Betreff des Inhaltes 
nach ähnlichen Werken nicht eben lüstern gemacht. Von der 
koptischen Übersetzung des A. T. fehlen immer noch mehrere 
historische Bücher und die meisten Apokryphen. ‘ 

Es entstand die Frage, ob diese kirchlichen Schriften irgend- 
wo in den Bibliotheken verborgen liegen, oder ob man an- 
nehmen könne, dafs sie vielleicht von den Kopten der ersten 
christlichen Jahrhunderte gar nicht übersetzt seien, ob man da- 
her auf eine vollständige koptische Übersetzung des A. T. ver- 
zichten müsse. 

Zur Beantwortung dieser Frage schien mir in Rom, der 
Stadt der Kirchen und Bibliotheken, eine günstige Gelegenheit 
_ gegeben; ich benutzte einen längeren Aufenthalt daselbst, um 
die verschiedenen Sammlungen durchzugehn, und die darin ent- 
haltenen koptischen Handschriften theils nach den vorhandenen 
Katalogen, theils nach eigner Ansicht zu verzeichnen. Die 
nachfolgenden Blätter geben das Resultat dieser Bemühungen. 


vom: 8. April 1869. 277 


In vier römischen Bibliotheken finden sich koptische Hand- 
schriften, 1. in der Propaganda, 2. in der Vaticana, 3. in der 
Angelica, 4. in der Barberina. Die folgenden Sammlungen 
besitzen nach den Versicherungen der vorgeordneten Biblio- 
thekare keine koptischen Handschriften: 1. Aracoeli, 2. Collegid 
Romano, wo A. Kircher die ersten Fundamente des Koptischen 
legte, 3. Chisiana, 4. Corsiniana, 5. S. Isidoro, 6. Madonna sopea 
Mineeva, 7, Bernie, 8. Vallicelliana. 


I. Propaganda. 


An Umfang nimmt die Sammlung des Collegio urbano di 
propaganda fide unstreitig den ersten Platz ein. Sie stammt 
gröfstentheils aus dem Nachlasse des Kardinales Stefano Borgia 
(1731 —1804). Wir dürfen hier einen Augenblick bei den 
Lebensereignissen dieses ausgezeichneten Mannes verweilen, da 
sie mit den Schicksalen seiner Sammlungen verknüpft sind. 
Borgia widmete sich früh dem geistlichen Stande, und erstieg 
nach und nach alle Stufen der römischen hierarchischen Aristo- 
kratie. Seinen Pallast in Velletri machte er zu einem Museum 
für Kunst und Wissenschaft. Ihm verdankt man die Bekannt- 
machung des ersten griechischen Papyrus durch N. Schow 
(1788). Von befreundeten Missionaren erhielt Borgia fortwäh- 
rend aus Aegypten Zusendungen von koptischen Handschriften; 
G. Zoega lieferte ein Verzeichnifs davon, das allen ähnlichen 
Publikationen zum Muster dienen kann (1810). Im Jahre 
1770 zum Vorsteher der Propaganda ernannt, leitete Borgia 20 
Jahre lang mit unverdrossenem Eifer dieses Institut, bis es 
mit ihm von den Stürmen der französischen Revolution ver- 
schlungen ward. Den Kardinalshut erhielt er im Jahre 1789. 
Als im Jahre 1797 der französische General Duphot in Rom 
ermordet ward, ernannte der rathlose Pius VI den Kardinal 
Borgia zum Statthalter von Rom. Dies machte ihn zum näch- 
sten Zielpunkte für die Brutalitäten der französischen Macht 
haber, deren rücksichtslose Willkür nirgend gehässiger hervor- 
tritt, als in dem Verfahren gegen den wehrlosen Kirchenstaat. 
Unter einem nichtigen Vorwande ward Borgia von den Fran-- 
zosen verhaftet, in den Gefängnissen von Civitavechia, Livorno, 


278 Gesammtsitzung 


Florenz, Rovigo herumgeschleppt und endlich freigegeben. Auf 
dem Conelave in Venedig (1799) vereinigte. Borgia 17 Stimmen 
der Kardinäle für sich; die Majorität erhielt sein Freund Chia- 
ramonti, der als Pius VII den wankenden päpstlichen Stuhl 
bestieg. Borgia kehrte mit Pius VII nach Rom zurück, konnte 
aber nicht hindern, dafs im Jahre 1800 das Gebäude der Pro- 
paganda von dem aufgewiegelten römischen Pöbel geplündert, 
und die berühmte Druckerei von den Franzosen nach Paris 
entführt ward. Im Spätjahre 1804 begleitete Borgia den Papst 
auf der Krönungsreise nach Paris, erkrankte unterweges und 
starb in Lyon den 23. Nov. 1804 im 73. Jahre. 

Seine reichen wissenschaftlichen Sammlungen fielen nach 
seinem Tode gröfstentheils an die Propaganda, ein Theil ging 
nach Neapel (Peyron gramm. copt. p. XIV). In der Propa- 
ganda nimmt Borgia’s Nachlals ein besonderes Zimmer ein, 
das die Aufschrift trägt: Museo Borgiano. Die von Zoega 
verzeichneten 397 koptischen Handschriften sind nicht mehr 
beisammen. Es fehlen über 200 davon, welche muthmafslich 
nach Neapel wanderten. 

Im Museo Borgiano fand ich zwei handschriftliche Ver- 
zeichnisse der Sammlung, das eine angeblich um das Jahr 1830 
gemacht, das andere aus dem Jahre 1856. Das erste ist in 
zwei gleichlautenden Exemplaren vorhanden: Inventario del 
Museo della Ch. M. Cardinale Stefano Borgia. Es enthält in 
396 fortlaufenden Nummern alle vom Kardinale hinterlassenen 
Gegenstände nebst einer Taxe der einzelnen Objecte in Seudi 
und Bajocchi. Das eine Exemplar dieses Inventariums zeigt 
die Summe von 6895 Scudi 10 Bajocchi, das andere Exemplar 
giebt 6905 Scudi 10 Bajocchi. Dafs dieses alte Inventarium 
von einem noch älteren herstamme, sieht man bei No. 366: 

Venti Iscrizioni antiche, Cristiane, de’ Gentili, Greche e latine 
di diverse grandezze con tre bassirilievi e sette bolli di figurine. 
Hierunter steht von der Hand desselben Schreibers: Non ritrovate. 

Die “Codici Cofti des Verzeichnisses von 1830 gehn von 
No. 335— 349, und wurden zu 500 Seudi taxirt. Zusammen 
sind es 24 nicht näher specifieirte Handschriften und 29 Papp- 
kästen (Cassette) mit einzelnen Blättern. Diese Kästen ent- 
halten die bei Zoega (pag. 139 — 168) abgedruckten Basmyrica, 


vom 8. April 1869. 279 


und von den sahidischen oder thebanischen Handschriften die 

Nummern 1—168 (Zoega pag. 172— 2837) mit Ausnahme von 
No. 11. 19. 24. 25. 46; die Nummern 99 und 141 sind beson- 
ders eingebunden. Diese Pappkästen wurden später von einem 
französischen Benutzer durchgesehn, der in manchem Kasten 
die 4.oder 5 Umschlagbogen mit koptischen Fragmenten noch 
einmal zusammen in einen Umschlag legte, und darauf schrieb: 
Quatre Chemises, Cing Chemises u.s.w. Auch finden sich andre 
französische Bemerkungen von derselben Hand auf den Um- 
schlägen. : 

Bei der Anfertigung des Verzeichnisses von 1830 fehlten 
mithin nicht nur 58 memphitische Handschriften, sondern auch 
die bei Zoega genannten sahidischen Abtheilungen: Patristica 
_ et Monastica Aegypti, Scripta variorum auctorum, De re medica, 
Miscellanea; 143 sahidische Handschriften, zusammen 201 Hss., 
die man nach Peyrons Bemerkung jetzt in Neapel zu suchen 
hat. Gewils würden die Lebensbeschreibungen und Legenden 
der ägyptischen Äbte, Mönche, Einsiedler und Märtyrer auch 
nach den von Zoega gelieferten Auszügen noch manchen werth- 
vollen Beitrag zur Geographie und Geschichte des christlichen 
Aegyptens, so wie manche Bereicherung des koptischen Wort- 
schatzes gewähren. 

Da es jedoch immerhin nicht unmöglich schien, dafs ein 
Theil jener fehlenden Hss. in Rom verblieben sei, so zeigte 
sich eine Hoffnung zur Auffindung derselben, als mir gesprächs- 
weise mitgetheilt ward, dafs im Jahre 1839 mehrere ägyptische 
Gegenstände aus der Propaganda nach der Vaticana abgeliefert 
worden seien; auf wessen Veranlassung blieb unerörtert. Allein 
diese Hoffnung erwies sich bald als eine trügliche. Das über 
die Ablieferung aufgenommene Schlufsprotokoll von der Hand 
des Rektors Tiguri, welches sich auf frühere Verhandlungen 
zu beziehen scheint, verdient wohl, hier ganz. eingerückt zu 
werden. 

“Il Sig. Cav. Fabris si presento un giorno al museo Bor- 
giano, facendo ricerca degli oggetti Egiziani, per trasportarli 
al Museo Pontificio: fu risposto, come era dovere, che nulla 

_ poteva darsi senza ordine di 8. E. il Cardinale Prefetto: 
frattanto il Sig. Drak fece la nota qui acclusa, e per qualche 


280 Gesammtsitzung 


tempo non si parlö piu di nulla. Domenica 27 Gen. 1839 
Monsignor Segretario fu conforme al solito all’ udienza del 
Santo Padre e fu richiesto degli oggetti Egiziani: Lunedi 
mattina 28 Gen. il Sig. Radiei portö l’acchiusa nota seritta 
di mano del Sig. Drak con ordine di fare la eonsegna ri- 
chiesta al Sig. Cav. Fabris; per maggior sicurezza fui da 
::8. E. il Card. Prefetto, dove trovai il P. N. Generale e 
'Mons. Segretario: mostrai la nota: mi fü risposto, che vi 
voleva pazienza, che eonsegnassi il tutto: in segnito a cio 
chiamai i PP. Ryllo e Tessieri che disposero la roba richi- 
esta in ordine: il giorno 29 alla mattina venne il Sig. Cav. 
" Fabris con due faechini, ne fece la ricognizione, pose il tatto 
in una canestra, e se la portö via, lasciando la ricevuta. 
29 Gen. 1839. 
L. X. Tiguri S. J. 
Rettore del Coll. Urbano.” 


Die beigeschlossene Note von der Hand des Herrn Drak 

lautet; 
“Oggetti egiziani esistenti nel Museo. 
1. 4 figurine di bronzo, lunghe eirca un palme, di eui 
due frammentate. 

9. 9 id. terzo di palmo. 
3. 1 frammento. 
4. 1 sistro. 
5. 1 campanello. 
6... 7 mummiette di terra cotta. 
7. 33 id. di smalto. 
8. Anubis ben conservato. 
9. 62 figurine e animalucci di collana, in smalto. 
10. 1 sistro piecolissimo d’osso. 
11. 21 frammenti varj di smalto. 
12. 2 id. di terra cotta. 


13. 3 frammenti di pietra. 

14. 1 id. di lapislazzul. 

15. 1 frammento di gufo in basalte. 
16. 1 canopo di marmo nero. 

17. 1 mummia d’animale aperta.” 


vom 8. April 1869. 281 


Darunter steht: 
“Jo sotto seritto ho ricevuto dal Rmo Padre Rettore 
di Propaganda i sopra indicati oggetti, questo di 
29 Gennaro 1839. 
Cav. Fabris Direttore Generale dei Musei e 
Gallerie al Vaticano.” L 

In dem Verzeichnisse vom Jahre 1830 ist bei den betref- 
fenden Nummern bemerkt “al Vaticano.” 

Man ersieht hieraus, dafs im Jahre 1839 keine koptischen 
Handschriften in den Vatican gekommen sind. 

An das ausführliche Inventar vom Jahre 1830 schliefsen 
sich einige kleinere Verzeichnisse der koptischen Handschriften, 
von denen es unentschieden bleibt, ob sie von Schülern der 
Propaganda als selbständige Arbeiten nach den vorhandenen 
Codices oder als Auszüge aus Zoega angefertigt sind. 

1. "Codiei Cofti del Museo Borgiano, vide Cat. Cod. 
Copticorum auctore Zoega. an. 1810.” — Hat nur 29 
Nummern. 

2. Ohne Überschrift; von derselben Hand, 20 Nummern. 

3. Ohne Überschrift; von derselben Hand, 21 Nummern. 

4. Ohne Überschrift; von andrer Hand, 172 Nummern. 

Zuletzt wurde in den Jahren 1855 und 1856 ein neues 
selbständiges Verzeichnils der im Museo Borgiano vorhandenen 
Gegenstände angefertigt: 

“Inventario generale del Museo Borgiano, preso in 
consegna dal Rettore J. Tancioni il 24 Maggio 
1356. Prineipiato li 21 Marzo 1855.” 

Die Handschriften sind hier nach den Sprachen gesondert, 
aber nur obenhin und ohne systematische Ordnung. Die von 
dem Pater Tuki nach vatikanischen Codices genommenen kopti- 
schen Abschriften bilden eine besondere Reihe, deren Nummern 
hin und wieder angegeben und noch durch eine laufende Num- 
mer vermehrt sind. Zoega bearbeitete seine Memphitica nach 
diesen Abschriften, da die Originale aus der Vaticana sich da- 
mals in Paris befanden. 

Merkwürdig genug geschieht in aa Verzeichnisse von 
1856 der 29 Pappkästen gar keine Erwähnung, die fast ein 
Drittheil des Zoegaschen Materiales umfassen und die in dem 


282 Gesammtsitzung 


Verzeichnisse von 1830 aufgeführt sind; dagegen hat dieses 
letztere nur 24 einzelne koptische Handschriften, während das 
Inventar von 1856 deren 141 enthält. Ob in dieser Zahl die 
bei Zoega verzeichneten Memphitica vollständig enthalten seien, 
bleibt ungewils. Eine Verification im einzelnen liefs sich nicht 
ausführen, da der anfangs im Museo Borgiano gestattete kurze 
Aufenthalt dazu nicht ausreichte, später aber nur im Bibliothek- 
saale der Propaganda gearbeitet werden durfte. 

Weder in den Notizen über Borgia’s Wirksamkeit von 
Millin und Paulinus a S. Bartholomeo, noch in Borgia’s Leben 
von Baraldi (Modena, 1830) findet sich eine genauere Nach- 
richt über die Schicksale und die Vertheilung seines wissen- 
schaftlichen Nachlasses. 

Diese Vorerinnerungen schienen nothwendig, um das Ver- 
hältnifs des Zoega’schen Kataloges zu dem jetzigen Bestande 
der koptischen Handschriften klar zu machen. Das folgende 
Verzeichnifs ist ein Auszug aus dem Inventar von 1859. Die 
laufenden Nummern sind der Übersicht wegen von mir hinzu- 
gefügt, an der halblateinischen, halb italiänischen Orthographie 
ist nichts geändert. 


Inventario Generale del Museo Borgiano preso ın 
consegna dal Rettore J. Tancioni il 24. Maggio 1856. 
Principiato li 21 Marzo 1859. 


(Querfolio. MS. 212 Seiten.) 


p- 62. Manoscritti Copti. Scanzia 10. Fila 2. 


1) Codice Bambacino. Consecratio novae Ecelesiae et altarum 


(desunt 1. et 2. vol.) 4. 1 
ia 2 Lectionaria et Responsoria maioris hebd. 
1784. 2 


3) Cod. cart. Rituale Copticum. pars a Tukio descripta una. 
cum versione Arabica. (58 di Monsignor Tuki). 
8. 3 
4) Mss. copti di Mgr. Tuki No. 57. 59. rituale. 3. 4.5 


5) Cod. cart. 


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E **p:'63: 
2) God. cart. 
8) 2) A 
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p- 64. 


13) Cod. cart. 


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1E) snicılon 
18) » N 
19) N b>) 
p- 69. 


vom 8. April 1869. 283 


Diurnum copt.-arabicum di Tuki 55. 8. 6 
copt.-arab. Liturgiarum SS. Basilii, Gregorii et 
Cyrilli. 8. 7 
Rituale copt. 8. 5 
Ms. copt. di Tuki 52. 8. 9 


Continet homilias 53 officium diaconi et Litur- 


' giam S. Basilii partim copt. partim arab. 53 di 


Tuki. 10 
Psalmodia copt. etc. copt. et arab. 48 di Tuki 11 
Diurnum copt. 22 di Tuki. 12 


Continet ordinem precum recitandarum die Pa- 
rasceva magna arabice: serie lectionum ececlesia- 
sticarum diei in quo incidit celebratio baptis- 


matis Christi coptice: Lectiones Parascevae 


magnae copt. et arabice: Hymnus in eamdem 
diem copt.-arab.: Lectiones in feriam SS. A. Petri 
et Pauli copt.-arab.: Orationes a pueris recitan- 
das. etc. etc. 8. di Tuki 54. 13 


Continet Doxologiae partieulam: Grammatic. 
copt.-arab. et ritualis coptici varia commenta 
(31. Tuki). „8... 14 
Dietionarium copt.-arab. 8. 15 
Brevis institutio una cum Vocabulario copt.- 
arabico. 16 
Grammatica et Vocab. linguae copt.-arab. apo- 
graphum eiusdem Tuki. (di Tuki 87.) 4. 17 
Vocab. copt. arab. voces phrasesque continens 
Deuteronomii (di Tuki 95). 8. 18 
Vocab. copt. arab. continet dietiones praecipuas 
libri Numerorum et Exodi (di Tuki 90). 8. 19.20 
Vocab. copt.-arab. continet voces dictionesque 
libri Geneseos (di Tuki 89). 8. 21 


20) Cod. bamb. Hymni coptiei qui in ecelesia Alexandrina 


cantantur. 4. E32 


284 
21) Cod. 
7) Dre 
23) Cod. 
24) Cod. 
NN 
26) Cod. 
27) 
BB). 4 5 
29) Cod. 
p. 66. 
30) Cod. 
ee 
32) Cod. 
33) Cod. 
34) 9 
35) Cod. 
36) Cod. 
a7) 5 
38) 
SIR m 
40) 
p- 67. 
41) Cod. 
42) 
43) 
44), 
5) BR 


Gesammtsitzung‘ 


' Elementa linguae Egyptiacae. 8. 2.3. 74. 75 
Grammaticae copt. partieula. 8. 4. 76 
Ritualis copt. particula. 8. 9. 38 


Breviarii Alexandrini pars copt.-arab. 8.6. 20 


Diurnum copt.-arab. 4. 2, KK 
Fgmenta varia ad officium Missae pertinentia 
copt.-arab. 12. 86 
Officium temporis ieiunii pro Alexandrina Ec- 
clesia copt. 12. 9. 21 
Officium hebdomadae sanctae. 12. 10. 50 
Euchologii Alexandrini particula copt. 8. 11. 62 


Miscellanea sacra copt.-arab. continet officium 
clerici, canones in adoratione crueis adorandos 
et alios canones cum hymnis et cantieis. 8. 


12. 56 

Lectionarium copt.-arab. 4. 13. 60 
Miscellanea copt.-arab. 4. 14. 2 
” Sgunr > 4. 15. 86 
Lectionarium copt. Tuki manu exaratum. 4. 
16.18 


Officii hebdomadae sanctae particulae. 4. 17. 62 
Frgmta grammatica et lexicographica. 4. 18.85 


Brevis manuductio linguae copt. 4. 19.71 
Lectionarii copt. particula. 4. 20. 19 
Dictionar. copt.-arab.-lat. 4. 21.85 


Ecclesiastes; maxima pars libri Job et alia 
frg. veteris test. dialecto Tebadea. 4. 22. 64 


Frg. patristica et monastica copt. tebaica. 4. 

23. 65 
Anaphora minor S. Basilii M. copt. 4. 24. 36 
Capita XV Geneseos prima. Graece. copt.-arab.- 
lat. adiecta aliquando versione tebaica. 4. 25.31 
Adnotationes grammaticales in psalmos. copt.- 
arab.-lat. 4. 26. 84 
Miscellanea copt.-arab. et primo Officium B. V. 
Mariae: hymni in omnes Apostolos, Martyres, 


46) Cod. cart. 


7): 5 ” 
#8) nn 
D. 71, 


49) Cod. cart. 


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52) 2». 
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p.il2. 


56) Cod. cart. 


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p- 73. 


60) Cod. cart. 


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vom 8. April 1869. "a8 


Monachos ete.: initium prophetiae Isaiae: for- 
mulam Missae ad normam S$. Basilii et alia. 


4. 27. 63 
Dietion. copt.-arab. 4. 23. 40 

” ä wei, 29. 70 
Grammatiea copto-lat. 4. 30. 29 


Scanzia 10. Filz 4°. 
Epistolae S. Pauli, Petri, Joannis et Judae et 


Actus Apost. copt.-arab. 4. 1. 4 
Lectionarium et Evangeliarium copt.-arab. 4. 
2. 13 
Euchologia. copt. persiana. 4. 3.28 
4. 26 


N N N” 
Frg. martyrii S. Coluthi sahidiei: frg. Evangelii 
S. Joannis: frg. homiliae S. Joannis Krysosto- 
mi, de iudicio futuro: vita S. Georgii. 4. 5. 66 
Leviticus, Numeri et Deuteronomium copt. arab. 
4. | 6.1 
Canones Eusebii in novum testam.: vita SS. 
Matthaei, Marci, Lucae et Joannis cum bre- 
viario epistolarum Evangeliorum et Acta Apost. 
4. 7.3 


Offieium Missae in festis SS. Gregoriüi, Basilii, 


Cyrillus. | 8. 12 
Psalmi Davidis cum canticis Moysis, Habacuc 
aliorumque copt.-arab. 4. 11. 2 


Saggio di Dizion. copt.-arab. 8. 12.92; id. 
13.14; id. 15. 49; id. 16. 45; id. 17. 46; id. 
18. 44. 


Prologus in Apocalypsin et alia. 12. 19 
Fila .5%. 

Thesaurus linguae egyptiacae, arab. et graece. 

4. 1—4. 79—82 

Dietion. copt. arab. 3. 5—6 


Psalmodia saera, aliaque ad liturgia Alexandrinae 


‚ecelesige spectantia. 4. 1.29 


286 


63) Cod. 


64) Cod. 


65) Cod. 


6) » 
67) 


p. 74. 


68) Cod. 
69) Cod. 


70) 
72) 


72) Cod. 


73) Cod. 
74) Cod. 


75) Cod. 


76): 4% 
7) 
p- 75. 


78) Cod. 


baımb. 


Gesammtsitzung 


Frg. orationis: oratio in laudem Salvatoris, 
officia, doxologia, hymni etc. (cod. XVII se- 
euli.) 4. 8. 28. 
Observ. grammaticales in linguam copticam 
cum adnotationibus ling. graecae. 4. 9. 78 
Pontificale Aegypt. 4. 10 
Encomium SS. Juni, Juli, Augusti. 4. 11—13 
Eneomia mesum seu Augusti et quinque dies 
inter Callares. 4. | 14 


Martyrologium Coptorum. 4. 15—16 
Euchologium egyptium. 4. 17 
Rituale et liturgia Coptorum. 4. 18 
Interpretatio linguae copticae, continens bre- 
ves institutiones gramm. et vocab. secundum 
ordinem librorum Novi Test. dispositum. fol. 

19. 94. 

Fila 6%. 


Diurnum copticum, continens officium divinum 


quotidie recitandum diebns jejuniis. copt. fol. 


1. 10 
Lectionarium copt. mensis Septembris. copt. 
fol. 29 
Psalmodia, hymni, doxolog. et officium clerici. 
fol. 3. 23 


Epistolae et Apocalypsis.- copt. arab. 4. 4. 5 
Altera pars diurni Copt. 4. 5418 
Diurni copt. pars. 4. 6. 16 


Canones gramm. copt. utriusque dialecti, in 
quibus edendis utitur ling. lat. (imperfeetum). 
8. 7 
Miscellanea sacra copt. arab. continet hymnos, 
precationes in sanctos martyres: Rituale pro 
ordinandis monacis: Pro foeminis religiosis: 
De consecrando oleo sancto: Officium B. M. 
| 8. 30 
9. 34 


Virginis etc. 4. 
Ritualis copt. pars. copt. arab. 4. 


81) Cod. cart. 


2) nn 

Buy 

Bin, (ei 

5) » 

6) »  » 
p- 76. 


87) Cod. cart. 


88) N ” 
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91) N ” 


92) Cod. Perg. 


3) nn» 


p-"%7,; 
94) Cod. cart, 


95) n N 
96) Cod. perg. 


97) Cod. cart, 


BB nn 


vom 8. April 1869. 287 


Ritualis copt. varia. 4. 10. 39 
Genesis et Exod. copt. arab. 4. 11 
Preces et lectiones eceles. Alexandrinae Tukii 


' manu exarata. 4. | 12 
Psalmodia pro eccles. Alexandr. 4. 13. 24 
Elementa linguae copt. 4. 14. 68 


Liber Jobi ab initio usque ad cap. xxxvıur v.16 
et a cap. XL v.8 usque ad finem. 4. 15.72 


Horarium sive lectiones et hymni in omnes 
horas diei noctisque. 4. 16. 31 
Elementorum ling. Egyptiacae pars 1?. 4. 17.69 
Rituale copt. pro ordinatione archiepiscopo- 
rum, episcop. copt. arab. 4. 18. 41 
Officium hebdomadae sanctae iuxta ritum eccl. 
Alexandr. 4. 19. 14 
Officium S. Missae iuxta ritum eccl. Alexandr. 
copt.-arab. Item cauita aliquot ex Psalmis 
20. 35 
Proverbia a cap. xx v.3 ad finem. Ecelesia- 
stes integer. Job ab initio usque ad cap. xvım 


selecta. copt. 


v. 16. 21 

Frg. copt. ex actis S. Coluthii MS. seculi 

quinti. 22 
Fila: 7a 


Martyrologium per i due mesi coftici chiamati 
Phamenoth e Pharmuthi: Inni e preci per le 
feste e domeniche della quaresima. copt.-arab, 
fol. 1 
Commentaria in 8. Scriptura. 4. 208 
Frg. Evangelii S. Joannis, seculi quarti graec, 


copt.-teban, 4. 4 
Prophetia Jsaiae et Jeremiae, copt.-memph.- 
arab. 4. #) 


Excerpta ex sermon. S. Joannis Chrysostomi: 
homilia S. Basilii de jejunio: homilia Zacca- 
riae episcop. Ihhou: et aliae homiliae et vitae 
Sanctorum. 4. 6 


288 Gesammtsitzung 


99) Cod. cart. Liturgia ecel. Alex. copt.-memph. 4. 7 
10) » 9» „Vitae Sanct. et acta martyrum. copt. 4. 8—13 
p. 78. 

301) m »  Excerpta ex serm. S. Joannis Chrysost. 4. 14 
102) „9. Psalmi Davidis cum cantieis Moysis, Annae, 
Ezechiae etc. 4. 15 

103) % »„ Apocalypsis, copt.-memph. 4. 16 
KA): y „.. Vitae SS. et acta martyr. 4. 17 
105). 5 »  Prophetia Danielis et XII prophetae minores. 
4. | 18 (ef. no. 279) 

106) „ „ Liturgia copt. memph. 8. 19—20 
Oro, »„ Vocabular. copt.-arab. 8. 21 

Fila 8. 

.108) Cod. perg. Continet aliqua capitula proverbiorum dialetto 
saidico. 1 


109, ru „ .. Frg. varia apocrypha de vita Jesu Christi et 
B. Virginis: acta XH apostol.: frg. actus $. 


Stephani et Josephi. 2 

PB 
140); cm „ . Martyr. SS. Simonis, Petri, Pauli, Andreae, 
Barthol.: Vita S. Joannis. 3 


111) 9%» Sermo de tentatione diaboli: de Theodosio 
Alexandr. episc., aliisque qui restiterunt conc. 
Chale.: frg. libri II Regum a cap. x v. 16 us- 
que ad ec. xıv. 11: acta conc. Ephesini: frg, 
historiae persecutionis sub Athanasio: acta 
conc. Niceni etc. 4 
112) » „De abbate Claudio: martyrium S. Leonti, 
Vietoris, Theodori, Publii sauyeiuj: frg. acto- 
rum $. abbatis Victoris: frg. act. 8. Jsidori 
et XIX martyres: de $S. Cosma et Damiano: 
de Gesio et Isidoro fratribus: de capite S. Jo- 
annis collocato Emisiae: de septem dormien- 
tibus: hist. S. Georgii martyris et aliorum. 5 
113)aN, „.  Frgmtum Ezechielis. 6 


p. 8. 
re a Diversa frg. prim. epist. Pauli ad Corinthios: 


vom 8. April 1869. 289 


epist. ad Galastas: ad Ephes. ad Thessal. et 
‚ad Timoth.: item frg. Apocalypseos, 7 
115) Cod. perg. Epist. ad Romanos frg.: prim. et sec. ad Co- 
rinth. ad Hebr. ad Gal. ad Ephes. ad Philipp. 


Ä ad Coloss. 8 
EU TEE »  . Liturgica graec.-copt.: frg. codieis diaconiüi: 
frg. liturgica tebaice. I 

11m 5 ” Frg. evang. S. Joannis: Psalmi cxxxı: evang: 


S. Matthaei graec.: Marei graec. epist. Jacobi: 
acta apost.: Psalmi xıv: evang. Math.: frg. 
leetionarii: lectiones ecclesiast.: S. Lucae: 
Psalmi Lxxxvnı: epist. I. ad Timoth.:; Psal- 
mi xx: frg. Lucae: epist. ad Hebr.: frg. bom- 
bycinum lectionis evang. secundum Lucam. 10 


129), 1, 2 Acta SS. Theelae et Paisii: frg. aetor. S. Dia- 
coni abbatis et Panionia: de S. Petro archiep. 
Alexandr.: frg. actor. S. Jacobi et 8. Theo- 


noie. 1 

»“ n . Fig. evang. $. Joannis. | 12 

5; „ . Fıg. ev. S. Joannis: act. apost. 13 

r „ Jerem. frgmtum dialetto Basmurico: frg. pro- 

phetiae Jsaiae: prim. epist. ad Corinth. 14 

® 5 Frg. Geneseos, Exodi et Levit. 15 

h „ Fıg. Levit. Num. et Deut. 16 

a „ Frg. Lucae graec.-Thebaice.: Joannis. 17 

a „ Fıg. Levit. Num. et Deut. 18 

> „ Fre. lib. 1. II. Regum: Judieum: Danielis Jo- 
sue. 19 

u „ Frg. Jerem. Isaiae et Ezech. 20 

nn. Frg. evang. S. Matthaei. 21 


» » . Fre. prophet. Aggai, Zacch., Amos et Micheae: 
frg. lectionum ecclesiast.: ex Genesi, Levit. 
Exod. Ezech. Zacc. Jerem. Osea, Isaia. Da- 


nielis. RE 22 

p- 82. 
Mr „  Frg. evang. Matthaei. | 123 
a & „  Marei. 24 


[1869.] 21 


290 Gesammtsitzung 


132) Cod. perg. Frg. evang. Matth. et Marci. 2 
33) 8% e 5 »  Iucae et prim. epist. Joannis. 26 
134)U2', b N op  ZTucae. 27 
as), 5 „ „  Mareci, Lucae et Joannis. 28 


136) Cod. cart. Pericope utriusque testamenti dial. Said. 4. 29 
137) 2% „ Gramm. ling. copt. conscripta a P. Guillelmo 


Boniour. fol. 30 
18, »„ (sine nomine), 31.7 
* 
Scanzia XIV. Fila 5. 
p. 137. | 
139) Cod. cart. Frg. evang. S. Joannis. Graec.-copt.-tebaic. 
4. | 34 
* * 
& 
p. 159. 
Credenza VI. Fila 3. 
Copia di un Papiro trovato a Tebe. 
Fand sich nicht vor, eben so wenig wie der von Schow 
1788 herausgegebene, in Gizeh gefundene Papyrus. 
p. 169. 


140) Ms. di Msgr. Tuki sulla Pasqua dei Copti. (copt.) 1 
p. 171. | | 
Ä Credenza X. Fila 5. 


141) Miscellanea copt. arab. di Msgr. Tuki. 2 


Die nun folgenden 29 Pappkästen sind bei Zoega p. 139 
—287 ausführlich verzeichnet, wir geben daher nur seine $y- 
nopsis p. 196—203 mit Hinzufügung der Anzahl der Fragmente 
jedes Buchs. 


vom 8. April 1869. 


142) Geneseos. 15 Fragmente. 
143) Exodi. 7 Fre. 

144) Levitici. 18 Frg. 
145) Numerorum. 15 Fre. 
146) Deuteronomii. 8 Fre. 
147) Josue. 5 Frg. 

148) Judicum. 2 Fre. 
149) Ruth. 1 Fre. 

150) Regum I. 4 Fre. 
151) Regum II. 5 Frg. 
152) Regum Ill. 1 Fre. 
153) Tobiae. 2 Frg. 

154) Jobi. 12 Fre. 

155) Psalmorum. 86 Fre. 
156) Proverbiorum. 12 Fre. 
157) Ecclesiastes integer. 
158) Cantici. 1 Fre. 

159) Sapientiae. 1 Fre. 
160) Ecclesiastiei. 1 Fre. 
161) Jsaiae. 28 Fre. 

162) Jeremiae. 5 Frg. 
163) Ezechielis. 10 Frg. 
164) Danielis. 7 Frg. 
165) Osee. 6 Frg. 

166) Joel. 1 Frg. 

167) Amos. 5 Fre. 

168) Abdiae. 1 Fre. 

169) Jonae. 1 Fre. 

170) Michaeae. 4 Fre. 


291 


171) Nahum. 1 Fre. 

172) Habbacuc. 1 Fre. 

173) Sophoniae. 1 Fre. 

174) Aggaei. 3 Fre. 

175) Zacchariae. 10 Frg. 
176) Matthaei. 53 Fre. 

177) Marci. 20 Fre. 

178) Lucae. 62 Fre. 

179) Johannis. 71 Frg. 

180) Actorum. 4 Fre. 

181) Ad Romanos. 3 Fre. 
182) Ad Corinthios I. 12 Fg. 
183) Ad Corinthios I. 1 Fg. 
184) Ad Galatas. 6 Fre. 
185) Ad Ephesios. 11 Fre. 


186) Ad Philippenses. 4 Frg. 


187) Ad Colossenses. 5 Fre. 
183) Ad Thessalonicenses I. 
1 Frg. 
189) Ad Thessalonicenses II. 
2 Fre. 
190) Ad Timotheum I. 3 Fg. 
ı91) Ad Timotheum U. 1Fg. 
192) Ad Hebraeos. 6 Fre. 
193) Jacobi. 2 Frg. 
194) Johannis I. 1 Fre. 
195) Johannis IH. 1 Fre. 
196) Johannis III. integra. 
197) Apocalypseos. 5 Frg. 


IE. Watieania: 


Die Anschaffung koptischer Handschriften für die vati- 


kanische Bibliothek, datirt aus dem 16. und 17. Jahrh. 


In 


mehreren codices lielst man die folgenden gleichlautenden Be- 
merkungen auf dem ersten Blatte: 


21° 


292 Gesammtsitzung 


Portato da Egitto da me Girolamo Vecchioni (?) 
l’Anno 1594; 

darunter von anderer Hand: 
Jo. Baptista Raimundus bibliothecae Vaticanae dono 
dedit ex testamento anno 1614. 

Es mögen darüber in den Katalogen der Bibliothek nähere 
Angaben vorhanden sein. J. 5. Assemanni verzeichnete einige 
wenige koptische Handschriften in seiner Bibliotheca ’orient. 
vaticana. Romae 1719. fol. t. 1. p. 617. t.3 pars 1. p. 640644. 

Ein ausführlicher Katalog von 80 koptischen Handschriften 
ist abgedruckt in: Mai scriptt. vett. coll. vatic. 4to t. 5 pars 2. 
p. 114—170. Von diesen 80 HSS. sind 22 aus der Propa- 
ganda im Jahre 1723 nach dem Vatikan gekommen; es sind 
dies die Nummern bei Mai 25. 27. 29 — 34. 36—41. 45. 46. 
48. 50. 52. 53. 70. 73. In einigen dieser codices findet sich 
auf dem ersten Blatte eine Notiz über den Preis des Buches: 
| Valuta del libro un zecchino (tr& zecchini e un riale, 

quattro zecchini) fuor della ligatura; | 
darunter von andrer Hand: 
Die 26. Nov. 1723. 
S. Congregationis Propagandae Fidei decreto in Rom. 
Apostolicam Bibliothecam illatus, ut non solum ad 
Bibliothecae, sed ad eiusdem etiam S. Congregationis 
usus asservetur. 

Für unsern Zweck wird es genügen, einen kurzen Auszug 

aus Mai’s Verzeichnifs hier einzurücken. 


Mai, scriptorum veterum collectio vaticana. 4. 


Tom V. Pars 2. Catalogus codieum copticorum LXXX. 
p. 114—170. 


198) 1. (Assem. bibli. or. t. In. 1). in folio, membran. folio- 
rum 279. saeculi ut videtur decimi. coptice-arabice 
scriptus a Salomone Babylon. 

Pentateuchus. 


vom 8. April 1869. 293 


199—201) 2. 3. 4. (olim 7. 8. 9. J. B. Raymundi) in folio, bom- 


207) 10. 


208) 11. 


209) 12. 


210) 13. 


211) 14. 


byeinus, foliorum 159, 123, 60. coptico-arab. scripti 
ante a. Chr. 1399. 
Pentateuchus, in tres tomos divisus. 


. (olim 2 Assem.) in fol. membran. foliorum 209. saec.: 


ut videtur decimi. 
1—18. Psalterium, cum canticis et oratio- 
'nibus, ex eo expressum fuit Psalterium copticum 
cura R. Tuki. 1744. 8. 


. (olim 5 Petri de Valle) in fol. bombyeinus. paginarum 


430. exaratus a. Chr. 13386. coptico-arab. 

1—17. Psalterium cum cantiecis. 
. (olim 10 Raym.) in fol. bombyc. foliorum 337. saeculi 
ut videtur XIV. coptico-arab. 

Psalterium et cantica veteris testamenti. 


. (olim 1 Raym.) in fol. bombyc. foliorum 351 saec. 


ut videtur XIV. coptico-arab. 
Evangalia quatuor. 


. (olim 4 Raym.) in fol. bombyc. foliorum 504. exara- 


tus a. Chr. 1270 a Michaele Abu-Gelica. coptico-arab. 
Evangelia quatuor. 
(olim 6 Raym.) in 4to. bombyc. foliorum 563. saeculi 
ut videtur XIV. coptico-arab. 
Evangelia quatuor. 
(olim 6 Valle) in fol. bombyc. foliorum 108 exaratus 
a. Chr. 1346. coptico-arab. 
Evangelium secundum Johannem. 
(olim 2 Raym.) in fol. bombyc. foliorum 423. saeculi 
ut videtur XIV. eoptico-arab. 
Epistolae D. Pauli XIV, cum septem catho- 
licis et Actis apostolorum. 
(olim 3 Raym.) in fol. bombyc. foliorum 261. saec. ut 
videtur XIII. coptico-arab. 
Epistolae D. Pauli XIV. 
(olim 5 Raym.) in 4to. bombyc. foliorum 350. scrip- 
tus a. Chr. 1358 a Michaele, filio Abrahami. copt.-arab. 
Epistolae D. Pauli XIV, cum septem catho- 
licis et Actis apostolorum. 


294 


212) 15. 


213) 16. 


214) 17. 


215) 18. 


216) 19. 


217) 20. 


218) 21. 
219) 22. 


220) 23. 


Gesammisitzung 


(Assem. t. 3. p. 643) in fol. bombyeinus, foliorum 59. 
saeculi ut videtur XIV. coptico-arab. | 
l. Apocalypsis. 2. Ordo dominicae palma- 
rum. 
(olim 11 Raym.) in 4. bombyc. foliorum 103. exara- 
tus a. Chr. 1345. coptico-arab. 
Apocalypsis. 
(olim 12 Raym.) in 4. bombyec. foliorum 129. exara- 
tus a. Chr. 1288. coptico- arab. 
Euchologium, sive missale, ad usum eccle- 
siae Alexandrinae, et alia. 
Tres anaphorae prodierunt Romae 1736. 


(olim 4 Assem.) in 16. bombye. foliorum 259. exara- 
tus aute annum Chr. 1318. coptico-arab. 
1. Orde eorum, quae sacerdoti peragenda 
sunt.. 2. Ordo ministerii missae S$. Basilii. 


(olim 20 Assem.) in 4. chart. foliorum 144. exaratus 
anno Chr. 1715. coptico-arab. 
1. Anaphora seu liturgia S. Basilii. 2. Or- 
do thurificationis ad vesperas et matuti- 
num. 
(olim 14 Raym.) in 8. bombyc. foliorum 156. scriptus 
anno Chr. 1315. coptico-arab. 
1. Euchologium. 2. Anaphora 8. Cyrilli. 
3. Oratio pro patriarcha defuncto. 4. Ora- 
tio fractionis hostiae. { 


(olim 14 Raym.) in 8. bombyc. foliorum 67. scriptus 
a. Chr. 1333. coptico-arab. 
Anaphora seu liturgia S. Cyrilli. 
(olim 20 Raym.) in 8 bombyc. foliorum 74. exaratus 
ante a. Chr. 1580. coptico-arab. 
Anaphora S. Cyrilli, fine mutila. 
(olim 24 Raym.) in 8. bombyc. foliorum 33. saec. ut 
videtur XIV. coptico-arab. 
1. Oratio veli. 2. Fragmentum depreca- 
tionis. ..... 8 Commemoratio vivorum et 
defunctorum in missa. 


281) 24. 


222) 25. 


223) 26. 
224) 27. 


225) 28. 
226) 29. 
227) 30. 
228) 31. 
229) 32. 
230) 33. 


231) 34, 


vom 8. April 1869. 295 


(olim 31 Raym.) in fol. bombye. foliorum 271. saec. 


ut videtur XIV. coptico-arab. 
1. Anaphora S. Basilii. 2. Anaphora S. Gre- 
gorii. 3. Anaphora S. Cyrilli, et alia litur- 
gica. 
(olim 52 Propag.) in 16. bombyc. foliorum 229. ex- 
aratus a. Chr. 1491. coptico-arab. 
Anaphora S. Basilii et alia liturgica. 


in 4to bombyc., foliorum 232, exaratus a. Chr. 1616. 
coptico-arab. 
Euchologium cum liturgia S. Basilii, S. Gre-- 
gorii, 8. Cyrilli. 
(olim 37 Propag.) in folio, bombycinus, foliorum 130, 
saeculi ut videtur XIII. coptico-arab. 
1. Diaconale. 2. Canones XXXIV. 3. Psa- 
liae. 


(olim 5 Assem.) in 8vo, foliorum 100, scriptus a. Chr. 
1307. 
1. Diaconale. 2. Hymnus angelicus. 


(olim 20 Propag.) in folio, chartaceus, foliorum 447. 
scriptus a. Chr. 1712. coptice eum rubricis arabicis. 

Katameros. 
(olim 21 Propag.) in fol. chartaceus, foliorum 408. ex- 
aratus a. Chr. 1714. 

Katameros. 
(olim 22 Propag.) in fol. chartaceus. foliorum 414. 
exaratus a. Chr. 1711. coptico-arab. 

Katameros. 
(olim 28 Propag.) in fol. chartac. foliorum 271. de- 
scriptus a. Chr. 1723. 

Katameros. 
(olim 29 Propag.) in fol. chartac. foliorum 326. de- 
seriptus a. Chr. 1719. 

Katameros. 
(olim 30 Propag.) in fol. chartac. foliorum 298. ex- 
aratus circa instium saeculi XVII. 

Katameros. 


296 


232) 35. 


233) 36. 


234) 37. 


235) 38. 


236) 39. 


337) 40. 


238) 41. 


239) 42. 


240) 43. 


241) 44. 


242) 45. 


- G@esammtsitzung ' 


(olim 3 Assem.) in fol. membranaceus, foliorum 57. 
saeculi ut videtur XII. 


Antiphonae et responsoria. 
(olim 23 Propag.) in 4to. ehartac. foliorum 396. serip- 
tus a. Chr. 1709. coptico-arab. 

1. Psalmodia. 2. Doxologia. 


(olim 40 Propag.) in 4to chartac. foliorum 264. de- 
scriptus a. Chr. 1623. coptice cum arabicis rubricis. 
Psaliae sive psalmodia. 
(olim 48 Propag.) in 4to. partim membran. partim 
chartac. foliorum 295. saeculi ut videtur XIV. coptico- 
arabicus. 
Psalm.odia. 
(olim 49 Propag.) in 8vo bombyc. foliorum 302. sae- 
culi ut videtur XIV. coptice, cum rubricis arabicis. 
Psaliae. 
(olim 51 Propag.) in 8vo bombyec. foliorum 254. ex- 
aratus a. Chr. 1334. coptico-arab. 
Horologion, seu septem horae canonicae per heb- 
domadam. 
(olim 50 Propag.) in 8vo bombyc. foliorum 153; sae- 
culi ut videtur XIV. coptico-arab. 
Paraphrasis theotociorum. 


(olim 19 Vatie.) in 8vo bombye. foliorum 132. scrip- 
tus a. Chr. 1316. coptico-arab. 
Canon, sive officium adorationis in festo penike: 
costes. 
(olim 23 Vatic.) in 8vo bombye. foliorum 46. saeculi 
ut videtur XV. coptice cum titulis arabieis. 
Antiphonae et responsoria. 


(olim 13 Caponi) in fol. bombye. foliorum 125. saeculi 
ut videtnr XIII. coptico-arab. 
1. Euchologium. 2. Ordo missae et alia litur- 
gica. 
(olim 33 Propag.) in fol. chartaceus, Per 128. 
saeculi ut videtur XVII. coptico-arab. 
Euchologium seu Pontificale. 


243) 46, 


244) 47. 
245) 48. 
246) 49. 


247) 50, 


248) 51. 


249) 52. 
250) 53. 


251) 94. 


252) 95. 


vom 8. April 1869. | 297 


(olim 26 Propag.) in fol. chartaceus, foliorum 220. 


'exaratus a. Chr. 1719. coptico-arab. 


Euchologium seu Pontificale et Rituale. 
accedunt alia liturgica. 
(olim 72 Carafa) in fol. bombycinus, foliorum 90. sae- 
culi ut videtur XV. coptico-arab. 
Ordo consecrationis chrismatis et alia litur- 
gica. 
(olim 35 Propag.) in fol. chartac. foliorum 69. exara- 
tus a. Chr. 1638. coptico-arab. 
1. Benedictio puerperae quae masculum pe- 
perit. 2. Benedictio puerperae quae femi- 
nam peperit. 3. Ordo baptismi. 
(olim 25 Vatic.) in fol. bombyec. foliorum 100. exara- 
tus inter a. Chr. 1526 et 1569. coptico-arab. 
Euchologium et alia liturgica. 
(olim 39 Propag.) in fol. bombyc. foliorum 85. sae- 
euli ut videtur XVI. coptico-arab. 
Absolutio seu benedictio puerperae etc. 
(olim 71 Carafa) in 4to bombyc. coptice-arab. 
Consecratio ecclesiae et alia liturgica. 
[Hunc codicem desiderari ipse Assemanus monet in 
catalogo ms.] 
(olim 24 Propag.) in 4to, chartaceus, foliorum 223. 
exaratus a. Chr. 1707. coptico-arab. 
Ordo sponsalium et alia liturgica. 
(olim 25 Propag.) in 4to, chartaceus, foliorum 158. 
exaratus a. Chr. 1707. coptico-arab. 
Liber exequiarum et alia liturgica. 
(olim 18 Vatic.) in 8vo bombyeinus, foliorum 134. 
saeculi ut videtur XV. coptico-arab. 
Ordo benediectionis monachorum et alia li- 
turgica. 
(olim 21 Assem.) in 8vo, chartac. foliorum 56. serip- 
tus a. Chr. 1709. coptico-arab. 
1. Ordo lampadis seu extremae unctionis. 
2. Ordo solutionis cinguli nuper baptiza- 
torum, 


298 


253) 96. 


254) 97. 


255) 98. 


256) 59. 


257) 60. 


258) 61. 


259) 62. 


260) 63. 


261) 64. 


262) 65. 


263) 66. 


264) 67. 


Gesammtsitzung 


(olim 22 Assem.) in 8vo bombye. foliorum‘ 58. sae- 
culi ut videtur XIV. coptico-arab. 

1. Pedum lotio. 2. Lectiones evangelicae. 
(olim 6 Assem.) in fol. membran, foliorum. 279. sae- 
culi ut videtur noni. 

S. Johannis Chrysostomi sermones 37. 
(olim 7 Assem.) in fol. membran. foliorum 194. sae- 
culi ut videtur decimi. 

Zachariae, Johannis Chrysostomi, Mennae 

sermones et homiliae. 

(olim 8 Assim.) in fol. membran. foliorum 167. serip- 
tus a. Chr. 918. 

Martyria et vitae Sanctorum. 

(olim 9 Assem.) in fol. membran. foliorum 125. sae 
culi ut videtur decimi. 

Martyria Sanctorum aliquot Aegyptiorum. 
(olim 10 Assem.) in fol. membran. foliorum 223. ex 
aratus a. Chr. 962. 

Vitae et martyria Aegyptiorum nonnullo 

rum. 

(olim 11 Assem.) in fol. membran. foliorum 298. sae: 
culi ut viderur deeimi. 

Vitae Sanctorum. Epistolae. Laudationes. 
(olim 12 Assem.) in fol. membran. foliorum. 188. sae- 
culi ut videtur decimi. 

Laudationes. Acta et martyria Sanctorum. 
(olim 13 Assem.) in fol. membran. foliorum 182. sae- 
culi ut videtnr decimi. 

Vitae et gesta Sanctorum. 

(olim 14 Assem.) in fol. membran. foliorum 120. scrip- 
tus a. Chr. 979. 

Homiliae et laudationes. 

(olim 15 Assem.) in fol. membran. foliorum 313 scrip- 
tus a. Chr. 918 et 1025. 

Martyria Sanctorum et sermones. 

(olim 16 Assem.) in fol. membran. foliorum 139. sae- 
culi ut videtur. decimi. 

Vitae Sanctorum et homiliae. 


265) 68. 


266) 69. 


267) 70. 


268) 71. 


269) 72. 


270) 73. 


271) 74. 


272) 75. 


273) 76. 


vom 8. April 1869. 299 


(olim 17 Assem.) in fol. membran. foliorum 198. ex- 


aratus a. Chr. 957 et 1014. 


Martyria, homiliae, laudationes. 
(olim 18 Assem.) in fol. membran. foliorum 232. scrip- 
tus a. Chr. 1153. 
Vitae et martyria Sanctorum. 
(olim 36 Propag.) in fol. chartaceus, foliorum 125. 
scriptus a. Chr. 1684. coptico-arab. 
1—5. Inst. ling. copt. 6. Abulbarkati ben- 
Cabari, scala magna, seu lexicon coptico-ara- 
bicum (edidit A. Kircherus). 
(olim 7 Petri a Valle) in fol. bombyc. foliorum 170. 
scriptus a. Chr. 1321. coptico-arab. 
1—5. Institutiones linguae copticae. 6.7, 
Lexica coptico-arabica. 


(olim 8 Petri a Valle) in 8vo bombye. foliorum 131. 
saeculi ut videtur XIV. coptico-arab. 
1. Semannudi institutiones linguae copti- 
cae. 2. Abulsaac fil. Abilmophdal Bennas- 
sali, scala electa, sive lexicon sacrum cop- 
tico-arabicum. 
(olim 53 Propag.) in 8vo, chartaceus, foliorum 175. 
saeculi ut videtur XVII. coptico-arab. 
Abulbarkati ben-Cabari, scala magna, seu 
lexicon coptico-arabicum, fine mutilum. 


(olim 17 Raym.) in 8vo, bombyeinus, foliorum 150. 
saeculi ut videtur XV. coptico-arab. 

1. Semannudi instit. linguae copticae. 

2. Abu-Isaac Bennassali, scala electa. 


(olim 16 Raym.) in 8vo, bombyc. foliorum 113. sae- 
culi ut videtur XV. coptico-arab. 
1. Abu-Isaac Bennassali, scala electa. 2. Se- 
mannudi, instit. linguae copticae. 


(olim 22 Raym.) in 12mo, bombyc. foliorum 324. sae- 
euli ut videtur XV. coptico-arab. 
1. Semannudi, instit. linguae copticae. 
2. Abu-Isaac Bennassali, scala electa. 


300 Gesammtsitzung 


3—6. Opuscula grammatica. 7. Ordo mini- 
sterii sacerdotis; arab. 
274) 77. Codex in 4to bombyc. foliorum 75. eneshtt ut videtur 
XIII. copto-arab. 
Lectiones et evangelia recitanda in die festo 
S. Johannis baptistae. 
275) 78. Codex assemanianus in 4. m. chartaceus, foliorum 143. - 
scriptus a. Chr. 1722. coptico-arab. 
Missale cum liturgia 8. Basilii magni. Ac- 
cedit ordo elevationis incensi. 
276) 79. Codex assemanianus in 4. chartaceus, foliorum 33. 
scriptus a. Chr. 1722. coptico-arab. 
Ordo lampadis sive extremae unctionis. 
277) 80. Ecclesiastica quaedam dissoluta fragmenta 
perexigua et vetustate variisque casibus consumpta. 


Am Schlusse (p. 170) sagt Mai: 
En quot subsidiis studiosos copticae linguae vaticana biblio- 
theca iuvat! Sed et alia ferme copiosiora Romae sunt, mihi- 
que percognita; quae sane non negligam; quandoquidem in 
huiusmodi studiis mentem meam conquiescere iam exopto et 
volo (Editor). 
Alle Nachforschungen nach diesen noch reichlicheren kop- 
tischen Hülfsmitteln, mit denen wohl kaum das Museo Borgiano 
gemeint sein kann, sind vergeblich gewesen. 


Il. Angelica. 


Von den Codices der Bibliotheca Angelica, welche dem 
grolsen Augustinerkloster angehört, ist ein vollständiger hand- 
schriftlicher Katalog vorhanden: 

Fr. Guilelmus Bartolomei, Bibliothecae Angelicae Theo- 

logus hunc codicum indicem eiusdem Bibliothecae confeeit 

et scripsit anno a Natwitate Dominica 1847. folio. 
Er ist nicht nach den Sprachen, sondern alphabetisch nach den 
Namen der Autoren geordnet. Die koptischen HSS. rühren 
grölstentheils von dem französischen Augustinermönche Bon- 
jour her. 


vom 8. April 1869. 301 


278) 1.a. Pentateuchus secundum LXXII Aegyptio- Ara- 
bicus, iussu E®i DD. Hieronymi Casanatae ... .. descriptus e 
MSS. Vaticanis et conversus in latinum una cum pentateucho 
arabico .... descriptore ac interprete F. G. Bonjour..... „sed 
est tantum liber Genesis“ pag. 1— 130. 

Die lateinische Übersetzung hört pag. 9 auf, die arabische 
pag. 16. 

b. Psalmi XXI scripti in lingua coptica. pag. 1— 22. 

c. Evangelii secundum Matthaeum VIII capita coptico- 
arab. pag. 1— 30. 

d. Chronologia a Diluvio usque ad ingressum in terram 
Chanaam.... cum hebraica veritate concordata. p. 1—15. 

e. Varia loca et capita libri Genesis coptico-arab. p. 1—26. 

Codex chartaceus in folio.... Q. 1. 8. 

279) 2. Daniel et XII Prophetae minores, translati in lin- 
guam Copticam sive Aegyptiacam et descripti in hoc codice 
anno martyrum 1415, aerae christianae 1699, pontificatus D. 
N. Innocentii Papae XII octavo, 


Prologus. 


Cum anno proxime elapso .... cf. Zoega Catal. codd. 
copt. p. 3. Am Schlusse steht: Finem faciebam huie codiei 
anno aerae christianae 1699 .... cum natus essem annos vi- 
ginti novem, dies viginti tres. F. Guillelmus Bonjour, Tolo- 
sanus. Ord. Er. S. P. Augustini. 245 Seiten, grols 4to. 

Es folgen noch 5 Seiten koptischer Gebete von Bonjours 
Hand, mit derselben Ausführlichkeit unterschrieben . . B.3. 13. 

280) 3.a. Psalterium copto-arabicum, ex praestantissimo 
codice MS. eximii abbatis Nicolai Francisci de Valle, Romani, 
olim monasterii Aegyptiaci S. Antonii abbatis, diligentissime 
collatus cum duobus MSS Bibliothecae Barberinae, anno Do- 
mini 1707, opera F. Guillelmi Bonjour, Tolosani, ordinis Ere- 
mitarum 8. Augustini. 

b. Observationes aliquot in Psalterium Aegyptiacum. 
Observationes in Psalmos iuxta versionem Aegyptiacam. 
Observationes in versionem Aegyptiacam ÖOseae, 
Evangelium copt.-arab. secundum Matthaeum. 

Versio latina prophetiae Oseae. 


mm 8 


302 Gesammtsitzung 


g. Item Amos. 
h. Versio quorundam Psalmorum. Codex chart. fol. 
| A,6A8. 
281) 4. Apocalypsis S. Johannis, coptico-arab. Schöne 
Handschrift. Die Anfangs- und andre Buchstaben sind hin 
und wieder mit Roth betupft. 
114 Blätter in schmal -folio oder hochquart. 
Davor stehn 6 Blätter mit arabischer Schrift: Fragment 
einer Übersetzung der Apostelgeschichte. - 


Codex bombye. saee. XV. fol... . Me &. 49: 
282) 5.a. Pontificale Alexandrinum lingua Aegyptiaca. 
pag. 1— 204. 


Am Schlusse: Seriptum e codice Vaticano anno Domini 
1707 per me Guillelmum Bonjour, Augustinianum. | 

b. Liturgia S. Marci lingua Aegyptiaca e codice Vaticano 
descripta. | 

Nicht von Bonjours Hand. 30 Seiten. Zum Schlusse der 
lateinische Brief eines ungenannten Freundes an Bonjour mit 
grammatischen Bemerkungen über einige griechische Stellen, 
wie es scheint, aus der Liturgie. 6 Folioblätter. 

Gadexschart. Folio ... s:. .-andsis. sulzaas Da Au. 17, 

288) 6. Bonjour, Elementa linguae copticae seu aegyptiacae, 
iussu SS"i D. N. Clementis XI Pont. max. exantiquata studio 
et opera F. G. Bonjour, Tolosani. Nach 6 Blättern folgt ein 
neuer Titel: Elementa ling. eopt. iussu E”i ae Revri D. D. 
Hieronimi Casanatae, S. R. E. Cardinalis et Bibliothecarii 
Apostolici exantigata studio et opera Fratris Guillelmi Bonjour, 
Ord. Eremit. S. Augustini. 

Auf dem folgenden Blatte steht die mit dem päpstlichen 
Insiegel versehene Druckerlaubnils vom 25. Sept. 1698. 

Die Grammatik von 346 Seiten ist ganz vollständig, mit 
Beispielen aus der koptischen Bibelübersetzung versehn. Am 
. Schlusse stehn vier Seiten griechisch, der Anfang von Xeno- 
phons Cyropädie, vielleicht als Übungsstück zum Übersetzen 
in das Koptische. 

Dann folgt ein Brief von Eusebius Renaudot, worin die 
Grammatik gelobt und der Druck derselben empfohlen wird. 

God. chart. 410. u ml) I a Rh RE Du. Weil. 


vom 8. April 1869. 305 


''284) 7. Grammaticalia linguae Coptae. p. 1—788. 

Der ungenannte Verfasser hat mit grolsem Fleifse eine 
Menge Stellen aus der koptischen Bibel im thebanischen und 
memphitischon Dialekte gesammelt, und einzelne grammatische 
Bemerkungen daran geknüpft. 

Dem Papier nach ist die HS. vielleicht aus der Mitte des 
18. Jahrhunderts. 

DER. . este, ars ann den. B. 6. 13. 

285) 8. Bonjour, lexicon copticum-aegyptium in tres tomos 
distributum. 

Umfafst nach der Vorbemerkung des Verfassers nur die 
acht ersten kleinen Propheten und die 36 letzten Psalmen. 

Eoarehantsefolonin. 502 na asiorned A. 6.2.3.4. 

286) 9. Bonjour, Mercurius Aegyptiorum Iosephus patri- 
archa, genealogice, chronologice, historice, geographice et hie- 
roglyphice demonstratus ex, sacris paginis et exoticis veterum 
monumentis. Auctore F. Guillelmo Bonjour, Tolosano, Ord. 
Eremit. S. Augustini, aetatis suae vigesimo quarto. — Item 
dissert. VI de dynastiis Aegyptiorum et Appendix de eorum 
monarchia, 

Cod, ehavt, mutilus in, fine. fol. .,.. v2... 14 


IV. Barberina 


Von den Handschriften der Barberinischen Bibliothek ist 
‘ ein vollständiger Blätterkatalog, nach den Sprachen geordnet, 
vorhanden. Unter den orientalischen Handschriften befinden 
_ sich zwei koptische. | 
287) 31. Psalterium‘ Pentaglotton, armenicum, arabicum, 
coptum, chaldaicum, aethiopicum. 

Papiercodex in folio von 236 Blättern, auf denen die Psal- 
men in 5 Kolumnen neben einander stehn, in so schöner cha- 
raktervoller Schrift, dafs man annehmen kann, sie sei von 5 
verschiedenen Schreibern, je in ihrer Eigenthümlichkeit ange- 
fertigt. Die armenische Kolumne wird zuletzt immer flüchtiger, 
und hört fol. 945 ganz auf. fol. 2235 tritt eine schlechtere kop- 


304 Gesammtsitzung 


- 


tische Hand auf, die aber nur bis 2245 reicht, dann folgen 10 
Blätter nur mit arabischer Schrift. | 

Rother Maroquinband mit dem Wappen der Barberini (drei 
Bienen) in Golddruck; auf dem vorderen inneren Deckel „104* 
und „1695.* 

288) 46. Breviarium Copto-arabicum, scriptum anno Mar- 
tyrum 1112, feria tertia terminante mensem Barmude sive Phar 
muthi: hoc est anno aerae Christianae 1396, cyelo solis 5, 
litt. Dom. B. A, die 25 mensis Aprilis, in ultimam Pharmuthi 
et feriam tertiam incidente. | 

Sauberer Papiereodex in 12”° von 270 Blättern. Rothe 
Überschriften; hin und wieder rothe arabische Marginalien. 
Die arabische Übersetzung nimmt nur einen schmalen Streifen 
am äufseren Rande ein. Auf dem vorderen inneren Deckel: 
Horae Canonicae Cophtitarum. Arabice et Cophtice. Auf dem 
hinteren inneren Deckel: Officium ‚parvum, arabice et coptice. 
scriptus hic codex anno martyrum sub Diocletiano 1133. 


Übersicht. 


Psalterium pentaglotton. 287. 

— 202—204. 280. 
Pentateuchus. 199— 201. Psalmi Davidis. 57. 102. 
Genesis. 82. 278. —  fragm. 91. 117. 159. 

—  fragm. 43. I22. 129. 142. as annotationes. 44. 
Exodus. 82. Proverbiorum frgm. 92. 108. 156. 

— _ fragm. 122. 129. 143. Ecclesiastes. 40. 92. 157. 
Leviticus. 54. Cantici fragm. 58. 

—  fragm. 122. 123. 125. Sapientiae fragm. 159. 


Altes Testament. 


129. 144. Eeclesiastici fragm. 160. 
Numeri. 54. Baruch. 97. 
—  fragm. 123..125. 145. Jesaias. 97. 
Deuteronomium. 54. —  frgm. 45. 121. 127. 129. 
—  fragm. 123. 125. 146. urn 61. 


"Josuae fragm. 126. 147. Jeremias. 97. 
Judiceum fragm. 126. 148. —  threni. 97. 


Ruth fragm. 149. Je 


Regum frgm. 111. 126. 150—152. 
Tobiae fragm. 153. 
Job fragm. 40. 86. 92. 154. 


epistolae. 97. 
— frgm. 121. 127. 129. 162. 


Ezechiel fragm. 113. 127. 129. 
1623. 


— 


vom 8. April 1869. 


- Daniel. 105. 279. 

— _ frgm. 826. 129. 164. 
Prophetae XII minores. 105. 279. 
Oseae fragm. 129. 165. 

Joel fragm. 166. j 
Amos fragm. 129. 167. 
Abdiae fragm. 168. 
Jonae fragm. 169. 
Micheae fragm. 129. 170. 
Nahum fragm. 171. 
Habacue cantica. 57. 

— fragm. 173. 
Sophoniae fragm. 172. 
 Aggai fragm. 129. 175. 
 Zacchariae fragm. 129. 175. 


Neues Testament. 


Evangelia quatuor. 2095— 207. 
Matthaeus. 280. 


—  fragm. 130. 132. 


176. 
Marcus frgm. 131. 132. 135. 177. 


Lucas fragm. 117. 124. 113—135. 
178. 


128. 


Joannes. 208. 
— 'frgm. 53. 96. 117. 119. 
120. 124. 135. 139. 178. 
Acta Apostol. 49. 55. 209. 211. 
— fragm. 109. 120. 180. 
Epistolae N. T. 75. 


— Pauli, Petri, Joannis et 
Judae. 49. 


Epistolae VI catholicae. 209. 211. 
Pauli epistolae XIV. 209—211. 
frgm. 114. 115. 121. 
— ad Romanos fragm. 181. 


— III. ad Corinthios frgm. 
182 183. 


— ad Galatas fragm. 184. 
— ad Ephes. fragm. 185. 
— ad Philipp. fragm. 186. 
— ad Coloss. fragm. 187. 
[1869.] 


—— 


305 


— II. ad. Thessalon. frgm. 
188. 189. 


—  ILH.ad Timotheum frgm. 
Epistola ad Hebraeos. frgm. 192. 
Jacobi epist. fragm. 193. 

Joannis epist. I. II. III. frag. 133. 
194—196. 
Apocalypsis 75. 103. 212. 213. 281. 
—  fragm. 114. 197. 
—  prologus. 59. 


Biblisches. 


Moysis cantica. 57. 102. 
Annae cant. 102. 
Ezechiae cant. 102. 
Cantica. 222—202. 
Pericope utriusque testam. 136. 
Commentaria in S. Script. 95. 
Eusebii canones in N. T. 55. 
Evangeliarium. 50. 
Lectionarium. 31. 34.. 50. 

— mensis Sept. 73. 

— fragm. 33. 
Lectionaria et Responsoria 2. 
Lectiones Parascevae magnae, 12. 


— in feriam Petri et Pauli. 
} 12. 
— evangelicae. 253. 274. 


Kirchengeschichte. 


Acta eoncilii Ephesini. 111. 
Nicaeni. 111. 


Historia persecut. sub Athanasio. 
111. 


De septem dormientibus. 112. 


Heilige. Märtyrer. 


Vitae et gesta Sanctorum. 67. 98. 
.100.104.112.118. 259. 261. 264. 
266. 
Encomium Sanctorum Junii, Julii, 
Augusti. 66, 
22 


306 


Eusebii vitae SS. Matthaei, Marei, 
Lucae et Joannis. 55. 


Vita Jesu Christi fragm. 109. 
— _B. V. Marie fragm. 109. 
Acta S. Josephi fragm.: 109. 
De abbate Claudio. 112. 
Vita S. Georgii. 53. 
— 8. Joannis. 110. 
De capite S. Joannis. 112. 


Acta martyrum. 100. 104. 110. 
112. 260. 

Martyria et vitae SS. 256 — 258. 
263. 265. 


Martyrologium Coptorum. 68. 


_— mensium Phamenoth et 
Pharmuthi. 94. 


Coluthi -martyrii frgm. 53. 93. 
Acta S. Stephani. frgm. 109. 


Homilien. Gebete. 


Basilii homilia de iciunio. 98. 


Joannis Chrysostomi sermones. 254. 
255. 


fragm. 53. 98. 101. 
Mennae sermones. 255. 
Zacchariae homiliae. 98. 2595. 
Homiliae. 9. 262. 264. 
Laudationes. 259. 260. 262. 
Orationes. 202. 

Oratio in laudem Salvatoris. 695. 


— pro patriarcha defuncto. 
217. 


—  fraetionis hostiae. 217. 
—  veli. 220. 
Orationes a pueris recitandae. 12. 


Sermones. 263. 

Sermo de tentatione diaboli. 111. 
— de Theodosio Alex. 111. 

Precationes in S. Martyres. 79. 

Preces et lectiones. 12. 83. 

Deprecatio. fragm. 220. 


Gesammtsitzung 


Liturgisches. 
Anaphora seu liturgia S. Basilii. 6. 
9. 42. 216. 221. 222. 
—  ‚Cyılli. 69217207218. 
fragm. 219. 221. 223. 
— 8. Gregorii. 6. 221. 223. 
Liturgia S. Marei. 282. 
—  coptica. 106. 116. 
—  eccl. Alexandrinae. 99. 
Euchologium. 69. 217. 223. 241. 
246. 
— sive missale Alexandr. 214. 
fragm. 29. | 


Euchologium seu Pontificale. 242. 
243. 


Euchologia copt. persiana. 51. 52. 


Rituale. 3. 4. 7. 70. 243. frg. 13. 
23. 80. 81. 


— pro ordin. archiep. 89. 
— pro ordinandis monacis. 


79. 
— pro foeminis religiosis. 79. 
Diaconale. 224. 225. 
Pontificale. 65. 282. 
Ordo sacerdotis. 215. 
— benedict. monach. 251. 
— sponsalium, 249. 
— _ solutionis einguli. 252. 
245. 
—  _dominicae palmarum. 212. 


—  _ baptismi. 


—  _ consecrat. chrismatis. 244. 
— elevationis incensi. 275. 
— missae. 241. 
S. Basilii. 215. 

— thurificationis. 216. 

—  lampadis. 252. 276. 
Katameros. 226— 231. 
Diurnum. 5. 11. 72. frgm. 76. 77. 
Doxologia. 63. 74. 233. frgm. 13. 
Antiphonae etresponsoria. 232. 240. 


Psaliae sive psalmodia. 10. 62. 74. 
84. 224. 233— 236. 


vom 8. April 1869. 


Hymni. 20. 45. 63. 74. 79. 87. 94. 
| 225. 

Horarium. 87. 

Horologion. 237. 

Missale S. Basilii. 45. 275. 

Epistolae. 259. 

Canones XXXIV. 224. 

Canon in festo pentecostes. 239. 

Canones in adorat. erucis. 30. 

 Offiium B. V. Mariae. 45. 79. 

—  missae, fragm. 26. 

SS. Gregorii, Basilii, 
Cyrilli. 56. 

— _cleriei. 30. 74. 

_ diaconi. 9. 

—  hebdomadae sanctae. 28. 

— _ fragm. 395. 

— hebd. sanctae Alexandr. 

90. 91. 


—  temporis ieiunii. 27. 


— 


Consecratio novae ecelesiae. 1. 
— olei saneti. 79. 
Pedum lotio. 253. 


Benedicetio puerperae quae mascu- 
lum (vel foeminam) peperit. 245. 
247. 


Liber exequiarum. 250. 


Commemoratio vivorum et defun- 
etorum. 220. 


Paraphrasis theotociorum. 238. 
Breviarium copt. arab. 288. 
Breviarii Alexandr. pars. 24. 
Fragmenta ecclesiastica. 277. 

— _ patristica et monastica. 41. 


Tuki, sulla pasqua dei Copti. 140. 


Grammatiken. 


Bonjour, gramm. coptica. 137. 
— elementa ling. copt. 283. 


Semannudi instit. l. copt. 269. 271. 
— 273. 


307 


Canones gramm. copt. frgm. 78. 
Elementa ling. copt. 21. 85. frgm. 

88. 
Grammatica ling. copt. 13. 16. 48. 

284. frgm. 22. 

Institutiones ling. copt. 15. 71. 267. 

268. 
Manuductio brevis ling. copt. 37. 
Observationes grammat. 64. 
Opuscula grammat. 273. 


Fragmenta grammat. et lexicogra- 
phica. 36. 


Lexika. 


Abu-Isaac Bennasali Scala clecta. 
269. 271—273. 


Abulbarkati Scala magna. 267. 270. 
Bonjour, lexicon copt. 285. 
Dietionarium copt. arab. lat. 14. 

89. 46. 47. 61. 
Lexica copt. arab. 268. 


Saggio di dizion. copt. arab. 58. 
a—f. 
Thesaurus linguae aegypt. 60. 
Vocabularium copt. arab. 15. 16. 
107. 
— N.T. 71. 
—  Geneseos. 19. 
= Exodi. 18. 
— Numerorum. 18. 
— _Deuteronomii. 17. 


Tuki, miscell. copt. arab. 141. 
Miscellanca copt. arab. 32. 33. 


Bonjour, Mercurius Ägyptiorum Jo- 
sephus patriarcha. 286. 


208 


308 } Gesammtsitzung 


Hr. EN las: 

Über den am 24. März dieses Jahres mit Nord-Ost- 
Sturm gefallenen rothen Passatstaub in den 
Dardanellen und dessen Verbreitung 
über Griechenland bis Krain. 


Der Direktor der Sternwarte in Athen, Professor Julius 
Schmidt, hat mir am 26. März d. J. folgende schriftliche Nach- 
richt zugehen lassen, welche Anfangs April hier angelangt ist: 

:„Ein Schreiben des Hrn. F. Calvert zu Tschanak-Ka- 
„lessi am Hellespont bringt mir heute Kunde von einem 
„Staubfalle, der sich dort am 24. März ereignete. Die bei- 
„gelegte Probe sende ich Ihnen sogleich mit dem morgen 
„abgehenden Loyd zu, da die mikroskopische Untersuchung 
„vielleicht einiges Interesse darbietet. März 22. und 24. gab 
„es hier und im östlichen Mittelmeere gewaltige Stürme aus 
„SO., S., SW., und W. Am 24. März war in den Darda- 
„nellen der Wind lebhaft NO. Morgens 10 Uhr der Himmel 
„finster und gelblich (very overcast and of a gellow hue; 
„the mud falling).. Um 114 Uhr Morgens drehte der Wind 
„zu 8. und SSW. Barometer 29. 30. Über die enorme seit 
„März 1. andauernde Barometer-Depression werde ich später 
„das Nöthige veröffentlichen. Seit vier Wochen wird zu 
„Athen der mittlere Stand niemals erreicht.“ 

„— 1860 März 10, bei Scirocco, fiel über ganz Grie; 
„chenland ein gelber und z. Th. zimmetfarbiger sehr feiner 
„Staub, der bestimmt nicht Blüthenstaub war. Was 1868 
„April 13. den Schwefelregen zu Athen veranlafste, war 
„nichts als Blüthenstaub von Pinus Halepensis. Genehmigen 


„Sie u. Ss. w.* 
J. F. Julius Schmidt, 


Direktor der Sternwarte zu Athen. 
Wenige Tage darauf erhielt ich vom Direktor des K. K. 
 meteorologischen Institutes in Wien, Professor Jelinek, fol- 
gende Anzeige vom 5. April d. J. datirt: 

„— Dagegen hat sich in letzter Zeit ein Staubfall in 
„Krain (bei Weixelstein unweit Steinbrück) und in Dal. 
„matien (in Lesina) ereignet, in der Nacht vom 24.—25. März 
„und am Morgen des 24. März und ich habe von diesen 


vom 8. April 1869. 309 


„Fällen Staubproben erhalten, die ich nicht besser verwerthen 

„kann, als indem ich dieselben E. H. übersende. Eine kurze 

„Notiz über die Umstände des Falles wird in der Zeitschrift 

„der österr. Gesellschaft für Meteorologie erscheinen. u. s. w.* 
| Dr. C. Jelinek. 

Diese mir so frisch und aus so wissenschaftlich sicheren 
Händen zugekommenen Staubproben eines und desselben gleich- 
zeitig über ganz Griechenland und das adriatische Meer bis 
Krain fortschreitenden Naturereignisses, haben mich veranlafst 
mit Beihülfe frischer Kräfte dieselben sofort einer mikroskopi- 
schen Analyse zu unterwerfen, zumal die Farbe des Staubes 
überall den lebhaft rothen Charakter des Passatstaubes über- 
einstimmend trägt und mithin vom gewöhnlichen Ackerstaube 
gänzlich abweicht. Wenn auch bis jetzt noch kein volles Re- 
sultat über Östliche und westliche Verbreitung u. s. w. abzu- 
schliefsen ist, so mag doch die vorgelegte Analyse dazu beitragen, 
weitere Nachricht zu erlangen, so fern dieselben besonderes In- 
teresse in Anspruch nehmen. 

Mit meinem Danke für die gefällige Mittheilung des Hrn. 
Prof. Julius Schmidt in Athen verband ich das Ansuchen, um 
möglichst fortgesetzte Nachforschung über das Auftreten der 
Erscheinung in östlicher Richtung und über die etwa zu beobach- 
tenden Massenverhältnisse der gefallenen Substanz. So sind 
mir noch folgende Mittheilungen aus Athen zugegangen: 

„Indem ich Ihnen für Ihre beiden inhaltreichen Briefe 
„meinen verbindlichsten Dank sage, will ich Ihnen heute 
„nachträglich noch über den Staubsturm Mittheilungen machen, 
„wie ich sie bis jetzt erhalten habe. Es thut sehr noth, alle 
„Nebenumstände genau zu kennen. Von Hrn. F. Calvert 
„zu Tschanäk-Kalessi habe ich neue Nachrichten erhalten. 
„Calvert, den ich zur Zeit meines Aufenthalts in Bunärbaschi 
„(Troja) kennen lernte, ist ein trefflicher kenntniflsreicher 
„Beobachter. Für die etwaigen asiatischen Beobachtungen 
„will ich noch an Koumborg in Constantinopel schreiben, 
„und ihn um Angaben für Sie ersuchen. 

„Hinsichtlich der folgenden Angaben sei bemerkt, dals 
„überall durch das Minuszeichen (—) eine Vormittagsstunde 
„bezeichnet wird. Am Hellespont stand Calverts (englischer) 


310 Gesammtsitzung 


„Barometer schwerlich höher als 30 Fufs über See. Der | 
„dortige Therm. ist Fahrenheit; Calverts Briefe übersetze | 
„ich aus dem Englischen. 

„Zu Athen wurden die Beob. von mir selbst gemacht. 
„Seehöhe —= 54 Toisen. Barom. —= pariser Linien. Therm. 
„= Celsius. Regenhöhe nach Pariser Linien. — 


Il. Tschanak-Kalessi (Dardanellen). 
März 21. Tags mäfsiger S.Wind.. Nachts Regen, Wind 
wächst zum Sturme an. 

„ 22. früh Regen, Sturm wachsend, geht von $. zu SSW. 
B. = 29')50. Max. des Sturms Mittags. Hagel und 
Regen. 2“ Blitzen. 

„ 23. Leichter S.Wind, dreht Nachts zu NO. 

» 24. Früh lebhafter NO.Wind. —10% Himmel sehr dun- 
kel, gelblich, es fällt Schlamm (mud. falling.). Zu- 
nahme des Staubfalles bis —11%1, da der Wind 
plötzlich zu S. und SSW. dreht. Mittags Max. 
der gelben Farbe des Himmels, Wind noch wär- 
mer als zuvor. 045 Regen von gelber Farbe, die 
Fenster wie von Schlamm überzogen. 345 Regen 
stärker, Luft kälter. Regen noch gefärbt. 5" Wind 
mälsig SO. B. — 29,31 trüb; wenig gelb am 
Himmel. 1135 Wind Süd. schwacher Regen; noch 
Staubfall, doch schwach. B. = 29/20 T. = 17°. 
Calvert taxirt den Staubfall zu 15 Tons auf 
die englische Quadratmeile nach genäherter 
Rechnung. 

„25. —8" Wind leicht. :SSW.. B..—.23315, T..=56°, 
bedeckt. —10425 SSW. leicht, klarer Regen noch 
mit Spur des Staubes.. 3% noch Staubspur. 
9u Wind West, bedeckt, kleiner Regen. B.—=29')25 
T. = 175. Noch Spur des Staubes. 

„ 26. Früh, Wind = NO., kleiner Regen, kein Staub 
mehr. Calvert setzt die Dauer des Staubfalles auf 
32 bis 33 Stunden. 

II. Rhodos. 
„ 24. Ausserordentlicher Sturm und schrecklicher Seegang. 


vom &. April 1869. en! 


III. Athen. 
auf 0° red. Cels. 


März2l. —8“ B.=330))'36 Luftemp. = 1150 gebrochen, still. 
2" 3807.22 K- 15.9 bedeckt. Süd 
stark. Parnes u. 
Hymettosi.Wolk. 
kl. Reg. = 0')’02. 
gu 3293.96 Si 12.6 klar. SW. sehr 
stark. 
„ 22. —4U5 bis —54 gewaltiger SW.Sturm. 
—8 B.—=328')'13 Luftemp. 1597 klar und dunst. 
SW. lebhaft. 
y 2 329, 97 n 14.7 meistklar. SW. 
| stark. 
9 331,'48 % 10.8 sehr klar, still. 
„23. —8 331,73 = 10.8 klar mit Dunst, 
still. 
2 330/99 2 18.0 dichter Scirocco- 
Dunst, Wind SW. 
Abd. 6% Parnes u. 
Hymettos Penteli- 
kon mit Hauben. 
9 330,03 S 15.1 klar. Wind O. u. 
wieder W. 
11 329','36 Dunst. Wind NO., dann wieder 
sehr klar. 


Abends 7 Uhr der erste grofse Windstols aus O. 
oder NO., dann klar mit dickem Dunste rings am 
Horizont. Seit 8 Uhr Wolken aus Osten, doch um 
ll Uhr wieder klar nach oben. 


. —2" 41’ brach ein gewaltiger Sturm los, vor wel- 


chem vielleicht ein Erdstofs erfolgte. Sturm meist 
aus SO., doch zuweilen auch aus NO. Gegen —5" 
fand ich, dafs. die Maxima der Sturmstöfse im Mit- 
tel in 4,5 Minuten aufeinander folgten. Um —3,3\ 
fand ich aus 8 Sätzen dies Intervall = 2,64 Minu- 
ten. Von —4 Uhr hatte der Wind ab, die Verfin- 
sterung der Luft sehr zugenommen. Bald vor —7 
Uhr ward der Sturm wieder sehr gewaltig. Es wa- 
ren 3 Intervalle von je 10 Minuten. Wind = SO. 
u. ©. Zug der Wolken aber aus SW. 


312 | Gesammtsitzung 


—313 B.=327)"31 t—=1499 sehr dunstig, SO.- 


Sturm. 
—7,2 326,28 Ai 
—8,0 326 ,85 14,8 meist bedeckt, SO. in | 
Stöfsen. Regen. 
—10,0 827,020 © 8. sehr stark. 
2,0 226,24 14,1 bedeckt. Parnes und 


Hymettos verhüllt. S. 
sehr grols, klein. Reg. 


2,9 326 ,07 | bedeckt. Regen. 8. 
sehr stark. 


340..20=825,91 13,6 id. Regen 0'095. 

9,9 326 , 04 bedeckt. Wind schwä- 
cher. 

7,8 Erdbeben. 

9,0 326,25 17,4 bedeckt. Regen. 


Auch zu Athen fiel Staub, der aber erst später we- 
gen seiner Farbe auf der Terrasse entdeckt ward. 


März25. —8" B.=527')'03 t= 13,9 gebrochen. NW. stark. 
Parnes und Hymettos 


in Wolken. 
2 328,03 14,9 gebrochen. NW. höchst 
mächtig. 
6) 329,16 12,1 klar. NW. sehr stark. 
„26. —8 . 329,84 12,9 klar, radiale Dunst Cir- 
x ri von NW—SO. Ber- 
ge klar. 
2 329,93 17,3 klar: W. sehr stark. 
3 330 , 24 13,2 bedeckt, still. 


IV. Malta nach Times April 6. 


„ 23. Orkanartiger Sturm aus O., der Nachts zu S. u.W. 
sich wendet. 

Calvert bemerkt zu dieser Note, aber auf 
frühere Jahre sich beziehend: „Ich bemerkte zu 
Malta, wo ich lange lebte, dafs mit dem heifsen 
drückenden Scirocco oft die Tische und Möbel in 
den Häusern mit rothem Staube bedeckt waren, 
welcher mit dem SW. u. S. von Afrika kommen 
mulste. Der Staub von Malta ist weils.“ 


vom 8. April 1869. 313 


Anm. 1860 März 10 hatten wir über ganz 
Griechenland den Fall von zimmetbraunem Stau- 
be; auch zu Athen fiel er sehr reichlich, und 
stärker habe ich weder ihn, noch furchtbarer 
das Aussehen des Himmels gefunden. 


V. Neapel. 
März23. Staubsturm bei sehr niedrigem Bar.; wie die Zei- 
tungen melden. 


„April 15 früh begann hier zu Athen ein noch stärke- 
„rer S.-Sceirocco-Sturm, doch ohne Staub. Mittags 119 Erd- 
„beben (ein stärkeres Erdbeben war April 16 —2%). April 
„19 u. 20 sehr finster bei Landregen. 
„(März 28 waren lebhafte Erdbeben zu Smyrna.) 
„Von dem März 24 zu Athen gefallenen Staub habe ich 
„erst April 22 einige zusammengeschwemmte Spuren gesam- 
„melt, indem ich sie mit dem Messer von der braunen Öl- 
„farbe der Terrasse losschälte.. Wenn ich auch glaube, dafs 
„ich ganz Unnützes sende, lege ich doch die kleine Probe 
„bei.“ 
„Mit erneutem Danke u. s. w. 
J. F. Jul. Schmidt.“ 
Ich schliefse hieran noch einige mir später über denselben 
Gegenstand durch gefällige Mittheilung des Hrn. Direktor Je- 
linek zugekommene Nachrichten, welche sich ausführlicher in 
der Zeitschrift der österreichischen Gesellschaft für Meteoro- 
logie Band IV. verzeichnet vorfinden. Auch halte ich es im 
Interesse der weiteren Aufklärung wichtiger Naturerscheinungen 
nicht für unangemessen, die bis zum Druck des Monatsberichtes, 
welcher erst jetzt Mitte Juni erfolgt hinzugetretenen Sachkennt- 
nisse anzureihen. Im Bullettino meteorologico dell’ Osservatorio 
del Collegio Romano Vol. VIII. sind neuerlich wieder rothe Pas- 
satstaubfälle vom 10. März d. J. in Subiaco und vom 23.—24. 
März in Neapel umständlich verzeichnet worden, die Zeit der 
letzteren Erscheinung ist genau dieselbe mit der von den Dar- 
danellen her kundgegebenen, und wenn dabei gesagt wird, dafs 
nach meinen Beobachtungen der rothe Staub aus Afrika käme, 
so ist das, wie so häufig in Publikationen, das gerade Gegen- 


314 Gesammtsitzung 


theil meiner Mittheilungen seit 25 Jahren. In den österr. me- 
teorologischen Nachrichten (Bd. IV. p. 205) wird von diesen 
italiänischen Staubfällen Nachricht gegeben, besonders aber auch 
von der nämlichen Erscheinung in Lesina, über welche Hr. 
Bucchich, der Beobachter derselben, sich pag. 305 folgender- 
malsen äulsert: 

„Am Abend des 23. März wich der mälsig starke SO- 
Wind der Bora, jedoch war das Thermometer, welches um 
2 Uhr Nachmittags 10.5° R. gezeigt hatte, nur um 0.4° herab 
gegangen. Der ganze Himmel war von einem Cirro-Stratus 
bedeckt und das Barometer sank rasch.“ 

„Um 6 Uhr Morgens am 24. März zeigte das Barometer, 
welches zu dem dritten Minimum des Monates herabgesunken 
war, 828.24 Par. Linien, die Bora wehte noch, jedoch mit 
verminderter. Heftigkeit, die Temperatur war 11.10°R.; die 
Feuchtigkeit der Luft 48 Percent. Bei einem Himmel, der mit 
Cirro-Cumulo-Stratus bedeckt war, fing es langsam zu regnen an 
und der Regen währte bis gegen 8 Uhr Morgens, die Quan- 
tität des gefallenen Regens war 0.98'".* 

„Etwas später bemerkte ich dunkelgelbe Flecken, welche 
auf den Scheiben der gegen Norden gerichteten Fenster, aus 
welcher Weltgegend der Regen herkam, deutlich die Begrenzung 
der auf dieselben gefallenen Regentropfen zeigten. Da man 
nicht annehmen konnte, dafs diese Flecken vom Staube her- 
rührten, welchen der Wind von der Erde aufgehoben und mit 
dem Regen gemischt hatte, indem der Boden fest („sodo“) und 
feucht war, so wurde ich aufmerksamer auf die Erscheinung. 
Ich untersuchte das Laub der Planzen, die Dächer, die Fenster- 
scheiben anderer Häuser und fand, dafs in der That gleich- 
zeitig mit dem Regen eine staubartige Masse herabgefallen war, 
welche die äufseren Kennzeichen des bekannten „Passatstaubes* 
darbot.* 

„Diese ‚Erscheinung, verbunden mit dem Umstande einer 
_ Temperatur, welche für den Charakter des dieselbe begleitenden 
Windes zu hoch war, einer starken barometrischen Depression, 
einer merklichen Trockenheit der Luft (denn es mufs bemerkt 
‘werden, dafs die um 6 Uhr am 24. März beobachtete Luft- 
Feuchtigkeit von 48 Percent gewils noch geringer gewesen 


vom 8. April 1869. 315 


wäre, wenn ‘es nicht geregnet hätte) scheinen mit der die: 
trockenen Nebel („callina“) erzeugenden Ursache, über welche 
sowohl Secchi als v. Vivenot geschrieben haben, im Zusammen- 
hang zu stehen.* 

„Wenn man mit Ehrenberg annimmt, dafs dieser Staub 
aus den oberen Schichten der Atmosphäre herrührt, aus welchen 
derselbe durch einen Wirbelsturm herabgetrieben wird, so würde 
das rasche Sinken des Barometers ein Anzeichen eben dieser 
Wirbelbewegung und ein Vorläufer des Staubfalles sein.* 

„Bemerkenswerth ist es, dals sowohl der trockene Nebel 
des Jahres 1861 als der Blutregen vom 24. März 1869 von 
warmen Nordwinden herbeigeführt wurden.“ 

„Am Morgen desselben Tages (24. März) hatte man zu 
Sign, einem Städtchen auf dem Festlande von Dalmatien, nörd- 
lich von Lesina gelegen, Schneefall, und die Bora wehte da- 
selbst sehr heftig.“ 

„Man kann vermuthen, dafs die erwähnten Erscheinungen 
sich schon öfter ereignet haben; einer venetianischen Chronik 
entnehme ich die folgende Anmerkung: „1508, Luglio. Non 
voglio restar di scriver do cosse notade seguite questi Zorni, 
una a Zara par piovesse aqua come sangue. 

Lesina, 29. März 1969. G. Buechich.* 

Ebenda wird weiter über den Staubfall in Krain pag. 200 
folgendes bemerkt: „Hr. Oustos Deschmann in Laibach be- 
richtet über denselben: In der Umgebung von Weixelstein 
(Krain) bei Steinbrück fiel in der Nacht vom 24. zum 25. März 
‚strichweise ein ganz kothiger Regen, der auf den Sträuchern 
und Kleefeldern, besonders aber auf den Fensterscheiben ge- 
deckter Gartenbeete sehr auffallende Spuren hinterliefs. Die 
Substanz war eine röthliche Staubmasse, in der Färbung dem 
hiesigen Gebirgsschiefer (Werfener Schiefer) sehr nahe kom- 
mend. Da aber schon 14 Tage hindurch fortwährend nasse 
Witterung herrschte, ist an eine Staubaufwirbelung und den 
Niederschlag derselben durch den Regen nicht zu denken.“ 

Durch Hrn. Direktor Jelinek ist mir nun noch neuerlich 
eine Probe des bei Cilly in Krain, zwischen Grätz und Lai- 
bach gefallenen rothen Staubes vom 24. bis 25. März zugäng- 
lich geworden, wobei am angeführten Orte noch bemerkt ist, 


316 Gesammisitzung 


dafs auch in Kärnthen, im Loibl-Thale gleichzeitig ein streifen- 
weise braun gefärbter Schneefall sich ereignet hat, wovon mir 
jedoch keine Probe zugekommen ist. Ebenso wenig sind mir 
Materialien aus Sieilien und Calabrien zugänglich gemacht wor- 
den, wo ein ähnlicher mit Sturm und Gewitter begleiteter, sehr 
intensiv gelbrother Staubregen mit blitzenden Wolken und 
srofsem Sturm beobachtet worden ist, den man aus der Rich- 
tung von Afrika heranziehend meinte, wie in der Vossischen 
Berlin. Zeitung am 16. April d. J. mitgetheilt wird. Dafs 
er aber nicht aus Afrika stammen kann, vielmehr aus dem 
atlantischen Dunkelmeer abzuleiten sein wird, möge nur ange- 
deutet sein. | 

Ich habe von den vier Hauptsubstanzen, welche mir zu- 
gesendet worden sind, nämlich von den Dardanellen, von Le- 
sina, Weixelstein und Cilly, eine Reihe von mikroskopischen 
Analysen ausgeführt, deren Resultat ist, dals sie sämmtlich mit 
dem vom mir schon so vielfach analysirten Passatstaubarten, 
welche den sogenanten Blutregen bedingen, in der auffallendsten 
Weise übereinstimmen. In diesen 4 Proben sind von mir nicht 
weniger als 38 organische Lebensformen vorgefunden worden, 
wie sie die vorliegende Tabelle in Übersicht bringt und die 
vorgelegten Zeichnungen vor Augen stellen. Die meisten Formen 
sind in der 1844 publicirten Abhandlung in den Schriften der 
Akademie in Abbildungen vergleichbar. 

Das Verfahren für die Beobachtung war ganz dasselbe 
wie früher, indem nur je eine Drittel Kubiklinie der Masse 
auf Glimmer unter destillirtem Wasser ausgebreitet, dann ge- 
trocknet und mit kanadischem Balsam durchsichtig gemacht 
worden ist. So wurden von den Dardanellen und Cilly je 10 
und von Lesina und Weixelstein je 5 Analysen angefertigt, 
welche in den Dardanellen 34, in der von Cilly 13, von Le- 
sina 7, von Weixelstein 7, organische Formenarten erkennen 
‚liefsen. 

Nach diesem beiliegenden Verzeichnifs der mikroskopischen 
Mischung ist dieser rothe Staub kein gewöhnlicher Staub, viel- 
mehr verlangt derselbe die volle Aufmerksamkeit der Natur- 
forschung. 


vom 8. April 1869. 317 


Die Hauptmasse des Volumens besteht, wie bei allem 
Passatstaub, aus einem sehr feinen meist doppelt lichtbrechen- 
den Sande, dessen gröbere Theilchen zuweilen doch bis zu 
725 Linie reichen, die aber in einen überaus feinkörnigen 
Mulm von eisenrostrother Farbe eingehüllt sind. Dieser feine 
Mulm wird durch Salzsäure entfärbt weifslich, während die 
letztere grünlich wird und durch Glühen wird der Staub 
dunkler roth. Die organische Mischung dieses feinen Staubes 
bildet nach Schätzung etwa 4 des Volumens oder 124 pro. Cent. 
Ein leichtes Brausen mit Säure zeigt an, dafs kohlensaurer 
Kalk in der Mischung ist. Entfärbung des Staubes durch Salz- 
säure und die röthere Färbung durch Glühen lassen erkennen, 
dafs die rothe Farbe von Eisen stammt. Die vorherrschenden 
Formen des organischen Lebens sind Gallionella granulata 
und decussata, welche in keiner Probe fehlen, oft aber sehr 
häufig in jedem Sehfelde waren, Fragillaria striolata und Dis- 
copleae mit pflanzlichen Kieseltheilen (Phytolitharien), wie sie 
zumeist aus Gräsern gekannt sind. 

Unter den 38 Formen sind Rotalia und Spong. uncinata 
‚Meeresformen, die übrigen entschiedene Süfswassergebilde. 

Ist nun in dieser Weise der Charakter der Substanz fest- 
gestellt, so mag es erlaubt sein, einige Folgerungen daran zu 
knüpfen. In meiner Abhandlung des vorigen Jahres über die 
rothen Guinea-Erden habe ich die Unwahrscheinlichkeit, ja 
Unmöglichkeit hervorgehoben, dafs Afrika den Seiroceo- Staub 
Italiens liefern könne und durch die in der Mikrogeologie ge- 
gebene Analyse der Oberflächen der Antillen-Inseln hat sich 
auch anschaulich machen lassen, dafs die Antillen nicht den 
Meteorstaub von Lyon (1846 u. s. w.) geliefert haben. 

Durch die aus Athen gesandten Proben des Hellespont- 
Staubes mit so gleichartiger Mischung, wie seit 1805 der Passat- 
staub zu erkennen gegeben hat, wird jetzt plötzlich die Aus- 
sicht auf jene bisher geheimnifsvolle befruchtende Erde des 
Abdellatif nach Mittelasien gerichtet, wo räthselhafte Anhäu- 
fungen rothen Staubes grofse Wüstenflächen erfüllen und er- 
schreckende Orkane die fremde befruchtende, nach Burnes 
1857 rothe Erde, über das Land von Beludschistan bis Kabul 
und Kaschgar verbreiten sollen. 


318 Gesammtsitzung 


Die gemeldeten Nordost- und Süd- bis Südwest-Stürme 
können sich nicht auf Afrika noch auf die Antillen beziehen, 
sie geben vielmehr seit dritthalb Tausend Jahren die ersten 
direkten Erläuterungen der Blutregen in Bagdad, Constanti- 
nopel und des Homerischen Blutregens in Klein- Asien und 
Griechenland selbst. 

So reihen sich alle jene historischen dunklen asiatischen 
Nachrichten vielleicht nun leicht an die von der oberen Atmos- 
phäre periodisch sich herabsenkenden und durch ihr Fallen in 
verschiedene Luftströme Wirbelorkane bildende, überall gleich- 
artig gemischte und gefärbte, unfühlbar feine durchsichtige Staub- 
nebel an, welche Alex. v. Humboldt 1803 in Süd-Amerika seiner 
Aufmerksamkeit werth fand und die vor ihm Keppler sich als 
Weltwolken theoretisch ausgeschmückt hatte, wie ich es 1847 
und 1868 in den Abhandlungen anzudeuten für nützlich ge- 
halten. 

Die beiden schon im vorigen Jahre in der Abhandlung 
über die Guinea-Erden besprochenen rothen Staubfälle aus Rom 
“vom Jahre 1864 und 1866, werden hierbei ebenfalls zur Ver- 
gleichung gebracht und ihre Übereinstimmung mit dem aus dem 
Dunkelmeer abgeleiteten rothen Nebel nachgewiesen. Die unge- 
heure Menge der Substanz, welche bei den Dardanellen ange- 
geben wird, wird man freilich nicht in gleicher Intensität sich 
bis Krain abgelagert denken dürfen, dafs es sich aber um 
Tausende von Centnern einer gleichartigen, gleich organisch ge- 
mischten Substanz wieder handelt, wie sie kein Oberflächen- 
verhältnifs der Erde irgendwo geliefert hat, wie sie vielmehr 
nur als zusammengehoben aus den Oberflächenverhältnissen aller 
Erdtheile in der oberen Atmosphäre schwebend gedacht werden 
kann, möge weiterer Erwägung anheimgegeben sein. 

Ob jene Staub und Schlamm ablagernden Nordost-Stürme, 
welche am gleichen Tage mit den süditaliänischen gleichartigen 
.Südstürmen stattfanden, im Zusammenhange eines einfachen 
cyclisch bewegten Wirbelsturmes stehen, oder ob gleichzeitige 
Herabsenkungen grofser Staubmassen aus der oberen Atmos- 
phäre im Westen und Osten stattgefunden haben, die dem Laufe 
besondrer Luftströmungen der unteren Atmosphäre folgten, ist 
für jetzt nicht zu entscheiden. 


vom &. April 1869. 319 


Bei der noch immer vielfachen Geneigtheit, den Seirocco- 
und Fön.-Staub in nothwendigem Zusammenhange mit heifsen 
Winden zu denken und deshalb besonders beides aus Afrika 
abzuleiten, dürfte nicht unangemessen sein, folgendes noch zu 
bemerken. 

Ich war im vorigen Jahre 1868 in den Monaten Juli, 
August und September in der Schweiz am Vierwaldstädter-See, 
in Interlaken und im Rhonethale bei Bex stabil. Dieselbe Zeit 
war ganz ungewöhnlich reich an Fönstürmen und zeichnete 
sich dort durch furchtbare Verheerungen aus, welche durch die 
ungewöhnlich zahlreichen Regengüsse, Schneeschmelzen und 
Bergstürze hervorgebracht wurden. In dieser ganzen dreimo- 
natlichen Zeit habe ich bei den mannigfachsten Nachfragen, 
auch von den angesehensten Geologen der Schweiz so wenig 
als von den vielen Reisenden, irgend einen Fall von rothem 
Staubregen zur Erfahrung gebracht und die Versammlung der 
Gesellschaft schweizerischer Naturforscher in Einsiedeln, wel- 
che damals tagte, hat, soviel mir bis jetzt bekannt geworden, 
keine Veranlassung gehabt ihre Aufmerksamkeit auf solche 
Staubstürme zu lenken. In derselben Zeit war Dr. Parthey, 
Mitglied der Akademie, in Rom und derselbe meldete mir in 
einem Schreiben vom 24. März d. J., dafs er im Sommer 1868 
nur zu viel Scirocco in Italien gehabt habe und besonders bei 
Ariccia viel davon gelitten, ihm aber niemals ein rother Staub 
dabei vorgekommen sei. Ich selbst habe in Italien bis Neapel 
ebenfalls Seirocco ohne rothen Staub erlebt, und dafs rothe 
Staubfälle bis in die neueste Zeit noch die Aufmerksamkeit des 
Volkes dort erwecken, sollte wohl allgemein und definitiv er- 
kennen lassen, dafs die heifsen Winde und der rothe Staub 
keinen nothwendigen Zusammenhang haben und dafs, wenn 
Afrika den heifsen Wind liefert, doch dieser Zusammenhang 
ein nothwendiger sein würde. 

In Bezug auf den hiermit bezeichneten so merkwürdigen 
Staubsturm mag die Bemerkung hinzugefügt sein, dafs neuer- 
lich zwar rothe Schneeflächen auch auf den Pafshöhen des 
Kaukasus von Hrn. Baiern beobachtet worden sind, die rothe 
Färbung aber nicht von gefallenem Passatstaub, sondern als 
von der schön rothen kleinen alpinen Alge des abschmelzenden 


320 Geesammtsitzung 


liegenden Schnees, der Sphaerella nivalis herrührend, durch 
von Hrn. Dr. Werner Siemens mir zugeführte Proben festge- 
stellt worden ist (s. Sitzungsber. d. Berl. naturf. GER RBRE 
Januar 1869). 

Dafs in de Bulletino meteorologico von Palermo vom 
Monat März am 23. u. 24. d. M. ein starker Nord-Ost- u. Nord- 
West-Sturm angemerkt ist, verdient besondere Beachtung, wenn 
auch von dem rothen Staube, dessen das „Giornale“* als beson- 
dere Merkwürdigkeit lebhaft Erwähnung thut, keine Kenntnifs 
genommen ist, vermuthlich doch, weil man an der, nicht mehr 
möglichen, Vorstellung festhielt, dafs der Staub ein gewöhnlicher 
Wüstenstaub aus Afrika sei. (23. März. Alle 9h. m. incomincia 
un forte vento di N. E. che dura tutto il giorno, e a notte 
tarda piega a NNO. il mare & molto agitato; nell’a sera pioggia. 
24. Continua la burrasca e il mare & anche piu grosso di ieri 
sera; il vento continua dal quarto quadrante; nella sera pioggia 
e grandine.) 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 
vorgelegt: 

Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft. 20. Bd. 4. Heft. 
Berlin 1868. 8. 

Neunter Bericht des Offenbacher Vereins für Naturkunde. Offenbach 
1868. 8. 

Lotus. Zeitschrift für Naturwissenschaften. 18. Jahrg. Prag 1868. 8. 

Arthur v. Oettingen, Meteorologische Beobachtungen. 2. Jahrgang. 
Dorpat 1869. 8. 

Cam. Heller, Die Zoophyten od Echinodermen des Adriatischen 
Meeres. Wien 1868. 8. 

W. Wackernagel, Voces variae animantium. Ein Beitrag zur Na- 
turkunde und zur Geschichte der Sprache. 2. Aufl. Basel 1869. 8. 

A. Neilreich, Die Vegetationsverhältnisse von Croatien. Wien 1868. 8. 

Verhandlungen des k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien. 
Jahrg. 1868. 18. Bd. Wien 1868. 8. 

G.A.Maack, Die bis jetzt bekannten fossilen Schildkröten. Cass. 1869. 4. 


zu p. 320. 


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Mikroskopische Mischung der 6 Passatstaub - Proben. 


zu p. 320, 


- | Dardanellen 


POLYGASTERN: 


Campylodiscus ? Fragm. 
Cocconema Lunula 
Discoplea atmosphaerica 
_ ? 
—_ ? 
_ 2 
Eunotia amphioxys 
— ? 
—  ÖOygnus ? 
Textrieula ? 
St. Antoni ? 


—_ _ 2 
Fragilaria Rhabdosoma 

— ? 
striolata 
—_ Venter 
Gallionella decussata 

—_ distans 

—_ granulata 
lineata 
marchica 
tenerrima 

_ _ 2 

_ crenata 
Navieula Bacillum 
Trachelomonas volvocina 

_ 2 

Pinnularia viridis ? 
viridula ? 
Rhaphoneis ? 
Surirella ? 


PHYTOLITHARIEN: 


Amphidiseus truncatus 
Lithodontium vostratum 
Emblema 
Lithosiylidium Catena n. sp. 
crenulatum 
biconcavum 
_ hemicyclus n. sp. 
denticulatum 
Diceras n. sp. 
—_ laeve 
rude 
sinuosum 
unidentatum 
perforatum n. sp. 

—_ Serra 

_ Ossiceulum 

_ Amphiodon 
Spongolithis acicularis 
Clavus 
—_ uncinata 


POLYTHALAMIEN: 
Rotalia aspera ? 


Weiche Pflanzentheile: 
Pflanzenhaare 


Summe des Örganischen: 


= Ele ieh 
Elle Eilnseı® 
en 
7 "© 
AlsldlElale 
2 3Il4ı5|6 
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32 
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+ : . 
Enz 2 
+ 
+ 
|, IT TTT——  — ll 
ss | |ıs | 7 |23 Tıe || 


Unorganisches: 


kleine eubische Kalkkrystalle 
quarziger Trümmersand 
röthlich gelber Eisenmulm 
thoniger farbloser Mulm 


Summe des Ganzen 58 


| 


++ ++ 


wo | Lesina. 


"++: 


«= | Cilly. 


+ 


++ 


16 


= | Weixelstein. 


a | Rom 1866 


+++ 


26 


- 
045 s 
—— 0 


a | Rom 1864 


| 


+++ 


17 


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ar 5 Fo i“ . = BANN 


vom 8. April 1869. 321 


Mittheilungen der k. k. Oentral-Commission zur Erforschung und Er- 
haltung der Baudenkmale in Wien. 14. Jahrg. Wien 1869. 4. 
Verhandlungen der phys.-medicin. Gesellsch. in Würzburg. Neue Folge. 

1. Bd. 2. Heft. Würzburg 1868. 8. 

Vierteljahrschrift der astronomischen Gesellschaft in Leipzig. 4. Jahrg. 
1. Heft. Leipzig 1869. 8. 

C. Sandhaufs, Über das Tönen erhitzter Röhren und die Schwin- 
gungen der Luft in Pfeifen von verschied. Gestalt. Neisse 1869. 4. 
Mit Begleitschreiben des Verfassers d. d. Neisse 3. April 1869. 

Montagna, Nowelle theorie du metamorphisme des roches. Naples 
1869. 8. Mit Schreiben des Verf. d. d. Napoli 30. 3. 69. 

Aoust, Analyse iufinitesimale des courbes. Paris 1869. 8. 

Bulletin de la societe geologique. 25, 2.3. Paris 1868. 8. 

Annales des mines. Tome XIV, 5. Paris 1868. 8. 

A. de Vertus, La langue primitive. Paris 1868. 8. Mit Schrei- 
ben des Verf. d. d. Brecy par Courcy (Aisne) 23. Mz. 1869. 

Fenicia, Libro decimoquarto della politica. Bari 1868. 8. 

Atti del Istituto veneto. XIII. Disp. 8—10. Venezia 1868. 8. 

Transactions and Proceedings of the Royal Society of Edinburgh. Edin- 
burgh 1867—68. 8. 

Philosophical Transactions. Vol. 158. London 1869. 8. 

Proceedings of the Royal Society. no, 101—108. London 1868. 8, 

Greenwich Observations in the year 1866. London 1868. 4. 

Catalogue of scientifie papers. Vol. MH. London 1868, 4, 

: Transactions of the Royal Society of Victoria. IX, 1. Melbourne 
1868. 8. 

Compte rendu de la commission imperiale archeologique pour 1865—66. 
Petersburg 1866—67. 4. 

(C. Priomis) Trattato di architettura civile e militare di Fr. di Giorgio 
Martini. Torino 1841. 4. et fol. 

Materiaux pour la carte geologique de la Suisse. Livr. 6. Berne 
1869. 4. 

Bigsby, Thesaurus silurieus. London 1868. 4. 

W. W. Hunter, A comparative dictionary of the non-aryan languages 
of India and High Asia. London 1868. 4. Mit Ministerialrescript 
vom 2. April 1869. 


[1869.] 93 


322 Gesammtsitzung 


15. April. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Borchardt las über einige Probleme des relativen 
Maximums. 


Hr. Poggendorff las: 


Über eine Vereinfachung in der Construction und dem 
Gebrauch der Holtz’schen Influenzmaschine 
erster Art. 


Diese gegenwärtig sehr verbreitete Maschine besteht, wie 
bekannt, aus einer drehbaren und einer festen Glasscheibe, 
von welchen die letztere mit Ausschnitten versehen ist, ent- 
weder in Gestalt eigentlicher, nach dem Rande hin offener 
Sectoren, oder in Gestalt kreisrunder oder ovaler Öffnungen 
von beträchtlicher Gröfse. Die letztere Einrichtung ist die 
bessere und daher auch jetzt allgemein übliche, weil man da- 
bei die ruhende Scheibe mit Leichtigkeit in jede beliebige Stel- 
lung versetzen kann. 

Über den Nutzen und die Nothwendigkeit dieser Aus- 
schnitte ist, meines Wissens, noch keine recht präcise Ansicht 
ausgesprochen. Hr. Holtz äufsert beiläufig in seiner ersten 
Abhandlung!) die Ausschnitte hätten den Zweck, den binden- 
den Einflufs der auf der Rückseite der festen Scheibe ange- 
häuften Elektricität zu unterbrechen und somit die Elektrieität 
der rotirenden Scheibe frei zu machen. Diese Theorie ist mir, 
mufs ich gestehen, niemals recht einleuchtend gewesen, und 
vollends wurde ich irre an ihr als ich fand, dafs man die 
Ausschnitte oder Fenster (wie die Franzosen sagen) unter ge- 
wissen Bedingungen durch Glas oder Kamm-Masse verschlielsen 


1) Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. 126. S. 162. 


vom 15. April 1869. 323 


kann, ohne dadurch die Wirkung der Maschine sonderlich zu 
beeinträchtigen. Da ich aber andrerseits auch keinen Vortheil 
von diesem Verschlulse sah, so liefs ich die Sache liegen. 

| Erst vor einiger Zeit, wurde ich wieder auf den Gegen- 
stand zurückgeführt, indem ich mich gewifser Thatsachen er- 
innerte, welche ich schon zu Ende des Jahres 1866 beobachtet, 
zum Theil in der Klassensitzung vom Februar 1867 mitgetheilt, 
und seitdem oftmals bestätigt gefunden habe. 

Unter Anderem zeigte ich damals, dafs die Maschine auf 
dreierlei Art erregt werden kann. Erstlich von der Rückseite 
her, auf die gewöhnliche Weise, indem man einem der Belege 
durch Vertheilung oder Mittheilung Elektricität zuführt. Zwei- 
tens von der Vorderseite her, indem man aus einer anderen 
Elektrieitätsquelle, entweder einer zweiten Maschine oder einer 
geladenen Flasche, Elektrieität durch die Metallkämme auf die 
rotirende Scheibe ausströmen lälst. Und drittens auf interme- 
diäre Weise mittelst der ruhenden Scheibe, nachdem man die- 
selbe durch vorherigen Gebrauch der Maschine in ihren beiden 
Hälften entgegengesetzt elektrisch gemacht und die Ars ab- 
leitend berührt hat. 

Auf welche Weise nun auch die Maschine in Thätigkeit 
gesetzt worden sein mochte: immer fand ich, dafs der Zahn 
der Belege, dieser mysteriöse Theil der Holtz’schen Maschine, 
der dieselbe wesentlich zu einem bis dahin unbekanten, ganz 
neuen Instrumente macht, während der Rotation der beweg- 
lichen Scheibe nicht einfach elektrisch ist, sondern sich in 
einem polaren Zustand befindet, vermöge dessen er die eine 
Elektrieität aus seiner Spitze und die entgegengesetzte aus sei- 
ner Basis aussendet, wie denn auch das bei einem isolirten 
Leiter, der influeneirt wird, nicht anders als in der Ordnung ist. 

Wird der Spitze eines solchen Zahnes z. B. positive Elek- 
trieität zugeführt, indem man sie mit dem positiven Knopf einer 
geladenen Flasche oder dem Deckel eines Elektrophors be- 
rührt, so. giebt diese Spitze während der Rotation nicht positive 
Elektricität aus, sondern negative, und die positive Elektricität 
wendet sich zur Basis des Zahns, welche dem benachbarten 
Metallkamm, der in diesem Falle negative Elektricität ausströmt, 


directer gegenübersteht. 
23* 


324 Gesammtsitzung 


Umgekehrt, wenn man durch einen Metallkamm negative 
Blektrieität auf die rotirende Scheibe ausströmen läfst, wird 
der gegenüberstehende Beleg, so wie die Basis des Zahnes, 
positiv und die Spitze des letzteren giebt negative Elektrici- 
tät aus. | | 
Schon hiedurch überzeugte ich mich, dafs der Papierbeleg, 
auch wenn er gefirnifst worden, was man übrigens jetzt mei- 
stens unterläfst, gleich dem Zahne, ein Leiter der Elektrieität 
ist, und nothwendigerweise sein mufs, wenn die Maschine in 
Wirksamkeit gelangen soll. Ein gezahnter Beleg von Glimmer, 
also einem Isolator, dessen Anbringung an der ebenfalls isoli- 
renden Glasplatte schon vorweg nichts erwarten läfst, giebt 
auch keine Wirkung. Dagegen kann das Papier ganz füglich 
durch Stanniol, also einen metallischen Leiter, ersetzt werden, 
obwohl gerade nicht mit practischem Vortheil, weil dabei die 
Wirkung, wegen der schnellen Eniweichung der Elektrieität, 
viel schwächer ist und bald erlischt, wenn man die Elektroden 
etwas weit auseinander zieht. Wie sehr die Blektrieität aus 
einem solchen Stanniolbeleg entweicht, zeigt sich besonders 
wenn er positiv, die Zahnspitze also negativ ist; dann sieht 
man im Dunklen lange zarte Funken aus ihm hervor schiefsen. 
Gewils war es ein glücklicher Griff, dafs Hr. Holiz gerade 
einen solchen Halbleiter wie das Papier ist, zu den Belegen 
wählte. 

Diese und andere Erscheinungen, welche mich in der An- 
sicht bestärkten, dafs die Papierbelege der Maschine nicht mit 
dem Kuchen des Elektrophors parallelisirt werden können, ge- 
währten mir auch einen deutlicheren Blick in die Function der 
Ausschnitte der festen Scheibe. 

Ich erkannte, dals diese Ausschnitte keinen anderen Nutzen 
haben und haben können als den, die von der Basis der 
Zähne ausströmende Elektricität zu den mit ihr über den Rand 
. leitend verbnndenen Belegen zuführen und somit auf der Aufsen- 
seite der festen Scheibe auszubreiten. Und damit war denn 
auch alsbald eine Construction gegeben, welche die Ausschnitte 
überflüssig macht. 

Ich liefs nämlich in die feste Scheibe zwei diametrale Lö- 
cher bohren, so grols wie ungefähr einen Silbergroschen (18 Mm. 


vom 15. April 1869. 325 


im Durchmesser), füllte jedes derselben durch eine Korkscheibe 
aus, und klebte nun auf die innere Seite dieser Scheiben die 
Papierzähne, und auf die äufsere die Papierbelege. Dadurch 
war denn, ohne offene Ausschnitte in der Scheibe, eine leitende 
Verbindung zwischen den Zähnen und den Belegen hergestellt. 

Meine Erwartungen von dieser Construction wurden voll- 
kommen erfüllt. Ich hatte vorweg keine gröfsere Wirkung von 
ihr erwartet, als man mit der alten Construction bekommt, aber 
sie wirkte auch um nichts schwächer als diese. Weder in der 
Funkenlänge, noch in der Elektricitätsmenge, fand ich irgend 
einen merklichen Unterschied mit der, welche dieselbe Ma- 
schine versehen mit grofsen offenen Ausschnitten gab. Nur 
war es nöthig, die Zähne so zu biegen, dafs sich ihre Spitzen 
in der Mitte des Abstandes beider Scheiben befanden. 

Diese Construction hat zunächst den practischen Nutzen, 
dals sie die Maschine wohlfeiler macht; denn das Ausbohren 
eines kleinen Loches ist minder kostspielig als das Ausschneiden 
einer grofsen Öffnung mit dem Diamant, zumal dabei die Schei- 
ben mitunter wohl zerspringen. 

Allein sie gewährt auch noch andere Vortheile. Fürs 
Erste kann man sich dadurch einen deutlichen Beweis ver- 
schaffen, dafs die Belege an der Aufsen- und die Zähne an 
der Innenseite der festen Scheibe befindlich sein mülsen, wenn 
die Maschine soll in Thätigkeit gebracht werden können. Kehrt 
man nämlich diese Scheibe um, so dafs die Belege nach Innen, 
und die Zähne nach Aufsen zu liegen kommen, so giebt die 
Maschine keine Wirkung, wenn man auch, was dann noth- 
wendig ist, die bewegliche Scheibe in umgekehrter Richtung 
rotiren läfst, damit sie sich gegen die Spitzen der Zähne be- 
wege.!) 

Fürs Zweite kann man nun mit derselben Maschine die 
einfache und die doppelte Elektricitätsmenge erzeugen, ohne 
mehr als eine feste Scheibe zu gebrauchen. Besonders leicht 


1) Beiläufig bemerkt habe ich mich auch durch Versuche überzeugt, 
dafs Zähne an der Innenseite der Ausschnitte ohne Belege an der Aulsen- 
seite, oder umgekehrt die letzteren ohne die ersteren, keine Wirkung 
geben. 


326 . Gresammtsitzung 


geschieht dasselbe, wenn die Maschine die ihr neuerdings von 
Hrn. Holtz gegebene Einrichtung der einseitigen Axe besitzt.') 

Um eine Maschine auf Erzeugung der doppelten Elektriei- 
tätsmenge einzurichten, muls sie bekanntlich mit vier Metall- 
kämmen versehen werden, und man hatte ihr zu dem Ende 
aufser der gewöhnlichen festen Scheibe noch eine zweite mit 
vier Ausschnitten und vier gezahnten Belegen beigefügt. Zu- 
gleich hatte man sich darauf gesetzt, die Wirkung der so ab- 
geänderten Maschine zwischen denselben Elektroden beobachten 
zu wollen, welche man bei einer Maschine mit nur zwei Aus- 
schnitten benutzt. Diefs machte aber eine sehr complicirte 
Verbindungsweise der Kämme nöthig, die noch dazu überflüfsig 
war, da die Schlagweite bei einer solchen Maschine, aus einem 
bisher noch nicht recht aufgeklärten Grunde, immer nur sehr 
gering ist, man also doch die Elektroden nie sehr weit, höch- 
stens einen Zoll, aus einander ziehen kann. 

Zum Laden von Flaschen, zur Hervorbringung langer Fun- 
ken und Büschel, ist eine solche Maschine nicht tauglich; ihr 
Nutzen beschränkt sich hauptsächlich auf die Licht-Erschei- 
nungen in evacuirten Gasen, aber dabei hat sie wirklich Vor- 
züge vor der einfachen Maschine. 

Mein Verfahren, um den angedeuteten Zweck zu errei- 
chen, ist nun folgendes. Zunächst versehe ich die feste Scheibe 
mit vier gezahnten Belegen von der beschriebenen Einrichtung, 
um einen Quadranten von einander abstehend. | 

Ich habe mich überzeugt, dafs diefs der Benutzung von 
nur zwei Belegen, zur Hervorbringung der einfachen Elektriei- 
tätsmenge keinen Abbruch thut. Wenn ich nämlich jeden der klei- 
nen horizontalen Belege durch einen ihm an Breite gleichen qua- 
drantenförmigen Streif von dünem Postpapier nach oben und 
unten um gleichviel, also um 45° verlängere und den schrä- 
gen Hülfsconductor einsetze, bekomme ich dieselbe Funkenlänge 


!) Eine Scheibe mit vier offenen Ausschnitten läfst sich allerdings 
auch für zwei Metallkämme benutzen; allein es schien mir doch immer, 
dafs dabei die Elektricitätsmenge und die Funkenlänge geringer sei als 
die, welche man mittelst einer Scheibe mit nur zwei Ausschnitten be- 
kommt. 


vom 15. April 1869. 327 


und dieselbe Elektrieitätsmenge wie im -Fall die feste Scheibe 
unter gleichen Umständen nur zwei Belege mit offenen Aus- 
‚schnitten besitzt.') 

Um nun die doppelte Elektrieitätsmenge zu erhalten, mufs 
man, nachdem die beiden bogenförmjgen Hülfsbelege entfernt 
worden. sind, den schrägen Conductor senkrecht stellen, und 
die horizontalen Elektroden dicht zusammen schieben, so dafs 
die diametral gegenüber liegenden Kämme paarweise metallisch 
mit einander verknüpft sind und vor den Belegen stehen. Wird 
nun zwischen den beiden Metallbogen, d. h. zwischen dem ver- 
ticalen Hülfsconductor und den horizontalen Elektrodenbogen 
eine leitende Verbindung hergestellt, z. B. durch eine evacuirte 
Röhre, so bekommt man in dieser die doppelte Elektrieitäts- 
menge, sobald man die Maschine auf die gewöhnliche Weise 


1) Zu den räthselhaften Erscheinungen, an welchen die Influenzma- 
schine so reich ist, gehört unter anderen auch die, dafs wenn die beiden 
bogenförmigen Papierstreifen, welche, wie eben erwähnt, die kleinen 
horizontalen Belege verlängern, sich nnr einseitig bis zu dem schrägen 
Conduetor erstrecken, also etwa bis zu einer Gröfse von 45,° Strom-Um- 
kehrungen vorkommen, sobald die Elektroden sehr weit auseinander ge- 
zogen werden. Zwar habe ich solche Umkehrungen nicht immer, und 
nicht bei Flaschen - Entladungen bemerkt, sondern nur bei der Büschel- 
bildung: allein die neue Einrichtung würde doch erheblich zurüeckstehen 
gegen die alte mit offenen Ausschnitten, die von diesem Übelstande frei 
zu sein scheint, wenn er sich nicht entfernen liefse. Glücklicherweise 
ist diefs aber zu bewerkstelligen, und zwar dadurch, dafs man die hori- 
zontalen Belege auch abwärts von dem schrägen Conductor um etwa 45° 
verlängert, also ihnen im Ganze eine Ausdehnung von 90° giebt. 

So sonderbar die Umstände zuweilen bei den Umkehrungen sind, 
eben so sind sie es hinsichtlich der Funkenlänge.. Manchmal will es 
weder bei der alten, noch bei der neuen Einrichtung, durehaus nieht 
gelingen diese auf das Maximum zu bringen, und es zeigt sich, dafs dann 
der Strom in dem schrägen Hülfsconductor eine grofse Stärke hat. Nun 
ist es zwar begreiflich, dafs der Strom zwischen den Elektroden ab- 
nehmen mufs, wenn er in jenem Conduetor zunimmt; aber weshalb es 
hierin unter scheinbar gleichen Umständen nicht immer diese schädliche 
Stärke hat, das ist schwer erklärlich. — Reinheit der Glasflächen hat 
übrigens einen grofsen Einflufs auf diese Anomalien. 


328 Gesammtsitzung 


erregt. Diese Erregung erfolgt durch geriebene Kamm-Masse 


oder durch den Deckel eines Elektrophors fast momentan, aber 


erst dann, nach dem die letztere Verbindung hergestellt ist, d. h. 
alle vier Kämme leitend mit einander verbunden worden sind. 
Um die eben genannte Verbindung leicht zu bewerkstelligen, 
ist der Hülfsconductor vorn, in der Verlängerung des Zapfens, 
mittelst dessen er an der Axe der Maschine befestigt wird, ver- 
sehen mit einen hohlen Fortsatz von etwa drittehalb Zoll Länge 
und einen halben Zoll Dicke, der an seinem Ende eine Kugel 
trägt. An diese wird die isolirte Kugel eines kleinen beweg- 
liehen Stativs geschoben, und letzteres durch die zu unter- 
suchende Geilslersche Röhre mit dem Elektrodenbogen ver- 
knüpft. Diese Vorriehtung hat den Zweck, ganz nach Belie- 
ben, den directen, den discontinuirlichen oder den explosiven 
Strom benutzen zu können; im ersten Fall schiebt man die 
eben genannten beiden Kugeln dicht zusammen, im zweiten 
rückt man sie etwas auseinander, im dritten fügt man noch ein 
Paar kleiner Flaschen hinzu, die man respeetive an den Fort- 
satz des Hülfsconductors und an den Elektrodenbogen anlegt, 
während sie äufserlich leitend mit einander verknüpft sind. 

Alles dieses sieht in der Beschreibung weitläufiger aus, 
als es in Wirklichkeit ist. In höchstens zwei Minuten ist die 
Maschine von der einfachen Elektrieitätsmenge auf die doppelte 
gebracht und eben so schnell wieder auf die einfache zurück- 
geführt, ohne dafs man nöthig hat, sie auseinander zu nehmen, 
wie es früher erforderlich war. Ich glaube daher, dafs es 
zweckmäfsig sein wird, künftig alle Maschinen, namentlich die 
mit einseitiger Axe, auf die beschriebene Weise vorzurichten. 

Nur im Fall man die Absicht hätte, die Rolle der festen 
Scheibe genauer zu untersuchen, wäre es vielleicht nicht über- 
flüssig, der Maschine auch eine solche Scheibe mit nur zwei 
‚gezahnten Belegen beizufügen. 

Wie vorhin erwähnt und wie schon in der Klassensitzung 
vom Febr. 1867 von mir gezeigt worden ist, kann nämlich 
die Maschine auch durch die feste Scheibe, wenn sie zuvor in 
ihren beiden Hälften entgegengetzt elektrisch gemacht ist, in 
Thätigkeit versetzt werden. 


| 


ee = 


vom 15. April 1869. 329 


Läfst man nämlich die bewegliche Scheibe eine Zeitlang 
rotiren, hält sie nun an, nimmt von den Belegen und Elektro- 


- den durch ableitende Berührung alle Elektrieität fort, und er- 


neut darauf die Rotation, so kommt die Maschine wiederum 
zur vollen Thätigkeit. Diefs ist Wirkung der festen Scheibe, 
was auch daraus hervorgeht, dafs wenn man diese Scheibe 
während der Ruhezeit um 180° gedreht hat, der neu entste- 
hende Strom in seiner Richtung dem anfänglichen entgegen- 
gesetzt ist. 

Auch wenn die (zuvor polarisirte) feste Scheibe während 
der Ruhezeit nur um 90° verstellt worden ist, gelangt die Ma- 
schine bei abermaliger Rotation wiederum zur Wirksamkeit. 
Und dieser Fall ist besonders interessant, weil dabei die ge- 
zahnten Belege, wenn deren nur zwei an der Scheibe vorhan- 
den sind und sie die gewöhnliche Gröfse nicht überschreiten, ') 
aulser Activität gesetzt werden. 

Der entstehende Strom ist rein die Wirkung zweier aus 


. der polaren Elektrisirung der festen Scheibe hervorgegangener 


Elektrophore, eines positiven und eines negativen, vor welchen 
die bewegliche Scheibe rotirt; und daher erhält man ihn in 
gleicher Stärke und gleicher Richtung, welch eine Richtung 


die Rotation dieser Scheibe auch haben mag; nur die Licht- 


pinsel an der Scheibe kehren sich um bei einem Wechsel der 
Rotation; sie sind dieser immer entgegengesetzt. 


1) Werden dagegen diese Belege, wie es Hr. Holtz in neuerer 
Zeit zur vermehrten Wirksamkeit des schrägen Cenductors gethan hat, 
durch einen angelegten bogenförmigen Streif von dünnem Papier bis zu 
einem Quadranten verlängert, so dafs ihre Enden bei der angegebenen 
Stellung der festen Scheibe bis zu den horizontalen Metallkämmen hinan- 
reichen, so sind die Escheinungen im Ganzen dieselben wie im Fall wenn 
die feste Scheibe nicht um 90° gedreht hätte. Der entstehende Strom 
ist aber wenig stabil und schwach, und der Hülfsconductor, wie er auch 
gestellt sein mag, vernichtete ihn gänzlich. 

Bei solchen quadrantenförmigen Belegen und der angegebenen Stel- 
lung der festen Scheibe läfst sich übrigens der Strom, wenn diese Scheibe 
noch gauz indifferent ist, auf die gewöhnliche Weise erregen. Nur ist 
er viel schwächer als im Fall die Kämme den Zähnen näher stehen; 
auch ist dabei der Hülfsconductor nicht anwendbar. 


330 . Gesammtsitzung 


Die Richtung dieses Elektrophorstroms hängt lediglich da- 
von ab, in welchem Sinne die feste Scheibe verstellt worden 
ist, da die Metallkämme immer die entgegengesetzte Elektrici- 
tät von derjenigen auströmen, welche die ihnen gegenüber- 
stehenden Hälften dieser Scheibe besitzen. 

Die Stärke des Stroms ist ganz ansehnlich; ich habe mit- 
telst seiner Funken von fünf Zoll Länge erhalten, und wenn 
die Metallkämme blofs durch einen metallischen, flüssigen oder 
gasigen Leiter verbunden sind, Beat er auch eine beträch- 
liche Dauer. | 

Dennoch aber kann er den eigentlichen Strom der Holtz- 
schen Influenzmaschine weder ersetzen, noch wie Bertsch 
glaubt, der ihn durch einen Kautschuck-Elektrophor hervorge- 
rufen hat, erklären. Es mangelt ihm das sinnreiche Prineip 
der steten Erneuung der Elektrieität, durch welches die Holtz- 
sche Maschine, so lange sie in Rotation gehalten wird und die 
Elektroden eine genügend ausgleichende Verbindung der Me- 
tallkämme darbieten, zu einer unerschöpflichen Elektricitäts- 
quelle wird. 

Der Elektrophorstrom nimmt allmählig ab, nicht allein 
weil die Elektrophore ihre Kraft nach und nach verlieren, son- 
dern auch, weil sie von Seiten der rotirenden Scheibe und der 
Metallkämme eine Rückwirkung erfahren, vermöge welcher sie 
langsam in einem anderen Sinne elektrisirt werden. Beweis 
davon giebt der Umstand, dafs wenn die feste Scheibe wieder 
in ihre ursprüngliche Stellung zurück versetzt wird, man ent- 
weder keinen Strom bekommt, oder einen, der dem anfäng- 
lichen entgegengerichtet ist. 

Wenn nun auch nach Allem diesem dem Elektrophorstrom 
kein practischer Werth beigelegt werden kann, so hat er doch 
andrerseits theoretisches Interesse genug, um es wünschens- 
werth erscheinen zu lassen, der Maschine eine zur Beobach- 
tung desselben geeignete Einrichtung zu geben. Man könnte 
ihr zu dem Ende eine feste Scheibe mit zwei Belegen hinzu- 
fügen; allein ich glaube, dafs diefs nicht gerade nothwendig 
wäre, es vielmehr hinreichen würde, an der Scheibe mit vier 
Belegen zwei der Zähne abnehmbar zu machen, was bei der 


vom 15. April 1869. 331 


vorhin beschriebenen Einrichtung jedenfalls keine Schwierigkeit 
hätte. Versucht habe ich indefs noch nicht. 


Schliefslich sei hier noch einer interessanten Combination 
gedacht, durch welche man neben dem eigentlichen Strom der 
Maschine, den ich den Hauptstrom nennen will, einen zweiten 
Strom bekommt, der auch als Elektrophorstrom zu betrach- 
ten ist. 

Zu dem Ende mufs die feste Scheibe mit zwei gezahnten 
Belegen von gewöhnlicher Grölse versehen sein, und so gestellt 
werden, dafs der eine dieser Belege senkrecht unter dem an- 
dern liegt. Bringt man nun vor ihnen den drehbaren Hülfs- 
conductor ebenfalls in lothrechter Stellung an, so kann man sie 
in gewöhnlicher Weise erregen'), und man erhält in diesem 
lothrechten Conductor den Hauptstrom, und in den Elektroden 
der horizontalen Kämme, denen keine gezahnten Belege gegen- 
überstehen, den Elektrophorstrom. 

Der letztere Strom geht offenbar von der rotirenden Scheibe 
aus. Führt man nämlich dem oberen Beleg z. B. positive Elek- 
trieität zu, indem man ihn mit dem Deckel eines Elektrophors 
berührt, so strömt der gegenüberstehende Kamm, des senkrech- 
ten Conductors negative Elektrieität auf die Scheibe. Durch 
die Rotation wird diese negative Elektrieität an den rechtslie- 
genden horizontalen Kamm geführt, der dem gemäls positive 
Elektrieität ausströmt. In ähnlicher Weise giebt, bei der an- 
genommenen Erregung, der untere Kamm des lothrechten Con- 
ductors positve Elektricität aus, welehe von der rotirenden 
Scheibe vor den links liegenden horizontalen Kamm geführt 
wird und diesen zur Auströmung von negativer Elektricität ver- 
anlafst. 

Vom Negativen zum Positiven gerechnet, geht also der 
Strom in dem lothrechten Conductor von oben nach unten, und 
in den horizontalen Elektroden von links nach rechts. Würde 


1) Zur Erregung des Hauptstromes ist jedoch nöthtg die Elektroden 
des Nebenstroms etwas auseinander zu ziehen; sonst geschieht sie äufserst 
schwierig, vielleicht gar nicht. 


332 Gesammtsitzung 


der letztere Strom von der festen Scheibe hervorgebracht, so 
müfste er, da diese Scheibe durch die Belege umgekehrt elek- 
trisirt wird wie die rotirende durch den lothrechten Conductor, 
entgegengesetzte Richtung haben. Diefs bestätigt auch die Er- 
fahrung. Denn wenn man den lothrechten Conductor fortnimmt, 
bekommt man ebenfalls einen Elektrophorstrom, der aber schwä- 
cher ist und entgegengesetzte Richtung besitzt. 

Der Strom, den man bei Anwesenheit des lothrechten Con- 
ductors beobachtet, ist also nur die Differenz zweier Elektro- 
phorströme, und diefs erklärt wohl zur Genüge, weshalb dieser 
complexe Strom verhältnifsmäflsig so gering an Elektricitäts- 
menge ist. Die Funken, welche man durch Einschaltung von 
Flaschen bekommt, folgen nur langsam auf einander, aber sie 
haben dafür eine bedeutende Schlagweite. Wenn ich die nega- 
tive Elektrode in einer zwei Zoll grofsen Kugel endigen lafse, 
erhalte ich Funken von über sechs Zoll Länge. Und diese 
Funken erhält man unausgesetzt, so lange die bewegliche Scheibe 
in Rotation erhalten wird. Dadurch unterscheidet sieh dieser 
Elektrophorstrom wesentlich von dem früheren, der übrigens 
wie dieser keiner freiwilligen Umkehrung ausgesetzt ist. 

Die letztere Eigenschaft und die relativ langsame Ent- 
wicklung der Elektricität machen diesen Strom vorzugsweise 
geeignet, Flaschen und Batterien zu einem festgesetzten Grade 
zu laden, was bei der gewöhnlichen Anwendungsweise der In- 
fluenzmaschine mitunter seine Schwierigkeit hat. 


Hr. A. W. Hofmann las: 
Über die dem Senföl entsprechenden Isomeren der 
Schwefeleyanwasserstoffäther. 


In einer früheren Arbeit, welche ich der Akademie!) vor- 
‚gelegt habe, wurde bereits der Umbildung gedacht, welche die 
Senföle bei hoher Temperatur unter dem Einflusse des Wassers 
erleiden. Unter Entwicklung von Kohlensäure und Schwefel- 
wasserstoff werden die Monamine zurückgebildet. Für diese 


1) Monatsberichte für 1868. S. 481. 


vom 15. April 1869. 338 


Umwandlung sind 2 Mol. Wasser erforderlich, es ist aber nicht 
unwahrscheinlich, dafs die Reaction in zwei auf einanderfolgen- 
den Phasen verläuft und dafs zunächst nur 1 Mol. Wasser 
fixirt wird. Bei dem Äthylsenföl würde im Sinne dieser Auf- 
fassung der Spaltung in Kohlensäure, Schwefelwasserstoff und 
Äthylamin, die Bildung einer ephemeren Säure 
ei 
ee ke 

vorausgehen. 

Läfst man statt des Wassers Alkohol auf das Senföl ein- 
wirken, so erhält man in der That den Äther dieser Säure 
ohne alle Schwierigkeit. Die Reaction erfolgt schon bei 100°, 
Seht aber mit gröfserer Schnelligkeit bei 110—120° von statten, 


Einwirkung des Äthylalkohols auf das Äthylsenfol. 


Digerirt man eine Mischung von Äthylsenföl mit absolutem 
Alkohol bei 110°, so ist schon nach einigen Stunden die Ver- 
einigung beider Körper vor sich gegangen. Beim Öffnen der 
Röhre entweicht kein Gas, der Geruch des Senföls ist ver- 
schwunden und auf Zusatz von Wasser zu der Flüssigkeit fällt 
ein wenig angenehm lauchartig riechendes Öl zu Boden, welches 
nur mit Wasser gewaschen, über Clorcaleium getrocknet und 
destillirt zn werden braucht, um im Zustande der Reinheit er- 
‚halten zu werden. Der Siedepunkt liegt zwischen 204 und 
208°, Bei der Analyse wurde die Zusammensetzung 

ee eENSso (E90, ie 
gefunden. 


Dieser Äther, den man als halbgeschwefeltes Äthyl- 
urethan auffassen könnte, entsteht also einfach durch Ver- 
einigung von 1 Mol. Senföl mit 1 Mol. Alkohol, 

II 
und seine Entstehung ist der von Würtz') beobachteten Bil- 
dung des Äthylurethan aus Cyansäureäther und Alkohol voll- 
kommen analog. 


1) Würtz, Ann. Chem. Phys. [3] XLI. S. 43. 


334 Gesammtsitzung 


Unter dem Einflusse des Wassers, zumal in der Gegenwart 
von Säuren oder Alkalien, zerfällt das halb geschwefelte 
Äthylurethan, wie dies nicht anders zu erwarten stand, in 
Alkohol, Kohlensäure, Schwefelwasserstoff und Äthylamin 
CCEDENo+2(1}0) = .ı 110400 +H,8+ 0235 Heim. 

C,H, H 2 H 

Bei Anwendung von concentrirter Schwefelsäure wird statt 
Kohlensäure und Schwefelwasserstoff Kohlenoxysulfid erhalten. 

Die eben beschriebene Verbindung kann auch durch die 
Einwirkung alkoholischer Natronlösung auf das Äthylsenföl er- 
halten werden. Die Identität der so gebildeten Verbindung mit 
der durch die Einwirkung des Alkohols erhaltenen, wurde so- 
wohl durch eine sorgfältige Vergleichung der Eigenschaften als 
auch durch die Analyse festgestellt. Durch die Einwirkung 
des Natriumhydrats entsteht aber stets auch das entsprechende 
Natriumsalz, endlich wird ein Antheil Senföl unter Bildung 
von Natriumcarbonat, Natriumsulfid und Äthylamin vollkommen 


zersetzt. 


Einwirkung des Äthylmercaptans auf das Äthyleyanat. 


Bei der vollkommenen Analogie des Mercaptans mit dem 
Alkohol einerseits und andererseits des Äthyleyanats mit dem 
Senföle, liefs es sich nicht bezweifeln, dafs beide Körper sich 
zu einem, mit dem eben beschriebenen halbgeschwefelten Äthyl- 
urethan isomeren Körper vereinigen würden. Der Versuch 
hat denn auch diese Veraussetzung bestätigt. Mercaptan und 
Cyansäureäther mischen sich unter Wärmeentwicklung. Durch 
mehrstündige Digestion beider Körper bei 120° verschwindet 
alsbald der charakteristische Geruch des ersteren wie des letz- 
teren; der entstandene Körper gleicht, was den Geruch anlangt, 
dem halbgeschwefelten Äthylurethan, von dem er sich offenbar 
nur in der relativen Stellung des Sauerstoff- und Schwefelatoms 
. unterscheidet. Man kann dieser verschiedenen Stellung der 
beiden Elemente in der Formel der Verbindung einen Aus- 


druck geben: 


H 
Cop a 


Auch was Volumgewicht und Siedepunkt anlangt, steht diese 


C; I) SUHCOFUCHH,) a R 
H C,H 


Pe) 


vom 15. April 1869. 335 


Flüssigkeit dem halbgeschwefelten Äthylurethan sehr nahe; sie 
ist schwerer wie Wasser und siedet zwischen denselben Tem- 
peraturen, 204—208°. Bei der Einwirkung des Wassers, zu- 
mal in Gegenwart von Säuren und Alkalien, tritt aber alsdann 
die verschiedene Construction zu Tage, insofern der Körper, 
seinem Ursprunge gemäls, in Äthylmercaptan, Kohlensäure und 
Äthylamin sich spaltet 


COJ(C,H,)H H C,H C,H 
ge Ann ]s+Hj0- Hels +00, + Im. 


ft) 


Einwirkung des Äthylmercaptans auf das Äthylsenfol. 


Um die Reihe dieser Verbindungen zu vervollständigen, 
blieb es noch übrig, auch das Verhalten des Äthylsenföls zu 
dem Äthylmercaptan zu untersuchen. In dieser Reaction stand 
die Bildung des geschwefelten Äthylurethans zu erwarten. 
Wirklich vereinigen sich auch beide Flüssigkeiten schon nach 
mehrstündiger Digestion bei 120° zu einem Körper, welcher 
ein höheres Volumgewicht als Wasser besitzt und in welchem 
der charakteristische Geruch sowohl des Mecaptans als auch 
des Äthylsenföls vollkommen verschwunden ist. Es läfst sich 
nicht bezweifeln, dafs hier das geschwefelte Äthylurethan vor- 
liegt: | 

1 

Es war indessen nicht möglich, die Substanz in einem für 
die Analyse geeigneten Zustand zu erhalten da sie sich bei der 
Destillation alsbald wieder in ihre Bestandtheile, Äthylmer- 
_ captan und Äthylsenföl spaltet. 


Einwirkung des Alkohols auf das Allylsenföl. 


Die angeführten Untersuchungen dürften geeignet sein, die 
Natur einer Verbindung festzustellen, deren Zusammensetzung 
bisher zweifelhaft gebieben war. 

In seiner grolsen Arbeit über das Senföl par excellence, 
welche diesem Körper zuerst die noch heute von ihm einge- 
nommene Stelle anweist, hat Will’) unter vielen anderen Ab- 


2) Will, Ann. Chem. Pharm. LI. S. 30, 


336 Gesammtsitzung 


kömmlingen auch ein Öl beschrieben, welches aus dem Senföl 
durch die Einwirkung alkoholischen Kalis entsteht. Will be- 
rechnet für diesen Körper aus den von ihm angestellten Ana- 
lysen, die indessen für den Stickstoff zu keinen übereinstim- 
menden Zahlen führten, die Formel 
CuH,N;3, 0; 

Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich annehme, 
das gedachte Öl sei die Verbindung des Äthylsenföls mit Äthyl- 
alkohol, also das halbgeschwefelte Allylurethan 


CS)U(C.EL)HN 
KELNnso 09 go 


welches dem durch die Einwirkung des Alkohols auf das Äthyl- 
senföl entstehenden Körper entspricht. | 

Die Kohlenstoff- und Wasserstoffprocente, welche dieser 
Formel entsprechen (Kohlenstoff 49,65 und Wasserstoff 7,98) 
stimmen in Wahrheit mit den von Will gefundenen (Kohlen- 
stoff 49,92—50,35 und Wasserstoff 7,70—7,88) fast ebenso gut 
als die theoretischen. Werthe der von ihm berechneten Formel 
(Kohlenstoff 50,70 und Wasserstoff 7,53), während die Stick- 
stoffprocente der umgebildeten Formel (9,65) mit einer der ver- 
schiedenen von Will gefundenen Zahlen (9,73) nahezu zusam- | 
menfallen. 

Digerirt man in der That eine Lösung von Senföl in Al- 
kohol einige Stunden lang bei einer die Siedhitze des Wassers 
nur wenig übersteigenden Temperatur, so fällt alsdann Wasser 
aus der Lösung ein lauchartig riechendes Öl, welches etwas 
schwerer ist wie Wasser und gerade wie der von Will be 
‚schriebene Körper bei 210-—215° siedet. Die Reaction bei 
dem Allylsenföl verläuft also genau so, wie bei der äthylirten 
Verbindung. 


Einwirkung des Alkohols auf das Phenylsenföl. 


Über das Verhalten beider Körper zueinander, konnte kein 
Zweifel obwalten. Beim Versuche ergab es sich, dafs beide 
bei einer Temperatur von 110—115° mit Leichtigkeit auf ein- 
ander einwirken. Versetzt man die aus der Digestionsröhre 
ausgegossene Flüssigkeit mit Wasser, so erstarrt sie zu einer 
prachtvollen Krystallmasse, welche man nur mit Wasser zu 


vom 15. April 1869. | 337 


waschen und einmal aus Alkohol umzukrystallisiren braucht, 
um sie vollkommen rein zu erhalten. Die Krystalle schmelzen 
bei 65°. Die Analyse zeigte, dafs die Krystalle das halbge- 
schwefelte Phenylurethan darstellen 
u 
0,5050 — CS HEN). 


0,H, 
Bei der Destillation zerlegt sich dieser Äther theilweise in 


seine Bestandtheile; setzt man bei der Destillation Phosphor- 
säureanhydrid zu, so wird der Alkohol fixirt und es destillirt 


 Phenylsenföl, dem aber stets eine nicht unerhebliche Menge 


Phenyleyanat beigemengt ist. 

Das halbgeschwefelte Phenylurethan kaun auch, obwohl 
weniger vortheilhaft, direct aus dem Diphenylsulforcarbamid er- 
halten werden, welches bekanntlich der Ausgangspunct für die 
Darstellung des Phenylsenföls ist. Die Lösung des Phenyl- 
sulfocarbamids in Alkohol mufs aber einen Tag lang bei 140° 
—150° erhalten werden und selbst dann noch ist die Umwand- 
lung niemals ganz vollständig, Der Urethan bildet sich be- 
greiflich unter Ausscheidung von Anilin. 


Einwirkung des Äthylmercaptans auf das Phenylsenfol. 


Ich habe mich nur durch den Versuch überzeugt, dafs sich 
die beiden Körper durch längere Digestion miteinander ver- 
einigen. Es entsteht das geschwefelte Phenylurethan 


C,H, CT... (OSIEE a 
un + n)s - = OEL 


Das Product ist ein schöner krystallinischer Körper, un- 
löslich in Wasser, löslich in Alkohol und Äther. Sein Schmelz- 
punkt liegt bei 56°. 

Die beschriebene Untersuchung, bei deren Ausführung ich 


' wieder die werthvolle Hülfe des Hrn. Dr. Bulk in Anspruch 
nehmen durfte, hatte für mich ein besonderes Interesse, inso- 


fern sie einige schon vor vielen Jahren angestellte Versuche, 
die aber wegen Mangel an Material unvollendet geblieben waren, 


' zu einem befriedigenden Abschlusse bringt. 


Bei Gelegenheit meiner Arbeit über das Phenyleyanat') 


1) Hofmann, Ann. Chem. Pharm. LXXIV. S. 17. 
[1869.] 24 


338 Gesammtsitzung vom 15. April 1869. 


hatte ich gefunden, dafs sich dieser Körper mit den Alkoholen 
lebhaft vereinigt, und dafs sich auf diese Weise schön krystal- 
lisirte Verbindungen bilden, die ich wegen der Schwierigkeit, 
sie in gröfserer Menge zu erhalten, nur unvollkommen unter- 
suchen konnte. Ich hatte sie gleichwohl auf Grnnd einiger 
Annäherungsanalysen als das Phenylurethan der Methyl- und 


Äthylreihe 
CO)Y(C,H,)HN 
CHEND, WO 210 und 
CO)U(C, H,)HN 
GH, NO, 0, a 
angesprochen. 


Irgendwelche Zweifel über die Natur dieser Verbindungen, 
welche noch hätten geblieben sein können, sind durch die im 
vorhergehenden beschriebenen Versuche gelöst, 


An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 


W. W. Hunter, 4A comparative dictionary of the languages of India 
and High Asia. London 1868. 4. 

Gümbel, Beiträge zur Foraminiferenfauna der nordalpinen Eocänge- 
bilde. München 1868. 4. 

Theophil Rupp, Aus der Vorzeit Reutlingens und seiner Umgegend. 
Stuttgart 1869. 8. 

— — Eddische Studien. Wien 1869. 8. 

Schriften der südslavischen gelehrten Gesellschaft. Bd.6. Agram 1869. 8. 

Bulletin de la societe des sciences naturelles de Neuchatel. VII, 1. 
Neuchatel 1868. 8. 

Bijdragen tot de Taal-Land- en Volkenkunde. III, 3.4. Gravenhage 
1869. 8. 

Journal of the chemical Society. London, Jan.-March 1869. 8. 

Archives du Musee Teyler. II, 1.2. Harlem 1869. 8. 


Sitzung der phys.-math. Klasse vom 19. April 1869. 339 


19. April. Sitzung der physikalisch -mathe- 
matischen Klasse. 


Hr. G. Rose las über die regelmäfsigen Verwach- 
sungen der verschiedenen Glimmerarten untereinan- 
der sowie mit Pennin und Eisenglanz. 


Die Untersuchungen über die regelmäfsigen Verwachsun- 
gen des Glimmers entstanden durch die merkwürdigen Unter- 
suchungen von Reusch über die Schlagfigur des Glimmers, 
d. h. der kleinen Spalten, die sich immer um das kleine Loch 
' bilden, welches man mit einer feinen Stahlspitze in dem Glim- 
mer machen kann.') Um die Lage der Schlagfigur in Bezug 
auf die Krystallflächen des Glimmers mit Genauigkeit bestim- 
men zu können, bat Hr. Prof. Reusch mich um Übersendung 
von möglichst vielen Glimmerproben aus dem mineralogischen 
Museum, an welchen noch die regelmälsige Begränzung zu se- 
hen wäre. Ich sandte ihm an 30 solcher Proben von verschie- 
denen Fundörtern, die später noch durch andere vermehrt wur- 
den, und welche Hr. Reusch mir sämmtlich zurückschickte, 
nachdem er an denselben die Lage der optischen Axenebene 
durch eine eingeritzte Linie angegeben, die Schlagfigur und mei- 
stentheils auch den Winkel der optischen Axen bestimmt hatte.?) 
Die verschiedenen Übersendungen machten eine mehrfache Durch- 
musterung der sämmtlichen Exemplare des Museums nöthig, 
und hatten manche Umänderung zur Folge, da nun manche 
Abtheilungen, die in dem Glimmer gemacht worden sind, mit 
Sicherheit bestimmt werden konnten. 

Da Reusch gezeigt hatte, dafs die Spalten der Schlag- 
figur stets den Seitenflächen des Glimmers, also bei dem zwei- 
axigen Glimmer den Flächen des rhombischen Prismas von 
nahe 120° und der Längsfläche, und bei dem einaxigen den 


1) Vergl. darüber die Monatsberichte der Akademie von 1868 $. 428 
und von 1869 S. 84. 

2) Die sämmtlichen Proben sind im mineralogischen Museum nieder- 
gelegt, und bilden nun eine sehr schätzenswerthe Bereicherung desselben. 


24* 


340 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Flächen des hexagonalen Prismas parallel gehen, so hat man 
durch die Schlagfigur ein vortreffliches Mittel um die Lage 
der Seitenflächen des Glimmers zu bestimmen, wenn diese selbst 
bei unregelmälsiger Begränzung des Glimmers nicht vorhanden 
sind. Da nun ferner nach Senarmont bei dem optisch zwei- 
axigen Glimmer die optische Axenebene theils der langen 
theils der kurzen Diagonale des rhombischen Prismas parallel 
geht, wodurch zwei Abtheilungen bei dem zweiaxigen Glim- 
mer gebildet werden, so steht im erstern Fall die Spalte der 
Schlaglinien, die der Längsfläche parallel geht, rechtwinklig auf 
der optischen Axenebene, im letztern Fall ist sie ihr parallel. 
Reusch nennt deshalb diese Spalte die charakteristische 
Schlaglinie. Man hat also in der Untersuchung der Schlag- 
figur nun auch ein Mittel zu bestimmen, zu welcher der beiden 
Abtheilungen Senarmonts ein Glimmer gehört, wenn auch 
die äufsere Form nicht bekannt und die Axenebene bestimmt 
ist, oder wenn die äufsere Form gegeben, und die Lage der 
Axenebene noch nicht bestimmt ist. Dies ist um so wichtiger, 
da bei dem zweiaxigen Glimmer Spaltungsflächen vorkommen, 
die parallel den Zuschärfungen (a:45b:coc) des rhombischen 
Prismas (a:b:coc) gehen, die unter sich wieder ein rhombi- 
sches Prisma von nahe 120° bilden, das wenn die Seitenflächen 
des erstern Prismas nicht regelmäfsig ausgebildet sind, leicht 
mit diesem verwechselt werden kann, und auch verwechselt 
worden ist, wie dies selbst bei Senarmont der Fall war.) 
Durch diese Beschäftigung mit dem Glimmer wurde meine 
Aufmerksamkeit wieder auf die vielen regelmäfsigen Verwach- 
sungen gerichtet, die bei dem Glimmer vorkommen. Ich hatte 
deren schon mehrere bei früheren Gelegenheiten beschrieben; 
diese waren nun genauer zu bestimmen, andere neu erkannte 
zu beschreiben, und andere von andern Mineralogen angegebene 
zu berichtigen, und es sind diese Untersuchungen, die ich mir 
‘ erlauben werde, der Akademie hiermit vorzulegen. Da bei den 
hier zu erwähnenden Glimmern die Lage der Ebene der opti- 
schen Axen und die Winkel derselben genau bestimmt sind, 


!) Vergl. diese Berichte von 1869, S. 85. 


‘vom 19. April 1869. pn 341 


so werde ich die Bezeichnung eines jeden Glimmers nach den 
optischen Axen machen. Der zweiaxige Glimmer enthält nun 
die Lithion-freien und die Lithion-haltigen Kaliglimmer von 
Rammelsberg und den Theil seines Magnesiaglimmers, der 
nur wenig oder gar kein Eisenoxydul enthält, welchen letzte- 
ren Dana Phlogopit nennt, wie die beiden erstern Muscovit 
und Lepidolith. Der einaxige enthält den gröfsten Theil des 
Magnesiaglimmers von Rammelsberg, den nämlich mit grös- 
serm Eisenoxydulgehalt, den Biotit von Dana.) 


1. Regelmäfsige Verwachsung von zweiaxigem Glimmer 
erster Art mit einaxigem Glimmer. 


Wenn in einem Granite weilser und brauner Glimmer zu- 
sammen vorkommen, so sieht man sehr häufig beide in regel- 
mälsiger Verwachsung miteinander, und zwar stets so, dafs die 
Spaltungsflächen des einen in unveränderter Richtung in den 
andern fortsetzen. In der Regel umgiebt der weilse Glimmer 
den braunen.”) Wenn der Granit kleinkörnig, der eingemengte 
Glimmer also auch kleinblättrig ist, sieht man wohl kaum da- 
von eine Ausnahme; bei grolskörnigem Granite und grolsblät- 
trigem Glimmer dehnt sich wohl der innere braune Glimmer 
unregelmäfsig aus, dringt stellenweise in den weifsen ein und 
umschlielst Parthien weilsen Glimmers, wie dies auch von 
Reufs beobachtet ist,’) zeigt aber auch hier im Allgemeinen 
immer dasselbe Verhältnifs. Die Gränzen zwischen dem brau- 
nen und weilsen Glimmer gehen, wo beide regelmälsig ausge- 
bildet sind, den äufsern Rändern der Spaltungsflächen des weis- 
sen Glimmers parallel; ich habe diesen Parallelismus bei dem 
Glimmer des Granites vom Capellenberge bei Schönberg im 
Sächsischen Vogtlande in ‘seiner Art sehr schön beobachtet;?) 
er ist hier indessen selten wahrzunehmen, weil bei dem im 


1) Vgl. Dana’s Mineralogie, 5. Aufl. S. 301. 

2) Vgl. darüber meine Abhandiung über den Granit in der Zeit- 
schrift der D. geolog. Ges. von 1849, S. 357. 

3) Vgl. die Abhandl. der k. k. geol. Reichsanstalt Th. 1, S. 19. 

IA O0. S. 357. 


342 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Granit eingemengten Glimmer die Ränder desselben gewöhnlich 
unregelmäfsig begränzt sind, und wo er wahrzunehmen ist, bei 
der Kleinheit der Individuen, selten deutlich; das Berliner mi- 
neralogische Museum ist indessen vor einiger Zeit in Besitz 
einer gröfsern Glimmerplatte von Alstead in New-Hampshire 
gekommen, an welcher sowohl der braune als der weilse Glim- 
mer in grölsern Parthien enthalten, und beide wenigstens stel- 
lenweise regelmäfsig begränzt sind, so dafs man sich deutlich 
von dem angegebenen Verhältnifs überzeugen kann. 

Der weifse Glimmer von Alstead ist optisch zweiaxig, der 
braune einaxig. Der Winkel der optischen Axen ((p) des er- 
stern beträgt ungefähr 60°.') Die charakteristische Schlaglinie 
der Schlagfigur steht rechtwinklig auf der optischen Axenebene, 
der Glimmer ist also erster Art. Der weilse Glimmer vom 
Capellenberge ist von derselben Art wie der von Alstead, 
$p = 71° 34‘. Die Verhältnisse sind also bei beiden Glimmern 
wie sie in Fig. 1 angegeben sind, in welcher mmb die horizon- 
tale Projection des rhombischen Prismas des weifsen Glimmers mit 
dem innern braunen, der Pfeil die Lage der optischen Axenebene 
und « die charakteristische Schlaglinie der Schlagfigur darstellt. 
Wie bei dem Glimmer von Alstead und dem Capellenberge 
so werden wahrscheinlich alle weilsen und braunen Glimmer, 
die in dem in Massen vorkommenden Granit und Granitit ein- 
gewachsen sind, zweiaxig erster Art und einaxig sein. 

Da der braune Glimmer optisch einaxig, der weilse zwei- 
axig ist, so ist nur das Sechseck, welches die Basis des er- 
stern bildet, wirklich regulär, das des letztern ist symmetrisch. 
Nach Senarmont ist auch der Winkel des rhombischen Pris- 
mas des zweiaxigen Glimmers nur annähernd 120°, und wenn 
dieser Glimmer wirklich rhombisch ist, so ist es auch gar. nicht 
wahrscheinlich, dafs jener Winkel genau 120° beträgt. Der 


1) Es ist schon oben angeführt, dafs alle Bestimmungen der Lage 
der optischen Axenebene und der Schlagfigur, sowie der Winkel der 
optischen Axen von Hrn. Reusch herrühren, daher dies im Einzelnen 
nicht weiter erwähnt wird; ich habe aber hier noch zu bemerken, dafs 
wenn ich in dem Folgenden diese Angaben von Reusch anführe, dies 
mit seiner ausdrücklichen Erlaubnifs geschieht. 


vom 19. April 1869. 343 


Parallelismus der Seiten der Basis des braunen und weifsen 
Glimmers ist daher nicht ganz scharf. Aus der regelmäfsigen 
Verwachsung des braunen und weilsen Glimmers folgt ein 
strenger Parallelismus aller Seiten auch nicht, es ist hierbei 
nur nöthig, dafs gewilse Flächen und Kanten einander parallel 
sind, also wahrscheinlich aufser den Spaltungsflächen eine Sei- 
tenfläche des hexagonalen Prismas des braunen Glimmers mit 
der Längsfläche des weilsen Glimmers. Etwas Ähnliches fin- 
det auch bei der regelmäfsigen Verwachsung des Feldspaths 
und Albits statt, wobei der letztere den ersteren bedeckt. Die 
Krystallisationssysteme, zu welchen die Krystalle beider gehö- 
ren, sind verschieden, der Feldspath ist monoklinisch, der Al- 
bit triklinisch, die Winkel sind sich nur annähernd gleich, und 
in genau paralleler Stellung befinden sich nur die Längsflächen 
und die Hauptaxen beider.') 


2. Zweiaxiger Glimmer erster Art und Lepidolith. 


Eine solche Verwachsung habe ich bei dem Glimmer, der 
mit dem rothen Turmalin in dem Granit von Schaitansk bei 
Mursinsk im Ural vorkommt, beobachtet, und in meiner Be- 
schreibung von Humboldt’s Sibirischer Reise aufgeführt.) Der 
Lepidolith umgiebt in einem schmalen Saume den in sechssei- 
tiger Tafel regelmälsig ausgebildeten zweiaxigen Glimmer; er 
ist pfirsichblüthroth, der Glimmer gelblichweifs und durchschei- 
nend, die Ränder beider sind parallel. Der Glimmer ist erster 
Art, = 71°. Vor dem Löthrohr verhält er sich wie gewöhn- 
licher lithionfreier Kaliglimmer. Die optischen Verhältnisse des 
Lepidoliths waren bei seiner Kleinheit mit Sicherheit nicht aus- 
zumachen; vor den Löthrohr schmilzt er aber unter starker 
Röthung der Flamme zu einem wasserhellen nach dem Erkal- 


1) Es ist aber möglich, dafs der Parallelismus doch genau wäre, 
der zweiaxige Glimmer wäre aber dann nicht rhombisch, sondern hexa- 
gonal, und nur auf eine eigenthümliche Weise hemiödrisch, was mir so 
unwahrscheinlich nicht scheint. 

2) Th. 1, S. 464. 


344 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


ten schneeweifsen Glase, daher er wahrscheinlich zweiaxig und 
erster Art ist.‘) Die Verhältnisse also wie in Fig. 9. 


3. Zweiaxiger Glimmer zweiter Art und einaxiger 
Glimmer. 

Hierher rechne ich zuerst den Glimmer von South Burgels 
in Canada, der einen so ausgezeichneten Asterismus zeigt, und 
den ich schon vor mehreren Jahren beschrieben habe.?) Ich 
wies als Ursache des Asterismus eine grofse Menge mikrosko- 
pischer prismatischer Krystalle nach, die in dem Glimmer re- 
gelmälsig eingewachsen sind, und deren Längsrichtung den drei 
Seiten eines gleichseitigen Dreiecks parallel geht. Was für 
einer Species diese Krystalle angehörten, muflste ich unbestimmt 
lassen, und nahm nur wegen der Ähnlichkeit der Form an, 
dafs die Krystalle Cyanit sein möchten. Hr. Descloiseaux 
war gegen diese Annahme, und äufserte in einer brieflichen 
Mittheilung darüber die Meinung, dafs die Krystalle vielleicht 
einaxiger Glimmer seien, was mir nach der nähern Unter- 
suchung der Form der Krystalle und ihrer Verbreitung in dem 
zweiaxigen Glimmer nun nicht mehr zweifelhaft erscheint. Die 
Krystalle liegen mit ihren breiten Flächen vollständig in der 
Ebene ‘der Spaltungsflächen des Glimmers, worin sie einge- 
wachsen sind, und scheinen ebenso deutlich spaltbar zu sein, 
wie dieser. Ihrer Form nach erscheinen sie zwar selten in 
ganz regelmälsig sechsseitigen Tafeln, sie sind in der Regel 
langgezogen und haben dadurch ein ganz prismatisches Ansehen, 
was vielleicht eine Folge ihrer Einmengung in dem zweiaxigen 
Glimmer ist, auch bei dem in dem Carnallit eingewachsenen 


!) Dies ist nur ein Schlufs, den ich vorläufig aus der Untersuchung 
von Reusch über die Lage der Axenebene der Lithionglimmer, die ich 
ihm sandte, zog. Dieselben waren hiernach theils erster Art, theils 
zweiter Art, aber ich fand, dafs die ersteren sämmtlich vor dem Löth- 
rohr unter Röthung der Flamme zu einem blasigen nach dem Erkalten 
schneeweifsen Glase, die andern dagegen zu einem grauen mehr oder 
weniger stark magnetischen Glase, wie namentlich der von Zinnwald, 
schmelzen. Hiernach wären also die eisenfreien Lithionglimmer zwei- 
axig und erster Art, die eisenhaltigen zweiaxig und zweiter Art. 

2) Diese Berichte von 1862, S. 614. 


vom 19. April 1869. 345 


Eisenglimmer häufig vorkommt, und solche einfach in die Länge 
gezogenen Krystalle liegen parallel all den drei ‚Seiten, zuwei- 
len auch den Diagonalen des Sechsecks oft dicht nebeneinander, 
wie in Fig. 8,«a. Nicht selten dehnen sich aber auch die Kıy- 
stalle zugleich nach mehreren Richtungen aus, die unter Win- 
keln von 120°, zuweilen auch unter Winkeln von 90° oder 150°, 
aufeinander stofsen. Dabei kommen die verschiedensten For- 
men zum Vorschein. Ich habe von diesen in Fig. 8,a,b,c 
einige bei 5360 maliger Vergrölserung gezeichnet, ohne im min- 
desten dadurch alle vorkommenden Verschiedenheiten bezeich- 
net zu haben, denn nie ist eine Form dieser verzogenen Kry- 
stalle wie die andere. Einige schwarze und rothe mikrosko- 
pische Krystalle von Eisenglanz kommen auch vereinzelt in dem 
Glimmer vor, und stets in paralleler Stellung mit ihm. Die 
drei dunkler gehaltenen Sechsecke Fig. 8, c stellen solche 
schwarze Eisenglanzkrystalle vor; sie sind hier in derselben 
Stellung zu dem einaxigen Glimmer gezeichnet, wie sie in der 
Natur beobachtet sind, nur dafs dazwischen und daneben noch 
viele andere Glimmerkrystalle vorkommen, die weggelassen sind. 
Zuweilen kommen einaxiger Glimmer und Eisenglanz mit ein- 
ander verbunden vor. 

Der zweiaxige Glimmer, worin die Krystalle liegen, gehört 
zu Dana’s Phlogopit; der Winkel der optischen Axen ist sehr 
gering und beträgt nur 15°.) Die Schlagfiguren, die man er- 
hält, sind sehr deutlich, die charakteristische Schlaglinie ist 
parallel der optischen Axenebene, der Glimmer also zweiter 
Art. Man erhält ihn gewöhnlich in langen Streifen, deren 
längere Seiten durch die Flächen 4m = (a:4b: oc), die 
schmalen durch m = (a:b: coc) gebildet werden. Die einge- 
wachsenen Krystalle liegen theils parallel den langen Seiten 
dieser Streifen, theils machen sie damit Winkel von 60°; der 
sechsstrahlige Lichtstern, den man sieht, wenn man durch den 
Glimmer die Flamme einer Kerze betrachtet, steht senkrecht 


1) B. Silliman giebt diesen Winkel zu ungefähr 10° an (Dana’s 
Mineralogie S. 304), Descloiseaux zu 15° 57, wenn der Mica blond 
du Canada derselbe ist. (Nouvelles recherches sur les prop. opt. d. cri- 
staux, p. 79.) 


346 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


darauf; kleinere Strahlen liegen dazwischen, da einige Krystalle 
auch parallel den Flächen von 4% und der Querfläche liegen. 
Die Verhältnisse sind also wie es in der Fig. 3 dargestellt ist, 
worin die eingewachsenen Krystalle durch feine Striche, die 
Lage des rectangulären Streifens in dem Glimmerkrystall durch 
die punktirten und gestrichelten Linien, und die Strahlen des 
Lichtsterns durch die blos punktirten Linien angegeben sind. 
Sind die eingewachsenen Krystalle in der That einaxiger Glim- 
mer, so hat derselbe in diesem Fali gegen den zweiaxigen 
Glimmer zweiter Art eine andere Lage als gegen den Glimmer 
erster Art. 

Mit dem Glimmer von South Burgefs hatte das mineralo- 
gische Museum andere über Fufs grofse sechsseitige Glimmer- 
tafeln von Grenville in Canada erhalten, die wie die vorigen 
zu dem Phlogopit gehören und wie diese in der ersten grofsen 
Industrie-Ausstellung in London 1862 unter den Canadischen 
Mineralien aufgestellt waren. Sie haben eine sehr regelmäfsige 
sechsseitige Form, röthlichbraune Farbe, sind wie die vorigen 
zweiaxig zweiter Art, der Axenwinkel nur klein, die Schlag- 
figuren sehr schön und deutlich zu erhalten, die Verhältnisse also 
wie in Fig. 4 Dieser Glimmer enthält nicht das Haufwerk 
mikroscopischer Krystalle, die durch die ganze Masse vertheilt 
sind, wie der Glimmer von South Burgefs; die kleinen und ein- 
gewachsenen Krystalle sind hier sparsamer enthalten, oder nur 
an einzelnen Stellen namentlich an dem Rande zusammenge- 
häuft, wo sie eine lange dunkle Linie bilden, ungefähr einen 
halben Zoll von diesem entfernt, ihm parallel und vollkommen 
gerade, während der Rand des Glimmers selbst, wohl im All- 
gemeinen geradlinig, doch im Einzelnen uneben und zerrissen 
ist. Der äufsern dunkeln Linie gehen in geringer Entfernung 
von dieser nach innen zu noch andere dunkle Linien parallel, 
die aber nicht so aushaltend sind. Die Krystalle, aus welchen 
‚diese Linien bestehen, sind einaxiger Glimmer, aber viel gröfser 
als die mikroscopischen Krystalle von South Burgefs, und schon 
mit der Lupe ganz deutlich zu erkennen, wenn auch besser 
unter dem Mikroscop, und eignen sich daher noch besser, ihre 
Form und Stellung in dem Glimmer, in welchem sie vorkommen, 
zu bestimmen. Sie sind von lauchgrüner, mehr oder weniger 


vom 19. April 1869. 347 


dunkler Farbe je nach ihrer Dicke, oft unendlich dünn, und 
dann ganz hellgrün, in andern Fällen dicker und dunkler; sie 
liegen enge nebeneinander, doch in sehr verschiedenen Höhen, 
und sind in diesen ungleichmäfsig verbreitet, so dafs sie sich 
stellenweise decken, und auch dadurch an diesen Stellen dunkler 
erscheinen. Die Krystalle haben die Form des ersten oder des 
zweiten sechsseitigen Prismas, oder sind Combinationen beider 
untereinander; aber sie zeigen grolse Unregelmäfsigkeiten 
nicht allein in Rücksicht ihrer Ausdehnung, die oft nach den 
verschiedensten Richtungen in der Ebene der Spaltungsflächen 
des Glimmers geht, sondern auch in der Art, wie in den Com- 
binationen die Flächen der beiden sechsseitigen Prismen, die 
in diesen immer nur einzeln vorkommen, auftreten. Ich habe 
nie einen Krystall gesehen, an welchem sämmtliche Flächen 
beider Prismen vollzählig aufgetreten wären. Ein Krystall sieht 
daher selten so aus, wie der andere, auf den ersten Anblick 
glaubt man, es mit vielen verschiedenartigen Krystallen zu 
thun zu haben. Die eingewachsenen Krystalle des einaxigen 
Glimmers verhalten sich demnach hier ganz ebenso wie die 
aufgewachsenen Krystalle vom Vesuv, wo, wie man aus den 
Darstellungen von Hessenberg ersieht,') die Flächen der ein- 
fachen Formen in den Combinationen auch sehr unregelmälsig 
auftreten. 

Ich habe um dies deutlich zu machen in Fig. 15 und 16 
eine Reihe von Krystallen gezeichnet, von denen die erstern 
in dem Theile der dunklen Linie beobachtet sind, die einer 
Seitenfläche m des zweiaxigeu Glimmers, die letztern in einem 
Theile, der der Längsfläche 5 parallel geht,”) ohne damit aber 
im Mindesten die Zahl der vorkommenden Varietäten erschöpft 
zu haben; und habe sie in der im Vergleich zu den Krystallen 
von South Burgefs viel’ geringern, 140 maligen Vergröfserung 
gezeichnet, da diese zur Erkennung ihrer Form hier voll- 


1) Abhandl. der Senkenbergschen Ges. 1866, Bd. 6, S. 15. 

2) Die Krystalle sind bei Fig. 15 so gezeichnet, wie sie unter dem 
Mikroscop erscheinen, also verkehrt, bei Fig. 16 sind sie in die richtige 
Lage gestellt. Die bei den Flächen gesetzten Buchstaben bezeichnen die 
Seitenflächen des zweiaxigen Glimmers, denen sie parallel gehen. 


348 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


kommen genügte. Die Krystalle sind ferner sämmtlich in der 
Lage gezeichnet, die sie in dem Glimmer haben, was bei den 
Krystallen von South Burgels, die ich vor jenen untersucht habe, 
nicht geschehen ist, da ich erst bei diesen auf die Nothwen- 
digkeit der Orientirung recht aufmerksam geworden war. Die 
Gruppirung ist übrigens meistentheils nur zufällig, da ich immer 
nur die gröfseren zur Zeichnung ausgewählt habe, so dafs man 
also aus ihr nicht auf die Häufigkeit im Vorkommen einer 
Varietät schliefsen kann. 

Sechsseitige Tafeln in der Stellung des ersten sechsseitigen 
Prismas (Fig. 15, ı) oder des zweiten (Fig. 15,2) erscheinen hier 
oft dicht nebeneinander. Ich habe nun angenommen, dafs 
diese nicht ein und dasselbe Prisma in zwei verschiedenen 
Stellungen sind, sondern dafs das eine eine abgeleitete Form 
des andern ist, das eine das erste, das andere das zweite sechs- 
seitige Prisma; denn eingewachsene Krystalle, die alle einer 
Fläche parallel sind, in 2 Stellungen durcheinander gemengt, 
hat man bis jetzt noch nicht beobachtet. Ich habe dabei als 
erstes Prisma das angenommen, welches eine parallele Stellung 
mit der dunklen sechseckigen Linie bei dem grolsen zweiaxigen 
Glimmer (Fig. 4) hat, und dessen Seitenflächen den Seiten- 
flächen m und der Längsfläche b dieses parallel gehen.') 

Am häufigsten sind nun die Krystalle nach den 3 Richtun- 
gen ausgedehnt, die den Seitenflächen des ersten sechsseitigen 
Prismas entsprechen, wie die Krystalle (Fig. 15, 3,4,5), und 
von diesen findet sich überhaupt hier und an den übrigen Stel- 
len am häufigsten diejenige verlängert, die der äufsern Begrän- 
zung des Glimmers parallel ist, also an der in Fig. 15 gezeich- 
neten Stelle der Richtung von m; in Fig. 16 der Richtung von b. 
In diesen Richtungen sind die Krystalle oft so lang, dafs sie, 
wenn auch mit gröfseren oder kleineren Lücken, sich über die 
ganze Fläche des Glimmers hinziehen, wie in Fig. 15, 6, 7,s und 
Fig. 16,1. Ähnliche lange Linien nach allen diesen drei Rich- 
tungen finden sich auch im Innern des Glimmers, wenngleich 
ganz fein und mit der Lupe kaum zu erkennen. Andere Kry- 


1) Dies ist nun auch bei den eingewachsenen Krystallen von South 
Burgefs anzunehmen. (s. oben $. 345.) 


vom 19. April 1869. 349 


stalle sind nach den Diagonalen des Sechseckes des ersten 
Prismas verlängert, also nach den Flächen des zweiten Pris- 
mas, die den Flächen 4m und @« des zweiaxigen Glimmers 
entsprechen, und ‚hier vorzugsweise nach den Richtungen, die 
senkrecht auf der äuflsern Begrenzung des Glimmers stehen, 
also in Fig. 15 auf m wie Fig. 15,9. Auch nach diesen Richtun- 
gen ziehen sich einzelne dünne Linien im Innern des zweiaxi- 
gen Glimmers hin. Die nach diesen Richtungen verlängerten 
Krystalle sind häufig an einem Ende mit den Flächen des ersten 
und am andern Ende des zweiten Prismas begränzt (Fig. 15, 10), 
oder einzelne Flächen des ersten Prisma treten nun ganz un- 
regelmäfsig hinzu (Fig. 15,11). Ein und derselbe Krystall er- 
scheint auch nach verschiedenen Richtungen verlängert, die 
rechtwinklig aufeinander stehen (Fig. 15,12); was auch .oft bei 
den zu längeren Linien verlängerten Krystallen der Fall ist 
(Fig. 15,13). Die grünen Krystalle schliefsen Theile des zwei- 
axigen Glimmers ein, der in dünnen Blättchen immer ganz 
wasserhell erscheint; der eingeschlossene weilse Glimmer ist 
regelmäfsig durch Flächen, oder wie man bei der Dünnheit der 
grünen Krystalle zweckmäfsiger sagen kann, durch Linien be- 
gränzt, die den äufsern Rändern des grünen Krystalls parallel 
gehen (Fig. 15, a, 14), oder er ist ganz unregelmälsig begränzt 
(Fig. 15,15); oft dringt der weilse Glimmer von aufsen hinein, sich 
regelmäfsig begränzend (Fig. ı6) oder unregelmäfsig (Fig. ı7), 
und nimmt zuweilen so vielen Raum ein, dafs der grüne Glimmer 
nur wie ein dünner Umrifs erscheint (Fig. ıs u. 19). Im In- 
nern des zweiaxigen Glimmers finden sich auch ganz unregel- 
mälsig begränzte Parthien grünen Glimmers, oft wunderbar 
gekrümmt und gewunden, und solche gewundene grüne Parthien 


' kommen an einzelnen Stellen sehr zusammengehäuft vor. Auch 
"einzelne regelmäfsig begränzte Krystalle von Eisenglimmer, ‚ge- 


wöhnlich schwarz, seltener roth, kommen in diesem Glimmer, 
wie in dem von South Burgels vor. Aber alle diese Ein- 
mengungen finden sich doch nur im Ganzen sparsam, nur an 
einzelnen Stellen mehr zusammengehäuft, daher auch dieser 
Glimmer keinen Asterismus zeigt wie der von South Burgefs, 
oder nur unvollkommen an den Rändern. 


350° Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Dem Glimmer von South Burgefs sehr ähnlich findet sich 
ein anderer Glimmer in West Chester in Pensylvanien, von 
dem einzelne fufslange Streifen das mineralogische Museum 
von Hrn. Wright in London erhalten hatte. Er ist wie der 
Glimmer von South Burgefs mit kleinen mikroscopischen pris- 
matischen Krystallen erfüllt, und zeigt deshalb einen schönen 
Asterismus, nur sind die Krystalle noch feiner, und der sechs- 
strahlige Lichtstern beim Durchsehen nach der Lichtflamme 
nicht so hell und stark. Merkwürdiger Weise ist dieser Glim- 
mer zweiaxig und erster Art. Die schmalen Streifen sind an 
der einen kurzen Seite mit der Querfläche begränzt, die an- 
dere ist verbrochen. Die Lage der eingewachsenen Krystalle, 
der Schlagfigur, des sechsstrahligen Lichtsterns zu der äulsern 
Begränzung des Glimmers ist wie bei dem von South Burgels, 
aber die Lage der Axenebene davon abweichend, der Quer- 
fläche parallel. Die Verhältnisse also so, wie sie in Fig. 5 dar- 
gestellt sind. | 

Vergleicht man bei den 3 letzgenannten Glimmern, dem 
von South Burgels, Grenville und West Chester die Lage der 
eingewachsenen Krystalle zu der optischen Axenebene, so er- 
giebt sich, dafs sie sich in dieser Rücksicht alle 3 verschieden 
verhalten. Man ersieht dies durch Vergleichung der Fig. 3, 4, 
5, sowie der folgenden kleinen Tabelle, in welcher die Reihe 
bei a die Lage der Axenebenen dieser Glimmer zur Schlag- 
figur, also die Abtheilung angegeben ist, zu welchen der Glim- 
ner gehört, und in der Reihe bei Db die Stellung der einge- 
wachsenen Krystalle zum zweiaxigen Glimmer, in welchen sie 
enthalten sind, ob ihre Lage der des zweiaxigen Glimmers 
parallel, oder davon abweichend diagonal ist. / 


Glimmer von South Burgels: Grenville: West Chester: 
a.. zweiter Art zweiter Art erster Art. 
b. diagonal, parallel, diagonal. 


Man könnte nun wohl annehmen, dafs die eingewachsenen 
Krystalle von South Burgefs und West Chester in paralleler 
Stellung mit dem einschliefsenden Glimmern ständen und der 


FREE, 


vom 19. April 1869. 351 


anscheinende Unterschied nur darin bestände, dals die Krystalle 
vorzugsweise nach Richtungen ausgedehnt wären, die den 
Flächen 4m und der Querfläche des zweiaxigen Glimmers ent- 
sprechen, aber diese Richtungen der Krystalle sind in diesen 
Glimmern die bei weitem ‘vorherrschenden, wie man schon aus 
der Lage des Lichtsternes sieht, und von solchen vorherr- 
schenden Richtungen mufs man doch bei der Beurtheilung der 
Formen ausgehen. Auch bestände nun noch immer ein Unter- 
schied in Rücksicht der Lage der Axenebene. Der Glimmer 
von Grenville verhält sich in Rücksicht der Lage des einge- 
wachsenen einaxigen Glimmers wie der von Alstead und dem 
Capellenberge, doch sind diese wieder erster Art, der Glimmer 
von Grenville zweiter Art. Vielleicht steht die Lage der ein- 
gewachsenen Krystalle bei den Glimmern von South Burgefs 
und West Chester, von denen beiden man in den Sammlungen 
nur Streifen sieht, deren lange Seiten parallel den Seitenflächen 
im gehen, mit der starken Ausbildung der Spaltungsflächen 
noch 4m in Verbindung. Aber wenn beide darin sich gleich 
verhalten, so ist bei beiden doch die Lage der Axenebenen 
verschieden. Wovon diese abhängt, mufs weitern Untersu- 
chungen überlassen bleiben. 


4. Einaxiger Glimmer und Pennin. 


Eine solche regelmäfsige Verwachsung findet sich in Magnet 
Cove im Staate Arkansas der Ver. Staaten; das mineralogische 
Museum besitzt davon eine sechsseitige Tafel von der Gröfse 
und Gestalt wie Fig. 10. Der Pennin ist dunkel lauchgrün, 
der Glimmer hell gelblichgrün, und dieser umgiebt den Pennin, 
doch wiederholt sich die Verwachsung noch einmal. Der 
Pennin ist ungeachtet der dunklen Farbe noch durchsichtig, 
und zeigt im polarisirten Lichte das schwarze Kreutz sehr 
schön und deutlich, ebenso wie der Glimmer,') Vor dem 


1) Das mineralogische Museum erhielt den Pennin unter dem Na- 
men Clinochlor. Wegen seines optischen Verhaltens, das sich von dem 
des Clinochlors z. B. von Texas in Pensylvanien ganz verschieden zeigte, 
habe ich nicht angestanden, ihn als Pennin aufzuführen, Dana führt 


352 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Löthrohr im Kolben erhitzt giebt der Glimmer kein Wasser, 
der Pennin sehr viel, letzterer verhält sich auch sonst: wie 
Pennin. Beide Mineralien scheinen der Verwitterung sehr unter- 
worfen zu sein, das mineralogische Museum besitzt mehrere 
solcher verwitterten Exemplare, die zum Theil viel gröfser als 
das in Fig. 10 dargestellte sind. Durch die Verwitterung wird 
der Pennin braun und undurchsichtig, der Glimmer ebenso 
nur heller braun. 


5. Zweiaxiger Glimmer erster Art und Eisenglanz. 


Diese Verwachsung ist sehr ausgezeichnet an mehreren 
Orten in Pensylvanien vorgekommen, wie zu Pensbury, New 
Providence etc. Ich erhielt schon vor mehreren Jahren grös- 
sere unregelmälsig begränzte Platten von Glimmer mit solehen 
Einmengungen zum Geschenk vom Prof. Chandler in New 
York,'!) kleinere dicke regelmäfsig begränzte Krystalle erwarb 
das mineral. Museum vom Dr. Krantz. Die letztern haben 
die Form von einem etwa einen halben Zoll dicken symmetrisch 
sechsseitigen Prisma, der Oombination des rhombischen Prismas 
von ungefähr 120° mit der Längsfläche, bei welchem die Pris- 
menflächen vorherrschen, und die längere Diagonale der Basis etwa 
11 Zoll lang ist. Die optische Axenebene geht der längern 
Diagonale der Basis parallel, die optischen Axen machen nach 
Reusch einen Winkel von 59° 36'.”) Auf den Spaltungs- 
flächen aller dieser Abänderungen sieht man kleine sternför- 
mige Bildungen von Eisenglanz, die, wie man mit der Lupe 
oder besser unter dem Mikroscop bei mälsiger Vergröfserung 
sehen kann, aus lauter kleinen sechsseitigen oft in die Länge 
gezogenen Tafeln bestehen, die untereinander und zugleich auch 


diese Verwachsung weder bei dem Pennin (seinem Penninit), noch bei 
.dem Clinochlor (Ripidolith) auf. Ich erhielt diese interessante Verwach- 
sung durch Hrn. Prof. Shepard. 

1) Ganz ähnliche schöne Platten befinden sich auch in der Samm- 
lung der hiesigen Berg-Akademie, die mir durch Hrn. Dr. Eek zur Un- 
tersuchung freundlichst mitgetheilt wurden. 

2) Ebenso, nämlich zu 59°, giebt ihn B. Silliman.an. (Dana, 


Mineralogie S. 312.) 


vom 19. April 1869. 353 


den Seitenflächen des zweiaxigen Glimmers, worin sie liegen, 
parallel sind, so dafs die Lage des Eisenglanzes gegen den 
Glimmer vollkommen dieselbe ist, wie die des einaxigen Glimmers 
gegen den zweiaxigen, und dieselbe, die auch bei den kleinen 
Tafeln von Eisenglanz stattfindet, die sich einzeln zerstreut in 
dem Glimmer von South Burgefs und von Grenville finden.!) 
Aber die Tafeln sind nicht blos nach geraden sich unter Win- 
keln von 60° schneidenden Reihen zusammengruppirt, aus jeder 
Reihe entwickeln sich mehr oder weniger regelmäfsig andere, 
die auf diese auch unter Winkeln von 60° stofsen, gerade wie 
bei den sog. regelmäfsig-baumförmigen Gestalten des Kupfers 
und des regulären Systems überhaupt.) Fig. 7 zeigt einen 
solchen Stern, wobei aber nur die Hauptstrahlen ohne die Aus- 
biegungen an den Seiten angegeben sind,’) Fig. 6 einen einzel- 
nen Strahl von einer andern Gruppe, beide nach der Natur und 
bei 140maliger Vergrölserung gezeichnet. 

Solche sternförmige Gruppirungen von verschiedener, immer 
aber nur sehr geringer Grölse, und stets in derselben Lage zu 
dem Glimmer, worin sie liegen, finden sich nun in mehr oder 
weniger grolser Menge in demselben; sie liegen theils zerstreut, 
theils in Linien aneinander gereiht, die den einzelnen Strahlen 
und also auch den Seiten des Glimmers parallel sind. Die 
Reihen von Sternen, die einer Richtung parallel gehen, schnei- 
den sich mit andern, die den beiden andern Richtungen parallel 
gehen, und an den verschiedenen Stücken oder auf den ver- 
schiedenen Spaltungsflächen eines und desselben Stückes sind 
bald die Reihen der einen Richtung, bald die der andern vor- 
herrschend. Zuweilen beobachtet man noch eine vierte Rich- 
tung, die die der optischen Axenebene ist, aber sich auch schon 
bei den Strahlen der einzelnen Sterne findet. Der Strahl y 
bei dem gezeichneten Stern Fig. 7 hat eine solche Lage. Die 


!) Vgl. oben S. 345 und S. 349. 

2) Vgl. G. Rose Reise nach dem Ural etc. Th. 1, S. 401. 

3) Der Strahl x Fig. 7 müfste eigentlich das Ansehn von Fig. 7a 
haben, in welcher er etwas gröfser und genau nach der Natur gezeich- 


net ist, und ähnlich sind auch alle andern beschaffen. 


