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Harvard University
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MONATSHEFTE |
KUNSTWISSENSCHAFT
I. JAHRGANG 1908
:: I HALBBAND ::
VERLAG VON KLINKHARDT & BIERMANN IN LEIPZIG
se u yah Abhandlungen.
Paul Schubring, Das Blutbad von Otranto in der Malerei des Quattrocento, mit 5 Abb. .
Ernst Zimmermann, Plaue a. d. Havel, die erste Konkurrenzfabrik der Meißner Manu-
faktur und ihre Erzeugnisse, mit 6 Abb. . ei a A e
George A. Simonson, Francesco Guardi, mit 3 Abb. .
Max Gg. Zimmermann, Niederländischer EH des XVI. Jahrhunderts i in ‘Berliner
Privatbesitz, mit 8 Abb.. .
Ernst Steinmann, Studien zur Renaissanceskulptur in Rom. I mit 2° Abb.
Jean EE L’exposition des Cent Pastels, mit 8 Abb. . . an
. B., Bode
W. Martin, Über den Gesdimack des Holländischen Publikums im XVII. Jahrhundert ı mit
Bezug auf die damalige Malerei, mit 13 Abb. -
Hermann Voss, Der Johannesaltar des Meisters mit der Nelke, mit 8 Abb. . .
Emil Schaeffer, Der „Triumph des Federigo Gonzaga“ von Lorenzo Costa, mit 1 Abb. .
Anton PUT Die Wandgemälde in der Kirhe des Kreuzesklosters bei Jerusalem,
mit 15 Abb. .
Detlev Freiherr von Hadeln, ‘Andrea di Giusti und das dritte Predellenstück vom pisa-
nischen Altarwerk des Masaccio, mit 3 Abb. i
Adolf Gottshewski, Zu Michelagniolos SchaffensprozeB . .
August Goldschmidt, Zur Kenntnis Johann Georg Edlingers und seiner Zeit, mit 2 Abb.
Prosper Dorbec, Evolution du Portrait en France apres la Révolution, mit 11 Abb. .
Hermann Uhde- -Bernays, Biirger-Thoré . .
Edmund Wilhelm Braun-Troppau, Uber Kelsterbacher Porzellanfiguren, mit 9 Abb..
Ernst Steinmann, Studien zur Renaissanceskulptur in Rom. II, mit 3 Abb. . .
Fritz Hoeber, Rembrandts Plattenzustände, mit 18 Abb. . . .
Hermann Voss, Charakterköpfe des Seicento. II, mit 11 Abb. .
Art. Jahn Rusconi, La collezione Doria Pamphily, mit 11 Abb.
Wilhelm Suida, Zur Florentiner Trecentomalerei, mit 1 Abb.
Georg Gronau, Zwei Predellenbilder von Raphael, mit 2 Abb. . .
Detlev Freiherr v. Hadeln, Die Werke Vincenzo Catenas, mit 7 Abb.
Sidney I. A. Churchill, Benvenuto Cellini, the Caradossos and other Master Craftsmen of
the Guild of the Goldsmiths of Rome, mit 1 Abb. .
Ignaz Beth, Wolgemuts Gehilfen in Feuchtwangen und Hersbruck, mit 6 Abb.
II. Studien und Forschungen.
Ernst Steinmann, Zur Ikonographie Michelangelos, mit 1 Abb.
D. v. Hadeln, Bemerkungen zu einigen venetianischen Bildern der Brera
Fritz Burger, Eine neuentdeckte Madonna Domenico Gaginis in Torcello bei Venedig, mit
1 Abb.
Ernst A. Benkard, Ein Portrat Raffaels von der Hand des Sebastiano del Piombo, mit 3 Abb.
August L. Mayer, Ein Spanisches Porträt Michelangelos, mit 1 Abb.. .
S., Diirers Hieroglyphen im Gebetbuch Kaiser Maximilians
Karl Borinski, Michelangelos Gigantensdilacht .
Max Seeliger, Die Photographie Entdeckerin kunstwissenschaftlicher Werte, "mit 3 Abb.
Wilhelm Rolfs, Anton Michellino von Pisa, mit 3 Abb. .
August L. Mayer, Spanische Reliefgemälde, mit 1 Abb.
Karl Borinski, Das Novellenbild in der Casa Buonarotti
Rosa Sdiapire, Aus Konrat Witz's Kreis, mit 1 Abb.
Wilhelm Uhde, Zu Botticellis Primavera, mit 1 Abb.
Fritz Burger, Zu Palladios vierhundertjährigem Geburtstag
D. v. Hadeln, Zu den Altarwerken Palma Vecchios in Serinalta .
Ernst Kihnel, Die Qal‘A der Beni Hammad in Algerien, mit 2 Abb. duo
Sigmund Landsinger, Ein wiederaufgefundenes Gemälde von e im Museo Nazio-
nale zu Palermo, mit 2 Abb. . . .
Josef Strzygowski, Neuentdeckte Mosaiken in Salonik, mit 2 Abb... .
Wilhelm Vöge, Ein Kölner Holzbildhauer aus romanischer Zeit, mit 3 Abb.
Julius Baum, Studien zu den Medicigräbern, mit 2 Abb. . ;
Emil Schaeffer, Ein Bildnis des Vincenzo Capello, mit 1 Abb. |
Osvald Sirén, Addenda und Errata zu meinem Giottino-Buch, mit 5 Abb..
Philipp M. Halm, Zu Wolf Huber. .
Campbell Dodgson, Zum Porträt Palladios von Licinio
Seite
593
Inhalt
Ill. Rundschau.
Belgien. . . . . . . . . . +. +. 923 Venedig D RES oe ae ee ee ee
Berlin . . . . . . . 658, 910, 1024, 1126 Kleine Nachrichten . 678, 813, 923, 1030,
Bologna . . . . . 1135 G. Gronau, Gefalschte Künstlerdokumente
Budapest . . . . 665, 806, 917, 1026, 1133 P.F. Schmidt, Zu Wilhelm Leib! ;
Dresden. .... 659 Ergebnisse des VII. Intern. Kunsthist. Kon-
Florenz. .. aaa’ e & eS 666, 1133 gresses zu Darmstadt.
Frankfurt a/M. . . . . . . 805, 916, 1130 JaroSpringer, Von neuen Erwerbungen
Heidelberg . . . . . . . . . . . 660 des Berliner Kupferstichkabinettes .
Holland. . . . . . . AR 25) 1140 Uhde-Bernays, Karl Spitzweg .
Koln... Wie Lis 4 663 Bode contra. Voll. . .
Leipzig. . . . . 1131 G.B., Der Würzburger Kreuzgang bei der
London. . . . . 669, 807, 917, 1027, 1138 Neumiinsterkirche
Mailand. . ... d . 1135 Der präsumtive Leiter der Nationalgalerie
Münden ........ 664, 917, 1131 Der Generaldirektor der Miinchn. Sammlg.
Paris. . . . . . . . 668, 809, 1027, 1137 Pauli, Ein offener Brief .
Rom ......... . 667, 807, 1136 Von Schweizerischen Museen und Gesell-
Spanien. . . . . . . . |. . . . . 812 sqiaiten : à . ud o ee ee au
Stuttgart . . . 2 2 . . . . +... + 805 Was uns not tut .
IV. Literatur.
Bernhard Patzak, Die Villa Imperiale in Pesaro. (Georg Gronau.) . .
Christian Huelsen, La Roma Antica di Ciriaco d'Ancona. (Karl Frey.) :
Michele Lazzaroni-Antonio Muñoz, Filarete, scultore e ardıitetto del secolo XV.
(Paul Scubring.) .
A. Avena, Il Restauro dell’ arco d’ Alfonso d'Aragona in Napoli. (Wilhelm Rolfs.) ;
Georg Swarzenski, Die Salzburger Malerei von den ersten AN augen bis zur Blütezeit
des romanischen Stils. (Vitzthum.) ;
Osterreichische Kunsttopographie. Herausgegeben von der k. k. Zentralkommission für
Kunst und historishe Denkmale. (Richard Graul.) . .
Gustav Glück, Niederländische Gemälde aus der Sammlung des Herrn Alexander Tritsch
in Wien. (Max Rooses) .
Les grands artistes. Les van Eyck par "Henri Hymans. Murillo par P. Lafond. Daumier
par H. Marcel. Holbein par P. Gauthiez. (R. A. Meyer). .
Clement Faller par André Girodie: Un peintre alsatien de tradition. (R. A. Me yer.) 2
JoshuaReynolds v. Max Osborn, Künstlermonographien hrsg. v. H. Knackfuß. (G. Ï Kern.)
Unveröffentlichte Gemälde alter Meister aus dem Besitz des Bayrischen Staates. Herausge-
geben von Ernst Bassermann-Jordan . . a Vi ded Per o i
Karl Borinski, Die Rätsel Michelangelos. (Ernst Steinmann.)
Karl Frey, Michelagniolo Buonarroti. (Karl Borinski.) ;
Giorgio Bernardini, Sebastiano del Piombo. (Georg Gronau.) ; une, dea
Julius von Schlosser, Die Kunst und Wunderkammern der Spätrenaissance. (G. Pauli.) .
Manuel d'art musulman. L’Architecture par H. Saladin. Les Arts plastiques et industriels
par Gaston Migeon. (Josef Strzygowski.) . .
Karl Voll, a durch i alte Pinakothek-Otto Grautoff, Die Gemaldesammlungen Miinchens.
Orringer 2 .
August Griesebad, Das deutsche Rathaus der Renaissance. (Rudolf Kautzsch,
R. Kautzsc, Die Kunstdenkmäler in Wimpfen a. N. (Bergner.)
B. Zucerkandl, Zeitkunst Wien 1901—1907. (Franz Servaes). . .
F. R. Martin, A History of Oriental Carpets before 1800. (W. Bode.)
Johannes Sievers, Pieter Aertsen. (A. Bredius.) .
A. Haupt, Palast-Architektur von Oberitalien und Toscana vom XIII. — XVII. - Jahrhundert
(Hans Stegmann, Nürnberg.) . . :
Hans Wolfgang Singer, Die Kleinmeister. (Jaro Springer.) ;
Neue keramische Literatur. 1. Ad. Brüning, Porzellan. 2. K. F. Gutmann, Die "Kunsttöpferei
des XVIII. Jahrh. im Großherzogtum Baden. 3. E. Heuser, Die Pfalz- Zweibrückner
Porzellanmanufaktur. 4. E. Heuser, Pfälzisches Porzellan des XVIII. un
(E. W. Braun.)
Fridericianisches Barock. Herausg. von O. Kloeppel. (August Griesebach.) .
Selwyn Brinton, Mantua. (Max Semrau.) . EE
Donop Prof. Dr. Lionel v., Der Landschaftsmaler Carl Blechen. ‘(Uhde-Bernays.)
Albert v. Hofmann, Die Grundlagen bewuBter Stilempfindung. (R. Czapek.) . .
824
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934
IV Inhalt
i Seite
Arthur W. Unger, Wie ein Buch entsteht. (J. Loubier.) . 935
Max Deri, Das Rollwerk in der deutschen Ornamentik des XVI. und XVII. Jahrhunderts.
(Rudolf Kautzsch.) . . : . 1031
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Heft 9 ......... . . 831—844 Heft 12. . . . . . . . . . . 1159—1174
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VII. Der aide |
Aaden .......... . . . 952 Leipzig. . . . . . . . . . . 953, 1178
Amsterda 724 London. . . +. 719, 847, 1180
Berlin . "` au 1062 mit 1 Abb.) 1064, 1176 Münden . 715, 953 (mit 1 Abb.), 1065, 1179
Bonn . . 1063 Paris... . + + + 717, 1180
Frankfurt a M. pisa dn e dd 953, 1064 Wien. ........2.+2.. 1063
Heidelberg 1178 Vermischtes . . . . . . : 726, 850
Holland 955 (mit 3 Abb.) 1 1065 5 (mit 3 Abb) 1183 Neue Kataloge. . . . . 729, 850, 958, 1184
Kampen. . 726 Auktionskalender . . . . . . 958, 1069, 1184
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Porträt MICHELANGELOS von Jacopo del Conte Nach einer Originalaufnahme
Rom, Oratorium von S. Giovanni Decollato O
O Zu dem Beitrag von Ernst Steinmann in „Studien und Forschungen“
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Herausgeber: DR. GEORG BIERMANN
Redaktion: LEIPZIG, Liebigstr. 2
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O Begründet als „Monatshefte der Kunstwissenschaftlichen Literatur“ von Dr. Ernst Jaffe und Dr. Curt Sachs
I. Jahrg. Heft 7/8 1908
Das Blutbad von Otranto in der Malerei des
Quattrocento
Von Paul Shubring
Das Jahr 1480 brachte entsetzliche Schrecken über den Süden Apuliens. Da-
mals sandte nämlich der türkische Sultan Maomet Il. zwei Hotten gegen christ-
lie Niederlassungen. Die eine segelte unter Mesithes Palaeologos gegen Rhodus;
der Überfall miBlang, da ein Sturm die Schiffe zerstörte. ,Afflavit deus et dissipati
sunt.“ Schlimmeres verübte die andere Expedition unter dem Großvezier Achmet
Giedik, der 100 Vasselli selbst befehligte, und auch noch 60 venezianische Schiffe
zur Seite hatte. Am 28. Juli 1480 warf diese stattliche Flotte plôtzlid an der Küste
von Otranto Anker; Belagerungsmaschinen rückten an die Mauern des damals
20000 Einwohner zählenden Stadtchens. Schon am 11. August mußten sich die _ —
Belagerten, da die Mauern durchbrochen waren, ergeben. Ein entsetzlicies Blutbad
wurde angerichtet, 12000 Männer sollen im ersten Ansturm geschlachtet worden sein.
Nur die Reichen wurden als Geiseln verschont, um durch sie später hohes Lösegeld —
zu erpressen; auch die Knaben wurden nicht getötet, da man sie als Sklaven zu ver-
kaufen gedachte. Der Erzbischof von Otrando Stefano Pendinelli hatte sich mit den —
Priestern, Frauen und Kindern in die Kathedrale gefliichtet; die heilige Statte wurde
der Schauplatz eines entsetzlicien Blutbades. Vor den Angen des Großveziers fand
die Abschlachtung statt.
Der Überfall gehört zu den schlimmsten Überraschungen, die der Halbmond dem
Kreuz bereitet hat. Und das schlimmste war, daß die Venezianer diese Tat veranlaßt -
hatten. Gereizt durch das Bündnis zwischen Lorenzo Magnifico und Ferrante von”
Neapel, das nach dem Pazzitage geschlossen war, suchte Venedig die Liga dieser
beiden Machthaber zu schwächen. Es sandte Sebastiano Gritti mit Gefolge — in dem
sidi bekanntlid auch Gentile Bellini befand — nach dem goldenen Horn, um den
Sultan zum Einfall in Apulien, d. h. in die Machtsphére des neapolitanischen Königs
aufzustacheln; nur allzu willig rüstete dieser Türke. Zu gleicher Zeit bot der Dukat
der Kurie ein militàrishes Bündnis an; ob der venezianische Gesandte Zaccaria
Barbaro dem Papst Sixtus IV. audı den Türkenplan enthüllt hat, ist fraglich.
594 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Als die Kunde von dem Blutbad der Tiirken in Otranto sich verbreitete, ging
ein Schrei des Entsetzens durch das Abendland. Welche Zustände enthüllten sich,
wenn in demselben Land platonishe Akademien gegründet, Lehrstühle für die
Deutung Dantes errichtet, die höchsten Kuppeldome zu Gottes Preis errichtet wurden
und zugleich harmlose Untertanen dem Messer und der Schande türkischer Eindringlinge
zu Tausenden zum Opfer fielen! Der Papst sah schon den Halbmond vor den Mauern
_ Roms, zumal Ferrante gewiß den Türken den Weg dorthin nicht verlegen würde.
Er dachte an Flucht; er fiirchtete für den ganzen Kirchenstaat. In einem flammenden
Aufruf suchte er die Christenheit zur Erhebung anzufeuern. Der neapler König hat
sih gewiß nicht durch die Bulle seines Todfeindes bewogen gefühlt, den Türken
entgegenzutreten. Aber es handelte sich doch schließlich um sein Land, seine Macht
und um die Gelegenheit, die Venezianer die Macht der Liga fühlen zu lassen. So
-entschloB er sich, seinen Sohn, den duca di Calabria Alfonso, von Siena abzuberufen
und ihn gegen die Türken zu schicken.
Der Befehl des königlichen Vaters traf den kalabreser Herzog schwer, Eben
hatte er sich in Siena festgesetzt, um hier, wo der Streit der Parteien wütete, sich
die Herrschaft zu sidiern. Lorenzo Medici hatte dies stillschweigend geschehen lassen
müssen, da mit diesem Zugeständnis die Freundschaft des Königs Ferdinand erkauft
war. Enttäuscht zog nun Alfonso nach wenigen Monaten von Siena wieder ab. Der
Tag seiner Abreise, der 7. August, war für die Toskaner natürlidi ein Fest. Denn
die drohende Fremdherrschaft blieb so Siena, für den Augenblick wenigstens, erspart.
Die Freude über diese politische Befreiung spiegelt sich nun auch in der Kunst jener
Tage; dies gab uns den Anlaß, diese historische Situation knapp darzulegen.')
Gewiß, auch in Siena empfand man das Blutbad von Otranto als einen Schlag
ins Gesicht der abendländischen Christenheit. Daneben aber war das Glück über den
~ Weggang des feindlichen Herzogs zu groß, als daß man sich über die Veranlassung
dazu nicht gefreut hatte. Die Dombehörde vergab damals gerade das Sgraffitto-
— pavimento der Querschiffe in Auftrag. Alttestamentliche Heroismen sollten hier zur
Freiheitsliebe der Bürger sprechen. So war das große Relief der Judithtat vor
Bethulias Mauern von Antonio Federighi gestochen worden, im gegenüberliegenden
uerschiff stellte Bastiano di Francesco dar, wie Jephta seine Tochter opferte;
- Simson schleuderte den Eselkinnbacken gegen die Schädel der Philister in Paolo di
Martinos Bild. Dann aber springt die Erzählung plötzlich zu Herodes über. Matteo
di 1482 Giovanni sticht die strage degli innocenti und Benvenuto di Giovanni Guarta fügt
1484 noch die Vertreibung des Herodes hinzu. (Für die letztere Geschichte ist es
wichtig zu wissen, daß tatsächlich die Türken 1481 durch Alfonso wieder vertrieben
worden waren.)
Wir sehen, die strage auf dem Fußboden in Siena und das Blutbad in
Otranto stehen in einem ideellen Zusammenhang. Welchen Anlaß hätte man sonst
1) Das Einzelne ist entnommen: Schulz, Denkmäler in Unteritalien, I. S. 259f., S. 335;
Sismondi, storia delle republiche italiane (Capolago 1833) Band XI cap. 87 und 88. Marin,
Sanuto, vite dei Duchi di Venezia Band XXII p. 1213. Vgl. außerdem z. folgd. R. H. Hobart Cust:
The pavement Masters of Siena. London, Bell 1901 p. 59 ff.
Sdiubring. Das Blutbad von Otranto in der Malerei des Quattrocento 595
Abb. 1. MATTEO DI GIOVANNI:
La strage degli innocenti
Siena, Dom-Paviment
in Siena gefunden, mitten unter den heroischen Darstellungen des alten Testaments
ein nach keiner Seite hin heroisches Gemetzel des neutestamentlichen Kreises einzu-
fügen? Wir glauben uns in dem Sgraffitto-Bild (Abb. 1) in die Kathedrale von Otranto
versetzt; auf dem Thron sitzt der türkische Großvezier, türkische Räte mit dem Turban
stehen neben dem Thron. Der Halbmond fehlt freilich und die Soldaten stecken in
antiken Rüstungen.
Ist es Zufall oder Absicht? Der Thron des Pascha wird von drei geflügelter
putti, die an Desiderio erinnern, gekrönt; auf der cappa des Gebieters sitzt ein weiterer /
kleinerer putto. Deren heiteres Kindergebaren steht in bösem Gegensatz zu vielem
Weinen, vielem Schreien der gespießten Kleinen. Ich zähle 25 Kinder und 14 Mütter,
auf die über 15 Soldaten eindringen.
Zu dem Ernst, dem Geschrei, der Erregung und dem Geknäuel dieser wütigen
und sich wehrenden Menschen steht nicht nur die feierlich schöne, reichgeschmiickte
und hohe Halle, sondern auch der Fries des Sockels und der über den Bogen in
Gegensatz. Dort sind es Drachen, die mit kleinen Kindern spielen, ohne ihnen weh,”
zu tun; diese laufen vielmehr lustig an sie heran und wollen auf den langen Schwänzen /
reiten und balanzieren — ein schönes Symbol kindlicher Sorglosigkeit. Der größere‘
obere Fries stellt Kentaurenkämpfe und Satyrszenen aller Art dar, zwischen den
Figuren öffnen sich kreisrunde Fenster mit neugierigen Zuschauern. Auch diese freie
lockere Reihe steht zu der strage in argem Kontrast.
Nicht weniger überraschend, als die Wahl des Motivs ist die des Künstlers, 7
dem dieses Werk in Auftrag gegeben wurde. Matteo di Giovanni ist ein Kind des __
umbrischen Landes, aus Borgo San Sepoloro, wo sein Vater ein einfacher Kaufmann
war. Alle seine vor 1480 entstandenen Bilder (er ist um 1420 geboren) zeigen den
sinnigen schlichten stimmungsvollen Vortrag eines durchaus lyrisch gestimmten Künstlers. `
Wie Giovanni di Paolo sieht er in Gentile da Fabriano sein ausgesprochenes Vorbild.
$
596 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 2. MATTEO DI GIOVANNI: Siena, S. Agostino
La strage degli innocenti
Auch im Alter, 1487, hat er für seine umbrische Heimat noch einen Altar mit der
Assunta (Sa Maria de’ Servi in Sansepolcro) gemalt, durchaus in der umbrischen
Grundstimmung. In dem Sgraffittobild des strage degli innocenti sieht der Künstler
sich nun plötzlich vor eine Aufgabe gestellt, die größer ist als er, da er kein Drama-
tiker ist. Eine strage — das lehrt Raffaels herrlihe Zeichnung zur Genüge — ist
nur im Pathos erträglich. Jede andere Vorführung karikiert den Ernst der grauen-
vollen Stunde. Aber Matteo scheint an dem bizarren Stoff ein besonderes Vergnügen
empfunden zu haben. Außer diesem Sgraffittobild sind nämlich noch fünf andere Dar-
stellungen desselben Motivs von Matteos Hand erhalten. Zwei der Tafeln befinden
sih noch in Siena; in S. Agostino die von 1482, welche also in unmittelbarem
‚Anschluß an das Sgraffitto gemalt sein muß, in den Servi die spätere von 1491.
Eine dritte Tafel, (nach 1489, das Datum ist verstümmelt, Frizzonis Annahme 1488 ist
jedenfalls verfrüht, da die Reliquien erst 1489 nach Sa Caterina a Formello in Neapel
transportiert wurden) kam aus dieser Kirche in die dortige Pinakothek. Weitere
Exemplare des Kindermordes befinden sich in Aix (Provence) (Galerie Nr. 138, nach
Berenson 1491 gemalt) und in München, das letzte, Nr. 1021, eine Kopie nach dem
Neapler Exemplar. Die Neapler Tafel ist besonders wichtig. Schulz (l. c. p. 260)
Schubring. Das Blutbad von Otranto in der Malerei des Quattrocento 597
3.
e coni
k N 33 l dé
Abb. A MATTEO DI GIOVANNI: Neapel, Museum
La strage degli innocenti
erzählt uns nämlich, daß die Gebeine von 800 bei dem Blutbad enthaupteten Otrantinern,\_
nachdem sie 13 Monate unbeerdigt auf dem Minervahügel gelegen, in der Kathedrale
von Otranto bestattet, dann aber als Reliquien 1489 nach der Kirche Sa Caterina a
Formello in Neapel transportiert seien. Für diese Kirche malte Matteo di Giovanni
die dritte strage. Den Auftrag hat vielleicht der Architekt Francesco di Giorgio ver-
mittelt, der seit 1491 im Dienst Alfonsos in Neapel war und dem Befreier Otrantos
jedenfalls von der Illustration des Otranter Blutbades auf dem Fußboden des sieneser
Doms berichtet hat.
Matteo ist wie gesagt, um 1420 geboren. Er war jedenfalls anno 1480 zu
alt, um seine künstlerische Formsprache e fondo neu zu gestalten; sah er sich doch
1482 schon veranlaßt, sein Testament zu machen. Immerhin hat er in jeder dieser
Strage-Tafeln etwas besonderes zu geben gewußt und sich nicht wiederholt.
Auf dem Bild in S. Agostino (Abb. 2) sitzt Herodes, ein Türke nach Gentile |
`
a
wi
598 Monatshefte | für Kunstwissenschaft
Bellinis Geschmack, rechts seitlich auf dem kostbaren Thron, an dem Marmor-Sphinxen
. lagern. Ähnliches gab Federighi bei der Seitenbank in der loggia del mercato in Siena.
Eine hohe Marmorhalle öffnet sich in Arkaden nach hinten; eiserne Gitter halten die
entsetzten Zuschauer fern, die von der Treppe aus herunterschauen. Tondi mit antiken
Mythologien zieren die Oberwand; der Fries trägt die Inschrift: HERODES C/ESARIS
(Jovi?) SOVE DECRETO IUDEO% REX). Die Soldaten sind hier wahre Berserker,
knodiig, groß, mit riesigen Nasen, sehnigen Armen. Wundervolle Frauen sieht man,
> in Schönheit und Jammer doppelt rührend; fast alle tragen die üppigsten blonden
Pa
Haarwellen. Der Kopf des Mannes im roten Turban, der unter Herodes rechtem
Arme erscheint, dürfte ein Selbstporträt Matteos sein.
Das Neapler Bild (Abb. 3) steht dem in S. Agostino am nächsten; vielleicht lautete
die Bestellung Alfonsos direkt auf eine Wiederholung. Die Architektur der Halle ist in
der Anordnung, aber nicht in der Dekoration die gleiche. Die Rückwand gestattet den
Durchblick auf einen antiken Rundtempel, wie er in den Bildern Francesco di Giorgios
- <_(Verkiindigung und Geburt Christ in der Sieneser Akademie, Benediktpredella in den
Uffizien) und in dessen Reliefs der Discordia in London, und der Stäupung Christi in
Perugia immer wieder vorkommt.
Bei dem Bild in Sa Maria de’ Servi (Abb. 4), hat Matteo den Herodes an die Mitte
der Rückwand gesetzt, die mit Herkulesreliefs geschmückt ist. Herodes bespricht sich
hier mit seinen Räten, als wolle er das Unvermeidliche des Blutbades verteidigen. Am
eindruckvollsten ist die Mutter rechts, die dem Henker das Gesicht mit ihren langen
Fingern zerkratzt. Die Bambini haben wie auch auf den anderen Bildern kleine
—Gloriolen; dies bezieht sich auf die Verehrung der Otrantiner Märtyrer als beati, die
a
officiell freilich erst unter Clemens XIV.(1769—74) proklamiert, faktisch aber schon seit
1481 geübt wurde.
Ist es nicht seltsam, daß ein umbrischer Künstler, dessen junge Seele von den
zarten Feierklängen der Kunst Gentiles da Fabriano durchzogen wurde, der dann in
Siena jahrzehntelang dem feierlichen Kultus der Madonna, im Bilde der Sa Conversa-
zione und vor allem der Assunta huldigt, daß dieser Künstler, hochbetagt, durch ein
Ereignis in äußersten Süden seines Vaterlands so stark beeindruckt wurde, daß er
sich ein Thema aufdrängen läßt, welches ihn fast aus dem Sattel hebt? Denn all der
antikisierende Dekor und mythologische Zauber, auf den er sich gewiß viel zugute
tat, all die Schönheit der Frauenköpfe und all der Ausdruck tiefen Jammers kann uns
nicht entschädigen für den Mangel einheitlicher Bewegung, kraftvoller Aktion, gebändigter
Komposition. Die wundervolle Assunta, die aus dem Monistero S. Eugenio bei Siena
in die Londoner National Gallery gekommen ist (Nr. 1155) und das wonnige Frauen-
terzett Sa Barbara, Sa Maddalena und Sa Caterina in S. Domenico in Siena von 1479
sind die echten Repräsentanten von Matteos stimmungsvoller Feierkunst.
Noch ein zweites Moment unterscheidet diese Stragebilder von den sonstigen Tafeln
Matteos; das ist die Verwendung einer reichen, üppig dekorierten und reich intarsiierten
Architektur. Die Intarsia des Dompaviments, für das er die erste Strage zeichnete,
dringt nun in seine Bilder ein. Aber das allein genügt nicht, um diese Phantasie-
architekturen zu erklären. Matteo tritt vielmehr mit diesen architektonischen Kulissen
Schubring. Das Blutbad von Otranto in der Malerei des Quattrocento 599
Abb. 4. MATTEO DI GIOVANNI: Siena, Sta Maria de’ Servi
La strage degli innocenti
in die Reihe der Prospektmaler, von denen Siena eine stattliche Zahl aufzuweisen
hat. Die Freude an der gemalten Prospektarchitektur bestimmt scion die Fresken im
Pellegrinaio der Scala um 1440; von Domenico di Bartolo und Priamo della Quercia
lernt der an diesen Fresken mit beteiligte Vecchietta diese Kunst, die er dann auch
im Tafelbild, der Münchener Antonius-Predella anwendet.') Sein größerer Schüler Fran-
cesco di Giorgio malt noch entwickeltere Architekturen; sowohl als AbsciluBkulisse wie
z. B. auf der Benedikt-Predella der Uffizien, als auch zur Belebung des weit sich
hinstreckenden offenen Hintergrundes, wo gewundene Wege an Rundtempeln und
antikisierenden Phantasiebauten vorbeiführen.) Diese Architekturen waren es auch,
welcie mich veranlaßt haben, die Reliefs der Stäupung Christi in Perugia und der
Discordia in London Francesco zuzuschreiben; *) die Übereinstimmung aller dieser
gemalten und modellierten Architekturen ist zu groß, als daß sie von verschiedener
Hand stammen könnten. Luciano Lauranas Architekturbild in Urbino sieht wesentlich
anders aus in den Einzelformen; aber Francesco di Giorgio war mit Luciano in
1) Schubring, die Plastik Sienas im Quattrocento S. 102 ff.
2) ibid. S. 119 und 166 ff.
3) ibid. S. 186 ff.
600 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 5. MATTEO DI GIOVANNI:
È | Florenz, Privatbesitz
Hieronymus in der Zelle
Urbino zusammen und er dürfte von dem Dalmatiner in seinem Geschmack an
Architekturkulissen bestärkt worden sein. |
Matteo di Giovanni macht sich nun diese Architekturmalerei zu eigen, freilich
in durchaus selbstandiger Weise. Nur einmal gibt er ein Duett von Rundtempel und
Sdubring. Das Blutbad von Otranto in der Malerei des Quattrocento 601
viereckigem Palast als Hintergrundkulisse; es geschieht auf dem Neapler Bild, wo
diese zwei schönen Marmorbauten über dem eisernen Tor links sichtbar werden.
Matteo gibt sonst durchweg Innenarchitektur; das Thema des Strage verlangt ja
das Innere einer Fürstenhalle und für einen Sienesen lag es nahe, solch ein Interieur —
nach dem unvergleichlidien Muster der sieneser Kathedrale zu gestalten. Freilich sollte
es eine heidnische Halle sein; daher die viele Mythologie, Sphinxe und Kentauren,
Ritter und Antiquainschrift. Der reihe Wandschmuck, die Häufung der Bogen, Nischen
und Profile, die Durchblike in den Nebenraum — all das gibt einen fast drückenden <
Reichtum, der in Verbindung mit der regellosen Bewegung der Figuren reichlich unruhig
wirkt. Aber Matteo hat sichtlidi der Szene den Charakter des Aufgepeitsciten auch
in der lauten Architektur geben wollen. Daß er bei einem andern Stoff die Architektur
anders behandelte, beweist das schöne Bild des Hieronymus in der Zelle von 1492
(Abb. 5), die späteste bekannte Tafel Matteos, die der Advokat Cecconi in Florenz
zur Mostra dell’ antica arte senese 1904 gesandt hatte.") Hier hebt sich die farbige
große Gestalt des Heiligen, der wohl ein Selbstporträt ist und die gleichen Züge wie
der Greis neben Herodes auf dem Neapler Bild trägt, von ruhiger dunkler Steinarchi- ©
tektur ab. Diese ist zwar auch lebhaft rhythmisiert, aber monochrom und warm
in den Schatten. Sicher ist dieser Hieronymus im Gehäuse abhängig von den be-
kannten Zellenbildern Botticellis und Ghirlandaios in den Ognissanti in Florenz, denen
wiederum ein niederländisches Vorbild zugrunde liegen muß. Denn der Hieronymus
der Florentiner Kunst — ich erinnere nur an Leonardos Bild im Vatikan oder an das
Castagnos Art verratende Fresko in S. Miniato — ist kein bemantelter Stubenhocker,
sondern der halbnackte Wüstenasket, der im ersten Morgenlicht aus der Felshöhle
tritt und die Brust sich blutig schlägt. Matteos umbrischer Eigenart mag die Vor-
stellung des meditierenden und studierenden Greisen sympathischer gewesen sein; er
war zudem damals selbst schon über 70 Jahre alt. Dem besinnlicien Thema ent- _-
spricht also die Ruhe der Architektur; alles Aufgepeitschte fehlt. Es ist bezeichnend,
daß der Künstler hier wieder zu der poetischen Stimmungskraft zurückkehrt, die alle —
seine früheren Madonnenbilder auszeichnet. Auch von dieser Spätzeit aus betrachtet,
bleiben die Stragebilder eine Episode, die eben durch außergewöhnliche Vorgänge des _
politischen Lebens, nicht durch einen künstlerischen EntsdluB heraufbeschworen wurde.
1) Katalog Sala XXIV, Nr.6. Die 1,62><1,19 groBe Tafel ist bezeichnet opus Mattei
Joannis de Senis 1492. Der Katalog gibt irrtümlich 1482 an.
+
Plaue a. d. Havel, die erste Konkurrenzfabrik der
Meißner Manufaktur und ihre Erzeugnisse
Von Ernst Zimmermann
Es ist bekannt, daß im Jahre 1713 in Plaue a. d. Havel durch den preußischen
Minister von Görne die erste Konkurrenzfabrik gegen die nur 3 Jahre vorher
gegründete Porzellanmanufaktur zu Meißen angelegt worden ist, die eine ganze Reihe
von Jahren bestanden hat, freilidi aber, wie man mit Sicherheit wohl sagen kann,
noch kein Porzellan hergestellt hat, sondern allein jenes eigenartige rote Steinzeug,
das Böttger in Meißen noc vor dem Porzellan hat herstellen lassen, und zwar so
ausschließlich, daß die Meißner Manufaktur in ihren ersten drei Jahren noch gar keine
Porzellan- sondern allein eine Steinzeugfabrik gewesen ist. Er war während dieser
Zeit mit der fabrikmäßigen Herstellung des technisd so schwer zu bewältigenden
Porzellans noch nicht zustande gekommen.
Diese Plauesche Fabrik hat — eben weil sie die erste Konkurrenzfabrik gegen
die weltberühmte Meißner Manufaktur gewesen ist — immer die Aufmerksamkeit der-
jenigen erweckt, die sich mit der Frühzeit der letzteren Manufaktur beschäftigt haben.
Es ist manches veröffentlicht worden,!) was über diese Fabrik interessante Aufschliisse
gibt. Doch eine wirklich kritische Darstellung alles dessen, was wir wirklich über sie
wissen, vor allem auch eine begründete Feststellung ihrer Erzeugnisse ist bisher noch
von keiner Seite aus versucht worden, und so hat es hier manche Lücken und manche
Irrtümer gegeben, die sonst gar leicht zu vermeiden gewesen wären. Dies soll hier
nun in möglichst erschöpfender Weise auf Grund z. T. ganz neuen oder auch nur
wieder aufgefundenen Materials versucht werden.’)
1) Die erste Nachricht über die Fabrik verdanken wir der kleinen im Jahre 1811 er-
schienenen Schrift Sybels Nachrichten von dem Städtchen Plaue a. d. Havel, insonderheit von
der dort angelegten Porzellanmanufaktur, Berlin und Stettin 1811. Sie stützt sich in erster Linie
auf eine ältere Quelle, das Urbarium des Amtes und Städtlein Plaue von 1560—1750, einen
handschriftlihen Foliant, verfaßt durch den dortigen Prediger Lösecke, daneben auch stark auf
reine Tradition. Da aber Tradition immer ein sehr unsicherer Faktor ist, und der Verfasser obiger
Schrift auch kein weiteres keramisches Verständnis besessen, so konnte seine Darstellung, da sie
so mandies ganz unglaubwürdiges Keramisches enthielt, schon lange nicht mehr als ein wirklich
brauchbares Dokument der Wissenschaft gelten, so daB die Geschichte dieser Fabrik dringend nadı
einer neuen kritischen Darstellung verlangt. Dies ist in den letzten Zeiten von doppelter Seite
aus geschehen und zwar infolge neuer auf diese Fabrik beziiglicher dokumentarischer Funde.
Hierbei haben die im königl. sächsischen Hauptstaatsarchiv zu Dresden unter den Akten der
Meißner Manufaktur aufgefundenen Dokumente von Seidlitz zu seinem im X. Bd. des Neuen
Archivs für sachsische Geschichte und Altertumskunde erschienenen Aufsatz über die frühesten
Nachahmungen des Meißner Porzellans veranlaßt, indes Stieda sich in seinem in den Forschungen
zur brandenburgischen und preußischen Geschichte veröffentlichten Aufsatz betitelt „Zur Geschichte
der Porzellanfabrikation in der Mark Brandenburg“ auch auf die Akten des preußischen Handels-
ministeriums gestützt hat. Beide Arbeiten haben den Mangel, daß sie sih noch nicht des
gesamten Materials bedient haben, das zur Darstellung dieser Fabrik tatsächlich vorhanden ist.
Ernst Zimmermann. Die Plauesche Steinzeug-Manufaktur 603
Die Entstehungsgeschicite dieser Fabrik ist diese: Anno 1713 erschien in Berlin
ein gewisser Samuel Kempe, der aus Dresden kam und vorgab, eine gewisse Methode
erfunden zu haben, ,mit wenigem Holz eine groBe Hitze zu machen“, weshalb er
„capabel“ zu sein glaubte, „Sr. könig Majestät in Preußen bey denen Magdeburger
Saltzwerken besonderer Vorteile zu stiften“. Dieser Kempe war ein ehemaliger Berg-
mann aus Freiberg in Sachsen, der eines Diebstahls wegen nach Dresden sich gewandt
hatte, wo ihm Tschirnhausen, der bekannte große sächsische Mathematiker und Physiker
— wohl wegen seiner bergmännisch-technischen Kenntnisse — in seinem ihm vom
König von Polen, August dem Starken, zu wissenschaftlihen Untersuchungen zur
Verfügung gestellten Laboratorium beschäftigte. Als er jedoch nach dessen Tode
wieder eines Diebstahls überführt ward — er ist aller Wahrscheinlichkeit nach der-
jenige Arbeiter Tschirnhausens gewesen, der damals mehrere wertvolle Sadıen aus
dem Nachlasse dieses Mannes zn entwenden suchte!) — war er zwei Jahre „auf
der Festung“ gefangen gehalten, dann aber, weil seine Gesundheit dort litt, er auch
starke Reue zeigte, von Böttger, der stets ein gutmütiger Mensch war, in sein Labo-
ratorium „zur Handarbeit“ aufgenommen worden und hatte dort, wie berichtet wird,
„allen Schein eines gebesserten und treuen Menschen von sich gegeben“. Dann aber
zu Beginn des Jahres 1713 — man weiß nicht, aus welchem Grunde — war er bei
Böttger wieder in Ungnade gefallen und nun auf einmal verschwunden, um bald
darauf in Berlin zu oben bezeidinetem Zweck wieder aufzutauchen.
Hier in Berlin hat er zunächst, wie schon aus seinem oben erwähnten Anerbieten
hervorgeht, gar nicht daran gedacht, eine Konkurrenzfabrik gegen Meißen ins Leben
zu rufen. Auch gab sich dieser erste Überläufer aus Sachsen ungleich den vielen
Nachfolgern, die er bald finden sollte, noch nicht als ein Arbeiter Meißens oder
Böttgers aus. Vielleicht, daß er damals als erster dieser Schar noch nicht recht wußte,
daß man solche Leute statt auszuliefern, nur mit allen möglichen Mitteln an sich zu
ketten suchte. Er begnügte sich vielmehr damit, auf seine Ofenverbesserung, die auf
die Herstellung von sogenannten Sparöfen hinauslief, hinzuweisen, wobei er die Auf-
merksamkeit des Königs zunächst auf seine Salzbergwerke schon deshalb hinzulenker
Sie haben weder jenes, freilich damals verschollene Urbarium von Plaue benutzt, dem Sybel
seine wichtigsten Angaben entnommen hatte, noch ein hoch bedeutendes in der Dresdner Porzellan-
sammlung vorhandenes Manuskript Steinbrücks des damaligen Inspektors der Meißner Manufaktur,
in dem er im Jahre 1717 auf mehreren hundert Seiten ein vollständiges Bild der bisherigen
Tätigkeit Böttgers, des Erfinders des Meißner Porzellans gibt, im Kapitel XXI aber auch ganz
ausführli von „dem Brandenburgischen porcellain“ und seinen Beziehungen zu Meißen handelt.
Beide Quellen haben dem Verfasser obigen Aufsatzes zur Hauptgrundlage gedient, nahdem es
dem unermidlicien Berliner Porzellansammler Dr. von Dallwitz glücklich gelungen ist, das Ur-
barium im Besitz des Grafen von Königsmarc, des jetzigen Besitzers von Plaue wieder auf-
zufinden, wodurdı der Verfasser in die erwünschte Lage kam, die Sybelschen Angaben aufs
genaueste nadikontrollieren zu können. Dazu aber kam, daß der Verfasser jetzt wie oben gezeigt
werden wird, sih auch imstande glaubte, die Plaueschen Erzeugnisse von den Meißner aufs
deutlichste trennen und so wirklich das Bild von der Entstehung, der Entwicklung und den
Leistungen der Fabrik aufs klarste abrunden zu können. Das ist hier oben alles versucht worden.
1) Vgl. Reinhardt. Beiträge zur Lebensgeschichte von Ehrenfried Walter von Tschirn-
hausen (Jahresbericht der Fürsten- und Landesschule St. Afra in Meißen) S. 8.
604 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
suchte, weil gerade damals der Minister-des Königs, der obengenannte Friedrich
von Görne in dessen Auftrag sich dieser ganz besonders hatte annehmen müssen. Er
hatte zu diesem Zwecke bereits das Salzbergwerk bei Halle verbessert, in Schönebeck bei
Magdeburg ein neues angelegt.) So hoffte Kempe auf diesem Gebiet der Industrie
beim König am leichtesten Gehör zu finden.
Derartige Projekte, wie sie hier Kempe vorsdilug, lagen damals im Zeitalter
des Merkantilismus, das zugleich das einer möglichst rationell betriebenen Industrie ge-
wesen ist, überall in der Luft, ganz besonders aber in dem Kreise um Böttger, der
gleich seinem Vorgänger Tschirnhausen alle seine Erfindungen und darunter nicht an
letzter Stelle die des Porzellans gerade aus diesem Gesichtswinkel heraus gemacht hatte.
Das Brennproblem war aber hierbei immer eins der wichtigsten gewesen und Böttger
soll auch in der Tat für die damaligen Verhältnisse ganz wunderbare Öfen konstruiert
haben, die damals den allgemeinsten Beifall fanden und sich ganz wunderbar be-
währten.‘) Sie sollten jedoch nicht allein zu keramischen, sondern zu allen möglichen
anderen industriellen Zwecken verwandt werden. Von diesen Dingen mochte Kempe,
als er unter Böttger arbeitete, wohl einiges aufgeschnappt haben, was er nun zu seinem
Vorteil hier zu verwerten suchte. |
Der Minister ließ ihn nun in der Tat Proben vornehmen, die freilich keineswegs
günstig ausgefallen zu sein scheinen. Dennoch erregte seine Methode Interesse: man
erkannte, daß seine Feuerungsart „zu einem anderen Berufe dienlich sein könnte“ und,
als man nun weiter in den Mann drang und hierbei wohl nach dem Ursprung seiner
Kenntnisse forschend, herausbrachte, daß er mehrere Jahre unter dem Erfinder des
Porzellans gearbeitet hatte, da erwachte sofort der Gedanke, durch ihn hinter das Ge-
heimnis des Porzellans zu gelangen, um dann wenn möglich, eine ahnliche Fabrik,
wie die in Meißen zustande zu bringen, und zwar wollte der Minister dann diese für
sich selber gründen, in jenem an der Havel gelegenen Städtchen Plaue, das seiner
Familie schon seit 1620 gehörte und das er durch eine solche industrielle Anlage
bedeutend zu fördern hoffte.
Ganz im geheimen, also ganz, wie es vor wenigen Jahren in Dresden ge-
sciehen war, wurden jetzt nach dieser Richtung hin durch Kempe Versuche gemacht.
Doch stellte sich hierbei nur zu bald heraus, daß seine Wissenschaft „weder in der
Feuerung noch in der Preparierung der Massa fundamental“ war, immerhin aber
doch zu „mehrerem Nachsinnen“ Veranlassung gab, und als daher Görne, nicht gleich
den Mut verlierend, noch andere ,erfahrene Leute“ herbeizog, da kam man schlieBlich
doch zum Ziel und fand eine Masse, die der MeiBner zu gleichen schien und auch
keramisch bearbeitbar war. Die Fabrik konnte daraufhin begriindet werden.
Doch war diese Masse durchaus nicht die des Porzellans, sondern allein jenes
roten Steinzeugs, das zuerst in der Meißner Fabrik fabrikmäßig hergestellt worden
war. Aber freilih dies rote Steinzeug war, namentlich in der Gestalt, die Böttger
UN — ——_
') Vgl. Sybel a. a. O. S. 13.
*) Vgl. hierüber mein demnächst erscheinendes Werk: Die Anfänge des Meißner Porzellans.
Berlin 1908.
Ernst Zimmermann. Die Plauesche Steinzeug-Manufaktur 605
ihm gegeben, ein unverkennbar sehr edles -Produkt, gegeniiber dem Porzellan aber doch
kein so schwieriges, daB seine Nachbildung damals einen ganz besonderen Triumph
dargestellt hatte. Produkte aus roter Erde sind mit mehr oder weniger groBem Erfolg
an vielen Stellen hergestellt worden. Hauptaufgabe war dabei immer nur, ihnen
eine schöne Farbe und die Festigkeit des Steinzeuges zu geben. Letzteres gelang vor
allem durch die besondere Zusammensetzung der Masse, die das Vermischen einer
sih rot brennenden, eisenhaltigen, feuerfesten Erde mit einem im Brande flüssig-
werdenden Lehm verlangte. Wer aber, wie doch wohl hier, dies Rezept und auch
die beiden Stoffe scion besaß, für den konnte die Gewinnung einer solchen Masse, selbt
in der Qualität, wie sie Böttger damals in Meißen erzielte, nicht allzuschwer sein. Von
diesen beiden Stoffen soll der eisenhaltige Ton damals schon ganz in der Nähe von
Plaue gefunden worden sein. Dafür spricht vielleicht, daß man sich dort bald rühmte,
billiger produzieren zu können, als in Meißen, da die Masse viel billiger „als in
Dresden wäre“. Man brauchte eben dann nicht viel für den Transport derselben zu
zahlen. Von Meißen ist freilich dieser Vorzug der Plaueschen Fabrik durchaus bestritten
worden, ja es ist dort geradezu behauptet worden, daß die rote Erde erst aus Sadısen
nach Plaue hat transportiert werden müssen.
Die Leitung der Fabrik, die nun auf diese Versuche hin in Plaue begründet
ward, scheint von Änfang an oder jedenfalls sehr bald darauf ein Maler und Lackierer,
namens David Pennewitz erhalten zu haben, über dessen Herkunft wir nichts weiteres
wissen.) Kempe selber jedoch, der eigentlihe Urheber dieser Dinge wandte sich,
„weil er bei der Fabrik nicht fortkomme“ audi ,Alters wegen ganz kontrakt“ ge-
worden war, scion nach ein paar Monaten nach dem „Töplitzer Bade“. Er soll dann
dort nach der einen Überlieferung”) shon nach wenigen Wochen gestorben sein, nach
einer anderen sich dagegen nach Bayreuth begeben und dort gleichfalls Versuche mit
der Herstellung einer roten Tonware gemacht haben“) Für die Weiterentwicklung in
Plaue war er auf alle Fälle ausgeschieden.
Pennewitz aber ward dann im Jahre 1714 aus einem Leiter der Fabrik ein
Teilhaber derselben. Am 1. August schloß der Minister mit ihm, damit er noch mehr
Interesse an der Sache bekäme, einen Sozietätsvertrag ab.‘) Auf Grund dieses er-
klärte sich der Minister bereit, alle bisher für die Fabrik aufgewandten Kosten allein
zu tragen, nur sollten die fertigen und unfertigen Waren der Sozietät nach einer bil-
1) Über Lackarbeiten von ihm im Schlosse zu Plaue, die sich noch heute dort erhalten
haben, vgl. Sybel a. a. O. S. 16.
2) Sybel a. a. O. S. 14.
*) Engelhardt. J. F. Böttger, Erfinder des sächsischen Porzellans. Leipzig, 1837 S. 543,
Anm. 2. Ist diese Angabe des freilich sonst äußerst unzuverläßlichen Verfassers richtig — Quellen
für seine Behauptungen führt er leider nie an — dann wäre Kempe wohl auch der Anstifter jener
bekannten braun glasierten, mit Gold oder Silber bemalten, schwach gebrannten Tonwaren, die,
obwohl kein Steinzeug, bekanntlich lange genug für eine Abart des Böttgersteinzeugs gehalten
worden sind, während sie jetzt als sichere Bayreuther Fabrikate festgestellt worden sind. Auf-
fallend ist jedenfalls, da8 Engelhardt diese Nachricht bringt zu einer Zeit, wo man noch gar
nicht ahnte, daB solche Gegenstände in Bayreuth gefertigt worden sind.
4) Dieser Vertrag ist vollständig erhalten in dem oben genannten Urbarium.
606 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
ligen Taxe zugeschlagen werden. Dagegen sollten beide Teile die von nun an ent-
stehenden Unkosten gemeinsam tragen, nur freilim Pennewitz noch ein Jahr lang von
allen Lasten befreit sein. Auch wollte der Minister jenem, wenn aus dem Erlös der
Fabrik nicht gleich genug Geld zusammenkäme, um die Fabrik fortzuführen, Vor-
schüsse gegen 6°/, geben. Daneben wird aber Pennewitz gestattet, seine „Profession“
d. h. seine Malerei und Lackarbeit weiter zu betreiben, er durfte Gesellen halten, die
unter seiner Leitung für die Fabrik arbeiten sollten, durfte reisen, wenn auch nicht
für zu lange Zeit und dergleichen mehr. Kurz, es war ein Vertrag, wie er für ihn nicht
liberaler geschlossen werden konnte, zumal er für alle diese Vorteile nichts weiter zu
leisten hatte, als eine Kaution von 100 Thlr. Ja, wenn er selbst diese nicht stellen
konnte, verlangte man von ihm nichts weiter, als daß er sich durch einen Eid ver-
pflichtete, „bei dem Werke treu und verschwiegen zu handeln.“ Man sieht, der Mi-
nister wollte den Meister, der wohl ein erprobter, gewissenhafter Mann war, auf alle
Fälle bei der Fabrik behalten.
Bald drang nun aber auch die Kunde von dieser Neugründung nach Dresden,
ja durch den Bericht des Berliner Gesandten selbst zu den Ohren des Königs von
Polen, des Begründers der Meißner Manufaktur und erregte hier überall, da sie so
völlig unerwartet kam, die größte Bestürzung, wohl auch mit vollem Rechte, so-
bald sich wirklich alles bestätigte, was hier über dies neue Unternehmen gemeldet
ward. Denn, wenn es bereits jetzt shon mit dem Geheimnis der beiden Erfindungen
Böttgers vorbei war, jetzt, wo die Meißner Porzellanfabrik selber eben erst anfing, das
Porzellan und nicht nur das rote Steinzeug fabrikmäßig herzustellen, dann verloren
sie in der Tat für Sachsen den größten Teil ihres Nutzens, dann war das gehoffte
Monopol, ja sogar im weniger günstigen Fall, der große Vorsprung, den Meißen
noch hatte, dahin und viele andere konnten die Zinsen von jenen Kapitalien ziehen,
die man in Sachsen verbraucht hatte, um jene Erfindungen zu machen und auszu-
nutzen. Der König sandte daher sofort den Bericht seines Gesandten an Böttger,
verlangte nähere Aufklärung und fragte vor allem an, ob Böttger jemanden aus der
Meißner Fabrik entlassen hätte oder ob jemand heimlich aus ihr entwidien wäre.
Auch bat er seinen Gesandten um weitere Mitteilungen.
Böttger freilich war weniger aufgeregt, als alle anderen. Er hatte allerdings
seinerzeit das Entweichen Kempes gar wohl bemerkt, doch, da er ihn nicht für ge-
fährlich hielt, — er war ja an der Fabrik selber nie beschäftigt gewesen — darauf nicht
allzuviel acht gegeben. Er hatte deshalb auch gar keine Versuche gemacht, obwohl
sih scheinbar die Gelegenheit dazu geboten hatte, ihn zurückzubekommen, wahr-
scheinlidi wohl auch deshalb, weil ihm bei den damaligen Finanznöten seiner Fabrik
das Geld dazu fehlte. Nun mußte er allerdings in dieser Beziehung seine Meinung be-
deutend ändern. Aber den Kopf verlor er deshalb noch keineswegs: er begriff als
praktischer Keramiker sofort, was auf diesem Gebiet ein Vorsprung von Jahren be-
deutete und war auch auf Grund seiner bisherigen Erfolge nur zu geneigt, anzu-
nehmen, daß nicht so leicht jemand anders das zu tun vermöchte, was er selber voll-
bracht hatte.
Bald jedoch ergab sich für ihn Gelegenheit, die Konkurrenzfabrik und ihre
+ — | — e — —
Ernst Zimmermann. Die Plauesche Steinzeug-Manufaktur 607
Leistungen aufs genaueste kennen zu lernen. Es waren Briefe aus Plaue an einen
der Töpfer der von Böttger gleichfalls begründeten Fayencefabrik in Dresden, namens
Krumbholz gelangt, der früher an der Meißner Manufaktur gearbeitet hatte und dessen
Bruder dort noch tätig war, mit der Aufforderung, dorthin doch einige gute Dreher
und Former zu senden, an denen damals diese Manufaktur genau denselben Mangel
gehabt zu haben schent, wie anfangs die Meißner. Diese Briefe waren Böttger in
die Hände gefallen und, da er zunächst darin eine Intrigue gegen sich vermutete,
an den König weiter gesandt worden. Gleichzeitig jedoch ließ er sie beantworten,
als ob sie in die richtigen Hände gefallen wären und veranlaßte auch den Inspektor
der Fayencefabrik im Namen eines Arbeiters Mehihorn, der des Schreibens unkundig
war, einen Brief abzufassen, in dem dieser nach Plaue zu kommen und dort in die
Fabrik einzutreten versprach Dieser Mehlhorn, der früher Tischler gewesen, dann
aber selber, wenn auch gänzlich resultatlos, auf Porzellan laboriert hatte, schließlich
aber von Böttger in Arbeit genommen worden war, scheint damals eine Zeitlang ein
Vertrauter Böttgers gewesen zu sein und auch wirklich etwas vom Porzellanmachen
verstanden zu haben. So schien er der geeignete Mann für diese heikle Aufgabe zu
sein. Mit seinem Brief zugleich wurden aber als Lockmittel auch mehrere Stücke edh-
ten Porzellans nach Plaue geschickt, die Mehlhorn als seine eigenen Erzeugnisse aus-
zugeben hatte. |
Dieser Spionageversuch Bôttgers gelang gänzlidh. Bald trafen für Mehlhorn
aus Plaue 20 Thir. zur Reise ein nebst genauen Angaben, wie er sich dorthin mit
Frau und Kinder begeben sollte und schon im April dieses Jahres reiste er ab, nach-
dem er auf Ehrenwort und mittelst eidlichen Revers seine Rückkehr, sobald er alles
genügend ausgekundschaftet hätte, fest zugesagt hatte. Tatsächlich spielte er in Plaue
seine Rolle so gut, daß niemand etwas von der ganzen Geschichte merkte und er schon
nad wenigen Tagen so viel erforscht hatte, daß er wieder nach Dresden zurück-
kehren konnte. Er hatte dort, um gleich das allgemeinste Vertrauen zu erwecken,
mit dem Minister, wie mit Pennewitz einen Scheinvertrag abgeschlossen, kraft dessen
er in die Sozietät eintreten, dafür aber die Steinzeugfabrik zur Porzellanmanufaktur
erweitern wollte. Dieser Vertrag hat sich nodi erhalten,*) er enthält nicht weniger
als 14 Paragraphen und wirkt heute entschieden belustigend, wenn man sieht,
was Mehlhorn damals alles anscheinend für die Fabrik zu tun versprach und für was
er damals alles schon Sorge trug. Wohnung, Brennhaus, alles ward bereits festge-
stellt. Man konnte die Komödie kaum eifriger durchführen.
Was Mehlhorn dann aber, nach Dresden zurückgekehrt, dort berichtete, konnte
kaum als sehr erfreulich gelten: Man kannte dort eigentlich schon alles, auch die Öfen.
Es fehlte für das rote Steinzeug nur die schwarze Glasur, die Böttger für dasselbe er-
funden hatte, aus der aber in Meißen immer ein ganz besonderes Geheimnis gemacht
1) Über diese Reise Mehlhorns nach Plaue berichtet ausführli der in Anm. 1 auf Seite
genannte Bericht Steinbrücks. Aus ihm geht zum ersten Male klar hervor, was der Zweck der-
selben war, während bisher ganz allgemein auf Grund nicht vollständiger Dokumente angenommen
worden ist, daB Mehlhorn damals wirklich in die Fabrik eingetreten wäre.
*) In dem mehrfach genannten Urbarium.
40
608 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
worden war.!) Und dann hatte man, Gott sei Dank, noch keine Ahnung vom Por-
zellan. Das rote Steinzeug jedoch hatte sich als „ziemlich gut und dem hiesigen nicht
unähnlich“ erwiesen. In finanzieller Hinsicht jedoch schien Görne durchaus nicht mit
seinem Unternehmen zufrieden, weshalb er die Sache allem Anscheine nach gern
wieder los sein wollte.
In der Tat wurden damals bereits lebhafte Versuche gemacht, beide Fabriken
miteinander zu verschmelzen, und zwar, wie es scheint, auf Antrieb des Ministers von
Görne selber, dem damals wohl bereits das Geld auszugehen anfing. Er hatte sich in
der Tat erboten, die Fabrik für 15000 Thlr. dem König von Polen zu überlassen,
welche Summe dann aber im Laufe der Verhandlungen auf 12000 Thir. herabgesetzt
ward. Diese Summe hatte sidi der König dann auch erboten zu zahlen, doch
nicht aus den von den regulären Kassen seines Landes zu erlangenden Geldern,
weil diese schon alle ihre „assignierten Orte“ hätten, sondern aus einem „extraordi-
nären“ Fond, wobei man so naiv war, beim Minister von Görne anzufragen, ob er
nicht zu diesem Zwecke in kursächsischen Landen „etwas an die Hand zu geben oder
vorzuschlagen“ wüßte”) Dann aber war auch der Kammerrat Nehmitz, der offizielle
Direktor der Meißner Manufaktur — Böttger selber war ja dem Titel nach nur Admi-
nistrator derselben — mit dem Minister in Verbindung getreten. Er war sogar nach
Plaue hiniibergereist. Sein Vorschlag gipfelte darin, daß dem Minister alle seine Vor-
schüsse ersetzt werden, dafür aber seine Arbeiter in sächsisch-polnische Pflicht ge-
nommen werden sollten, ein ebenso seltsamer, als kostspieliger Vorschlag, der darum
auch gar nicht den Beifall Böttgers fand. Vielmehr suchte dieser in einem weitläufigen
Berichte an den König vom 19. Juni dieses Jahres zu bedenken zu geben, daß es mit
der Plaueschen Fabrik finanziell in keiner Weise gut stände, daß ihre Erzeugnisse,
(von denen damals zwei bereits in seine Hände gelangt waren) sich gar nicht mit
denen Meißens vergleichen könnten, und daß der Minister allem Anschein nach nichts
weiter wolle, als entweder seine in das Unternehmen bereits gesteckten Gelder wieder
heraus zu haben oder durdı den Beistand Sachsens seine Fabrik zu verbessern, wo-
bei es sih dann nur zu leicht ereignen könne, daß, wenn sie verbessert wäre, sie,
da in einem fremden Lande gelegen, sich nur zu leicht von der Meißner wieder lösen
könnte. Damit aber hätte man sich eine Konkurrenzanstalt mit seinem eigenen Gelde
groß gezogen.
Diese Ansicht Böttgers drang völlig durch und damit war diese Angelegenheit
erledigt. Von einer Vereinigung beider Fabriken ist dann auch kaum wieder die Rede
gewesen, und die ganze weitere Entwicklung der Plaueschen Fabrik hat Böttger völlig
Recht gegeben. In der Tat waren damals die Verhältnisse der jungen Fabrik sehr
wenig erfreuliti. Weit mehr als zehntausend Taler hatte der Minister bis zum
Jahre 1715 schon in dieselbe hineingesteckt, ohne bisher auch nur den geringsten Ge-
winn gehabt zu haben, und nicht mehr als 50 polierte Stücke hatte ein Berliner Kauf-
mann, der Böttger hierüber Bericht abstattete, vorgefunden, die meistens „schwer,
1) Böttger, sowohl wie Dr. Nehmitz, der diesen Teil der Arcana der Meißner Fabrik unter
Sich hatte, hielten die Materialien dazu lange Zeit unter Verschluß.
>
Ernst Zimmermann. Die Plauesche Steinzeug-Manufaktur 609
Abb. 1. Zuckerdose in geschliffenem Böttgersteinzeug (rechts) mit ihrer Nachbildung in
Plaueschem Steinzeuge Porzellansammlung, Dresden
plump und unfaconnirlih“ wären. Man könnte dem Geschirr überhaupt, so berichtete
er weiter, weder „Lüster noch Leichtigkeit“ geben, ja die allermeisten Stücke konnten,
wohl weil die Masse schlecht komponiert oder die Öfen zu primitiv waren, gar nicht
festgebrannt und darum auch nicht geschliffen werden. Ja, die Masse soll damals nicht
einmal eine Mischung, sondern nur eine „simple, rote“ Erde gewesen sein, die sie
noch dazu, wie bereits erwähnt, aus Sachsen über Halle herbeiholen mußten. Diese
Materie aber hatte die Eigenschaft, daß sie sich weder recht fest brennen, noch fein
und zart drehen oder schleifen ließe. Daneben aber scheint man damals doch merk-
würdigerweise auch Versuche mit einem „weißen“ oder „blauen“ keramischen Produkte
gemacht zu haben, das man nach der Sitte der Zeit als „weißes oder blaues Porzellan“
bezeichnete. Es kann aber unter diesem Produkte im günstigsten Falle doch nur eine
Fayence mit weißer oder blaulicher Zinnglasur verstanden werden, da, wenn man
hier damals wirklich das Geheimnis des echten Porzellans besessen und solches sogar
schon fabriziert hätte, dies sicherlih damals doch größeres Aufsehen erregt hätte und
namentlich in Meißen und Dresden ebenso bekannt geworden wäre, wie bald darauf
die Fabrikation von Porzellan in der im Jahre 1719 durch einen Meißner Überläufer `
begründeten Porzellanmanufaktur in Wien. Auf alle Fälle jedoch waren diese etwas
rätselhaften keramischen Produkte damals noch sehr im Stadium des Versuches, und
scheinen auch über dieses, da man später über sie gar nichts wieder hört, auch kaum
hinausgekommen zu sein.
Doch auch der kaufmännische Betrieb muß damals demselben Berichterstatter
zufolge sehr klein gewesen sein, so klein, daß des Ministers eigene Frau und Töchter
in Berlin ,gleich Kaufdienern“ jedem Interessenten die Ware in der Schürze aus der
Vorratskammer in des Ministers eigenem Hause herabgetragen oder jene zu dieser
heraufgeführt haben. Auch hatte man dem Kaufmann, der Böttger alles dies damals
berichtete, nachdem man ihm vorgeblich einige Stücke zu verkaufen gesucht hatte, nadh-
traglih doch nodi zwei derselben durch seine Frau auf die Leipziger Ostermesse dieses
610 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Jahres nachgesandt, damit er doch wenigstens einige Proben dort vorzeigen könnte.
Zur Michaelismesse war man dann freilich schon etwas weiter. Man konnte damals
die Messe bereits mit etwa 60 Stück beziehen. Böttger selber reiste damals mit dem
Inspektor der Meißner Manufaktur Steinbrück hinüber, um sie in Augenschein zu
nehmen. Er blieb aber bei seinem früheren Urteil bestehen, nämlich, daß sie alle sehr
„schwer und unfaconnirlih“ wären, weshalb sie allgemein „schlechten Goust“ erweckt
hätten. Auch wäre aus allen den Stücken kein Sortiment zu machen und nichts in
halben oder ganzen Dutzenden zu haben gewesen. Aus diesem Grunde hätte auch
der „Berlinishe Kaufmann, der mit Porzellan handelt“, nichts davon zum Verkauf
übernommen. Zwölf der Stücke wurden indessen damals angekauft, um sie dem
Könige von Polen vorzulegen, der sie, wie von Plaue aus berichtet wird, den Meißner
Arbeiten gleich befunden haben soll, nur daß sie nicht so sauber gearbeitet und nicht
so fleißig ,bossiert“ wären. Merkwürdigerweise hielt der König damals die Stücke für
wohlfeiler, als die seiner eigenen Fabrik, während Böttger und Steinbrück beständig
das Gegenteil behaupteten. Er scheint auch noch einmal ernstlich daran gedacht zu
haben, sich mit Herrn von Görne betreffs seiner Fabrik ins Einvernehmen zu setzen,
zumal damals infolge des Aufkommens des nun seit zwei Jahren fabrikmäßig in
Meißen hergestellten Porzellans audı der Abgang des Meißner Steinzeugs bedeutend
nadilieB. Doch hört man dann weiter nichts davon.
Dann aber scheint die Produktion in Plaue dodı so gestiegen zu sein, daß man
den Absatz der erzeugten Waren an mehreren Stellen versuchen konnte Es wurden
Niederlagen in Braunschweig, Bautzen (?), Zerbst, Breslau, Magdeburg, Hamburg,
Kassel, Danzig, Königsberg und anderen Orten angelegt und auf diese Weise z. B.
im Jahre 1718 für mehr als 3084 Thir. Waren, freilidi nur kommissionsweise ver-
schickt. In Berlin selber wurden die Erzeugnisse im „Senftischen Glasladen“ in der
Breitenstraße feilgehalten. Betreffs der Preise wurde, damit sich kein Käufer über-
vorteilt glaubte, bestimmt, daß in Berlin in diesem Laden ein Buch gehalten werden
sollte, daraus die Käufer selber den Preis der einzelnen Stücke nach den diesen ge-
gebenen Nummern ersehen konnten. Jedes Modell hatte demnach seine eigene Num-
mer, wie es später auch im Porzellan üblih war. Von den einmal festgesetzten
Preisen aber durfte nichts abgelassen werden, außer bei größeren Bezügen. Nur sollte,
was nach England oder Holland ginge, franko bis Hamburg, was nach Danzig oder
Königsberg geschickt wurde, aber franko bis ans Ziel geliefert werden.
Trotz aller dieser Vorkehrungen scheint jedoch der Absatz der Erzeugnisse
in keiner Weise den Erwartungen Görnes entsprodien zu haben. Noch im Jahre 1716
versicherten der Berlinische und auch ein Magdeburger Kaufmann dem Inspektor Stein-
brück, daß ihnen „das Plauesche“ zwar „angeboten“ würde, daß sie es aber nidıt „ver-
langten“, ja der Minister soll damals in seiner Verzweiflung sogar so weit gegangen
sein, daß er versuchte, jenen unter Mißbrauch seiner amtlichen Gewalt zur Abnahme
seiner Waren zu zwingen, was ihm aber, da es „wider die Handelsfreiheit“ gewesen,
doch nicht gelungen sei. Nur wenige Jahre, am Ausgang des Jahres 1719 glaubte
daher Böttger behaupten zu dürfen, daß die „brandenburgische Fabrik“ bereits „in
sich zergangen“ wäre, wohl auch schon, weil er damals 2 Arbeiter bei sich anstellte,
Ernst Zimmermann. Die Plauesche Steinzeug-Manufaktur 611
Abb. 2. Plauesches Steinzeug, geschliffen und geschnitten
O Kunstgewerbemuseum, Berlin
die aus der Plaueschen Fabrik zu ihm gekommen waren. Doch war diese Annahme
nodi etwas verfrüht. Denn noch im folgenden Jahre schloß Görne, freilich wohl
infolge des bisherigen schlechten Fortganges der Fabrik mit Pennewitz einen neuen
Vertrag ab, nach welchem er ihm „das Fabrikhaus zu Plaue“ nun ganz überließ.
Zehn Jahre hat dann Pennewitz die Fabrik in der Tat noch weiter geleitet, bis er vom
König Friedrich Wilhelm I. als Kastellan nach Potsdam berufen wurde. Da-
mit war seine Tätigkeit für die Fabrik zu Ende. Am 9. April 1730 fand zwiscen
ihm und dem Minister eine Abrechnung statt, die ersteren verpflicitete 491 Taler an
letzteren in bestimmten Terminen zu zahlen. Und noc einmal beklagte sich damals
der Minister, daß der Absatz seiner Ware so gering wäre, daß er in keiner Weise
auf seine Kosten käme, da hingegen die ,Dresdensche Fabrik“ doch „so hodh“ ge-
stiegen sei, durch welche Außerung er aufs deutlichste bekundete, daß ihm sein Plan
für diese eine Konkurrenzanstalt zu schaffen, nicht gelungen war. Doch darf man zur
richtigen Einschätzung dieses MiBerfolges nicht ganz vergessen, daß eben damals auch in
Meißen das rote Steinzeug, weil völlig unverkäuflich, nicht mehr hergestellt worden ist.
Die Fabrikation desselben hatte mit Böttgers Tode im Jahre 1719 völlig aufgehòrt.!) In
dieser Beziehung hatten also beide Fabriken dasselbe Schicksal erlitten, so daß nicht an
der Anlage der Plaueschen Fabrik allein damals der Mißerfolg gelegen hat.
Wie lange jedoch dann ooch in Plaue die Fabrik bestand, läßt sich mit Be-
stimmtheit nicht angeben. Auf alle Fälle ging sie noch vor dem Jahre 1740 ein, wo-
fern es wahr ist, was nur etwa ein Jahrzehnt später berichtet wird, daß bei ihrem
Erlöschen?) der König Friedrich Wilhelm I. einen Teil des noch im Berliner Laden
befindlichen Vorrats aufkaufte, um ihn dem Zaren Peter Il., der diese Ware sehr
geschätzt haben soll, zu verehren, indes der Rest vom damaligen Kronprinzen, dem
späteren Friedrich dem Großen erworben ward, der früher mehrfach die Fabrik in
Augenschein genommen hatte.
1) Diese Verhandlungen finden sich wieder im Urbarium.
2) So berichtet Sybel a. a. O. S. 28 nach Bekmanns Historisher Beschreibung der Kur
und Mark Brandenburg.
612 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Trotz alledem scheint die Fabrik doch schließlidi noch ziemlich leistungsfähig
geworden zu sein. Ihr Hauptprodukt ist freilich immer das rote Steinzeug ge-
blieben, von dem man alle Niiancen kannte, die man in MeiBen besaB, je nach der
Stärke des Brandes das hellbraune, das dunkelbraune und das eigentlich schon über-
glühte schwarze. Die Masse desselben soll, gerade wie das Böttgersteinzeug, einem
„feinen Stein“ ganz ähnlich und so dicht und fest gewesen sein, daß man Stücke
davon zu Feuersteinen verwenden konnte, aus denen man mit Stahl Feuer schlagen
konnte. Aus dieser Masse wurden Tee-, Kaffee- und Schokoladengesdirre, Kannen,
Becher, Kriigelcien, Spülnäpfe und große Näpfe, Butterbiichsen, Schüsseln, Teller, Auf-
sätze, kleine Vasen, Teekessel, Becken, Konfektschalen, Kochgeschirr, auch Blumentöpfe,
kurz alles, was man, wie man sich damals ausdrückte „aus Ost-Indien oder von
Holländischem Porcellain“ machen und bekommen konnte, angefertigt. Im Schlosse zu
Plaue selber sollen mit derartigen Erzeugnissen nicht nur die Zimmer ausgeschmückt
gewesen sein, sondern auch im Vorhof und Garten große Vasen und Blumenkörbe
gestanden haben, auch an den Markttagen des Ortes und bei festlicien Gelegenheiten
auf der zweiunddreiBigjochigen Brücke, die über die Havel führte, „in zwiefacher
Reihe d. h. wohl auf beiden Seiten derselben mächtige Kübel mit Orangenbäumen
aufgestellt gewesen sein, was freilich nicht so ohne weiteres glaubhaft erscheint, da
derartig große Stücke in diesem Material damals doch nicht so leicht zu brennen
waren und deshalb damals nicht einmal in Meißen gebrannt worden sind.) Verziert
aber wurden die Gegenstände ganz wie die Meißner, durch Schliff und Schnitt, dann
durch Malerei. Besonders gerühmt wurden „goldene Blumen und Ranken“, die ein-
gebrannt wurden.*)
Zur Fabrikation dieser Erzeugnisse scheint Görne mehrere Gebäude errichtet zu
haben, auch hatte er Maschinen zur Präparierung der Masse, zu ihrer Formung und
zum Schleifen aufstellen lassen. Die Zahl der hierbei beschäftigten Arbeiter war
relativ groß, sie übertraf fast die der Meißner Manufaktur der Böttgerschen Zeit; doch
kam sie nicht über 34 hinaus. Darunter sollen sehr „habile“ Leute gewesen sein.
Alle waren sie in Eid genommen, daß sie niemandem etwas von den ihnen zugäng-
lihen Geheimnissen verrieten. Der ganze Betrieb in Plaue scheint damals, wo es noch
nicht allzuviele Fabriken gab, eine gewisse Sehenswürdigkeit gewesen zu sein.
Darauf lassen scion die erwähnten Besuche des Kronprinzen schließen. Auch hatte
sie bereits im Jahre 1716 Peter der Große auf seiner zweiten Studienreise durch
Europa besucht und dort angeblich ein vollständiges Tafelservice bestellt mit seinem
stark vergoldeten Wappen, das sehr gut ausgefallen sein soll, welch letztere Nachricht
freilich wiederum mit einiger Vorsicht aufzunehmen ist, da doch nach allen anderen
Berichten die Manufaktur damals im Jahre 1716 sich noch keineswegs als so leistungs-
fähig erwies, um so bedeutende und schwierige Aufträge wie diesen zur vollen
1) Diese Angaben Sybels können nur auf mündlicher Tradition beruhen und sind dem-
gemäß einzuschätzen, da die von ihm benutzten Quellen nichts davon zu erzählen wissen.
?) Hierin scheint sich Plaue Meißen überlegen gezeigt zu haben, da am Böttgersteinzeug
Gold sich, so viel ich gesehen, nie eingebrannt, sondern nur als Lackfarbe findet.
Ernst Zimmermann. Die Plauesche Steinzeug-Manufaktur 613
Zufriedenheit auszufiihren. Es ist eben damals im Zeitalter der Porzellanbereitung
auf dem Gebiet der Keramik vielfach aufgeschnitten worden, und oft genug hierbei der
Wunsch an die Stelle der Tat getreten. Das darf bei der Darstellung der Geschichte
der Keramik dieser Zeit nie vergessen werden.
* *
*
Wie steht es nun heute mit den Erzeugnissen der Plaueschen Fabrik? Haben
Sich solche bis auf unsere Zeiten erhalten, so deutlich und klar, daß wir sie mit aller
Sicherheit als solche noch ansprechen können, daß wir überhaupt einen Begriff davon
bekommen, was da- Städtchen Plaue und
mals wirklich in. seine keramische An-
Plaue in keramischer stalt verdanken, die
Beziehung geleistet Erzeugnisse dieser
worden ist, und wie Fabrik’), die aber da-
weit man vor allem mals schon so sehr
damals die Böttger- zu den Seltenheiten
schen Vorbilder, die gehörten, daß er
man hat nachahmen eigentlich nur nodi
wollen, erreicht hat? „in einzelnen Wohn-
In dieser Be- sitzen des benach-
ziehung muß gesagt barten Adels, welche
werden: bezeichnete sih ooch nicht den
oder sonst irgend- modernen Umwand-
wie sicher beglau- lungen unterziehen
bigte Stücke dieser mußten“ einige we-
Fabrik haben sich nige Stücke hatte
leider nirgends vor- auftreiben können.
gefunden. Nur noch Doch glücte es ihm
auf Grund der Tra- nodi, mehrere der-
dition kannte Sybel, Abb. A Plauesches Steinzeug geschliffen und selben für sich zu
dem wir aus dem emailliert o gewinnen, vor allen
Jahre 1811 die ersten O Kunstgewerbemuseum, Berlin von den Nadıkom-
Nachrichten über das men der Familie von
Görne selber, die er in seiner Schrift dann beschrieben hat. Von diesen schenkte er zwei,
eine braune Vase und eine „übersilberte“ Figur der keramischen Sammlung der Berliner
Porzellanmanufaktur, die aber beide heute in dieser Sammlung nicht mehr auf-
zufinden sind. Auch in Plaue hat sich heute leider so gut, wie nichts erhalten, was
nodi Zeugnis von der einstigen keramischen Tätigkeit hier abgeben könnte. Über
diesen Ort ist bald nach des Ministers Tode ein eigenartiger Sturm hinweggegangen.?)
1) Sybel a. a. O. S. 30.
3) Sybel a. a. O. S. 31.
3) Vgl. Fontane, fünf Schlösser, Altes und Neues aus Mark Brandenburg. Berlin 1889,
S. 124. Erhalten haben sich an Kunstwerken aus dieser Zeit im SchioB zu Plaue nur das von
Sybel S. 16 bereits erwähnte Zimmer mit Chinoiserien, sowie zwei plumpe Pagoden aus einer
614 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
Er kam mit samt dem Schlosse 1765 in die Hände eines gewissen Wilhelm von Anhalt,
eines natürlidhen Sohnes eines Anhaltischen Prinzen, der, als ein höchst seltsamer,
verschroben, eigenwilliger und gewältiger Mensch, alles tat, um das in Plaue zu
vernichten, was Görne dort mit vieler Mühe und in der edelsten Absicht angelegt
hatte. Völlig sinnlos soll er in diesem Orte gehaust haben und hierbei auch alles,
was von Erzeugnissen der Görnesche Fabrik noch im Schlosse vorhanden war, in die
Havel geworfen haben. Ein schlimmeres Schicksal konnte Plaue in der Tat damals
nicht wiederfahren, der Minister von Görne keinen fremdartigeren Nachfolger finden.
So bleibt zur Bestimmung dieser Produkte nur noch die Vermutung, die Kom-
bination, die Stilkritik übrig. Aber wenn die Resultate, die diese ergeben, sich dann
mit dem vereinigen, was uns über sie, wie oben gezeigt, aus der Zeit ihres Ent-
Stebens glaubwürdig überliefert worden ist, dann lassen sich doch wohl mit einiger
Sicherheit die Plaueschen Produkte als solche feststellen, dann lassen sie sich doch
wohl von dem großen Bestande des Böttgersteinzeugs trennen, unter dem sie bis
jetzt notwendiger Weise ganz haben verschwinden müssen.
Diese Bestimmung kann ausgehen von einem Stück der königl. Porzellan-
sammlung zu Dresden, das in dieselbe vor einigen Jahren als Böttgersteinzeug ein-
gezogen ist, und beruht auf einer ganz einfachen, an sich sehr naheliegenden Über-
legung. Das Stück ist eine hier in Abbildung 1 gegebene Zuckerdose aus rotem
Steinzeug mit mehrfacher Profilierung, deren Grundform auf ein in der Barockzeit sehr
beliebtes Modell der Goldschmiedekunst zurückgeht und um diese Zeit auch in der
Keramik recht häufig verwandt worden ist. Es ist technisch — das läßt schon die
Abbildung erkennen — sehr wenig sauber gearbeitet; aber auch die Masse ist unrein,
dafür ist es jedoch um so reicher mittelst des Schnittes und des Schliffs dekoriert, ja es
ist sogar bemalt. Es besteht so an ihm ein merkwürdiger Gegensatz zwischen Technik
und Kunst. Ganz dieselbe Grundform findet sich aber auch in dem als solches völlig
gesicherten Böttgersteinzeug: sie ist sogar die typische Form der Zuckerdose in diesem,
wie dann auch im Böttgerporzellan. Doch ist sie stets etwas kleiner, die Profilierung
aber viel reicher, in den Einzelheiten jedoch ganz abweichend. Technisch zeigt sie
die ganze Vollendung der Mache, die das Böttgersteinzeug immer ausgezeichnet hat.
Sie übertrifft so in dieser Hinsicht bei weitem die zuerst genannte.
Nun aber ist die Zuckerdose in Bôttgersteinzeug mittelst einer Form herge-
stellt und zwar wahrscheinlich, wie es damals in Meißen üblidı gewesen ist, in einer
aus Silber oder Kupfer getriebenen. Warum aber soll man da, wo man eine soldie
Form, aus der man beliebig viele Stücke herausformen konnte, besaß, warum soll
man da, so erhebt sich hier gleich in Frage, freihändig — so ist die erste Dose un-
Fayenceartigen schmutzigen Masse, die mit den oben erwähnten Versuchen mit „weißem und
blauem Porzellan“ Zusammenhang haben mögen. In Plaue selber haben sich bisher nur zwei
Steinzeugscherben gefunden, die aus der Erde ausgegraben worden sind, aber zu wenig
charakteristisch in Masse, wie Form sind (Ornamente zeigen sie leider gar nicht) um irgend-
welche Anhaltspunkte für die Erzeugnisse von Plaue zu geben. Ich verdanke übrigens auch diese
Tatsachen Herrn Dr. v. Dallwitz, in Berlin, der Plaue nach dieser Richtung hin eingehend unter-
sucht hat.
Ernst Zimmermann. Die Plauesche Steinzeug-Manufaktur 615
verkennbar hergestellt worden — eine ganz ähnliche und fast gleich große Dose her-
gestellt und diese sogar, nach dem sie ersichtlich plump und ungeschickt ausfiel, noch
geschliffen und aufs reichste dekoriert haben. Ein solches Beginnen erscheint inner-
halb einer und derselben Fabrik als völlig sinnlos, es kann keinen praktischen Grund
geben, der ein solches motivieren könnte und so erscheint es undenkbar, daß jene erste
Zuckerdose auch ein Und nun wird
MeiBner Fabrikat ge- man nicht vergessen,
wesen ist. was zu Böttgers Leb-
zeiten immer überdie
Erzeugnisse Plaues
geurteilt worden ist,
was auch durch obi-
ges Stück bereits
seine volle Bestä-
tigung gefunden hat,
nämlid daß sie
„plump und schwer
und unfaconnirlich“
waren und keinen
rechten „goust“ zeig-
ten, und wenn man
dann weiter auf For-
men achtet, die völlig
fremd unter dem ge-
sicherten Böttger-
steinzeug und dem
Böttgerporzellan, das
von jenem ja fast
seine sämtlichen For-
Dann aber
bleibt als Herstel-
lungsort nur Plaue
übrig, denn nur in
MeiBen und an die-
sem Ort ist damals
ein festes rotes Stein-
zeug geschaffen wor-
den, das geschliffen
und geschnitten wer-
den konnte und nur
in Plaue hat man,
um der Meißner Fa-
brik Konkurrenz zu
machen, damals Ver-
anlassung gehabt,
Sich audi an ihre
Formen zu halten.
Damit aber wäre das
erste Erzeugnis die-
ser Fabrik festgestellt
und die Kritik kann men entlehnt hat, er-
nun mit Hilfe dieses scheinen, dann wird
weiter ihre Sichtung Abb. 4. Deckelvase, zum Teil geschliffen, rotes Man bald auf eine
unter dem übrigen Steinzeug von Plaue o ganze Reihe von Ge-
Böttgersteinzeugs a Gotha, herzogl. Museum genständen stoßen,
vornehmen. bei denen alle diese
Eigentümlichkeiten zugleich oder fast zugleich auftreten und die durch diese Ver-
einigung gänzlich fremdartig unter dem beglaubigten Böltgersteinzeug erscheinen: in
ihnen aber dürften wir dann ohne Zweifel Plauesche Produkte besitzen, und zwar be-
sonders charakteristische, die dann zu weiteren Erkennungen weniger charakteristischer
führen und ihre Zahl bedeutend vermehren können.
Ein großer Teil der vom Verfasser auf diese Weise festgestellten Erzeugnisse
ist hier in Abbildungen gegeben. Sie befinden sich in der Dresdner Porzellan-
sammlung, im Berliner Kunstgewerbemuseum und im herzoglihen Museum zu
616 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Gotha.') Hierbei dürfte es von großer Wichtigkeit sein, daß die im Berliner Kunstgewerbe-
museum befindlichen sämtlich der alten preußischen Kunstkammer angehörten, also aus altem
königl. preußischen Besitze stammen. Es können daher gar wohl Stücke sein, die der
Minister einst seinem Könige geschenkt oder dieser von jenem gekauft hat; sie können
jedoch auch aus dem Besitz des Kronprinzen Friedrich stammen, der, wie oben be-
richtet, einst einen Teil des Nachlasses der Fabrik für sich angekauft haben soll. Auf
alle Fälle rücken schon durch diesen Ursprung diese Stücke der Plaueschen Fabrik
nahe genug, und auch das ist nicht ohne Wichtigkeit, daß eins dieser Stücke, die in
Abbildung 5 wiedergegebene Kanne mit dem Papagei durchaus der Beschreibung ent-
spricht, die Sybel einst von einem der in seinem Besitz befindlichen vermeintlichen
Plaueschen Stücken gegeben hat. Diese Tatsachen müssen alle bekräftigend wirken.
Was aber ergibt sich nun auf Grund dieses und des nicht abgebildeten Mate-
rials als charakteristisch für das Plauesche Fabrikat und welche Ejigentiimlichkeiten
können als weitere Bestimmungsmittel für dasselbe gelten?
Zunächst die Masse! Sie ist fast immer unrein; durchaus charakteristisch sind
hellere, gelbe Partien, oft von ziemlicher Ausdehnung, die auf dem Boden der Gefäße
meistens am deutlichsten sichtbar sind. Die Masse wirkt dadurch fast immer scheckig.
Allerdings zeigt auch die Masse des Bôttgersteinzeugs, wenn auch weit seltener, eine
gewisse Fleckigkeit, aber sie ist weit weniger auffällig, sie hat etwas Beabsichtigtes,
weil sie Marmorierung vortäuschen soll, und vor allem, bei letzterer stehen dunkle
Flecke auf hellem Grund, und nicht wie in Plaue, umgekehrt. Eine Verwechslung ist
in dieser Beziehung für jemand, der beide Arten einmal gesehen, kaum möglich.
Von den drei verschiedenen obenerwähnten Tönungen der Masse, die diese
mit der des Böttgersteinzeugs gemeinsam gehabt haben soll, hat sich bisher, gerade
wie auch beim Böttgersteinzeug, die dunkelbraune am häufigsten gefunden, die über-
hitzte, schwarze dagegen noch gar nicht. Wahrscheinlich aber hat man hier auch die
richtige Marmorierung d. h. das Zusammensetzen der Masse aus verschieden getönten
Tonarten gekannt, wie es gleichfalls bisweilen in Meißen geübt worden ist. Wenig-
stens hat sich eine große derartige Dose, die wie eine Vergrößerung der in Abb. 1
gegebenen Zuckerdose aussieht, im Berliner Kunstgewerbemuseum erhalten, die alle
die hier erwähnten Eigenarten der Plaueschen Fabrikate aufweist.
Weiter fällt dann an der Masse auf, daß ihr so oft der innere Zusammenhang
fehlt, daß sie nicht völlig homogen gewesen sein kann. An Stücken, die geschliffen
worden sind, entdeckt man an der Oberfläche oft kleine unregelmäßige Locher, als
hätte das schleifende Rad bisweilen kleine nicht ganz festgebrannte Stücke mit heraus-
gerissen. Man findet derartige Mängel am Böttgersteinzeuge niemals. Mehrfach, z. B.
schon an der hier abgebildeten Zuckerdose sind auch kleine seltsame Ausbeulungen
entstanden, als hätte sich an diesen Stellen in der Masse noch Luft befunden, die sich
1) Außer den hier abgebildeten hat der Verfasser noch einige andere Stücke im Berliner
Kunstgewerbemuseum festgestellt, ferner eine kürzlich erworbene ,gemuschelte“ Kanne, sowie
das Brudhstiick eines Gefäßes, das eine gewisse Ähnlichkeit hat mit dem der Abb. 4, beide in
der Dresdner Porzellansammlung, schließlich ein Bierseidel mit aufgesetztem preuBishen Wappen
im Hohenzollernmuseum zu Berlin.
Ernst Zimmermann. Die Plauesche Steinzeug-Manufaktur 617
dann in der Glut des Brennofens ausgedehnt und die Masse nach außen getrieben
hat. Auch derartige Erscheinungen finden sich nicht im Böttgersteinzeug. Beide
Mängel aber beweisen, daß die in Plaue verwandte Masse nicht entfernt so gut,
oder wenigstens nicht so sorgfältig durchgearbeitet war, wie die in Meißen.
Ganz erstaunlich aber erscheint dann die Plumpheit und Unsauberkeit der Ge-
staltung der Gefäße, die allerdings in keinem stärkeren Gegensatz zu der ebenso er-
staunlichen Delikatesse und Sauberkeit der Böttgerschen Arbeiten von Anfang an, so-
wohl im Steinzeug, wie im Porzellan treten konnte. Kein Stück, das auf der Drehscheibe
gearbeitet worden ist, ist wirklich glatt und sauber aufgedreht worden! Die Oberflache
ist wellig, selbst kantig, die angesetzten Henkel und Ausgüsse erscheinen nicht scharf
von den Wandungen winnen, der dann
abgesetzt, der Fuß zur Entsendung
am Boden ist viel- Mehlhorns geführt
fah gehoben und hat. Ganz schlimm
durchgedriickt, auch aber steht es mit
bei den runden Ge- jenen Gegenständen,
fäßen oft nicht ganz die, weil sie gerade
kreisrund, dieHenkel Flächen und senk-
sindwenig schwung- rechte Kanten zeigen
voll gebogen. Die sollten, nicht auf der
reine Töpferarbeit er- Töpferscheibe gear-
beitet werden konn-
ten. Derartige Ge-
bilde pflegen sonst
und so auch im Bött-
gersteinzeug, mittelst
weist sich so als
völlig minderwertig,
und man begreift
gegenüber soldıen
Leistungen gar wohl
jenen obengenann- Hohlformen, Modeln
ten Wunsch der Fa- hergestellt zu wer-
brik im Jahre 1715, Abb. 5. Plauesches Steinzeug, geschliffen, den, und eine ein-
gute Töpfer ausDres- al ia da mal solide durchge-
den heimlich zu ge- arbeitete Hohlform
laBt dann eben auch alle Ausformungen, wenn richtig gemacht, solide und sauber erscheinen.
In Plaue scheint man erstaunlicherweise die Methode der Formung gar nicht gekannt oder
wenigstens niemals angewandt zu haben: alle Stiicke dieser Art, die bisher festgestellt,
geben sich als völlig freihändig gearbeitet. Das erkennt man aus ihrer ganzen Mache,
das beweist das Fehlen der im Böttgersteinzeug immer sichtbaren Formnähte, und auch
das, soweit bisher konstatierbar, Fehlen jeglicher Wiederholung einer und derselben Form.
Aber diese freihändige Arbeit ist die schlechteste, die man sich überhaupt wohl vorstellen
kann: keine Fläche ist wirklich eben, keine Linie wirklich gerade. Es gibt überall
Schwankungen und Verziehungen, oft von erstaunlihem Umfange. Das Ganze macht
eher den Eindruck von Stümper-, von Dilletanten- als von geregelter Fabrikarbeit.
Und so erscheint das Urteil Böttgers und seiner Umgebung gegenüber diesen Mach-
werken, wofern sie wirklich Plauesche Erzeugnisse sind, als nur zu gerechtfertigt.
618 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Und völlig gleichartig erscheint dann auch der Schliff: auch er ist unsauber, un-
gleichartig und schwankend, ja diese Technik, die übrigens sich bei allen bisher als
Plauesche Fabrikate vermuteten Stücken angewendet zeigt, sie hat die Unsauberkeit
der Gestaltungsarbeit nur noch vermehrt. Auch hier keine durchgehende Glätte, auch
hier keine konsequente Rundung! Kanten und Winkel erscheinen, wo alles in sanfter
Rundung ineinander übergehen sollte, und so wird man auch in dieser Beziehung
wieder an Stümperarbeit erinnert und hat allen Grund zu bezweifeln, daß in Plaue
für diese Technik wirklich eingearbeitete Glas- und Steinschleifer, wie in Dresden und
Meißen beschäftigt wurden. Es scheint also ersichtli auch auf diesem Gebiete
damals in Plaue an wirklich brauchbaren Kräften gefehlt zu haben.
Dann aber neue Erfindungen
kommt das künstleri- aber atmen erst recht
sche Element dieser diesen Geist. Allem
Stücke in Betracht, Anschein nach hat
und hier begreift man hier eine starke Vor-
ebenso schnell, war- liebe für das echt
um Böttger einst die- deutsch Barocke im
se Fabrikate als ,un- Barockstil der Zeit
faconnirlich“ bezeich- geherrscht. Nament-
net hat. Bisweilen lich mit großen, der-
sind hier die Böttger- ben, phantastischen
schen Modelle in
ihren Grundformen
nadigebildet wor-
den, aber hierbei, so
z. B. schon bei der
Mustern hat manhier
stark gewirtschaftet
und sie bei der Ge-
samterscheinung der
Stücke sehr mitspre-
rwähnten Zucker- chen lassen (Abb. 5).
: taik ins Plume Abb. 6. Plauesches Steinzeug, Dosendeckel mit Hinsichtlich | d =
Ses jah geschnittener Ornamentik D Sen e SI z
pe und Sdwerfällige D Kunstgewerbemuseum, Berlin staltung im einzel-
hineingeraten. Ganz nen, der Ornamen-
tation aber muß man sagen: sie gibt sih zunächst auffallend reich gegenüber der
sonstigen Unbehilflichkeit der Mache, sie hat weiter fast gar nichts mit der Böttgerschen
Formensprache zu tun, aber sie erscheint dafür immer ganz merkwürdig unkünstlerisch
und vor allem wirkungslos. Es hat hier meist ein völlig nutzloser Kräfteaufwand
stattgefunden. Und so findet sich hier ganz und gar nicht jene Zielbewußtheit und
Klarheit der Ornamentik, die an den Böttgerschen Erzeugnissen so erstaunlich auffällt.
Hierbei kannte man als Ornamentierungsmittel aufgesetzte und vorher geformte,
wie auch ganz freihändig gearbeitete Ornamente, weiter eingebrannte Farben nebst
Gold, den teilweisen Schliff und den Schnitt. Aber nicht allein die Muster sind immer
unschön, vielfach konfus und wenig harmonisch in den einzelnen Teilen; es ist auch
für gewohnlich keine Technik so angewandt, daß sie ihre volle Wirkung tun kann.
So heben sich die aufgesetzten Reliefs nicht entfernt so kräftig vom Grunde ab,
wie beim Bôttgersteinzeug, so ist der Gegensatz zwischen Geschliffenem und Unge-
Ernst Zimmermann. Die Plauesche Steinzeug-Manufaktur 619
schliffenem, so effektvoll beim Böttgersteinzeug angewandt, bei diesen Erzeugnissen
oft völlig sinnlos — er ist z.B. niemals, wie bei jenem zum Abheben der Reliefs vom
Grunde benutzt worden — so sind weiter die Emailfarben, die Böttger zu demselben
Zweck verwandte, bei der mehrfach erwähnten Zuckerdose gerade umgekehrt auf die
vertieft eingeschnittenen Verzierungen gelegt, wo sie, beschattet, natürlich gar nicht zur
vollen Geltung kommen können, so sind sdhlieBlich die eingeschnittenen Ornamente
meist zu dünn und mager gehalten (Abb. 6), daß sie wieder nicht entfernt so wirken
können, wie die immer so klar und breit gehaltene Ornamentik dieser Art der Böttger-
steinzeuge, ganz abgesehen davon, daß auch diese Technik wieder so unsauber, wie
nur irgend möglidı durchgeführt worden ist. Und welch einen schlechten Gebrauch
hat man hierbei gar mit dem sogenannten „Muscheln“ gemacht, dem Einschneiden
eckiger oder runder Vertiefungen oder Facetten in rhythmischer Folge, für das man in
Plaue eine so ganz besondere Vorliebe gehabt zu haben scheint. Ganz sinnlos sind
diese oft in die übrige Ornamentik hineingestreut, ganz regellos angebracht, wo sie
als Grundmuster die ganzen Flächen bedecken (Abb. 2). Man sieht, es hat in Plaue
nicht nur an guten Technikern, vielmehr auch an guten Künstlern gefehlt und man
hat darum hier nicht verstanden, aus diesem an sich doch so edlen Materiale das zu
machen, was Böttger daraus zu gewinnen gewußt hat, man hat nicht einmal die guten
Vorbilder, die hier zur Verfügung standen, nachzubilden vermocht.
Darum aber ist es hödıste Zeit wie es hier versucht worden ist, die weniger
guten Erzeugnisse, die Schlacken von den Böttgerschen Werken zu trennen, damit
deren hohe technische, wie künstlerische Qualitäten nur desto klarer, reiner zur Er-
scheinung kommen können. Das wird wohl in Zukunft in noch viel größerem Maß-
stabe erfolgen können, als es hier bereits geschehen.
SUO
Francesco Guardi
by George A. Simonson (London).
A simple but imposing ceremony took place quite recently on the occasion of
the tercentenary celebration of Alessandro Vittoria's death in Venice. Beside the
laurel-wreath solemnly placed on his tomb in the church of S. Zaccaria in her name
Trient deposited a companion-wreath. Venice was the life-long scene of the famous
sculptor’s activity, Trient his birthplace. This joint act of homage paid to his memory
is noteworthy not only owing to the generous self-denying prompting which made these
two cities waive their rival claims, but also because artistic links between them are rare.
There is only one other master besides Vittoria whom Venice owes to the ancient pro-
vince of Trient, namely Francesco Guardi, her most highly-gifted landcape-painter.
The history of Guardis origin would to this day have remained unknown to
the world but for a happy inspiration through which a quarry of valuable documents
concerning it came to light.!) It is always of importance for the student to ascertain
whence a painter drew the secret of his art, especially when, as in the case of Guardi,
the qualities by which he fascinates us, are mostly inborn, not acquired. A clue to
Titian’s astounding vitality has been found by his biographers in his extraction from
dwellers in the Dolomites. So Guardis issue from a sturdy mountain-bred Tyrolese
stock seems to explain the source of his strength, his vivid and brilliant artistic per-
sonality, the sparkle of his brushwork and his incisive style which makes his views
of Venice so intensely interesting.
Domenico, his father, was a native of Mastellina, a small village nestling in
the Val di Sole. He was therefore Trentino; his mother (Claudia Pichler was her
maiden-name) was Viennese. Both were Austrian subjects and the legend that Fran-
cesco was Venetian by extraction, has to be abandoned as there was not a drop of
Venetian blood in his veins nor is there any justification for confusing the name of
Guardi with that of the Venetian family “Gerardi“, as Nagler appears to do in his
“Allgemeines Künstlerlexikon“. Whether or not the Guardi family originally came
from Italy (there was a sculptor Andrea Guardi who worked at Pisa towards the
middle of the 15 century), it is certain that ever since the 16 the Tyrol was the
home of Francesco Guardi's ancestors.
Early in life, Domenico left his native village and migrated to Vienna to study
the rudiments of art. From the Austrian capital he went to Venice, which became
his adopted home. He died there prematurely four years after the birth of his illustrious
son. Though Francesco is the only member of his family who attained celebrity as
a painter, his father, brother (Nicolö) and one of his sons (Giacomo) pursued the same
calling as he did, so that altogether there were three generations of painters in direct
line of descent, thus forming a striking example of the hereditary practice of art.
1) See the authors monograph on Francesco Guardi (Methuen & Co., London) Appen-
dices 1, 2, 3.
Simonson. Francesco Guardi 621
Long before Francesco grew up, he is reported to have displayed conspicuous aptitude.
for landscape-painting, and thanks to a bounty founded by a friend of his father, he
was enabled to develop it and, in due course, to enter the school of Antonio Canale,
who after his return from Rome, gave himself up entirely to the portraiture of Venice.
As young Guardi became the brother-in-law of Giambattista Tiepolo when he
was seven years old, it might have been expected that he would have been appren-
ticed to him. Tiepolo was a year
older than Canale and Guardi's
senior by sixteen years. At the
time of his alliance with Cecilia
(Francesco's elder sister) the famous
figure-painter was already a rising
artist. Canale had also made a
great name for himself in the early
decades of the eighteenth century.
It is not however before 1764 that
we find a contemporary Venetian
authority giving us definite infor-
mation as to the instruction which
Guardi received from Canale. In
his classical work on Italian pain-
ting’) Lanzi makes the interesting
observation that Canale made use
of the camera ottica to attain
greater accuracy in the perspective
of his views. We now know from
the Diary of Senator Pietro Gra-
denigo that Guardi also employed
it What does not surprise us in
the case of a strenuous master
sudi as Canale, who worked on EE" | mas
methodical and scientific lines, Portrait of FRANCESCO GUARDI by himself
astonishes us in an artist of Guardi’s o (Collection of George A. Simonson)
calibre, though there is no ground
whatever for doubting Gradenigo's testimony. Whilst the ways and means by
which an artistic result is achieved, are matters of indifference to the ordinary observer,
it is from the technical point of view always instructive for the student to glance into
the workshop of a painter and examine, as it were, his tools. It is very difficult to
determine how far Canale and Guardi worked together. Missaglia informs us that they
occasionally collaborated on the same canvas and Rosini?) relates that in one instance
1) See Lanzi, Storia Pittorica, Tipografia Remondini, Bassano, 1818, Tomo III, p. 289.
*) See Giovanni Rosini, Storia della Pittura Italiana, Pisa, 1849—1854, Tomo VII, p. 14.
622 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Algarotti, the well-known Venetian litterateur and art-connoisseur, commissioned
Guardi to paint for him a companion-picture to a view of the Rialto bridge, with the
Basilica of Vicenza, by Canale. As there are pictures by Guardi which can with cer-
tainty be traced back to compositions of Canale (Guardi's view of S. Giorgio Maggiore
in the Museum at Treviso is entirely borrowed from an etching by Canale), so we find
i works by the elder master which
reflect the’ manner of the younger
one and suggest that there was an
interchange of influence between them.
Suc are to be seen in the Royal
Collection at Windsor Castle. Canale’s
broadly painted views of Venice might
almost be mistaken for paintings of
Guardi by a layman.
When Guardi had attained his
artistic majority, he in his turn took
pupils in, and we read in the enter-
taining pages of Giacomo Casanova
a piquant episode of Guardis ex-
cessive severity towards this cynical
adventurer's brother (Francesco Casa-
nova), as a result of which the future
painter of battle-scenes was transferred
to the studio of Francesco Simonini.
Putting aside the map of
Guardi's life, let me briefly state,
wherein his special aptitude for de-
picting Venice and its people consists.
No master ever had a finer eye or
daintier fancy for rendering the pic-
turesque aspect of Venetian archi-
tecture or a palette better suited for
reproducing now its iridescent bright
Architectural Study É effects of light, atmosphere and colour,
(Collection of George A. Simonson, London) now its sober “chiaroscuro“ ap-
pearance. Such splendid records.
of Venice en féte as Guardi has left us in his pictures of the annual fair in Piazza
S. Marco, the féte of the Bucentaur, the masquerade in the Ridotto, the ascent of a
balloon (Berlin Museum) and many others, we look for in vain in the works of
his fellow-painters. Only on his canvases does the bustling Venice of the 18 century,
on tip-toe of excitement and in Carnival apparel of mask and domino, palpitate with
life. Guardi's Venice (the sunny, the bright, the flashy city of the lagoons) contrasts
strikingly with the serene, the still and serious Venice of Canale.
Simonson. Francesco Guardi 623
Féte of the Bucentaur (American private collection)
Until the end of his days, Guardi continued to be active, as Abbé Vianelli of
Chioggia tells us in the catalogue of his collection of pictures, printed in 1790, though
the Venetians had completely forgotten his existence. One of the most interesting
pages of Guardi's life relates to a commission which he executed in 1782, consisting
of a set of four pictures commemorating the visit of Pope Pius the Sixth to Venice,
one of which is now in the Royal Museum (Stuttgart). In the same year, drawing
perhaps upon the handsome proceeds of this important order, he made a pilgrimage
to the Tyrol and to Mastellina where he saw his paternal house („Casa Guardi“).
Straightened circumstances compelled him in his old age to sell his small partly
fanciful landscapes (called capricci) in Piazza S. Marco to passers-by for trifling sums.
He outlived the small measure of success which he reaped in his middle age, and
died in 1793 in a humble house in the parish of S. Canciano, where be rented a
Studio on the first floor, looking towards the Corte della Madonna.
A year or two ago (May 1906) there was held in Schulte’s well-known Gallery,
Berlin, an exhibition of three of Guardi’s most imposing landscapes with ruins, and
it is no exaggeration to say that they created quite a sensation. At last the world
has awakened to a due appreciation of Guardi. Though, like Hobbema, he began by
being a connoisseur’s painter, the circle of his admirers has gradually widened, until
he has become the most popular of all the Venetian 18 century masters. Fifty or
sixty years ago his aims were still so little understood that even Rosini, the
41
624 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
author of the Storia della Pittura Italiana made the following naive com-
ment on him. ,By reason of the magic of his sparkling brush Guardi appeals more
than any other painter to those who have no discernment (“più piace di ogn’ altro
ai non intendenti).“ Between this view and that of modern critics who regard
Guardi as a higher master than Canale, there is indeed a wide gulf.
Whereas examples of Guardi's paintings are nowadays to be found in all the
more important continental galleries, there was no single work of his in the Venice
Academy towards the close of the 18 century and this reproach clung to it until
His Highness Prince Johann von und zu Liechtenstein a year or two ago most muni-
ficently presented to it a very fine view of S. Giorgio Maggiore from his own col-
lection. During the last decade notable additions of his pictures have been made to
German museums and private galleries, under the lead of Berlin.
The cause of the rising interest in Guardi is not far to seek. His aims and
ideals are the same as those of modern landscape-painters. Whereas Canale followed
the traditions of Gentile Bellini and Carpaccio, Guardi may be said to stand half-way
between the old and the new school. He is one of the precursors of Impressionism,
the founder of the sketch and one of the earliest workers in water-colours.
As a painter of Venice, he heads the long list of eminent artists belonging
to the last century who were inspired by the enchantress city. The veteran
Ziem is the only one whom I will mention, as he is still living. His gorgeous
combinations of blue lagoons and gay shipping form a striking contrast to Guardi’s
sober but brilliant renderings of Venetians waters. Fortunately for the higher interests
of art it is not Ziem’s, but Guardi's example which is followed by the rising genera-
tion, and this is a most encouraging reflection for those who have misgivings as to
its future.
Abb. 1. Dreiflügeliger Altar mit der Ruhe auf der Flucht nach Ägypten und den beiden Johannes
Sammlung Hölscher-Stumpf D
Niederländischer Flügelaltar des XVI. Jahrhunderts in
Berliner Privatbesitz
von Max Gg. Zimmermann.
In der von dem Geheimen Sanitätsrat Dr. Hölscher in Mülheim am Rhein zu-
sammengebraditen Gemäldesammlung, die jetzt sein Schwiegersohn Prof. Johannes
Stumpf in Berlin besitzt, und auf die wir in einer demnächst im Verlage dieser
Hefte erscheinenden Sonderpublikation zurückkommen, befindet sich ein nieder-
ländischer dreiflügeliger Altar des XVI. Jahrhunderts. Wie in jener Zeit und in
jenem Lande häufig ist die überhöhte Mitteltafel oben mit einem Kleeblattbogen
geschlossen, welcher Form sich die beiden Flügel anpassen. (Mitteltafel 58 cm
breit, 89,5 cm größte mittelste Höhe. Breite der Flügel 25,5 cm. Eichenholz. Abb. 1.)
An einer Renaissancesäule aus rotem Marmor mit Bronzebeschlag unter einem
Baldachin aus schwarzem Sammt mit roten Lambrequins sitzt die Madonna mit dem
Kinde. Sie umfaßt mit der linken Hand den nackten Knaben und hält in der rechten
einen Apfel. Über der Gruppe schwebt ein nackter Kinderengel, der eine grüne
Blätterkrone über dem Haupt der Madonna hält. Rechts, etwas weiter zurück lehnt
626 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Abb. 2. Niederländisch 16. Jahrhundert. Ruhe Abb. 3. Niederländisch 16. Jahrhundert. Ruhe
auf der Flucht nach Ägypten O auf der Flucht nach Ägypten. O
O Berlin, Versteigerung Lepke 1905 O Nürnberg, Germanisches Museum
sich Joseph in braunem Gewande über eine Brüstung, die rechte Hand an der Stange
des Baldachins, mit der linken dem Kinde eine Birne darbietend. Rechts im Hinter-
grunde eine Landschaft vlämischen Charakters, mit der Flucht nach Ägypten auf einer
Brücke. Das Ganze ist also als eine Ruhe auf der Flucht nach Ägypten aufzufassen.
Auf einem Tischchen rechts vorn eine Schale mit Früchten. Die Madonna trägt ein
mattgrünes Gewand, rotbraunes Überkleid und über die Knie gelegt einen tiefroten
Mantel. Ein weißes Schleiertuch schließt das am Halse rund ausgeschnittene Gewand
nach oben hin ab. Von dem braunen, eng anliegenden Häubchen fällt ein bläulidier
Schleier nach dem Rücken. Die Flügel enthalten auf den Innenseiten grau in grau
gemalt die beiden Johannes unter gothischen Gewölben. In Zwickeln links und rechts
oben ganz klein Moses und Aaron.
Der Altar stammt aus dem Besitz der Familie Koks in Bonn und wird traditionell
dem Mabuse zugeschrieben. Eine künstlerisch geringere Wiederholung der Mitteltafel
wurde am 21. November 1905 bei Rudolph Lepke in Berlin, ebenfalls unter dem Namen
Mabuse versteigert. (Abb. 2). Sie weicht nur darin ab, daß die Tafel oben gradlinig ab-
schließt, daß Joseph nicht eine Birne darreicht, sondern die linke Hand bereit hält, um
das Kind gegebenenfalls zu stützen, und daß der Ausblick nach rückwärts eine andere
Landschaft ohne die Flucht nach Ägypten zeig. Den Namen Mabuse (Joh. Mabuse
Zimmermann. Niederländ. Flügelaltar des XVI. Jahrhdts. in Berliner Privatbesitz 627
pinxit) trägt auch eine Lithographie von A. Reindel aus dem Jahre 1828 nach einer
anderen Wiederholung der Mitteltafel, die sih in der Sammlung Boisserée befand und
jetzt dem germanischen Museum zu Nürnberg (Katalog von 1893, Nr. 75, Abb. 3) gehört.
Hier ist die Tafel oben im Kleeblattbogen abgeschlossen, Joseph macht noch ausge-
sprochener eine greifende Handbewegung als auf dem Lepkebilde, an Stelle der Land-
schaft ist eine Renaissancearchitektur dargestellt mit Durchblick auf eine Stadt. Trotz
dieser dreifachen traditionellen Benennung weist aber die Mitteltafel unseres Altars
künstlerisch nicht auf Mabuse sondern auf Barend van Orley (zirka 1490—1542),
wenn wir hier auch nicht ein Originalwerk dieses zu seiner Zeit hochangesehenen
Briisseler Hofmalers zweier Statthalterinnen der Niederlande und Gastfreundes Albrecht
Dürers vor uns haben. Den deutlichsten Hinweis auf Barend van Orley gibt uns der
Kopf des Joseph. Er kehrt als typischer Greisenkopf ganz ähnlich wieder auf dem
Güstrower Altar und den ihm nahestehenden beiden Altarflügeln von 1528 mit der
Legende der heiligen Anna scheint auf dem Güstrower
im Museum zu Brüssel. Den = Altar, einem friihen Werk des
Maler dieser Bilder sondern Barend van Orley, in dem
einige als „Meister des Güstro- noch vielfach das Kunstempfin-
wer Altars“ aus. Er hat jedoch den des 15. Jahrhunderts nach-
so große Verwandtschaft mit hallt, bei Paulus, und was die
Barend van Orley in dessen Gesichtszüge anbelangt, auch
inschriftlich beglaubigten Wer- zweimal bei dem eine Kopf-
ken, daß er wohl als der selbe bedeckung tragenden Maxen-
anzusehen ist. Der typische tius, auf den Brüsseler Flügeln
Greisenkopf charakterisiert sich von 1528 bei Joachim (Abb. 4)
durch einen breiten, nach hinten Abb.4. BAREND VAN OR- und einem der Essäer; auch
stark ausladenden Schädel mit ee "A dieGesichtsziige anderer älterer
großer Glatze und kleine regel- o Brüssel, Museum Männer auf diesen Flügeln er-
mäßige Gesichtsziige. Er er- | innern an ihn. Auf dem Nürn-
berger Exemplar unserer heiligen Familie hat Joseph sogar über der Stirn die einzelne
Haarlocke wie bei den entsprechenden Köpfen der genannten Bilder Orleys, während
diese bei unserm und dem Lepkeexemplar fehlt. — Auch das Gesicht der Madonna
auf dem Altar aus der Sammlung Hölscher, dem Nürnberger und dem Lepkebild findet
seine Analogie auf den Bildern von Barend van Orley; noch etwas altertümlicher tritt
es uns in den Köpfen der Madonna und der heiligen Katharina auf dem Güstrower
Altar, künstlerisch reifer bei jugendlichen Frauen auf den Flügeln des bezeichneten und
1521 datierten Hiobaltars und den Flügeln von 1528 (vergl. Abb. 4), beides im Brüsseler
Museum, entgegen, ferner auf dem 1902 vom Louvre erworbenen Madonnenbilde
Nr. 2067, das Barend van Orley zugeschrieben wird. Das Gesicht der Maria auf
unserm Bilde zeigt aber deutlicher einen Einfluß von Raffael als die weiblichen Köpfe
von Barend van Orley. Ebenso besteht auch eine Verwandtschaft zwischen dem Kopfe
des Christuskindes mit seinen kurzen krausen Locken auf unserm Bilde und den
Bildern gleichen Motivs auf der einen Seite und dem Kopf desselben Kindes auf
dem Güstrower Altar und dem Louvrebilde auf der andern Seite. Die Lambre-
628 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
quins auf unserm Bilde finden sich ganz ähnli auf den Brüsseler Flügeln
von 1528.
Die engste Verwandtschaft haben ferner alle drei Figuren der heiligen Familie
unserer Sammlung mit den drei Figuren der heiligen Familie auf dem Bilde der kaiser-
lien Galerie zu Wien Nr. 766,
Ruhe auf der Flucht nach Ägypten
in einer Landschaft, das, gewiß mit
Recht, dem Atelier oder einem un-
mittelbaren Nachfolger des Barend
van Orley zugeschrieben wird.
(Abb. 5.) Auf diesem Wiener Bilde
findet sich bei Joseph eine ähnlich
manierierte Handbewegung wie auf
dem Nürnberger Bilde. Die Land-
schaft dieses Wiener Bildes hat in
der Art der Darstellung dann wie-
der Verwandtschaft mit der Land-
schaft auf dem Lepkebilde und den
freilich etwas altertiimlicheren Land-
schaften auf den Flügeln des Güstro-
wer Altars, die Maria und Katha-
rina enthalten. Verwandtschaft mit
dem Wiener Bilde, aber weniger
mit unserm hat das dem Orley
zugeschriebene Dresdener Bild der
heiligen Familie in einer Ruine,
Nr. 810.
Es kann kein Zweifel sein,
daB der Kiinstler, der das Mittel-
bild unseres Altars ausführte, nicht
in den Kunstkreis des Mabuse,
sondern in den des Barend {van
Orley gehört, ein Nachfolger dieses
Meisters ist. Barend varı Orley
Abb. 5. Werkstatt des BAREND VAN ORLEY: Ruhe war wie viele seiner niederländi-
= ot ii oa w schenKunst- und Zeitgenossen ein
Eklektiker, der sich, durch eine oder
mehrere italienische Reisen beeinflußt, an die italienishe Kunst anlehnte und An-
regungen aufnahm, besonders von den größten italienischen Meistern seiner Zeit,
Michelangelo (namentlich im Hiobalter zu Brüssel) und Raffael (z. B. die Vermählung
der Maria auf einem der Brüsseler Flügel von 1528 wiederholt die Mittelgruppe des
Sposalizio von Raffael in der Brera). Erinnerungen an Lionardo und dessen Mai-
länder Schule sind ja selbst bei einem so nationalen Künstler wie Quentin Massys in
Zimmermann. Niederländ. Flügelaltar des XVI. Jahrhdts. in Berliner Privatbesitz 629
reihem Maße vorhanden und klingen, wenn auch mehr im allgemeinen als im einzelnen,
auch bei Barend von Orley nach. Die Architektur in den Hintergründen seiner Bilder
und der fast aller seiner Zeit- und Landesgenossen erinnert an die lombardische
Renaissancearchitektur zu Beginn des XVI. Jahrhunderts, namentlich an die Certosa bei
Pavia, so auch auf dem Nürnberger Exemplar des Bildes von unserm Typus. Daß
das Bild unserer Sammlung in den Kunstkreis des Barend varı Orley gehört, wird
auch dadurch bewiesen, daß es eine gewisse Verwandtschaft mit den Bildern des so-
genannten Meisters der weiblichen Halbfiguren besitzt, namentlich mit dessen schönsten
Bilde, der Madonna teren Zeit verbinden,
mit dem Kinde in der |» = di | dem früheren undher-
Landschaft sitzend im beren Barend van Or-
Besitz des Grafen Ch. ley gegenüber, den
d'Ursel zu Brügge Meister unseres Ältars
(Brügger Ausstellung mit dem der weib-
1902) oder mit dem lichen Halbfiguren.
schwächeren, jenem Nun gibt aber
Meister neuerdings doch die traditionelle
ebenfalls zugeschrie- und weit zurückge-
benen Bilde der Brüg- hende Bezeichnung
ger Ausstellung aus Mabuse bei den drei
dem Besitz von P. ExemplarendesBildes
und D. Colnaghi in von unserm Typus zu
London, das die hei- denken. Das Nürn-
lige Familie bei der berger Bild wird in
Ruhe auf der Flucht demKatalog von 1893
nachÄgypten vor einer allerdings ganz rich-
Landschaft darstellt. tig Nachahmer des
Die ausgeglicheneren GL Barend van Orley ge-
aber auch weniger Abb. 6. Niederländisch. 16. Jahrhundert. Ruhe nannt, aber im Jahre
charaktervollen For- i ES do a e, No. = 1828 hieB es, wie
men einer etwas spä- wir aus der Litho-
graphie von Reindel wissen, Mabuse. Die Madonnengruppe kommt auch für sich
allein vor, wie das Bild Nr. 756 der Wiener kaiserlihen Gemäldegalerie (Abb. 6) und
eine geringere, ebenfalls niederländishe Wiederholung davon mit veränderter Land-
schaft im Convento Bigario zu Lugano (dem Perino del Vaga zugeschrieben) zeigen.
Das Wiener Bild wird von Scheibler dem in seiner künstlerischen Eigenart sehr
wenig greifbaren Lambert Lombard zugewiesen. Schon damit wird auf Mabuse
gedeutet, denn Lombard gilt für beeinflußt durch diesen Künstler. Dieses für
unsere Betrachtung wichtige Bild zeigt das Kind genau in der gleichen Stellung
wie bei unsern heiligen Familien, die Madonna ist aber in ihrer Stellung ein
klein wenig anders, augenscheinlich in Rücksicht darauf, daß hier keine weitere Figur
dabei ist. Ihr Unterkörper ist nicht nach rechts sondern gradeaus und eher ein wenig
nach links gewendet und sie sieht nicht nach dem Kinde hin, sondern ihr Blick ist
630 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
nach der andern Seite, nach dem Apfel in ihrer rechten Hand gerichtet oder geht
vielmehr ebenso nadhdenklich an demselben vorbei wie auf den andern Bildern am
Christuskinde Die Haltung des Körpers ist hier viel großartiger und erinnert mit
ihren divergierenden Bewegungsrichtungen an Michelangelos Stellungsprinzip. Der
Umriß der Gruppe ist ein künstlerisch festgeschlossener und glücklicher, so daß nichts
zur Ergänzung fehlt, und die Gruppe für sich allein erfunden sein kann. Die Ge-
birgslandschaft des Hintergrundes hat nichts mit den Landschaften auf unserm und
dem Lepkebilde gemein, außer daß sie wie der Altar unserer Sammlung die Flucht
nach Ägypten auf einer Brücke zeigt. Joseph ist auf dem Wiener Bilde auch noch
einmal vorhanden, aber rechts weit im Hintergrunde, wie er den Esel zu der Quelle
führt, die zwei Engel auf wunderbare Weise entstehen lassen. Mit den andern
Bildern verbindet dieses Bild dann die Fruchtschale auf einem Tischchen vorn rechts;
sogar die Früchte, Birnen und Weintrauben, und ihre Anordnung stimmen überein, nur
daß auf dem Wiener Bilde auf der Fruchtschale noch ein Papagei sitzt. Kleidung und
Kopfputz der Madonna sind fast dieselben wie auf den andern Bildern. Dieser weib-
lie Kopfputz ist aber besonders charakteristisch nicht für die Bilder Mabuses, sondern
Orleys und seiner Richtung. Dazu kommt, daß auch die Köpfe von Mutter und Kind
deutlich auf einen EinfluB von Orley weisen, besonders wenn man sie mit dem schönen
Bilde im Louvre Nr. 2067 vergleicht. — Der Kopfputz findet sich auch genau ebenso
wieder auf dem dem Lambert Lombard zugeschriebenen Bilde des Germanischen
Museums zu Nürnberg, das Lukrezia darstellt. Das Gesicht ist hier fast identisch mit
dem der Madonna auf dem Lepkebild.
Das auf allen vier genannten Darstellungen so genau übereinstimmende Kind
hat eine eigenartige, zu der Situation gar nicht passende Stellung. Auf dem Wiener
Bilde scheint es wenigstens noch mit der rechten Fußspitze den Oberschenkel der
Mutter zu berühren, aber es dürfte auch hier, namentlich bei der starken Biegung des
rechten Beines, nicht genügenden Halt haben. Die Madonna trägt das Kind auf keiner
der vier Darstellungen wirklich, sondern legt die linke Hand nur lose an seine linke
Schulter. Auf den drei andern Bildern schwebt das Kind sogar ganz frei in der Luft,
die Beine berühren den Oberschenkel der Madonna nicht und das Kind sitzt auch
nicht, Das weist ganz deutlich darauf hin, daß diese Stellung nicht für diese Ver-
wendung erfunden, sondern anderswoher entlehnt ist. Wir fragen auch nicht ver-
gebens, woher. In der Lionardoschule kommt öfters eine Kindergruppe vor, die den
Christus- und den Johannesknaben, beide völlig nackt und in Umarmung darstellt. Von
der Hand des Lionardo erscheint diese Gruppe mit etwas abweichender Stellung des
Johannesknaben und im Gegensinne auf einer Zeichnung in Windsor (Miiller-Walde:
Lionardo, Abb. 58). In der Lionardoschule finden wir sie z. B. auf einem Bilde von
Luini in Madrid. (Abb. 7.) Das Christuskind sitzt in kleiner Entfernung von dem Johannes-
knaben und reckt sich mit dem Oberkörper nach links zu ihm hinüber, um ihn zu
umarmen; dabei machen die Beine von selbst die Gegenbewegung nach rechts Die
linke Hand legt sich auf die rechte Schulter des Johannes. Hier ist die Stellung voll-
kommen motiviert und natürlich. Diese Kindergruppe kommt auc in einer Anzahl
von Bildern vor, die niederländisch sind, wenn sie auch meistens dem Lionardo oder
Zimmermann. Niederländ. Flügelaltar des XVI. Jahrhdts. in Berliner Privatbesitz 631
Lionardoschülern zugeschrieben werden.
Die vier Bilder im Museum zu Neapel (die
Kinder auf dem Bett, Boltraffio genannt),
im Mauritshuis im Haag (in einer Fenster-
öffnung mit Ausblick auf eine Landschaft,
Abb. 8), im Museum zu Weimar (genaue
Wiederholung des Bildes im Haag, Schule
Lionardos genannt) und in Hamptoncourt
(in Landschaft, dem Lionardo zugeschrieben)
stimmen untereinander, was die Figuren-
gruppe anbelangt, genau überein. Die Nie- wegen i
derlander sind deutlicher in der Wiedergabe Abb. 7. LUINI: Kindergruppe von einer hl.
des Kusses als der Italiener und verfleciten Familie O
O Madrid, Pradogalerie
die Gruppe noch etwas enger, indem sie
den Johannesknaben das Armchen Christi nicht von unten leise beriihren, sondern
durch Auflegen der Hand von oben kréftig anfassen lassen. Bei dem Bilde im Haag
wird der Name Mabuse genannt, und in der That auf ihn weisen die Bilder künst-
lerisch, wenn auch erst in größerem Abstand. An die Christusfigur in diesen Dar-
stellungen erinnert das Christuskind unserer vier zusammengehörigen Bilder mit der Ruhe
auf der Flucht nach Agypten auf das Lebhafteste. Es kann kein Zweifel sein, daB es
dorther entlehnt ist, nur daß das Köpfchen hier über die Schulter aus dem Bilde heraus-
blikt und der rechte Arm sich nicht um den Hals der Madonna legt, sondern in sehr
gezwungener Bewegung nach dem Apfel greift. Das Natürliche wäre, daß das Kind den
rechten Arm um den Hals der Mutter legte und mit der linken Hand nach dem
Apfel griffe, dann aber wäre ein großer Teil von dem Stellungsmotiv des nach-
geahmten Vorbildes vernichtet worden. Der Gesichtstypus, das kurze, dichtgelockte
Haar erinnern in allen
diesen Darstellungen aufs
Lebhafteste an jene Lionar-
dogruppe. Dieses Kind muß
ganz besonders berühmt ge-
wesen sein in der nieder-
ländischen Malerei jener
Zeit, denn im Gegensinne
und teilweise bekleidet, fin-
den wir es auf einem Trip-
tychon der Sammlung de
Somzé zu Brüssel (Brügger
Ausstellung von 1902), und
auch das die Mutter fest
| . umhalsende nackte Kind auf
Abb. 8. an 16. Jahrhundert. Christus und ma einem Triptychon in Utrecht
= Haag, Mauritshuis efinnert daran.
632 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Wir kommen so zu der Annahme, daß die Stellungsmotive der Gruppe der
Madonna mit dem Kinde, oder wenigstens des Kindes, wie sie in dem Wiener Bilde
Nr. 756 erscheinen, aus der Schule des Mabuse stammen. Dann aber komponierte ein
Nachfolger des Barend varı Orley diese Gruppe mit dem heiligen Joseph zusammen,
indem er die Madonna sich im Unterkörper und im Blick nach rechts wenden ließ, so
daß ein offener Halbkreis gegen Joseph entstand, dessen Hinzutreten nunmehr not-
wendig ist, um die Gruppe zu schließen. — Den Engel, der die Blätterkrone über dem
Haupte der Maria hält, entnahm er als echter Eklektiker dann noch wieder anders-
woher, vielleicht von antiken oder altchristlihen Sarkophagen, an denen Dutt zu zweit
in ähnlicher Stellung zwischen sich ein Medaillon oder eine Inschrifttafel halten, eine
Gruppe, die auch in die mittelalterliche und Renaissancekunst Italiens übernommen
wurde. Ungliicklici genug ist dieses Wesen bei ihm ausgefallen. Die Landschaft
auf dem Bilde von Lepke ist altertümlicher, aber auch natürlicher als die auf dem Altar
der Sammlung Hölscher-Stumpf. Auf letzterem hat sie dekorativen Vortrag und un-
natürliches zuckriges Licht.
Die grau in grau gemalten beiden Johannes auf den Flügeln unseres Altars
zeigen einen Stil, der so stark von dem der Mitteltafel abweicht, daß sie nicht von
derselben Hand ausgeführt zu sein brauchen. Sie lehnen sich in der geschlossenen
und flüssigen Harmonie der Bewegung in den schlanken Formen sehr stark an die
italienische Kunst an. Wenn wir aber bedenken, daß ein Eklektiker seine Entlehnungen
gleichzeitig von den verschiedensten Seiten nimmt, werden wir geneigt sein, sie doch
demselben Maler zuzuschreiben, um so mehr, als ihr tänzelnder Schritt uns lebhaft an
ähnlihe Bewegungen bei Orley, namentlich auf den Brüsseler Flügeln von 1528 er-
innert. Überhaupt haben diese von allen Bildern Orleys die meisten Berührungspunkte
mit unserm Altar, so daß wir annehmen dürfen, der Maler habe sich besonders diese
zum Muster genommen. Die glatteren und konventionellen Formen, die dekorative
Behandlung der Landschaft weisen das Werk erst der Mitte des XVI. Jahrhunderts zu.
In eigentümlihem Kontrast stehen zu diesen späteren Elementen die gotischen Ge-
wölbe auf den Flügeln. Auch hier wieder wird die Erklärung im Eklektizismus des
Malers liegen.
Die drei Bilder der Sammlung Hölscher-Stumpf, in Nürnberg und bei Lepke
sind von drei verschiedenen Händen ausgeführt. Es ist nicht wahrscheinlich, daß
eines von ihnen das Vorbild für die andern gewesen ist, sondern wahrscheinlicher,
daß alle drei ein gemeinsames anderes Vorbild gehabt haben. Es wird wohl möglich
sein noch andere Exemplare dieser Komposition nachzuweisen. Die beiden in Nürnberg
und bei Lepke scheinen im Motiv des Joseph einen früheren Zustand der Komposition
wiederzugeben, da die zugreifende Gebärde natürlicher ist als die Darbietung einer
Birne, die im Hinblick darauf, daß die Madonna schon eine Frucht darreicht, als
Pleonasmus erscheint; auch der Charakter der Architektur, beziehungsweise der Land-
schaft deutet bei jenen Bildern auf eine etwas frühere Zeit.
F
Studien zur Renaissanceskulptur in Rom.
Von Ernst Steinmann.
L
Die Biisten des Francesco del Nero.
„Was Francesco del Nero anlangt, so könnt Ihr sicher sein, daß er es eben-
so liebt von ernsten und gewichtigen Dingen zu seinen Freunden zu reden, wie er
ein Freund des Geldes ist. Mir kommt er übrigens halb kindisch vor, denn wenn Ihr
ihn um irgend etwas befragt, so antwortet er mit überstürzter Eile und wenn Ihr ihn
dann noch einmal fragt, wird er zornig. Aber ich kenne ihn und verstehe mit ihm
umzugehen. Außerdem weiß er weniger, als Ihr glauben möchtet, obwohl er selbst
behauptet, sehr viel zu wissen. Für Geldzahlungen allerdings besitzt er ein ausge-
zeichnetes Gedächtnis und besonders, wenn er sie selbst geleistet hat. Und wundert
Euh nicht, wenn er nicht viele Dinge wissen und sagen will und es zuweilen auch
niht kann. Er ist höchst seltsam geworden und hat das Gedächtnis verloren und
sagt dieselbe Sache hunderttausendmal, sodaß es höchst beschwerlich ist, seinen Aus-
einandersetzungen zuzuhôren.“ So schrieb Giovambattista Busini schon am 31. Januar 1549
aus Rom an Benedetto Vardi in einem seiner bekannten Briefe über die Belagerung
von Florenz i. J. 1527.1) Auch bei dieser Gelegenheit scheint Francesco del Nero, der
den seltsamen Beinamen „Crä del Piccadiglio“ führte, eine keineswegs gliickliche Rolle
gespielt zu haben. Als der Kardinallegat von Florenz Silvio Passerini nach der Übergabe
Roms in einem höchst kritischen Moment Geld zur Zahlung der Truppen von del Nero
verlangte, der damals das Amt eines Stadtsäckelmeisters verwaltete, verweigerte er
den Gehorsam und entwich nach Lucca. „Eine Handlungsweise unwürdig jedes
anderen nur seiner nicht“, schreibt Varchi entrüstet, „denn in der Stadt Florenz, glaube
ich, wurde noch niemals einer geboren, so gottlos und so schmutzig geizig wie er!“*)
Am Hofe Clemens VII. begegnet uns Francesco del Nero wenig später, schon i. J. 1529
in der äußerst einflußreichen Stellung eines Schatzmeisters. Er flößte gelegentlich eines
Diebstahls in der Werkstatt Cellinis dem Papst zuerst Verdacht gegen die Ehrlichkeit
seines berühmten Münzmeisters ein, den aber Cellini in Gegenwart seines Verleumders
glänzend zu widerlegen vermochte.*) In Rom ist der mächtige und scheinbar vielge-
haBte Mann, der allerdings niemals die Kardinalswürde erlangt hat, i. J. 1563 gestorben.
Er wurde in einem prächtigen Grabmal in S. Maria sopra Minerva beigesetzt.
Die übereinstimmend ungünstigen Zeugnisse Businis, Varchis und Giovios über
1) Lettere di Giovambattista Busini a Benedetto Varchi sopra l’assedio di Firenze ed.
G. Milanesi. Firenze 1860, p. 97.
*) Opere di Benedetto Varchi. Trieste 1858, I, 42 (Storia Fiorentina III, 5). Giovio be-
richtet (Istorie del suo tempo. Vinegia 1581, Tom II. p. 5v) dasselbe Faktum und fügt hinzu:
huomo veramente, oltre quel tradimento coperto di molte macchie d’impietä et d avaritia.
3) Vita di Benvenuto Cellini ed. Orazio Bacci. Firenze 1901, p. 108 u. Anm. 17.
634 Monatshefte für Kunstwissenschaft
ays » M
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FRANCESCO DEL NERO D
Bronze im Kaiser Friedrih-Museum zu Berlin
den Charakter des Francesco del Nero werden durch die äußerst realistisch aufgefaBte
Büste des abschreckend häßlichen Mannes, welche das Kaiser-Friedrih-Museum zu
Berlin besitzt, eher bestätigt als widerlegt. Es gehört zu den Verdiensten Wilhelm
Bodesrdiese kostbare Bronze nicht nur erworben, sondern auch als Porträt des Schatz-
meisters Clemens VII. mit Sicherheit bestimmt zu haben.
Die Frage nach dem Schöpfer dieser vortrefflichen Arbeit hat Bode allerdings
in einer vor bald zwölf Jahren erschienenen Studie über seine glänzende Erwerbung
unbeantwortet gelassen. Er beschränkte seine Feststellungen darauf, daß die Berliner
Steinmann. Studien zur Renaissanceskulptur in Rom. I. 635
FRANCESCO DEL NERO: Marmorbüste an seinem Grabmal
in S. Maria sopra Minerva in Rom D
O Nad einer Originalaufnahme
Bronze um 1550 oder wenig später entstanden sei, und daß die Marmorbüste des-
selben Mannes auf seinem Grabmal in S. Maria sopra Minerva als eine Kopie der
Berliner Bronzebüste zu gelten habe.
Eine Angabe Vasaris im Leben des Daniello Ricciarelli da Volterra,*) welche
Bode entgangen ist, dürfte die Frage nach dem Schöpfer der Büsten del Neros lösen
und das Verhältnis des Marmors zur Bronze doch etwas unabhängiger gestalten als
es bei Bode geschehen ist. Vasari nennt unter den Gehilfen Daniellos seinen eigenen
Schüler Giulio Mazzoni da Piacenza und bezeichnet ihn mit einer Bestimmtheit, welche
jeden Zweifel ausschließt, als den Autor einer ausgezeichneten Marmorbüste des
Francesco del Nero: „Ha il medesimo fatta di marmo e ritratta dal naturale la testa
1) Jahrbuch d. K. Pr. Kunstsammlungen XVII (1896) p. 235 ff.
2) ed. Milanesi VII, 70.
636 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
di Francesco del Nero tanto bene, che non credo sia possibile far meglio; onde si
puö sperare, che abbia a fare ottima riuscita, e venire in queste nostre arti a quella
perfezione che si pud maggiore e migliore.“
Schon Bottari hat in seiner Vasari-Ausgabe dies hochgepriesene Portrat mit der
Marmorbüste del Neros in S. Maria sopra Minerva identifiziert. Sie schmückt dort
noch heute in einem Seiteneingang zur Kirche von der Via della Minerva her das
monumentale Grabdenkmal des Schatzmeisters Clemens VII. gegenüber dem berühmteren
Denkmal des Giovanni Alberini. Aber der Umstand, daß dieser Seiteneingang ge-
schlossen und als Camera mortuaria hergerichtet wurde, ließ das Monument in Ver-
gessenheit geraten.!)
Auffallend ist es nur, daß Vasari das Grabmal del Neros in der Minerva über-
haupt nicht erwähnt, daß er Mazzoni nur als Schöpfer einer Porträtbüste preist und
zwar einer Büste, die nicht etwa nach dem Tode del Neros für sein Grabmal, sondern
schon bei seinen Lebzeiten nadı der Natur ausgeführt wurde. Hat Vasari, wie es
ihm auch sonst wohl geschehn, das Material verwechselt? Hatte er die Bronzebuste
im Sinn, als er Giulio Mazzonis Fähigkeiten als Bildhauer pries?
Schon Bode hat das Verhältnis beider Büsten mit gewohntem Scharfblick in
der Hauptsache richtig erkannt. Der Umstand, daß die Marmorbüste an künstlerischer
Qualität augenscheinlich hinter der Bronze zurücksteht, führte ihn zu der wohl un-
bestreitbaren Annahme, daß der Römische del Nero eine wenig später entstandene
Kopie der Berliner Büste sei. Aber er täuschte sich, wenn er beide Büsten als voll-
ständig übereinstimmend bezeichnete. Wenn man auch zugeben muß, daß der Typus
des kahlköpfigen Alten in ‘der furchtlosen Wiedergabe seiner charaktervollen HaBlichkeit
vollständig der gleiche ist, daß von den charakteristischen Merkmalen des Bronze-
kopfes kein einziger Zug im Marmor unterdrückt ist — so hat sich doch der Künstler
als er nach der früher gearbeiteten Bronze die Marmorbüste für das Grabdenkmal
schuf, den veränderten Verhältnissen aufs glücklichste angepaßt. Er wandte vor allem
den mehr gesenkten Kopf des Verstorbenen, der aus der engen Mauernische seines
monumentalen Wandgrabes herausschaut, energischer zur Seite, und er behandelte
außerdem im Marmor die Gewandung vollständig anders als es in der Bronze ge-
schehen. Überall spürt man das Bestreben, möglichst plastishe Wirkungen zu erzielen.
Statt des schlichten Stehkragens der Bronze trägt der marmorne Francesco del Nero
— auch dies ein Zeugnis seiner späteren Entstehung — einen feingearbeiteten Klapp-
kragen; der nach antiken Vorbildern flach und schlicht geworfene Mantel, welcher bei
der Bronze ziemlich tief herabfällt, ist im Marmor so dicht am Halse zusammengerafft,
daß vom enganliegenden Wamms des Dargestellten nur noch zwei Knöpfe sichtbar
werden. Machte der beschränkte Raum in der Rundnische ohne weiteres das Zu-
sammenziehen des Mantels über den Schultern zur Pflicht, so machten sich ebenso
stärkere Accente im Relief des Faltenwurfes notwendig, um die Büste dem massigen
Aufbau und den stark vorspringenden Profilen des Denkmals anzupassen.
1) Die Inschrift für das Denkmal, noch etwas vollständiger als sie Bode gibt, findet sich
bei Forcella, Iscrizioni delle chiese di Roma I p. 458 n. 1785. Leider ist die Büste nicht unbe-
schädigt. Die Nasenspitze ist abgebrochen.
Steinmann. Studien zur Renaissanceskulptur in Rom. I. 637
Von der Entstehungsgeschichte beider Büsten kann man jetzt unschwer eine
Vorstellung gewinnen, die sih auch mit Bodes Zeitbestimmungen vollständig deckt.
Giulio Mazzoni scheint den alten Francesco del Nero noch bei dessen Lebzeiten nach
eigenem Modell in Bronze gegossen zu haben. So erschien er naturgemäß dem Stifter
des Denkmals, Francescos überlebendem Bruder Agostino, als die geeignete Kraft da
es galt, auch das Andenken des Verstorbenen zu ehren. Mazzoni allein durfte auch
das Recht beanspruchen, sein eigenes Werk noch einmal für das Grabmonument zu
verwenden und seiner monumentalen Bestimmung entsprechend umzubilden.
Aus solchen Tatsachen heraus dürfte denn auch Vasaris Zeugnis die einfachste
Erklärung finden, der schwerlich die Marmorbüste seines Schülers so hoch gepriesen hätte,
wäre sie im letzten Grunde nur eine freie Kopie nach der Bronzebüste einer anderen
gewesen. Jene Angabe über die Büste del Neros, die er als Hauptwerk Mazzonis
preist, scheint eben nicht nur die Marmorbüste in Rom — „fatta di marmo“ —
sondern auch die Berliner Bronze einzuschlieBen — „ritratta dal naturale“. Beide
Büsten sind wohl zweifelsohne nacheinander in Rom entstanden, wo Vasari beide noch
gesehen haben kann.!) Haben sich die stolzen Hoffnungen erfüllt, für welche der
Aretiner in dieser Porträtbüste die sicherste Gewähr zu finden glaubte?
Giulio Mazzoni ist bis heute in der Kunstgeschichte eine ziemlich unbekannte Größe
geblieben und gewiß nicht der kleinste Teil seines Lebenswerkes muß noch gefunden und
bestimmt werden. Eine Kreuzigungsgruppe von seiner Hand in der Cappella Piccolomini
in Monte Oliveto erhielt im Cicerone die schlechte Note „von gewôühnlichster Kon-
zeption und auffallend ungeschlachten Formen.*) Eine mildere Beurteilung verdient
die anmutige Statue der h. Caterina in S. Maria del Popolo;*) aber auch dieses
nirgends erwähnte Werk vermochte nicht das Andenken seines Meisters vor Ver-
gessenheit zu bewahren, obwohl er es mit seinem vollen Namen bezeichnet hat:
Julius Mazzonus Placentinus pictor et scultor. Die Gemälde und Stuckarbeiten im
Palazzo Capodiferro-Spada in Rom endlih sind als das Hauptwerk Giulio
Mazzonis anzusehen. Er begegnet uns in dieser glänzenden Reihe heroischer Gestalten,
in dieser Freskenfülle, deren Kompositionen die Summe der mythologischen und alle-
gorischen Vorstellungen des späten Cinquecento zu umfassen scheinen, überall auf den
Spuren Michelangelos. Ja, er hat des großen Florentiners Zeichnungen zuweilen
ohne weiteres kopiert. Erst wenn einmal die unedierten Schätze gehoben sein werden,
welche der Palazzo Spada umschließt, wird es möglich sein, über die Kunst des
Meisters von Piacenza ein abschließendes Urteil zu fällen.
1) Die Bronzebüste Francescos gelangte dann später in den Familienpalast der del Nero
nach Florenz, wie Bode aus Bocchi, Bellezze della città di Firenze (p. 290) nachweisen konnte.
2) Achte Auflage 1901. II, 2 p. 534.
3) In der letzten Seitenkapelle des linken Querschiffes.
L’Exposition des Cent Pastels
Par Jean Guiffrey
L'Exposition des Cent Pastels laissera dans la mémoire de ceux qui l'ont visitée
le plus agréable souvenir: on aimera à se rappeler cette charmante réunion de por-
traits de jolies femmes, souriantes et aimables, de gentilshommes, de lettrés, d'artistes,
société très dioisie, très délicate, où l'on a été quelque temps admis, avant qu'elle se
soit pour toujours dispersée, et on gardera une très vive reconnaissance envers ceux
qui nous ont permis de frayer quelques semaines en aussi gracieuse compagnie.
L'idée de grouper quelques-uns des plus précieux portraits au pastel des galeries
parisiennes était particulièrement heureuse. Rien mieux que ces peintures, fragiles et
légères, mais qui ont conservé si fraiches et si douces leurs colorations premières,
ne peut, en effet, donner une plus juste idée de la société élégante du XVIIIe siecle
francais, ni de l'art du portrait à cette époque. Et si l'on s'étonne que pareille tenta-
tive n'ait pas encore été faite, on devra se rendre compte des difficultés exceptionnelles
qu'une pareille exposition devait soulever. La fragilité extröme de ces délicates pein-
tures, que le moindre heurt peut endommager, pouvait justement faire hésiter les pos-
sesseurs de ces chefs d'œuvre à les confier à des étrangers, si zélés et si soigneux
qu'ils puissent être: il fallut toute la bonne grâce persuasive et l'ingénieuse charité d'une
grande dame, aidée d'un petit nombre d'amateurs très délicats, pour vaincre ces
hésitations et réussir au mieux cette difficile entreprise.
Nulle préoccupation de représenter complètement l'art du pastel au XVIII siecle
ne sy manifestait; quelques-uns des artistes qui l'avaient alors traité avec distinction:
comme Joseph Boze, Lundberg, Alexis Loir, Valade, Mme Vigée-Lebrun etc., étaient ab-
sents, d'autres, plus importants encore, comme Chardin, Prud’hon, Hoin, Mme Labille-
Guyard etc., ne figuraient ici qu'avec une œuvre ou deux, d'importance parfois
secondaire; en sorte que le grand intérêt de l'Exposition n'était pas de connaître tous
les pastellistes du XVIIIe siècle, mais de pouvoir y étudier et mieux comprendre les
deux plus grands maîtres français en ce genre, les deux anciens rivaux, qui, pour la
première fois, se trouvèrent en présence dans des conditions sensiblement égales,
avec chacun une trentaine d'œuvres soigneusement choisies; ce qui permit à leurs
admirateurs de mieux apprécier leurs qualités propres et leurs différences.
La Tour et Perronneau, dont la carrière avait été si différente, connurent
après leur mort les mêmes ingratitudes, le même mépris. Toutefois, La Tour, plus
choye, plus admiré, plus heureux pendant sa vie, fut aussi, grâce en partie, il faut
le dire, aux œuvres humanitaires dont il avait, en mourant, gratifié sa ville natale,
plus vite et mieux compris lors de la réhabilitation, au XIX® siècle, de l'art francais de
l'époque de Louis XV. La reconnaissance de ses concitoyens, en recherchant des
documents dans les archives de la ville de St Quentin, aida beaucoup les amateurs éclairés
et les historiens à remettre a sa juste place, définitivement, l'illustre peintre. Paris tire
moins de vanité de ses grands enfants, il y en a trop, et il fallut de longues et
Jean Guiffrey. L’Exposition des Cent Pastels 639
patientes recherches d'un des plus eminents historiens de notre art national, M. Maurice
Tourneux, pour élever a Perronneau, natif de Paris, un monument durable!) nous faisant
connaître, dans ses grandes lignes, l'existence incertaine et agitée de ce maitre.
On dit que La Tour fut entrainé à traiter le portrait au pastel, parce que son
tempérament délicat et nerveux s'accommodait mal des odeurs d'essences et de vernis
que comporte la peinture à l'huile, et certainement aussi parce que la triomphante ap-
parition de la Rosalba à Paris en 1720—1721 avais mis fort à la mode la manière de
pastel. Est-il besoin de rappeler qu'il procédait, dans l'exécution de ses portraits, par
des études ou préparations successives ?
Il avait coutume d'abord de tracer un
dessin du masque de son modele, sur
papier bleuté, fortement accentué, en
ecrasant son fusain pour les ombres et
en faisant ressortir les lumières au crayon
blanc; puis, sur un second dessin il
adoucissait les contours, les passages
de la lumière à l'ombre, il marquait de
rouge les lèvres et donnait de la vie,
de l'expression au regard; dans une
troisième étude, il utilisait toutes les
ressources de ses pastels, donnant la
coloration des chairs et des cheveux,
étudiant déjà le visage de son modèle
aussi complètement que dans l'œuvre
définitive, où il se bornera le plus
souvent a reproduire exactement cette
derniere étude. La Tour conservait
soigneusement ces preparations et le
Musée de S! Quentin en a recueilli un
grand nombre, beaucoup se sont perdus, LA TOUR. Portrait de Marguerite Lecomte
le Louvre n’en possede point, mais on
en connait dans certaines galeries parisiennes. L’Exposition nous en presentait quel-
ques-unes; nous mentionnerons particulierement le masque de Voltaire, fortement
accentué (à M. E. Strauss n° 52), le masque délicat du duc de Bourgogne, petit-fils
de Louis XV (a M. le Baron Ed. de Rothschild, n° 50), celui de la Marquise de Rumilly
(a M. J. D. n° 39), surtout le charmant visage, plein de malice et de gaité, non de
Melle Dangeville, comme le dit le catalogue, mais de Mme de Mondonville?) (a
1) J. B. Perronneau par M. Tourneux, 1903, tirage 4 part de la Gazette des Beaux-Arts.
MM. Ratouis de Limay, et Vaillat préparent en ce moment uu grand ouvrage sur Perronneau.
*) La comparaison avec le portrait de Mme de Mondonville (4 Mme Jahan-Marcille, no 44)
placé, sans doute intentionnellement, tout à côté de ce masque est tout à fait décisive. Le
Musée de St Quentin posséde, par contre, un portrait de Melle Dangeville sans analogie avec cette
préparation.
42
640 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Mme Becq de Fouquières n° 30), enfin le masque de La Tour avec une expression
sérieuse (à Me Becq de Fouquières n° 29) largement exécuté a grands traits
de pastel. |
Tous les portraits de La Tour sont soigneusement composés: on peut remarquer
chez lui une préoccupation constante de donner à ses modèles une altitude naturelle et
familière, un arrangement heureux, et, lorsque les dimensions du portrait le permettent, à
les placer dans leur milieu,
parmi les meubles et les ob-
jets qui nous diront leurs
goûts ou leurs occupations
habituelles. Que ce soit dans
de simple portraits en buste,
comme dans le beau portrait
de M. Watelet, de l'Académie
francaise, d'une distinction si
raffinée (à M. Veil-Picard
n° 55), du Salon de 1753,
si different du portrait de
M. de Neuville, oü se lit la
satisfaction heureuse du riche
fermier general, image d’une
bourgoisie puissante, me-
diocre et vaniteuse, sorte de
Bertin du XVIIIe siècle (a
M. de Neuville, n° 59), ou
dans le portrait de Guillaume
Claude de Laleu, gros, gras,
débraillé, la face souriante
et rejouie (a M. P. Huillier,
n° 42). La Tour ne se borne
pas a nous montrer le visage
de ses modèles, il nous dé-
couvre leur äme et vous fait
connaitre leurs sentiments.
Par la il prend rang parmi les plus grands portraitistes. C'est toutefois surtout
par ses portraits composés qu'il se distingue le plus et qu'il trouve la plus grande
originalité. L'Exposition nous en montrait de fort beaux: portrait de Madame de
Mondonville (à Mme Jahan-Marcille, n° 44), du Salon de 1753, où la jeune et dhar-
mante femme du celebre compositeur est gracieusement représentée le bras gauche
pose sur un clavecin, la téte, agrémentée d’un bonnet de dentelle, appuyee sur la
main gauche; portrait du graveur Schmidt, ami intime de La Tour, d'un arrangement
des plus pittoriques, la tête entourée d'un foulard (à M. Veil-Picard, n° 56); le portrait
de Marguerite Lecomte, du Salon 1759, de face, tenant a deux mains son cahier de
LA TOUR. Portrait de Madame de la Reynière
Jean Guiffrey. L’Exposition des Cent Pastels 641
musique, charmante dans sa robe de velours bleu, garnie de fourrure, «à la Polonaise»;
la mine souriante et de la malice plein les yeux (à M. J. D., n° 41); surtout les ad-
mirables portraits de Etienne Perrinet, sieur de Jars, de Duval de l'Epinoy, de Madame
de la Reynière et de Madame Mase.
Etienne Perrinet, sieur de Jars (a M. le Marquis de Vogué n° 62) était fermier
général, lorqu'il fit exécuter son portrait par La Tour jeune encore, car ce pastel figurat
au Salon de 17401). Il est représenté debout, appuyé au dossier d'un fauteuil canné,
se détachant sur une draperie rouge, l'expression souriante du visage est spirituelle et
fine; il prend une pincée de tabac dans une tabatière dor: bien que d'exécution un
peu dure, et de coloration terne, ce por-
trait est de grande allure.
Le même geste machinal de priseur
est surpris dans le beau portrait de Duval
de l'Epinoy (à M. J. D. no- 37). Exposé au
Salon de 1744, avec les portraits du roi, du
dauphin et de Philibert Orry ?), aujourd'hui
au Musée du Louvre, il est signalé par
Antoine Duchesne comme le triomphe de
la peinture au pastel, et par Mariette, comme
le “roy des pastels de La Tour“. Ce chef-
d'œuvre, longtemps introuvable et invisible,
nous montre le riche financier, ami de
l'artiste, dans son bel habit de moire grise
(on sait que l’étoffe de moire était alors
fort à la mode) assis, les jambes croisées,
près de sa table sur laquelle sont posés
un grand livre ouvert, une mappemonde etc.
La fine bonhomie du visage, l'heureux ar- PERRONNEAU. Portrait présumé d'un fils du
rangement de l'ensemble, surtout de l'habit sculpteur Le Moyne. O
rejeté sur le bras du fauteuil, l’exécution
ferme et précise, nous font comprendre et partager l'enthousiasme de Mariette. La
Tour était alors dans la pleine possession de son génie; il avait du reste coriscience
de sa force et de sa valeur: on sait que le paiement de ce portrait amena la brouille
entre les deux amis, déjà le pastelliste à la mode montrait des exigences singulières
et n'entendait pas qu'on les discutàt.
Le portrait de Madame de la Reynière (à M. J. D. no. 35) figura au Salon de
1751. Mariette, blasé maintenant sur la talent de La Tour, n’a. plus une exclama-
tion aussi louangeuse que pour le précédent, il signala toutefois comme: «tous très
1) On sait que La Tour exposa, pour la première fois au Salon de 1737, âgé de 33 ans.
M. J. D. possède une répétition originale du portrait d’Et. Perrinet.
2) Sur ce dernier portrait et sur le portrait de Duval de l'Epinoy voir: Maurice Tourneux
Gazette des Beaux-Arts, 1er avril 1904: Identification de deux modèles de La Tour, p. 275.
642 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
PERRONNEAU. Portrait de jeune femme.
beaux», les pastels exposés par l'artiste cette année la. Madame de la Reynière est
représentée de la façon la plus simple, assise, dans sa robe de soie bleue garnie de
dentelles et de franges, de trois quarts à droite. Ce portrait faisait pendant à celui
de M. de la Reyniére, dont nous avons aujourd'hui perdu la trace; le règlement de ces
deux œuvres amena aussi des difficultultés entre le financier et l'artiste. Dix mille
Jean Guiffrey. L’Exposition des Cent Pastels 643.
PERRONNEAU. Portrait de Mme Olivier
livres pour chacun des portraits étaient une exigence certes exhorbitante, et M. de la
Reynière prit la parti de laisser à l'artiste ses deux pastels; La Tour signifia, par
exploit, à son client d'avoir à les lui payer; enfin, menacé d'un procès, M. de la
Reynière se décida à reprendre les deux portraits moyennant le paiement de 4800 livres,
auxquelles Restout et Silvestre, pris comme arbitres, avaient rèduit les prétentions de
leur ami. Peut-être aussi La Tour avait-il éprouvé un assez grand effort à exécuter
644 Monatshefte für Kunstwissenschaft
un bon portrait de cette dame d'esprit simple et banal, à laquelle, il a donné une
attitude reservee et timide. |
Tout autre est l'impression que nous ressentons devant le portrait de Mme Mase,
ignoré hier et dont l'apparition a été l'évènement sensationnel de l’Expositon, car c'est
à coup sir une des œuvres les plus complètes et les plus typiques du maitre. Cette
jeune femme, spirituelle et aimable, est reprèsentée de face, souriante, vêtue d'une
robe de velours bleu, garnie de fourrure noire, les deux mains dans son manchon de
même fourrure. Jamais La Tour n'a fait parler plus finement les yeux et la bouche de ses
modèles, dans lesquels du il s'efforcait toujours de mettre de l'expression, par lesquels
vivent ses portraits. L'exécution de la robe, des fourrures, des dentelles surtout est
d'une précision, que l'on ne peut dépasser sans sécheresse. Ce portrait qui fut légué
par Madame Mase, à Madame la Mse de Juigné, trisaïeule du possesseur actuel (M. le
Mis de Juigne, n° 61), est d'une étonnante conservation, il était demeuré dans un lointain
château depuis le XVIII siècle jusqu'à la veille de l'ouverture de l'Exposition: aussi
voyons nous ici un pastel tel qu'ils sortaient de l'atelier de La Tour, avec tout le velouté
des chairs et des étoffes, le poudré des joues et des cheveux, le luisant bleuté des
fourrures, la transparence ambrée des dentelles; l'art de La Tour se révèle ici dans
tout l'infini de sa laborieuse conscience.
C'est par là qu'il diffère surtout de l'art plus libre de Perronneau, plus sensible
habituellement a l'harmonie des choses, de taille, cependant, s'il lui plait, malgré les
dédains injustifiés de ses contemporains, à porter ombrage, parfois, à son heureux
rival. Que l'on se souvienne du portrait de La Tour, par Perronneau, du Musée de
St Quentin, qui fut l'occasion de si mauvais procédés de La Tour envers son jeune
confrère, que l'on étudie à l'Exposition les portraits de M. et Mme Olivier, dates de
1748, le jabot de dentelle de l’un, la robe de péquin jaune à ramages de l'autre, et
on constatera que jamais La Tour n'a pu aller plus loin dans le rendu des étoffes et
de la matière. Il semble bien toutefois que les procédés des deux maitres soient dif-
férents. Alors que La Tour, exclusivement pastelliste, dédaignait l'emploi de la gouache,
Perroneau, comme la Rosalba, l'utilisait parfois pour préciser un détail ou pour ac-
centuer une forme: c'est que Perronneau était peintre; le Louvre possède ses morceaux
de réception à l’Académie: les portraits d’Oudry et de Lambert Sigisbert Adam exécutés
à l'huile: se servant tour à tour du princeau ou des crayons de pastels il avait parfois
la ressource d'utiliser l'un ou l'autre procédé.
Sauf quelques exceptions charmantes, comme le portrait de jeune femme tenant
un bouquet (à M. J. D. n°81), du Salon de 1746, Perronneau s'est rarement préoccupé,
comme nous l'avons remarqué chez La Tour, de composer ses portraits et de leur
donner des attitudes variées, gracieuses ou familieres: il nous montre habituellement
ses modèles de face, de la façon la plus simple, tels exactement qu'ils s'étaient pré-
sentés à lui. S'il ne recherche guère les attitudes de ses portraits, mieux que personne en
son temps, il sait combiner leurs colorations, toujours très harmonieuses dans une même
gamme, il affectionne particulièrement les tons noirs ou gris destinés à faire ressortir
l'éclat ambré et velouté des visages et des poitrines, à s'harmoniser, par des reflets,
avec les tonalités environnantes. (C'est surtout par les ressources d'un dessin sans
Jean Guiffrey. L’Exposition des Cent Pastels 645
PERRONNEAU. Portrait de M. Olivier
artifice, d'une exactitude scrupuleuse, d'une étonnante conscience que La Tour pro-
voque notre admiration, c'est par le raffinement de colorations qui se combinent et
s'harmonisent que Perroneau nous émeut!). Diderot qui toujours prèche l'observation
de la nature et conseille aux artistes de la reproduire le plus fidèlement possible, se
préoccupait surtout du dessin; et ne parait pas avoir compris, pas plus que ses con-
temporains, cet artiste, qui, pour établir les valeurs relatives des ombres et des
lumières, aimait à placer ces modèles dans une harmonie ambrée et douce. Il ne
pouvait pas, non plus, lui passer l'exécution habituellement prime-sautiere et légère,
1) M. Albert Besnard, avec la particuliere compétence d’un grand maitre du pastel, a de-
veloppé la caractéristique de l’act de Peronneau dans une conference très justement applaudie
qui sera la préface du grand volume sur l'Exposition du Cent Pastels dont M. G. Petit prépare
en ce moment la publication.
646 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
d'une si loyale franchise, de ses pastels, où une grande place étant laissée a l'inter-
prétation; Perronneau ici devancait son temps, ce qui est, on le sait, une fort mauvaise
chose pour la fortune des artistes ou des poetes.
Mieux que pour La Tour, qui jamais n’a signe ni date un pastel, on peut suivre
le développment du génie de Perronneau, grâce aux dates dont il faisait suivre, le
plus souvent, sa signature sur ses œuvres. Il exposa, on le sait, pour la premiere fois,
en 1746. L'Exposition nous montrait, de l'année suivante quelques œuvres particu-
lierement precieuses: le portrait du fils du sculpteur Le Moyne (a M. Albert Lehmann,
n° 86), du Salon de 1747, d'une coloration toute fraiche, où sur un fond bleu pale se
jouent, sur le vêtement, les roses et les gris, sous le visage rose et blond, de l'accord
le plus delicat; autre portrait d’enfant (a M. J. D. n° 82), date de 1747') tout blond et
tout rose aussi, tout poupin dans sa petite robe décolletée, grise a fleurettes roses et
bleues, d'une exécution légère et spirituelle, d'une coloration riante et gaie comme un
bouquet de printemps. Dans les portraits d'enfants Perronneau excelle à exprimer la
douceur de leur teint frais, l'or de leurs cheveux, la naïveté de leur pose, et se
montre supérieur à La Tour qui aussi bien dans le portrait de Nicole Ricard (à Mme la
MS Arconati Visconti, n° 28) exposé ici, que dans le portrait du Petit Dauphin du
Musée du Louvre, ne parvient qu'à faire de ces enfants des réductions de grandes per-
sonnes, fardées et manierées. Le portrait du graveur Huquier est également daté de
1747 (à M. A. Lazard, n° 85), c'est une figure pleine de bonhomie et de vie, vivement
exécutée, dans un moment d'entrain, comme il arrive souvent pour les portraits d'amis
ou de parents.
L'année suivante est particulièrement heureuse dans la carrière du maitre: les
portraits de M. et de Mme Olivier sont exécutés et exposés cette année là; nous avons
dit déjà la place exceptionnelle qu'ils tiennent dans l'œuvre de Perronneau, ajoutons
seulement que l'harmonie des carnations du visage, de la gorge et du bras de me
Olivier, parmi des flots de dentelles et l’ötoffe jaune de sa robe est une des choses plus
délicates que l'on puisse voir; la préciosité de l'exécution n'enlève rien au charme des
colorations; sauf quelques dommages légers dans le visage, c'est, à notre sens, un des
plus beaux pastels qui existent. La même année fut exécuté un autre portrait de femme,
jeune, fraiche, décolletée, de la plus délicate harmonie (à M. Mame sans n°). C'est
le moment où les contemporains pouvaient dire justement: ,Je crois qu'on peut parler
de M. Perronneau, après M. La Tour. Il suit sa trace de fort près, et probablement
doit prendre un jour de ses mains le sceptre du pastel, lorsque celui-ci, satisfait
de la multitude de ses triomphes, songera enfin à se reposer à l'ombre de ses
lauriers.“
La critique ne devait pas être toujours aussi favorable à Perronnean, auquel La
Tour, jaloux, ne remit jamais „le sceptre du pastel“, et qui gardera presqu’ exclusi-
vement le clientèle de la cour, de la noblesse et de la finance. Perronneau sera le portrai-
iste de la bourgeoisie obscure: beaucoup de ses pastels demeureront anonymes. En
1) Et non 1741 comme le mentionne le Catalogue trop souvent inexact.
Jean Guiffrey. L’Esposition des Cent Pastels 647
PERRONNEAU. Le jeune homme a la rose
1749 il exposait un portrait de jeune femme tenant un bouquet de giroflées, qui est
probablement le charmant portrait de jeune femme (a M. J. D., n° 81) qui, dans une
attitude tres gracieuse, tient à la main un bouquet de fleurs; c'est d'une fantaisie fine
et charmante; le visage encadré de cheveux noirs, éclairé de beaux .yeux brillants
et francs, est de la plus exquise fraîcheur, le vêtement noir, garni de bleu, est bien
exécuté, l'ensemble est des plus séduisants. Déjà, cependant, dans les fonds et dans
les ombres Perronneau manifeste une predilection pour les tons gris ambrés. Les beaux
portraits de M. et Me de la Fontaine exécutés en 1750 et exposés en 1751 (a
M. le Mis de Saint-Maurice Montcalm n°s 89 et 90) denotent une accentuation vers ce
goüt pour les tons jaunätres. Alors que dans les pastels de La Tour les bleus dominent
habituellement, Perronneau manifeste des lors un goüt de plus en plus vif pour les
tons chauds, ambres, legerement jaunätres, amenant parfois des tonalites verdätres dans
les ombres des chairs. On peut remarquer cette tendance dans le trés beau portrait
648 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
de son ami Desfriches, exécuté et exposé en 1751!) d'une exécution si vive, si accentuee;
dans le portrait de charme alangui de l'homme à la rose exécuté a Bordeaux en 1731;
dans le portrait plein de grâce souriante, d'abandon naturel de la Comtesse Jacquette
d’Arches (a Mme René d’Hubert, n° 83); dans le portrait de Jeanne Dorus, troisième
femme du sculpteur Le Moyne, exposé au Salon de 1753 (a M. G. Dormeuil, n° 75);
dans les portraits de M. et Me Dutillieut exécutés à Lyon en 1759 (à M. J. D. et a M.
L. M. Levy, n°s 80 et 88). Puis la forme s'allonge, se fond, s’amollit, perd de plus
en plus de précision, tout en gardant le caractère et l'individualisme de chaque visage;
l'exécution devient hätive comme serait celle d'un Frans Hals pastelliste, dans les por-
traits d'hommes (a M. le Duc Decazes, n°s 71 et 72) datés l'un, en habit de velours
noir, de 1763, l’autre, en habit bleu verdâtre, de 1765; dans ce portrait d'artiste, avec
la méme attitude que le portrait de Desfriches de 1751, (a M. Doistau, n° 74) date
de 1766; ou ce portrait de Mme Desfriches, daté de 1765. D'autres pastels furent
exécutés de 1770 à 1773: beau portrait d'homme inconnu (à M. G. Dormeuil, n° 76),
portrait d'un peintre (à M. Pierre Decourcelle, n° 73), daté de 1772; portrait de la
Comtesse Corbeau de St Albin (à Mme Georges Duruy, n° 84), enfin le portrait de
M. Van Robai, exécuté en 1773 pendant le deuxième voyage de Perronneau en Hollande
(à M. J. D. n° 78) où, dix ans plus tard, il devait misérablement mourir isolé.
| Après avoir étudié ces maîtres si sincères et si forts, il est difficile, il serait
peut-être injuste, de parler des pastels de l'école anglaise que l'on avait réuni ici.
Certes, Russell, qui y dominait, trouve parfois, pour exprimer le charme des enfants, le
naïveté de leurs gestes, la grâce de leurs attitudes ou l'élégance des jeunes femmes,
des motifs heureux, mais on ne peut, après La Tour et Perronneau, s'habituer à la
banalité des visages, à l'insignifiance de leurs expressions. Ici tout l'art consiste a
rechercher la grâce dans le maniérisme, dans une beauté très conventionnelle et
toujours semblable. Nulle observation de la nature, ni dans l'expression, le caractère
des visages, ni même dans l'éclairage, la disposition des lumières et des ombres, les
valeurs relatives des colorations ne, s'y manifeste, et cet art parait bien superficiel
auprès de l'honnéte et forte sincérité des maitres français. Il faut évidemment voir
là l'effet d'une insuffisante représentation de l'art des pastellistes anglais à cette expo-
sition, où se voyaient aussi deux pastels de Liotard, bien lourds d'expression et de
facture, d'une harmonie peu séduisante.
La décoration très heureuse de la salle, tout à fait remaniée et rajeunie pour
la circonstance, était complétée par une vingtaine d’admirables bustes qui mériteraient à
coup sûr, à eux seuls, une sérieuse étude, que d'autres, plus compétents, feront ailleurs.
Puisque ces sculptures ne figuraient à l'exposition qu'à titre complémentaire, bornons
nous à signaler les bustes de Jean Victor de Bezenval et de J. V. de Bezenval, duc
de Brunstadt, datés le premier de 1735, et l'autre de 1737,exécutés par Jacques Caffieri, surtout
1) Voir sur Desfriches et ses relations avec les artistes de son temps et, en particulier,
avec Perronneau l'excellent ouvrage de M. Ratouis de Limay, arrière petit neveu de Desfriches.
Un pastel de l'Exposition (a Mme X, no 97) réunit les portraits de la mère de Desfriches et de
Perronneau.
A
Q
+
Ge
(sel
en
+
E
Q
Q
N)
Q
a
=
©
=
N
O
oN
Gei
=
Kl
Jean Guiffrey.
Portrait de M. Van Robai
PERRONNEAU.
650 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
le premier d'une allure si fière et d'une exécution si souple; le buste du Prince de Conti
par Mégard, exprimant avec force l'orgueil et la fatuité de ce prince de petit esprit;
le tres beau buste du Cardinal de Richelieu, si décoratif et si noble, de Jean Varin;
d'admirables bustes de Pajou et surtout de Houdon, parmi lesquels le portrait de Mme
Adelaide de ce dernier, date de 1777, excitait une admiration générale. Il fallut, en
effet, tout l'art de ce grand sculpteur pour exécuter, d'après cette personne sans esprit,
d'après ce visage sans beauté et sans grâce, un pareil chef-d'œuvre, une effigie si
noble, un portrait qui, sans attribut, apparaît à tous comme celui d'une princesse de
haut rang. Ici encore c'est par l'observation de la nature et son interprétation ex-
pressive et intelligente que Houdon fortifie son art; par là il se rapproche de ses
grands contemporains La Tour et Perronneau.
„Bode“
Seit Wochen vollzieht sich in München ein Schauspiel unerfreulichster Art, besonders unerfreulicı, weil —
wie es scheint — ein Teil der eigentlichen Akteure hinter den Kulissen steht. Indes wird jeder Kenner der Miinchener
Museumsverhältnisse sehr leicht die Fäden dieses verwickelten Knäuels entwirren und den eigentlichen Brenupunkt
der ganzen Frage erkennen können. Denn auch dieser Fall hat zwei Seiten, die sehr deutlidı voneinander geschieden
sind: eine allgemein politische, wobei der partikularistische Ehrgeiz — alias die feierlidie Unabhängigkeitserklärung
von Berlin — obenan steht, und eine lokale — intern münchnerische, die den widerwärtigsten Teil des Kampfes zeigt,
weil derselbe mit unlauteren Mitteln geführt wird.!)
Was nun die partikularistisch-politishe Tendenz anlangt, mit der man in Bayern noch immer so leicht dem
Volke und nicht nur diesem imponiert, so hat erfreulicherweise die bayerische Staatsregierung selbst durch den Mund
des Kultusministers einige schärfere Töne der Abwehr gefunden. Dagegen vermißte mancher mit Recht ein Wort des
schuldigen Dankes für den so schwer angegriffenen Bode, was von privater Seite in einem Aufsatz der M. N. N. nadı-
geholt wurde, in dem ein privater Kunstfreund sehr eindringlich auf die notorischen Verdienste Bodes um die bayerischen
Staatssammlungen hinweist. Dieser an sich rein sachliche Artikel entfachte nur um so heftiger den Zorn der Gegner,
die sich der sozialdemokratischen Hetzpresse als Sprachorgan bedienten.
Mit diesem Punkte aber kommen wir auf die lokal-miincinerische Seite der Angelegenheit zu sprechen. Wie
bekannt, bildete die gemeinsame Basis für die parlamentarische Erörterung des „Falles“ ein Aufsatz Volls in den „Süd-
deutschen Monatsheften“ unter dem Titel „Die bayerischen Kunstsammlungen“, den sein Verfasser vor den Kammer-
verhandlungen auf den Sitzen der Abgeordneten hat verteilen lassen. Der Zweck des Aufsatzes ist leider viel zu
durchsichtig. Die Angst vor dem kommenden Mann, dem zukünftigen Pinakotheks-Direktor, von dem man fürchtet,
daß er ein „Mann Bodes“ sein werde, hat den Artikel diktiert. Daher der Kampf gegen den Bodeschen „Einfluß“ mit
dem Hinweis auf den notwendigen Generaldirektor, der natürlidı nur der Autor selbst sein kann.
Bedauerlich und zugleich widerlich ist das Schauspiel nur deshalb, weil die Mittel des Kampfes (womit nicht
der Vollsche Artikel gemeint ist), wie ihn die sozialdemokratische Presse aufnahm, verleumderische waren, weil jene
dunklen Ehrenmänner, die in München die Bode-Hetze inszeniert haben, hinter den Kulissen stehen und nicht hervor-
zutreten wagen, weil man sich selbst in der bayerischen Kammer nicht gescheut hat, einen der tüchtigsten Beamten der
bayerischen Sammlungen in unerhörter Weise zu verdäcttigen, und weil alle Vorwürfe gegen Bode selbst so töricht
und lächerlich sind, daß man allerdings die Verwirrung der Köpfe nur beklagen kann.
Es ist nun die Frage: wird man in Bayern den Mut finden, unabhängig von allen partikularistischen Interessen
und den persönlichen Ambitionen einzelner, allein nadı Maßgabe der Tiichtigkeit und der Befähigung der Berufenen,
den Museen die Basis zu schaffen, die eine wirklich gesunde Entwicklung garantiert, d. h. eine Besetzung der vakanten
Direktorenposten mit wissenschaftli und moralisch vertrauenswiirdigen, d. h. ausserhalb der Kliquen stehenden Per-
sönlichkeiten, die für eine Sanirung der kollegialen Beziehungen der Beamten innerhalb und außerhalb der bayerischen
Hauptstadt bürgen. Das ist unseres Erachtens der Brennpunkt der Frage — und unter diesem Gesichtspunkt wird der „Fall“
Bode für alle kunsthistorisch interessierten Kreise, ja für das gebildete Deutschland, für das der Begriff „München“
immer noch mit dem Begriff „Kunststadt“ gleichbedeutend ist, aktuell. Die Entschließungen der bayerischen Staats-
regierung werden eminent folgenschwer sein. G. B.
*) Wir konnten uns erst in letzter Stunde entschließen, auch unsererseits Stellung zu diesen Dingen zu nehmen.
Algemeines, wie die Verhandlungen der bayerishen Kammer, die Vorwürfe gegen Bode, auf die dieser leider bisher
nodi nicht geantwortet hat, setzen wir als bekannt voraus, da uns der Raummangel zu Mrena Niger Kürze zwingt
er Herausgeber.
Studien und Forschungen
ZUR IKONOGRAPHIE MICHEL-
ANGELOS
Nachtrag zu dem Titelbilde dieses Heftes
Nicht ohne Mihe ist es inzwischen gelungen
vom Porträt Michelangelos in S. Giovanni
Decollato eine Detail-Aufnahme herstellen zu
lassen. Idi glaube dieselbe hier den Lesern
der Monatshefte ohne weiteren Kommentar
bieten zu können. GewiB ist die Malerei des
Jacopo del Conte als Kunstwerk betrachtet kein
Meisterstück, aber die Identität des Porträts
mit Michelangelo werden auch Skeptiker shwer-
lich anfechten wollen.
Die Ikonographie Michelangelos ist seitdem
durch Hans Mackowsky um ein äußerst feines
und wenig bekanntes Porträt bereichert worden.
Er hat in seiner jüngst erschienenen Michelangelo-
Biographie das wohlerhaltene Marmorrelief re-
produziert, welches Adolf von Beckerath unter
seinen Kunstschätzen in Berlinbewahrt. Die
Vermutung Mackowskys, daB Ammanati dies
Relief gearbeitet habe, glaube ich bestätigen zu
können. Völlig unbekannt dürfte selbst den
Michelangelo-Forschern ein Holzschnitt v. J. 1527
in Sigismondo Fanti’s „Triompho di Fortuna“ ge-
wesen sein, den Leo Baer vor kurzem im
Frankfurter Bücherfreund (Nr. 2, 1908, p. 27 ff)
publiziert hat. Wenn hier von einer wirklichen
Porträtdarstellung auch nicht die Rede sein kann,
so ist es doch äußerst fesselnd zu sehn, wie
sich die Zeitgenossen den „gran scultore“ in
San Lorenzo bei der Arbeit vorstellten. Weitere
Beiträge zu dem fesselnden Problem stellt Baron
Joseph du Teil in den Publikationen der „Société
des Antiquaires de France“ in Aussicht. So
dirfte nun der Zeitpunkt nicht mehr allzu fern
sein, wo es mit Erfolg versucht werden kann,
sämtliche Porträtdarstellungen Michelangelos
Gemälde, Stiche, Zeichnungen, Marmorbüsten
und Bronzen zu sammeln und in kritischer
Studie die Spreu vom Weizen zu sichten.
Meine Vermutung, das vatikanische Relief
mit dem Profilbildnis Michelangelos sei von
Ammanati ausgeführt, fand ich inzwischen durch
einen Vergleich mit dem Denkmal des Benavides
in den Eremitani in Padua bestätigt. Vor allem
die Allegorien der Fama hier und der Stadt
Pisa dort verraten geradezu schlagende Ver-
wandtschaft in der Behandlung der Formen, in
der Faltengebung, der Haartracht usw. Audi
das Porträt Ammanatis auf dem vatikanischen
Relief scheint mir gesichert, seit ich es mit dem
beglaubigten Bildnis des Künstlers in S. Giovanni
degli Scolopi in Florenz vergleichen konnte, von
dem man in der Serie degli uomini i piu illustri
nella pittura, scultura e architettura (VI, 159)
eine Nachbildung finden kann.
Ernst Steinmann.
8
BEMERKUNGEN ZU EINIGEN VENE-
ZIANISCHEN BILDERN DER BRERA
Kürzlidı ist ein vorzüglicher Katalog der
Breragalerie erschienen, der Malaguzzi Valeri
zum Verfasser hat.') Die folgenden Notizen
wollen ein kleiner Beitrag zum weiteren Aus-
bau dieser Arbeit sein. —
Nr. 117 Tiziano Vecellio (Maniera). Abend-
mahl. Wenn das Bild auch kein eigenhändiges
Werk Tizians sein möchte, so besitzt es doch
als alte, vielleiht Werkstattswiederholung
des „Cenacolo“ im Eskurial hohen Wert. Be-
kanntlich wurde dieses „Abendmahl“ gleich nach
seiner Ankunft in Spanien, trotz Navaretes
Protest, barbarisch verstümmelt: Ein breiter
Streifen wurde oben abgeschnitten. Mit Hilfe
des Brerabildes läßt sich die „Cena“ im Eskurial
ergänzen. Der Raum, in dem die heilige Feier
stattfindet, ist oben mit einer schattensammeln-
den, flachen Kassettendecke geschlossen, —
Nr. 123 Maniera di Bassano. Die Anbetung
der Hirten. Das Bildchen ist eine schlechte, der
Ausstellung in der Brera kaum würdige Kopie
Jacopos prachtvoller „Anbetung der Hirten“ im
Museo Civico zu Bassano.
Nr. 137 Eredi di Bonifazio. Das Abend-
mahl. Das Bild kam, wie der Katalog angibt,
aus der Certosa di S. Andrea del Lido bei Vene-
dig in die Brera. — Durch G. Ludwig, Jahrbuch
der K. Preuß. Kunsts. XXII p. 70 wissen wir,
daß Bonifazio i. J. 1535 die beiden Heiligen-
paare Bruno und Katharina, Hieronymus und
Beatrix (Nr. 293 und 294 der Akademie zu Ve-
nedig) als Seitenstücke eines im Refektorium
der Certosa bereits existierenden Abendmahles
malte. Boschini, R. Min. Sest. Croce p. 48 und
1) F. Mala apura Valeri, Catalogo della R. Pinacoteca
di E D ilano = Bergamo. Istituto italiano d'arti
grafiche.
652 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Zanetti, Pitt. ven. ed. II. p. 303 s. erwähnen
Abendmahl und Seltenstiicke als Werke Boni-
fazios im gen. Refektorium. Ludwig schloB da-
raus, daB das i. J. 1535 bereits fertige Abend-
mahl wahrscheinlich ein Werk Bonifazios ge-
wesen sei, ein Friihwerk, das verschollen sei.
Da aber Boschini und Zanetti nur ein bonifazi- :
sches Abendmahl in der Certosa erwähnen, die
Provenienz des Brerabildes auf Grund der In-
ventare kaum zweifelhaft sein kann, da schlieB-
li die Höhenmasse der venezianischen Bilder
und des mailänder relativ gut zueinander passen
(2.03 m und 2.10 m), so glaube ich, daß,
trotz Uneinstimmigkeit bezgl. des Eingangs-
termins in die Brera — Malaguzzi gibt 1808,
Ludwig 1811 an —, wir in den drei Stücken
den von den gen. venezianischen Schriftstellern
erwähnten Refektoriumschmuck der Certosa
besitzen. — Nun ist das Abendmahl der Brera
seinem Stile mach sowohl später als die
venezianischen Heiligenpaare entstanden, als
auch kaum von Bonifazio, sondern von seinen
Schülern und Nachahmern gemalt. Das scheint
sih nicht mit den von Ludwig veröffentlichten
dokumentarischen Aussagen vereinigen zu lassen,
— Das Rätsel läßt sich wohl nur so lösen, daß
das i. J. 1535 erwähnte Abendmahl von älterer,
‚quattrocentistischer Hand war, und nun zwischen
den „modernen“ Seitenstücken dem neuen Ge-
scimacke nicht gefiel, und daß einige Zeit nach
‚Ablieferung der Heiligenpaare ein Auftrag auf
ein neues „Abendmahl“ an die Bottega Boni-
fazios erfolgte.
Nr. 146. 147 Paolo Veronese (Maniera).
Zwei Dekorationsstücke: Eine Madonna della
‚Misericordia in Chiaroscuro von Putti in natür-
licher Farbe umgeben. Der hl. Markus mit
ebensoldien Putti. — Im Katalog wurden diese
Bilder als Seitenstücke eines unter Nr. 141 aus-
gestellten „Abendmahles* bezeichnet, von dem
‘es laut Katalogangabe fraglich ist, ob es aus
den Cappuccini zu Padua oder aus S. Sofia zu
Venedig stammt, während für unsere Stücke
die Scuola de "Mercanti zu Venedig als ursprüng-
licher Aufstellungsort angegeben wird. Die Ver-
schiedenheit der Provenienz schlieBt schon die
Zusammengehörigkeit aus. Überdies sind die
angeblicien Seitenstüke um fast einen halben
Meter höher, als das Abendmahl. — Statt zu
-diesem gehören sie zu drei Bildern Paolos und
seiner Werkstatt, die sich unter Nr. 258. 260.
262 in der Akademie zu Venedig befinden, zu
‚einer Verkündigung, sowie zu den Chiaroscuro-
figuren „Fides“ und „Caritas“. Diese und „al-
cuni altre cartelle, e Puttini“ — eben unsere
‚Bilder — nennt Boschini, R. Minere, Sestiere di
“Canareggio pag. 37. über der Tür des Albergo
der Scuola de "Mercanti. Der Ausführung nach
gehören diese Stücke nicht Paolo selbst, im
Entwurf sind sie aber wohl sein Eigentum. Vom
Bestimmungsort entfernt und von den zuge-
hörigen Teilen losgerissen haben diese Frag-
mente ihren dekorativen Sinn und Reiz ein-
gebüßt. —
Nr. 148. Paolo Veronese. Die Anbetung
der Könige; auf Flügelstücken die vier Kirchen-
väter, zu zwei und zwei. — Dies umfangreiche
Werk ist kein Triptychon, sondern der ehe-
malige Orgelschmuck der Kirche Ognissanti zu
Venedig. Die ursprünglich zweiteilige „An-
betung“ — eine vertikale Naht läuft durch die
Mitte des Bildes — bedecte einstmals die
Außenseite, die „Kirchenväter“ die Innenseite
der Orgelflügel. Vgl. Ridolfi, Le Meravighi,
Ed. II. tomo II p. 50., Boschini, R. Minere,
Sestiere di Dorso duro p. 40. Zanetti, Pittura
ven. Ed. II p. 260. —
Nr. 166. Marco Basaiti. Noli me tangere.
Das Bild gehört nicht dem Basaiti, sondern dem
Catena und ist wohl sicherlich identisch mit
jenem vom Anonimo Morelliano (ed. Frimmel
p. 72) folgendermaßen in der Kirche Spirito
Santo zuCrema erwähnten: „...in ditta chiesa
la palletta del Christo che apar alla Maddalena
fu de mano de Vicenzo Cadena.“ —
Nr. 173. Alvise Vivarini. Der Leicinam
Christi von zwei Engeln betrauert. Linette,
die wie der Katalog sagt, wahrscheinlidı eine
Ancona krönte. Paoletti und Ludwig, Reperto-
rium XXII. p. 449 s., haben nachgewiesen, daB
diese Liinette mit drei anderen (zwei im Museo
Correr zu Venedig, eine in der Akademie zu
Wien, Nr. 50.) zu den vier Triptychen Nr. 621
bis 621c der Akademie zu Venedig gehören, die
Boschini, R. Min. Dorso Duro p.34 und Zanetti,
Pittura ven., ed. II. p. 34 in der Kirche della
Carita zu Venedig erwähnen. Die betreffenden
Altäre waren am 2. August 1471 geweiht wor-
den. Diesen Tag wird man als approximatives
Entstehungsdatum der Altarwerke annehmen,
die der Katalog der venezianischen Akademie
Bartolomo Vivarini und seiner Bottega zuschreibt.
Daß einen Teil der Arbeit der jugendliche Alvise
geleistet hat, ist nicht unwahrscheinlich.
Nr. 177. Liberale da Verona. Der hl.
Sebastian. — Die Gestalt des -Märtyrers ist —
von den auf dem Rücken gefesselten Armen
abgesehen — eine durchaus getreue Wieder-
gabe des Adam des Rizzo im Hofe des Dogen-
palastes. Die Beobachtung dieser Entlehnung
zwingt zum Schlusse, daß Liberale längere Zeit
in Venedig gewesen ist und dort Studien ge-
macht hat, was man früher hat leugnen wollen.
Studien und Forschungen
653
Die Azzessorien legen den Gedanken nahe, daB
Liberale auch Antonellos Sebastian in Dresden
gekannt habe. — Das Kaiser Friedricimuseum
zu Berlin besitzt bekanntlich eine Originalreplik
des Brera-Sebastian. Das Mailänder Exemplar
ist gewiß das frühere: Die näheren Beziehungen
zum Vorbild, zum Adam des Rizzo, zeigen
das. Hadeln.
9
EINE NEUENTDECKTE MADONNA
DOMENICO GAGINIS IN TORCELLO
BEI VENEDIG.
Domenico Gagini stammt aus einer uralten
Bildhauerfamilie, in der sich das Handwerk und
Talent Generationen hindurch vom Vater auf
den Sohn vererbte. Denn schon im Jahre 1281
wird der erste Giovanni Gagini, Bono da Bis-
sone, als Shôpfer der Domfassade von Parma’)
genannt. Domenico Gaginis*) frühestes urkund-
li beglaubigtes Werk ist die große Fassade
der Johanneskapelle im Dom zu Genua, die erste
und reichste Schöpfung dekorativer Plastik, die
Oberitalien vor dem Santo in Padua aufzu-
weisen hatte. 1448 ist ihm und seinem Sohne
Ella Gagini das Werk in Auftrag gegeben
worden. 1457 berichtet eine Urkunde von sei-
nem Weggang nach Sizilien.) Tatsächlich je-
doch stand er um diese Zeit in Diensten des
Königs Alfonso von Aragonien in Neapel, wo
er außer einigen dekorativen Skulpturen des
groBen Triumphbogens auch noch eine kleine
Marmortüre in der Sala del Barone gemeinsam
mit Francesco Laurana schmückte.‘) In Sizilien
wird er vom Jahre 1459 ab gearbeitet haben,
doch wird er erst 1463 zum erstenmal urkund-
lih erwähnt. Von 1463 ab ist er bis zum Jahre
1493 dauernd in Sizilien tätig gewesen?) und
hat dort mehr als zwei Menschenalter hindurch
den plastishen Stil bestimmt. Durch seine
Söhne ist seine Kunstweise dann selbst bis
nach Spanien hinübergeleitet worden. AuBer-
halb Genuas und Neapels war bisher von einer
Tätigkeit Gaginis auf dem italienischen Fest-
lande nichts bekannt. Nur weisen der Stil und
einige kompositionelle Besonderheiten auf die
Kenntnis Donatelloscher Frührenaissancewerke
in Florenz hin. Durch vorliegendes Werk
*) Cervetto, Storie di Parma, Tom. append. p. 33.
Am 12. November 1495 wird er Magister Domenicus
de Gasinis de Bissone parcium Lombardie scultor mit dem
Beinamen civis Panormi genannt.
3) Ratti, delle arti de’pittori ; scultori ed architetti ge-
novesi Bd. II, p. 176 und Cervetto, Gagini e sue opere
in Genova p. 24.
d Burger, Francesco Laurana 1907,
De Marzo, Gagini in Sicilia.
wird nun auch sein Aufenthalt in Venedig
bzw. Torcello erwiesen. Es ist eine kleine,
kaum einen halben Meter hohe Marmormadonna
im Dom von Torcello, und wohl die früheste
uns bekannte Arbeit Domenicos. Sie steht im
DOMENICO GAGINI, Marmormadonna im
Dom zu Torcello
allerengsten Zusammenhang mit seinem großen
Genueser Werk und zeigt jenen leichten, gra-
ziösen Kôrperswung, wie er allen Quattro-
zentowerken zu eigen ist, die die gothischen
Stiltendenzen nodi nicht völlig überwunden
haben. Doch kündet das relativ schwere Lasten
der Gewandung, wie die breiteren, volleren `
Formen und die untersetzte Statur doch auch
hier das Keimen eines neuen Geistes an. Der
654
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Sinn für Bewegung und Wirkung der Silhouette,
der die Statuen der Gothik charakterisiert, ist
hier schon verloren gegangen. Die unten links
in der Gewandfalte entstehende Bewegung nach
oben findet ihre Fortsetzung nicht über den
ziemli massiven Arm hinaus, der noch etwas
kokett und umständlich das reichlidı große Kind
hält. Es hat einen Augenblick das Kôpfdien
von dem mit beiden Händen umklammerten
Busen erhoben, um der Mutter ins Antlitz zu
schauen, während diese in einem Anflug leichter
Melancholie niederblickend, mit den Finger-
spitzen (!) es zum Weitertrinken nötigt. Der
träumerische Ernst in dem Gesichte der Mutter,
die etwas befangene, schiichterne Bewegung
gibt dem Bilde trotz der augenfälligen pro-
portionellen Mängel und den archaisierenden
Tendenzen doch einen gewissen Reiz, der das
Werk von den späteren mehr korrekteren, aber
auch nüchternen Schöpfungen Gaginis unter-
scheidet. In stilistischer Hinsicht ist jedoch unser
Madonnenbild auch von den späteren Werken
Gaginis gar nicht zu trennen und die Hand-
schrift seines Meißels ganz unverkennbar. Der
etwas zu groBe Kopf und das zu klobige Kind,
die Gewanddrapierung mit den charakteristischen
hartkantigen Falten um den Armelwurf, die
breitgedrückte Form des Armes, die verküm-
merte Schulter und die zu breiten linear aus-
druckslosen Hüften, die verballhornte Model-
lierung der übereinandergelegten Füße des
Christkindes, der Kopftypus usw. stimmen alle
mit den Figuren der genuesischen Kapellen-
fassade so genau überein, daB an seiner Ur-
heberschaft hier nicht der leiseste Zweifel auf-
kommen kann. Schon aus zeitlichen Gründen
muB die Madonna vor dem Jahre 1465 ent-
standen sein, da sich Gagini von da ab dauernd
in Sizilien aufhielt. Auch die ihr mit den Ge-
nueser Relieffiguren gemeinsame Kieinheit —
von den stilistishen Indizien abgesehen —
spricht für eine frühe Datierung des Werkes.
Da keine einzige der sizilianischen Madonnen-
figuren — nur das Grabdenkmal des Pandolfo
Polizzi ist urkundlich beglaubigt — ihm bisher
mit absoluter Sicherheit zugeschrieben werden
konnte, wird dieses kleine Frühwerk zu einer
reinlidien Scheidung der sizilianischen Arbeiten
nadı Meister- und Schülerhänden wohl wert-
voll sein. Fritz Burger.
EIN PORTRAT RAFFAELS
VON DER HAND
DES SEBASTIANO DEL PIOMBO.
Von Ernst A. Benkard.
Zu Florenz befindet sich in der Casa Buo-
narroti unter der Bezeichnung „soggetto ignoto,
creduto Lucrezia Romana“ folgendes Bild.
In dem Geviert des Rahmens erscheint links
das Brustbild eines jungen Mannes, an dessen
Schulter die Halbfigur einer Frau lehnt, die er
mit dem linken Arm umschlungen hält, während
sein anderer vornübergreifend in dem Mieder
der Schönen versciwindet. In der rechten oberen
Bildeke kommt ein zweiter männlicher Kopf
zum Vorschein.
Von dem Bilde, bei dem es sich, wie dar-
getan werden soll, nicht um eine Lucrezia Ro-
mana handelt, existiert im Buckingham-Palace
zu London ein zweites Exemplar.
Die Geschichte der Bilder, die eine eingehende
Aufzeichnung durch Lionel Cust und Herbert Cook
im Maiheft des Burlington Magazine 1906 er-
fahren, zeigt, daB man bei ihrer Prüfung stets
an einen Venezianer vom Anfange des XVI. Jahr-
hunderts als Urheber gedacht hat. Die Tafel
im Buckingham-Palace, die sich schon seit 1625
in England befindet, wurde in van der Doort's
Katalog der Galerie Karls I. vom Jahre 1659 dem
Tizian, im Jahre 1688 im Katalog Jakobs II. sogar
dem Giorgione zugeschrieben. Das zweite Exem-
plar in der Casa Buonarroti dagegen trug stets
den Namen Giorgiones; und es besteht die Tra-
dition, daB sämtliche Kopien des Bildes nach
einem Originale Giorgiones gefertigt sind.
An einen Venezianer aus dem Kreise Gior-
giones zu denken, verführte die englischen
Forscher außer den zwingenden technischen
Qualitäten, die Existenz eines Kupferstiches in
der Ambrosiana zu Mailand, der das Monogramm
Zoan Ändreas trägt und „in which the principal
group of the painting is reproduced with some
variations“. Wäre dieser Behauptung Richtig-
keit zuzusprechen, so müßte der Urheber des
Bildes — denn es sei mir gestattet, von nun
ab von beiden Exemplaren, da ihr Verhältnis
zueinander heute nicht zur Diskussion gestellt
werden soll, wie von einem einzigen zu sprechen
— in Venedig selbst zu suchen sein, da Zoan
Andrea nur 1497—1520 in Venedig nachweisbar
ist und seinen Kupferstidi nur nadı einem in
Venedig befindlichen Bilde gefertigt haben könnte.
Die beigefügte Abbildung wird aber lehren, daB
zwischen Stich und Gemälde fast keine Be-
ziehungen bestehen, wenn nicht die einzige,
daB eben der Gegenstand des Liebespaares in
Studien und Forschungen 655
den Vorwurfskreis venezianischer Ma-
lerei gehört. Die flaue und unselb-
standige Formengebung Zoan Andreas,
die teilweise an Barbari erinnert, hat
mit der giorgionesken Sicherheit des
Gemäldes künstlerisch nichts zu tun.
So gelangt man durch die von
Lionel Cust abweichende Auffassung
des Verhältnisses von Stich und Bild
zur Möglichkeit, den Maler des Bildes
außerhalb der Bannmeile Venedigs
suchen zu dürfen. Nur ein kleines
Hindernis, das aber schon in dem Auf-
satze des Burlington Magazine richtig
bewertet wurde, bietet van Dycks
Zeidinung nach dem Bilde, die sich
in seinem Skizzenbuche in Chatsworth
befindet und ,Tizian“ bezeichnet ist.
(Lionel Cust, the Chatsworth varı Dyck
sketch book, plate XLIII.) Nun liebt
es varı Dyck, jedes Bild venezianischer
Technik und bedeutenderen Vorwurfs
Tizian, seinem Helden, zu geben. So
ist die Beischrift fast ohne Verbind-
lichkeit, und die Skizze interessiert nur
insofern, als van Dyck das Bild im
Jahre 1622 in Venedig, Florenz oder
Rom gesehen haben muß. Durch diese
Tatsache gewinnt die Vorstellung, das
ZOAN ANDREA: Liebespaar
ni Mailand, Ambrosiana
SEBASTIANO DEL PIOMBO: Raffael und seine Geliebte
Florenz, Casa Buonarotti
Bild könne von einem venezianischen Künstler
aus Giorgiones Schulung auch außerhalb von
Venedig gemalt sein, immer mehr Fleisch und
Blut.
Soweit ich sehe, ist der Name des Sebastiano
del Piombo erst ahnungsweise von Herbert Cook
und C. S. Ricketts ausgesprochen worden, und
doch ist es dieser Meister, dem nach meinem
Dafürhalten die originale Ausführung des Liebes-
paares gehört. Dem, der sich mit Sebastianos
Formenwelt eingehender beschäftigt und mit
dem vorliegenden Liebespaare das Altarblatt
in San Giovanni Crisostomo, die Magdalena bei
Sir Francis Cook in Richmond und die Salome
bei George Salting in Vergleichung setzt, ist
die Gemeinsamkeit des Urhebers zweifellos.
Namentlich steht die formale Struktur der weib-
lihen Halbfigur des Liebespaares in engster
Verwandtschaft mit den Frauen des Altarblattes
in Venedig. Selbst Einzelheiten wie Nase, Mund
und Ohr decken sich und treten in gleicher Weise
bei der sogenannten Dorothea des Kaiser Fried-
ridh - Museums und der Pseudofornarina der
Uffizien auf. Wenn ich glaube, daß das Liebes-
paar zwar aus dem Geiste Giorgiones entstanden,
aber ein Werk von der Hand seines jüngeren
Zeitgenossen und Schülers Sebastiano Luciani
43
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
cpu
id ae © |
SRAPHAELIS SAN CTII VRBINATIS
TORS EMINENTISS EFFIGIEM IVLIVS BONASONIVS BONONIEN: AB
' EXEMPLARI SVMPTAM CAÈLO EXPRESSIT-
GIULIO BONASONE B. 347: Porträt Raffaels
ist, so wird diese künstlerische Überzeugung
durch ikonographische Tatsachen noch bekräftigt.
Denn zur Fixierung der Persönlichkeit des Lieb-
habers links auf dem Bilde kommt uns Giulio
Bonasones Kupferstich B. 347 zu Hilfe. Er zeigt
bis zu den Schultern sichtbar Raffaels Kopf en
face; die Ahnlichkeit mit dem Liebhaber auf
dem Bilde wirkt schlagend. Übereinstimmend
ist die Tracht des Bartes mit dem ausrasierten
Kinn und dem leicht ausgezogenen Schnurrbart;
die ganz persönliche Form der vorstehenden
Unterlippe, die Art, wie die Augen eingebettet
sind. Wenn die Form der Nase auf Stich und
Bild zu keiner so markanten Deckung wie die
Unterpartie des Gesichtes zu bringen ist, so liegt
der eine Grund schon in der reinen face-An-
sicht Raffaels auf dem Stich, der andere in der
mangelnden Fähigkeit Bonasones die Tiefe der
Nase technisch herauszuholen. Ein einsichtiges
Urteil wird aber trotzdem in dem vorliegenden
Gemälde auf Grund des Kupferstiches ein Porträt
Raffaels sehen müssen. Die Technik des Bildes
ist in so starkem Masse venezianisch, daB die
Forschung es für Giorgione oder Tizian in An-
spruch zu nehmen geneigt war. Formale Ele-
mente scheinen aber auf Sebastiano deutlich
hinzuweisen. Allein auch ohne diese müßte der
Kupferstidi Bonasones Piombos Urheberschaft
nahelegen; denn wer aus dem Giorgione-Kreis
hätte Gelegenheit gehabt, Raffael zu porträ-
tieren, außer Sebastiano, der nach seiner Über-
siedlung im Jahre 1511 nach Rom, dort gelegent-
lich seiner Farnesina~Arbeiten gewiB zu Raffael
in Beziehungen getreten ist.
Längst hat man die Beeinflussung Raffaels
durch den Venezianer an den Fresken der
Heliodorstanze und der Donna velata nadıge-
wiesen, und somit bietet das vorliegende Por-
trät einen deutlichen Beweis der im Anfang des
römischen Aufenthaltes Sebastianos innigen
Freundschaft beider Künstler. Aus diesem Grund
und wegen der noch starken venezianischen Er-
innerungen, die der Typus der Frau aufweist,
muß das Bild in die Jahre 1512—1514, also
zwischen die Pseudofornarina und den uomo
ammalato gesetzt werden.
9
EIN SPANISCHES PORTRAT
MICHELANGELOS
Im AnschluB an Ernst Steinmanns in diesen
Blättern veröffentlichten Aufsatz „Zur Ikono-
graphie Michelan-
gelos“ (I, 40 ff.) sei
hier noch auf ein
einzigartiges Por-
trät des Meisters
aufmerksam ge-
macht.
Unter den Ge-
mälden die Fran-
cisco Ribalta 1627
für den Retablo-
mayor der Kirche
der Cartuja von
Porta-Coeli bei
Valencia (jetzt im
Valencianer Pro-
vinzialmuseum)
ausführte, befin-
det sich eine Dar-
stellung des hl.
Lukas, ein Bildnis
der hl. Jungfrau
malend. Für den
Kopf des Heiligen
hat nun Ribalta
ein Porträt Michel-
angelos benutzt,
denn niemand an-
FRANCISCO RIBALTA: Der
hl. Lucas die Madonna malend
Valencia. Museum.
Studien und Forschungen
657
ders als der groBe Florentiner ist es, der in ein
dunkeibraunes Gewand gehüllt vor der Staffelei
sitzend den Pinsel in der erhobenen Rechten,
die Palette in der Linken uns entgegenblickt.
Diese eigenartige Huldigung galt wohl mehr
Michelangelo, dem größten aller Künstler, als
dem bedeutendsten aller Maler, denn Ribalta,
der sich für seine Schöpfungen mannigfache
Anregungen bei Raffael, Sebastian und Correg-
gio geholt hat, ist zeit seines Lebens den ge-
fährlihen Pfaden der Michelangelonachahmer
fern geblieben. August L. Mayer.
8
DORERS HIEROGLYPHEN IM GEBET-
o BUCH KAISER MAXIMILIANS œo
In der Sitzung der Berliner kunstgeschicht-
lichen Gesellschaft vom 8. Mai hielt Herr Giehlow
— der bekanntlich vor kurzem die glänzende
Faksimile-Reproduktion des Gebetbuches Maxi-
milians ediert hat — einen Vortrag über die
Quellen zu den phantastischen Randglossen
Dürers für dieses Gebetbuch. Keineswegs seien
die Zeichnungen ein gegenstandloses Produkt
reiner Phantasie; vielmehr liege ihnen teilweise
nach der grüblerischen Weise der Zeit und na-
mentlich auch Dürers und des Kaisers Maximilian
selber ein symbolischer Sinn zugrunde, der aus
der Wissenschaft der Hieroglyphik geschöpft
sei. Mit den seltsamen Zeichen ägyptischer Mo-
numente hätten sich vor allem die italienischen
Humanisten beschäftigt, voran Nanni di Viterbo
und Francesco Colonna, von welchem die Hyp-
nerotomachia des Polifilo verfaßt ist, ein Buch
voll von Hieroglyphen und deren Deutungen,
wie man sie verstand. Von ihnen übernahm
Erasmus von Rotterdam den Eifer für die neu
entdeckte Wissenschaft; Willibald Pirckheimer
wie Maximilian und dessen Humanistenkreis
besaßen das lebhafteste Interesse für sie. Schon
der Entwurf Dürers für die Ehrenpforte lehnte
sich ganz an die Hieroglyphika des Horapollon
an; der Kaiser sitzt inmitten der verschieden-
artigsten Bildzeichen, die seine Tugenden, nach
dem Horapollon, darstellen sollen. So bedeutet
z. B. der Stier die Tugend des Maßhaltens
u. dgl. Und in den zoologischen Motiven der
Randzeichnungen im Gebetbudı findet Giehlow
aufs handgreifslichste die Hieroglyphen dreier
in jener Wissenschaft berühmter Bücher wieder:
der Hypnerotomadiie, des Horapollon und der
Antiquitates des Nanni di Viterbo.
Diese Untersuchungen, über welche demnächst
eine Ärbeit erscheinen wird, beweisen nachdrück-
lih wieder einmal den innigen Zusammenhang
von Kunst und Ideen einer Zeit, und daB eine
kräftige Kunstepoche so äußerst trockene und
banale Anregungen verarbeiten kann, wie die
spitzfindigen Hieroglyphendeutungen der Huma-
nisten. Oder wäre das Verdienst Dürers wirk-
lich größer, wenn er den ornamentalen Reichtum
des Gebetbuches lediglich aus der Fülle seiner
Phantasie geschöpft hätte? Es gibt vielleicht
Leute, welche es ihm verübeln, daB er sich
einen tifteligen Stoff von den Gelehrten seiner
Zeit vorschreiben ließ, und welche sich mit
Empfindlichkeit von der Tatsache abwenden,
daß auch er ganz unverhohlen andere Künst-
ler abgezeichnet hat (wie den Putto mit dem
Lorbeerkranz in einer der Randzeichnungen,
dessen Urbild Giehlow nachweist in einer Miniatur
in dem Druck der Sforzada, Mailand 1490, jetzt
im British Museum). Aber die Kunstgeschichte
lehrt uns immer von neuem, daB großer
Künstler sein nicht heißt, immer und um jeden
Preis etwas Niedagewesenes schaffen zu wollen.
S.
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RUNDSCHAU EG
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BERLIN —
= Der Plan des Deutschen Museums rückt nun
schon in das, Anfangsstadium der Greifbarkeit;
wenigstens in dem Sinne, daß ein Abbruch
regelmäßig einen Neubau oder die materielle
Möglichkeit eines Neubaus prophezeit. Ab-
gebrochen wird das vor wenig Jahren prunk-
voll — aber ebenso unsciòn — erbaute Per-
gamonmuseum; wochenlang dauert schon der
Umzug jener kostbaren Diadocien-Triimmer
aus Kleinasien, die teils in Kellern des Neuen
Museums, zum größten Teil aber in der Säulen-
halle der Nationalgallerie auf Jahre hinaus ver-
staut und unzugänglich gemacht werden. Der
Säulenumgang Stülers wird zu diesem Zwecke
mit Brettern und Fenstern wettersicher gemacht,
mit anerkennenswertem Geschmack sogar. Das
Pergamonmuseum selber aber wird auf Abbruch
— sozusagen verschenkt.
Im Kunstgewerbemuseum findet in den
Sommermonaten eine so zeitgemäße als schöne
Ausstellung von Grabmalskunst statt. Sie
ist nicht rein ästhetisch-praktisc, sondern führt
in sehr wohltuender Weise durch historische
Entwicklung zu unsern neueren Bestrebungen,
ernste und sinnvolle Friedhofskunst an die
Stelle der abgeschmackten oder langweiligen
Gewohnheiten aus dem XIX. Jahrhundert zu
setzen. Der Direktor der Kunstgewerbe-Biblio-
thek Jessen hat sich mit dieser Ausstellung
wie mit mancher vorangegangenen im Museum
ein wirkliches Verdienst erworben, ein Verdienst
um die Förderung lebendiger Kultur und unserer
Zukunft. — Im Lichthof ist durch Photographien
und andere Abbildungen die Entwicklung des
Totendenkmals von den Griechen bis auf die
Zeit des Klassizismus und die heutigen Wald-
friedhöfe von München und Ohlsdorf gezeigt
und damit die Berechtigung und die Wurzel der
heutigen Kunst dargelegt. Ein praktischer Be-
weis in der Art eines kleinen intimen Fried-
hofes, wie er heute sein sollte, sein kann, ist
dann in dem hochstämmigen Parkrest des Kriegs-
ministeriums, der jetzt zur Kunstgewerbeschule
gehört, von Franz Seeck geliefert worden; eine
klare einfache Anlage, mit Grabsteinen von
Sdimarje, Bernoully und anderen jungen Künst-
lern, wie ein winziger Abschnitt aus dem Ohls-
dorfer oder Münchener Friedhof wirkend. Er
atmet den Geist von Graessel und Messel, den
Geist der Sammlung und architektonisdien Ruhe.
Wie ein Gegenstück hierzu — nicht im tak-
tischen Sinne — mutet die Nachricht an, daß
die im Mai abgebrannte alte Garnisonkirche
(ein nüchterner Bau Gerlachs von 1722) in dem
alten Zustand wiederaufgebaut werden soll;
nicht doch: in dem Zustand, in dem sie sich
nach den Veränderungen von 1900 befand; oder
vielmehr, um es ganz genau zu sagen: auch
nicht ganz so, sondern mit den und den Zutaten
und den und den Variationen. Eine Veränderung,
aber eine konservative; ungefähr wie jene alte
Hose, die am Ende nur noch aus aufgesetzten
Fliken bestand. Aber es war doc die alte
Hose. Vielleicht hat man aber alle Ursache,
damit zufrieden zu sein, weil sonst Herr Ihne
oder Herr Schwediten ihren Absichten an der
alten Stelle monumentalen Ausdruck verleihen
würden; ein Ziel, aufs innigste zu wünschen.
Aus den Ausstellungen istnur Adolf Stäbli,
bei Schulte, zu nennen; und auc dieser Ein-
druck war nicht von der Art, die paar Bilder
von ihm auf der Jahrhundertausstellung, und
was man in Miinchen und Frankfurt von ihm
sehen kann, verblassen zu machen. Die meisten
der Gemälde geben nur Andeutungen seines
Wesens, nicht aber das große schwermutsvolle
Pathos dieses Schweizers, der seine künstlerische
Heimat — ein gliicklichherer Nachfahr Gottfried
Kellers — in Miinchen fand, und der auf eine
bestimmte Richtung der Miinchner Landschafter
EinfluB ausgeiibt hat. Er selbst ist, trotz seiner
Ungleichheiten und oft mangelnder Konsequenz,
doch wohl größer gewesen als die Haider und
Toni Stadler. Davon was er war, spricht bei
Schulte eigentlich nur eine unvollendete Land-
schaft; packend, vielleicht nur noch packender,
weil unvollendet, durch die Einfachheit und die
Wucht ihres Aufbaus aus Felsenboden, großen
Bäumen und Gewitterhimmel. Man glaubt hier,
wie bei Schleich, Constable zu spüren, und
auBerdem noch eine Apotheose auf Schirmers
bestes Teil, der ja auch Böcklin in seiner ersten
römischen Zeit nicht wenig gegeben hat. Es
ist recht eigentlich der Gegensatz zu dem Zufalls-
mäßigen und Auflòsenden der Impressionisten,
der Stäblis Bilder groß macht Er gibt das
Allgemeingiltige der Landschaft, nicht ihre mo-
mentane Laune, sondern das was bleibend ist
an Erdboden, Baum und Himmel, ihren gemein-
schaftlichen Gehalt, auch wenn er eine „Stim-
mung“ malt. Die Stimmung erscieint dann
Rundschau
659
objektiviert, typiscı gemacht und als farbiges
Elementares, fast wie bei Constable, aber mo-
derner und frischer in der Farbe, in der ein
bräunlicher und ein grüngrauer Ton von starkem
Akzent vorherrschen. Er liebt nicht die Sonne,
nicht die Idylle; er ist ein Dramatiker der Natur,
und heitere Stimmen sprechen wenig zu ihm.
Paul Ferd. Schmidt.
2
DRESDEN
In den Nummern 1/2 dieser Zeitschrift ist in
einem Aufsatze, der sich mit den Kéniglich
Saqsishen Kunstsammlungen beschäftigt,
u.a. von der Schrift die Rede gewesen, die der
vortragende Rat in der Generaldirektion dieser
Sammlungen, Dr. Woldemar von Seidlitz,
unter dem Titel , Kunstmuseen, Vorschlag zur
Begründung eines Fürstenmuseums in Dresden“
im vorigen Jahre (bei E. A. Seemann in Leipzig)
hat erscheinen lassen. Der Inhalt dieser Schrift
wurde u.a. von Edgar von Ubisc in der von
Karl Koetschau herausgegebenen „Museums-
kunde“ (Bd. 4, Heft 1) kommentiert, und es wurde
hierbei auch die Absicht der Sächsischen Staats-
regierung kritisch besprochen, in Dresden die
große Kunst von dem Kunstgewerbe in Zukunft
dadurch zu trennen, daB diese beiden Gebiete
von zwei verschiedenen vortragenden Räten be-
arbeitet werden sollen, statt wie bisher von
einem. Dieser Plan ist inzwischen wieder auf-
gegeben worden; der sächsische Finanzminister
Dr. von Rüger hat als gleichzeitiger General-
direktor der Königl. Sächsischen Sammlungen
seinen Vorschlag zur Anstellung eines zweiten
Rates zurückgezogen, ehe die Frage vor das
Plenum der sächsischen Ständeversammlung kam.
Aberda diese Frage durch Aufsätze in Zeitschriften
und Zeitungen nun doch einmal aufgerollt worden
war, so mußte der Minister Stellung zu ihr oder
vielmehr zu den damit in Verbindungen stehen-
den Fragen nehmen, als das Kapitel „Kunst-
sammlungen“ im Landtage zur Beratung stand.
Wenn mit den Erklärungen, die Minister v.
Rüger gab, die Museumsnöte in Sachsen auch
nicht aus der Welt geschafft worden sind, so for-
dert doch die Gerechtigkeit, anzuerkennen, daß
diese Nöte nicht allein oder doch vorwiegend aus
— wie bisher fast einhellig angenommen wurde
— »bureaukratisher Behandlung musealer An-
gelegenheiten* geboren worden sind. Soweit
rein finanzielle Momente in Frage kommen bei
der Verwaltung der sächsischen Sammlungen,
darf nicht vergessen werden, daß der sächsische
Finanzminister seine Stellung als Generaldirektor
der Sammlungen zu einer Zeit übernahm, in der
die Finanzen Sachsens sich in höchst übler Lage
befanden. Über seine Eigenschaft als Pfleger
und Mehrer von Kunst- und Kulturgütern, das
kann man Hrn. v. Rüger nachfühlen, mußte er
seine Tätigkeit als Finanzminister stellen. Ge-
rade in diese Zeit aber fällt der Umschwung in
den Ansichten über die Organisation von Museen,
fällt der mächtige Aufschwung, den die Berliner
Museen genommen haben. Hr.v.Rüger befand
sich hier einfach in einer Zwangslage, der gegen-
über auch ein Minister, der, wie der frühere
Finanzminister Sachsens und gleichzeitige General-
direktor der sächsischen Sammlungen v. Friesen,
ein ganz persönliches Verhältnis zu Künsten und
Wissenschaften hat, kaum einen gangbaren,
die Kunstgelehrten und Kunstfreunde voll be-
friedigenden Ausweg gefunden haben würde.
Wenn die Absicht des Hrn. v. Rüger, der Dresdner
Gemäldegalerie und der Dresdner Skulpturen-
sammlung neue Räume zu schaffen, alsbald in
die Tat umgesetzt werden kann, so ist, das darf
mit Befriedigung festgestellt werden, für die
sächsischen Sammlungen schon unendlich viel
gewonnen, denn es würden dann für diejenigen
Teile von ihnen, die, wie die Porzellansamm-
lung u.a., durdı Raummangel in ihrer Wirkung
stark geschädigt werden, Aufstellungsorte frei
werden, mit denen schon etwas anzufangen ist.
Audi inbezug auf den Hrn. v. Rüger ge-
machten Vorwurf, er habe „zwei verdienstliche
Direktoren zum Abgehen gebracht“, macht sich
eine Einschränkung notwendig; Hr. v. Riiger hat
nachgewiesen, daB er von der Absicht des einen
Direktoren (Koetschau), aus sächsischen Diensten
auszutreten, erst Kenntnis erhalten hat, nach-
dem sidı dieser Museumsleiter bereits fest (in
Weimar) gebunden hatte; wußte er aber bei
dem anderen (Lehrs) von seiner Absicht, Dresden
zu verlassen, ohne sie zu verhindern, so hat er
den damit begangenen Fehler inzwischen wieder
gut gemacht, indem er diesen Gelehrten für die-
selbe Position zurückgewann, die er hier be-
kleidet hat.
Dagegen kann ein anderer, dem General-
direktor der Königlich Sächsischen Sammlungen
(in der Person des Finanzministers) gemachter
Vorwurf, nämlich der, daß er zu der notwendigen
Neuordnung der gesamten Sammlungen aus
finanziellen Rücksichten nicht bereit sei, durch
das Argument nicht entkräftet werden, die Samm-
lungen böten auch in ihrer gegenwärtigen An-
ordnung dem Beschauer eine Fülle von Genuß
und Belehrung. Sehr mit Recht sagt Seidlitz in
seiner eingangs erwähnten Schrift: „Sammlungen
sind Organismen, welche die Fähigkeit der
Wandlung besitzen und nur dadurdı lebendig
660 Monatshefte für Kunstwissenschaft
erhalten werden können, daß sie sich den
wechselnden Aufgaben der Zeit anpassen.“ Die
Frage nach einer Neugestaltung der öffentlichen
Sammlungen, vor allem solcher, die Werke des
Kunstgewerbes umfassen, beschäftigt die Kunst-
wissenschaft und auch die Kunst selbst schon
seit längerer Zeit; immer dringlicher wird bei
Kunstgelehrten der Wunsch, immer fühlbarer bei
Künstlern das Bedürfnis, daß solche Sammlungen
den Zwecken dienstbar, präziser ausgedrückt:
leichter dienstbar gemacht werden müssen, die
in der Gegenwart den angewandten Künsten
zugewiesen werden. Die Erkenntnis hat —
heute übrigens auch scion in Laienkreisen —
ganz allgemein Geltung gewonnen, daB den in
unseren Museen bewahrten künstlerischen Be-
sitzständen eine bildende Kraft innewohnt, die
weit über die geschichtliche Bedeutung der Kunst-
werke hinausweist. Sie sind mehr als nur Zeug-
nisse und Vermächtnisse der Vergangenheit; sie
sind oder sollen zugleich sein Nachweise für
den Gang der Entwicklung künstlerischer Kultur,
sollen lehren, als solche die Wege zur Weiter-
entwicklung zu zeigen. Aus dieser Erkenntnis
ergibt sich ohne weiteres die Pflicht, diese Be-
sitzstände der Allgemeinheit zugänglidı zumachen,
sie den Zeitforderungen entsprechend zu ge-
stalten und zur Schau zu stellen.
Nun hindert ja Hr. v. Rüger gewiß in keiner
Weise die Zurschaustellung der säcisisdien
Museumsschatze fir die Allgemeinheit; aber sein
Verdienst als Pfleger und Hüter dieser Schätze
wird erst vollgültig, wenn er den Anregungen
sein Ohr schenkt und gegebenenfalles auch vor
der Bewilligung größerer Mittel nicht zurück-
schreckt, die Hr. v. Seidlitz in seiner mehr-
erwähnten Schrift gibt. Im Rahmen der dies-
jährigen Dresdner Kunstausstellung befindet sich
eine kleine Sonderausstellung, die den Titel
führt „Kunst und Kultur unter den sächsischen
Kurfürsten“; sie ist so etwas wie der Versuch
einer praktischen Ausführung der Seidlitzschen
Vorschläge, denn sie stellt in einer Anzahl von
Räumen Stilzimmer (Renaissance, Barock, Rokoko
und Zopf) dar. Freilich ist diese Ausstellung
und kann ja auch nicht mehr sein als ein Ver-
sudi. Hätte man mehr aus ihr machen wollen,
so hätte man für sie erstens weit größere und
auch mehr Räume zur Verfügung haben müssen,
und zweitens würden den Dresdner Museen,
wenn auch nur vorübergehend, mehr Besitz-
stücke haben entzogen werden müssen, als sich
mit der Öffentlichkeit dieser Museen vereinbaren
ließ. Trotzdem aber ist die Ausstellung ein
interessantes Beispiel für die Form, welche der
gewaltigen Schöpfung gegeben werden müßte,
an die Hr. v. Seidlitz denkt. Es wäre eine
Kulturtat von eminenter Bedeutung, wenn die
unermeBlichen Schätze, die in den sächsischen
Sammlungen heute z. T. so gut wie verborgen
ruhen, der Allgemeinheit des Volkes in Gestalt
eines Einheitsmuseums zugänglii gemacht
würden, wenn man, um noch einmal Hrn. v. Seid-
litz selbst reden zu lassen, in Zukunft ganz dar-
auf ausginge „den künstlerischen Wert der
einzelnen Stücke zu betonen und ins rechte
Licht zu setzen, also den Geschmacksstandpunkt
zur Geltung zu bringen gegenüber dem bloß
geschichtlichen oder einem sonstigen rein wissen-
schaftlichen; da in Sammlungen, welche nach
denletztgenannten Gesichtspunkten angelegt sind,
Unterschiede der angegebenen Art nur in unter-
geordnetem Maße berücksichtigt werden können.“
Ein erster Anfang zur Neuordnung der König-
lid Sächsischen Sammlungen ist schon heute
möglich, und zwar ohne daß dafür auch nur ein
Pfennig ausgegeben zu werden braucht: durch
Austausch von Kunstwerken zwischen den König-
lichen Museen und anderen staatlihen Samm-
lungen. Um an einem Beispiel das klar zu
machen: das Königl. Kunstgewerbemuseum zu
Dresden besitzt in seiner Porzellanabteilung u. a.
die einzigen noch vorhandenen Exemplare zweier
Kaendlerarbeiten: die beiden Gebälkträger zu
dem sogenannten Ehrentempel und die Gruppe
„der Triumphzug der Galathea“. Wie wertvoll
wären diese beiden kostbaren Stücke zur Er-
gänzung des Kaendleroeuvres in der Königl.
Porzellansammlung, deren Besitzstände gerade
an Kaendlerarbeiten überaus lückenhaft sind!
Ganz ähnlich liegen die Dinge zwischen dem
Königl. historischen Museum mit der Gewehr-
galerie und der Arsenalsammiung. Aud in
dieser befinden sich zahlreiche Stücke, die zur
Komplettierung der Bestände der erstgenannten
Sammlung von eminentem Werte wären. Nadh
der Erklärung des Ministers v. Rüger stehen
dem gegenseitigen Austausche solcher Kunst-
werke der Museen untereinander die Gesetze
über das Königlich Sächsische HausfideikommiB
entgegen. Aber es müßte doch wohl angängig
sein und würde ganz gewiß die Zustimmung
des Königs Friedrich August von Sachsen finden,
diese Gesetze dahin abzuändern, daB solche
Austausche in Zukunft möglich werden. Denn
es handelt sich hierbei ja nicht um einen Besitz-,
sondern nur um einen Ortswedhsel. wd.
8
HEIDELBERG ===
Die „Städtischen Sammlungen“. Heidel-
berg ist in die Reihe der Museumsorte getreten.
Nicht als ob es bisher der Stadt an Sammlungen
gefehlt hatte. Aber dieselben waren so un-
Rundschau 661
vorteilhaft und dabei zerstreut, in zum Teil
ungenügenden, zum Teil schwer zugänglichen
Räumen untergebracht, daß sie weder für das
Publikum noch für das Fachstudium ordentlich
zur Geltung kamen. Das meiste war jahrelang
in einem Notbau beherbergt worden, der im
unteren GeschoB des Otto-Heinrichbaues her-
gerichtet war. Hier aber hatte man fast den
Eindruc eines großen Kramladens, in dem Wert-
volles und Wertloses unübersehbar übereinander
gehäuft worden. Wurde dieses Museum von
den Besuchern des Schlosses immerhin bisweilen
mit besichtigt, so war anderes, wie z. B. die
sehr wertvolle Münzen- und Medaillensamm-
lung in einem verschlossenen Zimmer des Rat-
. hauses nur mit Mühen und Umständen zu-
ginglich. DaB Heidelberg außer seiner Schloß-
ruine, die man im Vorbeireisen zu besuchen
pflegt, auch noch einiges andere von kunst- und
kulturhistorisciem Interesse zu zeigen hat, dürfte
deshalb wenig bekannt sein, sogar unter den
Fachgenossen, ebenso wie unter den hiesigen
Studierenden, von denen mancher junge Kunst-
historiker es schon beklagt haben mag, dap hier
keine ordentlidie Sammlung irgendwelcher
Originale der Bildung des Auges zu Hilfe kam.
Das ist nun alles anders geworden. Die
Sammlungen sind jetzt vereinigt, durch eine be-
deutsame Stiftung um eine interessante Abteilung
bereichert, und an neuem Ort völlig neu und.
vorteilhaft aufgestellt worden. Ein kurzer Be-
richt möge an dieser Stelle den Fachgenossen
eine allgemeine Vorstellung geben von dem,
was sie bei erneuten Besuchen Heidelbergs —
manchen vielleicht zur Überraschung — hier jetzt
zu gewärtigen haben.
Schon allein das Sammlungsgebäude ist eine
Sehenswürdigkeit: ein köstliches Beispiel bürger-
licher Architektur vom Beginn des XVIII. Jahr-
hunderts, das bis vor kurzem in Privatbesitz und
deshalb audı der Allgemeinheit unzugänglich
gewesen war, und das, wohl erhalten, in der
Geschichte städtischer Baukunst mit Nachdruck
zu verzeichnen wäre. Es ist ein an der Haupt-
straße gelegenes Patrizierhaus vom Jahre 1709
mit einfach-vornehmer Fassade, hübschem Hof,
prächtigem Garten, und mit einer Anzahl reiz-
voll in Stuck und Malerei verzierter Zimmer, ja
größerer Säle, in denen jetzt besonders die
Sammlung Frankenthaler Porzellane ganz stim-
mungsecht wirkt. An- und Ausbauten haben
hinreidienden Raum zur Aufstellung der ver-
schiedenen Abteilungen geschaffen, ohne dem an
sich schon stattlihen und geräumigen Gebäude
von seinem altmodischen stilvoll anziehenden
Reiz zu nehmen.
Eine nicht unansehnliche Abteilung vereinigt
die Funde, welche zum größten Teil erst Er-
gebnisse der inden letzten Jahren in systematischer
Weise und unter fachkundiger Leitung veran-
stalteten Ausgrabungen auf Heidelberger Boden
sind: prähistorishe, frühgermanisde
(alamannische) und römische Gegenstände,
meist aus Gräbern, in größerer Anzahl, erweisen
die Heidelberger Gegend als Sitz uralter An-
siedlung seit der jüngeren Steinzeit. Der schon
früher gemachte Hauptfund aus römischer Zeit,
das berühmte „Neuenheimer Mithräum“ ist aller-
dings bloß in einem guten AbguB zu sehen; das
Original ist bekanntlich damals nach Karlsruhe
übertragen worden. — Im „Lapidarium“ reihen
sich an die römischen Grabmäler eine Anzahl
mittelalterlicher an.
Einen breiten Raum nehmen natürlich die
pfälzischen Altertiimer ein, Urkunden, kur-
fürstliche und andere Porträts, älteste Ausgaben
des Heidelberger Katechismus, auf die Geschichte
des Heidelberger Schlosses bezügliche Dinge,
Veduten und dergl. Unter den alten Heidelberger
Ansichten mag eine solde des Gerrit Berck -
Heyde erwähnt werden. Auch ein Porträt des
berühmten Perkeo von der Hand des kurfürst-
lichen Hofmalers Adriaen v.d. Werff soll nicht
vergessen werden. Eine von dem „Maler
Müller“ inÖl gemalte Darstellung des Neckartales
dürfte vor allem die Literarhistoriker interessieren.
In das bürgerliche und studentische Leben der
Stadt im XVIII. und XIX. Jahrhundert führen uns
zahlreihe „Heidelbergensia“. Den größten
Reiz unter ihnen übt entschieden ein wohl einzig
dastehendes kleines Kupferstichkabinet aus,
das aus einem anderen alten Hause vollständig
mit seinen hölzernen, mit Schnitzornamenten
versehenen Wandverkleidungen und den in die
letzteren als Schaustücke eingelassenen vielen
Stichen (meist von Wille und seiner Schule) in
die Sammlung als Ganzes übertragen worden
ist: ein kOstlihes „Museum“ im Stile Louis XVI.
eines HeidelbergerKunstliebhabers aus der zweiten
Hälfte des XVIII. Jahrhunderts, wie ich es derart
noch nirgendswo anders gesehen zu haben glaube,
wie es aber in jener klassischen Zeit des Kupfer-
stidisammelns geradezu typisch gewesensein muß.
Das Hauptinteresse aber nehmen wohl drei
Abteilungen in Anspruch. Die eine ist die köst-
lime Sammlung Frankenthaler Porzellans,
um die manches größere Museum neidisch sein
könnte. Die andere ist die numismatische Ab-
teilung, welche, vorzüglich aufgestellt, unter vielem
anderen eine wertvolle Reihe köstlicher Stücke
der Renaissance und späterer Zeit zur Geltung
kommen läßt. Inbezug auf ihr Spezialgebiet, die
pfälzisch-wittelsbadhidten Münzen und
Medaillen dürfte sie wohl bloß in der Münchener
662
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Sammlung eine Konkurrentin haben. Die dritte
dieser Abteilungen umfaßt eine Gemälde-
kollektion von ca. 150 Nummern, meist
niederländischer Stücke. Sie ist der Stadt
Heidelberg erst im vorigen Jahre durch eine
Stiftung zugefallen, war der mit Sammeleifer
zusammengebracte Besitz eines in Heidelberg
geborenen und in Rußland verstorbenen GroB-
industriellen und Kunstliebhabers, Ernst Carl
Louis Posselt gewesen und der Forschung bis-
lang wohl völlig unzugänglich und unbekannt
geblieben. Auf diese sei an dieser Stelle be-
sonders nachdrüklicdı aufmerksam gemacht, Es
sind keine erstklassigen Stücke, die sich darunter
finden, aber es ist im allgemeinen recht guter
Durchschnitt; vor allem Landschaften und Genre-
stücke des holländischen und vlämischen XVII.
Jahrhunderts, für dieForschung deshalbinteressant
und anziehend, weil sich eine ganze Anzahl von
Bildern darunter befindet, welche auf irgend eine
Weise merkwirdig sind, mit echten Signaturen
seltener Namen versehen, oder aber inbezug
auf ihre Zuschreibung an bestimmte Meister
noch rätselhaft.
Da ist z.B. eine Anzahl von für die Haarlemer
Landschaftsschule und Ruisdaels Umgebung nicht
unwichtigen Bilder; darunter signierte von Cor-
nelis Decker, Roelof Jansz van Vries,
Claes Molenaer; andere, nicht bezeichnete,
die vielleiht mit Recht Pieter Molyn und
Jan van der Meer zugeschrieben werden;
sowie ein anderes, besonders hübsches, das in
diesen Kreis zu zählen ist, Decker und Vries
näher stehend wie Hobbema, dessen gefälschte
Signatur es trägt. Unter van Goyens Namen
gehen, außer einem Schulbild, vier Stücke, davon
drei gewiß mit Recht, zwei mit Signaturen und
den Daten 1637 und 1655. Zwei reizende kleine
Rundbildchen, eine reichstaffierte Dorfstraße und
eine Landschaft mit Wasserfall, sind echte,
signierte und 1627 datierte Esaias van de
Velde. Der Amsterdamer Schule wohl näher-
stehend sind 2 etwas blasse aber doch ganz
feine Winterlandschaften mit Schlittschuhläutern,
welche beide mit einem Monogramm A. V.S.
versehen sind, die eine auBerdem mit der Jahres-
zahl 1632. Von einem ganz andern Mono-
grammisten P. v. S., der an die Antwerpener
Steenwijck und Neefs erinnert, rührt ein kleines,
ganz originelles Kircheninnere her mit dem
heiligen Hieronymus darin, 1629 datiert und sich
in der Ausführung und mit einem grauen Ton
von besonderer Nüance von den Bildern jener
Meister unterscheidend. Von den Marinemalern
ist Abraham Storck mit zwei Stücken ver-
treten. Unter den Stilleben ragt ein „Frühstücks-
tisch“ sehr hervor, dem Willem Kalff zuge-
schrieben, von köstlihem Kolorit. Andere tragen
Jan D. de Heems Signatur. Eines mit Spargel
und Artischoken, wohl etwas späteres, trägt den
mir sonst unbekannten Namen A. Coorte. Der
alte Pieter Potter hat zwei originelle Stilleben-
Interieurs signiert, ein Kücheninneres und ein
Stück einer Gelehrtenstube. Codde sehr nahe-
stehend, vielleiht von ihm selbst, sind eine
„vornehme Gesellschaft“ und das ganz kleine
Bildnis eines aufrecht stehenden vornehmenHerrn.
Als die kunsthistorishe „piece de resistance“
mag ein malerisch und koloristish sehr bedeu-
tendes Bild gelten, das vom Job Berck-Heyde
signiert ist, aus dessen früherer Zeit stammt und
mit seiner bekannten Darstellung von Frans Hals’
Atelier imHaarlemer Museum zu vergleichen wäre.
Es stellt auch eine Malerwerkstätte dar, ein in der
Tiefe sehr dunkles gotisches Gewölbe, in dessen
von links hereinströmendes Fensterlicht ein junger
Maler seine Staffelei gestellt hat neben einem
Tisch, auf dem ein paar wundervoll leuchtende
gelbe uud eidechsenfarbenschillernde Stoffe in
fascinierender und höchst delikater Art heraus-
schimmern aus dem tiefen warmen Goldbraun,
in dem das ganze Bild sonst gehalten ist. Es ist
ein für jene Zeit widitiges, ja bedeutendes Bild, wo
Frans Hals Schüler um sich sammelte und zugleich
Rembrandt's Einfluß sich bemerkbar macht. Außer
der niederländischen sind andere Schulen nur
ganz spärlich vertreten. Ichnennezweiinteressante
charakteristischeStücedesbizarren Alessandro
Magnasco; eine in den Farben und in der
Pinselführung sehr geistvolle Szene aus der
Legende eines Heiligen, die dem Guiseppe
Maria Crespi zugeschrieben wird; je ein Bild
aus den Werkstätten des Antonio Canaletto
und des Francesco Guardi, sowie allenfalls
noch eine bezeicinete und 1776 datierte große
aber etwas langweilige italienische Landschaft
mit Architekturen und Fischern von Joseph
Vernet.
Von kunsthistorish interessanten Dingen
außerhalb dieser Posseltschen Kollektion aus
dem früheren Besitz der städtischen Sammlung
mag etwa noch erinnert werden an die Cra-
nach-Porträts Luthers und seines Kurfürsten,
an ein leider ziemlich übermaltes Bildnis, das
entweder Friedrich L oder Philipp IV. von der
Pfalz darstellt, das von Valentiner einmal in
einem Aufsatz über eine Zeichnung des Haus-
buch-Meisters im Jahrbuch der preußischen
Kunstsammlungen in den Kreis dieses letzteren
gerückt worden ist; und etwa noch aus dem
Kreise der Plastiken auf einen Schnitzaltar aus
Riemenschneiders Nachfolge hingewiesen
werden. — Schließlich sei noch berichtet von
einem sehr köstlidien Geschenk, das der städti-
Rundschau
schen Sammlung erst vor wenigen Wochen von
privater Seite, den Nadıkommen des betreffenden
Künstlers, geworden ist: ein wirklicher kleiner
Schatz für jenen Teil der Kunstgeschichte, den
uns eigentlich erst die Jahrhundert-Ausstellung
recht durchleuchtet hat. Es ist ein umfangreiches
Album mit zahllosen Skizzen und Studien in
Bleistift und Farbe, das dem in Heidelberg ge-
borenen, leider zu früh, 1818, inRom verstorbenen
Karl Fohr gehört hat, und das uns in höchst
lebendiger Weise einführt in den Kreis deutscher
Künstler in Rom, welchem jener angehört hat.
Es enthält nicht bloß eigene Arbeiten dieses
Malers, sondern auch eine Menge von anderen
Händen, zum Teil bedeutende und kunstgeschicht-
lich wichtige, wie z. B. ein paar Skizzen und
Entwürfe von Peter Cornelius, sehr eigen-
artige Studien nach der Natur in Aquarell und
Kohle von Rottmann, und mandies nicht
unbedeutende von Fohrs Freunden A. Lucas
und C. Sandhas. Das interessanteste darin
sind aber vielleiht zahlreihe und köstliche
Porträtzeichnungen: eine ganze Galerie von
Bildnissen jenes Kreises, wie sie nirgendswo
sonst gesucht und zusammengefunden werden
kann. Da sehen wir, und zwar zumeist sehr
fein in der Charakteristik, u. a. Cornelius, die
beiden Shadow, Overbeck, Veit, Ram-
boux, Hod, Rohden, auch einige Nidt-
künstler wie Gervinus und Rücert. Das
Ganze wäre entschieden wert, als wichtiges
Dokument des künstlerischen Lebens jener Tage
vollständig publiziert zu werden, — ein Wunsch,
den zu erfüllen, der Schreiber dieser Zeilen sich
bemühen will. Alfred Peltzer.
KÖLN
Das Erbe Aldenhovens, der Direktorposten
am Museum Wallraf-Richartz, ist endlich ver-
geben worden. Dr. A. Hagelstange, bisher
in Magdeburg, ist zum ersten Direktor ernannt
worden und soll den Gemälden und dem Kupfer-
stichkabinett vorstehen; Dr. Poppelreuter, der
wohlverdiente langjahrige Assistent Aldenhovens,
wird als zweiter Direktor die Plastik und die
römischen Altertiimer verwalten. So haben es
die Stadtväter in der Sitzung vom 16. Juli be-
schlossen.
Wer die Kölner Verhältnisse kennt, den kann
die endgültige Lösung der brennenden Museums-
frage nicht überraschen, und leider muB es ge-
sagt werden: Diesmal hat die Politik entschieden.
Herr Dr. Hagelstange, der seine Laufbahn am Ger-
manischen Museum begonnen hat, verdankt
663
seine Berufung der Kölner Zentrumspartei. In-
wieweit der neue Direktor die wissenschaftliche
Befähigung mitbringt, einem großen, bedeuten-
den Museum vorzustehen, wie weit er im be-
sonderen berufen ist, eine so ausgesprochen
lokalhistorische Sammlung zu leiten, wie sie das
Kölner Museum mit seiner rheinischen Maler-
schule darstellt, ist eine Frage, die heute nicht
entsciieden werden kann. Eine traurige Tat-
sache bleibt es, zu sehen, wie vor allem die Kon-
fession diesmal den Ausschlag gegeben hat.
Denn soviel wissen wir bestimmt, wenn es sich
allein darum gehandelt hätte, einen wissenschaft-
lich hervorragend befähigten Museumsleiter für
Köln ausfindig zu machen, wäre die Wahl anders
ausgefallen.
So ist also die neue Wahl im eigentlichen
Sinne eine Reaktion auf die Ara des „freisinnigen“
Aldenhoven, der s. Z. die Berufung nur einem
höheren Machtwort verdankt hat und dem die
Katholiken Kölns nie wohlgesinnt waren. Das
ist vielleicht auch eine Erklärung, warum Alden-
hoven so wenig für sein Museum hat tun können.
Wie jetzt die Verhältnisse in Köln liegen,
sehen wir freilich keine Besserung für die Zu-
kunft. Schon die Zweiteilung des Direktorpostens
bedeutet mehr eine Gefahr für die Entwicklung
der Sammlung denn einen Vorteil. Wohlmeinende
Kunstfreunde und die besten der Gelehrten hatten
noch bis zur letzten Stunde gehofft, Dr. Poppel-
reuter, dessen wissenschaftliche Verdienste an-
erkannt werden dürfen, zum alleinigen Direk-
tor des Wallraf-Rihartz-Museums berufen zu
sehen. Auf ihn hatte sich die liberale Partei
geeinigt. In Dr. Poppelreuter hätte das Museum
wenigstens einen Leiter bekommen, der mit den
schwierigen lokalen Verhältnissen von Grund aus
vertraut ist, der — einmal an die Spitze der
Sammlung gestellt — eine segensreiche Initiative
entfaltet haben würde. Es mag darum immerhin
ein Trost sein, daB er wenigstens zweiter
Direktor wurde.
In der Entwicklung seines städtischen Mu-
seums ist Köln seit langem hinter anderen
Städten zurückgeblieben. Das weiB jeder Ein-
siditige. Eine Persönlichkeit hätte da allein
Wandlung schaffen können, wie es Otto von
Falke auf anderem Gebiete schlagend bewiesen
hat. Während das Wallraf-Richartz-Museum
seinen Winterschlaf schlief, gelang es diesem
hervorragenden Museumsleiter und Gelehrten,
eine wirklich neuzeitlite Schöpfung auf die
Beine zu stellen und den Kölnern eine Samm-
lung zusammenzubringen, die heute nach Quali-
tat und Technik zu den ersten in Deutsch-
land zählt. Es gab einen Moment nadi dem
Tode Aldenhovens, wo man hoffte, Otto v. Falke
664
wiirde zugleich auch die Oberleitung des Wall-
raf-Richartz-Museums bekommen. — Die Hoff-
nung hat sich nicht nur nicht erfüllt, im Gegen-
teil, Otto v. Falke ist nach Berlin gegangen.
Nachdem nun auch für das Wallraf-Richartz-
Museum die Entscheidung gefallen ist, haben
wir mehr denn je Grund, Köln um seine kurz-
sichtige Engherzigkeit zu bemitleiden. Für die
Wissenschaft aber verdient. dieser „Fall“ be-
sonders festgenagelt zu werden. Kunsthistoriker
haben am Rhein eine Zukunft, wenn sie sich nur
der Gunst einer bestimmten Partei erfreuen. Mag
dieser Standpunkt bei der Berufung von Theo-
logen wohl erklärlid sein, für unsere Wissen-
schaft bedeutet er eines der traurigsten Zeit-
symptome. Um Falsifikate von echten Werken
zu unterscheiden, um die Bedürfnisse nach
lebendiger Geisteskultur zu begreifen, braucht
man, unabhängig von der persönlichen Welt-
anschauung, allein Spezialkenntnisse und ein
starkes, großes und freies Gefühl für Schönheit
und Kunst.
8
MONCHEN
Die Antiquitäten auf der Ausstellung
München 1908.
Die Ausstellung München 1908, die nicht nur
alles zeigen will, was München heute schafft,
sondern audi über den Stand des Münchener
Handels belehren, mußte auch eine Darstellung
des Münchener Antiquitätenhandels bieten. Dies
geschieht in vier Sälen, dem Ausstellungssaale
eines Antiquitätenhändiers, dem Sammlungs-
raume eines Privaten, einem Bücher- und Kunst-
kabinett und einem Louis- XVI - Raum mit
Vitrinengegenständen.
Vertreten sind 18 Firmen, darunter die ersten
Münchens und jene Namen, die mit der Geschichte
des Münchener Antiquitätenhandels verbunden
sind. Als vor 70 Jahren A. S. Drey in der
SalvatorstraBe das erste eigentliche Antiquitäten-
geschäft größeren Stils in München begründete,
konnte niemand eine so rasche und mächtige
Entwicklung dieses Handelsgebietes voraussehen.
Anfang der sechziger Jahre gründete Heinrich
Hirsch, der Onkel des Numismatikers Dr. Jakob
Hirsch, die erste Münzhandlung, fast gleichzeitig
wurde durch den Vater der Brüder Ludwig und
Jacques Rosenthal die erste namhafte Buch-
antiquariatshandlung eröffnet. Anfang der
siebenziger Jahre zweigte sich die Firma J. Drey
jun. von dem Stammhause ab, und seit 1880
begann Julius Böhler aus kleinen Anfängen
sein Geschäft zu der heutigen Weltfirma zu
Monatshefte für Kunstwissenschaft
entwickeln. Seitdem ist noch manches Haus
begründet worden und manches ältere zu wadh-
sendem Ansehen gelangt. Heute ist München
der größte und beste Antiquitätenmarkt Deutsch-
lands und — dank der Tätigkeit Hugo Helbings
— audi die erste Auktionsstadt des Reiches.
Der Obmann der diesjährigen Kollektiv-
ausstellung, Siegfried Drey, hat es mit Takt und
Umsicht verstanden, die besten Kräfte zu ver-
einen, und die 18 Aussteller haben mehrmonat-
lite Unverkduflichhkeit ihrer Objekte, die
Schmälerung ihres Lagers in der Stadt und
schließlich eine scharfe Kritik nicht gescheut, um
die Ausstellung zu ermöglichen. Kritik aber
braudit die Ausstellung tatsächli nicht zu
scheuen, denn getreu dem Grundsatze der ganzen
Münchener Ausstellung, daß „alles von der echt
modernen Gesinnung der Sachlichkeit, Ehrlich-
keit und Zuverlässigkeit zeugen“ solle, eine
Gesinnung, die sich bis auf die Aufschriften an
den Objekten zu erstrecken hat, ist diese Anti-
quitätenausstellung von einer erfreulichen Rein-
heit des Gesamteindruckes wie aller Einzelheiten.
Die architektonische Leitung hatte Karl Sattler,
die künstlerische Professor Benno Becker inne.
Nirgends Unruhe und Überfüllung, wenige —
etwa 400 — Objekte, aber von durchweg er-
heblicher Qualität. Dem Obmanne stand eine
aus Künstlern, Kunstgelehrten und Kunstfreunden
gebildete Jury zur Seite, die ihres Amtes, unter-
stützt vom guten Willen aller Aussteller, ge-
wissenhaft waltete.
Ersten Ranges sind die von A.S. Drey aus-
gestellten: Bronzen und Silbergeräte. Für eine
feine, frühe Holzstatue wollen wir hier nicht
noch eigens Propaganda machen, da sie schon
längst in bayerischen Museumsbesitz über-
gegangen sein sollte. Gleichfalls Vorzügliches
gibt Julius Böhler auf denselben Gebieten, dazu
eine schöne Madonna von Riemenschneider und
gute Gemälde, unter denen Bildnisse von
Bor:one und Marco Basaiti besonders auffallen.
Ausgezeichnet sind die von Siegfried Lämmle
ausgestellten Holzskulpturen; ein St. Michael der
Frau Wilhelm Böhler dürfte trotz mancher
rheinischen Züge doch wohl siiddeutsche Arbeit
sein. Weisenbecks bemalter fränkischer Altar-
flügel von 1475 zeigt einen edel empfundenen
Christus am Kreuz; zum Schmuck der Wände
und zur Ermöglichung einer zwanglosen Auf-
stellung tragen die Wandteppiche und Möbel
von Bernheimer und Steinharter wesentlich bei.
Ein unteritalisches reich geschnitztes Chorgestühl,
von dessen 23 Sitzen A. S. Drey 7 ausgestellt
hat, scheint bis auf unwesentliche Ergänzungen
original zu sein, der Nautilusbecher des Nürn-
berger Meisters Thomas Stör, den J. Drey jun.
Rundschau
665
ausstellt, gehört zum besten, was derart über-
haupt im Handel ist. Einige wenig bedeutende
Antiken hat Dr. Jakob Hirsch geliefert, dazu —
ebenso wie Dr. Eugen Merzbacher — eine Anzahl
gewählter Münzen und Medaillen. Das Buch-
antiquariat ist durch Handschriften und Miniaturen,
frühe Drucke, Kunstblätter und Einbände ver-
treten, die von den Firmen Lud. und Jacques
Rosenthal, Halle und Heß überlassen wurden.
Dap trotz aller Vorsicht und Kritik sich doch
audi einzelne nicht ganz einwandfreie Gegen-
stände mit eingeschlihen haben, ist bei der ge~
ringen für Ausstellungen dieser Art zur Ver-
fügung stehenden Zeit kaum zu verübeln und
soll die Freude am gelungenen Ganzen nicht
schmälern. So dürfte ein als burgundisch XV.
Jahrhundert bezeichneter Wandteppich wohl eher
Pariser Arbeit im Stil des XV. Jahrhunderts sein,
während man einem großen figurenreichen
Wandteppich des ersten Saales nicht auf die
Füße schauen darf. Ein merkwürdig dona-
tellesker Johanneskopf wird wohl Bastianinis
Meisterhand entstammen, während anderwärts
ein dürftig Silberschifflein Rosenauscher Prove-
nienz unter dem stolzen Namen Cornelius Linck
segelt. Auch die von kleineren Firmen aus-
gestellten Porzellane hätten strengerer Sichtung
bedurft.