[1869.] 25 


354 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Lage der Sterne und ihrer Reihen ist also so wie es in Fig. 2 
dargestellt ist. * 

Die Farbe des Eisenglanzes in dem Glimmer ist braun 
bis schwarz. Spaltet man von den dickern Glimmerblättern 
dünnere Scheiben ab, so erscheint der Eisenglanz braun und 
durchsichtig, zuweilen auch gelb und roth, die Farben scheinen 
demnach ganz von seiner Dicke abzuhängen.') In dickeren_ 
Blättern wird er dunkler bis schwarz, er erscheint aber in der 
Regel nur da so, wo die sternförmigen Gruppirungen, die in 
den verschiedenen übereinander liegenden Blättern des Glim- 
mers nie gleichmäfsig ausgebildet sind, sondern stets mehr oder 
weniger verschiedene Figuren bilden, einander decken. Wenn 
man den Glimmer so spaltet, dafs der Eisenglanz frei liegt, so 
schillert er, schräg darauf gesehen, mit bunten Farben und 
starkem metallischen Glanze. 

Zuweilen sieht man auch kleine sechsseitige Tafeln einzeln 
in dem Glimmer liegen; diese sind dann gewöhnlich ganz schwarz, 
zuweilen aber auch ganz prächtig roth, oder theils schwarz, 
theils roth.. Ein solcher Krystall aus einer der grölsern Glim- 
mertafeln ist Fig. 11 nach der Natur und bei 360maliger Ver- 
gröfserung gezeichnet. Der rothe durch hellere Schraffirung 
bezeichnete Theil ist ganz regelmäfsig begränzt, und von dem 
schwarzen grölstentheils umschlossen. Bei dem Contrast der 
Farben gewährt der Krystall unter dem Mikroscop betrachtet 
einen schönen Anblick. 

Durch die beschriebene Gruppirung des Eisenglanzes ent- 
stehen in demselben eine Menge Lücken, die mit dem weilsen 
Glimmer ausgefüllt sind, eine bald mehr oder weniger regel- 
mäfsige Form haben und bei einer obern Schicht oft kleiner 


1!) Die Farben sind ganz übereinstimmend mit denen, die der Eisen- 

elanz auch in andern Fällen zeigt, wo er in dünnen Blättchen (als Eisen- 

‘ glimmer) in andern Substanzen eingeschlossen ist, wie z. B. in dem Car- 
nallite von Stasfurt, aus dem er durch Auflösung desselben in Wasser 

erhalten wird. Man kann dies sehr schön sehen an den Präparaten fürs 

Mikroskop von den Substanzen, die in dem Carnallite von Stasfurt ein- 

geschlossen sind, wie sie von der Pfefferschen Buchhandlung in Halle 

versandt werden. 


vom 19. April 1869. 355 


oder gröfser sind, als bei einer unter ihr liegenden (Fig. 13). 
Bei den einzelnen Blättern der oben erwähnten dicken Glim- 
merkrystalle bemerkt man aber aufserdem noch mit der Lupe 
oder besser noch unter dem Mikroskop ganz lichte röthlichweifs 
gefärbte durchsichtige nadelförmige Krystalle, die meist einzeln, 
aber siets nach 3 Richtungen liegen, die den Seiten der sechs- 
seitigen Tafeln des braunen Eisenglanzes parallel sind, wie es 
in Fig. 13 getreu nach der Natur dargestellt ist. Sie haben 
die Form von ganz schmalen linienartig verlängerten Sechs- 
ecken, doch ist von den zwei Flächen am Ende gewöhnlich 
nur eine zu sehen. Zuweilen stofsen. auch 2 Krystalle unter 
Winkeln von 60° zusammen. Sie finden sich am häufigsten 
in dem Eisenglanz, wo er recht dunkel gefärbt ist, und sind 
auch darin am besten zu erkennen. Sie erscheinen bei dem 
grofsen Contrast in der Farbe mit ihrer Umgebung wie scharfe 
Einschnitte in dem Eisenglanz, aber man kann sich deutlich 
davon überzeugen, dafs es keine mit weifsem Glimmer ausge- 
füllte Lücken von der angegebenen Form in dem Eisenglanz 
sind, da sie oft mit ihren Enden in solche Lücken hinein- 
reichen und dann sich bestimmt von dem weifsen, die Lücken 
ausfüllenden Glimmer unterscheiden, auch öfter noch an den 
Seiten Theilchen von weilsem Glimmer enthalten. In Fig. 12 
sind einige von solchen Fällen bei stärkerer Vergröfserung als 
in Fig. 13 dargestellt. Ich halte diese Krystalle für einaxigen 
Glimmer, ähnlich wie die in dem Glimmer von South Burgefs 
und West Chester eingewachsenen Krystalle. Sie sind noch 
schwerer in Chlorwasserstoffsäure auflöslich als der umgebende 
Eisenglanz, und sind noch zum Theil erkennbar, wenn dieser 
schon aufgelöst ist, verschwinden aber bei längerer Digestion 
ebenfalls. { 

Dana beschreibt in seiner Mineralogie auch die regel- 
mäfsigen Verwachsungen des Eisenglanzes mit dem weilsen 
Glimmer von Pensylvanien,') hält aber den erstern für Magnet- 
eisenerz und die Gruppirung für dendritische Bildungen. Beide 
Annahmen halte ich nicht für richtig. Das Magneteisenerz ist 
von solchen Farben, wie sie hier beschrieben sind, nicht be- 


1) Vergl. 5. Aufl. S. 149. 
25* 


356 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


kannt; es er$cheint stets von einer merkwürdigen Undurchsich- 
tigkeit, wenn es sich auch in den feinsten Theilen eingesprengt 
findet, wie im Basalt und Melaphyr, denen es seine schwarze 
Farbe ertheilt. Von einer gleichen schwarzen Farbe und Un- 
durchsichtigkeit erscheint es auch in den feinen mikroskopischen 
Krystallen, die man durch Schmelzen von Eisenoxyd oder 
Eisenoxydoxydul mit Borax vor dem Löthrohr erhält,') dage- 
gen das auf diese Weise dargestellte krystallisirte Eisenoxyd 
in dünnen Blättehen eine schön rothe Farbe uud das Titaneisen 
eine braune Farbe hat. Sollte es durchsichtiger dargestellt 
werden können, so würde es auch wahrscheinlich eine grüne 
Farbe zeigen, wie das grüne Bouteillenglas, das seine Farbe 
nicht dem Eisenoxydul, sondern nach einer mündlichen Mitthei- 
lung von Rammelsberg dem Eisenoxydoxydul verdankt. — 
Das Magneteisenerz ist ferner von regulärer Krystallform, und 
Formen dieses Systems kommen in tafelförmiger Ausbreitung 
nur vor, wenn sie in Zwillingsformen erscheinen, wie beim ge- 
diegenen Kupfer, wofür man wieder die durchsichtigen Kry- 
stalle in dem Glimmer von Pensylvanien nicht nehmen kann. 
Vielleicht hat nur der Umstand, dafs die Krystallgruppen in dem 
Glimmer magnetisch sind, zu der Meinung Veranlassung gegeben, 
dafs sie Magneteisenerz sind; aber der Eisenglanz ist ebenfalls 
mehr oder weniger stark magnetisch. 

Auch für Dendriten kann ich die Einmengungen nicht 
halten; dagegen spricht ganz die so bestimmte regelmäfsige 
Lage des Eisenglanzes sowohl gegen den Glimmer, als auch unter- 
einander, auch wo die Gruppen ganz von einander getrennt 
sind, und ferner der Umstand, dafs, wenn man den Glimmer 
so spaltet, dafs der Eisenglanz an der Oberfläche zu liegen 
kommt, und ihn dann in heifse Chlorwasserstoffsäure legt, das 
Eisenerz sich auflöst, und in dem Glimmer, der davon nicht an- 
gegriffen wird, nun scharfkantige Eindrücke hinterläfst, die 
die Form des verschwundenen Eisonoxyds mit aller früheren 
| Genauigkeit bezeichnen; was besonders unter dem Mikroskop 
sehr bestimmt zu sehen ist. Von Salpetersäure wird der Eisen- 
glanz, wie auch das Magneteisenerz nicht angegriffen. Bei der 


1) Vergl. die Berichte der Akademie von 1867, S. 455. 


vom 19. April 1869. 357 


Feinheit des Eisenglanzes in dem Glimmer erleidet er aber eine 
eigenthümliche Veränderung; er erscheint durch die Berührung 
mit dieser nach einiger Zeit wie gestreift, und wie mit weilsen 
Linien durchzogen, die den abwechselnden Seiten des äufseren. 
Sechsecks, also den Seiten eines gleichseitigen Dreiecks pa- 
rallel gehen. Farbe und Durchsichtigkeit haben sich dabei ver- 
ändert, die Substanz, wenn sie früher braun und durchsichtig 
war, erscheint nun schwarz und undurchsichtig. Ich habe in 
Fig. 14 den so veränderten Eisenglanz dargestellt. 

Wenn sonach alle Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dafs 
die Krystalle Eisenglanz und nicht Magneteisenerz sind, so ist 
doch zu erwähnen, dafs von Hrn. Prof. Finkener, der auf 
meine Bitte sich mit der chemischen Untersuchung dieses Eisen- 
erzes beschäftigt hat, in demselben Eisenoxydul nachgewiesen ist. 
Eine geringe Menge des Glimmers mit dem Eisenerze wurde 
mit Chlorwasserstoffsäure in einem oben zugeschmelzten Capillar- 
röhrchen in einem Luftbade bis 120° erhitzt, wodurch es sich 
auflöste; die Auflösung wurde dann in eine feinere Röhre auf- 
gesogen, auf ein Uhrglas ausgeblasen und mit Kalium -Eisen- 
Cyanid versetzt, wodurch sie blau gefärbt und also Eisenoxydul 
in ihr nachgewiesen wurde. Es entsteht nun die Frage, wo- 
her dasselbe kommt. Man könnte annehmen, der Glimmer 
enthielte aulser dem Eisenglanz auch Titaneisenerz, das dieselbe 
Form hat, wie der Eisenglanz, und welches Eisenoxydul ent- 
hält, entweder als solches, oder in der Auflösung in Chlor- 
wasserstoffsäure. Als aber eine wie oben erhaltene Auflösung 
mit Zinn versetzt und die Röhre zugeschmelzt wurde, entstand 
keine blaue Färbung. Rührt die erwähnte Reaction auf Eisen- 
oxydul nun von der geringen Menge Eisenoxydul her, die sich 
gewöhnlich in dem natürlichen Eisenoxyd finde? Rammels- 
berg giebt in dem Eisenglanz von Elba 0,3 pCt., in dem vom 
Vesuv 3,11 pCt. und 0,74 Magnesia an.'!) Die Menge des 
Eisenoxyduls konnte bei der geringen Menge, mit welcher die 
Versuche gemacht wurden, natürlich nicht bestimmt werden. 
Ich mufs die Anwesenheit des Eisenoxyduls, wenn es sich bei 
wiederholten Versuchen bestätigt, unerklärt lassen, kann aber 


1) Mineralchemie S. 128. 


358 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


bei den oben angegebenen und für mich überwiegenden Gründen, 
darin keine Veranlassung finden, von meiner angegebenen Mei- 
nung abzugehen, und das in dem Glimmer eiigeranhsene Eisen- 
erz für Magneteisenerz halten. 

Die regelmäfsige Verwachsung des Eisenglanzes mit dem 
Glimmer ist nicht auf Pensylvanien beschränkt, sie findet sich, 
wenn man erst darauf aufmerksam geworden ist, an vielen 
Orten. Namentlich fand ich sie sehr schön und ausgezeichnet 
und ganz von derselben Art, wie bei dem Glimmer aus Pen- 
sylvanien bei einem Glimmer von Kassigiengoit am Ameragliks 
Fiord in Grönland, den das mineralogische Museum schon vor 
längerer Zeit durch Gieseke erhalten hat.!) Der den Eisen- 
glanz umgebende Glimmer ist auch von derselben Art; er zeigt 
bei dem Stück in dem Museum zum Theil noch regelmäfsige 
Begränzung; man kann sich dadurch überzeugen, dafs die optische 
Axenebene parallel der längern Diagonale geht. Dasselbe be- 
weisen auch die Schlagfiguren. Dafs einzelne kleine Krystalle 
von Eisenglanz in regelmäfsiger Verwachsung auch in dem zwei- 
axigen Glimmer von Canada vorkommen, ist oben angegeben. 


Nachtrag über den Lithionglimmer. » 


Ich gebe hier noch die einzelnen Bestimmungen über den 
Lithionglimmer, die den oben Seite 344 angegebenen Zusammen- 
hang zwischen ihren optischen Eigenschaften und ihrem Ver- 
halten vor dem Löthrohr darthun. 

A. Lithionglimmer: zweiaxig erster Art, vor dem 
Löthrohr ein blasiges, wasserhelles, beim Erkalten schneeweils 
werdendes Glas gebend. 

1. Von Alabaschka bei Mursinsk im Ural, in Drusen 
des Granits. Die Krystalle sind in zollgrofsen dicken sechs- 
seitigen Tafeln mit den Rändern aufgewachsen, röthlichweils, 
perlmutterglänzend, durchscheinend. Mit ihm kommt vor: Feld- 
‘ spath, ockergelb, an den Kanten durchscheinend in einigen 
Zoll grofsen Krystallen, Albit weils, stark durchscheinend, 
glänzend, in kleinen tafelartigen und kugelig zusammengehäuften 


!) Die Fig. 6 ist nach einem solchen Exemplar aus Grönland ge- 
zeichnet. 


vom 19. April 1869. 359 


Krystallen, Bergkrystall in grofsen nelkenbraunen Krystallen, 
weilser Topas, schwarzer Turmalin und zuweilen der so seltene 
Pyrrhit.') — Der Winkel der optischen Axen ( stellenweise 
sehr veränderlich, der gröfste Werth 67°. | 

2. Von Schaitansk bei Mursinsk. Der Lithionglim- 
mer findet sich in einer grofsen Stufe des Berliner mineralogi- 
schen Museums in 4 bis 6 Linien grofsen sechsflächigen Tafeln, 
‚die, vielfach durcheinander gewachsen und locker zusammenge- 
häuft, so dafs man die regelmälsige Begränzung bei ihnen oft 
noch deutlich erkennen kann, ein körniges Aggregat bilden, das 
auf derbem weifsen strahligen Albit und einem grofsen dicken 
Krystall von Lithionglimmer, der bis 4 Zoll im Durchmesser 
hat, und mit dem Rande dem Albite aufgewachsen ist, aufliegt. 
Andere kleinere Stücke des Museums enthalten nur dies Ag- 
gregat; pfirsichblüthroth, durchsichtig, vor dem Löthrohr noch 
durch fast völlige Abwesenheit einer Manganreaction ausgezeich- 
net d=5l. 

3. Von Schaitansk bei Mursinsk. Hierher gehört 
auch der oben S. 343 erwähnte zweiaxige gelbe Glimmer erster 
Art (Muscovit), der den Saum von Lithionglimmer hat. 

4. Die kleinkörnigen Aggregate von Paris in Maine, 
Chursdorf bei Penig in Sachsen, Rozena in Mähren, die 
alle vor dem Löthrohre weilse Gläser geben, gehören wohl 
ebenfalls hierher. 

Ebenso der Lithionglimmer, der in kleinen aufgewachsenen 
Krystallen von röthlich weilser Farbe mit Feldspath und Tur- 
malin in den Drusen des Granits von Elba vorkommt. 


B. Lithionglimmer, zweiaxig, zweiter Art, vor 
dem Löthrohr ein graulichschwarzes bis graulichweilses, im 
ersten Fall magnetisches ‘Glas gebend. 

1. Von Zinnwald im Böhmischen Erzgebirge, die be- 
kannte Abänderung; graulichgrün in sechsseitigen Tafeln, auf 


1) Vergl. meine Reise nach dem Ural, Th. 2, S. 383 u. 505 und 
v. Kokscharow Materialien zur Mineralogie Rufslands, Th. 2, S. 138. 
Nach Kokscharow erreichen die Krystalle von Lithionglimmer hier zu- 
weilen einen Durchmesser von 7. Centimetern. 


360 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse- 


den Spaltungsflächen gestreift, die Streifung rechtwinklig auf 
den Rändern. Schmilzt vor dem Löthrohr zu einem graulich- 
schwarzen stark magnetischen Glase. & = 48° 30’; nach Se- 
narmont 46—47°,.'!) 

2. Von Alabaschka bei Mursinsk. Lithionglimmer 
aus der derben Masse des Granits, worauf die Krystalle der 
Seite 358 erwähnten Druse aufgewachsen sind. Sehr gerad- 
blättrig, graulichgelb, und häufig mit dünnen, nadelförmigen 
Krystallen von schwarzem Turmalin durchwachsen. Schmilzt 
vor dem Löthrohr zu einem schwärzlichgrauen magnetischen 
Glase. $ = 67. Der Winkel des aufgewachsenen Lithion- 
glimmers erster Art (Seite 358) davon nur wenig verschieden. 

3. Von Schaitansk bei Mursinsk. Der grofse auf- 
gewachsene Seite 359 erwähnte Krystall von Lithionglimmer, 
von derselben Farbe, wie die bedeckenden kleinern Krystalle. 
Er ist auf den Spaltungsflächen stark gestreift, die Streifung 
steht rechtwinklig auf den Rändern der sechsseitigen Tafel. 
Vor dem Löthrohr ein graulichweilses schwach magnetisches 
Glas, mit kohlensaurem Natron auf Platinblech sehr starke 
Reaction auf Mangan gebend. $ = 71. Merkwürdiger Weise 
giebt er aber nur in der Mitte das graulichweilse Glas, an 
den Rändern dagegen ein vollkommen schneeweilses. 

4. Von Juschakowa bei Mursinsk. Grolse. tafel- 
. artige unregelmäfsig begränzte Krystalle in einem grobkörnigen 
Gemenge von graulichschwarzem kleinkörnigen Quarz, schnee- 
weilsen strahligem Albite und gelben Beryll eingewachsen.?) Vor 
dem Löthrohr ein graulichweilses unmagnetisches Glas, mit 
kohlensaurem Natron auf Platinblech eine starke grüne Fär- 
bung und mit Borax in der Flamme ein amethystfarbiges Glas 
gebend. p = 55° 8. 

5. Von unbekanntem Fundort, derb in Granit vor- 
kommend mit Feldspath, Quarz und Gadolinit, ziemlich grofs- 
-blättrig, pfirsichblüthroth, perlmutterglänzend.. Vor dem Löth- 
rohr ein grauliches schwach magnetisches Glas gebend. 
pop = 71—75°. 


!) Ann. de chimie et de phys. 1851, t. 34, p. 171, no. 42. 
‘ ?) Vergl. meine Reise nach dem Ural, Th. 2, S. 505 u. Th. 1, S.457. 


vom 19. April 1869. 361 


6. Von unbekanntem Fundort, derb in Granit vor- 
kommend, ziemlich grofsblättrig, Farbe und Glanz wie der 
vorige. Vor dem Löthrohr ein grauliches unmagnetisches, und 
mit Borax in der äufsern Flamme ein amethystfarbenes Glas 
sebend.. & = 71°15'. Enthält wie der vorige rein einaxige 
Stellen. 

Alle die Lithionglimmer, die ein graulichweifses nur schwach 
oder gar nicht magnetisches Glas geben, sind durch grofsen 
Gehalt an Mangan ausgezeichnet, der den geringern Gehalt an 
Eisen zu ersetzen scheint. Bemerkenswerth ist die Verschie- 
denheit in dem Verhalten des Lithionglimmers von Alabaschka, 
je nachdem er in den Drusen des Granits oder in dem derben 
Granit vorkommt, und noch mehr des Lithionglimmers von 
Schaitansk, der an den Rändern sich anders verhält wie in der 
Mitte, und an jenen wie der bedeckende kleinblättrige eisenfreie 
Lithionglimmer. 


Erklärung der Figuren. 


Fig. 1. Zweiaxiger Glimmer mit einaxigem von Alstead in 
- New Hamshire. $. 342. 
„ 2. do. mit Eisenglanz aus Pensylvanien. S. 354. 
3. do. mit einaxigem Glimmer von South Burgels in Ca- 
nada. S. 346. 


„ 4. do. do. von Grenville in Canada. S. 346. 

„ 5. do. do. aus Pensylvanien. S. 350. 

„ 6. Eisenglanz aus dem zweiaxigen Glimmer aus Grön- 
land. S. 358. 

„ 7. do. do. aus Pensylvanien. S. 353. 

„ 8 Krystalle von einaxigem Glimmer aus dem zweiaxigen 
Glimmer von South Burgels. S. 345. 

5 9  Zweiaxiger Glimmer mit Lepidolith von Schaitansk im 
Ural. S. 343. 

„10. do. mit Pennin von Magnet Cove in Arkansas. 8. 351. 

„11. Eisenglanz-Krystall, schwarz und roth mit einem Kry- 


stall von einaxigem Glimmer von Pensylvanien. S. 354. 
„12u.13. do. mit eingewachsenen Krystallen von einaxigem 

Glimmer und theils regelmäfsig theils unregelmäfsig 

begränzten zweiaxigen Glimmer ebendaher. $. 355. 


362 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Fig. 14. Eisenglanz ebendaher mit Salpetersäure geätzt. $. 357. 

„ 15. Krystalle von einaxigem Glimmer aus dem zweiaxi- 
gen Glimmer von Grenville (Fig. 4) von einer Stelle, 
die einer Seitenfläche m des zweiaxigen Glimmers 
parallel ist. S. 348. 

„ 16. do. von einer Stelle, die der Längsfläche 5 parallel 
ist. 8. 348. 


Hr. A. W. Hofmann las Beiträge zur Kenntnils 
des Methylaldehyds. 


Unter diesem Titel habe ich vor anderthalb Jahren (am 
14. October 1867) der Akademie der Wissenschaften!) einige 
Beobachtungen mitgetheilt, welche gelegentlich eines Vorlesungs- 
versuches über die Oxydation des Methylalkohols angestellt 
worden sind. Ich hatte nämlich gefunden, dafs sich beim Auf- 
treffen eines mit Holzgeistdämpfen beladenen Luftstroms auf 
einer glühenden Platinspirale ein Körper bildet, den ich seiner 
Entstehungsweise und Eigenschaften nach als den Aldehyd der 
Methylreihe ansprechen zu dürfen glaubte. Diese Auffassung 
stützte sich, da es mir nicht gelungen war, den in Rede stehen- 
den Körper im reinen Zustande zu isoliren, zumal auf seinen 
leichten Übergang in Ameisensäure sowie in eine schön kry- 
stallisirte Schwefelverbindung von der Formel CH,S, welche 
sich ihrer Zusammensetzung nach als ein we der Me- 
thylreihe darstellte. 

Meine Mittheilung schlofs mit den Worten: | 

„Ich habe die Absicht, bei eintretender Winterkälte die 
beschriebenen Methylaldehyde etwas genauer zu erforschen. 
Zunächst wird es nothwendig sein, den sauerstoffhaltigen Kör- 
‚per zu isoliren, um seine Dampfdichte zu nehmen, denn es 
könnte hier möglicherweise ein Aldehyd von höherem Molecu- 
largewichte vorliegen. Es verdient ferner bemerkt zu werden, 
dafs ein Körper von der Zusammensetzung © H, S, dessen 


!) Hofmann, Monatsberichte für 1867, S. 665. 


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vom 19. April 1869. 363 


Eigenschaften, soweit dieselben bekannt sind, von denen der 
oben beschriebenen Verbindung nicht sehr wesentlich abweichen, 
bereits vor einigen Jahren von Hrn. Aime Girard durch die 
Einwirkung des Wasserstoffs auf den Schwefelkohlenstoff er- 
halten, bis jetzt aber als Aldehydabkömmling nicht aufgefasst 
worden ist. Vergleichende Versuche müssen entscheiden, ob 
beide Körper identisch sind.“ 

In ganz ähnlichem Sinne hatte ich mich schon früher in 
einem am 30. September der „Royal Society“ in London vor- 
gelegten Aufsatze!) ausgesprochen. 

„Eine eingehendere Erforschung des Methylaldehyds und 
seiner Abkömmlinge,* so schliefst der Aufsatz, „bleibt noch 
auszuführen. Es ist absolut nothwendig, die Sauerstoffver- 
bindung zu isoliren und ihre Dampfdichte zu nehmen, damit 
auf diese Weise ihr Moleculargewicht festgestellt werde. Wenn 
man bedenkt, mit welcher Leichtigkeit sich die Aldehyde poly- 
merisiren, so wirft sich die Frage auf, ob der bei der lang- 
samen Verbrennung des Methylalkohols gebildete Aldehyd durch 
die Formel CH,O oder ein Multiplum dieser Formel ausge- 
drückt wird. Eine ähnliche Bemerkung gilt auch für den ge- 
schwefelten Abkömmling desselben. Es verdient erwähnt zu 


‚werden, dafs eine mit dem Methylaldehyd isomere Verbindung, 
das Dioxymethylen C,H, O, des Hrn. Butlerow, bereits be- 


kannt ist, und dafs auch eine Schwefelverbindung von der Zu- 
sammensetzung CH,S von Hrn. Aime Girard dargestellt 
worden ist.“ 

Für die Wahrscheinlichkeit der Identität des bei der Oxy- 
dation. des Methylalkohols entsteheuden Körpers und der aus 
demselben abgeleiteten Schwefelverbindug beziehungsweise mit 
dem Dioxymethylen des Hrn. Butlerow und dem schwefel- 
haltigen Reductionsproduct des Hrn. Aime Girard hat sich 
auch später (28. Januar 1868) Hr. Geuther”?) ausgesprochen, 
dem meine schon früher in diesem Sinne gemachten Andeu- 
tungen unbekannt geblieben waren. 


1) Hofmann, Proceedings of the R. Soc. Vol. XVI. S. 166. 
2) Geuther, Zeitschrift für Chemie, N. F. IV, 159. 


364 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Da die hier vorliegende Frage durch Versuche, die ich in 
den letzten Monaten angestellt habe, zu einem zeitweiligen Ab- 
schluls gekommen ist, so möchte ich einigen kurzen Bemer- 
kungen über diesen Gegenstand, die ich vor einiger Zeit der 
deutschen chemischen Gesellschaft!) vorgelegt habe, heute noch 
eine Erweiterung geben. 

Die ersten Versuche, den Methylaldehyd aus dem rohen 
Product abzuscheiden, welches sich beim Überleiten von Luft 
und Holzgeistdämpfen über eine glühende Platinspirale bildet, 
schlugen gänzlich fehl. Destillirt man dieses Product selbst 
bei sehr gelinder Temperatur, so hat man schliefslich einen 
Theil des Silbersalze reducirenden Körpers in dem Destillate, 
einen anderen Theil in dem Rückstande der Operation. Auf 
den Siedepunkt der Flüssigkeit (Wasser und Holzgeist) scheint 
die Gegenwart des in derselben aufgelösten Methylaldehyds 
ohne allen Einfluls zu sein. 

Zu einem etwas besseren Ergebnifs a man, als eine 
grölsere Menge des Rohproducts unter dem Recipienten der 
Luftpumpe über Schwefelsäure verdampft wurde. In diesem 
Falle blieb eine kleine Quantität einer gelblich weilsen, amor- 
phen Substanz zurück, deren Menge indessen gar nicht im 
Verhältnifs zu dem Volum und der Concentration der ange- 
wendeten Flüssigkeit stand. 

Diese Substanz zeigte im Wesentlichen die Eipenschan 
die Hr. Butlerow”’) dem Dioxymethylen beilegt. Namentlich 
erwies sich dieselbe, obwohl durch Verdampfen einer wässrig 
alkoholischen Lösung erhalten, dennoch in Wasser und Alkohol, 
ebenso in Äther unlöslich. Um mit Sicherheit zu entscheiden, 
ob hier derselbe Körper vorlag, welchen Hr. Butlerow unter 
den Händen gehabt hatte, wurde die durch Oxydation des Holz- 
geistes erhaltene Flüssigkeit mit Ammoniak versetzt und gleich- 
falls in vacuo abgedampft. Enthielt dieselbe Dioxymethylen, 
so mulfste die charakteristische unter dem Namen Hexame- 
thylenamin von Hrn. Butlerow°) beschriebene Verbindung 


1!) Hofmann, Berichte 1868, S. 198. 
2) Butlerow, Ann. Chem. Pharm., CXI, 242. 
3) Butlerow, Ann. Chem. Pharm., CXV, 322. 


vom 19. April 1869. 365 


_ erhalten werden. Beim Eindampfen verwandelt sich die Flüssig- 
keit allmälig in einen braunen Syrup, aus dem sich in der 
That nach längerem Stehen farblos durchsichtige, sehr gut aus- 
gebildete Rhomboäder von grofsem Glanze absetzen, welche 
alle Eigenschaften des Hexamethylenamins besitzen, wie sie 
Hr. Butlerow beschreibt: Löslichkeit in Wasser, geringere 
Löslichkeit in Alkohol, Unlöslichkeit in Äther, eigenthümlicher, 
wenig angenehmer Geruch nach Methylamin, Bildung eines 
krystallisirenden Chlorids und eines blafsgelben, schwach kry- 
stallinischen Platinsalzes. Durch die Güte des Hrn. Butlerow 
war ich in den Stand gesetzt, die so gebildete Base mit dem 
von ihm dargestellten Hexamethylenamin zu vergleichen. Um 
indessen jeden Zweifel zu verbannen, wurde das Platinsalz der 
Base analysirt. Die erhaltenen Platinprocente entsprechen der 
Formel 

2(C,H,N,HCD,PtCl, 
welche den untersuchten Körper als das Platinsalz des Hexa- 
methylenamins charakterisirt.‘) Hr. Butlerow hat ein Chlorid 
von der Zusammensetzung 

C,H»N,, HCl 

analysirt. 

Nach diesem Ergebnils konnte die Identiät des aus dem 
Oxydationsproducte des Methylalkohols, schliefslich durch Ab- 
dampfen im starren Zustande erhaltenen Körpers mit dem Dioxy- 
methylen wohl nicht länger beanstandet werden. Ich kann 
gleichwohl noch einen weiteren Beweis für diese Identität an- 
führen. 

Behandelt man den Dioxymethylen mit Schwefelwasserstoff 
und Chlorwasserstoffsäure, gerade so wie ich früher die Methyl- 
aldehyd enthaltende Flüssigkeit behandelt hatte, so verwandelt 
sich dieser Körper in dieselbe schön krystallisirte schwefel- 
haltige Verbindung, die ich früher als den Sulfaldehyd der 
Methylreihe bezeichnet habe. 


1) Das Hexamethylenamin bildet auch eine wohlkrystallisirte Ver- 
bindung mit salpetersaurem Silber, die sich beim Erwärmen schwärzt 
und versetzt. Die Silberprocente schwanken zwischen 38,16 und 40,75. 


366 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Das zu dem Versuche angewendete Material war theil- 
weise nach dem von Hrn. Butlerow angegebenen Verfahren 
aus Jodmethylen, theilweise nach der von Hrn. Heintz!) auf- 
gefundenen Methode aus glycolsaurem Kalk dargestellt. Bei 
dieser Gelegenheit will ich nicht unerwähnt lassen, dafs die 
Leichtigkeit, mit der man sich gröfsere Mengen Monochlor- 
essigsäure und mithin auch Glycolsäure verschafft, letztere 
Säure als ergiebigste Quelle für den in Rede stehenden Körper 
bezeichnet, obwohl die Ausbeute nur wenige Procente der an- 
gewendeten Glycolsäure beträgt. Für meine Versuche mit dem 
Dioxymethylen habe ich mich mit Vorliebe des von Heintz 
angegebenen Verfahrens bedient. 

Der aus dem Dioxymethylen dargestellte Schwefelkörper 
besitzt denselben Schmelzpunkt (216°) wie der aus dem Oxyda- 
tionsproducte des Methylalkohols entstandene. Derselbe Schmelz- 
punkt gehört auch dem von Hrn. Aime Girard?) durch die 
Einwirkung nascenten Wasserstoffs auf Schwefelkohlenstoff ge- 
wonnenen Körper, sowie auch der Verbindung an, welche von 
Hrn. Husemann°) durch Erhitzen von Jodmethylen mit Na- 
triumsulfid erhalten worden ist. Ich habe um diese Unter- 
suchung zu vervollständigen beide Körper dargestellt und kann 
mich mit Bestimmtheit für ihre Identität mit den aus dem 
Oxydationsproducte des Methylalkohols sowie aus dem Dioxy- 
methylen erzielten Schwefelverbindungen aussprechen. Dafs 
der Sulfaldehyd sich auch bei der Einwirkung von nascenten 
Wasserstoff auf die Senföle und selbst auf Schwefeleyankalium 
bildet, habe ich der Akademie bereits in einem früheren Auf- 
satze*) mitgetheilt. 

Dafs man einen Körper von den Eigenschaften des Dioxy- 
methylens, welcher bei 152° schmilzt und bei noch höherer 
Temperatur siedet, nicht als den normalen Methylaldehyd CH, O 
ansprechen kann, dafs auch die bei 216° schmelzende Schwe- 
felverbindung nicht durch die Formel CH,S ausgedrückt wird, 


1) Heintz, Ann. Chem. Pharm. CXXXVIII, 40. 
2) Aim& Girard, Ann. Chem. Pharm. C. 306. 
3) Husemann, Ann. Chem. Pharm. CXXVI. 294, 
4) Hofmann, Monatsberichte für 1868, S. 474. 


vom 19. April 1869. 367 


_ liegt auf der Hand. Diese Substanzen sind offenbar polymere 
Methylaldehyde den in der Äthylreihe und anderen Reihen 
beobachteten Aldehyden von höherem Moleculargewicht ent- 
sprechend. 

Wenn wir aber das Dioxymethylen ohne Bedenken als 
einen polymeren Methylaldehyd gelten lassen, so folgt daraus 
nicht, dafs sich dasselbe direct bei der Oxydation des Methyl- 
alkohols bilde. Es sprechen ganz gewichtige Gründe dafür, 
dafs dieser polymere Methylaldehyd ein secundäres Product ist, 
entstanden aus dem Körper CH,O, dem Methylaldehyd par 
excellence, welcher beim Auftreffen von Luft und Holzgeist- 
dämpfen auf der glühenden Platinspirale erzeugt wird. 

Man erinnere sich, dafs dieses directe Product ein in 
Wasser und Alkohol vollkommen löslicher Körper ist, während 
sich das Dioxymethylen in diesen Flüssigkeiten vollkommen 
unlöslich zeigt. Es mag hier ferner erwähnt werden, dafs das 
Dioxymethylen einen nur äufserst schwachen Geruch besitzt, 
während die bei der Oxydation des Holsgeistes erhaltene 
Flüssigkeit einen penetranten Aldehydgeruch zeigt. 

Die Annahme, dafs das directe Oxydationsproduct des 
Holzgeistes der normale Methylaldehyd sei und dafs sich der- 
selbe erst später polymerisirte, um in Dioxymethylen überzu- 
gehen, findet eine Stütze in der Gasvolumgewichtsbestimmung 
des Dioxymethylens, welche ich gelegentlich einiger Bemer- 
kungen über „Dampfdichtebestimmungen in der Barometerleere* 
vor einiger Zeit der chemischen Gesellschaft kurz mitgetheilt 
habe.!) Für diesen Körper hatte Hr. Butlerow in einer nach 
dem Gay-Lussac’schen Verfahren ausgeführten Bestimmung 
das Gasvolumgewicht 29,8 gefunden und darauf hin die Formel 

C,H, 0, 
aufgestellt, welche das theoretische Gasvolumgewicht 30 ver- 
langt. Es ist dieses in der That die einzige experimentale 
Grundlage für das angenommene Moleculargewicht des frag- 
lichen Körpers und die Auffassung desselben als Dioxymethylen, 

Bei einer erneuten Bestimmung des Gasvolumgewichtes bin 
ich zu einem wesentlich verschiedenem Ergebnisse gelangt, 


1) Hofmann, Berichte 1868. S. 201, 


368 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


insofern drei Gasvolumgewichtsbestimmungen des bisher mit 
dem Namen Dioxymethylen bezeichneten Körpers, die Zahlen 

15,37 14,94 14,69 
geliefert haben, welche unzweideutig darauf hinweisen, dafs 
die Moleculargröfse desselben nur halb so grofs ist, als sie 
sich aus dem Butlerow’schen Versuche ergeben hat, dafs also 
dem Körper im Gaszustande die Formel 

CH,O 

zukommt, welche das Gasvolumgewicht 15 verlangt und den 
normalen Aldehyd der Methylreihe darstellt. 

Das Product, mit welchem die angeführten Versuche an- 
gestellt worden sind, war aus Glycolsäure bereitet worden, und 
es war also um einen letzten etwa noch vorhandenen Zweifel 
zu beseitigen, nur noch nöthig, die Gasvolumgewichtsbestim- 
mung auch noch mit dem aus Jodmethylen dargestellten Körper 
zu wiederholen. Dieser Versuch ist seitdem vom Hrn. But- 
lerow!) selbst ausgeführt worden. Durch die abweichenden 
Resultate, welche ich erhalten hatte, veranlafst, hat derselbe 
die Dampfdichte des von ihm dargestellten Körpers von Neuem 
genommen und ich habe das Vergnügen gehabt die von mir 
gefundene Zahl durch die Versuche eines so geschickten Ex- 
perimentators bestätigt zu sehen. Auch Hr. Butlerow be- 
zweifelt jetzt nicht, dafs der in Rede stehende Körper im gas- 
förmigen Zustande den Normalaldehyd des Methylalkohols 
darstellt. - 

Da sich nun die Oxydation des Methylalkohols in dem 
von mir zuerst beschriebenen Versuche, nämlich beim Zusam- 
mentreffen von Luft und Holzgeistdämpfen auf glühender Pla- 
tinspirale im gasförmigen Zustande vollendet, so war ich, 
indem ich den gebildeten Körper als den normalen Methyl- 
aldehyd auffafste, von der Wahrheit doch nicht ganz so weit 
entfernt, als einige Chemiker anzunehmen geneigt gewesen sind. 

Dafs wir den Methylaldehyd, jenachdem wir ihn in starrer 
‘oder gasförmiger Form betrachten, ganz abgesehen von den 
ungleichen Aggregatzuständen, in zwei wesentlich von einander 
verschiedenen Molecularzuständen vor uns haben, dürfte nach 


1) Butlerow, Zeitschrift für Chemie. N. F. IV, 90, 


vom 19. April 1869. 369 


den gegebenen Erläuternngen nicht bezweifelt werden. Übrigens 
ist ja die Gruppe der Aldehyde vor allen übrigen Körperklassen 
durch die Vorliebe ausgezeichnet, mit der sich ihre Glieder in 
verschiedenen Molecularverdichtungen bewegen, und es kann 
daher nur der etwas plötzlich mit dem Aggregatszustandswechsel 
durch die Wärme bewirkte Übergang aus einer Molecularver- 
fassung in die andere auf den ersten Blick überraschen. Allein 
dieser Übergang erfolgt gar nicht so rasch, als man versucht 
sein könnte zu glauben. 

Es sei mir gestattet, hier noch eine Beobachtung anzu- 
führen, welche ich bei den Volumgewichtsbestimmungen mehr- 
fach Gelegenheit hatte zu machen. Wenn man die Dampf- 
dichte eines Körpers in der Barometerleere genommen hat, so 
kehrt das Niveau der Quecksilbersäule in der Regel, sobald 
der Apparat erkaltet ist, also im Laufe von 1 bis 14 Stunden, 
wieder zu dem Punkte zurück, den es vor dem Versuche ein- 
genommen hatte. Als die Dampfdichte des Methylaldehyds 
bestimmt wurde, stand das Quecksilber nach 10—12 Stunden 
noch immer sehr viel niedriger und selbst nach zweimal 24 
Stunden war der ursprüngliche Punkt noch nicht wieder er- 
reicht worden, ein unverkennbarer Beweis, dafs der Aldehyd 
nur langsam und allmälig von dem normalen in den poly- 
molecularen Zustand übergeht. 

Was ist nun aber eigentlich die Moleculargröfse des Me- 
thylaldehyds im starren Zustande? Hierüber lassen sich vor 
der Hand nur Vermuthungen aussprechen. Wahrscheinlich ist 
der starre Methylaldehyd die trimoleculare Modification des 
normalen. Hierfür sprechen einige Versuche mit dem aus dem- 
selben gebildeten Schwefelkörper. 

Der Sulfaldehyd bildet charakteristische ea mit 
Silbernitrat und mit Platinchlorid. 

Silbernitrat, der alkoholischen Lösung des Schwefelkörpers 
zugesetzt, erzeugt schon in der Kälte einen weilsen krystalli- 
nischen Niederschlag. Wenige Versuche waren hinreichend, den- 
selben als ein Gemenge zweier Silberverbindungen zu cha- 
rakterisiren, von denen sich jede leicht im reinen Zustande 
‘darstellen läfst. Hat man einen grofsen Überschufs von Silber- 
nitrat zur Fällung verwendet, und nachträglich noch den ent- 


[1869.] 26 


370 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


standenen Niederschlag aus einer siedenden Lösung von Silber- 
nitrat umkrystallisirt, so schiefst die gebildete Verbindung in 
feinen Nadeln an, welche bei der Analyse die Zusammen- 
setzung 
CH,S, AgNO, 
zeigen. Ist dagegen der direct erhaltene Niederschlag aus 
reinem Wasser umkrystallisirt worden, so erhält man denselben 
in schön irisirenden Blättehen, welche die Zusammensetzung 
3(CH,S), AgNO, 
besitzen. Es ist daher wohl re dafs der Sulfaldehyd 
C,H,S; 
enthält, und dafs die beiden erwähnten Silberverbindungen durch 
die Formeln 
C,H,;,S; 3AgNO, 
und C,‚,H,S, AgNO, 
dargestellt werden. 

Hierfür spricht auch die Zusammensetzung des Platin- 
salzes. Versetzt man eine alkoholische Lösung des Schwefel- 
körpers mit Platinchlorid in der Kälte; so bleibt die Lösung 
klar, aber nach etwa vierundzwanzig Stunden hat sich ein 
gelblicher Niederschlag gehildet, der sich unter dem Mikroskop 
als ein Aggregat feiner Nadeln erweist. Durch Kochen der 
mit Platinchlorid versetzten Lösung des Schwefelkörpers wird 
dieser Niederschlag alsbald gebildet. Kohlenstoff- und Platin- 
bestimmung zeigen, dafs dieses Platinsalz nach der Formel 

20H: S;,; PoeH 
zusammengesetzt ist. 

Wird man nach diesen Versuchen kaum anstehen, für den 
ern Methylmetaldehyd die Formel 

GERIS, 
gelten zu lassen, so erlangt hie die Formel 

C,H,O; 
für die starre Modification des Methylmetaldehyds selber einen 
hohen Grad von Wahrscheinlichkeit. | 

Dem Aldehyd der Methylreihe, welcher Gegenstand dieser 
Bemerkungen gewesen ist, und bei dessen Untersuchung mir 
die Herren A. Pinner und G. Krämer werthvolle Hülfe ge- 
leistet haben, gehen einige Eigenschaften ab, die man an den 


vom 19. April 1869. 371 


Aldehyden anderer Reihen zu beobachten gewohnt ist. Eine 
Verbindung: von Methylaldehyd mit Ammoniak, analog dem ge- 
wöhnlichen Aldehyd-Ammoniak, ist bis jetzt nicht erhalten 
worden, ebenso wenig eine Verbindung mit den primären Sul- 
fiten des Kaliums und Natriums. Auch die dem Thialdin 
analoge Base habe ich mich vergeblich bemüht darzustellen. 
Sollte aber das Fehlschlagen dieser Versuche nicht einfach 
dem Umstande zuzuschreiben sein, dafs man es eigentlich fast 
immer mit dem polymolecularen Condensationsproducte und 
nicht mit dem Methylaldehyd selber zu thun hat, und dafs die 
condensirten Aldehyde auch in anderen Reihen nur wenig oder 
keine Neigung zeigen, die gedachten Abkömmlinge zu liefern? 

Schliefslich mag hier noch auf die Thatsache hingewiesen 
werden, dafs die stickstoffhaltige Base, welche durch die Ein- 
wirkung des Ammoniaks unter Wasserausscheidung aus dem 
starren Methylaldehyd entsteht, durch die Einwirkung von 
Säuren unter Aufnahme der Elemente des Wassers wieder in 
Ammoniak und Methylaldehyd übergeführt wird. Es ist dies 
eine Eigenschaft der durch Ammoniak aus den Aldehyden ge- 
bildeten Körper. Jedermann weils, wie leicht sich das aus 
dem Benzaldehyd gebildete Hydrobenzamid durch Säuren wieder 
in Ammoniak und Bittermandelöl zurückverwandeln läfst. 

Auch die von Hrn. Heintz beobachtete Entstehung des 
Methylaldehyds aus Glyeolsäure ist eigentlich nur die Wieder- 
holung einer längst bekannten Aldehydbildung, weils man ja 
doch, dafs die Milchsäure unter Kohlenoxydentwicklung in den 
Aldehyd par excellence übergeht 


C,H,0,=C0+H,0+0,H,0 


Milchsäure Äthylaldehyd 
GH,90;,=C0C0+H,0-+.CH,0. 
Glyeolsäure . Methylaldehyd 


Bei dem Zutreffen so vieler und so verschiedener Ana- 
logieen, wird man wohl einem Gase, dem Analyse und Volum- 
gewichtsbestimmung unzweifelhaft die Formel 

CH, O 
zuerkennen, einem Gase, welches sich durch Oxydation des 
Methylalkohols bildet und durch weitere Oxydation in Amei- 
sensäure übergeht, welches den charakteristischen Geruch der 
26* 


372 Gesammtsitzung 


Aldehyde besitzt und Silbersalze mit noch gröfserer Leichtig- 
keit und Sicherheit reduecirt als der Äthylaldehyd, einem solehen 
Gase wird man seine Ansprüche auf Rang und Titel eines 
Normalaldehyds der Methylreihe nicht länger bestreiten wollen, 
selbst wenn es nicht gelingen sollte, die zugehörige Verbin- 
dung mit einem primären Akalisulfit oder das Thialdin der 
Reihe darzustellen. Ist es doch bisher Niemand eingefallen, 
die Homologie der Ameisensäure mit der Essigsäure zu be- 
zweifeln, obwohl man weder das Ameisensäure-Anhydrid, noch 
die Thioameisensäure darzustellen im Stande gewesen ist. 


22. Aprl. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Reichert las vergleichende anatomische Untersuchun- 
sen über Zoobotryon pellucidus Ehr. 


An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 


J. de Witte, Recherches sur les empereurs qui ont regne dans les 
Gaules. Paris 1868. 4. F 

Günther, Die indische Cholera im Bezirk Zwickau. Leipzig 1869. 4. 

Delesse, Etude sur le metarmophisme des roches. Paris 1869. 8. 

— Revue de geologie. VI. Paris 1869. 8. 

Numismatie Chronicle. no. 31. London 1869. 8. 

Giornale di scienze naturali ed economiche. IV, 4A. Palermo 1868. 4. 


vom 29. April 1869. 373 


29. April. | Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Ehrenberg machte Mittheilung über mächtige 
. Gebirgsschichten, vorherrschend aus mikrosko- 
pischen Bacillarien unter und bei der Stadt Mexiko. 


In meiner im Jahre 1854 erschienenen Mikrogeologie hatte 
ich pag. 373 auf eine Reihe von wahrscheinlich biolithischen 
Mineralien des mexikanischen Gebietes aufmerksam gemacht, 
welche aus den fernen Zeiten der Eroberung durch die Spanier 
und besonders durch den kenninifsreichen Arzt und Chef des 
Medicinalwesens Hernandez verzeichnet worden sind. Diese 
von mir an Herrn Prof. Del Castillo abschriftlich übersandten 
Nachrichten haben den erfreulichen Einfluss gehabt, dafs das 
zu verwerthende mir übersandte Material, den biolithischen Be- 
ziehungen gemäfs, zur Beachtung gekommen ist. 

Ich möchte zwei Umstände besonders hervorheben, auf 
welche hauptsächlich meine Aufmerksamkeit dabei verwendet 
worden ist. Einer derselben betrifft die mehrfachen, unter der 
Stadt Mexiko, wie unter einem Theile der Stadt Berlin, aber 
noch weit umfangreicher dort liegenden Schichten jener früher 
von mir als „Tisar“ analysirten schneeweilsen Lager von so- 
genannten Infusorien oder polygastrischen Kieselschalen, welche 
bis zu 240 Fuss Tiefe in sehr verschiedenen Mischungsver- 
hältnissen und Besonderheiten der Formen zur Anschauung ge- 
kommen sind. Der andere Gesichtspunkt bezieht sich auf eine 
sogenannte Braunkohle, welche daselbst als Brennmaterial be- 
nutzt wird und sich bei meiner Analyse als ein reich gemischtes 
Lager von bituminösen Süfswasser-Spongolithen mit verhält- 
nifsmäfsig wenig eingestreuten Polygastern mit thoniger Grund- 
lage zu erkennen gegeben hat. Diese Braunkohle brennt mit 
heller Flamme und die zurückgelassene weilse oder weilsgraue 
Asche, welche mithin ohne Eisengehalt ist, besteht ihrem or- 
ganischen Gehalte nach aus den eben genannten biolithischen 
Süfswassergebilden. Sie erläutert auf eine sehr anschauliche 
Weise die Phytolitharien-Tufe des Tuluca-Thales als Ablage- 
rungen eines Wasserbeckens und entfernt die Vorstellung, dafs 
es der Moya ähnliche Auswurfsstoffe gewesen sein mögen. 


374 Gesammtsützung 


Der Vortrag, welcher in den Abhandlungen der Akademie 
mit Abbildungen zum Druck gelangt, schliefst mit folgenden 
a 

Der Boden der Stadt Mexiko und ihrer Umgebung zeigt 
bis zur Tiefe von 240 Fuss und in meilenweiter Ausdehnung, 
wie in weit geringerem Maalsstabe der der Stadt Berlin, mäch- 
tige Lager einer grauen oder schneeweilsen Infusorienerde, 
welche durch dünne Thonschichten in zwei bis drei Stockwerke 
getheilt sind und mehrere Fuls, anscheinend zuweilen bis 33 Fuls 
Mächtigkeit haben und nicht blos der Farbe nach, sondern auch 
allen einzelnen Bestandtheilen nach, jener seit 1840 analysirten 
Tiza-Erde zum Theil ganz gleichen. 

2. Die oft reinen Ablagerungen dieser feinen organischen 
Elemente bis 240 Fuss widerstreiten der Vorstellung, dafs das 
grosse Becken der Hochebene von Mexiko durch tumultuarische 
Einflüsse allmälig mit Erde und Schlamm angefüllt sei. 

3. Da die Seeen des Hochthales von Mexiko salzig sind, 
so ist das Resultat der Untersuchungen, nach dem die 146 
mikroskopisch organischen Formen, welche jene Infusorien- 
Lager zusammensetzen und Sülswasser-Bildungen sind, in einem 
auffallenden Widerspruch mit dem Salzgehalt der Seeen. 

4.. Aus mehrfachen Gründen scheint sich demnach heraus- 
zustellen, dafs die bis zum massigen Porphyrgestein reichenden 
Infusorien- Schichten Ablagerungen aus einer Erdperiode sind, 
wo jene Seeen des Hochthales nur Süfswasser enthielten, während 
ihr Salzgehält erst nach der Ablagerung jener Schichten durch 
vulkanische Verhältnisse vermittelt worden sein mag. 

5. Die Sülswasser- Phytolitharien- Tufe, 2000 Fufs höher 
als Mexiko gelegen, im Toluca-Thale, erscheinen als eben solche 
reine, in abgestuften Kesselthälern entstandene Sülswasser- 
Bildungen einer früheren Zeit. 

6. Die direkte Vergleichung des jetzigen mikroskopischen 
Oberflächenlebens der mexikanischen Hochländer zeigt wesent- 
liche Verschiedenheiten von jenen mächtigen fossilen Bänken 
unter der Stadt Mexiko und in den höher gelegenen Hochthälern. 

7. Die fossilen Lebensformen an den genannten Orten 
enthalten, neben vielen auf der ganzen Erde weit VERTERNEIAEN 
eine grofse Zahl ganz lokaler Gestaltungen. 


vom 29. April 1869. 375 


8. Nicht dieselben, aber ‘auffallend ähnliche lokale Ge- 
staltungen sind ebenfalls im fossilen Verhältnifs in Neu-Seeland 
erkannt worden. | 

9,.. Unter ‘den mexikanischen fossilen Bänken haben sich 
Campylodiscus Olypeus überwiegend führende Schichten gezeigt, 
wie nur in Böhmen ein derartiges Lager sich früher vorgefunden 
hat und am Serapis-Tempel bei Puzzuoli ein grösserer Reich- 
thum solcher Art zu Tage getreten ist. | 

10. Es giebt auf der Molukken-Insel Borneo ein formen- 
reiches mikroskopisches Leben, welches ebenfalls reich an 
charakteristischen Lokalformen ist. | 

11. Die Massen-Verhältnisse des mikroskopischen En 
als tief reichende, weit verbreitete und in sehr verschiedenen 
Höhen bis zu 8000 Fuss Erhebung über das Meeres-Niveau 
sich wiederholende Gebirgsarten von oft reinen kieselschaligen 
Elementen stellen die organischen unsichtbaren Kieselgebilde 
in immer nähere Parallele mit‘ den. polythalamischen Kalk- 
gebilden der Kreide und zeigen einen mächtig wachsenden Ein- 
fluss des unsichtbaren wenlimeianiien Lebens auf das Feste der 
Erde, | 
‘12. Es ist unzweifelhaft, dass die unermesslichen Massen 
des unsichtbar kleinen selbstständigen Lebens, welche in Form 
zierlicher Kieselschalen weit ausgedehnte und mächtige Gebirgs- 
massen bilden, nicht ohne Gesellschaft mit anderen ehemals 
wie, jetzt‘: gelebt haben. Es ist mithin bei diesen Formen- 
Mengen und unsichtbarem Massenleben noch ein gleiehzeitiges 
anderes immer zu denken, welches, weil es öfter weich und 
schalenlos war, spurlos vergangen ist, das aber durch weitere 
Beobachtung des jetzigen, sowohl thierischen als pflanzlichen, 
Oberflächenlebens daselbst in’Gewässern und Sümpfen. einiger- 
maalsen ergänzt werden wird. 

15. Wenn es auffällig ist, dafs viele der in den Tabellen 
aufgezählten Formen ganz dieselben sind, welche in der Mi- 
krogeologie als über die ganze Erdoberfläche weit verbreitete 
bereits angezeigt sind, so mag dies keine Gleichgültigkeit gegen 
diese hervorrufen, vielmehr bemerkbar machen, dass ein sehr 
gleichartiges unsichtbares Leben in allen Zonen und in ver- 
schiedenen Tiefen der Erde eine mächtige noch. unerschöpfte 


376 Gesammtsitzung 


Wirkung äussert, wobei stets hervortritt, dafs auch eigenthüm- 
liche Lokalformen ganz besonderer Gestaltung vorhanden sind. 

14. Es ist bei diesen Untersuchungen von Neuem nöthig 
geworden, den Bacillarien als Thieren und den Spongiaceen 
als Pflanzen eine systematische Stellung zu geben. — Weit 
entfernt, der weiteren Nachforschung vorzugreifen, bleibt dieses 
Feld den Freunden und Kräften immer tieferer genetischer Nach- 
forschung vorbehalten. Die leitenden Ansichten bei den hier 
vorgetragenen Darstellungen beziehen sich darauf, dafs die vielen 
bereits unläugbar dargestellten Eigenschaften der Schwärm- 
sporen und Befruchtungs- Verhältnisse durch bewegliche Sper- 
matozoidien bei den Pflanzen, der Wimper- und Wellen-Be- 
wegung der weichen Substanz der Spongien kein allzugrolses 
Gewicht für ihren Charakter als Thiere geben. 

Es ist dies vielmehr nur eine mit dem Thierorganismus 
übereinstimmende Eigenschaft der Pflanzen, deren es viele giebt, 
während die eigentlichen Thier-Charaktere fehlen, wie ich in 
den Monatsber. 1867, pag. 848 auseinanderzusetzen mich schon 
veranlasst sah. Es bleiben freilich Olosterinen und Desmidiaceen 
meiner völligen Entscheidung unzugänglich, allein auch Andere 
sind der noch fehlenden Entwicklungs-Beobachtungen halber 
zur Aburtheilung wohl noch unberechtigt. 

15. Was die geologische Stellung der hier analysirten 
organisch gebildeten Gebirgsmassen anlangt, so läfst sich wohl 
dieselbe dadurch begrenzen, dafs sie unmittelbar über dem 
massigen Porphyr und unter der, Mastodonten-Knochen ent- 
haltenden, durch 25 Thon- und Mergel-Schichten schon von 
Humboldt charakterisirten neuesten Bedeckung liegen. 

16. Unzweifelhaft ergiebt sich aus den ganzen Mittheilungen, 
dafs der Wunsch gerechtfertigt ist, dafs einheimische Natur- 
forscher in Mexiko fortfahren und dazu in den Stand gesetzt 
werden mögen, dem so auffallend massenhaften Wirken des 
mikroskopischen organischen Lebens daselbst eine immer inten- 
sivere Aufmerksamkeit zuzuwenden. | 

17. Wichtiger als das geologische Element, welches bei 
diesen Untersuchungen in den Vordergrund tritt, will mir end- 
lich immer das physiologische Element der Lebenswirkung er- 
scheinen. Ungern möchte ich den Boden der einfachen, müh- 


vom 29. April 1869. 377 


sam zu häufenden Thatsachen verlassen und Combinationen 
nachgehen, welche das Mögliche dem wirklich Erreichten vor- 
ziehen. Nicht die Kleinheit allein, auch die Durchsichtigkeit 
setzen den physiologischen Forschungen zeitgemäfse Grenzen, 
aber die Zeiten und ihre Kräfte haben sich schon oft erfahrungs- 
mälsig geändert. Das Kleine hat sich durch künstliche Hülfe 
vergröfsern und das der Durchsichtigkeit halber scheinbar Ein- 
fache oft als ein noch sehr Zusammengesetztes wahrnehmbar 
machen lassen. So wie mit diesen Untersuchungen die Aus- 
breitung des unsichtbaren kleinsten Lebens und sein Einflufs 
für die neuere Zeit durch Herrn Castillo ansehnlich gewachsen 
ist, so ist es auch neuerlich für die ältere Zeit unerwartet ge- 
fördert worden und es stellt sich immer von Neuem heraus, 
dafs da, wo man an der Begrenzung der organischen Zusammen- 
setzung baut, sich die Weiterverlegung der Grenzen vorbereitet, 
welche die Vorstellung des Parasitismus oder der secundären 
Stellung des organischen Lebens wissenschaftlich zu befestigen 
und abzuschliefsen nicht erlaubt. 


Hr. Weber gab einige Nachträge zu seiner in dem Januar- 


heft der Monatsberichte (p. 14 ff.) enthaltenen Abhandlung über 


eine „Episode aus dem Jaimini-Bhärata.* 


Hrn. Dr. Reinhold Köhler in Weimar verdanke ich zu- 
nächst folgende Mittheilung, welche einige weitere occidentali- 
sche Parallelen dazu beibringt. 


„Eine altfranzösche Erzählung (Li contes du roi Con- 
stant l’empereur, in den Nouvelles frangaises en prose du 
XIlIe. siecle, publiees d’apres les manuscrits par L. Moland 
et ©. d’Hericault, Paris 1856, S. 3—32) erzählt: | 

Muselin, ein heidnischer ') Kaiser von Byzanz und Griechen- 


1) S. 4: paiiens estoit. S. 12: l’enpereres estoit sarasins.. Bekannt- 
lich werden im Mittelalter auch die Muhamedaner Heiden genannt. S. 6 
schwört der Kaiser bei Mahoames und Tiervagans. Ist der Name Muselin 
aus Moslim etwa zu erklären? 


378 ‚Gesammtsitzung 


land’), ging eines Nachts mit einem Ritter in der Stadt Byzanz 
umher. Da hörten sie, wie in einem Haus eine _ christliche 
Frau in Kindesnöthen lag und ihr Mann auf einem Söller des 
Hauses bald zu Gott betete, er möge seine Frau entbinden, 
bald wieder, er möge sie nicht entbinden. Sie hörten lange 
zu und gingen dann zu dem Mann, und der Kaiser fragte ihn, 
warum er bald so, bald so gebetet habe. Der Mann erwiderte, 
er verstebe sich auf den Lauf der Sterne und Planeten und 
habe je nach dem wechselnden, für das Kind bald günstigen, 
bald ungünstigen Stand der Gestirne zu Gott gebetet. Gott 
habe sein Gebet erhört, das Kind sei zu guter Stunde zur 
Welt gekommen und werde einst die vor acht Tagen geborene 
Tochter des Kaisers heiraten und Nachfolger des Kaisers wer- 
den. Der Ritter muls noch in derselben Nacht das Kind stehlen. 
Der Kaiser läfst dem Kinde den Bauch vom Magen bis zum 
Nabel aufschneiden und will ihm das Herz aus dem Leibe 
reilsen, unterläfst letzteres jedoch auf Bitten des Ritters, der 
nun das Kind im Meer ertränken soll, es aber vor einem Mönchs- 
kloster aussetzt. Die Mönche, welche grade die Mette sangen, 
hörten das Kind weinen und trugen es zum Abt, der die Wunde 
des Kindes durch Wundärzte für 24 “besans ?) heilen und es 
Constant taufen liefs, weil seine Heilung so viel gekostet hatte ?). 
Constant wurde im Kloster sorgfältig auferzogen*) und wuchs zu 


1). S. 3: emperes de Bisanche, ki ore est apielee Constantinoble. 
S. 19: li empereres de Busance et sires de Grese. S. 24: empereres de 
Grese et de Bisanche. 


2) s. Ducange u. byzantius, Roquefort u. besan, mhd. Wb. u. bisant. 


3) S. 11: et li mist & non Coustant pour cou k’il sanbloit k’il cou- 
stoit trop au garir. $.16: et li mist non Coustant pour cou k’il cousta 
tant d’avoir & garir. Coustant ist die picardische Form für Constant. 
(Die Erzählung ist im picardischen Dialekt geschrieben.) 


#4) Als er sieben Jahre alt war, kam er in die Schule (p. 12): 
‘quand il ot vu ans, si le fist maitre li abes & l’escole (quand il avait vu 
ans, l’abbe le fit mettre a l’ecole). Also ganz wie Candrahäsa. Auch 
in der Erzählung der Gesta Romanorum, Graesse II, 202, kommt das 
Kind mit sieben Jahren in die Schule. — Nun auf diesen Umstand ist 
wohl aber, als in der Natur der Sache liegend, gerade kein besonderes 
Gewicht zu legen. 


vom 29. April 1869. 379 


einem sehr schönen Knaben heran. Als er 15 Jahre alt war, 
hatte der‘ Abt in Angelegenheiten seines Klosters eine Unter- 
redung mit dem Kaiser Muselin. Der Kaiser sah bei dieser 
Gelegenheit im Gefolge des Abtes auch Constant, der ihm 
wegen seiner Schönheit auffiel, und befragte den Abt. Der 
Abt erzählte ihm, wie Constant vor 15 Jahren vor dem Kloster 
aufgefunden worden sei. Natürlich bezweifelte hiernach der 
Kaiser nicht, dafs Constant jenes ihm zum Schwiegersohn be- 
stimmte Kind sei, und bat deshalb den Abt, ihm den schönen 
Jüngling zu überlassen. Abt und Mönche wagten die Bitte 
nicht abzuschlagen, und so ward Constant dem Kaiser über- 
geben. Nun geschah es, dafs der Kaiser an der 12 Tagereisen 
von Byzanz entfernten Grenze seines Reiches zu thun hatte. 
Er nahm Constant mit und schickte ihn von dort mit einem 
Brief an den Kastellan von Byzanz zurück. In dem Brief 
wurde dem Castellan befohlen, so lieb ihm sein eignes Leben 
sei, den Ueberbringer sofort tödten zu lassen. Constant kam 
grade während der Essenszeit in Byzanz an, stieg daher, da er 
erst: nach dem Essen dem Kastellan sich vorzustellen dachte, 
im Schlofsgarten ab, legte sich unter einen Baum und schlief 
ein. Während dessen kam die Kaiserstochter nach Tische mit 


‚den Gespielinnen in den Garten. Die Prinzessin bemerkte den 


schlafenden Constant und zeigte ihn der vertrautesten der Ge- 


 spielinnen, nachdem sie die beiden andern weggeschickt hatte. | 


Die Prinzessin gewahrte auch, dafs er einen Brief bei sich 
habe, nahm denselben und las ihn. Da ihr Constant aufser- 
ordentlich gefiel, so eilte sie ins Schlofs und schrieb auf ein 
mit dem kaiserlichen Siegel versehenes leeres Pergamentblatt, 
deren ihr der Kaiser vor seiner Abreise mehrere zurückgelassen 
hatte, einen andern Brief an den Castellan mit dem Befehl, 
dem Ueberbringer alsbald die Prinzessin zu vermählen. Nach- 
dem sie diesen Brief an die Stelle des andern in die Briefbüchse 
des noch immer schlafenden Constant gesteckt hatten, fingen 
die Prinzessin und ihre Gefährtin zu singen an, so dafs Con- 
stant endlich erwachte. Die Prinzessin führte ihn selbst zum 
Castellan, der Brief ward gelesen, sein Inhalt den Baronen des 
Reichs mitgetheilt und hierauf die Hochzeit gehalten. Der 
Kaiser fügte sich bei seiner Rückkehr in das Geschehene. Nach 


380 Gesammtsitzung 


seinem Tode ward Constant sein Nachfolger, und Constants 
Gemahlin und das ganze Reich bekehrten sich nun zum Christen- 
thum. Byzanz erhielt nach Constant den Namen Constantinopel. 
Sein Sohn und Nachfolger hiefs Constantin. 

Diese französische Novelle steht der indischen Erzählung 
näher, als die Sage vom Kaiser Heinrich, insofern die Kaiser- 
tochter dem schlafenden Constant den Brief wegnimmt und mit 
einem andern vertauscht, gerade so wie in der indischen Er- 
zählung Vishayd dem schlafenden Candrahäsa den Brief weg- 
nimmt und zwar nicht vertauscht, wol aber ihn abändert. 

Es giebt nun auch eine hierher gehörige italienische 
Dichtung, welche der französischen Novelle sehr nahe steht, 
im Punkt der Briefvertauschung aber eigenthümlich gewendet ist, 
jedoch so, dafs sie immerhin auch in diesem Punkt der fran- 
zösischen und somit auch der indischen Erzählung näher steht, 
als die Sage vom Kaiser Heinrich. Es ist dies die italienische 
Volksdichtung ‘La Historia di Florindo e Chiarastella’, welche, 
wenn nicht schon früher, sicher seit der Mitte des 16. Jahr- 
hunderts vielfach als Volksbuch gedruckt worden ist (s. G. Pas- 
sano I Novellieri italiani in verso, Bologna 1868, p. 57 ff.) 
und mir in einem Bologneser Druck aus dem Anfang dieses 
Jahrhunderts vorliegt. Gulisse, König von Spanien — so er- 
zählt das Gedicht — trifft auf einer Reise nach Rom in der 
Nähe Roms eines Nachts einen Landmann, der den Himmel 
betrachtet. Auf die Frage des Königs erwidert der Landmann, 
er sei ein Astrolog und habe jetzt das Geschick seines eben 
geborenen Sohnes in den Sternen gelesen, und zwar sei diesem 
Sohn bestimmt, einst Nachfolger des ihn fragenden Königs zu 
werden. Der König stellt sich darüber erfreut und bittet, den 
Knaben ihm zu überlassen, damit er ihn seiner Bestimmung 
gemäfls erziehe. Der Sterndeuter erwidert, er wisse zwar wol, 
dafs der König den Knaben nur verlangt, um ihn zu tödten, 
‚aber trotzdem wolle er ihm denselben übergeben, denn was die 
Sterne verkündet, werde doch geschehen. So erhielt der König 
das Kind, welches er bald darauf im Wald in einen Graben 
warf, nachdem er es vorher mit einem Messer am Hals verwun- 
det hatte. Ein römischer Baron Fosco fand auf der Jagd das 
verwundete Knäblein, liefs durch einen Arzt die Wunde heilen 


vom 29. April 1869. 381 


und nahm es an Kindesstelle an. Zum Jüngling herangewachsen, 
erfuhr Florindo, dafs er ein Findelkind sei, und beschlofs, zum 
grofsen Leidwesen seiner Pflegeältern, in die Welt zu ziehen, 
um seinen Vater zu suchen. So kommt er nach Saragossa, 
wo sich die schöne Prinzessin Chiarastella, die Tochter des 
Königs Gulisse, in ihn verliebt und ihn zu ihrem campione und 
scudiere macht. Bald aber kommt ein Abgesandter des Königs 
Gabrino von Portugall, des Bruders des Gulisse, und ladet die 
Prinzessin zu einem grolsen Fest in Portugall ein. Die Prin- 
zessin muls der Einladung folgen, Florindo aber beim König 
Gulisse zurückbleiben. Er ist über die Trennung von Chia- 
rastella sehr betrübt und seine Betrübnifs fällt dem König so 
auf, dals er ihn nach der Ursache derselben fragt. Florindo, 
der den wahren Grund nicht gestehen will, erwidert, er sei 
darüber betrübt, dafs er seinen Vater bisher vergeblich gesucht 
habe, und erzählt dem König, wie er als Findelkind aufge- 
funden worden sei. Natürlich ist der König sofort überzeugt, 
den Sohn jenes sternkundigen Bauern vor sich zu haben. Er 
schreibt alsbald einen Brief an seinen Bruder Gabrino, worin 
er diesen bittet, den Ueberbringer des Briefes tödten zu lassen, 
und übergibt dem Florindo diesen Brief. Florindo langt richtig 
in Portugall an, als er aber den Brief abgeben will, schläft 
der König grade. Indem Florindo nun indessen im Garten um- 
herwandelt, trifft er auf die Prinzessin Chiarastella, die über 
seine Ankunft freudig überrascht ist. Trotz seinem Wider- 
streben öffnet sie den Brief und liest ihn. Rasch eilt sie in 
ihr Zimmer und schreibt einen andern Brief, worin Gabrino 
aufgefordert wird, ein grofses Turnier zu veranstalten und dem 
Sieger — hoffentlich werde dies der Ueberbringer des Briefes 
sein — die Chiarastella zu vermählen. Diesen Brief übergibt 
Flerindo dem König Gabrino, das Turnier findet statt und Flo- 
rindo wird als Sieger mit Chiarastella vermählt. Während der 
Hochzeitsfeierlichkeiten trifft ein Bote aus Spanien mit der 
Nachricht von dem plötzlichen Tode des Königs Guliss® ein. 
So wird Florindo fast gleichzeitig. Gemahl der Chiarastella und 
Naehfolger ihres Vaters. 

In der indischen, der französischen und der italienischen 
Erzählung ist es also die nachherige Gattin des Helden, welche 


382 Gesammtsitzung 


die Vertauschung oder Aenderung des verhängnilsvollen Briefes 
vornimmt — in der italienischen Erzählung mit der Abweichung; 
dafs dies nicht während des Schlafes des Helden geschieht —, 
in der Sage vom Kaiser Heinrich ') und in verschiedenen Volks- 
märchen, deren einige 8. 28, Anm. 4 angeführt sind, ist es 
irgend eine andere Person, die den Brief verändert, die spätere 
Gattin ist daran unbetheiligt. 

Endlich noch eine Form, bei welcher zudem, wie im In- 
dischen, beide Stoffe, der vom Schicksal bestimmte Schwieger- 
sohn und „Wer andern eine Grube gräbt“, verbunden sind, frei- 
lich in ziemlich absonderlicher Weise. Sie findet sich bei v. Hahn 
Griechische und albanesische Märchen Nr.20 erzählt wie folgt: 
„Einem alten Kaufmann wird geweissagt, der jüngste Sohn eines 
gewissen armen Mannes werde sein Vermögen vergeuden. 
Der Kaufmann läfst sich von dem armen Mann das Kind ab- 
treten und wirft es in einen Flufs. Das Kind wird aber ans 
Ufer getrieben und von einem Schäfer gefunden und auferzogen. 
Als der Knabe 15 Jahre alt ist, kehrt jener Kaufmann einmal 
bei dem Schäfer ein, bemerkt den schönen Knaben und erfährt 
von dem Schäfer, dafs und wie der Knabe vor 15 Jahren von 
ihm gefunden worden. Der Kaufmann bittet nun den Schäfer, 
durch den. Knaben einen Brief an seine Frau schicken zu dürfen. 
In dem Brief steht, die Frau solle den Knaben auf jede Weise 
umzubringen suchen. Als der Knabe mit dem Brief unterwegs 
ist, begegnet ihm ein heiliger Mann, läfst sich den Brief geben 
und vertauscht ihn mit einem andern. In’ Folge dieses ver- 
tauschten Briefes fand der Kaufmann bei seiner Heimkehr den 
Knaben als Gattin seiner einzigen Tochter. Da schrieb er einen 
Brief an seinen Weinbergswächter, er solle denjenigen erschielsen, 
welcher um die und die Zeit in den Weinberg käme, und sagte 
zu seinem Schwiegersohn, er solle um diese Zeit Trauben aus 
dem Weinberg holen. Der Schwiegersohn machte sich sofort 


1) Wilhelm Hertz in seinem anmuthigen Gedicht‘Heinrich von Schwa- 
ben, Stuttgart 1868, läfst freilich die Kaiserstochter den Brief vertau- 
schen; er ist aber zu dieser Abweichung ohne Zweifel durch die fran- 
zösische Novelle, die ihm, -wie ich von ihm selbst weils, bekannt war, 


veranlalst worden, 5 


vom 29. April 1869. 383 


auf den Weg, kam also vor der bestimmten Zeit, pflückte seine 
Trauben und kehrte auf einem Umweg zurück. Inzwischen 
ging der Kaufmann zum Weinberg, um zu sehen, ob sein Be- 
fehl vollzogen worden, wie er aber eintrat, ward er vom Wächter 
erschossen. So erbte der Knabe das Vermögen seines Schwieger- 
vaters und brachte es in einiger Zeit richtig durch.“ 


Sodann bin ich unserm Collegen Hrn. Schott für den 
Hinweis auf eine finnische und auf eine arabische Form 
der Erzählung verpflichtet. Beide theilen mit der von v. Hahn 
mitgetheilten Form zunächst zwei Züge, 1) nämlich den Zug, 
dafs in ihnen ganz wie im Indischen beide Stoffe, die Brief- 
vertauschung nebst der dadurch bedingten Gewinnung eines uner- 
wünschten Schwiegersohnes sowohl wie die Bethätigung des 
Sprüchwortes von der Grube, vereinigt sind, und 2) den andern, 
dafs die Geschichte in ihnen von einem Kaufmann, nicht 
von einem Fürsten oder Majordomus, erzählt wird. Und zwar 
ist letzterer Umstand wohl charakteristisch für die Herkunft, 
resp. Weiterverbreitungsart, der betreffenden Erzählungen, die, 
danach zu schliefsen, eben wohl durch reisende Kaufleute 
in der Welt umhergetragen worden sind. Auch im Übrigen 
zeigen diese drei Berichte mehrfach 'noch ganz besonders nahe 
Beziehungen zu einander. 

Die finnische Erzählung findet sich in der 2ten Liefe- 
rung der von Salmelainen unter dem Titel: Suomen kansan 
satuja ja tarinoita herausgegebenen finnischen Märchen (Helsing- 
fors 1854 p. 127 ff.) und ist von Schott in Erman’s Archiv 
für wiss. Kunde von Rufsland 16, 236—47 (Berl. 1857) über- 
setzt worden. Die Bestrafung des alten reichen Kaufmanns 
(Fuehspelzhändlers) findet hier dadurch statt, dafs er an der 
Stelle einer Alten „sein Sanzes übriges Leben hindurch ein ge- 
plagter Fährmann sein mufs“, während der Schwiegersohn, 
den er mit einem Auftrag in schwere Gefahr gesandt, dieselbe 
glücklich besteht, heil heimkehrt, und das Gut des Schwieger- 
vaters erbt, das er übrigens nicht, wie oben bei v. Hahn, ver- 
geudet, sondern tüchtig verwaltet. Das Eigenthümliche dieser 
finnischen Relation besteht in ihrer Verbindung mit dem Mär- 
chen: von den verschiedenen Fragen, welche an ein (hier weib- 


384 Gesammtsilzung 


liches) Ungeheuer zu richten sind, und hat bereits auch der 
finnische Herausgeber selbst auf die hergehörigen Parallelen bei 
Grimm, Asbjörnsen & Moe (vom reichen Peter Krämer) etc. 
s. oben p. 28 n. 4, hingewiesen: er gedenkt dabei u. A. auch 
eines ungarischen Märchens gleichen Inhalts (Magyarische Sa- 
gen von Joh. Graf Mailath, Stuttgart 1857, I, 172—183 „die 
Brüder“). 

Die arabische Erzählung findet sich in dem zweiten 
Theile der aus Galland’s Nachlafs, obschon erst lange nach 
seinem Tode (Paris 1798, Galland } 17/2. 1717) herausgege- 
benen: ‘Nouvelle suite de mille et une nuits, contes arabes 
II, 172—183 unter dem Titel „ceruautes de Mohallek“. Ein 
reicher Kaufmann Namens Mohallek setzt den ihm von seiner 
Sklavin geborenen Sohn aus Furcht vor der Eifersucht seiner 
Frau, der er sein Vermögen verdankt und stete Treue geschwo- 
ren hat, in der Wüste aus; das Kind wird durch einen Hirten 
aufgefunden und aufgezogen, bei welchem es der Vater vier 
Jahre darauf vorfindet und aus der Erzählung des Hirten als 
‚sein eignes erkennt. Er kauft den Knaben in seiner Angst 
vor möglicher Entdeckung durch seine Frau dem Hirten ab und 
wirft ihn ins Meer, wo ihn ein Fischer auffängt und unter dem 
Namen Kebal erzieht. Nach 11 Jahren aber kommt Mohallek 
zufällig auch zu diesem Fischer, wird durch die Schönheit des 
15jährigen Jünglings aufmerksam, erkennt ihn abermals an der 
Erzählung des Fischers, und kauft ihn auch diesem wieder ab. 
Die erwachende Vaterliebe hält ihn nun drei Jahre hindurch, 
während deren der Sohn ihm treu auf seinen Reisen dient, da- 
von ab, gegen dessen Leben etwas zu unternehmen. Endlich 
aber siegt doch wieder die Furcht vor der Frau und er sendet 
ihn nun mit einem Briefe heim, in welchem er den Ueber- 
bringer zu tödten befiehlt. Seine Tochter Melahie indefs, die 
diesen Brief in Empfang nimmt und liest, substituirt, von Ke- 
bal’s Schönheit zur Liebe entflammt, einen andern, an ihre 
Mutter gerichteten, des Inhalts eben, dafs dieselbe dem Ueber- 
bringer Alles anvertrauen und überdem die Tochter vermählen 
solle. Als Mohallek nun bei seiner Heimkehr sieht, was sich : 
ereignet, macht er zunächst gute Miene zum bösen Spiel, beauf- 
tragt aber nach einigen Tagen seinen Diener, einen Feind, der 


vom 29. April 1869. 385 


zu einer bestimmten Stunde der Nacht nach einem bestimmten 
Orte im Hause kommen werde, sofort zu erdolchen. Kebal 
wird indefs, als er Mohallek’s Auftrag zufolge sich gerade da- 
hin begeben will, von seiner immer noch von Besorgnils er- 
füllten Frau zurückgehalten, und Mohallek wird im Dunkel der 
Nacht selbst ein Opfer seiner Anordnungen, nach deren Aus- 
führung zu sehen er sich aufgemacht hat. Auf sein Geschrei 
eilt Alles herbei, die Mörder werden ergriffen und mit dem zu 
Tode Verwundeten vor den König gebracht, dem derselbe nun- 
mehr, zu deren Rettung, den ganzen Sachverhalt mittheilt. 
Einige Tage nachher stirbt er an den erhaltenen Wunden, während 
Kebal, dem seine Geburt ein Geheimnifs blieb, mit seiner Gattin 
nunmehr auch in den Besitz der Reichthümer des Vaters ge- 
langte. 

In dieser Darstellung ist zunächst die so völlig verschiedene 
Motivirung der Nachstellungen des schliefslich selbst in die 
Grube Fallenden bemerkenswerth; er handelt nur aus Feigheit 
und Schuldgefühl, aus elender Furcht vor seiner von ihm be- 
trogenen Frau. In allen den übrigen Relationen dagegen (auch 
in der finnischen) ist es eine Prophezeihung, die als Motiv 
dient, und ein Hauptzweck der ganzen Geschichte ist eben der, 
zu zeigen, dafs gegen die Bestimmungen des Schicksals, wie 
sie von klugen, darauf sich verstehenden Leuten aus den 
Sternen etc. gelesen würden, Niemand aufzukommen im Stande 
sei. Bei dem hohen Gewicht, welches auch die Araber auf die 
Astrologie legen, ist daher jene, hiervon abstrahirende selbstän- 
dige Wendung höchst auffällig. Um so weniger kann es aber wohl 
bezweifelt werden, dafs die specielle Übereinstimmung, die sie 
trotz dessen im Übrigen mit der indischen Relation zeigt, eben 
auf direkten Beziehungen beruht. Diese Übereinstimmung 
aber zeigt sich eines Theils eben in der schon berührten Ver- 
‚werthung derselben beiden Stoffe und ihrer Verschmelzung zu 
einer Erzählung, und andern Theils darin, dafs es auch hier 
das dem unschuldig Verfolgten schliefslich zur Gemahlin wer- 
dende Mädchen selbst es ist, welche die Veränderung des 
Briefes hervorruft. Und wenn sie dies nun auch nicht, wie im 
Jaimini-Bhärata, und oben in der französischen Novelle, durch 
Umtausch des Briefes während des Schlafes des Boten, 


[1869.] 27 


386 Gesammtsitzung 


auch nicht wie in der italienischen durch Änderung des Briefes 
wider dessen Willen, vielmehr ganz ohne sein Wissen thut, 
so ist doch klar, worauf Köhler oben bei der pikardischen Re- 
lation mit Recht hinweist, dafs in diesem Umstande allein be- 
reits eine weit nähere Zusammengehörigkeit dieser Relationen 
zur indischen Sage, resp, zu einander bedingt wird, als dies 
bei der Sage von Kaiser Heinrich in der Relation Gottfrieds 
v. Viterbo etc. der Fall ist, wo die Änderung des Briefes durch 
eine beliebige andere Person geschieht. Und hierin ruht denn 
auch das Interesse und die Bedeutsamkeit dieser Berichte für 
die Entscheidung der Frage nach der Geschichte der Erzählung 
überhaupt. Wie weit auch ihre vorliegende Abfassung nach 
der Zeit Gottfrieds von Viterbo liegen mag, so erscheinen sie 
dennoch ihm gegenüber, auf Grund dieser ihrer directen Be- 
ziehungen zur Relation des Jaimini-Bhärata als älter und ur- 
sprünglicher. Wägen wir sie ferner gegenseitig ihrem Werthe 
nach ab, so steht zunächst die arabische Kaufmanns-Geschichte 
durch ihre gleiche Verwerthung der beiden auch im Jaimini- 
Bhärata verschmolzenen Stoffe dem indischen Original zwar 
näher als die pikardische Relation, andrerseits indessen doch 
auch wieder hinter ihr mehrfach zurück, theils nämlich dadurch, 
dafs sie die Scenerie des Ganzen aus dem fürstlichem Leben 
in das Leben eines Kaufmanns verlegt hat, ferner dadurch, dafs 
sie die Vertauschung des verhängnifsvollen Briefes durch das 
junge Mädchen nicht während des Schlafes des demselben 
vom Schicksal bestimmten Bräutigams ‘vor sich gehen lälst, 
endlich aber, wie schon oben bemerkt, dadurch, dafs in ihr 
die Macht des Schicksals nur äufserlich, nicht durch das Motiv 
der Prophezeihung gefestigt, zur Geltung kommt. Die aibane- 
sisch-finnisch-norwegischenKaufmanns-Relationen sodann 
stehen zu der arabischen Erzählung in einem näheren, wohl eben 
durch Handelsreisende vermittelten Bezuge, wogegen die italieni- 
sche Darstellung sich der pikardischen näher anschliefst, wo- 
bei sie freilich daneben durch den plötzlichen Tod des nachstellen- 
den Königs Gulisse auch einen Anflug trägt, der an den zwei- 
ten im Jaimini-Bhärata, wie in der arabischen ete. Kaufmanns- 
Relation mit herangezogenen Stoff (von der Grube) leise er- 
innert. Die pikardische Novelle hat nichts der Art, weist da- 


vom 29. April 1869. 387 


gegen durch den Namen des Muselin, den Köhler wohl mit 
Recht auf Moslim bezieht, wie durch die Localität (Byzanz), 
direkt auf den Orient als ihre Quelle hin. 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 
vorgelegt: 

H. R. Göppert, Über Inschriften und Zeichen in lebenden Bäumen. 
Breslau 1869. 8. 

Fr. J. Lauth, Die geschichtlichen Ergebnisse der Aegyptologie. Mün- 
chen 1869. 4. 

Abhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen. 2. Bd. 
1. Heft. Bremen 1869. 8. 

Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt. Jahrg. 1869. Jan. — 
März. Wien 1869. 8. 

Abhandlungen der math.-phys. Olasse der k. Bayrischen Akademie der 
Wissenschaften. 2. Bd. 2. Abth. München 1868. 4. 

Abhandlungen dsr philos.-philolog. Classe der k. Bayrischen Akademie 
der Wissenschaften. 1. Bd. 3. Abth. München 1868. 4. 

Publications de la section historique de Institut. I. Luxembourg 
1868. 4. 

Memoires de la societe des sciences physiques de Bordeaux. Vol. VL 1. 
Paris 1869. 8. 

Bulletin de la societe des naturalistes. XLI, no. 3. Moscou 1868. 8. 

Memoires de l’academie royale de Belgique. Vol. 37. Brux. 1869. 4. 

Bulletin. Vol. 25. 26. Bruxelles 1868. 8. 

Collection des Chroniques belges inedites. (Cartulaire de Cambron, par 
Smet.) Bruxelles 1869. 4. 

Table chronologique des Chartes et Diplömes imprimes. Tome II. ib. 
1868. 4. 

Biographie nationale. Tome II. ib. 1868. 3. 

Quetelet, Physique sociale. Tome 1. Bruxelles 1869. 8. 

E. Mailly, Essai sur les institutions scientifiques de la Grande Bre- 
tagne. Bruxelles 1867. 8. 

— L’Espagne scientifique. Bruxelles 1868. 8. 

del Rio, La Triseccion del Angulo, Lima 1869. 8. Nebst Begleit- 
schreiben des hiesigen Peruanischen Consulats vom 27. April 1869. 

Ängström, Le spectre solaire. Upsala 1868. 4. 


Druckfehler -Berichtigung. 


S. 275 Z. 12 lies: 


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MONATSBERICHT 
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 
ZU BERLIN. 


Maı 1869. 


Vorsitzender Sekretar: Herr Trendelenburg. 


3. Mai. Sitzung der philosophisch-histo- 
| rischen Klasse. 


Hr. Haupt las über die Erklärung der Lustspiele des 
Aristophanes. | 


13. Mai. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Rudorff las über die Reform der Grundsteuer 


_ unter Dioecletian. » 


Die syrische Überlieferung der weltlichen Gesetze Con- 
stantin’s, Theodosius und Leo’s, einer oströmischen Rechts- 
sammlung des fünften Jahrhunderts (Monaisbericht 1866 No- 
vember 29), enthält: über die Vermessung und Bonitirung in 
den östlichen Provinzen des römischen Reichs, namentlich in 
Syrien folgende neue Aufschlüsse. Das östliche Reich wurde 
zur Zeit Diocletian’s neu vermessen und das Iugum festgestellt. 
Das Flächenmals war der römische Actus, für den jedoch die 
provinzielle Bezeichnung Plethron und das provinzielle Ruthen- 
mals von zehn philetärischen statt zehn römischen Fulsen bei- 
behalten ist, so dafs er ein Geviertes von zehn zehnfülsigen 
philetärischen = zehn zwölffüfsigen römischen = zwölf zehn- 
fülsigen römischen Ruthen in der Länge und Breite darstellt. 
Die Bonitirung erfolgte nach fünf Klassen: 1) Weinberge, 

[1869.] 28 


390 Gesammtsitzung 


2) Ölberge erster und zweiter Ertragsfähigkeit, 3) Ackerland 
erster Güte, 4) Ackerland zweiter Klasse, 5) Gebirgsland, d.h. 
Ackerland dritter Klasse, Weitzen- oder Gerstenboden, und 
Weideland. Auf Grund dieser Abtheilung wurde der Kataster 
in der Weise angelegt, dafs auf das Joch 5 Iugera Weinland, 
20 Ackerland erster Klasse, 40 zweiter, 60 dritter Klasse ge- 
rechnet wurden. In den Ölbergen entschied jedoch nicht der 
Flächengehalt,; sondern die Zahl der Stöcke, in der zweiten 
Kategorie sollten 450 auf das Joch kommen, in der ersten 
wird daher die Hälfte als genügend anzusehen und die über- 
lieferte Zahl 220 in 225 zu bessern sein. Als Urheber aller 
dieser Reformen wird wie bemerkt Diocletian bezeichnet. 
(Artikel 121). 

Diese merkwürdigen Überlieferungen werfen auf die Ge- 
schichte der Grundsteuer ein ganz neues und unerwartetes 
Licht. Die damalige Reform betraf allerdings das ganze Reich 
und ersetzte das veraltete Ausbeutungsystem der Provinzen 
durch ein wenigstens nominell staatsbürgerliches Steuersystem, 
die capitatio. Allein die Ausgleichung erfolgte nicht überall in 
gleicher Weise. Die iuga beschränken sich auf den Orient, 
in Africa kommen Centurien von 200, in Italien millenae von 
1000 iugera als Steuerstufen vor. (Noy. 128 e.1). Die La- 
tifundien gestatteten hier gröfsere Complexe, die alten lici- 
nischen Maximalsätze eines caput, beizubehalten und die Boni- 
tirung ganz fallen zu lassen. Das Land war nicht nur reicher, 
sondern zum Theil senatorisches Besitzthum, zum Theil in 
Plantagen bewirthschaftet. Die vermeinte Entdeckung Walters 
und Anderer, der zufolge das iugum eine ideale Einheit von 
1000 solidi darstellen sollte, nach welcher die Steuer, gleich 
dem Servianischen Bürgertribut vom ganzen Vermögen erhoben 
worden wäre, fällt hiernach gänzlich zusammen. In der ein- 
zigen, späten und nur auf Italien bezüglichen Stelle, auf welche 
sie sich gründete, der Novelle Majorians tit. 7 de curialibus 
$. 16 vom Jahr 458 (Haenel p. 322) ‘'binos per iugum vel 
millenos solidos remunerationibus deputatos compelli debere 
praecepimus’ ist für millenos millenam zu lesen, weil ohne 
dieses zu binos deputatos das Subject fehlen würde. 


vom 13. Mai 1869. 391 


Hr. Mommsen las über ein in Cles im Nonsthal (Tirol) 
gefundenes Decret des Kaiser Claudius vom J. 46. 


B 


— Hr. W. Peters las Bemerkungen über neue oder 
weniger bekannte Flederthiere, besonders des Pari- 
ser Museums. 


Die Osterferien während des Aprilmonats d. J. habe ich 
zu einer Reise nach Paris verwandt, um die berühmten reichen 
Sammlungen des Jardin des plantes zu untersuchen. In Bezug 
auf die Säugethiere und Vögel wurde mir mit der gröfsten Li- 
beralität und Gastlichkeit Alles von unserem Mitgliede Herrn H. 
Milne-Edwards zur Disposition gestellt und hatte ich mich da- 
bei der besonderen Unterstützung des bereits rühmlich bekannten 
Hrn. A. Milne- Edwards zu erfreuen, während Hr. A. Du- 
m&ril mir mit der ihm eigenen Liebenswürdigkeit hinsichtlich 
der Untersuchung der Amphibien und Fische entgegenkam. Bei 
der nur kurz zugemessenen Zeit habe ich vieles ununtersucht 
lassen müssen, nur die Flederthiere, mit deren Monographie 
‚ich seit Jahren beschäftigt bin, habe ich vollständig durchgehen 
können, was besonders wegen der dort befindlichen typischen 
Exemplare, welche den Publicationen von Geoffroy St. Hi- 
laire, Fr. Cuvier, Gervais, H. de Saussure u. A. zu 
Grunde liegen und die z. Th. noch nicht den neueren An- 
forderungen entsprechend untersucht worden sind, von Wichtig- 
keit war. Ich erlaube mir daher hierüber einige meine früheren 
Mittheilungen über diesen Gegenstand ergänzende Zusätze vor- 
zulegen. 

1. Pteropus insularis HombronetJaquinot. 
Pt. insularis Hombr. Jaqu., Voy. Pol Sud, pl.5. 

Die beiden getrockneten Originalexemplare, von den Cä- 
rolineninseln, welche sich in dem Pariser Museum befinden, 
schliefsen sich"zwar durch die Behaarung, Form der Ohren, 
Schädel- und Zahnbildung zunächst dem Pt. Keraudrenüi Quoy 
et Gaimard, welchen wir durch Herrn Godeffroy ebenfalls 
auch von den Carolinen besitzen, an, unterscheiden sich aber 

28* 


392 Gesammtsitzung 


durch viel geringere Gröfse und die, allerdings bei den Fleder- 
hunden als Unterscheidungsmerkmal wenig zuverlässige, Fär- 
bung. 

Rücken schwarzbraun, Kopf und Hinterbauch heller braun, 
die Kopffarbe durch einen Nackenstreifen mit der Rückenfarbe 
verbunden. Hals vorn und an den Seiten rostroth; vor der 
Brust ein länglich ovaler gelber Fleck. 


Malse eines ausgewachsenen Männchens: 


Meter 
Totellänge ungefähr.  .. . „©. .„.'.. „00. 02 a 
Kopf unnelahr . ...d4, „ .... '.. U2cR u EEE 
Olirhöhe  . .... Tun nn RAN RT Rn oe SE 
Obrbreite ‚DWaisinu ux Balnuig 20h, BINTONE BSE BEE 
Vorderarn®.. n..0000 0. Yes 0. „2 So 
L.1.F. Mh. 0,0085. 1 Gl. 0,094; 2:Gl. 0011" 2.7. en N Eu 
1.2.F., - 0,084, = 70.018597. -. 0,0005 3 Gl. Go Dee 
L.3.F. - 0,055 - 0,0495 - 0,0605 Kpl. 0,015 
DER. °- "0008; - "0,085. -” 0,045 
1:0.P. - 0,00%. - . 0,0335  -. 0.053 
Unterschenkel . . : ee nn Be 
Fufs mit Kralle, nach er Kinn ne Brunn 11a Be 
SPOTH@. 20. ee ee Et 
Distanz der akt een 7 0,0092 


2. Pteropusphaeops Temminck, Monogr.. Mammal.1.p.178 
(exel. II. p.65. Pt. melanopogon) = Pteropus Edwardsii 
Geoffroye.p. 

In dem Pariser Museum befinden sich mehrere Exemplare 
dieser Art, welche unzweifelhaft aus Madagascar stammen. 
Eins dieser Exemplare habe ich direct mit den Temminck- 
schen Originalexemplaren, als deren Fundort anfangs Madagas- 
car, später (ohne Zweifel unrichtig) Macassar auf Celebes an- 
gegeben wurde, vergleichen und identificiren können. Es sind 
‚dieses aber nur grölsere Exemplare von derselben Art, welche ich 
als Pt. Edwardsii (Monatsber.1867.p.325) bezeichnet hatte. 


3. Pteropus molossinus Temminck. 
Ein weibliches Exemplar dieser bisher nur nach dem Tem- 
minckschen Originalexemplar bekannten Art, leider ebenfalls 
ohne Angabe des Fundorts, befindet sich in dem Pariser Museum. 


| 


vom 13. Mai 1869. 393 


4. Pteropus condorensis n. Sp. 

Schliefst sich im Bau des Schädels, des Jochbeins und des 
Gebisses zunächst an Pt. edulis und Edwardsii an, ist aber 
merklich kleiner und hat verhältnifsmäflsig kürzere, breitere und 
mehr abgerundete Ohren und der hinterste obere Backzahn liegt 
fast ganz hinter der Wurzel des Oberkieferjochfortsatzes. 

Der Rücken ist schwarzbraun und grau gemengt. Die 
Haare des Kopfes und Halses sind rostfarbig mit schwarzer 
Spitze, die Brust- und Bauchhaare sind an der Basis schwarz, in 
der Mitte rothgelb und an der Spitze rostroth, mit Ausnahme 
der Bauchseiten, deren Haare an der Spitze schwarz sind. 


Malse eines ausgewachsenen Männchens: 


Meter 
else umestähr “2. ee ne er ee ONELTTED 
U .2. 0.0 3 o Bl. 
Schnauze ungefähr BARS. EEE RR DER 002 
a RE ER OR 
er an ee 
A ee at en 
Vorderarm BU a ne WO, 0,135 
L.1.F. Mh. 0,012; 1 Gl. 0,033; 2 Gl. 0,016 . 3 0,060 
L.2.F. - 090685 - 00145 - 0,0105 3 Gl; 0,006 
Bu Re = 0.0985 =. ..00675 ° =: 05103 
L.4.F. - 00915 - 00555 = 0,058 
L.5.F. - v1; - 08045 - 0,044 
ee ee Te Den I 08082 
Be Rrummime nach : .... 4... 00 
en re ui ei ee EN 


Von dieser Art, welche aus Pulo Condore herstammt, 
besitzt das Pariser Museum mehrere Exemplare und das voll- 
ständige Skelet. 


9. Pteropus luberculatus n. sp. 

Im Schädel und Gebifs am nächsten mit Pt. Mackloti, ce- 
lebensis und jubatus verwandt, zeichnet diese Art sich dadurch 
aus, dafs im Verhältnifs die Schneidezähne und der erste falsche 
untere Backzahn viel gröfser sind, der erste falsche obere Back- 
zahn nicht hinfällig, der hinterste obere Backzahn viel kleiner, 
der vorletzte Backzahn merklich schmäler ist und der zweite 


394 Gesammtsitzung 


und dritte obere Backzahn noch einen hinteren äufseren Höcker 
mehr haben. Die Ohren sind auffallend kürzer als bei jenen 
Arten und aufsen an der Grundhälfte behaart. 
Die Behaarung ist ähnlich wie bei Pt. Mackloti und ver- 
deckt in der Analgegend die Schenkelflughaut vollständig. 
Rostbraun, Oberkopf und Schnauzenende blafs ockergelb, 
Rückenhaare mit helleren Spitzen. 


Mafse eines ausgewachsenen Weibchens: 


N Meter, 
Totalange ungeähr . . '. 2. Wr. 
Kopf ungelaht 0. 2 SO VE EEE 
Schnauze “o.w  E 
Ohrhöhe . . 19a, NORDEN BO RE 
Obrbreite,: .. ...2.2.0 2. wu, 2,8 alien 


Vorderarm . ee ee el, re = 
Is:d4;F. Mh..o,011; 1.61.0035; 2 Gl. 0,012 , 7 daten Bere 
- 00585, .-.0 00145 . -. 0,0085 3 Gl. 0,005 . .17.0,084 


LR,F. 

1.8:F. - 0,0805 _ - 00645 . - 0,103 

L.4.F. - 00805  - 00535  - 0,056 

DibaE.. >=. 00,0885. , - 0,0395 . -, 0,042 

Unterschenkel '* #10: ABTEI era a rs 
Fufs.nach der ‚Krümmung, .--.. zum.» =.) - Tan ee 
Sporn, 2... ure Tell ie. => > ee 


Das einzige mir bekannte Exemplar dieser Art von un- 
bekannter Herkunft befindet sich im Pariser Museum. 


6. Cynonycteris Grandidieri n. sp. 
Wegen ihrer geringen Gröfse und der Kürze der Schnauze 
scheint diese Art auf den ersten Anblick eher ein Cynopterus 


zu sein, während die Zahl der Backzähne, °, sie mit den 


Cynonycteris vereinigt. Die beiden hintersten Backzähne sind 
aber, bei dem einzigen, nach dem abgebrauchten Gebifs sehr 
alten Exemplar, ungewöhnlich klein. 

Die Augen liegen den Ohren ein wenig näher als der 
Schnauzenspitze, von welcher sie kaum um ihren doppelten 
Durchmesser entfernt sind. Die ovalen Ohren sind merklich 
länger als die Schnauze und bedecken, nach vorn gelegt, fast 
ganz die Augen. 

r Die Behaarung des Rückens und Halses ist viel länger 


vom 13. Mai 1869. 395 


als die des Bauches. Auf dem Unterschenkel zeigen sich nur 
einige feine zerstreute Härchen, wie bei (©. collaris. 

Die Saugwarzen sind so sehr entwickelt, dafs man das 
Thier für ein Weibchen halten würde, wenn nicht die Ruthe 
und die wohl entwickelten, aber in der Bauchhöhle liegenden 
Hoden den Beweis lieferten, dafs es ein Männchen ist. 

Der Schwanz liegt mit seinem freien Ende noch unter der 
Schenkelflughaut. 

Die Rückseite und der Hals sind verwaschen ockergelb, 
während Brust und Bauch eine blassere ins olivengrünliche 
übergehende Färbung zeigen. 


Meter 
a ech eenelsrtitennensclserch aha 
ae ER lerne. era To 
ee en age ne Fe ne 
Ohrhöhe . . RE | et Be BE en a a et 
Vorderer ioreind BE ar OT een ish re ae 
ee le ne re 
ee ae eu a ne Bi‘ 
re a a en ren 040335 
Unterarm . . Sr a en TORTE 
L.1.F. Mh. 0,0075; „1 &. 0,01155 2 Gl. BSD a ie ne 
ee 0.04: -. 000 =: 0400355 3 GI..0,0037 . 0,038 
DER 0.035855 - - _ 0,02655: - - 0,040 
BER, E06 - 0,0805: - 0,022 
BE, 00.0385; ,.,- 001825 - ,.0,019 
ee een he Kanten a OT 
Bee. 0. te el arten „050228 
Beeren . ..,.. io 4mha.eLote ee. 0020 
Pros... . i SR N N Re NE Ca0n 
 ekelfinshaut | in de Mitte ne: ei: 


Das beschriebene Exemplar gehört dem Pal Museum 
und ist im Jahre 1864 von Hrn. Grandidier, dem bekannten 
Reisenden und Erforscher Madagascars, in Zanzibar entdeckt 
worden, dem zu Ehren ich diese Art benannt habe. 


7» Cynopterus marginatus Geoffroy—= P. Diardii, Duvauce- 
lü et brevicaudatus G eoffroy. 


Nach den Original- Exemplaren des Pariser Museums muls 
ich die vorstehenden Arten für identisch halten, indem auch 


396 Gesammtsitzung 


©. brevicaudatus nur nach jüngeren Exemplaren derselben Art 
aufgestellt ist. Dagegen ist die unter dem letztern Namen von 
mir aufgeführte Art oder Varietät (Monatsber. 1868. p. ve als 
Cynopt. brachyotus Müller zu bezeichnen. 
8. Nycteris hispida Schreber. 

Von dem Originalexemplar dieser Art (Buffon.X. Taf. XX. 
fig. 1—2) ist nur der Schädel noch vorhanden, dessen Verhält- 
nisse aber ergeben, dafs sie nicht, wie ich vermuthet hatte, 
mit der von mir beschriebenen N. villosa identisch sein kann. 


Meter 
Länge des Unterkiefers . . . N © 
Länge der Stirngrube mit der mitderen Spitze SR 0,0115 


Breite derselben unmittelbar hinter dem Postorbitalfortäät 0,008 
Länge der oberen Zahnreihe ohne die Schneidezähne . 0,0073 
Bänse der unteren -Zahnreike » „* ..." „u "Pr EEE 
Distänz der oberen‘ Eekzahnspitzen :. ?. . .".r, Wil: 
Distanz der untern Eekzahnspitzen . . 2.2... 0,0035 


9. Vampyrus auricularis Saussure, Mammiferes du Me- 
zique p. 75 = Mimon Bennettü Gray. 
10. Phyllostoma elongatum Geoffroy. 

Das Originalexemplar in Weingeist zeigt eine vollkommene 
Uebereinstimmung in Bezug auf das Gebifs mit der von Hrn. 
Gervais gegebenen Abbildung (Chiropteres. Castelnau. Voy. 
Am. Sud. pl. 10. Fig.5), so wie mit der von mir gegebenen Be- 
schreibung. 

11. Tylostoma bidens Gervaisl.c. p.49 — V. bidens Spix 
hat nicht 2—2, sondern $—? Backzähne und kann daher nicht 
in die von ihm aufgestellte Gattung Tylostoma gehören, sondern 
gehört, wie ich schon früher gezeigt habe, zu Lophostoma. 


12. Tylostoma erenulatum Geoffroy. 
Das einzige bisher bekannte Exemplar dieser merkwürdigen 
Art befindet sich in Weingeist und in ziemlich schlechtem Zu- 
stande. Es hat 2—2 Backzähne. 


13. Schizostoma hirsutum n. sp. 

Oben braun, unten weilsgrau, die Haare mit brauger Basis. 
Ohren von Kopflänge, Mittelhandglied des Daumens auf der 
Rückseite behaart und so lang wie die beiden Phalangen zu- 
sammen. Vorderarm oben wie unten fast bis zur Mitte be- 


vom 13. Mai 1869. 397 


haart. Erstes und zweites Glied des dritten Fingers gleich 
lang. Das erste Glied des vierten und fünften Fingers von gleicher 
Länge. Zerstreute Härchen bis zu den Zehen herab und bis 
zur Schwanzspitze. Flughaut bis zur Mitte des Mittelfulses 
angewachsen. Sporn so lang wie der ganze Fulfs. 


Meter 
en Eeaeilanı) arummians -teohanneniis srl « Err05075 
Kopie Hai ul: horise Gshsulasısr Idyia Aalbumd.0ä 
Höhe des E Wiieitzes Dee Selle HeoTehTeikt Bo 
Länge des Nasenbesatzes . ..... 20.200 82 200050055 
Ohrhöhe . . toy Wrsna -arlolew Ahlen ah nahen Ainzs 
Vorderer and als bat -adarslsadl BR W rk un old 
Bean SU ee Es are 
ee een ee nen eg 
in ante Bere ee ho 
lan Yes ennsosh inh Sera Bee 
Enterasmt 4..,'% (|. reed San 
L.1.F, Mh. 0,006; 1G1. 0,0045 2 GL Baron oh dh 
Bee: - 0,055. - 0,034 
re 507 90175 3 cı. 0,0095 u, 0,004 
L.4.F. - 00355  - 00145 - 0,0105 1Kpl. 0,0025 
L.5.F. - 003955 - 90145 =. 001055 = 0,0025 
ee anolanno ie wiwerlsinh sion Bells 
Bersehenkele } u 104% en an ar elaeulT are r0;gi 
Fufs . . 0% 0,0115 
SDOLE > wlcwiin- Ye. Bis il 9,0508 


Distanz der en Ei aannlire ireren 20211042) SAN 0033 


Dürch die Behaarung des Vorderarmes mit Sch. minutum über- 
einstimmend, durch die bis zum Mittelfuls herabsteigende Flug- 
haut sich dem Sch. megalotis mehr annähernd, mit beiden durch 
die gleich langen beiden ersten Phalangen des Mittelfingers über- 
einstimmend und dadurch von Sch. Behnii verschieden, unterschei- 
det sie sich zugleich von beiden durch die ansehnlichere Gröfse. 

Ein ausgewachsenes Männchen im Pariser Museum ohne 
Fundort. 


14. Glossonycteris lasiopyga Peters, Monatsb.1868.p.365. 
Durch Untersuchung mehrerer Exemplare habe ich mich 
überzeugen können, dafs der Jochbogen dieser Gattung wirklich 


398 Gesammtsitzung 


fehlt. Bemerkenswerth ist auch, dafs sich an einem Exemplar 
ein kleiner unterer Lückenzahn zwischen dem 1. und 2. fand, 
so dafs die Zahl der Backzähne bei dieser Gattung oben 6, 
unten 7 jederseits ist. 


15. Anura Wiedii Peters. 

Dals die @Glossophaga ecaudata Geoffroys von seiner 
Gl. caudifer nicht verschieden sei, darüber habe ich mich be- 
reits im vorigen Jahre (Monatsbericht. 1868 p. 364) ausgesprochen. 
Dagegen habe ich mich überzeugt, dafs es in Brasilien noch 
eine andere Art gibt, welche zuerst von dem Prinzen Maxi- 
milian zu Wied beschrieben und abgebildet worden ist und 
welche er für identisch mit @I. ecaudata Geoffroy hielt, die 
wirklich keinen äufseren Schwanzanhang hat. Der Prinz zu 
Wied hat bereits einige Unterschiede seiner Art, namentlich 
die stärkere Behaarung der Beine und Schenkelflughaut, so wie 
die gröfsere Länge der Tibia bemerkt. Er schob die Abweichun- 
gen der Geoffroyschen Abbildung indessen auf die Schuld des 
Zeichners. 

Die Wiedsche Art ist gröfser und stimmt äufserlich wegen 
der stärkeren Behaarung der Schenkelflughaut und der Beine 
mehr mit Glossonycteris lasiopyga überein, während der Zahn- und 
Schädelbau ganz ähnlich wie bei Lonchoglossa caudifera ist. Die 
Wagnersche Beschreibung (Säugethiere.1855.p. 620) scheint sich 
auf diese Wiedsche Art zu beziehen, während die von ihm im 
Wiener Museum als @Il. ecaudata bestimmten Exemplare zu @!. 
caudifer Geoffroy gehören. Wenn man daher auch für die 
Wiedsche Art den von Gray für dieselbe und für die mit ihr 
confundirte GI. caudifer aufgestellten Gattungsnamen beibe- 
halten könnte, so kann der Artname „@Geoffroyi* doch nicht er- 
halten werden und schlage ich daher vor, die Art nach ihrem 
ersten Beschreiber Wiedii zu nennen. ') 


Meter 
Botallänge tailarnaca ab drrnd aobind ao ıoiolguz Tas 
Kopf musst. wall sul. uslounädl aamaadıs VORAB 
Ohrhöhe' „er... is;ue au. je a ul eg u ı 0 0 EEE 


1) Hr. Professor Reinhardt theilt mir mit, dafs diese Art auch 
von ihm in Brasilien gefunden sei. 


vom 13. Mai 1869. 399 


Tasderer Oman 1: ray. ii „intel rad OR 05009 
Deere a eloiam ar molar ni bed een 0083 
ee a sed nn ot. Se tr 
ER ke oa olrars Ati 2079 7 
Unterarm N ne Er 
Bar Mh. 00045 °1 Gl. 0,0035; .2 Gl. 0,0025, . + 000, =. 77 08009 
D.2.8. 2,0843; ı- 0 - RE N. E00 
L.3.F. - 0,8975 - 0,01275 - 0,0205 3G1.0,0115; Kpl.0,0036 
L.4.F. - 0,0375 - 0,0085 - 0,0135 Kpl. 0,001 

LE 3m = 70,03225° .- - 0,00855  - 0,0125 - = 0,0015 
En a a 2.5 
ee, ee RT SEE SH 
Fufs een N ee  oa 
Sporn en mit len saw He EN 20000 
PReskellushaut ın der Mitte . . - . . -. 0,2 .0.,, 050025 


Diese Malse sind von einem ausgewachsenen Männchen 
des Pariser Museums genommen worden, welches von Hrn. 
Gaudichaud im Jahre 1833 bei Rio Janeiro gefangen wurde. 

16. Histiops undatus nov. gen. 
Artibeus undatus(Blainville) Gervais,l.c.p.35 pl.IX.Fig. 
3. (Gebifs.) 

Nur der Schädel dieser ausgezeichneten Art ist noch vor- 
handen, während nach einer gütigen Mittheilung des Hrn. Ger- 
vais das Thier längst verloren gegangen ist. Gebifls und Schädel 
dieser Art beweisen, dafs dieselbe der Gattung Phyllops am 
nächsten zu stellen ist, aber der Schädelbau weicht, namentlich 
durch die tiefe Concavität der Vorderstirn zwischen den Supra- 
orbitalleisten so auffallend von allen anderen bisher bekannten 
Stenodermengattungen ab, dafs sie in eine besondere Gattung zu 
stellen ist, für welche ich den Namen Histiops vorzuschlagen 
mir erlaube. 

17. Stenoderma rufum Geoffroy. 

Nach dem getrockneten ziemlich schlecht conservirten Ori- 
ginalexemplare und der Zeichnung des nicht mehr vorhandenen 
Schädels habe ich die Ueberzeugung gewonnen, dafs diese Art 
zu der von mir aufgestellten Gattung Vampyrops gehört, welche 
daher dem ältern Namen Stenoderma weichen mufs. Es leidet 
keinen Zweifel, dafs das Exemplar wirklich fünf Backzähne 


400 Gesammtsitzung 


hatte, von denen der letzte sehr kleine aber aller Wahrschein- 
lichkeit nach bei der Präparation sowohl oben wie unten verloren 
gegangen ist. Von dem Vorderarm und dem Unterschenkel 
ist nur ein Rudiment zurückgelassen. 


EMFE.Mh. 0,0045 1-61: 0,0075% 2 G1.0,004 ". 7... Ep 
L.2.F. - 0,855 - 0,006 N ee MN a 0,041 
L.3.F. - 0025 - 00135 -  0,02355 3 Gl. 0,015; Kpl. 0,004 
L.4.F. - 0045 - 0,0135 - 0,0155 Kpl. 0,003 

L.5.8. - 0089 1A ae 2 sofa 

Buls 0... 0 ee REN nie Ve 
Beben.“ » 4. Wetım helm. een aa nal 
ODE N a N ee EEE Kan Lande ee 
Schenkelflughaut in der Mitte, . : .....” „2... un. 7 Dean 


13. Phyllorhina diadema Geoffroy = Ph.nobilis Hors- 
field, Temminck. 
Nach Vergleich des Originalexemplars von Ph. diadema 
in Weingeist mit Weingeistexemplaren von Ph. nobilis kann ich 
diese Synonymie mit Bestimmtheit aussprechen. 


19. Diclidurus scutatus n. Sp. 

Schneeweils, nur die kleinen Härchen um die Augen herum und 
die Krallen schwärzlich. Merklich kleiner als D. albus, mit densel- 
ben relativen Proportionen der Glieder der Extremitäten, aber die 
hornartig verdickten beiden blasigen Auftreibungen der Schenkel- 
flughaut hinter dem Schwanze von einander entfernt, weils, 
fischblasenähnlich und von anderer Gestalt. Die erste blasen- 
artige Auftreibung, welcher, wie bei D. albus eine Concavität 
an der Bauchseite entspricht, hat eine fast herzförmige Gestalt, 
ist sowohl oben, wie unten mit einem mittleren Längskiel ver- 
sehen, hat vor diesem Kiel ein Paar neben einander stehende 
punctförmige Eindrücke, denen auf der Unterseite zwei Hervor- 
ragungen entsprechen. Das freie aus der Rückseite der Schenkel- 
flughaut hervorragende Ende des Schwanzes legt sich an die 
Mitte der Basis des vorderen Randes dieser Auftreibung an. 
Diese Auftreibung hat eine Länge und Breite von 4 Millimetern. 
Nach einem Zwischenraum von drei Millimetern findet sich eine 
. flachere Auftreibung, welche ein 0%0052 breites, 0%0017 langes 
Hornstück enthält, von dessen vorderem Rande ein kurzer zahn- 


vom 13. Mai 1869. 401 


artiger Vorsprung ausgeht. Die Ohrklappe ist doppelt so hoch 
wie breit, am Ende abgestumpft, am vorderen Rande convex, 
am hinteren Rande fast grade. 

Als eine bemerkenswerthe Eigenthümlichkeit dei Gattung 
Dielidurus habe ich die aufserordentliche Kürze der ersten Pha- 
lanx des Daumens hervorzuheben, die so grols ist, dafs man 
auf den ersten Anblick verleitet wird, zu glauben, dafs dieselbe 
ganz fehle, da sie zum grolsen Theil noch von den Flughäuten 
umfalst wird. 

Das mir vorliegende Exemplar ist, nach der Beschaffenheit 
des Skelets zu urtheilen, vollständig ausgewachsen und scheint 
ein Weibchen zu sein. Es fehlt leider der Schädel, welcher 
vielleicht nicht unwesentliche Unterscheidungsmerkmale darbieten 
würde. 

Ich füge hier zur Vergleichung die Mafse des Original- 


exemplars von D. albus Wied unter B. hinzu. 
Meter 


ae Fotalläanse ungefähr... : onejrs ei. ER ELHLE, 0,075 


B. - ee eh ee aan a 0 7 O5BRR 
u ID NETADLLT A ee 
B. - ee ee NN) 
7.1. RE. Mh. 0,0036; 8 Gl. 0,0052; 2 Gl. 0,0065 . . . '. . "0,0005 
‚B. - Sn, =: 000065 .- 0,0005... nn. 0,0 
Be es: = 0 en 05046 
2. - 980585: . -...’0,00 

A. L.3.F. - 0,0455 - 0,009; - 0,0234 

B. - - 0,06055 - 0,0095  - 0,0831 

A. L.4.F. - 0,0995 - 0,01075  - 0,0093 

B. - - 004655 - 0,0175 - 0,009 

A. TL.5.F. - 0800 - 0065 - 0,006 

B. - 0,038555 -.° 0,0175 - 0,006 

u 2 EL EU TE ar a 
B. - 47: 0,022 
2 N 0,0088 
a ah rakliin. or A or, 
an re one ne Naila Ner re Dia 
B. - . im: ah ymsw ine urteb oe 


Das ende abe: Pariser FEIERN ist von Hrn. Bara- 
quin in Südamerica gesammelt worden. 


402 Gresammtsitzung ' 


20. Taphozous mauritianus Geoffroy = Taphozous leucop- 
terus Temm. 
21. Mops indicus Fr. Cuvier. 

Im Pariser Museum befinden sich der Schädel: und zwei 
Exemplare in Weingeist aus Sumatra durch Duvaucel. Diese 
Art hat einen äufserst kleinen, oberen, vorderen falschen Back- 
zahn, daher $ Backzähne wie Nyctinomus und stimmt auch im 
übrigen Bau ganz zu dieser Gattung, von der sie. also nicht 
getrennt werden kann. 


22. Myopterus Daubentonü Geoffroy. 

Nur der Schädel ist vorhanden und stimmt ganz überein 
mit dem von Molossops, welcher so der älteren Benennung 
weichen mufs. Die Art ist übrigens viel gröfser, als diejenigen, 
welche ich zu untersuchen Gelegenheit gehabt habe, indem der 
Schädel 0%022 lang, an den Jochbögen 0%013 breit ist, die 
Länge der oberen Zahnreihe, ohne die Schneidezähne, 020083, 
die der unteren Zahnreihe 0009 beträgt. 


25. Molossus acetabulosus Commerson = Nyctinomus na- 
talensis Smith = Mormopterus jugularis Peters. 
Durch die besondere Güte des Hrn. Desnoyer habe ich 
die Originalzeichnung und Beschreibung Commersons von 
dieser Art vergleichen können. In den Velins der Bibliothek 
des Museum d’histoire naturelle ist auf derselben Tafel mit 
dieser Art der Kopf von Rhinopoma microphyllum abgebildet 
worden, und unter diesen Abbildungen steht „Chauve-souris de la 
Caroline“, während eine andere Abbildung, welche Nyetinomus 
 brasiliensis darstellt, ebenfalls in Bleistift die Unterschrift trägt: 
„Chauve-souris du Port St.Louis“. Dieses mag die Veranlassung 
gegeben haben zu der bekannten irrigen Aufstellung von „Räi- 
nopoma carolinense* aus Nordamerica. 


24. Molossus acuticaudatus Geoff. = M. obscurus Geoff. 

25. Vespertilio Davidii n. sp. | 
Diese Art ist sehr ähnlich dem V. mystacinus und unter- 
scheidet sich äufserlich nur durch eine weniger breite Schnauze 
und durch ein wenig längere und am äuflseren Rande schwächer 
eingebuchtete Ohren. Dagegen weicht sie sehr ab durch das 
Gebils. Der obere und untere zweite Prämolarzahn -sind ganz 


vom 13. Mai 1869. 403 


aus der. Reihe heraus nach innen gedrängt und sehr klein und 
die inneren aus dem Cingulum ‚hervorgehenden Zacken der 
Backzähne, welche bei V. mystacinus so. spitz und sehr ent- 
wickelt sind, sind hier nur als stumpfe Höcker vorhanden. 


Meter 
een... an 
2200 fer sr Js 
Ohrhöhe ® . . ® . [ . °. . . . L} . . . L} 0,014 
an 2 0,0 
ee Fries ir 


ee 0 nee an 51000 
er. m. een 4 er“ 
er ea ae ee ne an A 


I ee er BE et 
BER 0000, 1 Gt. 0,00285 2 Gl. 0,005... ... ..,. . 0,007 
ee. = 00T: ur arena ne. Bauen 
L.3.F. - 0,0875 - 0,0855 - 0,0085 Kpl. 0,0046 

L.4.F. - 0,0985 - 00075 - - 0,00655 - - . 0,0015 

L.5.F. - 0,0985  - 000655 -" 0,0555 - 0,0015 

Bnale. .. .. 0. ee u, ST 
Bereenleel 2: rer eeir 0r.a AUERT 
ee a ec 
ee ar nn nee nr er eurer ARTE 


Das einzige Exemplar dieser Art, ein ziemlich ausge- 
wachsenes Männchen, stammt aus Peking (China) und ist von 
Hrn. David, dem das Pariser Museum so viele neue inter- 
essante zoologische Gegenstände verdankt, gesammelt worden. 


26. Vespertilio (Leuconoe) pilosus n. Sp. 

Die beiden oberen Schneidezähne sind zweispitzig, der erste 
hat nach hinten, der zweite nach innen eine kleine zweite Spitze; 
beide Zähne sind gleich grofs, oder der erste ist etwas kleiner; 
die unteren dreilappigen Schneidezähne stehen quer zum Kiefer- 
rande. Die beiden ersten oberen falschen Backzähne sind klein 


‚und mehr nach innen gedrängt, so dafs der erste zum Theil 


noch an den inneren Rand des Eckzahns,, der zweite um die 
Hälfte kleinere an die innere Seite des grofsen dritten falschen 
Backzahns sich anlegt. Der erste untere falsche Backzahn ist 
viel gröfser als der entsprechende obere, der zweite ist ‘viel 


404 Gesammtsitzung 


kleiner, etwas nach innen gedrängt, aber mit seiner Spitze 
deutlich von aufsen sichtbar. A e 

Viel gröfser als V. Capaceinii schlielst diese Art sich dem- 
selben durch die ganze Bildung am nächsten an, hat aber den 
Ohrdeckel nicht so schmal und zugespitzt und den äufsern 
Ohrrand der langen Ohren nicht eingebuchtet. Die Ohr- 
klappe ist nach vorn gerichtet, am hinteren Rande convexer 
als am vorderen, an der Basis des ersteren mit einem kleinen 
Zacken. Die Flughaut geht nicht über das zweite Drittel des 
Unterschenkels herab, der Sporn ist weich und fadenförmig 
verdünnt und die Endspitze des Schwanzes ist frei. Die Rück- 
und Bauchseite der Unterschenkel und die Schenkelflughaut 
bis zur Mitte sparsam fein und lang behaart. Oben braun, 
unten blasser, die Haare an der Basis schwarzbraun. 


Meter 
Fotallänge 2... 0... 20,250 aaa, rn 
Kopf. :.. ‚amere or ps in 2 en Tre 
Ohrhöhe..: is. +: femaWisn: *ooar wi Ve ee 
Vorderer Ohbirand -.."seuwa "-- sn = . 7er 
Ohchreite. 0... o, -0. +, eu em, Sa 
©Ohrklappe ..- .. .= .: -.. =. 2.0 eu, one. 0 Po; 
Schwanz. u. Au ee au nee re A: 
Oberarm , 0... ou ae Sa en a et ei 
Unterarm niiae Sch rain ep Ferner DE a 
L.1.E. Mh. 0,002; ‚1 Gl. 0,0065 2,G1. 0,004 ,.. „odossttf sueasd. Bi 
Bu, 2.:P 000, DIOA6: a > en En eh 
L.3.E.,, :.,.0,0435... 4400125, f515.0,0135;, Kpl.m 0025 
1.4.8.’ >. 008; 004557. -. 0,010 - 0,004 
1.5.8. -. 00455 =. 0,0185, =. 0,0065. = 0.008 
Oberschenkel 1 . 2. 000000 
Unterschenkel .. ...cul0 v0 en ee 
Be ee a VPS 
Sporn ungefähr . „ . . 2... 0.0 Lumen 


Ein ausgewachsenes weibliches Exemplar in Weingeist im 
Pariser Museum, durch Hrn. Lassaux aus Montevideo. 


27. Vesperugo Kreftü n. sp. 
Der erste obere Schneidezahn ist grofs und einspitzig, der 
zweite kaum aus dem Zahnfleische hervorragend, im Querdurch- 


vom 13. Mai 1869. 405 


schnitt viel kleiner als jener. Die unteren dreilappigen Schneide- 
zähne stehen quer zum. Kieferrande. Von den beiden oberen 
falschen Backzähnen ist der erste sehr klein, kaum aus dem 
Zahnfleische hervorragend, von aufsen nicht sichtbar. Die 
Schnauze ist breit und platt, die Ohren sind oval, an der 
Spitze abgerundet, an der oberen Hälfte des Aufsenrandes ein- 


 gebuchtet, mit 4 bis 5 Querfalten versehen; die Ohrklappe ist 


nach vorn gekrümmt, zugespitzt, unter der Mitte am breitesten, 
an der Basis mit einem Läppchen versehen. Die Flughäute 
sind nackt, bis zur Basis des Mittelfulses angeheftet. Die 
Fufssohle ist querrunzelig, der Spornlappen schwach, der Sporn 
dünn und knorpelig und ohne scharfe Grenze in den Sehnenrand 
der Schenkelflughaut übergehend, der Schwanz ragt nur mit 
seinem kleinen Endknorpel über die Schenkelflughaut hinaus. 
Die Gaumenhaut bildet, aufser einer vordern rundlichen, acht 
Querwülste, von denen die sechs letzten getheilt sind. 

Oben dunkler, unten blasser rostbraun, die einzelnen 
Haare an der Basis dunkler, schwarzbraun, die Analgegend 
nebst dem ersten Drittel des Schwanzes mit einfarbig gelbbrau- 
nen Haaren bekleidet. 


Mafse eines ausgewachsenen Weibchens: 


Meter 
ee re an en are 
re. Dt 
Ohrhöhe _. . es a ee TE ma 532 Se arg 
Vorderer N ee re a ae 
N en u ee 
Me ne sin ren er Dog 
NEE ee ee EEE SE En. 
I ee er ERARENEN 
Balerarm .,... N a a ELBE Oma 
L.1.F. Mh. 0,004; 1 6. 0,0046; 9 GE oma... ya 05012 
uZ2PF - 00; EEE EN GEN Palau 
173.8. - 0,043 - 00195 - 0,0135 Kpl. 0,012 
DEE =: 004; ° - 00185." - 0,0095: - 0,002 
Mr E00 ENT, EITUHO0E} ? 2005009 
eekehi, Sartre rare 
EEE el rel SERL ale, antenne 2 lg 
Fuls der: BE RE RL 06125 
Distanz der oberen Eekzahnspitzen en a al eng 


[1869.] 29 


406 Gesammtsitzung 


Das einzige Exemplar dieser charakteristischen Art habe 
ich durch Hrn. G. Krefft aus Neu-Süd-Wales erhalten. 


28. Vesperus Bottaen. sp. 

Schliefst sich durch die Form des Öhrdeckels und den 
ganzen Bau zunächst dem V. serotinus an, ist aber viel kleiner. 
Der obere erste Schneidezahn ist zweispitzig, doppelt so grofs 
wie der zweite und hat seine Spitze nach aufsen gerichtet; die 
unteren dreilappigen Schneidezähne stehen quer zum Kiefer- 
rande. Die Backzähne verhalten sich in ihrer Grölse zu 
einander wie bei V. serotinus. Form des Kopfes, der Ohren, 
Flughäute und Behaarung ebenfalls ähnlich wie bei jener Art. 
Oben bräunlich gelb, unten blafser, die Haare an der Basis 


schwarzbraun; Flughäute dunkelbraun. | 
Meter 


Totallänge ee 
KopEr een ee ee ea ee 
Okrhöhe. -..%.. 0 1. ware ne ee 
Vorderer -Obrrand: u 2.0.0000 0 uch Re a Eee 
Ohcnrerte se, ee gan rn ee ee 


Pragusen Te ae en er De 
SCHWARZE es ae re ee Ne us Se a 
Oberama- win mn N ee ee N = 
Vorderarm ee Te Na Ta ae Ra ee Ne ee 
1:92 F: Mh. 0,0022; 1:G1..0,00355-2.Gl: 0,0025 * - » - =. 2. Sa Ziege 


1:2: FE, -- 90375 7.278008, 2 Wann Se ee 
BIS: Fi - 908375. = 0,0135 - 0,0124; Kpl. 0,0055 
Li Er - 060385 ..> ©0115 -  0,00855  - 0,0025 
L.5.F. - 00355 ° - 0,0095  - 0,00565 - - - 0,002 
Oberschenkel" #- Ja. Ze une ren 2 ne 
Unterschenkel - -.-.- sen or er se mens user aa = SOEBEN 
Pla een a dead an rd 2. 


Ki 4 Bo 


IPOs 3% rare Sn rs Er 
Distanz“der oberen Eckzahnspitzen  .: ..12°. 2 
Länge der unteren "Zahnreibe ... =... u lu, 2 m 

Das beschriebene Exemplar des Pariser Museums, ein aus- 
gewachsenes Weibchen in Weingeist, stammt aus Arabien, 
wo es von Botta im Jahre 1837 gefangen wurde. 


vom 13. Mai 1869. 407 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 
vorgelegt: 

H. Nissen, Das Templum. Antiquarische Untersuchungen. Berlin 
1869. 8. Mit Schreiben des Verf. d. d. Marburg 27. April 1869. 

Mittheilungen d. k. k. geographischen Gesellschaft in Wien. Wien 
1868. 8. 

O. Böttger, Beitrag zur Kenntnifs der Fische der unteren Main- 
gegend. Offenbach a. M. 1869, 4. 

Verhandlungen des naturhistorischen Vereines d. preufs. Rheinlande und 
Westphalens. 25. Jahrgang. Bonn 1868. 8. 

Bibliothek des litterarischen Vereines in Stuttgart. 91—I5 Publikation. 
Tübingen 1869. 8. 

Zeitschrift des Königl. Preu/s. Statistischen Bureaus. 9. Jahrg. 1869. 
Jan.—März. Berlin 1869. 4. 

Monumenta Historiae Patriae. 12. Bd. Turin 1868. Folio. Mit 
Ministerialschreiben vom 28. April 1869. 

Coutumes du pays et duche de Brabant, Quartier de Bruxelles. Tome. 
Brux. 1869. 4. 
Coutumes du pays, duche de Luxembourg et Comte de Ching. Tome 2. 
Bruxelles 1869. 4. Mit Ministerialschreiben vom 7. Mai 1869. 
Nederlandsd Meteorologisch Jaarbock voor 1868. Utrecht 1868. 4. 
Comptes rendus de l’academie des sciences. Tome 67. Paris 1868. 4. 
Quarterly Journal of the geological Society no. 97. London 1869. 8. 
Annali e Bulletino dell’ Instituto di corrispondenza archeologica. Roma 
1868. 8. 

Monumenta spectantia ad historiam Slavorum meridionalium. Vol. 1. 
Agram 1868. 8. 

Stari Pisei Hrvatski. Vol. 1. Agram 1868. 8. 

Jean Sire de Joinville, Histoire de Saint Louis, publie par Natalis 
de Wailly. Paris 1868. 8. 

Recueil de chartes originales de Joinville, publie par N. de Wailly. 
Paris 1868. 8. 

Memoire sur la langue de Joinville par N. de Wailly. Paris 1868. 8. 

Annuaire de Institut des provinces. Vol. 21. Caen 1869. 8. 

Societe des sciences naturelles du Grand-Duche de Luxembourg. Tome 
10. Luxembourg 1869. 8. 

Bulletino di bibliografia e dio storia delle scienze matematiche e fisiche, 
pubblicato la B. Boncompagni. Tomo 1. Roma 1868. 4. 

Gruppe, Rede zur Feier des Geburtstags Sr. Majestät des Königs. 
Berlin 1369. 4. 

Catalogue of the officers and students of the Boston School for the 
ministry (Unitarian) for the year 1868—69. 

23° 


408 


Gesammtsitzung 


J. Plateau, Recherches sur les figures d’equilibre d’une masse ti quide 
sans pesanteur. Serie 8—11. Bruxelles 1868. 8. 


Auf den von der philosophiseh-historischen Klasse geneh- 
migten Antrag der vorberathenden Commission der Boppstif- 
tung beschliefst die Akademie: 


1) 


2) 


3) 


nach $. 1 no. 2 dem Dr. Hermann Ebel in Schneide- 
mühl als einen „Preis“ für seine neue Bearbeitung von 
Zeus grammatica Celtica, deren erster Theil im No- 
vember v. J. erschienen ist, die diesjährige Rate von 
300 Thlrn. zu verleihen; 

da der jährliche Zinsertrag bereits 458 Thlr. beträgt, 
nach $. 5 eine zweite Rate von 150 Thlrn. zu bilden, 
welche jedes Jahr je nach den vorliegenden Bedürfnis- 
sen entweder der ersten Rate von 300 Thlrn. hinzu- 
treten oder abgesondert verwendet werden kann; 

nach $. 9 no. 2 diese zweite Rate im Betrage von 
150 Thlrn. in diesem Jahre dem Dr. A. Leskien in 
Göttingen zur Unterstützung seiner linguistischen Stu- 
dien zu überweisen. 


24. Mai. Sitzung der physikalisch - mathe- 


Hr. 


matıschen Klasse. 


Dove las weitere Notizen über den Sturm vom 7. De- 


cember v. J. und einen Nachtrag, dem sich die Berichtigung 
eines Zeichenfehlers zu seiner Abhandlung über den Sturm vom 
17. November 1866 anschlofs. In derselben ist nämlich die Ba- 
-rometercurve von Upsala um einen Tag zurück zu verschieben, 
so dals das Maximum auf den 18ten fällt. Ä 


vom 27. Mai 1869. 409 


27. Mai. Sammtsitzung der Akademie. 


Hr. Kirchhoff las über zwei attische Votivin- 
schriften aus Perikleischer Zeit. 


I. Vor einiger Zeit erhielt ich durch Hrn. Köhler Mit- 
theilung über ein auf der Burg zu Athen befindliches, bisher 
unedirtes Bruchstück von pentelischem Marmor, welches sofort 
‘mein besonderes Interesse in Anspruch nahm. Die Abschrift 
sah so aus: 


FENAI ON EP AMT 
er a a 


und es war die Bemerkung hinzugefügt, dals das Stück rechts 
und links abgebrochen, oben der Rand erhalten, unten unter- 
halb der zweiten Zeile leerer Raum sei; die Höhe der Buch- 
staben war auf 24 Ct. angegeben. 
Was sich in der ersten Zeile mit Sicherheit erkennen liefs, 
nn / „ . . ge . . .. . 
"Aylıvamv eoyne.., rief mir das Epigramm in das Gedächtnifs, 
welches wir bei Herodot 5, 77 lesen. Nach dem milslungenen 
Einfall der Peloponnesier unter Kleomenes wandten sich, so er- 
zählt der Geschichtsschreiber, die Athener gegen die Chalkidier, 
® .. .. \ 3 [a 
denen die Böoter zur Hülfe kamen: ’ASrvararı ds idolcı rous 
„ m m a m LY 
BoySoüs dogs maoregov roisı Bowroisw 7 roisı Xadzıdaevcıw Emı- 
[nt] 2 nn [ne] nn \ Er 
Keıgei. sum@arrousi re 6% roisı Borwroisır oi Adyvalcı zaı MOAA) 
3 , / \ q / c ‚2 :» m 3 N) 
ERgeFNTRV, ARTE ds moAAoUs cboveusravres ENTEAOTIOUS KUTWV edun- 
m \ m I [q m 3 
yaysav. TuS de aurys raurns Hlaeons [ei "ASIrvaior] Sıaßavres eig 
x „ /} \ m m 7 \ N 
zyv Evfoav sunßarrousı zaı rosı Xarzıdeun, viryoavres de zau 
7 / ’ \ Er J 5 
FOUFOUS FTETFIRAITALNOUS AANDOUNOUS imı av immoßorzuv en Xen 
U Y \ \ ’ E) / 4 m m 3 
_Asımouoiw. 000UG ÖE Au: TOUTWV edwyorsav, ana roisı Bowrwv elw- 
’ 5 > es > LEN , / N 5% 
Yerlazvomsıv EiX,ov zv bVAazr, [2v meöcıs öysavrss]' Xgovu de ErU- 
x u 3 
av acbeas Öimvewg AmorıunFaWeEvor. TG ds medag aurwv, Ev syTıw 
> J > > © „ \ SuNT,R 
2dsdenro, AvErgepasenv eig Tv angomoAw" eiimeg er Aaı eis EHE YTCEV 
regleourat, oEtMejLEV &2 TEINEWU megımedAzusjsevuv mug: Uno ro) 
% \ m ’ m I 
Midov, avriov de TOoU MEryarg9Y TOoU Moos Esmegonv FETOIAJAEVOU. zaL 
En ’ \ ? EEK: 2 I ’ 
Fu Aurgwv TyV Öezaryv avsQyzav, MoImTalLEevor TeIgımmov Yamrneov: 
\ Tl (72 = , 3 \ 
70 de agısreons Yeıgcs ETTNRE MOLTOV eirivri eis To meomUra Te 


> m 6) T R > U I c J 
Eu en argomort ET JEYDRTTO de oL Trade. 


410 Gesammtsitzung 


E9vsa Bowruv zaı Karzıdewv Önuasavrss 
maidss Adyvarwv 20 ymacın Ev moAzmov, 
ÖsruW Ev EyAvoevrı Sıöngew esrleran ußoı* 
Tav Immous Ösxzaryv Harmadı rec” 2Ierar. 
Ähnlich wird die Sache unter Anführung des Epigramms er- 
zählt in den Excerpten aus Diodor 10, 55; letzteres ist aufser- 
dem aus Herodot in die Anthol. Palat. 6, 343 aufgenommen 
(#ö7Aov" “Hoodorov); den ersten und den halben zweiten Vers 
eitirt Aristides 2, 512 Dind. 

Man überzeugt sich hiernach leicht, dafs unser Bruchstück 
von der Basis jenes Weihgeschenkes stammt und in ihm uns 
jedenfalls ein Rest des Originals vorliegt, welches Herodot um 
Ol. 87,2 auf der Burg zu Athen sah und abschrieb. Das 
Epigramm war auf diesem Originale in zwei langen Zeilen 
geschrieben, von denen eine jede einen Hexameter und den 
dazu gehörigen Pentameter enthielt, in Folge wovon die beiden 
Pentameter ungefähr unter einander zu stehen kamen. Die 
Buchstaben waren nach Ausweis des erhaltenen Ausschnittes 
sroıyndcv geordnet und man kann sich durch eine einfache Probe 
leicht davon überzeugen, dafs bei Zugrundelegung dieser An- 
ordnung nothwendig diejenigen Buchstaben unter einander zu 
stehen kamen, welche unser Bruchstück unter einander stellt, 
vorausgesetzt, dafs von den beiden Hauchzeichen, welche die 
zweite Zeile in U@gıw und ?rrous enthielt, das eine nicht ge- 
schrieben war, wie dies auf Inschriften der Zeit, der das Denk- 
mal, wie sich zeigen wird, zugewiesen werden muls, nichts 
Ungewöhnliches ist: 


vom 27. Mai 1869. all 


die zweite Zeile griff nach rechts um wenige Buch- 
staben über die .erste hinaus. 

In den Sammlungen wird das Epigramm gewöhn- 
lich dem Simonides zugeschrieben: fragt man, auf welche 
Autorität hin, so wird man auf die Stelle des Aristides 
verwiesen; sieht man bei diesem nach, so findet man, 
dafs die Worte desselben und der Zusammenhang, in 
dem sie stehen, nicht den geringsten Anhalt für eine 
solche Behauptung, wohl aber für das gerade Gegen- 
theil bieten, wovon sich zu überzeugen ich getrost dem 
Leser überlassen kann. Auch nennt der Scholiast zur 
Stelle S. 351 Fromm. ausdrücklich einen uns freilich 


ISINENTOLEMO- 


PMOSAEKATENTALLAAITÄSAEOESAN 


sonst nicht bekannten Agron als Verfasser: oUrws 
"Aypuv ev Emıyanmarı em zu reYgimmu. Obwohl also 
das Epigramm sicher nicht von Simonides ist und 
auch Herodot uns nicht sagt, wann das Weihgeschenk 
aufgestellt worden ist, sondern nur, auf welche Veran- 
lassung, so scheint doch die Annahme nahe zu liegen, 
dafs die Weihung des Zehnten nicht allzulang nach dem 
Ereignisse, also Anfang von Ol. 68, erfolgt sei. Unter 
dieser Voraussetzung würden wir in unserm Bruchstücke 
einen sichern Beleg für den Charakter der attischen 
Schrift in der genannten Olympiade haben und das 
Fragment im Vergleich zu seinem geringen Umfange pa- 
laeographisch von ganz ungewöhnlicher Bedeutung sein. 

Es schien mir darum nöthig, der Sache weiter 
nachzugehen, und ich ersuchte Hrn. Köhler einen Ab- 
klatsch von dem Denkmal zu nehmen. Dieser Abklatsch 
ist jetzt in meinen Händen und setzt mich in den Stand 
auf der beigegebenen Tafel ein Facsimile der Inschrift 
in der halben Gröfse des Originals mitzutheilen, welches 
einem Jeden verstatten wird, sich über den Charakter 
der Schrift ein eigenes Urtheil zu bilden. 

Ein Blick auf diese Abbildung zeigt dem Kundigen, 
dafs wir es mit einer Inschrift aus der Periode des völlig 
ausgebildeten und gesetzten Schriftcharakters, aus den 
letzten Decennien vor dem peloponnesischen Kriege, zu 
thun haben; diese Inschrift kann wegen der Form des 


O/JENAIONEPAMA 


| 


EONEABOIOTONKA IXALKIAE ONAAMASANTESTAIAESA 
AESMOIENAXLYOENTISIAEPEOIESBESANHYBPINTONI 


412 Gesammtsitzung 


Sigma zwar nicht unter die 84. Olympiade herab, aber ihrem 
allgemeinen Charakter nach auch nicht über die 82. hinauf 
gerückt werden; sie stammt ohne allen Zweifel aus peri- 
kleischer Zeit. Hierin liegt auch nichts Unerklärliches oder 
Auffälliges; viel verwunderlicher wäre vielmehr, wenn ein be- 
reits in der 68. Olympiade auf der Akropolis errichtetes Denk- 
mal dieses Umfanges im Jahre 480 bei Gelegenheit der Occu- 
pation durch die Perser der Zerstörung oder Verschleppung 
entgangen wäre und sich bis auf Herodots Zeiten und noch 
später erhalten hätte. Die Frage ist nur, ob das Denkmal, 
welches Herodot sah und von welchem unser Bruchstück her- 
rührt, als eine in perikleischer Zeit gefertigte Copie oder Nach- 
bildung eines bereits 480 zerstörten oder entführten älteren 
Originals zu betrachten ist, oder ob das Weihgeschenk zur 
Verherrlichung einer älteren Grofsthat des athenischen Volkes 
überhaupt erst in perikleischer Zeit errichtet worden ist und 
vorher zu keiner Zeit und in keiner Form existirt hat. Ich 
trage kein Bedenken mich für die letztere Möglichkeit zu ent- 
scheiden; ich denke, dafs das ursprüngliche Weihgeschenk in 
nichts anderem, als jenen Ketten bestand, welche Herodot an 
dem vom persischen Feuer geschwärzten Mauerstück gegen- 
über dem Opisthodomos des Parthenon hängen sah und welche 
die Raubgier des Feindes nicht hatten reizen können; das viel 
kostbarere Denkmal des ehernen Viergespanns sammt der In- 
schrift auf seiner Basis gehört jener Zeit der im grolsartigsten 
Style angelegten Restauration der Akropolis unter Perikles an, 
welche auf der Brandstätte des eingeäscherten Hekatompedos 
den Parthenon und später die Eingangshalle der Propylaeen ent- 
stehen liefs. Ich neige mich zu dieser Ansicht um so mehr, 
als sie mir durch die Analogie eines ganz ähnlichen Falles ge- 
sichert zu sein scheint. 

II. Denn auch ein anderes, sehr berühmtes Denkmal, 
welches eine andere athenische Grofsthat aus den Zeiten vor 
480 verherrlichte, verdankt nach sicherer Überlieferung erst der 
perikleischen Zeit seine Entstehung. Ich meine die eherne 
Colossalstatue der Athena Promachos, welche Pausanias 1, 28 2 
mit unserem Denkmal zusammenstellt: Yuzıs Ö2 ya or@ zurereEr, 


a, \ b) | j) \ 72 ’ „ > er m 
Övo mev "Adyvalas Ei7ı Öeraraı moAsuyrecrw, ayarıa Ayyvas 


Monatsber d. Berl. Akad. d Wissensch, 1869, Mar. 


vom 27. Mai 1869. 415 


Er N ’ Er an &) , , 
YErAoUV MO Mycwv zwv 8 M RERTWVR amolavruv, TEXUr 
f ’ \ 42 m n be) \ m / \ 
Bardiov — zu aoue zeiraı Yarzovv amo Bowrur dezarn zaı Xar- 


zıdewv rav &v Eußoe. Dals dieses Bildwerk in Beziehung zu 
dem Siege bei Marathon gestanden, sagt zwar nicht ausdrücklich 
Demosthenes de falsa leg. 272: @22 orns PETE iso@s TRS @ax90- 
ToAswS FauryTı za: mormV EUoUYwnptav Ey,ourys map« Tyv Yarınv 
\ I ee > Sn 9 u 3 n RE n 
Tyv meyaryv Ayyvar £4 ÖsEıds EITHAEV, YV RSITTElOV N MoAIS ToU 
mass Foug BagBaoous morsmov Hovruv Tuw "Errrvwv 7a Aorsarree 
+aür aveSyzev, wohl aber von derselben Sache redend Aristides 
2, 288 Dind.: za FaUryV Tv Frudyv 2 Qızouran "Ayyvalcı HM 
Sen TAQRITHTRVTES Tu) ayaruarı rw MagaSwvoQev und der 
Scholiast zu Demosthenes Rede w. Androtion 13. 2, 105® der 
Züricher Ausgabe: 5 ya ayarıara Yu tv 77 drgomoRsı Tns 
"ASyvas Ev Örecbegors Tomas‘ tv nev— | Ö8 ro ame YaAzoU ovov, 
oneo emoimsav virysavrss [ot] Ev MagaTwvr Eradeiro de roUro 
Hoouay,ov "AIyväs. 

Dafs auf der Basis dieser Statue dem Herkommen gemäfs 
eine Weihung in Prosa oder Versen gestanden habe, wird man 
als selbstverständlich zugeben. Meiner Ansicht nach besitzen 
wir sogar noch einen Theil des Epigramms in einem Bruch- 
stücke, welches an der Stelle, wo es veröffentlicht worden 
ist und wo man es nicht suchen sollte, nämlich bei Rangabe 
784°, sich bisher der Aufmerksamkeit entzogen hat. Der Her- 
ausgeber bemerkt dazu: je l’ai decouverte tout recemment dans 
la maison du sieur Georgiades de la rue d’Adrien « Athenes, au 
quartier dit Placa, audessous du pied oriental de !’Acropole, et & 
l’est de la rue des Tripodes. Le proprietaire m’a assure l’avoir 
retiree en dernier lieu d’une fouille qu’il avait faite dans sa cour 
meme. Der Stein befindet sich jetzt im Museum der archäolo- 
gischen Gesellschaft, wo ihn Hr. Köhler hat untersuchen 
können, dessen genauere Abschrift ich hier mittheile. 


414 Gesammtsitzung 


Herr Köhler bemerkt dazu: 
“der Stein ist oben und unten un- 
verletzt, rechts und links abge- 
brochen. Nach Zeile 2 ist nichts 
getilgt, wie Rangabe& meint, sondern 
ebenso wie nach Zeile 4. die Ober- 
fläche des Steines leicht schraffirt, 
als eine Art von Ornament. — Der 
letzte Buchstabe der dritten Zeile 
kann A oder M sein. Hinzuzufügen 


2 


= 


=- OETVLON 
NAMENEO 


ist nur, dals Rangabe Zeile 3 in der 
Mitte vollständiger TTPOSOE und zu 
Anfang der letzten Zeile vor dem A 
noch die Reste eines O hat. Über 
die Mafse fehlen nähere Angaben. 
Die Inschrift war also in vier 
Zeilen geschrieben und enthielt ein 
Epigramm, das, wie die Reste der 
dritten und vierten bekunden, in 
elegischen Distichen abgefafst war. 
Da nun die drei letzten Zeilen nur 
die Reste von nach rechtshin zu ver- 
vollständigenden Pentametern erge- 
ben, so ist die Annahme nicht zu 
umgehen, dals auch auf diesem 
Denkmale, wie auf dem vorher- 
gehenden, Hexameter und Penta- 
meter eines jeden Distichons in 
einer Zeile geschrieben waren, die 
einzelnen Zeilen also nach links durch den Bruch um ein 
solches Stück ihrer ursprünglichen Ausdehnung verkürzt worden 
sind, als ein ausgeschriebener Hexameter in Anspruch nahm. 
Die Basis war sonach von sehr bedeutender Breite und das 
Epigramm bestand aus vier Distichen, von denen das erste 
bis auf geringe und vieldeutige Reste ganz verloren ist, die 
folgenden um den Schlufs ihrer Pentameter und, mit Ausnahme 
des dritten, um ihre Hexameter gekürzt erscheinen; nur vom 
dritten ist der Schlufs des Hexameters auf unserm Ausschnitt 


vom 27. Mai 1869. 415 


erhalten. Der Charakter der Schrift weist auf eine etwas 
frühere Zeit, als der das vorhergehende Denkmal angehört; 
doch ist das Mafs des Abstandes nicht näher zu bestimmen. 
Wenn nun in der zweiten Zeile von der Knechtschaft die Rede 
ist, welche ganz Hellas bedrohte, in der dritten von Männern 
gesprochen wird, welche eine Schlacht vor den Thoren aus- 
fochten, in der vierten endlich das «srv, worunter doch nur 
Athen verstanden werden kann, erwähnt wird, auf welches sich 
eine Thätigkeit solcher bezogen habe, welche die Heeresmacht 
der Perser zum Weichen gebracht, so ist, denke ich, klar, dafs 


- diese Thätigkeit nur in der Rettung der Stadt vor dem An- 


griff der Perser durch einen vor den Thoren derselben erfochte- 
nen ‚Sieg bestanden haben kann, durch welchen eben nicht nur 
Athen, sondern ganz Griechenland vor dem persischen Joche 
bewahrt wurde. Dies pafst meines Erachtens nur auf die 
Schlacht bei Marathon und kann nicht mit Rangabe auf die bei 
Salamis bezogen werden. Da nun kein anderes auf die Schlacht 
bei Marathon bezügliches Denkmal bekannt ist, aulser der Statue 
der Promachos, so ist der Schlufs gerechtfertigt, den ich zu 
ziehen kein Bedenken trage, dafs unser Fragment von der Basis 
dieses Denkmales herrühre. Dafs es nicht auf der Burg selbst 
gefunden worden ist, kann dagegen nicht eingewendet werden, 
da Beispiele von Verschleppungen dieser Art nicht gerade zu 
den Seltenheiten gehören. | 

Übrigens scheint mir das -Ornament, welches die beiden 
ersten Distichen zwischen der zweiten und dritten Zeile von 
den beiden letzten trennt, darauf hinzudeuten, dafs die vier 
Distichen auch ihrem Inhalte nach als in zwei Gruppen zer- 
fallend aufgefalst waren, was in ihrer Fassung begründet ge- 
wesen sein mufs. Unter dieser Voraussetzung wage ich folgen- 
den Herstellungsversuch, der den ungefähren Zusammenhang der 
erhaltenen Reste veranschaulichen soll: 


“Erra[da my] vasav Sovr.o[v Alaceo ideiv]. 


416 Gesammtsilzung 


15: / \ nu ’ e) 

[IH Mara 09 zelvc raAazodıcı, 01 g@ rer ryayv 
m DEN Er > m m 
STYFRUTMEOTTE MUARV ay[goo er ErYarıas, 

’  PSRC ’ > , 
Magvasevor 8 erawrav A>yvaioas morulovA]ov 


„ I Er ’ L. 
asru, Lie INsosov zrwepevol: Svvanır]. 


r. Braun theilte die folgende Abhandlung des Hrn. Dr. 

L. Kny mit: Über den Bau und die Entwickelung 
des Farrn-Antheridiums. | 

Der Bau des Farrn-Antheridiums hat, trotz seiner grofsen 
Einfachheit, die verschiedenartigsten Deutungen erfahren. 

Nägeli, der Entdecker des Organes, beschreibt‘) dasselbe 
als ein drüsenähnliches Gebilde, welches häufig scheinbar einzellig 
ist, meist aber deutlich einen von einfacher Zellschicht um- 
gebenen Sack darstellt, in dessen Innerem die Mutterzellen der 
Spiralfäden entstehen. Seinen Ursprung nimmt es aus einer 
Mutterzelle. Nachdem sich dieselbe über ihre Nachbarinnen 
hervorgewölbt hat, theilt sie sich zunächst durch eine horizon- 
tale Wand. Dieser ersten Wand folgt in der äufseren Zelle 
eine zweite, ihr parallele Wand. Derselbe Procefs kann sich 
in der je äufseren Zelle noch ein bis zweimal wiederholen. 
Es geht aus diesen Theilungen ein confervenartiger Zellfaden 
von 2—5 Gliedern hervor. Jedes Glied zerfällt in eine cen- 
trale und 4 sie umschliefsende peripherische Zellen. Die pe- 
ripherischen Zellen aller successiven Glieder bilden 4 senkrechte 
Reihen und schlielsen. zu einer sackartigen Hülle zusammen; 
die mittleren „Räume* stellen zusammen einen „Kanal“ dar, 
in welchem die Mutterzellen der Spiralfäden entstehen. Nach 
unten ist derselbe durch die Zelle des Vorkeimes, auf welcher 
er festsitzt, nach oben durch die vier Zellen des letzten Gliedes 
geschlossen, welche sich nicht vollständig von einander getrennt 
haben. Endglied und Basalglied bleiben bisweilen ungetheilt. 

Wo die Mutterzellen der Spiralfäden blos von einfacher 
oder doppelter Membran umschlossen zu sein scheinen, ist 
dies nach Nägeli stets die Folge der überwiegenden Volumen- 


!) Zeitschrift für wissenschaftliche Botauik. Bd.I. (1844.) p. 168 ff. 
Tal-Iy. 


vom 27. Mai 1869. 417 


zunahme des Antheridium-Inhaltes und einer hierdurch be- 
wirkten Zusammendrückung der Hüllzellen. Nach Entleerung 
der Spiralfäden dehnen sich letztere wieder aus. 

Graf Leszezyc-Suminski ') läfst im Innern der über 
ihre Nachbarinnen sich hervorwölbenden Antheridium - Mutter- 
zelle eine freie Zelle entstehen, deren Inhalt, ein homogener 
Schleim, wasserhelle Kügelchen oder deutliche mit Kernkörper- 
chen versehene Kerne zeigt. Sobald diese Zelle im Wachsthum 
so weit vorgerückt ist, dafs sie die Wände der ursprünglichen 
Ausstülpung ausfüllt, schliefst sie sich gegen die Vorkeimszelle 
ab. Oft bildet sich zwischen beiden noch eine dritte plattge- 
drückte Zelle, welche dem einzelligen .Antheridium als Träger 
dient. Die Mutterzellen der Spiralfäden entstehen innerhalb 
desselben durch freie Zellbildung. 

Graf Leszezyc-Suminski bildet (Taf. II., Fig. 15) zwar 
aueh ein Antheridium mit besonderer zelliger Hüllschicht ab, be- 
zeichnet dasselbe in der Figurenerklärung aber als krankhaften 
Zustand. 

Wigand’) tritt mit grofser Entschiedenheit für die Ein- 
zelligkeit der Farrn-Antheridien ein, die er bei mehreren, zum 
Theil nicht näher bestimmten Arten untersucht hat. Nach ihm 
entstehen sie häufig aus der unmittelbaren Umbildung von Pro- 
thalliumzellen, ohne dafs ein vorderer, emporgewölbter Theil 
von der Hauptmasse der Zelle sich vorher abgetrennt hätte; 
gewöhnlich aber sei letzteres der Fall. Auf welche Art die 
Mutterzellen der Spiralfäden entstehen, ob durch Theilung oder 
freie Zellbildung, läfst Wigand unentschieden. 

Schacht °) fand die Antheridien bei den von ihm unter- 
suchten Arten (Pteris serrulata, Asplenium Petrarcae, Adiantum 
formosum und Aspidium violaceum) niemals einzellig, sondern 
den Kern stets von einer einfachen Lage wasserheller Zellen 
umkleidet. In der Schleiden’schen Ansicht von dem allgemeinen 
Vorkommen der freien Zellbildung befangen, läfst er diese 


1) Zur Entwickelungsgeschichte der Farrnkräuter (1848) p- 10. 

2) Botan. Zeitg. 1849 p. 22. 

3) Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Farrnkräuter; Linnaea 
1849 Bd. 22 p. 758 ff. 


418 Gesammtsitzung 


Wandzellen als Bläs’chen im Innern der Mutterzelle entstehen. 
Eines unter ihnen soll zur Urmutterzelle der Spiralfadenzellen 
werden, welche letztere ebenfalls durch freie Zellbildung ent- 
stehen. Am Schlufs seiner Darstellung läfst Schacht übrigens 
selbst Zweifel an der Zuverlässigkeit seiner Beobachtung laut 
werden. 

Thuret') fafste den Bau der Antheridien von allen 
früheren Beobachtern durchaus abweichend und, wie wir bald 
sehen werden, zuerst richtig auf. Bei den meisten Polypodiaceen 
bestehen sie nach ihm aus 3 übereinanderliegenden Zellen: einer 
Stielzelle, welche das Organ an den Vorkeim befestigt; einer 
ringförmigen Zelle, welche die Spermatozoiden-Mutterzellen all- 
seitig umschliefst, und einer terminalen Deckelzelle. In manchen 
Fällen reicht der Innenraum des Antheridiums bis zur Fläche 
des Vorkeimes hinab, so dafs auch die basale Zelle zu einer 
Ringzelle wird. Auf welche Weise diese Ringzellen entstehen, 
ob sie gleich als solche angelegt werden oder der Verschmel- 
zung mehrerer Zellen ihren Ursprung verdanken: diese Frage 
läfst Thuret vollkommen unberührt. 

Mercklin ?), dem unter allen bisher genannten Forschern 
das reichlichste Material zu Gebote stand, schliefst sich in der 
Deutung seiner Beobachtungen im Wesentlichen Nägeli an und 
verwirft (pag. 18) die Thuret’sche Auffassung; während Met- 
tenius °) der letzteren unbedingt zustimmt und in Betreff des 
Antheridienbaues einfach auf Thuret verweist. 

‚Nach Hofmeister *) tritt in der Mutterzelle des Anthe- 
ridiums entweder sofort, oder nach einmaliger, sehr selten 
mehrmaliger Theilung derselben durch Querwände, eine Theilung 
durch eine geneigte Scheidewand auf. Die neugebildete Zelle 
zweiten Grades theilt sich sofort durch eine radiale Längswand. 
Nach einmaliger Wiederholung der Theilung der Scheitelzelle 


1) Sur les antheridies des fougeres (Ann. sc. nat. ser. 3t. 11 1849 


p- 7). 

2) Beobachtungen an dem Prothallium der Farrnkräuter (1850) 
pr PE 

3) Beiträge zur Botanik (1850) p. 22. 

4) Vergleichende Untersuchungen etc. (1851) p. 79. 


vom 27. Mai 1869. 419 


durch eine entgegengesetzt geneigte Wand erlischt das Längen- 
wachsthum der Antheridie. Die zweite Zelle zweiten Grades 
wird ebenfalls durch eine radiale Wand in zwei Theilhälften 
_ von Form von Cylinderquadranten zerlegt. Jetzt theilt sich eine 
der Zellen dritten Grades durch eine der Längsachse des Or-- 
ganes parallele, die Seitenwände unter 45° schneidende Wan- 
dung. Die Antheridie stellt nun einen halbkugeligen Zellen- 
körper dar, bestehend aus einer vierseitigen centralen Zelle, ge- 
füllt mit körnigem Schleime, die getragen wird von einer ey- 
‘lindrisechen oder zwei halbeylindrischen Zellen; umhüllt von 
vier Zellen von Form von Oylinder- Abschnitten und bedeckt 
von einer Zelle von Form eines Kugelabschnittes. ..... Die 
Zellen der Antheridie, welche die centrale umschliefsen, ver- 
mehren sich nicht weiter. Die letztere aber verwandelt sich 
nach beträchtlicher Zunahme ihres Umfanges, in deren Folge 
die sie umhüllenden Zellen zur Tafelform abgeplattet werden, 
durch eine Reihe von Zweitheilungen in eine kugelförmige 
Gruppe würfeliger Zellen ...... | 

‘Henfrey'), welcher die Thuret’sche Arbeit nicht zu kennen 
scheint, giebt nieht nur vom Bau der Antheridien eine mit der 
seinen durchaus übereinstimmende Darstellung, sondern geht 
einen Schritt weiter und sucht die Entstehung der Ring- 
zellen zu ermitteln. Nach seinen Beobachtungen bildet sich 
in der Mutterzelle des Antheridiums, entweder unmittelbar oder 
erst nach vorhergegangener Abgliederung einer Basalzelle, eine 
aufrechte, ringförmige Scheidewand, welche an allen Punkten 
simultan auftritt. Die Antheridium-Anlage besteht nun aus 
einer inneren cylindrischen und einer sie umschliefsenden, hohl- 
eylindrischen Zelle. Der ringförmigen Scheidewand setzt sich 
oberseits eine horizontale Wand rechtwinkelig auf; durch sie 
wird die nach oben convexe Deckelzelle von der Centralzelle 
abgetrennt. Ist letztere (oder sind deren Theilungsprodukte) 
später von zwei Ringzellen umschlossen, so gehen dieselben 
nach Henfrey stets aus der Theilung der erstgebildeten Ring- 
zelle mittels einer horizontal herumlaufenden Scheidewand hervor. 


1) On the development of Ferns from their spores (Transactions of 
the Linnean Society vol. 21 p. 121). 


420 Gesammtsitzung 


Im Folgenden wird sich zeigen, dafe meine Beobachtungen 
die von Henfrey gegebene Entwickelungsgeschichte nicht be- 
stätigen. | 

Wigand giebt, im Anschlufs an seine frühere Mittheilung, 
in einer zweiten Arbeit‘) vergleichende Beobachtungen über 
den Bau des Antheridiums bei zahlreichen Farrnspecies. Seine 
frühere Ansicht von der Einzelligkeit des ganzen Organes hält 
er für eine Reihe von Fällen aufrecht. Bei den meisten Arten 
giebt er die Existenz einer besonderen Antheridienwandung zu, 
welche die Mutterzellen der Spermatozoiden entweder allseitig 
oder nur zum Theil umschliefst. Die geschlossenen Ringe, 
deren Vorhandensein ihm nicht entgangen ist, beschreibt er als 
„Kreise peripherischer Zellen“. Die Zahl der zu einem Kreise 
vereinigten Zellen beträgt nach ihm meist 4, zuweilen 5 oder 
6 (l.c.p. 46). 

Hofmeister ?”) hebt Henfrey gegenüber hervor, dafs er 
sich von der Richtigkeit seiner früheren entwickelungsgeschicht- 
lichen Angaben wiederholt überzeugt zu haben glaube. Hohl- 
cylindrische Zellen seien an der Reife nahen und an ent- 
leerten Antheridien zwar erkennbar; dieselben seien aber aus 
der seitlichen Verschmelzung mehrerer Zellen durch Resorption 
ihrer Querscheidewände entstanden. 

Die letzte Darstellung, welche Hofmeister in der Eng- 
lischen Ausgabe seiner „Vergleichenden Untersuchungen“ ®) von 
der Entwickelung der Farrn-Antheridien giebt, weicht von den 
früheren nicht wesentlich ab. „The analogy to be derived 
from the process of development of the antheridia of the Mus- 
cineae renders it probable that the large central cell is formed 
by the production of an excentrical, inclined, longitudinal sep- 
tum in the young antheridium, followed by the production of 
another excentrial septum cutting the latter at right angles, and 
the subsequent formation of a longitudinal septum cutting both 


1) Weitere Beobachtungen über die Keimungsgeschichte der Farrn 
(Botanische Untersuchungen 1854) p. 44 fl. 

2) Beiträge zur Kenntnils der Gefälskryptogamen II. p. 604 Anm. 

3) On the germination, development and fructification of the higher 
Cryptogamia (London 1862) p. 186. 


vom 27. Mai 1869. 491 


the above at an angle of 45°, such formation taking place after 
the apical cell of the antheridium has been isolated by a strongly 
inclined almost horizontal septum cutting the primary longitu- 
dinal septum. Where the central cell is surrounded by two 
zones of enveloping cells it is manifest that the two zones 
originate in the transverse division of the primary single 
zone.“ 

Zuletzt hat sich Strassburger ') mit dem vorliegenden 
Gegenstande beschäftigt. Bei Pteris serrulata theilt sich nach 
ihm die Antheridium-Mutterzelle zunächst durch zwei entgegen- 
gesetzt geneigte Wände, welche dem Grunde des Antheridiums 
schief aufgesetzt sind und die Seitenwände desselben etwa in 
ihrer Höhe schneiden. „Diesen beiden ersten Scheidewänden 
folgen alsbald entsprechend zwei andere entgegesetzte und schnei- 
den dieselben unter 45°. Alle diese vier Scheidewände neigen 
sich nach dem Grunde der Antheridie stark zusammen, ohne 
jedoch dort völlig zusammenzustolsen, und es wird auf diese 
Weise ein mittlerer viereckiger Raum abgeschieden, der sich 
trichterförmig nach oben zu erweitert. Der obere Theil der 
Antheridie ist immer noch einzellig; bald erfolgen aber auch 
hier eine Anzahl Theilungen. Zunächst entstehen vier obere 
Seitenzellen ganz in derselben Weise, wie die unteren entstanden; 
sie sind diesen unteren aufgesetzt und neigen zusammen nach 
dem Scheitel der Antheridie; zwischen diesen oberen Seiten- 
zellen wird schliefslich vom Scheitel der Antheridie eine Deckel- 
zelle abgeschieden, von Gestalt eines Kugelabschnittes. Sa 
wird ein Zellkörper gebildet, der aus einer Centralzelle und 
aus 8 Seitenzellen und einer Deckelzelle besteht. Die Central- 
zelle ist, von oben gesehen, viereckig, in der Mitte ihrer Höhe 
bauchig aufgetrieben , an ihren Enden, namentlich am unteren, 
allmälig verjüngt und wird zur Urmutterzelle der Spermato- 
zoiden. Sie führt reichlich‘ Protoplasma, einen deutlichen Zell- 
kern, während die Seitenzellen alsbald nur noch spärliche Chlo- 
rophylikörner enthalten.“ 


1) Die Befruchtung bei den Farrnkräutern (Mem. de l’Acad. d. se, 
de St. Petersbourg 1868 p. 2). 
[1869.] 30 


422 Gesammtsitzung 


Meine eigenen Untersuchungen beziehen sich bis jetzt nur 
auf wenige Arten. Doch scheinen, nach den in der Literatur 
enthaltenen Angaben und bildlichen Darstellungen zu urtheilen, 
die wichtigsten Verschiedenheiten des Antheridienbaues durch 
sie repräsentirt zu sein. Binnen Kurzem hoffe ich meine Beob- 
achtungen für die meisten Gattungen der Filices vervollständigen 
zu können. Es bedarf kaum der Erwähnung, dafs ich das 
Untersuchungsmaterial nicht den verunreinigten Kulturen der 
Farrnhäuser entnommen habe, sondern dafs die Aussaaten be- 
sonders für meine Zwecke angestellt und sorgfältig gegen fremde 
Eindringlinge geschützt wurden. 


Aneimia hirta besitzt Antheridien, welche sich durch be- 
deutenden Umfang und Einfachheit des Baues auszeichnen. Im 
reifen Zustande (Fig. 5) bestehen sie aus einer flach- cylindrischen 
Stielzelle, einer ihr aufgesetzten, verhältnifsmäfsig hohen Ring- 
zelle, in welcher keine Andeutung einer Längswand sichtbar ist, 
und einer niedrigen Deckelzelle von der Form eines Kugel- 
abschnittes. Das Innere des von den drei Zellen umschlossenen 
Hoblraumes wird von den Spezial-Mutterzellen der Spermato- 
zoiden erfüllt. 

An schmächtigen, sehr gedrängt neben einander gewachse- 
nen Vorkeimen entspringen sie ohngefähr gleich häufig von der 
Unterseite der Laubfläche und vom Rande. In der letztbe- 
zeichneten Stellung ist ihre Entwickelung durch Vergleichung 
verschiedener Stadien leicht zu ermitteln. 

Die jüngsten beobachteten Anlagen, welche kaum als Halb- 
kugel über den Rand hervortreten (Fig. 1) und in frischem Zu- 
stande von trübem Plasma gleichmälsig erfüllt schienen, zeigten 
sich bei näherer Untersuchung nicht nur durch eine Scheide- 
wand von der Randzelle abgetrennt, sondern selbst schon aus 
drei Zellen zusammengesetzt. Die untere, sanft einwärts ge- 
bogene Stielzelle wird von zwei parallelen Wänden begrenzt, 
deren obere die jüngste ist. Ihr setzt sich eine nach aufsen 
gekrümmte, uhrglasförmige Scheidewand in einem mit der pe- 
ripherischen Umgrenzung der Stielzelle concentrischen Kreise 
auf, welche eine innere Zelle von der Gestalt einer biconvexen 
Linse von einer sie bedeckenden, flachglockenförmigen Zelle 


vom 27. Mai 1869. 423 


abscheidet. Während sich die Stielzelle kaum merklich ver- 
längert, wölben sich die beiden anderen Zellen gemeinschaft- 
lich stark nach aufsen. Die sie trennende Scheidewand bleibt 
dabei noch lange sehr zart, so dafs sie der unmittelbaren Beob- 
achtung entgeht (Fig. 2a); nach Behandlung der Vorkeime mit 
Kalilauge und Salzsäure tritt sie aber mit voller Deutlichkeit her- 
vor (Fig. 2b). Etwa zur Zeit, wo die innere Zelle die Form 
einer Halbkugel erlangt hat, entsteht in der sie bedeckenden 
Glockenzelle eine nach oben sich erweiternde, trichterförmige 
Scheidewand, welche sich der Innen- und Aufsenwand in ge- 
schlossenem Kreise aufsetzt. Ihre Bildung scheint eine durch- 
aus simultane zu sein. Es wird durch sie die Deckelzelle von 
der hohleylindrischen Hüllzelle (Ringzelle) abgetrennt. 

In allen 4 Zellen, welche das Antheridium in diesem Ent- 
wiekelungszustande zusammensetzen, ist je ein Zellkern deutlich 
erkennbar. In der Deckelzelle liegt er der unteren Scheide- 
wand an und ist von zahlreichen Chlorophylikörnern umgeben; 
in der Ringzelle schmiegt er sich einseitig der Innenwand an; 
in der Centralzelle nimmt er eine genau mittlere Stellung ein 
und erscheint wegen des reichen Gehaltes an Chlorophyll und 
Protoplasma nur als. hellerer Fleck. 

Centralzelle und Ringzelle wachsen überwiegend in die 
Länge, weniger im Umfang. Dabei wird die Neigung der 
Scheidewand, welche letztere von der Deckelzelle trennt, all- 
mälig etwas geringer. Während alle übrigen Zellen ungetheilt 
bleiben, zerfällt die Centralzelle durch eine Anzahl successiver 
Theilungen in die Specialmutterzellen der Spermatozoiden. Die 
Stellung der Scheidewände zur Längsachse des Organes und 
untereinander ist hier eine ziemlich regellose, wie aus Fig. 3 
und 4 ersichtlich. 

Die Zellen letzter Generation runden sich in der für die 
Specialmutterzellen charakteristischen Weise gegen einander ab, 
bis sie sich vollkommen isolirt haben. Auf die zarte Cellulose- 
membran folgt nach innen zunächst eine Schicht hyalinen Pro- 
toplasmas; gegen die Mitte hin sind im Plasma zahlreiche 
Körnchen eingebettet. Die Entleerung der reifen Specialmutter- 
zellen erfolgt stets durch einen unregelmäflsigen Rifs der Deckel- 
zelle. Die zerfetzten Membranstücke derselben schrumpfen zu- 

307 


424 Gesammtsitzung 


sammen und werden bald unkenntlich. Mit dem allmäligen 
Hervortreten des zelligen Inhaltes geht eine beträchtliche Deh- 
nung der Basalzelle und Ringzelle nach innen Hand in Hand 
(Fig. 6.). Es legt dies die Vermuthung nahe, dafs das Öffnen 
des Antheridiums vorzüglich durch die Turgescenz dieser bei- 
den Zellen bewirkt werde. In der Membran der Ringzelle, 
welche sich gleichzeitig stark verkürzt, bilden sich dabei Falten 
in gröfserer oder geringerer Zahl, welche, von oben gesehen, 
meist nicht über die halbe Dicke des Ringes hinausreichen 
(Fig. 7), bei seitlicher Ansicht aber echten Scheidewänden 
zuweilen täuschend ähnlich sehen. Ich vermuthe, dafs dieselben 
bei den unrichtigen Darstellungen des Baues und der Entwicke- 
lung des Farrnantheridiums eine grofse Rolle gespielt haben. 
Dafs die Ringzelle nicht, wie mehrere der oben genannten 
Forseher annehmen, aus der Verschmelzung von vier oder 
mehr ursprünglich getrennten peripherischen Zellen entsteht, 
sondern dafs sie schon als solche angelegt wird, geht aus dem 
konstanten Vorhandensein von nur einem Zellkern mit voller 
Sicherheit hervor. Auch nach erfolgter Entleerung bleibt der- 
selbe noch einige Zeit deutlich erkennbar (Fig. 6). 


Die Antheridien von Ceratopteris thalictroides (Fig. 
8 — 10) sind denen von Aneimia auf den ersten Blick 
sehr unähnlich. Bei näherer Untersuchung zeigt sich, dafs die 
Verschiedenheit mehr in den Dimensionen der einzelnen Theile, 
als in abweichendem Bau liegt. Die meisten Antheridien neh- 
men hier aus Randzellen des Vorkeimes ihren Ursprung; nur 
wenige entwickeln sich auf der Unterseite der Laubfläche. Bei 
ersteren, die ich allein näher verfolgte, vollziehen sich die Thei- 
lungen der Mutterzelle schon zu einer Zeit, wo diese noch 
kaum merklich über ihre Nachbarinnen hervorragt. 

Die erste Scheidewand ist meist unsymmetrisch und stark 
gekrümmt. Sie legt sich einerseits an die freie Aufsenwand 
der Mutterzelle, andererseits an eine der Seitenwände an, welche 
diese von ihren Nachbarzellen trennen. Die auf solche Weise 
abgegliederte untere Zelle reicht natürlich nur einseitig bis an 
den freien Rand des Vorkeimes (Fig. 9°, 10). Leider fehlt 
mir für den nächsten Theilungsschritt die direkte Beobachtung. 


vom 27. Mai 1869. 425 


Aus dem fertigen Zustande, zusammengehalten mit dem zwei- 
fellos ermittelten Entwickelungsgange bei Aneimia hirta glaube 
ich schliefsen zu dürfen, dafs auch hier der zuerst gebildeten 
Wand eine uhrglasförmige Membran sich aufsetzt, welche eine 
innere Zelle von der Form einer biconvexen Linse von einer 
äulseren flach glockenförmigen Zelle abtrennt. In letzterer 
würde dann, ähnlich wie bei Aneimia, eine nach oben sich er- 
weiternde trichterförmige Scheidewand entstehen, welche Deckel- 
zelle und Ringzelle von einander isolirt. Letztere bleibt hier 
stets kurz und dabei schwach abwärts gebogen. Dies, mit dem 
Fehlen einer eigentlichen Stielzelle zusammengenommen, ist es, 
was den Habitus des Antheridiums von Ceratopteris haupt- 
sächlich bedingt. 

Von der beschriebenen Bildung kommen nur selten Ab- 
weichungen vor. Die gewöhnlichste besteht darin, dafs die 
erste Theilungswand sich, statt nur an eine, symmetrisch an 
beide Seitenwände anlegt (Fig. 9). Nur in den seltensten 
Fällen habe ich reife Antheridien beobachtet, bei denen die 
Sonderung von Ringzelle und Deckelzelle unterblieben war, wo 
also die Specialmutterzellen in einen linsenförmigen Raum 
zwischen zwei Zellen eingeschlossen waren. 


Asplenium alatum besitzt Antheridien, deren Kern meist 
von zwei übereinanderliegenden Ringzellen umschlossen 
wird. (Fig. 14 und 15). Der Deckel ist ebenso, wie bei 
Aneimia hirta und Ceratopteris thalictroides, einzellig. Eine 
Stielzelle ist hier nicht immer vorhanden (Fig. 11, 14, 15). 

An den schmächtigen, sehr gedrängt gewachsenen Vorkei- 
men, welche ich untersuchte, entwickelten sie sich zum gröfseren 
Theikauf der unteren Laubfläche, häufig so massenhaft, dafs 
jede Zelle ein Antheridium trug. Weniger zahlreich gingen sie 
aus Randzellen hervor. Am besten liefs sich ihre Entwicke- 
lung an fädigen Adventivzweigen verfolgen, deren Verästelungen 
häufig mit je einem Antheridium abschliefsen (Fig. 13). 

Die jüngsten von mir beobachteten Anlagen waren etwa 
halbkugelig. Die erste in ihnen auftretende Scheidewand be- 
sitzt die Form eines Trichters; sie setzt sich der ebenen Ba- 
salfläche in einem engen, mit ihrer peripherischen Begrenzung 


426 Gesammtsitzung 


concentrischen Kreise auf und erweitert sich nach oben, um 
sich etwa in der Mitte der kugelig gewölbten Aufsenwand, 
ebenfalls in geschlossenem Kreise, anzulegen (Fig. 11, 12). 
Die untere (und gleichzeitig äulsere) der beiden Schwesterzellen, 
welche schon bei ihrem Entstehen die Form eines an der Basis 
verbreiterten, nach oben zugeschärften Ringes besitzt, behält 
dieselbe im Wesentlichen bei; sie ist fortan keiner weiteren 
Theilung mehr fähig. Die andere, am unteren Ende konisch 
verschmälerte Schwesterzelle läfst in diesem unteren Theile 
einen Zellkern deutlich erkennen. Ihr Längenwachsthum geht 
ausschliefslich in der oberen, freien Hälfte vor sich. Behandelt 
man ein junges Antheridium in diesem Entwickelungszustande, 
wo sich der obere Theil auch in der Aufsencontour von der 
ersten ringförmigen Hüllzelle soeben schwach abzuheben be- 
ginnt (Fig. 13°) mit verdünnter Ätzkali-Lösung und, nach 
einmaligem Auswaschen, mit Salzsäure, so bemerkt man bei 
mittlerer Einstellung eine zarte Theilungslinie, der nach oben 
und unten je ein Zellkern anliegt (Fig. 13°). Diese Scheide- 
wand, welche eine obere, flach glockenförmige Zelle von der 
Centralzelle (der Urmutterzelle der Spermatozoiden) abtrennt 
setzt sich dem oberen Rande der erst entstandenen trichterför- 
migen Zellwand allseitig auf und ist in Form eines Meniskus 
schwach nach aufwärts gekrümmt. 

Mit dem weiteren Längenwachsthum des jungen Antheri- 
diums geht eine stärkere Emporwölbung dieser Scheidewand 
Hand in Hand. Nachdem sie der freien Aufsenwand ohnge- 
fähr parallel geworden, setzt sich ihr in allseitig gleicher Ent- 
fernung vom Scheitel eine ringförmige, nach oben sich schwach 
trichterförmig erweiternde Wand fast rechtwinkelig auf (Fig. 14). 

Die glockenförmige Zelle wird dadurch in eine ringföfmige 
untere und in eine obere Deckelzelle getheilt, welche die Form 
eines gestutzten, mit der sphärischen Basalfläche nach oben 
gekehrten Kegels zeigt. Damit ist die Entwickelung der Anthe- 
ridienhülle in der grofsen Mehrzahl der Fälle beschlossen. 
Beide Ringzellen sowohl, als die Deckelzelle lassen bei auf- 
merksamer Betrachtung je einen Zellkern deutlich erkennen. 
Auch nach Entleerung der Antheridien bleibt derselbe in den 
Ringzellen noch einige Zeit erhalten (Fig. 17). 


vom 27. Mai 1869. 427 


Erst nach Anlage der Antheridienhülle treten in der Cen- 
tralzelle eine Reihe von Theilungen auf, welche zur Bildung 
der Specialmutterzellen führen. Die ersten Scheidewände sind 
meist genau nach der Längsachse des Antheridiums orientirt 
und einander nach drei Dimensionen rechtwinkelig aufgesetzt; 
hierauf wechseln dann noch einige Mal radiale Wände mit 
tangentialen ab. Die Zellen letzten Grades, deren Zahl nicht 
konstant ist, runden sich gegen einander ab. Auf ihre sehr 
zarte Membran folgt nach innen zunächst eine hyaline Plasma- 
zone; der centrale Theil des Inhaltes ist deutlich körnig. 

Das Öffnen des Antheridiums wird offenbar auch hier 
durch die Turgescenz der beiden Ringzellen bewirkt. Nach- 
dem die Deckelzelle unregelmäfsig durchrifsen und die Special- 
mutterzellen entleert sind, dehnen sie sich, unter gleichzeitiger 
geringer Verkürzung, nach innen. Es bilden sich hierdurch 
radial-senkrechte Falten, welche bei seitlicher Ansicht oft täu- 
schend den Anschein echter Scheidewände!) gewähren. Auch 
hier, wie bei Aneimia hirta, überzeugt man sich bei Betrach- 
tung von oben mit Leichtigkeit, dafs sie die äufsere Membran 
nicht erreichen. 

Als Ausnahme beobachtet man zuweilen Antheridien mit 
nur einer Ringzelle.. Diese hat dann, soweit der fertige Zu- 


stand einen sicheren Schlufs gestattet, ganz die gleiche Ent- 


stehung, wie die obere Ringzelle in normalen Antheridien: 
sie ist die Schwesterzelle der Deckelzelle. 

Etwas häufiger wurden Antheridien mit drei Ringzellen 
beobachtet (Fig. 17). Hier wird dann die mittlere wahrschein- 
lich in derselben Weise durch eine trichterförmige Scheidewand 
angelegt, wie die untere. Sicher war dies bei zwei abnormen 
Antheridien der Fall, wo sich die zweite Ringzelle der unteren 
seitlich und schief aufgesetzt hatte (Fig. 16). 


1) In zwei Fällen glaube ich mich bestimmt von dem Vorhanden- 
sein je einer echten radialen Längswand in einer der Ringzellen über-. 
zeugt zu haben. Ich halte sie für nachträgliche Bildungen. Über die 
Art ihrer Entstehung kann ich leider nichts Näheres angeben. 


428 Gesammtsitzung 


Cibotium Schidei schliefst sich unmittelbar an Asplenium 
alatum an, zeigt aber einige bemerkenswerthe Eigenthümlich- 
keiten. Die unterste der zwei Ringzellen, welche auch hier bei 
der überwiegenden Mehrzahl der Antheridien vorhanden sind, 
ruht meist auf einer nur einseitig entwickelten Basalzelle und 
ist dann auf der einen Seite niedriger, als auf der anderen, 
während die obere Ringzelle mehr regelmäfsig entwickelt ist. 
(Fig. 19). Die Deckelzelle bleibt hier nicht ungetheilt, sondern 
zerfällt durch eine auf der Aufsenwand senkrechte, gegen den 
Mittelpunkt der Zelle stark convexe Wand in zwei ungleich 
grofse Tochterzellen. Die gröfsere ist halbmondförmig; die 
kleinere elliptisch, an beiden Enden zugespitzt (Fig. 18). In 
der kleineren der beiden Schwesterzellen findet zuweilen noch 
eine weitere Theilung statt. Entweder wird sie durch eine, auf 
der letztentstandenen, senkrechte Wand halbirt; oder es Setzt 
sich der ersten Wand eine entgegengesetztgekrümmte beider- 
seits auf. Der Deckel ist dann aus einer centralen und zwei 
peripherischen Zellen zusammengesetzt. Nur selten ist die 
zweite Wand des Deckels der erstgebildeten parallel. 

Beim Öffnen des Antheridiums wird der Deckel nicht un- 
regelmäfsig durchbrochen, wie bei Aneimia hirta, Ceratopteris 
thalictroides und Asplenium alatum, sondern es wird die kleinere 
Zelle, oder, wenn er aus dreien besteht, eine der beiden klei- 
neren aus dem Verbande der Nachbarzellen gelöst und zurück- 
geklappt. 

Die Bildung der Ringzellen ist, soweit ich beobachten 
konnte, der bei Asplenium alatum beschriebenen durchaus ana- 
log; auch hier ist die untere von wesentlich verschiedener Ent- 
stehung, als die obere. Die untere wird durch eine trichter- 
förmige Scheidewand von der Urmutterzelle des Antheridiums 
direkt abgeschieden, während die obere neben dem (hier später 
mehrzelligen) Deckel Theilungsprodukt einer glockenförmigen 
Zelle ist. 


Von den beschriebenen Fällen durchaus verschieden ist der 
Entwickelungsgang der Antheridien von Osmunda regalis. 
Geschlofsene Ringzellen kommen bei ihnen niemals vor. Die 
Mutterzelle theilt sich zunächst durch eine schiefe, nach innen 


vom 27. Mai 1869. 429 


\ 


schwach concave Wand, der in der oberen und grölseren der 
beiden Schwesterzellen eine zweite, entgegengesetzt geneigte 
folgt; nur selten bilden sich drei aufeinanderfolgende Wände, 
welche dann in Winkeln von 120° divergiren. Während sich 
die peripherischen Zellen nicht weiter theilen, wird in der 
inneren und gleichzeitig oberen Zelle eine zur Längsachse des 
Antheridiums annähernd senkrechte, nach unten schwach con- 
cave Scheidewand angelegt, die sich den erstentstandenen all- 
seitig ansetzt. Die Centralzelle zerfällt nun durch eine Reihe 
von Theilungen, in denen sich keine bestimmte Regel erkennen 
liefs, in die Specialmutterzellen der Spermatozoiden; die Deckel- 
zelle theilt sich während dessen durch mehrere in gleichem 
Sinne über ihren Scheitel verlaufende Wände in drei bis vier 
Zellen, deren Aufsencontour meist durch nachträgliche Dehnung 
wellig wird. Sie setzen die Antheridienwandung zum gröfseren 
Theil zusammen.') 


Das Interesse der oben mitgetheilten Thatsachen geht weit 
über die Entwickelungsgeschichte der Farrnkräuter hinaus. Zellen 
von der Form geschlofsener Ringe sind, meines Wissens, nur 
am erwachsenen Wedel mehrerer Aneimia- Arten beobachtet 
worden, wo sie die. Schliefszellenpaare der Spaltöffnungen um- 
geben. Über die Art ihrer Bildung besteht eine bisher noch 
ungelöste Meinungsverschiedenheit zwischen Hildebrand?) und 
Strafsburger;?®) darin aber kommen beide überein, dafs die 
Ringzellen nicht als solche angelegt werden, sondern ihre eigen- 
thümliche Form erst nachträglich erhalten. Die Antheridien 
der Polypodiaceen und Schizaeaceen bieten demnach das erste 
Beispiel für eine direkte Entstehung von Ringzellen 
durch Bildung trichterförmiger Scheidewände; sie 


1) Ausführlicheres über die Antheridien von Osmunda werde ich in 
einem binnen Kurzem in Pringsheims Jahrbüchern erscheinenden Auf- 
satze geben. 

2) Über die Entwickelung der Farrnkrautspaltöffnungen. Bot. Zeit. 
1866 p. 245. 

3) Ein Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Spaltöffnungen. 
Pringsheims Jahrb. V p. 309. 


430 Gesammtsitzung 


zeigen gleichzeitig, dafs dieser im Gewächsreich bisher durch- 
aus vereinzelt dastehende Vorgang zwei Modifikationen zuläfst, 
indem die Ringzellen das eine Mal von einer halbkugeligen, 
das andere Mal von einer glockenförmigen Mutterzelle ab- 
gegliedert werden. Hoffentlich gelingt es mir an geeigneteren 
Arten, als die bisher von mir untersuchten, den Procels der 
Scheidewandbildung und das Verhalten des Zellkernes dabei 
genauer zu verfolgen. Erst dann wird es möglich sein zu ent- 
scheiden, ob diese neue Form der Zellbildung sich den bisher 
beobachteten unmittelbar anreiht, oder ob sie wesentlich davon 
verschieden ist. 


Erklärung der Abbildungen. 