Für alle Einzelheiten müssen wir auf den
durch 64 Abbildungen illustrierten Katalog ver-
weisen, der Bruckmanns Opferwilligkeit verdankt
wird, und der unter der Redaktion von Fach-
männern noch manchen Optimismus milde
retuschiert, der hie und da aus den Beschriftungen
der Objekte spricht.
BUDAPEST
Museum der Bildenden Künste.!) Die
erste Hälfte des Jahres 1908 brachte der Galerie
alter Meister große Bereicherung. Man urteilt,
meines Erachtens, nicht zu kühn, wenn man kon-
statiert, daB in der Förderung der Sache der Kunst
in Ungarn ein günstiger Umschwung eingetreten
ist. Der Staat war, bis in die jüngste Zeit
hinein, beinahe die einzige Pfiegerin der bilden-
den Künste und infolgedessen fehlte es leider
nicht an Fällen, wo der natürlidıe Gang der
Dinge nicht respektiert und die Parole von oben
her ausgegeben wurde. Die Aufmerksamkeit
der leitenden Kreise wendete sidı hauptsächlich
der modernen Kunst zu. Das Resultat ihrer
1) Vergl. hierzu den Spezialartikel über die spanischen
Bilder des Museums in Heft 6.
Aktion war manchmal von fraglichem Wert. Es
entstand eine übermäßige Produktion und der
unvorbereitet eingesetzte forcierte Kultus natio-
naler Momente brachte oft ungenieBbare Früchte.
Alte Bilder wurden, bis auf die Auktion der
Sammlung Somzée (1904), kaum gekauft. Das
Verlangen nach dem Studium der Meister der
Vergangenheit war weder in Kiinstlerkreisen,
nodi beim Publikum lebhaft.
Die Bestrebung nach einer Anderung der
Lage ging vom Museum der Bildenden Künste
selbst aus und die Opferwilligkeit einiger edler
Liebhaber lieB dann auch nicht auf sich warten.
Die Reihe der seit anderthalb Jahren rasch auf-
einander folgenden Geschenke begann mit den
drei Bildern: Gräfin Manfred beschenkt die
Familie des heimkehrenden Kriegers von Thomas
Stotthard, Allegorie — nach Furini — von einem
Unbekannten (William Etty (?), ausgestellt unter
dem Namen George Romney), Schiffbrudı von
John Wilson (?), welche Herr Friedrich Glück
der Galerie verehrt hat. Herr Marcell Nemes
bereicherte dann die Sammlung, teils noch im
vorigen Jahre, aber zumeist in den letzten
Monaten, mit einer ganzen Gruppe interessanter
Kunstwerke. Seiner Großmütigkeit verdanken
wir die Gemälde: Männliches Bildnis von Fra
Vittore Ghislandi, Tobias und der Engel von
einem unbekannten Niederländer aus dem XVII.
Jahrhundert, das Bildnis eines Mannes von einem
unbekannten Meister der Schule von Toledo und
vier Stilleben — Früdite und Tiere — von Jakob
Bogdany, einem, seiner Geburt nach, ungarischen,
im Stile Hondecoeters arbeitenden Künstler.
(t 1724. Seine Biographie von Gabriel v. Térey
in Vorbereitung.) Graf Johann Nep.Zichy schenkte
dem Museum eine Madonna mit Heiligen von
Lorenzo diBicci(?) und Baron Richard Hammer-
stein das Bildnis eines Jünglings von einem Nadı-
folger Bellinis. Herr Josef v. Matsvänszky stiftete
der alten Galerie aus seiner reihen Sammlung 15
interessante Gemälde, darunter: Alexander de
Keirincx — Waldige Landschaft, Johann van
Boeckhorst — Christus als Gärtner, Gillis Honde-
coeter — Tierstück, John (old) Crome — Mühle,
Matthäus Gundelah — Fortuna, Isaak van
Ostade — Bauernstube, Cornelis Bega —
Trinkende Frau, Johannes Lingelbach — Hafen,
Pieter Meulenaer — Schlacht, Quirin Brekelen-
kam — Eremit, Anthonis Waterlo — Waldland-
schaft, Carel du Jardin — Auf der Straße.
Das Unterrichtsministerium tat unterdessen
auch das seinige und stellte, dem guten Rate
nachkommend, der Direktion größere Summen
zur Verfügung. Auf diese Weise wurden er-
möglicht, seit dem Erscheinen des neuesten
Katalogs von 1906, die Erwerbung folgender
666
Werke: Landschaft von Hobbema aus der Samm-
lung Königswarter, das Bildnis der Barbara
Murchison von S. Henry Reaburn (von P. u.
D. Colnaghi) und des Ch. Hotchkiss von Thomas
Gainsborough (von A. Shirley), die Stilleben von
Abraham varı Beijeren (gekauft von M. Nemes),
Daniel Seghers (von J. Goudsticker), Jan Davidsz
de Heem, Abraham Mignon, Jan van de Velde
(erworben auf der Auktion Sedelmeyer), J. Bog-
dany (3Stücke vonL.D.Strelitskie und eins von
Rev. Marsden), Tobias Stranower (eins von
Strelitskie und eins von Goudsticker) und eine
Bauernunterhaltung von Jan Lys (gekauft von
Miethke).
Das größte Resultat der schönen Aktion, bei
der Abteilungsdirektor Gabriel v. Térey sich
besondere Verdienste erwarb, war die Ergänzung
der spanischen Kollektion des Museums durch
die drei Stücke: Pedro Sanchez — Grablegung,
Domenico Theotocopuli el Greco — Der eng-
lishe Gruß und Francisco de Goya — Das
Bildnis der Doña Céan Bermudez, denen, noch
im Jahre 1906, das Bildnis des Marques de
Caballero von Goya (1807, aus spanischemPrivat-
besitz) voranging.
Die Grablegung von Sanchez (gekauft von
Alban Head), ein ziemlich verstümmeltes, auf
neues Holz aufgetragenes Tafelbild, repräsentiert
sehr gut den Anfangszustand der unter starkem
niederländischen EinfluB stehenden spanischen
Malerei. Komposition und Typen sind direkt
von nordischen Vorbildern genommen. Die
Zeichnung oberfläclid hart, der modellierende
Ton dick braun.
Grecos Annunciation ist eine umgearbeitete
Wiederholung des Bildes in der Kirche San
Nicoläs zu Toledo und stammt aus dem Besitze
des Malers Ignacio Zuloaga. Sie ist kühn und
frei komponiert, mit frappanter Unmittelbarkeit
gemalt und in lichten Tönen gehalten. Die kühle
und dodi tiefe Modellierung bringt die Fein-
heiten der zarten, in gelbe, graublaue und violette
Umgebung gestellten Körper vorzüglid zur
Geltung.
Goyas Bermudez wurde von Miethke gekauft
und ist aus den durch ihn und Cassierer in Wien
und Berlin veranstalteten Ausstellungen auch
weiteren Kreisen bekannt. Sie zieht den Be-
Schauer mit unüberwindlicher Gewalt an. Die
grün und weiB gekleidete, seidenshimmernde
Figur der Dargestellten steigt aus dem ent-
sprechenden neutralen Hintergrund wie aus einer
mystischen Umgebung empor und das mit leichtem
Pinsel modellierte rosige Gesicht dominiert ent-
schieden das ganzeWerk. Die glühenden dunklen
Augen und der fein bewegte Mund üben eine
Monatshefte für Kunstwissenschaft
durchdringende unvergeBliche Wirkung aus. Das
wunderbare Bildnis ist das vierte Werk, das
nun das Museum der bildenden Künste von
seinem Schöpfer besitzt. Es wurde um 17%
gemalt und atmet noch ganz den Geist des
Roccoco. Dr. Zoltan v. Takacs.
8
FLORENZ
Die von dem jetzigen Generaldirektor der
italienishen Kunstverwaltung Corrado Ricci,
dem Italien so viel auf dem Gebiete der Orga-
nisation seiner gewaltigen Denkmalspflege ver-
dankt, vor einigen Jahren wieder aufgenommene
Tradition, die Loggia dei Lanzi am Festtage
von San Giovanni, dem Stadtheiligen von
Florenz, mit Gobelins zu sdımücken, ist auch
in diesem Jahre beibehalten worden. Es kam
eine komplette Serie von sieben Teppichen mit
Darstellungen aus dem Leben der Königin Esther
zur Ausstellung. Die Kartons zu diesen Gobelins
sind von De Troy in den Jahren 1737—1740 ge-
malt worden, zum Teil also in Rom, da De Troy
seit 1738 Direktor der französischen Akademie
in Rom war, und werden im Louvre aufbewahrt.
Ausgeführt wurden sie in der französischen
Gobelin-Manufaktur von Audran in den Jahren
1738—1745; die Serie existiert in mehreren Exem-
plaren.
Die malerische und viel gemalte Wirkung des
Ponte Vecchio ist im Laufe der letzten Jahr-
zehnte durch eine Reihe von Umbauten der auf
ihm liegenden Goldschmiedeläden und -werk-
stätten, welche ihre Bequemlichkeit und ihr gutes
Licht nicht einer ästhetishen Wirkung opfern
wollten, einigermassen beeinträchtigt worden.
Man mußte sich sagen, daB noch ein paar solcher
modernen glatten Umbauten den Charakter des
Ponte Vecchio endgültig verderben würden. Eben
sind nun wiederum solche Umbauarbeiten in An-
griff genommen und haben diesmal die Wirkung
gehabt, daß in der Öffentlichkeit dagegen pro-
testiert wird. Hoffentlid wird dieser Protest,
dem wir uns von Herzen anschließen, Erfolg
haben.
Die Stelle eines Direktors des Floren-
tiner Staats-Ardivs, welche durch den Tod
des hodiverdienten Alessandro Gherardi im Früh-
jahr vakant geworden war, ist durch die Er-
nennung des Prof. Demetrio Marzi wieder be-
setzt worden.
Am 1. August beginnen in Florenz Univer-
sitäts-Sommerkurse für italienische Sprache
und Literatur, Dante-Literatur, Geschichte von
Rundschau
667
Florenz und Kunstgeschichte. Als Ergänzung
der Vorlesungen sollen Exkursionen statt-
finden.
Es wird geplant im Jahre 1911 in Florenz
eine Porträt-Ausstellung zu veranstalten,
in welcher namentlich der Privatbesitz und der
Besitz kleiner und entlegener Kommunen von
ganz Italien herangezogen werden soll. Zeitlich
soll sie vom Ende des XVI. Jahrhunderts bis zum
Jahre 1861 sich erstrecken und somit die Por-
trätiesten der wenig beachteten Jahrhunderte der
italienischen Kunstübung bekannter machen.
Im Februar dieses Jahres ist von der italie-
nischen Deputiertenkammer das Gesetz ange-
nommen, durch welches die Verwaltung des
italienischen nicht staatlihen Kunstbesitzes
geregelt wird. Es hat zum Zweck, die Ausfuhr
von bedeutenden Kunstwerken möglichst ganz
zu verhindern, indem dem Staat ein Vorkaufs-
recht und sehr günstige Zahlungsbedingungen
eingeräumt werden. Das Gesetz ist nun bisher
vom Senat noch nicht diskutiert und ange-
nommen worden und wird in dieser Session
auch nicht mehr diskutiert werden. Infolgedessen
hat das Gesetz vom 12. Juni 1902, welches die
Materie sehr lückenhaft regelt, wieder für ein
Jahr verlängert werden müssen, und damit ist
auch die Möglichkeit des heimlichen Kunst-
exportes, dem mit dem bestehenden Gesetz
juristisch nicht beizukommen war, ebenfalls um
ein Jahr verlängert. Von Florenz aus regt sich
nun eine sehr scharfe Agitation gegen die
Saumseligkeit des Senats und man deutet an,
daß die Interessen einiger der großen Herren,
welche ihren Kunstbesitz unter freier Verkaufs-
möglichkeit belassen wollen, die Hinziehungs-
politik des Senats bestimmt habe. Der Depu-
tierte von Florenz, Giovanni Rosadi, der in
den Kunstangelegenheiten im Parlament durch
große Energie hervorragt, ist namentlich in
dieser Agitation gegen den Senat mit einer
äußerst scharfen Sprache hervorgetreten. Ihm
hat sich die Associazione per la difesa di
Firenze antica, weldıer eine Reihe der her-
vorragendsten Männer von Florenz angehört,
ebenfalls angeschlossen.
Dem gewaltigen Plane einer Vereinigung
der Florentiner Museen im Gebäude der
Uffizien, über welchen in Nr.5, S.452 dieser
Zeitschrift berichtet worden ist und welcher bei
seiner Mitteilung an die Offentlicikeit durch die
Autorität und Macht der ihn vertretenden Männer
gesichert zu seinschien, habensich jetzt Schwierig-
keiten entgengestellt, die voraussichtlich sein
Scheitern bewirken werden. Diese Schwierig-
keiten liegen in der für das Florentiner Staats-
Archiv notwendigen Ausdehnung der Räume. Die
450000 Bände und 140000 einzeln aufbewahrten
Pergamenthandschriften nehmen in 230 Zimmern
im ganzen etwa 20000 Quadratmeter Bücherge-
stellfront ein. In dem gegenwärtig vom Museo
Archeologico benutzten Gebäude der Crocetta
ist nun soviel Platz selbst dann nicht aufzu-
treiben, wenn das dazu gehörige freie Areal
vollständig bebaut werden würde. So dürfte
denn alles beim Alten bleiben.
Denjenigen, welche die alten Zustände in der
Florentiner Biblioteca Nazionale mit der
von ihrem jetzigen Direktor Morpurgo ge-
schaffenen glänzenden Organisation des Dienstes
vergleichen konnten, werden mit Bedauern ver-
nehmen, daB dieser seinen Posten aufgibt. Die
eiserne Disziplin, welche er dem Personal aufer-
legte und deren Wirkung jeder Benutzer wohl-
tätig spürte, hatte ihm schon vor einiger Zeit
Schwierigkeiten aufgeladen und seine Rücktritts-
absiht wurde damals nur durch das einmütige
Eintreten der ganzen geistigen Welt von Florenz
für ihnwieder abgewendet. Jetzt soll seinbaldiges
Ausscheiden in Kürze erfolgen.
Die sieben Säle des Palazzo Vecchio in
Florenz, welche als Ganzes das Quartiere
degli Elementi heißen und welche von Jacopo
Salviati, Giovanni da Udine nnd Giorgio Vasari
dekoriert sind, sollen von den sie innehabenden
Finanzbureaus geräumt und öffentlich zugäng-
lich gemadit werden. Der Bestand an moder-
nen Gemälden, weldie die Kommune besitzt,
soll darin untergebracht werden. A. G.
9
ROM
In einer der letzten Sitzungen der italienischen
Kammer wurde zum sechsten Male das Gesetz
vom 27. Juni 1903 über den Export von Alter-
tiimern wieder fiir die Dauer eines Jahres ver-
langert. Dieses Provisorium wurde nötig, weil
das neue von der Kammer vor etwa einem
halben Jahre beschlossene sehr radikale protek-
tionistische Gesetz bis jetzt vom Senate nicht
beraten wurde und auch hödhstwalırscheinlich
keine Aussicht hat, angenommen zu werden.
Es war vorauszusehen, daß der konservative
Senat einen so grundstürzenden, fast alle Privat-
rechte so ziemlich aufhebenden Gesetzentwurf
nicht annehmen werde. —
Die Gemeinde Rom hat für die kapitolinischen
Sammlungen eine eben gefundene wichtige
antike lateinische Bronzeinschrift um den Preis
von 12001. erworben. Sie enthält die Aufzäh-
lung der Belohnungen, weldie Cnaeus Pom-
668
peius Strabo als siegreicher Führer des römischen
Heeres im Picenerlande (90 v. Chr.) im Lager
bei Ascoli einem Teile seiner Truppen zukom-
men Dep, Viele Namen der römischen Hilfs-
truppen sind in der Inschrift erwähnt, insbe-
sondere sind die militärischen Auszeichnungen
für eine Eskadron von dreißig aus Spanien
rekrutierten Reitern, wahrscheinlich Afrikanern,
aufgeführt. Ebenso einige Paragraphe der be-
rühmten lex Julia, welche den treugebliebenen
Bewohnern der insurgierten Landteile das römi-
sche Bürgerrecht konzedierte. Das wichtige Do-
kument wird von Professor G. Gatti im nächsten
Hefte des Bollettino comunale mit ausführlidiem
Kommentar publiziert werden.
Ludwig Pollak.
8
PARIS
Das Louvre hat eine außerordentlich wichtige
Erwerbung gemacht in einem Porträt einer älteren
Frau von Hans Memling, das zum Preise von
200 000 Franken bei dem Kunsthändler Klein-
berger gekauft wurde. Dieses Porträt war
auf der Ausstellung der vlämischen Primitiven
zu Brügge 1902 ausgestellt (No. 71. Abbildung
bei Henri Hymans, l'Expos. d. prim. flam. p. 57).
Das Kaiser Friedrih-Museum besitzt ein männ-
liches Porträt, das allgemein für das Gegen-
stück des vom Louvre erworbenen gilt. Es ist
dieses Stück eine wertvolle Ergänzung der sedıs
schon im Louvre befindlichen Werke Memlings,
unter denen sich bisher kein Porträt befand. —
Unaufhörlih arbeitet man daran, die Schätze
dieses fast unübersehbaren Museums durch Neu-
ordnungen besser zur Schau zu stellen. Nach-
dem vor kurzem die griechischen Skulpturen
neuaufgestellt wurden, sind nunmehr die puni-
schen, jüdischen und palmyrenischen Altertiimer,
die bisher zum Teil überhaupt nicht zugänglich
waren, in den hinter den assyrischen Sälen
liegenden Räumen zur Aufstellung gebracht
worden.
Einen reichen Zuwacs haben die Samm-
lungen der Stadt Paris erfahren, die im Petit
Palais untergebracht sind. Wie bei so vielen
offiziellen Sammlungen moderner Bilder werden
aus den Fonds des Museums nur wenige auf
die Dauer wertvolle Stücke erworben, die Schen-
kungen intelligenter Amateure müssen das wie-
der gut machen, was die über den schönen
Künsten waltende vierte Kommission des Pariser
Stadtrates angerichtet hat. So hat dieser Tage
ein großer, ungenannt bleiben wollender Kunst-
liebhaber der Stadt Paris eine Anzahl wert-
Monatshefte für Kunstwissenschaft
voller Bilder und Skulpturen geschenkt: eine
Mondstimmung in Dordrecht von Jongkind, ein
Seinebild von Lépine, ,Holzsäger“ von Sisley,
„schottische Schiffer‘ von Raffaélli und „die
Schwäne“ von Gaston Latouche. Dazu zehn
Tierbronzen von Barye.
Das Kupferstichkabinett in der Bibliotheque
Nationale erhielt das gesamte lithographische
Werk Whistlers von dessen Testamentsvoll-
streckerin überwiesen, das Musée des Arts
Decoratifs, von dessen interessanter Theateraus-
stellung wir berichteten, hat als Geschenk von
dem General de Beylié einen Teil der in der
Kaala der Beni-Hammed (Algerien, Provinz Con-
stantine) im Frühjahre 1908 ausgegrabenen Frag-
mente von Marmor, Stuck und Keramik er-
halten, die interessante Aufschlüsse über die
Alteste arabische Zivilisation in Nordafrika geben.
Der weitaus größere Teil der Funde ist im
Museum von Algier verblieben.
Vielleiht wird Paris ein neues wertvolles
Museum erhalten, wenn sich eine von der
Brüsseler „Art Moderne“ veròffentlihte Nadh-
richt bestätigen sollte. An der Ecke der Avenue
du Bois und der Avenue Malakoff liegen sich
zwei melancholische Paläste gegenüber: das ver-
träumte Hotel des zu Beginn dieses Jahres ver-
storbenen Sammlers Camille Groult und die
üppige Kopie des großen Trianon, das von dem
durch seine Scheidung allzu bekannt gewordenen
Ehepaare Boni de Castellane und Clara Gould
gebaut und bewohnt worden war. Es verlautet
jetzt, daß die Witwe des großen Sammlers
wegen der Erwerbung dieses „groBen Trianon“
in Unterhandlung stehen soll, das einen aus-
gezeichneten Rahmen für die Sammlung Groult
abgeben würde, da diese das Hauptgewicht auf
das achtzehnte Jahrhundert gelegt hatte (vgl.
M. f. K. No.1, S. 81). Eine Bestätigung dieses
Gerüchtes bleibt natürlich abzuwarten.
In Lyon befindet sich ein wichtiges histo-
rishes Museum der Textilkunst, das die Ge-
schichte der Seidenindustrie erzählt und zugleich
dieser Industrie durch seine Sammlungen fremd-
ländischer und alter Stoffe viele Anregungen
gegeben hat. Das Museum ist jetzt durch eine
Verfügung des Unterrichtsministers zum „histo-
rishen Monument“ erklärt worden und genießt
dadurch in Zukunft einer besonderen Förderung
durch die Regierung.
Die Freunde der altertimlichen Bauten
Frankreidis haben der Kommission der Mo-
numents historiques die Gefahr signalisiert, der
das aus dem achtzehnten Jahrhundert stammende
Prämonstratenserkloster in Pont a Mousson aus-
gesetzt ist, das der Militärverwaltung zu Kaser-
nierungszwecen ausgeliefert werden soll. Un-
Rundschau
669
begreiflicherweise ist dieses hochinteressante
Bauwerk bisher nicht als historisches Denkmal
inventarisiert worden. In Paris sieht man mit
Trauer, wie nach der Trennung von Kirche und
Staat ein stiller verschwiegener Klostergarten
nach dem andern mit seinen hohen alten Bäumen
parzelliert und zerstört wird, um gleichgültigen
Mietskasernen Platz zu machen. Auch auf dem
Montmartre wird es nicht mehr lange dauern,
bis all die kleinen Häuschen und traulichen
Gärtchen der Bauspekulation zum Opfer ge-
fallen sind; dieser Tage ist, wie die Gazette de
l'Hotel Drouot berichtet, das Grundstück der
alten von dem Grafen von Artois, dem späteren
Ludwig XVIII., begründeten Porzellanmanufaktur
von Clignancourt oben in der rue du Mont-
Cenis an einen Bauunternehmer verkauft worden.
Melancholish mutet es uns an, die Bilder des
Paris aus der Romantikerzeit zu sehen,
die der Conservator der Bibliothek der Stadt
Paris, Marcel Poöte, in den Räumen seines In-
stituts veranstaltet hat. Wie viele von diesen
intimen Stadtbildern sind heute dem „Fortschritt“
zum Opfer gefallen!
Unter den Ausstellungen moderner Kunst ist
eine Vorführung des Gesamtwerkes von Gaston
Latouche in der Galerie Georges Petit be-
sonders hervorzuheben, Latouche hat zwei
Quellen der Inspiration: das adıtzehnte Jahr-
hundert und die formalen Eroberungen des Im-
pressionismus. Seine Kunst schneidet nicht die
tiefsten Probleme an, man kann sich nicht ver-
hehlen, daB nicht selten seine Gewandtheit all-
zugroB ist, und doch spricht seine Kunst an, da
sie der Ausdruck der Kultur des eleganten Paris
vom Beginne des zwanzigsten Jahrhunderts ist,
das vielleiht mit Recht noch bis heute unter
dem Zauber des Rokkoko steht. Sein Liebling
ist Chardin, er übernimmt von ihm das Motiv
Affen als Zerrbild menschlicher Gestalt und
menschlimen Lebens, doch in seinen Interieurs
zeigt er zugleich, wie persönlich er den Meister
des XVIII. Jahrhunderts interpretiert. Im all-
gemeinen ist der formale und auch novellistische
Reiz am intensivsten bei den Werken kleineren
Formates; die hunderte kleiner Studien beweisen,
auf Grund welch eiserner Arbeit diese graziöse
Synthese von Fabel, lächelndem Rokkoko und
heiterer Gegenwart zustande gekommen ist.
Die englische Porträt-Kunst, die in die-
sem Jahre in London und Berlin einen so großen
mondänen Erfolg davon getragen hat, während
die ernste Kritik mit Recht vor allzugroBer Über-
Schätzung dieser geschickten Kunst warnte, ist
audi in Paris in der Galerie des bekannten
Kunsthändlers Charles Sedelmeyer zu Worte
gekommen, der fünfzig Werke von Gainsborough,
Hoppner, Lawrence Romney, Reburn, u. a. m.
ausstellt. Auch für 1909 kündigt Armand Dayot
eine Ausstellung von hundert französischen und
englischen Damenporträts an, die in der Oran-
gerie des Tuileriengartens unter Teilnahme der
offiziellen Persönlichkeiten beider Länder statt-
finden soll. Politiker und Journalisten werden
Gelegenheit haben, aufs neue die Wohltaten
der Entente Cordiale zu preisen, und die schönen
Damen werden sich Inspirationen für neue Toi-
letten holen, denn die Empiremode wird sicher
auch 1909 noch andauern; und für den Kunst-
freund wird schließli wohl auch etwas dabei
abfallen.
Ein neues Denkmal wurde am Boulevard de
Courcelles enthüllt: die Büste des Dramatikers
Henry Becque von Rodin. Die Büste ist sehr
schön, es berührt aber eigenartig, eine Büste
die man in einem Innenraum ruhig bewundern
möchte, sich mitten im StraBengewirr erheben
zu sehen. Feuermelder und Zeitungskioske haben
dort ihre Berechtigung, aber wozu eine auf
hohen Säulenschaft gepferchte Büste von Rodin?
Wie aus Lorient (Bretagne) gemeldet wird,
hat man auf der Insel Groix das Grab eines
skandinavischen Häuptlings entdeckt. Es stammt
angeblih aus dem neunten Jahrhundert. Den
Gebräuchen gemäß, ist die Leiche des Verstor-
benen mit seinem Schiffe zusammen eingegraben.
Nähere Nachrichten über diesen merkwürdigen
Fund bleiben abzuwarten.
R. Meyer-Riefstahl.
2
LONDON
Als endlich längere Zeit nach „Eröffnung“
der an Umfang großen Franko-Britishen Aus-
stellung auch der in ihr aufgestellte Kunstpalast
seine Tore öffnete, wurde man auch hier durch
den Umfang, weniger durch die Qualität der
englishen wie französischen Werke überrascht
und überwältigt. Wie viele Werke, Bilder und
Skulpturen etc., eigentlich ausgestellt sein mögen,
kann man nicht sagen, denn nom war kein
Katalog vorhanden, aber die Zahl muß wohl
wenigstens an die 3000 heranreichen. Das stark
kommerzielle dieser ganzen Ausstellung hat also
auch die Kunstabteilung beeinflußt. Zahlreichen
französischen Bildern merkt man es an, daß
auf eine mögliche Kauflust englischer Bilder-
liebhaber spekuliert wurde, denen man alte
Ladenhüter anhängen zu können hoffte. Es sind
ja wohl einige bedeutsame und wertvolle Bilder
großer Franzosen unter all diesen zahllosen
Werken, aber meist muB man sie sich mühsam
heraussuchen, und sie werden durch die Werke
670 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
eifriger Pinselvirtuosen völlig erdrückt. Ein Bild
der Entwicklung der französischen Malerei der
letzten 50 Jahre — dies das offizielle Programm
— zu geben, ist nicht einmal angestrebt worden.
Dem Veranstalter dieser Abteilung muB man
sträfliche Lässigkeit oder Nachgiebigkeit gegen
rein geschéftlime Riicksichten zum Vorwurf
machen. In der englischen Abteilung, an deren
Spitze ein guter Kenner und feiner Kopf steht,
hat es doch offensichtlich wenigstens einen Kampf
gegeben zwischen einem rechten Wollen, die
englische Malerei in ihren Hauptphasen vorzu-
führen, und dem von anderer Seite gestellten
Verlangen, moderne Kunstware auszustellen und
für lebende Künstler eine gelungene Reklame
zu veranstalten. So finden sich drei Säle mit
zum großen Teil höchst interessanten und wert-
vollen und sonst schwer oder gar nicht zugäng-
lien Bildern. Hier finden sich natirlich die
meisten derwohlbekannten Namen: Hogarth, Rey-
nolds (Lady Crosbie) etc. Von Gainsborough ist
der berühmte „Blue Boy“ ausgestellt, den Berlin
ja im Winter kennen gelernt hat, und der in
England seit langer Zeit nicht mehr öffentlich
ausgestellt gewesen war. Wer sich dafür inter-
essiert, was vor 50 Jahren ein so feiner Mensch
und Kunstfreund wie Theodor Fontane über
dieses Bild gedacht hat, lese in seinem Buch
„Aus England“ darüber nach. Fontane verstand
sehr wohl diese Kunst aus ihrer Kultur heraus-
zubegreifen und auch zu genießen. Im übrigen
ist der Gainsborough des „Blue Boy“ nicht der
ganze, audi nicht der innerste und eigenste
Gainsborough. Und wer ihn nur nach diesem
Bilde beurteilt, kann ihm nicht gerecht werden.
Von Constable ist ein ganz köstliches Werk,
ganz Luft und Leben, zu sehen: „Dedham Vale“.
Auch die Prärafaeliten sind mit charakteristischen
Werken vertreten. Von Millais hätte man aber
doch eines seiner bedeutenden Porträts gewinnen
sollen, namentlih den Lord Tennyson, der ja
für die Nation angekauft werden soll. Da hätte
man ihn gleich auch mit dem Tennysonkopf
G. F. Watts vergleichen können, der sich in
der Ausstellung befindet. Im allgemeinen aber
muß man leider sagen -- und das von der
ganzen Ausstellung mit ihren phantastisch leeren
und dabei protzenhaften Gebäuden —, daß eine
trefflie Gelegenheit hier versäumt worden ist.
Diese Ausstellung bedeutet auf kulturellem Ge-
biete keinen Gewinn. — Von Ausstellungen
älterer Kunst wären diesmal nur zu erwähnen
die von Sir Thomas Lawrence, dessen „Peel
Heirlooms“ in der Graves’s Galleries, 6 Pall-
Mall, zu sehen sind, und japanische Drucke
vorzüglicher Qualität der besten Periode (Ho-
kusai, Kiyonaga, Hiroshige etc.) in Mr. W. B.
Paterson's Gallery, 5, Old Bond Street. — Herr
Sargent zeigt in den Carfax Gallery, 24 Bury
Street, sein großes Können im Skizzieren und
Festhalten momentaner Eindrücke. — Der treff-
lie, für das Lebendigbleiben der neuen eng-
lischen Kunst so bedeutsame New English Art
Club‘ der aber älter ist als alle deutschen „Se-
zessionen“, hält in seiner kleinen Galerie in 67 a
New Bond Street, einst einer Werkstatt, seine
Sommerausstellung, in der wiederum Charakte-
ristisches von Wilson Steer, W. Rothenstein (ein
ganz schlichtes, aber innerlich erfaßtes männliches
Porträt), John, Orpen u. a. beweist, daB diese
Künstler eifrig tätig sind und auch an sich selber
weiter arbeiten. Wilson Steers Mädchenporträt
erweist ihn von neuem als den englischsten der
englischen Künstler unserer Zeit, soweit sie
überhaupt mit reden dürfen. Er hat nämlich
den Typ des neuen englischen Mädchens, das
wie eine schöne aber gesunde Blume im Garten
der Mutter Natur wächst, ganz in sich aufge-
sogen und gibt uns nun Schilderungen dieser
Lieblichkeit ohne jede Sentimentalität, ohne SüB-
lichkeit, ohne ausgerechnetes Raffinement; Natur
und Vornehmheit einigen sich zu einem köst-
lihen Produkt. Man wird diese Werke nom
einmal kulturhistorisch hochschätzen. — Hermione
von Preuschen ist nun auch nach London ge-
kommen und gibt neben ihren Bildern auch
gleich ihre Verse in eigner Rezitation zum
besten. — Diskussionen über ein einzuführendes
Gesetz zur Erhaltung der in England befind-
lihen Kunstwerke für das Land werden immer
häufiger. Jetzt hat Mr. Lionel Cust im Burling-
ton Magazine die Frage behandelt, ob nidıt
ein ähnliches Gesetz wie in Italien am Platze
sei, um dem stetig zunehmenden Exodus be-
deutender Kunstwerke aus dem Lande ein Ende
zu bereiten. Aus dem Hauptimportland für
Kunstwerke ist England jetzt ein Hauptex port-
land geworden. Mehr und mehr Werke finden
ihren Weg über das Wasser und immer sdiwerer
wird es den Öffentlichen Galerien noch mitzu-
bieten. Dabei sitzen die heutigen Maler da in
ihren überfüllten Ateliers und schimpfen auf die
Konkurrenz der alten Meister, keiner mehr als
Herkomer, der es ja eigentlich nicht nötig hätte.
Mit einem solchen Gesetz hat man die menschen-
freundlliche Absicht, die amerikanischen Millionäre
zu zwingen, Mäcene der heutigen Kunst zu
werden, statt sich um den Besitz alter Werke
zu reißen. Da die englische Gesetzesmühle aber
sehr langsam mahlt, wird noch so manches
Werk in den Besitz amerikanischer Liebhaber
übergehen. — Die bekannte Firma der Messrs.
Thomas Agnew and Son, die erst vor wenigen
Monaten eine Filiale in Paris errrichtet hatte,
| ai fi ii En Pt PP
Rundschau
671
hat nun eine solche auch in Berlin eröffnet,
offenbar als Folge des gesellschaftlichen Erfolges
der altenglischen Ausstellung daselbst im ver-
gangenen Winter. — Mr. Robert Gibb, ein hier
sehr bekannter Militärmaler und Mitglied der
R. Scottish Academy ist zum „Painter und Limner
to the King in Scotland“ ernannt worden, so
eine Art von Poeta-Laureatus-Stellung, die aller-
lei nettes im Gefolge hat und die Kunst des
Malens in den Augen der geldverdienenden
Menge als etwas hohes und edles hinstellen
soll: was für hier nicht so unnütz ist, als es
scheinen könnte. Gibb war 12 Jahre lang
Kurator der National Gallery of Scotland ge-
wesen und hat sich als solcher um die Samm-
lung sehr verdient gemacht, bis deren Verwal-
tung im vergangenen Jahre umgestaltet und
unter Mr. James L. Caws Leitung als Direktor
gestellt wurde. Auch Raeburn hat einst diese
Hofstellung als Limner bekleidet. Mr. Caw hat
man jetzt Mr. T. Corsan Morton als „Keeper“
zur Seite gestellt, ein erfreuliches Arrangement,
da der Direktor der National Gallery, Caw, als
Kunstschriftsteller in dem als Maler vorteilhaft
bekannten Morton, der Mitglied der Münchner
Sezession ist, eine treffliche Ergänzung findet.
— Der Zeichnenkongreß im August und die da-
mit verbundene Ausstellung versprechen von
hohern Interesse zu werden. 37 Länder haben
bisher ihre Beteiligung zugesagt, und fünf große
Säle sind von der Regierung für die Ausstellung
in dem neuen Gebäude beim Royal College of
Art zur Verfügung gestellt worden. Von den
bereits angekündigten Vorträgen seien erwähnt:
Die Entwicklung des ôffentlihen Geschmackes;
Bildung der Gefühle; Zeichnen als Gegenstand
der Universitàts- und anderer Erziehung; ge-
werbliches Zeichnen und Ausbildung von Kunst-
handwerkern und Lehrlingen. Die Ausstellung
wird am 27. Juli eröffnet werden, der Kongreß
selber beginnt am 3. August und wird eine
Woche in Anspruch nehmen. U. a. hat die
Witwe G. F. Watts die KongreBmitglieder auf
ihren Landsitz in Compton bei Guilford einge-
laden, wo diese eine Kunsttöpferei usw. werden `
studieren können, die Watts und seine Frau vor
längeren Jahren dort ins Leben gerufen haben,
um Kunstsinn und -liebe selbst in den Bauern
zu wecken. Die Resultate sind sehr erfreuliche,
besonders im allgemein menschlichen und kul-
turellen Sinne. So wird man manche gute An-
regung davontragen können. F.
HOLLAND
Die Direktion des Rijksmuseums in Amster-
dam veröffentlichte unlängst das dritte Supple-
ment zum Galeriekatalog von 1907. Darin ist
auBer den von mir im Aprilheft besprochenen Neu-
erwerbungen noch eine Reihe anderer Gemälde
katalogisiert, die in den letzten Monaten an-
gekauft wurden. Von den alten Bildern sind
zu nennen eine kleine Tafel „Judith und Ho-
lophernes“ von Jan de Bray, voll bezeichnet
und 1659 dadiert. Von dem späten Rembrandt-
schüler Aert de Gelder zwei interessante
Gemälde aus der 22 Stück umfassenden Serie
von Passionsdarstellungen, von denen die zehn
in der Galerie im kgl. SchloB zu Aschaffenburg
befindlihen durch die Publikation von Basser-
mann-Jordan weiteren Kreisen bekannt gemacht
wurden und von denen Karl Voll gelegentlich
sagte, daß sie mitunter an Degas erinnerten.
Die beidem vom Rijksmuseum in Braunschweig
gekauften Bilder stellen „Christus, der in
Gethsemane als Gefangener weggeführt wird“,
und „Christus vor dem hohen Rate“ dar. Sie
messen beide 73x59 cm und sind auch beide
mit dem vollen Namen des Künstlers signiert.
Die Entstehungszeit wird um 1715 gesetzt. Bei
Fred. Muller & Co. wurden im April dieses
Jahres auf der Versteigerung Hoogendijk zwei
Gemälde erworben: eine ,Vanitas“ von
einem unbekannten holländischen Meister aus
der Mitte des XVII. Jahrhunderts, das dort,
wohl wegen der darauf befindlichen Signatur
Stever[n]s, dem A. Palamedesz Stevaerts zu-
geschrieben war, und eine hübsche mit dem
Monogramm bezeichnete Marine, ein vor dem
Winde segelndes Fischerboot, von Pieter Mu-
lier. Leihweise erhielt das Rijksmuseum einige
Gemälde aus der Nachlassenschaft der verstor-
benen Douairiere Backer-de Wildt in Amster-
dam, die im groBen Saal der Schützenstücke
Aufstellung gefunden haben. Darunter befinden
sih ein Kinderporträt von Dirksz. Sant-
voort von guter Qualität, ein schönes Herren-
porträt, das wahrscheinlich von Mierevelt
herrührt, und ein zu diesem als Pendant ge-
hängtes weibliches Bildnis von Godard Kam-
per; weiter die lebensgroBen Porträts von Dr.
Laurens Real und seiner Frau, die von Vondel
als Werke Thomas de Keysers besungen
worden sind. Die Zuschreibung an de Keyser
ist jedoch zweifelhaft. Einen weiteren Zuwadis
verdankt das Museum dem als freigebigen
Spender bereits bekannten Herrn L. Nardus in
Suresnes bei Paris. Er schenkte diesmal ein
großes Fruchtstilleben von Chr. Dielaert,
einem holländiscten Maler des XVII. Jahrhun-
44
672
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
derts, von dem bis jetzt nur dies eine Werk be-
kannt ist. Von den genannten Gemälden waren,
als ich das Rijksmuseum Anfang Juli besuchte,
nur die aus der Sammlung Backer-de Wildt,
der Jan de Bray und der P. Mulier ausgestellt.
Für die anderen muB wohl erst noch Platz ge-
schafft werden, was im Rijksmuseum freilich
keine leichte Aufgabe mehr ist.
Das städtische Museum, das im vorigen
Jahre durdı den Verkauf der dort leihweise
untergebradit gewesenen Sammlung P. van
Eeghen einen so groBen Verlust erlitt, hat auch
einige Neuerwerbungen zu verzeichnen. Als
Leihgaben wurden ihm überwiesen: eine Akt-
studie von Suze Robertson-Bisschop, ein Kin-
derköpfchen von Matthijs Maris, eine kleine
Vase mit Blumen von Fantin-Latour, ein Mond-
aufgang von van Stengelin. Ferner kamen
hinzu ein Stilleben von van der Valk, eine
Landschaft von Schaap, ein Interieur mit Fi-
guren von Albert Neuhuys (der nach dem Aus-
scheiden der Sammlung varı Eeghen in dieser
modernen holländischen Galerie gänzlich fehlte)
und ziehende Ochsen von Dupont. Der be-
kannte Haager Seemaler H. W. Mesdag schenkte
zwei große Marinen.
Im Mauritshuis im Haag ist seit kurzem ein
von Herrn Dr. A. Bredius neu erworbenes Por-
trät ausgestellt. Der Name des, sicher vlämi-
schen, Meisters ist nicht bekannt, doch handelt
es sich wohl zweifellos um eine Antwerpener
Arbeit aus dem Beginn des XVII. Jahrhunderts,
etwa um 1620/30. Das 75x58 cm große Bild
stellt eine auf einem Stuhl sitzende junge blond-
haarige Dame in schwarzem, spitzenverziertem
Kostüm und hohem Mäühisteinkragen dar. Sie
hat eben in einem Buch gelesen, auf dessen
aufgeschlagener Seite oben „Petrarca“ steht,
und blikt zum Beschauer. Rechts von ihr ein
Blumenbusch. Den Hintergrund bildet ein mit
ziemlich zäher Farbe breit hingestrichener Wol-
kenhimmel, der dem Gemälde eine eigentüm-
lihe Stimmungsnote gibt. Diese besondere
Note ist wohl auch noch darauf zurückzuführen,
daB das Bild gegeniiber vielen Vorziigen —
vor allem in dem sich vor dem Himmel ab-
hebenden Kopf — andererseits nicht frei ist
von sehr schwachen Partien. Man findet Ver-
zeichnungen, perspektivische Fehler und kolo-
ristishe bezw. technisdie Härten. Und doch
übt das Ganze eine fesselnde, lebensvolle Wir-
kung aus. Was ist’s also, was dahinter steckt?
Man dachte bereits daran, ob es nicht vielleicht
ein Jugendwerk van Dycks sein könnte. Das
müßte aber doch noch erst durch überzeugen-
dere Argumente bewiesen werden.
Das Museum Boymanns in Rotterdam
blieb auch nicht ohne neuen Zuwachs. Es er-
warb eins der seltenen Porträts des Rotter-
damer Malers Frans Verwilt (um 1618—1691):
das lebensgroBe Brustbild einer jungen Frau
von frischer Gesichtsfarbe, die mit groBen dunk-
len Augen den Beschauer ansieht. Das Bild
ist bis auf das vorn zum Teil sichtbare rote
Mieder und das weiße Hemd am Hals in einem
dunkeln Gesamtton gehalten. Dieser ruhige
Eindruck, der im Verein mit der sauberen, aber
doch nicht geleckten Malweise auch auf dieser
beschränkten Farbenskala beruht, wird durch
den einfachen tiefshwarzen Rahmen nur noch
unterstützt. Verwilt, der da, wo er in der
Weise seines Lehrers C. Poelenburg malt, we-
niger angenehm ist, zeigt sich in diesem Bilde
von seiner besten Seite. Dies Porträt ist eigent-
lim noch sympathischer als das liebenswürdige
sogenannte „Söhnchen des Admirals“ im
Rijksmuseum. — In der Verwaltung des
Museums Boumans hat übrigens ein Wechsel
stattgefunden. Am 15. Juli trat der bisherige
verdienstvolle Direktor, Herr P. Haverkorn van
Rijsewijk, nach 25jähriger Tätigkeit in den Ruhe-
stand. Zu seinem Nachfolger wurde Herr F.
Schmidt-Degener gewählt, der sich in den letz-
ten Jahren in Paris aufhielt. Von dort bringt
er der Rotterdamer Galerie gleich ein wert-
volles Bild mit, das ihm von dem schon oben
genannten Herrn L. Nardus für das Museum
geschenkt wurde, ein großes interessantes Früh-
werk von David Teniers d.J. Es stellt eine
Herberge mit 6 bis 7 Personen darin dar. Im
Museum Boumans, wo bis dato D. Teniers noch
nicht vertreten ist, wird das Gemälde, das
gegen den 15. Oktober ausgestellt werden
soll, somit eine Lücke ausfüllen.
Noch ein zweites Geschenk, eine wertvolle
Handzeichnung von Andrea Mantegna erhielt
Herr Direktor Schmidt-Degener für die Hand-
zeidinungensammlung des Museums Boumans
von Herrn P. Cloix in Montigny sur Loing. Das
Blatt ist eine Studie zu der Gruppe des Merkur
mit dem Pegasus auf dem bekannten „Par-
naB“ Mantegnas im Louvre und wurde zu-
sammen mit einer zweiten Studie für dieses Bild
von Schmidt-Degener erstmalig in der Gaz. d.
b. Arts 1907 Bd. II, S. 285 publiziert.*)
Zwei bemerkenswerte Entdeckungen wur-
den kürzlih im Haag gemacht. Herr Dr. Bre-
dius wies als erster darauf hin, daB die „hei-
lige Familie“ von „Honthorst“ in der Sammlung
*) Inzwischen hat der Pariser Kunsthändler F. Klein-
berger dem neuen Direktor des Museums Boumans auch
noch ein Gemälde als Geschenk überwiesen, ein Interieur mit
einem Gebet vor Tisch von Quiringh Brekelenkam. Von
Brekelenkam besass das Museum Böymans bisher audı
nodı kein Bild.
Rundschau
673
Jhr. Steengracht gar kein Gerardo della Notte
ist, sondern vielmehr ein früher Jacob Jor-
daens. Nachdem der Name Jordaens einmal
ausgesprochen ist, wundert man sich natürlich,
daß nicht schon längst jemand auf den richtigen
Namen gekommen ist. Aber das Bild hängt
hoch und ziemlich dunkel. Und wer sieht schlieB-
lich in einer so erlesenen Privatsammlung, durch
die man rasch geführt wird, Honthorsts an,
wenn daneben Rembrandt, Brouwer, de Hood,
Metsu, Steen, Terborc u. a. in der Eile ge-
nossen sein wollen. Ein Vergleich der Abbil-
dung, die Dr. Bredius seinem Artikel über diesen
„neuen Jordaens* in Onze Kunst beifügt,
mit anderen Frühwerken Jordaens’, wird auch
diejenigen überzeugen, die im Augenblick das
Original nicht nachprüfen können. — DaB man
in Haager Kirchen, noch dazu in einer ganz
modernen, einem bisher ganz unbeachtet ge-
bliebenen interessanten Gemälde aus dem XVII.
Jahrhundert begegnen könnte, hätte wohl auch
kaum jemand gedacht, Es ist aber so. Prof.
Martin fand in der katholischen Mariakirche vor
wenigen Wochen ein etwa 1 m hohes und 2 m
breites Bild mit einer Darstellung des jungen
Tobias, der im Beisein des Engels und Hundes
den Fish ausnimmt. Laut Bezeichnung ist es
von einem Künstler gemalt worden, von dem
man es aber auch gar nicht erwartet hätte: von
Isaak Koedijck im Jahre 1662. Es zeigt diesen
seltenen Meister aus der Schule Dous, der früher
schon einmal rechte Verwirrung angerichtet hatte,
von einer gänzlidı neuen Seite, als Haarlemer
Akademiker, etwa in der Art Jan de Brays. Prof.
Martin wird über diesen Fund in der nädısten
Lieferung von Oud Holland berichten.
An Ausstellungen alter Kunst ist der
Sommer arm. Die Fremden, die Holland um
seiner in den Galerien aufgespeicherten reichen
Kunstschätze aufsuchen, haben damit ja auch
scion reichlidi zu tun. Die Ausstellung, die
Herr Direktor Moes für die Monate Juni, Juli,
August im Kupferstichkabinett arrangiert hat,
dürfte aber auch weniger für die Ausländer, als
für die Holländer selber berechnet sein. Sie soll
auch weiter dazu beitragen die reichen Schätze
des Amsterdamer Kupferstichkabinetts, in dessen
Arbeitsraum sich ja doch so gut wie kein „Publi-
kum“ hineinwagt, weiteren Kreisen zu erschlie-
Ben. Diesmal sind es die deutschen Kleinmeister,
die in einer reichhaltigen und fein zusammen-
gestellten Auswahl von 280 Blättern vorgeführt
werden. — Die Hauptereignisse im modernen
Ausstellungsleben waren erstens die 18. Jahres-
ausstellung der Künstlervereinigung „Sint Lu-
cas“ in Amsterdam, wo rund 500 Gemälde,
Aquarelle, Zeichnungen und einige plastische
Arbeiten von meist Amsterdamer Künstlern zu
sehen waren. Den Clou der Ausstellung bildete
die Kollektion von 17 Gemälden von Jan Too-
rop. — Die andere bemerkenswerte Ausstellung
war in Rotterdam, wo der „Rotterdamsche Kunst-
kring“ die holländischen Kunstfreunde mit dem
Werke Constantin Meuniers bekannt machte.
Die hier zusammengebrachte Sammlung war zwar
viel kleiner als die, die Keller & Reiner vor
zwei Jahren in Deutschland zeigten. Immerhin
konnte man sich aus den gebotenen Plastiken,
Gemälden und Zeichnungen ein anschauliches
Bild von der ernsten Kunst des großen belgi-
scien Meisters machen.
Endlich ist noch ein Wort über die sogenannte
Nieuwe-Zijds-Kapel in Amsterdam zu sagen.
Wie den Lesern der Monatshefte vielleicht noch
erinnerlih ist, war von der vom Kirchen-
rat schon beschlossenen NiederreiBung des Ge-
bäudes auf Drängen der Kon. Ned. Oudheid-
kundig Genooschap und des Ned. Oudheid-
kundigen Bond zunächst abgesehen und eine
dreimonatige Frist zur nochmaligen Prüfung der
Erhaltungsmöglichkeiten durch eine besondere
Kommission gewährt worden. Diese Frist lief
Mitte Juni ab. Die Kommission war bald zu
der Überzeugung gekommen, daB die dauernde
Erhaltung der Kapelle möglich sei. Nach Er-
ledigung dieser Frage handelte es sich dann
darum, die Kosten der Herstellungsarbeiten zu
berechnen, wobei zur Untersuchung der Funda-
mente auch Grabungen an verschiedenen Stellen
niht zu umgehen sind. Auch hierzu gab der
Kirchenrat seine Zustimmung, wenn ihm die da-
für nötigen Kosten nicht auferlegt würden, aber —
zu einer Verlängerung der Frist, die für solde
Arbeiten doch viel zu kurz war, konnte er sich
nicht verstehen. So wurde das Schicksal der
Nieuwe-Zijds-Kapel entschieden. Mit ihrem
Abbruch hat man bereits begonnen.
Kurt Freise.
9
GEFALSCHTE
KONSTLERDOKUMENTE
Im letzten Heft des Archivio della Società
Romana di storia patria (t. XXX, Fasc. III/IV,
1907, S. 486ff.) veröffentlicht V. Federici unter
dem Titel „Autografi d'artisti dei secoli XV—XVI“
eine Serie von achtzehn Dokumenten, die sich
im Archivio Camuccini zu Cantelupo in der
Sabina befinden. Es ist eine stattliche Serie,
zumeist Zahlungsanweisungen der päpstlichen
Kammer (mandati di camera), beginnend mit
Donatello und endigend bei Bernini. Man über-
fliegt die Reihe, ist erfreut, wenn ein großer
674 | Monatshefte für Kunstwissenschaft
Name sich an den andern reiht; aber dann be-
ginnen die Zweifel, ob der Fund nicht zu schön,
die Bereicherung unseres Wissens nicht zu groß
sei — Zweifel, die den Herausgeber selbst be-
schlichen haben, ohne daß er daraus die richtige
Konsequenz zog.
Dasjenige Dokument, das zuerst dem Leser
rät, auf der Hut zu sein, ist eine Zahlung an
Masaccio, für Malereien an der Fassade des
Laterans; Datum: 30. November 1438 (1). Wäre
das Dokument echt, müßten wir alle unsere
Kenntnisse vom Leben des Meisters umformen.
Nur wissen wir durch Milanesis Forschungen,
daß der Maler 1430 nicht mehr am Leben war;
sein Glaubiger Niccolo di Ser Lapo hat unter
dem genannten Jahr vermerkt, daB Tommaso
in Rom verstorben sei. Und die angebliche
Tätigkeit des Meisters im Lateran basiert auf
einer ziemlich unklaren Erzählung Vasaris (II,
294), aus der übrigens hervorgeht, das Masaccio
den Auftrag nicht ausgeführt hat.
Gewarnt nimmt man die anderen Dokumente
unter die Lupe der Kritik.
Dokument No. 6 ist eine Zahlung an Man-
tegna für seine Tätigkeit in der Kapelle des
vatikanischen Palastes; vom 15. September 1486.
Aber am 31. August jenes Jahres verheiratete
der Maler seine Tochter und am Ende des-
selben Jahres zahlte er ihre Mitgift aus (Kri-
steller, engl. Ausgabe S. 484/5); sein Aufent-
halt in Rom währte vom Juni 1488 bis zum
September 1490!
Weiter: No. 8. Signorelli quittiert unter dem
28. Dezember 1509 über dreißig Dukaten „pro
eius salario . . . . in depingendo capellam
novam in palatio semi domini nostri.“ Was
ist das nun? GewiB hat der Meister von Cortona.
im Vatikan gemalt, in der Kapelle des Papstes,
nur zu einem anderen Termin; dann war er
Ende 1508 in Rom tätig, aber schon vom Februar
des folgenden Jahres ist er in der Heimat nach-
weisbar und so das ganze Jahr 1509 und bis
ins folgende hinein (vgl. die Biographien von
Vischer S. 358 und Mancini S. 154).
No. 9. Kontrakt des jungen Correggio (,Jo
antonio di Pellegrino Lieto“!!); er verspricht
dem Frater Hieronimo de Cattavitta ein Altar-
bild der Madonna mit Johannes und Bartholo-
maeus; Datum 9. Juni 1514. — Seit Pungileoni
kennen wir den Vertrag, den der junge Meister
am 30. August des gleichen Jahres mit Frate
Hieronymo de Cataniis abgeschlossen hatte, wo-
durdi er die Madonna des hl. Franz (in Dresden)
übernahm.
No. 10. Brief Raffaels an den Capitano und
die Commune Tivoli. 15. Dezember 1515, Rom.
Will antike Steine für den Bau der Peterskirche
haben. Gerade zu jenem Termine war Raffael
einem Ruf des Papstes folgend in Florenz;
wenn anders ein späteres Zeugnis Bandinellis
glaubhaft ist.
No. 12 und 13. Zwei Zahlungen von je
100 Dukaten an Michelangelo in Sachen des
Julius-Grabes; Datum 12. September und 9. Ok-
tober 1517. Tatsichlit bekam Michelangelo
damals wiederholt größere Geldsummen; in
seinen Ricordi findet man sie verzeichnet
(Milanesi S. 564); jene beiden Summen sucht
man vergebens. Aber eine Zahlungsanweisung
allein wäre ja ooch kein Autograph; folglich
steht auch von des Meisters Hand die Quittung
darunter: „o facta questa di mia mano propria
qui in Roma“. Schade nur, daß der Verfertiger
dieser Autographen nicht gewußt hat, daB
Michelangelo besagtes Jahr 1517 ganz in Carrara
und Florenz verbrachte, und zu derselben Zeit,
da er angeblich in Rom jene Anweisungen aus-
fertigte, in derHeimatam Modell der San Lorenzo-
Fassade arbeitete (Thode, Band I, S. 367/8).
Ein Practstük No. 17: Brief Tizians an
Andrea Calmo, Rom 17. November 1545. Seit
zwei Monaten ist er in Rom, malt Porträts, hat
schon mehr als zehn „a questi illustrissimi“
gemalt (in etwa fünf Wodien in der Tat eine
respektable Leistung!). Dieser Brief fängt an:
„Ho havuto el vostro libro de li piazevoli et
ingeniosi discorsi et sarebe piasudo anco a
me che avesti fato con mi quello che avete fato
con m. Jacomo Tentoretto che l'havete chiama’
el coccolao de la natura et fio adottivo d'Apelle.“
Der Adressat, an den der Brief gerichtet ist, war
ein vielseitiger und geistvoller Literat, Ver-
fasser von Komödien und einer Briefsammlung,
der er den Titel gab: ,l piacevoli et ingeniosi
discorsi in piu lettere.“ Hier steht im zweiten
Bud als No. 30 der Brief mit der Überschrift
„Al cocolao de la natura e mestura d’Esculapio
e fio adotivo d’Apelle, M. Jacomo Tentoretto
depentor.“ Aber dieses zweite Buch der Briefe
erschien zum ersten Mal im Druck Venedig
1548! (vgl. die Ausgabe der Briefe des Calmo
von Vittorio Rossi, Turin 1888, introd. p. CIII,
CXXVIII und S. 132).
Ih kann es mir (und den Lesern) wohl er-
sparen, auf die andern Stücke der Sammlung
einzugehen. Sind auch mehrere darunter, bei
denen mangels sicherer anderweitiger Nach-
richten die Unechtheit im Augenblik nicht
schlüssig zu erweisen ist, so sind sie alle im
höchsten Maße verdächtig; keines derselben so
überzeugend, daB man sie verwerten darf, ehe
die Echtheit direkt oder indirekt erwiesen ist,
Täuscht nicht alles, so stammen diese Auto-
graphen aus derselben Fabrik, die in den sechs-
ne rm
ata
Rundschau
ziger Jahren dem in Rom lebenden Major Kühlen
herrliche Künstlerdokumente lieferte, die s. Z.
Hermann Grimm in der von ihm herausge-
gebenen Zeitschrift, Kunst und Künstler (2 Bände,
1865—1867) zum Abdruck brachte. In der gleichen
Periode wurde auch die Autographensammlung
Camuccinis, der alle obigen Stücke entnommen
sind, angelegt.
Es hätte kaum gelohnt, auf diese mehr oder
minder offenkundigen Falsifikationen einzugehen,
wenn nicht der Name der Zeitschrift — eines
der auch für die Kunstgeschichte ergiebigsten
Organe, die in Italien erscheinen — der Publi-
kation eine nicht geringe Autorität verliehe.
So aber schien es mir angebracht, an einigen
Beispielen den Charakter dieser „Urkunden“
aufzudecken. Georg Gronau.
9
ZU WILHELM LEIBL.
Berliner Sezessionsausstellung.
Es ist nicht weiter wunder zu nehmen, wenn
die Sezession sich in so offizieller Weise zu
Leibl bekennt, wie es Liebermann und der Leibl-
saal aussprechen; für die Künstler der Sezession
kann es nie von Übel sein, einen so großen
Meister solider Arbeit im Herzen zu behalten.
Nur steht diese Ausstellung in einigem Gegen-
satz zu ihrem Zweck: sie dient weniger dem
Künstler als dem Kunsthistoriker. Es sind keine
Werke von erstem Rang da; was man aus pri-
vatem Besitz — meist Berlin und Oberbayern
— und aus der Sammlung der Stadt Reichen-
berg i. B. zusammengebradt hat, gibt nicht
sowohl den Eindruck des groBen Künstlers, als
eine interessante Erläuterung seiner technischen
Entwicklung. Das hat der Katalog in der (histori-
sierenden) Reihenfolge der Nummerierung auch
anerkannt; aber gleich wieder schämte man sich
so kahler Wissenschaftlichkeit und hing die
Bilder ganz kunterbunt durcheinander. Die
Hängekommission wird wohl niemandem weis-
machen wollen, daB diese sorgfältige Ver-
Schleierung der Zusammenhänge in der Not-
wendigkeit, künstlerisch zu gruppieren, begrün-
det gewesen sei; denn was innerlich zusammen-
gehört, wird auch mindestens so gut zueinander
stimmen als die jetzige Zufallskomposition.
Diese Studien und Gemälde weisen viel
offenbarer wie Hauptwerke den Entwicklungs-
gang des Malers auf, weil sie als Nebenpro-
dukte das technische System offener bloBlegen;
wobei wohl zu beachten ist, daß „Leibls“ zwei-
ten Ranges als Kunstwerke immer noch für
„erstklassig* zu gelten haben. Auf der Jahr-
675
hundertausstellung 1906 konnte man sich für
das Gesamtwerk Leibls begeistern; hier kann
man konstatieren, daB in seiner Malweise vier
mehr oder minder scharf geschiedene Perioden
sich herausheben. Aus der ersten sind Stücke
von 1869—73 vertreten; sie werden wohl fast
allen Freunden des Meisters als die schönsten
erscheinen. Man kann beobachten, wie sich
nach dem Bildnis Dreesens von 1867, das ganz
in braunen Schimmer gehüllt ist, durch den
EinfluB der Spanier und varı Dycks das be-
rühmte samttiefe Schwarz entwickelt und zur
Vollendung steigert in der „Dame in Schwarz“,
welche die Nähe der „Cocotte“ verrät: weich,
flockig, von wunderbarer Schönheit leuchten aus
der unergründlichen Tiefe das Gesicht und die
beiden Hände heraus. Dann erfolgt der bekannte
Sprung und Übergang zu Holbeins heller, zeich-
nerischer Klarheit (von 1873—77 sind Beispiele
da); aber der Umschlag vollzieht sich nicht so
schroff, hier gibt es Übergänge von einem noch
dunklen Grund bei dem Mädchenkopf aus
Reichenberg (Nr. 112) zu größerer Helligkeit
und sdhlieBlich vollendeter Schärfe der Zeich-
nung: den Gipfelpunkt der lichten Färbung und
zeichnerishen Behandlung bildet wieder ein
Damenbildnis, das der Gräfin Rosine von Treu-
berg (1876/77) (von Manetschem Einfluß hier
zu reden, gehört nicht zur Sache). Übrigens
geben diese Gemälde durchaus nicht das
richtige Bild von einer Zeit, die durch die Dorf-
politiker und die zwei Dachauerinnen gekenn-
zeichnet ist; wie denn überhaupt die Entwick-
lung eines so auBerordentlichen tiefgründigen
Künstlers keine glatt hinlaufenden Linien dar-
stellt, sondern weit eher als eine Art Rössel-
sprung in drei Dimensionen zu denken ist.
Von jenen Arbeiten sondert sich scharf eine
dritte Periode (1880—93), an deren Eingang die
herrlichen Drei Frauen in der Kirche von 1882
stehen, die sich aber von dem Zeichnerischen,
das einen so groBen Bestandteil in dem System
ausmacht, immer mehr lösen zugunsten eines
zähen dunkelnden Tones und einer breiten
Technik, deren kurz absetzende Striche mit der
Bezeichnung des „Gemauerten“ bereits entwick-
lungsgeschichtlih einrangiert sind. Die Lokal-
farbe wird dabei durch ein dunkles Medium
getrübt; „Bauernjägers Einkehr“, ein Bild, das
am Schlusse dieser Jahre steht (1893), zeigt als
ausgeführtes ,Genrebild“ zwar wieder starke,
zeichnerische Durchbildung, ist aber trübe und
in den Schatten matt gehalten: und dies
schummerige Element herrscht in den Bildnissen
noch weit mehr auf Kosten der Linie. Es ver-
stärkt sich in Leibls letzter Zeit, der zweiten
Hälfte der neunziger Jahre, in der die Model-
676
Monatshefte für Kunstwissenschaft
lierung ganz weich und die Striche zu flockiger
Wirkung vertrieben werden; das Dunkel nimmt
zu und die Flächen werden immer breiter hin-
gestrichen, bis zu der Flächigkeit im Mädchen-
kopf bei J. Abrahamsohn (Nr. 138). Wie die
malerishhe Behandlung und das Unterordnen
der Lokalfarben unter weiche, dunkle Misch-
töne fortschreitet, ist erstaunlich zu beobachten
bei der Vergleichung des „In der Küche“ (bei
Seeger, Nr. 132) von 1898 mit der erwähnten
„Einkehr“ von 1893. Auf einem andern, un-
endlich komplizierten Wege kehrte Leibl, so
scheint es hier, zu der absolut malerischen Hal-
tung und flockigen Modellierung seiner Pariser
Zeit zurück Aber es sei nochmals betont, wie
gefährlich diese Ausstellung für die Beurteilung
Leibls ist, weil alle Hauptwerke fehlen und die
Herrschaft des technischen Elements hier eine
tadellose Entwicklungsreihe hervorzaubert, die
in dieser lückenlosen Unkompliziertheit über-
haupt nicht bestanden hat.
Es hat in letzter Stunde leider der Raum
gemangelt, auf die übrigen in der Sezession
ausgestellten Werke in würdiger Weise einzu-
gehen. Angesidits der sonderbaren Angriffe
aber, die von Muther im „Morgen“ gegen die
Sezession, ihre „Schmierskizzen, die auf hundert
Meter den Betrachter anrempeln“ und gegen
Liebermann in Szene gesetzt worden sind, er-
scheint uns ein Wort der Entgegnung wie eine
Anstandspfliht gegenüber den tiichtigen Ele-
menten auf dieser Ausstellung notwendig. Wenn
Muther die gesamte Sezession mit dem Titel
„marasmus juvenilis“ abstempelt, so bleibt er
uns denBeweis dafür völlig schuldig; wir möchten
ausdrücklich hervorheben, daß gerade der junge
Nachwuchs auf dieser Ausstellung erfreulich auf-
tritt und recht eigentlich von der Skizzenmalerei
sich entfernt; Namen wie Karl Hofer, E.R. Weiß,
Kurt Tuch, Rösler, Hübner, die Plastiker Kolbe
und Engelmann seien andeutungsweise genannt.
Vor allem aber möchten wir auch gegen die
„Kluft“ Protest einlegen, die Muther zwischen
dem wahren Deutschtum (Leibl) und den „markt-
schreierish“ französelnden Modewaren nach
Heidelberger Muster auftun möchte (ach, er ist
auch hier nicht einmal originell) und auf die
einfache Tatsache verweisen, daß keiner der
groBen Maler Deutschlands um seine Lehrjahre
in Paris herumgekommen ist, Leibl und die
Diezschiller so wenig wie Böclin und Lieber-
mann; und daß es allein auf die Früchte, nicht
auf die Gesinnungstüchtigkeit in der Kunst an-
kommt. Der Sezessionsleitung aber gebührt
Dank, daß sie uns so viele und schwer zugäng-
liche Bilder von Leibl vorgeführt hat.
P. F. Schmidt.
ERGEBNISSE DES VII. INTERNATIO-
NALEN KUNSTHISTORISCHEN KON-
GRESSES ZU DARMSTADT.
Der Vorstand der Internationalen Kunsthisto-
rischen Kongresse hat die Ergebnisse der Darm-
städter Tagung (23.—26. September 1907) aus
den Verhandlungen zusammengestellt:
1. Klar trat die Notwendigkeit hervor, auch
in Zukunft internationale kunsthistorische Kon-
gresse abzuhalten (Punkt 10 der Verhandlungen).
Denn wenn auch der Deutsche Verein für Kunst-
wissenschaft eine Reihe von Aufgaben über-
nehmen wird, die sonst den Kongressen zu-
fallen würden, bleiben doch, wie sich nach seiner
inzwischen erfolgten Begründung ergibt, ihrer
noch so viele, daB eine stetige Zusammenarbeit
aller Fachgenossen als dringend geboten er-
scheint. Namentlich gilt das von allen Auf-
gaben, die den systematischen Ausbau der Kunst-
wissenschaft betreffen, und von denen, die nicht
einer nationalen Begrenzung unterliegen.
Von der Begründung einer kunstwissen-
schaftlichen Gesellschaft (Punkt 5 der Verhand-
lungen), die auf die Tagesordnung gesetzt worden
war, bevor man von der Vorbereitung des Deut-
schen Vereins Kenntnis erhalten hatte, wurde
Abstand genommen. Denn der Verein will das
übernehmen, was auch für die Gesellschaft als
nächste Aufgabe vorgesehen war. Mit dem Ver-
ein will sih der Kongreß in möglichst naher,
ständiger Verbindung halten. Ein freundschaft-
liches Verhältnis zwischen beiden Organisationen
wurde angebahnt.
2. Als besondere dringende Bedürfnisse der
Kunstwissenschaft erschienen dem Kongresse:
Jahresberichte und Bibliographie (Punkt 4 der
Verhandlungen). Während man sich der zweiten
gegenüber abwartend verhalten will, weil hier
ein privates Unternehmen Hilfe zu bringen sucht,
sollen die ersten sobald als möglich ins Leben
gerufen werden. Da aber diese Aufgabe auch
auf dem Programm des Deutschen Vereins stand,
so begnügte man sich vorerst damit, ihm fol-
gende Erwägungen nahe zu legen:
Dem Kongreß erscheint es geraten, daB eine
Zentrale begründet werde, deren Leiter mit
Hilfe von Mitredakteuren die Verteilung der
Referate und die Überwachung der gesamten
zu leistenden Arbeiten übernimmt. Diese letzteren
sollten nach seiner Meinung sich erstrecken nicht
nur auf die eigentliche Disziplin der Kunstge-
schichte (inkl. der alten und der orientalischen
Kunst), sondern auch auf die Grenzgebiete, als
z. B. Asthetik, soweit sich dieselbe unmittelbar
mit Werken der bildenden Kunst beschäftigt.
Rundschau
67T
Was den Charakter dieser Jahresberichte betrifft,
sollen sie
1. eine kritisch zusammenfassende Über-
siht der wichtigsten Ergebnisse der wissen-
schaftlichen Forschung darbieten;
2. in bestimmten, aber nicht nach einem
Schema geregelten Terminen erscheinen, über
weldie die Zentrale mit den Berichterstattern
besondere Abmachungen zu treffen hätte,
5. sollen die Berichte durch Heranziehung
von ausländischen Berichterstattern eine mög-
lidist weitgehende Vervollständigung erhalten,
und
4. aus diesem Grund auch in anderen west-
europäischen Weltsprachen abgefaßt werden
dürfen.
3. Es wurde anerkannt, daß es an einer ent-
sprechend ausgestatteten kunstwissenschaftlichen
Zeitschrift in Deutschland fehlt (Punkt 6 der
Verhandlungen). Die Zeitschrift, die Ersatz für
diesen Mangel bieten soll, ist so auszubauen,
daB alle Zweige der Kunstwissenschaft möglichst
gleichmäßig berücksichtigt werden und den An-
forderungen der Universitàtslehrer sowohl wie
der Museumsbeamten und der Denkmalpfleger
in gleicher Weise Rechnung getragen wird. Man
bedarf keiner neuen Bilderzeitschrift, sondern
einer wissenschaftlich illustrierten, und man muB
sich infolgedessen auch darüber klar sein, daß
der Abonnentenkreis einer derartigen Zeitschrift
eng begrenzt sein wird und die finanziellen
Folgen davon von den Fachgenossen zu tragen
sein werden. Da nun das ehedem von dem
Kongreß begründete Repertorium für Kunst-
wissenschaft einer Ausgestaltung im Sinne der
Verhandlungen fähig sein dürfte, wurde der stän-
dige Ausschuß beauftragt, bei den maßgebenden
Stellen auf eine derartige Umänderung dieser
Zeitschrift hinzuwirken.
4. Betreffs der photographischen Aufnahme
deutscher Kunstdenkmäler (Punkt 7 der Ver-
handlungen) faBte man folgende Resolution:
1. „Der Kongreß faßt die ihm vom Schrift-
führer mitgeteilte Absicht des Deutschen Ver-
eins dahin auf, daB neben, d. h. schon vor
dem Erscheinen der monumentalen Publika-
tionen billige Aufnahmen der Denkmäler her-
gestellt und allgemein zugänglid gemacht
werden sollen;
2. er legt dem Deutschen Verein nahe, da-
hin zu wirken, daB durch Unterstützung des
Staates oder Vereins eine Firma in den Stand
gesetzt wird, solche Aufnahmen auch von den
nichtdeutschen aber in Deutschland befindlichen
Denkmälern jederzeit auf Wunsch herzustellen
und zu gleichen Bedingungen in den Handel
zu bringen.
3. Nach italienishem Muster dürfte sich
empfehlen, in jedem Bundesstaate einen Re-
gierungsphotographen anzustellen,dernament-
lim sole Dinge aufzunehmen hätte, die
weniger ein großes Publikum, als den Fach-
mann interessieren. Er müßte dauernd von
Fachleuten beraten werden. Die Zentrale
würde in Berlin sein. Herausgabe eines Ka-
taloges, welcher auch alles zusammenfaßt,
.was im Laufe der Jahre von Gelehrten und
Museumsbeamten aufgenommen worden ist,
würde etwa alle 2—3Jahre zu veranstalten sein.
Im Zentralbureau zu Berlin möchte man
dann, wie das jetzt in Rom der Fall ist, jeder-
zeit für billigen Preis Gesuchtes finden. An-
regungen würden im Zentralbureau jederzeit
entgegengenommen werden.
4. Der Kongreß behält sich vor, auf seiner
nächsten Tagung, falls einer der ersten beiden
Punkte sich inzwischen als nicht realisierbar
erwiesen hat, eine Kommission zur Beratung
solcher Firmen einzusetzen, die auf eigenes
Risiko diese Desiderata zu erfüllen sich be-
mühen werden. Derselben Kommission würde
es obliegen, einen Katalog aller wissenschaft-
lih verwertbaren Aufnahmen auszuarbeiten.
Unter allen Umständen erscheint dem Kongreß
die Einrichtung einer Zentrale für die Inven-
tarisierung der gesamten photographischen
Hilfsmittel in möglichst naher Zukunft unbe-
dingt erforderlich. Diese Zentrale hätte, als
dauernde Einrichtung gedacht, auch als Aus-
kunftsstelle zu dienen.“
5. Im übrigen hatte die Aussprache über photo-
graphische Aufnahmen noch folgende Ergebnisse:
Soweit die Pigmentdrucke als Studienmaterial
verwandt werden müssen, haben sie sich nicht
bewährt. Die Museen sollten deswegen den
Photographen zur Pfliht machen, außer den
Pigmentdrucken noch Silberdrucke von den Auf-
nahmen der in ihrem Besitz befindlichen Kunst-
werke anzufertigen und zu angemessenem
Preise zu verkaufen, damit dem Übelstande
wenigstens zum Teil abgeholfen werden kann.
Eine entsprechende Aufforderung an die Museums-
direktionen ist in der „Museumskunde“ bereits
veröffentlicht worden.
Die Denkmalarchive oder, wo diese noch
nicht bestehen, die Provinzialmuseen können
als Vereinigungsstellen der photographischen
Aufnahmen aus einem bestimmten Gebiete aus-
gebaut werden, indem entweder dorthin die
Platten eingeliefert, oder dort die Adressen der
Photographen und die immer zu ergänzenden
Listen ihrer Aufnahmen aufbewahrt werden.
Der ganze Bestand an Aufnahmen aus einem
bestimmten Gebiet kann, wenn nach Nummern
678 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
und Gruppen geordnet, dann ohne weiteres von
jedem Forscher leicht überblickt werden. Damit
würde für die geforderte Zentrale die beste
Vorbereitung getroffen werden. Endiich wurde
noch auf das neu gegründete Organ des Herrn
Dr. Hausmann-StraBburg hingewiesen, das be-
zweckt, die Amateurphotographen in den Dienst
der Wissenschaft zu ziehen, und dem eine recht
weite Vorbereitung durchaus zu wünschen ist.
6. Der Internationalen Ikonographischen Ge-
sellschaft wurde empfohlen, nationale Gruppen,
also auch eine deutsche, zu bilden, als deren
Vereinigungspunkt der Kunsthistorische KongreB
zu gelten hätte. Daneben könnte die deutsche
Gruppe AnschluB an den Deutschen Verein
suchen (Punkt 8 der Verhandlungen).
7. Zur Aufstellung einer Normaltafel wurde
eine fünfgliedrige Kommission eingesetzt, da
die Schwierigkeit eine Farbe präzis und allgemein
verstandlich zu bezeichnen, anerkannt wurde.
8. Die Schwierigkeit, ohne Zeitverlust freien
Eintritt in die deutschen und österreichischen
Museen zu erhalten, wurde betont. Der Vor-
stand des Kongresses soll Schritte zur Beseiti-
gung dieses Übelstandes tun.
9. In den ständigen Ausschuß wurden ge-
wählt: Goldschmidt, Hofstede de Groot, Kautzsch,
Koetschau, Strzygowski, Thode, Warburg. Dieser
wählte in den Vorstand: Strzygowski als ersten,
Kautzsch als zweiten Vorsitzenden, Koetschau
als Schriftführer, Warburg als Schatzmeister.
Cooptiert wurden vom Ausschuß: Aubert-Kris-
tiania, Clement-Bonn, W. Schmid - München,
Wölfflin - Berlin und später Dvorak. (Im De-
zember legte Strzygowski sein Amt nieder und
trat aus dem ständigen Ausschuß aus; für ihn
wurde Dvoräk-Wien gewählt und dann in einer
am 8. März 1908 in Frankfurt abgehaltenen
Sitzung Kautzsch zum ersten, Goldschmidt zum
zweiten Vorsitzenden bestimmt.)
10. Der nächste Kongreß wird voraussicht-
lich 1909 in München stattfinden.
* *
Da der KongreB seine Aufgaben nur erfüllen
kann, wenn er auch in der zwischen zwei Ta-
gungen liegenden Zeit immer an der Arbeit
bleibt, wird darauf hingewiesen, daß der Schrift-
führer jederzeit bereit ist Anregungen entgegen-
zunehmen. Es empfiehlt sich, damit nidit zu
warten, bis eine neue Tagung angekündigt
wird, damit wenn irgend möglich, der Stoff für
die Verhandlungen möglichst gut vorbereitet
werden kann.
Der geschäftsführende Vorstand
der Internationalen Kunsthistorischen Kongresse:
Kautzsh. Goldschmidt. Koetschau.
Warburg.
KLEINE NACHRICHTEN
Berlin. Dr.Edmund Hildebrandt, Assistent an dem
von Professor Wölfflin geleiteten kunsthistorischen Appa-
rat, ist bei der Berliner Universität als Privatdozent zu-
gelassen worden. Er wird seine Lehrtätigkeit im Winter
mit einer Vorlesung über Rokoko, Klassizismus und Ro-
mantik beginnen.
Brüssel. Am 6. Juni verstarb zu Brüssel der be-
kannte Bildhauer Jef. Lambeaux. Er gehörte zu den
bedeutendsten Vertretern der modernen belgischen Bild-
hauerschule, in seinen Werken schien der pathetische,
fiberquellende, volisinnliche Geist der Kunst seiner Vater-
stadt Antwerpen wiederlebendig geworden zu sein. Er hatte
in seinem Leben schwere Kämpfe durchzufechten, bis er
seine Kunst durchgesetzt hatte. Am 13. Juli 1852 zu Ant-
werpen geboren, sah sich der Neunzehnjährige bei der Be-
werbung um den belgischen Rompreis zurückgewiesen.
Er wandte sich daraufhin nach Paris, wo er eine Reihe
bedeutender Werke schuf, wie den „Bettler“, die „Schlangen-
bindigerin®, „die Morgenröte“. In Paris anerkannt, er-
oberte er sich bald sein Vaterland, große Aufträge fielen
ihm zu, u. a. der Salvius-Brabo-Brunnen auf dem Markt-
platze zu Antwerpen und das große Bas-relief, die
menschlichen Leidenschaften, das sich heute im Parc du
Cinquantenaire zu Brüssel befindet.
ie belgischen Museen haben eine Reihe Neuerwerbun-
gen zu verzeichnen, das alte Museum erwarb u. 8. ein
auf der Vente Hoogendijk in Amsterdam gekauftes, neuer-
dings von Hymans dem Pierre Coecke (1502—1550) zu-
esdiriebenes „Abendmahl“ und ein de bee von Jan van
essel dem älteren. Das moderne Museum bereicherte
sih um die ,Ahrenleserinnen® von Charles de Groux,
eine Marine von Alfred Stevens und eine „Liebesbrücke*,
eine holländische Genrescene von Adolf Dillens.
Edinburgh. Das Schloß der Douglas, eines der
historischsten Baudenkmäler in Lanarkshire und eines der
ältesten Adelsschlösser Schottlands „Douglas Support“
ist ein Raub der Flammen geworden. Dem Brand sind
viele wertvolle Altertümer und Reliquien zum Opfer ge-
fallen, von denen ein großer Teil aus der Zeit Robert
Bruces herrührt.
Mailand. Die Brera-Galerie hat sich mit einem präch-
tigen Bildnis (0,97>0,78) von Girolamo Romanino allge-
mein als Romanino bekannt, bereichert. Dieser Meister
ist am besten in Brescia zu studieren, wo die Kirchen mit
seinen Malereien ebenso ausgefiillt sind wie mit Bildern
Morettos. Kräftig, beinahe derb erscheint Romanino; sein
Kolorit ist See giorgionesk. Sein Hauptwerk ist in
der städtischen Galerie zu Padua aufzusuchen: eine Ma-
donna mit Heiligen. Nur ein berechnender und dom
mächtiger Geist, der Disziplin und Genie in sich vereinigt,
konnte ein soldes Meisterwerk schaffen. Das neu er-
worbene Portrait, welches 14000 Lire kostete, stellt eine
männliche Halbfigur aus dem Hause Martinengo dar.
Das charakteristische Gesicht in Dreiviertelansicht blickt
forschend, mit groBen, schwermütigen Augen den Be-
schauer an. Blaß ist der Gesichtsteint, groß, stark gebaut
die Nase, das ergraute Haar muß einmal halbblond ge-
wesen sein. Ein sammtenes Barett bedeckt den Kopf,
die rechte Hand ist mit einem hellledernen Handschuh
angetan. Die Kleidung besteht aus einem Pelz und einem
damaskierten Gewand; eine kostbare Goldkette mit Me-
daillon hängt auf die Brust herab. Von Romanino, der
Lehrer Morettos da Brescia war, besaß bisher die Brera-
Galerie nur ein Madonnabild mit Kind. B.
St. Petersburg. Am 13/26. April starb im Alter von
48 Jahren Alexander Neustrojew, der ältere Conser-
vator der Kaiserl. Ermitage zu St. Petersburg. Neu-
strojew befasste sich zuerst mit Musik, widmete sich je-
doch später ausscließlih der Kunstwissenschaft. 1891
fand er eine Anstellung in der Ermitage. 1898 erschien
sein Werk „Die Gemäldegalerie der Kais. Ermitage”.
Außer diesem verfaßte Neustrojew eine lange Reihe
Aufsätze über verschiedene Petersburger Kunstsamm-
lungen, die in russischen Zeitschriften, in „L'Arte“ und
der „Zeitschrift für bildende Kunst“ veröffentlicht waren,
so über die Sammlung des Herzog v. Leuchtenberg, über
die Niederländer in der Galerie die Akademie der Künste u. a.
3
+ ` wë un n ven rs
Bernhard Patzak, Die Villa Imperiale
in Pesaro. Studien zur Kunstgeschichte der
italienischen Renaissancevilla und ihrer Innen-
dekoration. Leipzig, Klinkhardt und Biermann.
1908, III, 435 und 57 S., geh. M. 32—, geb. M.35.—.
Aus dem umfassenden Werk fiber die Re-
naissance- und Barockvilla. in Italien legt Dr.
Patzak zunächst den dritten, einem Haupt- und
Prachtstück fürstlihen Bausinnes gewidmeten
Band vor, einem Monument, das zudem den
Vorzug hat, aus zwei stilistisch völlig von ein-
ander getrennten Teilen zu bestehen und in
diesen mustergültig den Geschmack der zwei
entscheidenden Jahrhunderte zu repräsentieren:
eine Gründung des Alessandro Sforza der ältere
Teil, während die jüngere Anlage ihre Entste-
hung dem Kunstsinn des fürstlihen Paares
Francesco Maria della Rovere und Eleonore
Gonzaga verdankt (von etwa 1530 an).
In dem einleitenden Kapitel gibt uns der
Verfasser die historischen Daten, die für die
Kenntnis der Bauherren und ihrer Schöpfungen
wichtig sind. Anschaulich gibt er kurze Charak-
teristiken der Hauptpersonen; er läßt mit Hülfe
zeitgenössischer Aufzeichnungen das Leben auf
dem Lande im sechzehnten Jahrhundert vor
unsern Augen wiedererstehen: wohl nichts inter-
essanteres ist uns dariiber erhalten, als die
„Giornate Soriane“ des Lodovico degli Agostini,
in denen er das Leben auf den Landhäusern
des Monte San Bartolo (so heiBt die Hòhe, auf
der sich Villa Imperiale erhebt) schildert. Der
Verfasser bereichert seine Darstellung mit reich-
lihen Auszügen aus dieser Schrift (S. 38 ff.).
Das zweite Kapitel behandelt in zwei Ab-
schnitten die bauliche Anlage der beiden Villen,
die erst später unter dem letzten Herzoge von
Urbino, Francesco Maria Il, durch einen auf
einem Schwibbogen ruhenden Korridor mit ein-
ander verbunden wurden. Jedem der beiden
Bauten ist eine ins einzelnste Detail getreue Be-
schreibung gewidmet. Es ist einleuchtend, daß
Genga auch den älteren Sforzabau einem Neu-
bau unterzogen hat (S. 68ff.), als der stattlichere
Fürstenhof der Rovere bedeutendere Räume er-
forderte. Das bietet dem Verfasser die Ge-
legenheit, den alten Bau zu rekonstruieren; dem
Untersuchenden ergeben sich auffallende Be-
ziehungen zu den von Luciano da Laurana ge-
leiteten Bauten. Der Roverebau ist in seiner
Anlage durch das ansteigende Terrain bedingt.
AGRA] LITERATUR SI OAC DKA
Charakteristisch für ihn ist der „einheitliche, bis
in alle Einzelheiten wohldurchdachte Original-
entwurf.“ Der Verfasser legt in einem beson-
deren Absatz die Feinheit des Architekten dar,
der entsprechend dem Zweck der ländlichen
Anlage die starre Gesetzmäßigkeit milderte, das
malerische Moment von Licht und Schatten wohl
zu nützen verstand (S. 102 ff.)
Im dritten Kapitel (S. 117 ff.) ist der Kunst-
kreis der beiden Villenbautypen behandelt. Ver-
fasser betont hier die Bedeutung des Sforzabaus
mit seinem Binnenhof für die Geschichte der
florentiner Villa: denn dort (um Florenz) ist
vieles bei der Belagerung von 1530 zugrunde
gegangen, das erhaltene meist durch Umbauten
alteriert. Eine Reihe verwandter Villentypen
werden besprochen. Dahingegen hat der Rovere-
bau „unter den erhaltenen Hochrenaissancevillen
Italiens nicht seinesgleihen“. Abgesehen aber
von Beziehungen zu Anlagen, wie der (unter-
gegangenen) Villa Poggio Reale bei Neapel und
Poggio a Cajano bei Florenz ist es unzweifel-
haft, daß Genga in Rom die stärksten Anre-
gungen durch Bramantes Entwurf für den Cortile
del Belvedere des Vatikans und durch römische
Villenanlagen (Villa Madama) erfuhr.
Das vierte, der Innendekoration der Sforza-
villa gewidmete Kapitel charakterisiert erst die
an dem malerischen Schmuck der Räume tätigen
Meister: Girolamo Genga, Francesco Menzocchi,
Raffaellino dal Colle, Bronzino, die beiden Dossi
und Camillo Mantovano, um dann in eine Be-
schreibung der acht, mit Fresken geschmückten
Räume überzugehen. Die Schwierigkeit besteht
hier einmal in unserer ungenügenden Kenntnis
des Stils mehrerer der genannten Meister, dann
in dem schlechten Zustand der Erhaltung der
Fresken, die in neuerer Zeit (1880—1882) durch
den Maler Gius. Gennari aus Pesaro ohne Ver-
ständnis restauriert worden sind. Schon Thode
hatte in seiner glänzenden Schilderung der Villa
Imperiale (Jahrbuch d. preuß. Kunstsammign. IX,
1888, S. 161 ff.) einen Versuch geboten, die Lei-
stungen der einzelnen Meister gegen einander
abzugrenzen; Patzak kommt hier oft zu anderen
Resultaten, weil er jedem Meister nachgeht und
von überall her die oft entlegenen Beispiele
ihres Schaffens beibringt. Er bietet uns hier
fast monographisch ausgestaltete Darlegungen,
die für die Erkenntnis dieser Meister von der
größten Bedeutung sind. So gibt es über Genga
als Maler nichts annähernd so Ausfihrliches, als
680 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
was der Verfasser mitteilt; für die Dossi hat er
besonders eingehende Studien gemacht, die er
in einer besonderen Arbeit mitzuteilen verspricht.
Auf Grund dieser vorbereitenden Darlegungen
sucht er die Arbeiten, die die verschiedenen
Meister in Villa Imperiale geleistet haben, zu
präzisieren und weist von neuem auf beglaubigte
Werke hin.
Allgemeine Ideen über Dekorationsstil sind
im abschließenden Kapitel über das illusionis-
tische Dekorationsproblem entwickelt, worin ganz
rapid die gesamte Entwicklung von der pom-
pejanischen Malerei an bis ins XVI. Jahrhundert
begleitet ist.
Aus dieser auf die tunlichste Kürze beschränk-
ten Übersicht wird man herauslesen, wie wichtig
für die Geschichte des Villenbaues und der de-
korativen Malerei die Arbeit Patzaks ist. Er-
wähne ich noch, daß 278 Abbildungen dem Text
eingefügt sind, die eine Reihe von Villen und
Fresken, resp. Bildern zum ersten Male — z. T.
nadi des Verfassers Aufnahmen — illustrieren,
so mag jeder selbst den SchluB auf die Bedeu-
tung des Buches ziehen. Hätte ich eine allge-
meine Ausstellung zu machen, so wäre es die
(man kann sie nicht oft tun) allzugroBer Ge-
wissenhaftigkeit: ici meine dieses in dem Sinn,
daB die Aufmerksamkeit des Lesers durch allzu
vieles Detail ermüdet und durch zu oft wieder-
holte, stilvergleichende Hinweise zerstreut wird.
Das macht dann freilich das SchluBkapitel wieder
gut.
Wenn ich im folgenden einige Berichtigungen
folgen lasse, so geschieht es nicht zu dem Zweck,
Patzaks Leistung herabzusetzen, als vielmehr,
um dem Verfasser die Anteilnahme bei der
Lektüre zu beweisen, und weil die zufällige
Beschäftigung zwar nicht mit dem Thema, aber
mit den handelnden Personen, die direkt und
indirekt am Entstehen der Villa Imperiale be-
teiligt gewesen sind, mir mancherlei Beobach-
tungen gestattete. Der Einfachheit wegen sei
die Seitenzahl des Buches befolgt.
S.4—5. Verfasser polemisiert gegen die alte
pesaresische Tradition, nach welcher Kaiser Fried-
rich Il. am 23. Januar 1469 nach Pesaro ge-
kommen sei und am folgenden Morgen den
Grundstein zur Sforzavilla gelegt habe. Er weist
darauf hin, daB die Krönung des Kaisers im
Jahre 1452 stattgefunden, der Kaiser aber da-
mals eine Route eingeschlagen hat, auf der
Pesaro nicht berührt worden sein könne. Das
eine, wie das andere ist zweifellos richtig. Nun
kann ich zwar (namentlich weil mir die Haupt-
quellenwerke zur Geschichte des Kaisers nicht
zur Verfügung stehen) nicht exakt nachweisen,
daß Friedrich III. damals Pesaro berührt hat, es
aber durch sein Itinerar vor- und nachher fast
zwingend dartun. Der Kaiser verlieB Rom
am 9. Januar und reiste über Viterbo und den
Trasimenersee nadı Perugia, wo er vom 14.bis
16. Januar sich aufhielt (Archivio stor. italiano
XVI, p. I, S. 640). Am 16. Abends ging die
Reise weiter nach Santa Maria degli Angeli bei
Assisi; von dort über Gualdo und Sassoferrato
in die Romagna nach Venedig zu (so berichtet
das Chronicon Eugubinum, bei Muratori Scrip-
tores t. XXI, Sp. 1017). Ferner wissen wir, daß
die Ankunft in Regenta, dem Kastell des Herzogs
Borso d’Este, am 26. Abends erfolgte und am
folgenden Tage der Einzug in Ferrara (Muratori
t. XXIV, Sp. 216). Zwischen diesen zwei Punkten
der Reise: Sassoferrato und Regenta bei Fer-
rara (wohl das heutige Argenta), ist eine Lücke.
Verfolgt man diese Route nun auf der Karte,
so kann es keinem Zweifel unterliegen, daB die
damals (und so noch heute für die Postverbin-
dung) gewöhnlihe Route über den Furlopass
genommen wurde, die von Sassoferrato über
Cagli nach Fossombrone und von dort weiter
bei Fano ans Meer führte. Um von hier in den
Staat des Herzogs von Ferrara zu gelangen,
mußte der Kaiser Pesaro, Rimini und Ravenna
berühren. Wissen wir nun, daß er am 16. Januar
von Perugia aufgebrochen war, am 26. Abends
aber das ferraresisdie Gebiet betrat, berück-
siditigen wir dabei, daB das Reisen durch das
Gebirge zur Winterszeit groBe Schwierigkeiten
bot, während man, einmal bei Fano ans Meer
gelangt, ohne besondere Schwierigkeiten weiter
kam: so ergibt sich, daß der Kaiser tatsächlich
zu dem von pesaresischen Schriftstellern über-
lieferten Termin in der Residenz des Alessandro
Sforza geweilt hat. Und was sollte sonst der
Name „Villa Imperiale“ wohl für einen Sinn
haben? Daß damals erst der Grundstein der
Villa gelegt worden sei, ist keine zwingende
Notwendigkeit.
S. 12. Über die Befestigung von Pesaro, es
handelt sich dabei besonders um den Hafen,
ist in Florenz mancherlei ungedrucktes Material
erhalten, darunter ein langes Gutachten eines
der Genga. Da ich auf Festungsbauten in den
Studien über die Kunstbestrebungen der urbi-
natischen Herzöge nicht eingehe, so blieb dieses
ausführliche Aktenstü von mir unberücksichtigt.
Vgl. audi die wichtige Studie von Luigi Celli,
die in der Nuova Rivista Misena VII, 1895, er-
schien.
S. 16. Der Verfasser scheint geneigt, eine
vor das Jahr 1530 fallende, frühere Ausmalung
der Zimmer anzunehmen. Dazu liegt gar kein
Grund vor; weist er doch selbst nach, daB
einige der Künstler zu eben diesem Termin dort
Literatur 681
gearbeitet haben, andere aber später. Der Wort-
laut des Schreibens der Herzogin läßt meines
Erachtens keinen Zweifel darüber, daß jenes Jahr
den Anfang der Arbeiten bezeichnet. Und warum
weist Verfasser hier auf das zweifelhafte Porträt
Guidobaldos in Bergamo hin, anstatt auf das
Porträt im Palazzo Pitti, das Justi als das
Porträt Guidobaldos von Bronzino in hohem
MaBe wahrscheinlich gemacht hat (Zeitschr. f.
bild. Kunst N. F. VIII, 1897, S. 34 ff.).
S. 23. Es handelt sich nicht um Girolamo,
sondern um Bartolommeo Genga: er ist derjenige,
der im Hause Ammanatis gelebt hat (vgl. Mila-
nesi VI, 326).
S. 30. Ich kann nicht glauben, daß die Base
des Idolino ein Werk Gengas sein soll. Bei
anderer Gelegenheit werde ich eine Vermutung
über den Urheber äußern, die jedenfalls auch
nach Oberitalien führt. — Die kostbaren Tische
der florentiner Sammlungen stammen nicht aus
Urbino, sondern sind Arbeiten, die für die GroB-
herzöge von Toskana angefertigt worden sind.
S. 190. Warum gibt Verfasser die Fesse-
lung Amors der National Gallery nicht getrost
dem Genga, trotz der Signatur mit Signorellis
Namen? Die Ausführung wenigstens zeigt die
gleiche Hand, wie die beiden Bilder der Galerie
in Siena. — Bei dieser Gelegenheit füge ih dem
„Werk“ Gengas ein, soviel ich weiß, nur von
Frizzoni ihm zugeschriebenes Bild hinzu: die
Madonna im Mailänder Kastellmuseum (Nr..250).
S.205. Ich kann dem Verfasser nicht folgen,
wenn er auf dem großen Bild Gengas im Kaiser-
Friedrich - Museum die Porträts des Kardinals
Alidosi und Gengas findet. Alidosi ist als jüngerer
Mann gestorben; Genga war, als das Bild ent-
stand, eben vierzig Jahr, kein Greis, wie der
Cyprianus.
S. 211. Es geht doch unmöglich an, auf
einige jetzt in Forli vorhandene Bilder Parmi-
gianinos, von denen niemand weiß, wann sie
dorthin gekommen sind (das von Patzak citierte
Buch von Calzini-Mazzatinti macht in dieser
Hinsicht keinerlei Angaben), ein Abhängigkeits-
verhältnis Menzocchis zu basieren. Viel näher
läge es, daB dieser die 1527—1529 in Bologna
entstandenen Gemälde des Meisters von Parma
studiert habe.
S. 226. Ich glaube dem Verfasser gern, daß
die auf Vasari folgende Literatur mancherlei
Überraschungen birgt; aber seine Polemik gegen
Dollmayer scheint mir gerade hier fehl zu gehen;
denn der von ihm angeführte Gewährsmann,
Graziani, bestätigt doch die Annahme jenes
Forschers, wenn er Raffaellino dal Colle einen
Schüler des Giulio Romano nennt (nicht Raffaels).
Und diese Herkunft verraten alle Arbeiten des
Meisters aus Borgo aufs deutlichste. Daß die
Arbeiten im Konstantinssaal tatsächlich um 1523
in Arbeit waren (vollendet 1524—1525), bewiesen
die von Müntz veröffentlichten vatikanischen Rech-
nungen (s. Arch. stor. dell’ arte I, 1888, S. 447 ff.).
Der Name des Raffaellino findet sich ‘hier nicht.
S. 262. Im Palazzo Grimani bei Santa Maria
Formosa in Venedig sind in zwei Räumen recht
bedeutende dekorative Malereien von Camillo
Mantovano erhalten (nach A. della Rovere,
Arte e Storia XVI, 1897, S. 70).
S. 277. Hier muB ich mich gegen Patzak
durchaus auf Thodes Seite stellen, dessen Kritik
der Fresken völlig richtig ist. Wenn auch die
Stanza dell’ Incendio in der Ausführung wesent-
lich Arbeit der Raffaelschule ist, so blieb der
Meister darum doch der die Kräfte lenkende
Geist. Und wie tief selbst unter den unerfreu-
lichsten Arbeiten in den Stanzen stehen die
Imperialefresken insgesamt!
S. 332. Hier liegt der einzige, schwerer
wiegende Irrtum Patzaks vor, wenn er das
Plafondgemälde des „Gabinetto“ als „Ernennung
des Francesco Maria zum Capitano generale
der Kirche durch Kardinal Alidosi“ deutet. Ich
weiß, die Menschen jener Zeit hatten starke
Nerven; aber daß die Herzogin ihrem Gatten
seinen Todfeind, den er eigenhändig aus dem
Leben befördert hatte (ein Ereignis, das noch
lange seine Schatten auf die Schicksale des
Herzogs warf), habe an die Decke malen lassen,
das ist denn doch selbst diesem Geschlecht zu
viel zugemutet. Das Wappen des Banners: rote
Lilie auf weißem Feld, hätte dem Verfasser die
rechte Spur weisen müssen: es ist das der Stadt
Florenz. Und Florentiner Tracht trägt der Mann
von rechts (den „lucco“), sowie derjenige, in
dem Patzak den Kardinal Alidosi sehen will.
Was ist hier dargestellt? Ich weiß es nicht;
aber man darf hier vielleicht daran erinnern,
daB die Florentiner den Francesco Maria vor-
übergehend zum Generalkapitän ernannt haben.
Der Biograph des Herzogs, Gio. Battista Leoni,
hat davon gewußt (Vita di Francesco Maria,
Venedig 1650, S.290); aus ungedruckten Papieren
ersehe ich, daB das Instrument der Condotta
am 27. Mai 1522 ausgefertigt war.
S. 384. Die Jünglinge auf dem Fresko der
Apotheose können kaum die Söhne des Herzogs
darstellen: der zweite Sohn Giulio — der spätere
Kardinal von Urbino — war erst 1533 geboren.
S. 408 und 414. Warum merkt Verfasser
nicht an, daß die Ausführung dieser Fresken in
Loreto im wesentlichen von Palmezzano her-
rührt? Man kann dessen Hand in diesen klo-
bigen Formen doch gar nicht verkennen.
Georg Gronau.
682
Monatshefte für Kunstwissenschaft
La Roma Antica di Ciriaco d'Ancona,
disegni inediti del secolo XV, pubblicati et
illustrati da Christian Huelsen con XVIII ta-
vole e 31 illustrazioni nel testo. Roma. Er-
manno Loescher 1907.
In der Palatina zu Modena befindet sich ein
Sammelband von 233 Blättern in reicher origi-
naler Lederfassung, der von jeher das Interesse
der Altertumsforscher auf sich gezogen hat. Auf
feinstes Pergament kalligraphisch mit verschie-
dener Tinte geschrieben, kostbar und geshmack-
voll teils mit Miniaturen, teils mit Zeichnungen,
die dem Texte beigefügt sind, verziert, enthält
er vorzugsweise Epigraphica und Philologica:
neben Inschriften Valerius Probus sowie Petrus
Diaconus de notis, eine Beschreibung Roms (fol.
11—24) und daran anschließend Zeichnungen
nach Monumenten des alten Roms (fol. 25 — 44)
usw. „Johannes Marcanova doctor Patavinus“,
der in Bologna an der Universität von 1452 bis
1467 Lektor der Philosophie und Medizin ge-
wesen war,!) hatte ihn im Jahre 1465 daselbst
anfertigen lassen, wie er selbst auf fol. 10 des
Codex vermerkt.
Marcanova war ein gelehrter Humanist und
Altertumsfreund, wohlbekannt als Verfasser
antiquarisher Werke. In seinen MuBestunden
sammelte er, nach dem Zeugnisse des Scardeo-
nius, allerlei Antikaglien, Münzen und besonders
Inschriften, mit deren Hilfe er ein Werk über
Leben, Gebräuche und Geschichte der alten Römer
zu illustrieren gedachte; und diesem Zwecke
sollten auch Zeichnungen nach antiken. d. h.
zumeist römischen Monumenten dienen, die in
seinen Besitz gelangt waren. Solche Tätigkeit
entsprach dem Zuge der Zeit, die nicht nur für
die antike Kleinkunst, sondern auch für Roms
Ruinenwelt die höchste Vorliebe bezeugte; und
der literarischen Begeisterung für sie, der zuerst
Petrarka lauten und klassischen Ausdruck ver-
liehen hatte, waren inzwischen seit der Wende
des Tre- zum Quattrocento die künstlerische
Erforschung und Verwertung zugunsten der
eigenen Produktion gefolgt. Marcanova ge-
bührt der Ruhm, einer der frühesten Pfadfinder
auf diesem Gebiete gewesen zu sein und zu-
gleih mit einer gewissen Systematik, wenn-
gleih mit unzulanglicien Mitteln und Kennt-
nissen, Richtung und Betrieb der Altertumsstudien
bestimmt zu haben.
Mit diesen wissenschaftlich literarischen Ab-
sichten Marcanovas steht der Modeneser Codex
1) Vielleicht bekleidete er dieses Amt schon a. 1451;
denn ein in den Rotuli der Universität in dem Jahre ge-
nannter Johannes de Marignano (Marignano bei Porto-
gruaro) scheint nach Huelsens ansprediender Vermutung
mit ihm identisch zu sein.
in enger Beziehung. Ihn lieB der gelehrte Hu-
manist in Bologna mit aller erdenklichen Sorg-
falt und mit feinem Geschmacke ausstatten, um ihn
seinem Gönner, dem Herrn von Cesena, Mala-
testa Novello zu verehren. Als er aber voll-
endet war (20. XI. 1465), war jener bereits ver-
storben, und so blieb er in Marcanovas Besitz,
mit dessen Büchershätzen er an das Kloster
San Giovanni in Verdara zu Padua und nach
mancherlei Schicksalen a. 1803, aus der Hinter-
lassenschaft des letzten Marchese Obizi, in die
Palatina von Modena gelangte.
Während die epigraphischen und philologi-
schen Partien des Bandes schon längst von
Henzen, de Rossi, Mommsen u. a. untersucht
und fruktifiziert waren, blieben die römischen
Zeichnungen infolge eines absprechenden Ur-
teiles de Rossis, der sie kurz als Phantastereien
abgetan, bisher ohne Beachtung. Und doch ver-
dienen diese 18 Blätter nicht allein vom archäo-
logisch topographischen, sondern auch vom kunst-
historischen Standpunkte eingehendes Studium;
und dieses hat nunmehr der um die Erforschung
der Topographie des antiken Roms hochver-
diente Professor Christian Huelsen mit der ihm
eigenen Sachkunde und Gewissenhaftigkeit ihnen
angedeihen lassen. Bereits in einem Vortrage
des archäologischen Institutes zu Rom vom
20. April 1906 hatte er auf die Bedeutung dieser
Zeichnungen hingewiesen, auch einige von ihnen
bekannt gegeben. Nun liegt die vollständige, mit
ausgiebigem Kommentare versehene Ausgabe
aller vor, eine mustergültige und bis zu einem
gewissen Grade abschließende Arbeit in italieni-
scher Sprache, die der gelehrte Verfasser der
bekannten Archäologin Donna Ersilia Caetani-
Lovatelli gewidmet hat.
In ruhiger klarer Weise, unter Prüfung aller
in Betracht kommenden Voraussetzungen und
Einwendungen, werden Geschichte und Pro-
venienz des Codex, überhaupt alles in bio-
graphischer, topographischer und kunsthisto-
scher Beziehung Wichtige untersucht und
dargestellt. Die Ausstattung der Studie ist
vorzüglich, die Reproduktion der Tafeln eine
gelungene. Den nicht sehr umfangreichen,
aber um so gehaltvolleren Ausführungen des
Autors sind zahlreiche Illustrationen beige-
fügt, die dem Leser die Nachprüfung sowie die
Bildung eines eigenen Urteiles erleichtern, und
auch da, wo man nicht ganz Huelsens Ansichten
beistimmen kann, oder wo man weiter gehen
möchte, berühren die kluge Zurückhaltung des
Verfassers, seine Sachlichkeit und Sauberkeit in-
bezug auf Methode und Ergebnisse der For-
schung überaus wohltuend, gewiß ein groBer Vor-
zug gegenüber einem so spröden, und so wenig
-o
Literatur
683
erforschten Materiale, bei dem auf Schritt und
Tritt zur Hypothese gegriffen werden muB, und
die Rekonstruktion des ursprünglichen Zusammen-
hanges nicht immer gelingen will.
Die Resultate, zu denen Huelsen gelangt, sind
nun interessant genug. Dem Anscheine nach
kannte Giovanni Marcanova Rom nicht aus
eigener Anschauung. So war er, wie schon bei
den Inschriften nachgewiesen worden ist, audi
bei den Zeichnungen nach antiken römischen
Monumenten auf fremde Unterstützung und
Überlieferung angewiesen. Er benutzte also
Vorlagen, die ihm als Originale unter die Hände
gekommen waren, oder die er wahrscheinlich als
vertrauenswürdige ansah und mit Hilfe eines
Bolognesischen Zeichners kopieren lieB. Dieser
Zeichner war nun kein bedeutender Künstler;
dem Anscheine nadı eher ein Miniator, und seine
Leistungen haben demnach einen recht geringen
Kunstwert, mit Ausnahme vielleicht von Tafel],
die Huelsen einem besseren „Künstler“ zuweist.
Ob der aber der Lehrmeister des Kopisten der
anderen 17 Blätter gewesen ist, steht dahin.
Die Zeichnungen sind mit feinen Federstrichen
ausgeführt und leicht laviert. Stellenweise sieht
man noch die punktierte Vorzeichnung in leih-
tem Rötel. Formenbehandlung und Komposition
sind gering; einige Bilder erscheinen ineinander
geschachtelt. Ohne Kenntnis der Perspektive,
arbeitet der Autor mehr in silhouettierender
Manier, doch zeigt er einen gewissen primitiven
Sinn für Landschaft und Genre, womit er seine
Skizzen ausstaffiert und umändert. Auf einigen,
wie z. B. Tafel V: Forum Romanum, Tafel IX:
Tiberansicht, erscheinen diese Staffagen — hier
eine Marktszene, dort die rômische Campagna
— als Hauptsache. Er kann mit keiner allzu-
groBen Treue verfahren sein. Auch MiBver-
ständnisse und Fehler begegnen mehrfach. An
die Monumente seiner Umgebung, also Bolog-
nas, lehnt er sich an. Sie benuzt er zur Er-
läuterung und Ergänzung der alten Denkmäler,
zumal wenn seine Vorlagen, wie es scheint, an
Deutlichkeit zu wünschen übrig ließen. Aber
auch Rekonstruktionen wie auf Tafel IV: das
Hochgericht auf dem Kapitole, die antike Straße
auf dem Palatin Tafel VIII, die allerdings „phan-
tastische* genannt werden müssen, entsprangen
einem Verlangen nach lebendiger Veranschau-
lihung des Alten, dieses unmittelbar mit der
Gegenwart zu verbinden und für diese zu fruk-
tifizieren. Das Quattrocento stand den Alter-
tümern relativ frei gegenüber. Ihre antiquari-
sche Verwertung kam, wenn überhaupt, erst in
zweiter Linie in Betracht. Das äußerte sidi
häufig in einer seltenen Unbefangenheit inbezug
auf die Wiedergabe von Vorlagen und Origi-
nalen, in einer sehr geringen Akribie und Sach-
lichkeit, wie wir sie z. B. auch in den Illustra-
tionen der Hypnerotomachia finden, an die die
Zeichnungen des Codex Marcanova überhaupt,
nach Stil wie Auffassung, gemahnen; und diese
Eigentümlichkeit erschwert nicht nur die Erklä-
rung der Darstellungen, sondern beeinträchtigt
auch ihren topographisch-kunsthistorischen Wert.
Marcanovas Zeichnungen gehen nun auf
Vorlagen des Ciriaco de’ Pizzicolle aus Ancona
zurük. Mit diesem Kaufmanne, Epigraphiker
und Antiquar, der sich weit in der Welt umge-
sehen und auf seinen Fahrten eifrigst gesammelt,
auch berühmte Monumente (wie z. B. das Par-
. thenon) skizziert hatte, stand der Lektor in
Bologna in Verbindung. Dieses Abhängigkeits-
verhältnis war bereits für den größten Teil des
Modeneser Codex bekannt. — Mommsen hat
Marcanova einen der ältesten und vornehmsten
Kompilatoren von Inschriften Cyriaks genannt.
— Dasselbe nun auch für die Zeichnungen nach
antiken Monumenten Roms mit überzeugenden
Gründen nachgewiesen zu haben, ist Huelsens
Verdienst. Darin liegt der Wert seiner Studie
wie der Handschrift überhaupt. Vielleicht daß
auch die den 18 Zeichnnngen vorangehende
Beschreibung Roms (fol. 11—24) auf Cyriak zu-
rückgeht. Cyriak kannte Rom genau. Mehre-
male hielt er sich, unter Martin V., Eugen IV.
und Nikolaus V., in der ewigen Stadt auf. Er
plante, seinem Biographen zufolge, nichts ge-
ringeres als eine Rekonstruktion der alten Stadt,
ein Vorhaben, das dann nicht zustande gekom-
men ist, später Raffael, dann Pirro Ligorio be-
schäftigt hat; und wenn es heute in der moder-
nen archäologisch-topographischen Schule der
Verwirklihung nahe gerückt erscheint, so ist
das nicht zum kleinsten Teile den gediegenen
Forschungen Huelsens zu verdanken. Ich nenne
in der Beziehung allein den dritten und Ab-
schlußband von Jordans Topographie Roms im
Altertume, ein Meisterwerk im wahren Sinne
des Wortes, das noch lange nicht genug in
seiner ganzen Vielseitigkeit und Gründlichkeit
gewürdigt wird (Berlin 1907).
Cyriak hatte für sein Unternehmen, etwa um
1450, antike Monumente und Stadtteile Roms
aufgenommen. Freilich war auch sein Zeichen-
talent sehr gering, seine Behandlung, wie wir
aus einigen Proben wissen, nichts weniger als
treu, sein Auge ohne Schulung; und mit Rück-
sicht auf diese Mängel glaubt eben Huelsen die
starken Veränderungen und „Verbesserungen“
des Bolognesischen Nachzeiciners erklären und
entschuldigen zu dürfen. Cyriaks Zeichnungen
können mehr als Kuriositäten denn als exaktes
Quellenmaterial gelten, und Huelsen warnt mit
684 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Recht vor ihrer Überschätzung. Diese römischen
Zeichnungen sind nun im Originale bisher nicht
erhalten. Aber ein Teil davon liegt in den Nach-
bildungen des Codex Palatinus zu Modena vor.
Nach Huelsen habe sie Cyriak vor den Monu-
menten selbst entworfen. Das wird auch meisten-
teils richtig sein; zu untersuchen bliebe aber in
der Folge dennoch, ob auch er nicht bereits
fertige Vorlagen, Muster- und Skizzenbücher
benutzt habe, an denen ja schon im frühen
Quattrocento kein Mangel war. Vielleicht wäre
ein soldes Verhältnis bei Tafel IX (Stadtansicht
von der Tiberseite) anzunehmen?
Huelsens Ausführungen geben sonst zu Aus~
stellungen keinen AnlaB. Zu verbessern ist
(p. 42) das Erscheinungsjahr von Scardeonius
de antiquitatibus Patavinis 1540 in 1560 (wohl
Druckfehler). Die Vorrede dazu ist von 1559
datiert. Nach Marcanova - Cyriaks Abbildung
ruhte das Reiterstandbild Marc Aurels vor dem
Lateran, bevor es unter Sixtus IV. a. 1474 die
klassizierende Basis erhielt, auf kleinen Löwen,
nach Art trecentistisher Grabdenkmäler der
Pisani- und Kosmatenschule. Nach Heemskercks
Skizzenbuche befanden sich im Cinquecento auf
kurzen Pilasterstümpfen vor dem Denkmale
zwei liegende Löwen, die Huelsen als von der
mittelalterlichen Basis herrührend bezeichnet. Das
hätten aber vier sein müssen. Wenn der Codex
Palatinus nur zwei gibt, so beruht das auf dem
Ungeschicke des Zeichners, der die beiden der
hinteren Seite in der Verlängerung nicht darzu-
stellen verstand! Huelsen hat sich nur auf die
topographischen Beziehungen beschränkt; er
schließt aber seine Arbeit mit einem Hinweise
audi auf die Bedeutung der Zeichnungen für
die Kunst des Quattrocentos. Und es wäre zu
wünschen, daß sie auch in der Beziehung unter-
sucht würden, namentlih mit Rücksicht auf die
Staffagen und Hintergründe, wie sie die Künstler
in Florenz und Umbrien seit Benozzo Gozzoli
auf ihren Gemälden und Fresken in großem Um-
fange anzubringen liebten. MitHilfe des reich-
haltigen Materials, das im Codex Escurialensis,
Barberinus u. a. publiziert vorliegt, sind derartige
Untersuchungen nunmehr mit Erfolg in Angriff
zu nehmen. Ihnen schließt sich Huelsens neueste
Veröffentlihung von Zeichnungen Cyriaks an,
die vielleicht zu frühesten topographischen Auf-
nahmen römischer antiker Denkmäler gehören.
Karl Frey.
Michele Lazzaroni — Antonio Mufioz:
Filarete, scultore e architetto del secolo XV. Con
130 incisioni e 24 tavole. Roma, W. Modes
1908. GroBquart 290 S.
Eine opulente Publikation von 290 groBen
Quartseiten mit über 150 Abbildungen über den
Meister der Bronzetiiren von St. Peter! Keiner
der groBen Plastiker des Florentiner Quattro-
centro hat bisher auf italienischer Seite eine
ähnliche Würdigung erfahren. In Rom ist man
mit Recht bemüht, die altrömische Kunstschule,
die bis ins XIII. Jahrhundert und dann schlieB-
lih über das ganze Mittelalter zuriickreicht,
zur Geltung zu bringen, zumal die Florentiner
Gruppe noch immer allzu stark im Vordergrund
der Forschung steht. Nun ist Filarete zwar
Florentiner; aber seine Bronzetüren sind sehr
unflorentinish — man kann sie direkt römisch
nennen, wenn man damit die wulstigen Ranken,
die schweren Figuren, die antikisierende Ge-
samtsprache charakterisieren will. Eine genaue
Detail-Reproduktion der Tür war sehr wünschens-
wert, namentlih der in den Ranken ver-
steckten Mythologie, die man in Sauers Reper-
toriumaufsatz zwar lesen, aber nicht sehen
konnte. Die Beschreibung dieser Türe nimmt
122 Seiten in Anspruch. Sie ruht durchaus auf
den Untersuchungen von v. Öttingen, Sauer,
v. Tschudi und Müntz. Diese Autoren werden,
was in Italien nicht immer der Fall, auch zitiert,
aber ihre kleinen errori unnötig gründlich auf-
gespießt. Durften wir hoffen, bei dieser Detail-
untersuchung der Reliefs etwas über die von
Filarete abhängigen kleinen Plaketten zuerfahren,
so sehen wir uns enttäuscht. Daß die Arbeit
der Mitarbeiter Filaretes an dieser Tür nicht
abgegrenzt werden kann, sagte schon H. v.
Tschudi; seitdem sind aber von Gloria die Doku-
mente über Donatello in Padua veröffentlicht
werden, und es hätte nahe gelegen, die Ge-
pflogenheiten dieser Gußhütte zum Vergleich her-
anzuziehen. Manche Einzelaufnahmen der Tür
hätten um so mehr entbehrt werden können, als
wir das Eingehen auf die selbständigen Arbeiten
der Schüler Filaretes vermissen, namentlich Pas-
quino da Montepulcianos, dessen Werke nur sum-
marisch und ohne Äbbildungen aufgeführt werden.
Wie steht es denn nun eigentlich mit dem Grabe
Pius IL in S. Andrea della Valle? Bei den
Vorbildern, die für dieBronzetüre gesucht werden,
ist das wichtigste, Giottos Tabernakel, vergessen
worden; in der Liste der alten BronzetiirenItaliens
fehlt die von S. Paolo fuori L m., die doch an
erster Stelle zu nennen war. Vor allem aber
vermissen wir eine künstlerische Würdigung, einen
Abschnitt über die drei so ganz verschiedenen
Literatur
Reliefstile dieser Tür, eine Ableitung dieses
Typus aus der früheren Reihe. Wie kommt es, daB
diese Tür ganz anders aussieht als die Türen
am Florentiner Baptisterium, als die in Pisa,
als die süditalienischen? Die Autoren fragen,
woher Müntz wisse, daB Filarete bei Ghibertis
erster Tür geholfen habe; die Quelle ist nicht
verborgen, es steht einfach bei Vasari, und wenn.
dieser auch manche Mitarbeiter fälschlich nennt, so
ist doch damit nicht die ganze Liste hinfällig.
Gut wird die gänzlih andere Art Donatellos
und seiner Schule durch den Vergleich mit der
Grabplatte Papst Martins V. betont; ich glaube
nach wie vor, daß dieses Meisterwerk zwar von
Simone Ghini gegossen, von Donatello aber
modelliert ist. Mit Recht wird auf die Wichtigkeit
des Grimaldi-Codex hingewiesen, den Acchiardi
und Venturi (letzterer im 5. Band seiner KG.)
publiziert haben. Für die meisterhafte Bildung
der Tierwelt bei Filarete finden auch diese
Autoren kein Vorbild.
Den Anlaß zu der Publikation gab wohl die
Entdeckung einer Bronzebüste des Griechen-
kaisers Johannes Palaeologos, die 1888 in Rom
auf dem Campo di Marte (!) für ein Butterbrot
gekauft wurde und heute im Museo de propa-
ganda fide in Rom steht. Das ist ein schöner
Fund, zumal er auch fest datiert werden kann,
1439. Ist diese Büste aber von Filarete, so
kann m. E. weder der Caesar in der Sammlung
Lazzaroni in Paris noch der männliche Kopf in
Wien (dort „XVI Jahrh.“ bezeichnet), die Venturi
dem Filarete zuschrieb, von Filarete stammen. Die
Reliefs und Statuetten, die das zweite Kapitel
nennt, sind schon von Courajod und Bode als
Filaretes Arbeiten erkannt worden. Der Zweifel
an der Autorschaft der groBen Madonnen-
plakette, von der Berlin und der Louvre ein Exem-
plar besitzen, ist m. E. unberechtigt. Das große
Marmorrelief des heiligen Markus in S. Marco
in Rom ist auch m. E. nicht von Filarete; aber
daß es „ad evidenza la maniera di uno scultore
donatelliano“ zeige (S. 138), ist erst recht ein
Irrtum; wahrscheinlich ist es eine venezianische
Arbeit.
Die Darstellung der Tätigkeit Filaretes in
Mailand als Architekt des Kastells und des
Hospitals ruht auf Beltramis Ergebnissen; andere
Arbeiten, wie z. B. A. G. Meyers Buch, schei-
nen die Verfasser nicht zu kennen. Wichtig
ist der von Beltrami gefundene Kopf des heiligen
Ambrosius von Filarete, der sich heute in Arona
befindet. Der letzte Abschnitt exzerpiert den
Traktat Filaretes und gibt eine willkommene
Übersicht über den Inhalt nach dem Codex Ma-
gliabecchianus, dessen wichtigste Zeichnungen
abgebildet werden. Aber hier fehlt es an
685
den kritischen Notizen. Wie wichtig ist die
Stelle S. 250 über die Florentiner zeitgenössischen
Bildhauer! Wer ist der Bruder Agostino di
Duccios, Ottaviano? Ist Dino = Mino? Wer ist
der Luca in Mantua? Ist Domenico da Lu-
gano der Gaggini? Wer ist unter dem Schia-
vonen zu verstehen, etwa Francesco Laurana?
Sind am Schluß die Baroncelli gemeint? Mit
diesen Rätseln mußten sich die Herausgeber
doch auseinandersetzen. |
Man kann aus dem Buch nicht ersehen, wie
sich die Arbeit auf die beiden Verfasser ver-
teilt; Ant. Muñoz wird wohl die Hauptarbeit
zufallen. Seine Ergebnisse führen nicht über
das hinaus, was v. Oettingen, Sauer, v. Tschudi,
Bode, Courajod, Mintz, Beltrami, Meyer, Mo-
linier u. a. gefunden haben, abgesehen von dem
Fund der Biiste des griechischen Kaisers. Wir
würden aber den Dank für diese Zusammen-
fassung der Resultate der Forschung in einer
so schönen illustrierten Publikation freudiger
abstatten, wenn die Anerkennung der Vorarbeit
vornehmer zugestanden wäre. Das Wort über
Oettingen S. 4, ,che, a dir vero non ha fatto che
riassumere con somma diligenza il già noto“
paBt nicht auf Oettingens beide Biicher, wohl
aber auf das vorliegende.
Paul Schubring.
2
Avena, A. ll Restauro dell’ arco d’Alfonso
d'Aragona in Napoli. 4°. XIX u. 152 S. 135
illustrazioni e tre tavole fuori testo. Pr. 20.— Lire.
1908. Danesi, editore, Roma.
Das Buch zerfällt in zwei Teile, die nur
äußerlich miteinander zusammenhängen — den
Text und die Abbildungen. Was den Text be-
trifft, so wäre wohl kein zweiter wie der Ver-
fasser in der Lage gewesen, uns über eins der
interessantesten Bauwerke Italiens aus dem
XV. Jahrhundert eine geschichtlich, technisch und
stilkritisch erschöpfende Arbeit zu geben, war
er doch jahrelang mit seiner Herstellung be-
schéftigt. Auch ist er sich dieser seiner Aus-
nahmestellung wohl bewußt: mit einer nicht
eben angenehm berührenden Eindringlichkeit,
die in dem ganzen Werke das liebe Id dem
Leser in Wort und Bild nur zu häufig vor-
führt, lesen wir schon in der Einleitung, die
Annahme wohlwollender Freunde sei nicht un-
berechtigt, er habe bereits die Hand an eine
gescichts- und kunstkritische Arbeit gelegt, „in
der die Erforschung dieses Denkmals
und seine persönlichen Ansichten dar-
über zu der genauesten und klarsten
Erkenntnis dieses bedeutenden Werkes
686 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
beitragen würden“, sei es ihm doch ver-
gönnt gewesen, „bestimmte und unwider-
leglihe Beweise zu sammeln, die dar-
tun würden, daB nicht alle von treff-
lien Schriftstellern aufgestellten Be-
hauptungen indem Denkmale selbst ihre
Bestätigung finden“. In diesem Buche finden
wir vorerst davon auch nicht das Geringste; ja,
es wird allen kritischen Fragen mit einer ge-
wissen Angstlichkeit aus dem Wege gegangen!
Und doch, wie dankbar wären wir ihm gewesen,
wenn Avena mit dem Flederwisch tapfer heraus-
gefahren wäre, anstatt uns mit so dunkeln Än-
deutungen den Mund wässerig zu machen}
Wer freilich mit seiner Art zu arbeiten vertraut
ist und weiß, daß auch in seinem früheren Werke
Monumenti dell’ Italia meridionale das
Gute meist nicht von ihm stammt, und was von
ihm ist, nicht viel taugt, der wird auch von
diesen verheiBungsvollen Versicherungen nicht
sonderlich viel halten. —
Die meist recht guten Abbildungen bestehen
aus bekanntem und neuem. Das erstere, wie
z. B. der hier nun innerhalb vier Jahren schon
zum vierten Male wiederholte Druck des Bildes
von Neapel aus dem Strozzihause nadı der
Napoli Nobilissima und andere Abbildungen der-
selben (leider eingegangenen) Zeitschrift von
der Neuen Burg sind zwar angenehme, aber
nicht notwendige Beigaben. Auch eine ganze
Reihe im Kunsthandel längst erhaltlicher Photo-
graphien waren nur dann erforderlich, wenn
über das Dargestellte auch etwas zu sagen war.
Dankbar begrüßen wir dagegen auch um ihrer
selbst willen die von dem Architekten Magliano
angefertigten vielen Einzelaufnahmen, die dem
Forscher das gesamte Studienmaterial in meist
befriedigender Form darbieten. Ferner erhalten
wir einige Zeichnungen Avenas und auch einen
Grundriß der Burg, die demjenigen, der endlich
einmal dieGeschichte dieses überaus interessanten
Denkmals zu schreiben unternehmen will, von
Nutzen sein werden. Endlich finden wir noch
die Darstellung einiger technisch interessanter
Momente, die freilich dem Kunsthistoriker nichts
helfen.
Neben diesem reichen und ganz unsyste-
matischen Bilderbuche läuft nun ein Text her,
durch den man sich mit wachsendem Unmute
hindurdhliest, Es ist nämlich auch nicht mit
einem Worte von den zahllosen Fragen die
Rede, die uns die Bilder vorlegen, sondern wir
erhalten in der ermüdendsten Breite nichts als
eine Geschichte der verschiedenen Vorschläge
und Pläne zur Wiederherstellung unsers Denk-
mals. Es werden da ganze Akten abgedruckt,
die längst ihrem verdienten Schicksale, ver-
gessen zu werden, verfallen waren: und man
wird bald von der unangenehmen Empfindung
gefangen genommen, daB alles dies nur ge-
schieht, um die Verdienste des Verfassers in ein
besonderes Licht zu stellen. Möglich, daß seine
Leistungen vom technischen Standpunkte alle
das Lob verdienen, das er sich selber spendet:
schön ist bekanntlich aber ein solches Verfahren
nicht, und wenn die Widerlegung dieses oder
jenes Vorgängers noch obendrein mit einem
großen Aufwand von Ausrufezeichen geschieht
(auf S. 120 finden sich in sieben Zeilen neun!),
so trägt diese Art geschmackloser Unterbrechung
des Textes nicht zum Genusse bei. —
Sehe ici von der Würdigung technischer
Dinge als nicht sachkundig ab, so beschränkt
sich die wissenschaftliche Ausbeute auf ein Paar
Kleinigkeiten. Aus einem Berichte der Akademie
von Neapel vom 28. Dezember 1852, S. 10 er-
fahren wir, daB der beim Bogen verwendete
Stein „Betuliamarmor“ sei, der den Fehler
habe, weich zu sein und leicht zu zerfallen.
Derselbe Betuliamarmor kehrt noch einmal wieder,
und gern erführe man von dem Hersteller des
Bogens, was denn das für ein Material ist. Er
sagt uns nichts davon, wie ich denn auch in
Fachbüchern nichts darüber habe erfahren können.
Ich kann mir das Wort nur aus einer Entstellung
von Betogli erklären, einem 698 m hohen
Gipfel bei Karrara, dessen geologische Eigen-
art aus der bei Fischer (La Penisola italiana.
Torino 1902. S. 254) abgedruckten Karte des
italienischen geologischen Amtes ersichtlich ist.
Auf diese Weise erfahren wir also, daß der
Marmor für den Bogen aus Karrara kam und
von dem damals im Besitze des Königs Alfons
befindlichen Porto Venere (dem Port Vandres
der Urkunden) aus nach Neapel verschifft wurde.')
Mit besonderem Behagen verweilt der Ver-
fasser bei seiner Entdeckung, der obere Bogen
sei keine Nische, sondern ein durch eine spätere
Stützwand geschlossener ursprünglich offener
Bogen. Und doch hat er das früher von unten
ebensowenig sehen können wie Andere, und
wenn er daher meint, ich sei demselben Irrtum
verfallen und erst durch ihn auf das wahre
Sadiverhältnis aufmerksam geworden, so über-
sieht er, daB der Irrtum ebenso begreiflich war,
wie der Sachverhalt für den ersten Blick aus
der Nähe klar sein mußte. Weder dies nom
irgend etwas anderes habe ich leider bei meinem
vielmonatlihem Aufenthalt von dem Verfasser
über den Bogen erfahren können; wohl aber
fällt es mir auf, gelegentliche Andeutungen von
1) Hiernach sind meine Ausführungen, Laurana S. 66
zu berichtigen. Der Betogli ist grauweiß mit einem Stich
ins Gelbliche.
Literatur
687
mir im Buche des Verfassers als eigenes zu
finden, so die Erklärung der richtigen Haltung
der Mittelfigur auf dem Flachbilde der linken
Laibung, die Annahme von mindestens fünf
verschiedenen Händen bei der Ausführung des
groBen Triumphzuges u.a. m. Das konnte natür-
lich jeder Kenner, der die Dinge aus der Nähe
betrachtete, ebensogut, „entdecken“, und auch
Burger hat ja dasselbe gefunden, was idı
Avena mitteilte: wogegen ich mich aber ver-
wahre, das ist, erst durch Avenas Hinweise solch
selbstverständlihe Beobachtungen gemacht zu
haben. — Von einigem Interesse ist es ferner,
in dem Buche Avenas zu lesen, wie man sich
den oberen Bogen und die Nischen der Laibung
ausgefüllt dachte, wobei wir wiederum die vielen
Ausrufungszeihen des entsetzten Verfassers
gern entbehrten. Für den Kunsthistoriker von
Wert sind auch die Ausführungen über das
Mauerwerk S. 93, wodurch erwiesen wird, daß
der Bogen in vier deutlichen Absätzen erbaut
wurde. Der Verfasser will das bereits vorher
aus der Stilkritik des Bogens erkannt haben,
vergiBt aber zu erwähnen, daß der Gedanke
schon mehrfach vor ihm ausgesprochen wurde,
wie er denn auch seinen eigenen stilistischen
Beweis schuldig bleibt. S. 102 erhalten wir die
Wiederholung einiger längst bekannter Notizen
über die mannigfachen Schicksale des Bogens:
auch hier läßt der Verfasser die Gelegenheit
unbenutzt, uns, wenn nicht neues zu sagen, doch
einen zusammenhängenden AbriB über die Ge-
schichte des Bauwerks, das ihm anvertraut war,
zu geben. Als das Verdienstlichste des Buches
betrachten wir die Tafel III (Fig. 144), auf der
uns der groBe Triumphzug dargestellt ist, wie
er in seine einzelnen Marmorblöce zerfällt —
ein schätzbares Hilfsmittel beim kritischen Stu-
dium der einzelnen Werkstätten. Damit ist aber
die Ausbeute für uns auch erschöpft. Was die
Restaurierung selbst betrifft, so sind ja die da-
bei von Avena befolgten Grundsätze nicht seine
Erfindung; es ist aber dankbar anzuerkennen
daB z.B. alle erneuten Stücke ihr Datum tragen.
Dagegen war es stilistisch und ästhetisch ein
Fehler, die Bekrönung zu verstümmeln, indem
man an Stelle der drei dort befindlichen Figuren
(mochten sie audı noch so unbedeutend sein)
nur eine setzte. Eine derartige Krönung verlangt
in der Mitte und an den Seiten auf niedrigen
Konsolen je eine Gestalt, wie sich denn der
Verfasser selbst in Neapel (z. B. beim Grabmal
des Galeazzo Sanseverin in der Neuen Marien-
kirche) hätte unterrichten können. Stilkritik ist
offenbar nicht seine Stärke, wie sich das auch
aus gelegentlichen Bemerkungen wie derjenigen
ergibt, daß die Rosetten des zweiten Bogens
„sehr schön“, die Köpfe „charakteristisch“ seien:
man kann sich kaum eine handwerksmäßigere
Werkstattarbeit vorstellen. Wilhelm Rolfs.
g
Georg Swarzenski, Die Salzburger
Malerei von den ersten Anfängen bis zur
Blütezeit des romanischen Stils. Denkmäler der
süddeutschen Malerei des frühen Mittelalters II.
Tafelband mit 457 Abb. auf 135 Lichtdrucktafeln.
Leipzig, Karl W. Hiersemann, 1908.
Mit aufrichtiger Genugtuung begrüßen wir
das Erscheinen dieses Werkes, das der Verf.
uns in seiner nun schon 7 Jahre alten „Regens-
burger Buchmalerei* versprochen hatte — mit
Genugtuung, auch wenn es nur ein Torso ist.
Statt einer Geschichte der Salzburger Buchmalerei
nur ein Tafelband mit einem auf das aller-
knappste bemessenen Inhaltsverzeichnis!. Aber
um ‘so dankenswerter ist diese Verdffentlichung,
je weniger es ihrem Autor seiner Berufsgeschäfte
wegen möglich war, sogleich den Kommentar
dazu zu geben, je schwerer es ihm hat werden
müssen, seine sorgsam gesammelten und ge-
sichteten Schätze vor uns auszubreiten, ohne
selbst ihren Gehalt und Wert zu bestimmen.
Es droht ihnen wohl das Los der Perlen —
oder, was schlimmer ist, das Schicksal des Kalbes,
mit dem ein Fremder seinen Acker pflügen geht.
— Wir aber wissen nun doch einigermaßen,
woran wir sind, wir übersehen die Reihe der
Denkmäler, in denen Sw. die wichtigsten Re-
präsentanten der blühenden Salzburger Schule
erblickt, wir haben die chronologische Folge, in
die er sie ordnet, und erhalten wenigstens An-
deutungen über Zusammenhänge zwischen den
einzelnen Handschriften. Ein wichtiges, bisher
nur den Wenigsten zugängliches Gebiet der
mittelalterlihen Kunstgeschichte ist alien er-
schlossen.
Dem Referenten freilich ist's schwer gemacht.
Er kann nur berichten, kaum deuten und werten.
So nehme man vorlieb mit der folgenden Über-
sicht über den Inhalt des Tafelbandes und be-
tradite die dabei gegebene Charakteristik der
Werke und die nur das Wichtigste berücksich-
tigenden Literaturverweise als spärlichen Ersatz
für den noch im Laufe dieses Jahres zu er-
wartenden Textband.
Den Anfang macht das Cuthbert-Evangeliar
Wien 1224, nicht als erstes Erzeugnis der Saiz-
burger Malerschule, sondern als ein Stück aus
dem ältesten Bestande der dortigen Bibliothek;
um die Mitte des VIII. Jahrhunderts von einem
45
688
Angelsadisen geschrieben und durchaus im angel-
sächsischen Stil ausgeschmückt, hat es, wie aus
nachträglichen Korrekturen hervorgeht, zu An-
fang des IX. Jahrhunderts schon in Salzburg
gelegen (vgl. Chroust, Mon. palaeogr. I, VIII,
12). Und es ist nicht ohne Wirkung auf die
Produktion im südöstlihen Deutschland ge-
blieben: das beweist der Codex Millenarius zu
Kremsmünster, dessen Bilder zu denen des Cuth-
bert-Evangeliars in Parallele gestellt werden (auf
Taf. I als recht klein gedruckte Anm.!). Soll
diese Zusammenstellung eine Illustration sein zu
Swarzenskis Ausführungen über die Genesis des
Stils in der ,Ada-Gruppe“ (Regensb. Buchm.
Seite 7), zur Vermittlung des spätantiken male-
rischen Stils über England an die deutschen
Künstler des IX. Jahrhunderts? Jedenfalls hat
sich hier ein in der Richtung der Ada-Gruppe
geschulter Maler des englischen Vorbildes be-
mächtigt. Wie stets in solchen Fällen sind die
Abwandlungen interessanter als die Zusammen-
hänge. — Ebensowenig wie der Cuthbert-Codex
ist wohl der nun folgende aus S. stammende
Chrysostomus Wien 1007 in S. selbst entstanden?
Höchst auffallend sind die orientalischen Pflanzen-
ornamente auf dem Titelbild. — Wie sehr man
in dieser Blütezeit der Salzburger Diözese unter
Arn nod auf fremde Vorbilder angewiesen war,
bezeugen die ersten sicher in S. hergestellten
Handschriften, der Beda Wien 387 und das kom-
putistisch-astronomishe Sammelwerk Clm. 210
(a. 818 bezw. vor 830 nach einer nordwestfran-
zösischen Vorlage kopiert, vgl. Chroust a. a. O.
I, 1, 1 und VII, 5, 6).
Kann also für diese früheste Zeit von einer
Selbständigkeit der Salzburger Malerei nicht
gesprochen werden, so fehlt für den weiteren
Verlauf bis zum Beginn des XI. Jahrhunderts
jedes auf S. zu lokalisierende Denkmal. Und
auch die ersten dieser Epoche angehörenden
Stücke, das Evangeliar aus Stift Nonnberg Cim.
15904 und das Michaelbeurner Evangeliar Clm.
8272 vermögen uns noch keine Vorstellung von
einem spezifisch salzburgischen Stil zu ver-
mitteln. Anders stünde es mit dem bilderreichen
Evangeliar in S. Peter zu S., a. X. 6, dem Sw.
9 Tafeln gewidmet, wenn sich seine Entstehung
in S. bestimmt nachweisen ließe. Dem scheint
aber nicht so zu sein, daSw.in ihm die gleiche
Hand erkennt!) wie in dem sehr eigentümlichen
Evangeliar Heinrichs II. Bamberg A. II. 46, das
gewiß bayrisch, aber wohl nicht sicher salzbur-
gisch ist. Ist nicht übrigens im S. Peter-Evan-
geliar alles linearer, flächenhafter als in der
Siehe H. Tietze, Die illum. Handschriften in Salz-
burg = Bescht Verz. der illum. Handsdıriften in Öster-
reich, herausg. von F. Wickhof, Band Il, Seite 2, 5ff.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Bamberger Handschrift, deren merkwürdig fleckig
marmorierende Modellierung in sehr konsis-
tentem, glänzenden Farbenauftrag sich (nach
den Reproduktionen) in jener Handschrift nicht
zu finden scheint? Ihr Stil nähert sich vielmehr
in Zeichnung und Komposition beträchtlich dem
der „2. Hand“ in dem aus S. stammenden aber
von Sw. zur Regensburger Schule gerechneten
Münchner Perikopenbuch Cim. 179.
Unter den folgenden bilderarmen und weniger
bedeutenden Handschriften des vollen XI. Jahr-
hunderts fällt das Passauer Breviar Clm. 11004
auf durch seine Verwandtschaft mit dem Reithe-
nauer (oder Augsburger?) Psalter Karlsruhe
Reich. CLXI. Die Initialen zeigen zum erstenmale
die klaren und vollsaftigen Rankenmotive, die
fernerhin die Salzburger Ornamentik beherrschen.
Nun erst setzt die Entwicklung ein, die in
ununterbrochener Kontinuität durch das ganze
XII. Jahrhundert hindurch den spezifisch Salz-
burger Stil heraufführt. Die Bibel in S. Florian
Xl, 1, wohl schon nach 1100 entstanden, zeigt
das wesentliche Symptom dieses Stils: die enge
Anlehnung an Vorbilder aus der mittelbyzanti-
nischen Malerei. Sie erfolgte hier in der gleichen
Weise wie in dem Perikopenbuch des Meisters
Bertold im Stift S. Peter, das doch wohl auch
für S.in Anspruch zu nehmen und etwas später
zu datieren ist, als esSw. seiner Zeit (Regensb.
Buchm. S. 156ff.) angesetzt hat; vgl. Haseloff,
Göttinger Gel. Anz. 1903, S. 899. Die (von
Regensburg übernommenen) Byzantinismen be-
schränken sich nämlich, wie Sw. a. a. O. darge-
tan hat, auf Ikonographie, Bildanlage, Gestalten-
bildung und Gesichtstypen; der Gewandstil hin-
gegen hat mit byzantinischen Vorbildern nichts
zu tun, sondern knüpft in seiner strengen, grad-
linigen, parallele Führungen bevorzugenden
Zeichnung an die ältere Regensburger Kunst
vom Ende des X. Jahrhunderts an. Dies Moment
ist von großer Wichtigkeit; es bezeugt ein hohes
MaB von Selbständigkeit in dieser Kunst, ein
klar bestimmtes, freies „Kunstwollen“, das die
sicherste Gewähr für eine gedeihliche Fortent-
wicklung bietet. Und so ist denn in der Tat
die Kraft, die sich in dieser linearen Gewand-
stilisierung offenbart, das schöpferische Prinzip
für die Zukunft in S. geworden. Sie ward
schöpferisch, weil sie wandelbar war, weil sie
die strenge Formelhaftigkeit abstreifen und zu
einer wirklich ausdrucksvollen Zeichenkunst aus-
reifen konnte. — Von dieser lebendigen Wand-
lung zeugen die monumentalen Handschriften,
deren Schmuck auf den nun folgenden Tafeln
in seiner ganzen Fülle vor uns ausgebreitet
wird. Unter ihnen beansprucht die sogenannte
Walthersbibel in Michaelbeuern (vgl. Tietze a.
Literatur
a. O. S. 90ff.; Neuwirth, Sitzungsberichte der
Wiener Akademie, Bd. CXIII, 1886, S. 139ff.:
wahrscheinlich in S. Peter in S. gefertigt) be-
sonderes Interesse dadurch, daB in ihr der neue
Stil neben Nadhklängen der älteren Richtung
(Abb. 84, 88) auftritt; um so deutlicher springt
seine Eigenart in's Auge: der rundliche, schwel-
lende, schmiegsame Strich, das freie Ineinander-
fließen der Licht- und Schattenflächen, das Weich»
bewegte der etwas schwammigen Gestalten.
In der Gebhardsbibel zu Admont (vgl. Neu-
wirth a. a. O.) scheinen von neuem byzanti-
nische Eindrücke hemmend, verwirrend einge-
treten zu sein: Gesichtstypen, Faltenkonstella-
tionen und Bildauffassung verraten deutlich ein
Schwanken zwischen reinen Byzantinismen und
selbständiger Abwandlung, zwischen der alten
Gradlinigkeit und rundlich-fließender Zeichnung,
zwischen dichter Reihung mit symmetrisch an-
geordneten Figuren und freiester Rhythmik aus-
drucksvoll durchlebter Gestalten.
Zur vollen Reife aber ist der neue Stil ge-
diehen in dem Meisterwerke unter den groBen
Salzburger Bibeln, der sogenannten Gumperts-
bibel in Erlangen. Es ist eine Wonne, in diesem
Bilderbuch zu blättern, diese reiche Folge von
Illustrationen zum alten und neuen Testament
an sich vorüberziehen zu lassen, wie sie teils
in höchst abwechslungsreih von Rankenwerk
geformten Medaillons über die ganze Buchseite
verteilt sind, teils in horizontalen oder vertikalen
Streifen die Textseite zieren. Es herrscht in
ihnen eine Fülle des Lebens, ein Reichtum dra-
matischen Ausdrucks, eine Freiheit der Kompo-
sition (sowohl der Verteilung der Figuren auf
der Fläche als ihrer Verbindung mit landschaft-
lichen und architektonischen Motiven), wie sie
bisher unerhört war. Und dabei welche Schön-
heit der Form, welche souveräne Beherrschung
der Mittel! Aus den schwerfälligen Gestalten
der vorher besprochenen Handschriften sind
schlanke Figuren geworden, die leichten Schritts
einherwandeln, sich schmiegen und beugen, leise
neigen und dicht zusammenkrümmen, Arme und
Beine in weichste Rundungen zu legen wissen,
daB sie wie Schlingpflanzen aufwachsen und
sich verbinden. Und das alles, weil der Künstler
ein Zeichner war, weil die (wie man früher
meinte volkstümlich-primitive, in der Tat aber
hödhst raffinierte) Federzeichnung A und O seiner
Kunst ist, weil er mit schwebender Hand die
Feder über die Fläche zu führen weiß, wie in
träumendem Spiel immer neue Wege für sie
findet, immer fließend, immer schwungvoll. Man
verfolge nur einen einzigen dieser Linienzüge,
wie lebendig und fest zugleich er verläuft, wie
tief und saftig er sich in seinem Schwarz von
689
der Fläche abhebt, wie er sich schlingt und
rundet. Das ist trotz aller byzantinisierenden
Typen, trotz aller breiten Obergesichter, aller
Mandelaugen und gekrümmten Nasen eine
durchaus selbständige und durchaus nordische
Kunst, die ihren eigenen Weg geht — den Weg
zur Gothik! Der ist sieschon so nahe, wie die
gleichzeitige englische Malerei, aus der jener Stil
dann erwuchs. Und nicht nur für das Figürliche
gilt das, sondern ebenso für die Ornamentik,
für das Blattrankenwerk der Initialen und großen
Zierseiten, für die zarteren Ranken-, Well- und
Bandmotive, die gegenstandslosen Linienorna-
mente an den Umrahmungen der Breitbilder.
Wie hoch der Künstler dieser Bibel seine
Genossen in S. überragt, beweist das wohl gleidh-
zeitige Perikopenbuch von S.Erentrud Clm. 15903,
das in der ungelenken Komposition, den schwer-
tälligen Körpermotiven, in der Häufung der
Faltenzüge und der sehr derben (in der pracht-
vollen Detailaufnahme wie am Originale zu
studierenden) Modellierung ein viel unfreieres
Wesen zur Schau trägt. Auch hier teilt der Stil-
charakter sidı der Rahmenornamentik mit, wenn
diese auch selbständigere Regungen zeigt als
jenes Stück aus dem Passauer Evangeliar Clm.
16003 (Abb. 211), in dem der Maler des XII. Jahr-
hunderts ein aus der spätrömischen, Kunst: in
die karolingische Ornamentik (Adagruppe, Schäft-
larner Evangeliar) übergegangenes Motiv unbe-
denklich kopiert.
Es kann nicht die Aufgabe des Ref. sein,
Stück für Stück die (insgesamt 56) Handschriften
aufzuzählen, die hier veröffentlicht sind. Nach
manchem minderwertigeren Erzeugnis fesselt das
Passauer Perikopenbuch Clm. 16002 wieder die
Anfmerksamkeit durch eine Anzahl von Bildern
(vor allem Abb. 294, 301, 302), die im Stile der
Gumpertsbibel gehalten sind. Aus ihr ist auch
die Initialbehandlung abgeleitet, das innige Ver-
weben figürlicher Motive mit dem Rankengerüst.
In der Rahmendekoration findet man einen ent-
schiedenen Fortschritt zu großzügiger Rhythmi-
sierung des Ornaments. Aber unmittelbar neben
solchen Zeugen selbständigen Strebens richtet
wieder der Byzantinismus sein Haupt empor:
in der bekannten Ecclesia der Passauer Hand-
schrift, in den Evangelisten des Evangeliars von
Weihenstephan Clm. 21580 unterliegt auch die
Gewandbehandlung dem östlichen Einfluß.
Erst tief in der 2. Hälfte der Publikation
kommen wir zu dem Hauptwerk der Salzburger
Malerei, dem Antiphonar von S. Peter. Seine
Einordnung an dieser Stelle überrascht nicht;
denn wir wuBten schon durch Tietze, daB Sw.
seine Entstehung unter Erzb. Eberhard (1147 bis
1164) annimmt. Damit tritt es aus dem unglück-
690 Monatshefte für Kunstwissenschaft
lihen Zusammenhang heraus, in den es Jani-
tschek in seiner Geschichte der deutschen Malerei
gestellt, zeitlim den Meisterwerken des „natio-
nalen Stils“ in Westdeutschland an die Seite,
mit denen es ja auch stilistisch viel gemein hat.
— Die wissenschaftliche Bedeutung dieses lang-
ersehnten Ersatzes fir die heute unzureichende
Publikation von Lind und Camesina bedarf keines
Kommentars.
Sehr wertvoll ist es, hier andere Arbeiten
aus S. Peter kennen zu lernen, wie die Bibel A.
XII, 18 (von Tietze a. a.O. an den Anfang des
XII. Jahrhunderts gesetzt!) und den Nekrolog
XX, CCCVI, 7, die mit dem Honorius Augusto-
dunenis, Wien 942, den gleichen abgeklärten
Zeichenstil repräsentieren wie das Antiphonar.
Wesentlich verderbt erscheint dieser in den
Lambacher Handschriften in Berlin, Kremsmünster
und Lambach, während die Tierkreisbilder im
Millstädter Missale zu Klagenfurt (vgl. R. Eisele,
Die illum. Handschriften in Kärnten, Nr. 15) wieder
als reinste Erzeugnisse dieses Stils anzusehen sind.
Wie ein Résumé aller der großen Errungen-
schaften der Salzburger Malerschule des XII. Jahr-
hunderts wirkt das Orationale von S. Erentrud
Cim. 15902. In der abgeklärten Zeichnung der
Gestalten, der harmonischen Verbindung von
Figur und Initial, der vollen Rankenornamentik
mit den breit entfalteten Blattknospen, in der
reihen Durchornamentierung der Gründe und
Umrahmungen, in dem wohlabgewogenen Ver-
hältnis endlich von Schmuck und Schrift ist der
Salzburger Stil nach allen Richtungen völlig aus-
gereift. Aber diese Reife ist zugleich das Ende.
Denn sie ist erkauft durch den Verzicht auf das
Beste, das S. besessen hatte: das leicht gestal-
tende Temperament der Gumpertsbibel. Schwer
liegt die Hand von Byzanz auf dieser Kunst.
Kein Widerstreit mehr, sondern völliger Sieg.
Die breite Entfaltung der Figuren, die typisdie
Formulierung der Geberdensprache, die klassische
Ausprägung von Gesichtstypen, Proportionen
und Gewandmotiven sind die Symptome dieses
beherrschenden Einflusses, für den es des aus-
drücklichen Zeugnisses in der Inschrift des Ma-
donneninitials: SCA . THEOTOCOS . IHC . XPC.
nicht noch bedarf. — Mit diesem Sieg, der sich
in den auf der letzten Tafel reproduzierten Wand-
gemälden in Mariawörth und Pürgg besonders
greifbar zu erkennen gibt, ist das Schicksal der
deutschen Malerei im XIII. Jahrhundert ent-
schieden.
So ist es ein reiches und reizvolles Ent-
wicklungsbild, das an uns in diesen Tafeln vor-
überzieht. Aber wer vermöchte alle Zeichen zu
deuten? Hoffen wir, daB der Textband nicht
lange mehr auf sich warten läßt.
Nächst dem Verf. gebührt unser Dank dem
Verlag, der in der Zusammenarbeit mit der
Leipziger Kunstanstalt von Sinsel & Co. ein ein-
wandfreies Meisterstück moderner Reproduk-
tionstechnik geliefert hat. Vitzthum.
8
Osterreichische Kunsttopographie. Her-
ausgegeben von der k. k. Zentralkommission
für Kunst und historische Denkmale. Wien 1908.
Verlegt bei Anton Schroll & Co.
Fast möchte man die Österreicher dazu be-
glückwünschen, daß sie später als ihre deutschen
Brüder die Inventarisierung der Kunst- und Bau-
denkmäler unternommen haben. Bei uns wenig-
stens in Deutschland hat derEifer, mit der man
sich seit etwa dreißig Jahren auf die Herstellung
von Kunstinventaren geworfen hat, nicht selten
viel von einem blinden Eifer an sich gehabt, der
das Gute will und das Böse schafft. Nicht wenige
dieser oft mit großen Opfern zustande ge-
brachten Verzeichnisse sind ohne zureichende
Sachkenntnis entworfen, sind zu flüchtig ge-
arbeitet, und geben, indem sie den Denkmäler-
schatz nach subjektiven ästhetischen Gesichts-
punkten auswählten, eine oft einseitige und un-
genügende Kunde von der künstlerischen Hinter-
lassenschaft unserer Vergangenheit. Von dem
Geiste echter Wissenschaftlichkeit erfüllte In-
ventare, wie die rheinischen, sind doch die Aus-
nahmen und viele der älteren Bearbeitungen
wie zum Beispiel die Aufnahmen Thüringens
der Provinz Sachsen sind alles in allem doch
so beschaffen, daB man ihnen eine von Grund
aus neue Bearbeitung wünschen möchte. Die
Mangelhaftigkeit der meisten vor längerer Zeit
begonnenen Inventare für die Förderung der
kunstgeschichtlihen Studien ist so auffällig,
daB der geringe wissenschaftlihe und prak-
tishe Erfolg einer Anzahl dieser mühsamen
und kostspieligen Unternehmungen weniger den
einzelnen Bearbeitern vorgeworfen werden darf
als vielmehr einer allgemeinen Unklarheit über
den Zweck dieser Inventare.
Als administrative Handhaben zur Erleichte-
rung der staatlichen Kunstpflege hätten vielleicht
kurze Verzeichnisse ohne historische und kriti-
tishe Erörterungen vollauf genügt. Da aber
bei der Anfertigung der Inventare oder Kunst-
topographien Wert gelegt wird auf die Er-
weckung der allgemeinen Anteilnahme an den
alten Denkmalen, und da durch sie die wissen-
schaftliche Erforschung unserer Kunstvergangen-
heit gefördert werden soll — müssen jetzt an
nm —
Literatur 691
die Bearbeiter weit höhere Ansprüche gestellt
werden, als wohl früher geschehen war.
Als die zuletzt gekommenen haben die Öster-
reiher durch das Organ der k. k. Zentral-
kommission für Kunst- und historische Denk-
male aus der gegen früher veränderten Sach-
lage mannigfachen Vorteil gezogen. Und es ist
für sie ein Glück gewesen, daß ein so einsichts-
voller und weitblikender Gelehrter wie Alois
Riegl als Generalkommissar die Grundsätze
für die Inventarisation nach Maßgabe der ver-
änderten Anforderungen der kunstwissenschaft-
lihen Forschung sowohl wie auch im Hinblick
auf den Umschwung in unserer Schätzung der
heimischen Kunstweise aufstellen konnte. Aber
der Unermiidliche, dem gerade diese Arbeit zu
Herzen ging, hat den Beginn der neuen Inven-
tarisation nicht erlebt. Doch lebt seine wissen-
schaftliche Gesinnung fort in dem Kreise seiner
Schüler. Max Dvorak, der Schüler und Nadh-
folger Riegls an der Wiener Universität, hat
die Grundsätze Riegls weiter ausgearbeitet und
ein klares Programm aufgestellt, das in jedem
Betracht den gesteigerten Anforderungen unserer
Wissenschaft entspricht und das in seiner Durch-
führung auch geeignet ist, jene Werbung um
die Ehrung und Pflege deutscher Kunst zum
gemeinen Nutzen aller zu erfüllen.
Für den vorliegenden ersten Band der
österreichischen Kunsttopographie, die den poli-
tischen Bezirk Krems umfaßt, hat Dvorak eine
Einleitung geschrieben, in der er die verschie-
denen Gesichtspunkte, die früher bei Inventari-
sationen maßgebend gewesen sind, nach ihrer
historischen Bedingtheit untersucht und die Kate-
gorien feststellt, denen in älterer Zeit die Be-
urteilung der Vergangenheit unterworfen ge-
wesen ist. Führte das Zurechtrücken und die
Auslese der Denkmäler unter die wechselnden
Gesichtspunkte ästhetischer Theorien zu so un-
historischen Gewalttätigkeiten, wie es zum Bei-
spiel die Ausschaltung der barocken Kunst ge-
wesen ist, so sind nicht selten die Inventare
dorch vom eigentlichen Thema abschweifende
topographisch-historishe Untersuchungen sehr
unnötig und zwecklos beschwert worden. Ver-
langt wird eine Bestimmung der zeitlichen und
Stilistischen Provenienz der Denkmale auf Grund
einer methodischen Verwertung des gesamten
Materials. Verlangt wird eine Analyse dieser
Denkmale als der Zeugnisse vergangener Ent-
wicklungen, als der Beweise bestimmter Kultur-
wandlungen. Verlangt endlich wird eine die
allgemeinen Resultate der Forscherarbeit zu-
sammenfassende Darstellung, welche die Aus-
wahl und Ordnung der lokalen Typen begründet
und die Zusammenhänge mit der allgemeinen
Entwicklungsgeschichte nachweist. So zerfällt
die Topographie des Kreises Krems in eine
kunstgeschichtliche Übersicht und in das eigent-
liche die Orte in alphabetischer Reihenfolge be-
handelnde Inventar.
Unter Dvořaks Leitung haben Dr.HansTietze
und Frau Dr. Erica Tietze die Hauptarbeit
geleitet, aber noch mehrere andere Gelehrte
sind in Spezialfragen zu Worte gekommen.
So ist ein in vielem Betracht musterhaftes Werk
zustande gekommen dem durch Kunsthistoriker
ein an Denkmalen reiches und wichtiges Gebiet
neu erschlossen worden. Neben der Bearbeitung
der Denkmale älterer Zeit wird besonders die
Behandlung der barocken Bauwerke, zu denen
das Stift Göttweig reichen Anlaß gibt, inter-
essieren und zeigen, welche selbständigen Triebe
in dieser Kunst diesseits der Alpen verborgen
liegen.
Nadı diesem mächtigen Probeband dürfen
wir durch das österreichische Inventar in jedem
Betracht eine ernste Förderung der kunstwissen-
schaftlichen Studien erwarten. Auch in der topo-
graphischen Anordnung und Illustration ist das
über 600 Quartseiten starke Werk vorzüglich.
Sorgfältige Register ermöglichen das Auffinden
jeder Art Gegenstände von Bauwerken bis zu
dem kunstgewerblichen Kleingerät. Denn auch
diese Dinge in öffentlichem und in privatem
Besitz sind zumeist hinreichend genau behandelt
worden, nur hätten wir zum Beispiel bei der
Erwähnung der Goldschmiedearbeiten gern An-
gaben über die Marken gehabt — vielleicht in
Verweisen auf eine Marken-Tafel. Aber solche
kleine Mängel sollen uns die Freude über die
wichtige Veröffentlihung nicht rauben. Wir
wünschen der österreichischen Kunsttopographie
einen gleich guten und stetigen Fortgang.
Richard Graul.
Si
Gustav Glük. Niederländische Ge-
mälde aus der Sammlung des Herrn
Alexander Fritsch in Wien. Mit 25 Tafeln
und Heliogravuren und 21 Textabbildungen,
darunter 5 Radierungen von William Unger
(Wien, Verlag der Gesellschaft für vervielfälti-
gende Kunst. Buchdruckerei Carl Gerolds Sohn).
Inhaltlich und äußerlich ist dies ein prächtiges
Buch. In gr. Fol, auf schwerem Papier ge-
druckt, mit Heliogravüren außer Text und pho-
totypischen und radierten Abbildungen im Text
darf es zu den vollendetsten Ausgaben der Ge-
sellschaft für vervielfältigende Kunst, die so viele
herrliche Illustrationswerke in die Welt sandte,
692
gerechnet werden. Der Inhalt ist keineswegs
die gewöhnliche, diirre Beschreibung einer klei-
nen Privatsammlung aus der Feder eines Text-
lieferanten, der fiir jedes Werk wiederholt, was
der Illustrator uns viel besser als er vor Augen
bringt; es ist eine Forschung nach dem Schöpfer
jedes Werkes, nach der Stelle, die es in seiner
Künstlerlaufbahn bekleiden muß, eine Darlegung
der Gründe, worauf sich das Urteil stützt; eine
jener Studien wie sie Dr. Bode für größere Ge-
mäldegalerien, z. B. für die Liechtensteinsche,
lieferte und die uns nicht nur die behandelte
Sammlung besser kennen lehrt, sondern unsere
Wissenschaft der Kunstgeschichte im allgemeinen
bereichert.
Herr Gustav Glück hat uns, u. m. durch seine
Studien über die vlämischen Meister im kaiser-
lichen Museum zu Wien, bereits bewiesen, daß
er die Kunstkritik mit gründlicher Kenntnis des
Stiles und der Geschichte der Meister übt. Das
vorliegende Buch bestätigt durchaus den er-
worbenen guten Namen seines Verfassers. Be-
wundernswert ist die Weise, in der Herr Glück
durch Vergleihung mit als echt anerkannten,
in anderen Sammlungen befindlichen Werken
eines selben Meisters den Geburtsakt der Exem-
plare der Fritschshen Sammlung wieder her-
stellt und den Platz bestimmt, den sie chrono-
logish unter den Werken des Meisters ein-
nehmen müssen. Der Reichtum seiner Literatur
fiel mir u. m. dadurch auf, daß er mittels Kata-
logen und alter Inventare mehr als einen der
Titel der von ihm behandelten Werke ermittelte.
Die Sammlung Alexander Fritsch’s ist weder
durch die Anzahl ihrer Nummern, sie zählt
deren nur 46, noch durch den Wert ihres Be-
sitzes bedeutend. Keine groBen Meister, oder,
wo solche vorhanden sind, keine ihrer bedeu-
tenden Werke: im allgemeinen holländische und
vlämische Kleinmeister, Szenen aus dem All-
tagsleben, Kunst für Bürgersleute und für
Bürgerwohnungen, nichtdestoweniger interessant
vom Anfang bis zum Ende. Eines der größten
Verdienste des Buches ist die Weise, in der es
dieses Interesse hervorhebt. Der Gegenstand
selbst hat diesen Reiz, aber in diesem Falle
schuldet er ihn sogut dem Verfasser des
Buches als sich selbst. Es können all diese
Kleinmeister unzweifelhaft verdienstvoll sein,
verläßt man jedoch die Reihe der meist ge-
feierten unter ihnen, so werden die Kennzeichen
weniger auffallend, die Persönlichkeit zeichnet
sih weniger scharf aus und Vergleichung und
Attribution werden schwierig. Die Aufgabe
war hier fortwährend eine sdiwere; dem For-
scher standen nur Anhaltspunkte geringerer
Bedeutung zur Verfügung und zum Auffinden
Monatshefte für Kunstwissenschaft
des hier Gefundenen bedurfte es eines ungemein
scharfen Auges.
Wir erörtern ein paar Beispiele gelungener
Forschungen. Das erste bezieht sich auf ein
Sankt-Martins-Feuer, das unter dem Na-
men Pieter Aertszens erworben wurde, jedoch
augenscheinlich ihm nicht gehört. Der wahre
Namen des Malers wird hier angegeben und
ebensowenig wie der Verfasser zweifeln wir
einen Augenblick seine Richtigkeit an: es ist
Marten van Cleve. Herr Glück beweist es uns
durch Vergleichung mit mehreren, unzweifel-
haften Werken des Meisters im Besitze des
Kaiserlihen Museums in Wien und aus einem
Exemplar des nämlidien Werkes, erwähnt in
einem Inventar des XVII. Jahrhunderts. Das
Sankt-Martins-Feuer war und ist hier und da
noch immer in den vlämischen Dörfern ein
Volksfest, das durch Anzündung eines großen
Feuers auf einem Öffentlichen Platz begangen
wurde, wie die Feste der anderen großen Volks-
heiligen Sankt Johannes und Sankt Peter. Eins
der hauptsächlichsten Teile des Festes war das
Einholen bei Bauern und Bürgern des zum Feuer
benötigten Holzes. Peter Brueghel behandelte
denselben Gegenstand. Bei ihm erscheint ein
Sankt Martin zu Pferd; hier finden wir eine
Darstellung des barmherzigen Heiligen auf einer
durch die feiernde Menge getragenen Fahne.
Brueghel vergißt auch nicht ein anderes Mo-
ment der Feier: das maBlose Trinken zu Ehren
des Heiligen. Marten van Cleve erweist sich
in seinem Gemälde als einer der zahlreichen
Nachahmer Peter Brueghels des Älteren, die
Szenen aus dem Volksleben in seiner Weise
auf die Leinwand brachten und in der Geschichte
der alten vlämischen Schule eine bisher nur zu
wenig bekannte und größerer Aufmerksamkeit
würdige Gruppe bilden.
Ein anderer dieser Nachahmer des alten
Brueghel ist der Maler des Bauerntanzes
in der Fritschen Sammlung, ganz in der Weise
von Brueghels Hodizeitsfesten, mit dem
Unterschiede, daß man hier, an Stelle des am
Tische sitzenden Brautpaares, die Braut am
oberen Ende der Stube an einem Tische sitzen
sieht, während sie den Brautschatz von ihren
Eltern oder Schwiegereltern in Empfang nimmt.
Herr Glück schreibt das Werk Peter Brueghel II.
zu, jedoch ohne Bestimmtheit. Wir glauben,
daß diese Zögerung ihren Grund hat. Die Gegen-
stände der Gemälde und Kupferstiche des alten
Brueghel wurden so häufig nachgeahmt, daß
gewiß sein Sohn nicht allein diese Arbeit ver-
ricttete. Die ganze von dem großen alten
Meister ins Leben gerufene Schule, die inmitten
der überliegenden Strömung der italienisieren-
Literatur
den ihre eigene Wege ging, betätigte sich daran.
Peter Brueghel der Jüngere hatte eine eigene,
wohlbekannte Weise angenommen, auch außer
seinen höllishen Gegenständen: er hatte die
tiefe, warme Farbenfülle seines Vaters nicht.
Es ist immer gefährlich, ein Gemälde nach einer
Photogravure zu beurteilen, und m. E. ist das
hier der Fall; jedoch der schärfere Zug und die
bleichere Tönung des jüngeren Peter Brueghel
fällt uns in diesem Werk nicht auf.
Ein Beispiel scharfsinniger Kunstkritik bietet
der Verfasser uns gelegentlic seiner Beschrei-
bung von Gerrit Lundens Hodizeitsfest. Er
zeigt uns, wie der Maler dieses Stückes, der
bekannte Kopist der Rembrandtschen Nacht.
wache, in seinem bürgerlichen Feste die wich-
tigsten Kennzeichen des Meisterstückes seines
genialen Vorgängers nachgeahmt hat; wie die
Verteilung des Lichtes die nämliche ist, wie er
der wichtigsten Figur der Hochzeit, dem Bräu-
tigam, dieselbe Farbe und dieselbe Haltung wie
Rembrandts gelben, hellbeleuchteten Leutnant
gegeben hat.
Wollten wir alles Merkwürdige aus dem
Buche anführen, so müßten wir nahezu alle
Teile aufzählen. Nur wollen wir noch hinweisen
auf das Kapitel über Architekturmalerei,
welches ziemlich erschöpfend diesen Zweig der
holländishen Kunst gelegentlich der von ihm
beschriebenen Werke des Hendrik Cornelisz
van Vliet, Emanuel de Witte und Peter Neeffs
behandelt. Wegen ihrer kunstvollen Feinmalerei
gehören die letztgenannten, Vater und Sohn,
zu den meistgesuchten der vlämischen Klein-
meister. Nach dem Umschwung des Geschmackes
konnte eine Bevorzugung der breiteren, ge-
schmeidigeren Malerei der holländischen Archi-
tekturmaler gegenüber dieser schärferen, mehr
lineären Pinselung nicht ausbleiben. Verfasser
briht zur Rechtfertigung dieses Geschmackes
eine Lanze, indem er betont, daB das herrliche
Licht- und Schattenspiel der reiferen holländi-
schen Kunst mehr zusagte als die steife, gleis-
sende Manier der vorigen Zeit.
In der Antwerpener Schule, die vor allem
meine Aufmerksamkeit erregte, fand ich mehrere
interessante Werke: eine vorzüglihe Skizze
von „Maria von Medici als Bellona” aus der
Sammlung Schamp d’ Aveschoot und Tencé,
hier zum ersten Male reproduziert, tatsachlich
meisterhaft und einer der seltenen farbigen Ent-
würfe des Meisters zwischen einem RiB in Grau-
farbe und der endlichen Ausführung des Ge-
maldes; einen Studienkopf van Dycks, aus einer
Art Werke, die er nur selten malte, aber sehr
anregend und ungezwungen ausführte; ein
Familienstück von Gonzales Coques. Durch die
693
sorgfältigen Forschungen bezüglich der Werke
der Antwerpener Maler im Kaiserlichen Museum
zu Wien, wurde die Aufmerksamkeit des Ver-
fassers auf mehrere weniger bekannte und des-
halb vernachlässigte Künstler dieser Schule ge-
lenkt, unter diesen auf Franz Wouters, einen
Figuren- und Landschaftsmaler, dem aus guten
Gründen die Landschaft im Hintergrunde des
Familienstückes, eine wahre Perle, zugeschrieben
wird. Vier kleine Werke Teniers bieten ihm
den Ausgangspunkt zu treffenden Erörterungen
über den Stil des jungen Teniers und die Ein-
wirkung des Vaters auf den Sohn.
Max Rooses.
g
Les grands artistes. Paris, Laurens 1908.:
Les van Eyck par Henri Hymans 128 S.
in 8° 24 Il. — Murillo par Paul Lafond.
128 S. in 8° 24 Il. — Daumier par Henry
Marcel 128 S. in 8° 24111. — Holbein par
P. Gauthiez. 128 S. in 8° 24 Ill.
Diese Monographienserie ist nach dem Vor-
bilde der Deutschen entstanden, sie ist spezifisch
französisch, das heißt sie ist schlechter illustriert,
aber viel besser geschrieben als die deutsche
Serie. Frankreich hat eben den Vorzug, außer
dilettierenden Literaten und spröden Spezial-
forshern noch Kunstschriftsteller zu besitzen.
Bändchen, wie den früher in dieser Sammlung
erschienenen Poussin von Desjardins liest man
mit wahrem Vergnügen, so gut und empfindungs-
voll sind sie geschrieben. Die vorliegenden
Bände sind sehr verschieden: Der van Eyck von
Hymans ist eine gründliche und sachliche Mono-
graphie, die eine vorzügliche Einführung in das
Werk der altniederländischen Meister bildet.
Lafonds Murillo läßt den struktiven Grundge-
danken ein wenig vermissen: zu viel Bildertitel
und zu wenig Gedanken darüber. Henry Marcel
hat mit seinem Daumier das Unglück gehabt,
die Resultate des standard work von Klossowski
nicht mehr haben verarbeiten zu können. So
wünschenswert eine populäre Schrift war, so
bedauerlich ist es, daB sie aus dem erwähnten
Grunde über das Problem Daumier als Maler
nicht das sagen konnte, was uns Klossowskis
Schrift nun dargetan hat. Ein kleines Kabinett-
stück ist der Holbein (d. j.) von Gauthiez. Der
Verfasser beherrscht das Quellenmaterial voll-
kommen und entwickelt aus dieser gründlichen
Kenntnis ein Bild von Holbein als Mensch und
Künstler, das mit warmer Begeisterung gezeich-
net ist. Es ist bemerkenswert, daß die franzö-
sishe Kritik über deutsche Kunst, die bisher
694
über vage Allgemeinheiten selten hinauskam,
eine solche lebens- und temperamentvolle Schrift
hervorgebracht hat. R. A. M.
2
Clement Faller par André Girodie: Un
peintre alsacien de tradition. Edition de
la Revue Alsacienne illustrée. Strasbourg 1907.
110 S. 23 Abb. 8°.
Faller wurde 1819 zu Habsheim im Sundgau
geboren, 1901 starb er unbekannt und vergessen
zu Paris. Außer einigen oberelsässischen Samm-
lern lernten ihn einige Pariser Amateure durch
die Vente nach seinem Tode und eine 1905 bei
Vollard veranstaltete Ausstellung kennen. Hier
und da flüsterte man von ihm als von einem
problematischen Bindegliede zwischen den Fon-
tainebleauern und dem modernen Impressionis-
mus. André Girodie hat sich durch seine kleine
Monographie das Verdienst erworben, den
nötigen AufschluB über diesen Grübler zu
bringen. Wie es für eine solche erste Schrift
notwendig ist, hat Girodie einen genauen, sorg-
fältig dokumentierten historischen Überblick mit
einer feinsinnigen Würdigung der Werke Fallers
verbunden. Die trefflidien Illustrationen be-
stätigen Girodies Ansicht, der in Faller einen
Vorläufer des modernen Luminismus sieht, in
dem ähnliche Tendenzen, wie in Turner oder
später in Monet nach Verkörperung ringen.
Der Verfasser weist auch auf eine bisher nicht
veröffentlihe Schrift Fallers und seiner Frau
hin die (neben einem in einer Kunstpublikation
wohl ziemlich überflüssigen Excurse über die
preußische und französische Flagge) eine Reihe
treffliher Beobachtungen über die Farben-
theorie enthält. Nach diesen kurzen Auszügen
zu urteilen, wäre eine Veröffentlichung dieser
seltsamen Schrift sehr zu wünschen. Hoffen
wir, daB Herr Girodie und die Revue Alsacienne
uns nad dieser ersten, sehr dankenswerten
Schrift nun auch diese zweite Veröffentlichung
bald bescheren werden. R. A. M.
2
Joshua Reynolds von Max Osborn,
Künstler-Monographien, hrsg. von H. KnackfuB,
XCI, Velhagen, Bielefeld und Leipzig 1908.
Wenn die Kunst eine Ausdrucksform der
Kultur, die Kunstgeschichte eine Disziplin der
Kulturgeschichte ist, löst der Verfasser glänzend
die Aufgabe: Aus den eigenartigen Verhältnissen
der Zeit und Umgebung Reynolds machtvolle
Erscheinung als Künstler und Mensch vor unseren
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Augen erstehen zu lassen. Und daß die Form
der Darstellung sich taktvoll den Bedürfnissen
des groBen Publikums anpaßt, ohne seicht oder
trivial zu werden, mag als weiterer Vorzug
der Schrift gelten. Sie verbindet in glücklicher
Weise wissenschaftlihe Gründlichkeit mit ein-
facher anschaulicher Schilderung und füllt da-
mit in der deutschen Literatur Ober neuere
Kunst eine bisher schmerzlich empfundene Lücke
aus. Denn was Burnet, Leslie und Taylor,
Armstrong, Conway, Leisching, Hamilton, Ort-
lepp geben, dient fast ausschlieBli der ge-
lehrten Forschung; Boulton begegnet wohl nur
in England allgemeinerem Interesse.
Über einzelne Ausführungen läßt sich streiten.
Insbesondere scheint mir der Verfasser des Buches
Reynolds von der ethischen Seile nicht skeptisch
genug zu beurteilen. Reynolds gehört als Mensch
zu den Diplomaten, die ihre Gedanken durch die
Sprache, die sie führen, aus Prinzip verbergen.
Sein Verhältnis zu Gainsborough war nicht kühl,
sondern von Grund aus feindlih. Daran ändern
die ausgeklügelte widerspruchsvolle Rede des
Künstlers über Gainsboroughs Reformen und
die übrigen verséhnlich klingenden Gelegenheits-
äuBerungen über den Rivalen nicht das Mindeste.
Er wollte ihn „unschädlich“ machen, und es ge-
Jang seinen Bemühungen, die Beteiligung Gains-
boroughs an den Ausstellungen der Akademie
von 1784 an zu hintertreiben. Als Gainsborough
kurz vor seinem Tode Reynolds den Brief
sandte, in dem er ihm „Anerkennung für die
gute Meinung ausdrükt, die er von seinen
Fähigkeiten habe“, handelte er in strafwürdigem
Vertrauen auf die Ehrlichkeit des Empfängers.
— Reynolds Stellung zur Antike im Hinblick
auf die kontinentale klassizistishe Bewegung
eingehender zu untersuchen, wäre eine dankbare
Aufgabe gewesen. Ein Vergleich des Meisters
mit David, Prudhon und Carstens ringt der
Sphinx der Reynoldschen Kunst Geheimnisse
ab, die weder die Gegenüberstellung mit Rem-
brandt noch mit Titian entschleiert.
Die Zahlenhinweise im Text auf das Bildnis
Keppels in der Londoner National-Galerie,
Cimon und Iphigenie aus Buckingham Palace
zu berichtigen ist bei der Korrektur übersehen
worden. G. J. Kern.
2
Unveröffentlichte Gemälde alter Meister
aus dem Besitze des Bayrischen Staates.
Herausgegeben von Ernst Bassermann-Jordan.
Il. Bd. Die Gemälde-Galerien in den Kgl.
Schlössern zu Ansbach, Bamberg und Würzburg
Literatur
695
und die Gemälde aus Bayer. Staatsbesitze in der
Städtischen Galerie zu Bamberg. (42 Tafeln und
8 Textbilder in Lichtdruck, 14 S. 50><40, Bildgr.
ca. 21x27.) Frankfurt a. M., H. Keller, 1908.
In Mappe 50.—.
Der Band enthält vorwiegend flämische und
holländische Meister. Von deutschen ist ein
vom kurbayerishen Hofmaler Johann de Pay
voll signiertes männliches Bildnis zu nennen;
ein anderes von Nikolaus Prugger ist von varı
Dyckscher Vornehmheit der Auffassung. Unter
den Flamen interessieren besonders eine hl.
Familie von Franz Floris, zwei Bilder von Franz
Francken II., eine Allegorie von Simon de Vos,
zwei charakteristische Roeland Savery und See-
Sticke von Pieter van den Velden, der als
Lehrer des Capellen und des Bonaventura Peeters
bekannt ist. Unter den Holländern sind die
Rembrandtschüler Gerbrand van den Eeckhout
und Samuel van Hoogstraten mit guten Arbeiten
vertreten, daneben die groBen Stillebenmaler
Jan Davidz de Heem, Elias Vonck, J. Bapt.
Weenix und der seltene Barend van der Meer.
Zwei Ideallandschaften mit Jagdstaffage gibt
Pieter Wouwerman, italienisierende Land-
schaften Jan van der Bent, Willem de Heusch,
Jan van der Meer van Haarlem d. J. u. Jan van
Huysum. Auch die Wiedergabe kleinerer Meister
wie Hondius, Goovaerts, J. F. v. Bredael,
Schoevaerdts, J. B. Tyssens, Zeelander u. a. ist
zu begrüßen, da es sich durchweg um sichere,
echt signierte Arbeiten handelt. Alle Meister-
bezeichnungen sind faksimiliert unter die Repro-
duktionen gesetzt, so daß die Tafeln gleichsam
vom Meister signiert sind. Der Text gibt alles
Wissenswerte und verbessert vielfach Unrichtig-
keiten der amtlichen Kataloge. Die Ausstattung
ist so vornehm und geschmackvoll wie beim
ersten Bande. Die Lichtdrucke der Bruckmann-
shen Kunstanstalt in München sind durchweg
vorzüglich.
2
KLEINE ANZEIGEN
Unter der Redaktion von Eugen Guglia ist kürzlich
ein stattlicher Führer durch Wien im Verlag von Ger-
lah & Wiedling erschienen, der in seiner Art etwas
durchaus Neues darstellt und all denen empfohlen werden
kann, die sich wirklich intensiv in das innere Wesen der
Stadt und ihre Bedeutung in der Geschidite und der Kul-
tur einleben wollen. Das Buch, weldies sich äußerlich an
die Führer von Baedeker anlehnt, vereinigt in sich eine
Menge von Beiträgen erster Wiener Gelehrter. So haben
die Schilderung der allgemeinen Verhältnisse der Stadt
der Herausgeber selbst, ferner Prof. E. Oberhummer, L.
Hevesi, Dr. R. Wallaschek, Ed. Pötzl übernommen. Den
deskriptiven Teil bearbeiteten Kustos Dr. A. Schnerich
(Kirchen und Klöster), Kustos Dr. M. Dreger (Hofburg),
Regierungsrat Dr. E. Leisching (andere ältere Profan-
bauten und das Österreihishe Museum für Kunst und
RARE L. Hevesi (neuere Profanbauten), Dr. W. Suida
Galerien), Dr. A. Weixigärtner (Denkmäler), Dr. W.
nglmann (Brunnen, Museum der Stadt Wien), Dr. J.
Bohatta (Bibliotheken, mit Ausnahme der Hofbibliothek),
Kustos Dr. H. D Herrmann E Gegen-
stinde des Mittelalters und der Neuzeit). Dr. I. Banko
und Dr. O. Egger (Antiken), Dr. C. List (Waffensammlung
des Hofmuseums), Dr. R. Miinsterberg (Miinzen des Hof-
museums), Dr. H. Tomaseth (Albertina) usw.
Was in diesem Buche gegeben ist, stellt sich als eine
hervorragende Leistung Wiener Gelehrsamkeit dar, wes-
halb der Führer nicht verfehlen wird, das Verständnis
fiir die Wiener Kultur nach ihren verschiedensten Er-
scheinungsformen sehr zu vertiefen. Es mag noc er-
wähnt sein, daß ein nach Anlage und Umfang ähnliches
Bud bisher nicht existiert hat, und man nur wünschen
kann, daß auch einmal Berlin und München ähnliche Hand-
bücher bekämen.
Unter dem Titel „Albrecht Dürer in seinen Briefen“
veröffentlicht Oberbibliothekar Markus Zucker in einer
bei B. G. Teubner erscheinenden Sammlung „Deutsche
Charakterköpfe“ einen interessanten Beitrag, der das Ver-
ständnis für den Meister aus der Alltäglichkeit seines
Lebens heraus zu fördern unternimmt; sind doch gerade
die Briefe Dürers ungemein instruktiv sowohl für die
äußere Kultur der Zeit und die Lebensverhältnisse im ein-
zelnen, wie auch für die künstlerische Entwicklung des
Meisters selbst. Den mitgeteilten Briefen ist ein Kapitel
über Dürers Leben und Schaffen vorangestellt, das des
Verfassers Vertrautheit mit dem Stoff dartut und sehr
gut im allgemeinen über Leben und Kunst orientiert.
In der „Kunst“ hat Rihard Muther soeben einen
Band über „Courbet“ herausgebracht. Ohne daß diese
Arbeit irgendwie neue Gesichtspunkte für die künstle-
rishe Entwickelung des Meisters zu geben hätte, kann
man sie doch als ein angenehm causierendes Feuilleton
ansprechen, bei dessen Lektüre einen höchstens hin und
wieder die Extravaganzen des „Muther-Stiles“ ernüchtern.
Der bereits angekündigte 1. Halbband des „Mündhner
ahrbuch der Bildenden Kunst‘, herausgegeben von
udwig von Buerkel, ist soeben bei G. Callwey er-
schienen und bringt u. a. Beitrage von Johannes Sieve-
ikhoff, Georg Gronau,
Gustav Münzel, Franz von Reber und Ludwig von Buer-
kel. Es soll an dieser Stelle noch eingehender von der
verdienstvollen Publikation die Rede sein.
Als ein brauchbares und verdienstvolles Lehrbuch der
Kunstgesdichte an Schulen ist der Leitfaden für den
Unterricht in der Kunstgeschichte, bearbeitet von Dr.
Ernst Wickenhagen, Verlag von Paul Neff in Stutt-
art, bekannt. Das Buch ist kürzlich in 12. Auflage und
in guter Ausstattung neu herausgekommen.
Ein seltsames literarisches Machwerk erschien vor kur-
zem unter dem Titel „San Marco in Florenz, das Kloster
Savonarolas“ aus der Feder von Lina Hirsch im Verlag
von Max Kielmann, Stuttgart. Zwar könnte man getrost
über Broschüren dieser Art, die durch keinerlei kritische
Sachkenntnis getrübt sind, zur Tagesordnung übergehen,
wenn sie nicht doch die Gefahr mit sich brächten, den
Laien zu unrichtigen Vorstellungen zu verführen. Die
Verfasserin hat fleißig Villaris gänzlich veraltetes, von
der modernen Gescdhichtsschreibung längst überholtes Buch
über Savonarola studiert und aus den Exzerpten daraus
unter stark stilistischer Entlehnung eines kleinen bekannten
Florenz-Führers ein unerquicklites shwärmerisch-senti-
mentales Ragout zusammengebraut, durch das man sich
nur mit innerer Unlust hindurdiwinden kann.
Galerie-Kataloge. Das Museum in Neapel hat
endlich einen modern angelegten illustrierten Führer er-
halten, den A. Ruesch besorgt hat, wobei ihm Forscher
wie L. Mariani, G. Patroni, A. Sogliano und andere hilf-
reihe Hand geleistet haben. Der Wert dieses italieni-
scien Kataloges besteht vor allem in der übersichtlichen
Gruppierung und Disponierung des gewaltigen Materials.
Verdienstvoll wäre jedenfalls eine reichere Illustrierung
gewesen.
Auch der Katalog für die öffentliche Kunstsammlung
in Basel, den der Konservator des Museums zusammen-
gestellt hat, ist soeben neu erschienen (Preis Fr. 1.—) und
696
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
hat das besondere Verdienst, im Anhang mit sehr guten
Reproduktionen die Meisterstiicke der Sammlung zu ver-
einen.
Die Direktion der Staats-Sammlung vaterländischer
Altertümer in Stuttgart gibt zum dritten Male ihren
Führer neu heraus und hat denselben vor allem durch
reichen Bilderschinuck ergänzt. Die Bearbeitung der friih-
geschichtlichen Abteilung hat Dr. GoeBler, die der anderen
Abschnitte Dr. Baum übernommen. Der Verlag von Paul
Neff hat sich um die mustergültige Ausstattung verdient
gemadht.
Auch die Gemälde-Sammlung im königlichen Mu-
seum zu Stuttgart hat kürzlich ihren Katalog, den Con-
rad Lange bearbeitet hat, neu herausgebracht. Derselbe
ist durch mehrere Naditrige und Verbesserungen ergänzt
worden und audi illustrativ in einer wesentlich stattlicieren
Form erschienen (Verlag von W. Spemann).
Rivista Fiorentina. InFlorenz soll vom Herbst ab eine
neue Kunstzeitschrift erscheinen, fiir die Hof und Adel als
Protektoren gewonnen sind. Der Text soll englisch, ita-
lienisch und französisch sein. Das Ausschalten der deut-
schen Spradie beweist nur, wie sehr die Begründer ein-
mal die Sprachkenntnisse des deutschen Kunstgelehrten,
dann aber auch die Selbständigkeit unserer Wissenschaft
zu schätzen wissen.
Die Graphische Gesellschaft (B. Cassirer Verlac)
unternimmt als ihre erste außerordentliche Veröffentlichung
die Reproduktion des von Albert Pfister in Bamberg ge-
druckten „Edelsteins“ von Ulrich Boner. Es haben
sich zwei mit denselben Typen gedruckte und im wesent-
lihen mit den gleichen Holzschnitten verzierte Ausgaben
dieses Buches erhalten, beide je nur in einem einzigen
Exemplare, die eine 1461 datierte in der Herzog]. Bibliothek
zu Wolfenbüttel, die andere, undatierte, in der Königl.
Bibliothek zu Berlin.
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71,5><53,5 cm. Nebst Text. (S. 215—266 m.
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320.—, 500 ex. num. vél. 160.—.
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heliogr. 2 pl. phototyp. Paris, Plon-Nourrit
et Cie., 08. 48.—. 50 ex. num. pap. cuve. 96.—.
Gemälde, unverôffentlichte, alter Meister aus
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Dr. Ernst Bassermann-Jordan. II. Band: Die
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aus bayer. Staatsbesitze in der städt. Galerie
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700
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österr. Mus. für Kunst u. Industrie in Wien.
25 Tfn. in farb. Kombinationsdruck. Mit einem
Vorwort des Herausg. A. von Scala. Einleitung
von W. Bode. Text von Fr. Sarre (25 Tfn..
66><50 m. 8 BI. Text, Titel u. Inhaltsverzeich-
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Neuere
Baukunst
702
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Georg Waldmäller. Sein Leben, sein Werk
und seine Schriften. 2 Bde. (228 S. m. 2 Bild-
nissen u. 53 S. m. 2 Bildnissen u. 302 Taf.)
30,5><30 cm. Wien, (K. Graeser & Co.) (08).
Geb. in Leinw. 136.—.
Rosenhagen, Hans. Fritz v. Uhde. Stuttgart,
Deutsche Verlags-Anstalt. Geb. ca. 10.—.
Uhde, Fritz v. Eine Kunstgabe für das deutsche
Volk, m. e. Geleitwort v. Alex Troll. Hrsg.
v. der freien Lehrervereinigg. f. Kunstpflege.
= 3. m. Abbildgn.) Lex gu Mainz, J. Scholz.
Uhde-Mappe. Hrsg. vom Kunstwart. (28 z.
Teil farbige Tafeln mit 11 S. illustr. Text.)
42,5x31,5 cm. München, G. D. W. Callwey.
(08). In Mappe bar 10.—.
Volbehr, Th. Arthur Kampf. (Westerm. Mo-
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Aufl.) kl. 8. Berlin, Marquardt & Co. Bd. 25
u. 25a. Constantin Meunier. Mit 1 Heliograv.
u. 24 Vollbildern in Tonätzg. 2. verm. Aufl.
(6.9. Taus.) (96 S.) 08. Kart. 3.—; geb.
in Ldr. 5.—.
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Baldry, A. Some etchings by Sir Charles
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rige. Mit 15Abb. (Varia, Göteborg, Juni.)
Pazaurek, Prof. Dr. Gust. E. Biedermeier-
Wünsche. 50 Kleinfolio-Tafeln in Licht- u.
Farbendr. nebst illustr. Text. (25 S.) 26,5><
34,5cm. Stuttgart, J. Hoffmann (08). In Leinw.-
Mappe 40.—.
— Künstlerische Besuchskarten. (Mitt. d. Kunst-
gewerbever. Stuttgart, 2.)
Richter, Ludw. Vater-Unser in Bildern. 20. Aufl.
(8 BI. u. Titelbl.) 37x29 cm. Leipzig, A. Dürr
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Wereschtschagin, W.A. Materialy sla biblio-
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58. Heft. Über die Porträts der Caterina Sforza
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Gruncisen, W. de. I ritratti di papa Zacca-
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Dictionnaire du costume. 5 vols. in-4 rais.
5000 grav, 300 pl. hors texte dont 200 en cou-
leurs et 100 en camaieu. Paris, René Carême
et Cie (1908). Le spécimen 1.20.
Mode, Die. Menschen u. Moden im 19. Jahrh.
nach Bildern u. Kupfern der Zeit. Ausgewählt
v. Dr. Osk. Fischel. Text von Max v. Boehn.
(1. Bd.) 1790—1847. (VII, 173 S. m. Abb. u.
37 farb. Taf.) 8. München, F. Bruckmann 08.
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1. Heft. Das Heiligen-Leben im 10. Jahrh.
(VI, 250 S.) 08. 8.—.
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numismat., 1—2.)
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naies antiques. (Rivist. ital. numismat. 1—2.)
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Habich, G. Altes und Neues von der Kunst
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Martinori, E. Zecca di Benevento. (Rivist.
ital. numismat., 1—2.)
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in Milano. (Nuovi documenti.] (Rivist. ital.
numismat., 1—2.)
46
704
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Papadopoli-Aldobrandini, N. Monete ita-
liane inedite. he Ben: Zecchinen] (Rivist.
ital. numismat., 1—2.)
Ricci, S L’arte nella medaglia moderna. (Ras-
segne d'arte, 1
Ricci, S. L’opera numismatica di Solone Am-
brosoli. (Rivist. ital. numismat., 1—2.)
Vitalini, O. Due aurei inediti della zecca di
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4. Kulturgeschichte.
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Beringer, J. Goethe und seine Beziehungen
zur Kunst in Kurpfalz. (Korrespondzbl. d.
Gesamtvereins, 5/6.)
Burckhardt, Jak. Die Kultur der Renaissance
in Italien. Ein Versuch. 10. Aufl. v. Ludw.
Geiger. 2 Bde. (XXXII, 397 u. XI, 441 S.)
gr. 8°. Leipzig, E. A. Seemann 08. 10.50;
geb. in Leinw. 12.50; in Halbfrz. 14.50.
Dewick, E. Consecration Crosses and the
ritual connected with them. (Archaeol. Journ., 1.)
Escherich, M. Zur Inschrift des ,Gothaer Lie-
bespaares.“ (Repert. f. Kunstw., 2.)
Fischel, Hartwig. Die Frau der Biedermeier-
zeit u. ihre Kunst im Hause. (85S. m. 8 Voll-
bildern.) kl. 8. Leipzig, F. Rothbart (08)
Kart. 1.50; Geb. in Ldr. bar 2.50.
Ghellink Vaernewyck, de. L'ordre de la
Toison d’or et l’exposition de Bruges. (Bull.
Acad. R. Archéol. Belgique., 5.)
Grupp, Geo. Kulturgeschichte des Mittelalters.
II. (SchluB-)Bd. 2. vollständig neue Bearbeitg.
(VII, 549 S. m. 48 Abbildgn.) gr. 8°. Pader-
born, F. Schöningh 08. 10—; geb. 11.40.
Haendcke, Berth. Deutsche Kunst im täglichen
Leben bis zum Schlusse des 18. Jahrh. Mit
63 Abbildgn. im Text. (IV, 151 S.) 08. [Aus
Natur u. Geisteswelt. Sammlung wissenschaft-
lich-gemeinverständl. Darstellgn. 8°. Leipzig,
B. G. Teubner. Jedes Bdcin. 1—; geb. in
Leinw. 1.25.)
Hasak, M. Karl der GroBe ist sitzend auf
einer Art goldenem Thron begraben worden.
(Ztschr. f. christl. Kunst., 3.)
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gebräuche der deutschen Steinmetze. (Monats-
bl. d. Altert.-Ver. Wien., 4
Leben, Deutsches, der Vergangenheit in Bil-
dern. Ein Atlas m. 1760 Nachbildgn. alter
Kupfer- u. Holzschnitte aus dem 15—18. Jahrh.
Mit Einführg. v. H. Kienzle. Hrsg. v. Eug.
Diederichs. (Einbandzeichnung v. F. H. Ehmke.)
2. Bd. (III u. S. 269—541.) 41><30 cm. Jena,
E. Diederichs 08. 20— ; geb. 23.50, — dasselbe.
15—18. Lfg. Ebd. Je 1.50.
Ohnefalsch-Richter, M. Erhaltung antiker
Sitten u. Gebräuche im heutigen Volksleben
d. Cyprier. (Voss. Ztg., 29. Ill.)
Rüttenauer, B. Feste der Renaissance. (Pro-
pyläen, 8. IV.)
Visted, Kristofer. Vor gamle bondekultur.
Med ca. 100 Illustr., hoorav farvetryk og ton-
tryk. H. 1. (S. i= 32). (27x19). Kristiania
ui. Cappelen. 50 Ore. Erscheint in ca 10
eiten.
Widmer, Karl. Die Frau des Rokoko. (78 S.
m. Vollbildern.) kl. 8°. Leipzig, F. Rotbart
(08.) 1.50; geb. in Ldr. bar 2.50.
5. Kunstgeschichte. — Sammelschriften.
Histoire de l’art. Books about history of art.
*Einzelforschungen üb. Kunst- u. Altertums-
gegenstände zu Frankfurt a/M., hrsg. v. städt.
historish. Museum. I. Bd. Frankfurt a/M.,
J. Baer & Co. ca. 12.—.
Kallab, W. Quellenschriften f. Kunstgeschichte
u. Kunsttechnik d. Mittelalters u. d. Neuzeit.
Begriindet v. Rud. Eitelberger v. Edelberg.
Nach d Tode Dr. Alb. ligs fortgesetzt v. Dr.
Camillo List. Neue Folge. gr. 8° Wien,
K. Graeser & Co. — Leipzig, B. G. Teubner.
XV. Bd.: Vasaristudien. Mit ein. Lebensbilde
d. Verf. aus dessen NachlaB hrsg. v. Jul. v.
Schlosser. (XLII, 454 S.) 08. 15.—.
Knapp, F. Vorlesungen z. Geschichte d. Kunst.
r.8°. Berlin, Dr. F. Stoedtner. III. Bd. Knapp,
rof. Dr. Fritz: Die Kunst in Italien. Eine
Einführg. in das Wesen u. Werden der Re-
naissance. (256 S. m. 221 Abbild. auf Taf.)
08. Geb. in Leinw. 9.—.
Kopera, F. Materialien z. Inventur d. Kunst-
u. Kulturdenkmäler in Polen. (Wiadomosci
Numizmatyczno-Archeologiczne. No. 70 u. 71.)
Kunstblätter, Aachener. I. A. d. Museums-V.
z. Aachen hrsg. v. Dr. H. Schweitzer. Heft 1.
72 S. m. Textbl. u. Taf. Aachen, Aach. Verl.-
u. Druck.-Gesellsch. 1906.
Lessing, Thdr. Madonna Sixtina. Asthetische
u. religiöse Studien. (91 S. m. 12 Abbildgn.
u. 6 Farbendr.-Taf.) gr. 8°. Leipzig, E. A.
Seemann. 08. Kart. 3.—-
Mededeelingen, Oudheidkundige, van het
Rijksmuseum van Oudheden te Leiden. Uitge-
geven vanwege het Ministerie van binnen-
landsche zaken. II. ['s-Gravenhage, Martinus
Nijhoff.) 86° (235><15.) (Il, 152 biz., m.
14 pltn.). f. 1.50.
Nagler, G. K. Künstler - Lexikon.
79.—82. Lfgn. Linz, Zentraldruckerei vorm.
Mareis. Je nn 1.—.
Register zum Jahrbuch 1856—1861 u. zu den
Mitteilungen 1856—1902 der k. k. Zentral-
Kommission f. Kunst- u. historische Denkmale.
2. Heft. Verzeichnis der Orte (1. Hälfte).
> 35— er .) 32><24,5 cm. Wien (A.Schroll & Co.),
nn
Rooses, M. Die Meister d. Malerei u. ihre
Werke. 2. Lfg. Lpzg., W.Weicher. Je 1.—
2. Aufl.
Bibliographie
705
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Lex. 8°. Leipzig, E. A. Seemann. Ill. Die
Renaissance in Italien. 8. Aufl., bearb. v. Adf.
Philippi. Mit 332 Abbildungen im Text und
20 Farbendr.-Taf. (XII, 311 S.) 08. 7.—; geb.
in Leinw. 8.—.
*Vasari, M. Giorgio. Le vite de’ piu eccelenti
pittori, sculturi e architettori. Hrsg. nach den
Orig.-Ausg. v. 1550 u. 1568 u. m. krit. Appa-
SE V. SS Frey. München, G. Miller. Subskr.-
r. ca. 15.—.
Wölfflin, H. Die klassishe Kunst. Eine
Einführg. in die italien. Renaissance. Mit
126 erläut. Abbildgn. 4. Aufl. (XII, 279 S.)
Lex. 8°. München, F. Bruckmann. 08. 9.—;
geb. in Leinw. 10.—.
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Schloß, d. Kathedrale. 8°, 26 S. Krakau 1908.
Waal, Rekt. Ant. de. Roma Sacra. Die
ewige Stadt in ihren christl. Denkmälern und
Erinnerungen alter u. neuer Zeit. Mit 2 mehr-
farb. Tafelbildern und 533 Abbildgn. im Text.
(Volksausg.) (XIV, 736S.) gr Rn München,
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Galerien in d. Kgl. Schlössern zu Ansbach
Bamberg u. Würzburg und die Gemälde aus
bayer. Staatsbesitze in d. städtischen Galerie
zu Bamberg. (42 Tafeln u. 8 Textbilder in
Lichtdr., 14 S. 50x40, Bildgr. ca. 21x27.)
Frankfurt a. M., H. Keller, 1908. In Mappe 50.—.
Bericht über das Landesmuseum Rudolfinum in
Laibach f. d. Jahr 1907, erstattet vom Museal-
706
Monatshefte für Kunstwissenscaft
kustos Dr. Walt. Smid. Durch Munifizenz d.
krain. Sparkasse m. Illustration. ausgestattet.
Zeichnung. vom akad. Maler P. Zmitek. [Aus:
»Carniola“.] (49 S. m. 4 [1 farb.) Taf. u. 4 BI.
Erklärgn.) Lex. 8°. Laibach (I. v. Kleinmayr
& F. Bamberg), 08. 1.50.
Catalogus van het rijksmuseum van oudhe-
den te Leiden. Afdeeling praehistorie en neder-
landsche oudheden door dr. J. H. Holwerda
In met medewerking van M. A. Evelein en
. J. Krom. Uitgegeven vanwege het Ministerie
van Binnenlandsche Zaken. Ts Gravenhage
Martinus Nijhoff]. 8°. [19%x13°). (VII, 279
blz.) f 1.50.
Chabeuf, H. Une nouvelle salle au Musée de
Dijon. (Bull. de Musées de France, 3.)
Coulin, J. Das alte historische Museum in Bern.
(Bern. Rundsch., Mai.)
Desteve, T. Collection de M. Claudius Cote.
(Arts, 77.)
Führer durch die Staats-Sammlung vaterlän-
discher Altertümer in Stuttgart. Hrsg. v. der
Direktion. Mit einem Grundriß u. Taf. in
Ton- u. Strichätzung. (XI, 136 S.) kl. 8°.
EBlingen, P. Neff, 08. 1.20.
Führer, offizieller, durch die große Kunstaus-
stellung Dresden 1908. Sonderausstellung:
Kunst u. Kultur unter den sächs. Kurfürsten.
(80 S. mit einem GrundriB u. 8 Taf.) 8°.
Dresden, W. Baensch (08). —.50.
Gids voor rijksmuseum varı outheden te Lei-
den. Leiden, S. C. varı Doesburgh. Gr. 8°.
[25x17]. (VI. 26 biz., m. 10 afb.) f —.20.
Katalog Muzeum Narodowego w Kra-
kowie. (Katalog d. National-Museum zu Kra-
kau). Krakau 1907. 8° 115 S. —.60 h.
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G. Patroni, G. de Petra, A. Sogliano per cura
di Ae Rueset. 4° fig. p. 500. Richter & Co.
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francais. [fin.] (Bull. d. Musées d. France, 3).
Sdur,E. Museum und Raumkunst. (Rhein-
lande, 6.)
Sebaldt, Otto. Dresdener Galerie-Führer. (In
5 Heften.) 1. Heft. (79 S. m. 17 Taf.) 8°.
Dresden, Kaden & Co. (08). bar —.75.
Steenhoff, W. De Collectie. Six en de Aan-
winst eruit door het Rijksmuseum. (Onze
Kunst, 6.)
Preisausschreiben zur
Stasiak, L. u. Tetmajer, WI.
Thétoulin, N. Une collection de dix an-
nées. Catalogue raisonnée de la collection
d'estampes appartenant a.. (in russ. Sprache).
Petersburg 1908. 4°. 173S. m. 35 Taf. R.5.—.
Tietze, H. Kunsttopographie, österreichische.
Hrsg. v. d. k. k. Zentral-Kommission f. Kunst-
u. histor. Denkmale unter d. Leitung ihres
Präsident. Sr. Exz. Jos. Alex. Frhrn. v. Helfert.
Red. v. Prof. Dr. Max Dvorak. 32><24,5 cm.
Wien (A. Schroll & Co.). 1. Bd. Beiheft. D.
Sammlungen d. Schlosses Grafenegg. 11 Taf.,
114 Abbildgn. i. Text. (V, 103 S.) 08. 9.60;
für Abnehmer der Kunsttopographie 4.80.
Voll, Karl. Führer durch die alte Pinakothek.
(271 S. m. 16 Taf.) 8°. München, Süddeut.
Monatshefte 08. 3.50; geb. in Leinw. bar 4.50.
Vosz, G. Zur Eröffnung des Märkischen Mu-
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107
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Album der königl. Gemälde-Galerie, Dresden.
Werke alter Meister. 30 Reproduktionen nach
Originalen der königl. Gemälde-Galerie, Dres-
den. (30S.) 34><26.5 cm. Dresden, E Beutels-
pacher & Co. 08. Geb. bar 1.50.
Arte (L’) classica in Italia. Particolari di archi-
tettura e lavori d'arte industriale di tutte le
epoche, raccolti in ordine alfabetico di città.
Vol. I. Amalfi, Anagni, Ancona, Aosta, Arezzo,
Ascoli Piceno, Assisi, Asti. 117 tav. 17x24.
Torino, C. Crudo e C. L. 9.—.
Chefs-d'œuvre de la peinture (Les) choisis
par Max Rooses (1400 à 1800) 12 fasc. ill.
photograph. Paris, E.Flammarion. je —.75.
Dorez, Léon. Les manuscrits 4 peintures de
la bibliothèque de Lord Leicester à Holkham
Hall, Norfolk. Choix de miniatures et de re-
liures publié sous les auspices de l'académie
des inscriptions et belles-lettres et de la So-
ciété des Bibliophiles français. 60 pl. hélio-
grav. et phototyp. donnant 80 reprod. in-f°
cart. spec. Paris, Ernest Leroux. 100.—.
Friedlander, Max J.(Matthias). Grünewalds
Isenheimer Altar. (7 [6 farb.) Taf. m. 10 S. Text.)
14.5x61 cm. München, F. Bruckmann, 08. In
Halbleinw.-Mappe 120.—.
Galerien, Die, Europas. N.F. 2—8. Heft. Lpzg.,
E.A. Seemann. Je 2.—.
Garten, Der stille. Deutsche Maler der ersten
Hälfte des 19. Jahrh. Mit üb. 100 zum großen
Teil ganzseit. Abbildgn. 1. bis 20. Taus. (80S.
m. XVI u. XS. illustr. Text.) Lex. 8°. Düssel-
dorf, K.R. Langewiesche, 08. 1.80.
Gemälde-Galerie im Museum des Prado zu
Madrid. 6.Lfg. Münch., Hanfstaengl. 50.—.
Goya, Nouveaux caprices de. 38 compos. réprod.
en f-sim. p. l'héliotypie. Introduction de Paul
Lafond. Tiré a 600 ex. num. Paris, A. La-
hure [1908]. 40.—.
Handzeichnungen alter Meister a. d. Alber-
d 12. Bd. 7. u. 8. Lfg. Wien, F. Schenk.
e 3.—.
Kloeppel. O. Fridericianisches Barock. Fiirst-
lie, kirchl. u. bürgerl. Baukunst vom Ende
des 17. bis zum Ausgang d. 18. Jahrh. 80 Natur-
aufnahmen in Lichtdr. nebst 6S. einleit. Text.
(80 Taf. u. XI S. Text m. 3 Abbildgn.) 37><26cm.
Leipzig, Baumgärtner ('08). In Mappe 30.—.
Maler, berühmte. 1.—10.Heft. (Je8Taf.) Lex.8°.
Leipzig, W. Weicher (08). Jedes Heft 1.50.
1. Creuze. — 2. Watteau. — A Fragonard. —
4. Boucher. — 5. Gainsborough. — 6. Mem-
ling. — 7. Israöls. — 8. Ostade. — 9. Steen.
— 10. Ruysdael.
Malerei, deut., d. 19. Jahrh. 3.—8. Heft. Lpzg.
E.A.Seemann. Je 2.—.
Meister d. Farbe. 5. Jahrg. 4.—6. Heft. Lpzg.,
E. A. Seemann. Je 2.—.
Meisterwerke (Die) der Baukunst in Portugal.
Nach photogr. Aufnahmen herausgegeben von
F. W. Feilchenfeld. I. Das Kloster „Dos Jero-
nymos“ zu Belem. 30 Tafeln in Lichtdruck
(Blattgr. 43x31, mit 4BI. Titel, Vorw. u. In-
halt). Wien, C.W.Stern 08. 25.—.
Memling, Hans. Les tableaux au musée de
. l'hòpital St. Jean à Bruges. 20 reproductions
d'après les originaux. (22S.) gr. 8°. München,
F. Hanfstaengl ('08). 4.—.
Milde-Album, herausgegeben von Prof. W.L.
von Lütgendorff. 31 Abbildungen u. 25 Seiten
Text. Druck und Verlag von Gebr. Bochers,
G.m.b.H., Lübeck.
Museum, Das. 11.Jahrg. 6. u. 7.Lfg. Stuttg.,
Spemann. Je 1.—.
Pawlowsky, A.A. Atlas po istorji drewniaho
iskustwa. [Atlas zur Geschichte der antiken
Kunst.] Odessa 1907. 50 Taf. m. 642 Abb.
Rub. 3.50.
Sarto, Andrea del.
W.Weicher. ca. —.80.
Sztuka polska (Polnische Malerei in farbigen
Reproduktionen.) Heft 1: H. Rodakowski, J.
Matejks, J. Chelmonski u. St. Wyspianski. Lem-
berg 1908. 4°. 4S. u. 4Taf. K.
— Heft 2: J. Kossak, WI. Podkowinski, J. Mal-
czewski u. F. Ruszczyc. Lemberg 1908. 4°. 4S.
u. 4Taf. K. 1.—.
Uhde, Fritz v. Farbige Reproduktionen nach
Werken des Meisters. (6 Taf. m. 1 BI. Text.)
34x26,5 cm. Leipzig, E. A. Seemann ('08). In
Mappe 2.--.
WeicersKunstbücher. 16°. Leipzig, W. Weicher.
Jede Nr. —.80; Liebhaberausg. bar 2.—. 14.
Veronese, Meisterbilder. Eine Auswahl von
60 Reproduktionen nach Orig. - Aufnahmen.
(67S.) '08. 15. Raeburn, Meisterbilder. Eine
Auswahl von 60 Reproduktionen nach T. & R.
Annan & Sons. Orig.-Aufnahmen. (65S.) '08.
Zeichnungen alter Meister im Kupferstich-
Meisterbilder. Leipzig,
—
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mann. Textausgabe ca. 1.30; illustr. Ausgabe
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Zeichner 1800—1850. Veranstaltet vom sächs.
Kunstverein zu Dresden Mitte April bis Ende
Mai 1908 Brühlsche Terrasse. (56 S.) kl. 8.
Dresden (C. Heinrich) (08). bar —.80.
Katalog der Silhouetten-Ausstellung im Kunst-
salon Heller Wien, 1. Bezirk, Bauernmarkt 3.
(36 S. m. Abbildgn.) 11><11 cm. Wien, H
Heller & Co. (08). —.50.
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(Gaz.
(Rhein-
ORGAN FÜR DEN INTERNATIONALEN KUNSTMARKT [N
UND DIE INTERESSEN DER SAMMLER.
EINE STUDIE ZUM GEMALDE „DER
ÜBERFLUSS“ VON JACOB JORDAENS
IM KGL. MUSEUM IN KOPENHAGEN
Von Kurt Erasmus.
Auf der großen Handzeichnungenauktion bei
Fred. Muller in Amsterdam am 16.—18. Juni
1908 kam auch ein Aquarell (Kat. No. 311, hoch
31 cm, breit 43,5 cm) von Jacob Jordaens zur
Versteigerung. Die Bemerkung des Kataloges,
die Zeichnung habe eine bildartige Wirkung, ist
völlig gerechtfertigt und leicht erklärlih; denn
wir haben es hier mit einer sehr genauen Vor-
studie zum Gemälde „Der UberfluB“ in der
Kgl. Galerie in Kopenhagen (Kat. 1904, No. 167)
zu tun.
Die Echtheit dieses Blattes ist über allen
Zweifeln erhaben. Man braucht nur dieZeichnung
von Jordaens’ „Diana im Bade“ in der Albertina
in Wien zum Vergleich heranzuziehen, die in
der Ausführung ihr sehr nahe kommt. Es ist
keine Nachzeichnung, was stets zu erwägen ist,
wenn eine Zeichnung mit einem Gemälde ziemlich
genau übereinstimmt, sondern eine für Jordaens
sehr charakteristische Vorstudie, was aus der
folgenden Vergleichung hervorgehen wird.
Fassen wir die Unterschiede in derKomposition
zwischen der Studie und dem ausgeführten Gemäl-
de (Abb. im Galeriekataloge) ins Auge, so fallt uns
am meisten auf, daB die Figurengruppe zu einer
viel geschlosseneren Einheit zusammengefaßt
ist. Dies wird bereits rein äußerlich durch das
mehr in die Höhe gehende Format angedeutet.
JACOB JORDAENS: Aquarellstudie zu seinem Gemälde „Der OberfluB“ in der Königl.
Galerie in Kopenhagen
O
710 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Die Gruppe in der Mitte ist seitlich mehr zu-
sammengedrängt, und der Herkules rechts und
der junge Satyr links sind näher an sie heran-
gerükt. Diese Geschlossenheit wird dadurch
noch günstig unterstützt, daß der kleine Baum
links neben dem Satyrknaben weiter in den
Hintergrund geschoben ist, wodurch links da-
neben noch der Himmel sichtbar wird, und daß
die untere Begrenzungslinie viel näher an der
Figurengruppe entlang läuft. Von einzelnen
Verschiedenheiten wäre besonders die hockende
Frau links zu erwähnen. Ihr linkes Knie, das
auf dem Aquarell nicht allein stark zurücktritt,
sondern auch von einem Gewandstück ver-
deckt ist, ist auf dem Gemälde ganz zu sehen.
Das Gewand ist fortgelassen, und das Knie be-
rührt sih eng mit dem Körper der mittleren
Frau. Ferner ist der Zwischenraum zwischen
dem Baumstamme links und dem daneben her-
vorschauenden Satyrkopfe verschwunden. Dies
alles zielt darauf ab, die Komposition auf dem
Gemälde möglichst geschlossen werden zu lassen.
Das ist aber eine für Jordaens sehr charakteri-
stische Abänderung in der Komposition der Vor-
zeichnung gegenüber der auf dem ausgeführten
Gemälde, wie sie in analogen Fällen!) im Oeuvre
des Künstlers mehrfach zu beobachten ist.
Für die Entstehungszeit des Aquarelles er-
wähne ich, daB das Kopenhagener Bild 1649
datiert ist, somit wäre wohl auch die Studie
ungefähr in diese Zeit zu setzen.
2
EINIGES VOM
LONDONER KUNSTHANDEL.
Der Kunsthändler muß sich nach seinen Käufern
richten. Schon äußerlich kann man das in London
bestätigt finden. Der Londoner Kunstfreund ist
seit jeher gewöhnt, Kunst in Bond Street, in
Piccadilly, in King Street und der Mall sowie
den dazwischen liegenden StraBen zu suchen;
so müssen sich dort und nirgends anders die
Kunsthändler und Kunstsalons ansiedeln. Und
so ist's mit dem Geschmack auch. Zu Experi-
') Der Überfluß im Kgl. Museum in Brüssel, Kat. 1906
No. 235. Die Vorzeichnung befindet sich in der
Sammlung Heseltine in London.
Der Bauer und der Satyr im Kgl. Museum in Brüssel,
Kat. 1906 No. 238. Die Vorzeidinung befindet sich
ih der Sammlung Faiıfax-Murray in London.
Kreuzesabnahme Christi in der Sanımlung „La direction
des hospices“ in Antwerpen. Die Vorzeichnung be-
findet sidi in der Sammlung J. Rump in Kopenhagen.
Anbetung der Könige in der St. Niklaas-Kirche in
Diksmuide. Die Vorzeicinung befindet sidi im
Museum Plantin-Moretus in Antwerpen,
Alle diese 8 Werke sind im Album der Jordaens-
Ausstellung in Antwerpen 1905 abgebildet.
menten, zum Dirigieren des Öffentlichen Ge-
schmackes ist der englische Kunsthändler nicht
geneigt, eignet doch auch ihm der konservative
Geist seiner Nation, und auBerdem hat er es
meist mit Sammlern von feststehendem Ge-
shma zu tun, die nach dem suchen, was ihnen
gefällt, nicht sich neues aufreden lassen wollen.
So ist's mit dem Kreiren von Künstlergrößen,
wie es in Paris der Fall sein soll, hier nichts,
man sähe das wohl auch nicht für „fair“ an;
und der englische Kunsthandel hält im allge-
meinen sehr viel auf Solidität. Als kürzlich bei
Christies F. Walkers Bilder scheinbar plötzlich
hoch im Preise stiegen, war das nur ein Zeichen
dafür, daB man die Anziehungskraft dieses so
echt englischen, feinsinnigen, wenn auch eigent-
lih nicht sehr originellen und selbständigen
Meisters auf das heutige Kunst-Publikum er-
kannt hatte. Alte englishe Kunst, Italiener
natürlich, dann aber auch die Barbizonmeister
und die neueren Holländer, sind jetzt am meisten
geschätzt. Sie findet man daher auch in den
meisten Salons vertreten. Viele Händler pflegen
daneben eine besondere Spezialität, die ihrer
Firma einen bestimmten Namen gemacht hat.
So ist die Kunsthandlung der Messrs. Agnew &
Sons z.B. die englische Aquarellfirma kat exochen.
Neuere deutsche Kunst wird man vergebens in
London suchen; nicht in den Salons und auch
nicht bei Christies ist sie zu finden. Vor einigen
Jahren versuchte die Münchner Firma Heinemann
in löblichem Eifer dies zu ändern, vorläufig noch
ohne Erfolg. Alte deutsche Kunst dagegen
kann man bei Gutekunst & Obach finden, die oft
feine Dürerblätter ausbieten. Spanische Kunst
war, abgesehen von den paar Weltnamen Ve-
lasquez, Murillo und neuerdings Goya, sowie
einigen Modernen, die hier dann und wann
ausstellen, eine völlige terra incognita, wie zum
Teil wenigstens anderswo auch. Die Sackville
Gallery nun, 28 Sackville Street, Piccadilly, hat
in letzter Zeit eine Reihe wertvoller alter Werke
aus Spanien erworben und scheint zu versuchen,
die altspanische Kunst als ihre Spezialität hier
einzuführen, ein schwieriges aber erfreuliches
Unternehmen. Aus ihren Schätzen bringen wir
heute zwei Bilder spanischer Herkunft und dazu
noch einige Stücke von besonderem künstle-
rischen Reiz und auch kunsthistorishem Inter-
esse, die sidı gerade in ihrer gegenwärtigen
Ausstellung befinden. — Eine kurze Aufzählung
der wichtigsten Londoner Kunstsalons und
-händler mit ihren Spezialgebieten dürfte für
manche Leser vielleiht von Wert sein; es
können aber hier nur einige gegeben werden:
Agnew & Sons, 43 Old Bond Street: alt-
englische Aquarelle; Porträts und Landschaften
711
O Bunfiznaiy
Suepunyiyef “AX TRH ‘7 '(uəuoppy) ane atpsiueds
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Der Kunstsammler
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TARINAAN ABER
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
DIERCK BOUTS. Porträtstück.
von Reynolds, Gainsborough, Romney, Hoppner,
Lawrence, Raeburn, Constable usw. Herbstaus-
stellung: alte Meister, vor allem englische. Früh-
jahrsausstellung: englische Aquarelle.
Carfax Gallery, 24 Bury Street, St. James's.
Seltene Stücke alter Meister; moderne englische
Meister von besonderer Originalität. Monatlich
wechselnde Ausstellungen. (Spezialität: William
Blake).
Colnaghi & Co., 13/14 Pall Mall East: alt-
englishe Meister, ebenso italienische, hollän-
dishe usw. (Goya). (Spezialität: Handzeich-
nungen, Gravierungen usw. alter Meister, be-
sonders englischer).
Connel & Sons: 47 Old Bond Street; Spe-
zialität: Aquarelle und Schwarz-Weißblätter von
modernen Künstlern: Cameron, Whistler, C.W.
Bartlett, Synge usw.
Doré Gallery, 35 New Bond Street: stets
wechselnde Ausstellungen der verschiedensten
Künstler. Permanentausstellung der Werke Dores.
Dowdeswell Galleries: 160 New Bond
Street: Alte Meister verschiedener Schulen.
Durlacher Bros., 142 New Bond Street:
Alte Meister.
Duveen Brothers, Old Bond Street: Diese
Firma kaufte im vergangenen Jahre die Rodolphe
Kann-Sammlung in Paris um 1 Million Pfund
an. Im übrigen besteht ihre Spezialität in sel-
tensten Stücken altchinesischen Porzellans.
Fine Act Society, 148 New Bond Street:
Wechselnde Ausstellungen moderner Künstler
(Frank Brangwyn usw.).
Gooden & Fox, 57 Pall Mall: Englische
Meister.
Goupil Gallery (William Marchant & Co.),
5 Regent Street: Wechselnde Ausstellung ver-
schiedener Meister. Spezialität: „Meister, die
den ‚Romanticists’ nahe stehen“.
Gutekunst, 16King Street: Schwarz-WeiB-
blätter: Dürer, Rembrandt usw. Auch moderne
Meister: Legros, Whistler.
Der Kunstsammler 713
Leggat Brothers, 30 St.
James's Street: Frühe englische
und niederländische Meister.
Leicester Galleries, Lei-
cester Square: Ausstellungen mo-
derner Künstler.
Lewis & Simmons, 75
Knightsbridge: Alte Meister (diese
Händler erstanden kürzlich den
schnell berühmt gewordenen Rem-
brandt (jetzt in Berlin) um eine
verhältnismäßig geringe Summe).
Maclean, 7 Haymarket (jetzt
in den Händen des Mr. Cremetti):
Neuere Niederländer.
Mendoza Gallery, 157ANew
Bond Street: Englische Meister.
Spezialität: Radierungen usw.
Netherland Gallery, 1la
King Street: Alte niederländische
und auch englische Meister.
Obadı & Co., 168 New Bond
Street; Spezialität: Schwarz-Weiß-
blätter von Dürer, Rembrandt, den
Kleinmeistern, sowie Drucke nach
berühmten Meistern und Werken
aller Schulen ; Bronzen.Wediselnde
Ausstellungen.
Palser & Son, 9 King Street,
Covent Garden: Alte englische
Meister.
Wm. B. Paterson, 5 Old
Bond Street: Alte Meister der
englischen, niederländischen, fran-
zösischen und italienischen Schulen.
Sabin, Frank T., 118 Shaftes-
bury Avenue: Seltene alte Stiche,
Handzeichnungen, Miniaturen usw.
Sackville Gallery, 28 Sack-
ville Street: Alte Meister verschie-
dener Schulen: englisch, deutsch,
vlämisch, niederländisch, spanisch.
Shepherd Bros. 27 King
Street; Spezialität: Altenglische
Meister, häufig Werke der so-
genannten Norwich School (Crome,
Starck usw.). Je eine Frühjahrs-
(Ende März — Ende Juli) und
eine Winterausstellung (Ende Ok-
tober — Ende Januar).
Sulley & Co., 159 New Bond
Street: Altenglische Meister usw.
Wallis & Son (The French
Gallery), 120 Pall Mall: Barbizon- JAN VAN CONINXLOO (1489—1500)
meister usw. Palastinterieur mit vielen Figuren ©
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714 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Asher Wertheimer, 158 New Bond Street:
Altenglische Meister usw.
Die folgenden fünf Bilder sind die oben er-
wähnten Werke aus der Sackville Gallery:
Schule vonCastilien. ,Die Kreuzigung mit
Jungfrau und dem Jünger Johannes.“ Erste Hälfte
des XV. Jhd. mit deutlihem vlämischem EinfluB.
Das Kreuz steht in einem Zypressenhain, während
den Hintergrund die catalanische Stadt Lerida mit
ihren Wällen, Häusern und Kirchen einnimmt, von
denen noch jetzt Teile vorhanden sind. Dieses
Bild zeichnet sich durch eine überaus harmo-
nische und warme Farbengebung aus. Der Typus
MABUSE „Eccehomo“
des Gekreuzigten ist ein sehr ungewöhnlicher.
mit hellem Haar und Bart. Die Jungfrau trägt
dunkelbraunen Mantel über rotem Kleide, und
Johannes umflieBt in losen Falten eine rote
Draperie über einem grünlichen Gewande.
Auf dem tiefdunkelblauen Himmel sind die
Wolken in der Art jener Periode als ein kon-
ventionelles Muster angedeutet. Das Bild ist
auf Holz ge:nalt, 1.05m hoch und 1.02 m lang.
In Technik wie Durchfühlung ist es ein künst-
lerisch hervorragendes Stück.
Schule von Catalonien. „Die Kreuzigung
mit Jungfrau und dem Jünger Johannes.“ Dieses
Bild ist zirka 50 Jahre später gemalt als das
castilishe. Die Farbengebung ist düsterer,
der ganze Charakter strenger. Die Szene ist in
eine typische Berggegend Nordostspaniens ge-
legt. Ein dekoratives Ornament in Gold auf
rotem Grunde schließt oben den Himmel ab.
Die Maße der Holztafel sind fast die gleichen
wie die des castilischen Bildes.
Dieri Bouts. „Porträt eines Mannes und
seiner Frau.“ Dieses Bild dürfte in Louvain um
die gleiche Zeit gemalt worden sein wie die
zwei wohlbekannten groBen Bilder Bouts’ im
Brüsseler Museum „La Sentence Inique de
l'Empereur Othon“. Die groBen Figuren in
diesen Bildern weisen nämlich eine auffallende
Ahnlichkeit mit dem hier gegebenen Bilde auf,
besonders in der Zeichnung und Haltung der
Hände. Der Mann trägt einen blauen Rock und
eine große rote Mütze, seine Frau ein rotes
Kleid und eine groBe weiße Mütze. Größe der
Tafel: 50 cm hoch, 65 cm lang.
Jan de Mabuse. „Ecce Homo“, gezeichnet:
„Joannes Malbodius 1527“. Es behandelt ein
von Mabuse öfters dargestelltes Thema. Ein
ähnliches, aber in der Ausführung geringeres
Exemplar befindet sich im Antwerpener Museum
in der Van ErtbornKollektion (Nr.181). Größe des
sehr sorgfältig durchgeführten Bildes: 22!/, cm
hoch, 17 cm lang. |
Jan van Coninxloo (1489-15. .). ,Palast-
inneres mit zahlreihen Figuren.“ Die zwei
Tafeln gehörten einst offenbar zu einem größeren
Werke, einem Triptychon oder Polyptychon, das
einen historischen Vorgang darstellte, der jetzt
kaum mehr festzustellen ist. Die Zeichnung der
Figuren ist sehr sorgfältig, und die Details sind
aufs feinste herausgearbeitet; die Farbengebung
ist glanzvoll. Die kleinen Landschaften oben
auf den zwei Tafeln sind mit großem Feingefühl
und einem Verständnis für atmosphärische Er-
scheinungen gemalt. Jede der zwei Tafeln ist
95cm hoch und 21'/,cm lang. F.
2
DER KUNSTMARKT
BERLIN
Auf die bevorstehende Versteigerung einer
groBen Anzahl hervorragender Handzeichnungen
und Aquarelle bei Amsler & Ruthardt wurde
bereits im 5. Hefte hingewiesen; die Auktion
fand vom 25. bis 27. Mai statt und bereitete
hier und dort einige Überraschungen, indem
manche vielversprechende Blätter nicht sonder-
lich begehrt waren, wie die Bürgerfamilie Els-
heimers, die schwungvolle Komposition angeb-
lich Riberas (in Wahrheit wohl dem XVIII. Jahr-
hundert angehörend) u. a.; auch die Beweinung
Christi von Hugo van der Gros bradite nur
+ es ee nn me 2" È
4 INS È
Der Kunstsammler
715
220 M., wohl aus Gründen der Anzweiflung
ihres Urhebers. Daß Zeichnungen lebender
Meister im Verhältnis eben so hodı, ja vielfach
höher bezahlt wurden als die vergangener
Epochen und selbst als eigenhändige Bilder von
ihnen auf Auktionen bisweilen bewertet werden,
gehört zu den psychologischen Rätseln des Kunst-
marktes. — Die höchsten Ziffern unter den alten
Meistern erreichte Rembrandt mit 1580 resp.
1090 und 920 M.; unter den modernen selt-
samerweise Ed. Hildebrandt mit 1010 M. und
dann erst Klinger mit 710 M. Dabei war das
teuerste Blatt Rembrandts, eine Handwaschung
des Pilatus, sichtli nicht einmal das beste;
eine sehr ähnliche figurenreiche Komposition
(Darstellung aus dem Ill. Buch Mose), groB-
artiger und fester im Wurf, erzielte nur 550 M.;
1090 M. brachte ein männlicher Akt von ma-
geren Formen, 920 M. ein vorzügliches Polen-
Bildnis; erwähnenswert von Rembrandt waren
nodi eine Anbetung der Hirten, 360 M., ein
lesender Greis, 620 M., und eine lebensvolle
Skizze von „Abraham und Isaak im Gespräch“,
400 M. — Eine Landschaftsstudie von Aert
v. d. Neer, voll schönster Abendstimmung,
gleichwertig seinen besten Bildern (mancher
mag sie ihnen sogar vorziehen), ging für 700 M.
fort; eine prachtvolle Bauernfigur von Dusart
für 310 M.; von van Dyck eine vornehme
„Verlobung der hl. Katharina“ für 610 M., das
Porträt eines mürrischen Herrn für 305 M.; ein
vortrefflich durchgezeichneter Savoyardenknabe
von Dujardin, sicher ein Glanzstük der
Kollektion, nur fiir 100 M. (wohl wegen des
„Epigonentums“ des Meisters?); auch van
Goyen errang mit einer FluBlandschaft nur
105 M. Dagegen brachten mehrere derbe aber
gut durdhgebildete Kompositionen von Jordans
ziemlich gute Preise (185—370 M.); von Isaak
v. Ostade kam eine lustige Bauernszene auf
295 M.
Die Deutschen waren weniger glänzend,
ja oft fragwürdig vertreten. Wenigstens konnte
man hinter das zierlihe Brustbild einer jungen
Frau von Schongauer (?) schon ein Frage-
zeichen setzen, obwohl es mit 560 M. bezahlt
wurde; nicht zweifellos scheint auch ein Kinder-
tanz von Holbein d. J., der 270 M. brachte.
Eine sehr detaillierte Schlachtenansicit von
Feseler brachte 310 M.; ein Nürnberger Stadt-
wappen von Dürer 150 M.; eine anmutige
Verkündigung, Kreisformat, von einem west-
fälischen Meister des XV. Jahrhunderts, ganz
niederländisch im Stil, 205 M.; gute Preise er-
reichten auch eine Anzahl Wappenzeichnungen
des Schweizers Lindmayer (150—250 M.); von
V. Solis wurden ornamentale Zeichnungen
(200—210 M.) teurer bezahlt als eine originelle
Traumdarstellung in weiter Landschaft (150 M.).
Chodowiecki, Genreszene: 210 M.
Von Italienern ist nur der schöne Studien-
kopf von L. di Credi zu nennen, lionardesk in
Auffassung und Technik (600 M.).
Neuere Künstler: Ed. Hildebrandt er-
rang mit einem „Kalkfelsen bei Dover“, einem
sehr schönen Aquarell, den hohen Preis von
1010 M.; ein StraBenbild aus dem Orient von
ihm dagegen nur 130 M. Originalzeichnungen
von Max Klinger blieben weit hinter den
Preisen zurück, die oft für seine Radierungen
bezahlt werden (eine Laune des Kunstmarktes):
Fünf Frauen am Meeresstrande 710 M., Ent-
wurf zu Blatt 9 aus „Vom Tode. I. Teil“ (Arme
Familie) 450 M., ein Liebespaar im Bette (psy-
chologisch außerordentlich pointiert) 320 M. Ad.
v. Menzel, 3 Kreidezeichnungen: 165, 260 und
275 M. Landschaften von Max Liebermann
105—210 M.; Skabina 115—135 M.; Vautier
170 M. (alles sorgfältige und gute Stiftzeich-
nungen); ein schönes Landschaftsaquarell von
Leistikow 420 M., andere, flüchtige Skizzen
von ihm 105 M. und weniger. Ludw. Richter-
sche Zeichnungen gingen bis 150 M. (ihre große
Häufigkeit hält wohl ihrer Beliebtheit die Wage);
von Schnorr v. Carolsfeld ausgeführte Kompo-
sitionen in Federzeichnung bis 195 M. S.
2
MÜNCHEN
Am 30. Juni und folgende Tage fand bei Hugo
Helbing die Versteigerung der Sammlung Franz
Greb + statt, die trotz der vorgeschrittenen Zeit
sehr schöne Resultate zeitigte. Die Sammlung
Greb hatte durchweg kunstgewerblichen Cha-
rakter. Ihre Vielseitigkeit stand der Qualität im
einzelnen nicht im Wege, trotzdem naturgemäß
unter den mehr als 1800 Nummern auch manches
war, das mehr antiquarisches als künstlerisches
Interesse weckte. Wie überhaupt die Sammlung
in ihrer Zusammensetzung sehr stark an die
alten Kunst- und Wunderkammern erinnerte, von
denen uns Julius v. Schlosser in seinem grund-
legenden Buche so trefflicies berichtet. Wir
notieren kurz aus den diversen Abteilungen die
markantesten Preise und verweisen im einzelnen
auf den Katalog.
Arbeiten in Steingut: 1. Siegburger
Schnelle: 240M. — 2. Desgleichen: 380 M.
— 5. KreuBener Apostelkrug: M. 465. — 6.
KreuBener Kaiserkrug: M.920. — 9.Kreu-
Bener Flasche: 540 M.
716
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Porzellane: 78. Der Cellospieler: 550 M.
Gläser: 83. Grober Jagdhumpen: 1050 M.
— 85. Deckelglas: 300 M. — 97. Willkomm.
Tulpenförmiger Pokal: 300 M. — 104. Gotisches
Butzenglas, griin. 15.Jahrh.: 215M. — 105.
Ein gleiches: 220M, — 124. Schnapshund.
Grünes Vexierglas: 220 M.
Glasgemälde: 157. Glasfenster: 520M. —
158. Desgleichen: 450 M. — 159. Runde Glas-
scheibe: 255 M.
Arbeiten in Edelmedall. Kirchliche Geräte:
165. Gotisches Ciborium, Silber, vergoldet.
Erwerbung des Germanischen Nationalmuseums:
5000 M. — 172. Reliquiarium. Erwerbung des
Germanischen Nationalmuseums: 1550 M.
Silbergeschirr: 176. Großer Silber-Po-
kal: 4550 M. — 177. Desgleichen: 3050 M. —
179. Prunkpokal: 3350 M. — 181. Hoher
Becher: 810M. —201.Kleinesilberne Sale:
800 M.
Dosen und Bücdhsen: 219. Große sil-
berne Tabatière. Erwerbung des Bayer. Na-
tionalmuseums: 300 M.
Schmuck: 338. Brillantshmuc: 1780 M.
— 343. Goldener Jagdshmuck: 1800 M. —
345 a. Desgleichen: 2000 M. — 348—350. Mit-
telstük einer Renaissance ~ Agraffe:
1000 M. — 429. Armband aus sechsfaciem
starkem Goldkettengeflecht: 1600 M.
Rosenkränze und Rosenkranzanhänger: 600.
Gotischer Rosenkranz: 690 M. — 601. Ro-
senkranz: 900 M. — 602. Desgleichen: 600 M.
— 633. Gotisher Rosenkranzanhänger:
530 M.
Arbeiten in Bronze, Messing und Kupfer:
656. VierromanisheSchmuckstüce:300M.
— 657. Großer ovalerBronzesdild: 700 M.
— 658. Großer, reidh getriebener Pokal:
860 M.
Arbeiten in Zinn: 788. Zunftkanne: 220 M.
— 789. Desgleichen: 130 M. — 7%. Des-
gleichen: 150 M. — 820. Schraubflasme:
260 M. — 831. Tiefe Renaissanceschüssel:
320. — 834. Speiseservice: 455 M.
Eisenarbeiten: 849. Zunftschlüssel der
Sdilosserinnung: 170M. — 850. Herbergs-
zeihen der Hufschmiede: 120 M. — 852.
Eine Ente: 260 M. — 855. Fensterkorb: 300M.
— 856. Rundeisengitter der deutschen Re-
naissance: 350 M. — 868. Türe eines goti-
shenSakramentshäuschens: 375 M. — 870.
Gotisches Türgriffbeschläg: 350 M. — 875.
GroBes gotisdies Tiirsch]oB: 140 M.
Waffen: 931. Kleine Mailänder Brust.
Erwerbung des Bayer. Nationalmus.: 200 M. —
935. Zweihander: 450 M. — 936.Schweizer-
sdiwert: 170M. — 937. GroBer spanischer
Degen: 470 M. — 969. Glefe: 280 M —
972. Geätzte Saufeder: 810 M. — 973.
Saufeder: 270M. — 976. Großer Luzerner
(Streit-)Hammer: 560M. — 977. Gotisce
Armbrust: 520 M. — 978. Kleine Armbrust:
280 M. — 981. Sturmfahne mit dem Bildnis
des Johann von Werth(Museum K6ln): 1090 M.
— 982. Bolzbilchse: 290 M. — 985. RadschloB-
biichse. Erwerb. des German. Nationalmuseums:
1160 M. — 994. Scheibenbiichse: 445 M.
Jagdbestecke und Jagdatensilien : 1070. Jagd-
zugtasche: 755M. — 1071.GroBe Jagdtasme:
410 M. — 1091. Falkenhäubcen: 400 M.
Skulpturen in Stein und Elfenbein: 1342.
Heimsuchung Mariä:540M. — 1343. Vision
der hl. Maria Magdalena: 1560 M. — 1344.
Kleine gotische Alabastergruppe: 700M.
— 1345. Kruzifix: 550 M.
Skulpturen in Holz: 1346. Lüsterweib-
chen. Arbeit Tilman Riemenschneiders:
24000 M. — 1347. MadonnenstatuevonTil-
man Riemenschneider: 4500 M. — 1348. Ol-
bergengel: 1450M. — 1349. Der Erzengel
Michael: 650 M. — 1350. Zwei shwebende
Engel: 2600 M. — 1351. Ladsterweibchen:
610 M.
Möbel: 1438. Großer zweitüriger
Schrank: 1600 M. — 1440. Renaissanceauf-
satzschrank: 600M. — 1481. Rokoko-Stand-
uhr: 400 M.
Ölgemälde meist alter Meister: 1669.
Zwei Altarflügel: 1130 M. — 1671. Hl. Hie-
ronymus: 430 M.
J. G. Edlinger: 1678 Brustbild eines
alten Mannes und 1679 Brustbild einer
alten Frau: 410M.
PARIS
Der Kunstmarkt hatte unter der allgemeinen
wirtschaftlihen Depression auch in diesem Mo-
nate zu leiden. Eine „grande vente“ war fir .
Juni nicht zu verzeichnen, doch sind immerhin
eine Anzahl hervorhebenswerter Werke auf
den Markt gekommen:
An alten Bildern behauptete das achtzehnte
Jahrhundert seine hohen Preise: fiir eine ,Frau
mit Buch“ von Carle vanLoo wurden 19000 fs.
gezahlt, für das guaschierte Aquarell einer
Schauspielerin von Claude Hoin 46000 fs., für
ein varı Loo zugeschriebenes Genrebild aus
der Sammlung Stchoukine 19000 fs. Diese
Der Kunstsammler
letztere Sammlung enthielt einen groBen Zur-
baran, der für 15000 fs. wegging. In der Ver-
steigerung Chauvin wurden sehr hohe Preise
für alte Gravuren gezahlt: 7600, 6420, 2000 fs.
u.a. m. Für Tapisserien wurden in der Nadh-
lassversteigerung Debacker für einen Beauvais
nadı Boucher 120000 fs. erzielt, andere hohe
Preise in der Vente Chauvin.
Ein bedeutender Umsatz hat in Werken der
Schule von 1830 stattgefunden, die ihre Preise
fest gehalten haben. Die Sammlungen De-
backer (Diaz 15000 fs., Charles Jacque 6700 fs.),
Porto-Riche (Corot 5500, Diaz 7100 fs., 3500 fs.,
Dupré 8000 fs.) Coudray (Corot 13000 fs.,
3400 fs., 5000 fs.; Diaz 2450 fs., Dupré 70C0;
Charles Jacque 13000 fs., 8600 fs.) haben eine
Reihe charakteristischer Resultate gebracht. Die
Sammlung Reitlinger bestätigte, daB für Courbet
erneutes Interesse vorhanden ist (11500 fs.,
2500 fs. 6100 fs.).
Unter den Größen der achtziger Jahre war
nur geringe Kauflust für Bouguereau und
Meissonier vorhanden. Ein Roybet brachte es
immerhin auf 9800 fs. (Vente Coudray), Ziem
halt sich andauernd, der in der Vente Coudray er-
zielte Preis von 18000 mag trotzdem überraschen.
Die Vente Nathanson wie die Vente Druet
im vorigen Monat zeigen, daB für die jüngste
Schule am Hotel des Ventes kein allzugroBes
Interesse vorhanden war. Die Sammlung Th.
Nathansons, der durch seinen Streit mit dem
Direktor der Comedie Frangaise letzthin oft ge-
nannt worden war, stellte ein selten schönes
Ensemble von Werken Vuillards und Bonnards
dar, das in der allerfrischesten Zeit dieser Künstler
zusammengebracht worden war, trotzdem hielten
sih die Preise in bescheidenen Grenzen. Nur
ein Cézanne ging zu hohem Preise nach Berlin.
Einige am 16. Juni versteigerte Werke von
Gauguin bestätigten diese flaue Tendenz durch
niedrige Notierungen.
Sammlung des Dr. G.H.N.... 29. Mai.
(C. Pr. Lair Dubreuil. Exp. Feral). 68 Nummern.
Gesamtertrag 651% fs.
No. 15. Desportes, Friichte u. Wild. Still-
leben. (76 : 90) : 1500 fs. (Jonas) — 24. Jeaurat,
Die Kelter (63 : 80) : 2100 fs. — 26. Largillière
Frauenportrait (78: 62) : 1700 fs. (Féral) —
45. Hubert Robert. Die Kaskade. (91 : 145):
6200 fs. (Féral) — 43. Pater, Der Gatte be-
trogen, geprügelt und zufrieden“ : 4600 fs.
(Féral) — 53. Tischbein Portrait einer jungen
Frau (50 : 39) : 1550 fs. (Mme Esnault-Pelterie)
sonst meist Bilder 2. und 3. Ranges der franzö-
sishen Schule. Darnadı wurde versteigert:
Carle van Loo, Frau mit Buch (93 : 75): 19000 fs.
(Taxe 20 000 fs.).
717
Moderne Bilder am 6. Mai (C. Pr. Bau-
doin. Exp. Feral. — 8 Harpignies Seine bei
Paris (Aquarell) : 1000 fs. — 22. Ziem, Wald-
inneres, Aquarell : 1300 is. — 42. Cézanne,
Waldinneres bei Auvers: 2005 fs. — 50. Diaz,
Frau mit Blumen (29: 18): 1020 fs. — 75. Meis-
sonier, Trinkender Reiter: 125 fs. — 97. Tou-
louse Lautrec, mythologische Szene: 245 fs.
103 Nummern. Gesamtertrag 19 957 fs.
Sammlung des Grafen d'Aubigny.
Deutsche Holzschnitzarbeit. 18. Mai. (C. Pr.
Coulon, Exp. Mannheim). No. 8. Basrelief,
Die Verkündigung (78:51): 2050 fs. (Bing). —
9. Altarblatt, bemalt und vergoldet, Anbetung
der Könige (130:165): 6700 fs. — 16. Relief,
bemalt und vergoldet, Verkündigung (71:88):
1730 fs. (Seligmann). — 22. Basrelief, Heilige
Familie (75:98): 2055 fs. (Faure). — 27 Nummern,
Gesamtertrag 20147 fs. Die anderen Preise
zwischen 100 und 300 fs., einige höher.
NachlaBversteigerung der Mme De-
backer. 1. Juni. (C. Pr. Desaubliaux, Trouillet.
Exp. Paume, Lasquin, Petit.)
Moderne Bilder. Brillouin, Der fliegende
Buchhändler (25:32): 2900 fs. (Vial). 8. Dau-
bigny, In Optevoz (32:49): 1150 fs. (Petit.) —
9. Diaz de la Pena, Waldlichtung: (32:40):
15000 fs. (Petit). — 15. Heilbuth, Junge Frau
auf der Terrasse von St. Germain: 380 fs.
(Blanchard). — 16. Isabey, Auszug der Reiter
(24:32): 8500 fs. (Arnold & Tripp, Taxe 6000 fs.)
— 17. Charles Jacque, Schafweide (21: 25):
6700 fs. (Arnold & Tripp, Taxe 5000 fs.) —
20. Lami, Der groBe Condé vor Ludwig XIV.,
Aqu. (34:59): 5600 fs. (Arnold & Tripp). —
Lami, drei weitere Aqu.: 2200, 2500, 1100 fs. —
Alte Bilder. 31. Werkstatt Boudchers,
Herbst und Sommer (je 80: 130): 4700 fs. (Paulme).
— 32. Werkstatt Bouchers, Toilette der Venus
und der Vogelfänger (80:130): 3800 fs. (G. Bern-
heim). — 34. A. Coypel, Kirmesse, zwei
Gouaschen: 1300 fs. — 38. Claude Hoin, Mme
Dugazon in der Rolle der Nina, guaschiertes
Aqu. (24:19): 46 000 fs. — (A. Weil-Picard) zwei
dasselbe Sujet darstellende Guaschen brachten
in den Venten Goncourt (1897) und Mihlbacher
(1899) 19000 und 23000 fs. — 42. Wouver-
mans, Wunderdoktor auf einem Pariser Platze
(35:48): 5200 fs.
Skulpturen. 50. Clésinger, Naiade auf
Meeresungeheuer: 2700 fs. (Pozzers).
Chinesisches Porzellan. 59. Paar von
Lampen, bestehend aus zwei Tòpfen und zwei
Vasen (achtseitig, Epoche Kien-Lung): 14000 fs.
(Caillot).
Tapisserien. 105.Tapisserien v.Beau-
vais. Stück aus den Pastoralen Boudchers, Der
718
Fischfang (360 :370): 120500 fs. (Seligmann, Taxe
150 000 fs., ein ähnliches Stück auf der Vente
Cronier 1905: 102 000 fs.).
112 Nummern. Gesamtertrag 332 723 fs.
NachlaBversteigerung Reitlinger.1. Juni,
(C. Pr. Lair Dubreuil, Exp. Haro, Bloche.)
Bilder. 8 Gustave Courbet, Die beiden
Freundinnen (77:100): 11500 fs. (Gradt). — 10.
Courbet, Auf der Heimkehr von der Konferenz
(65:89): 2500 fs. (Bernheim jeune). 9. Courbet,
Die Woge (73:92): 6100 fs. (Gradt). — 11. Cour-
bet, Der schwarze Felsen (61:77): 2650 fs. (Bern-
heim jeune). — 12. Courbet, Die Unendlich-
keit (95:128): 1500 fs. (Bernheim, jeune). —
13. Courbet, Le puits noir (94:133): 2450 fs.
(Bernheim jeune). — 14. Courbet, Der land-
fahrende Arbeiter (33:25): 880 fs. (Bernheim
jeune). — 33.Leclerc, Diana und die Nymphen
(30:64: 3000 fs. — 34. Le Prince, Die gliick-
lihe Mutter (32:25): 3800 fs. — 35. Bernar-
dino Luini zugeschrieben, Madonna mit Kind
(66:49): 10100 fs. — 55. Tassaert, David und
Bathseba (56:47): 3950 fs. (Mme Michel). — 66.
A. Vollon, Hahn und Henne (60:73): 900 fs.
(V. Besse).
71 Nummern. Gesamtertrag: 81 592 fs.
Sammlung des Monseigneur Charme-
tant. 22.23. Mai. (C. Pr. Origet. Exp. Sortais,
Duplan).— 70. Ingres, Betende Jungfrau (90:66):
8700 fs. — 86.Französische Schule, XIV. Jhdt.
Martyrium des HI. Didier, Triptychon: 6000 fs.
(Bachereau).
Kunstgegenstande: 220. Reliquiar, Bron-
ze ziseliert und vergoldet. Schmelzverzierungen
z. T. XIII. Jhdt.: 8100 fs. — 222. Gruppe, Silber
ziseliert und getrieben. Madonna mit Christus-
kind. Deutsch. XVI. Jhdts.: 5500 fs. — Christus,
Elfenbeinstatue (110 cm hoch) alt, ohne Garantie:
9500 fs. — 232. Weihwasserbecken, italienisch
XIV. Jhdt. Bronze. Drei allegorische Gestalten:
4600 fs.
256 Nummern, darunter viel wertloses. Ge-
samtertrag 86 387 fs.
Vente Helene Chauvin,
de Courcelles.
2. 3. 4. Juni.
Gravurendes XVIII. Jhdts. 28. Debucourt,
Promenade im Palais Royal, farbig: 2010 fs. —
29.'39. Debucourt, L’Escalade, Glück und Un-
glük. Zwei St. farbig 3800 fs. (Petit). — 63.
Janinet nach Lemoyne, Mile du T... farbig:
2000 fs. — 73. Lasinio, Porträt d. Edouard
Dagoty v. Latrelif, farbig: 7600 fs. (Ctesse de
Fitz-James). — 101. J. R. Smith, Spaziergang
in Carlisle House 1. état: 6420 fs. (Mme Brasseur.)
— Bilder, Pastelle, Aquarelle, Porzellan, Möbel.
Tapisserien: 376. vlämish. XVIII. Jhdt.
24, Boulevard
(Exp. Paulme, Lasquin.)
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Mythologishhe Szene. (240:380): 24000 fs.
(Paulme). — 377. Aubusson, Louis XV. Fünf
Panneaux Schifferszenen: 20000 fs. (Velghe).
385 Nummern. Gesamtertrag 287 000 fs.
Sammlung R. M.... 3. Juni. (C. Pr. Bau-
doin, Exp. Féral) no 29. J.F. Millet, Zeichnung,
Die Ahrenleserinnen : 900 fs. (Strolin) — 70. van
Goyen, Schloss am Flussufer. (46 : 63): 2700 fs.
(Dupré). 120 Nummern. Gesamtertrag 32569 fs.
Sammlung Porto-Riche, 5—6. Juni. (C.
Pr. Lair Dubrueil, Exp. Petit, Paulus, Lasquin).
2. Corot, Frauen am Brunnen (38: 34): 5500 fs.
(Petit) — 7 Diaz, Der Harem (39:58: 7190 fs.
(Leroux de Villers). — 8. Diaz, Teich im Walde
(45 :64) : 18500 fs. (Petit, vente Garnier 1894:
15000 fs.) — 9 Diaz, Ophelia (33:21): 3500 fs.
(Gradt). — 10. Jules Dupré, Der fahrende Land-
arbeiter (25 : 41) : 8000 fs. (Preyer). — 14. Jong-
kind, Schlittschuhläufer in Holland (34:46:
5000 fs. (Comtesse de Miranda) — 17. Meis-
sonier, Grenadier (19:10): 830 fs. (vente Meis- .
sonier: 2550 fs.) 22. Ziem, Gran Canale (54:
74): 7100 fs. (Boussod u. Valadon). — 38. Char-
les Jacque, Schafe an der Tränke (37: 51
Zeichnung) : 2000 fs. (Petit) — Miniaturen, Bi- |
belots, Möbel. 113 Nummern. Gesamtertrag
129384 fs.
Sammlung der Baronin H.... 2.—3. Juni.
(C. Pr. Boudin, Exp. Chaine et Simonson). —
15. Bouguereau, Cupido. (74: 60): 4900 fs. —
34. Dillens, Die Kussbrücke in Seeland: 100
fs. — 73. Gustav Richter, Kinder: 185 fs. —
101. Werner, Der ungeschickte Amateur beim
Maler: 300 fs. 102 Nummern. Gesamtertrag
40000 fs.
Versteigerung vom 11. Juni. (C. Pr.
Lair Dubreuil, Exp. Paulme et Lasquin.) —
47/48. zwei alte Guaschen in d. Art Mallets
oder van Gorps; Die Erklärung, der Streit:
11650 fs. (Guiraud). — Bronzen, Möbel, Tapisse-
rien. 134 Nummern. Gesamtertrag: 102939 fs.
Sammlung Coudray. 12.13. Juni. (C.
Pr. Lair Dubreuil. Exp. Allard, Bonjean.
14. Corot, Der Teich (24:52): 13000 fs. (Bayle).
— 16. Corot, Waldrand (24: 15): 3400fs.(Darrras). |
— 20. Diaz, Spaziergang im Walde (32:24):
7000 fs. (Vagliano). — 22. Diaz, Baumstudie
(35:23): 2450 fs. (Darras) — Jules Dupre,
Gutshof (74:60): 7000 fs. (Carnaud, Taxe 10000 fs.)
— 32. Fantin Latour, Überraschte Dryade
(39:45): 4100 fs. (Fromentin). — FantinLatour,
Der Traubenkorb (31:43): 4600 fs. (Bonjean). —
40. Harpignies, Sonnenuntergang (34:47):
5100 fs. (Bonjean).— 46.Henner, Byblis (102:65) :
13000 fs. (G. Bernheim. Taxe 10000 fs.) — 48.
Henner, Mignon (26:19): 3250 fs. (Mme Beuret).
— 54. Charles Jacque, Hirt und Herde (27:40):
Der Kunstsammler
719
13000 fs. (G. Bernheim). — 156. Ziem, Teich
in der Camargue. Aqu. (22:31): 4500 fs. (Detri-
mont). — Zweiter Tag: 5. Boudin, Kanal in
Löwen (27:40): 5600 fs. (Arnold & Tripp.) —
15. Corot, Der alte pont Saint Michel (24:29):
5000 fs. (Allard, vente Corot 1875: 1520 fs.) —
29.JulesDupre, Hütten auf dem Lande (33:53):
4600 fs. (Darras, Taxe 6000 fs.) — 35. Fantin
Latour, Blumenvase (44:56): 7900 fs. (Ctesse
de Miranda). — 45. Henner, Die Witwe (50:38):
6000 fs. (Mile Coudray). — 53. Charles Jacque,
Geflügelhof (40:66): 8600 fs. (Bonjean, Taxe
10000 Tel — 67. E. van Marce, Weide am
Teihrand (28:40): 12500 fs. (Taxe 10000). —
91. Roybet, Porträt der Juana Romani (81:63):
9800 fs. (Taxe 6000). — 109. Ziem, Die weißen
Segel auf dem Gran Canale, Venedig (34:66):
18000 fs. (G. Bernheim, Taxe 18000 fs.) —
157 Nummern. Gesamtertrag: 321759 fs.
Sammlung Thadée Nathanson. 13. Juni.
(C. Pr. Baudoin, Exp. Bernheim.)
Werke von Pierre Bonnard: 2. Bade-
szene (35:27): 500 fs. — 3. Der Regenschirm
(26:17): 550 fs. (Maus.) — 4. Frau mit grüner
Cravatte (35:27): 400 fs. — 5. StraBenszene
(35:27): 600 fs. — 6. Kleines Mädchen (37:12):
320 fs. (Fénéon.) — Winterliche Straße (27:35):
410 fs. (Fénéon). — Der Zirkus (26:35): 600 fs.
(Bernheim jeune.) — 9. Straße in Eragny (37:27):
600 fs. (Bernheim jeune). — 11. Kinder im
Wasser (49:71): 2050 fs. (Mirbeau). — 12. Das
Ballet (28:36): 1550 fs. — Die Lässige (97:106):
1700 fs. — 15. Porträt Thadée N... (42:41):
230 fs. — 16. Intérieur (52:34): 480 fs. — 17. Die
Badenden (58:48): 1120 fs. — 18. Frau Striimpfe
anziehend (79:58): 1600 fs. — 19. Mann und
Frau (115:72): 2000 fs. (Bernheim jeune). —
20. Dame mit blauer Kravatte (59:40): 480 fs.
(Blot). —
21. Cézanne: Auvers-sur-Oise. (46:55):
6600 fs. (Cassirer, Berlin, Taxe 7000 fs., vente
Chocquet 1899: 2620 fs.) — 23. Daumier, Die
kleinen Badenden (27:22): 750 fs. — 24. Guys,
Der gelbe Muff (24:16): 75 fs. — 26. Marquet,
Im Luxembourg (46:55): 450 fs. (Druet). — 30.
Roussel, Der Rausch der Dämmerung (48:69):
820 fs. (Bernheim jeune). — 31. Roussel,
Diana und Adonis (49:69): 480 fs. — 32. Roussel,
Jugendbrunnen (40:57): 800 fs. (Blot.) — 34.
Roussel, Pastorale (42:57): 670 fs. (Bern-
heim jeune). — 36. Valloton, Porträt Thadée
N... (67:48): 1050 fs. (Mirbeau). —
Werke von Vuillard: 39. Die angelehnte
Türe (27:22): 520 fs. — 41. In der Oper (27:22):
250 fs. (Coolus). — 43. Der öffentliche Garten,
dekoratives Panneau (212:162): 1020 fs. (Bern-
heim jeune). — 45. Porträt Th. N... (52:39):
1500 fs. (A. Gide). — 46. Der Maler (38:28):
1650 fs. — 48. Am Piano (50:54): 500 fs. —
50. Die blaue Dame (51:59): 1650 fs. — (Bern-
heim). — 51. Das Album (65:206): 2000 fs. —
52. Der Blumentopf (65:116): 1500 fs. (Hessel).
— 53. Der Toilettentisch (65:119): 1350 fs. —
54. Die Stickerei (165:76): 1950 fs. (Bernheim j.).
— 55. Die gestreifte Blouse (65:68): 1750 fs. —
59. Das Bett (36:50): 830 fs. (P. Goujon). —
61. Orchester in einem Café: 620 fs. (J. Doucet)
— 63. Die ersten Friichte, dekoratives Panneau
(248: 432): 2700 fs. — 64. Das Fenster auf den
Wald (250: 280): 2600 fs.
65 Nummern. Gesamtertrag 59 905 fs.
Versteigerung. Moderner Bilder. 16. Juni.
(C. Pr. Lair-Dubreuil, Exp. Bernheim jeune.)
8. Cazin, Die Lektüre (91:185): 8000 fs.
(Bernheim j., Taxe 12000 fs.) — 12. Cottet,
Venedig am Abend (54:70): 200 fs. — 14.Cour-
bet, Der Wasserfall (73:95): 3900 fs. (Bern-
heim j.). — 27. Gauguin, Mau Taporo (50:67):
2005 fs. (Vollard). — 28. Gauguin, Parahi te
marae (68:91): 1705 fs. (Vollard). — 29. Gauguin,
Landschaft (54:64): 380 fs. (Druet). — 30. Gau-
guin, poèmes barbares (65:48): 1500 fs. (Druet).
31. Gauguin, te poi poi (68:90): 1255fs.(Vollard.)
— 35. Guillaumin, Seineufer (60:73): 185 fs.
(Hessel). — 49. Monticelli, Versammlung in
einem Park (24:35): 610 fs. (Dr. Tripier). —
52. Renoir, Landschaft (19:32): 405 fs. (Vollard).
54. Renoir, Frauenkopf (41:32): 1120 fs. (Bern-
heim j.) — 66. Sisley, Haus in St. Mammes
(86:56): 2000 fs. (Bernheim j.) — 81. Besnard,
Junges Mädchen, Aq. (38:26): 680 fs. (Bern-
heim j) — 9%. Manet, GeiBelung Christi,
Aq.: 25 fs.
109 Nummern. Gesamtertrag 59937 fs.
Sammlung Sthoukine. 19. Juni. (C. Pr.
Boudin. Exp. Haro, Leman.) Hauptsächlich
spanische Bilder: 70. Zurbaran, Bildnis eines
spanisch. Studenten (193:102): 15 000 fs. (Mersch.
15000 fs. Taxe, früher Velasquez zugeschrieben).
— 64. Van Loo zugeschrieben, Die Schaukel
(188:140: 19000 fs. (Hermel, Taxe 20 000 fs.).
123 Nummern. Gesamtertrag 61 644 fs.
R. M.-R.
2
LONDON
Die Sammlung Roberts, Versteigerung bei
Christies vom 21.— 23. Mai, war in der Haupt-
sache ein rechtes Beispiel für den herrschen-
den Geschmack und erzielte darum auch einen
schönen Gewinn, fast 66000 #. Sie enthielt
Bilder erster moderner Meister, sowohl Eng-
lands wie Frankreihs und der Niederlande
47
720
Monatshefte für Kunstwissenschaft
und einiger alter englischer Meister, meist aber
sozusagen ,typishe“ Werke dieser Künstler,
d. h. solche, in denen diese ganz nach ihrem
Schema resp. Manier arbeiten, Stücke, wie sie
jeder echte moderne englische Kunstfreund und
Sammler von Rechts wegen haben sollte. Nur in
einer gewissen Willkür waren ein paar eigen-
artige Werke mit darunter gemengt, die unter
der schönen Schaar der salonfähigen sich fast
etwas seltsam ausnahmen. Auffallend war die
Überzahl der Landschaften; aber es waren meist
Landschaften nach dem Herzen der GroBstädter,
lieblihe stille Idyllen und Träumereien, mit
Corot, dem „typischen“ Corot, als Gott und den
modernen Niederländern als ministrierende Engel.
In etwas allerdings hatte der verstorbene Samm-
ler seinen eignen Kopf gehabt: im Kaufen
zweifelhafter Bilder, namentlich aus älterer Zeit.
Das interessanteste Stück der Sammlung war
Constables: „Eröffnung der Waterloobrücke“,
ein Sujet, das in mehreren Versionen vorliegt.
Durch dieses hier geht eigentlich ein künstleri-
scher RiB. Die riesige Brücke mit den gewaltig
sich wölbenden Bogen hat Constable mit größter
Sorgfalt an Ort und Stelle aufgenommen und
zeichnerisch detailliert durchgeführt, so daß Rus-
kin seine Freude daran gehabt hätte. Der Vor-
dergrund aber ist in Constables lebendigster
Methode behandelt und das Bild selbst voll
interessanter Probleme. Es hätte sicher eine sehr
hohe Summe verdient. Mr. Reid aus Glasgow
aber erstand es für 1100 gs. Ein Paar feine
kleine Constables „Brighton Beach“ und „View
of a Farm“ brachten 530 resp. 320 gs. Auch von
Bonington, der neben Constable auf die franzö-
sishen Landschafter EinfluB ausübte und als
Mittler zwischen den zwei Ländern bezeichnet
werden kann, waren eine ganze Reihe von
Werken da: ,A Coast Scene“ brachte 100 gs.;
andere Stücke 90, 70 und 110 gs. Seltsam war
es zu sehen, wie ein schöner Turner, eine
majestätische Berglandschaft, die 1895 noch 600 gs.
eingetragen, nun um 200 gs. in den Besitz der
Messrs. Agnew iberging; und das trotz der
fast wahl- und kritiklosen Liebe ja Schwärmerei
für diesen Meister, in dem die Engländer den
höchsten Ausdruck ihrer Landschaftskunst sehen.
Dagegen erzielten einige Aquarelle Turners wie-
der recht schönePreise: „Kirkley Lonsdale“ 800 gs.;
„Lake of Geneva“ 660 gs.; „Sallenches“ 600 gs.;
andere etwas geringere Summen. Turner ist
eben für hier hauptsächlich Aquarellist und
Aquarellmalerei bleibt hier die bevorzugte Kunst.
— Die wenigen Werke altenglischer Meister,
die die Sammlung beherbergte, fanden wenig
Anklang. Gainsboroughs „Mrs. Dorothy Hodges“
in einem etwas stumpfen gelben Kleide, brachte
es nur zu 1000 gs. (Agnew). Ein anderer Gains-
borough „Hon. Campbell Skinner“, ein Kinder-
porträt, stellte sich als von Francis Cote
(1728—70) gemalt heraus und brachte nur 280 gs.,
genug für dieses süBlihe Werk. Eine stim-
mungsvolle, weiche Landschaft Gainsboroughs:
„A View in Suffolk“ kauften Agnews um 820 gs.
Reynolds schlichte „Hon. Mrs. Brown“ trug nur
300 gs. ein; Hoppners wenig erfreuliche „The
Gipsy“ 550 gs. Romneys „schöne“ Lady Taylor,
ein geschmackvolles Farbenarrangement mit Rot
als Grundton, 400 qs. — Von den Meistern der
viktorianischen Zeit bevorzugte Roberts beson-
ders Millais. Wieder konnte man dessen Können
und seine Grenzen erkennen. Seine Grenzen
lagen mehr im Menschlichen, Allzumenschlichen,
er wurde mehr und mehr zum Befriediger des
Publikums und dessen Wünschen. So schuf er
noch oft malerisci gelungene aber doch leere
Bilder wie sein „The Gamblers Wife“, das von
880 auf 2100 gs. stieg (Gooden &Fox). „White
Cockade“, auch ein Genrestück — zogen nicht
die Präraffeliten gegen das Genre einst zu Felde?!
— brachte gar statt der früheren 400 gs. 1050 gs.!
Dagegen sank eine feindurchempfundene Land-
schaft „The Moon is up and yet it is not Night“
von 1050 auf 950gs. Diese Landschaft stammt
aus Millais letzter und künstlerisch sonst un-
fruchtbarster Periode; sie ist wie ein leiser,
wehmütiger Erinnerungssang an vergangene,
reichere Zeiten, und nur die sentimental wir-
kenden Rehe, die der Landschaft ein ,lebendes*
Interesse geben sollen, erinnern daran, daB
auch hier der Gedanke an das kaufende Publi-
kum nicht ganz gesciwiegen. Von Watts be-
fanden sich zwei Stiicke in der Sammlung, eine
ideale Landschaft, in der Watts etwas an Turner
erinnert und wohl auch an diesen anknüpft:
„Lodh Ness“, ein Stück, das aller Erdenschwere
entrückt zu sein scheint; es trug 450 gs. ein;
und seine sympathische Kinderstudie „Pretty
Lucy Bond“ 550 gs. Mit größtem Eifer aber
hatte Roberts Bilder des jetzigen Altmeisters
Ochardson gekauft, der nun nur noch wohldurch-
dachte und festhingesetzte Porträtköpfe zu den
Ausstellungen schickt. Seine frühere Periode ist
am meisten durch sein „Napoleon on Board the
Bellerophon“ bekannt, für das vor 28 Jahren
2000 £ gezahlt wurden. Diesmal stand neben
einigen anderen Stücken sein „Hart Hit* zum
Verkauf, eine jener weiträumigen Empiresalon-
szenen, in denen Orchardson Meister ist. Das
Werk, das einen im Kartenspiel „schwer ce-
schlagenen“ Kavalier darstellt, ging für 3300
gs. nach Amerika, das nun auch neue Werke
an sich zu reißen beginnt. Das dramatische
Motiv tat es offenbar den New Yorker Händ-
Der Kunstsammler 721
lern Scott, Fowles & Co. an, denn künstle-
rish standen einige andre Stücke desselben
Künstlers auf gleicher Stufe. „Music, when
sweet voices die, vibrate in the memory“ und
„A tender chord“ brachten aber nur 320 resp.
410 gs, wovon etwas wohl noch gar auf die
zartsinnigen Titel allein anzurechnen ist. Ein
früheres Stück „Escaped“, zwei Bluthunde auf
der Spur, kostete seinem Käufer 520 gs. Von
anderen englischen Werken seien hier noch her-
gesetzt: George Mason, „A Landscape in Der-
byshire; Evening“, 440 gs.; Fred Walker, „The
Plough*, 400gs. „Rain, Wind and Steam“ von
D. Cox, 130 gs. „The Setting Sun“ von D. Cox,
280gs. „A view over the downs“ von C.Fiel-
ding, 130 gs. Borrowdale von P. de Wint, 90 gs.
Von neueren englischen Meistern trug Swans
Piping Boy“ 290 gs. ein. Das hätte eine feine,
schlichte Freilichtaktstudie werden können: ein
Junge auf einem Felsen im Meer, etwas dem
Lenbachschen Hirtenknaben ähnliches; aber des
lieben Publikums wegen wird lächerliches Genre
in das einfache Naturstück eingeführt: Fische
tanzen zum Flötenspiel des Jungen, und so gibts
für das Bildchen eben fast 6000 Mk.! Die große
Überraschung der französischen Abteilung der
Robertsauktion war ein Charles Jacque. Sein
„The Flock“ brachte es zu 2500 gs. Vor 6 Jahren
noch brachte eines seiner Werke nur 920 gs. in
London, sein „La Bergerie“ in Paris 1920 gs.
Von den andern Barbizonmeistern steht
Corot natürlich oben an. „The Edge of the
Wood* brachte 2150 gs. (Agnew); „A Quiet
Lake* 840 gs. (Wallis); ,A Landscape“ mit
drei Bäuerinnen und einer Stadt und Fluß im
Hintergrund 1400 gs. (Connell); „A Woody
Landscape“ 200 gs. (Cremetti); „A Forest glade“
600 gs. (Agnew); „A Woody Stream“ 700 gs.
(Wallis); „Sunshine and Vapour“ 400 gs, (Wallis);
„ALandscape* mit Frauen unter Bäumen 310 gs-
(Ogston). Einige dieser im Format kleinen Corots
waren in der Tat voll jener rhythmischen Charme,
die diesem Meister eigen. Daubignys kühle,
stille Werke: „A Village“ und „A River Scene“
gingen für 630 und 105 gs. ab; Diaz: ,A Glade
inaForest* für 130 gs.: Jules Dupres „A Pastoral
Landscape“ für 105 gs. Harpignies, dessen Werke
oft bei Christies erscheinen, war mit einem
Sonnenuntergang „Evening“ vertreten, für das
die Pariser Firma Arnold & Tripp 750 gs. zahlte.
L'Hermitte erreichte gar die für ihn einen Rekord
darstellende Summe von 950 gs. für seine pasto-
rale Szene: „The Flock", auch ein Bild, wie man
es hier gern sieht. Sein „Evening Meal“, das
etwas stark in Sentiment getaucht ist, trug 800 gs.
Statt früher 540 ein. Sein individuellstes Werk,
das schlicht ein Stück Garten im Frühling dar-
stellt, „Spring Time“, ein Pastell, brachte es nur
mit einem anderen Pastell zusammen auf 315 gs.
Von J. F. Millet war nur ein Stück, aber ein
recht interessantes, „Seetangsammler“, da; es
wurde für 390 gs. von Boussod erstanden. Troyon
war trefflih vertreten sowohl als Tiermaler
wie als Landschafter. Preise freilich wie in
Amerika, wo im vorigen Jahre sein ,Retour a
la Ferme“ € 13540 eintrug, werden hier nicht ge-
zahlt. Sein ,Fisherman“, eine große, stimmungs-
volle Landschaft, kostete Agnews 1050 gs.
Boussod zahlte 1150 gs. für „A Landscape with
Cattle, ein Bild nur 11 zu 15'/, inch. in Umfang,
und Arnold & Tripp 460 gs. fir ,Sporting Dogs‘,
ein seltsam anziehendes Werk, in dem ein paar
weiße, in grellster Sonne sitzende und blinzelnde
Sportshunde in eine echt venezianische Giorgione-
landschaft verpflanzt sind. Die modernen Hollän-
der, vor allem Israels und Mauve, waren wie
in so vielen Verkäufen und auch Ausstellungen
wieder stark vertreten, und zum Teil recht gut,
namentlih der letztere. Sein kleines Bild
nPloughing“ kaufte eine Amsterdamer Firma
(Preyer) für 975 gs., für Mauve ein Rekordpreis
in London; sein „Going to Church, Winter“
brachte 270 gs., „Landscape with a Woodman
and Waggon“ 335 gs. Von Israels wurden
5 bedeutende Bilder angeboten. „Age“, das
Porträt eines alten Mannes, eine interessante
Studie ohne besondere Tiefe, trug 1350 gs. ein.
Sein Genrebild: „Sailing the Toy Boat“ gar
1600 gs.; dagegen das schlichtere mit Seeluft
erfüllte „Waiting“, in dem aber nichts interessan-
tes geschieht, nur 720 gs. Ein anderes Genre-
stück „Widower“ und „Washing Day“ kosteten
1200 resp. 1100 gs. Das sind verhältnismäßig
hohe Preise, aber Israels ist eben ein groBer
Liebling des hiesigen Publikums, und die Händ-
ler wissen das sehr wohl. Von andern Nieder-
ländern brachte ein J. Maris „Ploughing, Eve-
ning“ 590 gs. Desselben „Zuyder Sea“ 350 gs.
Wie von den französischen Bildern eine Reihe
ihren Weg nach Frankreich zurückfanden, so
gingen auch von den Niederländern mehrere
grade der feinsten Stücke nach Holland zurück.
Eine Woche vorher hatten Messrs. Christie eine
Sammlung alter Meister verkauft, die der verst.
Zoeppritz zusammengebracht hatte. Ohne ersten
Ranges zu sein, enthielt diese Sammlung, der
sich für die Auktion auch noch Werke aus an-
derem Besitz anschlossen, einige interessante
Stücke, so daß es überaus erstaunlich war zu
sehen, wie wenig grade diese Auktion Beachtung
fand. Offenbar traute man vielen der Zu-
weisungen nicht, obwohl mance der Bilder
künstlerisch sehr gutes boten. Da war ein kleiner
Rembrandt „A Philosopher Writing“, 5*/, zu 5
722
inch. groß, ein Bildchen, das in Smith’s Catalogue
Raisonne als N. 185 beschrieben und 1790 von
J. B. P. le Brun gestochen worden ist. Dur-
lacher zahlten für das feine Stück 300 gs. Ein
flotter Teniers „A Kitchen“ brachte 200 gs. (in
1902 nur 52 gs.!) A. von Ostades „Interior of
a Cabaret“ 320 gs. (1902 nur 210 gs.); ein
Männerporträt von G. Terburg 200 gs.; eine
als Überraschung kommende schöne Tafel des
Roger van der Weyden „Madonna and Child
Enthroned“ 9'/, zu 7 inch, stieg bis auf 600 gs.
(Dowdeswell). Für eine FluBlandschaft A. van
der Neers zahlten Lewis & Simmons 640 gs.;
für ein Männerporträt T. de Keysers Colnaghi
& Co. 110 gs. Claude Lorraine hat noch immer
keinen rechten Markt hier, schon seit langem.
Seine Landschaft mit Hirtenknaben und Ziegen
brachte es daher nur auf 36 gs. Von den italieni-
nischen Bildern brachte ein dem Garofalo zu-
gewiesenes Bild: „A Sibyl revealing to Augustus
the Mystery of the Incarnation“ 78 gs., während
es vor 20 Jahren 130 gs. eingetragen hatte.
Pinturichio, A. del Sarto, Tintoretto, Guardi
und andere klangvolle Namen der italienischen
Schule konnten ihren Trägern zu keinen irgend-
wie hohen Preisen verhelfen. Neben einigen
nicht erstklassigen Stücken der altenglischen
Schule (Raeburn etc.) brachte dann der Tag noch
den Verkauf einiger spanischer Stücke, die ein
englischer Gesandter einst in Madrid zwischen
1833—39 erworben hatte. Es handelte sich um
einige Murillos, Velasquez und für London höchst
selten vier Goyas. Für Murillos „St. Josef with
the Infant Saviour“ wurden 300 gs. gezahlt.
Die zwei dem Velasquez zugeschriebenen Stücke
„A View in the Park of Pardo“ und ein Por-
trät Torquemadas, obwohl beide in verschiedenen
Werken über Velasquez erwähnt, wurden wohl
nicht als eigenhändige Werke des Meisters ge-
nommen, wenn ihnen auch mehrere Charakte-
ristika von dessen Hand eigneten. So brachten
sie denn auch nur 200 und 135 gs. Dagegen
fanden die Goyas Gnade vor den Augen der
Kauflustigen. Nur ein bedeutender war dar-
unter: ein Porträt, Kopf und Büste des Peppo
Illo, des berühmten Matadores, in schwarzem
Kostüm mit rotem Mantel; das Haar nach hinten
in einem Netz zusammengeflochten. Colnaghi
& Co. zahlten für diesen besten Goya, der je in
einen englischen Auktionssaal gelangt war, 520gs.
Das ist der höchste Preis, der bisher auf einer
Auktion für einen Goya hier bezahlt worden
ist. Freilich sind nie erstklassige Werke des
Spaniers hier angeboten worden. Eine Gruppe
Goyas „D. José Mofiino, Conde de Florida-
Blanca in rosa Kostiim auf einem Balkon sitzend
und mit einem Architekten sprechend“ trug
Monatshefte für Kunstwissenschaft
200 gs. ein; es ist das eine kleinere Version
des bekannten, 1783 gemalten, groBen Bildes,
das jetzt der Marquesa de Pontejos gehört.
Die zwei weiteren Stücke „The last Parting on
the Scaffold“ und „The Capture of the Dili-
gence“ brachten nur 68 resp. 60 gs. — Am 29. Mai
standen u.a. zwei wohlbekannte und geschätzte
Bilder Gainsboroughs bei Christies zum Ver-
kauf, zwei Bilder, die mit dem Künstler noch
jetzt intim verknüpft sind, denn sie stellen seine
Frau und seine Tochter dar. Sie gehörten dem
verstorbenen Sir Robert Loder. Das Bild seiner
Tochter, wie ein Traumstüc auf die Leinwand
gehaucht und nicht vollendet, hatte 1878 nur
360 gs. gebracht. Diesmal begann man gleich
mit 500 gs., und endlich eroberte Mr. Asher
Wertheimer das bedeutende Werk um 4550 gs.
Das stille Bild seiner Frau hatte 1878 im gleichen
Verkauf 340 gs. eingetragen; auch diesmal wurde
es von seinem Pendant nicht getrennt, Wert-
heimer mußte 2650 gs. dafür geben. Derselbe
Handler erstand am gleichen Tage ein ,Kinder-
konzert“ von Jan Molenaer um 1270 gs. (1875:
470 gs. unter dem Namen Le Nain). Lawrences
»Heads of the Calmady Children“ aus der glei-
chen Sammlung kostete, wiewohl nicht voll-
endet, 560 gs., und Millais kleine Version seines
„My First Sermon‘, ein betrübliches Publikums-
stick, 100 gs. „Rustic Interior“ von A. van
Ostade brachte 105 gs. — Vier Hoppner zuge-
schriebene Porträts blieben in der Familie der
Dargestellten, die sich bis zu 950 gs. fiir eines
derselben hinauftreiben ließen. Von den Hand-
zeichnungen des verstorbenen Sir Knowles wur-
den dieRembrandtschen am besten aufgenommen.
Es waren zum Teil nur erste flüchtige Ideen zu
seinen Bildern, die der Meister rasch aufs Papier
fixierte. Darunter erreichten: eine Landschaft,
Bisterzeichnung, eine Ansicht in der Nähe Amster-
dams # 165; eine Studie eines liegenden Löwen,
Sepiazeichnung, € 135; Darstellung im Tempel,
Bisterzeichnung, £ 70; Mann, ein Kamel führend,
Federzeichnung, £ 70; Geburt, Skizze für dasgleich-
namige Bild in der Londoner National Gallery,
£ 105; Ein Engel, Zacharias erscheinend, Bister-
zeichnung, und zwei andere Stücke £ 76; Christus
vor Pilatus, Bisterzeidinung, € 30; eine Berg-
landschaft, Bisterzeichnung, £ 54; eine stroh-
gedeckte Scheune mit Wagen und Blick auf
Brüke und Stadt, Sepiazeichnung, £ 60. Die
meisten dieser Stücke gehörten einst den Samm-
lungen Sir Joshua Reynolds, Benjamin Wests,
Lawrences usw. an. Drei Rubensskizzen brach-
ten es auf e 70; Ghirlandajos: Anbetung der
Könige, Federzeichnung, auf # 160; eine Tem-
perastudie auf Papier: „Eine Gruppe Figuren*
von Filippo Lippi auf £ 52; eine Giorgione zu-
Der Kunstsammler
geschriebene Baumstudie, Bisterzeichnung, auf
#52; ein Canaletto: venezianische Skizze, auf
# 80; von Franzosen: eine Landschaft von
Claude Lorraine, Bister- und Kreidezeichnung,
im „Liber Veritatis“ enthalten, auf € 58; eine
große Sepiazeichnung Fragonards: Eingang zu
einem Park mit Bäumen und Figuren, auf die
hohe Summe von # 660; eine andere Sepia-
landschaft mit Bäumen und Schafen desselben
Meisters auf e 200; eine Watteaustudie in
schwarzer und roter Kreide: eine Dame, einen
Fächer haltend, auf e 350. Von englischen
Zeidinungen bradıte ein „Genfer See“ von
Turner # 126; ein T. Girtin „Porte St. Denis“
£ 120. 15., und mehrere Whistler bis zu € 37.
16 ein. Unter Sir J. Knowles Bildern befand
sih ein lebensgroBes Porträt Tennysons von
Millais aus dem Jahre 1881. Dieses stand nicht
mit zum Verkauf. Es ist der Nation für den
Preis von £ 3000 von den Erben zum Erwerb
für die Tate Gallery angeboten worden, wenn
man bis Ende Juni diese Summe zum Ankauf
des Bildes zusammenbringt. Der National Art
Collections Fund hat denn auch schon einen
Appell an das kunstliebende Publikum losgelassen,
ihm mit Gaben zu helfen, dieses Bild des na-
tionalen Dichters für die Nation zu erwerben.
Millais selbst hielt dieses Porträt für sein bestes
und, „ohne unbescheiden zu sein, für des Dar-
gestellten bestes“. Letzteres ist ein etwas ge-
wagter Ausspruch angesichts des superben Por-
trätkopfes Tennysons von G.F. Watts, der jetzt
in der Franco Britischen Exhibition zu sehen
ist, ein Bild, in dem Watts im Gegensatz zu
seinem ,Dichter* Tennyson in der National
Porträt Gallery diesen als den Menschen dar-
gestellt hat, dem nichts Menschliches fremd ge-
blieben war, der durch schwere Leiden und
Ent- besser Verwicklungen hindurgegangen war,
um leider Hofpoet zu werden, was ihn in den
Augen der Menge hob, andern aber manche
Shwächen seiner spätern Werke erklärt. Das
Millaisporträt wird in dem Aufruf als „leben-
dige Verkörperung des Charakters wie der Ge-
Stalt des Porträtierten“ bezeichnet, „würdig des
Malers wie des Dichters durch seine meister-
id technische Durchführung wie durch die
geradezu monumentale Symmetrie des Ent-
wurfes*. 3000 Pfund seien nur ein bescheide-
ner Preis für dieses Werk. Ob der Aufruf
wadhe Ohren und offene Börsen finden wird,
dürfte sich bald herausstellen. — Das inter-
essanteste Bild der Knowlessammlung war eine
reine Landschaft Reynolds, in der dieser auf
Giorgiones Spuren wandelt und einmal, als
große Seltenheit, den Menschen ganz ausschal-
tet. Das schöne, wohlerhaltene Stück sollte,
723
so hieß es, für die National Gallery angekauft
werden, was sehr gut gewesen wäre, da es
Reynolds in einem etwas neuen Licht gezeigt
hätte. Aber ob man nicht die £ 430.100, die
Mr. Sulley dafür ausgab, überbieten wollte,
oder aus welchem anderen Grunde, jedenfalls
wurde nichts daraus. Die Geschichte des Bil-
des im Auktionssaal ist seltsam: vor ca. 50
Jahren, 1856, brachte es € 105; 1876: € 68.5.0
und 1885 gar nur 8 gs! — Ein wuchtiges sym-
bolishes Bild Watts, „Der Reiter auf dem
weißen Pferde“, trug € 273 ein. Des Aka-
demikers Leighton akademischstes und zugleich
letztes Bild, der wahre Typus eines gestellten
und schön arrangierten Modelles, „Clytia“, das
eine förmliche Beleidigung für ein künstlerisches
Auge ist, bradıte es doch noch immer auf
# 178.10.0. Im vergangenen Jahr war seine
„Phryne“ für £ 50 verkauft worden. Leighton
hatte für beide Bilder natürlich viel mehr be-
kommen. Die Akademy aber möchte immer
noch bei ihm und seinesgleichen schwören, und
ein Nachfolger Leightons, Sir E. J. Poynter,
durfte sehen, wie sein „High Noon* aus dem
Jahre 1889 110 gs. eintrug, ob auch in 50 Jahren
noch? Unter den übrigen Bildern ragten noch
hervor ein S. Ruysdael „Bleaching-ground Haar-
lem“, den Messrs. Carfax um 920 gs. erstanden
(1867 13 gs.!); ein sehr schöner und bekannter
Claude Lorraine, der denn auch nicht verfehlte,
einen hübschen Preis, 600 gs. zu erringen (dieses
Bild „Fishermen and Angler“ hatte Knowles
s. Z. 1876 um 66 gs. erstanden); sodann ein J.
van der Capelle „Calm“, eine Flußmündungs-
szene, die Colnaghi & Co. 1050 gs. kostete; das
Bild hatte 1885 380gs. gebracht; ein ähnliches
Stück später 950 gs. Einer der bekannten süB-
lihen Mädchenköpfe von Greuze wurde mit
110 gs. bezahlt; es muB auch solche Käufer
geben. — Im Laufe des Monats fielen einige
Bilder im Preise, unter ihnen wiederum Rossetti,
dessen Macht über die Gemüter zu schwinden
scheint. Seine ,Proserpina“, die noch im vorigen
Jahre 440 gs. gebracht hatte, sank diesmal auf
310 gs.; und das gleiche Los teilten Burne Jones
„Angeli Laudantes“, die statt 120 gs. (im vorigen
Jahre) nur 75 gs. eintrugen; für dieses larmo-
yante Stück noch mehr als genug. Unbegreif-
lih klingt es, daB ein Bild des oben schon
einmal erwähnten Bonington „Dunstanborough
Castle, Northumberland‘, das 1874 e 388.10.0
gekostet hatte, jetzt um ganze 10gs. aus dem
einen oder anderen zufälligen Grunde abging,
wie sie hier immer und immer wieder sidı
geltend machen. Einen weiteren Sturz erlebte
der vor noch nicht so langer Zeit im Auktions-
saal und nicht mit Unrecht geschätzte Orient-
124
Monatshefte für Kunstwissenschaft
maler William Müller (1812—45), dessen Bilder
malerisch gesehen und individuell hingesetzt
sind. Sein „The Acropolis, Athens“ konnte es
nur auf 130 gs., statt 760 vor 20 Jahren, bringen.
— An bedeutenden Schwarz- weißauktionen
fehlte es im vergangenen Monat. Eine leichte
Sensation erregte nur ein farbiger Druck in der
Schwarz-weißsammlung des erwähnten Sir
J. Knowles, LR Smith „Nature“ nach Romneys
gleicinamigem Bilde, auf dem Emma Hart, Nel-
sons Emma, als „Nature“ dargestellt ist. Dieses
Bild wurde z. Z. für fast £ 20000 ins Ausland
verkauft! Der farbige Druck von J. R. Smith
brachte diesmal 260 gs. (vor sechs Jahren kostete
ein ähnliches Stück 130 gs.). Am 1. Juni gingen
bei Christie eine ,Duchess of Devonshire“ nach
Reynolds von V.Green um 160 gs. und „Sweet
Blown Kiss“ nach Greuze von C. Turner um
125 gs. ab. Von modernen Meistern errangen
72 Blätter Axel Haigs schöne Preise, wie Haig
jetzt hier überhaupt hochgeschätzt wird. Preise
für seine Stücke stiegen bis zu 62 gs. (The Ves-
per Bell). Freund.
2
AMSTERDAM
Es war vorauszusehen, daB die Versteigerung
der Handzeichnungensammlungen Jhr.A.Boreel,
Jacobi, C. G. V. Schöffer, Du Bois u. t.
bei Fred. Muller & Co. an den Abenden vom
15. bis 18. Juni eine Menge Käufer anlocken
würde. Die Reise der auswärtigen Sammler
und Händler nach Amsterdam war um so lohnen-
der, als an denselben Tagen noch die umfang-
reiche Porzellan- und Fayencensammlung Boreel,
sowie englische und französische Stiche aus
dem XVIII. Jahrhundert unter den Hammer
kamen. Am interessantesten war natürlich die
Sitzung, in der die zahlreichen Handzeichnungen
von Rembrandt ausgeboten wurden. Von
denselben erzielte den höchsten Preis, 5300 fl.,
Nr. 487, eine 9><18,6 cm kleine, lavierte Feder-
zeichnung, Ansicht der Amstel in der Nähe von
Omval. Ein Zeichen, daß ebenso wie von den
Radierungen auch unter den Handzeichnungen
die Landschaften (es war die einzige auf der
Auktion) gegenwärtig am begehrtesten sind.
Diesem außerordentlih hohen Preise gegen-
über gehen die nächstfolgenden beträchtlich
zurück, ohne daB man gerade sagen könnte,
sie seien niedrig. Nr. 484, eine mit klaren Feder-
strichen hingesetzte und mit dem Pinsel lavierte
Studie zweier Frauen, von denen die jüngere
ein Wickelkind im Arm hält, kostete 1150 fl.
Nr. 479, Elieser erhält von Rebekka am Brunnen
zu trinken (Feder und Bisterlasur, 14,5><21,5 cm)
brachte 1050 fl. Für die schöne Aktstudie eines
jungen Mannes (Nr. 486, H. d. G. 2) wurden
790 fl. bezahlt; für Nr. 491, vier männliche
Studienköpfe (H. d. G. 1363) 750 fl. Es folgen
dann mit 450 fl. der liegende Löwe, Nr. 485
(H. d. G. 3), und mit 430 fl. Nr. 480, Esau ver-
kauft sein Erstgeburtsrecht (H. d. G. 1312); leider
ist das Blatt durch einen Fleck in der Mitte
beschädigt. Weit niedriger waren die Preise
der übrigen sieben Blätter, die Rembrandts
Namen trugen. Bei manchen dürften auch wohl
einige Zweifel an der Echtheit gerechtfertigt
sein. Bei einigen wieder wundert man sich,
daß sie so außerordentlih billig weggehen
konnten. Nr. 490, der Herd: 220 fl.; Nr. 478,
Abraham verabschiedet Hagar und Ismael:
130 fl.; Nr. 481, Nathan macht dem David
Vorwürfe: 105 fl.; Nr. 489, Brunnen vor einer
Bauernhütte (H. d. G. 1313): 100 fl.; Nr. 483,
die Töchter des Kekrops entdecken den jungen
Erichthonios (schöne flotte Federzeichnung aus
ziemlich später Zeit): 90 fl.; Nr. 482, Judas gibt
die Silberlinge zurück: 80 fl. Nach dem Kata-
log ist es die Skizze zu dem frühen Gemälde
mit dieser Darstellung in der Sammlung des
Barons von Schickler in Paris. Die Richtigkeit
dieser Annahme scheint aber nicht über allen
Zweifel erhaben. Endlich Nr. 488, der Turm
»Swijgt Utrecht« in Amsterdam (ein echtes Blatt)
nur 50 fl. Im ganzen wurden für diese 14
Zeichnungen 10695 fl. bezahlt. Die neun Blätter,
die der Schule Rembrandts zugeschrieben waren,
brachten es nur auf zusammen 472fl. In meiner
Vornotiz über die Auktion hatte ih auch auf
die bedeutende Kollektion von Zeichnungen
Jan van Goyens hingewiesen. Die Preise für
die größeren Blätter (etwa 20x30 cm) bewegten
sich zwischen 400 und 200 fl. So brachte 400 fi.
Nr. 216, Hütte am Wasser, 340 fl. Nr. 220,
Straße am FluB (die erstere Zeichnung 1651, die
andere 1653 datiert). Beide sind (wie überhaupt
die meisten der hier zitierten Nummern) im
Katalog gut reproduziert. Die kleineren Blätter
van Goyens wurden mit rund 200 bis herunter
auf 11 fl. bezahlt. Immerhin ist der Gesamtpreis
der 29 Zeichnungen, 3542 fl, nicht unansehnlich
zu nennen. Von den übrigen Holländern des
XVII. Jahrhunderts erzielten die héchsten Preise
A. v.Ostade, Nr. 445, Bauernschenke (19,5><28) :
800 fl. Eine Arbeit von seinem Schüler C. Dusart,
Nr. 169, ein Bauernkonzert in einem Interieur
darstellend (19><20): 500 fl. S. van Hoog-
stratens schöne ausgeführte Zeichnung des
ungläubigen Thomas (bezeichnet und 1641 datiert),
Nr. 287, wurde für 560 fl. von Herrn Direktor
E. W. Moes (wahrscheinlich für das Rijksprenten-
kabinet) erworben. Willem vd Velde d A.
Nr. 611, das IJ vor Amsterdam: 400 fi., Nr. 608:
Der Kunstsammler
725
155 fl.; L. Backhuysen, Nr. 25: 220 fl., Nr. 26:
180 fl.; A. v. Everdingen, Nr. 189: 155 fl.;
C Huygens, Nr. 303: 145 fl., Nr. 304: 145 fl.;
Ph. de Koninck, Nr. 328: 140fl.; I.v.Ostade,
Nr. 455, der Tanz: 165 fl. (Ist er nicht vielleicht
eher von Gerrit Lundens?). Roelant Rogh-
man, Nr. 502: 150 fl.; S. de Vlieger, Nr. 643:
205 fl.; A. Weenix, Nr. 659, vier Papageien:
175 fl.; R. Zeeman, Nr. 675: 240 fl. Von den
holländischen Meistern des XVIII. Jahrhunderts
wurden am besten bezahlt: Nr. 577, C. Troost,
shwere Trennung (Aquarell, 43><62), 590 fl.;
Jacob Cats, Nr. 113, die Ruinen des Schlosses
Teylingen (Aquarell), 365 fl.; Nr. 119, Stadt-
ansicht, 350 fl.; A. Schouman, Nr. 540, Aquarell-
kopie eines Gemäldes von W. v. d. Velde, 200 fl.
und D. Langendijk, Nr. 342, 160 fl. Etwas
höher als die Durchschnittspreise für die Hollander
des XVII. Jahrhunderts waren die, die einige
frihhollandische Zeicinungen erzielten. So eine
Federzeihnung von Jac. Cornelisz van
Oostsanen (Nr. 136): 530 fl., ein Blatt von
C. Engelbrechtsen (Nr. 182): 300 fl., von L.
van Leyden, Nr. 362, Saul und David (datiert
1508): 330 fl. Vier runde Blatter mit Taten der
BarmherzigkeitvonJan Swart van Groningen
brachten 500 fl. — Unter den Zeichnungen der
vlämischen Schule verdient besonderes Interesse
Nr. 311, ein Aquarell von Jacob Jordaens,
darstellend Bacchanten und Satyrn. Die Be-
merkung des Kataloges, daß das Blatt alle
Qualitäten eines vollendeten Gemäldes besitze,
erklärt sich leicht daraus, daB es eine ziemlich
genaue Vorstudie ist für das in der königl. Galerie
in Kopenhagen befindliche große Bild von 1649,
der OberfluB*). Der Preis betrug 810fl. Die andere
Zeichnung von Jordaens, ein großer stehender
Odise, Nr. 312, kostete 400 fl. Ein Studienblatt mit
männlichen Köpfen von A. van Dyck brachte
420 fl. — Endlich sind noch drei deutsche Meister
zuerwähnen. Von Dürer eine monogrammierte
und 1515 datierte Federzeichnung, die für eine
Holzschnittillustration zu einem Gedicht von Hans
Sais benutzt wurde und die in der Mitte eine
auf einem Zweig sitzende Eule, gegen die von
links und rechts je ein Vogel fliegt, darstellt.
Ausführlich geschrieben hat darüber S. Scheike-
vith in der Gazette des Beaux-Arts 1907, Bd
S. 332. Preis 1225 fl. Eine Zeichnung von
Hans Schäuffelein, Nr. 536, ein Papst, der
von einem Bischof die Regeln eines neuen
Ordens in Empfang nimmt: 1600 fl. Zwei Blätter
von A.!Aldegrever ergaben 315 bezw. 250 fl.
Diese Handzeichnungenauktion bildete ein
u il eeneg Set
*) Vergl. dariiber die Ausfiihrungen von Dr. Erasmus
m vorliegenden Heft.
würdiges Gegenstück zu der am 16. und 17. Juni
vor- und nachmittags unter den Hammer ge-
kommenen großartigen Sammlung von Porzellan,
Fayencen, Möbeln, Uhren und Waffen des Jhr.
Alfred Boreel. Der Anfang wurde mit der
Versteigerung der Waffen, Nr. 291—302, ge-
madit. Darauf folgten vier groBe 73 cm hohe
Gartenvasen, Nr. 303 1875 fl, Nr. 304, ein Paar
Louis XVI.-Kandelaber, kniende Satyrn, die je
drei Blütenzweige halten, auf Marmorsockeln:
4750 fl. Nach dieser fünf Nummern umfassenden
Abteilung wurden drei Wanddekorationen in der
Art des M. d'Hondecoeter ausgeboten und für
1300 fl. zugeschlagen. Die groBe Standuhr mit
Spielwerk (um 1750), Nr.268, brachte 4200 fl.,
eine andere, Louis XVI, Nr. 269, 750 fl. Erst
nach Erledigung der Abteilungen Möbel und
Bildhauerwerke wurde dann zur Versteigerung
der Fayencen und des Porzellanes übergegangen
und mit den Delfter Fabrikaten begonnen.
Nr. 210, ein Kachepot mit blauem, biblischem
Dekor: 630 fl.; Nr. 211, eine Statuette der Maria
mit dem Jesuskind, datiert 1761 (Höhe 44,5 cm):
540 fl., Nr. 213, Dame in Gelb (Höhe 29 cm): 635 fl.
Das Gebot für Nr. 205, Garnitur von vier pracht-
vollen, 50cm hohen polychromen Vasen stieg
von 1500 bis auf 9600fl. Nicht viel niedriger,
8700 fl., war der Preis für Nr. 206, ebenfalls eine
Garnitur von fünf Vasen mit polychromem Dekor
vonL. van Eenhoorn, 1791. — Tierstatuetten.
Papageien erzielten durchschnittlich 420 bis 400 fl.
Nr. 225, ein Paar stehende Hähne (Höhe 21 cm):
650 fl.; Nr. 226, ein stehender Hahn (Höhe 21 cm):
750 fl.; Nr. 227, zwei kleine Hähne (Höhe 14,5 cm):
500 fl. Nr. 229, Eichhörnchen (Höhe 19 cm): 390 fl.
Nr. 230, zwei Pferde: 420fl. und Nr. 231, eben-
falls ein Paar Pferde: 650 fl. Nr. 232, zwei sit-
zende Hunde (Höhe 20,5 cm): 400fl. Nr. 233,
zwei Kühe: 445fl. Ein Paar Geißen 510fl. —
Nr. 236 und 237, zwei Paar Kaffeekannen in
Form von sitzenden Bauern und Bäuerinnen
brachten 400fl. und 500fl.; Nr.240, ein Korb,
580 fl.; Nr. 242, ein Paar Butterfässer mit einem
ruhenden Schwan als Deckel, 410fl. Wand-
teller: Nr.248, ein Paar (36,5><32,5 cm): 470 fl.
Nr. 250, ein einzelner (39,5><34 cm): 400 fl. Nr.251,
Teller mit gelbem Rand und Magdalena, Christus
die Füße salbend, in Blau in der Mitte (Durch-
messer 35,5): 1025 fl. Nr. 252, ein ähnliches
gleichgroBes Stück: 975fl. Nr. 256, ein Paar
mit Dekor aus Végeln und Blumen: (Durchmesser
35,5) 1470 fl.
China. Nr. 263, ein großer (Durchm. 56,5 cm)
farbiger Teller, emailliert, sog. „famille rose“:
4400 fl. Nr.264, Vasengarnitur aus fünf 78cm
hohen Stücken in blauem, rotem und gelbem
Dekor: 4500 fl.
726
‘Monatshefte für Kunstwissenschaft
Höchst. Nr. 158, acht türkische Musikanten
(Höhe 19cm): 4775 fl. Nr. 159, Gruppe eines
Hirten, der eine sitzende Hirtin liebkost (Höhe
19cm): 1500fl. Nr.160 und 161, zwei Liebes-
paare vor einer Laube (Höhe 28,5 bzw. 27,5 cm)
zusammen: 8900 fl. Nr. 165, Tasse mit tiefer
Untertasse: 390 fl.
Ludwigsburg. Nr. 166, der verliebte Jager
(Höhe 33cm): 1550 fl. Nr. 168, zwei Gruppen:
der Schneider auf dem Ziegenbock und das
Mädchen auf der Ziege (Höhe 23 und 20cm):
2350 fl. Nr. 173, zwei Statuetten: ungarischer
Offizier und tanzende Frau (Höhe 16 cm): 650 fl.
Nr. 175, drei Gruppen Musikanten: 1350 fl.
Frankenthal. Nr.176, Porträtfiguren vom
Kurfürsten Karl Theodor v. d. Pfalz und seiner
Gemahlin Elisabeth Augusta (Höhe 21,5 cm):
1975 fl. Nr. 177 und 178, zwei Jägergruppen
(Höhe 26,5 und 29 cm) zusammen: 3550 fl. Nr. 180,
Neptun auf seinem von zwei Pferden gezogenen
Wagen (20x30 cm): 2300 fl.
Fürstenberg. Nr. 187, wütender Stier und
Nr. 188, stehende Kuh: 1550 fl.
Berlin. Nr. 190, Tee- und Kaffeeservice: 1400f1.
Die Glanznummer dieses Versteigerungstages
war das Haager Porzellanservice, bestehend
aus 156 Stücken (Nr. 196), das für 20000fl. zu-
geschlagen wurde.
Das sächsische Porzellan kam am zweiten
Versteigerungstage an die Reihe. Merkwürdiger-
weise war die Kauflust hierfür im allgemeinen
nicht mehr so groß, wenngleich audi manches
Stück noch einen guten Preis erzielte. Das be-
rühmte Affenkonzert von Kandler, Nr. 109—135,
brachte 4750 fl. Für eine Figur der sieben Berg-
leute (Nr. 136—142) wurden 200 bis 400 fl. be-
zahlt. Nr. 51, verliebtes Paar: 800 fl. Nr. 54,
musizierende Familie: 760 fl. Nr. 31 und 32, zwei
Kannen in Form von Affen: 1050 fl. Die kleineren
Tierfiguren erzielten Durchschnittspreise von 400
bis 800 fl. Nr. 20, ein Paar Bulldoggen (Höhe
26 cm): 2100 fl.
Es sind nun noch einige Preise von der Ver-
Steigerung der englischen und französischen
Stiche des XVIII. Jahrhunderts am 18. Juni zu
notieren. Nr. 723, Toilette der Venus von Janinet
nach Boucher: 510fl. Die vollständige erste
Serie der „Suite d’estampes pour servir à l'his-
toire des moeurs et du costume des Francais
dans le XVIII. siècle“ nach S. Freudeberg
(Nr. 758, 12 Blatter): 2072 fl. Die zweite Serie
davon nach J. M. Moreau le jeune (Nr. 805,
ebenfalls 12 Blätter): 1010 fl. Von der Serie
G. Morlands erzielte das Paar Nr. 806, The
First of September: 730 fl., Nr. 808, „Rural Amuse-
ment“ und „Rustic Employment“: 560 fl., Nr.811,
„A Party Angling“ und „The Anglers Repast“:
590 fl., Nr.812, „A Visit to the Boarding School“
und „A Visit to the child at nurse“: 1500f1,
Nr. 816, „The Thatcher“: 550 fl., Nr. 817, „A Boy
employed in burning the weeds“: 620fl. und
Nr. 818, „The Horse feeder“ und „The Corn
bin“: 860 fl. K. F.
g
KAMPEN Z—
Die letzte Versteigerung der hinter uns
liegenden Auktionssaison dürfte die in Kampen
unter der Direktion von Fred. Muller & Co. am
7. Juli stattgehabte der Sammlung der Douairiere
Fr. Lemker-Müller gewesen sein. Diese
Sammlung setzte sich in der Hauptsache aus hol-
ländishen Gemälden zusammen, wozu nod
Möbel, chinesisches und anderes Porzellan kamen.
Die holländischen Großmeister waren zwar nicht
vertreten, aber dafür zahlreiche Gemälde von
weniger bekannten und selten vorkommenden
Meistern des XVII. Jahrhunderts. So z. B. zwei
voll bezeichnete und datierte Familienportäts
von S. van Duyven, eine Marine von J. H.
Goderis, eine Landschaft vonF.Knibbergen,
Bildnisse von B.Vollenhove. Aber auch be-
kanntere Namen waren vertreten, wie H. Aver-
camp, C. Bega, J. Bellevois, G. v. d. Eed-
hout, F. de Hulst, Cl. Molenaer, Egb. v.d.
Poel, Pieter Potter, R. Savery, C. Troost
und J. v. d. Velde. |
VERMISCHTES
Dresden. Die Gemäldegalerie hat Max Klingers
„Quelle“ kürzlich für 27000 M. aus dem Besitz der Kunst-
handlung Ernst Zaeslein-Berlin erworben,
Kassel. Anfang Juni wurde in der Kgl. Gewerbehalle
eine sehr wertvolle Sammlung antiker Fundstücke von
SiidruBland (Nikolajeff) aus dem Besitz von A. Vogell
in Karlsruhe versteigert. Eine kostbare Glas-Amphora
von äußerster Seltenheit, etwa 2m hod, ging für 12000 M
fort, ein ladiender Faun mit einem Schlauch bildete ihren
AusguB. Eine Schale aus Millefioriglas brachte 1300 M:
eine andre aus Serpentinstein 880 M. Ein VexiergefàB
erzielte 450 M. (Die Parallele zwischen antiker und neu-
zeitlicher Barockkunst greift auf mannigfaltige Geschmacks-
gebiete hinüber!). Sehr bemerkenswert war ferner ein
u Ring, der aus zwei den Radıen auftuenden
öwenköpfen gebildet war (1320 M), und mehrere Perlen-
und Halbedelsteinketten [500 M).
London. Martin Colnaghi, eine der charakterischen
Persönlichkeiten des englischen Kunsthandels ist 83 Jahre
alt gestorben und der Londoner Kunstmarkt hat damit
zugleich seinen Nestor und eine der sympathischsten und
kenntnisreidisten Erscheinungen verloren.
Das Antiquariatvon Jacques Rosenthal in München
veröffentlicht soeben einen reichhaltigen Exlibris-Katalog
(Nr. er der besonders durdi zahlreiche Abbildungen
seltener Stücke ein hohes wissenscaftlicies Interesse
erheischt und allen Exlibris-Sammlern nachdrüclidı emp-
fohlen werden kann. Namentlic) aus dem XV. und XVI.
Jahrhundert vereinigt dieser Katalog Stücke, die als Rari-
täten ersten Ranges angesprochen werden dürfen und
nicht verfehlen werden, in den interessierten Sammler-
kreisen berechtigtes Aufsehen zu erregen. Da uns der
Raum zu einer eingehenderen Besprechung an dieser
Stelle mangelt, so mag wenigstens notiert sein, daß es
sih im ganzen um 1053 Nummern handelt, von denen 34
in Faksimiles reproduziert sind.
Herausgeber: DR. GEORG BIERMANN
Redaktion: LEIPZIG, Liebigstr. 2
=."
D Begründet als „Monatshefte der Kunstwissenschaftlichen Literatur“ von Dr. Ernst Jaffe und Dr. Curt Sachs O
I. Jahrg. Heft 9 1908
Über den Geschmack des Holländischen Publikums
im XVII. Jahrhundert mit Bezug auf die damalige
Malerei’)
Von W. Martin (Haag)
„Die Unsicherheit in der Beurteilung von Kunstwerken ist heutzutage größer
als je, und die Meinungsverschiedenheiten in Kunstfragen sind in Deutschland noch
stärker als in anderen Ländern.“
Wenn man diese Außerung von Prof. Woermann °) liest und andere gleichartige
Bemerkungen über die verschiedenen Geschmacksrichtungen unserer Zeit — die sich
wie kaum zu entwirrende Fäden kreuzen — dann wagt man es kaum, eine
Antwort auf die sich so oft aufdrängenden Fragen nach den Geschmacksrichtungen
früherer Zeiten zu suchen. Im allgemeinen kann man ja allerdings leicht erfahren, ob
ein Dichter beliebt war, ob ein Maler bei Lebzeiten zu hohen Ehren kam, ob der Stil
eines Baumeisters oder Bildhauers allenthalben Gefallen fand. Aber ein tieferes Ein-
gehen in die verschiedenen „Abschnitte“ der Geschichte des Geschmackes bringt sogleich
allerlei Schwierigkeiten mit sich, zum Beispiel wenn es eine genauere Priifung der
Geschmacksunterschiede zwischen den verschiedenen Stufen des „kunstsinnigen“ Publikums
gilt. Namentlich aber ist in vielen Fällen äußerst schwer festzustellen, inwiefern der
rein künstlerische Wert eines Kunstwerkes von einem Volke, von gewissen Kreisen
oder von einer gewissen Person verstanden wurde. Inwiefern Mode und Unselb-
ständigkeit des individuellen Geschmackes, finanzielle Momente und andere zufällige
Umstände eine Rolle spielten, ist verhältnismäßig nur sehr selten zu erfahren.
Auch bei der holländischen Malerei des XVII. Jahrhunderts, die doch wirklich
volkstiimlich und mit dem Volke geradezu verwachsen war, ist die Behandlung dieser
1) Dieser Aufsatz wurde in etwas anderer Form von dem Verfasser als Antrittsvorlesung
als a. o. Professor der Kunstgeschichte an der Leidener Universität gehalten. [Eenige Opmerkingen
over de waardeering onzer schilderkunst in: onze Gouden Eeuw. 's Gravenhage, Martinus
Nijhoff, 1907.) In der obigen Gestalt wird er in erweiterter Form und zum ersten Male
illustriert veröffentlicht.
3) Karl Woermann. Was uns die Kunstgeschichte lehrt. Dresden, L. Ehlermann, 1894.
48
728 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Fragen mit vielen Schwierigkeiten verbunden, und namentlich stößt man immer wieder
auf die Unmöglichkeit, festzustellen, inwiefern die ausschließlich malerischen Qualitäten
der Bilder von dem damaligen Publikum verstanden wurden.
Alle Fragen zu beantworten, ist nicht der Zweck dieser Arbeit: diese will nur
die Fragen deutli zu scheiden versuchen und vorläufig nur einige beantworten.
Nur ein eingehenderes Studium des hier in großen Zügen unterbreiteten Quellen-
materials kann zu einer endgültigen Antwort führen, oder aber — was auch nicht
unmöglih wäre — die Quellen erweisen sich als ungenügend, und es stellt sich
heraus, daß gerade das, was man wissen möchte, nicht mehr herauszufinden ist.
* È x
Von dem umfangreichen Quellenmaterial zum Studium des „malerischen“
Geschmackes des holländischen Publikums im XVII. Jahrhundert nennen wir in erster
Linie die aus jener Zeit erhaltenen Gemälde. Verschiedene davon, namentlich dekorative
Bilder, befinden sich noch heute an Ort und Stelle, für die sie ursprünglich gemalt
wurden. Tritt man in solh ein Interieur — zum Beispiel in ein Regentenzimmer,
wo die Regentenbildnisse noch an den Wänden hängen und wo sich vielleicht auch
noch Landschaften oder Stilleben, die zur ursprünglichen Möblierung des Zimmers
gehörten, befinden —, dann erhält man den unmittelbarsten Eindruck von dem
diese Dinge betreffenden Geschmack des damaligen „schilderconstliefdighen“ +) Publikums.
Leider sind aus der ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts Interieurs mit ursprüng-
lich dazugehörigen Bildern kaum mehr erhalten. Ein einfaches Wohnzimmer mit weiß
getünchten Wänden, an denen ganz oben verschiedene Landschaften von Jan varı
Goyen hingen, existierte zwar noch vor dreißig Jahren in Holland, ist aber jetzt mit
vielen anderen verschwunden. Ferner hat das wohlhabende Patriziertum des XVIII. Jahr-
hunderts die meisten Zimmer aus der Zeit vor 1650 „gemütlicher“ und „geschmack-
voller“ zu gestalten versucht, indem es durch Stuckdecken, Vergrößerung der Fenster,
Velours-d'Utrecht-Tapeten und Louis-XIV.- bis XVI-Ausstattungen den Anblick verdarb
und Innenräume schuf, die für die älteren, noch an Ort und Stelle gebliebenen
Bilder eine wenig passende Umgebung bilden.
Aus der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts gibt es mehr Beispiele, namentlich
von ganz bemalten Innenräumen in Privathäusern, wie z. B. einige von Jan Weenix
bemalte Zimmer in Amsterdam, die Bemalung des von dem holländischen Seehelden
Cornelis Tromp gebauten Hauses „Trompenberg“ bei Hilversum usw. Auf die Bemalungen
des Amsterdamer Rathauses (jetzt Kgl. Schloß) und des Huis ten Bosch im Haag (vgl. Abb. 1)
brauche ich kaum hinzuweisen. Es genügt auch ein bloBer Hinweis auf die zahlreichen
anderwärts noch an Ort und Stelle aufbewahrten Bilder aus jener Zeit in alten Rat-
häusern und Gerichtssälen, wie z. B. die Gemälde von Ferdinand Bol und Lievens im
Rathaus zu Leiden, welche mit ihrer Umgebung als gute Beispiele des damaligen
„offiziellen“ Kunstgeschmackes gelten können.
Außer diesen noch an ihrem ursprünglichen Bestimmungsorte befindlichen
1) = Malerei liebenden.
W. Martin. Über den Geschmack des Holländischen Publikums im XVII. Jhrh. 729
Abb. 1. Ansicht eines Teiles der Bemalung des Oranjezaal im Huis ten Bosch im Haag.
. Gemälde von CAESAR VAN EVERDINGEN (über und rechts von der Tür), JAN
LIEVENS (oben links) und TH. VAN THULDEN (unten links und rechts) ->o
730 | | Monatshefte für Kunstwissenschaft
Gemälden gibt es in Museen und Sammlungen zahlreiche, deren Herkunft so genau
bekannt ist, daß man sie sich leicht wieder an die Stelle versetzt denken kann, für
welche sie gemalt wurden: von den Schützenstücken weiß man meist genau, aus
welchem Doelen (= Schützenhof) sie stammen, und bei manchem Bildnis, bei mancher
allegorischen Darstellung gibt der Museumskatalog die Herkunft an. ?)
Verschiedene Bilder aus dem Besitze der holländischen Statthalter befinden sich
in öffentlichen Sammlungen, und auch für die Kenntnis des Geschmackes einzelner
Privatleute finden wir dort wie in Privatsammlungen allerlei bemerkenswerte
Anhaltspunkte. So besitzt das Amsterdamer Rijksmuseum die Bemalung eines
Zimmers aus dem Hause des Baumeisters Jacob van Campen, und es finden sich in
demselben Museum sowie im Mauritshuis im Haag Gemälde (von Saenredam, Hanneman,
D. Seghers usw.), die aus dem Hause des bekannten Dichters und Staatsmannes
Constantijn Huygens stammen.
Von größter Bedeutung sind ferner die alten Beschreibungen von Gebäuden
und Häusern, in erster Linie die Inventare von Haushaltungen jener Zeit, welche uns
einen Einblick in den malerishen Geschmack von Hunderten von Privatleuten aller
Stände gewähren. Oft sind die Stellen, wo die Bilder hängen, in diesen Inventaren
so genau angegeben, daß man sich das ganze Interieur mit den zahlreichen Bildern in
den Zimmern, auf den Gängen, im Vorhause, auf den Treppen, ja oft sogar auf dem
Boden, in der Küche und im Gartenhause wieder vor Augen zaubern kann. Zahl-
reihe andere Archivalia, wie Kontrakte und ProzeBstücke, die sidi namentlich in den
der Forschung jetzt allgemein zugänglidi gemachten Notariats-Archiven befinden,
enthalten für unseren Zweck wichtige Bausteine, welche zwar zum großen Teil schon
von Bredius u. a. in Zeitschriften?) publiziert sind, teilweise aber noch auf syste-
matische Bearbeitung warten.
Dann sind als Quellen wichtig die Kataloge von Bilder-Auktionen aus dem
XVII. Jahrhundert, die Maler-Biographien und Gemälde-Beschreibungen in den hollän-
dischen Städte-Beschreibungen von Orlers, Baalen, Ampzing usw., die Reisebeschrei-
bungen von Ausländern, die in Holland reisten (Seigneur de Monconys°) usw.),
Briefe, Alba amicorum und endlich Quellen wie das Maler-Register von Jan Sysmus *),
die Notizen von Arend van Buchell*), die Autobiographie von Constantijn Huygens ‘)
und die zahlreichen Gedichte von Berufsdichtern und Dilettanten, die in den Aus-
gaben ihrer Werke und unter so manchem Kupferstich jener Zeit zu finden sind.
Auffallend ist es, wie oberflächlich in diesen Quellen — insofern sie ästhetisch-
kritische Betrachtungen enthalten — die Kritik zu Werke geht. Man macht
Lobgedichte, meistens auf diejenigen Bilder, bei denen sich etwas denken oder
1) Besonders typisch ist in dieser Hinsicht das Haarlemer Städtische Museum.
2) Obreen's Archief, Oud Holland usw.
3) Nederlandsche Kunstbode, 1880. S. 405.
4) Oud Holland VII, 1.
5) Oud Holland V, 149 und ,Diarium van A. v. Buchell, uitgegeven door Dr G. Brom en
Dr L. A. van Langeraad. Amsterdam, Joh. Muller, 1907.
6) Oud Holland IX, 106.
W. Martin. Über den Geschmack des Hollandischen Publikums im XVII. Jhrh. 731
Abb. 2. JAN STEEN. Der verschwenderische Haushalt
Sammlung Ad. Schloß, Paris el
philosophieren läßt, also auf allegorische, mythologische und historische Darstellungen
und auf Bildnisse. Aber von wirklich kritischen Betrachtungen, die sich mit etwas
anderem als mit der Darstellung und dem EES im Bilde beschäftigen, ist
meistens keine Spur zu finden.
Eine einigermaBen systematische Kritik existiert nicht. Hat man an einem
bedeutenden Maler etwas zu rügen, dann gibt sich ein einziges Mal Jemand die
Mühe, ihm zu Leibe zu gehen, am liebsten in metrischer Form, wie z. B. Andries
Pels es tat, der bei Rembrandt, zwölf Jahre nach dessen Tod, den Realismus
Tugte in seiner bekannten kritisch analysierenden Passage, aus deren Schluß wir
folgende arroganten StoBseufzer in Erinnerung bringen:
Maar och! hoe eed’ler geest, hoe meer zij zal verwild’ren,
Zoo zij zich aan geen grond, en snoer van regels bindt,
Maar alles uit zich self te weeten onderwindt! !)
Aber dergleichen Außerungen gehören zu den Seltenheiten, und lobende Kritiken ohne
didhterishen Schwung, oder gar rein sachliche sind noch viel seltener. Wenn ich
1) „Aber ach, je edler ein Geist ist, desto mehr wird er verwildern, wenn er sich nicht
zu binden weiß an einen Grundsatz und eine Reihe von Regeln, sondern sich einbildet, daß er
alles aus sich selbst heraus wissen kann.“
Der ganze auf Rembrandt bezügliche Teil des Gedichtes bei Hofstede de Groot, Urkunden
über Rembrandt, No 352.
732 Monatshefte für Kunstwissenschaft
nicht irre, ist Huygens’ bekannte vergleichende Kritik zwischen Rembrandt und Lievens‘)
fast das einzige Beispiel dieser Art.
Denn nicht einmal in den Malerbiographien der holländischen Städtebeschreiber
findet man sachverständige Kritik. Das Lob, das die Verfasser ihren malenden
Mitbürgern spenden, sieht auf den ersten Blick zwar oft wie sachliche Kritik aus,
aber gerade dasjenige, was man zuerst für eine Würdigung bestimmter Eigenschaften
hält, entpuppt sidi bei näherer Betrachtung meistens nur als eine Art „epitheton
ornans“, da es bei anderen Malern von ganz anderer Veranlagung ebenfalls
benutzt wird. Einige Beispiele aus Orlers’ „Beschrijvinge der Stadt Leyden“ (1641)
mögen diese Art der Kritik illustrieren. So sagt er von dem Leidener Bildnismaler
Joris van Schooten, daß dieser „met vlijt ende naersticheijd“ (d. h. mit Fleiß und
Ausdauer) „seine Zeit zum Malen gebraucht“, und von seinen kräftigen, jetzt im
Leidener Städtischen Museum aufbewahrten Schützenbildern heißt es nicht anders als
daß dieselben „met grooten vlijdt ende naersticheijdt“ gemalt sind. Für den Landschafter
Pieter de Neyn findet Orlers auch nur dieselben Epitheta: „vlijdt ende naerstigheijdt“
und „groote vaerdigheid“ (d. h. Fertigkeit).
Vergleihen wir die Charakteristiken, welche Orlers von Jan van Goyen
und Rembrandt gibt, dann sehen wir dasselbe: van Goyen, der auch „met grooten
naersticheijd“ arbeitet, heißt „einer der kunstreichsten Landschaftsmaler . . . welche in
unserer gegenwärtigen Zeit berühmt und bekannt sind“; und Rembrandt nennt er
„einen der gegenwärtig bekanntesten Maler unserer Zeit“.
Man sieht, wie wenig hier von wahrer Kritik die Rede sein kann. Bei allen
Malern erwähnt Orlers dann obendrein, daß ihre Arbeiten bei den Liebhabern inner-
halb und außerhalb der Stadt sehr gesucht sind; aber umsonst sucht man bei ihm
irgend eine schärfere charakterisierende Würdigung der künstlerischen Bedeutung des
betreffenden Malers.
Bieten also die letztgenannten Quellen nicht soviel Material, wie man wohl
vermuten könnte, so sind dagegen sehr befriedigende Resultate aus dem Studium
einer besonderen Art von Quellen zu erwarten, über welche ich in Kürze noch
etwas anführen möchte. Ich meine jene Gemälde, Zeichnungen und Stiche, die
Innenräume darstellen, in denen an der Wand Bilder hängen. Vor allem kann man
da die Einrichtung der Privathäuser gut studieren und sie geben uns manche
Illustration zu den in Inventaren genannten Bildervorräten in damaligen Privathäusern.
Das häufige Vorkommen von Landschaften, die Vorliebe für bestimmte Darstellungen,
der Platz, wo man am liebsten die Bilder aufhängte, die Art der Umrahmung, das
Licht, in dem sich die Bilder befinden, und viele andere Details kann man aus solchen
Darstellungen kennen lernen.
Nur — und das mahnt zur Vorsicht — geben solche Darstellungen nicht immer
bestimmte Innenräume wieder. Interieur-Maler wie der Delfter Vermeer, Pieter de
Hood, Janssens, Metsu, Jan Steen, Boursse, Jan Miense Molenaer, Adriaen van
Ostade, waren zwar Realisten, insofern als sie niemals ein Interieur malten, das nicht
1) Oud Holland IX, 106.
W. Martin. Über den Geschmack’ des Hollandischen Publikums im XVII. Jhrh. 733
Abb. 3. ADRIAEN VAN DE VENNE. KirmeB auf dem Buitenhof im Haag
genau den Typus von der Art darstellte, welche sie wiedergeben wollen, aber die
Attribute entlegnen jene Maler sehr oft ihrer eigenen Umgebung, ihrer Werkstatt
oder ihrem Hause. Also genau wie heute.
Deshalb gilt es, bei der Beurteilung solcher gemalten Innenräume erst die
„persönlichen“ Motive des Malers auszuschalten. Man muß z. B. beachten, daß
Anthonie Palamedes wiederholt über oder neben den von ihm so oft abgebildeten
charakteristischen Leinenschrank ein oder zwei Marinebilder mit einem Schiff im Sturm
hängt, jedesmal dieselben wahrscheinlich in seinem Besitz befindlidi gewesenen Bilder.
Auch auf den Bildern des Delfter Vermeer kehren als Wandschmuck immer Gemälde
wieder, die er, laut dem Inventar seines Nachlasses, selbst besaß: eine Landschaft, ein
Christus am Kreuz usw. |
Teilweise muß man auch auf solchen gemalten Innenräumen die Gemälde an
der Wand als Hinweise auf die Handlung deuten, die sich in dem Interieur abspielt.
Am häufigsten geschieht das bei Jan Steen. So besitzt M" Neumann in London ein
herrliches Bild dieses Meisters!) mit der Darstellung einer in übermäßigem Luxus
lebenden Familie mit der Devise „so gewonne, soo verteert“.) Auf demselben sind
am Kamin Skulpturen angebracht, die Reichtum, Armut und Fortuna darstellen, die
letztere auf einem Würfel stehend, der auf einem geflügelten Ei ruht. Außerdem ist
1) Hofstede de Groot, Beschreibendes und kritisches Verzeichnis der hervorragendsten
holländischen Maler des XVII. Jahrhunderts. Band I, S. 218, Nr. 854. .
2) D. h. „Wie gewonnen, so verzehrt* (zerronnen).
734 . = Monatshefte für Kunstwissenschaft
als Kaminbild ein Sturm mit untergehenden Schiffen gewählt, offenbar nur um die
Tendenz des Ganzen zu verdeutlichen. Denn Jan Steen prophezeit jener Familie einen
jähen Untergang und benutzt hier dieses Sinnbild, während er in anderen Fällen eine
schriftliche Warnung hinschreibt wie z. B. auf der bekannten „Lockeren Gesellschaft“
(Nr. 1305 des Wiener Hofmuseums), auf das er die Worte schrieb: „in Weelde siet
toe!“ (d. h. Sehet zu, seid vorsichtig in eurem Luxus).!)
x à x
Können wir nun aus obigen Quellen über den reinmalerischen Geschmack des
damaligen Publikums Schlüsse ziehen? In vielen Fällen nicht. Es bleibt z. B. fraglich,
ob die Haarlemer Schützen, die nicht weniger als fünf groBe Gruppenbilder bei Frans
Hals bestellten, in ihm mehr gesehen haben als den Maler treffend ähnlicher Bildnisse,
| die „zu leben scheinen“, wie man das damals auszudrücken pflegte. Oder arbeitete
Hals vielleicht. billiger als andere Bildnismaler, und gönnte man ihm deshalb die
Lieferung jener fünf Bilder?
Ist es nicht möglich, daß die „Staalmeesters“ nur aus Mitleid ihre Bildnisse
bei Rembrandt bestellt haben oder nur deshalb, weil er weniger Geld dafür verlangte
als andere Maler? Oder gehörten diese Herren wirklich zu den Wenigen, die den
großen Meister in seiner letzten Schaffenszeit wirklidı verstanden?
Auf fast alle diese Fragen ‚müssen wir vorläufig — aus Mangel an Quellen —
die Antwort schuldig bleiben.
Aud ist es in sehr vielen Fällen unmöglih, zu erfahren, ob eine
Sammlung in jener Zeit aus Kunstliebe oder aus Gewinnsucht entstanden ist.
Denn es ist in dem handeltreibenden Holland des XVII. Jahrhunderts nicht leichter
als heute, die Grenze zwischen Händlern und Sammlern zu ziehen. Mancher
„Constbeminder“ (d. h. Kunstliebhaber), der zuerst den ideellen Typus eines
solchen zu repräsentieren scheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein
„Gentleman-dealer“. Ich nenne nur Maarten Kretzer, Herman Becker, Vredenburg,
Gerards, Sylvius usw.)
Durch alle diese Schwierigkeiten wird die Schärfe des Bildes, das sich mit
dem obengenannten Material zusammenstellen läßt, nicht wenig getrübt. Versuchen
wir jedoch, im Folgenden einige Schlüsse zu ziehen.
* x
*
Die alten Holländer liebten im allgemeinen die Malerei_ihrer Zeit. Bilder
sammeln und bewundern war ihnen ein Bediirfnis. Uberall, wo nur Bilder ausgestellt
1) Jan Steen benutzt wiederholt untergehende Schiffe als Symbol des Ruins einer
Familie. Z. B. als Kaminbild auf dem ,Verschwenderischen Haushalt“ der Sammlung A. SchloB
in Paris (Hofstede de Groot, Beschr. u. krit. Verzeichn. Bd. I, S. 81, Nr. 110.) Vergleihe oben
Abb. 2. Das Kaminbild ist leider nicht deutlich geworden.
2) Vgl. Bredius in „Amsterdam in de 17e Eeuw“, S. 228; derselbe im „Amsterdamsch
Jaarboekje*, 1891. Ferner: Martin, Leven en Werken van G. Dou, 1901, S. 84; und Floerke,
Studien zur niederl. Kunst- und Kulturgeschichte, S. 163.
W. Martin. Über den Geschmack des Hollandischen Publikums im XVII. Jhrh. 735
Abb. 4. K. DU JARDIN. Regenten des Gefängnisses in Amsterdam
| Rijksmuseum, Amsterdam O
waren, wurden sie von Alt und Jung, von Arm und Reich betrachtet, in Kunstläden, in
Kunstsammlungen und in den Schaubuden auf dem Markte. So erzählt z. B. der
Dichter-Maler Adriaen van de Venne in seinem Biichlein „de Belacchende Werelt“ 1)
von einem Jungen und einem Madchen, welche zusammen zu „de mooye schilderijen“
(d. h. den schönen Malereien) gehen, die im großen Saal auf dem Binnenhof?) im
Haag zum Verkauf ausgestellt sind, und bildet die beiden (Abb. 3) vor einer Bude
auf dem Markte ab, wo zwischen allerhand anderen Sachen auch Bilder ausgestellt sind.
Jedermann in Holland, der reichste Patrizier wie der ärmste Bauer, besaß Bilder,
und scion um 1640 waren die Häuser damit überfüllt. Ein reger Kunsthandel
entstand: man handelte, wie der Franzose Sorbiere damals schrieb,°) mit Gemälden wie `
mit Tulpen. Dieser Handel war zwar teilweise auf Export berechnet, namentlich nach
England und Frankreich; aber, so weit mir bekannt ist, spielte dabei doch auch die
Kauflust der Holländer selber eine große Rolle, eben weil das Volk die im allgemeinen
wohlfeilen Produkte der nationalen Malerei gerne zum Schmuck seiner Wohnräume
besaß. Fremde, die in jenen Jahren Holland bereisten, sind entzückt von den
herrlichen Kunstkabinetten, die man ihnen zeigt. Denn die Holländer zeigten ihre
Bilder mit gewissem Stolz. „Is les estiment plus que les pierreries et les bijoux“,
sagte Sorbiöre in dem oben zitierten Briefe, und ein holländischer Dichter beschreibt
den Luxus, der getrieben wurde mit
1) Adr. van de Venne's Tafereel van de Belacchende Werelt .. . 1635, S. 58.
%) Derselbe Saal, in dem im vorigen Sommer die zweite Friedenskonferenz abge-
halten wurde. |
es 3) Lettres et Discours. Lettre IV à M. de Bautru. Manuskript in der Bibliothèque
| Nationale in Paris, Nr. Z. 2184. |
736 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Kamer, bed, fluwijnen,
Tapijten, schilderij, gordijnen.')
Alle Städebeschreibungen jener Zeit erwähnen mit sichtlihem Stolz die be-
deutendsten Maler der betreffenden Stadt, und es gab kaum einen Bürger, der
nicht wenigstens von den in seiner Vaterstadt arbeitenden Malern einige Gemälde
besaß. Keine städtische Regierung oder Körperschaft lieB sich die Gelegenheit nehmen,
wenigstens einen Maler — am liebsten einen von den Mitbürgern — für sich arbeiten
zu lassen.
So bleibt also kein Zweifel übrig, daß die alten Holländer viel auf die Malerei
ihrer Zeitgenossen gaben, mehr als man heutzutage anzunehmen geneigt scheint, weil
man immer die Armut, in der viele jener Künstler gelebt haben, als Beweis für die
Nichtachtung ihrer Kunst anführt.
Wie war nun der Geschmack, der in diesem großen Kreise von gemäldeliebenden
Hollandern herrschte? — Schon gleich fällt es auf, daB ihn in Holland nicht, wie
z. B. in Flandern, ein Maler beherrschte. Denn für das damalige Flandern kann man
wohl den Geschmack in dem einen Worte: Rybens zusammenfassen. Rubens’ persön-
licher Geschmack, so wie wir diesen aus seinen Kunstwerken, seinen Briefen und
Sammlungen kennen, Rubens’ Geschmack, der obendrein die Qualitäten eines Miniaturisten
wie Sammet-Brueghel oder den spontanen Realismus eines Adriaen Brouwer verstand:
dieser Geschmack ist charakteristisch für das ganze Flandern der Zeit von Rubens und
nodi lange nach ihm; er war dort der ästhetische Maßstab.
Ganz anders verhält sich die Sache in Holland. Dort ist der Genius, der für die
Entwickelung der holländischen Malerei gleichviel bedeutete wie Rubens für die der
flandrischen, Rembrandt, nicht derjenige, dessen Geschmack dem malerischen Geschmack
des damaligen Publikums als Maßstab galt oder etwa zur Ausbildung des allgemeinen
Geschmackes beitrug. Rembrandts Kunst hat zwar die künstlerischen Bedürfnisse
seiner Zeitgenossen in mancher Hinsicht befriedigt, aber sein Geschmack hatte nicht die
gleiche Macht über sie, wie der des Rubens. Sein Einfluß auf den Geschmack des
Publikums ist ein sehr partieller: daneben schätzte und liebte dies Publikum noch
verschiedene ganz andere Kunstrichtungen, stellte sie oft sogar über Rembrandts Kunst.
Das Publikum, das heißt die Holländer, die nicht selber bildende Künstler waren.
Dieses Publikum ist aber, wenn ich nicht irre, in seinem Geschmacke als eine Einheit
zu betrachten, Einige Ausnahmen ausgeschlossen, war die Art der Würdigung der
damaligen Malerei in allen Kreisen Hollands dieselbe, das heißt sie bewegte sich
in derselben Richtung, wenn auch selbstverständlich gebildetere Kreise feiner urteilten
als das rohe Volk. Die besseren Kreise geben den Ton an, die anderen ahmen
nach, machen zur Mode, was „de heeren“ (d. h. die Herren) schön finden. Die Ver-
breitung der verschiedenen Gattungen der Malerei ist in allen damaligen Kreisen aber
dieselbe: die Bauern besaßen ebensogut Bilder von Frans Hals, wie die Haarlemer
1) Zimmer, Bett, Sammetstoffe, Tapeten, Bilder und Gardinen. Aus einem Gedichte von
Six varı Chandelier, 1657; zitiert in dem lesenswerten Aufsatz über alt-holländische Sitten von
G. Kalff, in „Amsterdam in de zeventiende Eeuw“, Bd. II, Huiselijk Leven, S. 43.
W. Martin. Über den Geschmack des Holländischen Publikums im XVII. Jhrh. 737
Abb. 5. JAN STEEN. Der Goldwäger und der Tod
Kopenhagen, Kgl. Galerie oO
Schiitzen oder der Rektor der Leidener Lateinschule, Screvelius?), und ein Seefahrer
wie Cornelis Tromp liebte, wie das Inventar seines Nachlasses °) zeigt, die Kunst
eines Flinck ebenso sehr, wie z. B. der Amsterdamer Magistrat, der ihm die Bemalung
des Rathauses auftrug. |
Im Folgenden wollen wir nun sehen, in welchem Maße die verschiedenen
1) Jetzt in der Sammlung E. Warneck in Paris.
2) Von mir herausgegeben in Oud Holland XIX, 1902.
158 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Gattungen der hollandischen Malerei von den Zeitgenossen und Mitbiirgern der Maler
gewiirdigt wurden.
Da fällt uns dann zu allererst auf, wie sehr die große, uns aus der holländischen
Literatur bekannte Vorliebe des XVII. Jahrhunderts fir Mythologie, Allegorie und
= TI ie eh termes -m e — ne wm
rômische | Geschichte aud in der. ‚Nalerei_hervartritt. Es ist jene Vorliebe für das
„Manövrieren“ mit ‘allegorischen und mythologischen Gestalten und Symbolen, die
schon im XVI. Jahrhundert so allgemein verbreitet war, daß sogar die einfältigsten
Bürger die Art der Abbildung der am häufigsten vorkommenden Begriffe kannten:
die Tugenden, die Leidenschaften, die fünf Sinne, die vier Jahreszeiten und den ganzen
Apparat von Meeres- und Flußgöttern und -göttinnen, Waldnymphen, Städte-Symbolen
und so weiter, die in den Umzügen der Rhetoriker und auf den Ehrenbögen bei fürst-
lichen Festen dargestellt zu werden pflegten.
Der Rhetoriker-Geschmack des XVI. Jahrhunderts war im Anfange des sieb-
zehnten noch nicht ganz verschwunden, und der zunehmende Klassizismus, der über-
triebene Drang zum klassischen Altertum, der auch die holländische Kultur so tief
durchdrungen hatte, war Ursache, daß dieser Geschmack das ganze XVIL Jahrhundert
hindurch in bestimmten Kreisen fortlebte, namentlich in literarisch gebildeten, von wo
er sih auch wohl auf die weniger Gebildeten ausdehnte.
In der holländischen bildenden Kunst sieht man das erstens in den Geschmacks-
äußerungen der „offiziellen“ Holländer, d. h. des Holländers als offizielle Person oder
bei offiziellen Gelegenheiten. In den Grabmälern, die man seinen Helden errichtete,
in der Ausstattung der öffentlihen Gebäude, der Sitzungs- und Festsäle ist dieser
Klassizismus auffallend. Gerne bedienen sich die alten Holländer dazu auch der Malerei,
die ihre zahliosen Gedanken und Erwägungen in genau passenden Formeln bildlich
wiederzugeben verstand.
Über diesen allgemein bekannten Punkt brauchen wir kaum zu reden. Der
bloße Hinweis auf die Bemalung des Huis ten Bosch im Haag (Abb. 1) und des
Amsterdamer Rathauses genügt, und wenn man dann noch an die unzähligen morali-
sierenden Gemälde in den Schöffenkammern denkt und an die allegorischen, mytho-
logishen und historischen Darstellungen in den Rathäusern und anderen öffentlichen
Gebäuden Hollands, die alle laut von dem Stolz der Holländer auf ihre Freiheit, ihren
Handel, ihre Wissenschaft und Kunsttätigkeit reden, dann ist es nicht schwer, einen
Eindruck von dem Charakter der damaligen offiziellen dekorativen Kunst zu bekommen.
Sogar in den offiziellen Bildnisgruppen finden sich hier und dort mythologische
Attribute: eine Justitia oder Minerva in einer Nische im Hintergrunde, oder allegorische
Attribute zur Erklärung der Moral oder der Stimmung, die in der abgebildeten
Gruppe vorherrschen. Ein typisches Beispiel dieser Art ist die hier abgebildete, von
Karel du Jardin gemalte Gruppe von Regenten des Gefängnisses (Spinhuis) in Amsterdam
aus dem Jahre 1669, wo in Nischen im Hintergrunde Frauengestalten als Symbole
der verschiedenen Strafen dargestellt sind. Das Bild befindet sidı im Amsterdamer
Rijksmuseum (Abb. 4).
Diese „offizielle“ Kunst stand nicht — wie man das heutzutage öfters sieht —
im Gegensatz zu dem individuellen Geschmack des Publikums. Nicht nur aus vielen
W. Martin. Über den Geschmack des Holländischen Publikums im XVII. Jhrh. 739
Abb. 6. JAN STEEN. Gelehrter, die Zeit nicht beachtend, vom Tode überrascht
Prag, Sammlung des Grafen Nostiz D
Inventar-Beschreibungen geht das hervor, sondern auch die Bilder, die man auf
gemalten und gravierten Darstellungen von Innenräumen abgebildet findet, bringen
dafür zahlreidie Beweise, daß man in seiner Wohnung gerne Bilder mit einem Amor
hatte, mit Allegorien auf Tod, Armut und Reichtum, und wie sehr man ferner Dar-
stellungen aus der alten Geschichte als Wandschmuck liebte. So findet man u. a. auf
der „Klavierspielerin“ des Delfter Vermeer in der Nationalgalerie zu London ein Bild
mit einem Amor, und auf der ,Klavierspielerin“ von Slingelandt in der Dresdener
Galerie (Nr. 1764) ein Kaminstück mit einer Allegorie auf den Tod. Bilder wie der `
prächtige „Geizhals und der Tod“ von Jan Steen im Museum in Kopenhagen (Abb. 5}
740 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Abb. 7. BERNARDUS ZWAERDECROON zugeschrieben. Bilder zweier Kinder als
Hirten o Haag, Kgl. Gemälde-Galerie
und Jan Steens „Gelehrter vom Tode überrascht“ in der Sammlung Nostiz in Prag
(Abb. 6), gehören zu jenen Bildern, die uns noch heute diese Geschmacksrichtung zeigen.
Auch die zahlreichen Repliken, in denen Rembrandts Flora-Komposition vorkommt,
beweisen, daß solch eine Darstellung dem Publikum außerordentlich gut gefiel.
Wie allgemein das Publikum an Allegorien und allerlei Arten von Bildersprachen
gewöhnt war, geht schon aus den damals so stark verbreiteten geschichtlichen und
sinnbildlichen Kupferstichen und Spottbildern hervor, deren Deutung uns heutzutage
oft ebensoviel Kopfzerbrechen kostet wie eine Höllendarstellung des Hieronymus. Bosch
oder des Bauern-Brueghel.
Eine zweite, sich eng an die erste Art des Kunstgeschmackes anschließende
Vorliebe ist jene für arkadische Darstellungen. Auch diese geht paraliel mit dem
herrschenden Geschmack in der gleichzeitigen Literatur und den damaligen Theater-
stücken. Als „offizielle“ AuBerung dieser Geschmacksrichtung nenne ich das Geschenk,
das die „Staten“ von Utrecht im Jahre 1627 der Amalia von Solms bei Gelegenheit
ihrer Eheschliessung mit dem hollandischen Statthalter Friedrich Heinrich von Oranien
W. Martin. Über den Geschmack des Hollandischen Publikums im XVII. Jhrh. 741
Abb. 8. HENDRIK POT. Bildnis des Dichters Joost van den .Vondel in Hirten-
kleidung D Rijksmuseum, Amsterdam
anboten. Sie schenkten ihr einen Hirten und eine Hirtin, gemalt von Paulus Moreelse,
offenbar ähnliche Darstellungen wie „Die schöne Hirtin“ Moreelses im Amsterdamer
Rijksmuseum.
Als Beweis dafür, daß man im allgemeinen das Arkadische auch in der Porträt-
malerei liebte, sei hier auf die Gewohnheit hingewiesen, nicht nur Kinder, sondern
742 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
sogar Erwachsene als Hirten darzustellen. Eine allerliebste Kindergruppe, von Zwaerde-
croon gemalt: ein Junge und ein Madchen als Hirte und Hirtin, befindet sich im Maurits-
huis im Haag (Abb. 7).!) Aber das merkwürdigste Beispiel ist wohl das Bildnis des
berühmten holländischen Dichters Vondel mit bekränztem Haupte, mit dem Hirtenstabe
in der rechten und einer Flöte in der linken Hand! Dieses von Hendrik Pot gemalte
Bild wurde vor einigen Jahren vom Amsterdamer Rijksmuseum erworben (Abb. 8).
Später im 17. Jahrhundert, als es zur Gewohnheit ward, ganze Zimmerwände
zu bemalen, wählte man mit Vorliebe arkadische Geschichten, wie z. B. die des Pastor
Fido von Guarini. Ein sehr schönes Beispiel dieser Art, früher in einem Hause in
Dordrecht, für das es gemalt war, befindet sich jetzt auf dem Landsitz des früheren
Ministers Cremer, Duin en Kruidberg zu Santpoort bei Haarlem.
Wurden nun alle diese Arten allegorisher, mythologischer, historischer und
arkadischer Malerei, die offenbar sehr beliebt war, wirklich allgemein als die hôchste
Kunst gefeiert? Es scheint anfangs, als müsse man diese Frage bejahen. Denn auch
auf den Abbildungen von Innenräumen sieht man, wie solchen Darstellungen oft die
besten Plätze im Hause eingeräumt werden. Eine Andromeda hängt z. B. in dem
|
|
großen Hausflur auf einem Bilde von Pieter de Hoodı (Sammlung Arenberg, Brüssel)
(Abb. 9), eine große Allegorie shmückt den Kamin auf de Hoochs „Mutterfreude“ im
Amsterdamer Rijksmuseum usw.°) Auch muß es auffallen, daß dergleichen Darstellungen
in der damaligen Literatur so oft gelobt werden.
‘Bei näherer Betrachtung sieht man jedoch in zahllosen Inventarbeschreibungen und
auch auf sehr vielen ‚Abbildungen, daB . in demselben Hause außerdem auch Platz war
für die _realistise-Malerei und für-die.einfachsten Landschaftsdarstellungen und Still-
leben. Landschaften hängen auf fast allen obenerwähnten Darstellungen von Innen-
räumen an der Wand, auf dem Berliner Bild von Metsu sogar an einer hervor-
ragenden Stelle, in prächtigem Goldrahmen und mit einer Gardine zum Schutz davor.
Auf Bildern von Dirck Hals sieht man oft ausschliesslic: Landschaften an den Wänden,
und Stilleben kommen auch allenthalben, aber doch in geringerer Anzahl vor.
Ein Gleiches sehen wir in der Literatur. Vondel mag schon die Historienbilder
Flincks in seinen Gedichten loben?) oder die Venus, welche Dirck Bleecker für den
Prinzen von Oranien gemalt hatte‘), aber gleichzeitig erwahnt er mit nicht weniger
Lob die Bedeutung der Rheinlandschaften von Herman Saftleven.) Und der Dichter
Constantijn Huygens, der doch so viel besser über Malerei zu urteilen imstande war
1) Vgl. ferner u. a. das von Patas im Cabinet Poullain gestochene Bild von Carel de
Moor: Ein Knabe als Jäger an einem Brunnen. | |
2) Andere Beispiele, u. a. Kaminstücke allegorischen oder mythologischen Inhaltes, auf
Bildern von: Eglon van der Neer, Dresden Nr. 436, Frans van Mieris I, München Nr. 417 und Wien
Nr. 1382, S. v. Hoogstraten, Amsterdam Nr. 1256, Metsu, Familienbildnis, Berlin Nr. 792; usw. usw.
3) De Werken van J. van den Vondel, uitgegeven door Mr. J. van Lennep. 1657—1660,
Seite 129. Leiden, A. W. Sijthoff.
4) A.a.0., Seite 105. Vgl. über Vondel und die Kunst auch den hochinteressanten Aufsatz
»Vondel’s Leven“ von Prof. G. Kalff, Haarlem (1896), Seite 71.
5) A. a. O., Seite 341.
W. Martin. Über den Geschmack des Holländischen Publikums im XVII. Jhrh. 743
Abb. 9. P. DE HOOCH. Hausflur mit einer Andromeda-Darstellung
Brüssel, Herzog von Arenberg O
als Vondel, lobt in seinen Gedichten!) Mierevelt und Ravestein sowie den Biumenmaler
Daniel Seghers, von dem er, wie wir wissen, ein Bild besaß.’)
Und war die Leidener Feinmaler-Schule mit Dou und Mieris an der Spitze nicht
wahrend des ganzen 17. Jahrhunderts sehr beliebt, so stark sogar, daB die hollandischen
„Staten“ im Jahre 1660 dem Könige Karl II. von England ein Bild von Dou schenkten?)?
Bei näherem Zusehen kann man also die Behauptung nicht aufrecht erhalten, daß
die obenerwahnten allegorischen und andere in Bildersprache redenden Darstellungen
aussdilieBlich_als die höchste Kunst galten. Die Antwort auf die Frage, weshalb
sie so beliebt waren, muß unserer Meinung nach folgende sein: Dieser Kunstzweig
befriedigte nur denjenigen Teil der künstlerischen Neigungen, der nicht rein male-
rischen Bedürfnissen entsprang. Viele Holländer fanden nur deshalb ein großes
Behagen in dieser Funktion der Malerei, weil sie sich willig nach jedem -Gedanken
1) Huygens, „Korenbloemen“. Uitgeg. door v. Vloten. 2e druk. Bd. I, S. 201, 203.
Bd. V, S. 5, 53.
?) Jetzt im Mauritshuis im Haag.
3) Vgl. Martin, Leven en Werken van G. Dou, Leiden 1901, S. 62. e
744 Monatshefte für Kunstwissenschaft
richtete. Aber daneben ehrten diese Leute gleichwohl die realistische Malerei und be-
griffen, daß auch solche Bilder, bei denen sich nichts philosophieren läßt, echte Kunst-
werke sein können.
Wir müssen hier noch die große Verbreitung biblischer Darstellungen erwähnen.
Diese kommen im kalvinistishen Holland natürlid — außer in Kirchen als Orgel-
bemalung — nur vor im häuslichen Kreise oder in denjenigen religiösen Einrichtungen,
welche die Malerei als Wandschmuck dulden konnten: in Waisenhäusern, Krankenhäusern,
Armenhäusern usw. Diese ganze Kunst ist natürlidı vom größten Teil des Publikums nur
gekauft worden um der Darstellung, nicht um der eventuellen rein malerischen Qualitäten
willen. Die Genauigkeit, mit der vor allen Rembrandt und seine Schüler sich an den
Bibeltext hielten, war zum großen Teil die Ursache des Erfolges jener Richtung, und
die nach damaligen Begriffen erstaunliche Sachkenntnis und historische Treue, mit der
z. B. Lastman die Geschichte von Paulus und Barnabas oder von Orestes und Pylades
wiederzugeben wußte, gaben Anlaß zur größten Bewunderung, wie es die Gedichte von
Vondel und Oudaen auf diese Bilder beweisen"
Die hohen Preise, welche die Werke von Jan Pynas erzielten (bis dreihundert
Gulden sogar), sind auch nur auf die Vorliebe für die von ihm gemalten Darstellungen,
nicht auf die malerischen Qualitäten derselben zurückzuführen.
Neben diesen hauptsächlih des erzählenden Inhaltes wegen ‚bevorzugten
Gattungen war damals auch das gemalte Bildnis sehr beliebt, das Gruppenporträt wie
das Einzelbildnis. Jeder Holländer besaß wenigstens sein eigenes Bildnis und das seiner
„Huijsvrou“, beide im Sonntagsstaat, er nach rechts, sie nach links gewandt. In den
meisten Fällen sind diese Bildnisse bis etwa 1650 sehr einfach, aber doch findet man
auch dann schon oft allerlei Attribute mit gewisser Tendenz, die derselben Lust zum
Philosophieren und Moralisieren entspringt, die wir oben besprachen.
Als typisches Beispiel nenne ich das Bildnis des Arztes Dr. Tulp von Elias, jetzt
in der Sammlung Six zu Amsterdam (Abb. 10), auf dem der Arzt abgebildet ist,
wie er auf eine brennende Kerze als Symbol seiner Arbeitstatigkeit zeigt. Auf einer
Kartusche unter dem Bilde wird die Sache erklärt: „aliis inserviendo consumor“: so wie
die Kerze zum Nutzen anderer aufgebraucht wird, so geht es auch mir, Dr. Tulp.
Ein andermal, auf einem Bildnis Thomas de Keysers, das 1906 bei Frederik
Muller & Cie. in Amsterdam zu sehen war, zeigt der darauf dargestellte Herr auf
einen Menschenschädel, unter dem die Worte stehen: „hoc tendimus omnes“.
Geradezu amüsant ist in dieser Hinsicht ein dem Jan Victors zugeschriebenes
Bild der Sammlung Nostitz in Prag (Nr. 229), auf dem ein biederer holländischer Bürger
sih als Herkules am Scheidewege, mit einer Keule auf der Schulter hat abbilden
lassen. Mit stolz abwehrender Gebärde wendet er sich vom Luxus ab und folgt der
Tugend, welche die Gestalt und die Züge seiner Frau zeigt.
1) Vgl. über den Paulus und Barnabas meinen Aufsatz im Bulletin, uitgegeven door den
Nederl. oudheidkundigen Bond, Jhrg. III, S. 263. Ober den Orestes und Pylades vergleiche Freises
Aufsatz im selben Bulletin, Neue Folge, Jhrg. I (1908), S. 38.
W. Martin. Über den Geschmack des Holländischen Publikums im XVII. Jhrh. 745
Abb. 10. N. ELIAS PICKENOY. Bildnis des Arztes Nicolaes Tulp
Amsterdam, Sammlung Six D
Ahnliches bezeugt der von Bredius publizierte!) Kontrakt zwischen dem Maler
Jan Andre Lievens und dem Amsterdamer Gastwirt Gregorius van Keimt, der dem Maler
den Auftrag gibt, ihn „als Scipio und seine Hausfrau als Pallas, und weiter die Ge-
schichte ganz, wie es sich gehört, darzustellen“.
1) Vgl. Amsterdam in de Zeventiende Eeuw, S. 229, Fußnote.
146 = Monatshefte für Kunstwissenschaft
Ein weiteres Beispiel, welches mir Dr. Bredius eben mitteilt, als von ihm im
Amsterdamer Notariats-Archiv gefunden, ist Folgendes. Um 1670 lieB sich der biedere
Kolonialwarenhändler Gabriel Leliencamp malen. In dem Bilde war er dargestellt
„mit seiner Liebsten“, als Engel Gabriel und Maria!
Biblische Darstellungen wurden auch gerne zu Porträtzwecken benutzt. So be-
sitzt Herr Marcellus Emants im Haag eine von J. Danckers 1646 gemalte Darstellung
des ,Lasset die Kindlein zu mir kommen“, auf der Mitglieder der Familie Bosch mit-
samt den Dienstboten abgebildet sind (Abb. 11).
Aber diese moralisierenden Tendenzen sind glücklicherweise in der Bildnis-
malerei des 17. Jahrhunderts nicht die Hauptsache, und die meisten Holländer waren,
wenigstens in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, zufrieden mit einem einfachen
Bildnis oder einer Gruppe ohne Zutaten.
Man verlangte vor allem Ahnlichkeit, eine Ähnlichkeit, die soviel als möglich
den Eindruck machte, als ob der Dargestellte wirklich lebte. Deshalb sieht fast jedes
FE Re e gtt,
Bild jener Zeit den Betrachter an und gehören Profilbildnisse und Bildnisse mit ab-
gewandten oder niedergeschlagenen Augen zu den größten Seltenheiten. Sogar die
wenigen Profilbildnisse blicken meistens den Betrachter an, z. B. die beiden Gestalten
links auf Rembrandts Anatomiebild von 1632.
‚Ist dieser „Truc“, mit dem die Maler selber dem Willen ihres Publikums folgen,
schon ein Beweis dafür, daß man im allgemeinen, wenigstens bei einem lebensgroßen
Bildnis, vor allem die Illusion des Lebendig-vor-Augen-sehen des Dargestellten ver-
langte, so geht das noch deutlicher hervor aus der Art und Weise, wie sich unsere
alten Dichter über Bildnisse äußern.
Vondel z. B. fängt ein Gedicht auf das von Flinck gemalte Bildnis des Kur-
fürsten von Brandenburg folgendermaßen an’):
Als Keurvorst Fredrick op den doek begon te leven,
Te pralen met den staf van Keizer Ferdinand;
und von dem Bildnis Flincks sagt er:
Hier ziet men Flinck, gelijck hij leeft,
Die 't leven aan zyn doecken geeft.”)
Der Dichter Huygens singt von einem Bildnis:
Nu leeft, mijn’ Olyverw! nu duert voor lange jaren.*)
Aus den holländischen Gedichten bekommt man ferner den Eindruck, daß die
Bildnisse für die Holländer in erster Linie eine „verschaduwing van 't leven“ waren °),
die ihnen hauptsächlich als Erinnerung an die Verstorbenen teuer sind. Huygens läßt
einen Maler sagen:
1) Vondels Werken a. a. O. S. 315. Übersetzt lautet der erste Vers: „Als Kurfürst Fried-
iih auf der Leinwand. zu leben anfing.“
*) A. a. O. S. 265. „Hier sieht man Flinck, wie er lebt, der seinen Bildern Leben verleiht.“
è) „Nun lebe, meine Ölfarbe! nun dauere lange Jahre.“ Korenbloemen a a. O. Band V, S. 20.
4) „Schatten des Lebens ...“ Ausdruck von Huygens.
W. Martin. Über den Geschmack des Hollandischen Publikums im XVII. Jhrh. 747
Abb. 11. J. DANCKERS. „Lasset die Kindlein zu mir kommen“. Bildnisgruppe der Familie
Bosch, 1646 O Haag, Sammlung Marcellus Emants
Een Mensch en is maer eens, en yeder voor syn tijd
Ich maeck er op den duer ... H
und Vondel besingt die ,eedle kunst, die na den doot bewaert Den levendigen zwier“
der Verstorbenen.’)
Das Lob eines Dichters wie Vondel kennt keine Grenzen, wenn er in einem
Porträt die Details der äußerlichen Erscheinung der Dargestellten wiederfindet:
Apelles druckt hier uit wat geest en verf vermogen,
Een vroome rustigheit in 's Burgemeesters oogen.?)
1) „Ein Mensch lebt nur einmal, und jeder zu seiner Zeit. Ich jedoch mache [Menschen],
welche bleiben...“ A. a. O., Sneldicht, Boek V, no 119. Vogl. auch Sneldicht, Boek IV, no 142,
„Dienstighe Schilderij.“
3) Das heißt: „Die edle Kunst, welche auch nach dem Tode [den Eindruck] bewahrt der
Erscheinung, als ob sie lebte.“ Vondels Werken a. a. O., S. 94, op d’ Afbeeldingen van Andries
de Graeff en Elizabeth Bickers van Swieten.
3) „Apelles bringt hier zum Ausdruck alles, was Geist und Farbe [darzustellen] ver-
mögen: eine fromme Ruhe in den Augen des Bürgermeisters.“ Vondels Werke a. a. O., S. 322,
op d’ Afbeeldinge varı Cornelis varı Vlooswijck.
748 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Aber das Verständnis für den innerlichen, rein künstlerischen, malerischen Inhalt
eines Porträts, die Würdigung der Art und Weise, wie der Maler den Abgebildeten
gesehen hat, fehlt bei Vondel ganz und gar, und nicht nur bei ihm, sondern bei fast
allen großen holländischen Dichtern. Bekannt ist in dieser Hinsicht, seit Vosmaer darauf
hingewiesen hat!), das Gedicht Vondels auf Rembrandts Bildnis des Predigers Anslo:
Ay, Rembrandt mael Kornelis stem,
Het zichtbre deel is 't minst van hem:
't Onzichtbre kent men slechts door d'ooren.
Wie Anslo zien wil, moet hem hooren.?)
Doch genug der Beispiele! Wir zitierten sie nur, um zu zeigen, daß in der
damaligen holländischen Literatur, soweit diese von Nicht-Malern geschrieben ist, keine
Würdigung der künstlerlischen Eigenschaften der Bildnisse zu finden ist.
Und doch ehrte man die Bildnismaler sehr. Sie befriedigten ja auch vollkommen
das Publikum; man wundert sich daher nicht über das Lob, welches Ampzing und
Screvelius dem Frans Hals?) spenden, und ebenso ist Rembrandts Popularität als Bildnis-
maler sehr erklärlih . . . . bis er die Nachtwache gemalt hatte, die nicht zu dem
paßte, was „man“ im allgemeinen in erster Linie von Bildnissen verlangte: Schein des
Lebens und äußerliche Ähnlichkeit.
Im allgemeinen. Denn es gab auch damals schon Kenner, die mehr von einem
Porträt verlangten und die ohne Zweifel den Unterschied zwischen Rembrandt und
Honthorst, zwischen Frans Hals und Janssens van Ceulen gesehen haben.
* *
*
Nach dem, was wir von der Betrachtung der Bildnisse durch das Publikum er-
fuhren, scheint der Schluß nicht gewagt zu sein, daß auch der Maßstab, nach dem man
die Allegorien und Historienbilder zu messen pflegte, in erster Linie die „Natürlichkeit“
war. Man achtete sehr auf die Ausführung und liebte am meisten die Maler, welche
die Sitten und Gewohnheiten, Kleider, Waffen, Opfergeräte usw. der „Ouden“, d. h.
der Griechen, Römer usw., am besten studiert hatten. Die Figuren mußten vor dem
Betrachter stehen, als lebten sie, und wenn obendrein durch Gebärde und Gesichts-
ausdruck*) die Charakteristik der Handlung zum Greifen nahe liegt, ist der Maler des
höchsten . Lobes würdig, das das Holland des XVII. Jahrhunderts geben kann: dem
Apelles gleich, „Appelles gelijk“. |
Das anekdotische Element liebte das Publikum im allgemeinen auch in den
Bildern mit Geschichten aus dem Alltagsleben. Das Genre war sehr beliebt. Wenn
es auch in Sitzungssälen und Festsälen seiner Art nach noch keinen Platz fand, so
1) Vosmaer, Rembrandt, IIme édition 1877, p. 385.
?) „Ach Rembrandt, male [doch] die Stimme des Cornelis, [denn] der sichtbare Teil ist
an ihm der am wenigsten schöne. Den unsichtbaren kann man nur mit den Ohren kennen
lernen. [Denn] wer Anslo sehen will, muB ihn hören.“
3) Bode, Studien z. Gesch. d. holl. Malerei, S. 40.
1) Vgl. z.B. Huygens’ unbegrenztes Lob für Rembrandts nach unserem Geschmacke etwas
allzu theatralischen Judas. [Oud Holland IX, S. 106.]
vi PE fé it
j ON? . .
— [nt e —
W. Martin. Über den Geschmack des Holländischen Publikums im XVII. Jhrh. 749
Abb. 12. M. D'HONDECOETER. Die Krähe, die sich mit Pfauenfedern geschmückt
hatte, wird von anderen Tieren bestraft D Haag, Kgl. Gemälde-Galerie
waren Genrebilder in den Wohnräumen umso verbreiteter. Die Inventarbeschreibungen
erwähnen solche Bilder in jedem Hause von einiger Bedeutung, etwa zehn Stücke
wenigstens. Auf den gemalten Innenräumen, von denen oben S. 732 und 739 die Rede
war, hängen auch überall Genrebildchen an der Wand, und wenn man liest, was da-
mals auf den Bildermärkten zu verkaufen war’), sieht man, daß auch der Handel in
Genrebildern sehr rege war.
Das Volk hatte am liebsten humoristische Darstellungen, „Kluchtstucken“, und
amüsante Darstellungen aus dem täglichen Leben. Die Bilder von Adriaen Brouwer z.B.
wurden verhältnismäßig sehr gut bezahlt. Wohlhabendere Bürger kauften gerne die
Malereien von Feinmalern wie Dou und Mieris und die „deftigen“, d. h. distinguierten
Interieurs von Terborch und Metsu. Aber auch sie waren offenbar nicht den roheren
Darstellungen abgeneigt, welche das Volk so gerne kaufte. Denn was wir heute über
1) Vgl. Bredius in „Het Amsterdamsch Jaarboekje“, 1891. — Floerke, Studien zur nieder!.
Kunst- und Kulturgeschichte, München 1905. — Martin in „The Burlington Magazine“, Sept. 1907.
750 - | Monatshefte für Kunstwissenschaft
die Sittsamkeit der alten Holländer!) wissen, macht es mehr als wahrscheinlich, daß
ein Jeder — vielleicht die allersittsamsten unter den „allerdeftigsten“ ausgenommen —
die ulkigen Darstellungen des Jan Steen, Adriaen Brouwer und so vieler anderer
Maler gerne hatte. Zumal auch, weil das Publikum in den Genrebildern oft in erster
Linie die moralishe Tendenz sah, namentlich in Jan Steens gemalten Philosophien
über Trunkenheit und Immoralität, von denen noch verschiedene Beispiele, u. a. in
Wien, in der Sammlung Schloß in Paris (Abb. 2) und in der Sammlung Neumann in
London, erhalten sind.
Sogar die Tierbilder wurden von den Malern oft in Genreform vorgetragen:
Enten, von einem Hund verscheucht, die Fabel der Krähe, die sich mit Pfauenfedern
schmückt (Abb. 12) usw. So konnten auch Leute ohne jeden Sinn für malerische
Qualität solche Bilder genießen.
Ja, selbst in den Stilleben konnten die Holländer damals vieles finden, wobei
sih etwas „denken“ läßt. Ich erinnere nur an die namentlich in der Stadt Leiden,
dem damaligen Hauptsitz der Theologie und der einzigen Universität Hollands, gemalten
Stilleben, welche das „Vanitas vanitatum, omnia vanitas“ in einem Schädel, einer er-
löschenden Kerze, einer Sand- oder Taschenuhr und dergleichen mehr symbolisch dar-
zustellen versuchen, und welche obendrein noch eine Inschrift zeigen wie „Vanitas“,
„Memento Mori“ usw. (Vgl. Abb. 13). Ferner sind hier zu erwähnen die zahlreichen
Stilleben, die allerlei beschriebene und gedructe Blätter zeigen, z. B. einen Buchtitel
oder eine Seite aus einem „vermaackelijcken“, d. h. amüsanten Buch; oder irgend ein
Gedicht wie z. B. das Gedicht auf einem Stilleben von A. Leemans (A° 1665) im
Amsterdamer Ryksmuseum (Nr. 1429), in dem das „Schuster bleibe bei deinem Leisten“
die Haupttendenz ist.
Viele Stilleben waren weiter in ihrer logischen Zusammenstellung für den be-
trachtenden Laien schon als bloße Erinnerung an irgend ein Handwerk beachtenswert:
eine Jagdbeute, eine Sammlung von Fischnetzen und Fischen, Geräte für den Finken-
fang oder die Falkenjagd und dergleichen mehr. Und wer .weiß, welche Blumen-
sprache die alten Holländer aus manchem Blumenbild herauszulesen wuBten, an dem
wir mit Recht oft rügen, daß in demselben sole Blumen blühend zusammengestellt
sind, welche niemals zu derselben Zeit blühen. f
Die Verbreitung der Stilleben, Blumen- und Vogelbilder war im XVII. Jahrhundert
sehr groß. Als Beweis seien auch wieder die alten Inventarbeschreibungen und die
gemalten und gravierten Darstellungen von Innenräumen angeführt. Überall findet
man „ontbijtgens“ (d. h. Frühstückchen) von Heda, Pieter Claesz usw., und fast nirgends
fehlt ein „blompotje“ (Blumentopf), ein Stilleben mit toten Vögeln von Elias Vonck
oder Jan de Bondt oder ein „visstuckie“ (Fischstückchen) von van Beyeren, de Putter
und ähnlichen.
*
1) Vgl. Eelco Verwijs' meisterhafte Einleitung zu Bredero’s ,Spaanschen Brabander“,
Leeuwarden 1869.
W. Martin. Über den Geschmack des Holländischen Publikums im XVII. Jhrh. 751
Abb. 13. E. COLLYER. Vanitas
Jetziger Besitzer unbekannt
Absichtlich betonte ich überall im Obengesagten, wie man alle die genannten Gattungen
von Gemälden gern haben konnte, ohne auch nur das geringste rein künstlerische Gefühl
zu besitzen. Einfache Freude an der Natürlichkeit der Darstellung genügte schon.
Aber wie paßt diese Auffassung zu den zahlreichen Stilleben jener Zeit, die
kaum einen andern Genuß bereiten können als einen rein malerischen? Wie paßt sie
zu einem Fischstilleben von van Beyeren, zu einem Stilleben mit Glas und Silbersachen
von Willem Kalf? Mit anderen Worten: Wie kann man bei den alten Holländern
die Liebe zu jenen Stilleben erklären, von denen man noch heutzutage so oft den
Laien sagen hört: „ilh mag dieses Bild nicht; es sagt mir nichts!“ —?
752 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Allerdings bildete auch hier, wie bei den Bildnissen, bei dem Liebhaber der
Eindruck der Täuschung, als ob das Dargestellte in natura vor ihm stünde, einen
Hauptbestandteil des Genusses, und bestimmt dachten die alten Hollander in solchen
Fällen manchmal an die damals allgemein bekannte Legende von Zeuxis und Par-
rhasius mit den Trauben und dem Vorhang. Aber genügt dies zur Erklärung der
damaligen Gewohnheit, derartige Stilleben als Wandschmuck im Zimmer zu haben?
Nein, es muß auch damals unter den Holländern ein großes Kontingent male-
risch sehender und genießender Laien gegeben haben!
Zu derselben Schlußfolgerung muß Jeder kommen, der der enormen Verbreitung
der Landschaftsmalerei im XVII. Jahrhundert nachgeht. Unzählige Male findet man
in Inventarbeschreibungen Landschaften erwähnt, findet man sie auf Darstellungen von
Innenräumen abgebildet. Landschaften aller Art sind es: Ideallandschaften mit Nymphen
und Faunen und arkadischen Darstellungen, realistische holländische Wiesenlandschaften
und Flußbilder, Marinebilder aller Art, Veduten aus Italien, den Alpen, vom Rhein,
aus Schweden und sogar aus Brasilien?
Teilweise kaufte man solche Bilder natürlich aus Interesse für die Darstellung. Daß
z. B. die Familie Trip, die so viele Beziehungen zu Schweden hatte, eine schwedische
Landschaft von Allart van Everdingen besaß°), braucht uns nicht zu wundern, und das
erklärt auch die Vorliebe für gut bezahlte Bilder des Berchem und Saftleven in den
wohlhabenden Handelskreisen, weil ja doch die meisten jungen holländischen Kaufleute
wenigstens in ihrer Jugend Italien und den Rhein besuchten. Und daß bei einer see-
fahrenden Nation Marinebilder beliebt waren, kann weiter nicht wunder nehmen.?)
Aber dies alles erklärt doch nicht die unnennbar große Produktion und den
enormen Verkauf jener Gattung von Landschaften und Marinebildern, deren Reiz fast
ausschließlich in ihrem malerischen Charakter liegt.
Offenbar erweckte denn auch die Art und Weise, wie Hunderte von Landschaftern
die Schönheit des holländischen Landes darzustellen wußten, bei ihren holländischen
Zeitgenossen einen rein malerischen Genuß. Daß sie die Verherrlimung der Morgen-
stunde auf den Bildern Paul Potters verstanden und die Frische auf den Bildern varı
Goyens liebten (der sogar eine Ansicht vom Haag für den Haager Magistrat malte *)),
beweisen überzeugend die unzähligen einfachen realistischen Landschaften, die man
überall auf den Wochen- und Jahrmärkten kaufen konnte und die in den Häusern
nirgends fehlten. Der malerische Zauber jener Bilder konnte den Holländern nicht ent-
gehen: z.B. die feierliche Ruhe einer Meeresstille von Simon de Vlieger, dessen Gemälde
so gut verkäuflich waren, daß er sogar den Kauf eines Hauses in Delft abschließen
konnte unter der Bedingung, daß er es in Bildern von seiner Hand bezahlen sollte"
1) Ich meine die brasilianischen Landschaften von Frans Post.
?) Im Amsterdamer Ryksmuseum, Nr. 910. Früher im Hause der Familie Trip.
5) Ein schönes Beispiel eines Marinebildes als Kaminstück, also an hervorragender Stelle, in
einem Salon, bildet der „Besuch an die Wôchnerin“ von Metsu, früher in der Sammlung R. Kann in
Paris. Jeglihe Tendenz (vgl. oben S. 733) ist hier ausgeschlossen. Vgl. auch das Marinebild auf
dem Hausflur, auf einem Bilde von Metsu in der früheren Sammlung A. Beit in London.
t) Jetzt im städtischen Museum im Haag.
5) Oud Holland IX, S. 222.
W. Martin. Über den Geschmack des Holländisden Publikums im XVII. Jhrh. 753
Es müssen also im „Goldenen Zeitalter“ der holländischen Malerei neben den
vielen Bürgern, welche Bilder um der Darstellung willen kauften, auch zahlreiche Hol-
länder gelebt haben, welche die malerische Bedeutung jener großen Kunst zu würdigen
und zu lieben wußten.
Und das darf uns kaum wundern bei einem Volke, unter dessen Söhnen
Hunderte und Aberhunderte selbst den Pinsel führten, von denen viele die Schöpfer
jener gerade wegen ihrer malerischen Qualitäten so hochstehenden Kunst waren.
Die von uns am besten gekannten literarischen Künstler aber, namentlich Vondel,
beachteten meist nur die Darstellung. Und daher kommt es, daß Jeder, der die Sache
nur oberflächlich betrachtet, den Eindruck bekommt, als sei das Amsterdamer Rathaus
damals mehr bewundert worden als die Staalmeesters, und als hätte man Govert
Flinck, bei dessen Tode man eine Medaille schlug, und dessen Werke Vondel in
Versen lobte, höher gestellt als Rembrandt, der sang- und klanglos zu Grabe ge-
tragen wurde.
Aber wer die Sache näher untersucht, entdeckt neben dieser mehr oder weniger
offiziellen Berühmtheit eines Flinck, Bol, Honthorst und anderen jene ganze Reihe
von Privatleuten, die als Mäzene die Künstler protegierten, so Tulp z. B., der
son in dem jungen Paul Potter dessen Genialität sah, oder Gerard Reynst, dessen
Sammlung eine Auslese der besten Werke der auch nach unserem Gescimacke
größten damaligen Maler enthielt.
Und sehen wir dann nicht audı, wie sehr der Delfter Veneer und Carel Fabritius
schon zeitlebens in ihrer Vaterstadt geehrt wurden, und wie zu dem erstgenanntem
sogar ein Fremder!) den Weg zu finden wußte?
Wirklich, man tut den alten Holländern unrecht, wenn man, irregeführt durch
die zahlreichen Geschichten von der Armut jener alten Maler, ausschließlih Mangel
an Würdigung und Geschmack der Zeitgenossen als Ursache für das Elend annimmt,
in dem viele Maler wirklich gelebt haben. Das Publikum tat im Gegenteil für seine
Maler, was es konnte, und jene elenden Zustände müssen zum grossen Teil der
Überproduktion zugeschrieben werden.
Viele verstanden die Bedeutung der holländischen Großmeister vollkommen und
— um zu dem zurückzukehren, was wir anfangs über die Staalmeesters sagten — es
ist durchaus nicht unmöglich, ja sogar wahrscheinlich, daß die Herren Staalmeesters nur
allzu gut die Größe Rembrandts verstanden haben und ganz derselben Meinung waren
wie Jeremias de Decker in seinem bekannten Lobsang auf Rembrandt”), wo er sagt:
Dat braef penceel en hoeft om niemands bof te vragen;
't Is door zich zelf vermaerd,
En heeft zijns Meesters naem misschien zoo wijd gedragen,
Als 't vrije Neerland vaert.
1) Seigneur de Monconys. Vgl. Nederlandsche Kunstbode 1880.
2) Übersetzt lautet der Vers: „Dieser tüchtige Pinsel! braucht nach niemandes Lob zu
fragen; er ist von selber berühmt und hat den Namen seines Meisters vielleicht so weit getragen,
wie das freie Niederland fährt“ (d. h. seine Schiffe fahren läßt).
SAN, es, u 5 ©
lge
| N mit o
Abb. 1. Verkündigung an Zadıarias
Bern, Kunstmuseum O
Der Johannesaltar des Meisters mit der Nelke
Von Hermann Voss
Im Berner Kunstmuseum befinden sich fiinf neuerdings mit dem Namen Hein-
rich Bichler bezeichnete Altartafeln, die aus dem Vincenzmünster stammen sollen und
die Legende Johannis des Täufers darstellen.) Mit einem der urkundlich erwähnten
Altäre der Kirche sind sie nicht in Verbindung zu setzen; denn wenn auch 1472 ein
Johannisaltar in das Münster gestiftet ward, so ist doch dies Datum weitaus zu früh,
um mit dem künstlerischen Charakter der Tafeln des Berner Museums in Einklang
gebracht werden zu können. Vielmehr weist die Kenntnis Schongauerischer Kunst,
die aus dem Gewandstil an den Kompositionen der Bilder spricht (zumal bei der Taufe
Christi) deutlich in die letzten Jahrzehnte, wahrscheinlich in die vorgerückten neunziger
Jahre des 15. Jahrhunderts.
1) Für freundlichst erteilte Auskünfte bin ich Herrn E. Davinet-Bern zu lebhaftem Danke
verpflichtet.
Herm. Voss. Der Johannesaltar des Meisters mit der Nelke 155
Abb. 2. Namengebung Johannis
Bern, Kunstmuseum O
Die Folge gibt sich, so wie sie uns in Bern vor Augen steht, als unvollstandig
leicht zu erkennen. Eine der Tafeln, mit den Heiligen Christophorus und Petrus, ge-
hört dem Format wie dem Ikonographischen nach offenbar zu einem anderen Altare,
obwohl das Muster des Goldgrundes das gleiche ist. Bleiben nur 4 Tafeln, von denen
die Taufe Christi und die Predigt Johannis vor Herodes wegen des Goldgrundes
als Innenflügel, die Verkündigung an Zacharias und der Namengebung als Außen-
flügel zu deuten sind. In dieser Gestalt kann der Altar nicht vollständig sein: wichtige
Episoden aus dem Leben des Täufers wie besonders die mit Vorliebe dargestellte Ent-
hauptung fehlen und der Aufbau erscheint dürftig und mangelhaft.
Wohin kamen die übrigen Tafeln? Anhaltspunkte zu ihrer Ermittelung fehlen.
Ein glücklicher Zufall ließ mich einen der zugehörigen Teile vor zwei Jahren im Na-
tionalmuseum zu Budapest finden. Es ist ein „Tanz der Salome“, der bis dahin als
„ungarisch“ gegolten hatte und demgemäß im ungarischen Saal aufgehängt war. Die
völlig übereingehenden Typen, Kostüme und Farben, dazu der Goldgrund mit dem
genau entsprechenden Muster, endlich die Übereinstimmung des Formates ließen
mich in ihr ein Fragment des Berner Altars erkennen. Meine Attribution ward
von den Verfassern des damals gerade entstehenden Katalogs übernommen, jedoch
nur in aller Kürze und ohne nähere Begründung und Spezifizierung der Zuweisung.
756 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 3. Johannes in der Wüste
Sonnenburg bei Cüstrin D
Erst heute komme ich auf jenes Pester Bild zurück, da es mir inzwischen ge-
lang, zwei der anderen verschollenen Darstellungen des Altars an sehr entlegener
Stelle zu finden, nämlich im Johanniter-OrdensschloB zu Sonnenburg bei Cüstrin, wohin
sie vor Jahren vom Fürsten zu Dohna-Schlobitten gestiftet worden sind. Beide
Szenen gehören vielleicht zu den interessantesten des Zyklus, die eine, „Johannis in
der Wüste“ um des eigenartigen Gegenstandes willen, die „Enthauptung“ als frühe
Formulierung eines von den späteren Schweizern bevorzugten Vorwurfes. Auch bei
diesen Bildern bestätigen die MaBe*) und (bei der Enthauptung) das Muster des Gold-
grundes die Zugehörigkeit zum Berner Zyklus, abgesehen von der sofort zu bemerken-
den Übereinstimmung der Typen, der Komposition und überhaupt des künstle-
rischen Stiles.
Ordnet man die zerstreuten Tafeln in der Reihenfolge der einzelnen Episoden,
so ergibt sich ohne Schwierigkeiten der ursprüngliche Aufbau des Altars.
Auf der Außenseite waren vier Szenen der Vorgeschichte und Jugend des
Täufers vereinigt: die Verkündigung des Engels an Zacharias, sodann eine verlorene
*) Die Abmessungen der Tafeln differieren leicht unter einander; Abb. 1, 3, 4 und 7
messen in der Breite 1,27, in der Höhe c. 1,13; Abb. 2, 5 und 6 in der Breite 1,23, in der Höhe
1,07. An der Pester Tafel fehlt der obere Rand; sie mißt in der Höhe nur 1,025.
Herm. Voss. Der Johannesaltar des Meisters mit der Nelke 757
Abb. 4. Taufe Christi O
Bern, Kunstmuseum
Darstellung (Rückseite des Pester Bildes), wahrschein die Heimsuchung, hier-
auf die Namengebung und zuletzt Johannes in der Wiiste. Offnete man die Fligel
so erblickte man zu Seiten des Schreines, den jedenfalls eine Holzschnitzerei ein-
nahmen, die Taufe Christi, die Predigt Johannes vor Herodes, den Tanz der Salome
und die Enthauptung des Täufers.
Hier eine kurze Besprechung der geschilderten Episoden des Lebens Johannis.
1. Die Verkündigung an Zacharias. (Abb. 1). Der kinderlose, betagte
Priester ist zum Rauchopfer in den Tempel gegangen; draußen harrt die andächtige
Menge. „Es erschien ihm aber der Engel des Herrn, und stand zur rechten Hand am
Rauchaltar. Und als Zacharias ihn sahe, erschrak er, und es kam ihn eine Furcht an.
Aber der Engel sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharia (ne timeas, Zacharia), denn
dein Gebet ist erhöret, und dein Weib Elisabeth wird dir einen Sohn gebären, dess’
Namen sollst du Johannes heißen.“ An diese Worte hat sich der Künstler streng ge-
halten. Der besorgte Ausdruck im Antlitz des Priesters verrät den Schrecken, den
eben die Worte des rechts am Räucheraltar stehenden Engels zu bannen suchen.
Eigentümlich die primitive Einfachheit der Szene, wirksam unterstützt durch den kolo-
158 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 5. Johannis Predigt von Herodis
Bern, Kunstmuseum O
ristischen Ausdruck und die einrahmende Architektur. Auf dem Boden eine weiße und
eine rote Nelke, das Zeichen des Meisters.
2. Die Heimsuchung. (?) (Verloren).
3. Die Namengebung. (Abb. 2) „Und es begab sich am achten Tage,
kamen sie zu beschneiden das Kindlein; und hießen ihn, nach seinem Vater, Zacharias.
Aber seine Mutter antwortete, und sprach: Mit nichten, sondern er soll Johannes
heißen. Und sie sprachen zu ihm: Ist doch niemand in deiner Freundschaft, der also
heiße. Und sie winkte seinem Vater, wie er ihn wollte heißen lassen. Und er forderte
ein Täflein, schrieb, und sprach: Er heißt Johannes. (Johannes est nomen). Und sie
verwunderten sich alle.“ Wieder ist die Szene streng nach den Worten der Bibel
und mit aller Einfachheit gegeben, für Zacharias ist der gleiche Typus festgehalten,
der Ausdruck des vielleicht älter erscheinenden Gesichtes ist resigniert und etwas
mürrisch (Zacharias verstummte nach jener früheren Szene).
4. Johannes in der Wüste. (Abb. 3.) Durch den sehr gelungenen Versuch
einer Landschaftsdarstellung besonders interessant. Ob der Meister frühe Stiche
Albrecht Dürers kannte? Die Führung des Bodenkonturs, die Felsen mit den darauf
wachsenden Pflanzen und Bäumen, die ganze Schiebung der Kulissen scheinen auf
Herm. Voss. Der Johannesaltar des Meister mit der Nelke 759
Abb. 6. Tanz der Salome U
Budapest, Museum der Bildenden Kunst
Blätter wie die Buße des h. Chrysostomus (B. 63) und den h. Hieronymus (B. 61) zu
deuten. Der (vielleicht zu Unrecht) bekanntere Schüler des Meisters, Hans Fries von
Freiburg, benutzte ebenfalls Dürersche Graphik, aber viel skrupelloser. — Johannes
ist lesend dargestellt, während er im Hemd von Kamelshaaren durch die „Wüste“ ein-
herschreitet. Drei Engel fliegen ihm zu Häupten. Der Ausdruck seines Gesichtes erinnert
auffallend an den schreibenden Zacharias, besonders in der Partie um den Mund.
Charakteristisch auch die stark gebildete, leicht überhängende Nasenspitze.
5. Die Taufe Christi. (Abb. 4.) Die erste Darstellung bei geöffneten Flügeln.
Als Komposition, wie schon Haendcke beobachtete, sich anlehnend an Schongauers
Stih (B. 8). — Johannes in allem — Typ, Hände, Füße, Fell — übereingehend mit
der vorigen Darstellung. An Christus auffallend die langen gelenklosen Hände, die
auch sonst beim Nelkenmeister und seinem Schüler vorkommen. Der Engel ähnlich
an Bildung wie die des „Johannes in der Wüste“. Auch hier im Landschaftlichen
anziehende, intime Züge.
6. Johannis Predigt vor Herodes. (Abb. 5.) Dem psychologischen Gehalte
nach das hervorragendste Bild der Serie. Herodes dasitzend auf seinem Throne, halb
gelangweilt, halb verlegen und verdrieBlich wegen des unbequemen Predigers, dem
es mit seinem Non licet tibi habere uxorem fratris tuil heiliger Ernst ist: man sehe,
wie die Finger des Königs nervös mit dem Zepter spielen, wie Pose und Blick von
50
760 | Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 7. Enthauptung des Täufers
Sonnenburg bei Cüstrin D
scheinbarem Gleichmut und geheuchelter Überlegenheit sprechen, wie auch Herodias in
ähnlichen Beklemmungen dasitzt und halb beschämt, halb frech die Augenlider senkt.
Dazu die übrigen in aufmerksamer Haltung, sichtlich getroffen von der inneren Kraft
dieser Predigt, bei deutlicher Abstufung der Teilnahme und Ergriffenheit wie der
ängstlichen Zurückhaltung. Wie wenig kommt gegen diese Konzentrierung des (dabei
gedämpften) Ausdruckes Hans Fries mit seiner Darstellung des gleichen Gegenstandes
auf (Basel, Kunstsammlung), wo zwar alles gefälliger, reicher wirkt, aber an inner-
licher Wirkung weit zurücksteht. (Abb. 8.)
7. Der Tanz der Salome. (Abb. 6.) Unterhaltsam durch die Darstellung:
Salome als Mädchen von vielleicht 14 Jahren in Tanzpose hingewandt gegen Herodes,
der mit sichtlihem Vergnügen an der Gewandtheit der Kleinen beide Hände erhebt.
Typ und Kleidung des Vierkönigs ganz wie vorhin, ebenso bei Herodias. Etwas zer-
streut angeordnet die tafelnden Personen, ebenso wie die Dinge, mit denen der
Tisch gedeckt ist: Der Meister hat zwar Interesse für das Stilleben, aber keinen aus-
gesprochenen Sinn dafür. Die amüsanteste Gruppe sind die beiden Musikanten, die
sehr bei der Sache zu sein scheinen und in ihrer hübschen Kleidung und frischen Er-
scheinung eine Renaissance-Note in das Bild bringen. |
8. Die Enthauptung des Täufers. (Abb. 7.) Von sehr bedeutender Wucht
in der Wiedergabe der grausigen Szene; auch in der Komposition monumental und
Herm. Voss. Der Johannesaltar des Meisters mit der Nelke 761
zwingend, zumal in der Zusammenführung von Figuren und architektonischer Um-
gebung. Jede einzelne Figur ist beseelt; der Henker außerdem auch rein als Be-
wegungsmotiv sehr wirksam. Von diesem Bilde ist entschieden abhängig Hans Friesens
entsprechende Darstellung in der Baseler Kunstsammlung; Anordnung der Architektur
und besonders der außerordentlich
ähnlichen Gestalt der Salome mit |" | TA A
der Schiissel unter dem Arme F rare CHL NUN] OAS py
scheinen mir dafür zu sprechen. "dä dén, `, À wc Uy 4
An Ausdruckskraft ist das ältere A
Muster dem jüngeren Bild mehr
denn je überlegen.
Der Zusammenhang des
-Nelkenmeisters mit Hans Fries, den
man auch sonst bemerkt hat, ist
fir die Datierung unserer Folge
nicht belanglos. Es wäre dem be-
rühmten Freiburger Meister nicht
noch im Jahre 1514 eingefallen
sih an Bilder anzulehnen, die
ganz „all'antica“ gemalt waren.
Mithin werden unsere Darstel-
lungen schwerlich lange vor 1500
entstanden sein. Vielleiht kann
man sie auf stilistische Momente
hin noch bestimmter datieren. Im
Jahre 1495 entstanden die Wand-
gemälde der Berner Predigerkirche
mit dem Stammbaum Christi und
des h. Dominicus, der Verkün-
digung u. a.; in ihnen verrät der
Meister ohne Zweifel noch einen
altertümlicheren, gebundneren Stil
denn in der Johanneslegende. Hin-
gegen scheinen die von 1501 da-
tierten Malereien der Vorhalle des
Berner Münsters (von denen wohl Abb. 8. HANS FRIES: Johannis Predigt vor Herodis
Basel, öffentl. Kunstsammlung
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nur der mit der Nelke signierte
Sündenfall eigenhändig ist) etwa der Stilhöhe unserer Bilder zu entsprechen; wir
werden also mit der Datierung „um 1500“ ungefähr das Richtige treffen.
Wie so späten Daten gegenüber die ganz ungegründete Identifizierung des
Meisters mit einem 1466—1480 genannten Heinrich Bichler aufrechtzuerhalten sei, weiß
ich nicht. Der Nelkenmeister ist, wie all seine ziemlich zahlreichen Werke beweisen,
unter der entscheidenden Einwirkung Martin Schongauers aufgewadisen und war bis
762 Monatshefte für Kunstwissenschaft
ins XVI. Jahrhundert hinein tätig. Jener H. Bichler, der, wie es nach den Urkunden
scheint, mehr dekorative Aufträge erhalten hat und vielleicht ein untergeordneter
Meister war, muB bereits in den sechziger Jahren ein fertiger Mann gewesen sein und
würde sich nicht noch um 1500 so entschieden entwickelt haben wie unser Künstler.
Eher noch könnte man ihn sich als Lehrer oder Vorgänger des Nelkenmeisters denken.
Daß die schon von Haendcke zurückgewiesene Ansetzung der Johanneslegende in die
siebziger Jahren sich nunmehr gänzlich verbiete, braucht kaum noch gesagt zu werden.
Vielmehr ist das Altarwerk aktenmäßig überhaupt nicht zu identifizieren und stand
wahrscheinlich nur kurze Zeit an geweihter Stätte, von der es die Stürme der Berner
Reformation bald vertrieben. In mehrere Hände geraten, erhielten die einzelnen Teile
des Werkes willkürlie Benennungen, deren Unrichtigkeit wir nicht erst noch zu er-
weisen haben. — Durch die Rekonstruktion eines Hauptwerkes des besten Schweizer
Malers im XV. Jahrhundert, vielleicht derjenigen Arbeit, die den Meister am viel-
seitigsten und umfassendsten zeigt, ist zur Erkenntnis dieser nicht sehr bedeutenden,
aber soliden Künstlerpersönlichkeit ein weiterer, nicht ganz unwesentlicher Schritt
geschehen.
Literatur. B. Haendcke, die Schweizerische Malerei im XVI. Jahrhundert, Aarau 1893.
J. Zemp im Schweizerischen Kiinstlerlexikon I, S. 126 und im Text zu Tafel 37 und 38 der Berner
Kunstdenkmäler. — J. Stammler im Text zu Tafel 5535—60 der Berner Kunstdenkmäler und den
Bildwerken in der Hauptvorhalle des Münsters zu Bern, Bern 1897. — Kataloge der Museen zu
Bern und Budapest.
Ke, Gem A Ka ap
Der ,, Triumph des Federigo Gonzaga“ von
Lorenzo Costa
Von Emil Schaeffer
Als Michelagniolo in Bologna jene erzene Statue Julius’ IL schuf, der die
Lebensfrist kürzer als ihrem Modell bemessen war, hatte er von seiten der einheimischen
Künstler mancherlei Anfechtung zu erleiden. Sie mißgönnten dem Fremdling viel-
leiht das Genie, gewiß jedoch die Gunst ihres neuen Stadtherren, des Papstes und
Michelagniolo wiederum vergalt ihnen durch laugenscharfen Florentiner Spott, unter
dem besonders die Häupter der Bolognesischen Zunftgenossen, Francesco Francia und
Lorenzo Costa viel zu leiden hatten. „Va al bordello“ — höhnte er zu Francia —
stu el Costa, che siete due solenissimi goffi nell’ arte ...‘! Mit dem nämlichen
Worte ,goffo“ hatte er schon Perugino gebrandmarkt und seiner und ihrer Art nach
mußte er diese drei mit demselben Hasse verfolgen, den Umbrer aus Citta di Penna,
Francia und den Ferraresen Lorenzo Costa, der freilih in der Stadt des heiligen
Petronius den künstlerischen Traditionen der Heimat abtrünnig geworden war. Mit
der steifen Symmetrie des Aufbaues, mit ihren phlegmatisch-milden Heiligen und der
weinerlichen Zuckersüße ihrer Madonnen, mit ihrem gänzlichen Mangel an Temperament
und Bewegung in jedem Sinne des Wortes, mußten Costas große Altargemälde
gerade Michelagniolos Augen eine Qual bedeuten. Die unleugbaren malerischen Fähig-
keiten Costas ?) übersah der Plastiker; war ihm doch die Olmalerei eine Kunst für alte
Weiber. Zu Costas Heil fand der Kritiker Michelagniolo jenseits des Apennins keine
Anhänger; Isabella d’Este bezeichnete eine Madonna Costas ausdrücklich als die schönste
ihrer Sammlung’), und als der große Mantegna gestorben war, übersiedelte, von
Francesco Gonzaga zum Hofmaler ernannt, Lorenzo Costa im Jahre 1507 nach
Mantua. Dort verherrlichte er, inspiriert von höfischen Gelehrten und dichtenden
Höflingen, die ,GroBtaten“ seines Gebieters; aber der Nachen, auf dem Francesco
Gonzaga in den Hafen der Unsterblichkeit einlaufen wollte, versank, Costas Werke,
1) Vasari: Le vite etc. In Firenze M. D. L. vol II. S. 962. In der zweiten Ausgabe
s. Vasari (ed Milanesi) VII. S. 170, lautet der Ausspruch Michelagniolos weniger scharf und Costas
Name wird gar nicht genannt, nur der Francias.
2) Noci Michelangelo Biondo „Della nobilissima pittura“ etc. Venezia 1549, p. 18 ff. sagt
von Costa ...: ,Costui fu il megliore maestro fra pittori di colorire, overo di dar colori, che
fusseno a quei tempi“ ...
3) Im August 1509 wurde Francesco Gonzaga als Kriegsgefangener in Venedig interniert,
wo er bis zum Juli 1510 verbleiben muBte. Um ihm gute Behandlung zu sichern, sandte seine
Gattin Isabella d'Este an einfluBreiche Persönlichkeiten kostbare Geschenke; die Königin von Frank-
reich erhielt eine Madonna Costas, worüber sie am 13. Januar 1510 an ihren Geschäftsträger in
Venedig, d'Atri, schreibt: ,deliberamo di mardaline una (sc. Madonna) di man del Costa, che
havevamo molto chara, chè non avemo la più bella...“ S. den Brief bei A. Luzio: Federigo
Gonzaga, ostaggio alla corte di Giulio Il. im „Archivio della R. Società di Storia Patria* vol. IX.
Roma 1886, p. 508 Anm. 2.
764 Monatshefte für Kunstwissenschaft
die seinen Ruhm der fernsten Nachwelt künden sollten, gingen, als die kaiserliche
Soldateska anno 1630 die Residenz der Gonzaga erstürmte und ausplünderte, fast
sämtlich zugrunde. Nur ein Gemälde des Louvre, der „Musenhof der Isabella d’Este“,
erinnerte — lange Zeit allein!) — an Costas Tätigkeit für das Haus Gonzaga. Ihm
gesellt sih nun ein zweites im Schlosse zu Teplitz, das dort, beim Fürsten Clary-
Aldringen, dem Enkel jenes Aldringen, der damals den Sturm auf Mantua
befehligte, ein vergessenes und von wissenschaftliher Forschung unbehelligtes
Dasein führt?) `
Adolfo Venturi hat in seinem reichhaltigen Werke über die Sammlung Crespi
zu Mailand des Teplitzer Bildes mit knappen Worten zwar Erwähnung getan,?) seinen
Inhalt jedoch falsch gedeutet. Denn nicht den „Triumph des Francesco Gonzaga und
der Seinen nach der Schlacht bei Fornovo“ ‘) schilderte Costa in diesem Riesengemälde,*)
sondern einen andern „trionfo“, den schon Vasari richtig erkannte, als er des Bildes
in folgenden Sätzen gedachte: ,... nell’ altro [sc. quadro] che fu fatto a olio molti
anni dopo il primo e che fu quasi delle ultime cose che dipignesse Lorenzo, é il
marchese Federigo fatto uomo con un bastone in mano, come generale di Santa
Chiesa sotto Leone X; ed intorno gli sono molti signori, ritratti dal Costa di naturale. .* °)
Lorenzo Costa schuf dieses Gemälde anno 1522,°) dreizehn Jahre vor seinem
Tode, aber da er seine künstlerische Tätigkeit im Jahre 1525!) abschloB, so durfte
Vasari das Teplitzer Bild mit vollem Recht „eines der letzten Werke“ Costas
heißen. Daß er darin zum soundsovielten Male den Sieger von Fornovo ver-
herrlicht hatte, dies anzunehmen verbietet schon die Ikonographie; denn Francesco
Gonzaga, den wir aus Mantegnas „Madonna della vittoria“ und Gianmarco Cavallis
Bronze-Büste kennen, gleicht in keinem Zuge dem kaum zum Manne gereiften Jüngling,
1) So wird das Bild bekanntlich allgemein genannt, obschon diese Bezeichnung nur ein
Verlegenheitstitel ist. Das zweite Gemälde des Louvre aus Isabellas Besitz „Das Reich des
Eros“ ist von Mantegna begonnen und von Costa nur vollendet worden.
2) Se. Durchlaucht Fürst Clary-Aldringen hatte die Güte gehabt, eine Photographie
seines Gemäldes dem Verfasser zur Verfügung zu stellen, wofür ihm hiermit ergebenst der
schuldige Dank gesagt sei.
3) Adolfo Venturi: „La Galleria Crespi. In Milano 1900, S. 72, wo auch eine kleine, sehr
vershwommene und darum ungenügende Reproduktion des Bildes gegeben ist.
4) Venturi nennt das Bild ,Trionfo di Francesco Gonzaga e de’ suoi per la vittoria di
Fornovo“, wobei er wohl an ein heute nicht mehr nachweisbares Gemälde Costas dachte, das
Vasari folgendermaßen beschreibt — — „In un altro quadro si vede il medesimo Marchese
[Francesco] sopra un piedistallo, trionfante con un bastone in mano; e intorno gli sono molti
signori e servitori suoi con stendardi in mano tutti lietissimi e pieni di giubbilo per la grandezza
di lui: fra i quali tutti e un infinito numero di rittrati di naturale — —“ Vasari ed Milanesi,
III. p. 134.
5) Auf Leinwand. — H. 2,50 m. Br. 6,40.
6) Vasari III. p. 135. Vorher geht die Beschreibung eines Opfers an Herkules, das Costa
in Wasserfarben gemalt hatte.
”) Das Teplitzer Bild hat die Signatur L. COSTA F. MDXXII.
8) Das letzte datierte Bild Costas stammt aus dem Jahre 1525. Es stellt eine Madonna
mit Heiligen dar und wurde von ihm für seine Grabkapelle in S. Andrea bestimmt.
E. Schaeffer. Der „Triumph des Federigo Gonzaga“ von Lorenzo Costa 765
(,fatto uomo“), auf dem weiBen Zelter, der in Haltung und Gangart bereits an van
Dycks Reiterbildnis des Anton-Giulio Brignole-Sale gemahnt. Wohl aber ähnelt das
Haupt des Federigo Gonzaga, wie wir es auf mantuanischen Gold- und Kupfer-
münzen !) gewahren, in seiner Struktur so sehr dem Kopfe des jungen Feldherrn „con
bastone in mano“, daß wir diesen unbedenklich mit Francescos Sohn Federigo identi-
fizieren können.?) Francesco Gonzaga war überdies schon anno 1519 gestorben, und
‘was in aller Welt hätte seinen Nachfolger bestimmen sollen, den Sieg am Taro, für
dessen Glorifizierung der Vater doch bei Lebzeiten genugsam bemüht gewesen, nach
genau siebenundzwanzig Jahren noch einmal zu verherrlichen, und das gerade in dem
Augenblicke, wo ganz Italien vom Ruhme der Taten widerhallte, die er selber vor
Pavia und Mailand im Kampfe wider die Franzosen vollbracht, wo Fama und
Victoria, um im Stile der Zeit zu sprechen, den jugendlichen Generalkapitän der Kirche
mit ihrem holdesten Lächeln beglückten? Er hätte kein Gonzaga sein müssen, wenn er
nicht sofort daran gegangen wäre, die Erinnerung an seine erste Waffentat durch
Costas Bild festhalten zu lassen. Als Thema dieses Gemäldes kam nur ein „trionfo
all’ antica“ in Frage; denn es sollte eine Schmalwand in jenem Saale des Palazzo
von S. Sebastiano einnehmen,?) deren Langseiten der Triumph Caesars von Mantegna
schmücte; an das gewaltige Epos zum Preise des Vaters schloß sich in der gemalten
Ruhmeschronik des Hauses Gonzaga ein Lobgedicht an den Sohn. Von einem Ver-
gleich der beiden Werke miteinander kann billig abgesehen werden. Denn was hat
die wunderbarste Übersichtlichkeit mit dem Chaos, das Wohlabgewogene mit dem
Planlosen, die Einheitlichkeit des Stiles mit einer fast kindlich anmutenden Stil-
vermischung gemeinsam?
Costa teilt seinen Festzug in drei große Gruppen, die untereinander nur lose
verknüpft sind: zuerst gewahren wir hoch zu Roß einige Führer, die, an der Weges-
biegung einen Augenblick Halt machend, zu beraten scheinen; ihnen folgt, einander
stoßend und zur Seite schiebend, die lärmende Masse der Berittenen, denen endlich,
beutebeladen und Gefangene eskortierend, die Horden des Fußvolkes nachdrängen.
Diese Dreiteilung des „trionfo“ ist eine äußerliche, denn sie betrifft nur die Komposition
des Werkes; aber auch dessen innere Struktur formt sich gleichsam aus drei Schichten,
1) S. Armand: Les Medailleurs italiens. Paris 1883, vol. II. p. 155; Mantoue Nr. 2.
Kupfermünze. Rev. heil. Caterina und p. 156, Nr. 6. Goldmünze. Auf dem Revers ist Federigo
reitend, den Marschallstab in der Hand, dargestellt.
2) Es sei mir gestattet, der Vermutung Ausdruck zu geben, daB auch Tizians sog. „Giorgio
Cornaro* der Sammlung Eduard Simon zu Berlin (abgebildet in „Tizian“, Klassiker der Kunst,
Bd. HI. Stuttgart 1907, S. 62), ein Porträt des jugendlichen Federigo Gonzaga, etwa aus dem
Jahre 1530 ist.
3) Aus diesem „Palazzo S. Sebastiano“ oder „della Pisterla“, wie er auch genannt wurde,
gelangte das Bild mit anderen Werken Costas später in die Residenz, die „reggia“; s. d’Arco:
„Delle arti e degli artefici di Mantova“, Mantova 1857, vol. II. p. 159. Dort heißt es, in dem so
wichtigen Inventar von 1627: „4. grandi (sc. quadri) quali erano al palazzo della Pisterla, dipintivi
alcuni fatti del Marchese Francesco“ (da Lorenzo Costa Ferrarese). — L. 480. Hier scheint der
Inhalt der Darstellung bereits vergessen oder der Schreiber des Inventares nahm sich nicht die
Zeit, dies Gemälde in einen Gegensatz zu den drei anderen zu bringen.
kä a dech
LORENZO COSTA: Der Triumph des Federigo Gonzaga ?
besteht aus Sedimenten der drei groBen Entwicklungsperioden innerhalb der italienischen
Malerei. Da sind Motive, entnommen dem fast schon vergessenem SchatZe mittelalter-
liher Symbolik, da ist quattrocentistishe Wirklichkeits-Schilderei und dann wieder
gewahren wir jenes Streben nah dem Losgelöst-Sein vom Zwang des Individuellen,
nach höherer nicht vom Modell bedingter Menschlichkeit, die das Cinquecento auf
dem Umwege iiber die Antike zu erreichen hoffte. Aber diese heterogenen Elemente,
aus denen Raffaels gewaltiger Künstlerwille eine neue Einheit schuf, gehen in der
Retorte von Costas Geist keine Verbindung miteinander ein, sie lagern eines neben
dem andern, und es bedarf keiner mühevollen Analyse, um aus den Ganzen die
Teile herauszulösen.
Für die Anlage des Bildes mochten Costas gelehrte Berater ihn auf Appians
Beschreibung vom Triumphe des Scipio ') verwiesen haben, die wohl auch das Schema
1) Appian: Röm. Gesch. VII. Buch: (Punica) cap. 66.
für die Apotheose Julius’ II. vom Jahre 1513 und den römischen Karnevals-Festzug
des Jahres 1520 abgab. Zudem standen ihm vortreffliche Berichte über diese beiden
„trionfi all’ antica“ zur Verfügung, und so ist es nicht weiter befremdlich, wenn Costa
mit denselben — eigentlich ja schon zum Klichee gewordenen Requisiten arbeitete wie
die Regisseure dieser beiden berühmten Spektakel,') mit Zitherspielern und bekränzten
1) Der „Apotheose“ Julius’ II. wohnte Federigo bei, der ja als „Geisel“ am Hofe des Papstes
lebte; sie ist genau beschrieben in dem Briefe Stabellinis an Isabella -d’Este, den Costa gewiß
kannte (abgedruckt bei Luzio, op. cit. p. 577ff. Da ist die Rede von „trombetti sonando e genti
| gridando“, von Reitern „con le coperte loro di seta e di brocato — — con celate in capo all’
| anticha di cartoni dorati in varie forme con loro imprese di sopra“ — — dann kamen Jiinglinge
‚a cavallo con rami di querza in mano e con ghirlande in capo“. — — Auch über den glänzenden
.
—
Festzug vom Jahre 1520, den prunkvollsten, den Rom bis dahin gesehen, konnte sich Costa in
Mantua durch den Brief Angelo Germanellos an Isabella d’Este v. 19. Februar 1520 unterrichten.
Er ist abgedruckt bei Pastor: Geschichte der Päpste. Freiburg 1907. Bd. IV. 2. Abt. S. 7171.
768 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Schalmeienbläsern, mit Jünglingen, deren Locken von hellem Eichenlaub durchflochten
sind, mit prunkvoll aufgezäumten Rossen, auf deren Rücken edle Stoffe und kostbare
Felle ruhen. Freilich, Costas heroisierte Soldaten, ihre Waffen, ihre Standarten — alles ist
Theater-Antike und hätte vor den Archäologen-Augen Mantegnas so wenig Gnade gefunden
wie die ganz im Sinne des Quattrocento gemalte Portraitgruppe um Federigo Gonzaga.
Ihm durfte, als er seinen Triumph des Cäsar schuf, kein Gegenwartsgesicht die Ein-
und Reinheit der antiken Vision zerstören. Sein Werk sollte den Sieger am Taro
feiern; aber mochte sich Francesco Gonzaga immerhin ein anderer Cäsar dünken,
Mantegna hütete sich vor der Geschmacklosigkeit, dem Römer, ,dess’ Name doch das
Hôchste dieser Welt benennet“, die Züge eines kleinen Marchese zu geben — der
starre Doktrinär taugte eben nicht zum Hofmaler. Lorenzo Costa war geschmeidiger.
Wenn sein Brotgeber sich in der Maskerade eines Imperators wohl fühlte, warum
sollte er ihn nicht als antiken Triumphator malen dürfen? ...
Die Herren seines Gefolges, mit deren Namen ein Gonzaga den seinen fir die
fernste Zukunft verkniipft wissen wollte, sind uns heute fremd; nur einen einzigen
glauben wir zu erkennen, Baldassare Castiglione, dessen versonnenes Antlitz gleich
hinter dem seines Gebieters emportaucht. Obschon er an den lombardischen Kämpfen
keinen Anteil genommen, mochte Federigo hier gerade Castiglione nicht vermissen wollen;
denn jenen Kommandostab, den seine Rechte so frohgemut schwingt, hat ihm das
diplomatische Geschick dieses Vasallen verschafft, Castiglione verhalf ihm zur Erfüllung
eines Jugendtraumes: Einstmals stülpte man den blendend schönen Knaben, der als
Unterpfand für die Treue des Vaters am römischen Hofe erzogen wurde, die päpst-
lihe Tiara aufs Haupt; er aber rief den lachenden Kavalieren zorngeröteten An-
gesichtes zu: „Non voglio esser Papa, ma guerriero della Chiesa“ ...’) Bald nach
seinem Regierungsantritt erneuerte Federigo bei Leo X. den Wunsc des Kindes; aber
trotz der traditionellen Freundschaft zwischen den Häusern Medici und Gonzaga,*) trotz
der herzlichen Intimität, die gerade zwischen dem Florentiner Papst und der mantuanischen
Herrscherfamilie allezeit bestanden hatte,*) trug Leo Bedenken, das verantwortungs-
reide Amt des Generalkapitäns der Kirche einem Neunzehnjährigen anzuvertrauen,
der ihm überdies der Hinneigung zu Frankreich verdächtig schien. Zwar versicherte
Federigo „er habe keinen sehnlicheren Wunsch als den, Seiner Heiligkeit zu dienen,
und hege durchaus nicht sole Gedanken, wie gemeine Menschen versucht hätten,
Sr. Heiligkeit einzureden“ *), und der Papst beantwortete solche Ergebenheitsbeteuerungen
äußerst verbindlich, — aber Castiglione mußte doch im Vatikan fast zwei Jahre lang
immer aufs neue zugunsten seines Herrn vorstellig werden, bis Leo endlich „zur
1) Luzio, op. cit. Anm. 3..... . @ fu racordato il caso di Achille, fügt der Bericht-
erstatter hinzu.
2) S. Luzio: Isabella d'Este ne’ primordi del papato di Leone X. etc. Milano 1907.
S. 3f. u. S. 4, Anm. A
3) Leo war Pate bei Federigos jiingerem Bruder Ferrante Gonzaga (geb. 28. Januar 1507)
gewesen und hatte bald nach seiner Wahl Federigo zum Conte di Poviglio ernannt. S. auch die
in Anm. 2 zit. Studie Luzios, bes. S. 18.
*) S. Martinati: Notizie storiio-biografihe intorno al conte Baldassare Castiglione.
Firenze 1890, p. 35, p. 37f., p. 80 u. 81, wo die ob. zit. Briefstelle Federigos abgedruckt ist.
E. Schaeffer. Der „Triumph des Federigo Gonzaga“ von Lorenzo Costa 769
Freude nicht nur des pästlihen Hofes, sondern von ganz Rom“ !) das Ernennungs-
dekret für Federigo unterzeichnete.
Castiglione war jedoch nicht bloß als kluger Diplomat und, nach Karls V. Aus-
spruch, als „vortrefflichster Kavalier der Welt“ geschätzt, sondern vor allen Dingen als
Autor des „Cortegiano“ hochberühmt, jenes Buches, dem damals ein fast kanonisches
Ansehen zukam. Darin heißt es, ein guter Fürst müsse in seiner Lebensführung
zwischen Werktätigkeit und Gedankenarbeit die rechte Mitte halten.) Der junge
Federigo mochte wohl gern im Bilde dargestellt sehen, daß er der Herrscher nach dem
Herzen seines bedeutendsten Untertanen sei, und dies auszudrücken gab es Möglich-
keiten genug: So konnten Rahel und Lea als die dantesken Personifikationen der „vita
activa“ und „vita contemplativa“ dem Herrscher Mantuas die Lebenskrone aufs Haupt
setzen ê), aber Costa folgte lieber einer geistlichen Autorität und verkörperte durch
zwei Tiere, durch ein Lamm und eine Ziege‘), die Fürstentugenden seines Gebieters.
Er räumte ihnen den ganzen mittleren Vordergrund ein, was wohl genugsam beweist,
daß Schaf und Ziege hier mehr als eine dekorative Funktion zu erfüllen haben, nicht
blo als Opfertiere anzusehen sind.) Aber nicht nur für die Eigenschaften des
Siegers, auch für die des geschlagenen Feindes fand Lorenzo Costa ein Symbol.
Denn jene prunkvoll gekleidete Frau, die, einen Affen im Arm haltend, als verhöhnte
Gefangene heimgebracht wird, was bedeutet sie anderes, wenn nicht den eitlen Stolz
der Franzosen, den Federigo gedemütigt hatte, ihre törichte Hoffart, die vor Pavia und
Mailand zu Fall kam... .9)
1) Brief Castigliones an Federigo Gonzaga aus Rom v. 6. Juli 1521 ... „non solamente
tutta la corte, ma tutta questa città ha fatto dimonstrazione di haverne grandissima contentezza".
S. Pastor, op. cit. Bd. IV. 2. Abt. S. 720.
*) Castiglione: Il Cortegiano, ed. Baudi di Vesme. Firenze 1854. S. 261: „[La vita del
buon principe deve adunque essere] ordinata di modo che partecipi dell’ attiva e della contem-
plativa, quanto si conviene per beneficio dei popoli . .
3) Purg. XXVII. Bekanntlich hat auch Michelangniolo am Juliusgrabe durch Rahel und
Lea die vita activa und contemplativa personifiziert.
1) S. Eckl: „Die symbolische Zoologie“ im „Organ für christliche Kunst“ vom Jahr 1868,
(XIX. Jahrgang) Nr. 16, p. 186: „Das weibliche Lamm stellt zuweilen auch das tätige Leben dar,
und wird dann der Ziege, dem Sinnbilde des theoretischen, kontemplativen Lebens, gleichgestellt“.
Vergl. Rhabanus Maurus: De universo VIII. 7: „Agna vita activa in Levitico: ‚Agat poenitentiam
et offerat agnam de grege sive capram‘, quae est contemplativae vitae figura . . .“
5) Der vornehme Platz, den Costa diesen beiden gewöhnlichen Haustieren gönnte, läßt sich
auch nicht durch seine Vorliebe für Tiere erklären, denn die erstreckte sich nur auf exotische
Tiere oder, nach der Traditon des Hauses Gonzaga, auf Pferde und Racehunde. Vergl. Braghirolli:
‚Tiziano alla Corte dei Gonzaga di Mantova“. Mantova 1881, S. 23.
6) Eine vollkommen zu der gemalten Figur passende literarische Belegstelle vermag ich
allerdings nicht anzuführen. Die ,Iconologia* des Cav. Cesare Ripa, in Perugia, MDCCLVII, Bd. V,
S. 75, enthält zwar folgende Anleitung zur Darstellung des „Sciagurastaggine“: „Una donna
brutissima, mal vestita e scapigliata, e che i capelli sieno disordinatamente sparsi. Terra in
braccio una Scimia“ ... Aber erstens ist Costas Frauengestalt mit absichtlicher Sorgfalt gekleidet
und frisiert, dann lebte Cesare Ripa viel später als Costa und eine ältere Quelle für diese
Allegorie läßt sich nicht nachweisen. Aber durch prunkvoll gekleidete Frauen ist zu allen Zeiten
die Hoffart symbolisiert worden und in den alten Bestiarien wird der Affe mit seinem Nach-
770 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Ob Costas Werk den Beifall des jugendlichen Markgrafen gefunden hat? Wir
dürfen billig daran zweifeln. Der Sinn Federigos, der einen Giulio Romano nach
Mantua berief, war auf das Glanzvoll-Bewegte, das Kolossalische, das Grandios-
Dekorative gerichtet; was sollte ihm da die zage und zahme Kunst des Zweiundsechzig-
jahrigen? Costas Zeit war vorbei. Achtzig Jahre, nachdem er dieses Bild gemalt,
schuf wieder ein Hofmaler der Gonzaga einen „Triumph Cäsars“, ein junger Vläme,
der Peter Paul Rubens hieß. Dem „trionfo“ des Mantegna entnahm er die ganze
rechte Hälfte seines Gemaldes,’?) Lorenzo Costa konnte ihm keine Anregung mehr
bieten und als abermals fünf Lustren später die herrlichsten Schätze der Mantuaner
Residenz an Karl I. von England verschachert wurden, da ist in keinem der Briefe, die
dieserhalb zwischen London, Venedig und Mantua hin- und hergingen, von Costas
großen Historien die Rede. Den Bolognesen waren sie eine ,cosa miracolosa“ *)
gewesen, aber Karl begehrte ihrer nicht, und man wagte es nicht einmal mehr, sie
dem königlichen Kenner anzubieten — sic transit gloria...
ahmungstrieb auf prätentiôse Menschen gedeutet, welche ihre Kräfte und Fähigkeiten über-
schätzen“. S. Goldstaub-Wendriner: Ein tosco-venezianischer Bestiarius, Halle a. S. 1892, S. 152,
Anm, Diese Erklärung für das Symbol des Affen gibt, was vielleicht hervorgehoben werden darf,
ein lateinischer Traktat gerade der Universitätsbibliothek von Bologna (cod. Bonon. ms. 2231),
s. S. 150. Auch bei der „Apotheose Julius’ II.“ wurde auf einen Wagen ein Obelisk gefahren,
worauf u. a. ein Affe abgebildet war. S. Luzio, op. cit. S. 580.
1) Das Bild befindet sich heute in der Londoner National-Gallery.
2) Im Palazzo Bentivoglio zu Bologna hatte Costa den Untergang Trojas gemalt „cosa
da tutti stimata in quel tempo mirocolosa“. Chronik des Ghirardacci, zit. v. Venturi in seinem
Aufsatz: „Lorenzo: Costa“, im Archivio stor. dell’ arte I. S. 421. Anm. 1.
URN
-
Abb. 1. Kreuzklosterkirche: Die Herrenjünger Siluanos und Rufinos (B 2 — D 2)
Die Wandgemälde in der Kirche des Kreuzesklosters
bei Jerusalem
(Ein orientierender Überblick)
Von Anton Baumstark
In dem welligen Höhenland, das sidr
westlich von Jerusalem ausdehnt, liegt am
felsigen Ostabhang einer seiner Talmulden,
von freundlichem Olivengrün umrahmt, das
heute als Priesterseminar des griechisch-
orthodoxen Patriarchats dienende uralte
Kloster des HI. Kreuzes (Ayiov Zravooÿ;
arab. Dér el-Musallabe). Eine in der griechi-
scien Kirche zu ungemeinem Ansehen ge-
langte Lokallegende läßt hier Lot drei ihm
von Abraham übergebene Reiser von Fichte,
Zeder und Zypresse pflanzen, die nach zwei
Jahrtausenden das Holz des Kreuzes Christi
geliefert hätten. Helena, der auf palästinen-
sistem Boden die Gründung fast jedes später berühmt gewordenen Heiligtums zu-
geschrieben wird, soll nach den einen auf der geweihten Stätte die erste Basilika
errihtet haben. Nach anderen hätten Kloster und Kirche vielmehr den ersten christ-
lien König des Kaukasusvolkes der Georgier oder Iberer, einen Zeitgenossen
Konstantins und seiner Mutter, zum Stifter gehabt. Jedenfalls bildeten sie schon vor
der Kreuzfahrerzeit das eigentliche iberische Nationalheiligtum in Palästina, und nach-
dem sie nur sehr vorübergehend den Iberern entrissen worden waren, sind sie in deren
Besitz vom Jahre 1305 bis zum Untergang der durch Rußland erdrückten selbständigen
iberischen Kirche geblieben, ein Zeitraum, innerhalb dessen gegen Mitte des XVII. Jahr-
hunderts der Ibererkönig Leontantian sie zum letzten Male restaurierte. Die kunst-
geschichtlich auch durch umfängliche Reste eines interessanten MosaikfuBbodens be-
merkenswerte Klosterkirche ist eine von Pfeilern getragene Kreuzkuppelbasilika, in
Abb. 2. Kreuzklosterkirche: Blick durch das
linke Seitenschiff O
172 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
ihrem Grundbestand héchstwahrscheinlich des XI. Jahrhunderts. Zwei massige Pfeiler
von quadratischer Grundform trennen beiderseits das von flachen Kreuzgewélbejochen
bedeckte Mittelschiff von den schmalen Seitenschiffen, über denen Oberräume sich heute
nur noch mit engen viereckigen Fenstern nach dem Kircheninnern öffnen, wo ursprüng-
lich sich offene Arkaden befunden haben dürften. Ober der Vierung des Hauptschiffes
und eines mit ihm gleich hohen und seitlich über die Nebenschiffe nicht ausladenden
Querschiffes erhebt sich die einzige Kuppel. Das vollentwickelte dreigliedrige Bema
von Altarraum zwischen Prothesis und Diakonikon schließt ostwärts den typisch klaren
und einfachen Bau ab, dessen sämtliche Bogenführungen spitz zulaufen.
Doch nicht er SE erhaltenen Gemälde-
selbst ist es, auf welchen Ges scimuck der zahlreichen
dieser Aufsatz die Auf- Klosterkirchen selbst
merksamkeit der kunst- eine geradezu unver-
‘wissenschaftlihen For- gleichliche Illustrierung.
Schung nadidriicklichst Wie weit repräsentiert
lenken möchte. Den nun aber der Athos
klassischen Boden für wirklich die gesamte
unsere Kenntnis "der Kirchenmalerei der by-
spätbyzantinischen Kir- zantinischen Spätzeit?
chenmalerei bildet: be- Haben in der gegen-
kanntli das Kloster- ständlichen Auswahl, in
land des „heiligen Ber- der Verteilung und im
ges“ Athos. Eine lite- ikonographischen Ein-
rarische Quelle, wie sie zeltypus der das Hei-
gleichwertig dem Kunst- ligtum schmiickenden
historiker nicht: häufig Wandbilder sim —
zuGebote steht, das im als Erbinnen der Vor-
Jahre 1458 redigierte zeit: das ist das Wich-
„Malerbuch“ des Athos- zer | tigste — nicht ver-
mönches Dionysios, er- Abb. 3. Kreuzklosterkirche: GrundriB Sdiedene lokale Tra-
fährt hier durch den ditionen geltend ge-
macht, deren diejenige des Athos nur eine, wenngleih immerhin die uns weit-
aus am besten bekannte, ist? — Auf solde Fragen, die Antwort zu gewinnen,
dazu könnten die palästinensischen Griechenkirchen uns unschätzbare. Dienste leisten,
wenn sie mit den Athosklöstern auch nur entfernt an Reichtum bildlihen Wand-
schmuckes sih zu messen vermôchten. Allein abgesehen von der Hauptkirche und
einigen Kapellenräumen im Felsenkloster des hl. Sabas?) ist die Kirche des Kreuzes-
klosters beinahe die einzige im ganzen Lande, die nach dieser Richtung überhaupt
noch etwas Nennenswertes aufzuweisen hat. Und auch hier sind wir leider weit da-
von entfernt, noch die ganze Teppichpracht der byzantinischen Bilderbibel und Bilder-
1) Vgl. meine diesbezüglichen Angaben Rëm, Quartalschr. f. christl. Altertumswissenschaft
u. f. Kirchengesch. 1906, S. 160—162.
Baumstark. Die Wandgemälde in der Kirche des Kreuzesklosters bei Jerusalem 775
legende über Wände und Pfeiler, Gewölbe und Bogengurte ausgebreitet zu sehen. Weitaus
den größten Teil dieser Flächen, die einstmals das aufgeschlagene Buch der des Lesens Un-
kundigen dargestellt haben, bedeckt heute nach Zerstörung ihres einstigen Schmuckes das
trostlose Weißgrau armseliger Tünche. Um so wertvoller müssen uns aber nur die immerhin
doch auch wieder keineswegs unbedeutenden Reste der alten Bilderfülle sein, welche diese
Ode belebend unterbrechen.
Ich habe sie dank dem liebens-
würdigen Entgegenkommen
des hochw. Herrn Vorstandes
der „theologischen Schule“
unseres Klosters, des Archi-
mandriten Chrysostomos A.
Papadopulos, in den Früh-
jahrmonaten 1905, soweit die
hier und da allzu engen
räumlichen Verhältnisse es
überhaupt zuließen, sämtlich | oe e më ry ei
photographiert. Nachdem ich ę —— MINA 4 NK: Chay
bereits an anderer Stelle eine i |
rein statistische Übersicht über
das in ihnen Dargestellte ge-
boten habe,!) möge es mir
im folgenden gestattet sein,
unter Mitteilung einiger mei-
ner photographischen Auf-
nahmen über den Bestand
des Erhaltenen etwas ein-
gehender und mit Rücksicht-
nahme auf seine räumliche
Verteilung an der Hand eines
Planes?) zu orientieren, um
scharf das Problem hervor- A
heben zu können, um welches ! =.
es sich mir bei diesen Male- Abb. 4. Kreuzklosterkirhe: Türumrahmung.
reien zu handeln scheint.
Sofort die innere Umrahmung der einzigen aus dem Narthex in das eigentliche
Kircheninnere führenden Türe weist einen beachtenswerten bildlihen Schmuck ‘auf. In
einem Kreise erscheint dominierend über derselben, das Jesuskind auf dem Arme, das
Brustbild der gekrönten Gottesmutter, deren rechte Hand etwas hält, das wir abend-
ländisch Rosenkranz zu nennen hätten. Nun bedienen sich dieser an einer Schnur
1) a. a. O. S. 162—165.
2) Abb. A Nach Vogüé, Les églises de la Terre Sainte. Paris 1860.
774 Monatshefte für Kunstwissenschaft
kreisförmig aufgereihten Serie von Kigelchen allerdings auch die griechisch-orthodoxen
Priester zur Zählung ihrer beim Gottesdienst zu rezitierenden Kee ëlénoov-Rufe. Ja
derartige nicht marianische „Rosenkränze“ werden in ihrer Hand wohl auch zum bloßen
Spielzeug. Allein die Verbindung, in welche
hier das fragliche Gebetsinstrument gerade
mit der Gottesmutter tritt, weist in Verbin-
dung mit der von ihr getragenen, orientali-
scher Ikonographie aber im allgemeinen
fremden Krone auf ein maßgebendes Mit-
spielen abendländischer Einflüsse hin. Wäh-
rend über demselben am Türsturz Engel
schweben, gewahren wir sodann unter dem
Muttergottesmedaillon durch die Abbreviatur
eines Xeip x<voio>v (Die Hand des Herrn)
erläutert, ein Symbol, das audi in der
serbisch-syrischen Psalterillustration wieder-
kehrt.') Eine hohl gehaltene Riesenhand
umschließt eine Menge unbekleideter Dimi-
nutivgestalten von Menschenwesen: die Hand
Gottes, in welcher die Seelen der Gerechten
ruhen, wie wir unzweifelhaft durch eine
Darstellung der königlichen Gestalt Salomons
belehrt werden, die seitlich an der mit b be-
zeichneten Stelle eine geöffnete Schriftrolle
mit den Worten des Buches der Weisheit (3. 1)
trägt wryai dixaiwy Ev yergi x<voio>v („Die
Seelen der Gerechten sind in der Hand des
| Herrn“). Unverstàndlic ist mir dagegen
| die gegenüber bei c angebrachte Darstellung
eines bärtigen Mannes, der mit verbundenen
Augen an den Stamm eines Kreuzes ge-
fesselt scheint.
Die Hauptmasse der übrigen erhaltenen
Gemälde verteilt sich auf die vier das Lang-
haus teilenden und die zwei Pfeiler zwischen
Abb. 5. Kreuzklosterkirche: Martyrer, Hier- den Teilräumen des dreigliedrigen Bemas.
archen und Mönche (G 2. 4) o Die dem Eingang zugewandten Pfeiler-
seiten B1 und C1 weisen die Szene der
Heimsuchung bezw. die Gruppe der Apostelfürsten Petrus und Paulus auf. Die zwei
sih begrüßenden Frauen, von welchen die eine den Weltheiland, die andere dessen
1) Strzygowski. Die Miniaturen des serbischen Psalters. Taf. XI. Abb. 25. Vgl. meine
Bemerkungen. Byzantin. Ztschr. XVI. S. 654. Beispiele der nämlichen Darstellung in der russischen
Kirchenmalerei hat soeben Millet in der Revue archéologique. 1908.1.S.183f. Anmk. 4zusammengestellt.
Baumstark. Die Wandgemälde in der Kirche des Kreuzesklosters bei Jerusalem 775
Vorläufer unter dem Herzen trägt, und die Häupter des Apostelkollegiums bezeichnen
treffend die Eingangspforte zu den beiden großen Hälften der neutestamentlichen
Heilsgeschichte: dem Leben und Wirken des Erlösers selbst und der in den Schicksalen
der Apostel anhebenden Geschichte seiner Kirche und ihrer Heiligen. Dem Mittelschiffe
zu sind alsdann zunächst nicht weniger passend die Engel des Himmels und die Blut-
zeugen Christi auf Erden, die triumphierende und die streitende Kirche, sich gegen-
übergestellt Über einer fast mannshohen ornamentalen Sockelbemalung erheben sich
an der Pfeilerwand B2 in reicher byzantinischer Heroldstracht, Szepter tragend, die
Gestalten der Erzengel Michael und Gabriel, die zwischen sich das „hl. Keramion“,
eine Kreisscheibe mit EHE _ | _ | henklige Amphora,
dem Brustbild des den „Leidenskelch“
knabenhaft jugend- des Gethsemanege-
lichen Emmanuel, betes oder das Ge-
halten. Zu ihren fäB mit Essig und
Häupten erläutert die Galle, zu. Die Pfeiler-
Beischrift: ó duvòs seite C 2 entbehrt ei-
tod Jeoù die wieder ner gleich hohen
an den serbisch-syri- malerischen Andeu-
schen Psalter’) er- tung eines Sockels.
innernde Darstellung Fast ‘ihrer ganzen
eines kleineren recht- Höhe nach in zwei
eckigen Bildfeldes: gleichwertige Stock-
dem auf einer Ma- werke geteilt, bietet
tratze schlummern- sie in jedem der-
den Jesusknaben tra- selben ein Paar von
gen zwei Engel, die Martyrern in Tunika
SymbolederPassion, und prunkvollem
Kreuz und Lanze, das Mantel: Demetrios
mit dem Schwamm r na und Nestor unten,
gekrônte Hysoprohr Abb. 6, Kreuzklosterkirche: Kopf Salomons (D2) Georgios und Theo-
und eine doppel- doros Tyron oben.
Alle tragen diese gleichmäßig in der Rechten ein reichbehandeltes Stabkreuz, so
daß bei dem Georgsbilde jede Bezugnahme auf den Drachenkampf fehlt. Zwei
weitere Martyrer sind in derselben Tracht und Haltung dann auch noch an der rück-
wärtigen Seite des nämlichen Pfeilers bei C3 gemalt: Arethas unten, Jakobos der
Perser oben, je neben einem hl. Mönche. An dem folgenden die Kuppel stützenden
Pfeilerpaar kommt endlich dem Mittelschiff und teilweise auch dem Querschiff und dem
ersten Pfeilerpaare zu die Prophetenwelt zu ihrem Rechte. Die zur Vorlesung des
Evangeliums dienende Holzkanzel verdeckt bei D2 großenteils die königlichen Pracht-
figuren Davids und Salomons, über denen eine derjenigen von B2 genau entsprechende
obere Bildfläche von der Szene des Abrahamsopfers mit Widder und Engel einge-
1) Strzygowski, Taf. XXVI. Abb. 56. Vgl. meine Bemerkungen a. a. O. S. 653f.
51
716 i | Monatshefte für Kunstwissenschaft
i] UZIE
A i
CICMOCOCACTON
\ (ur HOM
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des Elias (E 2)
Abb. 7. Kreuzklosterkirche: Himmelfahrt
O
nommen wird. Sogar so gut als vollständig
verdeckt sind durch den Patriarchenthron bei
E2 zwei andere Propheten. Durch die sicht-
bar gebliebene vordere Hälfte einer Namens-
beischrift erfährt man nur noch, daß der eine
der Dargestellten Elias war. Dessen Himmel-
fahrt bildet darüber den Gegenstand eines
etwas höher als die gegenüberstehende Abra-
hamszene nach oben ragenden Historienbildes.
Eine Prophetendarstellung füllt auch den von
der Pfeilerseite D1 ausgehenden Bogengurt.
Es ist Daniel in der Löwengrube in der be-
kannten sich von der römischen scharf ab-
hebenden orientalishen Auffassung: der
Prophet ist mit reicher Hoftracht vollständig
bekleidet und trägt auf dem Haupt das Rudiment
einer phrygischen Mütze; ein Engel führt
Habakuk durch die Luft zu ihm. Die Illustration
je einer Psalmen- und einer Proverbienstelle
in einem Sockelfelde ergänzt diese Propheten-
bilder. Im unteren Teile von D1 ist es ein,
abgesehen von seinem weißen Lendenschurze, nackter weißhaariger und einen
schweren Holzprügel über dem Nacken tragender Greis, den die Kanzeltreppe über-
schneidet: wohl der nach Ps. 48 (49) 13 bezw. 21 dem unvernünftigen Vieh gleich
gewordene Mensch, da die erklärende Beischrift durch die Anfangsworte dieses Psalms
gebildet wird: Axodoare raüra navr<a ra>EIVN, Evwrioaode nv Tes oi xaroıxoüvres
tv olxovuévny, ot Te ynyeveis xui viol rendu Hour >w („Höret
dies alle Völker; merket auf alle Bewohner des Weltrunds,
Erdenkinder und Söhne der Menschen“). An entsprechender
Stelle von E1 dienen die Worte Prov. 9.1: i) copia dxodé6u<o>ev
adzi otxov („Die Weisheit erbaute sich ein Haus“) als Erklärung
eines Bildes, das man voll erst versteht, wenn man die Fort-
setzung der Bibelstelle in Betracht zieht: „und sie führte sieben
Säulen als Stützen auf, schlachtete ihre Opfer, mischte im Misch-
kruge ihren Wein und bereitete ihren Tisch zu“. In der Tat
sieht man die Personifikation der göttlichen Weisheit vor einem
gedeckten Tische sitzen, hinter welchem sich, eine Bogenarkade
von sieben Säulen an seiner sichtbaren Längsseite aufweisend,
ein tempelartiger Bau erhebt, während von der anderen Seite
mehrere Diener herzutreten, deren einer mit weit ausgestreckter
Hand einen Pokal hält. Abgeschlossen wird der ganze Kreis
alttestamentlicher Darstellungen an der Pfeilerwand D4 durch
die auf der Grenzscheide der beiden Testamente stehenden Ge-
Abb. 8. Kreuzklosterkirche:
Daniel in der Lö-
wengrube (D1) O
Baumstark. Die Wandgemälde in der Kirche des Kreuzesklosters bei Jerusalem 777
stalten des Täufers und seines im priester-
lihen Ornat gegebenen Vaters Zacharias,
über denen die Szene der Geburt des ersteren
gemalt ist.
Zwischen alles das schieben sich nun
aber noch verschiedenartige weitere Elemente.
Daß namentlich das monastische einen breiten
Raum einnimmt, ist in einer Klosterkirche
begreiflich genug. So finden wir denn an hl.
Ménchen schon zur Linken des Eintretenden
neben der Türe am Punkte a einen ungenannten,
an der Pfeilerwand C3 übereinander Markellos, “È wie gär
Abt der Akoimeten, und Theodoros Studites, «pv Se e
sowie paarweise nebeneinander an dem aus Abb, 9. Kreuzklosterkirche: „Die Weisheit
der Eingangswand hervorspringenden Mauer- hat ihr Haus erbaut“ (E) O
pfeiler A einen Euthymios und Georgios, bei
C4 Maximos den Bekenner und Johannes von Damaskus, bei E1 Sabas und den
Gründer der meist vielmehr nach jenem genannten Lawra, Euthymios, bei E4 einen
Lukas und Prochoros, bei D3 Athanasios vom Athos und Isidoros von Pelusion,
und bei B3 den Altmeister des ägyptischen
= RR DEI j Möndhtums, Pachomios, dargestellt, wie er von
| himmlischer Hand das Mônchskleid empfängt: trotz
des gemeinsamen Typus durchweg markante und
kräftig individualisierte Erscheinungen. Etwas
weniger zahlreich sind die abgebildeten hl. Bischöfe.
Auf der Pfeilerwand Di steht über der Psalter-
illustration neben einem als vornehmer Jüngling
in reicher, weltlicher Kleidung, ein offenes Buch in
Händen, gegebenen hl. Christophoros Kyrillos von
Jerusalem. Seinen Namensvetter von Alexandreia
gewahrt man gegeniiber neben Athanasios auf der
yet | Pfeilerwand B4. Auf dem von dieser aufsteigen-
P WAN den Bogengurt folgen sodann übereinander im
2 | Gegensatz zu diesen Vollgestalten in Brustbildern
ein hl. Mokios und hl. Theodotios, und in noch
kleineren Brustbildern erscheinen oben an den
Pfeilerwänden C4 und E1 sich gegenüber die
Heiligenpaare Michaél von Synada und Niketas
bezw. Basileios und Johannes Chrysostomos. Alle
diese in Gesichtsziigen, Haar- und Barttracht héchst
ae de eg ee | individuellen Hierarchen tragen gleichmaBig statt
Abb. 10. Kreuzklosterkirdie: Hierardıen des aus der Dalmatika hervorgegangenen Sakkos
(B 4) o noch die kreuzgemusterte Paenula, das sog.
778 Monatshefte für Kunstwissenschaft :
\
|
È “of
i
|
‘Abb. 11, Kreuzklosterkirche: Pa-
— rsoAvoravgıov') und ein noch sehr dem römisch-altchrist-
T Foanet,/ PS lichen Pallium ähnliches Omophorion, also eine fiir den
[ARC Ag Orient verhältnismäßig altertiimliche liturgische Kleidung.
ISAAC
Eine gleichfalls kreuzgemusterte Kalotte ist dagegen als
Kopfbedeckung für Athanasios bezeichnend und dürfte
Vertrautheit mit Sonderheiten des alexandrinischen Ritus
verraten. Das weibliche Geschlecht vertreten in diesem
Pantheon von Heiligengestalten nur. sehr bescheiden
zwei die Pfeilerwand D 3 nach oben abschließende Brust-
bilder der hl. Christina und Maria Magdalena. Wie sie
blickt in ein Seitenschiff auch am Sockel von E3 ein
von Pfeilen durchbohrter hl. Sebastianus, vor welchem
ein Stifterporträt in knieender Stellung gegeben ist.
Dagegen sind aus dem Mittelschiff noch zwei Brust-
bilder zu erwähnen, welche die Zwickel neben dem
die Pfeiler B und D verbindenden Bogen füllen. Sie
stellen zwei der siebzig Jünger Christi, Siluanos und
— Rufinos, dar, die in unserer Kirche schwerlich von jeher
triarch Judas (F2) 0 die einzigen Vertreter dieser Heiligenklasse waren"?
Nicht nur die entsprechenden übrigen Zwickelräume,
sondern audi andere Flächen in den höheren Regionen des Mittelschiffes mögen so
ursprünglich von Herrenjüngern und dann wohl auch von Aposteln belebt gewesen sein.
Den in der Ausmalung keiner byzantinischen
Kirche fehlenden Darstellungen aus dem Herrenleben
waren wohl die teilweise mächtigen Wandflächen des
Querschiffs gewidmet. Wenigstens hat sich am oberen
Teile der hierher blickenden Pfeilerseite E4 ein Bild der
Versuchung Christi erhalten, der selbst auf der Zinne
des Berges steht, von welchem, ein affenähnlicher
Unhold, Satan rücklings herabstürzt, und über dem
Bogen, der zum südlichen Seitenraum des Bemas Einlaß
gewährt, blickt von der Hochwand d eine Anbetung
der Magier herab: zu der mit dem göttlichen Kinde
halb im Profil thronenden Madonna, hinter der Joseph
steht, treten die morgenländischen Gäste als Greis,
Jüngling und Mann eilig und kaum erst mit einer
1) Vgl. über das seit dem XI. Jahrhundert Boden ge-
winnende liturgishe Kleidungsstück Braun, Die liturgische
Gewandung im Okzident und Orient. Freiburg i. B. 1907.
S. 237 f.
2) Einen vollständigen Zyklus aller „Siebzig“ sieht
das Malerbuch III, 29 ($ 385, Ausgabe von Konstantinides,
Athen 1885, S. 188 ff.) vor.
Abb. 12. Kreuzklosterkirche: Die
Jakobsleiter (G 2) D.
Baumstark. Die Wandgemälde in der Kirche des Kreuzesklosters bei Jerusalem 779
leisen Andeutung eines bevorstehenden Niederkniens heran, ein wesentlich noch durch-
aus frühchristlihes Kompositionsshema. An Bogen und Gewölben des Querschiffs
scheint. sich dagegen, von dem das Langhaus abschlieBenden Pfeilerpaare übergreifend,
prinzipiell Alttestamentliches fortgesetzt zu haben, nur daß hier neben der Propheten-
welt mehr die Patriarchengeschichte zur Geltung gekommen sein dürfte. Ein Prophet
Sophonias ragt auf dem über D4 aufsteigenden Bogengurt in das Querschiff herein,
und in dem dieses vom Mittel-
raum des Bemas trennenden Bogen
haben wir zur Linken über F2
einen genau entsprechenden Patri-
archen Judas, zur Rechten über G2
den am Fuße der Engelsleiter schla-
fenden Jakob vor uns.
Flankiert war dieser Bogen
ursprünglich in der oberen Hälfte
der Pfeilerfronten F1 und G 1, wie
es noch heute die Chorbogen des |
Domes in Messina, der Capella (IN:
Palatina und der Martorana in ME
Palermo sind und wie es zu An-
fang des XII. Jahrhunderts der Bo-
gen gewesen zu sein scheint, der
in Jerusalem die Rotunde der Auf-
erstehungskirche von einer durch
den Kaiser Konstantinos Mono-
machos an sie angebauten Apsis
trennte,!) durch die beiden Ge-
stalten der Verkündigung. Doch
ist nur mehr auf F1 vor einem
Architekturhintergrund der Erz-
engel erhalten, der, die Rechte :
zum Redegestus erhoben und in Abb. 13. Kreuzklosterkirche: Romanos der Melode und
der Linken eine offene Schriftrolle Petrus von Alexandreia (F 2e) D
mit den Anfangsworten des von
ihm der Jungfrau entbotenen Grußes haltend, eilig nach rechts schreitet.) Unter ihm
blickt die Kirche hinab, ein Muster hieratisch strenger Ruhe, die als sole ausdrücklich
von der Beischrift bezeichnete ,Hodegetria“ d. h. derjenige byzantinishe Madonnen-
typus, der stehend mit der einen Hand auf das von der anderen getragene Kind, gleichsam
den Weg weisend, hindeutet. Ihr entspricit auf G1 der stehende Christus als Panto-
krator, der, die Rechte zur machtvollen Segensrede erhoben, mit der Linken ein
d fe
wk: ier ` éi
1) Nach dem Zeugnis der Palästinabeschreibung des russischen Higumenos Daniel (Aus-
gabe von Noroff. Petersburg 1864. Übersetzug, S. 18 f.).
*) Von mir abgebildet. Röm. Quartalschr. 1906. Taf. VIII, Abb. 1.
780 Monatshefte für Kunstwissenschaft
geschlossenes Buch trägt. Die riesengroßen Bildnisse dessen, der so, wie er als Lehrer
und Wohltäter der Menschen durchs Land wandelte, als Weltrichter wiederkommen
wird, und seiner stets zu milder Fürsprache bei ihrem göttlichen Sohne bereiten Mutter,
bilden für das Auge des gewöhnlichen Gläubigen den Abschluß der großen Bilder-
predigt, welche für ihn die Ausmalung des Gotteshauses darstellt: zwei feste Pole, die
seine ganze Aufmerksamkeit gebieterisch heischen.
Wir betreten eine völlig neue Welt mit den Pfeilerseiten F2 und G2, die be-
reits zu dem durch das Ikonostasion verschlossenen Hauptraum des Bemas gehören.
Hier ist die geheimnisvolle Opferstätte, an der nur das Auge des Priesters die hehren
Vorbilder seines eigenen Amtswirkens schauen soll. Zwei hl. Diakone halten gewisser-
maBen auf der Schwelle des Allerheiligsten Wache: der fast
völlig zerstörte Protomartyr Stephanus zur Rechten; in ge-
schäftigem Eifer sein WeihrauchfaB zum Gebrauche rüstend,
der große Melode Romanos, der Fürst altbyzantinischer Kirchen-
dichtung im justinianischen Zeitalter, zur Linken. Über ihnen
erscheinen wiederum zwei hl. Bischöfe, bei G2 der Apostel-
schüler und Blutzeuge Polykarpos von Smyrna, bei F1 ein
„Eleutherios“ d. h. wohl der gleichnamige Papst des II. Jahr-
hunderts. Beide halten offene Schriftrollen, auf welchen
man Stellen der eucharistischen Liturgie liest. Eine ganze
Reihe gefeierter Hierarchen mit dieser Ausstattung fordert
das Malerbuch vom Athos an den Wänden rings um den
Altartish.!) Wenn nun neben Romanos in der Unterzone
der nördlichen Seitenwand e fast vollständig noch ein dritter
hl. Bischof, gleich jenen beiden anderen im Gegensatz zu den
sämtlich en face gegebenen Einzelgestalten von Heiligen im
Kirchenschiff in Profilstellung, erhalten ist, — der Martyr-
Ode a bischof Petrus von Alexandreia nach seinem ikonographischen
Polykarpus (G 2) Typus! — so unterliegt es kaum einem Zweifel, daB einst
auch in der Kirche des palästinensischen Kreuzesklosters jener
‘vom Athosm6nche formulierten Forderung entsprochen war und ein Fries auf ihren Schrift-
rollen Stellen des liturgischen Textes zur Schau stellender hl. Bischöfe als unterste Zone
seines malerischen Schmuckes den ganzen Hauptraum des Bemas umzog. Ja die Profil-
stellung der Hierarchen scheint mir, auf ein bedeutungsvolles Zentrum hinweisend, noch
zu der weiteren Vermutung zu berechtigen, daB den Mittelpunkt dieses Frieses im
Halbrund der Apsis ehemals in irgendeiner Form das Sujet der „göttlichen Liturgie“
d. h. einer himmlischen Meßfeier durch den erhöhten Christus selbst gebildet hat.
Es erübrigt noch den Blick zu den mächtig ansteigenden höheren Teilen der
Wandflächen e und f zu erheben. Die erstere füllte über dem Hierarchenfries eine
einzige Darstellung: ein Allerheiligenbild vom Typus des im Malerbuche?) mit der
ow
qr
a.
DE
4
11
E
P
13
1) IV, $ 533 (Ausgabe von Konstantinides, S. 251).
2) II, 27 ($ 359, Ausgabe von Konstantinides, S. 180 ff.).
Baumstark. Die Wandgemälde in der Kirche des Kreuzesklosters bei Jerusalem 781
Etikette: "Eni oot yatoee bezeichneten. Erhalten sind zum großen Teile die oberste
Zone wo von Engelscharen umgeben, die Gottesmutter mit dem Jesuskinde thront,
sowie der linke Rand von vier darunter gelegten Zonen, die aus Wolken ragend
die Brustbilder verschiedener Heiligenchôre vorführten. Auf der gegenüberliegenden
Wandfläche f sind abgesehen vom Hierarchenfriese übereinander noch drei inhaltlich
selbständige Darstellungen zu unterscheiden. Die dürftigen Reste der untersten
berechtigen zu der bestimmten Annahme daß vor dem
Hintergrund einer Felsenlandschaft die Kreuzauffindung oder
die Aufrichtung des gefundenen Kreuzholzes durch Kon-
stantin und Helena gegeben war. Darüber war im Bilde
die Lokallegende des Kreuzesklosters erzählt. Durch eine
Beischrift unzweideutig erläutert, ist noch sehr gut der eben
die „drei Hölzer“ aus der Hand Abrahams entgegennehmende
Lot, d. h. die äußerste Gestalt rechts, erhalten. So gut als
unversehrt ist dagegen wenigstens zur starken Hälfte die
oberste Darstellung, eine Szene des legendarischen Marien-
lebens: die künftige Gottesgebärerin wird, noch ein zartes
Mädchen, der Zahl der Tempeljungfrauen eingereiht. Die
hervorragende Bedeutung, welche diese sog. eoddia rie
Veoréxov („der Eintritt der Gottesmutter“ nämlich in den
Tempel) als Vorwurf der bildenden Kunst gewann, hängt
wie das ihnen gewidmete eigene Kirchenfest im letzten
Grunde aufs innigste mit der von Justinian auf dem Areal
des alten Tempelplatzes errichteten glanzvollsten Marien-
kirche des friihchristlich-byzantinischen Jerusalems zusammen, —
deren Material heute in der Moschee al-Agsà verbaut ist.
Wenn wir hier dem Gegenstand koordiniert mit der Ge-
schichte des Hl. Kreuzes begegnen, welchem Kirche und
Kloster geweiht sind, so weist dies wohl auf irgend welche
engere Beziehungen zurück, in denen diese einmal mit
dem justinianischen Muttergottesheiligtum gestanden haben
müssen.!) Die gedrängte Synthese dessen was die Heiligen-
bilder des Gemeinderaumes außen in breiter Ausführlichkeit
entfalteten, sah von der einen, die den Bewohnern gerade dieses Klosters teuersten
Züge heiliger Sage sahen von der anderen Seite auf den Altar herab. Leider gestattet
nichts, zu erraten, was im Kreuzgewölbe oben und in der Halbkalotte der Apsis diesen
bildlidien Schmuck des Opferraumes vervollständigte. War eine an diesem Punkte sicher
stehende Sonderüberlieferung palästinensischer Kirchendekoration befolgt,*) so füllte die
Abb. 15. Kreuzklosterkirche:
Kreuzeslegenden (f)
1) Dieses war, wie man aus dem Pratum Spirituale des Johannes Morchos ersieht, ein
hervorragendes Zentrum monastischen Lebens. Man vgl. z. B. cap. 68 (Migne Patrologia Graeca
LXXXVII, Sp. 2917).
% Die ,Anastasis“ ist in der Hauptapsis gemalt in der Kreuzfahrerkirche zu Abü Ghösch
und befand sich an entsprechender Stelle in der Apsis des Konstantinos Monomachos am Heiligen
782 ` Monatshefte für Kunstwissenschaft
letztere die monumental wirkende Komposition der „Anastasis“ d h. der Befreiung
der Stammeltern durch die siegreich aus der Unterwelt emporsteigende Seele Christi
in Gegenwart mindestens noch Johannes des Täufers, Davids und Salomons.
Füge ich hinzu, daß an einer nicht mehr zu ermittelnden Stelle der Kirche früher
auch eine Reihe als heidnischer Propheten des Erlösers gefaßter griechischer Philosophen
dargestellt waren, deren prächtige Charakterköpfe, bei der Zerstörung dieses Gemäldes
mit der sie tragenden Stuckschichte gerettet, jetzt in einem lichtlosen Nebenraume auf-
bewahrt werden, so habe ich den Leser erschöpfend über den Bestand des Kreuzes-
klosters an Wandmalereien unterrichtet.
Diese Monumentenmasse, über deren stilistische Seite ich vorläufig ihn bitten
muß, sih an der Hand der Abbildungen selbst ein Urteil zu bilden, ist nun ebenso
genau als urkundlich datiert. Allerdings müßte ihre Datierung demjenigen eine peinliche
Enttäuschung bereiten, der naiv genug wäre Denkmäler der christlich-orientalischen
Kunst ausschließlidA oder auch nur vorzugsweise nach ihrem unmittelbaren Alter zu
werten. Während nämlich neben dem Verkündigungsengel an der Pfeilerfront F 1 das
Datum: our ont Adyovorm ı (10. August 1643) zu lesen ist, flankieren über der
Eingangstüre das Marienmedaillon und die Gotteshand links ein iberischer, rechts der
folgende, ohne Korrektur seiner Orthographie mitgeteilte griechisdie Text einer aus-
führlihen auch die Künstler nennenden Datierungsinschrift: `" Ierogort äng x<ai> dva-
xamiodı d Jeïos x<ai> névoentos vads tod tiuiov x<ai> iworrowod or<av>opod dia
Eiödov x<ai> Bondeias tod Exlaunmgordrov abdynrrds Acovrravrıavod x<ai> da
ovvdopouns xè x6rrov Tod navoowrdrov Zu iepouovayois x<ai>apxıuavdgirov xveiov
Nixigögov x<al> did geroòs x<ai > érionifus twv tehectdtwv Ev iegouovaxois Movai
x<ai> Toiyogiov Neoqélov x<ai>Teoacipov Mira ispodiaxbvov. Eres dnd Y<owro>d
axud ui “Iavovagiw ca’ („Ausgemalt und erneuert wurde der göttliche und hoch-
ehrwürdige Tempel des verehrungswerten und lebendigmachenden Kreuzes auf Kosten
und mit Hilfe des erlauchten Selbstherrschers Leontantian und unter Mitwirkung des
hochwürdigsten Mönches und Abtes Herrn Nikephoros durch Hand und Fertigkeit
der allerletzten Mönche Moses und Gregorios Neophylos und Gerasimos Menas, eines
Diakons. 11. Januar 1644 n. Chr.“). Unser Gemäldeschmuck geht zunächst also nur
bis ins XVII. Jahrhundert zurück und wurde von der Ostseite des Querschiffs an in der
vernältnismäßig sehr kurzen Zeit vom 10. August 1643 bis zum 11. Januar 1644
vollendet. Ja unverkennbar sind einzelne Teile des Erhaltenen in ihrer gegenwärtigen
Gestalt sogar noch jünger. Die Apostelfürsten, die Heimsuchung, die Versuchung und
der Prophet Sophonias sind stilistisch moderner und in ihrer technischen Ausführung
erheblich minderwertiger als das übrige. Beim Christus-Pantokrator sind die Spuren
einer ganz unfähigen Übermalung deutli zu erkennen, die u. a. anscheinend das
geschlossene Buch in seiner Linken an die Stelle eines geöffneten setzte. Anderwärts
wieder — an den Pfeilerwänden B4, C3, D1 und D4 — verraten den Eingriff einer
jüngeren Hand wenigstens die Beischriften die in klaren griechischen Druckmajuskeln
Grabe und in der Geburtsbasilika in Bethlehem, deren Mosaiken auf Kosten des Kaisers Manuel
Komnenos (1143—1180) neu ausgeführt wurden.
Baumstark. Die Wandgemälde in der Kirche des Kreuzesklosters bei Jerusalem 783
über ältere iberishe oder über schnörkelhafte stilisierte griechische Schriftzüge auf-
gemalt sind, wie sie die Masse der Beischriften übereinstimmend mit den beiden
Datierungen aufweisen.
Umgekehrt behauptet aber nicht nur die mündliche Ortstradition, daß die in der
Tat stilistisch und technisch besonders gute Magieranbetung älter sei als das Werk der
monchischen Maler der Jahre 1643 und 1644. Wir dürfen vielmehr ganz allgemein
annehmen, daß diese gegenständlich überhaupt nichts neues schufen, sondern daß schon
ihr Werk, wie es ja auch die Inschrift vom 11. Januar .1644 in ihren ersten Worten
klar andeutet, lediglich dasjenige einer allerdings stilistisch gewiß neue Werte erzeugen-
den Restauration präexistenter Darstellungen desselben Inhalts war. Der römische Blut-
zeuge Sebastianus hat im Orient niemals eine solche Verehrung genossen, daß ein
echter Orientale daran hätte denken können, seinem Martyrium ein Votivbild zu
widmen, das seinen frommen Stifter als Zeugen desselben einführt. Dieses Sujet kann
in die Bilderwelt der Kreuzklosterkirdie nur im Zeitalter der Kreuzfahrerherrschaft
gekommen sein, die sich durch ganz genau entsprechende Malereien auch an den
Säulenschäften der Geburts-Basilika in Bethlehem verewigt hat!) | Und als Ganzes
kann wieder ein Werk der Franken das, was die Moses, Gregorios und Gerasimos
von Grund aus erneuerten, wegen des doch wesenhaft orientalischen Charakters nicht
gewesen sein, den die Bilder in ihrer Gesamtheit gegenständlich und ikonographisch
zeigen. So sehen wir ahnend von den heutigen, bestenfalles abgesehen von der
Magieranbetung ein starkes Vierteljahrtausend alten Gemälderesten über mannigfache
Erneuerung und Umgestaltung des ältesten Bilderschatzes hinweg, wenn wir dessen
Entstehungszeit suchen, ahnend bis hart an das erste christliche Jahrtausend hinauf,
und mögen sie näherhin in die Mitte des XI. Jahrhunderts verlegen, in welcher ein
damals vorgenommener Neubau von Kloster und Kirche der letzteren auch ihren
heutigen GrundriB gegeben haben dürfte. Den Nachhall vorfrinkischer Kirchenmalerei
Palästinas, ein Stück der in ihrer Bedeutung uns immer klarer werdenden christlich-
syrischen Kunsttradition haben wir im Dêr el-Musallabe zu erkennen, wo sich in den
Trümmern seiner Wandgemälde Züge finden, die, ohne einer Abhängigkeit vom
Abendlande verdächtig zu sein, vom Typus der auf dem Athos herrschenden
abweichen.
An diesem Punkte wird eine sorgfältige und ins Detail gehende Vergleichung
des hier erstmals näher bekannt gemachten Materials mit den Vorschriften des Maler-
buches und den wirklichen Fresken der Athosklöster einzusetzen haben. Ich kann eine
sole im Augenblick und an dieser Stelle nicht durchführen. Wohl aber mag schon
hier der Finger wenigstens im allgemeinen auf eine Reihe bedeutungsvoller Unter-
schiede gelegt werden, welche sie ins klarste Licht stellen wird. Die räumliche Ver-
teilung der verschiedenen Darstellungen in der palästinensischen Kirche ist eine andere
als die auf dem „heiligen Berge“ kanonisch gewordene. Die Illustrationen der Bibel-
stellen Ps. 48 (49) 13 (= 21), Prov. 9, 1f. und Weish. 3, 1 sind nach Maßgabe des
Malerbuches dort unbekannt, und auch zu der Darstellung des schlafenden „Lammes
1) Vgl. Rëm, Quartalschr. 1906, S. 158 f.
BE TE abeng
784 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Gottes“ findet sidi nur eine recht entfernte Parallele‘) Das die Gottesmutter ver-
herrlihende Allerheiligenbild ist auf dem Athos der Kreuzklosterkirche gegenüber
entwicklungsgeschichtlich jünger, weil ungleich weiter und reicher im Detail aus-
gestaltet. Der Typus der nämlichen als Einzelfiguren eingeführten Heiligen ist hier
und dort vielfach ein sehr verschiedener, der im Versuchungsbild wiedergegebene
Moment ein anderer. In den Szenen des Abrahamsopfers, der Geburt des Täufers
und der Magieranbetung fehlen vor den Toren Jerusalems Details, welche das Maler-
buch fordert,?) während sich ein auf dem Athos unerhörtes hier in derjenigen der
Himmelfahrt des Elias findet, ein höchst merkwürdiges zugleich: ein zweiter neben
Elisäus stehender Zeuge der wundersamen Entrückung d. h. schwerlich etwas anderes
als der nicht mehr verstandene Jordan, weldien seit einem römischen Katakomben-
fresko in Santa Domitilla (Wilpert, Taf. 230, 2)*) die frühchristlihe Kunst mehrfach
in diese Darstellung eingeführt hat. Man sieht: es besteht ein Gegensatz eigentlich
auf der ganzen Linie, der den palästinensischen Fresken in unseren Augen einen fast
unschätzbaren Wert verleihen sollte, und es muß als ein recht handgreiflidier Beleg
dafür erscheinen, was die Kunstwissenschaft auf dem Boden der Terra Sancta nom
alles nachzuholen hat, wenn sie bisher unbeachtet bleiben konnten.
1) Das schlafende Jesuskind, das von der Muttergottes ehrfurchtsvoll betrachtet und von
Engeln (ohne Passionswerkzeuge!) bewacht wird, soll nach IV, § 523 (Ausgabe von Konstantinides,
S. 252) über der Kirchentüre dargestellt werden. Über die wirklichen Fresken dieser Art vgl.
Strzygowski a. a. O. S. 44.
3) Berg und Diener Abrahams an dessen FuB; der schreibende Zacharias; das Haus und
das Gefolge der Magier. Vgl. II, 2; III, 34; II, 20 (§ 36; 427; 166; Ausgabe von Konstantinides,
S. 64; 211; 112f.).
#) Der von Wilpert, Textband S. 418, Anmk. 6, geäußerten Anschauung, daß gerade in
dem zitierten Fresko von Santa Domitilla nicht der Jordan, sondern ein unbekannter beliebiger
Zuschauer dargestellt sein wolle, vermag ich mich nicht anzuschließen.
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Abb. 1. MASACCIO: Martyrium Petri und Enthauptung des Täufers
Berlin, Kaiser Friedrih- Museum O
Andrea di Giusto und das dritte Predellenstiick
vom pisanischen Altarwerk des Masaccio
Von Detlev Freiherrn von Hadeln
Im Jahre 1880 erwarb die Berliner Gemäldegalerie vom Marchese Gino Capponi
in Florenz zwei Teile der ehemaligen Predella eines Altarwerks, das Masaccio fir
S. Maria del Carmine zu Pisa geliefert hatte. Neuere Urkundenforschung’) hat er-
geben, daB dies von Vasari beschriebene Werk im Auftrage des Notars Giuliano di
Colino degli Scarsi im Jahre 1426 hergestellt wurde, also in die letzte Schaffenszeit
des 1428 gestorbenen Meisters gehört.
Das eine der beiden Berliner Täfelchen zeigt die „Anbetung der Könige“; sie
nahm nach Vasaris*) Angaben die Mitte der Predella ein. Eingeschlossen wurde die
„Anbetung“ durch Darstellungen von Szenen aus der Legende des Heiligen Petrus,
Johannes des Täufers, Julianus und Nikolaus, der Heiligen, die im Hauptbilde der
thronenden Madonna zur Seite standen. So ist auf dem zweiten Berliner Stück das
Martyrium Petri und die Enthauptung des Täufers dargestellt; beide Vorgänge durch
einen vertikalen, goldenen Streifen von einander getrennt.
Das dritte Predellenstück, das also Episoden aus dem Leben des Heiligen Julianus
und Nikolaus enthalten mußte, war bis vor kurzem nicht nachweisbar. Ein merk-
würdiger Zufall führte es heuer in die Nähe der beiden anderen Teile. — Die Freude
über die Entdeckung war aber keine ganz reine: das dritte Stück ist nicht von Masaccio
ausgeführt, es ist nur Werkstattsarbeit. — Dieser Qualitätsunterschied mag erklären,
daß die drei Stücke seinerzeit nicht beieinander geblieben sind, daß nur die beiden
vornehmeren Meisterarbeiten ihren Liebhaber gefunden haben, das bescheidenere Ge-
hilfenwerk losgerissen in unbekannte Hände kam.
1) L. Tanfani Centofanti, Donatello in Pisa, und Not. d’artisti tratte da documenti pisani,
p. 177 s. — G. Poggi, Miscellanea d’Arte I. p. 182 ss.
2 Vasari, ed. Mil. II. p. 292.
786 | Monatshefte für Kunstwissenschaft
Damit in Anbetracht der geringeren Qualität des neu aufgefundenen Stückes
keine Zweifel über seine Zugehörigkeit zu den beiden eigenhändigen Masaccio-Werken
aufkomme, sei folgendes bemerkt: Die drei Predellenstücke haben das gleiche Pappel-
holz als Malgrund, sie messen unterschiedslos 62 cm in der Breite, 22 cm in der
Höhe. Die drei Stücke sind als eine koloristische Einheit komponiert. Die führende
Farbe, Zinnober, ist in rhythmisch angeordneten Flecken über die drei Bilder verteilt.
Der goldene vertikale Streifen, der das Petrusmartyrium von der Enthauptung des
Täufers scheidet, trennt auch die Julianushistorie von der Nikolausdarstellung. SchlieB-
lich entsprechen, wie schon gesagt, diese Legendenscenen Vasaris Angaben. Die Summe
dieser Indizien erlaubt die Zugehörigkeitserklärung.
Da die Julianuslegende nicht allgemein bekannt ist, mag eine kurze Wiedergabe
am Platze sein. Die Legenda aurea’) weiß von fünf Juliani zu berichten. Von vier
heiligen und als fünftem von „Julianus, non quidem sanctus sed sceleratissimus, scilicet
Julianus apostata“. Der uns interessierende ist der von Jacobus a Voragine an vierter
Stelle aufgeführte. Fatalistish ist seine Geschichte: Der Jüngling jagt einen Hirsch.
Plötzlich wendet sih das Tier zum Jäger und spricht: „Du verfolgst mich, du, der
Vater und Mutter morden wirst!“ Julianus erschrickt und, damit sich die Worte des
Hirsches nicht erfüllen können, beschließt er, die Heimat heimlich zu verlassen. Er zieht
in die- Ferne, findet Dienst bei einem Fürsten und zeigt sich so tüchtig, daß ihn der
Fürst mit einer Gemahlin und einem Schlosse belohnt. — Das Fatum erfüllt sidı den-
noch. Die Eltern hatten sich aufgemacht, den verschollenen Sohn zu suchen. Eines
Abends, als Julianus zufällig abwesend ist, erreichen sie das Schloß. Seine Gattin
empfängt die Schwiegereltern und räumt ihnen für die Nacht das Ehebett ein, um selbst
mit einem bescheidenen Lager vorlieb zu nehmen. — Am anderen Morgen, die Gattin
war gerade zur Messe gegangen, die Eltern schlafen noch, kehrt Julianus heim und
erblickt das im Ehebett schlummernde Paar. Er zieht das Schwert, und im Glauben,
die ungetreue Frau und den Ehebrecher zu strafen, tötet er Vater und Mutter. — Als
Julianus dann das Haus verläßt, kommt ihm die von der Kirche heimkehrende Gattin
entgegen. Der furchtbare Irrtum klärt sich auf. Die Worte des Hirsches sind erfüllt.
— Julianus, von seiner Frau begleitet, verläßt das SchloB und widmet sich, um seine
Schuld zu büßen, ganz der Wohltätigkeit.
Merkwürdigerweise ist der unheiligste Moment der Legende zur Darstellung auf
unserem Predellenstück gewählt: der Elternmord. — Aber auch andere Italiener haben
gerade diesen Augenblick als den wichtigsten gewählt.?) Er mag das auch sein, alles
andere in dieser absonderlichen Historie ist jenem Momente als Vorbereitung oder als
Folge untergeordnet. — Der Mordszene ist dann rechts im Hintergrund der Augenblick
beigesellt, der dem Heiligen die schreckliche Aufklärung bringt.
Die andere Hälfte des Predellenstückes enthält die bekannte Episode der
1) Jacobi a Voragine Legenda aurea. Ed. Th. Graesse. p. 140 ss.
2) Z. B. Venez. Holzschnitt des XV. Jahrhunderts. Ravenna. Bibl. Class. Abb. Ricci. Racc.
art. di Ravenna. p. 115. — Trient besitzt in der Kathedrale einen Freskenzyklus von mehreren
Szenen der Julianuslegende, oberital. XIV. Jahrh.
Detlev v. Hadeln. Andrea di Giusto und das dritte Predellenstück 787
Abb. 2. ANDREA DI GIUSTO: Szenen aus den Legenden des Hl. Julianus und des HI. Nikolaus
Privatbesifz D
Nikolauslegende: Der jugendliche Heilige beschenkt drei mitgiftlose Mädchen mit
goldenen Kugeln.
Die von Tanfani Centofanti (l. c.) veröffentlichten Dokumente setzen uns nun in
den Stand, den Maler des dritten Predellenstückes namhaft zu machen. Es ist wohl
siher Andrea di Giusto da Firenze, der laut Urkunde vom 24. Dezember 1426 (die-
jenige vom 18. Dezember 1426 ist wohl auch auf ihn zu beziehen) Masaccio in Pisa
bei der Herstellung des Altarbildes unterstützte und am genannten Tage eine Zahlung
von 8 Lire 5 soldi erhielt.
Andrea di Giusto muß längere Zeit unter Masaccio gearbeitet haben. Denn in
der bekannten Denunzia dei beni di Tomaso di S. Giovanni detto Masaccio e di
Giovanni suo fratello agli Uffiziali del Catasto vom Jahre 1427 heißt es: „Siamo
debitori d’andre di'giusto il quale stette cho meco tomaso sopradetto, di suo salario
fior. 6.7) Der Tag der Denunzia steht leider nicht fest. (Diejenigen Ghibertis, Tom-
masos Finiguerra und Brunellescos wurden im Juli abgegeben.) Auch stand offenbar
an jenem Tage Andrea di Giusto nicht mehr in Masaccios Diensten (il quale stette
cho meco). Aber die Höhe der geschuldeten Lohnsumme weist — zumal Andrge”ja
auch in Pisa Zahlung erhalten hatte — darauf hin, daB er nicht ganz kurze Zeit in
Masaccios Atelier tätig gewesen ist.
Sonst wissen wir wenig von Andrea di Giusto. Im Jahre 1436 malte er ein
Altarbild für S. Lucia de’ Magnoli zum Preis von 60 Fiorini.2) Am 2. September 1450
ist er gestorben.*) Sein Sohn Giusto di Andrea (geb. 1440) trat im Jahre 1458 in die
Werkstatt des Neri di Bicci ein; später malte er mit Benozzo in S. Gimignano und
Certaldo.') Mit welchen Gründen man Andrea di Giusto mit Andrea da Firenze, von
dem ein 1437 datiertes Altarbild im Depôt der Uffizien (früher in Cortona) existiert,
hat identifizieren können, weiß ich nicht.) |
—
1) Gaye, Carteggio I p. 116.
1) Gaye, I p. 211.
3) Milanesi bei Vas. III p. 55.
4) Milanesi bei Vas. II p. 87 und III 54. Gaye L 212 f.
5) Milanesi bei Vasari und ihm folgend Sirén, L'Arte VII 342 ff.
788 | Monatshefte für Kunstwissenschaft `
Mir scheint, daß wir bisher nichts kannten, was als Arbeit des Andrea di Giusto
hätte angesehen werden dürfen. Poggi (l. c.) war nicht ganz abgeneigt, ihm den
Paulus des Museo Civico zu
Pisa zuzuschreiben. Doch da
die Zugehörigkeit dieserFigur
zum Carmine-Altarwerk hy-
pothetisch war,!) hatte jene
Attribution keinen festen Halt.
Anders mit unserem Pre-
dellenstück, das zweifellos zu
Masaccios Altaraufsatz ge-
hört, aber andererseits für
den Meister nicht bedeutend
genug ist, also mit gutem
Recht Andrea di Giusto ge-
geben werden darf, dessen
Mitarbeiterschaft ja urkund-
lich beglaubigt ist.
Nachdem nun mit die-
sem Stücke Andrea di Giusto
eine greifbare Gestalt ge-
worden ist, glaube idı, daß
tatsächlich ihm auch der Pau-
lus in Pisa zu geben ist. Er
steht in ganz gleichem Ver-
hältnis zu Masaccios Figuren
(zu denen der Brancacci-
kapelle), wie das geringere
Predellenstück zu den beiden
Meisterarbeiten.Damit wädhst
die Wahrscheinlichkeit, daß
der Paulus, wie sein qualitativ
höher stehendes — d.h. von
Masaccio selbst ausgeführtes
— Gegenstück, der heilige
Andreas beim Grafen Lanc-
Abb. A ANDREA DI GIUSTO: HL Paulus koronski in Wien, Teile des
D ARREO CINICO a Carmine-Altarwerkssind.(Bei-
de: Höhe 51, Breite 30 cm.)
Diese beiden Heiligen müßten, wie bereits Suida*) angenommen hat, mit zwei
weiteren Kniestiicken in einer zweiten Reihe, über den vier eingangs genannten
a Die Hypothese war bereits von Scimarsow, Masaccio-Studien II, p. 78, aufgestellt worden.
2) Suida, L’Arte, 1906. p. 125.
Detlev v. Hadeln. Andrea di Giusto und das dritte Predellenstiick 789
Heiligen gestanden haben. Vasari nennt sie nicht namentlich. Er sagt nur: „E sopra,
per finimento di detta tavola sono in più quadri molti Santi intorno a un Crucifisso.“
Vier Heilige sind ja nun nicht molti. Aber Vasari ist, wie bekannt, bei solchen An-
gaben nicht von ängstlicher Vorsicht. — In der ersten Ausgabe?!) hatte er nur von der
„tavola con infinito numero di figure piccole et grandi“ gesprochen, ohne eine der
Figuren — nicht einmal die im Mittelstück thronende Madonna — zu nennen. Viel-
leicht dachte er bei den „molti santi“ auch an jene Figürchen, wie sie häufig in die
Pilaster der gotischen Polyptychen eingelassen sind. — Vier derartige „Figure piccole“,
Masaccio gehörig und den beiden eigenhändigen Predellenteilen stilistisch so nahe-
stehend, daß man sie bereits mit dem Pisaner Altar in Zusammenhang gebracht hat,
besitzt ebenfalls das Kaiser-Friedrih-Museum. (Früher bei Charles Butler.) — Das
Mittelstück der oberen Reihe, die Kreuzigung, hat Suida (l. c.) mit einem Bilde des
Museo Nazionale zu Neapel zu identifizieren versucht (Höhe 85, Breite 63 cm). Ich
habe das Bild vor Jahren gesehen, aber heute keine genügend klare Vorstellung von
ihm, um eine Meinung abgeben zu können. —
Nodi weniger kann ich das über die mir unbekannte Madonna, die Berenson
(Rassegna d’Arte, 1908, Maggio) für das Mittelstück des Pisaner Altars hält. Der Ab-
bildung nach hat es den Anschein, daß die Madonna Masaccio nahe steht. Auch
die musizierenden Engel zu den Füßen der Madonna, die Vasari erwähnt, fehlen nicht.
(Sie kommen in der florentinischen Malerei jener Zeit selten vor) Die Maße (Höhe
117, Breite 74 cm) widersprechen nicht; sie haben aber auch nicht die Beweiskraft,
die ihnen Berenson geben möchte.
Hoffen wir, daß sich noch etwas von den Seitenfiguren der Madonna wieder-
findet. Dann erst wird man mit Sicherheit über die Zusammengehörigkeit der ver-
sprengten Stücke entscheiden können. —
1) Firenze, 1550. I p. 285.
oye
Studien und Forschungen
MICHELANGELOS
~ GIGANTENSCHLACHT.
Von Karl Borinski.
K. Frey hat (zu Tafel 65 seiner Ausgabe der
Handzeichnungen Michelangelos, 7./8. Lieferung)
meinen methodischen Bedeutungsnaciweis der
Tondo-Rötelskizze in den Uffizien durch einen
bloBen Machtspruch ablehnen zu können ge-
glaubt: Ich habe „die Rötelskizze falsch analy-
siert und das sei der Hauptgrund gegen meine
Deutung“. Da man es hier nun aber zunächst
mit gar keiner subjektiven Deutung, sondern
einer notwendigen Einreihung in einen ge-
sicherten Zusammenhang von Motiven (den
plastischen Kunstwerken des sommo artefice im
Purgatorio) zu tun hat, so sei es uns erlaubt,
hier auch das Selbstverständliche, bei kritischen
Fachgenossen in der Beurteilung der Sachlage
Vorauszusetzende zur Aussprache zu bringen.
Zunächst die Form der Skizze: das Tondo!
Was in aller Welt konnte den Zeichner be-
wegen, seine Skizze durch die beiden parallelen
Kreise einzurahmen, wenn nicht die Rücksicht
auf die durch den Doppelkreisrahmen sofort
kenntlichen Medaillons der sixtinischen Decke?
Die Erhöhung der Schlange, auf die Frey mit
dem kleinlauten Eingeständnis: „faute de mieux“
mit einem Male wieder zurückgreift, nachdem
er früher die doci weit mehr dazu in Be-
ziehung stehende Oxforder Rötelskizze schon
von ihr abtrennen wollte? Gibt es Entgegen-
gesetzteres als die Form des oben nach beiden
Seiten breit ausladenden, unten zusammen-
gedrängten Zwickelbildes, des auf den Kopf
gestellten Dreiecks und diese strenge Kreisform ?
Und dem Zeichner muB es doch darauf speziell
angekommen sein, seine Komposition gerade
dieser Form anzupassen, die in seinem gesamten
Oeuvre nur im Hinblick auf die Medaillons zu
begreifen bleibt. Auch ohne den gravierenden
Doppelkreisrahmen!
Aber „ziehen wir sie doch einmal jeder an-
deren vor“, wie Frey will, „die nicht befriedi-
gende Deutung der ehernen Schlange“ „bei
diesem flüchtigen, aber geistreichen, einen Ge-
dankenblitz gleichsam skizzierenden Entwurf“.
Wir wollen sehen, ob wir nicht dann gerade
»Willkfirlich mit den historischen, künstlerischen
und persönlichen Faktoren schalten“, wie uns
Frey jetzt vorwirft. DaB die Form der Skizze
alsdann die reine Willkür darstellte, wird man
zugegeben haben. Nun der Inhalt! Alles
deutlich Erkennbare darin steht in Beziehung
zu dem Vermummten oder Behelmten rechts oben,
der sieghaft gebieterisch die beiden Arme ins
Bild hineinstrekt. Er nun müßte nach Freys
„nicht befriedigender* Deutung der Aufrichter
der Schlange sein. Einen solchen kennt aber
weder Michelangelos ausgeführtes Zwickelbild
an der Decke, noch die doch mindestens in der
unteren Partie zu ihm in Beziehung stehende
(vergl. mein Buch S. 229) Oxforder Rôtelzeich-
nung, noch irgend eine direkte Studie dafür.
Wozu trägt der Aufrichter der Schlange — nadı
der Bibel (4. Mos. 21, 9) Moses selbst — einen
Helm und platzt (mit flatterndem Mantel? aus der
Wolke?) so jäh in das Bild hinein, daB er alles
andere vorhaben könnte, nur nicht die Fest-
setzung eines Heilssymbols zur Friedung krank-
haften Aufruhrs? Hier geht im Gegenteil aller
Aufruhr auf ihn zurück. Nicht bloB der gerade
unter ihm Hingestreckte, der so drastisch das
„giacer ... grave alla terra“ des Danteschen
Briareus in der Gigantenschlacht zum Ausdruck
bringt: nein! auch seine Umgebung steht durch-
wegs in Beziehung zu ihm. Und zwar in der
denkbar gegensätzlidisten zum Heile der
Schlangenerhöhung! Mindestens dreimal be-
gegnet das Motiv des Die-Hand-vors-Gesicht-
Haltens: bei der aus der Mitte in den Vorder-
grund stürzenden Figur über dem Kopfe des
Dahingestreckten, die das Gesidtt in beiden
Händen begräbt (wie anscheinend auch die rechts
am Rande aus dem Bilde hinausstürzende); bei
dem aufrecht Stehenden über seinem ausge-
streckten rechten Beine dicht unter dem vorgeb-
lichen Aufrichter der Schlange (er scheint inten-
tioniert in der ausgeführten Aktstudie — neben
der Tondoskizze —, bei der auch schon das
Motiv der Erhebung des rechten Armes [zur
Deckung des Gesichts] vorbereitet scheint); end-
lich bei dem Zurücktaumelnden vorn links! Also
die Aufriitung des Heils bewährt sich hier
gerade darin, daB alle sich, entsetzt und zurück-
geschleudert, die Augen vor ihm zuhalten? Nur
eine, eine einzige Figur sieht nach der vorgeb-
lichen Aufrichtung der Schlange zurük. Es ist
die hinter dem Zurücktaumelnden zu äußerst
links am Rande. Aber gerade sie ist, statt da-
durch beruhigt und geheilt zu werden, im Be-
griff, mit vorgestreckten Armen aus dem Bilde
hinaus zu flüchten!
_ Studien und Forschungen
191
Nichts also deutet hier auf das Schlangen-
wunder, alles aber auf blendende übermäch-
tige Göttererscheinung. Daß der schieBende
Gott, den ich über dem „vom himmlischen Ge-
schoß Niedergestreckten“ (fitto dal telo celestial)
in dem vorgeblichen ,Aufrichter der Schlange“
nachgewiesen zu haben glaube, nur die Ge-
berde des Bogenspanners macht (ohne sicht-
baren Bogen), hat die ausdrückliche Analogie
des ,bersaglio“ für sich. In der Reihe der
Medaillons sekundiert ihm der Saul auf Gilboa,
der auch nur die Geberde des DegenstoBes
macht. Der Künstler vermied offensichtlich, wenn
irgend angängig, die die Komposition störend
durchschneidenden Waffen bei den um so ener-
gischer dargestellten Kampfbewegungen anzu-
bringen. Oder er eliminierte und reduzierte sie
so, wie z. B. in unserer Medaillonreihe die
Waffen, mit denen die Söhne des Königs Sanherib
ihren Vater angreifen.
Noch auf etwas möchte ich nicht unterlassen
hinzuweisen, worauf mich gerade erst die fast
grob deutlihe Wiedergabe der Handzeichnung
bei Frey gebracht hat. Der linke obere Rand
der Tondoskizze ist durch allerlei Konturen aus-
gefüllt, die als bloBes Wolkengeschiebe, wofür
ih sie anfangs hielt, doch zu eigenwillig und
vor allem in diesem nur das Notwendigste fest-
haltenden zeichnerishen ,Gedankenblitz“ doch
zu vordringlich erscheinen. Betrachtet man sie
wiederholt und aufmerksam, so wird sich das
Bild eines auf dem Kriegswagen von links in
das Bild Hineinstürmenden (von hinten Ge-
sehenen, anscheinend auch Behelmten) ergeben.
Es wäre Mars, der hier seinem Bruder Apollo
auf der anderen Seite sekundierte. Auf dem
Kriegswagen wird ,Gradivus“ gerade von dem
fir Dante so bedeutungsvollen Statius (Thebais
Ill 220 ff.) dargestellt. Er kann in dieser Form
der Bewaffnung (Timbreo, Pallade e Marte
armati Purg. K., 28f.) wohl durch einen Inter-
preten Dantes dem Künstler vorgeführt worden
sein.
Denn die Stelle in Dantes Purgatorio wird
ausführlich kommentiert und das himmlische Ge-
schoB (telo celestial) von Landino nach Ovid
(Met. I, 144) auf Zeus’ Blitzstrahl gedeutet
(passato dal folgore col quale Giove dal cielo
l'havea percosso). Der das GeschoB nach unten
entsendende Gott wäre danach nicht Apollo,
sondern Zeus, das Attribut an seiner Rechten,
das ich als zeichnerische Vorführung der los-
schnellenden Hand zu erklären suchte, einfach
das herkömmliche Blitzbündel, dem die linke
Hand nach unten die Richtung vorschreibt. Also
genau wie auf dem Malcolm-Blatt des Biit.
Museums und dem zu Windsor vom Phaeton-
Sturz, „quando fu Giove arcanamente giusto“.
Da Zeus (Giove) zum Unterschied von „den
Göttern“ für Dante-Michelangelo Gott an sich
bedeutet, so wäre damit auch seine ausschließ-
liche Hervorhebung in dem vorläufigen „Blitz-
gedankenentwurf* hinlänglich erklärt. Auch die
Vermummung des in der Donrerwolke geheim
(arcanamente) richtenden Gottes durch eine Art
Tarnhelm!
o DIE PHOTOGRAPHIE 0
ENTDECKERIN KUNSTWISSEN-
0 SCHAFTLICHER WERTE o
Drei Beispiele können zeigen wie mittelst
der Photographie audi von ferne her Er-
forshungen erfolgreich ausführbar und Auf-
schlüsse zu erlangen sind, die sonst am Ort
nur mit größter Aufmerksamkeit undbei günstigen
Lichtverhältnissen möglich wären.
Die erste Photographie eines der
Igundi Michelangelos im Deckenge-
mälde der Capella Sixtina kaufte ich in
Rom 1890. Die jetzt von Braun & Co. in Dornach
käuflihen Photographien sind unbrauchbar für
Erforschungen der Technik des Gemäldes weil
sie retouchiert sind. Auf eine Anfrage in Dornach,
ob auch unberührte Platten kopiert wurden,
schrieb die Firma daß sie die Beaderung der
Risse habe fortmalen lassen!
Mit Hilfe der Photographie läßt sich die Zahl
der Tagewerke, die Michelangelo für die Decke
brauchte, annähernd berechnen — auch der kluge
Aufbau und die vortrefflihe Rücksichtnahme auf
die schwierige Freskotechnik durch Feststellung
der Linienführung für die Ansätze des nächsten
Tagewerkes nachweisen. Man könnte sogar
die Grenzen, gewissermaßen die Nähte des
ganzen Teppiches der einzelnen Tagewerke
bestimmen, eine Arbeit die ich beabsichtige.
Steinmann bringt in seinem groBen Werke von
der Sixtinischen Kapelle über die Tagewerke und
ihre Grenzen bei einigen Figuren Abbildungen
und Angaben — er dürfte durch den Restaurator
Prof. Seitz auf diese Erscheinungen hingelenkt
worden sein, indem er auf dem Gerüst aus
nächster Nähe die Wände studieren und befühlen
konnte.
In unserem Bilde läuft die Linie des einge-
putzten Tagewerkes für den Kopf entlang den
Schlüsselbeinen (kluger organischer Sdinitt im
Akt) dann um die Locken, hierauf senkrecht ab-
weichend in die Höhe, sodann dicht über den
52
792
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Igundo über der Sibylla Delphica aus Michelangelos Deckenfresko in der
Capella Sixtina
O
| Oo (Zu ,Die Photographie als Entdeckerin kunstwissenschaftliher Werte“.)
Locken horizontal bis zum hellen Gurte der
Architektenmalerei, hier senkrecht herab und
etwa in der Höhe des Bicepsanfanges in einer
flachen S-Linie hinauf zur Schulterhöhe.
Die zweite Photographie ein Stück aus
Raffaels „Schule von Athen“, offenbart uns,
daß der Künstler in den noch feuchten Putz die
Zeichnung durch den Karton oder eine Karton-
pause mit einem spitzen harten Werkzeug ein-
drückte. An anderen Gegenden, wo Caravaggio
monochrom malte, fand ich im Jahre 1900 mit
schwarzer Farbe oder.Kohlenstaub aufgepuderte
Punkte derKonture der.durchstochenen Zeichnung
— ein Verfahren, das heute noch jeder De-
korationsmaler ausübt. :
Das Seitenlicht bringt die kleinen einge-
drückten Gräben in der Photographie vollendet
zum Ausdruck. Daß diese nur zur Aufzeichnung
dienten, beweist, daß sie nachher beim Malen
teils wieder verlassen wurden und überflüssig
stehen blieben.
Die dritte Photographie von den Kopfe
Julius II. aus dem Fresko von der „Messe von
Bolsena“ verrät uns zwei Porträts von Julius
in demselben Bilde. Das eine zeigt den kriege-
rischen Papst bartlos und mit kurzem Haupthaar,
das andere übermalte zeigt ihn langbärtig mit
längeren Haupthaar. Man beachte die Risse um
den Hinterkopf, um Hals, Kinn und Lippen. Das
erste malte Raphael vermutlich kurz nach dem
ersten Zug des Papstes gegen Perugia und
Bologna 1506, das andere später.
Steinmann sagt S.176: Jedenfalls hatte Michel-
angelo im Dezember 1510 (vermutlich in Bologna),
die Überraschung, den kaum vom heftigen Fieber
genesenen Pontifex mit einem langen weißen
Barte wiederzufinden.
Im September 1510 war der Papst wieder in
Bologna und griff Ferrara an. Sein Einzug in
Rom war am 27. Juni 1511.
S. 179 sagt Steinmann: „Julius II. ließ sich
von Raphael in der Stanza della Segnatura
(muB aber richtig heißen: d’Eliodoro) malen“.
Raphael scheint ihn ohne Bart nicht fertig
gehabt zu haben, als der Papt plötzlih den
Krieg beschloB und abreiste. Nach dem Kriege
hat er die Sitzungen wieder aufgenommen und
sich in seiner neuen Haartracht fertig malen
lassen.
Herm. Grimm („Leben Michelangelos“) sagt
S. 395 „Am Vorabend des Fronleicinamfestes
1511 war der Papst in Rom wieder ange-
kommen usw. und weiter „Damals malte Raphael
die Messe von Bolsena usw“. Max Seeliger.
S
. Studien und Forschungen
ia
H A 203
Die beiden vorderen Figuren aus der Hörergruppe zur Rechten von Plato und Aristoteles
aus Raffaels „Schule von Athen“ D O
O (Zu „Die Photographie als Entdeckerin kunstwissenschafllidier Werte".)
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194 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Kopf Julius IJ. aus dem Fresko Raffaels „Die Messe von Bolsena“
(Zu „Die Photographie als Entdeckerin kunstwissenschaftliher Werte“.) o
Studien und Forschungen 795
Weise zu beantworten, daB er einen
gewissen stilistishen Zusammenhang
einiger donatellesker Werkein Florenz,
Padua usw. nachweist und dafür mit
der Methode des Ausschlusses unseren
Künstler festlegt. Führt eine umsichtige
und von so viel Beachtung und Er-
fahrung getragene Stilkritik, wie sie
Fabriczy besitzt, auch oft zum gewünsch-
ten Ziel, so liegt doch im Wesen des
Beweises durch Ausschluß eine zu große
Gefahr und Unsicherheit, als daB wir
uns ihm mit Vertrauen hingeben dürften.
So ist es auch in diesem Falle sehr
wohl möglich, daß die von v. Fabriczy
stilistisch zusammengebrachten Werke
tatsächlich einem und demselben Dona-
telloschüler gehören, der aber keines-
wegs Anton Michellino zu sein braucht.
Ich glaube auf festerem Boden zu wan-
deln, wenn ich davon ausgehe, daB sich
am Neapler Triumphbogen unverkenn-
bar donatelleske Arbeit findet, die unter
sich übereinstimmt und für die urkund-
lich nur zwei Donatelloschüler in Betracht
kommen können: Andreas von Aquila
und Anton Michellino von Pisa. Es ist
einleuchtend, daß mit dem Nachweis der
Hauptarbeiten des Einen mit dem Reste
auch die des Anderen bestimmt sind.
Nun wird aber als Schüler Donatellos in
Padua von Beiden nur Anton Michellino
erwähnt. Ist daher eine stilkritische.
Übereinstimmung zwischen donatelles-
ken Arbeiten am Triumphbogen inNeapel
ea ioni tr Zi _ e oa Ma n eg Z——— —
Abb. 1. NEAPEL, Wappenhalter vom Triumphbogen
Alfons I.
ANTON MICHELLINO VON PISA.
Von Wilhelm Rolfs.
Unter den italienischen Meistern zweiten
Ranges, die als Schüler und Werkstattgenossen
der großen Quattroceutisten wichtig sind, treten
allmählich einige deutlicher aus dem Dunkel her-
vor, in dem sie vor dem blendenden Licht jener
bisher verborgen waren. Einer der Schüler
Donatellos, der urkundlich mit ihm in Padua ar-
beitete, von AlfonsI zur Arbeit an dem Neapler
Triumphbogen berufen wurde und von Filarete
neben Isaias von Pisa erwähnt wird, war An-
ton Michellino von Pisa'). Die Frage ist
hier: Was hat er an den erwähnten Stätten ge- PAK E a S ` SU
schaffen? SR 1 Seis, 27 TNA
Von Fabriczy?) sucht diese Frage in der = a ©
| 4 Rolfs, Franz L . Berlin. 1907. S. 201ff. geet | ein
) Repertorium f. Kstwscht. 1906 3 ff. Abb. 2. PADUA, Santo. Johannesadler
*) Repertorium f. Kstwschft. 1906. S. 380
796
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
mit anderen in Padua überzeugend nachweisbar,
so ist dem Schlusse nicht zu entgehen, daß der in
Frage kommende Meister niemand anders als
Anton Michellino sein kann. Damit wäre
wiederum ein Teil der Arbeiten am Triumph-
bogen festgelegt. Stimmen aber weiter diese
stilkritisch mit den von v. Fabriczy zusammen-
gestellten überein, so wäre damit schon ein
den Umständen noach stattlihes Lebenswerk
dieses Meisters beieinander. Tun sie es nicht,
so muß eben der Meister der v. Fabriczyschen
Abb. 3. NEAPEL, Triumphbogen Alfons I. Zwickelfüllung
des oberen Bogens
Arbeiten ein anderer Donatelloschiler als Anton
Michellino sein.
Was an donatellesker Art am Neapler Bogen
vorhanden ist, habe ich in der genannten Ar-
beit über Franz Laurana zusammengestellt und
soll hier nicht wiederholt werden. Dagegen
muß ich hier stärker betonen, als es dort ge-
schieht, erstens, daß auch die großen Greifen
mit dem Wappen des Königs Alfons über dem
unteren Bogen (Abb. 1) durchaus donatel-
leske Eigenart und zwar eine von der Metall-
technik auf Stein übertragene kräftige und saubere
Mache aufweisen, und daß zweitens zwischen
diesen Wappentieren mit ihren Füllhörnern und
dem schwebenden Engel mit dem Füllhorn
tragenden Putten darunter im oberen Bogen
(Abb. 3) die engste stilistishe Verwandtschaft
besteht'). Anstatt weiterer Ausführungen ver-
weise ich hier auf eine aufmerksame Prüfung
der Abbildungen.
Mit diesen prächtigen Greifen, insbesondere
mit ihrer kräftigen Art und dem herrlich stili-
sierten Gefieder der Schwingen stimmt auf ein
Haar das Evangelistenzeichen des Johannes in
Padua, der markige Adler, dessen Modellierung
freilich durch den ErzguB noch vortrefflicher
wirkt als der Marmor der Greifen
(Abb. 2); mit dem Neapler Putten die
Paduaner Tafel des die Harfe spie-
lenden Engels, dem sich dort der
die Pansflöte spieiende anschließt.
Urkundlih erhält nun unser Michel-
lino in Padua zwei Engelstafeln und
eins der Evangelistenzeichen: es kann
wohl keinem Zweifel unterliegen, daß
wir im Johannesadler und den ge-
nannten zwei Tafeln diese beurkun-
deten Werke haben.
Damit wäre also unseres Meisters
Werk in Padua wie in Neapel fest-
gelegt. Beiläufig ergibt sich aus dem
Umstande, daß die am unteren Bogen
befindlichen Greifen ganz ebenso wie
der linke Engel des oberen Bogen-
feldes dem Anton Michellino gehören,
daß die gesammte Ausschmückung der
Stirnseite des Bogens in die letzten
beiden Lebensjahre des Königs etwa
von 1456—1458 fällt; denn erst am
31. Januar 1458 erscheint ,Anthoni de’
Pisa“ zusammen mit der bekannten
Schar Peter von Mailand, Isaias von
‘ Pisa, Dominik Gajini, Paul von Rom
und Franz Laurana zum ersten Male
in den königlichen Recinungsbichern.
Sicherlich aber müssen diese umfang-
reichen Arbeiten schon einige Jahre früher in
Angriff genommen sein.
Wohin er von Neapel ging, steht dahin; v.
‘Fabriczy meint nach Siena, wo er die Gottes-
mutter im Rund über der Quersdhifftir des
Domes und ein Flachbild mit Gottesmutter im
Saracinihause angefertigt habe. Bringt man
nun diese und die ihm zugeschriebenen Arbeiten
mit den von uns gefundenen zusammen, so ist es
nicht ganz leicht, sie von derselben Hand zu halten.
Immerhin möchte ich die Frage offen lassen, b
eine genaue Untersuchung des gesammten Ma-
terials an Ort und Stelle eine sichere Entschei-
dung möglich macht. -
Es kommen nod ein Paar Stücke in Betracht, die
1
wir hier wegen ihrer geringen Wichtigkeit übergehen.
Studien und Forschungen 797
SPANISCHE RELIEFGEMALDE.
Man weiß, daB Spanien das Land der Estofado-
skulpturen ist, jener Holz und Steinstatuen, deren
reihe und lebhafte Bemalung beim Beschauer
den Eindruck vollkommenster Lebenswahrheit
hervorrufen soll. Neben diesen Skulpturen fin-
den sich vielfach bemalte Reliefs, die — gleich
verwandten Werken der Antike — im Hinter-
grund in reine Malerei fibergehen. Zu dieser
Kunstgattung, bei der das Hauptgewicht auf
der Plastik liegt, gesellt sich als Gegenstück eine
andere, bei der das Verhältnis von Malerei und
Plastik gerade umgekehrt ist; ihre Eigenart be-
steht darin, daB auf dem weiBgrundierten Holz-
grund nicht nur die Konturen, sondern die ge-
samte Innenzeichnung von Figuren und Orna-
menten zunächst mit schwarzer Farbe in breiten
Pinselstrichen angegeben wurde. Danach führte
man die Figuren und Ornamente in schwachem
Relief — nur wenige Millimeter hoch — in Gips
aus, gab von neuem die Innenzeichnung mit
schwarzer Farbe an und bemalte sie schließlich.
Von Kunstwerken dieser Art, die man wohl
am besten als „Reliefgemälde“ bezeichnet, be-
finden sich zwei noch aus dem 12. Jahrhundert
stammende Exemplare in Museum zu Barce-
Jona. Das eine rührt aus der Kirche von Pla-
nes her und ist leidlich erhalten. (h. 0.90, br. 1.20).
Nur dadurch, daß an mehreren Stellen der Gips
abgesprungen ist, besitzt man überhaupt dieMög-
lichkeit, die eigenartige Herstellung des „Gemäl-
des* erkennen und näher studieren zu können.
Im Mittelfeld sitzt Christus, bartlos, wie man
aus der Zeichnung sieht; die Rechte segnend
erhoben, die Linke auf ein Buch gestützt, das die
Aufschrift ego sum lux mundi trägt. Am Rand
der Mandorla liest man PPE (?) MAIESTAS DIS
EST ET SVMA POTESTAS NVLIA PICTVRA
CONCLVS SIVE FIGVRA. In den Ecken dieses
Feldes die vier Evangelistensymbole. Die übrigen
acht kleinen Felder enthalten stehende Figuren
von Heiligen, mit Krummstab in der Rechten
und Buch in derLinken. Der Rahmen, wie die
einzeinen, die Felder einsäumenden Leisten, sind
reich mit linearen Ornamenten geschmückt. Die
li = ——— "
Christus mit acht Heiligen. Romanisches Reliefgemälde
O Barcelona. Museum O
Gestalten sind schlank, die Innenzeichnung der
Gewänder eine trockene Nachahmung byzan-
tinischer Vorbilder. Unter den tieftonigen Far-
ben überwiegen braunrot und dunkelgrün.
Die andere Tafel des Museums ist sehr
schlecht erhalten. Dargestellt ist Maria als
Gottesmutter in der Mitte und in den acht übıi-
gen Feldern männliche und weibliche Heilige.
A. L. Mayer.
VON NEUEN ERWERBUNGEN DES
BERLINER
KUPFERSTICHKABINETTS.
Auf drei Blatter unter den jüngsten Ankäufen
für das Berliner Kupferstichkabinett möchte ich
mit einigen Worten hinweisen. Zumeist auf
eine Radierung von Rembrandt, eine der wich-
tigsten Erwerbungen der kurzen Ara Lehrs.