Fig. 1. Jüngster beobachteter Enwickelungszustand eines rand- 
ständigen Antheridiums von Aneimia hirta. Die Cen- 
tralzelle besitzt die Form einer biconvexen Linse. 
(Nach Behandlung mit Atzkali und Salzsäure ge- 
zeichnet.) 

„ 2. Etwas älterer Zustand. Die Glockenzelle ist noch un- 
getheilt (a. frisch -, b. nach Behandlung, wie 1. ge- 
zeichnet). 

„ 3. Halberwachsenes Antheridium. Die Hülle ist vollstän- 
dig angelegt; in der Centralzelle sind die ersten Thei- 
lungen bereits erfolgt. (a und b, wie bei 2.) 

„ 4. Etwas älterer Zustand, als 3. (a. und b., wie bei 2.) 

„9. Reifes Antheridium (es wurde während der Beobach- 
tung entleert). 

„ 6. Eben entleertes Antheridium. Rechts ist der Zellkern 
der Ringzelle deutlich erkennbar. 

»„ 7. Schon seit längerer Zeit entleertes Antheridium, von 
oben gesehen. Die innere, gefaltete Wand der Ring- 
zelle ist schon stark gebräunt; der Zellkern ist nicht 
mehr erkennbar. 

» 8. Halbentwickeltes Antheridium von Ceratopteris thalictro- 
ides, von einer Randzelle des Vorkeimes schief ent- | 
springend. Die Hülle ist vollständig angelegt; die 
Centralzelle über’s Kreuz in 4 Zellen getheilt. (Nach 
Behandlung mit Ätzkali und Salzsäure gezeichnet.) 

„ 9. Zwei reife Antheridien derselben Art: a mit normal- 
unsymmetrischer, b mit abnorm-symmetrischer Basal- 
zelle. 


Monalsbericht U K-AA.W. Mai 1869. 


CH Schmid lv 


U 


inır ad nat. del. 


LER 


BAR: 
ee 

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Fig. 10. 


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BR: 
3 
Graph, 
BR 


alsugig: 


vom 27. Mai 1869. 431 


Entleertes Antheridium derselben Art. Eine Special- 
mutterzelle ist im Innenraum zurückgeblieben. 
Antheridium-Anlage von Asplenium alatum. Erst 
die untere Ringzelle ist abgegliedert. Ihr Zellkern lag 
links und war ohngefähr bei mittlerer Einstellung 
deutlich. 


. Wie vorige. 
. Etwas weiterer Entwickelungszustand. Die obere Zelle 


hat sich in eine flach - glockenförmige Aufsenzelle und 
die Centralzelle getheilt (a und b, wie bei 2). 

Die Glockenzelle ist schon in die zweite Ringzelle und 
die Deckelzelle getheilt; die Oentralzelle ist noch un- 
getheilt. (Nach Behandlung mit Atzkali und Salzsäure.) 


. Etwas älterer Zustand. Die Centralzelle ist schon in 


8 Zellen getheilt, von denen nur 4 sichtbar. (Behand- 
lung, wie bei 14.) 


. Reifes Antheridium mit 3 Ringzellen. Die mittlere 


Ringzelle ist der unteren schief aufgesetzt, so dafs deren 
eine Seite von der Umhüllung der Specialmutterzellen 
ausgeschlolsen ist. 


. Entleertes Antheridium mit 3 Ringzellen; in jeder der- 
selben ist ein kugeliger Zellkern deutlich sichtbar. 
. Junges Antheridium von Cibotium Schidei von oben ge- 


sehen. Die Centralzelle ist in 4 Quadranten zerfallen, 
von denen 2 schon wieder getheilt sind; der Deckel 
besteht aus 2 Zellen. (Nach Behandlung mit Atzkali 
und Salzsäure gezeichnet.) 

Junges Antheridium, von der Seite gesehen. Die Cen- 
tralzelle ist noch ungetheill. — Durch ein Versehen 
des Lithographen ist der Kreis, in welchem sich die 
untere trichterförmige Scheidewand an die Aufsenwan- 
dung anlegt, etwas zu tief gerückt. 


Sämmtliche Figuren sind mit der Camera entworfen und 
325 mal vergröfsert. 


432 ' Gesammtsitzung 
v 


Hr. W. Peters las über neue Gattungen und neue. 
oder weniger bekannte Arten von Amphibien (Zremias, 
Dicrodon, Euprepes, Lygosoma, Typhlops, Eryx, Rhynchonyx, Ela- 
pomorphus, Achalinus, Coronella, Dromicus, Xenopholis, Anoplo 
dipsas, Spilotes, Tropidonotus). 

SAURI. 
1. Eremias Brennerin. sp. . 

Schnauze spitz abgerundet. Unteres Augenlid beschuppt, 
undurchsichtig; Suborbitale tritt nicht an den Lippen- 
rand, über dem 5. und 6. Supralabiale, welches letztere drei- 
mal solang wie hoch ist. Nasenöffnung zwischen vier Schild- 
chen, einem inneren, einem unteren, einem sehr kleinen hinteren 
oberen und einem Frenonasale gelegen. Internasale hexagonal, 
wenig breiter als lang. Interparietale kaum so grols wie das 
Nasale superius. Die beiden Supraorbitalia wie bei Er. 
lugubris innen, hinten und aufsen von kleinen ge- 
kielten Schüppchen umgeben, während vor ihnen eine 
gro[lse mittlere, und zwei kleine seitliche Schildchen 
vorhanden sind. Sämmtliche obere Kopfschilder, von 
dem Internasale an, sind sehr zierlich mit feinen er- 
habenen wellenförmigen Längslinien geziert. Das 
erste Frenale ist klein, das zweite sehr grofs, dop- 
pelt so lang wie hoch. Sechs Supralabialia; sieben schmale 
Infralabialia, von denen das 4., 5. und 6. sehr lang sind. Von 
den vier Submentalia jeder Seite ist das letzte fast so lang, 
wie die drei übrigen zusammen. Die Schläfenschuppen sind 
vor der Ohröffnung länglich, hexagonal, gekielt. Die 
Ohröffnung ist ganz ähnlich wie bei Er. lugubris, senkrecht, 
am hinteren Rande grade. Der Rand des Halsbandes wird 
von 6 Schuppen gebildet, von denen die beiden mittleren die 
breitesten sind. Abdominalschilder in sechs Längsreihen. Unter 
den Präanalschuppen ist eine mittlere durch ihre Grölse aus- 
gezeichnet. Jederseits 20 Femoralporen. Gliedmafsen schlank, 
die vorderen bis an die Nasenlöcher, die hinteren über das 
Auge hinausreichend. | 

Die Färbung ist ähnlich, wie bei gewissen Varietäten von Er. 
lugubris. Fünf weilsliche Längslinien, von denen die mittelste sich 
vorn gabelförmig theilt, auf hellbraunem Grunde; zwischen den 


vom 27. Mai 1869. | 433 


Linien einige unregelmäfsige weilse Flecke; die Extremitäten 
‚mit hellen Flecken auf dunklem Grunde, eine dunkle Längs- 
linie auf der Hinterseite der Oberschenkel, welche, so wie die 
ganze Unterseite des Thiers, gelblichweifs ist. 

Ein Exemplar von Hrn. Richard Brenner, einem der 
Reisegefährten des Barons ©. von der Decken, aus Barava 
im Somalilande. 

2. Dicrodon celestis Peters (Monatsberichte d. J.p. 64). 

Der genauere Fundort dieser Art ist Porto Alegre. 
COnemidophorus lacertoides Dum. Bibr. ist nicht damit zu ver- 
einigen, sondern wirklich ein Cnemidophorus und kein Dicrodon. 
Dennoch möchte ich die von mir bezeichnete Art für diejenige 
halten, welche d’Orbigny abgebildet hat, da sie der Abbil- 
dung ähnlicher ist und ich kürzlich auch noch ein paar Exem- 
plare aus derselben Gegend erhalten habe. 

3. Euprepes (Euprepis) Grütznerin. sp. 

Sehr nahe verwandt durch die ganze Gestalt, die Form 
der Kopfschilder und die ebenfalls schwach dreikieligen Rücken- 
schuppen mit E. homalocephalus Wiegm. (E. Smithü Gray). 
Die Schuppen sind aber kleiner und bilden, anstatt 30, 36 Längs- 
reihen. Der vordere Ohrrand ist nicht mit verlängerten zuge- 
| spitzten, sondern mit (drei) kurzen abgerundeten Schuppen be- 
deckt, ähnlich wie bei E. punctatissimus Smith, welcher ihm 
ebenfalls nahe steht, aber sich sogleich durch andere Kopfform, viel 
längeres Frontale medium und stark gekielte Rückenschuppen 
unterscheidet. 

Von dem Hinterhaupt gehen fünf schwarze Linien bis zur 
Schwanzwurzel, welche vier goldgelbe Punktlinien einschlielsen; 
über der Orbita entspringt eine goldgelbe Binde, welche, sich 
auf dem Körper verbreiternd und undeutlicher werdend, jeder- 
seits auf dem Schwanze verliert und von dem Auge entspringt 
unter derselben eine breite schwarze Längsbinde mit einigen 
gelben Pünktchen, welche bereits hinter der Schulter sich ver- 
liert und in unregelmäfsige Fleckenlinien auflöst. Die oliven- 
farbige Oberseite des Kopfes ist namentlich um das Interparietale, 
um die Supraorbitalia und an der Spitze des Frontale mit 
Schwarz geziert. Die olivengrünen Supralabialia haben jeder 
einen gelben Fleck, und die Infraorbitalia sind hellgelb mit 


434 Gesammtsitzung 


Ausnahme ihres oberen scharf abgegrenzten schwarzen Randes. 
Die Unterseite ist metallisch glänzend, grüngelb mit mehr oder 
weniger deutlichen dunkleren zwischen den Schuppen verlau- 
fenden Längslinien. Die Extremitäten sind an der Oberseite 
olivenfarbig mit Schwarz und Gelb punctirt. 

Zwei Exemplare aus Gerlachshoop (Südost- Afrika) von 
Hrn. Missionar Grützner. 

4. Euprepes (Mabuya) laevigatus n. Sp. 

Die schmalen Supranasalia stofsen vorn aneinander, so 
(dafs das Internasale, welches mit seinem hinteren Ende an das 
Frontale medium stöflst, von dem Rostrale entfernt ist. Das 
Frontale ist kaum länger als die Frontoparietalia und das In- 
terparietale zusammen. Von den vier Supraorbitalia ist das 
zweite das gröflste. Die Nasenöffnung liegt im hinteren oberen 
Winkel des Nasale, an welches letztere ein sehr kleines Freno- 
nasale stöfst. Beide Frenalia sind merklich länger als hoch. 
Acht Supralabialia, von denen das sechste längste den gröfsten 
Theil des unteren Augenrandes bildet. Die ovale durchsichtige 
Scheibe des unteren Augenlides ist sehr grofs. Ohröffnung mäfsig, 
schräg, vorn von drei Schuppen bedeckt. Die Körperschuppen 
bilden 35 Längsreihen und lassen keine Spur von Kielen er- 
kennen. 

Olivengrün, mit 6 (am Nacken 7) unregelmäfsigen schwarzen 
Längslinien; zwei weifsgelbe Längsbinden jederseits, von denen 
die obere über dem Auge entspringt und an der Seite des 
Schwanzes verläuft, die untere von der Oberlippe entspringt 
und bis an die Schenkelbuge geht. Gliedmafsen mit schwarzen 
unterbrochenen Längslinien und gelblichen Fleckchen. Unter- 
seite glänzend grünlichgelb. 

Die vorstehende Art liefert einen neuen Beweis, dafs eine 
Trennung der Euprepes-Arten nach der gekielten oder glatten 
Beschaffenheit der Schuppen allein nicht von generischem Werthe 

sein kann, 
| Das vorliegende Exemplar ward ebenfalls in Gerlachs- 
hoop (Südost-Africa) von Hrn. Missionar Grützner ge- 
sammelt. 
5. Euprepes venustus Girard= Euprepes Delalandii Dum. 
Bibr, 


vom 27. Mai 1869. 435 


Durch Hrn. Dr. Strauch hat unser Museum Exemplare 
der vorstehenden Art von den Cap-Verdeschen Inseln er- 
halten. Da A. Smith in seinen Illustrations of South Africa 
nichts von dem Vorkommen dieser Art in Süd-Africa erwähnt, 
sie auch von keinem neuern Reisenden dort gefunden worden 
ist, so dürfte mit grofser Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, 
dafs auch das von Dumeril und Bibron beschriebene Exem- 
plar nicht den von ihnen angegebenen Ursprung hat. 

6. Lygosoma (Mocoa) nigrofasciolatum n. Sp. 

Im Habitus sehr ähnlich dem E. (M.) samoensis Hombr. 
Jacg., aber mit kürzeren Zehen. Nasale von der Gröfse des 1. Su- 
pralabiale, mit grofser in der Mitte seines unteren Randes lie- 
gender Nasenöffnung. Internasale stöfst mit seiner vorderen 
Spitze an das Rostrale, hinten an das Frontale medium, wel- 
ches letztere mit seiner Spitze an die beiden Frontoparietalia 
stölst. Das vordere Frenale trapezoidal, länger als hoch, vorn 
höher als das hintere um die Hälfte längere Frenale. Fünf 
Supraorbitalia, von denen das letzte sehr klein ist. Interparie- 
tale ein wenig kleiner als die Frontoparietalia. Neun Supra- 
labialia, das 2. bis 4. von gleicher Form, halb so lang wie 
das erste, das 6. grölfste bildet zugleich das Suborbitale und 
die drei letzten schuppenförmig. Die durchsichtige Scheibe 
des unteren Augenlides rund. Ohröffnung mälsig, am vorderen 
Rande mit zwei vorspringenden Schuppen. Körperschuppen in 
39 Längsreihen, die des Rückens und der Bauchseite gröfser 
als die seitlichen. 

Oben olivenbraun, metallisch glänzend, mit zahlreichen (auf 
dem Körper etwa 13) unregelmäfsigen schmalen schwarzen, an 
den Körperseiten hellgefleckten queren Fleckenbinden; zwischen 
den Schultern eine schwarze Längsbinde; über der Schläfen- 
gegend und hinter dem Ohr schwarz gefleckt. Augenlidränder 


‘und vorderer Ohrrand gelblichweils. Unterseite metallisch grün, 


Ein 22 Centimeter langes wohlerhaltenes Exemplar, ge- 
kauft, angeblich aus Neu-Caledonien stammend. 
SERPENTES. 
7. Typhlops perditus n. sp. 
Augen nicht sichtbar, Nasenöffnungen am Ende der 
Schnauze stehend, Kopfschilder ganz ähnlich wie bei 7, reticu- 


436 Gesammtsitzung 


latus, nur ist das Nasorostrale hinten viel weniger eingebuchtet, 
das Präoculare daher weniger vorspringend. Körperschuppen 
in 18 Längsreihen. Schuppen der Oberseite olivenbraun mit 
gelbgrünen Rändern, Unterseite und Kopfende grünlichgelb. 

Totallänge 0285; Kopf 0010; Schwanz 09004; m. 
dicke 090048. 

Gekauft, angeblich aus Orizaba. 

8. Erys conicus Schneider, var. laevis. 

Ein Exemplar, welches ich im Jahre 1848 bei Goa fing, 
hat nur die Schuppen des Vorderkopfes und einige Schwanz- 
schuppen schwach gekielt, die übrigen ganz glatt, stimmt aber 
sonst vollkommen mit E. conicus überein und scheint mir den 
Beweis zu liefern, dass die von Gray aufgestellte Gattung Cu- 
soria nicht haltbar ist. 

Achalinus nov. gen.') 

Oberkiefer, Gaumen-, Flügelbeine und Unterkiefer Beni 
Zähne des Oberkiefers zahlreich, gleich lang und glatt. Kopf lang, 
nicht vom Halse abgesetzt; Augen klein, mit runder Pupille; 
2 Nasalia, Frenale mit dem Praeoculare, Postoculare mit den 
Temporalia verschmolzen; Oberkopfschilder in gewöhnlicher 
Zahl; Augen klein; Submentalia kurz; Körper eylindrisch, mit 
langgestreckten, gekielten Schuppen (in 21] Längsreihen) bedeckt; 
Anale und Subcaudalia einfach. 

Gehört zu den Calamariformes aglyphodontes und schliefst 
sich unter diesen zunächst der Gattung Haplocercus Gthr. an, 
von welcher sie aber durch die Pholidosis des Kopfes, nament- 
lich durch die ansehnlichen Nasalia und das grofse doppelte 
Internasale abweicht. . 

9, Achalinus spinalis n. sp. (Taf. Fig. 1). 

Rostrale dreieckig zugespitzt, oben nicht vortretend. In- 
ternasalia dreieckig zugespitzt, länger als breit. Nasenöffnung 
in dem vorderen Nasale gelegen, dahinter eine bogenförmige 
Vertiefung in dem hinteren Nasale, welches letztere über dem 
“zweiten und dritten Supralabiale liegt und nach hinten an das 
grofse doppelt so lange wie hohe Freno-praeorbitale stöfst. - Die 
Praefrontalia sind nicht länger als die Internasalia, aber dop- 


1) @, xahivds (Giftzahn). 


vom 27. Mai 1869. 437 


pelt so grofs, und so breit wie lang. Das Frontale ist breiter 
als lang, pentagonal, hinten stumpfwinkelig, mit seinen kür- 
zesten Seiten zwischen den Supraorbitalia gelegen. Die Parie- 
talia sind sehr lang, hinten zugespitzt, länger als alle übrigen 
Kopfschilder zusammengenommen. Sechs Supralabialia, das 
erste sehr klein, das letzte länger als alle übrigen zusammen 
genommen, das 4. und 5. stofsen ans Auge. Keine besonderen 
Postorbitalia; Temporalia lang 2+2-+-3. Mentale breit und 
sehr kurz, von den Submentalia durch das erste Paar der In- 
fralabialia getrennt. 6 schmale Infralabialia, von denen vier 
mit den Submentalia in Verbindung stehen; 3 Paar kurze Sub- 
mentalia, von denen das erste Paar zusammen eine nach hinten 
zugespitzte herzförmige Figur bildet. Körperschuppen lanzett- 
förmig, deutlich gekielt und ohne Endgruben, ein und zwanzig 
Längsreihen bildend. 149 Ventralia, 1 einfaches Anale und 62 
Sceuta subeaudaliaa Braun mit einer schwarzen Linie längs 
der Mittellinie des Rückens bis zur Schwanzspitze; Bauchseite 
bräunlichgelb, die Halsschilder in der Mitte schwärzlich und eine 
- schwarze mittlere Längsbinde unter dem Schwanze. 

Totallänge 09360; Kopflänge 09090; Schwanz 0%0115; 
Körperdicke 0%007. 

Gekauft; angeblich aus Japan. 


Rhunchonys nov. gen.') 

Vordere Oberkieferzähne klein und gleichförmig, der hin- 
terste gröfser und gefurcht; Zähne der Gaumenbeine und der 
Unterkiefer klein. Schnauzenende sehr vorspringend, scheiden- 
förmig von dem grofsen Rostrale eingehüllt. Augen klein mit 
runder Pupille. Nasenlöcher im vorderen Ende des einfachen 
Nasale gelegen. Körper drehrund, mit glatten rhomboidalen 
(in 15 Reihen stehenden) grubenlosen Schuppen bedeckt. (Kein 
Frenale, 1 Anteorbitale, 1 Postorbitale, keine Internasalia, 2 Paar 
lange Submentalia, Anale und Subcaudalia doppelt.) 

: Gehört zu den Calamariformes opisthoglyphi, durch das 
sehr entwickelte Rostrale an Temnorhynchus, Rhinochilus und 
Cemophora, durch die Körperform an Elapomorphus erinnernd. 


e Puyx.os, evuE. 
[1869.] 31 


438 | Gresammtsitzung 


"10. Rh. ambiniger n. sp. (Taf. Fig. 2). 

Rostrale etwas breiter, als lang, viel niedriger als hoch, 
vorn abgerundet, unten nach der Mundöffnung hin vertieft; 
steht durch einen stumpfen Winkel mit den beiden Präfrontalia 
und jederseits durch einen concaven Rand mit dem Nasale und 
durch einen kurzen geraden Rand mit. dem 1. Supralabiale in 
Verbindung. Die Präfrontalia sind ein wenig länger als breit, 
ihr kürzester vorderer Rand stöfst an das Rostrale, ihr innerer 
Rand, mit dem sie aneinander sto[sen, ist eben so lang, wie 
der hintere untere, mit dem sie an das Anteorbitale und das 
Supraorbitale stofsen; mit ihrem längsten unteren Rande sto[sen 
sie an das Nasale und mit dem nächstlangen hinteren oberen 
Rande bilden beide Schilder einen stumpfen Winkel, den das 
vordere stumpfe Ende des hexagonalen Frontale ausfüllt. Die 
Parietalia sind um ein Drittel länger als das Frontale. Das 
Nasale ist sehr lang dreieckig zugespitzt und stöfst hinten an 
das kleine Anteorbitale, welches ein wenig gröfser als das 
Postorbitale erscheint. Sechs Supralabialia; das erste ist länger, 
aber niedriger als das zweite, welches letztere an das Nasale, 
das Anteorbitale und das Auge stölst, das dritte bildet vorzüg- 
lich den unteren Augenrand und stölst an das Postorbitale; das 
4. kleinste steht nach oben hin nur mit dem Postorbitale in 
Verbindung; das 5. verbindet sich mit dem Parietale und mit 
dem Postorbitale und das 6. legt sich mit seinem oberen Rande 
an das Parietale und nach hinten und oben an das einfache 
Temporale. Das dreieckige kleine Mentale .ist länger als breit 
und wird durch das erste Paar der Infralabialia von den Sub- 
mentalia getrennt. Es sind 7 Infralabialia vorhanden, von 
denen 5 mit den Submentalia in Verbindung stehen, das 4. und 
5. sehr grols, die beiden letzten schuppenförmigen dagegen 
sehr klein sind. Die Submentalia sind gleich lang und dop- 
pelt so lang wie breit. Körperschuppen in 15 Längsreihen. 
224 Ventralia, 1 getheiltes Anale und 33 Paar Subcaudalia. 

Oben olivenbräunlich, unten gelblich; Kopf und Nacken 
schwarzbraun, mit Ausnahme des Oberlippenrandes bis zu dem 
fünften Supralabiale und der Unterseite bis zum 6. Infralabi- 
ale, welche gelblich sind. Schwanzende, mit Ausnahme der 
äufsersten Schwanzspitze, ebenfalls schwarz. 


vom 27. Mai 1869. 439 


Totallänge 09395; Kopf 02010; Schwanz 0%033; Kör- 
perdicke 0%0055. 

Gekauft; angeblich. aus a 

il. Elapomorphus nigrolineatus n. Sp. 

Bräunlichgelb mit fünf schwarzen Längsstreifen, Ki beiden 
breitesten jederseits auf der vierten und fünften, eine schmälere 
längs der Rückenlinie, und eine linienförmige auf der zweiten 
(oberen) Schuppenreihe jeder Seite verlaufend. Der Kopf oben 
fast ganz schwarz, nur auf dem Rostrale, den Internaso-prae- 
frontalia und dem ersten Supralabiale mehr bräunlichgelb und 
an den Seiten ein dem 3. und 4. Supralabiale gemeinschaftlicher 
gelber Fleck. Die ganze Unterseite mit Einschlufs der Unter- 
lippe schmutzig gelb, nur das Schwanzende, mit Ausnahme der 
äufsersten Spitze, schwarz. 

Internasalia mit den Präfrontalia vereinigt. Das Frontale 
wenig grölser als eins der Internaso-praefrontalia. Das ein- 
fache Nasale stölst vorn an das Rostrale, hinten an das Prä- 
orbitale, da das Frenale fehlt. 6 Supralabialia, das 2. und 3. 
ans Auge stolsend, letzteres zugleich das kleine Postoculare 
tragend; das 4. und 5. gehen bis zu dem Parietale hinauf, 
während das 6. durch ein längliches Temporale von demselben 
getrennt ist; hinter beiden letzteren ein zweites Temporale, 
welches viel breiter als lang ist. Das Mentale von den Sub- 
mentalia durch das erste Paar der Infralabialia getrennt. 7 
Infralabialia, welche bis zum fünften gröfsten mit den Submen- 
talia in Verbindung stehen. Zwei Paar Submentalia, von denen 
die des ersten Paares die längeren sind. Körperschuppen in 
15 Reihen. 260 Ventralia, 1 einfaches Anale, 26 Paar Sub- 
caudalia. m 
Totallänge 07375; Kopflänge 0%008; Schwanz 0%027; 
Körperdicke 090045. 

Gekauft; angeblich aus Guinea, wahrscheinlich aber aus 
Südamerica, wie alle verwandten Arten, stammend. 

12. Coronella melanocephala. 


Homalosoma melanocephalum Jan, Calamaridae. 1862. p. 37. 
Rhynchocalamus melanocephalus Günther, Proceed. Zool. Soc. 
Lond. 1864. p. 491. 


In einer kleinen Sammlung, welche Hr. Petermann die 
Güte gehabt hat, mir aus Jerusalem zuzusenden, befinden sich 
3l* 


440 Gesammtsitzung 


drei Exemplare dieser zierlichen Schlange, von denen eins be- 
trächtlich gröfser als die anderen ist. Weder im Gebifls noch in 
der Pholidosis kann ich, bei dem Vergleich mit Coronella austriaca, 
irgend einen Unterschied finden, der zu einer generischen Tren- 
nung von dieser Art berechtigen könnte und zumal in der Bil- 
dung des Rostrale habe ich nicht den geringsten Unterschied 
zwischen beiden Arten finden können. Die kleinen Exemplare 
allein, und solche scheinen Hrn. Dr. Günther nur vorgelegen 
zu haben, dürften allerdings leicht verleiten können, sie als zu 
den Calamariae gehörig und dann als eine besondere Gattung 
zu betrachten. 

13. Dromicus unicolor Dumeril et Bibron = Dromicus 

angulifer Bibron. 

Dafs der in der Erpetologie generale vıı. p. 658 aufgestellte 
Dromicus unicolor unbekannter Herkunft nichts weiter als das 
Junge von Dr. angulifer aus Cuba ist, geht aus der Verglei- 
chung mit direct aus Cuba erhaltenen Exemplaren hervor. 
Auch aus den in der Jan’schen Iconographie gegebenen Ab- 
bildungen beider Arten lassen sich keine Unterschiede erkennen. 

Xenopholisnov.gen.') 

Vordere Oberkieferzähne kürzer und glatt, der hinterste ver- 
längert und gefurcht. Kopf oval, etwas abgeplattet, viel breiter 
als der dünne Hals. Nasenloch vertieft in zwei grolsen Nasalia; 
zwei Internasalia, drei Praefrontaliain einer Querreihe; Auge 
klein mit runder Pupille; ein sehr grolses Anteorbitale; Supra- 
orbitale klein; 1 Frenale; Submentalia mäfsig lang. Körper 
nach der Mitte hin verdickt, mit verlängerten glatten gruben- 
losen Schuppen (in 17 Reihen) bedeckt. Anale einfach, Sub- 
caudalia doppelt. 

Eine Gattung, welche sich den Dipsadomorphi vpleiee 
anschliefst, durch den abgerundeten, nicht zusammengedrückten 
Körper und das breite kurze Frontale dagegen mehr an O«y- 
rhopus erinnert. Die ganz regelmälsige Theilung des Präfron- 
tale in ein mittleres grolses und zwei kleinere seitliche Schil- 
der ist sehr eigenthümlich und bisher bei keiner Schlange be- 
obachtet worden. 


. 1) Eivog, dokts. 


vom 27. Mai 1869. 441 


14. Xenopholis Braconnieri n. sp. (Taf. Fig. 3.) 

Rostrale in seinem aufsteigenden Theile sehr verschmälert, 
seine Spitze kaum von oben sichtbar. Nasenlöcher länglich, 
von vorn sichtbar, nahe dem vordern Schnauzenende liegend; 
vorderes Nasale vorn am höchsten, mit einem Winkel zwischen 
dem Rostrale und ersten Supralabiale fast bis zum Lippen- 
rande herabsteigend; hinteres Nasale am hintern Rande grade 
abgestutzt, an das Frenale stofsend. Internasalia sehr kurz, 
zweimal so breit wie lang, hinten zugespitzt, zusammen eine 
Sichel bildend. Das mittlere Praefrontale ist so breit wie lang, 
stölst mit seinem vordern convexen Rande an die Internasalia, 
mit seinen concaven seitlichen Rändern an die seitlichen Prae- 
frontalia, mit seinem hintern graden Rande an das Frontale 
und mit seinen hinteren abgestumpften Winkeln an die Präor- 
bitalia; jedes seitliche trapezoidale Praefrontale stöfst oben mit 
seinem längsten convexen Rande an das Praefrontale medium, 
unten mit seinem nächstlangen Rande an das Frenale, vorn an 
das Internasale und das Nasale und hinten an das Praeorbitale. 
Das Frontale ist breiter als lang, im Allgemeinen dreieckig, 
stölst mit seinem vordern graden Rande an das mittlere Prae- 
frontale, mit seinen abgestumpften vordern Winkeln jederseits 
an das Praeorbitale und mit den Seiten seines hintern spitzen 
‚Winkels an die Supraorbitalia und die Parietalia. Letztere sind 
so lang wie die Frontalia zusammen und hinten abgerundet; 
das rechte steigt bis zu dem untern Postorbitale herab, wäh- 
rend die untere Spitze des linken als ein getrenntes Schildchen 
erscheint. Das Frenale ist trapezoidal, länger als hoch und 
liegt mit seinem längsten unteren Rande über dem 2. und 3. 
Supralabiale. Das grofse Anteorbitale stölst unten an das 3. 
und 4. Supralabiale und breitet sich oben so aus, dafs es die 
vordere Hälfte des Supraorbitalrandes bildet und das Supra- 
orbitale nur eine geringe Gröfse hat. Zwei Postorbitalia; 8 Su- 
pralabialia, von denen das 4. und 5. unter dem Auge liegen, 
das 5. und 6. an das untere Postorbitale stolsen. Temporalia: 
ein vorderes langes, an das untere Postorbitale stofsend, dahin- 
ter auf der linken Seite ein langes oberes und zwei kurze un- 
tere, auf der rechten Seite fünf kurze in zwei Querreihen. 
Das Mentale ziemlich klein dreieckig zugespitzt, durch das 


442 Gesammtsitzung 


verlängerte erste Paar der Infralabialia von den Submentalia 
getrennt; 9 Infralabialia jederseits, von denen fünf die Submen- 
talia berühren, welche von gleicher Länge und um die Hälfte 
länger als breit sind. Die glänzend glatten Körperschuppen 
bilden 17 Längsreihen. 137 Ventralia, 1 einfaches Anale, 39 
Paar Subcaudalia. 

Oben violetbraun, mit blauschwarzen weilslich geränderten, 
unregelmälsig ziekzackförmig alternirenden oder zu einer Quer- 
binde vereinigten und durch eine dunkle mittlere Rückenlinie 
zusammenhängenden Flecken; Unterseite weils. 

Totallänge 0%290; Kopf 0%010; Schwanz 0%055; Körper- 
dicke 0%006. 

Von dem Naturalienhändler Boucard als „Elapomorphus 
Braconnierü“ gekauft, und obgleich diese Schlange, so viel ich 
weils, nirgends beschrieben worden ist, behalte ich doch gern 
den Species-Namen zu Ehren des Hrn. Seraphin Braconnier, 
des wohlbekannten und geschickten Assistenten für die herpe- 
tologische Abtheilung des Pariser Museums, bei. 

Anoplodipsasnov. gen.') 

Oberkieferzähne sämmtlich klein und ungefurcht; Zähne in 
den Gaumen- und Flügelbeinen. Kopf breit, von dem dünnen 
Halse abgesetzt; Pupille rund; Nasenöffnung weit; zwei Nasalia; 
Kopfschilder in gewöhnlicher Zahl; vordere Submentalia länger 
als breit; Körper langgestreckt, zusammengedrückt, mit verlän- 
gerten, glatten, grubenlosen Schuppen, die der Mitte des Rückens 
z. Th. verbreitert hexagonal; Bauchschilder seitlich winklig ge- 
bogen, Anale und Subcaudalia einfach. 

Diese Gattung gehört zu den Dipsadomorphi aglyphodontes, 
unter denen bisher nur eine, Amblycephalus, durch Scuta sub- 
caudalia ausgezeichnet ist und sich von der vorstehenden so- 
wohl durch. die Beschildung des Kopfes wie die Körperform 
leicht unterscheiden lälst. 

15. Anoplodipsas viridis n. sp. (Taf. Fig. 4). 

Rostrale das vordere Ende der etwas schräg nach hinten 
und unten abgestumpften Schnauze bildend; Internasalia dop- 
pelt so breit wie lang; Präfrontalia wenig breiter als lang und 


1) Avomkog, dtbas. 


u 


vom 27. Mai 1869. 443 


fast dreimal so lang wie die Internasalia, mit ihrem längsten 
convexen Rande an das Internasale und das Postnasale, mit 
ihrem kürzesten äulseren Rande an das Frenale, hinten und 
unten mit einem concaven Rande an das Präorbitale und hinten 
und oben mit einem graden Rande an das Frontale stolsend. 
Das Frontale ist um ein Viertel länger als vorn breit, vorn 
grade, hinten stumpfwinklig und steht durch einen vorderen 
abgestumpften Winkel jederseits mit dem Präorbitale in Ver- 
bindung. Das Supraorbitale ist vorn viel schmäler als hinten. 
Die Parietalia sind merklich länger als breit, vorn so breit wie 
das Frontale lang ist. Frenale trapezoidal, höher als lang. 
Das einfache Präorbitale ist hoch, und stöfst unten an das 
dritte und vierte Supralabiale.. Zwei Postorbitalia, das untere 
mit einem langen Temporale in Verbindung stehend, auf wel- 
ches noch 3 bis 4 Temporalia folgen. Acht Supralabialia, von 
denen das 4. und 5. ans Auge stofsen und das 7. das gröfste 
ist. Das spitzdreieckige Mentale wird durch .das erste Paar 


‘ der Infralabialia von den Submentalia getrennt. Zehn Infrala- 


bialia jederseits, von denen 6 mit den Submentalia in Berüh- 
rung stehen, das 6. durch seine Grölse ausgezeichnet ist. Die 
vorderen Submentalia sind doppelt so lang wie breit, die hin- 
teren kaum länger als breit. Die Schuppen bilden 17 Längs- 
reihen, unter denen die der mittelsten z. Th. breit und hexa- 
gonal sind. 216 Scuta abdominalia, 1 einfaches Anale, 101 Scuta 
subcaudalia. 
Oben und an den Seiten grün, unten grüngelb. 

Totallänge 0%720; Kopflänge 0%182; Schwanzlänge 0%015; 
Körperhöhe 0%010; Körperbreite 0%005. 

Gekauft; angeblich aus Neu-Oaledonien. 

16. Spilotes fasciatus n. Sp. 

Körper zusammengedrückt; Schuppen glatt, auf der Mitte 
des Rückens schwach gekielt, mit einem undeutlichen Endgrüb- 
chen, in 23 dachziegelförmig gelagerten Längsreihen. Kopf 
breit und lang, fast doppelt so lang wie breit, vom Halse ab- 
gesetzt; Augen grofs. Rostrale etwas breiter als hoch, oben 
abgerundet und nicht zurückgebogen; Internasalia breiter als 
lang, wenig kürzer als die Präfrontalia. Frontale vorn sehr 
breit, jederseits an das Anteorbitale stolsend, mit seitlichen con- 


444 Gesammtsitzung 


caven Rändern, wenig länger als breit; Supraorbitalia hinten 
eben so breit wie das Frontale in der Mitte; Parietalia wenig 
länger als das Frontale, hinten abgestuzt; Nasalia grofs; Fre- 
nale trapezoidal, länger als hoch; 1 grofses Anteorbitale, zwei 
Postorbitalia; Supralabialia rechts acht, links neun, von denen 
das letzte sehr lang ist, rechts das 4., 5. und 6., links das 5. 
6. und 7. den unteren Augenrand bilden; Temporalia 2+2+ 
3. Das stumpfwinkelige Mentale wird durch das sehr ent- 
wickelte erste Paar der Unterlippenschilder von den Submen- 
talia getrennt; 12 Infralabialia jederseits, welche bis zum 9. 
gröfsten mit den Submentalia in Verbindung stehen. Zwei 
Paar Submentalia von gleicher Länge, jedes Schild nicht ganz 
doppelt so lang wie breit. 191 Ventralia, 1 einfaches Anale, 
132 Paar Subcaudalia. 

Bräunlichgelb, schwarz besprengt; letzteres bringt auf dem 
Rücken grofse schwarze Flecke hervor, welche verschmälert 
und bogenförmig an der Seite bis zu schwarzen Flecken herab- 
steigen, die sich auf dem Bauche über die Seitentheile von je 
2 bis 3 Bauchschildern ausdehnen. Lippen gelb, mit schwarzen 
Flecken auf den vorderen Lippenschildern und unter den Au- 
gen, eben so schwarze Pulverung auf dem Mentale und den 
ersten Infralabialia, so wie auf der Grenze des 8. und 9. 
Bauchseite des Körpers und Schwanzes in der Mitte schwarz 
gepulvert. 

Totallänge 07390; Kopf 0 07018; lmaız 09105; Körper- 
höhe 0%010; Körperbreite 09005. 

Gekauft; angeblich vom Maroni (Surinam). 

E Tropidonotus ruficeps n. Sp. 

Oberseite des Kopfes und Hals rostroth, Präorbitale gelb, 
ein schwarzer Querstreifen von dem vorderen Ende des ersten 
Temporale zwischen das 6. und 7. Supralabiale herabsteigend. 
Körper und Schwanz olivengrün, jederseits eine gelbliche 
Binde auf der sechstuntersten Schuppenreihe und den Seiten 
der angrenzenden Schuppen verlaufend; die ganze Unterseite 
grünlichgelb. Kopf auffallend kurz. 8 Supralabialia, von denen 
das 3., 4. und 5. unten ans Auge stolsen; 1 hohes Anteorbitale, 
3 Postorbitalia; Internasalia und Präfrontalia gleich lang; Pa- 
rietalia hinten abgestuzt, nicht länger als das Frontale; Tem- 


}.Achalınus spinalis. 2 Rhunchonyx ambiniger. 3. Xenopholis Bracomnieri. 


+ Anoplodipsas viridis. 5.Stvporhvnchus truncatus. 
JDL franz Wagner gezu.lith. Druck vbebr Dehus 


AO hr BR 
BEN ER An 


vom 27. Mai 1869. 445 


poralia 1+2-+3. Infralabialia 10, davon 7 mit den Submen- 
talia in Verbindung stehend. Körperschuppen, mit Ausnahme 
der beiden untersten gröfseren Reihen, stark gekielt, in 19 Längs- 
reihen. Anale getheilt. 

Von Hrn. Dr. Schetelig aus Californien; geschenkt. 


Erklärung der Abbildungen. 


Fig. 1. Achalinus spinalis Peters, Kopf von der Seite; la. von oben, 
1b. von unten; lc. Analgegend. 
2. Rhynchonyx ambiniger Peters. 
3. Äenopholis Braconnierü Peters. 
„ 4. Anoplodipsas viridis Peters. 
5. Styporhynchus truncatus Peters (Monatsber. 1863.p.399). 
Fig. 1—3 in doppelter, 4 u. 5 in natürlicher Gröflse. 


Nachtrag. 


1. Chamaeleo calcaratus n. Sp. 

In der vorläufigen Übersicht der von mir gesammelten 
Amphibien (Monatsberichte 1855. p. 615) habe ich auch C’hamaeleo 
‚calyptratus Dum. aufgeführt, welcher mir damals nur nach der 
in dem Catalogue meth. de la collect. des Reptiles. 1851 p. 31 gege- 
benen Beschreibung bekannt war. Eine Vergleichung mit der 
von Dumeril später gegebenen Abbildung (Archiv. du Museum. 
vı. Taf.21. Fig.1) liefs mich sogleich die Verschiedenheit dieser 
Art erkennen. 

Auch wurde ich erst jetzt darauf aufmerksam, dafs Ch. 
calyptratus in den Nilgegenden und nicht in Madagascar (wie 
Hr. Gray noch neuerdings angibt) zu Hause ist. 

Kopfform ähnlich wie bei Ch. calyptratus und verrucosus; 
Kamm hinten jederseits mit einer schmalen Klappe, welche mit 
grofsen polygonalen Schuppen bedeckt ist; Kinn, Kehle und 
Anfang des Rückens mit einer Mittelreihe kurzer conischer Tu- 
berkeln, welche am Hinterrücken, an der Brust und am Bauch 
kleiner und meist ohne Spitze sind. Körperschuppen am Rücken 
grofs und platt, quadrangulär oder rundlich, nach dem Bauche 

[1869.] 32 


446 Gesammtsitzung 


hin kleiner und in Querreihen stehend, welche durch feine Körn- 
chen von einander getrennt werden. Gliedmafsen überall mit 
grofsen, meist platten, mehr oder weniger rhomboidalen Schup- 
pen bedeckt. Hand- und Fuissohlen mit grofsen quadrangulä- 
ren platten oder flach convexen Schuppen bekleidet; am Hacken 
ein stumpfer mit grofsen polygonalen Schuppen bekleideter 
Sporn. Krallen grols. 

Gelb und braun, ein gelber Streif auf der Schulter vom 
Halse ausgehend und eine unregelmäfsige gelbe Längsbinde, 
welche von der Basis des Oberarms ausgeht. 

Eine eingehendere Beschreibung und Abbildung dieser Art 
werde ich in meinem Reisewerk geben. 

Das einzige Exemplar stammt aus Bembatuka (West- 
küste von Madagascar), wo es im November 1845 von meinem 
Freunde F. Barnard gefangen wurde. 

2. Diplodactylus furcosus Peters, Monatsber. 1865. p. 229 
—= Diplodactylus ornatus Gray, Lizards of Australia and 
New Zealand. Taf.16. Fig. 2. 

Die Übereinstimmung dieser Arten habe ich erst erkennen 
können, nachdem die eitirte Abbildung veröffentlicht worden 
ist, während dieses mir nach den kurzen Angaben in dem Ca- 
talogue of Lizards p. 149 nicht möglich war. 

3. Heteropus rhomboidalis n. sp. 

Schuppen glatt oder undeutlich mehr- (5-) kielig, in 32 
Längsreihen. Ohröffnung rund, mäfsig, vorn mit einer vor- 
springenden Schuppe. Nasalia ganz seitlich; Internasale fast 
doppelt so breit wie lang; Präfrontalia getrennt; Frontale vorn 
und hinten abgestutzt; das einfache Frontoparietale mit dem In- 
terparietale zu einem einfachen rhomboidalen Schilde vereinigt. 
Aufser den 4 Supraorbitalia hinten noch ein kleines fünftes. 
Durchsichtige Scheibe des unteren Augenlides grols. 7 Supra- 
labialia, von denen das 5. grölste unter dem Auge liegt. Vor- 
dere Gliedmalsen reichen bis an den vorderen Augenrand, hin- 
tere mit der 4. Zehe bis in die Achselgrube. 

Oben braun, mit einer undeutlich begrenzten schwarzen 
Binde jederseits, von der Ohröffnung beginnend; auf dem Rücken 
jederseits eine Reihe schwarzer Fleckchen; Unterseite 'allent- 
halben gelbgrün oder mit der Unterkinngegend bläulich. 


vom 27. Mai 1869. 447 


In der Sammlung des Hrn. Godeffroy befinden sich 
mehrere Exemplare dieser Art von Port Mackay in N. O. 
Australien. 

4. Dromophis praeomatus n. gen. 
Dendrophis praeornatus Schlegel. 
Oxyrhopus praeornatus Dumeril et Bibron. 
Chrysopelea praeornata Günther. 

Hr. Dr. Günther hat bereits wiederholt die and Ver- 
wandtschaft dieser zierlichen Art mit den Psammophis hervor- 
gehoben und ich mufs ihm hierin vollkommen beistimmen. Da 
jedoch sowohl die Bildung des Gebisses, wie die eigenthüm- 
liche bogenförmige, mit einer hinteren Klappe versehene Nasen- 
öffnung eine Vereinigung mit dieser Gattung nicht gestatten, 
so scheint es mir nothwendig, für dieselbe eine besondere Gat 
tung aufzustellen. | 

9. Platymantis unilineata n. sp. 

In der Körperform, Bezahnung und Proportion der Extre-. 
mität mit Pl. vitiana übereinstimmend, nur verschieden dadurch, 
dafs die beiden ersten Finger von gleicher Länge sind. Dun- 
kelbraun mit einigen undeutlichen dunkleren Flecken und von 
der Schnauzenspitze bis zur Analöffnung eine scharfbegrenzte 
goldgelbe (oder rothe) Längslinie. 

Von Grofs Viti in der Godeffroy’schen Sammlung. 

Ich erlaube mir, bei dieser Gelegenheit anzuführen, dafs die 
Artenzahl der Dairachia anura des Berliner Museums, welche 
sich bei dem Anfang meiner Verwaltung nur auf 117 belief, ge- 
genwärtig 325 beträgt, also noch um ein Geringes das British 
Museum in dieser Beziehung übertrifft, da letzteres nach den 
neuesten Mittheilungen (cf. Dr. Günther, Proc. Zool. Soc. Lond. 
1868. p.478.) 315 Arten enthält. 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 
vorgelegt 
Jahresbericht des physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M. für das 
Rechnungsjahr 1867—1868. Frankfurt a. M. 1869. 8. 
Verhandlungen des naturforschenden Vereins in Brünn. 6. Bd. 1867. 
Brünn 1868. 8. 


% 


448 Gesammtsitzung vom 27. Mai 1869. 


Dritter Jahresbericht des Vereins für Erdkunde zu Dresden. Dresden 
1866. 8. 

Annalen der Landwirthschaft in den k. preu/s. Staaten. 27. Jahrg. IV. 
Berlin 1869. 8. 

H. Fischer, Kritische mikroskopisch-mineralogische Studien. Freiburg 
i. Br. 1869. 8. 

Verhandlungen des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Ober- 
schwaben. Neue Reihe. 1. Heft. Ulm 1869. 4. 

Schweizerische meteorologische Beobachtungen. Juni — August 1868. 
Bern 1868. 4. 

Annalen der Münchener Sternwarte. Supplement 6 u. 7. München 1868. 8. 

Annales des mines. Tome XIV, Livr. 6. Paris 1868. .8. 

Atti_ della societa italiana di scienze natural. Vol. XI, no. 3.4. Mi- 
lano 1869. 8. 

Oversigt over det Kgl. Danske Videnskabernes Selskabs Forhandlinger. 
1867, no. 7. 1868, no. 3. 4. 1869, no. 1. 

Memorie della societa italiana di scienze natural. Tomo IV, no. 3. 
Milano 1868. 4. 

Bulletin de la societe vaudoise des sciences naturelles. TomeX, no. 61. 
Lausanne 1869. 8. 

Verhandlungen des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm. Neue 
Reihe Heft 1. Ulm 1869. 4. 

Henri Martin, Memoire sur la date historique d’un renouvellement de 
la periode sothiaque. Paris 1869. 4. 

— Memoire sur cette question: La precession des equinoxes a-t-elle ete 
connue des Egyptiens ou de quelque autre peuple avant Hipparque? 
Paris 1869. 4. 

— Lee sciences et la philosophie. Paris 1869. 8. Mit Begleitschrei- 
ben des Hrn. Verf., d. d. Rennes 19. Mai 1869. 

Mittheilungen der k.. k. Central-Commision zur Erforschung und Erhal- 
tung der Baudenkmale. 14. Jahrg. Mai—Juni. Wien 1869. 4. 
Reise der österr. Frregatte Novara um die Erde in den Jahren 1857 — 

1859. Anthropologischer Theil. Wien 1868. 4. 

Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft in Berlin. 21. Bd. 
1. Heft. Nov.-Dec. 1868. Jan. 1869. Berlin 1869. 8. 

Geognostische Karte des westl. Abhangs des Ural von C. Moeller (über- 
geben im Namen des Departement des mines von Hrn. G. Rose). 

Oeuvres de Lagrange, publiees par les soins de Mr. J. A. Serret. 
Tomes 1. 2. 3. Paris 1867—68. 8. (Im Namen des Hrn. Serret 
überreicht durch Hrn. Kummer.) 


MONATSBERICHT 


DER 
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 
ZU BERLIN. 


Juni 1869. 


Vorsitzender Sekretar: Herr Trendelenburg. 


3. Juni. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. G. Rose las über Darstellung krystallisirter 
Kieselsäure auf trocknem Wege. 

Man hat in der neuern Zeit Kieselsäure mehrfach in kry- 
stallisirter Form, wenn auch stets nur in sehr kleinen mikro- 
skopischen Krystallen dargestellt, doch gelang dies stets nur 
auf nassem, nie auf trocknem Wege. So stellte Senarmont!') 
sie dadurch dar, dafs er eine Auflösung von Kieselsäure in ver- 
dünnter Chlorwasserstoffsäure in einer verschlossenen Glas- 
röhre einer Hitze von 200—300° aussetzte, worauf sich die 
Kieselsäure als sandiges Pulver abschied, das unter dem Mi- 
kroskop betrachtet aus lauter durchsichtigen deutlich erkenn- 
baren Krystallen in der Form des Quarzes bestand. Daubree, 
nachdem er früher schon Quarz in undeutlich krystallinischem 
Zustande durch Zersetzung von Chlor- oder Fluorkieselgas 
durch Wasserdämpfe in einer glühenden Porzellanröhre darge- 
stellt hatte, erhielt später noch etwas grölsere, bis 2 Milli- 
meter lange Krystalle auch in der Form des Quarzes, als er 
gewöhnliches Glas durch Wasser bei erhöhter Temperatur und 
Druck zersetzte.) Wenn man den Quarz für sich allein bei 


1) Ann. de chim. et de phys. 1851, Bd. 32, S. 142. 
2) Comptes rendus von 1857, B. 45, S. 792, 
[1869.] 33 


450 Gesammtsitzung 


hoher Hitze schmelzt, so bildet er beim Erkalten ein Glas. 
Da aber krystallisirte Kieselsäure wie Quarz als Gemengtheil 
von Gebirgsarten vorkommt, die wie Trachyt, Granit, Quarz- 
porphyr in Lavaströmen, oder, in Spalten anderer Gesteine 
eingedrungen, als Gesteinsgänge vorkommen, also früher flüs- 
sig gewesen sein müssen, so sollte man voraussetzen können, 
dafs der Quarz sich auch durch Schmelzung, oder auf trock- 
nem Wege bilden könne. Ich hatte deshalb in dieser Hinsicht 
‘ schon früher Versuche angestellt und beschrieben!) die es wahr- 
scheinlich machten, dafs sich Quarz oder wenigstens eine kry- 
stallisirte Kieselsäure auf trocknem Wege bilden könne. Ich 
zeigte, dafs die Kieselsäure, die sich beim Schmelzen der 
Silicate mit Phosphorsalz vor dem Löthrohr ausscheidet, kry- 
stallinisch und keine gewöhnliche amorphe Kieselsäure sei, da 
sie sich in Kalilauge nicht auflöst; aber sie scheidet sich hier 
bei in so kleinen, zusammengehäuften Krystallen aus, dafs ich 
über ihre Form auch bei starker Vergröfserung unter dem 
Mikroskop nichts ausmachen konnte. Auch selbst bei Schmel- 
zungen gröfserer Mengen im Platintiegel über der Gasflamme 
waren die Resultate nicht anders, und als ich ein Gemenge 
von geschmolzenem Phosphorsalz mit Adular, beide gepulvert 
und wohl gemengt im Platintiegel, dem Feuer des Porzellan- 
ofens aussetzte, zersetzte bei der grofsen Hitze des Porzellan- 
ofens das Platin des Tiegels das Phosphorsalz, der ganze 
Tiegel flofs zu einem ganz krystallinischen Phosphorplatinre- 
gulus im Innern der übrigen verschlackten Masse zusammen; 
der Versuch gelang nicht. 

Ich mufste diese Versuche unterbrechen, und habe sie 
später wieder aufgenommen, ohne im Stande zu sein, sie jetzt 
ganz zu Ende zu führen, was ich mir für eine spätere Zeit 
vorbehalte. Sie haben indessen jetzt schon zu einem Resultate 
geführt, das ich nicht unterlassen wollte, der Akademie vorzu- 
legen. Ich habe die Schmelzversuche im Feuer des Porzellan- 
ofens der hiesigen Königl. Porzellanmanufactur fortgesetzt, was 
mir wie früher durch die grofse Bereitwilligkeit sowohl des 
Directors der Manufactur, des Hrn. Geh. Raths Möller, als 


1) Monatsberichte der Akademie von 1867, S. 140. 


vom 3. Juni 1869. 451 


auch der Arkanisten, der Hrn. Dr. Elsner und Herzog mög- 
lich war. Zuerst wurde wieder Phosporsalz mit Adular ge- 
schmelzt; wie früher drei Raumtheile des geschmolzenen und 
zerriebenes Salzes mit einem Raumtheile des zerriebenen Adu- 
lars, doch geschah diesmal die Schmelzung in einem Tiegel 
von Biscuit. Die Masse war gut geschmolzen. Sie wurde in 
dem Tiegel mit verdünnter Chlorwasserstoffsäure begossen, 
und warm gestellt, wodurch sie sich nach einiger Zeit unter 
Hinterlassung eines schneeweilsen erdigen Rückstandes auflöste, 
welcher filtrirt und ausgewaschen wurde. Unter dem Mikro- 
skop betrachtet, kann man sehen, dafs er aus lauter einzelnen 
oder mit andern verbundenen durchsichtigen sechsseitigen Ta- 
feln besteht, die regelmäflsig sind, da sie im polarisirten Licht 
sich wie einaxige Krystalle verhalten; bei der Dünnheit der 
Krystalle sieht man bei denen die mit der Hauptfläche der 
Tafel horizontal liegen, kein Ringsystem und im Innern des- 
selben keine Farben, aber’ sie erhellen nicht, oder nur wenn 
sie in schiefer Lage liegen, das durch gekreutzte Nickols her- 
vorgerufene Dunkel des Gesichtsfeldes. Ihr specifisches Ge- 
wieht wurde in einem Versuche 2,311, bei einer Wiederhoh- 
lung mit demselben Material 2,517 gefunden. Zu dem erstern 
Versuche wurden 3,1004 Grammen, zu dem letztern zufällig 
eine fast gleiche Menge 3,1028 Gr. genommen. Ich halte das 
letztere Resultat für das genauere. 

Die auf diese Weise erhaltene Kieselsäure hat also alle 
Eigenschaften des Tridymits oder der Kieselsäure in der vom 
Quarz verschiedenen Form, wie sie inzwischen von vom Rath 
in den Drusen des Trachyts von Pachuca in Mexico entdeckt,') 
und auch später von Sandberger in den Trachyten vom Mont 
Dore und vom Siebengebirge aufgefunden ist. Vom Rath giebt 
das speeifische Gewicht des natürlichen Tridymits nach 3 Ver- 
suchen mit verschiedenen Mengen zu 2,316, 2,312 und 2,295 
an; die beiden ersten Zahlen sind mit denen, die ich gefunden 
fast übereinstimmend. 


1) Vergl. die Monatsberichte der Akademie von 1868, S. 201 und 
Poggendorffs Ann. von 1868, B. 135, 8. 437. 


33* 


452 Gesammtsitzung 


Der von mir dargestellte Tridymit ist in Auflösungen von 
Kalihydrat und kohlensaurem Natron nicht völlig unlöslich, 
wie dies ja auch selbst der Quarz nach den Versuchen meines 
Bruders nicht ist,') aber sie ist doch nur sehr schwer auflös- 
lich. Ich habe den künstlich dargestellten, selbst schon als 
feines Pulver erscheinenden Tridymit noch weiter im Achat- 
mörser zerrieben, und eine Stunde mit einer concentrirten Auf- 
lösung von kohlensaurem Natron gekocht, ohne dafs ich sah, 
dafs sich die angewandte Menge merklich verminderte. Das 
filtrirte kohlensaure Natron gab mit Chlorwasserstoffsäure gar 
keinen Niederschlag; das entstandene Chlornatrium aber zur 
Trocknifs abgedampft, liefs bei der Wiederauflösung in Wasser, 
einen geringen Rückstand von Kieselsäure. Wenn daher vom 
Rath angiebt, dafs der natürliche Tridymit in kohlensaurem 
Natron vollkonmen auflöslich ist, so hat er offenbar nur kleine 
Mengen feingeriebenen Tridymits mit vielem kohlensauren Na- 
tron gekocht, was um so wahrscheinlicher ist, da der natür- 
liche Tridymit bis jetzt nur in sehr geringer Menge vorge- 
kommen ist; diese geringe Menge kann recht gut von dem 
kohlensauren Natron aufgelöst sein, und der Tridymit auf 
diese Weise auflöslicher erscheinen, als er in der That ist. 

Ich habe nun statt des Adulars pulverförmige amorphe 
Kieselsäure genommen, die aus kieselsaurem Natron durch 
Zersetzung mit Chlorwassorstoffsäure dargestellt war, und ich 
der Güte des Hrn. Rammelsberg verdanke. Es wurden wieder 
3 Raumtheile geschmolzenen und zerriebenen Phosphorsalzes 
mit einem Raumtheil Kieselsäure im Biscuittiegel dem Feuer 
des Porzellanofens ausgesetzt; die Masse war wiederum gut 
geschmolzen, und in ihr hatten sich wieder die Krystalle aus- 
geschieden, die durch Auflösung in heifsem Wasser getrennt 
wurden. Das erhaltene Pulver unter dem Mikroskop betrachtet 
bestand aus noch gröfseren sechsseitigen Tafeln wie früher, 
die auch häufig regelmälsig baumförmig oder auf eine Weise 
gruppirt waren, die vielleicht der, die bei den natürlichen Kry- 
stallen vorkommt, und worauf sich der dieser Kieselsäure von 


!) Vergl. Poggendorfis Ann. von 1859, B. 108, S. 17. 


vom 3. Juni 1869. 453 


vom Rath gegebene Name bezieht, entspricht, was noch weiter 
zu untersuchen ist. 

Ich habe nun noch andere Auflösungsmittel für die Kie- 
selsäure versucht; zuerst kohlensaures Natron. Da gleiche und 
doppelte Gewichtsmengen von Kieselsäure mit geglühtem koh- 
lensauren Natron im Platintiegel im Porzellanofen geschmolzen 
wie ich fand, immer nur ein ganz klares Glas gaben, so wurde 
nun ungefähr die dreifache Menge Kieselsäure 8,4580 Grammen 
auf 2,9164 kohlensauren Natrons genommen. Ich erhielt wie- 
der ein klares Glas, in welchem nun aber kleine etwas grau- 
lichweilse schwach durchscheinende Kugeln porphyrartig ein- 
gemengt waren; sie hingen gröfstentheils an der Oberfläche des 
Glases, ragten hier aber nicht aus demselben hervor, sondern 
waren an der ganz ebenen Oberfläche wie abgeschnitten. An- 
dere im Innern waren ganz rund, wenn sie sich nicht berührt, 
und dadurch in der Ausbildung gestört hatten. Im Bruch 
sind sie dicht; kleine Bruchstücke unter dem Mikroskop er- 
scheinen feinkörnig. Das Glas worin die Kugeln lagen, ist in 
Chlorwasserstoffsäure unlöslich; mechanisch war es von ihnen 
nicht völlig zu trennen; ich habe daher die Kugeln nur mög- 
lichst vom Glase befreit, und sie mit dem nun noch anhängen- 
den Glase, sowie auch dieses selbst gewogen. Ich fand so 
das specifische Gewicht der Kugeln 2,373, das Gewicht des 
Glases 2,591. Man kann hiernach wohl annehmen, dafs die 
Kugeln Tridymit sind, und dafs das hohe specifische Gewicht 
nur durch das anhängende Glas, welches schwerer als Ser Tri- 
dymit, hervor gebracht ist. 

Da ich schon früher gesehen hatte, dafs Wollastonit ge- 
schmolzen, ein Glas giebt, so habe ich auch diesen als Schmelz- 
mittel versucht. 4 Raumtheile des zerriebenen Wollastonits von 
Perhenniemi in Finnland .wurden mit 1 Raumtheil amorpher 
Kieselsäure gut gemengt, und im Biscuittiegel im Porzellan- 
ofen geschmolzen. Es bildete sich ein grünliches Glas ganz 
erfüllt mit grofsen mit blofsen Augen deutlich erkennbaren 
tafelartigen Krystallen, die sich gruppweise radial verbunden 
hatten, wie es schien ganz nach Art des natürlichen Tridymits. 
Die sechsseitigen Tafeln stehen senkrecht zur Oberfläche des 
Glases, doch liegen einzelne horizontal auf der Oberfläche zer- 


454 Gesammtsitzung 


streut. Sie erscheinen noch deutlicher in dünn geschliffenen 
Platten unter dem Mikroskop, sind aber auch hier ungeachtet 
ihrer Gröfse, ihrer Form nach nieht genauer zu bestimmen, da 
sie von dem umgebenden Glase, das von Chlorwasserstoffsäure 
nicht angegriffen wird, nicht getrennt werden können.') Des- 
senungeachtet kann man wegen der Ähnlichkeit der Form nicht 
zweifeln, dafs die Krystalle Tridymit sind, der Bio also auch 
auf diese Weise gebildet hat. 

Da die Titansäure sich bei der Schmelzung mit Borax 
ganz anders verhält wie bei der Schmelzung mit Phosphorsalz, 
und sich im erstern Falle beim Erkalten der geschmolzenen 
Masse Krystalle von Titansäure in der Form des Rutils, im 
letztern Falle in der Form des Anatases ausscheiden,?) so 
schien es mir nöthig auch die Kieselsäure noch mit Borax 
dem Feuer des Porzellanofens auszusetzen. Ich schmelzte da- 
her Boraxglas zuerst mit der doppelten Menge Kieselsäure, 
nämlich 4,4310 Grammen mit 8,2867 Gr. Kieselsäure, erhielt 
aber auf diese Weise nur ein ganz klares wasserhelles Glas.) 
Dasselbe wurde daher wieder fein zerrieben, und mit 5,0200 
Grammen neuer Kieselsäure gemengt, so dafs also, wenn sich 
bei der ersten Schmelzung von dem Borax nichts :verflüchtigt 
hatte, 4,4310 Borax mit 13,3067 Kieselsäure geschmelzt wur- 
den. Es entstand nun ein Glas, das voller kleiner Blasen ist, 


1) Das Glas worin die Krystalle liegen ist. daher wahrscheinlich 
kein neutrales Silicat mehr, wie der Wollastonit, doch ist zu bemerken, 
dafs der im Porzellanofen zu Glas geschmolzene reine Wollastonit, wenn 
auch fein zerrieben, von heifser Chlorwassersäure nur sehr wenig ange- 
griffen wird, während doch der krystallisirte mit Leichtigkeit damit ge- 
latinirt. 


2) Vergl. die Monatsberichte der Akademie von 1867, S. 130 und 
S. 450. 


3) Die Kieselsäure verhält sich also gegen Borax ganz anders wie 
die Thonerde. Um Krystalle von dieser zu erhalten, schmelzte Ebelmen 
4 Theile zerriebenen Boraxglases mit 1 Theil Thonerde*) worauf sich 
beim Erkalten sehr deutliche Krystalle in der Form des Corundes aus- 
schieden. Bei früheren Versuchen hatte er weniger Borax genommen, 
doch war dabei die Masse nicht zum völligen Flufs gekommen. 

*) Vgl. Annales de chimie et de physique 1851, B. 33, S. 63. 


vom 3. Juni 1869. 455 


und deshalb etwas opalisirt; auf ihm hatte sich zum Theil 
eine dünne schneeweilse Decke gebildet, die aus schmalen 
Streifen besteht, welche wiederum aus fasrigen, horizontal lie- 
senden Theilen zusammengesetzt ist, die auf den Rändern der 
Streifen senkrecht stehen. Der äufsere Streifen ist dem Rande 
der Decke parallel, die innern liegen unregelmäfsig. Das Glas 
ist in Chlorwasserstoffsäure unlöslich oder wenigstens sehr 
schwer löslich, doch konnte durch Kochen damit ein Theil 
der Decke getrennt werden, wobei dieser in kleine Theile zer- 
fiel. Unter dem Mikroskop betrachtet, zeigen sich nun die 
Formen des Tridymits. Krystalle sind hier nicht einzeln zu 
sehen, das was dem blofsen Auge als Fasern erscheint, be- 
steht aus einer Gruppirung von Krystallen; aber diese Grup- 
pirung und das was von der Form der einzelnen Krystalle zu 
sehen ist, ist ganz dem ähnlich, was sich bei der Schmelzung 
der Kieselsäure mit Phosphorsalz bildet, so dafs auch hier 
nur Tridymit entstanden war. 

Tridymit bildet sich aber nicht blofs iin Ausscheidung 
aus einem Flufsmittel, sondern auch durch einfaches starkes 
Glühen sowohl der amorphen wie auch der rhombo@drischen 
Kieselsäure. Dies geht schon aus den Versuchen meines Bru- 
ders bestimmt hervor. Mein Bruder hatte 1859 die merkwür- 
dige Entdeckung gemacht, dafs der Quarz durch blofses star- 
kes Glühen, ohne an absolutem Gewicht abzunehmen, sein 
spec. Gew. bedeutend vermindere, während sich das des Opals 
etwas vergrölsere.') Fein gepulverter Bergkrystall mit einem 
specifischen Gewichte 2,651 dem Feuer des Porzellanofens aus- 
gesetzt, sinterte zu einem Kuchen zusammen, der sich aber 
leicht zerdrücken liefs; sein spec. Gew. war dadurch auf 2,394 
und nach einem nochmaligen Erhitzen auf 2,329 gesunken.?) 
Amorphe Kieselsäure, wie sie bei den Analysen der Silicate 
gewonnen wird mit dem specifischen Gewichte 2,2 erhielt 
durch das Brennen im Porzellanofen das höhere spec. Gew. 
2,31l. Dieselbe durch Zersetzung von Fluorkieselgas ver- 


1) Vergl. H. Rose über die verschiedenen Zustände der Kieselsäure 
in Poggendorffs Ann. von 1859. B. 108, S.1. 
Ana. OS. 7. 


456 Gesammtsitzung 


mittelst Wasser dargestellt, mit dem spec. Gew. 2,2 erhielt 
durch anhaltendes Weifsglühen ein spec. Gew. 2,301 und dann 
weiter dem Feuer des Porzellanofens ausgesetzt das spec. Gew. 
2,291.') Infusorienerde aus der Lüneburger Haide mit Chlor- 
wasserstoffsäure und Wasser gereinigt, von dem spec. Gew. 2,2, 
im Feuer des Porzellanofens das spec. Gew. 2,303.) Da da- 
mals der Tridymit noch nicht bekannt war, und man nur von 
den beiden Zuständen der Kieselsäure, dem amorphen des Opals, 
und dem krystallinischen des Quarzes, Kenntnifs hatte, so schlofs 
mein Bruder aus seinen Versuchen, dafs durch blofses starkes 
Glühen im Porzellanofen der gepulverte Bergkrystall sich in 
amorphe Kieselsäure umändere, und das spec. Gew. der amor- 
phen Kieselsäure bis zu 2,3 hinaufgehen könnte. Indessen ist 
die im Porzellanofen geglühte amorphe Kieselsäure nicht mehr 
amorph, und der geglühte Quarz noch krystallinisch, da beide, 
eine Einwirkung auf das polarisirte Licht zeigen und bei ge- 
kreuzten Nicols heller erscheinen als der verdunkelte Grund, 
auch nach Beseitigung des Lichts durch reflectirende Flächen. 
Beide sind ferner in kohlensaurem Natron nur sehr wenig auf- 
löslich, und da auch das specifische Gewicht ganz. überein- 
stimmend mit dem des Tridymits ist, so ist auch anzunehmen, 
dafs alle diese Substanzen in der Hitze des Porzellanofens in 
diesen Zustand übergegangen sind.?) 


1) A. a. O©. S. 16. 

2) A. a. 0. S. 14. 

3) Feuerstein und Hyalith machen scheinbar eine Ausnahme, indem 
ihr spec. Gew. nach dem Brennen nicht ganz das des Tridymits ist. 
Feuerstein der Hitze des Porzellanofens ausgesetzt, wurde weils und 
mürbe, so dafs er sich leicht im Mörser zerreiben liefs, und sein spec. 
Gew. war dadurch bis auf 2,237 gesunken*) und beim Hyalith von 
Waltsch in Böhmen mit einem spec. Gew. von 2,16 — 215 nach Graf 
.Schaffgotsch (er enthält 3 Theile Wasser) stieg das spec. Gew. nur auf 
2,20.) Indessen ist der Feuerstein wohl keine ganz reine Kieselsäure, 
auch betrug sein spec. Gew. im ungeglühten Zustande nur 2,591, und 
der Hyalith, der sich beim Glühen sehr aufbläht, bildete eine poröse 
schwammige Masse mit glasartigen Stellen, war also nicht vollständig 
verändert, und sein spec. Gew. deshalb und auch wohl wegen seiner 


vom 3. Juni 1869. 457 


Mein Bruder hatte auch die Veränderungen untersucht, die 
der Quarz des Granits im Feuer des Porzellanofens erleidet.') 
Ich hatte schon vor langer Zeit den Granitit von Warmbrunn 
im Porzellanofen schmelzen lassen, und hatte dazu denselben 
in kleine Stücke zerschlagen, und diese theils in einen Platin- 
theils Kohlen- oder Biscuittiegel gethan. Es waren aber auf 
diese Weise nur die Silicate des Granitites zu einem graulich- 
schwarzen blasigen Glase geschmolzen; der Quarz war, in 
seiner Form erhalten, und nur in seiner Beschaffenheit ver- 
ändert, schneeweils und feinkörnig geworden, von dem Glase 
wie früher von den übrigen Gemengtheilen umschlossen ge- 
blieben. Mein Bruder hatte den so veränderten Quarz aus 
dem Glase ausgesucht und sein specifisches Gewicht be- 
stimmt; er fand es in Stücken gewogen 2,357, und zu 
feinem Pulver zerrieben 2,3552. Auch diesen so veränderten 
Quarz hielt mein Bruder für amorphe Kieselsäure; das hohe 
specifische Gewicht zeigt, dafs es Tridymit sei. Ich habe von 
dem im Porzellanofen geschmolzenen Granitit von Warmbrunn 
ein dünnes Plättchen zur Untersuchung unter dem Mikroskop 
schleifen lassen, und ebenso von einem im Porzellanofen ge- 
schmolzenen eigentlichen Granit von Annaberg in Sachsen,?) 
der im Feuer des Porzellanofens dieselben Veränderungen er- 
litten hatte, nur war das Glas, wegen der fast völligen Abwe- 
senheit des schwarzen Glimmers im Granit, nur lichte graulich- 
weils geworden. Die Quarzstücke des geschmolzenen Granitits 
und Granits erschienen unter dem Mikroskop nun eckig körnig, 
und zeigten eine deutliche Einwirkung auf das polarisirte Licht. 
In dem Glase des geschmolzenen Granits von Annaberg liegen 


Porösität ungeachtet er als Pulver gewogen wurde, zu gering ausge- 
fallen. 

712.2.0.8.8. 

AR! a. 0. 8 21: 


!) Er ist durch die Abwesenheit des weifsen Glimmers ausge- 
zeichnet, und enthält nur schwarzen Glimmer. 

?) Der vorzugsweise weilsen Glimmer enthielt, und den ich der 
freundlichen Theilnahme des Hrn. Dr. Elsner verdanke. 


458 Gesammtsitzung 


aber noch andere kleine 'nadelförmige wasserhelle Krystalle 
theils einzeln zerstreut, theils sich um die Blasen des Glases 
radial, zum Theil auch tangential verbreitend, "ohne aber in 
dieselben hineinzuragen. Sie gleichen ganz den nadelförmigen 
Krystallen, die in der Lava von Aphroessa bei Santorin in 
grolser Menge eingewachsen sind und sich in den Dünn- 
schliffen unter dem Mikroskop zeigen,') und von Zirkel auch 
noch in vielen andern eruptiven Gesteinen beobachtet sind. 
Man kann selten die Endigung der durchsichtigen Krystalle 
deutlich erkennen, doch sieht man zuweilen hier eine Zuschär- 
fung, und die Krystalle erscheinen so als langgezogene Sechs- 
ecke. Da die sechsseitigen Tafeln von bestimmt hexagonalen 
Krystallen wie z. B. von Eisenglanz und einaxigen Glimmer, 
wenn sie eingewachsen vorkommen, sich oft zu langgezogenen 
Krystallen ausdehnen,?) so konnte es wohl sein, dafs dies 
auch hier der Fall wäre, und die Krystalle in dem geschmol- 
zenen Granit von Annaberg wie in der Obsidian- oder Pech- 
steinlava von Aphroessa Tridymit sind. Es wären diese dann 
der Theil des Quarzes, der von dem Glase der Silicate auf- 
gelöst und beim Erkalten wieder ausgeschieden wäre, während 
der übrige unaufgelöst gebliebene Quarz nur mit Beibehaltung 
der Form in Tridymit umgeändert ist. 

Um zu bewirken, dafs der sämmtliche Quarz sich auflöse, 
habe ich den Granitit von Warmbrunn zu einem ganz feinen 
Pulver zerrieben, und ihn so im Biscuittiegel dem Feuer des 
Porzellanofens ausgesetzt. Ich erhielt nun ‘ein schwarzes, an 
den Kanten mit grünem Lichte durchscheinendes Glas, das 
wenn auch noch voller Blasen, doch vollständig geschmolzen 
war, und die gröfste Ähnlichkeit mit Obsidian hatte, der 
ja auch nichts anderes als geschmolzener Trachyt, der Granit 
der neuern Zeit ist. Der Quarz hatte sich vollständig aufge- 
löst, aber die nadelförmigen Krystalle des geschmolzenen Gra 
nits von Annaberg wie auch andere Ausscheidungen waren 
‚auch in den Dünnschliffen unter dem Mikroskop nicht sichtbar. 


1) Vergl. die Beschreibung und Zeichnung dieser Krystalle von 
Zirkel in Leonhard’s und Geinitz Jahrbuch von 1866, S. 769. 
2) Vergl. die Monatsberichte der Akademie von 1869, S. 345 u. 303. 


vom 3. Juni 1869. 459 


Sie hatten sich auch bei der ersten Schmelzung des Granitits 
von Warmbrunn nicht gezeigt, und mit dem Granit von Anna- 
berg habe ich die Versuche nicht wiederholt. Wenn nun 
auch die ausgeschiedenen Krystalle in dem geschmolzenen 
Granit von Annaberg Tridymitkrystalle sein sollten, so wäre 
es doch nicht. unmöglich, dafs sich auf diese Weise unter Um- 
ständen auch Quarzkrystalle bilden, denn sie finden sich, wenn 
auch nur sparsam in dem Pechstein von Meissen, dem Perl- 
stein von Tokey und zuweilen auch in dem Obsidian. In dem 
Berliner mineralogischen Museum befindet sich ein solcher von 
Humboldt gesammelter Obsidian von Zimapan in Mexico, in 
dem Krystalle von glasigem Feldspath, Oligoklas und Quarz, und 
letzterer in deutlichen Hexagondodeca@dern und in nicht unbe- 
deutender Menge eingeschlossen sind, und ein anderer Obsidian, 
angeblich aus Telkobanya in Ungarn, mit fast zollgrofsen 
deutlich fasrigen Sphärulithkugeln ganz erfüllt, der kleine Dru- 
sen von deutlichen durchsichtigen Quarzkrystallen enthält. 

Die Umänderung in Tridymit erleidet der Quarz doch 
nur wenn er gepulvert, oder wie beim Schmelzen des Granits 
in kleinen Stücken angewandt wird. Grofse durchsichtige 
Quarzkrystalle erleiden diese Veränderung unter denselben Um- 
ständen nicht. Mein Bruder hatte einen wasserhellen Berg- 
krystall dem Feuer des Porzellanofens ausgesetzt;') Form, 
Durehsichtigkeit und spec. Gew., das vor dem Brennen 2,651 
und nach demselben 2,650 gefunden wurde, waren gleich ge- 
blieben, die ganze Veränderung, die wahrgenommen werden 
konnte, bestand nur in einigen Sprüngen, die er erhalten hatte. 
Kleinere Krystalle von derselben Druse, die nach unten zu, 
wo sie aufgesessen hatten, nur durchscheinend waren, hatten 
auch am obern Ende nur einzelne Sprünge erhalten, am untern 
Ende waren sie undurchsichtiger, weils und sprüngiger gewor- 
den, so dafs sie sich mit dem Finger leicht zerbröckeln liefsen; 
sie waren: hier auch schon etwas in ihrer Beschaffenheit ver- 
ändert worden, was das spec. Gew. anzeigte, welches nachdem 
die zerbröckelten Stücke fein zerrieben waren, nur zu 2,613 ge- 
funden wurde. Mein Bruder erklärt dies Verhalten durch die 


) Ara. 0.8.6. 


460 Gesammtsitzung 


vielen Sprünge, die bei den aufgewachsenen Krystallen am un- 
tern Ende vorkommen, und die Ursache ihrer Undurchsichtigkeit 
an diesen Theilen wären, indem sie die Einwirkung der Hitze er- 
leichterten, welche durch das Pulvern des Krystalls noch ver- 
mehrt würde. Es ist indessen merkwürdig, wie verschieden 
die verschiedenen Abänderungen des Quarzes sich in der Hitze 
verhalten. Während kleine durchsichtige Quarzkrystalle von 
Marmorosch im Platintiegel über eine Gasflamme 4 Stunde er- 
hitzt, sich gar nicht verändern, wird ein klarer durchsichtiger 
Quarzkrystall, wie -er auf Chalcedon aufsitzend, in den Höh- 
lungen der Mandelsteine von Island vorkommt, und ein ebenso 
vorkommender Amethyst aus Brasilien ganz schneeweifs, der 
erstere durch und durch, der letztere nur auf der Oberfläche 
und im Innern milchweifs. Ein grofser klarer Bergkrystall 
mit noch etwas ansitzender Quarzmasse der Unterlage von 
Jerischau in Schlesien, erlitt im Porzellanofen nur die Verän- 
derungen, wie sie mein Bruder beschrieben hat; ein ganz klares 
Bruchstück von einem grölsern Krystall aus der Schweiz blieb 
ganz durchsichtig, und erhielt nur unbedeutende Sprünge, wäh- 
rend ein Bruchstück eines grofsen Krystails von Amethyst 
aus Brasilien, oder von dem Amethyst wie er auf stängligem 
Quarz aufgewachsen in Wiesenbad bei Annaberg in Sachsen 
vorkommt, oder durchsichtige Quarzkrystalle auf einer dicken 
Lage von Chalcedon aus Island durch und durch schneeweils, 
rissig, und in Tridymit umgewandelt werden. Bei dem Berg- 
krystalle aus der Schweiz kann man aber deutlich sehen, wie 
die Umänderung in Tridymit vor sich geht. Auf manchen 
Sprüngen, die der durchsichtige Krystall erhalten hatte, kann 
man beobachten, dafs sich schon deutliche Täfelchen von Tri- 
dymit gebildet haben, die schon mit blofsen Augen zu er- 
kennen sind. Auch im Innern sind aufser den grölsern, längere 
Strecken durchsetzenden Sprüngen ganz kleine entstanden, bei 
denen man zweifelhaft wird, ob es wirklich Sprünge oder 
nicht ganz dünne Täfelchen von entstandenem Tridymit sind; 
sie spielen Farben, was von Sprüngen wie von dünnen Kry- 
stallen herrühren kann, zuweilen sieht man aber unter diesen 
feine weilse Ringe, die wie eine anfangende Bildung von Tri- 
dymit erscheinen. Wie dem auch sein mag, so entstehen immer 


vom 3. Juni 1869. 461 


erst vor der Bildung des Tridymits im Quarz Spalten, auf 
_ denen nun der speeifisch leichtere Tridymit Raum erhält sich 
zu bilden. Die leichte Umwandlung des Amethystes und des 
' Quarzes auf Chalcedon in den Blasenräumen des Mandelsteines 
erklärt sich nun auch dadurch, dafs dies sämmtlich Zwillings- 
Krystalle sind, die aus Lagen von rechten und linken Kıy- 
stallen bestehen, wodurch also wohl schneller Sprünge im 
Innern entstehen, und so auch schneller Tridymit gebildet 
werden kann. Dies Schneeweifswerden der durchsichtigen 
Quarzkrystalle aus dem Mandelstein beim Glühen erfolgt aber 
so sicher, dafs man dadurch leicht diese Quarzkrystalle von 
den übrigen durchsichtigen Quarzkrystallen unterscheiden kann. 

Aus dem Angeführten ergiebt sich, dafs die Darstellung 
der Kieselsäure in ihren drei heteromorphen Zuständen, als 
Quarz, Tridymit und Opal auf trocknem Wege bis jetzt nur 
bei den beiden letztern gelungen ist; bei dem Opal durch Schmel- 
zung der Kieselsäure, bei dem Tridymit durch blofse Glühung 
derselben, oder durch Ausscheidung derselben aus einem Flufs- 
mittel bei seiner Erkaltung. Ob nun der Quarz, der specifisch 
schwerste, bei noch geringerer Temperatur oder durch viel 
langsamere Erkaltung eines Flufsmittels sich darstellen läfst, 
mufs weiteren Versuchen vorbehalten bleiben. Aber anzuneh- 
men, dafs weil er bisher auf trocknem Wege nicht dargestellt 
ist, er sich auf diese Weise nicht darstellen lasse, wäre doch 
ein übereilter Schlufs. 


Nachtrag: Über das Vorkommen des Tridymits in 
der Natur. 


Der Tridymit scheint häufiger in der Natur verbreitet zu 
sein, als nach den bisherigen Erfahrungen angenommen werden 
kann. Er findet sich nicht blofs in vulkanischen Gebirgsarten, 
sondern auch in Mineralien, die auf nassem Wege gebildet 
sind. Der Opal verschiedener Gegenden ist mit mikroskopi- 
schen Krystallen von Tridymit oft ganz erfüllt; so der Opal 
von Kosemütz in Schlesien, der in Gängen in verwitterten 
Serpentin vorkommt, der Opal (Kacholong), der in geraden 
Lagen mit Chalcedon wechselt aus Island, Hüttenberg in Kärn- 


462 Gesammtsitzung 


then, Kaschau in Ungarn und ferner der Opal von Zimapan in 
Mexico. An den erstern Fundorten erscheint er in rundlichen 
tafelartigen Krystallen, an dem letztern in kleinen sechsseitigen 
Prismen mit geraden Endflächen, die sehr hübsch ausgebildet 
sind, aber hohl oder mit Opalmasse ausgefüllt zu sein scheinen. 
Der Opal verliert durch diese Einmengung mehr oder weniger 
von seiner Durchsichtigkeit, der von Mexico ist ganz schnee- 
weils und nur an den Kanten durchscheinend, enthält aber 
ganz durchsichtige wasserhelle Stellen, die frei von einge- 
mengten Krystallen sind und merkwürdiger Weise an den 
schneeweilsen scharf abschneiden. Bei der Auflösung des 
Opals in Kalihydrat bleiben die eingemengten Krystalle zu- 
rück. Einen soleben Rückstand von Kieselsäure bei der Be- 
handlung des Opals mit Kalilauge haben schon Fuchs, Ram- 
melsberg') und andere gefunden und man hat daraus geschlossen, 
dafs dem Opale Quarz beigemengt sei, die Untersuchung unter 
dem Mikroskop zeigt, dafs dieser Rückstand Tridymit sei. 


Hr. du Bois-Reymond legte folgende Mittheilung des 
Hrn. Dr. Liebreich über das Verhalten des Chlorals und 
der Trichloressigsäure im thierischen Organismus vor. 


Bei den fortgesetzten Studien über die Substanzen, aus 
welchen das Gehirn und die Nerven bestehen, wurde ich dazu 
geführt, die Frage über die Umsetzung der einzelnen Stoffe im 
Organismus in die Hand zu nehmen. Ich habe zu diesem 
Zwecke das Neurin zu oxydiren versucht und bin zu dem salz- 
sauren Salz einer neuen Base, dem Oxyneurin C,H,, 0, N, HCl, 
gelangt. Dasselbe Salz kann man durch Einwirkung von Tri- 
methylamin auf Monochloressigsäure darstellen. Diese Reac- 
tion ist analog der von Hrn. Hofmann in den Proceedings 
of the Royal Society vol. XI. p. 529 veröffentlichten, durch 
welche das salzsaure Salz 0, H,, O, N, HCl dargestellt wurde. 


1) Vergl. Poggendorff’s Ann. 1861, B. 112, S. 185 und 190. 


vom 3. Juni 1869. 463 


Der Darstellung des Oxyneurin im Harn zum gesicherten che- 
mischen Nachweise haben sich bis jetzt erhebliche Schwierig- 
keiten in den Weg gelegt. Es wird jedoch wahrscheinlich 
gelingen, da wo sich Protagon in andern zelligen Gebilden 
findet, den Nachweis jener Oxydation zu führen. 

Diese Frage schien mir im Zusammenhange zu stehen mit 
der Umsetzung der in den Organismus eingeführten chemi- 
schen Körper überhaupt. Man kann jedoch in die grofse 
Zahl der chemischen Körper nicht nach Belieben hinein greifen. 
Die Reichhaltigkeit derselben allein würde die Untersuchung 
zur Unmöglichkeit machen. Benutzt man die homologen Reihen 
der Chemiker, so zeigt sich, dafs hier kein Zusammenhang in 
der Umsetzung sich erkennen läfst. Ich habe daher versucht 
von einer andern Seite her die Frage in Angriff zu nehmen. 

Wenn man die toxische Wirkung eines Körpers kennt 
und weils, dafs dieser Körper als Spaltungsproduct eines 
andern Körpers auftritt, so dürfte man schliefsen, wenn man 
die Wirkungen des Spaltungsproductes im Organismus erhält, 
dafs sich dasselbe gebildet hat. 

- Die Wirkung des Chloroform liefert hiezu einen Anhalt, zu- 
mal dasselbe als Spaltungsproduct des Chlorals und der Tri- 
chloressigsäure auftritt. Ich wendete deshalb beide Substanzen 
bei Thieren an. | 

0,1 Chloralhydrat kann in wässriger Lösung einem jungen 
Kaninchen unter die Haut gebracht werden. Nach 10 Mi- 
nuten tritt tiefer Schlaf und später Anästhesie ein. Der Schlaf 
dauert 9 Stunden. Dieselben Erscheinungen zeigen sich bei 
Menschen, denen eine grölsere Dose innerlich gegeben wurde. 
Die Wirkung der dabei auftretenden Ameisensäure und die 
anfängliche Wirkung des Chlorals als Aldehyd, kann der klei- 
nen Dose wegen nicht zur Geltung kommen. 

Ob das Chloroform weiter zu Kohlensäure und Salzsäure 
oxydirt wird, läfst sich nicht direet nachweisen, da die Quan- 
titäten des sich bildenden Chloroforms zu gering sind, um im 
Harn eine Chlorvermehrung, die einen entscheidenden Schlufs 
gestatten würde, anzuzeigen. Diese Frage läfst sich jedoch 
am Jodoform mit Sicherheit entscheiden. Reines Jodoform, 
das mit Stärke keine Jod-Reaction zeigte, wurde bei Thieren 


464 Gesammtsitzung vom 3. Juni 1869. 


eingeführt, und vor Verlauf einer Stunde liefs sich im Harn 
freies Jod nachweisen. 


An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 


N.v. Kokscharow, Materialien zur Mineralogie Rufslands. 5. Bd. 
St. Petersburg 1869. 8. 

Schriften der Universität zu Kiel aus dem Jahre 1868. 15. Band. 
Kiel 1869. 4. mei | 

Sitzungsberichte der königl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften 
in Prag. Jahrgang 1868. Prag 1869. 8. 

Abhandlungen der königl. böhmischen Gesellschaft der Wisssnschaften 
vom Jahre 1868. 6. Folge. 2. Bd. Prag 1869. 4. 

Bulletin de la societe de geographie Paris, Mars-Avril 1869. 8. 

Ch. Schoebel, Demonstration de l’authenticite mosaique du Levitique 
et des Nombres. Paris 1869. 8. 

G. E. Ellis, Memoir of Jared Sparks, LL. D. Cambridge (U. S.) 
1869. 4. 

Fragmenta Aristotelis. Üollegit disposuit iülustravit Aemilius Heitz. 
Parisiis 1869. 8. 

F. Unger, La sumergida isla de Atlantis. Traducido por G. A. Ernst. 
Caracas 1867. 8. 

Avelado, Öbservaciones meteorologicas en Caracas, anno de 1868. 
(Caracas 1869). 8. 


Die Akademie empfing durch Hrn. Braun von Dr. Jos. 
Dalt. Hooker, Director des K. Gartens in Kew, das Bildnifs 
seines verstorbenen Vaters Sir William Hooker. 


Die" Akademie wählte Hin. Fer, Rene me 
ihrem correspondirenden Mitglied in der phys.-math. Klasse, 


Gesammtsitzung vom 10. Juni 1869. 465 
7. Juni. Sitzung der philosophisch-histori- 
| schen Klasse. 


Hr. Weber las über das saptacatakam des Hdla. 


10. Jun. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Curtius las über den religiösen Charakter 
der griechischen Münzen. 

Man hat die Münzen lange genug als Quellen der Religions- 
geschichte und Kunstmythologie benutzt; worauf aber der reli- 
eiöse Charakter der Münzen beruhe und welches überhaupt ihr 
Verhältnifs zum Cultus sei, darüber hat man noch keine Unter- 
suchung angestellt, auch die Frage noch nicht erwogen, welche 
sich doch sofort aufdrängt, wenn man über diesen Gegenstand 
nachdenkt, ob nämlich das Symbol der Gottheit als Stadtwappen 
‚ und von Staatswegen auf die Münze gesetzt worden sei, oder 
ob dieselbe in einem näheren und unmittelbaren Verhältnisse 

zu dem Cultus stehe, von welchem das Symbol entlehnt ist. 
Der Erstere entspricht der gewöhnlichen Ansicht; indessen 
führen mancherlei Erwägungen zu einer abweichenden Auf- 
fassung. 
Die Gottheiten, deren Zeichen zu Münzbildern dienten, 
) waren nicht immer die eigentlichen Stadt- und Staatsgottheiten. 
" Wer kann z. B. der Aphrodite eine solche Bedeutung für Argos, 
das Herrschaftsgebiet Pheidons, zuschreiben? Wir werden 
vielmehr annehmen müssen, dafs ebenso wie Aigina als erster 
Handelsplatz von Mittelgriechenland zur Münzstätte von Argolis 
gemacht worden ist, so auch die dortige Aphrodite in ihrer 
Eigenschaft als völkerverbindende Handelsgöttin Münzgöttin 
wurde. Dann wird also die Benutzung ihres Symbols zum 
Münzwappen nicht blofs eine gelegentliche und durch den Staat 
vermittelte sein, sondern wir werden bei ihr die Initiative, in 
ihrem Heiligthum den Keim des europäisch-griechischen Münz- 
wesens zu suchen haben. | 


[1869.] 34 


466  Gesammtsitzung 


Aphrodite Urania ist durch Böckhs Forschungen in den 
Mittelpunkt der alten Culturgeschichte getreten. Ihr Heilig- 
thum bildete den Kern aller sidonischen Faktoreien, und des- 
halb finden wir ihren Dienst an allen zum Seeverkehre ge- 
eigneten Gestaden des Archipelagus. Alle von den Ansiedlern 
betriebenen Geschäfte standen unter ihrem Schutze, Handel und 
Industrie, wie Fischerei und Bergbau. Durch sie sind die Edel- 
metalle mit den in Babel geordneten Werth- und Gewichts- 
bestimmungen nach Griechenland gekommen; ihre Priester 
haben das Metall als Werthmesser eingeführt, denn bei ihrem 
vorzugsweise überseeischen Verkehre mulste sich der Tausch- 
handel, wie er sonst im Lande herrschte, am frühesten unge- 
nügend erweiseu. Sie haben zuerst Vorräthe von edlem Metalle 
gesammelt und die zum Tempelschatze gehörigen Metallstücke 
mit dem Symbole der Gottheit gezeichnet, wie man in den 
Apollotempeln das zum heiligen Inventar gehörige Geräth mit 
dem Zeichen der Leier merkte'). Die abgewogenen und ge- 
stempelten Metallstücke sind dann zur Förderung eines den 
Priesterschaften gewinnreichen Verkehrs in Umlauf gesetzt 
worden und so hat man sich neben dem Handel durch Tausch- 
objekte und dem Barrenverkehre die Anfänge des Geldverkehrs 
zu denken. | 

Ich versuche diese Ansicht näher zu begründen, indem ich 
auf das Verhältnils der Tempel zum Nationalwohlstande, auf 
das Bedürfnis, welches in den Tempeln nach geprägten Metall- 
werthen eintreten mufste, und endlich auf die Thatsachen auf- 
merksam mache, aus denen man die Existenz einer Tempel- 
münze folgern muls. 

Die Götter waren die ersten Capitalisten in Griechenland, 
ihre Tempel die ältesten Geldinstitute. Die durch regelmäfsige 
Einkünfte, durch Weihungen und Vermächtnisse gebildeten 
Tempelschätze standen unter Obhut der Priester, welche mit 

überlegner Weltkenninifs dieselben auf alle Art zu mehren wuls- 
ten. Sie benutzten die Heiligkeit der Tempelörter, um in Zeiten 


1) Marmorschalen mit dem Symbole der Leier im knidischen Heilig- 
thum des pythischen Apollo von Newton gefunden. Vgl. Gött. Gel. 
Anz. 1864 S. 380. 


vom 10. Juni 1869. 467 


allgemeiner Unsicherheit werthvolle Deposita anzunehmen; sie 
machten Vorschüsse an Gemeinden und Private, sie betheiligten 
sich an gewinnbringenden Unternehmungen; von ihrer Unter- 
stützung war die Möglichkeit überseeischer Ansiedelungen oder 
auch einer nachdrücklichen Kriegführung abhängig, wie Letz- 
teres noch zu Anfang des peloponesischen Kriegs die Ko- 
rinther den Spartanern vorstellten. Wenn wir so ohne jede 
Concurrenz die finanziellen Kräfte des Landes und die Macht 
gefüllter Kassen in den Tempeln concentrirt sehen, so wird es 
schon dadurch sehr wahrscheinlich, dafs alle wesentlichen Fort- 
schritte in Verwerthung des Edelmetalls und Ausbildung des 
Geldverkehrs von diesen Kreisen ausgegangen ist. 

Neben diesen grofsen Geschäftsverbindungen, durch welche 
die Tempel den Charakter von Bankinstituten erhielten, bestand 
‚aber in vielen Heiligthümern ein Kleinhandel, welcher durchaus 
dahin führen mufste, dafs man nicht bei Tausch und Barren- 
verkehr stehen bleiben konnte, sondern zur Herstellung gepräg- 
ter Metallwerthe übergehen mufste. So wissen wir von den 
ansehnlichen Aphroditeheiligthümern, dafs dort ein fortwähren- 
der Bazar bestand; in Paphos z. B. wurden geweihte Bildchen 
der Göttin feil geboten, und die Schiffer stiegen vom Hafen 
herauf, um sich davon einzukaufen '),. Wir kennen jetzt diese 
Statuetten aus gelblichem Kalksteine, die in unzähliger Menge 
aus dem Boden von Cypern zum Vorscheine gekommen sind. 
Ein anderes Objekt des priesterlichen Kleinhandels bildeten ohne 
Zweifel auch in sehr früher Zeit die zum Opfer gehörigen Dinge. 
Es war den Pilgern bequem, dieselben an Ort und Stelle und 
zwar in untadliger Beschaffenheit vorzufinden. Daher die Wal- 
dungen und Weiden bei den gröfseren Tempeln und der reiche 
Ertrag, welchen z. B. die Priesterschaft der Hera in Lakinion 
von den heiligen Heerden im Tempelbezirke hatte?). 

Zu diesem Geschäftsbetriebe, welcher ja auch mit den In- 
teressen des Cultus auf das Nächste zusammenhing, kommen 
andere im Cultus begründete Gebräuche, welche zur Geld- 
prägung führen mufsten. So gehörte zum Dienste der Babylo- 


1) Athen. 676. 
2) Liv. 24, 3. 
34° 


468 Gesammtsitzung 


nischen Mylitta die Prostitution der einheimischen Mädchen. 
Vor dem Tempel sitzend, mufsten sie den Fremdlingen folgen, 
welche ihnen Geldstücke in den Schoofs warfen. Das Geld 
war heilig und kam in die Tempelkasse'). 

Dieser Cultus hat sich aber auf verschiedenen Wegen und 
und in verschiedenen Formen den Wohnsitzen der Griechen ge- 
nähert; als Dienst der Aphrodite-Mylitta ist er über Syrien in 
Cypern eingedrungen; in Kappadocien und Pontus finden wir mit 
denselben Gebräuchen die Anaitis. Mag nun die Hingabe an 
die Fremden als eine religiöse Pflicht von Seiten der Landes- 
töchter gefordert oder mag für diesen Brauch durch Tempel: 
mägde gesorgt werden, immer verlangte der Cultus, dafs den 
zuströmenden Pilgern die Möglichkeit gegeben werde, durch 
kleine Werthstücke ihren Tribut an die Gottheit zu entrichten. 
Es kamen aber auch aufserdem noch viele andere Arten von 
Baarzahlungen vor, welche von Seiten der Pilger an die Tem- 
pelkassen geleistet werden mulsten, sei es für Herberge und 
leibliche Pflege oder für Rath und Weissagung. Bei dem Her- 
mes in Pharai legte Jeder, der ein Orakel von ihm haben wollte, 
rechts vom Bilde eine bestimmte einheimische Erzmünze auf 
den Altar’). 

Dazu kam ein Drittes, das sind die Wettkämpfe, welche 
an den Tempelfesten zu Ehren der Tempelgottheit ausgeführt 
wurden. Agone einzurichten, zu leiten und fortzubilden war 
eine priesterliche Kunst und die Kosten der Agone wurden ur- 
sprünglich alle aus der Tempelkasse bestritten, welche zu diesem 
Zwecke auch über die Zinsen besonderer Vermächtnisse zu ver- 
fügen hatte, wie z.B. die des Dionysosheiligthums in Korkyra 
laut der uns erhaltenen Schenkungsurkunde’). Bei solchen 
Gelegenheiten wurden auch Preise in Geld gegeben, und dafs 
dazu eigene Münzen geprägt wurden, bezeugt u. A. die in mehr- 
facher Beziehung merkwürdige Doppeldrachme von Metapont 
mit der Inschrift ’AyeaAwov a9rov. Es war also eine Preis- 
münze, welche gewissermalsen Acheloos selbst, zu dessen Ehren 


13: Herod.’1;.199. 
2) Pausan. 7, 22. 
3) C. 1. Gr. n. 1845 Böckh Staatsh. d. Ath. I, S. 419. 


vom 10. Juni 1869. 469 


die Festspiele gefeiert wurden, austheilte'). Die terinäischen 
Didrachmen, auf deren Rückseite NIKA neben der den Lorber- 
kranz haltenden Stadtgöttin steht, werden wohl ähnlich aufzu- 
fassen sein. 

Hierher gehört eine grolse Reihe von Münzen, auf welchen 
sich Embleme, Figuren und Inschriften finden, welche unver- 
kennbare Beziehung auf öffentliche Feste enthalten, Binden, 
Amphoren, Palmzweige, Epheuranken (auf Münzen von Phlius 
an das Fest der zısroronc: erinnernd ?), bekränzte Opferstiere, 
kranzhaltende Figuren, die im Namen der Gottheit zur Preis- 
bewerbung auffordern oder dem Sieger entgegenschweben, wie 
auf Münzen von Side, Perge, u. s. w., die Dreifülse als Neben- 
stempel auf messenischen Münzen, welche an diejenigen Drei- 
fülse erinnern, die von den Siegern in Ithome geweiht wurden. 

Endlich die vielen Legenden, welche die Beziehung der 
Münzen zu bestimmten Festen ausdrücken, wie ’EAssFeg« in 
Kyzikos, "OgrıyoS7sa in Tarsos, HvSıc, vom Lorber eingefalst, 
auf delphischen Münzen’). Es sind Gelegenheitsmünzen, 
meist aus Kupfer geschlagen, zum Gedächtnisse solenn began- 
gener Festlichkeiten, deren Hergang zuweilen in bildlicher 
Darstellung veranschaulicht wird, wie auf dem Quinar von 
Laodikeia, wo der Tempelhof, mit Bändern geschmückt, sicht- 
bar ist und vor dem Tempel der einem Bürger den Kranz 
reichende Kaiser *). Die Münze ist von dem Inhaber der höch- 
sten priesterlichen Würde in Asien zum Andenken an die unter 
seiner Leitung begangenen Festlichkeiten geprägt, ein laut In- 
schrift von ihm gestiftetes Weihgeschenk (avs$y7zev), aber kein 
im Tempelraum ruhendes, wie etwa einzelne Münzen nachträg- 
lich mit eingeritzter Inschrift HAPON TO AMON u. a.°) einer 
Gottheit dedieirt wurden, sondern ein im Volke von Hand zu 


!) Millingen Ancient coins p. 12. O. Jahn in Gerhards Arch. Ztg. 
1862 S. 321. 

2) Leake Num. Hell. Eur. p. 92. 

3) Millingen Ance. coins p. 71. Stark Mythol. Parnell. S. 41. Duc 
de Luynes Et. Num. p. 100. Millingen Recueil p. 44. 

4) Pinder Verz. der Münzen n. 379. 

>) Didrachmen von Kroton. Bei Mionnet Suppl. 1, T. IX, 23. 


470 Gesammtsitzung 


Hand gehendes und zu diesem Zwecke geschaffenes Denkzeichen, 
und es leidet wohl keinen Zweifel, dafs man solche Erinnerungs- 
münzen unter das Volk vertheilte, wenn bei grofsen Festlich- 
keiten der Reichthum der Tempelgottheit zur Schau gestellt 
wurde. Eine Erinnerung daran finde ich in dem byzantinischen 
Gebrauche, dafs der Kaiser auf der Schwelle der Kirchthüre sich 
vom Kirchenvorstande die Münzen geben liefs, welche er unter das 
Volk vertheilte!). Auch im Alterthum war die Tempelschwelle 
der Platz der Auszahlungen, welche von Seiten der Tempel- 
behörden erfolgten’). In die Kategorie der Festmünzen wird 
ein grofser Theil des Kupfergeldes gehören, welches laut Um- 
schrift unter Autorität eines Ay epeus, iegeus, orecbevndogos oder 
anderer geistlicher Ämter geprägt worden ist?). 

Endiich haben wir auch Münzen, welche nicht blofs an- 
deutungsweise, sondern durch ausdrücklichen Wortlaut als solche 
bezeichnet werden, welche aus einem Tempel hervorgegangen 
sind. Hierher gehört vor Allem die milesische Münze 5 2% 
Arduman icon *). 

Nachdem wir also den Münzbedarf, welcher in den Heilig- 
thümern eintreten mufste und die vielfachen Beziehungen zwi- 
schen Münze und Tempeldienst erkannt haben, läfst sich nun 
die Thatsache, dafs griechische Tempelbehörden aus ihrem Schatze 
Münzen ausgegeben haben, auch durch urkundliche Beweise 
aulser Zweifel stellen. 

Dies kann aber keine vereinzelte Thatsache gewesen sein, 
denn sonst würden sich unzweifelhaft Spuren eines Unterschie- 
des zwischen staatlichen und heiligen Münzen nachweisen lassen. 
Statt dessen haben sich aller Verschiedenheiten des Stils un- 
geachtet durch alle Zeiten die speciellsten Beziehungen zwischen 
Tempeldienst und Münzbild erhalten, und im Allgemeinen er- 
scheint bei der unabsehlichen Mannichfaltigkeit örtlicher Präg- 
sitte der religiöse Charakter als das Durchgehende und Ge- 
. meinsame. Daher auch die Verbindung der städtischen Münzen 


1) Constant, Porph. de cerem. 1, p. 18; ce. 23, p. 135 ed. Bonn. 
Vgl. Henri de Longperier in Revue Archeol. 1869 p. 162. 


2) Gött. Nachrichten 1864 S. 144. 
®) Mionnet Tables geuerales. Magistrats locaux. Pretres p. 88. 
*) Millingen Sylloge p. 71. } 


vom 10. Juni 1869. 471 


mit Heiligthümern. Die Argiver weihen ihr Stangengeld im 
Heraion und prägen das neue Geld im Heiligthum der Aphro- 
dite. In Athen ist Theseus oberster Münzherr und Rom hat 
sich gewifs einer constanten Tradition angeschlossen, als es die 
hellenische Münze bei sich in einem Tempel eröffnete. 

Alles hellenische Geld ist sakral, das Münzfeld heiliger 
Boden, einem Tempelhause gleich, welches ohne schwere Ver- 
sündigung von keinem Sterblichen bewohnt werden darf, und 
nirgends trat der Unterschied zwischen Hellenen- und Barbaren- 
sitte handgreiflicher zu Tage, als wenn man auf ausländischem 
Gelde die Gestalten des Grofskönigs und seiner Satrapen er- 
blickte, während bei den Hellenen auch die eigenwilligsten 
Tyrannen es nicht wagten, sich mit ihrer Person vorzudrängen, 
und nachdem man schon einem Lysandros Päane gesungen 
hatte, mulsten auf den Alexandermünzen noch die persönlichen 
Beziehungen in der Weise eingeschwärzt werden, dafs man den 
göttlichen Ahnen des Geschlechts ein Profil gab, welches dem 
des regierenden Enkels ähnlich sah; und ebenso die Ruhm- 
begier der meisterhaftesten Stempelschneider, wie hielt sie sich 
auf dem heiligen Boden zurück! Erst als Göttliches und 
Menschliches so vermischt wurden, dafs übermüthige Kriegs- 
herrn in das Haus der Parthenos einzogen, ward auch das 
Münzfeld durch Menschenbilder entweiht. 

Der religiöse Charakter der alten Münzen ist eine allge- 
mein bekannte, und, wenn auch immer wieder Versuche gemacht 
werden, die Münztypen als profane rebus anzusehen und als will- 
kürliche Anspielungen auf diese oder jene Stadtmerkwürdigkeit 
zu deuten, eine im Prinzip allgemein anerkannte Thatsache. 
Erklärt ist sie aber noch nicht, obwohl sie doch garwohl einer 
Erklärung bedarf, denn nach gewöhnlicher Ansicht giebt es doch 
nichts Profaneres als das Geld. Die didymäische Drachme 
weist uns auf die richtige Lösung. Denn da wir im öffentlichen 
Leben der Griechen, sowie es in den Bereich der Geschichte 
eintritt, aller Orten einen Rückgang priesterlicher Macht wahr- 
nehmen, von deren ursprünglichem Umfange nur einzelne Spuren 
erkennbar sind, so werden wir auch in der heiligen Branchiden- 
münze nur einen Überrest der alten Münzgerechtigkeit der 
griechischen Heiligthümer erkennen, und da doch entweder 


472 Gesammtsüzung 


vom Staate oder von den Priestern der Anfang der Münzprä- 
gung ausgegangen sein muls, zu der Ansicht kommen, dafs alle 
hellenische Münze einmal eine heilige, alles Geld Tempelgeld 
gewesen sei, dafs also, wie Mafs und Gewicht, Zeiteintheilung 
und Kalender, so auch das Münzwesen von den Priesterschaften 
ausgegangen und erst später in die Hände des Staats über- 
gegangen sei. 

Es fragt sich, ob diese Vorgänge, über welche keinerlei 
Überlieferung vorliegt, sich durch Analogieen und Vereinigung 
zerstreuter Thatsachen unter gemeinsame Gesichtspunkte noch 
etwas klarer machen lassen. 

Zunächst ist hier zu berücksichtigen, dafs zwischen reli- 
giösen und politischen Einrichtungen im Alterthume nicht der 
Gegensatz bestand, wie er uns geläufig ist; denn die Vereini- 
gungen, aus welchen Staaten und Nationen erwachsen sind, 
die ältesten Verbände (susrzuere, zow«) ruhen ja durchweg auf 
religiöser Grundlage, wie sich das dort am deutlichsten zeigt, 
wo Verbände dieser Art, ohne durch neuere Staatsbildung ver- 
drängt zu sein, sich ausnahmsweise in alter Form erhalten 
haben. Ich erinnere an das susryu« Xouscogewv — da bildete 
der Dienst des Zeus Chrysaoreus den einzigen Mittelpunkt; von 
ihm stammt der Name der Gaugenossen, ebenso wie die Lykier 
in dem gemeinsamen Apollodienste sich als Gesanımtheit fühlen 
lernten und von ihm ihren Namen hatten. In diesen Gauver- 
bänden sind schon dieV orbedingungen des Münzwesens zu suchen; 
denn man kaun sich dieselben nicht denken ohne Tempel- 
schatz und ohne Vereinbarung über die für gemeinsame Zwecke 
zu übernehmenden Leistungen und über Tempelbufsen. Aber 
auch in der Zeit des ausgebildeten Münzwesens gab es Land- 
schaften, welche keine andere Einheit hatten als eine gottes- 
dienstliche, und wo es das Interesse der Priesterschaft war, 
diese Einheit zu pflegen und zum Ausdruck zu bringen, und 
zwar nicht blofs durch gemeinsame Jahres- und Festordnung, 
‘sondern auch durch eine Landesmünze, welche aus dem Tempel- 
schatze geprägt wurde und der Tempelgottheit Symbol an 
sich trug. 

Das deutlichste Beispiel ist die altarkadische Landesmünze 
mit dem Bilde des Zeus Lykaios und der Umschrift “Arkadi- 


vom 10. Juni 1869. 473 


kon’, welche nur von der Behörde ausgegangen sein kann, die 
den Schatz des auf dem arkadischen Olympos waltenden Landes- 
horts hütete und zu seiner Ehre Festspiele mit Werthpreisen 
veranstaltete!). Hier haben wir nachweislich eine Münze ohne 
Staat, eine heilige Münze, wenn sie auch nicht, wie die mile- 
 sische, mit dieser Bezeichnung versehen war, ein Tempelgeld, 
und dies Beispiel wird nicht allein gestanden haben, wenn sich 
auch in andern Landschaften, Thessalien, Elis u. A., nicht mit 
gleicher Sicherheit nachweisen läfst, dals keine weltliche Macht 
als Träger der Münzgerechtigkeit vorhanden gewesen sei. Aus 
römischer Zeit werden wir das Kupfergeld des zowcv Kuratwv 
mit dem Tempel der paphischen Göttin in die Klasse der 
Tempelmünzen rechnen können. Auf diese Weise wird sich 
vielleicht eine Reihe noch unerklärter Thatsachen aufklären 
lassen, namentlich das Vorkommen von griechischen Münzen 
aus solchen Orten, welche entweder niemals selbständige Bürger- 
gemeinden gewesen sind, wie Orthia in Elis’), oder ihre Selbst- 
ständigkeit frühe verloren und dennoch fortgefahren haben, Geld 
zu prägen, wie z. B. Kassiope in Korkyra, welches noch in 
den späteren Kaiserzeiten seine eigene Prägstätte hatte’). Die 
Legenden der kassiopeischen Münzen Zeus Kasıos u. a., weisen 
auf ein bestimmtes Heilisthum hin, welches als Festort dieselben 
hat ausgehen lassen und seine Münzgerechtigkeit sehr lange 
bewahrt hat. 

- Nach dem Gesagten können wir voraussetzen, dals die am- 
phiktyonischen Heiligthümer aller Orten einen wesentlichen Ein- 
flufs auf die Entwickelung des Münzwesens geübt haben und dals 
sich die Spuren davon nachweisen lassen werden, auch dort, 
wo die Amphiktyonien sich früh aufgelöst haben oder durch 
politische Bildungen anderer Art verdrängt worden sind. So 
namentlich in Grolsgriechenland; denn für Alles, was im grols- 
griechischen Münzwesen gemeinsam ist und auf planvolle An- 
ordnung hinweist, findet sich kein anderer Anknüpfungspunkt 


1) Vgl. Pinder und Friedlaender Beitr. zur ältern Münzkunde S. 83. 

?) Peloponessos II, 32, 102. 

3) Postolaka Koridoyos av APXAlwv VOLLOHATWV TaVv vnowv Kerxu- 
cu;, Acuxadog etc. 1868 p. 5l. 


474 Gesammtsitzung 


als der Heratempel auf dem lakinischen Vorgebirge, welcher 
das religiöse Centrum aller Italioten war, mit allen Städten 
derselben durch Prozessionsstrafsen verbunden, zugleich ein 
Sitz des Reichthums, ein Kreuzpunkt des überseeischen wie 
binnenländischen Verkehrs, ein Centrum des Gewerbfleilses und 
wahrscheinlich auch der Ausgangspunkt für Ausbeutung der 
Bergwerke am skylletischen und terinäischen Meerbusen. 

Ein Zeugnifs dieses Einflulses ist der Herakopf auf den 
Münzen von Poseidonia, von Neapolis und Uria, wie auf denen 
von Kroton und Pandosia,') und wenn die Römer ihre Silber- 
münze in einem Junotempel eröffneten, so darf man wohl ver- 
muthen, dafs dies mit Beziehung auf die lakinische Juno ge- 
schah, an deren Stelle man nun auf dem Capitole ein neues 
Centrum des unteritalischen Geldverkehrs errichtete. 

Hat aber das griechische Geldwesen nachweislich unter 
priesterlichem Einflufs gestanden und sind von ansehnlichen 
Tempelinstituten Münzprägungen und Münzordnungen ausge- 
gangen, so müssen wir auch versuchen weiter zu gehen und 
den Zusammenhang zwischen Münze und Tempeldienst aufzu- 
spüren, um uns zu überzeugen, ob nicht etwa mit gewissen 
Tempeldiensten vorzugsweise solche Einflüsse verbunden waren. 
So führt die Betrachtung des Münzwesens auf das der Reli- 
gionsgeschichte, und die Münzen werden sich noch in ganz ande- 
rer Weise als bisher geschehen ist, für die Kenntnifs der Mytho- 
logie verwerthen lassen, wenn man nachweisen kann, dafs ge- 
wisse Tempeldienste vorzugsweise mit Ausbreitung des Münz- 
wesens zusammenhängen. 

Durch den Dienst der Urania ist mit dem Gebrauche der 
Edelmetalle als Werthmesser auch die Wissenschaft des Zählens, 
Messens und Wägens nach Europa gekommen. Wahrschein- 
lich ist es also von vorn herein, dals denselben Kreisen auch 
die Fortentwickelung dieser Wissenschaft, der Fortschritt vom 
Barrenverkehre zur Münze zuzuschreiben sein wird. 

Dieser Erwartung entspricht die Thatsache, dafs das 
älteste europäische Geld ein Symbol trägt, durch welches die 
zum heiligen Besitz der Aphrodite gehörigen Gegenstände ge- 


!) Millingen Ane. co:ns. p. 27. Jul. Friedlaender Osk. Münzen S. 40. 


vom 10. Juni 1869. 475 


kennzeichnet zu werden pflegten, denn in ihren Tempelinstituten 
hatten die hölzernen Fulsbänke die Gestalt von Schildkröten ') 
und die Göttin selbst wurde auf dem Rücken des Thiers ste- 
hend abgebildet, wie ein Bronzecandelaber unseres Antiquariums 
zeigt, welcher zu einem Tempelinventar gehörte ?). 

Auf dieselbe Gottheit führt die Taube von Sikyon, denn 
sie begleitet dieselbe von Askalon nach Uypern, von Cypern nach 
Griechenland und dem Eryx °). Sikyon aber war in alten und 
unmittelbaren Beziehungen zu ÖOypern. 

Um so überraschender ist es, dals wir zwischen Sikyon 
und Aigina in dem alten unzweifelhaft von Phöniziern gegrün- 
deten Emporium des Isthmus, sowie die Doppelprägung beginnt, 
den behelmten Kopf finden, welchen wir, wo wir ihm begegnen, 
mit dem Namen der Pallas Athene zu bezeichnen pflegen. 
Da hätten wir also an Stelle der weltbürgerlichen Aphrodite, 
die mit Industrie und Handel auf das Deutlichste verknüpft ist 
und auf keinem Platze des diesseitigen Oontinents so augen- 
scheinlich wie hier asiatische Sitten mit sich eingeführt hat, 
die spröde, allem Sinnlichen abgeneigte, dem Handelsverkehre 
fremde Jungfrau ? 

Hier aber hat schon Francois Lenormant‘) mit vollem 
Rechte geltend gemacht, dafs die herkömmliche Benennung eine 
unbegründete sei. Die Tetrabolen und Diobolen von Korinth 
zeigen an derselben Stelle einen unverkennbaren Aphroditekopf 
und die neuen für Religions- und Kunstgeschichte gleich wich- 
tigen Entdeckungen in Cypern haben unter den verschiedenen 
Formen der einheimischen Gottheit auch den Typus der be- 
helmten in vortreffllichen Exemplaren zu Tage gefördert; als 
kriegerische, vollgerüstete und in dieser Form der Sphäre der 
Sinnliebkeit entrückte wurde die Göttin in Sparta und Karthago 
verebrt und für die Identität von Pallas und Aphrodite in Ko- 
rinth haben wir aufserdem ein urkundliches Zeugnils in dem 
Vasenbilde des. britischen Museums, wo die Göttin “Aphrodite 


I) Athenaios p. 589. Polem. ed. Preller p.76. 

2) Panofka Skiron IV, 12. 

3) O. Jahn Berichte der S. Ges. d. Wiss. 1853. Febr. 
#) Rev. Numism. 1866 p. 78. 


476 Gesammtsitzung 


mit der Aegis angetan neben dem isthmischen Poseidon auf 
dem Wagen erscheint '). 

So geht die numismatische Forschang mit der historischen 
Mythologie Hand in Hand, denn auch die Anfänge des griechi- 
schen Münzwesens werden nur verständlich, wenn wir unter 
verschiedenen Namen und Attributen die eine Göttin er- 
kennen, die in Babel einheimisch über Askalon und Cypern 
in das Herz des griechischen Landes eingedrungen ist, die 
Trägerin des ganzen merkantilen Verkehrs zwischen Abend- 
und Morgenland. | 

Sie ist aber nicht blofs auf dem Seewege nach Europa ge- 
kommen; vielmehr hat man schon längst in den Teempelörtern 
des obern Kleinasiens die Stationen erkannt, in welchen die- 
selbe Göttin von Babel her schrittweise gegen Westen vorge- 
rückt ist, und auf diesem Wege werden wir noch sicherer zu den 
Plätzen gelangen, wo sich das hellenische Münzwesen aus asia- 
tischen Tempeldiensten entwickelt hat. Wie in Syrien als 
Astarte, so tritt sie hier als Anaitis auf, dieselbe bewaffnete 
Göttin, die wir in Korinth wiederfinden, die Göttin, deren Cul- 
tus im doppelten Komana uns durch Strabo bekannt ist, und 
so grofs war die Übereinstimmung des Cultus, der vom Eu- 
phrat bis zum Isthmus reichte, dafs Strabo das pontische Ko- 
mana ein zweites Korinth nennt. An beiden Orten fand er 
denselben ausschweifenden Dienst, dieselbe Begünstigung der 
Fremden. Nur war, was in Mesopotamien die Landestöchter 
thaten, auf demi Boden der arischen Völker Sache von Tempel- 
sklavinnen; das Institut der Hierodulie ist deshalb das Charakte- 
ristische für alle Tempelorte, welche die durch Cappadoeien 
und Phrygien führende Handelsstrafse begleiten. Ein zweites 
Kennzeichen ist die aus dem grolsen Sklaven- und Grundbesitze 
sich entwickelnde Hierarchie, welche den Einflufs des ober- 
priesterlichen Geschlechts den Landeskönigen gefährlich machte. 
Endlich gehört zu demselben Cultus die Metallurgie; denn wie 
der eyprischen Aphrodite die Bergwerke der Insel geweiht 


1) Lenormant et de Witte Elite Cer. III pl. XI, vgl. die Eule neben 
der Taube als Symbol der Aphr. IV, pl. VIII 


vom 10. Juni 1869. 477 


waren '), so folgen der kleinasiatischen Naturgöttin die Kureten, 
Korybanten und Daktylen. Mit diesen Attributen finden wir 
den Cultus in Pessinus, wo zu Strabos Zeit noch die Überreste 
einer hierarchischen Dynastie vorhanden waren, und ähnliche 
Verhältnisse werden wir auch bei der grofsen Göttin in Sardes 
voraussetzen müssen. 

Hier in der Hauptstadt des industriellsten Volks von Klein- 
asien finden wir ein uraltes Heiligthum der Gottheit, einen 
Tempel, an dessen Schwelle der Paktolos sein Gold ausspülte. 
Wenn wir nun gelernt haben, dafs es Tempelmünzen gegeben 
hat, welche voraussetzlich die älteste Gattung von Münze waren; 
wenn wir hier einen Tempeldienst haben, welcher ebenso wie 
der entsprechende in Babylon das Bedürfnifs nach handlichen 
Werthstücken hervorrufen mufste, einen Dienst, der zugleich 
mit Handel und Metallurgie zusammenhängt und mit ansehn- 
licher Priestermacht ausgestattet war; wenn nirgends so mühe- 
los wie hier ein Edelmetall sich darbot, das, seiner Farbe wegen 
zum Geschmeide weniger geeignet, für Werthprägung dagegen 
das bequemste war, welches gefunden werden konnte, wenn 
endlich die ältesten Münzen von Sardes nachweislich Flufsgold- 
münzen und durch das Löwenbild als etwas der Göttin Zuge- 
höriges gekennzeichnet sind: so werden wir durch diese Er- 
wägungen die Überlieferung von den Lydern als Erfindern des 
Geldes bestätigt finden und dieselbe in der Weise ergänzen, 
dafs wir uns diese älteste den Hellenen bekannte Münze als 
eine von der Priesterschaft der sardischen Göttermutter aus- 
gegebene vorstellen. 

Sardes war für das vorliegende Küstenland die Metropole 
dieses Cultus, welcher eine aufserordentliche Gewalt über die 
Menschen hatte und durch die mannigfaltigen Beziehungen zur 
Musik, zur Industrie wie zum Handelsverkehre eine so hervor- 
ragende Bedeutung erlangt hat, dafs die ältesten Zustände 
auf den Küsten des Archipelagus, von denen wir uns eine 
Vorstellung bilden können, wesentlich unter seinem Einflufs 
stehen. Er war zu Hause auf dem Sipylos, einem der wich- 
tigsten Ausgangspunkte altgriechischer Cultur, und was wir 


1) Ovid. Metam. 10, 64. Rofs Inselreisen 4, 160. 


478 Gesammtsitzung 


von den Pelopiden am Sichersten wissen, ist dies, dafs Ge- 
schlechter dieses Namens die Träger des sardischen Gottes- 
dienstes in Griechenland gewesen sind’). Den Hermos hin- 
unter, welcher von dem heiligen Berge der Dindymene ent- 
springt, verbreitete er sich nach Phokaia; in Smyrna, Magnesia, 
Lampsakos, Kyzikos finden wir ihn, und zwar, wo uns ein etwas 
genauerer Einblick vergönnt ist, als den herrschenden Stadt- 
cultus, zum Zeichen, dafs bei Entwicklung des Gemeinwesens 
die Priesterschaft der Göttin eine hervorragende Bedeutung ge- 
habt hat. Sie war von Anfang an in eminentem Sinne Burg- 
und Stadtgöttin.e Daher Metropolis als Name von Städten in 
Phrygien und in Lydien unweit Ephesos, ein Name, den Alexan- 
der Polyhistor mit Recht so deutet, dafs er die von der Götter- 
mutter gestiftete (und wie Sardes unter ihrem Schutze stehende) 
Stadtgemeinde bezeichne ’?). 

Gab es also in Sardes heiliges Geld, so wird auch in 
den Filialen des Küstenlandes Tempelmünze geprägt worden 
sein. Hier gestalteten sich die sozialen Verhältnisse aber in 
ganz andrer Weise; hier entwickelte sich ein Gemeindeleben 
freier Bürger, welches sich von allen priesterlichen Einflüssen 
frei machte. Die Priester waren die Geldmacht und von den 
Tempelschätzen jede bedeutendere Unternehmung abhängig. 
Sollte sich also das bürgerliche Wesen frei entwickeln, so 
mufste es aus der finanziellen Abhängigkeit gelöst und die 
Macht des Capitals den Priestern genommen werden. Von 
einer zwischen Bürgerschaft und Priestern -getheilten Geldver- 
waltung erkennt man eine Spur in solchen Urkunden, in wel- 
chen Schenkungen an die Stadt und eine daselbst verehrte 
Gottheit d.h. an ihre Priester enthalten sind (wie in der korky- 
räischen Inschrift oreı za Arvusrw)°); denn mögen solche 
Formeln im einzelnen Falle volle Wahrheit haben oder nicht, 
so lassen sie doch auf solche Verhältnisse schlielsen, wo heilige 
(selder unter gemischter Verwaltung standen. 

Die Mitaufsicht städtischer Behörden führte aber zur Me- 
diatisirung der priesterlichen Institute; der Staat legte Beschlag 


!) Gerh. Arch. Zeitung 1855 S. 148. 
2) Steph. B. MutgonoXu;. 
2),0..1. Gr./BER 1.23; 


en re 479 


auf die priesterlichen Kassen, wie dies zur Tyrannenzeit in 
Athen begonnen haben mufs, als die Priesterschaft auf Renten 
gesetzt und von Staatswegen das grolse Tempelkassenhaus ge- 
baut wurde, welches zugleich der Staatsschatz war. 

Von solchen Vorgängen haben wir nur in Athen einige 
Spuren; aber ähnliche Vorgänge müssen wir in allen griechi- 
schen Städten voraussetzen, namentlich an der asiatischen Küste, 
wo nicht, wie es mit dem Branchiden-Heiligthum der Fall war, 
besondere Verhältnisse darauf hinwirkten, dem Tempel eine 
dauerhaftere Selbständigkeit zu sichern. 

Gingen aber die Tempelschätze in städtische Verwaltung 
über, so wurde auch das Geld, das aus denselben geprägt war, 
Gemeindegeld, d. h. der Staat nahm die Emission in seine 
Hand und setzte an Stelle des priesterlichen Kredits den sei- 
nigen. Wie man aber aller Orten beflissen war, den Übergang 
so milde wie möglich zu machen (daher so wenig Überlieferung 
von Conflikten zwischen Gemeinde und Priesterschaft), indem man 
die Säkularisation der Sache nach vollkommen durchsetzte, aber 
der Form nach versteckte, also dem Schatzgebäude Tempelform 
gab, den Schatzbeanten priesterlichen Charakter verlieh und die 
Gottheit scheinbar im Vollbesitze ihres Eigenthums beliefs, so 
machte man es auch mit dem Tempelgelde; man liefs ihm den 
religösen Charakter, als wenn es nach wie vor von den Prie- 
stern ausgegeben wäre, aber zum Zeichen, dafs man jetzt nicht 
mehr einem unter fremder Autorität geprägten Gelde den Un.- 
lauf gestatte, sondern das Geld als Gemeindegeld anerkenne, 
setzte man als profanes Münzzeichen die Initialen des Stadt- 
namens auf die Rückseite. Sie dienten nach einem weitver- 
breiteten Brauche als Stadtwappen auf Kriegs- und Friedens- 
geräthen, wie das A der Lakedamonier, das 2 der Sikyonier u. w. 
beweist. Die Schrift tritt mit solcher Sparsamkeit und in so 
constanter Form auf, dafs sie durchaus den Charakter eines 
Bildes oder Wappens hat. Sie ist die staatliche Contrasignatur 
des priesterlichen Symbols, welches man unverändert liefs; ihr 
Eintritt bezeichnet die Säkularisirung der Münze, am frühsten 
wie es scheint, in Kyzikos und Teos. 

Von der Küste erfolgte ein Rückschlag nach innen. Wie 
in Pessinus, so ist auch in Sardes die dynastische Macht des 


480 Gesammtsitzung 


Priesterthums vor der königlichen Macht zurückgetreten, und 
den vollen Sieg des Königthums können wir in die Zeit setzen, 
da die Mermnaden mit den Traditionen des innern Asiens 
brachen und sich im Anschlusse an hellenische Heiligthümer 
segen die Macht der einheimischen zu sichern suchten. Kroisos 
hat diese Politik durchgeführt, und wenn er die Elektronprä- 
gung aufhob, so liegt die Vermuthung nahe, dafs dies die alte 
Tempelmünze gewesen sei. Er schuf im Anschlusse an die 
griechischen Küstenstädte eine neue Geld- und Silberwährung 
und ging vom phönikischen Fufse auf das dem phokaisehen 
Stater zu Grunde liegende Goldtalent über, aber das alte 
Wappen behielt er bei, das Löwensymbol; es war kein könig- 
liches, aber auch kein städtisches (denn als selbstständige 
Bürgerschaft können wir die Einwohner der lydischen Residenz 
nicht ansehen), sondern das Wahrzeichen der grolsen Göttin 
deren Priesterschaft einst für die Währung verantworlich war. 

Ich glaube kaum, dafs die uns vorliegenden Überlieferun- 
sen und Thatsachen der alten Numismatik sich anders oder 
wenigstens einfacher erklären lassen, als in der versuchten 
Weise. So begreift man die Abhängigkeit der lydischen Münze 
und zugleich ihre Priorität. Denn der neuerdings ausgesprochenen 
Ansicht von Phokoia’ als dem Entstehungsorte des Geldes!) 
gegenüber glaube ich doch geltend machen zu müssen, dafs 
die frühe Verbreitung des phokaischen Staters noch nicht ge- 
nügt, um so gewichtige Zeugnisse, wie die des Herodot und 
des Xenophanes, zu entkräften. Denn wie sollte der Letztere, 
ein Eleate und gründlicher Forscher auf dem Gebiete der 
heimischen Alterthümer, den Phokäern den Ruhm der Erfindung 
nicht zugesprochen haben, wenn die für Priorität der Lyder 
vorliegenden Zeugnisse es erlaubt hätten! 

Es schliefst sich aber, wie mir scheint, das bisher Er- 
mittelte allen Ergebnissen früherer Untorsuchungen auf das 
Natürlichste an; denn wäre es nicht auffallend, wenn der Ein- 
_Aufs der nach Europa verbreiteten Gottesdienste Babylons 
gerade auf dem Punkte, wohin Böckh ihn geführt hat, stehen 


1) Vgl. Th. Mommsen in Grenzboten 1863 S. 389. Brandis Münz- 


wesen Vorderasiens S. 172. 


vom 10. Juni 1869. 481 


geblieben und plötzlich von einer rein hellenischen und rein 
politischen Einwirkung abgelöst worden wäre, wenn die Garan- 
tirung der abgewogenen Metallstücke nicht von der Autorität 
ausgegangen wäre, welche allein berufen war, dieselbe zu über- 
nehmen? Ist aber über die Bedeutung der grofsen Göttin in 
Sardes richtig geurtheilt worden, so ist nicht nur die Einfüh- 
rung ‘der Edelmetalle und die Regulirung ihrer Werth- und 
Gewichtverhältnisse, sondern auch die Ausprägung derselben zu 
gangbarer Münze und deren Überführung aus dem Tempel- 
gebrauche in das bürgerliche Leben von demselben Cultus und 
zwar von der am meisten gegen lonien vorgeschobenen Station 
desselben ausgegangen, und wir haben den Vortheil, die ver- 
schiedenen, auf Metallverwerthung bezüglichen Erfindungen in 
einem grolsen Zusammenhang zu erblicken, den religiösen Cha- 
rakter der griechischen Münzen so wie ihre der orientalischen 
Symbolik entlehnten Gepräge zu begreifen und die Münzen 
selbst als geschichtliche Denkmäler in anderer Weise als bis- 
her benutzen zu können. Denn sie sind jetzt nicht mehr nur 
Denkmäler der Partikulargeschichte und des religiösen wie poli- 
tischen Mikrokosmus der einzelnen Städte, sondern sie dienen 
uns zugleich, die Göttin, in deren Dienste sie erfunden sind, 
auf ihren Land- und Seewegen zu begleiten, sie unter den ver- 
schiedensten Namen und Formen wieder zu erkennen und dann 
die anderen Gottheiten, welche an ihre Stelle getreten sind, 


kennen zu lernen. 


"An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 


M. S. Milojewitsch, Lieder und Gebräuche des gesammten serbischen 
Volks. 1. Buch: Lieder heiliger Gebräuche. Gesammelt und heraus- 
gegeben vom Verf. Belgrad 1869. 8. (In serbischer Sprache.) 

Astronomische Nachrichten. 73. Bd. Altona 1869. 4. 

Cleveland Abbe, Dorpat and Pulkova. (Washington 1867.) 8. 

Archivio giuridico. III, 3. Bologna 1869. 8. 


[1869.] 35 


482 Gesammtsitzung 


17. Juni. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Magnus trug eine Abhandlung über Emission und 
Absorption der bei niederen Temperaturen ausge- 
strahlten Wärme vor. 

Die wesentlichen Ergebnisse derselben sind folgende: 

1. Die verschiedenen Körper strahlen, bis 150° ©. er- 
hitzt, verschiedene Arten von Wärme aus. 

2. Es giebt Körper die nur eine Wärmeart anssenden) 
andere die viele ausstrahlen. 

3. Zu den ersteren gehört das Steinsalz wenn es ganz 
rein ist. Ebenso wie der glühende Dampf desselben, oder des 
einen seiner Bestandtheile, des Natriums, nur eine Farbe aus- 
strahlt, ebenso sendet es selbst bei 150° C. nur eine Art von 
Wärme aus. Es ist monothermisch wie sein Dampf mono- 
chromatisch ist. 

4. Das Steinsalz absorbirt die vom Steinsalz ausgestrahlte 
Wärme in grofser Menge und stärker als die des Sylvins und 
anderer Wärmearten. Es läfst daher nicht, wie Melloni und 
Knoblauch behaupten, alle Wärmearten gleich gut durch. 

5. Die Absorption durch Steinsalz nimmt mit der Dicke 
der absorbirenden Platte zu. 

6. Die grofse Diathermasie des Steinsalzes beruht nicht 
auf einem geringen Absorptionsvermögen desselben für die ver- 
schiedenen Wärmearten, sondern darauf dafs es nur eine ein- 
zige Wärmeart ausstrahlt und folglich auch nur diese eine ab- 
sorbirt, und dafs fast alle andern Körper bei der Temperatur 
von 150° C. Wärme aussenden die nur einen kleinen Antheil 
oder gar keine von den Strahlen enthält, welche das Steinsalz 
aussendet. 

7. Der Sylvin (Chlorkalium) verhält sich ähnlich wie das 
Steinsalz, ist aber nicht in gleichem Maafse monothermisch. 
. Auch bei diesem ist die Analogie mit seinen glühenden Dämpfen 
oder denen des Kaliums vorhanden, das bekanntlich ein fast 
continuirliches Spectum liefert. 

8. Der Flufsspath absorbirt die reine Se fast 
vollständig. Man sollte deshalb erwarten dafs die Wärme die 
er aussendet auch stark vom Steinsalz absorbirt werde. Es 


vom 17. Juni 1869. 483 


gehn indefs 70 p. C. derselben durch eine Steinsalzplatte von 
20”m Dicke. Mit Rücksicht auf die Summe der Wärme die 
der Flufsspath aussendet, die mehr als drei mal gröfser wie die 
vom Steinsalz ist, liefse sich diese Erscheinung wohl erklären, 
doch bedarf dies noch weiterer Untersuchung. 

9. Wenn es möglich wäre von der bei 150° ©. ausge- 
strahlten Wärme ein Spectrum zu entwerfen, so würde, wenn 
Steinsalz der ausstrahlende Körper wäre, dies Spectrum nur 
eine Bande enthalten. Wäre Sylvin zur Ausstrahlung benutzt, 
so würde das Spectrum ausgedehnter sein, aber doch nur 
einen kleinen Theil von dem Spectrum einnehmen, das von der 
Wärme entstehen würde, die vom Kienrufs ausgestrahlt wird. 


Hr. Mommsen gab von den neuesten Ausgrabungen in 
dem römischen Arvalhain im Winter von 1868 auf 1869 Nach- 
richt. 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 
vorgelegt: 

Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen. 16. Bd. 6. Lfe. 
17. Bd. 1. Lfg. Berlin 1868 u. 69. 4. 

Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. Neue Folge 8. Bd. 
2. Heft. Kronstadt 1868. 3. 

Friedrich Schuler v. Libloy, Siebenbürgische Rechtsgeschichte. 3. Bd. 
Hermannstadt 1868. 8. 

Glasnik des Serbischen Gelehrtenvereins. 24. Bd. Belgrad 1868. 8. 

Serbische Bicliographie. Belgrad 1869. 8. 

Giornale degli Scavi di Pompei. Vol. III, Parte 3. Napoli 1869. 4. 

Genocchi, Demostrazione d’una formula di Leibnizio e Lagrange. 
Torino 1869. 4. 

Hoüel, Sur une formule de Leibniz. Bordeaux 1869. 8. 

A. v. Resö-Ensel, Helxnevel Magyasazoja. Heft 1. 2. Pest 1861. 8. 

— Das Schwurgericht in Ungarn. Pest 1868. 8. Mit Schreiben des 
Verf. d. d. Pest 27. April 1869. 


39* 


484 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse - 


Die Akademie beschlofs, dem Hrn. Dr. Paul Krüger in 
Berlin, dem die K. Bayerische Akademie zu München im Jahre 
1867 die letzte Rate der Savignystiftung zu einem Reisestipen- 
dium für Beschaffung eines kritischen Apparats zum justiniani- 
schen Codex verliehen hat, zur Fortsetzung dieser Arbeit und 
zur Ausdehnung auf das theodosianische Rechtsbuch die gegen- 
wärtig.von dem Curatorium der Savignystiftung zur Verfügung 
gestellte Rate von 2000 Thalern zu verleihen. 


21. Juni. Sitzung der physikalisch-mathe- 
matischen Klasse. 


Hr. Dove theilte einige Notizen über die vorjährigen 
Überschwemmungen in der Schweiz mit. 


Hr. W. Peters legte eine Abhandlung von Hrn. E. Grube 
in Breslau vor: 
Beschreibungen neuer oder weniger bekannter von 
Hrn. Ehrenberg gesammelter Anneliden des rothen 
Meeres. 


Die Anneliden, welche Herr Prof. Ehrenberg auf der mit 
seinem Freunde,. dem in Masuah verstorbenen Dr. Hemprich 
ausgeführten, damals schwierigen Reise nach Nordafrika und 
dem Rothen Meer in reichlicher Zahl gesammelt und beobachtet, 
waren bis jetzt ein für die Wissenschaft noch ungehobener 
Schatz des Berliner Museums. Indem ich der Aufforderung 
seines Directors Folge leistend, mich gern ihrer Bearbeitung 
_ unterzog, ist bei der grofsen Bereicherung dieser Thierabthei- 
lung durch neuere Forscher die dadurch hervorgerufene soviel 
gröfsere Zahl von Vergleichungen wie auch vielfache Unter- 
brechung die Veranlassung gewesen, dafs diese Arbeit längere 
Zeit gedauert hat als ich wünschte, und jetzt erst ihr Abschlufs 
erfolgt. Es ist nicht zu verwundern, dafs nach mehr als 40- 


vom 21. Juni 1869. ’ 485 


jähriger Aufbewahrung in Weingeist manches von jener Aus- 
beute sich in einem wenig befriedigenden Zustande befand, aber 
andrerseits um so erfreulicher, dafs noch so viele Exemplare 
sich vollkommen zur Untersuchung geeignet zeigten. Einen 
überaus wichtigen Anhalt fand ich an den von Hrn. Ehrenberg 
selbst an Ort und Stelle entworfenen Beschreibungen, die jetzt 
freilich nicht mehr zur Unterscheidung der 'Arten ausreichen, 
mir aber ebensowohl wichtige Zusätze über die Färbung im 
lebenden Zustande und den Fundort lieferten, als mich da 
sicher zu leiten vermochten, wo die Etiquetten der Gläser offen- 
bar zu deren Inhalt nicht pafsten, indem sie wahrscheinlich 
beim Nachsehen und Nachfüllen des Weingeistes abgesprungen 
und dann vertauscht waren. Zu mehreren der Beschreibungen 
fanden sich die entsprechenden Thiere gar nicht vor, was na- 
mentlich von einigen sehr winzigen Formen gilt, und andrer- 
seits waren mancherlei Anneliden ohne Namen und Fundort 
vorhanden, so dafs sich mit vollster Sicherheit wenigstens nicht 
behaupten läfst, dafs sie aus dem Rothen Meere stammen, dessen 
Fauna ohne Zweifel der bei weitem gröfste Theil dieser Aus- 
beute angehört; von einigen wenigen giebt das Tagebuch selber 
an, dafs sie in Alexandrien gesammelt wurden. Indem ich eine 
Pflicht gegen den gefeierten Reisenden wie gegen die Akademie 
zu erfüllen glaube, wenn ich das Wichtigste von den geretteten 
Schätzen der Veröffentlicbung nicht länger vorenthalte, beehre 
ich mich hiermit der Königl. Akademie die Beschreibungen 
solcher Arten vorzulegen, welche entweder noch unbekannt 
oder blofs noch in der Sammlung der Anneliden des Rothen 
Meeres von Ritter v. Frauenfeld vorhanden sind, oder deren 
Beschreibungen Zusätze zu Savignyschen Arten enthalten, und 
erlaube mir die Bitte, diese Arbeit einstweilen ohne Hinzufügung 
von Abbildungen in die Monatsberichte der Königl. Akademie 
aufzunehmen. 


PoLyno& Sav. 
P. (Lepidonotus) trissochaetus Ehrb. Gr. 
Corpus oblongum, posteriora versus minus attenuatum, ex car- 
neo griseum, interdum sub aurantiacum, dorso medio figuris nigris, 
maculas pallidas ambeuntibus distincto, elytris minus tecto, seg- 


186 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


mentis 27, mediis 5-plo fere latioribus quam longis. Lobus ca- 
pitalis ovalis antice attennatus, postice plica segmenti proximitec- 
tus, oculis nigris parvis, anterioribus prope marginem frontalem 
et exteriorem sitis. Tentacula media lobo capitali longiora, 
ut impar e margine frontali orientia, ut cirri tentaculares et 
dorsuales laevia, sub apice filiformi tumida, annulo nigro picta; 
t. impar mediis longius, ceirris tentacularibus brevius; t. late- 
ralia horum longitudine, papillis brevissimis minimis obsita. 
Pinnae dimidium ventris latitudinem nondum aequantes, phare- 
tra inferiore truncata, superiore humillima, penicillum setarum 
erassum continente. Setae superiores duplicis formae, alterae 
maxime numerosae laeves decolores tenerrimae capillares, sub 
apice longo lineari paulo incrassatae, inferioribus paulo minus 
prominentes, alterae circulo simplici eas ambeuntes, iis alterum 
tantum cerassiores dimidio breviores, leniter curvatae, flavae, 
dense transverse striatae, asperulae. Setae inferiores sub 
apice incurvo simplici dilatatae, utrinque denticulis 5 acutis ser- 
ratae. Cirri dorsuales iis minus prominentes, ventrales 
marginem pinnae haud attingentes, subulatae. Cirri ani haud 
conservati. | 

Elytra utrinque 12 imbricata, medium dorsum plus minus 
tegentia, suborbicularia, diametro segmenta 2 paulo superante, 
tenacia, nigra parte exteriore alba, plerumque sinu medio reni- 
formia, pustulis nigris minutis sparsis obsita, margine laevi. 

Long. 12 ad 14 mill., lat. max. 5 mill., setis omissis 4 mill. 

Dieselbe Art hat Hr. Godeffroy von Samoa und denViti-Inseln 
erhalten: nach einem dieser Exemplare ist die Beschreibung des 
unpaaren und der seitlichen Fühler gegeben, die an dem ein- 
zigen, von Ehrenberg mitgebrachten Exemplar nicht beobachtet 
werden konnten, jener weil er abgebrochen, diese weil sie, wie 
ich annehmen muls, eingestülpt waren. 


P. (Lepidonotus) quadricarinata Gr. 
Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für 1867 p. 28, Ver- 
handl. d. zool. botan. Gesellschaft in Wien 1868 p. 629. 
Corpus ex carneo flavidum, splendidulum plus minus 
iricolor. stria lata ventrali nunc quidem alba, lineis albis lon- 
gitudinalibus utringue 2 distantibus per elytra omnia continua- 


| 


vom 21. Juni 1869. 487 


tis. Lobus capitalis subquadratus, rotundatus ut tentacula 
griseus. Tentaculum impar et media ex margine frontali 
ejus orta, impar articulo basali brevi crasso sulphureo insidens, 
mediis, raro lateralibus paulo magis prominens, ut media 
sub apice annulo fuscius griseo munitum, ut cetera haud tumi- 
dum, t. lateralia multo crassiora.. Oculi anteriores ad 
marginem lateralem in medio positi, posteriores lobulo trans- 
verso segmenti buccalis tecti. Pharynx exsertilis longitudine 
segmentorum 7, papillae marginis anterioris 18, maxil- 
lae in uncum simplicem exeuntes. Cirrorum tentacularium 
superior tentaculo laterali modo magis modo minus prominens. 
Pinnae setigerae utrinque 25, longitudine dimidiam fere ventris 
latitudinem aequante. Elytra utrinque 12, cuti valde adhaerentia, 
sese lineamque dorsi mediam margine paene extremo tegentia, 
laevia, haud fimbriata, oblique subtetragona rotundata, margine 
antico paene truncato obliquo, subpellucido-albida, splendida, 
parte anteriore et; posteriore griseis albo punctatis, maculis 
sulphureis mediis 2 vel 3 ornata, carinis costulisve linearibus 
humillinis 2 a loco insertionis posteriora versus vergentibus, albis 
serie striolarum nigrarum interruptis. Cirri dorsuales articulo 
basali crasso longo insidentes, setas ventrales superantes, apice 
filiformi seposito, hyalino-albidi stria media cretacea, sub apice 
annulo griseo ornati, nec tumidi nec floccosi, posteriores haud 
elongati, cirri ventrales pharetram ventralem haud superantes. 
Papillae ventrales inde a pinna 7%? observatae. Setae 
dorsuales flabellum horizontale componentes, ad 10-nas, bre- 
vissimae tenerrimae leniter curvatae, utrinque serrulatae, s. ven- 
trales rectae, ad 25-nas, flavae, sub apice simpliei utrinque 
spinulis 6 ad 7 armatae. Cirri anales longitudine dorsualium 
proximorum. 

Long. fere 19, 5 ad 21, 5 mill., lat. max. ventralis 4 mill., 
setis adjunctis 6, 3 mill., long. cirrorum analium 2 mill. 

Tor, inter corallia. 

Die obige Beschreibung bezieht sich auf ein Exemplar, das 
Frauenfeld im Rothen Meer gesammelt und das so frisch aus- 
sah, dafs ich darnach die Färbung der Elytren angeben konnte. 
In der Ehrenberg’schen Sammlung fanden sich dann später auch 
noch einige Exemplare, von deren einem die Angabe über den 


488 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Rüssel entlehnt ist, ihre Elytren sahen aber alle ‚eintönig gelb- 
lichgrau aus, und waren nur die schwarzen Pünktchen auf den 
Kielen derselben erhalten, Ehrenberg beschreibt diese auffallende 
Art: Supra cinereo-olivacea, alba, maculata, subtus coerulescens 
linea media rubra. 

P. (Lepidonotus) carinulata Gr. 

Corpus oblongum, alcohole servatum brunneum, segmen- 
tis 27, plus 2-plo latioribus quam longis, supra macula trans- 
versa fusca munitis, elytris omnino tectis. Lobus capitalis 
ovalis, margine frontali tentaculum impar et media emittente, 
oculis parvis ad marginem exteriorem sitis. Tentacula fron- 
talia lobo capitali satis longiora, ut eirri tentaculares et dor- 
suales sub apice filiformi vix tumida, laevia, brunnea, impar 
mediis paulo iongius, eirro tentaculari superiore brevius, t. la- 
teralia sensim attenuata, hoc haud ita longiora, laevia. Seg- 
mentum proximum antice in processum parvum medium quasi 
bilobum productum.  Cirri dorsuales articulo basali alto 
tumido, setas ventrales interdum superantes, ventrales breves. 
Cirri anales haud conservati. Papillae ventrales nullae, 
loco eorum tubercula 'ovalia, sese paene tangentia. Setae 
flavae, superiores 'numerosae divaricatae, denticulis  acutis 
munitae, margine quasi ciliatae, inferioribus dimidio tenuiores, 
eas paene attingentes, inferiores fere 24-nae apice graciliore, 
simplici, sub eo vix dilatatae, dentibus 4 serratae, extremo 
majore. Elytra ovalia, saepius introrsum attenuata, interdum 
reniformia, brunneo-grisea, punctis nigris adspersa, macula 
insertionis pallida subtrigona, extrorsum fusco cincta, margine 
exteriore fimbriato, fimbriis longiusculis, clavaeformibus; 90- 
fariam aucta quasi reticulata, cellulis, rete componentibus, partis 
elytri posterioris et anterioris minoribus fuseis striola splendi- 
dula, (carinula interdum spiniformi) obsitis. 

Long. 8 mill., lat 4 mill., (setis adjunctis). 

Diese Art erinnert sehr an Lepidonotus Jacksoni Kbg., 
doch ist bei dieser der unpaare Fühler länger als die seitlichen, 
diese nicht glatt, die Oberfläche der Elytren glatt. 

P. (Lepidonotus) impatiens Sav. 

Corpus oblongum colore supra carneo, subtus ubique 

aureo fusco, alcohole servatum griseum, dorso dense subtiliter 


, 


vom 21. Juni 1869. . 489 


. transverse striato, segmentis 27. Lobus  capitalis. medio 
leviter dilatatus, margine frontali tentaculum impar et media 
emittente, oculis anterioribus, quantum videre licuit, majoribus 
ad marginem exteriorem sitis. Tentacula media impari 
vix longiora, eirris tentacularibus satis breviora, longitudinem 
lobi eapitalis multo superantia, ut eirri tentaculares et dorsuales 
laevia, sub apice filiformi tumidula. Segmentum proximum antice 
_ medio productum, processu lobo capitali adnato, postice tuber- 
culis minutis 2 ornatum. Cirri dorsuales setas inferiores 
superantes articulo basali alto tumido, ventrales breves, acu- 
minati, anales breves.. Papillae ventrales tubulosae, in 
pinna 6'* ineipientes. Setae brunneae, superiores ad 8- 
nas, haud divaricatae, inferiores attingentes, laeves haud trans- 
verse striatae, leniter curvatae, inferiores paene alterum tan- 
tum crassiores, sub apice utringue spinis 4 dentatae. Elytra 
utringue 12, orbicularia, speciminis unici observati inflata, sub- 
globosa, grisea, papillis parvis sparsis, apice spinis 4 crucifor- 
mibus munita, ad marginem multo majoribus brunneis conicis, 
interdum bispinosis armata, corpus fuscum glandulosum con- 
tinentia, segmenta 2-na tegentia. 
Long. 41 mill., lat. max. 17 mill., pinnis omissis 8,5 mill. 
Tor, inter corallia. | | 
' An dem elnzigen vorliegenden Exemplar sieht man eben- 
falls keine seitliche Fühler, wohl aber an der betreffenden Stelle 
eine Öffnung, welche in eine Höhle führt, und da diese Höhle, 
so weit sich der Eingang untersuchen läfst, mit einer Fort- 
setzung der äufseren Haut ausgekleidet ist, mufs man wohl 
annehmen, dafs die seitlichen Fühler einstülpbar sind. 


P. (Harmotho& Kbg.) grisea Ehrb. Gr. 


Corpus elongatum, alcohole servatum brunneum, poste- 
riora versus attenuatum, dorso omnino elytris tecto, segmen- 
tis 38, supra figura transversa linea alba circumscripta ornatis, 
suleo ventris longitudinali violascente, mediis alterum tantum 
latioribus quam longis. Lobus capitalis rotundato-trapezoi- 
deus, fronte bieuspide, (oculi haud amplius distinguendi). Ten- 
tacula intermedia eo haud longiora, impar eirrique tenta- 
eulares et dorsuales papillis hispidi, sub apice filiformi haud 


490 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


tumidi, t. lateralia laevia, paene cirri tentacularis superioris 
longitudine, hie t. impari brevior. Segmentum proximum antice 
processu acuto munitum. Cirri dorsuales setas inferiores supe- 
rantes, ventrales breves. Setae pallidae, superiores leniter 
curvatae, divaricatae, transverse striatae, margine ciliatae, medium 
inferiorum attingentes, ad 20-nas, inferiores itidem tenerae, 
sub apice bidente spinulis 8-nis vel 12-nis serrulatae, sub 14-nae. 
(Cirri anales laesi)., Papillae ventrales inde a pinna fere 
8Y% observatae. 

Elytra utringue 16, imbricata, ovalia, anteriora latiora, 
suborbiceularia, pallide grisea, macula anteriore et posteriore 
fusca, illa ad locum insertionis sita minore biloba, margine 
ciliato, papillis mollibus stiliformibus sparsis in parte libera 
obsita, punctis nigris sparsis distincta. 

Long. 12 mill., latit. 3, 5 mill., pinnis setisque omissis 1 mill. 

Tor. 


STHENELAIS Kbjg. 
Sth. longipinnis Gr. 


Alcohole servata pallide carnea, gracilior, segmentis 81 
(postremis 11 reproductis). Lobus capitalis rotundato- 
quadratus, oculis haud distinguendis. Tentaculum impar 
haud conservatum, t. lateralia, articulo basali ejus affıxa, 
eum haud superantia, articulus basalis fronte multo angustior, 
t. inferiora longitudine segmentorum fere 8, laevia, haud 
articulata. Cirri pinnae 1"? dupla fere lobi capitalis longi- 
tudine, eirrus ventralis pinnae 24? longissimus, apicem illorum 
paene attingens, duplici pinnae suae longitudine brevior. Pinnae 
longae, humiles, longitudine latitudinem ventris superante, 
pharetris brevibus sed satis separatis, utraque papillas 2 digiti- 
formes ad marginem externum gerente, margo pinnae inferior 
juxta pharetram inferiorem papilla majore, postremo acuminata, 
et prope basin cirro ventrali munitus. Cirri dorsuales 
brevissimi. Setae pharetrae superioris capillares tenuis- 
simae, utrinque breviter eiliatae, ph. inferioris triplieis generis, 
superiores simplices rectae anguste lanceolatae, utrinque 
dentatae, inferiores crassiores compositae, alterae falciferae, 
falce brevi bidente, alterae appendice flagelliformi articulata, 


vom 21. Juni 1869. 491 


artieulis 7 ad 10, apice bidente. Elytra membranacea albida, 
pellucida, interdum macula pallida ochracea ornata, laevia, 
subreniformia, altera haud ita latiora quam longa, altera trans- 
versa, margine externo truncato, papillis brevissimis dentiformibus 
fere 10 instructo. 

Long. corp. 30 mill., tentaculorum inferiorum 2,5 mill., lat. 
corporis 1,5 mill., pinnis setisque additis 4,7 mill. 


n 


Evnice Sav. 
E. flaccida Gr. 


Alcohole servata pallide carnea, leviter iricolor, supra basin 
pinnarum macula rubella ornata, flaceida, pone segmentum buccale 
eoaretata, latitudine a segmento 41° 28’"" versus iterum sensim 
erescente, tum aequali, segmentis 43 tantum conservatis, 
anterioribus fere 23 duplo tantum latioribus, sequentibus 
triplo et quadraplo latioribus quam longis. Frons biloba, oculi 
nigricantes 2, tentacula moniliformia, impar longitudine seg- 
mentorum proximorum 3, articulis 22, media ab eo paulo 
distantia et: breviora articulis 16, externa segmentum buccale 
aequantia, artieulis 10. Segmentum buccale longitudine 
proximorum 2 junctorum, anteriora versus haud attenuatum. 
Cirri nihil articulati, ce. tentaculares marginem anteriorem 
ejus attingentes. Cirri dorsuales jam ab initio branchiis 
paulo breviores, c. ventrales breves, a pinna 6'* fere toro 
brevi rotundato insidentes, a 31”? longiores, toris evanescenti- 
bus. Setae tenerae ad 12-nas, capillares haud limbatae, 
faleigerae paulo fortiores, falce longiuscula limbata apice 
bidente; aciculae pallidae, pinnarum anteriorum 2 vel 3 
superiores, posteriorum inde a 30”? fere 1 quoque inferior 
uncinata, apice bidente limbato. Branchiae flaccidae, pectini- 
formes, utrinque 36 vix multo excedentes, 1”2 pinnae 7mae, 
filis 4, 32”2 et proximae 3 filis 2 vel 1, 5% et proximae 10 
maxime compositae 9-files, eirris dorsualibus dimidio longiores. 

Long. animalis mutilati segmentorum 43 fere 26 mill., tenta- 
euli imparis 2,75 mill., segmenti buccalis 2 mill., branchiarunm 
longissimarum 2 mill., latit. max. (ad segmentum 18’Y"®) 3 mill., 
pinnis additis 4 mill. 


492 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


E. longicirris Gr. 

Margaritaceo-grisea, leviter iricolor, segmentis 146, kaöda 
fere latioribus quam longis. Frons biloba, tentacula, eirri 
tentaculares, dorsuales, anales articulati, articulis lon- 
giusculis vel elongatis. Tentaculum impar longitudine seg- 
mentorum anteriorum 4, articulis longiusculis 10, t. media 
paulo breviora articulis similibus 9, t. externa longitudinem 
segmenti buccalis superantia, articulis 7. Segmentum buccale 
longitudinem proximorum 3 aequans; maxillae principales (i. e. 
paris 24) dentibus 6, m. lunatae (i. e. paris 5%) denticulis 8 
armatae, cirri tentaculares perlongi, tentaculis externis 
paulo breviores, non marginem  anteriorem solum segmenti 
buccalis sed frontem etiam lobi capitalis retracti superantes, 
tenues, articulis inaequalibus elongatis fere 6. Cirri dorsua- 
les. praelongi, anteriores fere 46 dimidia segmentorum lati- 
tudine plerumque longiores, articulis elongatis inaequalibus, 
haud semper satis distinetis 5.ad 7, longitudine deerescentibus. 
Cirri ventrales brevissimi, semper satis distineti, anteriores 
fere 32 ex toris ovalibus, paene subglobosis prodeuntes: Setae 
capillares, haud limbatae, et faleigerae, multo fortiores, falce 
brevi limbata, apice bidente, aciculae nigrae, pinnarum 29 
anteriorum solae lineares, ceterarum 3, quarum inferior uncinata, 
bidens limbata. Branchiae brevissimae, nunguam longitudi- 
nem cirri dorsualis, plerumque dimidium tantum attingentes, 
vel paulo superantes, filis summum 6 vel 7, pectiniformes, 
br. 1m» 3-filis in pinna 3%, ultima in postrema, maxime 
compositae a pinna 6'* usque ad 24m observatae, proxi- 
mae fere 11 5-files, sequentes 11 4-files, postremae 11 
omnino simplices: Cirri anales longitudine segmentorum 
postremorum 7, articulis 5. 

Long. 191 mill., tentaculi imparis plus 6 mill., eirrorum 
dorsualium longiorum 5 mill., segmenti buccalis 3,5 mill., lat 
max. 9 mill., pinnis additis 6 mill., segmenti buccalis 4 mill. 

Suez. 
E. pectinata Ehrb. Gr. 

Habitu E. antennatae, ex rubello flava vel aurantiaca, 
nunc quidem ex subfusco carnea leviter iricolor, cute densa, 
dorsi anterioris subtiliter e longitudine sulcata, segmentis 212, 


vom 21. Juni 1869. 493 


auterioribus 4-plo, posterioribus duplo latioribus quam longis. 
Frons biloba; tentacula haud articulata nunc quidem suleis 
annularibus subtilibus munita, impar longitudine segmentorum 
anteriorum 7, media triente, exteriora plus 'dimidio breviora, 
segmenta 3 aequantia. Segmentum buccale anteriora versus 
hand attenuatum, proxima 34 aequans; eirri tentaculares 
marginem anteriorem ejus paulo superantes. Cirri dorsuales 
ut tentaculares haud annulati, branchiis anterioribus 6 tan- 
tum longiores, proximas 2 aequantes, ceteris breviores, cirri 
ventrales, setae, aciculae cum Eunice flacceida congru- 
entes. Tori pinnarum anteriorum 30 inde a 10% fusci, 
tum evanescentes. Branchiac pectiniformes, a pinna 5#* in- 
eipientes usque ad postremam patentes, 2 anteriores 1-files, 
62 A-NSlis, 72 et 82 7-Alis, 1192 et proximae 20 Alis 9 
vel 10, ne hae quidem dorsi medium attingentes, 33m% flis 6, 
36'* et sequentes plerumque filis 4 vel 3, 94% usque ad 123jam 
filis 2, ceterae 1-files, cirris dorsualibus longiores, postremae 
aeque longae. Cirri ani haud annulati, longitudinem segmen- 
torum postremorum 5 aequantes. 

Long. corporis fere 161 mill., tentaeuli imparis 4,5 mill., 
segmenti buccalis paene 2 mill., lat. max. 3 mill., pinnis ad- 
ditis 3,6 mill. 

Bei einem kleinen Exemplar von nur 32 mill. Länge sah 
ich blofs 35 Paar Kiemen, welche 1-fädig schon am 3!" Ruder 
begannen und mit 4 und 3 Fäden aufhörten. 


E. flavo-cuprea Ehrb. Gr. 


Flavo cuprea, nitore iridis, nunc quidem aeneo-olivacea, 
leviter iricolor, splendore maxime viridi, tentaculis, cirris, bran- 
chiis pallide viridi-flavis, dorso convexo, posteriora versus 
badio, segmentis 100, mediis 4-plo fere latioribus quam 
longis. Frons minus profunde biloba; tentacula articulo basali 
brevissimo affıxa, ut cirri haud articulata, media longitudinem 
segmentorum anteriorum 5 paulo superantia, externa 4 fere 
breviora (impar haud conservatum). Segmentum buccale 
proxima 3 juneta aequans, cirri tentaculares marginem ejus 
vix excedentes. Cirri dorsuales branchis 3-filibus et 4- 
filibus breviores, ceteris raro paululum longiores, c. ventrales 


494 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


breves, ubique satis distineti, toris inferioribus nullis. Setae 
tenerae decolores haud°numerosae,. 10-nae ad 15-nas, capilla- 
res haud limbatae, falcigerae haud ita crassiores, falce lon- 
giuscula limbata apice bidente; aciculae pallidae. Branchiae 
utringue 30, minus compositae, lineam dorsi mediam nunquam 
attingentes, in pinna 4% ineipientes, 1”? ut 24 et 32 1-Nilis, 
5t2 jam 4-filis, pectiniformis, proximae usque ad br. 27 "am 
3-files, hie illie cum 4-filibus alternantes, postremae 4 2- 
files et 1-files. Cirri ani segmenta postrema 6 juncta aequantes. 
Long. ad 17,5 mill., tentaculorum mediorum fere 1,2 mill., 
branchiarum longiorum fere 6 mill., lat. max. (ad segmentum 
gmum et proxima) fere 1 mill., pinnis additis 1,25 mill. + 


E. collaris Ehrb. Gr. 


Rubra punctis sive ocellis minimis densis albis, ‘parte 
postrema albicante, aunulis rufis, nunc quidem carnea interdum 
violascens, iricolor, ventre medio et lateribus albidis, segmentis 
ad 150, 20”W® versus latitudine crescentibus, inde a 45° sensim 
deerescentibus, latissimis fere 11-plo, anterioribus 7-plo 
fere latioribus quam longis, posterioribus minus latis. Frons 
biloba, oculi 2, tentacula fusca, apice alba, ut cirri tentacu- 
lares, dorsuales, anales haud articulata, solo articulo basali 
annulari insidentia, impar segmenta anteriora 4 longitudine 
aequans, media paulo breviora, *exterioribus longiora, haec 
longitudine segmenti buccalis. Segmentum buccale proxima 
3 aequans macula longitudinali alba, 6" totum album. Cirri 
tentaculares lobum capitalem attingentes. Maxillae paris 
2 dentibus validis obtusis 5, p. 34 inaequales, dextra simplex 
semilunaris denticulis 8, sinistra duplex, altera denticulis 6, 
altera 3 armata, labium quod dicunt inferius margine in- 
tegro. Cirri dorsuales anteriores } fere latitudinis ventris 
aequantes, usque ad 7”"m paulo crescentes, a 14° deorescentes, 
breves, ventrales brevissimi obtusi, toris brevibus insidentes. 
'Setae capillares curvatae, sub apice paulo latiores ad 6- 
nas, scalpratae, pectinatim ineisae, 2-nae, falcigerae ad 14- 
nas falce breviuscula, lata, limbata, apice bidente, aciculae 
fuscae, inde a pinna 26'% 2-nae, inferior apice uncinato bi- 
dente, limbato. Branchiae a pinna 15% (14, 16) incipien- 


vom 21. Juni 1869. 495 


tes, usque ad postremam patentes, a 20”? usque ad 100mam 
magis compositae, filis 4 vel 5, (in nonnullis 6) eirro dorsuali 
alterum tantum vel 2-plo longiores, lineam dorsi mediam haud 
attingentes, posteriores 3-files vel simpliciores. Cirri 
anales breves. 

Long. animalis segmentorum 150 ad 106 mill., tentaculi 
imparis 3,5 mill., segmenti buccalis 2 mill.; lat. max. ad seg- 
mentum 20mm et proxima (pinnis neglectis) 4,5 mill., segmenti 
buccalis et posteriorum 3 mill. 

Inter corallia ad Tor. 


LysipDIcE Bav. 
L. re Ehrb. Gr. 


Colore carneo vel paulo cupreo, leviter iricolor, dorso valde 
rotundato posteriora versus planiore, segmentis 164 ad 175, 
anterioribus 7-plo posterioribus 5-plo latioribus quam 
longis, sensim attenuatis. Lobus capitalis annulum segmenti 
buccalis anteriorem longitudine et latitudine fere aequans, subtus 
sulco longitudinali bipartitus, fronte biloba, haud dilatata, oculis 
2 reniformibus. Tentacula frontem attingentia vel paulo su- 
perantia, sensim aeuminata, triangulo angusto obtusangulo affıxa, 
impar exterioribus paulo longius prominens. Segmentum 
buccale biannulum, annulo anteriore longiore quam posteriore, 


x 


ad marginem anticum fissura transversa ad sacculum occultum, 
interdum pulvinaris instar protractum, ferente munitum, segmenta 
proxima fere 3 aequans. Maxillae paris 2“ dentibus obtusis 
4, paris 3% inaequales, semilunares, dextra simplex denticulis 
5, sinistra duplex, alterutra denticulis 3 armata, labium quod 
dicunt inferius, submembranaceum iricolor ubique striatum, 
margine anteriore extrorsum adcendente, haud dentato. Pinnae 
breves, # fere, posteriores + fere latitudinis ventris aequantes, 
eirrus dorsualis pharetram superans, per se ventrali longior, 
setis capillaribus minus prominens, digitiformis. Setae ad 22- 
nas vel pauciores, capillares leniter curvatae sub apice pau- 
lulum latiores, ad 7-nas, faleigerae paulo crassiores, falce 
brevissima limbata apice bidente, seta scalprata pectinatim 
ineisa 1 in pinnis nonnullis observata, aciculae nigrae, pinnarum 
posteriorum’ inde a 20”? fere 2-nae, superior apice recto, in- 


496 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


ferior bidente, anteriorum 1-na (superior). Cirri ani 4, su- 
periores brevissimi, inferiores paulo longiores. 

Long. 63 ad 90 mill., tentaculi imparis 1,3 mill., Pe 
buccalis 1,5 mill., lat. max. 2,5 ad 2,7 mill, ‚pinnis additis 3 mill. 


LUMBRICONEREIS Blv. 
L. versicolor Ehrb. Gr. 


Praelonga, subteres dorso multo magis convexo utringue 
valde attenuata rubella, viridi flavo et coeruleo nitens, nune 
quidem ex violaceo carnea, laete iricolor, segmentis plus 500 
ad 600, plerumque duplo et triplo, anterioribus et posterio- 
ribus alterum tantum latioribus quam longis. Lobus capitalis 
paene semiorbiculatus, paulo complanatus, supra foveola media 
plana longitudinali. Segmentum buccale distinete biannulum, 
eo vix latius nec longius, proxima 2 juncta aequans, annulus 
secundus punctis 4 oculiformibus ornatus (oculis ex Ehrenbergi 
deseriptione), nunce quidem haud conspieuis. Pinnae segmen- 
torum proximorum 8 ad 18 minimae, setis solis prominentibus, 
3-nis vel 2-nis tantum, tenerrimis, segmentorum ceterorum fere 
4, postremorum fere 4 latitudinis corporis aequantes, pharetra 
brevis, labium ejus posterius (inferius) digitiforme paulo com- 
planatum, per se pharetra ipsa haud longius, posteriora versus 
cum ea sensim elongatum. Setae-pinnarum solae capillares, 
angustae limbatae, 5-nae vel 6-nae, praeter eas acıcula l- ur 
decolor, apice recto. 

Long. 256 mill., lobi capitalis 1 mill., lat. segmentorum 
proximorum 1 mill., mediorum 1,5 ad 1,6 mill., pinnis additis 
2 mill. 

Tor, mense Ianuario, inter corallia. 


L. nitida Ehrb. Gr. 


Brevius vermiformis, subteres, anteriora versus minus at- 
tenuata, rubella iricolor, nunc quidem ex subfusco carnea, haud 
"ita laete iricolor, segmetis fere 150, plerumque 3-plo latioribus 
quam longis. Lobus capitalis ex semicirculato ovalis, postice 
paulo constrictus, tumidus, longitudine fere segmenti buccalis. 
Segmentum buccale distinete biannulum, illo paulo latius, 
proxima 2 juncta paene aequans, Maxillae paris 2@i Jongae 


vom 21. Juni 1869. & 497 


dentibus 4, paris 3% dentibus 2 armatae, 4# simplices. Pinnae 
breves, # fere latitudinis segmentorum latissimorum aequantes, 
pharetra brevissima, labium ejus posterius per se eadem longi- 
tudine, breviter digitiforme, saepe posteriora versus spectans. 
Setae tenerae, Subfuscae, plerumque labii apicem haud ita 
longe excedentes, pinnarum anteriorum 24 ad 34 capilla- 
res 2 -nae (vel 1 na) leniter curvatae, anguste limbatae, et unei- 
natae 2-nae, Aue late limbato, ceterarum solae uncinatae 
3-nae. 
Long. fere 34 mill., lat. max. (ad segmentum 20m et 
proxima) fere 1,5 mill., pinnis additis paene 2 mill. 

Tor, mense Decembre, in coralliorum foraminibus habitat. 


L. Hemprichü Gr. 


Subteres, dorso multo magis convexo, gracilis, antice aeque 
erassa, a segmento 10”° sensim attenuata, alcohole servata ex 
flavo subbrunnea, splendens, iricolor, segmentis plus 91, alte- 
rum tantum latioribus quam longis, anterioribus 10 ad con- 
finia minus constrietis duplo latioribus quam longis, per se bre- 
vioribus quam proximis. Lobus capitalis latus, semiovalis, 
paulo complanatus, segmento buccali 4 longior. Segmentum 
buccale antice eo haud latius, in confinio ejus aperturis angustis 
2.munitum, lobulum absconditum forsan protractilem continentibus, 
simplex, segmento proximo paulo longius. Maxillae paris 
24 breves dentibus 5 sarmatae, p. 3Ü et 4 simplices angustae 
acuminatae.e. Pinnae anteriores 10 brevissimae # fere, 
ceterae 4 latitudinis segmentorum aequantes, pharetra 
subquadrata, labium ejus posterius (inferius) per se ea haud 
longius, vix angustius, obtuse rotundatum. Setae breves tenerae, 
' pinnarum anteriorum fere 25 plerumque 3-nae vel 4-nae, capil- 
lares sinuatae latius limbatae, labii apicem haud ita longe 
superantes 2-nae, uncinatae apice rostrato simplici 2-nae vel 
l-na, setae pinnarum ceterarum solae uncinatae, 3-nae, 

Long. animalis mutilati segmentorum 91 fere 19,5 mill., 
lat. maxima (ad segmentum buccale) 1 mill., segmentorum 
posteriorum 0,75 mill., pinnulis additis vix 1 mill. 


[1869.] 36 


498 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


NEREIS L. s. str. Aud. et Edw. 
N. fasciata Ehrb. Gr. 


Haud ita elongata, aequalis, segmentis 77, transverse 
fusco lineatis, nunc quidem concoloribus, anterioribus lon- 
gioribus, longitudine paene 4 latitudinis aequante; mediis et 
posterioribus 3-plo vel 4-plo latioribus quam longis. Lobus 
capitalis segmenti buccalis longitudinem dimidio superans, 
e longitudine fascia ornatus, parte frontali satis seposita. Ten- 
tacula frontalia illo 4 breviora, cum lateralibus aeque 
prominentia. Oculi medicores approximati in macula obscu- 
riore lineari positi. Segmentum buccale proximo haud 
longius, lineis 3 transversis fuscis et arcu antico brevi 'muni- 
tum. Cirrorum tentacularium longissimi segmentum 
6m nondum attingentes. Pharyngis exsertilis maxillae 
6-dentes; paragnathi (grana maxillaria) annuli posterioris 
nulli, anterioris supra 1 medius, utrinque 7 ad 9 seriem 
longitudinalem duplicem componentes, subtus medii 4, crueis 
instar collocati, utrinque acervulus orbicularis (ad 11-nos con- 
tinens). Pinnae omnes subaequales, anteriores supra ad 
basin gibberulae, cirrus dorsualis lingulam suam plus minus 
superans, ventralis sua vix brevior; lingulae anguste trian- 
gulae, superior longitudine et latitudine ceteras paulo superans, 
media inferiore paulo angustior et brevior, labium pharetrae 
superioris angustum longiusculum, in pinnis posterioribus 
evanidum, ph. inferioris duplex, longius illi simile, pha- 
retra ipsa latior. Setae spinigerae et falcigerae, appendieibus 
laevibus, falce longiuscula, acie recta. Rami pinnarum poste- 
riorum paululum distenti, lingulae graciliores. Cirri anales 
longitudine segmentorum posteriorum 4. 

Long. 31,5 mill., lat. max. ad 2,5 mill., pinnis adjunetis 
4 mill. 


N. (Heteronereis) Ehrenbergi Gr. 

Jahresbericht der Schles. Gesellsch. für 1867 p. 29. 

Brevius vermiformis, nunc quidem carnea, segmentis 74, 
anterioribus 17 paene trientem corporis componentibus, subte- 
retibus, ceteris latioribus complanatis. Lobus capitalis 
hexagonus, vix longior quam latus, segmenta proxima 4 lon- 


Be tue 


vom 21. Juni 1869. 499 


gitudine aequans, oculis satis magnis nigricantibus. Tenta- 
cula frontalia articulum lateralium basalem paulo superantia. 
Segmentum buccale proximo haud ita longius, cirrorum 
tentacularium longissimus segmenta anteriora 9 adaequans, 
brevissimus 4 ejus minor. Pharynx exsertilis longitu- 
dine segmentorum 84: maxillae edentulae, paragnathi an- 
nuli anterioris supra medius 1 rotundus, utrinque acervus 1 
multo subtiliorum angustorum longiusculorum, obtusorum, 
subtus acervi 3 similium, p. annuli posterioris supra 
striae breves transversae 2, ex granulis minutis 9 compositae, 
subtus cingulum simplex multo majorum fere 12. Cirri 
dorsuales pinnarum omnium lingulam superiorem multo su- 
perantes. Pinnae anteriores 16 margine dorsuali minime 
gibbero, lingulis crassis obtusis, media paulo breviore a pha- 
retra inferiore superata, p. posteriores multo magis compo- 
sitae, altiores, margine dorsuali citra cirrum in lobulum trans- 
versum, basi constrietum, margine ventrali in majorem 3-lobum, 
ecirrum ventralem ferentem producto, lingula superior et 


"media longius triangulae, acutae, inferior obtusa, paulo 


brevior, pharetra inferior lobo foliaceo bipartito, lingulam 
mediam haud superante et ad basin marginis superioris foliolis 
% minutis ornata. Setae pinnarum omnium spinigerae et falci- 
gerae, (cultriferae nullae), fasciculi superioris spinigerae per- 
paucae, setae inferioris haud ita numerosae. Cirri anales 
longitudine segmentorum 14 postremorum junetorum. 

Long. 21 mill., eirri tentacularis longissimi 3,5 mill., cir- 
rorum analium 2,5 mill., lat. corp. anterioris ad pinnam 12mam 
2,75 mill., pinnis additis 3,5 mill., corp. posterioris ad pinnam 
Y5tam 3 mill., pinnis additis 3,5. 


SYLLIS Sav. 
S. picta Ehrb. Gr. 


Brevius vermiformis, cute densiore, maxime depressa, lata, 
posteriora versus sensim angustior, in segmento buccali lineolis 
2 transversis mediis parallelis, in sequentibus faseia duplici 
transversa rufa striata, parte corporis posteriore albicante, eirris 
dorsualibus rubentibus; nunc quidem color ex hepatico luteus, 
pharetris setarum ut cirris tentatulisque albidis; segmen- 

36 * 


500 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


tis plus 170, usque ad 224m Jatitudine paulo crescentibus, 
proximis 12 fere S-plo, mediis 4-plo vel 5-plo, posterioribus 
3-plo latioribus quam longis. Lobus capitalis parvus, lon- 
gitudine segmentorum proximorum 3, subquadratus, latitudine 
4 segmenti 4" aequante, sulco longitudinali bipartitus, utrinque 
tumidus, pone oculos posteriores lineis eurvis 2 ornatus; oculi 
figuram reetangulam componentes, posteriores paene medium 
longitudinis tenentes, ab anterioribus et a margine diametro 1 
distantes. Tori frontales (palpi auct.) marginem anteriorem 
solum oceupantes, longitudine lobi capitalis, oblongi attenuati, 
divergentes. Tentacula eos longe superantia, filiformia articu- 
lata, eirris dorsualibus haud tenuiora, impar exterioribus longius, 
cum eirro tentaculari superiore aeque prominens, 4-pla fere .lobi 
capitalis longitudine, articulis 40. Segmentum buccale supra 
perfectum, a latere lobum capitalem hbaud ambiens. Cirri 
dorsuales duplam segmentorum latitudinem aequantes, articulis 
numerosis, plerumque 60 ad 70, (c. segmenti 5# ceteris lon- 
giores, tentaculares superantes articulis 90), singuli sparsi illis 
dimidio breviores, articulis 50 ad 20; articuli dimidio, plerum- 
que alterum tantum latiores quam longi, inferiores latiores. 
Pinnae longae, angustae attenuatae, longitudine 4 fere latitu- 
dinis segmentorum aequante. Setae omnes falcigerae 6-nae ad 
10-nas, falce longiuscula bidente, acicula 1. Cirrus ventralis 
medium marginis ventralis tenens, pharetram haud superans. 
Cirri anales longitudine segmentorum proximorum 15, eirris 
dorsualibus proximis multo longiores et crassiores. 

Long. 21 mill., lat. max. 1,4 mill., pinnis additis 1,8 mill,, 
lat. posterior 0,6 mill. (p. a. 1,4 mill.), long. eirrorum dorsualium 
longissimornm 3,5 mill. seu segmentorum eireiter 30. 


S, violacea Ehrb. Gr. 


Gracilis, nune quidem ex carneo brunnea, splendore pau- 
lulum violaceo, latitudine usque ad segmentum 30m crescente, 
inde sensim decrescente, segmentis 103 ad 127, mediis 4-plo 
fere latioribus quam longis, anterioribus brevioribus, pro longi- 
tudine latioribus. Lobus capitalis transversus rotundato-tri- 
gonus, oculi arcum vix curvatum componentes, exteriores 
(anteriores) majores, subreniformes. Tori frontales longitudine 


Pe Zu a 


vom 21. Juni 1869. 501 


_ lobi capitalis, lati obtuse trianguli, paralleli, sinu triangulo dis- 
- tente. Tentacula cirris dorsualibus tenuiora, ut hi et tenta- 


eulares articulata, impar ö-pla lobi capitalis longitudine, arti- 
eulis fere 40 brevissimis, cirro tentaculari superiore paulo longius 
prominens, exteriora impari breviora. Articuli cirrorum 
dorsualium, paueis extremis exceptis, plerumque alterum tantum 
vel duplo latiores quam longi, corpuscula fusca continentes, 
numerosi, longiorum ad 50-nos et 60-nos. Cirri dorsuales 
anteriores 24 et 6% exceptis longi, tentaculo impari longiores 
sed minus prominentes, a 11”° cum brevioribus. alternantes, 
longiores latitudinem corporis dimidio superantes, breviores 
eam adaequantes. Pinnae breves, # latitudinis corporis adae. 
quantes, setae 8-nae omnes falcigerae, falce brevi, apice bidente, 
acicula 1-na, ut illae flava. Cirrus ventralis apicem pinnae 
haud superans. Cirri ani dorsualibus proximis multo longiores. 
Long. animalis 127 segmentorum 24 mill., lat. max. pinnis 
additis 1,5 mill., long. cirrorum dorsualium longiorum fere 2,2 
mill., breviorum alternantium 1 mill., c. analium 1,3 mill. 


S. neglecta Ehrb. Gr. 


Vermiformis, paulo depressa, nunc quidem grisea, utrinque 
attenuata, cute firmiore, quantum videre licet, verruculis minimis 
densissimis obtecta, paululum sericea, segmentis cireiter 190, 
latissimis paulo ante medium sitis, 7-plo latioribus quam 
longis, mediis per se haud brevioribus 4-plo vel 5-plo, poste- 
rioribus 6-plo latioribus quam longis. Lobus capitalis 
transverse ovalis, eadem latitudine qua segmentum buccale, 24° 


paene dimidio angustior: oculi 4, trapezium latum componentes, 


aegre distinguendi, anteriores latius distantes, pone tentacula 
exteriora siti. Tori frontales lobo capitali longiores, graciles, 
apicem versus attenuati, margine interno excavati, subparalleli. 
Tentacula aeque longe torisque longius prominentia, ut cirri 
dorsuales et tentaculares subtiliter annulata, vix moniliformia, 
impar posterius ab exterioribus utrinque rima transversa separa- 
tum. Segmentum buccule proximo paulo longius, angustius 
margine anteriore producto. Cirri tentaculares superiores 
tentaculis paulo longius, cirris dorsualibus segmenti 2 satis 
minus prominentes, hi ut segmenti 5% et 7% Jongissimi, duplici 


502 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


lobi capitalis et tororum frontalium longitudine, longiores quam 
dorsum latum, ceteri plerumque dimidiam segmentorum latitu- 
dinem aequantes vel ea paulo longiores, postremi per se haud 
longiores. Articuli cirrorum longiorum 25-ni ad 30-nos, ex- 
tremi quadrati, basales multo breviores. Pinnae graciles, 
satis inter se distantes, 5 vel 5 latitudinis ventris aequantes, 
labio inferiore : breviter digitiformi. Setae omnes falcigerae, 


8-nae, minime prominentes falce brevissima, aequilatera, valde 


excavata, apice simplici, stipite prope juncturam faleis in an- 


gulum produeto. Cirrus ventralis pinnam paulo superans 
vel brevior, Cirri anales crassi, 3-pla dorsualium erassitu- 
dine, longitudine segmentorum postremorum 6 sive eirrorum 
dorsualium postremorum. 

Long. 23 mill., lat. max. plus 1 mill., pinnis additis 
1,5 mill. 

Tor, Januario. 


S. moniliformis Sav. 


Savigny Systeme des Annelid. p. 44 pl. IV f. 3, copirt in Guerin 
Iconograph. Annelid. pl. 8 f£.1. 

Longius vermiformis, ex griseo rubella (Sav.), nune quidem 
pallide rubro brunnea, linea ventris media violascente, paulum 
complanata, cute densiore sericea, segmentis valde numerosis 


ad 300, eadem fere longitudine, latitudine usque ad 40”® m cres- 


centibus, anterioribus et posterioribus alterum tantum vel duplo, 
ceteris 4-plo fere latioribus quam longis. Lobus capitalis 
transversus subtriangulus: oculi 4 arcum leniter curvatum com- 
ponentes, exteriores (anteriores) paulo majores. Tori fron- 
tales longitudine fere lobi capitalis, subovales antrorsum minus 
attenuati, introrsum inclinati basi conjuncti. Tentacula paene 
aeque longe prominentia, ut cirri dorsuales et tentaculares mo- 
niliformia, impar 3-pla fere lobi capitalis longitudine, toros 5 
. superans, articulis 15 ad 20, cirro tentaculari superiore paulo 
brevius, inferiore longius, ut t. exteriora his tenuius. Cirri 
dorsuales albidi validi, acuminati, moniliformes, anteriores 
longiores, latitudinem segmentorum aequantes vel superantes, 
articulis 26 ad 30, medii et posteriores breviores elongato- 
fusiformes articulis 11 ad 14, basalibus magnis minus sepo- 


vom 21. Juni 1869. 503 


sitis, $ latitudinis segmentorum aequantes. Pinnae breves, ob- 
tusae; setae anteriorum fere 37 faleigerae, tenerae, ad 8- 
nas, falce plus minus brevi apice simplici, ceterarum multo 
fortiores bicuspides, 2-nae, appendice nulla. Cirrus ventra- 
lis longitudine pharetrae. Segmentum postremum quadra- 
tum, longitudine proxima 3 adaequans, cirri anales 3, impar 
brevissimus simplex acutus, exteriores moniliformes, longi- 
tudine segmentorum 15. 

Long. animalis segmentorum 207 ad 48,5 mill., lat. max. 
plus 1 mill., pinnis adjunctis ad 2 mill. 

Habitat sub tegmine gelatinoso-carneo-cinereo lineari lapi- 
dibus affini inter corallia ad Tor. | 


CIRRHATULUS Lam. 
C. auricapillus Ehrb. Gr. 


Vermiformis, saepius brevior, vivus fusco-olivaceus, alco- 
hole servatus pallide carneus, utringque sed anteriora versus 
citius attenuatus, quadrangulus, dorso convexo, latiore quam 
ventre, altitudine parietis lateralis 4 fere latitudinis ventris 
aequante, segmentis plus 200, anterioribus fere 50 inde a 
6% brevissimis, 19-plo latioribus, ceteris (per se paulo longi- 
oribus), fere 13-plo latioribus quam longis. Lobus capitalis 
obtuse conicus paulo depressus foveola aperturave laterali 
posteriore utringue l-na, paene aeque longus ac latus, dimidia 
segmenti buccalis longitudine, oculis nullis. Segmentum 
buccale 2-annulum (quasi 3-annulum) vix longius quam 
latum, setis nudum, proxima 4 juncta aequans, antrorsum paulo 
attenuatum; proxima 6 longitudine maxime decrescentia, seg- 
mentum 7”=um (setigerum 6'"®) serie transversa simplici bran- 
ehiarum confertarum fere 14 obsitum, cetera branchiis tantum 
2-nis lateralibus munitä, nonnulla posteriorum branchiis 
libera, saepius 1-num ad 3-na vel plura branchiferis interjecta. 
Branchiae filiformes, longiores contractae etiam $ longitu- 
dinis corporis aequantes, ob segmentorum anteriorum brevitatem 
hie confertissimae, comam imitantes. Setae fasciculorum 
superiorum ut inferiorum partim capillares, partim unci- 
natae; capillares, ad 8-nas, posteriores minus numerosae, 
minus pallidae apice leniter curvato, 5-nae vel 4-nae. 


504 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Long. speeiminis majoris segmentorum fere 250 ad 63 mill., 
latit. maxima (ad segmentum 45” et proxima) 4,2 mill., ven- 
tris 3,4 mill. 

Habitat in muci vagina limosa in rimis lapidum et portus 
ad Tor. 


C. gracilis Ehrb. Gr. 


Gracilis, subteres, nunc quidem olivaceo-subfuseus, seg- 
mentum $vum yersus crassitudine crescens ‚„ a 15 sensim de- 
crescens, postice acuminatus, segmentis fere 96, anteriori- 
bus 2 nudis, ceteris setigeris, 3!° et proximis 30 branchi- 
geris, 5t° serie branchiarum 10 ornato. Lobus capitalis 
rotundato -triangulus subaequilaterus, segmento 24° longior, 
oculis haud distinguendis. Setae faseiculorum superio- 
rum capillares et breviores uneinatae, inferiorum in seg- 
mentis anterioribus 36 utriusque generis, in ceteris solae bre- 
viores uncinatae. Setae capillares tenerrimae, haud limbatae, 
decolores, segmentorum auteriorum longiores, 4 latitudinis 
corporis aequantes ad 7-nas, posteriorum 2-nae vel 1-na, 
setae uncinatae apice simplici, tenerae, decolores, 2-nae vel 
l-na, inferiores segmentorum posteriorum singulae, ceteris 
longiores, duplo fortiores, corneae. Branchiae filiformes nunc 
quidem albidae, 4 corporis breviores. 

Long. 15 mill., lat. max. 1 mill., long. branchiarum lon- 
giorum 4 mill.e. Segmenta anteriora latiora fere 8-plo, media 
4-plo, posteriora 5-plo latiora quam longa. 

Tor. 