Das ist ein besonders schöner Abdruck des
heiligen Hieronymus in bergiger Landschaft,
Bartsch Nr. 104, im seltenen ersten Zustand der
Platte. In der Kunst Rembrandts findet sich der
Hieronymus häufig, auf Bildern und Zeichnungen,
von den Radierungen zeigen sechs den gelehrten
Heiligen (B. 100—105, 106 ist nicht von Rem-
brandt). Von diesen sind drei (100, 101, 102)
in den 1630er Jahren entstanden, zwei (103 und
105) in den vierziger Jahren. Die Radierung
B. 104 ist nicht datiert, aber nach allgemeinem
und richtigem Urteil in die 1650er Jahre zu ver-
weisen, sie gehört also der Zeit der letzten
Reife des Künstlers an.
Das Blatt führt seit alters den Titel: der
heilige Hieronymus in Dürers Geschmack. Wann
der ungeschickte Name aufkam, kann ich nicht
nachweisen.') Ein besserer Name wäre gewesen:
in venetianishem Geschmack. Wenn Rembrandt
bei dieser Arbeit von fremder Kunst geleitet
wurde, dann sicher nicht von deutscher, son-
dern von italienischer. F. Seymour Haden hat
sogar die Behauptung aufgestellt, der land-
schaftlihe Grund, also der wesentlichste Teil
der Komposition, sei von Rembrandt nach einer
Zeichnung Tizians aus dem Besitz von Dr.
Wellesley kopiert worden, 7 Auf der Zeichnung
fehle aber der Löwe, auch zeige sie an Stelle
des Heiligen eine liegende Venus. Diese Mit-
teilung ist seitdem in alle späteren Kataloge
ungeprüft übernommen worden. Über den Ver-
bleib der Zeichnung ehemals bei Dr. Wellesley
habe ich nichts erkunden können. Wenn, ohne
die Zeichnung gesehen zu haben, ein Rückschluß
von der Radierung auf sie gestattet ist, dann
handelt es sich um eine Zeichnung, die 1877
wohl Tizian heißen konnte, jetzt aber wahr-
scheinlih Campagnola heißen würde, Ob aber
1) Vielleicht erst durch Bartsch (1797), der in der Be-
schreibung des Blattes sagt: La composition approche
beaucoup de la manière d'Albert Durer.
2) The etched Work of Rembrandt.
pag. 45.
London 1877,
Tizian oder nur Campagnola, das wiirde dem
Vorgang, daß Rembrandt eine italienische Zeich-
nung kopiert habe, nichts von seiner Wichtigkeit
nehmen. Ich habe aber starke Zweifel, daß
Seymour Haden die Abhängigkeit der Radierung
von der Zeichnung richtig festgesetzt hat. Es
wird sicht wohl nur um eine allgemeine Über-
einstimmung handeln, die auch für andere Zeich-
nungen gilt, z. B. für die Titian genannten
Zeichnungen in den Uffizien (Alinari, Raccolta
di Disegni 284), im Louvre (Chennevieres IV,
Le Titien 8), in Chatsworth (Strong 39), für die
Zeihnung von Campagnola in Chatsworth
(Strong 59). Ob Rembrandt in den fünfziger
Jahren bei Kompositionen, in denen die handeln-
den Figuren komponierten Landschaften hero-
ischen Charakters nebensäclic eingefügt er-
scheinen, von italienischen Vorbildern bestimmt
war, soll hier nicht erörtert werden. Für
die Landschaft des Hieronymus braucht eine
spezielle Vorlage nicht angenommen zu werden,
sie ist nicht fremdartiger oder italienischer als
andere Hintergründe derselben Periode, z.B. auf
den Bildern: Ruhe auf der Flucht 1647 in Dublin
Bode 342, Susanna im Bade überrascht 1647 in
Berlin Bode 322, die Landschaft um 1650 in
Kassel Bode 343, Landschaft mit dem Tobias
um 1650 in Glasgow Bode 344, Abschied der
Hagar um 1650 Newnham Paddox Bode 334,
auf den Radierungen: Rückkehr von Ägypten
1654 B. 60, Christus am Ölberg 1657 B. 75, der
heilige Franziscus 1657 B. 107.
Middleton’) findet den Heiligen und den
Löwen um soviel besser als die Landschaft, daß
er nur diese für die eigene Arbeit Rembrandts
hält, die in eine fremde Platte nach Tilgung
einer anderen figürlichen Staffage hineinradiert
sei. Das wäre also derselbe Fall, wie bei der
Flucht nach Ägypten, in die Rembrandt die Piatte
des Herkules Seghers mit einem Tobias geändert
hat. Denselben Vorgang, die Überarbeitung
einer Segherschen Platte durdı Rembrandt, habe
ih noch für ein weiteres Blatt glaubhaft zu
machen versucht, für die Landschaft mit den drei
Bäumen. Meine Bemerkung ist aber völlig
ignoriert worden, sie wurde weder bekämpft
noch angenommen. Von ihrer Richtigkeit bin
ih auch heute noch überzeugt.
Middletons Behauptung wurde von allen
späteren abgelehnt. Das beste Beweisstück gegen
') Catalogue of the etcied work of Rembrandt, S. 228.
Rundschau
Middleton nennt aber keiner. Es existiert nämlich
(in der Hamburger Kunsthalle) die genaue eigen-
händige Studie Rembrandts zur Radierung, natür-
lih im Gegensinn, auf der bereits der Heilige
und der Löwe, der Baum, die Landschaft mit
Turm und Brücke erscheinen. Die Zeichnung ist,
obwohl längst publiziert (Lippmann III, 133,
Hofstede de Groot 345), wenig bekannt geworden.
Nur Neumann erwähnt sie beiläufig (Rembrandt
445). Mit der Hamburger Zeichnung ist nun
zweifellos erwiesen, daß schon in diesem Ent-
wurf die ganze Komposition der künftigen
Radierung, Figuren und Landschaft, festgelegt
war, also auch von Rembrandt selbst radiert
sein muß. Übrigens irrt Middleton, wenn er
zwischen Figuren und Landschaft einen Qualitäts-
unterschied zu erkennen glaubt. In den späten
Abdrücken des zweiten Zustandes, bei denen
die Grate der kalten Arbeiten geschwunden sind,
ist die einheitliche Gleichmäßigkeit aller geätzten
Linien deutlich zu erkennen.
Auf der Rückseite unseres Blattes haben
frühere Sammler ihre Besitzzeichen angebracht,
die es ermöglichen, die Schicksale des Exemplars
in den letzten 69 Jahren zu erzählen. Das Blatt
gelangte 1842 in den Besitz des eifrigen Pariser
Sammlers F.Debois. Diese Sammlung wurde in
Paris 1844 und 1845 versteigert. Der Hieronymus
kam im April 1845 unter den Hammer und
brachte 905 Frcs.!) Wer es erworben hat, ist
mir nicht bekannt. Das Blatt kam damals oder
später in die Sammlung des Herzogs von
Buccleugh, 1887 in London versteigert.?) Der
Londoner Kunsthändler Thibaudeau erstand es
für £ 124. Von ihm erwarb es Dr. August
Straeter in Aachen, der es aber zu einem nicht be-
kannten Zeitpunkt an Dr. Kallmann in Berlin
weitergab. Als die Sammlung Straeter nach dem
Tode des Besitzers 1898 in Stuttgart bei H. G.
Gutekunst zur Auktion kam, war unser Blatt
niht mehr in der Sammlung, überhaupt kein
erster Zustand des Hieronymus, nur ein zweiter,
der für 1330 Mark vom Berliner Kabinett er-
worben wurde. Der Entschluß Straeters, sich
des früheren Abdruckes bald nach der Erwerbung
wieder zu begeben, wird nadı Kenntnis dieses
Exemplars des zweiten Zustandes einigermaßen
erklärlich. Denn es ist ein vorzüglicher Abdruck
mit viel Grat, er steht dem ersten Zustand in
der Tat sehr nahe. Das unterscheidende äußere
Merkmal zwischen dem ersten und dem zweiten
') Auktionskatalog III. Teil, S. 21 Nr. 963. Ich verdanke
die Mitteilung Herrn Dr. Max Geisberg in Dresden.
* Die Angabe des Auktionskataloges bei Nr. 1856,
daß das Blatt aus der Sammlung Hawkins stamme, ist
faish, bei Hawkins (Auktion London 1850) kam nur der
zweite Zustand des Hieronymus vor, ausdriicklichh als
soiher bezeichnet, der erste nicht.
799
Zustand besteht in einer Anderung an den
Brückenpfosten, die für die künstlerishe Wir-
kung bedeutungslos ist. Sie ist vom Künstler
als zeicinerische Verbesserung hinzugefügt wor-
den und muß als solche auch anerkannt werden.
So kann man sich wohl denken, daB Straeter,
durch die glanzenden Eigenschaften eines zweiten
Zustandes verleitet, den kaum erworbenen ersten
Zustand wieder abstieß. Doch er hat falsch ge-
wählt, und für das Berliner Kupferstichkabinett
wurde glücklicherweise anders entschieden. Selbst
ein so vorzügliher Druck wie der ehemals
Straetershe wird vom ersten Zustand doch in
der Eigenschaft übertroffen, die die wesentlichste
Wirkung in Rembrandts späteren Radierungen
ausmadit, das ist die Arbeit mit der kalten
Nadel. Diese Arbeit druckt, natürlich mit be-
absichtigtem Effekt, breit und saftig nur in den
ersten Abdrücken von der Kupferplatte. Viele
der feineren Grate gingen offenbar schon nach
wenigen Drucken verloren. Gerade die Ver-
gleihung der beiden ehemals Straeterschen
Blätter, die jetzt in der Berliner Sammlung
möglich ist, ergibt, wie viel mehr an feiner
Gratarbeit der erste Zustand vor dem zweiten
aufweist. Damit gibt auch der erste Zustand
mit dem viel reicheren Druck ein wesentlich
besseres Bild der vom Künstler gewoliten
Wirkung.
Mit der Sammlung Kallmann wurde der
Hieronymus 1906 bei C. G. Boerner in Leipzig
versteigert und für 7100 Mark für das Berliner
Kupferstichkabinett erworben. Aus äußeren
Gründen konnte das Blatt erst kürzlich der
Sammlung einverleibt werden.
Auch für die Steigerung der Preise, die für
Rembrandts Radierungen gezahlt wurden, ist
die Geschichte unseres Blattes interessant. Es
wurden nach deutschem Geld berechnet für das-
selbe Exemplar des Hieronymus bezahlt
1845 724 Mark
1887 2480 Mark
1906 7100 Mark
Es wurde also nach 42 Jahren mehr als das
Dreifache des ersten Preises gezahlt und nach
weiteren 19 Jahren wiederum beinahe das Drei-
fache. 1906 wurde das Zehnfache des Preises
bezahlt, den dasselbe Blatt vor 61 Jahren ge-
kostet hatte.
Das zweite Blatt, das unter den neuen Er-
werbungen der Erwähnung wert erscheint, ist
eine unbeschriebene und bis jezt nur in dem
einen Exemplar bekannte Eisenradierung von
Daniel Hopfer. Das Blatt kam im November
1907 in Wien zur Versteigerung (Kupferstich-
sammlung aus dem Besitz des Fürsten Metter-
800
Monatshefte für Kunstwissenschaft
nich, Gillofer & Rauschburg und Wawra, Nr. 491,
eine verkleinerte Abbildung im Katalog). Es ist
ein Bildnis Christi, im Profil nach rechts ge-
wendet, eine Wiederholung des wahrhaftigen
Bildnisses Christi, der vera icon, die auf einen
geschnittenen Smaragd zurückgeht, der einst den
ostrémischen Kaisern gehörte, dann in den Be-
sitz des Großtürken gelangte und vom Sultan
Bajazid II. dem Papst Innocenz VIII. geschenkt
wurde.') Daß Nachbildungen im Abendland schon
bekannt waren, bevor die Camee nadı Rom
kam, beweist das kleine Bild des Jan van Eyck
in der Berliner Galerie, das ebenfalls die vera
icon wiedergibt. Ihre Kopien wurden vom Ende
des XV. Jahrhunderts häufig. Daniel Hopfer hat
auch hier gewiß nach fremder Vorlage gearbeitet,
nach welcher, kann ich nicht sagen, jedenfalls
aber nicht nach den beiden deutschen Holz-
schnitten des XVI. Jahrhunderts, die die vera
icon zeigen, von einem unbekannten Meister
vom Jahre 1507°) und von Burgkmair. Ich ver-
mute, daB Hopfer hier ein italienisches Urbild
kopiert hat. Da Eduard Eyssen nachgewiesen
hat,*) daß Daniel Hopfer nach Mantegna, Mon-
tagna, Rafael und Marcanton gearbeitet, ist die
Mutmaßung unbedenklich. Aber das bestimmte
Vorbild kann ich nicht nennen.
Das dritte Blatt ist ein Kupferstich des nieder-
ländischen Meisters, der seine kleinen Blättchen
mit S, SF oder auch (und das in den meisten
Fällen) gar nicht bezeichnet. Bartsch kannte nur
ein Dutzend Stiche dieses Meisters, darunter
Kopien nach Lucas van Leyden, Passavant
brachte das Verzeichnis der Werke des Meisters S
und seiner Schule auf 289 Nummern. Das Werk
ist aber umfangreicher, denn in jeder Sammlung
finden sich noch unbeschriebene Blätter, so daB
im ganzen wohl 400 Stiche aus dem Atelier des
Meisters hervorgegangen sind. Bei dem kleinen
Umfang der Stiche, der keineswegs sehr sorg-
fältigen Ausführung überragt die Summe nicht
die Arbeitsmöglichkeit eines einzelnen. Passa-
vants Erweiterung des S auf ihn und seine
Schule möchte ich ablehnen, ich erkenne zu ge-
ringe Unterschiede zwischen den bezeichneten
und unbezeichneten, zwischen den früheren und
späteren Blättern. Der Meister S ist sicher kein
hoch zu rühmender Künstler, aber gewiß eine
interessante Erscheinung. Er hat ein doppeltes
Gebiet. Einmal ist er Ornamentstecher, er sticht
Entwürfe namentlich von Monstranzen zum Ge-
brauch der Goldsmiede. Daß er selbst Gold-
schmied gewesen sei, wird daraus, wie bei allen
Ornamentstechern, gefolgert. Die zweite Gruppe
1) Bode, Zeitschrift für christliche Kunst, I 347.
d Kaemmerer, Hubert und Jan van Eyck, 97,
3) Ed. Eyssen, Daniel Hopfer, 3, 9, 41, 43.
seiner Arbeiten umfaßt kleine Blättchen mit
religiösen Darstellungen, bestimmt die teueren
Miniaturen in den Gebetbichern zu ersetzen.
Das Berliner Kupferstichkabinett besitzt ein
interessantes Exemplar eines solcien geschrie-
benen Gebetbuches mit 48 Stichen des Meisters S.
Die Stiche sind nicht eingeklebt, sondern auf
Bogen gedruckt, die Raum für die Schrift lassen.
Die Abdrücke waren also von vornherein für
die Verwendung zum Buche bestimmt. Nach
dem Dialekt der Inschriften auf Stichen des S,
und nach dem Brüsseler Wahrzeichen, dem
Manneken Pis, das einmal (Passavant 266) als
Brunnenfigur benutzt ist, wird der Meister nach
Brüssel gewiesen. Mit Brüsseler Bildern und
Skulpturen geht sein Stil gut zusammen.
Kaemmerer?) stellt ihn in die Nähe des Meisters
vom Tode der Maria. Andere haben ihn mit
Bernaert van Orley in Verbindung bringen
wollen. Durdi das neue Berliner Blatt wird nun
erwiesen, das der Meister S schon einige Jahre
vor dem Beginn der erweislichen Tätigkeit jener
beiden Maler arbeitete. Bisher war nur ein
siheres Datum vom Meister S bekannt: die
Blätter einer Apostelfolge (Passavant 200) sind
1519 und 1520 datiert. Man hätte aber merken
können, daß das ein späteres Datum im Leben
des Meisters sein müsse. Denn die meisten der
Vorlagen für Goldschmiede sind im gotischen
Stil entworfen, einigewenige zeigenRenaissance-
formen. Der Stecher hat also den Wandel im
Stil miterlebt, muB also schon lange vor 1520
gearbeitet haben. Der jüngst erworbene Stich
des Berliner Kabinetts — der Entwurf zu einer
gotischen Pax oder einem ähnlichen Altargerät,
Maria als Schmerzensmutter in der Mitte, um-
geben von 6 kleinen Runden, mit Szenen aus
dem Leben Christi — trägt unten am FuB der
Kußtafel in sehr kleinen Zahlen die Jahreszahl
1507. Das Blatt, unbeschrieben und unbekannt,
ist zwar nicht bezeichnet, aber zweifellos eine
Arbeit des Meisters S. Es gibt uns ein sehr
viel früheres Datum für die Tätigkeit dieses
Brüsseler Stechers, als bis jetzt bekannt war.
Sein Stil war ausgebildet, bevor die Tätigkeit
des Meisters vom Tode der Maria und des
Bernaert van Orley anfing. Lucas van Leyden,
den er kopiert hat, bestimmt ihn technish und
künstlerish. Auch Kupferstiche Dürers konnte
er gekannt haben. Der Schulzusammenhang mit
den beiden erwähnten Malern ist deutlich, eine
direkte Abhängigkeit ist nicht zu konstruieren.
Der Meister S wächst nur auf demselben Boden
wie der Bernaert van Orley, er wächst aber
früher als dieser. Jaro Springer.
!) Jahrbuch der pr. Kunsts. XI, 160.
Rundschau
ZU KARL SPITZWEG
(Ged&échtnisausstellung im Münchner
Kunstverein)
EineSonderausstellung, umfangreich und viel-
seitig wie diese, lehrreich für den Forscher und
Biographen, menschlich -liebenswürdig anre-
gungsvoll wirkend auf die Allgemeinheit, ver-
dient abgesehen noch von dem Neuen, das sie
uns geboten hat, shon deshalb besprochen zu
werden, auch wenn ihre Schätze nicht sofort
wieder in die verschiedenen Sammlungen zu-
rükkehren würden, die sie in dankenswerter
Weise zur Verfügung stellten. Als Karl Spitz-
wegs hundertster Geburtstag im vergangenen
Winter seinen Freunden und den Bürgern seiner
Vaterstadt München, deren langsam, aber un-
aufhaltsam entschwindende Eigenart der Meister
selbst so heiter und glücklich besaß, vernehm-
lim in die Ohren gerufen hatte, daB es Zeit
sei, dem Vielgefeierten der Berliner Jahrhundert-
ausstellung doch auch in München mit einer
Ehrung in großem Stil zu huldigen, waren
zwei nicht sogleich abzuweisende Bedenken da,
die schon mit einem gebieterischen Nein die
geplante Veranstaltung verhindern wollten.
Man hatte entschieden mit der Möglichkeit zu
rechnen, daß den idealen Absichten recht
materielle untergeshoben und aus diesem
Grunde eine Reihe von Galerien und Privaten
sih ablehnend verhalten würden. Diese Be-
fürhtung hat sich nun wohl bewahrheitet, er-
freulicherweise aber dank verschiedenen MaB-
regeln, wie der Anonymität der meisten Be-
sitzer im Katalog, vermochte sie der schönen
Darbietung im ganzen nicht zu schaden. Bei
der Reichhaltigkeit des zur Verfügung stehen-
den Materials, für das Herr Eugen Spitzweg,
des Meisters Neffe, mit vorzüglicher Kenntnis
die nötigen Angaben machte, ließ sich auch das
Fehlen bedeutender Werke aus der besten Zeit
des Künstlers (wie im Rudolphinum in Prag u. a.)
verschmerzen. Das zweite, wichtigere Bedenken
war, ob nicht doch bei der Vorführung von
etwa 250 Bildern kleinen Formats die unver-
meidlihe Einförmigkeit zur Langeweile führen
würde. Denn bei allem Können, bei aller Frische
und Urspriinglichkeit desHumors, bei aller Leucht-
kraft und Buntheit in diesen Bildern vermiBt
unsere Zeit eben doch in ihnen die dramatische
kraftvolle Note, die unser Temperament nicht
mehr entbehren kann. Wie wir von den Fliegen-
den zum Simplicissimus übergingen und erstere
nur als gähnenerregendeW artezimmerlektürebe-
trachten, haben wir von der Genremalerei bieder-
maierliher Stillvergnügtheit uns abgekehrt.
801
Leider sagt unserer ruchlosen Wedekindlichkeit
die truglose Redekindlichkeit der erzählenden
Malerei dann nichts, wenn sie anspruchsvoll
alleinherrschend auftreten will. Es ist das Kri-
terium der echten Künstlerschaft des Altmeisters
Spitzweg, daß er es trotzdem fertig bringt, er
ganz allein, mit einem Vierteltausend von Bildern,
Aquarellen und Skizzen den Beschauer zu packen
und ihn zurückzuversetzen in die friedlichen
Zeiten der Romantik, der Bürgergradheit, der
heitern Welt der Originale. Die unabsicht-
liche Naivetät seiner Kunst trägt auch in der
Gegenwart ihren Sieg davon, sie ist in ihrer
Seltenheit und Wahrheit, auch wenn sie sich
gegenständlih streng im Rahmen einer Zeit
hält, dennoch nicht an die Grenzen dieser oder
irgend einer Zeit gebunden. Das lernen wir
von Spitzweg. Und darum werten wir sein
Werk so hoch, weit höher als das irgend eines
seiner Genossen.
Wenige Wochen bevor für Spitzweg der
Münchner Kunstverein eröffnet wurde, veran-
staltete auch der Kunstverein in Frankfurt
eine sehr sorgfältig ausgesuchte, aus etwa
CO Bildern bestehende Gedächtnisausstellung.
Hier konnte, weit mehr noc als in München,
die Entwicklung des Meisters von den ersten
Anfängen an betrachtet und verfolgt werden.
Spitzweg war Apothekerlehrling, bevor er sich,
fast dreißig Jahre alt, der Kunst zuwandte, in
der er bisher fleissig dilettiert hatte. Und er
kam in die Mitte der Vierziger, als er nach
eifrigem Kopieren in der Shönbornschen Galerie
in Pommersfelden, nach einer wohlbedachten
Reise nach Paris und England, bis jetzt lernend
und aufnehmend, sich zu der Höhe emporhob,
welche die Selbständigkeit seines Naturells als
Mensch und als Künstler ihm zu erreichen er-
laubte. Spitzweg war, wenn in künstlerischem
Sinn der Begriff des Autodidakten überhaupt
eine Unterscheidung gestattet, ein solcher weit
mehr als irgend ein anderer Maler. Seine ersten
Bilder sind unbeholfen, nüchtern, flah — ja
man könnte sogar von Talentlosigkeit sprechen,
wenn nicht unwesentliche Kleinigkeiten schon
den künftigen Meister weisen würden. Da hing
in Frankfurt ein groBes Farbenstück, Engländer
römische Ruinen betrachtend, ein wertloses Ge-
schmier, wenn nicht der Morgenhimmel über
dem karrierten Mantel des Lords das Zusammen-
spiel lichter blauer und rosafarbener Töne
zeigte, die allen Bildern Spitzwegs eigentümlich
sind. Auch ein kleines Selbstporträt befand
sich in Frankfurt, der Künstler mit der Staffelei
im Freien malend, dann eine Felsstaffage mit
einem Ausblick auf ein Wolkenmeer in der Tiefe,
das in seiner linearen Abstufung vom Lichten
802
Monatshefte für Kunstwissenschaft
zum Dunkeln an den bekannten Friedrich der
Nationalgalerie erinnerte, endlich eine Pro-
zessionsszene aus einer italienischen Stadt, wohl
aus der Reisezeit stammend, die der junge Spitz-
weg in Italien zubrachte. Das Gemeinsame an
all diesen frühen Bildern ist die Angstliche Auf-
merksamkeit auf schwierige Probleme der Be-
leuchtung, die auch den jungen Kobell einst
interessiert hatten (die Aquarelle in der Münchner
Retrospektiven 1906). Leider ist von all diesen
Bildern, die zeitli dem armen Poeten der
Münchner Pinakothek vom Jahre 1837, dem ersten
öffentlich ausgestellten Bilde Spitzwegs, noch
vorangehen oder ihm gleich stehen, in München
nichts zu sehen gewesen. Dafür war hier aus
der nächsten Periode des Künstlers, die wir
vom armen Poeten bis zur Fahrt ins Ausland
ansetzen möchten, ein seltsames Stück geboten:
Heimkehr vom Wrack, zwei Lappländer, die
mit großen Flaschen in den Händen über eine
eisstarrende Fläche wandern, dunkeln Wolken
entgegen. Auch die Waldhütte in den Bergen
und die phantasievollen ägyptischen Ruinen,
die zwischen den vielen kleinen Genrebildchen
befremdend herausleuchteten, stammen aus dieser
Werdezeit, in welcher der Verkehr mit den
dunkelfarbenen Schülern Rahls, der also mit
Spitzweg und Schleich in äußerlicher Verbindung
steht wie mit Feuerbach, insofern günstig ab-
färbte, als er zu den großen Vorbildern der
Holländer wies. In Pommersfelden, wo Spitz-
weg arbeitete, hat er das Frauenbad in
Dieppe von Isabey gesehen, das nunmehr
verschollen ist, und das auch Schleich (im
Besitz von Prof. Meder in München) und
Langko (kürzlid auf einer Münchner Ver-
steigerung) gleichzeitig kopiert haben.!) So gibt
!) Den Hinweis auf die Kopie von Langko verdanke
ih Herrn Dr. Goldschmidt in München. Daß Spitzweg
das Bild von Isabey in der Tat in Pommersfelden beim
Grafen Schönborn kopierte, bestätigt mir Herr Eugen
Spitzweg ausdrücklich auf Grund der von seinem Onkel
geführten Liste. Es müßte also nur mehr festgestellt
werden, wohin das Original von Isabey bei der Schön-
bornschen Versteigerung in Paris gelangte. Die Wiener
Tradition, das Original sei in Schönbrunn, ist vielleicht
eine Verwedisiung mit Schönborn. Auch der neue
Katalog der Nationalgalerie schreibt „angeblih“ nad
sabed Die Frage dürfte nach obigen Nachweisen aber
jetzt leicht zu lösen sein.
BBS
sich ganz einfach die Verbindung von Rembrandt
zu den Franzosen, die für Spitzweg technisch
so wichtig wurde. Er kam glücklicherweise
zu einer Zeit nach Paris, als Diaz, mit Spitzweg
gleichaltrig, noch auf die Einheitlichkeit der Far-
benwirkung sah und sih noch nicht in einer
gespreizten Manier verlor, die bei Monticelli
dann jede ruhige Farbenkoordinierung ausschloB.
Schade, daß Spitzweg nicht wie Papa Wald-
müller oder Feuerbach über die Anregungen
berichtet hat, die er von der französischen Kunst
empfing. Wir sehen uns darum genötigt, ihnen
auf Grund der nach der Rückkehr aus Paris
gemalten Bilder nicht die groBe Bedeutung zu-
zuweisen, die sie sicherlidh besessen haben.
Sehr bezeicinend, wieder sind es Effekte der
Lichtbehandlung, die unmittelbar von Diaz auf
Spitzweg übergehen, dann eine leichteStilisierung
der Baumgruppen vor dem intensiv blau leuch-
tenden Ausschnitt des Himmels im Hintergrunde,
die der Deutsche dem Franzosen dankt. Auch
von den Studien und Bildern von Decamps
.muB Spitzweg einen starken Eindruck mitge-
nommen haben. Bei seiner Vorliebe für den
Orient, dessen Leben er, ohne jemals dort ge-
wesen zu sein, auf Grund eifriger Lektüre eines
Reisebuches wahrheitsgetreu aus freier Phan-
tasie darstellt, konnten die an Ort und Stelle
ausgeführten Werke von Decamps seinem
empfänglihen Geiste keinesfalls gleichgiltig
bleiben, wenn er auch gewiß Fromentins Technik
der des Decamps vorzog.
Die übrigen Bilder Spitzwegs, die in Frank-
furt zusammengebracht waren, sprachen laut
für die genaue Befolgung eines bestimmten
Schemas in der Komposition, das sih unauf-
fallig auf allen seinen StraBenbildern wiederholt.
Dafür gab die Münchner Ausstellung gute Ge-
legenheit, schon auf Grund der gezeigten vor-
züglihen Kopien von Spitzwegs Hand (Rem-
brandt!) diejenigen Meister zu erkennen, die
dem Künstler boten, was ihm gestattete, den
reihen Schatz seines Talentes aufs vorteil-
hafteste anzulegen und ihn mit seinem ernsten
FleiBe und seiner strengen Sorgfalt glücklich zu
nützen. Uhde-Bernays.
eere fasaa
Rundschau | 803
Bode contra Voll
Erfreulidierweise hat nun Wilhelm Bode selbst in der Scherlschen „Internationalen
Wochenschrift vom 12. August in einem längeren Artikel unter der Überschrift „Der General-
direktor der Berliner und der Münchener Kunstsammlungen“ zu dem Vollschen Artikel in den
„Süddeutschen Monatsheften“ und damit zugleich gegen die in der bayrischen Kammer und in
einigen Organen der süddeutschen Presse erhobenen Vorwürfe Stellung genommen. Bodes
Aufsatz kann als eine unzweideutige Widerlegung Volls und damit zugleich jener versteckten und
offenen Angriffe, auf die wir bereits im vorigen Heft an dieser Stelle hingewiesen haben,
angesprochen werden. Der Berliner Generaldirektor hat den Angriff nicht nur glänzend pariert,
er hat auch seine Gegner empfindlich aufs Haupt geschlagen. Unsere Stellungnahme in diesen
Fragen findet durch den Aufsatz Bodes vollauf seine Bestätigung. So schreibt der Berliner
Generaldirektor u. a.:
„Voll macht mir, nach einigen abfälligen Bemerkungen über meine Tätigkeit als
Kunstschriftsteller, die größten Komplimente über die Erfolge, die ich als Generaldirektor
der Berliner Museen gehabt habe. Er folgert daraus, daß auch die bayrischen Museen dringend
eines Generaldirektors bedürften, um aus der Rückständigkeit ihrer Verwaltung und zunächst von
dem heimlichen Einfluß, den ich darauf übe, befreit zu werden. Weshalb Voll meine Einwirkung
auf die preußischen Museen als die allersegensreichste bezeichnet und eine solche auf die
bayrischen Kunstsammlungen für äußerst unheilvoll ansieht, ist nur dem verständlich, der annimmt,
man könne nur einem Herrn dienen: wenn ich den Berliner Museen zu nützen bestrebt sei,
könne ich anderen Sammlungen, zumal den bayrischen, nur schaden. Ich gestehe, daß ich nach
dieser Auffassung der bayrischen Lokalpatrioten ein sehr schlechter Direktor der Berliner Samm-
lungen gewesen bin! Von jeher ist es mein Bestreben gewesen, Kunstsammlungen zu fördern,
wo und wie ich konnte, und dadurch zugleich das Interesse für Kunst, namentlich für alte Kunst,
möglichst zu fördern, vor allem bei uns in Deutschland. In diesem Bestreben habe ich gelegentlich
auch den bayrischen Kunstsammlungen durch Rat und Tat zu nützen gesucht; nicht nur dem
Germanischen Museum, in dessen. Vorstand ich seit fast zwei Jahrzehnten bin, sondern auch den
Münchener Museen, und zwar mehr als Herr Minister von Wehner zu wissen scheint. Vor
Jahren habe ich für die alte Pinakothek die heilige Familie von Luca Signorelli aus der Galerie
Ginori in Florenz nicht nur empfohlen, sondern erworben. Auf das vor ein paar Jahren für die
Pinakothek gekaufte Porträt von Frans Hals habe ich die Direktion zuerst aufmerksam gemacht.
Den Giov. Bellini der Sammlung R. Kann habe ich auf ausdrücklichen Wunsch des Geheimrats
v. Reber nicht für die Berliner Galerie vorgeschlagen, sondern direkt der Pinakothek zur Ansicht
senden lassen; die gegenteilige Behauptung Volls ist unrichtig. Die sechs Triumphe des
Petrarca von Francesco Mantegna habe ich mit Herrn v. Reber bei einem Kunsthändler in
Florenz, wo wir zu einer Sitzung anwesend waren, gesehen und sie ihm (namentlich wegen der
Darstellungen) für die damals geplante Universitätsgalerie in Erlangen, nicht für die Pinakothek,
empfohlen. Auch mit Rücksicht auf den von vielen Seiten in München gehegten Wunsch, die in
den Münchner Sammlungen fast fehlende italienische Plastik durch Erwerbungen guter Stücke
auszubauen, habe ich verschiedene gerade käufliche Skulpturen in Vorschlag gebracht, namentlich
ein trefflihes Relief der Anbetung des Kindes von Benedetto da Majano, über das aber infolge
der Schwerfälligkeit der Münchener Ankaufsinstanzen nicht rasch genug entschieden werden
konnte. DaB ich vor dem Tonrelief der Beweinung Christi als einer Fälschung gewarnt habe,
rechne ich mir nicht hoch an, da seine moderne Entstehung für jeden, der mit dem italienischen
Kunsthandel näher vertraut ist, unschwer zu erkennen war. Ich habe aber damals und wieder-
holt darauf hingewiesen, daß mir eine Aufstellung vereinzelter italienischer Bildwerke zwischen
den Gemälden der Alten Pinakothek nicht günstig erscheine, daß mir dafür vielmehr das Lenbach-
Haus, wenn es zu einer Erwerbung desselben durch den Staat oder die Stadt kommen sollte, als
der geeignete Platz erscheine, da dasselbe im Renaissancecharakter gehalten und ausgestattet sei
804 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
und schon eine Anzahl interessanter italienischer Kunstwerke und Dekorationsstücke enthalte.
Ich hoffe sehr, daB man diesen Gedanken in München, bloß weil er von mir kommt, nicht von
vornherein ablehnen wird, denn es ließe sich hier in der Tat auch jetzt noch und zwar mit nicht
übertriebenen Mitteln ein eigenartiges italienisches Renaissancemuseum ausbilden. Idı habe audı
von jeher mit verschiedenen meiner Kollegen in München in Beziehung gestanden, namentlich
über wissenschaftlihe Fragen. Wegen dieses Verbrechens hat man jetzt in der bayrischen
Kammer einen der tüchtigsten Beamten an den Münchener Sammlungen, den Direktor des Münz-
kabinetts Dr. Habich, den ich zu der Verwertung seiner hervorragenden Forschung auf dem
Gebiete der deutschen Medaillen aufgemuntert und verholfen habe, als preußischen Spion hin-
gestellt! DaB man aber im bayrischen Ministerium daran denken soll, diesen Mann an die Spitze
des National-Museums zu stellen, dessen Umordnung gerade jetzt unter der Leitung von
Professor Hager so gute Fortschritte macht, habe ich erst durch den Herrn Abgeordneten Müller,
der jene häßliche Verdächtigung ausspradh, erfahren .....
„Was Voll über meine Tätigkeit als Generaldirektor der Berliner Museen sagt, klingt
freilich ganz anders und müßte mich doppelt stolz machen, da es von einem Manne gesagt wird,
der mit mir, wie er sich ausdrückt, „aufs grimmigste verfehdet ist“. Aber gilt das Urteil nicht
vielmehr der Institution der Generaldirektion? Würde es ebenso lauten, wenn Voll erst sein
Ziel erreicht hat und als Kollege über den bayrischen Museen thront? Und ist es überhaupt
berechtigt? Bin ich doch Generaldirektor erst im dritten Jahre; wenn mir also Voll auBer-
ordentliche Erfolge in der Ausgestaltung unserer Sammlungen zuschreibt, so kann ich mir diese
kaum als Generaldirektor anrechnen, und noch weniger kann Voll daraus die Notwendigkeit einer
Generalverwaltung für die bayrischen Museen ableiten. Der „Generaldirektor“, den die Berliner
Museen seit ihrer Begründung besitzen, hat sich auch keineswegs immer und so glänzend
bewährt, wie Herr Voll annimmt; ich brauche nur an die Zeit der Herren v. Olfers und Graf
Usedom zu erinnern. Gerade weil der Generaldirektor damals versagte, sind den Berliner
Sammlungen manche hervorragende Kunstwerke entgangen... ..
„Was ich für unsere Museen zu erreichen vermodite, habe ich als Direktor der mir
unterstellten Sammlungen erreicht, oft ohne den Generaldirektor und gelegentlich selbst gegen
denselben. Meine Bestrebungen nach dieser Richtung in der verhältnismäßig kurzen Zeit,
seit mir die Generaldirektion übertragen ist, sind nur die Fortsetzung von dem, was ich früher
schon erstrebt und begonnen habe; so die Bildung eines besonderen Museums deutscher Kunst,
die Schöpfung von selbständigen Sammlungen der islamischen Kunst und der ostasiatischen
Kunst usw. Ja, als Generaldirektor wird mir eine nützliche Tätigkeit für unsere Museen eher
erschwert durch die Eifersucht der meisten Provinzial- uud Lokalsammlungen auf den gesamten
Kunstbesitz der Provinzen und allerlei sonstige Schwierigkeiten und Anfeindungen. Herr Professor
Voll darf daraus also keineswegs die Vorzüge einer Generaldirektion der Museen in Berlin
deduzieren und daraufhin eine solche auch für München verlangen. Auch liegen die Verhältnisse
in Berlin wesentlich anders als in München. Bei uns sind die Sammlungen, die der General-
verwaltung unterstehen, zahlreiher und zum Teil umfangreicher als in München, zudem sind sie
bei uns sämtlich Staatssammlungen, während sie in München zu einem Hauptteil Krongut sind
und daher besondere Schwierigkeiten in der Verwaltung machen. Auch beweisen gerade die
Erfolge, welche die Generaldirektion der Museen in Berlin im letzten Menschenalter aufzuweisen
hat, und welche Professor Voll mir vindiziert, während sie dem Generaldirektor Schoene und der
Förderung höherer Instanzen zu danken sind, daß eine selbständige Generaldirektion auch in
Berlin keineswegs eine Notwendigkeit ist; war doch Generaldirektor Schoene zugleich vortragender
Rat für Kunstangelegenheiten im Kultusministerium. In München ist aber eine Oberleitung der
Kunstsammlungen von dieser Stelle aus noch wesentlich leichter. Nicht ein Generaldirektor
mangelt den Münchener Museen, sondern es kommt vor allem auf die Direktoren an, wie in
München Furtwänglers kurze aber glänzende Wirksamkeit beweist. Nach der Auffassung, die in
den Debatten der bayrischen Kammer von allen Seiten ausgesprochen ist, müßte es im Interesse
der Berliner Museen und seines Generaldirektors liegen, wenn schwächliche oder ungeeignete
Rundschau 805
Leute an die Spitze der großen bayrischen Kunstsammlungen berufen würden, und wenn, in der
Art wie es durch Herrn Voll und die Abgeordneten geschehen ist, vor wirklich berufenen Kräften
als preußischen Spionen und meinen Geheimagenten gewarnt wird. Ich gestehe, daß ich der
entgegengesetzten Ansicht bin: je tüchtigere Beamte und Gelehrte an die Spitze der Münchener
und der übrigen deutschen Kunstsammlungen berufen werden, je mehr für die Mehrung und
Verbesserung derselben gesorgt wird, um so besser wird es zugleich um die Berliner Sammlungen
stehen. Eine gesunde Konkurrenz, die sehr wohl in freundschaftlichen Bahnen bleiben kann und
soll, und die sogar vielfach ein Zusammengehen ermöglicht, ist das, was wir alle wünschen und
anstreben müssen.“ ;
Wir konnten leider hier nur einen Teil der Bodeshen Ausführungen wiedergeben.
Der Artikel enthält aber auch sonst noch so viel Bedeutsames, speziell was Bode ūber seine
eigene Arbeit im Dienst der Berliner Museen und des öffentlichen Kunstinteresses sagt, daß ihn
jeder Kunsthistoriker mit Aufmerksamkeit studieren sollte. Ob Voll damit die Sache fiir erledigt
halt? Wir werden es abwarten miissen.
FRANKFURT a. M.
Die Verwaltung des Städelschen Kanstinstitats
verdffentlicht nach längerer Pause einen Bericht
über die Tätigkeit der Galerie von 1894—1907,
der an Kürze und Ubersichtlichkeit im Hervor-
heben des wirklich Wichtigen als ein Muster
gelten darf. Den größten Teil dieses Zeit-
raumes nimmt die Tätigkeit Weizsäckers als
Direktor ein; unter ihm gelangte der -— von
Thode begonnene — kritische Katalog der Ge-
mälde zur Vollendung. Sein Nachfolger war
Ludwig Justi (1904—1905), der Rembrandts
groBe „Blendung Simsons“ erwarb und der
Sammlung im wesentlichen ihre jetzige Ordnung
gab: die Einrichtung der anmutigen Kabinette
im obersten Geschoß (mit den Nazarenern und
ihren Zeitgenossen) ist die am meisten in die
Augen fallende Neuerung darunter. 1906 über-
nahm Swarzenski die Leitung der Galerie;
sein Werk ist namentli die Neuordnung des
Kupferstichkabinetts mit Einfügung einer Anzahl
spanischer Wände für wechselnde Ausstellungen
im Erdgeschoß; von größeren Kunstwerken
wurde der Torgauer Altar Cranachs d. A. und
die Ruhenden Nymphen Palma Vecchios erwor-
ben. Von größerer Bedeutung aber war die
nun endlich geglückte Verbindung mit einer
— erst zu gründenden — Städtischen Samm-
lung, freilih rechtli nur eine Personalunion
in der Gestalt des Direktors, da die Städelsche
Stiftung niemals mit einer andern Sammlung
verschmolzen werden darf.
Eine wesentliche Bereicherung erfuhr die
Galerie durch die (rund eine Million betragende)
Stiftung von Karl Schaub, die 1906 in Kraft
trat. Das Gesamteinkommen des Instituts be-
trug für das Jahr 1907 ungefähr 88000 M., wo-
von für die Sammlung selber allerdings nur
12000 M. zur Verfügung standen.
Demnach hatte schon bei den großen Er-
werbungen unter Justi und Swarzenski außer
kunstsinnigen Freunden des Instituts die Stadt
Frankfurt erhebliche Zuschüsse zu den Ankaufs-
summen geleistet. In weit nachdrücklicherer
Weise und mit bedeutenden Mitteln trat der
1899 (auf Anregung von Sonnemann) begründete
Stadelsche Museumsverein nach dem Muster
ähnlicher Vereine (wie des Kaiser-Friedrich-
Museumsvereins in Berlin) den unzureichenden
Mitteln der Stiftung zur Seite. Nidit nur trug
er wesentlich zu den Kosten jener beiden be-
deutendsten Erwerbungen und der von Leibls
„Ungleichem Paar“ bei, sondern es kamen audı
in den acht Jahren seines Bestehens nicht weni-
ger als 37 Gemälde durch ihn in den Besitz
der Sammlung, teils als Geschenke einzelner Mit-
glieder, teils als „Leihgaben“ des Vereins selber,
der über ein Jahresbudget von ca. 20000 M.
verfügt; darunter so bedeutende Bilder wie
Trübners Zeitunglesender Mohr, Liebermanns
Hof des Waisenhauses in Amsterdam, Fränkische
Landschaft von Toni Stadler, Regenlandschaft
von Stäbli, ein groBer Chintreuil u. a.
3
STUTTGART
Museum der bildenden Künste. Erwerbungen
im ersten Halbjahr 1908: Dannecker, Sappho.
Hodler, Genfersee, Selbstbildnis. Piglhein,
Studie zum Berliner Moritur in Deo. Pleuer,
Bahnhof. Pieter Quast, Baderstube. Sam-
berger, Bildnis. Schmid-Reutte, Ruhende
Flüchtige. Sérusier, Landschaft. Truebner,
806
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Kürassierpferd. — Im Museum fand eine Aus-
stellung der Sammlung Rosenstein mit guten
Arbeiten von Metsu, Hetsch, Steinkopf, Pleuer
und Reiniger und einer Replik der Dresdener Dido
des Pier Francesco Mola, sowie der Sammlung
Walcher statt, die den bekannten Brackensteiner
Altar, eine mittelmäßige Ulmer Arbeit gegen
1500, sowie eine Madonna mit Stiftern von
Jakob Corneliszen enthält.
Staatssammlung vaterländischer Altertümer.
Erwerbungen im ersten Halbjahr 1908: Skulp-
turen: Madonna, Ende XV. Jhdt., aus Lichtel.
Andreasgruppe, Ende XV. Jhdt., aus Weilder-
stadt. Kruzifixus und Christus am Ölberg, um
1500, aus Untersielmingen. Stehender Bischof,
Ende XV. Jhdt., aus Kiebingen, vorziigliches
Werk. Sitzende Madonna, um 1400, angeblich
aus Weilderstadt. Weibliche Heilige, um 1420,
angeblich aus Rottenburg. Stehende Madonna,
Barbara und Stephanus, aus Gunningen, von
1470. — Malerei: Jakob Ziberlein, Geburt
Christi, bez. 1585. — Krippe, aus Ravensburg.
Das Landesgewerbemuseum versendet den
Bericht über seine Tätigkeit im Jahre 1907. Im
Landesgewerbemuseum fand im Juni und Juli
die von Professor Pazaurek veranstaltete
Studentenkunstausstellungstatt. Sie
brachte in ihrer retrospektiven Abteilung vor-
ziiglime Stücke der Goldschmiede- und Textil-
kunst aus dem XV.—XVII. Jahrhundert, sowie
Stammbiicher aus der gleichen Zeit.
Die Stadt Biberach ist durch Legate der
Kiinstler Braith und Mali in die Lage gesetzt,
ihr Museum, das bisher nur einige vorzügliche
Skulpturen aus dem Ende des XIV. Jahrhunderts,
sowie Gemälde der Ulmer Schule aus dem Ende
des XV. und vier Augsburger Bilder aus der
Veitslegende um 1520 enthielt, in groBem Stile
umzubauen. Es wird nach seiner im Winter
erfolgenden Eröffnung den gesamten Nachlaß
der beiden Künstler, etwa 1000 Gemälde, zahl-
reiche Skizzenbücher und eine beträchtliche Zahl
älterer Kunstgegenstände zur Schau stellen.
Julius Baum.
9
BUDAPEST
(Museum der Bildenden Künste)
Das Kupferstichkabinett des Budapester Kunst-
museums ist eines der am besten eingerich-
teten derartigen Institute. Seine Ausstellungen
und der ihm angeschlossene Arbeitsraum sind
dem Publikum seit der Eröffnung der alten
und modernen Galerie (1906) zugänglich. Es
ist dadurch die Möglichkeit geboten, daß das
allgemeine Interesse sich der methodisch arbeiten-
den Kunstwissensdaft zuwende. Die unter
solchen Umständen entstehende öffentliche Kon-
trolle ist berufen, dem in der ungarischen
Kunstliteratur zurzeit nicht nur herrschenden,
sondern auch allerseits unterstützten Dilettan-
tismus Einhalt zu tun.
Für die Vervollständigung der graphischen
Sammlung, deren Grundstoc die alte Ester-
häzysche Kupferstichisammlung bildet, wird von
Jahr zu Jahr planmäßig gesorgt. — Die folgende
Liste soll die Namen der ausländischen euro-
päischen Künstler angeben, von denen im laufen-
den Jahre Kunstblätter erworben worden sind:
A. Abraham-Jäger, M. Adler, F. Barth, M.
Bernigeroth (Chr. Gottl. Hohenthal und T. B.
Richternach Mänyoki), Bühler, J. Ellbogen, G.Erler,
O. Friedrich, Haueisen, T. Hoernes, L. H. Jung-
nickel, W. Klemm, M. v. Lerch, M. Liebenwein,
L. Michalek, K. Müller, Miinch, O. Mulacz,
R. Oerley, C. Paczka, v. Ravenstein, Roder-
mondt, L. Roesch, O. Roux, G. Ph. Rugendas,
Ruppert, A. Schinnagel, Schmoller v. Eisenwerth,
H. Schroedter, M. Spitz, L. Steiner, K. Thiel-
mann, Triibner, H. Volkert, H. v. Volkmann,
A. Lepere, Ch. Merion, J. F. Millet (La grande
bergere), Picasso, J. V. Raffaélli, A. Rassen-
fosse, T. F. Simon, F. de Goya (Margarita de
Austria, Baco, Dofia Isabel de Bourbon, Felipe Ill.
und IV.), M. Bone, F. Burridge, J. Finnie, Cr.
Gordon, Ch. Holroyd, P. Robertson, A. W. Seaby,
J. Mc. N. Whistler (Limehouse).
Axel Gallén, der im letzten Winter und
Friihjahr im Budapester Kupferstichkabinett 473
graphishe Werke — zumeist Handzeicinungen
— ausgestellt hat, beschenkte das Museum mit
sechs Blättern (Radierungen und Steinzeich-
nungen). Acht andere Handzeichnungen und
Aquarelle wurden von ihm angekauft.
Die ersten großen staatlihen Erwerbungen
für die graphishe Sammlung des Museums
waren: im Jahre 1900 eine Dürer- und 1904
eine Rembrandtkollektion. Beide sind von dem
begeisterten und sachverständigen Sammler Prof.
Dr. Julius Elischer gekauft worden. Die erstere
enthält in 114 Blättern das komplette Kupfer-
stidiwerk Dürers. In der letzteren, die aus
245 Radierungen Rembrandts besteht, befinden
sih auch einige der schönsten Blätter des
Meisters. Dr. Zoltän v. Takäcs.
8
Rundschau
807
ROM
Die jüngsten Ausgrabungen auf der summa
sacra via sind sehr wichtig für die Topographie
des alten Rom. Das in Angriff genommene
Terrain erstreckt sich von der Porta Mugonia
bis zur Basilika des Constantin. Hauptzweck
der Grabungen ist, die älteren, besonders repu-
blikanishen, Schichten zu finden. Unter der
Plattform des hadrianischen Tempels der Venus
und Roma fand man, wie es den Anschein hat,
Reste der domus aurea Neronis, die mit einer
geradezu phantastischen Pracht geschmückt war.
Alle möglichen farbigen Marmorarten und Glas-
schmuck sind zur Verkleidung benutzt worden.
Unter dem einem jeden Besucher des Forums
durch seine prächtige Regelmäßigkeit der Fugen
auffallenden augusteischen Lavapflaster beim
Porticus der Basilika des Constantin fand man
Reste einer viel älteren Pflasterung und in
einem Tuffkanal Fragmente von Lampen und
86 Glaspasten mit interessanten mannigfaltigen
Darstellungen (Mars und Venus, Eros, Hermes,
die Wölfin mit den Zwillingen usw.). Auch bei
der Basilika Aemilia am Beginn der via Cavour
hat man wieder zu graben begonnen. Die Ver-
shüttung beträgt dort acht Meter und an
40000 Kubikmeter Erde sind schon weggeschafft
worden. An diese Stelle will man den Eingang
zum Forum verlegen und dort das herrliche
groBe Hochrenaissanceportal, welches durch Jahr-
hunderte den Palatineingang am Campo Vaccino
bildete, wieder aufstellen. Es lagert nun seit
mehr als dreißig Jahren in den städtischen
Magazinen.
In dem in der Nähe von Viterbo liegenden
Ferentum sind auf Veranlassung der Viterbeser
Gesellschaft für Ferentum systematische Aus-
grabungen begonnen worden. Schon vor un-
gefähr vier Jahren haben zufällige Funde einige
schöne Musenstatuen, die jetzt im Garten des
Florentiner archaeologischen Museums aufgestellt
sind, zutage gebracht. Die nun zu erhoffenden
Funde sollen im städtishen Museum von Vi-
terbo aufbewahrt werden.
Die vom Unterrichtsministerium eingesetzte
Kommission, welche über die zu besetzenden
Direktorstellen zu beraten hat, beschloB Ende
Juli für das Museum in Cagliari Professor Tara-
melli, für das in Tarent Professor Luagliati, für
das in S. Martino in Neapel Professor Spinazzola
in Vorschlag zu bringen. Diese Herren sind
schon seit Jahren mit der Leitung der be-
treffenden Museen beauftragt gewesen, so daB
die Vorschläge der Kommission aus dem Pro-
visorium nur ein Definitivum machen. Auch für
die Nationalmuseen in Rom und Neapel waren
Konkurse ausgeschrieben gewesen, doch hat die
Kommission niemanden in Vorschlag gebracht
und die interimistische Leitung des römischen
Nationalmuseums Professor Paribeni anvertraut.
Zum Leiter der Ausgrabungen in Rom und der
römischen Provinz (doch wohl mit Ausschluß
des Forums und Palatins, welche G. Boni unter-
stehen) ist Professor A. Pasqui ernannt worden.
Seit mehreren Jahren werden in Teano, dem
alten Teanum Sidicinum, in der Nähe von Capua
vom Baron Francesco Zarone auf verschiedenen
Stellen seiner Besitzungen Ausgrabungen vor-
genommen. Man bradıte eine groBe Zahl
Gräber, welche der oskischen Epoche der einst
großen Stadt angehören, ans Tageslicht, und
letzthin fand man Reste der römischen Stadt,
und zwar einer Thermenanlage wie ein be-
trächtliches Stück der antiken gepflasterten Straße.
Eine Reihe von zum Teile sehr fragmentierten
Skulpturen, unter denen ein Eros mit erhaltenem
Kopfe durch die Güte der Arbeit hervorragt,
wurden gefunden. Der zur Überwachung und
Berichterstattung entsandte Vertreter der Re-
gierung Professor Gabrici vom Neapler Museum
hält die Skulpturen für Arbeiten des Il. Jahr-
hunderts n. Chr. Man will im Herbste die
Grabungen auf breiter Basis wieder aufnehmen.
Ludwig Pollak.
9
LONDON
Die Lange der sogenannten groBen Londoner
Season macht sich natürlich auch auf dem Ge-
biete der Kunst bemerkbar. So kommt es, daB
eine ganze Reihe von Ausstellungen bis in den
August hinein Besucher an sich zu ziehen ver-
suchen. — Die Britishe archéologische
Schule in Agypten stellte wie gewöhnlich um
diese Zeit die Ergebnisse ihrer Ausgrabungen.
diesmal aus Memphis und Athribis, aus; sie
umfaBten Sticke aus der Zeit der vierten
Dynastie (4700 v. Ch.) bis zu der Periode kop-
tisher Kunstübung (500 n. Ch.). Viele der
älteren Stücke erweisen Memphis als Ägyptens
größtes Handelszentrum und Treffpunkt der
verschiedensten Rassen. Stücke mongolischen,
ja tibetanischen Charakters finden sich unter den
Ausstellungsgegenständen, und einige indische
Spuren auf griechischen Skulpturen beweisen
das Vorhandensein einer indischen Kolonie in
Memphis. Das Problem nun ist nach Professor
Flinders Petrie, ob diese Kolonie schon vor
260 v. Ch. bestand, dem Jahre, in dem Asoka
die große buddhistische Mission zu den Königen
des Westens entsandte. — In den Dowdes-
well Galleries, New Bond Street, gab es
53
808
Monatshefte für Kunstwissenschaft
altitalienische, -französische und -nie-
derländische Bilder zu sehen. Ein frühes Bild
des französischen Meisters, bekannt unter dem
Namen „Maitre de Moulins“, „Verkündigung“,
ist offenbar vor seiner Reise nach Italien in
Begleitung Ludwigs XII. um 1494 gemalt. Das
Bild verrät unzweifelhaft die Hand desselben
Meisters, dem die Verkündigung im Louvre zu-
geschrieben wird, nämlich jenes Maitre de
Moulins. Es ist von auBerordentlicher, reiner
Schönheit, Von einem Zeitgenossen dieses
Meisters, vielleiht von Bourdichon, dürfte das
feine kleine Porträt Isabellas, Schwester des
Kaisers Karl V., stammen. Von italienischen
Bildern seien erwähnt eine. frühe sienesische
»Kreuzigung* von großer Innerlichkeit, acht
Passionsszenen von Francesco di Giorgio da
Rimini, köstlih in der Farbe, und eine schön
komponierte Gruppe „Die Auffindung des wahren
Kreuzes“, die dem Girolamo Romanino zuge-
schrieben wird. Auch ein äußerst lebendiger
Guardi „Riva Schiavoni“ ist ausgestellt. Von
den übrigen Werken seien noch erwähnt „Ein
Alchimist“ von Adrian van Ostade, zwei außer-
gewöhnlich sorgsame Jan Steen, drei Teniers,
„Schlittschuhläufer* von Salomon Ruysdael und
eine Mondsceinszene von A. van der Neer. —
In der Galerie des Mr. Lennie Davis, 26A,
Albemarle Street, gab es eine interessante Flo-
rentiner Statue aus dem späten XVI. Jahr-
hundert zu sehen. Es ist ein erst kürzlich auf-
gefundenes Werk, das die Aufschrift trägt „Johes
Baudinus-Florentinus F 1598“. Ein bekanntes
Werk dieses Bildhauers ist die „Architektur“ an
Michelangelos Grabe in Santa Croce. In der-
selben Galerie konnte man auc ein franzö-
sisches Fresko des späten XIII. Jahrhunderts,
die Legende des heiligen Martin darstellend,
sehen, ein sehr farbenreiches Stük. — Eine
Ausstellung berühmter Shwarz-weiß-
Künstler alter und neuer Zeit hatte Mr.
Robert Dunthorne in 5 Vigo Street arrangiert.
Da sah man Rembrandts „Drei Bäume“, eine
Landschaft mit Schafherde und eine Landschaft
mit Turmruine. Von neueren Meistern waren
trefflich vertreten: Meryon (Le Petit Pont,
L'Abside de Notre Dame etc.), Whistler
(Battersea Bridge etc.), Alphonse Legros, D. J.
Cameron u. a. — Alte englische Meister, sowie
Mezzotintos nach ihren Werken, das Eigentum
des verstorbenen Mr. Edward Hughes, waren
in Messrs. Robinson & Grundys Galerie, 89
Mount Street, zu sehen, darunter sehr seltene
Stücke, wie z. B. „Die Bettler“ von C. Turner
nach William Owen. — Die Ex Libris Society
führte in ihrer diesjährigen Ausstellung die Ent-
wicklung des Buchtitelblattes der europäischen
Länder, namentlidı Frankreichs von der Mitte
des XV. Jahrhunderts bis zur Gegenwart vor.
Von Ausstellungen moderner Kunst
braucht nicht viel dieRede zu sein. Messrs. Agnew
stellten uns den französischen Maler schöner
Frauen, Francois Flameng, vor und errangen
mit ihm einen gesellschaftlihen Erfolg. — Mo-
derne Radierer, Frank Brangwyn, Alfred East,
Sir Charles Holroyd, W. Strang etc., alle mit
dem Problem des Lichtes beschäftigt, waren in
der Galerie der Fine Art Society, New Bond
Street, zu sehen. Ein echter Ire, Nathaniel Hone,
ein Neuling, aber bereits Mitglied der Royal
Hibernian Academy, gibt mit Bildern voll kelti-
scher Melancholie der irischen Abteilung der
Franco-Britishen Ausstellung ein besonderes
Interesse. — Die an Zahl fast unendliche Aus-
stellung der Allied Artists’ Association in der
riesenhaften Albert Hall, die eigentlich für mu-
sikalische Aufführungen bestimmt ist, hat man
über sich ergehen lassen müssen. Ohne Jury
wurde hier jeder, der den Pinsel führen zu
können glaubte, zugelassen. — Da war es wohl
an der Zeit, daB aus allen Ländern die Kunst-
lehrer in London zusammenströmten und auf
ihreminternationalenKunstkongreB haupt-
sächlich über den Kunstunterricht der Jugend ver-
handelten. Auf die verschiedenen zum Teil sehr
interessanten Vorträge hier einzugehen würde
zu weit führen. Für Interessenten werden spe-
zielle Publikationen die Ergebnisse des Kon-
gresses, sowie der mit ihm verknüpften Kunst-
unterrichtsausstellung zusammenstellen. Mit der
einen Resolution, daß Zeichnen und Kunst-
erziehung einen der Hauptgegenstände für alle
Kinder von mehr als acht Jahren bilden sollte,
hat sich der Kongreß ungefähr auf den gleichen
Boden wie seinerzeit der deutsche Kunsttag ge-
stellt. Eine andere Resolution, auf die hier nodi
hingewiesen sei, empfiehlt auf das angelegent-
lichste, daß Vorstände von Schulen und beson-
ders Kunstschulen mit Museumsvorständen in
Fühlung treten sollten, um die Kunstsammlungen
nad: Möglichkeit für den Unterricht für Schüler
wie Lehrer auszunützen.
Die National Gallery, über deren Ver-
waltung in den letzten Nummern des Burlington
Magazine einiges Interessante bezüglich der
Rechte des Direktors und der sogen. Trustees
(Verwaltungsrat) zu lesen war, hat kürzlich eine
außerordentlich bedeutsame Erbschaft angetreten.
Der Ende juni d. J. verstorbene Kunsthändler
Martin Colnaghi hat ihr folgende wichtige Bilder
hinterlassen: „Madonna mit Kind und Heiligen“
von Lorenzo Lotto; „The Bohemians von
Philipp Wouvermans; eine Landscaft von
Gainsborough und „Dämmerung“ von A. van
Rundschau
809
der Neer. Wichtiger aber noch ist das bedeu-
tende Vermögen, das nach dem Tode seiner
Frau an die Galerie fallen wird und das ca.
£ 80000 beträgt. Die Zinsen aus dieser Summe
sollen zum Ankauf von Bildern für die Galerie
durh die obengenannten Trustees verwandt
und die so erworbenen Bilder als Martin Col-
naghi-Stiftung bezeichnet werden. Auf diese
Weise steigt der Ankaufsfond der National
Gallery um ca. £ 2500 im Jahre, die aber auch
mehrere Jahre lang aufgesammelt werden können.
Dieser Zuschuß ist bei den heutigen Zeitläuften
auf das innigste zu begrüßen. Auch einige an-
dere Werke, meistens englischer Herkunft, sind
jüngst in die Galerie aufgenommen worden,
darunter ein dem Hyacinthe Rigaud zugeschrie-
benes Porträt und vier Turner, einer von ihnen
ein Ölgemälde „Landschaft mit Kühen“.
Auch die Scottish National Gallery in
Edinburg hat in den letzten Wochen eine Reihe
neuer Werke erworben, die bereits in ihren
Sälen aufgehängt sind. Der Galeriedirektor hat
mit diesen Neuerungen eine sehr glückliche Hand
gezeigt. Eines der Bilder ist ein kleines Still-
leben von Chardin, das im vorigen Jahre auf
der Chardin-Ausstellung in Paris zu sehen ge-
wesen war. Ein zweites ist der feine Claude
„Der Fischer und Angler“, der in diesem Früh-
jahr bei Christie um 600 gns. versteigert worden
ist. Von dem ältesten schottischen Porträtisten
George Jameson hat man erfreulicherweise das
vorzügliche Porträt der Lady Mary Erskine,
Countess Marischal für die Galerie ankaufen
können. Über diesen Meister, sowie über die
ältere schottische Malerei überhaupt, die auf der
Edinburger Ausstellung so zahlreich und so treff-
lich vertreten ist, wird Mr. Caw in einem der
nächsten Hefte dieser Zeitschrift ausführlich
handeln. — Aus Schottland sind im übrigen die
folgenden zwei Personalien zu berichten: Mr.
Longden ist zum Kurator der Aberdeen Art
Gallery und Mr. F. Morley Fletcher, bisher
Inspektor der Kunstschulen des südlichen Eng-
land, zum Direktor des Edinburger College
of Art ernannt worden. Fletcher, der selber
Maler ist, hat u. a. auch in München und Dres-
den ausgestellt. — In dem kürzlich erschienenen
Jahresbericht des Britischen Museums liest
man, daß für die Handzeichnungssammlung eine
Kollektion von Skizzen und Studien Tinto-
rettos erworben worden ist. In der assyri-
scien Abteilung ist die Bronzestatue eines
elamitischen Königs aus der Zeit 2000 v. Ch.
hinzugekommen. — Der erste Band des Kata-
loges gestochener britischer Porträts im
Besitze des Britischen Museums, die Buchstaben
A bis C behandelnd, ist soeben erschienen. Der
Gesamtkatalog, den der Assistent Mr. Freeman
O'Donoghue ediert, soll im ganzen sechs Bände
umfassen und 50000 Blätter beschreiben.
Kürzlich ist der ehemalige Schüler G.F.Watts’,
Spenser Stanhope, in Florenz, 80 Jahre alt,
gestorben. Seine späteren Werke waren fast
alle in Temperatechnik ausgeführt, die er als
einer der ersten seinerzeit wieder in Aufnahme
gebracht hatte.
In London versuchte ein englischer Roeren
das puritanishe Gewissen der Nation aufzu-
stacheln. An dem neuen Gebäude der British
Medical Association nämlich hat der Bildhauer
Epstein einige Skulpturen angebracht, von denen
mehrere nackte Figuren darstellen. Obwohl
nun diese Figuren sich an den strengen Stil der
Agineten anlehnen, wurde doch das Scham-
gefühl einiger Briten gréblich verletzt, und erst
nachdem Sir Charles Holroyd, der Direktor der
National Gallery, seine Meinung dahin abce-
geben hatte, daß die Figuren voller Würde und
mit größter Achtung vor der Natur entworfen
seien, beschloB die Association, die Werke an
dem Gebäude stehen zu lassen. Herr Roeren
wird ob solcher Nachricht wohl Tränen ver-
gießen: „Auch du, Brutus!“
Soeben wird bekannt, daß die Trustees der
National Gallery eine große Familiengruppe
Franz Hals um # 25000 angekauft haben,
die vollkommen erhalten ist und zu den be-
deutendsten Werken des Künstlers gehören soll.
Sie wird später im Rembrandtsaal zur Auf-
stellung gelangen. Näheres über den Kauf im
nächsten Hefte. F.
g
PARIS
Wir haben bei früherer Gelegenheit von der
Neuordnung des Saales der modernen franzö-
sischen Schule im Louvre berichtet, durch die
eine Reihe Werke von Delacroix und auch die
vor kurzem ins Louvre eingezogene Olympia
von Manet trefflich zur Geltung gebracht wor-
den sind. An diese überaus glücklichen Umän-
derungen mußte sich eine Neuaufstellung der
Säle der Sammlung Tomy-Thierry anschließen.
Diese letztere ist nunmehr auch zum Abschluß
gelangt. Dadurch, daß eine Reihe großer Stücke
in den groBen Saal im ersten Stock verbracht
worden sind, wurde der nötige Platz gewonnen,
den kleinen Corots, Diaz, Rousseau und den
übrigen Werken der Schule von 1830 zu um so
besserer Wirkung zu verhelfen. Dem alten
Bestande wurden überdies eine Reihe wert-
voller Schenkungen zugesellt, so die von Ma-
810 Monatshefte für Kunstwissenschaft
dame H Cuvelier vermachten drei Corots, dar-
unter eine lesende Magdalena, und eine „näh-
ende Frau“ von Millet. Diesen neuen Werken
reihen sich an: ein Porträt des Musikers Stephen
Heller von Ricard, dem bekannten französischen
Porträtisten, der zu Lenbad in Beziehungen
gestanden war; eine Porträtskizze Chopins von
Delacroix; die Mauern von Aigues-Mortes von
Decamps. Durch diese Neuaufstellungen ist
vieles gebessert worden, und doc scheint die
Malerei des neunzehnten Jahrhunderts neben
der alten Kunst immer noch ein wenig stief-
mitterlich behandelt.
Die wichtigste Bereicherung die das Louvre
inzwischen erfahren hat sind wohl die kürzlich
angekommenen Ausgrabungsfunde von Susa,
die den Ertrag einer dreijährigen Arbeit des
Herrn du Morgan darstellen. Nach den ersten
Entdeckungen in der uralten Metropole durch
Herrn und Frau Dieulafoy schienen weitere
Nachforschungen unerläßlich und Herr du Mor-
gan ist nunmehr bis auf den Grund der ältesten
Ansiedelungen hinabgestiegen. Durch zweifel-
lose Datierungen läßt läßt sich der Ursprung
der ältesten Niederlassung auf fünf Jahrtau-
sende vor der christlichen Zeitrechnung fest-
legen. Eine Reihe Alabasterwaffen und Geräte,
darunter Spielzeuge und bemaltes Tongeschirr
geben ein deutliches Bild von der Kultur der
ältesten Niederlassung, eine Reihe Statuen und
Reliefs berichten von der Zivilisation und der
Kunst der Zeit um 3800 v. Chr.
Die Gemäldesammlungen des Louvre wurden
um einen Christ mit der Dornenkrone von
Murillo vermehrt; ein Geschenk von Sir John
Tollemacher Sinclair, der es als Ausdruck seiner
Freude über die Entente Cordiale dem Louvre
überwiesen hat. Das Bild stammt aus der be-
rühmten Sammlung Beresford Hope. Die Ab-
teilung der Ostasiatishen Kunst erhielt eine
reihe Sammlung chinesischen Porzellans von
dem Architekten Albert Tissandier, die eine
glückliche Ergänzung der Sammlung Grandidier
sein wird.
Im Luxembourg herrscht augenblicklich eine
Stimmung wie in einer Wohnung vor dem Um-
zuge. Es verlautet, daß mit dem Umbau des
Seminars von St. Sulpice bald begonnen wer-
den soll, der große Hof inmitten des viereckigen
Gebäudes soll durch ein Glasdac in einen un-
geheuren Lichthof für die Sculptur verwandelt
werden. Im jetzigen Museum sieht es für den
Augenblick nicht allzu anheimelnd aus, da eine
Reihe wichtiger Werke auf die franko-britan-
nische Ausstellung nach London gegangen sind.
Die Familie Meurice hat dem Museum ein
etwas trockenes aber kraftvolles Porträt der
Madame Meurice von Bracquemond zukommen
lassen, während sie zugleih ein Porträt der
Madame Granger von Granger an das Louvre
gehen ließ.
Die Sammlungen der Stadt Paris im Petit-
Palais haben sich vor zwei Jahren ein En-
semble moderner Handzeicinungen von den
namhafteren Künstlern schenken lassen, dieser
Sammlung tritt nunmehr eine reihe Auswahl
moderner Gravuren an die Seite, unter denen
das vollständige Werk Charles Jacques beson-
ders wichtig ist.
Das Cluny erfreut sich zweier neuer Ver-
mächtnisse: eine Sammlung italienisher Fay-
encen des XIV. Jahrhunderts von seiten des
Herrn Balet und eine Reihe Elfenbein- und
Bronzeskulpturen des XIII. Jahrhunderts kamen
hinzu. Erworben wurde neben weniger Bedeu-
tendem ein dornengekrönter Leichnam Christi, ein
Werk der Schule von Toulouse (XV. Jahrhdt.)
Die Freunde der siiBlich-akademischen Grazie
Alexandre Cabanels haben nunmehr die Ge-
legenheit das Werk dieses Meisters in der von
der Familie Cabanel gestifteten Salle Cabanel
in der Universitat zu Montpellier zu studieren,
wo Reproduktionen fast des gesamten Werkes
vereinigt sind.
Das Schloß Malmaison, das allmählich ein
„Musée Napoléon“ wird, hat von Madame
Lachaume einen Neptun, eine Kolossalstatue
von Pierre Puget zum Geschenk erhalten. Ein
groBer Verehrer dieses südfranzösishen Bild-
hauers ist in Philippe Auquier dahinge-
schieden, der am 18. Juli im Alter von 45 Jahren
in Marseille verstarb, wo er, als Conservator
des Museums, unermüdlich an dem Ausbau der
Sammlung von Werken Pugets gearbeitet hatte,
Wir hatten vor kurzem über dieselbe ausführ-
berichtet.
Die Anlage einer solchen Spezialsammlung
ist die schönste Ehrung, die ein Land oder ein
Museum einem großen Künstler darbringen
kann, schöner und fruchtbringender als das An-
bringen von Marmortafeln und offiziellen Lob-
reden, die den Fehler haben dreißig Jahre zu
spät zu kommen. Honore Daumier, auch
ein Sohn Marseilles, hat es bisher nur zu diesen
Ehrungen gebracht: vor Kurzem wurde in Val-
mondois in dem bescheidenen Häuschen, in dem
ihm Corots Freundschaft eine stille Zuflucht für
seinen Lebensabend geschaffen hatte, eine Ge-
denktafel angebracht und Herr Dujardin-Beau-
metz hielt eine sehr schöne Rede. Zu seinen
Lebzeiten blieb Daumier der Künstler, der zwar
in einem „niederen Genre“ treffliches geleistet,
um seine Malerei kümmerte sich die offizielle
Welt nicht, wenigen Amateuren und dem shönen
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Rundschau
811
Werk von Erich Klossowski war es vorbehalten,
diesen zu erkennen, zu lieben und zu ver-
stehen!
Ein anderer Akt der Pietät ist in der Grün-
dung eines ‘kleinen Balzac-Museums zu be-
richten: das kleine Häuschen in der rue Ray-
nouard zu Passy, in dem Balzac ein Jahrzehnt
gehaust hatte, wird allmählich zu einem Balzac-
Museum ausgestaltet werden. Büsten Balzacs
von David d’ Angers und Rodin bilden die
Hauptstücke dieser Sammlung.
Die Sitzungen der Académie des In-
scriptions et belles Lettres haben eine
Reihe interessanter Mitteilungen gebracht. Es
war bereits bekannt, daß Beziehungen zwischen
den berühmten Miniaturen der Belles Heures
du Duc de Berry und der Kunst Pisanellos be-
stehen. Da die Belles Heures vor 1416 ent-
standen sind, Pisanello aber nach einer jüngst
gemachten Entdeckung, nicht wie man annahm
um 1380, sondern erst 1397 geboren ist, so
konnte Salomon Reinach mit Sicherheit schließen,
daß das französishe Werk den italienischen
Künstler beeinflußt hat.
Hervorhebenswert sind die Resultate der
unter der Ägide der Akademie auf dem Meeres-
grunde bei Tunis unternommenen Forschungen
nach antiken Bildwerken deren erste Spuren
von Shwammfisdern bemerkt worden waren.
Man hat unter anderm einen Eros Androgynos
zutage gefördert. Es liegt voraussichtlich eine
freie Kopie eines Werkes des Praxiteles vor,
das von Callistratos beschrieben worden ist.
Ferner wurde ein Hermes in asiatischer Haar-
und Barttracit mit der Signatur Dionysos ent-
deckt.
Herr Heuzey sprach am 24. Juli über zwei
chalddische Kupferwaffen, die von dem Major
Cros in einem Grabe gefunden wurden und eine
seltsame Verwandtschaft mit den auf den Sculp-
turen der , Geierstele“ dargestellten Waffen haben.
Von privaten Vereinigungen, die sih mit
Kunst beschäftigen, tritt neuerdings die neuge-
gründete Gesellschaft der Freunde von Ver-
sailles in den Vordergrund, die bereits über
ein Kapital von 25000 Franken verfügt, mit
dem sie dem Conservator Beihilfe leisten wird,
um den arg verwahrlosten Park mit seinen
schönen, jetzt stark übermoosten und verwitter-
ten Statuen wieder einigermaßen in Stand zu
setzen. Diese Gesellschaft scheint im übrigen
Schule zu machen, denn fast zu gleicher Zeit
wird die Gründung einer Gesellschaft der
Freunde von Paris gemeldet, welche die Er-
haltung schöner Straßenbilder und alter Bau-
denkmäler erstreben will und hauptsächlich die
Errichtung von „modernen“ das Stadtbild schän-
denden Neubauten verhindern will. Wir haben
in einer der vorigen Chroniken einige der
ärgsten Schandflecke dieser Art erwähnt. Auch
dem Mont Saint Michel scheint jetzt in der
neugegründeten Gesellschaft der Freunde des
Mont Saint Michel ein Retter zu erstehen.
Hoffentlich erreicht sie, daB der heilige Michael,
dessen ungeheurer Fuß, der Sage nach, dem
Mont Dol eine tiefe Narbe eingeprägt hat, nun
bei seinem nächsten Riesenschritt übers Meer
auf dem Mont Saint Michel alle Museen, Hotels
und Dependancen zertritt. Dann wird wohl
auch die Regierung den alten schönen Mont
endlich bis auf den letzten Kiesel als histori-
sches Monument klassieren.
Wie die Vorfälle in Baux en Provence
beweisen, schützt leider auch die Klassierung
nicht immer gegen den Vandalismus. Obwohl
die „Mauern und Häuser“ dieses malerischen
Städtchens insgesamt seit 1862 klassiert waren,
haben gewinnsüchtige Baumeister begonnen, die
alten Häuser als Steinbrüche zu benutzen. Eine
daraufhin sofort angeordnete Enquete hat so-
fort diese MiBbräuche und Ungesetzlichkeiten
abgestellt. Gebäude für Gebäude sollen nun-
mehr einzeln klassiert werden. So wird das
provenzalische Carcassonne wohl dauernd ge-
schützt werden.
Interessante Ausgrabungen haben in
Vienne (Isère) stattgefunden. Im Hofe des Thea-
ters von Vienne hat man unter Leitung des
Herrn Bizot, des Konservators des Vienner
Museums, eine römische Kaiserbüste entdeckt.
Es scheint sich um eine Büste Neros zu handeln.
Sie ist lebensgroß, und nur wenig beschädigt.
Das Haupt ist mit einer doppelten Perlenkrone
geschmückt, über den Panzer ist das von gol-
dener Spange zusammengehaltene Paludamen-
tum, der Feldherrenmantel, geworfen. |
Unverständlich ist es, daB es der Justiz noch
nicht gelungen ist, den frehen Einbreder-
banden das Handwerk zu legen die jetzt fast
täglich im Zentrum Frankreichs, besonders in
den Departements Correze und Allier, eine
Kirche ausplündern. Neuerdings wurden wie-
derum die Beraubungen der Kirchen von Bort
und Anbaine gemeldet, bei denen ein kostbarer
Reliquienschrein mit Emailshmud von Limoges
und andere Kostbarkeiten den Banditen zum
Opfer fielen.
Der Ausstellungsbetrieb ruht in Paris
während der Sommermonate fast vollständig.
Der alle zwei Jahre stattfindende Salon du
Mobilier hat den Reigen der Ausstellungs-
saison 1908’9 eröffnet. Der Salon d’Automne,
dessen Deutsche Ausstellung leider definitiv ge-
scheitert scheint, wird die Früchte der sommer-
812 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
lichen Arbeit zutage fördern. Daneben wird eine
„Retrospektive“ Grecos und Monticellis, sowie
eine finnländische Sektion versprochen.
Rudolf Meyer-Riefstahl.
8
SPANIEN
Wie in anderen Ländern besteht auch in
Spanien der Wunsch, die Kunstdenkmäler in
möglichst gutem Zustand zu erhalten. Leider
ist aber die Summe, die die Regierung für diesen
Zweck auswirft, viel zu gering, so daß die
Restaurierungsarbeiten nur sehr langsam vor-
wärtsschreiten können, ja manchmal sogar nach
kurzer Frist wieder eingestellt werden müssen;
dazu greift der Staat gewöhnlich erst dann ein,
wenn eine Katastrophe unmittelbar bevorsteht
oder ein Bauwerk schon teilweise eingestürzt
ist. Ein trauriges Beispiel für diese Zustände
bieten vor allem die „Renovierungsarbeiten“ in
Toledo. Nachdem vor zwei Jahren der eine
Kreuzgang im Exhospital von Santa Cruz zum
Teil eingestürzt ist, wird langsam an seiner
Wiederherstellung gearbeitet. Inzwischen läuft
die Fassade, bekanntlih ein Prachtstiick des
plateresken Stils, Gefahr einzustürzen. Die Ar-
beiten im Claustro von S. Juan de los Reyes
gehen glücklich ihrem Ende entgegen; dafür ist
jedoch die Decke im angrenzenden Museum zum
Teil eingestürzt. Die Sammlungen werden daher
für längere Zeit unsichtbar bleiben, falls man
sich nicht entschließt, wenigstens die Plastiken
im Kreuzgang des Claustro aufzustellen. Sehr
gefährdet ist auch die ursprüngliche Fassade
der Moschee Bib al Mardom (Cristo de la
Luz), da die vorgebaute, unbedeutende spätere
Fassade sehr baufällig geworden ist. Man hat
sich nun endlich entschlossen, diese niederzureiBen
und die maurische Fassade somit freizulegen.
Inder Sinagoge del Transito herrschen nach
wie vor dieselben skandalösen Zustände. 1880
hatte man mit Renovierungsarbeiten begonnen,
die jedoch 3 Jahre später bereits wieder ein-
gestellt wurden und bis auf den heutigen Tag
nicht wieder aufgenommen sind. Das große
Gerüst aber, das jeden Genuß dieses einzig-
artigen Bauwerkes unmöglidı macht, hat man
ruhig stehen lassen!
In Granada hat die kleine, jedoch keines-
wegs unbedeutende Gemäldesammlung noch
immer keine würdige Unterkunft gefunden. Seit
Jahren stehen die Bilder wie in einem Magazin
im sogenannten Museo de Bellas Artes am Boden,
und es ist leider keine Aussicht vorhanden, daf
sie in den nächsten Jahren eine bessere Auf-
stellung finden.
Die Arbeiten an der Alhambra!) schreiten
langsam vorwärts. Zur Zeit wird der Eingangs-
turm die „Puerta de la Justicia“, restauriert, die
sih stark gesenkt hatte; ferner wird in der
„Torre de las damas“ gearbeitet, wo höchst
interessante maurische Wandmalereien vor we-
nigen Monaten aufgedeckt worden sind. Da die
Deckenmalereien in der „Sala de Justicia‘ von
christlichen, in Italien geschulten Künstlern aus-
geführt worden sind, haben wir hier die einzigen
uns erhaltenen, figürlidien Malereien maurischer
Künstler vor uns. Sie gehören dem XIV. Jahr-
hundert an und stammen von Künstlern, die
mehr mit Arbeiten dekorativer Natur als mit
der Darstellung von Menschen und Tieren ver-
traut sind. Man darf sie wohl den Meistern
zuschreiben, die in mehreren Sälen der Alhambra
den unteren Teil der Wände mit dekorativen
Malereien geshmüct haben. Es sind zum min-
desten zwei Künstler, die an den Längswänden
eines kleinen Zimmers in mehreren Streifen
Löwenjagden, eine sehr gelungene Hirschjagd,
Bogenscützen, Auszug einer großen Reiterschar
mit Standarten an der Spitze und Lastkamelen
usw. dargestellt haben. Die Ornament- und In-
schriftstreifen, sowie die Muster der Pferde-
sdabraken und Fahnen sind besonders fein
ausgeführt. Die Figuren sind klein, ca. 6—9 cm
groß. Die Hauptfarben sind rotbraun, blau, rot,
hellgrün, schwarz und gold. Leider sind die
Malereien in sehr schlechtem Zustand auf uns
gekommen. A.L. Mayer.
3
DER WORZBURGER KREUZGANG
BEI DER NEUMUNSTERKIRCHE
Man darf dem Deutschen Museum in Berlin
schon heute zu der Erwerbung dieses fiir die
Entwicklung der deutschen Kunst sowohl wie
fir die dekorative Wirkung so hervorragenden
Stückes gratulieren, das jetzt plôtzlih, wo Bode
der Kauf gelungen ist, mit romantischem
Schimmer umkleidet, den Stoff fir nutzlose
Zeitungsdebatten abgibt, nahdem der Würz-
burger Magistrat jahrelang Zeit gehabt hatte,
Sich sowohl um dieses Denkmal wie auch
noch um so vieles andere zu kümmern. Das
ist das Komische an der Sache. Die Pose des
betrogenen Liebhabers, der sich zur rechten
Stunde nicht hat erklären können, wirkt immer
ergötzlih. Trotzdem aber wird die Miene des
Beleidigten objektive Leute nicht aus der Fassung
bringen und so sehr wir sonst die Bestrebungen
!) Vergl. hierzu die Beiträge von E. Kühnel in
Heft 3 u. 5 „Alhambraprobleme I u. Il“.
Rundschau
815
von Heimatbund und Denkmalschutz anerkennen,
in diesem Falle kann sich unsere deutsche Kunst
dazu beglückwünschen, daß wieder einmal durch
die Initiative Bodes das Augenmerk auf ein
kunsthistorish bedeutendes Werk gelenkt ist,
das im deutschen Museum einen Ehrenplatz
erhalten soll.
Würzburg, das noch immer vier Museen be-
sitzt, über deren Qualität und Notwendigkeit nichts
erwähnt zu werden braucht, statt ein einheit-
lihes Museum für Unterfranken zu schaffen,
hätte lieber rechtzeitig dafür sorgen sollen, daB
nicht ein Stück nach dem anderen aus dem
heimatlihen Besitz in den Handel kam und
seine Kunstwerke von Tag zu Tage aus-
wanderten. Aber nichts ist in der Beziehung
seit Jahren geschehen und erst jetzt wird künst-
lih mit Hilfe des alten Walthers von der
Vogelweide — man kann über diesen „Schwindel“
nur lächeln — eine Affäre konstruiert, deren Lärm
ernste um die Erhaltung deutscher Kunstdenk-
male bemühte Kreise nicht wird aus der Fassung
bringen können. Im Gegenteil, wir möchten
wünschen, daB durch solche Ereignisse noch
recht oft saumselige Behörden an ihre Pflicht
gemahnt werden, daB das deutsche Museum
häufiger Gelegenheit hätte, in solcher Weise als
Scützerin deutscher Kunstdenkmäler aufzu-
treten. Die Partei der Antisemiten und All-
deutschen, von der die PreBfehde offenbar ein-
geleitet wurde, sollte sich bei Zeiten an die
eigene Nase fassen und sich nicht wie in diesem
Falle gar zu offenkundig der Lächerlichkeit des
verschmähten Liebhabers preisgeben. Übrigens
hat die Generaldirektion dem Würzburger Ma-
gistrat sehr hdflici einen ZementabguB des
romanischen Kreuzganges angeboten. G.B.
8
KLEINE NACHRICHTEN
Barmen. Die Galerie des Kunstvereins erhielt an
Geschenken von August Frhr. von der Heydt, Elberfeld,
die beiden Bronzen „Die Badende“ und ,Salome* von
Max Klinger, von Herrn Hugo Toelle das Gemälde
-Pfauen im Schnee“ von Rudolf Shramm-Zittau und
vom Verein der Kunstfreunde in Barmen ein „Stilleben“
(Apfel und Weintrauben) von Charles Sud. Ferner
wurde vom Verein selbst mit Unterstützung von Herrn
Hugo Toelle auf einer Sonder-Ausstellung von Oskar
Zwintscher dessen neues Gemälde „Melodie“, zur Zeit
auf der Dresdener Kunstausstellung, erwoıben.
Basel. Die schweizerishen Museumsdirektoren
haben sih zu einem Verbande zusammengetan zwecks
Wahrung und Förderung der künstlerischen Inter-
essen der Museen und einheitlicher Regelung beruflicher
Fragen. Für die nächsten drei Jahre wurde Basel zum
Vorort gewählt. Der Verband wünscht u. a. eine stän-
dige Vertretung der eidgenössischen Kunstkommission
und das Vorsclagsredt bei der Verteilung der vom
unes angekauften Kunstwerke an die sdiweizeriscien
useen.
Berlin. Hier wurde ein Verein zur Wieder-
belebung des Interesses für alte Kunst ins
Leben gerufen, für den verantwortlich der Maler Otto
Blankenstein zeichnet. Die Nachricht erweckt Neugierde,
trotz der Skepsis, mit der wir vorläufig davon Kenntnis
nehmen.
Brügge. Ende Juli wurde eine Gemäldeausstellung
eröffnet, die ausschließlich Ansichten von Prugne enthält.
Dieselbe ist auf Veranlassung des Baron Kervyn de
Lettenhove veranstaltet worden, der sih audi im vorigen
Jahre um die Ausstellung des „Goldenen VlieBes“ verdient
gemacht hat. Der Katalog erwähnt 73 Künstler und ver-
zeichnet ungefähr 200 Nummern. Es befinden sich darunter
Werke der Brügger Maler Rommelaere, Geo de Sloovere,
Flori van Acer, Norbert Boulen, Karel de Schepper, Jef
van de Fackere, Cesar Geerinck, Rousseau, Albert Gau-
thier u. a. Außerdem umfaßt die Ausstellung noch Bilder
von Frantz Charlet, Albert Bartsoen, Omer Coppens,
Herman Courtens, Victor Gilsoul, Josef Horenbant, Fer-
nand Khnopff, Paul Leduc und Josef Middelcer. Deutsch-
land ist durh Westendorp und Ch. Liesegang aus Düssel-
dorf vertreten, England durch Brangwyn, Holland durch
Groodt, van Loggen und Frau Adriani. Die Ausstellung,
die ungefähr 200 Nummern umfaßt. ist in der Maler-
akademie in der Rue St. Cathérine untergebracht, in der
Se des ,Minnewater® und des berühmten Beginen- :
ofes.
Karlsruhe. Prof. Dr. R. Freiherr v. Lichtenberg ist
aus dem Verband dieser Hochschule ausgeschieden, weil
er zum Zweck archäologischer Forschungen seinen Wohn-
sitz dauernd nach Athen verlegt hat.
Kassel. Die Königl. Gemäldegalerie hat einige inter-
essante Neuerwerbungen zu verzeichnen. Es sind vier
Landschaftsbilder von Constable, Millet, Troyon und Dau-
bigny. Auch zwei schöne Werke alter Meister wurden
jüngst in Frankfurt a. M. für Kassel erworben: eine Land-
schaft mit Soldaten als Staffage, die dem Wouvermann
zugeschrieben wird, und eine Dünenlandschaft von Jacob
varı Ruisdael.
Wien. Wie berichtet wird, wurde im Besitz
des kais. Rates Klauber ein Bild gefunden, das nach
Angabe von Fachieuten eine Jugendarbeit Murillos ist.
Eine Bestätigung durch Spezialkenner bleibt abzuwarten.
Das Bild stellt einen Lautensciäger dar und ist 1848 in einer
Versteigerung bei R. Lepke-Berlin erworben worden.
Bei einer Reinigung ist jüngst das Signum Murillos auf
der Mütze des Spielers zum Vorschein gekommen.
Wien. Böcklins Triptychon „Venus genetrix"
ist soeben für den verhältnismäßig niedrigen Preis von
80000 Kronen von der Wiener Galerie angekauft
worden. Das 1895 datierte Werk befand sich bis jetzt
in der Sammlung des Geh. Rats Professors Neißer
zu Breslau und reiht sich den beiden schon im Unteren
Belvedere, einst dem Sommersitz Prinz Eugens, befind-
lichen Werken des Meisters an: der Studie nach dem
Kopf Lenbachs aus der Zeit des ersten römischen Aufent-
halts und der Meeresidylle von 1887.
Florenz, Im Jahre 1911 soll aus Anlaß der Halb-
jahrhundertfeier des Königreiches Italien eine umfangreiche
orträtausstellung stattfinden, über die bereits die ersten
Besdilüsse gefasst sind. Herr Ugo Ojetti hat sidi dazu in
einem besonderen Bericht geäußert. In richtiger Erkenntnis
der Tatsache, daß man von den Darbietungen des Quattro-
cento und Cinquecento wird absehen müssen, denn keine
Galerie wird sich auf Monate hinaus von ihren Schätzen
trennen wollen, soll die Ausstellung mit dem Ende des
Cinquecento beginnen und bis zum Jahre 1861 einen Über-
blik gewähren. Größtenteils wird es sich dabei um die
in königlichen und privaten Villen, in Bruderschaften und
Stadthäusern zerstreuten Kunstwerke handeln. Auch was
Ojetti über die Bedeutung der Ausstellung speziell für
die anthropologische Physiologie sagt, dürfte ungeteilten
Beifall finden.
Foligno. In der kleinen Kirche zu Foligno, in welcher
der Legende nach der Apostel Petrus eine Messe zele-
brierte, wurden, wie italienische Blätter melden, bei
Restaurationsarbeiten Fresken von hohem Werte auf-
gefunden. Die Werke, die Heilige darstellen, werden der
umbrischien Schule des Pietro Mezzastris oder dem Meister
selbst zugeschrieben. Die Fresken haben je eine Länge
von 2 m und eine Breite von 1,5 ın. Besonders gut er-
halten sollen die Farben sein. Bisher wurden fünf Fres-
ken aufgedeckt, unter denen „eine Kreuzigung Christi“ die
schönste sein soll. Die Arbeiten dauern fort, da man
hofft, noch weitere Gemälde zu finden.
SW;
O
Berichtigung.
In Heft 7/8 auf Seite 691 hat Max Rooses
das von Gustav Gliick herausgegebene Werk
„Niederländische Gemälde aus der Samm-
lang ALEXANDER TRITSCH in WIEN“ ein-
gehend gewürdigt. Durch ein Versehen ist
der wohlbekannte Name des Besitzers der
Sammlung durchgehend in Fritzsch verkehrt
worden, was wir hiermit berichtigen wollen.
Die Red.
KarlBorinski.DieRätselMichelangelos.
Michelangelo und Dante. München und
Leipzig 1908 bei Georg Müller.
Mit einem nicht gewöhnlichen Aufwande von
Gelehrsamieit behandelt hier ein Literarhistoriker
kunsthistorishe Probleme. Die brennendsten
Fragen der groBenLebens- und Schaffenstragödie
Michelangelos werden vor uns aufgerollt. Ein
Buch desselben Verfassers über „poetische Vision
und Imagination“, welches schon vor mehr als
zehn Jahren erschien und gleichfalls schon das
Verhältnis Michelangelos zu Dante behandelte,
blieb m. W. von den Kunsthistorikern völlig
unbeachtet. Das neue Budh Borinskis wird jeder
benutzen müssen, der sich in die unergründlichen
Probleme der Kunst Buonarottis versenkt.
Wie umfassend und bedeutsam der Inhalt ist,
den Borinski den Lesern seines Buches verspricht,
sagt schon die Übersicht: Michelangelo als Literat,
der Platonismus im Rinascimento; die Antike
und Polizian; Leon Battista Alberti; die Grab-
denkmäler; die Decke und das Altargemälde der
Sixtina. Es würde einen zweiten Band füllen,
wollte man im einzelnen Stellung nehmen zu
den Fragen, die Borinski aufwirft und zu der
Art, wie er sie zu lösen versucht. Dafür scheint
der Zeitpunkt auch heute noch nicht gekommen.
Bücher, welche dauernden Wert besitzen, machen
ihren Weg überhaupt viel unabhängiger von
der augenblicklichen Kritik als man gewöhnlich
annimmt. Ihr Wert oder Unwert wird von der
Nachwelt viel leidenschaftsloser erörtert und viel
sicherer eingeschätzt werden als von den Zeit-
genossen. So scheint auch diesem Buche gegen-
über einige Zurückhaltung geboten, denn wie es
wirken wird, ist heute schwer zu sagen. Und
wenn es jetzt vor allem unsere Kritik heraus-
TS) LITERATUR e Sr)
fordert, so erzwingt es doch auch unsere Ach-
tung vor dem unerschitterlicien Ernst, mit dem
der Verfasser sein Thema, einseitig allerdings,
aber stets zum Nachdenken anregend, behandelt
hat. Das Buch erscheint vor allem ein klassi-
sches Beispiel dafiir, welch eine Fille von Ge-
danken die Werke des Genius auszulösen ver-
mögen, wie unablässig sie zum Nachdenken
zwingen und wie verführerisc der Glanz ist,
der sie umstrahlt.
Seit J. E. Taylor im Jahre 1852 sein Buch
„Michael Angelo considered as a philosophic
poet“ herausgab, ist der Einfluß der durch Marsilio
Ficino vermittelten platonischen Philosophie auf
die Dichtungen Michelangelos vielfach erörtert
worden. Noch unlängst wurde diese Frage
wieder in einer tiefeindringenderen Studie von
dem Professor der Turiner Universität, Arturo
Farinelli, erörtert. Aber gegen ein tieferes
Sichversenken in die Schriften des berühmten
Meisters der platonischen Akademie spricht noch
immer der Umstand, daß Michelangelo kein
Latein verstand. Und selbst die Briefe Marsilios
erschienen wenigstens nach der mir vorliegen-
den Ausgabe erst i. J. 1546 in der italienischen
Übersetzung des Felice Figliucci. Und wenn
man dann nach allen Auseinandersetzungen über
Dante und Petrarca, Marsilio Ficino und Polizian,
Lorenzo de Medici und Pico della Mirandola
wieder zu den Dichtungen Michelangelos greift
mit ihrer urwüchsigen Kraft des Gedankens, mit
ihrer Eigenart im Ausdruck und ihrer Wahrheit
in der Empfindung, dann meint man doc, daB
die Quellen, aus denen der Genius geschöpft hat,
ewig geheimnisvoll und unerschdpflich bleiben
müssen. Der Dichter Michelangelo erscheint
so unermeBlich reich an eigenem Besitz, daB man
kaum den Finger auf das zu legen wagt, was
er bewußt oder unbewußt anderen entlehnt hat.
Jedenfalls lassen Borinskis Darlegungen erkennen,
daB die Analyse des Dichters noch unendlich viel
schwieriger ist als die des bildenden Künstlers.
„Mehr nod als Polizian und der ganze Kreis
Lorenzos muB der noch geistig in ihm lebende,
im Andenken aber um so lebendigere Leon
Baptista Alberti des jungen Buonarroti Bildungs-
gang angeregt haben.“ Mit diesen Worter führt
uns Borinski auf eine wenig betretene, wenn
nicht völlig neue Spur, der weiter nachzugehen
sich verlohnen dürfte. Wir haben hier eine jener
aussichtsreichen Perspektiven, dievorallemandern
den Wert des feinsinnigen Buches bestimmen.
Literatur
Wie weit die Kunstgeschichte sich des Ver-
fassers Deutungen der Werke des Malers und
Bildhauers Michelangelo zu eigen machen wird,
kann erst die Zeit uns lehren. Ich glaube zu-
nächst, das sie mehr Widerspruch als Zustimmung
finden werden. Die Auffassung des Moses
allerdings „quel vecchio la cui barba il petto
inonda“ als der „kontemplative Gesetzes-
mann“ wie sie Borinski mit Redıt gegen-
über dem zornigen Zertrümmerer der Gesetzes-
tafeln vertritt, ist keineswegs bis dahin nur von
Gabriel Thomas geäußert worden. Ich selbst
habe schon vor zehn Jahren im „Testament des
Moses“ eine ganz ähnliche Interpretation ver-
treten, und ebenso hat sich auch Robert Vischer
Schon längst im „Museum“ gegen den „aktiven
Grimm“ ausgesprochen. Da auch Mackowsky
in seiner soeben erschienenen Midelangelo-Bio-
graphie gegen die Auffassung des zornigen
Moses wohlbegründeten Einspruc erhebt, so
darf man hoffen, daß die seit Lübke unzählig
oft wiederholte MiBdeutung endlich aus den
Handbiichern verschwinden wird.
Aus Christoforo Landinis Gesprächen von
Camaldoli will Borinski vor allem die geistige
Herkunft der Medici-Grabmäler ableiten. Ich
glaube, daB er die Bedeutung gerade dieses
Buches für Michelangelos Ideenkreise keineswegs
überschätzt hat, und daß wir dem Verfasser für
die Vermittlung dieses äußerst merkwürdigen
Literaturproduktes besonders dankbar sein
müssen. Aber auch hier fühlen wir schmerzlich
die Grenzen des Erkennenkönnens, und den
Ariadnefaden durch dieses Labyrinth werden
wir wohl trotz aller Aufklärung im einzelnen
noch lange, ja vielleicht für immer vergeblich
suchen. Nur gegen eine Deutung Borinskis muB
ih Einspruch erheben: gegen seine Erklärung
der Flußgötter als der vier Unterweltsströme.
Als ich, um meine — ich darf wohl sagen nidits
weniger als originelle, sondern äußerst einfache —
Deutung auf Tiber und Arno für beide Grab-
mäler zu begründen, auf das Zeugnis eines Zeit-
genossen hinwies, in dem es heißt: Die hodh-
herzigen Könige des Tiber und des Ärno werden
die großen Grabmäler vergebens erwarten
E i magnanimi re del Tebro e d'Arno
I gran sepolcri aspettaranno indarno —
da ließ ich mir allerdings nicht träumen, daß
diese Verse auch noch ganz anders inter-
pretiert werden könnten. „Das heißt doch zu-
nächst nicht mehr“, schreibt Borinski, „als daB
die Fürsten des Kirchenstaates und Toskanas,
nämlich Julius II. und die Mediceer, vergebens
auf die Vollendung ihrer Denkmäler warten
werden.“ Call me what instrument you will,
though you can fret me, you cannot play upon
815
mel Es ist mir unmöglich, diese Art der Inter-
pretation ernstli zu diskutieren. Neue posi-
tive Belege dafür, daB die „fiumi“ nichts anderes
vorstellen sollten, als eben Tiber und Arno, habe
ih unlängst im Juliheft der „Deutschen Rund-
schau“ beizubringen versucht.
Zu Borinskis Sixtina-Interpretationen werden
sich andere vielleicht kompetenter äußern, weil sie
seinen Darlegungen objektiver gegenüberstehen
als ich selbst. So freudig man es begrüßen muB,
wenn ein gründlicher Danteforscher über das
großartige Thema „Dante und Michelangelo“ neue
und wertvolle Aufschlüsse vorbringt, so schmerz-
lim war es mir im einzelnen, Deutungen, die
mir gesichert schienen, durch Borinski wieder in
Frage gestellt zu sehen. Das gilt u. a. von der
Erklärung jener Medaillons, die ich auf die Ge-
schichte Davids bezog und womit ich allgemeine
Zustimmung fand. Ich glaube, daß auch andere
über die neuen Erklärungsversuche des Ver-
fassers einigermaßen erstaunt sein werden. Und
Giacomo Boni würde Borinskis Beitrag zu
seiner bekannten ikonographischen Studie über
Kaiser Trajan und die „Vedovella“ schwerlich
akzeptiert haben.
In der äußeren Technik läßt Borinskis Buch
zu wünschen übrig. Sämtliche Quellenangaben
und Belegstellen, die so gewissenhaft aufgeführt
sind, finden sich im Text eingeschaltet und nicht,
wie es sonst üblich, in Anmerkungen unter-
gebracht, So wird die Übersichtlichkeit unend-
lih erschwert und die Geduld des Lesers bei
einer ohnehin nichts weniger als leichten Lektüre
unnötig auf die Probe gestellt. Dieser Umstand
ist um so mehr zu beklagen als man dem ernsten
und nachdenklichen Buche recht viele Leser wün-
schen möchte. Dap der Verfasser den Anspruch
erheben darf, auch weitere Kreise über des
Meisters Kunst und Wesen zu belehren, glaube
ich schon mit einigen Sätzen belegen zu können,
die sich auf einer der letzten Seiten seines Buches
finden: „Diese abgründige Menschenseele, die
ihr Genius bestimmte, in den sinnlichsten Schrift-
zügen sich der Welt mitzuteilen, mußte wohl
aus sich selber ein Geheimnis machen, um sic
das Recht und die Möglichkeit zu wahren, nur
sich selber geben zu dürfen: das was ihres
Reiches und nicht von dieser Welt ist. Wie
wäre es sonst möglich geworden, daß sich hier
durch eine doppelt so lange Wirkenszeit als dem
Menschen durchschnittlich gesetzt ist, in irdischen
Gestaltungen ein Schauen kundtut, unberührt
und frei von all dem Kleinlichen, was das durch-
schnittliche Leben dem Geiste abzwingt: erhoben
über das Niedrige, fremd dem Gemeinen, in
menschlichen Bildern eine andere, eine jenseitige
Welt.“
816
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Wer so in die Wesenstiefen Michelangelos ein-
gedrungen ist, der darf seine Stimme erheben, um
audi andere zu belehren. Mag man ihm im ein-
zeinen zustimmen oder nicht, jedenfalls sind hier
die Rätsel eines großen Mannes und einer hohen
Kunst in jene Weiten eines allumfassenden Blickes
gerückt, in denen sie allein geschaut und ahnend
nadıempfunden werden können.
Ernst Steinmann.
Karl Frey. Michelagniolo Buonarroti.
Sein Leben und seine Werke. Band I. Michel-
agniolos Jugendjahre. Berlin 1907, Verlag von
Karl Curtius. 49. XXXVII und 345 Seiten. Preis
geb. mit Anhang 23 M.
Diese Biographie ist der Ertrag eines ihrem
Helden gewidmeten tätigen Lebens. Wer sie
jedoch mit der Befürchtung in die Hand nimmt,
hier die disjecta membra eines lediglich ana-
tomischen Forschungsinteresses zu finden, wird
sich angenehm enttäuscht sehen. Das gerade in
dieserRichtungüberbescheidene Motto von Baum-
bach ist weder dem Titelhelden noch seinem
Biographen angemessen. Alles, was nur ent-
fernt daran gemahnte, ist säuberlih in ein
stattliches Beiheft!) gepackt. Ja, so ausschlieBend
hat sich im Autor der Darsteller gegen den
Forscher erwiesen, daB der kundigere Leser
sih zunächst verwundern wird, wie beiläufig
und damit glimpflim manche kritische Fragen
(der Echtheit vielumstrittener Jugendwerke z.B.)
im Hauptbande zur Geltung kommen. Die Bei-
gaben erweisen sich dann freilim um so aus-
giebiger und positiver bzw. negativer! Nr. 12
unter ihnen: „Donatello und Michelagniolo, eine
Parallele“ hätte u. E., trotz den speziell per-
sönlihen Auseinandersetzungen mit Frieda
Schottmüller und von Geymüller, einen Platz
im Rahmen der Darstellung verdient. So be-
deutsam und sympatliisch erscheinen uns die
darin vorgetragenen prinzipiellen Forderungen
an die Kunstgeschicite, die keine bloße , Augen-
kultur“ voraussetze und ebensowenig wie jede
andere Geschidite ihren Endzweck materialistisch
in leerer ,Deskription“ zu sehen habe.
Auch die sehr notwendige Auseinander-
setzung mit den Quellenbiographien ist aus der
Darstellung heraus in: die allgemeine Vorrede
eds Werkes verwiesen. Es wäre zu wünschen,
daß sie dadurch an Auffälligkeit gewännen.
) M. B. Quellen u. Forschungen zu seiner Geschichte
und Kunst.
Wer je Gelegenheit hatte, die kontagiöse Ver-
breitung der biographischen Urteile des Paolo
Giovio in der Renaissanceliteratur zu kontrol-
lieren, muB den verhängnisvollen Einfluß dieses
streberischen Prälaten auf die Biographie des
ihm wesensfremden Künstlers (s. XXV) möglichst
stark unterstrihen wünschen. Der Anonymus
Magliabecchianus erhält seinen Zoll wegen sei-
nes Schlaglichts auf das Verhältnis zu Lionardo..
Die beiden Fassungen (1551 u. 1573) der Vita
des Vasari werden in ihrer sachlichen Ungleich-
wertigkeit im Hinblick auf die dazwischen (1553)
erschienene Arbeit Condivis einander gegen-
übergestellt. Diese nun aber als kachierte , Auto-
biographie“ (s. XXIX) von seinem Helden selbst
herrührend. (gar „diktiert!“, S. 157) anzusehen,
verbietet doch der Verfasser gleich durch starke
Einschränkungen und Verklausulierungen einer
solchen Rangerhöhung des unschätzbaren Schüler-
werkes. Mit seiner Autorisierung also darf man
Einspruch erheben gegen direkte Substituierun-
gen des Namens des Meisters bei Berichten des
biographishen Schülers: „Michelagniolo Con-
divi“! So besonders S. 50: „Mit keiner Silbe
erwähnt nämlich Michelagniolo (!) den Na-
men Bertoldos, übergeht geschickt dessen Unter-
weisung und EinfluB und schreibt ungeniert
alles Verdienst sich selbst zu.“
Was bedarf es auch autobiographischer Sur-
rogate bei einem Genius, „dessen Werke, die
Dichtungen inbegriffen,“ sehr richtig durchwegs
„als Selbstbekenntnisse* angekündigt werden
(S. XD? Ihre Rätselnatur ist ja nur die ihres
Schöpfers selbst, dem „unbefangene Hingabe an
seine Umgebung fern lag* (S. XV). Das „Un-
nahbare, AbstoBende, Geheimnisvolle“ ist so
wenig von ihm als von seinen Werken abzu-
trennen. Ja, sie bringen es in so vollendeter
Form zum Ausdruck, daß jenes mystische
„höchste Glück der Erdenkinder“ in ihnen un-
verhüllt greifbar zutage getreten scheint.
Von einem Goethishen Wort (an Zelter)
darf sich der Biograph mit erworbenem Rechte
geleitet bekennen: „Natur- und Kunstwerke
lernt man nicht kennen, wenn sie fertig sind;
man muB sie im Entstehen aufhascıen, um sie
zu begreifen“. Nirgends erscheint dies schwerer
als bei dieser Künstlernatur, die gleich der
großen Mutter „geheimnisvoll am lichten Tag
sich ihres Schleiers nicht berauben“ lassen mag.
Schon sein Geburtshaus, das Domizil des Po-
destä von Caprese, das die Zentenarfeier von
1875 mit den üblichen Marmortafeln signalisiert
hat, scheint sih nach den Ergebnissen des
Buches von Chinali (Arezzo 1904) und neueren
Ausgrabungen wieder in das groBe Dunkel zu-
rückzuziehen . .. „und niemals wird die Mög-
Literatur
817
lichkeit geboten sein, pietäts- und stimmungs-
volle Wallfahrten zur Wiege Michelagniolos in
Caprese zu veranstalten, wie dies bei Raffael
mit Giovanni Santis Haus in der Contrada del
Monte zu Urbino der Fall zu sein pflegt“
(Quell. u. Forschg. S. 2). Vasaris Angabe der
Via Ghibellina in Florenz ist nur ein (in der
Vita di Jacopo Sansovino stehen gebliebenes)
Zeugnis seiner schludrigen Arbeitsweise. Besser
steht es mit dem Geburtsdatum (bei Condivi:
6. März 1475, 4 Stunden vor Tag, Montag =
Vasari: 8 Uhr Sonntag). Die Nativität von der
Hand des GroBvaters Ludovico existiert zwar
auch in der Kopie nicht mehr, die sich Michel-
agniolo — eine andere Schreibung des Namens
perhorresziert Frey — 1548 von seinem Neffen
nah Rom schicken läßt. Aber immerhin eine
Abschrift aus dem XVII. Jahrhundert (im Ardı.
Buon. vgl. Qu. u. F. Nr. Il). Die einzige Ur-
kunde, auf die sich des Kiinstlers Stolz auf
seine Abstammung von den Grafen von Canossa
tatsächlich stützen konnte, nämlich das, diese
Ansprüche entgegenkommend anerkennende,
Schreiben des Grafen Alessandro „al mio molto
amato et parente hon. Messer M.A.B.“ vom
8. Oktober 1520 wird nach dem Original im
Britischen Museum diplomatisch getreu mitge-
teilt (Qu. u. F. S. 6). Die Irrtümer und SchluB-
folgerungen Grimms in dieser Sache werden
zurückgewiesen. Die Buonarroti-Simoni werden
dokumentarisch zurückverfolgt (sicher bis 1196)
nach Wappen fursprünglih nur zwei goldene
schräge Balken auf blauem Schilde ohne den
Rechen darüber), Namen und Namenswandel
(der ursprüngliche Geschlechtsname war Simoni
allein! Michelagniolo unterzeichnete ihn selber
nie, obwohl er den Neffen verbescheidet (Mil.
p. 214), daß er ihn unter allen Umständen sei-
nem Namen hinzufügen würde!), Abstammung
und Geschlechtstafel, Amtern und Steuern (Qu.
u. F. Nr. IV). Der große Künstler führte seinen
Namen wohl zur Erinnerung an seinen GroB-
onkel Michele (+ 1471). Er habe sich selber,
bis auf eine (bestätigende?) Ausnahme (an sei-
nen Bruder Buonarroto am 10. März 1498. Mil.
p. 59) stets Michelagniolo geschrieben. Die
Formen Michelangelo (aus lat. Michael angelus)
und Michelagnolo waren schon zu Lebzeiten des
Künstlers daneben im Gebrauch (Qu. u. F. S. 8).
Bei der ungeheuren Steigerung des Ansehens,
das gerade dieser stolze Künstler seinem Be-
rufe zu verschaffen gewußt hat, kommt auch
sein Familienstolz für seine Biographie stark in
Betracht, Gleichwohl war auch dieser nur ein
Ausfluß seines gewaltigen Subjekts. Seine wirk-
lihen Ahnen waren schon geraume Zeit vor
jenem sagenhaften messer Simone da Canossa
in Florenz ansässig und von gut bürger-
licher Herkunft: „meist Kaufleute, kleine Ban-
kiers, Inhaber von Wedhselstuben, die nicht ent-
fernt die Bedeutung der großen und berühmten
Bankfirmen von Florenz zu erreichen vermoch-
ten“ (S. 13). Da aber seit der Mitte des XIII. Jahr-
hunderts der Popolo den alten Geburtsadel mit
Erfolg aus dem Stadtregimente verdrängte, so
haben sie sich — offenbar mit besonderer Vor-
liebe und Tatkraft — an diesem beteiligt und
wiederholt der höchsten Behörde, dem Priorat
(wie auch vor seiner Verbannung des Künstlers
Hausdichter Dante) angehört.
Tatsächlid ist selten ein Genie so gegen
alle Herkunfts- und Vererbungstheorien in die
Welt getreten, wie gerade dieser darauf Wert
legende Künstler. Zu der melancholischhen Welt-
einsamkeit seines Lebens ist von Anbeginn der
Grund gelegt in den kleinlichen, gedrücten Ver-
hältnissen seines stiefmütterlihen Vaterhauses
— er verlor die eigene, durch nichts bemerkens-
werte Mutter im sechsten Jahre —, unter einem
eingebildeten Hohlkopf von Vater, der ihm seine
Künstlerschaft mit Stockschlägen auszutreiben
versuchte und an dem er doch so hing, wie es
jenes schöne Abschiedsgedicht auf den Neunzig-
jährigen überliefert; unter „der Unselbständig-
keit und Unproduktivität der übrigen Angehö-
rigen“.
Nichts als die Sorgen seiner Existenz hat
ihm diese Familie gegeben, deren bloBe Er-
haltung auf ihm lastete, und die seine noble
Gesinnung wie seinen Familienstolz nach Kräf-
ten ausbeutete. „Von Kind auf war er ge-
zwungen, das, was seine Seele bewegte, soviel
als möglich selbst vor den nächsten Angehöri-
gen zu versdilieBen* (vgl. S. 124). DaB der
Biograph sich dabei gemüßigt fühlt, die „terri-
bilità“ der Natur seines Helden gegen die An-
nahme „einer von Grund aus perversen Cha-
rakteranlage und eines gestörten Nervensystems“
zu verteidigen, kommt auf Rechnung der Zeit,
in der er schreibt.
„Nidts wäre unhistorischer, als Michel-
agniolo wie eine plötzlihe ‚Offenbarung‘ an
die Welt, als ein voraussetzungsloses Phänomen
zu begreifen“ (S. 79). Dieser axiomatischen
Maxime hätte der Biograph doch audi für die
allgemeine Bildung des Künstlers etwas Gel-
tung einräumen sollen. Sie gerade soll reines
Selbstprodukt des Künstlers sein. (Bei einer
Reihe als voraussetzungslose „Erlebnisse“ hin-
gestellter Gedichte, u. a. dem Sonett auf die
bekränzte Blonde, den Stanzen auf das Leben
in den Bergen habe ich inzwischen die literari-
schen Beziehungen nachgewiesen.)
sich heraus soll er zu der bewunderungswür-
Rein aus `
818
Monatshefte für Kunstwissenschaft
digen Höhe der Weltkenntnis gelangt sein, „die
ihn zuletzt auch in geistiger Beziehung den
führenden Persönlichkeiten der Zeit gleich-, ja
überordnete“ (S. 25). Ohne eine Ahnung von
Platonismus soll er über den von Platonismus
strotzenden Dantekommentar des Akademikers
Laudino haben absprechen können und dürfen.
Wo es dod naheliegt, gerade nach den An-
lässen zur Ausbildung und Methodisierung sei-
nes natürlihen Hangs zur Grübelei zu suchen!
Die in unserem heutigen Sinne im damaligen
Italien überflüssige Frage „Verstand M. A. La-
tein?“ wird im Beiheft (V) noch einer geson-
derten „Widerlegung“ gewürdigt, die auf eine
Bestätigung hinauslauft. Daß Thode mit
seiner Übersetzung von „in grammatica“ mit
„lateinisch“ recht hat, wird gegen Frey jeder
bekräftigen, der diesen Sprachgebrauch aus
Dante kennt. Nichts anderes, als die Kenntnis
der Grammatik, hat sich der Unterredner bei
Giannotti abgesprochen; indem er dabei Fragen
der Dantekommentare erörtert, in denen es von
Latein wimmelt. Wie anders hätte der alte
Mann sich vornehmen können, noch lateinische
Grammatik zu treiben? Wie von sich rühmen
dürfen, daB er stets die Unterhaltung mit Ge-
lehrten bevorzugt habe (die damals nicht bloß
ein „lateinisches Französisch“ und Deutsch, son-
dern auch ein solches Italienisch sprachen; man
denke gerade an L. B. Alberti!)? Er der von
sich sagen konnte, daB es in Florenz (der Stadt
der Platoniker) keinen Gelehrten gegeben habe,
der nicht sein Freund gewesen sei? Was be-
deutet dagegen die, gewiß aus höheren Be-
weggründen als der leicht abzuhelfenden Igno-
ranz, erklärbare Tatsache, daB der Bewunderer
des heimischen Dichters die lateinische Adresse
um die Überführung der Gebeine Dantes auch
in heimischer Mundart unterschrieb ?
Um so sorgsamer und vorurteilsfreier erfolgt
die historishe Analyse der künstlerischen
Bildung Michelagniolos. Hierbei wird gleich die
hohe materielle Einschätzung der Schule des
Domenico Ghirlandajo auffallen; zumal sie mit
der — gleichfalls der Selbstbeurteilung Michel-
agniolos zuwiderlaufenden — These Hand in
Hand geht, daß Michelagniolos Begabung von
Haus aus eine „eminent malerische“ gewesen
sei (daher auch bei dem Plastiker das Anheben
von Reliefs und Frontstellungen, wie der Pietà!).
Von seiner Freskomalerei, die er bei Ghirlan-
dajo gleich aus dem Grunde gelernt habe, sei
auch „seine nachhaltigste Wirkung ausgeströmt“.
Möge der Kenner auseinanderhalten, was an
diesen (für die Echtheit der jetzt Freys Samm-
lung eröffnenden fraglihen Federzeichnungen
sehr positiven) Ausführungen im materiellen
Sinne wahr und im idealen falsch sein dürfte.
Seite 84 heißt es dagegen: ,Auch mit Reliefs
hat er sich verhältnismäßig in geringem Um-
fang und fast allein in der Jugendperiode be-
faBt. Alsdann bildet er die Gestalten zumeist
wie selbständig und losgelöst vom gemeinsamen
Grunde. Ma... erstrebte und erreichte von
Anfang an volle ,kubishe Wahrheit‘.“ Vor-
her (S. 26) wird aber gesagt: „Erst nadı
mehreren Versuchen und unter dem
wadisenden Einfluß der Antike lernte
Ma. volle kubishe Wahrheit erzielen.“
Es ist anlaBlich des „dekorativen Charakters“
der Skulptur Donatellos, daB sidı der Biograph
auf diese nötige Korrektur seiner kühnen Aus-
sprüche besinnt. Im Gegensatz zu dem „leeren
Bonmot“ (Bode) Raffael Borghinis wird das
beiderseitige Verhältnis der beiden „wahlver-
wandten Heroen“ als ein durchausgegensätzliches
dargetan. Die Beziehung des Moses auf Dona-
tellos Johannes Evangelista im Dom (jetzt
nicht mehr „im Chore“!) wird „himmelweit“
abgewiesen (S. 80). „Erobert Donatello die
sichtbare Welt, so erobert und gestaltet Ma
die unsichtbare, freilich nicht minder wirkliche
und existente“ (S. 82). Verrocchio, der „tus-
kishe Lysipp“ und (in Bologna) Jacopos della
Quercia Reliefs an S. Petronio sind seine eigent-
lihen Vorgänger und Anreger. Speziell im
Giovannino ist ,der junge Meister dem Vor-
gänger relativ am nächsten gekommen“ (S. 88).
Der pädagogische EinfluB Bertoldos wird sehr
hoch veranschlagt, die Nachwirkung auch seiner
Kompositionen (Reiterschlacht) bis in die GroB-
werke angenommen (Karton der Badenden,
Juliusgrab, Sixtina). Auch Ma's Verhältnis zur
Antike profitierte von ihrer frühen Vermittelung
durch die Schule im Garten von S. Marco. Es
blieb dadurch bewahrt von den Naditeilen, die
die „zweite Phase“ des antiken Einflusses durch
die Ausgrabungen und großen Funde auf die
spätere Zeit des ,pedantisch-antiquarishen Be-
triebs, der äußerlihen Nachahmung und tech-
niscien Virtuositàt“ ausübte. „Seine antikische
Art ist die der Frühzeit gewesen“, freilich ohne
die ,frohgemute Sicherheit und romantische
Stimmung“ des Quattrocentisten, eines Ghiberti.
„Ihn reizen an der Antike weniger ihre Anmut
und Harmonie, als ihre Kraft und Erhabenheit,
ferner die vollendete Naturauffassung und Tech-
nik, der vollkommen befreite Stil der
Plastik“. Diesen habe er, mit dem ihm eigenen
Ungestiim und der eisernen Konsequenz seines
Wesens, sich zu eigen gemacht als des besten
Ausdrucksmittels fiir die Gestaltenwelt seiner
Phantasie (S. 94f.). Er habe daher auch nie
im eigentlichen Sinne aus der Antike ,entlehnt*,
Literatur
819
sondern alles derartige in seinem eigentümlich-
sten Geiste umgeschaffen. Mit zunehmender
Routine und den neuen Anforderungen, die ein
neuer Inhalt an den Bildner stellte, habe er sich
so schlieBlichh um so weiter von der Antike ent-
fernt, „so zwar daB die Schöpfungen jener und
die Ma's zuletzt als Gegenpole erscheinen.“
Besonders interessiert in diesem Zusammen-
hang der Abschnitt über Ma’s anatomische und
Modellpraxis. Er hat den männlichen Akt immer-
dar bevorzugt, selbst bei Frauendarstellungen,
und das „männliche Modell im Hinblick auf den
Zweck effeminiert“ (prägnantes Beispiel die
Zeichnung zur lybischen Sibylle). Es wird mit
Recht zur Erwägung gestellt, „inwieweit diese
Gewöhnung, nach nackten Jünglingen und
Männern zu zeichnen und zu modellieren, Ma's
Psyche wie Formenanschauung überhaupt be-
einflußt hat“ (S. 141). Mit Henke wird „die
lastende Schwere derKörpermasse“, „die Mannig-
faltigkeit und Kompliziertheit in den Biegungen
und Bewegungen“, wie sie bei Lebenden nur
seiten, kurz und mit Willensanspannung möglich
sind, endlich „die kontrastreicheFormbehandlung“
auf den Einfluß der Leiche „in ihrer gleichsam
willenlosen Bewegbarkeit“ zurückgeführt. So
konnten in seiner Seele „riesenhafte Leiber in
unerhört kühnen Stellungen und Bewegungen
entstehen, deren Existenz jenseits des Wirk-
lihen liegt“ (S. 143). Gleichwohl erscheinen
sie dank seinem Wissen und seiner Meister-
schaft als natürlihe. Bisweilen werden aber
den in Spannung befindlichen Gliedmaßen gegen-
über andere Körperteile eher vernächlässigt.
So entstehe „der Eindruck, als seien Ma’s Men-
Scien eher anatomische Präparate, denen die
Haut wieder nachträglich übergezogen sei“
(S. 144).
Es ist der, nur ihrer an sie gesetzten Lebens-
arbeit mögliche, Vorzug dieser Biographie, daß
sie die Entwicklungsgeschidite von Ma's Genius
mit sorgsamster Berücksichtigung und kritischer
Erwägung aller historisch-biographischen Details
ausstatten kann. So erfahren bei der Aufnahme
ihres Helden in den Mediceerkreis die Lage und
Einrichtung des Gartens von S. Marco, der
Bau und die Anlage des Palastes in der Via
larga (jetzt Via Cavour!) weitestgehende Spezial-
untersuchungen, die im Beiheft mit Dokumenten
aller Art belegt werden. Leider stehen ihre Er-
gebnisse, wie der Verf. bei seiner Rekon-
struktion des Innern der Mediceerwohnungen
selbst eingesteht, hinsichtlich ihrer Sicherheit
nicht eben im Verhältnis zu der darauf ver-
wendeten Mühe. Nicht alle Dokumente sind für
weitere Kreise so interessant, wie der Auszug
(Qu. u. F. VII A. a. 1.) aus dem Zibaldone des
Giannozzo Salviati, eines Typus aus der Floren-
tiner lustigen Gesellschaft jener Zeit, wie sie
in den Compagnacci der Savonarola-Zeit in die
Beleuchtung der Weltgeschichte rücken. Dies
Merkbuch eines damaligen Durchschnittsmenschen
wird nur mitgeteilt (und dabei nach Kräften schlecht
gemacht), um seine Angabe, der Mediceerpalast
sei im Jahre 1444 erbaut, zu diskreditieren.
Wertvoller ist die Untersuchung über Lorenzos
Scrittojo (VIII A. c.), wobei dieser Zeitbegriff für
eine Kunst- und Raritätensammlung im Gegen-
satz zu Burckhardt (Der Sammler 472f.) nicht
als Möbel, sondern als Raum angesprochen
wird. Die z. T. neuen oder rektifizierten Mit-
teilungen Medizeischer Aufzeichnungen über
ihr künstlerisches und literarisches Mäcenaten-
tum stehen nur noch in weiter Beziehung zum
Thema des Werkes. Allein was wäre erklär-
licher, als daB dem Biographen die Familie zum
Gegenstande besonderer Forschung wird, die
seinem Helden den Eingang in die große Welt
des Geistes und der Kunst, wie providentiell, ver-
schaffthat. DenHerabziehungen gegenüber, diedie
demokratische Ara überhaupt und die des risor-
gimento in Italien speziell mit diesem Ideal des
Mäcen der Neuzeit vorgenommen hat (Villari!)
erscheint eine solche Ehrenrettung sehr am Platz.
Sogar für den vielgeschmähten Verantworter
der mediceischen Katastrophe (von 1494) in der
Geschichte, Piero „il Fiero“, den ältesten Sohn
Lorenzos, tritt Frey aufs wärmste ein, teilweise
schon mit Autorität des zeitgenössischen floren-
tiner Historikers Nardi, eines Freundes Ma's.
Einige ihn betreffende Briefe werden (Qu. und
F. X.) mitgeteilt, darunter ein anscheinend un-
edierter, in „herrlicher wie gestochener Schritt,
charakteristisch für Pieros Wesen und Passionen“,
der ihn als leidenschaftlihen Pferdefreund er-
weist. Andere sprechen zugleich für seine Be-
schäftigung mit humanistischhen Studien und
Kunstinteressen, jedoch in der Korrespondenz mit
seinem ängstlich über seine Ausbildung wachen-
den Vater. Er steht zu sehr in dessen Schatten,
um nicht verdunkelt zu werden, selbst wenn er
sidi weiser betragen hätte, als er es, auf eigenen
Füßen, „in seiner ehrlichen, offenen und zu-
fahrenden Art“ (S. 221) getan hat. Der Auf-
trag der Schneestatue, durch den er sich gerade
in Ma's Leben eingeführt und nicht eben rühm-
lich verewigt hat, wäre unter Lorenzo unmög-
lich gewesen.
Um so schlechter kommt, wie sich denken
läßt, der politishe Antipode der Mediceer,
Savonarola weg. Auch die nicht vertriebene
Mediceische Linie, mit der Ma. in Verbindung
blieb (Fälschung des Cupido), wird neben ihren
anderen Beziehungen (221 ff.) als zu seiner er-
820
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
klärten Gegenpartei gehörig vorgeführt. In dem
‘ Bestreben, seinen Helden von dem Verdacht
zu reinigen, ein aktiver politischer Parteigänger
des Mönches, ein Piagnone, gewesen zu sein,
schießt der Biograph gelegentlich über sein
Ziel hinaus. Der rätselhafte Brief aus Rom an
den „klugen“ Bruder Buonarroto über den
politischen Möndh, den „Seraphiker“ und „stinken-
den Ketzer“ etc. wird auch hier — trotz des
großen Exkurses (Qu. und F. XVII) — leider
nicht aufgeklärt; ebensowenig das damalige
Schicksal des Dominikaners unter Ma’s Brüdern
Leonardo, dem man im Viterbo „seine Kutte
genommen“ hat. Hettners Deutung, jener Brief
enthielte eine verstellte Warnung an Savona-
rola bezw. seine Freunde (Ital. Stud. S. 151),
bot immerhin eine Handhabe für seine Auf-
fassung, für die ein Ersatz in der Annahme
eines leeren „Sarkasmus“ — gerade bei Ma in
diesem Falle! — nicht geboten wird. Der Pro-
test gegen die Geschichtsfalschung, die die gegen-
wärtige Inanspruchnahme des Florentiner Hei-
ligen der Askese und der guten Werke für
„alldeutsches Luthertum“ involviert (vgl. Qu. und
F. S. 112), wird vom Ref. geteilt und ist von
seiner Seite gleichfalls zum Ausdruck gebracht
worden.
Mehr Ertrag für die Aufhellung der vielen
Dunkelheiten der Ma’schen Biographie bieten
die Kapitel über die Flucht nach Venedig und
Bologna (Arbeit an der Arca), Ma’s anatomische
Studien (S. 129—149), bei denen dem Prior v. S.
Spirito (dem Empfänger des Holzkruzifixes) eine
grundlegende Rolle zugewiesen wird, über den
unausgeführten Traktat über plastische Anatomie,
den der Verf. gern in der Anatomie des Ma
intim befreundeten Professors und päpstlichen
Leibarztes Realdo Colombo wiederfinden möchte
(S. 147), endlich über die Übersiedlung nach Rom.
Hier wird sogar der auffallende Versuch gemacht,
eine dunkle Gestalt im Leben des Kiinstlers, den
Vertrauensmann des Kardinals Riario in der An-
gelegenheit der gefälschten Antike, mit einer um
so heller strahlenden zu identifizieren (S. 286f.),
mit Jacopo Gallo, dem Besteller des Bacchus und
Bogenspanners („Cupido“ in London), dem Ver-
mittler des Auftrags der Pietà. Bei einem sonst
hyperkritischen Autor, wie Frey, berührt diese
kühne Zusammenlegung zweier in der Condivi-
schen „Autobiographie“ so scharf geschiedenen
Persönlichkeiten!) etwas romanhaft. Der Auto-
) Ich will nicht verschweigen, daß Frey selbst am
Schluß der Anm. zu S. 287 auf diesen Umstand hinweist,
um ihm nidit nachzuahmen, der in der neuen Liefe-
rung seines Corpus der Handzeidinungen mein eigenes
Argument für die Niditausführung des Medaillons mit
der Gigantenschlacht an der sixtinischen Decke (den Gegen-
satz gegen die biblishe Umgebung) mir souverän ent-
biograph gerade, den Frey hinter Condivi sieht,
würde nicht verfehlt haben, einen für sein Leben
so grundwidhtigen Faktor schon bei seinem ersten
Auftauchen darin ausdrücklich zu nennen, mag
man ihm sonst noch so schlechtes und diplo-
matisches Gedächtnis nachsagen. Die Erzählung
von dem Probestück der Zeichnung der (eigenen?)
Hand bei dieser Gelegenheit (Frühjahr 1496)
wird nicht bezweifelt, die sich daran heftende
Tradition aber der Erhaltung dieser Handstudie
(Crosaz - Mariette- Caylus-Bottari) abgewiesen.
Sowohl die Zeichnung bei Bottari, als das viel-
leicht daraus abzuleitende „manirierte Mad-
werk“ der Londoner Terrakotta-Hand (Stein-
manns ‘la mano di Michelangelo’ in der Fest-
schrift für Fr. Schneider) wird mit Wickhoff auf
den Michelangelesken Zeichner der Bologneser
Schule Bart. Passerotti zurückgeführt (S. 244f.).
Die gleiche kritishe Abweisung wird den
übrigen Versuchen zuteil, früheste AuBerungen
des Ma'schen Schaffens tatsächlich nachzuweisen.
Bei der allerfrühesten, demFaunskopf, dessen
Zahnlücke dem naiven Eifer des Knaben zuerst
das Wohlwollen Lorenzos v. Medici eintrug,
„schließt die raffinierte Technik“ der dafür im
Florentiner Bargello ausgegebenen Fauns-
maske ,Ma's Autorschaft eo ipso aus“ (Qu. u.
F. XV. 1). Gegen Bodes Versuch, die Masken
am ,Bacdus und Ampelos“ zum Anlaß fir
die Erfindung der ganzen Geschichte zu machen,
wird diese, von Bayersdorfer Ma zugewiesene,
ihm von Wölfflin wieder aberkannte, Ergänzung
eines antiken Torso in die zweite Hälfte des
XVI. Jahrhunderts verlegt: mit Wölfflin „in die
Umgebung“ Jacopos Sansovino. Daher ,auch
die michelangniolesken Eigenheiten, die an der
Gruppe unverkennbar sind.“ (Qu. u. F. XV 4).
Den mit jenem Probestük der Hand eng
verbundenen „schlafenden Cupido“ wollte
Symonds in Mantua, K. Lange dann sicher in
Turin aufgefunden haben (mit bezug auf den
schlafenden Amor der sog. ,Bersaglieri“-Zeich-
nung). Nur die zweite Hypothese lohnt es nodı
zurückzuweisen (Qu. u. F. XIX 1). Die Häufung
und ungeschicte Verteilung der Attribute an der
Turiner Statue, die „grobe und knäulige“ Tech-
nik, die „zu sklavische* Nachahmung der Antike,
das Fehlen der fir Ma ,besonders bei liegen-
gegenhält. Die Praxis vollends möchte ich mir nicht zu
eigen machen, auf meinen Erklärungsversuc, warum dies
echt Michelangeloske Sujet überhaupt nidıt ausgeführt
wurde (Hinweis auf das jüngste Gericht, in dem später
der gefällte Briareus jenes Medaillons Aufnahme gefunden
hat) mir die Schulnote auszustellen, ich wisse nicht, daß
das „jüngste Gericht“ damals noch nicht geplant war.
Welches die „Tendenz“ meines Buches sei, weiß ich selber
nicht; tröste mich daher leicht darüber, dap Frey sie bei
sidi als „verfehlt“ bezeidinet. Daß meine tatsädılidıen
Aufstellungen ridıtig sind, weiß ich, und die Kunstgeschichte
wird es bestätigen.
Literatur 821
den Figuren so charakteristischen starken Quer-
falte über dem Bauche“ lassen den Verf. seine
Wallfahrt zu dem Werke in Turin als einen
„Metzgergang“ bezeichnen. Vollends keine Gnade
finden das Liphartsche Relief von Apollo und
Marsyas nach dem von Ghiberti beschriebenen
antiken Karneol (dessen Geschichte untersucht
wird), vielleicht schon nach einer Plakette danach:
‚vergröbert“ und ,verballhornt* — „wie kam
der Knabe zu dem Karneol?“ — (Qu. u. F. XV 2);
auch nicht der von Bode filr Berlin erworbene,
von Hildebrandt glossierte, jedoch schon durch
sein wertvolles Abbozzo- Material dem Bio-
graphen verdächtige: ,zimperlichhe* Apollo mit
der Geige (Qu. u. F. XV 3; vgl. das Argument
der abweichenden Art der Bohrlöcher im Haupt-
bande S. 107 u. Anm. f.). An der Arca di S. Do-
menico wird — im geraden Gegensatz zu den
Angaben des gleichzeitigen Custoden Fra Ludo-
vico da Prelormo — der heilige Petronius
als „durchaus selbständige“ Leistung Ma zuge-
sprodien. Beim heiligen Proculus aber „ist
nur am Kittel seine Hand zu bemerken“ (Qu. u.
F. XVII 2, S. 131).
Für die Vorzüge des knienden, leuchter-
tragenden Engels an der Arca vor dem viel-
bewunderten Pendant Nicolas wird dagegen
(S. 214ff.), ebenso wie für die Edıtheit des
des Giovannino (S. 224—237) mit besonderer
Wärme eingetreten. Diese Partien, wie die über
die unbestrittenen GroBwerke der Jugend Aas
heben sich nicht bloB deshalb, weil sie die etwas
stark in Ansprudi genommene Kritik etwas
ausruhen lassen, wohltuend aus dem Buche
heraus. Ihre feinfühlenden Beschreibungen, tief
eindringenden Analysen, reichen entwicklungs-
geschichtlichen Aufschliisse werden vielen Lesern
die Augen über manches Öffnen, was sie ihm
mehr danken werden als alle Unechtsbeweise.
So ist gleich der Werdegang des Johannesideals
vom Täufer, Propheten und Vorläufer Christi
über den Asketen und Visionär zum quatro-
centistisch laicisierten, kindlichen Giovannino
(S. 226ff.) ein Muster prägnanter Vorführung
einer weiten Entwicklungsreihe. Doch muß der
Ref. gestehen, daB er bisher so naiv war, das
geschwänzte Ding in der Hand des (es nach der
Mundstellung verzehren wollenden!) Giovan-
nino für seineSpeise (neben dem Honig), näm-
lih eine Heuschrecke zu nehmen. Durch die
Hand in der Frontansicht verhüllt, wirkt sie
völlig als solche. Der Bildhauer hat gewiB nicht
nötig, so etwas kleinlidı auszuführen. Hand-
groBe Heuschrecken gibt es. Nun erklärt es aber
der peinlihe Biograph als TrinkgefäB, als ein
Hörnchen, „wie es wohl nom heute bei den
Hirten der Campagna oder der ausgedehnten
apulischen Weiden (so klein??) im Gebrauch ist.“
Da der Herkules Strozzi nicht erhalten ist, so
wirkt der Giovannino „als erstes erhaltenes
Spezimen einer Freifigur“, der schon Justi die
gleich glücklihe Wirkung in allen Prospekten
nachrühmt. Die ,Grazilität“ und die berufene
schraubenförmige Drehung sollte kein Anlaß sein,
das Werk einem späteren Nachahmer zuzuweisen.
„Schon die Formenbehandlung gerade reizvoll
durch eine gewisse Schüchternheit“, eine Folge
der Neuheit der Aufgabe, sollte davon abhalten
(S. 236).
Die Kentaurenschlacht hat unter den Früh-
werken, durch des Meisters eigene hohe Be-
wertung, von jeher im Vordergrunde des Inter-
esses gestanden. Die ungemeine Selbständigkeit,
auch der Antike gegenüber, der er vielleicht
gerade dadurch so nahe gekommen, vor allem
aber gegenüber den illusionistischen Darstellungs-
mitteln des Ghibertishen und Donatelloschen
Reliefstils wird mit Nachdruck hervorgehoben
(S. 105). Das Hildebrandtsche „Gesetz“ (der un-
sichtbaren vorderen Grenzfläche) wird angesichts
dieser ungleich über den Rand hinaus quellenden
Figuren“, als „eineForderung moderner Ästheten“
zurückgewiesen. Daß des Verf.s Verwerfung
der schon von Wickhoff für das Sujet heran-
gezogenen Stelle im XII. B. der Metamorphosen
des Ovid nicht Stich halt, habe ich inzwischen
dargetan.
Bei weitem weniger gewürdigt wird meist die
„Madonna an der Treppe“. Der Verf. verdient
daher besonderen Dank für seine liebevolle Ein-
führung in die geheimnisvolle Versunkenheit,
die erhabene Einfalt dieser Antizipation der
tiefen Ma’schen Kunst. „Scharfe Beobachtung
des Lebens und unausgesetzte Verinnerlichung
des Geschehenen“ konnten allein zu einem, bei
manchen Mängeln in Komposition und Klarheit
der Details (die die Frühzeit dafür sichern) so
erstaunlicı reifen Resultat führen. Auch hier
trefflihe Orientierung über den Umschwung,
den in der allzu genrehaft gewordenen Behand-
lung dieses Grundthemas der italienischen Kunst
dieses Werk bezeichnet! Aufschlußreiche Moti-
vierung der auffallenden und doch so konse-
quenten Formbehandlung (des Kindeskörpers
in Korrelation mit der Haltung der Mutter
bis ins einzelne)! In dem Treiben der Putten
im Hintergrunde wird mit Recht eine Ankün-
digung der betr. Motive am Sixtinischen Ge-
wölbe gesehen (S. 110). Auch der Sinn dieses
Hintergrundes mit der eigentümlichen Brücken-
treppe und der verschleierten Mauer, an deren
Eingang die Jungfrau sitzt, würde dem Verf. nir-
gends unklar erscheinen, wenn er die theologische
Bedeutung dabei in Anschlag bringen wollte.
822
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Der gleiche (antik-dhristliche) Gegensinn, der
‘Kentaurenschlacht’ und ‘Madonna an der Treppe’
verbindet, besteht zwischen Bacchus und
‘Pietà’. GewiB noch in tieferem Bezuge, als ihn
der Biograph zur Geltung bringt! insofern eine
einheitliche Auffassung die Kentaurenschlacht,
als ein Paradigma der Folgen der Wistheit,
und den standunfähigen Bacchus im Geiste des
Marsilio Ficino und seines Kreises verbindet.
Selbst bei Condivi (cap. 15. 9) haben sich An-
deutungen nach dieser Richtung erhalten. Es ist
daher überflüssig, sich wie Shelley vor diesem
persönlichen Frevel an der Majestät des Dionysos
klassisch zu ereitern. Der Fortschritt in der
Freiheit der Behandlung, „der Auflockerung der
Masse“ wird dem Giovannino gegenüber her-
vorgehoben. So stellen einige verwandte Stand-
motive und die Formengebung im einzelnen
den Bacchus in eine Reihe fortschreitender Ent-
wickelung von gewissen Kämpfern derKentauren-
schlacht bis zum David. Die „weibliche Fülle“
(carnositä bei Vasari), die Ma dem Gotte nach
antikem Vorbild verliehen, sei nicht Fettheit
(Wölfflin), „sondern eher das Gegenteil davon“:
Fleischigkeit und Rundung. An ein bestimmtes
antikes Vorbild sei nicht zu denken; was man
in dieser Hinsicht gefabelt (Francisco de Hol-
landa, Boissard), sei Übertragung der Geschichte
vom Mantuaner Cupido auf den Bacchus (S. 259f.)
Die von Friedrich dem Großen mit groBen Kosten
angekaufte, heute nicht mehr naciweisbare,
Statuette eines sitzenden Bacchus mit Tiger und
Satyr war schwerlich eine Originalarbeit Ma's.
Den Höhepunkt in Ma’s Jugendentwicklung,
zugleich nach Condivi die Eröffnung seines Welt-
ruhms, bezeichnet die Pieta. Hier unter dem
Eindruck von Wölfflins Analyse, auf die Frey
selber verweist, erneut zu interessieren, ist nur
auf dem Grunde des Unendlihen möglich, in
das ein solches Werk gleichsam den Blick er-
schließt. Dies unbeschreiblite Bild des mit
keinem zu vergleichenden Leides ward der erste
„unmittelbare Ausfluß inneren Lebens“ des zur
technischen Meisterschaft gelangten Schmerzens-
mannes unter den Künstlern. Fast möchte man
sih der kunsthistorischen Hinweise erwehren:
auf den Ausdruck des gehaltenen Affektes bei
Jac. della Quercia, auf die Handbewegung Christi
in Lionardos Abendmahl, ja selbst auf das eigene
Jugendwerk, die Madonna an der Treppe, deren
starre Andeutung jetzt dem vollen Ausdruck im
„schönsten und natürlichsten Wohllaut gewichen
ist“. Das Werk wie sein Vorwurf steht zu sehr
auf sich allein. Jene „wundervoll zarte, zögernde,
spontane Geste“ der linken Hand als Frage zu
deuten (S. 301), heißt schon sie in Konnex mit
der Außenwelt setzen, heißt sie zur rhetorischen
entweihen. Hier ist die Seele, „die nichts mehr
auf Erden hat“. Über den theologischen Sinn
(der allzu jugendlich erscheinenden Gottesmutter)
redet ja hier der Künstler selbst (bei Condivi).
Treffend wird auch auf die „Scheu“ der andern
Hand hingewiesen, „den heiligen Körper zu be-
rühren und also hat sie einen Zipfel ihres Ge-
wandes dazwischen genommen“. Die wunder-
volle, zierlihe Behandlung dieses Gewandes,
wie die des „vollkommen toten“ Leichnams dient
zugleih dem Erweise der schon im Eingang
aufgestellten These von der ,reliefmäBigen Auf-
fassung“. Das hindert aber nicht, hierbei (gegen
Justi) dem Urteil entgegenzutreten, daB die
„Seitenansicht den Anblick fast verzerrter Frag-
mente gewähren“ (S. 305). Die Frontstellung
wird nicht aus dem Hildebrandtschen Prinzip,
sondern dem Thema, „der liturgischen Bedeutung
der Gruppe“ am Standorte, abgeleitet. Über
die Aufstellung (im Oratorium Santa Petronilla
bei Alt-St. Peter), Kontrakt, Marmorbeschaffung
im Auftrage des französischen Kardinals werden
zum Text der bez. Veröffentlichungen durch
Milanesi spezialisierte Auskünfte gegeben, zwei
vermutlich zugehörige Briefe neu mitgeteilt
(Qu. u. F. XX).
Den Abschluß bilden der Petersburger ,kau-
ernde Knabe“ (dort sog. ,Karyatide*) und
der Londoner sog. Cupido. Den ersteren unter
die Jugendwerke versetzt zu sehen (1497! wo
ihn der Biograph einreihen zu können glaubt!
S.319), wird wohl einmütigem Widerspruch be-
gegnen. Dies virtuose „Experiment stärkster
Biegung“ (Justi) wird von Wölfflin „das Aller-
hödhste in der Art“ genannt: „es ist der reine
Würfel, aber mit höchst intensiver Anregung
zum plastisch Vorstellen begabt“ (Kl. K. S. 176).
So etwas ist schwerlich ein Problem für einen
Zweiundzwanzigjährigen! Springer wollte einen
Sklaven des Juliusgrabes darin erkennen. Knapp
giebt ihm den Schleifer in der Tribuna zum An-
reger, wonach er später als dessen Fundjahr 1538
anzusetzen wäre. Den Bezug zum Dornaus-
zieher hat schon Wölfflin geltend gemacht. Frey
deutet auch sein Motiv ähnlih (S. 315). Ein
anderer Grund für die Einreihung in die Jugend-
werke als die „streng symmetriscie Komposition“
(S. 318) wird nicht angeführt. Kurz darauf (S. 320)
gilt seine „konzentrierte Aktion“ schon als
chronologisches Zeugnis für den (dadurch eben
wieder aus der Jugendreihe herausstrebenden)
Londoner Bogenspanner.
Diese leider arg mitgenommene, schlecht
(,unrichtig* und „nazarenerhaft“ d. i. weichlich
S. 321) ergänzte Figur wird mit Fug — gegen
Wickhoff und Springer — als solcher erklärt.
Michaelis hat ihre Identität angezweifelt, da
Literatur
Aldrovandi die in Frage kommende Statue Ma's
in der Casa Gallo als Apollo beschreibt. Con-
divi spriht von einem Cupido für Gallo, ohne
ihn näher zu beschreiben. Tut man nicht
besser, darin einen Irrtum und (mit Wickhoff)
in diesem überenergischen, höchst unerotischen
Jünglinge mit „Köcher und Pfeil“ wirklid den
Apollo Aldrovandis zu sehen? statt mit Frey
(S. 326f.) drei Statuen für mdglich zu halten?
In der Londoner findet er ein Motiv aus dem
Psychemärchen des Apulejus, den „auf Befehl
seiner göttlidhen Mutter die Strafe an Psyche
vollziehenden* Cupido, der „von erhöhtem
Standort“ auf sie anlegt! Aber ehe man lite-
rarische Quellen heranzieht, sollte man doch erst
prüfen, was sie enthalten! Bei Apulejus (Metam.
IV, cap. 30 sq. p. 75. Eyssenhardt) führt Venus
ihren Sohn ausdrückli in die Stadt Psyches
und stellt ihn vor sie hin (perducit ad illam
civitatem et Psychem coram ostendit). Auch
verfällt Psyche ihrer Strafe, der Liebe zu ihm,
nicht durch einen PfeilschuB des Gottes, sondern
bekanntlich dadurch, daB sie sich, von ihm zuerst
geliebt, bei ihrem Übertreten seines Gebotes
selber mit einem seiner Pfeile ritzt (depromit
unam de pharetra sagittarum et puncto pollicis
extremam aciem... pupugit... Sic ignara
Psyche sponte in Amoris incidit amorem! I. c.
p.91 sq. V, cap. 23.) Diese Art Motive hat Ma,
statt sie Raffael vorwegzunehmen (S. 328), wohl
mit BewuBtsein ihm und seinen Giulio Romano
überlassen. Leider fordert so gerade der SchluB-
satz des Werkes („Idh meine, diese Deutung
wird dem geistigen Gehalt wie dem körperlichen
Motive der Londoner Figur durchaus gerecht“)
die strikte Negation heraus. Der nadı unten
shieBende Apollo läßt sich dagegen nahe-
liegend in Ma’s bezeugtem Motivenvorrat nach-
weisen (Vgl. des Ref. Rätsel des Ma. S. 254).
Aber auch allgemein: als Treffer der Nio-
biden, als Entsender der Pestpfeile in das
Griechenlager vor Troja! Könnte nicht auch
ein Mißverstand oder Übersetzungsfehler von
Odyssee 11, 318 ff. vorliegen, daß Apollo den
Otos und Ephialtes im Ephebenalter ge-
troffen habe?
Den David, das nachweislich erste Spezimen
„konzentrierter Aktion“ in Ma’s schöpferischem
Bildungsgange, findet man hier noch nicht. Eine
SluBanmerkung erklärt, daB das Schlußkapitel
(bis zum Eintritte in den Dienst Giulios II.) „mit
Rücksicht auf den Umfang dieses Bandes“ dem
zweiten vorbehalten worden ist. Möge der Verf.
esnicht als „verfehlte Tendenz“ empfinden, wenn
ih den Wuusch ausspreche, daß dieser recht
bald erscheine.
Karl Borinski.
823
Giorgio Bernardini. Sebastiano del
Piombo. Istituto italiano d'arti grafiche.
Bergamo 1908.
Über der Geschichte der venezianischen Malerei
in dem Anbeginn ihrer klassischen Periode hat
ein eigener Unstern gewaltet. Wohin man sich
wendet, trifft man den gleichen Mangel an
sicheren Nachrichten. Die Archive, von sorg-
fältigen Gelehrten wiederholt durchforscht, in
vieler Rücksicht so ausgiebig, haben für die
Hauptfragen so gut wie völlig versagt. Das
Geburtsjahr Giorgiones, Tizians, Sebastianos,
Palmas ist uns nach wie vor unbekannt; es fehit
an jedem Dokument über die Jugendwerke dieser
Meister, es fehlt z. T. an gesicherten Werken.
Sebastiano Lucianis Persönlichkeit ist für uns
bis zu seinem Eintritt in den Kreis der römi-
scien Künstler problematish. Wir haben das
eine gesicherte Bild auf dem Hochaltar von San
Giovanni Grisostomo in Venedig, offenbar Höhe-
punkt und Abschluß seiner ersten Periode und
müssen mit Hülfe der analytischen Methode
versuchen, von hier aus rückwärts Werke, die
denselben Stil im Keime zeigen, ausfindig zu
machen. Für Sebastianos spätere Jahre, wo
er unter den EinfluB Michelangelos gerät und
durch die Verbindung venezianischher Malweise
mit der grandiosen Formbehandlung des Floren~
tiners einen völlig eigenen Stil schafft, fehlt es
ebensowenig an gesicherten Werken, wie an
Dokumenten über Leben, Laufbahn, Beziehungen.
Wir besitzen ooch heute eine verhältnismäßig
groBe Zahl eigenhändiger Briefe Sebastianos,
eine wahre Fundgrube für das Kunstleben Roms
in dieser Periode.
Nahezu gleichzeitig erscheinen zwei Mono-
graphien über den Meister, nachdem seit Crowe
und Cavalcaselle niemand es versucht hatte,
seine Laufbahn darzulegen. Diejenige, welche
wir hier vorlegen, zeigt deutlich, wie sehr sich
dank günstiger Umstände das Material ver-
mehrt hat, seit jenes monumentale Werk über
die Geschichte der italienischen Malerei erschienen
ist; zugleich aber audı, daB trotz so vieler Kräfte,
die seither an der Arbeit gewesen sind, die
Probleme noch fast auf demselben Punkt ge-
blieben sind.
Die schwierigste und wichtigste Frage. —
Sebastianos Jugendentwicklung — wird durch
Bernardini kaum gefördert, geschweige denn
gelöst. Wer gelesen hat, was er uns sagt, hat
die Wahl, ob er diese oder jene Attribution
akzeptieren will oder nicht; es fehlt an zwingen-
dem Nachweis. Gehört das Bild der Grab-
legung bei Lady Layard mit der verdächtigen
Aufschrift, ganz im Stile der Cima-Schule ge-
54
824
malt, dem Sebastiano oder nicht? Sind sein
Werk die Orgelflügel in San Bartolomeo, die
nach Moschinis Zeugnis ganz von G. B. Mingardi
überarbeitet wurden? Wie ist es mit dem Bild
von „Thomas’ Unglauben“ in Treviso und der
»Heimsuchung* in der venezianischen Akademie?
Lauter offene Fragen, in denen vielleicht eine
subtile Formanalyse uns weiter bringen könnte.
Der Verfasser bietet diese nicht.
Mit dem Beginn der Ubersiedelung nach
Rom, die wir doch wohl ohne Schwierigkeit mit
Agostino Chigis Besuch in Venedig im Sommer
des Jahres 1511 in Verbindung bringen dürfen,
werden die Dinge klarer. Bernardini bespricht
eingehend die Werke, die er in Rom schafft;
er gebietet hier über ein Material, das noch
niemandem so zu Gebot stand. In der Dar-
stellung schlieBt er sich an Vasari an, der, mit
Sebastiano wohl bekannt, ein sehr glaubwürdiger
Zeuge für die Umstände seiner späteren Lauf-
bahn ist. Seine Ausdrucksweise ist einfach und
hält sich von der Phrase frei.
Obwohl die Sammlung von Künstlermono-
graphien, von der dieses Buch einen Teil aus-
macht, wohl dem Verfasser räumliche Beschrän-
kung auferlegte, hätte man doch hier und da
größere Exaktheit in der Bezeichnuug der Quellen,
die er benutzt, gewünscht (,i critici osservano,
un critico nota“ usw.), ebenso auch das bio-
graphische Detail ein wenig genauer. Ein Bei-
spiel. Die Periode vom Sacco di Roma bis
zur Rückkehr Sebastianos nach Venedig er-
ledigt Bernardini (S. 50) mit wenigen Zeilen:
„Sebastiano ging in die Heimat . . . und blieb
dort von circa 1528 bis in die ersten Monate
1529. Aus einem Brief der Isabella d’Este von
1529 (März) erfahren wir, daB Sebastiano nach
Rom zurückzukehren beabsichtigte; und durch
einen Brief ihres Gatten, des Marchese, im Mai
des gleichen Jahres seine Ankunft daselbst.“ Das
ist weder präzis, noch genügend über diese
wichtigen Jahre; denn wir wissen mehr darüber.
Im Mai 1527, schrieb Sebastiano von Rom
aus an Aretino (Lettere scritte a Pietro Aretino,
ed. Landoni, Bologna 1873, I, S. 12 u. 13): im
August 1527 war er in Venedig (Lettere di P.
Aretino, Paris 1609, I, S. 13b).
Dann erscheint er im März 1528 am Hofe
Clemens VII. in Orvieto und beabsichtigt dort
zu malen, wie wir aus einem Brief des Kar-
dinals Ercole Gonzaga an Isabella d’Este wissen
(Luzio, im Emporium Juni 1900, S. 431). In
Venedig war er wieder im Juni 1528, wie uns
Ludwig mitgeteilt hat, dem wir auch sonst
einige wichtige Notizen über die Familie Luciani
verdanken (Jahrbuch d. preuß. Kunstsammlungen
Bd. XXIV, 1903, Beiheft S. 110). Der Brief der
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Isabella d'Este vom 2. März 1529 steht bei
Gaye Il, S. 178 und das Billet ihres Sohnes
(nicht Gatten), des Marchese Federigo, ebendort.
Es ist oft mühselig, immer zeitraubend, viele
solche biographischen Details zusammenzutragen;
daher darf man billig verlangen, daB die letzte
Biographie eines Meisters sie lückenlos und unter
Nachweis der Quellen beibringt.
In der sehr kurzen Bibliographie vermisse ich
außer Ludwigs oben angeführten Aufsatz Frey's
Ausgabe derBriefe an Michelangelo, die mancher-
lei für Sebastiano Bedeutsames enthält und zur
Korrektur von Milanesis Ausgabe der Briefe
Sebastianos wichtig ist, sowie E. Schäffers Aufsatz
über das Porträt der Giulia Gonzaga (Zeitschr.
f. bild. Kunst N. F. XVII, 1907, S. 29).
Dafür entschädigt uns der Verfasser durch
die zahlreichen und seltenen Abbildungen, die
er zum ersten Mal mitteilt: so das Porträt des
Kardinals del Monte, früher in der Galerie Fesch,
das der Zufall nach Montreal verschlagen hat,
das Madonnenbild in der Kathedrale von Burgos,
den hl. Bernhard des Vatikans, den Hieronymus
aus der Sammlung Johnson in Philadelphia usw.
Um dieses Materiales willen bedeutet Bernardinis
Monographie eine wertvolle Bereicherung unserer
Kenntnisse von Sebastiano del Piombo.
Georg Gronau.
2
Julius von Schlosser. Die Kunst und
Wunderkammern der Spätrenaissance.
Leipzig, Klinkhardt & Biermann, 1908. (Mono-
graphien des Kunstgewerbes. Neue Folge XI.)
Schlosser hat es verstanden, in diesem Buche
ein dem heutigen Gebildeten ziemlich fern lie-
gendes Thema uns nahe zu bringen und beweist
damit aufs neue, daB es eigentlich auch in der
Wissenschaft so gut wie in der Kunst vielmehr
auf die Behandlung des Stoffes ankomme als
auf den Stoff selber, Wer fragt heute noch
nach den wunderlichen Schatzkammern, in denen
dilettierende Fürsten oder reiche Polyhistoren
der Renaissancezeit aufspeicherten, was ihnen
in Natur und Kunst als merkwürdig, selten und
kostbar vorkam? Sie sind längst aufgelöst,
vershwunden gleich dem Geiste, der sie ins
Leben rief. Wo noc Reste von ihnen — freilich
in moderner Umgestaltung — bestehen, wie z.B.
im mathematisch-physikalischen Salon in Dres-
den, werden sie vom Publikum wenig beachtet.
Schlosser aber web uns sofort zu fesseln,
indem er seine Kunstkammern in den Mittel-
punkt einer zusammenfassenden Betrachtung des
ganzen Museumswesens rückt. In einem ein-
leitenden Kapitel seines vortrefflih aufgebauten
Literatur
825
Essays schildert er kurz die Entstehung der
öffentlihen Kunst- und Raritätensammlung im
Bezirke der Kultstätte, — wie im antiken Tempel
und in der mittelalterlichen Kathedrale die Keime
des Museums zu suchen seien. Dann wird in
dem ausführlicheren Hauptteile an einer Reihe
von Beispielen der Charakter und die Zusammen-
setzung der Kunst- und Wunderkammern er-
örtert. Daß der Verfasser dabei weiter ausholt,
als der Titel seines Buches es vermuten läßt,
indem er eingehend auch eines großen Sammlers
des späten Mittelalters, des Herzogs Jean von
Berry, gedenkt, wird man ihm nur danken. Be-
sonders ausführlich ist die Ambraser Sammlung
des Erzherzogs Ferdinand von Tirol behandelt,
die ruhmwürdigste und bestgeordnete ihrer
Art. Die eingehende Schilderung ihres ursprüng-
lien Bestandes und ihrer Aufbewahrungsart,
die durch Abbildungen mancher der erhaltenen
Hauptstücke illustriert wird, rechtfertigt es, daß
der Verfasser über die meisten der anderen
fürstlichen und privaten Kunstkammern mit kurzen
Bemerkungen hinweggeht. In einem Schluß-
kapitel leitet eine kurze Schilderung der weiteren
Entwicklung des Sammelwesens den Leser bis
zu den modernen Museen. Natürlicherweise ist
die Darstellung am lebhaftesten und gedanken-
reichsten in den allgemein gehaltenen ersten
und letzten Teilen des Buches, doch bekundet
sih durdigehends die vielseitig gebildete, reif
und billig urteilende Persônlihkeit des Ver-
fassers. G. Pauli.
g
Manuel d'art musulman. Paris, Picard
1907. I. L’Architecture par H. Saladin. XIV,
596 S. mit 420 Abbild. II. Les arts plastiques
et industriels par Gaston Migeon. LXXXIII,
474 S. mit 376 Abbild.
Wir leben im Zeitalter der Enzyklopädien.
Das mag für die Mehrzahl der Wissenschaften
ein Segen sein, für die Gebiete nämlich mit
hundertjährigem Stammbaum, deren Bearbeiter
Gefahr liefen, sich derart im Speziellen zu ver-
zetteln, daß ihnen der Blick auf das Ganze ver-
loren ging, wie in der Religionswissenschaft,
Philologie u. dgl. Der Kunstwissenschaft kommt
das enzyklopädische Aufarbeiten etwas zu früh.
In ihr gibt es noch nicht viel Höhen und Tiefen,
wir haben uns, wenige Gebiete ausgenommen,
noch kaum von der in breiter Masse daliegen-
den Oberfläche entfernt. Ich habe nicht den
Eindruck, daß uns die verschiedenen „Kunst-
geschichten“, die in letzter Zeit erschienen sind,
wissenschaftlich genutzt haben, auch das Unter-
nehmen von Michel nicht, höchstens in einzelnen
Teilen Venturi. Wir haben eben noch zu wenig
monographish und am einzelnen Kunstwerk
systematisch gearbeitet. Kaum daß man ange-
fangen hat, naheliegende Gebiete genauer vor-
zunehmen und der Wunsch erwacht ist, durch
Jahresberichte über diese Einzelforschungen über-
sichtlich orientiert zu werden. Da hat es nun
etwas Überraschendes, wenn eine französische
Firma, Alphonse Picard et Fils, die Herausgabe
von Handbücern für die einzelnen Kunstkreise
ankündigt. Man beachte die Seitenzahl der
beiden vorliegenden Bände über islamische Kunst
und wird zugeben, daß es sidi um ein wirkliches
Aufarbeiten des gesamten Materials handeln
kann. Bisher ist erschienen von Enlart das
Manuel d'archéologie francaise depuis les temps
merovingiens jusqu’ à la Renaissance in zwei
Bänden und es sind angekündigt ein Manuel
d'archéologie préhistorique, celtique et gallo-
romaine in drei Bänden von Déchelette, Art
byzantin von Diehl, Art chrétien primitif von
Pératé und Archéologie du moyen-âge als Er-
gänzung zu dem obengenannten Werk, eben-
falls von Enlart. Ich kann den Geist des ganzen
Unternehmens vorläufig nur nach den mir vor-
liegenden Bänden über islamische Kunst be-
urteilen.
Was besitzen wir denn für dieses Gebiet an
Handbüchern? Kurz gesagt. nichts. Denn was
Gayet zusammengeschrieben hat, ist kaum der
Erwähnung wert, und Franz-Paschas verdienst-
volle Arbeit beschränkt sich im wesentlichen
auf die Vorführung der Bautechnik von Kairo.
Es ist daher eine beachtenswerte Tat der Herren
Saladin und Migeon, wenn sie versuchen, Rechen-
schaft über das Gesamtgebiet der muhamme-
danischen Kunst in ihren einzelnen lokalen Ge-
bieten bezw. nach technischen Gruppen zu geben.
Der Architekt Saladin kennt aus eigener lang-
jähriger Tätigkeit die Kunst Nordafrikas genau;
wir besitzen u.a. von ihm die Monographie über
die groBe Moschee von Kairuan. Und Migeon
ist Konservator der einschlägigen Abteilung des
Louvre und hat sich bei der Exposition des arts
musulmans in Paris 1903 groBe Verdienste er-
worben. Wir haben es also mit Männern zu
tun, die berufen waren, sich an die Arbeit zu
machen. Beide haben es nicht leicht genommen
und vor allem eine Vorbedingung erfüllt: da sie
selbst philologisch wenig oder gar nicht aus-
gerüstet waren, haben sie den stets hilfsbereiten
besten Kenner arabischer Epigraphik, Max
vanBercem, zu ihrem Mitarbeiter genommen
So sind ihre Mitteilungen auch von dieser Seite
zumeist auf einen sicheren, einwandfreien Boden
gestellt.
Man wird schon aus der Art, wie ich die
826
beiden Bände hier einführe, ersehen, daß ich
viel von ihnen halte. Ich selbst arbeite seit
18 Jahren über islamische Kunst, weiß, welches
ungeheuere Material da kaum noch gesichtet
vorliegt und habe daher nur zögernd den An-
trag angenommen, die dritte Auflage von Franz-
Paschas „Islamische Baukunst“ neu zu bearbeiten.
Ih habe also vielleiht etwas Einblick in die
Art, wie die Herren ihr Material gewonnen und
gesichtet haben und es jetzt vorführen. Ich kann
nur sagen, es ist die erste halbwegs verläßliche
Darbietung dieser Art: ein wirklides Manuel,
das niemand, der dem Fach als Sammler oder
Forscher nahetreten will, entbehren kann. Ich
sehe freilich in beiden Bänden viele Lücken und
Schwächen, entbehre daran zu sehr die ent-
wicklungsgeschichtliche Auffassung; aber ich bin
mehr als zufrieden und aufrichtig dankbar für
das, was in unsere Hände gelegt ist. Vor allem
wird jedem Benutzer dieser Bände wertvoll
sein, daß den einzelnen Abschnitten am Schlusse
regelmäßig eine ausgiebige Bibliographie an-
gehängt ist.
Saladin führt im ersten Bande die Architektur
nach einer Einleitung über die Anfänge in fünf
„Schulen“ vor. Ich werde nicht so früh wie er
mit der lokalen Aufteilung beginnen. Freilich
Ostasien und Indien, sowie die ottomanische
Gruppe scheiden für die Anfänge aus; aber das
Syro-Agyptische, die nordafrikanisch-spanisch-
sizilische Gruppe und Persien müssen doch mehr
als geschlossene Einheit behandelt werden, man
sieht sonst nicht, wie die islamische Kunst
wird. Die richtige Einteilung dürfte m. E. sein,
zunächst die Kunst der Omajaden, d. h. die
erste Auseinandersetzung des Islam mit der
christlich-hellenistischen Kunst in Syrien, zu be-
handeln — Saladin beachtet Mschatta zu wenig
und kennt Amra nicht — und dann die Kunst
der Abassiden in der Zeit ihrer Blüte, d. h. das
Heranwachsen der eigentlihen Moslim-Kunst
aus der persisch-sassanidischen vorzunehmen.
Es muß endlich einmal aufhören, die Amr-
Moschee in Kairo an die Spitze zu stellen. Doch
ich komme in eine Polemik und in Einzelheiten,
für die ich besser auf meine eigene Neubearbei-
tung verweise. S. hat das Material sorgfältig
zusammengetragen und bietet eine Fülle von
Abbildungen, für die ihm die Klichees Gervais-
Courtellement besonders zustatten gekommen
sind. Es ist nur zu bedauern, daß Wort und
Bild oft weit auseinandergerissen wurden. Das
sollten die Kunsthistoriker unter allen Umständen
meiden.
Wenn wir den älteren Bearbeitern der
islamishen Kunst und Franz-Pascha die Aus-
wertung der ägyptishen Denkmäler, Fer-
Monatshefte für Kunstwissenschaft
gusson Indien und Sarre den persisch-seld-
schukkischen Kreis verdanken, so fällt Saladin das
Verdienst zu, zuerst ausführlich und zusammen-
fassend Tunis und Älgier herangezogen zu haben
— ich sehe natürlich von der Monographie über
Tlemcen der Brüder Marcais ab. Es folgt dann
ausführlich die persische, ottomanische und in-
dische Gruppe.
Der zweite Band von Migeon bringt zunächst
eine allgemeine historischeEinleitung über islami-
sche Zivilisation und stellt dann an die Spitze
der einzeln nach Material und Technik gebildeten
Gruppen die Miniaturenmalerei, wobei er die
älteste rein ornamentale Strömung, für die Moritz
treffliche Belege veröffentlicht hat, etwas bei-
seite und nur die figürlichen Darstellungen gelten
läßt. Hier ist nun zunächst Blochet sein Führer,
die Anregung gehe von „Byzanz“ aus. Der
arabischen stellt er eine persische Schule gegen-
über, die sich in eine mongolische, eine Timu-
riden- und eine Sefewiden-Zeit gliedert. Ich
kann nicht stark genug betonen, daß diese land-
schaftlih hochentwickelte Figurenmalerei chine-
sischen Ursprunges ist. Ich glaube, ihre Be-
deutung für die Rekonstruktion der ältesten
ostasiatishen Kunst nach der großen vom
Hellenismus angeregten Blüte ist noch gar nicht
erkannt, hier eröffnet sich dem Kunsthistoriker
ein ungeheueres Arbeitsgebiet. — M. geht dann
über auf die Skulptur. Er hätte an die Spitze
die altarabischen Grabsteine mit ihren Palmetten-
ornamenten stellen und die eigenartigen Holz-
türen und Möbel der Tulunidenfriedhöfe in Kairo
anschließen müssen. Dann wäre das Organische
der frühen Entwicklung etwas zutage ge-
kommen. So machen die einschlägigen Kapitel
den Eindruck einer bunten, allerdings dankens-
wert reichen Materialsammlung. Das Mosaik
hätte besser in anderem Zusammhang als ein-
gesprengt zwischen Stein und Erz behandelt
werden können. Solche Ungereimtheiten sind
die Folge des starren, bei den Kunstgewerbe-
Forschern üblichen Systems.
Sehr tüchtig und überraschend vollständig
sind jene Abschnitte, bei denen es in erster
Linie auf die Bestände in europäischen Samm-
lungen ankommt, längerer Aufenthalt und selb-
ständige Arbeit im Orient also überflüssig er-
scheint. Elfenbein, Goldschmiedekunst, Münzen
undvor allem die inkrustierten Bronzen sind treff-
lih zusammengestellt und überall die neuesten
Arbeiten benutzt. Öfter lieBen sich naturgemäß
Nachtrige und Meinungen anderer Art vor-
bringen, besonders auch zu den Kapiteln Keramik,
Glasemail, Kristall, Stoffe und Teppiche — aber
das Verdienst Migeons bliebe damit jedenfalls
ungeschmälert. Er hat mit voller Hingabe und
Literatur
827
Ausdauer gearbeitet und ein für den Forscher
wie für den Sammler unentbehrliches Handbuch
geschaffen. Josef Strzygowski.
3
Karl Voll. Führer durch die alte Pina-
kothek. München 1908. Verlag der Süddeut-
schen Monatshefte.
Otto Grautoff. Die Gemäldesamm-
lungen Münchens. Leipzig 1907. Klinkhardt
& Biermann.
Es ist eine schwierige und undankbare Auf-
gabe, Galerieführer zu schreiben. Schwierig,
weil es beinahe unmöglich ist, den krausen und
so verschieden gearteten Fragestellungen des
Publikums zu begegnen und gleichzeitig der
Forderung nach solider wissenschaftlicher Be-
lehrung nachzukommen. Undankbar, weil jeder,
der seine speziellen Fragestellungen unbeant-
wortet findet, das Buch als Ganzes verurteilen
zu dirfen glaubt. Unter diesen Voraussetzungen
sind die beiden hier angezeigten Führer durch
Münchens Galerien doppelt zu würdigen. Es
sind zwei sehr erfreuliche Bücher, von berufener
Hand geschrieben, die manchen Wunsch nach
Belehrung erfüllen. Sie machen zudem einander
keine Konkurrenz, stehen vielmehr in einem
Ergänzungsverhältnis, von dem das Publikum
reichlich profitieren kann.
Ein Vergleich ist nicht am Platz. Dazu sind
die äußeren Voraussetzungen und die innere
Bestimmung der beiden Bücher zu verschieden.
Voll darf in breitem Rahmen sich auf die Alte
Pinakothek beschränken, Grautoff muß bei viel
knapperem Raume gleich alle fünf Münchener
Gemäldesammlungen durcheilen. Schon dieser
Umstand verbietet jede Gegenüberstellung.
Das Vollsche Buch wendet sih weniger an
das große, bildungslüsterne Museumspublikum,
als vielmehr an den ernsten Kunstfreund, den
es drängt, aus den Vorhöfen schöngeistiger
Liebhaberei in das Allerheiligste sicherer, wohl-
fundierter Sachkenntnis einzudringen. Für ihn
kommt Volls Führung sehr gelegen. Denn hier
wird er von berufenster Seite aufgeklärt. Voll
ist in der Alten Pinakothek zu Hause, und er
macht die Honneurs seines Hauses mit der
Grindlichkeit und Feinfühligkeit eines Mannes,
der mit seiner Umgebung verwachsen ist. Da-
bei ist seine Liebe keineswegs identisch mit
Kritiklosigkeit. Gerade die ernste, sachliche
Kritik macht den Wert des Buches aus. Mit
breitem, nachdrücklichem Ernst trägt er das in
langen Jahren wohlerwogene Für und Wider
seiner Urteile vor, und in den meisten Fällen
wird man sich der Überzeugungskraft seiner
Motivierungen gerne beugen. Trotz strenger
Beschränkung auf das vorliegende Material ge-
rät die Arbeit nieyauf das Niveau eines Katalog-
kommentars; im Gegenteil, soweit der lücken-
hafte Bestand der Galerie es zuläßt, ist eine
zusammenhängende kunsthistorische Darstellung
mit klarer Herausarbeitung der Entwicklungs-
linien gesucht und erreicht.
Erfreulich ist, daB uns Voll hier und da über den
Erhaltungszustand, über Übermalung der Bil-
der etc. orientiert; für eine Neuauflage des Buches
wäre zu wünschen, daB dies noch konsequenter
geschähe, was ja bei der breiten Anlage des
Buches sich leicht ermöglichen lieBe. Die äußere
Orientierung würde zudem für den, der mit
dem Bestand der Pinakothek nicht so vertraut
ist, durch Beifügung von Bild- und Katalog-
nummern bei den besprochenen Werken sehr
erleichtert werden. Die bloße Angabe des
Saales oder des Kabinetts genügt wohl nicht.
Die Auswahl, die Voll trifft, befremdet manch-
mal. Hier und da findet man ein interessantes
und populäres Werk vollständig übergangen.
So geht es doch — um nur ein Beispiel zu
nennen — nicht an, daß ein Werk wie das
jedem Pinakothekbesucher vertraute und vielen
teure Selbstbildnis Rembrandts unerwähnt bleibt.
Das Bild ist in seiner Authentizität gewiß pro-
blematisch, aber da es nun einmal in erschüttern-
der Auffassung die Züge des alten Rembrandt
zeigt und zudem ein Stück guter Malerei ist,
an dem sich ein Manet begeistern konnte, so
durfte es nicht ganz unterschlagen werden.
Warum fehlt ferner jeder Hinweis auf das Ru-
ben sche Arundelbild? —
Den Bedürfnissen des großen Publikums, das
mehr angeregt als belehrt werden will, kommt
Grautoffs Führer mehr entgegen als das sach-
lich strenge Vollshe Buch. Die immense Stoff-
menge, die Grautoff auf der Wanderung durch
fünf Galerien erledigen mußte, konnte nur durch
eine mehr impressionistische Darstellung nach
allgemeinen Gesichtspunkten bewältigt werden.
Und in dieser Art der Darstellung liegt gerade
Grautoffs Stärke. Er hat mehr die lebhafte
Geste des Conférenciers als die nachdrückliche
Bedächtigkeit des Pädagogen. Er hat vor allem
ein stark ausgeprägtes Gefühl für große Per-
spektiven, und das befähigt ihn, manche Einzel-
heit in neue, überraschende Beleuchtung zu
setzen. Die Art seiner Veranlagung bedingt
eine gewisse Distanz vom Stoff, die hier bei
einer allgemeinen Führung sehr am Platz ist.
Eine spezielle Färbung erhält seine Darstellung
durch den Umstand, daß hinter all seinen Argu-
mentationen sichtbar oder unsichtbar das eine
828
Monatshefte fir Kunstwissenschaft
groBe Problem steht, in dem sein ganzes Kunst-
interesse kulminiert: das Problem der modernen
Malerei. Das gibt seinen Ausführungen eine
eigene interessante Note, die fir die Erziehung
des von starren historischen Rubriken allzu ab-
hängigen großen Publikums sehr angebracht
ist. Die fleißige und geistreihe Arbeit kann
also weiten Kreisen nachdrüklih empfohlen
werden. W. Worringer.
8
August Griesebach. Das deutsche Rat-
haus der Renaissance. Berlin. Edmund
Meyer. 1907.
Der Verfasser bietet zweierlei, zunächst die
Beschreibung einer großen Anzahl von Rat-
häusern der Renaissance — es sind nahezu
siebzig — mit Literaturangaben und Abbil-
dungen, sodann den Versuch einer Entwicklungs-
geschichte des Renaissance-Rathauses, soweit sie
Kunstgeschichte ist.
Die Beschreibungen sind knapp und klar und
enthalten manchen wertvollen Hinweis. Aber
es läßt sich nicht leugnen, daß der ganze erste
Teil mit dem zweiten nicht so recht zusammen-
gewachsen ist. Gewiß, auch der erste Teil ist
willkommen. Aber ich glaube, wenn der Ver-
fasser die Zahl der Beispiele beschränkt, mehr
charakterisiert als beschrieben und diesen ganzen
Stoff in den zweiten Teil eingearbeitet hätte,
wäre sein Buch anschaulicher und lesbarer ge-
worden. Offenbar leitete ihn das durchaus
richtige Bestreben, für seine Betrachtungen zu-
nächst eine möglichst breite Basis zu gewinnen.
Der Leser aber findet aus dem vielen ihm als
gleichwertig gebotenen Material nicht sofort
das für die folgenden Ausführungen wesentliche
heraus und kommt so überhaupt nicht dazu,
den Wert des ersten Teils für die Beweisführung
des zweiten zu erkennen. Ich wiederhole: auch
so sind diese Beschreibungen willkommen. Man
kann aus ihnen die Darlegungen des zweiten
Teils in manchem Punkte noch ergänzen.
Dieser zweite Teil schildert die Entwicklung
erst der Fassade, dann des Grundrisses etwa
von 1520 bis 1620. Es werden drei Abschnitte
unterschieden: zunächst ein deutliches Streben
nach Symmetrie in der Komposition, nach Regel-
mäßigkeit in der Anlage des Grundrisses. Ganz
besonders Süddeutschland hat schöne Beispiele
für diesen Typus aufzuweisen. Eine Freitreppe
zerlegt die Fassade in zwei Hälften; im Gegen-
satz zur Gotik wird dabei die Horizontale be-
tont, die Symmetrie der beiden Hälften. Im
Norden dient eine Reihe breiter Dacherker viel-
fach derselben Absicht, ein breitgelagertes Ganzes
zu schaffen. Insbesondere läßt die Gliederung
der Giebel den neuen Geist erkennen.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
siegt der malerische Sinn vollkommen. Die
Rathäuser dieser Zeit stellen einen zweiten
Typus dar. Bezeichnend ist schon, daß man
häufig nicht auf den Anblick von vorn, sondern
auf die Betrachtung über eine Ecke her Rüc-
sit nimmt: man sucht die Überschneidung.
Eine freie Gruppierung der Baumassen, ein
aufgelöster, lebendiger Umriß, reiche Teilung
der Flächen: das ist es, was man will. Im
Innern entspricht dieser Tendenz zum Male-
rischen die unregelmäßige Aufteilung des Grund-
risses, die Freude an vielgestaltigen Innnen-
räumen mit ungleichen Seiten und ungleicher
Lichtzufuhr. Der Verfasser urteilt: Der Privat-
hausbau hat für einige Zeit das Rathaus in
seinen Bann gezogen.
Allein man besinnt sich rasch wieder auf den
repräsentativen Charakter des Sitzes der städti-
schen Selbstverwaltung. Ein dritter Abschnitt
(ca. 1600— 1620) zeigt wiederum einen strengeren
Stil. Die Fassade ist wieder für die Betrachtung
von vorn gedacht, regelmäßig und symmetrisch
komponiert. Und diesem Charakter entspricht
auch die Regelmäßigkeit und Symmetrie des
Grundrisses. Selbst die Treppe wird jetzt in
die Komposition des Innern aufgenommen und
ein wirksamer Faktor im Ganzen des klaren
Organismus. Große, streng komponierte, über-
sichtliche Säle, für die die zweite Periode keinen
rechten Sinn gehabt hatte, stellen sich wieder ein.
Gerade für diesen dritten und letzten Ab-
schnitt der Entwicklung zeigt sich nun aber auch
deutlich ein Auseinandergehen von Norden und
Süden (Obersachsen und Schlesien bilden da-
neben ein drittes selbständiges, übrigens wenig
erfreuliches Gebiet). Der Verfasser charakteri-
siert den Unterschied zwischen nord- und süd-
deutscher Renaissance recht gut an den Bei-
spielen der Rathäuser von Bremen und Nürn-
berg. Dort herrscht das Bestreben, das Ganze
in recht viele, möglichst verschieden behandelte
Flächen zu zerlegen, aufzulösen, weniger starkes,
gliederndes Relief, als reich ausgebreitete Klein-
kunst zu bieten, den Eindruck der Bewegung,
ein Flimmern im Licht zu erzielen. „Man könnte
sich das Bremer Rathaus auch am Rande spie-
gelnden Wassers denken.“ In Nürnberg da-
gegen zeigt sich deutlich das Bemühen um tek-
tonishe Wirkung. Die geschichteten Massen
sind klar gegliedert, die Schönheit der Verhält-
nisse soll empfunden werden, der Stein soll als
Stein sprechen. Und es sind in Süddeutschland
nicht nur die Architekturpuristen im italienischen
Sinne, audı die nordischer empfindenden Naturen
Literatur
komponieren strenger: ein System teilender Glie-
der bringt jene Ruhe und jenes Gleichgewicht,
die Festigkeit und den monumentalen Charakter
in das Ganze, die die norddeutsche Renaissance
zu gunsten des malerischen Scheins opfert.
Eine Betrachtung der Giebelarchitektur macht
diesen Gegensatz noch einmal im einzelnen klar.
Der Verfasser ist ein Mann von Geschmack.
Manche feine Bemerkung zeugt davon. Auch
äußerlich wirkt sein Buch erfreulich. In diesem
Sinne ist auch anzuerkennen, daß er für die
Darstellung der Beispiele durchweg die Feder-
zeichnung wählte. Zu bedauern bleibt nur, daß
manche dieser Zeichnungen zu wenig geben.
Aber da der Verfasser die sonst veröffentlichten
Abbildungen nennt, wiegt auch dieser Mangel
nicht schwer. Die Abbildungen sollen nur eben
an die Bauwerke erinnern.
Die Geschichte des Renaissancerathauses gibt
noch nicht alle wesentlichen Züge einer Geschichte
der deutschen Renaissance. Es wäre sehr er-
freulih, wenn Griesebach seine Studien auf
diesem Gebiet erweitern und vertiefen wollte.
Der Stoff ist gewiß außerordentlich groß, aber
auch dankbar. In seiner Verarbeitung im Sinne
wirklicher Kunstgeschichte sind wir über Lübkes
erste Darstellung noch nicht weit hinausgekommen.
Rudolf Kautzsdh.
g
R. Kautzs. Die Kunstdenkmäler in
Wimpfen a. N. 1155. 8 mit 8 Taf. u. 34 Abb.
Wimpfen 1907. Mk. 1.—.
Unter den malerischen, kunstreichen schwä-
bishen Städten steht Wimpfen mit obenan.
Von den vielfach in tiefem Schutt versunkenen
Resten römischer Kultur bis zu der eigenartigen
bürgerlihen Kunstblüte in der Spätgotik und
Renaissance sind hier fast alle Epochen und
Gattungen in guten, teilweise in hervorragenden
Beispielen vertreten. Man brauct nur an den
Kaiserpalast, die Ritterstiftskirche, die köstlichen
Bürgerhäuser zu erinnern. Wir besitzen darüber
schon seit Jahren das eingehende, etwas sehr
wortreiche Inventar von Schäfer (Darmstadt 1898).
Aber der kleine Führer von Kautzsch, nach dem
Vorwort etwas hastig, in wenig Wochen für
den Besuch des Tages für Denkmalpflege ge-
schrieben, zeigt doch, daß wir inzwischen auf
dem Wege der Kunstbetrachtung und Kunst-
wertung ein gutes Stück vorwärts gekommen
sind. Wie hier das Auge des Laien auf alle
Schönheiten, Eigenheiten, verborgenen Reize,
Kontraste, Stilmerkmale und Gedankenkreise
gelenkt wird, das ist für derartige kurzgefaßte
Stadtführer einfach mustergültig. Bergner.
829
B. Zuckerkandl. Zeitkunst Wien 1901
bis 1907. Mit einem Geleitwort von L.Hevesi
und der Reproduktion einer Zeichnung von Gustav
Klimt. Verlegt bei Hugo Heller & Co. Wien
und Leipzig 1908.
GewiB in keiner deutschen Stadt geht die
Entwicklung der modernen Kunst unter solch
widersprudisvollen Erscheinungen vor sich als
in Wien. Es sind gleihsam zwei Willenszentren
hier und zweierlei kreisende Bewegungen, die
ihr möglichstes tun, sich gegenseitig lahmzu-
legen. Dies hat sich in seiner Intensität und
Breite erst allmählich enthüllt. Als vor etwa
zehn Jahren in Wien die Sezession gegründet
wurde, war die Situation noch verhältnismäßig
einfach. Zwar gabs im Lager der Zurückge-
bliebenen ein schallendes Spottgelächter; aber
die neuschöpferishe Jugend ging in solch
siegreichem Sturmtempo vor und in sol schöner
begeisterter Geschlossenheit. daß sie sehr bald
Herrin der Situation zu sein schien. Diese
Hoffnung war verfrüht Die Alten waren
bloB verblüfft gewesen und darum anfangs
saumselig. Alsbald aber rafften sie sich auf
— zwar nicht zu Taten, aber doch zum Spielen
der so gefiirchteten Hofrats-Maschinerie, deren
Ziel ein doppeites war: allmähliche Diskredi-
tierung aller moderner Bestrebungen, denen das
ganze MiBtrauen der in lokalen Traditionen be-
festigen Wiener Art gegenübergestellt wurde;
und zweitens Aufstellung neuer Sonderbiinde
Hineintragen von Zersplitterung in die Führer-
reihen der Moderne. Man kann nur sagen, daB
die Maschinerie prompt und exakt gearbeitet hat
und daB es gelungen ist, die Bestrebungen der
einer wahren Zeitkunst dienenden Talente tun-
lichst zu isolieren. Diese Talente an sich waren
zwar nicht auszurotten; auch konnte man ihnen
die Ruhmeswege nach dem Auslande nicht ver-
legen; aber in dem die Stadt erfüllenden Ge-
triebe ließen sie sich so ziemlich kaltstellen.
Erst als sie in der ,Kunstschau“ dieses Som-
mers ihr Dasein kräftigst wieder kundtaten,
kam es weiteren Kreisen erneut zum Bewußtsein,
daß der bequeme Schlendrian nicht allgemein
ist, daß es, unerhörterweise, in Wiener Kunst-
kreisen immer noch Leute gibt, die etwas
„wollen“ und die sogar Talent und Arbeitskraft
einsetzen, um es zu erreichen.
In diesem merkwürdigen Zeitpunkt ist, als
ein Dokument der verwickelten geschichtlichen
Lage, das Buch der Hofrätin Zuckerkandl er-
schienen, das so ganz unhofrätlich in seinem
Zuschnitt und Inhalt ist. Das Bud ist ein
Kampfbuch; dies muB man vor allem konsta-
tieren. Als solches ist es durch und durch sub-
830
jektiv und selbst der prinzipielle Freund der
hier verfochtenen künstlerischen Haltung geht
der erfrishenden Anregung nicht verlustig, von
Zeit zu Zeit seinen Widerspruch zu äußern.
Man liest dieses Buch und fühlt sich dabei un-
aufhörlich aktiv; und das macht den Reiz des
Buches aus. Ich spreche ihm jedoch noch einen
höheren Wert zu. Ich glaube, daß es auch wirklich
etwas bedeutet. Ohne es direkt zu seinem
Programm zu machen, halt es die gewitter-
hafte Stimmung der letzten Wiener Kunst-
entwicklungsjahre in starken Wiederscheinen fest.
Frau Bertha Zuckerkandi, eine sehr tempera-
mentvolle Dame, ist gleichsam die verkörperte
Ungeduld. Vielleicht heftiger noch als die Künstler,
die ja in ihrem eigenen Schaffen sich beruhigen,
leidet sie unter der Ungunst und Langsamkeit der
Zeiten. Am liebsten möchte sie dem Zeitrad
von rückwärts in die Speichen fallen und es
antreiben, schneller zu rollen. Dies ist wohl
dieser klugen Frau einzige Unklugheit. Sonst
darf man ihr vor allem ein überraschendes Er-
kenntnisvermögen nachsagen, ein Erkenntnis-
vermögen für das Gute und Entwicklungsfähige
der neuen Kunst, sowie für die Aufgaben, die
unsere Zeit dieser Kunst zu stellen vermag.
Ihr lebhalter spürender Geist geht allen sich
bietenden Anregungen nach, erwägt rasch alle
Möglichkeiten, zieht Grenzen und Perspektiven
und findet interessante Ankniipfungen. Sie
diskutiert aufs eifrigste alle einschlägigen Pro-
bleme, von der Ästhetik der Straße bis zu
der Formensprache eines neuen Affenhauses,
von den Prinzipien des Unterrichts bis zur
Grundlegung einer neuen Volkskunst. In alle-
dem ist sie durch und durch Wienerin, mag sie
auch zufällig in der Fronde stehen und neun
Zehnteln ihrer Landsleute ein Dorn im Auge
sein. Doch die „Kunsthofrätin“ ist keine Pfahl-
bürgerin; sie hat den Blick auf Europa gerichtet.
Und wie sie in Klimt nicht bloß den Wiener
sondern auch den Europäer sieht, so sucht sie
bei Franzosen wie Gauguin und Carrière, bei
Deutschen wie Schultze-Naumburg und Muthe-
sius und selbst bei den exotischen Talenten Jung-
Polens überall das herauszufinden, was von
universeller Bedeutung ist und eben hierdurch
wert, als Fermend, in die künstlerishe Bewe-
gung ihrer Vaterstadt eingeführt zu werden.
So verdient das Buch in der Tat seinen Namen.
Es ist überall „Zeitkunst“, die hier abgehandelt
wird: freilich nicht solche für die Zeit sondern
aus der Zeit, und als solche voller Sehnsucht für
alle Zeiten.
Wien. Franz Servaes.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
KLEINE ANZEIGEN
Die Frau und die Kunst. Unter diesem Titel hat
Karl Scheffler vor kurzem im Verlag von Julius
Bard, Berlin ein sehr feines, gedankenreiches Biichlein
erscheinen lassen, das sich mit einem vieldiskutierten und
in der Gegenwart besonders aktuellen Problem beschäftigt.
Die gedankenstarke Logik Schefflers stellt das Werk in
die Reihe der besten kunsttheoretischen Schriften, die
uns überhaupt beschieden sind. Bemerkenswert ist vor
allem die vielseitige Behandlung des Themas, das sith
nicht nur mit der bildenden Kunst allein beschäftigt,
sondern die Frage nadı dem Verhältnis der Frau zur
Kunst von allen Seiten aufgreift, bemerkenswert nicht
weniger der Schluß, zu dem Scheffler im Verlauf seiner
Erörterungen kommt, daß es der Frau von Natur aus
versagt list, künstlerisch produktiv zu sein wie es in der
starken Einseitigkeit der männlichen Begabung begründet
liegt. Daß trotzdem Scheffler der Frau eine hohe Auf-
gabe auf dem Gebiete der Kunst zuweist, die nicht zuletzt
aus der von Natur aus genialischen Veranlagung der
Frau resumiert, soll wenigstens angedeutet sein. B.
Von dem Jahrbuch der Bremischen Sammlungen
(Verlag von Franz Leuwer in Bremen) ist soeben der
zweite Halbband erschienen. Der Zweck des Jahrbuches
besteht darin, durch wissenschaftliche Beiträge das Interesse
für die Sammlungen und Institute Bremens zu fördern.
Das gilt in erster Linie für die Kunsthalle, das Gewerbe-,
das historische und ethnographishe Museum der Stadt.
dann aber ebenso für Staatsarchiv und Stadtbibliothek.
Unter den Beiträgen, die in erster Linie den Kunst-
historiker interessieren, seien die folgenden genannt:
E. Waldmann: Die gotishen Skulpturen am Bremer
Rathaus. Derselbe: Die Bildnisse an Smidts.
Gustav Pauli: Die dekorativen Skulpturen der Re-
naissance am Bremer Rathause und ihre Vorbilder.
W. von Bippen: Die Abbildungen der Schlacht bei
Drakenburg. Außerdem enthält der Band eingehende Be-
rite sowohl über die neuen Erwerbungen der Kunst-
halle (G. Pauli) wie über die Erwerbungen der kunst-
en Sammlungen (K. Schaefer). Die Redaktion
es Jahrbuches liegt in den bewährten Händen von
Gustav Pauli.
Das Geheimnis der Medici-Gräber. In einem
Epilog unter dem Titel „Das Geheimnis des Meisters“
(Deutsche Rundschau Juli-Heft), zu dem viel diskutierten Buch
„das Geheimnis der Medici-Gräber Michelangelos“ bringt
Steinmann zu dem unerschöpflichen Problem einige neue,
höchst merkwürdige Beiträge. Er berichtigt sich vielfach
im einzelnen und gibt vor allem die au meist ange-
foditene Deutung der , Mascheroni“ in der Medici-Kapelle
auf. Er scheint auch auf das Karnevalslied nidıt mehr
das Gewicht zu legen, das ihm nach seiner Meinung
früher als einzige Quelle, aus welcher Michelangelo ge-
schöpft, zukam. m übrigen aber hält er an seiner
Deutung der Allegorien fest, ja er sucht diese Deutung
durch den Hinweis zu stützen; daß Michelangelo die An-
bringung der vier Jahreszeiten auch fiir das Grabmal
Pauls Ill. vorgeschlagen hatte. Überhaupt sind die Be-
ziehungen zu diesem großartigsten Grabmal der Spät-
renaissance, die St. hier zuerst aufgedeckt hat, äußerst
beachtenswert. Wir erfahren, daß auch hier Flußgötter
geplant waren, Flußgötter rein lokaler Bedeutung, wie
sie St. auch an den Medici-Gräbern vertritt. Borinskis
Behauptung, die RER Flußgötter an den Medici-
garen stellten die Unterweltsflüsse dar, dürften nach
t. Darlegungen ebenso abzulehnen sein, wie Sauers
Deutung auf die Flüsse des Paradieses. Geradezu über-
zeugend weist St. vor allem aus den Schaustellungen auf
dem Capitol i. J. 1513 nach, daß Michelangelo nur an
Tiber und Arno gedacht hrben kann, die er eben zwei-
mal ee Grabmal anbringen wollte.
Auch über die Persönlichkeiten der Dargestellten er-
fahren wir mancherlei Neues. Man möchte auch hier
St. zustimmen, der den Herzog von Nemours weit per-
sönlicher aufgefaßt findet als den Herzog von Urbino.
Die Belege für seine Ausführungen verheißt St. an anderer
Stelle. Man vermißt sie ungern. Denn dieser fesselnde
Dialog ist nichts weniger als eine Plauderei im gewöhn-
lichen Sinne, sondern ein Produkt des Nachdenkens und
Forschens, das zum Problem der Medici-Gräber dankens-
werte Beiträge bietet. a
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Aktiebolaget Ljus. Kr. 10.—.
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seit dem Jahre 1897 in Berlin errichteten städt.
Bauten. Mit beschreib. Text. 7. Bd. Irren-
haus in Buch. (50 Tafeln mit III, X S. illustr.
Text.) 53,5>41,3 cm. Berlin, E. Wasmuth 08.
In Mappe 50.—.
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Berlin, E. Wasmuth. Jedes Heft Einzelpr. 1.80;
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37,5x29 cm. Berlin, Verlagsanstalt f. Literatur
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Mit 2 Vierfarbentaf., 2 Mattkunstdruckbildern,
42 Tondruckbildern, 1 Grav. u. 29 Handzeichn.
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(100 S. m. 14 Taf.) 8°. Erfurt, K. Villaret 08.
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Katalog der Sammlung Franz Greb +, Mün-
chen. Keramik, Gold- und Silberarbeiten,
Arbeiten in Eisen, Bronze, Zinn, etc., Skulp-
turen in Holz u. Stein, Möbel. Waffen, Jagd-
utensilien, Geweihe, Pfeifen, Textilien, Olge-
mälde etc. des XIV— XIX. Jahrh. Auktion in
Münden in der Galerie Helbing, Wagmüller-
straße 15. Dienstag, den 30. VI. 1908 u. fol-
gende Tage, vormittags 10 Uhr u. nachmittags
3 Uhr. (IV. 100 S. m. Abbildgn., 33 Taf. u.
1 Bildnis.) 36><28cm. München, H Helbing
(08). 6.—; Ausg. B. (100 S. m. Abbildg. und
6 Taf.) 2.—.
Kirby Grant, J. Mr. John G. Johnson's Col-
lection of Pictures in Philadelphia. Part Il.
(Connoisseur, Jul.)
Macfall, H. The Loan Collection of Old Fur-
niture at the Franco-British Exhibition (Con-
noisseur, Aug.)
Martin, W. ’s Rijks oankoop uit de Six-col-
lectie. (Bull. Nederland. oudheidk. Bond. 1.)
Museum, das. Carolino-Augusteum in Salz-
burg 1833—1908. (51 S. m. 21 Taf.) 8°. Salz-
burg, (E. Höllrigl) (08). 2.60.
Museums, The. Art in France.
(Burlingt.
Mag. Jul.)
National Gallery, The Affairs of the. (Bur-
lingt. Mag. Jul.)
Overvoorde, J. Aanwinsten van liet Stede-
lijk Museum „De hakenhal“ te heiden. (Bull.
Nederland. oudheidkund. Bond, 1.)
Seler. Neuere Erwerbungen d. Amerikanischen
Abteilung. (Amtl. Berichte, 10.)
Traumann, E. Das neue pfalzishe Museum
in Heidelberg. (Frankfurt. Ztg., 10. VII.)
Weber, P. Das städtische Museum für Orts-
geschichte in Jena. (Beil. Münch. N. Nachr., 26.)
Weinitz, F. Die Schwarzwäldersammlung des
Herrn Oskar Spiegelhalder auf der Billinger
Ausstellung 1907. (Ztschr. f. Volksk., 3.)
Willoughb H L. The Marquess Camden's Col-
lection at Bayham Abbay (Connoisseur, Aug)
Woermann, K. Karl Voll, Führer durch die
Alte Pinakothek. (Süddeutsch. Monatsh. Aug.)
5. Bildnis und Kostüm.
Portrait et costame. — Portrait and costume.
Benedetti, A. Per l'abbigliamento mulebre
i corredo die Elisabetta Gonzaga Monte-
eltro] (vita d’arte, 5.)
Benkard, E. Ein Porträt Raffaels von der
Hand des Sebastiano del Piombo. (Monatsh.
f. Kunstw. 7/8.)
Calzini, E. Raffaello e Maddalena Doni. (Vita
d’arte. 7.)
Cust, L. A recent addition on the National
Portrait Gallery [Margaret Beaufort, Countes
of Richmond and Derby.) (Burlingt. Mag. Jul.)
Doering, O. Die frihmittelalterliche Portrat-
vn in Deutschland. (Propyläen, München,
17, VI.
Frizzoni, G. Autoritratti di Girolamo Roma-
nino. (Boll. d’Arte, 6.)
Gabriel. Das mimische Gebahren der „Staal-
meester“. (Rhein. Westfäl. Ztg., 8. VII.)
Gamba, C. Nuovi autoritratti agli Uffizi. (Boll.
d’Arte, 6.)
Gilow, H. Das Homburgbild im Kronprinz-
lichen Palais in Berlin und Kleists Prinz von
Homburg (Westermanns Monatsh., 9.)
Granberg, O. Descartes porträtt pa Stock-
holms observatorium och i Louvre. M. 3 Abb.
(Ord och bild 1908, H 3., S. 155—172.)
— Porträttsamlingen paTrolleLjungby. (Svenska
Dagbl., Nr. 178/179.) Mit 2 Abb.
Hergsell, G. Die Panzerung der deuschen
Ritter im Mittelalter. (Deutsch. Geschichtsbl., 9.)
Mayer, A. Ein spanisches Portr. Michelangelos.
(Monatsh. f. Kunstw., 7/8.)
Moes, E. Svenska Porträtt i offentliga Sam-
lingar. Utgifna under medverkan of Person-
Bibliographie 841
historiska Samfunde. I. N. Sjöberg, Drott-
ningholm. II.N.Sjéberg, Gripsholm. Vasatiden.
Stockholm, Hasse W. Tullberg, [1908]. 52;
XIV und 69 S. 4° mit je 50 Taf.
Schwarz, F. Verzeichnis der in der Stadtbib-
liothek Danzig vorhandenen Portr. Danziger
Persönlichkeiten. (Ztschr. d. WestpreuB. Ge-
schichtsver., 50.)
Sjöberg, N. Svenska portratt i offentliga sam-
lingar. I. Drottningholm. II. Gripsholm. Vasa-
tiden. Stockholm, Tullberg. (52 u. 69 S. Fol.
mit je 50 Taf.) Kr. 30. Utgifna under med-
verkan af Personhistoriska Samfundet.
Steinmann, E. Zur Inonographie Michelan-
angelos. (Monatsh. f. Kunstw., 7/8.)
Toussaint, E. Vom Frauenkleide.
(Kunst-
wart, 20.)
6. Ikonographie, Legende, Mythologie.
Fahrenkrog, L. Der Typ Jesus. (Nord uud
Süd, Jul.)
Mayeur, P. Le symbolisme d’un tympan de
porte à San Isidro de Léon. (Rev. Art chrét. 4.)
Müller, H. Das Martyrium Polycarpi. (Röm.
Quartalsschr., 1.)
Sanorer, G. La vie de Jésus-Christ racontée
par les imagiers du moyen äge sur les portes
d'églises (Rev. Art chrét., 4.)
Seemann, Dr. O. Mythologie en kunst der
Grieken en Romeinen. Tweede bewerking
door dr. A. Halberstadt. 's-Gravenhage, M.
Hols. 8°. [22x15]. (VIII, 347 blz., m. afb.
in d. tekst en 12 pltn.) f. 2.50; geb. f. 2.90.
Sökeland,H. Dunkelfarbige Marienbld.
(Ztschr. d. Ver. f. Volksk., 3.)
Spielmann, M. The „Shakespeare Marriage
Picture“. Port I. (Connoisseur, Jul.)
7. Heraldik.
Heraldique. — Heraldic.
Arnswaldt, W. v. Aufschriften und Wappen
der Särge in der Krypta der Stiftskirche zu
Fischbeck. (Deutsch. Herold, 5.)
CloB, G Was soll der Heraldiker von his-
torisher Waffenkunde wissen? (Deutscher
Herold, 7.)
Durassoff, W. Gerbownik wserossijskaho
Dworjanstwa. (Wappenbuc des russischen
Adels.) Petersburg 1907. F° 329 S. Rb. 55.—
Fahey, J. The Crests of the Chieftains of Hy
Fiachrach Aidhre. (Journ. of. R. Soc. Antiqu.
Ireland, 1.)
Kekulé von Stradonitz, H. Die Wappen-
kunde an den Museen als Hilfsmittel kunst-
geschichtliher Forschung. (Museumkunde, 3.)
Keller, Alfr. v. Leitfad. d. Heraldik. (2. Aufl.)
(12 S. u. BI. 13—74 m. z. TI. farb. Abbildgn.)
kl. 8°. Berlin, F. Stahn (08.) Kart. bar 10.—.
Sabel, G. Die kürzlich freigelegten Malereien
im SchloB zu Forchheim in heraldischer Be-
leuchtung und Folgerung für das Stadtwappen.
(Deutsch. Herold, 7.)
Siebmacier’s Wappenbuch. 526. u. 528. Lfg.
Nürnb., Bauer & R. Je 6.—.
Tavenor-Perry, J. The Arms on Rahere's
Tomb in St. Bartholomew the Great, London.
(Antiquary, 4.)
Valerani, F. Stemmi ed emblemi sulle monete
del Monferrato. (Rivist. ital. numismat. 1--2.)
Wanitek (Umschlag: Vanicek), Karl. Die Heral-
dik Österreich-Ungarns. Chronologisch dar-
gestellt u. erläutert. (1 farb. Taf.) 44—56 cm,
Mit Text. (15S. m. 1 Taf.) gr. 8°. Prag (08.)
(Wien, L. W. Seidel & Sohn.) Bar 3.—.
8. Münzen und Medaillen.
Numismatique. — Numismatics.
Bahrfeldt, E. Die Stettiner Manze zur Zeit
Friedrichs des Großen. (Berlin, Münzbl. 80.)
Bordeaux, P. Documents monétaires concer-
nant les quatre départements réunis de la rive
gauche du Rhin de 1799 a 1813. (Rev. belge
de Numismat. 3)
Charvet, E. Médailles et jetons de la ville
de Lyon. (Gaz. numismat. 3—4.)
Chevreux, P. Le sculpteur-medailleur Hubert
Ponxarme. [Biographie und Katalog seines
œuvres] (Gaz. numismat. 3—4.)
Elek, A. Les sculpteurs hongrois de medailles,
les vieux et les jeunes. (Muves zet, 3.)
Gilleman, Ch. et A. v. Werveke. Numis-
matique gantoise. (Rev. belge et Numismat. 3.)
Hoecke, G. Der Münzenfund von Elmenhorst.
(Berlin. Münzbl. 78-79.)
Horn, U. Beiträge zur Mecklenburgischen Me-
daillenkunde. (Berlin. Münzbl. 78—79.)
Horn, U.u.C. Beiträge zur Mecklenburgischen
Medaillenkunde [Schluß] (Berlin. Münzbl. 80).
L.v.L. Neue Medaillen. (Berlin. Münzbl. 78— 79.)
L. v. L. Neue Münzen und Medaillen. (Berlin.
Münzbl. 80.)
Liebig, A. Die Medaillen und Plaketten des
Medailleurs August Schabel. (Berlin. Münzbl,
18—79.)
Recueil des monnaies de l'Italie méridionale
depuis le Vile siècle jusqu'au XIXe (Musée, 6).
Rotunno, A. Il centenario d'un illustre incisore
[Andrea Cariello] (Vita d'arte, 7).
Svoronos, N. Les premières monnaies. (Rev.
belge d. Numismat. 3.)
9. Künstlerworte.
Déclarations d’artistes. — Words of artists.
Beardsley, Aubrey: Briefe, Kalendernotizen
u.die vier Zeichnungen zu E. A. Poe. Einbd.-
842
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Zeichnung v. Walt. Tiemann.) (V, 186 S. m.
1 Fksm.) gr. 8°. München, H. v. Weber 08.
Alexander-Ausg., geb. bar 14.—; Luxusausg.
25.—.
Bernard, E. Erinnerungen an Paul Cézanne.
(Kunst u. Kiinstler, 10).
Bötticher, G. Eine Erinnerung an Schnorr von
Karolsfeld. (Dresdner Anz. 5, VII.)
Erinnerungen an den russischen Schlachten-
maler Wereschtschagin. (Leipz. Tagebl. 5, VII.)
Federici, V. Autografi d'artisti dei secoli
XV—XVII. (Archiv. R. Soc. Romana, 3—4.)
Herkomer (Hubert von, Sir)—My School and
My Gospel. Illus. Ryl. 8vo. 10'/,><6°/,, pp.
234, 21 s. net. Constable, Mar. 08.
Kohut, A. Michel Angelo als Dichter. (Kunst-
freund, 6.)
Loumyer, G.: Un traité de peinture du moyen-
age: L'Anonymus Bernensis. Publié d’apres
le ms. de la bibliotheque de Berne avec une
introduction et des notes. (44S.) gr.8°. Bern,
G. Grunau 08.
Mayer, G. Erinnerungen an Jef Lambeaux.
(Frankfurt. Ztg. 21, VI.)
Max Liebermann und Gerhart Hauptmann
fiber Walter Leistikow. (Hamburg. Nachr.
1, VIIL)
Schubring, P. Albrecht Dürers schriftlicher
NachlaB. (N. PreuB. Ztg. 24, VI.)
Trübner, Wilh.: Personalien u. Prinzipien. (V,
211 S.) 8°. Berlin, B. Cassirer (08). 3.—;
geb. 4.—.
Whistler, M.N. Künstler und Kritiker. (Kunst
u. Künstler, 9.)
Zucker, Charakterköpfe, deutsche. Denkmäler
deutscher Persönlichkeiten aus ihren Schriften.
Hrsg.v.Wilh. Capelle. 8°. Leipzig, B.G.Teubner.
II. Bd. Zucker, Markus: Albrecht Dürer in seinen
Briefen. Mit 20 Abbildgn. im Text u. auf 12
Taf. (IV, 128 S.) 08. Geb. in Leinw. 2.—.
10. Technik.
Technique. — Technic.
Brunius, A.: En svensk kunstupfinnings öde
[Bildhauer Hugo Elmqvists BronzeguBmethode
à cire perdue] (Svenska Dagbl. Nr. 162.)
H. Elmqvist [Erwiderung hierauf] (Ebenda
Nr. 169).
Church, A. Sammlung maltedinischer Schriften.
Hrsg. v. Ernst Berger. 8°. Mündıen, G. D
W. Callwey. IN. Bd. Church, Prof. A. K.:
Farben u. Malerei. Nach der 3. Aufl. v. „The
chemistry of paints and painting“ übers. u.
bearb. v. M. u. W. Ostwald. (XI, 376 S.)
08. 5.—.
Kiesling, E. Wesen und Technik der Malerei.
8°. Hiersemann, Leipzig.
Martindale, H. The Technique of Samuel
Cousins, R. A. (Connoisseur, Jul.)
Schtchawinsky, W. Le matériel du tableau
ancien. (Staryje Gody, Mai.)
Six, J. De techniek van Vermeer in ,een meyd
die melk uytgiet. (Bull. Nederland, oudheid-
kund. Bond, 1.)
Wild, C. F. L. de, de techniek van Vermeer
in „een meyd die melk uytgiet*. ‘Bull. Neder-
land. oudheidkunst. Bond, 2.)
11. Kultur. — Kunstunterricht.
Enseignement des arts. — Culture Instruction
of art.
Bröcer, Paul: Hamburg in Not! Ein eiliger
Hilferuf und ein Vorschlag zur Rettung der
vaterländ. Baukultur. (30 S.) 8°. Hamburg,
Eggers & Bröcker 08.
Ehmig, Reg.-Baumstr. Senat.: Von der Kunst
des Sehens. Eine Marktplatzstudie. Vortrag.
(44 S. m. Abbildgn.) gr. 8°. Rostock, G. B.
Leopold 08. 1.—.
Haendcke, B. Vergleichende Betrachtung von
Kunstwerk. (Velhagen & Klasings Monatsh. 10.)
Haendcke. Vortragsstoffe f. Volks u. Familien-
abende. Hrsg. v. Pfr. Herm. Barth u. Dr. Karl
Schirmer. I. Reihe. gr. 8°. Leipzig, F. Engel-
mann. 28. Heft. Haendcke, Prof. Dr. Berth.:
Die Kunst u. die natürliche Umwelt. (31 S.) 08
(Umschlag: 07.) — 50.—; Subskr.-Pr. bar —.40.
Heymel, A. Die Verbindung für historische
Kunst. (Süddeutsch. Monatsh. Jul.)
Hillig, H. Stilbewegung und wirtschaftliche
Klagen. (Werkblatt, 14.)
Kipzianowa, Z. Chudoshestwenuoje obraso-
wanje w schkole. (D. künstler. Bildung in d.
Schule u. ihre neuen Methoden. Petersburg
1908. 8°. 35 S.
Lasch, G. Kunstgeschichte und Kunstverständ-
nis. (Christl. Kunstbl. Jul.)
Muther, R. Der Wiener Festzug. (Morgen 26.)
Otto, K. DerStil des Bestellers. (Innen-Dekor.
Aug.)
Poulsen, Fr. Hojrenæssancen. (Grundrids ved
folkelig Universitetsundervisning Nr.138.) Udg.
af Universitetsudvaloet. 16 S. 8%. Kopen-
hagen, Erslev in Komm. 20 Öre.
Poulsen, Fr., en Vandring gennem Pompejis
Ruiner. (Grundrids ved folkelig Universitets-
undervisning Nr. 143.) 14S. 8°. Kopenhagen,
Erslev in Komm. 20 Ore.
Raad, J. de: Het nieuwe teekenonderwijs in
de practijk. Methodische teekeningen, ter
toeliditing van de gidsen van het 2e en 3e
schooljaar van N. F. Perk. Bevattende 107
zwarte en gekleurde teekeningen. Meppel,
H ten Brink. Br. 8°. [16°><26]. 48 blz.)
Gecart. f. 1.75.
Scheffers, O. III. Internationaler Kongreß zur
Förderung des Zeichen- und Kunst-Unterrichtes
und seine Anwendung auf das Gewerbe, Lon-
don 1908. (Deutsch. K. u. Dekor. 10.)
Bibliographie
Schwindrazheim, Osk.:Kunst-Wanderbücher.
Eine Anleitg. zu Kunststudien im Spazieren-
gehen. 4. Bdchn. Wandern u. Skizzieren.
Mit zahlreichen eigenen Skizzen des Verf. u.
16 leeren Seiten f. Bemerkungen u. Skizzen.
1—5. Taus. (95S.) 8°. Hamburg, Gutenberg-
Verlag Dr. E. Schultze 08. 1.60; geb. 2.40.
Voll, Karl: Vergleichende Gemäldestudien. Mit
50 Bildertaf. 2. Aufl. (202S.) Lex. 8°. München,
G. Miller 08. 7.50.
Willms. Zur Wiederbelebung niedersächsischer
Volkskunst. (Niedersachsen, 1. VII.)
12. Kulturgeschichte.
Histoire de la civilisation.
History of civilisation.
Bertog, M. Das Lebensbild einer Porträt-
malerin des XVIII. Jahrhunderts. (Kunst-
freund, 7.) . - |
Goetz, W. Die Geschichte von Florenz. (Beil.
Münch. N. Nachr., 4, VII.)
Hasak, M. Karl der Große ist doch auf einer
Art goldenem Thron beerdigt worden. (Ztschr.
. f. christl. K., 4.)
Holt, J. v. William Blake, Socialism and the
. artist. (Mask. 3—4.)
Hymans, H. De la part de quelques sources
artistiques anciennes dans une invention mo-
derne. (Bull. Acad. R. Archéol. Belg., 1.)
Lionardo und das Flugproblem. (Frankfurt.
Ztg., 31, VII.)
Pascal. Die Frauen der Biedermeierzeit. (Berl.
Lok.-Anz., 22, VII.)
R. F. Ludwig Pastor. Geschichte der Päpste
. seit dem Ausgang des Mittelalters. (Repert.
f. Kunstw., 3.)
Schubring, P. Dante und Giotto in Padua.
(Hilfe, 21, VI.)
Spitzenpfeil, Lor. Rhard. Zum Bauprojekt
des Petriturmes in Kulmbach. Eine kultur-
historische Skizze. Mit einem Vorwort von
Prof. Dr. Paul Johs. Rée u. einem literarischen
Anhang. (42 S.) 8°. Kulmbadı, R. Rehm.
08. nn —.50.
Steinmann, E. Das Geheimnis des Meisters.
Ein Epilog. {[Medicigräber.] (D. Rundsch., Jul.)
13. Kunstlehre.
Theorie de l’art. — Aesthetics.
Hock, St. Der Impressionismus.
Hamann.) (N. Fr. Presse, 3, V.)
Mayer, v. Die erotischen Wurzeln der Kunst.
(Zeitschr. f. Sexualwissensch. Jun.)
Müller-Freienfels, R. Zur Theorie der
ästhetischen Elementarerscheinungen. III. Die
Elementarformen d. bildenden Kunst. (Viertel-
jahrsschr. f. Philos. u. Soziol., 2.)
[Bespr. von
843
Müller-Kaboth, K. Vom naiven und senti-
mentalen Künstler. (Sozialist. Monatsh., 13.)
Mutermilch, M. Zasady estetyki w zarysie
popularnym. (Populärer AbriB d. Grundlagen
d. Ästhetik.) Warschau 1908. 16°. 134 S.
Reichel, A. Zur antithetischen Gruppe. (Mem-
non, 1—2.)
Révesz, B. Zur Psychologie der Kunst unserer
Tage. (Polit. anthropol. Revue, 2
Samssonoff, N. W. Übersicht der allgemeinen
Asthetik. (Krititscheskoje Obosrenje, VIII.)
Schaufenbühl, Fr. Versuch einer künstlerisch-
anatomischen Definition über die Laokoon-
gruppe und Michelangelo. (XVI, 226 S. mit
1 Lichtdr.-Taf.) Lex.-8°. Straßburg, J. H.E.
Heitz 08. bar 10.—.
Schneider, O. Renaissance und Barock in der
bildenden Kunst und in der Musik. (Rhein.
Westfäl. Ztg., 25, VI.)
Tuker, M. Italian Realism and Art. (Fortnightly
Rev., Mai.)
Ulitz, E. Kritishe Vorbemerkungen zu einer
ästhetischen Farbenlehre. (Zeitschr. f. Asthet.
u. allg. Kunstw., 3.)
Vignola, der kleine, zur Belehrung f. Künstler
und Handwerker; enthaltend die fünf Säulen-
ordnungen und deren Anwendung. Aus dem
Französischen übersetzt. 6. Aufl. (32 S. mit
32 lithogr. Taf.) kl. 8° Leipzig, EH Meyer
08. Kart. 2.—.
West, R. Die Übertreibung der Ästhetik. (N.
Preuß. Ztg., 7, VII.)
14. Sammelschriften.
Recueils.
Einzelforschungen über Kunst und Alter-
tumsgegenstände zu Frankfurt a.M. Im Auf-
- trage der Kommission für Kunst- und Alter-
tumsgegenstände herausg. vom städt. histor.
Museum. (IX, 179 S. m. Abbildgn. u. 3 Taf.)
. 34,5><26 cm. Frankfurt a. M. J. Baer & Co.
08. 12.—
Friedlander.
August Schmarsow gewidmet.
Kunstw., 3.)
Gurlitt. Beschreibende Darstellung der älteren
Bau- und Kunstdenkmäler des Kônigreidis
Sachsen. Unter Mitwirkung des kgl. sächs.
Altertumsvereins hrsg. von dem kgl. sädıs.
Kunstwissenschaftliche Beiträge
(Repert. f.
Ministerium des Innern. Lex.-8°. Dresden,
C. C. Meinhold & Söhne. 31. Heft. Gurlitt,
Cornelius: Amtshauptmannsdiaft Bautzen.
[I. Teil.] (II, 192 S. m. Abb. u. 3 Taf.) 08. 8.—.
Jahrbuch fir Altertumskunde. Hrsg. von der
k. k. Zentral-Kommission fiir Erforsdiung und
Erhaltung der Kunst- und histor. Denkmale
unter der Leitung ihres Präsidenten Sr. Exz.
i Alex. Freih. v. Helfert durch Prof. Wilh.
ubitschek. 2. Bd. (1. Heft. 48 S. m. Abb.)
32><24 cm. Wien, A. Schroll & Co. 08. 10.—.
844
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Jahrbuch, Münchner, der bildenden Kunst.
Unter Mitwirkung der Vorstände der staatl.
Kunstsammlungen hrsg. v. Ludw. v. Buerkel.
1. Halbbd. 1908. (V, 70 S. m. Abbildgn. und
11 Taf.) Lex.-8°, München, G. D. W. Call-
wey. 7.50.
Plasschaert, Alb. Studies en gegevens over
schilderkunst. 1907. Zeist, Meindert Boogaerdt
jun. 8°. [21°x15°.) (VIII, 111 blz.) f 1.75.
Raspe. Karl Mühlke. Von nordischer Volks-
kunst. (Rep. f. Kunstw., 3.)
Staél von Holsttein, Lage. En finsk bok
om italiensk renässans. [Rec. von „T. och
W. Söderhjelm, Italiensk renässans“.] (Ord
och bild 1908, H. 2.)
15. Kunstwissenschaft.
Biermann, G. „Bode“. (Monatsh. f. Kunst-
wissensch., 7/8.)
Borgese, G. La National Galerie. ([Berlin.]
(Vita d’arte, 7.)
Burckhardts. Aus dem Leben Jakob. (Tägl.
Rundsch., 24. V.)
Ergebnisse des VII. Internationalen Kunst-
historischen Kongresses in Darmstadt. (Kunst-
chron., 29.
Liebert, A. Eine neue Michelangelo-Biogra-
phie. [Zugleich ein Beitrag zur Methode der
Kunstwissenschaft.] (Beilage der Minch. N.
Nachr., 23.)
Ostendorf. Carl Schäfers wissenschaftliches
Werk. (Ztschr. f. Gesch. d. Architekt., 9.)
Roosval, J. Hans Hildebrand och den svenska
medeltids konsten. (Ord och Bild, 4.)
Schmidkunz, H Museen f. christliche Kunst.
(Christl. Kunstbl. Jul.)
Schröder, A. Bibliographie zur Geschichte und
us d. Regierungsbez. Schwaben
und Neuburg über die Jahre 1906 und 1907.
[Schluß.] (Augsbg. Postztg., 31. VII.)
Voll, K. Ein Kapitel praktischer bayerischer
Museumspolitik. (Beilage der Münch. Neust.
Nachr., 7. VII.)
— Die bayerischen Kunstsammlungen. (Süddtsch.
Monatssh. Jul.)
Wellenkampf, F. Some notes of the art
museum as an exhibitor. (Museumskunde, 3.)
Wôlfflin. Galeriekataloge. Erfahrungen und
Vorschläge. (Berl. Kunstgesch. Gesellsch., 3.)
16. Kunstnachrichten.
Echo des arts. — Art news.
Bolsunowski, K. Nachricht über den 1899 in
der Petschersky Lawra zu Kiew gefundenen
Schatz. (Wiadomösci Numizmatyczno-Ar-
cheologiczne Nr. 70—71.)
Bombe, W. Florentiner Brief.
Ztg., 2. Juni.)
Bulletti, E. Sul colle della Capriola [Siena
Dintorni.) Appunti storico-artistici. (Rassegna
d'arte senese, 3—4.)
Donnet, F. Le propriétés du couvent de Val-
Duchesse à Anvers. (Bull. Ac. R. Archéol.
Belg., 1.)
Galletti, P. La quadreria della Granduchessa
un: [Inventar von 1693.) (Arte e Storia,
—10.)
Gronau, G. Gefalschte Künstlerdokumente.
(Monatsh. f. Kunstw., 7/8.)
Haager Kunstschätze u. ihre Preise. [Frankf.
Ztg., 9. VII.)
Jones, E. The prices paid for the Sévres
Porcelain at Windsor Castle. (Burlington
Mag. Jul.)
Londoner Brief. (Kunstchron., 29)
Major, E. Das Fàscishe Museum und die
Fäschischen Inventare. (Öffentl. Kunstsammlg.
Basel. LX. Jahres-Bericht. Neue Folge, IV.)
Mauceri, E. Documenti artistici siracusani.
(Archiv. storico, 1.)
Meurs, P. van. Inventaris der goederen, nr.ge-
laten door Gillis Pardelaert, Rentmeester van
de Beierlanden. (Oud. Holland, 2.)
Simeoni, L. Il Giornale del pittore veronese
Paolo Farinati [Forts.] (Madonna verona, 2.)
Theseion als Museum, Das. (Deutsche Warte,
4. VII.)
(Nordd. Allg.
GE eg
\
ORGAN FOR DEN INTERNATIONALEN KUNSTMARKT
UND DIE INTERESSEN DER SAMMLER.
BEMERKUNGEN UBER
EINIGE MARKEN DES MEISSNER
PORZELLANS
Ober die Fabrikmarken des MeiBner Porzel-
lans ist vieles bekannt, was über seine Her-
kunft, die Zeit seines Entstehens mancherlei
AufschluB gibt. Es ist dies fast alles von
Berling in seinem Werke ,Das MeiBner Por-
zellan und seine Geschichte“ zusammengefaßt
worden. Dennoch sind immer noch einige Rätsel
geblieben, für die ich jedoch glaube, im folgenden
Erklärungen geben zu können, die teils auf der
Verwertung schon bekannter Tatsachen, teils
aber auf einigen neuen Dokumenten beruhen,
die Herr Dr. Friedrich Haacke, Privatdozent in
Berlin und Verfasser einer umfangreichen dem-
nächst erscheinenden Biographie König August
des Starken bei ihrer Bearbeitung gefunden und
mir freundlichst zur Verfügung gestellt hat. Es
sind dies persönliche Aufzeichnungen und Notizen
des Königs die dieser sidi wohl während der
Vorträge seiner Minister gemacht hat, die die
verschiedensten Fragen behandeln.
1. Shwertermarke über Glasur.
Diese Marke, die bekanntlic die die ge-
wöhnliche Meißner Fabrikmarke ausmachenden
Kursciwerter nicht in dem für gewöhnlich üb-
lien, unter Glasur aufgetragenen Kobaltblau
zeigt, vielmehr in einem lichten Blau über Glasur,
findet sich fast ausschlieBlich auf Meißner Por-
zellanen der frühen „Heroldzeit“, die man aus
mancherlei Gründen in die Zeit von um 1725
bis 1730 setzen muB, hierbei in erster Linie auf
solchen jener Gruppe von Porzellanen, die in
so überaus geschickter Weise jene frühen, in
hellen, lichten Farben strahlenden Porzellane
Japans nachahmen, die nachweislich seit dem
Ende des 17. Jahrhunderts als die frühesten
vielfarbigen Porzellane Ostasiens nadı Europa
gelangt sind, für die der König August der
Starke damals gleichfalls nachweislich eine ganz
besondere Vorliebe besessen hat, die diese
Nachbildung wohl bewirkt hat.
Für diese Marke ist sowohl von Berling (a.
a. O. S.156) wie auch von Lüders (in seinem
Aufsatz über das Porzellan der Berliner Manu-
faktur auf der Ausstellung von Kunstwerken
aus dem Zeitalter Friedrihs des Großen im
Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen,
XIV. Bd. 1893, S.229) die Erklärung abgegeben
worden: man hätte, als man in Meißen all-
gemein anfing, das Porzellan mit der Schwerter-
marke unter Glasur zu versehen (d.h. als die
im Jahre 1719 gegründete Wiener Porzellan-
manufaktur Porzellane auf den Markt brachte,
die mit den MeiBnern zu verwechseln waren),
die damals bereits fertigen, demnach also auch
schon glasierten Stücke, da man die Marke bei
ihnen nicht mehr unter Glasur anbringen konnte,
nun mit einer solchen über Glasur versehen.
Diese Annahme hat zweifelsohne viel für sich,
und es ist kein Grund vorhanden, zu bezweifeln,
daB auf diese Weise die Marke über Glasur
auf viele Porzellane gekommen ist. Aber es
fällt doch auf, daB diese Marke sich so beson-
ders häufig, ja in durchaus überwiegender Weise
auf Porzellanen jener oben bezeichneten Gruppe
findet, die auch unter den Farben ihrer Dekoration
in hervorragender Weise dasselbe Blau zeigt,
in dem ihre Marken ausgeführt sind. Es er-
scheint undenkbar, daB für diesen Typus, der
noch dazu damals gegenüber den früheren als
ein Fortschritt zu gelten hatte, der schon vor-
handeneVorrat an Porzellanen verwandt worden
sei, es erscheint um so undenkbarer, da diese
Gruppe die japanischen Porzellane nicht bloB
im Dekor, sondern auch fast immer in der Form
genau nacdigemacht hat. Die Gefäße müssen
also demnach damals für diese besondere Be-
malung eigens angefertigt worden sein und so
kann die obige Erklärung für die Anbringung
dieser Marke durchaus nicht die allein richtige
sein.
Nun aber ist durch Berling bereits eine Tat-
sache berichtet worden, die, von ihm freilich
noch nicht für diese Zwecke verwandt, dennoch
eine ausreichende Erklärung für diese Marke
zu geben vermag. Er weiß nämlich zu berichten
(a. a. O. S. 118), daB im Jahre 1725 der alte
Arbeiter Böttgers David Köhler, dem, als einem
846
Monatshefte für Kunstwissenschaft
der tüchtigsten Leute an der Manufaktur, zuerst
die Unterglasurmalerei in Kobaltblau gelungen
war, starb, man in Meißen „längere Zeit in dieser
Farbe nichts hat schafien können, da Köhler aus
Mißgunst seinem Nachfolger Höltzel über die
Zusammensetzung dieser Farbe völlig im Un-
klaren gelassen hatte“. Erst mit Hilfe von
Herold, dem scion damaligen künstlerischen Leiter
der Fabrik, den Köhler auf seinem Totenbette
noch kurz vorher über diese Farbe unterrichtet
hätte, sei dann die Farbe wieder gelungen, aber
auf einem kostbaren und sehr mühsamen Wege,
um dann allerdings wieder von neuem so
schlecht auszufallen, daß man damit bemalte
Gefäße nicht mehr verkaufen konnte, ja bis in
die dreißiger Jahre hinein scheint man diese
Farbe nicht ganz wieder beherrschen gelernt zu
haben.
Was aber folgt aus diesen Angaben? Es
hat in den Jahren 1725 und 1726 eine Zeit ge-
geben, in der man in Meißen mit Kobaltblau
unter Glasur nicht malen, es hat weiter eine
ganze Reihe von Jahren gegeben, wo man mit
ihm nur schlecht malen konnte. Diese Tatsachen
aber genügen völlig, die Schwertermarke über
Glasur zu erklären. Denn, wenn man da-
mals, wie schon vorher, auf Befehl des Königs
die Schwertermarke auf allen Meißner Porzel-
lanen in Kobaltblau unter Glasur anzubringen
hatte, diese Farbe aber damals gar nicht besaß,
dann mußte man die Marke wohl oder übel in
einer Farbe über Glasur daraufmalen, wobei die
Anwendung einer blauen natürlich die nächst-
liegende war. Damit aber war die blaue
Schwertermarke über Glasur vorhanden!
Hiermit stimmt völlig überein, daB Stücke
mit dieser Marke im Dekor auch fast nie das
Unterglasurblau zeigen, indes auf so vielen
Stücken vorher, die schon die Schwertermarke
in Unterglasurblau gezeigt hatten, von dieser
Farbe bereits ein sehr wirkungsvoller Gebrauch
gemacht worden war, ja es gewinnt geradezu
den Anschein, als sei jener neue japanische
Dekor, den die mit Überglasurmarken versehenen
Stücke fast immer zeigen, damals nur deshalb
aufgekommen, weil eben das Unterglasurklau
ausging oder nicht mehr brauchbar ausfiel. Da-
gegen spricht aber durchaus nicht, daß verhält-
nismäßig viele Stücke dieser Art diese Marke
zeigen. Denn wir wissen einerseits gar nicht,
wann Herold die kobaltblaue Farbe soweit wie-
der beherrscien gelernt hat, daß man sie auf
allen Stücken wieder anzubringen wagen konnte,
wir wissen andrerseits ebenso wenig, wie lange
Köhler, der vorher allein diese Farbe herstellen
konnte, krank darnieder lag, bevor er starb.
Es können Jahre darüber vergangen sein.
2. Chinesische Marken (Merkurstab).
Bekanntlich tragen viele Meißner Porzellane,
die dem ersten Jahrzehnt nach Böttgers Tode
angehören, chinesisch aussehende Marken, da-
für aber, selbst zu einer Zeit, da sie bereits
eingeführt war, die Schwertermarke in der
Regel nicht. Diese Marken sind entweder mehr
oder weniger getreue Kopien der bekannten
Kaiserdatierungs- oder auch der rein symboli-
schen Marken des chinesischen Porzellans. Auch
gehört zu ihnen die am häufigsten vorkom-
mende Marke des sogenannten „Merkurstabs“
die freilich bisher auf chinesischen Porzel-
lanen selber noch nicht aufgefunden wor-
den sein dürfte. Diese Marken gelangten
z. T. wohl auf die Meißner Porzellane,
weil man damals das ostasiatische Porzellan
überhaupt sehr stark kopierte, ja sogar oft
völlig getreu nachbildete, z. T. jedoch wohl aus
einem ganz anderen Grunde. Wir wissen aus
dem, was Berling u. a. S. 38 über die stark
anrüchigen Beziehungen des französischen Händ-
lers Lemaire zur Meißner Manufaktur und nament-
lich ihrem damaligen Leiter, dem Premierminister
Graf Karl Heinrich von Hoym, sowie nicht minder
aus dem, was er in gleicher Beziehung über
den türkischen Kaufmann Manasses Athanas, der
das Meißner Porzellan nach der Türkei verhan-
delte, gesagt hat, daß beide damals seltsamer-
weise mit allen Mitteln bestrebt waren, die
Meißner Porzellane ohne die Schwertermarke
von Meißen zu bekommen, statt derer aber chine-
sishe Marken oder das Porzellan überhaupt
ganz unbemalt zu erhalten, was ihnen jedoch
damals abgeschlagen worden ist. Dafür sollen
freilih mehrfach Stücke ganz ohne Marke
abgegeben worden sein. Der türkische Kauf-
mann aber hat sih noch im Jahre 1730
geweigert, Porzellan mit der Schwerter- oder
irgend einer andern Marke anzunehmen; ein
Jahr darauf ward ihm jedoch die „Merkurstab"-
marke zugebilligt, die freilih schon früher
gelegentlich dem Meißner Porzellan beigegeben
worden sein muB.
Was war der Grund für diese merkwürdige
Weigerung, was der Grund für die Ablehnung
einer Marke, die doch sonst gerade als Emp-
fehlungszeichen auf das in Meißen fabrizierte
Porzellan gesetzt ward? Der Grund hierfür
war, wie wieder aus einer der obengenannten
Aufzeichnungen des Königs hervorgeht, der,
daß diese Meißner Porzellane damals als ost-
asiatische verkauft wurden. Es heißt dort in
einigen Notizen, die der König sich betreffs der
im Jahre 1731 vorgenommenen Untersuchung
der Lemaire-Hoymschen Sache gemacht hat:
Der Kunstsammler
847
Les armes aux marques se mestens mes
deunes telles fasson quon les peus effasse et
les vendres allieur pour des orrientos, ce pro-
fies pourres estre pour la manifacture que pour
un marcheus estrenges. Mit anderen Worten,
man verkaufte das MeiBner Porzellan damals,
d.h. noch über 20 Jahre nach seiner Erfindung
vielfa als chinesisch-japanisches, weil dies
für den Verkäufer vorteilhafter war. Vorteil-
hafter konnte dies aber nur dann sein, wenn
das ostasiatishe damals noch dem Meißner
vorgezogen ward. Dies aber konnte damals
nur geschehen, wenn entweder das Publikum da-
mals das ostasiatische höher schätzte als das
Meißner Porzellan, oder wenn es durch die
Macht der Gewohnheit damals noch mehr nach
jenem als nach diesem verlangte. Auf alle
Fälle aber darf man jetzt annehmen, daB die
ostasiatishen Marken vielfad und zwar auf
Wunsch der Händler auf das Meißner Porzellan
gesetzt worden sind, damit es zunächst als chine-
sisches oder japanisches verkauft ward.
(Schluß folgt.)
Ernst Zimmermann.
| 2
OBER ITALIENISCHE KORBFLECHT-
ARBEITEN DER RENAISSANCE.
Der hohe künstlerische Wert und die Vor-
bildlichkeit der japanischen Korbflechtarbeiten ist
unbestritten und allgemein bekannt. Fast un-
bekannt aber sind die Korbflechtarbeiten der
Aus Weidenzweigen geflochtene Schale mit
Eglomisebild in der Mitte O
D
Italienische Renaissance
Kaiser Franz Josof Museum, Troppau O
italienischen Renaissance, obwohl der künst-
lerische Reiz derselben nicht minder hoch ein-
zuschätzen ist. Der Hauptgrund des Unbekannt-
seins ist die groBe Seltenheit solcher Arbeiten.
Ich gebe deshalb hier in Abbildung eine flache
aus dünnen Weidenzweigen zierlich geflochtene
Schale, deren Mittelstück aus gedrehtem NuB-
baumholz eine runde Eglomisémalerei auf Sil-
berfolie birgt, darstellend die Halbfigur eines
jugendlichen Heiligen. Die Schale (36 cm im
Durchmesser, 6,5 cm hoch) ist Eigentum des
Kaiser Franz Josef-Museums zu Troppau, wohin
sie als Geschenk seines Protektors, des regie-
renden Fürsten Johann II. von und zu Liechten-
stein gelangte. Übrigens erwarb das Kunstge-
werbemuseum zu Frankfurt a. M. laut seines
Jahresberichtes für 1907 kürzlich gleichfalls eine
ähnliche Arbeit, einen geflochtenen Korb mit
Eglomisebild im Innern.
E. W. Braun (Troppau.)
3
LONDON
Die letzten zwei Monate der zweifelsohne
bedeutsamen Auktionssaison, fiber die noch zu
berichten ist, brachten mehrere wichtige Ver-
steigerungen, vor allem die der groBen Bilder-
kollektion des verstorbenen Mr. Stephen Hol-
land, eines der groBen Industriefürsten des
modernen England. In seiner Sammlung konnte
man die Vorliebe für die Landschaft deutlich
erkennen. Auch er war typisch für den eng-
lischen Sammler unserer Zeit, insofern er neben
Turner vor allem auch die Barbizon-Meister zu
erwerben liebte. Gut beraten, wie er meist war,
brachte er vielfach außerordentlich schöne, ja
erstrangige Stücke zusammen; und zwar zahlte
er verhältnismäßig kleine Preise. So kam es,
daB das Ergebnis der Auktion seinen lachenden
Erben zum hohen Gewinn wurde. Für die 432
Werke seiner Sammlung wurden nämlich im
ganzen # 138118 eingenommen, die höchste
Summe, die jemals auf einer Londoner Auktion
für moderne Bilder bezahlt worden ist. Der
große Moment der Auktion war der Verkauf
von Turners Olbild ,Mortlake Terrace“ aus dem
Jahre 1826, das 1895 £ 5460 gebracht hatte. Die
amerikanische Firma Roland Knoedler, New-York,
erstand das Bild um 12600 Gns., während der
höchste bisher für einen Turner auf einer Lon-
doner Auktion bezahlte Preis 8200 Gns. betragen
hatte. Aber Turner ist in diesem Jahre über-
haupt in London mehr als je Trumpf gewesen.
Zwei kleine Sticke von ihm, „Der Sturm“, nur
12x21 inch groß, aus dem Jahre 1840, und
848
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
„Der Morgen nach dem Sturm“ kosteten Messrs.
Colnaghi & Co 5500 Gns. resp. 7700 Gns. Von
einer Anzahl seiner Aquarelle brachte „Heidel-
berg“, das 1872 2650 Gns. gekostet hatte, nun-
mehr 4200 Gns. (Messrs. Agnew), ein neuer
Rekord für ein Turner-Aquarell. Sechs seiner
Aquarelle, um es kurz zu machen, erreichten
diesmal 10030 Gns. gegenüber 5055 Gns. bei
früheren Gelegenheiten. Nach Amerika wanderte
auch der eine bedeutende Constable, den die
Sammlung umschloB: eine Version der „Salis-
bury Cathedral“, die Knoedler 7800 Gns. kostete,
nur 700 Gns. weniger als das Constablemaximum
auf einer Londoner Auktion (8500 Gns. für
„Stratford Mill on the Stoure* in 1895). — Fol-
gende wichtige Preise aus derselben Auktion
mögen hier noch verzeichnet stehen: Gains-
borough „The Harvest Waggon“, in dem die
verschiedenen Einflüsse, die auf Gainsborough
eine Wirkung ausübten, deutlich sichtbar sind,
700 Gns.: John Linnell sen. „Carrying Wheat“
1900 Gns.; Millais „Caller Herrin“ 1800 Gns.;
Orchardsons kleine Version seines bekannten
Bildes „Napoleon auf dem Bellerophon* 1600
Gns.; zwei Orientsticke des J. F. Lewis 1250
und 1000 Gns.; eine größere Anzahl venetiani-
scher Ansichten des Architekturmalers J. Holland
bis zu 1150 Gns.; Landseers „Otter and Salmon“
360 Gns. (1300 Gns. in 1890); Lord Leightons
„Corinna of Tanagra* wurde erfreulicherweise
für nur 220 Gns. losgeschlagen; Peter Nasmyths,
des alten schottischen Landschafters „View near
Godstone“ 800 Gns.; John Petties „Treason“
520 Gns.; von englischen Aquarellen einige Peter
de Wint bis zu 640 Gns.; David Cox „Lancaster:
Peace & War“ 900 Gns.; Copley Fielding „Ben
More, Isle of Mull“ 590 Gns.; Fred Walker, von
dessen Triumph im Auktionssale vor einigen
Monaten hier die Rede war: „Marlow Ferry“,
nur 113/,><18 inch groß, 2700 Gns., noch 420
Gns. mehr als sein kürzlicher Rekord; seine
„Street, Cookham“ 1600 Gns. (860 Gns. in 1886);
sein ,Fishmonger’s Shop“ ebenfalls 1600 Gns.;
J. Holland „A view on the Grand Canal, Venice“
585 Gns.; J. F. Lewis „Scene in Cairo“ 600 Gns.
Von dem frühen Landschafter Bonington, der
einen nicht unwesentlichen EinfluB auf die
Barbizon-Meister ausgeübt hat, waren nur zwei
kleine Skizzen zum Verkauf ausgestellt: „Quai
du Louvre“, 1828 gemalt, 220 Gns., und „A Coast
Scene“ 200 Gns. (105 Gns. in 1875). — Von den
Barbizon-Meistern seiber, um die sich ein eifriger
Wettkampf erhob, fielen sehr hohe Preise auf
Corots „Flußscene“, 3000 Gns. (Messrs. Gooden
& Fox), auf desselben ,L'Etang“ 2600 Gns.; auf
Daubignys „On the Oise, Morning* gar 3500 Gns.
(Messrs. Gooden & Fox), die höchste fhr einen
Barbizon - Meister gezahlte Summe auf einer
englischen Auktion; auf desselben „On the Oise,
Evening“ 2900 Gns.; auf Diaz „The Bathers“
2950 Gns.; auf Troyons „The Ferry“ 3100 Gns.
(Messrs. Agnew); auf sein „In the Woods at
Meudon above Sèvres 480 Gns. (Cremetti); auf
L'Hermittes „The Gleaners, Evening“, gemalt
1890, die Rekordsumme von 2500 Gns. (Connell);
auf ein anderes Bild desselben Meisters 1250 Gns.;
auf H Harpignies „Matinée d’Automme“ 1600
Gns. (früher 750 Gns.); auf C. H. Jacques
» Watering the Flock“ 1250 Gns. (Messrs. Gooden
& Fox); auf Meissoniers Aquarell „Off Guard“
510 Gns.; auf E. van Marckes ,Returning from
the Pasture“ 1150 Gns.
Von alten Meistern befand sich eigentlich.
nur ein Hobbema in der Sammlung. Dieses
wertvolle Bild, „Ein Markttag“, fiel bezeich-
nenderweise von 700 Gns. im Jahre 1878 auf
260 Gns. (Messrs. Tooth). — Dagegen errangen
die neueren Holländer, diese erklärten Lieblinge
der englishen Sammler, auf einer früheren
Auktion bei Christie von neuem hohe Preise.
Anton Mauves „Returning from Work*, 22'/,
x 40 inch groß, kaufte Mr. Tooth für € 1627.10.
Für Mauves Aquarell „The Homeward Journey“
wurden # 126 bezahlt; für W. Maris „Cow at
a Stream“ # 220.15; für A. Neuhuys „The Torn
Page“ £ 215.5. Am selben Tage, 19. Juli, trug
eine Corot-Landschaft „Nymphen zu der Musik
eines Hirten tanzend“ # 577.10 und Troyons
„Le Marché du Printemps“ £ 787.10 ein. Be-
deutende englische Bilder auf dieser Auktion
waren: 6 Turnersche Aquarelle, von denen „The
Castle of Chillon“ den höchsten Preis, £ 451.10,
eintrug; P. de Wints „Grouse Shooting on the
Moors“ brachte # 120.15; David Cox, „Wind,
Rain und Steam“ e 220.10; Copley Fieldings
„Bolton Abbey“ £ 336 (in 1902 1200 Gns.); Sam
Boughs „Wermyss Bay“ erreichte £ 304.10. Der
höchste Preis für einige Blumenstiicke Fantin
Latours am gleichen Tage betrug # 152.5 fir
seine „Chrysanthemums“.
Dann gab es im Juli noch eine sehr be-
deutende Auktion bei Christie, in der eine ganze
Anzahl älterer und ausländischer Bilder des
Mr. Arthur Sanderson, eines der bekanntesten
Sammler in Schottland, unter den Hammer kam.
Die köstlihe Wedgewoodporzellansammlung
desselben Sammlers war im vorigen Jahre für
£ 20000 verkauft worden. Obwohl nun einige
Hauptstücke seiner Gemäldesammlung, so Hals’
„Michael De Waal“ und Hobbemas „Auf dem
Wege nach Scheveningen: im Auktionssaale
fehlten, so enthielt dieselbe doch noch eine
Reihe hochbedeutender Bilder, die wohl nicht
alle den ihnen gebührenden Preis einbrachten.
Der Kunstsammler
Das Glanzstück war Raeburns Meisterporträt der
„Mrs. Mackenzie of Drumtochty*, das Messrs.
Agnew für 4000 Gns. erstanden; dies war das
Porträt, das im vergangenen Frühjahr einen so
großen Beifall in Berlin gefunden hatte. Ein zwei-
tes Damenporträt Raeburns, „Mrs. Hay of Spot“,
brachte 3200 Gns., das Porträt of „Mr. Hay of
Spot“ 650 Gns. Von weiteren englischen resp.
schottischen Meistern der Sammlung seien hier
noch erwähnt: „Group of Peasants“ von Mor-
land, 1750 Gns. (Messrs. Colnaghi & Co.);
„General James Wolfe“ von Gainsborough,
1800 Gns. (Messrs. Agnew); desselben Meisters
»Watering Horses at a Trough* 420 Gns. und
ein „Still Life on a Table“ 110 Gns.; „Porträt
of a Lady“ by Sir Joshua Reynolds, 2000 Gns.;
desselben „The Laughing Girl“ 480 Gns. (in 1879
1300 Gns.); „Porträt von Mrs. Charnock“ von
Romney 1900 Gns.; „Maecenas Villa“ von
R. Wilson 100 Gns.; Cromes „Gibraltar Watering
Place, near Norwich“ 100 Gns; J. S. Cotmans
„Homeward Bound“ 780 Gns.; David Wilkies
„Ihe Bride at her Toilet“ 990 Gns.; drei Turners
bis zu 180 Gns.; John Phillip „The Gypsy’s
Toilet", das 1897 1785 Gns. brachte, fiel auf
520 Gns., ein unbegreiflicher Fall für diesen
großzügigen Schotten. Des schottischen Orient-
malers Arthur Melville glänzendes Aquarell
„Interior of a Turkish Bath“ brachte 170 Gns.;
ein Aquarell Millais „Sir Isumbras at the Ford“
125 Gns.; desselben Ölgemälde ,Cuckoo“ fiel
von 1550 Gns. auf 820 Gns. Constables erste
Skizze zu seiner „Valley Farm“ trug 620 Gns.
ein. — Von ausländischen Meistern der Samm-
lung seien erwähnt: Rembrandt „Männerporträt“
2000 Gns. (Marlow), in 1890 1500 Gns.; Velasquez
„Peasants at a Repast“ nur 1000 Gns. (Mr.
Langton Douglas); ein Velasquez zugeschriebenes
Damenporträt 1650 Gns. (Agnew) und das ihm
ebenfalls zugewiesene „Portrait of Queen Ma-
riana of Austria“ 550 Gns.; ein dem Vandyck
zugeschriebenes Porträt des „Kardinals Dome-
nico Rivarola* 780 Gns.; ein Männerporträt der
Holbeinschule 320 Gns.; ein Männerporträt von
N. Maes 290 Gns. — Am gleichen Tage wurde
nodi eine Reihe anderer Bilder verkauft, dar-
unter eine „Kanalszene“ von Canaletto 110 Gns.;
eine Flußszene von Ruysdael 480 Gns.; ein
Damenporträt von William Becchey 880 Gns.
Raeburns „Bildnis eines Jungen mit einem Korb
Kirschen“ 600 Gns., nachdem es 1902 1200 Gns.
gebracht hatte, eine der Unbegreiflichkeiten in
den Auktionssälen.
Während der Berichtsperiode fand nur ein
wichtigerer Verkauf von Handzeichnungen und
zwar bei Sotheby, statt, die zum Teil dem Duc
de Cassano Serra gehört hatten: Masaccio
849
„Madonna mit Kind“ e 33; Michel Angelo
„Madonna mit der Leiche Christi“ £ 12.10; drei
Rafaelzeicinungen e 25.10; drei von Tiepolo
£ 20.10 und sechs von Claude # 30.