C. nigromaculalus Gr. 


Brevius vermiformis, alcohole servatus e subbrunneo 
carneus maculis nigris adspersus, linea funis nervei albida, 
filis branchialibus nigro annulatis vel nigricantibus apice pallidis; 
segmentis circiter 80, anterioribus fere 9-plo, posterio- 
ribus 5-plo latioribus quam longis. Lobus capitalis semi- 
ovalis, paulo longior quam latus, macula nigra transversa sub- 
lunari postica ornatus. Segmentum lm (buccale) et 24um, 
quantum videre licet, setis nuda, juncta illum longitudine ad- 
aequantia, cetera setigera, singula filis branchialibus singulis 
lateralibus, 7mum serie transversa filorum (utrinque 3) instruc- 


vom 21. Juni 1869. 505 


tum. Fila branchialia aequaliter tenuia, obtusa, longitudine 
differentia, longiora . $ longitudinis corporis adaequantia. 
Fascieuli setarum utrinque distichi, approximati, setae 
tenerrimae decolores, anteriorum solae capillares ad 4-nas 
mediorum et posteriorum capillaris 1-na, breviores fortiores 
leniter uncinatae, apice simplici vix curvato 2-nae. | 

Longit. 7,5 mill., lat. max. paene 1 mill., posterior 2 mill. 

Ohne Angabe des Fundortes, lag aber mit kleinen Tere- 
bellen zusammen, die aus dem rothen Meer zu stammen 
scheinen. 


DASYBRANCHUS Gr. 
D. carneus Ehrb. (? an var. D. caduci Gr.) 


Corpus plus minus elongatum, ex carneo rubellum ad 
finem pectinum uncinorum inferiorem puncto flavo ornatum; a 
medio posteriora versus sensim attenuatum, cute laevi, seg- 
mentis 127 vel amplius.. Lobus capitalis obtusus, paene 
semieircularis. Segmentum buccale eo multo latius, et 24um 
setis nuda, illud ad basin lobi capitalis utrinque fissura trans- 
versa munitum, ex qua in nonnullis lobus rotundatus provenit. 
Segmenta proxima 12 faseiculos setarum utrinque distichos 
gerentia, 3-plo vel 2-plo latiora quam longa, cetera plerum- 
que dimidio breviora, utringue pectinibus uneinorum distichis 
armata. Setae capillares haud limbatae, 20-nae vel magis 
numerosae, uncini longi leviter sinuati, subtus acuminati, 
apice subbidente, late limbato. Branchiae cirratae filis 4-nis 
vel 6-nis, tum simplieibus tum bifureis, in segmentis posteri- 
oribus observatae, saepissime absconditae. 

Long. corporis fere 100 mill., seetionis anterioris 13 mill., 
lat. max. 4 mill. 

Tor, inter corallia muco obvelatus. 

Der Hauptunterschied von D. caducus Gr. würde darin 
liegen, dafs das 2'° Segment keine Borsten trägt, allein noch 
gröfsere Exemplare, wie sie Frauenfelds Sammlung vom rothen 
Meer enthielt, zeigten an diesem auch Borstenbündel und die 
gefelderte Haut der Exemplare vom Mittelmeer. 


506 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


SIPHONOSTOMUM Otto. 


S. tenerum Gr. 

Grube Beschreib. einiger v. Frauenfeld gesamm. Annelid., Verh. d. 

zool. botan. Gesellsch. in Wien 1868 p. 636. 
Brevius vermiforme, subtus planum, triente corporis post- 
eriore multo tenuiore, tereti, nunce quidem cinereum vel pallide 
subcarneum, segmentis 44, fere alterum tantum latioribus 
quam longis, papillas brevissimas ferentibus, papillae alterae 
paulo majores, ovales in dorso cujusque segmenti series trans- 
versas 2 componentes, quarum una in ventrem quoque producta. 
Tentacula 2, branchiae, quantum videre licuit, 8. Setae 
segmenti 1"i et 2di protentae, ceteris multo fortiores et lon- 
giores, (longissimae dimidiam corporis longitudinem aequantes 
vel superantes), transverse striatae magnifice splendentes, irieo- 
lores, utringue seriem transversam componentes, pharetris 
humillimis 2 vix separatis insertae, ad 8-nas, setae seg- 
menti 3% capillares, ceteris paulo tantum longiores et crassiores 
iricolores, antrorsum vergentes, 3-nae, setae ceterorum seg- 
mentorum singulae, superiores capillares tenerrimae, deco- 
lores, inferiores breves, subfuscae crassiores, apice paulo 
incurvo, &a proximis ejusdem seriei intervallo alterum tantum 
majore quam a superioribus ejusdem segmenti distantes. 

Long. 14,5 mill., sectione corporis anteriore crassiore 
segmenta 22 continente, long. setarum anteriorum protentarum 
3 mill. ad 7,5 mill., tentaculorum 2 mill., branchiarum fere 
1 mill., lat. max. ad segmentum 10” fere 2 mill., trientis 
corporis posterioris 0,5 mill. 

Die obige in der Publication der Frauenfeld’schen Anne- 
liden gegebene Beschreibung ist hauptsächlich nach dem besten 
der im Berliner Museum aufgestellten Exemplare von Ehren- 
berg entworfen; das von Frauenfeld eingeschickte hatte zwar 
ähnliche Dimensionen, war aber nicht so vollständig erhalten. 


CLyYMENE S$ar. 
Cl. diadema Ehrb. Gr. 
Verh. d. zool. botan. Gesellsch. 1868 p. 637 Taf. VII. F. 4. 
Longius vermiformis, utrinque paulo attenuata, nunc qui- 
dem ex carneo grisea, segmentis 24, 24° et proximis 18 


N vom 21. Juni 1869. 507 


setigeris, postremo Subinfundibuliformi. Lobus capitalis cum 
segmento 1”° (buccali) coalitus longitudinem segmenti 24 et 
3 junetorum aequans: lamina capitalis oblonga, antice 
truncata, ad latera et postice latius limbata, limbo reflexo 
integro, lobulo anteriore medio nullo, striis latioribus dorsuali- 
bus 3, a medio frontem versus vergentibus; media antice bifurca, 
postice seusim dilatata, exteriores illi proximae, antice leniter 
extrorsum curvatae, paulo attenuatae. Segmenta 11” versus 
utringue longitudine crescentia, 2dum et Zium hreviora quam longa, 
um quadratum, 11”WM alterum tantum longius quam latum, 
proxima sequentium ratione latitudinis habita longiora per 
se angustiora, postice tumida, proinde anterioribus magis sejuncta, 
20mum jterum paene quadratum, sequentia 3 brevissima an- 
nuliformia, s. postremum subinfundiliforme longitudine eorum 
junctorum, ad basin haud coarctatum, ad exitum paulo dilata- 
tum, neque intus neque extus striatum, margine denticulato, 
eirros acutos distantes 18 subaequales, denticulis brevissimis 
plerumque 2-nis (rarius 1”° vel 3"iS) interjectis, ferente. Setae 
segmentorum pone 10”"” sitorum ad fines posteriores colloca- 
tae, capillares tenerrimae, lineares, haud limbatae, ad 30-nas, 
flabellum transversum componentes, uncini duplicis generis, 
‚alteri (segmenti 2% 3 4) peculiares, vix sinuati, paene recti, 
apice simplici haud seposito, serie transversa brevissima collo- 
cati (segmenti 2% 2-ni tantum), alteri (segmentorum ceterorum) 
toris albis inserti, multo magis numerosi, tororum postremorum 
60-ni, pectines componentes, leniter curvati, apice rostrato, 
rostro 5-dentato, scopula laterali ereeta munito. 

Long. 77 mill., long. segmenti 11”! ad 7,5 mill., lat. max. 
5.5 mill., lat. laminae capitalis (limbo reflexo) 2,5 mill., diameter 
infundibuli 3 mill. 

Diese Beschreibung bezieht sich auf das von Ritter von 
Frauenfeld mitgebrachte Exemplar, in Ehrenbergs Sammlung 
liegen nur Fragmente vor. 


PHYLLOCHAETOPTERUS Gr. 
Ph. arabicus Ehrb. Gr. 
Brevius vermiformis, corpore antice latiore, depresso, poste- 
riora versus multo graciliore subtereti, segmentis fere 395, 


508 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


sectionis anterioris pinnulas laterales ferentis 9, mediae 
brevissimae, lobis dorsualibus pinnulisque inferioribus munitae 
2, posterioris processibus dorsualibus torisque dorsualibus et 
ventralibus instructae fere 24. Sectio anterior quadrangula 
antice rotundata, supra paulo excavata, subtus leniter convexa, 
segmentis fere 7-plo latioribus quam longis. Tentacula utrin- 
que 2, superiora brevissima, subulata, inferiora sulco lon- 
gitudinali munita longissima. Pinnulae magnae triangulae serie 
palearum plus 9 armatae, paleae lanceolatae pellueidae, seg- 
menti 4% tum tales, tum fuscae aliquot (2 ad 4) multo latiores, 
apice truncato. Segmentum 10” a 9”° minus quam a 11° 
sejunetum, illo paulo longius, hoc brevius, cum eo fere trientem 
sectionis anterioris aequans: lobi dorsuales foliacei, supra 
latius rotundati bilobi, fasciculum setarum capillarium tenuissi- 
mum continentes, pinnulae sinu ab iis separatae, arcu descen- 
dentes subtus confluentes, uncinis pectiniformibus armatae. Seg- 
menta 4 anteriora secetionis posterioris mediä vix an- 
gustiora, alterum tantum latiora quam longa, cetera subquadrata, 
sensim angustiora breviora, postrema brevissima. Processus 
dorsuales clavaeformes, setas capillares perpaucas continentes, 
tori superiores laterales, transversi, inferiores ventrales 
subquadrati, inter se paululum distantes. 

Long. animalis segmentorum 35, fortasse mutilati 14 mill., 
sectionis anterioris et mediae 3,5 mill., tentaculorum inferiorum 
ad 7 mill., lat. sect. ant. (pinnis additis) 2,5 mill., corporis 
postremi 1 mill. 

Diese Art, von der zwar mehrere doch leider schlecht er- 
haltene Exemplare vorlagen, steht dem Ph. gracilis Gr. sehr 
nahe, hat aber 9 Segmente in der vorderen Abtheilung, ent- 
schieden spitze obere Fühler und Polsterchen auf der Mitte des 
Hinterrückens. | | 

Tubi rudimentum tantum conservatum, hoc teres, corpore 
vix amplius, membranaceum, frustulis calcareis obtectum. 


TEREBELLA. 


a. Branchiis utrinque 3, cirratis. 
T. thoracica Ehrb. Gr. 


Corpus anteriora versus subquadrangulum, dorso plano, 


vom 21. Juni 1869. i 509 


ventre initio convexo, rubellum, haud ita tumidum, segmentis 
fere 80, anterioribus brevibus 3-plo, tum 2-plo latioribus quam 
longis, mediis aeque latis ac longis, posterioribus brevibus, per se. 
angustioribus, longioribus quam latis, postremis iterum breviori- 
bus. Tentacula longa rubra, marginibus distinctius undulatis. 
Segmentum buccale supra fascia oculorum munitum, pro- 
xima 3 branchigera, lobis nullis dilatata. Scuta sectionis 
anterioris ventralia fere 26, transversa, haud rotundata, 
minus circumscripta, in toros uncinigeros transeuntia, latitudine 
utrinque valde decrescentia, posteriora 9 fere sulco transverso 
subdivisa, postremum quadratum. Fasciculi setarum ca- 
pillarium numerosi utrinque 37 ad 41, lati, pharetra oblique 
truncata, basi dilatata, a segmento 3° incipientes, tori incini- 
geri a 9'° incipientes, laterales ubique serie uncinorum simplici, 
posteriora versus in pinnulas breves, crassas, semiovales mutati, 
multo longius inter se distantes, ultimi obsoleti. Setae capil- 
lares ad 32-nas, aureae anguste limbatae, vix curvatae, uncini 
plus 80-ni, rostrati, rostro simplici. Branchiae segmente 24°, 
310, 41% affıxae cirratae, fasciculum filorum simplicium ex toro 
transverso orientium referentes, tori paris po:tremi sese paene 
tangentes, anteriorum vix magis distantes. 

‘Long. corporis 56 ad 75 mill., tentaculorum longiorum ad 
30 mill., filorum branchialium longiorum 4 mill., lat. max. (ad 
segmentum 15'W®) paene 4 mill. 

Tubus, ex parte tantum conservatus, 6 mill. latus, firmus, 
flexilis, rudimentis conchyliorum et polythalamiis raris obtectus. 

Tor, Octobre. 


b. Branchiis utringue 3, ramosis. 
T. vigintipes Ehrb. Gr. 


Corpus rufescens parte anteriore maxime tumida, poste- 
riore longiore valde attenuata, segmentis fere 68, 16! et 
proximis duplo fere, anterioribus (per se brevioribus) 4-plo, 
posterioribus per se multo angustioribus, 2-plo latioribus quam 
longis. Tentacula rosea. Segmentum 24”, Zium, qtum hran- 
chigera, ut buccale, lobis nullis dilatata. Scuta ventralia 17 
transversa rectangula, nune quidem pallida, toris uncinigeris 
dimidio angustiora, inde a segmento 18Y° quadrata haud ita bene 


510 "Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


distinguenda, a 24% nulla. Fasciculi setarum capillarium 
utrinque 20, a segmento 4%, tori uncinigeri a 5f° incipien- 
tes, laterales, serie uncinorum duplici, inde a segmento 24t° ven- 
trales, serie uneinorum simpliei.  Unecini rostrati apice simplieci, 
setae capillares haud limbatae. Branchiae utrinque 3, 
ramoso-ceirratae, tota dorsi latitudine distantes, stirpe longiore, 
serie ramorum brevissimorum distantium, in ramulos longissimos 
saepe bifurcos exeuntium obsita. 

Long. corporis 50 mill., branchiarum 2,5 mill. 

Tor, Decembre, Januario. 


T. variegata Ehrb. Gr. 


Valida, medium versus incrassata, carnea albo conspersa, 
nunc quidem griseo-carnea, segmentis fere 60, anterioribus 
4-plo, mediis 2-plo, posterioribus (per se multo angustioribus) 
inde a 24° alterum tantum latioribus quam longis. Segmen- 
tum 2dum, Zium, tum branchigera, 2dum et Zium connata, lobo 


laterali communi magno, longitudinem corporis prosequente, 


| paulo obliquo, anteriora versus descendente, semiecirculato ornata. 
Tentacula crebra, crassa, fusca, annulis nigro-fuscis variegata, 
nunc quidem concolora. Scuta ventralia 13,1mum segmentis 
tribus commune, anteriora 9 accuratius circumscripta, transversa, 
zeum Jatitudinem tori uncinigeri adaequans, posteriora quadrata 
vel paulo longiora. Fasciculi setarum capillarium satis 
lati, aurei, utrinque 17, a segmento 4, tori incinigeri a 5" 
incipientes, paene aeque lati, a segmento 20%° in pinnulas ven- 
trales mutati. Uncini tororum serie dupliei collocati, rostro 
simpliei, pinnularum pectiniformes dentibus 4. ( 

Branchiae utrinque 3 taeniae dorsi marginali incrassatae, 
usque ad segmentum 9” patenti affıxae, confertae, haud ita 
longe a linea dorsi media distantes, ecinnabarinae, basi punctulis 
albis notatae, crassae arbusculiformes, ramosissimae ramis cre- 
bris longiusculis, dense fasciculosis vel subeirratis, spira ad- 
scendentibus, anteriores majores. | | 

Long. 80 mill., branchiarum anteriorum 5 mill., tentaculo- 
rum longiorum 18 mill., lat. max. ad segmentum 15'W® 8 mill., 
ad 2dum 6 mill., posteriora versus 3 mill. 

Tubus ex fragmentis conchyliorum et arena confectus. 


SE a ne 


vom 21. Juni 1869. 511 


T. virescens Ehrb. Gr. 

Graeilis, anteriora versus tumidula, olivacea, segmentis 
eireiter 72, anterioribus 4-plo, posterioribus alterum tan- 
tum latioribus quam longis. Segmentum 2dum, Zium 4tum 
branchigera, ut buccale, lobis nullis dilatata.. Tentacula 
flava (plus 15). Scuta ventralia 15 transversa rectangula, 
4-plo fere latiora quam longa, toris uncinigeris latiora, poste- 
riora versus latitudine minus decrescentia. Fasciculi seta- 
rum capillarium utrinque 17 (16 Gr.) a segmento 4° (5° Gr.) 
incipientes, pharetris longiusculis, tori uncinigeri a segmento 
5t° incipientes, pone 15" latiores, a 20%° in pinnulas mutatıi. 
Setae capillares aureae partim fortiores, partim lineares, 
uncini tororum serie duplici dispositi, rostro bidente. Bran- 
chiae utrinque 3, pallide roseae, humiles, stirpe brevi, seriem 
ramorum longitudine et numero ramulorum et surculorum valde 
decrescentium mittente, postremae minimae. 

Long. corp. 22 mill., lat. 2,5 mill. 

Tor, Decembre. 


T. Ehrenbergi Gr. 


Graeilius vermiformis, anteriora versus tumidula, cute den- 


siore splendidula, segmentis cireiter 157, anterioribus paucis 


tantum 4-plo vel 3-plo latioribus quam longis, sequentibus lon- 
gitudine crescentibus, 17”° jam paene aeque longo ae lato, ce- 
teris similibus vel longioribus, postremis iterum brevibus, 2-plo 
vel 3-plo latioribus quam longis. Tentacula, quantum videre 
lieuit, haud ita numerosa. Segmentum 24um, Zium, 4tum pran- 
chigera, lobis nullis dilatata. Scuta ventralia 12, latitudine 
valde decrescentia, transversa rectangula, media duplo fere la- 
tiora quam longa, latitudine tororum uncinigerorum affınium. 
Faseiculi setarum capillarium tenues, jam a segmento 
3'° ineipientes, paene per totam corporis longitudinem patentes, 
segmentis 20 posterioribus exceptis; tori uncinigeri a seg- 
mento 4° incipientes, haud ita lati, pone scuta ventralia omnino 
ventrales. Uncini serie dupliei collocati, rostro simplici, Setae 
tenerrimae, vix limbatae. Branchiae utringue 3, ramosae, 
stirpe bifurca, utraque parte ramos aliquot distantes, ramulis 
terminalibus brevioribus 2 vel pluribus obsitos, mittente. 


512 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Long. corp. fere 43 mill., " branchiae ei (hujus 
speciminis 3%), 1 mill., lat. max. 1,3 mill. 


c. Branchiis utrinque 2, ramosis. 
T. (Phyzelia) ochroleuca Ehrb. Gr. 


Flava hie illic venis rubris picta, nunc quidem subbrunnea, 
antice tumida, postice elongata, valde attenuata, segmentis 
plus 80 brevibus, postremis haud satis distinguendis. Lobus 
capitalis brevis. Tentacula cerassiuscula (7 tantum conser- 
vata mutilata), flava aut hyalina.. Segmentum 2dum et Zium 
branchigera, lobis lateralibus nullis.. Scuta ventralia trans- 
versa brevia, minus seposita, latitudine paululum decrescente. 
Fasciculi setarum utrinque 18, a segmento 4%, tori un- 
cinigeri a 5'° incipientes, I”"® versus latitudine crescentes, a 
16t° decrescentes, mox omnino ventrales, haud in pinnulas mutati. 
Setae capillares vix limbatae, 12-nae, uncini serie simpliei 
collocati, rostrati, rostro anteriorum certe simplici. Branchiae 
utringue 2, humiles fruticosae, stirpe brevissima bifurca, ramo 
altero seriem secundam contiguam ramulorum inaequaliter di- 
chotomorum mittente, altero minus ramuloso, branchia ante- 
rior posteriore paulo major. 

Long. fere 27 mill., sectionis anterioris ad 9 mill., bran- 
chiae anterioris 2,5 mill. 

Tor, Decembre. 

Obwohl mehrere Gläser mit dem Namen Terebella ochro- 
leuca bezeichnet waren, kann ich doch nur auf dieses eine Thier 
die Beschreibung von Ehrenberg beziehen und habe deshalb auch 
seine Angaben über die Färbung hier aufgenommen; doch giebt 
er 19 Paar Borstenbündel an, fügt auch hinzu, dafs auf dem 
Kopflappen eine Reihe von Äugelchen vorkommen. Die T. 
seylla Sav. kann nicht mit dieser Art identisch sein, da ihre 
Färbung mit T. conchilega übereinstimmen soll, also sehr 
abweichend ist, auch die hinteren Segmente ähnliche Haarbor- 
sten wie die vorderen tragen sollen. 


T. (Phyzelia) atricapilla Ehrb. Gr. 


Brevius vermiformis, antice tumida, rubra, nunc quidem 
subfusca; splendore paulo violascente, dorso tenerrime transverse 


vom 21. Juni 1869. 513 


striato, segmentis 50 ad 88, anterioribus 5-plo et 3-plo, 
posterioribus plerumque paulo tantum vel vix latioribus quam 
longis, 24° et 31° branchigeris, utrinque lobo laterali munitis, 
lobi 2di magni, rotundati deorsum latiores, subtus confluentes, 
3% minores, altius affiixi. Tentacula nigra crebra, plus 50, 
contracta longitudine corporis dimidia vel breviora. Scuta 
ventralia 12 transversa, a toris uncinigeris minus seposita, 
juncta 4 animalis vivi aequantia. Fasciculi setarum capil- 
larium utrinque 13 ad 22, a segmento 4, tori uncinigeri 
a 5° incipientes, usque ad "WM Jatitudine (altitudine) crescentes, 
tum deerescentes, posteriores ad marginem ventris siti, haud 
in pinnulas mutati. Setae tenerrimae, haud limbatae, plus 
15-nae. Branchiae utringue 2 pallidae ramosae, modo mini- 
mae, modo anterior diffusa, altitudinem corporis interdum 
superans, latitudine dorsi distantes, inaequaliter dichotomae, 
surculis extremis bifurois, brevissimis. 

Long. corp. ad 24 mill., lat. max. 3,5 mill. 

In coralliis ad Tor foramina habitat muco vestita. 


T. (Phyzelia) fasciata Ehrb. Gr. 

Dendrophora fasciata Ehrb. 

Vermiformis, antice minus tumida, lobis segmentorum prio- 
rum dilatata, dorso inde a segmento 7'° fusco, dense transverse 
striato, initio angusto (partibus lateralibus latioribus), sensim 
latitudine erescente lateribus ventreque pallidioribus, fune nerveo 
ventris satis prominulo, toris uncinigeris corporis anterioris parte 
posteriore fascia laete rubra (nune quidem nigricante) ornatis, 
fasciis posterioribus 4 latioribus, utringue subtus confluentibus; 
segmentis fere 70, mediis duplo, posterioribus (angustioribus) 


 alterum tantum latioribus quam longis. Lobus capitalis 


late ovalis, lobis segmenti 2% haud magis prominens. Tenta- 
cula valde numerosa, pallide olivacea. Segmentum buccale 
angustum, 2dum et Zium branchigera, 24m utrinqgue lobo maximo 
anteriora versus spectante, semicirculato, subtus cum altero 
taenia conjuncto munitum, 3!" plica ventrali transversa humili, 
gtım utringue lobo angustiore quam 24°, 5tum fasciculum setarum 
minimum lobumqgue lateralem humillimum ferens, 6m et pro- 
xima 15 fasciculis setarum torisque uncinigeris sese tangentibus, 
[1869.] N 


514 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


qzmum et SYum praeterea ad latera dorsi organo brevi clavaeformi, 
in fossa ampla recondito, instructa, segmentum 21”Um et cetera 
solis pinnulis munita. Scuta ventralia 16 anteriora la- 
titudine tororum uncinigerorum, 4-plo et 3-plo latiora quam 
longa, cetera longitudine sensim crescentia, latitudine maxime 
decrescentia, 13!"® rotundato-quadratum ut proxima parte poste- 
riore e longitudine striata. Fasciculi setarum utrinque 17, 
setae capillares ad 10-nas, nonnullae latiores, tori uncinigeri 
sub fasciculo setarum papilla parva muniti, pinnulae subqua- 
dratae, uncini tororum serie dupliei, pinnularum simpliei col- 
locati, illi rostro paene simpliei, hi distinctius 3-dente vel 
4-dente. 

Branchiae utrinque 2, lineam dorsi mediam proximae, 
ex basi quasi communi orientes, arbuseuliformes, ramis solo ex 
apice stirpis radiatim prodeuntibus fere 6, longissimis, in ra- 
mulos haud ita breves divisis, ramuli surculis minutis saepius 
bifureis muniti; branchiae paris 1”! alteris multo altiores magis- 
que compositae. 

Long. corp. fere 73 segmentorum nunc quidem ad 70 mill., 
branchiarum paris 1”! ad 5 mill. i. e. longitudinem segmento- 
rum anteriorum fere 9 aequans, tentaculorum longiorum 14 mill., 
lat. max. plus 4 mill., seetionis anterioris medio PiNen 3,9 mill. 

Tubus frustulis lapidum confectus. 

Tor. 


TEREBELLIDES Sars. ° 
T, umbella Ehrb. Gr. 


Brevius vermiformis, nunc quidem ex carneo fusca, ante- 
riora versus tumida, sectione posteriore pinnuligera multo minus 
crassa sensim attenuata; Segmentis plus 33, mediis a 1240 
fere usque ad 17”"m minus brevibus quam ceteris. Lobus 
capitalis satis magnus semieirculatus, supra tentaculis 

.maxime numerosis obsitus. Tentacula filiformia, plerumque 
longissima, apice incrassata clavaeformia, nonnulla breviora 
paulo crassiora, magis aequalia. Segmentum buccale breve, 
nudum, 2dum (branchigerum) et proxima 17, fasciculis setarum, 
Gum et sequentia 13 cristis uneinigeris quogue, reliqua 
solis pinnulis instructa. Setae capillares subrectae, tenerae 


2 ee 


% | vom 21. Juni 1869. 515 


haud limbatae, ad 6-nas, eristae uncinigerae omnino late- 
rales, proxime sub illis ortae, uncini earum manubrio elon- 
gato, leniter sinuato, rostro, quod videre licuit, simpliei, erista- 
rum anteriorum perpauci, ceterarum summum $-ni; pinnulae 
angustissimae, uncini earum rostro pectinatim dentato, ad 12- 
nas, dentibus fere 4-nis. Branchia dorso segmenti 24 affıza, 
stipite angustiore, breviore, parte supera anteriora versus in 
lobos 4 exiens, postice simplici subtriangula, serie tripliei pa- 
pillarum obsita; lobi serie laminarum tumidarum dupliei quasi 
peetiniformes, acuminati, superiores 2 inferioribus multo te- 
nuiores et breviores. 

Long. animalis postice paululum mutilati 8 mill., sectionis 
anterioris (segmentorum 19) 6,5 mill., tentaculorum longiorum 
6 mill., loborum branchialium majorum plus 1 mill., lat. max. 
eorporis plus 1 mill. 

Tor, inter corallia. 

Diese Art ist T. Sieboldii Kbg. am ähnlichsten, doch 
weicht namentlich Kinbergs Beschreibung der Kiemen ab. 


POLYCIRRUS Gr. 
P. (Leucariste Mgn.) coccineus Ehrb. Gr. 

Terebella coccinea Ehrb. 

Vermiformis anteriora versus tumidissimus, ad lobum ca- 
pitalem angustatus, parte posteriore gracili, subteres, subtus sulco 
medio longitudinali, coccineus, segmentis fere 100, anterio- 
ribus quasi cingulo munitis 3-plo et 4-plo, posterioribus alterum 
tantum, postremis 2-plo fere latioribus quam longis.. Lobus 
capitalis supra reniformis, segmenta anteriora amplectens, 
suleis linearibus striisque distantibus aliquot quasi areolatus, 
subtus sinu longitudinali longiore, et utrinque brevissimo trans- 
verso, ab ore exeuntibus plicatus. Tentacula maxime nu- 
merosa, confertissima, comam crassam componentia, a limbo 
lobi capitalis marginali et a parte inferiore orientia, plurima 
extremitate elongato fusiformi, sulco infero exarvata, pauca tan- 
tum filiformia, longiora dimidiam corporis longitudinem ae- 
quantia. Scuta ventralia nulla. Fasciculi setarum capil- 
larium utrinque 22, a segmento 22° incipientes, pharetrae elon- 
gatae graciles, dimidiam ventris latitadinem aequantes, e margine 

37° 


516 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


ventris laterali prodeuntes, intervallis ‚utringue interjeetis satis 
magnis, anteriora versus maxime decrescentibus, a segmento 
24° in pinnulas mutatae.‘ Setae capillares marginem pha- 
retrae posteriorem serie obliqua prosequentes, 6-nae ad 10-nas, 
fortiores leniter curvatae, utrinque denticulatae, uneini pinnu- 
larum tenerrimi rostrati apice simplici. Tori uncinigeri in parte 
corporis anteriore haud distinguendi. 

Long. corp. circiter 22 mill., tentaculorum fere 10 mill., 
lat. max. (ad segmentum 20”Wm et proxima) 1,5 mill., lat. lobı 
capit. 1,5 mill., segmentorum postremorum plus 0,5 mill. 


SABELLA L. Sav. 
S. fusca Gr. 


Brevius vermiformis, crassa, semiteres ventre plano, poste- 
riora versus paulo attenuata, apice extremo rotundato anum 
continente, nune quidem umbrina scutis ventralibus fuscioribus, 
paene nigricantibus, segmentis fere 106. brevibus, longitudine 
mediorum 1; latitudinis, posteriorum fere 7}; latitudinis aequante. 
Mutatio setarum pone segmentum 7"U® yel 8’"m observata, 
sectione corporis anteriore paulo latiore quam longa, 4 longitu- 
dinis adaeguante. Scuta ventralia per se ubique eadem la- 
titudine, 5-plo fere latiora puam longa, posteriora multo bre- 
viora, 8-plo latiora quam longa. Collare humile, subtus medio 
paulo incisum, utrinque integrum. Branchiae aeque longae, 
utringue orbem componentes, longitudine 4 corporis adaequante, 
filis utringue 34 ad 38, barbatis, ad basin membrana humillima 
conjunctis, pinnulis dorsualibus oculisve nullis, lamina basali 
humili, umbrinae vittis fuscis angustis 8, apex filorum nunc 
quidem plerumque in spiram gyrorum 3 involutus; radii rigi- 
duli, haud crispati, longitudine 3-plam rhachis cerassitudinem 
aequante. Tentacula (utrinque 1) triente filorum paulo lon- 
giora. Fasciculi setarum flavi, aeque breves, setae capil- 
 lares haud ita numerosae, leniter sinuatae, anguste limbatae, 
pectines uncinorum simplices, sectionis anterioris latitudine 
maxime decrescentes, posterioris initio multo minus lati, a scutis 
ventralibus paene dupla latitudine distantes, sensim magis ad 
ventrem extensi, uneini rostrati, apice simplici. 


| 
| 
| 


vom 21. Juni 1869. 517 


Long. corporis 66 mill., branchiarum 36 mill., lat. max. 
corp. 7,5 mill. 
Tubus limo confectus, pariete crasso, postice geniculatus. 


S. (Dasychone Sars) luctuosa Ehrb. Gr. 


Corpus brevius vermiforme subteres, posteriora versus paulo 
complanatum, ano extremo, fuscum, nunc quidem subfuscum 
ventre collarique punctis fuscis adsperso, segmentis 69 ad 75, 
anterioribus et mediis 7-plo, posterioribus 3-plo fere latioribus 
quam longis. Mutatio setarum pone segmentum 8" obser- 
vata, sectione corporis anteriore paulo latiore quam longa. 
Collare humillimum erectum utrinque integrum, partibus ad 
lineam ventris mediam sitis lobi rotundati instar reflexis. Scuta 
ventralia pallidiora, anteriora 8 indivisa 3-plo fere, cetera 
(inde a 10”°) sulco mediano bipartita 4-plo, tum 5-plo latiora 
quam longa.. Branchiae aequales 4 fere totius longitudinis 
(4 corporis longitudinis) aequantes, utrinque in orbem convolu- 
tae, filis utringue 18 ad 24, animalis vivi atro-rubrae, lamina 
basali humili, fila nunc quidem pallide grisea, annulis brunneis 
angustis 24 ad 36 articulata, membrana basali paene nulla con- 
juncta, radiis barbata, pinnulis dorsualibus munita, apice extremo 
nudo; radii filiformes longitudine 6-plano rhachis crassitudinem 
aequante, ad annulos prodeuntes brunnei, ceteri decolores, 
pinnulae dorsuales obtusae, paribus 12-nis dispositae, in- 
feriores brevissimae, rhachis crassitudinem aequantes, ceterae 
apicem versus longiores, filiformes, radiis breviores. Tentacula 
(utringue 1) brunnea, 4 fere longitudinis filorum aequantia. 
Fasciculi setarum sectionis anterioris flavi, posterio- 
ris fusciores, setae capillares numerosae limbatae; pectines 
uncinorum simplices, sectionis anterioris latitudine decrescen- 
tes, posterioris postremis illius satis minus lati, uneini 
rostrati, apice simplici. 

Long. corp. ipsius 32 mill., branchiarum 16 mill., lat. corp. 
max. 4 ad 5 mill. | 

Tubus flexuosus, cartilagineo-membranaceus, arena ad- 
mixta scaber, dilute fuscus, coralliis affıxus. 

Tor, Decembre. 


518 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


SERPULA L. Sav. 
S. (Pomatoceros) erucigera Gr. | 

Serpula erucigera Gr. Jahresber. d. Schles. Gesellsch. für 1861 
p- 66. 

Corpus brevius vermiforme extremitate postica obtusa, 
nunc quidem pallide carneum, segmentis plus 77, omnibus 
setas capillares gerentibus, seetione anteriore 4 corporis 
adaequante, segmenta 7 continente, lobis membränae pallialis 
angustis alata. Collare, utrinque incisura laterali bilobum, 
margine haud dentato. Branchiae aequales, nunc quidem ex 
coeruleo cinerascentes, spira gyrorum 7 adscendentes; fila 
branchialia usque ad dimidium longitudinis membrana con- 
juncta utrinque fere 200, gyri infimi plus 40. Stylus oper- 
culifer sinister, latus, supra excavatus, processibus nullis 
armatus. Operculum lamina membranacea subovata paulo 
excavata, posteriora versus angustior, supra prope basin pro- 
cessu erecto crasso jam ad basin tricorni armata, cornua 
deorsum curvata, lateralia simplicia, acuta, impar paulo 
longius, nec vero marginem operculi superans, apice bifurco. 
Fasciculi setarum sectionis anterioris, 1%° excepto, 
latissimi, setae leniter curvatae, aureae, anguste limbatae, 
fasciculi 1®i paucae (8), longiores earum magis curvatae 
paene uncinatae; setae sectionis posterioris fasciculos 
tenuissimos componentes, fere 6-nae, tenerae, geniculatae. 

Long. totius animalis 31 mill., branchiarum (ut operculi) 
plus 9 mill., filorum gyri infimi 5,5 mill. 

Tubus haud conservatus. 

Tor, Decembre. 

Der Deckel dieser Art zeigt. die gröfste Ähnlichkeit mit 
der von Mörch gegebenen Abbildung von Pomatoceros bu- 
cephalus Mch.'), einer Art, die von Semper bei den Philip- 
pinen gefunden, aber blofs nach dem Deckel und der Röhre 
aufgestellt ist. Namentlich fehlen Angaben über die Beschaffen- 
_ heit der Kiemen. 


!) Mörch Revis. crit. Serpulidarum Naturh. Tidsskr. 1863 Tab. XI 
12126. 


uw 


vom 21. Juni 1869. 519 


S. (Pomatoceros) multicornis Gr. 

Serpula multicornis Gr. Jahresber. d. Schles. Gesellsch. für 
1861 p. 59. 66. | 

Corpus brevius vermiforme, nunc quidem albidum, seg- 
mentis fere 86, omnibus setas capillares gerentibus, sec- 
tione anteriore 4 corporis superante, Segmenta 7 conti- 
nente, lobis membranae pallialis angustis alata. Collare 
utringue incisura laterali fissum, margine haud dentato. Bran- 
ehiae aequales, nunc quidem pallide roseae, utringue orbem 
simplicem componentes; fila branchialia usque ad dimidium 
longitudinis membrana conjuncta, utrinque 20, usque ad apicem 
barbata. Stylus operculifer sinister, latus, complanatus 
utringue membrana angusta, supra latiore 6-fimbriata alatus, 
operculum orbiculare, branchiis imminens, cornibus 6 ex 
eirculo disci medii orientibus armatum, cornua marginem 
operculi paulo superantia, conservata (3 tantum) paene a 
basi bifurca, ramis furcae serie subulorum 4 obsita, apice ipso 
bidente. Faciculi setarum sectionis anterioris 7, 1”° 
excepto, latissimi, setae leniter curvatae flavae, anguste lim- 
batae, faseiculi 1”i longissimi tenuissimi, partim capillares 
anguste limbatae, partim fortiores, longiores inaequaliter bifur- 
cae, setae sectionis posterioris tenerrimae, geniculatae vel 
oblique scalpratae, ad 4-nas. Uncini minimi, pectinatim 
dentati. 

Long. totius animalis ad 18 mill., branchiarum 3 mill., 
opereuli 4 mill., corporis 14 mill., lat. max. corporis 2 mill. 

Ein anderes Exemplar dieser Serpula mit etwas abwei- 
ehenden Körperverhältnissen ist von mir in der Veröffentlichung 
der von Frauenfeld gesammelten Anneliden des Rothen Meeres 
beschrieben. (Verhandl. d. zoolog. botan. Gesellsch. in Wien 
1868 p. 639). | 


S. (Pomatostegus) sanguinea Ehrb. Gr. 

Corpus brevius vermilorme nunc quidem ex griseo carneo 
fulvescens, segmentis fere 90, mediis (ante 61”W® sitis) 5- 
plo fere, posterioribus per se paulo latioribus 15-plo latio- 
ribus quam longis vel etiam brevioribus fuscioribus, sectione 


“ anteriore, segmenta 7 continente, } corporis excedente, lobis 


n 


520 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


membranae pallialis sub angustis sanguineis. Collare utrinque 
semel leviter incisum, margine haud dentato.. Branchiae 
aequales, utringue orbem simplicem componentes, plus 4 cor- 
poris, # fere totius animalis longitudinis aequantes, laete san- 


guineae, apice albo, parumper variegatae; fila branchialia 


utringue 25, membrana nulla conjuncta, membrana basali spi- 
raliter adscendente, longitudine maxime decrescentia, (postre- 
ma 4 tantum longitudinis anteriorum aequantia), rhachi crassi- 


ore, fuscius  annulata, usque ad apicem extremum barbata, 


longitudine radiorum 4-plam rhachis crassitudinem aequante. 

Stylus operculiger sinister, latissimus, utringue mem- 
brana integra alatus, ut operculum sanguineus, nunc quidem 
pallidus vittis lillaceis transversis ornatus. Operculum ipsum 
ex discis 2 parallelis columellaque superiorem ferente eamque 
penetrante compositum, columella inter marginem dorsualem 
centrumque disei inferioris nata, in mucronem liberum simplicem 
excurrens, radios septem acutos in discum superiorem emittens, 
radius impar longior ventralis bifurcus; disci orbieulares 
patellae formes inferior margine integro, superior margine 
partisdorsualis quasi radiatim costulato, paulo crenato, sub 
mucrone fuscus. Fasciculi setarum sectionis anterioris 
7, 19° excepto latissimi, setae aureae, capillares anguste 
limbatae, curvatae, fasciculi 1”i tenuissimi 4 tantum vel 5, sub 
apice longo gradum exhibentes; setae sectionis posterioris 
brevissimae tenerrimae capillares limbatae, decolores 4-nae, 
solis in segmentis postremis observandae. Uncini minimi 
pectinatim dentati. 

Long. totius animalis 22,5 mill., operculi 4 mill. superans, 
branchiarum paulo minor, corporis 18 mill., lat. max. corp. 2mill. 

Tubus postice quadrangulus, pariete crassissimo, carinis 
dorsi humilibus undulatis 3. 


S. (Eupomatus) albiceps Ehrb. Gr. 


Corpus brevius vermiforme, membrana palliali laete rubra, 
lobis lateralibus angustis, sectione posteriore dilute fusca; seg- 
mentis plus 53, sectionis anterioris # corporis superan 
tes 7. Collare utrinque semel incisum, margine haud dentato. 
Branchiae aequales, albae, utrinque semiorbem componentes, 


vom 21. Juni 1869. 521 


lamina basali utringue medium versus altiore, fila branchi- 
alia utringue 11, ad basin membrana nulla conjuncta, barbata, 
radiis rhachis crassitudine paulo longioribus. Stylus oper- 
culiger dexter, teres gracilis longus, inermis sinister, cras- 
sius styliformis, dimidio fere brevior. Operculum album, 
branchias superans, infundibuliforme, fundo vix excavato, sulcis 
radiato, medio coronam ferente, margine dentibus brevibus 
triangulis fere 30 armato, corona sub-infundibuliformis, in 
spinas 7, dentibus multo longiores et laminam 1, in spinae 8”? 
locum substitutam, excurrens, lamina dorsualis erecta, sub- 
quadrangula, basi paulo coarctata, utringue processu spinae- 
formi 1 munita, inde a dorso visa cruciformis. Fasciculi 
sectionis anterioris 7, 1”° excepto lati, setae capillares 
haud limbatae, fasciculi 1”! tenuissimi paucae, fere 10, par- 
tim breviores, capillares, pallidae tenerrimae, partim multo lon- 
giores, fortiores, inaequaliter bifurcae, ramo altero brevissimo, 
dentiformi fisso, altero longissimo; (setae sectionis posterioris 
haud observatae). Uncini sectionis anterioris minimi 
pectinatim incisi, denticulis multis (fere 9). 

Long. totius animalis vivi 6-linearis, nunc quidem 12,5 mill., 
sectionis anterioris corporis vix 2 mill., operculi 3,5 mill., lat. 
max. corporis 1 mill. paulo major. 

Tubus calcareus celeberrimo Ehrenberg auctore subqua- 
 drangulus, antice teres, coralliis adhaerens. 
Tor. Animal observatum haud completum. 


24. Juni. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Müllenhoff las über die Erd- und Gradmessung des 
Eratosthenes. 


[1869.] 38 


522 Gesammtsitzung vom 24. Juni 1869. 


An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 


Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. Bd. 32. Berlin 
1868. 8. 
Mittheilungen der geschichts- und alterthumsforschenden Gesellschaft des 
Österlandes. 7. Bd. 2. Heft. Altenburg 1869. 8. 

Bulletin de la societe de geographie. Paris, Mai 1869. 8. 

Annual Report of the Commissioner of patents, for 1866. Vol. 1—3. 
Washington 1367. 8. 


In Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung sind neuer- 
dings folgende akademische Abhandlungen aus den Jahrgängen 
1868 und 1869 erschienen: 


v. RANKE, Briefwechsel Friedrichs des Grossen mit dem Prinzen Wil- 
helm IV. von Oranien und mit dessen Gemahlin, Anna, 
geb. Princefs Royal von England. 

Preis: 1 Thlr. 15 Sgr. 

EHRENBERG, Über mächtige Gebirgsschichten vorherrschend aus mikro- 


skopischen Baeillarien unter und bei der Stadt Mexiko. 
Preis: 1 Thir. 15 Sgr. 


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MONATSBERICHT 


KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 
ZU BERLIN. 


Julı 1869. 


Vorsitzender Sekretar: Herr Trendelenburg. 


2. Jul. Öffentliche Sitzung zur Feier des 
Leibnizischen Jahrestages. 


Hr. Haupt, an diesem Tage vorsitzender Sekretar, eröff- 
nete die Sitzung mit einem einleitenden Vortrage über Leib- 
nizens Beziehungen zur classischen Philologie. 


Hierauf verlas Hr. du Bois-Reymond, Sekretar der 
physikalisch-mathematischen Klasse, folgende Preisfrage, welche 
aus dem Cotheniusschen Legate für das Jahr 1872 gestellt 
wird: 

„Es ist bekannt, dafs sich Weizenmehl und Roggenmehl 
wesentlich durch das verschiedene Verhalten von einander un- 
terscheiden, welches die in denselben enthaltenen stickstoffhal- 
tigen Bestandtheile unter ‘dem Einflusse des Wassers zeigen. 
Bei der Behandlung des Weizenmehls mit Wasser bleiben, 
nach Absonderung der Stärke schlielslich erhebliche Mengen 
einer stickstoffhaltigen Substanz, des sogenannten Klebers, 
zurück, welche durch fortgesetzte Einwirkung des Wassers 
nicht weiter verändert wird, während Roggenmehl unter ge- 
nau denselben Bedingungen nur Spuren einer stickstoffhaltigen 
Materie hinterläfst. 

[1869.] 39 


524 Öffentliche Sitzung 


Es ist ferner bekannt, dafs sich bei der Behandlumg einer 
Mischung von Weizenmehl und Roggenmehl mit Wasser die 
Menge des aus dem Weizenmehle für sich abscheidbaren Kle- 
bers wesentlich verringert, eine Erscheinung, die andeutet, dafs 
in dem Roggenmehle eine den Kleber löslich machende Sub- 
stanz enthalten ist. | 

Die Zusammensetzung des stickstoffhaltigen Bestandtheils, 
sowohl des Weizenmehls als des Roggenmehls ist, trotz vieler 
schätzenswerther Untersuchungen, bis jetzt mit Sicherheit nicht 
ermittelt. Die Natur des in dem Roggenmehl enthaltenen Kör- 
pers, welcher das Löslichwerden des Weizenklebers bedingt, 
ist ebenfalls unbekannt wie auch die Veränderungen, welche der 
Weizenkleber unter diesen Bedingungen erleidet. 

Die Akademie bietet einen Preis von 100 Ducaten für eine 


neue eingehende chemische Untersuchung der stickstoffhaltigen | 


Bestandtheile des Weizenmehls und des Roggenmehls, sowie 
der Veränderung, welche der Weizenkleber erfährt, wenn er in 
Gegenwart von Roggenmehl der Einwirkung des Wassers aus- 
gesetzt wird. | 

Die ausschliefsende Frist für die Einsendung der Beant- 
wortung dieser Aufgabe, welche nach Wahl des Verfassers in 


deutscher, lateinischer oder französischer Sprache abgefafst sein 


kann, ist der erste März 1872. Jede Bewerbungsschrift ist mit 
einem Motto zu versehen, und dieses auf dem Äufseren des 
versiegelten Zettels, welcher den Namen des Verfassers enthält, 
zu wiederholen. - 2 

Die Entscheidung über die Zuerkennung des Preises von 
100 Ducaten geschieht in der öffentlichen Sitzung am Leibnizi- 
schen Jahrestage im Monat Juli 1872.“ 


Hr. Trendelenburg fügte folgenden Bericht hinzu: 

Die Akademie der Wissenschaften hatte am Leibnizischen 
Jahrestage 1866 folgende Preisaufgabe für das Jahr 1869 be- 
kannt gemacht: 

„Seit dem Erscheinen des Chronicon Gotvicense sind in fast 


allen Theilen Deutschlands vielseitige Forschungen über die 


vom 2. Juli 1869. i 525 


ältere deutsche Geographie angestellt und, begünstigt durch die 
erweiterte Kenntniss unserer Geschichtsquellen, nach und nach 
einem vorläufigen Abschlusse angenähert worden. Es erscheint 
thunlich und wünschenswerth die bisherigen Ergebnisse dieser 
Forschungen zusammen zu fassen. Die Königliche Akademie 


der Wissenschaften stellt daher als Preisaufgabe 


eine Übersicht der Ergebnisse der über die Geographie 

des deutschen Reiches bis auf die Zeit des Kaisers 

Heinrich des Fünften angestellten gelehrten Untersu- 

chungen, mit vorzüglicher Beachtung der einzelnen 

Bestandtheile des Reiches, seine kirchliche und welt- 

liche Eintheilung bis zu den Gauen und ihren Be- 

zirken hinab. Ausgeschlossen bleiben die zum Lango- 
bardischen Reiche gehörigen Länder. 

Als Grundlage der Arbeit sind die Geschichtschreiber, die 

Urkunden, die sonstigen Geschichtsquellen und die darauf ge- 


stützten gelehrten Forschungen zu benutzen und Verzeichnisse 


derselben beizufügen. Erläuternde Übersichtskarten werden 
gewünscht, aber nicht als Bedingung der Preisertheilung ge- 
fordert.“ 

‚Es ist keine Bearbeitung dieser Aufgabe eingegangen. 
Indessen wird wegen der Bedeutung dieses Gegenstandes die- 
selbe Preisaufgabe wiederholt. 

Die Arbeit kann in deutscher, lateinischer oder französi- 
scher Sprache abgefasft sein. 

Die ausschliefsende Frist für die Einsendung der dieser 
Aufgabe gewidmeten Schriften ist der 1. März 1872. Jede 
Bewerbungsschrift ist mit einem Motto zu versehen und dieses 
auf dem Äussern des versiegelten Zettels, welcher den Namen 
des Verfassers enthält, zu wiederholen. 

Die Ertheilung des Preises von Einhundert Ducaten ge- 
schieht in der öffentlichen Sitzung am Leibnizischen Jahres- 
tage im Monat Juli des Jahres 1872. 


Derselbe Sekretar brachte Folgendes zur Kenntnifs. 
Das Statut der Bopp-Stiftung bestimmt in $ 11, dafs in 
der öffentlichen Sitzung, welche die Königliche Academie der 
397 


526 Öffentliche Sitzung 


Wissenschaften im Juli jedes Jahres zu Leibnitzens Gedächt- 
nils hält, ein von der vorberathenden Commission der Stiftung 
entworfener, kurzer Bericht über deren Wirksamkeit im ver- 
flossenen Jahre und über ihren Vermögensstand erstattet 
werde. 

Dieser Bericht, unterzeichnet Lepsius, Weber, Kuhn, 
Müllenhoff, Steinthal, lautet wie folgt: 

Obschon das vergangene Jahr erst das zweite seit Grün- 


dung der Stiftung war, so ist doch darin, auf Grund der noch 


nachträglich, besonders aus dem Auslande so reichlich einge- 
gangenen Beiträge, bereits ein Umstand eingetreten, welcher bei 
Abfassung der Statuten noch als in ziemlicher Ferne liegend 
erschien, der nämlich, dafs der jährliche Zinsertrag der Stiftung 
aufser der bisherigen Rate von 300 Thlr. noch eine fernere 
Summe von 150 Thlr. zur Disposition stellte. Auf Grund von 
$ 5. des Statuts wurde daher die Bildung einer zweiten Rate 
beschlossen, in der Weise, dafs es alljährlich von den Um- 
ständen abhängen solle, ob diese zweite Rate von 150 Thlr. 
zu der ersten Rate von 300 Thlr. hinzutrete oder ob sie selb- 
ständig zur Verwendung komme. Es wurde sodann, dem ent- 
sprechend, für den 16. Mai d. J. die Hauptrate von 300 Thlr. 
dem Dr. Hermann Ebel in Schneidemühl zuerkannt, nach 
$ 1,2 des Statuts als ein „Preis* für seine Bearbeitung der 
Zeufs’schen grammatica Celtica, und die zweite Rate von 
150 Thlr. dem Dr. A. Leskien, Privatdocent in Göttingen, 
nach $ 1, 1 des Statuts, als eine „Unterstützung“ zur Fort- 
setzung seiner Studien, besonders auf dem Felde der slavischen 
Philologie. 

Seit dem vorjährigen Bericht hat sich der Vermögens- 
stand der Stiftung wieder erheblich vermehrt. Auf die Kunde 
von Bopps Hinscheiden hatte sich im März v. J. in Caleutta 
ein Comite gebildet, um ihm einen Tribut dankbarer, über das 
- Grab hinausreichender Verehrung darzubringen. In dem Auf- 
rufe, welchen ein hochgebildetes Mitglied der indischen Armee, 
Major W. N. Lees, dieserhalb veröffentlichte, ist auch auf die 
hohe politische Bedeutung, welche Bopp’s Forschungen für 
Indien haben, in höchst charakteristischen Worten hingewiesen. 
Es heifst darin: 


vom 2. Juli 1869. ER 


„es kann kein Zweifel sein, dafs auch politisch Bopp’s 
Entdeckung bald reiche Früchte tragen wird. Durch 
das Walten einer allweisen Vorsehung hat es sich so 
getroffen, dafs das indische Volk, welches in der Ent- 
wickelung geistiger Fähigkeit einer der edelsten Zweige 
des indogermanischen Volksstammes ist, seit ungefähr 
einem Jahrhundert durch eine Nation indogermanischen 
Ursprungs beherrscht wird. Es ist der Fehler von 
Beiden, den Regierern und den Regierten, dafs 
bis jetzt das indische Volk die Stellung einer un- 
terworfenen, eroberten Race eingenommen hat; seit 
Kurzem aber, hauptsächlich auf Grund der Kenntnifs 
der ursprünglichen Stammverwandtschaft, scheint ein 
besseres Einverständnifs immer mehr Platz zu greifen.“ 

Es verdient die höchste Beachtung, dafs ein Aufruf, der 
solche Worte enthält, von den höchsten Spitzen der indi- 
schen Regierung wie Gesellschaft — der Vice-König selbst, da- 
mals noch Sir J. Lawrence, steht an der Spitze der Liste, die 
im Übrigen auch den Namen des Lordbischofs von Calcutta 
enthält — warm und zustimmend aufgenommen und verbreitet 
ward. Unter den 59 Namen der Liste befinden sich auch die 
von 13 Hindu’s, welche damit ihrem Dank für das Verdienst, 
das sich Bopp um Indien’s Gegenwart und Zukunft erworben, 
Ausdruck gegeben haben. 

Der durch Bäbu Räjendra Läla Mitra eingesandte Er- 
trag der Sammlung beläuft sich auf Rupies 1454. 13, oder 
£ 143. 19. 4., zum Werthe von 970 Thlr. 28 Sgr., auf Grund 
folgender Liste: 


Rupies 

His Excellency the Viceroy and Governor Ge- 

gerale of India”. ”. ... ae a 
Honble G. N. Taylor B. C. S. a 50 
Fuer m. Bemple RK. Ö.8:. 1... .. 30 
Eat rl Maier UNE ME. LVO 
Eitible' d). B-Trhear '.'. . un 90 
Right Revd the Lord Bishop of Oaleutta ms 60 
Babu Jugadanundo Mookeri . . 2.2... 10 


Babu Kishen Kishore Ghose . . . 2...» 20 


528 Öffentliche Sitzung 


Babu Onucul Chundra Mookerji 

Munshi Amer Ali Khan Bahadur . 

A..Grote, Esqu. Bi, Suse nsake 

W. 8. Atkinson Esqu. 

Babu Romanath Tagore . 

Babu Jotindromohun Tage . ; 

Kumor Suttyanundo Ghosal Bahadur 

Babu Digambur Mitra 

Kumar Harendra Krishna Bahadır 

Babu Debendranath Mullick . 

John Boxwell Esqu. B. C.S.. 

Lieut. Col. G. Mainwaring 

Col. J. C. Haughton . 

Honble Rajah Sheoraj Sing. 

Lieut. R. P. Jenkin 

Rev. K. M. Banerji 

G. M. Tagore Esqu. 

C. Tawney Esqu. 

A. M. Croft Esqu. 

Babu Kristokumal Bhottacharji 

Major W. N. Lees 

Babu Gourdass Bysack ! 

E. C. Bayley Esqu. B-C.S.. 

Col. R. Maclagan R. E... 

Robert Egerton Esqu. B. C. S. : 

J. H. Thornton Esqu. B. C. S. D.C. S.. 

Captn. W. R. M. Hallroyd . 

H. S. Griffin Esqu. B. C. S. 

L. C. Stewart Esqu. M.D. .. 

Honble Sir D. F. Macloud K. C. S. HL 

Bäbu Räjendra Läla Mitra . eEeR 

Total Rupees 

Deduct for printing, advertising and postage 

Total Rupees 

Caleutta 6th February 1869. 


Aufser dieser bedeutenden Summe ist dann ferner auch 
noch ein Einzelbeitrag von einem Parsen aus Teheran, Manokjee 


Rupies 


10 
‚30 
‚ 20 

20 
‚32 

32 

32 

32 

16 

32 

50 

20 

25 

90 

20 


100 
25 
25 
25 
10 

200 
20 


1499 


44. 


Oo 
oO 


1454. 13 


= 


vom 2. Juli 1869. 529 


Limjee Hatria, zum Betrage von £ 1 (6 Thlr. 20 Sgr.) einge- 
gangen. | 

Durch diese aus fernen Landen in dankbarer Hochachtung 
vor Bopp’s Verdiensten eingesandten Beiträge hat sich das Ver- 
mögen der Stiftung neuerdings wieder um 1000 Thlr. preuss. 
Staatsanleihe von dem Jahre 1864 zu 44 pCt. (nro. 7741, an- 
gekauft am 10 Mai d. J. mit Zinsen vom 1. April d. J. an, für 
945 Thlr.) vermehrt. 

Der Vermögensstand der Stiftung beträgt somit gegenwärtig 

a. 11,100 Thlr. preuss. Staatsanleihe aus den Jahren 

1854. 1859 und 1864 zu 44 pCt. 
b. 100 Thlr. preuss. Prämien-Anleihe von 1855 zu 34 pCt., 
zusammen mit einem jährlichen Zinsertrage von 503 Thlr. 
Berlin, den 15. Juni 1869. 


Nach dieser Berichterstattung hielt Hr. Dove die auf den 
Wunsch der Akademie für das Säcularjahr des Geburtstags 
Alexander von Humboldts übernommene Gedächtnifsrede. 


5. Juli. Sitzung der philosophisch-histo- 
rischen Klasse. 


Hr. Weber las die Fortsetzung seiner Abhandlung über 
das saptagatakam des Hala. 


8. Jul. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Mommsen las über die comites et amici Augusti der 
früheren Kaiserzeit. 


530 Gesammisitzung 


/Hr. Dove legte die folgende Untersuchung des Hrn. Prof. 
E. Reusch in Tübingen über Glimmercombinationen 
vor. | 


1. Wenn man eine gerade Anzahl dünner Plättchen zwei- 
achsigen Glimmers in der Art über einander legt, dafs die 
Hauptschnitte (Supplementarlinien) der Plättchen sich unter 90° 
abwechselnd kreuzen, so erhält man schon bei einer mäfsigen 
Zahl von Kreuzungen ein Präparat, das sich nahe wie ein 
einachsiger Krystall verhält. Fallen die Glimmerhauptschnitte 
mit den gekreuzten Polarisationsebenen zusammen, so ist die 
Imitation vollständig; dreht man aber das Präparat in seiner 
Ebene, so bleiben zwar die Farbenringe, aber die Arme des 
schwarzen Kreuzes hellen sich auf und nach einer Drehung 
um 45° bleibt nur im innersten Ring ein kurzarmiges Kreuz 
übrig, Nörrenberg, von dem dieser Versuch stammt, wurde 
dazu durch die bekannten Arbeiten Senarmonts über Glimmer 
und Seignettesalz veranlafst. Quenstedts Mineralogie (2. Auf- 
lage, pag. 239) ist meines Wissens die einzige Schrift, in der 
dieser Versuch erwähnt wird. Übrigens liefert Hr. Steeg in 
Homburg (Nr. 77 seines Katalogs von 1867) diese Präparate 
in ausgezeichneter Schönheit. 

2. In letzter Zeit habe ich neue Glimmercombinationen 
versucht, durch welche die Wirkung rechts oder links drehen- 
der einachsiger Krystalle nachgeahmt werden sollte. Mit Hülfe 
der untenstehenden Figuren will ich vorerst eine Vorstellung 
von diesen Combinationen geben. 


Fig. 1. Fig. 2. 


Auf zwei Glasplatten wurden Cartons geklebt, welche 
vorher je drei unter 60° sich schneidende rechtwinkliche Aus- 


vom 8. Juli 1869. 53l 


schnitte zum Einlegen der länglichen Glimmerlamellen erhalten 
hatten. Die Lamellen selber stammten von einem zweiachsigen 
Glimmer von über 70° Achsenwinkel; sie waren möglichst 
dünn und gleich dick, und in allen fiel die Supplementarlinie 
(der Hauptschnitt) mit der längeren Dimension zusammen. 
Angenommen man habe 48 Lamellen: die eine Hälfte wird 
nun verwendet um nach Fig. 1 die Lamellen in der Ordnung 
1, 2, 3 zu einer von links nach rechts ansteigenden 
Treppe zu schichten; die andere Hälfte wird nach Fig. 2 zu 
einer‘ von rechts nach links aufsteigenden Treppe 
geschichtet. Vor dem Auflegen einer neuen Lamelle wird auf 
die liegende ein Tropfen von dickflüssigem Kopalfirnils gegeben 
und die neu aufgelegte Lamelle leicht angedrückt. Man erhält 
so zwei Präparate, deren Lamellen in dem mit R bezeichneten 
Stück (Fig. 1), für einen Beobachter, der die Treppe von der 
Seite ansieht, nach Rechts, in Z (Fig. 2) nach Links ansteigen. 
Der Botaniker, welcher zur Bestimmung der Windungsrichtung 
eiuer Schraube sich in deren Achse stellt, wird allerdings und 
vielleicht mit gröfserer Consequenz das Stück R ein linksge- 
wundenes, und das Stück L ein rechtsgewundenes uennen; 
im Folgenden werde ich aber an dem in der Technik und im 
gewöhnlichen Leben gebräuchlichen Begriff der rechten und 
linken Schraube festhalten. 

Die Präparate R und Z verhalten sich nun in der centralen 
regulärsechseckigen Überdeckung sehr nahe wie ein rechts- 
oder linksdrehender Bergkrystall.e. Schon bei vier bis sechs 
_ Umgängen aus nicht übermäfsig dünnem Glimmer läfst sich 
beim Drehen des oberen Nikols die Drehrichtung bestimmen; 
im Nörrenberg’schen Instrument mit grolsem Sehfeld sieht 
man das Ringsystem mit dem bläulichen Mittelkreuz und beim 
Überdecken beider Präpärate sehr befriedigende URS 
der Airy’schen Spiralen. 

Ganz dieselben Wirkungen erhält man mit zwei Präpa- 
raten, in welchen vier Lamellensysteme unter 45° zu einer 
rechten und linken Treppe geschichtet sind. 

Die von mir zuerst hergestellten Präparate bestanden theils 
aus nicht sehr dünnen und nicht vollkommen gleich dicken 
Lamellen, theils war die Zahl der Umgänge eine kleine (3—6); 


532 . Gesammtsitzung 


ich wandte mich daher an Hrn. Steeg und erhielt von dem- 
selben nach kurzer Zeit zwei Paare 60grädiger Präparate 
von überraschender Gröfse und aufserordentlicher Schönheit, 
welche namentlich den Farbenwechsel bei Drehung des oberen 
Nikols in brillanter Weise zeigen. Das eine Paar besteht aus 
je 30 Lamellen von 4%, das andere gar aus je 36 Lamellen 
von noch geringerer Dicke. Das erste Paar giebt für rothes 
Licht eine Drehung von 150°, was einer Quarzdicke von etwa 
gm entspricht. 

Zum Beweis für die grofse Sicherheit und Kunstfertigkeit, 
mit welcher Hr. Steeg den Glimmer zu behandeln weifs, führe 
ich an, dafs die 72 Lamellen des zweiten Paares, 12 um breit 
und 30”"” lang, aus derselben Tafel herausgeschnitten worden 
sind. Aus einer dünnen Tafel (4%), die ich der besonderen 
Güte des Hrn. Steeg verdanke, habe ich später Präparate mit 
vier Lamellensystemen unter 45° hergestellt, welche die Airy- 
schen Spiralen gaben, während meine ersten Präparate zwar 
den Farbenwechsel beim Drehen des Nikols, beim Überdecken 
aber ein confuses Bild der Ringe zeigten. 

Wenn im convergirenden Licht bei gekreuzten Polarisa- 
tionsebenen eine solche Glimmercombination in ihrer ‚Ebene 
gedreht wird, so bleiben wohl die Ringe, aber die Arme des 
schwarzen Kreuzes erfahren Änderungen; namentlich sieht man, 
wie an den Enden der in die Polarisationsebenen fallenden 
Durchmesser des innersten Rings abwechselnd schwarze Flecken 
ein und austreten. Ebenso erfährt bei parallelem Licht die 
Färbung kleine Wechsel beim Drehen des Nikols, jedoch mehr 
in der Intensität, als im Farbton. 

Ich habe gefunden, dafs man einem Quarze diese Eigen- 
schaften einer Glimmercombination dadurch ertheilen kann, dafs 
man über und unter demselben je eine Achtelundulationsglim- 
merplatte mit rechtwinklich gekreuzten Hauptschnitten ein- 
. schaltet. Die Glimmercombinationen sind daher aufzufassen 
als elliptisch rechts und links polarisirende Medien, welche 
sich dem Quarz wohl um so mehr nähern, je dünner die La- 
mellen und je gröfser die Zahl der Umgänge. 

Ebenso lassen sich die unter (1) besprochenen Modifica- 
tionen des schwarzen Kreuzes der Nörrenberg’schen Combination 


En Dr Dale 


vom &. Juli 1869. 933 


dadurch an einer zur Achse senkrecht geschnittenen Kalkspath- 
platte hervorbringen, dafs man dieselbe in der angegebenen 
Weise mit den Achtelundulationsplatten verbindet und das 
Ganze in seiner Ebene dreht; man hat daher in der Glimmer- 
combination die Erscheinung, wie wenn ein einachsiger nicht 
drehender Krystall elliptisch polarisirt und analysirt würde. 

3. Beim Schichten der Lamellen unter 60° ergeben sich 
gleichseitige Dreiecke auf den Seiten des centralen Sechsecks, 
in welchen nur zwei Lamellensysteme sich, abwechselnd unter 
60° kreuzen. Man überzeugt sich leicht, dafs es sich bei diesen 
Dreiecken, je nach ihrer Lage, um elliptische Rechts- oder 
Linksdrehung handelt. Diefs hat mich veranlafst, zunächst die 
Combination zweier Platten von beliebiger Dicke, deren Haupt- 
schnitte einen von 90° verschiedenen Winkel bilden, zu unter- 
suchen. Eine solche Combination giebt im Allgemeinen rechts 
oder, links elliptisch polarisirtes Licht, d. h. es gelingt, beim 
Drehen des oberen Nikols eine Drehrichtung‘ zu bestimmen, 
aber beim Drehen der Combination in ihrer Ebene ändert sich 
die Intensität und wohl auch die Nüance der Farbe. Der 
Versuch gelingt sowohl mit zwei beliebigen Glimmer- als Gyps- 
platten, oder bei Combinirung von Glimmer mit Gyps, wenn 
nur deren Farben keiner zu hohen Ordnung angehören. 


Fig. 3. Fig. 4. 


Im Folgenden beschäftige ich mich blos mit Glimmer- 
tafeln von gleicher Dicke. Zwei solche Tafeln, in wel- 
chen wie früher die längere Dimension dem Hauptschnitt ent- 
spreche, können nun entweder zu einer rechten Sufe A (Fig. 3) 
oder zu einer linken Stufe B (Fig. 4) zusammengelegt wer- 
den. Zwei solche Stufen haben jedenfalls entgegengesetzte op- 


534 Gesammtsitzung 


tische Drehung, aber der Sinn der Drehung ist durch die Dicke 
der Platten mit bestimmt. Zeigen z. B. die Platten ein Grün 
zweiter Ordnung, so giebt die rechte Stufe A auch Rechts- 
drehung; bei Platten, welche ein Gelb erster Ordnung zeigen, 
ist es umgekehrt. Der Winkel der Hauptschnitte ist ohne Ein- 
flufs auf die Drehrichtung, nur mufs er von 0° und 90° gehö- 
rig abweichen. Legt man zwei z. B. 60 grädige Stufen A und B 
mit parallelen Hauptschnitten über einander, so bleibt immer 
eine Drehung im Sinne der oben liegenden Stufe. Kreuzt man 
die Stufen rechtwinklich, so findet in der mittleren Überdeckung 
keinerlei Wirkung statt, was auch das Azimuth der Stufenver- 
bindung sein mag; die zwei Arme des Sternkreuzes, welches 
aus der Überdeckung der Platten verschiedener Stufen entsteht, 
haben entgegengesetzte Drehung. 

Von gröfserem Interesse ist aber der Fall, dafs viele 
gleiche Stufen aus sehr dünnen Glimmerlamellen zu einer 
rechten oder linken Stufensäule geschichtet sind: in die- 
sem Fall dreht die rechte Stufensäule rechts, die linke links. 
Hiermit begreift man sofort z. B. bei der 60 grädigen Combi- 
nation Fig. 1 die Wirkungen der Dreiecke a, b, c; die zwei 
ersten gehören zu einer rechten Stufensäule, das letztere zu 
einer linken. Die Dreiecke a’, b', .c' wirken natürlich wie die 
gegenüberliegenden gleicharmigen. Mit derselben Regel bestim- 
men sich die Drehrichtungen in den äufseren Sternspitzen bei 
der 45grädigen Combination von vier Lamellensystemen. 

Solche Stufensäulen zeigen noch eine andere Eigenthüm- 
lichkeit: im convergirenden Lichte sieht man durch die Über- 
deckung ein zweiachsiges Ringsystem, dessen Supplementarlinie 
den spitzigen Winkel der Hauptschnitte der Glimmerlamellen 
halbirt und dessen Achsenwinkel kleiner ist als der des ange- 
wandten Glimmers. Die schwarzen Hyperbeln erscheinen jedoch 
nur, wenn die Supplementarlinie des Combinationsglimmers mit 
den Polarisationsebenen 45° macht; fällt sie mit der einen oder 


andern zusammen, so enthalten die innersten Ringe nur schwarze 


Tupfen. | | 
Die Wirkung einer Stufensäule läfst sich mit ziemlicher 

Annäherung an einer dicken Glimmerplatte dadurch nachahmen, 

dafs man sie zwischen zwei Achtelundulationsplatten mit recht- 


vom 8. Juli 1869. 535 


winklich gekreuzten Hauptschnitten in der Art einschaltet, dafs 
der Hauptschnitt der Glimmerplatte 45° mit jenen macht; und 
zwar hat diese Combination im parallelen Licht verschiedene 
‚Drehrichtung, je nachdem der Hauptschnitt der Platte das eine 
oder andere Paar der Scheitelquadranten halbirt, welche durch 
die Hauptschnitte der Achtelundulationsplatten gebildet werden. 
Es erinnert dies an eine von J. Müller (Lehrb. der Physik. 
7. Aufl. I. p. 906) beschriebene Anordnung, bei welcher durch 
eine analoge Verbindung einer Gypsplatte mit zwei Viertelun- 
dulationsglimmerplatten, wenigstens im parallelen Licht die 
Wirkung des Quarzes nachgeahmt wird. 

4. Die optischen Wirkungen der bisher besprochenen 
Glimmercombinationen lassen eine mathematische Behandlung 
zu, welche für die Erscheinungen in parallelem Licht voraus- 
sichtlich mit viel geringerer Schwierigkeit, als für die im con- 
vergirenden Licht verbunden sein wird. Vielleicht findet sich 
ein tüchtiger Rechner veranlafst, diese wohl nicht ganz undank- 
bare Aufgabe anzufassen. 

Ob diese Combinationen dazu angethan sind, uns Aufschlufs 
oder wenigstens Andeutungen über den Verband der mit Cir- 
eularpolarisation begabten Moleküle zu geben, das wird die 
Zukunft lehren. Vor der Hand weils ich in dieser Beziehung 
nur eine schwache Analogie und einige Vermuthungen beizu- 
bringen, die ich der Nachsicht der Fachmänner empfehlen 
möchte. 

In einer früheren Mittheilung über die sogenannte Lamel- 
larpolarisation des Alauns') habe ich nachzuweisen versucht, 
dafs es sich hier um eine schwache Doppelbrechung in Folge 
innerer Spannungen handle, die man sich in den Octaöderflächen 
in der Art wirksam zu denken habe, dafs die optische Elasti- 
eität in diesen Flächen nach allen Richtungen gleich, aber klei- 
ner als senkrecht darauf sei. Ferner habe ich gezeigt, wie die 
Wirkung eines optisch activen Alaunoctaöders oder eines Prä- 
parats daraus nach zwei parallelen Würfelflächen, in den vier 
distineten Quadranten durch vier dünne Glimmerplättchen voll- 


1) Vom 11. Juli 1867. Gesammtsitzung der Akademie. 


536 Gesammtsitzung 


ständig nachgeahmt werden kann. Bei diesem Glimmerpräpa- 
rate kommen aber keine Überdeckungen vor, während der Nerv 
der neuen Präparate eben in den Überdeekungen liegt. Es 
entsteht daher umgekehrt die Frage nach derjenigen Krystall- 
structur, welche einer Glimmercombination mit Überdeckungen 
entspricht. 

Ein nahe liegender Gedanke ist nun wohl folgender: im 
idealen activen Alaunocta@der reichen die irgend einer Octaöder- 
fläche parallelen Spannungsebenen nur bis an die drei recht- 
winklichen Achsenebenen heran; es ist aber auch denkbar, dafs 
in einem Krystall die durch innere Spannungen und Contrac 
tionen herbeigeführte Störung der ursprünglichen Structur, sich 
auf eine oder mehrere von einander verschiedene, gegen die 
Richtung des durchgehenden Lichtes geneigte Spannungsebenen 
werde zurückführen lassen, welche den ganzen Krystall je in 
constanter Richtung durchsetzen. Nun wissen wir zwar sehr 
Weniges über die normale Krystallstructur und folglich noch 
viel weniger über die factisch vorhandenen Störungen derselben; 
will man daher die Sache überhaupt anfassen, so sieht man 
sich vor der Hand auf einige instinetmälsige Vermuthungen be- 
schränkt. 

Im regulären System ist der Fall einzelner nicht durch- 
gehender Spannungsebenen in dem Octaöder des activen Alaun- 
octaöders verwirklicht. Die optischen Erscheinungen müssen 
verwickelter werden, wenn andere Flächen, z. B. die des Leu- 
citoöders als einzelne Spannungsflächen auftreten (Leueit. Anal- 
cim?). Die von Marbach endeckte Circularpolarisation des 
chlorsauren Natrons ist möglicherweise das Resultat von Span- 
nungen nach den Dodekaöderflächen, verbunden mit secundären 
Spannungen nach den Flächen des rechten oder linken Te- 
traöders; die 4dgrädige Glimmercombination von vier Lamel- 
lensystemen giebt vielleicht, bei aufserordentlich schwacher 
Wirkung der einzelnen Umgänge, ein Bild hieran. 
| Dieselbe Glimmercombination entspricht vielleicht auch Ko 
Falle der Circularpolarisation im quadratischen System. Von 
den vier Lamellensystemen würden 1 und 3 die Structur des 
einachsigen nicht drehenden Krystalls einigermaflsen versinn- 
lichen; die Lamellensysteme 2 und 4 wären das Äquivalent 


vom 8. Juli 1869. 937 


von durchgehenden Spannungen nach den Flächen des rechten 
oder linken Hemiocta&ders. — Das Auftreten einer einzelnen 
gegen die Achse geneigten Spannungsebenen, oder die ungleiche 
Intensität der einzelnen Spannungen mülste sich durch zwei- 
achsigen Habitus der optischen Erscheinungen kund thun (Dis- 
location des schwarzen Kreuzes im Beryll, gelben Blutlaugen- 
salz u. S. w.). 

Die Circularpolarisation im rhombo&drischen System ist 
wohl das Resultat von drei gegen die Achse gleich geneigten 
durchgehenden Spannungsebenen, welche vielleicht den Flächen 
des einen oder andern der zwei zusammengehörigen Halb- 
skalenoöder folgen. Der Gedanke an die Möglichkeit solcher 
innerer Spannungen liegt wohl bei keiner Substanz so nahe, 
wie bei der Kieselerde. Sind die drei Spannungen vollkommen 
gleichwerthig, so hätte man die normale rechts oder links 
drehende Wirkung des Quarzes; fallen alle drei Spannungen 
fort, oder gleichen sich dieselben gegenseitig aus, so bliebe, 
wie man diefs an vielen Amethysten stellenweise beobachtet, 
die rein einachsige Wirkung ohne Rotation. Noch bleibt aber 
die Möglichkeit, dafs nach Umständen jene drei Spannungen 
von ungleicher Intensität sind, oder sich auf zwei reduciren, 
und dann hätte man die an manchen (uarzen so prägnant 
auftredende zweiachsige elliptische rechts oder links drehende 
Polarisation, wie man sie an den oben besprochenen Stufen- 
säulen, oder an Präparaten beobachtet, an welchen absichtlich 
eines der drei Lamellensysteme aus etwas dickerem oder dün- 
nerem Glimmer besteht. 

In Betreff der mannigfaltigen Erscheinungen am Quarz 
und Amethyst erlaube ich mir auf die reichhaltigen und wohl- 
geordneten Beobachtungen von Dove in seiner Farbenlehre 
(pag. 247—260) zu verweisen. 

Zum Schlufs bemerke ich noch, dafs die Kenntnifs der 
Wirkungen der Glimmercombinationen auch von einigem Werth 
sein dürfte für das: Verständnifs gewisser Erscheinungen am 
Glimmer selber. Die Wandlungen des Ringsystems bei Zwil- 
lingen, so wie die oft sehr erheblichen Änderungen im Winkel 
der optischen Achsen an demselben Stücke begreifen sich eini- 
germalsen, wenn man regelmäfsige Verwachsungen und Durch- 


538 Gesammtsitzung 


dringungen verschiedener Individuen annimmt. Die Kenntnifs 
dieser Erscheinungen verdanke ich zum gröfsten Theil den 


Mittheilungen und vielfachen gütigen Glimmersendungen von 


G. Rose, und diese waren es auch, welche für mich ursprüng- 
lich die Veranlassung zur Herstellung der neuen Glimmercom- 
binationen geworden sind. 

Tübingen, den 29. Juni 1869. 


Hr. Magnus theilte folgenden Bericht über eine in dem 


hiesigen physikalischen Laboratorium ausgeführte Untersuchung. 


des Hrn. Dr. E. Warburg mit: 


Über die Dämpfung der Töne fester Körper 
durch innere Widerstände. 


Es ist eine bekannte Thatsache, dafs die Tonschwingungen 
fester Körper, wenn sie nicht durch eine äufsere Kraft un- 
terhalten werden, allmählich erlöschen. Die Ursachen dieses 
Erlöschens sind theils äufsere: Widerstand des umgebenden 
Mediums, Reibung an Befestigungspunkten und Abgabe von 
Bewegung an dieselben, theils innere, in der Natur der festen 
Körper selbst begründete. Das Vorhandensein solcher innerer 
Ursachen hat zuerst Wilh. Weber') bei Torsionsschwingungen 
eines Seidenfadens nachgewiesen; er fand nämlich, dafs die- 
selben auch im luftleeren Raum nach kurzer Zeit erlöschen. 
Hier kann von einer merklichen Abgabe von Bewegung an den 
Befestigungspunkt nicht die Rede sein, so dals die Kräfte, 
welche das Erlöschen in diesem Falle herbeiführen, in der Be- 
schaffenheit des schwingenden Fadens selbst zu suchen sind. 

Die Kräfte, welche, im Innern der festen Körper thätig, 
auf das Erlöschen der Schwingungen derselben hinwirken, sol- 
len im Folgenden als innerer Widerstand der festen Kör- 


per bezeichnet werden. 


1) Comm. Soc. Gott. p. 50. 


vom 8. Juli 1869. 589 


‘In Bezug auf den inneren Widerstand der festen Körper 
eherlgt ‚Helmholtz!): 

„Die. vollkommnere. Elastieität a besonders ‚das 
„Fortbestehen der höheren Töne zu begünstigen, 'da schnellere 
„Schwingungen im Allgemeinen durch unvollkommne  Elasti- 
„eität und Reibung schneller gedämpft werden, als lang- 
„samere.* 

Ein sicherer experimenteller. Nachweis dafür, dafs höhere 
Töne durch den inneren Widerstand stärker gedämpft werden, 
als tiefere, ist dem Verfasser nicht bekannt, ebensowenig irgend 
eine Untersuchung, der Ursache dieses Verhaltens. 

Der erste Theil dieser. Arbeit enthält experimentelle Be- 
lege für die erwähnte Erscheinung, der 'zweite Theil eine Un- 
tersuchung der Ursachen, welche dieselbe herbeiführen, 


1. Theil. 


Wenn man mit einer festen Schallquelle .einen Stab aus 
irgend einem. Material verbindet, so ‚gehen ‚Schallwellen auf 
denselben über. Ist die Dauer der Töne, welche. die Schall- 
quelle aussendet, im Verhältnils zu der Zeit, innerhalb deren 
die Wellen den Stab durchlaufen, hinreichend (was in den fol- 
genden Versuchen der Fall ist), so kreuzen. sich ‘öfter directe 
Wellen mit reflectirten, und der Stab geräth in stehende Schwin- 
gungen. Dabei. geht aus den Abständen ‚der auf dem .Stabe 
wahrgenommenen Knotenlinien hervor, dafs der mit dem; Ohre 
wahrgenommene Theil der Schallbewegung des Stabes in trans- 
versalen Schwingungen besteht. Die hin- und. herlaufenden 
Wellen werden aber durch: die dämpfenden Kräfte, ‘welche ‚auf 
die schwingenden Theilchen einwirken, eine Schwächung ihrer 
Amplitüden erleiden, und: in Folge dessen die Intensität der 
Schallbewegung in dem Stabe mit wachsender Entfernung von 
der Schallquelle abnehmen. 

Demgemäfs hat der Verfasser, um die Wirkung der. däm- 
pfenden Kräfte fester Körper auf Töne verschiedener: Höhe 


1) Lehre von den Tonempfindungen. _p. 122. 
[1869.] 40 


540 Gesammtsitzung 


kennen zu lernen, den Schall einer Schallquelle, welehe Töne 
sehr verschiedener Höhe gleichzeitig ausgab, nämlich einer 
Spieluhr, durch Stäbe aus verschiedenem Material dem Ohre 
zugeleitet. Es mufste dabei vor Allem dafür gesorgt werden, 
dafs der Schall der Uhr nur durch den leitenden Stab zum 
Ohre gelangte. Dazu diente folgendes Isolationsverfahren. 

Ein kreisförmig cylindrischer, 250%" hoher, oben offener, 
bis zum Rande mit Wasser gefüllter Beutel aus dünner Kaut- 
schukplatte wird in einem diekwandigen, eylindrischen Glasge- 
fälse hängend gehalten, indem der obere Rand des Beutels über 
den aufgeworfenen Rand des Glascylinders gezogen ist. 

Wenn in diesen Beutel die durch ein Kautschukfutteral 
geschützte, an Fäden hängende Spieluhr bis nahe an den Boden 
eingesenkt ward, so hörte ein danebenstehender Beobachter den 
Schall der Uhr garnicht; erst durch einen dicht über die Was- 
seroberfläche gehaltenen Trichter hörte man ein wenig von den 
höchsten Tönen, diese aber so schwach, dafs die Tonhöhe nicht 
mehr deutlich zu unterscheiden war. 

Der Schall der Spieluhr wird an das Wasser kräftig über- 
tragen, was u. A. daraus hervorgeht, dafs dieselbe, in ein mit 
Wasser gefülltes Glasgefäfs versenkt, durch Vermittlung von 
Wasser und Glas den umgebenden Medien starke Bewegung 
mittheilt. Auch die Seitenwände des Beutels werden ziemlich 
kräftig erregt; denn hängt man den Beutel frei in der Luft 
auf, so wird ziemlich viel Schall an dieselbe abgegeben. Wie 
in diesem Falle die freie Luft, so wird, wenn der Kautschuk- 
beutel sich in dem Glascylinder befindet, das Luftvolum zwi- 
schen Glas und Beutel durch die Seitenwände des letzteren 
stark erschüttert; da aber dieses Luftvolum mit der äufseren 
Luft nicht ecommunieirt und ferner die dicken Glaswände nicht 
merklich zu erschüttern vermag, so geht von der Bewegung 
desselben nichts an den umgebenden Raum über. 

Führt man bei frei hängendem Beutel, indem die Spieluhr 
in der Tiefe schwebt, das Ohr an den Seitenwänden hinauf, so 
bemerkt man eine starke Abnahme des Schalles von unten 
nach oben. Dieser Versuch zeigt den Grund davon, dafs durch 
die freie Wasseroberfläche so wenig Schall an die Luft gelangt. 
Denkt man sich ein oben offenes Gefäls mit absolut starren 


com 8. Juli 1869. 541 


Wänden mit Wasser gefüllt, und an irgend einer Stelle des 


Wassers einen Stofs auf dasselbe ausgeübt, etwa durch einen 
tönenden Körper, so wird dieser Stofs zwar nach allen Rich- 
tungen hin fortgepflanzt werden, aber wegen der Reflexion durch 
die starren Wände sich vorzugsweise an der freien Oberfläche 
äulsern. Sind aber die Wände nachgiebig, so werden dieselben 
seitlich ausweichen, und nach Maafsgabe dieser Nachgiebigkeit 
eine Quantität Bewegung an die Luft abgegeben werden. Ist 
danach das Gefäfs tief genug, und wird der Stofs an einer 
tiefen Stelle geführt, so wird nur wenig Bewegung an die 


freie Wasseroberfläche gelangen. 


Mit der in dem mit Wasser gefüllten Beutel befindlichen 
Spieluhr werden die zu untersuchenden Leiter mit dem einen 
Ende passend verbunden; das andere Ende ist an einem Re- 
sonanzboden befestigt, an welchen man das Ohr anlegt. 

In dieser Weise wurde der Schall der Uhr durch einen 460"m 
langen, 6%” dicken Kautschukstab dem Ohre zugeleitet: es wurde 
ausschliefslich die tiefe Begleitung des kleinen Musikstückes 
gehört, welches die Uhr spielte. Untersucht man verschiedene 
Stellen des Streifens, so findet man, dafs nur in der Nähe 
der Schallquelle etwas von den höchsten Tönen wahrzuneh- 
men ist. 

Um zu untersuchen, ob der Luftwiderstand Einflufs auf 
diese Erscheinungen habe, ward die Spieluhr in einem luft- 
leeren Gefäfs an einem Kautschukstreifen aufgehängt. Es ge- 
langten durch den Aufhängepunkt und das Gefäls nnr tiefe 


Töne an die Unterlage; ersetzte man den Kautschukstreifen 


durch ein Bleirohr, so wurden nun hohe wie tiefe Töne von 
einem Beobachter wahrgenommen, der das Ohr auf die Unter- 
lage legte. 

Es ist daraus zu schliefsen, das die Ursache der Schwä- 
chung der Töne bei der Leitung durch das Kautschuk nicht 
vom Luftwiderstande herrührt, sondern in der Natur des Kaut- 


 schuks selbst begründet ist. 


Stäbe aus Holz, Stahl, Glas, Blei, Wachs, von den Di- 


 mensionen des Kautschukstreifens pflanzten hohe wie tiefe Töne 


merklich gleichmäfsig fort. Selbst bei der Leitung des Schalles 
durch einen 30"langen, schwach gespannten Kupferdraht von 0"m2 
40* 


542 Gesammtsitzung 


Durchmesser war ein Unterschied in der Fortpflanzung ‚höherer 
und :tieferer Töne nicht zu .erkennen. Als aber ein 11% langer 
Bleidraht von 14%” Durchmesser zwischen der Schallquelle und 
dem Ohre eingeschaltet ward, war. von den höheren Tönen 
nichts mehr. wahrzunehmen, während. die tiefe Begleitung voll- 
kommen scharf. hervortrat. 

Dasselbe Verhalten, wie die Kautschuk- und die längere 
Bleileitung zeigte ein 45 langes, schwach gespanntes Hanfseil; 
spannte man dasselbe ein wenig stärker, so traten sofort die 
höheren Töne zu den tieferen ‚hinzu; der Kautschukstreifen hin- 
gegen mulste sehr stark gespannt, nämlich auf etwa, die fache 
Länge ausgezogen werden, damit die höchsten Töne sich auf 
‚etwas weitere Strecken in ‚demselben fortpflanzten. 

Mit diesen Versuchen hängt die ungleiche Schwächung zu- 
sammen, welche 'Töne verschiedener Höhe bei der Leitung durch 
Luft 'erleiden,; die in Kautschukröhren eingeschlossen ist. 

Dem aus der Wasseroberfläche hervorragenden Ende, eines 
mit der Spieluhr verbundenen Holzstabes ward, ohne dasselbe 
zu berühren, das eine Ende einer offenen Glasröhre genähert. 
Wurde das andere Ende in den Gehörgang eingesetzt, so. hörte 
man das ganze Stück der ‘Spieluhr, nur dafs, besonders bei 
kurzen Röhren, einzelne Töne durch Resonanz besonders her- 
vorgehoben wurden.  Ersetzte man hingegen ‚das Glasrohr 
durch ein Kautschukrohr, so wurden bei hinreichender Länge 
der Leitung nur die tieferen Töne wahrgenommen. Bei glei- 
cher Wanddicke der Kautschukröhren nimmt die Schwächung 
der Töne bei der Leitung, insbesondere die der 'hohen, mit ab- 
nehmendem innern Durchmesser ab. Um dies zu zeigen, ge- 
nügt es, zwei Röhren von verschiedenem innern Durchmesser 
gleichzeitig in beide Ohren einzusetzen und die freien Enden 
der Schallquelle zu nähern. Drückt man jetzt den einen oder 
den andern Schlauch zu, so kann man den Unterschied in der 
Stärke und Zusammensetzung des von beiden Leitungen fort- 
gepflanzten Schalles beurtheilen und findet dabei, dafs durch 
das engere Rohr die höheren Töne besser hindurchgehen, als 
durch das weitere. 

Dieses Verhalten zeigt, dafs man die Schwächung ' des 
Schalles in diesen Versuchen in erster Linie der mangelhaften 


vom 8. Juli 1869. 543 


Reflexion der Kautschukwände zuschreiben mufs; denn diese 
Wände geben um somehr ‘nach, je gröfser unter: übrigens 
gleichen Umständen der innere Durchmesser des Rohres ist. 
Es war danach zu erwarten, dafs eine beträchtliche Abgabe 
_ von Schall ‘durch die Leitung an die äufsere Luft Statt finde; 
wovon der Verfasser sich durch besondere Versuche über- 
u hat. 

Hiernach hat man sich den Vorgang bei der Treitsng durch 
die Luft in Kautschukröhren so vorzustellen, dafs das Kaut- 
schukrohr durch die Schwingungen der Luft in Transversal- 
schwingungen versetzt wird. Diese Transversalschwingungen 
des festen Kautschuk werden beim Fortschreiten geschwächt, 
und‘ zwar die höheren Tonschwingungen nach den zuerst be- 
schriebenen Versuchen viel rascher, als die tieferen. Es wer- 
den sonach dem System die höheren Töne bei der Leitung 
schneller verloren gehen, und die tieferen demselben länger er- 
halten bleiben. Dabei bleibt ‘dahingestellt, ob vielleicht auch 
ein Unterschied in der Stärke der Reflexion durch die Kaut- 
schukwände für rer verschiedener Höhe Statt 
finde. 3er 

In ähnlicher Weise erklärt Helmholtz!) den Keee 
Klang der Holzpfeifen im Verhältnifs zu den Metallpfeifen, „in- 
dem die Wände der ersteren nicht so gut der Erschütterung 
durch die Schallwellen widerstehen, wobei die höheren Ton- 
schwingungen leichter durch Reibung vernichtet zu: werden 
scheinen.“ ; 

Es sind damit die Erscheinungen bei der: Leitung des 
Schalles durch die Luft in Kautschukröhren :auf die Erschei- 
nungen der Leitung des Schalles durch das feste Kautschuk 
zurückgeführt, und es handelt sich nunmehr um die Erklärung 
der 'ungleichen Schwächung von Tönen verschiedener Höhe 
bei der Leitung durch feste Körper. 


2. Theil. 


Wenn Schwingungen einzig uud allein durch elastische 
Kräfte unterhalten werden, so ist mit einer Verkleinerung der 


1) Lehre von den Tonempfindungen. p. 153. 


544 Gesammtsitzung 


Schwingungsdauer in einem und demselben Körper stets eine Ver- 
kleinerung der Wellenlänge (schwingenden Abtheilung) und da- 
mit eine Vergröfserung der mittleren molekularen Verschiebung 
bei gleicher Amplitüde in den Schwingungsmaximis, untrennbar 
verbunden. Daher hat der Verf., um diese beiden Momente zu son- 
dern, magnetische Kräfte mit den elastischen combinirt und 
ist überdies zu passend verlangsamten Torsionsschwingungen 
übergegangen, welche scharfen Messungen zugänglich sind. 
Denkt man sich an einem Faden einen Magneten aufgehängt, 
so kann man einzig durch Veränderung der Richtkraft des 
Magneten mittelst eines passend gelegten anderen Magneten die 
Oseillationsdauer der Torsionsschwingungen ändern, deren: dies 
System fähig ist. Anderseits kann man den Faden verkürzen 
und die dadurch entstandene Änderung der Schwingungsdauer 
des Systems durch passende Verschiebung des äufseren Magne- 
ten compensiren: 

Diese Idee ward mit einer Art Drehwage ausgeführt. Um 
die Länge der Fäden ändern zu können, wurden dieselben am 
oberen Ende an einer Stange befestigt, die in der Röhre vertikal 
verschiebbar war; das untere Ende trug einen Wagebalken, wel- 
cher zur Aufnahme des Magneten die Form einer Rinne hatte und 
aufserdem mit einem versilberten vertikalen Glasspiegel versehen 
war. Dieses gegen Erschütterungen möglichst geschützte System 
konnte durch äufsere magnetische Einflüsse zu Torsionsschwin- 
gungen angeregt werden. Ein in das Gefäfs der Wage einge- 
setztes, planparalleles Glas erlaubte die Beobachtung der Aus- 
schläge durch Skale und Fernrohr. Es wurden Kautschuk- 
fäden und feine Seiden-, Glas- und Metallfäden der Untersuchung 
unterworfen. 

Auf diese Weise hat sich zunächst ergeben, dafs innerhalb 
der Elongationen von 6° und 2° aus der Gleichgewichtslage, 
auf welche Gränzen die Beobachtungen beschränkt wurden, die 
Reihe der Ausschläge sich sehr genau durch eine geometrische 
Reihe darstellen läfst, ein Gesetz der Abnahme, welches schon 
Gaufs und Weber für dünne Metall- und Seidenfäden gefunden 
haben und welches durch des Verfassers Versuche auf Kaut- 
schukfäden von 17"m Querschnitt ausgedehnt wird. Wenn der 
Exponent der Reihe, (dessen Logarithmus das logarithmische 


vom 8. Juli 1869. 545 


Decrement ist) aus einer Anzahl beobachteter Ausschläge pas- 
send hergeleitet und mittelst desselben eine andere Anzahl von 
Ausschlägen berechnet ward, so hielten sich die Differenzen 
der beobachteten und berechneten Werthe durchweg innerhalb 
der Gränzen des möglichen Beobachtungsfehlers, welcher, 1 Ska- 
lentheil entsprechend, bei den kleinsten Elongationen —4;, bei 
den grölsten „4; der ganzen Elongation betrug. 

Danach wird die Bewegung des Systems dargestellt durch 
die Formel: 

2—=.A,ert!.cosni, wo 
x die Elongation aus der Gleichgewichtslage in Winkelgraden, 
A die Elongation zur Zeit i = 0, 
n die Schwingungszahl in der Zeit 2, 
z eine Gröfse bedeutet, welche für jeden Versuch eine Con- 
stante ist. 

In dieser Formel ist die Gröfse e umgekehrt proportional 
der Zeit, innerhalb welcher die Amplitüde von a auf La redu- 
eirt wird, also Maafs der Dämpfung. Es setzt ferner jenes 
Gesetz, wie bekannt, eine dämpfende Kraft voraus proportio- 
nal und entgegengesetzt der Geschwindigkeit; Maals der däm- 
pfenden Kraft bezogen auf die Einheit der Geschwindigkeit ist 
das Product ze. M, wo M das Trägheitsmoment bedeutet. Da nun 
bei den Versuchen nur die Länge der Fäden geändert ward, 
der Wagebalken aber nebst Zubehör immer derselbe blieb, so 
blieb auch das Trägheitsmoment bei allen Versuchen merklich 
constant. Es kann danach die Gröfse = sowohl als Maafs der 
Dämpfung, wie als Maafs der dämpfenden Kraft betrachtet 
werden. 

Man könnte die relative Grölse der dämpfenden Kraft, auf de- 
ren Ermittlung die Versuche hinzielen, herleiten, indem man unmit- 
telbar die Zeit beobachtet, innerhalb deren die Amplitüde von a 
auf la reducirt wird. Sicherer findet man jene Gröfse aus 
dem logarithmischen Decrement, nämlich durch Division des- 
selben durch die Schwingungsdauer. In dieser Weise hat der 
Verfasser die Bestimmung der Gröfse = ausgeführt. 

Es war das erste Ziel des Verfassers, die Abhängigkeit 
der Dämpfung von der Schwingungsdauer aufzusuchen, und 
wurden zu diesem Zweck zuerst Beobachtungen im lufterfüllten 


546 Gesammtsitzung 


Räume angestellt. Diese Versuche ergaben folgende Resultate: 
Für Kautschukfäden nimmt im Allgemeinen die Dämpfung mit 
wachsender Schwingungsdauer bedeutend zu. 

Nur für den längsten untersuchten Kautschukfaden (von 
328"M) tritt für kleine Werthe der Schwingungsdauer keine Zu- 
nahme mehr ein, sondern sogar eine kleine Abnahme. | 

Wie dieser längste Kautschukfaden sich für kleine Werthe 
der Schwingungsdauer verhält, so verhalten sich alle übrigen 
untersuchten Fäden (feine Seiden-, Glas-, Metallfäden) für alle 
untersuchten Werthe der Schwingungsdauer, nämlich bei allen 
zeigt sich eine Abnahme der Dämpfung mit a. Pe 
gungsdauer. 

Diese Complication der Erscheinungen konnte davon her- 
rühren, dafs die beobachtete Gröfse = eine zusammengesetzte 
war. Die dämpfenden Kräfte, welchen das schwingende System 
unterliegt, sind nämlich theilweise aufserhalb desselben, im Luft- 
widerstand, theilweise innerhalb desselben, im Faden gelegen. 
Es ist also die Gröfse = die Summe zweier ‘Gröfsen, deren 
eine dem Luftwiderstand, deren andere, welche wir suchen, dem 
Faden zufällt.e Es schienen nun die erhaltenen Resultate dar- 
auf hinzudeuten, dafs die beiden Theile, aus denen die Dämpfung 
zusammengesetzt war, sich im entgegengesetzten Sinne mit der 
Schwingungsdauer änderten. Diese Vermuthung bestätigte sich, 
als der Verfasser die Versuche im luftleeren Raume anstellte. 
Der Versuchsapparat ward dazu in passender Weise umgeän- 
dert, so dafs in demselben der Luftdruck auf 5"® erniedrigt wer- 
den konnte und während eines Versuchs um höchstens 2m» stieg. 
Mit diesem Apparat hat sich ergeben'): | 

1. Für alle Fäden nimmt der von dem innern Widerstand 
herrührende Theil der Dämpfung y mit wachsender 
Schwingungsdauer r zu. Z. B. ward erhalten: 


Metall 

7 Du 
877 0.000 606 
SAN Pe 0.000 498 


1) Die angewandte Methode, den Luftwiderstand zu eliminiren, ist 
zwar nach O. E. Meyer (Pogg. 125, Fig. 184. ibid. p. 576 ff.) nicht 
strenge, genügt aber für den hier verfolgten Zweck. 


vom 8. Juli 1869. 547 


Kautschuk 1 
ER 0.000, 843 Be 
RE 0.000 727. . . 


Es werden also durch den: innern ‘Widerstand bei glei- 
cher Fadenlänge die langsameren Schwingungen stär- 
ker gedämpft, als die rascheren. 
2. Der vom Luftwiderstand herrührende Theil der Däm- 
pfung « nimmt mit wachsender Schwingungsdauer 7 
ab. Z. B. ward erhalten: 


zT [64 
8" 7 0.000 309 
3 0.000 535 
Durch den Luftwiderstand werden also umgekehrt die 
rascheren ‘Schwingungen stärker gedämpft, als die 
langsameren. 

Zu dem 2. Ergebnifs ist zu bemerken, dafs nach Stokes') 
durch die innere Luftreibung schnellere Schwingungen fester 
Körper in der Luft stärker gedämpft werden, als langsamere. 

"In Bezug auf das 1. Ergebnifs erinnert der Verfasser an 
die Ansicht, welehe W. Weber’) über diejenige Ursache der 
Abnahme der Schwingungsamplitüden fester Körper aufgestellt 
hat, die in der Natur der festen Körper selbst begründet ist. 
W. Weber zeigt, dafs das von ihm entdeckte Phänomen der 
elastischen Nachwirkung eine Verminderung der Schwingungs- 
amplitüden herbeiführen mülse. Es ist nun a priori wahrschein- 
lich, dafs die Nachwirkung einen um so stärkeren Effect 
äufsern mülse, je langsamer die Schwingungen geschehen; was 
mit des Verfassers Versuchen, nach welchen langsamere Tor- 
sionsschwingungen eines Fadens durch den innern Widerstand 
stärker gedämpft werden, als raschere, im Einklang ist. 

Es ist im Vorigen nur von der Abhängigkeit der von dem 
innern Widerstand herrührenden Dämpfung von der Schwin- 
gungsdauer bei constanter Fadenlänge die Rede gewesen. Um 
die Abhängigkeit dieser Dämpfung von der Fadenlänge zu er- 
mitteln, hat man nicht nöthig, den Luftwiderstand zu eliminiren; 


1) Transactions of the Cambridge Philos. Society. IX. part. u. 
?) Pogg. Ann. 34. 


548 Gesammtsitzung 


denn eine Veränderung der Dämpfung bei Änderung der Fa- 
denlänge, indem die Schwingungsdauer constant bleibt, kann 
nur auf Rechnung des Fadens geschrieben werden. Es hat 
sich nun ergeben, dafs die Dämpfung mit abnehmender Faden- 
länge zunimmt, d. h. dafs bei gleicher Schwingungsdauer 
kürzere Fäden eine stärkere Dämpfung hervorbringen, als 
längere. 


Wenn man die Schwingungsversuche auf die Schallleitungs- 
versuche anwenden will, so mufs man die Annahme machen: 
dafs die von dem innern Widerstand herrührende Dämpfung 
bei den tönenden Schwingungen fester Körper in demselben 
Sinne von der Schwingungsdauer und der Grölse der schwin- 
genden Abtheilungen abhängt, wie es sich für die langsamen 
Torsionsschwingungen herausgestellt hat. 

Geht man von dieser Annahme aus, so kann die Ursache 
davon, dafs die höheren Töne bei der Fortleitung durch feste 
Conductoren stärker gedämpft werden, als die tieferen, nicht 
darin liegen, dafs bei den höheren Tönen die Schwingungen 
rascher geschehen; denn es werden nach den Schwingungsver- 
suchen grade die langsameren Schwingungen bei gleicher Wellen- 
länge durch den innern Widerstand stärker gedämpft, als die 
rascheren. Diese Ursache kann vielmehr nur darin liegen, 
dafs bei den höheren Tönen kleinere schwingende Abtheilungen 
(Wellenlängen) gebildet werden; nach den Schwingungsversuchen 
nämlich wird in kürzeren Wellen (bei gleicher Schwingungs- 
dauer) eine gröfsere dämpfende Kraft entwickelt, als in län- 
geren.') 

Wie bei einem und demselben Körper höhere Töne klei- 
neren Wellenlängen entsprechen, so entspricht bei zwei verschie- 
denen Körpern die kleinere Schallgeschwindigkeit bei gleicher 


!) Es kommt dazu, dafs die zu bewegende Masse einer kleinern 
schwingenden Abtheilung kleiner ist, als die einer gröfsern, so dafs aus 
doppeltem Grunde das Verhältnifs der dämpfenden Kraft zu der 
bewegten Masse, von welcher die Dämpfung abhängt, für die kürze- 
ren Wellen einen gröfsern Werth hat, als für die längeren. 


vom 8. Juli 1869. 549 


Tonhöhe kleineren Wellenlängen. Es mufs danach von 2 ver- 
schiedenen Körpern bei gleichem specifischen innerem Wider- 
stand und unter sonst gleichen Umständen die Dämpfung gleich 
hoher Töne gröfser sein für den Körper mit der kleineren 
Schallgeschwindigkeit. | 

' Bei den Schwingungsversuchen haben alle angewandten 
Fäden qualitativ gleiches Verhalten in Bezug auf die Däm- 
pfung gezeigt; bei den Schallleitungsversuchen hat sich ein 
Unterschied in dem Verhalten der verschiedenen angewandten 
Leitungen in so weit ergeben, als nur bei einer beschränkten 
Anzahl (Kautschukstab, schwach gespanntes Hanfseil, dünner 
Bleidrath) ein Unterschied in der Dämpfung für die höheren 
und tieferen Töne hervortrat. Dieses Verhalten könnte davon 
herrühren, dafs der specifische innere Widerstand für die Kör- 
per, aus denen die andern Leitungen gebildet waren, einen zu 
kleinen Werth hatte. Es ist aber wahrscheinlich nur darin 
begründet, dafs die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellen 
bei den anderen Leitungen eine zu grolse war. Es mufs näm- 
lich mit wachsender Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellen 
in den Schallleitungsversuchen der Unterschied in der Inten- 
sität des Schalles an den beiden Enden des Leiters aus dop- 
peltem Grunde abnehmen: erstens nach dem oben Gesagten 
deshalb, weil mit der Fortpflanzungsgeschwindigkeit die Wel- 
lenlängen wachsen, zweitens deshalb, weil mit wachsender 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit bei gleicher Länge der Schall 
leitenden Strecke die Wirkungszeit der dämpfenden Einflüsse 
abnimmt. 


# 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 
vorgelegt: ” 

General-Bericht über die Europäische Gradmessung für das Jahr 1868. 
Berlin 1869. 4. 

Wissenschaftliche Begründung der Berechnungsmethoden des Central- 
büreaus der Europäischen Gradmessung. Berlin 1869. 4. 

Archiv für österreichische Geschichte. 40. Bd. 1. Hälfte. Wien 1868. 8. 

Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien. Mathem.- 


550 ‚Gesammtsitzung 


naturw. Klasse, April— Juni.1868. Philos.-hist. Klasse, April — 
Juni,1868. 8. | A 

Fontes rerum austriacarum. XXVII, 2. Wien 1868. 8. 

Dreizehnter Bericht der ÖOberhessischen Gesellschaft für Nakın. und 
Heilkunde. Giessen 1869. 8. 

Publicationen der Astronomischen Gesellschaft in Leipzig. IX. ers 
zig 1869. 4. 

Annales des mines. Tome XV. Livr. 1. Paris 1869. 8. 

Rendiconto dell’ Accademia di scienze di: Napoli. Napoli, Jan. — Mai 
1869. 8. 

Kgl. Danske Videnskabernes Selskabs Skrifter. Hist. Afd. :IIL, 2. 
IV, 3. Math. Afd.. VIII, 2. . Kjobnhavn 1869. 4. luxcı 

Jornal de sciencias mathematicas. no. 6. ' Lisboa 1869. 8. 

De Wajangverhalen van Pälä-Särd, Pandoe en Raden Pandhi, door .- 
‚Roorda. Gravenhage 1869. 8. hi 

Par Catore, Flora italiana. IV, 1. Firenze 1868. 8. 

Publikationen der Kaiserl. Universität in Petersburg vom Jahr 1869. 
Petersburg 1869. 5 Hefte. 8. Mit Tauschantrag v. 27. Mai 1869. 

J. A. H. de Caligny, Memoires inedito sur la milice des Romains. 
Turin 1868. 8. Nebst einigen andern Broschüren. Mit Begleit- 
schreiben des Verf. d. d. Versailles 26. Juni 1869. 


15. Juli. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. A. W. Hofmann trug folgende Untersuchungen vor: 
1. Über das Naphtalinroth. 


Von den zahlreichen Anläufen, welche gemacht worden 
sind, um die amidirten Abkömmlinge des Naphtalins für die 
Zwecke der tinetorialen Industrien zu verwerthen, haben nur 
wenige zu einem befriedigenden Ziele geführt. Die einzige 
Naphtalinfarbe, welche als industrielles Product auf der letzten 
Pariser Ausstellung figurirte, war das schöne von Hrn. Dr. 
Martius entdeckte Naphtalingelb, das Dinitronaphtol, 
dessen Anwendungen seit jener Zeit noch wesentlich zuge- 
nommen haben. Im Laufe des verflossenen Jahres ist indessen 
ein neuer, von: dem Naphtalin abstammender. Farbstoff, das 
Naphtalinroth, aufgetaucht, welcher bereits die Aufmerk- 
samkeit der Chemiker auf sich gezogen hat. 


vom 15. Juli 1869. 551 


‘Ich. verdanke meinem Freunde Hrn. Scheurer-Kestner 
in Thann eine schöne Probe dieses merkwürdigen Körpers, 
welcher, als er in meinen Besitz ' gelangte, bereits als eine 
nahezu chemisch reine Verbindung angesehen werden konnte. 
Wenn .daher ‘dem im. Folgenden beschriebenen Versuche die 
Zusammensetzung; des Naphtalinroths. festzustellen irgend ein 
Verdienst beiwohnt,. so. gehört. dies eigentlich meinem Freunde 
an, der. den Farbstoff dargestellt und gereinigt hat und in dessen 
Händen die weitere Erforschung desselben zu einem schnellen 
und sicheren Absehlufs gekommen sein. würde,: wenn nicht 
wichtigere Untersuchungen ihn. verhindert hätten, dem Gegen- 
stande im ‚Augenblicke ungetheilte Aufmerksamkeit zu widmen. 
Da die Analyse des neuen Farbstoffes gleichwohl auch für die 
Fabrikation willkommene Aufschlüsse zu liefern versprach, so 
bat mir Hr. Scheurer-Kestner mit dankenswerther Libera- 
lität das werthvolle Material für die Ausführung dieser Arbeit 
zur Verfügung stellen wollen. 

Das bei der Darstellung des Naphtalinroths eingehältene 
Verfahren ist, wie mir Hr. Scheurer-Kestner mittheilt, von 
Hrn. Schiendl in Wien angegeben worden. Die ersten Ver- 
suche, den Farbstoff im Grofsen zu erzeugen, wurden: von 
Hrn. Durand in den Werkstätten des Hrn. Clavel in Basel 
ausgeführt. Von diesen Versuchen. datirt: die industrielle Ge- 
winnung. | 

Das Naphtalinroth wird bereits von verschiedener: Seite 
in. den Handel gebracht. In der Schweiz beschäftigt sich 
Hr. Clavel in Basel mit der Fabrikation des Naphta- 
linroths. In Frankreich ist es zumal das berühmte Haus 
Charles Kestner in Thann, welches diese neue Industrie 
aufgenommen hat, und zwar nicht. nur die Gewinnung des 
Farbstoffs selbst, sondern auch die Darstellung des für das 
Naphtalinroth als Rohmaterial dienenden Naphtylamins. In 
den Werkstätten dieser Fabrik sind bereits viele Tausende von 
Kilogrammen Naphtalin in Naphtylamin verwandelt: worden. 
In England endlich, wo man den Naphtalin-Farbstoff zu 
Ehren des abyssinischen Feldzugs mit dem Namen Magda- 
laroth bezeichnet hat, sind es die Herren Brooke, Simpson 
und Spiller, Nachfolger der Firma Nicholson und Maule 


552 Gesammtsitzung 


in London, welche der neuen Fabrikation ihre Aufmerksamkeit 
geschenkt haben. 

Über die industrielle Zukunft des Naphtalinroths läfst sich 
im Augenblick noch nicht viel sagen; an Färbekraft steht er 
den Anilinfarben nicht nach, übertrifft dieselben aber durch seine 
bemerkenswerthe Beständigkeit. Leider verliert das Naphtalin- 
roth in den dunkeln Tönen allen Glanz, es wird daher auch 
ausschliefslich für helle Tinten verwendet, und deshalb ist der 
Verbrauch bis jetzt ein sehr mäfsiger gewesen. 

Das mir von Hrn. Scheurer-Kestner übersendete Prä- 
parat stellt ein schwarzbraunes, undeutlich krystallinisches Pulver 
dar. Wenige Versuche waren hinreichend, um in der Behandlung 
desselben mit Alkohol den Weg zu erkennen, auf welchem eine 
für die Analyse geeignete Substanz zu erhalten war. 

Löst man das schwarzbraune Pulver in siedendem Alkohol, 
so erhält man eine tiefrothe Lösung, aus der sich beim Erkalten 
nur wenig absetz. Beim Abdampfen aber erscheinen hübsche 
nadelförmige Krystalle von grüner Farbe und metallischem 
Glanze. Diese Krystalle sind das Chlorid einer Base; beim 
Übergiefsen mit concentrirter Schwefelsäure entwickeln sich 
Ströme von Chlorwasserstoffsäure. Nach zwei bis dreimaligem 
Umkrystallisiren der Verbindung aus Alkohol zeigte sich der 
Chlorgehalt constant; dieselbe konnte deshalb als eine chemisch 
reine Substanz betrachtet werden. Die Krystalle lösen sich 
wenig in kaltem, reichlicher in heilsem Wasser, allein die 
Lösung krystallisirt nicht; sie sind unlöslich in Aether; aus 
der alkoholischen Lösung wird der Farbstoff durch Aether als 
ein braunes kaum krystallinisches Pulver gefällt. 

Die alkoholische Lösung des Chlorids zeigt ein sehr charak- 
teristisches Verhalten, durch welche das Naphtalinroth alsbald 
von allen Anilinfarben zu unterscheiden ist. Gielst man einige 
Tropfen einer concentrirten Lösung des Farbstoffs in einen mit 
‚Alkohol gefüllten Cylinder, so glaubt man, wenn die Flüssig- 
keit im reflectirten Lichte betrachtet wird, die Bildung eines 
Niederschlags zu beobachten, welcher sich in feuerrothen Wol- 
ken durch die Flüssigkeit verbreitet. Betrachtet man aber die 
Erscheinung im durchfallenden Lichte, so ergiebt es sich, dafs 
man es mit einer vollkommen durchsichtigen, licht-rosenroth 


vom 15. Juli 1869. 553 


gefärbten Flüssigkeit zu thun hat, und dafs der vermeintliche 
Niederschlag auf einer Fluorescenz beruht, welche verdünnte 
Naphtalinrothlösungen in ganz bemerkenswerther Weise zeigen, 
und welche zumal im directen Sonnenlichte einen überraschen- 
den Anblick gewährt. Hält man eine verdünnte Lösung von 
Naphtalinroth in Alkohol gegen einen dunklen Hintergrund, so 
glaubt man eine frische: Fällung von Schwefelantimon oder 
Quecksilberjodid vor sich zu haben. 

Die auf dem angedeuteten Wege dargestellte Chlorverbin- 
dung besitzt einen hohen Grad von Beständigkeit; man kann 
sie mit Ammoniak und selbst mit Natriumhydrat zum Sieden 
erhitzen, ohne dafs ihr das Chlor entzogen würde; es bedarf in 
der That einer längeren Digestion mit Silberoxyd um die Base 
in Freiheit zu setzen. Vielleicht beruht die Ächtheit der Farbe 
gerade auf dieser Beständigkeit der Salze. 

Da ich später in einer ausführlicheren Abhandlung auf das 
Naphtalinroth zurückzukommen denke, so will ich der Akade- 
mie heute nur das Ergebnifs der Analysen mittheilen, welche 
ich mit dem neuen Farbstoff angestellt habe. 

Diese Analysen, bei deren Ausführung ich von Hrn. Dr. 
J. H. Buff und von Hrn. Karl Sarnow mit grofsem Ge- 
schiek unterstützt worden bin, betreffen zunächst das Chlo- 
rid, dann ein aus dem Chloride dargestelltes Platinsalz, endlich 
ein von dem Chloride abgeleitetes Picrat. 

Die Zusammensetzung des bei 100° getrockneten Chlorids 
ist: 

C,H, N;0Cl= C,,H;,,N;, HC1,H,O 

Das Platinsalz, ebenfalls bei 100° getrocknet, enthält: 

CoHsN,0,PtCl, = 2(C,,H3ı N; HCl), PtC1,,2H,O 


Endlich ist die Formel des bei 100° getrockneten pierin- 

sauren Salzes: 
0,,H,,N,0,; = C,,H;,N;, C,H, (N0,),0 ,H,0 

Sämmtliche Salze halten also bei 100° Wasser zurück, 
und für den Augenblick mufs ich es unentschieden lassen, ob 
sie bei höherer Temperatur wasserfrei zu erhalten sind. Im 
Hinblick auf diese Ergebnisse wird es mehr als wahrscheinlich, 
dafs auch die freie Base, die ich bis jetzt im reinen Zustande 


554 Gesammtsitzung 


nicht habe erhalten können, wie das Rosanilin, ein Wassermo- 
lecul zurückhält, mithin durch .die Formel | 


0,H,N,0= (0,H,,N,,H,0 
ausgedrückt ist. | 

Wie dem aber auch sei, die Bildung des Naphtalinroths 
erfolgt offenbar in einer Reaction, welche derjenigen, in welcher 
das Rosanilin entsteht, sehr ähnlich ist. Denkt man sich von 
3 Mol. Naphtylamin 3 Wasserstoffmolecule abgespalten, so hat 
man den neuen Farbstoff | 


30.H,N— 3HH = C,„H,,N, 


Die Gleichung; stellt aber nur das einfache Verhältnifs des 
Farbstoffs zu dem Materiale dar, aus dem er’ sich bildet.‘ Die 
wirkliche Umbildung findet in minder einfacher Weise statt. 

Schon oben wurde der Verdienste gedacht, welche sich Hr. 
Durand vom Hause Clavel in Basel um die fabrikmäfsige 
Darstellung des Naphtalinroths erworben hat. Während ich mit 
diesen Untersuchungen beschäftigt war, hat: mir Hr. Durand 
mit grolsem Freimuthe einige Mittbeilungen über die Gewinnung 
dieses Farbstoffs gemacht, die ich früher nur in sehr unvoll- 
kommener Weise kannte. Nach diesen Mittheilungen wird’ das 
Naphtalinroth in zwei gesonderten aufeinander folgenden Pro- 
cessen gebildet. Zunächst wird ‚das Naphtylamin unter ge- 
eigneten Bedingungen der Einwirkung der salpetrigen Säure 
ausgesetzt, alsdann wird das in dem ersten Processe gebildete 
Product mit Naphtylamin behandelt. Hr.. Durand hat die 
Güte gehabt, mir eine Probe des in der ersten Phase der Um- 
wandlung gebildeten Productes mitzutheilen. Wenige, Ver- 
suche waren hinreichend, mich in dem übersendeten Körper 
das Azodinaphtyldiamin der HH. Perkin und Church') 
erkennen zu lassen, welches durch die Einwirkung der salpe- 
trigen Säure auf das Naphtylamin entsteht. Bei der Behand- 

lung mit Naphtylamin geht dieser Körper in Naphtalinroth über. 
Die Genesis des Naphtalinroths vollendet sich demnach in 
zwei scharf definirten Reactionen: 


1) Perkin und Church, Chem. Soc. Qu. J. XVI. 207. 


vom 15. Juli 1869. 555 


L 2C,.H,N —- HNO, = C,H;,;N;, + 2H,0 


Naphtylamin Azodinaphtyldiamin 
MH. C„H,;N; + C,H, N = C5,H,N; + H;,N. 
f | — mussen Sumenzur=" 
Azodinaphtyldiamin Naphtalinroth 


Dafs sich in der letzten Phase der Reaction in der That 
Ammoniak in reichlicher Menge entwickelt, läfst sich durch den 
Versuch leicht constatiren. 

Die hier zu Tage tretenden Verhältnisse sind für die 
Theorie der Farbammoniake von nicht geringem Interesse. Zu- 
nächst liegt der Gedanke nahe, auf das Azodinaphtyldiamin 
statt Naphtylamin Anilin und Toluidin einwirken zu lassen. 
Es müssen auf diese Weise gemischte Farbstoffe, dem Rosani- 
lin noch näher stehend als das Naphtalinroth, welche gleich- 
zeitig der Naphtylreihe und beziehungsweise der Phenyl- und 
Tolylreihe angehören, gebildet werden. Ich habe diese Ver- 
suche angestellt und mit Vergnügen unter Ammoniakausschei- 
dung die Bildung von rothen Farbstoffen beobachtet, welche 
offenbar beziehungsweise die Zusammensetzung 

C,;H,N; und C,H,,N; 
haben müssen. Beide Substanzen zeigen in alkoholischer Lö- 
sung dieselben bemerkenswerthen Fluorescenzerscheinungen, 
welche das Naphtalinroth bezeichnen. Ich hoffe, gelegentlich 
auf diese Producte zurückkommen. 

Allein die Reaction liefse sich noch nach einer andern 
Richtung ausbeuten. Statt Naphtylamin, Anilin und Toluidin 
auf Azodinaphtyldiamin einwirken zu lassen, könnte man um- 
- gekehrt die Azodiamine der Phenyl- und Toluylreihe, sei es 
mit Naphtylamin, Toluidin oder Anilin, behandeln. Es liegen 
- sogar schon einige Beobachtungen vor, die ' eine einfache 
- Deutung erlauben. 

In ihrer keiten Abhandlung über das Amidodi- 
‚phenylimid erwähnen die HH. Martius und Griefs!) am 
"Schlusse eines blauen Farbstoffes, welcher sich beim Erhitzen 

| des Amidodiphenylimids (Azodiphenyldiamins) mit chlorwasser- 
2er oder salpetersaurem Anilin bildet. Es läfst sich 


1) Martius und Grie(s, Monatsberichte d. Akademie. 1865. 640, 
[1869.] 41 


556 Gesammtsitzung 


nicht bezweifeln, dafs dieser: Körper zu dem Anilin in dersel- 
ben Beziehung steht, wie das Naphtalinroth zu dem Naphtyla- 
min, dafs er in der That mit dem von den HH. Girard, De 
Laire und Chapoteaud beschriebenen Violanilin identisch 
ist. Seine Bildung wäre der des Naphtalinroths vollkommen 


analog: 
I. 2C,H,N ING, = 
I. 20,H,N + HNO, C;H,N;, + 2H,O 
Anilin Azodiphenyldiamin 
: HN= ; 
U. C HN; + 6GHN= C,H,N; + H,N 
Azodinaphtylamin Violanilin 


Von Hrn. Martius, der sich in neuester Zeit wieder mit 
diesem Farbstoff beschäftigt hat, erfahre ich, dafs sich in der 
That in der zweiten Phase des Processes reichliche Mengen 
von Ammoniak entwickeln. Die Analyse des blauen Farbstoffs 
wird die Frage schnell zur Entscheidung bringen, 

Es bliebe noch ein interessanter Versuch anzustellen. Man 
müfste das Azoditolyldiamin erzeugen und auf diese Verbin- | 
dung Anilin einwirken lassen. Verliefe die Reaction in dem 
aus den oben beschriebenen: Versuchen erschliefsbaren Sinne, 
so würde sich Rosanilin erzeugen. Allein das Azoditolyldiamin 
muls erst noch aufgefunden werden. Man kennt allerdings 
einen gleichfalls von Hrn. Martius') entdeckten Körper 

C,H,,N;, 
allein diese Verbindung, welche bekanntlich das wahre Analo- 
gon des Azodiphenyldiamins und des Azodinaphtyldiamin$ nicht 
ist, liefert bei der Behandlung mit Monaminen keine Farbstoffe. 


2. Über das Xylidinroth. 


Die im Vorstehenden beschriebenen Versuche über das 
Naphtalinroth haben mich lebhaft an die ersten Untersuchun- 
gen erinnert, aus denen ich die Zusammensetzung des Rosa- 
nilins ableitete.. Das Naphtalinroth wie das Anilinroth ent- 
stammt 3 Mol. Monamin, welche eine gewisse Anzahl von 
Wasserstoffmoleculen verloren haben, nur gehören diese 3 Mole- 


1!) Martius, Monatsberichte der Akademie. 1866. 171. 


vom 15. Juli 1869. 557 


cule nicht verschiedenen Reihen, wie bei dem Rosanilin, sondern 
derselben Reihe an. Die Bildung solcher höher gegliederten 
Farbammoniake durch Verschmelzen dreier Monaminmolecule 
scheint demnach wirklich eine allgemeine zu sein, wie dies 
auch schon aus den Versuchen der Hrn. Girard, de Laire 
und Chapoteaud hervorgeht. Leider sind die von den letzt- 
genannten Chemikern erhaltenen Farbebasen noch nicht ge- 
nauer untersucht worden; sie weichen jedoch, namentlich was 
Färbekraft und Farbeton anlangt, von dem Rosanilin so we- 
sentlich ab, dafs es wünschenswerth erschien, ein dem Rosanilin 
möglichst analog construirtes Farbammoniak darzustellen und 
zu untersuchen. Et 

Eine erwünschte Gelegenhelt zu dieser Untersuchung bot 
sich mir in dem Besitze einer gröfseren Menge von Xylidin, 
welche ich der Güte meines Freundes, des Hrn. Dr. Martius 
verdanke. Von der chemischen Reinheit des Präparates, wel- 
ches constant bei 112° siedete, hatte ich mich mehrfach durch 
die Analyse überzeugt. Für sich mit Oxydationsmitteln be- 
handelt, liefert das Xylidin keinen rothen Farbstoff, ebenso 
wenig, wenn dasselbe in Gegenwart von Toluidin der Ein- 
wirkung der gewöhnlichen, bei der Darstellung des Rosanilins 
verwendeten Agentien unterworfen wird. 

Ganz anders gestaltet sich der Versuch, wenn man eine 
Mischung von reinem Xylidin und reinem Anilin (welches 
für sich keinen rothen Farbstoff erzeugt) mit einem der die 
Bildung von Rosanilin bedingenden Agentien zum Sieden er- 
hitzt. Augenblicklich nimmt die Mischung eine prachtvolle 
gesättigt karmoisinrothe Färbung an, welche einem dem Ro: 
sanilin homologen Farbstoff angehört. Das neue aus Anilin 
und Xylidin gebildete Farbammoniak, welches Wolle und Seide 
- kaum weniger lebhaft roth färbt, als Rosanilin selbst, hat. 
wahrscheinlich die Zusammensetzung: 


Eine eingehende Untersuchung dieses Farbstoffs, dem man 
ein gewisses theoretisches Interesse nicht wird absprechen 
wollen, hoffe ich der Akademie in einer späteren Sitzung mit- 


 theilen zu können. 


41* 


558 Gesammtsitzung 


Hier werde nur noch erwähnt, dafs sich bei der Behand- 
lung einer Mischung von Anilin mit dem dem Toluidin iso- 
meren Benzylamin kein Farbstoff erhalten läfst. 


3. Zur Kenntnifs der isomeren Xylidine. 
(Gemeinschaftlich mit Dr. C. A. Martius.) 


Aus einer eingehenderen Untersuchung über die Natur der 
farbeerzeugenden aromatischen Basen, welche wir gemeinschaft- 
lich unternommen haben, theilen wir der Akademie schon heute 
ein Ergebnifs mit, welches uns nicht ohne Interesse scheint. 
Wir haben, indem wir die höher siedenden Anilinöle des Han- 
dels im grolsen Maafsstabe einer fractionirten Destillation, und 
die einzelnen Fractionen in der Form von Salzen weiteren 
Scheidungsprocessen unterwarfen, eine Reihe von Producten 
erhalten, von denen sich einige bereits als chemisch reine 
Körper charakterisiren. 

Unter diesen befindet sich zumal eine nicht unerhebliche 
Menge von völlig reinem, constant bei 212° siedendem Xylidin, 
welches, wie der Eine von uns in einer der Akademie gleich- 
zeitig vorliegenden Note!) bereits berichtet hat, weder für sich 
allein noch mit Toluidin gemischt bei der Behandlung mit den 
gewöhnlichen Oxydationsmitteln rothen Farbstoff liefert, sich 
aber unter Mitwirkung von reinem Anilin alsbald in ein pracht- 
volles Carmoisin verwandelt. j 

Was ist die chemische Structur dieses farbegebenden Xy- 
lidins? Indem wir die weiter abliegende Frage nach Isomerien 
feinster Zuspitzung zunächst unberücksichtigt liefsen, schien es 
vor allem interessant zu erfahren, ob die farbegebende Base von 
einem dimethylirten oder äthylirten Benzol abstamme, ob sie als 


C,H; (CH3;), C,H, (C,H,) 
H N oder H N 
H H 


betrachtet werden müsse, 


1) Hofmann, Monatsberichte 1869. 556. 


vom 15. Juli 1869. 559 


Wir haben diese Frage in der Art zu lösen gesucht, dafs 
wir das Xylidin statt es aus den höher siedenden Anilinen 
_ darzustellen, von dem Benzol ausgehend aufgebaut haben. Zu 
dem Ende wurde das Benzol äthylirt, das äthylirte Benzol 
nitrirt und das Äthylnitrobenzol amidirt. Die so erhaltene 
Base besitzt einen eigenthümlichen an das aus dem Indigo 
dargestellte Anilin erinnernden Geruch, sie siedet constant bei 
212°. Durch die Analyse wurde festgestellt, dafs die auf die 
angegebene Weise gewonnene Base dieselbe Zusammensetzung 
hat, wie die aus den hochsiedenden Anilinen abgeschiedene. 
Sie ist aber trotz der übereinstimmenden Siedepunkte weit 
entfernt mit der letzteren, also der aus dem Kohlentheeröl 
abstammenden, identisch zu sein. Sie unterscheidet sich von 
derselben alsbald durch die ungleich gröfsere Löslichkeit aller 
ihrer Salze: aber mehr noch, sie liefert bei der Behandlung 
mit Oxydationsmitteln sowohl für sich als auch in Gegenwart 
von Toluidin und endlich von Anilin nicht die geringste Spur 
von rothem Farbstoff. 

Wenn nun die beschriebenen Versuche feststellen, dafs 
eine thatsächlich die Äthylgruppe enthaltende Base 

C,H,N 
zur Rothbildung nicht geeignet ist, läfst sich die Ansicht recht- 
fertigen, dafs die Roth liefernde Base die zweifach methylirte 
Verbindung darstelle? Diese Ansicht hat grofse Wahrschein- 
lichkeit, wir beabsichtigen aber, die Frage auf dem Wege des 
Versuches zur Entscheidung zu bringen. N 

Zum Schlusse wollen wir noch anführen, dafs das aus 

. Cuminsäure bereitete Cumidin 

C,H, N 
weder für sich noch mit Anilin zusammen oxydirt einen rothen 
Farbstoff erzeugt. Die Darstellung der in den hochsiedenden 
Anilinen existirenden isomeren Base im Zustande absoluter 
Reinheit ist uns bis jetzt nicht gelungen. 


4. Zur Kenntnifs des Chrysanilins. 


Angesichts der wunderbaren Veränderungen, welche das 
Rosanilin als Farbstoff erleidet, wenn sich seinem Wasserstoff 


560 Gesammtsitzung 


die Alkoholgruppen substituiren, lag der Gedanke nahe, auch 
andere Farbammoniake in der angedeuteten Richtung zu erfor- 
schen. Ich habe mich zunächst in diesem Sinne mit dem 
Chrysanilin beschäftigt, und es schien diese Wahl um so mehr 
geboten, als eine Untersuchung der Metamorphosen des Chry- 
sanilins weitere Aufschlüsse über die Natur dieses immer noch 
wenig gekannten Körpers versprach. 

Wird eine Auflösung von reinem Chrysanilin (1 Mol.) in 
Methylalkohol mit Jodmethyl (4 Mol.) 5 bis 6 Stunden lang 
im Wasserbade erhitzt, so zeigt sich in den Digestionsröhren 
eine reichliche Krystallisation von glänzenden Nadeln. Ihre 
Reinigung bietet keine Schwierigkeit. Der Methylalkohol mit 
etwa noch unverändertem Jodmethyl wird abgegossen, und der 
krystallinische Rückstand ein oder zweimal mit siedendem Al- 
kohol behandelt, in dem er nahezu unlöslich ist. Löst man 
die so gereinigten Krystalle in siedendem Wasser, so schiefsen 
beim Erkalten prachtvolle Nadeln von einer zwischen Orange- 
gelb und Carmoisinroth liegenden Farbe an, welche voll- 
kommen rein sind. Bei 100° getrocknet enthalten diese Kry- 
stalle = 

0,H,N,L,—= (,H,,(CH;), N;, 2HI 
stellen also das Dijodhydrat des Trimethylchrysanilins 
dar. Die Lösung dieses Salzes färbt Seide und Wolle tief 
orangegelb mit einem Stich ins Scharlachrothe. a 

Wird die heifsgesättigte wässrige Lösung des Dijodhy- 
drates mit einem Überschuls von Ammoniak versetzt, so nimmt 
sie eine lichtgelbe Färbung an und beim Erkalten der Flüssig- 
keit scheiden sich verfilzte gelbe Nadeln aus. Es war kaum 
zu bezweifeln, dafs hier ein Monojodhydrat vorlag; denn als 
die Flüssigkeit längere Zeit zum Sieden erhitzt wurde, färbte 
sie sich unter fortwährender Ammoniakentwicklung wieder tief 
orangeroth und lieferte beim Erkalten von neuem das ursprüng- 
‚liche zweifach jodwasserstoffsaure Salz. Als die gelben Nadeln 
analysirt wurden, zeigte es sich in der That, dafs sie das 
Monojodhydrat des Trimethylchrysanilin 


0, H, N; I= 0, H,(CH;), N, HI 


darstellen. Die bei der Jodbestimmung der beiden Salze er- 


vom 15. Juli 1869. 561 


haltenen Mütterlaugen wurden, eine jede für sich, zur Entfer- 
nung des Silbernitrats mit Chlorwasserstoffsäure versetzt und 
mit Platinchlorid niedergeschlagen. In beiden Fällen entstand 
dasselbe in schönen verfilzten Nadeln krystallisirende Platinsalz 


C,, H,, N, PtCl, = C,,H,, (CH,), N, 2HCl, Pt Cl,. 


Erwärmt man die Lösung einer der Jodverbindungen mit Sil- 
beroxyd, so wird die Base in Freiheit gesetzt. Sie stellt ein 
braungelbes Pulver dar, welches wie das normale Chrysanilin 
in Wasser unlöslich ist, sich dagegen in Alkohol auflöst; in 
Krystallen habe ich die Base eben so wenig wie das Chrysa- 
nilin selbst erhalten können. Ä 

Das so gewonnene Trimethylchrysanilin bildet mit den 
Säuren wohlkrystallisirte Salze, die aber meist sehr löslich 
sind, so das chlorwasserstoffsaure und bromwasserstoffsaure. 
Das Nitrat dagegen ebenso wie das Picrat sind schwer lös- 
lich, wie die entsprechenden Chrysanilinverbindungen. Beide 
sie durch ihre Schönheit ausgezeichnet." ) ’ 

Gegen Jodäthyl verhält sich das Chrysanilin wie gegen 
Jodmethyl.e. Die Krystalle, welche sich nach mehrstündiger 
Digestion einer alkoholischen Lösung von Chrysanilin mit 
Jodäthyl abgesetzt hatten, wurden auf einem Filter gesammelt 
und aus siedendem Wasser umkrystallisirt. ‘Diese Krystalle 
sind das Dijodhydrat des Triäthylchrysanilins, welche 
dem methylirten Jodhydrat in jeder Beziehung gleichen. Bei 
100° getrocknet enthalten sie 


!) Ich will hier erwähnen, dafs gelegentlich der Darstellung der oben 
angeführten pierinsauren Verbindung auch die Picrate des Chrys- 
anilins selber näher untersucht worden sind. Es giebt deren zwei, 
von denen das Dipierat das -schwerer lösliche und am schönsten kry- 
stallisirende ist. Man erhält es, wenn man ein Chrysanilinsalz mit einer 
Lösung von Picrinsäure in Wasser fällt, den Niederschlag auswäscht 
und in Alkohol löst. WVermischt man die kaltgesättigte Lösung des 
Salzes mit einer kaltgesättigten Lösung von Picrinsäure in Alkohol, so 
schiefsen nach längerem Stehem prächtige rubinrothe Nadeln des Dipi- 
crats an. Bei 100° hält das Salz 1 Mol. Wasser zurück. Bei 110° ge- 
trocknet wird es wasserfrei. Seine Zusammensetzung ist 

032 H,; N, 014 = C30 Hı, Na, [C; Hz, (N 0,), O],. 


562 Gesammtsitzung 


GC; Haı N 1, = Cy Hy, (C; H,), N, 2HI. | 

Unter dem Recipienten der Luftpumpe getrocknet, hält 
das Salz Wasser zurück, und zwar 3 Mol. Wasser auf 2 Mol. 
Salz. 

Das dem Dijodhydrate entsprechende Chlorhydrat giebt 
mit Platinchlorid einen in Nadeln krystallisirenden Nieder- 
schlag, welcher in Wasser nur wenig löslich ist. Seine Zu- 
sammensetzung ist | 

C,H; N; PtCl, = C,H, (C5 H,), N, 2H Cl, PtCl,.. 

Ich habe auch das jodwasserstoffsaure Salz der triamy- 
lirten Verbindung krystallisirt erhalten, bis jetzt ist dieses Salz 
aber noch nicht analysirt worden. | 

Schliefslich will ich noch bemerken, dafs auch die pheny- 
lirten Abkömmlinge des Chrysanilins existiren. Mit einem 
Überschufs von Anilin und Essigsäure, bis zum Siedepunkt 
des ersteren erhitzt, entwickelt das Chrysanilin Ströme von 
Ammoniak. Es entsteht eine tief braune Lösung, aus welcher 
man nach Zusatz von Alkali das Anilin mittelst Wasserdampf 
entfernt. Aus dem braunen Rückstande läfst sich ein tief- 
braunes Chlorhydrat darstellen, welches in vierseitigen Tafeln 
krystallisirt. Dasselbe ist bis jetzt nicht analysirt worden. 

Über die Herkunft und Bildungsweise des Chrysanilins 
ist noch immer ein unerquickliches Dunkel verbreitet. Alle 
Versuche, diesen Körper in einer einfachen glatten Reaction 
zu erhalten, sind bis jetzt fehlgeschlagen. Seit meiner ersten 
Arbeit über das Chrysanilin haben die Hrn. Girard, de Laire 
und Chapoteaud Versuche über die bei der Rosanilinfabrika- 
tion als Nebenproducte auftretenden Farbstoffe veröffentlicht 
und neben andern unter dem Namen Chrysotoluidin einen 
Körper beschrieben, welcher in seinen Eigenschaften eine ge- _ 
wisse Ähnlichkeit mit dem Chrysanilin zeig. Wie das Ro- 
sanilin aus 2 Mol. Toluidin und 1 Mol. Anilin entseht, soll das 
.Chrysotoluidin aus 3 Mol. Toluidin gebildet, mithin durch die 
Formel | 
C,H, N; 
dargestellt werden, während die für das Chrysanilin geltende 


Formel 
0,H,N; 


vom 15. Juli 1869. 563 


ist. Der Gedanke lag nahe, Chrysanilin und Chrysotoluidin 
für identisch zu halten. In der That weichen beide Substanzen 
in ihrer Zusammensetzung kaum um ein viertel Procent Koh- 
lenstoff, wohl aber um ein ganzes Procent Wasserstoff von 


. einander ab, so dafs sich meine für das Chrysanilin gefundenen 


Versuchszahlen nicht wohl mit den von der Chrysotoluidin- 
formel verlangten Werthen in Einklang bringen lassen. 

Die Frage wird aber kaum durch die Analyse allein 
entschieden werden können, vielmehr durch eine genaue Ver- 
gleichung der beiden Substanzen zu lösen sein. Von der 
Pariser Ausstellung her stand mir noch eine kleine Menge 
Chrysotoluidin zur Verfügung; aus diesem Präparate habe ich 
mich indessen vergeblich bemüht, das schöne so charakteri- 
stische Nitrat darzustellen, durch welches das Chrysanilin aus- 
gezeichnet ist. Dieser Mangel an Erfolg kann aber von der 
unvollkommnen Reinheit des angewendeten Chrysotoluidins her- 
rühren, und die Frage, ob beide Substanzen, das Chrysanilin 
und das Chrysotoluidin, identisch sind, dürfte vor der Hand 
noch eine offene bleiben müssen. | 

Schliefslich ist es mir eine angenehme Pflicht, Hrn. Dr. 
Sell und Hrn. Julius Jarmay für die mir bei Anstellung 
dieser Versuche geleistete Hülfe meinen Dank auszusprechen. 


5. Über die chemische Natur des Anilingrüns. 
(Gemeinschaftlich mit Charles Girard.) 


Die Fabrikation der Anilinfarben, obwohl noch so neuen 
Ursprungs, hat sich gleichwohl schon nach so mannigfaltigen 
Richtungen verzweigt, dafs die Wissenschaft nur mühsam und 
aus der Ferne allen den zahlreichen Entdeckungen folgt, welche 
sich auf diesem grofsen Industrie-Gebiete alltäglich vollenden. 
Wenn es den Untersuchungen der Chemiker bisher gelungen 
war, Schritt für Schritt Zusammensetzung und Bildungsweise 
des Anilinroths und seiner blauen und violetten Abkömmlinge 
aufzuklären, so hatte man sich bis jetzt vergeblich bemüht, _ 
auch die Natur der prachtvollen grünen Farbstoffe zu ermitteln, 
mit denen die Reihe der aus der Steinkohle abstammenden 


564 Gesammisitzung 


tinetorialen Körper durch die Ausdauer und den Erfindungs- 
geist der Fabrikanten in letzter Zeit bereichert worden ist. 

Wir haben uns im Laufe des verflossenen Jahres vielfach 
mit dem grünen Farbstoffe beschäftigt, welcher in dem Handel 
unter dem Namen Jodgrün geht und dessen industrielle Ver- 
werthung schnell einen aufserordentlichen Aufschwung genom- 
men hat. Wir wollen heute der Akademie etwas ausführlicher 
die Ergebnisse mittheilen, zu denen uns die Untersuchung die- 
ses merkwürdigen Körpers geführt hat. 

Der mit dem Namen Jodgrün (vert & l’iode) bezeichnete 
Färbekörper entsteht als Nebenproduct in der Fabrikation der 
durch Methylirung und Äthylirung aus dem Rosanilin gebil- 
deten violetten Farbstoffe, welche der Eine!) von uns vor 
etwa sechs Jahren in die Industrie eingeführt hat. Es ist zu- 
mal bei der Darstellung des Methylvioletts, dafs das Jodgrün 
gebildet wird. Die erste Beobachtung des Jodgrüns geht bis 
zur Entdeckung der methylirten Violette zurück, allein sie be- 
schränkte sich damals auf die Wahrnehmung der grünen Um- 
randung, mit welcher sich ein violetter Fleck umzieht, wenn 
man einen Tropfen des Rohproductes der Wechselwirkung 
zwischen Jodmethyl und Rosanilin auf Fliefspapier fallen läfst. 
Alle Versuche, diesen grünen Farbstoff zu isoliren, sind frucht- 
los geblieben, so lange man im kleinen Mafsstabe arbeitete, 
und es war wiederum der Industrie, die schon so oft den Fort- 
schritt der Wissenschaft beschleunigt hat, vorbehalten, eine ge- 
nauere Kenntnils des neuen Körpers anzubahnen, indem es ihr 
gelang, zunächst das Grün von dem Violett zu trennen, dann 
aber die Bedingungen seiner Bildung soweit zu ermitteln, dafs 
man an seine Verwerthung in der Färberei denken konnte. 
Schon im Laufe des Jahres 1866 war das Jodgrün Gegen- 
stand einer regelmälsigen Fabrikation im Grofsen geworden, 
welche seitdem eine aufserordentliche Ausdehnung gewonnen hat. 


Fabrikation des Jodgrüns. 


Zum bessern Verständnifs des Folgenden wird es zweck- 
mäfsig sein, einige Worte über die Fabrikation des Jodgrüns 
vorauszuschicken. 


!) Hofmann, Proc. of the R. Soc. Vol. XIH. p. 13. 


vom 15. Juli 1869. 565 


Die Agentien, welche in der Regel in Anwendung kom- 
men, sind Rosanilin- Acetat, Jodmethyl und Methylalkohol, 
sämmtlich im Zustande völliger Reinheit. Die Mischungsver- 
hältnisse wechseln innerhalb beträchtlicher Grenzeu. Die fol- 
genden liefern ein befriedigendes Resultat: 

] Th. Rosanilin- Acetat, 
2 Th. Jodmethyl, 
2 Th. Methylalkohol. 

Man kann das Jodmethyl durch eine äquivalente Mengä 
Brommethyl (1,3 Th.) ersetzen; in der Fabrikation giebt man 
aber dem Jodmethyl den Vorzug.') 

Die Reaction erfolgt in grofsen Autoclaven von emaillirtem 
Schmiede- oder Gufseisen, welche einem Druck von 25 Atmo- 
sphären zu widerstehen im Stande sind. Diese Apparate sind 
von einer Wärmehülle umgeben, in welcher 8 bis 10 Stunden 
lang ein Strom siedenden Wassers circulirt. Nach Ablauf die- 
ser Zeit ist die Operation beendet und man lälst den Autoclaven 
erkalten. Derselbe enthält nunmehr in Methylalkohol gelöst 
ein Gemenge violetter und grüner Farbstoffe, aufserdem hat 


1) Wenn man die niedrigen Preise bedenkt, auf welche das Brom 
durch die grofsartige Bromfabrikation aus den Stafsfurter Abraumsalzen 
herabgesunken ist, wenn man ferner das kleinere Äquivalent des Broms 
in Erwägung zieht, so ist es befremdlich, dafs die Industrie noch keine 
gröfseren Anstrengungen gemacht hat, das Jod in der Farbenfabrikation 
durch das Brom zu ersetzen. Unter diesen Umständen verdienen einige 
Erfahrungen Beachtung, welche wir im Laufe unserer Untersuchungen zu 
machen Gelegenheit gehabt haben. Die Hauptschwierigkeit bei der Hand- 
habung (des Brommethyls und Bromäthyls liegt offenbar in den niedrigen 
Siedepunkten beider Verbindungen (13° und 40°), welche grofse Verluste 
herbeiführen. Man kann diese Schwierigkeit sehr einfach umgehen, wenn 
man das so leicht darstellbare Bromamyl, von dem wohlgelegenen Siede- 
punkte 120°, in Gegenwart beziehungsweise von Methyl- und Äthylalko- 
hol mit den zu methylirenden und äthylirenden Basen in den Autoclaven 
bringt. In einer ersten Phase der Reaction entsteht unter Rückbildung 
von Amylalkohol Brommethyl und Bromäthyl 


C,„H,,Br+CH,HO=C,H,,H0O-+ CH,Br, 
welche die Methylirung und Äthylirung fast ebenso gut besorgen, als rei- 
nes Brommethyl und Bromäthyl. 


566 Gesammtsitzung 


sich in beträchlicher Menge Essigsäure-Methyläther und endlich 
Methyläther selbst gebildet, welcher beim Öffnen des Autocla- 
ven mit Gewalt ausströmt. Nachdem die flüchtigen Producte 
durch Destillation entfernt sind, benutzt man die ungleiche 
Löslichkeit der verschiedenen gebildeten Farbstoffe im Wasser 
um sie von einander zu scheiden. 

Zu dem Ende wird der in dem Autoclaven zurückge- 
bliebene Farbenbrei in eine grofse Menge siedenden Wassers 
gegossen. Das Grün löst sich vollständig, die violetten Farb- 
stoffe bleiben ungelöst, mit Ausnahme einer kleinen Quantität, 
welche durch die während der Reaction in Freiheit gesetzte 
Säure in Lösung geht. Das unlösliche Violet wird durch Fil- 
tration getrennt. Um die kleine Menge gelösten Violets nieder- 
zuschlagen, fügt man zu der Flüssigkeit Kochsalz, indem man 
gleichzeitig die freie Säure durch Natriumcarbonat’ abstumpft. 
Um in der tiefgefärbten Flüssigkeit den Sättigungspunkt zu er- 
kennen, filtrirt man von Zeit zu Zeit eine Probe ab, und taucht 
statt des Lackmusstreifens einen dünnen Seidestrang in die Lö- 
sung; sobald derselbe eine rein grüne Farbe annimmt, ohne alle 
Beimischung von Violet oder Blau, hört man mit dem Zusatz 
von Natriumcarbonat auf: die Fällung des Violets ist vollendet. 

Die vollkommen erkaltete Flüssigkeit geht zur Abschei- 
dung des zuletzt gefällten Violets nochmals durch ein Sand- 
filter und wird alsdann durch eine kaltgesättigte Lösung von 
Picrinsäure in Wasser gefällt. Da das Picrat des Grüns in Was- 
ser nur wenig löslich ist, so wird es auf einem Filter gesammelt, 
flüchtig mit Wasser gewaschen, und nach dem Abdampfen als 
Färbebrei (päte) in den Handel gebracht. Die in dem be- 
schriebenen Processe als Nebenproducte erhaltenen violetten 
Körper sind begreiflich nicht verloren. Man verwandelt sie, 
da sie als Jolide fallen, durch Einwirkung von Natriumhydrat 
in die entsprechenden Basen, welche von Neuem unter geeig- 
 neten Bedingungen mit Jodmethyl behandelt werden, um weitere 
Mengen von Jodgrün zu liefern. 


Darstellung des krystallisirten Jodgrüns. 


Um das Jodgrün im krystallisirten Zustande zu erhalten, 
bedarf es nur einer leichten Modification des beschriebenen 


vom 15. Juli 1869. 567 


Ganges. Zunächst wird man das gefärbte Reactionsproduct in 
eine weit geringere Menge siedenden Wassers eingielsen, dann 
aber nach dem Zusatze des Kochsalzes die Flüssigkeit mit 
einer gröfseren Menge von Natriumcarbonat versetzen, um der 
vollständigen Ausfällung der violetten Materien sicher zu sein, 
selbst auf die Gefahr hin, eine kleine Menge des grünen Farb- 
stoffs, welcher durch einen Überschufs von Natriumcarbonat, 
zumal beim Sieden, leicht verändert wird, zu opfern. Die fil- 
trirte Flüssigkeit setzt beim Erkalten in beträchlicher Menge 
Krystalle von Jodgrün ab, welche ein- oder zweimal mit kaltem 
Wasser gewaschen werden, um kleine Mengen von anhängen- 
dem Kochsalz zu trennen. Man trocknet die Krystalle schliefs- 
lich bei gewöhnlicher Temperatur. 

Um die so gewonnenen Krystalle in einem für die Ana- 
lyse geeigneten Zustande zu erhalten, wurden sie in warmen 
absoluten Alkohol gelöst, und die Lösung nach dem Filtriren 
in einen grofsen Überschufs völlig trocknen Äthers gegossen; 
es entstand ein glänzender krystallinischer Niederschlag, wel- 
chen man auf einem Filter sammelte, mit kaltem Äther wusch 
und nach dem Verdunsten des Äthers über Schwefelsäure 
trocknete. Der krystallinische Niederschlag ward schliefslich 
in warmem Alkohol gelöst; beim Erkalten schieden sich präch- 
tige Prismen des chemisch reinen Jodgrüns ab. Diese Kry- 
stalle, welche den eigenthümlichen Metallglanz der Flügeldecke 
der Cantharide zeigen, sind das Jodid der Base. 

Bei einer anderen Darstellung war die Abscheidung des 
Violets mittest Kochsalz und Natriumcarbonat minder glück- 
lich von Statten gegangen. Man fand es zweckmäfsig, die aus 
der mit Kochsalz und Natriumearbonat versetzten Flüssigkeit 
abgeschiedenen Krystalle in absolutem Alkohol zu lösen und 
mit trockenem Äther zu fällen, diese Behandlung mit Alkohol 
und Äther zu wiederholen, die letzte Ätherfällung in heifsem 
Wasser zu lösen und die aus dem Wasser abgeschiedenen 

Krystalle schliefslich aus warmem Alkohol umzukrystallisiren. 
| Noch verdient bemerkt zu werdeu, dafs wir auch bis 
weilen die Lösungen des Grüns, wie man sie nach Behandlung 
der Rohlauge mit Kochsalz und Natriumcarbonat erhält, direct 
mit Jodkalium gefällt haben. Das Grün, welches in concen- 


BB. Gesammtsitzung 


trirter Jodkaliumlösung nahezu unlöslich ist, fällt alsbald in 
flimmernden Krystallen aus, welche nach den oben angeführten 
Methoden weiter gereinigt werden. | 

Sämmtliche auf den angegebenen Wegen erhaltenen Prä- 
parate, mehrere Tage lang über Schwefelsäure getrocknet, 
zeigten bei der Analyse dieselbe Zusammensetzung. 

Die beschriebenen Reinigungsmethoden sind zeitraubend 
und kostspielig, sie waren indessen, um zuverlässige analy- 
tische Resultate zu erhalten, nothwendig, da einerseits dem 
Grün hartnäckig eine kleine Menge des mit ihm gebildeten 
Violets anhängt, andererseits das Grün selbst, wie sogleich 
weiter unten gezeigt werden soll, mit Leichtigkeit wieder in 
Violet übergeht. 

Zusammensetzung der Jodverbindung. — Zahlreiche Ana- 
lysen, welche wir mit Präparaten von verschiedener Darstel- 
lung ausgeführt haben, zeigen, dafs das über Schwefelsäure ge- 
trocknete Anilingrün nach der a 

C,HN,01, — Os com, er A ‚4,0 
zusammengesetzt ist. 

Läfst man das schwefelsäure-trockene Salz etwa zweimal 
vierundzwanzig Stunden im luftleeren Raume liegen, so erleidet 
es einen Gewichtsverlust, welcher 1 Mol. Wasser entspricht. 
Dafs das zurückbleibende Salz die wasserfreie Verbindung ist, 
wurde überdiefs durch die Analyse festgestellt. Übrigens möge 
schon hier bemerkt werden, dafs es nicht leicht ist, die wasser- 
freie Jodverbindung im reinen Zustande zu erhalten. Das Ge- 
wicht der Verbindung wird in vacuo nicht constant. Nach- 
dem 1 Mol. Wasser ziemlich rasch entwichen ist, nimmt das 
Gewicht des Körpers wochenlang Milligramm um Milligramm 
im luftleeren Raume ab, indem eine langsame Zersetzung ein- 
tritt. Dieser Umstand hat bei der Untersuchung viele Schmer- 
zen verursacht. 

Platinsal.. — Die Zusammensetzung. der Jodverbindung 
ist durch die Analyse mehrerer anderer Salze controlırt wor- 
den. Behandelt man die wässrige Lösung des jodwasserstoff- 
sauren Salzes in der Kälte oder unter gelindem Erwärmen 
mit Chlorsilber, so entsteht unter Ausscheidung von Jodsilber 


vom 15. Juli 1869. 569 


das entsprechende Chlorid. Alle Versuche, dasselbe im kry- 
stallisirten Zustande zu erhalten, sind fehlgeschlagen. Das 
Chlorid trocknet in vacuo über Schwefelsäure zu einer grü- 
nen, durchsichtigen, spröden, glasartigen Masse ein. Die Lö- 
sung desselben liefert mit Platinchlorid einen braunen, nicht 
krystallinischen, in Wasser, Alkohol und Äther unlöslichen 
Niederschlag, welcher im leeren Raume getrocknet die Zusam- 
mensetzung 


| Een CH,Cl 
EI. NO —=0, ah: cj; Frl, 
besitzt. 
Picrat. —. Eine der schönsten und beständigsten Verbin- 


dungen, welche dieser Reihe angehören, ist das picrinsaure 
Salz. Es wurde bereits oben erwähnt, dafs die Industrie mit 
der ihr eigenthümlichen Spürkraft sehr bald auf die Piecrin- 
säure als Fällungsmittel für das Jodgrün gefallen ist und dafs 
in der That ein nicht unbeträchtlicher Theil des im Handel 
vorkommenden Farbstoffs die pierinsaure Verbindung darstellt. 
Versetzt man eine wässrige Lösung der Jodverbindung 
mit einer wässrigen Picrinsäurelösung, so entsteht alsbald eine 
dunkelgrüne, scheinbar amorphe Fällung, die in Wasser fast 
absolut unlöslich ist. Nach dem Auswaschen ist keine Spur 
von Jod in dem Niederschlage zurückgeblieben. Unter dem 
Mikroskop erscheint der Niederschlag krystallinisch, aber erst 
beim Umkrystallisiren aus siedendem Alkohol, in dem das Salz 
aulserordentlich schwer löslich ist, zeigt sich dieser Körper in 
seiner ganzen Schönheit. Beim langsamen Erkalten der Lö- 
sung setzen sich wohlausgebildete Prismen ab, gelbgrün im 
durchfallenden Lichte, wie frisch angeätztes Kupfer im reflec- 
tirten Lichte glänzend. Das Salz ist wasserfrei und kann 
ohne die geringste Veränderung bei 100° getrocknet werden. 
Seine Zusammensetzung entspricht der des Jodids und 
wird durch die Formel 
His. [(CHJC,H,(NO,),0 
C;H,N,0,= 0% (CH,), N; co C,H, (N0,),0 
ausgedrückt. 
Auch das essigsaure und salpetersaure Salz des Grüns 
sind auf weiter unten anzugebenden Wegen erhalten worden, 


570 Gesammtsitzung 


Das erstere krystallisirt in feinen Nadeln, letzteres in Prismen. 
Noch verdient schlielslich eine aufserordentlich schön krystalli- 
sirende und durch ihre Beständigkeit ausgezeichnete Doppel- 
verbindung des Jodids mit Jodzink erwähnt zu werden, welche 
durch Fällung der Jodverbindung mit Jodzink, Zinkacetat oder 
Zinksulfat entsteht. Sie krystallisirt aus heilsem Wasser in 
Prismen. Die trockne Substanz wird bei 100° nicht zersetzt. 
Die Analyse dieses Salzes ist noch nicht zu einem befriedi- 
senden Abschlufs gekommen. Die durch Tanninlösung gefällte 
Verbindung haben wir gar nicht zu analysiren versucht. 

Wenn die zahlreichen Analysen, die wir von dem Jodid 
von dem Platinsalze und dem Picrat ausgeführt haben, über 
die Zusammensetzung des Jodgrüns und seiner Abkömmlinge 
erhebliche Zweifel nicht wohl lassen konnten, so hat doch 
das Studium der Umwandlungen, welche der Farbstoff er- 
leidet, weitere willkommene Belege für die. er der 
aufgestellten Formeln geliefert. 


Umwandlungen des Jodgrüns. 


Es wurde bereits erwähnt, dafs das jodwasserstoffsaure Salz 
im luftleeren Raume kein constantes Gewicht annimmt. Werden 
Krystalle, welche einige Monate im luftleeren Raume gestanden 
haben, mit Wasser übergossen, so färbt sich dasselbe schön grün; 
übergiefst man sie dagegen mit Alkohol, so nimmt die Flüssigkeit 
eine intensiv blaue Farbe an. Entfernt man die grüne wässrige 
Lösung von den ungelöst gebliebenen Krystailen, so lösen sich 
diese letzteren nunmehr in Alkohol mit schön violetter Farbe. 
Diese Umbildung in Violet erfolgt weit vollständiger und schon 
in einigen Stunden, wenn man die Krystalle des Jodids der 
Temperatur des siedenden Wassers aussetzt; sie ist augenblick- 
lich bei einer Temperatur von 130—150°. In siedendem Ani- 
lin z. B. löst sich das grüne Jodid mit prachtvoll violetter 
Farbe. 

Der Übergang von Grün in Violet ist mit einem sehr be- 
trächtlichen Gewichtsverlust verbunden. Als die schwefelsäure- 
trockenen Krystalle, um die Natur dieses Verlustes zu ermit- 
teln, in einem Destillirapparate erhitzt wurden, verdichtete sich 
zunächst etwas Wasser, alsdann destillirten farblose das Licht 


vom 15. Juli 1869. 571 


stark brechende Öltropfen, welche in Wasser untersanken und 
an ihren Eigenschaften als Jodmethyl erkannt wurden. Um 
jeden Zweifel zu beseitigen, wurde das Destillat mit alko- 
holischem Ammoniak vermischt. Beim Abdampfen bildeten 
sich die charakteristischen Krystalle von Tetramethylammo- 
niumjodid. 

Die Ermittelung des Gewichtsverlustes zeigt, dafs sich bei 
andauernder Einwirkung der Wärme (120°) von dem Molecule 
des über Schwefelsäure getrockneten jodwasserstoffsauren Salzes 
genau 1 Mol. Wasser und 1 Mol. Jodmethyl abspalten, dafs 
mithin die Umbildung nach der folgenden Gleichung vor sich 
geht: 

| Hi CH;1 
Co (CH,),N en: 

Dafs der violette Rückstand in der That die ihm in dieser 
Gleichung zugetheilte Zusammensetzung besitze, wurde über- 
diefs durch die Analyse festgestellt, welcher sowohl der direct 
erhaltene Rückstand, als auch eine aus demselben durch Be- 
handlung mit Wasser und Alkohol dargestellte, in langen 
dünnen Nadeln krystallisirende Verbindung unterworfen wurde. 
Die Analyse ergab für die bei 120° getrocknete Substanz die 
Formel 


H,. 
H,O=Cy.cH,), ° N,, CH,I+HLO+CH.L. 


H 
C„H,N,I= Ca (CH,),N3> CH, I 


und es zeigte sich somit, dafs dieses violette Salz wesentlich 
von dem bereits früher bekannten '), dem jodwasserstoffsauren 
Trimethylrosanilin 
ale 
C3H,NI=Cy (CH, B N; ‚HI 

‘verschieden ist, was auch die bestimmter ausgesprochene Kry- 
stallform namentlich aber der viel blauere Ton andeutet, wel- 
chen dieser Farbstoff der Seide und Wolle ertheilt. 

| Der Übergang von Grün in Violet unter Ablösung von 
 Jodmethyl findet re statt, wenn der Farbstoff auf 


1) Hofmann, Exposition universelle de 1867, Rapports du Jury 
"international Vol. VII p. 263. 
[1869.] % 


572 Gesammtsitzung 


einem Gewebe fixirt ist, als bei dem freien Farbstoffe. Inter- 
essant ist es, dafs die grüne Farbe permanent wird, sobald 
man. die Abspaltung des Jodmethyls auf die eine oder andere 
Art verhindert. Krystalle des jodwasserstoffsauren Salzes kön- 
nen in einer hermetisch geschlossenen Glasröhre im Wasser- 
bade erhitzt werden, ohne dafs sich die grüne Farbe verändert. 

Die Bildung des blauvioletten Farbstoffs aus dem jod- 
wasserstoffsauren Grün findet noch unter anderen nicht minder 
interessanten Bedingungen statt. Digerirt man eine methyl-al- 
koholische Lösung des Grüns in zugeschmolzener Röhre 2—3 
Stunden lang im Wasserbade, so haben sich in der Flüssig- 
keit, welche eine tief-blauviolette Farbe angenommen hat, lange 
cantharidengrüne Nadeln abgesetzt, welche sich, da sie in AL" 
kohol, selbst in siedendem, aulserordentlich schwer löslich sind, 
mit Leichtigkeit im Zustande der Reinheit erhalten lassen. Sie 
werden am besten aus Methylalkohol, in dem sie etwas leichter 
löslich sind, umkrystallisirt. Die Analyse dieser Krystalle 
zeigt, dals sie die merkwürdige Zusammensetzung 


H CH;I 
C„H,N], = (0, ccH,,N je 
3 


besitzen. Dieselbe Verbindung haben wir bisweilen auch bei 
der direeten Einwirkung des Jodmethyls auf Trimethylrosanilin 
sich bilden sehen. Neben diesen schwer löslichen Krystallen, 
deren Lösung violet mit einem vorwaltenden Stich ins Blaue 
färbt, bildet sich noch ein zweites Salz eleichfalls von blau- 
violettem, aber gleichwohl weniger bestimmt ins Blaue ziehen- 
den Farbenton. Dieses Salz ist aufserordentlich löslich in 
Alkohol, läfst sich aber durch langsames Abdampfen der al- 
koholischen Lösung mit Leichtigkeit krystallisiren. Die Ana- 
lyse desselben hat die Zusammensetzung bestätigt, welche die 
Untersuchung der schwerlöslichen ‚Krystalle im Voraus ver- 
muthen liefs. Das lösliche Salz ist das complementäre Product 
des „unlöslichen; es ist dieselbe Verbindung, welche sich bei’ 
dem freien Erhitzen des jodwasserstoffsauren Grüns erzeugt, 
nämlich: 


OEEN,D ec RAT, 


20 nz Sy; 


vom 15. Juli 1869. 575 


Ein Molecul des jodwasserstoffsauren Grüns erleidet in 
methyl-alkoholischer Lösung beim Erhitzen unter Druck die- 
selbe Veränderung, welche beim Erhitzen unter gewöhnlichen 
"Bedingungen stattfindet, allein das abgespaltene Jodmethyl- 
moleeul, welches früher in die Atmosphäre entweichen konnte, 
wirft sich nunmehr auf ein zweites Grünmolecul und verwandelt 
dasselbe in die schwerlösliche Verbindung mit 3 Mol. Jod- 
methyl. 


CH.I 
POSSihn. CH;I Hie . Hs 
er Son Cns1+Czocop,), No; CHsl 


CH,I 
Grün. Schwerlösliches Violet. Leichtlösliches Violet. 


Neben den beiden Violetten wird in der beschriebenen 
Reaction keine andere Verbindung gebildet; in den Digestions- 
röhren ist kein Druck vorhanden, beim Öffnen derselben wird 
keine Gasentwicklung beobachtet. 


Nebenproducte bei der Darstellung des Jodgrüns. 


Bei den vielen Versuchen, die im Laufe dieser Untersuchung 
‚über die Bildung des grünen Farbstoffs angestellt worden sind, 
haben wir häufig ein ungefärbtes Nebenproduct beobachtet, wel- 
ches sich stets erzeugt, wenn man, sei es in den Mischungsverhält- 
nissen, sei es in der Temperatur oder der Dauer des Erhitzens, 
' sehr weit von den Bedingungen abweicht, welche wir im An- 
fange dieser Abhandlung als günstige bezeichnet haben. Dieser 
Körper, welcher auch bei der Darstellung im Grofsen nicht 
selten in unliebsamer Menge beobachtet wird, so dafs manchen 
Frabrikanten Tausende von Kilogrammen davon unbenutzt im 
Wege liegen, läfst sich von den gleichzeitig gebildeten Farb- 
- stoffen leicht in der Art trennen, dafs man das Product der 
Reaction mehrfach mit heifsem Alkohol auszieht, in dem die 
‚farblose Substanz fast unlöslich ist. Wird die an heissen Al- 
"kohol nichts mehr abgebende Materie nunmehr in warmem 
"Wasser gelöst, so bleiben die in Alkohol schwer löslichen 
‚ Violette zurück, während sich die farblose Substanz leicht löst. 
‚ Beim Abdampfen der wässerigen Lösung schiefsen Krystalle 
- an, die man durch mehrmaliges Umkrystallisiren aus verdünn- 
tem Alkohol leicht rein erhalten kann. 
42* 


574 Gesammtsitzung 


Octomethylirtes Leucanilin. Der in Rede stehende Körper, 
den man nicht selten in zolllangen prismatischen Krystallen 
von lichtgelber Farbe erhält, ist ein scharf ausgeprägtes, aber 
leicht oxydirbares Jodid, weshalb er, wie die meisten der hier 
beschriebenen Verbindungen, im luftleeren Raum getrocknet 
werden muls. Seine Zusammensetzung ist: 

(CH,), CH,I 
CHE N LEOICHTEL EN: (cm H,O. 
(CH3); CH,;I 

Diese Formel wird unzweideutig durch die Analyse einer 
entsprechenden Platinverbindung getragen. Versetzt man die 
mittelst Chlorsilber entjodete Lösung der ebenerwähnten Ver- 
bindung mit Platinchlorid, so fällt ein hellgelber, undeutlich 
krystallinischer Niederschlag, welcher, in vacuo getrocknet, die 
folgende Zusammensetzung 

| (CH,), .CH,Cl 
C.H,.N,Pt,C1,0, = 21 0, Hi N; Ich, a. 3PtCl,, 2H,0 
(CH;); CH, Cl 
besitzt. 

Man kann sich den Körper, dessen Jod- und Platinverbin- 
dung hier beschrieben worden sind, entstanden denken durch 
das Hinzutreten zweier Methylgruppen zu dem Molecul des 
schwerlöslichen violetten Jodids. Zu dem leichtlöslichen Violet 
steht diese farblose Verbindung genau in derselben Beziehung, 
wie das jodwasserstoffsaure Leucanilin zu dem entsprechenden 
Rosanilinsalz. 


C.oH,N;, HI CoH,N;, CH;I 
ann no mouse an” 
Rosanilinsalz. (CH 
Leichtlösliches Violet; Jodid. 
H,...„HI (CH,), (CH,I 
C.HN; I C.HyeNs (cm 
HI (CH3); CH, I 
Venen smnunee/ 
Leucanilinsalz. Farbloses Jodid. 


Dafs dem farblosen Körper, der sich wenn man will, als 


ein octomethylirtes Leucanilin auffassen läfst, wirklich 
diese Stellung znkomme, läfst sich nicht wohl bezweifeln. 
Man kann denselben in der That mit der grölsten Leichtigkeit 


vom 15. Juli 1869. 575 


hervorbringen, wenn man Jodmethyl direct auf Leucanilin ein- 
wirken läfst. Zu dem Ende werden 1 Thl. Leucanilin, 24 Thl. 
Jodmethyl und 2 Thl. Methylalkohol 10 Stunden lang in einem 
Autoclaven auf 100° erhitzt. Beim Öffnen des Verschlusses 
entweicht viel Gas und die ausgegossene Flüssigkeit zeigt sich 
in zwei Schichten gespalten, von denen die untere Jodmethyl, 
die obere eine methyl-alkoholische Lösung des jodwasserstoff- 
sauren Salzes des octomethylirten Leucanilins ist. Letztere 
liefert alsbald eine schöne Krystallisation des Salzes, welches 
man nur noch ein Mal in Wasser aufzulösen hat, um beim Er- 
kalten vollkommen reine Krystalle zu erhalten. Es könnte 
auf den ersten Blick befremden, dafs sich bei den oben ange- 
gebenen Proportionen noch eine Quantität unverbrauchten Jod- 
methyls in dem Producte der Reaction wiederfindet, da in dem 
zugeführten Jodmethyl kaum mehr als die halbe Summe der 
Methylgruppen vorhanden ist, deren es bedarf, um das Leuca- 
nilin-Molecul zu octomethyliren. Allein die von dem Jod- 
methyl begonnene Methylirung vollendet sich offenbar mit Hülfe 
des vorhandenen Methylalkohols, indem sich der zunächst ab- 
geschiedene Jodwasserstoff wieder in Jodmethyl verwandelt, 
um von neuem zu wirken. Nach dem angeführten Verfahren 
erhält man fast die theoretische Ausbeute. 

Die beschriebene Jodverbindung hat unser Interesse zumal 
aus dem Grunde in Anspruch genommen, weil sich die ent- 
sprechende Base mit Leichtigkeit in Freiheit setzen läfst, und 
ihr Studium die etwas mangelhafte Untersuchung der freien 


"Violet- und Grünbasen zu ergänzen versprach. Behandelt man 


die gelinde erwärmte Lösung des Jodids mit Silberoxyd, so 
entsteht alsbald eine farblose, stark alkalische, Kohlensäure 
aus der Luft anziehende und Metalloxyde fällende Flüssigkeit, 
welche sich selbst in Gegenwart von Natronlauge stundenlang 
ohne Zersetzung im Sieden erhalten und schliefslich zu einem 


'Syrup eindampfen läfst. Diese Flüssigkeit enthält offenbar die 
freie Base 


(CH;), CH, , HO 
CE N, CH,, HO 
(CH,),:.J.CH,,.HO, 


576  Gesammtsitzung 


Mit Jodwasserstoffsäure liefert sie wieder das Jodid, wel- 
ches als Ausgangspunkt für ihre Darstellung gedient hat, mit 
Salzsäure und Platinchlorid das beschriebene Platinsalz. 

Das dem Rosanilin entsprechende Leucänilin verwandelt 
sich bekanntlich unter dem Einflufs von Oxydationsmitteln mit 
Leichtigkeit in Roth zurück. Der Gedanke lag nahe, die ana- 
loge Veränderung bei der octomethylirten Verbindung zu be- 
werkstelligen. Gelang es, die beiden Additionsmethylgruppen, 
welche an Stelle des Additionswasserstoffs in dem Leucanilin 
fungiren, eben so leicht zu oxydiren, so mufste man zunächst 
auf Violet, dann aber, indem ein weiterer Methylabbau statt- 
fand, auf Grün und schliefslich wieder auf Violet stofsen. 
Diese Oxydation erfolgt aber nur schwierig, am schnellsten 
und besten noch, wenn man das Jodid an der Luft auf 120° 
erhitzt. Der Rückstand löst sich mit prachtvoller violetter 
Farbe in Alkohol auf, allein wahrscheinlich ist hier auch bereits 
Jodmethyl entwichen. Versucht man den atmosphärischen Sau- 
erstoff durch Oxydationsmittel, selbst schwächere, wie Platin- 
chlorid, Silberoxyd, Bleihyperoxyd, zu ersetzen, so entsteht ephe- 
mer ein schönes Grün, alsdann eine violette Farbe, welche aber, 
indem die Action weiter geht, bald einem unerquicklichen Gelb 
Platz macht. 

Wir haben uns viele Mühe gegeben, die den beschriebenen 
Jodverbindungen entsprechenden Basen darzustellen, müssen 
aber gleich bemerken, dafs die Ergebnisse unserer Unter- 
suchungen in dieser Richtung viel zu wünschen übrig lassen. 

Versetzt man eine concentrirte Auflösung des grünen Jo- 
dids in Wasser oder Alkohol mit Kali- oder Natronlauge, 
oder mit Ammoniak, so erhält man einen Niederschlag, der 
sich schnell zu einer harzigen Masse zusammenballt. Auf Za- 
satz von viel Wasser löst sich dieser Niederschlag wieder 
vollkommen zu einer anfangs schieferblauen, später farblos 
werdenden Flüssigkeit. Auf Zusatz von Essigsäure färbt sich 
dieselbe wieder grün. Lösungen dieser Art hatten beinahe ein 
Jahr lang gestanden; die Ammoniaklösung färbte sich selbst 
nach so langer Zeit noch wieder grün, die Natronlösung da- 
gegen zeigte eine violette Färbung, offenbar eine Zersetzung 
. andeutend. Werden die beiden violetten Jodverbindungen in 


=. 


vom 15. Juli 1869. 977 


Alkohol gelöst (in Wasser sind dieselben nahezu unlöslich) 
und mit kaustischen Alkalien versetzt, so entfärben sich auch 
diese Verbindungen. Auf Zusatz von Wasser trüben sich die 
Lösungen, indem die Basen, welche, wie ihre Jodide in Wasser 
unlöslich sind, als weifse Fällungen niedergeschlagen werden. 

Wir haben bis jetzt eigentlich nur die Base des Grüns 
einer etwas genaueren Prüfung unterworfen. Die durch starke 
Natronlauge ausgeschiedene Harzmasse wird nach kurzer Frist 
hart und spröde. Sie läfst sich alsdann zu einem rothbraunen 
Pulver zerreiben, dem man auf einem Asbestfilter mittelst Na- 
tronlauge alles Jod entziehen kann. Auch aus dem Picrat 
läfst sich die Base gewinnen. Man löst das in reinem Alkohol 
aufserordentlich schwerlöfsliche Salz in ammoniakalischem Al- 
kohol, indem es sich leicht, offenbar unter Zersetzung, mit 
gelber Farbe auflöst. Versetzt man diese Lösung mit starker 
Natronlauge, so schlägt sich die Base ebenfalls nieder. Die 
so gewonnene Grünbase hat zur Darstellung des im Vorher- 
gehenden erwähnten Grün-Acetats und Grün-Nitrats gedient. 
Es läfst sich kaum bezweifeln, dafs man auf ähnliche Weise 
auch die Basen der beiden mit dem Grün in so naher Beziehung 
stehenden Violette erhalten wird. 

Wie dem aber auch sei, wir glauben uns gleichwohl, ob- 
schon wir die Unvollständigkeit dieses Theils unserer Unter- 
suchung gerne einräumen, auch jetzt schon zu dem Schlusse 
berechtigt, dafs die durch Alkalien entfärbten Lösungen der 
drei Jodide die diesen Salzen entsprechenden Basen enthalten. 
Ihre Zusammensetzung würde sich in folgenden Formeln darstellen: 


BR ehktöstichen Vieles a N; , CH,, HO. 


3J3 

| ’ CH dia CH. HO; 

Base des Grüns An (CH,), N, { CH,, HO. 

: H CH,, HO. 

Base des schwerlöslichen Violets C ISEN CH,, HO. 
20 (CH,), 3 3 

CH,, HO. 


Alle diese Basen, wie auch das octomethylirte Leucanilin, 
würden der Klasse von Körpern angehören, deren erste Glie- 
der der Eine!) von uns vor nahezu zwanzig Jahren entdeckt 


1) Hofmann, Ann. Chem. u. Pharm. LXXVII, S. 253. 


578 Gesammtsitzung 


und unter dem Namen Ammoniumbasen in die Wissen- 
schaft eingeführt hat. Zusammensetzung sowohl als Verhalten 
der vielgenannten Verbindungen stimmen mit dieser Auffassung 
vollkommen überein. 

Die Reihe der durch Methylirung aus dem Rosanilin ent- 
stehenden Körper ist durch unsere Arbeit um ein Wesentliches 
erweitert worden. Dem jodwasserstoffsauren Rosanilin ent- 
stammen in ununterbrochener Reihe die folgenden Methyl- 
derivate: 

Jodhydrat des Rosanilins em lgg = NyecHel 


- - Methylrosanilins CH om N, Or 
- - Dimethyrosanilins CC, (cas N 
3J2 


- - Trimethylrosanilins Cy Be N 381 


Dijodmethylat - | - CH co ), ar ‚(CH,D), 
Trijodmethylat - = CO; cr ; N, , (CH,D, 


- - Pentamethylleucanilins C,, cu! ), °N,, (04.1). 


Noch verdient bemerkt zu werden, dafs die Erscheinun- 
gen, welche die im Vorhergehenden beschriebenen Versuche 
für die Methylreihe constatiren, sich auch in der Äthylreihe be- 
obachten lassen. Die Reactionen erfolgen aber langsamer und 
weniger präcise; auch sind die gebildeten Produete minder kry- 
stallinisch. Was die Farbe anlangt, so hat der grüne Ton der 
dem Methyljodgrün entsprechenden Äthylbase einen Stich ins 
Gelbe. Aus diesem Grunde 'sind auch die Äthylkörper bis 
jetzt kaum Gegenstand einer regelmälsigen Fabrikation ge- 
worden. 


Wir können diese Arbeit nicht schliefsen ohne denjenigen 
zu danken, welche uns bei derselben unterstützt haben. Die 
Untersuchung hat viel Zeit und Mühe in Anspruch genommen. 


vom 15. Juli 1869. 89 


Obwohl wir schon vor etwa acht Monaten im Stande waren 
in allgemeinen Zügen der deutschen chemischen Gesellschaft ihre 
Hauptergebnisse mitzutheilen, so ist es uns doch erst im Laufe des 
Sommers gelungen, auch der letzten Versuchszahlen, welche zur 
experimentalen Feststellung unserer Auffassungen erforderlich 
waren, uns zu versichern. Hrn. Dr. J. H. Buff aus Giefsen 
danken wir für die Umsicht und Ausdauer, mit welcher er den 
Gang der Versuche überwacht hat, sowie für seine Mitwirkung bei 
den zahlreichen Analysen, bei deren Ausführung wir auch von 
den Hrn. Dr. Bulk und Karl Sarnow freundlichst unter- 
stützt worden sind. Endlich müssen wir mit lebhaftem Dank 
der Liberalität gedenken, mit der uns Hr. Alexander Clavel 
in Basel für mannigfaltige Versuche, welche in grösserem 
Malsstabe angestellt werden mufsten, die reichen Hülfsquellen 
seines schönen Etablissements zur Verfügung gestellt hat. 


6. Neue Untersuchungen über die dem Senföl 
entsprechenden Isomeren der Schwefelcyan- 
wasserstoffsäureäther. 


In einer der Akademie vor ungefähr einem Jahre vorgeleg- 
ten Abhandlung') habe ich eine einfache Methode beschrieben, 
um schnell — so dafs man den Versuch in einer Vorlesung 
anstellen kann — die mit den gewöhnlichen Schwefeleyan- 
wasserstoffsäureäthern isomeren Senföle zu erhalten. Sie be- 
steht darin, dafs man die durch Behandlung der Monamine, 
des Äthylamins z. B., mit Schwefelkohlenstoff gewonnenen sul- 
focarbaminsauren Salze mit der Lösung eines Metallsalzes, des 
Silbernitrats oder Quecksilberchlorids z. B., destillirt: 


(CS) (C,H,)N, H 


+ (C,H,)H,N, HNO,. 


Die Senfölbildung erfolgt hier einfach durch Abspaltung 
von Schwefelwasserstoff und Äthylamin, welche beide von dem 


1) Hofmann, Monatsberichte der Akademie 1868. S. 465. 


580 Gesammtsitzung 


I 


Pr 


Metallsalze, also dem Silbernitrat oder Quecksilberchlorid 
fixirt werden. | 

Man erreicht denselben Zweck in noch eleganterer Weise, 
zumal für den Zweck der Vorlesung,‘ wenn man in die Lö- 
sung des sulfocarbaminsauren Salzes in Alkohol eine starke 
alkoholische Jodlösung eingielst. Augenblicklich entfärbt sich 
die Flüssigkeit unter Ausscheidung von Schwefel; sobald die 
Reaction vollendet ist, d. h. sobald sich durch Stärke freies 
Jod nachweisen lälst, wird die Flüssigkeit destillirt. Auf Zu- 
satz von Wasser zu dem alkoholischen Destillat fällt Äthyl- 
senföl aus der Flüssigkeit heraus; der Rückstand in der Re- 
torte enthält jodwasserstoffsaures Äthylamin, Jodwasserstoffsäure 
und Sehwefel: 


(CS)IKC,H,)N,H 


(C,H,)H,N jr HT=(OSO,HN+ (CHEN, HIEIMS. 
ser) SING 


Durch Destillation des Retorteninhalts mit Natronlauge 
wird das zur Senfölbildung nicht verwendete Äthylamin, so 
wie die ganze Menge des zugesetzten Jods in der Form von 
Jodnatrium alsbald zurückgewonnen. | 

‘ Die Abspaltung des Schwefelwasserstoffs aus dem Pro- 
ducte der Einwirkung: des Schwefelkohlenstoffs auf das Mo- 
namin mittelst Jod bietet aber noch ein weiteres Interesse. 
Ich habe bereits in einer früheren Mittheilung darauf aufmerk- 
sam gemacht, dafs sich die Senföle der aromatischen Reihe 
durch Quecksilberchlorid nicht darstellen lassen, die Methode 
also keine allgemeine ist. Die Ursache ist leicht verständlich. 
In der aromatischen Reihe sind die sulfocarbaminsauren Salze 
von sehr geringer Beständigkeit; unter Ausscheidung von 
Schwefelwasserstoff entstehen, indem sich das in Freiheit ge- 
setzte aromatische Senföl mit dem aromatischen Monamin ver- 
einigt, alsbald die substituirten Schwefelharnstoffe, welche von 
Quecksilbersalzen nur schwierig und dann stets unter Bildung 
von sauerstoffhaltigen Harnstoffen angegriffen werden. Ganz 
anders die Einwirkung des Jods. 

Giefst man eine alkoholische Jodlösung in eine siedende 
Alkohollösung von Diphenylsulfocarbamid so entfärbt sich die 
Lösung augenblicklich unter Abscheidung von Schwefel. Läfst 


vom 15. Juli 1869. 581 


man die mit einem schwachen Überschusse von Jod behan- 
delte Flüssigkeit einige Stunden stehen, so hat sich in der 
völlig entfärbten Flüssigkeit eine schöne Krystallisation von 
Schwefel ausgeschieden. Wird der nach dem Abfiltriren des 
Schwefels und Abdunsten des Alkohols bleibende gelbe Harz- 
kuchen, welcher bereits den intensiven Geruch des Phenyl- 
senföls zeigt, mit Wasserdampf destillirt, so gehen reichliche 
Mengen dieses Senföls mit dem Wasser in die Vorlage über. 
Filtrirt man die in der Retorte zurückbleibende Flüssigkeit 
siedend von einer kleinen Menge ausgeschiedenen Harzes ab, 
so setzen sich beim Erkalten schöne Krystalle eines jodwasser- 
stoffsauren Salzes ab, aus welchem auf Zusatz von Alkali eine 
blendend weilse Base ausfällt, anfangs als weiche pflasterar- 
tige Masse, bald aber zu harten Krystallen erstarrend. Aus 
Alkohol krystallisirt diese Verbindung in prachtvollen zoll- 
langen Nadeln, welche sehon nach einmaligem Umkrystallisiren 
vollkommen rein erhalten werden. Die Analyse eines sehr 
schönen Platinsalzes zeigt, dafs die Base nach der Formel 
CO9H,,N; 

zusammengesetzt ist, dafs mithin ihre Bildung aus dem Diphe- 
nylsulfocarbamid neben Phenylsenföl nach der einfachen Glei- 
chung \ 


2C;,H; NS + Il = C,H,NS + C,H,,N; + 2HI-+S 
Be a ae een 
Diphenylsulfo- Phenylsenföl Base 

carbamid 
stattfindet. | 

Aus dem Gesagten erhellt, dafs man in der Einwirkung 
des Jods auf die geschwefelten Harnstoffe ein ganz allgemeines 
Mittel besitzt, welches sowohl in der fetten als auch in der 
aromatischen Reihe die Senföle darzustellen erlaubt. 

Übrigens verdient die auch schon früher in Anwendung 
gekommene Einwirkung des Jods auf Substanzen, aus denen 
sich Schwefelwasserstoff abspalten kann, die erneute Beachtung 
der Chemiker. Es sei mir gestattet, von mehreren in dieser 
Richtung bereits unternommenen, zumal einiger Versuche zu 
gedenken, welche ich mit den Thioamiden angestellt habe. 
Diese Körper, z.B. das von Hrn. Cahours entdeckte Thioben- 


582 Gesammtsitzung 


zamid, werden durch Jod augenblicklich entschwefelt, unter 
Bildung von prachtvoll krystallisirenden Körpern, deren Unter- 
suchung noch nicht vollendet ist. 

Was nun schliefslich die bei der Einwirkung des Jods 
auf das Diphenylsulfocarbamid entstehende Base anlangt, so 
verdient zunächst bemerkt zu werden, dafs dieser Körper die- 
selbe Zusammensetzung besitzt, wie das Carbotriphenyl- 
triamin, welches ich vor einigen Jahren bei der Einwirkung 
des Kohlenstoffchlorids auf das Anilin!) sich bilden sah. Es 
bedurfte aber nur einer oberflächlichen Vergleichung der aus 
dem Diphenylsulfocarbamid gebildeten Base mit dem aus dem 
Chlorkohlenstoffe abstammenden Körper, von dem ich noch 
eine Probe besals, um klar zu sehen, dafs beide Substanzen 
nichts anderes als die Zusammensetzung gemein haben. Auf 
die nahe Beziehung, welche zwischen der Zusammensetzung 
des Carbotriphenyltriamins und des Melanilins stattfindet, 
habe ich schon früher hingewiesen, insofern sich beide als 
phenylirte Abkömmlinge des Guanidins oder mit denselben 
isomere Körper auffassen lassen. 


CIv 
Melanilin Ha N, IC. 1.) N, 
H; 
cıv 
Carbotriphenyltriamin CoH,N,;, = Cd) N, 
H, 


Nun steht aber die durch die Einwirkung des Jods auf 
den geschwefelten Harnstoff gebildete Base dem Melanilin in 
ihren Eigenschaften weit näher, als der aus dem Chlorkohlen- 
stoff abstammende Körper. Namentlich zeigt sie in ihrem Ver- 
halten gegen Cyangas, über welches ich der Akademie in einer 
besonderen Mittheilung berichten werde, eine grofse Ähnlich- 
keit mit dem Melanilin. Die Gründe, welche ich für die Auf- 
fassung des Carbotriphenyltriamins als eines phenylirten Gua- 
nidins vorgebracht habe, gelten daher auch a fortiore für den 
durch Entschwefelung aus dem Diphenylsulfocarbamid erhal- 
tenen Körper. Übrigens werden die hier mitgetheilten Beob- 


!) Hofmann, Proceedings of the R. Society. Vol. IX p. 284. 


| 


vom 15. Juli 1869. 583° 


achtungen wohl Veranlassung geben, diese ganze Körpergruppe 
von Neuem in Angriff zu nehmen; es werden alsdann alle 
diese Beziehungen im Versuche deutlicher hervortreten. 

Schliefslich will ich noch bemerken, dafs ich die neben 
Phenylsenföl aus dem Diphenylsulfocarbamid entstehende Base, 
als ich zuerst mit derselben bekannt wurde, für einen neuen 
Körper gehalten habe, ich bin aber später zu der Überzeugung 
gelangt, dafs dieselbe mit einem von den Hrn. V. Merz und 
W. Weith!) durch Entschwefelung des Diphenylsulfocarba- 
mids erhaltenen und unter dem Namen Tricarbohexanilid 
beschriebenen interessanten Körper identisch ist, welchem die 
Entdecker desselben. allerdings eine andere als die von mir 
gegebene Formel beilegen. Ich habe in der folgenden Note 
die Gründe zusammengestellt, auf welche sich die Annahme 
dieser Identität stützt, und welche mich bestimmen, den genann- 
ten Körper in anderer Weise aufzufassen, als dies von den Ent- 
deckern desselben geschehen ist. 


7. Bemerkungen über die Entschwefelungsproducte 
des Diphenylsulfocarbamids. 


Im Laufe des verflossenen Jahres haben die Hrn. V. Merz 
und W. Weith°) einige Versuche über die Entschwefelung des 
von mir vor mehr als 20 Jahren?) endeckten Sulfocarbanilids 
(Diphenylsulfocarbamids) angestellt, welche mein Interesse in 
hohem Grade in Anspruch genommen haben. Ich hatte früher 
sefunden, dafs sich der geschwefelte Harnstoff durch Behand- 
lung der alkoholischen Lösung mit Quecksilberoxyd oder Blei- 
oxyd in die entsprechende Sauerstoffverbindung verwandelt, in- 
dem sich dem Schwefel einfach Sauerstoff substituirt. 


C,;H>N;S + HgO = C,H ,N;0 + HgS 
a a 
Sulfocarbanilid Carbanilid. 


1) V. Merz und W. Weith, Zeitschrift für Chemie. N. F. IV. 
S. 519 und 609. 

2) V. Merz und W. Weith loc. cit. 

3) Hofmann, Ann. Chem. Pharm, LXX, S. 144. 


584 Gesammtsitzung 


Wenn das Diphenylsulfocarbamid statt mit Quecksilber- 
oxyd oder Bleioxyd bei hoher Temperatur mit feinzertheiltem 
metallischen Kupfer behandelt wird, so entsteht nach den An- 
gaben der Hrn. Merz und Weith eine wohl charakterisirte 
Base, welche von den genannten Chemikern mit grofser Sorg- 
falt untersucht worden und als Tricarbohexanilid beschrie- 
ben worden ist. Ihre Bildung erfolge nach der Gleichung: 


3C,HaN,S + 6Cu = C,H, N, + 308 
Namen ne mern une 


Sulfocarbanilid Triearbohexanilid. 


Das Tricarbohexanilid sei eine zweisäurige Base, welche 
mit den Säuren wohl krystallisirte Salze von scharf definirter 
Zusammensetzung bilde. Das salzsaure Salz, z. B. sei nach 
der Formel 

C,Hz,N,, 2HCI 
zusammengesetzt. 

Die von den Hrn. Merz und Weith beobachteten Er- 
scheinungen gestatten eine andere, und wie es mir dünken 
will, einfachere Auffassung. 

In einem der Akademie gleichzeitig vorliegenden Auf- 
satze') habe ich auf die Leichtigkeit hingewiesen, mit welcher 
man durch die Einwirkung des Jods auf Diphenylsulfocar- 
bamid Phenylsenföl darzustellen im Stande ist. Neben dem 
Phenylsenföl entsteht in diesem Falle eine Base, welche alle 
Eigenschaften des sogenannten Tricarbohexanilids besitzt. 

Da über die Natur der neben dem Phenylsenföl auftreten- 
den Base kein Zweifel obwalten konnte, insofern sich die Zu- 
sammensetzung derselbeu einfach aus ihrer Entstehungweise 


2C;,H,;N5S +11 = C,H,,N; + C,H,NS + 2HI+S 


ableiten läfst, so war nur noch die Identität der durch Kupfer 
erhaltenen Verbindung mit dem durch die Einwirkung des Jods 
entstehenden Körper nachzuweisen, um der einfacheren Formel 
auch für das Triearbohexanilid Geltung zu verschaffen. 


1) Hofmann, Monatsberichte für 1869 S. 579. 


vom 15. Juli 1869. 585 


Ich habe die Eigenschaften der durch Jod gebildeten Base 
mit Sorgfalt ermittelt; wollte ich die Ergebnisse meiner Beob- 
achtungen mittheilen, ich würde nur die genaue Beschreibung 
zu wiederholen haben, welche die Hrn. Merz und Weith von 
ihrem Hexanilid gegeben haben. Ich will nur bemerken, dafs 
ich den Schmelzpunkt zu 141° fand, statt 142°, welchen die 
genannten Chemiker angeben. Übrigens konnte ich mich auch 
noch durch directe Vergleichung von der Identität beider Kör- 
per überzeugen, insofern mir ein sehr schönes, nach den An- 
gaben der Hrn. Merz und Weith von Hrn. Friedrich Ho- 
brecker, der sich für die Entscheidung der vorliegenden Frage 
lebhaft interessirt hat, im hiesigen Laboratorium dargestelltes 
Präparat zur Verfügung stand. 

Die von mir vorgeschlagene Formel stimmt übrigens mit 
den von den Hrn. Merz und Weith angestellten Analysen 
eben so gut, vielleicht sogar noch besser, als ihre eigne. Es 
handelt sich in der That nur um 4 Atomgewicht Kohlenstoff 
und 1 Atomgewicht Wasserstoff, welche die neue Formel we- 
niger enthält, als die von den Entdeckern gegebene. 


Alte Formel (halbirt) Neue Formel 
C;9,5 Hs Na CH,;N;. 
Diesen Formeln entsprechen folgende Procente: 


Alte Formel Mittel der Analysen Neue Formel 


Kohlenstoff 193559 79,43 79,44 
Wasserstoff 6,12 6,45 5:92 
Stickstoff 14,28 14,60 14,63. 


Man sieht unschwer, um zwischen diesen beiden Formeln 
endgültig zu entscheiden, kam es nicht mehr auf Analysen, son- 
dern auf Reactionen an. Im Grunde konnte man daher schon 
die oben angeführte Entschwefelung des Diphenylsulfocarbamids 
mittelst Jod als die neue Formel bestimmend betrachten, da 
man die alte mit den beobachteten Erscheinungen gar nicht in 
Einklang zu bringen vermag. Ich will aber gleichwohl noch 
einige Erfahrungen mittheilen, welche auch die letzten Zweifel 
in dieser Beziehung beseitigen dürften. 

Wenn man den Mechanismus der Entschwefelung mit- 
telst Jod näher betrachtet, so darf man denselben in der Art 


586 Gresammtsitzung 


fassen, dafs das Jod aus 1 Mol. Diphenylsulfocarbamid 1 Mol. 
Schwefelwasserstoff abscheidet, und dafs sich gleichzeitig ein 
zweites Molecul in seine näheren Bestandtheile Phenylsenföl 
und Anilin spaltet. Das Phenylsenföl tritt in der Reaction zu 
Tage, das Anilin aber verschwindet, indem es mit dem Reste 
des ersten Moleculs zusammentretend die Bildung der neuen 
Base vermittelt. 

War diese Auffassung eine berechtigte, so mufste man 
diese Base noch viel leichter und zwar ohne gleichzeitiges Auf- 
treten von Senföl erhalten, wenn man dem zu entschwefeln- 
den Harnstoff vor der Einwirkung des Jods 1 Mol. Anilin zu- 
setzte. Der Versuch hat diese Schlufsfolgerung vollkommen 
bestätigt. Die Reaction verlauft in diesem Falle nach der 
Gleichung: 


C,H3NS+#OHN+I= C,H, +2HI #8. 


Aber mehr noch, die Bildung mulste sich ohne alle Mit- 
wirkung des Jods bewerkstelligen lassen, wenn man geschwe- 
felten Diphenylharnstoff und Anilin unter geeigneten Reactions- 
bedingungen auf einander wirken lies. Auch diese Voraus- 
setzung habe ich das Vergnügen gehabt, im Versuche sich 
verwirklichen zu sehen. Läfst man bei der Siedetemperatur 
des Anilins 1 Mol. geschwefelten Harnstoffs auf 1 Mol. Anilin 
einwirken, so entwickeln sich Ströme von Schwefelwasserstoff- 
gas. Wird die Flüssigkeit, welcher man zur Erlangung einer 
gleichmälsigen Temperatur einen kleinen Überschufs von Anilin 
zugesetzt hat, im Sieden erhalten, bis die Entwicklung von 
Schwefelwasserstoff aufgehört hat, so erstarrt sie nach dem 
Erkalten zu einer Krystallmasse der Triaminbase 

C;sHasNsS + C,H,N = CaHıu N; + HS. 

In einem ohne alle Sorgfalt ausgeführten Versuche wurden 
nicht weniger als 75 pCt. der theoretischen Ausbeute erhalten. 

Für die bequeme Darstellung des Triamins nimmt dieser 
Versuch eine noch einfachere und elegantere Form an. Ge- 
schwefelter Phenylharnstoff (1 Mol.) und Anilin (1 Mol.) wer- 
den in Alkohol gelöst und die siedende Lösung mit Bleioxyd 
oder Quecksilberoxyd versetzt. Augenblicklich scheidet sich 
Bleisulfid oder Quecksilbersulfid ab und die filtrirte Lösung er- 


vom 15. Juli 1869. 587 


starrt auf Zusatz von Wasser zu einer blendend weilsen Kry- 
stallmasse der gesuchten Verbindung. 

Die angeführten Bildungsweisen dürften über die Natur der 
in Rede stehenden Base keinen Zweifel lassen; allein auch die 
Umwandlungen, welche dieselbe erleidet, sprechen nicht weniger 
überzeugend für die Auffassung, welche ich befürworte. 

Durch Behandlung mit concentrirter Schwefelsäure geht die 
Base in Sulfanilsäure über; nach der von den Hrn. Merz und 
Weith gegebenen Formel müfste der aufserhalb der Phenyl- 
Sruppen vorhandene Kohlenstoff offenbar bei dieser Metamor- 
phose als Kohlenoxyd austreten. 


C,H; N, + 6H,80, = 6(C,H,N, 80,) + 3H,0 +3C0. 


Im Sinne meiner Auffassung kann sich der neben den 
Phenylgruppen existirende Kohlenstoff unter dem Einflusse der 


Schwefelsäure nur als Kohlensäure abspalten. 


CH, N; + 3H,850, = 3(0,H,N,S0,)+H,0+C0,. 


Der Versuch zeigt nun, dafs sich in dieser Reaction keine 
Spur von Kohlenoxyd entwickelt. Die Schwefelsäure wirkt 
bei mäfsig gehaltener Temperatur ruhig, ohne die Masse zu 
schwärzen, ohne Entbindung von schwefliger Säure, aber nnter 


Entwicklung eines lebhaften Stromes von Kohlensäure. 


Mit der neuen Auffassung der Base erscheint denn auch 


‚ der Procefs, in welchem dieselbe ursprünglich aufgefunden 


zu 


' wurde, nämlich die Behandlung des Diphenylsulfocarbamids 


mit Kupfer, in einem andern Lichte. Derselbe mufs einfach 
als ein Destructionsprocels aufgefalst werden, indem sich das 
anwesende Kupfer des Schwefels bemächtigt, neben anderen 
Producten tritt die Base auf, deren Quantität der im Anfange 
dieser Note gegebenen Gleichung bei weitem nicht entspricht. 

Erhitzt man in der That Diphenylsulfocarbamid auch ohne 
allen Zusatz einige Stunden lang auf 150—160°, so erhält 
man eine durchsichtige harzartige Masse, welche ohne alles 
krystallinische Gefüge erstarrt. Destillirt man dieses Product 
mit Wasser, so entweichen Anilin und Phenylsenföl, welche 
sich in der Vorlage vasch wieder zu Sulfocarbanilid vereinigen. 
Der Rückstand mit Salzsäure behandelt, zeigt sich als ein Ge- 

[1869.] 43 


588 Gesammtsitzung 


menge von unzersetztem Sulfoharnstoff mit triphenylirtem Triamin. 
Man erhält auf diese Weise eine ganz erträgliche Ausbeute. 

Es isi kaum nöthig, auf die zahllosen Verbindungen hin- 
zuweisen, welche mit der geeigneten Verwerthung der im Vor- 
hergehenden erschlossenen neuen Reaction zu Tage treten. Der 
geschwefelte Diphenylharnstoff könnte statt mit Anilin mit To- 
luidin und mit Xylidin behandelt werden, oder aber man könnte 
die drei genannten Basen auf die geschwefelten Harnstoffe der 
Tolyl- und Xylylgruppe einwirken lassen; in jedem Fall würde 
ein Triamin entstehen, dessen Zusammensetzung von der Theorie 
im Voraus bezeichnet wäre. 

Einige der hier angedeuteten Versuche habe ich in der 
That schon angestellt. Diphenylharnstoff wird mit Leichtig- 
keit durch Bleioxyd in Gegenwart von Toluidin entschwefelt. 
Es bildet sich eine sehr schöne Base, welche in ihrem Ver- 
halten der triphenylirten Verbindung sehr nahe steht. Dieses 
aus Anilin und Toluidin aufgebaute, in schönen vollkommen 
farblosen Nadeln krystallisirende Triamin beansprucht ein 
flüchtiges Interesse, da ihm die Theorie genau die Zusammen- 
setzung des Rosanilins 

iv | 
ne N = C„H,N; 
HD, } 
zuertheilt. 

Auch durch Behandlung des ditoluylirten Schwefelharn- 
stoffs mit Monaminen werden basische Producte gebildet. Bei 
der Einwirkung des Toluidins entsteht das von den Hrn. Merz 
und Weith bereits beobachtete Triecarbohexatoluidid, wel- 
ches jetzt als ein tritoluylirtes Triamin aufzufassen ist. 

Schliefslich liegt der Gedanke nahe, diese auf dem Ge- 
biete der aromatischen Verbindungen gesammelten Erfahrungen 
- in der Methyl- und Äthylreihe, sowie in der Allylreihe zu ver- 
werthen, und es scheinen sich für diesen Zweck ganz besonders die 
zahlreichen neuen geschwefelten Harnstoffe der niederen Reihen, 
deren Darstellung und Eigenschaften ich der Akademie in 
früheren Mittheilungen dargelegt habe, sowie das längst be- 
kannte Thiosinnamin zu empfehlen. 


Ta TÜTE nn Bra 


vom 15. Juli 1869. | 589 


Man wird in diesen Versuchen, welche ich nach den Ferien 
wieder aufzunehmen denke, möglicher Weise auf die schon mehr 
oder weniger bekannten methylirten und äthylirten Guanidine stos- 
sen. Verliefe die Reaction bei diesen einfacheren Verbindungen 
wie bei den aromatischen, so würde die Umbildung des normalen 
geschwefelten Harnstoffs bei der Entschwefelung mit Jod nach 
der Gleichung: 


2CH,S+II=CHNS+CH,N, +2HI+S 


' bei der Behandlung mit Ammoniak nach der Gleichung: 


CHN,S+H,N=CH.N,+H,S 


erfolgen. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dafs sich bei 
geeigneter Handhabung dieser Reaction Guanidin oder wenig- 
stens ein Körper von derselben Zusammensetzung bilden werde. 

Noch ist es mir ein Vergnügen, Hrn, Reinhold Bense- 
mann für die treffliche Hülfe zu danken, welche er mir bei 
Anstellung der in dieser und der vorhergehenden Note be- 
schriebenen Versuche geleistet hat. 

Nachschrift. Während diese Blätter durch die Presse ge- 
hen, habe ich noch einen Versuch angestellt, der Erwähnung 
verdient. Eine Lösung von Diphenylsulfocarbamid in alkoholi- 
schem Ammoniak wird durch Bleioxyd augenblicklich entschwe- 
felt. Die Analyse des Platinsalzes zeigt, dafs die in schönen, 


 abgeplatteten Nadeln krystallisirende Base, welche sich in die- 


ser Reaction bildet, durch die Formel 
C,H,;N; 

dargestellt wird, also mit dem Melanilin entweder isomer 
oder identisch ist. Die Bildung erfolgt somit genau im Sinne 
der bereits beobachteten Reactionen, beansprucht aber in die- 
sem Falle ein erhöhtes Interesse, weil sich in ihr das eigent- 
liche Wesen des Processes mit besonderer Klarheit spiegelt. 
In einfachster Form gefafst, bietet die Reaction, um die es sich 
handelt, ein Mittel, um Schwefel aus einem Molecul abzuspal- 
ten und durch den secundären Rest des Ammoniaks zu er- 
setzen. 


C,H,N;(S) + H,(HN) = 0 ;H,N, (HN) + H,(S) 
nn [u m mn 
Diphenylsulfocarbamid Melanilin. 
43° 


90 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Die umgekehrte Reaction, nämlich die Substitution des 
Schwefels an die Stelle des secundären Ammoniakrestes ist 
mir bereits vor einigen Jahren gelungen, als ich das Melanilin 
mit Schwefelkohlenstoff behandelte und unter Austreten ven 
Schwefeleyanwasserstoffsäure sich in Diphenylsulfocarba- 
mid verwandeln sah. 


C;H, N, (HN) + 08S(S) = C,H,5N;(S) + CS(HN) 
Melanilin Diphenylsulfocarbamid. 


An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 


Correspondenzblatt des Naturforscher -Vereins zu Riga. 17. Jahrgang. 
Riga 1869. 8. 

Silliman American Journal of science. no. 141. New Haven 1869. 8. 

Proceedings of the zoological Society. 1868. Part 3. London 1868. 8. 

Annuaire de lassociation pour l’encouragement des etudes grecques. 
Annee II. Paris 1869. 8. 

Orlandini, Rivelazioni astronomiche. Bologna 1869. 8. 

Revue de geologique. Paris 1868. 8. p. 483—639. 

Sitzungsbericht der kgl. bayer. Akademie der Wissenschaften zu Mün- 
chen. 1869. I. Heft 3. München 1869. 8, 


19. Juli... Sitzung der physikalisch-mathe- 
matischen Klasse. 


Hr. Poggendorff. trug folgende zwei Mittheilungen vor: 
I. Über elektrische Spitzenwirkung: 


Es ist — so scheint es — ein allgemein zugegebener, 
oder wenigstens nicht eigends widerlegter Satz, den namentlich 
Saxtorph in seiner Elektricitätslehre, Bd. 1, S. 308 um- 
ständlich behandelt hat, dafs eine geladene Flasche sich durch 
eine Spitze, nicht in Funken entladen lasse, sondern durch die- 
selbe nur eine stille Entladung in Büschelform erhalten wer- 
den könne. Dieser Satz bedarf aber, nach meiner Erfahrung, 


einer mehrfachen Einschränkung. 


vom 19. Juli 1869. 591 


Zunächst finde ich, dafs er nur richtig ist, wenn die ‘Spitze, 
welche durch einen Draht mit dem äufseren Beleg der Flasche 
verbunden worden, langsam dem Knopf derselben genähert 
wird. Geschieht es einigermafsen rasch, so bekommt man 
einen compacten Entladungsfunken und zwar einen recht an- 
sehnlichen, wenn der Knopf der Flasche negativ elektrisch war. 
Im umgekehrten Fall ist der Funke kleiner, kann auch wohl 
manchmal ganz ausbleiben. 

Besser und mehrfach modifieirt, läfst sich dieser Versuch 
mit Hülfe der Holtz’schen Maschine anstellen. Jedoch ist da- 
bei nicht zu übersehen, dafs wenn man, wie gewöhnlich, eine 
oder zwei mit der Maschine verbundene Flaschen abwechselnd 
ladet und entladet, der Procefs ein etwas verwickelter ist, in- 
dem nicht allein die Entladung, sondern auch die Ladung 
von der Gestalt und dem gegenseitigen Abstand der Elektroden 
abhängt. 

Endigen beide Elektroden in Spitzen und stehen sie etwa , 
15 Mm. auseinander, so bekommt man keine Funken zwischen 
ihnen, nicht weil die mit ihnen verbundenen Flaschen sich un- 
sichtbar entlüden, sondern weil sie so gut wie gar nicht 
geladen werden, wovon man sich, wenn man sie einzeln 
durch einen Metallbogen schliefst, leieht überzeugen kann. Die 
Elektrieität der Maschine geht also in diesem Fall direct zwi- 
schen den Elektroden über, ohne in die Flaschen einzutreten. 
Je dünner die Glaswand der Flaschen ist, je eher werden 
sie geladen; aber immer giebt es einen Abstand zwischen den 
Elektroden, bei welchem sie ungeladen bleiben. 

Überhaupt ist es wohl allgemeine Regel, dafs die Stärke 
der Ladung, welche die mit den Elektroden der Maschine ver- 
bundenen Flaschen annehmen, abhängig ist von einem gewissen 
Widerstand, der sich dem Übergange der Electrieität zwischen 
den Elektroden entgegenstellt, und davon rührt es ohne Zweifel 
zum Theil her, dafs, wenn diese in grofsen Kugeln endigen, 
die Entladungen kräftiger sind als bei kleinen Kugeln. 

Bei Spitzen treten indefs noch eigenthümliche Erscheinun- 
gen auf. 

Wenn dieselben einen gegenseitigen Abstand von etwa 
15 Mm. haben, so erfolgt, wie eben gesagt, keine Funken-Ent- 


592 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 

ladung. Schiebt man sie nun näher zusammen, so sollte man 
meinen, man vermindere den Widerstand zwischen ihnen, be- 
fördere also den büschelförmigen Übergang der Eleetrieität; 
allein statt dessen bekommt man in schneller Folge hellleuch- 
tende Fünkchen, die grofse Ähnlichkeit mit kleinen Inductions- 
funken haben. 

Andererseits wenn man die negative Spitze durch eine 
kleine Kugel,. z. B. eine von 14 Mm. Durchmesser ersetzt, 
sollte man meinen, man vergröfsere den Widerstand zwischen 
den Elektroden, verstärke also die Ladung der Flaschen und 
erhalte demgemäfs längere und kräftigere Entladungsfunken. 

Allein gerade das Gegentheil ist der Fall. Die Funken 
haben kaum eine Länge von 4 bis 5 Mm. Die Kugel mag die 
positive oder negative Elektrode bilden. 

Überhaupt habe ich auf diese Weise mittelst der Influenz- 
maschine keine längeren, oder kaum so lange und kräftige 
. Funken aus einer Spitze erhalten, als eine einzeln geladene 
Flasche liefert, wenn man ihrem negativen Knopf rasch eine 
mit dem äufseren Beleg verbundene Spitze nähert. 

Ganz anders aber gestaltet sich die Sache, wenn man in 
die Bahn des Stromes der Maschine noch eine zweite Luft- 
strecke einschaltet, die durch Kugeln begrenzt ist. 

Früher bediente ich mich dazu der in den Monatsberichten 
von 1867 (S. 809) beschriebenen Hülfskugel, welche mittelst 
eines Stiftes in dem Gestell der Maschine befestigt wurde. 

Die neuere Maschine des Hrn. Holtz, die ich seit einiger 
Zeit vorzugsweise zu meinen Untersuchungen gebrauche, erlaubt 
diese Befestigungsweise nicht, da sie bekanntlich nur eine ein- 
seitige Axe besitzt, welche vorn Alles frei läfst, bis auf die 
beiden Stützen, welche die Elektroden tragen. 

Ich habe daher die erwähnte Hülfskugel ersetzt durch ein 
 bewegliches Stativ, welches zwischen die Elektroden gestellt 

werden kann. 
| Dieses Stativ trägt auf einer isolirenden Säule, die sich 
verlängern und verkürzen läfst, eine horizontal durchbohrte 
Kugel und in dieser Durchbohrung einen kurzen Stift, auf 
welchen, je nach Erfordernifs, spitze Hohlkegel oder Kugeln 
aufgesteckt werden können. Mittelst dieser kleinen Vorrichtung 


vom 19. Juli 1869. 595 


lassen sich Einschaltungen aller Art mit grofser Leichtigkeit 
bewerkstelligen. 

Zu vorerwähntem Zweck stecke ich nun auf das eine Ende 
des horizontalen Stiftes einen spitzen Hohlkegel und auf das 
andere eine Kugel von 24 Mm. Durchmesser und gebe dem 
Stativ eine solche Stellung, dafs der Kegel der ebenfalls in 
einem Kegel endigenden positiven Elektrode, und die Kugel der 
mit einer gleichen Kugel versehenen negativen Elektrode gegen- 
übersteht, folglich in der ersten Luftstrecke Kegel oder Spitzen, 
und in der zweiten, Kugeln einander zugewandt sind. 

Bringt man nun zuvörderst die Kugeln mit einander in 
Berührung und giebt den Spitzen einen gegenseitigen Abstand 
von 12 bis 14 Mm., so erhält man zwischen ihnen, sobald man 
die Maschine in Thätigkeit setzt, die kleinen Funken, von denen 
vorhin die Rede war. 

Zieht man hierauf die Kugeln langsam auseinander, so 
sieht man, dafs diese Funken bedeutend an Helligkeit zunehmen 
und darin fortfahren, bis die Kugeln, zwischen denen natürlich 
auch Funken überspringen, einen gegenseitigen Abstand von 
etwa einen Zoll erreicht haben. DBei fernerer Vergrölserung 
dieses Abstandes sieht man die Funken zwischen den Spitzen 
an Helligkeit abnehmen, sogar schwächer werden als sie an- 
fänglich waren, und zugleich hört man an dem zischenden 
Geräusch, dafs in beiden Luftstrecken die Funken untermischt 
sind mit Büscheln. 

Bei noch weiterer Vergröfserung des Abstandes zwischen 
den Kugeln wechseln in beiden Luftstrecken Funken : und 
Büschel mit einander ab; und endlich kommt ein Punkt, von 
dem ab alle Funken verschwinden und nur noch Büschel und 
Glimmlicht in beiden Luftstrecken auftreten. 

Gröfsere Kugeln, z: B. von 39 Mm. Durchmesser, muls 
man etwas weiter auseinander ziehen, um die Funken ver- 
schwinden zu machen; sonst sind die Erscheinungen denen bei 
kleineren Kugeln ähnlich. | 

Immer sind dabei die Entladungsweisen in beiden 
Luftstrecken einander gleich, man mag Funken erhalten oder 
nicht, rein oder untermischt. Niemals habe ich den Fall be- 


594 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


obachten können, dafs in der einen Luftstrecke Funken, und 
in der anderen Büschel erschienen wären. 

In dem eben beschriebenen Versuch wurde der Abstand 
zwischen den Spitzen constant gehalten. 

Man kann ihn aber auch vergröfsern, sobald man dem 
Abstand zwischen den Kugeln eine entsprechende Grölse giebt, 
und dabei zeigt sich dann, dafs die Funken eine ganz über- 
raschende Länge erlangen können. 

Ich habe nicht allein aus den erwähnten Hohlkegeln, son- 
dern aus den feinsten Nadelspitzen Funken von drei Zoll 
Länge hervorschiefsen gesehen, wenn zugleich die Kugeln 
einen Abstand von einem Zoll besalsen. Sie waren heller als 
die Funken zwischen letztere, aber ihr eigenthümlich knarrend 
zischendes Geräusch zeigte, dals sie mit Büscheln untermischt 
waren. 

Die zweite, von Kugeln begränzte Luftstreecke hat bei 
diesen Erscheinungen zunächst die Wirkung, dafs sie eine stär- 
kere Ladung der Flaschen gestattet als zwischen blofsen Spitzen 
möglich ist; und es ist wohl klar, dafs, wenn in dieser Luft- 
strecke eine Funken-Entladung stattfindet, eine solche auch 
nothwendig in der anderen Strecke, in der zwischen den Spitzen, 
eintreten mufs, weil diese dadurch urplötzlich mit einer so 
srolsen Elektrieitätsmenge versehen werden, dafs sie gewaltsam 
ausbrechen muls. 

Allein die Funkenbildung zwischen den Kugeln ist wie- 
derum abhängig von der Gröfse der Luftstrecke zwischen den 
Spitzen, und diese Abhängigkeit anzugeben, möchte wohl ein 
schwieriges Problem sein. 

Wie sehr die Funkenbildung bei diesen Versuchen von der 
relativen und auch absoluten Grölse der beiden Luftstrecken 
abhängt, läfst sich in recht anschaulicher Weise darthun, wenn 
man den gegenseitigen Abstand der Elektroden, also die Summe 
der beiden Luftstrecken constant läfst, und blofs ihr relatives 
‘ Verhältnifs durch Verschieben des beweglichen Stativs verändert. 

Setzt man zuvörderst die Spitzen mit einander in Berüh- 
rung, und giebt den Kugeln einen gegenseitigen Abstand von 
etwa drei Zoll, so erhält man zwischen den letzteren die ge- 
wöhnlichen Funken. 


vom 19. Juli 1869. | 1895 


Rückt man nun, durch Fortschieben des Stativs, die Spitzen 
etwas auseinander, auch nur eine halbe oder ganze Linie, so 
verschwinden die Funken, und man erhält unter zischendem 
Geräusch in beiden Luftstrecken nur Büschel- und Glimmlicht. 

Dasselbe ist auch der Fall bei fernerer Vergröfserung des 
Abstandes zwischen den Spitzen, bis dieser auf Etwas über 
zwei Zoll angewachsen, der Abstand zwischen den Kugeln also 
auf ungefähr einen Zoll herabgekommen ist. Dann treten wie- 
derum helle Funken auf, und zwar, wie immer, in beiden Luft- 
strecken, zwischen den Spitzen noch hellere und compactere 
als zwischen den Kugeln. 

Über diese Gränze hinaus verschwinden die Funken aber- 
mals, um einem zischenden Büschel Platz zu machen, und 
dieser hält sich bis endlich, durch das fortgesetzte Verschieben 
des Stativs, die Kugeln mit einander in Berührung kommen 
und folglich die eine Luftstrecke annullirt wird. 

Diefs ist der Vorgang, wenn, wie gesagt, die eine der 
Luftstrecken nur durch Spitzen, und die andere nur durch 
Kugeln begränzt ist. Dreht man das Stativ um 180°, so dafs 
in: beiden Luftstrecken der Spitze eine Kugel gegenübersteht, 
so bekommt man in keinem Falle Funken, die Kugeln mögen 
positive oder negative Elektrieität ausströmen. 

Je nach der Grölse der Kugeln und der Gröfse des gegen- 
seitigen Abstandes, den man ihnen anfänglich giebt, wenn’ die 
Spitzen einander berühren, sind die Erscheinungen etwas ver- 
schieden, jedoch in ihrem Gange ähnlich. Je kleiner dieser 
anfängliche Abstand ist, desto mehr müssen die Spitzen aus- 
einander gebracht werden, um die Funken zu vernichten. 

Es macht auch im Allgemeinen keinen Unterschied, ob die 
durch Kugeln begränzte Luftstrecke auf Seite der negativen 
oder positiven Elektrode liegt. 

Es ist indels zu bemerken, dafs wenn sie auf Seite der 
positiven Elektrode liegt, diese Elektrode um ein Gewisses 
kürzer gemacht ist als die negative, und der gegenseitige Ab- 
stand der Kugeln für den anfänglichen Fall, dafs die Spitzen 
sich berühren, eine gewisse Gröfse hat (etwa 14 Zoll), die son- 
derbaren, bei Tageslicht kaum sichtbaren Funken zum Vor- 
schein kommen, welche neuerlichst Hr. Riefs entdeckt, und 


596 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 
schwache Funken genannt hat, die aber sogleich in hell- 
leuchtende übergehen, so wie man den gegenseitigen Contact 
der Spitzen unterbricht. | 

Offenbar kann aus einer Spitze kein Funke hervorbrechen, 
wenn nicht zuvor das bekannte Zerstreuungsvermögen derselben 
auf irgend eine Weise unterdrückt worden ist. In den eben be- 
schriebenen Versuchen mit zwei Luftstrecken, die man übrigens 
auch ohne Holtz’sche Maschine an einer gewöhnlich geladenen . 
Leydner Flasche anstellen kann, wenn man derselben eine 
isolirte, abwärts in einer Kugel endende Nadel gegenüber- 
stellt und dieser Kugel eine zweite, mit dem äufseren Belage 
verbundene Kugel nähert, wird diese Unterdrückung durch das 
plötzliche Überschlagen der Funken zwischen den Kugeln be- 
werkstelligt. | 

Es giebt indefs noch andere Methoden, die zu demselben 
Ziele führen. Eine der einfachsten und wirksamsten ist fol- 
gende: 

Nachdem man bei der vorhin angewandten Vorrichtung die 
Luftstrecke zwischen den Kugeln annullirt hat, hält man eine 
Tafel s. g. Kamm-Masse dicht vor der Nadelspitze, setzt die 
Maschine in Thätigkeit und zieht die Tafel hierauf rasch hin- 
weg. Jedesmal wenn dieses geschieht, giebt die Nadel einen 
Funken, den ich auf diese Weise von mehr als drei Zoll Länge 
erhalten konnte, sobald sie die positive Elektrode bildete. Eine 
Glasscheibe, eine Holztafel, ja selbst eine isolirte Metallplatte 
wirkt ähnlich; nur muls sie immer einige Augenblicke vor der 
Spitze verweilen, ein blofses rasches Durchschlagen der Luft- 
strecke mit der Tafel ruft in der Regel keinen Funken hervor. 
Einleuchtend ist, dafs bei diesem Verfahren, sowohl das Vor- 
halten der Tafel, als das rasche Fortziehen derselben zur Fun- 
kenbildung mitwirken muls, ersteres, indem es die Electricität 
auf der Spitze zurückhält, letzteres, indem es sie plötzlich der 
anziehenden Wirkung der gegenüberstehenden Elektrode aus- 
setzt. 

Schon das blofse ruhige Vorhalten der Tafel, ohne Fort- 
ziehen derselben, ruft Funken hervor, wenn sie dabei der Na- 
delspitze nahe ist und zugleich nicht mehr als höchstens ein 
Paar Zoll über die Linie hinausragt, welche die Spitze mit 


vom 19. Juli 1869. 997 


der gegenüberstehenden Elektrode verbinden würde. Es schla- 
gen dann fortwährend Funken über den Rand, selbst bei einer 
Metallplatte, jedoch bei dieser schwieriger als bei den übrigen 
Tafeln. 

Diese Methode, welche begreiflich auch auf die durch die 
gemeine Elektrisirmaschine vereinzelt geladene Flasche anwend- 
bar ist, bietet demnach den zweiten oder, wenn man will, den 
dritten Fall dar, in welchem der von Saxtorph behandelte Satz 
nicht gültig ist. 


Was übrigens in dem Bisherigen von den Flaschen-Ent- 
ladungen gesagt ist, das gilt im Ganzen auch von den Entla- 
dungen, welche man bekommt, wenn man die Influenzmaschine 
mit grofsen Conductoren versieht. Nur mufs man, da auf sol- 
chen Conductoren die Elektricität keine Verdichtung erfährt, 
also starke Neigung zum Entweichen hat, die Elektroden in 
srofsen Kugeln (von 40 Mm. Durchmesser etwa) endigen las- 
sen und wenigstens 1 bis 14 Zoll auseinander ziehen. Sonst 
häuft sich wenig Elektricität auf diesen Conductoren an und 
die Anwesenheit derselben hat nur geringen Einfluls auf die 
Entladungsweise zwischen den Elektroden, welche fast in der- 
selben Form wie ohne sie erfolgt. 

Unter den genannten Umständen aber bekommt man mit 
den Conductoren wahrhafte Funken, die sich gegen Spitzen ge- 
nau so verhalten, wie die Entladungsfunken der Flaschen. 

Man kann sie übrigens den Flaschenfunken beliebig nä- 
hern, wenn man sich der linsenförmigen Conductoren bedient, 
welche ich in den Monatsberichten von 1867 (S. 297) beschrie- 
ben habe. Je näher man zwei solche Conductoren einander 
gegenüber aufstellt, jemehr man also den auf ihnen angehäuf- 
ten Elektricitäten Gelegenheit giebt, verdichtend auf einander 
einzuwirken, desto mehr werden diese Funken den Bun 
Entladungsfunken der Flaschen ähnlich. 


595 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


I. Zur Frage, wie nicht-leitende Substanzen 
influencirt werden. 


In einer Abhandlung, die ich in der Klassensitzung vom \ 
18. Febr. 1867 vorgelesen habe, von der aber nur wenige 
Worte in den Monatsbericht übergegangen sind, habe ich unter 
anderen Versuchen auch den beschrieben, dafs ich dicht an 
oder gegen die Scheibe einer Elektrisirmaschine, nachdem sie 
einige Male herumgedreht worden, eine Franklin’sche Tafel 
hielt, und derselben, an ihrer abgewandten Seite, einen Knöchel 
näherte, erst während sie der influencirenden Wirkung der 
Scheibe ausgesetzt war, und dann, nachdem ich sie aus dersel- 
ben entfernt hatte. In beiden Fällen bekam ich einen stechen- 
den Funken, im ersten einen positiven, im zweiten einen nega- 
tiven. Dieselben beiden Funken konnte ich unter gleichen Um- 
ständen aus der der Scheibe zugewandten Seite der Tafel zie- 
hen, und eben so erhielt ich sie, wenn ich den Finger erst der 
einen und dann der andern Seite näherte. Die angewandte 
Tafel war nur eine halbe Linie dick; eine zwei Linien dicke 
verhielt sich aber eben so; selbst Wachs- und Harztafeln von 
drei Viertelzoll Dicke, die auf einer oder beiden Seiten mit 
Stanniol belegt worden, gaben ein ähnliches Resultat, 

Belegte Tafeln aus Isolatoren verhalten sich also bei die- 
ser Influenz durchaus wie Metallplatten, und daher sagte ich 
schon in der erwähnten Abhandlung, dafs sie ganz füglich 
als-Schild beim Elektrophor dienen könnten, wenngleich ein 
dicker metallner Schild mit abgerundetem Rande natürlich vor- 
zuziehen ist. 

Vor längerer Zeit wurde ich durch andere Betrachtungen 
an diesen Versuch erinnert und veranlafst, ihn mit einem eigent- 
lichen Elektrophor zu wiederholen. Der Kuchen dieses Elek- 
trophors bestand aus gehärtetem Kautschuk oder Ebonit.') 


1) Ich adoptire hier den Namen Ebonit, welchen die Engländer 
der Substanz wegen ihrer äufseren Ähnlichkeit mit dem Ebenholz. gege- 
ben haben, weil er mir besser zu sein scheint als Kamm-Masse, 
Hartkautschuk, Hartgummi, Horngummi, oder, wie die Berli- 
ner Fabrikanten sagen, hornisirtes Gummi. 


vom 19. Juli 1869. 599 


Eine auf denselben gelegte Franklin’sche Tafel zeigte ganz die 
früheren Erscheinungen. Darauf liegend und mit der Form 
des Elektrophors verbunden, gab sie an der Oberseite einen 
negativen Funken, und, nachdem sie abgehoben worden, einen 
positiven. Dieselben beiden Funken konnte ich auch von der 
Unterseite erhalten, und eben so den einen von der oberen, 
und den anderen von der unteren Seite. Um von letzterer 
Seite den negativen Funken zu erhalten, mufste natürlich zwi- 
‚schen Kuchen und Tafel ein herausragender Stanniolstreif ein- 
geschoben worden sein, dem man den Finger nähern konnte. 
Zwei, drei, vier und mehr Franklin’sche Tafeln auf ein- 
ander gelegt als Schild des Elektrophors benutzt und gleich- 
zeitig abgehoben, wirkten ähnlich, nur etwas schwächer. Auch 
konnte ich aus der Oberseite einer einzigen Tafel schon die 
beiden Funken erhalten, wenn ihre Unterseite nicht belegt war. 
Und selbst diese unbelegte Seite gab, nach dem Abheben der 
Tafel, kleine positive Fünkchen, wenn ich ihr an verschiedenen 
Stellen den Knöchel näherte. 

Als ich diesen Versuch vor längerer Zeit Hrn. Magnus 
zeigte, und von den Schwierigkeiten sprach, welche die Erklä- 
rung desselben nach der gewöhnlichen Theorie darbietet, nach 
der Theorie nämlich, gemäfs welcher ein z. B. negativ elektri- 
sirter Körper auf der ihm zugewandten Seite eines Isolators 
positive, und auf der abgewandten Seite negative Elektricität 
entwickeln soll, wie bei einem Leiter, — wenn dem nicht be- 
sondere Umstände entgegentreten — äufserte Derselbe, diese 
Theorie sei auch nicht richtig. 

Vielmehr behauptete er, es werde bei der Influenz von 
nichtleitenden Substanzen. die Null- Elektrieität auf beiden 
Seiten derselben zerlegt. Jede Seite einer isolirenden Platte 
erhalte positive und negative Elektrieität. 

Einen genügenden Grund oder einen Beweis. für diese 
Theorie wulste er nicht anzugeben; auch vermochte er mir 
‚nicht zu sagen, von wem sie herstamme; er selbst machte auf 
ihre Urheberschaft keinen Anspruch. 

Diese, meines Wissens noch niemals öffentlich ausge- 
sprochene, den Ansichten gewichtiger Autoritäten widerspre- 
ehende Theorie erschien mir im ersten Augenblick, muls ich 


600 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


gestehen, etwas paradox. Als ich indels ein wenig über sie 
nachdachte, konnte ich nicht umhin, ihr beizupflichten, sie für 
natürlich, ja für nothwendig zu halten. 

In der That, der erste Act der Influenz auf eine isolirende 
Platte kann füglich kein anderer sein, als dafs auf ihrer ganzen 
Oberfläche, also auf jeder ihrer Seiten, die Null-Elektrieität in 
ihren positiven und negativen Bestandtheil zerlegt wird. 

Auch ist kein Grund zu der Annahme vorhanden, dafs 
diese somit in jedem Punkt getrennten Elektrieitäten sich auf 
oder in der Platte nach der einen und der andern Seite hinbe- 
geben sollten, denn sonst mülste man für die Platte einen Grad 
von Leitungsfähigkeit statuiren, den man ihr bei einer Dicke 
von einer oder mehren Linien doch unmöglich zuschreiben 
kann. Soweit also mülsten die getrennten Elektricitäten beide 
an dem Orte ihrer Trennung verbleiben, und den Isolator, nach 
Aufhebung der Influenz, unelektrisch erscheinen lassen, da sie, 
wenn sie auch nicht zusammenflöfsen, wie auf einem Leiter, 
doch vermöge ihrer gegenseitigen grofsen Nähe keine Wirkung 
in die Ferne auszuüben vermöchten. 

Allein es ist so gut wie unmöglich, diesen primären In- 
fluenz-Zustand aufrecht zu halten, denn immer geht die eine 
oder andere der getrennten Elektricitäten von der Platte auf 
deren Umgebung über, in gröfserer oder geringerer Menge, je 
nach der Dauer und Stärke der Influenz. 

Dies gilt sowohl von Isolatoren als von Leitern; ich we- 
nigstens habe keine Substanz, von welcher Art und Gestalt sie 
auch sein mochte, nach der Influenz ganz unelektrisch finden 
können. 3 

Welche der beiden Elektricitäten hiebei entweicht, welchel 
also zurückbleibt, das hängt von Umständen ab. F 

Bei Leitern ist die entweichende Elektricität wohl ohne” 
Ausnahme von gleicher Art mit der influencirenden, von wel- 
cher sie abgestoflsen wird, und die zurückbleibende ist über die 
ganze Oberfläche ausgebreitet. | 

Bei Isolatoren können zwei Fälle eintreten. Entweder, 
und zwar sehr häufig, ist auch bei ihnen die aus beiden Seiten 
einer Platte entweichende Elektrieität gleichnamig mit der. in- 
ducirenden, obschon dabei wohl selten gleich in Menge. Oder 


vom 19. Juli 1869. 601 


es bewirkt die Gestalt und Beschaffenheit der benachbarten 
Körper, dafs von der dem inducirenden Körper zugewandten 
Vorderseite die gleichnamige, und von der Hinterseite die un- 
gleichnamige entweicht. Und so erscheint denn der Isolator 
nach aufgehobener Influenz im ersten Fall auf beiden Seiten 
mit ungleichnamiger Elektrieität begabt, und im letzteren auf 
der Vorderseite mit ungleichnamiger, und auf der Hinterseite 
mit gleichnamiger, wie ein Leiter während der Influenz. 

Die überschüssige Elektricität, welche man nach aufgeho- 
bener Influenz auf einem influeneirten Körper, namentlich auf 
einem Leiter, antrifft und durch Wirkung von Spitzen u. s. w. 
künstlich steigern kann, ist folglich, nach dieser Ansicht, nicht 
das Resultat der reinen Influenz oder Vertheilung, sondern her- 
vorgegangen aus einem gemischten Procefs, aus der Combina- 
tion der Influenz oder Zerlegung der Null-Elektrieität mit der 
Ausstrahlung oder Entweichung eines der Bestandtheile derselben. 

Ich müfste mich sehr irren, wenn nicht die vorhin ange- 
führten Beobachtungen eine Stütze für diese Ansicht geben 
sollten. Fulng 

In der That, legen wir die Franklinsche Tafel auf den 
Elektrophor, so werden, dieser Ansicht gemäfs, durch influen- 
eirende Wirkung desselben zunächst auf jeder Seite der Tafel 
positive und negative Elektrieität entwickelt. Die negative 
der Oberseite können wir bei dieser Lage der Tafel in Ge- 
stalt eines Funkens entfernen. Heben wir nun die Tafel von 
dem Elektrophore ab, so haben wir also an ihrer Unterseite 
positive und negative, an ihrer Oberseite blofs positive Elek- 
trieität. 

Aus beiden Seiten der Tafel läfst sich jetzt ein positiver 
Funke ziehen, aus der Oberseite, weil deren positive Elek- 
trieität keine Einwirkung von den beiden Elektricitäten der 
Unterseite erleiden kann, aus der Unterseite, weil deren nega- 
tive Elektrieität von der positiven der Oberseite gebunden wird. 

Allein das Resultat dieser Entfernung der positiven Elek- 
trieität mufs in beiden Fällen ein verschiedenes sein. Ent- 
fernen wir sie von der Oberseite, so mufs die Unterseite in 
den indifferenten Zustand zurückgehen, indem ihre beiden 
Elektrieitäten nun nicht mehr getrennt gehalten werden, also 


602 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


zusammenfliefsen. Entfernen wir dagegen die positive Elek- 
trieität von der Unterseite, so behält dieselbe ihre negative 
Elektricität, und da die positive der Oberseite nicht fortge- 
nommen wurde, mufs also im letzteren Falle die Tafel ge- 
laden sein. 

Begreiflich kam es darauf an, diesen Ladungszustand nach 
zuweisen, und wirklich ist mir dasselbe gelungen, indem ich 
die beiden Belege der Tafel durch einen Metallbügel mit ein- 
ander verband. Hatte ich die positive Elektrieität von der 
Oberseite entfernt, so war von einem Entladungsfunken nichts 
zu bemerken; hatte ich sie dagegen von der Unterseite fort- 
genommen, so erschien ein solcher, zwar klein, aber unverkenn- 
bar. So weit wäre also die Theorie vollkommen gerechtfertigt. 

Der Theorie nach hätte nun aber auch die Tafel indifferent 
sein müssen; allein das war sie nicht; vielmehr erwies sie sich 
positiv, und zwar auf beiden Seiten, was gewils kein Irrthum 
war, da eine drei Viertelzoll dieke Wachstafel sich ganz eben 
so verhielt. Diesen Rückstand von positiver Elektrieität halte 
ich jedoch für keinen Einwand gegen die aufgestellte Theorie,’ ) 
betrachte ihn vielmehr als das Resultat einer stillen Entweichung 
der vom Ebonit-Elektrophor abgestolsenen negativen Elektrici- 
tät aus beiden Seiten der Tafel. 

Was mich in dieser Ansicht bestärkt, ist die oft von mir - 
beobachtete Thatsache, dafs -eine Glasplatte, die man, getragen 
von drei Wachskügelchen, in geringer Höhe ruhig und unbe- 
rührt, entfernt von allen Spitzen, über einem solchen Electro- 
phor liegen läfst, nach wenigen Minuten ebenfalls positive Elek- 
trieität auf beiden Seiten zeigt, selbst wenn sie eine Dicke von 
drei und mehren Linien hat. Es macht dabei keinen Unter- 
schied, ob die Glasplatte belegt oder unbelegt ist, wie ich denn 
überhaupt glaube, dafs die Stanniolbelege, wegen ihrer gerin- 
sen Dicke, keinen Einfluls auf die beschriebenen Erscheinungen 
haben, sondern nur die Rolle spielen, die Beweglichkeit der 
Elektricitätstheilchen auf der Oberfläche der Isolatoren zu er- 
höhen. 


1) Bei einem Glas-Elektrophor ist begreiflich die Tafel nach glei- 
cher Behandlung auf beiden Seiten negativ. | 


vom 19. Juli 1869. 603 


Zusammengefalst kommt also die neue Theorie, wenn ich 
sie so nennen darf, darauf zurück, dafs sie bei der Influenz in 
distanz den ersten Act (die Zerlegung der Null-Elektrieität in 
jedem Theilchen wenigstens der Oberfläche) als gleich annimmt 
für Isolatoren und Leiter, und dafs sie keinen anderen Unter- 
schied zwischen dem Verhalten beider Körperklassen in diesem 
Processe statuirt als den, welcher aus der leichten Beweglich- 
keit der Elektrieität in letzterer entspringt. 

Im Grunde ist diese Ansicht sehr einfach, aber sie hat 
einige Wichtigkeit für. die richtige Beurtheilung der mannig- 
fachen Erscheinungen bei den Influenzmaschinen, deren voll- 
ständige Theorie bis jetzt noch nicht gegeben sein möchte. 

Schliefslich will ich noch einer nicht uninteressanten Mo- 
dification der beschriebenen Versuche erwähnen, darin bestehend, 
dafs man eine geladene Franklin’sche Tafel als Schild des 
Elektrophores anwendet. 

Legt man sie mit der negativen Seite auf den gleich- 
falls negativen Ebonit-Elektrophor, so sind alle Erscheinungen 
den vorhin beschriebenen gleich. Die Ladung der Tafel nimmt 
keinen Theil daran, und behält selbst nach mehrmaliger Wie- 
- derholung der Versuche ihre Stärke fast unverändert. 

Anders ist es dagegen, wenn die Tafel mit der positiven 
Seite auf den Elektrophor gelegt wird. Verbindet man nun die 
negative Oberseite mit der Form des Instruments, so bekommt 
man einen lebhaften Funken oder Schlag, je nachdem man die 
Verbindung durch einen Drahtbügel oder mit den Händen voll- 
zieht. Abgehoben giebt die Tafel keinen Funken; kehrt man 
sie aber um, und legt sie mit der negativen Seite auf den 
Elektrophor, so erhält man aus ihrer positiven Oberseite wie- 
derum einen Funken, wenn man dieselbe mit der Form ver- 
bindet. Diese Operation kann man unter jedesmaliger Umkeh- 
rung der Platte wenigstens 4 bis 6 Male wiederholen; immer 
erhält man einen Funken, aber freilich in abnehmender Stärke, 
und wenn man nun die Ladung der Platte untersucht, findet 
man sie auf ein Minimum redueirt. 

Hierbei bleibt, wie leicht zu erachten, der Elektrophor auch 
nicht unverändert. Nach jedem Schlielsungsfunken findet sich 
seine Polarisation umgekehrt. Nach dem ersten ist er auf der 


[1869.] 44 


604 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Oberfläche positiv, nach dem zweiten negativ, nach dem dritten 
wiederum positiv und so fort. | 

Offenbar haben diese Erscheinungen ihren Grund darin, 
dals die entgegengesetzten Elektrieitäten, welche auf den sich 
berührenden Flächen des Elektrophors und der Platte ange- 
häuft sind, mit einander in Verbindung treten, sobald die abge- 
wandten Flächen beider leitend verbunden werden. Und es 
ist auch klar, dafs dabei ein Überschufs von Elektrieität von 
der Tafel auf den Elektrophor übergehen mufs, weil sonst die 
Polarität desselben nur vernichtet, nicht umgekehrt werden 
könnte. Der Erfolg des Versuches wird also davon abhängen, 
wie stark der Electrophor erregt, und wie stark die Tafel ge- 
laden war. 


Hr. C. Rammelsberg las über die chemische Zu- 
sammensetzung der Turmaline (zweite Abhandlung). 

In der Sitzung der Akademie vom 22. Juli 1850 legte 
Heinrich Rose eine Arbeit von mir vor: „Über die Zusam- 
mensetzung der Turmaline*, deren Ausführung durch eine im 
Jahre 1849 gewährte materielle Beihülfe seitens der Akademie 
sehr wesentlich gefördert worden war'). Ich hatte damals den 
Versuch gemacht, die Constitution einer grolsen und wichtigen 
Mineralgruppe zu erforschen, einer durch das Auftreten der 
Borsäure vor allen anderen ausgezeichneten Reihe, an deren 
analytischer Untersuchung sich alle Früheren bis zu Chr. Gmelin 
mit wenig Erfolg versucht hatten. Angesichts der ungewöhn- 
lichen Schwierigkeiten, welche die Natur und die grofse Zahl 
der Bestandtheile der Turmaline bei der Analyse darbieten, 
glaubte ich nicht den gewöhnlichen Weg einschlagen zu dürfen, 
der darin besteht, dafs man einige sogenannte Abänderungen 
eines Minerals untersucht, und daraus die Zusammensetzung 
aller übrigen folgert. Die alsbald sich ergebenden Variationen 
in qualitativer und quantitativer Beziehung machten es wün- 
schenswerth, das verschiedenartigste Material zu verwenden, 
und Dank der vielseitigen Unterstützung, welche mir in dieser 


1) Monatsbericht 1850 S. 273. 


vom 19. Juli 1869. 605 


Hinsicht zu Theil wurde, konnte die Arbeit auf dreifsig Tur- 
maline ausgedehnt werden. 

Die geometrischen und physikalischen Eigenschaften der 
einzelnen Turmaline sind so wenig verschieden, dafs man glauben 
durfte, auch für ihre chemische Constitution werde sich ein ge- 
meinsamer Ausdruck ergeben, wenn die Resultate so zahlreicher 
Versuche gleichzeitig berechnet würden. Diese Erwartung wurde 
jedoch getäuscht, und ich mufste mich begnügen, die Existenz 
von fünf stöchiometrisch verschiedenen Unterabtheilungen anzu- 
nehmen, wenn die Turmaline als Borosilikate aufgefafst wurden. 
Es waren Bi- oder Trisilikate der stärkeren Basen, in Verbin- 
dung mit Singulosilikaten der schwächeren, aber es lohnt heute 
nicht mehr, bei diesen Formeln zu verweilen, oder die Versuche 
Anderer, meine Analysen zu interpretiren, hier anzuführen. 

Niemand hat lebhafter die Mängel jener Arbeit empfunden 
als ich selbst, und ich habe schon seit langer Zeit das Thema 
von neuem in Angriff genommen, um das einfache Gesetz zu 
finden, welches die Turmalin-Constitution beherrscht, und an 
dessen Existenz wohl nicht zu zweifeln war. In der That ist 
es mir gelungen, alle Turmaline auf eine Grundverbindung 
zurückzuführen, sie durch eine Formel zu bezeichnen, welche 
lediglich der Ausdruck der Thatsachen ist, mit einem Wort: 
den Begriff Turmalin in chemischer Beziehung ebenso scharf 
zu umschreiben, wie es längst für Granat, Augit, Feldspath 
ete. geschehen ist. 

Drei Punkte sind es, deren richtige Erkenntnifs dieses Re- 
sultat herbeigeführt hat: 1, Das Verhalten der T. beim Glühen. 
2. Der Verbindungszustand des Eisens. 3. Der wahre Gehalt 
der T. an Bor. 

Die T. verlieren in starker Glühhitze im Durchschnitt 3 p.C. 
am Gewicht, und erleiden hierbei eine wesentliche Veränderung 
nicht blos ihres Ansehens sondern auch ihrer Zusammensetzung. 
' Wie man sich erinnern wird, hatte ich in allen T. Fluor ge- 
‘funden, und das Entweichen von Fluorkiesel und Wasser in 
‚der Glühhitze beobachtet. Allein ich hielt das Auftreten des 
Wassers für unwesentlich, und glaubte den Glühverlust für einen 
Malsstab des Fluorgehalts nehmen zu dürfen, wie dies beim 
' Topas stattfindet. Man kannte damals noch nicht das erst viel 
| 44.* 


606 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


später von Damour am Euklas nachgewiesene Austreten von 
chemisch gebundenem Wasser aus einem Silikat in starker 
Glühhitze. Seitdem ich aber gefunden hatte, dafs die Kali- 
glimmer und andere Silikate Wasser enthalten, welches zu ihrer 
Constitution gehört, wurde es nöthig, auch bei den Turmalinen 
das Fluor und das Wasser direkt zu bestimmen. 
Wäre der im Mittel 5 p. C. betragende Glühverlust ledig- 
lich Fluorkiesel, so würde er 2,2 p. ©. Fluor entsprechen. Allein 
dies übersteigt den wirklichen Fluorgehalt der Turmaline um 
das Vierfache, denn auf Grund von 19 vorliegenden neuen Be- 
stimmungen schwankt derselbe von 0,15 bis 1,19, und ist im 
Mittel nur = 0,54 p.C. Dies entspricht 0,74 p.C. Si Fl#, so 
dafs also etwa 2,3 p. C. übrig bleiben, welche als Wasser in 
Rechnung kommen. | 
Ich habe versucht, dieses Wasser annährend direkt zu be- 
stimmen, indem ich mehr als 30 Grm. des T. von Ramfossen 
bei Snarum, in Form groben Pulvers, in einem Platinrohr nach 
vorgängigem schwachem Glühen möglichst stark erhitzte und 
das Wasser in einer Chlorcaleiumvorlage sammelte, Es betrug 
1,33 p. C. und reagirte stark sauer infolge eines: Gehalts ven 
Kieselfluorwasserstoff. Der Apparat erlaubte keine höhere Stei- 
gerung der Temperatur, es wurde daher nicht die ganze Wasser- 
menge erhalten, und eine Probe verlor nachher im Tiegel noch 
1,4 p.C., aber der Versuch beweist den wesentlichen Wasser- 
gehalt des Minerals, dessen Fluor in diesem Fall 0,55 p. ©. 
ausmacht, so dafs, je nachdem der totale Glühverlust 2,39 
(früher) oder 2,73 p.C. ist, die Menge des Wassers selbst zu 
1,64 bis 1,98 p. C. geschätzt werden kann. 
In der Constitution der T. mufs aber H?O dieselbe Funktion 
haben wie K?O, ‚Na?O und Li?O. 
Obwohl es nicht an eisenfreien T. fehlt, so ist doch die 
grofse Mehrzahl, (braune, schwarze, blaue, dunkelgrüne) eisen- 
haltig. Ich hatte in meinen frühern Versuchen die Auflösung 
des durch Schmelzen mit Borax entstandenen Glases in der 
Regel mit Goldchlorid zur Bestimmung des Oxyduls behandelt, 
und müfste dann stets mit Rücksicht auf den ganzen Eisenge- 
halt auch die Gegenwart von Eisenoxyd annehmen. Allein ich 
äulserte schon damals Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser 


vom 19. Juli 1869. 607 


Bestimmungen, und spätere Erfahrungen haben bis zur Evidenz 
gezeigt, dafs Goldchlorid kein brauchbares Reagens für FeO ist. 

Vor einigen Jahren hat A. Mitscherlich sechs eisenhal- 
tige T. durch Erhitzen mit Schwefelsäure in zugeschmolzenen 
Röhren zersetzt und dabei nur Eisenoxydul gefunden. Es 


' ist dies der einzige Versuch, welcher in den letzten zwanzig 


Jahren von anderer Seite mit dem Mineral gemacht ist, und 
ich brauche kaum zu sagen, dafs auch ich dasselbe Resultat 


- erhalten habe, und nicht glaube, dafs irgend ein T. eine wesent- 


liche Menge Eisenoxyd enthält. Auch dieser Umstand mufs 
von merklichem Einfluls auf die Berechnung der Analysen sein. 

Was endlich die wahre Menge der Borsäure betrifft, so 
waren die früheren Versuche, sie direkt zu bestimmen, so un- 
vollkommen, dafs z.B. ©. Gmelin nur 2 — 44 p.C. erhielt. Die 
Zahlen, welche in meiner früheren Arbeit durch die Differenz 


_ erhalten waren, und zwischen 64 — 10 p. C. liegen, kommen der 


Wahrheit schon näher, sind aber oft, der Natur der Berechnung 
nach, zu klein. Glücklicherweise gelingt es, die Borsäure in 


Form von KBFlI* zu bestimmen, wenn man das Verfahren von 


A. Stromeyer und H. Rose einhält, und ich habe von 7 


verschiedenen T. auf diese Art 9,5 bis 11 p.C. B?O3 erhalten. 


Mit der direkt gefundenen Menge stimmt in solchen Fällen aber 
auch die aus der Differenz berechnete sehr gut überein, und es 
ist daher jetzt allerdings gestattet, bei den übrigen T. den Bör- 
gehalt auf diese Art zu berechnen. 


Jedes einzelne Glied der Turmalingruppe ist eine isomorphe 


Mischung gewisser Grundverbindungen, deren Elemente sind: 


a) einwerthige: H, K, Na, Li (Fl). 
b) zweiwerthige: Mg, Ca, Mn, Fe (OÖ). 
c) drei-(sechswerthige): B, Al. 
d) das vierwerthige Si. 
Das allgemeine Resultat, zu welchem alle meine Analysen 


führen, ist nun das: 


er malıne sınd Drittelstlikate "Die conett 


 tuirenden Grundverbindungen sind die Moleküle 


1 fi VI 
RS Si0° — R3Si05 — RSiO°. 


608 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse, 


Die Verschiedenheit der einzelnen T. hängt ab: 

1) von dem wechselnden Verhältnifs dieser Mol. in der 
Gesammtverbindung; 

2) von dem Wechsel der gleichwerthigen Elemente inner- 
halb jedes einzelnen Mol. 

Die Variation der ersten Art, bedingt durch das Atomver- 


hältnifs der R, R und R, prägt sich zuvörderst in zwei grolsen 
Abtheilungen aus, in welche die ganze Gruppe zerfällt. 

Die erste Abtheilung der Turmalingruppe hat Al: Si 
—=1:2, die zweite Abtheilung hat Al:Si= 2:3. 

I. Die erste Abtheilung, welcher die Mehrzahl (25 
unter 32) angehört, ist repräsentirt durch die allgemeine Formel 
R3Al B S?01 — r' 

oder 
R> Al? B2Sj2020 — r" 
Es sind die gelben, braunen und (scheinbar) schwarzen T., oder 
die Magnesia-T., die Magnesia-Eisen-T., und die Eisen-T. Sie 
alle geben bei der Analyse 30 — 32 p.C. us von 12 
bis 0,6 Magnesia, 0,6 bis 17,4 Eisenoxydul. 
Eine weitere Theilung ergiebt sich innerhalb derselben 


durch das Verhältnifs der R und der R, oder, wenn man will, 
durch das Verhältnifs R:Al, und zwar ist hier: 


R:R R:Al 
ay—ele,ıI 191 =r+r 
b)=5: 2 2:3 — 5r' + 2r" 


Oder es ist 
a—= RRAIBSI2O10 
b—= RSR2ABB> Si60%0 
Zu a, den einfachst zusammengesetzten, gehören 21 Tur- 
maline, zu b nur 4, nämlich die blauen von Saar, Sarapulsk 
und Goshen und ein bräunlich durchscheinender von Elba. 
Jeder weitere Unterschied ist durch das Verhältnifs der 
R=H:K:Na und de R= Mg: Fe (Ca, Mn) gegeben, und 
läfst die Übereinstimmung oder Ähnlichkeit der einzelnen T. 
erkennen. Dieser Punkt bleibe vorläufig, weil untergeordnet, 
auflser Acht, 


vom 19. Juli 1869. 609 


1. Die zweite Abtheilung entspricht der allgemeinen 
Formel Ih 
RS AISB:SjI 085 — r' 
oder 

R?AIS Bi? 065 — r" 

Hierher gehören die früher sogenannten edlen T., d.h. 
die auch in grölsern Krystallen durchsichtigen, farblosen, oder 
schwach grünen oder röthlichen ‘oder rothen Arten. Es sind in 
chemischer Hinsicht die lithionhaltigen und eisenfreien 
Turmaline. Sie geben bei der Analyse 10 p. C. mehr Thon- 
erde, als die früheren, nämlich 42 — 44 p.C. Die zweiwer- 
thigen Elemente treten in ihnen sehr zurück (höchstens 1,6 MgO, 
2,9 MnO); sie scheinen zugleich die fluorreichsten (0,7 — 1,2 p.C.) 
zu sein. Ich habe 5 Turmaline dieser Abtheilung zu untersuchen 
Gelegenheit gehabt. 


Auch bei ihnen varlirt das Verhältnifs R:R oder das von 


dd 
R:Al, und zwar ist; 
‘ 


[ii “« 


R:R R:Al 
a) 4:1 1: 6=2r-+r" 
b)= 10:1 1:2 =5r+r 
BR 22 1:24=11r + r", 


entsprechend der Formeln 
a — RRAISB1Sj? 045 
b— RR All Bsgjis g%0 
e R2 RAIL Bis 136 Q180, 
Es gehören zu | 
a) der blafsgrüne T. von Elba, 
der rothe T. von Schaitansk; . 
b) der rothe T. von Rozena, 
der rothe T. von Paris (Maine); 
c) der farblose oder röthliche T. von Elba. 
Dafs auch hier die Einzelglieder in dem Verhältnifs der 


R und R unter sich differiren, bedarf keiner besonderen Be- 
merkung. 

Vielleicht giebt es aber innerhalb der Gruppe noch eine 
dritte Abtheilung. Die beiden dunkelgrünen T., der aus 


610 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


Brasilien, und der von Chesterfield, stehen nämlich gleichsam 
in der Mitte, denn sie enthalten Al und Si weder in dem Ver- 
hältnifs 1:2 noch 2:3, sondern etwa wie 1:1,7. Beide zeich- 
nen sich dadurch aus, dafs sie eisenhaltig sind (6 p. C. FeO), 
danach also zur ersten Abtheilung gehören, dabei aber nur die 
geringen Gehalte von Mg und Mn haben, welche die zweite 
Abtheilung charakterisiren. Auch ihr Gehalt von Al ist ein 
mittlerer. Ich bin geneigt, sie nicht sowohl als eine besondere 
dritte Abtheilung bildend, sondern als eine isomorphe Mischung 
jener beiden Hauptreihen zu betrachten. Die Analysen beider 
T. sind sehr wohl mit der Ansicht-im Einklang, dafs äquiva- 
lente Mengen 


| 9 R3AIB SI2 010 I=\ 9 R3A12B2$j4 020 


2 RSAlC BSP 04 4 R3AIS B2 890% 
sich hier vereinigt haben, so dals 
a1: 8er IE Tre 


RUSS 

Die Fähigkeit isomorpher Körper, über einander zu krystalli- 
siren, welche bei künstlichen Verbindungen (Alaunen, Vitriolen) 
zur Entstehung von Krystallen Anlafs giebt, die in ihren einzelnen 
Schichten verschieden sind, zeigt sich bei Turmalinkrystallen 
theils darin, dafs bisweilen Kern und Hülle verschieden sind 
(rother T. in grünem oder umgekehrt), theils in der verschie- 
denen Färbung eines und desselben Krystalls (Krystalle mit 
wechselnden hellen uud dunklen Zonen). Die Analyse beweist, 
dafs solche heterogen erscheinenden Theile auch anders zusam- 
mengesetzt sind. Es ist deshalb die Annahme zulässig, dafs 
jene beiden scheinbar homogenen dunkelgrünen T. eine innige 
isomorphe Mischung zweier ähnlichen Verbindungsformen dar- 
stellen. 


Die Drittelsilikate bildeten bisher nur eine kleine Reihe der 
- natürlichen Silikate, in welcher einerseits Andalusit (Topas) und 
Cyanit (AlSiO5), andererseits Euklas und Datolith stehen. An 
letztere schliefsen sich die Turmaline an, insbesondere an den 
Datolith, der durch seinen Gehalt an Borsäure gleichsam den 
Übergang zu ihnen vermittelt. 


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Tabellarische Übersicht der Zus 


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1 


IB Abtheilu ng: 
R3A]BSi200 us RIALB2SILON 


(Rammelsberg, 19. Juli 1369.) 


nmmensetzung der Turmaline. 


EB 


Nr. Fundort. SR 120 |K?20 |Na20)C.0| MgO |MnO | FeO | AO: | B203 | SiO2 | Fi 
1 fer 
1) R:Al=1:1 = RRAIBSi?O10 

1. | Gouverneur... ..2...., (1) | 331 | 0,26 | 1,28 1,60 | 14,89 — | 1,14 | 31,32 (8,35) | 38,85 

2. | Windischkappel .. .... @) | 2305 | 0,47 | 2,37 | 1,25 | 11,79 | — | 0,66 | 32,90 | 11,15 | 38,09 | 0,64 
3. | Eibenstock ... 2.2.2... (8) | 2,32 | 0,30 | 2,27 | 0,88 | 11,62 | — | 4,36 | 30,86 | (9,14) | 37,75 

4. | Zilerthal © oc cc... (6) | 3,04 | 0,37 | 2,13 | 0,16 | 10,46 | 0,36 | 2,80 | 32,65 | (9,52) | 38,51 | 0,36 
9.3 NOTkordE ee (@) | 2,81 1,52 O,77 | 10,89 | — | 2,88 | 33,15 9,86 | 38,33 
GAlEResasya a re () | 2,80 | 0,73 | 2,00 | 0,71 | 9,11 | 0,09 | 2,98 | 34,56 | (8,57) | 38,45 

Ta IE Monroe ee (6) | 2,82 | 0,44 | 1,82 | 1,81 | 9,90 | — | 4,07 | 31,18 | (8,95) | 39,01 

8 KGolhanDe (@) | 2,61 | 0,43 | 2,00 | 1,25 | 9,51 | — | 4,42 | 34,26 | (7,82) | 37,70 | 
IlUHavredali a see er (10) | 2,43 | 0,32 | 1,28 | 0,80 | 943 | — | 7,58 | 31,26 | (9,29) | 37,11 

10. | Gotthardt .. 22.2.2... () | 2,75 | 0,28 | 143 | 131 | 727 | — | 7,23 | 31,41 | (10,32) | 38,00 

11. | Haddam .....2..... (“) | 1,81 | 0,73 | 1,60 | 1,83 | 8,60 | — | 8,54 | 30,87 | (9,02) | 37,50 

12. | Ramfossen . 2.2.2.2... (a) | 1,64 | 0,53 | 1,18 | 0,65 | 7,94 | — | 11,16 | 30,00 | (9,73) | 37,22 | 0,55 
NERE INEe e 2,29 | 0,25 | 2,19 | 0,74 | 6,77 | 0,58 | 9,93 | 30,02 | (9,03) | 38,20 | 0,15 
TA a En ya: (4) | 1,72 1,94 1,02 | 6,32 | — | 14,15 | 30,44 | (8,12) | 36,29 

15. | Krummau. . 2. .2..... (0) | 2,11 | 0,30 | 1,36 | 0,44 3,84 — | 11,58 | 34,12 (9,82) | 36,43 

169 DT ek 2,48 | 0,30 | 2,04 | — | 3,49 | 0,51 | 12,55 | 31,86 | (9,70) | 37,07 | 0,31 
17. | Langenbielan . ....... (a) | 1,45 | 0,82 | 1,93 | 0,62 | 3,65 | — | 11,64 | 31,63 | (11,02) | 37,24 

18. | Bovey-Traey . 2.2.2... (1) | 1,74 | 0,65 | 1,39 | 0,50 | 2,62 | 0,40 | 13,82 | 30,22 | (10,72) | 37,94 | 0,45 
16 || Tem emo 2,34 | 0,46 | 1,43 | 0,40 | 2,32 | 1,50 | 12,82 | 32,21 | (10,27) | 36,25 | 0,64 
0 | Eee (ws) | 111] 0,47 | 1,02 | — | 1,88 | 0,54 | 15,59 | 30,41 | (12,79) | 36,19 | 0,76 
21. | Andreasberg .. ...... (u) | 154 | 0,58 | 1,36 | 0,72 | 0,28 | 0,11 | 17,40 | 30,34 | (11,11) | 36,06 | 0,85 

u u 
2) R:Al= 2:3 —= RSR?APB3SI6030 
Saar ee (a) | 1,26 | 0,09 | 0,98 | — | 1,52 | 0,28 | 13,17 | 35,46 | 11,64 | 36,11 | 0,41 
23. | Sarapulsk ... 2.2...» (@) | 181 | 0,33 | 2,37 | — | 1,06 | 2,68 | 10,30 | 31,53 | (11,62) | 38,30 | 0,80 
Li5sO 
5 1,25 | 11,95 | 33,35 | 10,65 | 36,22 | 0,82 
| ehem eo oe | a) I | ; » » 
95:1 LEIDR Se er 1,90 | 0,75 | 2,30 | 0,32 | 1,88 | 1,87 | 10,52 | 34,15 | (9,37) | 37,14 | 0,47 
I. Abtheıilung. 


30. 


31, 


KSAISBISO# und, RPAIBISIIO" 


Fundort u H20 |K20 |Na20| Li?O | CaO | MsO |MnO |FeO|A103| B203 |SiO2| Fi 
= Y. } 
JE ER DE EEE need 
3 Se er ee a 
a) R:Al— 1:6 — R{RAISBISIOM 
5 al — | 041 | 2851 |1,38|41,89] (9,99) | 37,74 | 0,50 
Elba, grün ......... (23) | 2,60 | 0,34 | 2,40 0,74 3 > > 2 5 
Se ET (es) | 2,49 | 0,21 | 1,53 | 0,48 0,62 1,62 | 1,53 | — 43,97 | (9,29) | 33,26 
f wi 
b) R:Al= 1:12 = RORAIEBSSIWON 
1,94 | — |42,63| 9,97 |38,19 | 1,18 
Re (23) | 2,00 | 0,68 | 2,60 ß H ; h 5 
RE & 2,57 2,17 1,37 0,95 | — [41,83 | (8,93) | 41,16 | 1,19 
0) R:Al= 1:24 — RPRA:BIS SIR QLN 
Elba, röthlich und farblos | (2) | 2,41 | 1,30 | 2,00 0,92 | — |44,05| 9,52 | 38,85 | 0,70 
III. Mischungen & . 
(Grüne Tur : 
1,13 | 5,83 | 37,81 |(10,09) | 38,06 | 0,70 
Brasilien... 222020. (25) | 2,23 | 0,42 | 2,21 ’ | le aan aceanlar 
earlklonasasner ie 2,31 | 0,47 | 2,47 ‚| 0,78 | 6,38 | 36, 9, ‚09 | 0,55 


32 


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vom 19. Juli 1869. 611 


In der beigefügten Übersicht sind aufser der früher unter- 
suchten und mit ihren Nummern in Parenthese bezeichneten 
(unter Wegfall von Nr. 15 und 22) einige neue enthalten, nämlich: 

16) Schwarzer T. von Dekalb, S. Lawrence-Co., N. Y.- 
Pulver grau. V. G. 3,195. 

19) Schwarzer (blau durchscheinender) T. von Krumbach 
in Steiermark. Pulver blaugrau. V. G. 3,183. 

24) Schwarzer (blau durchscheinender) T. von Goshen, 
Massachusets. Pulver blaugrau. V. G. 3,203. 

15) Schwarzer T. von Elba, in dickeren, bräunlich durch- 
scheinenden Krystallen auf feinkörnigen Grauit aufge- 
wachsen. Pulver grau. V.G. 3,059 (Magnesia-Eisen- 
Turmalin). 

25) Schwarzer T. von S. Pietro, Elba, in losen, dünnen, 
theils bräunlich, theils gräulich durchscheinenden Kry- 
stallen. Pulver grau. (Eisen-Turmalin). 

Die indirekt bestimmte Borsäure ist e&ingeklammert. 


Hr. Magnus machte eine Mittheilung über das Erlöschen 
hoher Töne bei der Fortpflanzung in hanfnen Schnüren und in 
Bleidraht, als Nachtrag zu der am 8. Juli vorgetragenen Ar- 
beit des Hrn. Dr. Warburg. 


22. Jul. Gesammtsitzung der Akademie. 
Ef . 
Hr. Auwers las über den Werth der Aberrations- 
Constante nach den Beobachtungen von Molyneux. 


Aus den bekannten von Rigaud wieder aufgefundenen und 
1832 herausgegeben Beobachtungen von Molyneux am Zenith- 
fernrohr in Kew und von Bradley am Zenithsector in Wanstead') 
hat Busch (1836) für die Constante der Aberration und der 


1) Enthalten in Rigaud’s Publication: Miscellaneous Works and Cor- 
respondence of the Rev. James Bradley. Oxford 1832. (p. 93>—286.) 


612 Gesammtsitzung 


Nutation anscheinend sehr sicher begründete Werthe als Re- 
sultate einer Discussion abgeleitet, durch die man eine, wenn 
nicht völlig erschöpfende, doch sehr nahe genügende Dar- 
stellung. der genannten Beobachtungsreihen bisher allgemein 
erreicht geglaubt hat. Busch fand die Nutations- Constante 
— 92320 (für 1800) und die Aberrations-Constante = 20'2116, 
und die wahrscheinlichen Fehler dieser Zahlen = =& 00314 
resp. 0.0261. Während der erstere dieser Werthe eine voll- 
kommene Bestätigung durch neuere Bestimmungen erhielt, schien 
der andere gegenüber dem Widerspruche des Resultats der Pul- 
kowaer Arbeiten, nach welchen die Aberrations-Constante 20'45 
oder noch einige Hundertel einer Secunde mehr beträgt, in der 
schönen Übereinstimmung eine Stütze zu finden, mit welcher 
die Beobachtnngen an zwei verschiedenen Instrumenten sich 
dazu vereinigt hatten; aus den Wanstead - Beobachtungen allein 
hatte Busch 20205 (w. F. 0'027) und aus den Kew-Beob- 
achtungen 20250 (w.F. #0'079) gefunden. 

Indem ich bei meiner neuen Bearbeitung der Bradley’schen 
Beobachtungen an den Bird’schen Instrumenten der Green- 
wicher Sternwarte, behufs der Beschaffung von ausreichenden 
Hülfsmitteln zur Bestimmung der Zenithpuncte des Quadranten, 
Veranlassung gehabt habe auf die Beobachtungen von Zenithal- 
sternen in Kew und Woanstead zurückzukommen, habe ich die 
Bemerkung gemacht, dafs die gekrönte Preisschrift,') in wel- 
cher Busch jene Beobachtungen discutirt hat, derart mit Fehlern 
in der Anlage und der Ausführung der Arbeit überfüllt ist, 
dafs auch nicht ein einziges der darin abgeleiteten Resultate 
als aus den Beobachtungen hervorgegangen bezeichnet werden 
kann; die angeführten Werthe der Constanten müssen als 
völlig unbegründet angesehen werden. 

Von den neuen Untersuchungen, welche ich über diese 
Beobachtungen in Folge dieser Bemerkungen angestellt habe, 
.will ich hier diejenigen mittheilen, welche sich auf die Beob- 
achtungen in Kew beziehen. — 


1) Reduction of the Observations made by Bradley at Kew and 
Wansted, to determine the quantities of Aberration and Nutation. By 
Dr. Busch. Oxford 1833. 


| 
| 


vom 22. Juli 1869. 613 


Molyneux stellte sein von Graham verfertigtes Zenithfern- 
rohr am 26. November 1725!) ‚auf; die letzten Correctionen 
wurden an der Aufstellung indefs erst am 3. December vorge- 
nommen, und am folgenden Tage beginnen die Beobachtungen, 
deren letzte, durch eine einvierteljährige Lücke von der vor- 
hergehenden getrennte, am 29. December 1727 gemacht ist. 
Beobachtet wurden kleine Zenithdistanzen, die mit unbekannten 
Collimationsfehlern behaftet und durch eine Schraube gemessen 
sind, welche, in der Focalebene angreifend, das Fernrohr in 
der Ebene des Meridians um eine durch den Mittelpunet des 
Objectivs gehende Achse drehen sollte, im Ganzen 124, näm- 
lich 92 von y Draconis, 9 von r Persei, 12 von 35 Camelo- 
pardi, 5 von einem Stern 6%5 im grofsen Bären (Bonner Durch- 
musterung 51°1488), und je 3 von zwei Sternen zwischen Her- 
eules und Drache (75 B.D. 51°2115 und 779 B.D. 51°2141). 

Die Bestimmung der Aberrations-Constante aus diesen 
Beobachtungen wird also im Wesentlichen auf den Beobach- 
tungen von y Draconis beruhen; die Zuziehung derjenigen von 
35 Camelopardi und der Anonyma im grofsen Bären kann 


‚das Gewicht derselben noch ein wenig, die der andern nicht 


weiter vermehren. Man mufs diese Bestimmung zunächst auf 
die Annahme der Unveränderlichkeit des Collimationsfehlers 
gründen, und über die Zulässigkeit dieser Annahme durch Ein- 
führung eines der Zeit proportionalen Gliedes oder eines weitern 
periodischen in die Bedingungsgleichungen ein Urtheil zu ge- 
winnen suchen. Das Resultat erhält man ausgedrückt in Thei- 
len der Micrometerschraube des Instruments, also in brauchbarer 
Form erst dann, wenn man den Übergang von diesen zu Bo- 
gengrölsen zu finden vermag. 

Molyneux gibt in seiner Beschreibung des Instruments in 
Betreff dieses Punets nur an?): „this screw had 42 threads in 
an inch, and the head thereof being divided into 17 equal parts, 
each part was equal to one second, on the radius 24 feet 3.15 
inch.* Unter den auf die Kew-Beobachtungen bezüglichen Pa- 
pieren hat Rigaud noch zwei von Graham’s Hand beschriebene 


!) Alle Daten sind hier nach altem Stil angegeben. 
?) Miscell. Works... p. 98. 


614 Gesammtsitzung 


Blätter gefunden,') welche die Quelle der citirten Angabe bil- 
den werden. Das eine derselben, von Molyneux „Mr. Graham’s 
dimensions of part of the parallax instrument“ überschrieben, 
enthält folgende Angaben: 


Radius = 24 feet 34 inch. nearly ‚08477 + =! 
Screw 42 threads in one inch ‚001413 + = 1" 
One thread ‚0233 the plate to be divided into 17. 

zz — ‚0014 = to one second nearly, not differing 


one second in 100 divisions. 
Dann folgen einige nicht hierher gehörige Angaben. Auf dem 
andern Blatt steht: 

From the middle of the object glass to the cross hairs, 
24 feet 3,15 inch. 

Hierneben hat Molyneux bemerkt: „this is exact.“ Die 
andern Angaben dieses Blatts beziehen sich auf andere Ein- 
zelheiten, nur auf der Rückseite findet sich noch, von Bradley’s 
Hand, eine Ausrechnung des Werths einer Schraubenumdrehung 
aus der Länge „4 Zoll und dem Radius 291.15 Zoll, in sieben- 
stelligen Logarithmen; eine Umdrehung ist danach — 16'868 
angegeben (der Logarithmus eine Einheit der fünften Stelle zu 
grols). 

Auf dieser Bestimmung beruht nun die von Busch berech- 
nete Aberrations-Constante, indem derselbe 1% — 16'86785 an- 
genommen hat (die obigen Dimensionen würden 1686782 ge- 
ben). Ich bin aber der Ansicht, dafs hier, trotz der Anwen- 
dung siebenstelliger Logarithmen zur Berechnung, nur eine 
beiläufige Bestimmung des Werths einer Schraubenumdrehung 
vorliegt. Wie das erste Graham’sche Blatt den Radius nur 
„nearly* enthält, so wird es auch nur eine genäherte Angabe 
der Anzahl von Umdrehungen machen, welche auf einen Zoll 
giengen; beide Werthe sind auf diesem Blatt, wie auch aus 
den andern Angaben desselben hervorzugehen scheint, augen- 
scheinlich nur zu dem Zweck verglichen, danach die Einthei- 
lung der Schraubentrommel so zu machen, dafs ein Theil dersel- 
ben möglichst nahe =1" würde, also auch wohl nicht für genauer 


1) Miscell.Works... p. 98. 


* 


vom 22. Juli 1869. 615 


zu halten, also zu diesem Zweck nöthig war; man kann dem- 
nach mit Sicherheit nur annehmen, dafs die Anzahl der auf 
einen Zoll gehenden Umdrehungen näher an 42 gewesen ist 
als an 41 oder 43, und es höchstens für ziemlich währschein- 
lich halten, dafs die Abweichung von der angegebenen Zahl 4 
nicht überstiegen hat. 

Auf die Angabe 1% — 16'868 kann man sich hiernach 
allerhöchstens innerhalb eines halben, vielleicht nur innerhalb 
eines ganzen Procents verlassen. Molyneux ist offenbar der 
Meinung gewesen, dafs eine bis auf ein Procent genaue Kennt- 
nifs des Werths der Schraubentheile vollständig genügend sei, 
indem weder er noch Bradley von vorn herein eine richtige 
Vorstellung davon hatten, welche hohe Genauigkeit sie in ihren 
Beobachtungen erreichen würden; er hat sich sogar damit be- 
gnügt, einen Trommeltheil schlechtweg einer Secunde gleich 
anzunehmen, und eine genaue Bestimmung der Höhe der 
Schraubengänge selbst gar nicht ausgeführt. Es ist ihm: be- 
kanntlieh nicht mehr vergönnt gewesen zu erfahren, wie hoch- 
wichtig und welcher sorgfältigen Behandlung werth seine Be- 
obachtungen waren, und nach seinem frühzeitigen Tode (im 
April 1728) ist sein Instrument, als das Haus, in welchem es 
aufgestellt war, in andere Hände übergieng, spurlos verschwun- 
den, so dafs auch nicht nachträglich eine Bestimmung der 
Constanten desselben hat erfolgen können. 

Man mufs unter diesen Umständen versuchen, aus den 
daran angestellten Beobachtungen selbst die Gröfse der Schrau- 
bentheile abzuleiten. 

Die Verschiebungen des Instruments durch die Schraube 
waren auf einen Bogen von 8’ bis 9 beschränkt; in den Mes- 
sungen kommen aber so grofse Bögen nicht einmal vor, indem 
die beobachteten Sterne ‚folgende genäherte Declinationen für 
1726 haben: 


y Draconis 51° 32’ 4" An. 6.9, 0% 81 48" 
r Persei 5l 36 50 Am.0.9- 931.93 .0 
35 Camelop. 5l 32 53 AM 739:581%86 (16 


Von diesen Sternen sind y Draconis und r Persei seit Brad- 
ley’s Zeit so häufig beobachtet, dafs man ihre Deeclinations- 
differenz für 1726.0 mit einer Sicherheit anzugeben vermag, 


616 Gesammtsitzung 


welche der Messung dieser Differenz durch Molyneux etwa 
gleichkommt. Aus einer gröfsern Anzahl von Catalogen fand 
ich dieselbe = 286''97, dagegen durch Vergleichung der 7 Mo- 
Iyneux’schen Beobachtungen von r Persei zwischen 1725 Dee. 4. 
und 1726 Jan. 15. mit den 10 zunächstliegenden Beobachtun- 
gen von y Draconis (1725 Decbr. 5. — 1726 März 22.) nur 
— 285.02, wenn ich den Werth einer Schraubenumdrehung 
— 16'.87 setzte. Der wirklich durch die Schraube gemessene 
Bogen betrug unter dieser Voraussetzung im Mittel 318'8, hier- 
für fand sich also die Correction +1’95, oder der verbesserte 
Werth einer Umdrehung = 169732. 

Ich übergehe hier die Details der Ableitung dieser Zahl, 
bei welcher ich einige Daten erst in provisorischer Form be- 
nutzen konnte; weiter unten werde ich ein definitives Resultat 
eingehend begründen. 

Meinen Reductionen habe ich nun zunächst den Werth 
18 — 16'973 zu Grunde gelegt, und damit aus den Abweichun- 
sen der Schraubenablesungen bei den Einstellungen des Sterns 
von den Schraubenablesungen bei den zugehörigen Einstellun- 
sen des Loths die Werthe in Bogensecunden erhalten, welche 
— wenn erforderlich auf den Meridian reducirt, wobei die Nei- 
gung des Horizontalfadens = 0 angenommen wurde — in der 
folgenden Tafel aufgeführt sind. Die Angaben der Schraube 
nahmen ab, wenn die Declination des Sterns wuchs, ein posi- 
tives Zeichen der betr. Zahlen gibt also an, dafs der Stern 
südlich von demjenigen Punct des Meridians culminirte, auf 
welchen die Absehenslinie des Fernrohrs bei der Einstellung 
des Loths gerichtet war. 

Die nächste Columne der Tafel enthält die Werthe 


—8.00 +p!—p für y Draconis 

—7.66 +p'— p für 35 Camelopardi 

+7.96 +p'—p für An. Urs. maj. 
p'— p für die drei andern Sterne 


wenn p die mittlere Poldistanz eines Sterns für 1726.0 und p’ 
seine scheinbare Poldistanz zur Zeit der Beobachtung bezeich- 
net; bei der Berechnung der Grössen p—p habe ich mich 
einer Tafel bedient, welche dieselben Glieder enthält, wie meine 


vom 22. Juli 1869. 617 


Reductionstafeln für 1750—1840,') ausserdem aber noch das von 
2« abhängige Glied (+0'0813 cos «sin 2 — 00886sin«cos2() 
berücksichtigt, während Eigenbewegungen in den hier gege- 
benen. Zahlen noch nicht enthalten sind. An einer spätern 
Stelle habe ich für y Draconis die Eigenbewegung berück- 
sichtigt, die ich zu jährlich 0018 nach Süden annahm; die 
unbedeutende Eigenbewegung von 55 Camelopardi, die sich 
nicht sehr sicher bestimmen läfst, in der Zeit, welche die Be-. 
obachtungen Molyneux’s umfassen, aber jedenfalls nicht mehr 
als 0'!05 betragen hat, habe ich überhaupt vernachläfsigt, ebenso 
eine etwaige Eigenbewegung der Anon. Ursae maj., die auch 
nur ganz unbedeutend sein kann. 

Die dann folgende Columne gibt die Differenz der beiden 
vorhergehenden (B.-R.) für y Draconis, 35 Camelopardi und 
die Anon. Ursae maj.; addirt man zu den für y Draconis ge- 
gebenen Differenzen noch —0”’19 —0'023 (t —1726), so er- 
hält man die kleinstmöglichen Fehler, welche die Einführung 
der jetzt allgemein angenommenen Werthe der Reductionscon- 
stanten in diesen Beobachtungsreihen übrig läfst, wenn man 
den Collimationsfehler des Instruments als unveränderlich an- 
nimmt. — Die Tage sind in der Tafel ebenso angegeben, wie 
bei Molyneux, und theilweise bürgerlich gerechnet. 


!) Tabulae quantitatum Besselianarum pro annis 1750 ad 1840 
computatae. Petropoli 1869. 


Gesammtsitzung 


613 


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93 8900- "IEOEF | 8805 i "De 
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| 1 90°0+ 26°0%+ 81 + stuo9eaq & ‘9 ZEN 
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Gesammtsitzung 


622 


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vom 22. Juli 1869. 


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624 Gesammtsitzung 


Von den 92 Beobachtungen von y Draconis hat Busch 28 
stillschweigend ausgeschlossen (mit Ausnahme der ersten vier, 
für deren Ausschlufs er einen, übrigens unzureichenden, Grund 
angibt), seine Aberrations-Bestimmung also auf 64 ausgewählte 
Beobachtungen gegründet und diese mit den m. F. einer Be- 
obachtung = = 0'542 dargestellt. Ich vermag in seiner Aus- 
wahl indefs ein Prineip nicht aufzufinden. Die Beobachtungen, 
welche an beliebigen Puncten des Horizontalfadens angestellt 
sind, ehe die Beobachter die Krümmung der Bahn der Sterne 
im Gesichtsfelde bemerkten, sind vollkommen zuverlässig, so- 
bald die Einstellungzeit sich ermitteln läfst. Die sonst zur 
Beurtheilung der anscheinenden Sicherheit der Beobachtungen 
dienlichen Angaben der Beobachter habe ich in die Tafel auf- 
genommen. Danach werden nun von den von Busch ausge- 
schlossenen Beobachtungen die folgenden durch gar nichts, 
wenn nicht durch stärkere Abweichungen a posteriori, als 
weniger zuverlässig gekennzeichnet, und sind daher mit vollem. 
Gewicht mitzunehmen: 


1725 Dee. 12, 1726 März 22, April 22, Oct. 11, Oct. 26; 
1727 Juli 20, Sept. 23; 


dagegen haben von den übrigen 21 wegen der dabei gemachten 
Bemerkungen 16 ein geringeres Gewicht zu erhalten, während 
die letzten 5 am besten ganz ausgeschlossen werden; ich habe 
angenommen: 


Gew. 4 für 1725 Dec. 5, 11; 1726 April 23, Mai 14, 
Juli 15, Aug. 26. 

Gew. 4 für 1726 April 13, Mail, 25, Juni 9, Juli 8, 
Nov. 20; 1727 Febr. 5, Sept. 3, 27, Dec. 29. 


Ir 


und ausgeschlossen, mit Ausnahme der nur sehr stark ab- 
weichenden letzten Beobachtung wegen des Zusammentreffens 
starker Fehler mit der ausdrücklichen Bemerkung der Un- 
_ sicherheit: 

1725 Dee. 17; 1726 Juni 10, Juli 2; 1727 Juni 6, Aug. 1. 


Von den 64 von Busch mit gleichem Gewicht benutzten 
Beobachtungen müssen dagegen 11 der Bemerkungen wegen 
ein geringeres erhalten; ich habe angenommen: 


vom 22. Juli 1869. 625 


Gew. 4 für 1726 Mai 31, Juni 6, 12, Juli 1, Sept. 11, 
15, 25; 1727 Mai 8. 


Gew. 4 für 1726 April 24, Sept. 8; 1727 Juli 31. 


Von den Beobachtungen von 35 Camelopardi mufs die 
letzte (1727 Febr. 11.) ausgeschlossen werden; die andern 11 
geben Gleichungen von demselben Gewicht wie die guten Be- 
obachtungen von y Draconis, und ebenso die fünf Beobach- 
tungen der Anon. Urs. maj. Dagegen können die beiden an- 
dern telescopischen Sterne und r Persei keinen Beitrag zur 
- Aberrations-Bestimmung liefern. — 

Eine Unterscheidung der Beobachtungen, je nachdem sie 
von verschiedenen Beobachtern (die in der obigen Tafel mit 
B. und mit G.- bezeichneten Beobachtungen sind von Bradley 
resp. Graham gemacht), oder mit verschiedenen Blendungen 
des Objectivs gemacht sind, habe ich nicht vorgenommen, da 
sich eine Abhängigkeit von diesen Umständen nicht zeigt. — 

Erfordert nun die Aberrations-Constante 204451 die Ver- 
besserung #, und ist die Parallaxe von y Draconis — r, so 
erfordern die berechneten p— p die folgenden Verbesserungen: 


für y Draconis: + (9.9850) zcos(O + 1°59') 
— (9.9850) sin(O + 1°59) 


für 35 Camelopardi: — (9.6740)zc0s(O + 7° 8’) 
für An. Urs. maj.: — (9.7800) zsin(& + 27°14’) 


Die Coefficienten (b und c) von z und r, so wie die von 1726.0 
an gerechnete Zeit (r), mit welcher eine weitere Constante A 
- zu multipliciren wäre, finden sich in der folgenden Tafel, in 
welcher die Tage sämmtlich nach astronomischer Rechnung 
(jedoch nach altem Stil) angesetzt sind. Die Gröfsen „n“ 
sind die Grölsen „B.-—-R.“ der frühern Tafel, für y Draconis 
nach Abzug der oben erwähnten Eigenbewegung. 


626 


Bedingungsgleichungen für y Draconis. 


1725 
Dee, ı9 


20. 
1726 
Jans 24 
Febr. 12. 
März 5. 

20. 


Juni 1. 


30. 
Jul 2 0, 
2 


10. 
Il. 
16. 


7 


ts 
— 0,47, 


20.18 
1.80 
20.41 


—+1.25 
—0.21 
—+0.06 
—0.08 
—0.08 
+0.63 
—+0.25 
—0.33 
—+1.37 
—0.61 
—1.35 
—+0.65 
—+0.20 
—0.48 
—+0.64 
—+1.05 
—+0.13 
—+0.13 
—0.33 
—+0.10 
+0.29 
—0.14 
—0.02 
—+1.06 
—+1.58 


.—+1.23 


—+0.46 
—+0.28 
—0.45 
—+0.02 
—0.07 
—0.07 
—0.31 
+0.23 
—0.09 
—+0.81 
—1.68 


Gesammtsitzung 


b 


—0.057 
—-0.044 
—+0.061 
—+0.146 
—+0.214 


—+0.423 
—+0.895 


—+0.966 


—+0.940 
—+0.937 
+0.846 
—+0.838 
—+0.776 
—+0.736 
—+0.680 
—+0.667 
+0.656 
—+0.568 
—+0.450 
—+0.387 
—+0.250 
—+0.219 
—+0.189 
—+0.123 
—+0.108 
—+0.029 
—+0.012 
—0.005 
—0.020 
—0.037 
—0.052 
—0.069 
— 0.084 
—0.101 
—0.133 
—0.179 
— 0.273 
—0.303 
—0.354 
— 0.349 
— 0.363 
—0,579 


c 


—+0.964 
—+0.964 
+0.964 
—+0.955 
—+0.942 


—+0.868 
—+0.370 
—+0.027 
022 
— 0.237 
—0.465 
— 0.480 
— 0.326 
—0.626 
— 
—0.699 
—0.709 
—0.782 
—0.865 
—0.885 
—0.933 
—0.941 
—0.947 
—0.958 
—0.960 
—0.966 


—0.966, 


—0.966 
—0.966 
—0.966 
—0.964 
—0.964 
—0.962 
—0.962 
—0.957 
—0.949 
—0.927 
—0.917 
—0.907 
—0.901 
—0.895 
—0.889 


T 


2001 


—0.025 
—0.022 
—0.009 
—+0.002 


0.038 
0.150 
10.207 


.—+0.248 


—+0.251 
+0.291 
+0.294 
—+-0.313 
—+0.324 
—+0.338 
—+0.341 
+0.343 
—+0.363 
—+0.390 
—+0.398 
—+0.423 
—+0.428 
—+0.433 
—+-0.445 
—+0.447 
—+0.461 
—+0.464 
—+0.466 
—+0.469 
+0.472 


—+0.475. 


—+0.477 
—+0.480 
—+0.483 
—+0.488 
—+0.496 


—+0.513. 


—+0.518 
—+0.524 
+0.526 
+0.529 
+0.532 


Gew. 


no nl 


Dil dead denk dr hand dd je fand eat Dh Drrafme dh Zum üfn Dd Kö Pe ba hüten De her De ed Pd De 


—1.24 
—0.36 
—0.05 
—0.51 
—0.13 


+0.21 


—+1.33 
—+0.42 
+0.77 
—+0.59 
—+0.51 
—1.10 
—0.59 
—0.07 
—+0.21 
—0.47 
—+1.05 
—+0.58 
—+0.44 
—+0.75 
—+0.14 
— 0.82 
—0.23 
—+0.25 
—+0.25 
+0.38 
—+0.44 
1.08 
—+0.70 
—+1.24 
= 1.01 
—0.48 


—0.44 
—+0.62 
—+0.39 
—+1.62 
—+0.65 
—+0.60 
+0.97 
—0.66 
—0.35 
—+1.03 
—+1.38 
—0.10 


b 
—0.393 


—0.437 


—0.465 
—0.479 
—0.495 
—0.520 
—0.560 
—0.599 
—0.796 
—0.832 
—0.932 
—0.937 
—0.944 
—0.947 
—0.958 
—0.963 
—0.965 
—0.966 
—0.966 
—0.966 
—0.963 
—0.962 
—0.956 
—0.933 
—0.923 
—0.9183 
—0.901 
— 0.828 
— 0.772 
—0.672 
—0.311 
—+0.292 


—+0.830 
—+0.925 
—+0.178 
—+0.032 
—+0.015 
—0.017 


: —0.066 


—0.607 
—0.620 
— 0.745 
—0.756 
— 0.804 


vom 22. Juli 1869. 


c 


—0.832 
—0.862 
—0.846 
—0.839 
—0.831 
—0.814 
—0.787 
—0.758 
—0.523 
—0.492 
—0.253 
— 0.237 
—0.206 
- 9189 
—0.124 
—0.076 
—0.042 
—0.027 
—0.010 
—+0.022 
—+0.072 
0039 
—+0.138 
—+0.252 
—+0.284 
+0.297 
—+0.348 
—+0.497 
—+0.580 
—+0.694 
—+0.914 
0.921 


—+0.495 


0.279 
—0.950 
—0.966 
— 0,966 
—0.966 
—0.964 
—04152 
—0.741 
—0.615 
—0.601 
—0.536 


Hal ph pe ph ph pn peu hä fi Of Ph fu tiüheh peuhHafn punk jmd fh fd fauch PüfE f fh pe jdn fh fh fh Hd fund jun 


= On Da hm 


628 


Gesammtsitzung 


1727 n b 
Aug. 22. +0.10 —0.917 
Sept. 3. -+1.70  —0.960 

4. 0.55 —0.961 
23. —0.55 —0.942 
27. —0.09 —0.935 

—1.17  +0.338 


Bedingungsgleichungen 


n 


0.09 


1726 Jan. 7. 
Febr. 3. —0.92 
12. —0.37 
20.- —0.20 
Sept. 27. —+0.73 
Nov. 26. -+0.84 
Dec. 26. —-0.43 
3l. -+0.58 
1727 Jan. 15. -+0.14 
23, 702% 
Febr. 5. -+0.01 


Bedingungsgleichungen für Anon. 


N 


1726 März 20. —0.34 
26.0005 

27. +0.47 

1721. .Jan.+292- 2084 
Febr. 26. -+0.18 


C 


—0.303 
—0.113 
—0.096 
—+0.216 
—+0.279 
+-0.905 


b 


—0.275 
— 0.421 
— 0.449 
—0.465 
—+0.435 
—+0.059 
—0.187 
—0.225 
—0.326 
—0.399 
—0.427 


b 


—0.571 
—0.419 
—0.426 
+0.125 
—0.166 


T 


—+0.050 
—+0.124 
—+0.148 
—+0.170 
—+0.771 
—+0.935 
—+1.017 
—+1.030 
+1.071 
—+1.109 
—+1.128 


Pf ee 


für 35 Camelopardi. 


Ursae ma). 


T 


+0.247 
+0.263 
+0.266 
—+1.110 
—+1.186 


vom 22. Juli 1869. | 629 


Bezeichnet man noch die Verbesserungen der bei der Bil- 
dung der „n“ angenommenen Abstände für 1726.0 (—8'00, 
— 7.66 und -+7'96) mit x, « und &”, und die Coefficienten 
dieser Unbekannten mit a, @ und a’, so erhält man mit Be- 
rücksichtigung der oben angegebenen Gewichte: 


aus den 87 Gleichungen für y Draconis 


[eaa]=+-70.250 [dd]=-+31.070 [cc]=+34.460 [rr]=+-48.244 
[ad] =— 16.976 [de]=-+ 3.078 [er)=—17.528 [n]=+ 8.333 
[ac]=—24.698 [dr]=—20.384 [en]=— 1.465 [nn]= 25.9789 
[ar]—=+-48.318 [dDn]=— 4.334 

[ar]=+11.041 


aus den 11 Gleichungen für 35 Camelopardi 
[da] = +11.000 [dd]= -+1.396 [rr]= +7.278 
[a'b’] = — 2.680 [dr] = —1.5513 [FR] = -+1.163 
[a’r] = + 7.553 [bn] = +1.047 [nn] = 2.3838 
[a’n] = + 0.020 

aus den 5 Gleichungen für Anon. Ursae ma). 
[aa] = +5.000 [dd] = -+0.539 [77] = + 2.838 
[a"d] = — 1.257 [dr] = — 0.373 [rn] = —0.025 
Pe 30723 [dr] = — 0.113 [rn] —= 0.4290 
[@’n] = + 0.020 


Damit ergeben sich folgende Werthe der Unbekannten: . 
a—= 0.118 dd = —0!072 a’ —0\061 
z = +0'0165 Gew. 24.026 | 
z= +0.0980 „ 25.361 
A='4+0.1128 „ 15.700 
[nn.6] = 27.1225 m.F. für Gew. 1 = #+0'5288 
Die Einführung der wahrscheinlichsten Werthe der Eigenbe- 
wegungen würde den für A gefundenen Betrag etwa 0'005 
verkleinern. Da die weiter unten abzuleitende Eigenbewegung 
von y Draconis, auf welche es hier fast allein ankommt, nicht 
wohl mehr als =0'005 fehlerhaft sein kann, so würde der 
Werth von A eine der Zeit proportionale Änderung des Colli- 
mationsfehlers anzeigen, welche in dem ganzen Zeitraum, den 
die Beobachtungen umfassen, 022 erreicht hätte. Dieser Werth 
ist aber nicht einmal so grols wie sein mittlerer Fehler, die 


630 Gesammtsitzung 


Beobachtungen deuten also eine Änderung des ara 
fehlers von dieser Form nicht an. 

Kehrt man daher wieder zu der Annahme der Unverän- 
derlichkeit des Collimationsfehlers zurück, so gibt die Auflö- 
sung ohne Berücksichtigung von A folgende Werthe: | 


a= +0'186 ad = —0'002 a" = 0'000 
z = —0'”0163 Gew. 27.609 m.F. =#0'1005 
== 4-0,0919-- 4:5 25473 1. ,z=E0U1048 
[nn.5] = 27.3223 m.F. für Gew. 1 = =0'5230 


Der wahrscheinliche Fehler einer Beobachtung vom Gewicht 1 
ist hiernach nır = =0'356. Diese Gröfse gibt den Ge- 
sammtbetrag der Fehler in der Einstellung des Sterns an dem 
nur 65 Mal vergröfsernden Fernrohr und der Einstellung des 
Loths, und der, wenn auch wahrscheinlich in engen Grenzen 
gebliebenen, doch ohne Zweifel vorgekommenen Schwankungen 
des Collimationsfehlers; sie zeigt, dafs die Molyneux’sche Be- 
obachtungsreihe eine Genauigkeit besitzt, die in Beobachtungen 
absoluter Zenithdistanzen erst nach mehr als hundert Jahren 
wieder erreicht worden ist. 

Die Aberrations-Constante ergibt sich also aus den Be- 
obachtungen in Kew = 20.4283 =0'0678 — Betrag und 
wahrscheinlicher Fehler unter der Voraussetzung der Richtig- 
keit des Werths einer Schraubenumdrehung = 16.973 — und 
die Parallaxe von y Draconis = +0'0919 =0'0706. 

Ich werde nun die genaue Bestimmung des Werths einer 
Schraubenumdrehung vornehmen, und zunächst die für r Persei 
und % Draconis beobachteten Declinationen zusammenstellen, 
reducirt auf das System meines Normal-Catalogs vermittelst 
der A. N. 1536 gegebenen Relationen, und auf das Aequinoc- 
tium von 1835 vermittelst der Struve’schen Praecession. 


631 


vom 22. Juli 1869. 


8T’0+r 
01°0— 
70°0+ 
860 
11°0— 
b 07 
76'0r+ 
2 U: 
860+r 
070 
07°0+ 
69°0+ 
670 
88°0+ 
86'0+ 
600 
88,0 
"gg 


LS’IG 
1918 
Gyu’Ig 
I7'I6 
19°I4 
08°08 
26" 18 
16'118 
8614 
rock 
81'568 
89'C% 
Gr’Ig 
68°%%6 
60° 8% 
01'268 
LVulS ı9 068 


"cE8T TA 


681 
Gr8l 
za 
OC8T 
GH8T 
OrsI 
1781 
OF8T 
9881 
GesI 
0881 
oTST 
L 0081 
6 Gel 
8.901 
gs sch 
sr 
'q ‘p zZ bay 


08T. 


69'772 
8486 
@2 8% 
568 
84"8% 
v8'9 
08° 8% 
“62 
0% 4 
8516 
v0'98 
8308 
18°94 
67°9 


06'%% 


16° 1% 


FLÄIS LE 0IS 


III OS OL OD m X 


[27 


"P9q 


TO8IIT 


180772:21 

:CF8l 
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Gere 
a722 1 

"Ir8I 
G’688l 

8881 
66881 
8758 
sIIel 

0081 
6°G821 
GCIG2T 
S’IGLL 
L’SCLL 


“ypodqq 


sueurpnO 
(eMoNng) 

"II I 9 Av 
aoyuny 
uosuyop 
uosurgoy 
uU0SI9puoy] 

I 'zı 9 day 
aoyumy 
JofkeL 

puod 
SFPLIQUIOOAK) 
TzzeieT 
oudfoyseN 
Aojpeag, 
Aojpeag 
Aojpeag 


'goag 


-HNSÄHISST SO 


“IN 


Bemerkungen. 
Aus den Sectorbeobachtungen in Wanstead (1727 — 1729) 


und Greenwich berechnet (mit der Polhöhe 51° 28’ 38’2). 
Declination der Fundamenta, corrigirt wegen des Fehlers in der 


1, 2.4, 


3. 


Polhöhe und den Constanten der Aberration und der Nütation. 


Auf den Normalcatalog reducirt mit Berücksichtigung des periodi- 


3. 


schen Gliedes (Vierteljahrsschrift der Astr. Ges. IL p. 17. 18). 


632 Gesammtsitzung 


Die Epoche genauer zu ermitteln habe ich bei der Geringfügig- 
keit der Eigenbewegung für überflüssig gehalten. 

8. Nach dem General Catalogue; der zweite Specialcatalog, der die 
17 Beobachtungen sämmtlich enthält, würde 0733 mehr geben. 

14. „Neue Folge“, mit derselben Reduction, wie der erste Rümker- 
sche Catalog. | 

16. Aus Beobachtungen am Verticalkreis, nach handschriftlicher Mit- 
theilung von Hrn. Geheimrath Struve. 

17. Nach „Observ. ope instr. transit. port. instit.“ p. (112), ohne Re- 
duction. 


Ich habe aus diesen 17 Bestimmungen folgende Resultate, 
ohne Unterscheidung von Gewichten, abgeleitet: 

Decl. x Persei 1835.0 = + 52° 4’ 51'.765 & 0'093 
Jährliche Eigenbewegung = — 0''00509 = 000224 
Damit bleiben die in der Col. B.-R. aufgeführten Fehler übrig, 
welche den w. F. einer Bestimmung —= =0'343 ergeben. Die 
Declination für 1726.0 wird hiernach für Aeq. 1835 —=52°4’52''52 
und für das Aequinoctium der Epoche —= 51° 36’49'!99 & 0'020. 


633 


vom 22. Juli 1869. 


08°07 
1705 
T2'0+ 
1607 
cE0—- 
70°0+ 
10 0 
DU 
I 07- 
80°0+ 
810 
86 0 
950 
85 0+ 
680 
80°0r+ 
61'0+ 


1E0F 


6 0+ 
790% 
u 
09'0+ 
6807 
2 0 


700 


61'0— 
80,0+ 


LE’ 68 
1268 
r9'07 
84" 68 
LI” 6€ 
96°68 
&6'68 
00°07 
107 
0°°07 
66°68 
18" 68 
LG'07 
18'07 
96°68 
ger'07 
I1'07 
LL’OP 
GL'07 
97'17 
LE'0F 
68'I7 
$117 
2G'1V 
80'57 
16'17 


L8 


791.67 ‚08 o1IS 6FI 


SE8L "Pad 


6681 
0981 
6E8l 
0881 
Lrsl 
GrsT 
GrsT 
rel 
cr8l 
6881 
oF81 
0781 
GEsL 
6881 
0881 
0881 
LEST 
vo8T 
0581 
OI8I 
0081 
Ggll 
ZLLT 
8921 
GGLlL 
Ggıl 


0821 
"bov 


81'76 
8076 
60'08 
8808 
8668 
72'688 


12'858 


81'858 
0688 
69° 28 
G8"98 
20°98 
15'07 
ch c7 
GL'Er 
6987 
8597 
827 
97°08 
06°6 
ZB 9 
1661 
IT’Ie 
878% 
0T’68 
86'885 


8T;o 


08 


Ig 
ı6& ol 


06681 
78981 
0'°581 
s0EsT 
G1ı781 
L'IP8L 
G’978T 
G’ersl 

:GP8L 
06881 
G'ggstl 
G’8Esl 
GTEsl 
G'o88l 
LIEST 
06681 
02,581 
GTrosl 


01881 


69081 

0081 
66821 
TLLLl 
28921 
GEGll 
G'IGZI 
sl 


_oyaodyr 


(191119A9rJ) 
2.9 Av 
J9lonerT 
99 Auy 
(AımeW) 
uosuyop 
II 1 9 Auv 
aojkeL 
(eMoymd) 
uosIopuod 
1'319 Auv 
yosngq 
9 Auy 
aofkeL 
pPaPa: 
dopuejodıy 
pIamyog 
Ang 
pssag 
SSPLIYWOOLZ 
TzzeId 
auAjoyseN 
ouAJoyseN 
oudfogseN 
Aajpeag 
Aojpeag 
kapeag 
"qoog 


SI. 


ee 
- 


-"soso4son 


Zu den Deelinationen Nr. 1—7 und 19 ist dasselbe zu be- 


den entsprechenden von r Persei (Nr. 3 ist die 


Quadranten-Declination), wegen der Ableitung einiger der an- 


dern verweise ich auf A. N. 1549. 


wıe zu 


merken, 


Man erhält aus den 27 Bestimmungen 


055 


„ 
. 


+51° 30’ 4072110 
— 002263 = 000142 


Decl. y Draconis 1835.0 


Jährliche Eigenbewegung 


634 Gesammtsitzung . 


und damit die vorstehenden Werthe B.-R., woraus der w. F. 
einer Bestimmung = =#0\262 folgt. Die Deelination für 1726.0 
wird hiernach für Aeg. 1835 — 51° 30’ 42/68 und für das 
Aequinoctium der Epoche = 51° 32’ 364 &0'134, 

Die Differenz der mittlern Declinationen von r Persei und 
y Draconis betrug also am Anfang des Jahres 1726 

286.35,.32.0255, 

Für r Persei sind nun, zufolge der obigen Tafel, in Kew 

die folgenden Abstände beobachtet, wenn man 1®— 16'973 


annimmt: 


Beob. p—p 1726.0 Abw. 

1735 . Deeemhi: 4: —307. 512. 213.700 our 
18.- =311.29° 415.65 %.2295.647 2.2070 

24. —319.34  —+16.26 9296.08 114 

27. :—310.40 +1659 

1796 Januar: 3.2 230 BE As Fa 
7. 31210 + +17208 oa ar 

15. 313.80 -+17.07 29673 —1.79 

(Novemb. 27. —320.65 -+30.38 —290.2° +4.67) 
(Decemb. 25. —322.26 -+34.07 —288.19 -+6.75) 


Ich habe hiernach den mittlern Abstand für 1726.0, nach 


den Beobachtungen von 1725 December 4 — 1726 Januar 15, 
— — 294.94 angenommen, indem ich der Beobachtung vom 
24. Dec. 1725 halbes Gewicht gab. Es ist an diesem Tage 
nämlich keine Einstellung des Loths vorgenommen, woraus 
eine Unsicherheit in der Reduction dieser Beobachtung ensteht, 
die jedoch nicht so grols ist, dafs sie zum gänzlichen Aus- 
schlufs derselben nöthigte. Die Angaben der Schraube bei der 
Einstellung des Loths waren an den zunächst liegenden Tagen 


Dec. 17. 9P75 Dec. 27. 7P50 
18. 8.60 Jan. 3. 9.00 
21. 8.17 „ 10.45 
und ich habe hiernach für Dec. 24. 7P80 angenommen. — Die 


beiden letzten Beobachtungen mufsten dagegen völlig ausge- 
‚schlossen werden, weil bei denselben der Stern so weit nörd- 
lich stand, dafs die Absehenslinie des Fernrohrs ihn nicht 
mehr völlig erreichen, derselbe vielmehr nur noch mit dem 
Horizontalfaden in Berührung gebracht werden konnte, Bei 
der letzten Beobachtung ist bemerkt, dafs der gemessene Ab- 


vom 22. Juli 1869. 635 


stand deshalb 2’ oder 1''5 zu klein sein möchte. Nach der 
obigen Berechnung ist nun der Fehler bei beiden Beobach- 
tungen viel grölser gewesen; wollte man dieselben, was ich 
nicht für erlaubt halte, nach Anbringung einer Correetion — 
die indefs, nach der Beschreibung dieser Beobachtungen und 
den sonst über die Erscheinung der Sterne vorkommenden Be- 
merkungen, gröfser zu schätzen wäre, als Molyneux am 25. De- 
cember angibt, für die erste Beobachtung vielleicht zu —2” 
und für die letzte zu —4’ — irgend ein Gewicht beilegen, so 
würde ihre Vereinigung mit den übrigen die absolute Gröfse 
des Mittels — 29494 verkleinern. Ebenso würde dieses Mittel 
eine positive Correction erhalten müssen, wenn die erste Be- 
obachtung, bei der die Zeit der Einstellung nicht angegeben 
und die vor der Bemerkung der Krümmung im Wege der Sterne 
durch das Feld angestellt ist, etwa nicht in der Mitte desselben 
gemacht sein sollte. In keinem Falle kann also der Abstand 
von 29494 für 1726.0, in welchem r Persei nördlich durch- 
gegangen ist, aus den vorliegenden Beobachtungen mit dem 
Schraubenwerth 16'973 gröfser herausgebracht werden. 

Um den correspondirenden Abstand für y Draconis zu 
finden, habe ich, um hier die Voraussetzung der Constanz des 
Collimationsfehlers in längern Perioden zu vermeiden, mich auf 
dje ersten 10 Beobachtungen dieses Sterns beschränkt, 1725 
Dec. 5 — 1726 März 22. Von diesen ist früher die Beobach- 
tung 1725 Dec, 17. ihrer starken Abweichung wegen, während 
der Stern bei der Beobachtung sehr schwach und undeutlich 
gesehen war, ausgeschlossen, und die Beobachtungen am 5. und 
11. Dec, haben halbes Gewicht erhalten. Bleibt man auch 
hier bei diesen Festsetzungen stehen, so hat man Folgendes: 


Beob. p—p' 1726.0 Abw. 

ee era 669. 2198 
11. 0.00 erg 87 20087 

12. Oz a 818 098 


—- 
21. + 3.63 —12.04 —8.41 —0.51 
1726 Januar 3. + 9832 —16.57 —6.75 +1,15 
Februar 13. -+18833 —27.09 —83.21 —0,31 
März 6. +21.093 —28.97 —7.94 —0.04 

21. +20.45 —283.53 —8.08 —0.,18 

22. +20.33 —28.46 —8.08 —0.18 


[1869.) 46 


636 Gesammtsitzung 


und im Mittel den Abstand für 1726.0 = —7'90. Die aus- 
geschlossene Beobachtung weicht hiervon um —1’'90 ab. — 

Den m. F. einer Beobachtung vom Gewicht 1 habe ich 
oben = #0'528 gefunden. Berechnet man denselben aber 
nur aus den Abweichungen der hier benutzten 7 resp. 9 Beob- 
achtungen von ihren Mitteln, so findet man erheblich mehr, 
nämlich für r Persei #&1'”13 und für y Draconis =0'59. 
Werden diese Werthe angenommen, indem in der That die 
Beobachtungen am Anfang etwas weniger genau ausgefallen 
zu sein scheinen, als später, so sind die m. F. der beiden ange- 
nommenen Mittel resp. #043 und #021, und ihre Diffe- 
renz ist | 

28704 & 0'321. 

Diefs ist also die beobachtete Differenz für 1726.0, wenn man 
den Schraubenwerth =16'.973 annimmt, und es ist im Ein- 
zelnen gezeigt, dafs alle allenfalls möglichen von deu meinigen 
abweichenden Annahmen über einzelne der benutzten Beobach- 
tungen oder ihre Gewichte diese Differenz verkleinern wür- 
den. Die Substitution des wahrscheinlichsten Mittels aus allen 
Beobachtungen von y Draconis für den hier angenommenen 
Abstand für 1726.0 würde dieselbe, man mag den Collima- 
tionsfehler constant oder der Zeit proportional sich ändernd 
annehmen, nur um einen geringfügigen Bruchtheil ihres w. F. 
vergrölsern. | 

Nach den absoluten Deeclinations - Bestimmungen mufs nun 
diese Differenz die Correction 

— 0.69 = 0'410 
erhalten, welche für einen beobachteten Bogen von 3230 oder 
19R0P5 anzubringen ist; die Correction des vorausgesetzten 
Schraubenwerths beträgt also — 0'03626, oder es ist 
1 > 16.985674. = 002155 

Hiernach sind 42 Umdrehungen = 1.0041 engl. Zoll gewesen, 
oder es sind auf einen Zoll 41.829 Umdrehungen gegangen, 
Molyneux’s Angabe bestätigt sich also innerhalb plausibler 
Fehlergrenzen. — | 

Alle im Vorstehenden aus den Beobachtungen abgeleiteten 


Grössen sind also mit dem Factor 
0.99786 = 0.00127 


vom 22. Juli 1869. 637 


zu multiplieiren.') Die Resultate der Beobachtungen von y 
Draconis, 35 Camelopardi und der Anon. Ursae maj. werden 
damit: | 


!) Der Correctionsfactor für den von Busch für eine Schrau- 
benumdrehung angenommenen Werth ist hiernach = 1.00408. 
Die Aberrations-Oonstanten, welche er als Resultate der Moly- 
neux’schen Beobachtungen angibt, erfordern aber aufser der 
Multiplication mit diesem Factor noch eine weitere Verbesse- 
rung, indem die aus den Beobachtungen hervorgegangenen Glie- 
der seiner Normalgleichungen („Reduction ...* pag. 16) ver- 
kehrte Zeichen haben. Nach Verbesserung dieses letzten Feh- 
lers erhält man mit © = 0.025733 statt der pag. 17 gegebenen 
Zahl (202527): 20.2197, und statt der pag. 21 gegebenen 
(20''2495) mit (—=0.029740 (der Endwerth, p. 22, ist /—=0.028391): 
20.2167. Die Abänderung des Schraubenwerthes fügt hierzu 
die Correetion +0'0825, so dafs also die Aberrations-Constante 
20.2992 würde, 0'0859 weniger, als ich oben gefunden habe. 

Ich habe nun noch eine Berechnung ausgeführt, bei wel- 
cher ich ebenfalls nur die 64 von Busch benutzten Gleichungen 
von y Draconis, und diese alle mit gleichem Gewicht genom- 
men habe. Es wurden dann die Normalgleichungen: 

—+ 64.000 2 — 17.6052 — 27.8217 = + 12.210 

— 17.6052 + 28.3992 + 4.377 = — 2.990 

— 27.3212 + 4.3772 + 31.2997 = — 4.793 
und hieraus ergibt sich: 
x = +0'2094 Gew. 32.50 m. F. =#0'0873 

z = +0.0199 „7.28.00 0.1087 

z = +0.0302 „4878 0.1204 
also die Aberrations-Constante — 20.4650 mit dem Werth 
18 — 16'973, und nach der definitiven Bestimmung dieses 
Werths = 20'4212, oder 01220 gröfser, als nach Busch’s 
Berechnung derselben Beobachtungen mit den obigen Verbesse- 
rungen. — ’ 

Die Quadratssumme der übrig bleibenden Fehler beträgt 
16.5812, also der m. F. einer Beobachtung =0'521. — Lälst 
man x fort, so findet man aus diesen 64 Gleichungen =—+0'0157 
(m. F. #0'1066), 27 = 16.5983, m. F. einer Beobachtung 
0.517; mit z=z=0 würde 37 = 16.6041, der m.'F. einer 
Beobachtung —= =0'513 werden. — | 

Alle 92 Beobachtungen von y Draconis würden, ohne Un- 
terscheidung von Gewichten, folgende Gleichungen geben: 

+ 92.000 — 20.567 2 — 32.0267 —= + 17.400 
— 20.5672 + 38.3512 + 3.5607 = — 8.046 
— 32.0262 + 3.5602 + 47.4797 = — 8.128 


46* 


638 Gesammtsitzung 


Aberrations-Constante = 203851 & 0'0725 
Parallaxe von y Draconis = + 00917 = 0'0705 
Mittlerer Abstand vom Nullpunet 1726.0: 

y Draconis —= — 780 
35 Camelopardi = — 7.65 
Anon. Urs. maj. = + 7.94 


Die beiden kleinen Sterne zwischen Drachen und Hercules 
sind nach den Annahmen der frühern Tafel in folgenden Ab- 
ständen vom Nullpunet beobachtet: | 


Beob. PP 1726.0 Abw. 
1726 April 22. —0’44753 —19!15 — 173768 —+095 
23. —0 46.13 —18.84 — 14.97 —0.34 
24. —0 46.73 —13.52 — 15.25 —0.62 


1726: April221# 123’ 5959» BeiggV 127 ZU TeT 
93.7 10272 EINEN TEE TI 
24. —4 2.82 —19.52 —4 22.34 —1.49 


Die Sterne waren eigentlich bereits etwas zu schwach für das 
Instrument, namentlich der zweite, weshalb diese Beobach- 
tungen weniger genau sind. Im Mittel geben sie die Abstände 
für 1726.0 = —1’4'63 und —4'20'85, welche Werthe durch 
die weitere Verbesserung des Schraubenwerths noch die Correc- 
tionen +0”10 und +0'52 erhalten. Die Abstände für 1726.0 
sind also für 
Anon. 5 —= — 1’ 453 
Anon. 729 —= — 4 20.33 
Die Declination, auf welche die Absehenslinie des Fern- 
rohrs bei der Einstellung des Loths gerichtet gewesen ist, er- 
gibt sich aus den Beobachtungen von y Draconis mit der 
oben abgeleiteten Declination dieses Sterns =51°31’55’84. 


und daraus 

2 = +0.1556 z= —0'/1506 = — 0.0699 
[nn.3] wird hier aber = 50.3190, also der m. F. einer Beob- 
achtung —= = 0'752, und die m. F. von = und von = resp. 
=0”1301 und #0'”1254; das Resultat dieser Auflösung hat 
nur den Werth, die im Text getroffene Festsetzung der Ge- 
wichte zu rechtfertigen. 


vom 22. Juli 1869. 639 


Man erhält daher aus den Kew-Beobachtungen folgende wei- 
tere Declinationen für 1726.01): 
35 Camelopardi 51° 32’ 3!49 11 Beobb. 
B. D. 51°?1488 51 3147.90 Hin Mt, 
B.D431232115:» 51: 33).0.37 3 
B. D. 51.2141 51 3616.17 3 


Gegen die Bestimmung des Schraubenwerths aus den Be- 
obachtungen von y Draconis und r Persei, auf welcher die 
hier abgeleiteten Resultate beruhen, und auf welche man meines 
Erachtens unabweislich recurriren mu[s, wenn man aus den 
Kew-Beobachtungen ein nicht völlig in der Luft schwebendes 
Resultat für die Aberrations-Constante ableiten will, lassen sich 
einige Bedenken vorbringen, die ich nicht unterlassen darf so- 
gleich zu entkräften, um den Nachweis, den ich als das eigent- 
liche Ergebnils der hier vorgelegten Untersuchung betrachte, 
dafs die Beobachtungsreihe am Zenithfernrohr in Kew sich 
mit Struve’s Aberrations-Constante in vollständiger Überein- 
stimmung befindet, völlig concludent zu machen. 

Was zunächst die aus den absoluten Declinations-Bestim- 
mungen gefundene Differenz zwischen den Declinationen von 
* Persei und y Draconis für 1726 betrifft, so geht in dieselbe 
eine empirische periodische Correction mit beträchtlichem Ge- 
wichte ein, welche die Sector-Beobachtungen in Wanstead zu . 
erfordern scheinen. Für die Differenz r P. — y Dr. habe ich 
diese Correction — — 108 angenommen, und hauptsächlich 


!) Eine Vergleichung der Declination von 35 Camelopardi 
mit den sonst vorhandenen Beobachtungen findet sich weiter 
unten. Die drei Anonymae kommen nur bei Lalande und in 
Argelander’s Zonen vor; die Cataloge geben für 1726: 


B. D. 51°?1488 Lal.(Fedor. 1446) 1790.1 51°31’47'35 1B. 


A. Z. 86. 99.190. 1842,5 op ale ee 
B. D. 51°2115 Lal. 30282 1790:5:519337,,043 1... BE 

A.2.6. a ea WE 

RER TEE 
B. D. 51°2141 Lal. 30791 1790.4 51°36’24”6 1B. 


A. 2.6. 18414 19 lbs 


640 Gesammtsitzung 


aus diesem Grunde jene Differenz für 1726.0 schliefslich 0.62 
kleiner gefunden, als bei der an früherer Stelle erwähnten vor- 
läufigen Bestimmung, bei welcher ich noch nicht meine Re- 
duction der Wanstead-Beobachtungen benutzen konnte, Wollte 
man diese Correction für nicht gerechtfertigt halten, so würde 
die betr. Differenz für 1726 grölser angenommen werden 
müssen, also auch der Schraubenwerh und die ee 
Constante noch wachsen. 

Berechnet man nun mit Annahmen, die hiernach, wenn 
sie nach einer Seite hin sich von den wahrscheinlichsten ent- 
fernen, diefs nur zu Gunsten des Molyneux’schen Schrau- 
benwerths können, also aus der Declination des Nullpunets 
—51°31’55'84 und der Declination von r Persei für 1726 
—51°36’49”99 die Abstände dieses Sterns vom Nullpunet für 
die einzelnen Beobachtungstage und vergleicht damit die von 
Molyneux beobachteten unter der Annahme seines Schrauben- 
werths, so erhält man: 


Ber. Abs. Molyneux Abw. 


1725 December 4. 307.87 305.61 —2.26 
18. 5309.80 309.36 —0.44 
24. 310.41 310.40 —0.01 (G. 4) 
27. 310.74 308.48 —2.26 
1726 Januar 3. 811.00 309.03  —1.97 
Tall. 23 310.17 °°—1.06 
15. 2311.22 311.86 +0.64 
(November 27. 324.53 >318.68 —5.85+2"=+) 
(December 25. 328.22 >320.26 „, —7.94+4") 


Gegen den Schlufs, den ich aus der sich bier zeigenden 
Differenz gezogen habe, dafs der Molyneux’sche Schrauben- 
werth vergröfsert werden müsse, läfst sich nun einwenden, 
dafs die beiden mit einander verglichenen Sterne zu ganz ver- 
schiedenen Tageszeiten durch den Meridian gegangen sind, in- 
dem ihre Rectascensionen sich um 9 Stunden unterscheiden, die 
. Beobachtungen ihrer Deeclinationsdifferenz, die alle in dieselbe 
Jahreszeit fallen, also durch eine tägliche Periode im Colli- 
mationsfehler hätten entstellt werden können, wenn derselbe 
sich mit der Temperatur geändert haben sollte. In diesem 
Falle müfste aber auch eine jährliche Periode im Collimations- 


a ZU 


2 vom 22. Juli 1869. 641 


fehler vorhanden gewesen sein, wovon sich in den Beobach- 
tungen gar keine oder nur geringe Spuren zeigen. Die für 
Parallaxe und Aberratiion — auch wenn man Molyneux’s 
Werth einer Schraubenumdrehung annimmt — herauskommen- 
den Gröfsen zeigen, dafs die Amplitude einer etwaigen jähr-. 
lichen Periode einige wenige Zehntel einer Secunde in keinem 
Fall überstiegen haben könnte. Noch erheblich Kleiner mülste, 
zumal im Winter, diejenige einer täglichen Periode gewesen 
sein, und der Einfluls einer irgend wie noch zulässigen auf 
das Resultat der Vergleichung der 7 Winterbeobachtungen von 
r Persei mit dem Mittel aller Beobachtungen von y Draconis, 
welche bis auf 0'!09 oder 002 die von mir angewandte Diffe- 
renz wiedergeben würde, kann nur wenige Hundertstel einer 
Secunde erreichen. 

Die Beobachtungen von 35 Camelopardi, welcher Stern in 
Rectascension genau 12 Stunden von y Draconis entfernt ist, 
während seine Declination zur Zeit der Beobachtungen weniger 


‘als 1E von der Declination von y Draconis für 1726 abwich, 


lassen es ebenfalls völlig unzulässig erscheinen, die Abweichung 
von mehr als 1" von der wahrscheinlichsten Declination, welche 
in den Beobachtungen von r Persei mit Molyneux’s Schrauben- 
werth übrig bleibt, durch eine Änderung des Instruments zu 
erklären. Die Declination von 35 Camelopardi für 1726 läfst. 
sich aus den aufser den Molyneux’schen vorhandenen Beob- 
achtungen nicht mit grolser Sicherheit berechnen — indem nur 
wenige neuere Beobachtungen vorhanden sind, und die älteren 
sich nicht in befriedigender Übereinstimmung befinden — so 
dafs man eine Prüfung der Unveränderlichkeit des Collimations- 
fehlers an der Differenz 35 C. — y Dr., bei welcher die Un- 
sicherheit des Schraubenwerths so gut wie vollkommen elimi- 
nirt werden würde, nicht vornehmen kann. Von der wahr- 
scheinlichsten Declination für 1726 nach den Beobachtungen 
von 1727 (Wanstead) bis 1354, wofür ich 51°32’1'77 finde'), 


") Es sind folgende Bestimmungen der Declination von 
35 Camelopardi vorhanden: 


642 Gesammtsitzung 


weicht das oben gegebene Resultat der Molyneux’schen Beobach- 
tungen nicht weniger als +1’72 ab (bei einer Beschränkung 
der Vergleichung mit y Draconis auf nahe gleichzeitige Beob- 
achtungen des letztern Sterns würde man innerhalb 0’1 das- 
selbe Resultat erhalten), um eine Quantität, die bei der ausge- 


Nr. Beob. Epoche Red. Deel. Aeq.Z.d.B. Decl.1755.0 B.-R. 


. Bradley 1728.6 51°32'8'!45 1730 32 51°32’4329 +0'80 
. Bradley 1751.8 40.23 1755 12 40.23 —1.44 


. Bradley 1752.9 42.00 1755 42.00 +0.37 
.Maskelyne 1768.9 57.04 1768 40.64 —0.42 
. Maskelyne 1777.1 35 7.33 1777 40.25 —0.52 


44.20 +3.89 
41.44 41.48 
39:77.-0.10 


. Piazzi 1800: 33.24 1800 


1 
2 
3 
4 
5 
6. Lalande 1790.1 25.7 1790 
7 
8. Grombridge 1808.1 41.17 1810 
9 
10 


Porn Or > He 


. Argelander 1842.1 34 4.0 1842 36.53 —1.94 

. Johnson 1844.6 7.89 1845 33.52 —0.06 
11. Oudemans 1849.1 11.24 1849 16 39.02 +0.80 
12. Robinson 1852.1 3.571840 2 37.52 —0.59 
13. Airy (G.6u.7) 1853.7 14.33 1855 4 38.30 +0.25 
Nr. 1, 2, 4 und 5 sind Sector-Declinationen. Die (ohne ihre — 
sehr kleine — Reduction angesetzten) Positionen Nr. 6, 9 und 


11 habe ich erst verglichen, nachdem ich aus den andern die 
Werthe 

Decl. 1755.0 = 51° 32’ 41'555 # 0'241 

Jährl. Eigenbewegung = — 003546 & 000416 
abgeleitet hatte, welche die Fehler B.-R. übrig lassen. 

Die Sector-Declination für 1751.8 scheint verfehlt zu sein. 
Die starke hier übrig bleibende Abweichung hat zwar das Zei- 
chen eines angebrachten nicht unbeträchtlichen Theilungsfehlers 
(—0'78), indefs ist dieser für sicher zu halten; dagegen stim- 
men die einzelnen Beobachtungen (1750 — 1754) sehr wenig 
überein. — Ohne diese Declination erhielte man, aus den 9 an- 
dern der vorhin benutzten Gleichungen, die Declination für Aegq. 
1755 — 51° 33’ 41'891 — 003951 (*— 1755), wovon .die Decli- 
nation für 1726 noch —+1'27 abweichen würde. — 

Piazzi’s Declination habe ich ihrer ebenfalls starken Ab- 
‘weichung wegen aus der Storia Oeleste neu berechnet, aber nur 
noch abweichender erhalten. Es geben nämlich 4 Beobb. 1798 
Jan. 31 — Febr. 3 die Declination für 1800 ohne Eigenbewe- 
gung = 51° 33’ 3428 und 2 Beobb. 1810 Dec. 23 — 24 = 
51° 33’ 30''70; das Mittel würde —= 51° 33’ 3309 (Ep. 1802.4) 
oder noch 0''6 gröfser als die Angabe des Piazzi’schen Catalogs. 


\ 
4 


vom 22. Juli 1869. 5 


zeichneten Übereinstimmung derselben gänzlich aufserhalb des 
Bereichs der zufälligen Unsicherheit liegt und wohl zum grö- 
fsern Theil einer Fehlerhaftigkeit der berechneten Declination 
zugeschrieben werden muls. Sie ist aber nach der entgegen- 
gesetzten Seite gerichtet, wie die bei r Persei mit Molyneux’s 
Schraubenwerth übrig bleibende, soweit man ihr also eine Be- 
weiskraft zugestehen will, bestätigt sie die Correctheit der für 
diese Abweichung angenommenen Erklärung, dafs Molyneux’s 
Schraubenwerth zu klein ist. — 

Meine Bestimmung des Schraubenwerths gilt für den Winter. 
Welchen Werth man der Strenge nach im Sommer anzuwenden 
hätte, bleibt zweifelhaft, indefs nur innerhalb sehr enger Gren- 
zen. Der Construction des Instruments nach war die Entfer- 
nung des Angriffspuncts der Schraube von der Drehungsachse 
abhängig von der Ausdehnung des Backstein-Mauerwerks, an 
welchem das Instrument befestigt war. Wäre die Ausdehnung 
dieses Mauerwerks =0 gewesen, so würde, da die lineare 
Gröfse einer Schraubenumdrehung im Sommer 0.000215 länger 
gewesen sein wird, als im Winter (im Falle einer Tempera- 
turdifferenz von 20° C.) der Sommerwerth einer Umdrehung 
000365 gröfser gewesen sein. Ich habe meine Reduction mit 
einem constanten Werth ausgeführt, wollte man die angegebene 
Differenz berücksichtigen, so würde die Aberrations -Constante 
höchstens 0'001 verschieden, und zwar gröfser herauskommen. 
Der Einflufs auf die Parallaxe wird noch geringer sein. 

Da aber das Rohr des Molyneux’schen Instruments von 
Zinn war, so wird sich die Entfernung der Fäden von der 
Drehungsachse vom Sommer zum Winter, für eine Temperatur- 
änderung von 20° C., um etwa 0.126 engl. Zoll geändert haben 
— welchem Betrage auch die Änderung der Brennweite des 
Objectivs wohl nahe entsprochen haben wird. Um eben so 
viel mülste sich, im eben besprochenen Falle, der Angriffs- 
punct der Schraube auf dem Ocularring verschoben haben, 
während von einer solchen Verschiebung nichts gesagt wird. 
Man nimmt daher vielleicht richtiger an, dafs das Mauerwerk 
der Ausdehnung des Rohrs näherungsweise gefolgt ist. Bei 
vollständiger Übereinstimmung der Ausdehnungen würde aber 
der Sommerwerth einer Schraubenumdrehung gleich dem Winter- 


644 Gesammtsitzung 


werth multiplicirt mit (10.000215) x (1—.0.000433), also 
nur fast genau so viel zu verkleinern, wie in der vorigen Vor 
aussetzung zu vergrössern sein. — 

Indem somit nicht daran gezweifelt Fe kann, dafs 
der schliefslich adoptirte Werth einer Schraubenumdrehung 
correct abgeleitet ist, und in Betreff der einzigen sonst nach 
Bedenken unterworfenen Voraussetzung, der Unveränderlichkeit 
des Collimationsfehlers, die Einführung der jährlichen Parall- 
axe So wie eines der Zeit proportionalen Gliedes völlig be- 
friedigende Resultate gegeben hat, wird man auch die Aber- 
rations-Constante 203851 & 00725 (die von Struve’s Con- 
stante, wenigstens in deren gewöhnlicher Lesart 204451, noch 
nicht um den Betrag ihres wahrscheinlichen Fehlers abweicht), 
als ein Resultat der Molyneux’schen Beobachtungen ansehen 
dürfen, für dessen Sicherheit der angeführte wahrscheinliche 
Fehler ein zuverläfsiges Maafs gibt. Dieser wahrscheinliche 
Fehler ist gröfser, als dafs dieses Resultat neben den durch 
die Pulkowaer Arbeiten erlangten noch einen selbständigen 
Werth beanspruchen könnte. Nicht unwichtig erscheint es mir 
trotzdem, den Nachweis zu besitzen, den ich deshalb in solcher 
Ausführlichkeit begründet habe, dafs zwischen den Beobach- 
tungsreihen von Kew und von Pulkowa nicht, wie man bisher 
geglaubt hat, ein Widerspruch, sondern im Gegentheil eine 
Übereinstimmung besteht, welche vollkommen genannt werden 
muls. 


Was die von Bradley an seinem Zenithsector in Wanstead 
gemachten Beobachtungen betrifft, deren Abweichung von der 
Pulkowaer Aberration zufolge den Rechnungen von Busch für 
noch viel entschiedener gehalten worden ist, so kann ich das 
wahrscheinlichste Resultat derselben für die Aberrations- Con- 
stante gegenwärtig noch nicht angeben, indem die neue Re- 
duction, welcher ich diese Beobachtungen unterworfen habe, 
_ für jetzt nur die Ableitung sicherer Declinationen aus denselben 
zum Zweck hatte. Ich glaube aber nicht unterlassen zu dürfen, 
gleich im Anschlufs an die obige Darstellung der Resultate aus 
den Kew-Beobachtungen die am Eingang gemachte Bemerkung, 
dafs Busch’s Ableitungen als Resultate der Wanstead-Beob- 


vom 22. Juli 1869. 645 


achtungen angesehen zu werden keinerlei Anspruch machen 
können, in Betreff der Aberrations-Constante durch einige 
Zahlen zu rechtfertigen. 

Aus den Beobachtungen von 13 Sternen in den Jahren 
1727— 1729 habe ich genäherte Werthe der Aberrations-Oon- 
stante abgeleitet, und folgende Abweichungen (z) von Struve’s 
Constante (204451) gefunden: 


Busch 

Stern Z.d.B. nr Gew. x 2.d.B. 

« Üassiopejae 88 0.040 82.30 —0.552 101 
a Persei 65 —0.8317 11.56 —0.592 64 
ö a 35 —1.578 13.99  -+0.469 3) 
Capella 141 —.1.209 4.44 —1.278 202 
: 18 Camelopardi 27 —+0.710 10.51 —-1.089 30 
' & Ursae maj. 46... +0.435 . 51.75: —0.229 - „Al 
& “ 24 +0.538 3.89 1.658 21 

Y n n 52 0.162 42.24 —0.597 60 
€ ® he 76 —0.069 53.833 —0.871 118 
& » 5 75 —0.066 54.01 —0.984 125 
ı Herculis 58 —0.068 25.33 —0.241 64 
E Draconis 49° —0.045. 33.83 0.512 55 
2 Cassiopejae 86 0.274 60.12 —1.064 99 


Der Einheit der Gewichte entspricht der m. F. #1’. Das 

Mittel dieser 13 Bestimmungen ist x —= +0'015, oder 
Aberrations- Constante = 20'460 = 0'063 

oder 0'175, wenn man den w. F. aus den Abweichungen 

der einzelnen Resultate von einander berechnet. 

Die angeführten Werthe von = sind, indem die Beobach- 
tungen vor ihrer Behandlung nach der Methode der kleinsten 
Quadrate erst gruppenweise zu Mitteln zusammengezogen wur- 
den, nicht ganz strenge die wahrscheinlichsten Resultate, die 
man aus den Beobachtungen dieser Sterne von 1727—1729 
unter der Voraussetzung der Constanz des Collimationsfehlers 
ableiten kann,') kommen denselben aber jedenfalls bis auf 
geringfügige Quantitäten nahe. Sie differiren dagegen um enorme 


!) Diese Voraussetzung trifft zwar bei Bradley’s Zenithsec- 
tor keineswegs zu, der Fehler derselben hat aber die Ableitung 
der Aberrations-Constante nicht merklich beeinflufst. 


646 Gesammisitzung 


Quantitäten von den zur Vergleichung oben bereits angegebenen 
Werthen von Busch (nach „Reduction...“ p. 23 und 24). Zu einem 
geringen Theile rühren nun diese Unterschiede, aufser von der 
blofs genäherten Form meiner Ausgleichung, noch von der Ver- 
schiedenheit des zu Grunde gelegten Materials her, zum gröfsern 
Theil aber von der Vernachlässigung der Wärmewirkung auf den 
Sector durch Busch, bei fünf der verglichenen Sterne endlich 
hauptsächlich von dem Umstande, dafs Busch bei diesen Sternen 
(ö Persei, 18 Camelopardi, : Herculis, E Draconis und £ Cas- 
siopejae, so wie aulserdem bei y Persei, © Draconis und, wie 
oben bereits bemerkt, bei den Kew-Beobachtungen von y Dra- 
conis) die Grölsen B.-R. mit verkehrtem Zeichen genommen 
hat. — 

Die Bestimmnng der Aberrations-Constante aus den auf- 
geführten 13 Sternen hat kein grofses Gewicht, indem diese 
Sterne unter den häufig beobachteten gerade die zu dieser Be- 
stimmung am wenigstens geeigneten sind. Immerhin ist es von 
Interesse zu sehen, dafs die Beobachtungen dieser Sterne im 
Mittel genau mit Struve’s Aberration übereinstimmen; und in 
Betreff der Gesammtheit der Beobachtungen von 1727 — 1729 
(nahe drei Viertel aller in Wanstead angestellten Beobachtungen) 
kann ich wenigstens angeben, dafs sich dieselben durch Struve’s 
Aberration viel besser darstellen lassen, als sie Busch seinen 
Angaben zufolge mit seiner gänzlich abweichenden Aberration 
‚dargestellt hat. Während derselbe nämlich den w.F. einer Beob- 
achtung einer Zenithdistanz von z Grad = Y0'527? + 0/281?2z 
übrig behalten hat, finde ich für diesen w. F. nur den Werth 
VV.A872 + 0066?zz. Busch hat aber jenen Werth erst er- 
halten, nachdem er von 2165 Beobachtungen nicht weniger als 
214 ausgeschlossen hat, vermuthlich alle eine viel zu eng ge- 
zogene Grenze der Abweichung überschreitenden; die Constanten 
seiner Formel würden also, wenn sie übrigens correct abgeleitet 
wären, eigentlich noch etwa um den achten Theil vergröfsert 
_ werden müssen. 


. 


vom Tre 647 


Hr. Pertz macht die folgende Mittheilung: 

Über ein unbekanntes Gesetz des Ostgothischen 
Königs Theodorich. 

Wenn man die kurze Dauer erwägt, welche dem Reiche 
des Ostgothischen Königs Theodorich in Italien beschieden war, 
so wird man durch die grofse Seltenheit oder eigentlich durch 
den Mangel an Handschriften seines Edietum nicht besonders 
überrascht werden. In der That ist von alten Zeiten her nur 
eine einzige Handschrift desselben aufgetaucht. Um so zahl- 
reicher aber, besonders seit dem 135. Jahrhundert, treffen wir 
in den verschiedensten Bibliotheken Europas die Abschriften 
der Variae des Cassiodor, welche als Werk eines berühmten 
Römischen Senators und Rechtsgelehrten, durch die Sprache, 
worin sie abgefafst waren, wie durch die Mannigfaltigkeit der 
darin behandelten Geschäfte eine bedeutende Anziehung übten, 
und daher an den Sitzen der Römischen Rechtsgelehrsamkeit 
fleifsig abgeschrieben wurden, so wenig vorzügliche Hand- 
schriften darunter auch auf uns gekommen sind. Einer neuen 
Bearbeitung derselben, mit Herbeiziehung aller irgend dafür 
brauchbaren Hülfsmittel seit Jahren vorbereitet, dürfen wir von 
der Hand unsers verehrten Collegen Hrn. Haupt entgegen- 
sehen. 

Neben diesen beiden Olassen Ostgothischer Gesetze, dem 
Ediet und den Variae, ward bisher eine gesetzliche Einzelbe- 
stimmung vermilst. Sie hat sich jedoch in einer sehr alten 
Sammlung kanonischer Bestimmungen aus dem Anfange des 
6. Jahrhunderts erhalten, in welcher ich sie ermittelte. Sie 
ist überschrieben: Lex data a rege Theuderico contra illos 
sacerdotes qui substantia ecelesiae iure directo aut vindere aut 
donare praesumunt. 

Es ist also ein Befehl, oder vielmehr ein Gesetz des Kö- 
nigs Theodorich gegen diejenigen Geistlichen, welche das in 


ihrem Besitz befindliche Eigenthum der Kirchen durch Verkauf 


oder Schenkung veräufsern möchten. 

Die Verordnung ist gegeben 5. Idus Martias. Ravenne. 
Venantio Viro Clarissimo Consule. 

Dieses Gesetz findet sich nicht in Cassiodors Variae. Seiner 
Datirung nach könnte es, unter dem Consul Venantius, in drei 


648 Gesammtsitzung 


verschiedene Zeitpunkte fallen. Derselbe war nach den Fasten 
Consul mit Theodorich im Jahre 486, im Jahre 507 mit dem 
Consul Celer, und im Jahre 508 allein. 
Die Wahl unter diesen drei Jahren ist nicht schwierig: 
die Verfügung ward an den Römischen Senat gerichtet; im 
Jahre 488 befand sich König Theodorich noch nicht in Italien, 
wohin er erst 492 aufbrach; im Jahre 507 war Venantius mit 
Celer, nur 508 allein Consul, in dieses Jahr fällt also der Er- 
lafs des Gesetzes. 
Seine Stellung in der Ostgothischen Gesetzgebung im 
5ten Bande der Leges fällt mithin: 
nach dem Edictum Theodorici 
und vor Cassiodors Variae. 


Hr. Braun sprach über eine neue in Neuseeland 
entdeckte Art der Gattung I/soetes. 


Als ich der Akademie im August v. J. eine Übersicht der 
australischen /soetes-Arten vorlegte, war das Vorkommen die- 
ser Gattung in Neuseeland noch nicht ‚bekannt, aber es war 
zu vermuthen, dafs die zahlreichen Gebirgsseen, welche sich 
namentlich auf der Nordinsel befinden, ebenso wie es von den 
Hochgebirgsseen Tasmaniens bekannt ist, von Isoöten bewohnt 
sein möchten. Diese Vermuthung hat sich bestätigt, indem zu 
Anfang d. J. von Hrn. J. Kirk, der gegenwärtig mit der bo- 
tanischen Erforschung Neuseelands beschäftigt ist, in der That 
eine /soetes-Art gesammelt wurde, von der mir fast gleichzeitig 
durch gütige Vermittlung von Dr. Hooker in London und 
Dr. Ferd. v. Müller in Melbourne Exemplare zukamen. Als 
Fundort wird von Hooker der Whangape-See, von Ferd. v. Mül- 
ler Waikato angegeben. Der Waikato ist ein Flufs auf der 
Nordinsel, der von dem über 9000’ hohen Berge Ruapehu ent- 
springt, den grolsen Taupo-See durchströmt und in seinem wei- 
tern Lauf von vielen kleineren Seen begleitet ist, deren einer 
der Whangape sein mag. Die .dort gefundene /soetes- Art ist 
dem ganzen Ansehen nach unzweifelhaft eine ganz unter Was- 
ser wachsende Pflanze, schwächlicheren Formen unserer Is. la- 


vom 22. Juli 1869. 649 


custris in der Tracht und Farbe sehr ähnlich, aber bei genauerer 
Untersuchung in allen wesentlichen Charakteren gänzlich von 
derselben abweichend, der 7. Mülleri aus dem Nordosten Neu- 
hollands, der sie habituell weniger gleicht, zunächst sich an- 
reihend, doch hinreichend verschieden, so dals ich sie als neue 
Art unter dem Namen 7. Kirkü aufstelle. Es zeigt sich auch 
hier wieder, wie ungenügend in dieser Gattung die Beurtheilung 
der Arten nach oberflächlicher Untersuchung ist, wie sehr die 
wenn auch noch so grofse Ähnlichkeit der Tracht täuschen 
kann. 

In den 5 Schlüsseln, welche ich in der Abhandlung über 
die australischen Isoöten gegeben habe, reiht sich 7. Kirkü in 
folgender Weise ein: 

I. Nach der An- und Abwesenheit der Spaltöffnungen 
unter: Stomata adsunt mit dem Beisatz: Vegetatio aquatica, 
submersa. 

U. Nach der Gestalt des Stocks unter: Rhizoma trilobum, 
Abtheilung: Aquaticae. 

IH. Nach dem Schleier unter: Velum completum clausum 
ans Ende mit dem Zusatz: Sporangium velo pallido oceultum, 
cellulis incrassatis nullis. 

IV. Nach der Beschaffenheit der Sporen unter: macro- 
sporae majores, tuberctlis minutis crebris obsitae nach ]. Siuarti 
mit dem Beisatz: Diam. 0,50—0,60 Mm. 

V. Nach den vegetativen Characteren unter: Statura me- 
dioeris nach I. Stuarti mit dem Zusatz: Color saturate viridis, 
vaginarum subfuscus. 

Es ist hieraus ersichtlich, dafs I. Kirkii sich von /. Mül- 
leri durch folgende Merkmale unterscheidet: Kräftigerer Wuchs, 
dickere nach oben weniger fein zugespitzte dunkler grüne Blät- 
ter, bräunliche Scheidenränder, bleiches Sporangium ohne dick- 
wandige Zellen, bedeutend gröfsere Macrosporen mit zahlreiche- 
ren dichter gedrängten nicht zusammenfliefsenden Höckern. Die 
Diagnose kann in folgender Weise gefaflst werden: 

Isoetes Kirkii A. Br. 

Vegetatio aquatica, submersa. Statura mediocris, fere /soe- 
tis lacustris. Rhizoma trifurcatum, foliorum fasciculum basi 
subopertum gerens. Folia versus apicem leniter attenuata, in- 


650 Gesammisitzung 


tense viridia, subdiaphana, stomatibus parce instructa, faseieulis 
fibrosis peripherieis carentia. Velum completum, clausum, pal- 
lidum. Lingula brevis, triangulari-ovata. Sporangium oceul- 
tum, pallidum, cellulis sclerenehymatieis nullis. Macrosporae 
diam. 0,50—0,60 (plerumque 0,55 — 0,57 Mm.), in sicco albae 
vel glaucescentes, ubique tuberculis minutis numerosissimis in- 
aequalibus non confluentibus obsitae. Microsporae laeves? 

Die Beschaffenheit der Microsporen ist etwas zweifelhaft, 
denn reife Microsporangien sind an den vorliegenden Exempla- 
ren nicht vorhanden und in der das Rhizom umgebenden, meist 
aus kleinen Kieseltheilchen bestehenden Erde konnte ich nur 
eine einzige Microspore mit Sicherheit unterscheiden. 

In Beziehung auf die von mir in der früheren Abhandlung 
beschriebene, in den Hochgebirgsseen Tasmaniens von Gunn 
entdeckte /soetes Gunniü bemerke ich nachträglich, dafs Ferd. 
v. Müller dieselbe auf einer Exkursion nach Tasmanien zu An- 
fang dieses Jahres in grofser Menge in dem 4000’ hoch gelege- 
nen Lake Fenton am Mount Field angetroffen hat. Nach sei- 
nen brieflichen Mittheilungen ist die Rigidität der Blätter die- 
ser Art so grols, dafs seine Reisegefährten ihr sofort den Na- 
men Water porcepine (Wasserstachelschwein) gegeben haben. 
Er sah Exemplare, deren Rhizom im frischen Zustand faust- 
srols war, abgesehen davon, dafs oft mehrere Individuen so dicht 
beisammen wachsen, dafs sie zusammenzuhängen scheinen und 
ein grolses Polster bilden. Von den mir übersendeten Exem- 
plaren sind die Blätter des kurzblättrigsten‘nur 4 Centim. lang, 
die der langblättrigsten 8—9 Centim. Die kaffebraunen unbe- 
deckten Sporangien der langblättrigen Exemplare sind gleich- 
falls verhältnifsmäfsig verlängert, 6—7 Mm. lang, 44 Mm. 
breit. 


An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 


Zeitschrift des Ferdinandeum für Tirol und Vorarlberg. Dritte Folge. 
14. Heft. Innsbruck 1869. 8. 

Zeitschrift der Deutschen morgenländischen Gesellschaft. 23. Bd. 1. u. 
2. Heft. Leipzig 1869. 8. 


vom 22. Juli 1869. 651 


 Compte-rendu de la Commission Archeologique pour lannee 1867. Nebst 

“ . Atlas.. Petersburg 1868. 4. 

Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich. 16. Bd. Ab- 
theil. I. Heft 2. Abth. II. Heft 2. Zürich 1868. 4. | 

Vierteljahrsschrift der Astronomischen Gesellschaft. 4. Jahrg. 2. Heft. 
Leipzig 1869. 8. 

Memoires de lacademie des sciences de Petersbourg. Tome XII, no. 4. 
5. Tome XIII, no. 1—7. Petersbourg 1868. 4. 

Memorie della societa italiana di scienze naturali. Tomo U, no. 32. 
"Pomo III, no. 1. Milano 1868. 4. | 

Atti. Vol. XL fasc. 2. ib. 1868. 8. 

Journal of the Asiatic Society. no. 151. Calcutta 1868. 8. 

Proceedings. Dez. 1868. Jan. 1869. 8. 

Numismatie Chronicle no. 1. London 1869. 8. | 

The Homilies of Aphraates. Edited from syriac Manuscripts in the 
British Museum by William Wright. Vol. 1. The Syriac Text. 
London 1869. 4. 

The nomenclature of diseases. London, printed for the Royal College 
of Physicians. 1869. 8. 

W. Bleek, A comparative grammar. 


Von dem aus der Kapstadt anwesenden Hrn. Verf. überreicht. 


29. Juli., Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Droysen las eine Abhandlung, überschrieben: 


Historischer Beitrag zu der Lehre von den 
Congressen. 


Congresse zur Verhandlung über internationale Angelegen- 
heiten, namentlich Friedenscongresse mit oder ohne Mediatoren 
hat es gegeben so lange Staaten in dem Verhältnifs gegenseiti- 
ger Anerkennung neben einander bestanden haben. 

Die Congresse unsres Jahrhunderts pflegen dafür zu gelten 
besonderer Art zu sein und ein neues Stadium in der Entwicke- 
lung des Völkerrechts zu bezeichnen. Als ihre unterscheiden- 
den Merkmale hebt man hervor, dals sie nicht blofs entstan- 
dene Störungen des Friedens, des Gleichgewichts, des öffent- 
lichen Rechts abthun sondern den erst drohenden Störungen 

[1869.] 47 


652 Gesammtsitzung 


vorbeugen wollen, dafs sich in ihnen nicht blofs die unmittel- 
bar Betheiligten zusammenfinden, sondern vielmehr die Grofs- 
mächte als Vertreter und Hüter der grolsen Gemeininteressen 
aller Staaten und Völker die Initiative ergreifen und mit den 
bei dem gegebenen Fall Betheiligten oder auch wohl ohne sie 
und gegen sie ihre Beschlüsse fassen, deren Anerkennung dann 
von ihnen fordern und nöthigen Falls selbst auf dem Wege be- 
waffneter Intervention erzwingen, 

Wie wichtig immer für die politischem Bewegungen und 
Hemmungen seit 1815 die Doctrin und die Praxis dieser Con- 
gresse gewesen sein mag, weder beruht ihre Bedeutung darin, 
dafs mit ihnen der Grund zu einer neuen völkerrechtlichen In- 
stitution gelegt ist, deren Idee, wie ein berühinter Völkerrechts- 
lehrer sagt, eine grofse Zukunft hat; noch sind Congresse mit 
so umfassenden Tendenzen erst ein Erzeugnifs des neunzehnten 
Jahrhunderts und für dessen höhere politische Begabung oder 
Entwicklung ein Beweis. Vielmehr haben frührere Jahrhun- 
derte unter ähnlichen Verhältnissen in der Theorie und in der 
Praxis ähnliche Wege und Irrwege eingeschlagen, ein. Um- 
stand, den die neuere völkerrechtliche Literatur in der Lehre 
von den Congressen nicht hätte unbeachtet lassen sollen. 

Ich will im Folgenden von einigen Congressen sprechen, 
die in den drei Jahrzehnten nach dem Frieden von Utrecht 
gehalten worden sind, und zugleich die ihnen zur Seite gehen- 
den doctrinären Vorschläge anführen ausgehend von einer Schrift, 
die in der völkerrechtlichen Literatur auch jetzt noch genannt 
zu werden pflegt. | 

Der Utrechter Congrefs bezeichnet in der Geschichte des 
europäischen Staatensystems den Abschlufs einer langen nnd 
wechselreichen Periode; derjenigen, in der die Staatenfreiheit 
von der Universalmonarchie, erst des Hauses Oestreichs, dann 
der Frankreichs bedroht geglaubt wurde. Dafs mit der staunens- 
würdigen Entwicklung des Handels zuerst in ‚Holland, dann 
auch in England gleichsam ein neues Machtprincip neben beiden 
empor kam, gab den Gedanken des Gleichgewichts zwischen 
beiden; für die Seemächte galt es, sie gegen einander balanei- 
rend sich das freie Meer und den grolsen Handel zu sichern, 
dessen grölste Ressorts die baltischen Küsten und die west- 


.E vom 29. Juli 1869. 653 
j 


indischen Häfen waren. Die Gefahr, dafs die spanische Suc- 

cession Amerika und die Scheldemündung in gefährliche Hände 

bringen könne, trieb die Seemächte zu unermefslichen Anstren- 
| gungen. England nahm endlich die Anträge Frankreichs an: 
die Theilung der Erbschaft, die bourbonische Succession in 
Spanien und Amerika, den ewigen Verzicht der spanischen 
Bourbonen auf die Nachfolge in Frankreich. Mit dem zwei- 
fachen bourbonischen Thron und der Machtmehrung Oestreichs 
schien das Gleichgewicht zwischen den beiden grofsen Mächten 
hergestellt; es war damit erkauft, dafs man das Gleichgewicht 
der baltischen Welt Preis gegeben, Rufsland dort übermächtig 
hatte werden lassen, eine Wendung, die Holland ungleich 
schwerer als England traf. 

Nach dem furchtbaren Doppelkriege im Osten und Westen 
war Europa auf das Tiefste erschöpft und todtmüde') ähnlich 
wie nach den Kriegen von 1792—1815. Es begann eine Frie- 
' densperiode, die der nach 1815 auch darin ähnlich ist, dafs 

wie der Wiener, so der Utrechter Congrefs unter dem Titel des 
Gleichgewichts, der „juste repartition des forces“ Staatsbildungen 
geschaffen hatte, welche, mit der Natur der betroffenen Länder 
und der Geschichte ihrer Völker in Widerspruch, Heerde neuer 
Zerrüttungen wurden. 

Unter den noch währenden Stürmen jenes Doppelkrieges 
hatte sich ein französischer Academiker Castel de St. Pierre 
Abt von Tiron, einer der merkwürdigsten Publieisten der Zeit, 
damit beschäftigt eine Organisation des Staatensystems zu er- 
sinnen, die der Welt den ewigen Frieden bringen sollte. Er 
ging von einem Gedanken aus, mit dem sich nach einer un- 
sicheren Tradition schon Heinrich IV. von Frankreich getragen 
und dem Elisabeth von England, Jacob II., die Generalstaaten 
ihre Zustimmung gegeben haben sollten. Seit 1708 arbeitete 
St. Pierre an diesem Entwurf, der dann 1712 in Cöln anonym 
gedruckt wurde. Schon 1713 erschien eine zweite erweiterte 
Auflage, in der der Verleger den Autor nannte: Die Schrift 
machte aufserordentliches Aufsehn; es folgten rasch neue, wei- 
ter ausgearbeitete Editionen, 1716 eine in drei Theilen; spä- 
ter überreichte der Autor das als abrege umgearbeitete Werk 
Ludwig XV., und in dieser Gestalt ist es in die 1733 edirte 

47° 


654 Gesammitsitzung 


Amsterdamer Sammlung der gesammten ‚Werdeei "St. Pierres 
übergegangen ?). 

Die Schrift — ich folge der Ausgabe von 1713 — geht 
davon aus, dafs das bisherige System des Gleichgewichts wie 
es die Seemächte vertreten, des Gleichgewichts zwischen den 
Häusern Oestreich und Bourbon keinen dauernden Zustand, 
keinen siehren Frieden begründen könne, vielmehr immer neue 
Kriege hervorrufen werde. Er stellt dar, wie unermefslicher 
Schaden aus dieser steten Unsicherheit den Staaten und Völkern 
erwachse; niemand, sagt er, weder die Mächtigen, noch weniger 
die Schwachen sind dessen sicher, was sie haben; Prätendenten 
— er denkt an Stanislaus von Polen, an den Prinzen von 
ÖOranien, an die Stuarts, an den Anspruch des Herzogs von 
‘Gottorp auf Schweden — finden überall Anlehnungen und bei 
den Völkern bereiten Willen zu Revolutionen; vor Allem der 
Handel leidet; Frankreich das an inneren Erträgen 450 Mill. 
hat, könnte durch den Handel wenn Frieden wäre noch 4 mehr 
150 Mill. gewinnen; England rechnet auf den Handel das Dop- 
-pelte seiner inneren Erträge, die 100 Mill. betragen; Holland, 
das nur 50 Mill. bringt, mehr als das vierfache, über 200 Mill. 
Solehe und gröfsere Summen der Wohlfahrt der Völker zu 
sichern giebt es nur einen Weg. Er empfiehlt die sämmtlichen 
Staaten der Christenheit zu einer grolsen Föderation zu einigen, 
ähnlich der der souverainen Fürsten und Stände im Reich, dem 
Bunde der Schweizer, dem der souveränen sieben Provinzen der 
Niederlande; diese Föderation würde dann repräsentirt sein 
durch einen immerwährenden Oongrefs von 18 oder wie später 
vorgeschlagen wird 24 Stimmen: darunter einige Collectivstim- 
men, so die der geistlichen Kurfürsten am Rhein, Genuas mit 
einigen kleinen italienischen Staaten, Curlands mit Danzig und 
etwa den Hansestädten. Dieser CGongrefs der vereinigten Staa- 
‚en Europas hat als höchste europäische Aufsichtsbehörde und 
- zugleich als souveraines völkerrechtliches Tribunal zu verfahren, 
allem Kriege zwischen den Staaten, allen Revolutionen in ihrem 
Innern, allen Eingriffen von Prätendenten durch rechtlichen 
Spruch und nöthigenfalls durch bewaffnetes Einschreiten der 
aufgebotenen föderirten Mächte zuvorzukommen; seine Aufgabe 
ist: alle Rechte wie sie vertragsmälsig festgestellt sind zu be- 


vom: ag Juli 1869. 655 


' wahren; also wie Fürst. Metternich seiner Zeit es ausgedrückt 
hat: la conversation de toutes les choses legalement existantes. 

Begreiflich dafs ein solcher Plan auf den Beifall der schwä- 
cheren Staaten und der wie Holland sinkenden Mächte, auf die 
Kreise der, schon beginnenden Humanität und Aufklärung, auf 
die FERNE des Grofshandels und der mit ‚dem Frieden 
rasch  'erwachsenden industriellen Speculation rechnen durfte. 
Aber besafs er in gleicheın Maafse die Elemente, practisch zu 
werden? | 

Auf dem Wiener :Öongrefs 1815 konnte es dafür gelten, 
dafs das alte legitime Europa die Revolution, von der es in 
fünfundzwanzigjährigem Kampf so furchtbar heimgesucht wor- 
den war, mit vereinten Kräften endlich bewältigt habe und 


' fortan alle Throne das gleiche Interesse hätten die Wiederkehr 
- Ähnlicher Gefahr unmöglich zu machen. Es wurde das System 
der Solidarität proclamirt, das in der „Acte der heiligen Allianz“ 


und in der Deeclaration von Aachen vom 15. November 1818 
ihren Ausdruck fand. Von wissenschaftlicher Seite her wurde 


alles Ernstes ausgesprochen, dafs der Menschheit „der Gottes- 


friede* gegründet sei. 

Und als die Christenheit nach dem Fall Constanstinopels 
dem ungeheuren Andrang der türkischen Macht zu erliegen in 
Gefahr schien, konnte Pabst Pius I. in dem Congrefs von 
Mantua eine Einigung aller christlichen Staaten zum Kampf 
gegen die Ungläubigen versuchen, eine Wendung, die vor allem 
dazu diente, die mit dem Ausgang des Baseler Conciles ein- 
geleitete Restauration der päpstlichen Gewalt zu vollenden. 

Eine solche Basis der Solidarität bot der Entwurf St. 
Pierres nicht. Wenn er den durch den Utrechter Frieden ge- 
schaftenen Besitzstand zur Grundlage machte, so war eben 
dieser Frieden dadurch ermöglicht worden, dafs England die 
Sache der grofsen Allianz verliefs und hinter dem Rücken der 
Alliirten mit Frankreich Präliminarien schlofs, denen’ sich Hol- 
land, Portugal, Preufsen Sardinien zögernd anschlossen, wäh- 
rend der Kaiser nach einem neuen Feldzuge mit Frankreich in 
Rastadt auf anderen Grundlagen zum Frieden kam, zwischen 
dem Kaiser und Spanien überhaupt ein Friede nicht geschlossen 
wurde. Wenn St. Pierres Entwurf Schutz gegen Prätendenten 


656 @esammtsitzung 


und Revolutionen verhiefs, so hatte England, Schweden, Hol- 
land, das östreichische Italien deren zu fürchten, aber eben diefs 
war ihren Rivalen genehm so wie denen, die von den Ergeb- 
nissen der letzten Friedensschlüsse wenig befriedigt waren 
und sich keinesweges immer bei denselben zu beruhigen ge- 
dachten. Wenn der vorgeschlagene europäische Congrefs die 
künftigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden sollte, so waren ja 
von einer diplomatischen Versammlung Entscheide mehr nach 
dem droit de convenance, wie man zu sagen begann’), als nach 
dem begründeten Recht vorauszusehen; und welcher Bethei- 
ligte hätte sich solchen Beliebungen des europäischen Con- 
erets fügen sollen, wenn er irgend die Mittel oder Allianzen 
finden konnte sich dessen zu weigern. Wenn endlich St. Pierres 
Entwurf auf die Commereien so grolsen Nachdruck gelegt hatte, 
so waren diese wohl für die Seemächte, allenfalls für Frankreich 
von Gewicht; aber alle anderen Staaten hatten nur Passiv- 
Handel; die Tarife Frankreichs, die Navigationsacte Englands, 
die unermelfslichen Capitalien Hollands verdrängten jede Con- 
eurrenz. Mancher Orten ging man daran sich dieser commer- 
ciellen Fremdherrschaft zu entziehn; Dänemark gründete eine 
indische Handelscompagnie in Altona; Rufsland erliefs Handels- 
verbote und verlegte, wie der Ausdruck- war, den persianischen 
Handel von Archangel, wo ihn der englische Kaufmann inne ge- 
habt hatte, nach Petersburg; trotz der geschlossenen Schelde 
begann in den Niederlanden, seit sie östreichisch geworden, 
der Handel wieder rege zu werden, dem der Kaiser demnächst 
in der Compagnie von Ostende einen Mittelpunkt gab; und 
Spanien lernte den Hebel gebrauchen, den es in dem Gewähren 
und Versagen des Handels mit seinem amerikanischen Colonien 
besafs, wenn auch dieser Hebel in der Hand der zweiten Ge- 
mahlin des Königs, der herrschsüchtigen Elisabeth von Parma, 
zwanzig Jahre lang nur dazu diente, bald Frankreich bald Oest- 
reich bald die Seemächte zu gewinnen, damit sie für die Ver- 
“ sorgung ihrer Infanten mit italienischen Fürstenthümern. sich 
ins Zeug legten. 

Aber unfruchtbar blieb auch für. die praktische Politik 
St. Pierres Gedanke nicht. Warum sollten die leitenden 
Mächte nicht ihren Einflufs damit mehren, dafs sie in der 


rn une. 


vom 29. Juli 1869. . 65% 


Form von Congressen Conflicten, die ihnen nicht bequem waren, 
vorbeugten und streitige Successionen, die minder Mächtigen 
unerwünschte Vergröfserung bringen konnten, aus der Welt 
schafften? sie konnten in dieser Form europäischer Verhand- 
lungen ihr diplomatisches Gewicht anwenden, ihre starken Ri- 


valen zu überholen und die kleineren „Potenzien“ in ihr Kiel- 


wasser zu zwingen; sie konnten das im Norden Versäumte — 
denn dem Kaiser und der Krone Frankreich so gut wie den 
Seemächten war dieses staunenswürdige Emporkommen Rufs- 
lands unerträglich — in diplomatischer Weise nachzuholen 
hoffen. Sie gewannen die öffentliche Meinung wenn sie diesen 
Weg „zum Generalfrieden zu gelangen* wie der technische Aus- 
druck war, einschlugen, zum Generalfrieden, der allein einen 
sichren und dauernden Ruhestand schaffen zu können schien. 
Denn der nordische so wenig wie der Successionskrieg hatte 
mit einer allgemeinen Pacification, mit einem gemeinsamen Ab- 
schlufs aller Betheiligten geendet, sondern je drei, vier Parti- 
eularfrieden waren geschlossen worden, und man war im Westen 
wie im Norden nicht in der Lage gewesen den Nichtwollenden 
den Frieden aufzuzwingen, wie 1815 mit Italien, mit Polen, 
mit Norwegen geschehen ist. Es schien um so angemessener 
auf einem europäischen Congrefs das Versäumte nachzuholen, 
die particularen Friedensschlüsse um die europäische Sanction 
und Garantie zu verstärken, so endlich die Summe der ver- 
tragsmälsigen Anordnungen dem Codex des europäischen Völker- 
rechts, wie man sich gern ausdrückte, einzuverleiben. 
Natürlich dafs die nun folgenden Congresse in dem Maafse 
weniger Erfolg hatten, als sie umfassendere Wirksamkeit in 
Anspruch nahmen, gerade wie die Congresse des neunzehnten 
Jahrhunderts unwirksam wurden, sobald sie mit dem System 
der Solidarität Ernst zu machen versuchten: wie sich schon 
gegen das Troppauer Protokoll vom 29. Nov. 1820 England 
verwahrte, „weil diefs Protokoll die Grundlage eines allgemeinen 
Systems zu bezwecken scheine“; oder wie dasselbe England 
den eontinentalen Mächten, als sie nach dem Congrefs von Verona 
auch die spanischen Colonien für die Legitimität zu retten beab- 
sichtigten, positiv entgegentrat trotz der dringenden Erinnerung, 
dals es gelte „einen grofsen Scandal zu vermeiden“; oder wie sich 


658 Gesammtsitzung 


die Congresse und Conferenzen der Grofsmächte, so 'oft, sie. die 
orientalische Frage durch Protokolle zu ordnen unternahmen, 
jedesmal in gröfserem: Zerwürfnifs trennten, davon die Vorgänge 
von 1828 und 1840 Zeugnifs geben. Nur: die sogenannten Lon- 
doner Üonferenzen: in Betreff Belgiens nach 1830 ergaben ein 
günstiges Resultat, weil sich die Grolsmächte begnügten die that- 
sächlich vollzogene ‚Kritik einer ihrer Schöpfungen von 1815 
anzuerkennen und ‚die Ordnung des neugewordenen Zustandes 
durch ihre Mediation zu erleichtern. 

Es genügt an dieser ‚Stelle von den zahlreichen Congressen 
der Zeit von 1713—1740 die wichtigsten zu nennen. Zuerst der 
Braunschweiger Congrefs, den der Kaiser 1713 berief um 
die nordischen Wirren theils als Vermittler theils kraft seines 
oberrichtlichen Amtes in Betreff der deutschen Lande Schwedens 
zum Schlufs zu bringen; der Congrefs tagte bis 1721, ohne zu 
nennenswerther Wirksamkeit zu gelangen. Dann der Danziger 
Congre[s von 1718, der kaum bis zur Eröffnung gelangte. Dann 
der Congrefs von Cambray, der 1719 von Frankreich und 
den Seemächten veranlafst wurde, um den zwischen dem Kaiser 
und Spanien wieder begonnenen Krieg damit zu schlichten, dafs 
den spanischen Bourbonen eine Secundogenitur in Italien mit 
den Reichslehen Toscana, Parma und Piacenza, die auf den 
Fall standen, zugesichert wurde; er ging nach vergeblichen 
Unterhandlungen 1725 auseinander, da bekannt wurde, dafs 
der Kaiser und Spanien sich ohne Vermittlung verständigt 
hatten. > 

Mehr noch, sie waren in ein sehr enges Bundesverhältnifs 
getreten, dem sich sofort Rufsland anschlofs; und die erste 
offenkundige Wirkung desselben war, dafs die kaiserliche Com- 
pagnie von Ostende umfassende Privilegien für den amerikani- 
schen Handel erhielt. England war in grofser Besorgnifs; es 
eilte dieser Wiener Allianz gegenüber die hannöverschen Allianz 
zu gründen, eine Goalition zunächst mit Frankreich und Preussen, 
‘für die man Holland, Schweden, Dänemark u. s. w. zu gewinnen 
hoffte. Europa theilt sich in zwei feindliche Kriegslager; ein 
ungeheuerer Zusammenstofs schien unvermeidlich; England 
wünschte ihn, drängte zum Angriff, forderte Preufsen auf sich 
Schlesien zu erobern. Nach der Auffassung des preufsischen 


R 


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vom 29. Juli 1869. 659 


Hofes war die hannövrische Allianz nur defensiver Natur; Preus- 
sens ruhige Haltung hinderte den Zusammenstols. Der ge- 
schickten Hand des Cardinals Fleury gelang es einen neuen 
Congrefs herbeizuführen, der in Aachen zusammentreten sollte 
nach Cambray berufen, nach Soissons, um ganz in der Nähe 
des französischen Hofes zu tagen, verlegt wurde. ‚Eine östreichi- 
sche Staatsschrift*) die kurz vor Beginn des Congresses ver- 
breitet wurde, erörtert die Aufgaben dieses Uongresses und die 
Grenzen seiner Competenz; sie kam zu dem Schlufs, dafs nicht 
Europa, sondern nur die beiden Alliancen zusammenträten, dafs 
nur die zwischen diesen streitigen Fragen verhandelt werden 
dürften, nicht Fragen des Reichs, nicht Religionsangelegenheiten. 
Und in solehem Sinn äufserte sich der Hofkanzler Graf Sinzen- 
dorff bei der Eröffnung in Soissons; Cardinal Fleury antwortete: 
der Zweck, den man mit diesem Oongrefs verfolge, sei alle Inte- 
ressen auszugleichen die streitig seien, und alles zu beseitigen 
was zu einem Bruch führen könnte’). Und so wurden denn 
alle möglichen Fragen an den Congrefs gebracht, gleich als 
wenn er ein europäisches Tribunal sei; von Holland die ost- 
friesische, von Kurpfalz die jülische Successionssache, obschon 
in beiden der Fall noch nicht eingetreten war und obschon 
Preufsen, das an beiden zunächst betheiligte, den Congrefs nicht 
beschickt hatte; die gottorpische Sache d. h. der von England 
und Frankreich der Krone Dänemarks garantirte Besitz Schles- 
wigs, obschon Rufsland, das die Rechte des Herzogs von Hol- 
stein vertrat, gegen Oongrefsentscheidung in dieser Sache pro- 
testirte; ja das Corpus Evangelicorum in Regensburg. schickte 
sich an, die deutschen Religionsbeschwerden an den Congrefs 
zu bringen; die mecklenburgische Frage hoffte Hannover im 
Interesse der Ritterschaft gegen den Herzog entscheiden zu 
lassen u. s. w. 

Der Congrefs endete damit, das bei der fortgesetzten Hart- 
näckigkeit Spaniens, die namentlich den englischen Handel nach 
Amerika schwer traf, Frankreich die Hand dazu bot, hinter 


' dem Rücken des Üongresses durch den Vertrag von Sevilla 


beide auszugleichen auf Kosten des Kaisers: für die Zusicherung, 
den Infanten Don Carlos schon jetzt in den Besitz von Parma 
zu setzen und des Kaisers Zustimmung nöthigen Falls zu er- 


660 Gesammtsitzung 


zwingen, gab der spanische Hof die Wiener Allianz auf und 
gewährte den Engländern was sie wünschten. 

Es stand 1730 hart zum Bruch zwischen den Sevillanern 
auf der einen, dem Kaiser und Rufsland auf der andern Seite; 
Preufsen war für den Fall der Defensive den beiden Kaiserhöfen 
gewifs. Nur dafs England über die wachsende Vertraulichkeit 
zwischen Frankreich und Spanien und die Folgen der bour- 
bonischen Machtgründung in Italien besorgt, über die mit Eifer 
betriebene Mehrung der französischen Marine und den. rasch 
fortschreitenden amerikanischen und Levantehandel Frankreich 
höchst eifersüchtig mit plötzlicher Wendung zu der Freundschaft 
mit dem Wiener Hofe zurückkehrte, dort um so willkommener, 
da es die Garantie der pragmatischen Sanction als Preis bot. 
Und Holland blieb in der Gewohnheit dem englischen Hofe 
wenn auch zögernd und mit sauersüfser Miene zu folgen. . Die 
Schritte, die sich der Wiener Hof gegen Preufsen erlaubte, 
zeigten, dafs er sich in Allianz mit den Seemächten und mit 
Rufsland jeder Gefahr gewachsen fühlte. 

Er wagte das kühnste Spiel. Es ist der Mühe werth die 
Momente desselben, die in der tradionellen Auffassung der 
grolsen Wendung von 1733 verdunkelt sind, kurz zu bezeichnen. 

Der Kaiser hatte die Zukunft Oestreichs auf seine prag- 
magtische Sanction gestellt; aber deren Grundlage war von 
rechtlich sehr zweifelhafter Natur. In dem solennen Act vom 
12. Septbr. 1703 hatte Kaiser Leopold mit seinen beiden Söhnen, 
den nachmaligen Kaisern Joseph I. und Karl VI, ein Hausgesetz 
errichtet, nach dem, wenn der Mannesstamm des Hauses aus- 
sterbe, die josephinischen Erzherzoginnen und ihre Descendenz 
den carolinischen vorausgehn sollten, indem ihnen die spani- 
sche Suecession — denn Karl VI war damals bereits als König 
von Spanien proclamirt so wie Joseph zum römischen König 
gewählt — bleiben solle. Diefs Hausgesetz hatte Karl VI 

nachdem er seinem Bruder als Kaiser gefolgt war und Wie 
Krone Spanien verloren hatte, durch das Hausgesetz vom 
19. April 1715, die sogenannte pragmatische Sanction, dahin 
abgeändert, dafs seine Töchter und zwar zunächst die älteste 
Maria Theresia den josephinischen Erzherzoginnen vorgehen 
sollten. Von diesen war die ältere an den Kurprinzen von 


) 


N 


vom 29. Juli 1869. Bet 


Sachsen, die zweite an den Kurfürsten Karl Albert von Baiern 
vermählt; dafs ihre Verzichtleistungen nicht ausreichen würden, 
mufste man in Wien voraus sehen, nicht minder, dafs die Rivalen 
des Hauses Oestreich und in erster Reihe Frankreich diese jo- 
sephinischen Ansprüche zu benutzen suchen würden, die Macht 
desselben durch Theilungen zu schwächen, dafs namentlich Spa- 
nien mit allem Eifer hinzutreten werde, da der Kaiser die ge- 
hoffte Vermählung der Erbtochter mit dem Infanten Don Carlos 
durchaus nicht zugeben wollte, vielmehr, wie offenkundig war, den 
Herzog von Lothringen zum Eidam wünschte. Eben diese Mög- 
lichkeit beunruhigte Frankreich auf das Äufserste. Frankreich 
hatte das Haus Lothringen auf alle Weise an sich zu ketten 
gesucht, die Mutter dieses Herzogs war eine französische Prin- 
zessin; wenn nun der Herzog sich mit der Erbin der östreich- 
schen Macht vermählte, wenn Lothringen damit eine Proviuz 
dieses mächtigen Hauses wurde, so war dies Land, mit den 
östreichischen Niederlanden und der mächtigen Festung Luxem- 
burg im. Rücken, ein Keil in das französische Gebiet hinein, 
der den Elsafs von dem Körper des Staats trennte; das Ver- 
theidigungssystem Frankreichs war an seiner verletzbarsten 
Stelle Deutschland gegenüber gesprengt. 

Der Wiener Hof mufste inne werden, dafs er die pragma- 


‚tische Sanction nicht ohne einen grofsen Krieg werde durch- 


führen können, dafs er erst Frankreich besiegen müsse, ehe er 
der Sucession Maria Therisia’s sicher sei. Er wünschte diese 
Entscheidung nicht aufzuschieben, bis der Fall da sei. Es bot 
sich ihm eine günstige Gelegenheit, einen Krieg zu beginnen, 
der, wenn er glücklich verlief, von selbst Lothringen und die 
Geltung der Sanction als Siegespreis brachte, wenn unglücklich, 
die eine Frage zu vertagen, die andre mit Ehren aufzugeben 
stattete. 

August Il war im Februar 1755 gestorben; die Wahl seines 
Sohnes in Polen hatte bei seinen Lebzeiten nicht durchgesetzt 
werden können. Der Wiener Hof gewann Rufsland für diese 


"Wahl, die August III. zugleich und ausdrücklich als Entschädi- 


gung für seine josephinischen Ansprüche angerechnet wurde. 
Aber Polen hatte noch einen rechtmäfsig bestellten König, jenen 
Stanislaus Lesczinski, der in Karl XII. Zeit gewählt worden 


662 Gesammtsitzung 


war und nie verzichtet hatte; und mit der Tochter dieses Königs 
hatte sich Ludwig XV. vermält. Die Republik Polen wählte ihn 
fast einstimmig von Neuem. Obschon nun Frankreich ausdrück- 
lich erklärte, dafs es jeden Versuch zur Wahl des jungen Kurfür- 
sten von Sachsen als Kriessfall ansehen werde, rückte ein russi- 
sches Heer nach Polen ein und liefs durch eine Minorität August Ill. 
wählen, zu dessen Unterstützung ein kaiserliches Heer in 'Schle- 
sien bereit stand. Sofort gingen die Franzosen über den Rhein; 
sie schlossen mit Spanien den Familientractat vom 7. Nov. 1733, 
und die Spanier begannen den von ilınen längst ersehnten An- 
griff in Italien; der König von Sardinien machte gemeine Sache 
mit ihnen. Vergebens rief der Wiener Hof die Seemächte auf; 
es hiefs: der Kampf gelte ja nicht die pragmatische Sanction. 
Er mufste den Russen allein die Geschicke Polens überlasseu, 
um den gleichzeitigen Angriff in Italien und am Rhein zu be- 
stehen; er war demselben in keiner Weise gewachsen. 

Er wäre es gewesen, wenn er nicht Preufsen auf uner- 
hörte Weise vernachläfsigt, mifshandelt, ja eben in Beginn die- 
ser polnischen Verwicklung mit Rufslaud gemeinsam durch den 
Löwenwoldischen Vertrag hintergangen hätte; theils weil man 
in Wien das Emporkommen dieser militärischen Macht, die 
das evangelische Wesen im Reich mit höchst unerwünschter 
Energie vertrat, fürchtete, theils weil man sich der gegen Preus- 
sen eingegangenen Verpflichtungen in Betreff der jülich-bergi- 
schen Succession mit guter Manier entziehen wollte. 

Das zweite Kriegsjahr 1734 verlief für Oestreich ungünstig, 
das dritte noch ungünstiger; statt der immer dringender gefor- 
derten allianzmäfsigen Hilfe boten die Seemächte ihre Ver- 
mittlung, schlugen (25. Februar 1755) Präliminarien vor, auf 
Grund deren ein Congrefs berufen. werden sollte; sie hatten die 
angenehme Hoffnung, die balance de l’Europe völlig wieder in 
ihre Hand zu bringen und auf dem Congrefs allerlei sonst, was 
ihnen am Herzen lag, namentlich die ostfriesische, jülische, 
meklenburgische Sache, die Frage des amerikanischen und des 
Östseehandels, nach ihrem Interesse zu regeln. Allerdings 
lautete die Antwort Frankreichs (20. Juli 1755) günstig; 
namentlich sagte sie: es sei nothwendig, solche Anordnungen 
zu treffen, welche die allgemeine Ruhe dauernd sichern könnten, 


| vom 29. Juli 1869. ..6635 


die gegen den Kaiser vereinten Kronen seien gern bereit (ne 
s’eloignent pas) auf einem Congrefs alle Sachen, die diesen 
Zweck erfüllen könnten, zu verhandeln, indem sie dahin arbeite- 
ten Allem zuvorzukommen, was dem Frieden hinderlich sein 
oder ihn in Zukunft stören könnte. 

Als ersten Schritt dazu schlugen die Seemächte ‚einen 
Waffenstillstand auf den status quo vor. Dieser status quo wäre 
für den Kaiser höchst unglücklich gewesen; ‚er lehnte ihn ab: 
aber noch sei es Zeit, liefs er im Haag erklären, das Gleich- 
gewicht Europas zu retten; an Mitteln dazu fehle es nicht, er 
werde sie anzeigen, wenn man mit ihm die Maafsregeln ver- 
abreden wolle, die man nicht verzögern könne, ohne die Repu- 
blik der gröfsten Gefahr auszusetzen, die jemals über sie ge- 
kommen. 