Von Stidien und anderen Schwarz-WeißB-
Blättern wurde während der Zeit wenig an-
geboten. Wie gewöhnlich gab es hohe Preise
für Stücke der altenglischen Schule, so z. B. für
das Mezzotinto von James Walker nach Rom-
neys „Ms. Musters“ £ 325.10 bei Christies am
15. Juli. Am selben Tage verkauften Messrs.
Sotheby einige Dürer- und Rembrandtblätter,
darunter „Die Melancholie“ # 25; eine voll-
ständige Passion £ 46; Szene in Amsterdam
£ 29, und „Drei Bäume“ £ 50. — Eine Woche
spät wurden in demselben Auktionslokal u. a.
mehrere Mezzotintos von David Lucas nach
Constables Landschaften versteigert. Siebrachten:
„Ihe Rainbow, Salisbury Cathedral“ #28; „The
Young Waltonians“ £52; „The Cornfield“ #10.
Aus der großen Zahl wertvoller Bücher und
Manuskripte, die wiederum bei Sotheby ver-
steigert wurden, sei einzig eine illuminierte
Handschrift erwähnt, die die Lebensläufe und
Porträts der berühmtesten Mitglieder der regie-
renden Guelfenfamilie Fornarii von Genua von
Otto Fornarius anno 1105 bis zu der Wieder-
einsetzung der Familie nach ihrer Vertreibung
durch die Ghibellinen im Jahre 1334 enthält; sie
brachte € 155. — Auf die verschiedenen Ver-
käufe chinesischen Porzellans usw. hier einzu-
gehen, würde zu weit führen. Nur ein Stück,
eine französische Terracottabüste, 1791 von
Marin geformt, 14'/, inch hoch, muB des auBer-
ordentlichen Pıeises wegen doch erwähnt werden.
Sie trug nämlich am 3. Juli bei Christie 2600 Gns.
ein, bei einem früheren Verkauf dagegen nur
420 Gns. Die Büste stellt eine Dame mit Häub-
chen, Perlenhalsband und Shawl um die Schul-
tern dar.
Dann kam das Ende dieser ereignisreichen
Saison, die erst so still eingesetzt hatte: man
verkaufte bei Christie u. a. vier alte Gobelins,
die £ 1732.10 eintrugen. Trotz der sogenannten
schlechten Zeiten und der Geldknappheit wurden
während der Saison öfters ganz erstaunliche
Preise erzielt uud zwei Sammlungen ersten
Ranges versteigert. Es müssen wohl also
wieder bessere Zeiten eingezogen sein, selbst
in Amerika, wo die Knoedler'sche Firma ohne
speziellen Auftrag, wie sie bekannt gab, 12600
Gns. für einen Turner anzulegen für geraten
hielt. F;
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
VERMISCHTES
Die Van Dycks der Galerie Cattaneo. Die An-
geklagten in dem Prozeß wegen Ausfuhr der Van Dyck-
schen Bilder sind kürzlich freigesprochen worden. Die
Voß. Ztg. bemerkt dazu: Auch dieser neue Prozeß, in
dem namentlich der Käufer, Conte Trotti aus Ferrara, der
seit Jahren ein Palais am Place Vendöme in Paris als
Bilderladen besitzt, angeklagt war, hat den regelmäßigen
Verlauf mit den üblidıen, fast humoristischen Zwisdien-
fällen gehabt. Die Angeklagten wissen von nichts; ihre
Advokaten behaupten, daß unbekannte amerikanische
Milliardäre die Bilder in ihrer Jacht von Genua ausgeführt
haben müßten, wenn sie nicht überhaupt noch in Italien
sich befänden! Und gerade wenige Wochen vorher hat
der Conte Trotti drei dieser Bilder, darunter das Haupt-
werk in Paris an den bekannten Bildersammler Widener
in Philadelphia verkauft, der seine Erwerbung schon in
der englischen Kunstzeitschrift „The Burlington Magazine“
hat veröffentlichen lassen. Widener hat für die Dame mit
einem Mohr mit Sonnenschirm hinter sich und für zwei
kleinere Kinderbilder die Kleinigkeit von 2 Millionen M.
gezahlt und noch 52 Bilder aus seinem Besitz mit in
den Kauf gegeben. Das macht also im ganzen etwa
3 Millionen M., wobei auf das große Gemälde der Dame
mit dem Mohren allein etwa 2'. Millionen M. kommen!
Ein männliches Porträt von van Duck, das in dem gleidien
Heft des, Burlington Magazine“ veröffentlicht wird, stammt
zwar gleichfalls aus der Galerie Cattaneo, ist aber scion
vor mehreren Jahren mit ein paar anderen Bildnissen des
A. van Dyck verkauft worden und befindet sich jetzt im
Besitz von Mr. Frick in Pittsburg. Zwei weitere Bild-
nisse der Sammlung, Brustbilder von Mann und Frau,
Sind um 500000 M. schon im Laufe des Winters in den
Besitz der Londoner National Gallery übergegangen. Alle
dee Preise sind weit iber den absoluten Wert der Ge-
mälde.
Gestohlenes Bild. Aus der Gräflih Harrachschen
Gemäldegalerie in Wien ist ein wertvolles Bild von van
Dyck, betitelt: „Kopf eines Kindes“, gestohlen worden.
Das entwendete Bild, ein Ölgemälde auf Leinwand,
das mit den Spannleisten aus dem Rahmen genommen
wurde, stellt den nach links gewendeten Kopf eines paus-
bäckigen Kindes dar, dessen Locken auf die Stirn und auf
die Schultern herabfallen. Das Kleid, bis zur Brust sicht-
bar, hat einen viereckigen Ausschnitt um Halse. Auf der
Leinwand des Bildes befindet sich die Signatur „W. S.
22". Das Bild ist 32 cm breit und 46 cm hodi.
Amsterdam. Kürzlich ist ein vor langer Zeit in das
Ausland gewanderter Rembrandt hierher zurückgekehrt,
und zwar handelt es sih um das Bild der Mutter des
Künstlers, das sich bisher in der Galerie Sanderson in
Sdiottland befand und auch auf der Rembrandtausstellung
im Jahre 1898 zu sehen war. Die Kunstfirma Preyer im
Haag hat das Bild erworben, und man bemüht sich schon
jetzt, um einer abermaligen Auswanderung vorzubeugen.
Eine Kunstbörse. In Amerika soll unter den Au-
spizien des berühmten Mäzens und Milliardärs Pierpont
Morgans an die Gründung einer „Internationalen Kunst-
börse“ geschritten werden. Morgan hatte schon bei
seinem letztenjAufenthalt in London seinen Lieblingsplan
englischen Kunstfreunden entwickelt und mit seiner Idee
begeisterten Anklang gefunden. Diese besteht darin,
zwischen den verschiedenen großen Museen Europas und
Amerikas ein Austauschsystem ins Leben zu rufen, durch
welches Institute, die Werke einer gewissen Schule im
Überfluß besitzen, solche für Werke einer anderen Schule
auszutauschen vermögen. Morgan ist der Ansicht, daß
jedes Museum durch die Kunstbörse die Möglidikeit haben
werde, seine Sammlungen weit mehr zu vervollkommnen,
als es jetzt die verworrenen Zustände auf dem Inter-
nationalen Kunstmarkte zulassen. Auch die offiziellen
Kreise in Amerika befassen sich bereits mit dem Projekte,
wie aus einer Mitteilung des Metropolitan-Kunst- Museums
hervorgeht. Der berühmte amerikanische Maler Everett
Skinn und andere Künstler jenseits des Großen Teiches
versprechen sih namentlich für die Kunst in Amerika
von der Internationalen Kunstbörse viel Gutes, da sie
auch dazu beitragen dürfte, Maler und Bildhauer der Ver-
einigten Staaten in Europa bekannt zu machen.
3
NEUE KATALOGE
Martin Breslauer, Berlin, Unter den Linden 16. Kata-
log Ill. Dokumente frühen deutschen Lebens.
Erste Reihe. Das deutsche Lied geistlih und weltlich
bis zum 18. Jahrhundert. Der Kaialog behandelt eine
umfangreiche Sammlung alter Drucke und Handschriften,
die unter dem erwähnten Titel ein getreues Abbild deut-
scher Sitte, besonders im 15. und 16. Jahrhundert, geben soll.
Diese Veröffentlihung wird in ungefähr zehn Teilen
erscheinen. Sie baut sich auf einer Sammlung auf, die
von Dr. Karl Biltz begründet wurde.
v. Zahn & Jaensch, Dresden, Waisenhausstr. 10.
Katalog 211. Bücher, Holzschnitt- und Kupterwerke des
15.— 18. Jahrhunderts.
Oskar Rauthe, Friedenau-Berlin, Cranadıstr. 7. Ka-
talog 6. Deutsche Literatur, Erstausgaben und Selten-
eiten.
K.W. Hiersemann, Leipzig, Königstraße 3. Kat. 340
(Geschichte der Kunst, Galeriewerke, Kataloge, Publi-
kationen usw.).
AUKTIONSKALENDER
Ok'ober ` München. H.Helbing. Sml. Grauer-
Troppau. MeiBner, Ludwigsburger,
Wiener Porzellan.
Aachen. Ant. Creutzer, vorm. M.
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Zu dem Aufsatz „Zur Kenntnis Joh. Gg. EDLINGERS und seiner Zeit“,
JOH. GEORG EDLINGER.
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Herausgeber: DR. GEORG BIERMANN
Redaktion: LEIPZIG, Liebigstr. 2
DU Begriindet als „Monatshefte der Kunstwissenschaftlichen Literatur“ von Dr. Ernst Jaffe und Dr. Curt Sas U)
L Jahrg. | Heft 10 1908
Zu Michelagniolos SchaffensprozeB
Von Adolf Gottshewski.
Durch die Auffindung des großen Modell-Torsos der Akademie zu Florenz
wurde eine wichtige prinzipielle Frage zu erneuter Diskussion gestellt: die Frage nach dem
Schaffensprozesse des Genies in der bildenden Kunst. Michelagniolos Gesamtleistung
ist so groß, so neu, so tief, daß es darüber, ob er ein Genie war, noch nie einen Streit
gegeben hat: er ist das klassische Beispiel für Betrachtung über den schöpferischen
Menschen geworden. Man sollte nun meinen, daß die Kunstgeschichte in einem Falle,
wo sie dem philosophierenden Gedankenleben einen Dienst erweisen könnte, in beson-
ders hohem Maße kühle Sachlichkeit und strenge Arbeits- und Denkethik anwenden
wurde. Wie es aber überhaupt beobachtet werden kann, daß gerade in solchen
Punkten, von welchen Fäden ins allgemeine Denken und Fühlen des Menschen hin-
überführen, es schwerer ist als irgendwo, die. Einzeltatsache vom alten Interpretations-
beiwerk loszulösen, so finden wir auch die Kernpunkte des Problems von Michel-
agniolos Schaffen immer wieder durch gefühlsmäßige persönliche Liebhabervorstellungen
gegen den Blick der Erkenntnis umhürdet.
Durch jenen meinen Fund erhielt die alte Meinung, daß Michelagniolo ohne
große Modelle seine Figuren aus dem Marmor schlug einen Stoß: er machte Modelle
wie jeder Sterbliche, sicherte sich seine Arbeit durch die Ausführung im korrigierbaren
Thon. Aus dem im Wähnen titanischen Schöpfermutes in unaufhaltbarem Triebe einem
ungefügen Steine zu Leibe gehenden und aus ihm die Formen seiner Intuition mit
gewaltigen Schlägen befreienden Stürmer, wird ein Künstler, bei dem der Flut der
Ideen das aussondernde Denken und diesem das kühl überlegte Arbeiten folgte, ein
Mann, der das Ganze seines großen Werkes überschaute, das Einzelne überlegte, die
Bedingungen des Gelingens erwog und technische Erleichterung benutzte.
Wenn nicht ein romantischer Nebel den Blick auf die Tatsachen aus Michel-
agniolos Leben gefärbt hätte, so müßte die Art, wie er seine Riesenunternehmungen
als Organisator und Geschäftsmann großen Stils angefaßt hat, das heißt denkend,
ordnend, rechnend und berechnend, über seine Natur Aufklärung gegeben haben; als
umfassende Kalkulationen, in welche Wegebauten, Transporte, ein Heer von Arbeitern
854 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
und Meistern eingestellt werden, erscheinen seine Plane. Als Beginn jedes seiner
Unternehmen ist ein vom Marmorbrechen bis zum Aufbauen durdcidachtes Programm
in seinem Kopfe fertig. Die Quadraturarbeiten, der Rahmen, der einen nach Form
und Proportionen feststehenden Inhalt voraussetzt, werden schon in Momenten aus-
geführt, wo selbst den zunächst Beteiligten die ersten ideelihen Anfänge nodi im
Vagen zu schweben scheinen, Blöcke für Figuren werden abozziert, was ein detailliertes
Formvorstellen jeder einzelnen des ganzen Statuen-Heeres und völlige Klarheit über
dessen architektonische Bedingtheit erfordert, zu einem Zeitpunkt, in welchem über
Ziel und Absicht des Meisters für die AuBenstehenden noch Dunkel gebreitet ist. Er
überdenkt alles und will alles selber machen, in jedem praktischen Falle fühlt er sich
praktischer als im Spezial-Gewerbe ergraute Männer. Daß er dann nicht durch-
zuhalten vermochte, das ist das tragische Phänomen, dessen Untersuchung von Fall
zu Fall uns oft auf äußerliche Umstände, oft aber auch auf menschliche, allzu mensch.
liche Regungen in seinem Innern führen wird.
In welcher Weise ihm als Erfinder und Zeichner sein Genius die Idee zuträgt
und sie ihn für die Ausführung zubereiten läßt können wir nur erlauschen. Die
sixtinische Decke offenbart uns den Meister als systematischen Formenabwandler,
welcher in einer Kette von, man möchte sagen, mathematischen Variationen alle Mög-
lichkeiten der Bewegungen im gegebenen Raume erschöpft; sie hat etwas von der
strengen, kühlen, unentrinnbaren Folgerichtigkeit einer Bach’schen Fuge. Seiner
Intuition wohnt die Kraft einer Weiterzeugung von serienmäßig verwandten und
- dabei individuell unterschiedenen flächig vollkommen zu lösenden Bewegungen inne.
Dasselbe Phänomen zeigt sich an den plastischen Serien-Erfindungen des ersten Planes
zum Julius-Grabmal, im kleineren Maßstabe bei den Medici-Gräbern. Die Mannigfaltig-
keit in der Gleichartigkeit, die schwerste und das bewuBteste Künstlertum voraus-
setzende Aufgabe, immer wieder zu verkörpern, daran erprobte er seine Kraft.
Seine Erfindung bewegte sich überhaupt in einer gewissen konstanten Kette.
Von der Sixtinischen Decke führen Fäden zu den Medici-Gräbern, diese sind mit den
Ideen der Fassade von S. Lorenzo verknüpft usw. Die Konzeption der Madonna von
S. Lorenzo fällt viele Jahre vor die Ausführung, in eine Zeit, als von den Grabmälern
nodi keine Rede war. Nachhaltiges Denken, keine Sprünge, konstantes Entwickeln,
nicht Herumtasten charakterisieren den Erfinder Michelagniolo.
Seine Durcharbeitung der einzelnen Figur in der Zeichnung ist wiederum ein
methodischer Prozeß. Man hat den Eindruck, einen Naturforscher am Werke zu sehen,
wie er den ganzen Habitus, Anatomie dann und Physiologie des menschlichen Körpers
zu beherrschen strebt. Die Feststellungen Otto Hettners gestatten es uns, Michelagniolos
Zeichnungen, diese feinsten und unmittelbarsten Zeugnisse seines Formdenkens, intensiver
als bisher für die Erkenntnis des Meisters auszuschöpfen. Ist es immer als ein
Wunder erschienen, daß Michelagniolo die gewaltige Leistung der sixtinischen Decke
in einem Zeitraum von weniger als vier Jahren vollendet hat, so muß die genaue
Einsicht, in die von ihm geübte exakteste Studienarbeit sie ins entfernteste Bereich
des Unausdenkbaren verlegen. Das komplizierte Vorgehen, welches er im Verantwort-
lichkeitsgefühl seines Genies sich auferlegte, begann mit einer raschen Fixierung einer
A. Gottsdtewski. Zu Michelagniolos Schaffensprozeß 855
Idee, die natiirlidi schon im innerlichen Auslese-ProzeB als beste Lösung empfunden
ward. Durcharbeiten des Motivs als Ganzes mit Hilfe von Modellen auch in Fällen,
die uns die Benutzung des Modells auszuschließen scheinen, war die zweite Etappe;
eine Reihe von Studien wiederum nach dem Modell zu vollem Erfassen der Details
versetzen ihn in den Besitz des vollen Reichtums der Formen. Eine Zusammenarbeit
alles Gewonnenen zu einer Gesamtzeichnung schließen die Vorarbeiten ab. So Figur
für Figur zu studieren, für einen unabsehbaren Zug von Gestalten sich solche ein-
gehende Arbeit auferlegen, das heißt heroische Zähigkeit, nicht Draufgänger-
tum. Der Mann, der das vermag, den hat sein Genie zu einem wie eine Maschine
unaufhaltsam, unerbittlich weiterarbeitenden Organismus umgeschaffen.
Nach der Versicherung Vasaris hat ihm aber nicht einmal dieses weitum-
fassende Studium in der Zeichnung genüge getan. Er habe die Figuren, die er
malen wollte, zuerst modelliert und das plastische Werk alsdann gezeichnet.
Vasari spricht in der „Introduzione alla pittura“ (ed Milanesi Vol. I. pag. 177) von
den Verkürzungen. „Hierin hat es nie einen Zeichner oder Maler gegeben, der es
besser gemacht als unser Michelangelo Buonarroti; und es hat es auch niemand besser
machen können, zumal er in göttlicher Weise plastische Figuren geschaffen hat. Zu
jenem Zweck [der Darstellung der Verkürzung] hat er in Thon oder Wachs Modelle
angefertigt und nach diesen, welche besser als lebende Menschen stille halten, Umrisse,
Lichter und Schatten gewonnen.“
Von soldıtem Vollkommenheitshunger geben uns auch folgende Worte Vasaris
eine ergreifende Vorstellung: „Kurz bevor er starb, verbrannte er eine große Zahl von
Zeichnungen, Skizzen und Kartons seiner Hand, damit niemand gewahr werde die
Mühe, welche es ihm kostete, und die Wege, auf welchen er seine Scöpf-
ungen seinem Genius abrang.“
Solche Worte hätten zu denken geben sollen. Aber der jüngste Biograph
Michelagniolos Hans Madkowsky!), schreibt. „Selten hat Michelagniolo die Zeichnung
als Studium zu einem jeweils in Angriff genommenen Werk benutzt.“ „War die
Lösung eines Problems gefunden, so genügten wenige Striche, sie festzuhalten. Wäh-
rend der Arbeit gab er sih dann wohl noch über ein Detail, eine Handhaltung,
eine Muskelverschiebung Rechenschaft.“ Diese Vorstellung von einem leichthin dilettierenden
Michelagniolo wird von den Zeichnungen selbst aufs gründlichste widerlegt.
Sehen wir Michelagniolo seine Unternehmen als Ganzes berecinend und klar
überlegt anfassen, wenn auch die Zeit ihn oft von seiner Route abbringt, sehen wir
seine Erfindung in einer gewissen methodischen Reihenarbeit sich entfalten, sehen wir
sein zeicinerisches Studium von wissenschaftlihem Forschertrieb erfüllt auf langsamem
mühevollen Wege der höchsten Wahrhaftigkeit zustreben, so sollte uns Verwundern
fassen, wenn wir sagen hören, daß den Meister bei der Ausführung seiner Marmor-
werke sein göttliches Schöpfergewissen verlassen habe und daß er ohne eine bis ins
letzte Detail alle plastischen Formen erfassende Vorarbeit an den Block selber
herangetreten sei: die Auffindung eines großen eigenhändigen Modells Michelagniolos
1) Hans Mackowsky, Michelagniolo. Berlin 1908. S. 262f.
856 | Monatshefte für Kunstwissenschaft
hätte als Schlußstück der Einsicht in das Ringen um die Vollkommenheit aufgenommen
werden müssen. Wo aber jenes Eindringen in sein Schaffen fehlte, da war das
Flußgott-Modell eine irrationale Größe, die die alte gewohnte Gleichung störte. Es
störte audi die Gleichung, welche Hans Mackowsky sic für seine Michelagniolo-
Biographie angesetzt hatte. Darum schied er den Störenfried schleunigst aus.
Er behauptet: „Als Michelagniolo Gehilfen für die Figurenarbeit an den Medici-
Gräbern einstellte (Mackowsky gibt als Zeitpunkt vorher das Jahr 1533 an), gab er
ihnen als Vorbilder genaue kleine Thon- oder Wachsmodelle. Damit er freie Hand
zur Korrektur hatte, ließ er darnach zunächst ein Zwischenmodell in Thon und Scheer-
wolle anfertigen. Das ursprüngliche kleine Modell, also das Original-Modell, hat sich
Cosimo für sein Studio in Bronze gießen lassen, um es zu erhalten. Das Zwischen-
modell, das Montorsoli aufgebaut haben mag oder sonst einer der Gehilfen kam in
die Akademie“ (S. 381.) Der kleine Bronzeguß aus dem Studio Cosimos ist derjenige,
den ici im Museo. Nazionale entdeckt habe.
Das was Mackowsky zu seiner Stellungnahme treibt sagt er selbst: „Unmöglid
sih Michelagniolo jemals, wenn er zu Meißel und Hammer greift, innerlih an ein
durchgeführtes Modell gebunden zu denken“ (S. 381.) Er hat seine feste Meinung
darüber, wie Michelagniolo verfahren ist: ,Nach der flüchtigen Skizze folgte das aus-
geführte Studium, dann meist ein kleines Modell und darauf ging es (ohne Zwischen-
modell) an das Behauen des Marmors“. In dieser Anschauung, ist für ein großes
Modell kein Raum. Eigenhändige Aufzeidinungen Michelagniolos selber widerspredien
ihr aber und es ist schade, daß Mackowsky diese nicht kennt. |
Das große Thonmodell ist das Original und der kleine ebenfalls von mir
entdeckte Bronzeguß ist die Kopie. Den von mir dafür beigebrachten stilistischen und
dokumentarishen Belegen im „Mündhner Jahrbuch“ (Bd. I. S. 49—64) will ich neue
hinzufügen und diese werden wohl, wie ich hoffe, Mackowsky von seinem alten Vor-
urteil abbringen.
Es ist also Mackowsky undenkbar, daß Michelagniolo bei der Ausführung seiner
grandiosen bildhauerischen Aufgaben, welche Vermögen verschlangen, die das Gelingen
der einzelnen Statue sicherstellenden Hilfsmittel anwandte, welche allein ihm die Voll-
endung des Ganzen gewährleisten konnten. ,Unmdglich sich Michelagniolo jemals,
wenn er zu Meiel und Hammer greift, innerlich an ein durchgeführtes Modell gebun-
den zu denken.“ Wenn Mackowsky sich die durch das Material sidi ergebenden
Bedingtheiten des bildhauerischen Arbeitens ordentlich klar gemacht hätte, würde er
einen solen Satz nicht haben schreiben können. Die Statuen für die Medici-Gräber
sollten einer großen Gesamtkomposition einbezogen werden, sie nıußten also schon
im Detail genau feststehen, wenn zu ihrer Ausführung in Marmor geschritten wurde.
Die Kostbarkeit der großen Marmorblöcke machte es zur dringensten Notwendigkeit,
das Mißlingen der aus ihnen herauszuarbeitenden Gestalten auszuschließen. Wir wissen,
daB Michelagniolo in den ersten Jahren der Arbeit an den Medici-Gräbern alles selber
machen und keine Gehilfen um sich dulden wollte: um dies als Bildhauer rein physisch
zu vermögen, mußte er alle handwerklichen Arbeiten von sich abwälzen und nur die
eigentlich künstlerische Leistung sich vorbehalten. Allen hier angeführten Momenten
A. Gottschewski. Zu Michelagniolos Schaffensprozeß 857
genügte die Anfertigung großer Modelle: sie ermöglichten es, die Details der einzelnen
Figur zum Ganzen der Gesamtkomposition zu stimmen, den groBen Marmorblock durch
Punktieren vor dem Verhauen zu bewahren, sie gestatteten die eigene Arbeit des
Meisters auf die Ausarbeitung der Figur in korrigierbarem und jedem Druck der Er-
findungskraft und der Hand nachgebendem Thon und auf die feinere Bearbeitung der
vom Steinmetzen abbozzierten Figur im Marmor zu beschränken.
Diese allgemeine Argumentation aus den innerlimen Notwendigkeiten der
groBen bildhauerischen Arbeit erübrigt sich natürlih, wenn das große Original-
Modell zu einem der „Flüsse“ in Rechnung gestellt wird. Um seine Anschauung
über den SchaffensprozeB der Meister aufrecht erhalten zu können, muß darum
Mackowsky das neue Faktum des großen Thon-Modells in Frage stellen: Es sei eben
nicht eigenhändig vom Meister, sondern auf Grund eines kleinen Modells des Meisters
von Gehilfen ausgeführt. Beweisführung: die Qualität. Unter ungebührlicher Hervor-
hebung der von mir selber ausgesprochenen Schwächen des großen Torso (von
denen ich die eine, das geringe Volumen der Brust nicht mehr als sole ansehe, seit-
dem ich von hohem und nahem Standpunkt festgestellt habe, daß beim Crepuscolo
dieselbe Brustform vorhanden ist), und unter Beiseitelassung der Großartigkeiten
wird er als mattes und sciwaches Werk erklärt und statt dessen der kleine Broncetorso
zu einem Meisterwerk erhoben. Sehr einfach. Nun ist es aber Mackowsky nicht
aufgefallen, daß alles, war er als Schwéche des großen Ton-Torso anführt,
ganz genau so audi beim kleinen Broncetorso vorkommt, namentlich
wiederholt sich die Brust in genau den gleichen Formen. Sein Qualitätsurteil
ist so völlig unbegreiflid, daß es den Anschein hat, als ob Mackowsky es sich nur
auf Grund der Photographien, die beim großen Torso die reihe Fülle der Formen
nicht voll wiedergeben, und nicht vor den Originalen selbst gebildet hat. So lange ich
nicht die GewiBheit vom Gegenteil habe, könnte ich mir eigentlich eine Polemik gegen
Mackowsky schenken. Aber ich schreibe ja nicht nur für ihn.
Aus den Schilderungen von Michelagniolos Zeitgenossen vernehmen wir etwas
von seinem Suchen nach dem sichersten Wege, seine Ideen aus dem Reiche des
Geistes in die Materie des Marmors zu überführen. Vasari gibt zwei Verfahren an,
welche Michelagniolo befolgt hat, um seine Marmorstatuen zu vollenden. Das erste,
im Leben des Meisters selbst geschilderte ist dasjenige, weldhes durch Hildebrands
Büchlein jetzt die Übung einer ganzen Schule und aller Welt bekannt ist. Der Ver-
gleich einer durch das Sinken des Wasserspiegels allmählich sichtbar werdenden Statue
macht ihn klar. Von einer Hauptansicht geht der Bildhauer aus, zeichnet sie wie für
ein Relief auf den Block und geht allmählich in die Tiefe, bis die volle Rundung
erreicht ist. Dies schichtweise Abschälen des überflüssigen Materials, welches wir seiner
Herkunft und seiner Verwandtschaft wegen Relief-Verfahren nennen möchten, ver-
hindert, daß dem Bildhauer die Tiefe zu fehlen komme. Daß dies Verfahren für das
Heraushauen von Statuen aus dem Marmor ohne das Vorhandensein großer Modelle
von Michelagniolo geübt sei, sagt Vasari nicht. An einer zweiten Stelle aber, wo er
es fast mit denselben Worten und zwar in der Beschreibung des ganzen bild-
hauerischen Prozesses schildert (Introduzione della scultura ed. Milanesi, Vol. I,
858 Monatshefte für Kunstwissenschaft
pag. 154), spricht er es klar und deutlich aus, daß der Weg zu diesem Marmor-
verfahren über das Modell führe. Er schildert zuerst, wie man kleine und große
Modelle aus Wachs und Ton fertigt und fährt dann fort mit der Beschreibung des
Punktierverfahrens, der Übertragung des Modells in den Marmor. Die Worte des
Übergangs „Volendo ringrandirlo a proporzione nel marmo“ könnten nun von jeman-
dem, der die Praxis des Marmors nicht genau kennt, vielleicht dahin mißverstanden
werden, als ob kleine Modelle dem MeBverfahren zugrunde gelegt werden
könnten; das ist aber nicht möglich, kleine Fehler oder Ungenauigkeiten würden in
der Vergrößerung der Maße ins Ungeheuerlihe wachsen. Es ist auch aus dem Lauf
der ganzen Darstellung bei Vasari, worin nach Anfertigung der kleinen Modelle als
nächste Operation angegeben wird: „si ordina di fare un altro modello che abbia ad
essere grande quanto quella stessa figura che si cerca di fare di marmo“,
ersichtlich, daß dies ,ingrandire“ eine Flüchtigkeit ist oder aber die Übertragung großer
Modelle in noch größere Dimensionen ins Auge faBt für Giganten, Kolosse.!) Lesen wir
die ganze Stelle im Zusammenhang; sie gibt erst als Ganzes die Klarheit, welche aus
der Fassung in der Lebensbeschreibung selber nicht zu finden ist: „Will man die
Figur im Marmor vergrößern, so muß am Blocke selber, aus welchem die Figur ge-
hauen werden soll, ein Winkelmaß angebracht werden, derart, daß der eine gerade
Schenkel wagerecht zu Füßen der Figur verläuft und der andere in die Höhe geht
und immer völlig im rechten Winkel zum horizontalen Schenkel verbleibt und ebenso
der obere Schenkel; und ein anderes aus Holz oder aus anderem Material hergestelltes
Winkelmaß derselben Art sei am Modell angebracht; mit dessen Hilfe nimmt man
die Maße der Figur des Modells, wieviel die Beine herausragen und ebenso die Arme:
und so treibt man die Figur in den Block herein mit diesen Maßen, sie vom Modell
auf den Marmor übertragend, derart, daß man, den Marmor und das Modell nach
Verhältnis ausmessend, vom Stein mit dem Meißel (das Material) wegnimmt und die
Figur allmählich ausgemessen aus dem Block herauskommt, in derselben Weise, wie
man aus einem Wasserbecken in einer ebenen Sdhnittflache eine Wachsfigur heraus-
heben würde; zuerst käme der Leib, der Kopf und die Kniee, und wie sie allmählich
beim Heraufheben frei wird, sähe man dann die Rundung der Figur bis über die
Mitte hinaus und zuletzt die Rundung der anderen Körperseite.“
Dies Verfahren des flächigen Ablösens des Steins, der beste Modus, welcien
nad dem Passus im Leben Michelagniolos der Meister wenn nicht erfunden, so doch
in vorbildliher Weise ausgeübt hat, setzt also ein großes Modell voraus. Sein Vor-
zug ist, den Bildhauer vor dem Verhauen des Blockes sicherzustellen. Nach einer
anderen Aussage Vasaris hat Michelagniolo aber auch ein anderes, gefahrvolleres Ver-
fahren beherrscht. In der Vorrede zum ganzen Werke, deren Spitzfindigkeiten über
den Rang der Künste nicht zur Lektüre reizen (ed. Milanesi I. pag. 95), rühmt Vasari
es als Vorzug der Bildhauerei, „daß dem Bildhauer nicht nur eine normal entwickelte
1) Vergleiche audi Maclehose-Brown, Vasari on technique. London 1907. pag. 1%: „To
enlarge the figure proportionately in the marble.“ Vasari has said, that the model is to be the
full size of the marble so that there would be no question of enlargement but only of accurately
copying the form of the model in the new material.“
A. Gottshewski. Zu Michelagniolos Schaffensprozeß 859
Urteilskraft, sondern eine alles umfassende und blitzschnelle notwendig sei, derart, daß
er schon im Marmorblocke selbst die ganze Figur völlig fertig erblickt, die er heraus-
zuhauen vorhat, und infolgedessen ohne Modell viele Partien bis zur letzten
Vollendung bringen kann, bevor er sie miteinander zusammengebracht und als
Ganzes ausgeglichen hat, so wie es in göttliher Weise Michelagniolo gemacht hat.“
Diese Aussage ist ganz beiläufig und überdies ist sie keine persénlichie Bezeugung
Vasaris selber, sondern er legt sie den Bildhauern in den Mund, welche für den Vor-
rang ihrer Kunst vor der Malerei eintreten. Die Werke des Meisters zeigen aber nicht
die Spuren jenes Verfahrens, weldies ganze Partien völlig isoliert zur Ausführung
bringt. Wenn er aber wirklich einmal die Arbeit ohne Modell in Angriff genommen
hat (die Stelle bei Vasari ist dafür kein Beweis), so bezeugt uns eine andere Aussage,
diejenige des Benvenuto Cellini, daß er eben die Arbeit ohne Modell als unzweck-
maBig aufgegeben hat.
Sie war mir bei der Publikation des Modell-Torso noch nicht bekannt, ich habe
aber über sie in breiterem Zusammenhange in der Sitzung des Kunsthistorischen
Instituts zu Florenz vom 1. März 1908 gesprochen. (Siehe Heft 3 dieser Zeitschrift,
S. 205f.). Die Stelle lautet: „ma conosciuto non si essere satisfatto di gran lunga al
suo buono ingegno con i piccoli modelli, sempre da poi si & messo con grandissima
ubbidienza a fare i modelli grandi quanto gli hanno a uscire del marmo a punto:
e questo l'abbiamo visto con gli occhi nostri nella sagrestia di San Lorenzo.“ (Trattato
dell’ oreficesia. Firenze 1857. S. 197 ff.) In der Übersetzung: „Als er aber erkannte,
daB er mit den kleinen Modellen nicht von ferne seiner grossen Idee nahe kam, hat
er später stets mit größter Bescheidenheit sih daran gemacht, große Modelle zu
fertigen von genau denselben Maßen, wie das Werk aus dem Marmor herauskommen
sollte: und solches haben wir mit unseren eigenen Augen in der Sakristei von S. Lo-
renzo gesehen.“
In der Original-Ausgabe der „Due trattati, uno intorno alle otto principali
arti dell’ oreficeria, l’altro in materia dell’ arte della Scultura — Composte da M. Ben-
venuto Cellini, In Fiorenza 1568“ — lautet die Stelle etwas anders: „e nel Buonarroti
si vidde che havendo egli esperimentato tutta due i detti modi, cioè di fare le statue
secondo i modelli piccoli e grandi, alla fine accorto della diferenza usò il secondo
modo il che m’ occorse à me di vedere in Fiorenza mentre egli lavorava nella Sagristia
di santo Lorenzo.“ Also weil in seinem Suchen nach dem besten Verfahren Michel-
agniolo die Arbeit nach kleinem Modell unbefriedigt gelassen hat, entscheidet er sich
für die Arbeit nach großen Modellen. Man sollte glauben, diese Stelle könne nicht
mißverstanden werden, und für jeden Vorurteilslosen wird sie als wichtiges Glied in
die Beweiskette dafiir einzureihen sein, daB Michelagniolo gerade fiir die Figuren von San
Lorenzo große Modelle gefertigt und darnach seine Figuren in Marmor ausgeführt
habe. Für Mackowsky, der sie auch heranzieht, ist sie aber nur „scheinbar zwingend“.
Um die Stelle (er zitiert diejenige aus der Ausgabe von 1857) abtun zu können, gibt
er zunächst in einem Punkte eine falsche Übersetzung, in dem er schreibt: „Und ferner
— da poi —! Was hat denn Michelangiolo — da poi — d. i. nach den Medici-
Gräbern, an Plastik noch viel gearbeitet.“ (S. 380.) Da poi heißt aber gar nicht
860 | - Monatshefte für Kunstwissenschaft
„nach den Medici-Gräbern“, sondern überhaupt „später“, und gerade in San Lorenzo
hat Cellini Beispiele von Michelangiolos „späterem“ Verfahren, dem Verfahren von
„da poi“, wo er große Modelle fertigte, gesehen. Die Zeit der Medici-Gräber ist in
dem ,da poi“ mit inbegriffen. Wer eine Biographie Michelagniolos schreibt, sollte
einem solchen „Mißverstehen“ zeitgenössischer Aussagen nicht ausgesetzt sein. Hätte
Mackowsky noch die Original-Ausgabe Cellinis zur Hand genommen, so hätte er durch
die Kenntnisnahme der dortigen ganz einfach ausgedrückten Aussage seinen Irrtum
korrigieren können.
„Mit unseren eigenen Augen haben wir solches in der Sakristei von San
Lorenzo gesehen.“ Cellini war Bildhauer und wußte, was er sah. Wenn er mit
eigenen Augen sah, daß Michelagniolo große Modelle fertigte, so wußte er, was er
tat, wenn er die Stelle niederschrieb. Sie ist also für uns eine besonders wertvolle
und zuverlässige Aussage in einer Frage des technischen bildhauerisdien Verfahrens.
Mackowsky aber erklärt: „Ganz recht, einen anderen Anhalt konnte Cellini nicht
haben als seine eigenen Augen, denn niemand drang mit des Meisters Willen in die
Geheimnisse seiner Ärbeit ein.“ (S. 380.) Mit einer solchen Redensart ist für Mackowsky
die Aussage Cellinis erledigt!! — Man fragt sich staunend, wie Zeugnisse von Zeit-
genosen anders basiert sein sollen, wenn die auf dem eigenen Augenschein fuBende
Aussage des Bildhauers Cellini über das technische Verfahren des Bildhauers Michel-
agniolo für uns völlig belanglos sein soll. Warum plötzlicdı die Verachtung des Augen-
scheins bei Cellini in einer rein tatsächlichen Frage, nahdem Mackowsky seine eigenen
Augen (vielleiht auch nur diejenigen eines anderen) im Falle seiner Qualitätsurteile
zu Richtern letzter Instanz eingesetzt hat?
Und dazu läßt sich die Zeugenaussage Cellinis durch ein Selbstgeständnis
Michelagniolos nochmals beweisen. Die eigenen Aussagen Michelagniolos, nicht solche,
die er später aus der Erinnerung machte, sondern täglidie Notizen, werden vielleicht
vor Mackowskys Augen Gnade finden. In den Ricordi (enthalten in Le Lettere
di M. B. ed. Milanesi), deren Studium dem Biographen Michelagniolos von Nutzen
gewesen wäre, finden wir über die Ausgaben und einiges andere, was sich auf die
Arbeit an den Medici-Grabern bezieht, für einige Zeit fortlaufende Aufzeichnungen
Michelagniolos. Aus diesen Notizen ist zu ersehen, daß Michelagniolo sofort
in den ersten Stadien der Arbeit große Modelle für die Figuren der
Sakristei von S. Lorenzo gefertigt hat, und zwar in derselben Technik
und mit denselben Materialien, in welchem der Torso der Akademie aus-
geführt ist, und dadurch wird Mackowskys ohne die Spur eines Beweises aus-
gesprochene Behauptung, daß große Modelle und zwar von Gehilfen auf Grund
kleiner genauer Originalmodelle des Meisters erst dann gefertigt wurden, seitdem in
umfassendem Maße Gehilfenarbeit in Anspruch genommen werden mußte (nach
Mackowsky etwa seit 1532/33), jeder Kern von Berechtigung entzogen.
In diesem Zusammenhang ist noch eine andere irrtiimliche Darstellung Mackowskys
zu beleuchten.
Es handelt sih um die Beziehung Michelagniolos zum Kardinal Giulio Medici,
dem späteren Papst Clemens VII., in der Angelegenheit der Medici-Gräber. „Hin und
A. Gottschewski. Zu Michelagniolos Schaffensprozeß 861
her gingen die Schererein (schreibt Mackowsky). Der Kardinal wollte große
Modelle sehen, das umfangreiche Werk organisiert wissen durch Mitarbeiter, einen
ausgearbeiteten Plan in Händen haben. Michelagniolo, der seine Werke fertig im
Kopfe trug, empfand jede Vorschrift als eine persönliche Kränkung und war gewohnt,
daB man ihm mit unbedingtem Vertrauen, auch in Geldsachen, entgegenkam. Daß
aber die Mittel im Augenblick nicht zur Hand waren, wollte der Kardinal nicht ein-
gestehen, und so schüttelte er nach Art der Großen den drängenden Künstler ab:
Fu detto che io non avevo el capo a servire il Cardinale — es hieß, ich verstünde es
nicht, dem Kardinal zu Willen zu sein.“
Von der Behauptung, daß der Kardinal Medici die Anfertigung großer Modelle
gefordert und Michelagniolo diese Forderung als persönliche Kränkung abgelehnt hatte,
ist kein Wort wahr. Mackowsky hätte den Brief des Meisters an Fattucci (Lettere .
ed. Milanesi, pag. 421f.), in welchem Michelagniolo eine Darstellung der bisherigen
Verhandlungen mit dem Kardinale über die Medici-Gräber zur Information seines
Sadiverwalters gibt, und welciem Mackowsky das obige Zitat entnimmt, nur im
Originale drei ganze Zeilen über das Zitat hinaus zu lesen brauchen (die eigenen
Briefe Michelagniolos sollte ein Michelagniolo-Biograph eigentlich vollständig gelesen
haben), um dort die eigene Aussage Michelagniolos darüber zu finden, daß große
Modelle nicht eine Forderung des Kardinals, sondern ein Angebot Michel-
agniolos selber waren. Unmittelbar nadı den von Mackowsky zitierten Worten
fährt Michelagniolo fort: „Di poi riappicando el Cardinale, gli offeri’ di fare e modelli
di legniame grandi apunto come anno a essere le sepulture, e farvi dentro tutte le
figure di terra e di cimatura, della grandezza, e finite apunto come anno a essere; e
mostrai che questo sarebbe un breve modo, e una poca spesa a farle: che fu quando
volemo comperare l'orto dei Caccini. Non fu niente, come sapete.“ Im Deutschen:
»Als der Cardinal dann wieder ankniipfte, bot ich ihm an, Modelle aus Holz von
genau der Größe, wie die Grabmäler werden sollen, anzufertigen und
daran alle Figuren aus Erde und Scheerwolle zu machen von der Größe
und vollendet (finite heißt bei den Bildhauern — siehe auch Vasari — bis zur
völligen feinen Ausführung bringen) genau so, wie sie werden sollen; und ich
legte dar, daß deren Herstellung kurze Zeit und nur geringe Mittel in Anspruch nehmen
würde: das war damals, als wir den Garten der Caccini kaufen wollten. Wie ihr
wißt, wurde nichts daraus.“
Michelagniolo erbot sich also, in der natürlihen Größe Holzmodelle des ge-
samten Aufbaus der Grabmäler und daran die Modelle aller Figuren in natür-
liher Größe und völlig ausgeführt herzustellen. Der Kardinal aber ging nicht
auf diesen Vorschlag ein.
Am 19. November 1523 besteigt Kardinal Giulio als Clemens VII. den päpst-
lichen Stuhl, und schon am 12. Dezember (vielleicht auch ein paar Tage früher) ist
Michelagniolo in Rom. Es ist klar, daß die Frage der Medici-Gräber ihn zu direkter
Verhandlung mit dem Papst dorthin geführt hat. „In questo mezzo credo havete fatto
col papa qualche buona conventione,“ schreibt Piero Gondi am 12. Dezember an ihn
nach Rom. (Frey, Briefe an M. B., S. 197f.) Man scheint zu festen Abmachungen
862 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
gekommen zu sein, denn Michelagniolo kann sie in einen Kontrakt formulieren, welchen
Fattucci von ihm am 30. Dezember in Rom erhält (Frey, a. a. O., S. 201). Der Wille
des Papstes, alles aufzuwenden, um ein schnelles Vorwärtsschreiten der Arbeit zu
sichern, ist aus allen Briefen dieser Zeit ersichtlich. Anfang Januar 1524 geht dann
die Arbeit in der Sakristei wirklich flott los, und als erstes Beginnen sehen wir sofort
große Modelle von der Art, wie sie Michelagniolo früher vorgeschlagen hatte, in
Angriff nehmen. Also 1524 am Anfang der Arbeit, in der ersten Schaffensfreude,
nicht als Michelagniolo mißmutig 1533 zu einem AbschluB zu kommen sucht, werden
große Modelle gefertigt.
Über diese Tatsache selbst und über den ganzen Verlauf der Modellanfertigung
geben uns die Notizen aus den Ricordi (enthalten in Le Lettere ed. Milanesi, pag. 583)
eingehende Nachrichten. Schon am 12. Januar 1524 trägt Michelagniolo ein: „Ricordo
come oggi questo di dodici di gennaio mille cingecento ventitre (1524, Florentiner
Stil) cominciö Bastiano legniaiuolo a lavorar meco in su modegli delle sepolture di
San Lorenzo.“
Michelagniolo hatte in drei Raten 50 Golddukaten gleich 350 Lire erhalten’)
und schließt Anfang April die Rechnung über deren Verwendung ab (Ricordi, pag. 589).
Zuerst führt er auf:
Per conto d’ un modello di legniame delle sepulture della Sagrestia
di San Lorenzo ce io à a fare per papa Clemente:
Für Holz werden Lire 109. 7. 4. verrechnet, und zwar wurden zwei Linden-
stämme für Lire 22. 14 und einer fiir Lire 10. 15 gekauft, 80 laufende Ellen Pappel-
holz für ca. 28 Lire und nicht ersichtlihe Maße von Pappelholzbrettern für weitere
Lire 46 ca, so daß wir auf eine Anschaffung von 3 Lindenholzstammen (wahrschein-
lich fiir die zu ornamentierenden Teile bestimmt) und etwa 220 laufende Pappelholz-
bretter (für die glatten Partien) kommen. Diese Riesenbretter-Masse bezeugt, daß es
sich um Modelle von natürlicher Größe handelte. An Arbeitsiöhnen werde Lire 123.11
bezahlt?), darunter für Holzsägen Lire 3. 7, für Arbeitslohn an Bastiano, der 30 Soldi
pro Tag erhält, Lire 73.10; die übrigen Tischler erhalten geringeren Lohn. Im ganzen
haben die Tischler 95 Arbeitstage an dem Modell gearbeitet.) Auch diese
Arbeitsmasse bezeugt, daß es sich um ein Modell in natürlicher Größe handelt.
Bisher sahen wir das Programm der Modellausführung, welches Michelagniolo
seinerzeit dem Kardinal angeboten hatte, nur in bezug auf die Architektur des Grab-
1) Über eine der Zahlungen haben wir einen Beleg (Lettere, pag. 435), den Brief an
Giovanni Spina: „Giovanni. — L’apportatore di questa sara Stefano miniatore, al quale darete
ducate quindici per conto de’ modegli ch’io fo per papa Clemente, come per l'altra vi
disse. Adi sei di febbraio mille cingecento ventitre. Riciievute detto di. Vostro Michelagniolo
scultore di Firenze.“
2) Bei Milanesi, Ricordi pag. 590, werden Lire 113.11 angeführt. Das ist entweder ein
Schreibfehler Michelagniolos oder ein Druckfehler; die Addition ergibt Lire 123.11, ebenso ist der
Posten Lire 238.18.8 nur durch Einsetzung von Lire 123.11 resultierend.
8) Es ist ganz ausgeschlossen, daB diese Arbeitstage und diese Materialien etwa für die
-Wölbung der Decke verwendet wurden; erstens ist ihre Verwendung für das Grabmals-Modell
direkt ausgesagt, und zweitens findet für die Wölbung eine eigene, getrennte Abrechnung statt.
A. Gottschewski. Zu Michelagniolos SchaffensprozeB 863
mals erfüllt. Er hatte aber seinerzeit auch Modelle der Figuren ins Auge gefaßt und
vorgeschlagen „alle Figuren aus Erde und Scheerwolle zu machen von der Größe und
völlig vollendet, genau so wie sie werden sollen.“
Daß von solchen Modellen bei den Verhandlungen von Mitte Dezember 1523
wieder die Rede gewesen war, zeigt uns eine Stelle in einem Brief des Fattucci vom
18. Januar 1524. Er schreibt: „Togliete de garzoni assai e fate loro buon salari,
acioche siate servito presto et bene in queste figure di terra per cavarne presto le
mane“ (Frey a. o. O. S. 207.) Wir werden sehen, daB Michelagniolo, als es soweit
war, die Modelle der Figuren in Angriff zu nehmen, diesen guten Rat nicht befolgt
hat, sondern sie allein und nur mit Hilfe eines Handlangers und eines Tischlers aus-
führte. Vorläufig aber ist die ganze Arbeit noch nicht soweit gediehen. Erst als
Fattucci am 5. März 1524 an Michelagniolo dringend schreibt: ,avisate, quando
cominciate al lavorare le figure di terra; et qualche volta lo diate vedere Figiovanni,
perche scrive al papa, o allo Spina, ilquale scrive a messer Jacopo, acio l'abbia assa-
pere il papa“, erst zu dieser Zeit ist der Moment gekommen, wo Michelagniolo an
die Modelle geht. Die Mahnung Fattuccis hat vielleich unmittelbar den Anstoß dazu
gegeben, denn am 8. Marz bucht Michelagniolo den ersten Posten fir die Beschaf-
fung der Thonerde. Das Konto, worunter jener Posten sich findet, tragt die Aufschrift:
nApresso quello s'è speso per fare e modelli delle figure.“ Es werden mehr als
sedis Wagenladungen Thonerde angefahren und 870 Pfund (etwa 3 Doppelzentner)
weiße Erde beschafft. Irgendwelche Arbeitslbhne werden auf diesem Konto ooch nicht
verrechnet; für die Figuren-Modelle sind in der Periode, für welche abgeredinet wird,
(8. März bis 1. April) im ganzen Lire 15. 6. 8. aufgewendet worden. Daß sedıs
Wagenladungen Thonerde und die drei Doppelzentner weiße Erde zur Anfertigung
von Modellen zu Figuren nur dann benötigt werden, wenn große Modelle gefertigt
werden sollen, wird Mackosky zugeben.
Seit Anfang April geht es nun an die Ausführung der Figuren-Modelle und
zwar werden die Modelle ausgeführt in der Technik, in welcher der Fluß-
gott-Modell-Torso ausgeführt ist. Damit dies aus den folgenden Rechnungsver-
merken klar werde, sei eine kurze Angabe über jene Technik, welche uns von Vasari
(Vol. I. Introduzione p. 153f.) beschrieben ist, verstattet. Das Gerippe der Figur wird
aus Holz aufgebaut und in Holz schon den Gliedern die gewollte Bewegung gegeben.
Dies Gestell wird mit Werg (stoppa, capecchio) bekleidet und dieses mit Bindfaden
(spago, wie wir sehen werden, verwendete Michelagniolo auch Draht = filo di ferro zu
diesem Zwecke) umsdiniirt. Auf dem so gewonnenen Kern wird die eigentliche Model-
liermasse aufgetragen, bestehend aus Ton, welcher mit Kleister, Leim und Scheerwolle
(Cimatura) gemischt ist. (Kleister erscheint nicht in der Veredhnung, Leim (colla) wird
in der Verechnung für das Holzmodel erwähnt). Statt des weißen Anstrichs den Vasari
für die Modelle empfiehlt, damit sie wie Marmor aussehen (Leben des Quercia) scheint
Michelagniolo weiße Erde zu einer obersten Schicht verwendet zu haben.
Nehmen wir nun die Notizen wie sie zeitlicı aufeinander folgen (siehe Ricordi
in Le Lettere d. M. ed. Milanesi, pag. 592f.)
Monatshefte fir Kunstwissenschaft
a di 4 d'aprile 1524
Item a Stefano per libre 78 di cimatura
E adi 7 di detto a Giovanni di Lionardo lanciaio per
libre tredici e otto oncie di filo di ferro per i modegli
delle figure di San Lorenzo, a soldi sette la libra
E detto di rende a Stefano soldi quaranta per cento libre
di capecdiio per detti modelli
E a di dodici die detto (aprile) a un manovale, che
m'ajutò in su detti modegli, donai crazie cinque
E detto di un carlino per aguti da bastieri per detti
modegli
E a di tredici di detto (aprile) a Baccio di Puccione che
m'ajuta fare e modegli di terra per le figure di
detta opera, per dua giornate
E detto di tredici quatrini in spago
E a di tredici di maggio 1524 per cimatura per le
figure delle sepulture della Sagristia, quattrini
trenta uno con la portatura
E detto di, tredici quattrini in spago per detto conto
E a di venti di detto per cimatura per e’ detti mo-
degli, che mi comperò Antonio Mini, che fu libre cento
cinque-Parte n'ebbe a uno quatrino la libra, e parte sei
danari. Montò tutta con la portatura soldi cinquanta e
un quattrino
E detto di in filo di ferro, cioé in quatro libre, e un
oncia di filo di ferro, soldi venti sei e dua quattrini
E detto di in cento cinquanta libre di capedio
per e’ modegli delle figure di detta opera, el quale mi
comperö Antonio da Macia nostro lavoratore, e nella
gabella, che fu tredici quattrini: e ‘l capechio uno qua-
trino la libra
E a di venti uno di detto, détti soldi dieci a Baccio di
Puccione per una mezza giornata che m'ajutò inporre
una figura di capecchio per farla di terra, di
cimatura, per sopradetto conto
E detto di in dua gomitoli di spago pel detto conto,
dieci quattrini
E a di sei di gugnio 1524 soldi dieci a Baccio di
Puccione per una mezza giornata m'ajuto a rivestire
di capecchio una figura de 'modegli di San Lorenzo
E a detto di sei di gugnio sette quattrini a un fachino
che portò capechio da casa mia a San Lorenzo
Lire —.
Lire 4.
Lire 2.
Lire —.
Lire —.
Lire 2.
Lire —.
Lire —.
Lire —.
Lire 2.
Lire 1.
Lire 2.
Lire —
Lire —
Lire —.
18. 8.
15. —
8. 4
10. —
4. A
10. 4.
4. 4.
10. A
6. 8.
14. A
40, —
3. A
10. —.
A. Gottschewski. - Zu Michelagniolos SchaffensprozeB 865
E detto di, sedici soldi in filo di fero, portò Baccio di
Puccione
E detto di, quattro soldi in dua gomitoli di spago
Es wird also das zur Ausfiihrung von Modellen zu den Figuren in der Art
des FluBgott-Modells notwendige Material, wie aus den obigen Rechnungsvermerken
ersichtlich ist, beschafft; zu den sechs Wagenladungen Tonerde kommen ca. 190 Pfund
„cimatura“, 250 Pfund und eine nicht bezeichnete Menge von ,capecchio“, eine Menge
Draht und Bindfaden hinzu: bei allem wird ausdrücklich gesagt, daß es für „e modegli
delle figure di San Lorenzo“ bestimmt ist. Daß diese Materialmassen nidit für
kleine Figuren bestimmt waren, wird Mackowsky einsehen.
Und diese großen Modelle hat Michelagniolo selber eigenhändig ausgeführt:
Viermal wiederholt sich seine Bemerkung, daß ihm ein Handlanger und ein Tischler
bei den Modellen geholfen haben. Am 12. April 1524 half ihm ein Handlanger
einen halben Tag (nadı der Höhe der Bezahlung kann es nicht mehr sein), gleichzeitig
mit dem Tischler Baccio die Puccione, der am 13. April für zwei Tage bezahlt wird:
„die m'aiuta fare e modegli di terra per le figure di detta opera.“ Am 21. Mai hilft
Baccio wiederum, am 6. Juni gleichfalls: „m’aiutö inporre una figura di cape-
dio“, .... ,m' ajutö a rivestire di capechio una figura de’ modegli.“ Also keine
Gehilfen werden zur Anfertigung dieser Modelle herangezogen, sondern Michel-
agniolo fertigt sie selber und läßt sich helfen von einem Handlanger und
und einem Tischler. Und diese Modelle dienen auch sofort als Vorlagen für
die Ausführung in Marmor, wie uns eine Notiz vom 13. August 1524 lehrt, welche
lautet: „E a di tredici a Baccio di Puccione legniaiulo soldi 8 per una mezza gior-
nata aiuto a Bernadino di Pier Basso fare un telaio da cör misure per una figura
che e mi bazza.“
Daß diese Stelle beweist, was ich oben sagte, daß eben die von uns verfolgten
Modelle als Vorlagen für die Ausführung in Marmor dienten, wird allerdings nur
denjenigen ohne weiteres klar werden, welche in Bildhauer- und Marmistenateliers das
Entstehen und völlige Fertigarbeiten einer Marmorstatue verfolgt haben, und namentlich
das Übertragen eines Tonmodells in Marmor kennen gelernt haben. Man wendet
heute zwar ein anderes Verfahren an als zur Zeit Michelagniolos, aber jene Vertraut-
heit mit den Kunstgriffen von heute wird doch Verständnis schaffen für diejenigen
von damals. Wer aber nicht Bescheid weiß im technischen Verfahren, der mag die
oben zitierte Stelle Vasaris über die Übertragung des Modells in Marmor nochmals
nachlesen, vielleicht wird auch ihm dann die Übersetzung der Stelle genügen: „Am
13. (August 1524) dem Tischler Baccio di Puccione 8 Soldi für einen halben Arbeits-
tag, an welchem er Bernardino di Pier Basso half ein Rahmengestell anzufertigen, um
die Maße zu nehmen!) für eine Figur, welche er mir abozziert.“
1) Uber die Form „cör“ gibt kein Lexikon Auskunft. Meine Meinung, daB es sich um
eine Zusammenziehung des Infinitivs von ,cogliere“ handelt wurde mir von Herrn Cav. Bruschi
dem Direktor der Biblioteca Marucelliana freundlichst bestätigt: „Quanto al verbo côr ritengo
certamente che equivolga a cogliere cioe a prendere. Se pure nel codice non fosse
scritto tor per torre-togliere, ma che varrebbe lo stesso, prendere misure“.
866 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Durch den glücklichen Umstand, daß Michelagniolo für ein Jahr seiner Tätigkeit
an den Medici-Gräbern uns fast tägliche Notizen hinterlassen hat, sind wir in der Lage,
seinem Schaffensprozesse in diesem Falle einmal bis ins einzelne nachzugehen.
Jene Notizen sind bisher nicht in ihrer vollen Tragweite erschlossen worden und
konnten es erst werden nadı der Auffindung eines der Modelle, deren Entstehung wir
verfolgt haben: des FluBgott-Modell-Torsos der Akademie. Die Fruchtbarkeit jenes
Fundes ist also auch in Hinsicht auf die dokumentarische Exegese ansehnlih. Wir
besitzen ein für sich als eigenhändige Arbeit Michelagniolos erwiesenes Werk, wir
haben eingehende, keine Zweifel belassende Nachrichten über die Entstehungsweise
gleichartiger Werke, die zum selben Kompositionskreise gehörten, und können uns ein
Urteil über Michelagniolos Schaffensprozeß bei diesem Gesamtwerke bilden.
Michelagniolo hat für die Gestalten der Medici-Gräber eigenhändig
große Modelle gefertigt, genau solche, wie das FluBgott-Modell der Aka-
demie. Sie dienten ihm dazu, die roheste Steinarbeit, die Abbozzierung,
sid von den Steinmetzen abnehmen zu lassen. Die Anschauung, daß Michel-
agniolo unter Außerachtlassung der von der handwerklichen Technik gebotenen Er-
leichterungen seine Figuren nach kleinen, undetallierten Wachsmodellen und nach Zeich-
nungen in dilettantischer Selbstgenügsamkeit direkt in den Stein schlug, einem tita-
nischen Größenwahn ergeben, der dann auch oft genug zum Verhauen des Blockes
führte, ist also eine Legende. Dem Bilde eines überall in bewußter Künstlerschaft leiden-
schaftlih um die höchste Vollkommenheit ringenden Schöpfers fügt sich ein, daß auch
die Ausführung seiner Statuen in Marmor Arbeit, unverdrossene Arbeit und metho-
dishes Vorgehen unter Ersinnung des praktischen Verfahrens als Charakteristikum
darstellt. Mackowsky wird sich wohl oder übel an die Vorstellung gewöhnen müssen,
daß Michelagniolo, wenn er zu Meißel und Hammer griff, nicht nur an ein durch-
geführtes Modell sich band, sondern auch bei der Arbeit aus dem Stein alles, was er
nicht selber machen mußte, von handwerklichen Kräften ausführen ließ, im rechten
Bewußtsein dessen, daß er der Welt schuldig war, seine Kraft für die seines Genies
würdige Arbeit zu verbrauchen.
Das Genie sich unüberlegt, sprunghaft vorzustellen, momentanen Eingebungen
mehr folgend als konsequenten Arbeitsplänen, im Schaffensfuror darauflosstürmend,
zerstörend dabei ebenso oft als schaffend, so sich das Genie vorzustellen, ist roman-
tisches Erbstück. Es ist die Anschauung des jungen Kunstmalers im Sammetrock, der
vor lauter Genie sich von der Arbeit entbunden fühlt. Seitdem wir aber wissen, daß
gerade diejenigen Motive Beethovens, welche uns als das reife Geschenk einer huld-
vollen Göttin ihm aus der Feder geflossen zu sein scheinen, durch viele Jahre hindurch
mit schrittweisem Durchfühlen Umschmelzung auf Umschmelzung erfahren haben, bis
ihnen ihre schlichte Schönheit ward, seitdem wir verfolgen können, wie Goethes größte
Werke als ganzes wie im einzelnen immer wieder Inhalt, Absicht, Gedanken und
Form änderten, ehe sie wurden, wie sie sind, seitdem wir jene Madonnenschöpfungen
Raffaels, welcie den Romantikern in wunderbarer visionärer Eingebung entstanden zu
sein schienen, als Kette eines zielbewußten, modifizierenden Formdenkens erkennen,
zu welchen für ungezählte Entwürfe und Studien seine Gehilfen Modell gestanden
A. Gottschewski. Zu Michelagniolos SchaffensprozeB 867
haben, seit solchen Einsichten in das Wesen großer Schöpfer haben wir kein Recht
mehr darauf, uns bei jener Täuschung im Falle Michelangiolos Genüge sein zu lassen,
sE coloro che gliele attribuivano a fantasticheria e a stranezza hanno il torto.“
Selbstdisziplin, kinstlerishe und technische Konsequenz, Arbeit und wieder
Arbeit, das ist das Wesen, welches wir bei allen großen Künstlern sehen und das
auh Michelangiolo die Höhen der Kunst erreichen ließ.
Und mir scheint es, mehr als im Marmor die Zeit und die Energie mit dem
Abbozzieren des Blockes zu vergeuden, mag es dem ruhelosen Schöpferwillen Michel-
agniolos zugesagt haben, im nadigiebigen Ton wie ein Gott Gestalt auf Gestalt er-
stehen zu lassen, von der Sprödigkeit der Materie unbehindert mit formender Hand
zu schaffen und zu beleben.
F
97
Zur Kenntnis Johann Georg Edlingers und seiner Zeit
Von August Goldschmidt (München). |
Im ersten Bande des Münchener Jahrbuches der bildenden Kunst hatte ich ver-
sucht, durch einen kleinen Aufsatz, der im wesentlichen das über Edlinger bekannte
Material erschöpfte, dem bisher zu wenig gewürdigten Münchener Meister zu der ihm
gebührenden kunstgeschichtlihen Stellung zu verhelfen. Gehörte er doch um die
Wende des vorigen Jahrhunderts zu den wenigen deutschen Porträtmalern, die sid
nicht vom damaligen Geschmacke ihrer zum Akademismus neigenden Zeitgenossen,
sondern von ihrem ureigensten künstlerischen Empfinden leiten ließen. Wir dürfen
uns hier auf das Urteil eines Mitlebenden berufen, das sich in Meusels Miszellen,
Bd. XIII, vorfindet: „Er malt in einem warmen, vortrefflichen Kolorit, und weiß dabey
die Abweisung seiner linden Schatten in ein so richtiges Verhältnis zu setzen, daß
das Hauptliht ungemeine Wirkung tut.“ In den Zusätzen zu Füßlis Künstlerlexikon
heißt es dann weiter: „Der Mann aber, dem die natürliche Gabe einer persönlichen
Empfehlung fehlte, blieb bei aller seiner erlangten Geschicklichkeit so lange im Finstern,
bis der düsseldorfische Galerieinspektor Herr Graa nach München kam und in Edlinger
den verdienten Künstler fand, den er dem Hof und der Stadt von derjenigen guten
Seite bekannt machte, die er trotz seiner Neider schon lange verdiente. Der Kurfürst
von Pfalz-Bayern war darauf begierig, den Mann malen zu sehen, und seine Gemahlin,
die Kurfürstin, entschlossen sich dazu; er mußte diese Dame in ganzer Stellung, sitzend,
in Gegenwart des Kurfürsten malen (1781), welches ihm so wohl glückte, daß ihm
dieser große Beschützer der Künste beim ersten Fortgehen sagte: Er kann mehr, als
er selbst glaubt.“ — Aus dieser kleinen Anekdote ersehen wir übrigens auch mit
Interesse, daß der sonst als unnahbar bekannte Kurfürst Karl Theodor es nicht ver-
schmähte, den Künstler in seiner Werkstatt aufzusuchen, eine Gepflogenheit, die im
Hause der Wittelsbacher nachgerade zu einer schönen, feststehenden Tradition ge-
worden ist. Dieses Bild der Kurfürstin Elisabeth Auguste, etwas in konventionell
höfischer Form gehalten, befindet sich jetzt im Schreibzimmer der sog. Kurfürsten-
gemädier der Kgl. Residenz (München) mit prächtig geschnitztem Rokokorahmen in die
Wand eingelassen. Während das Kolorit der Kleidung, der Draperien, der Kron-
insignen usf. noch vielfach an seinen Vorgänger, den Hofmaler „de Marées“, einen
trefflichen Meister des Rokoko, erinnern, lassen bereits die Modellierung des Gesichts
mit den breit gemalten und für scharfe Kontraste berechneten Schattenpartien die
aufkeimende Eigenart des Meisters wie seinen nicht schmeichelnden Realismus erkennen.
— Dank besonderen Entgegenkommens seitens des Kgl. Oberhofmeisterstabs gelang es
mir, dieses schöne Werk, das lange als verschollen galt und nur durch einen schlechten
Stich von J. A. Zimmermann bekannt war, an dieser Stelle zu publizieren.
In einem gewissen Gegensatze zu der oben gerühmten Bescheidenheit des
Meisters scheint allerdings folgende Notiz zu stehen, die uns das Meuselshe Museum
(Bd. XVIII, pg. 459—460) mitteilt: „Jetzt (1791) hält sich hier (in Mannheim) Herr
A. Goldschmidt. Zur Kenntnis Johann Georg Edlingers und seiner Zeit 869
JOH. GEORG EDLINGER. Porträt eines jungen Mädchens
O Bes.: Herr v. Back. Szegedin
Ettlinger auf, ein Kiinstler, mit dem das Frauenzimmer weniger als mit H. Klotz (dem
landläufigen akademischen Porträtisten) zufrieden ist, obschon er sich verschiedene Mal
in das hiesige Frag- und Anzeigsblatt also hat setzen lassen: ‚Es wird jedermann zu
wissen gethan, daß der berühmte Herr Ettlinger, Hofmahler seiner Churfürstl. Durch-
laucht von der Pfalz, von Minchen hier angekommen. Er wünscht sich hier im
Porträtmalen bekannt zu machen; an Gleichheit und Kunst soll nichts auszusetzen seyn.
Er wohnt bey Herrn Landenberger, Hofbuchbinder neben dem Pfälzerhof dem Paraden-
platz gegenüber.‘“ — Übrigens hatte derselbe mit dieser servilen Ankündigung wenig
Arbeit erhalten, bemerkt das Füßlische Künstlerlexikon zu dieser etwas naiv an-
mutenden Reklame. — Es sind mir bis jetzt auch keine Werke Edlingers in der
Mannheimer Galerie noch im dort altansässigen Privatbesitze bekannt geworden.
870 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Um die bereits früher aufgestellte Liste von Besitzern Edlingerscher Bilder mög-
list zu vervollständigen, seien noch folgende kurz mitgeteilt; Das K. K. Ferdinandeum
in Innsbruck mit zwei prächtig erhaltenen Werkchen kleinen Formates, wohl Mann
und Frau darstellend, das germanische Nationalmuseum in Nürnberg und das groß-
herzogl. Landesmuseum im Darmstadt. Letzteres besitzt in dem Porträt des Grafen
von Hainhausen ein vorziigliches frühes Werk des Meisters, und nicht von Pompeo
Battoni, wie man seither annahm. Ferner in München: In der Kgl. Residenz (was id
einer freundlichen Mitteilung des Herrn Konservator Dr. Habich verdanke) noch das
Porträt der Maria Anna, Gemahlin des Kurfürsten Max Joseph, nach einer Bezeichnung um
1785 gemalt. Außerdem im Privatbesitz: Ein großes Familienbild, neuerdings von Herrn
S. Röhrer erworben, zwei Porträts bei Herrn Maler Clemens, ein besonders schöner
Studienkopf bei Herrn Prof. Grützner, zwei Familienbildnisse bei Herrn Prof. Neu-
meyer und ein edles Damenporträt im Besitze des Verfassers. Im Münchner Kunst-
handel tauchten von unserem Meister folgende Werke auf: Ein großes, kühn gemaltes
Gruppenbild bei Herrn Hofantiquar J. Böhler, ein Männerporträt (vorm. Sammlung
Flüggen) bei Herrn Helbing und zwei prächtige Studienköpfe, alter Mann und alte
Frau (vorm. Sammlung Greb), die in dem nämlidien Kunstauktionshause um den
äußerst geringen Preis von 410 Mark ihren Besitzer wechselten. — In Hamburg fand
ich in der bekannten Sammlung der Frau Konsul Weber ein trefflihes Bildnis des
Domherrn Müller. — Zum Sdlusse möchte ich nodi das Porträt eines jungen Mäd-
chens im Privatbesitze des Herrn v. Back in Szegedin wegen seiner vorziiglichen
Qualitäten ooch ganz besonders erwähnen. Die malerisch breite Durchführung dieses
Werkes, das dabei als Ganzes weich und harmonisch wirkt, verbunden mit vertiefter
Innerlichkeit der Auffassung, bewogen mich, es an dieser Stelle zu reproduzieren.
Angesichts des geschmackvollen Arrangements begreift man, wie es möglich war, in
England Werke unseres Edlinger unter dem Namen berühmter englischer Meister
jahrelang in den Handel zu bringen. Befindet sih doch, wie mir Dr. Buchheit freund-
licherweise mitteilte, im Museum von Dijon ein Bild Edlingers, das jetzt noch als
„école anglaise“ bezeichnet wird.
Evolution du portrait en France apres la Revolution
Par Prosper Dorbec (Paris)
L’art du portrait, a la suite de la Revolution, ne pouvait manquer de se trouver
renouvelé. Au jour des temps nouveaux, l'individu est apparu au peintre avec des
traits plus distincts et plus indépendants. i
N’etait-il pas jusque-là demeuré comme effacé sous les apparences communes
a sa classe sociale? Dans la figuration du portrait il se trouvait toujours soumis
a un certain formalisme d’attitude, voire d'expression, en rapport avec sa qualité.
La main, par exemple, qu'elle tint épée, plume ou pinceau, visait avant tout a un
caractère général d'élégance ou de fermeté qui répondit au rôle social du sujet; le
costume, dans son opulence professionnelle, ou sa coquette recherche, ou dans l’eloquence
de son désordre, ne laissait qu’une part difficile au libre pli individuel. L'enquête
morale avait peine a se poursuivre au dela du masque du visage.
Mais déjà, à l'époque de Louis XVI, les différences d'aspect entre la classe
noble et la bourgeoise s'étant sensiblement atténuées, les saines et fortes mœurs de
la moyenne société pénétrant dans les intérieurs familiaux de l'aristocratie, la pompe
dans le portrait avait fait place à cette nette détermination de «confort» qui autorise,
provoque même plus d'aisance d'attitude, plus de naturel. A l'homme, decharge
d'apparat, étaient mieux associés les objets qui aident à le définir; un peu du sentiment
de Chardin venait pour ainsi dire envelopper sa figuration, dont les formes, sous le
vêtement, gagnaient comme les accessoires en vérité matérielle et prenaient même,
sous le ferme pinceau d'un David, d'un Duplessis ou d'une Labille-Guyard, comme
un aspect de relief et de massivité Quant aux femmes, prenez au Louvre telles
images de Mme Victoire par Heinsius, de Mme Pécoul par son gendre David,
comparez-les aux effigies du même sexe de l'époque de Louis XV.: qu'était devenue
la fine et hautaine réserve de celles-ci? Bourgeoise et aristocrate n'ont plus rien
qui les distingue. Si le naturel chez la femme réside plutôt dans la libre expression
de sa sensibilité, ce qui, autrefois, ne se livrait qu'à demi, dans un demi sourire, sans
un mouvement du corps ni le moindre geste qui sortissent de l'attitude conforme au
rang, sépanche ouvertement en un étalage soit de bonhomie accueillante, soit de
félicité conjugale, soit de tendresse maternelle. Et, comme une telle franchise apportée
à l'expression morale entraîne à une égale franchise dans l'interprétation matérielle, c'est
encore là, comme pour les figures d'hommes, le droit désormais acquis au peintre
d'insister sur la physiologie du modèle et d'introduire dans son portrait la vigueur
d’accent du réalisme.
Greuze en cela avait été d'un grand exemple; il avait même provoqué dans
le genre comme une école parallèle à celle des continuateurs idéalistes des Nattier et
des Drouais. Tout portrait chez lui s’attachait autant à la vie organique du sujet qu'à
1) Cette étude fait suite aux articles que j'ai consacrés dans la Revue de l'art ancien
et moderne (t. XXI, p.p. 42—52 et 133—148) au «Portrait pendant la Revolution» et dans la
Gazette des Beaux-arts (3e Période t. XXXVII, p. 306) à «David portraitiste».
872 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
sa vie morale; son pinceau, chargé et actif, se plaisait aussi bien à poursuivre sur un
visage ces fletrissures et ces rugosites qu'étale une peau fatiguée, que cette qualité de
consistance translucide qui caractérise une jeune carnation; C'étaient vraiment des
tissus palpitant, respirant sous la lumière, qu'il exposait devant les yeux, c'était, au
voisinage des cheveux, l’epiderme qui s'enfonce et se fond dans la tiède et roussätre
em e moiteur. Les delicatesses de la vie de
| l'âme étaient sacrifiées aux dehors ex-
pressifs du tempérament. Sous l'influence
de cette méthode, Boze avait accentué
à ce point la lourdeur colorée de la
face de Louis XVI en sa maturité, qu'au
fort du dechainement révolutionnaire,
son interprétation offrait un prototype
aux plus haineuses caricatures du roi.
On peut voir au Louvre, dans la salle
consacrée aux peintres français du
XVIIIe siècle, telle étude sur le vif par
Greuze (n° 373) d’un inconnu au visage
äpre et défait offrant presque les tons
terreux, les appesantissements tourmentés
du pinceau dont le même Boze allait
user pour rendre en sa fièvre et sa bile
le masque de Marat.’) La méthode, en
effet, au cours de la Revolution, se
trouve pleinement convenir ä ces natures.
que l'ardeur des luttes entre partis pro-
jetait au dehors d'elles-mêmes et que,
même réservées, concentrées, elle finissait
toujours par forcer et par livrer à l'obser-
vateur dans toute leur crudité.
* *
x
Portrait présumé de Jérôme Bonaparte :
par GERARD u Aux nouveaux modeles que leur
proposa la société reconstituee les pein-
tres se trouvèrent apporter une méthode nouvelle d'interprétation. Ils semblent bien
retardataires ces conseils adressés d'Italie à Gérard, en 1798, par un vieil ami de Carle
Vanloo: «de faire en sorte que ses contours soient formés par des lignes un peu
convexes et jamais par des lignes droites». Les lignes arrondies, incorrectes des
prédécesseurs se resserraient, en effet, en un parallélisme rigide, l'attitude des figures
avait perdu en souplesse ce que leur construction gagnait en sürete et en solidité.
Joint à cela que l'adoption du costume à coupe anglaise et de la culotte collante
incitait dans le portrait à une inspection plus poussée encore de la structure, à une
1) Musée Carnavalet.
Prosper Dorbec. Evolution du portrait en France aprés la Revolution 873
h, e 2
Pa Lina 4 rant iv 7
Pauline Borghèse par Mme BENOIT
O Musée de Versailles
tension exagérée du dessin. — La même lettre reprochait au peintre de l'Amour et
Psyché «son coloris en général un peu trop gris»; c'était la tendance commune du
coloris de se modérer, pour qu’a la belle correction du dessin et à la finesse du
dégradé revint tout le merite de la séduction. Aussi, malgré la sécheresse de
portraits peints, par exemple, par Girodet, ne peut-on que se rendre a leur fermete
de construction, 4 la force de resserrement de leur plastique. D’une figure comme
celle de son Mameluck de 1804 on disait qu'il n'en resterait que le torse, on y
reconnaitrait un vieillard de tempérament replet, élevé dans la mollesse des mœurs
orientales; le député nègre Belley, au musée de Versailles, comme aussi le Chateaubriand
court, trapu, à tête énorme, du musée de St-Malo, mettent très en évidence cette
particularité de préoccupation.
ll est, d’ailleurs, un côté de l'observation pittoresque où l'excès de sobriété
874 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
semblait un peu se détendre et laisser place a quelque fantaisie, c'est dans la recherche
des effets d'éclairage. On allait même jusqu'à tenter dans ce domaine de curieuses
investigations. Relevons, par exemple, en un portrait di à un élève de Girodet')
cette pose originale d'une jeune femme qui, assise sur le rebord de sa croisée, le dos
tourné au dehors, interceptait ainsi le jour dont les ondes affluaient autour d'elle.
Ces jeux de lumière frisante dédommagent de l'exclusion des franchises du modelé,
alors taxées de maniérisme. Bien plus: fréquemment le souci se manifeste d’alleger
l'ambiance autour du modèle, d'y donner l'impression d'une libre aération. On ne
reculera pas devant le péril d'enlever la figure sur la pleine clarté de la campagne;
au Louvre, voyez, de David, son fringant beau-frère Seriziat assis, jambes croisées,
sur un tertre: n'y a-t-il pas là, non la découverte sans doute — la silhouette encore
n'épouse le franc jour — mais comme le pressentiment, le désir du plein air?
Justement, voici ce désir exprimé en toutes lettres dans un compte-rendu du salon de
1801, à propos d'un portrait du général Moreau par Gérard: <J'aurais aimé, y est-il écrit,
que ce tableau eût été éclairé par le plein air plutôt que par un jour d'atelier de 45°
Mais cet effet difficile n'a pas encore été tenté en peinture: H Et, des 1804, n'est-ce
par lui cette fois que voici bel et bien réalisé par un disciple même de David, le
jeune Jean Dominique Ingres, dans un tableau également visible au Louvre, le
charmant portrait de Melle Rivière? Notez que la manie de transporter sur la toile
les froideurs d'aspect d’une statuaire d'ailleurs mal comprise n'a peut-être pas été
étrangère a cette préoccupation nouvelle d'éclairage: quel jour, en effet, mieux qu'une
lumière égale et limpide, pouvait mettre en valeur ce lisse et ce brillant de marbre
qu'on aimait à prêter aux figures, cette pureté de dégradés et de contours poursuivie
par l’abstraite esthétique du temps!)
Ce fut donc presque à cette époque, comme ce devait l'être tout à fait à la
nôtre, la fenêtre grande ouverte de l'atelier sur le dehors. Il ne manquait que de
savoir s'affranchir d'une tyrannie de faux principes. Par malheur, en dépit de David
lui-même, chez qui le portraitiste donnait de marquants exemples de renoncement
à l'antique, beaucoup de peintres obliterent jusqu'aux traits des contemporains pour
les rapprocher des modèles latins, leur rectifient la ligne du front et du nez, leur
élargissent l’arcade du sourcil. Sous le lent polissage de leur pinceau le visage de
l'homme lui-même s'affadit, s'effémine; l'instrument glisse sur les accidents les plus
significatifs du masque; ce qu'on s'efforce de donner c'est une généralisation ennoblie
de la physionomie. Mais la visée convient à bien peu de figures, dont la plupart ne
—
1) Mme Villers.
*) Chaussard. Bulletin universel des lettres, des scinces et des arts.
3) Le même problème ne laissait pas d’ailleurs de préoccuper aussi Girodet qui, en 1812,
s’attirait pour deux portraits de femmes cet éloge significatif: «On s'arrête devant ces tableaux
dont les figures sont représentées au grand jour, c'est à dire sur le fond bleu le plus clair, et
qui n'en ont pas moins de relief. On ne sait ce qu'il faut le plus admirer de la pureté du dessin
ou de l'extrême habilité avec laquelle M. Girodet donne une saillie aussi prononcée à ses figures
sans le secours des masses d'ombres que la plupart des autres peintres auraient employées».
Le Rouge et le Noir (relation sur la Salon de 1812).
Prosper Dorbec. Evolution du portrait en France apres la Revolution 875
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Melle Riviere par INGRES (Salon de 1806)
O Musée du Louvre
laissent rien saisir au trait qui veut ainsi les idéaliser. La uniquement où le modéle,
comme David le disait de Bonaparte, «évoque le camée tout fait», le procédé pouvait
amener une effigie dégagée et nette, de belle et expressive synthese. De si ambitieux
principes, pour trouver leur emploi, en portraits comme en histoire réclamaient des heros.
x *
*
Il se trouva que, sous le premier Empire, les qualités requises en art étaient
propres a apporter quelque renouvellement méme dans ces effigies conventionnelles,
et d’ordinaire assez ingrates, qui appartiennent au genre officiel. On sait que, dans
876 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
ces représentations d’apparat, le modele est plutöt envisagé par le dehors que sondé
en lui-même, l'expression de son visage forcée dans le sens de sa fonction, l'intérêt
historique plutôt qu’ individuel, qu'enfin l'équilibre entre de somptueux accessoires, les
savantes dispositions de draperies qui conviennent a cet ordre de tableaux en font
des ceuvres de facade, de caractere pour ainsi dire architectural. Les principes alors
en cours eurent ceci de particulièrement efficace, qu'ils y vinrent resserrer et raffermir
l'effet. Ils commandaient d’adjoindre à la solidité de charpente corporelle un rythme
dans les plis du vêtement qui. procedät directement des formes recouvertes; c'était,
au préjudice, il est vrai, de la verve et de l'éclat, rompre avec l'usage de ces étoffes
enflées, volantes, indépendantes, par lesquelles s’entouraient de tant de pompe et de
prestige les figures royales, mais en revanche, c'était aboutir à des images
de l'empereur fortement déduites en toutes leurs parties, où nul accent ne venait que
de l’auguste modèle même et, dans la solennité de son costume, nul éloquent mouve-
ment de ligne que de sa corpulence, sa pose, sa gesticulation.
Comparons les moyens qu'imaginerent David et Ingres pour réaliser de la
souveraineté impériale l'image la plus imposante et en même temps la mieux
caractérisée.
Et d'abord ils ne se trouvaient pas en face de ce masque long, émacié, aux
saillantes pommettes, fiévreux, ravagé presque, qui marque à ses débuts la période
ascendante de la vie du héros. La bouche notamment revenait de cette déformation
qui, dans les premiers portraits, par exemple la miniature de Guérin, l’allongeait, la
desséchait et, aux commissures, la tordait suivant le gout réaliste de l'époque révo-
lutionnaire; elle se fixait de plus en plus dans sa régulière et fine sinuosité de ligne.
Les pommettes d'ailleurs s'étaient résorbées dans la courbe plus arrondie des joues.
Lex yeux n'avaient plus cette expression farouche qui jusque-là avait fait presque oublier
qu'ils étaient d'un bleu tendre et doux. De ce désordre en longues mèches tombantes
qui caractérisait la mince silhouette du triomphateur de Vendémiaire, les légendaires
cheveux plats, apres avoir semblé, dans les figurations du premier Consul, vouloir
dissimuler le dépouillement progressif des tempes (voir les Robert Lefevre), s'étaient
délibérément massés en cette autre légendaire mèche médiane qui reporta sur le front
le rayonnement des sévères prunelles du général républicain.
Il appartenait au principal propagateur de l'idéal romain de fournir la meilleure
image d'une autorité édifiée d'après cet idéal. Une telle image’) donne véritablement
la physionomie du droit à ce qui pouvait être encore par d'autres taxé d’usurpation.
Quel héros ne fallait-il pas seulement, mais quel artiste pour que pit prendre ainsi
les apparences d'une vocation divine une autocratie née des désordres de la veille!
Cette figure, jusque la concentrée, assombrie dans le désir de l'action, durcie dans
l'atmosphère poudreuse des combats, d'après laquelle l'instinct réaliste du peintre,
renchérissant témérairement cette fois sur le fait réel, avait commencé, en vue du
tableau du Sacre, à esquisser une physionomie de soudard aussi prompt à porter la
1) Tableau reproduit en lithographie par Soulange-Tessier.
Prosper Dorbec. Evolution du portrait en France après la Révolution 877
M. Ravrio, fabricant de bronzes, par RIESENER
D Musée de Louvre
main à la garde de son épée qu’à s'emparer et à se ceindre soi-même de la couronne ')
— la voici amenée a une plénitude presque sereine, à une majesté de traits quasi
olympienne qu’ombre le seul souci du peuple et où le sentiment de l'entière puissance
assure la stabilité des lignes; effigie énergiquement campee, d’equilibre, d’unite absolus,
où le déroulement ample du drapé s'associe à la haute expression du visage et qui
satisfait à la façon d'une architecture qu'on sent impérissable par la force et la justesse
de ses proportions. _ |
Mais David, la encore, s’assurait un pied dans le reel, maintenait son röle
expressif à la vitalité physique, laissait transparaître quelque chose de l'homme d'hier
sous la majesté sacro-sainte de l'Imperator. Ce Napoléon trônant*) qu'Ingres
1) Dessin conservé au Louvre.
H Reproduit au trait dans le recueil de Magimel.
878 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
peignit en 1806 pour une des salles du Corps législatif n'a, au contraire, plus rien
d’humain, sa corpulence disparait sous la surcharge des velours et des satins, son
visage a la couleur inexistante de la spiritualité; c'est une figure hiératique emprisonnée
dans les linéaments d'un vitrail. Assis sur un trône éblouissant d’orfövrerie, dont le
cintre, autour de son front et de son regard charges de pensées, s’arrondit en large
auréole, les bras, qui s’appuient sur le sceptre et la main de justice, ecartant et
déployant d’amples draperies, il prend place au rang de ces figurations de lointaine
légende dont les traits s'immobilisent dans un synthétisme immuable.!)
Contraste à noter entre ces effigies et celles que provoqueront les réoccupants
prochains du trône: tandis que les premières s'attachent, par le geste comme par
la pose, à exprimer l'autorité conquise, que chez Joséphine elle-même, par exemple,
représentée dans les jardins de la Malmaison, la rêverie déjà toute romantique en
laquelle l'induit la sauvage solitude évoquée par Prudhon ne saurait se passer de
l'apparat de la pourpre et d'une ampleur d'attitude où se déploye la majesté du rang,
les secondes, au contraire, aimeront à affecter un air de simplicité bourgeoise propre
à rassurer le peuple, la direction du regard su fera moins altière, plus condescendante,
comme par opposition aux images impériales où le sens en va plutôt de bas en
haut, ou, tout ou moins, demeure distant, planant, dominateur.
L'intérêt de ces hautaines figurations césariennes, c'est surtout le caractère
d'improvisation de leur cérémonial, c'est cette solution qu'on y voit apportée du jour
au lendemain à la question des formes représentatives dans une cour constituée de
toutes pièces. Il semble que tant de chamarrures et de broderies, sur ces attitudes de
mannequins, aient été tirées pour quelque drame a grand spectacle d'un magasin de
décors et de costumes, il vous revient, en les considérant, ces menus incidents du dé-
filé à la cérémonie du Sacre, l'Empereur, du bout de son sceptre, donnant sur
l'épaule de son oncle le cardinal Fesh pour lui faire prêter l'oreille à des pre-
scriptions. . . . Relevons toutefois encore à l'actif de l'époque, sous l'effet de la hantise
des antiquités impériales, une bien curieuse particularité de mise en scène dans un
portrait, médiocre d'ailleurs en soi, de Joséphine par Guyon-Lethiers (au musée de
Versailles): l'ardent coloris du fond et le monumental trône de bois massif y concourent
à l'effet le plus inattendu; le peintre du Supplice des deux fils de Brutus semble,
en la circonstance, avoir conçu son œuvre sous l'influence d'une lecture de Suétone
comme le pourra faire, à trente ans de là, Thomas Couture, car c'est déjà d'un ro-
mantisme hanté de basse latinité et de singularités décadentes. Et pareille interprétation
eüt-elle été apres tout si inappropriée à la mince et étrange figure de la princesse
1) Ces deux images ont ceci de commun entre elles qu'elles ne tirent que d'elles-mêmes
leur intérêt expressif, qu'elles restent indépendantes du dehors, isolées qu'elles sont dans leur
méditation souveraine. Les autres peintres, pour donner à leur interprétation l'apparence de la
vie, ont eu besoin de sous-entendre un spectacle extérieur vers lequel était censé se diriger le
pas ou tout au moins l'attention de leur modèle. C'est de cette manière que Gérard aux châteaux de
Versailles et de Fontainebleau) réunit dans le même signification de volonté agissante le visage
décidé et la jambe se portant en avant. Quant à Robert Lefèvre (à Versailles), c'est ici qu’ap-
paraît l'inaptitude aux hautes synthèses de ce talent issu des grâces aisées de l’ancien régime.
Prosper Dorbec. Evolution du portrait en France apres la Revolution 879
Portrait de M. de Nanteuil-Lanorville par PAGNEST
O Musée du Louvre
Borghèse qui se voit dans la même salle peinte par Robert Lefèvre et par Me Benoit?
Quelles extraordinaires prunelles elle coule dans le portrait, de lignes presque sy-
metriques, où cette dernière l'a en quelque sorte immobilisee, — de son pinceau lui
martelant les chairs a la façon de son maitre David quand il voulait exprimer l'éclat
de la jeunesse! Le caprice perpétuel de cette nature d'enfant ne faisait-il pas d'elle,
sous le cercle étincelant d'une couronne et dans la gaine étroite d'une robe à taille
haute, un étre raffiné digne de présider a une cour byzantine?
Un masque comme celui de Napoléon domine les plus emphatiques oripeaux
de même qu'il élève à sa dignité les plus modestes accoutrements. Mais que dire
de la plupart des représentations d’apparat de ses frères et de ses beaux-freres, —
que Gérard, dans leurs culottes de satin, leur bas de soie, et sous leurs coiffures à
panache, les découpe en minces silhouettes, ou qu'un Kinson, par exemple, s'il les
dresse, démesurément les allonge, comme il les casse s'il les assied! Pour sauver
880 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
l'intérêt de ces pompeuses mises en scene, ce n'est pas trop que les colorations de
Gros, et encore y demeurent-elles impuissantes si elles ne s'adjoignent, comme dans
le Murat ou le Jeröme, roi de Westphalie, la belle fougue débridée ou con-
tenue de la figuration équestre.
Il n'y a, à l'époque, de vraie noblesse que dans la force guerrière. La fermeté
de l'allure alliée à l'expression de l'intrépidité remplace le port du grand seigneur
d'autrefois. Et même ne peut-on pas avancer qu'en France, le portrait militaire, depuis
les énergiques et littérales effigies dessinées par les Clouet et les Dumonstiers, n'a
guère réapparu dans tout son caractère qu'à partir de la Révolution? Dans l'intervalle,
l'image d'un chef d'armée, d'un grand Condé comme d'un de Saxe, malgré la cuirasse,
les cuissards, malgré toute la virilité de décision accusée sur les traits, respire à peine
la vie des camps et à l'œil n'en dit guère plus qu'une panoplie à une muraille. Le
héros a été travesti en une sorte de dieu Mars. Le conventionnel, les attributs en sur-
charge restreignant l'aération du tableau, pesant de tout leur poids sur le cadre, font
de ces figurations les moins captivantes de l'ancien régime. De plus, le courtisan y
transparaît trop sous le clinquant de l'armure; en société en effet, quelque considé-
ration que lui attirat la gloire des combats, il fallait au conquerant depouiller le soldat
et remettre en avant le prestige de la race. — A dater des campagnes de la Re-
publique, le guerrier ne saurait plus guère se parer d'une autre noblesse que de celle
dont la revêtu l'action de la bataille; aussi ne quitte-t-il jamais le costume; l'éperon
et le sabre résonnent sur les parquets. On croirait en entendre le bruit quand on
pénètre dans la salle du Louvre où le général Fournier-Sarlovèze par Gros, le médecin
militaire Larrey par Girodet, le général d'artillerie De Salle par Pagnest, M. Dieudonné
par Géricault, et l'extraordinaire carabinier du même, mêlent aux élégances de Joséphine
et de Christine Boyer, de Mmes Récamier et S' Jean d'Angely, comme une odeur äcre
de poudre. Notez que ce n'est pas de la toile de Gros qu'il s'en dégage le plus,
malgré toutes les fumées qu'on y voit s'élever dans les fonds. Ses portraits militaires,
en effet, dans l'éclat de leur frais coloris, dans leur éloquence d'air et d'attitude,
manquent un peu d'âpreté réaliste, et toujours témoignent de l'apprèt pour la parade;
ses héros préférés, à lui, l'ancien brillant Inspecteur aux revues à l'armée d'Italie, ce
sont les plus beaux sous le neuf scintillement des boutons et des dcrures. Voyez de
quelle facon, au contraire, sur des visages comme celui de Larrey, de De Salle, la
patine de la vie des camps s'allie chez le premier à la dignité, chez le second à
l'intellectualité de l'expression. Chefs, ils ont la peau pénétrée des mêmes morsures
de l'air vif, du soleil ardent, de la poussière et de la fumée, que le carabinier de
Géricault. Cette concentration de vérité réaliste sur ces deux physionomies ajoute
même à leur prestige. Elle continue la vigueur d’accent par laquelle le portrait pen-
dant la Révolution accusait leur tempérament aux farouches champions de la Liberté
et suppléait ainsi à l'autorité de la race par la puissance de l'individualisme.
x *
x
Du trône impérial à la bourgeoisie la transition, pour ainsi dire, n'existe point, et
tout ce qui n'est pas militaire est bourgeois. On sait comment déjà, du temps de
Prosper Dorbec. Evolution du portrait en France après la Revolution 881
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Portrait de Mme Riviere par INGRES (Salon de 1806)
D Musée de Louvre
Louis XVI, les allures de la cour s'étaient rapprochées de celles de la classe moyenne
et la dignité des nobles dans leurs portraits avait abandonne de sa roideur; mainte-
nant ce seraient les facons de la bourgoisie qui, a mesure quelle participe davantage
aux honneurs officiels, se raidiraient. Quel agrément, sous l'ancien régime, les images
aristocratiques n'offraient-elles pas par le naturel de leur fine distinction! le peintre
n'avait alors qu'à s'inspirer de ses modèles. Sous l'Empire, il lui faut le plus souvent
rectifier, fondre, comme le fait Gérard, sous une banale apparence d’homme du monde
ce que peut offrir de rugueux certains originaux — à moins d'adopter le franc parti
de David dans son portrait de Francois de Nantes en costume de baron de l'Empire,
c'est à dire de suppléer au défaut de la noblesse de race par une sorte de grossisse-
ment imposant de l’invidualite.
C'est, en effet, par des enquêtes positives, disons même appesanties, sur les
882 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
individus qu'à cette époque l'art du portrait prend se revanche et sait atteindre à une
vraie puissance d’accent. C'est David linstigateur de cette extraordinaire curiosité pour
l'absolue vérité iconographique, le même qui a déterminé les grandes lignes de l'ap-
parat impérial, mais qui, avant d’edifier l'image dun César, avait modelé en toute
sincérité, et avec une franchise parfois téméraire, la trop courte série modestement
inaugurée sous Louis XVI par ses proches. Dans ces enquêtes se mesure la portée
physiognomonique dont est capable l’insistante mais clairvoyante honnêteté de la nouvelle
école. La rigueur de principes apportée au dessin a fait ressortir tout le profit qu'il
peut y avoir pour le portrait si en aucune de ses parties rien n'est relâché de l'ob-
servation la plus sévère ni soustrait à un enchainement des plus absolus; surtout,
depuis que l'accoutrement, ayant rejeté la perruque uniforme à marteaux et poudree,
et désormais restreint aux étoffes unies et ajustées, par là chez chacun montre mieux
à découvert les particularités de forme et de maintien. Qu'il s'agisse d'exposer un
individu de pied en cap et dans son entière évidence, de le camper en une attitude
révélatrice, c'est alors qu'il est bon que le trait vienne faire prédominer son langage
précis, préétablir le rapport de toutes choses, assurer une unité parfaite de construction
aussi bien que de signification. Chez Ingres le procédé réalisera de si typiques en-
sembles que plusieurs de ses portraits, ceux principalement pour lesquels il a adopte
le ton plus familier de la mine de plomb, sembleront presque transmettre à nôtre
souvenir des «créations» d'acteurs comiques; une figure comme M. Leblanc, de la col-
lection Bonnat, pareil, pour prendre un nom fameux dans le théâtre du temps, à
quelque Baptiste aine qu'on verrait droit campé devant la rampe, révèle en son auteur
un sens de la plus fine comédie: l'agencement du costume, depuis la chaussure jus-
qu'au chapeau, le large collet relevé qui sert de fond à la malice du regard, cette
main sur la hanche, cette autre, écartant l'ample manteau romain, qui répond si juste
au caractère de la physionomie et a le geste de dire: me voilà, que vous semble du
personnage? — où trouver, dans une transcription d'être vivant, un plus naturel dé-
coulement de toutes choses? , . Et, assis dans la compagnie des siens, M. Forestier,
le magistrat lettré dissertateur, surpris, une pincée de tabac à la main, à l'énoncé
de quelque aphorisme bien senti, sans doute une citation d’Horace (le livre peut-être
qu'il tient sous son bras), et le geste comme en suspens sous l'œil du dessinateur, ou
le regard derechef a la poursuite d'une autre chose à dire, et ainsi jetant le mot qui
porte devant la mere retranchée dans ses réflexions, devant le parent habituellement
là pour faire réplique à la loquacité du père, devant la jeune fille, «ornement du
foyer», debout au centre comme la plante qui a grandi dans cette «paisible et
honnête atmosphère»! ... C'est bien là ce que doit réaliser dans ses moments de dé-
tente un art qui, au fond, ne s'en accorde guère, et ne saurait se dérider que par
l'effet même d'une gravité d'observation qui achemine à la caricature. (Rendez-vous
compte aussi de la curieuse définition des types dans le tableau de Heim sur la Distri-
bution des récompenses au Salon de 1824). A considérer où aboutit parfois ce
tenace dépouillement de l'individualité, on se demande si en même temps le rigorisme
davidien n'a pas aux Henri Monnier, aux Daumier, forgé leur instrument, qu’ Ingres
ensuite leur aurait aiguisé!
Prosper Dorbec. Evolution du portrait en France aprés la Revolution 883
Mais, avant de voir ce rigorisme porté par un rénovateur comme le peintre de
M. Bertin à son maximum de signification, jetons un coup d'œil sur ce que déjà il
réussissait à tirer de portraitistes comme Riesener et Pagnest, asservis à la convention.
De Riesener le portrait de M. Ravrio fabricant de bronzes, au musée du
Louvre, attesterait a lui seul tout le sens de l'individualité qui s'acquérait à regarder
David caractériser sur la toile un être vivant, quel art surtout de saisir le modèle à la
fois dans le volume et le
libre mouvement de sa cor-
pulence! De tous les disciples
du maitre celui-là, dans le
portrait, est le plus étroite-
ment attaché a sa methode;
il ne s'est guère hasardé à
d'autres moyens que ceux
qu'il gardait de sa formation
dans le célèbre atelier; s'il
a une tendance personnelle,
c'est à les alourdir, sans
pour cela maintenir toujours
aux dessous leur riche pléni-
tude, à les vulgariser en
quelque sorte, sans conserver
non plus à la matérialité sa
belle force d'accent.!) Ici
cependant, sous ces teintes
conventionnelles et maus-
sades, sous cet excès, en
vérité, d'indifférence pour les
seductions de la couleur, au
dessous de ces pesanteurs de
facture, que de justesse
i i i lle Zéli INGRE
d'observation! la parfaite Mme Aymon (dite A Di e See? par S (1806)
réalisation que voila du
négociant d'art alliant la vivacité loquace de l'esprit et le discernement de l'homme de
goût! Le critique du Salon au Journal de l’Empire en 1812 soulignait chez
Riesener le «rapport presque toujours bien saisi des habitudes du corps, de l’âge
et de la physionomie»; en effet, comme ce visage replet, aux yeux bleus non sans
1) Du moins apparait-il de la sorte à Carnavalet dans son image de l'actrice Dugazon
âgée, à Versailles dans une série de demi-figures exécutées pour la plupart au temps de la Restau-
ration (retenu qu’il fut de 1816 a 1824 en Russie, dans la société moscovite). Cet aspect souvent
un peu commun de sa facture lui pourrait faire attribuer certains tableaux non signes, et ayant
quelque prétention à la solidité davidienne, tels qu'un portrait de Danton au musée Carnavalet,
celui de Mme Tallien au musée de Douai. m
884 Monatshefte für Kunstwissenschaft
malice, à la bouche lippue mais nullement grossière, s'offre bien en complément a
ce corps opulent mais actif, alerte, rempli d’entrain dans sa rondeur!
La soumission à la réalité du modèle se faisait avec le jeune Pagnest') plus
absolue encore. Elle ne tournait pas pour cela a la froide mesquinerie, elle respirait,
au contraire, comme l'avidité, la passion du vrai. C’etaient moins, en effet, les de-
fectuosites exterieures qui intéressaient ces consciencieux artistes que le dedans physio-
logique; si l'on ne voit pas aux physionomies de leurs portraits affleurer l'âme en
reflet léger, on la sent sourdement s'agiter sous l'opaque enveloppe matérielle; elle y
est unifiée avec le tempérament. Charles Blanc?) a relaté les conditions presque tor-
turantes que le peintre avait imposées et a lui-méme et 4 son modele pour retracer
dans sa rigoureuse exactitude la personnalité de M. de Nanteuil-Lanorville (On sait
quelle cause de tourment était aussi pour Ingres l'exécution d'un portrait!) Son in-
lassable poursuite du serré dans le rendu avait amené Pagnest a une maniere toute
personnelle d’analyser le sujet, laquelle consistait 4 le déchiffrer en quelque sorte mor-
ceau par morceau. «Si le spectateur est placé au point de vue et qu'il ne considere que
le résultat, reconnaissait un critique en face du portrait de M. de Nanteuil, il s'écrie que
c'est une merveille; s’il s'approche pour se rendre compte des moyens, il voit que l'artiste
emploie le plus pénible. Le peintre, en effet, ne procède que par méplats; il exprime
toutes les surfaces par une suite de facettes qui ressemblent à un travail fait à coups
de marteau. La nature, même vue de près, n'offre pas cet aspect d'un polyédre...»
La toile en question est trop haut placée pour que nous puissions la juger par nos
propres yeux, et peut-être d'ailleurs la patine du temps a-t-elle atténué, nivelé sous un
chaleureux émail cet aspect de martélement; mais le portrait du general de Salle, en
cimaise encore, il y a quelque temps, permettait d'apprécier la manière du peintre et
de constater malgré tout une réelle vigueur dans cette minutie. De près, le modelé
du visage et des mains révélait une juxtaposition à l'infini de petites touches dorées
correspondant à autant de saillies minuscules de la forme auxquelles s’accrochait la
lumière, mais ce n'était pas la lumière en soi qui se subdivisait de la sorte, c'était la
forme elle-même; il y avait non préoccupation du dehors mais inquiétude excessive
du dedans, curiosité méticuleuse de dessinateur poursuivant sous l'épiderme jusqu'aux
moindres révélations de l'intime structure.
Pagnest mourut a vingt-neuf ans; voila donc un eleve de David de qui la par-
ticularité de talent, en ayant eu le temps de se révéler des les jeunes années, montre
bien, a l'encontre de l'opinion commune, que la prétendue domination de l'éducateur
n'était pas si comprimante. Si on en voulait une autre preuve, on la trouverait en-
core au Louvre, en mettant en comparaison avec le tableau de Riesener quelque ceuvre
d'un autre disciple, l'effigie, par exemple, du jeune fils du baron Larrey ou celle des
demoiselles Mollien par Rouget: les deux artistes ont bien la solidité d’exécution qui se
gagnait à cultiver le peintre du Marat, mais n'y a t-il pas dans les deux toiles de
Rouget une recherche tout de méme de distinction de facture qui les differencie sen-
?) Il mourut en 1819, à l’âge de vingt neuf ans.
3) Histoire des peintres de toutes les écoles. Ecole francaise, T. III. Appendice.
Prosper Dorbec. Evolution du portrait en France après la Révolution 885
Portrait de M. Rivière, maitre des requêtes, par INGRES (Salon
de 1806) Musée de Louvre
siblement de la peinture de Riesener, quelque chose qui, par exemple, dans l'image des
deux jeunes sœurs, par la polissure du modelé et le raffinement des extrémités rappelle,
mais plus nourrie et plus pleine, la manière de Gérard, quelque chose aussi, dans la
suavité argentée des chairs, dans le doux rayonnement du sourire, qui aurait été em-
pruntée au charme de Prudhon?
Pour faire éclater dans toute la force de leur vertu les solides principes en
vigueur, il restait encore à les dépouiller de ce que, par la coloration, ils trainaient
encore de banal et d’impur. Ce fut l'œuvre du génie opiniâtre d'Ingres, qui en même
temps ne craignit pas de les pousser à leurs plus extrêmes limites.
Le parti pris réaliste de certaines effigies davidiennes, celle d'un marquise
d’Orvilliers, par exemple, reproduite en toute la matérialité de sa belle corpulence,
n'était pas pour intimider le prochain peintre de M™ Rivière; certes, il eût détourné
886 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
les yeux devant la laideur de Mme Morel de Tangry et de ses filles, mais dans la
plupart de ses images de femmes, surtout si l'original y prêtait peu, il ne devait guère
non plus se mettre en peine de spiritualité. Seulement, après le franc goût populaire,
voisin du naturalisme flamand, dont son maitre avait fait montre, il apportait le raffine-
ment d'un esprit à la fois plus ardent et plus tendu, plein de défiance pour la libre
expansion des formes telle que l'avait pratiquée l'art septentrional, plein de dévotion
pour les exemples de force contenue donnés dans les premiers temps de la Renaissance
italienne. Du professeur au disciple, en somme, un troisième artiste s'était interposé,
Gérard, mais le Gérard de la belle époque, antérieur à la trop grande vogue qui fut
préjudiciable à son talent.
L'ancien camarade d’Ingres chez le peintre des Sabines n'avait pas, en effet,
adopté la réaliste massivité de facture de leur éducateur commun; même dans les plus
intimes de ses représentations, celle de l'Orfèvre Auguste au milieu de sa fa-
mille, par exemple, il ne se départait point d'une élégante réserve. Chez lui la
beauté, même voluptueusement assoupie, ainsi qu'elle apparait dans l'effigie de
Mme Récamier, n'offrait rien de cette sorte d'exhalaison sensuelle où le pinceau vo-
lontiers physiologiste de David s'était attaché à baigner les carnations du même mo-
dele, dans la fameuse ébauche du Louvre. Ces divergences de l'élève d'avec le maitre,
cet abätardissement, si l'on veut, de l'art robuste de l'éducateur, n'en comportaient pas
moins une distinction, une intelligence de la mode et de tout ce que nous baptisons
du nom de «modernisme», qui ne furent peut-être pas sans intéresser, à ses débuts
dans le portrait, Ingres plus jeune que Gérard de dix ans. On sait par le vie Dela-
borde le grand cas que le peintre de la Source faisait du tableau de l'Amour et
Psyché. Telle figuration familiale par son condisciple comme Melle de Vindé au
piano à côté de Mme de Vindé, ne s'offrit-elle pas à sa pensée quand il dessina
la petite scène d'intérieur d'après ses amis les Forestier? La pose alanguie de M™ de
Rivière, au Louvre, ne doit-elle rien au souvenir de MMe Récamier par Gérard?
Mais de l'un a l'autre il y eut vite tout l'intervalle que laisse par derrière soi
un régénérateur.
Où la différence entre leurs vocations se marqua bien, ce fut, lors de l'appa-
rition dans l'atelier de David de ceux qu'on appelait les «penseurs» ou «primitifs»,
a l'inégale portée qu'ils attachèrent aux théories «préraphaélites» de ce jeune parti.
L'auteur de l'Amour et Psyche ne leur accorda qu'un sacrifice très passager; au
contraire, Ingres fut de ceux qui y persévérérent, dans la mesure du moins où il
estima qu'elles se justifiaient. La part considérable qu'il prit au salon de 1806!) fut même
comme une occasion pour le public de juger de ces théories dans leur application à la
realite du portrait; outre sa propre figuration, du genre de celle que conserve le musée
de Chantilly, et le Napoleon trônant dont nous avons parlé, le jeune peintre avait
envoyé les trois effigies, réunies aujourd'hui au Louvre, de M. Mme et Melle Rivière.
1) Au Salon de 1802 il avait envoyé un portrait de femme; la Revue du Salon de
l'an X est seule à en avoir fait mention, et encore dans les termes suivants: «Lecteurs, faites-
nous gräce de celui-ci, nous ne savons que dire.»
Prosper Dorbec Evolution du portrait en france apres la Revolution 887
C'était là comme son bilan de portraitiste avant le séjour de Rome, où il venait à
peine de partir quand commença l'exposition. Ces toiles provoquerent un dechaine-
_ ment de critiques comme il n’en nait jamais,
du reste, qu'à propos de talents voués à un
grand avenir. (C'était la rupture hardiment
proclamée avec ce que conservaient de
vétuste et de poncif les procédés de peindre
alors accrédités; fi méme de ces recettes
ressassées et usées de clair-obscur qui feraient
croire que l'art suprême de peindre consiste
à donner au regard la sensation de tourner
autour des formes! des teintes clarifiées au
besoin, un coloris d'apparence inconsistant
jusqu'à la sécheresse, allégé d'ombres jusqu'à
en perdre tout semblant d'enveloppe at-
mosphérique; enfin le visage humain défini
par un trait presque schématique, d'un
rigorisme digne d’Holbein.')
C'est du moins la première impression
quand apparaît Mme Rivière. Mais, à mesure
que l'œil observe le tableau, cette sécheresse
s'atténue, puis arrive a se faire oublier
ou plutôt même admettre pour certaines
La femme du peintre Granger par lui même
O Musée du Louvre
nuances de modele, d'une infinie delicatesse, qu'un clair-obscur eüt peut-étre absorbees.
Par exemple, si sur le front les boucles d’ebene se decoupent avec un désinteressement
1) De ce que dans la majeure partie de ces toiles il avait été fait un emploi prédominant de
tons blancs, la «critique en vaudevilles» (Arlequin au Muséum) en avait tiré matière à couplets:
Ingres a le faire blanc;
Qui, chez lui tout est blanc.
Il vient de peindre l'Empereur en blanc;
On croit voir un fantéme blanc,
Car il a le visage blanc,
Le reste du corps est tout blanc,
Son tröne est blanc;
De loin ce tableau parait si blanc
Qu’on le prend pour le Mt Blanc.
Puis, fidèle au blanc,
Ingres s’est peint en blanc.
La son portrait ressort d’un fond blanc,
Son habit est gris blanc,
Il tient un crayon blanc,
Puis il efface quelque trait blanc
Avec un certain mouchoir blanc.
Mais ce n'est pas là le plus blanc:
Voyez-vous cette femme en blanc (Mme Riviére)
Sur un carreau bleu qu'on croit blanc,
Tant l'œil n’apercoit que du blanc?
Son front est blanc,
Son nez est blanc,
Son col est blanc,
Son corps est blanc,
Son voile est blanc,
Son schall est blanc,
Bref, tout son vétement est blanc.
888 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
excessif de la ressemblance materielle, a cöte, quelle vérité de tiédeur moite aux
tempes, et, dans ce teint olivätre, sur ces flancs mobiles des narines, par tout le mas-
que du visage, quelle curiosite, se poussant jusqu’au realisme, de ce tempérament de
femme en son mol abandon! Car il ne s’agit guère ici d'analyse d'âme; plutôt:
quelle admirable plénitude de contour étend sur les coussins bleutés le bras gauche à
découvert! et cette sorte d'engourdissement fiévreux en lequel semble, jusque par ses
prunelles dont le regard somnole, se complaire le visage halé du modèle, comme on
le devine se propageant sous les étoffes par tous les anneaux déroulés de ce corps
alanguil Ouelques autres femmes peintes par Ingres en ses plus ardentes années nous
sont de même bien moins révélées dans leur intimité de pensée que dans leur naturel
physiologique: songez à la belle Zélie (Mme Aymon, 1806), à Mme de Sénonnes
(vers 1810), lesquelles participent à cette existence d'âme végétale que Paul de Saint
Victor attribuera à l'image de la Source, tant elles ne paraissent vivre que par la
respiration de leur pulpe charneHe, par l'haleine de leur bouche, entr'ouverte à la façon
d'un calice floral; ni l’une ni l’autre cependant n'expriment la sensualité de Mme Rivière.
Encore qu'une telle indolence d'attitude ne fût pas inédite en France dans l'art du
portrait, principalement depuis que, sous Louis XVI, Greuze en avait mis le sensualisme
à la mode, jamais, malgré l'emploi des teintes plus nourries, malgré l'appel aux ombres
évanescentes, on n'en avait rendu à ce point de hardiesse — et de ce ton sévère qui
aggrave encore — la volptueuse animalité.
En poursuivant, au risque de la sécheresse, ce «modele dans le clair» dont, a
deux ou trois ans de là, sa Venus Anadyomène allait réaliser la plus sereine
application, Ingres répondait a cette sorte d’aspiration vers le plein air qui se mani-
festait alors dans les ateliers, Nous avons indiqué combien, a ce point de vue,
apparaît typique le portrait de Melle Riviere; profilant sa marche au dessus d'un
paysage de frais azur, prise dans le frôlement d'une jolie clarté matinale, elle fait
deja penser ä quelque representation moderne de promeneuse au bord de la mer, de
promeneuse de Van Rysselberghe.!)
1) Le Journal de l’Empire parait avoir été le seul à faire mention spéciale de ce
tableau (no 275 au livret) «devant lequel, trouve-t-il, on ne s'arrête pas assez et où les défauts
de Ja manière adoptée par l’auteur sont beaucoup moins sensibles».
Il y eut certainement un artiste pour qui les quaiités inédites de ce portrait ne passèrent
pas inaperçues: Jean Perrin Granger. C'est lui qui, en 1800, avait primé Ingres au concours
pour le prix de Rome; il avait adopté les mêmes principes rétrogrades, subissant les mêmes
blames de la critique, soutenant en un mot le rôle d'un vrai compagnon d'armes. Ingres à
Rome, en 1811, avait reproduit à la mine de plomb ses traits ainsi que ceux de sa femme. Un
de ses tableaux d'histoire les plus remarqués avait été son Berger Cyparisse du Salon de 1817;
le Cyparisse était presque une transposition de la sculpture de Chaudet, et l’Apollon entre les
bras duquel il expirait avait aussi le défaut de trop rappeler la statue du Belvédère, mais les
deux froides figures s’enlevaient sur une magnifique prairie où, sous un ciel transparent et des
nuages aériens, l'air et la lumière circulaient avec liberté dans tout l’espace (Miel, S. de 1817).
Des éloges étaient adressés principalement au portraitiste, encore qu'on lui reprochat sa prédilection,
à l'instar d'Ingres, pour les «gothiques» (Journal de l'Empire, 9. fevrier 1813 — Débats, 11. No-
vembre 1814). Un portrait de jeune fille, conservé au musé de Versailles dans une des salles
consacrées à la famille impériale, signé de son monogramme et daté de 1808, offre certaines simi-
Prosper Dorbec. Evolution du portrait en France apres la Revolution 889
Le peintre Granet par INGRES
D Musée d’Aix
Pour M. Riviere, maitre des requötes, dont le portrait est d’une si supréme
distinction, la rigueur du système s'était quelque peu atténuée. Au lieu de cette
litudes d'exécution avec celui de Melle Rivière et tranche véritablement par la facture sur toutes
les effigies environnantes. Il s'agit là de Charlotte Bonaparte, fille de Lucien et de sa première
femme, cette même Christine Boyer dont l’el&giaque figuration posthume par Gros rafraichit de
ses tons transparents la grande salle du Louvre réservée aux toiles de la Révolution et du Ier Em-
pire. Du stylet qu'elle tient à la main elle a gravé sur une colonne la lettre anglaise L [Lucien],
qui embrasse les premières syllabes des noms de sa mère [Christ...] et de sa belle-mère [Alex ...],
Alexandrine Jouberthou. Elle est à peine âgée de quinze ans, figurée là sans doute à l'occasion
de la tentative qui avait été faite par l'Empereur de l’unir au prince des Asturies. Comme les
portraits peints par Granger, dont la vogue ne se prolongea guère au dela du règne de Louis XVIII,
sont assez rares à rencontrer, celui-là est à ajouter à cette image ambrée de la femme de l'ar-
tiste qui, sous sa coiffure en turban, dans son dessin bien arrêté et sa chaleureuse gamme vé-
nitienne -- d’Ingres par là rappelant la «belle Zelie» — a pris place depuis peu parmi les col-
jections du Louvre (don de Mme Paul Meurice, qui a gratifié en même temps le musée Carnavalet
d'un ferme portrait, tout de noble expression, du peintre par lui-même).
890 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
sorte d'émail où se solidifie le subtil modelé de la femme, c'est avec bien du fon-
dant et du savoureux que le mari allonge son fin sourire. L'homme qui est assis
la est un délicat — comme M. Ravrio, un manieur, un dégustateur de belles choses;
les menus objets étalés sur le tapis de la table — livres et estampes — ne l'indi-
queraient pas, que cela se devinerait rien qu’a son visage, et a la main qui y fait
echo sur le bras du fauteuil. Ces objets rayonnent de l'éclat doux et léger, sont
touchés du pinceau délicat qu'il fallait pour que tout fût en concordance avec lex-
pression de raffinement que dégage la physionomie; c'est même un petit coin du
tableau où se peut constater en passant, en dépit de la facture très rétrograde du reste,
la persistance des brillantes tonalité s qui venaient-d'étre au goùt du siecle précédent.
Quand Ingres, lauréat du prix de Rome depuis 1801, put enfin, après cinq ans,
obtenir du gouvernement son envoi a la villa Médicis, son goût exclusif pour l'archaïsme
ne tint pas longtemps devant la plénitude de maitrise de la Renaissance. Au musée
de Rouen il y apparaît bien au portrait de Mme Aymon, la surnommee la «belle
Zélie», un des premiers qu'il ait peints la-bas, et déjà plus, chaleureux, plus nourri,
plus fondant; au Louvre, la transformation est pleinement manifeste avec les deux
figures, datées de 1811, de M. M. Cordier et Bochet. Celle de M. Cordier — pareille-
ment le Granet du musée d'Aix — rappelle l'énergique ampleur de certaines images
réelles par le Sanzio, comme les Suisses agenouillés de sa Messe de Bolséne; la
dernière constitue même, dans l'œuvre d'Ingres, un de ces morceaux devant lesquels il
est impossible de ne pas lui reconnaitre des qualités de coloriste volontairement discretes.
Le vétement brun, les gants verdatres, sont d'une association délicate que rejoignent,
par dela les blancs crémeux du linge et du gilet et le tiede modelé du visage, les
chaleureuses tonalités des cheveux chatains. Il y a là une certaine union de morbidesse
et d'harmonie étouffée qui est dans le goüt des plus raffinés coloristes. Il est a con-
stater, à ce propos, combien chez Ingres l'éloignement pour ces procédés trop matériels
et trop apparents du pinceau qu'il jugeait indigues de l'art, ne l'empêche pas de traduire
avec fidélité la carnation propre à chacun, mais avec cette mesure qui la maintient
dans son juste rôle et laisse à la forme et aux contours leur valeur de signification.
Il y apporte une diversité de rendu qui manquait certainement à la plupart des autres
portraits dus à l'école de David, dans lesquels presque toujours le même modelé se
trouvait appliqué aux figures.
On est étonné d'ailleurs, si l'on passe en revue tous ces portraits, et surtout si
on les compare, de leur appropriation en toutes choses à chaque caractère. Ce qu'il
y a d'un peu sec, vif et, pour ainsi dire, extérieur dans le coloris de M. Cordier con-
vient à cette figure brune, décidée, à cette main énergique, a cette allure d'homme
d'action; comme le moëlleux, au contraire, la tiédeur, l’intériorité, en quelque sorte,
de l’autre peinture, se concilient en tous points avec le lymphatisme frileux, au
doux regard bleu, de M. Bochet. — A côté d'un naturel paisible comme celui-ci, quelle
vitale ardeur encore ne voila-t-il pas soit librement manifestée dans la figure du pro-
vençal Granet (musée d'Aix), soit concentrée, à l'âge des promesses, dans celle de notre
artiste (musée de Chantilly)! Jugez comme, dans ces deux tableaux, les mises en scène
aussi ont été choisies pour la plus claire évidence du tempérament: si Granet, à Rome,
Prosper Dorbec. Evolution du portrait en France apres la Revolution 891
+ Sege
Mme de Sénonnes par INGRES
O Musée de Nantes
sen va se profilant, son carton a dessins sous le bras, sur une terrasse, au dessus
d'un vaste horizon de toitures, c'est qu'avec sa méridionale franchise, il fallait qu'il fût
évoqué, non à l'intérieur d'une de ces chapelles ombreuses où en quelques rayons il
concentrait la lumière pour en mieux analyser les effets, mais à l'air libre de cette
ville des arts à lui familière en ses moindres recoins, et comme s'il y était rencontré
poursuivant, nourrissant dans sa téte quelque nouveau motif 4 peindre; — si le second
s'est présenté lui-même confine dans la solitude de l'atelier, c'est qu'en s’observant dans
la glace, il a senti qu'à la ténacité empreinte sur ses traits, en même temps qu'à sa
pleine clairvoyance déjà des principes à faire triompher, convenait, dans le demi-jour
le plus retiré, le plus austère tête à tête avec le labeur. — Opposez de même les deux
célèbres figures de Mmes Devauçay et de Sénonnes, peintes durant ce premier séjour
en Italie. Les bras de la premiere qui reposent mais sans alanguissement, sa poitrine
892 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
sans soutien, indifférente à tout artifice, l'absence de tout vain colifichet, laissent se
porter au front et au regard la concentration de l'être; le tableau, malgré sa date
(1809), semble se soumettre encore à une austérité archaique dont s'accommode fort bien
d'ailleurs l'intellectualité d'expression du modèle. — Avec M™e de Sénonnes, Ingres s'est
vu en présence d'une nature plus essentiellement féminine. Remarquez qu'il a, cette fois,
précisé tout un coin d'intérieur, et ainsi étendu au delà de la figure l'intérêt du por-
trait; le reflet pensif qu’ébauche dans la glace la nuque inclinée du modéle accentue
le retirement de cet angle de pièce. C'est qu'il s'agit là d'une de ces plantes de serre
qui ne s’epanouissent que dans la tiédeur des appartements. Par le jeu subtil des
ombres — l'ombre du col en la collerette, l'ombre où la joue estompe son pur ovale,
celle où se dégrade le merveilleux galbe frontal — cette nature, de sensibilité à fleur
d'épiderme, apparaît comme baignant dans sa propre essence. Rien, en ce modèle
féminin, n’est étranger au domaine de la femme; c'est une figure de femme dans une
émanation de choses féminines: tiédeur de chairs olivâtres, allongement voluptueux de
lignes, exquise futilité de joyaux, de rubans, de dentelles, yeux qui n'expriment rien
que la suavité naturelle à l'être, mains d'inaction, en ce monde n'ayant rien qu'à
s'orner de bijoux, quelque chose enfin de cette indolence des orientales dont les
attitudes déroulées plaisaient à l'instinct musical de ce peintre d’Odalisques. Ainsi
retirée, en son coin d'appartement, dans un vague qui semble sans pensée, M™ de
Sénonnes fait songer à ces Femmes d'Alger dans leur intérieur, le plus «rare
bouquet de couleurs», comme les qualifiait Baudelaire, que le libre tempérament devait
opposer au tempérament discipliné. L'artiste, en même temps, est entré plus au vif
de la «modernité» qu'en aucun de ses portraits de femmes antérieurs, et l'enquête
physiologique, si elle est plus délicate et d'un goût plus rare qu'elle ne le fut encore,
n'y a pas introduit une moindre saveur de réalisme que dans celui de M™* Riviere.
Mais Raphaël est venu là faire prédominer la haute leçon de sa plastique.
Une telle probité de facture, un sens a ce point épuré, un si exemplaire carac-
tere d'art sur une simple effigie d'obscure bourgeoise montrent bien à sa perfection
tout ce que, dans ses efforts à élever au style la figure d'un portrait, rêvait d'atteindre
la sévère conscience d'un peintre du 1°" Empire.
Avez-vous bien noté que pourtant rien n'a été exprimé la que la plus
concrète et visible réalité’ Un primitif ne se fat pas moins mis en peine de compli-
cation expressive.
Il n'y a que pour Prudhon que l'énigme de l’äme semble alors se poser. La
vie intérieure est accessible par des voies trop indirectes. Quant au Vinci, si Gérard,
Girodet, Ingres même lui ont pour plus d'un jeune visage emprunté l'infini dégradé
de ses sourires, Prudhon est le seul qui se soit soucié de pénétrer aux profondeurs
melodiques du maitre toscan. Jamais les portraitistes de l'époque impériale ne quittent
leur pondération et leur trop raisonneuse sagesse. Ainsi, il est une pose où ils pré-
sentent volontiers la beauté, c'est celle de la détente et de l’abandon; mais ils ne
s'attachent ou au déroulement de lignes plastiques qu'une telle attitude procure, ils n'y
cherchent pas une attitude d'âme. De même, le goût en vient-il d'Outre-Mandie? on
se plait alors en France a offrir les modeles dans le cadre de la nature, mais combien
Prosper Dorbec. Evolution du portrait en France apres la Revolution 895
les formes nettes dont elle les environne ne demeurent-elles pas étrangères à eux,
dénuées d’accent, simple décor où l'être figuré se présente sans echo! — Et comment
nos artistes d’alors, si soucieux d’exactitude et de précision, pourraient-ils d’autre facon
l'entendre? L'individu, par cela même qu'il cède au concert des choses, ne diminue-
t-il pas d'autant son relief?
Aussi, de leur temps, à une sensibilité du lendemain comme celle de Prudhon
qui, interrogeant l'âme de ses modèles, fait souvent répondre la sentimentalité rêveuse
et déjà toute romantique de la sienne, les voit-on opposer un esprit fermement, lucide-
ment classique, la méfiance, au détriment de toute spontanéité, de ce qui ne provient
que de l'impression, l'absolue pratique en art de l'impersonnalité de l'artisan. Ils font
usage d'une langue asservie à la tradition, méthodique, sans couleur, mais sans mollesse
et qui sent même son vigoureux cru; si elle est dépourvue d’allegement poétique, elle
le rachète par une prosodie concise et frappée de forte façon. Et renouvelée, re-
trempée par Ingres aux pures sources, elle arrive alors, comme dans le portrait de
M. Rivière, à la saveur la plus délectable.
F
Bürger-Thore ’)
Von Hermann Uhde-Bernays
Die stolze Gemeinsamkeit, welche bei der Beurteilung von Fragen des künst-
lerischen Fortschritts in Frankreich von jeher den Künstler mit dem Kritiker verband,
der dann wiederum als ein willkommener Herold vor einem verständnisvoll vor-
gebildeten und anregungsfähigen Publikum zu Worte kam, konnte die Kunstkritik bei
den Franzosen zu einer ebenbürtigen Stellung erheben, die ihr bei anderen schwer-
blütigen Völkern vielleiht nur durch das Fehlen der notwendigen Voraussetzungen
einer ästhetisch-natürlihen, auf Selbständigkeit hinarbeitenden und, man darf wohl
sagen, dem Gebildeten selbstverständlichen Erziehung zu erreichen verwehrt war. Und
so war diese Erziehung in der Gleichmäßigkeit ihrer Verbreitung die Grundlage einer
Kultur, die trotz ihres Sdiwergewichts nach der rein literarischen Seite hin von unserer
heutigen angeblichen allgemeinen Bildung sehr weit entfernt ist. Während bei uns einstens
Lessing und Winckelmann als exakte Theoretiker das Konkret-Künstlerisch-Persönliche
hinter dem Abstrakt-Wissenschaftlich-Allgemeinen zurücktreten ließen, gab Diderot,
ohne den Reiz einer eleganten Wissenschaftlichkeit abzuweisen, in seinen Salons die
ersten subjektiven Urteile über Kunstwerke, die unmittelbar von der Leinwand zum
Auge und zum Verstehen des Publikums überleiteten. Der kritische bon sens, bei
Voltaire nach der negierenden Seite am stärksten ausgebildet, erfaßte glücklich die
Verbindung der Begriffe, die der Franzose mit esprit und charme bezeichnet, die Paten
der schriftstellerischen Betätigung, für die uns der Name Essay geläufig ist. Fast alles
Bedeutende, was französische Kritiker von Diderot bis zu Taine über bildende Kunst
zu sagen hatten, umkleideten sie mit diesem schillernden, gefährlichen Zaubermantel.
Selbst in ihren großen Werken konnten sie, wie so manche ihrer gelehrten Landsleute, der
verführenden Lockung, ihn anzulegen nur ungern widerstehen, und die schmeichelnde
Diktion der französischen Stilistik tat das ihrige dazu, um in unseren Augen sogleich
den oftmals berechtigten Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit zu begründen. Sobald es
sic dabei handelte, die Qualitäten eines Kunstwerks weniger mit der Wertung des Kunst-
historikers als mit der Kenntnis des technisch sicheren Kunstfreundes auszulegen, versagte
nun mehrfach jenes mitempfindende Einverständnis zwischen Kritiker und Künstler. Seit-
dem über bildende Kunst geschrieben wird, hat Übereifer nicht selten weit mehr gefunden,
als der Künstler selbst wünschte, und hier liegt der Grund, warum allenthalben die meisten
Künstler die Kritik gering einschätzen. In Deutschland hat leider die Gegenwart, vor
allem bei der Tagespresse, eine kunstkritische Betrachtungsweise groß werden lassen,
deren Einseitigkeit und Unwissenheit freilidi kaum Schaden anrichtet, deren grob-
spuriges Auftreten aber doch zu ernster Abwehr mahnt. Darum können diejenigen,
die dem Niedergang der künstlerischen Kritik in Deutschland bekümmert zusehen, nichts
1) W. Bürgers Kunstkritik. Deutsche Bearbeitung von A. Sdimarsow und B. Klemm.
L Neue Bestrebungen der Kunst. — Landschaftsmalerei. Leipzig 1908. Verlag von Klinkhardt
und Biermann.
H Uhde-Bernays. Bürger-Thoré 895:
sehnliher wünschen, als daß durch klassische Beispiele der Glaube an das Vor-
handensein echter kritisch und künstlerisch gleichzeitig begabter Persönlichkeiten gestärkt
werde, daß diese Muster aber auch anregend und aneifernd unserem Urteil höhere
Gesetze geben möchten. Schmarsow und Klemm haben nun aus den Studien Théophile
Thorés oder W. Bürgers (wie er sich pseudonym nannte) nach kunstgeschichtlichen
Gesichtspunkten eine verständnisvolle Auswahl getroffen und zunächst in einem kleinen.
Bande, dem noch zwei weitere folgen werden, den Aufsatz über die neuen Bestrebungen
der Kunst mit einer Reihe von Randbemerkungen vereinigt, die der fortschrittlichste.
und scharfsichtigste Beurteiler der gleichzeitigen bildenden Kunst zu den Salons von:
1844—1847 und von 1861--1868 gemacht hat. Durch die Übersetzung hat die
Prägnanz, die dem Original eigen ist, kaum verloren, und die schwierige Erreichbarkeit
der französischen Gesamtausgabe gibt auch einen äußerlichen Grund für das Erscheinen
einer deutschen Ausgabe ab. Das Gesamtwerk darf auf beifällige Zustimmung der
Fachgenossen, die sich mit der Geschichte der französischen Malerei in jener bedeut-
samen Übergangszeit beschäftigen, ebenso rechnen wie auf eine ausgiebige Benutzung
in der Hand Belehrung wünschender Kunstfreunde, vor allem solcher, die bei einem.
längerem Aufenthalt in Paris ernstlidi in den Gehalt und den Stil der neuen:
französischen Kunst einzudringen die Absicht haben. Denn die vorhin erwähnte
Knappheit der Ausführungen Bürgers gibt seinen Schriften einen persönlich-eigenen.
Charakter, der die Bezeichnung als Nachschlagebuch im besten und im vornehmsten
Sinne, wie bestimmte Stellen in Jakob Burckhardts Cicerone es gleichfalls sind.
rechtfertigt. Bürger-Thore steht in der Art seiner Kritik auch in Frankreich isoliert
da. Nur Künstler selbst haben sich gelegentlich so geäußert wie er, der Engländer
Stevenson, bei uns Max Liebermann. Waren Diderot, der Weltklug-Unnahbare,
oder Stendhal, der Biegsam-Überschwengliche, in dem oben angeführten Sinn mehr
literarish beobachtend veranlagt als künstlerisch mitempfindend, Bürger läßt bei der
entschiedenen Wahrung der eigenen persönlichen Anschauung dem Künstler selbst.
das erste und letzte Wort, indem er, einem Ausspruch Feuerbachs entsprechend,
ein Bild, das ihm nach einer. Stunde nichts gesagt hat, anderen Tages wieder
aufsuchen geht. Das erkennen wir nicht etwa bei der Behandlung des vielgeliebten
und doch zu hoch eingeschätzten Théodore Rousseau, dessen Anleitung Bürger die
Steigerung seines Verständnisses für die Malerei dankte, sondern am deutlichsten
bei den Urteilen über Corot, dessen aufsteigendes Meistertum der Kritiker mit einer
wachsenden Zustimmung betrachtet, bei Troyon, dem erst zuletzt unbedingtes Vertrauen
geschenkt wird, oder Daubigny. Erst nach und nach mildern sich die auszusprechenden
Vorwürfe. Begabt mit einer heiligen, dichterisch begeistert sidi äußernden Liebe zur
Natur, in deren tiefe Brust ihm wirklich wie in den Busen eines Freundes zu schauen
vergönnt ist, vermag der Kritiker Bürger mit dem Auge des Malers zu sehen,
das sich vollsaugt mit flüssigem Licht, das dieses nämliche Licht auf der Leinwand
wiederzufinden bestrebt ist. Ihm erscheint das ganze Weltall eingetaucht in Licht und
Schatten, in die Luft, und man denkt bei seiner empfindungsvollen Apostrophe, die
das ideale Dogma seiner kritishen Wünsche enthält, an die mystischen Sätze, die
Segantini niedergeschrieben hat. In dieser Stimmung, voller Natürlichkeit und Natur-
896 Monatshefte für Kunstwissenschaft
lust, betritt Bürger die Salons, und indem er sich abwendet von theatralischen Ver-
besserungen der Natur (Calame), begrüßt er die Meister, die „den farbigen Abglanz des
Lebens“ ihm vor die weitgeöffneten Augen stellen, Rousseau, Dupre, Diaz, mit besonderer
Wärme den bescheidenen, heute noch wenig beachteten Chintreuil, den jugendlichen Claude
Monet. Die Sicherheit, die ihm inne war, können wir ihm nach einem halben Jahrhundert
nur bewundernd bestätigen. Die von ihm gefeierten Namen sind ooch heute hodh-
gepriesen, und die Gedanken, die ihm aufstiegen z. B. über den unvergänglichen Ruhm
des Delacroix, haben sich in der Folgezeit verwirklicht. Ja, die seltsame Ahnungskraft
dieses Mannes ließe sidi noch eigenartiger auslegen, wenn wir die folgende Stelle
auf Gauguin beziehen wollen: „Wenn ich einen Maler zum Sohn hätte, würde ic
ihn recht weit wegschicken, ins Neuland, damit er sich die Natur und die Menschheit
mit eigenen Augen ansähe.“ — Immer wieder erhebt sich mit Rousseauscher Gleidh-
mäßigkeit der Ruf nach der Natur, und in dem Aufsatz über die neuen Bestrebungen
in der Kunst, der gleichzeitig den bewunderten Holländern Dank sagt, gipfelt die
Auseinandersetzung in einem emphatisch herausgeholten: „Liebe Künstler, wendet Euch
zur Natur .... das Suchen nach einem Typus in der Kunst ist absurd. Die Kunst
ist unaufhörlih und unbestimmt wandelbar und vervollkommnungsfähig wie alle
AuBerungen des Menschen .. “ Merkwürdig, daB gerade in dem Jahrzehnt, in dem
der große französische Kritiker die Herrschaft des Schemas in der bildenden Kunst
absetzte, mit ähnlichen Worten der Reformator des musikalischen Denkens in Deutsc-
land seinen Forderungen Gehör schaffen wollte, daß Richard Wagner in seinen
Schriften gegen die Macht des Typischen in der musikalischen Kunst energisch und
siegreich auftrat Was aber in Deutschland nur als eines Einzigen vielumstrittene
Überzeugung sich verkündete, war in Frankreich doch schon der verhaltene Wunsch
eines großen Kreises, dem Bürger-Thore wunderlicher Weise nicht angehörte, der
Getreuen um Eugene Delacroix. Und für die Abkehr von dem klassischen Kothurn
im Drama (das Bürger-Thore im erwähnten Aufsatz einbezieht, der seine Thesen auf
„Kunst“ im weitesten Sinne anwendet) hatte Victor Hugo schon 1827 in der partei-
lichen Vorrede gehandelt, die er seiner Tragödie Cromwell vorauszuschicken für gut
befand: „la nature donc! La nature est la vérité! ... La nature et l'art sont deux
choses, sans quoi l'une ou l'autre n’existerait pas ... le drame est un miroir où se
réfléchit la nature ... Toute époque a ses idées propres, il faut qu'elle ait aussi
les mots propres à ces idées . . . .“
Bürger-Thoré verbindet also mit seiner treuen Liebe für die Schönheit der
Natur, die nur dem glücklichen Idealisten verliehen ist, den Blick für das Echte und
Bleibende des künstlerischen Wesens. Die anregenden Bemerkungen, die er macht,
trägt er mit einer ruhigen Klarheit und einer selbstverständlichen Bescheidenheit vor,
die mit der Naivetät des wirklich hervorragenden Mannes Widerspruc für unbegreiflich
halt. Mehrfach, wie bei Dürer und Kant, wie in Goethes Farbenlehre, kehrt das
stolze „ganz einfach“ wieder, das dennoch einen ganz versteckten, unbestimmten
.Zweifel an das Mitgehen des Lesers birgt. Bürger ist sicherli kein Essayist wie die
übrigen seiner Landsleute, die sich als Kritiker mit ihm messen dürfen. Er schreibt
eher Randglossen und momentane Apercus, gibt kurze Notizen, die nur für das
H. Uhde-Bernays. Bürger-Thore 897
Abendfeuilleton bestimmt scheinen, und doch in ihrer Richtigkeit die Zeiten überdauern,
umreißt scharfe Silhouetten, die den nächsten Morgen nicht schauen sollen und die
trotzdem ein Leben haben über menschliche Grenzen hinaus. Der Begriff des Feuilletons
in dem herabwürdigenden Sinne, den wir ihm geben, fehlt der vornehmen Sachlichkeit
seines Stils durchaus, der weder mit der Geistreichelei oder Phrasen sich behängt,
nodi mit den Wünschen des Publikums liebäugelt oder auf überraschende Schluß-
effekte hinarbeitet. Dem deutschen Leser wird eine Seite des Kritikers Bürger vielleicht
seltsam oder gemacht erscheinen, die aber bei seiner angeborenen Feindschaft gegen
Klassizität unbedingt zu seiner Persönlichkeit gehört, die häufigen Angriffe gegen
Rom und Italien: „Es ist nicht gut, nach Rom zu gehen . . . Delacroix würde, wenn
er nach Italien gegangen wäre, als Narr gestorben sein . . .“ Wie viel Wahrheit
stecht doch in diesen Worten! Es gehörte ein großer Mut dazu, gegenüber der
selbstgefalligen Heuchelei, die schon damals mit der schwärmerischen Anbetung Italiens
Pose stand, offen eine gegenteilige Meinung zu bekennen. Wird denn nicht heute
gerade in Rom noch der Mann, der, statt andächtig und gedankenlos nachzuplappern,
wie der Pierre Froment Zolas den grauenvollen Verfall in der Gegenwart und die
Unwahrheit und Niichternheit des Gesamteindrucks im Vergleich mit der Vorstellung
in der Phantasie beklagt, in Grund und Boden verdammt! Diese Wahrheitsliebe
Biirger-Thorés gibt seiner Persönlichkeit als Kritiker eine menschlich-sympathische Stellung.
Man kann seiner schriftstellerischen Eigenart kein größeres Lob zollen als mit der
Behauptung, daß er die Vorwürfe gegenstandslos macht, die Merimee, allerdings
direkt auf Stendhal deutend, im Jahre 1850 über die französische Art Kritik zu üben
ausgesprochen hat: „Il (Stendhal) apprecie les maitres avec les idees francaises,
c'est-à-dire en point de vue littéraire .... c’est encore la façon de juger en France
ou l'on n'a ni le sentiment de la forme ni un goût inne pour la couleur . . .“
Über Kelsterbacher Porzellanfiguren
Von Edmund Wilhelm Braun-Troppau
Die Begründung der hessischen Fabrik zu Kelsterbach!) erfolgte durch das land-
gräflihe Privileg von 1758 an den Hofjäger Wilhelm Cron und dessen Schwager, den
Porzellanfabrikanten Joh. Christian Frede, dem im Verein mit seinem zweiten Schwager
Kaspar Maintz im Jahre 1760 ein neues Privilegium erteilt wurde. Man fabrizierte
nebeneinander Porzellan und Fayence. 1769 wurde nach Drach die Porzellanfabrikation
eingestellt und erst 1789 durch Lay wieder aufgenommen. Bisher kannte die Literatur
nur wenige Kelsterbacher Porzellane. Drach führt einige wenige an und auf der
Auktion Habich in Kassel wurde eine unbemalte Figur an das Germanische National-
museum in Nürnberg verkauft.
Und doch gibt es eine Reihe von wirklich guten Kelsterbacher Porzellanfiguren
und Gruppen, die allerdings, von wenigen einzelnen Ausnahmen abgesehen, nur an zwei
Stellen vereint zu studieren sind, in dem großherzoglich badischen Schlößchen Favorite
bei Rastatt und in der Porzellansammlung des Großherzogs von Hessen zu Darmstadt.
l Für die Porzellanfiguren, was die Modellierung derselben betrifft, kommt wohl
nur die erste Periode der Fabrik (1758—1769) in Betracht, obwohl natūrlih auch in
der zweiten Epoche aus den alten Formen ausgeformt worden sein kann. Nach Drach
gab es in dieser Zeit die Bossier Vogelmann, Freybott,Christian Fernauh und Antonius
Seefried. Letzterer wird 1769 genannt als der ,unvergleichliche“. Er hat 55 Formen
geliefert, Vogelmann „e reliqui deren 75 und Freybott nur eine. Wir müssen also
annehmen, daß Freybott hauptsächlich damit beschäftigt war, die ausgeformten Stücke
zu bossieren und mit der Änfertigung neuer Modelle fast nichts zu tun hatte. Fernauhs
Tätigkeit wird auch als geringwertig geschildert. Das jetzt vorhandene Material von
Kelsterbacher Plastik ist also aufzuteilen unter Seefried, Vogelmann & reliqui.“
Die Vorbilder, nach denen modelliert wurde oder die zur Anregung dienten,
waren, wie aus dem Inventar von 1769 hervorgeht, Kupferstiche, sowie eine „sächsische
Schäfergruppe aus dem Kabinett,“ „eine Frankenthaler staffierte Chinesische“ und
„eine hübsche dito aus dem fürstlichen Kabinett“, die wohl als Muster geliehen worden
waren.
Das bereits erwähnte Inventarium von 1769 berichtet von einer recht regen
plastischen Tätigkeit. Gegen dreißig Figuren in Gruppen und allerhand „Galanterien“
wie man in Meißen die Tabatieren, Stockgriffe etc. nannte, erscheinen aufgezählt. Direkt
kopiert nach einem Frankenthaler Modell ist eine Biskuitgruppe in dem Zähringer-
museum zu Karlsruhe, darstellend zwei Jäger, nach der Jagd sich ausruhend und trin-
kend, begleitet von einem Mohr, der knieend dem einen der Kavaliere die Stiefel aus-
1) A. v. Drach. Die Porzellan- und Fayencefabrik zu Kelsterbadı am Main. Bayr. Ge-
werbezeitung 1891, S. 481 ff. Dieser Aufsatz ergänzt die beiden früheren Aufsätze desselben Ver-
fassers in der Deutschen Töpferzeitung und im Kunstgewerbeblatt II, S. 30 ff. Die Akten der
Fabrik im GroBh. Hof- und Staatsarchiv zu Darmstadt.
E. W. Braun. Uber Kelsterbacher Porzellanfiguren 899
zieht. Eingepresst ist die Marke HD unter
der Krone, eingeritzt ein Formerzeichen G.
Das Frankenthaler Vorbild zu dieser Kelster-
bacher Gruppe besitzt z. B. Dr. Adolf List
in Magdeburg.
Nach einem MeiBener Modell ist der
prächtige deutsche Hanswurst modelliert
(Abb. 1), an einen Baumstamm vorgebeugt
angelehnt, und den Hut gesenkt haltend,
als ob er .einen Gegenstand auffangen
wollte. Es haben sidı meines Wissens
drei Exemplare dieser Figur erhalten, in
der Darmstädter Sammlung (Abb.), im
Hamburger Kunstgewerbemuseum, und in
der Franks-Kollektion des Bethuel Green-
Museums zu London. (Franks Catalogue 213.).
In London und Darmstadt ist er bemalt,
in Hamburg unbemalt. Die Marke ist
wiederum das gekrönte HD, aber blau
unter Glasur.
Eine dritte Marke, gleichfalls blau
Abb. 1. Bemalte Kelsterbacher Porzellanfigur
eines Hanswurstes D
Großherzogl. Porzellansammlung Darmstadt
unter der Glasur und gekrönt, aber in
Form eines verschlungenen Monogramms,
wobei die Buchstaben HD nicht in Antiqua,
sondern in Schreibschrift gemalt sind, zeigt
die Figur des „Cupido auf Bock“, wie
ihn das Inventar von 1769 für den Preis
von 3 fl. anführt Ein Exemplar besitzt
die Darmstädter Sammlung, ein zweites
(Abb. 2) war bei Frau Dr. Spitzner in
Dresden, der Witwe des bekannten Por-
zellansammlers. Beide sind bemalt. Genau
zu datieren ist auch die Gruppe eines
Türken, der ein Pferd am Zaume führt.
Sie ist in der Großh. Hessishen Sammlung
(Abb. 3). Der Kabinettskassierer Pfaff, der
Leiter der Kelsterbacher Fabrik während
Abb. 2. Bemalte Kelsterbacher, Porzellanfigur
Se „Cupido auf Bock“ O , i i
Sammlung Dr. Spitzner, Dresden ihrer ersten Periode, schreibt an den
59
900 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Abb. 3. Unbemalte Kelsterbacher Porzellanfigur: Türke mit Pferd
O Großherzogl. Porzellansammlung, Darmstadt
Staatsminister!): „Noch in denen kurtzletzten Lebens-Tagen unseres Hochsel. Herrn
(Landgraf Ludwig VIII, + 17. Oktober 1768) hatte ich die hohe Gnade, einen Engel-
länder unterthänigst zu übergeben, der von einem Türcken an der Hand geführt wird.
Der Türcke ist 6 Zoll hoch und das Pferd proportionirt mit seinem Führer; es
geht in stoltzem Schritt, ohngesattelt zwar, doch gezäumt und gegürtet, mit auf-
geschlaifften Zügeln, und zierlich eingeflochtenen Mähnen. Ein Stück Arbeit, woran
sich die Beschaffenheit meiner Masse und Glasur sowohl, als der Griffel des Künstlers
gar eigentlich erkennen lässet. Wollte Gott! ih könnte es so hinwünschen, oder es
1) Bayr. Gewerbeztg., 1891. S. 493.
E. W. Braun. Uber Kelsterbacher Porzellanfiguren 901
Abb. 4. Unbemalte Kelsterbacher Porzellan- Abb. 5. Kelsterbacher Porzellanfigur einer
figur der Diana O die Laute spielenden Dame D
GroBherzogl. Porzellansammlung Darmstadt O German, Museum, Niirnberg
ware dem Verbrechen (= Zerbrechen) so wenig ausgesetzt, als dieses mein Schreiben!
So aber ist zu befürchten, die Last des Körpers des Pferdes werde die beyde feine
Schenkel, worauf es alleine befestigt ist, bey dem geringsten Stoss in den Fahren
abprellen. Nur vorsichtig getragen, könnte es übergebracht werden“.
Mag dasLob des damaligen Direktors auch etwas übertrieben sein, jedenfalls haben
wir aber eine respektable Leistung vor uns, die den Modelleur als einen mit Material
und Technik vertrauten Mann erweist. Weniger rühmlich steht es mit der Originalität
des Bildhauers, der von einem Meißener Modell stark beeinflußt worden ist. Aber es
ist ja ein auBerordentlih großer Prozentsatz der deutschen Porzellanfiguren nach frem-
den Vorbildern, zumeist Stichen, modelliert worden.
Gleichfalls erwähnt ist im Inventar von 1769 die Figur einer Diana (Abb. 4)
der Darmstädter Sammlung. Am Sockel hat sie Jagdhunde und ein Wildschwein,
der rechte Arm mit dem Szepter in der Hand stützt sich auf eine Fürstenkrone,
902 Monatshefte für Kunstwissenschaft
die eine Kartusche mit dem Spiegelmonogram L des
1768 verstorbenen Landgrafen Ludwig bekrönt. Somit
ist diese Figur auch vor 1768 modelliert worden.
Haben die bisher aufgezählten Figuren wenig
verwandten Zusammenhang, sondern mehr vereinzelte
Arbeiten, so gibt es anderseits eine ganze Anzahl von
Figuren und Gruppen, deren Zusammengehörigkeit
evident ist und deren Modelle ein und derselbe
Modelleur geschaffen hat.
Es gibt bekanntlih eine ganze Serie von
Nymphenburger Figu-
ren aus dem vornehmen
gesellschaftlichenLeben,
die künstlerisch zu dem
Besten gehören, was
die deutsche Porzellan-
plastik des XVII. Jahr-
hunderts geschaffen hat.
Man hat die frühen
dem Modelleur Auliczck
zugesdirieben, bis Otto
von Falke im Fiihrer
des Kölner Kunstgewer-
bemuseums auf Bastelli
als den mutmaßlichen
Abb. 6. Kelsterbacher Porzellan- Autor hinwies.
figur eines Kos o Der hohe künst-
Großhzgl. Porzellansammig. lerishe Reiz und die
= Darmstadt hinreiBende Lebendig-
keit dieser Nymphenburger Figuren machte schon kurz
nach ihrer Entstehung großen Eindruck. In Kelsterbach
kopierte man eine Reihe der Nymphenburger Modelle
dieser Art und auch in Frankenthal wurde die beim
Fußbade von einem Herrn überwachte Dame’) kopiert.
Diese Frankenthaler Kopie trägt die blaue Löwenmarke
unter der Glasur (also um 1760) und ist bemalt. Sie
gehörte 1906 dem Kunsthändler Salomon in Dresden.
Übrigens bietet sie auch einen terminus ad quem für
') Bemalt bei Dr. Darmstädter Berlin (Berl. Kat. app 7. Kelsterbacher Porzellan-
Nr. 979.) Zwei Exemplare bei Hirth (Nr. 230/1; abgeb.
ebenda.) Die Frankenthaler Kopie, die um 2 cm größer ist Flasche und Tasse Db
als das Vorbild trägt auf dem Brunnenpostament statt des Großhzgl. Porzellansammig.
Amors zwei Tauben. oO Darmstadt
figur einer Dame mit
E. W. Braun. Uber Kelsterbacher Porzellanfiguren 903
die Entstehungszeit des Modells in Nymphenburg, denn da dieses bereits um 1760 in
Frankenthal kopiert wurde, dirfen wir die letzten Jahre des fiinften Jahrzehntes als
Entstehungszeit in Neudeck annehmen. Schon aus zeitlihen Gründen muß übrigens
Auliczck als Modelleur für die große zusammengehörige Gruppe von den obenerwähnten
Typen abgelehnt werden, denn er war damals, als
diese entstanden, noch in Rom und trat erst 1762 in
die Fabrik ein. Und die Modelle, um die es sich
handelt, sind vor diesem Zeitpunkt entstanden. Die
Frankenthaler Kopie ist nun, trotzdem sie das ganze
Sujet des Vorbildes sklavisch kopiert, immerhin eine
Arbeit, die als Frankenthaler Produkt zu erkennen ist.
Die Proportionen der Gestalten, einige Details usw. sind
verändert, kurz eine gewisse Individualität hat diese
Kopie. Der Modelleur aber, der die Kelsterbacher
Modelle so sklavisch genau nach den Nymphenburgern
geschaffen, hat, so muß man schließen, entweder gar
keine Individualität oder — eine große, d. h. er ist
dann identisch mit dem Nymphenburger. Letztere An-
nahme ist allerdings so gut wie ausgeschlossen, wenn
man eine genaue stilistische Durchvergleichung der
Nymphenburger und Kelsterbacher Stücke vornimmt.
Wir kommen darauf zurück. Die Akten der Nymphen-
burger Fabrik, die noch Nagler benutzt hat, sind an-
geblich zum Teil jetzt unauffindbar, archivalische Studien
über die Nymphenburger Fabrik hat man systematisch
noch nicht gemacht. Was ich an einschlägigen Akten
in München durchgesehen habe, ist lückenhaft und
enthält nichts von Belang zu unserer Frage. Die Mög-
lichkeit ist aber vorhanden, daß die Nymphenburger
Akten uns einmal mitteilen, Antonius Seefried, der
„unvergleidilihe Bossierer“ zu Kelsterbah war in
Nymphenburg, in der nächsten Umgebung und beein-
flut vom Schöpfer der prächtigen hocheingeschätzten
Modelle, als den wir in diesem Falle wieder den Italiener
Bastelli, Auliczcks Vorläufer anzusehen haben. Übrigens
sollte man die von Nagler!) gegebene Mitteilung auch
Abb.8. Kelsterbacher Porzellan-
figur einer Frau mit
Gemüse a
Großhzgl. Porzellansammlg.
D Darmstadt
einmal nachprüfen, daß zuerst in der bayrischen Hof-Fabrik kein Modellmeister angestellt
wurde, sondern daß der Graf von Haimhausen vom kursächsischen Hofmodellmeister
Andreas Gärtner „einem der größten Baumeister seiner Zeit“, mehrere Modelle anfertigen
ließ, „um nach dem neuesten Geschmack zu arbeiten“.
Otto von Falke, der zuerst auf Bastelli hingewiesen hat, war es auch, der
1) Bayerische Annalen 1834. S. 833.
904 Monatshefte für Kunstwissenschaft
den stilistischen Einklang der Nymphenburger und Kelsterbacher Modelle betont hat.')
Vergleicht man sorgfältig die Kelsterbacher Modelle mit ihren Vorbildern, den Nymphen-
burgern, so entsteht eine künstlerische Divergenz. Temperamentsunterschiede werden klar,
der sprühende Geist, die lebensvolle Kraft der letzteren sind bedeutend modifiziert, näm-
lich abgeshwächit. Die Bewegungen sind etwas lahmer, gebundener, auch die Pro-
portionen sind verschiedene, sie sind gedrungener, breiter. Somit charakterisiert sich der
Modelleur von Kelsterbach, wohl Seefried, als ein geschickter Nachempfinder eines anderen
großen Kunst, der aber Kraft genug
besitzt, in der einmals angenommenen
Weise, in die er sich hineingelebt hat,
selbständig zu schaffen. Denn neben
Kopien nach Nymphenburger Vorbildern
gibt es von ihm Modelle, die er selbst
ganz frei erfunden oder nach Stichen,
Zeichnungen usw. modelliert, also aus
der zweidimensionalen Fläche in die
Rundplastik transponiert hat. Die reiz-
volle Nymphenburger Gruppe des bereits
besprochenen von einem Herrn beim
Waschen belauschten Mädchens findet
sih in Kelsterbacher Kopie im Darm-
städter Schloß und in Favorite, ebendort
sind auch in zwei Figuren die Kopien
nach der Nymphenburger Gruppe, eine
junge Dame, die auf einem Hackbrett
spielend, ihren schlafenden Geliebten auf-
weckt. Die hübsche, Laute spielende,
sitzende Dame des Germanischen Mu-
seums (Abb. 5), die aus der Sammlung
Abb. 9. Kelsterbacher Porzellanfigur einer Dame, Habich stammt und als ,Zitterspiehlerin“
die vor einer Schlange zuriickschreckt : : ; i
O Großherzogl. Porzellansammlung Darmstadt in den Akten verzeichnet wird, ist
gleichfalls eineKopie nach einer Nymphen-
burger Figur, von der ein Exemplar im Kölner Kunstgewerbemuseum steht. Bisher
noch nicht nachgewiesen sind etwaige Nymphenburger Vorbilder also wohl Original-
arbeiten des Kelsterbacher Modelleurs für zwei Figuren, eines stehenden, das Gewehr
ladenden Jägers und mit seinem, ein Rebhuhn apportierenden Hunde und einer stehenden
Jägerin mit Gewehr im linken Arm, die einen zu ihr aufspringenden Hund streichelt
(beide Favorite), ferner die Gruppe des Kölner Museums, die Falke a. a. O. abbildet
und die eine stehende junge Dame mit sitzendem Amor bei einem Blumenkorb zeigt,
endlich die hier abgebildeten Einzelfiguren aus dem Darmstädter Schlosse, ein Koc, ein
1) XV. Jahresbericht f. d. Jahr 1905 d. Kölnischen Kunstgewerbevereins und Kunstgewerbe-
museums. S. 14f.
E. W. Braun. Uber Kelsterbacher Porzellanfiguren 905
Rebhuhn in der herabhängenden Linken (Abb. 6), eine Dame mit Hut, Flasche in der
Rechten und Teller in der Rechten (Abb. 7) und die Frau mit Gemiise im linken Arm
(Abb. 8), endlich die vor einem Korb mit Früchten, aus der eine Schlange plötzlich auf-
taucht, ras zurückfahrende Dame (Abb. 9); allerdings ist letztere Figur in deutlicher
Anlehung an die amüsante, heute noch in der Fabrik modellierte Nymphenburger Figur
modelliert, der ein aufspringender Hund einen Teil des Kleides von der Rückseite des
Oberschenkels gerissen hat. In Darmstadt stehen auch einige Soldatenfiguren.
Charakteristisch für alle diese Figuren ist ihre glänzende, schimmernde weiße
Glasur — sie sind alle unbemalt — der stets offene Mund, die hohen geschwungenen
Augenbrauen und die Marke, ein eingepreßtes Monogramm HD unter der Krone. Die
verschiedenen eingeritzten Zeichen der Modelleure, Bossierer oder Former, namlich
S, C, G, 1 E, werden sich später wohl auch in ihrer Bedeutung eruieren lassen, wenn
man die Akten und die Denkmäler der Fabrik einmal genauer und regelmäßig zu-
sammenstellt. Die letztgenannte 1 E findet sich auf einer unbemalten kleinen Frauen-
büste in Favorite mit golden und purpurn gehöhtem Rocaillesockel; diese bietet übrigens
eine neue Fabrikmarke, das Monogramm HD ohne Krone und in Purpurfarbe. Die
Kelsterbacher Markenfrage bedarf noch der Klärung. Für die erste Periode stehen
alle die angeführten Typen fest. Die unterglasurblaue HD-Marke unter der Krone
wurde aber auch noch in der zweiten Periode angewendet, wie eine Deckelterrine in
ausgesprochenen Louis XVI.-Formen (Museum Sevres) beweist.
Daß nun alle diese nach Nymphenburg modellierten Figuren und Gruppen gleich-
falls in die erste Zeit der Fabrik fallen, beweist der Umstand, daß die zahlreichen
weißen Dosendeckel der Darmstädter Sammlung von verschiedener Form, teils glatt,
teils mit Reliefrocaillen und mit Ozierdekor, endlich mit den Porträt des Landgrafen
Ludwig VIII, dieselbe eingepreßte Marke und glänzende Glasur zeigen. Sie sind für
den Landgrafen, der 1768 starb, angefertigt worden.
Gy
Studien und Forschungen
DAS NOVELLENBILD IN DER CASA
O BUONARROTI O
Die Inanspruchnahme des merkwürdigen Halb-
figurenbildes in der Casa Buonarroti für ein
Porträt Raffaels mit seiner Geliebten wird wohl
nicht weniger Zweifel erregt haben als seine
Zuweisung an Sebastiano del Piombo.') Der
Münchner ausgezeichnete Bilderkenner, Maler
Siegmund Landsinger, erklärt das Bild, besonders
im Hinblick auf das weit vorzüglidiere Exem-
plar im Buckingham Palace, für Tizianisch, und
weist für die weibliche Halbfigur als passendere
Vergleichung statt auf die Frauen des Altar-
blatts in S. Giovanni Crisostomo in Venedig
auf die Herodias in der Galleria Doria in Rom.
Diese gilt jetzt allgemein als Tizian, während
Crowe und Cavalcaselle (VI, 189 d. deutsch. Ausg.)
sie ebenso dem „Giorgione“ (für Pordenone)
zuschrieben wie das Bild im Buckingham Palast
und in der Casa Buonarroti.
Was mich speziell von jeher an dem Bilde
interessierte, ist sein Motiv. Dies wird ja auch
nach der neuesten Deutung als „Raffael und
seine Geliebte“ für novellistisch angesprochen.
Als „Novelle“ erinnere ich mich auch das Bild
früher in Reisehandbüchern bezeichnet gefunden
zu haben. Bayersdorfer hat, nach Herrn Land-
singer, das Bild auch „Giorgione“ zugeschrieben
und erklärt, es illustriere eine Novelle. Er fuBte
hierbei völlig auf Crowe und Cavalcaselle, die
Herr Benkard hätte nachschlagen sollen. Diese
Autoren wissen den Novellisten zu bezeichnen.
Sie sagen (a. a. O. S.190): „Vermutlich hat der
Maler seinen Gegenstand den Novellen des
Bandello entnommen, aber sich die Freiheit der
Darstellung gewahrt und bei der Ausführung
die wirklihe Natur derart zu Rate gezogen,
daB er seinen Figuren bildnisartige Pragnanz
gab.“
Es gibt nun aber gleich zwei verschiedene
novellistische Situationen bei Bandello, die auf
das Bild passen. Die eine verdanke ich Herrn
Landsinger, der beim Aufschlagen des Crowe
und Cavalcaselle zugegen war und gleichfalls
den Bandello durchzusehen beschloB. Es ist
II, No. 41, von Adalbert Keller im Italienischen
Novellenschatz IV No. 87 übersetzt unter dem
Titel „Die Errettung aus dem Grabe“. Diese
Novelle hat den Vorzug venezianisch zu sein
1) Vgl. Monatshefte 78. S. 654 b. ff.
und, nach ihrer Einleitung, einen wirklichen
Vorfall, wie er nur in der lautlosen Lagunen-
stadt möglich ist, zu erzählen. Auf Venedig
aber führt der von L. Curt und H. Cook im
Burlington Magazine (Mai 1906) herbeigezogene
Kupferstich mit dem Monogramm Zoan Andreas,
den die Monatshefte in Heft 7/8 S.655 brachten.
Es handelt sich in dieser Novelle um einen
Jüngling Gerardo, der. ein gleichfalls noch sehr
jugendliches Mädchen aus der Nachbarschaft —
höchst unnötiger Weise und nur durch beider
blöde Unreife erklärlih — heimlich, nur unter
dem Kirchensegen ihrer beiderseitigen Amme
zur Frau nimmt. Unmittelbar darauf wird er
von seinem Vater in Handelsgeschäften über
See geschickt, das Mädchen von ihrem Vater
zu einer anderen Ehe genötigt, der sie sich —
wieder ganz blöde, ohne etwas zu verraten —
dadurch zu entziehen beschließt, daß sie (durch
Anhalten des Atems) freiwillig in den Tod geht.
Gerardo kehrt gerade zurück, als das Todten-
amt seiner heimlich Vermählten gehalten wird.
Außer sich beschließt er, sie ooch einmal zu
sehen und an ihrer Seite zu sterben. Zu diesem
Zwecke verbündet er sich mit dem ihm er-
gebenen Bootsmann seiner Handelsbarke, der
ihm behülflich ist, nächtliher Weile ihr Grab-
gewölbe auf dem Castello zu erbrechen. Dabei
entdecken sie, daB noch Wärme in dem Leichnam
ist, Gerardo fühlt nach dem Herzen der in seinen
Armen Liegenden und erkennt, daß es noch und
bald immer stärker pocht.
In der Tat fühlt auf beiden Darstellungen,
sowohl des Gemäldes, als des Kupferstichs in
der Ambrosiana, der Liebhaber nach dem Herzen
der in seinen Armen Liegenden, die noch dazu
auf dem Kupferstich durch den halb geöffneten
Mund und die in die Höhe gezogenen unteren
Augenlider deutlich als Todte charakterisiert ist.
Auch in anderer Beziehung paßt gerade diese
nachweislich aus Venedig stammende Darstellung
auf die venezianische Novelle, da sowohl der
bartlose Jüngling, als sein noch kaum entwickeltes
Mädchen sichtlich noch ganz jugendliche Ge-
schöpfe sind.
Nicht so auf den Gemälden. Hier haben wir
es mit reifen, höchst charaktervoll aufgefaßten
Gestalten zu tun. Der Liebende fühlt hier nicht
momentan nach dem Herzen der Geliebten.
Sondern er hält sie, die ohnmächtig an seine
Schulter gesunken nur zu schlafen scheint, mit
einer eigentümlichen starren Ruhe des zusammen-
Studien und Forschungen 907
gepreBten Mundes und der abgewendeten Augen,
die wie sein fahles Gesicht etwas Geisterhaftes
hat. Er halt sie mit beiden Armen, als hielte
er sie schon lange und gedenke, sie niemals
aus seinen Armen zu lassen. Die abgewendeten
Augen gelten einem Dritten, der hier hinzutritt
und mit wehmitiger Rührung auf ihn hin-
blickt, seine Augen gerade zu suchen scheint.
Alles dies paßt ebensowenig auf den ledig-
lich accidentiellen Bootsmann der venezianischen
Novelle, der daher auf dem venezianischen
Kupferstih auch einfach weggelassen ist, als
der feine Kopf und die elegante Kleidung. Diese
kennzeichnet in geradezu reicher Form (die
schweren seidenen Armel, die Agraffe an der
Mütze!) audı den Liebenden, der ebenso
unmöglich als ein von einer Handelsreise Zurück-
gekehrter gelten kann, wie seine Geliebte in
ihrem offenen Seidenkleide als aus dem Grabe
herauf Geholte. Auf die „geschmackvolle Tracht
dieser roten und smaragdgrünen Seidenstoffe
und die feine Wäsche“ bei diesen hächst vor-
nehmen Erscheinungen“ weisen Crowe und
Cavalcaselle (a. a. O. S. 189) als besonders auf-
fallend hin. Nun beachte man aber als auf-
fallendstes Indicium und zugleich Gegenbeweis
gegen die Venezianische Novelle, daB auf allen
Abbildungen (auch des Buckingham-Bildes) der
Liebende in seinem feinen Hemde gerade über
der Herzgegend einen offenen RiB zeigt, wie
von einem Messer, einem Dolche, herrührend.
Für all diese Umstände bietet nun aber die
andere novellistische Situation bei Bandello, die
ich als zugrundeliegend vertreten möchte, völligen
Aufschluß. Sie bildet den Abschluß einer seiner
berühmtesten Novellen, schon insofern sie eine
auch in Frankreich sehr beliebte Geschichte er-
zählt. Es ist IV, No.5, die Keller im IV. Bande
No. 92 unter dem Titel „Die Kastellanin von
Vergy“ übersetzt hat. Sie findet sich zuerst in
einem altfranzösischen Fabliau (Méons Fabliaux
IV, 296). Fast wörtlidı überein mit Bandello
stimmt die Erzählung der Königin von Navarra
(Nouvelle LXX) mit der Inhaltsüberschrift: L'in-
continence furieuse d’une duchesse fut cause
de sa mort et de celle de deux parfaits amants.
Man berücksichtige, daß Bandello, zur französi-
schen Partei in Mailand gerechnet, in den Fran-
zosenkriegen von 1520—25 von dort flüchtete,
und sich nach Frankreich wandte, wo er die
Gunst des Hofes in dem Grade erlangte, daß
er zum Bischof von Agen emporstieg. Bandello
richtet diese Novelle besonders an die Mark-
gräfin von Gonzaga, Antonia Bauzia, um einen
Wunsch ihres Sohnes Pirro zu befriedigen. In
der Zueignung teilt er mit, er habe sie bei der
Vermählung ihrer Tochter Camilla mit dem Mark-
e
grafen von Tripalola zu Casale bei Cremona
von einem burgundischen Edelmann, Edimondo
Orflec, gehört.
Die SchloBherrin von Vergy') ist die Nichte
des Herzogs von Burgund und die heimlich
Vermählte seines vertrauten Freundes und Rat-
gebers Carlo Vaudrai.?2) Auf diesen, der sich am
Hofe durch seine erotische Unzugänglichkeit auf-
fällig macht, wirft die Herzogin ihr Auge und
da sie schlechterdings nichts bei ihm ausrichtet,
spielt sie ihm gegenüber die Rolle der Frau
Potiphar zu Ende. Der Herzog läßt sich zwar
anfangs durch Carlos Verbleiben am Hofe, die
einfache Versicherung seiner Unschuld und sein
Erbieten, diese gegen jeden Verläumder mit der
Waffe zu erweisen, von den unwahrscheinlichen
und keine Probe haltenden Verdächtigungen nicht
einnehmen. Als seine Frau ihm aber eine Szene
nach der anderen macht, beginnt er Anstoß zu
nehmen an Carlos ,Verhältnislosigkeit“. Er
besteht darauf, daB er ihm seine Geliebte nenne,
da er sonst doch annehmen müsse, daß Carlo
seiner Frau nachstelle. Die dankbare Ergeben-
heit gegen den Herzog bestimmt endlich Carlo
gegen einen Diskretionsschwur auf sein Degen-
kreuz dazu, „was ihm sonst alle Foltern der
Welt nicht abgenötigt hätten.“ Zur Bekräftigung
seiner Aussage nimmt er den neugierigen Herzog
zu einer seiner nächtlichen Zusammenkünfte mit
dessen schöner Nichte bis in den Garten. Das
Bellen eines Hündchen kündigt hierbei das
Kommen der Schönen an. Die Herzogin wird
durch die gesteigerte Gunst, die Carlo seitdem
beim Herzog genießt, in die höchste Wut ver-
setzt, zumal der Herzog von nun an jedes Ein-
gehen auf das Thema und jede Auskunft ver-
weigert. Als sie sich aber dem Kinderlosen
gegenüber schwanger stellt und droht sich und
damit seinen Erben umzubringen, eröffnet er
ihr endlich das Geheimnis unter Androhung des
Todes, falls sie es verrate. Die Herzogin kann
natürlich nicht umhin, bei der nächsten Damen-
cour an der beglücten Rivalin ihr Mütchen zu
kühlen durch Anspielungen auf „verborgene
Lieben“ und „bellende Hündchen“. Die Frau
von Vergy bewahrt zwar soweit ihre Fassung,
um fast lachend der Herzogin zu erwidern: „sie
verstehe sich nicht auf die Sprache den Tiere“.
Sie zieht sich aber alsbald in ihr Gemadi zurück,
das ihr neben den herzoglichen im Palast ein-
geräumt war. Und hier bricht sie nach jammer-
vollen Klagen und Anklagen gegen der Ver-
rater ihrer Liebe zusammen in einer Ohnmacht,
aus der sie nur erwacht, als Carlo, vom Herzog
1) Ital. La Dama del Verziero.
*) Ital. Valdreo.
908
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
bewogen, ihr nachgeht, um in seinen Armen
nach einem jammervollen Blick auf sein Gesicht
mit einem tiefen Seufzer ihren Geist aufzugeben.
Eine Zofe, die hinter einem Vorhang die Klagen
der Dame gehört hat, berichtet Carlo davon,
der alsbald den Zusammenhang errät und mit
furchtbaren Selbstanklagen sich selber richtet.
„Er nahm den Dolch den er an der Seite führte,
brachte sich eine tödtlihe Wunde in der
Brust bei und nahm dann sogleidı den
Leichnam seiner Geliebten wieder in die
Arme.“ Auf das Hülfegescrei der Zofe kommt
der Herzog nach und versucht umsonst, das
Paar zu trennen, um wenigstens Carlos Leben
durch Stillung seiner Wunde zu retten. Allein
dieser weist ihn ab mit einem Hinweis auf
„diese Wirkung ihrer Zungen“. Er verharrt
todtwund in seiner Stellung, seine Frau im Arm,
bis er über ihr zusammenbricht. Den Doldı hat
der Herzog aus Carlo’s Brust gezogen und
tötet mit dem noch blutenden die Herzogin, die
im Saale lustig tanzt. Er übergibt seinem Bruder
die Herrschaft und beschließt sein Leben im
Kloster.
Die Königin von Navarra faBt die Situation
besonders scharf und bildnismäßig zusammen:
„Le duc oyant le cri et doutant le mal de ceux
qu'il aimoit, entra le premier dedans la garde-
robe; et voyant ce piteux couple, s'essaya de
le separer pour sauver, s’il lui efit été possible,
le gentilhomme. Mais il tenoit s'amie si ferme-
ment, qu’il ne fut possible de lui öter, jusqu’ a
ce qu'il fût trépassé. Toutefois, entendant le
duc qui parloit a lui: ,Hélas! et qui est cause
de ceci?“ avec un regard furieux lui répondit:
„Ma langue et la vôtre, Monsieur.“ Dieser
Blik auf den wehmütig fragenden Dritten
bereitet sich sichtlich auf unserem Gemälde vor.
Wir iiberlassen es den Lesern, fiir welches
der beiden Motive aus Bandello sie sich ent-
scheiden wollen. Meine Meinung ist, daB der
Kupferstich des Venezianers die venezianische
Novelle behandelt, unser Gemälde dagegen die
burgundische. Sie würden darnach gar nichts
mit einander zu tun haben und dem Kunst-
historiker die Lehre geben, die dem Literar-
historiker so leicht nachgewiesen wird, daß ganz
verschiedene Motive in äußerlich ähnlichem Aus-
drucke zusammentreffen können und dann den
Grund für Beziehung zu- oder Herleitung von
einander abgeben müssen. Wie Raffael vollends
dazu kommt, in eine so tragische Situation, wie
die beider Novellen, hineinbezogen zu werden,
bliebe bei den Bildern, als ihren Illustrationen,
völlig unfindlim und bedürfte nun erst der Er-
klärung. Wir pflichten C. und C.’s Meinung
von der „bildnisartigen Prägnanz“ der Figuren
des Malers nach wirklichen Modellen zwar durch-
aus bei, suchen sie aber weniger in Künstler-
als in Hofkreisen, vielleicht der Gonzaga, bei
deren Festlichkeiten ja der (französische?) Vor-
trag der Novelle bezeugt ist.
Als literarhistorisch bezeugte termini a quo
für die Novellen Bandellos und der Schwester
Franz I. haben die Jahre 1554, bezw. 1558 (edition
des Heptameron von Pierre Boisteau, unvoll-
ständig) und 1559 (éd. von Claude Gruget) zu
gelten. Die burgundische Novelle steht natürlich
auch in des französischen Geschäftsliteraten
Francois de Belle-Forest Histoires tragiques
extraites des œuvres italiennes du Bandel, die
er im AnschluB an den genannten Pierre Boisteau
seit 1560 herausgab, im V. Bande No. 84. Ober die,
für die Wirkung der Novelle bedeutsame Hodı-
zeit läßt sich natürlich aus den allgemein histori-
schen Werken über das Haus Gonzaga nichts
erfahren. Doch gibt Antonia Possevino („Gon-
zaga“ Mantuae 1617) sehr genaue genealogische
Tafeln. Darnach war Antonia Balza (de Balzeo),
die Tochter des Pyrrhus, Herzogs von Andria
(Sabionetta!) und Schwester der Königin von
Neapel, Gemahlin des Giovanni Francesco (1445
bis 1496), zweiten Sohnes des Lodovico III.
und der Barbara von Brandenburg. Sie heiratete
1479. Da jene Hochzeiterin Camilla zu den
älteren ihrer vielen Kinder gehört, so kann man
ihre Geburt noch in die Mitte der achtziger Jahre
des XV. Jhrh., ihre Hochzeit in das glänzende erste
Jahrzehnt des XVI. Jahrh. setzen. Von den
beiden Söhnen, die Bandello in seiner Zueignung
der Novelle nennt, heiratete der ältere Federigo
eine Orsini (Giovanna), der jüngere Pirro eine
Bentivogli (Camilla). Der Enthusiast für unsere
Novelle führt also in seinen Beziehungen auf
Bologna. Für Deutsche ist es immerhin interessant,
daß es sich um die Schwiegertochter und Enkel-
kinder einer brandenburgischen Prinzessin
handelt.
Der Camilla Bentivogli-Gonzaga hat Ban-
dello die 42. Nov. des I. Teiles gewidmet, war
auch der Erzieher von ihrer und Pirro's Tochter
Lucrezia, der er Nr. II, 21 von Tarquinius und
Lucrezia widmete. Auch an unser Bild hat sich
ja die Bezeichnung „Lucrezia Romana“ geheftet
(vgl. Monatshefte S. 654b.)! Vielleicht ergibt
die Durchsicht der Rime des Bandello (gedruckt
Torino 1816) und seiner Canti XI delle lodi
della Sign. Lucrezia Gonzaga di Gazuolo del
vero amore col tempio di pudicizia (Agen 1545,
8°) tatsächlich die persönlichen Anhaltepunkte
für die edlen Charakterköpfe unseres Bildes und
damit den gesuchten Beitrag zur Portraitkunde
jenes Zeilalters großgearteter Menschen.
In unserem Zusammenhange muß es doppelt
Studien und Forschungen 909
interessieren, daB Bandellos Gönner Pirro Gon-
zaga auch der Besteller der Novelle (I.8) von
der Giulia aus Gazzuolo ist, die dem Freunde
der Renaissance-Medaillen als „Diva Julia As-
tala“, „Exemplum villicum fort(itudinis) et
pud (icitiae“) von einer schönen, unbezeichneten
Denkmünze (des Gonzagaschen Hofkünstlers
Talpa? s. v. Fabriczy Fig. 22. S. 24f) bekannt
ist. Gazzuolo war der Herschaftssitz Pirros und
ward sein Familientitel; im Cremonesischen, wohl
nahe der Station Gazzo der Bahn nadı Mantua
und dem Oglio gelegen, in den sich ja die ge-
schindete Julia stürzt. Bandello überliefert das
in der Zuschrift an den Kardinal Pirro, des
ersteren Neffen und wohl Patenkind: Questa
istorietta — essendo io venuto a far riverenza
al mio valoroso signor Pirro Gonzaga vostro
zio e ragionandosi de i vari casi che avvengano
— commando esso signor Pirro al mio
compar da bene m. Gian Matteo Olivo mezzo
cantore che narrasse. Im Eingang dieser
Zuschrift wird nun erklärt, daß „unsre Zeiten
keineswegs jenen antiken nachstünden, welche
die Schriftsteller so loben und empfehlen, daß
wenn wir sie durch Malerei und Bild-
nerei illustrieren wollten, wenn unsere
Maler und Bildhauer nicht unter so ge-
feierten Aufgaben bleiben, sie ihnen min-
destens gleichwertig dastehen werden.“ (...che
se vorremo per la pittura e scultura discorrere,
se i nostri pittori e scultori non sono da esser
a quei tanto celebrati preposti, gli resteranno
al meno uguali.)
Gewährt das einen hüschen Einblick in die
Anregung jener Medaille, so vermag es wohl
auch die zu unserem Bilde zu beleuchten, das
vielleiht bei einer der vielen novellistischen
Unterhaltungen auf Gazzuolo oder in Mantua bei
Isabella d'Este „al suo amenissimo palazzo“!),
von denen Bandello zu erzählen weiß, als
lebendes Bild gestellt wurde. Besteht Ahnlich-
keit (in Auge, Nase und Kinn) zwischen dem
Helden unseres Bildes und Pirros Vater Giovanni
Francesco, dem Gemahl der Bauzia auf der
Medaille von Bonacolsi, ,l'Antico“? Wer in
Nr.9 der Monatshefte (S. 766f.) im Triumph
des Federigo Gonzaga von Lor. Costa den Kopf
dieses Vetters unseres Gonzaga betrachtet, wird
gleichfalls (nicht blos in der Barttracht) Ähnlich-
keit mit unserem Kopfe finden.
Noch eine andere, ganz dunkle Medaille des
Gonzaga-Kreises, im äußeren Arrangement
denen der Bauzia und ihres Gemahls ganz gleich
_') Nov. I. 30 .. „in sala ove sono dipinti i divini tri-
onfi di Guilio Cesare imperadore di mano d'Andrea Man-
one con tanti altri bellissimi quadri di pittura eczellen-
ıssima”.
und von Fabriczy denn auch dem l'Antico zu-
gesprochen, die „Magdalena MantuanaNov.(ella?)
CCCCCIII* (1504?) könnte durch unseren Novel-.
listen beleuchtet werden. War die Dargestellte
eine Curtisane, wie man nach ihrer Physiog-
nomie und dem Revers — einem feindlichen
Schwane auf einem Köcher mit der Unterschrift
„non sana“! — zu schließen geneigt ist, so ruft
sie Nov. II 31 in Erinnerung. Da verliebt sich
ein junger Mensch so heftig in eine Curtisane
(in Venedig), daß er sich, von ihr zum Narren
gehalten, vergiftet. Sollte diese Medaille, deren
Revers wie eine dunkle Folie zu dem der As-
stalla (einem Phönix über den Flammen) wirkt,
auch in dieser Absicht (von der Bauzia ?, die sich
für die arme, kleine Heldin von Gazzuolo nach
Bandellos Versicherung mitterlich interessiert
hatte,) bestellt worden sein? In jedem Falle
verdient ihr und ihres Sohnes Pirro novellis-
tischer Kreis bei Bandello die Aufmerksamkeit
auch der Kunsthistoriker.
Karl Borinski.
8
AUS KONRAT WITZ'S KREIS.
Von Rosa Schapire.
Seitdem Daniel Burckhardt!) Konrat Witz’s
Oeuvre fixiert hat, hat sih unsere Kenntnis
dieses eigenartigen Meisters bedeutend vertieft.
Burckhardt) selbst hat auf Grund archivalischer
Studien den Beweis erbracht, daß Witz nicht,
wie er ursprünglich annahm, mit dem Geschlecht
der Witzmanns aus Rottweil in Zusammenhang
stehe, sondern der Sohn des Konstanzer Meisters
Hans Witzinger sei, der als Hance de Constance
zwischen 1424—25 in den Diensten des Herzogs
von Burgund gestanden und in künstlerischer
Mission nach Paris und Brügge geschickt wor-
den war. Um dieselbe Zeit war auch Jan varı
Eyck als „peintre und varlet de chambre“ an
den Hof des kunstliebenden Herzogs nach Brügge
berufen worden, und zwanglos ergibt sich durch
das Zusammenstellen dieser Tatsachen der nie-
derländishe Einschlag in Konrat Witz's Früh-
werken. Audi sein Oeuvre hat manche Be-
reicherung erfahren. Sein großes Basler Altar-
werk konnte durch vier neue Tafeln in schweizer?)
und österreichischem') Privatbesitz ergänzt wer-
1) Daniel Burckhardt: Malerei. Festschrift zum 400. Jah-
restage des ewigen Bundes zwischen Basel und den Eid-
genossen. Basel 1901.
2) Daniel Burckhardt: Studien zur Geschichte der alt-
oberrheiniscien Malerei. Jahrb. d. Königl. Preuß. Kunst-
sammign. XXVII. 1906. S. 3
i vgl. Daniel Burckhardt: ebenda.
‘) Robert Stiassny: zu Konrat Witz. Jahrbuch d. Kön.
Preuß. Kunstsign. XXVII. 1906. S. 285ff.
910 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
den, und neuerdings hat das Kaiser-Friedrich-
Museum die schöne Kreuzigung') erworben, die
dem Neapler Kirchenbild nahe steht.
Burckhardt hat den Meister von 1445, der in
Donaueschingen und Basel vertreten ist, in Zu-
Sammenhang mit Witz gebracht; nachstehend
soll der Versuch gemacht werden, den Kreis der
Witz nahestehenden Meister zu erweitern.
Auf der Leihausstellung altniederländischer
Meister in der Guildhall zu London (Sommer 1906)
war ein eigenartiges kleines Bild ,Johannes auf
Patmos“*) zusehen. Es fiel infolge seines aus-
gesprochen deutschen Charakters aus dem Rah-
men der Ausstellung heraus®). Das Bild — auf
Holz gemalt, Höhe 42,5, Breite 43,7 cm — be-
findet sich seit etwa 30 Jahren im Besitze von
Mr. W. B. Chamberlin, Brighton; näheres über
seine Herkunft ließ sich leider nicht ermitteln.
In der genannten Ausstellung war es zum ersten
Mal öffentlich ausgestellt. Bis auf einen Sprung,
der durch den untersten Teil der Tafel geht und
auch auf der Reproduktion ersichtlich ist, ist
das Bild gut erhalten und von jeglicher „Re-
staurierung“ verschont geblieben. Im Luftton
und im Heiligenschein einige Kratzer; am Felsen
links ist an einzelnen Stellen etwas von der fein
und flüssig aufgetragenen Farbe abgesprungen.
Der Meister des Johannes auf Patmos steht
Witz’s Art näher als der Meister von 1445.
Witz's großzügige Behandlung der Landschaft,
sein Hervorheben des Wesentlichen bei Preis-
gabe des Details fehlt dem letzteren, dem Burck-
hardt „die höchsteingehende Behandlung der
landschaftlichen Elemente“ nachrihmt. Wie Witz
ist auch der Meister des Johannes auf Patmos
summarisch in der Behandlung des Landschaft-
lichen, ihm fehlt die Routine, mit der der Donau-
eschinger seine hübschesten Wirkungen erzielt,
aber er ist frischer, unmittelbarer als jener und
chargiert nicht mit überflüssigem, zierlichem
Detail.
Zahlreiche Anklänge an Witz's Baseler und
Genfer Altar sind beim Johannes auf Patmos zu
finden. Johannes’ Typus steht dem Genfer Altar
näher. Die schweren Augenlider, die lange, scharf
eingesattelte, sih an der Spitze verdickende
Nase, die hohe Stirn, das kleine Untergesicht,
1) Friedländer: Gemäldegalerie. Ein neuerworbenes
Bild von Konrat Witz. Amtl. Ber. aus d. Königl. Kunst-
Sammı an. XXIX. Jahrg. No. 4, S. 86 ff.
? Ich verdanke Herrn Geh. Rat von Tschudi einen Hin-
weis auf dieses Bild. Es sei mir gestattet, ihm auch an
dieser Stelle meinen verbindlichen Dank für die empfangene
Anregung zu sagen.
3) vgl. Friedländers Bericht „Die Leihausstellung in
der Guildhall zu London. Sommer 1906. Hauptsächlich
niederländischer Bilder des XV. und XVI. Jahrhunderts.“
Repertorium für Kunstwissenschaft 1906. XXIX, S. 176.
Friedlander charakterisiert den Johannes auf Patmos;
„Süddeutsch um 1460".
das lange Ohr erinnern an Petrus und den Engel
auf der Befreiung Petri (Genf). Ein derb realis-
tisches Gesicht, dem nichts mehr von jenem
fast Karrikierenden eignet, das in einzelnen
Köpfen des Basler Altars anklingt. Ein großer
schwerer, schwarz geränderter Heiligenschein
faBt den Kopf des Evangelisten ein und kommt
in gleicher Weise, wenn man unter Witz's ver-
schiedenartigen Heiligenscheinen Umschau hält,
bei Petrus und Christus auf dem Genfer Altar
vor.') Die auffallende Bewegung, mit der Jo-
hannes’ Rechte den Federkiel führt — Zeige- und
Mittelfinger gestreckt, Ring- und kleiner Finger
im Mittelgliede gebogen — findet sich auf dem
Basler Altar: mit gleichem Gestus begrüßt David
die drei Helden, die ihm den Trunk bringen.
Der kurze Daumen an Johannes linker Hund ist
auch Witz eigentümli und kommt mehrfach
bei ihm vor.*)
Der Gewandfall auf dem Basler und Genfer
Altar wie auch bei Witz’s Straßburger Catherina
und Magdalena und der schönen Madonnen-
zeichnung im Berliner Kupferstich-Kabinett ist
viel reicher als bei Johannes. Aber audı hier
umgibt der Mantel den Körper wie ein Kranz,
und die Art, wie die Falten unter Verzicht auf
kleinliches Detail unter eine große Linie zu-
sammengefaBt werden, entspricht Witz's groB-
zügiger Behandlung. Auch die Schriftrolle des
Evangelisten hat nicht mehr den leicht beweg-
lichen, zierlihen, gotischen Schwung, sondern
die schwerere, voller ausklingende Art der
späteren Zeit. Ihr liegt das gleiche, stilistische
Gefühl zugrunde, das sich im Fall des Gewan-
des ausspricht. — Johannes trägt einen hellroten
Mantel über einem Kleide von gleicher Farbe,
nur in den Falten leuchtet ein tieferer Ton. Die
Farbe des Mantels ist etwas eingeschlagen und
hatte wohl einen wärmeren Glanz. Das mit
1) Schon der Heiligenschein spricht dafür, daß das
Bild nicht niederländisch ist. Der Nimbus spielt in der
niederländischen Schule, verglichen mit der gleidizeitigen
deutschen und italienischen eine auffallend geringe Rolle.
Die Niederländer kennen einen flimmernden Heiligenschein,
der den Kopf wie eine Strahlenglorie umgibt — so Gott-
vater, Johannes und Maria auf dem Genter Altar — oder
einen zarten Reifen, der wie ein Haudı über den Köpfen
der Heiligen schwebt und den besonders Memling mit
Vorliebe bringt. Nur bei Rogier van der Weyden kommt
bisweilen ein schwerer, doppelt geränderter Heiligenschein
vor und Petrus’ Christus faßt den flimmernden Strahlen-
nimbus mit einem doppelten Rande ein (Eligius: Köln,
Sig. Oppenheim). Ausnahmen bestätigen auch hier die
Regel, und jener materielle, mit Edelsteinen und geriefelten
Mustern versehene Heiligenschein, den die Frankfurter
Maria des Meisters von Flémalle trägt, dürfte vielleicht
ein Beweis mehr für die deutschen Züge in der Kunst
dieses eienanigen Meisters sein, die in letzter Zeit
mehrfach betont wurden.
*) Basler Altar: Abisai vor David kniend. — Ahas-
verus’ Linke, die den Apfel hält. — Cäsars geöffnete rechte
Hand. — Genfer Altar: Altester König auf der Anbetung
des Kindes. — Petrus vom Engel herausgeführt auf der
Befreiung Petri.
Studien und Forschungen 911
Oberdeutsch um 1460. Johannes auf Patmos
D Sig. Chamberlin Brighton
reichen Schließen versehene Buch, auf dem der
Adler sitzt, ist von einem hellen, etwas gelb-
liheren Rot. Die Farbenskala des Bildes ist
nicht groß, aber die Dinge stehen weich neben-
einander, und der Nuancenreichtum ist von
großer Schönheit. Feine Übergänge führen aus
dem matten, grau-grünen Rasen in das intensive
Grün der Baumgruppen im Mittelgrunde, in das
grünliche Bergwasser mit den weißen Schaum-
kronen und den bräunlichen Ton der Felsen. Und
darüber steht ein erglühendes Abendrot am
Himmel.
Die Felsengruppe rechts ist entwickelter und
organischer als die des Basler Christophorus
und hat Anklänge an den Donaueschinger Meister.
Man kann beim folgerichtigen Aufbau dieser
Landschaft wie bei Witz’s wunderbarem Fisch-
zug an die Wiedergabe von etwas in der Natur
Gesehenem denken, wenn sich auch bei den
weniger charakteristischen Formen das Urbild
der Landschaft kaum wird bestimmen lassen.
Die Behandlung des Wassers, mehr nodi die
des Ufers steht dem Basler Christophorus und
dem Genfer Fischzug nahe. Hier wie dort in
#
unmittelbarer Nähe des Wassers hodistieliges
Schilf, das mit sicherem Blick für den Habitus
der Pflanze aufgefaBt ist.
Witz baut seine Landschaften nach ganz
anderem Prinzip auf als Jan van Eyck. Dort das
was Schnaase „eine novellenartige Staffierung*
nennt, die viel richtig Beobachtetes im einzelnen
bringt und ein liebevolles sich Hineinsehen in
die Farbenpracht jeder Blume, aber die Land-
schaft wirkt nicht wie etwas Gesehenes, sondern
wie aus einzelnen Teilen Zusammengetragenes,
und es ist mit Recht auf die heterogenen Ele-
mente aufmerksam gemacht worden!) — Por-
tugal, Italien und Flandern — aus denen sie zu-
sammengesetzt ist. Witz dagegen verzichtet auf
das Einzelne zugunsten des Gesamteindruckes.
Sein Wiesengrund, sein Ufer ist kahl, verglichen
mit der Blütenpracit des Genter Altars, oder
den Maiglöckchen, Lilien, Veilhen und Stern-
blumen, die in den Gärten duften, in die Stephan
Lochner oder Jahrzehnte früher jener Unbekannte
in Frankfurt Maria und ihren Hofstaat setzen.
') Felix Rosen: Die Natur in der Kunst 1903.
912
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Aber dafür hat seine Landschaft den Vorzug
des Einheitlihen. Der „horror vacui“ beherrscht
die Landschaftsauffassung des XV. Jahrhunderts.
Anstatt den Raum zu gestalten, füllen ihn die
Künstler mit reizendem Beiwerk. Anders Witz.
Er faßt die Landschaft in wenige große, archi-
tektonische Linien zusammen. Nur das Wesent-
liche darf im Bilde leben. Er konstruiert seine
Landschaften nicht, sondern verabreicht den
Natureindruck zum Bilde, indem er unterordnet,
ausscheidet und das Wesentliche heraushebt.
Seine Landschaften, besonders die des Genfer
Fischzuges, wirken trotz des ziemlich hoch liegen-
den Augenpunktes frei und groß, und jene Zick-
zacklinien und vorgeschobenen Hügelketten —
das Inventar, mit dem das gesamte XV. Jahr-
hundert arbeitet — die ebenso viel Verlegen-
heitspausen sind, fehlen ganz, weil er „gegen
die ungeheuren Gegenstände die Freiheit des
Wirkens“!) nicht verloren hat. Sein Schwer-
punkt als Landschafter liegt, abgesehen von der
Raumgestaltung, in der Wiedergabe des Wassers,
und es ist wohl mehr als Zufall und mehr als
nur durch die Natur des Stoffes geboten, daß in
zweien seiner Bilder das Wasser eine so große
Rolle spielt. Und wie ist es beobachtet! Ahn-
lies findet man erst wieder bei den Land-
schaftszeichnungen des jungen Dürer. Seinen
Zeitgenossen und unmittelbaren Nachfolgern in
Deutschland so gut wie in den Niederlanden ist
er darin weit überlegen. Lucas Moser, der
Meister des Hausbuches (Christophorusdarstel-
lungen L. 31 und 32), Rogier van der Weyden’),
der Meister der Perle von Brabant?) — sie
scheitern alle, wenn sie mehr geben wollen, als
eine glatte Wasserfläche, in der sich die Dinge
widerspiegeln. Sie lösen die Wasserfläche in
zeichnerisch gesehene Linien auf, in konstruierte,
schematische Wellentäler und Hügel. Witz allein
geht als Maler an seine Aufgabe heran. Er hat
die kleinen Wellen beobachtet, mit denen sich
der See am Ufer bricht, die großen Kreise, die
das Schiff zieht (Genf) und die Ringe, die Christo-
phorus beschreibt, wenn er mit seiner Last auf
der Schulter dem jenseitigen Ufer zustrebt. Der
Meister des Johannes auf Patmos erreicht ihn
‚nicht, schließt sich ihm aber in selbständiger
Beobachtung an, so in der Wiedergabe der
kleinen weißen Schaumkronen, mit denen der
Wind die Wellen kräuselt. (Sie wirken in der
Wiedergabe viel schematischer als im Original.)
1) Goethe (und Meyer): „Künstlerishe Behandlung
landwirtschaftliher Gegenstände“. 1831.
*) Mittelstück des Berliner Johannesaltärchens und
Hintergrund von Lucas die Madonna malend. München.
Letzteres freilih nur Werkstatt.
Mündıen: Christophorus. Dort Dirk Bouts zu-
geschrieben. Vgl. Karl Voll: Die altniederländ. Malerei
von Jan van Eyck bis Memling.“ 1906.
Die Hintergründe von Witz’s Landschaften
sind belebt; hier tiefe Einsamkeit. Ist das nur
Zufall? Oder wollte der Meister die Stille fühl-
bar machen, in der Johannes seine Visionen
werden? Eitles Menschentum mit seinem auf
den Alltag gerichteten Streben hat hier keinen
Platz. Noch ist die Landschaft nicht „Seelen-
zustand“, vielleicht aber sind im Fehlen der
Staffage schon die Vorboten gegeben. Das
XVI. Jahrhundert ist weitergegangen. Auf dem
Holzschnitt des Johannes auf Patmos (B VII 484),
der Hans von Kulmbac mit so wenig stich-
haltigen Gründen zugeschrieben wurde!), be-
mächtigt sidi der Sturm, der in der Seele des
Evangelisten tobt, der ganzen Natur. Krachend
splittern dürre Zweige von der Eiche, unter der
Johannes sitzt, der Wind verfängt sich in seinen
Haaren und bläht seinen Mantel zum Segel auf.
Hier wird nur ein inneres Schauen dargestellt
und der Versuch nicht gemacht ‚Johannes‘ Vision
zu gestalten. Sie gehört jedoch zum typischen
Bestand dieser Scene. Auch traut man diesem
Johannes, mit dem etwas plaziden Gesichtsaus-
druck, die glühenden, in Feuer und Blut ge-
tauchten Offenbarungen der Apokalypse nicht
recht zu. Witz versagt leicht in der Darstellung
des Affektes, und was dem Meister nicht ge-
geben war, vermochte der Schüler noch weniger
aus eigener Kraft zu erreichen. Die fehlende
Vision kann aber auch durch seinen aufs Ganze
gerichteten Sinn bedingt sein: jeder, der vor das
Bild trat, wußte um Johannes’ Offenbarung —
wozu vor das Auge des Beschauers bannen,
was in seiner Phantasie lebendig war?
In Witz’s wunderbarem Fischzug sinken die
Gestalten fast zur Staffage herab. Das ist hier
anders. Johannes ist von überzeugender plasti-
scher Kraft. Es ergibt sich wie auf Witz's StraB-
burger Bild die seltsame Diskrepanz zwischen
dem Raum, der unter Aufgebot der reichsten
Mittel vertieft ist und der fast statuarisch wir-
kenden Gestalt, die nicht in die Tiefe geht. Der
nach der Tiefe ausgebaute Raum ist für Witz
das eine — Frei- oder Innenraum bedeuten
prinzipiell keinen Unterschied — und die fast
plastish herausgearbeitete Figur das andere,
eine Verbindung zwischen beiden ist von ihm
so wenig wie vom Meister des Johannes auf
Patmos versucht. Beide sind aber darin nicht
Jan van Eyck zu vergleichen, bei dem, ohne
daß seine Gestalten sich plastisch vordrängen,
das gleiche MiBverhältnis zwischen Figur und
Raum herrscht, sondern dem Meister von
Flémalle,
*) Campbell Dodgson: ,A woodcut wrongly ascribed
to Hans von Kulmbadı.“ Burlington Magazine 1905. S.44 ff.
Studien und Forschungen
913
Vor dem 5. August 1447 ist Witz gestorben.
Der Johannes auf Patmos dürfte etwa ein Jahr-
zehnt nach seinem Tode entstanden sein. Die
kleinen pilzartigen Baumcien kommen vor dieser
Zeit in Deutschland nicht vor.') Der enge Zu-
sammenhang zwischen diesem Bilde und den
Werken des Basler Meisters ist nur ein Beweis
mehr für den Einfluß, den Konrat Witz auf
seine Zeitgenossen und unmittelbaren Nachfolger
ausgeübt hat.
S
ZU BOTTICELLIS PRIMAVERA.
Von Wilhelm Uhde.
Eine umfangreiche Literatur hat festzustellen
versucht, was die einzelnen Figuren auf Botti-
cellis Bilde „Primavera“ zu bedeuten haben.
So sieht Warburg in der einzelnen Mittelfigur
Venus in königlihem Schmuck in ihrem Reiche.
Die Blumen streuende Figur ist die Frühlings-
göttin, ein idealisiertes Bild der Simonetta
Cattaneo, der früh gestorbenen Geliebten des
Giuliano de’ Medici, deren Andenken in dem
Bilde überhaupt festgehalten werden sollte. Die
erotische Verfolgungsszene neben ihr stellt Flora
‘dar, die durch die Liebe des Westwinds zur
Blumenspendenden wird. Auf der anderen Seite
der Venus sind die drei Grazien, neben ihnen
Hermes, der die Wolken scheucht. Oberhalb
der Venus befindet sich Amor, der seinen Pfeil
schießt.
Venturi hält die Mittelfigur (die Warburg als
Venus anspricht) für Simonetta Cattaneo und
den Jüngling für Giuliano de’ Medici.
. Bayersdorfer stimmt bezüglich der Mittelfigur
mit Warburg überein, auch bezüglich des Ändern.
Nur nennt er Warburgs Frühlingsgöttin Flora
und Warburgs Flora eine Erdnymphe.
Emil Jacobsen ist der Meinung, daB die von
Bayersdorfer Erdnymphe, von Warburg Flora
genannte Figur die Simonetta Cattaneo als Seele
sei, die vom Hermes Psychopompos (die fern-
stehende Jünglingsgestalt ganz links), der die
Züge des Giuliano de’ Medici trägt, in das Ely-
sium geleitet ist. Die Rosen streuende Figur
nennt er Flora. Die Mittelfigur soll wiederum
Simonetta sein und zwar nach ihrer Aufer-
stehung im Elysium. Im Übrigen die drei
‘Grazien und Amor.
Diese Erklärungen gehen im wesentlichen
auf die Behauptung Warburgs zurück, Polizian
sei der „gelehrte Ratgeber“ Botticellis gewesen
und dieser habe in seinen Bildern „Geburt der
2) Herr Dr. von Schubert-Soldern hat mich auf diesen
‚Umstand freundlichst aufmerksam gemacht.
Venus“ und „Primavera“ nur Illustrationen zu
Polizians Gedicht „Giostra“ geliefert.
Aber Botticelli war mehr als ein Illustrator,
ein Fabrikant metergroBer Bilderbogen und die
Figuren seiner „Primavera“ bedeuten mehr als
langweilig aufgereihte Plagiate aus Polizian,
Ovid und Horaz. Wären sie nichts weiter als
lebende Bilder nach Dichterwerken, blieben das
tiefe Leben, das aus dem Bilde zu uns spricht,
die Beziehungen der einzelnen Personen und
Gruppen zueinander, die wir ahnen, unerklärt.
Keine der aus gelehrten Quellen geschöpften
gedanklidien Kompositionen vermag der hier
vorliegenden künstlerischen, die an sich groB-
artig und zwingend wirkt, genug zu tun.
Es mag ohne weiteres zugegeben werden,
daB zwischen Polizians „Giostra“ und Botticellis
„Primavera“ gewisse Beziehungen bestehen und
daß der Maler dieser oder jener Figur die Züge
einer Simonetta oder eines Giuliano geben wollte.
Aber dieses sind Fragen zweiten und dritten
Ranges. Die großartige Komposition dieses
Meisterwerkes wächst über eine Sammlung per-
sônlidier Anspielungen hinaus zur Gestaltung
eines allgemeinen menschlichen Problems; hat
nicht den Charakter einer Anmerkung, sondern
den eines gewaltigen Textes. Versuchen wir
ihn zu lesen.
Den Schwerpunkt der Komposition bildet die
weibliche Mittelfigur. Ihre Bedeutung wird durch
die isolierte Stellung, die Unterbrechung der
Baumreihen und den besonderen Hintergrund
akzentuiert. Sie hat das Aussehen einer jungen
Frau, die sidi im Zustande vorgesdirittener
Schwangerschaft befindet. Der gesegnete Leib
ist stark und fein durch den oberen Rand des
niederfallenden, mit der linken Hand ein wenig
aufgerafften Gewandes betont. Sinnend hält
sie die Rechte empor, sinnend neigt sie das
Haupt als lausche sie einer Offenbarung.
Über der Gestalt dieser jungen Mutter schwebt
Amor. Sein Pfeil geht auf die Gruppe dreier
jugendlicher Mädchen, die einen Reigen tanzen
und hat die Richtung auf die mittlere unter
ihnen, deren Oberkörper im Gegensatz zu den
beiden andern durch den niederfallenden Zipfel
des Gewandes entblòBt wird. Während die
beiden andern den Tanz mit lebhaften Be-
wegungen der Körper und mit empor sich
streckenden Armen führen, wobei auch die
Köpfe und die Augen ein reges Interesse am
Tanze verraten, haben die Bewegungen der
Dritten, auf die der Pfeil geht, in bezug auf die
Beschäftigung etwas Gleichgültiges, so als nähme
sie gedankenlos an ihr teil. Die Haltung ist
gerade und der Blick geht aus der Gruppe heraus
in die Richtung des Jünglings, der neben den
914
Tanzenden steht. Damit ist eine Verbindung
zwiscien Amor, der einen Tanzenden und dem
Jüngling hergestellt. Dieser streckt mit ruhiger
Bewegung die mit einem Stabe bewaffnete
Rechte in die Zweige des Baumes, um sich einen
der Apfel herunterzuschlagen oder einen Zweig
Lorbeer — er trägt Schwert und Helm eines
Kriegers — aus dem Geäste zu brechen.
Während die Darstellung auf dieser Seite der
Komposition etwas Ruhiges, fast Zuständliches
hat, ist das Tempo auf der rechten Seite des
Bildes lebhafter. Die Bäume biegen sich, der
Schritt der rosenstreuenden Gestalt ist fest und
energisch, das Entfliehen des jugendlichen Mäd-
chens aus den Händen des beflügelten Jünglings
BOTTICELLI, Das Mysterium des Weibes
voll Kraft und Leben. Die Darstellung ist fol-
gende: eine mit leichtem und durdisichtigem
Gewande bekleidete weibliche Gestalt, deren
Haar in jugendlicher Wildheit und Unordnung
auf den mädchenhaften Busen fällt, sucht mit
vorgestrektem Oberkörper und nad vorn
hastenden Armen uas den Händen eines ge-
flügelten Jünglings (von grüner Farbe) zu ent-
weichen. Ihre Augen sind weit geöffnet mit
einer Mischung von Angst und Staunen auf
das Gesicht des Jünglings gerichtet. Aus ihrem
Munde entsprieBt ein blühender Zweig. Seitlich
vor ihr her schreitet eine weibliche Gestalt, die
ihr Rosen auf den Weg zu streuen im Begriffe
ist. Nadı dieser einfachen und voraussetzungs-
losen, von Urkunden und Dokumentierungen
unabhängigen Darstellung der Vorgänge und
Personen ergibt sich die Deutung der Kompo-
sition von selbst: auf dem rechten zuletzt be-
sprochenen Teile des Bildes sehen wir die Jung-
frau, die nichts von Liebe weiB. Der symboli-
sche Blütenzweig, der ihrem Munde entsproBt,
das in Unschuld getragene durchsichtige Gewand,
Monatshefte für Kunstwissenschaft
das von keiner Eitelkeit geschürzte wild flatternde
Haar zeigen das junge Mädchen, dem der Sturm
und Atem des Dämons der Leidenschaft unbe-
kannt sind. Mit scheuem und erstauntem Auge
blikt sie ihm ins Gesidit und entflieht in
Reinheit und Unschuld seinen Armen. Sie
steht im Frühling des Lebens. Der schreitet
neben ihr her und streut ihr seine Rosen auf
den Weg.
Auf der linken Seite des Bildes sehen wir
sie wieder in der mittleren der drei tanzenden
Gestalten als die zur Blüte gekommene Jungfrau.
Im Spiele mit den Freundinnen gehen ihr die
sonnigen Tage dahin. Da trifft sie der Pfeil
des Liebesgottes; die Freude am Tanze versiegt
und ihr Auge blickt sehnsuchtsvoll zum
jungen Krieger, dessen Hand verlangend
nach Ruhm und Genuß greift.
Das Leben ist ein Garten der Liebe
und Fruchtbarkeit. Unten auf dem Bilde
sehen wir farbige Blumen, die weit
ihre Kelche öffnen; oben in den Bäumen
hängen schwer die Früchte. Ein wunder-
bares Symbol, das der Komposition zu
vollendeter Einheit hilft.
Von diesen Blumen auf zu den
Früchten ragend, gleich weit entfernt
vom jungen Mädchen und der heran-
gereiften liebenden Jungfrau und so
ganz im Mittelpunkte der Komposition,
steht das Weib; nachdem es die Liebe
genossen hat, ohne Mann, ohne Ge-
spielin; es neigt sinnend das Haupt,
‘hebt erwartungsvoll die Hand und
fühlt voll Ehrfurcht, daß in ihm ein großer
heiliger Akt der Natur sich vollzieht, daß, wenn
seine eigenen Freuden und Leiden vergehen,
sein gesegneter SchoB künftiges Leben birgt.
Anstatt „Primavera“, eine Bezeichnung, die
nicht von Botticelli stammt, sondern späteren
Ursprungs ist, anstatt „Reich der Venus“ oder
„Simonetta im Elysium“ sollte man das Bild
besser bezeichnen als „Das Mysterium des
Weibes“.
8
ZU PALLADIOS VIERHUNDERT-
JAHRIGEM GEBURTSTAG
Alier Wahrscheinlichkeit nach fällt in das
Jahr 1908 die vierhundertjährige Wiederkehr
des Geburtstages Palladios. Leider steht unsere
Kenntnis des Geburtsjahres des Vicentiner Theo-
retikers und größten Baumeisters Venetianischer
Kunst nicht auf absolut sicherer Basis. Der
Studien und Forschungen
eifrige Biograph Palladios Tomaso Temanza !)
hat nach seinem eigenen Bericht im XVIII. Jahr-
hundert im Hause des Giuseppe Smith ein Ge-
mälde des Bernardo Licinio gesehen, das laut
Inschrift den 1518 geborenen Meister im 23. Jahre
darstellt:B.Licinii opus Andreas Paladio Annorum
XXIII MDXLI. Das Gemälde soll dann in den
Besitz des Königs von England gekommen sein.
Dodi ist es heute in den königlichen Galerien
nirgends nachweisbar. Auffallend ist zunächst
schon die reiche Kleidung, die der kaum 23 Jährige
auf dem Bilde trägt: „Rappresenta il giovine
architetto in rica giornea listata di vai -con
sotto un farsetto cremesi, nelle mani squadra e
compasso, vivace negli occhi ed onestamente
dignitoso.?) Zu solhem Prunk war zunächst
no gar keine Veranlassung, denn das erste
wirklich nachweisbare Werk Palladios ist erst
wenige Monate bevor das Bild gemalt wurde,
entstanden und läßt in seiner Anlage und Auf-
bau durchaus noch nicht erkennen, daB der
Architekt zu GrdBerem berufen war, denn der
junge Meister schließt sich in der Anlage des
Aufbaues im allgemeinen ganz an die herkömm-
lichen Formen der villa rustica an’) Aus diesem
Grunde ist auch nicht anzunehmen, daß irgend
welche epochemachenden Werke vor diesem
entstanden sind um so weniger als wir wissen,
daB Palladio zunächst eine ganze Reihe von
Jahren als Steinmetz gearbeitet hat. — Nun hat
im Jahre 1880 Lambertico nachgewiesen, daB
Palladio 1524 als Lehrling bei Girolamo und
Giovanni Pironi in die Maurer- und Steinmetz-
1) Tomaso Temanza, Vita di Andrea Palladio, Vicentino,
Vinetia 1778.
e 2! Siehe noch Magrini, Andrea Palladio, Padua 1846.
à Scamozzi, le fabriche ed i disegni di Andres Palladio.
Vicenza 1796, ll. S. 27. Ober die wirkliche Ausführung
act Villen oder gar den heutigen Zustand kann man aus
den übrigens nicht immer verlässigen Angaben Scamozzis
sich keine Vorstellung madıen. Auf Grund neuer Auf-
nahmen der Villen Palladios gedenke ich hierüber dem-
nächst an anderer Stelle zu berichten.
915
gilde eingeschrieben wurde und sich zunädhst
der Bildhauerei gewidmet hat.!) Er kann also
nicht 1518 geboren worden sein, sondern Palladio
muß, wenn man das üblidıe sechzehnte Lebens-
jahr als Zeit des Eintritts in die Lehre annimmt,
1508 demnach genau 10 Jahre früher als nach
Angabe des Temanza zur Weit gekommen sein.
Die irrtümlihe Nachricht Temanzas würde
sich dann leicht erklären lassen. Entweder ist
in der Inschrift selbst oder bei der Wiedergabe
derselben vielleicit infolge der Nachdunklung
des Bildes ein X vor der Jahreszahl mit der
Altersangabe übersehen worden. Nun hat
neuerdings ein junger italienischer Forscher
Zorzi eine urkundliche Notiz gefunden, in der
der älteste Sohn Palladios am 23. Juni 1555 bei
der Steinmetzgilde als Meister eingeschrieben
wird. Daraus ergibt sich gleichfalls, daß Palladio
nicht 1518 geboren sein kann. Durch die Nadh-
richt eines durchaus verlässigen Schriftstellers
undZeitgenossen Palladios Paolo Gualdo,
der die Aufzeichnungen seines Vaters Giuseppe
1521—72 benutzt hat und demgemäB mehr als
alle anderen übrigen Biographen, so weit sie nicht
auf Gualdo selbst fuBen, Glauben verdient, wird
nun das Ergebnis dieser neueren Forschungen
durchaus bestätigt. Er schreibt über Palladios
Geburtsdatum: In Vicenza l’anno del Signore
1508 alli 30 del mese di novembre giorno di
S. Andrea apostolo e per questo gli fu posto
nome Andrea. Schon die genaue Angabe des
Geburtstages spricht hier fiir die exakte Orien-
tierung.3) Man hat also am 30. November den
Vierhundertjährigen Geburtstag Palladios zu
feiern. Fritz Burger.
1) Im Akt des Bartolomeo Carpo, 19. Febr. 1538 und
Akt des Bernardin Massaria 25. Februar 1540. Lamber-
tino, Archivio storico italiano 1880.
*) Er ist nach einem von Magrini publ. Brief Palladios
an die Vicentiner Deputierten vom 6. Januar 1572, aus
Venedig datiert, in diesem Jahre gestorben.
3) Siehe P. Gualda. Vita di Andrea Palladio, 1616.
CSSS
An unsere Leser
Es haben sich einige Änderungen in un-
seren redaktionellen Verhältnissen ergeben,
insofern nämlich, als die Münchener Re-
daktion von jetzt an Dr. W. WORRINGER
führen wird, unser geschätzter Mitarbeiter
Dr. UHDE-BERNAYS dagegen die redaktio-
nelle Vertretung der Monatshefte in ROM
übernimmt. Durch die Berufung von Dr.
PAUL FERD. SCHMIDT als Nachfolger
Hagelstanges nach Magdeburg ist auch die
Neubesefzung des BERLINER Redaktions-
postens notwendig geworden. Dr. HERM.
VOSS hat sich liebenswürdiger Weise bereit
erklärt, die Berliner Redaktion zu übernehmen.
Wir geben diese Veränderungen um so
lieber bekannt, als durch sie auch für die
Zukunft die gesunde Vorwärtsentwicklung
unserer Zeitschrift garantiert wird.
BERLIN
Eine zugleich erfreuliche und bedeutungsvolle
Nachricht kommt aus der Reichshauptstadt:
S. M. der Deutsche Kaiser hat das Protektorat
über den Deufschen Verein für Kunstwissen-
schaft übernommen. Erst diese Tatsache ge-
währleistet die Erfüllung des großzügigen Pro-
gramms, das seiner Zeit in Frankfurt auf der
konstituierenden Versammlung des Vereins auf-
gestellt wurde. Nun dürfen wir doppelt zu-
versichtlich hoffen, daB auch der Reichtag die
Sache des Vereins zu der seinigen machen
werde und daB über kurz oder lang alle Mittel
in Bereitschaft sind, um die Arbeit für unsere
deutsche Kunst mit vollen Kräften angreifen
zu können. Das Protektorat des deutschen
Kaisers begrüßen wir zunächst als einen weiteren
wichtigen Schritt in der Verwirklichung der
genialen Idee von Althoff und Bode.
2
FRANKFURT a. M.
Die Funde der Ausgrabungen, die Carl Maria
Kaufmann 1905—1907 in Karm-abu-Mina in
Oberägypten mit Unterstützung der Stadt Frank-
furt unternommen, sind nun in Frankfurt an-
gekommen und bieten der Abteilung altchrist-
liher Kunst der städtischen Kunstsammlungen
einen wertvollen und reichhaltigen Grundstock.
Es ist hier nicht des Ortes, im allgemeinen
über die für die altchristliche Forschung offen-
bar sehr wertvollen Resultate der Ausgrabung
zu referieren, zumal aus der Feder Kaufmanns
ein ausführliches Werk uns in Aussicht gestellt
ist; so soll denn nur kurz erwähnt sein, daB es
dem Forscher gelungen ist, eine ganze alt-
christliche Kultstätte nad ihrer sakralen und
profanen Seite hin wiedererstehen zu lassen.
Karm-abu-Mina, ein schon sehr alter Zentral-
punkt der Karawanen von Alexandrien nach
der Kyrenaica hin, gelangte im IV. und V. nach-
christlichen Jahrhundert zu seiner höchsten Blüte
durch den dortigen Menaskult, die Verherrlichung
eines sonst nicht sehr bekannten alexandrinischen
Märtyrers (+ 296). Durch Kaufmanns energische
Ausgrabungen haben wir die Anschauung eines
„altchristlichen Lourdes“ gewonnen. Denn nichts
mehr oder minder ist zutage gefördert, als eine
Wunderwallfahrtsstätte größten Stiles. In dieser
Richtung scheint neben der BloBlegung von vier
Basiliken und zwei Baptisterien verschiedenster
Typen am reizvollsten die ganze Bäder- und
Thermenanlage, die zur Heilung der Kranken
vermittels des heiligen Wassers des Menas in
Karm-abu-Mina diente.
Was die einzelnen Funde anlangt, so
zerfallen sie in verschiedene Gruppen. Am
interessantesten für die städtische Sammlung
muten zirka 50 Kapitelle, zahlreiche andere
architektonische Bruchteile, wie Gesimsstücke,
Säulenbasen usw., an. Unter den Kapitellen
findet sich das spätkorinthische Akanthuskapitell
am häufigsten, aber auch jonische und Würfel-
kapitelle syrischer Art bieten genügend Mate-
rial, um Strzygowskis Thesen wieder einmal
zu diskutieren. AuBer diesen Fragmenten weist
der Fund eine große Anzahl von Gegenständen
auf, die in direktem Bezug stehen zu der ehr-
würdigen Kultstätte und ihrem ausgedehnten
Wallfahrtsbetrieb. An erster Stelle sind zu er-
wähnen die Produkte der in Karm-abu-Mina
in hoher Blüte stehenden Tonindustrie, als
Ampullen zum Versand des Menaswassers,
Ampeln aus der Menasgruft und Eulogien des
einheimischen Kultes. Es muB der Spezial-
forschung überlassen bleiben, im einzelnen den
Wert und die Bedeutung des reichen Materials
Rundschau
917
ans Licht zu ziehen; für den, der den Dingen
ferner steht, hat es schon Reiz genug, durdı
Carl Maria Kaufmanns Ausgrabungen unmittel-
bar in das Leben und Treiben eines Zentral-
punktes altchristlichen Kultes sich versetzt fühlen
zu dürfen. E. A. B.
MONCHEN
Wie voraus zu sehen war, hat Karl Voll
auf die auch hier ausführlich wiedergegebenen
Bemerkungen Bodes in der „Int. Revue“ repli-
ziert und zwar in zwei Artikeln der Münchener
Neuesten Nachrichten (Nr. 416 und 417). Diese
Aufsätze haben keine innere Überzeugungskraft,
da sie nur erneut den einseitig-partikularistischen
Standpunkt Volls erkennen lassen. Im Einzelnen
stehen die Ausführungen mit den Tatsachen oft
sogar direkt in Widerspruch, was der Direktor
der alten Pinakothek an Hand der Akten sehr
bald beweisen dürfte. Auch in ihren versteckten
Ausfällen und Verdächtigungen dritter Personen
wirken die Vollschen Artikel wenig erfreulich.
Es verlohnt darum heute noch nicht, zu den-
selben im Einzelnen Stellung zu nehmen, bevor
nicht die Richtigstellung der Vollschen Behaup-
tungen an Hand der Akten erfolgt ist. Sobald
dies geschehen, werden wir nicht versäumen
erneut über diesen Fall, der sidı aller Wahrschein-
lichkeit nach sehr bald zu einem Fall „Voll“
— nicht mehr „Bode* — auswachsen wird,
unsere Meinung zu äußern. B.
2
BUDAPEST
Das Museum der Bildenden Künste ist um
ein Jugendwerk des Velazquez reicher ge-
worden. Der Staat erwarb das Gemälde vom
Herrn Langton Douglas, in dessen Besitz es aus
der Kollektion Sanderson (Edinburg) gelangte.
Man sieht auf dem Bilde drei Figuren bei einem
Tische. Links sitzt ein Greis in mattem hell-
grünem Rock. Ihm gegenüber ein bartloser
junger Mann, mit schwarzen Haaren und Augen,
in lichtbraunen Rock gekleidet. Ein blondes
Mädchen, in der Mitte, schenkt aus einem
groBen Steinkruge roten Wein in das Glas
ein, das sie in der Linken hält. Der Alte
strekt die Rechte nach demselben aus und
legt die linke Hand auf die Brust. Er schaut
zerstreut auf den jungen Gesellen und scheint
sidı zu rechtfertigen. Letzterer hat den Mund
halb geöffnet, runzelt die Stirn in die Höhe
und gibt — auf die Ellenbogen gestützt —
mit dem rechten Daumen einen bedeutungs-
vollen Wink. Auf der weißen Tischdecke Brot,
Rettig, Orange, ein Glas Wein und messingnes
Salzgefäß. In dem Teller gebackener Fisch und
eine halbe Zitrone.
Der Hintergrund des Bildes ist tiefbraun und
auch die modellierenden Töne sind schwer, warm
und undurchsichtig. Die beleuchteten und be-
schatteten Flächen kontrastieren stark mitein-
ander. Das Licht fällt von links herein. Es
trifft den jungen Mann voll ins Gesicht.
Alles das ist in energischer strenger Zeich-
nung vorgetragen. Die Konturen sind an man-
chen Stellen, besonders in den Händen sehr
hart. Auch am Kopfe des Greises sind die Ein-
zelformen scharf getrennt. Die Innenzeichnung
läßt jedoch an Präzisität nichts zu vermissen.
Das Haupt des jungen Mannes zeigt sorgfältig
abgerundete Formen. Der in Verkürzung ge-
sehene Kopf des Mädchens ist dagegen in Breite
und Verschwommenheit der Zeichnung ein vir-
tuoses Stück.
Das Werk entstand um 1618—1620. Es
bildet eine Gruppe mit den Gemälden in Apsley
House (der Wasserverkäufer von Sevilla, zwei
junge Männer bei der Mahlzeit), Berlin (Musi-
kanten, früher ebenfalls bei Langton Douglas)
und Petersburg (das Frühstück). Die Verwandt-
schaft mit dem letzteren ist besonders auf-
fallend. Für die Figuren der Männer hat der
Meister hier wie dort dieselben Modelle be-
nutzt. Über die Echtheit des Bildes kann kein
Zweifel bestehen. Die Stileigentümlichkeiten
des Meisters sprechen durchaus überzeugend
dafür. Dr. Zoltan v. Takacs.
8
LONDON
Das wichtigste Ereignis des sonst so stillen
Monats war der bereits kurz gemeldete Ankauf
des großen Gruppenbildes von Franz Hals für
die National Gallery um '/, Million Mark. Es
war bekannt geworden, daB Lord Talbot de
Malahide bei Dublin seinen großen, nur wenigen
bekannten Hals verkaufen wollte, und daß natür-
lich die Gefahr bestand, ihn auf Nimmerwieder-
sehen übers Meer nach Westen oder anders-
wohin verschwinden zu sehen. Denn nod be-
sitzt England ja kein Kunstausführungsverbot,
wie sehr auch immer wieder danach gerufen
und die Frage da und dort erörtert wird. Die
Trustees der Gallery nun waren rasch bei der
Hand, als sie davon hörten, vielleiht um den
918
erhobenen Vorwurf zu widerlegen, daB ihr
Kaufbestimmungsrecht schnelle Käufe unmöglich
mache. Man brachte den Finanzminister Lyod
George noch rasch vor seiner Deutschlandreise
dazu, sich das Bild anzusehen und wußte ihm
wohl dessen Qualitäten recht deutlich zu machen,
so daB dieser Säckelmeister des englischen
Reiches sich bereit erklärte von seiten der Re-
gierung die Hälfte des verlangten Preises zu
zahlen, freilich zum guten Teil als VorschuB,
denn mehr als £ 5000 pro Jahr mag die Regie-
rung für Bilderkäufe nicht bewilligen. Mithin
wird der Gallery nun bis 1912 kein Zuschuß
von dieser Seite mehr zur Verfügung stehen.
Um die andere Hälfte der Riesensumme aufzu-
bringen, wird der National Art Collections Fund
nun wohl wieder die Trommel rühren wie bei
der Velasquez'schen Venus. Die Times meint,
daß Lord Talbot ein vorzügliches Geschäft bei
dem Verkauf gemacht habe, andererseits aber
verlautet, daB ihm von ausländischer Seite ein
noch höheres Angebot gemacht worden sei. Die
National Gallery besaB bisher nur zwei Porträts
des Meisters, und sein weitbekannter „Lachen-
der Kavalier“ hängt in der andern Öffentlichen
Sammlung Londons, der Wallace Collection.
Es ist also sehr zu begrüßen, daB Hals nun
durch eines seiner groBen Gruppenbilder hier
vertreten ist, selbst wenn man zu viel da-
für ausgegeben haben sollte. Das Bild ist in
Kennerkreisen sehr wenig bekannt gewesen,
und Werke über Hals führen es nicht an. Es
stellt eine Familie dar: Mann, Frau und mehrere
Kinder und eine Kinderfrau, die im Freien vor
einigen Bäumen zu einer Gruppe vereinigt sind.
Links dehnt sich freies Hügelland nach hinten
zu. In der Komposition zeigt das Bild Spuren
hastiger Arbeit. Zwar sind Versuche vorhan-
den die verschiedenen Gruppen durch Über-
gänge einheitlit zu verbinden, jedoch bleibt
einem der Eindruck eines zufälligen und dom
vom Maler gewollten Hinstellens, der mit der
auBerordentlihen Lebendigkeit und prächtigen
Charakteristik der einzelnen Personen peinlich
kontrastiert. Dazu kommt, daB dem Bilde ein
gewisses Gleichgewicht fehlt. Die Figuren ziehen
sih ziemlich flach von rechts nach links hin,
um plötzlich abzubrechen und ein Stück Land-
schaft mit groBer Tiefe freizulassen, in der ein
paar Kühe weiden. Die Farbengebung ist der
seiner späteren Schaffensperiode entsprechend,
eine Harmonie in Schwarz, Grau, Rot- nnd
Dunkelbraun. Das Schwarz, Hals’ charakteris-
tishes Schwarz, dominiert. Das Bild ist im
Saal X der Gallery unter Nummer 2285 zwischen
die zwei Hals’schen Porträts gehängt worden.
Leider spiegeln sich die gegenüber hängenden
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Bilder derart in der Glasscheibe, die man wie
vor jedes andere Bild so auch vor dieses als
Schutz gegen die Londoner Luft befestigt hat
daB es schwer ist, das Bild in seiner Gesamt-
heit aufznnehmen, zumal auch das Licht nicht
günstig auf das Bild als Ganzes fällt. Das Bild
hängt jetzt flach an der Wand, ob ein Vor-
neigen da nicht etwas Abhilfe schaffen würde?
Einige Preise für Halsbilder, die der Verfasser
der meist interessanten Kunstplaudereien „Art and
Artists“ in der Morning Post vom 28. August
zusammenstellt, dürften hier vielleicht inter-
essieren: 1772: Porträt des „Pieter varı der
Morsch* (jetzt Eigentum des I.ord Northbrook)
25 Schillinge; 1786: Porträt des „Johannes
Acronius“ (jetzt in Berlin) 5 Schillinge; 1800
Porträt des Willem varı Heythuysen (jetzt in
der Liechtenstein-Galerie) 85 Schillinge. Dann
aber 1865: der Lachende Kavalier (jetzt Wallace
Collection) £ 2040; 1889: Porträt des Pieter
van de Broeke d'Anvers £ 4420; 1899 bei
Christies ein Männerporträt in Schwarz £ 3510
und ein Frauenporträt in Schwarz £ 2100; 1906:
Porträts De Heer Bodolphe und Me Vrouw
Bodolphe (wie es heißt) je € 10000 (Pierpont
Morgan); 1907: „A Youth with a Mandolin‘
£ 3650; und „Man in Brown Dress Playing a
Flute“ € 1500 gs. (Sir James Linton).
Neben dem Hals schen Gruppenbild sind
noch zwei kleine Harpignies, eine Skizze „Fluß-
szene“ und ein Aquarell ,Jlex Trees, Ville
franche“ als Geschenk der Miss Evelyn Mc.
Ghee zu der kleinen Anzahl moderner franzô-
sister Werke in der National Gallery hinzuge-
kommen. Und ihre englische Abteilung ist um
ein vornehmes Porträt William Pitts vermehrt
worden, das dem Romney zugeschrieben wird.
Es war von dem verstorbenen Mr. Pringle der
Gallery nach dem Tode seiner Gattin vermacht
worden. Diese hat es aber jetzt schon der
Gallery überwiesen.
Eine köstliche Gabe ward dem Fitzwilliam
Museum inCambridge zu teil. Ein Anonymus
schenkte ihm 14 altenglishe Werke von der
Hand Jervas (1675—1739), Joseph Highmore.
(1692—1780), Hogarth, Reynolds, Gainsborough,
Romney, Benjamin West und anderer Porträ-
tisten der groBen Periode. Die zwei Gainsbo-
roughs gehören dessen früher Zeit an. Neben
dieser Gabe hat derselbe Anonymus dem Mu-
seum einige Bilder zur permanenten Ausstellung
überlassen, darunter einige Rosettis: „Veronica
Veronese“ (gemalt 1872); „A Christmas Carol“;
nBonifazio's Mistress“; „Dr. Johnson at the
Mitre“ und ,The Merciless Lady“, so daB Ros-
setti, der in der Tate Gallery in London sehr un-
vollkommen vertreten ist, nun hier besser
Rundschau
919
kennen gelernt werden kann. Auch von Burne
Jones befinden sich einige Bilder unter der Zahl
der geliehenen, so die Studie zu seinem „King
Cophetua“. Auch Millais ist vertreten (Flowing
to the River). Von alten Meistern enthält das
Bilderlehen ein Tondo von Botticelli „Jungfrau
mit Christusknaben und Johannes“; ein Tripty-
chon der viämischen Schule: Heilige Dreieinig-
keit, Anbetung, Darstellung im Tempel; und
Heilige Familien von der Hand Andrea del Sar-
tos und Albertinellis. — Von mehreren dieser
Bilder, namentlich den Rossettis, weiß man, daB
sie bis vor kurzem Mr. Fairfax Murray gehör-
ten, der, ein ehemaliger Freund Dante Gabrieles,
die ausgedehnteste Sammlung von dessen Wer-
ken besitzt.
Von einer neuen „Restauration“ einer alten
Abteikirche, der Hexham Abbey, ist zu melden.
Das Werk hat # 30000 verschlungen, und das
Resultat ist in Kennerkreisen bloBe Empörung,
der der Biograph William Morris, Mr. Aymer
Vallance, Ausdruck verleiht. Die Kirche soll
jetzt mehr einem jener mit Recht so süßen
groBen Hochzeitskuchen gleichen, die den eng-
lishen Konditorgehilfen Gelegenheit zur Aus-
bildung ihres künstlerischen Geschmackes ge-
währen, die aber leider nur zu oft von Architekten
und Bildhauern als klassische Muster verwandt
werden. In diesem Falle hielt es der ausfüh-
rende Architekt für geraten bekannt zu geben,
daB er seinen Plan den Wünschen des Probstes
und seines Gemeinderates angepaßt habe.
Der alte, aber immer noch für Forscher und
Sammler überaus wertvolle „Catalogue Rai-
sonné“ von Smith, der vor dem Erscheinen des
Hofstede de Groot schen „Catalogue of Dutsch
Painters“ bis zu €40 bezahlt wurde (ursprüng-
lich zu £ 12.10 publiziert) der jetzt aber wieder
etwas billiger zu haben ist, wird nun von Messrs.
Sands & Co. als Neudruck herausgegeben wer-
den und zwar in neun Bänden zusammen mit
dem Supplement vom Jahre 1842. Der Neu-
druck soll der ursprünglichen Ausgabe in allem
gleichen und keine Textänderungen enthalten,
dagegen aber 40 Photogravüren. Nur 1250
Exemplare werden hergestellt. — In diesem
Catalogue Raisonne findet sih u. a. auch ein
in mancher Beziehung außerordentlich inter-
essanter Jan Steen unter dem Titel „The Dan-
cing Dog“ verzeichnet, in dem sich der Maler
selber mit seiner Familie abgebildet hat. Dieses
wertvolle Stück wird eines der Hauptwerke
sein, mit denen Messrs. Agnew in einiger Zeit
ihre Berliner Filiale eröffnen werden. F:
2
HOLLAND
In Rotterdam ist im Museum Boijmans
gegenwärtig die kleine, aber höchst interessante
Gemäldesammlung von Dr. Hofstede de Groot
(der sich zur Zeit in Amerika befindet) aus-
gestellt. Ich werde über sie in einem der nächsten
Hefte ausführlicher berichten und dann auch einige
Abbildungen geben. Jetzt seien nur die Namen
der Künstier aufgezählt, von denen Dr. Hofstede
de Groot Gemälde besitzt: Carel Fabritius,
Hercules Segers, Rembrandt, Pieter de
Hood, Jan van Goyen, J. van Ruisdael,
Jacobus Vrel, Gerrit Dou, Jan Steen,
Michiel Sweerts, N. de Giselaer, Rubens
und Jan Fyt.
Buch das Mauritshuis im Haag wird von
den nächsten Tagen an einige fremde Gäste — in
ihrer eigentlichen Heimat zeigen. Herr Staatsrat
P. Delaroff in St. Petersburg war so liebens-
würdig, aus seiner reichen Sammlung der Haager
Galerie einige bedeutende Gemälde zur leih-
weisen Ausstellung zu überlassen. Erstens den
durch die de Groot'sche Publikation in der Ab-
bildung bereits bekannten „Krieger“ von Carel
Fabritius, der von den vier erhaltenen Bild-
nissen des Meisters ohne Frage gleich hinter
das groBe Rotterdamer Porträt eines jungen
Mannes zu setzen ist. Es ist ja kein besonders
umfangreiches Werk, aber es besitzt solch’ hohe
koloristishe Qualitäten, daB einem davor die
Augen ordentlich leuchten. Dieses Inkarnat findet
man nirgends wieder bei den holländischen Bild-
nissen, nirgends diese Wärme und Frische zu-
gleich und diese heitere Ungezwungenheit des Aus-
druckes. Ja man darf ruhig so weit gehen, sich
einzugestehen, daBes einen mehr als manches Por-
trät von Rembrandt packt. (Des Kuriosums wegen
sei mitgeteilt, daß Herr Delaroff das Bild seiner-
zeit als modern[!] für 40 Rubel in Moskau er-
worben hat.) Andererseits befestigen sich einem
vor diesem Bilde — und noch besonders jetzt,
wo man Gelegenheit hat, des Fabritius’ ganzes
Porträtoeuvre kurz nacheinander zu sehen —
fast zur GewiBheit die Zweifel an der richtigen
Zuschreibung des frageweise Carel Fabritius ge-
nannten großen Gemäldes mit der Enthauptung
Johannes des Täufers im Rijksmuseum: das kann
unmöglich von derselben Hand gemalt sein, die
jenes Kriegerbildnis schuf. Sollte es nicht dodı
vielleicht von G.Flinck sein, auf dessen nicht weit
davon hängendem Bilde der Segnung Jakobs die
Rebekka ganz ähnliche Züge hat, wie die eine
Alte mit dem schwarzen Kopftuch links? Gegen
Fabritius sprechen Ton, Malweise und Typen.
Ich sagte eben, daß dieses Fabritius’sche Gemälde
mehr als mancher Rembrandt packe; gewiß, mehr
920
Monatshefte für Kunstwissenschaft
als schwächere Arbeiten, die auch im Lebens-
werke der Größten nicht fehlen. Tritt man nun
aber vor das zweite Bild aus der Sammlung
Delaroff, vor das Bildnis eines Juden von Rem-
brandt, so sieht man unverzüglich ein, wie
verfehlt alle vergleichenden Abschétzungen
zwischen Werken verschiedener groBer Meister
sind. Ein wirklich kunstempfindender Mensch
darf eigentlich auch nicht danach fragen, ob diesem
großen Künstler vor jenem eine höhere Rang-
stufe eingeräumt werden soll. Darauf kommt
es ja nicht an, sondern darauf, daB man jedem
Meister nach seiner persönlichen Kunst gerecht
wird und ihm in sein Reich ganz zu folgen
sucht. Dieses Judenbildnis nun ist bis tief hin-
ein erfüllt von Rembrandts Geist, von Rem-
brandtischer Seelenpoesie. Der Dargestellte sitzt
auf einem schwarz gepolsterten Stuhl, trägt
braunrote Weste und darüber einen dunkel-
braunen pelzgefütterten Rock. Die nur zum Teil
sichtbaren Hände sind gekreuzt und ruhen im
Schoß. Den etwas nach links gewandten
schmalen Kopf umrahmt ein schwarzer Bart;
die Augen, die im Schatten der schwarzen barett-
artigen Filzmütze liegen, sind sinnend gerade-
ausgerichtet. Das Licht fällt von links oben
auf die Figur. Bode setzt dies Gemälde 1657
an; aus welchen Gründen Rosenberg dieser
Datierung nicht folgt, sondern es um 1645 ent-
standen sein läßt, wie die von ihm daneben ab-
gebildeten und scheinbar denselben Juden dar-
stellenden kleinen Studien im Louvre (Repliken
in Cassel und Boston), im Bridgewater House,
in Chappenham bei Algernon W. Neeld und in
Panshanger beim Earl Cowper, ist nicht recht be-
greiflih. Etwa wegen der Ähnlichkeit im Typus?
Es gehört sicherlich nicht in die Zeit um 1645,
sondern in die spätere und zeigt — um im
Mauritshuis selber ein Bild zum Vergleich heran-
zuziehen — einen ganz ähnlichen, nur noch
etwas kühleren grünlichgrauen Gesamtton wie
die beiden Neger. Nächst diesen zwei Perlen
sind noch vier andere Bilder der Sammlung
Delaroff ausgestellt. Eine feingestimmte, stark-
tonige und doch farbig wirkende Ansicht von
Dordrecht von Jan van Goyen (datiert 1650
— die letzte Ziffer ist unsicher). Sodann ein
fast quadratisches Bild (47,7><50,2), das in einem
scheunenartigen Raum eine junge Frau in grau-
grünlichem Kleid und Schürze, weißem Kopftuch
und rotem Gürtel darstellt, die eine in voller
Seitenansicht nach rechts stehende braunweiß
geflekte Kuh melkt. Eine zweite Kuh kommt
links mehr zurück durch eine Tür aus einem
andern dunklen Raum herein. Sucht man nach
dem Maler des Bildes, so steht man zuerst ratlos
da. Unter allen bekannten Tiermalern findet
sih keiner, von dem es herrühren könnte.
Eine Bezeichnung fehlt auch, und man ist aus-
schließlich auf die Technik und den Ton als
Kriterien angewiesen. Frappieren muß bei der
Kuh der eigenartige Glanz des Felles. Es huscht
ein Hauch darüber hin, wie über ein Stück
Seidensammet, etwa an einem Stuhl oder einer
Tischdecke auf Bildern von Terborch. Der eigene
kühle, grünlicı silbergraue Ton läßt aber auch
an diesen Meister denken; und sieht man schlieB-
li im Einzelnen die saubere Malerei an, so
befestigt sich einem die Annahme, daß Terborch
wirklich das Bild gemalt haben müsse. Nicht
um direkt beweisen zu wollen, sondern nur um
anzudeuten, daB der Name Terbordı keineswegs
aus der Luft gegriffen ist, führe ich an, daB
zwei bedeutende, Kenner ganz unabhängig
von einander, das Bild als Terborch bestimmt
haben. Dann ist noch ein signiertes Bildchen
von N. Knupfer zu sehen, ein Faun, der sich
einer im Walde liegenden nackten Schönen etwas
zudringlich nähert. Sehr hübsch im Kolorit und
etwas an Rubens erinnernd. Das sechste der
Delaroff’schen Gemälde ist eine große Bärenjagd
von Abraham Hondius, voll bewegten Lebens
und mit zahlreichen scharf beobachteten und gut
wiedergegebenen Einzelheiten.
Bis Anfang Oktober war — ungefähr vier-
zehn Tage lang — ein bis vor kurzem un-
erkannt gebliebenes Gemälde von Frans Hals
aus dem Besitze des Fürsten von Bentheim im
Mauritshuis ausgestellt. Das Gemälde zeigt einen
aus vollem Halse lachenden Fischerknaben in
Halbfigur vor landschaftlihem Hintergrund und
blauem Himmel mit weißen Wolken. Es steht,
was die Zeichnung und Pinselführung betrifft,
dem sogenannten „Strandlooper varı Haarlem“
im Museum in Antwerpen am nächsten, dürfte
aber wegen seines blonden Kolorits früher als
dies, von Bode um 1640 datierte Stück gemalt
sein, etwa im Anfang der dreißiger Jahre. Da-
zu paßt auch die bei der Reinigung gefundene
Bezeichnung, die auf dem an einer Schnur von
der rechten Schulter herabhängenden Krug an-
gebracht ist und aus zusammengezogenem FHF
besteht; die gleiche Form weisen noch das 1627
datierte Schützenstü mit dem Festmahl der
Offiziere der Adriaensdoelen in Haarlem, sowie
die kleinen Brustbilder von Scriverius und seiner
Gemalin vom Jahre 1626 (früher Sammlung Se-
cretan) auf. Anzumerken ist, daß die Strich-
führung der Buchstaben des Monogrammes auf
dem wiedergefundenen Bild etwas unsicher ist. Die
Entdeckung dieses neuen Frans Hals, der solange
als unbekannter Meister in der Galerie des
Fürsten von Bentheim auf Schloß Burgsteinfurt in
Westfalen hing, erfolgte so: Ein Restaurator,
Rundschau 921
der sich anderer Bilder wegen auf dem Schloß
befand, lenkte als erster die Aufmerksamkeit
auf das ihm auffallend gut erscheinende Gemälde
und gab die Veranlassung zu einer genauen
Untersuchung. Das Bild wurde nach Nymwegen
gesandt, und durch einen dortigen Herrn bekam
Dr. Hofstede de Groot Kenntnis von ihm. Dr.
de Groot erkannte in dem großen Unbekannten
nun sogleich Frans Hals. Das auf Leinwand
gemalte, ca. 65><55cm messende Gemälde war
sehr gut erhalten, an den Seiten etwas umge-
schlagen und bedurfte nur einer Reinigung, die
von dem Haager Restaurator de Wild ausgeführt
wurde.
Die „Lakenhal“ inLeiden, deren Gemälde-
sammlung unter Dr.Overvoordes rührigerLeitung
nach Möglichkeit das Niveau eines gewöhnlichen
Provinzialmuseums zu übersteigen beginnt, wird
in den kommenden zwei Jahren durchaus würdig
neben den andern Galerien Hollands ihren Platz
behaupten können. Denn der oben genannte
Petersburger Sammier wird hier seine übrigen
holländischen Gemälde — ungefähr 150 an Zahl —
voraussichtlich schon im Laufe des Monats No-
vember leihweise ausstellen. Ein wissenschaft-
lier Katalog der Sammlung wird dann auch
erscheinen.
Im Rijksmuseum in Amsterdam ist in-
zwischen ein Teil der neuen Erwerbungen, von
denen ich im Juli-Augustheft sprach, der damals
aber noch im Depot war, im Saal der Schützen-
stücke aufgestellt worden. Am freudigsten ist
jedenfalls die Erwerbung der beiden Tafeln von
A. de Gelder zu begrüßen, der im Rijksmuseum
bisher nur ungenügend und einseitig vertreten
war. — Im Rijksprentenkabinet hat die
Ausstellung der deutschen Kleinmeister eine
andere, mehr historisch gefärbte abgelöst, die
dafür aber aktuell ist. Sie gibt in zeitgenössischen
Abbildungen eine Übersicht über die Geschichte
des „Dammes“ in Amsterdam, der in nicht mehr
ferner Zeit einer Neugestaltung entgegensieht.
Ein vom Magistrat der Stadt Amsterdam zur
Erlangung von Plänen für die Bebauung des an
der Ostseite durch die Enteignung einiger Grund-
stiicke freiwerdenden Terrains veranstaltetes
Preisausschreiben hatte kürzlich seinen Abschluß
gefunden, und damit war die , Dammfrage* wieder
in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses
gestellt. In der von Direktor E. W. Moes ge-
troffenen Auswahl wechseln in bunter Reihen-
folge blutige Kampfszenen mit friedlichen Er-
eignissen ab, Darstellungen von Hinrichtungen
oder Verbrennungen mit solchen freudiger Fest-
lichkeiten usw. Wir sehen u.a. auch den Brand
des alten Rathauses am 7. Juli 1652, das Ruinen-
feld, verfolgen dann den Wiederaufbau des
neuen, des heutigen königlichen Palais durch
Jacob van Campen, den selber uns eine schöne
Zeihnung von Jan Lievens vorführt. Es
würde zu weit führen, alle 105 Blätter, die den
Zeitraum von 1535—1863 umspannen, hier
einzeln durchzugehen. L&Bt man sie an sich
vorüberziehen, so durchlebt man nicht nur die
an wechselvollen Ereignissen reiche Geschichte
des Dammes, sondern zugleich ein gut Teil hol-
ländischer Geschichte überhaupt. Und wandert
man nachher über jenen so oft gemalten und
gezeichneten großen Platz im Herzen Amster-
dams, so wird man noch intensiver fühlen, auf
was für historisch geweihtem Boden man sidh
eigentlich befindet. Es sei übrigens gesagt, dab
eine ganze Reihe von Blättern sehr wohl audı
künstlerischen Wert besitzt, obschon der Haupt-
akzent auf dem historischen Inhalt dieser ,Illu-
strationen vom Tage“ liegt. Man darf nur ja
keinen Vergleich zwischen dieser alten Art, his-
torishe Ereignisse der Nachwelt im Bilde zu
überliefern, und der unserigen in den modernen
illustrierten Zeitschriften ziehen. Denn der fiele,
was das Künstlerische betrifft, ganz entschieden
zugunsten der Alten aus.
Von der Nieuwe Zijds Kapelle, deren
Abbruch bekanntlih doch beschlossen wurde,
ragen nur noch trümmerhafte Mauerreste in die
Höhe. Das Bauwerk wurde ooch einmal in
einem ausführlichen Artikel von A. W. WeiB-
man in „Elseviers’ Geillustreerd Maandschrift“
gewürdigt. Die dem Aufsatz beigegebenen Ab-
bildungen veranschaulihen auch gut das Innere,
die shöne Raumwirkung, auf welcher der Haupt-
wert des alten Gebäudes in künstlerischer Hin-
sicht beruhte. Bei den Abbruchsarbeiten sind
auch einige Funde gemacht worden. So stieß
man hinter der an der Kalverstraat gelegenen
Tür auf eine zweite kleinere, die mit Reliefs
verziert war, welche sich auf das Hostien-
wunder bezogen. Und hinter dieser zweiten
fand man noc eine dritte mit einer Nische, die
ursprünglich wohl durch Skulpturen geschmückt
war. Außerdem kam an einer anderen Stelle
ein sehr altes skulptiertes zweiteiliges gotisches
Tor zum Vorschein, das aber später zugemauert
worden war. Es ist natürlich, daB im Anti-
quitätenhandel nun auch schon Nieuwezijds-
kapellenraritäten zu haben sind. Vor derartigen
Angeboten warnt deshalb der die Abbruchs-
arbeiten leitende Architekt alle Sammler mit dem
Hinweis darauf, daß auf keinen Fall etwa zu
findende Kunstgegenstände an Händler verkauft
würden.