Es gab noch andere Pacificationsprojecte, zwei von ihnen 
sind besonders merkwürdig. Der eine, bisher ungedruckt, eine 
von der heiligen Congregation der Cardinäle an den kai- 
serlichen Hof übereichte Denkschrift“), empfahl innige Verbin- 
dung zwischen Frankreich und dem Kaiser, wie sie Marschall 
Villars namentlich seit seinen Verhandlungen mit Prinz Eugen in 
Rastadt 1715—1714 im französischen Cabinet immer vertreten 
hatte, Vereinigung aller katholischen Mächte zu einer heiligen 
Liga, um endlich mit den Ketzern und den Ungläubigen ein 
Ende zumachen; ein Project voll der kühnsten und radicalsten 
Ideen. Ein zweiter Plan ist vom Cardinal Alberoni’); auch er 
empfiehlt den Kampf gegen die Türken als das sicherste Mittel, 
die Christenheit zu beruhigen; zu dem Ende soll der Kaiser 
die Niederlande und Italien ganz aufgeben und seine Macht 
gegen den Osten verwenden und erweitern; die Niederlande 
soll der Herzog von Lothringen erhalten, damit Lothringen an 
Stanislaus und nach dessen Tod an Frankreich komme; Ita- 
lien soll nach Art des corps germanique eine Förderation von 
Staaten bilden mit einer diete generale von gleicher Befugnifs 
wie der Regensburger Reichstag; — also derselbe Plan, auf 
den die Politik von 1859 zurückgekommen ist. 

Nach den Niederlagen des Kaisers im August und Septem- 
ber 17355 — sie waren den Seemächten erwünscht, da man 
nun in Wien zur Besinnung kommen werde °) — verbreitete sich 


664 Gesammtsitzung 


aller Welt unerwartet die Nachricht, dafs der Kaiser und Frank- 
reich am 3. October ihren Frieden geschlossen hätten ohne Ver- 
mittler, ohne Zuziehung der Verbündeten. In den zwischen 
ihnen vereinbarten Artikeln war festgestellt, dafs August III 
Polen, Stanislaus als Entschädigung Lothringen und Bar er- 
halten, dafs nach dessen Tode diese Lande an Frankreich 
fallen, dafs der Herzog von Lothringen mit Parma und Pia- 
cenza entschädigt werden, dafs der Kaiser dafür die König- 
reiche Sicilien und Neapel an Don Carlos abtreten solle. “Zu- 
gleich wurde ein Congrefs in Aussicht genommen, zu dem auch 
Rufsland und August III. eingeladen werden sollten, ein Con- 
srefs, der nur die auf diesen Krieg bezüglichen Fragen ver- 
handeln werde’). 

Also der Kaiser hatte mit der definitiven Preisgebung des 
Reichslandes Lothringen und mit grofsen Zugeständnissen an 
das Haus der Bourbonen in Italien die französische Garantie 
der Sanction erkauft. Er glaubte fortan auf die sichere Freund- 
schaft Frankreichs rechnen zu dürfen, des alten Rivalen, der 
mit dem Gewinn Lothringens und der Gründung einer bourbo- 
nischen Königskronen in Italien für immer ersättigt schien. 
Aber die Verbündeten Frankreichs waren empört über diesen 
Frieden, der ohne sie geschlossen war und sie in Mitten ihres 
Siegeslaufes hemmte. Noch viel schmerzlicher empfand man 
im Haag und in London den geschehenen Schritt: „es ist ein 
förmliches Complott gegen die Seemächte“ sagte man im Haag. 
Sie waren vor die Thür gestellt; was sollte aus dem europäi- 
schen Gleichgewicht werden, wenn es Mode wurde, die allge- 
meinen Angelegenheiten „von Hof zu Hof“, ohne die Theilnahme 
Europas zu verhandeln. Rousset, der in seiner vielseitigen und 
einflufsreichen publieistischen Thätigkeit fort und fort die Lehre 
vom europäischen Concert, vom Generalfrieden und den Con- 
gressen gepredigt hatte, schrieb: „die Union zwischen Frankreich 
und dem Kaiser wird fortan die Stelle einer diete Europeenne 
einnehmen, die Abb& St. Pierre als das höchste Tribunal für 
den europäischen Frieden empfohlen hat“!°). Weder Frankreich 
noch der Kaiser hörte vorerst auf solche Klagen. Angust Ill. 
von Polen nahm mit Vergnügen den Frieden an; ebenso der 
russische Hof, der sich, nun Polens gewils, sofort zu einem 


vom 29. Juli 1869. 665 


Türkenkriege anschickte, namentlich um Asow und das schwarze 
Meer zu gewinnen. Spanien und Sardinien für den Frieden 
zu bestimmen übernahm Frankreich; die Zustimmung des 
Reiches einzuhohlen, dafs ja den Reichskrieg erklärt hatte, hielt 
der Kaiser, da er Frankreichs sicher war, nicht für nöthig, 
nicht einmal Anzeige von dem geschehenen Friedenschlüssen 
wurde in Regensburg gemacht. 

Europa war in einem unerhörten Zustande. Wie grofse 
Opfer der Wiener Hof hatte bringen müssen, der Freundschaft 
Frankreichs gewifs hatte er nichts mehr zu fürchten. Die 
beiden Mächte, deren Rivalität bisher die Grundlage des euro- 
päischen Gleichgewichts gewesen war, standen nun fest vereint; 
ihre Allianz beherrsebte die politische Welt; um so Mehr, da 
Rufsland mit ihnen im völligen Einvernehmen stand; — es 
war der erste Versuch jener Verbindung, die dann 1756 zu 
ihrer vollen Wirkung kommen sollte und ohne Friedrichs II. 
kühne Initiative gekommen wäre. 

Sie beherrschte Europa. Die Republik Polen war Dank 
dem ‘östreichischen System politisch und militärisch in völliger 
Dependenz von Rufsland; Rufsland hatte damit die türkischen 
Stellungen am Pruth überhohlt, und im gegebenen Fall war mit 
den Festungen der unteren Weichsel Ostpreufsen von Pommern 
und den Marken durch russische Besatzungen getrennt. Hatte 
der Wiener Hof den Norden und Osten an Rufsland, den Süden 
und Westen Europas der bourbonischen Politik überantwortet, so 
begann er in den deutschen Landen die kaiserliche Autorität in 
hastig gesteigerter Weise zu handhaben, besonders gegen Preus- 
sen, das mit seiner Kriegsbereitschaft den östreichischen Inte- 
ressen äulserst unbequem war und demnächst mit dem Anfall 
der jülischen und ostfriesischen Succession noch mächtiger wer- 
den mufste; und der Häafs und Neid gegen Preufsen war bei 
den Ständen im Reich, den geistlichen wie weltlichen, den 
evangelischen wie katholischen so lebhaft und einig, dafs man 
selbst willkührliche Schritte des oberrichterlichen und oberlehns- 
herrlichen Gewalt willkommen hiefs, wenn sie Preulsen trafen. 
Die italienischen Staaten, Sardinien und Spanien mit ein- 
geschlossen, fühlten den Druck der vereinten ‘beiden Grols- 
mächte, wenn auch Spanien noch den Wiener Präliminarien 


ne Gesammtsitzung 


Trotz bot. Wenn je so hätten jetzt die Seemächte eintreten 
und mit ihrer ganzen Macht das zerbrochene Gleichgewicht 
herzustellen versuchen müssen; aber Holland zitterte vor der 
Möslichkeit eines Krieges, eines Zerwürfnisses mit Frankreich, 
zumal da der Handelsvertrag mit Frankreich zu Ende lief; und 
England war bereits in schweren Differenzen mit Spanien wegen 
des Handels und Smuggels von Gibraltar aus nach Spanien 
hinein und von Jamaica aus mit dem spanischen Amerika; jetzt 
ein Krieg, und Spanien hätte die ganze Macht Frankreiehs auf 
seiner. Seite gehabt, England hätte der vereinten Seemacht der 
bourbonischen Höfe, die in staunenswerthem Aufschwung war, 
wahrscheinlich ohne Holland gegenüber gestanden. 

In dieser peinlichen Weltlage veröffentlichte Cardinal Al- 
beroni ein zweites Project: „Vorschlag das türkische Reich unter 
der christlichen Potentaten Botmäfsigkeit zu bringen.“!!) Er 
empfiehlt die Eroberung der Türkei, Theilung derselben unter 
die christlichen Mächte; der Kaiser soll die Donau bis zur 
Mündung, die Provinzen bis an den Balkan erhalten, der Herzog 
von Gottorp Kaiser in Constantinopel werden, Sardinien soll 
Cypern, die Generalstaaten Rhodos und Aleppo, England Creta 
und Smyrna erhalten u.s.w.; Preufsen wird, weil es alle- 
zeit die eifrigsten Proben seiner Neigung für das gemeine Beste 
darlegt, die fruchtbare Insel Negroponte erhalten; Spanien, Por- 
tugal, Frankreich werden sich Tunis, Tripolis, Algier nehmen, 
Rufsland Asow und die Krim’ besetzen und dafür den Theil 
Finnlands, den es inne hat, an Schweden zurückgeben. Den 
Krieg zu führen werden alle europäischen Staaten theils Land- 
volk theils Schiffe stellen; die ganze Streitkraft des Christenheers 
wird 370,000 Mann, 100 Schiffe und Fregatten betragen. Der 
erste Schritt wird die Berufung eines europäischen Congresses 
nach ‘Regensburg sein, der den Kriegsplan, die Vertheilung 
der Eroberung u. s. w. feststellt; der Congref[s wird als immer- 
. währender europäischer Reichtstag versammelt bleiben, er wird 
alle Streitigkeiten zwischen den europäischen Staaten über Reli- 
gion, Erbfolgen, Prätensionen u. s. w. nach Stimmenmehrheit 
entscheiden, und wenn sich ein Staat nicht innerhalb 6 Monate 
fügt, wird: dieser Reichstag mit europäischer Execution gegen 
ihn verfahren, zu der die Staaten nach dem Maals der für den 


vom 29. Juli 1869. 667 


A u u ee 


 Türkenkrieg bestimmten Matrikel mitwirken u.s. w. Das Pro- 
| jeet datirt aus den ersten Monaten des Jahres 1736, wie eine 
Anmerkung der deutschen Übersetzung ergiebt (p. Alps „ehe 
| noch die Russen nach Asow marschieret.“ 
| Auch die Seemächte arbeiteten auf das Eifrigste; sie be- 
antragten in Wien und Versailles die Berufung eines General- 
congresses, der alle Fragen die streitig seien oder demnächst 
Streit veranlassen könnten, regeln und einen neuen traite regu- 
latif ähnlich dem von Osnabrück und Münster aufstellen sollten; 
der Kaiser, Frankreich und die beiden Seemächte sollten sich 
vereinigen die Ruhe Europas aufrecht zu erhalten und sie gegen 
jede Macht, die sie zu stören unternehme, vertheidigen; alle 
andern Mächte sollten durch sie gezwungen werden, sagt der 
mir vorliegende Bericht, sich ohne Murren den Dictaten der 
vier Mächte zu unterwerfen (au dietamen d’un tribunal si re- 
doutable).. Der Plan zu diesem diplomatischen Manöver war 
vom Londoner Hofe ausgegangen, der, sagt jener Bericht, so die 
Fäden der Direction der europäischen Angelegenheit wieder zu 
erfassen hofft, die seit der Verständigung Frankreichs und des 
Kaisers seinen Händen entfallen sind. 

Allerdings warf sich der Kaiser auf Einladung Rulslands, 
das schon 1736 Asow nahm, und auf den biedern Rath des 
Card. Fleury 1737 in den Türkenkrieg, um die Verluste des 
französischen Kriegs im Osten wieder einzubringen; nur dafs 
er mit dem sich steigernden Unglück der drei Kriegsjahre um 
desto abhängiger von Frankreich wurde. 

| In dem chaotischen Taumel der europäischen Politik seit 
dem Wiener Frieden stand nur Preufsen mit seiner festge- 
schlossenen Macht noch abwartend und wie unbetheiligt zur 


Seite; sie war bedeutend genug, um in Verbindung mit den 


nun in at 


Seemächten der furchtbaren Bewegung Halt gebieten zu können. 
Der König suchte diese Verbindung; er machte in Holland und 
England Anträge, er stellte nur als Bedingung, dafs sie ihm 
‚seine Succession auf Ostfriesland und auf das Herzogthum Berg, 
— denn er war bereit Jülich an Pfalz Sulzbach kommen zu 
lassen — garantirten; er war entschlossen, „sich, wie er sagt, 
sein Recht nicht über den Kopf nehmen und Andere über 
seine Rechte und Befugnisse disponiren zu lassen.“ 
[1869.] 48 


—— 


668 Gesammtsitzung 


Die beiden Seemächte hatten vergebens in Paris und Wien 
auf den Congrefs gedrängt; es war ihnen geantwortet: erst 
mülsten die Einzelverträge zwischen den im Kriege gewesenen 
Mächten abgeschlossen sein, auch könne man diese dem Con- 
grefs nur zu einfacher Annahme vorlegen, und von Einmischung 
anderer Fragen namentlich über den Handel dürfe nicht die 
Rede sein. Da kamen ihnen nun jene preufsischen Eröffnun- 
gen sehr gelegen. ‘Sie wufsten, dafs der Kaiser so gut wie 
Frankreich dem Pfalzgrafen von Sulzbach die ganze jülische 
Seccussion garantirt hatten; weder Holland noch England wollte 
Preufsen sich vergrölsern lassen; England hoffte immer noch 
Ostfriesland an Hannover zu bringen; Holland hatte einige 
Truppen in Emden und damit die Möglichkeit, den deutschen 
Handel in der Emsmündung auch des Ferneren niederzuhalten; 
und wie hätte es den lästigen Besitz Preufsens am Rhein und 
an der Maas — Cleve und Geldern — noch durch Berg und 
Jülich sich verdoppeln, den Rhein- und Maashandel nnter die 
preussischen Licenten kommen lassen sollen? Unter dem Vor- 
wande, für die vertraulichen preulsischen Erbietungen die Zustim- 
mung Frankreichs und des Kaisers zu gewinnen, erboten sich 
ihnen die Seemächte zu einem Concert, um in der jülischen 
Sache gegen die Prätensionen Preufsens einzutreten, wenn ihnen 
dafür die beiden Höfe den ersehnten Congrefs und die Mit- 
wirkung zur Herstellung des Generalfriedens gewährten. 

Ich verfolge den merkwürdigen Gang dieser Verhandlungen 
zwischen Preufsen und den Seemächten, der Seemächte mit 
Frankreich und dem Kaiser nicht im Einzelnen. Cardinal Fleury 
benutzte sie, die Seemächte wie mit der Degenspitze vor sich 
her zu treiben; und der Wiener Hof war zufrieden, wenn Frank- 
reich dafür sorgte, dafs die jülich-bergische Succession nicht in 
ketzerische Hände falle. Durchaus nicht liefs es Frankreich zu 
dem geforderten Oongrels kommen; schon darum nicht, weil es 
Spanien an der Hand behalten und die wachsende Erbitterung 
Spaniens gegen England, so lange der Türkenkrieg den Kaiser 
in Athem hielt, zum Bruch treiben wollte, nicht um dann für 
Spanien die Waffen zu ergreifen, sondern damit drohend die Hol- 
länder von England zu trennen und den Kaiser von der Rück- 
kehr zu dem alten System der Coalition mit England zurück 


Ku En, 


vom 29. Juli 1869. 669 


zuhalten; zwischen England und Spanien vermittelnd erhob 
sich dann die französische Politik um so dominirender, und 
England sank in den Augen Europas noch eine Stufe tiefer. 
Wenigstens irgend wie wünschten die Seemächte mit Frank- 
reich und dem Kaiser einen grolsen Act zu vollziehen, gleich- 
sam um den Schein zu retten, dafs sie noch innerhalb des 
europäischen Concertes ständen, noch mitzusprechen hätten. 
Der König von Preufsen hatte sich erboten, wegen der jülischen 
Succession in gütliche Verhandlung zu treten und ein Arrange- 
ment zu verabreden, bevor der Fall eingetreten sei; wenn aber 


‘ der Kurfürst von der Pfalz sterbe, bevor es fertig geworden, 


werde nichts ihn abhalten Besitz zu ergreifen und denselben mit 
Daransetzung seiner ganzen Macht zu behaupten. Der Kur- 
fürst war ein Siebenziger, kränkelte häufig; er war der Vor- 
mund des jungen Pfalzgrafen von Sulzbach, der ihm in dem 
Kurfürsenthum Pfalz folgen mufste; begreiflich, dafs er auch 
seine jülich-bergischen Lande auf ihn zu vererben wünschte; 
er hatte alle Erbietungen Preufsens von der Hand gewiesen. 

So verabredeten die vier Mächte einen gemeinsamen Schritt; 
es sollte gleichzeitig in Mannheim und Berlin angekündigt 
werden, dafs die vier Mächte keine gewaltsamen Wege gestatten, 
dafs sie die jülichsche Sache ih die Hand nehmen würden; sie 
forderten von Preufsen und von Kurpfalz eine bindende Decla- 
ration, der Entscheidung der vier Mächte sich fügen zu wollen; 
sie drohten jeden Versuch eigenmächtiger Besitzergreifung mit 
bewaffneter Macht niederzuschlagen. Schon waren 50,000 Mann 
Franzosen an die Maas vorgeschoben; auch der Kaiser schickte 
ein Paar Regimenter, die 10,000 Mann des Pfalzgrafen in und 
um Düsseldorf zu verstärken; die Holländer zogen ein Lager 
an der Yssel zusammen; England machte die hannövrischen und 
hessischen Truppen mobil. 

Monate lang haben die Vorverhandlungen zwischen den vier 


Mächten gedauert. Am 10. Februar 17338 kamen ihre Gesand- 


ten in Berlin einer nach dem Andern in das Conferenzzimmer 


des auswärtigen Amtes, ihre identischen Noten mit der Abschrift 


der gleichzeitig in Manheim überreichten Eröffnung zu ver- 
lesen !?). Ein europäischer Act ähnlich denen, die in unserm 
48* 


670 Gesammtsitzung 


Jahrhundert den Congressen von Troppau, Laibach und Verona 
gefolgt sind. | 

Preufsen stand den vier Mächten vollkommen isolirt gegen- 
über; der Versuch, in Gemäfsheit früherer Allianzen die Unter- 
stützung, ja auch nur die Neutralität Rufslands zu gewinnen, war 
gescheitert. Es ist zu wenig beachtet was es bedeutete, dafs 
Friedrich Wilhelm I. vor diesem europäischen Concert nicht 
die Segel strich; er gab am 19. Februar in verbindlichen Formen 
eine ablehnende Antwort: die vier Mächte hätten viele Monate 
gebraucht sich über die eingereichten Schriftstücke zu verstän- 
digen, es werde daher billig sein, dafs auch er sich Zeit zum 
Überlegen nehme. 

Das Einverständnifs der vier Mächte hatte nur eben bis 
zu dieser Drohung gereicht; sie begangen lange und sehr leb- 
hafte Erörterungen im Haag, was weiter zu thun sei. 

Und während diese noch in ihren Anfängen waren, im 
April liefs Cardinal Fleury im tiefsten Geheimnifs in Berlin 
andeuten, dals er mit Preufsen gern in nähere Beziehungen 
treten, dafs er soviel irgend möglich den Wünschen des Königs 
entgegen kommen werde. Schon im Sommer 1738 waren die 
Unterhandlungen darüber — um sie völlig zu verhüllen, wur- 
den- sie im Haag geführt — zwischen Marquis Fenelon und 
dem preufsischen Geh. Rath Luiscius im Gange. Mit Un- 
geduld sahen die Herrn im Haag sowie die in London, dafs 
die Conferenzen über die an Preufsen zu richtende Antwort 
gar nicht in Gang kamen. Auch von London aus versuchte 
man unter der Hand mit dem Berliner Hofe anzuknüpfen; 
es wurde unterhandelt, mit gröfserem Eifer englischer Seits, 
als der Krieg mit Spanien schon unvermeidlich war und eine 
französische Escadre in die Ostsee segelte (Sommer 1739). 
Weder im Haag noch in London hatte man eine Ahnung da- 
von, dafs bereits im April 1739 zwischen Preufsen und Frank- 
reich ein Vertrag über die jülische Succession abgeschlossen 
“und in demselben ausdrücklich eine dauernde innige Allianz in 
Aussicht genommen war. 

Nicht in der jülischen Frage, sondern in der der pragmati- 
schen Sanction sollten diese Anknüpfungen zwischen Preufsen 
und Frankreich ihre Wirkung zeigen '*). Mit ihnen endete das 


vom 29. Juli 1869. 671 


 Gleichgewichtsystem der Seemächte und die lange Reihe ihrer 
| Versuche, durch Congresse und Interventionen die Bewegung 

lebendig wirkender politischer Kräfte niederzuhalten. Die Re- 
publik Holland hörte auf, in der Reihe der Gro[smächte zu 
stehn, und um Preufsen unter Friedrich dem Grofsen entwickelte 
sich ein völlig anders geartetes System der Ponderation der 


Macht. 


Anmerkungen. 


!) Rousset Recueil hist. I. xı.: toutes les puissances etoient epuisees 
par une guerre de 12 annees qui n’avoit pas moins coüte de tresors que 
de sang et qui ayant succede & d’autres guerres qui n’avoient e&te inter- 
rompues que par de courtes apparitions de paix, avoit reduit tous les 
Potentats dans une espece d’impuissance de porter les armes plus long 
temps et de faire plus de mal. 


® 


2) So in dem Avis du libraire au lecteur, das der Ausgabe des Pro- 
jet pour rendre la paix perpetuelle en Europe, Utrecht. 1713. 8. 3 voll. 
vorausgeschickt ist: il a et& lu et recherche par des gens d’esprit avec 
une avidite ineroyable u. s. w. Der Herausgeber theilt zugleich Nach- 
richten über die Familienverhältnisse des Verfassers mit, und es ist nicht 
ohne Interesse, dafs derselbe dem Marschall Villars nahe verwandt war, 
der namentlich seit 1713 die innigste Verbindung Frankreichs mit dem 
Kaiser empfahl, im schärfsten Gegensatz gegen die Politik der Seemächte. 
Nach der Anführung von Wheaton Histoire des progres du droit des 
gens en Europe (Leipzig 1841) p. 194 ist St. Pierres Werk bereits 1713 
zum zweiten Mal in 3 Quartbänden gedruckt worden. 


3) Le sublime droit de convenance, sagt der Mercure hist. et pol. 
1735. I. p. 21. 


4) Die östreichische Staatsschrift aus dem Mai 1728 Sur la situa- 
tion des affaires a traiter au congres de Soissons. 4. Wieder abgedruckt 
in Rousset Recueil V. p. 45 ff. 


5) Graf Sinzendorff sagt in der ersten Sitzung des Congresses 14. 
Jan. 1728: „S. M.I. est tres satisfaite des soins que M. le Cardinal de 
Fleury s’est donnes pour avancer une oeuyre si salutaire que celle d’une 
pacification generale... nous ne saurious mieux faire que de nous con- 
former aux avis d’un mediateur dont lintegritö est si generalement re- 
eonnue. Il y avoit eu quelques considerations qui auroient pu faire ba- 
laneer ’Empereur a donner les mains a la tenue d’un congr&s, mais son 


672 Gesammtsitzung 


desir pour une pacification generale l’a emporte sur tout autre avis. 
u.s.w. Der Cardinal darauf: ... le but qu’on s’y propose est d’apla- 
nir tous les interests qui sont en contestation et d’&carter 
tout ce qui pourra tendre a une rupture... C'est dans ce meme 
esprit de moderation que chacun doit representer ses griefs qui doivent 
etre traites et aplanis au congres ... et que si l’on ne peut convenir 
des moyens d’ajuster ces pretensions dans des negotiations amiables, les 
ministres des puissances qui n’y auront point d’interes direct, employe- 
ront leurs bons offices et ceux de leurs allies pour dissiper tout sujet 
d’aigreur et porter les parties & un accommodement, et qu’enfin les r&- 
ponses faites de part et d’autre sur chaque matiere seront raportees 
au nom de tous les allies. 


6) Das Project der Congregation, das handschriftlich in einer deut- 
schen Übersetzung im Geh. Staatsarchiv zu Berlin aufbewahrt wird, heifst: 
„Ireuherzig gemeinte Vorstellung und recht väterliche Admonition wie 
nach dem wahren Sinn des Apostolischen Stuhles zu Rom die unter 
den christlichen Potentien zeither obschwebende, Land- und Leute ver- 
derbliche Müseligkeit nicht nur sehr leicht aus dem Grunde gehoben und 
vollkommentlich abgethan u. s. w. werden könten.“ Eine Reihe von 
Gegenbemerkungen aus dem Standpunkt der kaiserlichen Politik, die am 
Schlufs beigefügt sind, zeigt, dafs das Actenstück dem Berliner Hofe aus 
Wien zugekommen ist. König Friedrich Wilhelm I. sprach von demsel- 
ben zu Manteuffel kurz nachdem ihm die identischen Noten der vier 
Mächte vom 10. Febr. 1738 übergeben worden waren, und gab es ihm 
zu lesen: vous verrez une piece assez sotte, mais vous conviendrez que tout 
le monde semble conspirer a la faire ex&cuter dans tous les points (Man- 
teuffel an Brühl 24. Feb. 1738). Manteuffel schreibt, nachdem er es ge- 
lesen, an Brühl, 28. Feb., nachdem er den Inhalt summarisch angegeben: 
voila en gros & quoi se reduit le Mst. que je erois l’ouyrage de quelque 
‘ esprit oisif, mutin et ennemi personel de la cour de Rome, ne pouvant 
m’imaginer, qu’un homme sense puisse avoir form& serieusement un plan 
si peu raisonnable. Er habe dem König geantwortet: er habe Recht, 
que c’etoil un livre sot, mais quil me sembloit d’ailleurs que l’auteur 
avoit puise une partie de ses principes dans un livre publie par un Abbe 
St. Pierre, explicant un projet pareillement fort ideal attribu& commune- 
ment a Henri IV. 


7) Das Project des .Cardinal Alberoni ist übersetzt mitgetheilt im 
Mercure historique et politique 1735, p. 767, Systeme de Pacification 
generale dans la presente conjoncture, traduit d’Italien. Der Cardinal 
bezeichnet sein Project, wohl nicht ohne Seitenblick auf St. Pierres Be- 
rufung auf Heinrich IV., als das System Kaiser Karl V., der ja während 


vom 29: Tui 1869. 673 


er die Kaiserkrone getragen seinen Bruder Ferdinand auf die östreichi- 
schen Erblande und die Kronen Ungarn und Böhmen beschränkt habe 
u. Ss. w. 

8) In ihrem ersten Projet d’accommodement ou de pacification qu’en 
suite de l’acceptation de leurs bons offices le Roy de la Grande Bretagne 
et les Etats Generaux proposent aux puissances engagees dans la presente 
guerre, d. d. 28. Jan. 1735, erklären die Seemächte in Betreff der pol- 
nischen Frage que pour terminer ces brouilleries il est absolument neces- 
saire d’eviter les diseussions de droit et de plusieurs difficultes de m&me 
nature. Im Juni verbreitete sich ein zweites Project, das nach Aufzäh- 
lung der als Präliminarien nöthigen Territorialveränderungen schlols: Art. 7. 
Les autres articles seront regles dans un congres general, les etats media- 
teurs garantiront les articles ci-dessus mentionnes. Art. 8. Enfin qui- 
conque refusera la mediation ou s’opposera aux susdits pr&liminaires, sera 
declare ennemi des me£diateurs. Der preufsische Gesandte in Wien, 
Christian v. Brand, schreibt 16. Mai 1735: „Man ist hier nicht abgeneigt 
nach völlig adjustirtem Frieden mit Frankreich und den andern 
Alliirten unter Beitritt auswärtiger Puissancen die in und aufser 
Reich überbleibenden Differenzen, die Anlafls zu neuer 
Ruptur geben könnten, vorzunehmen, zu schlichten und per modum 
appendicis dem Generalfrieden zu annectiren.“ Und ein Rescript des Kö- 
nigs an Brand 9. Juni: „man versichert, dafs die Seemächte noch immer 
im Geheim grofse Bemühnngen machen, um Wien und Paris für einen 
Generaleongrefs zu gewinnen, um nicht allein die jetzigen Friedensnego- 
tiationen, sondern alle andern Successionsgerechtigkeiten, Prätensionen 
und Anwartungen, um deren Willen ein künftiger Krieg entstehn könnte, 
zu reguliren“; der kaiserliche Hof, nicht aber Frankreich scheine darauf 
eingehn zu wollen, „wie es denn dem französischen Hofe gar nicht zu 
gefallen scheint, dafs die Seepuissancen sich auf solche Art der Direction 
der Affairen Europas aufs Neue zu bemächtigen intendiren.“ 


9) In den Wiener Präliminarien vom 3. Oct. 1735, wie sie den 
Seemächten mitgetheilt wurden, heifsen die Separatartikel 1. on invitera 
au congres la Czarine et le Roy Auguste. 2. on ne traitera dans le 
congres que des affaires qui concernent la presente guerre. 5. on envi- 
tera les puissances maritimes de prendre part a ce traite et d’en faire 
une affaire commune. 

10) Für diese Stimmung der Seemächte ist besonders Roussets Ein- 
leitung zum Mercur von 1737 lehrreich: ... linfluence que les puissances 
maritimes avoient dans tous les deme£les, tous les arrangements, toutes les 
negociations, les avoit mis en &tat de maintenir l’equilibre du pouvoir, 
le reste des puissances s’etoient comme laisse entrainer & cet ascendant 
et l’Europe s’en £toit bien trouv& en general; mais quelques cours parti- 


674 Gesammtsitzung 


culieres ont reflechi sur le passe et ont apparement conclu que pour 
l’avenir ils trouveroient leur interest a netre pas si faciles 4 se livrer 
a la mediation de ces puissances; en un mot il paroit qu'il s’est form& 
un complot pour les exclure de toutes negociations ou elles 
n’auroient point part personellement et directement.... quoi qu'il en soit 
de cette remarque, l’experience a fait voir que la nouvelle maniere 
de negocier de cour & cour sans congres et sans mediateur n'est 
pas la plus courte et est sujetee a bien des embarras u. s. w. 


11) Diefs Project liegt mir vor in einem Druck von 1736 „Des 
weltberühmten Cardinals Alberoni Vorschlag das türkische Reich, unter 
der christlichen Potentaten Botmälsigkeit zu bringen sammt der Art und 
Weise wie dasselbe nach der Überwindung unter sie zu vertheilen. Aus 
dem Italienischen nach dem Original, welches in eines vornehmen Mini- 
sters Händen ist, übersetzt.“ Frankfurt und Leipzig 1736. 8. 46 Seiten. 


12) Darüber berichtet der preufsische Gesandte im Haag, Geh. Rath 
Luiscius 1. Juni 1736. Je viens de savoir que les deux puissances ma- 
ritimes ont fait avec un grand secret proposer a Vienne et a Versailles 
de faire tenir un congres general ou les pretentions de chaque puissance, 
dont il pourroit arriver- quelque trouble, seroient examindes et reglees de 
concert de m&me que tout ce qui reste a vuider de differences nees de 
la derniere election de Pologne et de faire ensuite un nouveau traite 
regulatif comme celui de Westphalie. Je suis informe que parmi 
ces pretensions des puissances on vise principalement aux futures succes- 
sions et expectations et que les maritimes se flattent qu’ayant porte les 
choses a un tel congres il leur seroit facile en suite de regler et par- 
tager ces successions et exspecetations a leur fantaisie..... 
on s’est imaging sans donte que les affaires se traitant sous la direction 
de l’Empereur, du Roy de France et des deux puissances maritimes, qui 
se joindroient pour conserver le repos contre toute puissance qui le vou- 
droit troubler pendant cette negociation, les autres seroient obliges 
de souscrire et acquiescer sans grouiller au dietamen d’un 
tribunal si redoutable. 


13) Aus den identischen Noten der vier Mächte, die zugleich in 
Berlin und in Manheim überreicht wurden, lauten die bezeichnenden 
Stellen: Les dites puissances sont trop persuadees des droites intentions 
de S. M. Pr. pour douter qu’Elle differe a se preter a cet arrangement 
qui paroit necessaire et le seul practicable pour pouvoir commencer les 
conferences pour un accommodement avec quelque esperance. Les mo- 
ments sont si precieux qu’Elles ne penvent se dispenser de demander la 
reponse la plus prompte quil sera possible. Dann in den zu Berlin 
überreichten Noten die Versicherung: quil n’a ete neglige aucune des 


vom 29. Juli 1869. 675 


precautions possibles pour que les arrangements provisoirs, qui devien- 
droient necessaires au cas de la mort prematuree du Seren. Electeur ne 
puissent porter aucun prejudice a Ses (des Königs von Preufsen) droits. 
Endlich der Schlufs, der in den in Manheim überreichten Noten um die 
[] eingeklammerte Stelle verschärft ist; Elles se flattent egalement que 
le Roy de Prusse (S. A. E. Pal.) ne se refusera point a l’engagement 
que l!’on exige de Lui par prealable [de n’employer aucune voye de fait 
en aucun cas et sous aucun pretexte suivant le memoire qui doit Lui etre 
remis et dont la copie est ci-jointe] et qu’il (Elle) ne voudra pas s’atti- 
rer de justes reproches de la part des quatres puissances aussi conside- 
rables, qui se proposent de soutenir conjointement et avec fer- 
mete les caracteres d’impartialite qu’Elles annoncent aujourd’- 
hui & toute l’Europe par les prineipes qu’Elles ont: adoptes en commun. 


14) Noch einmal tritt in den Anfängen dieser Verwickelungen, unter 
dem mächtigen Eindruck des preufsischen Einmarsches nach Schlesien 
der Gedanke des Congresses auf, wenigstens als diplomatisches Gerücht. 
Es genüge dafür aus dem Bericht des preufsischen Gesandten in Wien 
v. Borcke d. d. 28. Dec. 1740 seine Unterhaltnug mit dem englischen Ge- 
sandten anzuführen. Borcke sagt zu Robinson: que le bruit n’etoit pas 
sans fondement, que le Cardinal de Fleury avoit concu le dessein de pro- 
poser un congres a Nurnberg, oü tous ceux, qui avoient des pretentions 
sur l’heritage d’Autriche, devoient exposer leurs demandes et plaider leurs 
causes. Robinson darauf ... qu'il reconnoissoit en ce dernier point l’es- 
prit et la maniere de penser du Cardinal, qui tächoit de s’eriger en sou- 
. verain arbitre de tous les differents en Europe, qu’il faudroit done, si 
cela se eonfirmoit, proposer un autre congres a Brunswig, oü tous ceux, 
qui auroient des griefs contre la France, pourroient exposcr leurs de 
mandes et qu'il faudroit voir, lequel de ces tribunaux seroit le plus fre- 
quente. 


Hr. Magnus las über die Reflexion der Wärme an 
der Oberfläche von Flufsspath und ändern Körpern. 


Nachdem es gelungen war die Wärme von verschiedenen 
bis 150° C. erhitzten Substanzen frei von den Strahlen der er- 
hitzenden Flammen und anderer erwärmender Körper zu er- 
halten, war es möglich gewesen in der der Akad. am 7. Juni 
d. J. vorgelegten Arbeit nachzuweisen, dafs es Körper giebt, 
die nur eine oder einige wenige Wellenlängen ausstrahlen, 


676 Gesammtsitzung 


andere, die eine gröfsere Zahl aussenden. Es schien hiernach 
von Interesse, die Frage zu beantworten, wie sich die Körper 
in Bezug auf ihr Reflexionsvermögen verhalten, ob ähnliche 
Verschiedenheiten wie sie in Bezug auf die Absorption und 
den Durchgang der Wärme bei Körpern, die sich gegen das 
Licht ganz gleich verhalten, beobachtet sind, auch in Bezug 
auf die Reflexion der Wärme vorkommen. 

Unterschiede in dem Reflexionsvermögen können nur dann 
bestimmt hervortreten, wenn man Strahlen reflectiren läfst, die 
nur eine oder einige wenige Wellenlängen enthalten. Solche 
Strahlen konnte man früher schon erhalten, entweder indem 
man einzelne Theile eines, mit einem Steinsalzprisma er- 
zeugten Spectrums benutzte, oder indem man die Strahlen einer 
Wärmequelle, die viele Wellenlängen aussendet, z. B. die einer 
Lampe durch Substanzen gehen liels, die eine Anzahl von 
Wellenlängen absorbirten. Allein es giebt nur sehr wenig 
Substanzen, welche Strahlen von nur einer oder von wenigen 
Wellenlängen hindurch lassen, und aufserdem sind diese, auf 
eine oder die andere Weise erhaltenen Strahlen, von nur ge- 
ringer Intensität. 

Trotz dieser Schwierigkeit haben die Hrn. La Provostaye 
und Desains schon im Jahre 1849 gezeigt‘), dafs von der Wärme 
einer Lacatellischen Lampe, je nachdem sie durch Glas oder 
durch Steinsalz gegangen war, verschiedene Mengen von Spie- 
gelmetall, Silber und Platin refleetirt werden, und zwar für 
alle reflectirenden Flächen von der durch Glas gegangenen 
weniger als von der durch Steinsalz. 

Bald darauf haben dieselben, mit der, mittelst eines Glas- 
prismas zerlegten Wärme einer Lampe, umfangreiche Versuche 
veröffentlicht”), bei denen sich ebenfalls zeigte, dafs die Wärme 
aus den verschiedenen Theilen des Speetrums verschieden re- 
flectirt wird. Allein sie haben ohne Zweifel wegen der ge- 
ringen Intensität der auffallenden Wärme, ihre Versuche auf 
die Reflexion durch metallische Oberflächen beschränkt. Jetzt 


!) Comptes rendus XXVIII, 501. 
2) Annales de Chemie III Ser. XXX. 159. Pogg. Ergänz. B. II. 411. 


vom 29. Juli 1869. 677 


wo man in dem Steinsalz eine Substanz hat, die mur eine 
oder einige wenige Wellenlängen aussendet, und auch andere 
Körper kennt, die bei der Temp. von 150° C. eine beschränkte 
Zahl von Wellenlängen ausstrahlen, war es möglich Versuche 
über die Reflexion von nicht metallischen Oberflächen anzu- 
stellen. Es hat sich dabei ergeben, dafs von diesen die ver- 
schiedenen Arten der Wärme oder Wellenlängen in sehr ver- 
schiedenem Maafse reflectirt werden. Es soll hier nur eines 
der auffallendsten Beispiele angeführt werden. Dasselbe be- 
trifft das Reflexionsvermögen des Flufsspaths. 

Von der Wärme, welche sehr verschiedene Substanzen 
ausstrahlen, werden unter einem Winkel von 45° zwar nicht 
gleiche, aber nur wenig verschiedene Mengen reflectirt, und 
zwar von 


Silber zwischen 83 und 90 p. C. 
Glas = Ag 
Steinsalz „ SE 
Fufsspath „ we 5 


Von der Wärme des Steinsalzes aber reflectirt der Flufsspath 
28 bis 30 p. C., während Silber, Glas und Steinsalz von dieser 
Wärme nicht gröfsere Antheile als von den übrigen Wärme- 
arten zurückwerfen. 

Auch hier hat sich, wie bei den Versuchen über den 
Durchgang der Wärme, bestätigt, dafs der Sylvin zwar eine 
grolse Menge von Steinsalzwärme, daneben aber auch noch 
andere Wärmearten aussendet. Denn der Flufsspath reflectirt 
von der Wärme des Sylvins 15 bis 17 p. C. Also weniger 
als von der des Steinsalz und mehr als von der der übrigen 
ausstrahlenden Körper. 

Wenn es ein Auge gäbe, das die verschiedenen Wellen- 
längen der Wärme ebenso wie die Farben des Lichts zu unter- 
scheiden vermöchte, so würde diesem, wenn die Strahlen des 
Steinsalzes auf verschiedene Körper fielen, der Flufsspath heller 
als alle andern erscheinen. Kämen die Strahlen vom Sylvin, 
so würde der Flufsspath auch heller als alle übrigen Körper 
erscheinen, aber nicht so hell wie bei Steinsalzbestrahlung. 


678 Gesammtsitzung 


Durch Melloni weils man, dals die verschiedenen Substan- 
zen die Wärme in sehr verschiedenem Maafse durchlassen, und 
dafs die Wärmequelle, von der sie stammt, von bedeutendem 
Einflufs für die Durchlassung ist. Allein man unterschied die 
Wärmequellen nur nach ihrem Wärmegrad und wulste, dafs mit 
zunehmender Temperatur die Mannigfaltigkeit der ausgestrahlten 
Wellenlängen zunimmt. Jetzt hat sich herausgestellt, dafs auch 
bei einer und derselben Temperatur, und zwar bei einer, die sehr 
weit von der Glühhitze entfernt ist, bei 150° C. die verschie- 
denen Substanzen sehr verschiedene Wärmearten aussenden, 
dafs also in jedem Raume eine aufserordentlich grofse Zahl 
verschiedener Wärmestrahlen oder verschiedener Wellenlängen 
sich beständig kreuzen. Diese mannigfaltige Kreuzung wird 
noch besonders vermehrt durch die auswählende Reflexion, die 
an den verschiedenen Oberflächen stattfindet. 

Daher würde ein Auge, das die verschiedenen Wellenlängen 
der Wärme wie die Farben des Lichts zu unterscheiden ver- 
möchte, alle Gegenstände, ohne dals sie besonders erwärmt 
wären, in den allerverschiedensten Farben erblicken. 


Hr. Pertz legte den vollendeten 3ten Band der Lebens- 
beschreibung des Feldmarschalls Grafen Neidhard von Gnei- 
senau vor, berichtete über den Inhalt und theilte der Akademie 
die der Gnade Seiner Majestät des Königs verdankten Auf- 
schlüsse über die Aufnahme der welthistorischen Convention 
von Tauroggen durch des hochseligen Königs Friedrichs Wil- 
helms des Dritten Majestät mit. 


Gesammtsitzung vom 29. Juli 1869. 679 


An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 


Bericht über die Thätigkeit der St. Gallischen‘ naturwissenschaftlichen 
Gesellschaft während des Vereinsjahrs 1867—68. St. Gallen 1868. 8. 

Annual Report of the Director of the Cincinnati Observatory. Cincin- 
nati 1869. 8. =: 

Mittheilungen der Central-Commission zur Erforschung der Baudenkmale. 
14. Jahrgang, Juli-August. Wien 1869. 4. 

Lamy et Cloizeaux, Etudes chimiques. Extrait. (Paris 1869.) 8. 


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In Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung sind neuer- 
dings folgende akademische Abhandlungen aus den Jahrgängen 
1868 und 1869 erschienen: 


v. RAnke, Briefwechsel Friedrichs des Grossen mit dem Prinzen Wil- 
helm IV. von Oranien und mit dessen Gemahlin, Anna, 
geb. Princefs Royal von England. 

Preis: 1 Thlr. 15 Sgr. 

EHRENBERG, Über mächtige Gebirgsschichten vorherrschend aus mikro- 

skopischen Bacillarien unter und bei der Stadt Mexiko. 
Preis: 1 Thlr. 15 Sgr. 
Lepsivs, Über den chronologischen Werth der Assyrischen Eponymen 


und einige Berührungspunkte mit der Aegytischen Chronologie. 
Preis: 15 Sgr. 


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MONATSBERICHT 


KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 
ZU BERLIN. 


August 1869. 


Vorsitzender Sekretar: Herr Trendelenburg. 


2. August. Sitzung der philosophisch-histo- 
| rischen Klasse. 


Hr. Parthey las über seine Ausgabe der Mirabilia 
Romae nach den vatikanischen Handschriften. 


Die Unerschöpflichkeit Roms zeigt sich unter andern in 
der grofsen Ausdehnung, die das Studium der Topographie, 
eines Zweiges der römischen Alterthumkunde, im Laufe der 
Zeiten gewonnen. Nach den ersten Zerstörungen der Völker- 
wanderung, nach dem Zusammenschrumpfen der Stadt selbst 
zu einem wüsten Trümmerhaufen, nach dem Untergange aller 
Kultur und Bildung in ganz Italien schien zwar niemand mehr 
ein Interesse an den sonst hochberühmten Örtlichkeiten zu 
nehmen. Aber der Zauber, den das Alterthum in Rom aus- 
übt, läfst sich nicht bannen. Kaum war der ärgste Völker- 
sturm vorüber gebraust, kaum hatte man sich von dem ersten 
Schrecken erholt, kaum gewährte die aufkeimende päpstliche 

‚Macht das Gefühl eines etwas gesicherten Zustandes, so empfand 
man auch schon das Bedürfnifs, neben den officiellen und halb- 
 offieiellen Regionarien, dem Ouriosum ete. zunächst für die zahl- 
reich herbeiströmenden Pilger ein Verzeichnifs der christlichen 
Kirchen anzufertigen, dem gleichsam als Ergänzung eine An- 
gabe der früheren antiken Lokalitäten beigegeben ward. 
[1869.] 49 


682 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse 


Das älteste Dokument dieser Art scheint die Graphia 
aureae urbis Romae zu Sein, von Ozanam zuerst aus einer 
unvollständigen Florentiner Handschrift herausgegeben. (Do- 
cuments inedits pour l’histoire d’Italie. Paris, Lecoffre. 1858. 
8.) Ozanam setzt die Entstehung der Graphia mit vieler Wahr- 
scheinlichkeit in das 6.—8. Jahrh. wo Rom unter der Both- 
mäfsigkeit der oströmischen Kaiser stand: denn urmittelbar an 
die topographischen Notizen über Rom schliefst sich in der 
Graphia eine Beschreibung der kaiserlichen Hofceremonien, die 
durchaus byzantinisch ist, und oft an Constantinus Porphy- 
rogenitus erinnert. Es werden darin die Obliegenheiten und 
Würden von Hofämtern angegeben, die damals gewils nicht in 
Rom existirten. Ein Kapitel (p. 179) handelt ausführlich von 
den verschiedenen Arten und Namen der Eunuchen. 

Dafs diese Zusammenstellung keine zufällige sei, zeigt der 
Verbindungssatz (p. 171): His itaque prelibatis, nomina et di- 
snitates illorum qui in excubiis imperialibus perseverant de- 
seribamus. 

Die letzte Redaction der Graphia fällt jedoch erst in die 
zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts: denn es werden darin die 
Gräber der Päpste Innocenz II (f 1143) und Anastasius IV 
(+ 1154) genannt. Die Handschrift in der Laurentiana, aus 
der Ozanam den Text drucken liefs, gehört in das 13. oder 
14. Jahrhundert. 

Sehr grofse Verwandschaft mit der Graphia haben die 
Mirabilia Romae, deren ersten Entwurf-Gregorovius (Gesch. 
von Rom 4, 611 Anm.) in die Öttonenzeit setzt. Dafs sie 
jünger sind als die Graphia läfst sich aus manchen Merkmalen 
abnehmen. Die Graphia nennt die beiden Mausoleen des Au- 
gustus und Hadrian memoriae, in den Mirabilien heifsen sie 
castella; sie waren also damals schon in Burgen umgewandelt 
(Ozanam p. 87). Auffallend bleibt es indessen, dafs die beiden 
in der Graphia vorkommenden Päpste in den Mirabilien nur 
als papa Innocentius und papa Anastasius ohne Angabe der 
Ördnungszahlen genannt werden. Ein kleines Stück des byzan- 
tinischen Hofceremoniels: Primicerius id est prima manus... 
(Ozanam p. 171) ist aufser allem Zusammenhange auch in 
einige Handschriften der Mirabilien gerathen. Dafs ein grofser 


vom 2. August 1869. 683 


Theil der Mirabilien wörtlich .mit der Graphia übereinstimmt, 
dafs Stücke daraus sich unverändert beim Petrus Mallius, beim 
'Martinus Polonus u. a. finden, darf nicht Wunder nehmen; sie 
fallen in eine Zeit, wo die Schriftsteller weder den Stolz der 
Originalität, noch den Skrupel des ‚Plagiates kannten. (Oza- 
nam p. 84.) 

Jünger als die Mirabilien, doch von ähnlichem Inhalte ist 
der Anonymus Magliabecchianus, von Merklin aus einer 
Florentiner Handschrift zuerst herausgegeben. (Universitätspro- 
sramm von Dorpat. 1852. 4.) Es werden darin 6 Päpste ge- 
nannt, von denen Johann XXII. von 1410—1415 regierte. 
Es findet sich hierin auch ein Verzeichnifs der Strafsen und 
der 14 Regionen von Rom. 

Eine noch jüngere Beschreibung von Rom, die vielleicht 
den Arbeiten von Franeiscus Poggius und Flavius Blondus 
ganz nahe steht, fand ich auf der Biblioteea Barberina in 
einer Handschrift des 16. Jahrh. (N. 812. lat. fol. 59%? — 87®.) 
Diese Beschreibung folgt auf den Pomponius Mela, den Sextus 
Rufus, den Aurelius Victor. Sie trägt die Überschrift: De 
Roma antiqua, und umfast 53 Folioseiten. Die späte Ent- 
stehung des Werkes zeigt sich unter andern auch in der grofsen 
Menge von Citaten aus den uns bekannten Klassikern, während 
in den älteren Kompilationen nur sehr wenige, und meist mis- 
verstandene Citate stehn. So wird in der Graphia und in den 
Mirabilien das martyrologium Ovidii de fastis angeführt, wozu 
Montfancon richtig bemerkt, die Verwechselung könne nur da- 
durch entstanden sein, dafs man beim Ovid auch eine Erwäh- 
nung der Kalenden, Nonen und Jden gefunden. 

Seit dem Wiederaufleben der Wissenschaften tritt die Er- 
haltung der antiken Monumente in ein umgekehrtes Verhältnifs 
zu ihrer Beschreibung. Je mehr nach und nach die alten 
Reste vor den Neubauten dahinschwinden, desto ausführlicher 
werden die Untersuchungen über alle einzelnen Theile der 
Stadt. Wir erhalten Monographien über die Mauern, die Fora, 
die Wasserleitungen etc. Es war hier die Aufgabe gestellt, 
die fragmentarischen Nachrichten der Klassiker an die Monu- 
mente selbst anzuknüpfen, und aus den vorhandenen Über- 

49* 


684 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse 


bleibseln durch Combination die Lage und Gestalt der ver- 
schwundenen Denkmäler wiederherzustellen. | 

Hiebei kamen auch die unkritischen Arbeiten des Mittel- 
alters zur Geltung. Wenn die zerstreuten Angaben der Klas- 
siker nur in den wenigsten Fällen einige Sicherheit über die 
gegenseitige Lage der Bauwerke gewähren, so geben die späteren 
Kompilationen manchen guten Fingerzeig über die Folge und 
Nachbarschaft der antiken Gebäude. 


In allen diesen Sammlungen, in der Graphia, den Mira- 


bilien, dem Anonymus Magliabeechianus ete. stehn zuerst die 


gleichartigen Monumente der Stadt, die Thore, Brücken, Tri- 


umphbogen etc. dann geht die Beschreibung zu einzelnen be- 


deutenden Gebäuden, dem Pantheon, das Kapitol u. a. über, 
und umrankt die ehrwürdigen Reste mit dem Epheuschmucke 
der wunderbarsten sagenhaften Erzählungen. Selten findet sich 


ein Citat aus den damals fast vergessenen Klassikern. 


Da die Lage der meisten genannten Kirchen feststeht, so 


würde sich daraus die Stelle vieler alten Denkmäler mit grofser 
Sicherheit ergeben, wenn die Angaben jener alten Wegweiser 
auf etwas mehr als einer schwankenden Tradition beruhten. 
Jndessen auch in ihrer unvollkommenen Form sind sie von 
vielem Werthe für die römische Topographie. 


Einer sehr grofsen Verbreitung erfreuten sich im Mittel- 
alter die Mirabilia Romae, welche uns hier beschäftigen. Die 
zahlreichen Handschriften des Werkes in fast allen europäischen 
Bibliotheken bezeugen das Bedürfnifs der Menge nach einer 
kirchlich historischen Beschreibung der ewigen Stadt. De’ Rossi 
(Roma sotter. t. 1. p. 158) setzt ihre erste Redaction in das 
12. Jahrh. Die ältesten Handschriften reichen nicht über das 
13. Jahrh. hinauf. Preller (die Regionen von Rom. 1846. p. 43) 
fand merkwürdiger Weise in Florenz eine Handschrift der Mi- 
rabilien im neapolitanischen Dialekte. Jm Ordo Romanus (Ma- 
billon, Museum ital. t. 2. p. 151 sq.) wird sehr genau der Weg 
des Papstes bei einer grofsen Procession beschrieben; er stimmt 
mit den bezüglichen Stellen in den Mirabilien überein. Dafs 
der Ordo Romanus älter sei als 1143 erhellt aus der Zueig- 


| 


vom 2. August 1869. 685 


nung an den Kardinal Guido de Castello, der im Jahre 1143 


‚als Coelestin II. den päpstlichen Stuhl bestieg. 
[ Die Chronik des Martinus Polonus, bis zum Jahre 1320 
reichend, ist (wie p. 18. der Antwerpner Ausgabe 1574. 8. be- 


enthält als Einleitung zu der synchronistischen Papst- und 


merkt wird) aus den Chroniken des Methodius kompilirt. Sie 


Kaisergeschichte mehrere Stücke aus der Graphia oder aus 


den Mirabilien. 


Eine vollständige kritische Ausgabe der Mirabilien dürfen 
wir von De’ Rossi nach Vollendung seines grofsen Katakomben- 
werkes erwarten. Als Beitrag dazu sei es mir erlaubt, einen 
Abdruck der Mirabilien hier vorzulegen, den ich nach den va- 
tikanischen Handschriften besorgt habe. Es sind deren, wenn 
man die Fragmente von Martinus Polonus hinzurechnet, nicht 
weniger als 10, deren Verzeichnifs ich der Güte des Hrn. Gre- 
gorovius verdanke. Über den Charakter derselben habe, ich 
in meiner Vorrede p. VII—XV ausführlicher berichtet, es mag 
hier nur im allgemeinen bemerkt werden, dafs. De’ Rossi zwei 
Hauptrecensionen des Werkes unterscheidet. Den älteren, aber 
verdorbenen und lückenhaften Text giebt die Ausgabe in den 
Effemeridi letterarie di Roma, vom Jahre 1820, aus einem 
codex des 15. Jahrh. in der Bibliothek Colonna von Nibby 
besorgt. Diesen Text liefs der Graf Alberti im Jahre 1864 
von neuem abdrucken. (Mirabilia Romae. Roma, dalla tipo- 
grafia Forense. 1864. 12.) Die zweite Recension des Textes 
„indet sich bei Montfaucon (Diarium italicum. Parisiis. 1702. 
4. p- 283— 297) nach einer Handschrift des 13. Jahrh. aus 
der Sammlung des Kardinales Nicolaus von Aragonien in der 
Bibliothek von 8. Isidoro. 

Beide HSS. habe ich in Rom vergeblich gesucht, aber 
beide BRecensionen sind unter den vatikanischen codices ver- 
treten. Aulserdem ist noch eine dritte Recension. vorhanden, 
in der die späteste und ausführlichste Gestalt des Textes sich 
zeigt. Cod. Vatic. 4265 lat. Papierhandschrift von 238 Quart- 
blättern aus dem 14. Jahrh.; mit vielen schwer aufzulösenden 
Ligaturen. Die Vergleichung dieser Handschrift verdanke ich 
Hrn. D. Hinck in Rom. Sie enthält hinter dem Tractate des 
Nyeolaus de Lyra contra Iudeos, die Mirabilien in einer dritten, 


686 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse 


von Montfaucon und Alberti abweichenden Anordnung des Textes. 


Die Reihenfolge der Abschnitte ist nach unseren Paragraphen 


mit mehr oder weniger Vollständigkeit $$. 1. 2. 6. 3.8.5.9. | 


4. 10. 12. 42. 37.52. 14. 31.32. 34. 25. 39.188. 153..29.130. 


54-—102. Die letzten Paragraphen 54—102 beziehen sich 


zwar mehr auf die christlichen als auf die heidnischen Alter- 
thümer, zeigen indessen recht deutlich, wie das Interesse der 


Reisenden mehr und mehr von den klassischen Resten auf die 


kirchlichen Reliquien abgeleitet ward. Es befanden sich im 
Jahre 1575 in den römischen Kirchen nicht weniger als 7 Bil- 


der von der Hand des Evangelisten Lucas. Die beiden Stühle, 


auf denen der Papst geprüft wurde, „an masculus sit, an fe- 
mina“ standen damals im Lateran (58). Die Fabel von der 
papissa Johanna wird zwar damit nicht in Verbindung ge- 


bracht, erhält sich aber im vollen Glauben (70). Ganz neu 


ist das Monument für die Gänse, welche das Kapitol gerettet; 
es stand, wie es scheint, nicht weit von den Thermen des 
Diokletian (68). Man könnte dabei zunächst an irgend ein 
Bildwerk mit dem Schwane der Leda denken. Auch erfährt 
man, dals damals unter den römischen Reliquien das „pre- 
putium Christi* (58) das abgelassene Fett des heiligen Lau- 
rentius (89) und das Kinn des Jacobus maior (85) gezeigt 
wurden. 

Die Indulgenzen des Papstes Gregorius (wohl Gregorius XI. 
1370—1378), welche im codex beinahe 2 Seiten füllen, sind 


weggelassen. Es verdient nur daraus angeführt zu werden, 
a 


dafs in der Peterskirche vom Himmelfahrttage an bis zum 
1. August täglich 15000 Jahre Ablafs bewilligt werden. 

Bis zum Erscheinen der vollständigen Ausgabe von De’ 
Rossi werden die Archäologen in unsrer Arbeit alles das zu- 
sammen finden, was über Topographie, Stadtlegende und Kir- 
chenchronik Roms in den vatikanischen Handschriften der Mi- 

rabilien vorkömmt. 


Betrachtet man nun den mythologischen und historischen 
Gehalt der Mirabilien, so zeigt es sich, dafs die Erinnerung 
an die grolse römische Vorzeit auch in den dunkelsten Jahr- 
hunderten des Mittelalters nicht ganz im Volke erlöschen konnte. 


FE 


vom 2. August 1869. 687 


Die hier folgende Reihe von Götternamen aus den Miırabilien 
giebt den Beweis, dafs der ganze heidnische Olymp in den 
christlichen Kirchen vertreten war: 


Apollo. Phebus. Sol. Gorgo. Pax. 
Asclepius. Esculapius. Hercules. Phebus. 
Bacchus. Honos. Pietas. 
Bellona. Janus. Saturnus. 
Carmenta. Juno. Serapis. 
Beres: ., Jupiter. Sibilla. 
Cibele. Latona. Sol. 
Concordia. Luna. Sospita. 
Cratieula. Mars. ‚Splen. 
Diana. Mercurius. Tellus. 
Esculapius. Asclepius. Minerva. Pallas. Venus. 
Faunus. Moneta. Vesta. 
Flora. Neptunus. Ysis. 
Fortuna. Pallas. 


Die Reminiscenzen aus der römischen Geschichte gewäh- 
ren auch in ihrer sagenhaften Verdunkelung ein eigenthüm- 
liches Interesse. Aus der Königszeit finden wir die Namen 
des Romulus, Remus, Tarquinius Priscus und anonym die Hel- 
denthat des Marcus Curtius. Aus der langen Epoche der Re- 
publiek ist nur der Sieg des Marius über die Teutonen, der 
Name des Cicero und seines Widersachers des Catilina, so 
wie der des Pompejus lebendig geblieben. Caesars Andenken 
ist in seinem grolsartigen Grabmale und an vielen andern 
Stellen erhalten. Von den römischen Schriftstellern wird Ovid 
öfter, Salust einmal eitirt, Virgil ist schon mythisch geworden. 
Die Legende, wonach die Sibylle dem Octavianus das unter 
seiner Regierung geborne Christkind zeigt, knüpft die abster- 
bende heidnische Welt an das aufblühende Christenthum, da- 
gegen ist die Erzählung von Kleopatra’s Verhalten in der 
Schlacht bei Actium und von ihrem Tode ganz historisch. 
Agrippa, der Schwiegersohn des Octavianus, blieb unvergessen 
durch das von ihm erbaute Pantheon. Die darauf folgende 
Kaiserreihe hatte sich durch vielerlei noch vorhandene Pracht- 
bauten dem Gedächtnilse der Römer eingeprägt: Tiberius, Clau- 
dius, Nero, Vespasianus, Titus, Domitianus, Nerva, Traianus, 
Adrianus, Antoninus, Commodus, (Septimius) Severus, Elioga- 


688 Gesammtsitzung 


balus, Alexander (Severus), Gordianus, Volusianus, Lieinius, 
Diocletianus, Maximianus, Constantinus und seine Mutter He- 
lena, Julianus, Gratianus, Valentinianus, Focas, Archadius und 
Eudoxia, Theodosius. Endlich wird noch Karl der Grosse genannt. 

Neben diesen zahlreichen Notizen aus der heidnischen Ge- 
schichte darf es nicht Wunder nehmen, dafs der Päpste nur 
spärlich Erwähnung geschieht. Sie gehörten noch nicht zu de- 
nen, die durch bewundernswerthe Bauwerke die Fremden in 
Erstaunen setzten; ihr gröfstes archäologisches Verdienst be- 
stand darin, dals sie durch Umwandlung der antiken Tempel 
in christliche Kirchen manches alte Monument vor .dem gänz- 
lichen Untergange bewahrten. 


5. August. Gesammtsitzung der Akademie. 


Fa 
Hr. Kummer las die Abhandlung des Hrn. Kronecker 
über Systeme von Functionen mehrer Variabeln. 


Wenn man mit F, eine reelle Function der n reellen Va- 
riabeln: 2552551%.22, und mit. is: Ho) „aufn deren partielle 
Ableitungen bezeichnet, so kann man auf das System der n 
Functionen: (Fi, Foıs Foa> --- Fon) die Betrachtungen anwenden, 
welche ich in meiner Mittheilung vom 4. März d. J. erörtert 
habe. Es knüpft sich an dieses specielle System ein eigen- 
thümliches Interesse, weil man darauf geführt wird, wenn man 
die Theorie der Krümmung von Flächen auf.Functionen mehrer 
Variabeln ausdehnt. Ich behalte die Ausdrücke und Bezeich- 
nungen des im Monatsberichte vom März d. J. abgedruckten 
Aufsatzes bei und setze für den speciellen Fall, welcher den 
Gegenstand der vorliegenden Mittheilung bildet, 

FF EEE 
und auch der Gleichförmigkeit wegen, da wo es passend er- 
scheint, A), für Ay. Ferner bezeichne ich wie in meinem Auf- 
‚satze über bilineare Formen (Monatsbericht vom October 1366) 
mit: 
| Ayn | 
die aus (n + 1)? Grölsen: 


4, 


gh (und NEE ER) 


| vom 5. August 1869. 689 


gebildete Determinante und mit: ö,, die „Null“ oder die 
„Eins“, je nachdem gZh oder g=h ist. Alsdann ist die 
Charakteristik des Systems: (Fy For Fass: Fin) durch: 


1 dw 
(K) a 


ausgedrückt. In der Determinante unter dem Integralzeichen 
nehmen die Indices 9 und Ah alle Werthe von 0 bis n an, und 
Fon sowohl als F,, übereinstimmend mit 77, bedeutet die Ab- 
leitung von F, nach 2,, während mit F,,, wenn g und Ah von 
Null verschieden sind, die Ableitung von F, nach 2, oder also 
die zweite Ableitung von F, nach z, und z, bezeichnet ist. 
Scheidet man sämmtliche Werthsysteme (z), welche den Be- 
dingungen: 


F,<0, Kn=Fa=:...=Fun=0 


genügen, in zwei Gattungen, je nachdem die Hessische Determi- 
nante von F, einen positiven oder negativen Werth erhält, so 
giebt das Integral (K) nach der Bedeutung des Wortes „Cha- 
rakteristik“ den Überschufs der Anzahl von Werthsystemen 
erster Gattung über die der zweiten an. Andrerseits hat aber 
für die Fälle n—= 2 und 3 das Integral (K) eine bekannte geo- 
metrische Bedeutung und es bedeutet namentlich für n—=3 die 
über die ganze geschlossene Fläche: F, = 0 ausgedehnte „cur- 
vatura integra*, durch 4” dividirt; es ist also hiermit die 
Übereinstimmung der „ceurvatura integra“ und der mit 47 mul- 
tiplieirten Charakteristik des Systems: (Fo, For» Foa> Fos) er- 
wiesen und dadurch auch eine einfache Methode für die Be- 
stimmung der totalen Krümmung einer beliebigen geschlossenen 
Oberfläche gewonnen. 

Die Untersuchung des obigen Integrals der Charakteristik 
eines Systems: (Fü, Fürs Fog> -: : F9n) hat mich darauf. geleitet, 
die Theorie der Krümmung auf Functionen von n Variabeln zu 
übertragen. Dabei habe ich gefunden, dafs die für Oberflächen 
gebräuchlichen Betrachtungen sich in sehr einfacher und ele- 
ganter Weise verallgemeinern lassen und dafs die bekannten 
analytischen Resultate durchaus erhalten bleiben, wenn man 


690 Gesammtsitzung 


an die Stelle der. drei Raumcoordinaten n Variable einführt. 
Ich behalte mir die ausführlichere Mittheilung meiner bezüg- 
lichen Untersuchungen vor und will hier nur einige vorläufige 
Andeutungen darüber geben. 

Ich nenne eine ebene vfache Mannigfaltigkeit eine solche, 
welche durch (n—v) lineare Gleichungen aus der gesammten 
nfachen Mannigfaltigkeit ausgeschieden wird, welche also bei 
Einführung von v neuen Variabeln « durch n Gleichungen: 

y 
i=v | 
2, — 2% a a 
definirt werden kann. Eine ebene einfache Mannigfaltigkeit 
oder also eine „ebene Linie“ kann hiernach durch die Form: 


AN —ia;t en 


dargestellt werden, wo Za? = 1 ist und die Variable t so zu 
sagen die Entfernung des variabeln Punktes (z) von dem festen 
Punkte (2°) bedeutet. Für zwei solche ebene Linien entspricht 
der Ausdruck: 


> a,a, (sm 152%...2%) 


dem Cosinus des Richtungs-Unterschiedes der beiden Linien. 
Ferner ist wie in meinem Aufsatze vom 4. März d. J. die 
Linie: 


die Normale an A, im Punkte (2°), und p die Entfernung des 
Punktes (2) vom Punkte (2). Mit Hülfe dieser Bestimmungen 
läfst sich offenbar auch der Begriff des Unterschiedes der Rich- 
tungen zwischen einer Linie und einer (n—1)fachen Mannig- 
faltigkeit festsetzen. 

Die (n—1)fache ebene Mannigfaltigkeit, welche die (n— 1) 
fache Mannigfaltigkeit: 7, = 0 im Punkte (2°) berührt, ist: 


>, —- A)A=0;, ar=2115233. Um) 


wo in Z, für die Variabelu 2 die entsprechenden Werthe 2 ein- 


vom 5. August 1869. 691 


zusetzen sind; eine zweifache ebene Mannigfaltigkeit, welche 
durch denselben Berührungspunkt geht, ist: 


(a,b) 2, — = a,u + b,v (k=1,2,...mM 5 


wo u und vo zwei Variable bedeuten. Hier können nun durch 
lineare Umformung von u und v die Werthe von a so gewählt 
werden, dafs die Linie: 


(a) 2, — = at KE2,...0 
in jener berührenden Mannigfaltigkeit liegt und dafs die Linie: 
(b) 2 — A=bt (k=1,2).:.7) 


zu der Linie (@) normal ist. Alsdann finden also die Glei- 
chungen statt: 


ist. Denkt man sich nun in der Mannigfaltigkeit (a,b) und 
‘zwar im Punkte (2°) eine Normale an die von der Mannig- 
faltigkeit (a,db) aus F, ausgeschnittene Linie bestimmt und 
bezeichnet mit: 

o(a, b) 
die Länge derselben vom Punkte (2°) bis zum Durchschnitts- 
punkte der benachbarten Normale, so ist diese dem Krüm- 


mungsradius entsprechende und von den Üoeffieienten @ und 5 
abhängige Gröfse 9 durch die Gleichung: 

e(a, b) .>a,0, Fi, = "bi F, ( all 9 2.00) 
gegeben. Da nun die Linie: 


F, 
Bu 
oa 


die Normale an F, im Punkte (2°) darstellt, so ist die rechte 
Seite der obigen Gleichung nichts Anderes als der mit S mul- 


692 Gesammtsitzung 


tiplicirte Cosinus des Richtungs - Unterschiedes zwischen der 
Normale und der Linie (d). Wenn also die Linie (5) mit der 
Normale zusammenfällt d. h. also für einen Normalschnitt 
(a, 5) ist: 


e(a) ‚244, =S, 


und folglich analog dem Meunier’schen Satze: 


o(a,b) = o(a).Zb,fr > 


wo zur Abkürzung f, für den Quotienten: - geschrieben ist. 

Sucht man diejenigen Werthe der Function o(a), für welche 
die ersten Ableitungen derselben sämmtlich verschwinden, vor- 
ausgesetzt dafs diese Ableitungen unter Berücksichtigung der 
beiden zwischen den Grölsen (a) bestehenden Relationen ge- 
bildet werden, so ist es vortheilhaft die n Gröfsen a durch 
(n—1ı) Gröfsen «x zu ersetzen, welche durch folgende Glei- 
chungen definirt werden: 


a2 >05, (le) 
wo die Summation in Bezug auf r — wie durchweg im Fol- 
genden — auf die Werthe 1,2,...n—1 zu erstrecken ist. 


Die Coefficienten c,, sind dabei so zu bestimmen, dafs durch 
die Substitution: 


0. — > CykYr 


die Bedingungen: 
ea y 2 u oe 
27, =0 , Zah =>, u =Eyf 


erfüllt werden, in welchen die auf © und % bezüglichen Sum- 
mationen stets auf die Zahlen 1 bis n auszudehnen sind. Man 
erhält hiernach für die Coeffiecienten e die folgenden bestimmen- 
den Gleichungen: 


= M 


Pe NE Sep y EEE 
CE = 1 9 — (y, Fon =0 ’ = Cyn Fin Ta ArCyi ’ 
D D 


wo Ah die Werthe 0,1,...n, aber © und % nur die Werthe 


En al u JE SEE ur zu 2 


vom 5. August 1869. 693 


1,2,...n annimmt und wo A, irgend eine der (n—1) Wur- 
zeln der Gleichung; 


| An —%- Om | = 0 (g, BDA ae) 


bedeutet. Diese Wurzeln sind sämmtlich reell, und man über- 
zeugt sich hiervon leicht, wenn man von den (n-+1)? Gröfsen 
7 die n? letzten d. h. also die Gröfsen: 


Fi, Rn Re) 
durch Gröfsen: «P, ersetzt, welche bei der orthogonalen Trans- 
formation: 
> zu, 2 SS PAR 
"Ma; =3dy, umty 
auftreten. 
Da nach den angegebenen Bestimmungen: 


2(a). 22,02 ey Su Ie2 =1 


wird, so verschwinden sämmtliche Ableitungen von o(a), wenn 
alle (n— 1) Gröfsen « mit Ausnahme einer einzigen («,) gleich 
Null und demnach: «®—= 1 gesetzt wird. Jrgend eines dieser 
besonderen Werthsysteme der Grölsen @ ist also einfach durch 
die Gleichungen: 


Ar = Cyk (k—= 1; Ayası 7) 


gegeben und der entsprechende Werth von > ist: 
S 


A 


72 


Hiernach werden die den Hauptkrümmungsradien entsprechen- 
den (na—1) Werthe von :(a), nämlich: 


= 7. Gen; een 
durch die Gleichung: 


0-22. — S-Sgn| — A) 


bestimmt, die zweifache ebene Mannigfaltigkeit, welcher irgend 
ein o, als Krümmungsradius der aus A, ausgeschnittenen ein- 
fachen Mannigfaltigkeit angehört, ist: 


694 | Gesammtsitzung 


TON 
2 — im Ort rd; 


und die in der berührenden Mannigfaltigkeit hiervon ausge- 
schnittene ebene Linie: 


Uz- 


Alle diese (n—1) den verschiedenen Werthen des Index r ent- 
sprechenden Linien sind zu einander normal, d. h. es besteht 
für je zwei Linien: 

Zr BEL ie 
die Relation: 


> => 
7 Orr Osk 07 


und es wird analog der Eulerschen Formel: 


en 
2 
DD 


ela) 7 © 
wo «, durch die Gleichung: 


Be 
A —rr@r 


definirt ist, also den Cosinus des Richtungs-Unterschiedes zwi- 
schen den beiden Linien: 


ur gu 
1) nl) a 170 SE 7 7 a 7 


darstellt. Man sieht hieraus, wie die Grölsen g,, 89, .»- 9, in 
den wesentlichsten Beziehungen den Hauptkrümmungsradien 
der Oberflächen entsprechen und es findet sich auch folgende 
Grundeigenschaft derselben wieder: i 


„Es giebt auf der Normale: | 


2, — = IP 
(n—1) Punkte (2), in denen dieselbe von einer benach- 
barten Normale geschnitten wird, und die zugehörigen 
Werthe von p sind jene Gröfsen: 97, 093 = &n-ı-" 
Der reciproke negative Werth des Productes der (n—1) Werthe 
von o, welche der Gleichung: 


vom 5. August 1869. e 695 
2-25 =, S.d,n| E20 


genügen, ist offenbar identisch mit dem Ausdrucke, welcher 


unter dem Integrale (K) mit dem Elemente dw multiplieirt 


ist. Die Charakteristik des Systems: 
(Fr > Fi» Fe: Sa Fon) 


kann also auch durch: 


dargestellt werden, und der reciproke Werth des Productes: 
&129 *** &nı entspricht dem Gaufs’schen Krümmungsmaafse. 
Denn wenn man die Gaufs’sche Bestimmung des Krümmungs- 
maafses auf (n—1)fache Mannigfaltigkeiten: F, = 0 ausdehnt, 
indem man die Normalen einer solchen mit denjenigen von: 


N.2 — 


vergleicht, so erhält man als die dem Krümmungsmaafse ent- 
sprechende Gröflse eben jenen Ausdruck, der unter dem Inte- 
grale (K) mit dem Elemente dw multiplicirt ist, negativ ge 
nommen, d. h. also den reciproken Werth des Productes: 
&169 «En Hieraus geht hervor, dafs in der That der- 
jenigen Zahl, welche das Verhältnils der „curvatura ıntegra“ 
einer geschlossenen Oberfläche zur Kugel-Oberfläche angiebt, 
für eine Function von n Variabeln (F,) die Charakteristik des 
aus der Function F, und ihren n partiellen Ableitungen gebil- 
deten Systems entspricht. Da diese Charakteristik durch den 
Überschufs derjenigen im Innern von F\, liegenden Punkte (z) 
gegeben wird, für welche: 


Fi > be ee Fun 0, Fu lhE>.0r; 
über diejenigen wofür: 
Fı=Fa='=-fFa=2%, |Fa|< 0 


ist, so kann sich dieselbe für verschiedene Mannigfaltigkeiten: 


yet 


696 Gesammtsitzung 


bei Variation der Constante ce nur dann ändern, wenn bei einer 
solchen Veränderung des inneren Bereiches (7,<.c) Punkte, 
wofür: | | 
z' — — 
Zu Een 


ist, in denselben aufgenommen oder von demselben ausge- 
schlossen werden. 

Die geometrische Beziehung der Charakteristik von Func- 
tionen-Systemen ist nicht auf die speciellen hier behandelten 
Systeme beschränkt. Für allgemeine Systeme (A), F}, Fa, ... 7.) 
tritt aber in den geometrischen Beziehungen an Stelle des Gaufs- 
schen Krümmungsmaalses das Kummersche Dichtigkeitsmaals 
auf. Betrachtet man nämlich das (n—1)fach unendliche Sy- 
stem ebener Linien: 


u in ea Aastnpi Sm, golsugge pi dam, 
N ; 

wo F,(2,29,..,20)= 0 und M,# «.- F„ irgend welche ein- 
deutige Functionen der n Variabeln 2 bedeuten, also die obige 
Voraussetzung, dafs dieselben mit den Ableitungen von F, 
übereinstimmen, fallen gelassen ist, so entspricht jeder ebenen 
Linie des Systems ein Punkt (2°) -der (na—1)fachen Mannig- 
faltigkeit: Ay—= 0 und auch ein Punkt (£): 


2 er P,(2:; 22 RT 2) 
ae 


der (n—ı)fachen Mannigfaltigkeit: 
2 gr Hiel. 


Bei der hierdurch entstehenden Beziehung der beiden (n— 1) 
‚fachen Mannigfaltigkeiten: 


0 °,0 2 SS Z2re 


auf einander wird aber das Verhältnifs der Elemente beider 
Mannigfaltigkeiten seinem absoluten Werthe nach durch: 


vom 5. August 1869. 697 


1 
Sn NR RE) 


‚ausgedrückt, wo 


Fo=# 
F F,; 
RER 3 iu IE 
02; 02% 
ee iiy2,:on'und: 
&=Farfattfo 


=-mR+r +-."+7 


zu nehmen und überall unter den Functionszeichen F die durch 
die Gleichung: 


Pd, 3,...2)= 0 


mit einander verbundenen Variabeln 2° einzusetzen sind. Da 
nun nach der in meinem oben erwähnten Aufsatze vom März 
d. J. angenommenen Bedeutung von R: 


R.S = | Fon] 

ist, so wird jenes Verhältnifs der Elemente durch: 

2 

sr 
dargestellt d. h. durch eben den Ausdruck, welcher in dem 
Integrale der Charakteristik mit dem Elemente dw der Man- 
nigfaltigkeit: F, = 0 multiplieirt ist. Wenn man also im Falle: 
n=3 den Variabeln: 2,, 25,2, die Bedeutung rechtwinkliger 


Raumcoordinaten beilegt, so wird das Element des Integrals 
der Charakteristik eines allgemeinen Functionen-Systems: 


(Fo Fi» Fa, #3) 


für das durch die Gleichungen: 


(20; 20; 20 
u 
S (21, 225 23) 

F (21, 23, 23) = 0 


[1869.] 50. 


x —- 2—- 


698  Gesammtsitzung 


definirte Strahlensystem „das auf die Normalebene des zu- 
gehörigen Strahls projieirte Element der Fläche (F, = 0), 
multiplieirt mit dem Kummerschen Dichtigkeitsmaafs* oder 
„das Element der Fläche (F, = 0) selbst, multiplieirt mit der 
auf dasselbe bezogenen Dichtigkeit des Strahlensystems.* Hier- 
durch zeigt es sich, dafs die Theorie der Charakteristik von 
Functionen Systemen ebenso nahe mit geometrischen Theorieen 
zusammenhängt wie mit der Potentialtheorie; und man darf 
wohl in diesen Beziehungen des ursprünglich aus rein analyti- 
schen Prineipien entwickelten Begriffs der Charakteristik zu 
anderen bekannten Theorieen eine Probe für die Echtheit des- 
selben erkennen, einen Beweis dafür, dafs die Einführung die- 
ses Begriffes in die Wissenschaft durchaus naturgemäfs und 
nothwendig ist. 


Hr. du Bois-Reymond las über die aperiodische 
Bewegung gedämpfter Magnete. (Erscheint in einem der 
nächsten Hefte.) 


Hr. Braun machte eine Mittheilung über zwei bei dem 
Gewitter vom 26. Juli d. J. vom Blitz getroffene Eichen. 


Es war ungefähr 44 Uhr Nachmittags, als der Blitz an 
dem genannten Tage in eine kräftige Eiche des botanischen 
Gartens, in südwestlicher Richtung nicht weit vom Vietoria- 
hause entfernt, einschlug. Wenige Minuten später wurde eine 
Eiche am Rande des Thiergartens, dem Eingange der Bendler 
stralse gegenüber, getroffen. 

Die Eiche des botanischen Gartens ist über 70’ hoch, hat 
am Grunde des Stammes ungefähr 4, in 3’ Höhe über dem 
Boden, ungefähr 3’ Durchmesser. Der Blitz falste den Stamm 
in einer Höhe von beinah 36’, an einer Stelle, wo derselbe 
eine aus zwei fast gleichstarken Theilen bestehende Gabel bil- 
det. Ein ungefähr 8’ über der Gabel abgehender dünner Seiten- 
zweig ist eine Strecke weit, jedoch nicht bis zum Stamme, ein- 


a 


vom 5. August 1869. ; 699 


seitig entrindet; von da scheint der Blitz nach der erwähnten 


- Gabelstelle des Stammes übergesprungen zu sein, wenigstens 
kann man äufserlich Spuren seines Laufes von dem entrindeten 


un ee Be 


Zweig bis zur Gabelstelle nicht wahrnehmen. Von der Gabel- 
stelle aus geht die Blitzspur auf der Ostseite des Stammes in 
schiefer Richtung zur Erde herab. Sie erscheint zunächst als 
ein entrindeter Strich von wechselnder Breite, an einer Stelle 
nur 2” breit, an anderen bis zu 1’ Breite sich erweiternd, im 
Ganzen genommen von oben nach unten an Breite zunehmend. 
Die Rinde ist jedoch, besonders an den engen Stellen, über die 
Grenzen dieses Streifens hinaus auf eine Breite von F—, 
keineswegs aber im ganzen Umfauge des Stammes, gelockert. 
Der fehlende Rindenstreifen fand sich nach dem Blitzschlag in 
grölseren und kleineren Stücken zum Theil bis auf 30 Schritte 
Entfernung umher gestreut; die abgelösten Rindenstücke in sich 
zusammenhängend, nicht in Splitter zermalmt. Längs der Mitte 
des von Rinde entblölsten Streifens befindet sich eine regel- 
mäfsige, in die sonst’ unverletzte Oberfläche des Holzkörpers 
eingefurchte Rinne von 14 — 1#" Breite und #" Tiefe. Sie er- 
streckt sich ununterbrochen von der Gabelstelle bis zum Grunde 
und setzt sich selbst noch an dem unterirdischen Theile des 
Stammes fort. Die durch Ausfurchung dieser Rinne abgelösten 
Späne des oberflächlichen Holzes (Splintes) zeigen ein merk- 
würdig zerfetztes und zerfasertes Ansehn und wurden in locker 
zusammenhängenden biegsamen Streifen, die zum Theil eine 
Länge von 6 — 8' besafsen, ebenso wie die Rindenstücke weit 
hinausgeschleudert. Das Holz erschien übrigens frisch und 
hellgefärbt und zeigte nirgends eine Spur von Verkohlung. 
Die schiefe Richtung der Blitzfurche entspricht dem schiefen 
Verlauf der Holzfaser, welche in dem vorliegenden Falle eine 


- rechts um den Baum herumgehende, sehr wenig geneigte 
- Schraubenlinie bildet, von der senkrechten Richtung nur unge- 


fähr um 6 Grade abweichend. 

Die Eiche an der Bendlerstrafse ist etwas weniger dick 
als die des botanischen Gartens und mag kaum 70’ hoch sein. | 
Der Blitz hat sie in den obersten Verzweigungen erfalst und 


| man sieht die Spur desselben in stärker schiefer Richtung am 
- Hauptstamme herabgehen, um den sie an mehreren starken 


50* 


700 Gesammtsitzung 


Zweigen vorbeigehend, drei volle Umläufe beschreibt, bis sie 
unterhalb der untersten Zweige in 13 — 14’ Höhe über dem 
Boden plötzlich endigt. Etwa 14’ unter dem Ende derselben 
geht auf der Thiergartenseite ein Telegraphendraht nahe am 
Baum vorbei, zu welchem der Blitz ohne Zweifel übergesprun- 
gen ist. Die streifenartige Entrindung und die schmale rinnen- 
artige Ausfurchung des Holzkörpers in der Mitte des Streifens 
verhalten sich im Wesentlichen ebenso, wie an dem Baume des 
botanischen Gartens, nur ist die Richtung der Schraubenlinie, 
welche die Blitzspur in Übereinstimmung mit der Holzfaser 
beschreibt, die entgegengesetzte, nämlich links. Der Winkel 
den sie mit der senkrechten bildet, beträgt etwa 15 Grad. 
Nach den mir in der botanischen Litteratur bekannten 
Beschreibungen vom Blitz getroffener Baumstämme, scheint 
streifenartige Entrindung und rinnenartige Ausfurchung des Holz- 
körpers und zwar in Übereinstimmung mit dem Verlaufe der 
Holzfaser in mehr oder minder schiefer, den Stamm schrauben- 
artig umwindender Richtung die häufigste Wirkungsweise des. 
Blitzes auf Bäume zu sein, gänzliche Zersplitterung des Stam- 
mes dagegen, wie sie Cohn von zwei im Jahre 1855 bei Char- 
lottenbrunn getroffenen Weilstannen (Verhandl. d. Leop. Car. 
Akad. Band XXVlI. 1.) beschreibt, ein seltneres Verhalten; der 
von Caspary beschriebene Blitzschlag in eine Canadische 
Pappel (Schr. d. physik. ökon. Gesellschaft zu Königsberg, 
2. Jahrg., 1861, S. 41) weicht von den hier beobachteten da- 
durch ab, die Entrindung und Aussplitterung des Holzes in 
gleicher Breite zusammenfallen. Rinde und Holz wurden in 
diesem Falle in einem gradlinig nicht schraubenartig verlaufen- 
den Streifen von 6 — 11” Breite und 1-- 6” Tiefe heraus- 
geschlagen und in kleinen merkwürdig zerfetzten Splittern bis 
zu 70’ Entfernung herumgestreut. Unter den von Buchenau 
(Verhandl. d. Leop. Car. Akad. Band XXXIIl) beschriebenen 
unweit Bremen von einem und demselben Blitzschlag getroffe- 
nen vier Eichen stimmen die unter no. 1 und 2 aufgeführten 
in der Art der breiteren streifenartigen Entrindung und schmä- 
lern furchenartigen Aussplitterung des Holzkörpers mit den hier 
beobachteten Eichen wesentlich überein. Bei no. 1 ist die Wir- 
kung sehr stark, in dem der Entrindungsstreif beinahe 2 des 


vom 5. August 1869. 701 


Stammumfanges einnimmt, während die Furche im Splint nur 
1" Breite und 4— 2" Tiefe zeigt. Die Blitzspur geht links, 
wie bei dem Baum an der Bendlerstrafse, und beschreibt unter 
_ einem Winkel von ungefähr 20° beinahe 3 Umläufe um den 
- Stamm. Bei no. 2 ist die Wirkung viel schwächer; der ent- 
rindete Streif hat nur 14 — 22’ Breite, die Aussplitterungsfurche 
#" Breite und 2'”' Tiefe. Die Richtung ist nur schwach schief 
und war rechts, wie bei dem Baum des hiesigen botanischen 
Gartens. Am schwächsten zeigt sich die Wirkung bei dem 
Baum no. 4; die (linksläufige) Furche im Splint ist 6" breit 
und 2’ tief, nur stellenweise von Rinde entblöfst, während an 
anderen Stellen die Rinde nicht abgesprengt wurde. Auch 
Cohn führt einen Fall an und zwar von einer an der Heu- 
scheuer im schlesischen Gebirge im Jahr 1856 vom Blitz ge- 
troffenen Fichte, bei welcher die Blitzspur eine zollbreite, den 
Stamm vom Wipfel bis zur Wurzel umwindende Furche unter 
der nicht abgeworfenen Rinde bildet. 

Die in den angeführten Fällen, welche ohne Zweifel das 
gewöhnlichste Verhalten vom Blitz getroffener Bäume bezeich- 
nete, zu beobachtende scharf begrenzte rinnenartige Ausfurchung 
des Holzkörpers, in Verbindung mit dem Umstande, dafs die 
Rinde, wenn auch in breiterer Erstreckung, doch nur in der 
Richtung dieser Furche und keineswegs im ganzen Umfang des 
Stammes abgelöst oder aufgelockert ist, wodurch allein auch 
das ungestörte Fortleben in solcher Weise beschädigter Bäume 
Erklärung findet, sprechen gegen die von Cohn (am angef. 
Ort, so wie in der Denkschr. z. Feier des 50j. Best. der Schles. 
Ges. für vat. Cult. 1853, S. 26) ausgesprochene Ansicht, dafs 
der Blitz im ganzen Umfange des Stamms durch das Cambium 
geleitet werde und die Ablösungsrichtung eines Rindenstreifens 
nicht die Bahn des Blitzes, sondern nur die Stelle bezeichne, 
in der die Rinde der Explosion den geringsten Widerstand 
leistet. Die Bahn des Blitzes ist allerdings zunächst nicht durch 
den Rindenstreifen, wohl aber durch die Furche im Splint be- 
zeichnet, während die Kraft des auf seiner Bahn durch das 
feuchte Gewebe des jungen Holzes gebildeten Dampfes die 
Rinde in einer gewöhnlich über diese Furche hinausgehenden 
Breitenerstreckung absprengt. 


702 Gesammtsitzung 


In Beziehung auf die entgegengesetzte Richtung der Schrau- 
benlinie, in welcher der Blitz bei den beiden am 26. Juli ge- 
troffenen Eichen seinen Weg am Stamm beschrieber hat, er- 
innere ich schliefslich noch an eine von mir schon früher ge: 
machte Mittheilung über die Unbeständigkeit des schiefen Ver- 
laufs der Holzfaser bei der Eiche (Monatsb. d. Ak. d. Wiss. 
1854, 8. 455). Ob eine von beiden Richtungen die häufigere 
ist und welche, kann ich mit Sicherheit auch jetzt nicht ent- 
scheiden, da ich nie Gelegenheit hatte eine gröfsere Menge ge- 
schälter Eichstämme in dieser Beziehung zu vergleichen. An 
der Aussenfläche der Borke ist nämlich die Drehung durchaus 


unbemerkbar und nur Blitzspuren oder Frostrisse können sie, 


bei lebenden Bäumen verrathen. Cohn führt an, dafs nach 
forstmännischen Erfahrungen die Eichen meist links gedreht 
seien und die wenig zahlreichen von mir verzeichneten Fälle 
scheinen dies zu bestätigen. Von zwei am angef. Orte von 
mir näher bezeichneten Eichen des Thiergartens, welche in 
früheren Jahren (die eine im Jahre 1812) von Blitz getroffen 
wurden, geht die Blitzspur bei der einen links, bei der anderen 
rechts; von den 4 von Buchenau beschriebenen geht sie bei 
zweien links, bei einer (schwach) rechts, bei einer senkrecht. 
Von 8 mit Frostspalten versehenen Eichen, welche Caspary 
(bot. Zeit. 1855, 8.455) beschreibt, ist die Richtung der Spalte 
in 5 Fällen links, in einem Fall rechts, in einem Fall unten 
rechts, oben links, in einem Fall endlich ohne Neigung. Es 
kommen somit (der Fall mit wechselnder Drehung ausgeschlossen) 
auf 10 Fälle mit Linksdrehung nur 4 mit Rechtsdrehung. 


Hr. Jacobi, correspondirendes Mitglied aus St. Peters- | 


burg, sprach über die wissenschaftlichen Zwecke seiner Reise. 


An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 
B. Studer, Erläuterungen zur zweiten Ausgabe der geologischen Karte 
der Schweiz. Winterthur 1869. 8. 


Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bonn aus dem Jahre 
1868. Bonn 1869. 8. 


vom 9. August 1869. 703 


Verhandlungen der Schweizerischen naturforschenden Gesellschaft in Ein- 
siedeln. 52. Jahresversammlung. Einsiedeln 1868. 8. 

Neue Denkschriften der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die 
gesammten Naturwissenschaften. 23. Bd. Zürich 1869. 4. | 

Geschichte der Wissenschaften in Deutschland. Neuere Zeit. 8. Bd.: 
Geschichte der Sprachwissenschaft von Th. Benfey. München 
1869. 8. | 

Atti dell! Accademia de' Nuovi Lincei. Anno 21. Roma 1868. 4. 

Memorie dell’ Istituto veneto. XIV, 2. . Venezia 1868. 4. 

Atti dell’ Istituto veneto. Vol. 14, 2—5. ib. 1868. 8. 

G. Leveöque, Recherches sur l'origine des Gaulois. Paris 1869. 8. 

Beltrami, Sulla teorica generale dei parametri differenziali. Bologna 
1869. 4. 


12. August. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Bonitz las über Platons Kratylus mit Beziehung auf 
die Bestreitung des platonischen Ursprungs. 


Hr. W. Peters machte eine Mittheilung über neue oder 
weniger bekannte Fische des Berliner zoologischen 
Museums. 

1. Pteroplatea crebripunctata n. Sp. 

Scheibe doppelt so breit wie die Entfernung von der Schnau- 
zenspitze bis zur Analöffnung; Schnauze stumpfwinklig vor- 
springend, die vorderen Scheibenränder wellenförmig, vorn und 
hinten convex, in der Mitte flach eingebuchtet; der äulsere 
Winkel spitz abgerundet; die hintern Scheibenränder flach con- 
vex, der hintere Winkel abgerundet, die äulsere Hälfte der Ba- 
sis der Bauchflossen bedeckend. Spritzlöcher ohne Tentakel. 
Rand der Nasenklappe fein gekerbt. Der Schwanz ist an dem 
einzigen männlichen Exemplar abgehauen, wie es scheint, un- 


_ mittelbar vor dem Stachel; vor dieser Stelle befindet sich auf 


der obern Schwanzseite eine niedrige Hautfalte. 
Die Farbe der Oberseite ist braun, überall mit dichtstehen- 
den schwarzen Punkten bedeckt; auf dem vordern Scheibenrande 


704 G@esammtsitzung 


eine Reihe kleiner gelber Flecke, welche 1 bis 14 Centimeter von 
einander entfernt stehn. Die ganze Unterseite gelblich. 
Gröfste Breite . 2 ae ae: a a 
Schnauzenspitze bis Maulspalte . . 2 2 22.2..2....0%045 
» bis Analöffnunig .„.;..,. ‚zn. See aau DEI 
Maulbreite a. a: 28 SIR Rene 
Gekauft; angeblich aus Mazatlan. 
2. Mesoprion Ehrenbergü n. sp. 
B.7.D.10,13; A. 3,8. Lin.lat. 48; tr. 6/13. 

Höhe zur Totallänge wie 1:32, Kopf zu derselben wie 1:34. 
Schnauze kürzer als der Augendurchmesser, letzterer nicht ganz 
dreimal in der Kopflänge enthalten. Interorbitalraum 2 des 
Augendurchmessers; Höhe des Infraorbitale 4 des Augendurch- 
messers. Zunge bezahnt. 

In der Färbung, den goldnen Längsstreifen und der Lage 
des schwarzen Flecks ganz übereinstimmend mit M. fulviflamma 
unterscheidet sie sich, mit gleichgrolsen Exemplaren dieses letz- 
tern verglichen, durch das viel gröfsere Auge und den viel nie- 
drigern Suborbitalbogen, so dafs das Auge dem Mundwinkel 
fast einmal so nahe liegt, wie bei jener Art. 

Unser Museum besitzt zwei Exemplare dieser Art, von 
07205 und 0%125 Länge, welche Hr. Ehrenberg bei Mas- 
saua gesammelt hat. 

3. Mesoprion argentiventris n. Sp. 
B.7.D.10,14; A.3,8. Lin.lat.43; tr.6/13. 

Körperhöhe gleich der Kopflänge, zur Körperlänge (ohne 
Schwanzflosse) wie 1:2%. Schnauze um die Hälfte länger als 
das Auge; Augendurchmesser vier Mal in der Kopflänge, # in 
der Interorbitalbreite enthalten. Obere Eckzähne stark; Zunge 
mit starker Zahnplatte. Oberkieferende fast bis unter den vor- 
dern Augenrand reichend. Präoperkel fein und regelmälsig ge- 
zähnelt, über dem Winkel schwach eingebuchtet. Analstacheln 
stark, 2. und 3. gleich lang. Schwanzflosse am Rande einge- 
buchtet, bis zu $ beschuppt. Rücken- und Analflosse an der 
Basis beschuppt und zwischen den Weichstrahlen bis zur Hälfte. 

Am Rücken bräunlich, die Basis der Schuppen mit einem 
dunklern Fleck, unten silberig, die Basis der Schuppen mit 
einem silberigen Fleck. 


vom 12. August 1869. | 705 


Gekauft; Mazatlan. 

4. Mesoprion inermis n. sp. 
B.7.D.10,14; A.3,10. Lin. let. 54; tr. 9/14. 

Körperhöhe zur Länge (ohne Schwanzflosse) wie 1:32, 
Kopf zu derselben wie 1:3. Schnauze etwas länger als das 
Auge, dessen Durchmesser 34 Mal in der Kopflänge enthalten 
ist. Interorbitalraum gleich einem Augendurchmesser. Hinteres 
Oberkieferende in gleicher Verticallinie mit dem vordern Augen- 
rande. Höhe des Suborbitalknochens 2 des Augendurchmessers. 
Obere Eckzähne klein, nach hinten gerichtet; Gaumenbeine, 
Vomer und Zunge mit sammetförmigen Zähnen. Nasenlöcher 
klein, Vordeckelrand ganz glatt, am Winkel mit einem vor- 
springenden abgerundeten Hautrande. Kiemendeckel mit einem 
sehr schwachen platten Dorn. Stachelstrahlen der Rückenflosse 
dünn. Analstacheln dünn und kurz; der zweite längste nur 
halb so lang, wie die Weichstrahlen der Flosse. Senkrechte 
Flossen zum gröfsten Theil beschuppt. 

Violetbraun, die Mitte der Schuppen mit einem silberglän- 
zenden Flecke, wodurch über der Seitenlinie schräge nach 
hinten aufsteigende, unter derselben Längslinien gebildet wer- 
den; Bauch silberig; oberer und hinterer Theil der Basis der 
Brustflosse braun. | 
| Gekauft; Mazatlan. 

5. Therapon brachycentrus. 
Therapon brevispinis Ptrs. Monatsbr. 1858. p. 256. 

Da Hr. Dr. Steindachner, wie ich aus den erst später 
erhaltenen Sitzungsberichten der Wiener Akademie von 1867 er- 
sehe, bereits früher eine Datnia brevispinis aufgestellt hat, habe 
ich den Namen für meine Art in Th. brachycentrus umgewandelt. 

6. Haemulon maculosum n. sp. 
B.7.D.12,17; A.3,9. L.lat.52; tr. 7/15. 

Körperhöhe zur Länge (ohne Schwanzflosse) wie 1:24, 
Kopflänge nicht ganz 3 Mal in der letzteren enthalten. Schnauze 
spitz, doppelt so lang wie das Auge. Interorbitalraum convex, 
4 breiter als der Augendurchmesser. Oberkiefer endet unter 
dem hinteren Nasenloch. Die Zähne der äufsern obern Reihe 
grade und gröfser als die entsprechenden des Unterkiefers. 
Vordeckel am hintern Rande flach concav, etwas grobgezähnelt. 


706 Gesammtsitzung 


Die Schuppenreihen schräg zur Seitenlinie. Der vierte Rücken- 
stachel länger als die Schnauze, 44 Mal so lang wie der 1., 
welcher den l11ten an Länge gleichkommt. Senkrechte Flossen 
dicht beschuppt. Der zweite Analstachel viel dicker, aber 
kaum länger als der zweite. Silberig mit breiten braunen 
Querbinden, von denen die erste vom Nacken auf den Kiemen- 
deckel, die 3 folgenden von dem Stacheltheil der Rückenflosse, 
die 4. von der Mitte des Weichtheils dieser Flosse herabsteigen und 
die letzte von der braunen Farbe, welche die obern zwei Drittel 
des Schwanzes ziert, wenig geschieden ist. Die Basis der Schup- 
pen der obern zwei Drittheile des ganzen Körpers, so wie des 
Kopfes mit einen schwarzen Fleck, der auf den grofsen Schup- 
pen des Kiemendeckels besonders grols ist. Auch die Schup- 
pen der Brust zwischen Brust- und Bauchflosse haben einen 
solchen, aber kleinern Fleck. Flossen dunkel, nur die Brust- 
flossen und die Basis der Bauchflossen gelblich. 

Totallänge 07301. 

Gekauft; angeblich aus Mazatlan. 

7. Pristipoma notatum n. Sp. 
B.7.D.18—1,15; A.3,13. Lin.lat. 60; tr. 12/23. 

Körperhöhe nicht ganz 4, Kopflänge fast 4 der Körper- 
länge. Schnauze von der Länge des Augendurchmessers; letz 
terer zur Kopflänge wie 1:3$2. Mundspalte klein, kaum bis 
zum vordern Augenrande reichend; eine äuflsere Reihe stärkerer 
Zähne. Hintere Nasenöffnung kaum halb so lang wie die vor- 
dere. Breite des Anteorbitale gleich 3 des Augendurchmessers. 
Präoperkel hinten leicht eingebuchtet, mit spitzen discreten Zähn- 
chen, die des Winkels doppelt so stark wie die andern. Die 
Schuppen bedecken die Basis des weichen Theils der senkrech- 
ten Flossen und setzen sich zwischen den Strahlen noch bis 
zur Mitte der Flossenhöhe fort. Die Rückenflosse ist tief aus- 
geschnitten; die Stacheln sind dick, die beiden längsten, der 
‚5. und 6., kürzer als die längsten Gliederstrahlen, 14 Augen- 
durchmesser lang. Die dicken Stacheln der Analflosse haben 
nur $ der Länge ihrer längsten Weichstrahlen. 

Gekauft; angeblich aus Mazatlan. 


vom 12. August 1869. 707 


8. Pimelepterus elegans n. Sp. 
B.7.D11,12; A.3, 12. Lin.lat. 56; tr.11/21. 

Höhe zur Totallänge wie 1:24, Kopflänge zu derselben 
wie 1:44. Schnauze concav, etwas länger als das Auge, Ober- 
kiefer bis zur Verticallinie des vorderen Augenrandes reichend. 
Die Breite des Interorbitalraums ist fast gleich dem doppelten 
Augendurchmesser. Zähne oben wie unten 38. Schuppen fest 
anliegend, die senkrechten Flossen bis zum Rande bedeckend. 
Braun mit röthlichbraunen Längslinien, unter der Seitenlinie 
etwa 15 bis 16. Rand der Kiemendeckelhaut und Fleck un- 
mittelbar hinter dem unteren Theile der Brustflosse schwarz. 
Ein silberner Streif auf dem Präorbitale. 

Totallänge 0%290. 

Gekauft; angeblich aus Mazatlan. 

9. Doydixodon laevifrons. 
B.6.D.13,14!; A.3, 12. 
Pimelepterus laevifrons Tschudi, Fauna Peruana Pisc. p.18. 

Vielleicht wegen der Zahl der Rückenflossenstacheln, 13, 
und (etwas unregelmälsiger) Zähnelung des Präoperkels von 
D. Fremenvillei zu unterscheiden. Hat weder Zähne am Vomer, 
noch an den Gaumenbeinen, während ein Exemplar der letzte- 
ren Art, von Meyen aus Chile, weder Zähne am Vomer noch 
an dem linken Gaumenbein und den Vordeckel glattrandig hat. 

Totallänge des Originalexemplars 0'230 (Mus. Berol. 
Nr. 1357): “ 

10. Siromateus medius n. sp. 
D.7,41; A.6,27. 

Höhe zur Totallänge wie 1:24, Kopflänge zu derselben 
wie 1:5. Schnauzenlänge $ des Augendurchmessers. Keine 
Bauchflossen, Stachelstrahlen der Rücken- und Analflosse in 
den Schuppen verborgen. Seitenlinie gekielt; Schuppen sehr 
klein. Keine Porenreihe unter der Rückenflosse. Silberig, die 
Flossen mit äufserst kleinen schwarzen Puncten bestreut; die 
innere Seite der Basis der Brustflossen braun; Rand der Schwanz- 
flosse dunkel. 

Totallänge 0%190. 

Gekauft; Mazatlan. 


708 | Gesammtsitzung . 


11. Opisthognathus punctatus n. Sp. 
D.283; A.18. e 

Gröfste Körperhöhe zur Länge (ohne die Schwanzflosse) 
wie 1:33, Kopflänge zu derselben wie 1:3. Oberkiefer reicht 
bis zur Basis der Brustflossen. Schnauze sehr kurz abschüssig, 
die grofsen Augen ein Drittel des Augendurchmessers von ein- 
ander entfernt. Zwischenkieferzähne in der vorderen und hin- 
teren Reihe ziemlich stark, eben so die vorderen, hinteren und 
seitlichen Zähne des Unterkiefers. 

_Hellbraun, der Kopf schwarz punctirt, Körper punctirt und 
gefleckt. Brustflossen oben und unten punctirt; Bauchflossen 
dunkel, klein gefleckt. Senkrechte Flossen dunkelgerandet; die 
abgerundete Schwanzflosse mit gelben schwarzgerandeten Flecken, 
welche nach dem Flossenrande hin immer kleiner werden. 
Rücken und Analflosse an der Basis gelbgrün mit gröfsern schwar- 
zen Flecken, sonst schwarz punctirt, nach dem Ende hin mit gel- 
ben schwarzgeränderten Flecken. Hinter dem Mundwinkel auf 
der innern Seite der den Ober- und Unterkiefer verbindenden 
Membran zwei schwarze Vförmige Binden. 

Totallänge 02270. 

Diese Art ist offenbar sehr nahe verwandt O. megasioma 
Gthr., unterscheidet sich aber sogleich durch den Mangel eines 
grofsen schwarzen Fleckes auf der Rückenflosse. 

Gekauft; angeblich aus Mazatlan. 

12. Plesiops meleagris n. Sp. 
B.6. D.12,11; A.3,11; P.18;V. 1,4. L.1lat. 48; tr. 6/19. 

Körperhöhe zur Länge wie 1:23, Kopflänge zu derselben 
wie 1:3. Schnauze convex, kürzer als das Auge, Interorbital- 
raum etwas breiter als der Augendurchmesser. Letzterer etwas 
mehr als 4 der Kopflänge. Oberkiefer endigt hinter der Mitte des 
Auges. Breite Zahnbinden auf den Kiefern, den Gaumenbeinen, 
der Zunge und dem Vomer, auf letzterem nach vorn winkelig 
zugespitzt. Obere und untere Schlundzähne rundlich. Senk- 
rechte Flossen an der Basis beschuppt. Caudalflosse abgerun- 
det. Dorsal- und Analflosse sind durch die Verlängerung des 
5., 6. und 7. Strahls in eine lange Spitze ausgezogen, welche 
die Schwanzflosse noch überragt. Die Wangen sind mit sehr 


vom 12. August 1869. ‚ara 709 


kleinen Schuppen bedeckt, nur die Kiemendeckelstücke haben 
-  grofse Schuppen, am Operculum in drei Reihen. Die Körper- 
- schuppen sind rauh und am Rande sehr fein gezähnelt; zwi- 
schen dem Anfang der Rückenflosse und der Seitenlinie 6, vom 
Anfang der Analflosse bis zu derselben 19 .Schuppenreihen. 

Braun, Kopf, Körper und Flossen mit zahlreichen bläu- 
lichen perlmutterglänzenden Puncten, die meisten Schuppen mit 
2 bis 3 derselben nicht weit von ihrem hintern Rande; auf dem 
stacheligten Theil und auf der Basis des weichen Theils der 
. Rückenflosse sind diese Punkte meist zu kurzen schräg nach 
hinten aufsteigenden Linien vereinigt. 

Totallänge (mit der Schwanzflosse) 0%335. 

Von Hrn. R. Schomburgk in Adelaide, Südaustralien. 

‘Am nächsten verwandt mit Pl. Bleekeri Gthr., welche, 
nach der Beschreibung zu urtheilen, verschieden von der vor- 
stehenden ist durch die längere Schnauze, den schmälern Inter- 
orbitalraum und ganz verschiedene Färbung. 

13. Solea (Monochir) pilosa n. sp. 
D.54; A.41. 

Körperhöhe zur Totallänge wie 1:2. Rechte Brustflosse 
klein, linke fehlend. Linke Kopfseite gefranzt. Oberes Auge 
ragt ein wenig weiter vor als das untere. Seitenlinie fast grade, 
am Anfange mit einer flachen Krümmung. Schuppen rauh, an 
den Strahlen der senkrechten Flossen aufsteigend. Braun mit 
etwa 8 senkrechten dunkleren Linien, Flossenränder hell; einige 
zerstreute weilse Flecke auf dem Körper, am Kopfe und auf 
der Rückenflosse. Auf der rechten Seite Büschel von schwar- 
zen fadenförmigen Anhängen, die z. Th. in unregelmäfsigen 
Querreihen stehen. 

Totallänge 02095. 

Gekauft; Mazatlan. 

Sehr nahe verwandt mit S. (M.) reticulata Poey aus Cuba. 

14. Apionichthys nebulosus n. Sp. 
D.74; A.54. 

Körperhöhe zur Länge (ohne Schwanzflosse) wie 1:22. 
Das obere Auge weiter nach vorn als das untere, welches gleich 
hinter und über dem Mundwinkel liegt. Unterlippe mit 16 Ten- 


NS 


710 Gesammtsitzung 


takeln. Seitenlinie fast grade, einen flachen Bogen nach unten 
bildend. Schuppen des Oberkopfes doppelt so grols, wie die 
des Körpers, welche rauh sind und über der Seitenlinie bis 18 
Reihen bilden. Schuppen steigen an den Strahlen der Flossen 
hinauf. Die einfache fünfstrahlige Bauchflosse bildet eine con- 
tinuirliche Flosse mit der Analflosse, die so wie die Rücken- 
flosse mit der spitzen Schwanzflosse zusammenhängt. 

Braun, mit dunkleren Flecken, welche undeutliche Quer- 
binden und Längslinien bilden. | 

Totallänge der beiden gleich grofsen Exemplare 0%193. 

Surinam. 

15. Hippocampus breviceps n. Sp. 
D:19. 

Schnauze um die Hälfte länger als das Auge, mit diesem 
zusammen so lang wie die Entfernung vom Auge bis zur Brust- 
flosse. Die Kopfhervorragungen ähnlich wie bei HZ. comes, aber 
weniger entwickelt; Operkel mit strahlenförmigen erhabenen 
Linien; Hinterhauptshöcker so hoch, wie die Schnauze in der 
Mitte, am Ende kaum verdickt, fünfhöckerig., Rumpf aus zehn 
Gürteln gebildet, wobei das Brustsegment einfach. gerechnet ist; 
die dorsolateralen Höcker des 1., 3., 5., 9. u. 10. Gürtels am 
meisten hervorragend. Der Schwanz hat 40 bis 41 Gürtel, von 
denen nur der ]1., 5. u. 8. einen hervorragenden dorsolateralen 
Höcker haben und unter diesen ist der 1. der grölste am 
ganzen Körper. Die Rückenflosse steht auf den beiden letz- 
ten Rumpf- und den beiden ersten Schwanzsegmenten und hat 
19 Strahlen. 

Graubraun, der Körper mit zahlreichen perlmutterglänzen- 
den schwarzeingefalsten Pünctchen geziert, welche meist in 
Querreihen geordnet sind. Kopf und Auge mit ähnlichen Ocel- 
len oder ganz schwarzen Puncten dicht besät. Die fadenför- 
migen Höckeranhänge und zwei Längsbinden der Rückenflosse 
‚schwarz. 

Adelaide; durch R. Schomburgk. 

16. Trachyrhamphus cultrirostris n. Sp. 
P.17; D.28; A.4; C.9.— Cing. 24+43. 
Schnauze um 4 Augendurchmesser kürzer als der übrige 


vom 12. August 1869. il 


Kopf. Körper aus 24 Hauptgürteln zusammengesetzt, von de- 
nen die beiden ersten Brustgürtel mit einander verwachsen sind. 
Der Körperseitenkiel ist auf dem vorletzten Körpersegment nach 
unten gebogen und hier unterbrochen, beginnt aber aufs neue 
auf dem Analsegment, um sich mit dem untern Schwanzkiel zu 
vereinigen. Der Seitenrückenkiel setzt sich bis zum Ende des 
zweiten Caudalsegments, der obere Schwanzkiel unter demsel- 
ben bis zum. Anfang des vorletzten Körpersegments fort. Der 
Schwanz wird aus 43 Hauptgürteln zusammengesetzt. Die 
Rückenflosse steht auf den 3 letzten Körper- und den 2 ersten 
Schwanzsegmenten. 

Braungrau mit braunen zwei Gürtel breiten Querbinden, 
welche durch drei bis vier Gürtel von einander getrennt sind. 
Kiemendeckel silberglänzend. | 

Malse des einzigen vorliegenden weiblichen Exemplars: 


Totallänge . . OR 4 Kopfhche 2.5.5! 020035 
Bis zur Analöffnung . 02053 Rumpfhöher,.......1..-020027 
Länge des Kopfes . 0920114 Rumpfbreite . . . 020027 
Länge der Schnauze. 03005 BRückenflosse . . . 0%008 
Schwanz (ohneFlosse) 0%078 Schwanzflosse . . 0%003 


Gekauft; angeblich aus Siam. 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 
vorgelegt: 
Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien. Jahrg. 1869, 
zes. Wien 1869. 8. 
Verhandlungen der AmeaFOr schenden Gesellschaft in Basel. 5. Theil. 
Basel 1869. 3. 
Abhandlungen für die Kunde des Morgenlands. 5. Bd. 2. Heft. Leip- 


zig 1868. 8. 
Zeitschrift der deutschen Morgenländischen Gesellschaft. XX,4. Leip- 
zir 1868. 8. 


Annales des mines. XV, 2. Paris 1869. 8. 
Recueil des anciennes Contumes de la Belgique. Philippeville, tome 1. 
Bruxelles 1869. 4. Mit Ministerialrescript vom 5. August 1869, 


712 Gesammtsitzung vom 12. August 1869. 


Brosset, Etudes de chronologie technique. 1. 2. Petersb. 1868. 4. 

— Histoire chronologigue, par Mkhitar d’ Airivank. Traduite de lar- 
menien. Petersburg 1869. 4. % 

Oppert, Le fils de Tabeel. (Paris 1869.) 8. 

Merian, Über die Grenze zwischen Jura und Kreideformation. Basel 
1869. 8. 


MONATSBERICHT 


KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 
- ZU BERLIN. 


September und October 1869. 


Vorsitzender Sekretar: Herr Haupt. 


Sommerferien, 


11. October. Sitzung der physikalisch-mathe- 
matischen Klasse. 


Hr. Magnus las über die Veränderung der Wärme- 
strahlung durch Rauheit der Oberfläche. 


Leslie'), der zuerst beobachtet hat dafs ein Körper bei 
rauher Oberfläche mehr Wärme ausstrahlt als bei glatter, 
sprach schon die Vermuthung aus, dafs dies Verhalten durch 
die Dichtigkeit der Oberfläche bedingt werde. Er äulsert jedoch 
selbst sogleich wieder Bedenken gegen diese Ansicht, indem er 
darauf hinweist, dals die Grenze zwischen harten und weichen 
Körpern sich nicht feststellen lasse. 

Später hat Melloni’) die Behauptung erneut, dafs die 
veränderte Ausstrahlung nur auf einer Änderung der Dichtig- 
keit der Oberflächen-Schicht beruhe. Er stützt diese Behaup- 
tung darauf, dafs er bei gewissen Körpern, wie Glas, Marmor 


1) An-Inguiry into the nature of Heat. p. 89. 
2) Comptes rendus VI. 238. Pogg. XLV. 57. 
[1869.] 51 


714 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


und Gagat keine Änderung in der Ausstrahlung beobachtete, 
ihre Oberfläche mochte rauh oder polirt sein, und nur bei metal- 
lischen Körpern eine Steigerung eintrat, wenn sie rauh ge- 
macht wurden. Da diese sich nicht nur bei leicht oxydirbaren 
Metallen zeigte, sondern auch bei Gold und Platina, so dafs 
der Gedanke, eine Oxydschicht möchte die Ursache dieses Ver- 
haltens sein, ausgeschlossen war, so führt Melloni die Er- 
scheinung darauf zurück, dals die Metalle zusammendrückbar 
seien, Gagat, Elfenbein, Marmor aber nicht. Die Erfahrung 
lehrt, sagt er, dafs Platten von Metall, die durch Hämmern 
oder Walzen dargestellt sind, eine gröflsere Dichte an ihrer 
Oberfläche besitzen als im Innern. Wirft man nun einen Blick 
auf die Tafel über das Ausstrahlungsvermögen der Körper, so 
sieht man, dafs dies im Allgemeinen sich umgekehrt wie ihre 
Dichtigkeit verhäit; wenn man daher annimmt, dafs dasselbe Ge- 
setz auch für die verschiedene Verdichtung einer und derselben 
Substanz gilt, so erklärt sich die grölsere Ausstrahlung. Denn 
durch das Ritzen wird die Oberfläche weniger dicht oder es 
werden die inneren, weniger harten Stellen entblöfst. 

Zur Bestätigung dieser Ansicht führt Melloni folgenden 
Versuch an. Er liefs vier Platten aus recht reinem Silber fer- 
tigen, zwei stark gehämmert und zwei gegossen und in ihren 
Sandformen sehr langsam erkaltet. Aus diesen bildete er die 
Seiten eines viereckigen Kastens mit metallischem Boden, und 
damit die Platten nicht in ihrer Dichte und Härte geändert 
würden, löthetete er sie mit leichtflüssigem Loth zusammen. 
Vor der Vereinigung waren sie mit Bimstein und Kohle polirt 
ohne Hammer und Glättstahl. Darauf wurde eine der gegos- 
senen und eine der gehämmerten Platten mit grobem Schmir- 
gelpapier in einer Richtung stark gerieben. Die Seiten, welche 
ihren Glanz behalten hatten, spiegelten scharfe Bilder, die ge- 
riebenen dagegen nur matte und streifige. Das so zubereitete 
 Silbergefäfs wurde mit heifsem Wasser gefüllt. Die Ablenkun- 
gen, welche die vier Seiten hervorbrachten, waren: 

die gehämmerte und polirte Seite 10° 
N 5 3. geriizte: „. 10 
„ gegossene und polirte „ 13,7 
“ = „. ‚geritzie „ıSi.kl4s 


vom 11. October 1869. 715 


Bei den gehämmerten Platten hatte folglich das Ritzen eine Stei- 
gerung bei den gegossenen eine Verminderung der Ausstrahlung 
_ hervorgebracht. Diese unerwartete Thatsache schien ihm die 
Richtigkeit seines Satzes zu beweisen. 
| Mit demselben Recht aber und vielleicht noch mit grösse- 
rem als Melloni den Satz ausspricht, dafs die Oberfläche 
durch das Ritzen lockerer wird, kann man behaupten, dafs sie 
fester werde; denn während des Ritzens findet ein Druck auf 
die Oberfläche statt, und selbst wenn man annehmen wollte, 
dafs die einzelnen Vertiefungen nicht eingedrückt, sondern her- 
ausgeschabt wären, so findet auch bei diesem Schaben ein 
Druck auf die stehenbleibenden Theile statt, der, wenn er 
auch nur seitlich wirkt, doch eine Verdichtung zur Folge ha- 
ben mufs. 

Noch hat Melloni'!) folgenden Versuch angestellt. Aus 
einer Platte von Spiegelglas von 11” Dicke liefs er 4 Stücke 
schneiden, die bis zum Rothglühn erhitzt wurden und von de- 
nen zwei langsam erkalteten, die andern beiden schnell abge- 
kühlt wurden. Eine von jeder der beiden Arten wurde geritzt 
und dann aus den vier Platten die Seitenwände eines Kastens 
gebildet, der mit heifsem Wasser gefüllt wurde. Die beiden 
langsam erkalteten zeigten gleiche Ausstrahlung. Von den 
abgekühlten gab die gerizte einen Ausschlag von 2937, die nicht 
geritzte von 28°. Daraus folgert Melloni, dafs die Rauheit 
der Oberfläche nur dann von Einflufs sei, wenn die inneren 
Theile der Masse eine geringere Dichte besitzen als die aus- 
strahlenden Schichten an der Oberfläche. 

Später hat Hr. Knoblauch?) Versuche ausgeführt um 
die Ansicht Melloni’s noch auf andere Weise zu bestätigen. 
Zunächst hat er gegossene und gewalzte Bleiplatten angewen- 
det. Die eine der ersteren, der gegossenen, die glatt eine Ab- 
lenkung der Nadel von 49° hevorbrachte, zeigte, nachdem sie 
geritzt worden, nur eine Ablenkung von 48925. Die Ausstrah- 
lung hatte folglich abgenommen, freilich nur um 0975, und ' 


1) Thermochrose p. 88 Anmerk. 
2) Pogg. Ann. LXX. 343. 
51* 


716 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


nahm durch nochmaliges Ritzen in der Querrichtung noch um 


1° ab, denn die Ablenkung betrug nur 47725. 
Von den gewalzten Platten zeigte eine, welche glatt eine 
Ablenkung von 50%5 hervorgebracht hatte, nach einmaligem 


Ritzen gleichfalls eine Abnahme der Ausstrahlung, denn der | 


Ausschlag betrug nur 4895. Nachdem sie aber auch in der 
Quere gerizt worden, fand wieder eine Vermehrung der Aus- 


strahlung um 195 statt, denn der Ausschlag der Nadel betrug 


49°75. Hr. Knoblauch meint, dafs die Zunahme der Aus- 


strahlung durch das zweite Ritzen davon herrühren könne, dafs 


das Blei zwar an den Stellen des eigentlichen Strichs verdich- 
tet, aber an den Pnnkten, an welchen die aufgeworfenen Rän- 
der der Furchen zusammentrafen, aufgelockert wurde. 

Sodann nahm Hr. Knoblauch einen Würfel aus gewalz- 
tem Kupferblech und verglich zunächst die Ausstrahlung einer 
glatten Seite mit einer in zwiefachem Sinne gerizten. Die er- 
stere gab einen Ausschlag von 29°, die andere von 47975. 
Als darauf beide mit Kupfer galvanoplastisch überzogen wur- 
den, gab die erstere 49925, die gefurchte 5195. 

Gewifs ist dieser Versuch sehr interessant, allein er be- 
stätigt nach meiner Ansieht nicht, wie Hr. Knoblauch be- 
hauptet'), den von Melloni aufgestellten Satz, „dals das 
Ritzen der Oberfläche nur insofern auf das Ausstrahlungsver- 
mögen der Körper von Einflufs sei, dafs es ihre Dichtigkeit 
und Härte modificire, und zwar dasselbe steigere oder vermin- 
dere, jenachdem es die betrefienden Stellen auflockere oder 
verdichte.* | 

Denn Hr. K. sagt selbst, wie oben erwähnt, dafs durch 
das Ritzen die Stellen des eigentlichen Strichs verdichtet, die 
aufgeworfenen Ränder aber aufgelockert seien. Melloni hin- 
gegen behauptet, dafs das Ritzen überhaupt nicht auflockere, 
sondern nur die inneren lockeren Stellen blos lege. 

Unter solchen Umständen schien es wünschenswerth, zu- 
- nächst die Erscheinung selbst etwas näher kennen zu lernen, 
und zu dem Ende hat der Verf. einige Versuche angestellt, bei 
denen statt des Kupfers und anderer leicht oxydirbarer Metalle 


) a.a. 0. p. 349. 


vom 11. October 1869. 717 


Platinplatten angewendet wurden, bei denen auch andere Ver- 
änderungen der Oberfläche, wie sie beim Silber durch kleine 
Mengen von Schwefelwasserstoff leicht entstehen, nicht zu be- 
"fürchten waren. 
| Eine Platinplatte, die durch Auswalzen möglichst hart ge- 

macht worden, strahlte, nachdem sie stark ausgeglüht war, 

eben so viel Wärme aus als zuvor. Die Härte konnte hier- 
nach die Ausstrahlung nicht bedingen. 

Eine andere Platinplate war unter sehr starkem Druck 
zwischen zwei Walzen gegangen, von denen die eine fein gra- 
virt war, so dafs die Platte nach dem Walzen auf ihrer einen 
Seite kleine Erhöhungen zeigte, während die andere glatt war. 
Die erstere strahlte unbedeutend mehr als die andere aus. 
Nachdem aber die Platte stark geglüht worden, war auch dieser 
Unterschied nicht mehr bemerkbar. Es geht daraus hervor, 
dafs bei sonst gleicher Beschaffenheit der Oberfläche Uneben- 
heiten und selbst regelmäfsig wechselnde Erhöhungen und Ver- 
tiefungen vorhanden sein können, ohne dafs dadurch eine Ver- 
mehrung der Ausstrahlung entsteht. 

Wurde dagegen eine ebene Platinplatte, welche mittelst 
der Glasbläserlampe ausgeglüht und ganz weich war, mit feinem 
Schmirgelpapier rauh gemacht, so steigerte sich ihre Ausstrah- 
lung auf das Doppelte. 

Um einen solchen Vergleich anstellen zu können, geschah 
die Erwärmung der ausstrahlenden Platte mittelst eines klei- 
nen Apparats aus Messing, der durch Dämpfe auf 100° C. 
erhalten wurde. Er bestand aus einem horizontal liegen- 
den Cylinder von 50% % innerm Durchmesser und eben so viel 
Länge, dessen eine Basis von der zu untersuchenden Platte 
gebildet wurde. Um diese leicht mit einer andern vertauschen 
zu können, war der Cylinder mit einem breiten Rande ver- 
sehen, gegen den die Platte durch einen Messingring mittelst 
dreier Schrauben angedrückt wurde. Zur Dichtung dienten 
dazwischen gelegte Ringe aus starkem Papier, die vollkommen 
dampfdicht schliefsen. 

Um sicher zu sein, dafs bei Behandlung der Platte nicht 
irgend eine fremde Substanz auf derselben zurückgeblieben sei, 
z. B. Spuren von dem Leim des Schmirgelpapiers, obgleich 


718 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


dasselbe ganz trocken angewendet worden war, wurden die 
Platten, bevor man sie in den Apparat befestigte, eine Zeit 
lang in concentrirter Salpetersäure erhitzt, sodann mit destillir- 
tem Wasser so lange abgespühlt, bis alle Säure entfernt war, 
und darauf getrocknet ohne sie mit einem Tuch oder andern 
Gegenständen zu berühren. | 

Man kann sich schwer vorstellen, dafs durch die leichte 
Behandlung mit Schmirgelpapier die Dichtigkeit der Oberfläche 
sich in solchem Maafse geändert haben sollte, dafs die Aus- 
strahlung sich verdoppelte. | 

Wurde eine Platinplatte mit einer dünnen Schicht von 
Platinschwamm überzogen, indem Platinsalmiak in dünner Schicht 
darauf gebracht und sie dann stark erhitzt wurde, so zeigte sie, 
ohne mit Salpetersäure behandelt zu sein, etwa die siebenfache 
Ausstrahlung von der, die sie vor dem Aufbringen des Platin- 
schwamms geliefert hatte. 

Der Platinschwamm ist lockerer als die Platte, auf der er 
befestigt ist, allein jedes einzelne Theilchen desselben ist ohne 
Zweifel eben so hart wie ein Theilchen der ausgeglühten Platte. 
Die Wirkung des Schwamms beruht daher, wie es scheint nur 
darauf, dafs er mehr Spitzen und Ecken darbietet. Es ist dies 
um so wahrscheinlicher, als die Ausstrahlung einer solchen, mit 
Schwamm überzogenen Platte abnimmt, wenn sie öfter und an- 
haltend geglüht wird. Möglich, dafs bei jedem neuen Erhitzen 
etwas von dem Schwamm sich loslöst, aber jedenfalls runden 
sich die äufsersten Spitzen und Ecken zugleich ab. Härter 
können sie nicht werden. 

Der Verf. ist der Ansicht, dafs die Vermehrung der Aus- 
strahlung bei rauher Oberfläche wesentlich von der Brechung 
abhängt, welche die Wärme bei ihrem Austritt aus der Ober- 
fläche des strahlenden Körpers erleidet. Er erläutert diesen 
Einflufs für die verschiedenen Gestalten der Oberfläche und 
kommt dabei zu folgendem Schlufs. Je gröfser der Brechungs- 
exponent der Wärme zwischen der ausstrahlenden Substanz und 
der Luft ist, um so geringer ist die Ausstrahlung aus der ebe- 
nen Oberfläche, und dann nimmt die Menge der nach Innen re- 
flectirten Wärme zu. Ohne Zweifel haben die Metalle einen 
sehr grolsen Brechungsexponenten. Deshalb reflectiren sie die 


En 


= 


| 


| 


vom 11. October 1869. 719 


von Aufsen kommenden Strahlen und lassen nur wenig davon 
eindringen, und deshalb reflectiren sie auch die aus dem Innern 


kommenden nach Innen und lassen nur wenig davon austreten. 


Gröfsere Unebenheiten der ausstrahlenden Fläche haben nur 
unbedeutende Änderungen der Ausstrahlung zur Folge. Eine 
solche tritt nur ein, wenn die Krümmungsradien sehr klein sind 
und sich sehr stark ändern, und wenn die ausstrahlende Sub- 
stanz wenig diatherman ist. Im Allgemeinen kann zwar die 
Rauhigkeit der Oberfläche sowohl eine Steigerung als eine Ver- 
minderung der Ausstrahlung bewirken, aber wenn die Uneben- 
heiten sehr fein und sehr tief sind, so tritt bei wenig diather- 


“ manen Substanzen, wie die Metalle, fast stets eine Steigerung 


ein. Ist ein sehr feines Pulver derselben Substanz auf der 
ausstrahlenden Fläche befindlich, so steigert dies die Ausstrah- 
lung bedeutend; nicht nur bei wenig diathermanen Körpern 
wie die Metalle, sondern auch bei stark diathermanen z.B. beim 
Steinsalz. 


Hr. W. Peters machte eine Mittheilung über eine neue 
Eidechsenart, Phyllodactylus galapagensis, von den 
Galapagos-Inseln. 


Man kannte bisher von den Galapagos-Inseln nur fünf 
Reptilien, von denen vier, Testudo nigra, Amblyrhynchus sub- 
cristatus, A. cristatus und Liocephalus Grayi denselben eigen- 
thümlich sind, eins, Dromicus Chamissonis') auch auf dem ame- 


1) Hr. Dr. Günther hat (Proceed. Zool. Soc. Lond. 1860. p.97) eine 
Herpetodryas biserialis als die wahrscheinlich einzige auf den Galapagos- 
Inseln vorkommende Schlange beschrieben. Ein Exemplar ebendaher aus 
dem Stockholmer Museum stimmt ganz mit Dr. Chamissonis Wiegmann 
(1834. Dr. Temminckü Schleg. 1837) überein. Es ist aber dabei zu be- 
merken, dafs die beiden hintersten querstehenden Oberkieferzähne nicht 
länger als der vorhergehende Zahn sind (wie bei Herpetodryas), jedoch 
kommt dieses auch, wie ich mich überzeugt habe, bei einzelnen Exem- 
plaren von Dr. Ohamissonis von dem Continente vor. Zwar zeigte das 
von Hrn. Günther beschriebene Exemplar drei Postocularia bei son- 


720 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 11. October 1869. 


ricanischen Continent verbreitet ist, während nach Darwin 
u. A. Batrachier gar nicht auf denselben vorkommen. Die 
Vermehrung der Fauna dieser merkwürdigen Inselgruppe um’ 
eine sechste Art aus der Classe der Amphibien und zwar aus 
der über alle Welttheile verbreiteten Familie der @Geckones 
dürfte daher nicht ohne Interesse sein. 

Phyllodactylus galapagensis n. Sp. 

Graubraun, schwarz punctirt und kleingefleckt. Fünf La- 
bialia jederseits oben und unten aulser einigen kleinen hinteren 
Schuppen. Das Mentale sehr grofs, vorn am breitesten, hinten 
abgestutzt, und an drei polygonale Schuppen, zwei seitliche 
und eine mittlere, stofsend.. Die Schüppchen des Hinterhaupts 
fast doppelt so klein wie die der Schnauze, auf dem Körper 
zwischen den Schuppen kleine Tuberkeln, welche jederseits 6 
Längsreihen bilden. Die glatten Bauchschuppen klein, zwischen 
der vordern und hintern Extremität etwa 56 Querreihen bildend. 
Ohröffnung schief, klein. 

Das einzige, nicht gut erhaltene Exemplar dieser Art ver- 
danke ich der Güte des Hrn. Sundevall. 

Diese Art schliefst sich dem PA. tuberculatus aus Californien 
und dem Ph. Reifsit aus Guayaquil (Monatsberichte. 1862. p.626) 
zunächst an, ist aber von beiden durch die Form des Mentale, 
die Zahl der Lippenschilder, so wie durch die feinere Beschup- 
pung und die kleineren Tuberkeln leicht zu unterscheiden.') 


stiger Übereinstimmung, während das mir vorliegende zwei Postocularia 
hat. Es wäre ja möglich, dafs zwei verschiedene, einander aber in 
Färbung, Habitus und sonstiger Pholidosis täuschend ähnliche Schlangen- 
arten auf den Galapagos-Inseln vorkämen, was nur durch die Unter- 
suchung einer Reihe von Exemplaren sich würde entscheiden lassen. 

1) Nach Vergleichung mehrerer Exemplare des Acrantus viridis bin 
ich zu der Überzeugung gekommen, dafs der im d’Orbigny’schen Werke 
abgebildete Onemidophorus (Dierodon) celestis (cf. Monatsberichte 1869 p. 64. 
u.433) nicht davon verschieden ist, dafs man dieser Figur aber eine sehr 
entwickelte fünfte Zehe zugesetzt hat. Diese fünfte Zehe ist im rudi- 
mentären Zustande stets bei A. viridis vorhanden, tritt aber in den mei- 
sten Fällen nur wenig hervor. Sonst stimmt er, bei directem Vergleiche, 
vollkommen mit Dicrodon überein. 


Gesammtsitzung vom 14. October 1869. 721 


14. October Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Pringsheim las über Paarung von Schwärm- 
sporen, die morphologische Grundform der Zeugung 
im Pflanzenreiche. 


Die Untersuchungen, deren Resultat ich in dieser vorläufi- 
gen Mittheilung kurz zusammenfasse, bilden eine Fortsetzung 
und Erweiterung meiner ersten Arbeiten über das Geschlecht 
der Algen. 

In einer Reihe von Beobachtungen an einigen Gattungen 
aus der grofsen Abtheilung der Zoosporeen konnte ich damals'), 
wie bekannt, den Beweis führen, dafs diejenigen ihrer Fort- 
pflanzungszellen, welche man früher als ruhende Sporen be- 
zeichnete, die weiblichen Geschlechtsproducte dieser Pflanzen 
darstellen. Die befruchtenden, männlichen Elemente fand ich bei 
einigen Gattungen unter der Form kleinerer, von den Schwärm- 
sporen mehr oder weniger abweichenden Bildungen; bei anderen 
Gattungen dagegen fand ich sie in ihrer Gestalt so sehr mit 
den Schwärmsporen derselben Gattungen übereinstimmen, dafs 
sie nur noch als eine kleinere Form dieser Schwärmsporen er- 
schienen. ) 

Die hieraus für die Vermehrung und Zeugung dieser Ge- 
wächse gewonnenen Vorstellungen liefsen sich dann ohne 
Schwierigkeit auf alle diejenigen Zoosporeen ausdehnen, bei 
welchen neben ruhenden Sporen noch zweierlei Schwärmsporen- 
formen, grössere und kleinere, bekannt waren, oder bei denen 
doch mindestens die Existenz ruhender Sporen erwiesen oder 
zu vermuthen war. | 

Allein bei der Mehrzahl der Algengattungen, welche 
Schwärmsporen besitzen, hat man bisher trotz der eifrigsten 
Nachforschungen neben den Schwärmsporen ruhende Sporen 
nicht auffinden können und unter diesen giebt es überdiefls Gat- 
tungen, bei welchen zwar schon zweierlei Schwärmsporenformen 
bekannt sind, von welchen jedoch angegeben wird, dafs beide 


1) Monatsberichte d. Berl. Acad. 1855, 56, 57 und Jahrbücher für 
wiss. Bot. L u. II. 


722 Gesammtsitzung 


gleichwerthig sind und dafs die einen, wie die anderen ohne 
Zwischentreten des Geschlechtsactes in gleicher Weise unmittel- 
bar keimen. Endlich habe ich selbst noch von einigen anderen 
Gattungen mit zweierlei Schwärmsporenformen, bei welchen 
ruhende Sporen ebenfalls unbekannt waren, nachgewiesen !), 
dafs bei ihnen die kleinen Schwärmer in einen Dauerzustand 
übergehend selbst zu ruhenden Sporen werden und dafs es diese 
aus den sogenannten Microgonidien entstandenen Ruhesporen 
sind, welche bei ihrer späteren Entwickelung die Mutterpflanze 
wieder erzeugen. | 

Diese verschiedenen Angaben, welche zum Theil wenig- 
stens scheinbar auseinandergehen, deren Richtigkeit jedoch 
nichtsdestoweniger unangefochten und unzweifelhaft ist, ver- 
langten offenbar eine ausgleichende Erklärung, wenn man nicht 
etwa geneigt war sehr wesentliche Differenzen in der Vermeh- 
rungs- und Fortpflanzungsweise dieser unter sich so nahe ver- 
wandten Pflanzen anzuerkennen. Wollte man nun nicht an- 
nehmen, dafs alle diese Pflanzen ohne ruhende Sporen ge- 
schlechtslos sind — ein Ausweg, der allerdings den bequemsten 
aber zugleich sicher den unfruchtbarsten Abschluss brachte — 
so mufste man entweder voraussetzen, dafs bei ihnen die ruhen- 
den Sporen noch gefunden werden würden — was bei der sorg- 
samen Durchforschung des Gebietes in den letzten Jahrzehnten 
für eine grolse Anzahl von Gattungen kaum glaublich erschien — 
oder man war zu der Annahme genöthigt, dals auch noch 
innerhalb der Abtheilung der Zoosporeen und zwar an den be- 
reits bekannten Organen derselben der Sexualact in einer be- 
sonderen, bisher noch nicht unterschiedenen Modification auf- 
treten möchte, durch deren directe Beobachtung die mangelnde 
Übereinstimmung in dem Entwickelungsgange der Zoosporeen 
mit ruhenden Sporen und derjenigen ohne ruhende Sporen sich 
herstellen würde. 
Wo dieser unbekannte Sexualact zu suchen sei, dafür schien 
mir, wie ich bereits in früheren algologischen Aufsätzen aus- 
sprach, in der nachgewiesenen Existenz von zweierlei Schwärm- 
sporenformen an derselben Pflanze schon eine genügende An- 


1) Monatsberichte d. Berliner Acad. d. Wiss. 1860. 


vom 14. October 1869. 228 


deutung zu liegen und ich habe deshalb auf die genauere Erfor- 
schung der Umstände, unter welchen die Microgonidien ent- 
stehen und keimen, meine Untersuchungen wiederholt hingelenkt, 
auch den Gegenstand bei jeder sich mir darbietenden Gelegen- 
heit stets von Neuem wieder aufgenommen. 

So gelang es mir endlich zunächst bei einer Pflanze aus 
der Familie der Volvocineen den Befruchtungsact in einer Form 
wiederzufinden, welche einen neuen Ausgangspunkt für die Auf- 
suchung des Sexualactes bei den nur mit Schwärmsporen ver- 
sehenen Zoosporeen darbietet und welche zugleich nicht nur als 
eine neue Modification des Befruchtungsactes von Interesse ist, 
sondern noch vielmehr deshalb, weil sie eine Zwischenstufe 
zwischen den bekannten Formen der Zeugungsvorgänge darstellt 
und die verschiedenen Geschlechtsproducte als eine Reihe in 
einander übergehender Abweichungen derselben Form erscheinen 
läfst. 

Diese besondere Modification der Zeugung der Zoosporeen 
ist ein Vorgang, den ich als Paarung von Schwärmsporen 
bezeichne und dessen wesentlichste Differenz von anderen Zeu- 
gungsvorgängen in dem Auftreten schwärmender Oosporen oder 
vielmehr beweglicher Befruchtungskugeln liegt, die in 


ihrer äufseren Gestalt mit Schwärmsporen völlig überein- 


stimmen. 

Die Pflanze, auf welche sich diejenigen meiner Untersuchun- 
gen, die ich hier zunächst veröffentlichen will, beziehen, ist eine 
der verbreitetsten Volvocineen, allein sie ist vielfach in ihren 
verschiedenen Entwickelungsstadien mit einer zweiten, ihr nächst 
verwandten Volvocinee verwechselt worden. Zudem sind die 
einzelnen Entwickelungsstufen beider Pflanzen unter unhaltbaren 
und incorrecten Diagnosen als verschiedene Gattungen unter 
den Namen Pandorina, Eudorina, Botryocystis, Spondylomorum 
und Synaphia beschrieben und von den Beobachtern überdies 
noch in nicht übereinstimmender Weise bald hier, bald dorthin 
gezogen worden. Hieraus entstand eine fast unlösbare Ver- 
wirrung in der Nomenclatur der hierher gehörigen Formen 
und man geräth, wenn man die Confusion nicht noch durch 
neue Namen vermehren will, in Verlegenheit, welchem der 
vorhandenen man den Vorzug geben soll. Ohne an dieser 


724 Gesammtsitzung 


Stelle dies weiter auszuführen, will ich hier nur bemerken, dafs 
ich von den beiden mir bekannten Pflanzen für die eine den 
Namen Pandorina Morum für die andere den Namen Eudorina 
elegans festhalten werde. 

Von Pandorina liegt mir der Entwickelungskreis in seinen 
wesentlichsten Momenten vollständig vor. Für Eudorina kann 
ich den älteren Beobachtungen einige neue Erfahrungen über 
die Keimung ihrer Oosporen, die hier in etwas anderer Weise 
als bei den übrigen Volvocineen stattfindet, hinzufügen; so dafs 
es auch bei Zudorina möglich wird den Entwickelungskreis zu 
schliessen, wodurch dann die bestehenden Zweifel über die gegen- 
seitige Abgrenzung beider Formen sich heben. 

In einem besonderen Aufsatze über die Entwickelung von 
Pandorina Morum in einem der nächsten Hefte meiner Jahr- 
bücher für wissenschaftliche Botanik, beabsichtige ich die Er- 
gebnisse dieser meiner Untersuchungen an Pandorina und Eu- 
dorina mit der Ausführlichkeit, die sie verlangen, mitzutheilen. 
Dort werde ich auch die Nomenclatur beider Pflanzen zu be- 
richtigen suchen und ihre specifischen Differenzen, die erst im 
ganzen Verlaufe der Entwickelung am schärfsten hervortreten, 
eingehender nachweisen. Hier dagegen, wo es mir darauf an- 
kömmt, die Vorgänge die bei dem Sexualacte der Pandorina ein- 
treten, genauer zu schildern und ihre Beziehungen zu den. an- 
deren Zeugungsphaenomenen der Pflanzen vergleichend hervor- 
zuheben, wird es zur Orientirung über die Form, die ich Pando- 
rina Morum nenne, und zu ihrer besseren Unterscheidung von 
Eudorina elegans genügen mit einigen Worten auf den verschie- 
denen Bau beider Pflanzen im erwachsenen Zustande aufmerk- 
zu machen. 

Bis zum Eintritt der Erscheinungen in ihnen, welche die 
Vermehrung einleiten, sind beide Pflanzen schon durch die Form 
und die Anordnung ihrer grünen Zellen leicht zu unterscheiden. 

Pandorina (Fig. 1.) hat etwa keilförmige Zellen, die mit der 
Basis des Keiles nach Aussen gerichtet in engem, gewebeartigem 
Anschlusse an einander den eiförmigen Raum, den die Ge- 
sammthülle der Pflanze umschliefst, völlig ausfüllen. Eudorin« 
(Fig. 8.) dagegen hat kugelrunde Zellen, welche in regelmäfsigen, 
ungefähr gleichen Abständen von einander an der Peripherie 


vom 14. October 1869. 125 


- 


der Gesammthülle in einer einschichtigen. Lage angeordnet 
sind. Der eigentliche Bau der Zelle ist bei beiden Pflanzen 
völlig gleich und dem aller übrigen Volvocineen conform. 

Pandorina besteht ferner typisch aus 16 Zellen. Mehr als 
16zellige Pandorinen sind mir nie vorgekommen; dagegen kön- 
nen auch hier, wie bei allen Pflanzen, die in Coenobien oder 
Familien vereinigt sind, durch Unterbrechung der Theilungen 
auf früheren Entwickelungsstufen regelmälsige oder unregelmä- 
fsige Formen von geringerer Zellenanzahl entstehen. 

Bei Eudorina wiederum scheint die Zahl 32 die gesetz- 
mälsige für die Anzahl der vereinigten Zellen zu sein. Neben 
den 32zelligen kommmen jedoch vielleicht kaum minder häufig 
16zellige vor und unter den ersten aus der Keimung der Oo- 


sporen unmittelbar hervorgehenden Exemplaren scheinen die 


16zähligen sogar zu überwiegen. Solche von geringerer Anzahl 
entstehen wie bei Pandorina Morum. Mehr als 32zellige sah 
ich nicht. 

Die geschlechtslose Vermehrung von Pandorina erfolgt 
nach Art der mehrzelligen Volvocineen’und Hydrodietyeen — wie 
dies in seinen Hauptzügen auch schon für Pandorina bekannt 
ist — durch Bildung einer vollständigen jungen Pflanze in jeder 
Zelle der Mutter. In einer 16zelligen Pandorina entstehen da- 
'her bei der Vermehrung, wenn der Vorgang ganz regelmäfsig 
und in allen Zellen der Mutter gleichartig geschieht, 16 junge 
Pandorinen, die mit Ausnahme der Gröfse in allen Stücken der 
Mutter völlig gleichen. Durch die allmälige, schon während 
der Bildung der Jungen eintretende, gallertartige Aufquellung 
und Verflüssigung der Gesammthülle der Mutter und der be- 
sonderen Membranen der Mutterzellen der entstehenden jungen 
Pflanzen werden diese endlich frei und entschlüpfen. Auch 
über die Einzelstadien dieses Vorganges, die noch mancherlei 
bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten darbieten, muls ich das 
Nähere dem besonderen Aufsatze über die Entwickelung der 
Pandorina vorbehalten. 

Die sexuelle Vermehrung der Pandorina endlich geschieht 
unter den folgenden Erscheinungen. 

Wie bei der geschlechtslosen Vermehrung werden aus den 
Zellen der Mutterpflanze 16 junge Pflanzen unter Aufquellung 


726 Gesammtsitzung 


der Membranen der alten Pflanze gebildet (Fig. 2.). Die ent- 
stehenden jungen Pflanzen sind jedoch mindestens zum Theil 
nicht sächliche, sondern geschlechtliche und zwar entweder 
männliche oder weibliche. Ob hierbei die Mutterpflanze mo- 
noecisch oder diöcisch ist, läfst sich deshalb schwer bestimmen, 
weil männliche und weibliche Pflanzen äusserlich gleichgebaut 
sind und kaum während der Zeugung mit Sicherheit unterschie- 
den werden können. Auch von den ungeschlechtlichen Pflan- 
zen zeigen die geschlechtlichen im Bau keine auffallenden Ver- 
schiedenheiten; nur sieht man bei der Entstehung der Geschlechts- 
pflanzen häufiger weniger als 16zellige, namentlich oft Szellige 
Pflanzen auftreten. Ein fernerer, scheinbar nur geringer Unter- 
schied, der aber in seinen Folgen wichtig wird, macht sich 
darin geltend, dafs die Auflösungsphaenome der Membranen 
der Mutterpflanze bei der Bildung der Geschlechtspflanzen lang- 
samer vorschreiten, als dies bei der Bildung der sächlichen Pflan- 
zen der Fall ist. Es nehmen deshalb während der langsame- 
ren Aufquellung der Membranen der Mutterpflanze und während 
ihrer gallertartigen Umbildung in eine schleimig-flüssige Sub- 
stanz diejungen Geschlechtspflanzen in sehr verschiedenem Mafse 
an Gröfse zu und da ferner die schleimige Substanz, in der sie 
in Folge jener Auflösungserscheinungen eingebettet sind, ihrer 
Zerstreuug in hohem Grade hinderlich ist; so bleiben sie noch 
lange nach ihrer Entstehung in Gruppen vereinigt, die von 
mehr oder weniger Pflänzchen gebildet werden, je nach dem es 
in dem besonderen Falle einer gröfseren oder geringeren Anzahl 
gelungen ist sich zu befreien. 

Da die einzelnen Pflänzchen dieser Gruppen bei ihrer Ent- 
stehung zuerst noch bewegungslos sind und da auch ihre Mutter- 
pflanze während der Umbildung ihrer Zellen in junge Pflanzen 
unter Verlust ihrer Cilien ihre eigene Bewegungsfähigkeit ver- 
liert, so liegt die ganze Gruppe in den ersten Stadien ihrer 
Entstehung völlig regungslos und ruhig da. 

Allein später entwickeln die jungen Geschlechtspflänzchen 
ganz so, wie die neutralen, an jeder ihrer Zellen 2 schwingende 
Cilien und diese beginnen, sobald nur die Consistenz des um- 
gebenden Schleimes es gestattet ihre Bewegungen. Zuerst an 
einzelnen Cilien und Pflänzchen sichtbar (Fig. 2) ergreift die 


vom 14. October 1869. TEN 


- Bewegung, während die einzelnen Geschlechtspflanzen schon an 
Gröfse zunehmen, in gleichem Schritt mit der vorschreiten- 
den Auflösung des Mutterzellmembranen nach und nach alle 
Pflänzchen der Gruppe und so geräth endlich die ganze, 
noch zusammenhängende Gruppe in eine gemeinsame und 
lebhafte Ortsbewegung und Rotation. Unter günstigen Um- 
‚ ständen kann man derartige in continuirlicher, lebhafter und 
gemeinsamer Bewegung begriffene Gruppen (Fig. 3; 4.) von we- 
nigen oder zahlreicheren Geschlechtspflanzen gebildet und in 
eine dünnschleimige Masse eingebettet in grofser Anzahl zu- 
gleich nebeneinander unter dem Gesichtsfelde beobachten. Nicht 
immer jedoch werden diese Gruppen ausschliefslich von 
Schwesterpflanzen gebildet, denn man sieht häufig einzelne Ge- 
schlechtspflanzen, die sich von irgend einer Gruppe losgerissen 
haben, an. andere Gruppen herantreten (a Fig. 4). Diese 
bleiben dann meist an der Gruppe, auf die sie gestossen sind, 
haften und bewegen sich mit ihr gemeinsam weiter. 

Während dieser oft stundenlangen Begwegungen der Grup- 
pen wiederholt sich nun an den Membranen der Geschlechts- 
pflanzen derselbe Aufquellungs- und Verflüssigungs-Vorgang, 
durch welchen bei deren eigenen Entstehung die Membranen ihrer 
gemeinsamen Mutterpflanze zerstört wurden (Fig. 3»); allein der 
Inhalt ihrer Zellen geht hierbei nicht so, wie dort, vorher eine 
Theilung ein, sondern gestaltet sich in jeder Zelle sämmitlicher 
Geschlechtspflanzen zu einer einzigen Schwärmspore, die durch 
die soeben erwähnte, hier aber sich rascher vollziehende Ver- 
flüssigung der Membranen frei wird. Indem dieser Vorgang 
nach und nach alle Pflänzchen der Gruppe ergreift und so aus 
jedem einzelnen Geschlechtspflänzchen je nach der Anzahl seiner 
Zellen 16 oder 8 Schwärmsporen frei werden, sammeln sich 
diese um und zwischen ‘den noch nicht aufgelösten Pflänzchen 
der Gruppe in grosser Anzahl an (Fig. 3.) und bewegen sich, 
da sie an ihrer Zerstreuung gleichfalls durch den mehr und mehr 
sich anhäufenden Umbildungsschleim der Membranen gehindert 
werden, gemeinsam mit der ganzen Gruppe weiter. 

In ihrem allgemeinen Bau zeigen die so entstandenen Schwär- 
mer keinen Unterschied von anderen Schwärmsporen. An ihrer 
farblosen Spitze, die wie bei anderen Schwärmsporen gestaltet und 


728 Gesammisitzung 


namentlich weder länger ausgezogen noch contractiler ist, als dies 
bei den gewöhnlichen, keimenden Schwärmsporen der Fall ist, be- 
sitzen sie — wie andere Schwärmsporen auch — ein seitlich 
gelegenes rothes Körperchen und 2 lange, schwingende Cilien, 
mit denen sie sich gleichfalls in der gewöhnlichen Weise der 
Schwärmsporen bewegen können (Fig. 3 und Fig. 45). 

Auch wenn man die einzelnen Pandorina-Schwärmer un- 
ter einander vergleicht, so zeigen sie aufser Dimensions- 
Unterschieden sonst keine in die Augen springenden Verschie- 
denheiten. Namentlich nicht solche, durch welche etwa zweier- 
lei verschiedene Formenreihen unter ihnen kenntlich würden, 
und dies gilt, wie ich ausdrücklich bemerke, auch bezüglich 
ihrer Gröfse; denn man sieht zwar kleinere und grölsere unter 
ihnen, allein durchaus nicht blofs solche von zweierlei ver- 
schiedenen Gröfsen. Vielmehr können, wie die Fig. 3 und 4 
zeigen, sowohl die Schwärmer als auch die Geschlechtspflanzen, 
aus denen sie hervorgehen, sehr verschiedene, zwischen zwei 
ziemlich weiten Grenzen schwankende Dimensionen erreichen. 

Unter diesen in der Gruppe befindlichen, isolirten Schwärm- 
sporen von verschiedener Gröfse sieht man nun endlich fort- 
während solche, die gleichsam sich suchend sich paarweise 
einander nähern (Fig. 3. 4.). Diese berühren sich, wenn sie 
sich treffen, ganz vorn an ihrer hellen Spitze (Fig. d3a;a und an- 
dere), verschmelzen hier (Fig. 3 an verschiedenen Stellen. Fig.4b. 
Fig. 5a. db.) mit einander und nehmen in ihrer Verbindung so- 
gleich eine biscuitartige Gestalt an. Die vorhandene Kerbung 
(z. B. Fig. 3.c. c. c.), die noch ihre frühere Trennung verräth, 
schwindet nach und nach ganz und die gepaarten Schwärmer 
bilden schliefslich nur eine einzige, grofse, grüne Kugel (z. B. 
Fig. 3d und Fig. 5i), an deren Umrifs man ihre - Entstehung 
aus zwei ursprünglich getrennten Schwärmern nicht mehr er- 
kennen kann. Wohl aber noch daran, dafs die entstandene 
Kugel (Fig. 5c—h) grölser ist, als die einzelnen in der Nähe 
befindlichen Schwärmer, dafs sie ferner eine auffallend ver- 
sröfserte farblose Mundstelle hat, an welcher rechts und links 
zwei rothe Körperchen befindlich sind, und dafs sie endlich 
vier noch schwingende Cilien besitzt, die paarweise in der 
Nähe der beiden rothen Körperchen entspringen. Jedoch schon 


j vom 14. October 1869. 729 


kurze Zeit nach der Annahme der Kugelgestalt werden auch 
‚die 4 Cilien starr und verschwinden später endlich ebenso, wie 
ie beiden rothen Körperchen völlig (Fig. 53). 
| Dieser ganze Paarungsact der Schwärmsporen dauert in 
Eden einzelnen Falle von der Berührung der beiden Schwärm- 
‚sporen mit ihren Spitzen an bis zur schliefslichen Annahme der 
Kugelgestalt mehrere — bis 5 — Minuten, und läfst daher 
seine Einzelstadien mit der gröfsten Genauigkeit verfolgen. 
Die aus der Paarung hervorgegangene, grüne Kugel wird 
zur Oospore, welche, wie ich noch zeigen werde, unter nur 
geringem Wachsthume und unter Röthung ihres Inhalts nach 


längerer Ruhe keimt und eine neue Pandorina hervorbringt. 


‘Der zunächst auffallende Umstand bei diesem Paarungs- 
acte ist offenbar der schon hervorgehobene Mangel einer er- 
kennbaren Differenz der sich paarenden Schwärmer. — Nur 
ihre Gröfse giebt einen geringen Anhaltspunkt für die Beur- 
theilung ihres geschlechtlichen Werthes, aber auch diese läfst 
den Beobachter in vielen Fällen im Stich. Allerdings sieht man 
überwiegend häufig einen kleinen Schwärmer sich mit einem 
gröfseren paaren, aber oft genug vereinigen sich zwei gleich grofse 
und zwar sowohl zwei gleich grofse der kleineren als der gröfse- 
ren Formen. Aus diesem Verhalten, welches die Deutung der 
Erscheinung auf Abwege zu verirren geeignet ist, scheint mir 
nothwendig zu folgen, dafs hier sowohl die weiblichen, als die 
männlichen Geschlechtsproducte in sehr verschiedenen Gröfsen 
auftreten können. Da nun in einzelnen Fällen die Paarung 
zwischen einem relativ sehr kleinen und einem sehr grofsen 
Schwärmer eintritt und da ferner, wenn die sich paarenden 
Schwärmer gleich sind, beide immer entweder zu den kleineren 
und mittleren gehören, niemals aber, soweit meine sehr zahl- 
reichen, direeten Beobachtungen des Paarungsactes reichen, zwei 
der gröfsten sich mit einander paaren, so folgere ich hieraus 


weiter, dafs die Grölsenschwarkungen der einen Art — der 
Analogie nach der weiblichen — Schwärmer bedeutender sind, 
als die der anderen Art — der männlichen. 


Dasselbe gilt nun auch für die ganzen männlichen und 
weiblichen Pflanzen, aus denen die sich paarenden Schwärmer 
hervortreten. Bei der Beurtheilung des geschlechtlichen Werthes 

[1869.] 52 


750 Gesammisitzung 


dieser Formen kann man daher von den kleinen und mittel- 
grofsen Geschlechtspflanzen und Schwärmern nie mit Bestimmt- 
heit sagen, ob sie weiblich oder männlich sind; dagegen möchten 
die gröfsten Geschlechtspflänzchen, sowie die grölsten Schwär- 
mer wohl unbedenklich als weiblich gelten dürfen. 

Die Keimung der aus der Paarung hervorgegangenen Oo- 
spore, die ich, bevor ich weitere Schlüsse ziehe, noch beschrei- 
ben mufs, gleicht der der anderen Volvocineen. In ihren er- 
sten Anfängen zeigt sie aber auffallender Weise sogar noch eine 
grössere Ähnlichkeit mit der Keimung der ruhenden Sporen, 
welche aus den Microgonidien des Wassernetzes entstehen. 

Werden die eingetrockneten Oosporen, die sich am Rande 
der Tümpel, in denen die Pandorina lebt, als kleine Haufen 
rother Kugeln ansammeln, unter Wasser gebracht, so beginnt 
ihr Keimung schon nach 24 Stunden (Fig. 6—7). Die Oo- 
spore bricht, wie beim Wassernetze unter Bildung eines Bruch- 
sackes (65) auf und entlälst (6c,d) normal eine einzige grosse 
Schwärmspore — in seltneren Fällen durch unregelmäfsige 
Theilung dieser einen 2 bis 3. — 

Ebenso wie der Inhalt jeder einzelnen Pandorina-Zelle — die 
sg. Primordialzelle, die selbst nur als eine Schwärmspore zu be- 
trachten ist, — Sich bei der Vermehrung verhält, so zerfallen 
auch diese nackten und grofsen Schwärmer, nachdem sie aus 


der Oospore hervorgetreten sind, durch succedane Theilung in 


16 Zellen, die sich nach Art der Pandorina-Pflänzchen anordnen, 


Cilien erhalten und an ihrer Peripherie eine Gesammthülle bil- | 
den, kurz zu jungen Pandorina-Pflänzchen werden (Fig.7a,b,c,d) | 


Werfen wir nun einen vergleichenden Blick auf die ana- 


logen Entwickelungsphaenomene der anderen Pflanzen; so bieten 
diejenigen Gattungen der Volvocineen, deren Sexualact schon als 


bekannt gilt, die nächsten Vergleichungsmomente dar. Hier 


aber tritt uns sogleich als ein wichtiger Unterschied der Um- 
stand entgegen, dafs Cohn für Volvox, Carter für Vovox und 


Eudorina die Saamenkörper in ihrer Form von den Schwärm- 
sporen sehr abweichend darstellen und dafs sie namentlich die 
Befruchtungskugeln entsprechend den damals bekannten Er- 


scheinungen an Vaucheria und Oedogonium als kugelige, ruhende 


Zellen beschreiben. 


N 
4 


j 


vom 14. October 1869. 731 


‘0 Diese Differenzen würden sich jedoch zum Theil heben, 
‘wenn man voraussetzen dürfte, dafs die Zellen, welche bei Vol- 
vox und Eudorina für ruhende Befruchtungskugeln gehalten 
‘wurden, nicht ruhende Zellen, sondern grofse aus ihrer Mutter- 
zelle nicht ausschlüpfende Schwärmsporen sind. Die Möglich- 
keit dieser Annahme ist offen, da beide Beobachter den Be- 
fruchtungsact dort nicht gesehen haben, ihn also nicht nach 
/directer Beobachtung der Vereinigung der Geschlechtsproducte 
beschreiben, sondern die vorhandenen Organe nur nach den bei 
Vaucheria und Oedogonium bekannten Erscheinungen deuten. 
Für diese Vermuthung spricht auch eine beiläufige Bemerkung 
von Carter, in welcher dieser Beobachter bei Eudorina nach 
ausführlicher Beschreibung des Volvox-artigen Zeugungsvorganges 
dieser Pflanze schliefslich noch kurz von einem Vorgange spricht, 
der vielleicht dem Processe ähnlich ist, «den ich bei Pandorin« 
auffand, dem Carter dort aber eine sonderbare Deutung giebt, 
indem er ihn für eine nebensächliche und abnorme Vereinigung 
einer zweiten Form von Spematozoiden mit vegetativen Zellen 
‚erklärt. Es ist freilich möglich, dafs hier die Verwechselung 
mit einer zweiten Pflanze vom anatomischen Bau der Eudorina 
vorliegt; es wäre aber auch denkbar, dafs auch bei Volvoxr und 
"Eudorina die Befruchtungskugeln unter der Form von Schwärm- 
sporen auftreten, die bald in bald aufserhalb ihrer Mutter- 
zelle befruchtet werden. Dieser Auffassung würden gleichfalls 
die früher unbeachteten und mir erst jetzt verständlich gewor- 
denen Beobachtungen von Carter an Cryptoglena lenticularis und 
‚orbicularis entsprechen. Ob diese Organismen, die ich aus 
eigener Anschauung nicht kenne, hierhergezogen werden dür- 
‚fen, ist allerdings fraglich. Die eigenthümliche Einkerbung 
ihres Vorderendes scheint auf eine Verwandschaft mit Euglenen 
hinzuweisen. | 
Andrerseits könnte aber freilich der Unterschied von be- 
'weglichen und unbeweglichen Befruchtungskugeln eben so gut 
schon innerhalb der Gruppe der Volvocineen auftreten. Jeden- 
falls müssen neuere Untersuchungen an Volwvox und Eudorina 
' dies erst ins wahre Licht setzen. 
| Suchen wir nun weiter die Beziehungen dieser Befruch- 
tungsform bei Pandorina Morum zu den Zeugungsvorgängen 
52* 


732 Gesammtsitzung 


der anderen Pflanzen auf; so eröffnet die Kenntnifs der Einzel-. 
stadien des Vorganges, die ich im Vorhergehenden beschrieben 
habe, ferner die Auffassung desselben als einer besonderen. 
Modification des Zeugungsvorganges der Zoosporeen und als 
der eigentlichen, formellen Grundlage der Zeugungungsvorgänge. 
überhaupt, sowie endlich die Unterscheidung zwischen beweg- 
lichen und unbeweglichen Befruchtungskugeln, wie mir scheint, 
eine volle Einsicht in die schrittweisen Abänderungen der Ge- 
schlechtsproduete und des Geschlechtsactes der Pflanzen. — | 

Hierüber möchte ich meinen Beobachtungen noch die fol- 
genden, kurzen Andeutungen hinzufügen. 

Bisher erschien die Copulation der Zygosporeen als ein 
Vorgang, der sich nicht unmittelbar an den Zeugungsprocels 
der anderen Algen anreihen liefs und die ganze Abtheilung der 
Zygosporeen erschien»hiedurch als eine in sich abgeschlossene, | 
namentlich gegen die Zoosporeen scharf abgegrenzte Gruppe. | 

Gegenüber der überall sonst sichtbaren und so scharf aus- 
geprägten Differenz der Geschlechtsproducte in Form und Gröfse Ä 
mufsten natürlich die von den anderen Zeugungsphaenomenen 
so abweichenden Erscheinungen bei der Copulation nicht nur 
auffallen, sondern haben — wie dies ja bis in die neueste Zeit 
geschah — zu berechtigten Zweifeln an der Bedeutung der 
Copulation überhaupt Veranlassung gegeben. Die Paarung der 
Schwärmsporen, wie sie bei Pandorina mit kaum beginnender 
Differenzirung der Geschlechtsproducte auftritt, erscheint nun als | 
eine Wiederholung des Copulationsactes bei’den Pflanzen mit be-. 
weglichen Geschlechtsprodueten und bildet daher eine Brücke‘ 
zwischen Zygosporeen und Zoosporeen; und wenn meine Ver- 
muthungen über die Verbreitung des Paarungsactes unter. den 
Zoosporeen mich nicht trügen, so wird man bei genauerer Kennt- 
nifs der Umbildungsvorgänge der Microgonidien. in ruhende 
Sporen in den Chaetophoreen und namentlich in Draparnaldia 
das eigentliche Verbindungsglied zwischen diesen beiden Ab- 
theilungen der Algen erkennen. Die Correlation zwischen re- 
productiven und vegetativen Phaenomenen und die mir bekann- 
ten Erscheinungen bei der Entstehung ‚jener ruhenden Sporen 
aus denjenigen Microgonidien, die ich früher Dauerschwärmer 


vom 14. October 1869. ‚133 


genannt habe, weisen wenigstens bereits mit Entschiedenheit 
hierauf hin. — | 

"0 Während so die Paarung der Schwärmsporen einerseits an 
‚die Copulation der Zygosporeen anknüpft, schliefst sie sich ander- 
seits noch enger an die bekannten Befruchtungsvorgänge bei den 
Zoosporeen an. — | | 
: ’ Vergleichen wir den Paarungsact von Pandorina mit dem 
Zeugungsact von Oedogonium (Fig. 9) und fassen wir die Gestalt 
und die Beschaffenheit der Schwärmspore, der Befruchtungskugel 
und des Spermatozoids von Oedogonium, welches letztere ja 
gleichfalls unter der Form einer kleineren Schwärmspore auf- 
tritt, näher ins Auge; so lehrt die directe Beobachtung, dafs 
die vordere, farblose Protoplasmamasse der Befruchtungskugel 
von Oedogonium, an welcher ganz vorn wie bei Pandorina, die 
Vermischung mit dem Spermatozoid stattfindet, ganz identisch 
ist mit der sogenannten Mundstelle der einen der beiden’ Schwärm- 
sporen, die bei Pandorina die Paarung eingehen und ebenso mit 
der sogenannten Mundstelle der unmittelbar keimenden Schwärm- 
spore von Oedogonium selbst. Hierdurch erhält nun der Bau der 
ruhenden Befruchtungskugeln und die Beschaffenheit ihrer farb- 
losen Vorderstelle die einfachste Erklärung und man erkennt 
unleugbar, dafs die ruhenden Befruchtungskugeln von Oedogonium 
ferner von Vaucheria (Fig. 10. 11) und Coleochaete, an welche 
sich alsdann die der andern Algen mit minder ausgesprochenem 
oder kaum angedeutetem Befruchtungs- oder Keimfleck un- 
mittelbar anschliefsen nur cilienlose und ruhende Modifi- 
cationen der Schwärmsporen sind. 

Allein die Analogie des Baues der Befruchtungskugel und 
der Schwärmspore läfst sich, wie mir scheint,’ noch weit 
über die Algen hinaus verfolgen. 

Wenn man die vorhergehenden Schlüsse, die den beob- 
achteten Erscheinungen unmittelbar entsprechen, zulälst, so 
wird man sich kaum den weiteren Folgerungen entziehen kön- 
nen, dafs auch diejenige Bildung am Embryobläschen der 
Phanerogamen, welche Schacht unter dem Namen des Faden- 
apparates unterschied, ein Analogon der farblosen Befruchtungs- 
stelle an den Befruchtungskugeln der Algen ist und somit 
auch das analoge Organ der sogenannten Mundstelle oder des 


754 Gesammtsitzung 


Keimfleckes der Schwärmsporen ihre natürlichste Auffassung 
findet. Dieser Bildung entspricht aher wieder bei den höheren 
Cryptogamen das Gebilde, welches ich in meinen Untersuchun- 
gen über Embryobildung der Gefälseryptogamen in der Central- 
zelle des Archegonium von Salvinia auffand und als Canalzelle 


unterschieden habe'!). Schon dort?) habe ich wiederholt auf 


die Ähnlichkeit dieser Bildung mit dem Fadenapparate der 
Keimbläschen der Phanerogamen aufmerksam gemacht. Da 
nun auch meine damaligen Andeutungen über das allgemeinere 
Vorkommen dieser Canalzelle bei’ Moosen und Farren durch 
spätere Untersuchungen ihre Bestätigung erhalten haben, so 
kann über das constante Vorkommen derselben wohl kein 


| 


Zweifel mehr stattfinden. Die durchgreifende Analogie der 


weiblichen Geschlechtsprodukte der Pflanzen würde sich dem- 
nach schon äufserlich durch die ähnliche Erscheinung der Stelle, 
wo an ihnen der eigentliche Befruchtungsaet ausgeübt wird, zu 
erkennen geben. Für diese Stelle schlage ich unter Berück- 
sichtigung der morphologisch gleichwerthigen Stelle der keimen- 
den Schwärmsporen als allgemeine Bezeichnung den Ausdruck 
„Keimfleck* vor. Sie entspricht der sogenannten Mundstelle der 
Schwärmsporen, der farblosen Protoplasmasse an dem Vorderende 
der Befruchtungskugeln, der Canalzelle der höheren Cryptogamen 
und dem Fadenapparate an den Keimbläschen der Phanerogamen. 
Bei den Einen in die Bildung der Embryonalanlage mit ein- 
gehend, bleibt sie bei den Anderen von ihr ausgeschlossen 
und von den Fällen bei den Algen, wo,. wie bei Oedogonium 
und Pandorina, die gesammte Masse der Befruchtungskugel mit 
Einschlufs des ganzen Keimflecks zum Aufbau des Embryo 
verwendet wird, führt die Zeugung von Vaucheria (Fig. 10.11), 
wo ein Theil des Keimflecks vor der Befruchtung abgestos- 


A nn 


5 


00 


sen und ausgeworfen wird, durch die analogen Bildungs- 
vorgänge bei Coleochaete’) unmittelbar zu der Erscheinung der 


Canalzelle und des Fadenapparates hinüber, welche gleichfalls 


1) Monatsberichte d. Berliner Academie 1863 p. 175 und Zur Mor- 
phologie der Salvinia natans, Jahrb. f. wiss. Bot. III. S. 520 u. 521. 

2) Jahrbücher f. wiss. Bot. III. 8. 521 u. 536 unter IV. 5. 

3) Jahrb. f. wiss. Bot. U. p.15 u. f. 


2 Te. 


vom 14. October 1869. 735 


nur Ablösungsproducte des Keimfleckes der Befruchtungskugeln 
‚darstellen. So erscheint die Schwärmspore als die Gruudform der 
'Embryonalanlagen im Pflanzenreiche und bei der Bildung dieser 
wiederholen sich zugleich unter dem vorher angedeuteten Gesichts- 
puncte in wahrhaft überraschender Analogie die Erscheinungen, 
‘die bei der Embryobildung der Thiere als totale und partielle 
‚Furchung unterschieden werden. Auch mag noch Erwähnung 
“verdienen, dafs die Richtung der Wurzel des Embryo bei den 
Pflanzen, bei welchen als Product der Zeugung ein Embryo 
auftritt, bei dieser Parallelisirung der Embryobläschen und 
der Schwärmspore schon durch die Lage der Befruchtungsku- 
gel vor der Befruchtung erklärt wird, indem ja der Keimfleck, 
welcher von Oedogonium bis zu den Phanerogamen ohne Aus- 
nahme der Geschlechtsöffnung zugekehrt ist, wie die Schwärm- 
sporen zeigen, dem Keimfusse entspricht. 

Da aber endlich auch die Formenunterschiede, die man 
früher zwischen Samenkörper und Schwärmspore festhalten 
wollte — wie dies die Samenkörper von Oedogonium und Pan- 
dorina zeigen — nur relativen Werth als Modificationen der- 
selben Grundform haben, so wird man die Form der Schwärm- 
spore, in welcher schon die ältesten Beobachter eine Anknüpfung 
des Pflanzenreichs an das Thierreich erblickten, als die allge- 
meine Grundlage sämmtlicher Reproductionskörper der Pflanzen, 
die unter bestimmten Formen auftreten, anerkennen dürfen und 
so liefse sich schon jetzt eine embryologische Einheit innerhalb 
des Gewächsreiches nachweisen, wenn nicht Florideen und Pilze 
eine schon mehr abweichende Form der Copulation zu bilden 
schienen, über welche noch spätere Untersuchungen eine Auf- 
klärung bringen müssen. 

Kehren wir nun von diesen morphologischenn Betrachtun- 
gen, die sich ja leicht noch weiter ausspinnen und ausführen 
lassen, wieder zu den Erscheinungen des Paarungsactes selbst 
‚zurück, so ist es nicht gar schwer schon jetzt die Gattungen ver- 
muthungsweise zu bezeichnen, bei welchen ein gleicher oder doch 
ähnlicher Befruchtungsact vorausgesetzt werden darf. Vielerlei 
Andeutungen, deren Ausführung an dieser Stelle mich jedoch 
zu weit führen würde, liegen mir hierfür theils in eigenen, älte- 
ren Beobachtungen, theils in litterarischen Angaben vor. Eine 


736 Gesammtsitzung 


Reihe früher unverständlicher Erscheinungen und unaufgeklärter 


Widersprüche in den Angaben zuverlässiger Beobachter über 
die Form und Farbe der Microgonidien, über die Zahl ihrer 
Cilien, über ihr Verhalten nach dem Aufhören ihres Bewegungs- 
stadiums und endlich wohl auch über Doppelsporen — die 
allerdings in den meisten, vielleicht aber nicht in allen beob- 
achteten Fällen, wie man sie bisher allein aufgefafst hat, un- 


vollendete Entwicklungsstufen d. h. unvollständige Trennungen ' 
sein möchten — finden so durch die jetzt begründete Annahme 


einer Paarung ihre vollständige Aufklärung. 

Ich habe bereits im Vorhergehenden meine Vermuthungen 
nach “dieser Richtung in Betreff derjenigen Gattungen ange- 
deutet, deren Microgonidien ich früher als „Dauerschwärmer* 
bezeichnet habe und ich füge dem hier nur noch hinzu, dafs 
ich unter diesen Microgonidien schon damals zweierlei durch 
Farbe und Grösse und auch durch ihr Verhalten zum Licht 
verschiedene Reihen unterscheiden konnte, allein nicht im Stande 
war die Bedeutung dieser Verschiedenheiten aufzuklären. 

Meine Vermuthungen für die verschiedenen Gattungen im 
Einzelnen auszuführen kann ich füglich unterlassen; um so eher als 
es Jedem, der sich mit der Entwickelung der Algen beschäftigt, 
jetzt nahe gelegt ist den Paarungsact oder doch schwärmende 
Befruchtungskugeln bei allen denjenigen Zoosporeen zu suchen, 
hei welchen man bisher nur Schwärmsporen hat auffinden 
können. Aufserdem sollen ja auch die obigen Angaben nur 
Andeutungen für weitere Untersuchungen bilden, die ich selbst 
vorzunehmen die Absicht habe, sobald sich mir die Gelegen- 
heit dazu darbieten wird und wenn andere Beobachter mir die 
Zeit dazu lassen sollten. — 


Die allgemeineren Resultate der vorliegenden Untersuchung 
fasse ich schlie(slich noch in folgenden Sätzen kurz zusammen. 


1) Es giebt in der Abtheilung der Zoosporeen beweg- 
liche Befruchtungskugeln, d. h. Eianlagen, die 
als Schwärmsporen auftreten. | 

2) Die ruhenden Eianlagen (Befruchtungskugeln) sind 
cilienlose, nähere oder entferntere Formenab- 
weichungen der Schwärmspore. 


3) 


4) 


5) 


vom 14. October 1869. 737 


Das farblose Vorderende der Befruchtungskugeln der 
Algen, die Canalzelle der höheren COryptogamen und 
der Fadenapparat der Phanerogamen sind Bildungen, 
welche morphologisch der s. g. Mundstelle d. h. dem 
Keimflecke oder, was dasselbe ist, dem Fufse der 
Schwärmspore gleichwerthig sind. 
In Analogie der Erscheinungen totaler und partieller 
Furchung der thierischen Eier wird auch bei den Pflan- 
zen bald die ganze Masse der Befruchtungskugel zur 
Embryobildung verwendet, bald nur ein Theil dersel- 
ben; in letzterem Falle unter gänzlicher? oder theil- 
weiser Abstolsung des farblosen Fufses der Befruch- 
tungskugel, die jedoch hier bald vor (Vaucheria, Co- 
leochaete, Salvinia) bald nach ? der Befruchtung (Pha- 
nerogamen) stattfindet. 
Die bedeutsame Erscheinung, dafs die Schwärmspore 
die morphologische Grundlage der Fortpflanzungskör- 
per bildet, spricht für die embryologische Einheit des 
Pflanzenreiches und bildet neben dem anerkannten, hi- 
' stologischen einen neuen, morphologischen Anknüpfungs- 
punct desselben an das Thierreich. 


Erklärung der Abbildungen Tafel. 


(Sämmtliche Original-Figuren von Pandorina und Eudorina sind bei 


Fig. 1. 


n 


2. 


gleicher, 480facher Vergrösserung gezeichnet.) 
Pandorina Morum im erwachsenen Zustande. 
Dieselbe nach Umbildung der Zellen in Geschlechtspflänzchen, 
während der Aufquellung der Membranen der Mutterpflanze. 


. Gruppe von Geschlechtspflanzen mit zahlreichen, bereits freien 


männlichen und weiblichen Schwärmsporen vor, während und 


‚nach der Paarung. 


Eine sehr grofse, weibliche Geschlechtspflanze in Auflösung ihrer 
Membranen begriffen. Unter den sich befreienden, grofsen, weib- 
lichen Schwärmern 2 in der Paarung mit ganz kleinen begriffen ; 
daneben andere frei bewegliche, kleine, männliche Schwärmer. 


. Bilder des Paarungsactes. a.d. Schwärmer unmittelbar und 


kurz nach der Berührung. c.d.e. f. aus der Paarung entstan- 
dene Oosporen mit noch beweglichen Cilien; g. Ah. desgleichen 
mit bereits starren Cilien; z. desgl. nach Verlust der Cilien. 


738 Gesammtsitzung 


Fig. 6. Oosporen nach der Vegetationspause und ihre Keimung. --- 
a. ausgetrocknete und ins Wasser gebrachte Oosporen, von denen 
2 bereits angeschwollen sind; 5. Bildung des Bruchsackes und Um- 
bildung des Inhalts in eine Schwärmspore. — c. Schwärmsporen 
während des Austrittes aus der Spore in den Bruchsack; d. ent- 
leerte Spore und Bruchsack mit der ausgeschlüpften Schwärm- 
spore. 
» 7. a. d.c. einige 'Theilungszustände der ausgeschlüpften Schwärm- 
spore; d. die junge Pandorina-Pflanze. 
»„ 8. Eudorina elegans im erwachsenen Zustande zur Vergleichung mit 
Pandorina Morum. j 
»„ 9-10. Einige Figuren zur Vergleichung des Paarungsacts und der 
Geschlechtsphaenomene bei anderen Pflanzen. 
9. Befruchtung von Oedogonium. 
10 und 11. Ablösung einer Partie des Keimflecks bei 
Vaucheria sessilis. 
12 u. 13. Befruchtungskugel nnd Canalzelle von Salvinia 
(Jahrbüeher £. wiss. Bot. III. Taf. XXVD. 
14. 15. 16. Embryolbläschen mit Fadenapparat von San- 
talum nach Schacht (Jahrbücher f. w. Bot. 
IV. Taf. I). — In den Figuren 15 und 
16 sind die Embryobläschen aus dem Em- 
bryosack frei gelegt gezeichnet. 


Hr. Braun theilte Bemerkungen mit über eine Miflsbil- 
dung von Podocarpus Chinensis, von welcher ein frisches 
Exemplar vorgelegt wurde. Von den zahlreichen Arten der 
Gattung Podocarpus, welche im hiesigen Garten cultivirt wer- 
den, haben bis jetzt .erst zwei Arten Blüthen getragen, P. sali- 
cifolia Kl. et Karst. und P. Chinensis Wall., letztere Art so- 
wohl an männlichen als weiblichen Exemplaren. Die männ- 
lichen Blüthen haben die Form verlängert-walzenförmiger, straff 
aufrechter Kätzchen, an welchen die mit deutlicher Connectiv- 
spitze versehenen zweifächerigen Staubblätter 8 genau senk- 
rechte, durch 3 St. bedingte Zeilen bilden. Unterhalb der 
Staubblätter befinden sich an dem etwas verlängerten Stiel der 
Blüthe mehrere zerstreute linienförmige Hochblättchen, von de- 
nen die 2 untersten grundständigen je eine Seitenblüthe aus 
ihrer Achsel hervorgehen lassen, so dafs je 3 sogenannte 


N 
IQ 
N 


ER ENDEN v 2, rn n 


.Laue hfh. 


Innulsbericht d.W Ad WE October 18693 


1. 


Drmesthem ad nat del 


Vbmute hith 


vom 14. October 1869. 139 


Kätzchen in der Achsel eines Laubblattes sich beflnden. Zuwei- 
len finden sich durchwachsene Blüthen, welche oberhalb der Staub- 
blätter einen Schopf ungewöhnlich kleiner Laubblätter tragen. An 
der Übergangsstelle zu den letzteren überzeugt man sich, dafs das 
Connectiv zur Spreite des Laubblattes auswächst, während die 
Autherenfächer stufenweise kleiner werden und verschwinden. 
Es ist unbegreiflich, wie selbst neuere Autoren, z. B. Parlatore, 
die alte, aus der oberflächlichen Ähnlichkeit der kätzchenför- 
migen männlichen Blüthen der Coniferen mit den aus vielen 
Blüthen gebildeten männlichen Kätzchen der Amentaceen ent- 
nommene Vorstellung von der männlichen Blüthe der Coniferen 
festhalten und noch immer von Bracteen reden können, mit 
welchen eine achselständige aus 2 oder mehreren Staubblättern 


bestehende männliche Blüthe verwachsen sein soll. Die von ver- 


schiedenen Kiefern- und Tannen-Arten mehrfach beschriebenen 
Übergänge männlicher Blüthen (Kätzchen) in weibliche Blüthen- 


stände (Zapfen) hätten doch längst alle Zweifel in dieser Be- 


ziehung heben sollen. 

Die weiblichen Blüthenstände (oder wenn man lieber will 
Blüthen)') stehen einzeln in den Achseln der Laubblätter. Das 
zur Zeit der Reife fleischig werdende sogenannte Receptaculum 
wird von einem dünnen Stiel getragen, der etwas kürzer ist 


als es selbst und an seinem oberen Ende, dicht an der Grenze 


der Anschwellung, 2 seitliche, gegenständige, linienförmige, ab- 
stehende Hochblättchen (Vorblätter) trägt, welche bei manchen 
anderen Podocarpus-Arten nicht sichtbar sind, wiewohl wegen 


1) Wenn man zugiebt, dafs bei augiospermischen Phanerogamen der 
Fall vorkommt, dafs das Eiknöspchen in der Achsel eines Fruchtblattes 
steht, ein Fall, der mir übrigens noch nicht ganz festgesellt zu sein 
scheint, so kann man in gewissem Sinn auch die Deckblätter der Conife- 
ren, in deren Achsel die Eiknospen sitzen, als Fruchtblätter und somit 
eine mit mehreren solchen Deckblättern besetzte Achse als eine weib- 
liche Blüthe betrachten. So bei den Oupressineen, bei Dammara und bei 
einigen Taxineen, namentlich bei Podocarpus. Einfacher jedoch erscheint 
es, die weibliche Blüthe der Coniferen als eine auf das blofse Eiknösp- 
chen reducirte zu betrachten, welche Betrachtung eine einheitliche Auf- 
fassung aller Fälle, auch derjenigen, in welcher die Eiknospe terminal 
ist (Taxus), zuläfst. Vergl. Eichler in Martius Flor. Brasil. Fasc. 34. 


/ 


740 . Gesammtsitzung 


der gleichartigen Stellung der nachfolgenden’ Theile bei allen 
als der Anlage nach anwesend angenommen werden müssen. 
Hierauf folgen 2 Paare von den Vorblättern abgerückter, unter 
sich genäherter Hochblätter, das untere (äufsere) in medianer, 
das obere (innere) in transversaler Stellung. Beide Paare haben 
eine in Beziehung auf den freien Theil sehr kümmerliche 
Entwicklung, ja bei denen des inneren Paares fehlte bei den 
untersuchten Exemplaren die freie Blattspitze ganz, die jedoch 
bei anderen Arten derselben Abtheilung, z. B. P. Chilina und 
P. coriacea (Rich. Conif. T. I.) deutlich sichtbar ist. Dagegen 
zeigen die Blattkissen dieser 4 Blättchen eine eigenthümliche 
Entwickelung; sie schwellen bis zu den Vorblättern herab an, 
werden zur Zeit der Reife fleischig, färben sich schön roth und 
bilden den länglichen, nach oben in 2 deutliche und 2 undeut- 
liche Zähne ausgehende Körper, der bei den Autoren bald Re- 
ceptaculum (Endlicher), bald Diseus (Hooker) ‘genannt und 
durch Verwachsung fleischiger Bracteen mit der Achse erklärt 
wird. Die Blattkissen der beiden äufseren medianen Blättchen 
sind breiter, die der beiden inneren sind als schmälere seitliche 
Striemen zwischen diese eingefügt. Von den beiden äufseren 
Blättchen steht das vordere (dem Tragblatt der Inflorescenz 
zugewendete) stets etwas, zuweilen selbst bedeutend tiefer, das 
hintere, höher stehende ragt meist sogar über die 2 inneren 
Blättchen empor. . Dieses hintere Blättchen trägt in seiner 
Achsel regelmäfsig ein Eispröfschen (Oculum), dessen kurzer 
Stiel von dem Blattkissen, unter welchem er hervorkommt, wie 
von einem nach innen offenen Ring eng umfalst wird. Das 
tiefer stehende vordere Blättchen trägt nicht selten gleichfalls 
einen achselständigen Eispro[s, häufiger jedoch fehlt derselbe. 
Die beiden inneren seitlichen fand ich stets unfruchtbar und ihre 
Blattkissen schmelzen über der Spitze der Achse des Recepta- 
culums so vollkommen zusammen, dafs die Verbindungsstelle 
nur zuweilen als Furche erkennbar is. Bei den Arten, bei 
welchen die 2 inneren Blättchen des Receptaculums deutliche 
zahnartige Spitzen haben, wird wohl auch das Zusammenflies- 
sen über der Spitze der Achse weniger vollständig sein. | 
Wie bei Pod. Chinensis verhält sich im Wesentlichen die 
weibliche Inflorescenz aller Arten der Abtheilung Eupodocarpus, 


Fe 


vom 14. October 1869. 741 


wenn nicht vielleicht, nach den Abbildungen zu urtheilen, bei 
manchen Arten die 2 inneren sterilen Blättchen des Recepta- 
culums ganz fehlen. So z.B. bei Pod. elongata nach Richard’s, 
bei Pod. Thunbergii nach Hooker’s Abbildung (Journ. of Bot. 
I..t. 22). In der Abtheilung Nageia ist das Receptaculum 
durch die Anschwellung der Blattkissen zahlreicherer, wie es 
scheint spiralig geordneter Hochblätter gebildet, von denen ge- 
wöhnlich nur eines der obersten fruchtbar ist. Bei der Abthei- 
lung Stachyocarpus fehlt dagegen die Anschweliung der Blatt- 
kissen ganz; mehr oder minder zahlreiche, wohlentwickelte 
Hochblätter an meist verlängerter dünner Achse tragen die 
anatropen Eiknöspchen genau in ihrer Achsel. So namentlich 
bei Pod. taxifolia, Andina, spicata. Die Arten aller Abtheilun- 
gen stimmen darin überein, dafs die Raphe dem Deckblatt zu, 
die Micropyle vom Deckblatt abgewendet ist, ein Richtungs- 
verhältnifs, welches, abgesehen von allen anderen Schwierig- 
keiten einer solchen Annahme, die noch immer beliebte Auf- 
fassung der Raphe als einer Schuppe,') welcher das Ovulum 
oder die weibliche Blüthe (wie bei den Abietineen) aufsitzen 
soll, als unzuläfsig darzustellen geeignet ist. 

Auf die Bildung des so eben beschriebenen fleischigen Re- 
ceptaculums, nicht aus angewachsenen Bracteen, sondern durch 
‘ Anschwellung der Blattkissen derselben, wirft nun eine im 
hies. botanischen Garten mehrmals beobachtete, in den letzten 
Tagen in einem besonders schönen Exemplar  aufgefundene 
Monstosität ein besondres Licht. Ein kleiner, ungefähr 2 Zoll 
langer vegetativer Zweig mit 21 entwiekelten, nach $ Stellung 
geordneten, normal gebildeten Laubblättern zeigte mit Ausnahme 
der 3 untersten und der 3 obersten an allen übripen Blättern 
stark angeschwollene, saftig-fleischige und sich schön röthende, 
nach den einzelnen Blättern scharf begrenzte und scharf geson- 
derte Blattkissen. Die am stärksten entwickelten der mittleren 
Region erschienen verlängert herzförmig, mit dem unteren spi- 
tzen Ende sich zwischen die vorausgehenden einkeilend, mit dem 
oberen ausgebuchteten den Blattstiel ohrartig umfassend. Einige 
minder regelmälsig ausgebildete waren nach oben nur einseitig 


1) Vergl. Sperk, die Lehre von der Gymnospermie, S. 69. 


742 Gesammtsitzung 


angeschwollen und dadurch schief. Bei den obersten dichter 
zusammengedrängten Blättern war die Anschwellung unterhalb 
des Blattes geringer, erstreckte sich dagegen in den Blattstiel 
und stieg auf der Unterseite des Blattes selbst 1— 14 Linien 
hoch an der Mittelrippe der Blattspreite hinauf. Die in scharf 
begrenzte Gebiete vertheilte Anschwellung des Rindenparemsyms 
der Achse entspricht der Eintheilung der Stengeloberfläche nor- 
maler Laubsprosse in linienförmig-herablaufende, jedoch nicht 
angeschwollene Blattkissen oder Blattfelder, ziemlich ähnlich 
denen von Larix. Denkt man sich an einem auf die beschriebene 
Weise modifieirten Zweig die grünen Blätter weg und an ihre 
Stelle kleine farblose Hochblätter, so hat man ziemlich das 
Bild des Receptaculums einer Nugeia. 

In Hooker’s bot. Magazin ist auf Tafel 4655 eine der hier 
beschriebenen ähnliche Monstrosität abgebildet. Ich halte die 
auf dieser Tafel unter dem Namen Pod. nerüfolia abgebildete 
Pflanze!) nicht für die Don’sche Art dieses Namens, sondern 
für einerlei mit unserer ohne Zweifel richtig bestimmten Pod. 
Chinensis, die in den Gärten auch unter dem Namen P. Maki, 
P. Makoyi, P. Koreana u.s.w. vorkommt. Es ist demnach wahr- 
scheinlich, dafs auch in anderen Gärten die besprochene Mils- 
bildung öfter vorkommt. 

Über die Beschaffenheit des Samenknöspchens kann ich, 
da ich nur fast reife Samen untersucht habe, nichts Entschei- 
dendes mittheilen; namentlich läfst sich im reiferen Zustande 
kaum noch sicher entscheiden, ob dasselbe mit einfachem oder 
doppeltem Integument versehen ist. - Nach den Darstellungen, 
welche Eichler von Pod. Sellowü in v. Martius brasilianischer 
Flora (Fasc. 34, Tab. 114) giebt, ist jedoch unzweifelhaft eiu 
doppeltes Integument vorhanden, womit auch die Abbildung 
von Sperk (Taf. IV, Fig. 96'), der nach seiner Auffassungs- 
weise das äufsere Integument Involucrum, das innere Ova- 
rium, den Kern Ovulum nennt, wohl übereinstimmt. Nach 
der Oharacteristik, welche Parlatore (Prodr. XVI, p. 507) 
von Podocarpus giebt, sollte man sogar glauben, es seien 3 In- 


1) Parlatore im 16. Bd. von De Candolle’s Prodromus eitirt die 
Hooker’sche Abbildung weder bei P. neritfolia, noch bei P. Chinensis. 


vom 14. October 1869. 743 


tegumente vorhanden, indem er von 2 das Pistill umgebenden 
Hüllen redet; allein ich zweifle nicht, dafs der Theil, den er 
bei Podocarpus als das Pistill betrachtet, nichts anderes als der 
Eikern ist, wiewohl er in anderen Fällen (z. B. bei Taxus, 
Pinus) das Integument als Pistill, den Eikern als Ovulum be- 
zeichnet. Es ist zu bedauern, dafs wir von Podocarpus sowohl, 
wie von den verwandten Gattungen Dacrydium, Cephalotaxus, 
Phyllocladus, die Entwicklungsgeschichte der Eiknospe noch 
nieht kennen, dafs wir namentlich nicht wissen, in welcher 
Folge die zwei Integumente zur Ausbildung kommen. Auch 
ist noch genauer zu ermitteln, wie sich die beiden Integumente 
bei der Ausbildung des fleischigen und steinartigen Theiles des 
Samens, von denen der erstere bei einigen Arten, namentlich 
bei Pod. Andina (Prumnopitys elegans Phil.) eine mächtige Ent- 
wicklung hat, betheiligen. Ehe wir über diese Punkte im Kla- 
ren sind, läfst sich auch nicht entscheiden, ob das äufsere In- 
tegument von Podocarpus dem sogenannten Arillus von Taxus 
homolog ist oder nicht. 

Was die letztgenannte Gattung betrifft, so bin ich im Hin- 
blick auf die normale und abnorme aufserordentliche Anschwel- 
lung der Blattkissen bei Podocarpus geneigter den fleischigen 
Samenmantel für eine Anschwellung des zu dem Integument 
‘ gehörigen Internodiums oder mit anderen Worten der vereinig- 
ten Blattkissen der das Integument darstellenden Blätter zu 
halten als für ein äufseres Integument mit verspäteter Ent- 
wickelung, also für einen besonderen Blattkreis. Die Entschei- 
dung hierüber erwarte ich von der genauen Beobachtung der 
Lage, welche die 2 oder mehreren sich zum Integumente ver- 
einigenden Schwielen gegen die vorausgehenden Blattgebilde 
(schuppenförmigen Hochblätter) einnehmen.') Nach Baillon 


1) Bei Torreya steht das mit einfachem Integument versehene Ovu- 
lum zwischen 2 Paaren schuppenartiger Vorblätter; das Integument ent- 
steht nach Baillon (Adansonia I. Tab. II. f. 1—11) aus 2 halbmond- 
förmigen Schwielen, von denen man erwarten sollte, dafs sie sich mit 
den 2 inneren, zunächst vorausgehenden Vorblättern kreuzen; allein nach 
Baillon’s Figuren sind sie diesen opponirt! Ist dies ein Irrthum oder 
ist die Darstellung richtig? Wenn letzteres der Fall, so mülste noch 


744 Gesammtsitzung 


entsteht nämlich das Integument von Tazus, ebenso wie das 
vieler anderer Coniferen, aus 2 Anfangs getrennten, bald aber 
am Grunde ringförmig zusammenfliessenden halbmondförmigen 
Schwielen; Sperk hat bei Taxus tardiva (parvifolia) sogar eine 
Bildung des Integuments aus 4 Höckern beobachtet. Es wäre 
dies also eiu Vorgang ähnlich wie bei gamophyllen Kelchen, 
Corollen, Pistillen. Ich habe keinen Grund dies zu bestreiten, 
aber ich bestreite die Folgerung, dafs das auf diese Weise ent- 
stehende Gebilde ein Pistill sein müsse. Mit demselben Recht 
könnte man es für einen Kelch erklären und mit demselben 
Recht kann man es für ein Integument halten, wenn man In- 
tegumente überhaupt für ringförmig sich entwickelnde Blattge- 
bilde hält, die nicht nothwendig den Werth nur eines einzigen 
Blattes zu haben brauchen, wie es bei den höheren Phanero- 
gamen, nach den Mifsbildungen zu urtheilen, allerdings anzu- 
nehmen ist. Für die Bildung des Integuments aus 2 oder meh- 
reren Blättern spricht bei Taxus die Gestalt des reifen Samens, 
der bei T. baccata gewöhnlich zweikantig, zuweilen dreikantig 
ist, ja bei T. tardiva') nicht selten sogar 4 bis 5 Kanten zeigt. 
Bei der dieser Gattung zukommenden terminalen Stellung der 
Samen sind diese Unterschiede nicht etwa durch Druck zu er- 
klären, sie scheinen vielmehr auf eine wirkliche Verschieden- 
heit der Zusammensetzung hinzuweisen. Auch bei Ginko sind 
die Samen normal zweikantig, zuweilen dagegen sehr regelmä- 
(sig dreikantig. 


ein Kreis dazwischen liegen und es mülste dies der „Urceolus carnosus* 
sein, der den reifen Samen einschliefsen: soll. Ich habe Torreya selbst 
untersucht, aber blühend, und von einem besonderen Urceolus nichts ge- 
sehen; aus den Beschreibungen von Endlicher und Parlatore ist 
durchaus nicht zu entnehmen, ob dieser Urceolus ein besonderes Gebilde 
ist oder ob er aus dem Integument selbst sich bildet. 

1) Ich mache bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam, dafs die 
männlichen Blüthen dieser Art unbekannt sind. Im hiesigen botanischen 
Garten, so wie in anderen, in denen ich nachgefragt habe, sind nur 
weibliche Sträucher vorhanden, die aber allenthalben reichlich vollkom- 
mene, mit Keimlingen versehene Samen tragen, die tausendweise im Sa- 
menhandel zu haben sind. Wie es sich damit verhält, ob Parthenogene- 
sis, ob Befruchtung durch Taxus baccata stattfindet, ist noch nicht ermittelt. 


vom 14. October 1869. 745 


Hr. Magnus legte die folgende Mittheilung des Hrn. Dr. 
K. Schultz-Sellack vor, über Diathermasie einer Reihe 
- von Stoffen für dunkle Wärme. 


Für die Wärme, welche der Kohlenrufs bei 100° ansstrahlt, 
sind die meisten Stoffe, selbst in Schichten von weniger als 
jmm Dicke, vollkommen opak. Nur wenige Stoffe sind bekannt, 
welche auch in dickeren Schichten einen gröfseren Antheil 
dieser Wärme hindurchlassen, nämlich: Steinsalz, Flufsspath, 
Schwefel, Schwefelkohlenstoff, Jod in Auflösung, Brom, Syl- 
vin. Diese Stoffe sind zum Theil Elemente, anderentheils 
 Chlor-, Fluor-, Schwefelverbindungen. Ich habe gefunden, 
dafs nicht nur alle Chlorverbindungen, sondern auch 
Brom-, Jod-, Fluorverbindungen der einfachen Stoffe, 
und auch eine Anzahl Sulphide, welche in dem für diese 
Untersuchung erforderlichen Zustande erhalten werden konnten, 
dieselbe Eigenschaft besitzen, einen beträchtlichen Theil 
der Kohlenrufswärme hindurchlassen. Diese Stoffe ha- 
ben also in Bezug auf ihre Durchlafsfärbung etwas Gemein- 
games. 

Die Zahlen geben die durchgelassene Wärmemenge pro- 
centisch auf den Werth der directen Strahlung aus den Ab- 
lenkungen des Spiegelgalvanometers berechnet. 


Durchgehende 
Wärmemenge. 
Durchstrahlte Substanz. DickeMm. nö Aal  Piekentm.| "90°" |gastamme 
Chlorsilber (AgCl) 3 ae Be 46p.C.| 30p.C. 

Bromsilber (AgBr) 3 45 42 
Bromkalium (KBr) | 3 16 13 
Jodkalium (KJ) 3 11 10 
Kryolith (Al,Na,Fl,,) 10 3 23 
Zinkblende (ZnS) 5 29 23 
- Schwefelarsen mit Schwefel (As, S;) 0,8 21 26 
a 8 12 
Glasiges Selen 0,4 50 36 
Are : 5) 16 d 


[1869.] 53 


746 Gesammtsitzung 


Die meisten Substanzen waren nicht völlig homogen, so | 
dafs ein Theil der Wärme auch durch Diffusion und ‚Reflexion 
verloren gehen mulste. 

Chlorsilber und Bromsilber werden durch Schmelzen im 
Chlor-, respective Bromdampfstrom als vollkommeu glasklare 
Massen erhalten, denen man durch Umschmelzen zwischen 
dünnen Glasplatten glatte Oberflächen geben kann. Die Salze 
haften an dem Glase aulserordentlich fest; erwärmte concen- 
trirte Salpetersäure, welche die Salze selbst nicht merklich an- 
greift, zieht sich aber capillar zwischen das Glas und das 
Silbersalz und bewirkt die Trennung. Das Chlorsilber er- 
scheint vollkommen farblos, das Bromsilber hell bernsteingelb. 

Chlorkalium, Bromkalium, Jodkalium geben geschmolzen 
glasklare Massen, wenn die Substanzen in klaren Krystallen 
angewendet werden, wie man dieselben durch sehr langsames 
Verdunsten der Lösungen bei gewöhnlicher Temperatur erhält. 
Von Zinkblende wurde eine klare, hellgelbe Platte angewendet, 
welche Hr. Prof. Rose mir zur Untersuchung übergab; die 
angewendete Kryolithplatte war durch zahlreiche feine Risse 
und Sprünge getrübt. 

Glasiges Selen wird durch Schmelzen und Pressen zwischen 
Glasplatten in ebenen Tafeln erhalten; Platten von weniger als 
j"mm Dicke lassen von dem leuchtenden Spectrum des directen 
Sonnenlichts nur eine schmale Bande im alleräufserten Roth 
hindurch, Platten von mehr als 2%® Dicke lassen auch das 
intensive Sonnenlicht nicht mehr wahrnehmbar durchdringen. 
Ebenso werden Platten aus Mischungen von Schwefelarsen mit 
Schwefel erhalten. Diese Mischungen, wenn sie nicht mehr als 
höchstens 3 Th. Schwefel auf 1 Th. Dreifach-Schwefelarsen ent- 
halten, erstarren zu amorphen weichen Massen, welche erst 
nach Wochen hart und spröde werden. | 

Eine Anzahl flüfsiger Verbindungen und Auflösungen von 
Stoffen, welche fest nicht in geeignetem Zustande erhalten 
- werden konnten, wurden in einem mit planparallelen, 2% dicken 
Steinsalzplatten verschlossenen Glasgefäls in 8”® dicker Schicht 
untersucht. | 

Die Zahlen geben die durch das gefüllte Gefäls hindurch- 
sehende Wärme in Procenten von der durch das leere Gefäfs 


vom 14. October 1869. 747 


| hindurchgehenden Menge, ergeben also so wenig wie die in 


der ersten Tabelle aufgeführten absolute Werthe der Absorption. 


Durchgehende 
Wärme. 
Rufs von | Leucht- 


Durchstrahlte Substanz. 100° |sasflamme 


Zinnchlorid (SnCl1,) 44 p.C.| 80p.C. 
Schwefelchlorid (SC],) 41 95 
Schwefelkohlenstoff (CS,) 50 51 
Phosphor in Schwefelkohlenstoff 52 57 
Zinnjodid (SnJ,) in Schwefelkohlenstoff 44 47 
Dreifachchlorkoblenstoff (C,Ol,) in CS B) 38 
Chloroform (CHC1,) 2 30 
Äthylenchlorid (C,H, C1,) 0 13 
Äthyljodid (C,H, J) 0 12 


Die Phosphorlösung enthielt auf 10 Th. Phosphor nur 1 Th. 
Schwefelkohlenstoff, die Lösung von Zinnjodid 1,5 Th. SnJ, 
und 1 Th. CS,, die Lösung von Chlorkohlenstoff 1 Th. C,Cl, 
und 4 Th. CS,. Aus der Diathermasie der Lösungen darf 
man wohl auf die Diathermasie der gelösten Stoffe schliefsen. 

Hiernach ist es wahrscheinlich, dafs die Haloidverbin- 
dungen aller Elemente in fester oder flüssiger Form für 
die Kohlenrufswärme von 100° theilweise diatherman 
sind; ebenso viele Sulphide. Die Haloidverbindungen complexer 
Radicale, von Ammonium, Äthyl u. s. w. scheinen die Eigen- 
schaft der Verbindungen der Elemente nicht zu theilen. | 

Man hat früher angenommen, dafs alle Stoffe die Wärme 
von dunklen Wärmequellen stärker absorbiren als die von leuch- 
“tenden, ausgenommen der Kohlenrufls') in sehr dünner Schicht, 
welcher umgekehrt die Wärme von leuchtenden Quellen stärker 
absorbirt als die von dunklen. Ebenso verhalten sich eine An- 
zahl der in der ersten Tabelle aufgeführten Stoffe: Selen, Zink- 


blende, Chlorsilber. 


1) Melloni, Ann. chim. 72. 40. 


748 Gresammtsitzung | 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 
vorgelegt: 


v. Maurer, Geschichte der Städteverfassung in Deutschland. 1. Bd. 
Erlangen 1869. 8. 

Howard, John Elliott, The Quinology of the East Indian plantations. 
London 1869. fol. 

Scacchi, Sulla efficacio delle 3oluzioni dei tartrati. Napoli 1866. 4. 

Moriz Schmidt, The Lycian Inscriptions after the accurate copies 
of the date Augustus Schoenborn. Jena 1868. 4. 

— Neue Iykische Studien, und das Dekret des Pixodaros, von W. Pertsch. 
Jena 1869. 8. 

— Pindar’s Olympische Siegesgesänge, griechisch und deutsch. Mit 
Schreiben des Hrn. Prof. Schmidt, d. d. Jena 18. Sept. 1868. 

Washington Astronomical and Meteorological Observations,. dering the 
year 1866. Washington 1868. 4. 

Memorial of the great central fair for ihe U. St. Sanitary Commission, 
by R. Stille. Philadelphia 1864. 4. 

Ch. Stille, The history of the U. St. Sanitary Commission. New 
York 1868. 8. 

Transactions of the medical, Society of the State of New York,. for 
1866—1868. Albana 1866—68. 8. 

The U. St. Sanitary Commission. Boston 1863. 8. 

Occasional Papers of the Boston Society of natural history. Boston 
1869. 8. 

Gould, Investigations in the military and anthropological statisties of 
american soldiers. New York 1869. 8. 

Report of the 48th. Meeting of the British Association, for the advan- 
cement of science. London 1869. 8. + 

Observations made at the Observatory ad. Trinity College, Dublin., Vol. 
I. Dublin 1869. 4. 

Results of Observations made at the Radclife Observatory, Oxford. 
Vol. 26. Oxford 1869. 8. 

Smithsonian Report for 1867. Weshington 1868. 8. 


Von der Kgl. Schwedischen Akademie der Wissenschaften in Stock- 
. holm: 
Handlingar. Vol.V,2. VI,1.2. VIO,1. Stockholm 1864—67. 4. 
Öfversigt. Vol. 22—25. ib. 1865—68. 8. 
Meteorologiske Jakttagelser. Vol. 6. 7. 8. ib. 1864—66. 4. 
Freg. Eugenies Resa omkring Jorden. Häft 12. ib. 1868. 4. 
Lefnadsteckningar. 1, 1. ib. 1869. 8. 


vom 21. October 1869. 749 


Sundevall, Conspectes avinen picinarum. ib. 1866. 8. 

Stäl, Hemiptera africana. Vol. 1—4. ib. 1864—66. 8. 

Nordenskiöld, Geologische Skizze von Spitzbergen. Stockholm 
1867. 8. 


Journal of the Royal Geographical Society. Vol. 38. London 1868. 8. 

Transactions of the Edinburgh Geological Society. Vol. 1, Part 1. 2. 
Edinburgh 1868. 8. 

Memoires de la societe des sciences naturelles de Cherbourg. "Tome 14. 
Paris 1869. 8. 

Annales des sciences physiques et naturelles. III, Tome 11. Paris 
1867. 8. 

Oomptes rendus des seances de l’academie des sciences. Vol. 69, no. 1 
—11. Paris 1869. 4. 

Vierteljahrschrift der naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Jahrg. 
12.32. 2 Zürich, 1867, 1869. 8. 

Neues Lausitzisches Magazin. Bd. 46. Görlitz 1869. 8. 

Promis, Storia dell’ antica Torino. Torino 1869. 8. 


21. October. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Weber las: Zur Kenntnils des vedischen Opfercultus 
(über das agnicayanam). 


An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 


Relation authentique du voyage du Capt. de Gonville es nouvelles terres 
des Judes (1503—1505) public par Mr. D’Avezac. Paris 1869. 8. 

Jahresbericht und Abhandlungen der schlesischen Gesellschaft für vater- 
ländische Kultur. Breslau 1868—69. 8. 

Bidrag till Kännedom af Finlands Natur och Folk. Häftet 13. 14. 
Helsingfors 1868, 1869. 8. 

Öfversigt af Finska Vetenskaps Societetens Förhandlingar. XI. Hel- 
singfors 1869. 8. 

Hjelt, Gedächtnifsrede auf Alexander von Nordmann. Helsingfors 
1868. 8. 


750 Sitz. d. phil.-hist. Kl.v. 25. Oct. — Gesammtsitz. v. 28. Oct. 1869. 


25. October. Sitzung der ya histo- 
rischen Klasse. 


Hr. Rödiger las den ersten historischen und litterarischen 
Theil einer Abhandlung über einige ältere arabische Gedicht- 
sammlungen, insbesondere die Mufaddalijät. 


28. October. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. v. Ranke las über den Fall des brandenburgischen 
Ministers Eberhard von Dankelmann (1697 und 1698), vor- 
nehmlich aus englischen Berichten. 


In Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung sind neuer- 
dings folgende akademische Abhandlungen aus den Jahrgängen 
1868 und 1869 erschienen: 


v. RANKE, Briefwechsel Friedrichs des Grossen mit dem Prinzen Wil- 
helm IV. von Oranien und mit dessen Gemahlin, Anna, 
geb. Princefs Royal von England. 

Preis 1 Phey1 Bee: 

EHRENBERG, Über mächtige Gebirgsschichten vorherrschend aus mikro- 

skopischen Bacillarien unter und bei der Stadt Mexiko. 
Preis: 1 Thlr. 15 Sgr. 
Lepsivs, Über den chronologischen Werth der Assyrischen Eponymen 
und einige Berührungspunkte mit der Aegytischen Chronologie. 
Preis: 15 Sgr. 


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MONATSBERICHT 


KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 
ZU BERLIN. 


November 1869. 


Vorsitzender Sekretar: Herr Haupt. 


4. November. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Ehrenberg berichtete über eine von Hrn. Georg 


Gladstone in London an die Akademie eingesandte Mitthei- 
lung, betreffend das mikroskopische Leben in der Nahe bei 
Münster am Stein. 


An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 


 Sitzungsberichte der k. bayer. Akademie der Wissenschaften für 1869. 


II. Heft 1. München 1869. 8. 

Annales des mines. Tome XVI. Paris 1869. 3. 

L. Lortet, Deux ascensions au Mont-Blanc. Paris 1869. 8. 

A. de Senepart, La postulation d’Euchide demonstre. Maestricht 
1869. 8. | 

Proceedings of the London Mathematical Society. no. 19. London 
1869. 8. 

Linder, Du röle de lattraction universelle. (Paris 1869.) 4, 


‚November. Sitzung der physikalisch-mathe- 


matischen Klasse. 


Hr. Hagen las über die Bewegung des Wassers in verti- 


kal abwärts gerichteten Röhren. 


[1869.] 54 


752 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 8. November 1869. 


Hr. Ehrenberg theilte aus einem Schreiben des Hrn. 
Dr. Julius Haast in Canterbury, Neu-Seeland vom 2. Sep- 
tember d. J., welches heut am 8. November hier eintraf, mit, 
dafs derselbe sich mit weiterer Untersuchung der ehemaligen 
Lebensverhältnifse der straufsartigen Riesenvögel fortdauernd 
glücklich beschäftigt hat. Er giebt in seinem Schreiben fol- 
gende Nachrichten darüber, deren weitere Kenntnilsnahme em- 
pfehlenswerth schien: 

— „Es dürfte nicht ohne Interesse für Sie sein zu hören, 
dafs ich vor wenigen Wochen ein altes Moa-Jäger-Lager ent- 
deckt habe, welches wohl 40—50 englische Acres (Morgen) 
Grund bedeckt. Die Kochplätze mit Steinen gepflastert sind 
oft 9 Fufs im Durchmesser und daneben liegen die theils ver- 
brannten aber stets zerbrochenen Moa-Knochen verschiedener 
Arten, ebenfalls Hunde- und Seehunde-Knochen, nebst mehreren 
Steinwerkzeugen, meistens aus Flint bestehend, und den in 
Amiens gefundenen sehr ähnlich. Sie sind nie geschliffen wie 
die der Maories. Ich werde, sobald ich die Zeit finde, eine 
Beschreibung der Lokalität etc. veröffentlichen. Die dort ge- 
machten Beobachtungen bestätigen mich in der bereits früher 
ausgesprochenen Theorie, dafs die Rasse, welche die Dinornis- 
Arten jagte und als, eine ganz andere war, als die der Maories, 
welche keine Traditionen in Betreff der ausgestorbenen gigan- 
tischen Vögel haben.* — 

Diese Mittheilung erweitert jene in den Monatsberichten 
des Jahres 1868 pag. 551 von Dr. J. Haäast in Aussicht ge- 
stellten dortigen Landeskenntnifse mit einem förmlichen Lager- 
platz zur Zeit der Moa-Straufsen-Jäger. 


11.November. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Mommsen las über ein ungedrucktes Bruchstück aus 
dem 20. Buche des Livius. 

Derselbe legte die Pommersfeldener Bruchstücke einer 
Digestenhandschrift auf Papyrus vor. 


Gesammtsitzung vom 18. November 1869. 753 


An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 
Transactions of the Linnean Society. Vol. XXVI, 2. 3. London 
1869. 4. 
Journal of the Linnean Society. Vol. XII. Botany, no. 48—51. 
Zoology, no. 43>—46. ib. 1869. 8. 
Report of the 38. Meeting of the British Association. London 1869. 8. 
Annalen der Münchner Sternwarte. 8. Supplementbd. München 1869. 8. 


Regel und Herder, Plantae Raddeanae et Semesovianae. Moscou 
1869. 8, 


Bijdragen tot de Taal- Land- en Volkenkunde van Nederlandsch Indic. 
IV, 1. 8 Gravenhage 1869. 8. 
Flora batava. Heft 208—210. Leyden 1869. 4. 


Astronomische Beobachtungen auf der Sternwarte zu Bonn. VII, 2. 
Bonn 1869. 4. 


18.November. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Dove gab eine Übersicht des dritten Theiles seiner 
Darstellung der Wärmeerscheinungen durch fünftägige Mittel. 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 
vorgelegt: 


Bibliotheca indica. New Series. no. 155—158. 160—163. Calecutta 


Pi9I. 8 
Journal of ihe asiatic Society of Bengal. no. 153. 155. Calcutta 
1869. 8. 


Journal of the American Oriental Society. IX, 1. New Haven 1869. 8. 

Scalia, L’ontologismo riformato nelle essenze eterne delle cose. Ca- 
tania 1869. 28. 

Hoguet, Expose de medicine homoeodynamique. Paris 1869. 8. 
Mit Schreiben (des Verf. d. d. Paris 10. August 1869. 

Annales de lobservatoire physique de Russie. Annde 1865. Peters- 
bourg 1869. 4. 

O. Boettger, Beitrag zur Kenntni/s der Tertiärformation in Hessen. 
Offenbach 1869. 4. 

Du Cange, Les familles d’outre-mer, publiees par E. G. Rey. Paris 
1869. 4. 

Lavoisier, Oeuvres.. Tome IV. Paris 1868. 4, 

Fresnel, Oewvres. Tome Il. Paris 1869. 4, 


54* 


754 Gesammisitzung 


Scharrath, Constructionen für die practische Ausführung der Po- 
ren - Ventilation in geschlossenen Räumen. Bielefeld 1869. 8. 
und fol. 


22. Novemb. Sitzung der philosophisch-histo- 
rischen Klasse. 


Hr. Droysen las: Beitrag zur Kritik der Memoiren des 
Baron von Poelnitz. | 


25. November. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Poggendorff las über das.Holtz’sche Rota- 
tionsphänomen. 


Im J. 1867 veröffentlichte. ich ein Paar kurzer Notizen, 
in welchen ich ein vereinfachtes Verfahren zur Hervorbringung 
eines wenige Monate früher von Hrn. Holtz entdeckten elek- 
trischen Rotationsphänomens beschrieb. Ich bediente mich da- 
bei einer seiner Elektrisirmaschinen erster Art, aus welcher 
ich die ruhende Scheibe entfernt hatte. Seitdem habe ich mir 
einen eigends auf das Studium dieses Phänomens eingerichteten 
Apparat anfertigen lassen, um dasselbe, was bisher noch nicht 
geschehen ist, in seinen einzelnen Phasen eingehender zu un- 
tersuchen. Es schien mir diefs keine überflüssige Arbeit zu 
sein; denn wenn auch dieses Phänomen lediglich durch die be- 
kannten elektrischen Attractionen und Repulsionen hervorge- 
rufen wird, so weicht es doch durch die Art und Weise, wie 
bei ihm diese Anziehungen und Abstofsungen zur Wirksamkeit 
gelangen, wesentlich von allen bisher dargestellten elektrischen 
Rotationen ab, und dabei sind die Vorgänge nicht nur unge- 
mein mannigfaltig, sondern auch zum Theil so verwickelt und 
räthselhaft, dafs ich offen bekennen muls, selbst nach einer 
zweijährigen Beschäftigung mit demselben nicht im Stande zu 
sein, über jeden einzelnen Punkt genügende Rechenschaft zu 
geben. 


vom 25. November 1869. 35 


| Der erwähnte Apparat hat die Gröfse einer gewöhnlichen 
. Holtz’schen Elektrisirmaschine. Er ist darauf berechnet, eine 
Scheibe von Glas oder Ebonit (Kamm-Masse) mit Leichtigkeit 
in einer Verticalebene rotiren zu lassen. Die horizontale Axe 
derselben ruht mittelst Stahlzapfen von 1,5 Lin. Dicke auf 
V-förmigen Pfannen aus Rothguls. Das Gestell, welches diese 
Pfannen trägt, ist auf beiden Seiten versehen mit einem Kreuz 
aus Ebonitstäben, die an den Enden konisch durchbohrt sind, 
um metallene Spitzenkämme aufzunehmen. Es können dem- 
nach vier derartige Kämme gegen jede Seite der Scheibe ge- 
richtet werden, zwei an den verticalen Armen des Kreuzes, und 
zwei an den horizontalen. An ihren Stielen haben diese Kämme 
Einbohrungen und Schrauben, um die Drähte aufzunehmen und 
zu befestigen, welche sie entweder unter sich oder mit der 
Elektrisirmaschine verbinden sollen. 

Aufserdem ist dem Apparat ein verticaler, verschiebbarer 
Rahmen beigegeben, um mittelst desselben Platten verschie- 
dener Art neben der Scheibe aufstellen zu können, entweder _ 
auf der einen oder auf der andern oder auch auf beiden Seiten, 
und zwar in verschiedenen Abständen. Der Rahmen ist dazu 
mit Nuthen versehen, in welche die Platten eingeschoben wer- 
den können. 

Die zur Rotation bestimmten Scheiben, möglichst gut ae- 
quilibrirt, hielten 15 Zoll im Durchmesser. Glasscheiben wur- 
den von verschiedener Dicke angewandt, gefirnifst und unge- 
firnifst, belegt und nicht belegt. Vom Ebonit wurde nur eine 
Scheibe benutzt, da es sich in jeder Beziehung wie Glas verhielt. 

Ohne Zweifel würde der Apparat bedeutend an Beweg- 
lichkeit gewonnen haben, wenn ich die Scheibe an einer ver- 
ticalen Axe auf Spitzen hätte rotiren lassen, wobei auch ihre 
Aequilibrirung weniger nothwendig gewesen wäre. Allein ich 
würde den Vortheil verloren haben, beide Seiten der Scheibe 
mit gleicher Leichtigkeit untersuchen zu Können, und darum 
wählte ich die senkrechte Stellung. Überdiefs ist die Kraft, 
welche hier in Betracht kommt, grofs genug, um die Scheibe, 
in sehr lebhafte Rotation zu versetzen, selbst wenn die Zapfen 
ihrer horizontalen Axe 3,5 Linien dick sind und in runden 


Pfannen laufen. 


756 Gresammtsitzung 


Die zahlreichen Elemente des beschriebenen Apparats ge- 
statten begreiflich eine noch ungleich gröfsere Zahl von Com- 
binationen, und lassen somit alle Umstände erforschen, unter 
welchen eine Rotatiou erfolgt oder nicht, unter welchen sie 
nur in einer bestimmten Richtung stattfindet und in der entge- 
gengesetzten ausbleibt, unter welchen sie eines anfänglichen 
Impulses bedarf oder trotz der Reibung an der Axe freiwillig 
beginnt.') 

Nur die genaue Kenntnils aller dieser Particularitäten 
kann der Hoffnung Raum geben, dafs es dereinst gelingen 
werde, von dem interessanten Bewegungsphänomen eine. voll- 
ständige Theorie aufzustellen, zu welcher ich für jetzt nur 
Material zu liefern vermag. 


I. 


Die einfachste Gebrauchsweise des Apparats besteht darin, 
dafs man der Scheibe auf der einen Seite zwei Spitzenkämme 
diametral bis auf ein Paar Linien nahestellt, und ihr mittelst 
dieser Kämme Elektricität zuführt, am Besten aus einer Holtz- 
schen Maschine. Ertheilt man dann der Scheibe einen kleinen 
Impuls, entweder in der einen oder anderen Richtung, so fährt 
sie fort in dieser Richtung zu rotiren, und steigert ihre Ge- 
schwindigkeit in kurzer Zeit bis zu dem Grade, dafs sie 80 
bis 100 Umgänge in der Minute macht, unter günstigen Um- 
ständen (bei Trockenheit der Luft, Reinheit der Scheibe, u. s. w.) . 
wohl noch mehr. . 

Ich beobachtete diefs sowohl an einer gefirnifsten Scheibe 
von dünnem Fensterglase, die mit ihrer Axe 24 Pfd. wog und 
für gewöhnlich angewandt wurde, als auch an einer ungefir- 
nilsten dicken Scheibe Spiegelglas, deren Gewicht mit dem der 
Axe 44 Pfd. betrug. 


1) Im dem ideellen Fall, dafs an der Axe keine Reibung statt- 
fände und die Mittellinie derselben genau durch den Schwerpunkt der 
Scheibe ginge, würde die Rotation begreiflich allemal eine freiwillige 
werden, wenn die Elektricität entweder nur in einer Richtung wirkte, 
oder in der einen stärker als in der anderen. 

Von diesem ideellen Fall kann hier natürlich nicht die Rede sein. 


vom 25. November 1869. 157 


Die beiden Kämme brauchen übrigens nicht nothwendig 
eine diametrale Stellung zu haben. Es genügt schon ein qua- 
drantaler Abstand, nur. ist dann die Rotationsgeschwindigkeit 
geringer. 

Statt zwei Kämme kann man auch deren vier an einer 
Seite der Scheibe anbringen, zwei am verticalen, und zwei am 
horizontalen Stabe des Kreuzes. Sie müssen jedoch so unter 
sich und mit der Maschine verbunden werden, dafs die an 
einem und demselben Stabe befestigten gleiche Elektrieität aus- 
strömen, sie also, im Kreise herum gezählt, abwechselnd po- 
sitiv und negativ sind. Dann erhält man, nach einem Impuls, 
eine Rotation in beiden Richtungen, deren Geschwindigkeit wo 
nicht gröfser, doch wenigstens eben so grofs ist, als die be- 
reits genannte. Hat man aber die Verbindung so gemacht, 
dafs auf zwei positive Kämme zwei negative folgen, so ist die 
Wirkung der Elektrieität, wenn auch nicht ganz Null, doch 
jedenfalls sehr schwach. ') 


!) Um mit voller Sicherheit zu entscheiden,.ob in einem gegebenen 
Falle die auf die Scheibe strömende Elektricität keine Wirkung habe oder 
nur eine schwache, müfste man der Scheibe zwei Mal einen ganz glei- 
chen Impuls ertheilen, erst während der Wirkung der Elektricität, und 
dann nach Aufhebung derselben. Beobachtete man nun die Zeiten, in- 
nerhalb deren die Scheibe in beideu Fällen vermöge der Reibung auf 
der Axe und des Widerstandes der Luft zur Ruhe gelangte, so würde 
die Gleichheit oder Ungleichheit derselben die Frage entscheiden. Allein 
zur Hervorbringung zweier völlig gleichen Impulse wäre ein besonderer 
Apparat erforderlich. 

In Ermangelung eines solchen könnte man freilich auch dadurch 
zum Ziele gelangen, dafs man der Scheibe in den bezeichneten Fällen 
zwei ungefähr gleiche Impulse ertheilte, und die Momente abwartete, wo 
sie eine gleiche Anzahl von Rotationen innerhalb einer gewifsen Zeit 
hervorbrächten. Von diesen Momenten an mülste man dann die Zeiten 
beobachten, die in beiden Fällen bis zur völligen Ruhe verstrichen. 

Dies Verfahren ist aber auch umständlich und schwerlich von einer 
Person, welche zugleich die Elektrisirmaschine gleichmäfsig umdrehen 
soll, mit Genauigkeit ausführbar. Ich habe mich daher auf eine blofse 
Schätzung beschränkt, und es wäre also wohl möglich, dafs die Wirkung 
in einigen Fällen, wo ich sie für Null ausgab, in der That nur sehr 
schwach war. 


758 Gesammtsitzung 


In welcher Weise hier die Rotation zu Stande kommt, 
oder vielmehr unterhalten und gesteigert wird, habe ich für 
den einfachen Fall mit zwei diametralen Kämmen schon in 
einer meiner früheren Notizen angedeutet.') 

„Nach dem anfänglichen Impuls — heiflst es daselbst — 
bekleidet sich die Scheibe mit den von den Kämmen ausströ- 
menden Elektricitäten, auf der einen Hälfte mit der positiven, 
auf der anderen mit der negativen; und so wie die von dem 
einen Kamm auströmende Elektrieität zu dem anderen gelangt, 
wird sie von diesem angezogen, und nicht blofs sie allein, 
sondern auch die Scheibe, an welcher sie adhärirt. Es ist 
aber auch einzusehen, dafs die beiden Hälften der Scheibe 
nicht dauernd entgegengesetzt elektrisirt sein könnten — (wie 
sie es wirklich sind) — wenn die von dem einen Kamme aus- 
strömende Elektricittätsmenge vollständig zu dem anderen ge- 
langte, weil dann die Elektrieität des letzteren gänzlieh zur Neu- 
tralisation des ersteren verbraucht werden würde. Es mufs also 
entweder ein Theil der von der Scheibe aufgenommenen Elek- 
trieität verloren gehen, oder die von jedem Kamme ausströ- 
mende Elektrieität in der Weise zerfallen, dafs nur ein Theil 
an die von ihm fortgehende Hälfte der Scheibe übergeht, und 
der andere die entgegengesetzte Elektricität der an ihn heran- 
tretenden Hälfte neutralisirt.* 

Wiewohl ohne Zweifel ein ansehnlicher Theil der auf die 
Scheibe ausströmenden Elektricitäten ungenutzt für die Rotation 
in die Luft entweicht, so bin ich doch gegenwärtig der Mei- 
nung, dafs der fortdauernd entgegengesetzt elektrische Zustand 
beider Hälften der rotirenden Scheibe (der sich so leicht mit 
einem Elektrometer nachweisen läfst) nicht von einer solchen 
Entweichung hergeleitet werden kann, sondern seinen Grund wirk- 
lich in der supponirten Halbirung der Elektricität haben muls. 

Jeder Kamm, so scheint es mir natürlich anzunehmen, 
strömt, unbeschadet der vor ihm rotirenden Scheibe, fortwäh- 
rend gleichviel Elektrieität nach beiden Seiten aus, und so 
gelangt die eine Hälfte zu dem anderen Kamme, während 


!) Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. 131 S. 655. 


vom 25. November 1869. 759 


die zweite die von diesem herkommende Elektrieität neutra- 
 lisirt.!) 

Möglicherweise kann übrigens zur Rotation auch die Ab- 
stolsung mitwirken, welche jeder Kamm auf die von ihm aus- 
gesandte und an der fortgehenden Scheibenhälfte adhärirende 
Elektrieität ausüben muls. 

Mag nun die Rotationskraft auf die eine oder andere Weise 
entstehen, so ist doch kaum zweifelhaft, dafs sie mit der Ge- 
schwindigkeit wachsen müsse, weil mit vergröfserter Geschwin- 
digkeit die Elektrieität weniger Zeit hat von der Scheibe zu 
entweichen. Es ist das vielleicht mit ein Grund, weshalb in 
einigen Fällen die andauernde Rotation nach einem schwachen 
Impuls nicht zu Stande kommt, wohl aber sehr gut nach einem 
stärkeren. Es könnte übrigens auch sein, dafs die Reibung 
eine Function der Geschwindigkeit wäre, sie mit derselben 
abnähme. Ich habe darüber keine Angaben gefunden. 


II. 

In dem Bisherigen wurde nur eine Seite der Scheibe be- 
nutzt; man kann aber auch beide Seiten benutzen und hat da- 
bei Gelegenheit einen theoretischen Punkt zu berichtigen. 

Es ist nämlich die Ansicht ausgesprochen worden, das in 
Rede stehende Rotationsphänomen verwirkliche die Umwandlung 
der Elektrieität in mechanische Kraft. Ich will die Möglichkeit 
einer solchen Umwandlung nicht bestreiten, mufs aber doch 
bemerken, dafs dies Phänomen complicirter ist, als es auf den 
ersten Blick zu sein scheint. Denn die von der Maschine aus- 
strömende Elektricität leistet nicht blofs mechanische Arbeit, 
sondern erzeugt auch wiederum neue Elektricität. | 

Einen ersten Beweis davon erhält man, wenn man den 
anfangs beschriebenen Versuch dahin abändert, dafs man die 
beiden diametralen Kämme nicht an einer und derselben Seite 
der Scheibe anbringt, sondern den einen an dieser und den an- 
deren an jener Seite. Unter den genannten Umständen bekommt 
man dann eine Rotationsgeschwindigkeit, die der früheren durch- 
aus nicht nachsteht. 


!) An den Kämmen der Holtzschen Elektrisirmaschine findet of- 
fenbar eine ähnliche Halbirung der ausströmenden Elektricitäten statt. 


760 Gesammtsitzung 


Diese Rotation entspringt offenbar daraus, dafs die einer 
jeden Seite der Scheibe zugeführte Elektrieität durch Infuenz 
die gleichnamige auf der anderen Seite frei macht. Die direct 
von dem einen Kamm ausströmende Elektricität und die durch 
Influenz von dem anderen Kamm entwickelte wirken dann ebenso, 
wie im früheren Falle die beiden ausströmenden Elektricitäten. 
Nur sind jetzt die positiven Lichtpinsel nicht parallel der Scheibe, 
sondern rechtwinklig gegen dieselbe gerichtet. 

Dafs die der einen Seite der Scheibe zugeführten Elektri- 
citäten auf der anderen Seite die gleichnamigen frei machen, 
ist wohl selbstverständlich; doch aber möchte es nicht über- 
flüssig sein, hier noch einige darauf beruhende Erscheinungen 
beizubringen. 

Vor der einen Seite der Scheibe (ich will sie die Vorder- 
seite nennen) befestige man zwei Kämme am verticalen Stabe 
und vor der anderen (der Rückseite) zwei Kämme am horizon- 
talen. Verbindet man nun die ersteren mit der Maschine und 
die letzteren unter sich durch dicke Drähte, die in Kugeln en- 
digen, bis so weit, dafs noch eine kleine Luftstrecke zwischen 
den Kugeln bleibt, und legt über die Stiele dieser Kämme eine 
kleine Röhrenflasche, so wird diese, wenn die Soheibe in elek- 
trische Rotation versetzt wird, geladen, und die Entladungen 
derselben liefern ein hör- und sichtbares Maafs für die ent- 
wickelten Influenz-Elektrieitäten. Gebe ich den Kugeln einen 
gegenseitigen Abstand von 6 Lin., so erhalte ich in der Minute 
wohl an 100 Entladungen, und verkürze ich ihn auf 4 Lin., 
sogar an 200. 

Verbindet man die hinteren Kämme durch eine Geifsler- 
sche Röhre, so wird dieselbe leuchtend, und zeigt dabei zu- 
gleich die Richtung des Influenzstromes an. 

Am stärksten ist begreiflich diese Entwicklung von In- 
fluenz -Elektricität gerade vor den Spitzen der auströmenden 
 Kämme. DBefestigt man demnach die Kämme an der Vorder- 
seite der Scheibe ebenfalls am horizontalen Stabe, so dafs sie 
den Kämmen an der Rückseite gerade gegenüberstehen, und 
lälst nun die Scheibe elektrisch rotiren, so hat man das über- 
raschende Schauspiel eines ununterbrochenen Funkenstroms 
zwischen den Entladungskugeln der Röhrenflasche, selbst wenn 


vom 25. November 1869. . -#61 


diese einen gegenseitigen Abstand von zwei Zoll und mehr 
- besitzen. 

Hält man die Scheibe an, so verschwindet der Funken- 
strom, trotz ununterbrochener Zuleitung der Elektricität. Er 
kommt aber sofort wiederum zum Vorschein, sowie man die 
Rotation der Scheibe erneut. Da hierbei die Spitzen der ein- 
ander gegenüber stehenden Kämme entgegengesetzte Elektrici- 
täten ausströmen, so sieht es täuschend aus, wie wenn die 
Glasscheibe, ungeachtet ihrer ansehnlichen Dicke, während der 
raschen Bewegung die Elektricität durchliefse oder ein Elek- 
trieitätsleiter würde. 

Die Möglichkeit, dafs ein Isolator durch rasche Bewegung 
. zu einem Leiter werde, obwohl weniger wahrscheinlich als 
umgekehrt die Verwandlung eines Leiters in einen Isolator, 
könnte wohl gerade nicht bestritten werden, indem Thatsachen, 
die dagegen sprächen, meines Wissens nicht vorhanden sind. 
Es wäre aber wohl mehr als voreilig, diese Umwandlung ohne 
Weiteres zuzugeben, zumal sich eine andere Erklärung auf- 
stellen liefse, die viel weniger gewagt ist. 

Män könnte nämlich sagen, dafs bei einem ruhenden Iso- 
lator die Influenz auf seine Hinterseite nothwendig bald eine 
Grenze haben müsse, nämlich dann, wenn er auf der Vorder- 
seite keine Elektrieität mehr aufzunehmen im Stande ist; wo- 
gegen sie in einem bewegten unausgesetzt fortdauere, da stets 
neue noch nicht influeneirte Theilchen an die ausströmenden 
Spitzen der Kämme herantreten. 

Wenn diese Ansicht richtig ist, so würde damit auch die 
Erklärung einer anderen paradox aussehenden Thatsache ge- 
geben sein. 

Die Drähte nämlich, welche bei den eben beschriebenen 
Versuchen, so wie überhaupt bei allen Versuchen mit dem Ro- 
tationsapparat, die Verbindung desselben mit der Elektrisir- 
maschine herstellen, zeigen immer, auch wenn sie, wie bei 
mir, fast eine Linie dick und mit Seide übersponnen sind, viel 
freie Elektrieität, welche sie in die Luft ausstrahlen, oder, falls 
man ihnen einen Finger nähert, gegen diesen in kleinen Fun- 
ken entlassen. 

Verbindet man die vor der Scheibe angebrachten Kämme 


762 Gesammtsitzung 


metallisch mit einander, indem man z. B. einen Messingstab 
quer über sie legt, so verschwindet diese freie Elektrieität auf 
den Dräthen. Das ist wohl sehr natürlich. Sie verschwindet 
aber auch oder wird auf ein Minimum reducirt, wenn man 
zwischen den beiden hinter der Scheibe befindlichen Kämmen 
eine metallische Verbindung herstellt, ungeachtet dann der 
Schliefsungskreis der Elektrisirmaschine zwei Mal durch Glas 
unterbrochen ist. Und wohl zu merken: dies Verschwinden findet 
ebenfalls nur statt, wenn die Scheibe rotirt, nicht wenn sie ruht. 

Stellt man den Versuch im Dunklen an, so kann man 
wahrnehmen, dafs, so lange die Scheibe ruht, wenig oder kein 
elektrisches Licht auf den Spitzen der Kämme erscheint, dafs 
dieses Licht aber sehr lebhaft wird, so wie die Scheibe rotirt. 
Jedenfalls geht also auf die rotirende Scheibe mehr Elektri- 
cität über als auf die ruhende, und diels giebt wohl von dem 
Verschwinden der freien Elektricität auf den Dräthen genügen- 
den Aufschlufs, mag übrigens dieselbe durchgelassen oder durch 
Influenz ausgeglichen werden. 

Trotzdem aber ist unter diesen Umständen, d. h. wenn 
die hinteren Kämme metallisch mit einander verknüpft sind, 
das Rotationsvermögen der Elektricität viel schwächer als im 
Fall eine solche Verknüpfung nicht stattfindet. Denn wenn 
auch die Scheibe nach einem anfänglichen Impuls eine Weile 
lebhaft rotirt, kommt sie doch allmählig zum Stillstand. 

Ich möchte mir diese Erscheinungen folgendermaflsen er- 
klären. Strömt der Vorderkamm «a positive Elektrieität aus, 
so wird die von ihm fortgehende und zum diametralen nega- 
tiven Vorderkamm b gelangende Scheibenhälfte mit positiver 
Elektricität bekleidet und zwar nicht blofs auf ihrer Vorder- 
seite, sondern durch Influenz auch auf ihrer Hinterseite. Be- 
finden sich nun auf dieser Hinterseite ebenfalls Kämme in an- 
gegebener Lage und unter sich metallisch verknüpft, so wird 
der Kamm «, welcher dem Vorderkamm «a gegenübersteht, ne- 
gative Elektrieität ausströmen und mit ihr die von ihm fort- 
gehende Scheibenhälfte bekleiden. Diese Hälfte ist aber die- 
selbe, welche auf derselben Seite durch den Kamm «a mit 
positiver Influenz-Elektrieität versehen wurde. Es wird also 
diese Elektrieität neutralisirt werden, oder wohl noch ein Über- 


vom 25. November 1869. 763 


schufs von negativer Elektricität hinzutreten. Aus beiden Grün- 
den wird demnach der Vorderkamm b wenig oder gar nicht 
anziehend auf die zu ihm gelangenden Scheibentheile wirken 
können. Ebenso wird der Vorderkamm a keine oder eine nur 
geringe Anziehung auf die zu ihm gelangenden Scheibentheile 
ausüben, da sie von dem Vorderkamm 5 und dem gegenüber 
stehenden Hinterkamm 2 mit entgegengesetzten Elektricitäten 
versehen worden sind. 

Ich sagte soeben, dafs der dem’ positiven Vorderkamm « 
gegenüber stehende Hinterkamm « negative Elektricität aus- 
ströme. Dies ist keine Hypothese, sondern eine sichere, im 
Dunklen leicht erkennbare Thatsache, welche beweist, dafs der 
letztere Kamm seine Thätigkeit unmittelbar von dem ersteren 
empfängt, und nicht von der Scheibe. Denn wenn er sie von 
der Scheibe empfinge, mülste er statt der negativen Elektrieci- 
tät positive aussenden, da die zu ihm gelangende Scheibenhälfte 
durch ihren Vorübergang vor dem negativen Vorderkamm Db 
an beiden Seiten mit negativer Elektricität versehen worden ist. 

Es giebt noch mehr Fälle, welche augenscheinlich darthun, 
dafs die Elektrieität bei diesem Rotationsphänomen nicht blofs 
mechanische Arbeit verrichtet, sondern zugleich neue Elektriei- 
tät erzeugt; allein ich will sie für jetzt übergehen, um mich 
einer anderen Klasse von merkwürdigen Erscheinungen zuzu- 
wenden. 

Ill: 

Die auf beschriebene Weise hervorgebrachte Rotationsge- 
schwindigkeit der Scheibe ist gewils schon eine recht ansehn- 
liche; allein sie lälst sich noch bedeutend vergrölsern durch 
Anwendung zweier Hülfsmittel: durch die Stellung der Kämme 
und durch die Hinzuziehung von Nebenplatten. 

Was die Kämme betrifft, so waren sie in den bisherigen 
Versuchen entweder am verticalen oder am horizontalen Stabe, 
entweder vor oder hinter der Scheibe angebracht, jedoch immer 
so, dafs sie ihrer Länge nach mit dem vor ihnen fortgehenden 
Radius der Scheibe zusammenfielen. 

Diese radiale Stellung, welche man als die normale be- 
trachten kann, ist jedoch nicht die wirksamste. Ihre gröfste 
Wirksamkeit erhalten die Kämme, wenn man sie aus ihrer ra- 


764 Gesammtsitzung 


dialen Lage um einen Winkel von etwa 45° dreht, und zwar 
in dem Sinn, dafs die rotirende Scheibe sich gegen die ihrer 
Mitte zugewandte Seite des Kammes bewegt. Rotirt sie in der 
entgegengesetzten Richtung, so ist die Wirkung am schwächsten. 

Von der gröfseren Wirksamkeit dieser schiefen Stellung 
der Kämme kann man sich durch jeden der bereits angeführ- 
ten Versuche überzeugen, am untrüglichsten durch diejenigen, 
bei welchen hinter der rotirenden Scheibe Inductionsfunken er- 
zeugt werden. Giebt man nämlich den Kugeln, zwischen wel- 
chen die Röhrenflasche sich entladet, einen solchen Abstand 
von einander, dafs bei radialer Stellung der Kämme keine Fun- 
ken mehr zwischen ihnen überschlagen, so kommen sie sogleich 
zum Vorschein, sowie man die Kämme in die angegebene 
schiefe Stellung versetzt. 

Dasselbe thun andere Versuche dar und selbst der aller- 
einfachste mit zwei diametralen Kämmen an derselben Seite 
der Scheibe liefert einen Beweis dafür. 

Am entschiedensten aber tritt die grölsere Wirksamkeit 
der schiefen Kammstellung hervor, wenn man mit derselben 
noch Nebenplatten verbindet, wie ich dies weiterhin näher aus- 
einander setzen werde. 

Ich habe mich vielfach bemüht, zu ermitteln, weshalb die 
Kämme bei schiefer Stellung eine ungleiche Wirkung an bei- 
den Seiten ausüben, bin aber leider nicht so glücklich gewesen, 
einen Grund dafür aufzufinden, der mir genügt hätte. 

Indefs habe ich bei dieser Gelegenheit beobachtet, dafs Abe 
Lichtpinsel, welche man im Dunklen am positiven Kamm er- 
blickt, und welche, wie man das schon von der Holtzschen 
Maschine weils, bei radialer Stellung dieses Kammes recht- 
winklig auf ihm stehen, entgegen der Rotation der Scheibe, 
diese Rechtwinklichkeit bei allen übrigen Stellungen beibehal- 
ten, so dafs, wenn man den Kamm im Kreise herumdreht, sie 
ihm darin folgen. Nur werden sie um so schwächer und kür- 
zer, je mehr sich der Kamm der tangentiellen Lage nähert, und 
sowie er diese erreicht, verschwinden sie wohl ganz, bis auf 
einige, die aus seinen Enden hervorschiefsen. Bei der vortheil- 
haften Stellung des Kamms von 45° sind sie caeteris paribus 
am längsten, und da sie dann um einen gleichen Winkel ein- 


vom 25. November 1869. 765 


wärts abgelenkt sind, liegen sie nicht in der tangentiellen Rich- 
tung, in welcher, wie man glauben sollte, dem positiven Kamm 
die negative Elektrieität zugeführt wird. 

Auf welche Weise dies mit der mechanischen Wirkung der 
Kämme zusammenhänge, mufs ich für jetzt dahingestellt sein 
lassen. 


IV. 


Sehr mannigfaltig und zum Theil sehr räthselhaft sind die 
Erscheinungen, welche auftreten, wenn man zum zweiten Ver- 
stärkungsmittel übergeht, d.h. neben der beweglichen Scheibe 
feste Platten aufstellt, zu welchem Behufe eben dem Appa- 
rat der anfangs erwähnte verschiebbare Rahmen beigefügt ist. 

Die angewandten Platten bestanden entweder aus Glas 
oder Pappe oder Zink, also entweder aus einem Isolator oder 
Halbleiter oder metallischem Leiter. Glas und Pappe verhiel- 
ten sich in allen Stücken gleich, und Zink nur in einigen ab- 
weicheud. 

Was die Gestalt dieser Platten betrifft, so bildeten sie ent- 
weder Quadrate von der Grölse der Scheibe oder halb so grofse 
Rectangel. Die ersteren hatten in der Mitte eine runde Öf- 
nung, weit genug, um nicht allein die Scheibenaxe durchzulas- . 
sen, sondern auch einen der 6 Lin. dicken Wülste, zwischen 
welchen die Scheibe auf der Axe eingeklemmt ist. Sonst hät- 
ten sie der Scheibe nicht hinreichend genähert werden können. 
Zu gleichem Zweck waren die Halbplatten an einem ihrer Rän- 
der mit einem Ausschnitt versehen. 

In den meisten Fällen habe ich vertical stehende Halb- 
platten angewandt, da sie die gröfste Bequemlichkeit gewähren, 
indem man sie gegen einander vertauschen kann, ohne nöthig 
zu haben, die Scheibe von ihren Lagern abzuheben. 

Im Allgemeinen äufsern die Nebenplatten ihre Wirkung 
dadurch, dafs sie die Rotationsgeschwindigkeit der Scheibe 
aufserordentlich steigern und sehr rasch auf ihr Maximum er- 
heben. Ohne sie kann die Scheibe freilich auch eine grofse 
Geschwindigkeit erlangen, aber es bedarf dazu eines viel stär- 
keren Impulses und einer viel länger fortgesetzten Einwirkung 
der Elektricität. Auch müssen die Spitzenkämme relativ der 


\ 


766 Gesammtsitzung 


Scheibe sehr nahe gestellt werden, während sie bei Anwendung 
von Nebenplatten schon aus einer Entfernung von 1 bis 14 Zoll 
ihre Wirkung ausüben. Stehen andrerseits die Kämme nahe, 
so wirken die Nebenplatten schon in einem Abstand von 1 bis 2 
Zoll von der Scheibe ganz merklich. 

Als specielles Beispiel mag Folgendes dienen. 

Wenn ich vor der Scheibe zwei Kämme am verticalen 
Stabe in radialer Lage anbringe und hinter derselben zwei 
Halbplatten von Glas oder Pappe aufstelle, macht die Scheibe 
nach einem anfänglichen Impuls aller wenigstens 300 Umgänge 
in der Minute, ohne Abnahme, so lange man Elektricität auf 
sie einströmen lälst. Die Rotationsgeschwindigkeit ist so grols, 
dafs sie sich, ohne eine besondere Vorrichtung eigentlich gar 
nicht genau bestimmen lälst. Um einen Begriff von ihr zu 
geben, will ich nur anführen, dafs ein weilses Papierscheib- 
chen von 34 Lin. Durchmesser, welches als Marke auf einen 
der die Scheibe auf der Axe festklemmenden Wülste von 
schwarzer Ebonitmasse geklebt ist und mit seinem Mittelpunkt 
14 Zoll von der Centrallinie der Axe absteht, während der 
Rotation fast wie ein zusammenhängender weifser Ring er- 
scheint. Nach aufgehobener Wirkung der Elektrieität, setzt 
die Scheibe ihre Rotation noch zwei bis drittehalb Minuten 
fort, ehe sie zur Ruhe gelangt. 

Vor der Scheibe, also auf Seite der Kämme aufgestellt, 
wirken die Nebenplatten ebenso stark. Allein es ist doch ein 
bemerkenswerther Unterschied, zwischen ihrer jetzigen Wirkung 
und der früheren vorhanden. 

Stellt man nämlich die Platten hinter der Scheibe auf 
und giebt den Kämmen die schiefe Lage, so erhält man eine 
dauernde Rotation nur in der einen, mehrmals bezeichneten 
Richtung, manchmal von selbst, manchmal erst nach einem 
leisen Anstofs; und wenn man sie in entgegengesetzter Rich- 
tung mechanisch eingeleitet hat, kommt die Scheibe bald zur 
Ruhe und beginnt dann umgekehrt, d. h. in dem ersten Sinn 
zu rotiren. | 

Stehen die Platten aber vor der Scheibe, so rotirt die 
Scheibe, nach einem Impuls, gleich gut in beiden Richtungen, 


vom 25. November 1869. 767 


die Kämme mögen radial oder schief, ja sogar tangentiell ge- 
stellt sein.) | | 

Zu diesen Effeecten sind zwei Halbplatten durchaus nicht 

_ unumgänglich; man erhält sie auch, wenig oder gar nicht 
schwächer ausgebildet, schon mit einer einzigen Halbplatte. 

Selbst kleinere Platten von Glas, Ebonit oder Pappe, 
Quadrate von 5 Zoll Seite, die also lange nicht die halbe 
"Scheibe bestreichen und, neben derselben aufgestellt, weit von 
den Kämmen entfernt bleiben, mit ihrer Mitte um einen Qua- 
dranten, verstärken nicht nur die Rotationsgeschwindigkeit in 
angegebenem Grade, wenn die Kämme radial stehen, sondern 
geben auch bei schiefer Stellung derselben den characteristi- 
schen Unterschied, je nachdem sie vor oder hinter der Scheibe 
angebracht sind. 

Eben solche verstärkende Wirkung zeigen die Nebenplatten 
falls zwei Kämme entweder quadrantal an einer Seite der Scheibe, 
oder diametral diefs- und jenseits derselben aufgestellt sind. 
Selbst eine Halbplatte ist dazu ausreichend, sobald sie nur im 
ersten Fall dem Kamm am horizontalen Arm gegenübersteht. 

Ähnliches beobachtet man, wenn man zu vier Kämmen 
übergeht. 

Vier Kämme gestatten eine zweifache Combination. Ent- 
weder kann man sie unter sich und mit der Maschine so ver- 
binden, dafs der obere und untere die eine Elektricität, z. B. 
die positive, und der rechte und linke die andere Elektrici- 
tät ausströmen, oder aber auf die Weise, dafs z. B. der obere 
und der rechte Kamm positiv werden und die beiden anderen 
negativ. 

Im ersteren Fall, wo also, im Kreise herum gezählt, die 
Kämme abwechselnd positiv und negativ. sind, findet schon 
ohne Nebenplatten nach einem Impuls eine ganz lebhafte Ro- 
tation in beiden Richtungen statt, wenn die Kämme die 
radiale Lage haben, und eine blos in der vortheilhaften 
Richtung, wenn sie schief gestellt sind. Allein beide Wirkun- 


1) Die Rotation bei tangentieller Stellung der Kämme bekommt 
man übrigens auch, wenn die Platten hinter der Scheibe stehen, aber 
nicht ohne dieselben. 


[1869.] 55 


768 Gesammtsitzung 


gen treten ungleich stärker hervor, sobald Platten hinter der 
Scheibe stehen. | 

Im zweiten Fall sind beide Wirkungen ohne Hinterplatten 
so schwach, dafs man sie für Null halten könnte, werden aber 
mit denselben eben so stark wie im ersten Fall. 

Bemerkenswerth sind die Licht-Erscheinungen, die bei die- 
sen Combinationen im Dunklen sichtbar werden. 

Im ersten Fall sieht man an den beiden positiven Käm- 
men lange Lichtpinsel, im zweiten dagegen kurze, und zwar 
nur an demjenigen positiven Kamm, der, im Sinne der Rotation 
gesprochen, der vordere ist und negative Elektrieität vom nächst 
vorangehenden Kamm zugeführt bekommt. Der hintere posi- 
tive Kamm zeigt dagegen nur Lichtpunkte, gleichwie wenn er 
negative Elektricität ausströmte. Trotz der Kürze der positi- 
ven Lichtpinsel ist in diesem Fall die Rotationsgeschwindigkeit 
eben so grofs wie im vorhergehenden. 

Überhaupt habe ich bemerkt, dafs, wiewohl die Länge der 
positiven Lichtpinsel bei einer und derselben Combination mit 
der Rotationsgeschwindigkeit wächst, sie doch derselben bei 
verschiedenen Combinationen keineswegs proportional ist. 

Noch auffallender ist die Wirkung der Nebenplatten bei 
Anweudung von vier Kämmen, wenn diese nicht auf einer 
und derselben Seite der Scheibe angebracht sind. 

Man befestige vor der Scheibe zwei Kämme am verticalen 
Stabe, und hinter derselben zwei am horizontalen, alle vier in 
radialer Lage, und verbinde sie solchergestalt unter sich und 
mit der Maschine, dafs von den vorderen Kämmen der obere, 
und von den hinteren der links liegende (von vorn gesehen) 
positive, und die beiden anderen negative Elektrieität auf die 
Scheibe ausströmen. 

Unter diesen Umständen bekommt man keine Rotation, 
weder in der einen, noch in der anderen Richtung. 
| Schiebt man aber zwischen den hinteren Kämmen und der 

Scheibe Halbplatten von Glas oder Pappe ein, die also die 
Elektricität dieser Kämme auffangen, so beginnt die Scheibe 
von selbst zu rotiren, und zwar (von vorn gesehen) in Rich- 
tung der Bewegung eines Uhrzeigers. Die Geschwindigkeit, 


vom 25. November 1869. 769 


welche sie in kurzer Zeit erlangt, ist aufserordentlich grofs, 
möchte wohl 300 Umgänge in der Minute noch übersteigen. 

Stellt man nun die Halbplatten vor der Seheibe auf, ohne 
sonst etwas an der Combination zu ändern, so bekommt man 
eine Rotation in umgekehrter Richtung, deren Geschwin- 
digkeit der der früheren wenig nachsteht. 

Hat man den oberen der vorderen Kämme mit dem (von 
vorn gesehen) rechts liegenden der hinteren verbunden, so ist 
die Rotation eben so stark wie vorhin, aber in beiden: Fällen 
von entgegengesetzter Richtung. 

Eine Vertauschung der Pole, also eine Umkehrung des 
Stroms, ändert dagegen an dem Sinn der Rotation nichts. 

Eben so ist es gleich, ob die Kämme die radiale, schiefe 
oder tangentielle Lage haben. 

Glasplatten eignen sich zu diesem Versuch am besten. Er 
gelingt aber auch ganz gut mit Papptafeln, und, freilich minder 
gut, selbst mit Metallplatten, wenn sie der Scheibe nur nicht 
zu nahe stehen, eben so wie mit belegten Glasplatten, deren 
Belege der Scheibe zugewandt sind. 

Vier Kämme sind nicht unumgänglich nothwendig für 
diesen Versuch; es genügen schon drei. Von den hinteren 
kann der positive oder der negative fehlen, kann auch durch 
eine Halbplatte von Glas, Pappe und selbst Metall, wenn sie 
der Scheibe nur nicht zu nahe steht, ersetzt werden. Doch 
ist in allen diesen Fällen das Phänomen weniger intensiv. 

Nicht zu übersehen ist, dafs die Versetzung der Platten 
aus der hinteren Stellung in die vordere, welche bei dem eben 
beschriebenen Versuch eine Umkehrung der Rotation zur Folge 
hatte, zugleich mit einer andern Modification verknüpft war, 
indem die Platten in der vorderen Stellung frei standen, ohne 
dafs ihnen Kämme anlagen. Versetzt man auch die hinteren 
Kämme nach vorn, so dafs sich also alle vier Kämme und 
die Platten an der Vorderseite der Scheibe befinden, so erhält 
man, wie im ersten Fall, wo die Platten und die Kämme des 
horizontalen Stabes hinter der Scheibe befindlich waren, eine 
zeigerrechte Rotation von der angegebenen Geschwindigkeit. 

Bringt man nun wieder die Platten nach hinten, ohne 
sonst an der Combination etwas zu ändern, so kommt man 

59° 


770 Gesammtsitzung 


auf den schon behandelten Fall zurück, hat bei radialer Stellung 
der Kämme Rotation in beiden Richtungen, und bei schiefer 
blofs in einer. | 


V. 


Metallplatten, obwohl im Ganzen wie Platten von Glas 
oder Pappe wirkend, verhalten sich doch, wie schon gesagt, in 
einigen Beziehungen abweichend. 

Eine volle Glas- oder Papptafel ist so wirksam wie zwei 
Halbplatten desselben Materials. Eine volle Zinkplatte aber, 
isolirt oder nicht, hinter der Scheibe aufgestellt, etwa 5 bis 6 
Linien von ihr entfernt, hat wenig Einfluls auf die Rotation, 
vielleicht gar keinen. 

Bringt man sie indessen näher, so hat man die Erschei- 
nung, dafs aus der Rückseite der Scheibe, in der Nähe der 
Kämme, kleine Funken in Unzahl unter lautem Geprassel auf 
die Zinkplatte überspringen. 

So lange die Scheibe ruht, erscheinen diese Fünkchen 
nicht, trotz unausgesetzter Hinzuleitung von Elektrieität; so: 
wie man aber die Scheibe in Bewegung setzt, kommen sie so- 
gleich zum Vorschein, und dabei zeigt sich der Umstand, dafs 
sie bei langsamer Rotation kräftiger und zahlreicher sind als 
bei schneller. Bei einem gewissen Abstand der Zinkplatte von 
der Scheibe können sie wohl ganz verschwinden, wenn letztere 
schnell rotirt. 

Diese Fünkchen haben einen verzögernden Einflufs auf die 
Rotation, und es bedarf daher eines ziemlich starken Impulses, 
um die Scheibe dauernd in Bewegung zu setzen. Hat sie aber 
einmal eine gewisse Geschwindigkeit erreicht, so hemmen die 
Fünkchen die Rotation nicht mehr, wenngleich sie dieselbe 
immer noch etwas verzögern mögen. 

Sehr eigenthümlich ist der Einflufs, den diese Fünkchen 
‚an der Hinterseite der Scheibe auf die Licht-Erscheinungen an 
den Kämmen der Vorderseite ausüben. Dieselben erhalten eine 
ganz ungewöhnliche und unregelmäfsige Gestalt, erscheinen un- 
ruhig und zeitweise hell aufsprühend.. Wenn man den posi- 
tiven Kamm näher betrachtet, so findet man, dafs an dem- 
selben zweierlei Lichter auftreten, lange schwach leuchtende 


vom :25. November 1869. 771 


Pinsel und helle Punkte an der Spitze des Kammes. Es sieht 
fast aus, wie wenn dieser Kamm gleichzeitig oder rasch ab- 
wechselnd beide Elektricitäten ausströmte. Ähnliches zeigt der 
negative Kamm. R 

Um nicht durch die Funken an der Hinterseite der Scheibe 
in der Beobachtung dieser sonderbaren Erscheinung gestört zu 
sein, habe ich den Versuch mit der Ebonitscheibe wiederholt, 
die, weil sie schwarz und undurchsichtig ist, blofs die Vor- 
gänge an ihrer Vorderseite zeigt. Das Phänomen, auf dessen 
Erklärung ich hier übrigens nicht eingehen will, trat aber 
ziemlich in derselben Weise auf. 

Statt der ganzen Zinkplatte können nun auch zwei verti- 
cale Halbplatten desselben Metalls genommen werden. Stellt 
man sie zunächst hinter der Scheibe auf, isolirt oder nicht, 
und getrennt von einander durch einen zollbreiten Raum, so 
beobachtet man Folgendes. 

"Mit zwei Kämmen in radialer oder in tangentieller Lage 
am horizontalen Stabe, die also der Mitte der Platten gegen- 
überstehen, hat man eine sehr verstärkte Rotation. Dasselbe 
ist der Fall bei schiefer Lage derselben, und merkwürdig ge- 
nug, rotirt die Scheibe, nach einem Impuls, beinahe gleich gut 
in beiden Richtungen. 

Bringt man nun die Kämme am verticalen Stabe an, so 
dafs sie dem Zwischenraum beider Halbplatten gegenüberstehen, 
so hat man ihrer radialen und selbst in ihrer tangentiellen 
Lage ebenfalls Rotationen in beiden Richtungen, begleitet von 
Funken zwischen Scheibe und Platten. 

Versetzt man hierauf die Kämme in die schiefe Lage, so 
zeigt sich das interessante Schauspiel, dafs die Scheibe ent- 
weder ganz von selbst oder nach einer sanften Erschütterung 
des Apparats in Rotation geräth, und zwar nur in der mehr- 
mals bezeichneten Richtung. In der entgegengesetzten findet 
selbst nach einem Impuls keine andauernde Rotation statt. In 
beiden Fällen wird übrigens die Bewegung der Scheibe von 
einem lebhaften Funken-Übergang zwischen ihr und den Platten 
begleitet, wenn lelztere ihr etwas nahe stehen. 

. Statt der Zinkplatte kann man auch Glasplatten anwen- 
den, die einseitig mit Staniol belegt worden. Ich bediente 


772 Gesammtsitzung 


mich einer ganzen Platte, deren Belegung in horizontaler und 
verticaler Richtung durch einen unbelegten Streifen von Zoll- 
breite in vier Theile zerfällt worden. Wollte ich diese qua- 
drantale Belegung, in eine hemiale verwandeln, so füllte ich. 
zwei der freigelassenen Streifen durch Staniol aus. | 

Werden der Scheibe die Belege dieser Platte zugewandt, 
so sind die Erscheinungen nicht viel anders als bei soliden 
Zinkplatten; werden sie ihr aber abgewandt, so treten einige 
Verschiedenheiten auf. 

So z.B. bei der quadrantal belegten Platte. Stellt man 
sie hinter der Scheibe auf, und vor derselben zwei diametrale 
Kämme, entweder am verticalen oder am horizontalen Stabe, 
so ist der Einflufs der Lage der Kämme so gut wie vernichtet. 
Die Scheibe rotirt, nach einem Impuls, in beiden Richtungen 
mit bedeutender und ziemlich gleicher Gesehwindigkeit, die 
Kämme mögen die radiale, die schiefe und selbst die tangen- 
tielle Lage haben, ungeachtet im letzteren Fall die positiven 
Lichtpinsel kaum wahrzunehmen sind. 

Stellt man aber vier Kämme vor der Scheibe auf, und 
eombinirt sie zu zweien, gleich viel auf welche Weise, so ist 
der erwähnte Einflufs wieder hergestellt. Die Scheibe rotirt 
bei der schiefen Lage am schnellsten und nur in der einen 
mehrmals bezeichneten Richtung, während bei tangentieller 
Lage der Kämme gar keine anhaltende Rotation erfolgt. 

Ein Fall, in welchem die Wirkung der Nebenplatten sehr 
in die Augen springt, ist noch der, wo man vor der Scheibe 
zwei Kämme in quadrantalem Abstand anbringt. 

Für sich geben die so 'gestellten Kämme, wie schon an- 
fangs bemerkt, nur eine schwache Rotation in beiden Rich- 
tungen. Hat man aber Nebenplatten hinter der Scheibe ange- 
bracht, so bekommt man eine starke Rotation in der einen 
Richtung, und keine in der andern. Befindet sich der eine 
Kamm oben und der andere (von vorn gesehen) rechts, so rotirt 
die Scheihe schraubenrecht oder wie ein Uhrzeiger, wogegen die 
Rotation in umgekehrter Richtung erfolgt, wenn er sich an der 
linken Seite befindet. Dabei ist es gleichgültig, ob die Kämme 
die radiale oder tangentielle Lage haben, aber am stärksten ist 
der Unterschied ihrer Wirkung nach beiden Seiten in der 


vom 25. November 1869. 213 


 schiefen Lage. Auch die Richtung des Stroms ist ohne 
 Einflufs. 

Papptafeln und unbelegte Glastafeln zeigen diese Wirkung 
nicht, wohl aber belegte, die Belege mögen der Scheibe zu- 
oder abgewandt sein. Am besten jedoch wirken Zinktafeln, 
wenn sie isolirt sind. 

Andere Particularitäten übergehe ich hier, um nicht zu 
weitläuftig zu werden. 

Dagegen muf[s ich noch erwähnen, dafs es bei Anwendung 
von Zinkplatten oder belegten Glasplatten, ganz wie bei An- 
wendung von Isolatoren, gar nicht nöthig ist, sie von solcher 
Gröfse zu nehmen, dafs sie die ganze oder halbe Glasscheibe 
bestreichen. 

Zinkscheiben von 6 und selbst von 4 Zoll Durchmesser, 
die also respective nur # und „5 des Flächeninhalts der dreh- 
baren Glasscheibe besitzen, isolirt oder nicht, am horizontalen 
Stabe befestigt, während der verticale zwei Kämme trägt, ge- 
währen eine sehr bedeutende Rotationsgeschwindigkeit. Selbst 
eine einzige solcher kleinen Scheiben wirkt nicht viel schwächer. 


Vl. 


Die Wirkung der Nebenplatten brachte mich auf die Idee, 
die Spitzenkämme, von welchen man für gewöhnlich die Elek- 
trieität ausströmen lälst, zu ersetzen durch kleine, der dreh- 
baren Glasscheibe parallel gestellte Metallscheiben. Ich habe 
solche Scheibchen, aus dünnem Zinkblech geschnitten, von zwei 
und von vier Zoll Durchmesser angewandt. 

So lange die grolse Glasscheibe frei auf ihrer Axe schwebt, 
haben diese Metallscheibchen wenig oder keine Wirkung auf 
sie. So wie man aber Halbplatten von Pappe oder Glas vor 
oder hinter ihr aufstellt, bekommt man, nach einem kleinen 
Impuls, eine audauernde Rotation in beiden Richtungen, so leb- 
haft wie sie kaum besser bei Anwendung von Spitzenkämmen 
zu erlangen ist. 

Volle Nebenplatten, hinter‘ der Scheibe aufgestellt, haben 
dagegen diese Wirkung nicht. Es ist nothwendig, dafs die 
Scheibehen entweder zwischen den Halbplatten stehen oder de- 
ren Zwischenraum gegenüber. 


774 Gesammtsitzung 


Recht artig ist die Licht-Erscheinung, welche im ersteren 
Fall die Rotation begleitet. Statt der parallelen Lichtpinsel, 
die vom positiven Spitzenkamm rechtwinklig gegen dessen Länge 
hervorbrechen, hat man nämlich fächerartig ausgebreitete, gleich- 
sam einen Heiligenschein bildend, hauptsächlich an derjenigen 
Seite des Scheibenrandes, welche der Bewegung entgegen liegt; 
doch fehlen sie auch an der anderen Seite nicht. Ähnlich 
verhält es sich mit den Lichtpunkten am Rande des negativen 
Scheibehens. Dabei ist ein fortwährendes Zischen hörbar, wel- 
ches aus dem Überspringen kleiner Funken von dem Metall 
zum Glase entsteht. 

Ich habe die Spitzenkämme auch durch Blechstreifen 
ersetzt, die, an den Hülsen dieser Kämme befestigt, rechtwink- 
lich gegen die Ebene der Scheibe aufgestellt wurden. 

Für sich allein bewirken diese Bleche keine Rotation, we- 
der in radialer, noch in schiefer Lage. 

Waren aber Glasplatten hinter der Scheibe angebracht, so 
erfolgte bei schiefer Lage der Bleche eine sehr starke Ro- 
tation in der oftmals angegebenen Richtung, während bei radia- 
ler Lage derselben die Rotation ausblieb. 

Standen endlich die Glasplatten vor der Scheibe, so trat 
zwar wiederum bei radialer Lage der Bleche keine Rotation 
ein, aber dafür erfolgte sie sehr stark in beiden Richtungen, - 
wenn die Bleche schief gestellt _waren. 


VI. 

Wenn man nun nach allen diesen Einzelheiten die Frage 
aufwirft, was denn die Ursache der beschriebenen, die Rotation 
bald einseitig, bald doppelseitig verstärkenden Wirkung der 
Nebenplatten sei; so scheint es natürlich darauf die Antwort 
zu geben, dals es die Elektrisirung sei, welche diese Platten 
seitens der rotirenden Scheibe und auch der Kämme erfahren. 

Wirklich läfst sich auch diese Elektrisirung in re 
Fällen ganz entschieden nachweisen. 

Stehen isolirte Halbplatten von Zink hinter der rotirenden 
Scheibe, hinreichend entfernt von dieser, um keine Funken von 
ihr zu erhalten, so geben sie doch bei der Berührung kleine 
Funken, und, wenn sie einander hinreichend nahe stehen, sprin- 


vom 25. November 1869. 273 


gen solche in ununterbrochener Folge zwischen ihnen über. 
Aufserdem werden sie von der Scheibe angezogen. 

Ein anderer Fall ist dieser. Man stelle der Glasscheibe 
am verticalen Stabe zwei Kämme in radicaler Lage und an 
derselben Seite am horizontalen Stabe zwei kleine Zinkscheiben 
etwa von 6 Zoll Durchmesser gegenüber, lasse durch den oberen 
Kamm positive und durch den unteren negative Elektricität 
ausströmen. Ertheilt man nun der Scheibe durch einen Impuls 
eine schraubenrechte Rotation, so wird, (von vorn gesehen) 
ihre linke Seite mit negativer, und ihre rechte mit positiver 
Elektricität bekleidet. 

Die isolirt davorstehenden Zinkscheibchen steigern diese 
Rotation bald sehr ansehnlich, und prüft man sie mit dem 
Elektrometer findet man das Scheibehen linker Hand po- 
sitiv, und das andere negativ (indem aus seinem Stiel das 
erstere negative und das letztere positive Elektricität entlälst, 
was man durch gegenseitige Verbindung beider Scheibchen be- 
fördern kann). 

Sie haben also entgegengesetzte Elektricitäten in Bezug 
auf die sich ihnen nähernden Scheibentheile, müssen folglich 
dieselben anziehen und somit die Rotation verstärken. Diese 
Erklärung würde vollständig sein, wenn man zugleich nach- 
weisen könnte, weshalb die von den Zinkscheibchen fortge- 
henden Glastheile die Rotation nicht hemmen. Man kann nur 
vermuthen, dafs diese letzteren entweder in schwächerem Grade 
ungleichnamig mit den Zinkscheibchen elektrisirt sind oder schon 
gleichnamig mit denselben. Bestimmter liefse sich darüber nur 
urtheilen, wenn man die Vertheilung der Elektrieität auf der 
rotirenden Scheibe genau kennte, die aber sehr schwer zu er- 
mitteln ist. 

Ein dritter Fall, in’ welchem die erwähnte Elektrisirung 
in ganz interessanter Weise auftritt, ist folgender. 

Ich besitze eine quadratische Glasplatte von 17 Zoll Seite 
und 1 Lin. Dicke, die ein sehr guter Isolator ist. Stelle ich 
diese hinter die Scheibe, die darauf durch zwei diametrale 
Kämme in horizontaler Lage und durch einen Impuls zur Ro- 
tation gebracht wird, so übt sie anfangs so gut wie keine Wir- 
kung aus; nach und nach beginnt sie aber zu wirken und in 


‘ 


716 Gesammtsitzung 


kurzer Zeit steigert sich ihre Wirkung dermafsen, dafs die Ro- 
tation fast ihr mögliches Maximum erreicht. Halte ich nun die 
Scheibe an und lasse sie nach einer Weile wieder los, so be- 
ginnt sie freiwillig in derselben Richtung zu rotiren; ja wenn 
ich ihr durch einen mechanischen Impuls die umgekehrte Be- 
wegung einpräge, kommt sie bald zum Stillstand und erneut 
darauf die Rotation im anfänglichen Sinne. 

Hier ist also die ursprünglich indifferente Glasplatte durch 
die rotirende Scheibe zu einer Wirksamkeit gebracht, die jener 
der eben erwähnten Zinkscheiben noch übertrifft, da man mit 
letzteren keine einseitige und freiwillige Rotation erhält. 

‚ Eine Prüfung mit dem Elektrometer zeigt übrigens, dafs 
die Glasplatte hinter der positiven Scheibenhälfte negativ und 
hinter der negativen Hälfte positiv ist, und zwar in der Mitte 
beider Hälften am stärksten. 

Die Erklärung der Rotation, würde hier also wie bei den 
Zinkscheiben ausfallen, aber eben so mangelhaft sein wie bei 
jenen. 

Wie wohl nun in diesen und ähnlichen Fällen die Elektri- 
sirung der Nebenplatten ganz unzweifelhaft ist, so habe ich 
doch auch andere Fälle beobachtet, wo ich sie trotz aller Sorg- 
falt platterdings nicht nachzuweisen vermochte. 

Es gilt dies zunächst von Papptafeln, ungeachtet sie eine 
ebenso grofse Rotationsgeschwindigkeit hervorbringen wie Glas- 
platten. 

Es gilt dies aber auch bisweilen von letzteren. Bei der 
S. 768 beschriebenen automatischen Rotation, bei welcher zwei 
Kämme vor, und zwei Kämme hinter der Scheibe standen und 
Halbplatten von Glas eiugeschoben wurden, erwiesen sich diese, 
unmittelbar nach der Rotation geprüft, ganz unelektrisch, sie 
mochten gefirnifst sein oder nicht. 

Ich mufs gestehen, dafs ich durch diese Thatsachen einiger- 
mafsen zweifelhaft geworden bin, ob in der That die Neben- 
‘platten ihre grofse Wirksamkeit alleinig oder hauptsächlich 
durch die Elektrisirung erhalten. Es könnte z. B. sein, dafs 
sie auch dadurch wirkten, dals sie das Entweichen der Electri- 
cität von der rotirenden Scheibe verhinderten oder verringerten. 
Möglich wäre es übrigens, dafs die Platten, in Fällen, wo ich 


vom 25. November 1869. BIT 


sie nicht elektrisch finden konnte, es dennoch während der Ro- 
tation waren. Die Anziehung, welche selbst Papptafeln seitens 
der rotirenden Scheibe erfahren, scheint dafür zu sprechen, 
wenn sie nicht andererseits Folge der Luftverdünnung ist, die 
durch die Centrifugalkraft zwischen den Tafeln und der Scheibe 
entstehen muls. 

Über diese und andere Zweifel können nur fernere Ver- 
suche entscheiden, die auch die Frage zu beantworten hätten, 
ob die Influenz unabhängig sei von der Bewegung der Körper 
oder nicht. 


vl. 


Es ist nicht blofs die Richtung und Stärke der Rotation, 
in deren Abänderung sich die Wirkung der Nebenplatten aus- 
spricht: sie äufsert sich auch in anderer Weise z. B. in den 
Erscheinungen, welche eintreten, wenn man die drehbare Scheibe 
auf der Rückseite mit Stanniol belegt. 

Dehnt sich diese Bewegung über die ganze Rückseite aus, 
so bekommt man keine Rotation. Gleiches ist der Fall, wenn 
sie einen geschlossenen Ring bildet, dessen Breite gleich ist 
der Länge der Spitzenkämme. Hat dieser Ring aber zwei dia- 
metrale Unterbrechungen, so erfolgt eine Rotation, die freilich bei 
Anwendung von nur zwei Kämmen auch nur eine mäfsige ist. 

Wendet man aber vier Kämme an, vorn zwei am verti- 
calen Stabe und hinten zwei am horizontalen, schiebt zwischen 
den beiden letzteren und der Scheibe zwei Glasplatten ein und 
verbindet sie nun in der Weise mit dem vorderen und der 
Maschine, dafs der obere und der (von vorn gesehen) links 
liegende positive, und die beiden anderen negative Elektrieität 
ausströmen, so erhält man eine lebhafte Rotation im Sinne der 
Bewegung eines Uhrzeigers. 

Hiebei werden nun die beiden Halbringe von Stanniol 
auf der Rückseite der Scheibe durch Influenz abwechselnd mit 
positiver und negativer Elektrieität versehen, und es springen 
demgemäls, wenn der Abstand zwischen ihnen nicht zu grofs 
genommen ist, hell leuchtende Funken in schneller Folge von 
einem zum anderen. 


778 Gesammtsitzung . 


So lange die Rotationsgeschwindigkeit eine mäfsige ist, 
hat die Erscheinung nichts Ungewöhnliches. Man sieht nur 
die beiden Funkenorte im Kreise herumgehen. 

So wie aber die Geschwindigkeit einen solchen Grad er- 
reicht hat, dafs die Scheibe in der Zwischenzeit des Über- 
springens zweier Funken um ein Beträchtliches vorgerückt ist, 
erblickt man jeden Funken gesondert an einem anderen Orte, 
und vermöge der bekannten Dauer der Lichteindrücke auf unser 
Auge hat man dann das interessante Schaupiel eines ganzen 
Ringes von hellleuchtenden Funken. 

Auf solche Weise können wohl an 50 Funken in Gestalt 
kurzer und gegen die Circumferenz etwas geneigter Lichtlinien 
zur gleichzeitigen Anschauung gebracht werden, so lange man 
die Wirkung der Elektricität unterhält. Alles hängt dabei von 
dem Verhältnifs der Rotationsgeschwindigkeit zur Geschwindig- 
keit des Aufeinanderfolgens der Funken, also zur Elektricitäts- 
menge ab; bei gleicher Rotation, vermehrt oder vermindert, 
erscheinen auch die Funkenlinien mehr oder weniger zusammen- 
gedrängt und zahlreich. 

Deutlich sieht man hiebei, dafs die Nebenplatten nicht 
allein die Rotationsgeschwindigkeit vergrölsern, sondern auch 
den Glanz der Funken beträchtlich erhöhen. 

Papptafeln statt der unbelegten Glastafeln zu diesem Ver- 
suche angewandt, ändert an der Erscheinung wenig oder nichts. 
Nimmt man aber Glasplatten, die an der der Scheibe zuge- 
wandten Seite belegt sind, so erweist sich die Intensität der 
Funken bedeutend verstärkt. Die Rotation ist aber nur eine 
schwache, und sie bedarf einer mechanischen Nachhülfe, um 
das Funkenphänomen in seiner vollen Ausbildung zu zeigen. 
Auch dürfen die besagten Tafeln der Scheibe nicht zu nahe 
stehen, weil sonst Funken von ihnen zu dieser überspringen, 
welche die Funken zwischen den Stanniolbelegen, um die es 
hier sich handelt, beeinträchtigen und unterdrücken. 
| Übrigens ist noch zu bemerken, dafs, so lange die Scheibe 
ruht, keine Funken zwischen ihren Belegen überspringen, un- 
geachtet diese der influencirenden Wirkung der Kämme, welche 
Electricität auf die Vorderseite ausströmen, fortdauernd aus- 


vom 25. November 1869. 779 


strömen, fortdauernd ausgesetzt sind. Erst bei der Bewegung 
der Scheibe kommen die Funken zum Vorschein. 


IX. 


Zum Studium des in Rede stehenden Rotationsphänomens 
ist der zu dieser Untersuchung benutzte Rotations-Apparat nicht 
gerade unumgänglich nothwendig; man kann statt seiner auch 
eine gewöhnliche Holtz’sche Elektrisirmaschine anwenden. 
Dieselbe gestattet freilich nicht alle die Combinationen, welche 
der beschriebene Apparat zuläfst, zeigt aber dafür Anderes, auf 
dessen Beobachtung ich diesen Apparat wenigstens bis jetzt 
nicht eingerichtet habe. Ich meine die Wirkung der gezahn- 
ten Belege und des schrägen Conductors. 

Wendet man die Maschine in der einfachsten Gestalt an, 
d. h. versehen blos mit kleinen Belegen und zwei Kämmen in 
radialer Lage, so kommt die Scheibe, nach einem anfänglichen 
Impuls, in dauernde Rotation, wenn man Elektricität auf sie 
einströmen läfst. Ein Unterschied in den Richtungen ist kaum 
zu bemerken, wiewohl es scheint, als ginge die Rotation im 
Sinne der Zähne der Belege etwas leichter und schneller von 
Statten als in umgekehrter Richtung, gegen diese Zähne. 

Ist ja ein Unterschied in dieser Beziehung vorhanden, so 
wird er vollends verwischt, wenn man den schrägen Conduc- 
tor anlegt, also vier Kämme auf die bekannte Weise gegen 
eine Seite der Scheibe in radialer Lage aufstellt. 

Wesentlich anders gestaltet sich aber die Erscheinung, so- 
wie man, mit Beibehaltung des schrägen Conductors, die Be- 
lege der ruhenden Scheibe bis ihm gegenüber verlängert. Dann 
rotirt die Scheibe nur in einer Richtung, in Richtung der 
Zähne der Belege, manchmal sogar ohne anfänglichen Impuls. 
Setzt man sie mechanisch in entgegengesetzte Rotation, so 
kommt sie nach wenigen Umgängen zur Ruhe und kehrt dann 
wohl ihre Bewegung freiwillig um. 

In angegebener Richtung ist die Rotation relativ sehr kräf- 
tig, denn sie kommt, freilich erst nach einem Impuls, noch 
ganz gut zu Stande, wenn auch die Schnurläufe der Maschine, 
deren die angewandten zwei auf drei wenig beweglichen Rol- 
len besitzt, nicht entfernt worden sind. Nur dürfen diese Schnur- 


780 Gesammtsitzung 


läufe nicht zu stark gespannt sein. Nach Entfernung derselben 
ist aber die Rotation nicht allein eine automatische, sondern 
auch ihre Geschwindigkeit eine ungemein viel grölsere, so grols 
wie sie überhaupt auf irgend eine andere Weise nur zu erlan- 
gen ist. 

Offenbar haben die Zähne der Belege einen vorwalten- 
den Antheil an der Entstehung der einseitigen Rotation. In- 
defs sind sie nicht unumgänglich nothwendig. In schwächerem 
Grade habe ich diese Rotation auch zu Stande kommen sehen, 
als die ruhende Platte zwar Belege, aber keine Zähne hatte. 

Andrerseits hat der schräge Conductor einen wesentlichen 
Einflufs auf den Sinn der Rotation. Ich machte diese Erfah- 
rung, als ich die beiden Holtz’schen Maschinen, die zu die- 
sem Versuche benutzt wurden, gegeneinander vertauschte. 

In dem Bisherigen war nämlich die getriebene Maschine 
eine der älteren Art, an welcher der schräge Conductor eine 
feste Lage besitzt, und zwar so, dals er, von vorn gesehen, 
nach der linken Seite hin einen Winkel von 45° mit der Ver- 
ticalen macht. | 

An der Maschine neuerer Art ist der schräge Conductor 
drehbar, und als ich sie zur getriebenen Maschine nahm, 
zeigte sich, dafs das Resultat des Versuches wesentlich von der 
Stellung dieses Conductors abhängt. 

Gab ich demselben die eben bezeichnete Lage, so erfolgte 
die Rotation, wie vorhin im Sinne mit den Zähnen, d.h. von 
vorn gesehen, entgegen der Bewegung eines Uhrzeigers. Neigte 
ich ihn aber nach der anderen Seite um 45° gegen die Verti- 
cale, so vermochte die Scheibe in beiden Richtungen zu rotiren. 

Defsungeachtet ist es aber nicht die Stellung des Con- 
ductors an sich, welche diesen Unterschied hervorruft, sondern 
seine Stellung zu den Belegen an der Hinterseite der ruhenden 
Platte. | | 

Haben diese Belege nur die Breite von einem Paar Zoll, 
‚so ist die Stellung des Conductors ganz gleichgültig, weil sie 
ihm nie gegenüber zu stehen kommen; stets erhält man. die 
Rotation in beiden Richtungen. Sind sie aber durch angeleg- 
tes Papier bis zu einem Octanten oder Quadranten verlängert, 
so stehen sie dem Conductor bei seiner links geneigten Lage 


vom 25. November 1869. 781 


gegenüber, bei der rechts geneigten nicht, und demgemäls er- 
hält man bei der ersten Lage eine einseitige Rotation und bei 
der zweiten eine beiderseitige. Haben die Belege die Gröfse 
eines Quadranten, so giebt selbst die lothrechte Stellung des 
Conductors eine einseitige Rotation. 

In ähnlicher Weise, wie sich eine Holtz’sche Maschine 
der ersten Art durch eine andere derselben Art in Rotation 
versetzen läfst, kann es auch mit einer Maschine der zweiten 
Art geschehen, wobei denn die interessante Erscheinung ein- 
tritt, dafs beide Scheiben derselben in entgegengesetzten Rich- 
tungen rotiren. Es war gerade dieser Fall, bei welchem 
Hr. Holtz das neue Rotationsphänomen entdeckte. 

Ich habe diesen Fall nicht näher untersucht, weil ich bei 
Wiederholung desselben die Beobachtung machte, dafs mitunter 
auch beide Scheiben, wenn Funken zwischen ihnen über- 
springen, in gleichem Sinne rotiren, und dafs, um diese Stö- 
rung zu vermeiden, es nöthig ist, den gegenseitigen Abstand 
beider Scheiben zu vergrölsern, ‘worauf aber meine Maschine 
nicht eingerichtet ist. 


X. 


Dagegen habe ich die Untersuchung nach einer anderen, 
nicht uninteressanten Seite hin erweitert, indem ich die Frage 
zu beantworten suchte, ob das in Rede stehende Rotations- 
phänomen auf eine einzige Scheibe beschränkt sei oder nicht. 

Der Versuch entschied für den letzteren Fall, zeigte näm- 
lich, dafs durch einen und denselben Strom gleichzeitig mehre 
Scheiben in ganz kräftige Rotation versetzt werden können, und 
zwar auf zweierlei Weise, entweder indem man den Strom ver- 
zweigt und jeder Scheibe einen Bruchtheil der von der Ma- 
schine gelieferten Elektricität zuführt, oder indem man sie hin- 
tereinander der Wirkung des Stromes aussetzt, 

Im ersten Fall kann die Zahl der gleichzeitig in Rotation 
versetzten Scheiben vermuthlich eine ziemlich beträchtliche sein, 
Alles hängt von der Beweglichkeit der Scheiben, nnd von der 
Stärke des Stromes ab. 

Im zweiten Fall, welcher der interessanterce ist, ist aber 
wahrscheinlich diese Zahl auf zwei beschränkt, weil dann nur 


182 Gesammtsitzung 


zwei Scheiben direct mit der Maschine verbunden werden kön- 
nen, die übrigen ihre Verbindung blos durch Zwischendrähte 
erhalten würden. | 

Wenn man den Versuch mit zwei Scheiben anstellt, also 
der einen positive und der anderen negative Elektricität zuführt, 
und die zweiten Kämme dieser Scheiben unter sich verbindet, 
so kommen beide Scheiben, entweder freiwillig oder nach 
einem Impuls, in andauernde Rotation, ganz nach Belieben 
entweder in gleichen oder Richtungen, und 
zwar sehr lebhaft. 

Es rotirt aber auch schon. die eine Scheibe, obwohl 
schwächer, wenn man die andere anhält; ja es rotiren sogar 
beide, wenn man auch die Verbindung zwischen ihnen unter- 
bricht, so dafs es den Anschein hat, als genügte schon eine 
Elektrieität um die Rotation hervorzurufen. 

Dennoch sind die zweiten Kämme, welche keine Elektri- 
cität von der Maschine empfangen, nothwendig. Denn entfernt 
man sie, hört die Rotation auf. 

Sie hört selbst auf, wenn man diese Kämme an ihren 
Orten läfst, ohne in ihren Stielen einen Draht einzuklemmen. 
Hat man aber einen Draht eingeklemmt, der frei in der Luft 
endet, so kommt die Rotation wiederum zum Vorschein. Be- 
sonders lebhaft ist dieselbe wenn das freie Ende des Drahts 
mit einem Spitzenkamm versehen oder ableitend mit dem Boden 
verbunden ist. 

Der Grund dieser Erscheinungen ist unschwer einzusehen. 

Gesetzt, man habe zwei diamentrale Kämme an der Scheibe. 
Empfängt der Kamm a positive Elektrieität, während der an- 
dere 5 abgeleitet ist, so wird die Scheibe nach einem Impuls, 
der unter diesen Umständen nothwendig ist, mit positiver Elek- 
tricität bekleidet. Diese influencirt den Kamm 5, lockt nega- 
tive Elektricität aus ihm hervor, die nun in derselben Weise 
wirkt, wie wenn sie direct von der Maschine geliefert worden 
wäre. Ohne Fortschaffung der positiven Elektrieität aus dem 
Stiele des Kammes kann diese Influenz begreiflich nicht wirk- 
sam zu Stande kommen, und darum ist die Einsetzung eines 
ableitenden Drahtes nothwendig. 


vom 25. November 1869. 783 


Da übrigens der Kamm a auch auf der Rückseite der 
Scheibe positive Elektrieität frei macht, so kann der Kamm 
b auch dort angebracht werden, aber die Rotation ist dann 
schwächer. 

Ähnlich verhält es sich mit der zweiten Scheibe, wenn 
ihrem Kamme « negative Elektrieität zugeführt, und die Hülse 
ihres Kammes & mit einem ableitenden Draht versehen wird. 

Verbindet man nun die Kämme 5 und £ beider Scheiben 
durch einen Draht, so ist klar, dafs die Wirkungen einander 
unterstützen müssen, indem der eine Kamm die Ableitung für 
den andern bildet, sobald beide Scheiben rotiren. 

Nun kann zwar, wie schon gesagt, die eine Scheibe ange- 
halten werden, ohne dadurch die Rotation der anderen sonder- 
lich zu beeinträchtigen, allein dabei ist doch nöthig, dafs der 
festgehaltenen Scheibe Elektrieität aus der Maschine zugeführt 
werde. Geschieht das nicht, so kommt die andere Scheibe 
bald zum Stillstand. 

Dies beruht wohl darauf, dafs z. B. der Kamm £ die vom 
Kamm b empfangene positive Elektrieität nur dann gegen die ru- 
hende Scheibe dauernd auszuströmen vermag, wenn dieselbe mit 
negativer Elektrieität bekleidet wird, und das mufs also von dem 
mit der Maschine verbundenen Kamm « aus selbst bei Ruhe 
der Scheibe stattfinden. 

Was diese Ansicht unterstützt, ist der Umstand, dafs der 
Verbindungsdraht zwischen 5 und £, welcher, während a und « 
mit der Maschine verbunden sind, sich nur schwach elektrisch 
erweist, sogleich sehr stark elektrisch wird, sowie man einen 
der letzteren Kämme von der Maschine abtrennt. 

Endlich sei hier nach einer interessanten Abänderung der 
eben beschriebene Versuche gedacht. Verbindet man nämlich 
die erste Scheibe direct mit der Maschine durch zwei diame- 
trale Kämme, denen gegenüber man auf der Rückseite dieser 
Scheibe zwei andere diametrale Kämme aufgestellt hat, welche 
durch Drähte zu den Kämmen einer zweiten Scheibe führen, 
so gerathen, nach einem Impuls, beide Scheiben in anhaltende 
Rotation. 

Hier ist es also die secundäre Elektrieität der ersten 
Scheibe, welche die zweite in Bewegung setzt. In ähnlicher 

[1369.] 56 


784 Gesammtsitzung 


Weise könnte man eine dritte Scheibe durch die ternäre 
Elektricität der zweiten, eine vierte durch die quaternäre 
der dritten u. s. w. in Rotation versetzen, könnte also, ideell 
genommen, fast die ganze Menge der von der Maschine ge- 
lieferten Elektricität in mechanische Arbeit verwandeln. 


XI. 


Aus der Gesammtheit der hier mitgetheilten Thatsachen, 
die noch lange nicht alle von mir beobachteten umfalst, wird, 
glaube ich, zur Genüge hervorgehen, welche Mannigfaltigkeit 
von verwickelten und zum Theil räthselhaften Erscheinungen 
mit dem beschriebenen Rotationsphänomen verknüpft ist. Schon 
jetzt eine vollständige Theorie derselben aufstellen zu wollen, 
wäre meiner Meinung nach, ein vergebliches Bemühen. Ich 
habe deshalb auch keinen Versuch der Art gemacht, sondern 
mich darauf beschränkt, das Thatsächliche festzustellen und 
Einzelnes zu erläutern, so weit ich es vermochte. 

Dagegen kann ich nicht u hier noch eine Schlufsbe- 
merkung anzureihen. 

Ohne Widerrede ist das Holtz’sche Rotationsphänomen 
das kräftigste, welches man bisher durch sg. Reibungselektrieität 
hervorgebracht hat. Dennoch wäre es eine sanguinische Hoft- - 
nung, wollte man glauben, es könne damit irgend ein nutz- 
barer mechanischer Effect erzielt werden. Dafs das nicht mög- 
lich sei, ergiebt sich schon aus der Betrachtung, wie klein die 
hier ins Spiel gesetzte Elektrieitätsmenge ist im Vergleich zu 
der, welche die Volta’sche Batterie entwickelt, mit der man 
defsungeachtet, selbst unter Mitwirkung des durch sie erzeug- 
ten Magnetismus, doch auch noch nichts Erkleckliches ausge- 
richtet hat. 

Mit um so gröfserem Rechte kann man daher die Behaup- 
tung aussprechen, dafs die älteren Rotationsapparate dieser Art 
. noch weniger im Stande waren, eine irgend erhebliche mecha- 
nische Kraft zu erzeugen. Franklin freilich wollte an seinem 
elektrischen Bratenwender einen Truthahn braten, aber 
er wollte es nur; nirgends sagt er, dafs er es gethan habe. 
Hätte er den Versuch gemacht, würde er sich bald von der 
Erfolglosigkeit desselben überzeugt haben. 


vom 25. November 1869. 785 


Die Elektrieitätsmenge, die zur einmaligen Ladung seines 
Bratenwenders — einer drehbaren Glasscheibe mit einer Bele- 
gung von 13 Zoll Durchmesser — erforderlici: ı>t, ist nicht nur 
an sich eine so geringe, dafs sie von der Holtz’schen Ma- 
schine wenigstens 30 bis 40 Mal in der Minute geliefert wird, 
sondern mufs auch im Laufe der successiven Entladungen der 
Scheibe bald auf eine so winzige Gröfse herabsinken, dafs sie un- 
möglich einen bedeutenden mechanischen Nutz-Effeet gewähren 
kann. Was Franklin selbst von der Leistungsfähigkeit sei- 
nes Apparates anführt, widerspricht dem nicht. Eine horizon- 
. tale Scheibe, selbst beschwert mit 100 Piastern, auf einer 
Spitze 20 Mal in der Minute umzudrehen (noch dazu vermuth- 
lich nicht ohne Beihülfe eines anfänglichen Impulses), erfordert 
nur eine sehr geringe Kraft, die sich nicht messen kann mit 
der, welche auf horizontaler Axe eine ungefähr gleich grofse 
Scheibe und selbst ein halbes Dutzend derselben automatisch 
zu 300 Umgängen in der Minute zwingt, und zwar ohne Ab- 
nahme, so lange es dem Experimentator beliebt. Überdies 
kommt in dem Franklin’schen Apparat die Rotation auf eine 
so plane Weise durch das Spiel der elektrischen Anziehungen 
und Abstolsungen zu Stande, dafs er heutigen Tages ganz 
ohne wissenschaftliches Interesse ist.') 


1) Franklin’s Glasscheibe hatte eine Belegung von etwa 117 Qua- 
dratzoll auf jeder Seite und wurde ein Mal geladen. Zwei Flaschen, 
jede von 75, zusammen also von 146 Quadratzoll äufserer Belegung, wer- 
den von meiner Holtz’schen Maschine zwischen Kugeln von 10 Linien 
Durchmesser in zwei Zoll Abstand 40 Mal in der Minute geladen, und 
in einem Zoll Abstand sogar 60 Mal. Sie würden also in der halben 
Stunde, welche der Franklin’sche Versuch dauerte, respective 1200 
und 1800 Entladungen geben. Dafs eine solche Elektricitätsmenge eine 
bei Weitem gröfsere Kraft entwickeln mufs als die im „elektrischen 
Bratenwender“ thätige, ist wohl selbstverständlich und würde heutzutage 
von Franklin selber nicht geläugnet werden. — Mit einem Loth Schiefs- 
' pulver läfst sich nicht so viel ausrichten wie mit einem Centner. 


96° 


786 Gesammtsitzung 


Hr. W. Peters machte eine Mittheilung über neue Saurier 
(Chaunolemus multicarinatus, Tropidolepisma Richar- 
di und Gymnodactylus Steudneri) und Batrachier (Cy- 
clorhamphus fasciatus und Hyla gracilenta). 


1. Polychrus (Chaunolemus) multicarinatus nov. subgen.etnov.sp. 
Die vorliegende Art unterscheidet sich von Polychrus durch 
die grofsen ovalen Schuppen des Unterkinns und der Kehle, 
den Mangel eines mittleren Unterkinnkammes und durch die, 
besonders an der Bauchseite und an den Extremitäten deut- 
liche, mehrkielige Beschaffenheit der Schuppen. Alle diese 
Merkmale zusammengenommen dürften vielleicht die Aufstellung 
einer besonderen Untergattung begründen. 

Die Bezahnung, die Gestalt des Kopfes, die zusammenge- 
drückte Körperform, die Proportionen der Gliedmafsen und die 
Bildung des Schwanzes sind ganz ähnlich wie bei Polychrus 
marmoratus. 

Die Schnauze ist so lang wie breit, auf der Oberseite mit 
grolsen, längsgestreiften, etwas unregelmäfsigen Schildern be- 
deckt. Die polygonalen Schuppen der Supraorbitalbögen sind 
wenigstens eben so grofs wie die seitlichen Oceipitalia, während 
die Oberaugenlidschuppen und die mittleren Ocecipitalschuppen 
kleiner sind. Die nach hinten gerichteten Nasenlöcher liegen 
der Schnauzenspitze kaum näher als den Augen; zwischen dem 
Nasale und dem breiten Rostrale befindet sich ein vorn zuge- 
spitztes trapezoidales Schild; zwischen jenem und der Orbita 
zwei senkrechte Reihen von Frenal- und Frenoorbitalschildern. 
Die Schläfengegend wird von acht bis neun Reihen polygonaler 
feingestreifter Schuppen bedeckt, welche vom Auge bis zur 
Ohröffnung an Gröflse abnehmen. Der Ohrrand ist frei und 
die Membrana tympani etwas kleiner als bei P. marmoratus. 
Zwei Infraorbitalia, sieben Supralabialia und fünf Infralabialia, 
von denen das 3. das längste ist. Die Submental- und Kehl- 
schuppen, welche den Kehlsack bekleiden, sind eiförmig, längs- 
gestreift, und doppelt so grofs, wie die Bauchschuppen; die 
Haut zwischen den grofsen Schuppen des Kehlsacks ist mit 
viel kleinern Schüppchen bekleidet. Die Körperschuppen bilden 
in der Mitte 65 bis 66 Längsreihen und sind an den Seiten 


vom 25. November 1869. 187 


kaum kleiner als am Rücken und Bauche, an letzterem deut- 
lich drei- bis fünfkielig, am Rücken weniger deutlich und an 
den Seiten am undeutlichsten gekielt. Die vordere Extremität 
erreicht $ der Entfernung zwischen ihr und der hintern Extre- 
mität; der erste Finger ist der kürzeste, der 2. ist wenig län- 
ger als der 5. und die längsten 3. und 4. sind gleich lang; 
sämmtliche Schuppen der Extremität sind drei- bis fünfkielig; 
die Schuppen der Handfläche und die breiten Schuppen der 
Unterseite der Finger am Rande kurz bedornt. Die Hinter- 
extremität erreicht vier Fünftel der Entfernung von der vor- 
dern Extremität; die fünfte Zehe ist wenig länger als die zweite 
und die 3. und 4. sind gleich lang; unter dem rechten Ober- 
schenkel tritt eine Reihe von 18, unter dem linken von 16 Po- 
ren deutlich hervor; die Schuppen sind wie an der vordern 
Extremität gekiel. Die scharfen, spitzen Krallen sind etwas 
sröfser als die vordern, und ihre Basis ist eben so wie bei die- 
sen von einer oberen und unteren langen Scheide eingehüllt. 
Der lange hinter der etwas zusammengedrückten Basis dreh- 
runde Schwanz ist von grolsen rhomboidalen oder hexagonalen 
Schuppen bekleidet, welche durch einen, deutlichen mittleren 
Längskiel ausgezeichnet sind. 

Olivenbraun, an der Unterseite olivengrün, an der Hinter- 
seite des Hüftgelenkes und der Basis der Schwanzes ein unre- 
gelmäfsiger ochergelber Längsstreif. Schwanz heller braun mit 
unregelmäfsigen dunkleren Querbinden. 

Länge (ohne Schwanz). 0%150 Vordere Extremität ... 09063 


Kopllanee,.. 7. „mis. 0033,,1, Vierter +imger „.... ar; 07014 
Mofbreite, :. . 2.» . 0%022 Hintere Extremität . . 09078 
Schwanz (verletzt). .. 00333 Vierte Zehe ...... 02020 


Das einzige Exemplar, welches unser Museum bereits seit 
mehreren Jahren besitzt, stammt aus der Sammlung des ver- 
storbenen Dr. ©. Hoffmann in Costa Rica. 


2. Tropidolepisma Richardi n. sp. 

Körper und Schwanz abgeplattet. Vorderer Ohrrand mit 
drei Schuppen, von denen die mittelste die gröfste ist. Kör- 
perschuppen iu 30 Längsreihen; Rückenschuppen mit drei 
schwachen Kielen, in acht Längsreihen. Die Schuppen. der 
beiden mittelsten Reihen sind die gröfsten, die der folgenden 


788 Gesammtsitzung 


werden allmählig nach den Seiten hin kleiner und nach dem 
Bauche hin allmählig wieder gröfser. Schuppen der Extremi- 
täten glatt, mit Ausnahme der Schuppen der Hinterseite der 
Hinterextremität, von denen die des Oberschenkels zwei-, die 
des Unterschenkels dreikielig sind. 

Oben olivenfarbig mit schwarzen Flecken in unregelmäfsi- 
gen Längsreihen. Halsseite mit einer unregelmäfsigen schwar 
zen, olivenfarbig gefleckten, allmählig an der Körperseite sich 
auflösenden Längsbinde. Lippenschilder gelb mit schwarzen 
Rändern. Unterkinn und Kehle gelbgrün; Bauch graugrün. 


Totallänge a Erna 0%185 Vordere Extremität . . 09031 
Kopflängen.. vuisir) 383 0%025..; Vierter Finger 5. 22302008 
Köpfbreite,.. «rs 3", 0%017 Hintere Extremität . . 09041 
Koprbohes 7 2 4 02009, - Vierte-Zehe. 3.22.08 0%012 
DELHI LE RE ee 07084 


Ein einziges Exemplar von Hrn. Richard Schomburgk, 
demzufolge es aus Nordaustralien, von dem Alligator-River 
stammt. 


3. Gymnodactylus Steudneri n. sp. 


Körper und Schwanz mit dachziegelförmig geordneten glat- 
ten Schuppen bedeckt, welche am Rücken und Bauche von 
gleicher Gröfse sind. Kopf und Unterkinn granulirt; auf der 
Schnauze sind die Schüppchen etwas gröfser und polygonal. 
9 Supralabialia, 7 Infralabialia jederseits; der hintere Winkel 
des Mentale wird eingeschlossen von zwei trapezoidalen Sub- 
mentalia, auf welche jederseits noch ein grölses und ein kleines 
unregelmäflsiges dreieckiges Submentale folgt. Nasenlöcher je- 
derseits unmittelbar über dem vorderen Ende des 1. Suprala- 
biale, vorn und oben von dem Rostrale, hinten von zwei klei- 
nen Schuppen umgeben. Pupille senkrecht. Ohröffnung sehr 
klein. Finger und Zehen sämmtlich wohl entwickelt und be- 
krallt, von ähnlichen Proportionen, wie bei @. scaber. 
Bräunlichweifs. Eine Binde vom Nasenloch durch das 

Auge oberhalb der Ohröffnung bis zur Mitte des Halses, drei 
Reihen unregelmäfsiger Flecke auf dem Körper, eine Querbinde 
auf dem Halse, eine zweite auf der Schultergegend und andere 
Querbinden am Schwanze, sowie unregelmäfsige Flecke auf der 
Aufsenseite der Extremitäten von dunkelbrauner Farbe. 


vom 25. November 1869. 189 


Das einzige mir vorliegende Exemplar, an welchem das 
Schwanzende reproducirt ist, mifst von der Schnauzenspitze bis 
zur Analöffnung 30 Millim. Es befand sich in der Sammlung 
des Dr. Steudner, welcher seinem Eifer zur Erforschung des 
afrikanischen Continents zum Opfer fiel und zu dessen Erin- 
nerung ich diese Art benannt habe. Aus dem Sennär, ohne 
nähere Angabe des Fundorts. 


4. Cyclorhamphus fasciatus n. sp. 

Vomerzähne stehen auf zwei nach hinten ee 
Höckern, etwas weiter zurück als der hintere Rand der Choa- 
nen, welchen letzteren die Öffnungen der Tubae Eustachü an 
Gröfse gleich kommen. Die Zunge ist ganzrandig, die Körper- 
haut ganz glatt und ohne Seitendrüsen. Finger und Zehen frei, 
nur die Mittelfulsknochen der letzteren durch eine Schwimmhaut 
. verbunden. Der zweite Finger ist kürzer als der vierte und 
die Handsohle hat keinen Ballen. Die 5. und 5. Zehe sind 
fast gleich lang; an der Sohle ein innerer vorspringender und 
ein äufserer flacher Höcker. 

Braun, mit dunkleren Querbinden, von denen die vor- 
derste, am vorderen Rande gezackte die hintere Hälfte der 
Augenlider verbindet; eine schwarzbraune hellgesäumte Binde 
unter dem Canthus rostralis, ein oder zwei Flecke unter dem 
Auge, ein dreieckiger Fleck in der Schläfengegend, ein anderer 
(zuweilen mit dem vorhergehenden zusammenfliefsender) an der 
Körperseite und ein dritter vor und über dem Oberschenkel 
von schwarzbrauner Farbe mit hellem Saum. Die Aufsenseite 
der Gliedmafsen mit dunkeln Querbinden. Die Unterseite grau- 
braun, an der Kehle dunkler, hier mit Weils besprengt und 
mit undeutlichen Längsbinden. 


volasse....... 0%028 Vorderextremität. .. . 0%018 
Kanne ie... 0%010  Hinterextremität ... . . 02046 


Zwei Exemplare aus Puerto Montt (Chile), durch Hrn. 
Dr. Fonck. 


5. Ayla gracilenta n.sp. 
Vomerzähne auf zwei queren Höckern zwischen dem hin- 
tern Theil der Choanen. Letztere kaum gröfser als die Tuben. 
Zunge herzförmig, hinten flach eingebuchtet. Äufserer Mund- 


790 Gesammtsitzung 


winkel unter der Mitte des Trommelfells. Augen mit horizontaler 
Pupille, um ihren doppelten Durchmesser von einander und um 
einen von den Nasenöffnungen entfernt. Die Nasenlöcher lie- 
gen seitlich, ganz nahe dem Ende der abgestutzten Schnauze, 
einander ein wenig näher als den Augen. Die Zügelgegend ist 
abschüssig. Trommelfell kaum halb so grofs wie das Auge, 
oval. Der Kopf erscheint sehr abgeplattet und ist so breit wie 
lang. Die ganze Oberseite des Thiers, einschliefslich der seit- 
lichen Theile der Unterlippe, die Aufsenseite des Vorderarms 
bis zum vierten Finger, die Aufsenseite des Unterschenkels bis 
zur Spitze der 5. Zehe sind feiner, die Bauchseite und die Un- 
terseite der Oberschenkel gröber granulirt, während der übrige 
Theil der Gliedmafsen glatt ist. 

Der Oberarm erscheint auffallend dünn. Der erste und 
zweite Finger sind zur Hälfte, die drei übrigen über zwei Drit- 
tel durch Sehwimmhäute mit einander verbunden und die Haft- 
scheiben derselben sind grols. Die Schwimmhäute der hinteren 
Extremität sind fast vollständig und gehen bis an die Basis 
des vorletzten Gliedes der vierten Zehe. 

Die ganze Oberseite bis zum seitlichen Unterkieferrande, 
mit Einschlufs des Trommelfells, und die granulirten Theile 


der Extremitäten sind dunkelblau, die Oberseite des Oberschen-. 


kels ist rosenroth und die Körperseiten, die ganze Unterseite, 
so wie der übrige Theil der Gliedmafsen sind gelblichweils. 
Iris am Rande goldglänzend. 


Totalänge .... 4... 02058... „Mord. Krir.n re 02021 
Keoprlanve 2... 0m014 Hana. 2 PR 02008 
Augendurchmesser . . 020035 Hint. Extr. ....... 02057 
Augendistanz ..... 02007 Balsih see 0%025 


Diese schöne Art stammt aus Port Mackay (Nordost- 
Australien); durch Hrn. Godeffroy. 


a November 1869. 291 


Hr. A. W. Hofmann las: Zur Geschichte der ge- 
schwefelten Harnstoffe. 


In einer der Akademie am Schlusse des Sommersemesters 
vorgelegten Fortsetzung !) meiner Studien über die Senföle habe 
ich erwähnt, dafs mich die Untersuchung der Einwirkung des 
Jods auf das Diphenylsulfocarbamid zu einer einfacheren Auf- 
fassung des von den Hrrn. Merz und Weith ?) entdeckten so- 
genannten Tricarbohexanilids geführt habe. Zu dieser Auf- 
fassung, welche das Tricarbohexanilid als triphenylirtes 
Guanidin bezeichnet, bekennen sich nunmehr auch die Hrn. 
Merz und Weith °), wie ich aus einer seit Veröffentlichung 
meiner Arbeit erschienenen Abhandlung über diesen Gegenstand 
ersehe, so dafs die Frage über die Natur des in Rede stehen- 
den Körpers zu einem befriedigenden Abschlusse gelangt ist. 

Die elegante Methode für die Darstellung der substituirten 
Guanidine, zu welcher die Erkenntnils der wahren Natur des 
obengenannten Körpers mich alsbald geführt hat, und welche 
einfach darin besteht, die Entschwefelung eines Harnstoffs in 
Gegenwart eines Ammoniaks vorzunehmen, ist Veranlassung 
gewesen, eine ganze Reihe von Körpern darzustellen, welche 
der Guanidingruppe angehören. Über diese Körper, welche 
‚sich zumal von dem Anilin und seinen Homologen ableiten, 
habe ich der Akademie theilweise wenigstens berichtet *). Es 
schien indessen von Interesse, auch die geschwefelten Harn- 
stoffabkömmlinge der gewöhnlichen Alkohole mit in den Kreis 
der Untersuchung zu ziehen, und ich habe deshalb die Ent- 
schwefelungsproducte der methylirten und aethylirten Sulpho- 
harnstoffe studirt, deren Darstellung und Eigenschaften in einer 
früheren Abhandlung beschrieben sind °). Diese Studien haben 
zu mehrfachen neuen Ergebnissen geführt, von denen ich der 
Akademie schon heute einige vorlegen will. 


1) Hofmann, Monatsberichte 1869, S. 579 — 583. f 
2) Merz und Weith, Zeitschrift für Chemie, N. F., IV, S. 519—609. 
3) Merz und Weith, Zeitschrift für Chemie, N. F., V, S. 583. 

*) Hofmann, Monatsberichte 1869, S. 583 — 590. 

5) Hofmann, Monatsberichte 1868, S. 24— 31. 


792 Gesammtsitzung 


Entschwefelung der Äthylsulfoharnstoffe. 


Ich habe sowohl die Entschwefelungsproducte des monoäthy- 
lirten, als auch des diäthylirten Sulfoharnstoffs untersucht. Weil 
das Verhalten des letzteren das einfachere ist, will ich es zuerst 
beschreiben. 


Entschwefelung des Diäthylsulfoharnstofs. Dieser Harn- 
stoff, den man mit grofser Leichtigkeit durch die Einwirkung 
von Äthylamin auf Äthylsenföl erhält, entschwefelt sich nur 
langsam. DBleioxyd ist ohne Wirkung auf die Lösung des 
Körpers in Wasser oder Alkohol, selbst bei der Siedehitze. 
Frischgefälltes Quecksilberoxyd entfernt den Schwefel aus der 
siedenden Flüssigkeit. Wird die, von dem Quecksilbersulfid 
abfiltrirte, vollkommen neutrale Lösung verdampft, so bleibt ein 
kaum gefärbter Syrup zurück, der nach kurzer Zeit krystalli- 
nisch erstarrt. Die Krystalle wurden aus siedendem Wasser 
umkrystallisirt. So gereinigt stellten sie lange, farblose, bieg- 
same Nadeln dar, mit allen Eigenschaften, welche Hr. Wurtz 
dem Diäthylharnstoff zuschreibt. Der Schmelzpunkt wurde bei 
107° gefunden; der Schmelzpunkt des aus Cyansäure- Äther 
und Äthylamin dargestellten Körpers wird zu 106° angegeben. 
Zum Überflusse wurde noch die Verbrennung ausgeführt; ihr 
Ergebnifs entsprach genau der Formel: 


C,H,N;0 = CH;(C,H,),N,0. 


Die Reaction war also in der Äthylreihe genau so ver- 
laufen, wie ich sie vor vielen Jahren für die diphenylirte Ver 


bindung angegeben habe: dem Schwefel war Sauerstoff substi- 


tuirt worden. 


Entschwefelung des Diäthylharnstoffs in Gegenwart von Äthy- 
lamin. Der Versuch hat genau zu dem Ergebnisse geführt, 
welches die Theorie im Voraus bezeichnete. Die Entschwefe- 
lung wurde ebenfalls in alkoholischer Lösung mittelst Queck- 
silberoxyds bewerkstellist. Nach dem Abdestilliren des über- 
schüssig angewendeten Äthylamins und Abfiltriren des Queck- 
silbersulfids bleibt eine stark alkalische Flüssigkeit, welche bei 
längerem Stehen an der Luft durch Kohlensäure- Anziehung 
krystallinisch erstarrt. 


vom 25. November 1869. 195 


Mit Salzsäure und Platinchlorid versetzt lieferte der alka- 
lische Rückstand ein schön krystallisirtes Platinsalz; ebenso 
mit Goldchlorid ein Goldsalz. 

Das in Platten krystallisirende, in Wasser leicht, in Al- 
kohol weniger lösliche, bei 100° getrocknete Platinsalz gab bei 
der Analyse Zahlen, welche mit der Formel des triäthylirten 
Guanidinplatinchlorids 


C,.H;, N,PtCl, = 2[CH, (0,H,),N„HCI,PtCl, 


übereinstimmen. Die Reaction war also in demselben Sinne 
verlaufen, wie die Entschwefelung des Diphenylsulfocarbamids 
in Gegenwart von Anilin. 


CH, (0,H,,N,;,S + (5,H,)H,N = CH,(C,H,),N,; + B3S. 


. Das triäthylirte Guanidin, welches sich auf dem angege- 
benen Wege bildet, hat die gröfste Ähnlichkeit mit dem äthyl- 
substituirten Guanidin, welches ich vor mehreren Jahren !) bei 
der Behandlung des cyanursauren Äthyläthers mit Natrium- 
äthylat erhalten habe, ebenso mit dem Körper, welchen man, 
wie ich vor Kurzem gefunden habe, durch die Einwirkung des 
Äthylamins auf Chlorpikrin gewinnt. 

Ich nehme aber gleichwohl im Augenblicke Anstand, die 
. drei in so verschiedenen Reactionen entstandenen Körper für 
identisch zu erklären; ich beabsichtige auf diese Frage zurück- 
zukommen. 

Entschwefelung des Diäthylsulfoharnstofs in Gegenwart von 
Ammoniak. Nach dem einfachen Erfolge des im vorhergehen- 
den Paragraphen beschriebenen Versuches durfte dei der Ein- 
wirkung des Ammoniaks auf Diäthylsulfoharnstoff die Bildung 
eines diäthylirten Guanidins erwartet werden. Die Reaction 
verläuft aber nicht ganz so einfach. Es stellen sich hier, offenbar 
in Folge der Einwirkung des Ammoniaks selbst auf den diäthy- 
lirten Sulfoharnstoff, secundäre Umsetzungen ein, welche die 
in diesem Processe auftretenden Erscheinungen trüben. Noch 
ist es mir nicht gelungen, die verschiedenen, neben einander 
sich vollendenden Umbildungen mit befriedigender Schärfe zu 
entwirren. 


1) Hofmann, 'BR. Soc. Pros XI. 281. 


794 Gesammtsitzung 


Entschwefelung des Monoäthylsulfoharnstoffs. Der Monoäthyl 
sulfoharnstoff entsteht mit grofser Leichtigkeit bei der Einwir- 
kung einer alkoholischen Lösung von Ammoniak auf Äthylsenföl. 
Die Flüssigkeit erwärmt sich beim Zusammentreffen der beiden 
Componenten. Wenn der Geruch nach Äthylsenföl verschwun- 
den ist, so wird die Flüssigkeit verdampft. Der Sulfoharnstoff 
bleibt als krystallinische Masse, welche, aus heilsem Wasser 
umkrystallisirt, in schönen, ziemlich löslichen Nadeln erhalten 
wird. Diese Nadeln schmelzen bei 106° !). 

Der Monoäthylsulharnstoff wird ebenso leicht in wässriger 
als alkoholischer Lösung, sowohl durch Bleioxyd, als auch durch 
Quecksilberoxyd entschwefelt. Verdampft man die schwefelfreie 
Lösung auf dem Wasserbade, so bleibt eine syrupdicke Flüssig- 
keit zurück, welche nach einiger Zeit zu einem Hanfwerk weilser 
verfilzter Krystalle von stark alkalischer Reaction erstarrt. 

Es ist nicht unwahrscheinlich, dafs der alkalisch reagirende 
Körper nicht das directe, aus der Entschwefelung hervorgehende 
Product ist. Zum Öfteren zeigt die Flüssigkeit, zumal wenn 
sie verdünnt ist, unmittelbar nach dem Entschwefeln entweder 
gar keine oder eine nur äulserst schwache alkalische Reaction. 
Nach dem Abdampfen zur Trockne, namentlich nach länge- 
rem Verweilen des rückständigen Syrups auf dem Wasser- 
bade, macht sich die Alkalinität in ihrer vollen Intensität gel- 
tend. Die weilsen Krystalle, obwohl sehr löslich, lassen sich 
sowohl aus Wasser als aus Alkohol umkrystallisiren. 

Die kalte Lösung derselben in möglichst wenig Chlor- 
wasserstoffsäure lieferte auf Zusatz von Platinchlorid ein wa- 
wellitartig krystallisirendes Platinsalz. Das Salz ist leicht lös- 
lich in Wasser, weniger löslich in Alkohol; es läfst sich aus 
Wasser umkrystallisiren, aber nicht ohne eine theilweise Zer- 
setzung zu erleiden. Gewöhnlich sind dem umkrystallisirten 
Salze schon kleine Octaöder von Platinsalmiak beigemischt. 


!) Vor dem Umkrystallisiren aus Wasser schmilzt dieser Körper 
schon unter 100°. Unvollkommener Reinheit schreibe ich es zu, dafs 
ich den Schmelzpunkt des Monoäthylsulfoharnstoffs früher, als mir eine 
äufserst geringe Menge dieses Körpers zur Verfügung stand, zu 87° an- 
gegeben habe. 


vom 25. November 1869. 795 


Die Analyse des bei 100° getrockneten Salzes führte zu 
der Formel: 

Ban ErCl. — 0.1,(6,4.,N.„2HCHPiCl. 

Die Bildung der in diesem Platinsalze vorhandenen Base 
erklärt sich ohne Schwierigkeit. Ohne Zweifel entsteht durch 
Entschwefelung des Monoäthylsulfoharnstoff zunächst Äthyl- 
cyanamid: 


CH, (C,H,)N,$S = H,S + (CN)(C,H,)HN. 


Drei Molecule Athyleyanamid treten alsdann zu der neuen 
zweisäurigen Base zusammen: 


3[(CN) (O, H,) HN] = (C N); (C, H,); H, N; == C, H; (C, H,),N;. 


Der Körper kann, dem Melamin an die Seite gestellt, als 
ein triäthylirtes Melamin aufgefafst werden. 


C,H,.N H H,),N 
3 a 6 C, 3 (0; >)3 6 
Melamin Triäthylmelamin. 


Der monoäthylirte Sulfoharnstoff verhält sich also bei 
der Entschwefelung wesentlich anders als der diäthylirte. Wäh- 
rend letzterer diäthylirten Harnstoff liefert, indem Sauerstoff 
gegen Schwefel ausgetauscht wird, spaltet sich von dem er- 
steren 1 Mol. Schwefelwasserstoff ab, indem eine Cyanverbin- 
dung entsteht. Der monoäthylirte verhält sich also wie der 
monoallylirte Harnstoff, das Thiosinnamin, welches wie aus 
Hrn. Will’s schönen Untersuchungen ') die mir bei dieser Ar- 
beit gar oft als Anhaltspunkt gedient haben, bekannt ist, unter 
Schwefelwasserstoffaustritt in Sinnamin übergeht. 

Bei der Atomgewichtsbestimmung des Sinnamins haben 
sich Schwierigkeiten ergeben, und Will hat deshalb, indem er 
der von ihm beobachteten Reaction den einfachsten Ausdruck 
lieh, das Sinnamin mit der Formel 


C,H,N, 
als Cyanallylamin angesprochen. Die oben mitgetheilten Beobach- 


tungen lassen indessen auch das Sinnamin als ein höher ge- 


1) Will, Ann. Chem. Pharm. LI. 1, 


796 Gesammtsitzung 


gliedertes Polyamin erscheinen. Einige Versuche, welche ich 
über die Entschwefelung des Thiosinnamins angestellt habe, die 
aber noch nicht abgeschlossen sind, machen es wahrscheinlich, 
dafs das Sinnamin in der That als ein triallylirtes Melamin auf- 
zufassen ist. 

Ich habe bereits angeführt, dafs sich das triäthylirte Me- 
lamin mit Leichtigkeit zerlegt. Längere Berührung mit kalter 
Chlorwasserstoffsäure, kurzes Aufsieden mit derselben ist hin- 
reichend, um eine vollständige Umbildung des Körpers zu be- 
dingen. Die Lösung enthält nunmehr reichliche Mengen Sal- 
miak und das Chlorhydrat einer neuen Base, welche ein von 
dem des triäthylirten Melamins ganz verschiedenes Platinsalz 
bildet. Um das Ammoniak zu entfernen wurde die Flüssigkeit 
mit Natronlauge übersättigt, auf dem Wasserbade zur Trockne 
verdampft und der Rückstand mit Äther ausgezogen. Beim 
Verdampfen des Äthers hinterblieb ein Syrup, welcher, mit 
Salzsäure und Platinchlorid versetzt, ein in prachtvollen vier- 
seitigen Prismen krystallisirendes, in Wasser sehr leicht, in 
Alkohol weniger lösliches Platinsalz lieferte. Die Zusammen- 
setzung dieses Salzes, welches eine Temperatur von 100° ohne 
Zersetzung verträgt, wird durch die Formel 


C,,Hss N 05 PtCl, = 2[C,H, (C,H,),N,0,HC1],PtCl, 


ausgedrückt. Die Bildung der in ihm enthaltenen Base ist 
mithin in der einfachen Gleichung 


C,H,(C,H,), N; + H,O = (C,H, (0,H,),N,0 + H,N 


gegeben, und der sauerstoffhaltige Körper, der hier entstanden 
ist, läfst sich als triäthylirtes Ammelin auffassen. 


CG; H,N,O C,H,(C,H,),N,O 
mn ummcee? Nom nennen: » en nee? 
Ammelin Triäthylammelin. 


Durch Behandlung mit Basen und Säuren erleidet das 
triäthylirte Ammelin weitere Veränderungen. Gern hätte ich 
diese verführerischen Metamorphosen weiter verfolgt, allein die 
Nothwendigkeit, neues Material zu beschaffen, hat mich vor der 
Hand gezwungen, auf diese angenehme Beschäftigung zu ver- 
zichten. Es sei mir indessen gestattet, schon heute kurz an- 


nz 


vom 25. November 1869. 197 


zudeuten, in welcher Weise die Umbildung des Triäthylammelins 
aller Wahrscheinlichkeit nach verlaufen wird. Man kann kaum 
bezweifeln, dafs auch das Triäthylammelin von neuem 1 Wasser- 
molecul fixiren wird, um unter Ammoniakabspaltung in Triäthyl- 
ammelid überzugehen, welches sich schliefslich unter ähnlichen 
Umbildungserscheinungen in Cyanursäure-Äthyläther verwan- 
deln wird, dessen Abbau bis zu den letzten Spaltungsproducten 
Äthylamin und Kohlensäure bekannt ist. 

Die Reihe der Metamorphosen, welche das Triäthylmelamin, 
genau entsprechend dem normalen Melamin, in vollendeter Sym- 
metrie durchlaufen wird, ist in folgenden Gleichungen ange- 
deutet. 


Eee een, +8,0=H,NF0,8,(,H,),N,0 en 
Teäyl-  0,H,(0,H,),N,0 -HH,O=H,N-+C,H (O,H,),0,0, Tan 
NO OH ,N+C, (HNO 
re C; (C;H,);N,0;,+H,0=C0,-+C,H,(C;H,),;N;0, ee 
a: C,H,(C,H,)3N,0,-FH,0=00,+0,H, (C,H) N,0 Sal iam 
ee BE .N.O +H.0—C0,r HICH.N, a 


Der einzige noch hypothetische Körper, welcher in diesem 
Diagramm figurirt, ist in der That das triäthylirte Ammelid, 
auf dessen Entdeckung ich bei der Fortsetzung dieser Unter- 
suchungen mit Sicherheit rechne. 

Es braucht kaum erwähnt zu werden, dafs ich hier mit 
dem Namen Ammelid den Körper 


C;H,N,O, 


bezeichne. Bekanntlich glaubte Gerhardt als solchen die von 
Liebig aus dem Ammelin erhaltene und Ammelid genannte 
Verbindung ansprechen zu dürfen. Liebig hat indessen darauf 
hingewiesen, dafs die Zusammensetzung des von ihm darge- 
stellten Productes die oben angeführte Auffassung nicht zuläfst. 
Es ist gleichwohl nicht unwahrscheinlich, dafs sich unter ge- 
eignet gewählten Bedingungen ein Körper 


798 Gesammtsitzung 


C;H,N,O, 


aus dem Ammelid wird darstellen lassen. Jedenfalls ist eine 
Verbindung von dieser Formel, nämlich die aus dem Harnstoff 
dargestellte Melanurensäure, den Chemikern bekannt. 


Ich habe in der Hoffnung, Monoäthylguanidin zu er- 
halten, den Monoäthylharnstoff in Gegenwart von Ammoniak 
entschwefelt. Das Ergebnifs des Versuchs hat indessen meinen 
Erwartungen nicht entsprochen; es entsteht auch in diesem 
Falle Triäthylmelamin. 


Entschwefelung des normalen Sulfoharnstoffs. 


Angesichts des eigenthümlichen Verhaltens des Monoäthyl- 
sulfoharnstoffs unter dem Einflufs entschwefelnder Agentien, 
schien es von Interesse, auch den normalen Sulfoharnstoff, wel- 
cher Anfangs dieses Jahres von Hrn. E. Reynolds!) entdeckt 
worden ist, mit in den Kreis der Untersuchung zu ziehen. 
Hr. Reynolds giebt an, durch Entschwefelung seines Sulfo- 
harnstoffs mit Silberoxyd den gewöhnlichen sauerstoffhaltigen 
Harnstoff erhalten zu haben, allein er begnügt sich, diese Be- 
hauptung auf einige qualitative Reactionen zu stützen, die, wie 
er sie beschreibt, allerdings mit denen des Harnstoffs par ex- 
cellence zusammenfallen. Der Körper, der sich durch Entschwefe- 
lung des Sulfoharnstoffs erzeugt, ist gleichwohl kein Harn- 
stoff. Ich habe den Versuch mit Silberoxyd, den Hr. Rey- 
nolds beschreibt, genau in derselben Weise wiederholt, ich 
habe den Sulfoharnstoff mit Bleioxyd und mit Quecksilberoxyd 
entschwefelt, allein niemals bin ich im Stande gewesen, auch 
nur eine Spur von Harnstoff nachzuweisen. . 

Wird die Lösung des Sulfoharnstoffs mit Silber-, Blei- 
oder Quecksilberoxyd bis zur völligen Entschwefelung im Wasser- 
bade digerirt und die von den Metallsulfiden abfiltrirte Flüssig- 
keit auf dem Wasserbade concentrirt, so schiessen beim Er- 
kalten blendend weilse Prismen oder vierseitige Tafeln an, 
welche man durch einmaliges Umkrystallisiren aus siedendem 


!) E. Reynolds, Chem. Soc. J. XXIJ, p.1. 


vom 25. November 1869. 799 


Wasser im Zustande vollkommener Reinheit enthält. Die Lö- 
sung dieser Krystalle giebt allerdings mit salpetersaurem Queck- 
silber eine weisse Fällung, die von Kochsalzlösung gelöst wird; 
allein die Krystalle unterscheiden sich in vielen Beziehungen 
vom Harnstoff. 

Die Analyse derselben führte zu der Formel des Cyanamids 


CH,N,, 


für die ich nach dem Verhalten, welches der monoäthylirte 
Sulfoharnstoff gezeigt hatte, in der That vorbereitet war. Es 
hatte sich also von dem Molecule des Sulfoharnstoffis einfach 
1 Mol. Schwefelwasserstoff abgespalten. 


CH,N,S=CH,N,+H,8 


Allein die erhaltenen Krystalle waren kein Cyanamid, von 
dem sie sich alsbald durch ihre geringere Löslichkeit unter- 
schieden. Sie waren aber auch kein Cyanuramid oder Melamin, 
wie man nach den bei der Untersuchung des monoäthylirten 
Sulfoharnstoffs gewonnenen Resultate wohl hätte erwarten kön- 
nen. Das Melamin ist viel weniger löslich als die bei der 
Entschwefelung des Sulfoharnstoffs auftretenden Krystalle. Allein - 
es ist noch ein zwischen dem Cyanamid und dem Melamin in 
der Mitte stehender Körper, das Dieyandiamid, bekannt, 
welches ursprünglich von Hrn. Strecker beobachtet, später 
von Hrn. J. Haag ') eingehender studirt worden ist. Eine 
genaue Vergleichuug der Eigenschaften der von mir erhaltenen 
Krystalle mit denen des Dicyandiamids, wie sie Hr. Haag 
beschreibt, läfst keinen Zweifel, dafs das krystallinische Ent- 
schwefelungsproduct des Sulfoharnstoffs in der That aus Dicyan- 
diamid- besteht. Schon die Schmelzpunktsbestimmung und die 
Analyse einer schön krystallisirten Silberverbindung lassen in 
dieser Beziehung keinen Zweifel. Nach Haag’s Angabe schmilzt 
das Dieyandiamid bei 205°; die aus dem Sulfoharnstoff dar- 
gestellte Verbindung zeigt den Schmelzpunkt 204°. Mit sal- 
petersaurem Silber bildet das Dieyandiamid eine in langen Na- 
deln krystallisirende, in heifsem Wasser leicht, in Salpetersäure 
schwer lösliche Verbindung von der Formel 


1) Haag, Ann. Chem. Pharm. CXXIL. S. 22. 
[1869.] 57 


\ 


800 | Gesammtsitzung 


C,H,N,,AgNO,. 

Eine Verbindung von genau denselben Eigenschaften und 
genau derselben Zusammensetzung bildet auch das Entschwefe- 
lungsproduct des Sulfoharnstoffs. Die Analyse wurde sowohl 
mit dem durch Quecksilberoxyd als auch mit einer durch Silber- 
oxyd erhaltenen Verbindung angestellt. Schliefslich ist auch 
noch die merkwürdige von Haag beschriebene Umbildung des 
Dicyandiamids unter dem Einflusse von Säuren an den aus 
dem Sulfoharnstoff erhaltenen Krystallen beobachtet worden. 
Eine Lösung dieser Krystalle in Chlorwasserstoffsäure lieferte 
beim Abdampfen grolse Tafeln von chlorwasserstoffsaurem Di- 
cyandiamidin, aus welchem auf Zusatz einer concentrirten 
Platinchloridlösung sich ein krystallinisches Platinsalz ausschied. 
Aus siedendem Wasser krystallisirt dieses Salz in büschelförmig 
vereinigten Nadeln von der Zusammensetzung 

2(C,H,N,0,H;Cl), PtC].. 

Die angeführten Beobachtungen dürften hinreichen, den 
aus dem normalen Sulfoharnstoff durch Entschwefelung erhal- 
tenen Körper mit dem aus dem Cyanamid durch Polymerisation 
. entstandenen Dicyandiamid zu identifieiren. 

Nachdem ich gefunden hatte, dafs sich der Monoäthylharn- 
stoff auch bei Gegenwart von Ammoniak in Triäthylmelamin 
verwandelt, war nur geringe Aussicht vorhanden, dafs der nor- 
male Schwefelharnstoff, wie ich früher gehofft hatte, bei der 
Entschwefelung im Beisein von Ammoniak in Guanidin über- 
gehen werde. Ich habe den Versuch gleichwohl angestellt, in- 
dessen in der That nichts anderes als Dieyandiamid erhalten, 
welches durch eine Vergleichung der Eigenschaften und durch 
eine Schmelzpunktbestimmung identifieirt wurde. 

Schliefslich sei bemerkt, dafs die Untersuchung der Pro- 
ducte, welche sich bei der Entschwefelung des normalen Sulfo- 
harnstoffs in Gegenwart von substituirten Ammoniaken bilden, 
- noch nicht zu einem endgültigen Abschlufs gekommen ist. 


Bei Anstellung der im Vorstehenden beschriebenen Ver- 
suche bin ich von den Hrrn. R. Bensemann und Fr. Ho- 
brecker mit ebenso grolsem Eifer als Geschick unterstützt 
worden. 


vom 25. November 1869. 801 


Derselbe las ferner: Über die Einwirkung des Jods 
auf das Thiobenzamid. 

Das Studium der Umsetzung des Diphenylsulfocarbamids 
unter dem Einflusse des Jods, über welche ich der Akademie 
in einer früheren Sitzung Mittheilung gemacht habe '), ist Ver- 
anlassung gewesen, einige andere Schwefelverbindungen nach 
derselben Richtung hin zu erforschen. Im Allgemeinen sind 
diese Untersuchungen nicht so ergiebig ausgefallen, als ich ge- 
hofft hatte, sie haben gleichwohl zu einigen Beobachtungen ge- 
führt, welche der Aufzeichnung werth erscheinen. 

Wird ein Schwefelwasserstoffstrom in eine ammoniakalische 
Alkohollösung von Benzonitril geleitet, so scheiden sich be- 
kanntlich nach Verlauf einiger Stunden schöne gelbe Nadeln, 
das von- Hrn. Cahours entdeckte Thiobenzamid 

C,H,S 
GCH.NS=,.H Im 
H 
aus der Flüssigkeit ab, welche durch einmaliges Umkrystalli- 
siren aus siedendem Wasser rein erhalten werden. 

Versetzt man eine kalt gesättigte Lösung dieses Körpers 
in Alkohol mit einer alkoholischen Jodlösung, so wird letztere 
alsbald unter Ausscheidung von Schwefel entfärbt. Hat man 
mit dem Zusatz von Jodlösung fortgefahren, bis sich selbst 
nach kurzem Aufkochen freies Jod durch Stärkekleister nach- 
weisen läfst, so erstarrt die vom Schwefel abfiltrirte Flüssigkeit 
beim Eingiessen von Wasser zu einem Brei weilser verfilzter 
Nadeln, welche sich durch Waschen mit kaltem Wasser leicht 
von anhängender Jodwasserstoffsäure befreien lassen. 

Durch mehrmaliges Umkrystallisiren aus siedendem Alkohol 
erhält man den Körper völlig rein. In diesem Zustande stellt 
er lange, glänzende, schneeweilse Nadeln dar, welche bei 90° 
schmelzen und bei sehr hoher Temperatur ohne Zersetzung 
destilliren. Auch in Äther, Chloroform und Benzol löst sich 
die Verbindung auf. Ich habe dieselbe im Anfange für schwefel- 
frei gehalten. Man kann die alkoholische Lösung derselben 
stundenlang in Gegenwart fixer Alkalien mit einem Bleisalze 


1) Hofmann, Monatsberichte 1869, S. 581. 
Di 


802 Gesammtsitzung 


zum Sieden erhitzen, ohne dafs sich Bleisulfid bildet. Erst nach! 
mehrtägigem Kochen mit alkoholischer Natronlauge tritt der: 
Schwefel in der Form von Natriumsulfid, und, wie es scheint, Na- 
triumhyposulfit aus. Auch beim Erhitzen mit Salpetersäure 


von mälsiger Concentration bleibt der Schwefelgehalt des Kör- 


pers unverändert. Die Schwefelbestimmung bietet aber keine 
Schwierigkeiten, wenn man den Dampf der Verbindung über. 
ein glühendes Gemenge von Salpeter und Natriumcarbonat leitet. 

Die sorgfältige Analyse der neuen Krystalle führt zu der 
Formel: | 


C,,H4oN >, 


sie sind mithin aus 2 Moleculen des Thiobenzamids entstanden, 
von denen sich 1 Atom Schwefel und 4 Atome Wasserstoff, 
letztere in der Form von Jodwasserstoffsäure, getrennt haben. 


2C,H,NS+2II = 0,H,N58 +4HI +8. 


Wie das Jod wirkt auch das Chlor, das Brom und mäfsig 
verdünnt auch die Salpetersäure auf das Thiabenzamid; indessen 
sind diese Agentien für die Darstellung der neuen Verbindung 
nicht zu empfehlen, weil deren Wirkung leicht zu weit geht, 
die Bildung chlorirter, bromirter und nitrirter Producte ver- 
anlassend, welche sich der normalen Verbindung beimischen. 
In der That hat bereits Hr. Richard Dunklenberg, der sich 
während des  verflossenen Sommers im hiesigen Laboratorium 
mit dem Studium des Thiobenzamids beschäftigte, den neuen 
schwefelhaltigen Körper in Händen gehabt, allein, da er sich 
zur Darstellung des Broms bediente, so wurde der Körper min- 
der rein erhalten; und die Interpretation der Reaction wollte 
damals nicht gelingen. 

Was nun die Constitution des neuen Körpers anlangt, so 
kann man sich denselben als aus 2 Mol. Benzonitril bestehend 
denken, welche direct durch Schwefel zusammengehalten wer- 
den. Es lassen sich über die Anordnung der Atome in dem 
Molecul verschiedene Ansichten aufstellen ; wahrscheinlich. hän- 
gen die aulserhalb der Phenylgruppe befindlichen Kohlenstoff- 
atome durch Schwefel zusammen, und es findet alsdann auch 
Bindung zwischen den Stickstoffatomen statt. Letztere Auf- 


vom 25. November 1869. 803 


fassung, wird durch das weiter unten anzuführende Verhalten 
der Krystalle unter dem Einflufs des Wasserstoffs in condicione 
nascendi bekräftigt. Ich will aber auf diese Frage hier nicht 
näher eingehen, da mir die beabsichtigte Verwerthung der be- 
Schriebenen Reaction in einigen anderen Reihen weitere expe- 
rimentale Grundlagen für eine gewinnverheilsende Erörterung 
‘der Frage zu liefern verspricht. Aus demselben Grunde unter- 
lasse ich es auch schon jetzt für die schwefelhaltige Verbindung 
einen Namen vorzuschlagen. 

Bemerkenswerth ist die ausserordentliche Stabilität der 
neuen Verbindung. Man kann sie mit Chlorwasserstoffsäure, 
mit verdünnter Salzsäure, ja mit mäfsig concentrirter Salpeter- 
säure in zugeschmolzener Röhre längere Zeit auf 150° erhitzen, 
ohne dafs eine Zersetzung eintritt. Im concentrirter Schwefel- 
säure löst sie sich bei gelindem Erwärmen auf; Wasserzusatz 
scheidet sie aus dieser Lösung unverändert wieder ab. Etwas 
leichter zersetzt sich die Verbindung durch die Alkalien, ob- 
wohl auch hier, wie bereits bemerkt, tagelanges Kochen noth- 
wendig ist. Unter langsamer Ammoniakentwickelung wird Ben- 
zo&säure zurückgebildet. Offenbar trennt sich in diesem Falle 
von dem Molecule zunächst der Schwefel, welcher von dem 
Alkali in bekannter Weise gelöst wird; das sich gleichzeitig 
abspaltende Benzonitril liefert Ammoniak und Benzo&säure. Ich 
habe die hier auftretende Säure, welche sich schon an der 
Schwerlöslichkeit des gebildeten Natronsalzes als Benzo&säure 
zu erkennen giebt, überdies durch die Bestimmung des Schmelz- 
punktes, so wie durch die Analyse des Silbersalzes identificirt. 

Eine ganz interessante Verwandlung erfährt der Schwefel- 
körper durch die Einwirkung des Wasserstoffs im statu nascendi. 
Ich habe bereits früher ') darauf aufmerksam gemacht, wie viel 
leichter die Thioamide in die entsprechenden Aminbasen über- 
gehen, als die Nitrile. Diese Erfahrung hat sich auch wieder 
bei dem neuen Körper bewahrheitet. Versetzt man die alko- 
holische Lösung desselben mit Zink und Salzsäure, so entwickelt 
sich der Schwefelwasserstoff in Strömen. Nach 10 bis 12 Stun- 
den erkennt man aus dem Umstande, dals Zusatz von Wasser 


1) Hofmann, Monatsberichte 1868, S. 281. 


8304 Gesammtsitzung 


zu der Alkohollösung keine Fällung mehr bewirkt, die totale 
Zersetzung der schwefelhaltigen Verbindung. Sammlung und 
Reindarstellung des neugebildeten Productes gelingt leicht auf 
dem schon zu öfterem eingeschlagenen Wege; Zusatz von Al- 
kali bis der zunächst gebildete Niederschlag von Zinkhydroxyd 
sich gelöst hat, liefert die Base in einer obenauf schwimmien- 
den Alkoholschicht. Die nach dem Verdampfen des Alkohols 
zurückbleibende fixes Alkali enthaltende Base wird in Äther 
aufgenommen und demselben durch Chlorwasserstoffsäure wie- 
der entzogen, wobei eine kleine Menge unerquicklichen braunen 
Harzes im Äther gelöst bleibt. Die salzsaure Lösung liefert 
beim Abdampfen auf dem Wasserbade ein zunächst ölförmig 
sich ausscheidendes Chlorhydrat, welches in kurzer Frist zu 
unvollkommen ausgebildeten Krystallen erstarrt. Versetzt man 
die Lösung dieses Salzes in Wasser mit Ammoniak, so schei- 
den sich alsbald ölartige Tropfen aus, welche zu Boden sinken 
und am nächsten Morgen krystallinisch erstarrt sind. Die über 
der krystallinisch erstarrten Base stehende Flüssigkeit ist mit 
irisirenden Blättchen erfüllt. 

Die Analyse des durch Umkrystallisiren aus Wasser ge- 
reinigten salzsauren Salzes, welches sich ohne Veränderung 
bei 100° trocknen läfst, führt zu der Formel: 


C„H,N,Cl= C4H4N.„,HO. 


welche durch die Untersuchung eines krystallinischen, ebenfalls 
bei 100° getrockneten Platinsalzes | 


C,H, N, PtCl, = 2(C,HN,,HCD,PtC], 


in unzweideutiger Weise bestätigt wird. 
Es sind also bei der Bildung der hier vorliegenden Base 
4 At. Wasserstoff an die Stelle von 1 At. Schwefel getreten. 


C.HuN:sS + 5HH = H,S + C,HuN:- 


Läfst man die oben angedeutete Auffassung des Schwefel- 
körpers gelten, so würde bei der Einwirkung des Wasserstofis | 
die Schwefelverkettung zwischen den Kohlenstoffatomen gelöst 


und durch gleichzeitige Lockerung des Bandes zwischen diesen’ 


s 


” 


Kohlenstoffatomen und den Stickstoffatomen die Anlagerung 


} 
7 


vom 25. November 1869. 805 


von zwei Wasserstoffatomen an ein jedes der Kohlenstoffatome 
ermöglicht; die beiden Stickstoffatome würden alsdann doppelt 
verkettet werden. Dafs dieselben in der That sehr kräftig 
gebunden sind, dafür spricht jedenfalls der Umstand, dafs sich 
die neue Base auch unter dem fortgesetzten Einflusse des 
Wasserstoffs nicht weiter verändert. Ich hatte in der That 
gehofft, dieselbe durch andauernde Behandlung mit Wasserstoff 
in condicione nmascendi unter Aufnahme weiterer vier Wasser- 
stoffatome in Benzylamin zerfallen zu sehen: 


C.HuN, + 2HH = 2C,H,N. 


Bisher hat mir indessen diese Überführung, die ich auch 
jetzt noch keineswegs für unmöglich halte, nicht gelingen 
wollen, obwohl ich die Einwirkung von Zink und Salzsäure 
mehrere Tage lang fortgesetzt habe. 

Noch verdient bemerkt zu werden, dafs die hier beschrie- 
bene Base, für welche ich, so lange ihre Constitution nicht 
näher ermittelt ist, einen Namen vorzuschlagen ebenfalls unter- 
lasse, mit einem früher von mir!) aufgefundenen Körper isomer 
ist. Das durch Behandlung mit Phosphorchlorid aus 1 Mol. 
Essigsäure und 2 Mol. Anilin unter Abspaltung von 2 Mol. 
Wasser gebildete Äthenyldiphenyldiamin: 


III 
Cr) 
C.H, 1% — (,H,N, 

H 

hat nicht nur dieselbe Zusammensetzung und dasselbe -Molecu- 
largewicht, sondern ist auch wie die aus dem Schwefelkörper 
entstehende Base einsäurig. Es bedarf aber kaum mehr als 
einer eursorischen Vergleichung beider Substanzen um die Über- 
zeugung zu gewinnen, dafs hier in der That nur Isomerie nicht 
Identität stattfindet. Die Krystallformen der beiden Basen so- 
wohl, als auch ihrer Salze, weichen wesentlich von einander 
ab. Aufser den schon genannten Salzen habe ich namentlich 
‚auch noch das nicht ganz leicht in sechsseitigen Tafeln kry- 
stallisirende Nitrat der neuen Base mit dem schönen sal- 


1!) Hofmann, Monatsberichte 1865, 649. 


806 Gesammtsitzung vom 25. November 1869. 


petersauren Salze der alten verglichen. Das Äthenyldiphenyl- 
diamin ist vollkommen neutral, während die unbenannte Base 
in alkoholischer Lösung eine deutlich ausgesprochene alkalische 
Reaction zeig. Auch die Schmelzpunkte der ‘beiden Basen 
liegen weit auseinander; die alte schmilzt bei 137°, die neue 
schon bei 71°. Schliefslich kann das Verhalten der beiden 
Körper zu concentrirter Schwefelsäure keinen Zweifel über ihre 
vollkommene Verschiedenheit lassen; das Äthenyldiphenyldiamin 
verwandelt sich in diesem Falle ohne Schwärzung in Sulpha- 
nilsäure und Essigsäure; die von dem Thiobenzamid abstam- 
mende Base wird unter Entbindung von schwefliger Säure 
verkohlt. 

Hrn. K. Sarnow bin ich für werthvolle Hülfe bei An- 
stellung der beschriebenen Versuche verbunden. 


An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 


Nachrichten von der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften und der @. 
A. Universität zu Göttingen. no. 21. Göttingen 1869. 8. 
Zeitschrift des Kgl. Preu/s. Statistischen Bureaus. 9. Jahrg. Nr. 7, 
8 u. 9. . Berlin. 4869. | 4. | 
Die Fortschritte der Physik im Jahre 1866. Dargestellt von der Phy- 
sikalischen Gesellschaft in Berlin. 22. Jahrg. Berlin 1869. 8. 
Jahrbuch der K. K. geologischen Reichsanstalt. Jahrg. 1869. 19.Bd. 
Wien 1869. 8. 
Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt. no. 10. 1869. 
Wien 1869. 8. 
Mittheilungen der K. K. Central-Commission für Erforschung und Er- 
haltung der Baudenkmale. 14. Jahrg. Nov.—Dec. Wien 1869. 4. 
v. Haidinger, Das K. K. Montanistische Museum und die Freunde 
der Naturwissenschaften in Wien in den Jahren 1840—1850. Wien 
1869. 8. & 
Plantamour, Resume meteorologique. Anne 1868. Geneve 1869. 8. 
Archives du Musee Teyler. II, 3. Harlem 1869. 8. 
: Catalogus codicum manu scriptorum bibliothecae Menacensis. IH, 1. 
Monachii 1868. 8. 


Nachtrag. 


5. August. Gesammtsitzung der Akademie. 


ww 
Hr. du Bois-Reymond las über die aperiodische 
Bewegung gedämpfter Magnete. 


8.1. Einleitung. 

In seiner „Anleitung zur Bestimmung der Schwing- 
ungsdauer einer Magnetnadel“') stellt Gauss für die 
Bewegung eines in dämpfender Umgebung schwingenden Magne- 
tes die Fundamentalgleichung auf 

d’x 
oil: 


dx 
RED NE 7, AHA 


dit 

wo z den dem Stand des Magnetes zur Zeit t, p den seinem 
Ruhestand entsprechenden Scalentheil, n? die magnetische 
Richtkraft (für die Einheit der Ablenkung) und 22 die ver- 
zögernde Kraft der Dämpfung (für die Einheit der Geschwin- 
digkeit), beide mit dem Trägheitsmoment des Magnetes dividirt, 
bedeuten. Das Integral dieser Gleichung giebt Gauss unter 
der Form 


z=p+ 4e“tsin [Yn’ —e’.t—B)},.. (MW 
wo e die Basis der natürlichen Logarithmen ist, A und B die 
beiden durch die Integration eingeführten willkürlichen Con- 


stanten vorstellen. Ohne die verzögernde Kraft der Dämpfung 
ist nach Gauss das Integral 


©=p-+ A. sin In (t— B)) ar. ar. GERGERL) 
1) Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins im 


Jahre 1837. Göttingen 1838. S.58; — C.F. Gauss Werke u. s. w. 
Göttingen 1867. 4°. Bd.V. S. 374, 


808 Nachtrag. 


Nachdem Gauss aus Gleichung (I) die Theorie der 
Schwingungsbewegung gedämpfter Magnete hergeleitet hat, sagt 
er: „Bei allem, was bisher entwickelt ist, liegt die Voraus- 
„setzung zum Grunde, dals = kleiner sei als n; im entgegen- 
„gesetzten Fall nimmt das Integral der Fundamentalgleichung 
„eine andere Form an. Man erhält nämlich anstatt des Glie- 
„des Ae“* sin [Yn? — =? .(t— B)}, in dem Fall, wo e grölser 
„ist als n, zwei Glieder von der Form 


Actertenjt Dee te ae 
„und in dem Fall, wo e = n ist, von dieser 
(A +: Be Tore Se 


„In beiden Fällen findet also in der Bewegung gar nichts 
„periodisches mehr Statt, sondern der Stand nähert sich asymp- 


E € 
„totisch dem Ruhestande. Für unsern Dämpfer ist on 0,22152, 


„und es mülste also ein mehr als 44mal stärker wirkender 
„Dämpfer angewandt werden, um solchen Erfolg hervorzu- 
„bringen. Offenbar aber würde es dazu nicht hinreichend sein, 
„die Metallmenge nur in demselben Verhältnils zu vergröfsern, 
„in sofern diese Vergrölserung nach auflsen angebracht werden 
„mülste, und die äufsern Schichten des Metallrahmens verglei- 
„ehungsweise weniger zur Inductionswirkung beitragen als die 
„innern. Allein es würde nicht einmal anzurathen sein, eine 
„Dämpfung von einer solchen Stärke anzuwenden, dafs die Be- 
„wegung aufhörte periodisch zu sein, theils weil, sobald = den 
„Grenzwerth n überschreitet, die Annäherung an den Ruhestand 
„wieder langsamer geschieht, theils weil man dann den we- 
„sentlichen Vortheil verlöre, aus zwei beliebigen, um 7,“ — die 
Schwingungsdauer des gedämpften Magnetes — „von einan- 
„der entfernten Aufzeichnungen den Ruhestand auf eine be- 
„queme Art berechnen zu können.“ 

So weit Gauss. Er hat den aperiodischen oder 
schwingungslosen Zustand gedämpfter Magnete, wie man 
ihn nennen kann, mit geistigem Auge gesehen, ohne ihn wirk- 
lich zu beobachten, und seine Andeutungen darüber sind meines 
Wissens mehr als dreilsig Jahre unbeachtet geblieben, obschon 


Nachtrag. 809 


sie, wie sich zeigen wird, den Keim einer interessanten Theo- 
rie und, Gauss Meinung zuwider, eines praktisch wichtigen 
Verfahrens enthielten. Ich habe gefunden, dafs jener Zustand 
sich leicht verwirklichen läfst; und noch Jedem, der von der 
aperiodischen Bewegung meiner Bussolspiegel Zeuge war, sprang 
der Vortheil in die Augen, der daraus bei vielen Arten galva- 
nometrischer Versuche erwachsen müsse. 

Da die Darstellung, deren sich Gauss im Obigen en 
den Punkt, auf den es hier ankommt, nicht mit voller Klarheit 
hervortreten läfst, so wird es angemessen sein, die Theorie der 
aperiodischen Bewegung gedämpfter Magnete zunächst etwas 
ausführlicher zu entwickeln. 


8. II. Allgemeine Gleichung der Bewegung gedämpf- 
ter Magnete, und periodische Bewegung solcher 
Magnete. 


Der Einfachheit halber nehmen wir an, dafs die Ruhelage 
des Magnetes dem Nullpunkt der Theilung entspreche, also 
p=0 Sei. Indem man sonst die Gauss’schen Bezeichnungen 
beibehält, aber zur. Abkürzung einen der beiden Werthe von 


ee? —n =r 


setzt, erhält man als allgemeines vollständiges Integral der 
Differentialgleichung (I) die Gleichung 


Jette Be) ‚se el 


deren rechte Seite mit (IV) identisch ist. 

Zur Bestimmung der Oonstanten A und DB dienen Annah- 
men über Anfangslage und Anfangsgeschwindigkeit des Magne- 
tes. Denken wir uns den Magnet durch eine äufsere Kraft, 
z.B. durch einen beständigen elektrischen Strom, in der Ab- 
lenkung £ gehalten, die aber nicht gröfser sei, als dafs nicht 
die Proportionalität zwischen Ablenkung und Richtkraft noch 
angenommen werden dürfe, und die Dämpfung merklich den. 
gleichen Werth behalte. Im Augenblick ?{= 0 werde die 
Kette geöffnet, und der Magnet gleichsam seiner Ruhelage 
zu fallen gelassen. Für {= 0 haben wir dann = und 


— —= 0. Man findet 


810 Nachtrag. 


RR un 
ar i 
ar ; 


und Gleichung (VI) wird 
E 
S 5 r —r 
Eee !f(e + rn) e!— (e—r)e . sr 6 a Va 


Die Art der Bewegung des Magnetes, welche durch die 
Gleichungen (VI) und (VII) dargestellt wird, ist verschieden 
je nach der Beschaffenheit der Wurzelgröfse r. 


Ist e<n, so ist r= io, wenn wir = mit i, und einen 
der beiden Werthe von 1% n? — e? mit eg bezeichnen. Gleichung 
(VI) geht dann unmittelbar über in 

x = e*!{(A-+B) cos (st) —i(A— B)sin(si)!, (VID) 
oder, wenn den Constanten A und B ihr Werth ertheilt wird, in 


meldung}. HER 


Diese Gleichungen zeigen eine Schwingungsbewegung des 
Magnetes an, bei der die Amplitude der Schwingungen in einer 
geometrischen Reihe abnimmt, die bekannte Bewegungsart ge- 
dämpfter Magnete. Der Magnet geht durch den Nullpunkt je- 
desmal dafs x 


we)=—-, 


und erreicht seine grölste Elongation jedesmal dafs 
sin (gt) = 0. 
Bestimmt man eine Winkelgröfse d durch die Gleichung 


tg@P)= —— 


= 
so wird Gleichung (IX) 


aef.e | nen] I... 00 


> 


Nachtrag. sıl 


Der von der eckigen Klammer umfafste Factor in dieser Glei- 
. chung entspricht dem periodischen Factor in (IX), verschwin- 


det für tg ()= — — und wird = 1 für sin (ei) = 0. 


Abgesehen von der von uns vorgenommenen Üonstanten- 
bestimmung, ist Gleichung (X) einerlei mit (II), oder von 
der Form, in welcher Gauss das Integral der Fundamen- 
talgleichung unter der stillschweigenden Voraussetzung hinge- 
stellt hat, dafs e <n sei; während er der allgemeinen und 
ursprünglichen Form des Integrals, nämlich der Gleichung 
(VI), aus der (II) erst durch eine allerdings geläufige Um- 
formung hervorgeht, erst später bei Erwägung der Mög- 
lichkeit, dafs <> n werde, gedenkt. Was Gauss bewog, die 
umgeformte Gleichung (II) voranzustellen, ist sichtlich der 
Umstand, dafs in dieser Gestalt die Gleichung sich an die 
(IH) anschliefst, welche die Bewegung des Magnetes ohne 
Dämpfung darstellt. Setzt man in der Fundamentalgleichung 
e=0, wodurch der die Dämpfung ausdrückende Term ver- 
schwindet, so erhält man als allgemeines vollständiges Integral 
den von. Gauss gegebenen Ausdruck: (III), und unter densel- 
ben Annahmen über Anfangslage und Anfangsgeschwindigkeit, 
die wir für den Fall der Dämpfung gemacht haben, und für 
Pr 0, 


7 
ae ten gel en 
=. .0n (5 — nt) = £.co Kos .. SEN 


wo z in üblicher Bedeutung genommen ist. Die Vergleichung 
der Ausdrücke (II) und (III), oder (X) und (XD), läfst den 
Einflufs der Dämpfung auf die Schwingungsbewegung klar über- 
sehen, der sich theils in dem Auftreten des die Amplituden ver- 
mindernden Factors e°‘, theils in dem langsameren Wachsen 
des Argumentes der periodischen Function ausspricht, wo- 
durch eine grölsere Schwingungsdauer angezeigt wird. Da es 
Gauss zunächst auf diesen Vergleich ankam, der Falle>n 
ihm dagegen nur als theoretisches Curiosum vorschwebte, 
durfte es ihm gleichgültig sein, dafs bei seiner Darstellung 


812 Nachtrag. 


der unmittelbare Einblick in den Übergang der periodischen 
zur aperiodischen Bewegung, der bei = = n stattfindet, verlo- 
ren ging. 


8. III. Aperiodische Bewegung gedämpfter Magnete. 


In dem Falle e>n, wo also r reell ist, gilt Glei- 
chung (VII), wie sie dasteht. Die Bewegung ist nicht mehr 
periodisch, sondern die Ablenkung als Function der Zeit 
wird dargestellt durch den Unterschied der Ordinaten zweier 
Exponentialeurven, die sich der Abscissenaxe asymptotisch 
nähern. Der Werth t= oo ist der einzig mögliche, der 2= 0 
macht. Fällt also der Magnet von der Ablenkung E, welche 
beliebig grofs gedacht werden kann, ohne Anfangsgeschwindig- 
keit herab, so wird der Nullpunkt nicht überschritten, sondern 
erst nach unendlicher Zeit erreicht. Die Curve der Ablenkungen 
bezogen auf die Zeit hebt bei £= 0 mit der Ordinate & und 
mit horizontaler Tangente an, und hat zuerst einen gegen die 
Abscissenaxe concaven Verlauf. Die Curve der Geschwin- 
digkeiten 


d En? 
Er = = Et (g er. 2 


ist am Ursprunge concav gegen die Abscissenaxe, und erreicht 
ein negatives Maximum für 
€ 


1 rt 
= log nat Sarnen Mose (XIII) 


€ 


welchem t also ein Wendepunkt der Curve der Ablenkungen 
entspricht. Nach genau der doppelten Zeit folgt der Wende- 
punkt der Curve der Geschwindigkeiten, die sich gleichfalls 
der Abscissenaxe asymptotisch anschliefst. Die Ordinaten bei- 
der Curven sind für gleiche Zeiten & proportional. 

Eine bemerkenswerthe Vereinfachung tritt in vielen Be- 
ziehungen ein für den Grenzfall, dafs n = e, oder dafs r = 0 
wird. Das Integral der Differentialgleichung ist alsdann [vergl. 
oben 8.808 (V)] 


s—(ALBHe“, 
A findt man =£&, B=e£, und man hat 
s=E£E.c"'(1 + ei) a A & (XIV) 


nn 


Nachtrag. | 813 


Diese Gleichung, und die davon abgeleitete 


Ds IE Tan ee re 
lassen sich leichter discutiren als die allgemeineren (VII) 
und (XII). Einige der sich dabei ergebenden Beziehungen 
sind in Fig.1 dargestellt, in welcher E=2,e=n=1 gesetzt 
sind. Die oberhalb der Abscissenaxe verlaufende Curve (Ewit) 
ist die der Ablenkungen, die unterhalb (Omw,t) die der Ge- 


schwindigkeiten. Die punktirte Curve (£, —, — £) ist die 
Sinuscurve der Ablenkungen ohne Dämpfung, und stellt Glei- 
chung (XI) für n= ı dar. Der Wendepunkt der Ourve der 
Ablenkungen und das Maximum der Curve der Geschwindig- 


keiten treten ein zur Zeit 


gie > (XvD 
In der doppelten Entfernung vom Nullpunkt, also zur Zeit 
ee a 


€ 
tritt auch hier der Wendepunkt der letzteren Curve ein. Die 
Ordinaten der Curven sind für gleiche Zeiten E proportional. 


Figur 1. 


ei 


j 
P°----- - - - - - - -- - 22000. 
53 


ui 


814 Nachtrag. 


Wird endlich = im Vergleich zu n so grofs, oder, was 
völliger Astasie des Magnetes entspräche, n im Vergleich zu 
e so klein, dafs n gegen e verschwindet und r merklich =: 
ist, so nimmt das allgemeine vollständige Integral unserer 
Fundamentalgleichung abermals eine andere Gestalt an. Setzt 
man nämlich n? = 0, so wird jenes Integral 

Ära SER N 
wo A und B die beiden willkürlichen Integrationsconstanten 
bedeuten. Unter denselben Annahmen über Anfangslage und 
Anfangsgeschwindigkeit wie früher, findet man 

A—=0,B=- 5, r=£. 2 
Der Magnet bleibt also bei E stehen, und die der Abseissen- 
axe parallele Gerade, welche & zur Ordinate hat, ist die 
Grenze, der sich die Curven der Ablenkungen bezogen auf die 
Zeit nähern, wenn n im Vergleich zu = immer kleiner wird. 
‘* Erhält aber unter diesen Umständen der Magnet im Augenblick 
{=0 bei E einen Stols, der ihm eine Geschwindigkeit = c 
ertheilt, so wird 


e c SBUBE: 
= ı — B=-E +3 — zei Zi — ei 
a A BTnde Ba Ne 
Der Magnet bewegt sich also mit abnehmender Geschwindigkeit 
en Ge 
dt 


C 2 . . 
dem Punkte E # 5, Zu, wo er nach unendlicher Zeit stehen 
€ 


bleibt. Der Vorgang ist der Form nach genau der nämliche 
wie in dem Falle, wo ein Körper nach erhaltenem Stofse sich 
in einem Mittel bewegt, das ihm einen seiner Geschwindigkeit 
proportionalen Widerstand entgegensetzt; und dies ist die höch- 
ste Stufe des Arago’schen Phänomens des Rotationsmag- 
netismus. 


$.IV. Übersicht der Bewegungsformen u, 
und gedämpfter Magnete. 

Je nach den Werthen von e und n nimmt also das Integral 

der Fundamentalgleichung die fünf verschiedenen Formen an, 

welche folgende Übersicht nochmals im Zusammenhange zeigt. 


Nachtrag. 


Ber Ewa 3. ee I lHAX) 


(IIA) hu (4—2) —,2 (4+ s)} A) 5 a 


near es a: Se +da23- 


& ö < es 
TU " 16 e) uns or (10) sod 1.03 —= 


9 2 [tens o].3= 


(7u) 509° 


IP < 


= = — pn =? 
1) 3 ın] O0 =»? S 


ur 
I 


) 8 . y ° IT t,,Vy =% 


ae 


GBEI+FVy):>2=% 


(IILA) (a9) us (T—-Y)2--GH)so(g-+y)},o=x 


(III) 


 . : (g-duley—r 


® 
ı = 


IRUISRU. 
Mi. 


Dans 


nn m 


"yasıporiode Suns9nog 


"asıporiod Suns9nag 


8 


[1869.] 


816 Nachtrag. 


Aus (IX) wird durch e=0 (XJ), durche=n (XIV); aus 
(VID durch e=n (XIV), durch n=0 (XIX). Dieser Über- 
gang der verschiedenen Formen in einander ist das analytische 
Abbild des allmählichen Überganges, der in Wirklichkeit von 
den Schwingungen des ungedämpften Magnetes bis zur völligen 
Astasie des gedämpften Magnetes führt. 

Die Schwingungsdauer des gedämpften Magnetes ist nach 
Gauss | 

= —— .. 0.0.0. (&M 

ae | 

Wird also = oder >n, d.h. die Bewegung aperiodisch, so 

spricht sich dies darin aus, dafs der Ausdruck für die Schwin- 
gungsdauer unendlich grofs, beziehlich imaginär wird. 

Der Ausdruck für das in natürlichen Logarithmen ange- 
gebene logarithmische Decrement der Schwingungen des ge- 
dämpften Magnetes ist 


27 
N 


Vr’ _- .° 


Für e=n ist ? unendlich, schon die zweite Amplitude ver- 


schwindet im Vergleich zur ersten. Für = >n ist % imaginär, 
und auch so giebt sich die eingetretene Schwingungslosigkeit 
zu erkennen. i 


$.V. Aperiodische Bewegung mit Anfangs- 
geschwindigkeit. 


Wir wollen jetzt einen Fall betrachten, dessen Behandlung 
wesentlich dazu beitragen wird, unsere Kenntnifs der aperio- 
dischen Bewegung gedänipfter Magnete zu vervollständigen. 
Dies ist der Fall, wo die Anfangsgeschwindigkeit nicht Null 
ist, sondern einen negativen Werth — c, also im Sinne der 
Richtkraft, besitzt. Die Constanten A und B werden bezieh- 
lich in Gleichung (V]) 


use 
27 x 27 i 


und in Gleichung (V) 


Nachtrag. 817 


E, ——I@ —+ € E; 
die Gleichungen selber 


a, E —£E(e— r)} et — [e — £E(+ r)} e| ‚ &XXD) 


Mr et lE—t(e— ed)! .:. (X&XIH) 

Die Bewegung ist aperiodisch; übersteigt aber c in jedem 
der beiden Fälle (XXII) und (XXIII) einen gewissen Werth, den 
wir bald näher betrachten wollen, so wird der Nullpunkt über- 
schritten. Noch ehe c diesen Werth erreicht, werden die Curven 
der Ablenkungen und der Geschwindigkeiten von t=0 ab 
convex gegen die Abscissenaxe. Im Falle ea tritt dies 
z.B. ein bei c>14zE für erstere, beic > 4=£ für letztere Curve, 
während, wie wir sehen werden, erst von c>e£ ab der Null- 
punkt überschritten wird. Dies Überschreiten geschieht im 
Falle (XXIlI) zur Zeit 


1 c—£(e—r) 
en log c—E£E(e+r)’ 
im Falle (XXIII) zur Zeit 
£ 
co ze 


 Jenseit des Nullpunktes kehrt der Magnet in seiner Bewegung 


um, im Falle (XXII) zur Zeit 


un, ) ermäe in) 


mar — 5, | 08 (—r)je—5 ( + rn)’ 
im Falle (XXIII) zur Zeit 


c 


maz 56 ®(c- DIR, mE 


zu welchen Zeiten “= durch Null geht. Die Curve der Ab- 


lenkungen ist vom Nullpunkt der Scale ab concav gegen die 
Abseissenaxe der Zeiten; es erfolgt aber ein positives Maxi- 
mum der Geschwindigkeit, sowie ein Wendepunkt der Curve 
der Ablenkungen im Falle (XXII) zur Zeit 

58° 


318 Nachtrag. 


} BER be .+nN’fe—Elte—n} 
REIT (e — r)? je — &(e +n))’ 


im Falle (XXIII) zur Zeit 


ae ee 
Be 


W e (c— ed s (e—e&) 


Darauf nähert sich der Magnet von der anderen Seite her 
asymptotisch dem Ruhestande. Auch die Öurve der Geschwin- 
digkeiten nähert sich schliefslich asymptotisch der Abseissenaxe, 
nachdem sie im Falle (XXII) zur Zeit 


G+nNje-Ee nn) 


erg (e—r)’ er)’ le—E(e-+n)’ 


im Falle (XXIHI) zur Zeit 
ua 0 2:£ 
2 B (ce—e£) 


einen Wendepunkt gehabt hat. 

Die Zeiten to, tyanı tot, bilden also in beiden Fällen 
Glieder einer arithmetischen Reihe, deren beständiger Unter- 
schied im Falle (XXI) 


im Falle (XXI) 1 beträgt [vergl. oben $. 812. 813, (XII, 
€ 


XVL XV). 

In Fig. 2 zeigt Et,mwt die durch (XXIII) dargestellte 
Curve der Ablenkungen bezogen auf die Zeit, nebst der zuge- 
hörigen Curve der Geschwindigkeiten (22£,t,m,w,t), unter 
sonst denselben Annahmen wie in Fig. 1; die Curve der Ab- 
lenkungen ist von ihrem negativen Maximum m ab dieselbe wie 
in Fig. 1, nur mit verkleinerten Ordinaten. Die Anfangsge- 
schwindigkeit ce ist in der Figur = 22 — 4 gesetzi. 


Nachtrag. 819 


Figur 2. 


Da die Zeit in ihrem Fortschritt nicht negativ werden 
kann, haben die Ausdrücke für t, eine wirkliche Bedeutung nur 
wenn in dem auf den Fall (XXII) bezüglichen Ausdruck die 
Gröfse unter dem Logarithmus positiv und > 1, also 


a al ee 
wo r, wie stets von hier ab, einen positiven Werth hat; oder 
wenn in dem auf den Fall (XXIII) bezüglichen Ausdruck 

EHE EN REN 9.3.0 
ist. Noch für c=&(e-+r) im ersien, c=e£&; im. zweiten 
Falle wird der Nullpunkt erst nach unendlicher Zeit erreicht, 


und zwar nehmen dabei die Gleichungen (XXII) und (XXIII) 
beziehlich die einfachen Formen an 


820 Nachtrag. 
a 00 
ee ee 


Ist r=:, oder gilt Gleichung (XX), so muls c= 2: 
sein, damit der Magnet den Nullpunkt erreiche, und > 2:5, 
damit er ihn überschreite Ist e=2:£2-+-ö, so bleibt er bei 


Ö 
— — stehen. 
2 


Zu 


$. VI. Herleitung der Bedingung für die zum Über- 
schreiten des Nullpunktes nöthige Anfangs- 
geschwindigkeit. 


Der Sinn der Bedingung für die zum Überschreiten des 
Nullpunktes nöthige Anfangsgeschwindigkeit in den durch die. 
Gleichungen (XXII) und (XXIII) dargestellten Fällen ergiebt 
sich aus folgender Betrachtung. Es ist offenbar gleichgültig, ob 
dem Magnete zu einer Zeit !,, wo er aus einer Ablenkung x, 
fallen gelassen wird, eine Geschwindigkeit — c, ertheilt werde, 
oder ob er zur Zeit t, bei x, anlangend, dieselbe Geschwindig- 


keit — o= = durch Fallen aus einer höheren Ablenkung Z, 
gleichsam als Fallgeschwindigkeit, erlange. Keine Fall- 
geschwindigkeit —. die der Magnet bei x, durch Fallen von 


einem beliebig hohen £ hätte erlangen können, würde also, 
wenn sie dem Magnete beim Fallenlassen von x, zur Zeit ty 
als Anfangsgeschwindigkeit — c, ertheilt würde, ihn über den 
Nullpunkt führen. Denn obschon in Wirklichkeit die Anwen- 
dung unserer Formeln der oben 8.809 erwähnten Beschränkung 
unterliegt, gelten sie in der Idee für jeden denkbaren Werth 
von £, und wenn also der Magnet die Geschwindigkeit 


N durch Fallen von jenem beliebig hohen & erlangt 
hätte, würde er sich asymptotisch der Ruhelage nähern. 

| Die Rechnung bestätigt diese Schlüsse. Der Einfachheit 
halber sei die Bewegung nur eben aperiodisch, d.h. e=n, 


und demgemäfs ihre Gleichung [s. oben S. 812 .(XIV)] 


2 Eh er 


Nachtrag. 821 


x, eine Ordinate zu tu. Indem wir den Coordinatenursprung . 


von t= 0 nach t= t, verlegen, verwandeln wir der Form nach 
den Vorgang in den durch Gleichung (XXI) dargestellten, und 
haben also 


ame kt) 120 page — oe eu) (XXVIM) 


Es ist aber, nach Gleichung (XIV) und (XV), 


Io = Eee 27 (1 — ty), 


—= eig, 


Diese Werthe in (XX VII) eingesetzt liefern wieder die ursprüng- 
liche Gleichung (XIV), d.h. der Nullpunkt wird nicht überschrit- 
ten, wenn dem Magnete bei x, eine Geschwindigkeit ertheilt 
wird, wie er sie dort durch Fallen von einem beliebig hohen & 
hätte erlangen können. x kann erst Null werden, wie Glei- 
chung (XXVIHI) uns abermals vorführt, wenn 

dxo 


TE > EI; d.h. CH ZN 


Dieselbe Schlufsfolge führt unter der Annahme => n zur Be- 
dingung 
— = nn .che,;, (ei ra,, 

entsprechend der Ungleichheit (XXIV) auf S. 819. So: werden 
wir darauf hingewiesen, dals ex, (e+ r)x vielleieht allgemein 
die Grenzgeschwindigkeiten seien, die beziehlich für e=n, 
<> n der Magnet bei x durch Fallen aus einer beliebig hohen 
Anfangslage erlangen könne. Es handelt sich darum, die 
Richtigkeit dieser Vermuthung zu prüfen. 

Dazu müssen wir von der Betrachtung der Geschwindig- 


d » 
keit als Function der Zeit und Anfangslage = —e rl une 


gehen zur Betrachtung der Geschwindigkeit als Function der 


da ö 
Ablenkung und Anfangslage Era (x, &). Letztere Function 


nn 


822 Nachtrag. 


” 


läfst sich nun zwar nicht explieit darlegen; dies verhindert 
aber nicht, den Verlauf der entsprechenden Curve soweit fest- 
zustellen, als für unsere Zwecke nöthig ist. Aus Gründen, die 
bald einleuchten werden, berücksichtigen wir zunächst nur den 
Fall == n, oder die Bewegungsgleichung (XIV). 

Der Kürze halber setzen wir 


dx dx dx 


r " m 


U a WI Ze un) — | 
dt (eig dt | 


Wir haben dann die Gleichungen 


= +&E ei -+ ei 
ee 
PR E net. 5 
Ei ecträee heile) 
nn, DER EN 
Eger RW: 
Nun ist allgemein 
dx’ gt d’x ta? 
—m —, ——ı ———. 
ER da? 2’?° 


Hieraus ergeben sich, durch Einsetzen obiger Werthe für «', x”, 
x", folgende Beziehungen: 

ED rn N 1 

a, bo a De 
Mit Hülfe dieser Gleichungen läfst sich der Verlauf der gesuch- 
ten Curve x’ —= f(x) zwischen den Grenzen «=0, 2 = des- 
halb diseutiren, weil, während t von Null bis oo stetig wächst, 


x stetig von £ bis Null abnimmt. 
d? a! 
Aus dem Werthe von EFE folgt zunächst, dafs die Curve 
Ip 


zwischen den angegebenen Grenzen keinen Wendepunkt hat, 
sondern der Abseisse stets ihre Concavität zukehrt. Aus dem 


U 
Werthe von z folgt ferner, dafs die Curve bei x = 0 aus der 
| E 


Abscissenaxe herabsteigt unter einem Winkel, dessen Tangente 


et 
den absoluten Werth z hat. Sie hat dann für = -&VD 


oder &—=-£ ein Maximum im’absoluten Betrage von —&, und 


a|w 
a|o 


die Curve mit E ändert. 


Nachtrag. 825 


kehrt bei £ zur Abseissenaxe zurück mit darauf senkrechter 
Tangente; denn für t = 0 ist 


dx! 
— oo EN 
dz 
Unter denselben Annahmen, wie den bei Fig. 1 gemachten, sieht 


daher unsere Curve etwa aus, wie die ausgezogene Curve 0m& 
in Fig. 3, in welcher die Geschwindigkeiten, obschon analy- 


tisch negativ, der Anschaulichkeit halber über der Absceissenaxe 


aufgetragen, und 08, &#, die Tangenten an den letzten Ele- 
menten der Curve bei 0 und £ sind. Da wir in der Figur 
: = 1 gemacht haben, ist der Winkel do£ = 45°. 


% 
x 
U 


Dies ist der allgemeine Verlauf der Curve für jeden Werth 
von £. Es erübrigt sich ein Bild davon zu machen, wie sich 


Sowohl die Ordinaten als die Ab- 
scissen der Curve sind für ein gegebenes t# proportional £ 


(s. oben S. 813); die den verschiedenen Werthen des Parame- 
ters £ entsprechenden Curven sind also einander ähnlich. 


Da die Curven vom Nullpunkte sämmtlich unter dem Winkel 


824 Nachtrag. 


ausstrahlen, dessen Tangente = ist, während der £-Punkt auf 


5 
der Abscissenaxe weiter hinaus verlegt wird, so bilden die 
durch Vergröfserung von £ aus 0m£ entstehenden Curven eine 
Schaar, wie Fig. 3 in den punktirten Curven 0m1&1, Oma&5, ... 
zeigt. Yalst man einen Punkt einer der Curven in’s Auge, so 
rückt in dem Mafse, wie £ wächst, der Punkt auf der durch 
ihn und den Nullpunkt gelegten Geraden 
et 


PT zer ini oe 


weiter fort; denn alsdann wachsen Ordinaten und Abseissen 
des Punktes proportional £ Z.B. das Maximum unserer Curve 


i 1 
x'=d(x,£) bewegt sich wegen t= n (XVI) auf der Geraden 


n 1 
a ah 
9) 


27 


(s. Omm, my; m, in der Figur); der dem Wendepunkte der Curve 
x = f(t,E) (s. oben $S. 821) entsprechende Punkt wegen t = a 

e € 
(XVII) auf der Geraden 


: 2 
=——:% 

3 
u.s. w.; endlich der dem Nullpunkte nächste Punkt wegen 
t—= auf der Geraden 


(s. 09 in der Figur). 