Stehen wir hier am Grabe eines altehrwiirdigen
Amsterdamer Baudenkmales, so kann von einem
anderen, dessen Wiederherstellung sicherlich ein
922
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
weit größerer Kreis mit lebhaftem Interesse ver-
folgt, bessere Kunde gegeben werden: von dem
in der Jodenbreestraat gelegenen Rembrandt-
haus. Die Fassade desselben ist nach einer
gründlichen Ausbesserung jetzt vor drohendem
Verfall geschützt worden. Und mit ihren Plänen
für die innere Einrichtung, sowie für die zukünftige
Benutzung der Räume machte uns die Verwaltung
der Stiftung „Het Rembrandthuis“, in deren
Händen die Sorge für das Rembrandthaus liegt,
in einem an alle Kunstausübende oder Kunst-
freunde versandten Rundschreiben nunmehr auch
bekannt. Es soll in dem Rembrandthaus eine
Stätte geschaffen werden, wo Rembrandt selbst
durch seine Kunst zum Besucher spricht, eine
Stätte, wo man die Radierkunst des Meisters,
wie sonst eigentlich nirgendwo, ungestört und
wirklich rein genießen können soll. Dazu sollen
seine besten Radierungen möglichst schön aus-
gestellt werden in den Räumen, die durch die
Ausstattung mit echtem, alten Mobiliar — ja
nicht durch Imitationen! — nach Möglichkeit den
Charakter tragen sollen, den sie einst zu Rem-
brandts Zeiten hatten. Es sollen hier dann ferner
Dokumente, Bücher und andere aufRembrandt und
seine Kunst bezugnehmende Dinge gesammelt
werden. Das Rundschreiben schließt mit der
Bitte um Zuwendungen dieser Art. Solche Ab-
sichten verdienen gewiB die Sympathien aller
Verehrer Rembrandts. Die Zukunft wird lehren,
bis zu welchem Grade sich das Gewollte mit dem
Erreichbaren in Einklang bringen läßt. Man wird
wohl auch sehr vorsicitig sein müssen in der
Auswahl der hier aufzubewahrenden Sachen.
Denn keinesfalls darf diese geweihte Stätte eine
Amsterdamer „Sehenswürdigkeit“ werden, wo
sich die Haufen der Reisenden drängen — und doch
langweilen. Die Dinge liegen indessen in guten
Händen, und es ist keine Ursache vorhanden,
an Bestrebungen, die das Beste zu erreichen
wünschen, jetzt schon zu mäkeln. Von der
wirklich nicht leicht zu lösenden Aufgabe werden
die betreffenden Herren so wie so nicht viel
Dank ernten. Es ist nun einmal nicht anders.
Sehr interessante, bis jetzt noch nicht ver-
öffentlichte Dokumente über das bewegte Leben
des von Sandrart und Huygens als Stilleben-
maler so hochgeschätzten Johannes Simonsz
Torrentius — von dessen Werken aber kein
einziges auf uns gekommen ist — teilte Herr Dr.
A. Bredius in der Sitzung der königl. Akademie
der Wissenschaften am 12. September mit. Torren-
tius (geboren 1589) wurde Ende des Jahres 1627
wegen Gotteslästerung und aussciweifenden
Lebenswandels von dem Haarlemer Rat gefangen
genommen und, da er die ihm zur Last gelegten
Vergehen nicht eingestehen wollte, gefoltert und
zum Feuertode verurteilt (eine ausführliche Be-
schreibung der Folterung, wie sie vom Scharf-
richter selbst gegeben wurde, hat Dr. Bredius
auch aufgefunden). Die Todesstrafe wurde aber
schlieBlit in 20 jährige Zuchthaushaft umge-
wandelt. Und nach langen vergeblicien Be-
mühungen um Freisprechung wurde der Maler
endlich am 11. Juli 1630 vom Statthalter be-
gnadigt. Dann begab er sich nach England, wo
er sidı aber auch bald miBliebig machte. Er
starb 1644 in Amsterdam und wurde in der
Nieuwe Kerk begraben. Dies ist ganz roh der
UmriB des Lebensbildes, das Dr. Bredius auf
Grund des von ihm wieder ans Licht gezogenen
reihen Urkundenmaterials entwarf. Ausführlich
wird er es wohl bald in Oud Holland publizieren.
Endlich habe ich nodi kurz von einigen bis-
her unbekannt gebliebenen alten holländischen
Gemälden aus der Sammlung des Pastors G. W.
van Heukelum in Jutfaas zu berichten, die kurze
Zeit in Utrecht im Atelier eines dortigen Malers
ausgestellt waren. Die bedeutendsten Stücke
waren zwei Gemälde von Jan Asselijn und
dreivonBarentFabritius. Die beiden ersteren
schmücten ursprünglich die Türflügel der aus
der jetzt abgebrochenen Nieuwezijdskapelle stam-
menden Orgel der reformierten Kirche in Jut-
faas. Sie stellen dar David vor Saul spielend,
der nach ihm mit einem Speer wirft, und den
Triumph Davids nach Überwindung des Goliath.
Die Gemälde von Barent Fabritius gehörten ur-
springlich einer reformierten Leidener Kirche.
In altertümliher Weise werden auf ihnen in
verschiedenen Abteilungen nebeneinander die
einzelnen Hauptszenen der dargestelltenbiblischen
Geschichten vorgeführt, auf der einen Tafel das
Gleichnis vom Reichen und Armen, auf der andern
die Geschichte des verlorenen Sohnes und auf
der dritten das Gleichnis vom Pharisäer und
Zöllner.
Die Ausstellungen, die sich mit neuerer Kunst
befassen und die über den Rahmen des hier
gewöhnlich Gebotenen nicht heraustreten, kann
ih übergehen. Nur eine nicht. Die im Kunst-
salon von van Gogh in Amsterdam, welche dort
noch bis zum 24. Oktober zu besichtigen ist.
Sie gibt nämlidı in rund 80 Werken eine sehr
gute Übersicht über das Schaffen und die Ent-
wicklung Vincent van Goghs. Auf einem
Gemälde sieht man diesen auch selber bei der
Arbeit vor der Staffelei. Wird dies herbe, tiefe
Selbstbildnis eines der bedeutendsten modernen
Künstler Hollands jetzt wohl ein niederländisches
Museum ankaufen? Oder wird das erst viel
später einmal geschehen? Kirt Preise:
2
Rundschau SE
923
BELGIEN
Unter den Neuerwerbungen des Brüsseler
Museums sind zu erwähnen: Lucas van Valken-
burg, Christus heilt zwei Besessene; eine Reihe
von Skizzen nadı einem Affen, die David
Teniers II zugeschrieben wird, ein Interieur des
Lütticher Malers Henri de France und eine kraft-
volle Skizze, „Die Wut der Spanier“, von Henry
Leys.
In der belgischen Kammer ist ein interessan-
tes Projekt aufgetaucht: an das Brüsseler Kupfer-
Stidikabinett eine Chalcographie anzugliedern,
die sich mit der Herstellung und dem Verkaufe
künstlerisch hochstehender graphischer Blätter
zu beschäftigen hätte. Ähnliche Einrichtungen
bestehen in Madrid und Paris und sind leider
vom Publikum nur wenig gekannt, dem hier
die Möglichkeit gegeben ist, die besten gra-
phischen Blätter fast um nichts zu kaufen, da
diese Institute lediglich zum Selbstkostenpreise
verkaufen.
In Amsterdam verstarb der Maler Piet Ver-
haert, Professor an der Akademie, der im Jahre
1887 an der modernen Bewegung und der Grün-
dung des Cercle des XX. teilgenommen hatte,
sih bald aber einer zahmeren Kunstrichtung
zuwandte. Auch in Deutschland ist er durch
seine Porträts und historischen Gemälde be-
kannt geworden. ne
2
KLEINE NACHRICHTEN
Athen. Zu dem Fund jener vielzitierten Venus-
statuette aus Terrakotta, durch die das Rätsel der Venus
von Milo gelöst erschien, da sie angeblich das genaue
Ebenbild der Melierin, jedoch mit wohl erhaltenen Armen
war, hat der Direktor des Athenischen Nationalmuseums,
Staïs jetzt Stellung genommen, indem er die in sein
Wee genden. Statuette in den „Ephemeris An-
häologiki“ veröffentlidt. Daraus wird dem Kenner also
gleich klar, daß es mit unserer schönen Hoffnung, ein
authentisches Bild von der unbeschädigten Göttin von Melos
zu gewinnen, nichts ist. Es zeigen sich hier in Stellung
und Haltung der beiden Bildwerke so schwerwiegende
Differenzen, daß von einer Identizität keine Rede sein
kann. Unsere liebe Frau von Milo wird also das Ge-
heimnis ihrer shönen Arme auch fernerhin bewahren.
Berlin. Das im Septemberheft dieser Zeitschrift
ublizierte Predellenstük Andreas di Giusto ist aus
rivatbesitz nunmehr als Geschenk in das Kaiser-Friedrich-
Museum gelangt und wird dort neben den zugehörigen
punches von der Hand Masaccios zur Aufstellung ge-
angen.
Berlin. Im Kaiser Friedrih-Museum ist ein
schon im XVII. Jahrhdt. gefeiertes Bild des Pieter
Lastmann, das durch seine Beziehungen zu Rem-
brandt von besonderer Bedeutung ist, neu aufgestellt.
Das Gemälde, das der Direktion des Kaiser Friedrich-
Museums auf ihren Wunsch von dem Besitser, Exzellenz
von Delaroff in St, Petersburg auf zwei Jahre leihweise
überlassen wurde, um einen unmittelbaren Vergleich mit
der Rembrandt-Susanna zu ermöglichen, stellt Susarına
mit den beiden Alten in üppiger Parklandschaft dar und
ist besonders in den Gewändern von hohem koloristischen
Reiz. Rembrandt, der das Bild anscheinend auf der
Auktion des Nadilasses von Lastmanns Werken kennen
gelernt hat, kopierte es damals in en... rojen aorcl-
zeichnung, die jetzt das Berliner Kupferstichkabinett be-
sitzt. us dieser Komposition ist dann nach Ansicht
Valentiners das Berliner Susannabild Rembrandts von
1647 hervorgegangen.
Bregenz. Das Vorarlberger Landesmuseum
hat eine Ausstellung von Bildern Angelika Kaufmanns
veranstaltet, die zum größten Teil dem Privatbesitz ent-
stammten. Die Ausstellung war eine der interessantesten
ihrer Art, da aus Osterreich, Deutschland, Italien und Eng-
land selten gesehene Stücke zusammengetragen waren,
ne Entwicklungsetappen der Malerin anschaulidı be-
cuchteten.
Lemberg. Das seit langem geplante Sobieski'sche
National-Museum wurde Anfangs September in dem von
der Stadt erworbenen ehemaligen Sobieski-Haus auf dem
Marktplatz eröffnet. Das Museum soll einen kultur-
historischen Charakter tragen und speziell die Kultur und
Geschichte Lembergs sowie der östlichen Provinzen des
ehemaligen Polens berücksichtigen, Vorderhand nimmt
das Museum acht Säle im ersten und zweiten Stock ein,
und die ausgestellten Sammlungen präsentieren sich recht
reichhaltig.‘ Besondere Aufmerksamkeit verdienen die
zahlreichen Porträte, beginnend mit dem XVI. youenuadert
alte Städteansichten, Stiche und Drucke, kunstgewerbliche
Arbeiten verschiedener Herkunft usw. P. E.
Kalisch, Russ. Polen. In der ehrwürdigen, um 1220
erbauten St. Nikolaus Kirche zu Kalisch befand sich seit
langem ein sehr schönes flämisches Altarbild, eine ganz
im Rubens schen Stile genes »Kreuzabnahme“, welche
nach der Kirchenchronlk im XVII. Jahrhundert von Ant-
werpen hierher gebracht wurde und zwar als Stiftun
des Bromberger Starosten und Verwalters des Münzhofs
daselbst, Piotr Zeronski. Nach Reinigung des stark be-
SNE und übermalten Gemäldes soli dasselbe, wie
Prof. G. Anycielski in einer Sitzung der Krakauer Aka-
demie der Wissenschaften ausführte, sich unbedingt als
Rubens'sches Originalwerk erwiesen haben, das wohl
zwischen 1618—20 entstanden sein dürfte. P. E.
Krakau. Prof. Graf Georg Mycielski hat im Gebäude
der Gesellschaft der Kunstfreunde eine Ausstellung von
Gemälden alter Meister aus Privatbesitz zusammen-
gebracht, in welcher Künstler des XVII., XVIII. und der
ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts vertreten waren.
Unter anderem waren erke von Gerard van Harp,
Tobias van Nymegen Adr. Boeldemakr, H. Roos, Per
Krafft, Pitschmann, Bacciarelli ausgestellt, sowie ein großes
allegorisches Bild von Fr. H. Fiiger, die Glorifikation des
Marschalls Malachowski darstellend. Von polnischen
Malern des XVIII. Jahrhunderts wurden besonders einige
Bildnisse von Kazimierz Woyniakowski und Zygmunt
Sidorowicz beachtet. P. E.
St. Moritz. Der Gedanke, die besten Werke Segan-
tinis zu sammeln und in der Gegend, wo der größte
Maler des modernen Italiens sich künstlerisch entwickelte
und den weitaus größten Teil seines Lebens verbrachte,
ein Segantini-Museum zu gründen, scheint jetzt
seiner Verwirklichung entgegenzugehen. Die Gemeinde
St. Moritz hat sich der Idee angenommen und den Bau
des Museums beschlossen. Das Innere soll mit der von
Troubetzkoy modellierten Broncebüste Segantinis ge-
schmiickt werden. Ein besonderer Saal wird der Segan-
tinischen Bibliothek vorbehalten sein, in welcher alle in
den verschiedenen Ländern veröffentlichten Werke, Photo-
graphien, Radierungen usw. des Künstlers enthalten sein
sollen.
Rom. Der Direktor der vatikanischen Galerien Prof.
Ludwig Seitz ist hier in der Nacht des 10. September
an Herzschlag gestorben. Seitz, obwohl in Rom geboren
(1844), entstammte einer bekannten bayrischen Maler-
familie, und hat sich als Maler einen guten Namen ge-
macht. Man darf ihn den letzten Nazarener nennen.
Seine Hauptwerke finden sih im Dom zu Freiburg und
im Dom zu Treviso. in Rom malte Seitz im Vatikan und
war zuletzt mit der Aushmückung der deutschen Kapelle
in San Laurentius Des allge Der Künstler genoß das
besondere Vertrauen Leos XIII., der ihn zum VerdruB
der italienischen Künstler zum Direktor der vatikanischen
Galerie machte. Als solcher hat Seitz sich ein ganz be-
sonderes Verdienst erworben, indem er es nach langen
Kämpfen durchsetzte, daß der vatikanischen Gemälde-
sammlung neue, geeignete Räume angewiesen wurden.
Der Tod des verdienstvollen Mannes bedeutet für das
deutsch-rGmische Kunstleben einen schweren Verlust.
CAE
AGO NU
F. R. Martin A History of Oriental
Carpets before 1800. Reproduced and printed
by the Printing Office of the Imperial-Royal
Austrian Court and State in Vienna. Agent for
the Sale Bernard Quaritch. London. 1908.
Der Prachtpublikation der groBen Wiener
Teppichausstellung 1891 hat deren Herausgeber
Ritter v. Scala, im Laufe des letzten Jahres
eine ähnliche Publikation folgen lassen, die in
mindestens gleih vorzügliher Weise eine
kleinere Zahl trefflicher alter Teppiche gewisser-
maBen als Nachtrag zu dem ersten großen
Werke darbietet. Wenige Monate nach der
Vollendung dieser Publikation ist bereits wieder
ein neues Prachtwerk erschienen, F. R. Martins
„History of oriental carpets“, etwa in gleichem
Format mit Farbentafeln derselben ausgezeich-
neten Anstalt, der K. K. Österreich. Staats-
druckerei, die die Tafeln für jene Werke
anfertigte. In diesen Farbentafeln erweist
sih die neue Publikation als eine Ergän-
zung durch hervorragende Stücke, die seit-
her erst bekannt geworden sind, meist gerade
durch das Verdienst des Verfassers, der sie in
seiner Heimat Schweden, in Dänemark oder
im Orient auffand. Aber weit bedeutender als
die Tafeln ist der Text dieses neuen Werkes,
der 159 groBe Folioseiten umfaßt, die mit
391 Abbildungen versehen sind. Das zum Lesen
sehr unbequeme Format, das gleiche wie die
Tafeln, möge keinen für orientalische Kunst
Interessierten abschrecken, diesen Text nicht nur
zu durchblättern, sondern zu lesen und zu
studieren. Martin, der als Mitglied der schwe-
dischen Gesandtschaft in Konstantinopel, Vorder-
asien gründlich kennen gelernt hat, hat wirklich
— wie es der Titel sagt — den ernsten Versuch
gemacht, eine Geschichte der altorientalischen
Teppiche zu schreiben, und dieser Versuc ist
ihm in hohem MaBe gelungen.
Als ich vor etwa 18 Jahren in ein paar Auf-
sätzen im Jahrbuch der K. Pr. Kunstsammlungen
das gleihe Thema behandelte, konnte ich dies
nur als eine Studie zur Geschichte der vorder-
asiatischen Knüpfteppiche bezeichnen, da ich die
Gruppierung der zahlreichen und sehr mannig-
faltigen orientalischen Teppiche, für die damals
weder nach dem Alter noch nach dem Ort der Ent-
stehung irgend begründete Bestimmungen vor-
lagen, zunächst und vor allem aus dem Gesichts-
punkte des Vorkommens ähnlicher Muster auf
älteren Gemälden und in Miniaturen machen
DRA] LITERATUR es
EIA
L © Cw), (6)
konnte. Auf diesen Studien basiert im wesent-
lihen auch noch das später von mir veröffent-
lite Handbuch der „Vorderasiatischen Knüpf-
teppiche älterer Zeit“. Martin steckt sich ein weite-
res Ziel und zieht zur Erreichung desselben alle
Hilfsmittel heran. Aus dem reichen, aber sehr
zerstreuten Vorrat der altasiatishen Kunst-
denkmäler aller Art sucht er das Vergleichs-
material zu gewinnen, um die zeitliche Ent-
wicklung der Teppichweberei im Osten festzu-
legen und um zugleich die erhaltenen Teppiche
auf die Länder, in denen diese Kunst zu den
verschiedenen Zeiten geblüht hat, übersichtlich
zu verteilen. Dies ist ihm, wie mir scheint, im
wesentlichen geglückt. Besonders verdienstlich
ist sein Versuch der Lokalisierung der ver-
schiedenen Teppichgattungen. Er begnügt sich
nicht damit, zwischen persischen, kleinasiatischen,
spanischen u. a. Arten zu scheiden, sondern
sucht für die wichtigsten Gattungen ihre Ent-
stehung in bestimmten Zentren von Persien
oder Kleinasien nachzuweisen. Er verweist die
groBen wollenen Tierteppiche in die Nordwest-
ecke von Persien, die im Handel als Ispahan-
teppiche bezeichnete Art nach Herat, die shönen
groBen Blumenteppiche mit den Vasen und stili-
sierten Lilien nach Südpersien, nach Kirman,
und die altertümlihen großen Teppiche mit
derb stilisierten, meist chinesischen Tieren nach
Armenien oder dem oberen Mesopotamien. In
ähnlicher Weise sucht er für Kleinasien, wohin
ih schon die Teppihe mit mathematischen
Mustern verwiesen hatte, noch strenger zu lo-
kalisieren: zu den schon durch die Händler meist
richtig bestimmten Teppichzentren in Uschak,
Bergama und Giordes fügt er Konia u. a. Plätze
hinzu. Ausfihrlici bespricht er die maurisch-
spanischen, skandinavischen, indishen und
türkischen Teppiche, und schließt mit einer
kurzen Charakteristik der Techniken.
Für eine nach ihrer Technik eigentümliche
Gattung, die in Angorawolle (z. T. auf seidener
Kette) geknüpften Teppiche hatte ich (Dr. Sarre,
den der Verf. deswegen angreift, war mir darin
nur gefolgt) die Herkunft aus Syrien, namentlich
auch Damaskus nachzuweisen gesucht; nicht nur
wegen der Verwandtschaft des Dekors in Zeich-
nung und Farbenstimmung mit dem der
audi heute noch allgemein als Damaskusware .
geltenden Fayencen des XVI. und XVII. Jahrhun-
derts, sondern vor allem, weil in den alten vene-
zianishenInventaren gerade Damaskus-Teppiche
ri u S
Literatur
als Decken der Tische und Truhen aufgeführt
werden und, weil solde Teppiche aus Angorawolle
sich früher noch in großer Zahl, freilich regel-
mäßig völlig abgetreten, in Venedig fanden und
sogar als Tish- und Baldachindecken gewebt
vorkommen. Damaskus war aber damals gerade
ein Mittelpunkt für den Handel Venedigs nach
dem Orient, und die venezianischen Inventare
verzeichnen zahlreiche Gegenstände des orien-
talischen KunstfleiBes, welche von Damaskus
bezogen wurden.') Martin hat seinerseits einen
Vorschlag für die Frage, woher diese in An-
gorawolle gefertigten Teppiche stammen; er
schreibt sie einer, freilich bisher nicht nachweis-
baren, kaiserlichen Teppichfabrik in Kleinasien,
unfern der Hauptstadt zu, die nur für den Hof
gearbeitet habe. Dies erscheint mir schon des-
halb unwahrscheinlich, weil Italien, insbesondere
Venedig voll war von solchen Teppichen, die
schon bei der feindlichen Stellung der Türken
gegen Venedig im XVI. und XVII. Jahrhundert
nicht als Geschenke des Sultans dahin gelangt
sein können. Der Umstand, daß verschiedene,
unter sih z. T. sehr abweichende Muster in
Angorawolle hergestellt wurden, und daß diese
Wolle damals wohl nur in der Nähe von An-
gora gewonnen wurde, spricht freilich dafür,
daß diese Teppiche, die bereits im Ausgang
des XV. und noch bis in die zweite Hälfte des
XVII. Jahrhunderts angefertigt wurden, im mitt-
leren Kleinasien geknüpft worden sind.
In der Datierung der verschiedenen Teppich-
gattungen ist Martin nicht immer ebenso glück-
lidh wie in ihrer Lokalisierung; er hat mehrfach
die Neigung sie gar zu früh anzusetzen, während
er sie ausnahmsweise auch einmal zu spät datiert,
wie z. B. den prächtigen Gartenteppich bei Dr.
Figdor in Wien. Bei den spanischen Teppichen
Zz. B. läßt sich schon aus der Form der Renaissance-
pilaster als Bordüren mit Sicherheit schließen,
daB sie nicht schon 1500 oder früher, sondern
erst im zweiten Viertel des XVI. Jahrhunderts
entstanden sind. Am stärksten vergreift er sich
m. E. bei der Datierung der großen Teppiche
mit Tieren, die er der Zeit der Timuriden und
selbst noci der Mongolen zuschreibt. Nach dem
Muster der Bordüren, wie nach der Zeichnung
und Stilisierung der Pflanzen und Tiere und dem
steten Vorkommen chinesischer Elemente, die
sich fast ebenso in den frühesten Seidenteppichen
der Safiden finden, vermag ich diese Teppiche
nicht über die zweite Hälfte des XV. Jahr-
1) Die Urkunden die sich auf Teppiche beziehen, gebe
id, soweit sie mir zur Verfügung stehen, am Schlusse
dieser Besprechung, um dadurch zugleich auf das z. Z.
unbenutzte reihe Quellenmaterial des verstorbenen Dr.
Ludwig, das jetzt im Kunsthistorischen Institut zu Florenz
aufbewahrt wird, hinzuweisen.
925
hunderts zurückzudatieren; die meisten scheinen
mir sogar erst im Anfange des XVI. Jahrhunderts
entstanden zu sein. Bei den groß und derb
stilisierten Teppichen, die Martin als armenische
bezeichnet, unterscheidet er die späten Nach-
bildungen (Fig. 295) zu wenig von den wirk-
lich alten, wie dem sogen. Graf’schen Tierteppich.
Letztere mögen bis gegen das Jahr 1400 hinauf
gehen, während in dem konservativen Berg-
lande diese Muster noch bis ins XVIII. Jahr-
hundert fast treu wiederholt wurden. Der
gerade vom Verf. wiedergegebene Teppich mit
der wertvollen armenischen Datierung 1684
(Fig. 296) gibt den besten Beweis dafür. Den ver-
wandten, von Martin um 1500 datierten Teppich
(Fig. 304) halte ich nicht für älter als diesen.
Wohl nur aus Versehen sind zwei späte Uschak-
Teppiche (Fig. 283 und 293), zwischen diese
primitiven Teppiche geraten und um 1550 und
1450 datiert worden.
Von den früher sogen. Polenteppichen sucht
Martin mit Glück nachzuweisen, daß sie vom
Schah eigens für Geschenke an die europäischen
Höfe angefertigt worden seien, seit der Zeit
des Schah Abbas I. bis in die zweite Hälfte des
XVII. Jahrhunderts. Wir erfahren durch den
Verf., daB die reiche Zahl solcher Teppiche, die
heute noch am Hofe in Kopenhagen erhalten
ist, durch eine Gesandtschaft des Schah an den
Herzog von Holstein-Gottorp 1639 dahin kam, als
Erwiderung der Geschenke, die dieser seinerseits
durch eine Gesandtschaft an den persischen
Hof geschickt hatte. DaB diese Teppiche nicht
etwa polnisch sind, wie man eine Zeitlang
annahm, sondern echt persisch und das Beste,
was in Persien im XVII. Jahrhundert gemacht
wurde, hatte ich vor nahezu zwanzig Jahren
bereits gesagt und später eingehender be-
gründet. Der Verf. verschweigt dies und kündet
sogar seinen Beweis dafür ausdrücklich als etwas
ganz neues an. Es ist leider überhaupt eine
Schwäche des Verf., daß er das Verdienst anderer
Autoren ungern anerkennt oder sie gar nur er-
wähnt, um ihnen angebliche oder wirkliche Fehler
nachzuweisen. Ici selbst kann mich nicht dar-
über beschweren, da ja Martin ganze Seiten
meines Handbuches unter ausdrücklicher Nam-
haftmachung abdruckt, namentlich soweit ich
den Nachweis über das Vorkommen der Teppich-
gattungen in alten Gemälden gegeben habe.
Aber die Art, wie der Verf. mehrfach gegen
Friedrich Sarre polemisiert, wie er ihn namentlich
in einer Anmerkung wegen Benutzung vonPhoto-
graphien, die nur für ihn selbst in Konia aufge-
nommen sein sollen, und wie er wegen dieses an-
geblichen Vertrauensbruchs einen Kollegen, den
deutschen Konsul Dr. Loytved zur Rede stellt,
926
Monatshefte fir Kunstwissenschaft
diese Art erinnert nur zu sehr an die üble
Streitsucht der Gelehrten alter Zeit. Loytved hat
sich durch seine Publikation der alten Bauten
Konias als Forscher der islamischen Kunst und
Epigraphik vorzüglich legitimiert, und hat in
Konia als Gastfreund manchem Gelehrten, dar-
unter auch gerade Herrn Martin, den Aufent-
halt angenehm und belehrend gemacht. Aber
auch abgesehen davon wäre der angebliche MiB-
braudi der Photographien kein solches Vergehen
‚gewesen, um überhaupt davon zu reden. Wenn
der Verf. nun gar Dr. Sarre fast nur erwähnt,
um ihm etwas anzuhängen oder anzudichten,
wenn er mit keinem Worte auf die sich mit
Martins Resultaten vielfach deckende Übersicht
über die Entwicklung der alten orientalischen
Teppichindustrie in dem im v. J. erschienen
Wiener Werke Rücksicht nimmt, so möchten
wir ihn auf Sarre’s eigenes Verhalten in seinen
zahlreichen Arbeiten hinweisen, die alle ebenso
sachlih und bescheiden, in ihrer Art so reiflich
begründet, so in sich abgeschlossen sind, daß
sie maßgebend und vorbildlich in der Forschung
über vorderasiatishe Kunst dastehen. Diese
knappe, vorsicitige Art von Sarres Forschung
hätte gerade Martin sich zum Vorbilde nehmen
sollen; jedenfalls hat er durch Sarres Arbeiten
ebensoviel gelernt wie wir alle, und er hätte
deshalb Veranlassung gehabt nur mit der größten
Hocdadhtung von ihm zu sprechen. Doch das
ist mehr eine Schwäche des Verf. als seines
Buches, das wir daher trotzdem aufs wärmste
empfehlen, und dem wir eine deutsche Über-
setzung ohne die Tafeln und im handlichen
Quartformat wünschen möchten.
Auszüge betr. orientalishe Teppiche
aus venezianishen NachlaBinventaren.
26. I. 1478. Quondam Ser Andreas Benedictus
(großer Seidenfabrikant in V.).
„in una cassa cum le arme ed altre picture:
un tapedo grande in do pezzi
sie tapedi
quatro tapedi tristi.“
3. I. 1511. Doma Andriana rel. .
dano.
„do tapedi damaschini novi
un tapedo da tavola grando
9 tapedi tra grandi e pizoli de più sorte vechij.“
. Pauli Lore-
15. I. 1511. Doma Marina rel... Aloysij Gre-
gorio. |
„uno tapedo da tavola grando cimescasacho
ala morese
do tapedi picoli cimescasachi
tapedi 5 turcheschi et rodioti de più sorte
usadi et vedhij.“
31.1.1511. Dome Francescina . . nob. domi Vin-
centij Gabriel.
„do tapedi sopra i quali dise dover haver
duci 8
quatro tapedi damaschini
quatro tapedi rodioti et turchescdii.“
9. II. 1511. Doma Clara . . . Philippi Trivisani.
»4 tapedi vechij et 1 carpeta vechia de tapedo.“
2. V. 1511. Doma Helisabet Cavorlina qm Ser
Gregorii.
„In un altra cassa depenta tapedi 8 damas-
chini et uno tapedo daschago grosso
in un altra cassa depenta do tapedi vechi.“
4. V. 1511. Doma Lucretia relicta domi Bernar-
di Busebi.
„Una cassa ... con un tapedo vechio da do
quadri
do tapedi, uno novo da tre rode et uno vechio.“
7. V. 1511. Doma Lucretia ... Aloysii Gregorio
wl tapedo da tavola usado
14 tapedi de più sorte tra vechij et strazadi
7 tapedi turcheschi usadi.“
4. VII. 1511. Dom. Delplunella . . . Maripietro.
„15 tapedi usadi de più sorte.“
13. VIII. 1511. Dom. Maria relicta.de Gregoriis.
„do tapedi grandi vechi da terra
tapedi 6 usadi turcheschi tra grandi e mezani
e uno tapedo damaschino vechio da descho
tapedi 6 damaschini da cassa e uno grosso
che fono No 7.“
4, XII. 1511. Viri nob. Dom. Hieronymus et
Stephanus Contareno.
„Una carpeta barbarescha longa braza 5, larga
braza 3
Un altra carpeta longa braza 4'/, e larga 3!/,
Un altra longa braza . . . de carnola
7 tapedi usadi turcheschi de più sorte
10 tapedi de più sorte usadi
Un altra de . . .“
18. XII. 1511. Doma Margarita rel. Ser Victoris
Trono.
„una schiavina (?), un tapedo vechio,
fra altri tapedi, 5 carcari (?).“
22. IV. 1512. Clara Marcello rel ... Aloysii
Trivisani. |
„2 tapedi de terra da camera in 4 pezi
1 tapedo barbaresho damasdhin finnissimo
da cassa
6 tapedi damaschini da capo usadi.“
Schon diese fast alle nur aus einem Jahre
stammenden Inventare beweisen, welche auBer-
ordentliche Menae orientalischer Teppiche da-
mals in den Häusern der virer sai und reihen
Literatur
927
Venezianer sich befanden. Die Benennungen in
bezug auf Benutzung wie auf Herkunft der
Teppiche sind durchaus gleichmäßige, sie geben
uns aber trotzdem mancherlei Rätsel auf, die
nur der in der Zeit- und Kulturgeschichte Ve-
nedigs während der Renaissance völlig Be-
wanderte lösen kann. Welcher Unterschied
wurde zwischen ,tapedi“ und „carpete“ ge-
macht? Welche Herkunft bezeichnen die Aus-
drücke tapedi damaschini, turcheschi, barbareschi,
cimescasachi usf. Dr. Ludwig, der gerade mit
der Ausarbeitung dieses Teiles seiner sehr um-
fangreichen Ausbeute aus den Inventaren Ve-
nedigs beschäftigt war, als ihn der Tod viel zu
früh abrief, hat für diese Arbeit nicht einmal
Notizen hinterlassen; hoffentli wird aber bald
ein Kenner der orientalischen Kunst diesen Schatz
zu heben suchen. W. Bode.
8
Johannes Sievers. Pieter Aertsen. Ein
Beitrag zur Geschichte der niederländischen
Kunst im XVI. Jahrhundert. Hiersemann. Leip-
zig 1908. |
Die Arbeit des Herrn Sievers über den be-
rühmten ,Lange Pier“ ist eine sehr fleiBige
und interessante und bringt manches neue. Das
Beste am Buch sind die vortrefflichen und zahl-
reichen Illustrationen, welche einen ausgezeichne-
ten Überblick über die Arbeiten des Amsterdamer
Künstlers gestatten. Es ist Herrn Sievers ge-
lungen, manches unbekannte Werk ans Tages-
licht zu fördern, so das merkwürdige Stilleben
in Upsala, wohl eins der ersten niederländischen
Bilder welches ein richtiges Stilleben darstellt,
und das Fragment einer Anbetung der Hirten
auf SchloB Nieuwebruck, das vielleicht ein Bruch-
stück der berühmten Altartafel der Oudekerk in
Amsterdam ist, wie Verfasser eingehender zu
beweisen versucht, die Kreuztragung aus der
Kirche zu Balen a. Nethe usw.
Viele Bilder Aertsens wurden zum ersten
Male hier abgebildet oder näher gewürdigt.
Die älteren und neueren Quellen werden in
der Biographie benutzt und erwähnt; es wäre
vielleicht nicht unpassend gewesen, van Manders
Biographie vollständig in möglichst treuer Über-
setzung dabei drucken zu lassen.
AuBer den knappen biographischen Notizen
besteht das Buch fast nur aus einem Catalogue
raisonné der Werke Aertsens, einer Liste der
ihm falschlich zugeschriebenen Werke und einem
Nachwort, worin der Verfasser die künstlerische
Bedeutung Aertsens zu schildern versucht.
Dieser „Schluß“ ist m. E der schwädhste Teil
des Buches. Er betrachtet ihn als Neuerer im
Stilleben, als Bauernmaler in erster Linie, „der
sich, nicht-als erster in der Reihe, der Zahl
der Meister einfügt, die, mit Lucas van Leyden
an der Spitze ..... allmählich Züge aus dem
ailtäglihen Leben immer mehr in den Vorder-
grund der Darstellung rückten“. Das ist doch
wohl etwas wenig für Lange Pier! Er ist doch
wohl einer derjenigen, weicher eine der hervor-
ragendsten Stellen einnimmt bei der Erschaffung
der Bauerninterieurs — er ist, neben Brueghel,
der große Mann, der direkt zu Brouwer,
Teniers und Ostade führt. Man denke nur
an die Interieurs im Rijks-Museum und in der
Sammlung Meyer varı den Bergh, letzteres
schon ein direktes Vorbild für die frühen Ar-
beiten Brouwers. Auch mit dem völligen
Fehlen der Arbeiten von Zeitgenossen macht
Herr Sievers es sich etwas leicht. Da hätte ein
eingehenderes Studium von Handzeichnungen,
von einigen doch noch in Stichen vorhandenen
Arbeiten dieser Meister gewiß noch zu Resul-
taten geführt.
Audh ein Vergleich mit gleichzeitigen Werken
Pieter Brueghels wäre lohnend gewesen.
Was Verfasser über die Entlehnungen an
italienischen Bildern (Raffael, Bassano) sagt,
kommt mir sehr richtig vor. Auch ich glaube
kaum, daß Aertsen in Italien war. Dafür ist
seine Ärbeit zu holländisch geblieben.
Wenn man das Buch von Sievers durch-
blättert, kommt es einem fast sonderbar vor,
wie merkwürdig manche Kompositionen Aert-
sens an Jordaens erinnern. Bei beiden die
geringe Luftperspektive, das Überfüllte, die-
selben Arrangements bei den Anbetungen der
Hirten usw. Wie viel höher steht aber Aert-
sen hier doch schon als die meisten Maler an
dem Ende des XVI. Jahrhunderts, die also nach
ihm kamen; wie viel ursprünglicher ist er, und
wie bricht überall der lebendige Zug nach dem
Reellen durch! Er ist doch der groBe Genre-
maler des XVI. Jahrhunderts, dem nur
Pieter Brueghel zur Seite gestellt werden
kann.
Sehr richtig sagt Sievers am Schluß: „An
die Stelle gezierter, antiker Göttinnen hat er
die Küchenmagd gesetzt und ihr einen impo-
nierenden Zug von gesunder Kraft und Rührig-
keit gegeben.“ | -
Noch eine Kleinigkeit. Das Bild des K. K.
Hofmuseums in Wien, welches die alten Hol-
länder „een borstentastertje“ nannten, ist doch
wohl von Aertsen selbst, m. E. eine seiner
geringeren Arbeiten. Mehrfach kommen in
alten Inventaren (um 1650) „borstentastert-
928
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
jes van Lange Pier“ vor. Das Amsterdamer
Bild von Pieter Pietersz, dem Sohne, ist
ganz anders — man vergleiche nur (auf der
Tafel 32) auf den Bildern Köpfe und Hände!
Es wäre auch schön gewesen, wenn Sievers
uns über die Söhne etwas mehr berichtet hätte,
aber da wäre allerdings das Werk vielleicht zu
umfangreich geworden. Die Bilderbeschreibungen
hätten neben den outen Abbildungen etwas
knapper sein können; dagegen wäre etwas
mehr über Beuckelaer und andere Nachahmer
und Nachfolger bestimmt erwünscht gewesen.
A. Bredius.
9
A.Hautp. Palast-Architektur von Ober-
italien und Toscana vom XIII.—XVIII. Jahr-
hundert. I. Verona. Berlin, Ernst Wasmuth,
A.-G. 1908. 2°.
Mit dieser Lieferung beginnt eine Fortsetzung
der Raschdorffschen Publikationen fiber die Re-
naissancepaläste von Toscana, Genua und Ve-
nedig. Durfte man schon bei dem letzten Bande
— Venedig — fragen, ob die Veröffentlichung in
dieser Form modernen baukänstlerischen und
kunstwissenschaftlichen Bedürfnissen entspreche,
so ist dies noch mehr bei der jetzt beginnenden
Folge der Fall. Als vor dreißig Jahren die
Herausgabe des Reinhardt-Raschdorffschen Un-
ternehmens begann, durfte sie allseitig mit Freu-
den begrüßt werden. Heute stehen wir aber
doch auf einem zu entwickelten Standpunkt, um
jenes Schema noch befriedigt weiter genießen
zu können. Die moderne Architektur mußte,
durch Semper angeleitet, über die italienische
Renaissance zu neuem Schaffen geführt werden,
aber heute dient nicht mehr der italienische
Palast als Eselsbrücke für den Architekten zum
Aufpicken der verschiedenen Motivchen, das
kann höchstens noch für den Hochschüler in den
ersten Semestern der Fall sein. Heute verlangt
der Architekt und — leider nur noch zu wenig —
der Kunsthistoriker bei einem architektonischen
Monumentalwerk nicht nur ein paar gestochene
Details, die schließlich in älteren Monographien
fast ebenso genau und zahlreicher zu finden
sind, und Lichtdrucke, die bei den engen italie-
nischen Gassen nur zu oft ein ganz falsches
Bild von der Monumentalwirkung geben, son-
dern eine entwicklungsgeschichtliche Darstellung.
DaB der neue Herausgeber, bezw. Fortsetzer der
Raschdorffschen Publikation, Albrecht Haupt ist,
erscheint fast wie eine Ironie, denn gerade er
gehört zu den wenigen Architekten, die sich
auch als Kunsthistoriker einen sehr geachteten
Namen gemacht haben. Der Inhalt der Lieferung
enthält keinen Text und in den Tafeln neben
dem Palazzo del consiglio und den widitigeren
Wohnbauten Sanmichelis noch einige Barock-
paläste von nicht übermäßiger Wichtigkeit. Auf
dem etwas hypertrophischen Titel steht „Palast-
Architektur.... vom XII.—XVIII. Jahrhundert“.
Wenn irgendwo dieses unerfüllte Versprechen
auch nur teilweise und leicht erfüllbar gewesen
wäre, so wäre dies in Verona der Fall gewesen,
das noch fast ganz ungehobene Schätze für
den mittelalterlihen italienischen Palastbau
bietet. Die Lichtdrucke sind gut, soweit dies
nach der oben erwähnten Einschränkung mög-
lich ist, die Stich(?)blätter können sich mit den
vornehmeren Publikationen des vorigen Jahr-
hunderts von Letarouilly, Geymüller-Stegmann,
sogar den früheren „Raschdorffs“ nicht im ent-
ferntesten messen, weii der Architekturstich eben
bereits fast ganz ausgestorben ist. Wenn nicht
der Herausgeber, soweit das ihm möglidı sein
wird, das wissenschaftliche Interesse gegenüber
dem des Verlegers durchzusetzen versteht, so
dürfte die gesamte Publikation mehr im Interesse
des letzteren, als der Allgemeinheit stehen.
Hans Stegmann-Nürnberg.
2
Hans Wolfgang Singer. Die Klein-
meister. Mit114 Abbildungen. Bielefeld und
Leipzig. Velhagen & Klasing, 1908. [Künstler-
Monographien, herausgegeben von H. Knack-
fuB XCII)
H. W. Singer ist einer der fleiBigsten und
fruchtbarsten Kunsthistoriker. Durch die Schnel-
ligkeit in der Produktion wurde die Güte seiner
Bücher oft beeinträchtigt. Weil manche Arbeit
als unfertige Frühgeburt zur Welt kam, mußten
die Rezensenten häufig tadeln. Manchmal waren
sogar harte Worte nötig. Da ist es erfreulich,
diesmal loben zu können. Nicht unbedingt frei-
lim. So gut wie Singers treffliche Arbeit über
Le Blon ist dieses neue Buch nicht. Es ist aber
auch kein rein wissenschaftliches Werk, sondern
eines, das sich wie alle Bande dieser Folge an
ein größeres Publikum wendet. Das einfache
Thema gab auch geringen Anlaß, auf Abwege
zu irren. Denn was die Kleinmeister bedeuten,
ist in simpler Erzählung zu sagen. Inwiefern
sie eine Gruppe bilden, in welcher Besonderheit
sidh die einzelnen Meister zu erkennen geben,
wie sie sich in Stil und Auffassung unter-
scheiden, das hat Singer gut geschildert. Die
Illustrationen sind mit Bedacht gewählt, so daB
Literatur
sie eine ganz ausreichende Vorstellung von den
Künstlern geben.
Thema nach einer Seite begrenzt, nach der
andern erweitert. Erweitert, indem er Meister,
die gewöhnlich nicht zu den Kleinmeistern ge-
zählt werden, wie Hirschvogel, Lautensack, Lord
und Jenichen noch in den Kreis seiner Erörterung
hineinzieht. Begrenzt, indem er nur eine Seite
ihrer künstlerischen Betätigung heleuchtet, die
Kupferstiche. Sie sind aber beinahe alle auch
Maler und Zeichner für den Holzschnitt gewesen.
Gegen Begrenzung und Erweiterung läßt sich
nichts einwenden, das Buch hat dadurch einen
hübsch abgerundeten Inhalt bekommen. Zu
offenen wissenschaftlichen Fragen Stellung zu
nehmen, fand sich beim Schreiben dieses Buches
kaum Gelegenheit. Wenn ich es recht übersehe,
nur in einem Fall. Und da hat sich Singer frei-
lich auf die falsche Seite gestellt. Friedländers
schöner Nachweis, daß der Meister I. B. mit
Pencz identisch sei, wird von Singer bekämpft.
Sonst haben die unterrichteten Fachgenossen
Friedlander beigestimmt. Singers Gegengründe
lieBen sich, wozu aber hier nicht der Ort ist,
leicht widerlegen. Natürlidı wird durch diese
und ooch einige andere Meinungen, denen nicht
beigepflichtet werden kann (ich will sie nicht
erst erwähnen), Wert und Brauchbarkeit des
Buches kaum gemindert. Denn den Lesern, für
die es bestimmt ist, geschieht geringer Schaden,
wenn sie, durch Singer bewogen, den I.B. und
Pencz für zwei verschiedene Künstler halten.
Jaro Springer.
2
Neue keramische Literatur. 1. Adolf
Brüning. Porzellan. Mit 166 Abb. Hand-
bücher der Kgl. Museen zu Berlin. Band XIII.
1907. 2. Karl Fried. Gutmann. Die Kunst-
töpferei des XVIII. Jahrh. im Großherzogtum
Baden. Karlsruhe. Verlag der G. Braunschen
Hofbuchdrucerei. Mit 5 Tafeln in Lichtdruck usw.
1906. 3. Emil Heuser. Die Pfalz-Zweibrückner
Porzellanmanufaktur. Mit Abb. im Text,
6 Tafeln usw. Neustadt a. d. H. Ludwig Witter,
Kommission, 1907. 4. Emil Heuser. Pfalzisches
Porzellan des XVIII. Jahr. im Zusammenhang
mit der Entwicklung der europ. Porzellanfabri-
kation. Mit 3 Tafeln. S. A. aus den Mit-
teilungen des Hist. Vereins der Pfalz. Speier.
1907.
Das längst erwartete Handbuch Adolf Brü-
nings, der mit dem mustergiltigen Katalog der
Singer hat das behandeite.
929
Porzellanausstellung im Berliner Kunstgewerbe-
museum schon seine Meisterschaft auf diesem
Gebiete bewiesen hat, ist das beste bisher vor-
liegende Handbuch der Porzellankunst, das wie
kein anderes imstande ist, eine klare, fiber-
aus lichtvolle und orientierende Einsicht zu ge-
währen. Die neueste Literatur ist überall in
die Darstellung einverwoben, die außerdem
eine Fülle neuer wertvoller eigener Forschungs-
resultate auf diesem noch so häufig rätselvollen
Gebiete enthält. Gerne liest man wieder die
feine Analyse der Heroldschen Chinoiserien, die
scion im Berliner Katalog so ansprach, die
Schilderung der Kunst des Frankenthaler Mo-
delleurs Link. Wertvoll ist das Kapitel über
Berlin, das wir als das erste zusammenfassende
über die gesamte Tätigkeit dieser Fabrik be-
zeichnen müssen. Als erster hat Brüning so-
dann die frühere plastische Kunst von Höchst
vor Melchior, berücksichtigt. Gut und richtig be-
obachtet ist der Hinweis auf die Verwandtschaft
einiger zusammengehöriger Fulder Figuren mit
Frankenthaler Modellen; allerdings braucht nicht
unbedingt darum auf denselben Modelleur ‘ge-
geschlossen zu werden, der in beiden Fabriken
gearbeitet hat. Es handelt sich hier wohl nur
um eine starke Beeinflussung des Fulders durch
den Frankenthaler.
Die Vermutung Brünings, daß die holländi-
schen Steinzeuge von Ary de Milde u. a. un-
abhängig von Böttcher und direkt nach chine-
sishen Vorbildern entstanden seien, braucht
nicht so bedingt hingestellt zu werden. Sie
sind vielmehr ganz bestimmt von Böttcher
unabhängig, da sie zeitli den Böttcherschen
Erzeugnissen vorangehen. Den archivalischen
Beweis hat ja der leider verstorbene Haager
Sammler van der Burgh erbracht (Oud Holland
XIX, 1901, S. 99 ff.); aus demselben geht hervor,
daB die „potjes van Delfsche roode aarde“
bereits im letzten Viertel des XVII. Jahrhunderts
erscheinen.
Den Hauptbestandteil des Gutmannschen
Buches bilden die Kapitel fiber die Fayence-
fabriken zu Durlad und Mosbach sowie die
Porzellanfabrik zu Baden-Baden. Seit vielen
Jahren sammelte Gutmann besonders die Dur-
lacher Fayencen und hat auch schon einmal
etwas über dieselben geschrieben. Im Karlsruher
Kunstgewerbemuseum und dem zu Hamburg
stehen zahlreiche Stücke und Brinkmann hat
auf Grund archivalischer Studien bereits im
Jahrbuch der Hamburgischen wissenschaftl. An-
stalten XIII. 1896. S. A. S. 22 f. eine vortreffliche
Würdigung der hübschen kulturgeschichtlich so
wertvollen volkstümlihen Fayencen gegeben.
Unterdessen hat man eine größere Anzahl von
930 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
Aktenfaszikeln aufgefunden, die Gutmann mit
verarbeitet hat. So kommt eine vielleicht etwas
zu breite, alle Details registrierende Darstel-
lung zustande, die Geschichte der Fabrik vom
Anfang bis zum Erlöschen schildernd. Der
Passus über die Erzeugnisse der Fabrik bringt
gleichfalls viel Neues, aber die Vermutung Gut-
manns, daß in der ersten Epoche unter den
„Porcellain“-Waren etwas Anderes als Fayence
zu verstehen sei, ist ganz haltlos. Echtes Por-
zellan machte man sicher nicht, das gibt auch
G. zu, aber ebensowenig fabrizierte man auch
eine dem Steingut ähnliche Komposition; das
Steingut wurde erst um 1770 auf dem Kontinent
gebrannt. Eine der frühesten bezeichneten
Durladier Fayencen besitzt das Kunstgewerbe-
museum zu Karlsruhe, 1755 von Cyriacus Löwer
gemalt, einen geborenen Kasselaner. Dabei hat
G. übersehen, daß Löwer bereits 1748 als Blau-
maler in der Höchster Fabrik vorkommt. Nicht
ohne Wert ist die Nachricht, daB Löwers erste
Frau aus Göppingen stammt und somit wahr-
scheinlich sei, daB Löwer dort war. Stieda be-
richtet übrigens, was G. unbekannt ist, daB 1750
zu Göppingen ein Porzellanmaler aus dem
Hessen-Kasselschen, der in Wrisbergholzen seine
Kunst erlernt hatte, ein gewisser Cyriacus Loubert
auftauchte, welcher sein Gutachten über das dor-
tige Werk abgab. Vielleicht sind beide identisch,
Die Porzellanfabrik zu Baden-Baden scheint
wirklich diesen Namen verdient zu haben. Unter
Zacharias Pfalzer (1771—78) scheint in der Tat
Porzellan gemacht worden zu sein. Man bezog
Passauer Erde und verfertigte u. a. Figuren,
Fingerhüte, Dosen u.a. „Galanterien“, die wohl
nur in Porzellan zu denken sind. Außerdem
fand G. echte Porzellane mit goldenem Hack-
oder Beilmesser und dem badischen vom Kurhut
bekrönten Wappen als Marken. G. hat sich
leider mit dem von französischen und englischen
Keramikern seit Jahrzehnten mit Bestimmtheit
der Fabrik zu Baden-Baden zugeschriebenen
Porzellanen mit zwei Beilen oder zwei Beil-
messern als Marken gar nicht auseinander-
gesetzt. Chaffers z. B. berichtet von vier alle-
gorischen Figuren der Künste aus den Samm-
lungen Staniforth und Bohn. Die Akten der
Fabrik im Karlsruher Generallandesarchiv, die
ich durchsah, berichten ferner, daß Herr von
Berckheim eine Reihe von Figuren kaufte. Es
hätte sich verlohnt, dana zu suchen. Viel-
leicht sind sie noch im Berckheimschen Schlosse
zu Weinheim zu finden. Im Jahre 1750 schon
hatten sich zwei „ausländische Porzellanmacher“
Jeremias Pitsch von Rothenburg und dessen
Schwiegersohn Caspar Günther beim Mark-
grafen gemeldet und um die Erlaubnis zur An-
lage einer ,Porcellain-Fabrik“ in Baden-Baden
angesucht. G. teilt diese Tatsache mit. Leider
aber teilt er nicht mit, daB diese beiden Männer
zu den typischen keramischen Vaganten des
XVIII. Jahrhunderts gehörten. Pitsch war nach-
einander z. T. in leitender Stellung in den
Fabriken zu Ansbach, Öttingen, Fulda und
Höchst. Günther kommt auch in Hödhst vor.
Am wertvollsten ist für uns das letzte Kapitel
über die Fayencefabrik zu Mosbach, einen Abieger
der Frankenthaler Fabrik, die eine Zeitlang so-
gar mit derselben Marke, dem Monogramm
Carl Theodors ihre Erzeugnisse markierte. Nach
den erhaltenen Fayencen zu schließen, hat sich
die Fabrik mit ihren Erzeugnissen selten über
das rein handwerksmäBige Niveau erhoben.
G. hat es übrigens leider unterlassen, die auf
denselben Akten beruhenden Aufsätze von Stieda
zu erwähnen, die zwei Jahre vor dem Erscheinen
seines Buches in der Zeitschrift für die Gesch.
des Oberrheins gedrukt wurden. Die übrigen
von G. behandelten Fabriken haben mit der
Kunstgeschichte nichts zu tun. Zweifellos ist
das Buch ein Stück ehrlicher und genauer Arbeit,
die unsere Kenntnisse bedeutend vermehrt, aber
eine gewisse Ungeduld darf man dem Leser nicht
verübeln, der gezwungen ist, diese Kenntnisse
mühsam aus einem Wuste unnötiger Details
herauszukramen.
Emil Heusers Buch über die Pfalz-Zwei-
brückener Porzellanfabrik ist ein wirklich wert-
voller Beitrag zur Geschichte des deutschen Por-
zellans. Die Zweibrückener Fabrik, über die wir
zerstreute Nachrichten schon lange haben, hatschon
manchen zu Nachforschungen gereizt. Sticda be-
sprach das wenige Bekannte in seiner „Keramik in
Bayern“. Ich selbst habe in meiner Besprechung
des Stiedaschen Buches in der Beilage zur Ällgem.
Zeitung ein paar neue Notizen hinzu getragen
und als Erster die Vermutung ausgesprochen, daß,
falls man in Zweibrücen wirklich Porzellan
gemacht hat, eine Reihe von Porzellanen mit
dem Monogramm P. Z. dieser Pfalz - Zwei-
brückenschen Fabrik zugeschrieben werden könn-
ten. Heuser hat den Beweis erbracht, daB dies
tatsächlich der Fall ist. Er hat auch die ihm
bekannt gewordenen seltenen Porzellane —
55 an der Zahl — mit dem Monogramm P. Z.
zusammengestellt. Nachzutragen wäre ein hüb-
sches Stück des Germanischen Museums, ein Be-
hälter für Essig und Öl in Schifform, ein Modell,
das auch in Straßburger Fayence und Höchster
Porzellan bekannt ist. Merkwürdig wenig Figu-
rales aber scheint die Fabrik geschaffen zu
haben. Die Vermutung Heusers, daB alle im
Besitze des Oberdirektors Stahl aufgeführten
Porzellane von Zweibrückener Provenienz seien,
nce ge en re
Literatur 931
halte ich in dieser Form für unrichtig. Einige
davon wie der „alte Mann“ sind es wohl gewesen,
andere aber wie die Bockreiter, die Melk-
gruppen usw. kommen in den übrigen Listen
und Inventaren nicht vor. Dem Buche Heusers
sind als wertvolle Beigaben eine Markentafel
und zwei Tafeln mit Abbildungen von Zwei-
brückener Porzellanen angefügt.
Einen kurzen Auszug aus dem Bude, ver-
bunden mit einerknappen aber gut orientierenden
Geschichte der FrankenthalerFabrik bietet Heusers
Aufsatz über Pfälzisches Porzellan. Wertvoll
ist der Nachweis einer abgebildeten Teebiichse
mit blauem aufgedruckten Dekor; das Geheimnis
des Verfahrens hatte, wie aktenmäßig festge-
stellt ist, P. Berthevin 1770 der Fabrik verkauft.
E. W. Braun.
g
Fridericianisches Barock. 80 Naturauf-
nahmen in Lichtdruck nebst 6 Seiten einleiten-
dem Text. Herausg. von O. Kloeppel. Baum-
gärtner, Leipzig. (M. 30.—).
Im Gefolge der modernen Architekturbewe-
gung mehren sich Publikationen deutscher Bau-
kunst des 18. und namentlich von der Wende
zum 19. Jahrhundert. Sie sind zunächst an den
Architekten gerichtet und wollen seinem Streben
nach „Sachlichkeit“ förderlich und dienstbar sein.
(„Sachlichkeit“ lautet das Feldgeschrei, womit
heute für viele, die an künstlerischen Ideen
Mangel leiden, alles gesagt ist.) Dem Kunst-
historiker sind sie eine willkommene Erweite-
rung seines Abbildungsmaterials, zumal es sich
vielfach um abseitsgelegene und bisher wenig
beachtete Denkmäler handelt. Unter den von
Kloeppel herausgegebenen Aufnahmen sind die
von Bürgerhäusern Frankfurts a. O. am
wenigsten bekannt. Sie gehören der 2. Hälfte
des XVIII. Jahrh. an. Von den italienischen Palast-
fassaden in Potsdam, vor denen die Kolossal-
säulen und Pilaster wie Riesengrenadiere aufge-
pflanzt sind, unterscheiden sie sich vorteilhaft durch
ihr einfach gefälliges, anständig proportioniertes
Kleid. Kloeppel vermutet schlesischen Einfluß.
Im übrigen enthalten die Tafeln gut ausge-
führte Ansichten von Schlössern, Kirchen und
Privathäusern in Berlin, Potsdam, Oranien-
burg, Köpenick u. a. von der Zeit des Großen
Kurfürsten bis ums Jahr 1800. Der Titel „Friderici-
anisches Barock“ deckt sich kaum mit dem Inhalt,
und die Begründung des Herausgebers, Frie-
dridi I. und Friedrich der Große seien „die
Hauptträger dieser Kunst“ gewesen, klingt doch
etwas sehr äuBerlih. „Preußischer Barock und
Klassizismus“, damit wäre das Thema schon
eher bezeichnet. Denn — trotz der nahen
künstlerischen Beziehungen zwischen den euro-
päischen Ländern, trotz der Heranziehung frem-
der Meister — ein preußischer Zug, eine stramme,
soldatische, ein wenig trockne und unelegante,
aber gediegene Haltung trennt die Bauten, die
unter der Aegide der Hohenzollern entstanden,
durchaus von ihren Zeitgenossen im übrigen
Deutschland. Charakteristischerweise gibt das
Rokoko nur ein verhältnismäßig kurzes Gast-
spiel (unter Knobelsdorff. Um so fester und
dauernder verbindet man sich der puritanischen
Strenge des holländischen Klassizismus, der die
wesentliche Richtung bis ins XIX. Jahrhundert
hinein bestimmt. Es wäre eine dankbare Auf-
gabe, das Besondere der brandenburg-preu-
Bischen Architektur seit dem Groben Kurfürsten
einmal herauszuheben und zu deuten. Die An-
regung, die hierzu vor Jahren Lichtwark in
seinem vortrefflichen Essay über Potsdam ge-
geben hat, ist bis jetzt, soviel ich weiß, nicht
benützt worden. Sollen Publikationen wie die
vorliegende nicht nur in den Architekturbureaus
als Eselsbrücken dienen (denn welcher wahr-
haftige Architekt schöpft seine Bildung aus
Photographien!), sollen sie auch dem Historiker
dauernd wertvoll bleiben, dann ist zu wünschen,
daB künftig auch die Grundrisse der wich-
tigeren Gebäude mit aufgenommen werden.
August Grisebad.
2
Selwyn Brinton, Mantua. Mit 85 Abbil-
dungen. Leipzig, E. A. Seemann 1907. (Be-
rühmte Kunststätten Nr. 37.)
Für die allmählich auf eine recht stattliche
Anzahl angewachsene Bandchenfolge der „Be-
rühmten Kunststätten“ hat sich so etwas wie
ein einheitlicher Stil nicht recht herausbilden
wollen. Neben umfangreichen und gründlichen
Arbeiten, die aber zum Teil wohl über das Be-
dürfnis des Publikums, auf das die Sammlung
ursprünglich berechnet war, beträchtlich hinaus-
gehen, stehen feuilletonistische Kompilationen,
neben Darstellungen von selbständigem wissen-
schaftlichen Wert solche, die gerade der Kunst
gegenüber, die hier doch die Hauptsache sein
sollte, einen durch Kenntnisse und Urteil unge-
trübten Dilettantismus vertreten. Das Bändchen
über Mantua gehört im Großen und Ganzen zu
dieser letztgenannten Kategorie. Es ist nach
dem Manuskript des bekannten englischen Kul-
turhistorikers Selwyn Brinton von Joh. Kurz-
61
932
Monatshefte fir Kunstwissenschaft
welly ins Deutsche übersetzt worden; der Über-
setzer hat seine Aufgabe mit Geschick erledigt,
er hätte aber gut daran getan, auch als Bear-
beiter aufzutreten und den Rotstift tüchtig zu
handhaben. Denn der Verf. stellt durch seine
mit behaglicher Breite dahinplätschernde, im
Chronikenstil gehaltene Darstellung namentlich
der älteren Geschichte Mantuas Anforderungen,
denen die Geduld deutscher Leser zumeist
nicht gewachsen sein dürfte. Besonders lästig
wirken die zahlreichen, oft wörtlihen Wieder-
holungen (z. B. S. 8 u. 14, S. 66 u. 78, S. 94 u.
138 usf.) An sich wäre ja ein Kulturhistoriker
ganz geeignet, die so wenig bodenständige
Mantuaner Kunst einem größeren Kreise ver-
ständlih zu machen. Denn ihre bedeutendsten
Erscheinungen, die Werke wie die Künstler,
sind auswärtiger Import und können im man-
tuanishen Milieu nur durch den Zusammen-
hang mit der gleichzeitigen Kultur- und Lokal-
geschichte zu richtiger Wirkung gebracht wer-
den. Andererseits aber müßte doch der Verf.
auch imstande sein, die hier auftretenden künst-
lerischen Problemlösungen (ich erinnere nur an
Mantegnas Deckenmalerei, an den Bau von
S. Andrea und S. Benedetto, an die römische
Kunst des Palazzo del Te) ihrem Ursprung und
ihrer Bedeutung nach zu erläutern, sonst bleibt
alles ein totes Katalogisieren. Das ist nun
leider hier sehr fühlbar der Fall; der Verf.
zitiert meist die Meinungen — oft sogar die
Beschreibungen — anderer, wo er aus eigner
Anschauung der Kunstwerke urteilen sollte.
Dabei ist ihm die neuere kunstgeschichtliche
Literatur offenbar nur mangelhaft bekannt;
anders läßt sich z.B. die ebenso naive wie über-
flüssige Hypothese bezüglich des „schlummernden
Cupido“ im Museo Greco-Romano (S. 176) nicht
verstehen.
Wer also Belehrung über Mantua als Kunst-
stätte sucht, wird in dem Bande nicht viel Brauch-
bares finden; dagegen bietet er immerhin eine
sorgfältige und mit manchem neuen Material
gearbeitete Geschichte der Stadt und des Fürsten-
geschlechts der Gonzaga. Max Semrau.
8
Donop, Prof. Dr. Lionel von. Der Land-
schaftsmaler Carl Blechen. Mit Benutzung
von Aufzeichnungen Theodor Fontanes. Berlin.
Verlag von Fischer und Franke. 1908. 8°.
In der notwendigen, gründlihen und be-
geisterungsfreudigen Kenntnis unserer großen
Schriftsteller stehen wir Deutschen weit hinter
den anderen Nationen zurük. Das ist eine
betriibende Tatsache, die man sich fiiglich
schämen sollte wieder einmal öffentlich an den
Pranger zu stellen. Daß da menschlich im Ge-
spräh gesündigt wird ist lange nicht so
schlimm als daß neuerdings größere, wissenschaft-
lime Arbeiten anfangen unbegreiflihe Zuge-
ständnisse zu machen, unerhörte Zumutungen
zu stellen. Eine bedenkliche Leichtfertigkeit,
mit der bei der Zitierung verfahren wird, (wofür
selbst das Goethe-Jahrbuch ein Beispiel schlimm-
ster Art liefert), reicht brüderlich einer eigen-
artigen Verwertung von Aussprüchen bedeuten-
der Männer die Hand, die unverändert dem
Text eingefügt oder geschickt umgemodelt werden
um für die eigene Geistesarmut der modernen
Verfasser einzutreten, während sie doch nichts
anderes darstellen als eine grobe Täuschung
der Leser, deren Unkenntnis unbefangen vor-
ausgesetzt wird. Man könnte über dieses
Scimocksystem mit geborgten Brillanten ruhig
hinwegsehen und es „zum Übrigen“ im deutschen
Vaterland legen, wenn nicht anscheinende Teil-
nahmslosigkeit von der Gegenseite gerne als
Zustimmung ausgelegt werden würde. Es ist
also höchste Zeit wieder einmal gehörig Protest
zu erheben, und zwar diesmal gegen eine erst
kürzlich geschehene Verunglimpfung Goethes,
der allerdings mit seinen vielen Bänden ge-
schéftigen Kompilatoren zu gefälliger Auswahl
genug Material vorlegt. In der oben ange-
zeigten Monographie über den vorzüglichen
Landschafter Carl Blechen, den uns die Jahr-
hundertausstellung von neuem nahe brachte, er-
fahren wir über die Anfänge der italienischen
Reise des Künstlers folgende Einzelheiten (S. 39):
„In Roveredo, wo man die ersten italienischen
Laute hörte, traf Blechen am 11. September ein.
Er rühmt die schöne Aussicht in Torbole bei
Riva und bedauert, keinen Freund zur Seite zu
haben. Nach eingehender Besichtigung der Stadt
Verona begab er sich über Vicenza und Padua
nach dem märchenhaften Venedig, wo er fast
volle vier Wochen sich aufhielt. Blechen notiert:
‚Am 4. Oktober sah ich im Theater St. Lukas
ein Stück in Masken. Am 6. Oktober war das
Hochamt, dem der Doge alljährlich beiwohnt; mit
ihm waren 50 Nobili in langen, dunkelroten
Schleppkleidern. An demselben Tage hörte
ich den famosen Gesang der Schiffer, die ich mir
für den Abend bestellt hatte; sie singen Strophen
aus Ariost und Tasso nach ihrer eigenen Melo-
die. Am 9. Oktober fuhr ih noch einmal nach
dem Lido ans Meer und habe der Wirtschaft
der Seeschnecken, Patellen und Taschenkrebse
mit groBem Interesse zugesehen. Was ist doch
ein Lebendiges für ein köstliches Ding! —
Literatur
933
qq meme
Am 24. Oktober verlieB ich Venedig und verlieB es
gern, weil es mich immer mit wachsender Sehn-
sucht nah Rom zog.‘ Ferrara, Bologna und
Florenz streifte Blechen mit flüchtigem Blick,
‚denn die Begierde, nach Rom zu kommen, war
so groß und wuchs so sehr, daß nirgends ein
Bleiben mehr war‘.“
Wenn wir uns schon beifällig daran er-
freuen, daß Blechen den gleichen Weg einge-
schlagen hat, den 42 Jahre vor ihm Goethe
wandelte, wird unser Erstaunen geweckt über
die goethesche Prägnanz, mit welcher der Kott-
buser Landschaftsmaler seine Eindrücke formu-
liert. Wir greifen zum Vergleich nach Goethes
italienischer Reise, die in der Ausgabe letzter
Hand bereit liegt, und schlagen den 11. Sep-
tember 1786 auf:
„Roveredo, den 11. September 1786. Abends.
Hier bin ich nun in Roveredo, wo die Sprache
sich abschneidet; oben herein schwankt es nom
immer vom Deutschen zum Italienischen .. .“
und fahren aufmerksam fort:
„Torbole, den 12. September 1786. Nadı Tische.
Wie sehr wünschte ich meine Freunde einen
Augenblick neben mich, daß sie sich der Aus-
sicht freuen könnten, die vor mir liegt! . . .“
» Venedig, den 4. Oktober.
Gestern war ich in der Komödie, Theater
St. Lucas, die mir viel Freude gemacht hat: ich
sah ein extemporiertes Stück in Masken, mit
Naturell, Energie und Bravour aufgeführt... .“
„Venedig, den 6. Oktober.
. . . Heute früh war ich bei dem Hochamte,
welchem der Doge jährlidi an diesem Tage,
wegen ‘eines alten Siegs über die Türken, in
der Kirche der heiligen Justina beiwohnen muB...
Etwa fünfzig Nobili, in langen,
dunkelroten Schleppkleidern, waren mit
ihm, meist schöne Manner...
Auf heute Abend hatte ich mir den famosen
Gesang der Schiffer bestellt, die den Tasso und
Ariost auf ihre eigenen Melodien singen . . .“
„Venedig, den 9. Oktober.
.. + IM wende midi mit meiner Erzählung
nochmals ans Meer: dort habe ich die Wirt-
schaft der Seeschnecken, Partellen und Taschen-
krebse gesehen und midi herzlich darüber ge-
freut. Was ist doc ein Lebendiges für
ein késtliches, herrlihes Ding!.. .“
„Bologna, den 20. Oktober. In der Nacht.
. « + + Ich fühle mich unwiderstehlich vorwärts
gezogen; nur mit Mühe sammele ich mich an
dem Gegenwärtigen. Und es scheint, der Himmel
erhört mich. Es meldet sich ein Vetturin gerade
nadh Rom: und so werde ich morgen unaufhalt-
sam dorthin abgehen . . .“
„Rom, den 1. November 1786.
. .. Die Begierde, dieses Land zu sehen,
war überreif: da sie befriedigt ist, werden mir
Freunde und Vaterland erst recht wieder aus
dem Grunde lieb und die Rückkehr wünschens-
wert...
Ueber das Tiroler Gebirg bin ich gleichsam
weggeflogen. Verona, Vicenza, Padua, Venedig
habe ich gut, Ferrara, Cento, Bologna flüchtig
und Florenz kaum gesehen.. .“
Wir haben zunächst keine weiteren Beweise
nötig, um die Übereinstimmung, die wir mit
steigender Verwunderung und Verdrossenheit
empfinden, festzustellen. Völlig rätselhaft er-
scheint das Vorgehen des Verfassers der Mono-
graphie über Blechen! Hat von Donop über-
haupt nicht gemerkt, daß es sich hier, bei den
angeblichen Tagebuchnotizen Blechens, um Ab-
schriften aus Goethe handelt? Wir werden
weiter unten ein berühmtes Wort Goethes an-
führen, das von Donop ebenfalls für Blechen in
Anspruch genommen hat. Oder hat von Donop,
obwohl er Blechens Aufzeichnungen als Ab-
schriften erkannte, trotzdem geglaubt, Blechen
habe etwa auf seiner italienischen Reise selbst
dem Datum nach Goethes Spuren verfolgt und
seine Beobachtungen denkfaul mit goetheschen
Worten aus dem im Köfferchen mitgeführten
Exemplar des Goetheschen Tagebuches herüber-
gezogen?! Auch diese Rettung versagt sich
von Donop leider. Denn eine Zeichnung von
Blechen in der Nationalgalerie „Der Pfarrhof
von St. Lorenz in Nürnberg“ (von Donop selbst
S. 39 angeführt! !) trägt das Datum des 13. Ok-
tobers. Da Blechen Nürnberg am 13. Oktober
auf der Hinreise nach Italien besuchte, kann er
bei den damaligen Verkehrsverhältnissen schwer-
lich bereits am 4. Oktober in Venedig gewesen
sein.
Endlich hätte von Donop an den „Nobili mit
den roten Schleppkleidern“ mindestens histori-
schen Anstoß nehmen müssen! Blechen reiste
doch ein Menschenalter nach dem Frieden von
Campo Formio. Die Kirche S. Giustina war
bereits 1810 geschlossen worden!
Weniger zum eigenen Vergniigen, als um
von Donops Arbeitsweise noch mit weiteren
Beispielen zu charakterisieren, schlieBen wir die
folgende Vergleichsstelle an:
Auf Seite 40 der v. Donopschen Schrift heiBt
es von Blechen: „Dem Gefühl, in der ewigen
934
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
D
Roma festen FuB gefaBt zu haben und das Land
seiner Sehnsucht nun endlich durchwandern zu
können, lieh er am 1. November die Worte:
‚Nun bin ic hier und ruhig. Und wie es
scheint, ist auch mein ganzes Leben be-
ruhigt. Dann fängt ein neues Leben an, wenn
man das mit Augen sieht, was man teilweise
schon auswendig kann.“ Goethe hatte am
1. November 1786 niedergeschrieben: „Nun bin
ich hier und ruhig, und wie es scheint, auf mein
ganzes Leben beruhigt. Denn es geht, man
darf wohl sagen, ein neues Leben an, wenn
man das Ganze mit Augen sieht, das man teil-
weise in- und auswendig kennt.“
Weiter Seite 58 (v. Donop), unten: Er brachte
seine Ausbeute (gemeint ist die Ausbeute von
der italienischen Reise) mit dem Wunsche heim,
daB sie ihm selbst und anderen durchs Leben
hin zur Leitung und Förderung dienen mödhıte.“
Goethe hatte gleichfalls am 1. November 1786
geschrieben, ihm sei die Rückkehr aus Rom
„desto wünschenswerter“, da er „mit Sicher-
heit* empfinde, daß er „so viele Schätze nicht
zu eigenem Besitz und Privatgebrauch mit-
bringe“, sondern daß sie ihm „und anderen
durdis ganze Leben zur Leitung und Fördernis
dienen sollen“.
Man darf sich begnügen mit dieser Gegen-
überstellung. Weitere Worte zu verlieren ist
wohl unnötig. Daß von Donop im übrigen bei
seiner Monographie die Vorarbeit von Liitwark
und Mackowsky ergiebig benutzt hat ohne
weiteres zu erklären, als daß sie Blechens
„Lebenslauf und kfinstlerishen Entwicklungs-
gang eingehend verfolgt haben“, erscheint
weniger verwunderlich. DaB er hingegen Kerns
Bericht in der Sitzung der Berliner Kunst-
geschichtlichen Gesellschaft vom 10. Januar 1908,
wo eine Reihe wichtiger Mitteilungen über
Blechen erstmals bekannt gegeben wurden —
der Bericht ist gedruckt und sein Inhalt auch
in den „Monatsheften“ erwähnt worden — voll-
ständig ignoriert, trotzdem aber mehrfach
(Donop S. 20, 86, 87) benötigt, entspricht
wohl kaum den Geflogenheiten der wissen-
schaftlichen Methode.
Von dieser weiß von Donop allerdings recht
wenig, Das glauben die vorstehenden Aus-
führungen bewiesen zu haben. Er hat einen neuen
Beitrag für den Lichtenbergschen Spruch gegeben,
daß Bücher aus Büchern geschrieben werden.
Dem Donopschen Buche wäre auch (schon seiner
unglaublichen stilistishen Abfassung wegen)
nicht die Ehre zuteil geworden, hier ausführlich
besprochen zu werden, wenn wir seine Arbeits-
weise nicht als warnendes Beispiel hätten fest-
nageln wollen. Wir Kunsthistoriker werden
nur allzuhäufig von den Vertretern des streng
Wissenscaftlihen als Dilettanten, als Minder-
berechtigte angesehen. Darum erscheint es als
Pflicht, nur mit der größten Gewissenhaftigkeit
die Arbeiten auszuführen, die unserem Gebiete
zugewiesen sind. Erst dann können wir die
Achtung und Gleichberechtigung, die unserer
Wissenschaft gebührt, beanspruchen. Bücher
wie Donops Monographie über Blechen be-
wirken das Gegenteil. Ja, sie führen, wie ein
ernstes Wort von Michael Bernays sagt, leider
dazu, daß die Geringschätzung, die allein dem
Einzelnen gebührt, auf das Studium selber
übertragen wird. Uhde-Bernays
2
Albert von Hofmann. Die Grundlagen
bewuBter Stilempfindung. BeiW.Spemann,
Berlin und Stuttgart.
Eine reich gegliederte Reihenfolge schön-
geistiger Betrachtungen: 1. der Stil, 2. der Be-
griff des Malerischen. Über 300 Oktavseiten.
Es handelt sich hier um eine „Anleitung zum
stilreinen Empfinden, um die nüchtern praktische
Schule eines bewußten Schönheitsgefühls.“ —
Die Grundlage des 1. Teils bildet das heikle Wort
„Stil“. Hier wird es als Folgerichtigkeit gefaßt,
Zweck und Material als ihre Grundlagen: Die
soliden Prinzipien aller angewandten Kunst.
In unbefangener und sicherer Weise — A. v. Hof-
mann ist der kenntnisreiche Verfasser mehrerer
historischer Reisebegleiter durch Deutschland —
wird der Leser über den reinen , Stil“ in Bau,
Wohnung, Gerät und Kleidung orientiert. Dem
Historischen ist durchweg eine besondere Auf-
merksamkeit zugewandt; der Autor ist der
Überzeugung, daß heutzutage im Kunstgewerbe
„tatsächlich noch nichts Rechtes geleistet“ wird.
Und dennoch, einer oder der andere hätte viel-
leicht gerne noch ausführlicheres über die Folge-
richtigkeit in unseren heutigen Mietswohnungen
und ihrer Einrichtung erfahren; vielleiht auch
über die Folgerichtigkeit der heutigen Kleidung.
— Unter Stilisieren versteht der Autor sehr
charakteristisch: etwas richtig darstellen, oder
aber etwas in historischer Form, in „Kunstform“
darstellen. Hierzu gehört, wie wir bald er-
fahren, nicht nur Kenntnis der historischen Form,
sondern auch die des historischen Geistes; „es
gehören freischaffende Fähigkeiten dazu, die
unser heutiger Begriff „künstlerisch“ nicht decken
kann“. — Der SchluBabschnitt, der die Folge-
richtigkeit in Schule und Kirche, in Staat und
Recht behandelt, wird leider vorenthalten.
Literatur
Der 2. Teil enthält „eine Anleitung wie
Malerisches richtig bewertet werden soll.“ Das
vieldeutige Wort ,malerisch“ ist hier in der
Bedeutung ,sinnfällig“ genommen, was eine
sehr fruchtbare Wendung vorstellt. Der ebenso
besonnene wie umsichtige Führer zeigt der
Reihe nach alle nur denkbaren sinnfälligen Schön-
heiten auf, die sich dem Aufmerksamen bieten
können. Den Schlußteil wollte der Autor dies-
mal nicht zurückbehalten, er behandelt das
»Malerische“ in den Künsten.
Diese beiden Bücher dürften manchen neuen
Gedanken anregen: Es ist hier vom guten
Geschmack die Rede. Was ist eigentlich guter
Geshmak? Etwa: eine ausgesprochene Be-
vorzugung bestimmter sinnlicher Qualitäten. Gut.
Wie lernte ich solche Auswahl? Durch eigenes
Wagen. Häufiger durch bewußte oder unwill-
kürliche Anlehnung an gewählte Vorbilder. Wer
lehrte mich aber gerade diese Vorbilder? Wohl
das starke Beispiel meiner Umgebung, mein
Ehrgeiz, auch hierin den Allerbesten gleidh-
zukommen. — War das nun nicht mehr als die
bloße Sucht, für geschmackvoll zu gelten, mehr
als die seichte Befriedigung über den Eindruck,
den ich so auf andere bewirkte? War's nicht
zu allererst ein eigentümlich feines Gefühl der
Genugtuung ganz bei mir selbst, als ich empfand:
da habe ich nun das Richtige getroffen? (Wenn
ich endlich gar fühlte, daß ich unabhängig von
fremden Einflüssen die glückliche Wahl treffen
könnte?) War da die heillose Spannung des
Alltags — für den Moment wenigstens — durch
eine Art Einfühlung, Einbli&k — geringfügig oder
nicht — war sie da nicht jedesmal gar merk-
: würdig durchleuchtet und gehoben? R, Czapek.
2
Arthur W. Unger, Wie ein Bud ent-
steht. Leipzig, B. G. Teubner, 1908. Mit 7 Tafeln
u. 26 Abb. im Text. (Aus Natur und Geistes-
welt 175. Bändchen.) Preis geb. 1,25 Mk.
Allen denjenigen, die ein Interesse daran
haben, zu erfahren, wie heutigentags ein Buch
entsteht, wie das Papier gemacht wird, wie das
Buch gesetzt, gedruckt und gebunden wird und
wie die verschiedenen Arten der Abbildungen
hergestellt werden, kann dieses Büchlein nur
auf das angelegentliciste empfohlen werden.
Der Verfasser, Professor an der K.K. Graphischen
Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, schildert
alle die verschiedenen technischen Prozesse mit
ebenso grosser Sadıkenntniss wie Anschaulich-
keit. Das Buch gibt in seiner eigenen Druck-
935
anordnung und Ausstattung außerordentlich
lehrreiche praktische Beispiele von allem, was
im Text erklärt wird. Zum Beispiel ist eine
Anzahl von Seiten in verschiedenen Schriftarten
und Satzanordnungen (enger, weiter, durch-
schossener Satz usw.) gedruckt, wir sehen an
2 Textseiten, wie verschmierter und zu blasser
Druck aussieht, die verschiedenen Bogen des
Buches sind auf verschiedenartigen Papieren
gedruckt, so daß wir in praxi die Arten der
heute für verschiedene Zwecke gebrauchten
Druckpapiere kennen lernen. Wir finden eine
Übersicht über die Typengrössen, ein Korrektur-
schema und ein Zurichteschema. Die Abbildungen
und Tafeln führen die Setzerwerkzeuge und die
Druckmasdiinen vor und sind zugleich Beispiele
für alle Reproduktionsarten, die im Text knapp
und leidit faBlich erklärt werden. Kurzum zur
Orientierung für den Laien kann es kein besseres
und anschaulicheres Handbiichlein geben.
Wer sich eingehender unterrichten will, der
sei zugleich auf desselben Verfassers ausge-
zeichnetes umfangreicheres Werk: „Die Her-
stellung von Büchern, Illustrationen, Akzidenzen
usw.“ (Halle, Wilh. Knapp, 1906) hingewiesen.
J. Loubier.
2
KLEINE ANZEIGEN
Die Raccolta Vinciana hat soeben ihr
viertes Jahresheft herausgegeben. Bekanntlich
wurde dies in seiner Art einzigartige Unter-
nehmen i. J. 1905 von dem vor allem um die
Kunstdenkmäler Mailands hoch verdienten
Senator Luca Beltrami ins Leben gerufen. Die
Raccolta Vinciana ist dem Archivio storico del
Comune di Milano im Castello Sforzesco ange-
gliedert. Sie verfolgt den Zweck, sämtliche
Publikationen über Lionardo da Vinci zu sam-
meln und in einem besonderen Raume allen
Lionardo-Forschern zugänglich zu machen. Ein
jährlich erscheinendes Heftchen gibt Aufschlüsse
über neue Erwerbungen der Raccolta, über
Neuerscheinungen der Lionardo-Forschung, über
‘ die Mitgliederzahl usw. Neben diesem vor-
wiegend bibliographischen Inhalt bringt das
Bollettino aber audı selbständige Forschungen
geringeren Umfanges. So brachte schon das
zweite Heft ausfihrlicie Regesten zum Leben
Lionardos, die für jeden Lionardo-Forscher un-
entbehrlich geworden sind.
Die Raccolta Vinciana, die von ihren Mit-
gliedern nicht einmal einen Beitrag erhebt, son-
dern eigentlich nichts weiter verlangt als Inter-
esse an der Sache, das sich bei Gelegenheit
936
Monatshefte für Kunstwissenschaft
durch Zuwendungen an die Bibliothek betätigen
kann, zählt heute schon mehr als 150 Mitglie-
der. Sie setzen sich bunt genug aus allen
Nationen zusammen. Es sind aber nicht nur
Privatpersonen, sondern auch Akademier, Fakul-
täten, Redaktionen und wissenschaftlihe Ge-
sellschaften dem Unternehmen beigetreten.
Man kann nur wünschen, daß Luca Beltra-
mis erfolgreiche Initiative vorbildliih wirken
möchte. Ja man wundert sich eigentlich, daß
das Unternehmen der „Raccolta Vinciana“ nicht
schon längst in weitesten Kreisen bekannt ge-
worden ist und auch außerhalb Italiens Nadh-
ahmung gefunden hat. Tatsächlich ist Lionardo
bis heute nodi der einzige unter den großen
Meistern, für dessen Studium eine Spezialbiblio-
thek zu allgemeiner Benutzung offen steht.
LieBen sich ähnliche Studienquellen nicht auch
für Raffael und Michelangelo, für Dürer und
Grünewald, für Rembrandt und Rubens er-
sdilieBen? Gerade heutzutage, wo audi die
Kunstwissenschaft schon über zahllose Organe
in allen Sprachen verfügt, wo es nicht selten
unmöglich ist bestimmte Arbeiten in bestimmten
Zeitschriften sich zu eigen zu machen, würden
Zentralstellen, wie sie Luca Beltrami für Lio-
nardo da Vinci geschaffen hat, dem Forsdier
die Arbeit oft unendlich erleichtern.
Ernst Steinmann.
8
Der Bayerische Verein der Kunstfreunde
(Museumverein) in München bietet in einem
Verzeichnis seinen Mitgliedern und Freunden
und allen denen, die es werden wollen, in Wort
und Bild seine Erwerbungen an Werken alter
Kunst, die durch Schenkung oder durch Ankauf
dem Vereine seit dessen Gründung im Sommer
1905 bis zum Beginn des Jahres 1908 zugeführt
und in den Sammlungen des Bayer. Staates auf-
gestellt werden konnten. — Was der junge,
rührige Verein in der kurzen Zeit seines Be-
stehens trotz der in München nicht allzureichlich
für Kunstzwecke fließenden Privatmittel schon
erreicht hat, ist sehr beträchtlich und erfreulich.
Die ägyptische Kunst ist durch Shenkungen des
Prinzen Rupprecht und des Freiherrn v. Bissing
vertreten. Die Kalksteingruppe eines Ehepaaret
aus dem alten Reiche ist zwar im Stil nichs
hervorragend und von gedehnten Proportionen,
vermag aber doch bei ihrer guten Erhaltung
eine empfindliche Lücke in der Glyptothek aus-
zufüllen. Imposant ist die Granitstatue der
Göttin Sechmet aus der Kunst des neuen Reiches.
Eine andere Schenkung des Frhrn. v. Bissing
wird noch Furtwänglers Rat verdankt: es ist eine
entzückende korinthische Terrakottastatuette der
Aphrodite, die sih das Busenband anlegt. Dr.
M. Berolzheimer schenkte ein wenngleic
etwas verwaschenes, aber immer noch sehr reiz-
volles attisches Grabrelief der Zeit um 400 vor
Chr., sowie ein Gemälde von Michael Osten-
dorfer, das SchweiBtuch der Veronika, Prof.
Pringsheim einen Marmorkopf der Kapitolinischen
Venus, Frhr. v. Cramer-Kiett, der erste Vor-
stand des Vereins, ein Bildnis des Lord Mulgrave
von Sir Thomas Lawrence, der Verleger Otto
Bassermann in Stuttgart ein von Wilhelm Busch
gemaltes Bildnis eines Malers, das kiinstlerisch
weit über jenen Gemälden steht, die kürzlich
auf den Kollektivausstellungen von Busdis
Nachlaß in München zu sehen waren. — Aus
Mitteln des Vereins konnte bisher erworben
werden eine Narkissos-Statue nach Polyklet,
eine tüchtige römische Kopie, die Furtwängler
aus englishem Besitze dem Vereine zuführte,
ferner das Brudhstück einer Anbetung des Kindes
von Luca della Robbia, zwei lieblihe schwe-:
bende Engel mit gefalteten Hinden. — Audi
seit Erscheinen des Verzeichnisses im Februar
dieses Jahres ist der Bayerische Museumsverein
nicht müBig geblieben, denn er kaufte inzwischen
ein altbabylonisches Alabasterköpfchen der Zeit
um 3000 vor Chr. und eine schöne Taufe des
äthiopischen Kämmerers von Pieter Lastmann,
dat. 1620, aus altem schwedischem Privatbesitze.
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Taf. 33><28 cm.) gr. 8°. Berlin, (G. Reimer)
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presso il giardino Colonna (Bollett. d’arte, 7.)
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Mit 62 Abb. auf 23 Lichtdr.-Taf. 40><28 cm.
Alte
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Verantwortlich: Archit. Prof. Ferd. Fellner v.
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Lex. 8°. Zürich, (A. Miiller’s Verl.) Jede Nr.
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sitätsbauten, die, in Zürich. (1. Heft.] (40 S.
mit Abbildgn.) 08. — 2. Dasselbe. 2. Heft.
(30 S. m. Abbildgn.) 08. — 3. Wettbewerb f.
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hofsplatz in St. Gallen. 1. Heft. (40 S. mit
Abbildgn.) 08. — Dasselbe. 2. Heft. (31 S. m.
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Dr. Heinr. Pudor. Serie A. Keramik u. Glas-
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41,5><30 cm. Leipzig-Stötteritz, Moderner
Kunstverlag Dr. Trenkler & Co. (08) 3.—;
Subskr.-Pr. f. 4 Hefte bar 11.—.
— dasselbe. SerieB. Metall- u. Goldschmiede-
arbeiten. 5. Heft. (S. 1-40 mit Abbildung.)
41,5><30 cm. Ebd. (08) 3.—; Subskr.«Pr. f.
4 Hefte bar 11.—.
— dasselbe. Serie C. Innenarchitektur u. Möbel.
5. Heft. (S.1—40 m. Abbildgn.) 41,5><30 cm.
Ebd. (08) 3.—: Subkr.-Pr. f. 4 Hefte bar
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(08) —.30. Nr. 40. Zemp, Joh. Das Restau-
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Hrsg. im Auftrage des kgl. bayer. Staatsminis-
teriums des Innern f. Kirchen- u. Schul-An-
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u. Regensburg. Hrsg. v. Geo. Hager. Lex. 8°.
München, R. Oldenburg. XII. Hofmann, Frdr.
Herm., u. Fel. Mader, Bez.-Amt Beilngries. I.
Amtsgericht Beilngries. Mit 12 Taf., 137 Ab-
bildgn. im Text u. 1 Karte. (VI, 175 S.) 08.
Geb. in Leinw. 8.—. XI. ist noch nicht er-
schienen.
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f. Gesch. Berlins, 8)
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‘ Ein Buch für Kunstfreunde.
Seyfried & Co. Geb. ca. 1.80.
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ausgestatteter Städte-Monographien. Hrsg.
v. Dr. Geo. Biermann.) 8°. Leipzig, Klinkhardt
. & Biermann. Jeder Bd., geb. in Leinw. 3.—,
in Ldr. 5.—. 10. Lux. Jos. Aug. Alt-Holland.
Mit e. Schlußkapitel: Die Kunst v. Alt-Holld.,
v. Geo. Biermann. (V, 120S. m. Abbildg.) (08.)
Steilen, D. Einbeck. (Niedersachsen, 1. Sept.)
Uhde-Bernays, Herm. Rothenburg on the
Tauber. Illustrated by M. Ressel. (III, 111 S.)
8°. Leipzig, Klinkhardt & Biermann (08). Geb.
in Leinw. 4.—,
Weber, Lyz.-Prof. Dr. G. A. Die Albertus-
kapelle in Regensburg. 2., verb. und verm.
Aufl. (26 S. m. 4 Abbildgn.) gr. 8°. Regensburg,
J. Habbel, 08.
Wichmann, F. Dachau. (Bayr. Kurier, 9. VIII.)
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München, C. A.
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Kart. bar +20.—.
Klapheck, R. Vom, „Horster Museum“. (Rhein.
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Mit erläut. Text. Deutsche Ausg., besorgt v.
Dr. W. Barth. 9. u. 10. Heft, (Ta, LXXXI
bis C. m. illustr. Text S. 239—285.) 35><26 cm.
Athen, Bek & Barth 08. 14.80.
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Recueils. — Collective works.
Cardon, G. Les Beaux Arts. Paris A. Pi-
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Form. Eine Wochenschrift für Baukunst und
Kunstgewerbe. Herausgeber: Emil Weißen-
turm, Düsseldorf.
Friedländer. Allgemeines Lexikon der bil-
denden Künstler von der Antike bis zur
Gegenwart. Herausg. v. Dr. Ulrich Thieme
und Dr. Felix Becker. (Repert. f. Kunstw., 4.)
Fuchs, Ed. Geschichte der erotishen Kunst.
Berlin, A. Hofmann & Co. ca. 30.—.
Jahrbuch der bremischen Sammlungen. 1. Jahrg.
2. Halbbd. (84 S. m. Abbildgn. u. 22 Taf.)
Lex. 8°. Bremen, F. Leuwer. 08. 3.—.
Lexikon, allgemeines, der bildenden Künstler
von der Antike bis zur Gegenwart. Unter
Mitwirkg. v. 320 Fachgelehrten des In- und
Auslandes hrsg. v. DD. Ulr. Thieme u. Fel.
Becker. 2. Bd. (600 S.) Lex. 8°. Leipzig,
W. Engelmann. 08. 32.—; geb. in Halbfrz.
n. 35.—.
Pionier, der. Monatsblätter f. christi. Kunst.
1. Jahrg. 12 Nrn. München, Gesellschaft f.
christl. Kunst. ca. 3.—.
Schubert, Otto. Geschichte des Barock in
Spanien. Esslingen, J. F. Schreiber. ca. 25.—.
12. Hilfswissenschaften.
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Eibner, A. Zur Entwicklung der Technik der
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(Beil. Minch. N. Nachr., 37, 38.)
Ellenberger, W., H. Baum, Prof. DD., und
Maler Herm. Dittrich. Handbuch der Ana-
tomie der Tiere f. Künstler. III. Bd. Ana-
tomie des Löwen. 2. Lfg. (10 Lichtdr.-Taf.
m. Erklärgn. 27 S. 24,5><31,5 cm. Leipzig,
Dieterih. 08. Subskr.-Pr. 10.—; Einzelpr.
12.—. (1 u. 2 in Leinw.-Mappe: 20.—.)
Linke, Prof. Laborator.-Leit. Doz. Dr. Frdr.
Die Malerfarben, Mal- u. Bindemittel u. ihre
Verwendung in der Maltechnik. Zur Belehrg.
üb. die hemisch-tedhn. Grundlagen der Malerei
f. Kunstschulen, Kunst u. Dekorationsmaler.
2. Aufl. (XII, 122 S.) Lex. 8°. EBlingen, P.
Neff. 08. 3.50; geb. 4.—.
Pazaurek, G. Das Photographieren von alten
Gläsern. (Museumskunde, 3
Posse, Otto. Die Siegel des Adels der Wet-
tiner Lande bis zum J. 1500. Im Auftrage der
königl. sächs. Staatsregierung hrsg. Ill. Bd.
Buchstaben D bis Hen. (IX, 141 S. m. 1 Karte
u. 53 Tafeln.) 32,5><24,5 cm. Dresden, W.
Baensh. 08. Subskr.-Pr. bar 15.—; vom
1. X. 08 an 25.—.
Rome, P. L’Anatomie de la forme vivante.
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Seeliger, M. Die Photographie Entdeckerin
kunstwissenschaftlimer Werte. (Monatsh. f.
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Templeton, H. S. Anleitung zur Ölmalerei.
Aus dem Engl. v. O. StraBner. 2. Aufl. (VII,
51 S.) ‘8° EBlingen, P. Neff. 08. 1.20.
62
948 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
13. Kultur. Kunstunterricht.
Enseignement des arts. — Cultare. Art
insfraction.
Beiträge zur Zeichenunterrichtsreform. Hrsg.
vom Verein württemb. Zeichenlehrer. Nr. 3.
(43 S. m. Abbild. u. 21 z. T. farb. Taf.) Lex.&.
Stuttgart, Verlag „Kunst u. Jugend“. 08. 4.50.
Berlepsch-Valendas, E. v. Die Bedeutung
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Gesundheits-Haushalt der Nation. (Natur und
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Dernburg, F. Walter von der Vogelweide in
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Dritter internationaler KunstkongreB in
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Education in art. Complaint against the
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4, VIII.) |
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Post, 7, VIII.)
Kuhlmann, Prof. Fritz. Bausteine zu neuen
Wegen des Zeichenunterrichts. Lex. 8°. Dres-
den, A. Müller-Fröbelhaus. VII. Das lebende
Tier im Zeichenunterriht. Mit zahlreichen
Schülerarbeiten aus dem Realgymnasium zu
Altona. Dazu 2 Blätter Künstlerzeichnungen
vV. zu Prof. Rich. Friese. (40S.) (08.)
bar 2.—.
Kunsterziehung, deutshe. (Buchausstattung
von Prof. Pet. Behrens.) (III, 62S. m. 16 Taf.)
gr. 8°. Leipzig, B. G. Teubner, 08. kart. 2.—.
Möller, A. Kunst und Schule. (Österr. Rund-
schau, 5.)
Museums. (Burlington Magaz. Sept.)
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(Voss.
Paris, 2
17. Verschiedenes.
Miscellanées. — Miscellanious.
A. H — g. Kunstschwindel. Ein Beitrag zur
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Alexander, A. Les faux Monets (Figaro,
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Baum, J. Über das Kunstsammeln. (Frankfurt.
Ztg., 26. VIII.)
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Mauclair, C. Die Kunsthdl. u. ihre Machen-
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Segebarth, L. Über Mosaik. (Tübg. Chr.,3.VII.)
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Winer, O. Das Elfenbein in d. Kunst. (Dtsch.
Landhaus, 16.)
(Graz.
18. Reproduktionen.
Reproductions. — Reproductions.
Angelico, Fra. Meisterbilder, Leipzig, W.
Weider. ca. —.80.
Ausstellung älterer englischer Kunst in der
kal. Akademie der Künste zu Berlin 1908.
Photograph. Gesellschaft. In Mappe ca. 140.—.
— die, München 1908. 30 Ansichten. München,
C. Andelfinger & Co. ca. —.50.
Botticelli. Meisterbilder. Leipzig, W. Weicher.
ca. —.80.
Bronzino. 60 Meisterbilder. Leipzig. W.
Weider. ca. —.80.
Busch, Wilh. Handzeichnungen aus d. Nach-
laß. Steglitz-Berlin, Neue photograph. Gesell-
schaft. In Mappe ca. 10.—.
Correggio. 60 Meisterbilder.
Weider. ca. —.80.
Denkmäler griechischer u. römischer Skulptur.
In histor. Anordnung. Unter Leitg. v. + Hein.
Brunn hrsg. von Friedrich Bruckmann, Nach
Brunn's Tode fortgeführt u. m. erläut. Texten
versehen von Paul Arndt. Unveranderliche
Phototyp. nach Orig.-Aufnahmen. 121. Lfg.
(5 Tafeln mit 33 S. illustr. Text 46,5><30 cm.)
64,5><48 cm. München, F. Bruckmann 08, bar
nn 20.—.
Leipzig, W
Dürer. Meisterbilder. Leipzig, W. Weicher,
ca. —.80
Goya. Meisterbilder. Leipzig, W. Weicher,
ca. —.80.
Handzeidinungen alter Meister im Städel-
scien Kunstinstitut. Hrsg. von der Direktion.
Orig.-getreue Lichtdr. der Hofkunstanstalt.
Albert Frisch. (In 10 Lfgn.) 1. Lfg. (10 z.
TI. farb.) 54x39 cm. Frankfurt a./M., Städel-
sches Kunstinstitut 08.
950
Katz, Archit. Rih. Werke klassischer Kunst.
Zum Studium der bild. Künste der Griechen
u. Römer hrsg. 200 Tafeln mit ca. 1000 Ab-
bildgn. in Farben-, Stein- und Lichtdr. samt
Text. (I. Bd.) (70 Taf. m. 22 S. Text m. Ab-
bildgn. u. 4 Taf.) 34x25 cm. Stuttgart, C.
Ebner. Geb. in Leinw. 25.—.
Leidinger, Geo. Die Einzel-Metallschnitte
(Schrotblätter) des 15. Jahrh. in der kgl. Hof-
und Staatsbibliothek München. Straßburg,
J. H. E. Heitz, ca. 40.—.
Michelangelo. Meisterbilder. Leipzig, W.
Weicher, ca. —.80.
Molsdorf, Wilh. Formschnitte des 15. Jahrh.
aus d. Sammlung Schreiber. Straßburg, J. H.
E. Heitz, ca. 35.—.
Perugino. Meisterbilder. Leipzig, W. Wei-
cher, ca. —.80.
Ru Meisterbilder. Leipzig, W. Weider
ca. —.
San Gallos, Giuliano. Skizzenbuch, aus der
Monatshefte für‘ Kunstwissenschaft
Barberini-Bibliothek. Mit e. Einleitg. v. Hül-
sen. Leipzig, O. Harrassowitz. ca. 300.—.
Seelengärtlein, Hortulus animae. Cod. bibl.
pal. Vindob. 2706. Photomechanischhe Nach-
bildgn. der k. k. Hof. und Staatsdruckerei in
Wien. Hrsg. unter der Leitg. u. m. kunstge-
schichtl. Erläuterungen von Frdr. Dörnhöffer.
5. Lfg. (92 S m. farb. Abbildgn.) 39><37 cm.
Frankfurt a./M., J. Baer & Co. 08.
Tintoretto. Meisterbilder. Leipzig, W. Wei-
cher, ca —.80.
Wattau. 60 Meisterbilder.
cher, ca. —.80
Weichers Kunstbiicher. 16°. Leipzig, W. Wei-
Leipzig, W. Wei-
cher. Jede Nr. —.80. Liebhaberausg., geb.
in Kdr. 2.—. 16. Sarto, Anprea del. Meis-
terbilder. Eine Ausw. v. 60 Reproduktionen
nach Orig.-Aufnahmen. (66 S.) 08.
Weyden, Roger van der. The masterpieces
The Hague, M. Hols. Kl. 16% [14°X10°.
(VII, 32 blz. f.—.35.
ORGAN FÜR DEN INTERNATIONALEN KUNSTMARKT
UND DIE INTERESSEN DER SAMMLER.
BEMERKUNGEN ÜBER
EINIGE MARKEN DES MEISSNER
PORZELLANS
(Fortsetzung)
3. Marke:
Diese Marke findet sich angegeben in Graesse:
Guide de l’amateur, fehlt dagegen merkwürdiger-
weise auf der Markentafel des oben angeführten
Werkes von Berling. Grund dafür ist wohl,
daß sie äußerst selten ist, so selten, daß sie einem
oft jahrelang nicht begegnet. Dennoch hat es
diese Marke auf frühem Meißner Porzellan
gegeben. Mir sind zwei Beispiele desselben
bekannt. Sie findet sich einmal in der Dresdener
Porzellansammlung auf einer größeren blau-
grundierten Vase mit ausgesparten Medaillons,
die nadı dem Urteil aller Kenner, die sie ge-
sehen, für unbedingt echt erklärt worden ist,
deren Medaillons aber freilich mit den Email-
malereien, für die sie bestimmt waren, nicht
ausgefüllt waren, was aber später ein Fälscher
nur desto eifriger besorgt hat. Sie befand sich
weiter unter einer mit ostasiatischem Dekor be-
malten Stangenvase der ehemaligen Sammlung
D. Klemm, die im vergangenen Herbst in Berlin
versteigert worden ist. An sich freilich wirkt
diese als Friedrich August aufzulösende Marke
etwas befremdlich in anbetracht der bekannten
Marke . Augustus Rex, da ein frei-
williger Verzicht auf die Angabe des Königs-
titels bei Fürsten, die so wie der König August
der Starke und sein Nachfolger nach der Königs-
krone Polens gestrebt haben, an sich nicht sehr
wahrscheinlich scheint. Doch für die Anwendung
einer solchen Marke spricht zunächst eine jener
oben erwähnten neu aufgefundenen handschrift-
lihen Niederschriften des Königs, die eine An-
weisung betreffs der Anbringung seiner Namen-
schiffer auf dem Porzellan seiner Fabrik gibt. Es
heißt da (Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 355,
Vol. II, fol. 73): um das rese servies zu formieren,
so kan man den servise die benestigten sticken
nehmen und in meine abwesen dieselben wieder
dazu magen lassen.
Aus A wird FA mit der cron gemagt, oder
cron alleines über das A gesetzt.
1. — servies mit den wappen.
2. — servies mit A oben.
3. — servies mit A unten.
4. servies mit TE
die cron. IN
Darnach ist damals eine Marke oder wenig-
stens eine Signatur, die nur die Anfangsbuc-
buchstaben des Namens des Königs enthielt,
vom Könige selber angegeben worden. Sicher-
lich sollte sie einem Service beigegeben werden,
das er ausscilieBli in Dresden lediglich in
seiner Eigenschaft als sächsischer Kurfürst be-
nutzen wollte. Ob aber freilich diese Anordnung
damals ausgeführt worden ist, erscheint, da
Service oder Teile desselben mit dieser Marke
bisher ooch nicht zum Vorschein gekommen
sind, zu mindest zweifelhaft.
Doch in diesem Falle hat es für diese Marke
in dieser Zeit noch eine andere Anwendungs-
möglichkeit gegeben. Es darf nicht übersehen
werden, daß, als König August der Starke am
1.Februar 1733 starb, sein Nachfolger, der Kur-
first Friedrich August II, über 8 Monate lang
gar kein König gewesen ist, da er erst am 5. Ok-
tober dieses Jahres zum König von Polen er-
wählt, am 17. Januar 1734 sogar erst dazu
gekrönt ward. Er durfte demnach weit über
ein halbes Jahr diese Marke AR gar nicht führen.
— So mußte er, wenn er überhaupt sich eines
5. — rese servies mit und
952
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Aus der Versteigerung bei R. LEPKE-Berlin am 3. November
Kat. Nr. 116
XVI. Jahrhdt., wahrscheinlich südfranzösisch
Majolikaschüssel.
Namenzuges bedienen wollte, zur Chiffre R zu-
rückkehren. Kann also darum diese Marke nicht
aus dieser kurzen Übergangszeit stammen?
Gerade die Seltenheit ihres Vorkommens spricht
dafür. Auch gehören die beiden oben genannten
Stücke durchaus dieser Zeit an, und so dürfte
sich wohl alles zusammenfinden, um diese An-
nahme zu einer recht wahrscheinlihen zu machen.
Ernst Zimmermann.
B
BEVORSTEHENDE AUKTIONEN.
DEUTSCHLAND
Aachen. Bei Anton Creutzer (vorm. M.
Lempertz) kommt am 8. Oktober die Sammlung
Dr. Kann u. a. unter den Hammer. Dieselbe
hat in der Hauptsache graphischen Charakter.
Der Katalog verzeichnet an die 900 Nummern.
Darunter seien an erster Stelle genannt Radie-
rungen von Rembrandt, Holbein, Ostade, Potter,
Berchem, Chodowiecki, Roos, Waterloo usw.;
ferner Lithographien von Quaglio, Vernet, Strix-
ner. Interesse wird bei den Sammlern auch
eine beaditenswerte Abteilung Städteansichten
und Porträts finden.
Berlin. Die Firma Lepke verspricht für die
Tage vom 3.—7. November eine interessante
Versteigerung alter Majoliken, Fayencen und
Porzellane ausder SammlungHermann Emden-
Hamburg. Aus den 94 groBen, dem umfang-
reihen Kataloge mitgegebenen Tafeln mit Ab-
blidungen der hervorragendsten Stücke ersieht
man, daB hier eine bedeutende Privatsamm-
lung keramischen Charakters auf den Markt
kommt (siehe unsre Abbildung). Glänzend ver-
treten sind italienische Majoliken. Von den be-
rühmten Botegen der Blütezeit: Faönza, Urbino,
Siena, Gubbio, Venedig, fehlt keine. Das deutsche
Steinzeug des 16. und 17. Jahrhunderts reiht sich
ebenbürtig mit den Erzeugnissen der bekannten
Fabrikorte an (Nassau, Raeren, Kreußen). Sehr
umfangreich repräsentiert sih die Abteilung
Porzellan, die nicht weniger als 31 datierte
Manufakturen aufweist. Die Meißener Stücke
gipfeln in den reizenden Volks- und Gesellschafts-
gruppen Meister Kaendlers. Die große Gruppe:
„Frauen mit GuBkanne und Bechen: muB be-
sonders notiert werden. Auch die kleineren
süddeutschen Manufakturen, Frankenthal, Höchst,
Ludwigsburg, paradieren mit einigen köstlichen
Der Kunstsammler
953
Typen von ausgesprochenem Charakter. Aus
Berlin bestechen vornehme, sorgfältig bemalte
Service und Tassen, die mit Meißen konkurieren
können. Sèvres und Wien schließen sich mit
Stillebenstüken und großen Krinolingruppen
(Anton Grassi) gewichtig an. In der Abteilung
Glas und Kristall interessiert besonders eine
arabische Glasampel mit farbigem Schmelz aus
dem 14. Jahrhundert, die zu den Seltenheiten
gehört. Die Illustrationstafeln des Katalogs sind
der Übersiditstabelle entsprechend geordnet, so
daß ein rasches Orientieren über die einzelnen
Abteilungen ermöglicht ist. Über die Resultate
der Versteigerung werden wir ausführlich be-
richten. D—
Frankfurt a. M. Die zum NadilaB des ver-
storbenen Gustav Schiller gehörende Samm-
lung von Aquarellen und Handzeichnungen von
Künstlern des XV. bis XIX. Jahrhunderts wird
am 20. Oktober im großen Hôrsaale der Poly-
technischen Gesellschaft durch die Kunsthandlung
F. A. C. Prestel zur Versteigerung gelangen.
Die Kollektion, deren Bestände zum Teil her-
vorragenden alten Sammlungen entstammen
(Graf Festetics, Lord Hamdon, Richardson, Lely,
Mitschell, Macgowan, Habich, Weigel u. a.) bietet
vortrefflicie Blätter älterer Meister, unter denen
die ersten Niederländer und eine Reihe guter
Italiener zu bemerken sind. Der größere Teil
der Sammlung gilt den deutschen Zeichnern
des 19. Jahrhunderts. Genelli, Overbeck, Preller,
Feuerbach, Knaus, Richter, Schwind, Steinle,
Spitzweg, Menzel, Leibl, Thoma, Trübner sind
die führenden Namen des 384 Nummern um-
fassenden Katalogs. Die Entwicklungslinie der
deutschen Zeichenkunst scheint in derSchillerschen
Sammlung besonders gut zum Ausdruck ge-
bradit. D-
Köln. Goethe-Versteigerung. Die be-
kannte Goethe-Sammlung, der „Weimarer Mu-
senhof“, des zu Köln verstorbenen H. Lempertz
sen., die seinerzeit bei der Ausstellung in Mar-
zellengymnasium (1891) und auf der Düssel-
dorfer Goethe-Ausstellung bei den Goethe-
Forschern lebhaft interessierte, gelangt in den
Tagen vom 12. bis 14. Oktober durch die
Kölner Kunst-Auktionsfirma J. M. Heberle
(H. Lempertz’s Söhne) zur Versteigerung. Der
Katalog (übrigens aus dem Jahre 1899) führt
den Titel: Johann Wolfgang von Goethe
im Mittelpunkt seiner Zeit“ und gibt
neben ausführlichen Beschreibungen audi gute
Abbildungen einzelner Stücke. Den Kunstsammler
dürften inmitten der Fülle der Autographen,
die sic auf Goethe selbst wie auf den
Kreis der Freunde und Personen, mit denen
er in Berührung stand, beziehen, besonders
jene gezeichneten und .getuschten Biättchen
interessieren, die von Goethes eigener Hand
herrühren. Diese landschaftlichen Vignetten, die
der junge Goethe angeblich unter Oesers Leitung
in Sepia tuschte, sind als Anfängerleistungen
charakteristisch. Höhere Beachtung noch dürften
ein paar seltene Blätter finden, die Goethe
1762 in Leipzig nach Thieleschen Landschaften
radiert hat. Es sind Raritäten ersten Ranges,
die ältere wird bereits 1837 von Nagler im
Künstlerlexikon als „selten“ und in künstler-
ischer Beziehung als nicht unbedeutend erwähnt.
In der umfangreichen Gruppe der Goethebild-
nisse ragen die hüschen Schattenrisse und der
praditvolle Stich von Lips — wohl das bedeu-
denste aller Goethebildnisse — hervor.
D —.
Leipzig. Die FirmaC.G. Borner inLeipzig
halt in den Tagen vom 10. bis 14. November
zwei bemerkenswerte Versteigerungen ab. Vom
10. bis 12. November kommt die Kupferstich-
Sammlung des zu Hamburg-Horn verstor-
benen Herrn H. W. Schultze zum Verkauf.
Schultze sammelte von Anfang der Wer Jahre
bis zu seinem vor einigen Jahren erfolgten
Tode fast ausschlieBlidı feine Blätter der alten
Meister. Er hat eine nicht umfängliche aber
gewählte Sammlung zusammengebradt, die
eine ganze Reihe auBergewôhnlider Blatter
von Dürer, Rembrandt, sowie ausgewählte
Stücke der großen Meister des XVI. und XVII.
Jahrhunderts, Leyden, Berghem, Ostade,
Claude-Lorrain, der deutschen Klein-
meister und vieler anderer namhafter Meister
der Zeit enthält. Nach dem Tode des Sammlers
setzte dessen Frau die Sammlung fort. Ihr
Interesse galt hauptsichlich den amfisanten
Blättern des XVIII. nnd XIX. Jahrhunderts, von
denen sie in wenigen Jahren eine hübsche
Sammlung zusammenbradite; auch die alte
Meister-Sammlung wurde hie und da ooch um
ein wertvolles Stück vermehrt. Nach dem Tode
der Witwe kommt nunmehr die Sammlung zum
Verkauf.
Am 13. und 14. November schließt sich die
Versteigerung einer Sammlung von Reforma-
tionsdruken, Holzschnittbüdern, Ma-
nuskripten und Einzelminiaturen an. Die
letzteren bilden eine wertvolle und interessante
Folge von reich figurierten Blättern. Es be-
finden sich darunter eine Anzahl wohlerhaltener
früher Blätter des XII. und XIII. Jahrhunderts gute
italienishe Arbeiten des XIV. und XV. Jahr-
hunderts und kostbare- vlämische und deutsche
954
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Stite des XV. Jahrhunderts. Fast sämtliche
Stücke sind gut erhalten. Zu erwähnen ist eine
originelle Miniatur-Malerei der Hoch-Renais-
sance im Stil Raffaels, ein schönes Stück von
hoher künstlerischer Bedeutung. Die wertvollsten
Objekte dieser Abteilung sind wohl die drei
Miniaturen niederländischer (vielleicht franzö-
sisdier) Herkunft, die durch ihre ungewöhnlich
reiche Ausführung weit über dem Durchschnitt
stehen.
Unter den Manuskripten sei ein Neumen-
Manuskript des XIII. Jahrhunderts her-
vorgehoben, ferner ein Psaltarium, das vom
Jahre 1488 datiert ist und dessen reicher Minia-
turenshmuk ihm einen erhöhten Wert ver-
leiht. Auch das kostbare Familien und Stamm-
buch der Freymann Randeck in stattlichem
Folio-Band, das in künstlerischer Ausführung
76 Kostümportraits und nidit weniger als 1300
Wappen der Familie Freymann und verwandter
Familien enthält, dürfte dieSammler interessieren,
denn das kostbare Stück, zu dem ein umfanglicher
Text gehört, wurde von Titan von Hefner, dem
nur in München eine geringe Kopie davon be-
kannt war, dem Fugger'schen Ehrenspiegel
gleichgestellt. Ein Brandenburgisches
Stammbud von 1589 mit 24 wertvollen
Kostfimbildern, schließt sich an. Von Interesse
ist ferner die Abbildung des Leichenbegäng-
nisses der im Jahre 1606 verstorbenen
Herzogin Sybilla Elisabeth von Sachsen,
eine 11 Meter lange Rolle, auf der 225 Kos-
tümfiguren bis Ins kleinste Detail ausgeführt
sind.
Die zweite und dritte Abteilung des Kata-
loges bringt u. a. die an Holschnittwerken und
Reformationsdrucken reihe Sammlung eines
kürzlich verstorbenen Leipziger Patriziers, da-
runter prachtvolle Exemplare bekannter Holz-
schnitte, Inkunabeln wie Schatzbehalter,
Schedel'sche Chronik, Neunte deutsche
Bibel usw. Unter den Reformationsdrucken
finden wir früheste Lutherdrucke, darunter seine
früheste Publikation, der Tractatulus von
1517, die Schriften an den christlichen
Adel, wider Hans Worst und andere. Von
Hans Sachs zählen wir 10 Nummern. Eras-
mus, Melandithon, Hutten, Zwingli u. a.
sind reichhaltig vertreten. d —.
München. Am 19. Oktober d. Jhs. gelangt
in München in der GalerieHelbing die Samm-
lung Emil Grauer, Troppau, welche hervor-
ragende Porzellane der bedeutendsten Manu-
fakturen des 18. Jahrhunderts enthält, zur Auktion.
Die Kollektion ist besonders bekannt geworden
durch die Ausstellung von europäischem Porzellan,
welche das Kaiser Franz Josef Museum in Troppau
1906 veranstaltete. An Zahl überwiegen die
Meißner Porzellane, unter denen Stücke mit
buntfarbigen Chinoiserien, effektvollen Watteau-
malereien und mit Farben der „famille rose“ in
vorzüglicheu Qualitäten zu finden sind. Daneben
nehmen interessante Plastiken der Frühzeit, wert-
volle Modelle Kändlers, beliebte Typen der ita-
lienishen Komödie und seltene Komödienfiguren
aus der Marcolinizeit einen breiten Raum ein.
Nymphenburg ist durch zwei seltene Service
mit hebräischen Sprüchen, Höchst durch früheste
Arbeiten aus der Zeit vor Melchior und mit
solchen um Melchior vertreten. Aus der ersten
Periode Frankenthals stammt eine vornehme
sitzende Dame, eine der besten Schöpfungen
der deutschen Porzellanplastik überhaupt. Hieran
reiht sich die Gruppe der Ludwigsburger
Fabrikate, die das Gros der Sammlung Kaulla
bildeten und weitesten Kreisen durch die im
Herbst 1905 im Kgl. Residenzschlosse zu Stutt-
gart veranstaltete Ausstellung von Erzeugnissen
der ehemaligen württembergischen Manufaktur
bekannt sind. Ein kräftiger Adonis mit Eber,
dem Bildhauer Pierre Lejeune zugeschrieben,
Figuren mit dem Charakter der weichen, feinen,
gefühlvollen Übergangskunst Bayers, dazu eine
große Schüssel mit dem Decor der „famille rose“
mögen als Beispiel genannt sein. Wenige aber
ganz hervorragende Stücke welst die Fabrik
Wien auf, darunter ein Meisterwerk ihres
Modelleurs Josef Grassi. Von den auberdeutschen
Manufakturen sind zu erwähnen wegen ihrer
Seltenheit zehn Teller der Fabrik Nove bei
Venedig; wegen der feinen Bemalung und der
Pracht des Decors die wertvollen Sèvresge-
schirre und die Chantillyvasen. Eine reiz-
volle Abteilung bilden die, verschiedenen Fabriken
angehörenden Porzellangaianterien, unter denen
Flakons, französische Stockgriffe, prachtvolle
Nymphenburger Pfeifenköpfe und Dosen und
vor allem die Kollektion von 74 einzelnen Lud-
wigsburger Porzellanblumen hervorragen. Mit
den kleineren deutschen Marken: Berlin, Fürsten-
berg, Ansbadı, vervollständigen die Pariser
Kleinfabriken und das China- und Japanporzellan
den Inhalt der sowohl numerisch (210 Nummern)
wie qualitativ hervorragenden Sammlung.
* *
x
Die Galerie Helbing kündet ferner zwei
Versteigerungen an, von denen die erste am
26. Obtober etwa 500 Kupferstiche, Radie-
rungen, Holzschnitte, Schwarzkunstblätter und
Farbstihe des XV.— XIX. Jahrhunderts unter
den Hammer bringt. Neben einer großen An-
zahl auch farbiger Stadteansichten und einer
Gruppe historisch interessanter Porträtstiche
Der Kunstsammler
CAPO DI MONTE. Tanzender Herr und Dame. Sammlung Emil Grauer, Troppau
D Auktion in der Galerie Helbing, München am 19. Oktober 1908
zählt der Katalog Künstlernamen aller Länder
auf. Bei der bekannten Qualität der Helbing-
scien Versteigerungen darf man hoffen, daß
sich den Sammlern hier manches schöne und
seltenere Stick aus dem Opus älterer Stecher
und Radierer bieten wird. Die Auktion am
27. Oktober gilt dem graphischen Werk mo-
derner Meister. Im Katalog begegnen wir Namen
von bestem Klang wie Manet, Millet, Rops,
Truchet, Whistler, Mundi, Legrand, Knopff,
die das Ausland vertreten. Unter den Deut-
scien paradieren Klinger und Greiner, Lieber-
mann und Leistikow, Orlik und Schmutzer, von
alteren vor allem Stauffer-Bern und Leibl.
Eine besondere Gruppe japanischer Original-
Farbenhoizschnitte schließt die intessante Ver-
kaufsliste ab. D —.
2
HOLLAND
Wir stehen wieder am Beginn einer neuen
Versteigerungssaison. Was wird sie bringen,
fragen die Sammler ebenso wie die Kunst-
historiker, denn es ist nicht zu leugnen, daB
der Gelehrte, der auch auf dem Kunstmarkte
zu Hause ist, sei es auch nur passiv als Be-
obaditer, dort manche Anregung, manche Er-
fahrung und manche neuen Kenntnisse sammeln
kann. Die großen Amsterdamer Versteigerungs-
firmen sind eifrig mit den Vorbereitungen zu
ihren Herbst- und Winterauktionen beschäftigt,
über die ich heute eine, wenn audinur kurze, mehr
programmartige Übersiht geben möchte. Als
erste erscheint die Firma C. F. Roos & Co.
auf dem Plane mit schönen modernen Gemälden
und Aquarellen aus den Sammlungen C. A. M.
von Vliet (+), Haag, L. P. Reders (+), Amster-
dam u. A., die ‘am 29. und 30. September im
„Militiezaal“ in Amsterdam versteigert werden
(beim Erscheinen dieses Heftes also bereits ver-
steigert sind). Von den 374 Nummern des
Kataloges nenne ich die wichtigsten Künstler-
namen, die alle der holländischen Schule an-
gehören: Th. de Bock (2 Gemälde, 6 Zeich-
956
Monatshefte fir Kunstwissenschaft
Abb. 1. JAN STEEN: Der Satyr bei dem Bauer, der kalt und warm
blast
O
O Kunsth&ndler J. GOUDSTIKKER, Amsterdam
nungen), Bosboom, Isaak Israels (5 Werke),
Josef Israels (3 Gemälde, 1 Zeichnung), B. C.
Koekkoek (5 Werke), Jacob Maris, William
Maris, Albert Neuhuys, Poggenbeek,
Willem Roelofs, Henriette Romer, Ver-
boeckhoven (4 Werke), J. H. Weissen-
bruch (3 Werke) usf.
Baid danach, vom 6. bis 9. Oktober, bringt
J. Shulman in „de Brakke Grond“ die Samm-
lung des verstorbenen Herrn Allardin aus Til-
burg, bestehend aus alten Delfter Fayencen,
cdhinesishem und japanischem Porzellan, alten
Möbeln, Silberwerk, alt-indischen, -japanischen
und -persishen Kunstgegenständen, sowie Ge-
mälden zur Versteigerung; im ganzen nicht
weniger als 1909 Nummern. — Am 27. Oktober
werden Frederik Muller & Co. dem Publikum
Gelegenheit geben, auch erste Gemälde moder-
ner Meister zu erwerben, darunter ein groBes
Werk von Jozef Israels, Bilder von Jacque
und von van Marcke, von L. Apol, Bos-
boom, Gabriel, Willem Maris, Koekkoek
und anderen. Neben dieser Sammlung von
Ölgemälden wird eine Kollektion moderner
Aquarelle zur Versteigerung gelangen.
Für den November sieht dieselbe Firma
die Auktion der Sammlung der Frau Prof.
NeiBer, Breslau vor, bestehend aus japa-
nisdiem, chinesishem und indischem Porzellan,
sowie aus indischen Bildhauerwerken und alten
Bronzen. Ferner persishe und indische Tep-
pihe und eine schöne Kollektion Batiks und
Goldwirkereien. Der Name NeiBer, der auch in
Verbindung mit der modernen deutschen Kunst
guten Klang hat, (ich erinnere an die Wand-
malereien der Villa NeiBer von Erler und
an das kürzlich von der modernen Galerie in
Wien erworbene Triptydıon von Böclin „Venus
genitrix“), gibt die Gewähr, daß wir es hier mit
Sachen zu tun haben, die feiner, künstlerischer
Sinn und Geschmack zusammengebracht haben.
An diese Versteigerung werden einige nieder-
landische und indische Nachlassenschaften an-
geschiossen, unter denen sidı auch alte Delfter
Fayencen befinden. In demselben Monat soll
bei Fred. Muller eine Sammlung alter hol-
ländisher Gemälde versteigert werden. —
Ebenfalls alte Gemälde hollandischer und
vlämiscer Meister, sowie eine reiche Kol-
lektion Antiquitäten werden C. F. Roos & Co.
Anfang November zur Auktion bringen; Mün-
zen und Medaillen (Sammlungen Colonel J. Ort,
Der Kunstsammler
_ Abb. 2. JACOB VAN RUISDAEL: Skandi-
navische Landschaft O
Kunsthändier J. Goudstikker, Amsterdam
Dr. Ramos in Pilar de Alagoas [Brasilen] und
A. Westcott in Eastingwold {England}) die Firma
J. Schulman.
Unter der Direktion von J. Schulman wird
im Haag im Saale des ,Kunstkring“ am 30. No-
vember, 1. und 2. Dezember die Antiquitäten-
und Porzellansammlung Dr. P. Bleeker (+)
unter den Hammer gebracht werden. Müller
& Co. kündigen fir den Dezember zwei Bücher-
auktionen, eine Handschriftenversteigerung und
eine von Ornamentstichen, sowie von Büchern
über Ornamente und Gartenbau an. Für ein
späteres Datum die Versteigerung der Münzen-
und Medaillensammlung N. F. Reyst (Leiden).
R. W. P. de Vries in Amsterdam end-
lih geben für die von ihnen vorbereiteten
Auktionen noch keine bestimmten Raten an.
Sie werden in der Saison 1908/1999 versteigern
erstens den zweiten Teil der Sammlung A. J.
Nijland, bestehend aus zirka 25000 Porträts be-
rühmter Niederländer und solcher Personen, die
in Beziehung zu Holland standen; zweitens die
Sammlung D. C. Meijer jr. (+), Stiche, Zeich-
nungen und Porträts, die auf Amsterdam Be-
zug haben, ferner eine Kollektion Lutheriana u. a.
Die dritte Auktion bringt den Kunstatlas des
Herrn Ernesto Pagnoni (Mailand) unter den
Hammer; und schlieBlih werden noch ver-
957
schiedene Bibliotheken durch R. W. P. de Vries
in diesem Winter versteigert werden.
Nicht unerwähnt möchte ich lassen, daB von
dem Kunsthändler J. Goudstikker in Amster-
dam (Kalverstraat 49) der beste Teil der be-
kannten Sammlung Gustav Ritter Hoschek
von Mühlheim (+) in Prag vor kurzem er-
worben wurde und — bis auf die an das Mu-
‘ seum der bildenden Künste in Budapest schon
weitergegebenen Stücke — noch zum Verkaufe
steht. Die durchweg guten Bilder überragt ein
ganz bedeutendes Werk von Jan Steen „Der
Satyr bei dem Bauer, der kalt und warm bläst“
(1,02x 1,16 m, H. d. G. Nr. 80). Ich nutze die Ge-
legenheit, dieses auch kcmpositionell abgerun-
dete Gemälde des immer mehr geschätzten
Meisters hier abzubilden, da es in dem im vo-
rigen Jahre erschienenen ausführlicheu Katalog der
Galerie Hosdiek von Prof. Dr. W. Martin nicht
reproduziert worden ist (Abb. 1). Sonst findet
der Liebhaber noch Werke von G. Dou, J. van
Goyen, M. d Hondecoeter, P. Moreelse,
Paulus Potter (der jetzt im Handel bekant-
lich nur noch sehr selten vorkommt), P. Pourbus
d. A., Jacob van Ruisdael (Abb. 2), D. Teniers
d. J, Johannes Verspronck (eigenhändige
Wiederholung des 1641 gemalten Porträts der
Anna van Schoonhoven Gerardsdochter im
Louvre; es ist voll bezeichnet und 1645 datiert)
Abb. 3. JOHANNES VERSPRONCK: Bildnis
der van Schoonhoven Gerardsdochter
Kunsthindler J. Goudstikker, Amsterdam
\
x
\
958
(Abb. 3), Ph. Wouwermans (den von Moy-
reau gestochenen „Auszug zur Falkenjagd“,
Smith Nr. 352; früher in der Sammlung Schubart).
Jan Wijnants u. a.
Zu der im vorigen Heft unter „Vermischtes“
mitgeteilten Notiz aus Amsterdam, daB das
Bildnis der Mutter des Künstlers von Rem-
brandt aus der Sammlung Artur Sanderson in
Edinburg wieder nach Holland in seine eigent-
liche Heimat zurückgelangt ist, sei bemerkt, daß
es während des Monats August das Hauptstück
einer von A. Preyer im Haag veranstalteten
kleinen Ausstellung verkäufliher alter hollän-
discher Gemälde bildete. K. F.
2
NEUE KATALOGE
Goethe im Mittelpunkte seiner Zeit. Auktions-
katalog zu der am 12.—14. Oktober bei J. M. Heberle
(H. Lemperiz Söhne) in Köln stattfindenden Versteigerun
der Autographensammlung „Der Weimarer Musenhof
des verstorbenen H. Lempertz. 1425 Nummern. Durch
Monatshefte für Kunstwissenschaft
die Reichhaltigkeit des aufgeführten Materials für die
Goetheforschung ein wertvolles Nadıschlagebudh.
Amsier A Ruthardt, Berlin, Behrenstraße 29a.
Katalog der Ausstellun Thomas Rowlandson.
Originalaquarelle und Kupferstiche in Farben.
Catalogo delle Riproduzioni fotografiche d’arte
dello stabilimento on ne, Mailand. Piazza
Durini 7. Gibt hauptsächlich Originalaufnahmen der ober-
italienischen Galerien. Poldi—Pezzoli, Brera, Borromeo,
Frizzoni, Ambrosiana, Castello Sforzesco, Morelli, (Ber-
gamo), Monza.
Edmund Meyer, Berlin W. 35, Potsdamerstr. 27b.
Antiquariats-Katalog No. 8. Porträts und Städteansidhten.
1266 Nummern.
F. A. C. Prestel, Frankfurt a. M., Roßmarkt 5.
Auktionskatalog zur Versteigerung der Sammlung Gustav
Schiller (20. Oktober), dese e und Handzeichnungen von
Kiinstlern des XV. bis XIX. Jahrhunderts. 384 Nr.
Das Münchener Antiquariat Jacques Rosenthal ver-
sendet einen interessanten Katalog von Stammbüdern
des 16.—18. Jahrhunderts. Die vielen Holzschnitte, Em-
bleme, Miniaturmalereien und Aquarelle dieser Er-
e ee machen den Gegenstand auch kunst-
historisch interessant und beaditenswert. Der hübsch
ausgestattete und illustrierte Katalog ist durch die genannte
Firma zum Preise von M. 2,— zu beziehen. (Cat. 41.)
2
AUKTIONSKALENDER
Oktober Amsterdam. C.F.Roos&Co. Mo-
Anfang derne Gemälde und Aquarelle meist
hollandischer Meister.
6. u. 7. | Frankfurt a. M. R. Bangel. Japan
u. China-Samml. des ehem. kaiserl.
deutschen Generalkonsuls in Japan,
Dr. Schmidt-Leda.
6.—9. | Amsterdam. J. Schulman in de
Brakke-Grond-Sammlung Allardin
(t), Tilburg. Alt Delfter Fayencen,
chin., japan. Porzellan; antike Möbel,
Silber, alte indische, japanische u.
persische Kunst, Gemälde.
7. Aachen. Ant. Creutzer. Sml. Dr.
Kann-Wien. Radier. alt. Meister,
Kupferstiche, Lithographien, Schab-
kunstblatter.
8.—10. | Berlin. Max Perl. Seltenheiten aus
Literatur und Kunst.
12.—14. | Köln. J M. Heberle (H. Lempertz
Söhne). Goethe-Smig. H. Lempertz.
| Bildnisse, Autogr., Ansichten.
13.—15. | Frankfurt a M. R. Bangel. Ge-
mälde, Kunstsachen aus verschied.
Besitz.
19. München. H. Helbing. Samm.
Grauer-Troppau. Porzellane, dabei
Meißen, Ludwigsburg, Wien, Berlin,
Frankenthal, Höchst, Sevres, Chan-
tilly, Worcester usw., dhinesische
; und japanische Porzellane.
|
| D
| Handzeidinungen.
20. Frankfurt a. M. F.A. C. Prestel.
Sammiung G. Schiller: Aquarelle,
15.—17. | Hachen. Ant. Creutzer. Bücher
aus allen Wissenschaften.
Frankfurt a. M. R. Bangel. Anti-
quitäten-Saml. d. Firma Dav. Bam-
berger-Frankfurt.
26. München. H. Helbing. Kupfer-
stiche, Radier., Holzschnitte, Litho-
gra hien, Schwarzkunstblätter und
arbstiche d. 15.—18. Jahrh.
Aachen. Ant. Creutzer. Samm-
lung hervorrag. Kunstgegenstände,
Möbel usw.
27. | Amsterdam. Fred. Muller & Co.
Gemälde und Aquarelle moderner
Meister.
27. | München. H. Helbing. Orig.-Ra-
dierungen u. Lithographien sowie
Handzeichnungen moderner Meister,
japan. Farbholzschn.
20. u. 21.
26. u. 27.
Mitte | Berlin. Rud. Lepke. Antiquitäten
aus altadeligem itz.
27. | Berlin. Rud. Lepke. Gemalde
alter Meister. (Auflös. einer Berliner
Kunsthandiung.)
Ende | Wien. Gilhofer & Ranscburg.
Beethoven- und Richard Wagner-
| Briefe.
Der Kunstsammler
959
AUKTIONSKALENDER
Nov. | Amsterdam. C. F. Roos & Co.
Anfang Alte holl. u. vlämische Gemälde u.
| Antiquitäten, Gold, Silber, dn. `
| sächs. u. a. Porzellan. Alt Delfter |
| Fayencen, antike Möbel usw.
2. | Amsterdam. Fred. Muller & Co.
| Sammlung Frau Prof. NeiBer, Bres-
lau. Japan., chines. und indisches
Porzellan. Indische Bildhauerwerke.
Bronzen. Batiks. Persische und in-
dishe Teppiche. — Chines. Por-
zellan und alt Delfer Fayencen.
Altes Silber, Diamanten, Perlen,
Möbel, Spitzen. Gemalte Wand- `
behänge. — Altholländ. Gemälde.
| Berlin. Rud. Lepke. Sammlung
H. Emden-Hamburg.
Leipzig. C. G. Boerner. Kupfer-
stichhsml. H. W. Schultze-Hamburg,
dabei vorzüglidie Abdrücke Dürer,
Rembrandt, Ostade, Cl. Lorrain |
Schongauer, Berghem usw. . |
' Amsterdam. J.Schulmann. Münzen
_ und Medaillen. Sammlungen Egb.
Smilder, Utrecht, Kolonel J. Ort,
Haag (Römische Münzen), Pr.Ramos, |
Pilar de Alagoas (Brasilien), über-
seeishe Münzen u. Medaillen. A.|
Westcott, Eastingwold (Engl. und '
indische koloniale Münzen).
3.—1.
10.—12.
Nov.
= auktion. Wertvolle Reformations-
i drucke, alte Holzschnittwerke, wert- |
volle Manuskripte. |
Aachen. Ant. Creutzer. Gemälde‘
alter und neuer Meister. |
Nov.
|
|
| | bestimmt:
15.u.14. Leipzig. C. G. Boerner. Bücher- |
Berlin. Gesellschaft für Kunst
und Literatur. Gemälde haupts.
älterer Meister.
| München. H. Helbing. Sml. her-
vorrag. Waffen aus engl. Besitz,
Helme, Rüstungsteile, Schwerter,
Hellebarden, Armbrüste, Gewehre,
Faustrohre, Jagdwaffen usw. des
13.—17. Jahrhunderts.
Berlin. Rud. Lepke. Galerie eines
bekannten englischen Sammlers.
Aachen. Ant. Creutzer. Bücher aus
allen Wissenschaften.
Köln. J. M. Heberle (H. Lempertz
Söhne). Sml. Angst-Zürich. Wappen,
Möbel, Porzellan.
maag. J. Shulman. Sammlung Dr.
P. Bleeker (t). Antiquitäten, Delfter
Porzellan, Alt Japan.
Amsterdam. Fred. Muller & Co.
Bibliothek j; F. A. Lindsen, Utrecht,
über mittelalterliche künst. Bücher
aus verschiedenen Sammlungen.
Handschriften, darunter kostbare
Familienurkunden. Ornamentstiche
und Bücher über Ornament und
Gartenbau.
| Amsterdam. Fred. Muller & Co.
Miinzen und Medaillen. Sammlung
N. F. Reyst, Leiden, und S. in A...
Frühjahr Köln. J. M. Heberle (H. Lempertz
1909 ; Söhne). Smi. Hommel-Zürich. Ge-
| méalde italienischer und niederländ.
| Schule, Antiquitäten und Kunst-
gegenstände.
11. u. 12.
17.
Nov.
|
SC?
d
|
Un-
Diesem Heft liegt ein Prospekt der Firma OESTERHELD & CO.,
Berlin bei, auf den hiermit besonders aufmerksam gemacht sei.
KE
Redaktionen der Monatshefte für Kunstwissenschaft:
Zentralredaktion: Leipzig, Liebigstraße 2.
Zweigredaktionen:
Für Berlin: Dr. Herm. Voss, Berlin, Kaiser Friedrici- Museum.
Für München: Dr. W. Worringer, Miincien, GeorgenstraBe 99.
Für Wien: Dr. Wilhelm Suida, Mödling bei Wien, Kaiser Jubiläumsstraße 16.
Für London: Frank E. Washburn Freund, The Cottage : Harrow on Hill bei London, Lyon Road.
Fiir Rom: Dr. H. Uhde-Bernays.
Rom, Via del Campidoglio 5.
Für Paris: Dr. Rudolf Meyer-Riefstahl, 45,
rue d’Ulm, Paris Ve.
Agent exclusif pour la France: F. Gittler, libraire-éditeur, 2, rue Bonaparte, Paris.
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Versteigerung: 17. November 1908. Mack 8 ot ete Kostenfrei.
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65
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Abb. 1. Grabmal des CECCHINO BRACCI in S. Maria in Aracoeli O
D Nadı einer Originalaufnahme
D Begründet als „Monatshefte der Kunstwissenschaftlihen Literatur“ von Dr. Ernst Jaffe und Dr. Curt Sas U
I. Jahrg. Heft 11 1908
Studien zur Renaissanceskulptur in Rom.
Von Ernst Steinmann.
II.
Das Grabmal des Cecchino Bracci in Aracoeli.
Im Jubiläumsjahre 1500 starb in Rom Serafino dell’ Aquila, der volkstümlichste
unter den römischen Improvisatoren. Er hatte seine vielbewegte und niemals über
ein bescheidenes Mittelmaß sich erhebende Laufbahn als Hofdichter des Ascanio Sforza
begonnen und im Dienst des Cesare Borgia beschlossen.) Der Tod erst schenkte ihm
die höchsten Ehren, die ihm das Leben versagt hatte. Mit unerhörtem Gepränge
wurde der Volksdichter in S. Maria del popolo beigesetzt. Ganz Italien trauerte
an seiner Bahre, und als Giovanni Philotheo Achillini die Dichter der Halbinsel
zur Totenklage aufrief, erhoben Berufene und Unberufene ihre Stimme. Nicht nur
unzählige Dichterlinge niederer Gattung sondern auch berühmte Männer setzten die
Feder an: Bernardo Accolti genannt „l'unico Aretino“, Bernardo da Bibbiena, Tebaldeo
da Ferrara, Cristoforo Romano der Bildhauer, Giuliano de’ Medici, der Herzog von
Nemours. Und alle diese Dichtungen und Epigramme, nicht nur in der lingua volgare
sondern auch im klassischen Latein und im gelehrten Griechisch abgefaBt, gab Caligula
Bazaliero am 4. Juli 1504 in Bologna heraus. Der Erfolg war glanzend. Diese
»Collettanee Grece, Latine Vulgari per diversi Autori moderni nella morte dell’ ardente
Serafino Aquilano“ — eine für den modernen Menschen fast völlig ungenieBbare
Lectüre — haben in den Jahren 1504—1557 nicht weniger als siebzehn Auflagen
erlebt. 7)
Der Name des „ardente Serafino Aquilano“, an dessen Bahre einst der Genius
Italiens die Fackel gesenkt hatte, ist längst verdienter Vergessenheit anheimgefallen,
1) Alessandro D’Ancona, Studi sulla letteratura Italiana de’ primi secoli. Ancona
1884. p. 151 ff.
2) Ich habe die in der Münchener Staatsbibliothek bewahrte Erstausgabe benutzt. Der
vollständige Titel des seltsamen Buches lautet: Collettanee Grece Latine e Vulgari per diversi
Autori moderni nella morte dell’ ardente Serafino Aquilano Per Giovanne Philotheo Achillini
Bolognese, Bologna per Caligula Bazaliero il 4 di luglio 1504.
964 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
und selbst den Grabstein, welchen Niemand anders als Agostino Chigi dem Dichter
errichten ließ, wurden wir heute in S. Maria del popolo vergebens suchen. Aber die
merkwürdige Tatsache, daß ein mittelmäßiger Dichter und ein ebenso mittelmäßiger
Mensch bei seinem Tode eine wahre Hochflut dichterischer Ergüsse heraufbeschwor, ist
äußerst charakteristisch für die starken literarischen Neigungen im Italien des Cinque-
cento. Und wer kennt nicht jene merkwürdige Sammlung lateinischer Preisgedichte
auf Andrea Sansovinos Madonna in Sant’ Agostino, die unter dem Namen „Coryciana“
i. J. 1524 in Rom erschien?') Wer weiß nicht, daß selbst der Tod des Lieblings-
hündleins der Isabella d’Este von den Dichtern am Hofe von Mantua in Elegien und
Epigrammen besungen worden ist?
Angesichts solcher Begebenheiten muB es weniger befremdlich erscheinen, daß
der große Michelangelo Buonarroti auf den Tod des Cecchino Bracci, eines jungen
Florentiner Landsmannes, nicht weniger als fünfzig Epigramme gedichtet hat.
„Oyme, messer Donato mio. Il nostro Cecchino e morto.“ So beginnt der
verzweifelte Brief, in welchem Luigi del Riccio dem Freunde Donato Gianotti nad
Vicenza den vorzeitigen Tod des heißgeliebten Neffen und Alumnus berichtet: „Ganz
Rom beweint ihn. Messer Michelangelo macht mir die Zeichnung für ein würdiges
Grabmal in Marmor, und Ihr werdet mir den Gefallen tun, das Epitaph zu verfassen
und es mir mit einem Trostbrief senden, "7
Im jugendlichen Alter von 15 Jahren war Cecchino Bracci am 8. Januar 1544
gestorben. Sein Vater, ein erbitterter Gegner der Medici-Dynastie lebte seit 1534
als Verbannter in Rom, nachdem seine Güter konfisziert waren. Die Erziehung des
auffallend schönen und begabten Knaben hatte sein Oheim Luigi del Riccio über-
nommen und dabei, wie es scheint, sein ganzes Herz an den Neffen verloren.*) Aud
Michelangelo muß dem jungen Bracci oft im Hause des Freundes begegnet sein und
ihn liebgewommen haben. Häufig läßt er ihn grüßen und schon am 16. Mai 1542
tritt Cecchino als Zeuge in einem der vielen Juliusdenkmal-Kontrakte auf" Besonders
bezeichnend aber für die Bewunderung, die auch Michelangelo dem Liebling seines
Freundes zollte, ist die Art wie er seiner in einem Brief Erwähnung tut, den Milanesi
vermutungsweise ins Jahr 1542 angesetzt hat. ,Noch eine andere Gnade erbitte ich
von Euch. Befreit mich von einem gewissen Zweifel, der mich seit heute Nacht nicht
1) Vgl. P. Schönfeld, Andrea Sansovino und seine Schule. Stuttgart 1881. p. 24. Aus-
führlich handelt über diese merkwürdige Gedichtsammlung, die sich mit den Namen Bembo, Sado-
leto, Vida, Giovio, Castiglione schmücken. konnte, Achille Monti in Arti e lettere ed. Francesco e
Benvenuto Gasparoni. Roma 1865. II, 315ff. Weitere Literaturangaben finden sich bei Pastor,
Geschichte der Päpste IV, 1, p. 429 Anm. 4.
*) Opere politiche e letterarie di Donato Giannotti ed. Polidori. Firenze 1850. II, 382.
Vgl. J. A. Symonds, The life of Michelangelo Buonarroti 2 ed., London 1893, II, 152 ff., und Frey,
Die Dichtungen des Michelagniolo Buonarroti, p. 322 Reg. 102.
3) Frey, Dichtungen, p. 355 ff. Ebendort hat Frey auch Schefflers phantastischen Behaup-
tungen gegenüber das Verhältnis des jungen Bracci zu Riccio und Michelangelo eingehend
erörtert und auf Grund nüchterner Quellenforschung in das richtige Licht gerückt.
4) Milanesi, Lettere 740 und 741.
Steinmann. Studien zur Renaissanceskulptur in Rom. II 965
verlassen hat. Ich grüßte unseren Abgott im Traum und mir schien, daß er lachte
und mir drohte. Und da ich nicht weiß, an welches von beiden Dingen ich mich
halten soll, so bitte ich Euch, sucht es von ihm zu erfahren. Und Sonntag wenn wir
uns wiedersehen, werdet Ihr mir Bericht erstatten.“ !)
Man kann sich also nicht wundern, wenn bei dem Hingang des Jünglings
Riccio und Michelangelo mit einander als die nächsten Leidtragenden angesprochen
wurden.?) Aber nicht nur Buonarroti allein hat den jähen Tod hoffnungsvoller
Jugend dichterisch zu verklären gesucht. Ein weithin schallender Chor von Klageliedern
scheint sih auch an diesem Grabe erhoben zu haben, und wenigstens einige Stimmen
sind durch die Jahrhunderte zu uns hindurchgedrungen. Donato Gianotti, der Verfasser
der Geschichte der Republik Venedig und der berühmten Dante-Dialoge, richtete drei
Trostgedichte an den verwaisten Riccio; Giovanni Aldobrandini verfaßte ein lateinisches
Epigramm; Carlo Gondi aus Ancona und Fra Paolo del Rosso dichteten Sonnette.
Ja, auch Anton Francesco Grazzini, berühmt unter dem Beinamen „il Lasca“ bestieg
den Pegasus und lieB den uralten Tiber aus seinen klaren Fluten emporsteigen und
wehklagend Hirten und Nymphen auffordern, das Grab des toten Jiinglings mit Blattern
und mit Blumen zu bestreuen.*)
Niemand aber hat am Grabe Cecchinos so viel Weihrauch geopfert wie der
greise Buonarroti. Er schien von Anfang an geneigt, sich bei dieser Gelegenheit vor
allem als Dichter nicht aber als Künstler zu betätigen. Das düstere Geheimnis des
Todes hat auf Michelangelos Phantasie stets einen unwiderstehlichen Zauber aus-
geübt, und der Todesgedanke, der ihn nie verließ, trug wohl am letzten Ende die
Schuld, daß der große Künstler seines Lebens niemals recht von Herzen froh geworden
ist. Seine Dichtungen an den toten Bracci legen keineswegs besondere Ergriffenheit
an den Tag. Aber seine Gedanken schienen anfangs wie gebannt in den Kreis dieses
Erlebnisses, und indem sich seine Seele ganz in die herben Gegensätze von Tod
und Jugend, von Schönheit und Vergänglichkeit versenkte, schien der Dahingegangene
selbst zu ihm zu reden, bald klagend und bald tröstend in unerschöpflichen Gleichnissen.
Erinnerungen an die Medicigräber von San Lorenzo wurden lebendig, aber während
der Künstler dort den abgrundtiefen Ernst seiner Lebensanschauung in die herrlichsten
1) Milanesi, a. a. O. 474.
2) So heißt es in den Versen des Carlo Gondi:
Morte commossa da si gran beltade
Per gelosia del Riccio, e per far guerra
Al Buonarroti.....
Opere di Donato Giannotti II, 385.
3) Frey, Dichtungen p. 267 n. CLXXVII 1—12, hat diese Dichtungen zusammengestellt.
Vgl. auch Donato Giannotti, Opere Il, 387:
Delle chiare onde sue l’antico Tebro
Fuori usci fino al petto, e’ nverso il sole
Disse piangendo, poi queste parole etc.
Es ist im Hinblik auf die Flußgötter an Michelangelos Medici-Gräbern interessant zu
beobachten, daß auch in der zeitgenössischen Literatur der Tiber auftritt, wie er die Toten beklagt.
Vgl. auch ebendort p. 386 (Frey, a. a. O. p. 271) das Gedicht des Fra Paolo del Rosso.
966 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Bildungen des schweigenden Marmors versenkte, versuchte er sich hier mit ungleich
geringerem Erfolg als Dichter. Und doc schlägt er auch in diesen Epigrammen
zuweilen eine Note an, die eigenste Empfindung wiederspiegelt und unsere Mit-
empfindung weckt:
Was stehst du hier mein Schicksal zu beklagen
Weil mich der Welt entriß ein früher Tod.
Ich sage dir beweine deren Not,
Die noch des Lebens schwere Lasten tragen.’)
Anfangs hatte Michelangelo, wie es scheint, nur 15 Epigramme versprochen,
und man sollte glauben, seine Anteilnahme hätte sich in ihnen erschopft.?) Als aber
Luigi del Riccio nicht müde wurde durch kleine Geschenke der Freundschaft den
Pegasus des grimmigen Alten anzufeuern, da dichtete er weiter. Und nun wurden
diese Epigramme, die nur noch der Verstand zusammenreimte als das Herz schon
längst nichts mehr empfand, zu Fangbällen spielender Gedanken, die zwischen den
Freunden hin und her flogen. So würden sie als Produkte irgend eines Dichters
wahrscheinlich längst der Vergessenheit anheimgefallen sein. Als AuBerungen Michel-
angelos aber liefern sie höchst wertvolle Beiträge zur Psychologie dieser unergründlichen
Natur. Seltsam drängen sich die Trivialitäten des täglichen Lebens zwischen den
düsteren Ernst dieser Dichtungen ein, die wieder des Meisters unbegrenzte Fähigkeit
bezeugen, persönliche Lebenserfahrungen in den Gesichtskreis allgemein menschlicher
Betrachtung zu rücken.
So sehr Luigi del Riccio als echtes Kind seiner Zeit an diesem dichterischen
Spiel seine Freude fand,*) so wenig dachte er doch daran, sich mit dieser Anteil-
nahme Buonarrotis an seinem Schmerz zu begnügen. Als welterfahrener Geschäfts-
mann und Vertrauensperson in der Bank des Filippo Strozzi in Rom hatte sich Riccio
dem unpraktischen Künstler in der Führung seiner geschäftlichen Angelegenheiten vor
allem in der schwierigen Behandlung der Juliusdenkmal-Angelegenheit unentbehrlich
zu machen gewußt.) Außerdem gehörte er zu den wenigen, die des argwöhnischen
Mannes „Fantasia“ kannten und zu behandeln wußten, zu den Bevorzugten, von denen
der stolze Sonderling selbst Wohltaten und Geschenke gerne annahm. Als Michelangelo
wenige Monate nach Cecchinos Tode lebensgefährlici erkrankte, wurde er von Riccio
im Palast der Strozzi mit größter Aufopferung gepflegt,’) und unermüdlich war der
1) Frey, Dichtungen p. 62. LXXII, 2. Robert Tornow, Die Gedichte des Michelangelo
Buonarroti (p. 149), gibt eine noch wortgetreuere Übersetzung, als ich sie gebe.
2) Frey, Dichtungen p. 68. LXXIII, 18: Ora è finita la promessa de quindici polizini usw.
>) „Ma a uoler, ch’ i' ne facci mille“ schreibt Michelangelo und bezeugt damit, wie
unersättlich Riccio war. Frey, Dichtungen 74. LXXIII, 36.
‘) Vgl. über Riccio und sein Verhältnis zu Michelangelo die wertvollen Nachrichten,
welche Frey, Dichtungen p. 328 u. 329 Reg. 92 beibringt. Vgl. auch Thode, Michelangelo und
das Ende der Renaissance I, 175 ff.
5) Frey, Dichtungen p. 361 und 362. Uber diesen Palast des Filippo Strozzi in Rom schreibt
Vasari im Leben des Jacopo Sansovino (VII, 497): ed in Banchi un palazzo che é dalla casa de’
Gaddi, il quale fu poi compero da Filippo Strozzi, che certo è comodo e bellissimo e con molti
ornamenti.
a = ee P
Steinmann. Studien zur Renaissanceskulptur in Rom. II 967
Abb. 2. CECCHINO BRACCI Nach einer Originalaufnahme
968 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
treue Freund seitdem beflissen, die armliche Küche am „Macell de’ Poveri“ mit den
erlesensten Leckerbissen zu versorgen. Wie hätte er sich nicht ohne weiteres berechtigt
fühlen sollen, des Freundes Rat und Hülfe in Anspruch zu nehmen, als nun der Plan
dem jungen Bracci ein Denkmal zu errichten verwirklicht werden sollte?
Schon vier Tage nach Cecchinos Tode konnte Riccio an Donato Gianotti
schreiben, daß Michelangelo ihm die Zeichnung für ein marmornes Grabdenkmal ent-
werfe.') Ja, er hat sich vielleicht vorübergehend sogar mit der allzu kühnen Hoffnung
getragen, Michelangelo würde sich entschließen, eigenhändig Cecchinos Bild in Mar-
mor auszuhauen. Wenigstens klingt ein Sonett des Meisters, in dem er zum Schluß
mit spitzfindiger Wendung erklärt, nur Riccios, nicht aber Cecchinos Bildnis in Stein
verewigen zu können, wie die rücksichtsvolle, aber bestimmte Ablehnung einer Bitte.)
Daß aber Michelangelo entschlossen war, dem vielerprobten Freunde das gegebene
Versprechen zu halten, daß Cecchinos Grabmal tatsächlich nach seinen Zeichnungen und
unter seiner Aufsicht ausgeführt worden ist, bezeugen auch noch andere Dokumente. Im
Sommer 1544 sandte Riccio eine Zeichnung an Michelangelo zurück, die, wie es
scheint, als ein Entwurf für die Büste Cecchinos gedacht war. „Und Ihr sagtet mir,
eine Zeichnung zu machen, weil diese Euch nicht gefiel. Eilt Euch aber nicht und
sendet mir jene, wenn Ihr sie gefunden habt.“*) Michelangelo antwortete auf diese
Zuschrift mit einem Epigramm, ohne jedoch eine Zeichnung zu senden: „Idh sende
Euch die Melonen mit dem Zettelchen zurück, aber noch nicht die Zeichnung; aber ich
werde sie auf jeden Fall machen, so gut wie ich nur irgend zeichnen kann.“*)
Weiter vernehmen wir nichts über die Entstehungsgeschichte des Bracci-Monuments.
Jedenfalls war es noch nicht vollendet, als Riccio im Frühjahr 1544 in Geschäften nach
Lyon reisen mußte. Er legte die Angelegenheit in Michelangelos Hände, und dieser
führte sie auch noch im Laufe des Jahres zum erwünschten Abschluß. „Urbino hat
mit Messer Aurelio gesprochen“, heißt es in einem undatierten Briefe Michelangelos
an Riccio’), „und wird noch einmal mit ihm sprechen. Und wie er mir sagt, werdet
Ihr für des Grabmal Cecchinos den Platz haben, den Ihr Euch gewünscht habt. Und
besagtes Grabmal ist nahezu vollendet und wird eine schöne Sache werden.“ Im
Dezember desselben Jahres finden wir Luigi del Riccio wieder in Rom. Aber von
einer Krankheit, die ihn in Lyon überfallen hatte, scheint er nie wieder ganz genesen
1) Vgl. oben p. 964, Anm. 2.
2) Frey, Dichtungen p. 67 n. LXXIII, 15. Von einem Gemälde Cecchinos, das sich jetzt
vielleicht noch einmal bestimmen lassen wird, ist auch in einem Epigramm Michelangelos die
Rede. Es behandelt den Gedanken, daß das Bild des Jünglings in die Heimat zurückkehren darf,
aus welcher er selbst verbannt wurde: D’ entrar dipinto, ou’ io non pote’ vivo. Frey, Dichtungen
p. 70. LXXIII, 24. Vogl. ferner die Briefe bei Milanesi p. 484, 495, 498. Das Porträt eines Bracci
(Florentiner Quattrocento) mit dem Familienwappen und der Bezeichnung „Braccius* bewahrt
die Münchener Pinakothek.
3) Le rime di Michelangelo Buonarroti ed. Cesare Guasti. Firenze 1865. p. 13. Frey,
Dichtungen p. 354 n. 28.
4) Frey, Dichtungen p. 71. LXXIII, 28.
5) Milanesi, Lettere p.517 n. CDLVII. Messer Aurelio wird noch einmal in einem anderen
Briefe Michelangelos an Riccio erwähnt. Milanesi, Lettere p. 513.
Steinmann. Studien zur Renaissanceskulptur in Rom. II 969
zu sein. Schon im Spätherbst 1546 folgte der Oheim seinem angebeteten Neffen in
den Tod, und Michelangelo fühlte sich jetzt so hilflos und verwaist, daß er der Ver-
zweiflung!) nahe war: che non sa che si fare se non disperarsi.
Im Juliusdenkmal und in der Medicikapelle sieht man gewöhnlich allein Michel-
angelos Betätigung als Bildner von Grabdenkmälern. Aber damit ist sein Wirken nach
dieser Richtung hin doch noch keineswegs erschöpft, und man würde zu gefährlichen
Trugschlüssen gelangen, wollte man die erhaltenen Denkmalsentwürfe des Meisters nur
auf diese gewaltigen Denkmäler verteilen. Zeichnungen Michelangelos benutzte Alfonso
Lombardi zu seinen niemals verwirklichten Entwürfen für die Grabmäler Leos X. und
Clemens VII. Eine Zeichnung für ein Grabmal begehrte auch der Cardinal Cibo.?)
Auch Alessandro Farnese wollte, daß das Denkmal seines Oheims unter den Auspizien
des einzigen Meisters in St. Peter errichtet würde.‘) Seine Entwürfe benutzten Vasari
und Ammanati für die Grabkapelle der del Monte in S. Pietro in Montorio.5) Und
als Pius IV. im Jahre 1560 das Andenken seines Bruders Gian Giacomo de’ Medici im
Mailänder Dom verewigen wollte, da scheint wiederum Leone Leoni nach den Entwürfen
Buonarrotis gearbeitetet zu haben.) Aber bei diesen großen Unternehmungen späterer
Jahre mußte sich der Meister naturgemäß auf allgemeine Angaben und Zeichnungen
beschränken, welche dann die verantwortlichen Bildhauer mehr oder weniger nach
eigenem Ermessen umgestalteten.
Das bescheidenere Denkmal des Cecchino de’ Bracci aber dürfte Michelangelo
nicht nur entworfen, sondern auch in seiner Ausführung im einzelnen überwacht haben.
Es scheint, daß niemand anders als Urbino mit dieser Arbeit betraut worden et"
Urbino war schon früher von seinem Meister an den Marmorarbeiten am Julius-
denkmal beschäftigt? worden. Er stand auch seit Jahren mit Luigi del Riccio in per-
sônlicher Beziehung?) Wenn er nun in Michelangelos Schreiben nach Lyon als der-
jenige bezeichnet wird, der die Platzfrage in Aracoeli zu regeln hatte, so liegt die
1) Frey, Dichtungen p. 529. Reg. 92.
*) Vasari ed. Milanesi VI, 162. Eine dem Dosio zugeschriebene Zeicinung fiir das
Grabmal Clemens VII. wird in den Uffizien aufbewahrt.
3) Daelli, Carte Michelangiolesche inedite p. 29. Vgl. auch K. Frey, Die Handzeidinungen
des Michelagniolo Buonarroti Tafel 73 (Text): „Am 29. X. 1525 dankt der Kanonikus Bart.
Barbazza in Bologna Michelagniolo für Einsendung der „pianta et il perfilo de la seulptura
seines Vaters“. Beiläufig möchte ich bemerken, daß ich die herrliche Zeichnung der Casa Buonarroti
auf Taf. 73, die Frey m. W. hier zuerst reproduziert eher auf das Tabernakel des Giacomo del
Duca im Museum zu Neapel beziehen möchte als auf einen Reliquienschrein Clemens VII.
4) Delle lettere familiari del Commendatore Annibal Caro. Vol. II. Padova Comino 1725.
p. 3 ff. und Vasari VII, 545.
5) Vasari VII, 226.
©) Vasari VII, 593. Allerdings dürfte hier nach Luca Beltrami die Anteilnahme des greisen
Buonarroti auf ein Minimum einzuschränken sein. Vgl. II monumento funerario di G. Giacomo
Medici nel Duomo di Milano in der Rassegna d’Arte IV (1904) p. 7.
7) Vgl. Frey, Dichtungen p. 357 und Thode, Michelangelo I, 440. Reg. an. 1544.
8) So wandte sich Michelangelo an Riccio, als es galt, zwischen Urbino und einem
maestro Giovanni einen erbitterten Streit wahrscheinlich beim Ausbau des Juliusdenkmals in
S. Pietro in vincoli zu schlichten. Vgl. Milanesi, Lettere p. 484 n. CDXXXII.
970 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Vermutung nahe, daß eben Urbino es gewesen ist, den Michelangelo im Einverständ-
nis mit Riccio zur Ausführung seines Entwurfes erkoren hatte.
Wenige Monate noch vor seinem Tode hat Riccio die Freude gehabt, das
Denkmal in Aracoeli vollendet zu sehen. Vasari, der es mit keinem Worte erwähnt,
trägt wohl die Schuld daran, daß sämtliche Biographen dies Werk Buonarrotis entweder
überhaupt nicht nennen, oder Cecchino Braccis nur gedenken im Zusammenhange mit
den Sonetten und Epigrammen, die Michelangelo auf seinen Tod verfasste. Niemand
hat das merkwürdige Grabmal in Aracoeli gekannt, obwohl es der unbarmherzigen
Säuberung der Kirche und der Zerstörung zahlreicher Monumente durch Pius IV. und
Gregor XIII. entging!) und noch heute unverrückt den Platz behauptet, den Riccio
selbst ausgesucht hatte.
Dagegen ist in den Inschriftensammlungen Roms die Existenz des Bracci-Denk-
mals Jahrhunderte lang bezeugt worden. Schon i. J. 1592 verdffentlichte Lorenz
Schrader die Grabschrift Cecchinos in seinen vier Büchern der Monumente Italiens?).
Dann brachte sie Casimiro in seinen Memorie istoriche di Aracoeli’); dann druckte sie
Vannucci ab aus dem Sepoltuario Fiorentino des Stefano Rosselli‘); und endlich gab
sie natürli auch Forcella in seinen „Iscrizioni delle chiese e d'altri edificii di
Roma“) Bei Casimiro können wir auch schon den Platz erraten, wo das Denkmal zu
suchen ist. Er berichtet ausführlicı, daß der Raum zwischen den Kapellen von S. Pas-
quale und S. Diego, der heute als Seiteneingang in die Kirche vom Capitol her dient,
ursprünglich eine Seitenkapelle war, die Ceccolo de Felicibus i. J. 1476 der Madonna
weihte.®) Dort hat Casimiro links vom Seiteneingang an der Wand die Grabschrift
kopiert und ebendort, Andrea Sansovinos Denkmal des Pietro da Vincenza gerade
gegenüber, mußte sie auch Forcella finden. Von ihm ist die ganze Grabschrift, treuer
als irgendwo anders, genau nach der Örtlichkeit kopiert worden. Die Marmorbüste
in der Mitte wird ausdrücklich erwähnt. Links daneben liest man unter dem Wappen
der Bracci den Namen des Toten mit Angaben von Lebensalter und Todestag. Rechts
gegenüber gleichfalls unter dem Wappen der Bracci nennt sich Luigi del Riccio als
Stifter des Denkmals. Und hier liest man endlich auch das Epigramm des Carlo
Gondi’), welches in der Tat durch seine Kürze und Prägnanz den Vorzug vor allen
übrigen verdient hat:
Invida fata puer mihi te rapuere sed ipse
Do tumulum et lachrymas quae dare debueras.
Das wiedergefundene Wandgrab des Cecchino Bracci ist ganz in Carrarischem
Marmor ausgeführt, der aber im Laufe der Jahrhunderte fast den grauen kalten Ton der
1) Casimiro, Memorie istoriche della chiesa e convento di Araceli. 2 ed. Roma 1736.
p. 52 u. 53.
2) L. Schrader, Monumentorum Italiae, quae hoc nostro saeculo et a Christianis posita
sunt libri quatuor. Helmaestadii 1592. p. 147.
3) A. a. O. p. 157 (III).
4) Opere di Donato Giannotti I. L und II, 385.
5) I, 167 u, 632.
A a. O. p. 155.
*) Vgl. Frey, Dichtungen p. 270 n. 8.
Steinmann. Studien zur Renaissanceskulptur in Rom. II 971
Abb. A Kohlenzeicinung MICHELANGELOS in der Casa Buonarroti
O Nach einer Originalaufnahme von Alinari Florenz
„pietra serena“ angenommen hat. (Abb. 1.) Die von auffallend schlanken Pilastern flankierte
und von einer reichgegliederten Attica überdeckte Wandnische ruht auf ganz ähnlichen,
von Voluten gebildeten Konsolen wie die Doppelsäulen im Vestibül der Bibliothek
von San Lorenzo.’) Unten hat das Denkmal durch eine sich nach unten verjüngende
und von zwei Mascheroni eingefaBte Tafel seinen AbschluB erhalten. Oben auf das
Gesims sind Kandelaber aufgesetzt, die Michelangelo überhaupt als Schmuck für
Grabmäler bevorzugt hat.
1) Ganz &hnlicie Konsolen sind schon im Quattrocento am Grabmal des Onofrio Strozzi
in S. Trinità zu Florenz verwandt worden.
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972 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Der Sarkophag füllt die ganze Breite der Nische aus. Er ruht auf ballauster-
artig gebildeten Stützen und ist durch zwei am Rande nach innen sich rollende Voluten
abgedeckt.') Beide Voluten bilden in der Mitte einen Einschnitt und über diesem sieht
man in einer fast viereckigen Nische unter stark vorspringendem Segmentgiebel die
Büste des Verstorbenen. Besonders auffallend und höchst charakteristisch für Michel-
angelos spätere Kunst ist das Fehlen der Flächen-Ornamentik selbst an den Pilastern.
Hätte der Marmor nicht völlig seinen schimmernden Glanz verloren und hätte
das Grabmal in freier architektonischer Umgebung, nicht aber in einem engen Seiten-
eingang Platz gefunden, es würde uns heute als ein Werk, das doch nach Michel-
angelos Zeicinungen und unter seiner unmittelbaren Leitung ausgeführt wurde, weniger
enttäuschen. Dazu kommt eine zwar gewissenhafte, aber nichts weniger als geniale
Technik in der Marmorbearbeitung. Formlich erdrückend wirkt überdies das weitaus-
ladende Gesims mit dem Segmentbogen über der winzigen Nische mit der Büste des
Verstorbenen. Allerdings wird der Aufbau des Ganzen im Entwurf Michelangelos
ganz anders gewirkt haben. Man braucht sich nur die Pilaster kräftiger, Konsolen
und Segmentbogen aber flacher vorzustellen, und man erhält viel glücklichere Pro-
portionen.
Audi die Büste Cecchinos läßt Michelangelos Geist und Technik vollständig
vermissen. (Abb. 2.) Allerdings erscheint sie zwischen dem hohen Sarkophag und der
schwerlastenden Nischenbekrönung noch unbedeutender als sie tatsachlich ist. Ganz
im Gegensatz zu Buonarrotis idealisierender Richtung spürt man hier vor allem das
Bestreben, den Verstorbenen möglichst porträtähnlich wieder zu geben. Die kurz-
geschorenen Haare über der hohen Stirn, die leicht aufgeworfenen Lippen, die stark
vorspringende, etwas gebogene Nase, das waren besonders charakterisische Züge dieses
Knabenkopfes, und sie sind in der Büste mit naturalistisher Treue wiedergegeben
worden. Aber wie starr und leblos blicken diese Augen, deren Schönheit Michelangelo
in zahllosen Epigrammen gepriesen hat! Wie kalt uud oberflächlich ist die Technik
der Marmorbearbeitung! Dieses Porträt erhebt sich nicht über das Niveau unzähliger
Grabstatuen, mit denen sich die Kirchen Roms um die Mitte des Cinquecento füllten,
und die doch eigentlich ein erstes Wiederaufleben der Römischen Porträtplastik seit den
Tagen der Antike bedeuten.
Aber trotz aller Enttäuschungen, die uns das Bracci-Denkmal bereitet, ist es
ein äußerst wichtiges Dokument für die letzte Entwicklungsphase der Grabskulptur
Michelangelos. Es ist das letzte Grabdenkmal in Rom, das streng nadh seinen
Zeichnungen ausgeführt worden ist, eine der wenigen letzten Bildhauerarbeiten über-
haupt, an welchen der übermäßig angestrengte Architekt des Kapitolsplatzes und der
Peterskirche noch persönlich Anteil genommen hat. Wie eng sich dieses Grabmal im
Stil und Aufbau an die Medicigräber anschließt, braucht kaum nodı hervorgehoben
zu werden. Aber gerade hier an denselben Baugliedern einer ganz ähnlichen Wand-
1) Ganz ähnlich gebildet ist der Sarkophag am Denkmal des Giov. Batt. Galletti in
S. Maria sopra Minerva. Das wenig deachtete Denkmal, das mit einem wundervollen ganz
Michelangiolesken Madonnentondo geschmückt ist, entstand wenig später als das Bracci-
Monument unter Julius UL in Rom.
Steinmann. Studien zur Renaissanceskulptur In Rom. II 973
architektur Entwicklung und Verfall der Renaissance zu verfolgen, ist unendlich lehr-
reich. Allerdings auch unendlich betriibend. Wie schmerzlich vermissen wir im Bracci-
Monument die edlen Proportionen, den Wohllaut der Linienführung, die Harmonie im
einzelnen und im ganzen, welche die Marmorarchitektur der Medici-Denkmäler
auszeichnet.
Eine Zeichnung zum Bracci-Monument, die nach Casimiro!) einst in der
Sammlung des Kardinals Albani bewahrt wurde und sich heute in Windsor-Castle
befinden miBte, ist nicht mehr aufzufinden.*) Wohl aber bewahrt die Casa Buonarroti
zwei Zeichnungen Michelangelos, die mit Sicherheit als Entwürfe für das Denkmal des
jungen Florentiners angesprochen werden können. Beide sind bereits im Zusammen-
hang mit den Medici-Denkmälern reproduziert worden,*) ja, das eine Blatt — ein
flüchtig in schwarzer Kreide ausgeführter Entwurf — wurde sogar als Studie für eins
der niemals zur Ausführung gelangten Papstgrabmäler von San Lorenzo bezeichnet.
Wie im ausgeführten Denkmal in Aracoeli so ist auch hier die Mittelnische von einem
Segmentbogen überdeckt. Davor steht der Sarkophag mit einem schwerlastenden
Giebeldach bedeckt, dem Michelangelo dann später in der Ausführung die gefälligere
Form nach innen sich aufrollender Voluten gegeben hat. Die balausterartigen Sarko-
phagträger dagegen mit dem eigentümlichen Streifenornament sind in Aracoeli fast
genau nach der Zeichnung der Casa Buonarroti ausgeführt worden.
Viel merkwürdiger aber noch ist das andere Blatt durch seine Beziehungen zu den
Schöpfungen des Meisters, die wenig früher oder wenig später entstanden sind als das
Bracci-Monument. (Abb. 3.) Man sieht hier in schwarzer Kreide ausgeführt eine Skizze
für einen der Seligen im Jüngsten Gericht,*) weiter einen flüchtigen Entwurf für die
Treppenanlage vor dem Senatorenpalast des Kapitols und endlich über- und neben-
einander auf demselben Papier Studien für das Wandgrab Cecchinos und seinen
Sarkophag. Neben zwei Entwürfen nur für den Sarkophag läßt eine dieser Skizzen
auch eine der frühesten Konzeptionen für das ganze Monument aber ohne seine
) A. a. O. p. 158. In der Sammlung Albani, in der noch heute zahllose Architektur-
zeidinungen bewahrt werden, sah Casimiro auch eine Zeichnung für das Denkmal d'Albret in
Aracoeli. Vgl. a. a. O. 390 n. VII.
2) Mein Freund Sir Herbert Thompson hat sich in Windsor Castle der nicht geringen
Mühe unterzogen, die in Frage kommenden, mit Architekturzeichnungen gefüllten Bände der
Albani-Sammlung durchzusehen, soweit es an einem Tage möglich war. Er ging auch den aus-
führlichen Katolog der Sammlung durch, aber ohne Erfolg. Da ausserdem, wie mir Sir Herbert
Thompson schreibt, ein Band dieser Zeichnungen fehlt und voraussichtlich niemals nach England
gelangte, so ist es nicht ausgeschlossen, daß die Zeichnung, die Casimiro sah, sich in diesem
Bande befand. Mr. Th. Ashby, Direktor der English Archaeological school in Rom, der seit
Jahren den Albani-Zeicinungen besondere Studien widmet, hat mir versprochen, bei seinem
nächsten Besuch in Windsor die Nachforschungen fortzusetzen.
| *) Fritz Burger, Geschichte des Florentinishen Grabmals. Straßburg 1904. p. 361.
Tav. XXXV, 2.
4) Steinmann, Sixtinische Kapelle II p. 602 n. 70. Ich selbst habe dort den Entwurf für
das Grabmal Bracci fälschlih als eine Studie für die Medicigräber bezeichnet, während
Burger vorsichtiger diese Zeichnung nur als Entwurf für ein Grabmal ansprach. A. a. O.
Taf. XXXIII, 2.
974 Monatshefte für Kunstwissenschaft
architektonische Einfassung erkennen. Trotz mancherlei Veränderungen im einzelnen
liegen die Hauptmomente schon in dieser Zeichnung fest: der auf Trägern ruhende
Sarkophag mit dem weit ausladenden, volutenartigen Deckel und darüber in einer
Nische die Büste des Verstorbenen. Es scheint, daß diese Skizze, die sich in Michel-
angelos Hinterlassenschaft vorgefunden haben muß und stets im Besitz der Buonarroti
blieb, noch nach Jahrzehnten den gedankenarmen Epigonen als Vorlage für Buonarrotis
Grabdenkmal in Santa Croce gedient hat.
Wir sahen schon aus dem Briefwechsel Riccios mit Michelangelo, daß Entwürfe
für das Bracci-Monument den Meister mehrfach beschäftigt haben. Das Versprechen
etwas ganz besonderes zu bieten — für das schöne Messer, um seinen eigenen Ausdruc
zu gebrauchen, auch eine würdige Scheide zu schaffen — mußte den äußerst kritischen
Künstler ohnehin zwingen das Problem eines Wandgrabes von mäßigen Dimensionen
immer wieder auf neue Lösungen hin anzugreifen. So dürften die beiden Skizzen der
Casa Buonarroti keineswegs die einzigen Blätter sein, die sich im erhaltenen Hand-
zeichnungen-Schatze des Meisters auf das Bracci-Denkmal beziehen. Aber nachdem
dieses lange verloren geglaubte Monument völlig unversehrt an seinem alten Platze
wieder aufgefunden worden ist, darf es einer späteren Forschung vorbehalten bleiben,
die Gruppe von Entwürfen zusammenzustellen, die Michelangelo diesem Denkmal
einer Freundschaft gewidmet hat.
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Rembrandts Plattenzustande
von Fritz Hoeber, Frankfurt a. M.
Nur da kann sich ein Problem vorfinden,
wo ein Zwiespalt herrscht. Bei von vorn-
herein bestehender Einheit der Elemente drängt
weder das wissenschaftlidie noch auch das
kiinstlerische Wollen auf eine Lösung hin: die
erstrebte Harmonie ist nur in einer vorher
chaotish im Kampfe miteinander liegenden
Disharmonie teleologisch begründet.
Professor Theodor Lipps in München hat in einem der Einleitungskapitel
seiner ,Raumästhetik“ den heute leider nicht mehr scharf genug festgehaltenen Gegen-
satz von Kunst und Technik dahin definiert, daß er das technische Erzeugnis aus
dem zweckmäßigen Zusammenhange der materiellen Masse entstehen läßt, das Kunst-
werk aber aus dem sich sinnvollen Zusammenfügen der Formen nach Maßgabe ihres
ästhetischen Charakters oder ihrer für die ästhetische Betrachtung bestehenden Ver-
haltungsweise. Somit ist dem technischen Erzeugnis die Realität im physischen Sinne
allein gegeben, während das Dasein des Kunstwerks nur ideal besteht und sein Inhalt
eine von aller natürlichen Konkretheit losgelöste, in sich geschlossene, ideale, d. h. eine
nur im Gedanken zu schaffende und nur im Gedanken zu genießende Welt ist.
Indem nun trotz diesem a priori gegebenen Dualismus tatsächliche Beziehungen
zwischen technishem Erzeugnis einerseits und Kunstwerk andererseits existieren, Be-
ziehungen, die, wie gesagt, von der modernen Kunstschriftstellerei in den Mittelpunkt
des Interesses gerückt und sogar häufig genug überschätzt worden sind, eröffnet sich
die Frage, welcher Art diese Verknüpfungsfäden sind, wann und ob sie regel-
mäßig entstehen und aus welchen inneren Ursachen diese ihre Entstehung zu er-
klären ist.
Die Teile, aus denen ein Kunstwerk sich zusammensetzt, sind der physischen
Wirklichkeit entlehnt und zu „Formen“ idealisiert. Diesen „wirklichen“ Vorbildern
eignet als wirklichen natürlich der ganze Komplex der physischen Eigenschaften, die
mechanische Schwere, die materielle Festigkeit und die materielle Tragfähigkeit. Da-
durch nun, daß diese Vorbilder dem idealen, gedankenlich bestimmten Organismus des
Kunstwerks einverleibt werden, erhalten auch ihre Eigenschaften an Stelle ihres
physischen nur einen idealen Werth, so daß sich bloß noch von einer ästhetischen
Mechanik, der Empfindung eines gedachten Kräftespiels, die das Kunstwerk im Be-
trachtenden auszulösen hat, reden läßt. So ist denn, um diesen Satz durch ein
architektonisches Beispiel zu veranschaulichen, das „sidh Niederserfken“ eines Daches
natürlich kein in der greifbaren Wirklichkeit sich abspielender Vorgang: es wäre um
die Sicherheit der Bewohner des Hauses schlecht bestellt, wenn ihr Dach sich wirklich
niedersenke. Das sich Niedersenken geschieht lediglich in der Phantasie des Schöpfers
und des Betrachters des Bauwerks, obwohl diese ideale Empfindung nur dann ganz
vollwertig erlebt wird, wenn ihr einmal die analoge Empfindung in der realen
Wirklichkeit vorausgegangen ist.
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F. Hoeber. Rembrandts Plattenzustände 977
So ist also die materielle Wirk-
lichkeit zugleich der Ausgangspunkt und
die Anregung für die ideale Gestaltung
im Kunstwerk, der Stoff, aus dem der
Künstler sich seine neue Welt formt,
der Maler aus den Farben .und Hellig-
keiten, der Bildhauer aus den dreidimen-
sionalen Körpern und den ihnen an-
haftenden Eigenschaften, der Architekt
aus dem in der Natur waltenden statischen
Kräftespiel. Die Mechanik von Material
und Technik wird in die Gefühlswelt der
Kunstformen übersetzt und gibt so die
reale Anregung zur idealen Erfindung.
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3. Der Waldsaum. B. 222. 1652
1. Zustand O
Aber nicht nur das Verhältnis der Gleichheit von materiellem und formalem Ge-
schehen kann eine Anregung zum künstlerischen Schaffen werden, auch das Verhältnis der
Abb. 4. Der Waldsaum. B. 222. 1652
2. Zustand (Guter Druck.) O
Ungleichheit, die mechanisch-ideale
Disharmonie. Das Ringen von Stoff
und gestaltender Kraft hat schon oft
genug den Ausgangspunkt künstlerischer
Erfindung abgegeben; und wer darauf-
hin die Geschichte des Barocks studiert,
wird viele Beispiele für die künstlerische
Ausnutzung dieses Zwiespalts nennen
können: läßt doch gerade der romanti-
sche Barock den Formgedanken sich erst
allmählich aus der widerstrebenden Ma-
terie zu der Harmonie durcharbeiten,
die die klassische Kunst von vornherein
als zwischen Form und Stoff bestehend annimmt. — Auf diese und ähnliche Weise
lassen sich die Beziehungen zwischen Kunst und Materie und Technik beschreiben.
Es ist ersichtlich, daß nur bei der
Analyse einer idealistischen, aller
Erdensciwere entriickten Kunst
dieses doch sehr charakteristische
Verhältnis vernachlässigt werden
darf. Handelt es sich aber um eine
jener mit dem Stoff heiß ringenden
kraftvollen künstlerischen Erschei-
nungen, wie sie der größte Roman-
tiker: Rembrandt, repräsentiert, so
ist die Darstellung des Verhältnisses A
von Form und Materie gewiB auch
rt
bb. 5. Der Waldsaum. B. 22. 1652 no
2. Zustand (Schlechter Druck mit SE
978 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Abb. 6. Die sog. große Judenbraut. B. 340. 1640
1. Zustand
rein ästhetisch von allerhöchster Wichtigkeit.
Für das künstlerische Verständnis von
Rembrandts radiertem Werk ist somit ein
Eingehen auf das stofflidie Werden der
Radierungen oder die Aufeinanderfolge
der einzelnen Plattenzustände uner-
läBlich.
Unter Plattenzustand versteht man
den Grad der Vollendung einer zum Ab-
druck bestimmten gestochenen oder radier-
ten Kupferplatte, den sie bei einem jewei-
ligen Abzug oder besser bei einer Reihe
jeweiliger Abzüge besitzt. Da die zart-
geätzte und an sich ziemlich weiche Kupfer-
platte nur eine recht geringe Anzahl guter
Drucke liefert, wovon deren Wert und
Seltenheit die natürliie Folge ist, und da
sie sich durch das Druckverfahren in Bälde
gleichsam abstumpft, muß für weitere Ab-
ziige die Platte nachgestochen oder, wie
der technishe Ausdruck sagt, mit dem
Grabstichel überarbeitet werden: die ver-
blaßten Striche werden oft recht derb verstärkt, die Schatten neu angelegt, die in
der Zeichnung markierten Pointen wieder hervorgehoben usw., so daB häufig bei einem
solchen Nachstich nichts mehr von der Linienführung des ersten Plattenzustandes übrig
bleibt. Aber auch dieser Nachstich nutzt sich ab, und so muß denn immer wieder,
sobald eine größere Neuauflage der Radierung verlangt wird, die Platte aufgestochen
werden, wenn man nicht,
wie dies die Technik der
Neuzeit erfunden, von vorn-
herein eine „Verstählung“,
eine Überziehung der ganzen
Kupferplatte mit einer feinen
Stahlshiht auf galvano-
plastishem Wege, vorzieht,
durch die das zarte Kupfer
widerstandsfähiger wird.
Mit dieser verstählten Platte
lassen sich natürlich nur viel
härtere und haBlichere Ab-
züge herstellen als auf dem
Wege des reinen weichen
Kupferdrucks; doch bleibt
Abb. 7. Die sog. grode Judenbraut Abb. 8. Die sog. große Judenbraut
340. 1635. 3. Zustand B. 340. 1633. 4. Zustand
F. Hoeber. Rembrandts Plattenzustande 979
Abb. 9. Selbstbildnis mit dem Federbusch
B. 2. 1634. 1. Zustand O
einem bei einer Massenauflage, wie z. B. bei
Abb. 10. Selbstbildnis mit dem Federbusch
B. 23. 1634. 2. Zustand D
der bekannten Volksausgabe der
Klingerschen Radierungen, kein anderer Weg übrig.
Soweit hätten die Plattenzustände Iediglih ein teciniscies Interesse: Die
Qualitätspriorität beansprucht in diesem Sinne natürli nur der erste (Ur-)Zustand,
zumal die rein manuelle grobe Aufarbeitung sicher nicht vom Meister selbst, sondern
von irgend einem Schüler seiner Werkstatt übernommen wird. Die künstlerische
Bedeutung des Plattenzustandes beginnt erst
da, wo bewußte künstlerische Änderungen bei
der Drucklegung der Neuauflage vom Meister
selbst!) vorgenommen werden, wie dieses so
von Rembrandt geschah, als er am Anfange der
fünfziger Jahre die stark plastisch gezeichneten
Platten seiner Jugendperiode, der dreißiger Jahre
des XVII. Jahrhunderts, in seinem nunmehr ent-
schieden malerisch-flächenhaften Altersstil über-
ging und umschuf. Bei solchen von des Künstlers
eigener Hand herrührenden Plattenzuständen
läßt sich das Vorzüglichste nicht durch die ein-
fache Identifizierung von technisch Erstem gleich
künstlerisch Erstem feststellen, sondern ein jedes-
1) Dieses Postulat für die Beurteilung der
Plattenzustände stellte der ehemalige Direktor des
Berliner Kupferstichkabinetts, Friedrich Lippmann,
in einem Vortrag auf, den er in der kunstgeschicht-
lichen Gesellschaft in Berlin hielt (1891. Sitz.-Bericht V).
Abb. 11. Selbstbildnis mit dem Federbusch
B. 2. 1634. 3. Zustand D
980 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
mal muß nach der Wirkungs-
Endabsicht des Künstlers gefragt
werden, die dann den natürlichen
Ausschlag in der Qualitätsreihenfolge
der verschiedenen Zustände zu geben
hat: Woldemar von Seidlitz hat
in seinem grundlegenden Buche über
Rembrandts Radierungen*) eine An-
zahl von Blättern genannt, bei denen
dies der Fall ist. SchlieBlich gibt
es selbstverständlicherweise auch
Blätter mit sachlichen Veränderungen
im späteren Zustand, bei denen
diese keine Verbesserungen, sondern
Verschlechterungen bedeuten: Man
führt diese Abänderungen zumeist
auf Schülerhände zurück, von denen
ja Rembrandt eine ganze Schar als
ausführende Geister bei sich be-
schäftigte, und von denen die Kunst-
geschichte erzählt, daß sie getrennt
in einzelnen Kämmerlein arbeiten
mußten, um den gegenseitigen Ein-
fluB zu unterbinden.
Außer dem Zustandswert eines graphischen Blattes ist für den auf Qualitäten
sehenden Kunstfreund auch noch der Abzugswert von großer Wichtigkeit. Es ist er-
sichtlich, daB z. B. ein letzter, ganz dünner und verblaßter Abzug des ersten Zustands
von weit geringerer Deutlichkeit, Schärfe und daher
auch Eigenschaft sein muß als ein früher und gut
druckender Abzug des zweiten, neu aufgearbeiteten,
gesetzt, daß die Aufarbeitung dieses zweiten Zustands
nichts an Sorgfältigkeit und diskreter Behandlung in der
Technik zu wünschen übrig läßt. Darum können auch,
um mit dem Bostoner Ausstellungskatalog Rem-
brandtscher Radierungen zu reden, Liebhaber, welche
lediglih dem berühmten Außern des ersten Platten-
zustandes nachlaufen, anstatt das Blatt doch haupt-
sächlich und vor allem auf seine Qualität als Abzug
zu prüfen, nur als Seltenheitsjäger und nicht als ein-
sichtsvolle Beurteiler von Kunstwerken gelten. —
Abb. 12. Der kleine Coppenol. B. 282. ca. 1653
1. Zustand D
*) W. v. Seidlitz, Kritisches Verzeichnis der Radierungen art, 13. Der kleine Coppenol. B. 282.
Rembrandts. Leipzig 1895. ca. 1653. 5. Zustand o
F. Hoeber. Rembrandts Plattenzustände 981
Die Rembrandtschen Platten-
zustande sind sozusagen quanti-
tative und qualitative Überarbei-
tungen. Wenn sie nicht reine
Grabstichelaufarbeitungen sind,
werden sie mit der kalten Nadel
akzentuiert oder noch einmal,
was das technisch Heikelste ist,
geätzt, d. h. radiert.8) Zum Ver-
standnis aller dieser einzeln oder
miteinander kombiniert stets unter
bestimmten Wirkungsabsichten im
graphischen Oeuvre Rembrandts
verwandten, verschiedenen steche-
rischen Verfahren sei ein kurzer
Exkurs technischer Erklärung ge- | " |
stattet: Den drei künsterishen Abb. 14. rarer us B. 78. >
Abschnitten des Radierers Rem-
brandt entsprechen ungefähr die drei sidı bei ihm vorfindenden Techniken: der
junge Rembrandt der dreißiger Jahre ist wesentlich Radierer, in den vierziger Jahren
tritt hierzu die Grabstichelarbeit, und der gealterte Rembrandt nach 1650 bedient
sich ausschließlich der kalten Nadel, die schon seit der zweiten Hälfte des Ill. Jahr-
zehnts des XVI. Jahrhunderts eine häufige Verwendung zur Pointierung und Unter-
streihung der Kern- und Brennpunkte in der malerischen Komposition gefunden.
Der an sich leicht hinzeichnenden und im Beiwerk keineswegs sparsamen Bild-
absicht des jungen Rembrandt
der dreißiger Jahre mußte die
wie mit dem Bleistift mühelos
sich in den Atzgrund hinskizzie-
rende Radierung besonders ent-
sprechen; denn hier bedarf es
nicht der schwerwuchtenden ma-
nuellen Eingravierung der Linien-
furchen in das blanke Kupfer, da
ja erst die gleichmäßig ätzende
Säure diese Vertiefung an den
8) Sole Überätzungen der
Platten sind sehr gefährlich: Selbst
Rembrandt ist dies nicht immer ge-
glückt, wie die Überätzungen späterer
Zustände mehrerer reiner Kaltnadel-
Abb. 15. Die drei Kreuze. B. 78. 1653 arbeiten lehren, so des heiligen Fran-
4, Zustand O ziskus von 1657 (B. 107).
982 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Stellen bewirkt, welche die schnell dahinfahrende Radiernadel in dem aus Harz
und Wachs zubereiteten, für Säuren undurchlässigen, diinnaufgetragenen Atzgrund
aufgedeckt hat. Auf diese Weise sind alle jene beliebten und populären Blätter
entstanden, die uns in der Sorgsamkeit der Ausführung und in all ihrer kleinmeisterlich
minutiösen Andacht für das Detail an deutsche Romantik, an Ludwig Richter erinnern,
wie z. B. der Rattengiftverkäufer von 1632 (Bartsch 121), der barmherzige Samariter
von 1633 (B. 90) (der Vordergrund hier mit dem Grabstichel) und die VerstoBung der
Hagar von 1637 (B. 30).
In bezug auf die manuelle Leichtigkeit und Geschwindigkeit ganz anders ge-
artet, in bezug auf das Aussehen der Wirkung aber ähnlich ist die Technik mit dem
Grabstichel: Dieses rein zum Gravieren benutzte Instrument ist das älteste im Kupfer-
stecherhandwerk; es hat als Handhabe einen tellerförmigen Griff, der in die innere
Handfläche sich einschmiegt. Der ziemlich schwerfällige Grabstichel zieht lauter parallele
gleichmäßige Furchen, seien es nun Geraden, seien es Kurven, in das freie, von keinerlei
Atzgrund bedeckte Kupfer, indem er, gleichsam seinen eigenen Weg gehend und von
der führenden Hand nur noch wenig Direktionen empfangend, sich über die Platte
forttreibt — das anschauliche Bild stammt von Richard Hamann — wie der Pflug
über den Acker. Diese durch den Druck der Hand entstandenen Kanäle des Kupfer-
stichs, die später genau so wie die durch das chemische Verfahren der Atzung ent-
standenen Furchen der Radierung die Druckerschwärze aufnehmen und an das beim
Druck darübergepreßte Papier abgeben, eignen sich in vorzüglicher Weise zur Charakte-
risierung größerer Tonflächen. In diesem Sinne wurde der Grabstichel von dem auf
tonige Effekte ausgehenden Rembrandt der vierziger Jahre benutzt: das schönste Bei-
spiel hierfür ist das Selbstbildnis von 1648 am Tische zeichnend (B. 22), wo die
sorgfältige Grabstichelarbeit es in der Wirkung aufnimmt mit den feinsten Helldunkel-
gemälden des Meisters. Gerade hier ist der für den Grabstichel typischen Gefahr einer
zu großen Ausgeglättetheit aufs glücklichste aus dem Wege gegangen; eine Gefahr,
die freilich Rembrandt, vor allem in seiner Jugendperiode, nicht immer überstanden:
das Eccehomo (in Hochformat) aus dem Jahre 1635 (B. 117), die große Kreuz-
abnahme von 1633 (B. 81) und der schon genannte barmherzige Samariter sind
die hauptsächlichsten Blätter, wo die plastische Ausarbeitung eine tüftelige und deshalb
kalt wirkende Glätte erzeugt hat. Man denkt deshalb mit Recht bei diesen mühseligen
Kaltnadelarbeiten an die Ausführung durch Schülerhand, wahrscheinlich an Vliet, der
nach der Skizze des Meisters in leider allzu kleinlicher Weise gearbeitet hat. Doch ist
es nicht angängig, die Tätigkeit solcher Schüler in der Weise auf das Gesamtwerk
Rembrandts auszudehnen, wie das Hans Wolfgang Singer!) in seinem viel zu
hastig gearbeiteten und deshalb in der Korrektur des Katalogs oft ganz unverständ-
lichen Buche wagt. —
Die Entwicklung des Rembrandtschen Kunstempfindens bewegt sich vom Plastischen
zum Malerischen, zu der künstlerischen Analyse eines Flacheneindrucks auf seine Licht-
1) Rembrandt, des Meisters Radierungen in 402 Abbildungen. Herausgegeben von Hans
Wolfgang Singer. (Klassiker der Kunst in Gesamtausgaben.) Stuttgart und Leipzig. 1906.
F. Hoeber. Rembrandts Plattenzustände | 983
und Schatten- und auf seine Farbenbestandteile hin: Richard Hamann hat diesen
Weg im vierten Kapitel seines liebevoll durchempfundenen Werks über Rembrandts
Radierungen ausführlich geschildert.) Diese durchaus modern anmutende Malerischkeit
der Behandlung, diese größte Freiheit und geniale Breite des Vortrags charakterisiert
nun auch den Altersstil im graphischen Werk Rembrandts: ihr Mittel ist die aus-
schlieBliche Kaltnadeltechnik. Die kalte Nadel ist ein feines spitziges Instrument,
das scharfe Linien in das blanke Kupfer derart einritzt, daß außer der Grube noch auf
beiden Seiten kleine Hügel des ausgehobenen Metalls entstehen. Diese Hügel bilden
in den frühen und guten Abziigen schummerige Verschwommenheiten, die man den
„Grat“ nennt, so daß eine solche mit der kalten Nadel geritzte Linie im Abzug aus-
sieht wie ein mit einem ganz weichen Bleistift gezeichneter Strih. Der Art der
skizzierenden Bleistiftzeichnung ähnelt nun auch das stete An- und Abschwellen der
Kaltnadellinie, da weder ein innerer noch ein äußerer Zwang zur Gleichmäßigkeit der
Nadelführung vorliegt, weshalb es gerade hier darauf ankommt, den Druck und das
flüchtige Darüberhinwegfahren, Betonung und Unbetontheit, sinnreich zu verteilen. Nach
diesem akzentuierenden Prinzip findet sich die Anwendung der kalten Nadel ja schon
früher im radierten Werk Rembrandts: so hat schon das bekannte Blatt des Todes der
Maria aus dem Jahre 1639 (B. 99) alle seine Pointen mit Hilfe nachdrücklich ein-
setzender, kurzer Kaltnadelstricie erhalten. Aber die spezifiscie Empfindung fir die
Schönheit dieser ribbeligen, bald haarfeinen, bald klecksig breiten Linienzüge hat erst
der alte Rembrandt zu spüren bekommen: besonders die so herrlich großräumigen und
weitluftigen Landschaften der fünfziger Jahre, bei denen ein Strich abbreviaturartig so
viel ausdrückt, daß, wie ein Kunstschriftsteller einmal sagt, man den millimetergroßen
Zwischenraum zweier Horizontalen als eine meilenweite Ebene so konkret empfindet,
als ob man sie selbst zu Fuß durchmessen hätte. Bei diesen so schnell wie eine
Zeichnung improvisierten Kaltnadelarbeiten °) ist nichts mehr von der niedlichen Modellie-
rung der Frühwerke zu sehen: die von Licht und Luft bewirkte Körperlichkeit drückt
sih nur in lauter geraden Strichen aus, selbstverständlich bei den Landschaften, aber
auch bei den figirlicien Darstellungen.
Die damalige Zeit kennt eine Reihe von mit der kalten Nadel ausgeführten
Nacistichen, wie die Darstellung im Tempel in Hochformat von ca. 1654 (B.50), die
Anbetung der Hirten bei Laternenschein von ca. 1652 (B.46), die Flucht nach Ägypten
von 1651 (B. 53), die Kreuzabnahme bei Fackelschein von 1654 (B. 83) und die Grab-
legung von ca. 1654 (B. 86), bei denen, vlelleicht in bewußter Nachahmung der Effekte
der damals von Ludwig von Siegen erfundenen Schabkunst, ein sammetartiger
Gesamtton angestrebt ist, der die Folie abgibt für eine starke (künstliche) Beleuchtungs-
quelle im Zentrum der Komposition. Hier kann man also die ganze Kraft der male-
rischen Kaltnadelwirkung empfinden, wie sie die Stofflichkeit des Dargestellten inter-
pretiert, und wie sie in eine warme Licht- und Luftschicht die ganze Bildlichkeit einhüllt.
!) Rembrandts Radierungen von Richard Hamann. Berlin 1906. Zum richtigen Sehenlernen
der Rembrandtschen graphischen Kunst sehr zu empfehlen.
?) Hamann zieht auch tatsächlich zur richtigen Beurteilung dieser Kaltnadelarbeiten Hand-
zeichnungen mit der Feder vergleichsweise heran: siehe S. 296 a. a. O.
984 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Diese Landschaften und diese Figurenbilder der fünfziger Jahre werden von, der
Gegenwart mit Recht als das Größte im graphischen Werk Rembrandts empfunden:
Diese im modernen Sinne impressionistischen Kaltnadelarbeiten zeigen die vollständige
Herrschaft über alle technische Außerlichkeit, die völligste Harmonie, die sich aus einer
vorher chaotisch im Kampfe miteinander liegenden Disharmonie entwickelt hat, um auf
unser Motto zurückzugreifen.
* *
x
Als Beschluß dieses Versuchs seien noch einige kurze Anmerkungen zu etlichen
Kardinalbeispielen Rembrandtscher Plattenzustände beigegeben: Probedrucke sind die
Verkündigung an die Hirten
von 1634 (B. 44), die groBe
Kreuzabnahme von 1633
(B. 81), der Waldsaum von
1652 (B. 222) und die so-
genannte große Judenbraut
von 1635 (B.340). Bei der
Verkündigung an die Hirten
(Abb. 1 u.2) scheint im ersten
Zustand, obwohlernicht voll-
endet ist, ein anderes Licht-
verhältnis geplant gewesen
zu sein: der Strahlenhof um
die himmlischen Heerscharen
ist viel größer als in den
ausgeführten Drucken; da-
her sind auch die erschreck-
ten Hirten mit ihrer Herde
Abb. 16. Christus dem Volke dargestellt in Querformat. B. 76 in ein weit stärkeres Licht-
1655. 1. Zustand o bad getaucht. — Der erste
Zustand der großen Kreuz-
abnahme war Rembrandt beim Atzen mißlungen. Die folgenden Zustände, die natürlich
von einer neuen Platte herrühren, werden jetzt allgemein als Arbeit eines Schülers,
Vliet, gedeutet; nur die Zeichnung ist von Rembrandt. Die tüftelig ausgearbeitete
Platte ist im wesentlichen radiert, einzig im Vordergrund rechts mit dem Grabstichel
übergangen. — Der erste Zustand der durchgängigen Kaltnadelarbeit „Der Waldsaum“
(Abb. 3, 4, 5) ist nach Seidlitz ein Probedruck von der angelegten und nur in einem kleinen
Teil der Mitte durchgeführten Platte; die zwei Abdrücke des zweiten (vollendeten) Zustan-
des können uns dartun, wie wichtig gerade die Berücksichtigung des Abzugswerts neben
der des Zustandswerts bei der Einschätzung von graphischen Blättern ist: sicherlich macht
sich bei einem Kaltnadelwerk ein Zuviel oder Zuwenig an Druckerschwarze (d. h. hier
Grat) am peinlichsten bemerkbar. — Bei dem ersten in den unteren Partien noch voll-
ständig unfertigen radierten Probedruck der großen Judenbraut (Abb. 6, 7, 8) wollen
F. Hoeber.
Rembrandts Plattenzustande 985
wir nur auf die weiche körperhaft
empfundene Behandlung des reichen
Haars aufmerksam machen. Die
späteren Zustände bringen nom
Schattierungen und Details unter
Zuhilfenahme des Grabstichels und
der kalten Nadel.
Die Plattenzustände des ge-
mäldeartig radierten Blattes des
großen Coppenols') von ca. 1658
(B. 283) zeigen uns zuerst einen
im ganz hellen Hintergrund noch
unvollendeten Probedruck; dieser
Hintergrund wird dann mit einem
gerafften Vorhang ausgefüllt, und
am Ende der Zustandsreihe wird
die Platte so weit beschnitten, daß
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Abb. 17. Christus dem Volke dargestellt, in Querformat
B. 76. 1655. 5. Zustand O
nur noch der runde Kopf übrig bleibt, ein Verfahren, das auch das wichtigste in der Ent-
wicklung der Plattenzustände bei dem Selbstportrait B. 23 ist. (Abb. 9, 10,11.) Bei dem
kleinen Coppenol von ca. 1653 (B. 282) beziehen sich die Veränderungen vor allem auf
Details des Hintergrunds, auf die RichtmaBe, den Zirkel und das dunkel ausgefiillte
Rund an der Wand, an dessen Stelle später ein Triptychon erscheint. (Abb. 12 u. 13.)
Die beiden Zustände des heiligen Franziskus von 1657 (B. 107) sind starke
Gegensätze nicht nur technisch im état de cliché, hier die Kaltnadel den Wirkungs-
auschlag gebend, dort die Atzung, sondern auch in der landschaftlichen Stimmung, im
état d'âme, wie die Meister von Barbizon sagten: hier die vollkommene Weltabge-
Abb. 18. Christus dem Volke dargestellt, in Querformat
B. 76. 1653. 6. Zustand
schiedenheit und dort das Herein-
lugen des Lebens in die stille Ein-
siedelei. Bei dem ersten Zustand
fehlt noch die ganze Landschaft
mit der Burg rechts; auch der Zaun
hinter dem Eremiten ist noch nicht
vorhanden.
Die berühmtesten Platten-
veränderungen Rembrandts sind die
drei Kreuze (B. 78) von 1653 und
Christus dem Volke vorgestellt
(B. 76) von 1655, beides der Zeit
entsprechend ihrem wesentlichen
Charakter nach Kaltnadelarbeiten.
Die beiden wichtigsten Platten-
1) Schreibmeister in Amster-
dam, geboren 1598.
986 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
zustände der drei Kreuze, der 1. und der 4. (Abb. 14 u. 15), stellen, wie Blanc meint,
zwei sich gegensätzliche Szenen des Passionsdramas dar: die friedlichen Worte des ver-
scheidenden Erlösers: Es ist vollbracht! und den Aufruhr der Elemente nach dem Tode
Christi, den das Evangelium mit den Worten zu erzählen beginnt: Und der Vorhang
im Tempel zerriB. Der erste Zustand ist viel heller gehalten als der vierte, dessen
gleichmäßige fast regnerische dunkle Stimmung durch die parallelen Linien des Grab-
stichels unterstützt wird. Eine große Lichtgarbe beleuchtet zuerst von oben herab die
drei Kreuze. Eine nur im Umriß hingezeichnete Gruppe um Maria befindet sich rechts,
eine Reiterschwadron mit dem Hauptmann darunter links; davor im Vordergrund eine
dunkle Schaar von Hohepriestern; in der Mitte zwei turbangeschmückte Männer, die
von Golgatha wegeilen. Die prinzipiellsten Veränderungen des vierten Zustandes ge-
schahen nun durch die Streichung der linken Vordergrundsgruppe und der einen der
laufenden Mittelgrundsfiguren und dadurch, daß der böse Schächer, der im ersten Zu-
stand sich noch im Licht befand, auch vom Dunkel überflutet wird, daB ebenso die
Gruppe der Leidtragenden durchschattiert wird und daß endlich die ganze Kavalkade
auf zwei Pferde, ein sich bäumendes und ein ruhig in Profilansicht stehendes, reduziert
wird, wobei dann der Hauptmann, dessen Kopf einer Medaille des quattrocentistischen
Medailleurs Pisanello (auf Giov. Franc. Gonzaga) nachgebildet ist, gerade umgekehrt wie
auf dem ersten Zustand zu stehen kommt. Der Temperamentsunterschied der beiden
Plattenzustände liegt, wie berührt, in der feinen und friedlichen Ausarbeitung
einerseits, in der wilden, wuchtigen und mächtig groß hingestrihenen Kampfstimmung
andererseits.
Christus dem Volke vorgestellt in Querformat (Abb, 16, 17,18) ist vorzüglich durch
die Korrektur interessant, die die Platte im fünften Zustand erlitt: die genrehaften Vorder-
grundfiguren vor dem erhöhten Tribunal, das auf das Vorbild eines Stiches von Lucas
von Leiden (B. 71) zurückgeht, werden ausgeschliffen, um, wie Blanc meint, die Auf-
merksamkeit nicht von der Hauptperson der vor unseren Augen sich abspielenden
Tragödie, dem Eccehomo, abzulenken. Der sechste Zustand fügt dann noch die zwei
quaderumsäumten Bogenöffnungen, mit der Halbfigur eines Flußgottes dazwischen, hinzu. —
Wir haben mit diesem letzten Blatt unsere technisch-ästhetishe Rembrandt-
Studie beschlossen. Wir haben den Meister kennen gelernt, wie er mit seinem be-
stimmten und in stetiger Entwicklung begriffenen Kunstwollen den Stoff und auch die
Technik dirigiert hat in dem Bewußtsein dafür, daß dieses innere Gefühl immer die
absolute Superiorität über alle materielle und technische Außerlichkeiten haben muß.
Ohne Zwiespalt geht es gewiß nicht immer ab; aber im Zwiespalt, im Dunkeln, im
Kampfvollen ist ja alle Harmonie gleichsam teleologisch begründet. „Ohne das Schwer-
verständliche, Rätselhafte ist“, wie Wilhelm Bode sagt, „die Persönlichkeit Rembrandts
nicht zu denken; der Reiz zu neuem Studium und der ewig wachsende Genuß seiner
Werke liegt darin mit beschlossen.“
LEE
Abb. 1. MATTHAUS STOMER, Anbetung der Hirten
Neapel, Museo Nazionale O
Charakterköpfe des Seicento
Von Hermann Voss
II
Eine Studie zur sizilishen Malerei
Zu den am meisten vernachlässigten Gebieten der neueren Kunstgeschichte gehört
das Seicento in Sizilien. Selbst ein überragender Meister wie Pietro Novelli ist außer-
halb seiner Heimat wenig geschätzt und gekannt, z. T. wohl aus dem einfachen Grunde,
weil man auf dem Kontinent kaum Gelegenheit hat, mit seiner Kunst vertraut zu wer-
den. Über dem, was die sizilianische Malerei sonst im XVII. Jahrhundert geschaffen
hat, ruht ein Halbdunkel, aus dem in verschwommenen Umrissen die Gestalten von
wenigen bekannten Künstlern, wie Scilla, Rodriguez, Barbalunga u. a. hervorschauen.
Kein mitteilsamer Künstlerbiograph erhellt uns, wie in Neapel de Dominicis, das trübe
Dunkel; spärlich rinnen die Quellen, aus denen Namen und Schicksal der Sizilianer
Secentisten zu ersehen wären').
1) Hauptquellenwerke sind für Messina Filippo Hackerts Memorie de’ pittori Messinesi
(sehr unzuverlässig) und die anonymen Memorie de’ pitt. Mess. e degli Esteri von 1821. Ferner:
Guida per la Citta di Messina scritta dall’ Autore delle M. d. P. M. 1826. Vgl. auch Giuseppe La
Farina, Messina e i suoi monumenti 1840. Mit sizilischer Malerei, Skulptur und Architektur im
988 | Monatshefte für Kunstwissenschaft
Wien, Galerie Liechtenstein D
Und doch findet, wer die Reihe barocker Bilder und Fresken in Sizilien ab-
schreitet, nicht wenig Arbeiten, die ihn mit besonderen Augen anblicken, und die ihm
von individuell gearteten Künstlern zu erzählen wissen. Dazu hat der Historiker noch
einen anderen Grund sih mit diesen Meistern zu beschäftigen, denn die vom italie-
nischen Kontinent schärfer, als man vielfach glaubt, geschiedene Insel war von vorn-
herein dazu prädestiniert, verschiedene Einflüsse in sich aufzunehmen, unter ihnen mit
an erster Stelle solche nichtitalienischer, zumal nordischer Kunst. So ist für den
Größten selber, Novelli, kein anderer als van Dyck das entscheidende Vorbild gewesen,
der um 1624 sich einige Zeit in Palermo aufgehalten und dort verschiedene Werke
gemalt hat. Es gibt Werke aus Novellis früherer Zeit, die direkt aus dem Schatze
van Dyckscher Erfindung schöpfen, einzelne Figuren von ihm entlehnen; und das
Malerische ist dem Monrealesen überhaupt erst vor den Gemälden des Vlamen aufge-
gangen, in denen sich der nordische Sinn für Farben- und Tonwerte ihm als etwas
im Süden kaum Bekanntes offenbarte.
Mit dem Einflusse des van Dyck verbanden sich andere, z. T. nachhaltigere
Einwirkungen, die sporadisch von verschiedenen Gegenden des Kontinents herüber-
drangen. Barbalunga pflanzte Keime römischer Malerei (zumal Domenichinos) in den
Boden Siziliens, andere knüpften an die Kunst des italienischen Nordens an; zu dem
Barockzeitalter beschäftigte sich neuerdings Enrico Mauceri (Aufsätze der Arte) wie Virgilio Sacca
in „Michelangelo da Caravaggio pittore“ Messina 1906. Beiden Herren bin ich für freundliche
Auskünfte zu lebhaftem Danke verpflichtet.
H. Voss. Charakterköpfe des Seicento II | 989
|
Abb. 3 MATTHAUS STOMER, Heilige Familie
Neapel, Museo Nazionale O
benachbarten und sympathisierenden Neapel entwickelten sich standige, enge Bezieh-
ungen. Von Neapel aus war es denn auch, daß einer der größten seiner Zeit, Michel-
angelo Merisio da Caravaggio, nach der Insel hinüberfloh, um sich vor seinen einfluß-
reihen Widersachern in Sicherheit zu bringen. Caravaggios Bedeutung für die Malerei
Siziliens entsprach der künstlerischen Potenz des Mannes; sie wäre vielleicht noch ein-
schneidender gewesen, wäre nicht der Meister mit ebensolcher Eile, wie er gekommen
war, wieder von der Insel geschieden. Seine Werke in Messina, Siracusa und Palermo
blieben jedoch als stumme, keineswegs bedeutungslose Zeugen seines Wirkens und
Schaffens zurück.
Eine große Menge von Künstlern des Kontinents arbeitete zeitweilig für Sizilien
oder war hier vorübergehend tätig. Nicht nur die Italiener, sondern auch die Aus-
länder naturalisierten sich schnell, sodaß, was einheimisch und was zugewandert ist,
sich nicht immer voneinander trennen läßt. Zumal an holländischen und flandrischen
Namen sind die Memorie reich; die Casembrot, Jan van Houbraken u. a. hat man sich
sicherlich als fast restlos naturalisierte Sizilianer zu denken, die nur ein dünner Faden
mit der heimischen Kunsttradition verknüpfte.
Häufig genug sind die Fälle, in denen überlieferte Namen sich nicht mehr
bestimmt mit einem CEuvre verbinden lassen oder umgekehrt; in anderen Fällen gelingt
es wohl, ein oder zwei Bilder zu finden, an denen traditionell ein Künstlername hängt
— aber das übrige Werk des Meisters muß erst mühsam aus anonymen oder falsch
990 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
Neapel, Museo Nazionale O
attribuierten Gemälden zusammengestellt werden, die z. T. aus entlegenen und
unbeachteten Galerien heranzuholen sind.
Es ist dies im besonderen der Fall eines Meisters, der gänzlich vergessen
worden ist, und den wir heute mit einem relativ reihen CEuvre wieder rehabilitieren
möchten.
II. Matthäus Stomer.
Wenn man den Namen dieses Malers bei Nagler sucht, so stößt man sogleich
auf eine Namenkonfusion, die anzeigt, welches Dunkel um die Person des Mannes
herrscht. Nagler kennt drei Künstler dieses Namens, nämlich Joh. Baptist (bei Guarienti
Giovanni, bei Dominicis Matteo oder Bartolommeo), angeblich in Neapel tätig, Matthäus,
Schlachtenmaler zu Verona und nochmals Matthäus, „vielleicht“ Vater des Obigen,
gegen 1640 in Messina tätig. Von diesen drei ,Stomer“ oder „Stom“ (auch Stoms
und Stohom) genannten Malern scheidet der mittlere als ganz abseits stehend und
betrichtlih später aus. Dagegen ergibt sich bald, daß die beiden anderen nicht Vater
und Sohn, sondern eine einzige Person sein müssen und von Nagler nur getrennt
worden sind, da er aus verschiedenen, sich in Kleinigkeiten widersprechenden Quellen
geschöpft hat.
Von dem erstgenannten Stomer weiß er nämlich zu berichten, daß er in Neapel
gelebt und historische und biblische Darstellungen gemalt habe. Er zitiert fünf Passions-
H. Voss. Charakterköpfe des Seicento II 991
Abb. 5. MATTHAUS STOMER, EEE ER mu
Neapel, Museo Nazionale
darstellungen, die als Nachtstücke aufgefaßt waren. Wir werden sehen, daß diese
ziemlich auffällige Notiz gerade auf den dritten, sizilischen Stomer zutrifft, und daß
das Museo Nazionale zu Neapel noch heute Passions- und biblische Darstellungen mit
nächtliher Beleuchtung von ihm hat, in denen er an den in Italien sehr geschätzten
»Gherardo dalle notti* anknipft. Da er, nach Abr. Casembrots Memorie zu schließen,
erst etwa in den dreißiger Jahren zu Messina tätig war, so wird wahrscheinlich, daß
er vorher in Neapel sich aufhielt, nachdem er um 1615 etwa in Rom unter Honthorst
studiert hatte.
Was wir sonst über ihn wissen, ist dürftig. Nagler zitiert die Signatur eines
seiner Bilder in S. Cecilia zu Messina (nicht mehr vorhanden), durch die er als Vlame
gesichert wird; im übrigen müssen uns seine Werke über den Mann und seine künst-
lerische Stellung aufklären. Wenige Gemälde sind es, aus denen wir uns zunächst
einen Begriff von seinem Stile zu schaffen haben. Im Museum zu Palermo ist von
ihm ein S. Gaetano, dem eine Madonna erscheint. Das ist ein Bild vollkommen
honthorstschen Charakters, mit der typischen Beieuchtungsart jenes Meisters, mit einem
ganz verwandten, nur mehr rotbraunen Ton, dazu in den Typen ganz ähnlich wie
der Vorgänger, so bei dem kerzentragenden Knaben, dem wie bei Honthorst an-
gestrahlten Heiligen, der anmutigen, etwas leeren Madonna. Schöner und geradezu
ein Meisterwerk ist die Geißelung Christi, die in der Madonna del Rosario aufbewahrt
wird, leider in ungünstigem Lichte zwischen den Fenstern, wo sie doch neben dem
992 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Abb. 6. MATTHAUS STOMER, Christus in Emaus
Neapel, Museo Nazionale O
Altarbilde van Dycks, den Bildern und Fresken Novellis und den Stucchi des Serpotta
keineswegs zurückbleibt Was am stärksten wirkt, ist die wie in sich gekauerte Figur
des Heilandes, die seelisch tiefer ist als solche Gestalten sonst bei Honthorst zu sein
pflegen (cfr. etwa das Bild in den Cappuccini zu Rom). Man bemerkt, daB der
Kiinstler weniger phlegmatisch ist als sein hollandischer Lehrer; ein gewisser heftiger
Zug, zumal als Ausdruck des Sich-Verwunderns, ist in seinen Typen häufig — immerhin
verleugnet sich die honthorstshe Schulung auch hier in der Technik wie im Hell-
dunkel keinen Augenblick.
Bis ins Kleinste nun entspricht diesen beiden traditionell „Stomer“ genannten
Gemälden eine Reihe hervorragender Bilder im Museo Nazionale zu Neapel, die unter
der fälschlihen Bezeichnung „Christoph Storer“ bekannt und in den Führern erwähnt
sind. Die Zuweisung an Storer beruht offensichtlich auf einer Namenverwechslung;
Storer, dem allerdings das Glück zuteil wurde in Sandrarts Teutscher Akademie
genannt zu werden, ist ein ziemlich schwacher Manierist aus den Kreise der Procaccini,
der in Süddeutschland und Mailand tätig gewesen ist, und dessen Werke mit dem
gesamten Kreise, den wir hier behandeln, ganz außer Fühlung stehen. Die Beziehung
der Neapler Bilderserie zu Gerard varı Honthorst steht bereits bei Betrachtung der
„Geburt Christi‘ außer Zweifel. Gemälde wie die bekannten beiden Präsepienbilder
der Uffizien oder (und zwar noch in engerem Sinne) das von uns in Abb. 2 gebrachte
H. Voss. Charakterköpfe des Seicento II 993
Abb. 7. MATTHAUS STOMER, Befreiung Petri
Neapel, Museo Nazionale D
der Sammlung Lichtenstein in Wien nähern sich in Beleuchtungsart, Typen, Komposition,
Farbe der Neapler Geburt ganz außerordentlich.
Allein es besteht doch ein bedeutender Abstand zwischen den beiden Meistern,
der sich schon bei Betrachtung der Photographien deutlich fühlbar macht: der Faltenwurf
Stomers ist gegliederter, seine Zeicinuny schärfer, auch härter, oftmals detaillierter, das
Helldunkel hat teils etwas sehr Unvermitteltes, Springendes, teils eine gewisse Trockenheit.
Bei Kenntnis der Originale ergibt sich noch als ein Hauptunterschied das trübere, fast
rotbraune Kolorit des Stomer, das stumpfere Töne bevorzugt und manche seiner
Bilder in einen gewissen matten Ton einhüllt — anstelle der lebhaften Lokalfarben
bei Honthorst besitzt Stomer nur ein gedämpftes Rot und ein stumpfes Blau. Nicht
zu vergessen auch die trockenere, nicht honthorstartig glatte oder fette Technik.
Über den Ausdruck der — bei Anschluß an Honthorst auch hier — durchaus
selbständigen Typen ist zu sagen, daß ihnen durchgehends eine gewisse Spannung,
ein oftmals heftiges Staunen eigentümlich ist, worin sich eine feinere psychologische
Unterscheidungsgabe äußert als in den gleichmäßigen, mehr äußerlich bewegten Köpfen
Honthorsts; es stimmt hierzu, daß die Gesten lebendiger und ausdrucksvoller gefaßt
sind: möglich, daß in diesen Eigentümlichkeiten sich nicht bloß die intime Fühlung mit
der südländischen Mimik und Gebärdensprache, sondern auch das eigene lebhafte
flandrische Temperament des Künstlers ausspricht.
An die Geburt Christi schließt sich die Heilige Familie besonders eng an. Das
Schema (mit dem herzueilenden Giovannino) ist der italienischen Kunst seit dem
` 65
994 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 8 MATTHAUS STOMER, Christus und Nikodemus
Darmstadt, Museum O
Quattrocento geläufig, auch sonst ist der Charakter der Formen nnd die Komposition
wesentlich italienisch — eigenartig und nordisch gemahnend nur die Einführung der Kerzen-
beleuchtung. Die überaus starke Artikulation des Körpers Jesu fällt jedem ebenso
auf wie das schön erfundene, lässige Zurücklehnen der Madonna und ihre fast van
Dyckisch gebildete und elegant gelagerte Hand.
Im Verfolg der weiteren Darstellungen des Neapler Zyklus drängt sich eine gewisse
Gleichférmigkeit des Ausdruckes nicht angenehm auf; doch sind unter den Köpfen
einige von sehr lebendiger und dramatischer Wirkung, die über Honthorsts Fähigkeiten
weit hinausgreifen und sich unmittelbar mit den durchgefiihiten, innerlich beseelten
Physiognomien des Caravaggio vergleichen. Die durchgehends festgehaltene Fassung
der Szenen im halbfigurigen Breitbild (venezianischer Herkunft) überrascht besonders
im letzten Bilde der Folge, der Befreiung Petii, wo die Beschränkung auf halbe
Gestalten ebensowohl den natiirlidien Forderungen der Szene wie denen der Tradition
widerspricht.
Zusammen mit den Neapler Gemälden ist ein „Gespräch Christi mit Nikodemus“
in Darmstadt zu nennen, das der Katalog sowie Woltmann-Wörmanns Geschichte der
Malerei dem Honthorst zuweisen, während es von anderer Seite mit einem Gemälde
in München in Beziehung gesetzt wurde, über das noch zu reden sein wird. Der
richtige Autorname ergibt sich bei einem Vergleiche mit den Neapler Bildern, zumal
dem Emaus sehr leicht; nicht bloß Typen und sonstige künstlerische Indizien stimmen
H. Voss. Charakterköpfe des Seicento II 995
Abb. 9. MATTHAUS STOMER. Pilatus wäscht sich die Hände
Paris, Louvre O
mit jener Serie überein, sondern das Bild gliedert sich nach Inhalt, Proportionen') und
Komposition ganz ungezwungen in die Folge ein, der es vielleicht ursprünglich
zugehört haben mag.
Genau wie das Gemälde in Darmstadt verhält sich zu der Neapler Folge ein
schöner ,Gherardo dalle Notti“ des Louvre, der Pilatus darstellt, wie er sich die Hände
wäscht. Die Zusammengehörigkeit mit jenen Gemälden wird diesmal schon durch die
Maße evident, die genau mit jenen des „Brodwunders“ übereinstimmen (1,53><2,05).
Das Bild weicht insofern von dem gewohnten Schema ab, als es außer der Haupt-
szene im Vordergrund eine andere im Mittelgrund bringt: die Kreuztragung; allein —
ganz abgesehen von dem charakteristischen rotbraunen Kolorit -— Zeichnung der Typen,
Gewänder, Hände sind so völlig stomerish, daß die Zuweisung an den Meister
unabweisbar erscheint. Im besonderen wolle man den Kopf des Pilatus nach Beleuchtung
und Ausdruck mit dem des befreiten Petrus, den rechts hinter dem Vorhang hervor-
blikenden Mann mit jenem hinter dem Christus des „Emaus“ vergleichen.
1) Nadi freundlicher Mitteilung des Herrn Aldo de Rinaldis, der diese Serie für mich
genau hat nachinessen lassen, weichen die einzelnen Bilder beträchtlidi von einander ab. Die
Maße sind: Abb. 1: 1,225x1,82, Abb. 3: 1,55><2,08, Abb. 4: 1,53><2,05, Abb. 5: 1,535><2,09,
Abb. 6: 1,575><2,02, Abb. 7: 1,27><1,82. In den Verwaltungsräumen des Museums befindet sich
noch „eine Anbetung des Kindes“, im Formate 1,26><1,84, offenbar ebenfalls zugehörig. — Das
Darmstädter Bild miBt 1,24><1,71.
996 Monatshefte für Kunstwissenschaft
ae i ee =
Abb. 10. MATTHAUS STOMER, Gefangennahme Simsons
Turin, Pinacoteca Reale O
Mehrere der Darstellungen in Museo Nazionale leiten hinüber zu einer
„Gefangennahme Simsons“ einem Bilde von sehr großen Verhältnissen in der Turiner
Galerie (2,12><2,72), das wieder dem Honthorst zugewiesen ist, und das wir nach
einem wenigstens materiell getreuen Stiche des Galeriewerkes reproduzieren. Kolo-
ristisch vertritt es wiederum eine von Honthorst abweichende Nuance: die Farbe ist
sehr gleichmäßig, bräunlich-rötlih; nur ein wenig keineswegs ausgesprochenes Blau
tritt gelegentlich hervor. Daß ein Werk des gleichen Meisters wie in Neapel vorliegt,
bedarf gegenüber den Abbildungen keiner langen Begründung. Man beachte nur
Typen und Ausdruck der Figuren, sowie die Handbewegung Simsons, die ganz wie
die des befreiten Petrus anmutet, ferner Haltung und Kopf des herzueilenden Knaben,
die vollkommen denen des Mannes rechts auf der „Gefangennahme“ entsprechen,
endlich auch die zurücklehnende Pose Simsons selber (cfr. die Madonna der h. Familie)
und Einzelzüge wie die Verwendung eines Vorhangs als Hintergrundes (wieder wie
auf der h. Familie).
Die Handlung, die auch hier beim Lichte einer Fackel vor sich geht, macht von
neuem deutlich, daß dem Künstler wichtige Anregungen von seiten des „holländischen
Caravaggio“ gekommen sind; auch der liebt es, solche effektvolle Staatsaktionen zu
geben, bei denen eine Reihe von Charakteren auf engem Raum vereinigt sind und
beim grellen Lichte einer Kerze oder Fackel in verschieden gefärbten Gesichtsausdrucke
wirksam gegen einander stoßen. Stomer ist freilich gewaltsamer als der meist
beschauliche Lehrer; die bei diesem fast nie mangelnde humoristische Note (cfr. den
H. Voss. Charakterköpfe des Seicento II 997
Abb. 11. MATTHAUS STOMER, Ceres und der höhnende Raabe
München, Alte Pinakothek
Dresdner Zahnarzt) ist hier durchaus abwesend. Das eigentliche Genre scheint Stomer
überhaupt nicht zu liegen.
Dem Turiner Gemälde steht eine mythologische Darstellung der Münchener
Pinakothek in manchem Betracht sehr nahe. Der Gegenstand ist, wie Ceres auf der
Suche nach ihrer Tochter Proserpina bei einer Alten einkehrt und, hastig sich mit dem
gebotenem Trank erquickend, dabei von einem Knaben verhöhnt wird. Vergleicht man
das Münchener Bild mit dem Simson in Turin, so wird ein bestimmtes Kompositions-
schema des Meisters klar erkennbar, das sich dem Reliefstile stark nähert, insofern es
sih nicht der gesamten Tiefe des Raumes bedient, sondern die Figuren in eine
Ebene stellt, parallel zum Bildrande und mit einer gewissen Bevorzugung der Profil-
ansicht. So sind sich auf dem Münchner Gemälde der spottende Knabe und die müd
niedersitzende Ceres fast in Profilhaltung einander gegenüber gestellt; die von hinten
sich vorbeugende Alte sorgt mit der Faceansicht ihres Gesichtes für eine engere
Verbindung zwischen den beiden Hauptgestalten. Ahnlich ist die Komposition des
Simsonbildes, die bei sehr großen Verhältnissen sogar an Schematismus streift, zumal
auch die Akzessorien (der Vorhang, das Bett, der Hund) die Richtung parallel zum
Bildrand aufnehmen und betonen. Selbst in den Neapler Halbfigurenbildern sowie
besonders in den Darmstädter Gemälden verraten sich die gleihen Tendenzen.
998 | Monatshefte für Kunstwissenschaft
Einen vollstandigen Katalog der Werke zu geben, die Stomer zuzuweisen sind,
liegt nicht in unserer Absicht, umsomehr da man sich bei der Begriindung der Attri-
butionen sehr häufig selber zu wiederholen haben würde. Hingegen wird eine kurze
Aufstellung der Gemälde die sich in Sizilien befinden und in denen man den Stil
des Künstlers ohne weiteres erkennen kann, wohl willkommen sein.
Palermo. Museum. S. Gaetano, dem die Madonna erscheint.
Madonna del Rosario. Geißelung Christi.
Catania. In dem sehr vernachlässigten Museo dei Benedettini befindet sich
ein schlecht erhaltener „Tod des Seneka“, der offenbar Stomer zuzuweisen ist.
Seneka (fast ganz nackt) sitzend, mit ausgestreckter Linken gestikulierend; ein Jüngling
seine Worte niederschreibend. Beleuchtung durch eine Fackel, wie bei dem Turiner
Gemälde, an das gerade dies Bild stark erinnert.
Ebenda als „Gherardo dalle Notti“eine Verspottung Christi. Christus, in rotem
Mantel, blickt mit gefesselten Händen dumpf vor sich hin. Links ein paar sehr harm-
lose Niederländer (obschon es sizilische Modelle sind) herzudrängend, darunter der
gewohnte Knabe mit dem Lichte in der Hand.
Messina. Im Museum wieder eine antike Heldengeschichte, Mucius Scaevola
die Hand ins Feuer legend.!) Offenbar war für den Maler weniger der Heldenmut
des Römers als die Leuchtkraft der Flamme der Ausgangspunkt. Interessant das
Physiognomische bei dem links sitzenden Porsenna, der bewundernd dem Scaevola
zuschaut. Rechts wieder die beobachtenden Zuschauer, diesmal als Krieger verkleidet.
Als Nebenvorgang die Episode, wie ein Verwundeter eben fortgetragen wird.
Überblickt man die ganze Reihe von Bildern, deren Taufe auf einen Namen,
und zwar den des Stomer, wie ich glaube, gleich einleuchten wird, so ersieht man
schon aus dem Überwiegen des Dramatischen, Erzählenden wie der Bevorzung biblischer
oder antiker Gegenstände, daß der Gesichtskreis dieses Honthorstschülers denn doch
ein wesentlich anderer ist als der seines Lehrers, dessen Kunst ihm allerdings in vieler
Hinsicht als Ausgangspunkt der eigenen Produktion gedient hat. Unter der Einwirkung
südliher Malerei und — wohl mehr noch — südlicher Menschen streift er mit
Bewußtsein das Genrehafte und Anekdotische seines Vorgängers ab; wie er auBerlich
genommen die Historien- und religiöse Malerei bevorzugt, so wird der Mensch selber
in seiner plastischen Erscheinung für ihn von größerer Wichtigkeit, der Ausdruck geht
über zu stärkerer Intensität und sogar zu einem gewissen düsteren Ernst, zu dem die
Beschränkung des Akzessorischen und des farbigen Charakters trefflich stimmt. Audi
wo sich Stomer im Idyllischen oder Genrehaften versucht, wie in den (wahrscheinlich
frühen) Darstellungen der Jugend Christi zu Neapel, weicht er doch von Honthorsts
weicherer Art schon fühlbar ab. Später bevorzugt er dann sichtlich die dramatischen
Szenen und wählt dementsprechend das ganzfigurige Bild, gelegentich — wie in der
Turiner Gefangennahme Simsons — bei Wahl größter Dimensionen.
1) Bei V. Saccà, a. a. O. pag. 52 erwähnt und mit Recht dem Ger. van Honthorst
abgesprochen. Ohne eine neue Attribuierung.
H. Voss. Charakterköpfe des Seicento II 999
Mit seiner wachsenden Assimilation an die italienische Umgebung ist Stomer
ein noch deutlicheres Beispiel des Zuges zur nationalen Selbstentäußerung, von dem
die Geschichte der nordischen Künstler in Italien so viel zu erzählen weiß, als Honthorst,
bei dem schon das Bevorzugen des rein Genrehaften den Holländer verriet. Gleich-
wohl ist aud Stomer im Grunde Niederländer geblieben, so sehr ihn der längere
Aufenthalt im Süden an die neue Umgebung gefesselt hat.
Es ist interessant zu wissen, daß das Verhältnis des Künstlers zu seiner zweiten
Heimat doch kein ausschließlich rezeptives gewesen ist: sein rückwirkender Einfluß auf
die sizilische Kunst ist so weit gegangen ihm einen — so scheint es wenigstens —
einheimischen Künstler von Talent als Schüler zuzuführen, dessen wenige anonyme
Arbeiten ich in kurzem in diesen Blättern zusammenstellen werde.
La collezione Doria Pamphily
di Art. Jahn Rusconi (Rom)
Le collezioni private d'Italia comprendono una tale ricchezza di opere d'arte,
che, se fossero unite insieme, formerebbero una raccolta degna delle più famose gallerie
d'Europa. Le raccolte romane, in questa bella serie, sono certamente tra le più
notevoli e le più ricche.
Non occorre ricordare le celebri gallerie dei Doria, dei Colonna, dei Barberini
e dei Rospigliosi: esse sono largamente aperte al pubblico, e ognuno può visitarle.
Ma, accanto a queste collezioni aperte a tutti, ve ne sono altre appartenenti alle
stesse famiglie, e che non sono meno ricche e meno interessanti, e che tuttavia ben
poche persone hanno veduto. Vale la pena di parlarne e di renderle note. Le
opere che le compongono non sono mai uscite degli appartamenti privati di queste
famiglie storiche, e sono ignote alla maggior parte del pubblico. Parliamone, oggi
che si trovano ancora riunite nella loro cornice naturale, già che, contrariamente alle
collezioni esposte, esse possono da un giorno all’ altro andar disperse.
| Si sa infatti che i proprietari delle gallerie Doria, Barberini, Rospigliosi e
Colonna non sono liberi di disporre a loro beneplacito ne dell’ insieme ne di parte
di queste storiche raccolte. Fino al 1902 queste gallerie erano sotto l'autorità del-
l'editto Pacca, e, praticamente, lo sono ancora. Il papa Pio VII, sempre amoroso della
bellezza e della fama artistica di Roma, completando una legge redatta nel 1802
del cardinal Doria Pamphily, pubblicò nel 1820 il famoso editto Pacca, contro
l'esportazione delle opere d'arte, e fece fare l'inventario di tutte quelle che erano
conservate nel suo stato. L'editto stabiliva che ogni opera d'arte appartenente ad
una congregazione od a privati non potesse essere venduta nè potesse uscire dagli
stati pontifici senza un’ autorizzazione del governo. Era una legge molto poco liberale
certamente, ma molto patriottica ed assai utile. Del resto non era questa la prima
legge del genere in Italia. Fin dal 1775 Carlo III, re di Napoli e delle Due Sicilie
aveva pubblicato una legge quasi identica, e poco dopo, la repubblica cisalpina, quella
di Venezia, i governi di Milano e di Parma seguirono il suo esempio. A Roma, del
resto, la conservazione delle collezioni storiche si collegava da parecchi secoli al diritto
di primogenitura: le raccolte restavano indivisibili e appartenevano al primogenito della
famiglia. Cosi ben prima dell’ editto Pacca, a salvaguardia di questo diritto, ogni
famiglia romana dovette presentare al camerlengo della chiesa, insieme con l'inventario
delle altre proprietà, anche quello delle sue collezioni di opere d'arte. È per tal
motivo che noi possediamo ancora l'inventario della galleria Barberini presentato nel-
1678 dal cardinal Francesco Barberini e nel 1703 dal cardinal Carlo Barberini: quello
della galleria Doria Pamphily presentato nel 1819 da don Luigi Doria Pamphily
Aldobrandini, il quale confermava il giuramento fatto nel 1709 da don Camillo
Pamphily Aldobrandini, di conservare il privilegio della primogenitura istituito da
Innocenzo X, e gli inventari della galleria Colonna e di tutte le altre collezioni.
J. Rusconi. La collezione Doria Pamphily 1001
LORENZO LOTTO SEBASTIANO DEL PIOMBO
D
Ritratto O Ritratto di Andrea Doria
Costituito il regno d'Italia, il governo resto trent’ anni senza regolare la questione della
proprietä artistica, e si limitö a riconoscere come valide le varie leggi regionali che
erano fino allora in vigore. Finalmente nel 1902, per mettere un termine a questo
stato di cose che dava origine ad una grande confusione, si decise a proporre una
legge che fu approvata dal Parlamento. Questa aboliva tutti le precedenti e lasciava
ai proprietari delle opere d’arte ogni liberta di venderle, riservando allo stato un
diritto di prelezione. Nel caso che lo stato non volesse o non potesse acquistare
questa o quell’opera, il proprietario potrebbe disporne liberamente; soltanto egli
dovrebbe pagare una tassa proporzionata al prezzo della vendita. Questa legge,
tuttavia, lungamente aitesa, appena pubblicata fu oggetto di cosi aspre critiche e
sollevò tali e tante proteste che il governo dovette ritardarne l'esecuzione.
Cosi le antiche leggi regionali, e per Roma l'editto Pacca, sono virtualmente
rimasti in vita. Gli enti morali, le chiese, le congregazioni non possono vendere nè
cedere le opere d'arte che posseggono, e i privati ritornano sotto le leggi anteriori.
Ma se le opere d'arte catalogate negli antichi inventari rimangono inalienabili, quelle
conservate negli appartamenti privati che non fanno parte delle gallerie storiche,
vi sfuggono. Conformandosi alle prescrizioni di Pio VII, i Doria, i Colonna e le altre
famiglie presentarono i loro antichi inventari, senza credersi obbligati d’inscrivere tra
1002 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
BRONZINO o VELASQUEZ
Ritratto di Giannetto Doria O Ritratto
le opere fidecommissarie quelle che erano entrate in seguito nei loro palazzi, o che
non avevano mai fatto parte del patrimonio compreso nel diritto di primogenitura.
Così queste opere rimangono fuori del controllo dello stato, e se i loro proprietari
volessero un giorno disperderle, lo stato non potrebbe in alcun modo protestare e
reclamare. Di queste raccolte private, strettamente private, parleremo in queste colonne:
esse contengono dei capolavori che è interessante far conoscere.
* *
Lë
La collezione di quadri conservata negli appartamenti del principe Doria
Pamphily è senza dubbio la più ricca e la più importante di Roma, come la sua
galleria, dopo il passaggio allo stato della galleria Borghese, è certamente la regina
delle gallerie private.
Il cardinal Giovanni Battista Pamphily, eletto papa il 29 settembre 1644 col
nome di Innocenzo X, fu il fondatore della grandezza della sua casa. Ma è a sua
cognata, la famosa donna Olimpia, nata Maldachini di Viterbo, che la sua famiglia
deve tutto ciò che egli fece per essa. La collezione di quadri è dovuta in gran parte
al desiderio di grandezza e di splendore della cognata del Papa. Questa raccolta —
come le altre raccolte dell’ epoca — non è stata riunita per amore dell’ arte e della
bellezza, ma per obbedire alla moda del tempo, ed essa proviene in gran parte dal
l'ammiraglio Andrea Doria, il quale possedeva a Genova una ricchissima raccolta di
quadri. La maggior parte dei quadri conservati negli appartamenti privati sono stati
J. Rusconi. La collezione Doria Pamphily 1003
raccolti in quel tempo: essi sono
forse i capolavori di tutta la col-
lezione, compresa anche tutta
quella esposta al pubblico. Ad
eccezione dei quadri famosi del
Velasquez di Raffaello e di Tiziano,
la galleria. Doria non ha molte
opere che possano venir parago-
nate ai quadri della raccolta
privata.
L'Ammiraglio Andrea Doria
ha fornito a Sebastiano del Piombo
il soggetto per uno dei suoi più
belli e più profondi ritratti. Si può
anzi dire che in nessun altro FILIPPO LIPPI o L'Annunciazione
l'artista ha rivelato cosi completa-
mente la sua grandezza. Il seguace del Giorgione resta fedele alle antiche tradizioni
dei suoi maestri, allora quando l’arte veneziana non era ancora corrotta dalle iron If
mal comprese di Michelangelo. Vi è tuttavia, in questo ritratto qualche cosa che
non è più veneziano, ma è l'effetto di una modificazione lenta, si direbbe quasi
naturale e necessaria: questo quadro rappresenta magnificamente un momento di quella
evoluzione, la quale, attraverso tante belle opere, guidava il maestro della Fornarina
degli Uffizi, alla Flagellazione di S. Pietro in Montorio. Il quadro é dipinto assai
semplicemente, con toni grigi, senza il colorito sfavillante dei veneziani, ma assai
prossimo alla loro arte di ritrattisti. Sebastiano de Piombo ha rappresentato un’ ima-
gine viva e vera: egli ha espresso, con una originalità forse unica, la grandezza di
uno spirito potente e d’ un forte carattere.
Un altro bellissimo ritratto ci parla ancora della scuola veneziana. È un ritratto
“ maschile di Loren-
zo Lotto. Il Lotto,
che nei suoi primi
anni è tanto affine
al suo maestro Gio-
vanni Bellini, qual-
che anno più tardi
ha preso dal Gior-
gione il suo colore
vibrante e qualche
cosa del suo senti-
mento. Il quadro
della collezione Do-
FRANCESCO PESELLINO O ria si deve attri-
Scena della vita di Papa Silvestro buire alla sua migli-
1004 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
FRANCESCO PESELLINO O
Scene della vita di Papa Silvestro
ore età. Come in quasi tutti i ritratti del Lotto, una tristezza desolata arde in questo
della collez. Doria, che ha un' affinità assai grande con quello della galleria nazionale
Borghese. In questo, come in quello, la figura del personaggio ritratto è poco simpatica :
il suo aspetto è piuttosto volgare e i suoi tratti sono senza bellezza, ma il maestro
ha saputo dargli un fascino penetrante. La mano sinistra è appoggiata sul cuore
come per comprimervi la pena interna, e tutta la figura esprime una sofferenza tenera
ed appassionata. Egli è ancora giovane, ma intorno alla pietra sulla quale sono incisi
i suoi 37 anni, l'edera si arrampica e forma una stretta corona che già si rinserra, e
li accanto, in un bassorilievo, un amorino tiene in equilibrio una bilancia, posando
i piedi sui piatti, e impedendo loro di pendere da una parte o dall’ altra. L'amore e
il dolore sono fissati per sempre nel cuore, cui indica il dito teso della mano destra:
nella piega delle labbra, nello sguardo stanco si legge una rassegnazione senza speranza.
Questo ritratto era indicato, nell’ inventario della collezione, come il ritratto di
un giudice: non si sa per quale motivo, e non osiamo supporre, tanto l'ipotesi è
ridicola, che sia stato a motivo della bilancia. Sembra invece più probabile che si
possa riconoscervi un ritratto del maestro stesso: certo in nessun altro quadro
Lorenzo Lotto ha espresso con una tale vivezza la sua anima, tutta la sua anima.
Quella malinconia amorosa, fatta di ricordi e del rimpianto di tutte le cose perdute,
di tutte le cose che non si sono avute, piange e si lamenta in questo ritratto, con
una voce che turba e commuove.
La scuola veneta, della sua età più matura, prossima alla decadenza, ci presenta
un altro mirabile ritratto, che attesta la forza di questa scuola, pur nella piena deca-
denza dell’ arte in Italia. È il Tintoretto che ci riassume questa volta tutta l'energia
e la giovinezza della scuola derivata da Tiziano; ed è al Tiziano che bisogna avvici-
nare questo semplice e potente ritratto, della grandezza e della ricchezza propria
agli ultimi tempi del maestro. Si può dire che tutta la scuola veneta è in que-
stopera magnifica, poichè tutti gli artisti anteriori sembrano aver concorso alla rap-
J. Rusconi. La collezione Doria Pamphily 1005
B. PARENZANO O
S. Luigi che fa l’elemosina
presentazione di questo tipo, che ha degli uni la finezza paziente, degli altri la rude
ed energica espressione, e dei migliori il colorito elegantemente veneziano.
Il Bronzino, questo strano imitatore di Michelangelo, i ritratti del quale sono
di una eleganza cosi ferma e di una così nobile potenza, è rappresentato da un
ritratto di Giannetto Doria. H famoso ‘ritratto di Stefano Colonna, già nella galleria
Sciarra, ed ora nella galleria Nazionale Corsini, era già caratteristico della grandezza
del suo stile. Ma in questo della raccolta Doria alla forza dell’ espressione egli aggiunge
quella distinzione squisita che fa di lui uno dei ritrattisti più moderni e più
seducenti del XVI secolo. La mano destra di questo giovane è incomparabile: essa
si appoggia all’ anca con una grazia leggera: le dita un pò piegate hanno la deli-
catezza raffinata d'una mano di donna: e tuttavia questa è la mano di un guerriero.
Gli è che il Bronzino amava la grazia unita alla forza, e nessuno ha saputo esprimerla
meglio di lui. La bocca serrata, un pò sdegnosa, gli occhi incerti e vaghi ci definiscono
un carattere di una grazia indecisa e leggera.
Questo ritratto può essere considerato come uno dei migliori di tutta la scuola
fiorentina. Esso ricorda imperiosamente il preteso ritratto del Valentino, un tempo
in una galleria privata di Roma ed ora nella collezione Rotschild, che è stato a lungo
attribuito a Raffaello. Il ritratto della raccolta Doria mi sembra prezioso per la
giusta attribuzione del famoso Valentino. Le qualità caratteristiche del Bronzino si
esprimono ugualmente bene nelle due tele: si potrebbe anzi dire che l'una è una
imitazione dell’ altra. Gli è che tutte e due si richiamano a motivi cari all’ artista,
quali li vediamo nelle sue pitture di Londra e di Firenze.
1006 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
B. PARENZANO O
Tentazione di S. Antonio
Il ritratto della collezione Doria è meno celebre di quello dell’ antica galleria
Sciarra, poichè non ha mai avuto la fortuna di un battesimo cosi nobile ma nel
l'opera del maestro, non è meno significativo.
Al Velasquez, il pittore incomparabile del grande ritratto di Innocenzo X, ap-
partiene senza dubbio un altro quadro della raccolta privata, attribuito lungamente a
van Dyck. È un piccolo ritratto di giovane, che sembra uno studio per un’ opera
maggiore. È forse uno studio per il ritratto d'uno dei figli di Filippo IV.? Non si
sa. In ogni modo l'opera è tutta nello spirito del maestro. Il colorito brillante si
accorda mirabilmente all’ espressione giovane e ardita del fanciullo, i tratti del quale
recano la marca d'una razza forte e audace. I suoi occhi sopratutto e la sua bocca
esprimono una fierezza energica: essi sembrano annunciare in questo volto ancora
infantile, una personalità che lascierà traccia di sè nella storia del XVII secolo, un
eroe futuro o un conquistatore.
La scuola fiorentina è rappresentata in questa collezione da un bel quadro di
Filippo Lippi.
Le opere di questo delicato discepolo di Masaccio sono abbastanza rare a
Roma: non se ne possono citare che due: un capolavoro di lui quasi ignorato, al
museo del Laterano, e un’ interessante pittura nella collezione della signorina Hertz.
L'Annunciazione della collezione Doria è una piccola composizione nella quale il
maestro ha messo tutta la sua arte. La Vergine, sorpresa, ascolta con emozione la
parola dell’ angelo, il quale è giunto a lei non col consueto bastone, ma con un ramo
di giglio fiorito. Il pittore ha saputo ringiovanire la tradizione, e trasformare un
J. Rusconi. La collezione Doria Pamphily 1007
soggetto antico in un motivo di grazia e
di bellezza. Si direbbe che un raggio di
sole illumini il cielo.
Due opere di grande importanza
per la storia dell’ arte italiana, si ricol-
legano a Fra Filippo, due opere del
Pesellino il suo misterioso allievo. Le
pitture del Pesellino sono rare e poco
conosciute: in tutto, in Italia e all’ estero,
mon se ne conoscono più di una dozzina.
Ma è un maestro dei più interessanti
poichè vediamo in lui l'arte di Filippo
Lippi trasformata da Masaccio. Gli affreschi
del Carmine a Firenze, che, secondo il
Cellini, sono stati scuola di tutti i grandi
artisti devono aver agito potentemente sullo
spirito del giovane allievo del Lippi. Ritro-
viamo in lui qualche cosa della grandezza
di Masaccio nell’ ampiezza delle figure
e nell’ ordinamento della composizione.
Il Lippi, quantunque allievo di Masaccio,
si riattacca a Beato Angelico, il Pesellino,
quantunque allievo del Lippi, si accosta di più a Masaccio.
HANS MEMLING
Il senso della vita nella
composizione, la grazia nell’ esecuzione del dettaglio, la verità del carattere, animano
queste semplici scene della vita di San Silvestro, e ne fanno dei quadri pieni d'anima
e di grandezza.
Come nel Pesellino vediamo l’arte di Masaccio ravvivarsi e modernizzarsi, cosi
in due piccoli quadri di Bernardo Parenzano vediamo Tarte del Mantegna interpretata
e trasformata con un sentimento da maestro.
SCUOLA UMBRA O
Il gusto dell’ antichità, l'espressione
della forza e del carat-
tere risplendono anche
in queste piccole scene
insignificanti della vita
di S. Luigi e di S. An-
tonio Abbate. Sono due
saggi abbastanza esatti
della maniera del Pa-
renzano, grazie ai quali
possiamo meglio com-
prendere l'influsso con-
siderabile che il maestro
di Padova ha esercitato
sull’ arte del suo tempo.
1008 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Alla scuola del Nord si riattacca anche un Gesü fra i dottori, nel quale
ritroviamo tutte le caratteristiche del Mazzolino e di Dosso, una piccola composizione
che ha il colorito brillante cosi speciale e il gusto di alcuni dettagli dell’ uno,
dell’ altro la profondita delle figure e la ricerca dell’ espressione. E un quadro del
più grande interesse, poiché noi vi vediamo le visioni di due artisti confuse in
una sola.
E cosi piena di grazia e di spirito, questa scuola di Ferrara nella quale si
uniscono l'arte di Raffaello e quella dei Veneziani! Molte pitture di questa scuola
portano oggi in quasi tutte le gallerie, i nomi più illustri. Mazzolino e Dosso Dossi
ne sono certamente i maestri più importanti, e le loro opere, disperse in tutta l'Europa,
mostrano bene la grazia forte e suggestiva della scuola. È questa la sola volta che
noi troviamo riunite in uno stesso quadro le qualità dei due più eminenti pittori della
scuola ferrarese.
La scuola Olandese, che conta già nella galleria pubblica dei quadri cosi
mirabili, è rappresentata, nella collezione privata, da una Lamentazione attribuita al
Memling, e assai verosimilmente degna del grandissimo maestro. È questa un’ opera
squisita, dalla quale emana un’ emozione d'una dolcezza imcomparabile e d'una in- _
vincibile tristezza; la sepoltura del Cristo non penetrò mai lo spettatore con una
angoscia così dolorosa. |
Questo piccolo quadro riassume, lui solo, tutti i meriti delle scuole del Nord
alle quali i più semplici mezzi bastano per elevarsi alla più grande intensità d'es-
pressione. Il colore vi ha insieme la profondità e lo splendore, i fondi sono resi con
una perfezione minuziosa che ricorda i maestri più famosi del XV. secolo.
Ma se queste sono le opere più significative della preziosa raccolta, altre non
meno degne di attenzione figurano e risplendono nelle belle sale dello storico e
sontuoso palazzo romano. Sono tra queste un bel ritratto d'uomo del Vien, quattro
Muse di scuola umbra, di una deliziosa poesia, una Deposizione del Vasari, un
Caino che uccide Abele di Salvator Rosa, un grande quadro del Ribera, Agar
che abbandona Ismaele, e alcuni paesaggi assai prossimi al Poussin e degni di
venir paragonati al famoso Mulino della Galleria.
F
Zur Florentiner Trecentomalerei
Von Wilhelm Suida
Der Titel von Sirens eben erschienenem , Giottino“-Buche!) scheint eine klare de-
finitive Beantwortung so mancher Fragen der Trecentomalerei zu versprechen. Nachdem
in den letzten Jahren für den Meister der Sylvesterkapelle in S. Croce der von Ghiberti
überlieferte Name Maso wieder zu Ehren gebracht worden war, kehrt Sirén ostentativ zu
Vasaris „Giottino“ zurück. Jedermann wird nun erwarten, daß Siren sehr triftige Gründe
hierfür hat. Das mag wohl sein, in seinem Buche hat er sie aber verschwiegen. Prüfen
wir, worauf er sich stützt. Vasari als Trecentoautorität gegen Ghiberti auszuspielen, ist
ein absonderlicher Gedanke; Vasari, der den historischen Giotto di Maestro Stefano, den
Sirén eben rekonstruieren möchte, nicht einmal kennt! — Sirén zitiert die älteren
Schriftsteller, welche Maso oder Giottino erwähnen, ausführlicher, als ich es in meinem
früheren Aufsatze über diesen Gegenstand (Repertorium XXVII 1905) getan hatte, er
übersieht aber eine von mir schon betonte Tatsache, daB Billi, der zuerst einen „Giottino“
nennt, diesem die Sylvesterkapelle nicht zuschreibt, wohl aber der Verfasser des cod.
Magliabecchiano XVII, 17 eine in Ognissanti noch erhaltene Verkündigung als Werk
des „Giottino pittore di Stefano discepolo di Giotto“ (der volle Name erscheint hier
zum ersten Male) angibt. Diese Tatsache wird von Siren mit keiner Silbe berührt; ob
absichtlid als nicht in den Kram passend oder aus Versehen, weiß ich nicht. Wenn
Sirén gegen Ghibertis Glaubwürdigkeit polemisieren will, sollte er doch Tatsachen
bringen, nicht einen Fall wählen (Seite 7), in dem es gar nicht zu entscheiden ist, ob
nicht Ghiberti doch Recht hat.
Auf Seite 52 wird Sirén dann endlich sehr offenherzig: er sagt, „hauptsächlich
aus Stilistischen Gründen“ verlege er die von ihm zusammengestellten Werke in die
Zeit 1350—1370 und „diese Zeitbestimmung des CEuvres“ seines Künstlers habe ihn
veranlaßt, „ihn eher Giottino als Maso zu nennen“. Hier haben wir den circulus
vitiosus. Ich gestehe, daß für mich nach wie vor gar kein Grund vorliegt, den
von Ghiberti überlieferten Namen Maso aufzugeben.
Masos Œuvre sucht Sirén zu bereichern. Das Fresko der Capella di S. Giorgio
in S. Chiara zu Assisi habe ich schon für Maso erklart,*) was Sirén entgangen zu sein
scheint. Zwei vorzügliche kleine Tafelbilder, das Dominikuswunder im Museo Cristiano
des Vatikan und ein jugendlicher Johannes Evangelista in gotishem DreipaB in der
Universitätssammlung von Würzburg sind von Thode dem Meister mit vollem Rechte
zugeschrieben worden, Siren hat sie beide gar nicht erwähnt. Mit ebensolchem Recht
hat aber Thode die Kreuzigung der Palestra, des alten Kapitelsaals in S. Francesco
zu Assisi dem Künstler nicht zugeschrieben, was Siren irrigerweise tut. Ein drittes
1) Oswald Siren, Giottino und seine Stellung in der gleichzeitigen floren-
tinischen Malerei. Kunstwissenschaftlihe Studien, Band'I. Klinkhardt & Biermann, Leipzig.
2) Repertorium 1905, XXVII, pag. 488. D
1010 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
autentiscies Werk Masos läßt Sirén unberücksichtigt, die Glasfenster der Capella Bardi
in S. Croce, auf welche schon von mir und Venturi hingewiesen worden war. Ein
sehr ruiniertes Fresko in dem Atelier des Bildhauers Romanelli neben S. Spirito in
Florenz möchte Siren seinem Künstler geben. Ich kenne das Werk lange, glaube aber,
daß Siren hier irrt. Allerdings rühren von demselben Autor die schönen Fresko-
fragmente im ersten Klosterhof von S. Maria Novella her, aber auch diese sind nicht
von Maso. Mir scheint der Autor identisch mit demjenigen, der die Vertreibung des
Herzogs von Athen in Via Ghibellina malte. Mehr möchte ich vorläufig darüber nicht
sagen, da ich meine Hypothese über den wahren Autor noch einmal überprüfen will.
Sehr zweifelhaft scheinen mir auch die meisten der von Sirén neu eingeführten Tafel-
bilder: am meisten hat jedenfalls die Kreuzigung bei Mr. Roger Fry für sich, ein Haus-
altarchen der Sammlung Sterbini in Rom darf man schon nach der Reproduktion ebenso
ruhig ablehnen, als Sirén nach derselben allein es zuschrieb, ein fünfteiliges Altarbild
der Sammlung Corsi wiirde ich eher dem Andrea Bonaiuti geben, von dem Madonnen-
altarchen in Highnam Court sagt Sirén selbst, daB man den Kiinstler auf den ersten
Blick darin nicht erkenne, die Freskenreste der Capella Davanzati in S. Trinita halte
id für Arbeiten des Antonio Veneziano, kann aber begreifen, daß Sirén hier an Maso
dachte, weil auch ich es anfangs getan hatte.
Als Maso nahestehend nennt Sirén den Altar in S. Spirito, von dessen Kiinstler
ih mehrere Arbeiten nachweisen konnte,!) und ein Altarbild im Chiostro verde, das
von einem recht schwachen Trecentisten stammt, den ich leicht in einem Fresko der
Madonna im Bargello wiedererkannte.
Eine Bereicherung von Masos Œuvre ist also Sirén meines Erachtens nicht
gelungen. Wohl aber finden sich feinsinnige Bemerkungen und Stilanalysen, die
deshalb umso freudiger konstatiert werden sollen, als sie dazu beitragen, das so lange
hemmende Vorurteil, es gebe keine wesentlicien Unterschiede, keine Entwiddung im
florentinischen Trecento, zu zerstören. Sehr berechtigt ist jedenfalls auch die Betonung
des großen Einflusses der Sienesen, besonders des Ambrogio Lorenzetti, auf die
Florentiner. Hat nicht hier schon Ghiberti ganz richtig ein Hauptmoment der heimischen
Kunstentwicklung hervorgehoben? Ich habe auch in früheren Arbeiten schon wiederholt
die gleiche Beobachtung betont. Wenn nun allerdings Sirén eine sienesisch beeinfluBte
malerische Richtung innerhalb der florentinishen Kunst den Malerplastikern, welche
Giottos Tradition in national florentinischem Sinne festhalten und weiterentwickeln sollen,
gegenüberstellt, so kann ich da nicht beistimmen. Jede gewaltsame Einteilung und
Gruppierung ist gefährlich, und ich gestehe gerne, daß ich in meinen „Florentiner
Malern“ vielleicht auch etwas weit in dieser Richtung gegangen bin. Je tiefer man in
das Wesen der einzelnen Persönlichkeiten eindringt, je klarer man ihre Individualität
herausschält, umso weniger wird man mehrere Indvidualiläten wieder unter dem
Schlagwort einer „Gruppe“ oder Richtung subsummieren wollen. Die Einteilungs-
prinzipien sind bei Sirén und mir verschiedene: ich suchte die Entwicklung des Raum-
sinnes zu konstatieren, er setzt das eigentlich malerische Prinzip dem plastischen gegen-
1) Rivista d’Arte 1906.
W. Suida. Zur Florentiner Trecentomalerei 1011
Aus dem Kreise ORCAGNAS, Geburt Mariae
O University Galleries, Oxford
uber. Als Maler findet er von vornherein die Sienesen den Florentinern überlegen,
dem sienesischen Einflusse schreibt er den Durchbruch malerischer Prinzipien in der
Arnostadt zu. Gewiß liegt hier ein richtiger Gedanke zugrunde, aber klare Definitionen
der verwendeten Begriffe vermisse ich. Weil der Gegensatz zwischen den beiden
Richtungen von Sirén etwas äußerlich gefaßt wird, muß er den Tatsachen und den
künstlerischen Erscheinungen Gewalt antun, um sie als Exempel für sein System ver-
wenden zu können. Als Repräsentanten der sienesisch beeinflußten Richtung nennt er
Giovanni da Milano, Andrea Bonaiuti, Agnolo Gaddi, Antonio Veneziano und Maso,
den er als den florentinischesten dieser Gruppe bezeichnet. „Weich abgerundete
Formenbehandlung und damit zusammenhängenden Mangel an plastischer Modellierung“
findet er bei all diesen Künstlern. Das heißt denn doch einem Prinzip zuliebe die
Tatsachen bei Maso und Giovanni da Milano auf den Kopf stellen! Diese beiden
sind als Maler gewiß hochbegabt, aber ihre Empfindung für die plastische Durchbildung
ist darum nicht geringer als bei den Künstlern, welche Siren als florentinisch nationale
„Malerplastiker“ ihnen gegenüberstellt: Taddeo Gaddi, die drei Söhne des Cione,
Andrea Orcagna, Nardo und Jacopo, und endli als auch von den Sienesen nicht
unbeeinflußt Spinello Aretino.
Unmôgli kann Siren behaupten wollen, seine „Malerplastiker“ seien nicht auch
von Siena beeinflußt. Gleich der erste, der „Erbe Giottos“ Taddeo Gaddi! Woher
hat er die Freiheit im Kompositionellen, im Landschaftlihen? Er entfernt sich von
Giotto außerordentlich weit. Aber er ist als „Maler“ im eigentlichen Sinne wenig
begabt, ebensowenig jedenfalls als strenger Plastiker oder Formbildner. Er paßt also,
streng genommen, in Siréns Schema überhaupt nicht herein. Für Orcagna ist dasselbe
jedenfalls erfunden worden, da das, was Sirén von der ganzen Gruppe der „Maler-
plastiker“ sagt, eigentlich nur auf ihn paßt. Dasselbe auf den Bruder Nardo aus-
zudehnen, halte ich für sehr verfehlt. Was ich über den Unterschied der beiden Brüder
in meinen „Florentiner Malern“ sagte, brauche ich wohl kaum zu wiederholen. Sirén
1012 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
kann ja dem auch nicht widersprechen, wenn er die Fresken der Marienlegende im
kleinen Klosterhof von S. Maria Novella mit mir für Arbeiten Nardos hält. Indem er
aber Werke eines Schülers Orcagnas, die ihm für diesen selbst zu gering erscheinen,
dem Nardo zuschiebt, trübt er dessen klare künstlerische Erscheinung. Hätte er sich in
diese vertieft, so wäre es ihm unmöglich gewesen, Nardo als „Malerplastiker“ den
Sienesen gegenüberzustellen, da gerade sein sehr entwickelter Figurenstil von Siena
unbedingt stark beeinflußt ist. Für irrig halte ih es audı, wenn Siren von neuen
Teile der Fresken der Strozzikapelle dem Andrea zuschreibt. Höchst bequem ist jedenfalls
der langlebige Jacopo di Cione als Vollender begonnener Arbeiten seiner Brüder. Wenn
aber Siren ihm außer vielen Bildern, die schon früher als dem Orcagnakreise zugehörig
erkannt worden waren, noch mehreres zuschreibt, das nur durch den schönen Teppidi
mit dem Vogelmuster mit den andern Bildern verbunden wird, so führt ihn da eine
AuBerlichkeit wohl zu gewagten Schlüssen, wenn auch die von mir zuerst geäußerte
Vermutung, dieser Teppich könne ein Inventarstück der Werkstatt gewesen sein, nicht
grundlos sein mag. Ein schönes Predellenstück aus Orcagnas Kreise nehme ich Ge-
legenheit, den Freunden des Trecento hier mitzuteilen (Abb.).
Und nun noch einen Blick auf Siréns sogenannte sienesisch malerische Richtung!
Giovanni da Milano soll aus der norditalienischen Kunst hervorgegangen sein. Ich
wäre Sirén sehr verbunden, wenn er mir dort die Wurzeln von Giovannis Stil zeigen
wollte. Seine Raumkunst wird mit keiner Silbe erwähnt. Soll das, was man auf
Seite 54 und 55 liest, eine Charakteristik eines Künstlers wie Giovanni sein? Ic
erwähne das deshalb besonders, weil sich Siren hier offenbar in bewußten Gegensatz
zu meinen Ausführungen setzt. Ob man Andrea Bonaiuti interessanter findet als
Giovanni da Milano, das ist natürlich Geschmacksache. Auf das Altarbild in der
Sakristei der S. Maria del Carmine als Arbeit Andreas hat mich schon vor Jahren
Thode hingewiesen. Ich zweifle aber, daß Siren von Andrea eine sehr deutliche Vor-
stellung hat, wenn er ihn ohne weiteres für den Autor der Deckenbilder der Spani-
schen Kapelle hält. Diese sind doch von den Wandbildern sehr verschieden. Von dem
gleichen Künstler stammen jedenfalls die Freskenreste der Kapelle Davanzati in
S. Trinita, die Sirén seinem Giottino zuschreibt. Mir scheint Cavalcaselle mit dem
Hinweis auf Antonio Veneziano noch immer der Wahrheit am nächsten gekommen zu sein.
Meine Opposition wendet sich schon gegen Sirens Einteilungsprinzip, da ich
glaube, daß mit Hilfe desselben allerdings gewisse graduelle Unterschiede konstatiert
werden können, eine Scheidung der Künstler in zwei Gruppen aber unmöglich ist.
Mit Vergnügen sei aber als Verdienst der Arbeit Siréns die Einführung mancher bisher
in der Literatur nicht erwähnter interessanter Trecentowerke, sowie eine Anzahl fein-
sinniger Stilanalysen hervorgehoben. So wird Siréns Buch nicht verfehlen, anregend
und fördernd zu wirken, mußte auch in obigem gegen viele seiner Hypothesen und
Attributionen Einspradie erhoben werden. Dr. G. Poggi hat einige wichtige, auf des
Jacopo di Cione Tätigkeit bezugnehmende Dokumente beigesteuert, welche im Anhange
mitgeteilt werden. Der Verlagsbuchhandlung wird für Ausstattung und gute Ab-
bildungen gewiß die Anerkennung nicht vorenthalten werden können.
Studien und Forschungen
ZU DEN ALTARWERKEN PALMA
VECCHIOS IN SERINALTA.
Ridolfi!) erzählt, daB Palma zwei Altar-
werke für die Pfarrkirche seines Heimatsortes
Serinalta geschaffen habe. Eine Darstellung des
„Tempelganges Marie“ für den Hochaltar und
eine „Auferstehung Christi“. Neuere Schriftsteller
sprechen nur. von einem Altarwerke Palmas
in Serinalta, so Crove und Cavalcaselle, Morelli
und andere. —
Ein Besudh Serinaltas hat ergeben, daß Palma
tatsächlidı zwei vielgliederige Altarwerke für
die Kirche seiner Heimat lieferte. Beide sind
erhalten, wenn audi nicht in ihrer ursprüng-
lichen Zusammensetzung. — In der Sakristei
hängen, leider sehr hoch angebracht, acht ein-
zelne Tafeln. Der „Tempelgang Mariae“, Jo-
hannes der Evangelist und Franziskus, sämtlich
oben rund, von gleicher Höhe, der „Tempel-
gang“ etwas breiter, als die beiden Heiligen-
figuren. Ferner Philippus und Jakobus, eben-
falls ganze Figuren, auf gleichfalls oben rund
abschließenden, aber weniger hohen, als den
vorgenannten, Tafeln. SchlieBlim drei Halb-
figuren: Josef, und etwas kleiner Apollonia und
Dominikus. — In der Kirche, auf dem dritten
Altar links, eine neunte Tafel: Der auferstan-
dene Christus.
Dies Stück ist scheuBlich zugerichtet. Man
hat die oben runde Tafel ringsum angestückt,
um ein großes Altarbild zu gewinnen. Ehemals
waren unten nur zwei Köpfe von Wächtern
sichtbar. Hier wurde ein plumper Sarkophag hin-
zugefügt. Seitli und oben sind breite Streifen
von Himmelblau angesetzt. Um die Verbin-
dung mit Palmas Bild herzustellen, wurde der
ursprüngliche Himmel vollständig übermalt. Der
Körper Christi und die Köpfe der Wächter zeigen
zahlreiche Spuren ungeschickter Restauration.
Das Ganze ist in einen Rahmen ordinärsten
Rokokos gesteckt.
Es scheint mir nun nad Ridolfis Angaben
und den Dimensionen der Tafeln zweifellos, daß
wir in diesen neun Stücken die Teile zweier
Polyptychen Palmas besitzen. Auf dem Hodh-
altare stand der ,Tempelgang“ flankiert von
den gleich hohen, aber etwas schmäleren Figuren
des Johannes und Franziskus. Über diese sind
*) C. Ridolfi, Le Maraviglie dell’ Arte, Ed. II, Bd. I.
p. 180f.
die Halbfiguren der Apollonia und des Dominikus
zu plazieren, über den ,Tempelgang“ die des
Josef. Auf diese Weise kommt eine Anordnung
etwa wie bei dem Barbara-Altar in St. Maria
Formosa’) und einem anderen Werke Palmas
in Peghera zustande.
Undenkbar, daß der , Auferstandene Christus“
eingerahmt durch Philippus und Jakobus in der
zweiten Reihe gestanden habe, die drei Halb-
figuren darüber in einer dritten. Ein solcher
Aufbau würde in seiner turmartigen Höhe das
groBe Altarwerk der Muranesen in S. Zac-
caria noch weit übertroffen haben. Ferner
möchte sici der H. Josef als Cimasa über dem
Auferstandenen doch etwas sonderbar ausneh-
men. Eher denkbar ist er über dem „Tempel-
gang“; wenn auch dieser Ehrenplatz in der
Regel von einer Pietà oder der Halbfigur des
segnenden Gott-Vaters eingenommen wird. —
Der Auferstandene und die beiden genannten
Helligenfiguren gehören also offenbar nicht zu
dem Hochaltarwerk. Mit ihnen ist das von
Ridolfi erw&hnte Auferstehungsbild zu rekon-
struieren.
Soweit der hohe Aufstellungsort und die
Erhaltung der Bilder eine Prüfung zuläßt, glaube
ich versichern zu können, daß das kleinere
Altarwerk früher entstanden ist, als das große
für den Hochaltar. Der Auferstandene gibt aller-
dings für diese Annahme heute keinen Anhalt
mehr, wohl aber die Heiligenfiguren, Philippus
und Jakobus, die besser erhalten und, wodurch
der Vergleich erleichtert, neben den Stücken des
Tempelgang-Polyptychons hängen. Es sprechen
also auch stilistische Unterschiede dafür, daB in
Serinalta die Teile zweier Altarwerke Palmas
enthalten sind. Hadeln:
2
DIE QAL'A DER BENI HAMMAD
IN ALGERIEN.:)
Die Hauptstadt des von Ibn Hammad be-
gründeten Berberreiches, das im Jahre 408 d. FI.
1) Der Rahmen des Barbara-Altars allerdings aus
späterer Zeit. Die Anordnung kann aber keine wesent-
lich andere gewesen sein.
H Literatur: Blanchet, La Kalaa des Beni Hammad
(Recueil des notices et mémoires de la Société archéo-
ogane de EE 1898). id., id. (Comptes-rendus de
des Inscr. et B.-Lettres vom 3. Sept. 1 —
Robert, La Kalaa et Tihamamine Je o. Recueil etc. 1903).
Saladin, Note sur la K. des B. H. (Bulletin archéolog
1904). id., Deuxième note etc. (ibd. 1905). G. Marcais
1014
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Coum‘aa der großen Moschee
(1017 n. Chr.) allgemeine Anerkennung erlangte,
lag, durch die Vorberge des Kabylischen Hodh-
landes im Rücken gedeckt, über der großen
Hodnaebene und beherrschte somit die ganze
mittelalgerische Steppe. Um die Mitte des XI.
Jahrhunderts stand die Qal‘a in hoher Blüte und
konnte vermöge ihrer politischen und kommer-
ziellen Bedeutung als der wichtigste Ort in
Nordafrika angesehen werden. Der „Rex Ca-
lamensis“ war auch im christlichen Abendlande
gefürchtet; seine Herrschaft reichte eine zeitlang
von Fös bis Tunis und tief in die Wüste hinein.
Aber die Glanzperiode der Hammaditenstadt
war nur kurz: als nach dem Sturze der Fati-
miden in Tunis die hilalische Invasion zum
zweiten Male das ganze Maghreb mit arabischen
Elementen übersdiwemmte, wurde sie so un-
sicher, daß schon im Jahre 1090 der König el-
Mancour den Regierungssitz nach der von seinem
Vorgänger en-Nacer an der Stelle des alten
Saldae gegründeten Hafenstadt en-Naceria (Bou-
gie) verlegte. Die alte Residenz, die durch das
Gebirge vom Küstenlande abgeschnitten blieb,
sank dann sehr schnell herab und wurde 1152
von den Muwahiden („Almohaden“) vollständig
zerstört. Der größte Teil der Bevölkerung soll
in den StraBenkämpfen umgekommen sein; die
Zahl der Leiden wird auf 18000 angegeben.
Seitdem liegt die Qal‘a völlig veròdet, einige
L’art en Algerie 1906 (passim), de Beylié, Rapport etc.
(Journal Officiel vom 23. Mai 1908). Der General de Beylié
Oaa 8t eine umfassende Publikation der Ruinen der
al'a.
Hirten vom Stamme der Quléd Derrädj haben
si im Umkreise der Ruinen, die heute zur
Gemeinde der M'aâdid gehören, angesiedelt.
Man erreicht sie zu Pferde von der Bahnstation
Bordj bou Arréridj entweder über Bordj Gh'dir
und durch das unwirtlime Felsgelände, oder
durch die Steppe über Oulöd Aghla (an der
Karawanenstraße nach M'sila-Bou S‘aâda).
So kurz die Geschidite dieser alten Berber-
burg war, so scheint sie doch im XI. Jahrhundert
kulturell sehr hervorgetreten zu sein. El-Bekri,
der Verfasser einer Beschreibung Nordafrikas,
lernte sie als ein intellektuelles Zentrum kennen,
das von allen Seiten Gelehrte und Künstler an-
zog, und auch Edrisi, der bekannte Geograph,
gedenkt ihrer mit Ausdrücken der Bewunderung.
Ihre Schulen und Moscheen waren weitberühmt;
stattlihe Karawansereien und gewaltige Ge-
treidemagazine zeugten von einem lebhaften
Handelsverkehr. Fünf Paläste werden besonders
hervorgehoben wegen ihrer Pracht und Aus-
dehnung: das Residenzschloß, Qacr el-‘Aroucein,
Qacr es-Selam, Qacr en-Nedjma und Qacr el-
Menär'). Auch eine christliche Kirche wird ver-
schiedentlidı erwähnt.
Die Trümmer der Qal‘a waren bis vor einem
Jahrzehnt so gut wie vergessen, und die kurzen
!) Ein von den Hammaditen abstammender Dichter
preist in einem CC Meet de Wunder seiner Heimat:
„Werde ich die Arkaden von el-Menär wiedersehen, die
sit auf üppige Blumenbeete Öffnen, und seine hohen
Kuppeln, die am Horizont auftauchen wie die glück-
verheißenden Sterne vom Zeichen des Wassermanns?“
(Nach der Übersetzung von G. Marcais).
Eingangsbau vom Residenzpalast
Studien und Forschungen
1015
Ausgrabungen, die seitdem von einigen Archäo-
logen unternommen wurden, haben bislang nur
wenige Reste zutage gefördert. Gleichwohl läßt
sih von einer systematischen Freilegung der
interessantesten Stellen ein sehr befriedigendes
Resultat erhoffen?).
Die Ausdehnung der Stadt, die sich über
einem nach der Hodnaebene zu offenen Talkessel
am Abhange hinaufzog, war in der Blütezeit
sehr bedeutend. Die Umfassungsmauer war in
großen Blöcken aufgeführt und zum Teil direkt
an den Fels gelehnt. Von den drei Toren, die
bisher verzeichnet wurden, ragte das eine, Bäb
el-‘Akouâs, durch Bastionen verstärkt, steil über
dem tieferen Gelände auf. Über den Ouéd Frädj
(früher Djer&oua) führten drei Brücken, von
denen eine noch zu konstatieren ist; nadı Robert
war sie 12 m lang und 6 m breit.
Von allen Ruinen treten die der Haupt-
moschee bisher am deutlichsten hervor. Sie
war in dreizehn Querschiffe (zu sieben Längs-
reihen) geteilt und auf starken, gemauerten
Fundamenten errichtet. Von den Säulen, die
teils rund, teils polygon aus einem sehr re-
sistenten Stein gehauen waren, steht nur nodi
eine in situ; andere liegen am Boden; kein
einziges Kapitäl ist erhalten. An der Rückseite
erkennt man die Gebetsnische, neben der sich
sonderbarerweise zwei Eingänge befinden; viel-
leicht hat man sich diese außergewöhnliche
Durchbrechung der Mihräbwand durch einen
dahinterliegenden, noch nicht festzustellenden
Sakristeiraum zu erklären. Die Klausur (Mak-
sura) war verhältnismäßig grob, Nach Nord-
westen schloß, ähnlidı wie in Cordoba, eln
weiter Vorhof an, dessen äußere Langwand
von dem Turm durchbrocien war, der nodi
heute 24m hoch und zweifellos das bemerkens-
werteste Denkmal der Qal‘a ist. Er zählt drei
Stockwerke, die in der dem Gotteshause zu-
gekehrten Fassade durch eine Tür und drei
groBe Fensteröffnungen bezeichnet werden. Ganz
oben gewahrt man noch eine Blendarkade von
zwei in einen Rundbogen gefaßten Spitzbögen;
über der Tür ist ein eigenartiges Ornamentstück
eingemauert. Die Seitenflächen sind mit Paaren
nischenförmiger Halbrundvertiefungen dekoriert,
einem Motiv, das in Nordafrika und Ändalusien
sonst nicht vorgekommen zu sein scheint und
vermutlich aus Mesopotamien stammt. Diese
„Kannelüren“ waren mit Stuck und musivischem
3) Herrn F. Grousset, der im Auftrage des Generals
de Beylié vor kurzem die Ausgrabungen wieder aufge-
nommen hat und mir durch seine liebenswiirdige Gast-
freundschaft und kundige Fiihrung eine eingehende Be-
sidtigung der Qal‘a E möchte ich auch an dieser
Stelle meinen herzlimen Dank aussprechen.
Werk bekleidet; die beiden unteren schlossen
in einer (links recht gut erhaltenen) Muschel ab;
in den oberen bemerkt man Reste von glasiertem
Ton. Das Innere des Turmes wird ganz von
einer breiten, bequemen Treppe ausgefüllt, die
durch wenige Mauerluken ihr Licht erhält. Sie
erinnert in ihrer Anlage an die Giralda in Sevilla.
Der Gang ist mit Tonnengewölben, in den
Wendungen mit unregelmäßigen Kreuzgewölben
eingedeckt. Die Krönung fehlt. Vor diesem
Minaret (Coum‘aa) ist im Hofe rechts ein großer
Zisternenbrunnen, wie er sich bei allen Moscheen
findet, zu erkennen.
Die Djäm‘a lag einigermaßen erhöht in-
mitten des belebtesten Stadtteiles, hinter ihr
stieg das Terrain weiter an zu dem Resi-
denzsmloB, dessen GrundriB durch die
letzten Arbeiten ebenfalls ziemlich klar ge-
worden ist. Der Eingang war von Osten her,
wo eine einfache Fassade, wiederum mit Ein-
buditungen, die jede noch von eckigen Ein-
kerbungen begleitet sind, bestand. Die Vor-
räume waren, wie bei den meisten muhammeda-
nischen Palästen, unsymmetrisch angelegt. Aus
ihnen gelangte man in einen länglichen Saal
(vielleicht Gerichtshalle, Mechouär?), der zu den
offiziellen Empfangsräumen fiberleitete. Diese
gruppierten sidi um einen großen Hof mit recht-
eckigem Wasserbassin, das, wie von den ara-
bischen Schriftstellern gemeldet wird, zur Ver-
anstaltung nautischer Feste, Regatten u. dgl.
gedient hat. Es war von Portiken umgeben.
Nach Norden — also nicht in gerader Linie mit
dem Eingang, sondern im rechten Winkel dazu —
stieg man durch eine Flucht komplizierter Korri-
dore zu den inneren Gemächern mit dem Härem,
die ebenfalls einen Teidı zum Mittelpunkt hatten.
Sie sind noch auszugraben; doch erkennt man
bereits die Disposition einer Badeanlage, von
der einige Säle und Hypokauste nach römischem
Muster aufgedeckt wurden. Die ganze Anord-
nung des Palastes zeigt die größte Ahnlichkeit
mit der Alhambra, wo die Aufeinanderfolge
fast genau dieselbe war. Vermutlic lassen sich
aber aus dem Orient noch mehr Parallelen an-
führen. Die Wasserversorgung der Bassins ge-
schah durch kunstvoll angelegte Kondukte, von
denen eine groBe Anzahl zum Vorschein ge-
kommen ist, und durch ausgedehnte Zisternen,
die ebenfalls allerorten auftauchen. Die Wasser-
leitungen nahmen ho oben im Gebirge ihren
Ursprung, führten über die Befestigungen und
‘ Lustschlösser hinab zum Residenzpalast und ver-
teilten sih von da durch die ganze Stadt.
Stellenweise sind sie direkt in den Fels ge-
hauen; die unterirdischen Partien weisen eine
solide Stuckmauerung auf. Die AuBenmauer
1016
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
des Palastes scheint einen sehr unregelm&Bigen
Verlauf gehabt zu haben.
Etwa eine halbe Stunde von den soeben
besprochenen Ruinen entfernt thront steil über
dem Flusse und die ganze Stadt beherrschend
(ähnlich wie ehedem Dâr al-‘Arousa in Granada)
das alte Qacr el-Menär, das seinen Namen
einem gewaltigen Leuchtturm verdankt, dessen
Feuer durch die ganze Steppe hin bemerkt und
somit audı von den Karawanen zur Orientierung
benutzt werden konnte. Vermutlich gab er seine
Signale an kleinere Stationen nach dem Meere
und der Wüste zu weiter. (Die Feuer- und
Rauchzeichen waren seit der römischen Zeit in
Nordafrika zur Verständigung entfernter Posten
allgemein üblich und sind es ja bis auf den
heutigen Tag in Marokko geblieben). Der Burg-
charakter dieses Schlosses wird durch einen
ringsum laufenden inneren Wehrgang scharf
betont. AmEingang finden sich dieselben halb-
runden Vertiefungen, von eckigen Einschnitten
flankiert, wie beim Königspalast. Unter einem
säulengeschmückten Kuppelsaal, dessen vier
Wände hohe, rundbogig geschlossene Nischen
aufweisen, befinden sich unterirdische Gewölbe
die nicht zu den Oberräumen gehörten, sondern
nur von außen zugänglich waren. Vermutlich
handelt es sich um Gefängnisse. Im übrigen ist
das Innere des Gebäudes noch problematisch.
Die Turmfassade nach der FluBseite zu, nur von
den gegenüberliegenden Höhen bequem zu be-
sichtigen, war durch kantige Rillen vielgegliedert
und muB einen imposanten Eindruck gemacht
haben; die ganze Baumasse steigt unvermittelt
aus dem Fels empor. Die Eingeborenen be-
riditen noch von weiteren Villen, Forts u. dgl.,
die auf den kahlen Bergen ringsum zerstreut
gelegen und einige Spuren zurückgelassen hätten;
es würde sidı wohl lohnen, die ganze Umgegend
daraufhin systematisch abzusuchen. Blanchet
fand auch einen Friedhof mit zahlreichen Gräbern
und geringen Skulpturresten fatimidischen Stiles.
Die AuBendekoration aller Bauten sowie die
Wandverkleidung sind vollständig verschwunden.
Hie und da findet man einige Stuckfragmente
und glasierte Ziegel, die schon eine sehr voll-
endete Technik verraten. Mehrere Scherben von
TongefäBen zeigen geometrisches und vege-
tabilisches Ornament von sehr exakter Zeichnung
und einen äußerst gefälligen Farbenschmelz.
Ferner kommen bereits Stalaktiten vor, wenn
auch vorläufig noch in einer im Vergleic zu
Andalusien primitiven Form. Die spärlichen
Inschriftenreste, die zum Vorschein gekommen
sind, tragen kufisierenden Charakter und stehen
somit nicht sowohl der archaischen als der (be-
sonders aus der Alhambra bekannten) stilisierten
Ornamentalschrift nahe.!) Das Baumaterial war
zum Teil fremder Provenienz. Ibn Hammäd
ließ die Orte M'sila und Hamza zerstören, um
seine Hauptstadt anzulegen. Vermutlich wurden
auch römische Ruinen, denen man neuerdings
begegnet ist, ausgebeutet. Andererseits unter-
liegt es keinem Zweifel, daB bei der Verlegung
der Residenz nadı Bougie alles wertvolle Ma-
terial mitgenommen wurde.
Die kunsthistorishe Bedeutung der Qala
beruht darin, daB ihre Denkmäler die ersten
unzweideutigen Zeugen syrisch-mesopotamischen
Einflusses in Algerien sind und somit das er-
wünschte Bindeglied zwischen @airouän und
Tlemsenbilden.Vorher hatte dieKunsttätigkeit der
muhammedanischen Berber — ebenso wie die der
römischen und christlichen — eine ausgesprochen
autochthone Tendenz. Die originellen Formen,
die sie im IX. und X. Jahrhundert hervorbradite,
lassen sich vorläufig an drei Beispielen konsta-
tieren: an der Tür der Grabmoschee von Sidi
‘Oqba, an den Trümmern einer Moschee und
eines Palastes innerhalb der byzantinischen Zi-
tadelle von Tobna (beide Orte in der Region
der Zibanoasen), und besonders an den noch
wenig studierten Ruinen von Cedrata bei Ouargla
in der Sahara.
Über die mannigfachen Beziehungen der Qal'a
zum Orient, die sie auch den sizilischen Bauten
nahe bringen, werden wir jedenfalls durch Beylié,
der mit jenem Gebiet vorzüglich vertraut ist,
sehr interessante Aufschlüsse erhalten.
Ernst Kühnel.
S
EIN WIEDERAUFGEFUNDENES GE-
MALDE VON VANDYCK IM MUSEO
NAZIONALE ZU PALERMO.
Nebst 2 Abbildungen.
Als ich im Frühjahr 1907 zum ersten Male
Palermo besuchte, fand ich in der Gemälde-
galerie des dortigen Museums ein Bild, „die
Beweinung Christi“ darstellend, mit der Be-
zeichnung: „Copia di Luca Giordano dopo Jor-
daens“, welches mir auf den ersten Blick, als
eine Arbeit Vandycks erschien und zwar als
eine Variante des, den gleichen Gegenstand be-
handelnden Bildes in der münchner Pinakothek,
unter Hinzufügung der dort fehlenden heil.
Magdalena und Weglassung der beflügelten
Engelsköpfe.
!) Die Museen von Algier und Constantine haben
interessante Proben von Funden aus der Oal'a erhalten.
Studien und Forschungen 1017
Abb. 1. A. VANDYCK: Pietà o
Museo Nazionale zu Palermo
Abb. 2. A. VANDYCK: Die Bewelnung Christi
D Königl. Pinakothek München
1018
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Als ici hierauf dem derzeitigen Direktor des
Museums Prof. Salinas, sowohl, wie auch dessen
Vize-Inspektor Dr. C. Matranga, meine Wahr-
nehmung mitteilte, wurde diese vorerst von
den Herren ungläubig aufgenommen, jedoch
fand ich bald darauf Gelegenheit, ihnen die
Photographie des münchner Bildes, von welchem
beide offenbar keine Kenntnis hatten, vorzu-
zeigen und sie bekehrten sich angesichts dieses
Beweises sehr rasch zu meiner Annahme. Herr
Dr. Matranga, welcher von dem interessanten
Funde, als Erster, zu berichten die Absicht kund
gab, erhielt von mir noh das im Museum
fehlende Vergleichs-Material zugesandt und in-
dem er sich erbötig machte, die über den früh-
eren Verbleib des Bildes nötigen Forschungen
anzustellen, teilte er nun seine Ergebnisse in
einem in der Zeitschrift „Bollettino d’ Arte’,
herausgegeben vom Ministero della P. Istruzione
in Rom (Januar-Heft d. J.) erschienenen Aufsatze,
betitelt: „Dipinti die Antonio di Vandyck e della
sua scuola, nel Museo Nazionale di Palermo“
mit.
Demnadh befand sich das Gemälde bis zum
Jahre 1870 im berühmten Benediktiner-Kloster
Sarı Martino bei Palermo und wurde nadı Auf-
hebung desselben, nebst vielen anderen hervor-
ragenden Kunstwerken, ins Museum überführt.
Weiter erfahren wir, daB ein P. D. Michelangelo
Celesia, Erzbischof von Palermo und Cardinal,
die s. Zt. in benanntem Kloster befindlichen
Bilder in einem 1836 herausgegebenen Kataloge
eingehend bespricht und darin auf Seite 11 von
dem in Rede stehenden Werke sagt: „dasselbe
hing, nebst einem Selbstporträte Vandycks mit
Barett auf dem Kopfe und der Palette in der
Hand, im Wohnraum des Abtes und ist mit
groBer Wahrscheinlichhkeit auf unserem
Boden entstanden“, (also während des
Aufenthaltes Vandycks in Palermo). Herr
Dr. Matranga erwähnt nebenbei, daß dieses
letztere Bild, bei der Übersiedlung nach Palermo
verschwunden und es ihm bislang nicht ge-
lungen ist, dasselbe in den Magazinen des
Museums wieder aufzufinden, (Es bleibt also
Hoch etwas zu entdecken!) — Der Kardinal be-
schließt seine Besprechung mit den Worten:
„Ed egli (die Pietä) é appunto per
cosifatti pregi, che vien’ debitamente
ammirato questo nobilissimo lavoro,
come uno dei capi d'opera, che abbia
espressi il pennello di quel genio Fiam-
mingo.“ (Vandyck). Es scheint demnach von
jeher das Bild als ein eigenhandiges und Haupt-
werk des Kiinstlers angesehen worden zu sein. —
Ein, jetzt verstorbener, Professor Meli, der
Verfasser des Kataloges der Galerie des Muse-
ums, hat diese Notiz des Kardinals fiber das
Gemälde nicht gekannt, oder ignoriert und ver-
sahı dasselbe mit jener, jedem Kunstverstän-
digen unbegreiflihen Bezeichnung „Copia di
Luca Giordano dopo Jordaens“, unter welcher
es seit Jahren in der Galerie hängt.
Indem nun Herr D. Matranga von der, offen-
bar auf einer alten Überlieferung beruhenden
Mitteilung des Kardinals, Kenntnis gibt, er-
wähnt er ganz nebenbei, daB auch ich das Bild
dem Vandyck zuschreibe, ohne jedodı, wie
loyalerweise zu erwarten gewesen wäre, midı
als denjenigen zu nennen, der seine Aufmerk-
samkeit zuerst auf desselbe lenkte, und das
wieder entdeckte Werk sowohl nadı seinen
ästhetishen wie auch technischen Qualitäten
analysierend, kommt er zu dem Schlusse. daß
es nicht als eine Originalarbeit Vandycks, son-
dern blos als ein Werk seiner Schule anzusehen
sei. —
Die Gründe, die Herr Dr. Matranga veran-
lassen, sein, dem meinigen so entgegengesetztes,
Urteil abzugeben, erscheinen mir nun um so
weniger stichhaltig, als derselbe vor allem, wie
er mir persönlich zu seinem großen Bedauern
mitteilte, weder die Galerien Italiens alle, noch
auch diejenigen des übrigen Europa mit ihren
Hauptwerken Vandycks, gesehen hat, ja die
meisten Bilder des Künstlers, so z. B. auch das
eben angeführte Münchner, selbst aus Repro-
duktionen gar nicht kannte. —
Ih gewann audi nicht den Eindruck, wäh-
rend meines Zusammensein mit genanntem
Herrn, daß er sich bislang sehr viel und ein-
gehend mit der Technik der alten Meister
befaßt hätte und wenn ich nach sorgfältiger
Untersuchung des in Rede stehenden Bildes,
dasselbe als eine Originalarbeit Vandycks zu
erkennen glaube, so halte ih mich zu einem
derartigen Urteile um so mehr berechtigt, als
ich, im Gegensatze zu Herrn Dr. Matranga, nidıt
nur alle bedeutenden Galerien Italiens, sowie
derjenigen von Wien, Berlin, Paris, London,
Brüssel, Antwerpen etc, in denen sich Werke
von diesem Künstler vorfinden, kenne, sondern
auch mehrfach Gelegenheit hatte, durdı Kopieren
solcher, (so z. B. auch des vergleichsweise an-
geführten Münchner Bildes) die Technik Van-
dycks genau kennen zu lernen und Erfahrungen
zu sammeln die sidı eben aus Büchern nicht
holen lassen. —
Es kann, meiner Ansicht nach, bei dem auf-
gefundenen Bilde schon deshalb von „Schüler-
arbeit“ nicht die Rede sein, weil, wie jeder Un-
befangene beim Vergleiche zugestehen wird, in
diesem die ganze Tragik des Gegenstandes
wesentlich bedeutsamer zur Geltung kommt,
Studien und
als in dem mündhner Werke und niemals wird
der Meister, solch wichtige und so sehr zu Guns-
ten der Widerholung gemachte Anderungen,
seinen Schülern überlassen haben.
All diesen Erwägungen nadı, habe idı keine
Veranlassung durch das Urteil Dr. Matrangas
von meiner Ansicht abzugehen, daB nur Van-
dyck selbst das schöne Werk geschaffen habe
und zwar um so weniger, als audı bekannte
Forsdier, wie Direktor Dr. Franz v. Reber
Direktor des Rooses, Prof. Dr. Carl Voll, Dr. G.
Habich und andere, denen idı allerdings vorerst
nur die wenig gelungene Photographie des
Bildes zeigen konnte, durchaus geneigt sind,
dieselbe zu teilen.
Es sei zum Schluße noch nebenbei bemerkt,
daB ich s. Zt. auf eine Anfrage an Direktor
Salinas, ob sich im Museum nicht auch alte Hand-
zeichnungen vorfinden, für welches Gebiet ich
als Sammler von jeher besonderes Interesse
hatte, einen dicken Klebeband vorgelegt erhielt,
bei dessen Durchsicht ich, nebst vielem Unbe-
deutenden, immerhin eine Anzahl echter Zeidı-
nungen von Clovio, dem Michelangeloschüler,
von Bandinelli, Luca Cambiaso etc. besonders
aber mehrere hervorragende Blätter eines alt-
deutschen Meisters, der dem Altdorfer sehr
nahe steht, bestimmen konnte; es wäre dem-
nach für einen Forscher jedenfalls ersprieBlich,
der Sache weiter nachzugehen.
Sigmund Landsinger.
9
NEUENTDECKTE MOSAIKEN IN
SALONIK
Von Josef Strzygowski
Im Einvernehmen mit Prof. Th. Uspenskij,
dem Direktor des kais. russiscien archäologischen
Instituts in Konstantinopel, möchte ich hier Nach-
riht geben von der Auffindung einer Reihe
frühchristliher Mosaiken, die um so wertvoller
ist, als der Gegenstand der Darstellung nicht
dem gewohnten Typenkreise des Alten oder
Neuen Testamentes angehört, auch keine dog-
matische Tendenz hat, sondern ein scharfes
Streifliht auf den in den hellenistisch-orienta-
lischen Gebieten des Christentams seit dem
IV. Jahrdt. zu ausschlaggebender Bedeutung ge-
langenden Märtyrerwelt wirft. In gewissem
Sinne könnten vielleicht die Mosaiken an den
Mittelsciffwänden von S. Apollinare nuovo in
Ravenna als derselben Gruppe angehörig be-
zeichnet werden, doch kommt gerade in einer
Forschungen 1019
Gegenüberstellung mit ihnen die Eigenart des
neu entdeckten Cyclus zu seiner vollen Geltung.
Dort ziehen an der Nordwand 22 heilige Frauen
auf die Gottesmutter, an der Südwand unter
Vorantritt der Magier und des Kirchenheiligen
Martinus 25 Märtyrer auf Christus zu. An den
Wänden darüber sind weitere 32 Heilige dar-
gestellt. Es ist als sollte die ganze über-
wältigende Fülle der Stützen, auf denen das
Heil der Kirche und des einzelnen Christen
beruht, dem Auge des Gläubigen vorgeführt
werden. Anders in den neu entdeckten Mosaiken.
Hier ist es ein einziger Märtyrer, der gefeiert
wird; vielleicht tritt noch ein zweiter seinem
Wesen nadı verwandter Märtyrer und das ältere
Vorbild des Ortsheiligen an seine Seite. Was
wir vor uns haben, das ist der Geist der Wal-
fahrtskirche, der sich typisch bis in unsere Tage
erhalten hat.
Anfang 1908 wurden in der Moschee Kassimije
in Salonik, der bekannten Demetrioskirche, tür-
kischerseits Ausbesserungsarbeiten vorgenom-
men, die den arg verwahrlosten Bau als Moschee
wieder gebrauchsfahig machen sollten. Beim
Abnehmen der Tiinche und des Stuckes kamen
Mosaiken zum Vorschein. Der kais. russische
Generalkonsul, der davon Kunde erhielt, be-
nachrichtigte das russische archäologische Institut
in Konstantinopel, dessen Direktor sofort nach
Salonik eilte und sich die nötigen Permessi vom
Wali verschaffte. Seinem energischen Eingreifen
haben wir zu verdanken, daB die bereits auf-
gedeckten Mosaiken nicht wieder zugetiincht
wurden, und ebenso wie die nachher im Bei-
sein Uspenskijs entdeckten Bilder bis auf den
heutigen Tag jedermann zugänglich blieben.
Die Demetriuskirche ist eine fünfschiffige Ba-
silika mit Emporen. Ihre auffallende Eigenart
liegt darin, daß sie — übrigens wie die Arkadius-
basilika am Grabe des hl. Menas — Querschiffe
mit umlaufenden Säulenarkaden aufweist. In
Abb. 1!) sieht man ganz rechts den Pfeiler mit
dem die Stützenreihe des Mittelschiffes endigt.
Die Ecke mit den vorspringenden Gesimsen ist
noch sehr deutlich erkennbar; zugleich stellt sich
die weiBgetünchte Mauer die das Querschiff
heute in drei Bogen übereinander vom Mittel-
schiffe abtrennt — rechts am Rande von Abb. 1 —
als eine offenbar jüngere Restauration dar.
Urspriinglich war der Pfeiler, hinter dem man links
die Säulen des Querschiffes sieht, freistehend.
Man beachte wie an ihm die über den Kapitellen
durchgeführte Marmorinkrustation mit einer tür-
artigen Füllung endet. Darunter ist der Pfeiler
weiß getüncht. Hier nun fand man einander
1) Nach Milet’s Aufnahme, Hautes études C 684.
1020
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Abb. 1.
Mittelschiffes
an den beiden Pfeiler nach dem Mittelschiff
gegenüber die beiden wichtigsten Mosaiken,
links eine inschriftlich als Deisis bezeichnete
Darstellung, in der Maria einen heiligen Oranten
in Soldatenkleidung dem im Halbkreise darüber
erscheinenden Christus empfiehlt. Da der Heilige
bärtig ist, möchte man ihn für Theodor halten;
keinesfalls kann es Demetrius selbst sein. Diesen
sieht man vielmehr in dem Mosaik gegenüber.
Ich bilde es Fig.2 mit Erlaubnis des Professors
Uspenskij ab, dessen Aufnahme ich benutze.
Demetrius in der weißen, von der Legende be-
zeugten Chlamys steht in der Mitte. Er um-
faBt mit jedem Arm eine bärtige Gestalt: links
einen Bischof, rechts einen Mann in der Tracht
und mit den Insignien eines Konsuls. Da die
Inschrift unter dem Mosaik sagt, es seien hier
die Stifter zu sehen, so möchte man den für
die Erbauung der ersten Demetriuskirche be-
zeugten Präfekten Leontius vom Jahre 412/3
dargestellt annehmen. Es ist nun in einem jetzt
eben schwebenden Streite von geradezu aus-
schlaggebender Bedeutung, daB die beiden Ge-
stalten nicht wie Demetrius den Kreisnimbus,
sondern jene Umrahmung des Kopfes zeigen,
die wir gern mit dem Namen des quadratischen
Nimbus bezeidinen. Man sieht hier einmal
deutlich, was dieses Merkmal ursprünglich be-
deutete: es ist tatsächlich der gleiche architekto-
nishe Aufsatz, wie man ihn auf ägyptischen
Grabstellen und Mumienhüllen hinter dem Kopfe
SALONIK, Demetrioskirche: Ostende der Nordarkade des
O
des Verstorbenen dargestellt sieht, wie das schon
Wladimir de Grüneisen behauptet hatte.!) In
unserem Mosaik liegt zugleich die Bestätigung
dieses ägyptischen Ursprunges, denn die Köpfe,
denen der „quadratische Nimbus“ als Hinter-
grund dient, sind völlig ausgesprochen Typen
der ägyptischen, besser gesagt der koptischen
Kunst. Man vergleiche dafür die Malereien von
Bawit oder das Tafelbild eines Bischofs Abraham
im Berliner Museum, soweit der in unserem
Mosaik dargestellte Bischof in Betracht kommt.
Noch eklatanter läßt sich die ägyptische Art für
den Kopf des Präfekten rechts nadıweisen.
Die beiden Pfeiler am Querschiffanfange der
Demetrioskirche zeigen auch nach der Seite der
auf sie zulaufenden Säulen Mosaiken: Sergios als
Orant bezw. Demetrios (?) als Schützer zweier klein
zu seinen Füßen dargestellten Stifter. Die Haupt-
masse der neu gefundenen Mosaiken aber be-
deckt die Oberwand jener Seitenschiffarkaden,
die man in Abb. 1 zwischen den Säulen links
von dem zuerst besprochenen Pfeiler sieht. Es
sei ausdrüclidı hervorgehoben, daß nur die
Arkade der Nordseite diesen Schmuck zeigt, der
übrigens gerade an der Stelle, die Abb. 1 vor-
führt, d. h. über den ersten östlichen vier
Arkadenbogen zerstört ist. Erst dann beginnt
der interessante Zyklus, der im ganzen sieben
Bogenzwickel umfaßt, während die Darstellung
1) Archivio storico della R. Società rom. di storia
patria XXIX, 229 f.
Studien und Forschungen
1021
TEE
des letzten vor der Eingangswand wieder fast
zerstört bzw. in der Darstellung unkenntlich ist.
Vorzüglich erhalten sind die Mosaiken über
jenen Bogen, die man durch die fünf hohen
Mittelschiffarkaden sieht, die von den vier mitt-
leren Säulen zwischen zwei Pfeilern — die
Demetriusbasilika ist bekanntlidı bereits im
Stützenwechsel erbaut — gebildet werden. Ich
beschreibe von Ost nadı West. Zuerst Deme-
trios als Orant vor einer Nischenarchitektur, wie
sie am besten (mit ähnlichen Medaillons neben
dem mittleren Bogen oben) schon in den Pla-
netenbildern des Filocaluskalenders vom Jahre
354 vorliegt.') Drei kleine Figuren stehen ohne
Rücksicht auf Größen- und Raumverhältnisse
unter den seitlichen Architekturen. Dieses Bild
ist für sich durch das typische Mosaikornament
— die Folge von einem Paar Perlen mit einem
Oval — umrahmt. Es folgt nach links eine
Darstellung, die den Zwickel samt den beiden
angrenzenden Bogen umfaßt, aber leider in der
rechten Hälfte stark zerstört ist. Man sieht in
der Mitte einen Zug Frauen unter Vorantritt
des hl. Demetrius von einem Grabe her nadı
rechts ziehen. Links hinter dem Grabe er-
scheinen zwei Medaillons, von denen das einer
heiligen Frau schon zur folgenden, leider sehr
zerstörtenGruppe gehören dürfte, worin Maria (?)
stehend zwischen kleinen Gestalten erscheint.
Es folgt der in der Mitte der ganzen Arkaden-
reihe liegende Bogen, auf dem über einer Schrift-
tafel
+ EMI XPONSN AEONTOC HBRNTA
BAEIEIC KAYOENTA TO IIPIN TON
NAON AHMHTPIOY. |
drei Medaillons erscheinen: In der Mitte der
hl. Demetrius, zu seinen Seiten zwei |Bischöfe,
die den hier ausdriicklich als Demetriuskirche
bezeugten, einst niedergebrannten Tempel zur
Zeit Leos (des Thauriers 717—741 ?) neu auf-
richteten.!
Es folgt dann die nach rechts hin schreitende
Mutter Gottes (?), begleitet von zwei Engeln.
Sie erhebt die Hände nach rechts und ist um-
geben von zwei kleineren Gestalten. Hinter
diesen sieht man einen Tempel mit Ampel, dar-
auf das Brustbild Johannes d. T. (?). Man
möchte glauben, daß er schon zur folgenden
Szene gehört, die nadı Art des Kindermordes
gruppiert ist. Links eine thronende Gestalt und
eine Frau mit einem Kinde. Darüber eine die
Hände aus einem Rund vorstreckende Figur,
die leider zerstört ist. Daneben eine nach der
Johannesbüste hinter einen Sarkophag flüchtende
heilige Frau (Elisabeth?). Mit dieser Szene
1) Vergleiche meine Ausgabe, Tafel VIII f.
endet der die Mitteljoche umschlieBende Bild-
rahmen, und es beginnt eine neue Serie von
Darstellungen.
Man sieht zunächst Maria in strenger Vorder-
ansiht mit dem Kind im Schoße thronend
zwischen Engeln mit Stäben. Der Typus er-
innert sehr an das bekannte Mosaik an der
Längswand von S. Apollinare nuovo und das
Gemälde der Comodilla-Katakombe in Rom.
Auf der linken Seite steht klein der unbärtige
Demetrios, der eine huldigende Figur heranführt,
rechts ein bärtiger Orant in Kriegerkleidung,
Abb. 2. Der hl. Demetrios und die Stifter
seiner Kirche in Thessalonika o
wie ich annehme dieselbe Figur, die an dem
Mittelschiffpfeiler links beschrieben wurde, wahr-
scheinlidi also der hl. Theodor. Zu beiden
Seiten erscheinen Medaillons, rechts drei, einen
bärtigen Heiligen und die hi. Pelagia und Ma-
trona darstellend, links ein hl. Mann und eine
hl. Frau. Das letzte noch halbwegs erhaltene
Mosaik zeigt wieder wie das zuerst an dieser
Arkadenwand beschriebene den hl. Demetrios
als Oranten vor einer Architektur; neben ihm
rechts einen demütig mit bedeckten Händen Ge-
bücten und das Medaillon eines Greises.
Von besonderem Interesse ist ein letztes an
der Westwand über dem Eingangstor freigeleg-
tes Mosaik, das wieder den hl. Demetrios als
Oranten darstellt. Ihm naht, etwa in der Art wie
in S. Vitale in Ravenna Abraham seinen Sohn
1022 Monatshefte für Kunstwissenschaft
zum Altar führt, eine Frau, die mit bedeckten
Händen ein Kind vor sich herschiebt. Während
Demetrios vor einem Tempelchen steht, erscheint
hinter diesen Figuren eine anmutige Landschaft
mit Felsen und Bäumen, davor rechts ein hoher
Pfeiler mit einer Vase. Sonderbar ist, daB die
Landschaft zwischen diesen architektonischen
Motiven als Bildausschnitt erscheint.
Die Demetriuskirche in Salonik liegt bis jetzt
lediglich in den veralteten Aufnahmen von Texier
and Popplewell Pullan vom Jahre 1864 vor.!)
Ich habe mich vor Jahren mit Adolf Struck um
eine Neuaufnahme bemüht, die jedoch, da wir
mit unzulänglichen Mitteln arbeiten mußten,
1) Byzantine Architekture, p. 123 f.
bisher nicht erscheinen konnte. Es hatte eine
Zeitlang den Anschein, daB die auf Grund der
Demetrioslegenden aufgeworfene Datierungs-
frage die Forschung in Flu bringen würde.)
Buch das war nicht der Fall. Es fehlt ein mit
zulänglichen Mitteln arbeitendes Zentrum für
Dinge, deren Bedeutung für die Kunstwissen-
schaft leider noch immer unterschätzt wird.
Hoffen wir, daß das russische archäologische
Institut in Konstantinopel, angeregt durch seinen
wertvollen Fund, die Neubearbeitung der De-
metrioskirdie in die Hand nimmt. Vorlaufig
wird eine würdige Veröffentlichung der Mosaiken
vorbereitet.
1) Laurent, Byz. Zeitschrift IV (18%), S. 420 f.
w wv
À" et A
DER PRAESUMTIVE LEITER DER
NATIONALGALERIE
Vor einigen Tagen hat sich die Berliner Nat.
Ztg. veranlaßt gesehen, eine Nachricht in die
Öffentlichkeit hinauszutragen, die eingeweihten
Kreisen keineswegs überraschend kam, da man
sic in Berlin unter den Kunsthistorikern schon
seit Wochen erzählte, Anton von Werner
sei zum Direktor der Nationalgalerie, d. h. zum
Nachfolger H. von Tschudis ausersehen.
Viele, die zuerst von dem Gerüchte hörten,
haben ungläubig den Kopf geschüttelt, andere
trösteten sidi mit dem Gedanken, daß selbst
der höchste Wille auf die Dauer zwingenden
Vernunftsgründen und den Wünschen der mit
den Verhältnissen besonders vertrauten Männer
nicht widerstehen könne. An der Tatsache aber,
daB man an höchster Stelle die Ernennung Anton
von Werners zum Direktor der Nationalgalerie
nicht nur wünscht, sondern wahrscheinlich bereits
beschlossen und dekretiert hat, kann kaum noch
ein Zweifel sein.
Es läßt sich nicht leugnen, daß einer solchen
Ernennung nicht nur die Männer der Kunst-
wissenschaft, die vor allem mit den musealen
Lebensfragen der Gegenwart vertraut sind,
sondern auch weite Kreise der Gebildeten starke
Bedenken entgegen setzen, ob mit Recht oder
Unrecht, darüber kann erst die Zukunft ent-
scheiden. Die kiinstlerische Richtung, die der
protegierte Historienmaler Anton von Werner
vertritt, braucht zunächst gar kein Beweis dafür
zu sein, daß mit dem neuen Leiter zugleich auch
eine Umgestaltung der Nationalgalerie etwa in
dem Sinne wie sie vor der Aera von Tschudis
bestand, erfolgen müßte. Im Gegenteil, es ist
nicht einmal ausgeschlossen, daß sich Anton von
Werner, dem durdi seine Vergangenheit eine
reiche praktishe Erfahrung zur Seite steht,
als ein ausgezeichneter Verwaltungsbeamter
erweisen könnte, ja daß er, der heute die
Sonnenhöhe des Lebens bereits überschritten,
auch der seiner eigenen Kunst entgegengesetzten
Richtung konzilianter gegenüberstehen und viel-
leicht sogar im Sinne der eigentlichen Gründungs-
akte der Nationalgalerie manche Einseitigkeit
seines Vorgängers wieder gut machen könnte.
Denn darüber soll kein Zweifel sein, daß die
Nationalgalerie vor allem der deutschen Kunst
gehört, daB Herr v. Tschudi mit seiner stark
einseitig betonten Vorliebe für die modernen
[RUNDSCHAU
Franzosen bei Vielen gerechten Widerspruch
erwecken mußte, da diese Vorliebe auf Kosten
anerkannter deutscher Künstler, die heute leider
noch immer nicht in der Berliner Sammlung
vertreten sind, nach Betätigung gesucht hat.
Diese Tatsache einmal sine ira et studio fest-
zustellen, erscheint um so notwendiger, als wie
es scheint, gerade der Fall „v. Tschudi“ vor
Monaten in der Presse sehr einseitig behandelt
worden ist und die wirklichen Gründe, die den
Rücktritt des vornehmlich um die Neuordnung
der Nationalgalerie hochverdienten Gelehrten
bestimmt haben, bis heute überhaupt in der
Öffentlichkeit noch nicht unzweideutig festge-
stellt wurden.
Ob Anton von Werner die Erwartungen er-
füllen kann, die jeder Kunstfreund an das Schick-
Sal der Nationalgalerie kniipft, ist vor der Hand
jedenfalls stark problematisch, ausgeschlossen
ist es keineswegs. Gelingt es ihm, dem Maler,
als Galeriedirektor seine eigene künstlerische
Persönlichkeit zu verleugnen und audi dem
seiner eigenen Richtung diametral entgegen-
gesetzten deutschen Kunstschaffen das MaB von
künstlerishem Verständnis und Wertschätzung
entgegenzubringen, das man von ihm in seiner
Eigenschaft als Museumsleiter zu fordern be-
rechtigt ist, dann werden die Hoffnungen kaum
enttäuscht, dann kann sogar diese heute noch
als eine krasse Reaktion anmutende Berufung
für die Zukunft der deutschen Kunst ungemein
segensreich sein.
Diese Hoffnungen schon jetzt zu begraben,
erscheint zunächst noch durchaus ungerechtfertigt,
so sehr man auch in allen interessierten Kreisen
lieber einen Kunsthistoriker von Fach als Direktor
gesehen haben würde als gerade Anton von
Werner, den Historienmaler und Akademie-
direktor, der als solcher allerdings mehrfach Be-
weise einer starken Einseitigkeit gegeben hat.
Und dann — untersteht nicht auch die National-
galerie der Generaldirektion ‘der Berliner Museen
und damit der starken Persönlichkeit Wilhelm
Bodes? Ob die Meldung der „Nat. Ztg.*, daß
Bode und A. von Werner früher „wiederholt
heftige SträuBe miteinander ausgefochten haben“
wirklich den Tatsachen entspricht, entzieht sich
vorerst unserer Beurteilung, dagegen glauben
wir wohl zu wissen, daß neuerdings der Kaiser
Wilhelm Bode ein starkes Vertrauen entgegen-
bringt und daß Bodes kunstpolitische Begabung
ausgeprägt genug ist, das Allerschlimmste mit
1024
dem Einsetzen seiner Persönlichkeit zu verhüten.
Audi die Meldung der schon zitierten Quelle,
daß man sich mit der Absicht trage, „die National-
galerie, die schon zu Althoffs Zeiten der General-
direktion halb und halb entzogen und demKultus-
ministerium unterstellt wurde, nun gänzlich von
der Verwaltung der übrigen Museen zu trennen
und in unmittelbare Abhängigkeit vom Minister
zu setzen“, erscheint uns vorläufig durchaus
unglaubwürdig; im Gegenteil, eher dürfen wir
hoffen, daß es dem Berliner Generaldirektor
sehr bald gelingen wird, auch mit Anton von
Werner den notwendigen modus vivendi her-
zustellen und jene Basis gemeinsamer Arbeit,
die auch die Zukunft der Nationalgalerie einer
glücklichen Entwicklung entgegenführen soll.
So viel aber ist gewiß, daß in letzter Zeit
kaum eine andere kunstpolitishe Frage die
Geister so in Atem gehalten hat, wie die nach
dem Schicksal der Nationalgalerie. Sollte wirk-
lih — was wir heute nicht glauben — mit der
Aera Anton von Werners eine verhängnisvolle
Reaktion beginnen, so wird die Stimme der
Gebildeten jedenfalls stark genug sein, auch
diesmal dem äußersten Verhängnis bei Zeiten
den Riegel vorzuschieben. B.
2
DER GENERALDIREKTOR DER
MONCHNER SAMMLUNGEN.
Zu diesem von uns bereits mehrfach er-
örterten Thema ist kürzlich in Nr. 96 der Bei-
lage der ,M. N. N.“ ein sehr bemerkenswerter
Beitrag unter dem Titel ,Zur Verwaltung
der bayrishen Kunstsammlungen“ von
Professor Frhrn. von Bissing erschienen,
der durch seine Objektivität wohltuend berührt
und eine Reihe treffender Bemerkungen enthält,
die sich im groBen und ganzen mit dem von
uns vertretenen Standpunkt in dieser Frage
decken und die Anschauungen Volls in vielen
Punkten widerlegen. Vor allen Dingen ist es
erfreulich, daß endlich ein Münchner Gelehr-
ter, der persönlich außerhalb der ganzen Streit-
frage steht, unzweideutig seine Stellungnahme
dokumentiert, die von den rein partikularistischen
Tendenzen Volls meilenweit entfernt ist.
Wir begrüßen die ausführlichen Erklärungen
v. Bissings, auf deren Wiedergabe wir leider
an dieser Stelle verzichten müssen, vor allem
audi deshalb, weil wir hoffen dürfen, daß sie
nicht ungehört an den Stellen vorbeigehen, die
über das Schiksal der Münchner Kunstsamm-
lungen in erster Linie zu entscheiden haben.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Wir benutzen zugleich die Gelegenheit, um
zu erklären, daß uns die alte Streitfrage ledig-
lich der Prinzipien wegen interessiert, die durch
sie aufgerollt worden sind, die sich allerdings
in den persönlichen Anschauungen Bodes und
Volls diametral gegenüberstehen. Es besteht
nach Ansicht der besten Kenner kein Zweifel
mehr, daß die bayrischen Museen nur eine ge-
sunde Entwicklung haben können, wenn man
sich entschließen wird, den durch Bode gegebe-
nen Direktiven endlich auch in München zu
folgen, anstatt auf einem kleinlichen partikula-
ristischen Standpunkt zu beharren, der für die
Zukunft der bayrischen Sammlungen verhäng-
nisvoll werden muß. Es kann nicht darauf an-
kommen, von welcher Geburt der Leiter einer
Sammlung ist, sondern lediglich, welche Qua-
lität derselbe mitbringt. Die Beispiele, die
nach der Seite hin Freiherr v. Bissing zusammen-
stellt, sind lehrreich genug und beweisen schia-
gend, wie gerade Berlin es verstanden hat, in
den Dienst seiner Museen stets solche Kräfte
zu stellen, bei deren Berufung nur die
wissenschaftliche Qualität, nicht aber die Landes-
angehörigkeit ausschlaggebend war. Sehr ridh-
tig bemerkt der Verfasser, daß Inzucht in solchen
Dingen nichts tauge, daB man in Berlin nie
ängstlich gewesen ist, sich von außerhalb die
nötigen Kräfte zu holen, wie das die Berufungen
von Tschudi, Zahn, Luschan, H. Ranke und Justi
bewiesen haben, und daB ja auch der von Voll
so hoch gepriesere Furtwängler keia Bayer,
sondern ein geborener Badenser gewesen ist. Ein
schwerwiegendes Argument gegen den Vollschen
Satz „bayrische Beamte für unsere bayrischen
Museen.“ B.
BERLIN
Die Gemäldegalerie erwarb in den letzten
Monaten zwei widitige Werke der holländischen
Kleinmalerei: einen prachtvollen, gegen eine
weiße Wolke gesetzten, trabenden schwarzen
Stier des Paulus Potter und einen angelnden
Knaben von Slingeland. Während das erstere
Gemälde trotz seiner kleinen Verhältnisse zu
dem Monumentalsten gehört, was sich in diesem
Genre — und bei exaktester Durchführung —
denken läßt, ist der reizende Slingeland eine
rechte Feinmalerei, interessant nicht bloß als
Ergänzung der nach dieser Richtung ziemlich
armen Sammlung, sondern auch als eine Art
Gegenstück zu Metsus fischendem Jungen: bei
diesem das geduldige Lauern im Sitzen, bei
Rundschau
1025
Slingeland die naive Freude über den gelungenen
Fang.
Die Sammlung der späteren Italiener wurde
in glüclichster Weise bereichert durch eine
schöne Landschaft des Salvator Rosa, aus
englishem Privatbesitz, wo bekanntlidı die
besten Stücke des im 18. Jahrhundert hoch ge-
schätzten Meisters stecken — Hans Posse, der
an gleicher Stelle, wo Bode die oben erwähnten
Bilder bespricht, über die Landschaft berichtet,
denkt dabei an den bedeutenden „Eremiten“
der Brera und verweist auf den EinfluB von
Tizians verbranntem „Petrus Martyr“.
Leihweise Aufstellung fand durch das Ent-
gegenkommen des Besitzers ein künstlerisch wie
historish gleich interessantes Gemälde von
Pieter Lastman, eine Susanna im Bade,
deren Komposition Rembrandt in einer Skizze
festgehalten und (nach Valentiners Vermutung)
zum Ausgangspunkt gleichartiger eigener Dar-
stellungen genommen hat. In der Tat begreift
sich Rembrandts Schätzung leicht; Kraft und
Wohlklang des Kolorits sind ebenso auBer-
ordentlich, wie die Komposition mit Verstand
italienischen (carraccesken) Vorbildern nachge-
bildet ist. Unmotiviert und halbverstanden bleibt
nur der Gewandwurf.
In lebhaftester Entfaltung ist seit langem die
Abteilung der christlichen Bilderwerke begriffen.
Im Oktoberheft der für solche Publikationen
vorbildlichen „Amtlichen Berichte“ bespricht Bode
an Hand vortrefflier Abbildungen mehrere
altdeutsche Skulpturen, zumeist bayerischer Her-
kunft. Unter den Statuen älteren Stils (An-
fang des XV. Jahrhunderts) erregt ein kniender
Engel aus Stein Interesse, weiter drei stehende
Madonnen, davon zwei aus Terracotta und
eine aus Stein, letztere eine frühe niederbayer-
ische Arbeit, während eine der beiden ersteren
— vorgeriickteren Stiles — schwäbischen Cha-
rakter trägt. Aus späterer Zeit (um 1500)
stammt eine Holzgruppe der Pietà, ein beson-
ders im Gewandwurf ausgezeichnetes Werk der
oberbayerischen Schule. Den reichen und an-
mutigen Stil der oberdeutschen „Frührenaissance“
(um 1515) vertreten zwei bemalte weibliche Hei-
lige in flachem Relief, die sich mit anderen, ver-
wandten und doch wieder unterschiedenen Ar-
beiten der Sammlung glücklich gruppieren.
Gegen diesen Reichtum an nordischen Neu-
erwerbungen tritt die italienishe Sammlung
naturgemäß zurück, doch gelang es durch An-
kauf einiger hervorragender Plaketten ein paar
der wenigen noch bestehenden Lücken zu füllen:
u. a. wurde eine Puttendarstellung (Weinlese?)
aus Donatellos Richtung, ein verrocchiesker
David und ein Hieronymus von Ulocrino ge-
kauft und von Bode besprochen.
In das Münzkabinett gelangten ein paar wich-
tige Stücke, darunter die (nadı Menadier) älteste
bekannte deutsche Medaille, mit Johann von
Kleve als Reiter (von 1449) und eine Medaille
des XVI. Jahrhunderts mit Graf Reinhard von
Solms.
€
Die Nationalgalerie erwarb durch Vermittlung
Ludwig Pollaks eine Serie von Reinhartschen
Landschaften in temperaartiger Technik (aus Pal.
Massimi in Rom stammend), durch deren Aufstel-
lung in Berlin die Kenntnis und das Studium
der Anfänge deutscher Malerei im XIX. Jahr-
hundert neuerlich wesentlich erleichtert wird.
Über die Erwerbungen des Kupferstichkabi-
netfs wurde hier vor kurzem von sachkundigster
Seite berichtet; nachzutragen ist nur der Auf-
satz von Bock über die Ausstellung älterer
deutscher Holzschnitte, die bei dem notorischen
Reichtum der Sammlung besonders an ganz
frühen Blättern von großer wissenschaftlicher
Bedeutung werden mußte.
Das Kunstgewerbemuseum ergänzte seinen
Bestand nach verschiedener Richtung hin: zu
den sonst ansehnlich vertretenen Limogeswerken
des XIII. Jahrhunderts kam ein Evangelien-
buchdeckel hinzu, der aus dem Trierer Kloster
St. Maximin stammt und eine besonders in
München und Darmstadt reich vorhandene Gruppe
bei uns einführt. Charakteristisch ist für diese
Arbeiten — nach Falke — eine üppige Anwen-
dung fein gravierten Arabeskenwerkes, während
sich die Figuren in farbigem Grubenschmelz gegen
den goldenen Grund abheben — es scheint, daß
byzantinishe Werke indirekt (wohl auf dem
Wege über Spanien) zu Vorbildern gedient
haben.
Ein 1524 oder 1534 datierter Hochzeits-
teppich aus der Sammlung Hefner-Alteneck in
München ist der Züricher Schule (im Landes-
museum am besten vertreten) zuzuweisen; Wahl
der Ornamentik (ein spätes, zäh festgehaltenes
Gotisch) wie der Technik (Stickerei auf schwarzem
Tuch) weisen hierauf und betonen deutlich den
Zusammenhang mit dem Kunstgewerbe der
Alpen.
Unter den neuerworbenen Möbeln steht ein
westfälischer Stollenschrank (nach 1550) an
erster Stelle; von den noch späteren Gegen-
ständen ist zunächst bemerkenswert eine silberne
Weinkanne englischen Stiles von 1739, die das
Meisterzeihen des Frederick Kandler trägt.
Entgegen der in Deutschland üblidıen altbe-
67
1026
währten Treibtechnik ist die Kandlersche Kanne
(wie ihr Kölner Gegenstiick) nach französischem
Vorbild gegossen und ziseliert; der Stil ist ein
vorgerückterer, als man ihn im gleichzeitigen
deutschen Kunstgewerbe antrifft.
Der erst neuerdings den ,GroB‘meistern des
Porzellans — Bastelli, Linck, W. Beyer, Mel-
chior — zugesellte Wiener Anton Grassi, der
stärkste Beförderer des Klassizismus im jose-
finishen Wien, wird in die Sammlung einge-
führt durch eine reizende Gruppe, „der Hand-
kuß“, die aus Biskuitmasse von warm gelblichem
Ton geformt und offenbar freihändig sorgsam
überarbeitet worden ist.
Unter den Schätzen der Manuskripte in der
Kel. Bibliothek fand Dr. Ignaz Beth einen bis
dato unbeachteten, von 1487 datierten Kodex
der Herpingeschidhte, illustriert mit der Feder
von einem unbekannten Künstler, der nach Stil
der Zeichnungen und nach der Mundart der
Erzählung Schwabe gewesen sein muß und viel-
leicht, wie Beth in dem letzten Hefte des „Jahr-
buchs der k. preußishen Kunstsammlungen“
ausführt, mit dem Meister des Handbuch in
Zusammenhang gestanden ist. H. V.
Der deutsche Verein für Kunstwissenschaft,
von dessen Wirksamkeit wir eben die ersten
Beweise erhielten, hat durch den Tod seines
Ehrenvorsitzenden W irk1. Geh. Rat Dr. Fried-
rich Althoff einen herben Verlust erfahren.
Die den Mitgliedern zugesandte, von Bode
unterzeichnete Todesanzeige nennt ihn aus-
driicklih als den, „dem der Verein die An-
regung zur Begründung und seine Konstituie-
rung verdankt“.
Im übrigen darf man es freudig begrüßen,
daß die vorbereitende wissenschaftliche Tätig-
keit des Vereins so weit gediehen ist, daß er
uns bereits ein Programm der „Denkmäler
deutscher Kunst“ zu unterbreiten in der Lage war.
g
BUDAPEST
Museum der bildenden Künste. Im April des
Jahres 1907 starb in Prag der verdiente Kunst-
freund Gustav Ritter Hoschek von Mühlheim.
Seine im größten Teile aus holländischen Bildern
des XVII. Jahrhunderts bestehende Galerie mußte
verkauft werden. Die Direktion des Budapester
Museums benutzte eine günstige Gelegenheit
zur Bereicherung der Galerie alter Meister, in-
dem sie aus der vornehmen Prager Kollektion
17, durch Dr. G. v. Terey und J. C. Beer aus-
Monatshefte für Kunstwissenschaft
gewählte Gemälde erwarb. Der Katalog, der
erst nach dem Tode Hoscheks erschien, wurde
von Dr. W. Martin verfaßt. Wir teilen im
Folgenden die nunmehr Bestandteile der unga-
rischen Kunstsammlung bildenden Gemälde nadı
seiner Numerierung mit.
3. Hans Baldung Grien. Madonna. Stehende
Figur, weinend. Auf Eichenholz gemalt. Nach
Terey aus des Künstlers bester Periode, etwa
1512—1517.
17. Annibale Carracci. Christus und die
Samaritanerin. Leinwand. Frühere Besitzer:
Oddi in Perugia (1649), Herzog Philipp von
Orléans, Hibbert (England). Besprochen in Dr.
Th. von Frimmels Blättern für Gemäldekunde,
1904, Heft 1, S. 7.
18. Don Juan Carrefiode Miranda. Knaben-
bildnis, vermutlich Karl II. von Spanien. Lein-
wand.
25. Benjamin Gerritsz. Cuyp. Wirtshaus-
szene. Bezeichnet. Eichenholz.
30. Isaack varı Duynen. Stilleben mit See-
tieren. Bezeichnet. 1673. Leinwand.
35. Gerbrand varı den Eeckhout. Darstellung
im Tempel. Bezeichnet. 1671. Eichenholz.
37. Flandrischer Meister unter dem Einflusse
des Jan Fyt. Stilleben. Eichenholz.
38. Govert Flink. Das Opfer Manoahs.
Eichenholz.
45. Jan van Goyen. Nächtliche Feuersbrunst.
Früher in der Sammlung Schubart, München.
Eichenholz.
51. Dirck Hals. Lustige Gesellschaft. Lein-
wand.
67. Willem Kalf. Stilleben. Bezeidhnet.
Leinwand.
13. Jean Baptiste varı Loo. Die Metamor-
phose der Daphne. Leinwand.
74. Französisher Meister um 1540. Nach
Durand-Greville: Corneille de Lyon. Bildnis
einer vornehmen Dame in reichgeschmictem
Kleide. Eichenholz.
104. Petrus Paulus Rubens. Kopf eines
bärtigen Alten. Nach M. Rooses eigenhändige
Arbeit des Künstlers, um 1611—1612 nach der
Rückkehr aus Italien gemalt. Derselbe Mann
im Gefolge des einen Königs auf Rubens’ An-
betung der Könige in der Johanneskire zu
Mecheln. Eichenholz.
105. Jakob Isaacksz. van Ruysdael. Wild-
bach. Bezeichnet. Früher in der Sammlung
Dr. A. H. H. van der Burgh im Haag. S.Frim-
mels Blätter für Gemäldekunde II. Heft 5.
Eichenholz.
Rundschau
1027
109. Jakob Salomonsz. van Ruysdael. Land-
schaft mit groBen Bäumen, Kühen und Schafen.
Bezeichnet. 1668. Eichenholz.
129. Johannes Cornelisz. Verspronck. Bildnis
eines Herrn. Halbfigur. Bezeichnet. 1641. Lein-
wand. Dr. Zoltän v. Takäcs.
2
PARIS
Die „Gazette des Beaux Arts“ hat eine ebenso
sprechende wie traurige Statistik über die Zu-
nahme der Diebstähle von Kunstwerken in den
französischen Kirchen aufgestellt, die erweist,
daß die Trennung von Kirche und Staat für die
Erhaltung der Kunstdenkmale geradezu ver-
hängnisvolle Folgen gehabt hat. In der zwei-
ten Hälfte von 1904 fand ein Diebstahl statt;
1905 waren es 6; 1906 steigt die Zahl auf 13;
1907 auf 34; innerhalb der ersten 7 Monate von
1908 wird mit 47 Diebstählen ein unerreichter
Rekord aufgestellt. Die Regierung hat endlich
eingesehen, daß energischhe Maßregeln rasch
ergriffen werden müssen, wenn nidit unwieder-
bringlicher Schaden angerichtet werden soll, und
so ist, verhältnismäßig schnell, ein Dekret des
Präsidenten der Republik herausgekommen, das
einen ganzen neuen Beamtenkörper für diesen
Überwachungsdienst schafft. An der Spitze
dieses dem Unterstaatssekretariat der Künste
unterstehenden Dienstes stehen 3 Generalinspek-
toren und 6 Inspektoren. Dieselben haben die
Geschäftsführung der in jedem Departement zu
ernennenden Konservatoren zu überwachen. Zu
Konservatoren sollen im Departement ansässige
Personen ernannt werden, „die eine anerkannte
Kompetenz auf dem Gebiete der Kunst, der
Ardidologie und der Geschichte besitzen“. Es
handelt sich bei den letzteren Stellungen um
Ehrenämter, da die den Konservatoren gezahl-
ten Entschädigungen ganz unbedeutend sind.
Während man dem Nutzen eines Inspektoren-
korps, das jährlich ca. 40000 fs. allein an Ge-
hältern kosten wird, etwas skeptisch gegenüber-
steht, ist der Gedanke, in der Person dieser
Konservatoren, das kunstliebende Publikum mit-
arbeiten zu lassen, ausgezeichnet. Damit würde
dann endlich auch die Arbeit der verschiedenen
Vereine, wie sie sich jetzt fiir den Mont St.
Michel und andere Kunststätten gebildet haben,
einen offiziellen und direkten EinfluB bekommen
können. Aus allen diesen Gründen ist der Er-
laB dieses Dekretes mit Freuden zu begrüßen.
Das Louvre hat inzwischen wieder zwei
wichtige Vermächtnisse bekommen. Der be-
kannte Sammler Charles Drouet vermachte dem
Louvre ein. wichtiges Werk von Murillo, „Der
Gefangene“. Ferner 5 Landschaften von John
Constable, die das Museum sich unter den Be-
ständen der Sammlung Drouet aussuchen darf,
sechs in derselben Weise auszuwählende Turner
und zwei Venezianer Bilder (Dogenpalast und
Piazetta) von Bonington. Dieses Vermächtnis
ist um so erwünschter, als die Engländer bis-
her im Louvre recht schwach vertreten waren.
Wenn neben den zweifelhaften Turner, den der
verstorbene Groult dem Louvre schenkte, nun
auch einige gute kommen, so ist das recht er-
freulich. — Über diese eben angedeutete Affäre
hat man in den Zeitungen großen Lärm ge-
schlagen, als ob die Konservatoren des Louvre
starker Unkenntnis oder sträflichen Leichtsinnes
sih schuldig gemacht hätten, als sie neben
zwei guten altenglischen Porträts einen zweifel-
haften Turner annahmen. So wie die Dinge
lagen, konnten sie unmöglih das Geschenk
eines Mannes zurückweisen, der eventuell das
Louvre zum Erben seiner großen Kunstschatze
eingesetzt hätte. Dies erhoffte Vermächtnis ist
nun allerdings nicht gekommen, es ist dies nicht
der einzige Streich, den der bizarre Groult
seinen Zeitgenossen gespielt hat.
Nicht alle Sammler sind so bescheiden, wie
der kürzlich verstorbene Charles Seguin, der
dem Louvre in seinem Testamente erlaubte,
aus seinen Sammlungen Kunstwerke bis zum
Werte von einer Million auszuwählen. Wenn
die Stücke seiner Sammlung nidıt wertvoll ge-
nug erfunden würden, sollte ein entsprechender
Geldbetrag dem Louvre zugute kommen. Seguin
kaufte niemals auf Versteigerungen und war
deshalb in der Welt der Sammler so gut wie
unbekannt. Auch von dem Umfang seiner
Sammlungen war niemand unterrichtet und groB
war die Überraschung der Direktoren des Louvre,
als sie eine hervorragende Sammlung von Elfen-
beinarbeiten des XVI. bis XVIII. Jahrhunderts
sowie eine Sammlung von Porzellan, besonders
Vasen (Meißen und Sevres), vorfanden, die für
das Louvre eine höchst wertvolle Ergänzung
seiner Bestände bedeutet.
Ə
LONDON
Das Hauptereignis des vergangenen noch
sehr stillen Monats war die Einsetzung einer
königlichen Kommission zum Schutze alter Kunst- `
denkmäler in England, die man seinerzeit all-
gemein gewünscht hatte, als eine ähnliche Kom-
mission für Schottland ins Leben gerufen wurde.
1028
Die Kommission soll zunächst ein Inventarium
aller Monumente herstellen, die für die Kultur
die Zivilisation und Lebensbedingungen des
englischen Volkes von den frühesten Zeiten bis
zum Jahre 1700 charakteristisch und deshalb
der Erhaltung wert sind. Vielleicht bedeutet
das einen ersten Schritt zur Erhaltung der gro-
Ben englischen Kathedralen auf Kosten des
Staates. Höchste Zeit wäre es, denn mit frei-
willigen Gaben allein kann man auf die Dauer
diesen Stolz der englischen Kunst nicht erhalten.
Von den £ 87000, die man für die Winchester
Kathedrale vor einiger Zeit verlangte, fehlen
z. B. immer noch fast £ 30000, kommen sie
nicht ein, so müssen die zur Sicherung dieses her-
vorragenden, mit der Geschichte des englischen
Volkes so eng verknüpften Baues notwendigen
Reparaturen eingestellt werden. Und diese
Kathedrale ist keineswegs das einzige große
Bauwerk, das in Gefahr schwebt.
Ein Nachkomme des Malers William Dyce
hat der National Gallery in London des letzteren
Bild „Christabel“ als Erbe hinterlassen. Dyce
war der Künstler, auf den gelegentlich der Aus-
malung des Parlamentes Cornelius die englischen
Autoritäten als auf den bestgeeigneten englischen
Meister aufmerksam machte. — Die Dubliner
Municipal Gallery erhielt von Lord Iveagh drei
Bilder zum Geschenk, einen Watts, einen Millais
und einen James Holland. — In der Tate Gallery
hat ein Nachkomme Turners eine ganze Reihe
Andenken an diesen Meister zu einer Ausstel-
lung vereinigt, die in dieser Galerie nun längere
Jahre hindurch zu sehen sein wird.
Zwei interessante Kunstpublikationen werden
angekündigt: eine neue Ausgabe der „New Hi-
story of Painting in Italy“ von Crowe u. Caval-
casalle, von Eduard Hutton mit Anmerkungen
und ca. 300 Reproduktionen herausgegeben; und
das Leben James Macneill Whistlers von Mr.
und Mrs. Joseph Pennell.
Die Kunstsalons beginnen sich jetzt wieder
langsam zu Öffnen. In Leicesters Galleries sieht
man zartsichtige Fantasien zu Shakespeares
»Sommernachtstraum“ von Arthur Raekham, dem
beliebten Illustrator, und derbsichtige, farben-
sichere Orientstudien von Graham Petrie. In
der Galerie der „Fine arts Society“ kann man
von der Hand Mortimer Menpes eine Reihe
Whistlerbildnisse in schwarz und weiß, Aus-
drucsstudien sehen. In der Baillie Gallery, die
sich jetzt in der Brutonstr. 13 etabliert hat, ist
u. a. eine „Idylle“ von Monticelli ausgestellt.
Ein junger Maler, I. D. Jergusson, hält hier eine
Sonderausstellung ab, die ein eigenartiges Ringen
um Natur und dekorative Werte verrät.
Altenglische Meister haben wie bisher Messrs.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Shepherd Bros. in ihrer Winterausstellung zu-
sammengebracht. U. a. sieht man hier ein frühes
Porträt von Gainsborough aus seiner Ipswicher
Zeit, eine zartschöne Landschaft desselben
Meisters und eine Studie zu seiner „Musidora“
in der National Gallery, die vor 20 Jahren bei
Christie um 210 Schilling aus der Sammlung des
Earl of Thanet verkauft worden war. Das in
den Maßen um vieles größere Bild der Galerie
war im Jahre 1859 um 58 Schilling erstanden
worden. Andere noch mit wertvollen Stücken
vertretene Meister sind: Richard Wilson, James
Ward, Peter de Wint, David Cox, John Linnell,
John Crowe, Mark Anthony und der Phantast
John Bell Scott. Von einem Wateauschiiler,
Pierre Antoine Quillard, findet sich ein seltenes
Stüc, ein Tanz im Hofe eines Gasthauses. —
Das bedeutendste Stück der Ausstellung ist wohl
ein Frauenporträt Raeburns, „Mrs. Adams“, ein
Werk, das des Meisters groBe Fähigkeit momen-
taner Erfassung und typischer Monumentalität
glänzend verkörpert. Auf die an anderer Stelle
wiedergegebene Reproduktion dieses Bildes sei
hier noch besonders aufmerksam gemacht,
Eine auserlesene schwarz-weiß Ausstellung
alter wie neuer Meister bietet R. Gutekunst.
Es sind alles delikate, charakteristische und da-
bei trefflici erhaltene Stücke von Rembrandt,
Dürer, R. Nanteuil, I. J. Millet, Whistler, A. Zorn
und D. Y. Cameron. F.
2
HOLLAND
Zwei neue Urkunden über Rembrandt
hat Herr Dr. A. Bredius letzthin aus dem Amster-
damer Notariatsarchiv ans Licht gezogen. Die
eine ist ein von Rembrandt und Saskia am
17. November 1635 vor dem Notar Sybrant
Cornelissen aufgesetztes und von beiden unter-
zeichnetes mutuales Testament, in welchem auch
der Mutter Rembrandts 2000 Gulden ausgesetzt
werden. Da der Originaltext bereits publiziert
ist, so verweise ich dahin: Oud-Holland, Heft 4
des laufenden, 26. Jahrganges, Seite 220 u. 221. —
Die zweite Urkunde stammt aus dem Jahre 1671
und wirft einiges Licht auf Rembrandts letztes
Lebensjahr 1669, über das wir nur sehr spär-
lich unterrichtet sind: Am 12. Mai 1671 gaben
die Maler Allart van Everdingen und sein Sohn
Cornelis eine Erklärung ab, in welcher der erstere
erzählt, daB er einige Monate vor Rembrandts
Tod von Dirck van Kattenburgh einen von Rem-
brandt gemalten „Simeon“ kaufen wollte, der
noch nicht ganz vollendet war. Der junge Ever-
dingen hat das Bild bei Rembrandt oft auf der
Rundschau
„schilderscamer“ gesehen. Und Rembrandt hat
ihm mehrmals erzählt, daB das Gemälde dem
van Kattenburgh gehöre, und daB dieser ihm
auch Kupferplatten gegeben habe, um eine Passion
zu radieren. Rembrandt arbeitete also in seinen
letzten Lebensjahren für diesen ebenso in Aktien
der Ost- und Westindishen Kompagnie, wie
in Häusern und manchmal auch in Gemälden spe-
kulierenden Dirck van Kattenburgh. —
In Haarlem wurde neuerdings wieder die
Museumsfrage erörtert. Seit ungefähr zwei Jahren
besitzt die Stadt das alte am „Groot Heiligland“
gelegene reformierte Weeshuis, das eigens zur
Einrichtung in ein städtisches Museum, vor allem
zur sicheren Unterbringung der Haarlemer Stadt-
schätze, der Schützenbilder von Franz Hals er-
worben wurde. Bei den Verhandlungen über
die Art und Weise, wie die Umwandlung der
alten Gebäude in ein Museum vor sich gehen
solle, ist es unter den mit der Sache betrauten
Herren zu Meinungsverschiedenheiten gekom-
men. Eine Partei will das Gebäude ganz frei-
legen, das heißt, ein paar kleine Häuser in der
Nähe des auf das „Groot Heiligland“ führenden
Tores abgebrochen wissen. Die andere Partei
dagegen möchte diese typischen alten Häuschen
mit Bänken davor, wie man sie beinahe nirgends
mehr findet, erhalten und womöglich dem
ganzen Komplex das alte Aussehen von einst
(1608) wiedergeben. Die Gemälde von Frans
Hals sollen in einem 10x8 m großen, neu zu
erbauenden Saal in vier Kabinetten mit Seiten-
licht aufgestellt werden. Durch probeweises
Aufstellen hat man sich davon überzeugt, daß
diese Beleuchtung weit besser wirkt als Ober-
liht (bei den allermeisten Ölgemälden).
Hoffentlich einigt man sich bald über die oben
angedeutete wichtige Frage, damit die „Halsen“,
wie man hier sagt, recht bald in jenem neuen
Haarlemer städtischen Museum feuersicher auf-
bewahrt und besser beleuchtet sind.
Sammlungen moderner holländischer
Gemälde wurden in letzter Zeit zweimal nach
dem Ausland gesandt. Die eine, die rund
60 Gemälde (dazu zwei Skulpturen) umfaßt,
wurde von der Amsterdamer Vereinigung „Sint
Lucas“ zusammengebradit und zuerst im Mün-
chener Künstlerhause gezeigt. Sie ist nachher
nach Darmstadt gekommen und soll noch in
Köln, Düsseldorf und Hamburg ausgestellt wer-
den. Die zweite, unter dem Protektorate der
ungarischen Regierung vereinigte Kollektion ist
jetzt an ihrem Bestimmungsort in Budapest
wohl angekommen. Die Ungarn haben gute
Gelegenheit, im Vergleich mit den im Museum
der bildenden Künste aufbewahrten reichen
Schätzen alter Holländer die Werke der neueren
1029
zu studieren und vor allem zu genießen. In
der Sammlung spiegelt sich die in gewissem
Sinne nun auch schon historisch gewordene
neuere holländische Kunst in großen Umrissen
gut wieder. Die Hauptmeister, deren Namen
ich in den Auktionsberichten schon des öfteren
aufzuzählen Gelegenheit hatte, sind hier fast
alle oft mit mehreren charakteristischen Werken
vertreten.
Die schon lange vorher angekündigte Aus-
stellung französischer Kunst im „Kunst-
kring* im Haag brachte eine große Ent-
täuschung. Ohne eigentlichen Plan waren 92
Gemälde in dem an sich nicht sehr stimmungs-
vollen Saal aufgehängt. Natürlich fehlten die
berühmten Franzosen nicht ganz, und wenn ich
die Namen der vertreten gewesenen aufzähle, :
so scheinen sie mein absprechendes Urteil zu-
nächst Lügen zu strafen: Rosa Bonheur, Corot,
Daubigny, Daumier, Dupre, Fantin Latour, Har-
pignies, Henner, Pissaro, Renoir, Sisley, Tou-
louse Lautrec, Troyon, Ziem. Aber es waren
alles keine Arbeiten von besonderer Bedeu-
tung.
Und wenn manche dieser Bilder an sich auch
ansprechend waren, so wurde ihre Wirkung in
solhem Milieu doch zu stark beeinträchtigt.
So waren z.B. sieben Albert Duprats zu sehen,
dazwischen hing ein „Manet (attribué a)“, fer-
ner gleich fünf ganz dilettantische Arbeiten von
einem gewissen Boggs und zahlreiche andere
Geschmaclosigkeiten. Im Haag, der mit den
Franzosen im Mesdag-Museum aufwarten kann,
war eine derartige Vorführung durchaus über-
flüssig.
Im Mauritshuis sind inzwischen die von
mir im vorigen Heft beschriebenen Gemälde
aus dem Besitze des Herrn Delaroff ausgestellt
worden. (Bis auf den Abraham Hondius, für
den noch Raum geschafft werden muB.) AuBer-
dem aber noch ein kleines, bezeichnetes Bild
von I. Koedijck, das ursprünglich nach Leiden
kommen sollte. Es stellt einen kleinen Jungen
dar, der in einem Zimmer auf einem Stuhl kniet
und mit der rechten Hand auf einen Teller mit
Nüssen greift, der auf einem großen, die linke
Hälfte des Gemäldes einnehmenden Tisch steht.
Dieser ist mit einer blaugrauen Decke bedeckt.
Es befinden sich darauf ferner noch eine Zinn-
kanne, eine Violine, ein liegendes Glas und
eine Pfeife, die alle mit äußerster Akkuratesse
gemalt sind. Nichts destoweniger macht das in
hellgraubraunen Tönen gehaltene Bild als Gan-
zes doch einen etwas äußerlihen Eindruck und
verrät den Dilettanten. Besonders fühlbar wer-
den diese Eigenschaften durch die Nahe des
Stallinterieurs von Terborch, das links daneben
1030 Monatshefte für Kunstwissenschaft
hängt. Zu diesem seltsamen Bild, in dessen halb so lange warten, bis ich sie selbst gesehen
Zuschreibung an Terborch der eine oder an-
dere vielleiht doch noch Zweifel oder Be-
denken setzen möchte, habe ich noch mitzuteilen,
daB sich noch ein zweites Stallinterieur von
ziemlich gleichen Abmessungen (45 x 53) nadh-
weisen läßt: der Pferdestall in der Sammlung
des Grafen Wachtmeister in Wanas in Schwe-
den. (O. Grauberg hatte es in seinem bekann-
ten Buch „Les Collections privees de la Suede“
auch noch als Werk eines Unbekannten unter
Nr. 36 beschrieben) Dies Gemälde ist im
Gegensinn im „Cabinet Poullain“ gestochen und
signiert. Das Delaroff’sche Bild ist aber auch
bezeichnet. Herr Dr. Erasmus hat das links,
ganz am Rande auf einem Holzklotz angebrachte
Monogramm aus G T B gefunden. Die Stil-
kritik hatte also in der Zuweisung des Ge-
mäldes an Terbor das Richtige getroffen. —
"Außerdem ist im Mauritshuis an einer Wand
in einem der oberen Kabinette neuerdings eine
Anzahl kleinerer Portràtbilder von Meistern
aus der „Verfallszeit* der holländischen Kunst
aufgehängt worden. Es ist die von der Fa-
milie Lingendonk im Haag der Galerie ver-
machte Kollektion von 16 Gemälden, die im
kurzen deutschen Katalog von 1907 schon mit
verzeichnet ist, deren Aufstellung aber erst
jetzt erfolgte. Sie besteht aus zwei voll be-
zeichneten Porträts von N. Maes, guten, dha-
rakteristischen Werken seiner späten Zeit, zwei
Bildnissen (männlich und weiblich) von C.Net-
scher, das weibliche bezeichnet und 1677 da-
tiert, zweien von G. Schalcken, zweien von
J. van Haensbergen (das eine signiert I. V. H.
f. 1690), zwei ovalen Porträts von Philip van
Dyk; einer Kopie nach Netscher; die übrigen
Bilder sind von unbekannten Meistern aus der-
-selben Periode.
Das Museum Boymans in Rotterdam
hat schon wieder zwei neue Schenkungen zu
verzeichnen, die seinem Direktor, Herrn F.
Schmidt-Degener, auf einer Reise nach Brüssel
und Paris für die von ihm verwaltete Galerie
gemacht wurden. Die eine von Herrn M. van
Gelder in Uccle-Brüssel: ein großes Stilleben
von Willem Kalf aus seiner Spätzeit; die an-
dere, ein Gemälde von den Brüdern Le Nain,
von Herrn Adolf Schloß in Paris. Beide Bilder
sollen Anfang November ausgestellt werden.
Mit einer genaueren Beschreibung will ich des-
habe.
Kurz zu erwähnen ist schlieBlih noch, daß
der schon lange fehlende Katalog der Gemälde-
sammlung im städtischen Museum „De Laken-
hal“ in Leiden, aus der Feder von Direktor Mr.
Dr. J. C. Overvoorde erschienen ist. Er ver-
zeichnet auf 92 Seiten Oktav 363 Gemälde und
Zeichnungen und gibt wie üblich knappe Be-
schreibungen, GròBenmaBe, Material und Her-
kunft der einzelnen Stücke an. In der illustrier-
ten Ausgabe (Preis 80 cts.) werden 26 Gemälde
abgebildet. Leider sind manche Netzdrucke
sehr unscharf, wie z. B. der von Nr. 307, Jan
Steen, Laban sucht die von Rahel gestohlenen
Gôtzenbilder. Den Umschlag des sauberen
Büchleins ziert eine Abbildung der „Lakenhal“.
Kurt Freise.
KLEINE NACHRICHTEN
München, Die Galerie Heinemann hat ihre dies-
jährigeWinterausstellung mit einer interessanten Kollektiv-
ausstellung des Münchener Landsmafters Ridhard Kaiser
mit nahezu 60 Werken audı älteren Datums eröffnet.
Mailand. Die vielbesprochenen Restaurierungsarbeiten
an Lionardos Abendmahl in Sta. Maria delle Grazie,
mit denen Prof. Luighi Cavenaghi seit einer Reihe
von Monaten beschäftigt war sind einstweilen zum Ab-
schluß gelangt. Die vom Ministerium bestellte Kommission
hat ihr Gutachten über die Restaurierung abgegeben, dem
Publikum ist das Werk wieder zugänglidı gemacht. Es
verlautet, daß das Fresco durch Cavenaghis Arbeit wesent-
lih gewonnen habe. Der Staub, der die spärlichen Farb-
reste bedeckte, ist verschwunden, desgleicien der Schimmel
der sich auf den von früheren Restauratoren angewandten
Klebestoffen angesetzt hatte. Auch diese letzteren wurden
so weit es möglich war beseitigt. Der mit äußerster
Behutsamkeit durchgeführte Reinigungsprozeß soll die
koloristische Erscheinung, audı bei Stellen die vorher ganz
vet oder versdileiert waren, wesentlich gehoben
aben.
Rom. Dem Andrea di Nino (Andrea Pisano) wurde
in seiner Vaterstadt Pontedera ein Denkmal erriditet.
Der Florentiner Bildhauer Eugenio Mancini ist der Schopfer
des schönen und würdigen Monuments.
Rom. Es verlautet, daß Corrado Ricci, der
Generaldirektor der italienischen Kunstaltertümer Schritte
getan hat, um einen Katalog aller antiken und mittel-
alterlidien Kunstdenkmiler in ganz Italien herstellen zu
lassen. Derselbe soll reich illustriert werden und so ge-
wissermaBen eine General-Inventarisation der Kunst-
denkmäler des ganzen Landes darstellen — ein Ziel, aufs
innigste zu wünsdıen!
London. Die beriihmte Bibliothek des Lord
Amsterhof Hackney, die ebenso reich an Manu-
skripten und Papyri wie an wertvollen Drucken ist, wird
teilweise im Dezember 1908, teilweise im März 1909 hier
zur Versteigerung gelangen.
AG
Max Deri, Das Rollwerk in der deut-
schen Ornamentik des XVI. und XVII. Jahr-
hunderts. Berlin. Schuster und Bufleb 1906.
Die Arbeit untersucht nicht im einzelnen, wie
sich das Renaissanceornament in den verschie-
denen deutschen Kunstkreisen entwickelt hat,
gibt keine erschöpfende Darstellung aller Arten
und Abarten, keine ausführlihe Chronologie.
Was der Verfasser bietet, ist eher eine Art
Physiologie und Psychologie des Rollwerks.
Das spätgotische Pflanzenornament um 1450
ist durchaus irrational. Ohne Mittelachse, ohne
irgendwie sichtbare Regelmäßigkeit, ohne Geo-
metrisierung der Teile, ohne eine andere Ge-
setzlimikeit des Baues als die des inneren or-
ganishen Wachstums sprechen die Formen un-
mittelbar zum Gefühl, wie sonst die der Natur.
Dieses Ornament durfte sich nicht ausleben.
Störend tritt ein neues Ideal dazwischen, das
Ideal der italienischen Renaissancedekoration.
Diese italienishe Renaissancedekoration ist
durchaus rational, sie hat tektonischen Charakter.
Sie betont die Achsen, sie hält sich streng an
die Forderungen der Symmetrie und des Gleich-
gewichts, sie gibt Gliederung, Schönheit der Ver-
haltnisse. Darnac wird das deutsche Ornament
rationalisiert. Seine irgendwohin — auch in die
. Tiefe, wo es sein kann — kontinuierlich flutende
Bewegung weidit der symmetrischen Kompo-
sition in der Fläche. ZusammenschluB um eine
Mitte oder eine mittlere Adıse, Gleichgewicht.
Beschränkung auf eine Raumschicht von mäßiger
Dicke (also Aufhören des unbegrenzten Aus-
schweifens in die Tiefe): alle diese Eigentüm-
lichkeiten dienen demselben Ziel: das Ornament
begreifbar zu machen. Es wird rationalisiert.
Und der Verfasser bringt diese neue Tendenz
in Zusammenhang mit dem Sieg des Humanis-
mus in Deutschland, nicht in dem rein äußerlichen
Sinne, daß die Humanisten und ihre Freunde
die Künstler zur Aufnahme der neuen Formen
allmählich bestimmt hätten, sondern in dem
tieferen, daß der humanistische Rationalismus,
die neue Bildung des Intellekts in breiteren
Kreisen Schule machte und so allmählich ein
Wohlgefallen an der italienischen Art heran-
erzogenhat. Sotritt an die Stelle der deutschen
Spätgotik auch im Ornament die Renaissance.
Ich muß hier eine Bemerkung einschalten.
Der Verfasser wendet sich auf Seite 21 ff. aus-
führlidi gegen Schmarsows Renaissancebegriff.
GRO) LITERATUR K
Es ist natürlich sein gutes Recht, „Renaissance“
nur den „rationalisierten“ Stil im italienischen
Sinne zu nennen. Aber seine Ausführungen
gegen Schmarsow treffen die Sache nicht. Wir
gehen davon aus, daß zwischen strenger Gotik
und „Spätgotik“ ein Gegensatz besteht, der sich
nur unter der Annahme eines völligen Wandels
der Empfindung begreifen läßt. Was Deri von
der spätgotischen Halle sagt (S. 22 Anm.) kann
nie und nimmer von einer Kathedrale des XIII.
Jahrhunderts gesagt werden. Andererseits be-
merken wir, daß eben der Wandel der Empfin-
dung, den wir in Deutschland beobachten, auch
in Italien der ausschlaggebende Faktor in der
Entwickelung zur „Renaissance“ ist: der Sieg
des Malerischen. Masaccio unterscheidet sich
ebenso von Giotto, wie Jan van Eyck von
irgend einem Gotiker des XIV. Jahrhunderts.
Masaccio und Jan van Eyck sind aber einig in
dem Bestreben, ein „Bild“ zu gestalten, die
Forderungen des Auges nicht länger den For-
derungen des Ausdrucks zu opfern. Und dabei
sind wiederum Masaccios Gekreuzigter zwischen
den Stiftern und das Arnolfinibild des Jan
varı Eyck genau so verschieden, wie eine Ba-
silika des Brunellesco und eine deutsche spät-
gotische Halle. Also, die Frage ist nicht: sind
deutsche und italienishe Kunst im XV. Jahr-
hundert einander so ähnlich, daß wir jene eben-
falls Renaissancekunst nennen dürfen? Sondern:
ist nicht die deutsche Spätgotik ebenso und im
gleichen Sinne verschieden von der Hodigotik,
wie es die italienische Renaissance von der
italienischen Gotik ist? Das behaupten wir;
denn wir finden in Italien dieselbe Wandlung
des Grundempfindens wie im Norden: die Mimik
räumt der Malerei das Feld. Bevor man über
vorurteilfreie Beobachtung Betrachtungen an-
stellt, muß man den Gegner in seinem eigenen
Lager aufsuchen. Ich bin überzeugt, wenn der
Verfasser sich einmal ernstlich mit dem Gegen-
satz zwischen Hochgotik und Spätgotik befaßt
hat, wird er seine Anschauungen ebenso er-
freulich modifizieren, wie er uns in der Bewer-
tung der Spätgotik an sich erfreulich nahe kommt.
Aber weiter. Der Humanismus in Deutsch-
land hatte kein langes Leben. An seine Stelle
tritt die Reformation, und damit siegt das volks-
tümliche Empfinden, das Gefühl überhaupt über
den Rationalismus. Denselben Sieg des rein
Gefühlsmäßigen über das Rationale beobachten
wir in der Entwickelung des Ornaments.
1032
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Freilih kann man nicht an das Ornament
der Spätgotik wieder anknüpfen. Die Ent-
wickelung geht vielmehr weiter, also vom ra-
tionalisierten Ornament aus.
Die Renaissancedekoration kannte neben-
einander den fest begrenzten Rahmen und den
eingeschnittenen und gerollten Rand. Jetzt ver-
schmolz man beides: man hielt die innere Be-
grenzungslinie im Rahmen fest, hob aber die
äußere auf, indem man in den Rahmen von
außen Einschnitte machte und einzelne Teile sich
einrollen ließ. So sprengte man ihn ab, machte
man ihn selbständig. Er wird zur Hauptsache,
zum körperlichen Gebilde. Und nun macht man
ihn irrational.
Zweierlei freilich bleibt ihm als Erbe der
Renaissance. Sein Stoff ist nicht naturalistisch,
kein organischer. Eher könnte man ihn tek-
tonisch nennen. Und zweitens: er hält die Sym-
metrie der Gesamtanlage fest. Aber im ein-
zelnen wird er frei. Er verläuft nach außen
willkürlich, er hat mit dem verflossenen gotischen
Ornament den „laufenden Aufmerksamkeitspunkt“
gemein. Die Dicke des Materials wird betont.
Im weiteren Verlauf geht man auf kompli-
ziertere Bildungen aus. Ein zweiter Rahmen
wird hinter den ersten gestellt, die Ränder des
vorderen werden durcilocht und ausgeschnitten
so daß der hintere ihn durchdringen, durch-
wachsen kann. Alle Teile werden höchst lebendig
bewegt.
Dieses so bereicherte Rollwerk nimmt nun
noch zum Zweck der Flächenfüllung die Elemente
der Groteske auf. Die Ranke, das Gerüst der
Groteske, wird dabei durch Rollwerkbildungen
ersetzt, alle sonstigen Bestandteile werden ihnen
eingegliedert.
Die Höhezeit dieser Ornamentik fällt etwa in
die Jahre 1560—1580. Dann flaut die Bewegung
ab. Flachere, dünnere, spielendere Formen,
eckige Brechungen treten an die Stelle des stark
gerollten oder energisch geschwungenen Orna-
ments. Damit wird die Aufnahme eines neuen
Elements, des Beschlagwerks, vorbereitet.
Ein zweiter Anstoß kam von der Maureske.
Die Maureske war unterdessen ebenfalls in den
Herrschaftsbereih des Rollwerks einbezogen
worden. Insbesondere lieB sich die Bandmaureske
sehr wohl mit Rollwerk- und Groteskenelementen
zu stark bewegten Flächenfüllungen verschmelzen.
In dem Grade, in dem jetzt das Bandwerk die
Vorherrschaft erlangte, nähert sih auch von
dieser Seite die Ornamentik dem Beschlagwerk.
Endlich wird der in den Niederlanden schon
seit geraumer Zeit ausgebildete Beschlag selber
übernommen. Das Bandwerk der Maureske geht
entweder in ihm auf oder wird zu Systemen
von dünn ansetzenden, dann breit anwachsenden
und endlidı spiralisch eingerollten „Keulen-
sciwiingen* weiter entwickelt.
So finden wir um die Wende des XVI. Jahr-
hunderts drei Formgruppen: DasRahmenrollwerk,
den Beschlag, die Keulenschwung-Flächenfüllung.
Bis dahin war das Material ideell gebildet.
Nun zeigt sich eine ausgesprochene Neigung,
das Material zu organisieren, plastisch lebendig
zu machen. So entsteht das Knorpelwerk in
den jenen drei Formgruppen entsprechenden
drei Hauptgattungen des Rahmenknorpelwerks,
des Beschlagknorpelwerks und der sogenannten
Schweifgroteske. Der Verfasser erklärt das
Knorpelwerk als Linien- und Flächensymbol
und führt die üblichen ungünstigen Urteile über
diese Art Ornament auf die Neigung zurück, in
den Knorpelbildungen Abbilder von Tatsächlicdı-
keiten zu sehen. Er findet demgegenüber im
Knorpelwerk ganz allgemein nur den Nieder-
schlag eines bestimmten Empfindens, das er audı
zu analysieren sucht (S. 83).
~ Hier, wie überhaupt dem Bestreben des Ver-
fassers gegenüber, die einzelnen Phasen der
Entwickelung seines Ornaments mit bestimmten
kulturgeschichtlici bedingten Zuständen der Er-
zeuger in Einklang zu bringen, wird man viel-
leicht bedenklich werden. GewiB ist das Red
zu solchen Betrachtungen nicht zu bestreiten.
Aber ganz sicher ist auch gerade hier energisch
vor raschen Kombinationen zu warnen: es wird
uns schwerlich jemals vollständig gelingen, die
Empfindung einer längst vergangenen Zeit in
uns wieder aufleben zu lassen.
Der Verfasser besitzt eine ungewöhnliche
Fähigkeit, den besonderen Charakter eines Orna-
ments nachzuempfinden. Und er analysiert glück-
lim und anschaulich. Es ist aufrichtig und leb-
haft zu wünschen, daB er seiner Physiologie des
Rollwerks eine Geschichte des Roliwerks folgen
lassen möchte. Rudolf Kautzsd.
9
Die Kirchenbauten der deutschen Jesu-
iten. Ein Beitrag zur Kultur- und Kunstge-
schichte des XVII. und XVIII. Jahrhunderts von
Joseph Braun S. J. Erster Teil: Die Kirchen
der ungeteilten rheinischen und der niederrhei-
nischen Ordensprovinz. Mit 13 Tafeln und 22
Abbildungen im Text. Freiburg 1908, Herdersche
Verlagshandlung. M. 4.80.
AnBrauns im vorigen Jahre erschienenen „Bel-
gische Jesuitenkirchen“ reiht sich heuer der erste
Literatur
1033
Teil einesInventars der entsprechenden deutschen
Bauten. Er umfaBt die Werke in der 1563 (von
der 1556 errichteten niederdeutschen Provinz)
abgetrennten rheinischen Provinz bis zum Jahre
1626, und aus späterer Zeit die Bauten der
1626 durch abermalige Gebietsteilung entstan-
denen niederrheinischen Provinz. Es sind die
Kirchen in Köln (S. Achatius) 1582, Münster
1591—97, Speier 1599—1600, Würzburg 1606—18,
Koblenz 1607—17, Molsheim 1614—17, Köln
(Maria Himmelfahrt) 1616—27, Aachen 1617—27,
Aschaffenburg 1619—21, Düsseldorf 1622—29,
Hildesheim 1655, Münstereifel 1659—70, Koesfeld
1673—94, Paderborn 1681—97, Osnabrück 1682
bis 85, Bonn 1686—94, Siegen 1702—23, Meppen
1743—45, Hadamar 1753—55, Jülih 1752—72
und Büren 1754—70.
Die Arbeit ist gründlich und zuverlässig. Sie
bringt zunächst die aktenmäBige Baugeschichte
(mit Veröffentlichung zahlreicher alter Risse) und
Beschreibung der einzelnen Kirchen, wobei zahl-
reiche wertvolle Funde zutage gefördert werden.
So, um nur auf das Wichtigste hinzuweisen,
die Namen der Architekten der Münsterer, Kölner
und Bonner Kirche, Johann Rosskott, Christoph
Wamser und Jakob de Candrea. Weitere Ein-
zelheiten, wie die interessanten Pläne zur Kölner
Marienkirche, müssen hier übergangen werden.
Nur der mit Rücksicht auf die stilistische Ver-
schiedenheit des Schlosses und der Kirche er-
folgten Ablehnung Georg Ridingers als des
Meisters der Aschaffenburger Dreifaltigkeits-
kirche möchte Referent seine an anderer Stelle
(Beil. z. Allg. Zeitg. 29. September 1906) ver-
tretene Ansicht entgegenhalten, daB Ridingers
Stilgefühl nicht stark und einheitlich genug ent-
wickelt war, um diese Ablehnung unbedingt
notwendig erscheinen zu lassen.
Nicht minder wertvoll als die Beibringung
des historishen und beschreibenden Materials
in den Abschnitten über die einzelnen Kirchen
sind die zusammenfassenden Einleitungs- und
Schlußkapitel. Hier wird, etwas spät — in den
Kunstgeschiditen ist es scion vor Jahrzehnten
geschehen —, doch mit einer bisher nicht er-
reichten Vollständigkeit des Materiales mit dem
Begriffe des , Jesuitenstiles“ aufgeräumt. „Für Er-
teilung oder Verweigerung der Approbation war
lediglih die Zweckmäßigkeit des Planes maß-
gebend; vom Stil ist nie und nirgends die Rede;
insbesondere wird niemals empfohlen, die Kir-
chen im Barock zu errichten. Die Stilfrage über-
lieB der General ganz und gar den Petenten,
denen es unbenommen blieb, sich für den Stil
zu entscheiden, welchen sie... . für den passend-
sten erachteten.“ In der Tat zeigen von den
im vorliegenden Buche behandelten Kirchen
zwei Drittel noch gotische Architektur, und zwar
bis in den Anfang des XVIII. Jahrhunderts hinein.
Aus dem Beginne des XVII. Jahrhunders besitzt
der rheinishe Kreis nur zwei Barockkirchen,
Aschaffenburg und Düsseldorf, und erst um die
Mitte des XVIII. Jahrhunderts ist hier mit der
Gotik völlig gebrochen. Nicht die Zusammen-
stellung der Jesuitenkirchen bildet die Grund-
lage zur analytischen Konstruktion eines archi-
tektonischen Systems in der Art jenes der Hirsauer
und Zisterzienser, sondern die Vereinigung der
einschiffigen Kirchen mitSeitenkapellen,
diedem Typus von Vignolas Gesü folgen.
Dies aber ist, wie nachgewiesen, weder bei
allen Jesuitenkirchen, noch ist es ausschließlich
bei Jesuitenkirchen der Fall.
Neben dem Hauptthema werden in Exkursen
wichtige Einzelfragen, wie die Entwicklung der
rheinishen Knorpelornamentik, behandelt. Den
Fortsetzungen des gut illustrierten Buches, in
denen der Verfasser zu vielerörterten lokal-
kunstgeschichtlichen Problemen Stellung nehmen
muß, darf man mit Erwartung entgegensehen.
Julius Baum.
2
Karl Voll, Vergleichende Gemäldestudien.
Zweite Auflage. München und Leipzig. Georg
Miller 1908.
Heinrich Wölfflin, Die Kunst Albrecht
Diirers. Zweite vermehrte Auflage. Mün-
chen. F. Bruckmann, A.-G., 1908.
Der wissenschaftlihe und inhaltlihe Wert
der beiden Bücher ist bei ihrem ersten Er-
scheinen so ausgiebig und eingehend gewürdigt
worden, daB er heute schon sozusagen außer
Diskussion steht. Darum dürfen wir uns bei
Gelegenheit der zweiten Auflage darauf be-
schränken, die Frage nach dem methodologischen
Wert der beiden Publikationen aufzuwerfen.
Zu einem Vergleich in dieser Hinsicht reizt ins-
besondere die Tatsache, daß beide kunsthistorisch
so bedeutsamen Erscheinungen ausgesprochene
Dokumente zweier Schulrichtungen sind, die im
heutigen kunsthistorishen Leben Deutschlands
eine groBe Rolle spielen.
Das Vollshe Buch hat bewußt pädagogische
Absicht und darf als ausgesprochener an Schul-
beispielen erläuterter Traktat von der Methode
gelten. Es hat den löblihen Zweck, dem un-
siher gewordenen Laien feste gebrauchsfähige
Handhaben zu geben, die ihm eine zuverlässige
Orientierung im Reiche des Kunstgeschaffenen
ermöglichen. Voll ist ein temperamentvoller
Philologe, der mit warmer Sinnlichkeit an der
1034
Wirklichkeit hängt und auch der Kunst ohne
jede metaphysische Voreingenommenheit als
Realist entgegentritt. Ihn quälen keine ästhe-
tischen Skrupel noch Zweifel, und die letzte
Berufungsinstanz seiner Urteile ist sein in guter
praktischer Schulung erzogenes künstlerisches
Gefühl. Dieses Gefühl läßt sich bei ihm nicht
mit ästhetischen Prinzipien kontrollieren und
rechtfertigen, es sitzt ihm vielmehr als lebendiger
Instinkt in den Fingerspitzen und deckt sich mit
seinem unbeirrbaren Gefühl für das Menschlich-
Echte, Gesunde, Gediegene, in ehrlicher Arbeit
Geschaffene. Der intime Umgang mit dem Ma-
terial, den er als langjähriger Konservator der
alten Pinakothek pflegte, hat natirli diese
resolute Tendenz seiner Natur sehr bestärkt.
So wurde ihm die Eigenhändigkeit zum höchsten
Kriterium für die künstlerische Güte eines Werkes
und Sonderung von Kopie und Original zum
eigentlichen Ziel seiner Forschertätigkeit. Und
aus dieser Praxis heraus erwuchs ihm auch seine
Methode, die ihn zum überaus zuverlässigen
Kunstkenner und Sachverständigen und zum
‚gegebenen Berater und Anleiter unseres kunst-
historischen, für den Museumsdienst bestimmten
Nachwuchses machte. Er versteht es wie kein
anderer, mit der Materie sachlich vertraut zu
machen, und darin besteht auch der unbestrittene
Erfolg seiner Lehrtätigkeit.
Doch die Gemäldestudien wenden sich an
weitere Kreise; sie wollen nicht nur den Kunst-
historiker und künftigen Museumsbeamten,
sondern auch das künstlerisch interessierte
Puklikum erziehen, wollen den unsicher gewor-
denen Laien wieder in ein unmittelbares Ver-
hältnis zur Kunst bringen, ihm eine feste Unter-
lage für sein irrlichterierendes Urteil geben. Ich
kann meine Zweifel nicht unterdrücken, ob Voll
zu diesem Zwecke den richtigen Weg gewählt,
ob seine Mittel diesem Zweck entsprechen. Mir
scheint vielmehr, daß seinen kunstpädagogischen
Absichten der Irrtum zugrunde liegt, daß Kunst-
kennerschaft mit Kunstverständnis identisch sei.
Es gibt künstlerische Werte, die von der Frage
nach der Eigenhändigkeit gar nicht berührt
werden, die an jeder Kopie demonstriert werden
können und auf die es meines Erachtens für die
erste Kunsterziehung gerade ankommt. Es liegt
hier eine Überschätzung des Persönlichen vor,
für die wir die historisch-philologische Abkunft
unserer Disziplin verantwortlich machen müssen.
Damit daß der Laie befähigt wird, die Minder-
wertigkeit des unter dem Namen Leonardo
gehenden Medusenkopfes der Uffizien zu kon-
statieren, ist für seine Kunstkennerschaft einiges,
für sein Kunstverständnis wenig getan. Und ich
meine, wir sollen den Laien mehr zum Kunst-
Monatshefte für Kunstwissenschaft
verständnis erziehen als zur Kunstkenner-
schaft, ihn mehr für die Kunst als für die
. Bilder vorbereiten. Die Schulung nach Vollscher
Methode sollte als unentbehrliches Schlußglied
am Ende der Laienerziehung, nicht an ihrem
Anfang stehen. Sie ist im kunsthistorisdien
Seminar sehr am Platz, nicht aber in Gymnasien
und Mittelschulen, wie Voll will. Hier muß es
weniger darauf ankommen, den Laien gleich
mit den Intima des Materials vertraut zu machen,
als vielmehr sein noch unentwickeltes Kunst-
gefühl nach elementar- ästhetishen Prinzipien
zu kultivieren, es an Paradigmen für die Praxis
vorzubereiten, ihm sozusagen grammatikalische
Grundlagen zu geben. Voll nennt das in seiner
übertriebenen und etwas unzeitgemäßen Angst
vor Theorien und Abstraktionen Steine statt
Brot geben. Aber er wird mich nidıt über-
zeugen, daß die praktische Berlitzmethode für
ernsthafte Kunsterziehung am Platz ist. Das
sind prinzipielle Aussetzungen, die nicht das
überaus brauchbare und gründliche Buch treffen,
das dem Fachmann reihe Gewinnmöglidhkeit
garantiert, sondern einzig seine Bestimmung als
Laienbibel. |
Das Problem der Laienerziehung nach ele-
mentar-ästhetischen Grundsätzen ist theoretisch
noch nicht gelöst, und bei der Verwirrung, die
in unserer wissenschaftlihen Ästhetik herrscht,
ist vorläufig nicht viel Aussicht vorhanden, dab
diese Disziplin sich mit der kunsthistorischen
Praxis verbrüdern wird. Dagegen scheint mir,
daß praktisch der Lösung des Problems die
Wege gewiesen sind durch Wölfflins glänzende
Leistungen. Womit nicht gesagt werden soll,
daß ein Werk wie das Dürerbuc eine leidite
Lektüre für Laien und junge Kunstschwärmer
sei. Aber der Genuß wahrer Kunst setzt nun
einmal einen reifen Menschen voraus und ver-
langt von ihm innige Hingabe und eine große
ernste Arbeitsleistung des Geistes und der Seele.
Wenn also hier von Laien geredet wird, ist
immer nur an den innerlich berufenen Laien
gedacht, Nur an ihn wendet sich die Wölfflin-
sche Pädagogik. Und mit dieser Einschränkung
sollte meines Erachtens jedes kunsterzieherische
Bestreben rechnen. Denn gerade die äußerliche
unwahre „Bildung“, die sih auswahllos aud
der Kunst bemäcdhtigt hat, steht einer eigent-
lichen künstlerischen Kultur am meisten im Wege.
Der große erzieherishe Wert der Wölfflin-
schen Art liegt in dem Umstand, daß hinter
jedem Satz seiner Arbeiten eine klare fest-
konstituierte ästhetische Weltanschauung steht.
Nur das gibt dem Laien jenes Sicherheitsgefihl
wieder, das ihm im Durcheinander der künstle-
rischen Afterkultur, an der unsere Zeit leidet,
Literatur
verloren gegangen ist, Ohne in die wirren
Probleme theoretischer Asthetik verstrickt zu
werden, muB er das Gefühl haben, daß jede
Anschauung, jede Wertung, die ihm vermittelt
wird, fest verankert sei in einer klaren und or-
ganischen ästhetischen Bildung. Nur auf diesen
Umstand darf sich die autoritative Überlegen-
heit des Kunstpädagogen stützen, nur sie recht-
fertigt die Hingabe und das Vertrauen des
Lernenden. Denn ohne diesen soliden Hinter-
grund läuft jede Argumentation Gefahr, zur
Sophistik zu werden.
Wolfflins Methode ist nicht direkt aus un-
mittelbarem praktischen Umgang mit dem Ma-
terial erwachsen, sondern mehr aus ästhetischen
Gewissenskämpfen, aus den Forderungen seiner
reinlichkeitsbediirftigen Natur, sich strenge
Rechenschaft zu geben über sein künstlerisches
Erleben, aus dem Drange, das Instinktartige
seines Geschmacsurteils zu bewußter Einsicht
emporzuläutern. Daß es dabei an strenger Er-
ziehung am Stoff nicht gefehlt hat, das beweist
gerade sein Dürerbuch. Hier hat er sih dem
großen unübersehbaren Stoff — ohne sich selbst
je zu verlieren — in einer Weise hingegeben,
die als das schönste Resultat seiner strengen
Selbsterziehung erscheint. In dieser Beziehung
stellt das Dürerbuch auch einen Fortschritt dar
über die bei aller GroBartigkeit theoretisch noch
etwas befangene Interpretation der klassischen
Kunst.
Voll und Wölfflin erscheinen als Gegensätze.
Neben Voll, dem modernen Realisten mit in-
duktiver Methode, wirkt Wölfflin wie ein nach-
geborener Humanist. Aber diese Polarität liegt
nur in den Ausgangspunkten. Die große zentri-
petale Gesinnung, die beide treibt, macht es
wahrscheinlich, daB sie sich im Laufe ihrer
inneren Entwicklung ooch einmal begegnen
werden. Das Gegensatz-Verhältnis wird sich
immer mehr zu einem Ergänzungsverhältnis
umgestalten, und die deutsche Kunstgeschichte
wird den größten Gewinn davon haben.
Wilhelm Worringer.
8
Sir Walter Armstrong. Joshua Reynolds.
Aus dem Englischen übertragen von E. von
Kraatz. Mit 52 ganzseit. Illustrationen. München.
Vereinigte Kunstanstalten (1908).
Die Übersetzung von E. von Kraatz bringt
unserer Kunstliteratur eine sehr erwünschte Be-
reicherung, indem sie das ausgezeichnete Buch
Armstrongs der Gesamtheit der deutschen Leser,
die sich leider mit dem Original nicht alle ab-
drucks ist.
1035
finden können, zugänglich macht. Die großen
Vorzüge dieser und der anderen großen Mono-
graphie Armstrongs über Gainsborough beruhen
in der Überlegenheit, mit der der Stoff gemeistert
und gruppiert ist und in der lebendigen Frische
der Darstellung. Bei einer solchen Fülle der
künstlerishen Dokumente, wie sie namentlich
bei Reynolds zur Verfügung stehen, bei der
Popularität seiner Hauptwerke und dem Ver-
ständnis, das wir ihnen eben jetzt wieder
entgegenbringen, kann es sich nicht darum
handeln, sich in stilkritishe Betrachtungen zu
verlieren, wie sie gegenüber einer älteren histo-
rishen Kunst am Platze wären. Vielmehr
erwarten wir hier ein farbenreiches Bild des
Meisters inmitten seiner Umgebung zu sehen.
Und dieses versteht Armstrong — darin selbst
ein trefflicher Porträtist — zu geben. Besonders
sympathisch sind uns dabei zwei britische Tugen-
den: die Aufrichtigkeit des Urteils, die sich von
aller Verhimmelung des Helden fern hält und
ein trockner männlicher Humor. Reynolds wird,
wie es nahe liegt, auch in diesem Buche, häufig
in Parallele zu Gainsborough gesetzt, obwohl
er kaum dabei gewinnen kann. Armstrong gibt
es gelassen zu, daß er der Verstandesmensch,
der schwer ergründliche vorsichtige Egoist, der
Musterknabe unter den großen Meistern ge-
wesen sei, für die Akademie der geborene
Präsident und doch dem Schüler ein schlechter
Lehrer. —
Die Übersetzung liest sich gut, wenn gleich
sie nicht ganz frei von Flüchtigkeiten des Aus-
G. Pauli.
Q
Georg Fuchs, Deutsche Form. Betrach-
tungen zur Deutschen Jahrhundert- Ausstellung.
München, Georg Müller.
Unter dem sehr anspruchsvollen Titel „Deutsche
Form“ gibt Georg Fuchs einen Rückblick über
die Deutsche Jahrhundert- Ausstellung und die
Münchner Retrospektive von 1906. Die Definition
dessen, was er unter „deutscher Form“ versteht,
bleibt er schuldig. Ein gelegentliches Erwähnen
„romanischer Dome, der Gotik, Grünewald, Hol-
bein und Dürer, des deutschen Barock, des
deutschen Rokoko, des deutschen Empire“ tuts
nicht, ebenso wenig wie das fortwährende An-
führen dieser Worte in gesperrten Lettern.
Zwei Möglichkeiten ergeben sich für den
Schilderer einer Epoche: er kann eine Stil- oder
eine Künstlergeschichte schreiben, die Gesetze
untersuchen, die für Werden und Art einer be-
stimmten Periode gelten, oder sich an die
1036
Schaffenden halten, die einer zeitlich begrenzten
Periode durch ihre Werte einen bestimmten
Stempel aufgedriickt haben. Fuchs ist keinen
dieser Wege konsequent gegangen; in seinem
sehr schlecht aufgebauten Buche stellt er bald
das eine, bald das andere Prinzip in den Vorder-
grund und sagt Trivialitäten, indem er sich den
Anschein gibt, neue Wahrheiten zu künden. Mit
bescheidenem Stolze erwähnt er, er sei kein
gelehrter Mann. Es bedurfte wahrlich dieser
Versicherung nicht, der Leser kommt sehr bald
hinter das Geheimnis! Und was soll man zu
einem Buche über „Deutsche Form“ sagen, das
ausklingt in eine Verherrlichung „des verbannten
Carl Peters..... des imposantesten Taten-
menschen, der aus der jüngeren Generation
unserer Rasse bis heute hervorging“?
Das merkwürdigste ist, daB sich zwischen
bombastischen Einleitungs- und Schlußkapiteln
ein brauchbares Mittelstück befindet, in dem
der Verfasser den Vergessenen nachgeht, deren
Werke die Münchner Retrospektive gezeigt hat.
Rosa Schapire.
Franz Xaver Kraus. Geschichte der christ-
lichen Kunst. Zweiter Band, zweite Abteilung,
zweite Hälfte. Fortgesetzt und herausgegeben
von Joseph Sauer. Freiburg i. Br. Herder. 1908.
Mit der Geschichte der christlichen Kunst
während der italienischen Hochrenaissance ist
das Werk nun vollendet. An diesem SchluB-
bande, der fast 600 Seiten umfaßt, hat Kraus
nur noch in den Anfängen gearbeitet. Die Ka-
pitel über Fra Bartolommeo und Leonardo sind
zum großen, die über die Sixtinadecke und über
Raffael zum geringeren Teile sein Werk. Ihre
Überarbeitung und der Abschluß des gedanken-
reichen Buches lag in den Händen des Freibur-
ger Universitätsprofessors Joseph Sauer.
Man wird den besonderen Vorzug digses
Werkes nicht in den künstlerishen Würdigun-
gen suchen. Andere große und schwierige Auf-
gaben harrten der Bewältigung, nämlich eine
zusammenfassende Darstellung der geschicht-
lichen Grundlagen und vor allem ein Eingehen
auf die schwierigen das Inhaltliche der Schòp-
fungen betreffenden Probleme, soweit sie in
den Rahmen der christlichen Kunst fallen. Es
kann kein Zweifel sein, daB nicht der Vertreter
der Kunstwissenschaft, sondern in erster Linie
der Theologe und Historiker zur Lösung dieser
Aufgaben berufen ist. Nicht minder wird man
Monatshefte für Kunstwissenschaft
in Abrede stellen können, daB unter den weni-
gen in Betracht Kommenden keiner hierfür ge-
eigneter war, als der nicht nur auf seinen Spe-
zialgebieten, sondern auch auf den weiten Fel-
dern der Literatur und Kunst gleichmäßig be-
wanderte feinsinnige Humanist, dem sein Schüler
erfolgreich nachstrebt.
Keine geringe Leistung ist schon die Ver-
arbeitung und Kritik der riesigen Literatur, die
in einzelnen Fällen, wie bei der Erklärung der
Camera della Segnatura eine sehr entschiedene
Stellungnahme der Verfasser herausforderte.
Der Hauptwert des Buches beruht indes nicht
auf der Kritik der bisherigen Forschungen, son-
dern auf der überwältigenden Fülle neuer Er-
klärungen, die eben nur den griindlichsten
Kennern des religiösen Geistes, insbesondere
der ihn dokumentierenden theologischen und
philosophischen Schriften der Renaissance mög-
lih waren. Es sind einerseits Beiträge zur
Ikonographie, wie die Bemerkungen über die
Darstellungen der Sibyllen (S. 355) und Pla-
neten (S. 466), anderseits und besonders aber
ausführliche inhaltlihe Deutungen der Haupt-
werke der Zeit. So wird, um einige beliebige
Beispiele herauszugreifen (S. 343), in der unte-
ren Reihe der Sixtinafresken der vollkommene
historisch-typologische Zusammenhang der Sze-
nen des Alten und Neuen Testamentes festge-
stellt, zur Erklärung der Disputa und Schule
von Athen (S. 386-418) eine Menge neuen
Materiales beigebracht, nicht minder zu vielen
übrigen der Stanzenbilder (Borgobrand, S. 444),
endlich (S. 447—456) eine enge typologische Be-
ziehung zwischen dem Petrus- und Pauluszyklus
der Teppiche Raffaels nachgewiesen. In gleicher
Weise erfahren die Werke der anderen Großen,
zumal Michelangelos, tiefgründige Erklärungen,
die durch ausreichende Abbildungen unterstützt
werden.
Die moderne Kunstwissenschaft muB für eine
so umsichtige Bestellung dieses Feldes, das sie
in anbetracht der Unzulänglichkeit ihrer Mittel
und der Wichtigkeit speziellerer Aufgaben mehr
und mehr brach liegen lassen muß, dankbar
sein. Der Leser wird, wenn er auch manches
aus dem Standpunkte der Verfasser sidı er-
gebende Urteil über nicht spezifisch religiöse
Künstler (wie Correggio und Giulio Romano)
sich nicht zu eigen macht, aus dem Buche doch
reiche Belehrung und Anregung schöpfen.
Julius Baum.
Literatur 1037
Marc Rosenberg, Geschichte der Gold-
sdimiedekunst auf technischer Grund-
lage. Abteilung: Niello. Druck und Kom-
missionsverlag der L. C. Wittich’schen Hofbuch-
druckerei. Darmstadt. 1907. Fol. 36 S.
Auf dem bisher noch so sehr vernachléssig-
ten Gebiete der wissenschaftlicien Erforschung
des alten Kunstgewerbes und seiner Geschichte
wird stets, soweit die eindringlihe Denkmäler-
kunde in Betracht kommt, die Goldschmiedekunst
ganz besondere Schwierigkeiten bieten, da sich
hier zu der weiten Zerstreutheit des Materials
noch die Schwerzugänglichkeit desselben insbe-
sondere für alle auf die Technik gerichteten
Fragen und Untersuchungen gesellt. Um so
höher müssen wir es Marc Rosenberg anrech-
nen, daB er unbeirrt durch alle sich ihm ent-
gegentürmenden Schwierigkeiten mit zäher Aus-
dauer sein hohes Ziel verfolgt, die Forschung
über Goldschmiedekunst immer fester, immer
zuverlässiger zu fundieren und nac allen
Richtungen auszubauen. In der mir zur Be-
sprechung vorliegenden neuesten seiner Ver-
offentlimungen, der hoffentlic: weitere Abtei-
lungen bald folgen werden. packt er nun den
Stier bei den Hörnern, indem er mit allen
Mitteln seines reichen Wissens der Technik zu-
nächst des Niello zu Leive geht, auf ihr die
Geschichte des Kunstzweiges aufzubauen sucht.
Neuland freilich hat Rosenberg damit keines-
wegs betreten. Gerade das Interesse an den
Niellen d. h. den mit einer wesentlich aus
Schwefelsilber — „Plachmal“ nannte es die alte
Scheidekunst und Alchemie — bestehenden
Masse ausgeriebenen Gravierungen auf Edel-
metallgeräten und den Abdriicken von solchen
Gravierungen vor dem Einreiben der schwarzen
Masse ist infolge der Annahme, daB die Kupfer-
stecherkunst eben aus diesen Fertigkeiten und
Geflogenheiten des Goldschmieds ihren Ursprung
genommen habe, schon in der Frühzeit der
Kunstgeschichte lebendig gewesen, hat bereits
vor mehr als hundert Jahren zahlreiche gelehrte
Federn in Bewegung gesetzt. Allein bereits
Fiorillo klagt auch über die „Unbekanntschaft
der Schriftsteller mit den technischen Ausdrücken“,
die alle Kunstsachen mit einander verwechsle,
„woraus so viele Widersprüche und ungereimte
Dinge in die Kunstgeschichte geflossen sind“,
und man kann leider nicht sagen, daB in puncto
des Niello die folgenden Generationen von Kunst-
historikern sih von dem Fehler der Ungründ-
lichkeit und Unklarheit frei gehalten hätten. So
hatte sich, den ganzen Weg iberwuchernd, ein
dichtes Dornengestrüpp angesetzt, das heute
vielleicht nur unserem besten Kenner, eben dem
Verfasser der vorliegenden Schrift, mit scharfen
Blike zu durchdringen, mit starker Hand aus-
zuroden môüglid war. Notwendig mußte unter
diesen Umständen der darstellende Charakter
des Buches fast in allen Teilen hinter Form und
Art der Untersuchung, die die Lektüre zu keiner
leichten machen, zurücktreten; und wenn trotz
aller Trefflichkeit der Beweisführung, trotz aller
Gründlichkeit und Vorsicht in der Widerlegung
bis dahin gültiger Meinungen gleichwohl hier
und da Bedenken und Zweifel bestehen bleiben,
so liegt das durchaus in der Natur des schwie-
rigen und an Problemen reichen Stoffes.
Daß schon den alten Ägyptern die Niello-
technik bekannt war, wissen wir aus Plinius
Hist. nat. XXX, 46, aber erst im Jahre 1900 hat sich
zweifelloses Niello, „vielleicht aber eher Shwe-
felkupfer als Schwefelsilber“, an der Axt und
dem Dolche des Königs Ahmose von der XVIII.
Dynastie nachweisen lassen (v. Bissing, „Ein
Thebanischer Grabfund“). Rosenberg fügt diesen
Werken noch die beiden Falken- oder wohl
richtiger Sperberköpfe hinzu, die er bereits in
seiner Schrift „Ägyptische Einlage in Gold und
Silber“ (Frankfurt, Keller) S. 11 abgebildet und
besprochen hatte. Damals hatte er die dunklen
metallischen Einlagen in das Gold dieser Sper-
berköpfe noch als Stahl ansprechen zu müssen
geglaubt. Heute kann er sie mit Wahrschein-
lichkeit („anscheinend“) als Niello bezeichnen.
Nur ist das Niello dieser frühen Denkmäler
nicht von dem dünnen Auftrag etwa des Hildes-
heimer Silberfundes oder mittelalterlich-abend-
ländischer Werke, sondern eine massigere Einlage,
wie sie sich bis tief in die byzantinische Zeit hin-
ein verfolgen läßt. Aus dieser wird namentlich
eine bronzene Staurotheke, „vielleicht 11. Jahr-
hundert“, eingehender gewürdigt und in einem
vortrefflihen Farbendruck wiedergegeben. Die
römische Kunst nimmt insofern eine Art
Zwischenstellung zwischen der altägyptischen
Technik und der neuen Art mit dem dünnen
Auftrag ein, als sich in ihrem Kreise Arbeiten
beider Richtungen finden. Für jene ältere Art
ist der bekannte, 1893 in der Nähe von Brescia
gefundene Goldring, den Rosenberg in sehr
dankenswerter Weise wiederum in einem Far-
bendruck und in dreifacher Vergrößerung ab-
bildet, für die neuere u. a. das Ortband eines
Schwertes aus dem in Köln aufgedeckten Grabe
eines römischen Auxiliars (Fig. 3, 4 und 5 bei
Rosenberg) besonders charakteristisch und lehr-
reich. Bei der Besprechung mehrerer weiterer
Werke beider Richtungen, bei der der Ver-
fasser verschiedentlich wiederum durch vorzüg-
tihe Abbildungen unterstützt wird, merkt er
als eines der Resultate seiner Untersuchungen
1038
u. a. an, daB der Nielloauftrag bei den byzan-
tinischen Silberarbeiten (im Gegensatz zu Gold
und Bronze, für die wir den starken und brei-
ten Auftrag des Niello kennen gelernt haben)
immer sehr dünn ist. Bei der Frage der Da-
tierung des Kreuzes des Erzpriesters im Dom-
schatz zu Monza (Fig. 11—13. bei Rosenberg)
wäre vielleicht ein Eingehen auf die von O. v.
Falke (Falke und Frauberger, Schmelzarbeiten S.3.)
angeführten verwandten Werke am Platze ge-
wesen. Eine genauere zeitlihe Fixierung als
die nach Didron, Annales archéologiques XXVI.
137 durch das Vorkommen des Kolobion ge-
gebene, nämlich 7.—9. Jahrhundert, scheint mir
auch durch Rosenbergs Ausführungen (S. 8f.)
nicht erreicht.
Die Blütezeit des deutschen Niello ist das
12. Jahrhundet, die Zeit der Tragaltäre, die
Zeit des Theophilus, des Verfassers der Sche-
dula diversarum artium, den Albert Ilg mit dem
Verfertiger des berühmten Tragaltars im Dom-
schatze zu Paderborn, Rogkerus, einem Mönch
des Klosters Helmershausen, identifizieren wollte.
Den eigentlichen und von ihm versprochenen
Beweis für seine Behauptung ist Ilg uns schul-
dig geblieben, und Rosenberg weist in eingeh-
ender und scharfsinniger Untersuchung nach,
daB die Gründe, die bisher für die Identifizie-
rung ins Feld geführt worden sind, auf Stich-
haltigkeit keinen Ansprudı machen können.
Immerhin bleibt m. E. die Möglichkeit der Iden-
tizität bestellen und hätte bei Aufrollung der
ganzen Frage auch auf das Verhältnis namentlich
des Tragaltars für das Benediktinerstift Abding-
hof (vgl. Falke-Frauberger a. a. O. S. 14ff.)
einerseits zu Rogkerus, andererseits zu Theo-
philus, der die daran vorkommende seltene Tech-
nik der ausgeschnittenen Arbeit im 71. Kapitel
seiner „Schedula“ erläutert, eingegangen wer-
den müssen. Doch hat der Verfasser die Be-
handlung dieses Punktes möglicherweise einer
anderen Abteilung seiner „Geschichte der Gold-
scimiedekunst auf technischer Grundlage“ vor-
behalten
An die Untersuchung über den Paderborner
Tragaltar (Fig. 16—18) schließt sich die Be-
sprechung des Reliquienkästchens in St. Victor
(Fig. 19), sowie des Kreuzes von St. Trudpert
(Fig. 20—25), dem Rosenberg schon vor Jahren
eine meisterhafte Monographie gewidmet hat,
und der Schale aus der Sammlung Basilewsky
in der Eremitage zu St. Petersbnrg (Fig. 26),
zu deren hauptsächlichster figürlicher Darstel-
lung eine weitgehende ikonographische Ent-
sprechung am durchbrocienen FuB des Alpais-
Ciboriums im Louvre (Fig. 27) nachgewiesen
wird.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Für den Orient ist in dieser Zeit das Niello
literarish bezeugt. Abgebildet finden wir bei
Rosenberg in natürlicher Größe und in Ver-
grôBerung ein auf der Insel Gotland gefundenes,
jetzt im Museum zu Stockholm aufbewahrtes
Armband, auf dessen Bronzekern nielliertes
Silber, in das Goldteile eingebettet sind, dick
aufgelegt ist. Es soll jener islamitischen Ge-
schmaks- und Einflußsphäre angehören, die
Sich nach Montelius aus Arabien über Rußland
nach dem skandinavischen Norden erstreckte.
Mir scheint jedoch ein zwingender Grund, eben
dieses Stück jener Sphäre zuzuteilen, aus Dekor
und Technik desselben kaum abgeleitet werden
zu können. Die Kenntnis des Niellierens mag ja
aus Rußland, das, wie Rosenberg feststellt, be-
reits im 12. Jahrhundert bedeutende Leistungen
in dieser Kunst zu verzeichnen hatte, nadı Got-
land gelangt sind.
Rußland ist auch aller Wahrscheinlichkeit
nach mit jenem ,Ruscia* in der Vorrede des
Theophilus gemeint, das er unter Hinweis auf
die dortige Kunst des Niellierens, mit Griechen-
land d. h. dem griechischen Orient und Arabien
den drei großen westlichen Kunstländern, Italien,
Frankreich und Deutschland gegenüberstellt, das
aber lig in seiner Ausgabe der „Schedula“ in
„Tuscia“ geändert hat und das man seither mit
ihm als Toscana hat verstehen wollen. Dieser
Nachweis, aufgebaut wesentlich auf jener Fest-
stellung und der Tatsache, daß _ italienische
Niellen erst etwa aus dem 14. Jahrhundert be-
kannt sind, bildet einen der Glanzpunkte der
ganzen Abhandlung Rosenbergs. Das Ergeb-
nis: Ruscia = Rußland darf als gesichert betradi-
tet werden.
Eingeschoben in diese Untersuchung ist die
Erörterung der Frage nach dem Ursprung des
Kupferstichs und nach den italienischen Niellen
und Abdrücken von zur Niellierung bestimmten
Platten aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Audi
hier geht der Verfasser unbeirrt um alles, was
bisher darüber zusammengeschrieben worden
ist, überall auf die Quellen zurück, die er auf
ihre Lauterkeit prüft und neben denen er nur
die Denkmäler selbst reden läßt. Er kommt zu
der Überzeugung, daß nicht „Abdrücke von
Silberplatten, die unmittelbar nach ihrer Gravie-
rung abgedruckt und dann nielliert worden
sind,“ zur Erfindung des Kupferstichs geführt
haben, sondern daB dieser unmittelbar „aus der
Erfindung eines Handwerkszeuges hervorge-
gangen ist, das die Goldschmiede nicht voll
ausnutzen konnten“, nämlidı des Stichels zur
Herstellung von Gravierungen, die bei den
Goldschmieden die Meißelarbeit mit ihren brei-
teren Linien rasch in den Hintergrund drängten.
Literatur : 1039
Mag nun aber auc diese Reihenfolge der Er-
scheinungen, diese Art der Herkunft des Kupfer-
stichs mehr den Tatsachen entsprechen als der
bisher angenommene Gang der Dinge, so wird
doch die Annahme, daB die Goldschmiede sich
von ihren Gravierungen Abdriicke zurückzube-
halten pflegten, die dann wohl in der Regel
von einem Schwefelabdruck oder von einem
Abdruck aus feinem gebrannten Ton als Me-
dium genommen wurden, weil sie ja sonst die
Darstellung oder das Ornament samt etwaiger
Schrift im Gegensinne zur Anschauung gebracht
haben wiirden, stets groBe Wahrscheinlichkeit
für sich behalten. Die Zahl solcher Abdrücke
war allerdings zweifellos verschwindend gering,
und nur ganz wenige sind aus dem 15. und
16. Jahrhundert auf uns gekommen, aber doch
etwas mehr als Rosenberg bei der Behandlung
der Finiguerra-Frage in den Kreis seiner Be-
trachtung zieht. So wäre wohl — abgesehen
von der von Duchesne und von Dutuit (vgl.
Rosenberg S. 25) aufgezählten Blättern —
zu dem zweiten Abdruck jener Pax mit der
Krönung Mariae in Museo Nazionale zu Florenz,
die früher dem Maso Finiguerra zugeschrieben
wurde, neuerdings aber unter Vorbehalt für
Matteo Dei in Anspruch genommen wird, in
der Bibliothek des Arsenals zu Paris (vgl.
Bucher, Gesch. der tedınischen Künste II, 11),
zu den Abdrücken von einem andern „noto-
rischen Werke“ des Matteo Dei, wie Bucher
sagt, der Bekehrung des heiligen Paulus in
Florenz, die sich in Paris und in England be-
finden sollen, und zu dem Abdruck einer an-
geblich von Finiguerra herrührenden, dem Stile
nach aber der Krönung Mariae von Dei aufs
nächste verwandten Pax mit der Madonna in
trono in der Albertina (abgebildet bei Lehnert,
Illustrierte Geschichte des Kunstgewerbes IV. Ab-
teilung S. 502) Stellung zu nehmen gewesen.
In mehr aphoristisher Weise werden so-
dann noch die Bologneser Pazifikalien, die man
dem Francesco Francia zuzuschreiben pflegt,
besprodien. Wegen der darauf angebrachten
Wappen sieht Rosenberg in ihnen nicht sowohl
Paces, „wie sie bei der Messe nach dem Agnus
Dei vor der Kommunion von den Zelebranten
geküßt und zum Kusse weitergereicht wurden“,
sondern vielmehr private ,maiestati“ für den
zur Gültigkeit der Ehe bei der kirchlichen Feier
notwendigen KuB der Brautleute, und gibt sie
in ausgezeichneten Abbildungen durdı die er
allein schon der weiteren Forschung über diese
Stücke einen ganz wesentlichen Dienst leistet,
wieder (Fig. 33—35). Das Wappen links oben
auf der zweiten, in Farbendruck reproduzierten
Pax (Fig. 35) ist übrigens nach Canetoli, Blasone
bolognese dasjenige der Familie Arriguzzi, und
es bliebe also zur genaueren Datierung dieses
Werkes nur noch übrig, an der Hand bolog-
nesischer Genealogien festzustellen, wann ein
Mitglied der Familie Arriguzzi sich mit einer
Dame aus dem Hause Bentivoglio vermählt hat.
Endlich) werden auch auf die deutschen
Nielloarbeiten des ausgehenden Mittelalters und
der Renaissance noch bedeutsame Streiflichter
geworfen, der prächtige von Praunsche Poxal
mit dem Ulmer Beschauzeichen und einer apfel-
förmigen Meistermarke, den das Germanische
Museum verwahrt, in Originalgröße abgebildet
(Fig. 38).
Wie die Kritik die Pflicht hat, den Finger
auf die noch nicht zu völliger Klarheit ent-
wickelten Punkte zu legen und Mängel der
Untersuchung oder Beweisführung aufzuzei-
gen, so hat sie auch das Recht, sich gesicher-
ter Resultate riickhaltslos zu freuen. Und mit
Dankbarkeit und hoher Anerkennung sei hier
nochmals des reichen Nutzens gedacht, den die
jüngste Veröffentlihung Marc Rosenbergs der
Wissenschaft gebracht hat oder noc bringen
wird, der nidıt zum geringsten auch in dem
mustergültigen Abbildungsmaterial beschlossen
liegt und uns der Fortsetzung des Werkes mit
berechtigter Spannung entgegensehen läßt.
Theodor Hampe.
2
Miinchner Jahrbuch der bildenden Kunst.
Unter Mitwirkung der Vorstände der staatlichen
Sammlungen herausgegeben von Ludwig v.
Buerkel. 1908. I. Halbband. Georg D. W. Call-
wey, Mündhen.
Der neue Halbband bestätigt den ange-
nehmen Eindruck der vorangegangenen Bände
und liefert ein weiteres Zeugnis für die ge-
schikte und zielbewußte Redaktion, der sich
diese Zeitschrift erfreut. Man konstatiert mit
Freude, daß dieses junge Unternehmen trotz
der kurzen Zeit seines Bestehens schon einen
festen Stil gefunden hat, der ihm in der Reihe
der verschiedenen Jahrbücher unseres Fachs eine
ganz besondere und zwar sehr sympatische
Physiognomie gibt. Jede Einseitigkeit, jedes
Spezialistentum ist vermieden, Kunstkenner-
schaft und Kunstfreude kommen gleichermaßen
zur Geltung. Die Weitherzigkeit des Programms,
das wissenschaftlich und stilistisch gleich hohe
Niveau der Texte, die ausgezeichneten Repro-
duktionen machen die Münchner Jahrbücher
zu einer Kunstzeitschrift vornehmen Stils, die
1040
Monatshefte für Kunstwissenschaft
den Fachmann und den Kunstliebhaber gleicher-
weise befriedigt. Die verschiedenen kinstlerisch
interessierten Keise, die hinter dieser Zeitschrift
stehen, können sich zu dieser ausgezeichneten
Repräsentation ihrer Interessen nur beglück-
wünschen.
Unter den Beiträgen des jüngsten Bandes
erregt die Publikation des wundervollen Aphro-
ditenkopfes, der als Leihgabe des Münchner
Museumsvereins kürzlih in der Glyptothek
Aufstellung gefunden hat, besonderes Interesse.
Schon weil dieser Kopf eine Art Vermächtnis
Furtwänglers ist, der kurz vor seinem Tode den
AnstoB zu dieser wertvollen Erwerbung gab.
Sieveking versucht in einleuchtender Begrün-
dung eine kunsthistorische Fixierung des Werkes.
Es handelt sih nach ihm um eine römische
Arbeit der flavischen Zeit, die einen berühmten
Aphroditenkopf aus der 2. Hälfte des 4. Jahr-
hunderts wiederholt, von dem wir bisher nur
eine flaue und stark retouchierte Variante aus
der neuattischen Schule besaßen, nämlich die
capitolinishe Venus. Ohne den Kopf einem
bestimmten Künstler zuzuweisen, gibt Sieveking
einen interessanten Hinweis, indem er auf das
evidente Verwandtschaftverhältnis aufmerksam
macht, in dem diese Aphrodite zum Typus des
Apoll von Belvedere steht.
Moritz Dreger liefert eine Serie von Bei-
trigen zur Kenntnis alter Stoffe und Stickereien.
Er beginnt mit einer Untersuchung fiber die
Entwicklung der Hohlgewebe, deren Erfindung
er entgegen der bisherigen Annahme bis zum
Mittelalter zurückdatiert.
Von den Schätzen der Tucherschen Samm-
lung und ihrer jetzigen in künstlerisch-dekora-
tiver Beziehung musterhaften Aufstellung im
Wiener Hause des Baron Tucher gibt Franz
Wickhoff einen durch sehr willkommene Repro-
duktionen unterstützten Bericht.
Zur vielbesprochenen Frage der Münchner
Cäsarenbilder nimmt Gronau noch einmal das
Wort. Durd eine scharfe kritische Beleuchtung
des von Wielandt aufgerichteten dokumenta-
rischen Beweisgebäudes kommt er zu dem Er-
gebnis, daB der Irrtum der Beweisführung schon
an ihrem keineswegs einwandfreien Ausgangs-
punkt beginnt.
Eine besondere Freude bereitet der folgende
Aufsatz mit seinen reizvollen Abbildungen. Es
handelt sich um einen kürzlich in Staufen wie-
derentdeckten Olberg des Freiburger Barock-
künstlers Christian Wenzinger, der sich jetzt in
der städtischen Skulpturensammlung in Frank-
furt a. M. befindet. Der Eindruck, den diese
halblebensgroßen Terrakotten in den Abbildun-
gen machen, ist geradezu verblüffend. Die nie-
mals übertriebene Charme dieser Figuren ist
hinreiBend und läßt an den besten Bernini
denken. Besonders der schlafende Johannes
scheint von überaus glücklicher Erfindung. Man
ist G. Münzel, der den gut interpretierenden
Text zu dieser Publikation geschrieben hat,
sehr dankbar für die Vermittlung solch delikater
Genüsse.
Die generöse Stiftung, die die Nichte Men-
zels aus dem Nachlaß des Meisters an die neue
Pinakothek und die Graphische Sammlung ge-
macht hat, findet in einem Aufsatz Rebers eine
eingehende, von Dankbarkeit getragene Würdi-
gung. — Zum SchluB weist der Herausgeber
des Jahrbuchs auf den Schwazer Holzschnitzer
Ludwig Penz hin, dessen starke, durch keine
Akademie verdorbene Bauernkunst er mit weni-
gen aber treffenden Worten charakterisiert.
Die beigefügten Reproduktionen nadı Werken
des Meisters geben dem Hinweis Buerkels einen
kräftigen Nachdruck.
Im Anhang des Jahrbuches findet sich eine
ausführliche Orientierung über die Tätigkeit der
verschiedenen staatlichen Sammlungen und der
beiden kunsthistorischen Vereine, deren Organ
die Jahrbücher sind. Einen besonders günstigen
Eindruck erweckt der Bericht, den der neue
Vorstand des Nationalmuseums über die Neu-
ordnung dieses Institutes macht.
W. Worringer.
2
Berthold Haendcke. Deutsche Kunst im
täglichen Leben bis zum Schlusse des 18. Jahr-
hunderts. (Aus Natur und Geisteswelt. 198. Bdch.)
Leipzig, B. G. Teubner. 1908.
Eine kurzgefaBte und mit einigen Abbildungen
versehene Übersicht über das Kunstgewerbe und
die Wohn-Architektur seit der Karolingerzeit,
sofern sie sich in Deutschland abspielen, also ein
Leitfaden der Gescimacksgeschichte; erwachsen
aus Vorlesungen fiir Studierende aller Fakul-
täten. Man kann nicht sagen, daB das Stith-
wort „Kunst im täglichen Leben“ vom Verlag
geschickt gewählt ist; man bekommt von Archi-
tektur und vom Kunstgewerbe bei dem ge-
ringen Umfang der Teubnerschen Bändchen
recht scimal zugerichtete Bissen, es wäre besser
gewesen, die beiden gar nicht zusammen-
gehörigen Gebiete auf zwei Abhandlungen zu
verteilen, deren eine die Geschichte der Wohn-
baukunst (samt den Möbeln), die andere die
des eigentlihen Kunstgewerbes enthielt. Der
Standpunkt aus der Ecke der „Häuslidhkeit” her-
Literatur
1041
aus wäre dann von selbst in sich zusammen-
gefallen; denn bedeutet ein Kunstgewerbe fürs
Haus, wenn das Haus von der Bauernhütte bis
zum KönigsschloB gemeint ist, etwas anderes
als das gesamte Kunstgewerbe? Ich wüßte
kaum ein Gebiet zu nennen, das Haendcke hier
nicht gestreift hätte, Bauern- und Bürger- und
Fürstenbaukunst einbegriffen. Daß er alles eben
nur streifen und vielfach zu einer bloßen Auf-
zählung jeweils beliebter Gebrauchsgegenstande
greifen mußte, ist seine Schuld gerade nicht.
Paul Ferd. Schmidt.
2
Paul Mebes. Um 1800, Architektur und
Handwerk im letzten Jahrhundert ihrer traditio-
nellen Entwicklung. F. Bruckmann, A.-G.,
München 1908. Band II. Palais und städtische
Bürgerhäuser, Land- und Herrenhäuser, Garten-
häuser, Tore, Brücken, Innenräume und Haus-
gerät.
In noch höherem Maße als der erste Band
der Mebesschen Publikation (Monatshefte 1908,
S. 569) wird der soeben erschienene zweite
Band für die Architektur unserer Zeit und für
das Kunsthandwerk von Nutzen sein. Es ist
noch mehr Gewicht darauf gelegt, möglichst
einfache Beispiele der bürgerlichen Baukunst
des XVIII. Jahrhunderts zu bringen, und zwar
in der Mehrzahl sind es Beispiele aus dem
letzten Drittel des XVIII. Jahrhunderts, aus der
Zeit des sogenannten Zopf und Klassizismus.
Die reichste Ausbeute haben solche Städte ge-
geben, die damals in Blüte standen: Krefeld,
Düsseldorf, Barmen-Elberfeld, Kassel, Braun-
schweig, Weimar, Dessau, Berlin, Hamburg, in
Süddeutschland Mannheim und Karlsruhe.
Eine wirkliche Ergänzung zum ersten Bande
wird dieser zweite Band aber dadurch, daß er
eine groBe Menge von Innendekorationen
und Möbeln enthält. Hervorgehoben seien die
großen Dielen und Treppenhäuser aus Lübeck,
die Bibliotheks-, Wohn- und Gartenzimmer aus
thüringischen Schlössern (Weimar, Gotha, Arn-
stadt); Möbel finden sich aller Art, besonders
norddeutsche und rheinische: Sofas, Kommoden,
Spiegel, Stühle, Standuhren, Gartenmobiliar,
Kachel- und Eisenòfen. Den größten Wert,
auch für die kunstgeschichtliche Forschung, er-
hält dieser Teil dadurch, daB er fast ausschlieB-
lidi schwer zugänglihes oder unzugängliches
Material aus Schlössern und Privatwohnungen
darbietet.
Für das Handwerk muB die Auswahl ein
wahrer Segen sein. Nur mustergültige, auf der
Höhe ihrer Zeit stehende Schöpfungen werden
vor Augen gebracht; das unkünstlerische senti-
mentale Element dieser Stilarten (des Zopf,
Empire und Biedermeier) kommt dem Betrachter
gar nicht zum Bewußtsein. Und das ist darum
so wichtig, weil die moderne Môbeltisdilerei
häufig gerade das Spielerische, Alberne jener
Epoche für das Nacheifernswerte hält, indem sie
sih damit von historischen theatralischen In-
stinkten der Besteller abhängig macht. Ja, sie
fördert diese noch und verbreitet dadurch eine
SpieBermode, die auf stimmungmachende
Asthetenkreise beschränkt bleiben sollte, unserer
Zeit aber nicht würdig ist.
Hermann Schmitz.
2
Dr. ing. H. Göbel, Das süddeutsdie
Bürgerhaus. Eine Darstellung seiner Ent-
wicklung in geschichtlicher, architektonischer und
kultureller Hinsicht an der Hand von Quellen-:
forschungen und maßstäblihen Aufnahmen.
IX. u. 411 S. 4° mit 311 Abb. Atlas in Fol. mit
30 Taf. Dresden, G. Kühtmann, 1908. M. 48.
Dem Studium des bürgerlichen Bauwesens,
vor allem des gewöhnlichen Stadthauses wird
das nächste Jahrzehnt gewidmet sein, wie die
beiden vergangenen dem Bauernhaus zugute
gekommen sind und während sich die deutsche
Architektenschaft zur Aufnahme kleiner Bürger-
häuser anschickt, legt uns ein Pionier der For-
schung auf diesem fast unbeaditeten Neuland
eine Vorfrucht der erhofften reichen Ernte vor.
Allerdings bildet den realen Hintergrund der
weitschichtigen Ausführungen nur ein engbe-
grenztes Gebiet, die vier an der Bergstraße ge-
legenen Städte Ladenburg, Weinheim,
Heppenheim und Bensheim. Und es ist
immerhin gewagt, die Beobachtungen über das
unter gleichen Kulturbedingungen entstandene
Bürgerhaus dieser wenigen Nachbarstädte zu
verallgemeinern und daraus Typen abzuleiten,
die denn doch in etwas mechanischer Weise
gewonnen werden. Göbel wehrt sich gegen
die Anschauung, daß das fränkische Bauernhaus
dem Stadthause zur Grundlage gedient habe.
Die Wurzel ist ihm vielmehr das Kleinbürger-
haus, die „Bude“, zunächst ein Einraum, der
Werkstatt, Küche, Wohn- und Schlafzimmer zu-
gleich war. Hieraus entwickelt er durch einfache
Längs- und Quer-, Drei- und Vierteilung die
reicheren Grundrisse mit mittlerem, kreuz-
formigem oder seitlihem Gange, im ganzen
7 Typen. Aber diese Konstruktion ist unhistorisch
68
1042
Monatshefte für Kunstwissenschaft
und doktrinär. Zunächst ist doch für das Acker-
bürgerstädtchen das Bauernhaus der natürlich
gegebene Ausgangspunkt, welcher durch An-
passung an die Bedürfnisse des Handwerks-
und Handelsbetriebs die Varianten und
Reduktionen des reinen Stadthauses leicht er-
gibt. Dann aber scheint mir die Entwicklungs-
geschichte des Einraums ein Spiel mit Worten.
Denn alle angezogenen Beispiele sind GeschoB-
bauten. Die Aufteilung des Einraums hat sich
also lange vorher durch Überbau im Etagenhaus
vollzogen. Das Problem läßt sich also auch
nicht mit Beispielen des 16. und 17. Jahrhunderts
lösen. Es muß in karolingischer und frühroma-
nischer Zeit aufgesucht werden und ist doch
viel verwickelter als man glaubt. Dem Verfasser
scheinen freilich die einschlägigen Studien un-
bekannt. Er schreibt S. 19: „Leider sind von
bürgerlicien Bauten aus dem: Mittelalter mit
erkennbarer ursprünglicher Grundrißanlage so
gut wie gar keine Beispiele vorhanden: es
dürften höchstens zu erwähnen sein das sog.
„Propugnakulum“ in der Dietrichsgasse zu Trier,
ferner das „Graue Haus“ zu Winkel am Rhein
und einige aus dem 13. Jahrhundert stammende
turmartige Häuser in Regensburg.“ Aus welchem
veralteten Schmöker mag das aufgelesen sein? —
Im 18. Jahrhundert wird das Bürgerhaus im
Grund- und AufriB von dem Streben nach Sym-
metrie beherrscht und der EinfluB von Theo-
retikern wie Sturm, Goldmann, Penther, Cancrin
macht sich sehr fühlbar. In allen Städten haben
aber die nächsten Zweckbestimmungen denHand-
werks-, Kaufmanns- und Gasthäusern, Brauereien,
Schmieden, Apotheken, Adelshöfen usw. ihre Be-
sonderheiten aufgeprägt.
Im zweiten Hauptteil behandelt der Verfasser
die architektonischen und konstruktiven Einzel-
heiten, aber fast ohne Beziehung auf seine Bei-
spielsammlung, so daß vieles Detail sowohl der
Textabbildungen wie der Tafeln unerklärt bleibt.
So fehlt z. B. jedes Wort über die Entwicklung
des Fachwerks. Im 3. Teil werden meist aus
alten Bauordnungen die Zustände und Einflüsse
des Verkehrs, der Feuersicherheit, der Gesund-
heitspflege und des Hausrechts besprochen. Hier
ist ein braudıbares Material aufgehäuft. Im
ganzen läßt aber die literarische Form des Buches
viel zu wünschen übrig. Lesefriidite und Ex-
zerpte von ungleihem Wert aus veralteten
Quellen, Sachurteile und Behauptungen voll von
Schiefheiten und Irrtümern, mangelnde Fühlung
mit dem heutigen Stand der Hausforschung
machen es dem Leser schwer, den guten Kern
herauszuschälen. Viele Bilder sind ohne Unter-
schrift, auch ganz ohne Quellenbezeichnung, so
auch der Bauanschlag S. 254—272. Unverzeih-
lich ist das Fehlen eines Registers. Kurz, etwas
mehr Aufwand guten Tons und Geschmacks
hätte die an sich mühsame Arbeit viel frucht-
barer gemacht. H. Bergner.
2
Alois Riegl, Die Entstehung der Barockkunst
in Rom. Wien 1908. Antoll Schroll & Co.
Wenn gegenwärtig nach langer Vernachlässi-
gung die Studien der Barockkunst jenseits und
dieseits der Alpen mit anerkennenswertem Eifer
aufgenommen worden sind, so hat an dieser
glücklichen und nötigen Erweiterung der kunst-
geschichtlichen Interessen Alois Riegl ein ganz
besonderes Verdienst gehabt. Denn von allen
denen, die den Bann der alten Verachtung der
barocken Kunst gebrodien haben, hat Riegl mit
den glänzenden Vorlesungen, die er seit 1894
an der Wiener Universität über die barocke
Kunst Italiens gehalten hat, die erfolgreichsten
Anregungen gegeben. Wie alles, was sein
rastloser Geist ergriff, hat er auch dieses Gebiet
kunstgeschichtlicher Forschung mit Einsicht und
Großzügigkeit behandelt. Freilich haften dem
vorliegenden Buche die Mängel einer posthumen
Veröffentlihung an, die nach „flüchtig hinge-
worfenen“ Kollegienheften veranstaltet werden
mußte. Wie die geistreichen Vorlesungen Cou-
rajods über verschiedene Gebiete der franzö-
sischen Kunst, sind diese Vorlesungen mehr an-
deutend als ausführend, unausgeglichen in ihrer
Ökonomie und nicht so folgerichtig in der Ent-
wicklung wie die Eingangskapitel erwarten
lassen. Die strenge Kritik der neueren litera-
rischen Versuche in der Deutung und Schilderung
der geschichtlichen Entwicklung der Barockkunst
mit dem Ergebnis, daB es allenthalben an der
rechten Erfassung des Problems gefehlt habe
und daß die zeitgenössischen Quellen nur un-
zureichend beachtet worden seien, so daß ein
Genie wie Bernini trotz Fraschettis Monographie
nicht zu seinem vollen Rechte komme — all
das spannt unsere Aufmerksamkeit und läßt eine
abschließende Darstellung der römischen Barock-
kunst erwarten. Wenn diese Anforderung nicht
erfüllt wird, so liegt das in der Natur dieser
Vorträge, die in skizzenhafter Form und ohne
die belebenden Ausführungen des Vortragenden
vor uns liegen. Es ist eben ein Konzept, hier
ausführlich, dort knapp, bald geistreich rekapi-
tulierend, bald neue Ausblicke bietend, immer
interessant und zu weiterem Nadıdenken
zwingend. Um diesen Preis fruchtbarer An-
regungen nehmen wir auch die gelehrten Um-
ständlidikeiten der nach Präzision ringenden
Literatur
Sprache in den Kauf, die inder Wahl des Aus-
drucks gewiß mehr präziös als präzis geworden
ist. Die Pietät der Herausgeber Arthur Bürda
und Max Doräk hat an diese Seltsamkeiten
des Meisters nicht getastet. So nehmen wir
den Torso als das, was er ist, als ein geist-
reiches Buch, das die Entwicklung des römischen
Barockstils in weitem Umfange zeigt, das im
einzelnen vortreffliche Charakteristiken gibt, das
manche Werke besser bestimmt als bisher,
manche Wandlungen in neuem Lichte zeigt und
zu fruchtbaren Folgerungen führt, deren Er-
klärung mehr in aphoristishen Bemerkungen
denn in zusammenfassender Begründung ver-
sucht wird. Richard Graul.
Franz Landsberger. Wilhelm Tischbein.
Ein Künstlerleben des XVIII. Jahrhunderts.
Leipzig 1908, Verlag von Klinkhardt und Bier-
mann. Brosch. M. 5, geb. M. 6.
Die hier vorliegende fleiBige und gewissen-
hafte Arbeit ist aus einer Breslauer Doktor-Dis-
sertation hervorgegangen, die in ihrer offi-
ziellen Form nur vier Abschnitte veröffentlicht
hat. Das Thema gehört der Reihe jener an,
mit deren einem sich Muther selbst vor vielen
Jahren in die Wissenschaft eingeführt hat. Anton
Graff, dessen Gemälde noch vor zehn Jahren
sehr niedrig im Handel standen, ist inzwischen
eine gefeierte GròBe geworden und er wird
noch mehr in der Achtung steigen wenn die
Mehrzahl der Porträts bekannt wird, die
jetzt noch unbekannt und vergessen sind. An-
ton Graffs Ruhm wird Wilhelm Tischbein nie
erreichen, denn dazu war er viel zu wenig ein
Künstler, der wie jener über eine so hohe tech-
nische Meisterschaft und eine so ausgesprochene
Individualität verfügte. Freilich ist ja dieser
Tischbein — wegen seiner nahen Beziehungen zu
Goethe und zum Unterschied der vielen Namens-
vettern der „Goethe-Tischbein“ oder der Neapoli-
tanische Tischbein gewöhnlidı genannt — bis-
her auch nur sehr wenig bekannt gewesen,
trotzdem er eine umfangreiche Selbstbiographie
hinterlassen hat, die 1861 Schiller herausge-
geben, und trotzdem Friedrich von Alten (1872)
Mitteilungen aus seinem Leben und Briefwechsel
verôffentlicht hat. Fragte man nach seinen
Werken so wußten die meisten in der Regel
nur das groBe Bildnis Goethes in der römischen
Campagna (Frankfurt, Städelsches Institut) zu
nennen. Schon dieses Bildnis, das künstlerisch-
ste aller gemalten Bildnisse des Dichters, frei-
1043
lid auch das bedeutendste, was Tischbein in
seinem langen Leben geschaffen hat, hat ihm
zu einer gewissen Stellung in der Kunstge-
schichte verholfen. Auch die übrigen Bezieh-
ungen zu dem Dichter, in späten Jahren, als
Tischbein längst aus Italien zurückgekehrt und
sich in Eutin niedergelassen hatte, bedeuten in
dem großen Kapitel, das sich um Goethes Per-
sönlichkeit gruppiert hat, einen Abschnitt, der
reich an interessanten Einzelheiten ist, so sehr
man sich auch hüten muB, den Künstler um
seiner Beziehungen zu Goethe willen auf ein
Postament zu stellen, auf das er nicht gehört.
Um einer solchen Tendenz willen hat der Verf.
seine Arbeit nicht geschrieben. Im Gegenteil,
der Gefahr, daB ein Biograph das schöne
Redit habe in gewisser Hinsicht ein Enthusiast
zu sein, ist er nach keiner Seite hin erlegen.
Mäßige, klare Objektivität und nichterne Prü-
fung der Tatsachen spricht aus jeder Seite des
Buches. Mit anerkennenswerter Gründlich-
keit ist das weit verstreute Material — nicht
nur das bildliche, das tief versteckt ist, sondern
auch das literarische — gesammelt und gesichtet
und — worauf idı mit besonderem Nachdruck
hinweisen möchte — zu einer geschmackvollen,
lesbaren und lehrreichen Darstellung verarbeitet
worden. Nach dieser Seite fällt das Buch voll-
ständig aus der Reihe der landesüblichen Dok-
torarbeiten heraus. Wilhelm Tischbein hat so-
mit seine Biographie gefunden, die nadı jeder
Richtung hin seiner persönlichen und künst-
lerischen Bedeutung gerecht wird. Dankbar muB
man auch für den Katalog der Werke sein, der
im Anfang mitgeteilt ist. Einzelne Nachtrage
lieBen sich hierzu wohl noch machen, und ich
bin überzeugt, daß ein Forscher, der sich die
Mühe geben würde Neapel und nähere Um-
gebung nach Tischbeins abzusuchen, noch man-
cherlei Bemerkenswertes finden würde. Zu
einzelnen Nachträgen und Berichtigungen gibt
mir sonst die Arbeit Landsbergers keinen Anlaß.
Die von ihm auf S. 96 ausgesprochene Vermu-
tung, daß das im Goethe-Nationalmuseum in
Weimar aufbewahrte Brustbild der Herzogin
Luise von Weimar, dessen Künstler man bisher
vergebens gesucht hat, von dem Leipziger Frie-
drich August Tischbein (dem Nachfolger Oesers)
herstamme, kann ich auf Grund meiner Forsch-
ungen durchaus bestätigen. — Die Ausstattung
des Buches ist vortrefflich, die beigegebenen
Tafeln sind ausgezeidinet ausgeführt. Alles in
Allem: eine sehr erfreuliche Erscheinung, mit
der sich der junge Forscher die Sporen seiner
Wissenschaft erworben hat. Julius Vogel.
3
1044
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Osterreichiscie Kunsttopographie. Bei-
heft zum I. Bd.: Schloß Grafenegg. Wien 1908.
Anton Schroll & Co.
In einem Beihefte zum 1.Bande der kürzlich
in diesen Blättern angezeigten österreichischen
Kunsttopographie (Kreis Krems) ist das SchloB
Grafenegg mit seinen Sammlungen von Max
Doräk behandelt worden. Von dem Renais-
sanceschloB des Grafen Verdenberg, wie es eine
Radierung von G. M. Vischer aus dem Jahre
1672 zeigt, hat der Neubau im neugotischen Stil,
den Graf Breuner mit dem Schlosse in den
vierziger Jahren des XIX. Jahrhunderts begann,
nur die allgemeine Anordnung bestehen lassen.
Nur ein Teil der von dem Architekten Ernst
geplanten Anlage wurde ausgeführt (bis 1875);
Im Innern wurden alle Künste moderner
Rückgriffskunst zu malerischen Effekten aufge-
boten. Zu dem ererbten Bestande alter Ein-
richtungsstücke kamen eine Menge neuer Er-
werbungen von Altertiimern und modernen
Bildern. Unter diesen Kunstschätzen aller Art
befindet sich viel sehr bemerkenswertes, das in
dem Hefte mit Sorgfalt beschrieben und bestimmt
worden ist. Camillo List, Frau Dr. Tietze-Conrat,
Dörnhöffer und Walcher von Moltheim haben
den Herausgeber in der Katalogisierung der kunst-
gewerblichen Dinge unterstützt. Namentlich die
Waffensammlung birgt Seltenheiten und unter
den Bildern sind nicht nur mehrere deutsche des
XV. Jahrhunderts und andere des XVII. Jahr-
hunderts wichtig, sondern auch viele der modernen
Wiener Schule beachtenswert. Die Illustration
ist reichlich, auch die Marken der Plattner sind
gegeben, bei Goldschmiedewerken ist wenigstens,
wo es anging, auf Rosenberg verwiesen.
Richard Graul.
KLEINE ANZEIGEN
Von Ernst Steinmanns vortreffliher Darstellung
von „Rom in der Renaissance“ (Seemanns „Berühmte
Kunststätten, Bd. 3) ist kürzlih die dritte Auflage er-
schienen. Das Buch hat in vielen Punkten durch Beriick-
sihtigung der neuesten Forschungen eine Erweiterung
und Neubearbeitung erfahren, verspricht auch illustrativ
manches Neue. Im übrigen erübrigt es sich, auf ein
Budi, von dem bereits in wenigen Jahren 10000 Exemplare
verkauft worden sind, das damit zugleich auch seinen
wissenschaftlichen Wert erwiesen hat, ausfiihrlicher hin-
zuweisen. —n.
In der Sammlung „Aus Natur und Geisteswelt“ (Ver-
lag von B. G. Teubner in Leipzig) erscheint soeben das
230. Bändchen. Es betitelt sidı „Das Theater, Schau-
spielhaus und Schauspielkunst vom griechischen
Altertum bis auf die Gegenwart. Der Verfasser Dr.
Christian Gaehde schildert in knappen Zügen den
Entwicklungsgang des Theaterwesens von seinen ersten
Anfängen bis zur Gegenwart, erfreulidierweise geht er
hierbei der Entwicklung des Theaterbaues von den Zeiten
des Griedientums an aufmerksam nadı und widmet ins-
besondere dem Theater der Renaissance ausführlichere
Darstellung. Das Bändchen darf als eine verdienstvolle
Vorarbeit zu der bisher nodı nicht geschriebenen, um-
fassenden Darstellung der Theatergeschichte aller Kultur-
völker bezeidinet werden. d-:
Der Deutsche Camera-Almanadh, ein Jahrbuch für
die Photographie unserer Zeit, herausgegeben von Fritz
Loescher (Verlag von Gustav Schmidt, Berlin) versendet
seinen vierten Band. Das sehr sorgfältig ausgestattete
Buch mit einer Fülle von Abbildungen, die den Schaffens-
bereidi des modernen, nach künstlerischen Zielen streben-
den Photographen verdeutlichen, dürfte jenen Kunst-
historikern, die zugleich Amateurphotographen sind eine
willkommene Gabe sein, dies umso mehr als audı der
Text des Almanadıs einige interessante Beiträge von Joseph
Aug. Lux (Dresden) über Photographische Kultur und
Theoder Scholz (Wien) über die Frau im Verhältnis zur
Kunst enthält, die Anspruch auf Beachtung haben. d-
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(Architekten Nr. 47 u. 48.) Mit Abb.
Entwürfe, vorbildliche, f. Vorortbauten. Er-
gebnis des Preisausschreibens des Kreises
Niederbarnim. 4 Lfgn. 69x51 cm. Berlin,
Baedeker & Moeller 08. bar 18.— Einzpr. 20.—.
1. Bauklasse B. (13 Taf. m. 1 Bi. Text.) 5.—.
— 2. Bauklasse C. (7 Taf.) 3.—. — 3. Bau-
klasse D. (10 Taf.) 5.—. — 4. Bauklasse I.
(19 Taf.) 7.—.
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171 S.) '08. Geb. in Leinw. 8.—. — 14. Heft.
Mader, Fel.: Bez.-Amt Tirschenreuth. Mit 15
Taf., 104 Abbildgn. im Text u. 1 Karte. (VI,
160 S.) '08. Geb. in Leinw. 8.—.
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Mit 240 Abbildungen im Text und 13 Tafeln.
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Siebmadier’s, jJ., großes u. allgemein. Wappen-
buch in e. neuen vollständig geordneten u. reich
verm. Aufl., m. herald. u. historisch-genealog.
Erläuterungn. Lex.8°. Nürnberg, Bauer & Raspe.
VI. Bds. 13. Abt. Mülverstedt, Geh. Archivr.
G. A. v.: Ausgestorbener Adel der Fürstentümer
Schwarzburg, zugleich Entwurf e. Lexikons des
früheren Schwarzburgisdien Adels. (IV, 52 S.
m. farb. Titelbl. u. 28 Taf.) 08. 15.—; kart. 16.—.
— dasselbe. 528—530. Lfg. Ebd.
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London. 08. 15.—.
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Enseignement des arts. — Culture. Art
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Ratschläge zum Genießen der Kunstwart-
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ca. —.50.
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Fred, W. Was unser Staat für die Kunst tut.
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1056 Monatshefte fir
Friz L Kunst auf einem Lehrer-Ferienkurs.
Ein Beitrag zu „Kunst und Schule“. (Christl.
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International Art Congress. Art teaching
in relation to industrial design. (Builder, 3419.)
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Konsthògskolan. Nya stadgar utfärdade af
k. m. t. (Svenska Dagbladet, Nr. 229.)
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Lux. Der ArchitektenkongreB 1908.
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Mayreder, Prof. dipl. Arch. Karl. Baugesetz
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Berlin, London, Paris, Rom u. Wien. Vortrag,
geh. am VIII. internationalen Architekten-Kon-
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Wien, (Lehmann & Wentzel) 08. bar 1.—.
Roos, Anna Maria. Barnet som konstnär.
(Ord och Bild, 7.) Mit Abb.
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schule. (Rodzina i Szkola, 1908, Nr. 11 u. 12.)
Schwindrazheim, Osk. Von alter zu neuer
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berg-Verlag Dr. E. Schultze. ca. 2.—
T.H. Des Antrages Roth erster Teil. (Ham-
burg. Nachr., 9, IX.) [Ausstattung d. öffent-
lien Anlagen mit monumentalen Kunst-
werken.]
— Des Antrages Roth zweiter Teil.
Nachr., 20. 1X.)
Ulaszyn, H. Kazimierz Moklowskis Werk:
„D. Volkskunst in Polen“. Krakau 1908. 20 S.
Vorwerk, Gewerbesch.- Oberlehr. Dir. Stell-
vertr. W. C. M. Das perspektivische Skizzieren
nach drei Liniengesetzen. Fir Volks-, Real-,
Gymnasial-, Fortbildungs- Fach- u. Kunst-
gewerbeschulen, sowie zum schnelleren Selbst-
studium ohne irgendwelche Vorstudien. (16 S.
m. Abbildgn.) gr. 8°. Hamburg, Boysen &
Maasdi. 08. —.70.
Wagner. Zur Wiederbelebung der nieder-
sächsischen Volkskunst. (Niedersachsen, 15. IX.)
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14. bis zum 16. Jahrh. Stuttgart, J. G. Cotta
Nacht ca. 16.—.
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von Unterseen 1674. (Bl. f. Bern. Gesch.,
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vom Mittelalter bis zur Gegenwart. (In 20
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Gregorovius, Ferd. Geschichte der Stadt
Rom im Mittelalter. Vom V.bis zum XVI. Jahrh.
8. Bd. 4. verb. Aufl. Anastat. Neudr. (VIII,
800 S.) gr. 8°. Stuttgart, J. G. Cotta Nachi.
08. 13.50; geb. in Leinw. 15.—.
Hildebrandt, H. Jaques Coeur und sein Schloß
zu Bourges. (Beil. Minch. N. Nadir., 70.)
Pauli, G. Die Kunst an deutschen Fürsten-
höfen. (Südd. Monatsh., 10.)
. Schhirrmann, Wilh. Chronik der Stadt Sciweid-
nitz. (In 4 Lfgn.) 1. Lfg. (S. 1—64 m. 2
[1 farb.] Plänen. gr. 8°. Schweidnitz, G. Brie-
ger (08).
Schoeler, v. Rheinsberg. (Mitt. f. Gesch. Ber-
lins, 9.)
Schmeizel, Mart. Jenaische Stadt- u. Uni-
versitäts-Chronik. Hrsg. v. Dr. Ernst Devrient.
Nebst e. Stadtplan vom J. 1758. (VIII, 213 S.)
8°. Jena, B. Vopelius 08. 4.—.
Schweichardt, Frdr. Der neue Stil. Kultur-
historische Studie. u S.) kl. 80. Leipzig,
rong f. Literatur, Kunst u. Musik. 08. 2.—;
geb. n. 3.—.
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tolkningen af bilden. (Svenska Dagbl., Nr. 224.)
Uhde, W. Zu Botticellis Primavera. (Monatsh.
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gen. (Dresdn. Anz., 20. IX.)
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Lehner. Das Verhältnis der Provinzial- und
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untereinander, im römisch-germanischen Zen-
tralmuseum in Mainz und in den königlichen
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Dagbl. Nr, 225.)
Romdahl, Axel, L.
Dagbl. Nr. 228.)
G--g. Museimännens ärsmöte.
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I museifragan. (Svenska
I museifragan. (Svenska
(Svenska
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in Rom. Von Dr. J. Wittig. 2. La Basilica ed
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di Urbino e di vari oggetti spettanti alla du-
chessa. (Rassegn. bibl. arte ital., 7—8.)
Schleinitz,O.v. Londoner Brief. (Kunstchr., 31.)
69
[Erich
1058
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Schmidt, K. E. Pariser Brief. Kunstchron., 33.)
Schmitz, H. Kunst und Archäologie in Italien.
(Heidelberg. Tagebl., 17. IX.)
St. A. Aus dem alten Hellas. [Dörpfelds Aus-
grabungen auf Leukas. Von der Venus von
Milo. (Wien. Fremdenbl. 22. 1X.)
St. Petersburger Brief. (Kunstchron., 31.)
Tomassetti, G. Scoperte Vaticane. (Bull.
Comm. Archeol. d. Roma, 1—3.)
Uhde-Bernays. Donop, d. Landschaftsmaler
Carl Blechen. (Monatsh. f. Kunstw., 10.)
15. Reproduktionen.
Reproductions. — Reproductions.
Ausstellung München 1908. 30 Ansichten.
(32 S.) 12x16 cm. München, C. Andelfinger
& Co. (08.)
Braun, H. Deutsche Städtebilder.
J. Weber. ca. 2.—.
Galerien, d. Europas. N.F. 9—-14. Heft. Lpsg.
E. A. Seemann. Je 2.—.
Grabmalskunst. 4. Folge. Eine Sammlg. v.
Meisterwerken, erschaffen zum Gedächtnis der
Toten v. Künstlern unserer Tage. Hrsg. v.
Karl Rich. Henker. (40 Tafeln IV S. Text.)
56x25,5 cm. Berlin, O. Baumgärtel. (08). In
Mappe 24.—.
Handzeichnungen alter Meister a. d Alber-
tina. 12. Bd. 9. Lfg. Wien, F. Schenk. 3.—
— sdiweizerishe Mstr. d. XV—XVIII. Jahrh.
Im Auftrage der Kunstkommision unter Mit-
wirkg. v. verschiedenen Fachgenossen hrsg.
v. Conservat. Dr. Paul Ganz. Ill. Serie A u.
4. Lfg. (Schluß.) (50 Taf. m. 7 BI. Text sowie
Leipzig, J.
28 Bl. Erläutergn. in Lex. 8°.) 39,5><32 cm.
Basel, Helbing & Lichtenhahn (08). Subskr.-
Pr. je 8.—; Einzelpr. je 10.—.
Hrdlicka, V., Vr. Lhota, Fr. Vahala, Archit.:
Klein- und Luxusmöbel. Entwürfe. (30 Farb-
drucke m. III S. Text.) 41x31 cm. Wien, A.
Schroll & C. (08). In Mappe 15.—.
Kessler, Harry Graf. Impressionisten, die
Begründer d. mod. Malerei in ihren Haupt-
werken. München, F. Bruckmann. In Mappe
ca. 360,—.
Malerei, deut., d. 19. Jahrh. 9—12. Heft. Lpzg.,
E. A. Seemann. Je 2.—.
Meister der Farbe. 5. Jahrgang. 7—9. Heft.
Lpzg., E. A. Seemann. Je 2.—.
Michelagniolo Buonarroti. Handzeichngn.
6—10. Lfg. Berl., J. Bard. Je nn 16.—
das. 11. Jahrg. Lfg. Stuttg., Speman.
el.
Reber, F. v, Album d. Miinchener Pinakothek.
Leipzig, E. A. Seemann. ca. 15.—.
Schmidt, Otto u. Ernst Schneider. Der Künst-
leract. 12. Lieferung. Berlin, J. Singer & Co.
Je ca. 1.50.
Schnorr v. Carolsfeld, Jul. Das Buch der
Bücher in Bildern. 250 Darstellgn., erfunden
u. gezeichnet. (VIII, 120 S.) 32,5x21,5 cm.
Leipzig, G. Wigand (08). bar 1.80.
— Die Bibel in Bildern. 179 Darstellgn. m. be-
gleitenden Bibeltext. (IV, 182 S.) 31,5x23 cm.
Zwickau, J. Herrmann. 08. Geb. in Leiwand
bar 4.50; in Ldr. m. Goldsdin. 10.—; Vorzugs-
pr. bis 31. X. 1908. 4.—; bezw. 9.50.
Zeichnungen alter Meister im Kupferstichkab.
der k. Museen zu Berlin. 24. Lfg. Berlin,
G. Grote. 15.—.
SIR
ORGAN FUR DEN INTERNATIONALEN KUNSTMARKT
UND DIE INTERESSEN DER SAMMLER.
ZUM MEISSNER
SULKOWSKISERVICE
Von Edmund Wilhelm Braun.
Das Sulkowskiservice') Kaendlers, das in
den Jahren 1735—1738 in der Meißner Manu-
faktur entstand, ist literarisch bekannter als im
Original. Seit ungefähr 20 Jahren durch den
Kunsthandel in alle Winde zerstreut, wie Berling
meldet, ist von seinen Bestandteilen nur Weniges
abgebildet. Julius Lessing?) hat zuerst nadı-
gewiesen, daB für die große Terrine des Ser-
vices eine Silberterrine des Augsburger Gold-
schmiedes Johannes Biller?) von 1718 in der
Dresdner Silberkanne als Vorbild gedient hat.
Vor dem Schwanenservice entstanden, ist es noch
ganz im Stile der kräftigen deutschen Barock-
kunst aus dem ersten Viertel des XVIII. Jahr-
hunderts gehalten, in deutlicher Abhängigkeit
von den wenigen sicher nachgewiesenen Edel-
metallvorbildern.
Als Bestandteile des Services werden u. a.
nach Berling urkundlich „Saladiers, Salzfässer,
Terrinen und Leuchter“ erwähnt. Charakteristisch
für das Service, abgesehen von dem Allianz-
wappen des polnisch-sächsishen Kabinetts-
ministers Alexander Joseph von Sulkowski und
seiner Gattin Franziska Katharina Baronin von
Stein, ist ein derbes Reliefmuster des Randes,
das ein Strohgeflecht zu imitieren scheint, der
Vorläufer des später so beliebten Oziermusters.
Brüning hat das Vorbild dieses Randmusters in
Chinaporzellanen wahrscheinlich gemacht. Ferner
ist das Service sofort erkenntlich an den breiten
kräftig modellierten Barockformen, gesciwunge-
nen Volutenfüßen mit Mascarons, die noch ganz
im Louis XIV. Stil sind, energisch modellierten
lächelnden Frauenköpfchen, fein geschwungenen
Henkeln und Kartuschen, sowie Artischoken als
Deckelgriffe. Der malerishe Schmuck besteht
außer dem Allianzwappen in buntem spärlichem
Imaridekor, nämlich kleinen Streublumen und
1) Berling, D. Meißner Porzellan S. 78ff. A. Brüning,
Porzellan, S. 76f.
2) Kunstgewerbeblatt 1888. S. 43ff. Abb. ebenda.
3) abg. Luthmer. Gold und Silber, S. 244.
Reisigbündeln, die teilweise die auffallend
häufigen Glasurfehler mit verdecken müssen.
Die Kanten sind zum Teil vergoldet. Man hat
damals in Meißen außer dem Sulkowskiservice
ähnliche Stücke modelliert. Das beweisen die
Terrine des Reichenberger Nordböhmischen Ge-
Abb. 1.
Kaffeekanne aus dem Meißner Sul-
kowskiservice 1735—38 O
C] Fürst Sulkowski-Bielitz
werbemuseums !) und eine dieser in der Form
nahe verwandte Terrine des Berliner Kunst-
gewerbemuseums. `)
Als das Sulkowskiservice in den achtziger
Jahren, angeblich total, verkauft wurde, kam
mandierlei in deutsche Museen. Abgebildet ist
') abg. Pazaurek. D. Keramik im Nordb. Gewerbe-
museum 1905. S. 33.
*) abg. Brüning, a. a. O. S. 69.
1060
davon die bereits erwähnte Terrine nach Biller,!)
der prächtige figurale Stehleuchter,?) beide im
Berliner Kunstgewerbemuseum, eine Sauciere im
Hamburger Kunstgewerbemuseum °) und eine
runde Schüssel im Reichenberger Museum.*)
Abb. 2. Essig- od. Ölflasche aus dem Meißner
Sulkowskiservice 1735 —38 D
D Fiirst Sulkowski-Bielitz
Als ich im Jahre 1906 zu der im Kaiser Franz
Joseph Museum in Troppau (Sdiles. Landes-
museum) veranstalteten Ausstellung von euro-
1) Lessing a. a, O. Brüning, a. a. O. S. 73.
?) Brüning a. a. O. S. 72.
1) ab. Brinkmann, Hamburger Führer, S. 391.
‘) abg. Pazaurek a. a. O. S. 35.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
päishem Porzellan die Vorbereitungen traf,
führte mich auch mein Weg in das fürstlich
Sulkowskische Schloß zu Bielitz in Osterreich-
Schlesien, wo ich zu meiner groBen Überraschung
und Freude noch eine ziemlihe Anzahl von
Abb. 3. Zuckerstreuer aus dem Meißner Sul-
kowskiservice 1735—38 O
O Fürst Sulkowski-Bielitz
Bestandteilen ‘des Sulkowskiservices vorfand,
von denen auch einige ausgewählte zur Aus-
stellung') überlassen wurden. Heute ist Alles
glücklicherweise FideikommiBbesitz und sind die
1) Vgl. meinen Katalog d. Ausstellung No. 39-62
und meinen Aufsatz in „Kunst und Kunsthandwerk” 1906.
Der Kunstsammler
1061
Abb. 4. Schale aus dem MeiBner Sulkowski-
service 1735—38 O
O First Sulkowski-Bielitz
Hauptstücke mit Erlaubnis der Vormundschaft
des Fürsten als Depots im Kaiser Franz Josef
Museum ausgestellt.
Im Folgenden bilde ich diese für die Meißner
Gesdhirrplastik wichtigen Stücke ab; die Ab-
bildungen sind für Museen und Sammler gewiß’
von Wert.
Abb. 5. Deckelterrinhen aus dem Meißner
Sulkowskiservice 1735—38 O
O Fürst Sulkowski-Bielitz
Es sind eine Kaffeekanne (Abb. 1) mit Deckel
und dem fiir das Service charakteristischen Henkel
und einem Frauenmascaron unter dem Ausguß
(Höhe 21,5 cm). Dazu gehören niedrige Henkel-
tassen mit Untertassen, die nicht abgebildet
sind. Nicht abgebildet sind ferner die großen
runden Schüsseln (vgl. das Exemplar in Reichen-
berg, Durchm. 42 cm), ferner runde tiefe Schüsseln
(D. 48,7 cm), runde Suppen- und Speiseteller
(D. 23 cm), groBe ovale achteckige Schüsseln
Abb.6. Leudhter aus dem Meißner Sulkowski-
service 1735—38 E
O Fiirst Sulkowski-Bielitz
(D. 48,7><41 cm) mit abwechselnd ausgebuchteten
und eingezogenen Seiten und ein Aufsatz mit
runden abwechselnd ausladendem und einge-
zogenem Rand sowie einem Fuß, der mit ver-
goldeter gravierter Bronze montiert ist (D. 27 cm,
H. 9 cm). Abb. 2 veranschaulicht eine Deckel-
flasche (H. 29 cm), für Öl oder Essig, Abb. 3
einen Zuckerstreuer (H. 23,5 cm) mit abschraub-
barem Deckel. Als Vorbild diente offenbar ein
silberner Zuckerstreuer, wie sie schon von den
Fayenciers zu Rouen nachgeahmt worden waren.
1062
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Die kleine kräftige Schale auf Volutenfüßen und
2 Frauenköpfchen (Abb. 4) (H. 11 cm), diente
entweder als Salzfaß, wie sie für das Service
urkundlich verbürgt sind oder als Pomme
de Sinebecher, wie sie das Schwanenservice ent-
hielt. Eine kleine Deckelterrine zeigt Abb. 5
(Höhe 14 cm, Durchmesser 15x12 cm). Einer
der Leuchter, von denen einer (Abb. 6) (H. 23,6cm)
hier im Bilde erscheint, ist das einzige Stück mit
der Sciwertermarke mit Punkt, also offenbar
eine spätere Nachbildung und Ausformung. Alle
übrigen Stücke haben die einfache Schwerter-
marke. Malerzeichen jeder Art fehlen voll-
kommen. Nur der Aufsatz trägt die einge-
preßte Formensignatur: ><
8
DER DEUTSCHE KUNSTMARKT
1. BEVORSTEHENDE AUKTIONEN
Berlin. In den Tagen vom 24.—28. Nov. findet
beiAmsler und Ruthardt eine große Herbst-
auktion statt, bei der es sich auch diesmal wieder
Kat. No. 1546 der Kupferstichauktion LXXX
bei Amsler & Ruthardt, Berlin W. 64
um die Spezialität der Firma, um graphische
Blätter von besonderem Range aus alter und
neuer Zeit handeln wird. Der etwa 1700 Nummern
aufzählende Katalog gibt in seiner ersten Hälfte
Einblick in eine reichhaltige Sammlung von
Kupferstichen, Radierungen, Holzschnitten, Litho-
graphien und Schabkunstblättern vom XV. bis
zur Mitte des XIX. Jahrhunderts. Hier verdient
speziell auf das reihe Werk von Wenzel
Hollar hingewiesen zu werden, das etwa
200 Abzüge von bester Erhaltung, darunter eine
Anzahl seltener früher Drucke, vereinigt. Aus
der Zahl der übrigen Namen nennen wir Dürer,
Holbein, Cranach, Pencz, Rembrandt, Ostade,
Kat. No. 1427 der Kupferstichauktion LXXX
bei Amsler & Ruthardt, Berlin W. 64
Potter, Rubens, van Dyck, Velasquez, Goya,
Hogarth, Chodowiecki. Der zweite Teil des
Katalogs zählt graphisdie Arbeiten und Hand-
zeidinungen moderner Meister auf, die in
fast ausschließlih vom Künstler handschriftlich
bezeichneten frühen Abdrücken vorliegen. Der
Nachdruck liegt auch diesmal wieder auf Ra-
dierungen Klingers, daneben verdienen seltene
Blätter von Greiner, Herkomer, Menzel, Stauffer-
Bern, Whistler, Legros, Strang, Haden, Anders
Zorn u. a. hervorgehoben zu werden, die der
Auktion, über deren Resultate wir berichten
werden, von vornherein das Interesse der Samm-
ler von moderner Graphik sichern. d-
Die „Gesellschaff für Kunst und Literatur‘
versendet Kataloge für eine auf den 11.—12. No-
vember angesagte Versteigerung einer Samm-
lung J... in Rom. Die Stärke dieser Kollektion
sind spätere Italiener; außer einigen interessanten
anonymen Stücken, die fälschlicı dem Bernardo
Strozzi, Ribera u. a. zugewiesen werden, findet
man drei gute Werke des Salvator Rosa, einen
Guercino, zwei interessante Stilleben von Bonzi.
Unter den früheren Gemälden verdient eine
Der Kunstsammler
1063
kleine Madonna aus Raffaels Kreis Aufmerk-
samkeit, zumal sie mit einer bekannten Zeich-
nung des Meisters im Louvre in engstem Zu-
sammenhang steht. Außerdem gelangen eine
gute alte Replik von Rembrandts verschollener
„Taufe des Kämmerers“ und einige veneziani-
sche Gemälde (unter unrichtigen Namen) zur
Versteigerung. H. V.
In Rudolf Lepke’s Kunstauktions - Haus
findet am 17. November die Versteigerung einer
interessanten Sammlung alter Meister aus dem
Besitz von Sir Charles Turner statt, über
die ein mit Lichtdrucktafeln reich geschmückter
Katalog erschienen ist.
Wie das Vorwort betont, hat der verstor-
bene Sammler das meiste in London selbst er-
worben und dabei vornehmlich auf Qualität
gesehen, wobei es ihm weniger darauf ankam,
berühmte Stücke zu erwerben. als vielmehr gut
erhaltene Schöpfungen angesehener Maler aller
Zeiten und aller Schulen zusammenzubringen.
Die Vielseitigkeit seiner Sammlung verdient
daher zunächst anerkannt zu werden. Trotz-
dem steht in ihrem Mittelpunkte die holländische
Malerei des XVII. Jahrhunderts, und das beweist
hinlänglih, wie sehr der Sammier rein male-
rishe Qualitäten zu bewerten gewußt hat.
Unter den Italienern des Quattrocento begegnen
wir Bildern des Lorenzo Costa und einer
dem Carlo Crivelli zugeschriebenen Heiligen-
figur. Unter den Spaniern und den späten
Italienern sind Tiepolo und Belotto vor anderen
zu nennen, denen sich nicht weniger wertvoll
Fragonard, Leprince und Hogarth anreihen.
Auch von den „großen Engländern“ besitzt die
Galerie charakteristische Stücke. Kunstgeschicht-
lich dirften vor allem aber die friihen Nieder-
lander interessieren, darunter ein dem Meister
der Ursula-Legende zugeschriebenes Werk und
ein Triptychon, im Katalog als „Herri met de
Bles“ bezeichnet. Der Hauptnachdruck liegt in-
des auf den Holländern des XVII. Jahrhunderts,
unter denen selbst Rembrandt im Katalog figu-
riert. Diese Bilder verleihen der Kollektion
ihren eigentlichen Wert. Ebenso ausgezeichnet
wie die Landschaftsmalerei, darunter allein Jan
van Goyen mit sechs Werken, ist auch die
Genremalerei mit gut erhaltenen Arbeiten von
Steen, Ostade, Dusart, Mieris u. a. repräsen-
tiert, so daß man den Ergebnissen dieser
Auktion immerhin mit Spannung entgegen-
sehen darf. B.
Bonn. Die Sammlung der Frau Paul Kemp
wird hier am 10.—13. Nov. durch das Antiquariat
Math. Lempertz, Bonn, zur Versteigerung
gebracit. Es handelt sich vorzugsweise um
Objekte kunstgewerblichen Charakters, unter
denen, nach den Illustrationsbeilagen des Kata-
loges zu urteilen, die Möbelstücke (meist Re-
naissancearbeiten) besonderer Aufmerksamkeit
begegnen dürften. Indes auch unter der Fülle
der Arbeiten in Email, Glas, Porzellan, Steingut,
Fayence, Majolika, sowie unter den Gold-, Silber-,
Bronze- und Textilarbeiten, scheint manches be-
achtenswerte, fiir Sammler interessante Stick
vorhanden zu sein.
Wien. Gilhofer und Ranschburg künden
für die Tage vom 18.—21. November die Ver-
steigerung einer Sammlung Viennensia und
Austriaca an, die bei den Sammiern und Lieb-
habern von Altwiener Aquarellen, Handzeich-
nungen, Kupferstihen und Lithographien leb-
haftes Interesse wecken dürfte. Ein Blick in den
reich illustrierten Katalog läßt erkennen, daß
diese Versteigerung sich den bisherigen Auk-
tionen der Firma würdig anreiht. Alt-Wien
und das Österreich der ersten Hälfte des XIX.
Jahrhunderts ziehen in langen Folgen kunst-
und kulturhistorisch interessanter Blätter vor-
über. Erzherzog Karl und seine Zeit,
das Jahr 1809, Schlachtenszenen, Porträts und
Karrikaturen Napoleons I. schließen sich zu einer
bedeutsamen Gruppe zusammen, bei welcher
wir auf die Folge der Kriegsbilder von Ru-
gendas (in ersten Drucken) besonders hinweisen.
Unter den Ortsansichten muB an allererster Stelle
eine Ansiht Wiens, vom Belvedere aus
gesehen (in Öl auf Leder), genannt werden,
die in allen Details mit dem großen Bilde
Canalettos im Hofmuseum (Nr. 454) überein-
stimmt, so daB die Annahme berechtigt erscheint,
daß es sidı hier um eine im kleinen ausgeführte
Replik von der Hand des Meisters handelt.
Die Staffage ist jedenfalls mit bewunderns-
werter Exaktheit durchgeführt. Des weiteren
ist die komplette Folge der Janscha-Ziegler-
schen Ansichten von Österreich zu nennen,
dann die Ansichten Wiens von Schütz und Zieg-
ler, die Darstellungen aus der Gescichte und
dem Straßenleben Wiens, Bensas Equipagen-
und Praterfahrtbilder, die Wiener Volksszenen
und Typen von Brand und Opitz, die Alt-
Wiener Gratulationskarten, seltene Por-
träts in Kupferstich, Holzschnitt und Litho-
graphie — darunter besonders bemerkenswert
eine Reihe von Privatdrucken Kriehuberscher
Lithographien. Unter den Aquarellen und
Handzeichnungen von Daffinger, Fendi, Krie-
huber finden sich hervorragende Stücke, kost-
barer noch scheint die kleine Sammlung Wiener
Miniaturen, die erstklassige Schöpfungen
1064
Daffingers (Gräfin Wimpffen, Baronin Eskeles),
Emanuel Peters (Gräfin Kollonitsch), Aimée
Thibaults (Kinderköpfchen auf Elfenbein) auf-
zuweisen hat. Der Katalog der Versteigerung
zählt 1083 Nummern und ist mit 28 großen Bild-
tafeln ausgestattet. d--
2. STATTGEHABTE AUKTIONEN
Berlin. Rudolf Lepke hat am 20. Okt. eine
Anzahl Ölgemälde, Aquarelle und Zeidinungen
zeitgenössischer Meister, darunter den künst-
lerishen Nachlaß des Malers Prof. Fritz Werner,
Berlin, versteigert. Die Preise, die für die Werke
des letzteren erzielt wurden, hielten sich in
mäßigen Grenzen. Die Höchstgebote fielen
auf die beiden Ölbilder: Standartenträger der
Schwedter Dragoner 1800 M. und: Blick auf den
französischen Hafen Antibes 1120 M. Die Preise
für die Aquarelle und kleineren Blätter shwank-
ten zwischen 26 bis 600 M. Dagegen brachte
es ein Porträt Werners, von Menzel gemalt, auf
2970 M. Ein Eigenporträt Menzels in jüngeren
Jahren (Kreidezeihnung mit WelB gehöht) er-
zielte 2980 M. An bedeutenderen Preisen notieren
wir noch: Eduard Grützner, „Stillvergnügt“.
1700 M., C. Seiler, Interieur, 1800 M., Jose
Gallegos, „In der Bibliothek“, 2400 M., Pablo
Salinas, „Der Heiratskontrakt“, 4500 M., E. W.
Pose, ,Waldinneres“, 1280 M., Eduard Hilde-
brandt, ,Sdiweizer Landschaft“, 1200 M., Franz
Stuck, „Kopf eines jungen Mädchens“ 1200 M.,
Fritz Paulsen, „Jägerfrühstück“ 3050 M., L. Knaus,
„Halbfigur eines Mädchens“, 1000 M., Max Gaisser,
„Trompeter am Kamin“, 1300 M. Der Gesamt-
umsatz belief sich auf 67581 M.
Frankfurt a. M. Am 3. u. 4. November ist
hier die Japan- und China-Sammlung des
ehemaligen deutschen Generalkonsuls in Japan,
Dr. Schmidt-Leda, bestehend aus einer
chronologiscien Kollektion von Farbenholz-
schnitten aus der ältesten Zeit bis zur Mitte
des XIX. Jahrh., sowie Arbeiten in Lack, Holz,
Elfenbein und Schwertzieraten, durch die Kunst-
handlung Rudolf Bangel mit guten Resultaten
versteigert worden.
Am 20. d. M. fand die Versteigerung von
Handzeidinungen und Aquarellen aus der Samm-
lung des verstorbenen Frankfurter Kunstlieb-
habers Gustav Schiller durch die Firma F. A. C.
Prestel statt. Der Besuch setzte sich im wesent-
lien aus lokalinteressiertem Publikum zu-
Monatshefte für Kunstwissenschaft
sammen; von Sammlungen war nur das Städel-
sche Institut vertreten. Aus den Blättern alter
Meister wurden folgende Preise erzielt (alpha-
betisch):
2. Backhuyzen: 72.—. 3. Ders.:
4. Ders.: 91.—. 9. van Battem: 255.—.
Bona: 35.—. 17. Jan Brueghel: 800.—. 26.
Dupré: 136.—. 28. Everdingen: 450.—. 29.
Ders.: 460.—. 31. Claude Lorrain: 61.—.
32. Ders.: 135.—. 34 van Goyen: 111.--.
35. Ders.: 160.—. 36. Ders.: 420.—. 37. Guer-
cino: 40.—. 44. J. van Huysum: 56.—. 49.
Ital. Meister 17. Jahrh.: 26.—. 54. W. v.
Kobell: 121.—. 57. Lingelbad: 455.—. 59.
M. Lord: 160.—. 65. P. Molyn: 135.—. 66.
Ders.: 200.—. 70. A. v. d. Neer: 270.—. 71.
Ostade: 480.—. 74. Jacopo Palma: 81.—.
81. Ridinger: 225.—. 83. G. Romano: 22.—.
84. J. H. Roos: 33.—. 85. S. Rosa: 76.—. 88.
85.—.
15. T.
S. Ruisdael: 76.—. 89. Sachtleven: 36.—.
90. Ders.: 71.—. 91. Ders.: 66.—. 97. W.
Stadler: 15.—. 1C0. Teniers d. J.: 92.—. 101.
G. B. Tiepolo: 165.—. 102. E. v. d. Velde:
525.—. 103. W. v. d. Velde: 128.—. 104. Ders.:
800.—. 106. Ders.: 245.—. 109. J. de Wit:
145 —. 110. Wouvermann: 43.—.
Die zweite Abteilung des Kataloges wies
Arbeiten von Künstlern des 19. Jahrhunderts auf:
114. O. Achenbach: 420.—. 115. Adam:
140.—. 117. J. Alt: 150.—. 127. F. Becker:
25.—. 128.Ders.: 31.--. 129. P. Becker: 251.—.
135. Ders.: 16.—. 137. Ders.: 50.—. 147.
Bleuler: 245.—. 149. Braith: 225.—. 150. A.
Burger: 290.—. 151. Ders.: 80.—. 152. P.
Burnitz: 50.—. 153. Ders.: 42.—. 154. Ders.:
160.--. 156. Compton: 99.—. 158. Defregger:
260.—. 165. Dielmann: 440.—. 166. Ders.:
720.—. 173. Feuerbach: 205.—. 174. Ders.:
526.—. 178. Fiihrich: 215.--. 179. Ders.: 265.—.
180. Ders.: 56.—. 181. Ders.: 135.—. 182.
Ders.: 86.—. 183. Ders.: 62.—. 188. Genelli:
170.—. 189. Ders.: 37.--. 19. S. GeBner:
58.—. 200. Gude: 110. 202. Harburger: 61.-.
204. Hasenclever: 215.—. 213. Horscelt:
45. -. 217. Jeanniot: 45.—. 224. W. v. Kaul-
badi: 12.—. 229. Kleuze: 20.—. 231. Knaus:
500.—. 234. Koci: 9.—. 237. Lasinsky: 160.—.
240—241. Leibl: 160.—. 242. K. F. Lessing:
16.—. 246. G. v. Max: 455.—. 249. Menzel:
1400.—. 250. Ders.: 250.—. 252. C. Morgen-
stern: 80.—. 253. Ders.: 215.—. 261. Over-
beck: 270.—. 262. Ders.: 225.—. 263. Ders.:
140.—. 264. Ders.: 51.—. 265. Ders.: 100.—.
272. Pettenkofen: 60.—.
62.—. 286. Ders.: 181.—. 287. Ders.: 250.—.
289. Ders.: 130.—. 294. Richter: 31.—. 296.
Ders.: 51.—. 298. Riefstahl: 27.—. 301. Rott-
283. Reiffenstein:
Der Kunstsammler
mann: 105.-. 302. H. Rumbler: 51.—.
Ph. Rumpf: 70.—. 306. Ders.: 135.—.
Sdelfhout: 61.—. 319. Schirmer:
322. R. Schleich: 230.—.
325. Ders.: 62.—.
Skarbina: 195.—.
304.
313.
165.—.
324. Schnorr: 43.—.
327. Ders.: 60.—. 332—333.
334. Spitzweg: 85.—. 335.
Ders.: 16.—. 337. Ders.: 40.—. 341. Steinle:
61.—. 355. Ders.: 225.—. 356. Ders.: 550.—.
361. Thoma: 1030.—. 362. Ders.: 280.—. 363.
Tribner: 32.—. 364. Vautier: 46.—. 366.
Ders.: 16.—. 372—373. Ders.: 32.—. 376. Ver-
boekhoven: 11.—. 377. Voltz: 140.—. 381.
Wopfner: 155.—. 382. Ders.: 175.—.
Köln. Die Versteigerung der Goethe-Samm-
lung des verstorbenen H. Lempertz sen. hat bei J.
M. Heberle in den Tagen vom 12.—14. Okto-
ber stattgefunden. Uns interessieren von den
erzielten Preisen in erster Linie die Resultate
für die verschiedenen Handzeichnungen und Ra-
dierungen, die hier unter Goethes Namen unter
den Hammer kamen. Wir notieren nach dem
Kataloge: Bewachsene Landschaftspartie mit
felsigen Anhöhen und Gebäulichkeiten. Weiß-
gehöhte Tuschzeichnung, von Goethe während
seines Leipziger Aufenthalts gefertigt: 135 M.
Landschaft mit Wasserfall, von Gebiish um-
schlossen, 1767 in Leipzig gefertigte Radierung
Goethes nach A. Thiele: 270 M. Landschaft
mit Wasserfall nach A. Thiele von Goethe ra-
diert: 205 M. Drei Originalzeichnungen (Vig-
netten), unter Oesers Leitung von Goethe in
Sepia angefertigt: 710 M.
München. Die Galerie Helbing eröffnete
die Wintersaison mit der äußerst angeregten Ver-
steigerung der im letzten Heft schon ausführlich
gewürdigten Sammlung Grauer-Troppau, deren
hervorragende Porzellane zahlreiche Kunst-
händler und private Liebhaber auch von aus-
wärts angelockt hatten. Die Auktion ergab im
allgemeinen hohe, teilweise sogar verblüffende
Preise, die den Schätzungspreis weit überstiegen.
Eine Ausnahme machten die chinesischen Stücke
der Sammlung, für die keine rechte Stimmung
vorhanden war. Auch für die Ludwigsburger
Stücke war die Nachfrage nur mäßig. Um so
höhere Preise brachten die süddeutschen Por-
zellane ein, wie Höchst, Frankenthal und Ans-
bach, deren immer anwachsende Beliebtheit der
Auktion die eigentliche Signatur gab. Auch die
Nymphenburger Stücke waren sehr begehrt. Bei
Meißen gab's Überraschungen; beispielsweise
brachte es die Figur eines Kavaliers (Nr. 65),
die aus der Paunwitzschen Sammlung für 17C0 M.
gekauft worden war, nur auf 900 M. Als Symptom
kann man dies aber nidıt ansprechen, da auf
1065
der andern Seite manche Meißner Stücke sehr
hoch bezahlt wurden.
Von ausländischen Marken bradhten die fran-
zösischen Porzellane überraschend hohe Preise.
Für die italienischen Stüke (Capo de Monte
und Nove bei Venedig) war die Nachfrage nicht
sehr rege.
Die Porzellan-Galanterien aus den verschie-
denen Fabriken ergaben eine hübsche Kauf-
summe. So ging eine Kollektion von 74 Por-
zellanblumen aus der Ludwigsburger Fabrik
für 1600 M. in den Besitz von A. S. Drey-
München.
Das bayrische Nationalmuseum komplettierte
seine Ansbacher Stücke durch den Ankauf einer
Fayence aus dieser Fabrik (Nr. 185; 450 M.).
Wir lassen noch einige besonders markante
Preise folgen: Von Meißner Stücken brachten
es zwei runde Schüsseln (Nr. 2) auf 2600 M.
(Rosenbaum-Frankfurt); Nr. 57, Tanzendes Paar,
ein Kändlersches Modell, ging für 4000 M. an
A. S. Drey-Miinchen; Nr. 66,67, Figuren eines
Kavaliers und einer vornehmen Dame (angeb-
lih Graf und Gräfin Brühl), für 2550 M. in
Wiener Händlerbesitz. Von Höchst brachte es Nr.
91, Tanzende Dame aus d. ital. Comoedie, auf
700 M. und Nr. 94, Tänzer und Tänzerin (Mo- `
dell Melchior) auf 1650 M. (Münchener Privat-
besitz).
Den Clou der Auktion bildete eine wunder-
volle Frankentaler Figur, Nr. 96 (auf Steinbalu-
strade sitzende Dame, vielleicht audı Nymphen-
burger Fabrikat), für die Rosenbaum-Frankfurt
8000 M. gab. Derselbe Händler kaufte die
Frankenthaler Figur einer Dame mit Pelzmantel
(Nr. 93) für 2000 M.
Von Ansbacher Stiicken brachte es Nr. 124,
Dame mit Pompadour, auf 1650 M. (Rosenbaum-
Frankfurt). Zwei hervorragende Wiener Gruppen-
Sticke (129:130) erzielten 2500 M. (Pick-Wien)
und 3000 M. (Miinchener Privatbesitz).
Den Gobelin der Sammlung Grauer aus der
Manufaktur Beauvais mit der Darstellung des
berühmten Schweineschlachtens kaufte Pik-Wien
für 8000 M. W.
HOLLAND
Zu der von mir im vorigen Heft gegebenen
Übersidit über die in Holland bevorstehenden
Herbst- und Winterauktionen ist noch die fol-
gende nachzutragen. Die Firma J. Biesing im
Haag wird am 24. und 25. November im großen
Saale von ,Pulchri Studio“ die Sammlungen des
verstorbenen Herrn L. G. Brouwer (Haag) und
1066
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Abb. 1.
A. BLOEMAERT: Landschaft D
Versteigerung bei Fred Muller & Co. in Amsterdam am 15. u. 16. Dez. 1908
des Herrn J.C. M. (Scheveningen) zur Versteige-
rung bringen. Dieselben umfassen insgesamt
568 Nummern und bestehen zum größten Teil
aus Gemälden moderner holländischer Meister.
Mehr als es in Holland gewöhnlich der Fall zu
sein pflegt, sind darunter auch zeitgenössische
ausländische Maler vertreten, Russen, Fran-
zosen, Deutsche, Italiener, z. B. Wierusz-Ko-
walski, Henner, Douzette, G. Seiler, Tito
Conti u. a. Den Grundstock und entschieden
den besten Teil machen jedoch die Holländer
aus, denen die deutschen Käufer gewiB auch
das größte Interesse schenken werden. Von
Jozef Israels ist neben anderen ein sehr
schönes Werk da, eine Arbeiterfrau, die mit
ihrem Kind an der Hand nach dem Holzsammeln
durdı den Wald geht. Matthijs Maris ist mit
sehr charakteristishen Werken .vertreten, be-
sonders gut auch Geo Poggenbeek mit einer
Kuhweide, Enten im Wasser und am Wasser.
Von Jacob Maris ein eigenartiges Bild, eine
Schneelandschaft, aus der drei einsame Weiden-
stümpfe dunkel gegen den hohen, mit Schnee-
wolken bezogenen Himmel ragen. Bei der Auf-
zählung dieser und der noch folgenden Namen
halte ich mich an eine Serie Photographien, die
mir die Firma Biesing freundlichst zur Verfügung
stellte. Sie werden den reichen Schmuck des
im Augenblick, wo ich schreibe, noch unter der
Presse befindlichen Kataloges bilden. Es sind
das nodi Abbildungen nach Werken von Louis
Apol, Arentzenius, Chr. Bisschop, David
Bles; von Blommers (ein anscheinend frühes
Bild und ein anderes, breiter gemaltes: eine Mutter,
die ihr Kind stillt, am Fenster); zwei prachtvolle
Landschaften von Th. de Bock, weiter charak-
teristishe Werke von Gabriel, Ten Kate,
Klinkenberg, Koekkoek (groBe Gehirgsland-
schaft), Albert Neuhuys, H. W. Mesdag,
v.d.SandeBackhuysen, Therese Schwarze,
W. B. Tholen, Weismuller. Bei der Größe
der Kollektion ist dies natürlich nur eine kleine
Auslese. Audi ein paar alte Gemälde, sowie
drei alte Gobelins werden bei dieser Gelegen-
heit unter den Hammer kommen.
Die Firma Fred. Muller & Co. hat in den
Daten ihrer Herbstveranstaltungen inzwischen
einige Änderungen eintreten lassen. Von der
erst für den 27. Oktober angesetzten und nun-
mehr am 10. November stattfindenden Auktion
moderner Gemälde und Aquarelle aus versdiie-
denen holländischen Sammlungen, wie C. de
Kuyper (Velp), G. J. Verburgh (Rotterdam),
G. Menalda (Hilversum), J. H. van Eeghen
(Amsterdam) u.a. ist der Katalog Mitte Oktober
erschienen. Von den darin beschriebenen 212
Nummern werden zwölf in schönen Lichtdrucken
abgebildet: zwei Bosbooms, ein früher Willem
Maris (von 1869), je ein Gemälde von Joseph
Israels, Gabriel, A. M. Gorter, Willem Roelofs,
Der Kunstsammler 1067
C. Springer, E. v. Marcke, O. Achenbach, Ch.
Jacque und W. Bouguereau. — Nach dem Er-
scheinen dieses Heftes kommen zunächst, am
24.—27. November die Antiquitätensammlungen
der Frau Prof. NeiBer (Breslau) und anderer,
wie Cernuschi, Yo-Kim-Thay, J. Baak unter den
Hammer. Darauf folgen die vier groBen Auktionen
von alten Büchern, einer Ornamentsammlung,
von Dokumenten und Handschriften. — Am 15.
und 16. Dezember findet eine Versteigerung von
über 500 alten Gemälden statt, darunter die
allein schon mehr als 300 Stück umfassende
Sammlung Moll aus Ryswijk. Der Katalog ist
noch nicht erschienen; ich kann aber bereits auf
einige Gemälde hinweisen und drei abbilden.
So die interessante Landschaft von A. Bloe-
maert (Abb. 1. Man erkennt den Meister
in diesem bei ihm selten vorkommenden Genre
in erster Linie an den Figuren des Engels und
Tobias im Mittelgrund, etwas auch an der
schönen Baumgruppe rechts (id denke dabei an
die Predigt Johannes des Täufers in Braun-
sdiweig). Im übrigen ist das Gemälde signiert.
Sehr gut dürfte auch das männliche Porträt von
Elias (Abb.2) sein: Kopf Augen, Bart, die auf
dem Tisch ruhende Hand weisen große zeichne-
rishe Qualitäten auf. Merkwürdig ist auch ein
großes Halbfigurenbild, das angeblich vlämisch
Abb. A M. v. MUSSCHER: Interieur
SECHS bei Fred Muller & Co. in Amster-
dam am 15. u. 16. Dez. 1908
Abb. 2. N. ELIAS: Porträt eines Kapitäns oder
Schiffbaumeisters O
aa ME bei Fred. Muller & Co. in
Amsterdam am 15. u. 16. Dez. 1908
und aus dem Jahre 1660 sein soll. Es stellt
sechs musizierende Herren um einen Tisch
gruppiert dar. Einer davon hat ausge-
sprochen spanischen Gesichtstypus, in einem
anderen, dem jüngsten in der Mitte, bin ich
versucht, deutsche Nationalität zu suchen.
Außer den genannten wären noch Bildnisse
von F. Pourbus, Maes und Netsmer zu
erwähnen. Die Maler von Konversations-
stücken, wie Palamedes, Dirck Hals, M. v.
Musscher (Abb. 3) u. a. sind natürlich auch
zahlreich vertreten.
R.W.P.deVries inAmsterdam geben
` nunmehr über die von ihnen geplanten
Auktionen audı nähere Auskunft und Daten.
Am 2. und 3. Dezember versteigert diese
Firma den Nachlaß J. Teixeira de Mattos,
Enriques de Castro (Amsterdam) und die
Sammlung Ernesto Pagnoni (Vaprio d'Adda,
Mailand): Stiche und Zeichnungen. Darunter
befinden sich auch alte holländische Hand-
zeichnungen, sowie italienishe. Die Daten
der drei anderen Auktionen dieser Firma
sind aus dem Auktionskalender am Ende
dieses Heftes zu ersehen.
1068
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Die unter der Direktion von C.F.Roos&Co.
in Amsterdam am 17. und 18. November im
„Militiezaal“ stattfindende Versteigerung umfaßt
alte holländische Gemälde, Gold- und Silber-
sachen, altes Porzellan, Möbel und verschiedene
andere Antiquitäten.
In Dordrecht wurden durh A. Mak am
28. Oktober 140 alte und neuere Gemälde ver-
steigert. Unter den alten befanden sich Werke
von vanGoyen, Nic. Maes, J. M. Molenaer,
R. Savery und Ostade.
Von den beiden ersten, Ende September
und Anfang Oktober stattgehabten Versteige-
rungen seien im folgenden die bedeutenderen
Preise mitgeteilt.
C. F. Roos & Co., moderne Gemälde und
Aquarelle aus den Sammlungen C. A. M. van
Vliet (+), Haag, L. P. Reders, Amsterdam, u. a.
1750 fl.: Nr. 107, B. C. Koekkoek, Waldweg;
1500 fl.: Nr. 90, Jozef Israels, Brieflesende Frau;
1300 fl.: Nr. 91, Jozef Israels, Mutter und Kind
(Aquarell); 900 fl.: Nr. 171, Henriette Ronner,
Vier spielende Kätzchen (datiert 1903); 870 fl.:
Nr. 127, Jacob Maris, Frauenkopf; 750 fl.: Nr. 45,
O. Eerelman, Hundestall (datiert 1903); 750 fl.:
Nr. 220, J. H. Weissenbruch, Fluß in Holland;
700 fl.: Nr. 46, Eerelman, Junge Bernhardiner-
hunde; 650 fl.: Nr. 184, P. D. Schiedges, Herbst
(Aquarell); 650 fl.: Nr. 199, F. R. Unterberger,
La Torre dell’ Annunciata in Neapel; 600 fl.:
Nr. 183, Schiedges, Weidende Schafe; 590 fl.:
Nr. 105, J. C. K. Klinkenberg, Sonniger Tag;
580 fl.: Nr. 182, Schiedges, Die beiden Mühlen;
540 fl.: Nr. 177, J. van de Sande Bakhuysen,
Unter den Silberpappeln; 500 fl.: Nr. 30, Fred.
J. Du Chattel, Die Vecht; 500 fl.: Nr. 203, Eugene
Verboeckhoven, Die weiße und braune Kuh;
480 fl.: Nr. 93, Jozef Israels, Zeichnung; 400 fl.:
Nr. 181, J. Sdierrewitz, Tagesende; 380 fl.: Nr. 60,
A. M. Gorter, Herbst; 375 fl.: Nr. 225, J. H. Wijs-
muller, Hochsommer; 340 fl.; Nr. 224, Wijs-
muller, Im Herbst; 310 fl.: Nr. 47, Jan van Essen,
Fliegende Ente; je 300 fl.: Nr. 129, Willem Maris,
Melkstunde (Aquarell), Nr. 39, Virginie Demont-
Breton, Das Seebad, Nr. 53, P. J. C. Gabriel,
Regentag: je 290 fl.: Nr. 61, Gorter, Grauer Tag,
Nr. 79, B. de Hoog, Mutter und Töchterchen,
Nr. 163, A. Roelofs, Die Künstlerin; 275 fl.:
Nr. 133, J. H. v. Mastenbroek, Rotterdam; 270 fl.:
Nr..85, Isaac Israels, Die Partie Karten; 250 fl.:
Nr. 88, Isaac Israels, Bei der Modistin (Pastell);
240 fl.: Nr. 128, Willem Maris, Wasserlache in
den Dünen; 230 fl.: Nr. 31, Du Chattel, Wasser-
graben; 230 fl.: Nr. 193, J. A. B. Stroebel, Im
Vestibül; 225 fl.: Nr. 11, N. Bastert, Nieuwer-
sluis; 220 fl.: Nr. 207, E. Verveer, Am Meer;
200 fl.: Nr. 103, J. S. H. Kever, Blumen.
J. Shulman, Fayencen, Porzellan, Antiqui-
täten usw., Sammlung Allardin (+), Tilborch, u. a.
Alt Delft. Nr. 45, ein Paar polychromer
Statuetten (Herbst und Winter), Marke v. Duyn,
hoch 31 cm, fl. 300; Nr. 63 u. 64, zwei Pynacker-
Teller, fl. 605; Nr. 69, eine Paar Teller mit Fi-
guren in Landschaften in Blau (wahrscheinlidi
von Theodorus von Witsenburgh), fl. 200; Nr.
127, polychrome Flasche, hoch 26,5, breit 16 cm,
fl. 610.
China (blauer Dekor). Nr. 262, Garnitur von
5 Vasen, fl. 605; Nr. 264, Garnitur von 5 Vasen,
fl. 400; Nr. 265, Garnitur von 5 Vasen, fl. 1250;
Nr. 278, 3 Blumenvasen, fl. 500; Nr. 352, zwei
groBe Platten, fl. 400; Nr.448, Teeservice, fl. 450;
Nr. 465, zwei Teller (36 cm Durdm.), fl. 350;
Nr. 649, Großes Sèvres-EBservice, 264 Stück,
fl. 675; Nr. 687, Amstel-EBservice, fl. 2500;
Nr. 755, Ebenholzschrank, XVII. Jht., fl. 1670;
Nr. 757, reich skulptierter Eichenschrank (holl.
Renaiss.), fl. 1900; Nr. 770, Mahagoni-Glasschrank
(Empire), fl. 600; Nr. 783, Louis-XV.-Kommode,
fl. 400; Nr. 789, Louis-XVI.-Büffet, fl. 550.
Nr. 945, Ganguhr (Ende Louis-XIV.), fl. 1225.
Altes Silber: Nr. 989, Brotkorb, fl. 250; Nr.
994, vier Becher, fl. 910; Nr. 1147, Tabaksdosc
(Louis-XVI.), fl. 1150; Bonbonniere (Louis-XVI.),
fl. 600.
Nr. 1444, zwei große Gartenvasen, fl. 1150;
Nr. 1445, drei weibl. Marmorbüsten auf Soceln,
fl. 1000.
Die meisten der hier genannten Nummern
sind im Katalog abgebildet. K. F.
EE LE
Redaktionen der Monatshefte für Kunstwissenschaft:
Zentralredaktion: Leipzig, Liebigstraße 2.
Zweigredaktionen: Für Berlin: Dr. Herm. Voss, Berlin, W. 15, Joachimstaler Straße 14.
Für Münden: Dr. W. Worringer, Munchen, GeorgenstraBe 99.
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Für London: Frank E. Washburn Freund, The Cottage / Harrow on Hill bei London, Lyon Road.
Fiir Rom: Dr. H. Uhde-Bernays.
Rom, 28. Via Monte Tarpeo.
Für Paris: Dr. Rudolf Meyer-Riefstahl, 45, rue d'Ulm, Paris Ve.
Agent exclusif pour la France: F. Gittler, libraire-editeur, 2, rue Bonaparte, Paris.
Der Kunstsammler 1069
AUKTIONSKALENDER
1908 Köln. J. M. Heberle. Sml. bonnes 1908. | München. H. Helbing. Sammi.
Nov. sen. Abt.: Amerika, Afrika, Asien, | Novemb. Klopfer, Ölgemälde alter u. mod.
9.—10. Spanien, Türkei. 24. u. 25. Meister, Antiquitäten.
10. Amsterdam. Fred. Muller & Co. | 24. u. 25. | Haag. J.Biesing. Moderne Gemälde
Gemälde und Aquarelle moderner |, und Aquarelle.
Meister. 24.—27. Amsterdam. Fred. Miller & Co.
10. München. H. Helbing. Sml. her- | Sammlung Frau Prof. NeiBer, Breslau
vorrag. Waffen aus engl. Besitz. |, u. a. Antiquitäten, Objets d'art.
10.—11. Frankfurt a. M. R. Bangel. Ge- | 24.—28. | Berlin. Amsler & Ruthardt. Kpf.-
ı mälde, röm., etrusk., griech. Aus- | Stidie, Radier., Holzschn., Schab-
` grab. z. T. a. d. Taunus. | kunstbl., Lithogr. (15.—19. Jahrh.),
| Leipzig. C. G. Boerner. Kupfer- | sowie Orig.-Arbeiten mod. Künstler
| stidisml. H W. Schultze-Hamburg. | |
10.—12. . . D .
Klinger, Greiner, Leistikow, Men-
10.—13. | Bonn. M. Lempertz (P. Hanstein).
Aachen. Ant. Creutzer. Gemälde
alter und neuer Meister, darunter
Sml. Bougard u. Haneton-Brüssel.
Frankfurt a.M. Phil. Bode. Kpf.-
Stiche, Radier., Farbdrucke.
Smi. Kemp-Bonn. Möbel, Elfen- 26.—27.
bein, Zinn, Eisen, Porzell.,Fayencen, |
Gemälde, Stiche usw. |
11. u. 12. Köln. J. M. Heberle. Kupferst. a.
| versch. Besitz.
|
|
|
| zel, Whistler, Zorn u. al
|
|
|
{
il
|
|
l
|
11.—.12 Berlin. Gesellschaft für Kunst | Ende | Köln. J.M.Heberle. Antiquitäten
und Literatur. Gemälde haupts. | u. Kunstgegenstände aus süddtsdi.
, älterer Meister. | | Besitz Lo a.
13.u.14. Leipzig. C. G. Boerner. Wert- es Dez. | Haag. J. Schulman. Antiquitäten,
! volle Reformationsdrucke, alte Holz- | 1. u. 2. | Deter Porzellan, Alt Japan.
| schnittwerke u. wertvolle Manu- | |’ u. 3. | Amsterdam. R. W. P. de Vries.
' skripte, Einzelminiaturen. Stiche und Handzeichnungen.
16. —28. | München. Dr.Jakob Hirsch. Smil. | 2.—5. Aachen. Ant.Creutzer. Bücher aus
' Löbbecke - Braunschweig. Kunst- | allen Wissenschaften aus Privat-
medaillen u. Plaketten des 15. bis, besitz.
17. Jahrhunderts. | Anfang | München. H. Helbing. Sml. Hofer,
17.u.18. | Amsterdam (, Militizaal*). C.F.Roos Ostasiat. Kunstgegenstände des
16.—18. Jahrh.
8.—16. | Hmsterdam. Fred. Miller & Co.
Verschiedene Bibliotheken, Stiche-,
Ornamentsammlungen, genealogi-
sche u. historische Handschriften.
& Co. Alte holländische Gemälde,
Antiquitäten, Gold, Silber, Porzellan
usw.
|
18.—21. | Wien. Gilhofer & Ranschburg. |
|
|
|
Kupferstiche, Lithographien, Minia-
turen, Porträts, Theatralia, Vien- | 15. u.16. Amsterdam. Fred. Muller & Co.
nensia.
19, | Berlin. Rud. Lepke. Galerie alter lung, Evert Moll Sr., Rijswijk.
Meister aus englischem Privatbesitz. Dez. Aachen. Ant. Creutzer. Antiqui-
Frankfurt a. M. R. Bangel. Ge- | täten, Kunstmobiliar.
mälde, Antiquitäten, | | De. | Aachen. Ant. Creutzer. Gemälde
stände aus verschied. Besitz. alter und neuer Meister.
Zur gefl. Beachtung!
Diesem Hefte liegen Prospekte der Firmen: „HARMONIE“, Berlin;
HELBING & LICHTENHAHN, Basel; PAUL NEFF, Eflingen; R.
PIPER & Co., München; STRECKER & SCHRÖDER, Stuttgart und
Verlagsanstalt ALEXANDER KOCH, Darmstadt bei, die wir der
Aufmerksamkeit unserer Leser besonders empfehlen. Zugleich ver-
weisen wir nachträglich noch auf einen Prospekt der Firma GEORG
MULLER, München, über „Benvenuto Cellini“, der bereits dem
vorigen Hefte beigelegen hat.
‘e coon a ee ea
24. u. 25.
|
| Alte holländishe Gemälde-Samm-
We een
Bedeutende Kunstauktionen
in der
GALERIE HELBING, MÜNCHEN.
10. November: Englische Sammlung hervorragender Kriegs- und Jagdwaffen (vor-
wiegend deutsche, schweizer und italienishe Waffen) des 13. bis 18. Jahrhunderts.
Helme, Rüstungsteile, Hieb-, Stich- und SchuBwaffen, dabei besonders reiche Kollektionen
früher, seltener Schwerter, interessanter Hellebarden und Partisanen, prachtvoll geätzter
Jagdspieße, schöner Armbrüste, Gewehre und Faustrohre etc.
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bildungen (Autotypien) im Text. Gr.-Fol. Preis inkl. Porto M. 4.—. Ausgabe B:
Ohne die Tafeln, nur mit den Textabbildungen. Gr.-Fol. Preis inkl. Porto M. 1.—,
24.—25. November: Sammlungen Max & Theodor Klopfer +, München: Ölgemälde
hervorragendster moderner Meister, dabei Abeiten von A. Böcklin, J. v. Brandt,
F. v. Defregger, W. v. Diez, Ed. Grützner, Ad. Hengeler, Friedr. Aug. von Kaulbach, Herm.
Kaulbach, L. Knaus, F. v. Lenbach, G. v. Max, A.v. Menzel, A. u. P. Salinas, F. v. Stuck,
J. Wenglein, J. Wopfner etc. Ferner: Ölgemälde alter Meister sowie Antiquitäten-
Kunst- und -Einrichtungsgegenstände.
9. Dezember: Sammlung F. Hofer, Landau (Pfalz): Hervorragende Ostasiatische
Kunstgegenstände insbesondere des XVI, bis XVIII. Jahrhunderts.
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Hugo Helbing, Kunsthandlung und Kunstantiquariat.
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Holzschnitte - Schabkunst-
blatter alter und neuer Meister
darunter ein reihes Werk von Wenzel Hollar sowie zahlreiche
von den Künstlern handschriftlich bezeichnete Friihdrucke von
Bone / Greiner / Haden / Herkomer / Klinger | Legros
Meryon / Stauffer / Strang / Whistler / Zorn u.a.
Der reich illustrierte Katalog ist gegen Voreinsendung von M. 0.70 zu beziehen.
ONAT SHER T
EVERKUNSTWI SSENSCHAFT* jd
Herausgeber: DR GEORG BIERMANN
Redaktion: LEIPZIG, Liebigstr. 2
CH
& ù EN
O Begründet als „Monatshefte der Kunstwissenschaftlichen Literatur“ von Dr. Ernst Jaffe und Dr. Curt Sachs U
SC
Kee Eege Eeer i ie Deene
I. Jahrg. Heft 12 1908
Zwei Predellenbilder von Raphael’
Von Georg Gronau
Vor etwa zwei Jahrzehnten stand die Frage der Jugendentwicklung Raphaels
im Vordergrund des kunstgeschichtlichen Interesses; sie wurde von kenntnisreichen
Forschern in Zeitschriftenartikeln und in selbständigen Abhandlungen, die von Morellis
so neuen, als geistvollen Untersuchungen angeregt worden waren, nicht ohne Leiden-
schaft behandelt. Seither ist es mit dieser Frage ebenso still geworden, wie mit der
Raphaelforshung im Allgemeinen, ohne das eine Einigung erzielt worden wäre; es
steht mit diesem Problem gegenwärtig genau so, wie zu der Zeit, als Morelli in die
Jahrhunderte alte Überlieferung Bresche legte.
Eine Klärung ist nur zu erhoffen, wenn wir an Stelle der Konjekturen einen
auf Tatsachen basierenden sicheren Boden zu schaffen vermögen. Das kann von
zwei Seiten aus unternommen werden, durch Gewinnung und Interpretation neuer
Tatsachen über Raphaels Leben, oder dadurch, daß es gelingt, den bereits bekannten
Werken durch andere Gruppierung neue Resultate zu entnehmen. Wird unserer
positiven Kenntnis eben jetzt durch einen ausgezeichneten italienischen Forscher wert-
volles unbekanntes Urkundenmaterial zugeführt, das uns mit den ersten Anfängen
des Schaffens Raphaels bekannt macht, so mag das Folgende als ein Versuch betrachtet
werden, von der anderen Seite her, von der aus ein Zugang möglich ist, dem Problem
näher zu kommen.
Die zwei kleinen Tafeln, die den Ausgangspunkt dieser Betrachtungen bilden,
sind keine unbekannten Werke; sie haben beide gelegentlich die Forschung beschäftigt;
ihre Zusammengehörigkeit jedoch ist erst in neuerer Zeit erkannt worden. Die Ursache
dafür ist wohl in der Entlegenheit der Plätze zn suchen, an denen sie bewahrt
werden: in der Sammlung Sir Frederic Cooks zu Richmond und in der Akademie zu
spaniel Passavant hat in seinem monumentalen Werk, das fiir alle Zeiten die
1) Verf. ist der Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart für die gütige Überlassung der
Abbildungen, die diesem Aufsatz beigegeben sind, zu aufrichtigem Dank verpflichtet. Sie sind
der demnächst erscheinenden vierten Auflage des Raffael-Bandes der „Klassiker der Kunst“
entnommen.
70
1072 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Grundlage der Raphael-Forschung bilden wird, mag man zu den darin niedergelegten
Einzelurteilen sich immer stellen, wie man will, nur das letztere erwähnt.!) Er
scheint dem Bilde nur geringes Interesse abgewonnen zu haben und schreibt es dem
Pinturicchio zu. Das zweite Bild dagegen hat er wohl nicht gekannt, während Crowe
und Cavalcaselle ihrerseits es allein besprechen; sie kannten es von einer Ausstellung
der British Institution 1857 her" Über die Provenienz machen sie die Mitteilung, daB
W. Young Ottley es 1801 aus der Galerie Borghese erworben habe, wo es traditionell
den Namen Raphaels getragen hatte. Doch muß hier angemerkt werden, daß die
sorgfältige Beschreibung, die der Galerieverwalter Jacopo Manilli im Jahre 1650 von
den Kunstschätzen der Villa Borghese veröffentlichte,?) kein Werk aufführt, das sich mit
jener Tafel identifizieren ließe, während andere Bilder Raphaels, die um die Wende
des XVIII. Jahrhunderts die berühmte römische Galerie verließen — die drei Grazien,
die heilige Katharina und der Traum des Ritters — leicht darin wiederzuerkennen sind.
Das Bild der Sammlung Cook dagegen stammt angeblih aus Penna Billi,
einem kleinen Ort im Gebiet von Montefeltre; es sei dann in Trevi gewesen, von
römischen Antiquaren in den Kunsthandel gebracht und durch diese an den portu-
giesishen Minister in Florenz, Husson da Camera, verkauft worden. Hier war es
bestimmt im Jahre 1859; und von hier aus ist es durch Erbschaft an die Kunstakademie
in Lissabon gelangt. Diese Tatsachen liest man in einer kleinen Gelegenheitsschrift,
die sich mit dem Bildchen beschäftigt und 1871 in Bologna in wenigen Exemplaren
gedruckt wurde.) Deren Verfasser hat eine Interpretation des seltenen Gegenstandes
versucht: es sei darin Elisa dargestellt, der drei der Kinder von Bethel, die wegen
der Verspottung des Propheten getötet worden waren, wieder zum Leben erweckt.