Macht man zuletzt Z unendlich, und soll Gleichung (XIV) 
für ein endliches x erfüllt sein, so muls auch ? unendlich sein. 
Erst nach unendlicher Zeit trifft der aus dem Unendlichen fal- 
lende Magnet im Endlichen ein, wobei seine Geschwindigkeit 
für endliche Zeit unendlich ist. Im Endlichen aber besteht, wie 

wir eben sahen, wegen {= ® in Gleichung (XXIX), zwischen 
seiner Geschwindigkeit und Ablenkung in jedem Augenblicke 
die Relation 


Die durch diese Gleichung dargestellte Gerade 0% in der 
Figur ist somit die Grenze, der sich im Endlichen 


Nachtrag. 825 


unsere Öurven nähern, wenn Zin’s Unendliche wächst; . 
was schon aus ihrer Ähnlichkeit ohne Weiteres erhellt, übrigens 
sich den Gleichungen (XIV) und (XV) auch unmittelbar ent- 
nehmen läfst. Der durch Division beider Gleichungen erhal- 
tene Werth von t in (XIV) eingesetzt giebt 


a) 
SE — (2-88) e 2’ +Ex; 

eine Relation, die für E= ®» nur stattfindet, wenn «’ = — ew 
ist. | 

Damit sind wir am Ziele. In jeder für uns in Betracht 
kommenden Entfernung vom Nullpunkte können wir die Ge- 
rade 09 für die Curve selber nehmen, in der die Geschwin- 
digkeit des aus verhältnilsmäfsig sehr grolser Ferne fallenden 
Magnetes abnehmen würde; diese Abnahme geschähe den Ab- 
lenkungen proportional. Die Ordinaten der Geraden 09 geben 
folglich für jedes x die gröfste Fallgeschwindigkeit an, welche 
der Magnet dort erlangen könnte, und mit der er also noch 
nicht den Nullpunkt überschreiten würde. Setzen wir = £, 
so folgt — :£ als gröfste bei £ erreichbare Fallgeschwindig- 


keit. Es mufs also im Fall <= n dem Magnete bei £, da- 
mit der Nullpunkt überschritten werde, eine Anfangsgeschwin- 
digkeit c> 2 (XXV) ertheilt werden; und so hat in diesem 
Fall unsere Vermuthung sich bestätigt. 

Setzt man wie in Fig.2c=2:2=4, so zeigt die Ourve 
(22£, + £',0) in Fig. 3, wie etwa die Curve der Geschwin- 
digkeiten bezogen auf die Ablenkungen sich gestaltet, wenn 
der Magnet in Folge einer ihm bei Z ertheilten Anfangsge- 
schwindigkeit den Nullpunkt überschreitet. Das Stück (—£', 0) 
der Curve ist natürlich nach demselben Gesetze gebildet wie die 
Curven 0m&,0m,&,,..., und das verkleinerte Gegenstück dazu. 

Die Gleichung F 


ae (ce — ed)) 


[CXXITI) S. 817], welche im Fall z= n die Bewegung des 
Magnetes mit der Anfangsgeschwindigkeit — c vorstellt, geht 


für c = _c über in 


[XXVI) S. 820]. Anstatt als Anfangsgeschwindigkeit, können 


826 Nachtrag. 


wir uns c=s£ jetzt aber auch als Fallgeschwindigkeit, durch 
Fallen aus dem Unendlichen entstanden, denken, indem wir 
annehmen, dafs die Zeit von dem Augenblick an, wo der aus 
dem Unendlichen fallende Magnet durch die Lage £ hindurch- 
ging, neu gezählt werde. Der aus dem Unendlichen nach un- 
endlicher Zeit im Endlichen angelangte Magnet würde den 
Nullpunkt also erst nach abermals unendlicher Zeit erreichen. 
Übrigens stöfst hier die Umkehrung der Gleichung zwischen 
x und t auf keine Schwierigkeit mehr, daher in diesem Falle 
die Gleichung «’ = »p(x,&) selber darstellbar wird. Man hat 


ZI ZEce et, 


und indem man für e”°! seinen Werth aus (XXVII) setzt, er- 
hält man dem Obigen entsprechend 
Er Ent, 

wie umgekehrt Gleichung (XXVII) aus der Integration des letz- 
teren Ausdruckes hervorgeht, wenn man zur Oonstantenbestim- 
mung. — &fürt —i0: Setzt: 

Wendet man dieselben Betrachtungen auf den Falle>n 
an, so findet man 

GR. NET 


Zu! r) 


d&z et 


d’.x' il Ir 3 
da? Emmi slide, et 


Die Curve = (x,£) ist also auch in diesem Fall ohne Wende- 
punkt, concav gegen die Abscissenaxe, mit einem Maximum für 
den oben (XIII) gefundenen Werth von t; die Tangente des Win- 
kels am Nullpunkte beträgt <— r; am &-Punkte ist der Win- 


kel ein rechter. Die Curven für verschiedene E sind einander 


ähnlich. Für E=  muls auch hier {= sein, wenn & end- 
lich sein soll; als diesem Fall entsprechende Grenzgestalt der 


- Curvenschaar erhält man aber hier die Gerade 

a = — (e—r)a; 
(e—r)E ist die bei & erreichbare Grenzgeschwindigkeit. Auch 
hier folgt dasselbe unmittelbar aus dem durch Eliminiren von 
t zwischen (VII) und (XII) erhaltenen Ausdruck 


Nachtrag. 827 


dessen rechte Seite für & = — (e— r)x unendlich wird. 

Als obere Grenze der Anfangsgeschwindigkeit, welche dem 
Magnete bei & ertheilt, ihn für 2> n noch nicht über den Null- 
punkt führt, fanden wir oben S. 819 (XXIV) den Werth (e-+r)£. 
In diesem Falle trifft also unsere Vermuthung hinsichtlich der 
Bedeutung dieser Grenze in etwas anderer Form zu, als in dem 
Fall=—=n. Es mufs die dem Magnete bei £ ertheilte Anfangs- 
geschwindigkeit die bei £ erreichbare höchste Fallgeschwindig- 
keit, unstreitig der stärkeren Dämpfung halber, noch um mehr 
als 2r& übertreffen, damit der Nullpunkt überschritten werde. 

Eliminirt man mit Hülfe von Gleichung (XXVI]I) { in der 
durch Differenziren derselben Gleichung erhaltenen Gleichung 

a = — E(e+nNettnt, 
so ergiebt sich 
«= —(e+r)a 
als Gleichung der auf die Scale aufgetragenen Anfangsgeschwin- 
digkeiten, welche den Magnet noch nicht über den Nullpunkt 
führen. Als Gleichung der ebenso aufgetragenen Grenzge- 
schwindigkeiten beim Fall aus dem Unendlichen fanden wir 


so eben 


"= —(e—r)e. 


Die Integration dieser Gleichung liefert, wenn man für t—= 0 


abermals x = E macht, zwischen x und i die Relation 


D — RT 
Für r=s hat man "= 2: (£—x)—c. Eırhielte der 


völlig astatische Magnet bei & die Geschwindigkeit — 22£, so. 
nähme diese in der Geraden «’ = — 2ex ab (s. S.8314(XX), 820). 


$. VII. Verhalten aperiodisch sich bewegender Mag- 
nete bei kurzer Einwirkung eines Stromes. 
Setzen wir jetzt den Fall, zur Zeit Null wirke ein con- 

stanter Strom von der Stärke 7 eine sehr kurze Zeit + auf 


828 Nachtrag. 


den in seiner Ruhelage befindlichen Magnet. Der Strom wird 
dem Magnet eine, diesmal positive Geschwindigkeit 
Be ulz 


e= 


7 ea 


ertheilen, wenn wir mit M sein TTrägheitsmoment, mit u» das 
Drehungsmoment bezeichnen, welches der Strom von der Stärke 
Eins in dem Multiplicatordraht auf den Magnet in seiner Ruhe- 
lage übt. Die Constanten A und B in der allgemeinen Glei- 
chung (VI) findet man, wenn man für {= r (sehr nahe) = 0, 


= — 0 und = = c setzt, beziehlich (sehr nahe) 


C C 
== — — und En ee 
27 2r 


und man erhält als Gleichung der Bewegung 


C 
a ER UI Noel 
2 — —_ (e € ) 


.IRRRE 


Der Magnet kehrt also um zur Zeit . 


ii e-+r 
t — — Jo 


Max. 7 ar 


Se 


und nähert sich wieder asymptotisch der Ruhelage. Einfacher 
gestalten sich ‚auch hier die Dinge für den Grenzfall e=n. 
In der allgemeinen Gleichung (V) wird unter den eben ge- 
machten Voraussetzungen A=0 und B=c, die Gleichung sel- 
ber wird 

w—tie 2. 0120 RR SR 
Die Curve der Ablenkungen ist am Ursprunge concav gegen 
die Abseissenaxe, ihre Ordinate erreicht bei 


Ir 


t 


na = (XXX) 
ein Maximum im Betrage von 


RB 0e  ., 


dem bei 


Nachtrag. 829 


ein Wendepunkt folgt. Der Ausdruck für .t,,.. erlaubt durch 

einen beliebigen dem Magnet ertheilten Stromstols = = n nume- 
risch zu bestimmen. Die Curve der Geschwindigkeiten hebt bei 
— 0 mit der Ordinate c an, und ist convex gegen die Abseis- 

senaxe, bis sie diese bei £,,.„. Schneidet. Sie erreicht zur Zeit 

t, ein negatives Maximum und hat einen Wendepunkt bei 

s o 


) = 
Le 


In 


Die oben S. 818 bemerkte arithmetische Reihe der Zeiten kehrt 
also hier wieder.') 


$. VIII. Verhalten aperiodisch sich bewegender Mag- 
nete bei Ablenkung durch einen beständigen Strom, 
und bei Stromschwankungen. 


Bewegt sich der Magnet unter dem Einflufs eines ihn auf 
dem Nullpunkte zur Zeit Null treffenden beständigen Stromes 
von der Stärke /J, aber von längerer Dauer, einer neuen Gleich- 
gewichtslage unter dem vereinten Einflusse dieses Stromes und 
der Richtkraft zu, so wird die Differentialgleichung der Bewegung 

d’a dı r 
Tone be. 
wo die Constante k die innerhalb derselben Grenzen, welche 
für die Proportionalität der Richtkraft und der Ablenkung gel- 
ten, von der letzteren unabhängige ablenkende Kraft, dividirt 
durch das Trägheitsmoment, vorstellt. Das allgemeine voll- 
ständige Integral heifst jetzt 


A 


4 


2 
Rn 


0 (Acta Bet)... 2 ARX 
!) Für den Fall e<n hat Hr. W. Weber die Formel entwickelt 
F 


T 


2 arct 2 
’ — Te EN ig 
Unax 7 € er 2 A 


wo 7 die Schwingungsdauer ohne Dämpfung, X das logarithmische De- 
crement bedeuten (Elektrodynamische Mafsbestimmungen n.s. w. Leipzig 
1850. S. 346. Anm.), Diese Formel ist für e = n identisch mit unserer 
Formel (XXXIV). 


830 Nachtrag. 
N | dx 
Indem man, für =0,2r=0 und Zen 0 Setzt, erhält man 
a ee 
n” 97 n” 27 


Bezeichnet man mit H die horizontale Componente der Erd- 
kraft, mit m das magnetische Moment des Magnetes für parallele 
Kräfte, und bemerkt man, dafs 


5 mH 
Er er dari (XXXV) 
so findet man 
C MI 5 
n? mH 


Durch Einsetzen der Werthe für A, B und & in (XXXV) wird 
n 


Be MI 
""mH 


: <= = (e-+ net (er) ey, (XXXVII) 


Die Bewegung erfolgt also, wie zu erwarten, nach demselben 
Gesetze wie beim Fallenlassen des Magnetes, nur dafs an die 
Stelle von £ der Nullpunkt, an die des Nullpunktes die be- 


Tas 
ständige Ablenkung - jr tritt, welche, ohne überschritten zu 


werden, schwingungslos und in der Theorie erst nach unend- 
licher Zeit erreicht wird. Ä 
Für ==n kommt in Gleichung statt des von 
ı abzuziehenden Termen 
Er) 
zu stehen. | 


$. IX. Sonstige Combinationen von Lage und Ge- 
schwindigkeit des Magnetes und von ihn treffenden 
Kräften. 


Trifft ein positiver Stromstols den Magnet im Augenblicke 
des Fallenlassens, so gelten die Formeln (XXII) und (XXIII), 
nur dafs c sein Zeichen ändert. Der Magnet schlägt weiter 
aus, kehrt um und nähert sich asymptotisch denı Nullpunkte. 
Wird der im Fallen begriffene Magnet bei x, zur Zeit t, 
von einem Stofse getroffen, der ihm eine Geschwindigkeit = € 


Nachtrag. 831 


ertheilt, so tritt eine Discontinuität der Bewegung ein. Je 
nachdem = > oder = n, gelangt man zu den Gleichungen 


u n ((e br r) Bar r) (ı + Kr. (e en r) al 


N ne ORRIEN) 
27 
ee re td FEetet . . (XRXDO 


Hier ist t die vom Augenblicke des.Stofses an neu gezählte Zeit. 
Das rechte Glied von Gleichung (XXXVIII) und (XXXIX) ist 
die algebraische Summe der rechten Glieder beziehlich von 
Gleichung (VII) und (XXXI), Gleichung (XIV) und (XXXII), 
nur dafs im ersten Term t, + t für t steht: es findet, wie dies 
nicht anders sein kann, Superposition der Bewegungen statt. 

Ist c negativ, so kann hier wieder der Nullpunkt über- 
schritten werden; doch mufls im Falle (XXXVIII) 


> lehnen, 
im Falle (XXXIX) 
En EX 
dt ; 


sein (vgl. oben $. VI). 

Schwankt ein beständiger Strom, der den Magnet abgelenkt 
hält, so dafs seine Stärke von / sich plötzlich zu 7, ändert, 
so erhält man, je nachdem e> oder =n, die Gleichungen 


7 


ei 
Tr + (I — ee re l 


14 


mH 


we ra nera-+a); 
der Magnet geht schwingungslos in die neue Lage über. 

Ein Hin- und Hergang des aperiodischen Magnetes ist nur 
möglich, wie man jetzt auch ohne Rechnung sicher schliefsen 
kann, wenn die Gleichgewichtslage selber bei positiver Schwan- 
kung der Stromstärke wieder zurück-, bei negativer Schwankung 
wieder vorspringt, und wenn entweder dieser zweite Sprung 
die Gleichgewichtslage wieder auf die andere Seite des Magnetes 

[1869.] 59 


832 Nachtrag. 


verlegt, oder der zweite Sprung zu einer Zeit geschieht, wo in 
Folge des ersten Sprunges der Magnet noch eine dem zweiten 
Sprunge entgegengesetzte Geschwindigkeit hat; im letzteren 
Falle darf aber, soll die neue Gleichgewichtslage überschritten 
werden, diese Gleichgewichtslage höchstens in solcher Entfer- 
nung £, vor dem ihr entgegenkommenden Magnete stehen blei- 
ben, dafs seine Geschwindigkeit, je nachdem => oder =n, 
beziehlich noch > (e+r) £E, oder >s£, ist (vgl. oben $. VI). 


$.X. Nähere Bestimmung der experimentellen Be- 
dingungen, unter denen die Bewegung gedämpfter 
Magnete aperiodisch wird. 


Es wird jetzt nützlich sein, in den Ausdruck 
r— (rn 


statt der von Gauss aus analytischen Gründen angenomme- 
nen und bisher auch von uns benutzten Symbole 2: und n? die 
wirklichen Gröfsen zu setzen, die darin eingehen. Für n? 


haben wir schon oben seinen Werth u eingeführt (XXXVI]I), 


den wir aber noch näher so bestimmen wollen, dafs wir für m 
schreiben (: ++,A)m', wo ı die permanente, + die durch 7 
indueirte'!) Intensität des Magnetes, m’ sein Moment für parallele 
Kräfte bei der Intensität Eins bedeuten. Man hat also 


RR 
N W . 


Bezeichnen wir sodann mit m’ das Drehungsmoment, wel- 
ches für die magnetische Intensität Eins auf den Magnet aus- 
geübt wird durch eine Strömung im Dämpfer, wie sie der 
Magnet bei seiner Winkelbewegung erzeugt, und mit = eine 
Constante, welche unter anderen die Inductionsconstante und das 
Leitvermögen des Dämpfers zu Factoren hat, so ist | 


1!) Lamont im Repertorium der Physik. Berlin 1846. Bd. VI. 
S.LIV. — Vergl. meine Untersuchung über den Einflufs, den die tem- 
poräre Magnetisirung der einzelnen Nadeln einer astatischen Doppelnadel 
durch die Erde auf die Gleichgewichtslage des Systemes übt. Poggen- | 
dorff’s Annalen u.s.w. 1861. Bd. CXL. S.1. 


| 
| 


Nachtrag. 833 


23 zw ?’( +,H)’ 
a A a 
M 


Durch Einsetzen dieser Werthe wird 


= = + yH V+’w*(. ++,H)’— 4m HM »- 

Bei gleicher Dämpfung wird also r um so eher = 0 
oder reell, d.h. die Bewegung des Magnetes um so eher ape- 
riodisch, je kleiner M, und je kleiner 7. Zwar nimmt, durch 
Verkleinern von 7, auch der erste Term unter dem Wurzel- 
zeichen ab, doch ist z so klein, dafs diese Abnahme neben der 
des zweiten Termen hier nicht in Betracht kommt. 

Da es Gauss bei seinen Zwecken, wie wir sahen (vergl. 
oben S. 808), nicht daran lag, den aperiodischen Zustand her- 
beizuführen, so hat er nicht daran gedacht, statt durch Ver- 
gröfsern von zw’, dies durch Verkleinern von ZM zu thun, 
wozu sich zunächst das einfache Mittel bietet, die Wirkung der 
Erdkraft auf den Magnet zu schwächen, und so Z zu vermin- 
dern. Dazu wird im Prineip jede der drei Methoden des Asta- 
sirens taugen: die Verbindung zweier Magnete zur Doppelnadel, 
die Aufstellung der Drehungsaxe des Magnetes in der Richtung 
der Inelinationsnadel, endlich das Hauy’sche Verfahren, bei 
dem ein verkehrt genäherter Magnetstab der Erde entgegenwirkt, 
aus einleuchtenden Gründen jedoch am besten die letztere Me- 
thode, deren ich mich zu meinen thierisch-elektrischen Versuchen 
längst ausschliefslich bediene. Bei dieser wird, wenn $ die hori- 
zontale Componente der Kraft des Hauy’schen Stabes bezeichnet, 

m? + y(H —S)? 
eur on ae ee (X) 


1 Vo afor 
OR a Bu S) Vr’w® .+r(H—S)} ® — 4m’(H—S)M. 


| An der Wiedemann’schen Buüssole, welche mit einem 
| ‚starken Dämpfer versehen ist!), gelingt es daher ohne jede 


!) In den von Hrn. Sauerwald vortrefflich gebauten Exemplaren 
besteht der Dämpfer aus einem kupfernen Cylinder von 60mm Durch- 
messer und 30mm Länge Dieser Cylinder ist seiner Axe nach von 


59° 


834 Nachtrag. 


Schwierigkeit, durch fortgesetzte Annäherung des von mir daran 
angebrachten Hauy’schen Stabes den Magnetspiegel in den 
aperiodischen Zustand zu versetzen. Um bequem darüber zu 
experimentiren, leitet man von dem Strom einer beständigen 
Kette mittels des Compensators ') einen Zweig durch die Rol- 
len der Bussole und unterbricht den Stromzweig mittels eines 
Schlüssels im Bussolkreise. Indem man den Magnet stets aus 
der nämlichen Ablenkung ohne Anfangsgeschwindigkeit fallen 
läfst, sieht man zuerst in dem Malse, wie man den Hauy’schen 
Stab nähert, das logarithmische Decrement wachsen. Dann kommt 
ein Punkt, wo zwar der Magnet noch über den Nullpunkt hinaus- 
schwingt, aber keine dritte Elongation mehr unterschieden wer- 
den kann. Die zweite Elongation wird endlich auch unmerk- 
lich, und nun ist das logarithmische Decrement unendlich 
geworden, und der aperiodische Zustand da. Dieser Punkt 
läfst sich natürlich nicht mit vollkommener Schärfe bestimmen, 
wegen der Schwierigkeit zu unterscheiden, ob eine rückgängige 
Bewegung des Magnetes um wenige Zehntel eines Scalentheiles, 
welche mehrere Secunden dauert, wirklich als Rückkehr zur 
Gleichgewichtslage aufzufassen sei. Übrigens handelt es sieh 
hier zuletzt um ziemlich kleine Verschiebungen des Hauy’- 
schen Stabes. Scheint der aperiodische Zustand eben erreicht 
und entfernt man den Stab wieder auch nur um 1”” bei 
etwa 300”m Abstand seiner Mitte von der des Spiegels, 
so wird bei gröfseren Fallhöhen der Nullpunkt sogleich wie- 
der um 1— 2° überschritten. Es wird sich daher fortan em- 
pfehlen, den Stab auch in der Richtung nach dem Magnete zu 
mit einer mikrometrischen Bewegung zu versehen. 

Läfst man jetzt den Magnet aus sehr hohen Ablenkungen, 
weit über die Grenzen der Theilung hinaus, fallen, so wird 


einer concentrischen, cylindrischen Höhlung von solcher Weite durchbohrt, 
dafs der 20mm jm Durchmesser haltende Magnet-Spiegel oder -Ring 
darin eben frei spielt. Vergl. übrigens Wiedemann, Die Lehre vom 
Galvanismus u.s.w. Braunschweig 1863. Bd. II. S. 198. 8.181. 

1) S. meine: Beschreibung einiger Vorrichtungen und Versuchsweisen 
u.s.w. Aus den Abhandlungen der Akademie 1862. Berlin 1863. 4°. 
110% 


Nachtrag. 835 


der Nullpunkt noch mehr oder weniger überschritten. Man 
bringt es aber, durch ferneres Annähern des Stabes, leicht 
dahin, dafs auch der von 90° fallende Spiegel sich schwin- 
gungslos auf den Nullpunkt einstellt. Jenes Überschreiten 
erklärt sich vermuthlich so, dafs bei weit über die Scale 
hinausgehenden Ablenkungen zwar die Richtkraft langsamer 
wächst als die Bögen, noch schneller aber die Dämpfung durch 
die cylindrische Kupferhülse abnimmt, daher der Magnet bei 
dem £, wo unsere Gesetze merklich zu gelten anfangen, mit 
einer Geschwindigkeit anlangt, die ihn befähigt, den Nullpunkt 
zu überschreiten, so lange nicht r einen gewissen Werth über- 
trifft (vergl. oben $. VD. Bei einer sphärischen Hülse würde 
aller Wahrscheinlichkeit nach kein solehes Überschreiten statt- 
finden. 

Nähert man den Stab dem Magnet immer mehr, so schlägt 
der Magnet um. Vorher kommt natürlich der Punkt, wo er 
völlig astatisch, n= 0 und r =: ist, wo er also durch den 
oben 8.814 theoretisch abgeleiteten Zustand hindurchgeht, in 
welchem er sich gleich einem Körper bewegt, dem das um- 
gebende Mittel einen seiner Geschwindigkeit proportionalen 
Widerstand entgegensetzt. Aus Gründen, die keiner Ausführung 
bedürfen, vermag die Beobachtung diesen Zustand nicht zu er- 
fassen. Darüber hinaus gehorcht die Bewegung wieder dem 
durch Gleichung (VII) ausgesprochenen Gesetze, um schliefslich 
durch den Grenzfall (XIV) hindurch von Neuem periodisch zu 
werden. 

Wir werden im Folgenden den Begriff der Beruhigungs- 
zeit des Magnetes brauchen. Es ist die Zeit, welche verfliefst 
vom Augenblicke, wo der abgelenkte Magnet fallen gelassen wird, 
bis zu dem, wo seine Ablenkung unmerklich, d.h. kleiner als 
eine bestimmte kleine Gröfse, etwa ein Zehntel Scalentheil, 
wird. Die Umstände zu kennen, welche diese Zeit verkleinern, 
ist von praktischer Wichtigkeit. Zu wahrhaft scharfer Mes- 
sung eignet sich übrigens die Beruhigungszeit nicht; nament- 
lich bei hoher Astasie ist schwer zu sagen, wann die Bewe- 
gung ein Ende hat. Da bei gleichem £ die Ablenkung des 
schwingungslos zum Nullpunkte zurückkehrenden Magnetes & 
proportional ist (s. oben S. 812.813), so wächst auch die Be- 


z 


836 Nachtrag. 


ruhigungszeit mit &£ Der unten näher zu beschreibende Mag- 
netspiegel I z. B. brauchte bei 298"M5 Abstand des Hauy’schen 
Stabes, wo seine Bewegung zuerst aperiodisch schien, von 
E = 25“ fallend 4,2, von & = 500° fallend 5,2 Secunden zur 
Beruhigung. Deutlicher wird der Unterschied bei höherer Asta- 
sie, wie sie durch Annähern des Stabes erreicht wird, und wo- 
bei, wie wir bald näher sehen werden, die Beruhigungszeit auch 
absolut gröfser ist. Bei 282"m5; 2772m5 Abstand des Stabes 
betrug die Beruhigungszeit des von £ = 25° fallenden Spie- 
gels beziehlich 10,0; 20,0, die des von E = 500° fallenden 
17,6; 29,6 Secunden. 

Wir kehren zu den Bedingungen zurück, unter welchen 


die Bewegung gedämpfter Magnete aperiodisch wird. Eine 


zweite Art, unter übrigens gleichen Umständen r = 0 oder reell 
zu machen, wäre nämlich die Verkleinerung des Trägheits- 
momentes M. Es liegt in der Natur der Dinge, dafs man, 
ohne besondere Einrichtungen, diese nicht stetig und nicht 
am sonst fertigen Apparate vornehmen kann. Aber je klei- 
ner M, je dünner z. B. bei sonst gleicher Gestalt ein Mag- 
netspiegel ist, bei um so kleinerem S, d.h. bei um so ge- 


ringerer Astasie wird seine Bewegung aperiodisch. Dies ist 


einer der Gründe, aus denen weder Gauss, noch sonst Einem 
der vielen Beobachter, die an gedämpften Magneten mit Spie- 
gelablesung thätig waren, der aperiodische Zustand aufge- 
stolsen ist, da an den nach Göttinger Vorschrift eingerichteten 
Magnetometern Stäbe von sehr grofsem Trägheitsmomente an- 
gewendet wurden, und man überhaupt Magnete von kleiner 
Masse wenig gebraucht hat, weil man die schnellere Abnahme 
ihrer Intensität fürchtete. Der Gebrauch leichterer Magnete 
empfiehlt sich aber für gewöhnlich hier deshalb, weil, ganz als 
ob der Magnet noch schwänge, durch Verkleinerung des Träg- 
heitsmomentes die Beruhigungszeit des aperiodisch sich bewegen- 
. den Magnetes verkürzt wird. Setzt man in Gleichung (XIV) 
[04 


os 


eo 


c 


wo « eine Constante, und differenzirt man nach M, 


so erhält man für —— einen positiven Werth: » ist für gleiche 


dM 


Zeiten um so kleiner, je kleiner M. 


Nachtrag. 837 


Die Erfahrung bestätigt diesen Schlufs. Ich habe den 
aperiodischen Zustand bisher an drei Magneten beobachtet. 
Zwei davon sind kreisrunde Stahlspiegel von 20%" Durchmes- 
ser, deren einer, der schon erwähnte Spiegel I, nur etwa 0W8, 
der andere, III, etwa 4”®% dick ist; I wiegt 25414, III 10%°994. 
Der dritte Magnet, I, ist ein kreisrunder Stahlring von gleich- 
falls 20” äulserem Durchmesser, der gleichsam aus einem qua- 
dratischen Prisma von 2”” Seite gebogen ist. Ein Schildpatt- 
stäbehen verbindet ihn mit einem dünnen Glasspiegel, dessen 
dünne Messingfassung sich um die Senkrechte drehen läfst. Das 
ganze System wiegt 2%917; sein Trägheitsmoment hält noth- 
wendig die Mitte zwischen dem von I und III. Zwar gehört 
der Ringmagnet zu einer anderen Bussole als die beiden Mag- 
netspiegel, da aber die Dämpfer beider Bussolen. wesentlich 
gleich sind, lassen die Beobachtungen in beiden sich wohl ver- 
gleichen. In der folgenden Tabelle ist 7 = ?.m das logarithmische - 
Decrement in Briggs’schen Logarithmen, deren Modul m; Z, 
und &,, sind in Secunden die Beruhigungszeiten der Magnete 
beziehlich ohne Hauy’schen Stab und mit Stab; 4’ ist in 
Millimetern die Entfernung des Stabes, bei der die Bewegung 
aperiodisch wurde: bei dieser Bestimmung wurde in beiden 
Bussolen derselbe Stab angewendet. 


5 —=.450°%, 
Magnet Ohne Stab Mit „Stab, a.=ın A, 8-8, 
SER Fe 
I 72.408.858 oo ee 
u 0,45 11,2 & 8,8 280,5 2,4 
III 0:38 929,1 oo PASTE TIAEE 


Das logarithmische Decrement des Magnetes I ist das 
gröfste, welches meines Wissens bisher beobachtet wurde. Wie 
man sieht, wächst auch an der Grenze der periodischen und der 
aperiodischen Bewegung die Beruhigungszeit der Magnete schnell 
mit ihrem Trägheitsmoment, und in einem umgekehrten Verhält- 
nils zu diesem steht die Entfernung, bis zu welcher der Hauy’- 
sche Stab genähert werden muls,. um die Schwingungslosigkeit 
herbeizuführen. 


838 Nachtrag. 


$. XI. Die Beruhigungszeit des gedämpften 
Magnetes in ihrer Abhängigkeit von dessen ver- 
schiedenen, im Vorigen betrachteten Zuständen. 


Über den Einflufs der Dämpfung auf die Beruhigungszeit 
des Magnetes lernten wir schon eine Andeutung von Gauss 
kennen. Er sagt (s. oben S. 808), dafs „die Annäherung an 
„den Ruhestand wieder langsamer geschieht, sobald z den Grenz- 
„werth n überschreitet.“ Setzt man in Gleichung (IX) oder (X) 
t—= NT,, wo N die Zahl der Schwingungen, 7, die Schwin- 
gungsdauer des gedämpften Magnetes bedeuten, so ist 


ei ee 
Imax 7 Ge 2 


der Ausdruck für die mit wachsendem N abnehmenden Ampli- 
7 


Vn’— :? 
XXI, S. 816], und wächst mit «. Denkt man sich zwei 
solche Werthe von N und von s, dals NT, = N’T,, so wird 
die kleinere Amplitude zum gröfseren e und kleineren N gehö- 
. ren: die Beruhigungszeit des noch schwingenden Magnetes nimmt 
mit wachsendem ze ab. Differenzirt man ferner Gleichung (VII) 


tuden des von &£ fallenden Magnetes.. 7, ist — 


dx SSR. 
nach &, so findet man Te positiv für jeden Werth von t>0: 


die Beruhigungszeit des schwingungslosen Magnetes nimmt also 
mit wachsendem e zu; und somit ist die Gauss’sche Bemer- 
kung erwiesen. , 

Diese Bemerkung pafst jedoch nicht auf unseren Fall. 
Denn während Gauss nur an ein Wachsen von e durch Ver- 
grölserung der dämpfenden Metallmenge dachte, verkleinern wir 
n, zugleich aber in geringerem Mafse e, ohne das Verhältnifs 
zu kennen, in welchem letzteres geschieht. Betrachten wir zu- 
nächst den aperiodischen Zustand, und berücksichtigen wir allein 
die durch Verkleinern von n bewirkte Vergröfserung von r,: in- 
‘ dem wir Gleichung (VII) nach r differenziren, so ergiebt sich 


= für jeden Werth von 2>0 als positiv. Von dem Grenz- 


falle r = 0 an also bis zur=e wächst x für ein gegebe- 
nes t, oder es findet die Annäherung an die Ruhelage um so 
langsamer statt, je kleiner n, bis endlich der völlig astatische 


Nachtrag. 839 


Magnet überall stehen bleibt (vergl. oben S. 814). Berück- 
sichtigen wir nun auch die Verkleinerung von s, so wird zwar 
durch diese den Einflufs des Wachsens von .r insofern etwas 
vermindert, als r selber dadurch langsamer wächst. Setzen wir 
aber * constant, und differenziren (VII) nach z, so ergiebt sich 
- diesmal als negativ für jeden Werth von 2>0. Die mit 
der Verkleinerung von n verbundene Verkleinerung von e, so- 
weit es nicht unter dem Wurzelzeichen steht, wirkt also mit 
jener in gleichem Sinne, d.h. vergröfsernd auf x, und demge- 
mäfs lehrt die Erfahrung, -dafs mit abnehmender Entfernung A 
des Hauy’schen Stabes die Beruhigungszeit schnell‘ zunimmt. 
So war z.B. bei Magnet I für Z = 450° und 


m 0er 


kun, d. —=.293,5% eye ;0 
le Ah Au 1280 
ee he 
EEE RE N 


33 3 


nn 2785 nn 40,05 
bei weiterer Annäherung wurde der Magriet unstet und schlug 
um. Bei Magnet III war 
urn, AN=77, 00 EHTT,5 
funnl)=t272,08 EN 4050 

Darüber hinaus war keine Messung mehr ausführbar. Diese 
Zahlen zeigen auf’s Neue, wie der leichte Spiegel schon bei 
geringer Astasie aperiodisch wird, während beide Spiegel bei 
ungefähr derselben Nähe des Stabes aufhören brauchbar zu 
sein; woraus sich für den leichten Spiegel ein ungleich gröfse- 
rer benutzbarer Spielraum aperiodischer Astasie ergiebt als für 
den schweren. 

Ist die Bewegung Soc periodisch, so kann man dieselbe 
Betrachtung anstellen, wie oben. Die abnehmenden Amplituden 


haben wieder zum Ausdruck 
eNr 
—eNT 
2 —= £e ı— ee 
5 & Vn2-e2 er 


allein der Exponent verändert sich jetzt so, dafs n kleiner 
wird, während auch , nur in viel geringerem Mafse, abnimmt. 
Denkt man sich wieder zwei solche Werthe von N, und von n 


840 Nachtrag. 


und e, dafs NT, = NT! ‚ so wird diesmal die kleinere Am- 
plitude dem gröfseren N entsprechen. Annäherung des Stabes 
mülste zur Folge haben, dafs der Magnet langsamer schwänge, 
und dafs zugleich seine Amplituden etwas langsamer abnähmen: 
seine Berubigungszeit mülste durch den Einfluls des Stabes 
etwas grölser werden. 

So sicher dieser Schlufs erscheint, so straft ihn doch die 


Erfahrung Lügen. Die Spalte 2, — 23,, der Tabelle auf S. 837 - | 


zeigt, dafs vielmehr die Beruhigungszeit des eben schwingungs- 
los gewordenen Magnetes um keinen geringen Bruchtheil klei- 
ner ausfällt als die des nicht astasirten. Den Grund dieser 
Abweichung suche ich in dem Widerstand der Luft. Da die- 
ser mit der Geschwindigkeit wächst, so mufs die dadurch be- 
wirkte Verzögerung im Falle von Schwingungen grölser sein 
als bei schwingungsloser Rückkehr zum Nullpunkte, gleiche 
Beruhigungszeit in der Luftleere und gleiche Fallhöhe voraus- 
gesetzt. Man könnte einwenden, dafs dann der Unterschied 
2, — %, bei dem schweren Spiegel verhältnilsmäfsig kleiner 
sein mülste als bei dem leichten, wovon eher das Gegentheil 
zutrifft. Allein der Hauptsitz des Luftwiderstandes ist unstrei- 
tig der ringförmige Spalt zwischen Spiegelrand und Dämpfer, 
und dieser Spalt ist bei dem schweren, dicken Spiegel, wenn 
auch nicht überall gleich eng, fünfmal so lang als bei dem 
leichten, dünnen Spiegel. Trotz der gleichen Gröfse und Ge- 
stalt der Flächen beider Spiegel erfährt also der dickere einen 
srölseren Widerstand, und der Unterschied der Widerstände ist 
vermuthlich so grols, dafs er den Unterschied der Massen über- 
wiegt. Versuche zur Prüfung dieser Hypothese habe ich noch 
nicht angestellt. Wie dem auch sei, für den Gebrauch ergiebt sich, 
dafs der Zustand der eben eingetretenen Schwingungslosigkeit 
des Magnetes zugleich den Vortheil der kleinsten Beruhigungszeit 
gewährt, welche die angewandten Vorrichtungen gestatten. 


$. XII. Bestätigung der für den Fall einer Anfangs- 

geschwindigkeit theoretisch gefundenen Bewegungs- 
gesetze aperiodischer Magnete. 

Läfst man auf den aperiodisch sich bewegenden Magnet 

einen beständigen Strom von längerer Dauer wirken, der ihn 


Nachtrag. 841 


innerhalb der Grenzen der Theilung, d. h. bei 2300”"m Abstand 
der Scale vom Spiegel um etwa 7° ablenkt, so sieht man ihn 
in derselben Art, wie er beim Fallen sich auf den Nullpunkt 
begiebt, sich der neuen Gleichgewichtslage zu bewegen und 
schwingungslos dort einstellen. Doch ist zu bemerken, dafs 
wenn = nur eben = n und die Ablenkung sehr grofs ist, der 
Magnet sie um 2—3°° überschreitet, obschon er von ihr herab- 
fallend den Nullpunkt ohne Schwingung erreicht. Auch dies 
rührt wohl, wie das Überschreiten des Nullpunktes bei über- 
grolsen Fallhöhen (s. oben S. 835) von der Verminderung der 
Dämpfung mit steigender Ablenkung her.') 

Um die Anfangsgeschwindigkeit c sowohl wie die Ablen- 
kung E gehörig abstufen zu können, traf ich die in Fig. 4 
sichtbare Anordnung. Hier ist M der Magnetspiegel an seinem 
Faden und in seiner im Durchschnitt gezeichneten dämpfenden 
Kupferhülse DD’, HS der Durchschnitt des Hauy’schen Sta- 
bes, X die Grove’sche Kette, Sch ein Schlüssel, RA ein Rheo- 
chord, 7 die Haupt-, N die Nebenrolle eines Schlitteninducto- 
riums gröfserer Art, R, eine der Thermorollen, endlich R, eine 
der gewöhnlichen feinen Hydrorollen der Bussole. Die Theile 
der Anordnung, die eine merkliche Fernwirkung auf einander 
übten, sind durch punktirte gerade Linien verbunden. Die von 
Mitte zu Mitte gemessene Entfernung zwischen 7 und N nen- 
nen wir B. Bei geschlossenem Schlüssel Sch hält die Rolle 
R, den Magnet abgelenkt; durch Öffnen des Schlüssels läfst 


1) Da das Überschreiten der Ablenkung nieht mehr stattfindet, wenn 
e merklich > n, so wird es wenigstens sehr unwahrscheinlich, dafs die 
Erscheinung auf einer Unbeständigkeit der angewandten Grove’schen 
Kette beruht, woran man nach den Erfahrungen der HH. Edlund und 
Rijke (Poggendorff’s Annalen u.s.w. 1849. Bd. LXXVIL. S.182; — 
1857. Bd. CH. S. 508) über die gröfsere Stärke der Schliefsungs- im 
Vergleich zur Öffnungs-Induction auch bei den sogenannten beständigen 
Ketten deshalb hätte denken können, weil meine Hülfsmittel gestatten, 
durch die Ablenkung der Magnetnadel den Zustand der Kette nach der 
Schliefsung früher zu beobachten, als dies wohl je möglich war. Für 
diese Deutung liefse sich freilich noch immer sagen, dafs bei e>n die 
Zeit, innerhalb der die Beobachtung geschieht, vergröfsert wird (s. oben 
S. 839). 


842 Nachtrag. 


Fig. 4. 


EREUIBEERATSTIRRT: © 
©iBEEiGe 


3 
Rh 


‘ man den Magnet fallen, und ertheilt ihm zugleich eine An- 
fangsgeschwindigkeit im Sinne der Richtkraft durch den in 
N indueirten Nebenstrom, dem dazu die passende Richtung zu 
geben ist. Die Ablenkung sowohl wie der Stromstols läfst 
sich auf doppelte Art regeln, jene durch das Rheochord und 
durch Verschieben der Rolle R,, diese durch Verschieben der 


Nachtrag. 843 


Rollen N und R,;; abgesehen von dem Einlegen von Drähten 
in H, welches aus gleich zu erwähnenden Gründen zu vermei- 
den ist. So gelingt es leicht, eine hinlängliche Anfangsge- 
schwindigkeit zu erzeugen, damit auch bei e>n der Null- 
punkt überschritten werde; von der jenseitigen Ablenkung kehrt 
der Magnet schwingungslos zum Nullpunkte zurück. Aufserdem 
bietet die dargestellte Anordnung auch Gelegenheit, unsere For- 
meln etwas schärfer auf die Probe zu stellen. 

Dazu bringt man zuerst die Rolle R, in solche Lage, 
dafs der Magnet keine merkliche Wirkung mehr von ihr er- 
fährt, wie dies in der Figur durch die punktirte Leitung 
und Rolle Sch R, K angedeutet ist. Die Rolle Z hat gleich- 
falls, diese aber dauernd, solche Lage, dafs sie nicht merk- 
lich auf den Magnet wirkt. Zweitens entfernt man N von H 
so weit, dafs beim Schliefsen und Öffnen bei Sch der Spiegel un- 
bewegt bleibt. Jetzt bringt man R, wieder in solche Lage, 
und ertheilt dem Strom durch das Rheochord solche Stärke, 
dafs der Spiegel bis an die Grenzen der Scale abgelenkt wird. 
Indem man ihn aus stets gleicher Höhe durch Öffnen bei ‚Sch 
öfter fallen läfst, sucht man die Entfernung des Hauy’schen Sta- 
bes A’ auf, bei der die Bewegung des Magnetes eben aperiodisch, 
oder e=nist. Diese Entfernung muf[s nach Herstellung der 
beschriebenen Anordnung von Neuem bestimmt werden, auch 
wenn z schon früher =n gemacht worden war, weil zur Däm- 
pfung durch die Kupferhülse jetzt noch die durch die Rolle R, 
tritt, daher fortan die Rolle ?%, nicht mehr von der Stelle ge- 
rückt werden darf. Auch die Rolie R, erhält von hier ab, 
sofern sie nicht in die unwirksame Lage gebracht wird, eine 
unveränderliche Stellung, und die Veränderung der Ablenkung 
& wird allein mittels des Rheochords bewirkt. Dämpfung so- 
wohl als secundäre Induction im Hauptkreise sind zwar da- 
durch ausgeschlossen, dafs man, der Natur der Dinge nach, 
mit dem Öffnungsschlage arbeitet; jene Mafsnahme hat aber 
ihren Grund darin, dafs die Ablenkung £ die Stromstärke in 
dem Kreise KR, SchHRhK messen soll. 

Sind diese Vorbereitungen getroffen, so kann man zu fol- 
genden zwei Versuchen schreiten. 


844 Nachtrag. 


Versuch I. 

Bei irgend einer, durch das Rheochord willkürlich bestimm- 
ten Ablenkung & nähert man die Nebenrolle zuerst der Haupt- 
rolle soweit, dafs beim Öffnen der Kette der Magnet den Null- 
punkt nur eben um die kleinste bemerkbare Gröfse überschrei- 
tet; diese Entfernung der Nebenrolle von der Hauptrolle heifse 
B'. Alsdann gilt sehr genau (s. oben S. 819 ff.) die Gleichung 
Es ist aber in unserem Falle e sichtlich proportional £; denn die 
Elektrieitätsmenge, die sich in einem voltaälektrischen Neben- 
strome abgleicht, ist der Stärke des Hauptstromes proportional), 
und für eben dieser Stärke merklich proportional dürfen wir 
die Ablenkungen des Magnetes nehmen. Man hat also auch 
c= aE, wo a eine Constante, folglich a = z unabhängig von 
£, und demgemäls kann man, wenn einmal B’ für ein be- 
liebiges £ gefunden ist, £ durch das Rheochord fortan beliebig 
verändern: gleichviel von wo der Magnet falle, stets überschreitet 
er den Nullpunkt nur eben um die kleinste bemerkbare Grösse. 

Es versteht sich beiläufg von selbst, und Rechnung wie 
Beobachtung ergeben, ‘dafs dabei die Beruhigungszeit kleiner 
wird als ohne Anfangsgeschwindigkeit. 


Versuch 1. 

Nachdem dieser Zustand erreicht ist, bringt man, bei einem 
beliebigen &, R, in die unwirksame, in der Figur punktirte 
Lage, und wiederholt den Versuch. Jetzt trifft der Inductions- 
stofs, der vorher den Magnet bei £ traf, den Magnet auf dem 
Nullpunkt; es erfolgt ein Ausschlag im umgekehrten Sinne 
von der Ablenkung £; die Gröfse dieses Ausschlages heisse x. 


Man hat 


1) Es dürfen sich deshalb keine Drähte in der Hauptrolle befinden. 
Versuche, die ich in dieser Art mit einem kleineren Schlitteninduetorium 
| angestellt hatte, mufsten verworfen werden, indem sich dabei von dem 
erwarteten, und wie man sehen wird, richtigen Gesetze Abweichungen 
ergaben, welche sich aus der Annahme erklären liefsen, dafs die in den 
Inductionsströmen sich abgleichenden Elektricitätsmengen schneller wuch- 
sen als die Stärken der inducirenden Ströme. Vergl. Wiedemann, 
Die Lehre vom Galvanismus u. s. w. Braunschweig 1863. Bd. II. S. 297. 


Nachtrag. 845 


C 
xa=rXt 


AN E 
[(XXXIV), S. 328]. Abermals ist c proportional Z, also E = 
const x x, gleichviel wie £ gewählt wird. 

. Die folgenden Tabellen zeigen das Ergebnifs der Versuche, 
die ich zur Prüfung dieses Schlusses anstellte. Die Zahlen £&, 
in der ersten Spalte jeder Tabelle sind erhalten, indem ich 
mittels des Rheochords die Ablenkung von 25° bis 500° stets 
um 25° steigerte; sie sind das Mittel aus zwei Ablesungen 
vor und nach zehn Ablesungen von x,; die abgelesenen Tan- 
genten der doppelten Ablenkung sind in die doppelten Tan- 
genten der einfachen Ablenkung verwandelt. Die Zahlen 
X„c Sind das ebenso corrigirte Mittel aus jenen zehn x,; 
die Spalte x, — x, zeigt die grölste, positive oder negative 
Abweichung des beobachteten nicht corrigirten x, vom 
mittleren nicht corrigirten x,„, welche in einem solchen 
Satze vorkam. Man sieht, dafs diese Abweichung sich höch- 
stens auf 0°%°85 beläuft. Die Constante ist nach der Methode 
der kleinsten Quadrate berechnet; die Zahlen x, sind durch 
Division von £, mit der Constanten erhalten. Obschon x bis 
zu 183° hinaufgeht, belaufen sich die Abweichungen x, — x. 
nie auf mehr als den Bruchtheil eines Scalentheiles, mit einer 
einzigen Ausnahme (Versuch 15 in Tab. 1), wo ein gröfserer 
Fehler durch irgend einen Zufall begangen wurde, wie er bei 
einer Versuchsreihe, die sich über viele Stunden erstreckt, 
wohl vorkommen kann. Erwägt man die Fehler der ge- 
druckten Theilung, die Unbeständigkeit der Kette und die Er- 
wärmung der Drähte, die Schwankungen der Ruhelage des 
Magnetes und der Länge des ihn tragenden Fadens, die mangel- 
hafte Einstellung des Fernrohrs bei grölseren Ablenkungen und 
die Schwierigkeit des Ablesens grölserer Ausschläge, den Wi- 
derstand der Luft, endlich die unsichere Aufstellung meiner 
Apparate in dafür ganz ungeeigneten Räumen, so darf die er- 
langte Übereinstimmung gewils für höchst befriedigend gelten. 
Die Regelmäflsigkeit in der Vertheilung der Zeichen der Fehler, 
wonach die gröfseren x,,. im Allgemeinen zu klein sind, rührt 
wohl davon her, dafs die Ablenkungen nicht unserer Voraus- 
setzung entsprechend den Stromstärken genau proportional sind, 


Nachtrag. 


846 


nn 


Tabelle I. A'— 296mm; , B' — 47mm 


| & | Kme Ku % X, X, — Xpe 
1 25.00 | 9.30 0.00 9.27 | —0.03 
2 49.99 | 18.67 | —0.60 18.53 | —0.14 
3 1910172794 | =-0:14 27.84 | —0.10 
4 99.95 | 37.30 | +0.30 37.04 | —0.25 
5 | 125.10 | 46.80 | =0.20 46.36 | —0.43 
6 | 150.19 | 56.23 | +0.45 55.67 | —0.57 
7 Sl132982| 265.242 °=E0:95 64.95 | —0.29 
8° 1199.60 | .-74.70:| —+0.22 73.98 | —0.72 
9 | 295.46 | 83.73 | +0.35 83.56 | —0.17 
10 | 249.26 | 92.89 0.00 92.38 | —0.51 
11 | 275522102067] &-0492 | 101.74 | =-0.32 
12 | 300.20 | 111.64 | —0.85 | 111.26 | —0.38 
13 | 324.63 | 120.96 | —0.56 | 120.32 | —0.64 
14 | 349.77 | 129.20 | 0.50 | 129.63 | +0.44 
15 | 370.46 | 135.99 | —0.23 | 137.30 | +1.31 
16 | 397.02 | 146.82 | +0.17 | 147.15 | +0.33 
17 | 421.86 | 156.42 | +0.47 | 156.35 | —0.06 
18 | 447.28 | 165.88 | —0.55 | 165.78 | —0.11 
19 | 470.91 | 174.05 | 0.70 | 174.53 | +0.48 
20 | 494.47 | 183.21 | 0.50 | 183.27 | +0.06 


Const = 2.698120 


Tabelle II. 


A — 297mm} , B' — 52mm 


| = Knıe Kr Xp X, X, — Xone 
1 | 25.00 | 9.00 | 0.00 8.90 | —0.10 
2 = 50.50 = 13,92. 6.9 17.98 | +0.06 
8 5 79.20 |” 272.00 0.00 26.77 | —0.23 
4 | 99.65.) 35.42 | 0.38 35.47 | +0.06 
5 | 124.91 | 44.66 | +0.16 44.46 | —0.19 
6 149.67 2 53.30. 2 0,58 53.28 | —0.02 
7 EI TAABe| 62.75 0,46 62.10 | —0.65 
8 | 199.47 | 71.67 | +0.60 71.01 | —0.66 
9.4.9224,99 17 80.38 120.58 80.09 | —0.28 
10 | 249.11 | 89.05 | +0.28 88.68 | —0.37 
11.274.397 98.01 |-=E0.26 97.68 | —0.33 
12 | 299.48 | 106.85 | —+0.71 | 106.61 | —0.24 
13 | 324.70 | 116.09°| =E0.85 | 115.59 | —0.50 
14 | 349.28 | 125.01 | =E0.26 | 124.34 | —0.67 
15 | 372.79 | 132.87 | —0.22 | 132.71 | —0.16 
16 | 398.64 | 141.69 | +0.52 | 141.91 | +0.22 
17 | 422.22 | 149.63 | 40.38 | 150.30 | +0.67 
18 | 447.48 | 159.22 | +0.50 | 159.29 | +0.08 
19 | 469.57 | 166.56 | +0.78 | 167.15 | +0.59 
20: 12493,07. 12174.772, 220.20 | 1725:59 1.20.76 


Const = 2.809127 


Nachtrag. 847 


sondern ein etwas abweichendes, und zwar für die beiden Rol- 
len R, und R,, wegen ihrer verschiedenen Entfernung vom 
Spiegel, verschiedenes Gesetz befolgen. Nicht einmal die Richt- 
kraft verändert sich genau proportional dem Sinus der Ablen- 
kung, weil der Hauy’sche Stab, wenn auch um beinahe 300" 
entfernt, den Magnet doch nicht mit strenge parallelen Kräften 
‚angreift. 

Wir wollen jetzt noch der Constanten selber in unserer 
durch den Versuch bewiesenen Gleichung E = const>xx unsere 


Aufmerksamkeit zuwenden. Aus c=:£ und x= — folgt 


const = e, und man hat also die merkwürdige Beziehung 


F AT 


x 


Würde E=e” gemacht, so mülste sich x = e ergeben; man 
würde unmittelbar die Basis der natürlichen Logarithmen ab- 
lesen. Dies bestätigt sich in der That. 


In unserer Versuchsreihe I ist die Constante = 2,69812, 
in Reihe II ist sie 2,80913; 

Mittel = 2,75362. 

Es ist e = 2,71828; 

der Fehler des Mittels ist also nur = 0,03534. 


e? ist 7,3890; wählt man als Einheit das Centimeter — 10°°, 
und macht man & = 7,39, so mufs x = 2,72 sein.') Ich stellte 
eine Anzahl solcher Prüfungen an, indem ich jedesmal von 
Neuem 4’ und das zugehörige B’ bestimmte. Die Ergebnisse 
dieser Versuche, nach abnehmenden Entfernungen des Hauy’- 
schen Stabes geordnet, zeigt folgende Tabelle in den Ver- 
suchen 1—4; Versuch 5 und 6, wo der Stab absichtlich zu nah 
war, wurden hinzugefügt, um das in der Reihe sich kundgebende 
Gesetz noch deutlicher hervortreten zu lassen. 


| 


1) Da man die Tangente der doppelten Ablenkung abliest, ist 
eigentlich & = 7,39095 zu machen, und sollte x = 2,71838 sein, doch 
fällt der Unterschied, wie nicht bemerkt zu werden braucht, weit inner- 
halb der Grenze der Beobachtungsfehler. 

[1869.] 60 


848 Nachtrag. 


Nr. 4' B' x const 
298,563. 2,26 8270 
297,3»553542463.052,810 
297,0 48 2,372 2,717 
296,5 46 2,74 2,700 


A 
5 295,0 28 3,12 2,369 


6 293,5 4. 3,938 2,094 


PO m 


Bei den Versuchen 2 und 4 hatte ich fast genau die Be- 
dingungen der in Tabelle II und I enthaltenen Versuchsrei- 
hen wieder getroffen. Man sieht, dafs ich von dem äufsersten 
Werthe von A, wo mir schien, als sei die Bewegung aperio- 
disch, den Stab nur um anderthalb Millimeter mehr, d. h. um 
745 seines Abstandes, zu nähern hatte, um das theoretisch 
vorhergesehene Ergebnis zu erhalten. Erwägt man, dafs bei 
diesen Versuchen die oben S. 834 besprochene Schwierigkeit zu sa- 
gen, ob der Nullpunkt noch überschritten werde oder nicht, 
zweimal auftritt, zuerst bei der Bestimmung von A’, dann bei 
der von B', so wird man die erlangte Übereinstimmung ge- 
wils als genügend anerkennen. 

Die Tabelle zeigt, dafs je kleiner A, oder je näher der 
Stab dem Magnete, um so gröflser fällt x, und um so kleiner B’und 
die Constante aus. Der Sinn hiervon ist, dafs je weniger Richt- 
kraft dem Magnete gelassen ist, um so gröfser kann die ihm 
ertheilte Anfangsgeschwindigkeit sein, ohne dafs er den Null- 
punkt überschreitet. 

Dieser Zusammenhang spricht sich deutlicher aus, wenn 
man, anstatt A und B zugleich, nur die eine oder die andere 
Entfernung ändert. Läfst man A=4' beständig, und verkleinert 
BD, so wird bald der Nullpunkt merklich überschritten, x wächst, 
die Constante nimmt ab. Verwickelter ist der Vorgang, wenn man 


 B=B' beständig läfst, und A ändert. Wegen x = = (XXXIV) 


ist zwar x von A nur insofern abhängig, als mit A Intensität 
des Magnetes, folglich auch Dämpfung und, obschon der Induc- 
tionssto[s derselbe bleibt, Anfangsgeschwindigkeit sich ein wenig 
ändern; allein dies ist nicht zu vernachläfsigen. Für /r in dem 
oben 8.827 (XXX) gegebenen Ausdruck 


Nachtrag. 849 


3 uIr 
a; 


wollen wir P setzen, welches den Integralwerth des Induc- 
tionsstromes nach Stärke und Zeit vorstellen soll. Den 
Werth von u entwickeln wir, wie wir dies oben $. 832 mit 
m und m gethan haben, zu Wfe+r(H— 8)!. Dann ist 


e= wi +n(H— 9. Es ist (XL) 


 zm?lı #n(H—S)}? 
IE 2M ’ 
und folglich 


C A 2; 


— 


eat em? 4% (H — 8)! 


Wenn man also, bei beständigem B= B', A von 4’ aus ver- 
grölsert, wird x wegen des abnehmenden S etwas kleiner, und 
der Nullpunkt überschritten. Umgekehrt der Nullpunkt wird 
nur eben erreicht, und x wächst um ein Geringes, wenn A 
von A’ aus verkleinert wird. Dies trifft im Versuch ein; als 
ich bei DB’ = 48" A von A’ —= 297" folgweise auf 292; 287; 
277» verkleinerte, stieg x von dem ihm willkürlich ertheilten 
Werthe 40°°3 beziehlich auf nur 41,2; 42,7; 46°°5. 
Übrigens ist zu bemerken, dafs das c in unserem Versuch II 
(s. oben 8.845) dem c in Versuch I nicht genau gleich ist. Denn 
in Versuch I, wo man c—= z£ macht, wird der Inductionsstols er- 
zeugt nicht allein durch die Induction von HZ auf N, sondern auch 
durch die Induction von AR, auf R, und auf den Dämpfer, welche 
in R; und dem Dämpfer die verkehrte Richtung hat von dem 
durch die Induction von Z auf Nin R, erzeugten Strome. Man 
kann also setzen c=eE = ip — (9-+3)) &, wo p,q,s die Ge- 
schwindigkeiten sind, welche, für die Einheit der die Stärke des 
inducirenden Stromes messenden Ablenkung &, die beziehlich 
von H auf N, von R, auf R,, und von R, auf den Dämpfer aus- 
| geübten Inductionen dem Magnet ertheilen. In Versuch II da- 
gegen erhält der Magnet. die Geschwindigkeit c' — p&, und man 
hat somit statt 


DR 


60* 


850 Nachtrag. 


E 
—= e , vielmehr 2 — (1-2), 
x »-.) 


Mayr 


d. h. die Constante mufs kleiner als e ausfallen. 


Indessen geht aus den Umständen des Versuches hervor, dafs 
der Bruch Er nur sehr klein sein konnte. Die Rolle Z 


hat mehrere hundert, die Rolle N 9845 Windungen, während 
R, nur 53 und R, nur 6000 Windungen besitzt. B’ war bei 
dem Versuch 3 der letzten Tabelle, wo sich const=e ergab, 
— 48mm, während von Mitte zu Mitte gemessen der horizon- 
tale Abstand zwischen R, und R, 400, zwischen R, und dem 
Dämpfer 380”"® betrug. Die Axen von %, und die von A, 
und dem Dämpfer lagen aber nicht einmal, wie in der Figur, 
in einer Geraden, sondern waren einander parallel um etwa 
110"® verschoben. Das Potential der Rollen Z, und R,, und 
‘das der Rolle R, und des Dämpfers aufeinander, mufsten: also 
gegen das Potential der Rollen HZ und N aufeinander nahe ver- 
schwinden. 

Für die Induction von R, auf Ry, ist dies leicht zu zei- 
gen. Dazu wird in den Kreis von N und R, eine dritte Rolle 
R,; von gleicher Beschaffenheit mit ZA, (die andere Hydrorolle 
der Bussole) aufgenommen, und gegenüber der Rolle R, in 
deren unwirksamer Lage so aufgestellt, wie R, gegenüber der- 
selben Rolle in deren wirksamer Lage aufgestellt ist. Indem 
man für ein bestimmtes B und & die Induction von H auf N 
mit und ohne Rolle R,, dana die Induction von R, auf R; 
beobachtet, hat man alle Daten, um g als p, wo $ eine Con- 
stante, auszudrücken. Es fand sich aber, dafs auch bei der 
srölsten inducirenden Stromstärke, welche die Anordnung zu- 
hefs, d.h. bei völlig gestöpseltem Rheochord, g neben p un- 
wahrnehmbar blieb. Was s betrifft, so läfst sich dies nicht ex- 
_ perimentell bestimmen, doch kann man sicher schliefsen, dafs, 
obschon grölser als q, s in Bezug auf p mit q von gleicher 
Ordnung sei. Der Bruch ir mufste also, wie auch aus der 
Übereinstimmung unserer Ergebnisse mit der Theorie folgt, 
nahe = 0 sein. 


| 


Nachtrag. f 851 


$. XIII. Vorzüge der Beobachtung an aperiodischen 
Magneten. 


Man erreicht mittels des hier beschriebenen Verfahrens 
vollständiger, bequemer und ohne alle Nachtheile dasselbe, 
was frühere Experimentatoren, Mohr,!) Schilling von Can- 
stadt und Lenz,?) Draper,’) sich vorsetzten, als sie an die 
nach unten verlängerte Axe des Magnetes Flügel von Platin 
oder Stanniol hefteten, welche in Öl oder Wasser einen die 
Schwingungen hemmenden Widerstand erfuhren. Keiner, der 
einmal am aperiodischen Magnete beobachtet hat, wird ohne 
besondere Gründe zum schwingenden Magnete zurückkehren, 
und die klare und ruhige Spiegelung der Vorgänge im Multi- 
plicatorkreise, welche jener gewährt, für das verwirrende Schau 
spiel des bei jeder Veränderung der Stromstärke hin- und her- 
schiefsenden Scalenbildes wieder aufgeben, aus dem sich der 
Sachverhalt stets erst nach lästiger Ungewifsheit entwickelt. 
Indem man mit der Verminderung der Richtkraft möglichst ge- 
nau da stehen bleibt, wo n = :, oder die Bewegung des Mag- 
netes eben aperiodisch geworden ist, genielst man, wie schon 
bemerkt, zugleich den Vortheil der schnellsten Beruhigung des 
Magnetes, welche die angewandten Vorrichtungen gestatten. 
Von ganz besonderem Nutzen ist der aperiodische Zustand bei 
dem Compensiren des Stromes zum Zwecke der Messung der 
elektromotorischen Kraft nach der Poggendorff’schen, von 
mir abgeänderten Methode, oder des Widerstandes mittels der 
Wheatstone’schen Brücke. Der schwingende Magnet geräth 
in Schwankungen, sobald man die Gleichgewichtslage schneller, 
als der Magnet zu folgen vermag, vor ihm her dem Nullpunkte 
zu bewegt; der schwingungslose Magnet kann höchstens unter 
den oben S.831 bezeichneten Umständen Einen Hin- und Her- 
gang machen, so dafs man ohne jedes Tasten, mit stetiger Be- 
wegung, den Nullpunkt auf den Faden einstellen kann. Gute 


1) Poggendorffs Annalen u. s. w. 1836. Bd. XXXIX. S. 131. 
2) Ebendas. 1843. Bd. LIX. S. 207; — 1849. Bd. LXXVL. S.499. 
S. 500. 


3) Philosophical Magazine etc. 1839. 3rd Ser. vol. XV. p. 266. 


o 


852 Nachtrag. 


Dienste wird auch diese Methode leisten bei Demonstrations- 
versuchen vor einer gröfseren Versammlung, unter Anwendung 
des von mir beschriebenen Verfahrens, die Ablenkungen durch 
einen vom Spiegel zurückgeworfenen Lichtstrahl sichtbar zu 
machen.') Dies Verfahren wurde bekanntlich von Hrn. Wil- 
liam Thomson angewandt, um die schwachen Signale des 
ersten atlantischen Kabels bequem zu beobachten, und noch 
heute werden die atlantischen Kabel mit sogenannten Thom- 
son’schen Galvanometern bedient, an denen die Ablesung auf 
jene, zuerst von mir in England gezeigte Art geschieht. Hier, 
wie überhaupt wo in der Telegraphie Galvanometer in Gebrauch 
sind, wird die Beseitigung der Schwingungen sich als höchst 
'vortheilhaft erweisen. | 

Nützlich können endlich in ihrer überraschenden Einfach- 
heit die Formeln (XXXII) und (XXXIV) werden. Letztere 
kann an sich dienen, den Integralwerth kurz dauernder Ströme 
relativ zu bestimmen. Aber auch zur Messung kleiner Zeit- 
räume nach der von Hrn. Helmholtz verbesserten Pouillet’- 
-schen Methode”) bieten jene Formeln bequeme Gelegenheit, 
wenigstens wenn man sich eines Magnetes von solchem Träg- 
heitsmomente bedient, dafs er eine scharfe Messung von 


1 


= Inar = 

zuläfst. Ist F die Ablenkung durch den zeitmessenden Strom 
in beständiger Grölse, x der Ausschlag durch denselben Strom 
während der kleinen Zeit r, so findet man für diese leicht den 


Ausdruck 


1) Poggendorff’s Annalen u. s. w. 1855. Bd. XCV. S. 607; — 
Philosophical Magazine ete. 1856. 4th Ser. vol.XI. p. 109. 

2) Joh. Müller’s Archiv für Anatomie u. s. w. 1850. S. 299; — 
Wiedemann, Die Lehre vom Galvanismus u. s. w. Braunschweig 1863. 
- Bd. Il. S. 236. 8. 212. 


In Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung sind neuer- 
dings folgende akademische Abhandlungen aus den Jahrgängen 
1868 und 1869 erschienen: 


v. RANkE, Briefwechsel Friedrichs des Grossen mit dem Prinzen Wil- 
helm IV. von Oranien und mit dessen Gemahlin, Anna, 
geb. Princefs Royal von England. 

Preis: 1 Thlr. 15 Sgr. 

EHRENBERG, Über mächtige Gebirgsschichten vorherrschend aus mikro- 

skopischen Bacillarien unter und bei der Stadt Mexiko. 
Preis: 1 Thlr. 15 Sgr. 
'Lepsivs, Über den chronologischen Werth der Assyrischen Eponymen 
und einige Berührungspunkte mit der Aegytischen Chronologie. 
Preis: 15 Ser. 

Roru, Beiträge zur Petrographie der plutonischen Gesteine. 

Preis: 3 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf. 


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MONATSBERICHT 


KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 
ZU BERLIN. 


December 1869. 


Vorsitzender Sekretar: Herr Haupt. 


2. December. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Weierstrafs las über die allgemeinsten ein- 
deutigen und 2nfach periodischen Functionen von 2 
Veränderlichen. 


Nimmt man zwischen 2n veränderlichen Grölsen 


Be a U Ga 


‚ die nachstehenden Gleichungen an, in denen 


Y (z,) 9 Y,(e,) Ks v„(&,) 


Functionen bedeuten, deren erste Ableitungen algebraische Func- 
tionen von x, sind: 


Ur = 2. (&,) 
:e 


(a) Wo, — 


' so werden im Allgemeinen zu jedem Systeme der Gröfsen 

| % 1, Ug,...u, unendlich viele Systeme der Gröfsen x,, x; 
..2, gehören. Es lassen sich aber, wie die Theorie der 

' Abel’schen Transcendenten lehrt, die Functionen U so be- 
[1869.] 61 


854 Gesammtsitzung 


stimmen, dafs jeder rational und symmetrisch aus &, , 23... 2, 
zusammengesetzte Ausdruck eine eindeutige Function von 
U, %Ug ... u, Wird, welche dann die ausgezeichnete Eigenschaft 
besitzt, 2nfach periodisch zu sein, und durch ®-Functionen 
von n Argumenten ausgedrückt werden kann. 


Indessen sind die ®-Functionen, die man auf diesem 


n(n +1) 


Wege erhält, nur specielle; zwischen den wesent- 


lichen Constanten (Moduln), die in ihnen vorkommen und bei 
allen dieselben sind, besteht eine Anzahl von Relationen, so dafs 
nur 3n — 3 derselben willkürlich anzunehmende Werthe erhal- 


ten können. In Folge davon sind auch die durch diese @- 


Functionen ausdrückbaren 2n fach periodischen Functionen von 
n Argumenten nicht die allgemeinsten ihrer Art. 

Ich habe deshalb, um möglicherweise zu den letztern zu 
gelangen, mir die Aufgabe gestellt, die Functionen / so zu 
bestimmen, dafs zu einem Systeme der Gröfsen u, , ug... u 
eine endliche Anzahl von Systemen der Grölsen &,, 43 ... 2, 
gehöre. Denn es läfst sich zeigen, dafs alsdann x, ...x, die 
Wurzeln einer Gleichung nten Grades werden, deren Coefficien- 
ten algebraisch durch die partiellen Ableitungen einer ein- 
deutigen und 2nfach periodischen Function von u, , 42... u, 


sich ausdrücken lassen.") Nun habe ich zwar die algebraischen _ 


Schwierigkeiten, welche sich der allgemeinen Lösung der an- 
gegebenen Aufgabe entgegenstellen, bis jetzt nicht überwinden 


können; ich habe mich jedoch überzeugt, dafs man auf dem 


bezeichneten Wege wirklich zu den allgemeinsten eindeutigen 
und 2n fach periodischen Functionen von n Argumenten gelan- 
gen muls. Ist nämlich / (u, ... w,) irgend eine derartige Func- 
tion, und 


Flur) —  —— \ 


so gelten folgende Sätze: 


!) In besondern Fällen kann diese Function in eine, die weniger 
als 2» Systeme von Periodicitäts-Moduln besitzt, entarten. 


EEE EG 


1) 


2) 


3) 


vom 2. December 1869. 855 


Zwischen f und fı , fa --- f„ besteht eine algebraische 


Gleichung, deren Coefficienten von den Grölsen u,, 


Ug ... u, unabhängig sind. | 

Jede eindeutige Function von u,,Uus a u,, welche 

dieselben Systeme von Periodieitäts-Moduln wie f be- 

sitzt, läfst sich rational durch f, fı -.. /„ ausdrücken. 
Namentlich ist also f(w, + vı ... u, + v,) rational 


durch 


ACH N) Sn LE A Kult re« %,) 
Ce er 2 0) 
darstellbar. 


Da hiernach die höhern Ableitungen von f rational 
durch f, fı -.. /, ausdrückbar sind, so werden, wenn 
man du,,duz .... du, auf die Form 


du, == 


(b) Du, —= 


a 80 0 2 0 ee 0 0 oe 8 0 8 0 0 


bringt, die Coefficienten F',, ebenfalls sämmtlich ratio- 
nale Functionen: von f, fı --- f„- Nimmt man nun 
zwischen f, fı ... /, noch irgend (n—1) andere algebrai- 
sche Relationen an, so kann man sämmtliche alsdann 
noch möglichen Werthsysteme dieser&röfsen darstellen 
in der Form 


(e) = Fe, px), Jı=F, 6 P&) a e- 20); 


wo x eine unbeschränkt veränderliche Gröfse, px eine 
algebraische Function derselben und F, F',,... F, ra- 
tional aus x und px zusammengesetzte Ausdrücke be- 
deuten; und es erhält dann der Ausdruck von du, die 
Gestalt 
G,(a,da)de, 
wo @,„ ebenfalls eine rationale Function von z und dx 
ist. Setzt man dann 
I? 


856 


4) 


5) 


Gesammtsitzung 
(a) Gl, da) de = dvb,(), 


so werden bei gehöriger Constanten-Bestimmung die 
Gleichungen 


Flö,b2) =,J (u,,u3 > u,) 
(e) F,(&,$#2) = fı(uı , %: ... u.) 


25 NE) —.J, Urs Une 


befriedigt, wenn man 


fh) sy =V4b(@),. wel)... w=Y/,(@) 
Setzt. 

Jedes System coordinirter Perioden der Integrale 
Yı(), Ya(l@) ... d,(x) ist auch ein System von Pe- 
riodicitäts-Moduln der Function f(u, ,%z....w,). Man 
kann aber die Fnnctionen &, F}, Fy... F, Stets so 
bestimmen, dafs auch das Umgekehrte gilt. Un- 
ter der Voraussetzung, dafs dies der Fall sei, ergiebt 
sich dann weiter: 

Die Functionen f, ... /„ verwandeln sich, wenn man 


Mr 
UT 2,Y1(%,) 


(g) | Ä a0 er — 2,0, (@,) 


.0 2 0 9 2 0 0 ee 8 00. 


setzt, in rationale Functionen von 
Loy Baar DD Di dB 


unter denen keine Abhängigkeit von einander besteht. 
Daraus folgt, dafs den vorstehenden Gleichungen bei 
gegebenen Werthen von u,,%z... u, — wenn unter 
diesen nicht eine bestimmte Relation stattfindet — nur 
durch eine endliche Anzahl von Systemen der Grös- 
sen &ı, &g ... 2, Genüge geschehen kann, und dafs die 
zu einem solchen -Systeme gehörigen Werthe dieser 


vom 2. December 1869. 857 


Gröfsen als Wurzeln einer Gleichung nten Grades, 
deren Coefficienten algebraische Functionen von 


tn 2 U) Sean day War susW,) 
sind, erhalten werden können. 


Aus jeder ®©-Function von n Argumenten ergeben sich un- 
zählig viele 2n fach periodische Functionen, unter deren 2n.n 


(n— 1) 
2 


Periodiceitäts-Moduln nicht mehr als Relationen statt- 


finden. Durch das Vorstehende ist also bewiesen, dals es 
Gleichungssysteme von der Form (a), die allgemeiner sind als 
die bisher in der Theorie der Abel’schen Transcendenten be- 
trachteten, und gleichwohl einer ganz analogen Behandlung fä- 
hig sind, wirklich giebt. Ob 2nfach periodische Fnnetionen 
von n Argumenten existiren, die nicht durch ®-Functionen 
ausgedrückt werden können, ist eine Frage, deren Erörterung 
ich mir vorbehalte. 


Hr. Magnus legte einen Aufsatz des Hrn. Dr. E. War- 
burg vor, über den Einflufs tönender Schwingungen 
auf den Magnetismus des Eisens. 


Matteucci'!) und später Villari?’) haben die Verände- 
rungen untersucht, welche das magnetische Moment eines Eisen- 
oder Stahlstabes erleidet, wenn derselbe durch eine Zugkraft 
verlängert wird. Die zahlreichen Versuche Villari’s bewei- 
sen, dafs der Magnetismus eines Eisendrathes, der sich in einer 
Magnetisirungsspirale befindet, wenn ein stabiler, durch Er- 
schütterungen nicht mehr veränderlicher magnetischer Zustand 
des Drathes eingetreten ist, durch Ausdehnungen und Zusam- 
menziehungen des Drathes in entgegengesetztem Sinne verän- 
dert wird. 

Nach den herrschenden Ansichten über die Natur des Mag- 
netismus ist es wahrscheinlich, dafs die Änderungen der Länge 


1) Ann. de Chim. et de Phys. T. 58. p. 416. 1858. 
2) Pogg. Ann. 126. Monatsberichte d. Berl. Akad. 1865. p. 380. 


858 ... Gesammtsitzung 


und des magnetischen Momentes sehr nahe gleichzeitig erfolgen. 
Ist dieses richtig, so müssen, wenn Ausdehnungen und Zusam- 
menziehungen hinter einander in sehr kurzen Zeitintervallen 
vor sich gehen, die Änderungen des Magnetismus in gleicher 
Weise einireten. 

Ein Eisenstab von 1890®" Länge, welcher die longitudi- 
nalen Schwingungen des Grundtones vollführt, macht in der 
Sekunde ungefähr 1300 ganze Schwingungen. Es geschieht 
folglich in den Knotenpunkten des Stabes in 73659 Sekunde 
der Übergang von der gröfsten Verdiehtung zu der gröfsten 
Verdünnung. | 

Der Vrf. hat nun in der That gefunden, dafs, wenn nur 
das Eisen hinreichend weich ist, auch in diesem Falle, trotz 
der Kleinheit der Elongationen und trotz der Schnelligkeit der 
Schwingungen mit den periodischen Dichtigkeitswechseln sehr 
merkliche Oscillationen des magnetischen Momentes verbunden 
sind. r 

Eine Änderung des Magnetismus wird am leichtesten durch | 
die von ihr erzeugten Inductionsströme nachgewiesen. Wenn 
aber hinter einander gleiche und entgegengesetzte Änderungen 
des Magnetismus Statt finden, so werden alternirende Induc- 
tionsströme erzeugt, welche mit gewöhnlichen Galvanometern 
nicht wahrgenommen werden können. Solche alternirende 
Ströme können indefs nach W. Weber durch das Electro- 
dynamometer nachgewiesen werden, welches gegen die Rich- 
tung der Ströme, die dasselbe durchfliefsen, indifferent ist. 
W. Weber') hat bereits das genannte, von ihm erfundene In- 
strument benutzt, um die alternirenden Inductionsströme nach- 
zuweisen, welche durch die periodischen Bewegungen der 
freien Enden eines transversaltönenden magnetischen Stahl- 
stabes in einer Inductionsspirale erzeugt werden. Ich habe 
mich desselben Instrumentes bedient, um die Inductionsströme 
nachzuweisen, welche durch die periodischen Änderungen 
des magnetischen Momentes im Knotenpunkte eines longitudinal 
tönenden, von einer Magnetisirungsspirale umgebenen Eisen- 
‚drathes in einer Inductionsspirale erzeugt werden. 


!) Electrodyn. Maafsbest. I. $. 16. 


vom 2. December 1869. 859 


Ein 1890"® langer Eisendrath von der käuflichen Sorte 
ward in der Mitte fest eingeklemmt, so dafs derselbe, mit einem 
harzigen Lederlappen angerieben, den longitudinalen Grundton 
von etwa 1300 Schwingungen in der Sekunde erklingen liefs, 
bei welchem sich in der Mitte ein Knoten bildet. Die eine 
Hälfte des Drathes war fast ganz von einer Magnetisirungs- 
spirale umgeben, auf der andern Hälfte befand sich am Knoten 
eine kurze Inductionsspirale aus feinem Kupferdrath, während 
der Rest dieser Hälfte frei blieb, um däs Anreiben des Drathes 
zu gestatten. Die kurze Inductionsspirale ward in den Schlies- 
sungskreis eines Spiegeldynamometers eingeschaltet, und die 
Bewegungen .des Spiegels mittels Skale und Fernrohr beob- 
achtet. Der magnetisirende Strom ward durch 2 Bunsen’sche 
Elemente geliefert. Als der Stab anhaltend kräftig angerieben 
ward, erhielt man am Dynamometer einen Ausschlag von 30 
— 50 Skalentheilen. Wenn die Inductionsspirale auf das 
freie Ende des Drathes geschoben ward, welches auf Seiten 
der Magnetisirungsspirale lag und von dieser noch frei ge- 
lassen ward, so erhielt man gar keinen Ausschlag am Dynamo- 
meter. Es ist daraus zu schliefsen, dafs die Inductionsströme 
in dem ersten Fall nicht durch das Hin- und Hergleiten der 
magnetischen Eisentheilchen erzeugt wurden, welches Hin- und 
Hergleiten an der Mitte, nämlich am Knoten, in geringster 
Stärke, an den freien Enden, den Bäuchen, hingegen in gröfs- 
ter Stärke stattfindet, sondern durch Änderungen des Magnetis- 
mus durch die abwechselnden Verdichtungen :und Verdünnun- 
gen, welche an den Knoten am gröfsten, in den freien Enden 
hingegen Null sind. 

Als das Dynamometer durch ein Galvanometer ersetzt 
ward, zeigte die Nadel des letzteren beim Tönen des Drathes 
keinen Ausschlag, sondern nur unregelmäfsige Bewegungen. 
Diese rührten von den mit dem Anreiben unvermeidlich ver- 
bundenen Schwankungen ‘des magnetischen Eisendrathes her; 
denn jene Wirkungen fanden in gleicher Weise Statt, wenn 
solche Schwankungen des Drathes ohne Ton hervorgebracht 
wurden. Es ist daraus zu schliefsen, dafs die Wirkung auf 
das Dynamometer abwechselnd entgegengesetzt gerichteten In- 
ductionsströmen von gleicher Stärke zuzuschreiben ist, welche 


860 . . Gesammtsitzung 

; i ” 
abwechselnd entgegengesetzte, gleiche Änderungen des Magne- 
tismus anzeigen. L 

Von andern käuflichen Eisendräthen ähnlicher Dimen- 
sionen, wie die des bisher benutzten Drathes, zeigten zwei 
beim Tönen. die beschriebenen Erscheinungen gar nicht; einer 
dieselben äufserst schwach. Diese Eisendräthe wurden nun in 
der Mitte, wo sich beim Grundton ein Knoten bildet, ausge- 
glüht und der Versuch wiederholt. Es zeigten jetzt alle 3 Eisen- 
dräthe die in Rede stehenden Erscheinungen und zwar zwei 
dieselben so stark, dafs ein Ausschlag von 2—300 Skalentheilen 
am Dynamometer erhalten ward; der zu den ersten Versuchen 
benutzte Eisendrath gab, im Knoten ebenfalls ausgeglüht, bei 
anhaltendem kräftigen Anreiben einen Ausschlag von 5— 600 
Skalentheilen. Ein Stahldrath hingegen zeigte auch nach star- 
kem Ausglühen die erwähnten Erscheinungen nicht. Ent- 
sprechend diesen Resultaten giebt schon Matteucci an, dafs 
das magnetische Moment weicher Eisendräthe durch das Ziehen 
stärker verändert wird, als das der harten. 

Zur Beurtheilung der Stärke des erhaltenen Effects diene 
die Angabe, dafs beispielsweise in einem Versuch beim Öffnen 
der Magnetisirungsspirale, also durch das Versehwinden bei- 
nahe des ganzen Magnetismus des Eisens, in der Inductions- 
spirale ein Strom indueirt ward, der nur einen Ausschlag von 
3 Skalentheilen am Dynamometer hervorbrachte, während die 
Wirkung der durch anhaltendes Tönen in der Inductionsspirale 
erhaltenen Ströme sich so weit im Dynamometer summirte, 
dafs die Bifilarrolle um einen 460 Skalentheilen entsprechenden 
Bogen ausschlug. 

Eine Verstärkung des Magnetismus der weichen Dräthe, 
sei es durch Vermehrung der stromerzeugenden Elemente, sei 
es durch Anwendung mehrerer Magnetisirungsspiralen, gab durch- 
aus keine entsprechende Verstärkung der magnetischen Oseil- 
lationen beim Tönen. Entsprechend hatte in Villari’s Ver- 
suchen eine Verstärkung des magnetisirenden Stromes nicht 
immer und nur bei gewissen Dimensionen der Dräthe eine 
stärkere Änderung des magnetischen Momentes durch das Ziehen 
zur Folge. | 

Als anstatt zweier Elemente nur eines angewandt wurde, 


vom 2. December 1869. 861 


erhielt man schwächere Wirkungen; aber selbst als der mag- 
netisirende Strom geöffnet ward, genügte der remanente Mag- 
netismus des weichen Drathes, um, wenn der Stab zum Tönen 
gebracht wurde, einen Ausschlag von 50—60 Skalentheilen am 
Dynamometer hervorzubringen. 

Bedeutend schwächere Oscillationen des magnetischen Mo- 
mentes wurden in einem Knoten des ersten Obertones des 
Stabes von 2600 Schwingungen p. Sek. vom Dynamometer an- 
gezeigt. 


An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 

Memoirs of the Literary and Philosophical Society of Manchester. 
Third series. Vol. 3. Manchester 1868. 8. 

Proceedings. Vol. 5. 6. 7. ib. 1866—1868. 8. 

Rendieonti dell’ Istituto lombardo. Vol. U. Milano 1869. 8. 

Memoires de la societe des sciences physiques. Tome VII. Bordeaux 
1867. 8. 

Memoires de physique de Geneve. XX, 1. Geneve 1869. 4. 

Giornale di scienze naturali. V, 1.2. Palermo 1869. 4. 

John Tebbutt, Meteorological Observations. Sydney 1868. 8. 

Verslagen en Mededelingen der Kgl. Akademie van Wetenschappen. 
Tweede Reeks. Deel III. Amsterdam 1868. 8. 

Verhandelingen .... Afdeling Letterkunde. Deel IV. ib. 1869. 4. 

“Publications de Poulkova publiees par OÖ. Struve. Vol. 1.2. Peters- 
bourg 1869. 4. | 

Bijdragen tot de Dierkunde. Aflering IX. Leiden 1869. 4. 


6. December. Sitzung der physikalisch-mathe- 
matischen Klasse. 


Hr. Rie[s trug den folgenden Aufsatz vor: 
Vergleichung des Elektrophors mit der Elektrisir- 
maschine und Elektrophormaschine. 

Bei Einführung der Elektrophormaschine und auch später 
ist das theoretische Prineip des Elektrophors besonders hervor- 
gehoben worden gegenüber dem Principe, das der Elektrisir- 
maschine zu Grunde liegen soll. Habe ich auch lange zuvor 


862 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


bestimmt darauf hingewiesen, dafs beide Appärate Ein und das- 
selbe Princip benutzen (Elektr.-Lehre 1. 247), so scheint es mir 
doch an der Zeit, Dies weiter zu begründen, zur Beseitigung 
einer Unklarheit, welche durch die Vorstellung hervorgerufen 
worden, dafs die an der Elektrisirmaschine benutzte Elektrieität 
direkt durch Reibung erzeugt wird. 


Die zu Versuchen nöthigen gröfseren Elektrieitätsmengen 


werden nur selten unmittelbar durch Reibung gewonnen. So 
an der Dampf-Elektrisirmaschine, wenn die Elektricität des Kes- 
sels benutzt wird. Ein hohler Metallkörper, der Kessel, ist mit 
einer hölzernen Ausflufsröhre versehen. Der feuchte Wasser- 
dampf reibt die Röhre, macht sie negativ elektrisch, und diese 


Elektrieität pflanzt sich zum Kessel fort und sammelt sich dort 


zur Benutzung an. Oder wenn man an der Elektrisirmaschine 
die Elektrieität des Reibzeugs gebraucht. Es ist ein Metall- 
körper (der Conduktor), der in weiche Platten endigt (die Reib- 
kissen). Diese Platten werden, von der rotirenden Glasscheibe 
gerieben, elektrisch und ihre Elektrieität geht zum Conduktor. 
In allen andern, den bei Weitem häufigsten Fällen, ist eine 
solche unmittelbare Benutzung der durch Reibung hervorge 
rufenen Elektricität nicht vorhanden. 

Bei dem gewöhnlichen Gebrauche der Elektrisirmaschine 
dient die Reibung dazu, einen eigenthümlich construirten Elektro- 
phor in Gang zu setzen auf eben die Weise, wie es bei dem 
einfachen Elektrophore geschieht. Die geriebenen Flächen bilden 
an beiden Apparaten die Elektrophorkuchen; der Schild ist an 
dem gewöhnlichen Elektrophor eine Metallplatte, an der Elektrisir- 
maschine ein gewölbter Metallkörper, der in der Nähe des 
Kuchens mit einem Metallkamme endigt. Diese verschiedene 
Form des Schildes war durch den Gebrauch bedingt, von den 
beiden Influenz-Elektricitäten am Elektrophore nur die der erre- 
genden ungleichnamige, an der Elektrisirmaschine die gleich- 
namige Elektrieität zu benutzen. Es mulste defshalb am Elektro- 
phore die gleichnamige, an der Elektrisirmaschine die ungleich- 
 namige Elektricität fortgeschafft werden, und Dies wird auf die 
einfachste Weise geleistet, indem der Elektrophorschild ableitend 
berührt wird, der Metallkamm der Elektrisirmaschine die un- 
gleichnamige Elektricität ausströmen lälst. Diese Ausströmung 


vom 6. December 1869. 863 


geschieht gegen die geriebene Glasfläche und neutralisirt ihre 
Elektricität, ein zusammengesetzter Vorgang, der mit dem kur- 
zen Ausdrucke bezeichnet wird, der Metallkamm nehme die 
Elektricität der Glasfläche auf, oder er sauge sie ein. Diese 
sogenannte Aufnahme oder Einsaugung gibt die einfachste Ein- 
richtung der Elektrisirmaschine, aber wesentlich gehört sie nicht 
zur Theorie der Maschine, ebensowenig als die Benutzung nur 
der ungleichnamigen Elektrieität zum Wesen des Elektrophors 
gehört. Ein Elektrophor, an dem man beide Influenz -Elektri- 
eitäten benutzt, und eine Elektrisirmaschine, an der die soge- 
nannte Einsaugung von Elektrieität vermieden ist, wie sie neuer- 
dings mehrfach construirt wurden, sind bei aller Verschiedenheit 
ihrer Einrichtung und ihres Aussehns theoretisch dasselbe 
Instrument. Das Princip, das diesem Instrumente zu Grunde 
liegt, wird dadurch nicht modificirt, dafs an dem einen Apparate 
gewöhnlich nur die eine, an dem andern die andere Influenz- 
Elektrieität benutzt wird, aber in praktischer Beziehung entsteht 
dadurch eine wichtige Verschiedenheit. Weil ‘die gleichnamige 
Influenz-Elektrieität fortgeschafft wird ohne Änderung der Elek- 
trieität des erregenden Kuchens, so bleibt die Art unberücksich- 
tigt, auf welche der Kuchen elektrisch gemacht worden ist. 
Niemand denkt bei dem Gebrauche eines Elektrophors an die 
Reibung, durch die er vor Monaten den Harzkuchen elektrisirt 
hat. Die leichteste Art hingegen der Fortschaffung der ungleich- 
namigen Influenz-Elektrieität zieht die Zerstörung der Elektri- 
eität des erregenden Kuchens nach sich, der Kuchen mufs 
andauernd aufs Neue elektrisirt werden, und deshalb wird bei 
dem Gebrauche der Elektrisirmaschine die Aufmerksamkeit auf 
die Reibung gelenkt, durch welche diese Elektrisirung ausge- 
führt wird. | 

Der erste Versuch am Elektrophor und an der Elektrisir- 
maschine ist völlig identisch; er verlangt die Elektrisirung einer 
isolirenden Platte und die Annäherung derselben an einen 
Metallkörper. Erst der zweite Versuch ist verschieden, weil 
der Kuchen am Elektrophor elektrisch geblieben ist, nicht der 
an der Elektrisirmaschine. Je öfter dieser zweite Versuch in 
gegebener Zeit wiederholt wird, desto ergiebiger an Elektricität 
erscheint der Apparat, und dabei zeigt es sich freilich, dafs die 


864 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


schnelle Wiederholung des Versuchs an dem einen Apparate 
mechanisch weniger Schwierigkeit macht, als an dem andern. 
Der Elektrophor verlangt nur die Ortsveränderung einer Platte, 
die Elektrisirmaschine Ortsveränderung und dabei Elektrisirung 4 


; 
d 
f 
“ 
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| 


der Platte durch Reibung. Der ersten Bewegung ist daher 


leichter eine grofse Geschwindigkeit zu geben, als der zweiten; 
doch ist sie auch bei dieser, wie die folgenden Anführungen 
lehren, erreicht, dann aber aufgegeben worden. 

Bei der Einführung der Elektrisirmaschine, in der Mitte 
des vorigen Jahrhunderts, wurde der dazu gebrauchte Glas- 


körper (Kugel oder Cylinder) nur an Einer Fläche gerieben 


und man vollzog die Reibung gegen das Kissen durch Rolle, 
Schnur und Rad oder ein Räderwerk, um in der Zeiteinheit 
eine grölsere Fläche dem Einsauger vorbeizuführen. Ingen- 
housz, der um 1764 die Scheibenmaschine einführte, hat dabei 
die schnelle Drehung beibehalten. Er spricht zwar nicht von 
der Art des Drehens, hat sie aber durch den Ausdruck whirl 
round, den er überall dafür gebraucht, deutlich genug bezeich- 
net, und berichtet von einer Maschine mit zwei Scheiben von 
18 Zoll Durchmesser, dafs sie eine leydener Flasche von zwei 
Quart Inhalt in weniger als 5 Sekunden vollgeladen habe, ') 
was nur bei einer schnellen Drehung ausführbar ist. Auch 
Ramsden scheint zuerst an seinen Maschinen die Drehung mit 
Schnur und Rad gebraucht zu haben, da Ingenhousz diese 
Maschinen ohne Bemerkung erwähnt. Erst Cavallo?) be- 
schreibt 1777 die Scheibenmaschine, wie sie von Adams iu 
London verfertigt wurde, mit einfacher Kurbelbewegung und 
Cuthbertson?) gibt 1782 die Construktion zweier Maschinen 
mit gleicher Bewegung an. Ebenso gebrauchte derselbe 1785 
die einfache Axenbewegung bei der grofsen Maschine des Tey- 
ler’schen Museums (zwei Scheiben von 65 engl. Zoll Durch- 
messer), die er unter van Marum’s Leitung verfertigte*), und 
v. Marum selbst benutzte sie 1791°) an der kleinen Maschine 


1) Phil. transact. 1779 abridg. by Hutton etc.“ 14. 598. 

2) Treatise on el 1777. Deutsch* 1779. S. 109. | 

3) Eigenschappen van d. elect. 1782. Deutsch* 1786. S. 14.. 
4) v. Marum descript. d’une grande machine.” Haarlem 1785. 
5) Seconde continuation.“ p. 292. 


vom 6. December 1869. 865 


(Scheiben-Durchm. 32 Zoll), die bis auf den heutigen Tag häufig 
ausgeführt worden ist. Die schnelle Axenbewegung mit Schnur 
und Rad ist bei der Scheibenmaschine aufser Gebrauch gekom- 
men, wahrscheinlich um die kostbare Scheibe nicht zu gefähr- 
den und in Erwägung, dafs auch bei der direkten Bewegung 
durch die Hand, die in bestimmter Zeit wirkende Scheibenfläche 
durch Gröfse der Scheibe und Anbringung vou zwei Reibzeugen 
und Einsaugern hinlänglich grofs erhalten werden kann. Eine 
Elektrisirmaschine mit 30zölliger Scheibe, zwei Reibzeugen und 
Einsaugern von 8 Zoll Länge ist bei einfacher Kurbelbewegung 
zu den nöthigen Versuchen der Elektricitätslehre völlig aus- 
reichend. | 
Um eine gröfsere Wirksamkeit zu erhalten, ist man öfter 
zu der beschleunigten Axendrehung durch Schnur und Rad zu- 
rückgekehrt. So construirte 1780 Graf von Brilhaec eine 
Maschine mit zwei Scheiben von 30 Zoll Durchmesser, deren 
Axen Rollen von 8 Zoll Durchmesser trugen, die durch ein 
2 Fuls breites Rad mit Schnurlauf umgetrieben wurden. Nach 
60 bis 70 Umdrehungen des Rades war eine grofse Batterie so 
stark geladen, dafs ihre Entladung ein Schwein oder einen 
Hammel tödtete..') Gerard und van Mons berichten von 
einer sehr wirksamen Maschine, *) die nur eine kleine Scheibe 
besafs und mit Schnur und Schwungrad in Bewegung gesetzt 
wurde. Cuthbertson und Singer luden 1811 durch eine 
24zöllige Scheibe eine Batterie von 17 Quadratfuls Belegung 
zu einem beträchtlichen Grade durch 19 Kurbelumdrehungen, 
welche die Scheibe 76mal um ihre Axe drehten.°) Die Beobach- 
ter glaubten, die Wirksamkeit der Maschine noch darüber hinaus 
steigern zu können, aber die mechanische Schwierigkeit, eine 
Glasscheibe schnell und sicher zu drehen, während ihre beiden 
Flächen bis nahe zum Rande von Lederkissen geprefst werden, 
hat die Anwendung dieses Mittels in der Folge verhindert. 
Am Elektrophor,.wenn er drehbar eingerichtet worden, 
ist diese Schwierigkeit nicht vorhanden, weil eine Scheibe frei 


1) Rozier observ. s.1. phys.1780. d’Inarre. Von derEl.* 1784. 8.34. 
2) v. Mons journ. d. phys. 1802. Gilbert Annalen.“ 24. 310. 
3) Nicholson journ. of nat. phil. 1811. Gilbert Annal.* 39. 252. 


866 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


um ihre Axe rotirt, und daher auch für kleine Scheiben die 
nöthige Geschwindigkeit leicht zu erreichen ist. Dies ist der 
Hauptvorzug des Elektrophors vor der Elektrisirmaschine, der 
also nicht in einem bessern theoretischen Principe, sondern in dem 
Fortfallen einer mechanischen Schwierigkeit besteht. Am dreh- 
baren Elektrophore rotirt entweder der Schild oder der Kuchen. 
Am einfachsten ist der erste Fall. Eine Glasscheibe rotirt nahe 
über dem elektrisirten Kuchen, der einem Segmente der Scheibe 
an Gröfse gleich und ihm parallel nahe gelegt ist. Entweder 
ist das Segment der Scheibe metallisch belegt, und dann wird 
es von einem ersten ruhenden Conduktor berührt, während es 
den Kuchen deckt, und von einem zweiten Conduktor, während 
es vom Kuchen am weitesten entfernt ist. Oder die Scheibe 
ist nicht belegt, und dann ist dem Kuchen gegenüber an der 
von ihm abgewandten Scheibenfläche ein Metallkamm mit Stiel 
festgelegt und ein zweiter Metallkamm dem ersten diametral 
gegenüberliegend.. Wie man sieht, können hier beide Influenz- 
Elektrieitäten benutzt werden, die der erregenden Electricität 
gleichnamige an dem ihr nächsten, die ungleichnamige am ent- 
fernten Metallkamm oder Conduktor, was indefs nur in seltenen 
Fällen einer wissenschaftlichen Untersuchung Vortheil gewährt. 
Der häufigste Gebrauch, den man von Elektrieitätsquellen macht, 
verlangt nur den unmittelbaren Zuflufs Einer Elektrieitätsart. 

Ergiebiger wird der Apparat dadurch, dafs man einen 
zweiten Kuchen dem freistehenden Conduktor oder Metallkamm 
gegenüber anbringt und die beiden Kuchen mit den entgegen- 
gesetzten Elektricitäten versieht. Dies ist der drehbare Doppel- 
Elektrophor, an dem jeder Conduktor oder Metallkamm zwei 
Portionen Elektrieität erhält, die gleichnamige Influenz-Elektri- 
eität des nächsten, die ungleichnamige des entfernten Kuchens, 
welche beide derselben Art sind. Der Mangel des Doppel- 
Elektrophors besteht darin, dafs er nur so lange wirkt, als 
seine sich selbst überlassenen Kuchen elektrisch bleiben, also 
nur kurze Zeit, nach welcher jene aufs Neue elektrisirt werden 
“ müssen. Kundt'!) hat deshalb an der einen Fläche einer 
rotirenden Glasscheibe zwei diametral gestellte Metallkämme, 


1) Poggend. Annalen.* 135. 484, 


vom 6. December 1869. ‘ | 867 


an: der andern, einem Kamme gegenüber, ein isolirtes, mit 
Amalgam bekleidetes Lederkissen angebracht, das die Glas- 
scheibe bei ihrer Rotation reibt. Dies Kissen bildet den negativ 
elektrischen, die geriebene Glasscheibe den positiv elektrischen 
Kuchen des Doppel-Elektrophors und beide Kuchen bleiben 
elektrisch, so lange die Scheibe rotirt. 

Am vollkommensten leistet die dauernde Elektrisirung eines 
Elektrophorkuchens die Elektrophormaschine. Während 
die Influenz bei dem Elektrophor und der Elektrisirmaschine 
nur Einem Zwecke dient, zur Beschaffung der verwendbaren 
Elektrieität, wird sie bei der Elektrophormaschine auch dazu 
benutzt, den erregenden Kuchen stärker zu elektrisiren und in 
einem constanten Zustande zu erhalten. Schon im vorigen Jahr- 
hundert ist eine solche Maschine construirt worden. Nicholson 
befestigte 1788 zwei Metallscheiben von 2 Zoll Durchmesser 
isolirt in einer Ebene und liefs vor ihnen eine gleiche dritte 
Scheibe rotiren, die bei jedem Umlaufe jeder der ruhenden 
Scheiben in kleiner Entfernung parallel gegenübertrat.') Im 
Augenblicke, wo die rotirende Scheibe einer bestimmten ruhen- 
den Scheibe gegenübersteht, sind (durch an der Drehungsaxe 
befestigte Drähte) die beiden ruhenden Scheiben metallisch mit 
einander verbunden. War also die rotirende Scheibe elektrisch, 
so ist sie der Kuchen eines Elektrophors, dessen Schild von 
den beiden ruhenden Scheiben gebildet wird: die nächste Scheibe 
erhält die mit der erregenden Elektrieität ungleichnamige, die ent- 
fernte gleichnamige Influenz-Blektricität. Bei weiterer Drehung 
werden die ruhenden Scheiben von einander isolirt, und durch 
eine zweite und dritte zeitweilige Drahtverbindung wird die 
gleichnamige Elektricität der zweiten Scheibe zuerst zu einer 
Metallkugel, dann zu der rotirenden Scheibe übergeleitet. Diese 
Scheibe tritt also stärker elektrisch als zuvor der ersten ruhenden 
Scheibe gegenüber und das Spiel des Apparats beginnt von 
Neuem. Nach wenigen Umdrehungen hat auch bei schwächster 
vorläufiger Elektrisirung der rotirenden Scheibe ihre Rlektricität 
so zugenommen, dafs sie sich durch einen Funken mit der 
' Elektrieität der ersten ruhenden Scheibe ausgleicht. Die nach 


1!) Phil. transact. 1788 abridged.“ 16. 505. 


868 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


dem Funken in der rotirenden Scheibe zurückgebliebene Elektri- 
eität reicht hin, die Maschine in Gang zu erhalten. Wir haben 
also einen einfachen Elektrophor, an dem beide Influenz-Elektri- 
citäten verwendet werden, dessen rotirender Kuchen, wie der 
eine Theil des ruhenden Schildes, durch das Spiel des Apparates 
stärker und stärker bis zu einem Maximum elektrisirt wird. 
Diese Verstärkung ist so grols, dafs Nicholson vom Apparate 
Funken erhielt, ohne absichtlich eine Scheibe elektrisirt zu 
haben, weil die von früheren Versuchen rückständige Elektricität 
genügte, den Apparat in Gang zu setzen.') Daher die selt- 
same Überschrift seiner Abhandlung: Beschreibung eines Instru- 
ments, das durch Drehung einer Kurbel beide Elektrieitäten 
hervorbringt ohne Reibung oder Verbindung mit der Erde. 
Als Elektrieitätsquelle ist der Apparat, der sich dazu in dieser 
Form wenig eignet, nicht gebraucht worden, wohl aber als 
Multiplicator, um geringe Elektrieitätsmengen 'bemerklich zu 
machen. Volta hat denselben unter dem Namen dupkcatore 
a molinello di Nicholson gerühmt und häufig benutzt. °) 
Einfacher als an dem Kuchen Eines Elektrophors ist die 
dauernde Elektrisirung auszuführen an den beiden Kuchen zweier 
Elektrophore, was von Belli °) in folgender Weise geschehen 
ist. Jeder Kuchen der beiden Elektrophore besteht aus einer 
isolirten vertikalen Metallplatte von 5 Zoll Höhe und etwas 
gröfserer Breite, die in der Mitte vertikal umgebogen ist zu 
einer Tasche, deren Wände am Ende 14 Zoll von einander 
stehen. Die beiden Kuchen sind einander gegenübergestellt, 
so dafs die Enden eines Glasstabes, der winkelrecht an eine 
horizontale Axe befestigt, um diese durch eine Kurbel gedreht 
wird, in den innern Raum der Kuchen zugleich eintreten und 


1) Auch Töpler fand neuerdings bei einem Apparate, der aus 2 
um dieselbe Axe drehbaren Elektrophoren bestand, dafs er wirkte, ohne 
vorläufig elektrisirt zu werden. Nach wochenlanger Ruhe war dazu eine 
4 bis 5 Minuten währende Drehung nöthig. Ein ähnlicher Apparat kam 
“nach tagelanger Ruhe in wenigen Sekunden zu voller Thätigkeit. Pog- 
gend. Annalen 125. 479 u. Bd. 127. 196. 

2) Collezione dell’ opere di Volta” IL,. 47. 

3) Belli corso di fisica sperimentale. Milano 1838.* 3. 395. 


vom 6. December 1869. 869 


ihn zugleich verlassen. An jedem Ende des Glasstabes ist 
eine 15 Zoll breite Metallscheibe befestigt. Wenn diese Schei- 
ben sich in der Mitte der Kuchen befinden, berühren beide die 
Contactfedern eines isolirten Metallstabes, sind also mit einan- 
der verbunden und bilden den Schild beider Elektrophore. Es 
sei der eine Kuchen elektrisirt, die in ihm befindliche Metall- 
scheibe erhält die ungleichnamige, die entfernte Scheibe die 
gleichnamige Influenz-Elektrieität. Bei Drehung der Kurbel 
tritt jede Scheibe elektrisirt aus ihrem Kuchen, und wenn sie 
in den gegenüberstehenden Kuchen ganz eingetreten ist, berührt 
sie eine an diesem Kuchen befestigte Contactfeder und gibt 
ihm ihre ganze Elektrieität ab, mit welcher er auf die bis zur 
Mitte vorgerückte Scheibe wirkt. So wird in kurzer Zeit die 
ursprünglich dem einen Kuchen mitgetheilte Elektrieität in 
hohem Grade verinehrt, Elektricität entgegengesetzter Art im 
zweiten Kuchen zu gleichem Grade angehäuft, und beide können 
zu Versuchen benutzt werden. Der Apparat wirkt als Doppel- 
Elektrophor mit rotirendem Schilde, an dem aber nur die von 
jedem Kuchen erregte ungleichnamige Elektricität gebraucht 
wird, da die beiden gleichnamigen Elektricitäten sich im Metall- 
stabe ausgleichen. Belli bestimmte den Apparat nur zum Mul- 
tiplicator und gab ihm, um als Elektricitätsquelle zu dienen, 1) 
die folgende Einrichtung und den Namen macchina ad attuazione 
(Influenz -Maschine). 

Eine durch Rolle und Rad um eine vertikale Axe schnell 
gedrehte horizontale Glasscheibe, auf der drei gleiche Sektoren 
mit Stanniol belegt sind, bildet den Schild des Apparats. Die 
Scheibe rotirt in einem niedrigen Kasten, der vertikal in zwei 
von einander isolirte Hälften getheilt ist. Jede Hälfte ist aus 
doppelten, durch eine dicke Harzschicht von einander getrennten 
Eisenplatten zusammengesetzt und trägt einen vertikalen Con- 
duktor, der, isolirt in das Innere des Kastens tretend, daselbst 
mit einem Pinsel aus Stahlfäden endigt, der auf den Stanniol- 
Sektoren schleif. Die inneren Eisenplatten der Hälften des 
Kastens bilden die beiden Elektrophorkuchen der Maschine und 


1) Annali delle scienze del regno lomb-venet 1831. Corso di fisica,* 
3, 436, 


[1869.) 62 


870 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 


haben Metallfortsätze nach aufsen. Man beginnt damit, einen 
Kuchen zu elektrisiren, z. B. durch ein an den Kuchenfortsatz 
angelegtes Silberstück, leitet den Conduktor dieser Hälfte zur 
Erde ab und verbindet den zweiten Conduktor mit dem dazu 
gehörigen Kuchen, der durch Drehung der Glasscheibe in kurzer E 
Zeit elektrisirt wird. Dann ladet man bei verwechselten Ver- R 
bindungen den ersten Kuchen zu gleicher Stärke, fährt so fort, 
bis beide Kuchen hinlänglich stark elektrisch sind, läfst dann j 
beide Kuchen isolirt, und verwendet die von den gleichfalls j 
isolirten Conduktoren aufgenommene El. zu Versuchen. Die 
Maschine liefert nach Belli’s Angabe in sehr kurzer (brevis- 
simo) Zeit eine sehr grofse (grandissima) Elektrieitätsmenge. 
Dies ist erklärlich, da jeder Conduktor zwei Portionen Elektri- 
eität liefert: die daselbst erregte gleichnamige und die vom 
entfernten Kuchen erregte ungleichnamige Influenz -Elektricität. 

Diese Elektrophormaschine mufs, wie beschrieben worden, 
zur Elektrisirung ihrer Kuchen benutzt werden, ehe sie zu 
Versuchen dient, ihr Gebrauch verlangt zwei verschiedene An- 
ordnungen der Maschine. Ist auch dafür gesorgt, dafs die 
Kuchen ihre Elektrieität nicht allzu schnell verlieren — jene 
bilden, wie die Beschreibung gezeigt hat, die inneren Belegun- 
gen zweier Franklin’schen Tafeln — so wird doch bei län- 
gerem Gebrauche der Maschine die veränderte Anordnung zur 
Elektrisirung der Kuchen nöthig sein, und Dies ist wol der 
Grund, dafs die sinnreiche Maschine völlig unbeachtet geblie- 
ben ist. 

Vor wenigen Jahren hat Töpler eine Elektrophormaschine 
erfunden, 1) die ebenfalls auf der einfachen Influenz beruht, 
aber vor der eben beschriebenen den Vorzug hat, dafs die 
Kuchen ohne Aenderung der Einrichtung, während des Gebrauchs 
fortdauernd elektrisirt werden. Die Maschine benutzt mehre 
drehbare Scheiben. 

Holtz hat zuerst bei den Elektrophormaschinen die Doppel- 
Influenz benutzt, indem er die Kuchen auf Metallkämme wirken 
liefs, die von den Kuchen durch eine rotirende Glasscheibe 


!) Eine kurze Beschreibung dieser und der folgenden Maschine in 
den Monatsberichten 1867 S. 195 flgd. und Poggend. Annal. 131. 228. 


vom 6. December 1869. 871 


Setrennt sind, und die Kuchen, die aus Papier bestehen, mit 
einer an die rotirende Scheibe tretenden Cartonspitze versah. 
Dadurch wird die Construktion der Maschine, einfacher, als die 
der vorher genannten und man behält, unbeschadet der dauern- 
den Elektrisirung der Kuchen, die volle, in kürzester Zeit wie- 
derholte Wirkung zweier Elektrophore zur Verfügung. Diese 
Blektrophormaschine hat eine grofse Verbreitung erlangt und 
bezeichnet einen bedeutenden Fortschritt der elektrischen Ap- 
parate. Die erste von Holtz construirte Maschine mit Einer 
drehbaren Scheibe leistet so gute Dienste bei Ladung einer - 
Batterie, dafs sie, wie ich glaube, ihren Platz in den Samm- 
lungen elektrischer Apparate behaupten wird, ohne indefs die 
zu anderen Zwecken nützlichen Apparate, den Elektrophor und 
die Elektrisirmaschine, zu verdrängen. 

Das Wesentliche der vorangehenden Vergleichung läfst 
sich kurz so zusammenfassen. Alle drei betrachteten Apparate 
sind auf dasselbe theoretische Princip gegründet: die Elektri- 
sirung eines Körpers durch Influenz einer elektrischen Platte, 
des Kuchens. Der Elektrophor ist gewöhnlich so eingerichtet, 
dafs nur die der Elektricität des Kuchens ungleichnamige, die 
Elektrisirmaschine so, dafs nur die gleichnamige Influenz- 
Elektrieität benutzt wird. Gibt man dem Elektrophor und der 
Elektrisirmaschine eine solche Einrichtung, dafs an jedem Ap- 
parate beide Influenz-Elektrieitäten verwendbar sind, so werden 
sie zwar, theoretisch betrachtet, völlig identisch, unterscheiden 
sich jedoch in Rücksicht auf die Leichtigkeit ihrer Anwendung. 
Der Elektrophor ist schnellbeweglich, erlaubt darum die 
häufige Wiederholung seines Gebrauchs in gegebener Zeit, und 
ist leicht doppeltwirkend zu erhalten; dagegen bleibt die Elek- 
trieität seines Kuchens nicht constant und mufs häufig aufs 
Neue erregt werden. An der Elektrisirmaschine bleibt 
die Elektrieität des Kuchens constant, aber die Maschine wird 
sehr complieirt, wenn sie schnellbeweglich und mit doppelter 
Wirkung hergestellt werden soll. Die Elektrophormaschine, 
die gleichfalls beide Influenz-Elektricitäten zur Verwendung 
_ liefert, vereinigt die bezeichneten Vorzüge beider Apparate: sie 
ist schnellbeweglich, doppelt wirkend und nach vorläufiger 
Elektrisirung Eines Kuchens werden ihre beiden Kuchen fort- 

62° 


872 Gesammtsitzung 


in einem constanten Zustande erhalten. Dagegen freilich hat 
sie Mängel, welche den vorher genannten Apparaten fehlen: 
grofse Empfindlichkeit für den Zustand der sie umgebenden 


Luft und Wandelbarkeit der Elektrieitätsart ihrer Elektroden. 


9. December. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Schott las eine Fortsetzung seiner altajischen (tura- 
nischen) Studien. 


Hierauf legte Hr. du Bois-Reymond eine Mittheilung 
des Hrn. Dr. Oscar Liebreich vor, über das Strychnin 
als Antidot bei Chloralvergiftung. 

Bei Anwendung des Chloralhydrates sah ich einen bereits 
8 Tage bestehenden Kinnbackenkrampf rheumatischer Ursache 
innerhalb 5 Minuten, bevor die Schlafwirkung eintrat, sehwin- 
den. Diese Beobachtung führte naturgemäfs zu dem Versuch, 
das Chloralhydrat als Antidot bei Strychninvergiftung zu be- 
nutzen. Es tritt jedoch die Chloralwirkung nicht so schnell 
ein, um Thiere, die tödtliche Dosen Strychnin erhalten haben, 
vom Tode zu retten. Nur wenn man unmittelbar nach der 
Einführung des Strychnin’s das Chloral verabreicht, gelingt es, 
die Anfälle zu mildern. 

Umgekehrt ist die Wirkung des Strychnin’s bei Thieren, 
die mit Chloral vergiftet sind, höchst bemerkenswerth. 

Von den vielfach modificirten Versuchen sind folgende 
charakteristisch. 

1) Ein Kaninchen erhält 2,0 Grmm. Chloralhydrat subeu- 
. tan, d. h. eine tödtliche Dose. 

2) Ein zweites Kaninchen erhält ebenfalls 2,0 Grmm. 
Chloralhydrat. | 

3) Ein drittes Kaninchen erhält 0,0015 Grmm. Strych- 
niumnitricum subcutan injicirt. 


vom 9. December 1869. 873 


Bereits nach 7 Minuten beginnt ein heftiger Tetanus. Die 
Anfälle wiederholen sich schnell auf einander. Dies Thier 
stirbt in wenigen Minuten. 

Die ersten beiden Thiere sind eine halbe Stunde nach der 
Verabreichung in der tiefsten Narcose. Die Muskelerschlaffung 
ist so grofs, dafs die Thiere beim Aufheben sich wie Cadaver 
verhalten. Die Respiration wird langsamer. Die Cornea rea- 
girt auf Reize ganz schwach. 

Dem zweiten Kaninchen wird eine Dose von 0,0015 Grmm. 
Strychn. nitric. subcutan injieirt. Schon 10 Minuten später be- 
ginnt die Respiration lebhafter zu werden. Auf Reize beginnt 
das Thier ohne Krampf zu reagiren. Der Muskeltonus beginnt, 
beim Abziehen der Pfoten zieht das Thier dieselben wieder 
an sich. Schon nach Verlauf von 2 Stunden sitzt das Thier 
aufrecht, nach 4 Stunden ist dasselbe wieder vollständig in 
seinem normalen Zustand, ohne dafs Tetanus und Trismus auf- 
getreten wäre. Nur während des Schlafes liefs sich nach hef- 
tigem Reizen eine leichte Zuckung auslösen. 

Das erste Thier war bereits 24 Stunden nach Verabfol- 
gung des Chloralhydrates todt. - 

Es geht aus diesen Versuchen hervor, dafs das Strychnin, 
während der tiefsten Chloral-Narkose angewandt, die 
tödtliche Wirkung des Chloralhydrats aufhebt, den Schlaf 
um Bedeutendes verkürzt ohne selbst schädlich zu wirken. 


An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 
Sitzungsbericht der Wiener Akademie, phül.-hist. Klasse. 60. Bd. Heft 
1. 2.3. — 61. Bd. Heft 1. Math.-naturw. Kl. 1868. I. Abth. Nr. 
6—10, H. Abth. Nr. 7—10. 1869. I. Abth. Nr. 1—2, I. Abth. 
Nr. 1—3. 
Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen. 40.Bd. 2.Heft. Wien 1869. 8. 
Fontes rerum austriacarum. Bd. 29. Abth. I. Wien 1869. 8. 
Tschermak, Porphyrgesteine. Wien 1869. 8. 
Urkundenbuch des Landes ob der Enns. 5. Bd. Linz 1869. 8. 
Bulletin de la societe des naturalistes de Moscou. Moscou 1869. 8. 
Bulletin de la societe des sciences naturelles de Neuchatel. VIIL, 2. 
Neuchatel 1869. 8. 


z sich 
Dr. 


874 \Gesammtsitzung 


Memorie‘ dell’ Istituto lombardo. XI, 2. Milano 1869. 4. 
Rendiconti dell‘ Istituto lombardo. II, 11—16. Milano 1869. 8. 
Boncompagni, Intorno all’ opera d’ Albiruni sul!’ India nota. _ 

(Estratto.) Roma 1869.: 4. | 


16.December. Gesammtsitzung der Akademie. 


Hr. Hagen las über Bewegung des Wassers in eylindri- 
schen nahe horizontalen Röhren. 


‚Hr. W. Peters machte eine Mittheilung über mexica- 
nische Amphibien, welche Hr. Berkenbusch in BPue- 
bla auf Veranlassung des Hrn. Legationsraths von 
Schlözer dem‘ zoologischen Museum zugesandt hat. 


Hr. Berkenbusch hat dem zoologischen Museum eine 
Sammlung von drei Säugethieren, von Amphibien, Mollusken, 
Insecten, Myriopoden und Krebsen in Weingeist zugesandt, un- 
unter denen besonders die aus den wärmeren Gegenden Mexi- 
cos (Matamoros u. a. OÖ.) herstammenden Amphibien bemerkens- 
werth sind, wie aus der Übersicht hervorgehen wird, welche 
ich mir hier mitzutheilen erlaube. Diese Sammlung liefert nur 
einen neuen Beweis, wie wenig die Fauna Mexicos erschöpfend 
untersucht ist und wie viel noch eine sorgfältige Erforschung ° 
jener reichen, klimatisch so verschiedenen Gegenden erwarten 
läfst. Zu bedauern ist nur, dafs eine Angabe über die speciel- 
len Fundorte der eingesandten Arten fehlt. 


SAURN. 
1. Spheriodactylus anthracinus Cope, Proc. Academ. Philad. 
1861. p: 200. | 

2. Anolis leviventris Wiegmann. 

Ein Exemplar, welches weit besser erhalten ist, als das 
Originalexemplar und die Kiele der Kopfschilder und Bauch- 
‘schuppen viel deutlicher zeigt, so dafs der gewählte Species- 
name wenig passend erscheint. 

3..Sceloporus microlepidotus Wiegmann. 

4. Sceloporus spinosus Wiegmann. 


vom 16. December 1869. 875 


5. Sceloporus @neus Wiegmann. 

6. Sceloporus scalaris Wiegmann. 

7. Phrynosoma orbiculare Wiegmann. 
8. Gerrhonotus lichenigerus Wagler. 


OPaipir. 
9. Stenostoma dulce Baird & Girard. 
10. Boa imperator Daud. 
11. Geophis semidoliatus D. B. 
12. Streptophorus SebaeD.B. 
13. Conopsis nasus Günther. 
Oxyrhina varians Jan. 

Mehrere Exemplare, von denen einige an beiden Seiten 
ein Frenale, eins rechts ein Frenale, links keines und andere 
an beiden Seiten kein Frenale haben. Alle diese sind mit 
zwei besondern Internasalschildern versehen, während bei an- 
deren Exemplaren unseres Museums dieselben mit den Prae- 
frontalia verschmolzen sind. Alle diese Variationen haben zu 
der Aufstellung von Nominalgattungen Veranlassung gegeben. 
Denn Toluca Kennicot- ist jedenfalls identisch mit dieser Art 
und Gattung und Chionactis Cope (Lamprosoma Hallowell) 
so wie Cemophora Cope (Colub. coccineus Blumenbach) dürf- 
ten generiseh nicht zu trennen sein. 

14. Ficimia olivacea Gray. 
Amblymetopon variegatum Günther, Cat. Snakes. 1858.p.2. 
? Gyalopion canum Cope, Proc. Acad. Philadelphia. 1860.p. 243. 

Auch diese Schlange ist äufserst variabel und hat daher 
zur Aufstellung von Nominalgattungen nach der Kopfbeschil- 
dung Veranlassung gegeben. 

Die von Gray beschriebenen beiden Exemplare haben 
beide das Rostrale nach hinten weit verlängert und breit mit 
dem Frontale medium zusammenstofsend, jederseits das Inter- 
nasale mit dem Präfrontale vereinigt. An dem einen Exemplar 
ist das Nasale mit dem 1. Supralabiale vereinigt, an dem ande- 
ren getrennt. 

Von den beiden mir vorliegenden Exemplaren hat nur das 
eine das Rostrale mit dem Frontale in Verbindung stehen, das 
Nasale mit dem 1. Supralabiale vereinigt, aber das Internasale 
ist jederseits von dem Präfrontale getrennt. 


876 Gesammtsitzung 


Bei dem andern, im ganzen Körperbau und in der Färbung \ 
ganz mit dem ersten übereinstimmend, ist das Rostrale oben 
durch die Internasalia und die Präfrontalia von dem Frontale 
getrennt, daher nicht verlängert und auch das Nasale ist nicht 
mit dem Supralabiale verwachsen. | 

Die von Hrn. Cope als Gyalopion canum beschriebene 
Schlange, welche das Rostrale, die Internasalia trennend, nur 
bis zu den Präfrontalia verlängert hat, scheint mir ebenfalls 
hierher zu gehören und das Übergangsglied zwischen den von 
mir beschriebenen beiden Varietäten zu bilden. n 

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird man auch die Gattun- 
gen Ficimia und Conopsis nicht von einander trennen dürfen. 

Es liefern diese Schlangen nur den Beweis, bis zu wel- 
chem Grade in einzelnen Fällen die Kopfbeschildung derselben 
variren kann und dafs eine systematische Vertheilung der 
Schlangen nach diesen Merkmalen allein, wie sie von verschiede- 
nen Seiten versucht worden ist, mehr als bedenklich erscheint. 

15. Pliocercus elapoides Cope. 
Elapochrus Deppei Ptrs. Monatsber. 1860. p. 294. var. 
Liophis tricincetus Jan, Iconographie Ophid. 18.IV.Fig.5. 
16. Phimathyra Bairdi Jan. 
17. Pityophis Deppei D. B. 
18. Tachymenis') melanocephala n. sp. 

Ein ganz junges Exemplar, welches vielleicht zu 7. bipunc- 

tata Gthr. gehört, mit der es in der Pholidosis übereinstimmt, 


!) Hr. Cope unterscheidet Tachymenis Wiegm. von Coniophanes 
Hallow. dadurch, dafs erstere 2 Anteorbitalia und Schuppenporen, 
letztere nur 1 Anteorbitale und keine Schuppenporen habe. Wir haben 
neuerdings eine Schlange, T. taeniata n. sp.?, ebenfalls aus Mexico er- | 
halten, welche ganz ähnlich gezeichnet ist, wie die im Jan schen Werke 
abgebildete Varietät von T. fissidens Gthr. (18. Livr. Taf. 5 Fig.3b.), wel- 
che aber zwei Anteorbitalia uud fünfundzwanzig Schuppenreihen 
hat. Im der Pholidosis des Kopfes und in der Bezahnung stimmt sie sonst 
ganz mit T. fissidens überein, so dafs ich Zweifel hege, ob sie wirklich als 
eine von dieser verschiedene Art zu betrachten ist. Es würde eventuell 
wieder ein Beispiel einer so grofsen Variabilität in der Zahl der Schup- 
penreihen bei derselben Art sein, wie sie bei den Colubrinen bisher 
noch nicht beobachtet worden ist. Cf. auch Monatsbericht. 1863 p. 275. 


vom 16. December 1869. 877 


eben so in der Punktirung der Kopfschilder und der Zeichnung 
der Infralabialschilder. Der ganze Kopf hat aber mit Ein- 
schlufs des Nackens bis zur 10. Schuppenreihe eine schwarz- 
braune Grundfarbe, hinter welcher ein vier Schuppenreihen 
breites gelbliches Halsband folgt, während der übrige Körper 
oben gelbbraun, die Unterseite gelblich ohne schwarze Puncte ist. 

19. Tropidonotus sirtalis Linne. 

20. Dipsas biscutata Dum. Bibr. var. latifascia. 

Körperschuppen in 21 bis 22 Reihen, Abdominalschilder 
206 bis 210. Sonst nur in der Färbung verschieden: 13 bis 14 
breite Querbinden auf dem Körper, 5 bis 6 auf dem Schwanze, 
von graubrauner Farbe, vorn und hinten schwarz gesäumt. 
Keine deutlichen Vförmigen Zeichnungen auf dem Kopf, eine 
helle Hinterhauptsbinde, welche auf den Parietalia Vförmig ein- 
springt, und den gröfsten Theil der Schläfengegend nebst den 
3 hintern Supralabialia mit umfalst. 

21. Dipsas cenchoa Linne. 
22. Elaps corallinus L. var. crebripunctatus. 

Kopf schwarz mit Einschlufs des vordern Drittels der Pa- 
rietalia. Eine gelbe Binde auf den Parietalia, welche sich nach 
vorn und unten verbreiternd über die untere Hälfte des 4. Su- 
pralabiale ausdehnt, dahinter eine breitere'schwarze Binde, wel- 
che die 6 ersten Schuppenreihen, die hintere Spitze der Parie- 
talia und die hintere Hälfte des letzten Supralabiale einschliefst, 
und hinten von einem 1 Schuppenreihe breiten gelben Ringe 
umsäumt wird. Durch 22 Schuppenreihen getrennt folgt ein 3 | 
Schuppenreihen breiter schwarzer gelbgesäumter Ring. Auf 
diesen folgen dann noch 9 eben solche Körperringe und dann 
noch 4 breite durch schmale goldgelbe Ringe getrennte schwarze 
Schwanzringe. Die Schuppen der breiten rothen Zonen haben 
jede einen schwarzen Endfleck und auch die entsprechende 
Bauchgegend ist gefleckt. 

23. Elaps Marcgraviü Wied, var. laticollaris. 

Kopf schwarz mit Einschlufs des vorderen Theils der Pa- 
rietalia, so dafs die hintere Spitze des Frontale frei bleibt. 
Auf dem Hinterhaupt ein gelber Ring, welcher sich über die 
zweite Schuppenreihe ausdehnt; hierauf ein breiter über 12 bis 
13 Schuppenreihen ausgedehnter schwarzer Ring, dann ein gel- 


878 Gesammtsitzung 


ber 3 bis 4 Schuppenreihen breiter und hinter diesem ein 4 bis 
5 Schuppen breiter schwarzer Ring. Nun folgt ein 6 bis 9 
Schuppen breiter rother Ring, in welchem die Schuppenspitzen 
schwarz sind. Dann folgen zu dreien durch gelbe getrennte 
schwarze Ringe, von denen der mittlere mehr oder weniger 
doppelt so breit wie die beiden anderen ist. .Je drei Ringe 
sind wieder durch einen breiten rothen schwarzgefleckten Ring 
getrennt. Solcher Triaden finden sich, die des Kopfes, mitge- 
rechnet, 7 bis 8 auf dem Körper. Der Schwanz hat drei breite 
schwarze durch schmälere gelbe getrennte Ringe. 


BATRACHIA. 


24. Rana halecina Kalm. 
25. Rana Montezumae Baird. 
26. Liuperus nitidus n. Sp. 

Diese Art weicht durch ihre schlanke Form sehr von der 
typischen Art (Z. marmoratus) ab und hat so mehr den Habi- 
tus eines Phryniscus. Jedoch zeigen die Oberkiefer Zähne und 
die schlanken Querfortsätze des Sacralwirbels keine Verbreiterung. 

Die Körperhaut ist ganz glatt oder zeigt nur auf dem 
Rücken einige wenige ganz kleine Granula. Der Canthus ro- 
stralis ist abgerundet, die Schnauze spitz abgerundet. Die 
Entfernung der Augen von der Schnauzenspitze gleich ihrem 
Durchmesser. Die Nasenlöcher befinden sich seitlich, doppelt 
so weit von den Augen wie von der Schnauzenspitze entfernt. 
. Das Trommelfell, kaum durch die Haut erkennbar, ist im 
Durchmesser gleich 4 Augendurchmesser. Die Zunge ist lang 
und fast rhomboidal, die inneren Nasenöffnungen sind rund und 
stehen jederseits ganz am Gaumenrande; die Öffnungen der 
Tuben sind äufserst klein. Der erste Finger ist ein wenig 
kürzer als der zweite; nicht allein die Finger und Zehen, son- 
dern auch die Unterseite der Mittelhand- und Mittelfufsglieder 
sind mit vorspringenden Ballen versehen; unter dem Mittelfuls- 
knochen der 4. Zehe stehen vier solcher Ballen in einer Reihe. 
Grünlich, mit duukleren Zeichnungen, unter denen ein mit sei- 
ner Spitze nach hinten gerichteter dreieckiger Fleck zwischen 
den Augen; an jeder Körperseite vor dem Schenkel ein läng- 
lich ovaler schwarzer, hellgrün marmorirter Fleck. Lippenrän- 


vom 16. December 1869. 879 


der grün gefleckt. Extremitäten braungebändert. Unterseite 
bräunlich, undeutlich hell punctirt. 


Totallänge 55h! 5102020, -:8. ‚Finger: 1.1 1,090085 
Boing, 2... .. 02007 - Hint. Bxtr..ı.. 3. ,.,00026 
Ber, 0. 7000075 Fuß... -.....2..00012 
0014 A, Zehe ’ . .' . 2.000055) 
es. 0005 


27. Hylodes Berkenbuschiü n. sp. 

In der Gestalt dem H. (Leiula) Güntheri Keferstein ähat 
lich, Schnauze zugespitzt, etwas länger als der Augendurch- 
messer, mit deutlichem Canthus rostralis, unter welchem das 
Nasenloch fast doppelt so weit vom Auge als von der Schnau- 
zenspitze entfernt liegt. Trommelfell ganz frei, grofs, im Durch- 
messer gleich 2 Augendurchmesser. Choanen kleiner als die 
- Tuben; Vomerzähne ziemlich weit hinter den Choanen, auf 
2 kleinen queren, einander genäherten Höckern stehend. Zunge 
herzförmig, hinten kaum eingebuchtet. Auf der glänzenden 
Körperhaut einige seitliche Längswülste und eine starke von 
der Schulter zum Schenkel gehende Seitenfalte.e. Bauchscheibe 
glatt, vor der Brust eine Querfalte. Finger frei; der erste Fin- 
ger etwas kürzer als der zweit. Auf der Handsohle zwei 
glatte Wülste. Die Basalglieder der Zehen sind durch Schwimm- 
häute mit einander vereinigt, wie bei ZH. laticeps Dum., von denen 
schmale Säume bis zu den Haftscheiben ausgehen. Eine Haut- 
falte längs dem inneren Tarsalrande, die an dem einzigen inneren 
Tarsalhöcker endigt. Die fünfte Zehe reicht bis an die Haft- 
scheibe der dritten. Haftscheiben der Finger und Zehen wohl 
entwickelt. 

Oben bräunlich mit dunkleren Flecken, von denen ein 
dreieckiger zwischen den Augen liegender scharf gegen die 
helle Schnauze abgesetzt ist. Weichen mit schwarzen Flecken 


und gelber Marmorirung. Lippenränder mit hellen Querbinden. _ 


1) Hr. Dr. Günther hat (Proc. Zool. Soc. Lond. 1868. p. 479) die 
Vermuthung geäulsert, dafs der von mir beschriebene L. elegans kein 
Liuperus sondern ein Phy yllobates sein möchte. Ich kann nur darauf er- 
widern, dafs diese Art allerdings die Zehenspitzen etwas breiter hat, als 
L. marmoratus, ohne dafs man darin Haftscheiben erkennen könnte und 


dafs die Proportionen der kurzen Zehen die von Liuperus und nicht die’ 


der bekannten Arten von Phyllobates sind. 


EEE 


830 Gesammtsitzung 


Gliedmafsen mit dunkeln Querbinden. Hinterseite der Schen- 


kel mit kleinen hellen und schwarzen Flecken. WUnterkinn 


bräun mit hellern Punkten, Bauch heller gelblich braun mit 


verwaschenen dunkeln Flecken. 


Totallänge‘." 00045 3. Ringer 7 u VE0DE 


Kopflänge  ....,%:.x.0%0I5:  Hant.JExte..), Sen 


Kopfbreite. ....)...,.,, 02017. Eula,. . 2 00 Mo 


Vord, Extr. „=. .. , .0x0257'4, Zehe „See 
Hand 1193873172 105102012 


28. Hyla eximia Baird. 


Hyla eximia Baird, Pr. 4.N. Sc. 1851. p.61; Rept. Mexic. Bound.p.29. 


Taf. 38. Fig.8— 10. 

HylaeuphorbiaceaGünther, Cat. Batr. Sal.1858.p. 109. Taf. 10. Fig.C. 

Mehrere Exemplare mit schwarzen Rückenstreifen (H. exi- 
mia) und andere ohne dieselben (7. euphorbiacea). 

29. Hyla microtis n. sp. 

Vomerzähne auf zwei Querhöckern, welche von der innern 
vorderen Seite der Ohoanen ausgehen, ein wenig nach hinten 
convergiren nnd um die Breite eines derselben auseinanderstehn; 
Choanen viel gröfser als die sehr kleinen Tubenöffnungen; 
Zunge herzförmig, hinten kaum eingebuchtet. Schnauze dop- 
pelt so breit wie lang und etwas länger als der Augendurch- 
messer; Nasenlöcher quer, unter dem Canthus rostralis, eben 
so weit von einander als von dem Auge entfernt. Trommel- 
fell nicht halb so grofs, wie die Haftscheiben, kaum sichtbar 
durch die Haut. Rückenhaut ohne bemerkbare Granula; Bauch 
und Unterseite der Schenkel dicht gedrängt granulirt; Granula- 
tionen des Unterkinns sparsamer. Der 1. und 2. Finger sind an 
der Basis, der 2. mit dem 3. zur Hälfte und der 4. auf 3 mit 
dem 3. durch Schwimmhäute verbunden. Die Zehen sind bis 
zu den wohlentwickelten Haftscheiben durch Schwimmhäute 
verbunden, welche indefs am letzten Gliede der 4. Zehe nur 
einen schmalen Saum bilden; an der Basis der 1. Zehe ein 
kleiner Metatarsalhöcker. 

Die Oberseite des Körpers und der Gliedmafsen ist blän- 
lich- oder violetgrau; dort wo sie sich absetzt gegen die gelb- 
liche Bauchseite befindet sich eine schmale Linie oder eine 
Punktreihe von schwarzer Farbe. Hinter- und Vorderseite der 
Oberschenkel farblos. 


vom 16. December 1869. 881 


ae ie or -00037.,:8. Fingssntson. 110007 


Kopflänse +. „n..r0%010 ‚Hint.,Extr. „..u...0.,0.0%060 
Be. .... 02013 EFuls ... ......,..:. 02028 
Bern... 02026 4 Zelle . ... . . 09010 
nd we ß 0m012 


30. Bufo TERBEREN Wiegmann. 


Bufo compactilis Wiegmann, Isis. 1833. p. 661. 
Bufo anomalus Günther, Cat. Batr. Sal. p. 87. 


31. Engystoma mexicanum n. Sp. 

In der Gestalt und Färbung sehr ähnlich dem E. caroli- 
nense, aber mit zwei vorspringenden Höckern am Hacken, von 
denen der innere der gröfsere ist, mit vorspringenden Höckern 
unter den Finger- und Zehengelenken und mit merklich kür- 
zeren Fingern und Zehen. 


otallanger 2..2.%5 ..:'.00026 ,..3.1,Finger..;). .si0:..09003 
Bosimeer , ..., 02008 .Hint. Extr..., .„:... 02031 
Be ne... .0500% Fuls . .» . ... 02016 
ern... 0154. Zehe .. . .. +02006%) 
Bmaszsn na 2.0, 2150 09015 ‘ 


Hr. Weierstrafs legte eine Mittheilung des Hrn. Gust. 
Robert Kirchhoff, correspondirenden Mitgliedes der Aka- 
demie vor: 

Über die Kräfte, welche zwei unendlich dünne, 
starre Ringe in einer Flüssigkeit scheinbar auf 
einander ausüben können. 

Auf einen starren Körper, der in einer bewegten Flüssig- 
keit sich befindet, werden von dieser Druckkräfte ausgeübt, 
die im Allgemeinen sich nicht aufhehen. Ist in der Nähe des 
Körpers ein zweiter vorhanden, so wird dieser von Einfluls auf 
die Bewegung der Flüssigkeit, also auch auf die Druckkräfte 
sein, die auf den ersten wirken. In einem Falle, in dem diese 
Druckkräfte sich aufheben, sobald der zweite Körper in die 


1) Der von mir (Monatsberichte d. Js. p. 786) beschriebene Cyclorkam- 
phus fasciatus hat zwar in den kürzeren Proportionen der Zehen viel 
gröfsere Ähnlichkeit mit den in diese Gattung gestellten Arten als mit 
den brasilianisch-surinamischen Oystignathus, dürfte aber wegen der man- 
gelnden Zehenschwimmhäute in die letztere Gattung zu stellen sein und 
beweist, dafs diese beiden Gattungen viel eher mit einander als mit den 
Ranae zusammenzustellen sind. 


TEN 


832 Gesammtsitzung 


Unendlichkeit gerückt ist, sonst aber von Null verschiedene 
Resultanten haben, wird man sagen dürfen, dafs der zweite 
auf den ersten scheinbar Kräfte ausübt, die diesen Resultanten 
gleich sind. Ein solcher Fall findet statt, wenn die beiden 
Körper unendlich dünne Ringe sind und die Flüssigkeit die 
allgemeinste Bewegung hat, die sie haben kann, während sie 
in der Unendlichkeit ruht. | 
Genauer präcisirt sind die Voraussetzungen, welche hier 
zu Grunde gelegt werden sollen, diese: die Flüssigkeit ist un- 


zusammendrückbar und ohne Reibung; sie ist vollständig be- 


grenzt durch die Oberflächen der beiden Ringe und eine im 
Unendlichen liegende geschlossene feste Fläche; auf ihre Theile 
wirken keine Kräfte; diese Theile rotiren nicht und haben Ge- 
schwindigkeiten, die sich überall stetig im Raume ändern. In 
Bezug auf die Gestalt der Ringe wird angenommen werden, 
dafs ein jeder von ihnen eine Mittellinie hat, die eine beliebig 
gestaltete geschlossene Curve ist, und dafs die auf dieser Mit- 
tellinie senkrechten Querschnitte Kreise von einem unendlich 
kleinen, constanten Radius sind, deren Mittelpunkte in der 
Mittellinie liegen. Be 

Unter diesen Voraussetzungen lälst sich beweisen, dafs die 
beiden Ringe scheinbar Kräfte auf einander ausüben, die den- 
jenigen gleich sind, mit welchen sie anf einander wirken wür- 
den, wenn zwei elektrische Ströme in ihnen flössen. 

Bei den gemachten Festsetzungen giebt es für die Bewe- 
gung der Flüssigkeit ein Geschwindigkeitspotential; es möge 
dieses durch & bezeichnet werden, die Zeit durch t, die recht- 
winkligen Coordinaten eines Punktes des zur Zeit £ von der 
Flüssigkeit erfüllten Raumes durch x, y,2, der Druck durch », 
die Dichtigkeit durch 9; dann sind 


99,30 90 

da.dı oz 
die Componenten der Geschwindigkeit zur Zeit i im Punkte 
%,y,2 und es ist 


R) on? Odbı2 Ob \ 
-- FH) 


vo IS 


vom 16. December 1869. 883 


Dabei ist $ eine in dem ganzen Gebiete seiner Argumente 
stetige, aber im Allgemeinen vielwerthige Funktion von z,%, 
z,t. Sind d' und $" zwei Werthe von & für dieselben Werthe 
von &,Y,2,t, und ist 

di p" —k, 


so ist k unabhängig von x,y,2, da die Geschwindigkeiten ein- 
werthig sind, und auch unabhängig von t, da der Druck ein- 
werthig ist. 

Dafs $ mehrwerthig sein kann, ist eine Folge davon, dafs 
der von der Flüssigkeit erfüllte Raum ein mehrfach, und zwar 
dreifach zusammenhängender ist. Man denke sich diesen Raum 
in einen einfach zusammenhängenden durch zwei Querschnitte 
verwandelt; als solche mögen zwei Flächen genommen werden, 
von denen die erste vollständig begrenzt wird durch eine Linie, 
die auf der Oberfläche des ersten Ringes der Mittellinie dieses 
parallel verläuft, die zweite durch eine Linie, die in gleicher 
Weise auf der Oberfläche des zweiten Ringes gezogen ist. 
In dem so gebildeten, einfach zusammenhängenden Raume ist 
ı einwerthig, hat aber auf beiden Seiten eines jeden Quer- 
schnitts im Allgemeinen verschiedene Werthe. Für den ersten 
Querschnitt sei die Differenz dieser Werthe k,, für den zwei- 
ten k,, wobei dann nach der vorher gemachten Bemerkung %k, 
und %k, Constanten sind. 

Die Bedingungen, denen die Funktion p nun zu genügen 
hat, sind diese: 

1) In dem ganzen Gebiete von x,y,2 ist 

Bee 

2) Bei dem Durchgange durch den ersten Querschnitt än- 
dert sich $ sprungweise um k,, bei dem Durchgange durch 
den zweiten um k&.. 

3) Bedeutet N die nach dem Innern der Flüssigkeit ge- 
richtete Normale eines Elementes der Grenzflächen derselben, 
Ar 
oN 
— der Componente der Geschwindigkeit des anliegenden Thei- 
les des Ringes nach der Richtung von N. 


so ist für alle Punkte der Oberfläche eines jeden Ringes 


834 Gesammtsitzung 


4) Für die Punkte der im Unendlichen liegenden Grenz- \ 


fläche der Flüssigkeit ist _ N = (. 


Diese Bedingungen bestimmen die Funktion b vollständig 
bis auf eine additive von x,y,2 unabhängige Gröfse, sobald 
die Lagen und Geschwindigkeiten der beiden Ringe und die 
Werthe der beiden Constanten k, und %k, gegeben sind. Es 
folgt das durch eine bekannte Schlulsweise aus der bekannten 
Gleichung 


SI +6) + +) + (@ ))- m 


in der dS ein Element der Grenze des Gebietes von x2,%y,2 
bedeutet, wenn man erwägt, dafs der Theil des nach dS zu 
nehmenden Integrals, der sich auf die beiden Seiten eines der 
beiden Querschnitte bezieht, 


CK 
ON’ 


Jr; 

ASaN 
ist, wo dem & der Index 1 oder 2 zu.geben und die Integra- 
tion nur über die eine Seite des Querschnitts auszudehnen ist. 
Um einen Ausdruck zu finden, der den für «» aufgestellten 
Bedingungen genügt, bezeichne man mit U, und D, die Po- 
tentiale zweier elektrischen Ströme, die die Mittellinien der 

k k 

beiden Ringe mit den Intensitäten >= und E durchflielsen, in 
Bezug auf einen Magnetpol, der sich im Punkte x, y, 2 befindet 
und eine Menge magnetischer Flüssigkeit, die der Einheit gleich 
ist, enthält. Es sind dann bekanntlich U, und U, die schein- 
baren Grölsen zweier von den Mittellinien der beiden Ringe 
begrenzten Flächen, von dem Punkte x,y,2z aus gesehen, multi- 


k 
plieirt mit ı und —. Setzte man $d = U, + U,, so würde 
4r Ar 
man den Bedingungen l und 2 genügen. Man mache nun 
o= U, +0D:-+4V, 


so ist V ein Potential von Massen, welche theils auf den Binz 
oberflächen, theils auf der äufseren Grenze der Flüssigkeit an- 


vom 16. December 1869. 885 


geordnet sind, das an diesen Flächen gewissen Bedingungen 
zu genügen hat. Es läfst sich nachweisen und soll hier als 
nachgewiesen angenommen werden, dafs, wenn man über die 
additive Constante, die in V willkührlich bleibt, passend ver- 
fügt, V überall unendlich klein ist und die Differentialquotien- 
ten von V nach x, y,z in endlicher Entfernung von den Ringen 
unendlich klein sind. 

Der für p angegebene Ausdruck soll nun benutzt werden, 
um die, lebendige Kraft der Flüssigkeit, die 7’ genannt werden 
möge, zu ermitteln. Es ist 


2 /; (fe Zu (52) Su +5 en +(@ ) 


oder 
SER ERTZ a 
es : Jasu5%, 
ah 
_ _ efası, Ui 2 2 fasın!® _.fasvy 
v3 ZN 2 IN 2 IN 
ne, av | IV 
— gs JASU 5 — gfASU a — efASU 


wo die Integrationen nach dS über die Oberflächen der beiden 
Ringe und die beiden Seiten der Querschnitte auszudehnen sind, 
durch welche der von der Flüssigkeit erfüllte Raum zu einem 
einfach zusammenhängenden gemacht ist. Die beiden ersten 
dieser 6 Integrale sind unabhängig von der Lage und der Be- 
wegung der beiden Ringe; ihre Summe bezeichne man durch 
K; das dritte, das fünfte und das sechste sind unendlich klein, 
da - nur auf unendlich kleinen Theilen der Flächen, über 
die zu integriren ist, endlich, sonst unendlich klein ist, da V 
überall unendlich klein ist und O, und U, überall endlich sind. 
Mithin ist 


ou, 
T—=K— R 
; '9N 
Über die Oberflächen der beiden Ringe genommen ist das al- 
lein übrig gebliebene Integral auch unendlich klein, da ee 
N 


[1869.] 63 


386 ‚Gesammtsitzung 


an der Oberfläche des ersten Ringes endlich, an der des zwei- 
ten = 0 ist; über die beiden Seiten des zweiten Querschnitts 


U; 
oN 
gegengesetzte und U, gleiche Werthe. Es braucht also die 
Integration nur über den exsten Querschnitt ausgedehnt zu wer- 
den. DBezeichnet man durch d,S, ein Element desselben und 
durch N, die eine Normale dieses, so ist hiernach, da auf bei- 


ausgedehnt ist dasselbe Integral —= 0, denn hier hat ent- 


den Seiten von dS, — entgegengesetzte Werthe und U, Wer- 
the hat, die um &,. verschieden sind, | 
00, 
T=K-ok, dSıay, 5 


Da die Grenzlinie des Querschnitts von der Mittellinie des 
Ringes nur unendlich wenig absteht, so kann man hier dS, 
auch definiren als das Element einer durch die Mittellinie des 
ersten Ringes begrenzten Fläche. Nach dem Ampere’schen 
Satze, nach dem für einen geschlossenen elektrischen Strom 
eine gewisse Vertheilung magnetischer Flüssigkeiten gesetzt 
werden kann, ist dann das in der letzten Gleichung vorkom- 
mende Integral nichts Anderes, als das Potential zweier elek- 
trischer Ströme, die die Mittellinien der beiden Ringe durch- 
fliefsen, in Bezug aufeinander. Sind ds, und ds, zwei Ele- 
mente dieser Mittellinien, r ihre Entfernung, (ds,, ds,) der 
Winkel, den ihre Richtungen mit einander bilden, so ist das 
Potential zweier Ströme, die mit der Intensität 1 die Mittel- 
linien durchfliefsen, in Bezug auf einander 


d 
= fr eos (ds, ,dsz) 
kık ds, ds 
T= R— Et (ER os (ası,ası). 


_ Hieraus folgt nun unmittelbar der zu beweisende Satz. Denkt 
man sich nämlich die Ringe durch Kräfte, die auf sie wirken, 
irgend wie bewegt und bezeichnet durch 67 den Zuwachs, den 
dabei 7 in einem Zeitelement erfährt, so ist ö7 gleich dem 


und 


vom 16. December 1869. 887 


Moment der Druckkräfte, welche die Ringe auf die Flüssigkeit 
ıusüben, für die Verrückung, die in dem Zeitelement stattge- 
unden hat, und also — 87 das entsprechende Moment der 
Druckkräfte, welche die Flüssigkeit auf die Ringe ausübt. 
Nach dem für 7 gefundenen Ausdrucke ist dieses Moment so 
srofs als das der Kräfte, mit welchen zwei elektrische Ströme 
auf einander wirken, die die Mittellinien der Ringe mit den 


Intensitäten %, / . und k, N — durchfliefsen, für dieselbe Ver- 
7 7 


rückung; d.h. die Ringe üben scheinbar dieselben Kräfte auf 
einander aus als diese Ströme, oder auch als die Ströme, die 
mit den genannten Intensitäten die Ringe selbst durchfliefsen. 

Derselbe Satz gilt auch, wenn die Querschnitte der Ringe 
nicht Kreise sind, sobald sie nur unendlich kleine Dimensionen 
haben. 


An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden 
vorgelegt: 

Jahrbuch für die amtliche Statistik des Preu/sischen Staats. 3. Jahrg. 
Berlin 1869. 8. 

Archiv für die Naturkunde von Liv-, Ehst- und Kurland. 1. Serie. 
Dorpat 1868. 8. 

Wilh. Wackernagel, Johann Fischart von Stra/fsburg und Basels 
Antheil an ihm. Basel 1870. 8. 

Robert Rösler, Johanna die Wahnsinnige, Königin von Oastilien. 
Wien 1870. 8. 

Mittheilungen des historischen Vereins f. Steiermark. 17. Heft. Graz 


1869. 8. 
Beiträge zur Kunde steiermärkischer Gesehichtsquellen. 6. Jahrg. Graz 
1863, 8. 7 


Mittheilungen aus dem naturwissenschaftlichen Verein von Neu-Vorpom- 
mern und Rügen. 1. Jahrg. Berlin 1869. 8. 

Astronomische Nachrichten. 74. Bd. Altona 1869. 4. 

Jules Marion, Cartulaire de Saint Hugues de Grenoble. Paris 1869. 
4. Mit Ministerialschreiben vom 7. Dec. 1869. 

Turbiglio, Z’empire de la logique. Turin 1870. 8. 


Gar 


Berichtigung. 


In der Abhandlung: Über die regelmäfsigen Verwachsun- 
gen der Glimmerarten u. s.w. 8.340 Z.17 u. 18 von oben 
sind die Worte von „oder wenn“ an bis „bestimmt ist“ zu 
streichen. | | AN | en 


Namen -Resister. 


(Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind im Monatsbericht nicht 
aufgeführt.) 


Auwers, *Vorzeigung von Photographien, 55. — Über den Werth der 
Aberrations-Constante nach den Beobachtungen von Molineux, 611. 

Bekker, Über Mifsbrauch des Apostrophs, 273. 

Beyrich, *Über Engeniacrinus und Rhizocrinus, 66. 

du Bois-Reymond, Festrede, 262. — Über die aperiodische Bewe- 
gung gedämpfter Magnete, 807. 

Bonitz, *Über Platons Kratylus mit Beziehung auf die Bestreitung des 
platonischen Ursprungs, 703. 

Boppstiftung, 527. 

Borchard, *Über einige Probleme des relativen Maximums, 322. 

Braun, Über eine neue in Neuseeland entdeckte Art der Gattung 
Isoötes, 648. — Über zwei vom Blitz getroffne Eichen, 698. — Be- 
merkungen über eine Mifsbildung von Podocarpus chinensis, 738. 

Buschmann, *Zusätze zum Verzeichnifs aztekischer Wörter, 159. 

Christoffel, Über die Transformation ganzer homogener Differentialaus- 
drücke, 1. 

Curtius, Über den religiösen Charakter der griechischen Münzen, 465. 

Dove, Über das barometrische Maximum im Januar 1869, 118. — 
*Über die meteorologischen Verhältnisse des Sommers 1868, 215. 
— *Über den Sturm vom 7. December 1868, 408. — *Über die 
vorjährigen Überschwemmungen in der Schweiz, 494. — *Gedächt- 
nifsrede auf A. v. Humboldt, 529. — Darstellung der Wärmeer- 
scheinnngen durch fünftägige Mittel, 753. 


890 Namen-Register. 


Droysen, Historischer Beitrag zu der Lehre von den Congressen, 651. 
— *Beitrag zur Kritik der Memoiren des Baron von Poelniz, 754. 

Ehrenberg, *Über mikroskopische Süfswasserorganismen von Spitz- 
bergen, 149. — Über die von Jenzsch aufgefundenen Einschlüsse 
im Melaphyr, 244. — Über die vom Schiffe Germania gehobenen 
Grundproben, 253. — Mikroskopische Lebengverhältnisse von Spitz- 
bergen, 257. — Über den am 24. März 1869 gefallenen rothen 
Passatstaub, 308. — Über mächtige Gebirgsschichten aus Bacillarien 
unter und bei der Stadt Mexico, 373. — *Über Gladstone’s mikros- 
kopische Beobachtungen, 751.. — Eine Mittheilung von Haast über 
die Dinornis von Neuseeland, 752. 

Ewald, *Über Faserkalkbildungen, 83. 

Groth, Über Crystallform und Cireularpolarisation, 140. 

Grube, Beschreibungen neuer oder weniger bekannter von Ehrenberg 
gesammelter Anneliden des rothen Meeres, 494. 

Hagen, *Über die Bewegung des Wassers in vertikal abwärts ge- 
richteten Röhren, 731. — *Über Bewegung des Wassers in eylin- 
drischen nahe horizontalen Röhren, 874. 

Haupt, *Über ein griechisches Excerpt geographischen Inhalts, 1. — 
*Über. des Diaconus Marcus Leben des Porphyrius, Bischofs von 
Gaza, 1. — *Über die Erklärung der Lustspiele des Aristophanes, 
389. — Festrede, 524. 

Hensel, Reinhold, 79. 

Hofmann, Über die dem Senföl entsprechenden Isomeren der Schwefel- 
cyanwasserstoffäther, 332. — Beiträge zur Kenntnifs des Methyl- 
aldehyds, 362. — Über das Naphtalinroth, 550. — Über das Xyli- 
dinroth, 556. — Zur Kenntnils der isomeren Xylidine, 558. — Zur 
Kenntnifs des Chrysanilins, 559. — Über die chemische Natur des 
Anilingrüns, 563. — Neue Untersuchungen über die dem Senföl 
entsprechenden Isomeren der Schwefeleyanwasserstoffsäureäther, 570. 
Bemerkungen über die Entschwefelungsproducte des Diphenylsulfo- 
carbamids, 583. — Zur Geschichte der geschwefelen Harnstoffe, 791. 

Humboldtstiftung, 78. 5 

Kiepert, Über älteste Landes- und Volksgeschichten von Armenien, 216. 

Kirchhoff ‚ Über zwei attische Votivinschriften aus Perikleischer Zeit, 409. 

Kirchhoff, G. R., Über die Kräfte, welche zwei uuendlich dünne 

starre Ringe in einer Flüssigkeit scheinbar auf einander ausüben kön- 

.nen, 881. 

Kny, Über den Bau und die Entwicklung des Farn Antheridiums, 416. 

Köhler, Vorläufige Berichte über eine neue Bearbeitung der attischen 
Tributlisten, 149. 

Kronecker, Über Systeme von Funktionen mehrer Variabeln, 159. 688. 


Namen-Register. 891 


Kummer, Festrede, 67. 

Lepsius, *Über ägyptische Kunst, 82. 

Liebreich, Über das Verhalten des Chlorals und der Trichloressig- 
säure im thierischen Organismus, 462. — Über das Strychnin als 
Antidot bei Chloralvergiftung, 872. 

Lipschitz, Untersuchungen in Betreff der ganzen homogenen Funk- 
tionen von n Differentialen, 49. 

Magnus, Über Emission und Absorption der bei niederen Temperaturen 
ausgestrahlten Wärme, 482. — *Über das Erlöschen hoher Töne 
bei der Fortphlanzung in hanfenen Schnüren und in Bleidraht, 611. 
— Über die Reflexion der Wärme an der Oberfläche von Flufs- 
spath und andern Körpern, 675. — Über die Veränderung der 
Wärmestrahlung durch Rauheit der Oberfläche, 713. 

Meyer, Über den Giftapparat der Schlangen, 193. 

Mommsen, *Über die Erzählung vom Gnaeus Marcius Coriolanus, 149. 
272. — *Über ein in Claes in Tirol aufgefundenes Dekret des Kai- 


sers Claudius, 391. — *Nachricht von den neuesten Ausgrabungen 
in dem römischen Arvalhain, 483. — *Über die comites et amiei 
Augusti der früheren Kaiserzeit, 529. — *Über ein ungedrucktes 


Bruchstück aus dem 20. Buch des Livius, 752. 

Müllenhoff, *Über die Erd- und Gradmessung des Eratosthenes, 521. 

Parthey, die koptischen Handschriften in Rom, 276. — Über seine 
Ausgabe der Mirabilia Romae nach den vatikanischen Hand- 
schriften, 681. 

Pertz, Über ein unbekanntes Gesetz des ostgothischen Königs Theodo- 
rich, 647. 

Peters, Über die Gehörknöchelehen der Schildkröten, Eidechsen und 
Schlangen, 6. — Neue Gattungen und Arten von Eidechsen, 57. 
— Über neue oder weniger bekannte Flederthiere, besonders des 
Pariser Museums, 391. — Über neue Gattungen und neue oder 
weniger bekannte Arten von Amphibien, 432. — Über neue oder 
weniger bekannte Fische des Berliner zoologischen Museums, 703. 
— Über eine neue Eidechsenart, Phyllodactylus galapagensis, 719. 
— Über neue Saurier und Batrachier, 786. — Über mexikanische 
Amphibien, 874. 

Pinder, “*Über Conservation und Restauration von Kunstdenkmälern, 
83. — *Über die Trümmer von Sanchi Tope, 243. | 

Poggendorff, Vorläufige Notiz über anomale elektrische Erscheinungen, 
55. — Über das galvanische Verhalten des Palladiums, 116. — 
Über Vereinfachung der Holtz’schen Influenzmaschine erster Aıt, 
322. — Über elektrische Spitzenwirkung, 590. — Über das Holtz- 
sche Rotationsphänomen, 754. 


892. Namen-Register. 


Pringsheim, Über die Bildungsvorgänge am Vegetationskegel von Utri- 
cularia vulgaris, 92. — Über Paarung von Schwärmsporen,. 721. 

Rammelsberg, *Über die Construction einiger natürlicher Tantal- und 
Niobverbindungen, 86. —  *Über natürliche Tantal- und Niobver- 
bindungen, 262. — Über die chemische Zusammensetzung der Tur- 
maline, 604. 

Ranke, *Über den Fall des PIE Ministers E. v. Danckel- 
mann, 750. 

Reichert, Über Zoobotryon pellucidus Ehr., 372. 

Reusch, Über die -Körnerprobe am. zweiachsigen Glimmer, 83. — 
Über Glimmercombination, 530. 


Riedel, *Über die Verbesserung ‘der Brandenburg’schen Gerichtsver- 


fassung dureh ‚Kurfürst Friedrich I., 273. . 
Riefs, Vorgleichung des Electrophors mit der Electrisirmaschine und 
Electrophormaschine, 861. 
Rose, Über die regelmäfsige Verwachsungen: der verschiedenen Glimmer- 
arten, 339. — Über Darstellung krystallisirter Kieselsäure auf trock- 
nem Wege, 449. 


Roth, *Beiträge zur Kenntnifs der tertiären und posttertiären Eruptiv- _ 


gesteine, 54. — *Beiträge zur Petrographie der plutonischen Ge- 
steine, 140. 

Rudorff, Über die Reform der Grundsteuer unter Diocletian, 389. 

Rühlmann, Über Höhenmessungen mit dem Barometer, 264. 

Schott, *Altajische Studien, 872. 

Schultz-Sellack, Über Diathermasie einer ‘Reihe von Stoffen für 
dunkle Wärme, 745. 

Schweinfurth, Georg, 79. 

Warburg, Über die Erwärmung fester Körper durch das Tönen, 86. 
— Über die Dämpfung der Töne fester Körper durch innre Wider- 
stände, 538. — Über den Einflufs tönender Schwingungen auf den 
Magnetismus des Eisens, 857. 

Weber, Über eine Episode im Jaimini-Bhärata, 10. 377. — *Über das 
Saptacatakam des Häla, 465. 529. — *Zur Kenntnifs des vedischen 
Opfercultus, 749. 

Weierstrafs, Über die allgemeinsten eindeutigen und 2nfach periodi- 
schen Funktionen von » Veränderlichen, 853. 


Sach -Register. 


Acanthodactylus dorsalis Ptrs., 62. 

Achalinus spinalis Ptrs., 436. 

Agama Hartmanni Ptrs., 65. 

Amphibien, 6. 7. 57. 193. 432. 445. 719. 786. 874. 

Anilingrün, 5692. 

Anneliden, 494. 

Anoplodipsas viridis Ptrs., 442. 

Apionichthys nebulosus Pitrs., 709. 

Apostroph, 273. 

Aristides (2, 288), 413. 

Armenien, 216. 

Astronomie, Werth der Aberrationsconstante nach den Beobachtungen 
von Molyneux, 611. 

Bacillarien, 373. 

Boppstiftung, 525. 

Botanik, Über die Bildungsvorgänge am Vegetationskegel von Utricu- 
laria vulgaris, 92. — Bau und Entwicklung des Farn-Antheridiums, 
416. — Neue Art von Isoötes aus Neuseeland, 648. — Zwei vom 
Blitz getroffene Eichen, 698..— Paarung von Schwärmsporen, die 
morphologische Grundform der Zeugung im Pflanzenreiche, 721. — 
Mifsbilduug von Podocarpus chinensis, 738. 

Centropyx Renggerii Ptrs., 69. 

Chamaeleo calcaratus Ptrs., 445. 

Chemie, Über die dem Senföl entsprechenden Isomeren der Schwefel- 
cyanwasserstoffäther, 332. — Beiträge zur Kenntnifs des Methylal- 
dehyds, 362. — Darstellung krystallisirter Kieselsäure auf trocknem 
Wege, 449. — Naphtalinroth, 550. — Xylidinroth, 556. — Iso- 
mere Xylidine, 558. — Chrysanilin, 559. — Anilingrün, 563. — 


894 Sach-Register. 


Verhalten des Chlorals und der Trichloressigsäure im thierischen 
Organismus, 462. — Entschwefelungsproducte des Diphenylsulfocar- 
bamids, 583. — Chemische Zusammensetzung der Turmaline, 604. 
— Zur Geschichte der geschwefelten Harnstoffe, 791. 

Chloral, Verhalten im thierischen Organismus, 462. 

Chloralvergiftung, 872. 

Chrysanilin, 559. 

Cnemidophorus mexicanus Pirs., 62. 

Colopus Wahlbergii Pirs., 57. 

Congresse, 651. 

Cyclorhamphus fasciatus Pirs., 789. 881. 

Demosthenes (def. leg. 272), 413. — Schol. zu Dem. Andr. (13), 413. 

Dierodon ceoelestis Ptrs., 64. 433. 

Diocletianus, Reform der Grundsteuer, 389. f 

Diphenylsulfocarbamid, Entschwefelungsprodukte, 583. 

Dromophis praeornatus Pitrs., 447. 

Elapomorphus nigrolineatus Ptrs., 439. 

Electricität, siehe Physik, 55. 322. 590. 698, 754. 861. 

Eremias argus Ptrs., 61. 

Eremias Brenneri Pitrs., 432. 

Euprepes Grützneri Pirs., 433. 

Euprepes laevigatus Ptrs., 434. 

Farn-Antheridium, 416. 

Festreden, 67. 266. 529. 523. 

Fische des Berliner Museums, 703. 

Flederthiere, 391. 

Galvanismus, siehe Physik, 116. 

Gehörknöchelchen, 6. 

Glimmer, Körnerprobe am zweiachsigen, 83. 

Glimmerarten, regelmäfsige Verwachsungen, 339. 

Glimmercombinationen, 9980. 

Grundsteuer, römische, 389. 

Gymnodactylus Steudneri Pirs., 788. 

Haemulon maculosum Ptrs., 705. 

Harnstoffe, geschwefelte, 791. 

Herodotus (5, 77), 409. 

Heteropus rhomboidalis Pirs., 446. 

. Hippocampus breviceps Ptrs., 710. 

Höhenmessungen mit dem Barometer, 264. 

Humboldtstiftung, 78. 

Hyla gracilenta Pitrs., 789. 

Hyla microtis Ptrs., 880. 


Sach-Register. 895 


Hylodes Berkenbuschii Ptrs., 879. 

Jaimini-Bhärata, 10. 377. 

Influenzmaschine von Holtz, ihre Vereinfachung, 322. 

Inschriften, griechische, 149. 409. 

Iso&tes Kirkii A. Br., 648. 

Kieselsäure, krystallisirte, 449. 

Koptische Handschriften in Rom, 276. 

Liuperus nitidus Ptrs., 878. 

Lygosoma (Mocoa) nigrofasciolatum Ptrs., 435. 

Magnetismus, siehe Physik, 807. 857. 

Mathematik, Untersuchungen in Betreff der ganzen homogenen Funk- 
tionen von n Differentialen, 49. — Über die Transformation ganzer 
homogener Differenzialausdrücke, 1. — Über Systeme von Funktio- 
nen mehrer Variabeln, 159. — Systeme von Funktionen mehrer 
Variabeln, 688. — Über die allgemeinsten eindeutigen und 2nfach 
periodischen Funktionen von n Veränderlichen, 853. 

Melaphyr-Einschlüsse, 244. 

Mesoprion argentiventris Pirs., 704. 

Mesoprion Ehrenbergii Pirs., 704. 

Mesoprion inermis Pitrs., 705. 

Meteorologie, siehe Physik, 116. 264. 308. 

Methylaldehyd, 362. 

Mikroskopie, Einschlüsse im Melaphyr, 244. — Grundproben aus dem 
nordischen Meere, 253. — Mikroskopische ' Lebensverhältnisse auf 
der Oberfläche der Insel Spitzbergen, 257. — Rother am 24. März 
1869 in den Dardanellen gefallener Passatstaub, 308. — Gebirgs- 
schichten aus Bacillarien unter und bei der Stadt Mexico, 373. 

Mineralogie, Über die Körnerprobe am zweiachsigen Glimmer, 83. — 
Über Krystallform und Circularpolarisation und über den Zusammen- 
hang beider beim Quarz und überjodsauren Natrium, 140. — Ein- 
schlüsse im Melaphyr, 244. — Über die regelmäfsige Verwach- 
sungen der verschiedenen Glimmerarten, 339. — Darstellung kry- 
stallisirter Kieselsäure auf trocknem Wege, 449. — Über Glimmer- 
combinationen, 530. — Chemische Zusammensetzung der Turma- 
line, 604. ’ 

Mirabilia Romae, 681. 

Müla, Gestirn, 15. 

Münzen, griechische, religiöser Charakter, 465. 

Naphtalinroth, 550. 

Öffentliche Sitzungen, 67. 266. 523. 

Opisthognathus punctatus Pirs., 708. 

Palladium, sein galvanisches Verhalten, 116. 


896 


Passatstaub in den Dardanellen, 308. 
Pausanias (1, 28, 2), 412. 
Phyllodactylus galapagensis Ptrs., 780. 
Physik, Anomale elektrische Erscheinungen, 55. —. Über die Erwär- 
mung fester Körper durch das Tönen, 86. — Über das galvanische 


Sach-Register. 


Verhalten des Palladiums, 116. — Über das barometrische Maxi- 


mum im Januar 1869, 118. — Über ‚Höhenmessungen mit dem 
Barometer, 264. — Über den am 24. März 1869 in den Darda- 
nellen gefallenen rothen Passatstaub, 308. — Über Vereinfachung 


der Holtzschen Influenzmaschine, 322. — Über Glimmercombination, 
530. — Dämpfung der Töne fester Körper durch innre Wider- 


stände, 538. — Emission und Absorption der bei niederen Tempe- 


raturen ausgestrahlten Wärme, 482. — Über elektrische Spitzen- 
wirkung, 590. — Reflexion der Wärme an der Oberfläche von 


Flufsspath, 675. — Zwei vom .Blitz getroffne Eichen, 698. — Ver- 
änderung .der Wärmestrahlung durch Rauheit der Oberfläche, 713. 


— Über Diathermasie einer Reihe von Stoffen für dunkle Wärme, 


745. — Über das Holtzsche Rotationsphänomen, 754. — Über die 
aperiodische Bewegung gedämpfter Magnete, 807. — Einfluls tönen- 


der Schwingungen auf den Magnetismus des Eisens, 857. — Ver- 


gleichung des Elektrophors mit der Elektrisirmaschine und Elektro- 
phormaschine, 861. — Über die Kräfte, welche zwei unendlich 
dünne, starre Ringe in einer Flüssigkeit scheinbar auf einander aus- 
üben können, 881. 


Pimelepterus elegans Ptrs., 707. 


Platymantis unilineata Ptrs., 447. 


Plesiops meleagris Ptrs., 708, 


Podocarpus chinensis, 738. _ 


Polychrus (Channolaernus) multicarinatus Pirs., 786. 
Preisfragen, 523. 2 
Pristipoma notatum Ptrs., 706. 

Pteroplatea crebripunctata Pirs., 703. 
Rhoptropus afer Ptrs., 59. 

Rhynchonyx ambiniger Ptrs., 438. 


Riesenvögel Neuseelands, 752. 


Sage vom Gang nach dem Eisenhammer, 10. — von Kaiser Hein- 


rich IIL, 10. 


Saurites (Eremias) cuneirostris, 60. 
Schwefeleyanwasserstoffäther, 332. 
Solea pilosa Pirs., 709. 

Spilotes fasciatus Ptrs., 443. 
Stromateus medius Ptrs., 707. 


Sach-Register. 897 


Strychnin als Antidot bei a ne 872. 

Theodorich, Gesetz, 647. 

Trachyrhamphus eultrirostris Ptrs., 710. 

Tachymenis melanocephala Pitrs., 876. 

Tributlisten, attische, 149. 

Trichloressigsäure, 462. 

Tridymit, sein Vorkommen, 461. 

Tropidolepisma Richardi Pirs., 787. 

Tropidonotus ruficeps Ptrs., 444. 

Turmaline, 604. 

Typhlops perditus Ptrs., 535. 

Utricularia vulgaris, Vegetationskegel, 92. 

Varanus (Odatria) semiremex Ptrs., 695. 

Wärmelehre, siehe Physik, 86. 482. 675. 713. 745. 

Xenopholis Braconnieri Ptrs., 441. 

Xylidine, Isomere, 558. 

Xylidinroth, 556. 

Zoologie, Über die Gehörknöchelchen der Schildkröten, Eidechsen und 
Schlangen, 6. — Über die Höhlen des Unterkiefers der Krokodile, 
7. — Über den Giftapparat der Schlangen, 193. — Neue oder 
weniger bekannte Flederthiere, besonders des Pariser Museums, 391. 
— Neue Gattungen und Arten von Amphibien, 432. — Beschrei- 
bung Ehrenberg’scher Anneliden des rothen Meeres, 494. — Neue 
oder weniger bekannte Fische des Berliner Museums, 703. — Neue 
Eidechsenart, Phyllodactylus galapagensis, 719. — Riesenvögel Neu- 
seelands, 752. — Neue Saurier und Batrachier, 786. — Siehe Mi- 
kroskopie, 244. 253. 257. 373. 


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MONATSBERICHT 


DER 


KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


ZU BERLIN. 


Januar 1869. = 


Mit 1 Tafel. 


BERLIN 1869. 


BUCHDRUCKEREI DER K&K. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) 
UNIVERSITÄTSSTR. 8. 


IN COMMISSION IN FERD., DÜMMLER’S VERLAGS-BUCHHANDLUNG, 
HARRWITZ UND GOSSMANN. 


Inhalt. 


it 


Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind ohne Auszug. 


*HauPpT, Über ein griechisches Excerpt geographi- 


sches Inhalts 
*HaAuPT, Über des Discodus Mae Tpe des 
phyrius Bischofs von Gaza 


ÜHRISTOFFEL, Über die Transformation ganzer ho- 


mogener Differentialausdrücke . : 

PETERS, Über die Gehörknöchelchen der Schildknö- 
chelchen der Schildkröten, Eidechsen und Schlan- 
gen, so wie über die Höhlen des Unterkiefers 
der Crocodile m: 

WEBER, Über eine Enidde im em Ehdier 

LipscHItz, Untersuchungen in Betreff der ganzen ho- 
mogenen Functionen von n Differentialen . 

“RorH, Beiträge zur Kenntnifs der tertiären und 
posttertiären Eruptivgesteine . 

*AUWERS, Vorzeigung von Preiighen ; 

POGGENDORFF, Vorläufige Notiz über ein Paar ano- 
male elektrische Erscheinungen 

PETERS, Über neue Gattungen u. Arten von Yadecheen 

*BEYRICH, Über Eugeniacrinus und Rhizocrinus 

Lersius, Über Aegyptische Kunst . 

Kunmuer, Festrede 5 

Öffentliche Sitzung zur er RE Tales 
tags Friedrich’s II. 

Humboldt-Stiftung 

Eingegangene Bücher . 


Seite 


1 

1 
1—6 
6—8 
10—48 
49—53 
"55. 
55—56 
57—66 
66 

82 

67 —78 
67—82 
18—--82 
9, 54. 66 


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MONATSBERICHT 


KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


ZU BERLIN. 


Februar 1869. Re 


Mit 2 Tafeln. 


BERLIN 1869. 


BUCHDRUCKEREI DER K. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) 
UNIVERSITATSSTR. 8. 


IN COMMISSION IN’FERD. DÜMMLER’S VERLAGS-BUCHHANDLUNG, 
; HARRWITZ UND GO3SMANN. 


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inhalt 


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Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind ohne Auszug. 


"ein 


*PinDER, Mittheilungen über Conservation und Re- 


stauration von Kunstdenkmälern . 
*EwALn, Über Faserkalkbildnngen . 

Reusch, Über die Körnerprobe am zweiachsigen 
Gimmer' '.. UN RR | 
*RAMMELSBERG, Über die Coreörsehan einiger na- 
türlicher Tantal- und Niobverbindungen . . » 
WARBURG, Über die Big nmımg fester Körper durch 

das Tönen . . 


PRINGSHEIM, Über die Bildanasrordahee am Veroti, / 


tionskegel von Utricularia vulgaris 
POGGENDORFF, Über das galvanische Verkolien hen 
'Palladiums 


Dove, Über das N. ann im J anuar 


26°... 
*RoTH, Beiträge zur Deirögiäphie a bahn 
Gesteine . . . : a 


GroTH, Über Ellen rd Oele 

*MOMMSEN, Über die Erzählung vom Gnaeus Mareius 
Coriolanus Re ah uehlulen . 5 

*EHRENBERG, Über viele in Berlin. ebene beobach. 
tete mikroskopische Sülswasser-Organismen der 
Insel Spitzbergen NLRR REN 

KönHrer, Vorläufiger Bericht über eine neue Bear- 
beitung der Attischen Tributlisten 


Beusegangene Bücher ... .. ....%, 85.92. 


Seite 


149 


83 

83 
83—85 
86 
86--92 
92-—116 
116-118 
118-139 
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140— 148 
149 
149-156. 
148. 157. 


In Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung sind neuer- 
dings folgende akademische Abhandlungen aus den Jahrgängen 


1868 und 1869 erschienen: 


Mommses: Livii codex Veronensis. Preis 2 Thlr. 20 Ser. 


G. Rose: Über die im Kalkspath vorkommenden hohleu Kanäle. 


Preis 20 Sgr. 
PaArruev: Die thebanischen Papyrusfragmente im Berliner Museum. 


Preis 12 Sgr. 


MONATSBERICHT 


i KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 


AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


ZU BERLIN. 
März 1869. 
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Mit 3 Tafeln. 


BERLIN 1869. 


 BUCHDRUCKEREI DER K. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) 
.  UNIVERSITÄTSSTR. 8. 


IN COMMISSION IN FERD. DÜMMLER’S VERLAGS-BUCHHANDLUNG. 
HARRWITZ UND GOSSMANN. 


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Inhalt. 


Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind ohne Auszug. 


®BUSCHMANN, Zusätze zum Verzeichnifs der azteki- 
schen Wörter in den sonorischen Sprachen 

KRONECKER, Über Systeme von Funetionen mehrer 
Variabeln . | 

MEYER, Über den ee ve Se 


*Dove, Mittheilung über die meteorologischen Ver- 


hältnisse des Sommers 1863 
KIEPERT, Über älteste Landes- und Volksgeschichte 
von Armenien ar 
*PInDER, Mittheilung über die Trominer von Seuechi 
Tope in Bhopal in Central-Indien 
EHRENBERG, Drei schriftliche Mittheilungen 
*RAMMELSBERG, Fernere Mittheilung über die natür- 
‘lichen Tantal- und’ Niob-Verbindungen . 


RÜHLMANN, Über Höhenmessungen mit dem Baro- 


MMEIETT .. En Eee ge 
pu Boıs-REymonxD, Festrede h i 
Monysen, Über die ran vom Gnaeus Mareius 

Coriolanus 
Öffentliche Stern 
Eingegangene Bücher 


Seite 


159 
159—193 
193— 215 
215 
216—243 
243 
244-263 
262 

. 264-265 

. 266-272. 

E 
266-272 
216. 243 


In Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung sind neuer- 
dings folgende akademische Abhandlungen aus dem Jahrgange 


1868 erschienen: 


CHRISTOFFEL, Allgemeine Theorie der geodätischen Drdiecke, 
Preis 1 Thlr, 


Runorrr, Über die Laudation der Murdia. 


Preis 20 Sgr. 


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Mit 1 Tafel. 
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UNIVERSITÄTSSTR. 8. 


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Fi HARRWITZ UND GOSSMANN. 2 


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inhalt. 


Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind ohne Auszug. 
PP: Seite 
"RIEDEL, Über die Verbesserung der Brandenbirar 


-schen Gerichtsverfassung durch den Kurfürsten ' 
Beednieh 1... . ee 213 
BERKER, Über Mifsbrauch de FE ie a Ale 
Pırruey, Die koptischen Handschriften in Rom . 276-307 
EHRENBERG, Über den am 24. März dieses Jahres 
mit Nord-Ost-Sturm gefallenen rothen Passatstaub 308—320 
*BORCHARDT, Über einige Probleme des relativen 
Se. el en 322. 
POGGENDORFF, Über Vereinfachung in der Con- | 
struction und dem Gebrauch der Holtz’schen In- 


fluenzmaschine erster Art . . . | .. 922—332 
HoFMANnN, Über die dem Senföl en Ta 

meren der Schwefeleyanwasserstoffäther . . . 332-338 
Rose, Über die regelmäfsigen Verwachsungen der 

verschiedenen Glimmerarten . . 339 —362 
HorMmann, Beiträge zur Kenntnifs 2 Möthylalde- 

ek h ; ..362—372 
*REICHERT, no leieliende anal Unkorsuehg. SR 

Bennuber Zoobotryon pellueidus Ehr.  . 2... 0. 002 


EHRENBERG, Über mächtige Gebirgsschichten, vor- 
herrschend aus mikroscopischen Bacillarien unter 
und bei der Stadt Mexiko . . . . . 373— 877 
WEBER, Nachträge zu der im race die Mo 
natsberichte enthaltenen Abhandlung über eine 
Episode aus dem Jaimini-Bharata . . . . . 377-387 
Eingegangene Bücher . . . 320. 321. 338. 372. 387. 


In Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung sind neuer- 
dings folgende akademische Abhandlungen aus dem Jahrgange 
1868 erschienen: 

RuporFF, Über den Ursprung und die Bestimmung der Lex Dei. Preis 
14 Ser. 

v. RAnkeE, Briefwechsel Friedrichs des Grossen mit dem Priuzen Wil- 
helm IV. von Oranien und mit dessen Gemahlin, Anna, geb. Prin- 
eefs Royal von England. Preis 1 Thlr. 15 Sgr. ’ 


-  MONATSBERICHT 


KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


ZU BERLIN. 
Mai 1869. r eK 


Mit 3 Tafeln. 


BERLIN 1869. 


BUCHDRUCKEREI DER K. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) 
UNIVERSITATSSTR. 8. r 


IN COMMISSION IN FERD. DÜMMLER’S VERLAGS-BUCHHANDLUNG. 
HARRWITZ UND GOSSMANN. 


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Inhalt. 


Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind ohne Auszug. 


*Haupt, Über die Erklärung der ee des 
Aristophanes N ; , 

RUDORFF, Über die En ae Grundsteuer unter 
Diocletian 5 

*MoMMSEN, Über ein in he im None (Tirol) 
gefundenes Decret des Kaiser Claudius v. J. 46. 

PETERS, Bemerkungen über neue oder weniger be- 
kannte Flederthiere, besonders des Pariser Museums 

*Dove, Weitere Notizen über den Sturm vom 7. De- 
eemberiv: J.. 0 2°; . . 

KIRCHHOFF, Über zwei altinche Volreinschrifteni: aus 
Perikleischer Zeit . 

Kxny, Über den Bau und die eine des Hier 
Antheridiums ; PN Ä 

PETERS, Über neue Ganzen ind neue der weni- 
ger bekannte Arten von Amphibien . 


Ernigeoangene Bücher. .. ... ......,407. 


Seite 


408 


389 
389—390 
391 
391—406 
409—416 
416-431 
433445 
445. 446 


| In Ferd. Dümmiler’s Verlagsbuchhandlung ist neuer- 
dings folgende akademische Abhandlung aus dem Jahrgange 


1869 erschienen: 


EHRENBERG, Über mächtige Gebirgsschichten vorherrschend aus mikro- 


skopischen Bacillarien unter und bei der Stadt Mexiko. 


‚Preis 1 Thir. 15 Sgr. 


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ZU BERLIN. 


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m COMMISSION IN FERD. DÜMMLER’ s VERLAGS-BUCHHANDLUNG. 
HARRWITZ UND GOSSMANN, 


Inhalt. 


Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind ohne Auszug. 


Rose, Über Darstellung krystallisirter Kieselsäure _ 


auf trocknem Wege 


_ LIEBREICH, Über das Verhalten des Chlorals und 


der Trichloressigsäure im thierischen Organismus 
*WEBER, Über das saptagatakam des Hala 
Currius, Über den religiösen Charakter der griechi- 
schen Münzen e a Sach, 
Masnus, Über Emission und Absorption din bei nie- 
deren Temperaturen ausgestrahlten Wärme 
*Mommsen, Nachricht von den neuesten Ausgrabun- 
gen in dem römischen Arvalhain im Winter von 
1868 auf 1869 . ; 
*DoveE, Notizen über die vojährigen ee 
mungen in der Schweiz . ı \ 
GRUBE, Beschreibungen neuer oder weniger bern 


ter von Hrn. Ehrenberg a Anneliden 


des rothen Meeres . 
*MÜLLENHOFF, Über die Erd- nd Gradmessun der 
 Eratosthenes 


Eingegangene Bücher . ae. un 464. 481. 


Seite 


449462 
162 —464 
465 
465481 

. 489483 
183 

494 
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521 


483. 522 


MONATSBERICHT 


| | | KÖNIGLICH PREUSSEN 
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


ZU BERLIN. 


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HARRWITZ UND GOSSMANN. 


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Inhalt 


. Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind ohne Auszug. 


"Wener, Über das vaptayatakam des Hala re 
setzung) BR 


=MOoMMSEN, Über die comites et amiei Ausnahi de 
früheren Kaiserzeit 


REuSscH, Über Glimmercombinationen 


WARBURG, Über die Dämpfung der Töne fester Kör- 
per durch innere Widerstände . 


Hormann, Über das Naphtalinroth 

‚ Über das Xylidinroth 

‚„ Zur Kenntnifs der isomeren Xylidine 
‚ Zur Kenntnifs des Chrysanilins 


‚ Über die chemische Natur des Anilingrüns- 


- , Neue Untersuchungen über die dem Senföl 
entsprechenden Isomeren der Schwefel- 
cyanwasserstoffsäureäther . - 

-, Bemerkungen über die Finca 
producte des’ Diphenylsulfocarbamids . 


POGGENDORFF, Über elektrische Spitzenwirkung . 

RAMMELSBERG, Über die chemische ar 
der Turmaline 

*MAGNUSs, Mittheilung über Has Essen bee Töne 
bei der Fortpflanzung in hanfnen Schnüren und 
in Bleidraht . le 

AUWERS, Über den Werth der Abs onel Be 
nach den Beobachtungen von Molyneux 

PERTZ, Über ein unbekanntes Gesetz des Ostgonr 
schen Königs Theodorich 

BRAUN, Über eine neue in Neuseeland entdeckte A 
der Gattung Isoetes 


Droysen, Historischer Beitrag zu a Fähre von a | 


Congressen 


Masnuüs, Über die Berfexion dr ne an dr Obär 
fläche von Flufsspath und andern Körpern 


*PERTZ, Vorlegung eines Buches 
Öffentliche Sitzung 
Eingegangene Bücher . 


529 

599 
530—538 
538—549 
550-556 
556—558 
558—559 
559—563 
563—579 
579—583 
583—590 
590—604 
604—611 
su 
611—646 
647—648 
648—650 
651—675 
675—678 
678 
523—529 


549. 590. 650. 679 


| KÖNIGLICH PREUSSISCHEN 
A KADEMIR DER WISSENSCHAFTEN 


ZU BERLIN. 


August 1869. | Be‘ | 


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BUCHDRUCKEREI DER K. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) 


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; UNIVERSITÄTSSTR. 8. 


IN COMMISSION IN FERD. DÜMMLER’S VERLAGS-BUCHHANDLUNG. 
HARRWITZ UND GOSSMANN. 


| 
| 
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Inhalt. 


Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind ohne Auszug. 


PARTHEY, Über seine Ausgabe der Mirabilia Romae 
nach den vatikanischen Handschriften ; 
KRONECKER, Über Systeme von Functionen mehrer 


Variabeln . ; 
*pu Boıs-REYMOND, Öb: die Ar nlische Boyesane 


gedämpfter Magneten u...» 
Braun, Über zwei vom Blitz E Boßfene Eichen . 
Bonitz, Über Platons Kratylus mit Beziehung auf 

die Bestreitung des platonischen Ursprungs 
PETERS, Über neue oder weniger bekannte Fische 

des Berliner zoologischen Museums - 
Eingegangene Bücher . 


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BERLIN 1869. 


DER K. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. vosT) Has 
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Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind ohne Auszug. 


MAGNUS, Über die Veränderung der Wärmestrahlung 
durch Rauheit der Oberfläche . u 
PETERS, Über eine neue Eidechsenart, Pu ul 
galapagensis, von den Galapagos-Inseln . 
PrinssHeim, Über Paarung von Schwärmsporen 
BRAUN, Bemerkungen über eine  ı von Po- 
docarpus Chinensis . NR, AR 
SCHULTZ-SELLACK, Über Dielen einer Reihe 
von Stoffen für dunkle Wärme 
“WEBER, Zur Kenntnils des vedischen Garrel ; 
*RÖDIGER, Über einige ältere arabische Gedichtsamm- 
lungen 
®y. RAnkE, Über den Fall a ansehen 
Ministers Eberhard von Dankelmann 
Eingegangene Bücher . 


Seite 


713—719 
7119-720 
721738 
738744 
745 —747 
749 
750. 
750 
748. 749 


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Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind ohne Auszug. nik 


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Br *EHRENBERG, Über eine an die Akademie eingesandte 
A Berlitheilung: .....:.. . 0.0 u 
*HagEn, Über die Bewegung des Waren in ver Wan 
tical abwärts gerichteten Röhren . . . . . . 
EHRENBERG, Mittheilung aus einem Schreiben des 
Rn. Hans ‚as il. a a 
=MoMMSEN, Über ein ungedrucktes Bruchstück aus 
Dem 20, Buche des Livius... .. 2.0... 2.2. 
-*DoveE, Übersicht des dritten Theiles seiner Darstel- 
lung der Wärmeerscheinungen IN fünftägige A 
Bl. une. 0 
"DROYSEN, Beitrag zur Kritik der Mesioimen. des. m 
Prcan an Poelnitz 1... Sean 
‘ POGGENDORFF, Über das Holtz’sche Rotationsphä- 
Be ee 785 
PETERS, Über neue Saurier und Batrachier . . . 786-790 
Hormann, Zur Geschichte der geschwefelten Harn- 
Be. = tan lkeinee ln. Be a 791806 
pu Bois-Revmonp, Über die a Bewegung | 
sedämpiter Magnete’. "nu 806 959 
Eingegangene Bücher .. .. ... u... 751. 753. 806 


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AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 


ZU BERLIN. 


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UNIVERSITÄTSSTR. 8. 


IN COMMISSION IN FERD. DÜMMLER’S VERLAGS-BUCHHANDLUNG. 
HARRWITZ UND GOSSMANN. 


Inhalt. 


Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind ohne Auszug. 


WEIERSTRASS, Über die allgemeinsten eindeutigen 
und 2nfach periodischen Functionen von n Ver- 


änderlichen \ i 

WARBURG, Über den Einflufs once in 
gen auf den Magnetismus des Eisens 

Rıess, Vergleichung des Elektrophors mit der Elek- 
trisirmaschine und Elektrophormaschine 

*SCHOTT, Fortsetzung seiner altajischen (uranischin) 
Studien S 

®HAGEN, Über Bewer des Warez in le 
schen nahe horizontalen Röhren . 

PETERS, Über mexicanische Amphibien N 

KiIRCEHOFF, G. R., Über die Kräfte, welche zwei 
unendlich denne, starre Ringe in einer Flüssigkeit 
scheinbar auf einander ausüben können 

Namen-Register . 

Sach-Register . se ae a 

Bessesansene Bücher ‘ .... un... 808 


Seite 


853857 
857861 
861-872 
872-873 
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874—881 
881-887 
889899 
893897 
873. 887 


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