Liest man aber an der betreffenden Stelle im zweiten Buch der Könige nach (Kap. II,
Vers 23 u. 24), so stellt sich die Unhaltbarkeit der Deutung rasch heraus: es ist dort
überhaupt nur von der Bestrafung der unartigen Buben die Rede.
Der Gegenstand des anderen Bildes wurde ebenso wenig sicher gedeutet.
Crowe und Cavalcaselle dachten an ein Wunder des Nikolaus von Bari, aber ver-
hehlten einige Bedenken nicht. Trotzdem nahm sie derjenige, dem das Verdienst
gebührt, die Bilder, darf man sagen, der Wissenschaft bekannt gemacht zu haben,
wieder auf. Dies war Herbert Cook, der, als Erbe der Kunstschätze in Richmond mit
dem einen Stück wohl vertraut, auf einer Reise nach Portugal den Zusammenhang
beider Bilder zuerst erkannte und seine schöne Entdeckung in einem Artikel ver-
öffentlichte, der die Werke Raphaels in England erschöpfend behandelt.) Es sei
hier, meint Cook, ein Wunder des heiligen Nikolaus von Myra dargestellt; und die
zwei Tafeln wären als Stücke der Predella des 1789 zugrunde gegangenen Altarbildes
1) Französische Ausgabe, Paris 1860, II, S. 315.
2) Deutsche Ausgabe, Leipzig 1883/5, I, S. 97.
3) Villa Borghese .... descritta da Jacomo Manilli. Rom 1650.
4) Gaetano Giordani, Intorno Raff. Sanzio . ... per una tavoletta da lui dipinta nella
quale ammirasi Eliseo che risuscita tre fanciulli. Ich verdanke den Hinweis auf dieses Schriftchen
Dr. W. Bombe.
5) Gazette d. B.-Arts, Ille période, t. XXIII, 1 mars 1900, S. 177.
G. Gronau. Zwei Predellenbilder von Raphael 1073
mit dem heiligen Nikolaus von Tolentino, einst in Sant’ Agostino in Citta di Castello,
zu betrachten. Aber abgesehen davon, daß sich die in den Tafeln dargestellten
Begebenheiten nicht ohne weiteres mit Wundergeschichten des Schutzheiligen von Bari
identifizieren lassen, steht dieser Interpretation ein starkes ikonographisches Bedenken
entgegen. Auf der Predella in Richmond ist der Heilige deutlih als Kardinal
_ charakterisiert, während Sankt Nikolaus von Bari stets als Bischof dargestellt wird.
Daß ein Künstler der Renaissance sich in dieser Hinsicht ein Versehen habe zu
Schulden kommen lassen, ist ohne weiteres als unhaltbar zurückzuweisen.
Die Zahl der Heiligen, die mit dem Kardinalshut geschmückt sind, ist klein;
Sankt Hieronymus unter ihnen der bekannteste. Uber die Legenden dieses so recht
populären Heiligen und ihre Behandlung in italienishen Bildern des Louvre hat in
jüngster Zeit ein Aufsatz von Mille Pillion in der Gazette des Beaux-Arts reiche
Belehrung gebracht !) und auf die Hauptquelle hingewiesen, aus der die Künstler der
‚Renaissance schöpften, die „Hieronymianum“ betitelte Schrift des Juristen Giovanni
d'Andrea (+ 1348). Zwar erschien diese im Druck erst im Jahre 1516 in Basel, doch
war sie handschriftlich viel verbreitet;*) und eine italienische Bearbeitung, in der sie
die Künstler zweifellos kennen gelernt haben, erschien 1491 in Florenz im Druck.’)
War der Stoff der einen Tafel bereits durdı eines der Bilder im Louvre
erklärt, so ergab sich die Legende, die dem zweiten zugrunde liegt, sofort aus der
gleichen literarischen Sammlung. Da es sich in beiden Fällen um selten dargestellte
Szenen handelt, deren Deutung anderen von Nutzen sein mag, so mögen hier nach
dem Text jener Legendensammlung in etwas gekürzter Form die behandelten Stoffe
nacherzählt sein.
„Es hatte sich, erzählt Giovanni d’Andrea, nach dem Tode des hl. Hieronymus
unter den Griechen eine Sekte gebildet, die auch zu den lateinischen Völkern gedrungen
war, welche lehrte, daß die Seelen der Heiligen bis zum Tage des jüngsten Gerichts,
an dem sie sih mit den Körpern wieder vereinigen, des göttlichen Anblicks nicht teil-
haftig würden, worin doch gerade die Seligkeit der Heiligen besteht; ebenso behaupteten
sie von den Verdammten, daß sie bis zu jenem Tag keine Qualen litten. Auch
leugneten sie die Existenz des Purgatoriums, wo doch nach unserer Glaubenslehre
die Seelen geläutert werden, die im Leben ihre Sünden nicht völlig gebüßt haben.
Als die Anhänger zunahmen und deshalb der Schmerz der Gläubigen wuchs, berief
Cyrillus die Suffragane und Katholiken zu sich und befahl ihnen zu fasten und zu
beten, damit Gott nicht dulde, daß seine Lehre also erschüttert würde. Nach dem
Verlauf dreier Tage erschien in der darauffolgenden Nacht Hieronymus dem Eusebius,
1) t. XXXIV, 1. avril 1908, S. 303 ff. DaB hier der Schlüssel zur Deutung für die Predelle
in Richmond vorläge, teilte mir B. Berenson mit.
*) Ich benutzte die Handschrift der Florentiner Nazionalbibliothek Magliab. II, IV, 473;
aus einem Kloster in San Gimignano stammend.
8) Incominccia il devoto transito del glorioso Sancto Hieronimo ridocto in lingua fioren-
tina... Impresso in Firenze per Ser Francesco Bonaccorsi ... MCCCCLXXXX adi XIII di
febraio. Das seltene Buch wurde mir durch Herbert Horne zur Verfügung gestellt. Die uns
interessierenden Legenden sind in den Kap. XXIX und XXXI erzählt.
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1076 | Monatshefte für Kunstwissenschaft
der noch dem Gebet oblag, tröstete ihn und versprach, er wolle jener Sekte ein
schnelles Ende bereiten. Unter Thränen rief Eusebius ihn an: „Bist du es, mein
Vater Hieronymus?“ und dann wiederum: „Warum verlässest du mich?“ Hieronymus
antwortete ihm: „Geliebtester Sohn, ich will dich nicht verlassen; denn nach zwanzig
Tagen sollst du mir folgen und gemeinsam werden wir in Freuden ohne Ende
leben. Dem Cyrillus aber und allen Brüdern verkündige, daß sie am folgenden Tage
nahe der Krippe des Herrn, wo mein Leib ruht, sich alle versammeln, die Katholiken
sowohl, wie die Anhänger jener Sekte; und laß die Leiber der drei Männer, die in
dieser Stadt heute Nacht verstorben sind, und die noch unbeerdigt liegen, dort hin-
bringen, wo mein Leib begraben ist, breite über sie den Sack, den ich trug, und
alsobald werden sie ins Leben zurückkehren und die Haeresie mit der Wurzel aus-
rotten.“ Mit einem „Lebewohl“ verschwand Hieronymus. Als es Morgen wurde,
erzählte Eusebius alles dem Cyrillus, der Gott und dem hl. Hieronymus dankte, die
Versammlung berief, wie es Hieronymus befohlen, und die Leiber der Verstorbenen
hinbringen ließ. Die Anhänger der Sekte spotteten, gleich als sei Gottes Hand kraftlos
geworden. Eusebius aber trat zu den Leibern, beugte das Knie, hob die Hände zum
Himmel empor und betete vor ihnen allen, daß Gott, dem nichts unmöglich ist, und
der nicht verläßt, die auf ihn hoffen, auf Bitten des hl. Hieronymus die Seelen in
jene Leiber zurückkehren lassen möge, die sie verlassen hatten. Dann berührte er
jeden Körper mit dem Sack, den der hl. Hieronymus auf dem Leib getragen hatte, und
es kehrte der Lebensgeist in sie zurück: sie öffneten die Augen, gaben Zeichen des
Lebens, standen wieder auf und begannen, allen von dem Ruhm der Seligen und den
Leiden der Verdammten im Purgatorium, wie in der Hölle, mit klarer Stimme zu
berichten. Dann erzählten sie dem Cyrillus, daß der hl. Hieronymus sie zum Paradies,
zum Purgatorium und zur Hölle geleitet habe, damit sie allen offenbarten, wie es dort
aussähe; und er habe ihnen gesagt, sie sollten in ihre Leiber zurückkehren und ihre
Sünden büßen, denn sie würden am Tage und zu der Stunde, an denen Eusebius
scheiden würde, sterben. Und so geschah es. Die Menge der Gläubigen aber, wie
der Anhänger jener Sekte erkannte den Irrtum und den Beweis der Wahrheit, wie
die Macht des hl. Hieronymus, und pries Gott und Sankt Hieronymus.“
Eben diese Legende stellt das Bildchen in Lissabon vor. Es ist der Moment
gefaßt, wo Eusebius mit dem hl. Gewand an die drei Leichname herantritt, in deren
zweiten eben das Leben zurückkehrt, während der erste schon die Kraft zum Gebet
wiedergewonnen hat. Mit einiger künstlerischer Freiheit hat der junge Meister die
Szene in die offene Landschaft verlegt. Nun wir die zugrundeliegende Legende
kennen, erklärt sich eine Schwierigkeit: weshalb die Hauptfigur, die das Wunder voll-
bringt, nicht mit dem Heiligenschein geschmückt ist; denn der Heilige wirkt hier durch
die Hand seines Getreuen. Dagegen greift Hieronymus auf dem zweiten Bild selbst
handelnd ein.
„Der Haeretiker Sabinianus behauptete, es habe in Christus zwei Willen
gegeben; und (was schlimmer ist), sie hätten sich bisweilen im Widerstreit mit ein-
ander befunden; zum Beweis führte er die Worte Christi im Evangelium an: „Vater,
wenn es geschehen kann, so laß’ diesen Kelch an mir vorübergehen.“ Daraus schloß
G. Gronau. Zwei Predellenbilder von Raphael 1077
er, daB er mit dem einen Willen die Passion zuriickwies, mit dem anderen gezwungen
sie auf sich nahm. Darüber hatte er ein Werk verfaßt und es dem Hieronymus, dem
Spiegel jeder Wahrheit, zugeschrieben. Weil Cyrillus aber wußte, daß Hieronymus
kurz vor seinem Tode an Augustinus einen Brief über die Vernichtung dieser Irrlehre
geschrieben hatte, forderte er den Sabinianus mit seinen Anhängern auf, sie möchten
sich zur Disputation darüber an einem Sonntage in der Kirche von Jerusalem ein-
finden. Als Cyrillus mit seinen Suffraganen und den katholischen Männern, und der
Haeretiker mit seiner Rotte in der Kirche erschienen waren, begann der Disput des
Morgens und dauerte bis zum Abend; und während Sabinianus jenes von ihm ver-
faßte, aber dem Hieronymus zugeschriebene Werk gegen die Katholiken anführte, konnte
Silvanus, der Erzbischof von Nazaret, der den Hieronymus so verehrte, daß er stets bei
seinem Tun Gottes und des Heiligen Namen anrief und deshalb allgemein „Hieronymus“
genannt wurde, dies nicht ertragen, und er schalt den Haeretiker. Nach langem,
heftigem Streit und gegenseitigen Beschimpfungen beschloB man endlich, daß, wenn
bis zur neunten Stunde des folgenden Tages der hl. Hieronymus deutlich bewiesen
hätte, jenes Werk sei eine Fälschung, der Haeretiker an seinem Haupt gestraft werden
sollte; wo nicht, so sollte der Erzbischof die gleiche Strafe erleiden. Ein jeglicher
kehrte nach Hause zurück und die Katholiken verbrachten die ganze Nacht im Gebet.
Am festgesetzten Tag und zur Stunde brach der Haeretiker mit seiner Schar in die
Kirche ein und wollte wie ein brüllender Löwe den Knecht und Sohn Gottes ver-
sdilingen. Die Schar der Gläubigen war in der Kirche versammelt und rief den
Namen des Hieronymus an; der aber verschloB sein Ohr, damit das Wunder noch
größer erschiene. Cyrillus, darüber erstaunt, vergoß Tränen. Als sich nichts wunder-
bares begab, schritt Silvanus zum Tod wie zur Hochzeit und ermahnte unerschrocken
auf folgende Art Bischöfe und Katholiken: „Jubelt mit mir, ihr Teuersten, und freuet
euch, denn Gott wird nicht verlassen, wer auf ihn hofft; sollte er mich aber nicht
erhören, so habe ich es durch meine Sünden verdient.“ Hierauf kniete er nieder und
sprach: „Heiliger Hieronymus, stehe mir bei, wenn du willst, ob ich gleich diesen und
einen schlimmeren Tod verdient habe; hilf mir aber, damit nicht die Lüge an Stelle
der Wahrheit trete. Ist es daher nicht Unrecht, daß mir geholfen werde, so sei mir
in der Stunde des Todes gnädig, damit ich deines ewigen Ruhmes teilhaftig werde.“
Mit diesem Wort bot er seinen Nacken dem Henker und forderte ihn zum Schlage
auf; der erhob sein Schwert und begehrte, das Haupt des Erzbischofs mit einem
Hieb abzuhauen. Da erscheint plötzlich der hl. Hieronymus, hält vor aller Augen
das Schwert mit ausgestrecktem Arme fest und befiehlt dem Silvanus aufzustehen. Dem
Haeretiker warf er die gefälschten Schriften vor und, ihm drohend, verschwand er;
und alsbald fiel das Haupt des Haeretikers zur Erde, vom Leibe getrennt, als wäre
es mit einem einzigen Schwerthiebe des Henkers abgeschlagen. Durch dieses Wunder
bewogen, kehrten die Schüler des Haeretikers auf den Weg der Wahrheit zurück.“
Vergleicht man diese Erzählung mit dem Bilde in Richmond, so kann kein
Zweifel darüber bestehen, daß der Maler diese hat darstellen wollen. Wir gewahren
den Heiligen als Kardinal, wie er gerade dem Henker in den Arm fällt und gleich-
zeitig den Finger drohend erhebt; und im selben Augenblick ist der Haeretiker zu
1078 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
Boden gestürzt und sein Haupt vom Rumpfe getrennt. Von seinen Anhängern flüchten
einige, während andere das Wunder anbetend verehren.
Der Umstand, daß die zwei Täfelchen Legenden des hl. Hierongmus darstellen,
stärkt die aus stilkritishen Gründen von Cook ausgesprochene Vermutung, daß sie
Bestandteile einer und derselben Predella bildeten.) Das Altarbild, zu dem sie
gehörten, muß die Figur des hl. Hieronymus enthalten haben. Das trifft nur auf eins
der Jugendwerke Raphaels zu, den ,Kruzifixus“ in der Sammlung Mond in London,
wo der Heilige im Vordergrunde am Fuß des Kreuzes dargestellt zu sehen ist.
Die Schicksale dieses von Raphael signierten Bildes sind bekannt: es schmiickte
bis zum Jahre 1818 den Altar, den Domenico Gavari in der Kirche San Domenico in
Citta di Castello gestiftet hatte. Dieser Altar trägt eine Weihinschrift, die aber ver-
deckt ist und außer dem Namen des Stifters eine Jahreszahl zeigt, die nach Magherini
Graziani 1503, nach Mancini aber 1504 zu lesen ist”) Ist diese Inschrift auch als das
Jahr der Entstehung des Bildes zu fassen, so muß man sich unbedingt für die erste
Lesung entscheiden; und man wird aus inneren Gründen kaum fehl gehen, wenn man
annimmt, daß Raphael in den Jahren 1502—1503 an diesem Bild gearbeitet hat.
Nun hat das Altarbild in San Domenico tatsächlich eine Predelle gehabt. Der
Kruzifixus allein würde den Altar nicht füllen.) Der Historiker der Kirchen von Citta
di Castello, Giacomo Mancini, hat die Nachricht in einem alten, seither verlorenen
Manuskript gefunden, daß die Predelle um die Mitte des XVII. Jahrhunderts einem
durchreisenden Kardinal geschenkt worden sei. Magherini-Graziani, in dem kostbaren,
der Kunst seiner Vaterstadt gewidmeten Werk erweitert diese Angaben: nadı einer
Version sei es der Kardinal Cesare Rasponi gewesen, der am 27. Oktober 1668 in
Citta di Castello war, nach einem anderen Manuskript aber, worin von der Predelle
als dem „ornamentino con alcune figurine bellissime“ gesprochen wird, der Kardinal
Bevilacqua (+ 1649).
Ober die auf der Predella dargestellten Szenen ist bisher keine Nachricht zutage
gekommen. Zwei Möglichkeiten gibt es: die Predella enthielt, wie es häufig geschieht,
Szenen aus dem Leben jedes der im Hauptbild dargestellten Heiligen oder nur solche
aus dem Leben eines derselben. Für beide Fälle gibt es Beispiele. Von dieser Seite
also steht der Annahme, daß die Täfelhen dem Altarbild in San Domenico als
Predella gedient haben, nichts im Wege.
Nun ist die Datierung, welche stilkritishe Gründe zwingen, den Bildern zu
geben, ein starkes Schutzmittel unserer Annahme. Herbert Cook freilich wollte mit
der Datierung bis auf 1500 zurückgehen; allerdings wohl mit deshalb, weil er sie
mit dem Altar des hl. Niccolo von Tolentino in Verbindung brachte. Nun wird eine
1) Nach gütiger Mitteilung von Herbert Cook sind die Maße beider Bildchen völlig gleich,
nämlich 0,223><0,413.
®) Giacomo Mancini, Istruzione storico-pittorica per visitare le chiese .... di Città di
Castello, Perugia 1832, I, S. 235/6; Magherini-Graziani, L'Arte a Città di Castello, Città d. C.
1897, S. 255 ff.
8) Magherini-Graziani |. c. S. 241 hat die Angaben: Größe des Bildes 2,57><1,54, des
Altars 3,32><1,83.
G. Gronau. Zwei Predellenbilder von Raphael 1079
Untersuchung der Bilder auf ihre Elemente dartun, daB darin zwei Richtungen zutage
treten. Hauptsächlich erkennt man die umbrische Schulung ihres Schöpfers; die Typen,
Gesten, Proportionen, das Verhältnis der Figuren zur Landschaft und endlich diese
selbst bekunden sie. Der Meister aber, der dem jungen Raphael als Muster vor
Augen stand, war nicht sowohl Perugino, wie im Hauptbild, als der liebenswürdige
Erzähler Pinturicchio. An ihn erinnern die schlanken Figürchen, besonders deren
untere Extremitäten. Es kann daher nicht verwundern, daß Passavant das Madrider
Bild bestimmt diesem Meister zuschrieb, und daß Morelli, wie Cook angibt, für das
Bild in Ricimond denselben Namen nannte.
Werden wir dadurch in die frühere Periode der Tätigkeit Raphaels in Umbrien
geführt — denn der Einfluß Pinturicchios verschwindet später und wird durch
Peruginos Vorbild verdrängt —, so ist andererseits höchst beachtenswert, daß man auf
der Tafel in Richmond eine direkte Entlehnung von Timoteo Viti finde. Wie Herbert
Cook nachwies, ist die Figur des niedergestürzten Mannes — des Haeretikers Sabinianus
— einem im englischen Privatbesitz befindlihen Bilde (CoL Legh in Knutsford,
Cheshire; Abb. 1. c. S. 187) des Viti entnommen, der seinerseits wieder eine Anleihe
bei Ercole Roberti gemacht hatte. Wir beobachten Raphael hier also in jenem hoch-
bedeutsamen Moment seiner Entwicklung, wo ihn inmitten umbrischer Umgebung und
Schulung die Reminiscenzen an seine Erziehung in Urbino noch nicht verlassen haben.
Nichts steht im Wege, diesen Moment ooch um 1502—1503 anzunehmen.
Wenn wir von diesen Predellen aus die uns bekannten Frühwerke Raphaels ins
Auge fassen, so kann uns deren Zusammenhang mit zweien seiner Arbeiten nicht
entgehen; dem hL Michael des Louvre und dem „Traum des Ritters“ der National
Gallery. Schon Cook betonte, wie verwandt der Henker der Ricimond-Tafel mit dem
Heiligen des Pariser Bildes ist: derselbe Schwung zieht durch die beiden Gestalten
und die Motive sind gelegentlich hier und dort genau gleich. Nicht minder verwandt,
jedoch morphologisch, nicht im Motiv, ist die Gestalt des am Boden liegenden
Haeretikers mit dem schlafenden Ritter; es sind dieselben kindlichen Züge, die gleichen
breiten und knochenlosen Hände.
| Spricht aber aus jenen berühmten Kabinettstücken noch rein Viti'sche Tradition,
so ist diese, wie bemerkt, in den Predellen im Schwinden, ist überwuchert durch
die umbrische Kunst, wie sie Pinturicchio vertritt. Daher müssen nach unserer Auf-
fassung jene Bildchen den Predellenstücken um ein weniges vorausgehen; sie müssen
gerade auf Grund der Schlüsse, zu denen uns diese nötigen, vor das Jahr 1502 (rund)
datiert werden.
So sind die beiden Täfelchen in Richmond und Lissabon eben dadurch, daß sie
uns ein einigermaßen festes Datum aus Raphaels Jugendentwicklung mitteilen, für die
Erkenntnis seines Werdegangs von einer Bedeutung, die über ihren rein künstlerischen
Wert hinausgeht. Sie können uns helfen, eine präzisere Vorstellung von dem Können
Raphaels zu einem bestimmten Termin zu gewinnen; rück- und vorwärtsschauend
gewinnt man von hier aus neue Perspektiven.
E> AOI
— e E e Se e e A
Die Werke Vincenzo Catenas
Von Detlev Freiherrn von Hadeln
Neuere archivalishe Forschungen!) haben gezeigt, daß Crowe und Cavalcaselle
einen Irrtum begangen haben, als sie Vincenzo da Treviso mit Vincenzo Catena identi-
fizierten. Nicht Catena, sondern Vincenzo dalle Destre aus Treviso wurde im Jahre 1495
mit anderen Malern in der Sala del Gran Consiglio beschäftigt; ihm und nicht Catena
gehören die beiden Bilder der „Darstellung Christi im Tempel“ des Museo Civico zu
Padua?) und des Museo Correr.?)
Die „Darstellung Christi“ in Padua (die Signatur derjenigen im Museo Correr
ist erst vor einigen Jahren zum Vorschein gekommen) mußte den Jugendwerken Catenas
eingeordnet, Verwirrung anrichten. Man wurde zur Annahme gezwungen, dieser Maler,
dem so verschiedenartige Bilder gehören sollten, habe keinen ausgesprochenen Stil
gehabt. So glaubte man, noch dies und jenes, was sonst nicht gut unterzubringen
war, ihm zuschreiben zu dürfen.
Nachdem das paduanische Bild nunmehr ausgeschieden ist, bleibt eine Gruppe
signierter Werke übrig, die sämtlich die gleichen stilistishen Eigentümlichkeiten auf-
weisen. Diese Bilder sagen sehr deutlich, was von jener Reihe unbezeichneter Arbeiten
wirklih zu ihnen gehört und was mit der „Darstellung“ in Padua für den jungen
Catena nicht mehr in Betracht kommt.
Es sei dann aber schon hier bemerkt, daß kaum eines dieser dem Catena ab-
gesprochenen Bilder Vincenzo dalle Destre mit Sicherheit zugeschrieben werden kann.
Auch über die letzte Manier Catenas sind wir heute besser unterrichtet. Der
kleinen Zahl der gutbeglaubigten Spätwerke konnte kürzlich ein Bild der Brera eingereiht
werden. Ein „Noli me tangere“, das der Anonymus des Morelli auf einem Altar der
Kirche del Spirito Santo zu Crema sah. Dieses Werk schließt sich so eng den anderen
sicheren Arbeiten der späteren Epoche an, daß nun auch für diese ein festumschriebener
Stil behauptet werden kann. Diese spätere Manier stellt sich als eine ganz einfache
Weiterbildung der früheren dar. Mit anderen Worten: Catenas Entwicklung verläuft
geradlinig, folgerichtig. Erheblihe Schwankungen haben kaum stattgefunden. So
wird man auch eine Reihe von Werken, die der reife Catena geschaffen haben sollte,
aus dem Œuvre des Malers als fremde streichen und in die große Masse der Namen-
losen verweisen müssen.
Die beiden frühesten bezeichneten Werke Catenas, wohl um 1500 entstanden,
befinden sich in England. Das eine in der Walker Gallery zu Liverpool,*) das andere
1) G. Biscaro in Atti del Ateneo Veneto, 1897, p. 270f.
3) Bez.: , VINCENTIVS DE TARVIXIO.“
5) Bez.: „Vicentius de tar || uisio disipulus. ioan || nis bellini.“ — Ein drittes Werk Vincenzos,
ein Altarbild in S. Lorenzo zu Treviso, früher in S. Michele, laut Urkunde v. J. 1503 (vgl. Biscaro
in Atti del Ateneo Ven. 1897, p. 270) zeigt Vincenzo unter dem Einfluß seines älteren Lands-
manns Girolamo, vgl. dessen Mad. m. Heil. vom J. 1487 in Dom zu Treviso.
4) Bez.: „Vincenzius Chatena P.“
v. Hadeln. Die Werke Vincenzo Catenas 1081
Abb. 1. CATENA: Madonna mit Heiligen und Stiftern
D London. Dr. L. Mond
bei Dr. L. Mond in London.) Beide Bilder von jenem bekannten, venezianischen
Breitformat zeigen die Madonna mit Heiligen in Halbfigur und unten, über der
Rahmenleiste, die knienden und deBhalb nur bis zur Brust sichtbaren Stifter. In Liverpool
ist den Figuren eine dunkle Folie gegeben, auf dem Bilde des Dr. Mond sind sie vor
eine bergige Landschaft gestellt (Abb. 1). Das Hauptmotiv dieser Landschaft, ein
kastelgekrönter Hügel mit Wachtürmen und einer den Abhang sperrenden, ins Tal
hinabsteigenden Festungsmauer erinnert an Giovanni Bellini. Auf der Marienkrönung
in Pesaro und auf dem großen Empfehlungsbilde des Dogen Agostino Barbarigo in
S. Pietro Martire zu Murano ist ein ganz ähnliches Berg-Fort zu sehen. Doch kann
hier nicht von Entlehnung gesprochen werden; bei genauerem Vergleich zeigen sich
die mannigfachsten Abweichungen. Die venezianischen Landschaftsmaler des aus-
gehenden Quattrocento müssen besonderes Gefallen an diesen die Ebene beherrschenden
Bergbefestigungen gefunden haben. Auch auf den Hintergründen anderer Biider
kommen solche vor. Es sei nur an die vielumstrittene „Auferstehung Christi“ des
Kaiser Friedrih-Museums und die zahlreichen, gerade im Landschaftlihen von ihr
abhängigen Bilder erinnert.
Dagegen !stammt ein großer Teil des Figuralen des Londoner Bildes in der
Erfindung sicher nicht von Catena. Merkwürdigerweise hat eine Schar von Künstlern
— und darunter die angesehensten — sich nicht gescheut, gewisse, höchstwahrscheinlich
1082 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Abb. 2. CATENA: Madonna mit Heiligen
Budapest, Museum der bildenden Künste
von Giovanni Bellini gefundene Kompositionsschemata immer und immer zu wieder-
holen. Zu solchen gehört auch diese nach links gewandte Madonna, die die Rechte
segnend auf den Scheitel des knienden Stifters legt.) Man wird also, wenn es gilt
durch stilkritischen Vergleich aus der Masse unsignierter Werke diejenigen Catenas
herauszufinden, Figuren, wie die Madonna des Mondschen Bildes ganz beiseite lassen
müssen. Dagegen liefern die vorzüglichen Stifterporträts, sowie die in den Formen
etwas leeren, aber für den Maler äußerst charakteristischen Heiligen (man beachte die
eigentümliche Behandlung des Haares) feste Anhaltspunkte.
Ein signiertes, offenbar etwas später entstandenes Werk Vincenzos besitzt das
Museum zu Budapest, Nr. 97.7) (Abb. 2) Wieder im Breitformat die Halbfiguren der
Madonna, Josefs und einer Heiligen vor landschaftlihem Grunde. Die Zeichnung ist
außergewöhnlich sauber und sorgfältig, zu sorgfältig. Jeder Runzel im Gesichte des
Josefs, jeder Haarsträhne, jeder Gewandsfalte ist mit übertriebener Aufmerksamkeit
nachgegangen. Wie mit spitzem Griffel ist alles scharf umzogen. Hart stehen die
1) Vgl. über diese vermutlich auf ein verschollenes Original Giovanni Bellinis zuriick-
gehenden Bilder G. Gronau im Repertorium XX. p. 301 f. Catena weicht in der Haltung des Kindes
von den übrigen ab. Dasselbe ist sonst wie die Mutter nach links gewandt und spendet den
Segen. —
%) Bez.: ,VIZENZO. C. P.“
v. Hadeln. Die Werke Vincenzo Catenas 1083
Abb. 3. CATENA: Martyrium der Hl. Christine
O Venedig, S. Maria Mater Domini
Köpfe vor der Luft. Erstaunlicherweise ist ein so unmalerisches Bild zu einer Zeit
entstanden, wo im selben Venedig Giorgione und Tizian zu malen begannen.
Das bezeichnete Präsentationsbild des Dogen Lorenzo Loredan im Dogenpalaste
kann schon nicht mehr den Frühwerken Catenas zugerechnet werden.!) Die Behandlung
ist bereits weicher. In dem Verzicht auf schmückendes Details, in der gewollten
Einfachheit, die hier allerdings zu nüchterner Leere geworden, reflektiert bereits der
Eindruck der großen, jungen Generation.
Wahrscheinlich wurde dies Bild einige Jahre nach dem Regierungsantritt des Dogen
(1501—1521) bestellt. Einem besonderen historischen Anla — man könnte sonst an
die bange Zeit der Liga von Cambrai denken — wird dieses Werk kaum seine Ent-
1) Bez.: „VINCECIVS CHATENA. P.*
1084 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
stehung verdanken. Denn bereits im Laufe des XV. Jahrhunderts waren solche Dar-
stellungen des vor der thronenden Madonna knienden, von Heiligen empfohlenen
Staatsoberhauptes in Venedig zur Gewohnheit geworden. Das älteste seiner Art!) ist das
Empfehlungsbild des Giovanni Mocenigo (1477—1485) von der Hand Lazzaro Bastianis
(London, National Gallery). Anfangs bestritten die Dogen aus ihren Privatmitteln die
Kosten für diese Bilder, über die sie, resp. ihre Erben, dann auch frei verfügen konnten.
So blieb das Mocenigo-Bild bis zum Verkauf an die National-Gallery im Jahre 1865
im Palaste der Familie bei Sant’ Eustachio. Das berühmte Bild mit dem Dogen
Agostino Barbarigo kam durch testamentarishe Bestimmung des Dargestellten nach
den Angeli in Murano.*) Im Laufe des XVI. Jahrhunderts wurde es dann Sitte, daß
der offizielle Ratsmaler diese Zeremonienbilder auf Staatskosten malte.) Sie blieben
demgemäß auch im Dogenpalaste.
Catenas Bild wird kaum vor 1505, vielleicht sogar erst einige Jahre später,
entstanden sein. Denn die Schlichtheit, deren sich hier der Maler befleiBigt, hat, wie
bemerkt, die Bekanntschaft mit jenen Werken, in denen der neue Stil zum Durchbruch
kommt, wie der Castelfranco-Madonna, Tizians h. Markus in der Salute zur Voraus-
setzung. — Es ist dann ferner nicht recht wahrscheinlich, daß einem sehr jungen
Künstler die Ehre zuteil wurde, das feierliche Empfehlungsbild des Dogen zu malen.
Catena muß damals schon Ruf besessen haben.
Für die Madonna hat sich der Maler an Giovanni Bellinis Madonna di S. Giobbe
inspiriert. Auch dort hält die Mutter das Kind mit der Rechten und erhebt huldvoll
die Linke. Das ist ungewöhnlich. Für die Figur des Kindes wurde dann ein anderes
Werk des Meisters benutzt, eine Komposition, die wahrscheinlich nur in der guten
Werkstattsarbeit des Städelschen Institutes zu Frankfurt (Nr. 35) erhalten ist.
Von den Spätwerken ist nur ein einziges bezeichnet, nämlich das Porträt eines
älteren Herren, wohl eines venezianischen Senators im Hofmuseum zu Wien, Nr. 20.)
Keine wesentliche Stilwandlung kann hier konstatiert werden. Kalt, wie auf den
Jugendbildern, stehen die Töne nebeneinander: Das helle Blau der Moireerobe mit
dem blaßroten Überwurf vor grauem Grunde. Nur die lineare Schärfe ist etwas
gemildert.
Wir besitzen schließlich einige zwar nicht signierte, aber durch ältere Schrift-
steller gut beglaubigte Arbeiten Catenas. Das früheste eine armselige Dreifaltigkeits-
darstellung in S. Simeone Grande zu Venedig.) Dann das Hauptwerk, das Martyrium
der H. Christine in S. Maria Mater Domini. (Abb. 3.) Dies umfangreiche Altarbild
1) Noch älter solche Darstellungen in Lunetten über Grabmälern. So diejenige vom Grabe
des Dogen Francesco Dandolo, ursprünglih im Kreuzgang der Frari, jetzt in der Sakristei der
Salute. Im Mosaik des Grabmals Michele Morosinis in S. Giovanni e Paolo werden Doge
und Dogaressa von ihren Schutzheiligen dem Krucifixus empfohlen.
?) Vgl. das Testament bei Zanetti, Del Monasterio e della Chiesa di S. M. degli Angeli
di Murano Venezia 1863, p. 57f.
3) Vgl. Lorenzi, Documenti per servire alla storia del Pal. Ducale, p. 284 ff. 2891.
4) Bez.: „VINCENTIVS CATENA PINXIT.“
5) Von Boschini, R. Min. Sestiere di S. Croce p. 11 zuerst als Werk Catenas erwähnt.
v. Hadeln. Die Werke Vincenzo Catenas 1085
Abb. 4. nn Madonna mil Heiligen
Glasgow, Art Galleries
wird zuerst von Sansovino genannt.') Er las die heute nicht mehr erhaltene Signatur
offenbar falsh: „Angelo C. P.“ Oder was wahrscheinlicher, er schrieb sehr flüchtig
aus seinen Notizen ab. Der Stifter des Bildes, den Sansovino ebenfalls nennt, hieß
Angelo Filomato. Boschini*) ist der erste, der 1520 als Entstehungsjahr angibt. Es
liegt kein Grund vor, an der Richtigkeit dieser Angabe zu zweifeln.
Als gut beglaubigt darf dann weiter ein „Noli me tangere“ der Brera, Nr. 166,
angesehen werden, das kürzlich mit einem von Marcanton Michiel in der Kirche
Spirito Santo zu Crema erwähnten Altarbild identifiziert wurde.) In der Formen-
behandlung steht dies ,Noli me tangere“ der S. Cristina so nahe, daß man annähernde
Gleichzeitigkeit der Entstehung anzunehmen hat.
Für ein Werk von guter literarischer Tradition darf dann wohl auch das Bildnis
des Grafen Raimund Fugger (1489—1535) im Kaiser Friedrih-Museum gelten. Stil
und Malweise zeigen unzweideutig auf Catena und zwar auf dessen Spätzeit. Die
Persönlichkeit des Dargestellten wird durch einen Stich der Pinacoteca Fuggerorum
(Tafel 9) einigermaBen sicher festgestellt. — Augen, Teint, Bart- und Haarfarbe deuten
schon allein auf einen Nordländer. — So möchte dieses Bildnis mit dem von Vasari‘)
gesehenen Fuggerporträt Catenas identisch sein.
1) Francesco Sansovino, Venetia descritta, 1581, carta 75r.
2) Boschini, R. Minere, Sest. della Croce, p. 19.
*) Monatsh. f. Kstwsch. I, p. 652.
4) Vasari, Ed. Milanesi, III, p. 645.
1086 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Fast iiberall, wo von diesem Bildnis die Rede ist, heiBt es, Vasari habe ein
soldies im Fondaco de’ Tedeschi gesehen. Mir scheint, daß man Vasari hier nicht
richtig verstand. Der Zusatz ,che allora stava in Venezia nel fondaco de” Tedeschi“
ist nicht auf das Bild, sondern auf den Dargestellten zu beziehen. Gelegentlich einer
Zeichnung, die Giorgione von einem Fugger gemacht hatte, sagt Vasari dasselbe, nur
mit etwas anderen und klareren Worten: „che allora era de’ maggiori mercanti
nel fondaco de’ Tedeschi“.!) Wir wissen also nicht, wo Vasari das Fuggerbildnis
gesehen hat.
Nicht mit völliger Bestimmtheit läßt sich ferner sagen, ob eine andere literarische
Notiz auf ein Bild der Sammlung Quirini-Stampalia zu Venedig zu beziehen ist, auf
eine Halbfigur der Judith, die durch Berenson Catena zurückgegeben wurde. (Abb. 7.)
Ridolfi?) sah bei Bartolomeo della Nave eine ,Mezza figura di Giuditta, lavorata sulla
via di Giorgione“ von der Hand Catenas. Also ein Spätwerk, wie die Halbfigur der
Sammlung Quirini.
Nun sind an diesen bezeichneten oder durch alte literarische Zeugnisse be-
glaubigten Werken die nicht signierten, Catena zugeschriebenen Bilder zu prüfen.
Dem jungen Catena wird im Palazzo Giovanelli zu Venedig ein Halbfigurenbild
der Madonna zwischen Petrus und dem Täufer vom Cicerone und von Berenson, von
Berenson allein eine Madonna in S. Trovaso gegeben. Beide erinnern im trüben,
schweren Ton an die „Darstellung Christi“ in Padua, ohne daß auch für sie Vincenzo
dalle Destre mit Bestimmtheit als Urheber genannt werden könnte. GewiB ist nur,
daß sie dem durch seine hell gefärbten Bilder in Venedig auffallenden Vincenzo
Catena nicht gehören.
Ohne Recht wird ihm durch Berenson weiter die „Beschneidung“ der Londoner
National-Gallery, Nr. 1455, und die Replik der Galleria Doria zu Rom zugeschrieben.
Es fehlen sämtliche auf Catena deutende Merkmale. Man sollte der Signatur „IOANNES
BELLINVS.“ des besseren Exemplares in London bis zu einem gewissen Grade Glauben
schenken. Wenigstens der Entwurf gehört dem Meister,
Dagegen scheint mir die nicht allgemein akzeptierte Zuschreibung einer Ma-
donna zwischen zwei weiblichen Heiligen in Glasgow an Catena durchaus das richtige
zu treffen. (Abb. 4.) Vielleicht ist hier der Maler deshalb weniger leicht kenntlich,
weil er wieder zwei Belliniwerke benutzte, also wenig eigenes gab. Für Mutter und
Kind lehnte er sich an die bereits genannte Frankfurter Atelierarbeit an (oder wohl
eher an deren verschollenes Vorbild), für die Stellung der beiden Heiligen an das
schöne Halbfigurenbild der venezianischen Akademie, Nr. 613, Madonna zwischen
Magdalena und Katharina. — Catenas Eigentümlichkeiten treten in dem Glasgower
Bilde vor allem in der Magdalena zutage, die der weiblichen Heiligen des signierten
Bildes bei Dr. Mond aufs nächste verwandt ist.
Diese beiden Köpfe, deren volle Vorderansicht die Leere der Formen besonders
peinlich empfinden läßt, zeigen, daß Berenson sehr glücklich ein Jünglingsbildnis der
1) Vasari, IV, p. 99.
2) Ridolfi, Le Meraviglie, Ed. II. Bd. I, p. 107.
v. Hadeln. Die Werke Vincenzo Catenas 1087
Abb. 5. CATENA: Bildnis eines Jünglings
D London, National Gallery
National-Gallery zu London (Nr. 1121, noch immer nur allgemein Venetian School
benannt) unter Catena unterbrachte. (Abb. 5.)
Für unseren Maler charakteristisch ist der matte Blick dieses Jünglings. Auch
das spätere Fuggerbildnis hat ihn. Schon deshalb möchte nicht von Catena das Porträt
eines jungen Mannes sein, das vor einigen Jahren als Geschenk in den Louvre kam.
Antonello-artig scharf blicken hier die Augen. Auch diese !energischen Akzente auf
Kinn und Nasenflügel sind Catena fremd. Das sympathische Bildnis paßt einigermaßen
zu jenen Porträts, die von Berenson zusammengestellt und für Alvise Vivarini be-
ansprucht wurden.
Ein frühes Werk Catenas, dem Mondschen Bilde noch recht nahestehend, ist
ein Halbfigurenbild der Madonna mit Heiligen, das aus der Sammlung Lucien Bona-
71
1088 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 6. CATENA: Schlüsselübergabe
O Madrid, Prado
parte in die Sammlung Raczynski und mit dieser ins Kaiser Friedrich-Museum zu Posen
kam. Rechts neben der Madonna steht eine jugendliche, weibliche Heilige mit preziöser
Frisur und ausgeschnittenem Kleide, die fast völlig gleich auf einem Bilde der Dresdner
Galerie (Nr. 64 A) als hl. Helena wiederkehrt. Diese Übereinstimmung und die für
Catena ebenso charakteristishe Gegenfigur eines hl. Petrus (man vergleiche ihn mit
dem hl. Josef des signierten Pester und demjenigen des gleich zu erwähnenden Berliner
Halbfigurenbildes) lassen keinen Zweifel, daß das Dresdener Bild audı von Catena
stammt, wie Berenson und Woermann bereits annahmen.
Neben diese weiblichen Heiligen in Posen und Dresden sei der nahen Verwandt-
schaft halber das jedoch später anzusetzende Brustbild der hl. Magdalena des Berliner
Kaiser Friedrich-Museums, Sammlung Simon, gestellt — Die auch sonst bestrittene
Zuschreibung eines weiblichen Porträts, ebenfalls in der Sammlung Simon, an Catena
scheint auch uns nicht das richtige zu treffen.
Einige Halbfigurenbilder der Madonna mit Heiligen werden so allgemein und
mit Recht dem Maler zuerkannt, daß wir uns hier mit einer bloßen Nennung begnügen
können: Venedig, Akademie Nr. 348: Madonna zwischen dem Täufer und Hieronymus.
Modena, Galerie Nr. 404: Madonna mit Stifterpaar und dessen Schutzheiligen. Budapest,
Museum Nr. 102: Madonna mit kniendem Stifter und zwei Heiligen. Sämtlich Früh-
werke. Diesen mag angeschlossen werden die gleichfalls unbestrittene, aber später
entstandene Madonna mit vier Heiligen und Stifter des Kaiser Friedrich - Museums
zu Berlin.
Neben der hl. Christine, und durch sie für Catena gesichert, ist als ein Hauptwerk
der späteren Epoche das prächtige Bild der Londoner National Gallery, Nr. 234, an-
v. Hadeln. Die Werke Vincenzo Catenas 1089
a cio 3,
zusehen: Ein Ritter, der im Begriffe ins Feld zu ziehen, kniend vor dem Kinde auf
dem Schoße der Madonna den Segen erfleht Aus etwa der gleichen Zeit ein
„Hieronymus im Studio“ ebendort, Nr. 694,!) ein „Christus in Emmaus“ in der Galleria
Carrara zu Bergamo, Nr. 11, die „Schlüsselübergabe im Beisein der drei Kardinal-
tugenden“ des Prado zu Madrid, Nr. 108°) (Abb. 6) und schließlih die „HI. Anna
selbdritt mit Josef“ in Dresden, Nr. 65. Dies Bild wirkt in seiner hellen, verwaschenen
Färbung so wenig venezia-
nisch, daß man bis zu einem
gewissen Grade seine frü-
heren Benennungen, Andrea
del Sarto oder Sassoferrato
nach einer Zeichnung Raffaels
begreiflich finden kann.
Es bleibt eine kleine
Gruppe von Werken übrig,
die ebenfalls mit dem reifen
Catena in Zusammenhang
gebracht wurde. Morelli?)
nannte als erster Catena als
Urheber jener giorgionesken
„Anbetung der Könige“ der
Londoner National Gallery,
Nr. 1160. Berenson schrieb
ihm dann konsequent zwei
weitere Bilder zu, die fraglos
von der gleichen Hand sind:
»Die Anbetung der Hirten“
bei Mr. Beaumont (etwas ge-
ringere Wiederholung im
Wiener Hofmuseum) und eine
kleine H. Familie bei Mr.
Benson in London. Aber so
unzweifelhaft diese dreiBilder
zusammengehören, so un-
wahrscheinlich ist Catenas
Urheberschaft. In ihrer tiefen Färbung und dem warmen Hell-Dunkel stehen sie im
schroffsten Gegensatz zur Manier unseres Malers. Es gibt nicht ein sicheres Bild
Catenas, neben das jene drei als verwandt gestellt werden könnten.
Berenson schreibt dem Catena scilieBli den früher Gentile Bellini benannten
Abb. 7. CATENA: Judith o
Venedig, Sammlung Quirini-Stampalia
') Im Städelschen Institut zu Frankfurt eine leicht veränderte Kopie, die wegen ihres
dunklen Tones nicht für eigenhändig gelten kann.
*) Nach Berenson das gleiche Sujet bei Mrs. Gardner in Boston.
*) Die Galerien zu München und Dresden, p. 268.
1090 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
»Empfang des Gesandten Domenico Trevisan in Kairo“ im Louvre (Nr. 1157) zu. Auch
hier wüßte ich nichts, womit diese Attribution gestützt werden könnte. Ich glaube,
eher dirfte man Vittore Bellinianos Namen vor dem Bilde nennen.
Catena hat von seinen Zeitgenossen eine uns heute nicht ganz verstandliche
Schätzung erfahren. Wir sahen, daß er in verhältnismäßig jungen Jahren bereits einen
ehrenvollen Auftrag vom Staatsoberhaupte empfing. Wir finden dann Werke von
Catena in den erlesensten venezianischen Privatsammlungen des frühen Cinquecento.
So bei Andrea Oddoni,*) bei Zuanne Ram?) neben Bildern Giorgiones, Palmas, Lottos,
Tizians. Von der Catena entgegengebrachten Schätzung sprechen sdilieBli zwei zeit-
genòssische Briefe, der eine von Marcanton Michiel, dem Verfasser der Notizia, der
andere von Pietro Bembo.
Crowe und Cavalcaselle, die übertrieben streng über Catena urteilten, haben diese
Briefe in etwas absonderlidier Weise interpretiert. Dem einen Briefschreiber, Michiel,
schieben sie bei seinen Lobeserhebungen eigennützige Motive unter, in Bembos Brief
lesen sie Dinge hinein, die gar nicht darin stehen.
Michiel berichtet aus Rom am 11. April 1520 an Antonio di Marsilio nach
Venedig vom Tode Raffaels. Zum Schlusse sagt er: „Dicesi Michiel Agnolo esser
ammalato a Fiorenza. Dite adunque al nostro Catena che se guardi, poiche el tocca
alli excellenti pictori“.*) Eine solche Nebeneinanderstellung Catenas und zweier der
ganz Großen mag wohl dem ungeheuerlih vorkommen, der sie völlig ernst nimmt.
Aber solche stilisierten, romanischen Liebenswürdigkeiten wollen nicht wörtlidi genommen
werden. — Doch ist es wiederum nicht angängig, aus ihnen das direkte Gegenteil
herauszuhören und einen unbescholtenen Schreiber häßlicher Nebenabsichten zu ver-
dachtigen. Aus Michiels Brief geht deutlich hervor, daß er Catena als Maler schätzte.
Der Brief Bembos ist nicht ganz korrekt übersetzt worden.*) Es empfiehlt sich,
den italienischen Text wiederzugeben. Bembo schreibt am 8. Mai 1525 an Pietro
Lippomano, Bischof von Bergamo, nach Rom: „Come dhe io havessi gia fatto tutto
quello, che era in poter mio per M. Vincenzo Catena, avanti che io havessi le lettere
di V. Sig. che me lo raccomandano caldamente: pure lette esse lettere, ho aggiunto
alcuna cosa alla primiera opera per amore e riverenza di voi, e spero, che egli conse-
guira il disiderio suo: Ringratiandovi, che vi siate ricordato di commandarmi. La qual
cosa vi priego a fare spesso, che tanto più vi resterò tenuto, quanto voi più mi spen-
derete in quello, che conoscerete che io vaglia.“ °’)
Ih bin nicht imstande mit Crowe und Cavalcaselle diesen Zeilen Bembos zu
entnehmen, „wie sehr es mit Catenas Kraft abwärts ging“. Vielmehr beweist der
Brief, daß sich der Humanist für Catena interessierte, schon bevor Lippomano ihm den
1) Notizia d’opere di disegno, Bassano 1800, p. 63.
2) Ibidem p. 78.
5) Mitgeteilt bei Bottari, Lettere I. p. 574 und durch Jacopo Morelli in den Noten zur
Notizia, p. 210 ff.
4) Crowe und Cavalcaselle, Geschichte der italienischen Malerei. Deutsche Ausgabe.
Bd. V, p. 270.
5) Pietro Bembo, Lettere, Venedig 1552, T. I. p. 229f.
v. Hadeln. Die Werke Vincenzo Catenas 1091
Maler empfahl. Es ist auch kaum wahrscheinlich, daß ein Mann vom Geschmacke
Bembos schlechte Bilder kaufte, nur um einem Freunde gefällig zu sein.
Es lohnt sich sicherlih nicht, über die Zusammenstellung des Œuvre hinaus sich
mit Catena zu beschäftigen. Er scheint fleißig gewesen zu sein. Aber keine starke
Persönlichkeit war er. Größeren hinkte er nach. Vermutlich im letzten Jahrzehnte des
XV. Jahrhunderts im Atelier Giovanni Bellinis ausgebildet, hat er die Gewohnheiten
dieser quattrocentistishen Erziehung niemals wahrhaft ablegen können. Wohl hat er
versucht, sich den jungen Cinquecentisten anzuschließen. Mit der „Judith“ der Sammlung
Quirini wollte er zweifellos Bildern, wie Tizians „Flora“, Palmas „Violante“ etwas
gleiches an die Seite setzen. Und so malte er eine weibliche Halbfigur mit dem auf
jede kleine Einzelheit gerichteten Auge eines Quattrocentisten. Was die Neuen mit
ihrer großen, breiten Einfachheit wollten, ist ihm niemals aufgegangen.
Benvenuto Cellini, the Caradossos and other Master
Craftsmen of the Guild of the Goldsmiths of Rome
By Sidney J. A. Churchill
In the Notes for the Student contributed by me to the Papers of the British
School at Rome, vol. IV, pp. 163—226, it was stated as far as I was then able to
judge- that the names of the celebrated Milanese Goldsmith, Caradosso, and that of
his still better known successor Cellini were absent from the lists of the Members of
the Guild of the Goldsmiths of Rome which had hitherto been accesible to me. That
Cellini made no mention of the Confraternity of the Goldsmiths of Rome either in his
Autobiography or in his Treatise on the Art of the Goldsmith. It was further noted
that those mastercraftsmen who were attached to the Papal Court, or who enjoyed
the protection of influential personages frequently ignored the Statutes which required
them to impress their personal mark on the work sent out of their bottegas.
Further research, however, which I have recently had the opportunity of making
amongst the Archives of the Universita of the Goldsmiths of Rome has brought to
light some very interesting records concerning both those and other Goldsmiths.
In a vellum copy of the Statutes containing an original confirmation by Antonius
Altouita, Archbishop of Florence and President of the Mint, dated August 22 1550,
on the recto of f. III is the following: — “Cum cio sia utile et honesto et result
comune / ornamento a tutti artefici che si exercitano / iustamente et laudabilmente in
essi exercitij onde / a ciashun arte statuti et collegij è necessario si ad / ben uiuere
si ad fugire in corte li trauagli delle lite / per questo; li orefici tanto Romani quanto
quelli che / sequitano la corte di Roma: di nomi delli quali qui / infrascipti si legano
insieme congregati ad honore / del sümo omnipotente Dio et del suo figlolo Iesu Xpo
nro saluator et dela gloriosa sancta maria et säcto Pietro et Sto Paulo principi delli
apostoli et ad gloria / di Sacto Eligio protector de essi ad riformare et regulare
l'arte di essi et ad uedere la università in la cità di Roma capo et regina di tutte le
cita sedente julio II°. Pont. Maxo. nel suo pontificato anno sixto / die no XXV del
mese di junio M. CCCCCviiij +) Jn presentia di me notaro elegereno li prouidi homini
mastro santo de Cola; mastro Joan Bapta de amici Romano, mastro Antonio de tusci
bolognese, et mastro Laurentio de grossi genouese che sequitano la corte de Roma
una con li consoli cio è Gasparre de’ Aprano: Bernardo Palozello, Antonio samerino,
Pietro Posto ad uedere et ordinare, statuire, reformare et fare noui statuti et ad fare
tutte et singula cose che parerano utili honeste et oportune et necessarie a la Repu-
blica et università di / essi. Le quale cose jurano tenerle uere ferme obseruare et
custodire in dubitabilmente et ad quelle no contrauenire.
1) The Breve of Giulio II granting the Goldsmiths the privilege of erecting a durch for
themselves in via Giulia is dated June 12 1509.
A. Churchill. Benvenuto Cellini, the Caradossos and other Master Craftsmen etc. 1093
Nomina Aurificum.
1) Gaspar (de Aprano) 22) Francesco de anto de siena
2) Bernardino palozelle 23) Iouan pietro criuello
3) Antonio Samerino 24) Andrea de’ fiorentino
4) Pietro Posto 25) Caradosso
5) Juliano del cote 26) Francesco pergolella
6) Sancto de cola 27) Paolo arsago de milano
7) Antonio infererio 28) Lorenzo genouese
8) Michele jouenale 29) Sebastiano de mo joanni
9) Sano de la Corona 50) Raphello de’ antiqua florenta
10) Joan Bapta de amici 31) Pietro bernardo de hispano
11) Furio de ferentino 32) Tiberio de
12) Io aluares ualetiano 33) Iachetto de francia
13) Daniele darci | 34) Cola anto de anto capo biacho
14) Antonio de tusci (Turri in other text) 35) Nardo di Antonazo
15) Sigismido fiorentio 36) Mathia de Roma
16) Nallo de’ | 37) Pietro de Meno
17) Menico de sutri 38) Io Tomasso de
18) Lodouico de’ milano 39) Bartholomeo Carpello
19) Michele de’ palma 40) Amodio iu parione de capriolj
20) Cerbone de’ 41) (Galzerano Aluia Castelo. In other text)
21) Angelo fiorentino 42) Belardino d’passari
The names have been numbered by me for easier reference. This document was
printed in a shorter form by Antolini (Thesavrvs Legalis Viniversitatis Avrificvm Vrbis
Cvm Annatationibvs. Romae. 1655, p. 2.) The names as printed in Antolini’s text do
not agree with those in the earlier MS text given above. Bertolotti (Artisti Lombardi
a Roma; vol. II, p. 312) quotes a document in which the names are given as follows:
— [The figures in brackets refer to the list already given above.] (II) Fulvio Surrentino
di Angelino (18) Lodouico de Paganis mediolanensis (15) Sigismondo de monte di
Domenico di Fiorenza who with (7) Antonio degli Infererii were the Consuls of the
Confraternity (8) Michael de Iuuenalibus (6) Sancto Cola sabbe (17) Domenico de
Michaelle de Sutrio (14) Antonio de M. Paolo de Camerino (San Marino?) (16) Nallus
de Nodio de Alexandria (Antonio de Tuffis de bononia (2) Bernardus Palochi or Palotii
romano (21) Angelo de loduvico de Florenzia. (4) Pietro Post de Lacie alemanno.
Marzius di lodovico Lucarelli romano (30) Raphael de andrea florentino (20) Cerboni
de Consortini de Corsica.
According to Bertolotti this document is registered in the Records of the Notary
L. De Masiis, Rome. Anno 1505—25, f. 60—61. Many of the Goldsmiths mentioned
above are to be found in Bertolottis publications, where they are recorded as occu-
pying appointments at the Papal Court or as furnishing work for Princes of the
Church.
Caradosso's name is absent from Bertolottis document. In the list published
by Antolini it is given as Caradonio. In the MS. quoted above it is given correctly
tat No.: 25. In the original MS. Register of the Guild of the Goldsmiths of Milan, in
he Library of the late Baron Landau, under the year 1475 there is the entry of the
1094 Monatshefte für Kunstwissenschaft
mark adopted by this artist for the work wrought by him; as required by the Statutes
of the Goldsmiths of Milan: „La zingola culo puto in ante che fa la morescha fu tenuta
da Caradoso foppa.“ Considering that he had already been a member of the Guild
in Milan it was not improbable, some thirty years later when the goldsmiths of
Rome proposed to become independant of the other arts and crafts which had
S. Eligio for their patron, that he should support the desire of his colleagues to erect
a church and meeting place for themselves alone. He was then one of the foremost,
if not the greatest, goldsmith of the day. Writing on January 18 of the present year
Emilio Motta, of the Trivulziana Library in Milan, informs me that he has collected
much material on Caradosso Foppa. He imagines that there were two Caradossos,
one the medalist and the other the Sculptor. It will be seen that there is a record
of a Donino Caradosso in the Archives of the Goldsmiths. I take this to be a clerical
error for Ludovico Caradosso, subject to the discovery of new material. As to Cellini’s
story of the origin of the name Caradosso that may be dismissed as being ‘ben tro-
vato“. The name appears to have existed long before Cellini’s birth. In Rusconi
and Valeri's Vita di Cellini. p. 63, note 9, Caradosso is called Cristoforo Foppa di
Giovanni Matteo. In the Index Caradosso is registered as Ambrogio Foppa. No
authority is given on which the editors base their statement.
On looking through the original M. S. Register of the members of the Guild of
the Goldsmiths of Milan, formerly in the Library of Mr. Fairfax Murray, now-through his
generosity-in the Brera at Milan, I find the name: Joh. Mat. de Fopa under the year
1470. Bertolotti in his Index calls Caradosso Christofaro Foppa and publishes a copy
of his will, found in the Archivio Urbano at Rome, without giving any more precise
information as to the whereabouts of the original. If the name of the Notary could have
been known further information might have been forthcoming as to Caradosso's
paternity and as to the property he died possessed of.
The question of the Notaries of the Guild is an important one for the student,
as is enables him to look up registers of which he might only otherwise hear by
accident. In a volume of the Archives of the Guild at Rome marked "br: Libro d
Instrumenti publici rogati da diuersi Notari, dalli 23. Agosto 1567 alli 4 Genn. 1627“
I find that in 1517 Nicolaus de Straballatis was Notary of the Goldsmiths. The Con-
suls met in the church of Sta Lucia. In 1548—59 the Notary was one Perello. In
1565—86 Cesare de Theobaldis was Notary. In 1583 a Deed was prepared by Giov.
Battista Martellus. I found deeds by Marco Antonio Brutus, Romano, and Diomede
Riccius. In 1598 by the Notary Francesco Tinus, in 1604 by the Notary Paolo Emilo
Roncolino or Romolino. In 1625 a deed was drawn up by Astulphus Galoppus de
Tarano in Sabinus. In 1602—08 by Lucio Antamori.
From Cellini's Autobiography we see that he went to Rome in his nineteenth
year, in 1519, entering the bottega of Giovanni da Firenzuola. From a note in
Rusconi and Valeri's Vita di Benvenuto Cellini (Rome, Soc. Editrice Nazionale.
MCMI. 8°, pp. 857, illustrated) p. 35, it will be found that; quoting from the Archivio
di Stato Register of the Capitoline Notarial Records, vol. 139, f. 29—30, the Firen-
zuola whose name was De Giorgis, was Consul of the Goldsmiths in 1528. With
A. Churchill. Benvenuto Cellini, the Caradossos and other Master Craftsmen etc. 1095
Giovanni di Caravaggio and Giannotto Giannotti he occupied the same workshop in
1521. Gerolamo Amati, in his “Lettere Romane di Momo“ (Roma. Barbera. 1872. 8°.
pp. 105) p. 70, corrects the name of Cellini's first master to Fiorenza. His bottega
was situated next to San Celso, Giovanni da Caravaggio left it in 1521, and Giannotto
disolved partnership with Fiorenza in 1524. Shortly afterwards, however, Cellini left
Fiorenza for the shop of Paolo Arsago of Milan (No.: 27.) His departure from the
shop of Fiorenza caused that goldsmith’s ire and words ensued between Master and
workman. Fortunately Antonio de’ Fabbri di San Marino, (No.: 3) who was then
advanced in years happened to pass and made peace between them. Momo in his
“Lettere“ already cited, at p. 13 has a chapter on Antonino di San Marino who was
one of Raffaello's heirs. This Goldsmith, who is described by Cellini as the greatest
in Rome, has been the subject of a paper by Pietro Franciosi (Un Orafo del Rinasci-
mento: M° Antonio da Sanmarino amico di Raffaello Sanzio in Rassegna Biblio-
grafica dell’ Arte Italiana. Ascoli Piceno 1907 vol, X. p. 85) Cellini remained with
Paolo Arsago about two years. After a brief visit to Florence. Cellini returned to
Rome in November 1523, entering the workshop of Sancto de Cola (No.: 6) where
he worked with the celebrated Luc'agnolo of Jesi. (Vide: Giovanni Annibaldi: Il
Lucagnolo ovvero saggio di Memorie sull’ oreficeria di Jesi. Framonti Fazi. 1879.
8°. pp. 164) M°. Sancto was then dead and his son was carrying on the business.
The Archives of the Goldsmiths of Rome have unfortunately suffered from the
ravages of time and domestic dissensions’). The earliest Record which I have, so far,
discovered containing any mention of Cellini is a “Libro delle Entrate e Uscite comin-
ciato ne 25 Gugno 1530“ in the writing of the Consul and Camerlengo Francesco
Pecorella, when Gaspare Gallo, Francesco di Firenza and Raffaello Fiorentino were
also Consuls of the Goldsmiths.
The entry shows the following payments: —
Adi 25 Gugno pacho felice balla’tt (Ballante) jul. 5
Casspare gallo 5
m° fioresola 5.
m° be’ venuto 5.
m° donino 5.
ascanjo 1
These payments are the dues levied by the Guild from master craftsmen and
workmen who are members of the Confraternity. The entry bears the approval of
Jacopo Balducci, then Mastro in 1531 della Zecca, who, with M° Raffaello Fiorentino,
was delegated to audit the accounts of the Camerlengato held by M° Franc? Peco-
rella, the autographs of both are attached to the Record. Raffaello signs himself:
Raffaello dandrei orefice fiorentino.
1) Besides the Scomunica already mentioned by me in my preceding Notes against
all those who unlawfully detained the Records or property of the Guild of the Goldsmiths or
their church, published in 1563, I possess a printed copy of a Notice to the same effect dated 1670.
1096 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
In the ,Entrate“ for the year 1532, when Giouan Antonio de Alessandro is
Camerlengo, amongst other payments are those of:
Mr° ben uenuto auto (havuto) jul. 3.
donino di parma 3.
joan pietro criuello 3.
o e e o ec ọ ò o è. 0 o ec e e e e e é «e è o o 9 es e © e ee e e 9 O ese es © e ses è e
Amongst the workmen of the same year are:
vige aaa Ascanio priorola julj 1
.... Manno 1
. . follica di ben uenuto 1
Follica is evidently Felice Guadagni, Cellini's former apprentice and afterwards
his assistant, often mentioned in his Autobiography. Bertolotti (Artisti Lombardi a
Roma nei Secoli XV, LVI e XVII. Milano. Hoepli. 2 vols. 8°. 1881. at p. 247 of vol. 1)
states that Cellini received his pay as “Mastro delle stampe nella zecca romana in
June 1532 through his“ garzone Felice“.
In the year 1533 amongst others is Chiriaco perusino, and in 1534 Ponpeo de
Capitano. In 1536 under the Camerlengato of Francesco de Leis there are the follo-
WING Ente alia reo a barale e ea
Tobia paga juli 3
Be uenuto 3
Mano fiorentino A
Ludouico de Capitanis 3
In this year also there is a payment for a “lavorante“ of Cellini. Anno
Manno fiorentino paga
Mr° felice di ben uenuto paga per lauorante
M° Tubia milanesi paga per tre lauorantj
M° francesco da ualentino per duj lauorantj
francesco de leis do.
ferrante napoletano
In the same year Donino dela ripa is Sindaco.
In 1537 Cellini went to France, returning to Rome in the autum of 1538. In
a note to Rusconi and Valeri's Vita of Cellini the will of Felice di Tommaso Guadagni,
orefice fiorentino is quoted at page 244, note 24. During Cellini’s absence in France
his workshop was carried on by Felice.
The following is a transcription from the Entrate and Uscite, of 1530—46.
Adi 25 di giugno 1538
Io gasparri de galli orefice al presente cösole / camerlingo dilla uniuersità delli
orefici / in Roma facio noto in questo foglio tutta la / intrata di ditta uniuersità.
A. Churchill. Benvenuto Cellini, the Caradossos and other Master Craftsmen etc. 1097
Inprima mastro giulio paduano in borgo A3 2
da mr° tubia milanese
da francesco de ualetini
da mr° ferate napoletano
da m° janiacomo daparma
Rafaello fiorentino
Donio daparma
jouanmaria da camerino
Janoto fiorentino
felice di benuenuto
juūa pietro dauiguuaro
domenico da uiguuaro
jeronimo in botega del criuello
Joüa pietro criuelli
giouani balduci mastro di zecha
Raineri spagnolo
Nicolo Romano
felice da galese
francesco dalesso
mano fiorentino
benedetto ditto priore
fräcesco de leis
Claudio fräcese
Alisandro da macerata
„ bartolomeo da como
jeronimo della uitura
Antonio spagnolo
giouan antonio de alisädris
joüa sardo
Tomaso da perosia
(recto) Marchione romano
consaluo spagnolo
mario inferreri
felice ballante
fracesco pergolella
janbatista rosini
ludovico di capitani
jeronimo della barba
calistro in piazza giudia.
After this follows a list of lavoranti.
In the payments for the year 1542 under the Camerlegato of Francesco larco
spagniolo occur the following... ..
1098 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
mr° donjno de caradosso
manno fiorentino
michele sardo
felice fiorentino
(and every year): Claudio francese
zanobio di lorenzo fiorentino.
Geronimo was a lavorante with felice fiorentino.
In 1543 Camerlengo: Tomaso perugino .....
ies felice di ben uenuto..... pays his dues.
In 1544 M° pippo in bottica di be uenuto pays dues.
A “M° pippo da fiorenza a canto de la bancha“ pays dues on his own account
in the previous year.
In 1546 M° felice pays for two lauoranti.
In 1550 there are payments of dues by: tubia came’rio milanese, consolo;
donino de ripa, console; Giacomo di passari, camerlengo; Manno fiorentino; Ponpeo
faneti; Claudio francese; ieronimo da carauaggio was employed by tubia milanese,
Arigo, todero, francescho, gelfe, fiaminghi, were all employed by Francesco valentino.
Gelfe in 1552 is described as a Tedesco. In 1550 there is also a Pierantonio de
Benuenuto and another Fiamingo called Dauite. In 1552 and 1553 Manno continues
to appear. In 1552 there are records of a Valerio Venetiano and Valerio Padovano.
The Spanish goldsmith de Larcon was Consul in 1552 and Tomaso de Christianis in
1553. Manno’s other name was Sbarra He was Consul in 1561. On him there
are various notes. (Amadio Ronchini: Manno orefice fiorentino. In Atti e Mem. delle
R. Deput. di Storia Patria per le prov. Modenesi e Parmensi, vol. VI. Also separately.
Modena. tipog. Vicenzi. 1873. 4°. pp. 11. Corn. De Fabriczy: Manno, orefice Fioren-
tino. In Archivio Storico dell’ Arte; vol. VII, p. 149. Roma, 1894) Bertolotti; Einige
unbekannte Familiennamen berühmter Künstler. Stuttgart. 1880) Manno also held
office at various dates till 1574. Francesco de Leis died between the 15th and 29th of
June 1561.
Antonio de Gentilis begins to figure in 1562; Alberto San’ gallo from 1563.
Bertolotti (Artisti Lombardi, p. 314) states that Alberto Sangallo, orefice Milanese is
mentioned as issuing a power of Attorney in 1554; that he entered into a partnership
with Francesco de Magnis, Comasco, in 1561 and that the association was for two years.
Bartolomeo Perrinj, Consul in 1563 died before October of the same year. He left
his administrative accounts involved. On March 27 1565 the Goldsmiths met in order
to deliberate on a proposal by the widow, Madonna Susanna, wife and heir of Bar-
tolomeo da Ferrara, of the following objects in settlement of the debts of her husband:
certi vezzi o corone de corallo cio è doi corone de coralli; e sette pater nostri gros-
setti d oro, tramezzati, una corona de granati con sei paternostri d oro
vn’ vezzetto de granati con quattro paternostri d oro et vn’ libretto d oro
attaccato da mettere muschio con una pernuzza attaccata. Vn'altro vezzetto simile de
granati con madre perne legato in oro, doi madaglie con li camei legati in oro, doi
pendenti da mettere al collo le quali robbe sono statti mostrati per Manno sbarra e
A. Churchill. Benvenuto Cellini, the Caradossos and other Master Craftsmen etc. 1099
M° ottav. de pecorellis. In 1566 (July 19) the Goldsmith met in order to discuss the
Bando limiting the sale of bracelets, pearls, frontali and other things mentioned in the
Pragmatica of June 1566. On August 3 of the same year a contract is made with
the Sculptor Dante Parentini for the construction of a chapel in the church of S. Eligio.
This man is described as “Dantes quondam Tome parentinj florentinus“. He was
employed in the Vatican in 1562—63 (Bertolotti: opera cit. Lo 115). On October
15th of the same year a meeting is held to discuss the refusal of Bartolomeo da Como
to pay the dues of three juli a year as a mastercraftsman. He justified himself by
pretending that he was a jeweller and not a goldsmith. As many of the members
of the Guild were absent they where fined. In consequence at the meeting held in
January 1567 no less than 42 Goldsmiths appeared besides the Officebearers. On
Oct. 20 1567 a meeting was held on the subject of the arrest of certain goldsmiths
for having mounted Agnus Dei (of wax) in gold and silver. This enterprise was only
permitted under a license from Cardinal Sauello, in whose prison the men lay. The
Goldsmiths agreed to pay the necessary expenses of liberating the prisoners.
On September 14. 1568 Cardinal Sauello issued the following Bando:
Considerando quanto dispreggio et vilipandio delle cose sacre et scandalo del
Mondo sia generato alle uolte vendendosi li Agnus Dei Benedetti ouero tenendoli
publicamente a uendere et per mostra nelle botteghe et altri lochi et nel miniare
a pingere et acconciare detti Agnus Dei, Volendo ouuiare simili inconuenienti
Per tenore del presente Bando di ordine espresso di nostro signore uiue
vocis oraculo a noi fatto si ordina prohibisce et comanda che dal giorno della
publicazione del presente nissuno Pittore o miniatore ardisca ne presuma de miniare
ouer pingere Agnus Dei, et nessun orefice o tornitore ouuero qualsiuoglia altra persona
di qual si uoglia stato o, condittione eccetto le persone che sarranno in sacris quali
haueranno la licentia sopra de cio da nostro signore quale ha reuocato et reuoca
tutte le licentie fino al presente giorno concesse che nissuno ardisca ne presuma ornare
et acconciare ouero incassare Agnus Dei et che nessuna persona di qualsiuoglia
stato grado dignita o condittione che ardisca mutare la forma delli Agnus Dei leuando
la cera ouera aggiungendol et ancora ardisca ne presuma de uendere alcuna sorte di
Agnus Dei ne tenerli guarniti o, di guarnire nelle botteghe, o altri loghi in mostra,
ma si possa uendere l’ornamento sotto pena die dugento scudi d’oro da applicarsi alla
Cam-Aplica et lochi pij a nostro arbitrio della carceratione et tre tratti di corda et
altre pene corporalj reseruate al nostro arbitrio, et se si trouera alcuna persona che
habbia ardire di fabricare Agnus Dei falsi oltra la pena sopra incorrera nella pena di
falso alle quale pene contra di tutti si procedera irremisibilmente. Volendo che pnte
nostro Bando attaccato et publicato nelle lochi soliti habbia la medesima forza che se
fosse personalmento intimato et in fede dato in Roma nel palazzo della nostra solita
residentia questo 14 di settembre 1568.
In 1573 the Goldsmiths apparently succeeded in being allowed to make mounts
for Agnus Dei.
In 1567 a Battista Zuccari is mentioned as a Goldsmith. In 1569 Federico
1100 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
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Zuccaro, the painter, acknowledges the receipt of payments for a Chapel painted by
him in the church of S. Eligio. His autograph is given here.
Loudouico Cardosio’s name appears in the years 1572, 1573, 1574 and 1576.
Alberto Sangallo till 1574. G. B. Sangallo in 1607. This year Antonio and Pietro
Gentile also appear.
The Church and the chapel of the Tre Re Maggi being in ruins, in the year
1594, the Guild had them restored: „... la nra università, con I’ elemosina ritratte, dalle
la medesima risarci, e rifondo detta cappela, come anche quella fece ritoccare da
Federico Zuccari, celebre Pittore in quelle parti doue haueua patito il quadro“ . . . ..
The present altar piece representing the Tre Re Maggi was painted by Fran-
cesco Romanelli according to a contract, dated June 12 1639, between him and
Franzesco Spagna goldsmith, for 150 scudi. The work was finished and paid for
in 1640.
A. Churchill. Benvenuto Cellini, the Caradossos and other Master Craftsmen etc. 1101
As I have shown elsewhere the Church of S. Eligio was rebuilt on several
occasions. On December 6 1514 a Deed was drawn up by the Notary Stefano de
Amphoris from which the following is an extract:
.... questi (Rafaeli Casali & Mario Millini d'ordine della Santità di Nro Signore)
dovendo demolire case e edificij sacri per ridurre a dritto linea le strada publiche di
Roma ... con autorità dell’ loro officio fecero demolire la... nostra chiese, che prima
con minacciar in parte era diroccata assieme con un orto contiguo alla medesima, con
cedere a fauore della nra uniuersità altro sito in numero di canne 7 per poter iui
fabricare altra chiesa“.
The „facciata“ was built by Giov. Maria Roncarioli in 1620 (Reg. of the Notary
Taddeo Raimondi) under the supervision of the architect Giov. Maria Bonnazzi.
Original plans of the durch of S. Eligio drawn up in 1625 by the architect
Francesco Ferruzzi are to be found in the Archives of the Guild, vol. A, fol. 124.
Rocco Seuero, pittore, is employed in decorating the church in 1594.
In 1590 Paolo Tornieri, Argentiere, makes a basin and two small ewers for the
uniuersità. In 1599 there is a payment to Pietro Busi for two small candle sticks of silver.
In a Deed drawn up by the Notary Marcus Antonio Brutus, Romanus, dated
January 3 1595, Bernardino Passari (No.: 42) figlio del pittore Jacobo, Romano, sells
a house situated in Via Giulia to the Guild. His wife's name was Catherina Oruiete.
This must evidently be a Grandson of the Bernardino Passari who was one of the
promotors of the Guild of the Goldsmiths in 1509. That Goldsmith died in 1527, at
the seige of Rome. Antolini quotes the inscription to him placed on the belfry of
the church of Santo Spirito in Rome [Vide also L. Pierret: Breve cenno storico su
Bernardino Passari, orefice Romano. (Roma. Fratelli Centenari. 1885. 12°. pp. 11.)]
Joannes quoudam francisis de Vechijs de burgo St. sepulchri, pictor on April 21!
1574 engages to paint a chapel of the Nativity in the church of S. Eligio, to be com-
pleted by Christmas in the same year.
Under the Camerlengato of Giovanni Giardini, during the Pontificate of Cle-
mente XII, the Sigillari were associated with the Goldsmiths in the same Guild. One
Matteo Pichler, “orefice sigillaro et intagliatore di cogni“ submits a petition for ad-
mission to the Guild. Mariano Menghi, Palermitano and Giuseppe Martelli of the same
origin also ask to be admitted as Silversmiths. Cosimo Cennini mentions the late gold-
smith Domenico Cennini as his brother. |
In 1621 the Universita admitted the Tornitori of Gold and Silver to benefit by
the doweries for young girls provided that the Gold and Silver Turners handed over
their sweepings for the benefit of the church of S. Eligio.
In 1625 the heirs of Diomede Vanni, Girolamo Donati, Pietro Spagna and
Lorenzo Brusolini left 400 scudi to the Universita.
In 1633 a Girolami Donati juniore is mentioned. In 1736 Giov. Pietro Pullini
and Clemente Poeta, one a lavorante and the other a mastercraftsman proposed to the
Santa Sede to farm the marking of gold and Silverwork for nine years paying the
sum of 500 scudi. This the Universita protested against. On September 13 1739 one
of the Consuls of the Silversmiths was imprisoned and released on the following
1102 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
evening for having, at a public assembly, revealed the project owing to the scarcity
of currency of a limitation by the Papal Authority of the shops of the Goldsmiths.
(Vide. MS. Diary in Archivio Capitolino. Rome.)
In the Libro d’Entrate e Uscite 1705—1729 there is the following entry of
jewels (Giovanni Giardini is Camerlengo. Juli 1 1703 to June 30 1704:)
un paio di nauicelle smaltate
un paio di cappij smaltate senza perle e senza
spillone; un paio con perle e cappio;
cerchietto d’oro con pietra di acciaro
cuchiaro di argento alla franchese;
From the “Libro de Inventari de Mobili dilla Chiesa di S. Eligio“, 1597 to the
year 1658 it will be seen that there is a note dated July 15 1597 showing that all
the precious things have been sold. The following from the Inventory is interesting
as some of the Items still exist: —
Un libro delli Statuti della nra Vinversità cioè l'originale del 1509 sotto il Pon-
tificato di Giulio Il —
Ite un libro doue é descritta la uita de st° Eligio (Described by me in the Notes
already referred to above)
Vn altro libro de statuti con la coperta de corame rosso, cioé la copia die detto originale
Vna supplica di Papa Giulio 2° che conferma li statuti di detta arte, et che
prohibisce il lauorare oro et argenti bassi —
Vna prouisione fatta dal Illm° Cardinale Sta Fiore gia Camerlengo sopra li detti
ori et argenti del’ anno 1563 —
Vn’ decreto fatto in piena congregatione che le banche se applicano tutte alla
chiesa, sotto il 15 de settembre 1575, qual'sta nel libro. Il Breue di Nro Signore Papa
Gregorio xiij che conferma et amplia li nri statuti sub anulo Piscatorio del’ anno 1583.
La sententia in favore del arte data contro li Sri mastri de strada del anno
1577 di giugno in pergamena.
Vn’ altra prouisione ottenuta in piena Camera Aplica sopra gli ori et arg®ti
che si deueno lauorare, ad 15 de luglio 1571 —
Vn libro grande doue sono tutti li decreti dell’ arte —
Vna Inhibitione in papiro fatta contra bancherotti die Roma da Monsgr de Corfu
del 1575 tutte dette scritture sono dentro una latta stagnata.
Vn libro in foglio bombacino coperto di corame doue sono tutti li Instrumenti
spettanti alla chiesa di detta Vniuersita .............
Una Inhibitione fatta sotto di 6 d'agosto 1565 del Cardinale Camerlengo che
non si possano cauare argenti fuora di Roma ............
Vi è una pera di metallo che è il peso di una libra di zeccha et sei tocche de
oro. Vi è il sigillo la chiaue della zeccha et la chiaue del archiuio ............
La tauoletta con li nomi de mastri......
Sudi is the new material which I have been able to gather regarding the Gold-
smiths of Rome under the Papal Authority.
Wolgemuts Gehilfen in Feuchtwangen und Hersbruck
Ein Beitrag zur Wolgemutforschung
Von Ignaz Beth
Dem Problem „Wolgemut“ weichen nicht selten auch jene Forscher in weitem
Bogen aus, die gerade verpflichtet wären, in den sauren Äpfel zu beißen. Doch wenn
sie ‘sich um die Stellungnahme zu einem der Hauptprobleme der deutschen Kunst des
XV. Jahrhunderts drücken, so werden sie wohl ihre guten Gründe dafür haben: es ist
ein allzu schwanker Boden, den man bei der Nennung dieses Namens betritt. Weiß
man doch mit dem überreichen Material nichts Rechtes anzufangen, wenn man sicher
gehen will. Denn wenn auch Thodes Vorgang: aus dem beglaubigt Wolgemutschen
Zwickauer Altar und der Predella des Schwabacher Altars seine authentischen Kenn-
zeichen abzuleiten und nach diesen sämtliche Zuschreibungen vorzunehmen als richtig
im Prinzip anerkannt werden könnte, so muß man doch nach der ablehnenden Auf-
nahme seiner Resultate, und vor allem des Endresultates recht skeptisch werden. —
Ist es aber auch so verwunderlich, wenn es vielen widerstrebt, im Lehrer Dürers eine
unheilbare Philisterseele zu sehen, aus seinem Geschäftssinn — eine Niichternheit
seiner Gestaltung abzuleiten?
Da nun einmal Urkunden im Stich lassen (beispielsweise bei dem Hallerschen
Heiligenkreuz Kapelle- Altar) — oder gar verwirren (beim Peringsdörffer- oder
Schwabacher Hauptaltar) bleibt kaum etwas anderes übrig, als dem Wesen Wolgemutscher
Kunst negativ, durch Ausscheidung von Gehilfenhänden, beizukommen. Dieser
Weg wurde ja teilweise schon von früheren Forschern betreten, nur dachte man
auf das Wesen dieser mythischen Gehilfen nicht näher eingehen zu müssen; erst
Dörnhöffer hat neuerdings mit besonderem Geschick das Ausscheiden der fremden
Hände versucht') Mein Beitrag bezweckt in erster Linie das Sondern zweier aus-
gesprochener Individualitäten; wer darin nur ein Herausstreihen Namenloser sehen
sollte, den möchte der Verfasser nicht im Zweifel darüber lassen, daß es sich hier
nicht zuletzt um das oben erwähnte Ziel handelt. —
Nun aber könnte man gegen diesen Vorgang eine petitio principii einwenden,
da ja vorerst feststehen müßte, woraus man auszuscheiden habe. Allein es bedarf
nur einer eingehenden Vertiefung in die Nürnberger Kunst des ausgehenden XV. Jahr-
hunderts, um auf das stark ausgeprägte Wesen dieses produktiven Künstlers zu stoßen,
der nichts weniger als ein Proteus war. Denn nicht in der unklaren Vorstellung über
Wolgemut lag der Fehler der Forscher, auch der älteren und der ältesten, sondern
in der übereilten Synthese, die sie zu zeichnen sich für berechtigt oder gar verpflichtet
hielten. Wenn ein Hotho 1843 sagt „Scharf zu individualisieren, ist Wolgemuts
Hauptproblem“, so wird er sih wohl das Richtige dabei gedacht haben, doch blieb
1) Fr. Dörnhöffer, Beiträge zur Geschichte der älteren Nürnberger Malerei im Rep.
f. Kw. XXIX, 421 ff.
| 12
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
1104
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Ignaz Beth. Wolgemuts Gehilfen in Feuchtwangen und Hersbruck 1105
Abb. 3. ALTARWERK IN HERSBRUCK
Dornenkrönung Christi D
diese Behauptung ebenso vage, wie etwa die Schnaases von „der spießbürgerlichen
Steifheit und Gleichförmigkeit heiligen Ernstes. Das inzwischen reich angewachsene
Urkundenmaterial glaubten Forscher der nächsten Generation zu endgültigen Schlüssen
verwerten zu können, welche wieder das Bild eher verschoben, als klar umrissen.
Man müßte eben soviel Zurückhaltung auftreiben können, um mit einer ‚vorläufigen
Vorstellung über Wolgemuts Typenvorrat und Kompositionsart an das: Herausschälen
und Ordnen seines Werkes heranzutreten. |
Allerdings dürfte man bei dieser Methode nicht allzu fest an Benennungen sich
klammern, und wenn z. B. festgestellt wurde, daß der Hofer Altar (von 1465) Wol-
gemutsche Art aufweist, gleidi zur Behauptung schreiten, er wäre von Wolgemut.
Die Feststellung so weitgehender Analogien zwischen diesem und dem Schüch-
linschen Tiefenbronner Altar, daß sie an Wolgemut als einen (wohl nur die Vorder-
seiten!) ausführenden) Gehilfen denken lassen und z. B. Harzen zur Annahme derselben
Meisterhand bei beiden führten,?) könnte sidi ganz gut mit solchen Tatsachen
1) Vgl. Reber, Stilentwicklung der schwäbischen Malerei. — Sitzb. d. bayr. Akad. d.
Wiss, 1894.
2) Anzeiger f. z. K. VI, 28.
1106 Monatshefte fir. Kunstwissenschaft
in Einklang bringen lassen, wie der Ausführung der fiir Wolgemut urkundlich
beglaubigten Altäre durch ‘seine Gehilfen. Wie bei so mancher Hypothese würde sich
dann vielleicht von selbst manches einfügen, das anfangs ohne Belege dastand.
Besonders klar liegt der Fall vor bei dem 1484 entstandenen Altar in Feucht-
wangen, über den Gümbel vor vier Jahren interessante Urkunden veröffentlichte.!)
Daß hier, außer an den Staffelbildern, des Meisters Hand auszuschalten ist, war von
vornherein für jeden Beschauer klar, wurde auch von Dörnhöffer bald darauf fest-
gestellt, *) der zugleich den Maler der Altarflügel mit dem Gehilfen des dritten Flügel-
paars am Altare in der Hallerschen Heiligen Kreuz-Kapelle identifizierte. Diese Zusammen-
stellung mußte sofort jedem einfallen, der diese äußeren Flügel mit ihrer ausgeprägten
Eigenart im Gedächtnis behalten hatte. — Ob der Maler mit jenem Ulrich Maler (der
auch als „Ulrich Schnitzer“ auftritt)®) der Feuchtwangener Urkunden identisch ist, fällt
dabei nicht so sehr ins Gewicht, kann aber zur vorläufigen Bezeichnung seiner
Persönlichkeit dienen. Seine „reichere, poetische Empfindungsart“ konnte sich freilich
in dem bescheidenen Altar kaum sehr entfalten, immerhin verstand er es, in klaren,
abgewogenen Kompositionen, den Ruf des „Ateliers“ aufrecht zu erhalten, und sich
neben des „Chefs“ Predellenbild zu behaupten. (Abb. 1.) Seine Neigung zu länglichen
Bildungen des Gesichtes und der Extremitäten, den milden, oft befangenen Gesichtsaus-
druck kann man nach Belieben in beiden Altären verfolgen. Die Typen wiederholen
sich auffallend oft, was auf keine große Erfindungsgabe schließen läßt; der alte Mann
mit dem grauen Bart, und der Erwachsene mit einem schwarzen kehren immer wieder.
Die Verkündigung der Außenflügel läßt trotz der Übermalung seine Hand erkennen,
obgleich sie eine Kopie nach dem Schongauerschen Stich (B. 4) ist.) (Abb. 2.)
Sonderbar ist, daß Vischer die Hand dieses Meisters in einem (!) der inneren Flügel-
bilder zu sehen vermeint; doch wohl nur einem Versehen ist Thodes Behauptung
zuzuschreiben, daß ihm diese Flügel nicht nur „derber und roher“ erscheinen, sondern
daß er sie „von einem Schüler nach der Vorzeichnung Wolgemuts gemalt“ haben will,
und sich noch auf die Autorität Vischers — unerfindlich, woher — stützt. Der schiefen
Wertung dieses Flügelpaars entspricht eine solche der inneren und der innersten Flügel,
die für W.s Art doch besonders charakteristisch sind.) —
Und hier, an dieser Stelle in Thodes Gedankengang, müßte eine Überprüfung
seiner wertvollen Untersuchungen einsetzen. Er begnügt sich nämlich nicht mit einer
Feststellung Wolgemutscher Arbeit am ganzen Altar, sondern konstruiert aus dem
Stegreif seine bekannte Theorie von Wolgemuts Rückentwicklung, vom Verfallen in
Schablone usw. Und doc ist dieser Hallershe Altar wie wenige geeignet, des
Künstlers stetige, naturgemäße Fortschritte darzulegen. Für einen unbefangenen Blick
zeigt der Hofer Altar der sechziger Jahre viel eher schablonenhaftes Nachziehen
1) Gümbel, „Ein neuer Wolgemutaltar“ — Rep. f. Kw. XXVII. — 450.
2) A. a. O., S. 451.
3) Gümbel, „Nürnberger Meister in Velden“ Rep. f. Kw. XXVII, 332.
4) Eine ähnliche Variation des Stiches ist die „Verkündigung“ im Bayr. Nat. Mus. Nr. 280.
5) Photographische Reproduktionen nadı dem Altar gab 1888 Leyde in „Perlen christlicher
Malerei“ heraus.
Ignaz Beth. Wolgemuts Gehilfen in Feuchtwangen und Hersbruck 1107
Abb. 4. ALTARWERK IN HERSBRUCK-DELBERG
erlernter Striche, wenn man von seinem frischen Landschaftsgefühl absieht, und auch
der Zwickauer Altar der siebziger Jahre steckt noch in der alten Überlieferung —
wieder abgesehen von der Farbengebung. Aber wenn Vischers trefflicie Beobachtung
der „fast stechenden Blicke und der eingekniffenen Oberlippe in Zwickau, die einen
naturwiichsigen Schatz von zäher Schaffenskraft verkiinden“,!) stimmt, so drängt sich
hier, in diesem Hallerschen Altar der achtziger Jahre, 3 dem Beschauer eine An-
sammlung von lebenswahren Typen entgegen, welche dann in den Seitenkapellen der
Lorenzkirche (Katharinenaltar) und der Sebalduskirche, im Hallerschen Epitaph des
Germanischen Museums, in Schwabadı — mit einer mathematischen Sicherheit wieder-
kehren. Es ist immer die dünne feine Haut, die schmiegsam sich an das Knochen-
gerüst der leidenschaftlich erregten, oder in asketishem Brüten verharrenden Männer
legt, es ist die mollige Fettschicht in den Frauengesichtern mit ihrem züchtig ver-
schämten Blick, es ist überhaupt ein nicht zu verkennendes tiefes Innenleben, das wir
hier wahrnehmen, und welches vermöge einer eigentümlichen psychischen Potenz sich
wohl vom gestaltenden Künstler, von seinem hageren, grausam durchfurchten Antlitz
auf die von ihm geformten Porträtköpfe, etwa eines Perckmeister (Germanisches
1) Vischer, Studien zur Kunstgeschichte, S. 394.
2) Retberg datiert ihn 1486,
1108 - Monatshefte für. Kunstwissenschaft
Museum),*) oder der heiligen (porträtierten) Bischöfe der mannigfachen Predellen über-
trägt (Cosmas und Damian des Peringsdörffischen, Johannes des Schwabacher, die
Evangelisten des Feuchtwangener usw. (vgl. Abb.) Die Wucht seiner Persönlichkeit ist
es wohl, die ihr Lasten auf dem Kunstbetrieb zweier Generationen zu erklären vermag.
Wolgemuts weitberühmte Werkstätte mußte eine faszinierende Anziehungskraft
auf die ganze Künstlerschaft üben, wenn eben Künstler von ausgeprägter Individualität
sih dazu verstanden, in seinem Atelier, auch an untergeordneter Stelle zu wirken.
Es mußte eine Ausnahme sein, wenn in Nürnberg oder der Umgebung ein größerer
Altar an einen anderen Meister in Auftrag vergeben wurde; und auch dann mag
wohl die Tradition das Werk mit dem großen Meister in Verbindung gebracht haben.
Ein Beispiel eines derart zähen Festhaltens am Wolgemutschen Ursprung bietet
der Hersbrucker Altar. War es auch Dörnhöffer erst, der entschlossen die ganze
Folge aus dem Werke des Meisters ausgeschieden hat,*) so ist nicht zu vergessen,
daß schon Vischer vor 20 Jahren außer dem „Tode Mariae“ nichts Eigenhändiges
daran gelten lassen wollte und in diesem einzig schönen Gemälde sich veranlaßt
fühlte ein ,Aufrauschen voller Inspiration, einen Moment der Entbindung vom Banne
seiner (Wolgemuts) Natur zu sehen, so daß man hier fast an einen Einfluß oder Anteil
eines hervorragenden Gehilfen — etwa seines jungen Lehrlings Dürer? — annehmen
möchte.“ Freilich deutete Dörnhöffer diese Diskrepanz in anderer, ja umgekehrter,
Richtung um, doch dürfte seine Beweisführung überzeugend genug sein, um das
Resultat festzustellen: „Was an den Hersbrucker Bildern mit Wolgemuts Bildern über-
einstimmt, ist Gemeingut der Nürnberger Zeitkunst.“ Nicht abzuweisen aber ist die
Annahme etwa einer verschollenen Predella mit Wolgemuts eigenhändigen Darstellungen;
dann würde man vielleicht eine neue Analogie zu den oben erwähnten und somit
eine Erklärung für die traditionelle Benennung haben.
Bei näherer Prüfung des Altars bestätigt sich der erste Eindruck, daß die
innersten Flügel, der „Tod Mariae“, und „Anbetung der Hirten“ von derselben Hand
sind, wie der Passionszyklus, Qualitätsunterschiede in der Ausführung zugestanden. —
Obgleich Thodes vorgefaßte Meinung von dem Meister, dem zwar eine „anmutig vor-
nehme, empfindungsvolle Frauengestalt“ zuzumuten war, keineswegs aber „so furcht-
bare Karrikaturen, solche bösartige Verbrechergesichter wie die der Schergen“, eine
stilkritische Wertung verdunkelt, so steckt doch in dieser Gefühlsäußerung eine richtige
Beobachtung; denn wenn audi Wolgemut ganz gräuliie Schergenfratzen auf dem
Gewissen hat: solche wie die Hersbrucker hat er nie gemalt, richtiger gesagt, hatte er
nie malen können. Es sind eben andere Menschen und es dünkt mich, man kann gut
ohne die Thodesche Verdammung mitzumachen, sie mit Dörnhöffer einem anderen
Meister zuweisen. Die Charakteristik, die er von dem Künstler gibt, scheint mir sehr
zutreffend, erwähnt aber nicht einen Unterschied, den ich für sehr wichtig, ja aus-
schlaggebend halte. Wolgemuts Gesichter, teilweise auch Gestalten, entfalten sich,
gehen auf in der Fläche. Ihre Gesichtszüge leben von der Linie, die den Ausdruck
bestimmt und darin ist er Meister, wenn auch ein einseitig begabter. — Die
| 1) Mit einem „W“ bezeichnet.
?) A. a. O., S. 45.
Ignaz Beth. Wolgemuts Gehilfen in Feuchtwangen und Hersbruck 1109
Abb. 5. Passionsfolge im Bayr. National-Museum
Ecce Homo D
Lippen verzerrt meist eine nervös zuckendé Grimasse, die Nasenflügel sehen gekniffen
aus, die Augenbrauen gewinnen erheblidı an Ausdrucksfähigkeit und was dergleichen
sonst im einzelnen von Vielen bereits bemerkt wurde. Nun ist aber der Hersbrucker
Meister in erster Linie ein Plastiker, der im Gesichte Augenhöhlen als solche betont,
Nasen als schmale Grate, Lippen als Wulste, Finger als Stäbe behandelt. Von diesem
Standpunkt aus wird Dôrnhôfiers Bemerkung von „der Stellung der Figuren im
Raume, die selten klar zum Ausdruck kommt“, eher verständlih. Man lasse eben ja
nicht aus den Augen den Raum selbst, in dem die Geißelung, Dornenkrönung usw.
vor sich gehen. Es sind meist weite Hallen, Teile umfangreicher Baukomplexe, die
vielfach überschnitten, perspektivisch ferngerückt, dem Vorgang eine, bei Wolgemut
1110 Monatshefte für Kunstwissenschaft
unbekannte, Resonanz verleihen. Und auf den Treppen tummeln sich erregte Volks-
haufen, Berittene und Hofleute, zierlihe Balustraden krönen Bogenreihen — es ist
ein Raumgefühl hier, freilim ein ganz anderes, als bei Meister Michel. (Abb. 3.) —
In feiner Erkenntnis dieses Abstandes der beiden Künstler, wenn auch ohne
Präzisierung, spricht Vischer von „Gesellenarbeit“, die nicht auf Wolgemuts Rechnung
zu setzen sei. — Man kann jene bärtigen Henker und ihr Treiben kaum besser
bezeichnen als durch wortliche Anführung dieses trefflichen Passus'):.. .
„Jene linkischen, halb stockenden, halb fahrigen Bewegungen, welche für sich
betrachtet, geradezu tölpelhaft wirken, jenes Durcheinander dünnbeiniger Menschen:
gestelle, jenes vielfache Zickzack und Gehäcksel von gekrümmten Gliedern, eckigen
Falten, knickbeinigem Schieben und StoBen wunderlichster Manier, so daß sich der
moderne Mensch in einen Anlauf steifgefrorener Bauern und rappelköpfiger Spitäler
versetzt wähnen kann.“
Nicht unerwähnt möchte ich noch die besondere Art der Baumzeichnung lassen,
die das Gewächs als Ballen auffaßt, im Gegensatz zu den vielfach variierten, — das
Gerüst der Äste gern bloßlegenden — Wolgemutschen Baumschematen. (Abb. 4.)
Daß die Eigenart des Meisters, einmal klar erkannt, auch in anderen Gemälden
aufzufinden sein müßte, sprach schon Dörnhöffer aus; auf seine Andeutungen näher
einzugehen, muß ich mir versagen, da ich das Angeführte nur teilweise kenne. Da-
gegen glaube ich mit Berechtigung eine andere stattlihe Bilderfolge dem Meister
zuschreiben zu können. Es ist dies ein Gemälde-Zyklus des Bayrischen National-
Museums (Nr. 354, 355, 356, 357, 360), der mit noch zwei anderen (Nr. 358 und 359)
anscheinend von einem Altarwerk stammte! °)
Es sind dies: 1. Gefangennahme Ghristi (Rückseite: Spuren einer Reliefdarstellung;
2. Zacharias im Tempel (R. Christus am Ölberg); 3. Dornenkrönung (R. Taufe Christi);
4, Geißelung Christi (R. Namengebung des Johannes); 5. Ecce homo (R. Spuren einer
Reliefdarstellung mit der alten Beischrift: Enthauptung).*) (Abb. 5.) Gleicher Herkunft
wie die ersten vier und zweifellos von demselben Altarwerk sind noch zwei Szenen
(358 und 359) aus der Kilianslegende.
Was die Übereinstimmung dieser Gemälde — deren Beschreibung im Katalog
nachzusehen ist — mit den Hersbrucker Tafeln für den ersten Blick bestimmt, ist
eben jene obengenannte Art der Auffassung, die sich in der Modellierung kundgibt,
dann die mannigfachen Durchblicke und die Vorliebe für komplizierte Architekturen,
ferner die lebhafte, bunte Färbung (mit Goldgrund). Verwirrend, auch irreführend
') A. a. O., S. 595.
2) Die Beziehung zum Meister des Hersbrucker Altars wird in dem 1908 erschienenen Katalog
des Bayr. Nat.-Museums (von Voll, Braune und Buchheit) kurz vermerkt. Unabhängig von den
Katalogisierungsarbeiten unterzog ich im Sommnr 1907 sowohl diese Bilder, als auch die Hers-
brucer, die sih damals zur Restaurierung in der alten Pinakothek befanden, einer eingehenden
Untersuchung, dank dem Entgegenkommen des damaligen Konservators, Prof. Voll, dem ich an
dieser Stelle dafür meinen verbindlichsten Dank sage. |
` 3) Zu dem letzteren Bild bemerkt der Katalog (dem ich die Titel entlehne), daß es, wenn
audi später erworben, „sich stilistisch wie inhaltlich gut in die Reihe der andern einfügt“, was
audi teilweise vom Inventar (1822) bestätigt wird.
Ignaz Beth. Wolgemuts Gehilfen in Feuchtwangen und Hersbruck 1111
Abb. 6. Passionszyklus im Bayr. Nat.-Museum
Dornenkrönung Christi O
könnte die Umsetzung der Hersbrucker Breitformate in Hochformate sein, da sie eine
gedrangte Kompositionsart bedingt; daß der Meister trotz der Beschränkung seiner
eigenen Art Rechnung trug und auf die wogenden Menschenmassen in weiten Hallen
nicht verzichten wollte, zeugt für eine stark ausgeprägte Individualität — oder
Schulung. — Die Einzelbetrachtung fördert überraschende Ahnlichkeiten zutage, deren
einige stichprobenweise hier angeführt sein mögen:
Die Ecce homo zeigen beiderseits genau dieselbe Stellung Christi, dieselbe
Bein- und Armform, auch die nächsten Begleiter stimmen genau überein, ebenso die
Geißelung, nur gegenseitig, auch der Ölberg u. dgl. — Die Typen erscheinen in
München um einen Grad roher und wilder als in Hersbruck, was zum Teil auf die
geringere Qualität zurückzuführen ist. (Abb. 6.)') —
1) Für die Überlassung des Cliches zur Reproduktion bin ich dem Direktor des B. Nat.
Museums, Herrn Dr. Hager zu Dank verpflichtet.
1112 Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Ob das Münchner Altarwerk später oder früher als das Hersbrucker entstanden
ist, wage ic nicht zu entscheiden; dafür fehlen mir sichere Anhaltspunkte. Wohl
aber drängt sich mir die Vermutung auf, daß der Meister kein richtiger Franke war,
oder zumindest zur bayrischen Kunst des ausgehenden Jahrhunderts Beziehungen
hatte. — Die wuchtige Art der Charakteristik, das jahe Zugreifen und die scharfen
Blike der Männer, die reihe Raumentfaltung, das findet man in den bayrischen
Bildern dieser Zeit mehr, denn wo anders. Ich verweise auf die Gemälde des von
den Herausgebern des Katalogs neu entdeckten Jan Pollack, der sich in den zitierten
Eigenschaften nicht genug tun kann, im besonderen auf die dort abgebildeten Nr. 53
„Geißelung des heiligen Paulus“ und Nr. 54 „Christus vor Pilatus“. Auch er weiß
eine vielköpfige Menschenmenge realistischer zu geben, als viele seiner Zeitgenossen ')
und erzielt mit seiner satten Färbung ebenso dekorative Wirkungen, wie jener
Hersbrucker.
1) Ob er Pole war, oder nur polnischen Ursprungs, wie Voll vermutet, mag dahingestellt
sein — und ist irrelevant.
- Studien und Forschungen
EIN KOLNER HOLZBILDHAUER AUS
~- ROMANISCHER ZEIT `
Von Wilhelm Vöge
Es sei gestattet, hier auf den romanischen
Engel des Kaiser-Friedrih-Museums zurück-
zukommen, den ich kürzlich in den Berichten
erwähnte.:) Er ist vom Merkwürdigsten, was
an Holzplastik aus dieser Zeit erhalten blieb;
typisch, doch mit erdigem Beigeschmack, mit
bäuerlihem Anflug in den betonten Backen-
knochen, dem lustig geschwungenen Profil (Abb. `
1 u. 2). Dieses ist besser beobachtet als die
Vorderansicht des Kopfes, wie häufig im Mittel-
alter, besondersi m gotischen. Mit seinem feinen
Gefühl für die Linie faßte es die Silhouette eher
und eichter als die Face: wofür eine Fülle
überraschender Beispiele an französischen
Kathedralen zu finden wäre.
Die Statue ist — bis auf verlorene Teile —
so wohl erhalten als liebevoll ausgeführt. Wie
gut die Füße waren! Man kann es allerdings
nur an dem rechten, auch nur am Originale
sehen. Unter dunkelrotem Anstrih kam die
ursprilnglihe Bemalung zutage: weißes Ge-
wand, weißer Mantel mit goldenen Bordüren.
Das lichte Gewand läßt — wie das Thronen —
an einen Engel vom Grabe Christi denken, ent-
sprechend Mathäus c. 28 v. 3: erat vestimen-
dum eius sicut nix. Anscheinend für die Profil-
ansicht nach rechts geschaffen (wie auf Abb. 2),
wandte die Gestalt sich den von dort kommen-
den Frauen zu. Sie mag von einem „heiligen
Grab“ sein.
Was noch zu klären wäre: die Frage nach
dem Entstehungsort. Die Fährte zu weisen,
erscheint um so notwendiger, als die Herkunft
der Figur von Schloß Miltenberg bei Aschaffen-
burg, wie ich glaube, in die Irre leitete, nicht
am Main, sondern am Niederrhein, in der Köl-
ner Gegend, findet sich Verwandtes. Ja, die
thronende Maria, die ich hier abbilde (Abb. 3),
ist der Berliner Statue so ähnlich, daB beide
nicht nur aus einer Gegend, daB sie aus einer
1) Amtliche Berichte a. d. Kgl. Kunstsammlungen,
Berlin, April 1908.
2) Die fehlenden Flü-el, die rechte Hand, das Szepter
und der vorstehende Teil des linken Daumens waren
aus besonderen Stücken gearbeitet.
3) Die Reproduktion nach einem mir gütigst von
Paul Clemen zur Verfügung gestellten Blatt des rheini- Abb. 1
schen Denkmälerardivs; eine gute Aufnahme des Bild- e
Holzstatue O
werks existiert meines Wissens nicht. Kaiser Friedrim- Museum Berlin
1114 Monatshefte fir Kunstwissenschaft
Abb. 2. Detail
Kiinstlerhand zu stammen scheinen. Man sehe
das Kopfoval, sein Zusammenschwinden nach
oben, die betonten Wangen. Die Augen,
ehrli und nachdenklich zugleich, sind groß
aufgetan und liegen doch wie unter schweren
Lidern. Die Nase, langgezogen und schwach-
rückig, der schmale, gepreBte, weltfremde Mund,
die überlegen emporgenommenen Brauen sind
wie bei dem Engel; auch das Gewand, die im
Bogen laufenden Falten vor der Brust der
Mutter, unter ihrem rechten Knie; der Treppen-
saum ihres Mantels, die geplätteten Langfalten
links ihres rechten Fußes, die feingeriefelten
Faltenpfeifen ihres Untergewandes'), die sich,
zu dreien und vieren, zwischen und seitlich der
Füße finden. Bei dem Kinde vergleiche man
auch die Szepter haltende Faust, die geschlossen
auf dem linken Knie ruht, u. a. m.
Die Madonna, die jetzt im Kloster Hoven
1) Auf der Abbildung ist die eng u wahrzu-
nehmen, dagegen wohl an dem Rocke Chri
im Kreise Euskirchen bewahrt wird’), stammt
aus der Kapelle von Marsdorf bei Frechen
im Landkreise Köln. Aus dieser Gegend
und — wie gesagt — wahrscheinlich von
demselben Meister wird also auch der Ber-
liner Engel sein.
In der stilvollen Strenge der Falte er-
innern diese Arbeiten an die nordfranzö-
sische Plastik aus der Mitte und zweiten
Hälfte des 12. Jahrhunderts, an die Archi-
voltenfiguren der Chartreser Westportale
etwa.*) Der nordfranzösische Archaismus —
glaubte man früher — werde wegen seiner
streng nationalen Sonderart über die fran-
zösischen Grenzen nicht viel hinausgedrungen
1) E. Renard, Die Kunstdenkmäler des Kreises
Euskirchen. Düsseldorf 1900. S. 93, Taf. VII.
°?) Renard setzt die Madonna in die erste Hälfte
des 12. Jahrhunderts; zu friih.
Abb. 3. MADONNA IN KLOSTER HOVEN
Studien und Forschungen
Oxford Michelangelo 42 recto
sein. Doch gibt es verschiedene Zeugnisse für
seinen Einfluß auf die Kunst der Nachbarländer,
in Navarra z. B. (Sa Maria La Real in San-
guésa); ja, er scheint in weite Ferne gewirkt
zu haben, auf Schweden, wie Johnny Roosval
darzulegen bemüht ist.
Ob unsere Kölner Holzstatuen Absenker der
groBen französischen Schule oder nur inter-
essante Parallelen sind, bliebe zwar noch zu
untersuchen.
8
STUDIEN ZU DEN MEDICIGRABERN
Von Julius Baum
Im folgenden möchte ich auf vier Studien
zur Architektur der Medicigräber hinweisen, die
den fleiBigen Forschungen Burgers und v. Gey-
muellers entgangen sind.
Es handelt sich zunächst um zwei Zeich-
nungen, die einen bisher unbekannten Typus
des einsarkophagigen Wandgrabes darstellen.
Die eine befindet sih im Brit. Mus. unter
Photo University Galleries Oxford
Nr. 1895. 9. 15. 507 (früher Malcolm Collection
Nr. 70). Sie ist 0,185 m hoch, 0,180 m breit
und mit der Feder gezeichnet. Schon Berenson
hat sie unter Nr. 1527 der Drawings erwähnt,
aber irrtümlich für eine Studie zur Architektur
der Laurenziana gehalten.
Sie gibt den Aufriß eines einsarkophagigen
Grabes mit Sockel und einem Hauptgeschosse,
das durch untergeordnete Gesimse nochmals in
einen unteren und oberen Stock geteilt wird.
Daneben befinden sich zwei Grundrisse, von
denen der untere dem HauptgeschoB in Gesims-
höhe zu entsprechen scheint, links unten eine
Variante des Aufrisses mit Doppelpilastern.
Sockelunterbau mit zwei für eine rechteckige
Nishe Raum lassenden Verkröpfungen, vor
welcher der ganz schlichte Sarkophag steht. Auf
den breiten Sockelverkröpfungen erheben sich
je zwei Säulen, zwischen sich Raum für je eine
untere Nische und ein oberes Wandfeld lassend.
In der Mitte unten tiefe, etwa quadratische
Nische, oben kleineres, wiederum quadratisches
Wandfeld. Ganz außen rechts und links noch
zwei halbrund geschlossene Nischen.
Digitized by Google
1116
Die Zeichnung lehnt sich im System noch ein
wenig an das Triumphbogenmotiv an, wie es
die Blätter im Brit. Mus. 1859. 6. 25. 545 oben
und 1859. 6. 25. 559 zeigen. DaB es sich um
‘eine Studie für die Medicigräber und nicht für
die Laurenziana handelt, lehrt der Sarkophag.
Zu der Zeichnung in der Casa Buonarroti, Cor-
nice 3, Nr. 104, Frey, Handzeichnungen, Tafel 95,
besteht keine Beziehung.
Mit dieser Zeichnung verwandt ist das Blatt
in der Casa Buonarroti Cornice 28, Nr. 46. Es
ist 0,141 hodı, 0,145 m breit, und gleichfalls mit
der Feder gezeichnet.
Die Verwandtschaft erstreckt sich vor allem
auf das System des Aufbaues. Auch hier ist
eine breite Mittelnische, von schlanken Seiten-
feldern eingefaßt. Während aber auf dem Lon-
doner Blatt die horizontale Scheidung in einen
unteren und einen oberen Aufbau trotz der Vor-
herrschaft der Vertikalen stark betont ist, tritt
sie hier zurück; die Vertikale herrscht fast un-
umschränkt. Demgemäß ist die Mittelnische nicht
in ein unteres und oberes Feld geteilt, und auch
in den Seitenfeldern tritt diese Scheidung weniger
hervor.
Interessant ist hier der später wieder völlig
aufgegebene Versuch, den Sarkophag über
den Sockel empor, bis in die unteren Teile der
Wandarchitektur zu rücken.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Eine wesentlich fortgeschrittene Entwicklung
des einsarkophagigen Grabmals läßt die Zeich-
nung Nr. 42 recto der University Galleries in
Oxford erkennen, die wegen ihrer Inschrift
spätestens 1524 zu datieren ist; vgl. Robinson,
Critical Account, S. 53. Breite 0,165 m, Höhe
0,130 m. Lapis.
Vor einem ungegliederten Sockel Sarkophag
von noch sehr schlihter Form mit schrägen
Deckeln. Darüber architektonischer Aufbau, drei-
fach gegliedert, doch ohne die in den späteren
Entwürfen und in der Ausführung sich finden-
den Pilaster. In der Mittelnische, die wag-
recht geschlossen ist und durch
Rahmen auf Konsolen eingefaßt
wird, eine sitzende Gestalt, stark an
den Giuliano anklingend; nur ist
der recite Arm noch nicht so tief
gesenkt wie an der ausgeführten
Figur. Die Seitenfelder gleidıen
denjenigen des bekannten Entwur-
fes im Brit. Mus. 1859. 5. 14. 823
recto, der überhaupt wie eine
weitere Ausführung der Oxforder
Skizze anmutet. Doch kann ich auf
dem Oxforder Blatte gerade die
Architekturzeicinung nicht für eigen-
händig, sondern nur für Werkstatt-
arbeit halten.
Einer der bedeutendsten bisher
unpublizierten Entwürfe für das
zweisarkophagige Grabmal be-
findet sich gleichfalls in den Uni-
versity Galleries, und zwar unter
Nr. 40, Berenson Nr. 1566. Er ist
0,420 m breit, 0,255 m hoch und
in Feder ausgeführt. Das Blatt,
früher in der Casa Buonarroti, ent-
hält 4 Aufrisse und 6 Grundrisse.
Die wichtigsten Zeichnungen
rechts oben. Die eine zeigt vor
einem schlichten Sockel zwei Sarkophage mit
dreieckigen Aufsätzen. Darüber dreiteilige Archi-
tekturwand, Mittelnische auf hohem Postament,
von einer Säulenordnung umrahmt, eine Attika
tragend. Rechts und links über Postamenten je
zwei Nischen, von stehenden Figuren erfüllt.
Das Ganze horizontal geschlossen. Rechts unten
zwei zugehörige Grundrisse.
Diese Zeichnung mutet wie das Original an,
nach dem die Schulzeichnung im Louvre, 111
verso, Berenson Nr. 1729, 1735 gefertigt wurde.
Der Entwurf links davon zeigt eine Ver-
änderung des Aufsatzes. Die Mittelnische, ohne
Attika, reicht bis zum Kranzgesims. Das Posta-
ment ist niederer. In der Nische eine sitzende
Gestalt, am ehesten als Madonna zu deuten.
Studien und Forschungen
1117
Seitlich ebenfalls nun eine, größer gewordene
Nische, mit Attika darüber und gleichfalls Sitz-
figur. Darunter Grundriß.
Die Zeichnung ist elne Weiterbildung der
trefflichen Studie Brit, Mus. 1859. 6. 25. 545 verso,
Berenson Nr. 1496 und steht in der Mitte zwi-
schen ihr und der Zeichnung auf der Vorderseite
jenes Blattes.
Die anderen Entwürfe des Oxforder
Blattes gehören gleichfalls in den Zu-
sammenhang mit den beiden Londoner
Zeichnungen. —
Die übrigen in den Kreis der Me-
dicigräber gehörigen Oxforder Blätter
werde ich in Kürze in größerem Zu-
sammenhange veröffentlichen. Die Ox-
forder Sammlungen, University Gal-
leries und Christ Church Library be-
herbergen außerordentlich bedeutende,
noch ungehobene Schätze. Sidney
Colvins großartige Publikation hat
nicht einmal den Rahm völlig abge-
schöpft, und es wäre dringend zu
wünschen, daß sie trotz der hohen
Kosten fortgesetzt würde.
8
EIN BILDNIS DES VINCENZO
CAPELLO
Von Emil Schaeffer
Unter den vielen Porträts, die Paolo
Giovio, der Bischof von Nocera, in
seiner Villa am Comersee zu einem
vielbewunderten „museo“ vereinigt
hatte, befand sich auch ein Bildnis des
venezianischen Patriziers Vincenzo Ca-
pello, der ohne sonderlichen Erfolg
die Armada der Republik gegen Cheir-
Eddin Barbarossa befehligt hatte.
Trotzdem wurde der Sieglose zum
Prokurator der Serenissima gewählt
und als er anno 1541 als 72jähriger Greis starb, ge-
schah dies „totius civitatis moerore“.1) Sein Bild-
nis im „Museum Iovianum* war ohne Zweifel nur
eine Kopie, sonst hätte der Besitzer des Porträts in
der Lobrede, die er „sub effigie Vincentii Cap-
pelli schrieb,*) mit freudigem Sammlerstolz auch
den Namen des Malers nicht verschwiegen.
1) S. seine Grabschrift in S. Maria Formosa bei
Francesco Sansovino: ,Venetia, città nobilissima etc.“
Venetia MDCXXXI, Pi 10f. (Der Name Capello wird,
sogar von dem némi chen Schriftsteller, bald mit einem
und bald mit zwei „p“ geschrieben
*) S. Pauli lovii elogia viroruia bellica virtute illu-
strium. Florentiae MDCI, p. 289.
CRISTOFANO DELL’ ALTISSIMO
Das Original, von dem Giovio, seiner leidigen
Gewohnheit gemäß nichts berichtet, ist heute ver-
schollen und selbst die Kopie ist uns, abgesehen
von dem schlechten Holzschnitt Tobias Stimmers
in der Baseler Ausgabe der Elogien,!) nur durch
ein Brustbild Cristofanos dell’ Altissimo bekannt,
der ja für Cosimo I. von Toscana fast die ganze
Sammlung Paolo Giovios kopiert hatte. Also
VINCENTIVS CAPPELL
Florenz, Uffizien
nur die Kopie einer Kopie! Aber selbst die
schlechteste Übersetzung kann dem Werk eines
Dichters nicht alle Schönheit rauben, und vor
dem mühseligen Machwerk des Altissimo drängt
sich dem Betrachter sofort der Name jenes Ge-
waltigen auf die Lippen, der in seinen Bild-
nissen geistige Souveränität mit einem hodh-
entwickelten Standesbewußtsein zur wunder-
barsten Einheit so verschmolz, daß all seine
Modelle wie durchglüht von einem höheren
1)S.Musaeilovianiimagines.Basileae Anno MDLXXVII,
Blatt 60.
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
1118
Lebensgefühle, wie Bezwinger des Alltags
erscheinen. Ein solcher deucht auch dieser
stahigepanzerte Admiral und darum dürfen wir
getrost auf das Original dieses Porträts jenes
Lob beziehen, das Pietro Aretino in einem
Briefe an Nicolo Molino dem Bildnis des Vin-
cenzo Capello von Tizian spendet: ... „ve-
dendo, come lo stile di Titiano, ha mirabilmente
ritratto il mirabile Vincenzo Capello: non mi
son’ potuto tenere di non farci suso il seguente
sonetto...“ das Poem, das dieserEinleitung folgt,
ist leeres Wortgetöse, aber die Beschreibung des
Porträts, die es schuldig bleibt, schenkte uns mehr
als hundert Jahre später Carlo Ridolfi in seinem
„Maraviglie dell’ arte“): In der Galerie des Herrn
Senator Dominico Ruzzini befindet sich — heißt
es da — „il ritratto di Vincenzo Cappello Ge-
neral di Mare, in arme brunite, tocche con
belle osservationi di lumi, nelle quali riflette il
manto purpureo, che gli attraversa alle spalle,
affibiato co’ globbi d'oro celebratissimo per il
soggetto, e per l'Autore“... Diese Schilderung
paßt in allen Punkten auf das Brustbild der
Uffizien; nur die „belle osservationi di lumi“ des
Originales, das wohl ein lebensgroBes Kniestück
war, darf man bei Altissimo nicht suchen. Ob
wir sie am Porträt Tizians noch einmal werden
bewundern können? Chi lo sa. Vielleicht exi-
stiert es noch irgendwo unerkannt, „incognito“
im doppelten Sinne, und eines Tages lesen wir,
in einem Orte, der zwischen Sidney und Spitz-
bergen liegt, sei Tizians Bildnis des Vincenzo
Capello aufgefunden worden.
2
ADDENDA UND ERRATA ZU MEINEM
GIOTTINO-BUCH.
Da ih während einer neulich vorgenomme-
nen Studienreise Gelegenheit hatte einige Werke
zu sehen, die in meinem vor zwei Jahren ge-
schriebenen Giottino-Buch hätten erwähnt werden
sollen, die mir aber wegen ihrer sehr versteckten
Aufbewahrungsorte nicht früher bekannt wurden,
so will ich sie hier als ein Komplement zu
meinem Buche vorfiihren.
Völlig unbekannt in der älteren wie in der
neueren kunstgeschichtlichen Literatur, dürften
sie doch zu den wertvollsten Resten der floren-
tiner Trecentokunst gehören, die bis jetzt un-
publiziert blieben.
!) Lettere di Pietro Aretino. In Parigi MDCIX, II. Bd.,
189 (tergo). Das Datum des Briefes (Weihnachten 1540)
gibt oe di das Entstehungsdatum des Bildes.
$ i, „Le maraviglie dell’ arte“. In Venetia
MDCXLVII, lt p. 181.
Um diese Malereien zu sehen, muB man auf
das Dach eines der Seitengebäude der floren-
tiner Badia hinauf und von hier aus durd ein
Loch in der alten Kirchenmauer in einen halb-
dunklen Bodenraum klettern, der zwischen dem
späteren, niedrigen und dem alten, hohen go-
tischen Gewölbe einer Seitenkapelle entsteht.
(Bekanntlidı wurde die Badia um 1625 im Innern
völlig umgebaut.)
Die Kapelle liegt auf der Fassadenwand
gegen Via Proconsolo, rechts vom alten Chor
(wenn wir uns in der Kirche gegen die Fassade
wenden) und also links von dem später aus-
gebauten, jetzigen Chor. Wie mir durch meinen
geschätzten Freund Dr. Poggi, Direktor des
gegenüberliegenden Nationalmuseums, dem ich
auch den Hinweis auf diese Fresken verdanke,
mitgeteilt wurde, befand sich der ursprüngliche
Eingang zu der Kirche in der Via Dante, also
an einer Seitenwand, und die kurze Fassaden-
wand war wahrscheinlich durch drei hohe, kreuz-
gewölbte Kapellen, von denen die mittlere als
Chor diente, geteilt.
Die Kapelle rechts von diesem Chor scheint
dem S. Bartolommeus geweiht gewesen zu sein;
wenigstens stellen einige der Freskofragmente,
die hier noch hoch oben erhalten sind, Geschichten
aus seiner Legende dar.
Auf dem ersten Fragment sehen wir nur
einen Mann, der, auf einem hohen Balkon stehend,
nach unten blickt. Dann folgen auf der Fassaden-
wand an beiden Seiten des gotischen Fensters
dramatische Darstellungen, Martyrszenen o. dgl.
Obwohl unvollständig erhalten, sehen wir nodi
deutlich auf beiden einen knienden Heiligen und
hinter ihm zwei stehende Männer, die ihn mit
heftigen, ausholenden Gebärden anfallen. Der
Heilige ist jedenfalls auf dem zweiten Bild
S. Bartolommeus, denn derselbe Mann wird
dann in einer folgenden Darstellung geschunden.
Wir können nicht mit Bestimmtheit sagen,
welches Moment aus der Legende des S. Barto-
lommeus dieses Fresco dargestellt hat, aber man
möchte am ehesten glauben, daß der kniende,
im Gebet versunkene Heilige hier durch die
Diener des Königs Astyages gegriffen wird.
In der folgenden Szene wird er jedenfalls,
wie gesagt, lebendig geschunden. Es ist dies
die best erhaltene und auch stilkritisch inte-
ressante Malerei. Mitten in dem Bilde ist der
Heilige an einen Pfeiler gebunden: Drei Männer
sind mit dem Schinden beschäftigt, zwei ziehen
die Haut von den Ärmen ab und der dritte,
kniende, trennt sie mit einem großen Messer auf
den Beinen ab. Links steht der Büttelhaupt-
mann in orientalishef Tracht, mit hoher, spitzer
Mütze, hinter ihm ein zweiter Mann, und an
Studien und Forschungen
1119
der anderen Seite eine Gruppe von Zu-
schauern.
Diese Zuschauergruppe bietet durch die
Typen die nächsten Analogien zu Giottinos |
bekannten Fresken. Das volle Oval mit der
geraden Nase und dem kleinen Munde und dazu
die ziemlich groBen, runden Ohren kennen wir
besonders aus Giottinos Fresken in der Capella
Bardi in Sta. Croce. Zum Vergleich sollte man
besonders den Kaiser und seine umstehenden
Hofleute in dem Auferweckungs-Fresco heran-
ziehen; es sind ganz dieselben Leute wie in
dieser Martyrszene, nur anders gekleidet. Auch
ihre Stellungen in Ganz-Profil oder Ganz-en face
bezeugen die Identität des Meisters. Die zwei
langbärtigen Büttel mit groBen, gebogenen
Nasen sind den alten Männern in dem Stier-
wunder-Fresco in Capella Bardi ganz ähnlich.
Denselben Typ findet man ja auch bei dem
kräftigen Augustinermöndh, der unter der groBen
Kreuzigung im ehemaligen Kapitelsaal von Sto.
Spirito steht. Es sei schlieBlici auch auf ihre
etwas steifen Bewegungen hingewiesen; sie
geben uns dasselbe Gefühl von Bedächtigkeit,
das wir auch sonst aus Giottinos Werken er-
halten haben.
Die übrigen erhaltenen Figuren in diesen
Fresken erinnern am meisten an den Soldaten
in der groBen Sto. Spirito-Kreuzigung. Sie
haben schmale Gesichter mit spitzigem Schnurr-
und Spitzbart, stark markierten Augenbrauen
und scharf heraustretenden Nasen. . Sehr deut-
lit sieht man diesen Typus bei dem Manne,
der sich über den knienden Bartolommeus beugt.
Von den Medallionbildern in den Fenster-
laibungen sind nur ein paar vollständig erhalten.
Das eine zeigt einen alten, nach unten blickenden
Propheten (im Brustbild), der ein älterer Bruder
des S. Sylvester in den Bardi-Fresken genannt
werden kann, sein Gesicht ist von derselben
würdevollen Schönheit, die uns überhaupt bei
den alten Männern mehr als bei irgendwelchen
andern Figuren in Giottinos Fresken gefesselt
hat.
Kurz gesagt, Typen, Hände, Ohren, Be-
wegungen und Stellungen sind in diesen Fresken,
die noc in ihrem ruinierten Zustande einen
würdevollen dekorativen Eindruck machen, derart,
daB sie Giottinos Autorschaft klar hervortreten
lassen. In den zwei besterhaltenen sieht man
auch noch eine monumentale Hintergrundsarchi-
tektur, wie sie sonst in Giottinos späteren Fresken
üblich ist.
Es dürfte auch aus dem Gesagten hervor-
gehen, daB diese Frescodekoration wahrscheinlich
zwischen den Malereien im ehemaligen Kapitel-
saal von Sto. Spirito und denen in der Capella
“widklungsgang zu bestätigen.
Bardi ausgeführt wurde, sie bildet eine sehr
wertvolle stilistische Verbindung zwischen diesen
Fresken und ist folglich auch sehr geeignet,
unsere früheren Darlegungen von Giottinos Ent-
Halten wir uns
an die urkundlich und stilistisch beglaubigte
Datierung derBardi-Fresken (um 1367), so dürften
wohl die Badia-Fresken gegen Mitte der sech-
ziger Jahren anzusetzen sein. Sie gehören Giot-
Abb. 1. GIOTTINO. Szene aus der Legende des
S. Bartolommeus Badia. Florenz
tinos bester Zeit an, und sind wahrscheinlich in
ihrem ursprünglichen Zustand von höchstem
dekorativen Wert gewesen.
x e *
Zwei kleine Bilder, die wohl in meinem Buche
erwähnt sind, aber nicht unter Giottinos Namen,
seien hier noch in aller Kürze besprochen. Es
sind die kleine Krönung Mariä in der Galleria
Corsini inRom und das damit eng zusammen-
hängende Triptydıon mit mehreren Passions-
darstellungen im Museo Cristiano Vaticano.
Ich habe beide in meinem Buche mit Frage-
zeichen in die Liste der Werke Giovanni da
Milanos aufgenommen und dabei sogar be-
sonders gesagt, daß diese Bilder zusammen mit
73
1120
Abb. 2. GIOTTINO. S. Bartolommeus wird geschunden
drei Predellenstückchen im Museo Cristiano eine
besondere Gruppe bilden, in der „Giovanni nicht
sehr deutlich hervortritt“. Leider hatte ich die
Bilder damals seit langem nicht gesehen, als ich
nun neulich Gelegenheit hatte, sie wiederzusehen,
wurden nicht nur meine Zweifel an Giovannis
Autorschaft bestärkt, sondern es wurde mir auch
klar, daß Giottino der Meister dieser kleinen
Hausaltärchen gewesen sein muß. Es bedarf
freilich einer sehr genauen Kenntnis von Giot-
tinos Kunst, um seine Hand in den fast minia-
turenhaft kleinen und ziemlich schlecht erhaltenen
Figuren in diesen Bildern zu erkennen. Die
oben genannten drei Predellenstückchen des
Museo Cristiano (Schrank D. 6.—8.) sind so
schlecht erhalten, daß sie überhaupt schwerlich
einem bestimmten Meister gegeben werden
können; bei den beiden anderen aber ist eine
stilistisch begründete Attribution möglich.
Die Krönung in der Galleria Corsini, die
früher Ambrogio Lorenzetti, dann von Dr. Suida
dem Giovanni da Milano gegeben wurde, zeigt
eine interessante Raumkomposition der Art, wie
Giovanni sie nie versucht, aber Giottino sie immer
angestrebt hat. Der Thron, auf dem Christus
und Maria einander zugewandt sitzen, ist ziem-
lich hoch gestellt und möglichst weit nach hinten
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Badia. Florenz
geschoben: ein Eindruck, der besonders dadurdı
erreicht wird, daB die herumstehenden Heiligen
in einen nach vorne herausgezogenen, ellip-
tischen Kreis gestellt sind. Die alte Attribution
an Ambrogio Lorenzetti ist sehr verständlich,
denn es ist eben diese Art Tiefenkonstruktion,
die er zuerst in seinen Bildern ausprägt, und
die dann (wie in unserem Buche nachgewiesen
wurde) von Giottino aufgenommen wurde. Die
Gestalten sind kräftig und von weit besseren
plastischen Qualitäten, als Giovanni da Milano
sie je erreichte; ihre Typen, besonders die der
alten Männer, sind dieselben, die wir aus Giot-
tinos früheren florentiner Fresken (in der Capella
Strozzi in Sta. Maria Novella) kennen. Die
jungen, bartlosen Heiligen finden sich ähnlich
auf den Bildern bei Ing. Corsi in Florenz und
Comm. Sterbini in Rom. Die Krönung ist aber
wahrscheinlich ein etwas reiferes Produkt als
diese; sie zeigt Giottinos charakteristische Be-
strebungen sowohl in bezug auf Raumkompo-
sition wie in der Figurmodellierung weiter ent-
wickelt. Vielleicht dürften wir annehmen, daß
sie während Giottinos römischem Aufenthalt ge-
malt wurde?
Das Hausaltärchen im Museo Cristiano Vati-
cano (Schrank D. 1.) ist ein weniger glückliches
Studien und Forschungen
1121
Abb. 3. GIOTTINO. Detail aus der Schindung des S. Bartolommeus
O
Werk, auch ist seine Erhaltung eine ziemlich
schlechte. Auf dem Mittelbilde sind übereinander
das letzte Abendmahl und die Kreuzigung dar-
gestellt. Die Komposition ist stark zusammen-
gedrängt. Der Meister hat sich in dem kleinen
Raum nicht zu recht gefunden; seine Figuren sind
zu steif und zu massiv für solche miniaturen-
hafte Darstellungen. In dem Abendmahl hat
er versucht, durch den in zwei Winkeln ge-
brochenen Tisch etwas Tiefenwirkung in die
Komposition hineinzutragen. Auf beiden Flügeln
sind vier Passionsszenen dargestellt, rechts
Christus in Getsemane, der Judas-Kub, Christus
vor Pilatus, die Dornenkrönung; links Christi
Verspottung (die Kleider werden abgerissen),
die GeiBelung Christi, die Kreuztragung, die
Pieta. Hier ist der Raum noch enger, der Künstler
hat folglich noch größere Schwierigkeiten gehabt
seinen steif bewegten Figuren Platz zu bereiten.
Die drei Predellenstückchen (D. 6—8) mit
Darstellungen aus dem Leben der Maria Magda-
lena gehören, wie gesagt, derselben Richtung
an, aber sind so stark restauriert, daß wir sie
nicht mit Bestimmtheit für Giottino in Anspruch
nehmen möchten.
* *
*
Badia. Florenz
Zu den CEuvre-Katalogen, die in meinem
Giottino-Buch publiziert sind, möchte ich hier
noch folgende Addenda hinzufügen:
Taddeo Gaddi.
Dijon, Museum: Geburt Christi. Schönes
kleines Predellenstük in Taddeos allerbester
Qualität. Frühwerk.
Castel fiorentino, Sta. Verdiana: GroBe
sitzende Madonna. Spätwerk, beschädigt. Ich
verdanke Dr. Poggi den Hinweis auf dieses Bild.
(Die Natività in Boston möchte ich als Schul-
bild betrachten.)
Andra Orcagna.
Florenz, S. Stefano a Ponte Vecchio:
S. Peter; stehende Frontfigur in orangegelbem
Mantel. Schließt sich den drei Heiligen in der
National Gallery nahe an. Als Gegenstück zu
diesem Bilde hängt in der Sakristei ein S. Do-
menicus von einem älteren Künstler.
Nardo di Cione.
Florenz, Uffizien, Magazin: Christus
am Kreuz, Maria und Johannes. Gut erhaltenes
Bild mittlerer Größe.
Abb. 4. GIOTTINO. Martyrszene (? )
Ingen. A. Corsi: Darbringung im Tempel.
Predellenstück.
Paris, Louvre: Nr. 1313. Der Tod des
S. Bernhard (oder S. Benedikt). Predellenstück,
das sich dem schönen Bilde bei Mr. Berenson
nahe anschließt.
Id will in diesem Zusammenhang euch be-
tonen, daB das, was sonst neuerdings Nardo di
Cione zugeschrieben worden ist, nach meiner
Überzeugung von ihm nicht herrühren kann, so
z. B. hat er sicher nicht die kleine Geburt Maria
in Taylor Museum in Oxford gemalt, die neulich
als ein Frühwerk Nardos, von Dr. Suida er-
wähnt wurde. Das Bildchen ist um 1375—80
zu datieren, es ist eine Arbeit Jacopo di Ciones
schon unter Einfluß des Gerini.')
Jacopo di Cione.
Florenz, Mr. Herbert Horne: Das Martyrium
der Quattro Coronati. Interessantes Bild mit
vier Aktstudien.
Oxford. Taylor Museum, Nr. 3. Geburt
Mariä. Predellenstück.
z A Vgl. Repertorium für Kunstwissenschaft: XXXI. 3.
GIOTTINO. Profil
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Badia. Florenz
Paris, Dr. Widal: Madonna, von vier
Heiligen umgeben, alle in Kniestück. Das Mittel-
stick wird mit einem Spitzgiebel, die Seiten-
stücke mit Rundbogen abgeschlossen.
Jacopo hat wahrscheinlich auch in mehreren
Werken aus Niccolo di Pietro Gerinis Atelier
mitgearbeitet, so z. B. könnte die Frescodeko-
ration der Capella del Capitolo in S. Felicitä in
Florenz genannt werden. Nur wenig Anteil
dürfte er an dem Bilde der Taufe Christi in der
National Gallery (Nr. 579) gehabt haben, das
wir unter seine Werke aufnahmen.
Giovanni da Milano.
Bonn, Museum: Christus und Maria. Frag-
ment einer kleinen Krönung Mariä. Ici ver-
danke Dr. O. Wulff die Photographie dieses
Bildchens.
Paris, Coll. Martin Le Roy: Maria mit
dem toten Christus auf ihren Knien.
Agnolo Gaddi.
Paris, Coll.Spiridon: Zwei Szenen aus der
Legende des S. Eligius. Predellenstücke, aus
der Toscanelli-Sammlung stammend.
Pontedera, Cav. Masi: Madonna in natür-
Studien und Forschungen
1123
liher Größe und zwei Heiligenszenen in der
Predella. Schönes, großes Bild.
Aus den Katalogen der Werke Antonio Vene-
zianos und Spinello Aretinos müssen gestrichen
‘werden: die Antonio zugeschriebene „Ungläubig-
keit des hl. Thomas“ in den Uffizien (das Bild
gehört einem späteren Meister) und die zwei
Heiligen aus Spinellos groBem Altarwerk für
Monte Oliveto, die sich nicht — wie mir durch
einen Kunsthistoriker angegeben wurde — in
Köln befinden. Wohin sind sie aber jetzt ge-
kommen? Osvald Siren.
g
‘ ZU WOLF HUBER
Von Philipp M. Halm
' Authentische Nachrichten über den Passauer
Maler Wolfgang Huber, dem sich nach Wilhelm
Schmidts Lüftung der Anonymität des Mono-
grammisten W. H.!) neuerdings durch die Ar-
beiten von Voss?) und Riggenbach *) das Inter-
esse zugewandt hat, fließen außerordentlich spär-
lim. Riggenba hat das Wenige sorgfältig
zusammengetragen und durch eine Notiz in einem
Passauer „Hofratsbücl“ von 1542 vermehrt. +)
(K. Studienbibliothek in Passau.) Dieser Eintrag
betrifft die Bestätigung Wolf Hubers als Hofmaler
des Bischofs Wolfgang I. von Passau, für den, wie
Voss durch stilistische Vergleiche nachgewiesen hat
und StiaBny*) durch heraldische Belege bestätigte
Huber das schöne Bild der Kreuzesallegorie im
Wiener Hofmuseum gemalt hat. Wenn wir
von Bezeichnungen auf den Gemälden und gra-
phischen Blättern Hubers absehen, bleiben uns
schlieBlich nur die bekannte Vertragsnotiz über
den Annabruderschaftsaltar in Feldkirch von
1515,°) die Voss, Riggenbach und Stiaßny fälsch-
lidierweise mit dem Feldkirer Beweinungs-
bilde von 1521 in Zusammenhang brachten‘)
.) Repertorium für Kunstwissenlchaft XVI (1893), S. 148.
Voss, Der KREE des Donaustils 1906.
3) Riggenbach, Der Maler und Zeichner Wolfgang Huber.
+) Die „Hofratsbüchl“ sind die Sitzungsprotokolle des
bischöfl. passauischen Hofrats; sie SEH en sich z. T. in
der Studienbibliothek in Passau, z. T. im K. Kreisarchiv
zu Landshut.
Monatshefte für Kunstwissenschaft I (1908), S. 422.
D Zuerst von Wilhelm Schmid wieder veröffentlicht
(Repertorium XVI [1893], S. 148).
*) Die Unstichhaltigkeit dieser Annahme habe ich in
der ,Christiihen Kunst“, München V 1908, Heft 3, einge-
hend nach ewiesen; ebendort habe ich eine Reihe anderer,
die Huberfrage berührender Irrtümer richtig zu stellen und
vornehmlih auch die von Voss ausgesprochene und von
StiaBny (Monatshefte fürKunstwissenschaft I [1908], S. 424)
übernommene Anschauung zu widerlegen versucht, daß
die Werke des von mir in die Kunstgeschichte eingeführten
Bildhauers Matthäus Kreniß (Die christl. Kunst I [1904/1905],
S. 1 Werke eines Bruders Wolf Hubers seien. Für
dessen Falten? fehlt uns aber jedes authentische Beweis-
materia
und die von W. M. Schmid publizierte „Suppli-
cation gemaingelih maister und gesellen des
handwerdis der maller pildschnitzer und glasser
zu Passau“ von 1542, welche sich gegen Wolf
Huber richtete, weil er, ohne das Bürgerrecht
zu besitzen, mit etlichen Gesellen und Lehrknaben
gearbeitet und der Zunftordnung in verschie-
denen anderen Punkten nicht entsprochen hatte.')
Diese spärlihen archivalischen Nachrichten
lassen sich nun durch zwei weitere vermehren.?)
Die erstere ein mit flüchtiger Feder geführter,
schwer leserlicher Protokollvermerk, geht der
Bestätigung Hubers zum Hofmaler und der Sup-
plikation um ungefähr zwei Jahre voraus und
findet sich im ,Hofratbiichl* von 1540 (K. Kreis-
archiv Landshut) unter dem 13. Februar, wie
folgt, eingetragen: Statrichter übersendet die
acta in causa Hannsen Schirlinger maler gsöl
contra Wolfgangen Hueber: Ist beschloBen.
Khan und mag Hans Schirlinger zu stab seiner
vollführten weisung einen eid zu gott und den
heiligen schweren, daB der Hueber jme on
seinen verdienten lidion, soviel als in seinem
geschriebenen (?) gemeldet, schuldig ist, soll von
jme angegeben werden. Wird alsdann der
Hueber jme denselben ausstand sambt jme in
dieser sach aufgeloffenen expensen nodi ge-
richtlicher tax zu bezallen schuldig sein.“ Über
den weiteren Verlauf der Streitsache läßt sich
dem ,Hofratbücil“ nichts entnehmen, Huber hat
sih also wohl dem Urteil unterworfen.
Ungleich wichtiger ist die zweite Nachricht,
da sie uns das bisher unbekannte Todesjahr
Wolf Hubers angibt. Sie ist vorgetragen in
dem „Hofratbücl“ für das Jahr 1553 (K. Studien-
bibliothek Passau) unter Freitag, den 7. Juli,
und betrifft die Vormundschaft über die Kinder
Hubers. Sie hat folgenden Wortlaut: Weilland
M. Wolfgangen Huebers gewesten Hofmalers
nachgelassne khinder betr. Am heutfigen) dato :
seien auf H. Thamas von Preising supplierung
und meines genedigen fürsten und herrn gene-
digen bevelch von Iren f.g. hirczue verordnete
räth zw hof jn der canzlei erstgemeldeter Prei-
sing, des etc. obgedachten M. Wolfgang Huebers
nachgelassene wittib, desgleichen M. Lucass
Praitinger schreiner und M. Hans Stümpl hof-
schneider, bede burger alhie, erschienen, welchen
beden jtz gemelten M.Lucassen und M. Hansen
angezaigt worden, warumben sie anjetzo hieher
beschiden waren, nemblichen, das jrer f. g. gne-
dig begern seie, dhweil obgedachter Preisinger
sie bede zu gerhaben?) mergedachts huebers
Ri Repertorium für Kunstwissenschaft X XIV(1901), S. 390.
ch verdanke den giitigen Hinweis H. Domkapitular
Dr. H. L. Krick in Passau.
3) Gerhab = Vormund, vgl. SE Baye-
risdies Wörterbuch I (1872),
1124
seligen nachgelassene khinder benent hette, das
sie demnach solche gerhabschaft berurter khinder
aber (= über) sih nemen und die zum treu-
lichisten versehen und verwalten wolle; welche
gerhabschaft sie bede dan iren f. g. zu vnder-
thenigen gehorsam nit gewaigert sondern hier-
mit also guetwillig angenem und bej jren phlich-
ten und handgegebenen treuen zuegesagt und
angeluebdt haben, disen jren jezt bevolhenen
phlegekhindern nuzen und frumen jn allem und
jedem neben gemelter wittiben alss muettern
und den obgemelts Preisingers als testamenta-
rien schaffen, betrachten und handlen wollen
wie treuen phlegsvattern ze thun gebuert. Dar-
neben ist jnen auch anzaigt worden, was sie
bede gerhaben khünfftig je bej weillen merers
berichts in diser jrer jetz bevolhenen gerhab-
schafft notturfftig sein wurden, hette man mit
Hieronimussen Sinzin mauttnern geredt, der
hette sich guetwillig erpotten, jnen jederzeit
nach seinem verstand doch an (= ohne) ainiche
weittere beladung der gerhabschafft hilflichh und
beistendig zu sein, welcher dan also zu aller-
seits mit gehorsamen erpieten und dankh an-
genommen und derohalben auf morgen frue
sambstags die inuentur jn jr aller bejsein fir
die hand zu nemen verordnet und bevolhen
worden. Sedentem herrn official Truebmpacher
und doctor Reichart.
Man darf dem Protokoll entnehmen, daB
Wolfgang Huber wohl nur wenige Tage vor-
her, also in den ersten Tagen des Juli 1553 ge-
storben ist. Bisher hat man auf Grund der
Zeichnungen in Wolfegg, Prag und Pest 1542
als die letzte sichere Zeitgrenze für Huber an-
genommen, womit sich auch der obenerwähnte
Eintrag im Hofratbüdil des gleichen Jahres
deckte. StiaBny hat dann kürzlich (a. a. O.) auf
eine Zeichnung von 1544 in der Albertina hin-
gewiesen. Nach dem nunmehr gesicherten Todes-
datum läßt sich aber noch eine fast zehnjährige
Tätigkeit annehmen, über die wir zunächst noch
gar nichts wissen. In erster Linie dürfte nach-
zuprüfen sein, ob die drei nach 1544 datierten
-Handzeichnungen, die Riggenbach als Huber ab-
lehnt — eine Landschaft von 1548 in Erlangen,
eine gotische Stadt mit Türmen von 1545 und
eine Burg am FluB von 1549, beide in Pest,
nicht doch dem Passauer Maler zuzuschreiben
Monatshefte für Kunstwissenschaft
sind, wie dies für die beiden letzterwähnten
Wilhelm Schmid schon längst (Repertorium XIX
[1896], S. 121) angenommen hat.
2
ZUM PORTRAT PALLADIOS VON
LICINIO
Von Campbell Dodgson
Im Oktoberheft dieser Zeitschrift, S.915, be-
spricht Fritz Burger ein angeblich verschollenes
Porträt Palladios von Bernardino Licinio, das
aus dem Nachlaß des Konsul Joseph Smith in
Venedig für die Sammlung Königs Georg Ill.
erworben wurde. „Das Gemälde soll in den
Besitz des Königs von England gekommen
sein. Doc ist es heute in den königlichen
Galerien nirgends nachweisbar.* Ohne die um-
strittene Frage des Geburtsjahres Palladios er-
örtern zu wollen, kann ich nicht umhin, darauf
aufmerksam zu machen, daB das Gemälde, nadh-
dem es eine zeitlang in Kew Palace aufbewahrt
worden war, sich heute in Windsor Castle be-
findet und im zweiten Band vom Prachtwerk,
„The Royal Collection of Paintings*, Heinemann,
London, 1906, mit Text von Lionel Cust, sehr
gut in Photogravure reproduziert ist. Die In-
schrift, welche Cust für ganz echt erklärt, wird
so deutlich wiedergegeben, daß jeder Zweifel
am genauen Wortlaut ausgeschlossen ist. Sie
lautet B. LYCINII. / OPVS. / ANDREAS. /
PALADIO. / A. | ANNOR’. / XXIII. | M. D. XLL /.
Also ganz wie im obenerwähnten Artikel ab-
gedruckt, mit dem Zusatz von „A.“, welches nur
ARCHITECTVS bedeuten kann. Der Darge-
stellte sieht übrigens vollkommen wie ein
Zwanzig-, nicht DreiBigjähriger aus. In der
Rechten hält er MeiBel und WinkelmaB, die
wohl als Abzeichen seines Berufs als Steinmetz
und Architekt aufzufassen sind. Das Bild spricht
also unzweideutig für das spätere Datum der
Geburt Palladios, welches Burger aus anderen
und zwar anscheinend triftigen Gründen be-
zweifeln will. Ich bin nicht imstande, den Wider-
spruch zu lösen. Der Zweck dieser Zeilen ist
nur der, die Aufmerksamkeit der Forscher auf
die Publikation des Porträts in Windsor zu
lenken.
er5 529
EIN OFFENER BRIEF
Der Direktor der Bremer Kunsthalle schreibt
unter dem 17. November:
Sehr verehrter Herr Dr. Biermann!
Lassen Sie mich gestehen, daB ich mit einer
an Bestürzung grenzenden Überraschung den
Artikel über den präsumtiven Leiter der
Nationalgalerie in den Kunstwissenschaft-
lichen Monatsheften, Heft 11, gelesen habe. Ja,
wenn er noch in der Norddeutschen Allgemeinen
Zeitung gestanden hätte! Aber in Ihrer vor-
trefflichen Zeitschrift durfte man schwerlich er-
warten, jene oft gehörten Einwände wieder-
zufinden, die eine nicht ganz uninteressierte
Polemik als Waffen gegen Hugo von Tschudi
zur Hand zu nehmen pflegt: seine „Vorliebe für
die modernen Franzosen“, die Vernachlässigung
„anerkannter deutscher Künstler“, der Hinweis
auf die „Gründungsakte der Nationalgalerie“.
Dergleichen Schlagworte taugen trefflich für eine
Agitationsrede im Schoße der allgemeinen deut-
scien Kunstgenossenschaft und man weiß, was
man sich dann dabei zu denken hat. Die übri-
gen Kunstfreunde indessen, die einigermaßen
informiert und weniger materiell interessiert
sind, wissen es doch, daB jene Franzosen, die
Tschudi in die Nationalgalerie eingeführt hat,
die Millet und Manet und Renoir und wie sie
heißen, heute nur noch insofern modern ge-
nannt werden können, wie man im allgemeinen
von einer modernen Geschichte oder von einer
modernen Literatur spricht. Im übrigen sind sie
als historische Größen, deren Bedeutung durch
keine Landesgrenzen beschränkt wird, von der
kultivierten Welt einmütig anerkannt. In diesem
Sinne verdienen sie es, vielmehr klassisch als
in mißverständliher Anwendung des Wortes
modern genannt zu werden. — Und grade des-
wegen, weil diese Meister auch für die Ent-
wicklung der deutschen Kunst von einer unbe-
streitbaren, entscheidenden Bedeutung gewesen
sind, haben sie ein Anrecht darauf, in der
Nationalgalerie vertreten zu sein. MuB man so
oft — audı von Tschudi selber — Wiederholtes
noch einmal sagen?
Wenn ferner an die Gründungsakte der
Nationalgalerie erinnert wird, an ihre Bestim-
mung, „der deutschen Kunst“ zu dienen, so
darf nachdrücklich betont werden, daB dieses
nicht etwa ganz dasselbe heißt wie „der deut-
SS RUNDSCHAU:
_Zsszomnnmnses
IR SC)
schen Kinstlershaft“ dienen. Beispielsweise
wäre es für die materielle Unterstützung un-
serer Künstler sehr erwünscht, daß von mög-
list vielen deutschen Malern möglichst viele
Bilder angekauft würden, während damit der
Kunst, ihrer Förderung und Pflege schwerlich
gedient wäre.
Wenn man sich also darüber einigen darf,
daB es für die Nationalgalerie nur auf die
maBgebenden, die tüchtigsten und besten
Künstler ankommt, so wird es schwerlich zu
leugnen sein, daß gerade für diese Tschudi
nicht wenig geleistet hat. Unter seiner Leitung
haben beispielsweise Schadow, Krüger, Blechen,
Gärtner, Waldmüller, Menzel, Leibl, Schuch,
Trübner, Klinger eine ganz andere, angemesse-
nere Vertretung in der Nat. Galerie gefunden,
als sie ihnen früher eingeräumt war. Er und
kein anderer ist es gewesen, der grade die
ältere Berliner Schule ins rechte Licht ge-
rückt hat. Allerdings fehlen noch mande
„anerkannte Künstler“, beispielsweise aus Ber-
lin gleich Corinth und Slevogt; und Leistikow
ist mit einem Bilde, übrigens einer Schenkung,
kaum genügend vertreten. Auc von Lieber-
mann erwartet man mehr zu sehen. Doch glau-
ben Sie, daf an diesen Unterlassungssünden
Tschudi die Schuld trägt?
Nein, darin werden Sie mir gewiß zustimmen,
daß man allenfalls diese oder jene Einzelheit
der Verwaltung Tschudis bemängeln könne, nicht
aber seinen Geschmack und nicht seinen Charakter,
namentlich nicht seinen Charakter!
Kenner der alten Kunst und geschmackvolle
Sammler der neuesten Kunst haben wir ja
schlieBlich nicht wenige in Deutschland — wenn-
gleich die Zahl derer wahrlich gering ist, die
beides zugleich sind. Noch seltener aber dürfte
ein Mann gefunden werden, der an einer ex-
ponierten Stellung als hoher Beamter seine wohl
begründete Überzeugung so freimütig und stand-
haft wie Tschudi vertreten hat, der sein besseres
Wissen nie verleugnet hat — unter vielen An-
feindungen nnd Intriguen und angesichts der
offenbaren Ungunst des kaiserlichen Hofes. Eben
diese Haltung ist es, die Hugo v. Tschudi die
Sympathien von vielen Tausenden, auch auBer-
halb seiner Berufssphäre erworben hat.
Nun hören wir, daß die erneuerte National-
galerie, das Lebenswerk Tschudis, dem Herrn
Direktor Anton von Werner übertragen werden
soll. Zu einer solchen Wahl ist im heutigen
1126
Deutschland unter den in Betracht kommenden
Persönlichkeiten offenbar nur eine einzige im-
stande — der Kaiser selbst. Daß unter diesen
Umständen gewisse Kreise der preußischen
Beamtenschaft auch in dem zunädhst beteiligten
Stabe der königlichen Museen resigniert schwei-
gen oder den allerdings schwierigen Versuch
machen „to make the best of it, ist verständ-
lit. Es scheint mir dagegen weder lòblich
noch aus irgendwelchen politischen Ricksichten
erwünscht zu sein, wenn sich eine solche Kon-
nivenz auch auf jene Kunstgelehrten und Kunst-
freunde erstreckte, denen durch ihr Amt nicht
der Mund gestopft und die Hände gebunden
sind. Besser wäre es, wenn aus diesen Krei-
sen und aus der deutschen Presse ein einmü-
tiger Protest erschélie, ein Appell von der
schlecht informierten Majestät an die besser zu
informierende Majestät, so laut, daß er nicht auf
dem langen Wege bis an seine Adresse verhallte.
Das Sachlihe an dieser Sache ist ja in einem
Augenblicke zu erledigen und ernstlich kaum
der Rede wert. Oder soll man wirklich die De-
duktionen erneuern, die vor einem Menschen-
alter Moriz Thausing gegen die Malerdirektoren
von Gemäldegalerien ins Feld geführt hat? Sie
sind doch längst als selbstverständlihe Wahr-
heiten in das Bewußtsein der öffentlichen Mei-
nung übergegangen. MuB man wirklich daran
erinnern, daB grade der preußische Staat, in-
sonderheit die preußishe Museumsverwaltung
es waren, die mit veralteten Ansichten bei der
Besetzung solcher Posten aufgeräumt haben?
— Und nun wollte diese Museumsverwaltung,
an deren Spitze ein allverehrter Meister seines
Handwerks steht, sich selbst und ihre Vergan-
genheit bis zu dem Grade verleugnen, daß sie
es billigt, wenn die Nationalgalerie einem
Maler ausgeliefert wird, der nur durch den
Gegensatz bemerkenswert ist, in dem seine
künstlerischen Leistungen zu seinen Ehren und
Würden stehen, an einen Maler, der sich zu
allem ÜberfluB noch als einen ganz besonders
beschränkten und verbissenen Verkenner der
Kunst seiner Zeit erwiesen hat? — Nein, Sie
werden es verstehen, wenn ich auf so undisku-
table Fragen die Antwort ablehne.
Etwas anderes wäre es freilih, wenn man
die Kandidatur Werners mit macchiavellistischer
Taktik begünstigen wollte, um durch den sicher
zu erwartenden Skandal den neuen Direktor ein
für allemal unmöglich zu machen. — Doch selbst
über diese Eventualität möchte ich mich lieber
nicht verbreiten.
Mit den besten Empfehlungen bin ich Ihr
ganz ergebener Pauli.
*
*
*
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Inzwischen sind uns die Ereignisse zuvor-
gekommen. Geh. Rat v. Tschudi bleibt.
Paulis Brief mag darum als das letzte un-
zweideutige Wort, das in dieser bösen Affäre
geschrieben worden ist, doppelt hoch bewertet
werden. Er sprach als einer für viele. Aus
allen Teilen Deutschlands sind uns nach dem
Artikel des letzten Heftes von den Männern
der Wissenschaft ebenso wie von hodistehenden
Kunstfreunden Briefe zugegangen, deren ein-
stimmige Überzeugung dahin ging, nie und
nimmer, auch unter keiner nodı so denkbar
günstigen Konzession dürfe einem Anton von
Werner die Nationalgalerie überliefert werden.
Dies audı an dieser Stelle offen zu betonen,
halten wir nach dem Beitrag des letzten Heftes
für eine Ehrenpflicht. B.
8
BERLIN
Bericht aus den königlichen Museen. Im
Novemberheft der ,Amtlichen Berichte* nimmt
Bode zu der Frage von Roger van der Weydens
sog. Reisealtar Karls V. im Kaiser Fried-
rih-Museum Stellung. M. Gömez-Moreno
hatte in der Gazette des Beaux-Arts einen
Artikel über den Bilderschatz Isabellas der Ka-
tholischen gebracht, der in der Sakristei des Doms
von Granada bisher den Blicken der Meisten
verschlossen war. Die dort aufbewahrte Ver-
sion des Altares hat vor derjenigen in Berlin
vieles voraus — außer künstlerischen Qualitäten
wie feinerer Lichtstimmung, größerer technischer
Freiheit und einzelnen ausdrucsvollen Köpfen
vor allem die Herkunft, die sich bis auf die
Königin Isabella zurückverfolgen läßt, also der
Tochter Johann Il, dem Martin V. einst den
Altar zum Geschenke machte. Der Berliner Altar
erscheint hiergegen als eine Werkstattwieder-
holung auf spätere Bestellung; dadurch erklären
sidi die Härten der Ausführung wie die glatte
und kleinliche Malweise. Keinesfalls ist er eine
erst in napoleonischer Zeit gefertigte Kopie;
Wahl der Farben und miniaturartige Durchbil-
dung jedes kleinsten Detail, weisen vielmehr mit
Bestimmtheit auf das 15. Jahrhundert. Auch ist
es nicht zutreffend, wenn Crowe und Caval-
caselle von starken Restaurationen sprechen; im
Gegenteil ist die Erhaltung eine ungewöhnlich
gute — der fast gänzliche Mangel an Krake-
lüren hatte sogar mit am meisten zum Auf-
kommen der Vermutung beigetragen, als sei der
Berliner Altar ein relativ modernes Werk. —
Interessant ist es, daß eine der Darstellungen,
nämlich das Noli me tangere, in Granada fehlt;
Rundschau
1127
die betr. Tafel wurde der Museumsverwaltung
vor wenigen Jahren in einer Photographie an-
geboten, ohne Angabe der Provenienz, was auf
die Art ihrer „Erwerbung“ kein sehr günstiges
Licht warf.
Uber drei italienische Statuetten des
Quattrocento berichtet F. Schottmüller. Die
erste der drei Arbeiten, eine stehende Marmor-
madonna, bei der die äußeren Umstände (zumal
das Wappen am Sockel) für Siena sprechen,
wird hier um so mehr interessieren, als sie mit
einer in diesen Blättern (Heft 7/8) publizierten
Madonna im Dome zu Torcello frappante Ahn-
lichkeiten aufweist, die, wenn nicht an den
gleichen Meister, doch wohl sicher an ein ge-
meinsames Vorbild fir beide Statuetten denken
lassen.
Zwei dem Isaia da Pisa zugewiesene
Apostelstatuetten bereichern die im Museum
bisher sehr lückenhaft vertretene römische Quat-
trocentoplastik um so glücklidter, als Werke
dieser Art heute nur selten mehr in den Handel
gelangen und die beiden neu hinzugekommenen
besonders charakteristishe Werke ihrer Gat-
tung sind.
Das Kupferstichkabinett erwarb eine eigen-
tamliche Zeichnung des Jacob Corneliez van
Oostsaanen, mit einer Darstellung des Dogmas
der Transsubstantiation. Friedlander hält das
Blatt fir den Entwurf zu einer Bildtafel, nicht
zu einem Mittelstick eines Flügelaltares. In
kurzer Übersidit gliedert er andere Zeichnungen
von Jacobs Hand der für Berlin erworbenen an
und bereichert hierdurch unsere Vorstellung
von dem Meister, für die Scheibler einst grund-
egend war, nadı einer wichtigen Richtung hin.
Kunstausstellungen. Die Saison dieses Win-
ters wurde durch Ausstellungen der verschie-
denen Salons mit vielseitigen Versprechungen
eröffnet. Ungewöhnlich nach Inhalt und Art der
Veranstaltung war die Belgische Ausstel-
lung in der Sezession. Sie zeigte die von
vielen Seiten beeinfluBte, letztlich denn doch
sehr originelle Kunst des kleinen, aber überaus
produktiven Landes in zahlreichhen, zumeist
günstigen Proben, ohne andererseits ein ein-
heitliches und zuverlässiges Bild der einzelnen
Bestrebungen und Künstler zu geben. Von den
älteren Meistern war Alfred Stevens nur
einseitig vertreten; die anwesenden Gemälde
gaben kaum Veranlassung, den Künstler in
seinem ganzen Charme zu bewundern. Henri
de Brackeleer entzükt da, wo er sich von
den ihn inspirierenden alten Meistern, de Hoogh
und varı Delft, am meisten entfernt; wenn er
æ
sich ihnen in sklavischer Abhängigkeit anschließt,
wird der Abstand der selbstsicheren, fein ab-
abgewogenen Vorbilder und ihrer gröberen, farbig
verwässerten Nachahmungen besonders fühlbar.
Vielleicht den stärksten Eindruck unter den
schon „historiscı Gewordenen“ vermittelte Al-
fred Verwée mit seinen Tierbildern, aus denen
auBer wundervoller Beobachtungsgabe ein heut-
zutage seltenes Kompositionsgefühl und ein
sicherer Sinn für Monumentalität (auch in der
Farbe) spricht.
‚Von Félicien Rops waren Lithographien,
Radierungen und Zeichnungen da, die ein auf-
fallend zersplittertes Bild dieses einseitig be-
deutenden Künstlers gaben. Die äußeren
Schwierigkeiten, die sich der öffentlichen Aus-
stellung Ropsscher Werke entgegenstellen, sind
zu bekannt, um einer näheren Erörterung zu
bedürfen.
Auf die noch im Werden begriffene Kunst
der Jüngeren einzugehen, liegt nicht im Pro-
gramm dieser Blätter. Wer aber einen so
durchaus gereiften, logisch herausgebildeten Stil
wie Léon Frédéric und Eugène Laermans
besitzt, hat in jedem Sinne auf Interesse An-
spruch, selbst wenn die ausgeprägte Eigenart
bis an: die Manier streift, wie ohne Frage in
Frederics „Ruisseau“. Eugène Laermans ist
ein Geistesverwandter Meuniers (der als Maler
recht gut vertreten war); seine auBerordentlichen
Fähigkeiten in der schlagenden, abgekürzten
Wiedergabe einer Bewegung, machen ihn zu
einem der monumentalsten Menschenbildner der
zeitgenössischen Kunst — dabei verriet er sidı
in einer kleinen, köstlich intimen und in starkem
Maße bildmäBigen Landschaft zugleich als einer
der eigenartigsten „Gestalter* von Stimmungen
in-der Natur.
Ein kurzes SchluBwort über die Plastik,
die in dem Dreigestirn van der Stappen,
Lambeaux, Victor Rousseau dom nur un-
genügend vertreten war. Sehr glücklidı war
die Auswahl Rousseauscher Kleinbronzen, deren
eigentümliche stilisierende Tendenzen von fern
an die jüngere Münchner Schule gemahnen,
zumal da, wo das Figiirliche kunstgewerblichen
Zwecken untergeordnet erscheint, Auch van
der Stappens Kunst bedient sidi — in monu-
mentalem Sinne — des Mittels starker Stili-
sierung; seinen Fortsetzer in dieser Richtung,
den geistreich-düsteren Georges Minne, konnte
man leider nicht kennen lernen.
Durch geschlossene Wirkung empfahl sich
die Ausstellung von Werken Fritz von Uhdes,
die im Salon Schulte veranstaltet worden war.
Zwar fehlten namhafte Werke — kein Wunder
1128
bei einem Künstler, dessen beste Leistungen
schon im Besitze der ôffentlihen Sammlungen
sind —, aber der Überblick über die Entwicke-
lung war doch ein fast lückenloser. Mehrere
Gemälde vom Ende der siebziger Jahre, wie
das „Irrlicht“, die „Bacchantin“, das „Reiterge-
fecht“, zeigen Uhde, den damaligen Kavallerie-
offizier, im Bann Hans Makarts und grenzen
nodi nahe an das Dilettantishe. Doch macht
Sich neben einem gewissen Hange zur Phan-
tastik, zum Romantischen schon deutlich Uhdes
besondere Beanlagung für das Malerische be-
merkbar, die ihn wie von selber mit der Kunst
Munkacsys in Berührung bringt, unter dessen
Einfluß er bis etwa 1881 bleibt.
Die Kenntnis LiebermannscherBilder erschließt
dem von Paris heimgekehrten Maler neue
Bahnen; doch hat er, der Sachse, ohne Zweifel
nie den Fanatismus der Wirklichkeit besessen,
der den Berliner Liebermann beseelte: sowohl
das genrehafte Trommlerbild der Dresdner Ga-
lerie wie der bei Schulte ausgestellte Leier-
kastenmann (von 1883) weisen eine gewisse
Weichheit, ein gemütlihes Moment auf, das
dann immer stärker durchdringt und den Künstler
auf das Gebiet des Religiösen hinüberführt.
Als Schilderer des Neuen Testamentes hat
er seine größten Triumphe gefeiert, wie er von
anderer Seite die stärksten Anfeindungen ob
seiner profanen Auffassungsweise erhalten hat.
Ohne einem modernen Künstler verbieten zu
wollen, die Bibel im Kostüm seiner Zeit zu
sehen und zu malen, wird man doch ohne Frage
von ihm erwarten dürfen, daB er Vorgänge, die
an sich gleichgültig wären und in denen das
Typische erst durch die künstlerische Behandlung
herauszuheben ist, nicht so roh im Materiellen
läßt, wie es in neuerer Zeit vielfach geschehen
ist. Uhde selber hat eine zu feine und zuweilen
selbst tiefe Empfindung, um dieser Gefahr zu
erliegen, doch ist der Kreis der Gefühle und
Aktionen, denen er gewachsen ist, nicht so weit,
um ihm eine wirkliche geistige Durchdringung
aller der Szenen zu erlauben, die er behan-
deit hat.
Ohne weiteres zustimmen wird man ihm in
allen Darstellungen, in denen Kinder eine her-
vorragende Rolle spielen. Uhde ist einer der
verständnisvollsten unddifferenziertesten Kinder-
darsteller des Jahrhunderts; und wenn er die
kleinen Buben und die schüchternen Mädchen
malt, die zu Christus kommen oder die Engel
der heiligen Nacht, so wüßte ich nicht, wer es
ihm hier gleichtäte. Den von großen Künstlern
früherer Jahrhunderte wie Rembrandt so ge-
liebten Abschied des Tobias hat er in einer
Reihe von Bildern behandelt, in denen er von
Monatshefte für Kunstwissenschaft
einer sehr steifen Auffassung des Tobias als
Jüngling der Biedermeierzeit hinübergelangt zu
einer ganz naiven Schilderungsweise: Tobias ist
ein kleiner abenteuerlustiger Knabe, der Engel
ein lieblicher Spielgefährte, dem die alten ge-
brechlichen Eltern ihren Liebling gern anvertrauen.
Die beiden Spielgefährten gehen munter durch
den Garten, während die beiden Alten von
weiten noch nachschauen. Der Künstler hat
hier den Legendenton wie wenige getroffen.
Unzulanglich ist Uhde nach meinem Gefühl
fast durchweg in den Szenen, wo es auf das
Religiöse im eigentlichen Sinne ankommt. Seine
„Predigt Christi* ist ein leeres Bild, das sehr
unglicklihherweise in großen Verhältnissen ge-
halten ist; die „Würfler um Christi Rock“ haben
malerische Vorzüge, aber ein seelischer Ausdruck
geht nicht — wie doch etwa bei altdeutschen
Bildern — von ihnen aus; der „Grabtragung
Christi“ fehlt gerade der überzeugende Ausdruck
des Schmerzes — es ist eine gleichgültige, arme
Sache. Ein Abendmahl zu malen, war nach den
eindrucksvollen Gestaltungen dieses Themas
durch verflossene, gläubigerere Jahrhunderte ein
gewagtes Unternehmen; daß mit der traditio-
nellen Symmetrie und der einfachen Darstellung
des Tisches parallel zur Bildfläche gebrochen
werden mußte, mag zugegeben werden, aber
es würde anderer Kräfte als derer Uhdes be-
dürfen, um trotzdem den symbolischen Charakter
der Szene zu wahren. Mit blassem Rationalis-
mus ist gerade hier keinesfalls auszukommen.
Am wenigsten ausreichend ist der Künstler
doch wohl gegenüber der Gestalt Christi selber.
Das Modellhafte, das sich bei manchen seiner
Personen geltend macht, wirkt hier mandımal
direkt verletzend, wie in dem segnenden Christus
von 1896, der dem Typus nach höchstens ein
ungebildeter ideologisher Schwärmer scheint,
während die Bewegung der erhobenen Hände
vollends kraftlos und unsymbolisch wirkt.
Diese Schwächen, die nicht für Uhde selber
charakteristisch, sondern die durchaus in unserer
Zeit begründet sind, mögen immerhin als gering
gelten gegenüber dem, was seine Kunst im
Malerischen bietet. So vielfach gebrochen durch
fremde Einflüsse sie uns in ihrer Entwickelung
erscheint, ein starker Instinkt für das Malerische
geht durch alle Arbeiten Uhdes, wenngleich sie
an Urspriinglichkeit und Frische hinter Lieber-
mann weit zurückstehen und oftmals leicht an
das Süße streifen.
Gegenüber kritikloser Bewunderung, die sich
vor dem lange vernachlässigten Künstler jetzt
wieder breitmacht, sollten seine negativen Seiten
nicht ganz verschwiegen werden. Als Führer
zu religiöser Malerei kann er keinesfalls be-
Rundsdau
trachtet werden; für Unbegabtere als ihn liegen
in seiner Richtung groBe Gefahren. DaB er
selber von dem Wege wieder zurickgekommen
ist, den er zwei Jahrzehnte lang begangen hat
und in den Werken seiner letzten Jahre die
„reine Malerei* — mit groBem Gewinn für ihn
und uns — von neuem aufnimmt, ist sympto-
matisch und berührt entschieden sympathisch.
Es scheint so, als habe er selber ein Bewußt-
sein der Grenzen gehabt, die ihm nach jener
Hinsicht gezogen waren. In der Geschichte der
modernen Malerei werden die meisten seiner
religiösen Bilder eine Episode bleiben, ein Do-
kument der eigentümlichen Seitenwege, die das
religiöse Gefühl in der Neuzeit eingeschlagen
hat — seine rein malerisch konzipierten Arbeiten
sind ein sehr wichtiger und nicht zu übersehen-
der Faktor in der Entwickelung der deutschen
Kunst von älteren Bahnen zu den von den
Franzosen gewiesenen neuen.
Eine Sonderausstellung, die es mit der bei
Schulte aufnehmen konnte, und die einem
größeren Kreise sicherlidi Neueres und Über-
raschenderes geboten hat, war die von Ge-
maiden Wilhelm Busds im Künstlerhaus.
Wer den Meister nur aus seinen (durch den
Holzschnitt vergrdberten) Federzeicinungen
kennt, den wird schon die Wahl der Sujets be-
fremden. Besonders die entschiedene Vorliebe
für das Landschaftlichhe. Eine tiefer gehende
Betraditung zeigt aber doch unschwer die Zu-
sammenhänge, die zwischen dem Zeichner und
dem Maler bestehen: Busch besitzt eine eigen-
tümliche, in seiner Zeit ganz einzige Fähigkeit
das Bezeichnende in einer Erscheinung, sei es
in einer Figur, sei es in einer Landschaft, mit
einigen wenigen Pinsel- oder Federstrichen
herauszuarbeiten. In seiner knappen Erfassung
des Wesentlichen in einer Naturstimmung, in
der sicheren, maleris mit ein paar kühnen
Antithesen arbeitenden Komposition gemahnt
er an die Niederländer des XVII. Jahrhunderts.
Wer Adriaen Brouwers Landschaften kennt,
dem können sie als nächstliegende Vergleichs-
objekte genannt werden. Aber Busch ist in
diesen skizzenhaften und doch so durchdachten
und sicheren kleinen Bildern unabhängig, so
sehr man ahnt, wie er „die Alten“ für sie stu-
dert hat. Nicht die gleichzeitigen Mündhener
Maler, sondern Ostade, Teniers, Frans Hals sind
seine Gleichgesinnten; und entgegen der im
Technischen so uninteressanten und einförmigen
Malerei seiner Zeitgenossen vertritt er einen
ganz abweichenden Standpunkt: in einem ein-
zigen Pinselstrich, einer geistreichen technischen
Idee liegt oft das Fesselnde eines Bildes. Nur
1129
wer selber dem künstlerischen Schaffen nahe-
steht, kann Busch als Maler würdigen; wer ihn
mehr unter historischem Gesichtspunkte ansieht,
wird vielleicht bedauern, daB seine Umgebung
so wenig geeignet war, die in ihm doch mehr
sdilummernden Anlagen zu erwecken — jeden-
falls darf man nicht vergessen, daB es der Ver-
zicht auf den Maler war, der uns den Zeichner
Busch erst eigentlich bescherte. Und bei aller
Bewunderung für den Maler Busch kann ich
doch nicht finden, daB dies ein schlechter Tausch
gewesen sei.
Ausstellungen, die nicht einem bestimmten
Künstler, sondern einer abgegrenzten künstie-
rischen Aufgabe gewidmet sind, fordern für ihre
Zusammenstellung Wissen und Geschmack und
verlangen vom Beschauer ein gewisses Ver-
ständnis für künstlerische Aufgaben. Eine Aus-
stellung moderner Stilleben zu veranstalten,
war darum eine gleichermaßen gewagte und
dankenswerte Idee. Zwar konnte das, was der
Salon Cassirer zusammengestellt hatte, bei
weitem nicht als genügende Repräsentation des
modernen Stillebens gelten, aber daB das Thema
gewissermaßen nur in einer beschränkten An-
zahl von Variationen gebracht worden war,
hatte ebenfalls seine Vorzüge. Einen Gegen-
satz bot diese Ausstellung, der allein ihren Be-
sud obligatorisch machte, sie zeigte die mo-
dernen Franzosen und Deutschen Schulter an
Schulter ringend. Über Manet, Monet,Renoir,
Cézanne zu reden, möchte überflüssig scheinen,
aber das Bild, das sich ergibt, wenn diese
Meister in Leistungen nebeneinander zu stu-
dieren sind, die unter einem bestimmten Ge-
sichtspunkte ausgesucht sind, hat natürlich seine
besonderen Schlaglichter: bei Manet kommt
stark das unfehlbar Sichere in Ton und Linie
zum Ausdruck, außer einer gewissen Niditern-
heit (koloristischh) und Reizlosigkeit (komposi-
tionell und linear); bei Monet im Gegenteil ein
manchmal nur äußerer Reichtum, Gefühl für das
Tastbare gewisser Gegenstände und ausge-
sprochene Sprödigkeit gegen andere, immer aber
eine gewisse Fähigkeit zu suggestiver Schilderung
der Bewegung: ist ein Korb umgefallen, so
scheinen die Apfel, die daraus fallen, noch im
Rollen begriffen zu sein usw. Renoir ist ein
ausgezeichneter Maler von Früchten mit pelziger
Decke, aber im übrigen liegt ihm die Unter-
scheidung verschieden beschaffener Oberflächen
nicht; eine helle Tischdecke hebt sich bei ihm
von einer Porzellanschüssel in keiner Weise ab.
Ein besonderes Auge für das Stilleben, zu-
mal für Früchte, bringt Cezanne mit. Seine
Art, so einseitig sie in dem charakteristischen
1130
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Farbauftrag, dem unbestimmten, diffusen Lichte
ist, hat anregend im weitesten Sinne gewirkt;
er wie noch mehr Vincent van Gogh haben
dem Stilleben ein neues Ansehen verschafft, in-
dem sie es zu einem selbständigen Genre um-
schufen. Van Gogh zeigte die Ausstellung in
einem Bilde mit Teeservice glänzend vertreten;
die scharfe Konturierung, das harte Absetzen
der Farbflächen gegeneinander wirkt für Augen,
die sich an dem Nebelhaften Monets und Renoirs
stumpf gesehen haben, wieder aufmunternd und
mit faszinierender Gewalt. Vielleicht war es
das bedeutendste Stück der Ausstellung.
Unter den Deutschen waren mehr Vermißte
als Anwesende. Von der Mündhner Schule gab
nurSlevogt in zwei qualitativ sehr ungleichen
Bildern einen Begriff; rein maleris war es
vielleicht die größte Leistung, wie aus den ab-
sicitsvoll unreinen grauen und ròtlimen Tönen
eines gedeckten Tisches das leuchtende Blau
eines samtgefütterten Futterals herausleuchtete.
Hätte man seine, des jetzigen Berliners Arbeiten
etwa neben dem bezaubernden Teerosen-Stilleben
des verstorbenen Ph. Klein sehen können (das
auf der diesjährigen Münchner Sezession aus-
gestellt war), so wäre die gemeinsame Mündhener
Schulung greifbar herausgesprungen, und man
hätte in ein paar Bildern einen brauchbaren Be-
griff von einer ganzen Gruppe bekommen.
So aber blieb es bei einer fast ausschließ-
lichen Vertretung der Berliner. Von Lieber-
mann sah man einenFleischerladen mit staunens-
wert gemaltem Fleisch, von W eiB einen duftigen
Frühlingsstrauß und ein sicher gemaltes Tomaten-
stilleben, von Fr. Rhein ein in seiner Spachtel-
tedınik ebenso aparies wie malerisch glänzendes
Teeservice, ferner von Breyer, Kardorff u. a. eine
Reihe meist tüchtiger Arbeiten.
Was die übrigen Salons bisher zeigten, war
z. T. interessant, gehört aber kaum vor dies
Forum. Auf die Aquarellausstellung der K. Aka-
demie, die Kollektionen des Salons Gurlitt
und den jetzt bei Cassirer gezeigten Nachlaß
von Walter Leistikow kommen wir bei Ge-
legenheit zurück. H.Voss
8
FRANKEURT a. M.
In der Entwicklung der sfädtischen Kanst-
sammlungen ist man noch nicht zu endgültiger
Klarheit gelangt über den eigentlichen Galerie-
bau. Man scheint an den maßgebenden Stellen
mit einem solchen hauptsächlich deshalb zu zö-
gern, weil man nicht glaubt, sich bei der dauernd
lebhaften Zunahme und dem Wachstum der
Sammlungen nach allen Seiten hin von vorne-
herein ein deutliches Bild machen zu können
von dem Verhältnis des Raumes zu den bereits
unternommenen oder noch zu unternehmenden
Erwerbungen.
Deshalb ist, ehe zur Ausführung eines um-
fangreichen Baues geschritten wird, lieber zu
einem übrigens glücklichen Provisorium gegriffen
worden. Auf dem der Stadt Frankfurt gehö-
rigen Terrain der Villa Liebig am Schaumainkai
dicht bei dem Städelschen Institut werden von
dem hiesigen städtischen Hochbauamt vier lidhte
Ausstellungsräume aufgeführt, deren Fertigstel-
lung bis Mai 1909 spätestens zu erwarten ist. In
diesen Räumen sollen dann in wechselnden Aus-
stellungen die reihen Schätze der städtischen
Kunstsammlung dem Publikum zugänglih ge-
macht werden.
In den Besitz des Kunstgewerbemuseums ging
aus der Sammlung Hainauer ein besonders
großer Bartmannskrug, Siegburger Arbeit von
1570 über. Das Exemplar ist ausgezeichnet
durch den Reichtum seiner Ornamentik und
zweier figürlicher Darstellungen.
Ferner erregt die Erwerbung eines Tafel-
aufsatzes in Alt-Meißner Porzellan wegen der
Importanz und Seltenheit des Stückes besonderes
Aufsehen. Es handelt sich um ein Stück, das
in der Basis 1,20 m miBt und sich bis zu einer
Höhe von 1,40 m erhebt. Auf 24 Säulen, die
mit naturalistishem Laubwerk umwunden sind,
setzt sich eine aus 12 Voluten bestehende Ver-
dachung, die von einem langlich zwiebelförmigen
Aufsatz bekrönt wird, der eine Amorette aus
Goldbronze trägt. Zwischen den ardhitektonischen
Teilen des Aufbaues finden sich Vasen und
Porzellanfigirchen angebracht; unter letzteren
besonders reizvoll die vier Jahreszeiten auf dem
Arcitrav des Tempels. Im Innern des Tempels
eine Gruppe der Vermählung Amors mit Psyche
im Beisein Junos.
Das Modell des Tempels geht auf J. J. Kaendler
zurück; seine Entstehungszeit ist wohl wegen
der Stilmischung, Barock im Unterbau und Rokoko .
in der Verdachung, in das Jahr 1750 zu setzen,
da Kaendler sich erst um diese Zeit dem Rokoko
zuzuwenden beginnt. Derartige Tafelaufsätze
in Altmeißner Porzellan von der Güte und Größe
des vorliegenden sind eine groBe Seltenheit so-
wohl im Handel als im festen Besitz von Museen.
Die Erwerbung des Frankfurter Stückes geschah
aus den Mitteln der Mary ‚und Albert Townsend
Stiftung, die dem Museum jüngst zugleich mit
einer Anzahl kleinerer Porzellane und Fayencen
zugewiesen .wurde. E. A. B.
Rundschau
1131
LEIPZIG
Die Ereignisse des hiesigen künstlerischen
Lebens pflegen sich in den Ausstellungen des
» Kunstvereins“ abzuspielen, der seine Räum-
lichkeiten in einem Flügel des städtischen Museums
hat und kürzlich mit einer beachtenswerten Aus-
stellung sein neues Vereinsjahr eröffnete. Es war
eine Tat, die Rodinschen Zeichnungen, die durdı
Vermittlung Dr. Biermanns hierher nach Leipzig
gelangten, in einer Sonderausstellung heraus-
zubringen. Kaviar für die Menge freilih —
aber dem geduldig Forschenden ebensoviele
Eingangstüren zu dem innersten Wesen dieser
maditvollen und eigenwilligen Künstlerpersön-
lichkeit! Dann die sehr umfangreiche Trübner-
Ausstellung, die ein genaues Nachprüfen über
den Entwicklungsgang des Karlsruher Sezessio-
nisten ermöglichte, da hier Werke aus allen
Schaffensperioden des Malers zusammengebracht
waren. Hier, wo nicht die Summe jener Schla-
ger aus allen Perioden, die in dem Trübner-
saal der Jahrhundertausstellung in der National-
galerie so blendeten, paradierte, gewann man
wiederum den Eindruck, daB der Trübner dieser
allerletzten Jahre sih mit dem jungen, von
Feuerbach, Leibl, Diez und den Holländern
kommenden Trübner der achtziger und neun-
ziger Jahre doch nicht mehr in den Zusammen-
hang einer aufwärts gehenden Weiterentwick-
lung bringen läßt. Die kühle Sachlichkeit der
Auffassung, die fast zur Nüchternheit gewordene
Objektivität, der in all seiner Energie doch von
fast . eigensinniger Eintönigkeit durchtrankte
Farbenauftrag, sie lassen das Gefühl nicht ver-
stummen, daB hier ein Verharren, ein Sichfest-
legen des sonst so agilen und energievollen
Künstlers auf einem sich mehr und mehr bei
ihm einwurzelnden Schema zu beobachten ist.
Trübner selbst ist freili anderer Meinung. In
seiner jüngsten Kampfschrift „Personalien und
Prinzipien“ (Berlin, Verlag von Bruno Cassirer),
die eine sehr lesenswerte Autobiographie und
manchen wertvollen Aufschluß über seine inneren
Entwiclungsgänge enthält, tritt er selbstüber-
zeugt für den steten Fortschritt auch in der Kunst
seiner letzten Jahre ein. Die jüngsten Bilder
der Leipziger Ausstellung, diese Akte und Land-
schaften, haben dem jedenfalls nicht recht ge-
geben, doch mag es sein, daß die Schwäche der
Veranstaltung gerade hier lag. Bewundert und
genossen haben wir jedenfalls jene frühen und
mittleren Werke, diesen gigantischen Entwurf
zur Wilden Jagd, den prachtvollen Christus im
Grabe, die Kentaurenschlacht und jene, so wun-
dervoll holländishe Eindrücke neugebärende
Porträtschöpfung des Herrn mit der Papierrolle
(1873 gemalt). E.D.
MÜNCHEN
Die Affäre des Würzburger Lusamgärtlein
hat inzwischen die Gemüter hier heftig bewegt.
Die Leute, denen ein Oberkochen der bayrischen
Volksseele immer für gewisse Zwecke gelegen
kommt und die entsprechend das Einheizen
wohl verstehen, appellierten mit dem gewohnten
promptenEffekt an die partikularistische Empfind-
lichkeit und bauschten auf diese Weise eine An-
gelegenheit über Gebühr auf, die nur durch be-
sonnenes Verhalten geregelt werden konnte.
Trolzdem ist, wie ich versichern kann, ein be-
friedigender Abschluß wahrscheinlich. Wie man
mir aus Würzburg mitteilt, steht einstweilen das
Lusamgärtlein noch an alter Stelle und da in-
zwischen der zum Abbruch bestimmte Termin
verflossen ist, sollen die Würzburger das als
gutes Omen nehmen und sich beruhigen.
Über eine andere vielumstrittene Frage, über
den Abbruci des Augustinerstockes (siehe die
Ausführungen Georg Habichs in Heft 3 dieser
Zeitschrift) ist inzwischen eine merkwürdige und
zwiespältige Entscheidung gefallen, die die Ver-
legenheit der maBgebenden Kreise deutlich illu-
striert. Als Ergebnis einer Sitzung der Manch-
ner Monumentalbaukommission stellt sich näm-
lich ein Preisausschreiben dar, das die Regierung
an alle deutschen Architekten erläßt zur Erlan-
gung von Entwürfen für einen Polizeineubau
auf dem Areal der Augustinerkirhe. Um die
eigentliche Entscheidung drückt sich dieses Preis-
ausschreiben insofern herum, als es den Teil-
nehmern am Wettbewerb freiläßt, an Stelle des
Augustinerstockes einen vollständigen Neubau `
unter Beseitigung der Mauthalle ins Auge zu
fassen oder die Mauthalle zu erhalten und für
die Zwecke der neuen Polizeidirektion mitzu-
verwenden. Auch sollen Vorschläge für eine
andersweitige Verwendung der Mauthalle zur
Diskussion zugelassen werden. Ihre endgültige
Entscheidung macht die Staatsregierung von
dem Ergebnis dieses uneinheitlihen Wettbe-
werbs abhängig. Den zahlreicien Gegnern des
Abbruchs bleibt also die schwache Hoffnung,
daB sich ein genialer Architekt finden wird, der
ohne ein Sakrileg an diesem einzigartigen und
wirkungsvollen StraBenbild zu begehen den un-
vermeidlichen Verkehrsforderungen nachzukom-
men versteht. — Eine andere Entscheidung der
Staatsregierung steht noch immer aus. Der neue
Herr des Nationalmuseums ist noch nicht ge-
funden. Wer die schwierigen Verhältnisse kennt,
mit denen das Ministerium zu kämpfen hat,
wird über diese Verzögerung nidıt erstaunen.
Zudem beweist sie, daB tatsächlit ein offen-
kundiger Mangel an geeigneten süddeutschen
1132
Kandidaten fiir diesen Posten besteht. Denn
mit einer süddeutschen Persönlichkeit wird man
wohl in diesem speziellen Falle rechnen müssen.
Das liegt, wie zugegeben werden muß, im Cha-
rakter eines bayrischen Nationalmuseums be-
gründet und hat nichts mit der einseitigen par-
tikularistischen Forderung: bayrische Beamte für
bayrishe Museen zu tun. Durch die Neuein-
richtung des Generalkonservatoriums der Kunst-
denkmale Bayerns hat das Nationalmuseum üb-
rigens einen großen Teil seiner Beamten ab-
geben müssen, so seinen bisherigen Vorstand
Dr. Hager, Prof. Haggenmiller, Dr. W. M. Schmid
u.a. Hoffentlich fährt der neue Herr mit der
hocherfreulihen Einrichtung von Spezialkata-
logen, der wir eine Reihe widıtiger Pracht-
publikationen verdanken, fort, wobei vielleicht
zu bemerken wäre, daß ein neuer Katalog der
Skulpturen wohl dringliher ist als der ge-
plante Katalog des mit der Geschichte des
Hauses Wittelsbach zusammenhängenden Ma-
terials. —
Von Neuerwerbungen der kgl. Museen
ist das wichtigste Stück ein großer altjonischer
Volutenkrater aus Bronze zu erwähnen, der als
Leihgabe des Vereins der Kunstfreunde im An-
tiquarium Aufstellung gefunden hat. Das Stück
ist ein Unikum und soll demnächst in dieser
Zeitschrift ausführlich gewürdigt werden.
Ferner wurde vom Kgl. Antiquarium für
verhältnismäßig billigen Preis ein in Gold
getriebenes großes Rhyton (Trinkhorn), dem
IV. Jahrhundert v. Chr. angehörig, angekauft.
Das köstliche Stück zeigt an der Mündung eine
hochinteressante Darstellung aus dem kriegeri-
schen Leben der Skythen. Gleichzeitig wurde
ein prächtiger antik-griechischer Spiegel er-
worben, der am Griff reizende in Gold tauschierte
figürlihe Darstellungen (Jagd auf Adler) auf-
weist.
Vom Kgl. Münzkabinett wurden auf der
Auktion Weber über 500 antike Münzen, auf
der Auktion Löbbeke eine große Anzahl italieni-
scher und deutscher Renaissance-Medaillen an-
gekauft, darunter Hauptwerke von H. Schwarz,
L. Krug u. a.
Die kgl. Graphische Sammlung, wie der
offizielle Titel für das Kupferstich- und Hand-
zeichnungen-Kabinett in der alten Pinakothek
lautet, feiert in diesem Jahre ihr hundertfünfzig-
jähriges Bestehen. Aus diesem Anlaß verfaßte
der jetzige Vorstand dieser Sammlung, Dr. Pall-
mann, eine kleine anspruchslose Festschrift, in
der er die Geschichte dieses Instituts gibt. Dar-
über hinaus entwickelt sich das anregend und
Monatshefte für Kunstwissenschaft
lebendig geschriebene Büchlein zu einem interes-
santen Stück allgemeiner Museumsgeschidhte,
so daß eine demnächst erfolgende ausführlichere
Würdigung im bibliographischen Teile wohl
gerechtfertigt ist.
Von Ausstellungen brachte den ersten Schla-
ger des Winters Heinemann mit seiner aus
Privatbesitz zusammengesetzten schönen Kollek-
tion aus dem Oevre des 1891 verstorbenen
französischen Meisters Theodule Ribot. Eine
Sammelausstellung dieses in Frankreich sehr ge-
schätzten Malers hatte schon Bernheim - Paris
zu Lebzeiten des Meisters veranstaltet. Doch
übertrifft die jetzige Zusammenstellung ihre
Vorgängerin noch an Reichhaltigkeit. Ribot ge-
hört nicht zu den Problematikern, die Träger
und Opfer sind der groBen Entscheidungen ihrer
Generation. Wir sind heute zu sehr geneigt,
die entwicklungsgeschichtlicien Werte einseitig
mit den künstlerischen Werten überhaupt zu
identifizieren und jeden zu übersehen, der nicht
in den ersten Reihen kämpft. Ribots Würdi-
gung muB von diesen entwicklungsgeschicht-
lien Werten absehen. Er gehörte zu denen,
die fern von aller Problematitk die Erober-
ungen ihrer Generation für ihre konservativen
und traditionellen Zwecke verwenden und auf
diese Weise Dinge schaffen, die in künstlerischer
Beziehung einwandfrei und reizvoll dem Be-
harrungsvermögen des Publikums entgegen-
kommen und nie den würdigen Charakter des
Altmeisterlichen verlieren. Und in diesem „Alt-
meisterlichen“ erkennt sich nun mal das Publi-
kum aller Zeiten wieder. Die Palettenkultur,
auf der der Eindruck des Altmeisterlichen meist
beruht, ist immerhin auch ein Stück Kultur und
nicht mal ein schlechtes. Und da man gerade
hier in München für diese Art Kultur ein be-
sonders gut ausgebildetes Organ hat, so findet
die Ribot-Ausstellung groBen Anklang. Ribot
ist einer der ersten Spanier der französischen
Malerei. Von der elementar-wirkungsvollen
Licht- und Schattenmalerei der Ribera und
Caravaggio ging er aus. Diese vielleicht minder-
wertige Neigung seines Talents wußte er durch
eine Erziehung an Rembrandt und Velasquez
zu verfeinern. Der Weg dieser Verfeinerung
ging von einer allgemeinen Tonigkeit zu einer
subtilen Farbigkeit, oder vom groben Effekt
zum differenzierten Raffinement. Und er er-
reichte sein Ziel ohne das aufzugeben, was seine
Stärke und das Altmeisterlichhe seiner Arbeiten
machte: die tiefe und satte Harmonie seiner
Bildoberflächen. So endete er bei Dingen, die
frühen Arbeiten aus dem Leiblkreise nahestehen
und wie diese den Charakter des Altmeister-
Rundschau
1133
lichen mit einer eminenten Modernität ver-
binden. —
Ein sehr erfreulicher EntschluB der Münchner
Sezession wird bekannt. Sie plant für den
Winter eine Hans von Marées-Aussellung.
Außer den SchleiBheimer Bildern und den Marées
aus dem Besitze des Prinzregenten werden
Adolf Hildebrandt und die Witwe des General-
musikdirektors Levi ihre Bilder hergeben. Das-
selbe steht von andern Privatbesitzern zu er-
warten und man hofft, daß auch die Berliner
Nationalgalerie, die ja ihren reichen Bestand an
Marées hauptsächlich der Stiftung Hildebrandts
verdankt, den Wunsch der Münchner Sezession
nach Hergabe der Bilder erfüllen wird.
Das Arkanum von Nymphenburg. Dr.
Friedrich H. Hofmann vom bayr. Nationalmuseum,
der uns dielangentbehrte Geschichte der Nymphen-
burger Porzellanmanufaktur schreiben will, ist
bei seinen archivalischen Studien auf einen in-
teressanten Fund gestoßen, der der bisherigen
Forschung gänzlich entgangen ist und den er in
einer sehr lesenswerten und unterhaltenden
Schrift veröffentlicht. Es handelt sih um den
cod. germ. 3750 der hiesigen Hof- und Staats-
bibliothek mit dem Titel: Beschreibung aller zur
Porzelain - Fabrique gehörigen Wissenschaften,
wie solche mittels unauBgesetzt angewandten
FleiB u. vieler Tausend gemachten Proben bei
der Churfrtl. Bayr. Porzelain-Fabrique seiner
Zeit gläc&klih zu Stande gebracht worden.“ —
Dieser Manuskriptband mit der Aufzeichnung
des Nymphenburger Arkanums ist für die Ge-
schichte der deutschen und speziell der bayri-
schen Porzellankunst überaus wichtig. Durch
die ausführliche Einleitung wird die Hofmannsche
Publikation überdies zu einem interessanten
Stück Geschichte aus den Tagen des Arkanisten-
tums wie es im 18. Jahrhundert an allen Höfen
florierte. Die Arbeit, die schon als Sonderschrift
vorliegt, wird demnächst im „oberbayrischen
Archiv“ erscheinen. W. W.
BUDAPEST
Maseam der Bildenden Kiinste. — Das kleine
Olbild des Leonardo Alenza, das Herr Langton
Douglas neulich der Galerie verehrt hat, ist eine
willkommene Ergänzung der spanischen Kollek-
tion. Das im Stile Goyas gehaltene Gemälde er-
innert inder Konzeption stark an einigeBlätter der
Caprichos. Es stellt einen Verurteilten am Schafott
dar, der, während seine Füsse an den Würg-
pfahl befestigt werden, von einem hinstürzen-
den sdiwarzgekleideten Manne umarmt und ge-
küßt wird. Der Himmel ist von dunklen Wol-
ken bedeckt. Die Bewegungen der Figuren sind
ausdrucksvoll, die Farben saftig und kühl, wäh-
rend in der Modellierung manche Unfreiheiten
konstatiert werden können. Das Werk, das
unten die Signatur „L. A.“ trägt, stammt aus
der Sammlung des Grafen von Clarendon.
Herr Francois Kleinberger schenkte der Ga-
lerie ein größeres, dekorativ gehaltenes Öl-
gemälde von Jakob Bogdäny. Es sind darauf,
vor einer dichten Baumgruppe, verschiedene
Vögel — roter und gelber Papagei, Kakadu,
NuBhäher und Meise — und vorne in der Mitte
ein kleiner Haufen Früchte zu sehen. Im Hinter-
grunde links Aussicht auf Park mit Spring-
brunnen und antikisierender Architektur. Herr
Kleinberger hat das Werk vom Londoner Kunst-
händier Strelitskie erworben.
Dr. Zoltän v. Takäcs.
g
FLORENZ
Die Zeichnungssammlung der Uffizien hat
durch die Erwerbung des bekannten Blattes der
Sammlung Morelli, welches in der Publikation
fiber diese auf Taf. XXVII abgebildet ist, eine
Studie erworben, welche als vorbereitende
Arbeit für Tizians Porträt des Francesco
Maria Rovere (Uffizien) zu gelten hat. Es
ist eine Federzeichnung von 14><23 cm und
gibt den Dargestellten in ganzer Figur. Die
wesentliche Aufmerksamkeit hat Tizian in dieser
Studie der detaillierten Wiedergabe der Rüstung
gewidmet; die äußerste Energie des Striches,
die tiefe Schattengebung und die allgemeine
tonige Wirkung erweisen das Blatt als eine
vorzügliche Leistung von Tizians Zeichenkunst.
Der Kopf und die Schulterpartie wirken ver-
schwommen, weil dieser Teil des Blattes offen-
bar durch Wasser gelitten hat.
Der Ankauf eines Selbstporträts des Giro-
lamo Romanino durch die Uffizien findet seine
Rechtfertigung darin, daß es in der Künstler-
porträtsammlung jetzt auch diesen Meister er-
scheinen lassen wird. Doc wird man es nicht
als eine Originalarbeit ansehen können; die
grobe und leblose Behandlung der Farbe lassen
nur allzu deutlich die charakteristische Verrohung
durch Kopistenhand erkennen. Format und In-
schrift weisen überdies darauf hin, daB das
Bild für eine der im XVI. Jahrhundert oft ge-
pflegten Porträtgallerien hergestellt ist. Der
weiße Farbenstreifen, der die Inschrift HIER.
ROM. PICT. trägt, ist übrigens gleichzeitig mit
den übrigen Teilen des Bildes ausgeführt und
1134
Monatshefte für Kunstwissenschaft
keineswegs später hinzugefügt worden, da keine
andere Farbschicht sich darunter befindet.
Die Verwaltung des Komplexes von Baulich-
keiten, welcher von der Basilika von S. Lorenzo,
der Biblioteca Laurenziana, der Klosterhöfe und
der Medici-Kapellen gebildet wird, ist jetzt in
die Hände einer selbständigen juristischen Per-
sönlichkeit, der Opera di S. Lorenzo über-
gegangen. Alle Einnahmen für Eintrittsgelder
fließen ihr zu und sollen zur Erhaltung der
Monumente dienen. Zunächst ist eine Frei-
legung der Bauwerke durch Beseitigung von
Privathäusern ins Auge gefaßt.
Im Museo Archeologico sind fünf neue Räume
eingerichtet worden, welche einer übersicht-
liheren Aufstellung des alten Besitzes und
der Neuaufstellung der jüngsten Ausgrabungen
und Erwerbungen der etruskischen Sammlungen
dienen.
Der Stadrat von Florenz hat beschlossen,
im Jahre 1909 zur Erinnerung an die toska-
nische Revolution von 1859 eine städtische mo-
derne Galerie zu eröffnen. Das Gebäude am
Piazzale del Re in den Cascinen soll sie auf-
nehmen. Die jetzt in der Galerie der Akademie
befindlihe moderne Sammlung soll vom Staate
als Schenkung oder Depot erbeten werden und
es sollen künftighin durch Ankäufe „alle For-
men und Schulen der Kunst“ dem Florentiner
Publikum zugänglich gemacht werden. Wie die
Stadtgemeinde Florenz die Mittel für den großen
Zweck auftreiben wird, ist bisher nicht erörtert
worden.
Das Museo von S. Marco, das so viele Er-
innerungen an Alt-Florenz birgt, hat durch die
Glocke von S. Marco einen Zuwachs von
ungewöhnlicher Bedeutung erlangt. Die Ge-
schichte dieser Glocke gibt Guido Carocci, der
verdienstvolle Direktor des Museums, im Bol-
lettino d’ Arte. Cosimo Medici hat sie gestiftet,
der Wohltäter und Erbauer des Klosters von
S. Marco. Die Zeit, da sie ihre große Stunde
erlebte, war die Zeit von Savonarolas Wirken.
Sie rief die Florentiner zu seinen Predigten und
ihr Dröhnen mischte sich in die zerknischten
Klagen der Anhänger des Möndıs, der Piagnoni:
da erhielt sie selber den Namen La Piagnona.
Sie läutete Sturm, als das Kloster in der Nacht
vom 8. April 1498 von den Feinden Savona-
rolas, den Anhängern der Medici, erstürmt
wurde. Nachdem man den Propheten verbrannt,
seine Anhänger getötet oder verbannt hatte,
hielt man auch über die Glocke das Strafgericht.
Sie wurde verurteilt, durch Beschluß des großen
Rats vom 29. Juni 1498, man stürzte sie vom
Turme, Esel zogen sie durch die Straßen der
Stadt und der Henker schritt hinter ihr her und
peitsche sie; dann führte man sie ins Exil, nach
S. Salvatore a Monte, außerhalb der Stadt.
Nach neunjähriger Verbannung kehrte sie auf
den Turm von S. Marco zurück und 299 Jahre
lang hat sie dort ihr Amt erfüllt. Jetzt aber
stellte es sich heraus, daß ihr Knauf und ihre
Kuppelung nicht mehr sicher waren und daß sie
zu springen drohte, weil das jahrhundertelange
Anschlagen des Klöppels an die zwei nämlichen
Stellen, dort das Metall völlig verbraucht hatte.
Sie mußte vom Turme herabgeholt werden und
wurde im zweiten Kreuzgang von S. Marco
aufgestellt, An ihre Stelle setzte man einen
NeuguB.
Im Gegensatz zu sonstigem Gebrauch ist der
GieBer und das Jahr des Gusses nicht genannt.
Die am oberen Rande beginnende und drei
Zeilen einnehmende Inschrift enthält nur den
Namen des Stifters, Cosimo Medici. Unter der
Inschrift läuft ein 6 cm breiter Puttenfries hin,
der durch Wappenschilder nnd Vasen zu klei-
neren Kompositionen gegliedert ist. Zwei Me-
daillons, mit einer Madonna und einem hl. Do-
minikus, bilden unterhalb des Puttenfrieses den
Abschluß des Dekors. Wer ist nun der Künst-
ler, der den Schmuck der Glocke geschaffen hat?
Wenngleich die Zeit von der alten Feinheit der
Arbeit viel zerstört hat, so wirkt der Putten-
fries noch jetzt äußerst lebendig. Die kurzen
stämmigen Putten sind voll von Bewegung und
Lust, sie singen, tanzen, musizieren mit einer
Ausgelassenheit und mit einer stürmischen Be-
wegtheit, die wir sonst nur an Donatellos
Kanzeln in der Domopera und in Prato finden.
Der Typ des Kindes ist auch ganz der von ihm
bevorzugte. Wir dürfen Donatello als den
Meister mit Sicherheit annehmen, der den Fries
modelliert hat. Der ausführende Meister aber
dürfte Michelozzo sein, der S. Marco baute,
überhaupt in ständigem Dienst der Medici stand
und ein vortreffliher BronzegieBer war. Diese
seine Eigenschaft bewirkte es auch, daB Dona-
tello viele Jahre lang gemeinsam mit ihm ar-
beitete; im Jahre 1438 wurde dieser Verband
gelöst und wir dürften also die Zeit der Ent-
stehung der Glocke vor 1436 zu legen haben.
1436 wurde das Kloster von den Domenikanern
bezogen, die Kirche war damals fertig. Wahr-
scheinlich dürfte auch die Glocke zu jenem Zeit-
punkt bereits auf dem Campanile gewesen sein.
. Aus der entlegenen Kirche von S. Andrea a
Camoggiano im Mugello, einer Kirche, die
wiederholt von Dieben besucht wurde, sind die
groBe Tafel vom Hauptaltar und der robbieske
Taufbrunnen ebenfalls nach S. Marco gebracht
worden. Die Tafel von 2,08 m Höhe und 1,70 m
Breite ist im Raume von Ghirlandajos Abend-
Rundschau
1135
mahl aufgehängt worden. Es ist eine Kreuzi-
gung mit den Heiligen S. Pietro, S. Andrea
Apostolo, zwei weiteren Heiligen, Maria Magda-
lena und ein knieender Stifter dargestellt. Ca-
rocci, der das Bild publiziert hat, möchte die
Arbeit zweier Hände darin erkennen, angesichts
der großen Qualitätsunterschiede in den ein-
zelnen Teilen und denkt schlieBlih an einen
Eklektiker in der Art der Raffaellino del Garbo,
Raffaello de’ Casli; auch Einflüsse Filippinos
und Signorellis nimmt er wahr. Der Unter-
zeichnete neigt dazu einen Meister mit starken
umbrischen Einflüssen in dem Bilde zu sehen,
der Reminiszenzen von Pinturicchio und selbst
Pieros della Francesca verarbeitet.
Das zweite aus der oben genannten Kirche
stammende Werk ist ein sechsseitiger Tauf-
brunnen in Robbia-Technik. Die Felder wer-
den durch Pilaster umrahmt und enthalten
Szenen aus dem Leben des Täufers. Die Gla-
sur ist ganz weiß, von ziemlicher Grobheit,
aber durdı Spuren der alten Vergoldung reiz-
voll. Die Zeit der Entstehung ist spät anzu-
setzen, in zwei weiblichen Figuren möchte man
den EinfluB von Albertinellis Heimsuchung er-
kennen.
In kurzer Zeit wird ein weiteres Werk in
das Museum gelangen. Es ist eine groBe Kreu-
zigung mit einem knieenden hl. Antonius, welche
bisher in einem Tabernakel des Friedhofs von
S. Marco sich befand. Das Bild ist der freien
Luft ausgesetzt gewesen und war im Begriff
zugrunde zu gehen. Glückliherweise waren ge-
rade die beiden Figuren gut erhalten, so daB
nach der Restauration das Bild mit seinem
prachtvollen, geschnitzten alten Rahmen eine
schöne Bereidierung ausmachen wird. Sobald
es ausgestellt ist, soll eine kritische Behand-
lung hier erfolgen.
In Florenz regt sich wieder eine lebhafte
Agitation gegen die vom Senate beabsichtigte
Anderung des Gesetzes über die Regelung der
Kunstangelegenheiten. Die Deputiertenkammer
hatte das Gesetz im Februar d. J. angenommen
und es sollte Garantien dafür bieten, daß künftig-
hin der Export von Kunstwerken ersten Ran-
ges verhindert werde. Nimmt der Senat An-
derungen am Gesetze vor, so geht es an die
Kammer zurük und es dürfte dann geraume
Zeit verstreichen, bevor eine gesetzliche, end-
gültige Regelung der Angelegenheit zu erwar-
ten ist. A. Gottshewski.
2
BOLOGNA ===
Die Pinacoteca zu Bologna hat sich mit einem
Bilde Carlo Dolci's bereichert, das David mit
der Schleuder und Goliath darstellt. Der junge
David hat frisches Aussehen mit lang auf den
Schultern herabwallendem Haar; der rechte Arm
stützt sich auf einen Stein, die Schleuder hält
er in der Linken, das Haupt Goliaths ruht auf
einem Tisch. Kein heldenhafter Ausdruck des
Kampfers Israels. Doch in seinen schwärmeri-
schen Augen liegt es wie ein Aufzucken des
Triumphes. Auch die fein gepflegten, eleganten
Hände scheinen eher einem raffinierten Lebe-
manne, als einem rauhen Krieger zu eignen. |.
2
MAILAND
Francesco Malaguzzi Valeri hat bei A. P.
Gartier in Genua vier bis jetzt verschollene
Bilder von G. B. Tiepolo entdeckt (2><3 m).
Dieselben stellen Szenen aus dem „Befreiten
Jerusalem“ dar, und zwar: die Liebe Rinaldos
und Armidas, die Ankunft Ubaldus und Guelfus
in der verzauberten Insel, die Flucht Rinaldos
und Armidas, und das Aufbredien vom Lager
der Kreuzfahrer. Abbildungen dieser vier best
erhaltenen Bilder sind in der Rassegna d'Arte
zu finden. b.
2
VENEDIG:
Die Accademia di Belle Arti wurde wieder
mit einigen Werken bereichert. Ein Fresko
Madonna mit Kind und hi. Rodius (1,15><1,20)
vom Veroneser Francesco Morone wurde soeben
erworben. Das reizend liebliche Antlitz Marias
blickt träumerish vor sich hin. Blond ist ihr
flah gekämmtes Haar, zart der kleine spitze
Mund; das linke Händchen ruht auf einem
Buch, rot das Unterkleid, shwarzgrün der Mantel.
Das nackte Bambino segnet mit der Rechten,
während die Linke einen Olivenzweig empor-
halt. Der hl. Rochus zeigt mit der einen Hand
auf seine Wunde und halt mit der anderen den
Pilgerstab fest; rötlichblond sein wallendes
Haupthaar, Kurz geschnitten und wohl gepflegt
sein Bart. Die elegante Gestalt ist mit einem
braunen Mantel mit schwarzem Kragen angetan..
(Preis 3000 Lire.) Von Bernardino Licinio, dessen
Hauptwerk sich in der Frari-Kirche zu Venedig
befindet, wurde ein Familienbildnis (1,30><90}
für 6000 Lire erworben. Das Ganze ist etwas
Giorgionesk aufgefaßt. Es verrät durch die
helle Farbenstimmung und durch eine gewisse
Natürlichkeit und Lebendigkeit in Stellung und
Ausdruck den outen Meister, der freilich nie
an seinen groBen Bruder Pordenone heran-
14
1136
reichte. Im Vordergrund, als Kniestiick dar-
gestellt, reicht sich ein junges Ehepaar die Hande.
Sie hellbraun angetan, Dreiviertelansicht, mit
entblößten Schultern, er en face mit rötlichem
Barthaar, schwarz gekleidet, blickt den Beschauer
an. Im Mittelgrund das Porträt einer ebenfalls
jungen Frau mit vollem, tief leuchtendem In-
karnat, blickt lebendig aus dem Bilde. Dann
noch ein Jüngling, bronzen im Ton, dessen
Augen auf die Dargestellten gerichtet sind. Br.
2
ROM
Nach dem Ankauf des süßlichen und infolge
seiner Übermalung als Original kaum mehr zu
erkennenden Bildes von Correggio hat die
Galleria Corsini mit der Erwerbung zweier
Tafeln des Greco, die bisher unbekannt im
Privatbesitz auf Malta sich befunden haben, eine
recht erfreuliche Bereicherung erfahren. Es sind
Pendants, wohlerhalten, aus der späten Zeit
des Meisters, das eine, die Taufe Christi, eine
erheblich kleinere, aber bei Vergleichung mit
einer Photographie allem Anschein nach bessere
Wiederholung eines gleihen Bildes im Prado,
das andere, Christi Geburt, ebenfalls bester
Qualität und für die Kenntnis Grecos wichtig.
Bei Gelegenheit der Bekanntgabe dieser beiden
Bilder im Bollettino d’arte weist Attilio Rossi
ein drittes Bild, das aus der Sammlung Chigi
schon früher in die Gallerie Corsini gelangte,
die Ehebrecherin, die bisher als Tintoretto be-
zeichnet wurde, ebenfalls dem Greco und zwar
dessen früher venezianischer Zeit zu. Ich kann
mich trotz einiger verführerischer Nebensädlich-
keiten vor allem aus malerischen Gründen und
wegen der allzu minutiös berechneten Per-
spektive des Bildes, das Tintorettos nächsten
EinfluB bekundet, zu dieser neuen Benennung
nicht verstehen.
Weit wichtiger als diese Nachrichten erscheint
die Tatsache, daß die seit einiger Zeit diskret
betriebenen Verhandlungen des Staates mit dem
König von Neapel über den Ankauf der
vier groBen Paläste (palazzo Farnese, villa
Farnesina, villa Madama, Palazzo Caprarola)
nunmehr öffentlich zugegeben werden, nachdem
die französische Regierung dem Herzenswunsdi
Herrn Barreres nach Ankauf des palazzo Farnese
nicht nachgekommen ist. Das wäre allerdings
die größte und schönste Tat, die zur Jubelfeier
1911 geschehen könnte. Denn die gegenwärtige
Unzugänglichkeit des palazzo Farnese und des
Oberstockes der Farnesina, die durch die Tiber-
regulierung baufällig geworden ist — ich konnte
Monatshefte für Kunstwissenschaft
in dem Fresko Sodomas tiefe Risse neuesten
Datums feststellen — sogar für den Forscher,
ist beklagenswert und unerhört. Ob der Kauf
zu Stande kommen wird (es wird berichtet daß
allein für Caprarola drei Millionen gefordert
werden), und ob das Parlament seine Zustimmug
gibt, bleibt freilich einstweilen abzuwarten, aber
der freudigen Erregung über die gute Absicht
darf doch wohl hier Ausdruck gegeben werden.
Das Schicksal des palazzetto Venezia,
der dem Moloch „monumento nazionale“ zum
Opfer fällt, ist dafür entschieden: „den hebt mir
auf, sagt Polyphem, daB ich zuletzt ihn speise.*
Der charakteristische Seitenbau des alten Palastes
wird in der allernächsten Zeit abgetragen. Weil
audi im Inneren des bleibenden palazzo bau-
lie Änderungen vorgenommen werden, haben
sich wiederum Stimmen erhoben, die einen Neu-
aufbau des palazetto an die Südwestwand auf
der freigelegten piazza San Marco befürworten.
Da in der Tat im Dezember der EntschluB hier-
über ernstlim und amtlich gefaßt werden soll,
muB man sich fragen, ob nicht auch ein zer-
rissener Jackenärmel durch ein aufgebessertes
Hosenbein ersetzt werden kann. Wenigstens
fallen hier Entscheidungen, während der Er-
öffnung der vatikanishen Gemäldegalerie,
mit welcher die Bildersammiung des Laterans
vereinigt werden soll, offenbar gréBere Schwie-
rigkeiten entgegenstehen, die natürli nur
auf der Saumseligkeit der päpstlichen Beamten
beruhen. Jedenfalls ist sicher, daB der ur-
sprünglich für die Wiedereröffnung festgesetzte
Termin des 1. Januar 1909 nicht eingehalten
werden wird. Uhde-Bernays.
2
In Fermo bei Ascoli Piceno wurde durch
den neuen, sehr rührigen Direktor des Mu-
seums von Ancona Professor dall’ Osso, einen
Schüler Brizios, eine Nekropole des adıten vor-
christlichen Jahrhunderts entdeckt. Unter den
Gräbern ist besonders das eines Kriegers be-
merkenswert. Man fand bei der Leiche einen
Helm und drei Lanzen, ferner eine Reihe von
Fibeln und Armspangen. Die wichtigen Aus-
grabungen mußten wegen Geldmangel vor-
läufig suspendiert werden.
In Cumae hat man in allerletzter Zeit auf
dem Grundstücke des Dr. Granata eine ganze
Reihe von archaischen Gräbern gefunden. Eines
von ihnen lieferte einen prächtigen attischen
Vasendeckel mit einer sehr interessanten Dar-
stellung der lliupersis, die von a.ideren schon
bekannten Darstellungen in Vielem abweicht.
Die Vase dürfte um die Mitte des VI. Jahr-
Rundsdau
hunderts v.Chr. zu datieren sein. Zugleich hat
man in einem archaischen Grabe einen groBen
unversehrten Marmorsarkophag gefunden, über
dessen Datierung die Meinungen derer, die beim
Funde anwesend waren auseinandergehen. Pro-
fessor Gabrici vom Neapler Museum soll ge-
neigt sein, ihn in das VI. Jahrhundert v. Chr.
zu setzen. Danach wäre dies der älteste in
Italien je zu Tage gekommene Marmorsar-
kophag.
In Pompeji fand man auBerhalb der Porta
Nolana in der Lapillischichte ein Skelett, bei
dem eine Börse mit 50 Münzen und unter
einigen silbernen Gegenständen ein TintenfaB,
ferner einige Schlüssel lagen. Es handelt sich
sicher um einen Flüchtling, der bei Ausbruch der
Katastrophe mit einigen in Eile ergriffenen Hab-
seligkeiten die Stadt verließ und außerhalb des
Tores zugrunde ging. In der Nähe des Skeletts
fand man eine Exedra von kubischer Form mit
einer Säule, welche eine Amphora trägt.
In Neapel kamen in Via Forcella wiederum
neue Überreste der alten griechischen Mauern
zum Vorschein. Sie gehören dem V. Jahrhun-
dert v. Chr. an. Ludwig Pollak.
8
PARIS
Unter den Entdeckungen von Kunstwerken
sind immer die die überraschendsten, die in den
Depots des Staates gemacht werden. In den
Depots des Gobelins entdeckte man eine Serie
von bisher vollkommen in Vergessenheit gera-
tenen Tapisserien, die Napoleon I. in Auftrag
gegeben hatte. 4 Stücke einer groBen Serie ge-
langten bis 1813 zur Ausführung, doch der Gang
der politishen Ereignisse und die Inoppor-
tunität der dargestellten Gegenstände ließen
die Tapisserien der „Geschichte Napoleons“ in
den Depots der Gobelins verschwinden. Die vief
von der Serie ausgeführten Stücke sind jetzt
dem Schlosse Malmaison überwiesen worden,
das, wie bekannt, allmählich zu einem Musée
Napoleon ausgestaltet wird.
Der Umzug des Luxembourg-Museum scheint
nun seiner Verwirklichung immer näher zu
rücken. Der Architekt Derruaz hat die Pläne
für den Umbau des Seminars von St. Sulpice
zum Museum jetzt beendet. Der Mittelhof des
Gebäudes wird zu einem großen Lichthof für
die Skulptur umgewandelt werden. Die den-
selben umgebenden vier Gebäudekörper werden
durch Zusammenziehung mehrerer Etagen in
eine Flucht von großen Oberlichtsälen umge-
staltet. Im Frühjahr 1909 sollen die Arbeiten
beginnen.
1137
Unter den modernen Kunstaustellungen steht
der Salon d'Automne an der Spitze. Er ist nicht
mehr auf der Höhe früherer Jahre. Eine Reihe
namhafter Künstler, die früher zu seinen Ge-
treuen gehörten, scheinen ihm dieses Jahr zu
schmollen. Das Niveau der ausgestellten Werke
hat darunter gelitten. Eine Serie dekorativer
Panneaux von Maurice Denis, die Geschichte
Amors und Psyches darstellend; die schönen
Skulpturen von Ivan Mestrovic und der viel-
umstrittene Henri Matisse sind die bemerkens-
wertesten Erscheinungen dieses Salons. Matisse
bringt neben einigen Werken von unbestreit-
barem Werte eine Reihe übertrieben primitiver
und paradoxer Panneaux, in denen nur der
Snobismus das Programm einer künstlerischen
Zukunft erkennen kann. Eine Retrospektive
der Werke Monticellis bedeutet eine glänzende
Rehabilitation dieses so lange verkanntenFarben-
phantasten, den Zweck einer durchaus irrefüh-
renden Grecoausstellung können wir dagegen
ebensowenig einsehen, wie den einer durchaus
nicht interessanten finnländischen Sektion.
In den kleineren Salons zeigt Bernheim schöne
Bilder von Toulouse-Lautrec, bei Druet ist
Roussel mit seinen Pastellen, bei Petit die Ge-
sellschaft für farbige Radierung, bei Durand-Ruel
Georges d’Espagnat mit kräftigen Dekorationen.
So setzt die Wintersaison allmählich wieder ein.
Bald werden wir von der Hochflut der Venten
und Ausstellungen übershwemmt werden.
Im Hotel des Ventes ist noch fast vollkom-
mene Stille. Mit der Vente Say wird in den
nächsten Tagen die Saison beginnen.
* *
*
Endlich wird sich auch im französischen Un-
terriditswesen eine Reform vollziehen, die auch
auf das Kunstleben nicht ohne EinfluB bleiben
wird: die Reform des Zeichenunterrichts in den
Schulen, der bisher die alten, ausgetretenen
Pfade des abstrakten, geometrischen Zeichnens
und des Arbeitens nach Gips nicht zu verlassen
wagte. Eine vom Ministerium des Unterrichts
und der schönen Künste eingesetzte Kommission
hat das Problem studiert und hat einen Bericht
eingereicht, in dem auf Grund der in einigen
Lyceen zu Paris und in der Gegend von Besan-
con gemachten Erfahrungen eine Anwendung
der modernen Prinzipien des Zeichenunterrichts
auch für die französischen Schulen gefordert
wird. Es soll in erster Linie dem Zeichnen nach
der Natur größerer Raum gegeben werden, wie
dies nach den neuen deutschen Programmen
schon längst geschieht. Bedenklih dagegen
scheint, daB der Zeichenunterricht sich dem üb-
rigen Unterricitsgange anschließen soll. Wenn
1138
Monatshefte für Kunstwissenschaft
es für den Schüler auch interessant sein mag,
daB man ihn, während er die Geschichte des
Mittelalters studiert, zugleich nach Photographien
oder Nachbildungen mittelalterliher Kunstwerke
zeichnen läßt, so scheint dies für den metho-
dischen Gang des Zeichenunterrichtes nicht ge-
rade empfehlenswert. Immerhin ist es von
hohem Interesse, daß man auch in Frankreich
beginnt, diesem bisher so verwahrlosten Zweige
des Schulunterrichtes einige Aufmerksamkeit zu-
zuwenden.
Das Louvremuseum hat einige erfreuliche
Bereicherungen erfahren. Das wichtigste neue
Stück ist ein Bildnis des Doktor Paracelsus von
Jan van Schorel. Dieses Bildnis ist von um
so größerem Interesse, als es wahrscheinlich
einem phantastischen Porträt des berühmten
Arztes von Rubens, das sich heute im Brüsseler
Museum befindet, als Vorbild gedient hat.
Die englische Schule, die früher im Louvre
recht schwach vertreten war, ist in den letzten
Jahren systematisch ausgebaut worden. Jetzt
wiederum hat das Louvre von der Firma Agnew
ein großes männliches Bildnis von Raeburn
„Captain Hay of Spot“ erworben. Seit einiger
Zeit arbeitete das Louvre mit Hilfe der Societe
des amis du Louvre am Ausbau der Abtei-
lung für dekorative Kunst. Eine Anzahl
kostbarer Möbel, die in den einzelnen Ministe-
rien verstreut waren, wurden allmählich in das
Louvre übernommen und durch Kopien ersetzt.
Der Sturz des Marineministers Thomson hat
jetzt die Überführung des berühmten Schreib-
tisches Colberts in das Louvre ermöglicht.
Der Reigen der kleineren Ausstellungen ist
wieder in vollem Gange: Durand-Ruel zeigte
Bilder von Georges d’Espagnat und gibt
einen Überblick über das Schaffen der Degas-
schülerin MiB Mary Cassatt. Bernheim veran-
staltete eine Vorführung der jüngsten Werke
von Vuillard. Bei Druet Odilon Redon
und Francis Jourdain.
Das kommende Jahr wird im Pariser Aus-
stellungsleben wohl allerhand Umwälzungen
bringen. Im Salon d’Automne scheinen Ver-
änderungen bevorzustehen. Wichtiger jedoch ist,
daß durch den Abbruch der Treibhäuser an der
Seine die , Artistes Indépendants“ obdadı-
los werden. Ein so groBes und giinstig gele-
genes Ausstellungslokal wird kaum wieder zu
finden sein und so werden die Independants
sich stark einschränken müssen, wenn sie sich
nicht unter ganz anderen Prinzipien neukonsti-
tuieren müssen. Wenn auch in den letzten
Jahren das Mittelgut in diesem Salon immer
mehr überhand genommen hat, so wäre dom
bedauerlich, wenn eine Institution verschwände,
die so vielen tichtigen Künstlern den ersten
Appell an die Öffentlichkeit ermöglicht hat.
Rudolf Meyer-Riefstahl.
2
LONDON
Am 4. November verkiindete der ,Board of
Education“, der unserem Kultusministerium ent-
spricht, daB fiir das nun bald in ein neues
Riesenheim übersiedelnde Albert- und Victoria-
museum (South Kensington Museum) eine neue
Organisation getroffen worden sei. Dies sei
vor allem dadurch notwendig geworden, daB
die Technische Abteilung des Ministeriums, die
bisher die Verwaltung des Museums kontrolliert
hatte, von nun an nicht mehr in South Ken-
sington sondern in einem andern Stadtteile
Londons untergebracht sei. Auf diese Weise
werde dem Museum nun eine unabhängige
Basis zuteil, und es würde ihm der notwendige
Stab von Verwaltungs- wie technischen Beam-
ten zur Seite gegeben werden. Deshalb sei die
Schaffung einer Direktorstelle notwendig, die
Mr. Cecil Smith, bisher am Britishen Museum
als Chef der Abteilung griechischer Altertümer
tätig, übertragen worden sei. Er sei dem
Ministerium für die gesamte Verwaltung ver-
antwortlic. Der bisherige Direktor des South
Kensington Museums wird zum Abteilungschef
für Architekturen und Skulpturen ernannt. Im
ganzen sollen die Schätze des Museums in 8
Abteilungen untergebracht werden. 1. Architek-
tur (Originale der Bau- und Bildhauerkunst);
2. Metallarbeiten; 3. Holz- und Lederarbeiten;
4. Gewebe; 5. Töpferwaren, Emaille- und Gias-
arbeiten; 6. Zeichnungen, Illustrationen und
Stiche; 7. Bibliothek; 8. Gemälde. Bei der Über-
siedlung des Museums, die viel Zeit in Anspruch
nehmen wird, soll eine sorgfältige Sichtung
und Klassifikation des gesamten Inhalts des
Museums vorgenommen werden. Soweit die
Mitteilung des Ministeriums. -- Jene Sichtung
ist allerdings recht notwendig, denn aus allerlei
Gründen, oft Testamentsbestimmungen freund-
licher aber eitler Mäcene, wird eine Fülle nutz-
loser, nur die Übersicht störender Gegenstände
mit ausgestellt. Und am besten wäre es wohl,
wenn man die Abteilung 8, Gemälde, ganz auf-
löste und ihre bedeutenden Schätze den zwei
National Galerien Londons zuführte, denn z. B.
die Constables sind jetzt im South Kensington
Museum recht mäßig untergebracht, und ob der
groBe viereckige Kasten des neuen Gebäudes,
der als ein echtes Kunstschulhaus gedacht und
geplant ist, ihnen ein günstigeres Heim bieten
Rundschau
wird, bleibt zweifelhaft genug. — Eine Neu-
organisation des Museums war audi eine ab-
solute Notwendigkeit, denn seit längeren Jahren
herrschte in ihm, wie es z. B. die „Morning
Post“ ausdrückt, eine förmliche Anarchie, weil
kein oberster Wille seine Geschicke lenkte.
Gegen die Art der Neuorganisation dagegen
erhebt u. a. der Direktor der Wallace-Collektion,
Mr. Claude Phillips, seine Stimme im Daily
Telegraph. Er wünscht, daß, ehe die ange-
kündigte Neuorganisation durchgeführt werde,
man sie zur Öffentlichen Diskussion stellen solle.
Mit Recht führt er aus, daß man ein Comitée
zur Beratung einer Neuorganisation vor der
Erbauung des neuen Museumgebäudes hätte
einsetzen sollen, nicht jetzt erst, denn dann
hätten die Architekten sich, wie es in Berlin
geschieht, nach dessen Vorschlägen zu richten
vermodht statt ein sogenanntes „ideales Museum“
zu schaffen. Die Einteilung in jene 8 Abtei-
lungen nun, so führt Claude Phillips fort, würde
den Charakter des Museums völlig verändern ;
sie würde aus ihm vor allem ein „technisches
oder besser noch ein naturgeschichtliches Kunst-
museum“ machen, das zur Benutzung des Kunst-
handwerkers, des Fabrikanten, des Spezialisten
und Studenten da wäre (und als solches wünscht
es, wie das an dieser Stelle bereits früher mal
erwähnt wurde, der Architekt des neuen Muse-
umsgebäudes, der auf das Münchner National-
museum wie auf eine nette aber dilettantische
Spielerei hinwies), und nur so ganz nebenbei
auch als Tempel hoher Kunst dienen könnte,
in dem die Kunstliebenden ästhetischen Genuß
finden und der Entwicklung der Stilarten zu
folgen vermòchten, in dem sie den weitreidien-
den EinfluB der Kunst auf die Geschichte, die
Kultur und das gesellschaftlihe Leben der
Nationen gerade in ihren größten und eindruck-
reichsten Perioden sozusagen körperlich fühlen
könnten. Aber vom rein praktischen Stand-
punkt, meint Claude Phillips, werde diese
Einteilung sich nicht strikt durchführen lassen.
— Unter welche der 8 Abteilungen sollen
z. B. die zahlreichen Abgüße, die wunderbare
Elfenbeinkollektion usw. fallen? — Aus kleineren
amerikanischen Städten liest man zuweilen, daß
sie ihre „Museen“, die aus zahlreichen Abbil-
dungen und Abgüssen bestehen, derartig ein-
teilen, daB man in einem Katalog die verschie-
densten Gegenstände nach ihrer Art unter
Vögel, Fische usw. auffinden kann, auch wenn
jene Vögel usw. einem niederländischen
Stilleben angehören. Will sich das South
Kensigton Museum etwa diese zum Muster
nehmen ?
Der Ausstellungen gibt es jetzt viele, alter
1139
wie neuer Kunst. Agnews bieten diesmal nur
englishe Gemälde, darunter aber einige ganz
vorzügliche Stücke, so namentlich einen Con-
stable „Hampstead Heath“, 1825 in der Royal
Academie ausgestellt, der jenem berühmten sehr
ähnlich ist, der z. Z. mit anderen Werken des
gleichen Meisters in Paris ausgestellt war und
einen so großen Einfluß auf Delacroix ausge-
übt hat, und der ebenfalls bei Agnews vor
einigen Jahren zu sehen war. Aus Lawrences
früher Zeit ist ein Bild voll echter Wärme
„Pinkie“ ausgestellt; alles, was später durch
Massenarbeit zur Manier bei ihm wird, zeigt
sich hier noch als frisch erobertes, echtes Maler-
gut. Das Bild hat auch durch die Dargestellte
selber weiter Interesse: eine nahe Verwandte
der groBen Dichterin Elisabeth Barrett Browning.
Ein schlihtes, aber sehr tiefeindringendes
Männerporträt von Gainsborough, Mr. James
Tomkinson, sei aus der Fülle feiner Werke hier
nur noch erwähnt, — Mrssrs. Knoedler zeigen
u. a. den Turner „Mortlake Terrace“, den sie
vor einigen Monaten bei Christies um mehr
als 12000 Pfund erstanden haben. Sodann zwei
Gainsboroughporträts von Bedeutung „John
Taylor“ und „Mrs. Fitzherbert“. Ferner Werke
von Hogarth, Murillo, Velasquez, Nattier, Pater,
Hobbema, Guardi etc. — Mrssrs. Obach haben
eine Ausstellung von Handzeichnungen alter
Meister arrangiert, die viel gerihmt wird. Auf
sie hier einzugehen verbietet sich, da diese
Firma trotz ihres deutschen Namens es vor-
zieht nur unter Engländern zu bleiben. Der
Insularismus, der ja mandıe seltsamen Blüten
treibt, scheint ansteckend zu wirken und sogar
soweit zu gehen, daB man ausländische Käufer
abweist. Nächstens wird am Eingang der
Firma vielleicht das Schild prangen: ,Niditeng-
länder nicht zugelassen“. — Im Osten Londons,
in der Volksgalerie in Whitechapel hat der un-
ermüdlihe Direktor Aitken eine Ausstellung
Mohamedanischer Kunst zustande gebracht, die
vor allem interessante persische Stücke, so
indisch-persishe Miniaturen, umfaßt. Auch
Darstellungen aus dem Orient von europäischen
Künstlern, so von J. F. Lewis und dem groß-
zügigen Arthur Melville finden sich, darunter frei-
lich viel übles Zeug. Wie scharf tritt diesen un-
sicheren Versuchen gegenüber das sichere Stil-
gefühl der Orientalen selbst in den nicht sehr
bedeutenden Werken zutage!
Aus der großen Zahl moderner Kunstaus-
stellungen seien hier nur angeführt die der
„25 Maler“ und mehrerer Mitglieder des „New
English Art Club“ in den Goupil Galerien, in
denen sih durch empfundene Landschaften von
Wilson Steer, Pepperkorn, T. Austen Brown,
1140
Henry Muhrmann u. a. finden. Der New Eng-
lish Art Klub, der seit einigen Jahren eine
eigene kleine Galerie in Bond Street besaB,
wird dieses Jahr leider nicht in corpore aus-
stellen. — In den Leicester Galeries sieht man
jetzt eine groBe Zahl von Skizzen des ver-
storbenen Phil May, des bedeutenden Humo-
risten. — In der New Galery hält die Gesell-
schaft der Porträtmaler ihre Jahresausstel-
lung ab. Von verstorbenen Meistern finden
sih mehrere Werke des großen schottischen
Koloristen John Pettie, zwei Aquarelle Ross-
ettis, die Dichter Swinburne und Robert Brow-
ning darstellend, der Duke of Cleveland von
Frank Holl und Josef Chamberlain von Charles
Furse, der vor einigen Jahren in der Mitte
seiner Entwicklung vom Tode abgerufen wurde.
— Die New Galery wurde bisher von den
Herrn Hallé und Comyns Carr geleitet und
finanziert. Diese haben sich nun davon zurück-
gezogen, und für die jährlihe Frühjahrsaus-
stellung haben sich gegen hundert der bedeu-
tenderen Künstler zusammengeschlossen um
gemeinsam in der New Galery auszustellen und
dieser wieder die Bedeutung gegenüber der
akademischen Royal Academy zurückzugeben,
die sie bei ihrer Begründung durch Burne
Jones u. a. hatte. Es war freilich die höchste
Zeit, denn die Frühjahrsausstellungen der New
Galery begannen schon zum Spott der Stadt zu
werden. F.
HOLLAND
Durch einen merkwürdigen Zufall wurde hier
vor einiger Zeit ein „neuer Jan Steen“ ent-
deckt. Die illustrierte Wochenschrift „De Prins“
hatte im Oktober dieses Jahres einmal eine
Reihe von Abbildungen von Gemälden Jan
Steens gebracht, die in einem ihrer Betrachter,
Herrn J. Boer in Veur bei Leidschendam, die
Vermutung aufkommen ließ, daB ein seit 40
bis 50 Jahren in seiner Familie befindliches
Bild auch von diesem Meister sei. Es war da-
mals in Briissel auf einer ,Inboedel“-Versteige-
rung im Ramsch für 30 Cents gekauft worden
und befand sich natfrlich nicht im besten Zu-
stand. Erst später wurde es einmal gereinigt,
aber nicht sachgemäB. Wie „De Prins“, der
dies Gemälde in seiner Nummer vom 7. Nov.
abbildete, mitteilt, wurde die vom Besitzer an-
genommene Autorschaft Jan Steens von fadı-
männischer Seite bestätigt. So weit sich nadı
jener Reproduktion urteilen läßt, dürften Zwei-
fel daran auch nicht gerechtfertigt sein. Dar-
Monatshefte für Kunstwissenschaft
gestellt ist eine in der holländischen Kunst so
gut wie nie behandelte Szene, eine Beerdi-
gung, oder besser: die Vorbereitungen dazu
vor einem Hause. Links steht der Sarg auf
einer Bahre, und dahinter Träger. In der Mitte
vorn scheint eine Frau einen kleinen dunkel-
gekleideten Knaben zu trösten. Rechts be-
findet sih das Wohnhaus, aus dessen Tür so-
eben ein Mann in Trauerkleidung heraustritt.
Er lüftet den Hut, vielleicht vor dem links neben
der Tür auf einer Bank stehenden Mann, der
die Namen der Trauergäste von einem in den
Händen gehaltenen Blatt zu verlesen scheint.
Dahinter sieht man einen Bretterzaun, einen
diken Baumstamm, ein Haus und weiter links
Leute, sowie in der Ferne zwischen Bäumen
den Kirchtum eines Dorfes. Nur ein derartiges
Bild von Jan Steen läßt sich noch nachweisen,
das Dr. Hofstede de Groot in der Sammlung
Rutten in Lüttich gesehen hat, das bereits von
Smith (Nr. 168) und Westrheene in anderen
belgischen Sammlungen erwähnt wurde und
wahrscheinlich mit der von Houbraken zitier-
ten „Beerdigung eines Quakers‘ identisch ist.
Inwieweit diese beiden nun noch erhaltenen
Bilder voneinander abweichen oder miteinander
verwandt sind, läßt sich mittels der bloBen Be-
schreibung bei Hofstede de Groot (Holl. Maler,
I. Steen, Nr. 453) nicht genau feststellen. Kom-
positionell ist das aufgefundene Bild recht hübsch.
Ebenso dürfte es zeicinerisch gut sein. Der Er-
haltungszustand, der wie gesagt zu wünschen
übrig läßt, wird von einem geschickten Restau-
rator wohl ooch etwas gebessert werden können.
In Leiden ist die Sammlung holländischer
Gemälde aus dem Besitze des Herrn P. Delaroff
in St. Petersburg erst zum Teil eingetroffen
und deshalb auch noch nicht aufgestellt worden.
Mit Ausnahme des umfangreichen Bildes von
Pieter Aertsen, Christus und die Ehebreche-
rin (d. h. eine Gruppe von Fruchthändlern in-
mitten ihrer Waren im Vordergrund, während
die biblische Szene als Nebenhandlung hinten
vor sich geht), das im unteren großen Saale der
„Lakenhal“, rechts von dem einen, farbenpräch-
tigen Altar von C. v. Engelbreditsen, einen Platz
gefunden hat. Eine Abbildung des Gemäldes
findet man in der Sievers’schen Aertsen-Muno-
graphie auf Tafel 23. Hier wird das Bild ein-
gehend’ besprochen, so daß ich mich kurz fassen
kann. Nur einige Punkte, die Sievers nicht geben
konnte, da ihm das Bild allein aus einer Photo-
graphie bekannt war, und ihm sonst keine
näheren Angaben zur Verfügung standen, will
ih als Ergänzung seiner Ausführungen er-
wähnen. Zur Farbe vor allem. Im ganzen
herrscht ein blass-lila-rosa Gesamtton vor, am
Rundschau
stärksten im Hintergrund, und vorn auch inso-
weit, als bei dem reichen Gemüsestilleben von
Gesamtton die Rede sein kann. Buntfarbigkeit
ist aber jedenfalls so gut wie vermieden. Der
Mann rechts trägt blass-olivgrüne Jacke mit
etwas helleren Armeln und ebensolchen Bein-
kleidern. Das Kostüm der Frau links ist auch
in gebrochenen Farbentönen gehalten. Die
Schürze ist grün, das Mieder dunkel purpurn,
der Einsatz an Brust und Schultern schwarz,
ebenso die unteren Armel. Der rechts hinter
ihr stehende Mann ist bräunlichlila gekleidet,
während die Jacke des links hinter der Frau
stehenden Mannes mit den Zwiebeln grell zin-
noberrot ist und so die farbig am stärksten
wirkende Stelle im Bilde bildet. Der Fußboden
ist fast lila, die Kleider der Hintergrundsfiguren
alle in matten lila, rosa, grünlichen und gelb-
lien Farbentönen. Die Architektur hat direkt
patinagrüne Färbung, wenn sie nicht auch lila-
bräunlich ist, wie z.B. an dem äußersten Bogen
rechts. Die vor diesem befindlihen Figuren
sind fast als Grisaillen behandelt. — Eine Sig-
natur oder Jahreszahl konnte ich nicht finden,
es sei denn, daß auf der Kartusche auf dem
Säulensockel ganz links unterhalb des Rahmens
noch etwas stehen sollte. Die Abmessungen
des Bildes betragen 122cm in der Höhe und
180 cm in der Breite. Sievers rühmt es als ein
besonders reifes Werk Aertsens im Gegensatz
zu dem etwas überfüllten Gemälde im Städel-
schen Institut in Frankfurt a. M., das das gleiche
Thema behandelt und 1559 datiert ist. Nach
Sievers wird dies Bild im Besitze des Herrn
Delaroff etwa 1562 entstanden sein.
Das Museum Boijmans in Rotterdam
erfreute sich im vergangenen Halbjahr der be-
sonderen Gunst stifterfreudiger Sammler. Ich
berichtete schon mehrmals über Schenkungen,
die dem Direktor, Herrn Schmidt-Degener für
die ihm unterstellte Galerie zuteil wurden (von
Herrn Kleinberger ein Brekelenkam, von Herrn
P. Cloix eine Zeichnung von Mantegna, von
Herrn L. Nardus ein David Teniers d. J., ferner
die beiden im vorigen Heft kurz erwähnten
Bilder, die jetzt auch ausgestellt sind und auf
die ich nachher zurückkommen werde). Hierzu
gesellt sih nun noch ein interessantes Gemälde,
audi ein Geschenk von Herrn L. Nardus in
Suresnes bei Paris. Wie Herr Schmidt-Degener
im „Nieuwe Rott. Courant“ mitteilte, ist es eines
der seltenen Interieurbilder des Haarlemer Land-
schafters Cornelis Decker, stellt eine in der
Auffassung — trotz anderer Komposition — doch
an das bekannte Bild „Le Repos du Tisserand“
[von A. v. Ostade] in der Brüsseler Galerie er-
innernde Szene dar und ist mit dem Monogramm
1141
signiert. Bei meinem Besuch des Museums war
es noch nicht ausgestellt, so daß ich das Mono-
gramm, das mich in diesem Falle besonders
interessiert, nicht untersuchen konnte. Für ge-
wöhnlich nimmt man jetzt als Maler solcher Bil-
der mit Weber- oder Schmiedewerkstätten nicht
den Landschafter Cornelis Decker an, son-
dern einen seinen Lebensumständen nach völlig
unbekannten Maler namens J. Decker, den man
früher fälschlih F. Decker genannt hat. Ein
voll bezeichnetes und 1644 datiertes Gemälde
von ihm ist die Schmiedewerkstatt in Berlin
im Vorrat des Kaiser-Friedrih-Museums (Nr.993).
Zunächst müßte man daher bei einem solchen
Interieurbilde wie die Brüsseler Weberwerk-
stätte auch an diesen J. Decker denken. Nach
einer von Smith erzählten Überlieferung sollen
auf diesem Bild die Figuren von A. v. Ostade,
das Beiwerk von Cornelis Decker sein. Be-
wiesen ist diese letztere Behauptung durch nichts,
dagegen sind die Figuren sicher von Ostade.
Es liegt nun durchaus kein Grund vor, anzu-
nehmen, daß sich ein Mann wie Ostade das Bei-
werk von einem andern Künstler malen lieB,
und dann gerade von dem Landschafter Cor-
nelis Decker. Verhielte es sich aber doch so —
oder hatte man sich Ostade nur als denjenigen
zu denken, der dem Maler des Interieurs die
Figurenstaffage hineinmalte — so hätte zunächst
audi J. Decker an Cornelis Deckers Stelle zu
treten. Die weitere Folge dieses Schlusses
wäre die Annahme, daB das dem Rotterdamer
Museum geschenkte Bild auch eher von J. Decker
herrührt als von Cornelis. Wenn das Bild frei-
lich deutlich und echt Cornelis Decker signiert
ist, so muB die Frage nochmals durchgeprüft
werden. Da mir, wie gesagt, das Bild selbst
noch nicht bekannt ist, so möchte ich die eben
gemachten Ausführungen, soweit sie das Rotter-
damer Gemälde betreffen, nur erst unter Vor-
behalt ausgesprochen haben.
Es bleiben mir noch die beiden andern Schen-
kungen zu beschreiben übrig. Das von Herrn M.
van Gelder in Uccle-Brüssel gestiftete pracht-
volle Gemälde (Leinwand, 77 cm hoch, 64 breit)
solll ein Willem Kalf aus dessen Spätzeit sein.
Auf einem Steintisch liegt, gebauscht und reiche
Falten bildend, ein persischer Teppich in dunkel-
rotbraunen und dunkelgrünen Tönen. Darauf
ruht ein getriebener Silberteller, auf dem fast
in der Mitte des Bildes eine Orange von tiefer
Farbe liegt und sich im Glanz des Silbers etwas
spiegelt. Rechts daneben eine halb angeschälte
Zitrone vor einer noch ganzen. Ferner sieht
man hier den Schaft eines Messers. Dahinter
steht eine einfache, ziemlich rundbauchige Vase
mit grünem Pflanzendekor. Links von ihr ein
1142
im Dunkel fast verschwindendes Flötenglas und
ein halb mit WeiBwein gefillter Romer. Der
Hintergrund ist tiefdunkel, wie bei fast allen
diesen Bildern. Der Aufbau ist nicht so reich
wie gewöhnlich bei Kalf, auch sind die Farben-
effekte nicht so brillant. Es fehlt das reich
bossierte Silbergeschirr mit seinen weiBlichen
Lichtern und Reflexen. Was mich bei dem Bilde
zuerst frappierte, war neben dieser ruhigeren
Gesamthaltung das Fehlen jeglicher blauen Farbe,
jenes prachtvollen Blaues, mit dem als Gegen-
satz zu dem hellen Gelb der Zitrone Kalf für
gewöhnlih so köstliche Farbenwirkungen zu
erreihen weiß. Nodi am selben Nachmittage
sah ich den bezeidineten J. v. Streeck in Leiden,
auf dem fast die gleidıe Vase mit grünen
Pflanzenornamenten vorkommt, und auf dem
ebenfalls jegliches Blau fehlt, während die Kom-
position im Prinzip gleich der des Bildes in
Rotterdam ist. Streeck ist seinem Lehrer Kalf
bekanntlich oft sehr nahe gekommen. Die Wahr-
scheinlidikeit, daß dies Gemälde vielleicht eher
ein J. v. Streeck als ein Willem Kalf ist, dürfte
somit groß sein. Der künstlerische Wert des
wirklich schénen Stillebens könnte hierdurch nur
in den Augen eines ,Namen“-Sammlers beein-
trächtigt werden. Aber ich will auf Grund jener
Beobachtungen allein das Rotterdamer Bild nicht
gleich mit absoluter Bestimmtheit für v. Streeck
in Anspruch nehmen, sondern zunächst nur auf
das Gemeinsame der beiden Gemälde hingewiesen
haben.
Das von Herrn Adolphe Schloß in Paris ge-
schenkte Bildchen von Le Nain stellt zwei
kleine, weiß und grau gekleidete blonde Mäd-
chen dar. Das ältere sitzt rechts, etwas nach
links gewandt und blickt zum Beschauer. Mit
der rechten Hand faßt es die Linke seines
neben ihm en face stehenden Schwesterchens,
das zu ihm niedersieht. Der Hintergrund ist
grau, wie überhaupt das ganze Bild auf einen
feinen weiBlidigrauen Gesamtton gestimmt ist.
Die Größe beträgt 39><29 cm.
Dem städtishen Museum in Delft wurde
von Herrn M. varı Gelder in Uccle-Brüssel
eine kleine Sammlung (rund 20 Stück) Delfter
Fayencen geschenkt. Hoffentlich ist damit der
Grund für eine größere Sammlung gelegt wor-
den, die die Stadt Delft doch wirklich besitzen
müßte. Wollte man sich optimistischen Träumen
hingeben, so könnte man sich von einer solchen
öffentlihen Fayencensammluug in Delft einen
segensreichen EinfluB auf die künstlerische Fort-
entwickelung der in Delft noch heute betriebe-
nen Fayenceindustrie versprehen. Wenn die
Arbeiter sich an den handwerklici geschaffenen,
edeln alten Vorbildern mehr als ein Muster
Monatshefte für Kunstwissenschaft
nähmen! Ich glaube aber nidit redit, daß es
dazu je kommen wird — auch wenn die Samm-
lung noch so schön und groß würde Denn:
die Delfter Fabrik besitzt ja selbst schon lenge
eine ,Muster“-Kollektion altdelfter Fayencen.
Kurt Freise.
8
VON SCHWEIZERISCHEN MUSEEN
UND GESELLSCHAFTFN
Aus den jüngst erschienenen Jahresberichten
verschiedener größerer schweizerischer Museen
und Gesellschaften sei folgendes notiert:
1. Schweizerisches Landesmuseum in Zürich.
(Direktor Dr. H. Lehmann und Vizedirektor Pro-
fessor Dr. J. Zemp). Besucht wurde das Mu-
seum im Berichtsjahre 1907 von 104790 Per-
sonen. Die Einnahmen betrugen 241345 fr. (da-
von 231325 fr. Bundesbeiträge), denen 240 727 fr.
Ausgaben für Einkäufe von Altertümern, für
Wiederherstellungsarbeiten, Subventionen an
kantonale Sammlungen, Jahresrenten, den Werk-
stättenbetrieb und die Verwaltungskosten
(131230 fr.) gegenüberstehen.
Von den im Laufe des Jahres angekauften
oder in den Sammlungen deponierten Gegen-
ständen haben einige auf den zum Teil farbigen
Tafeln des Berichts vortrefflihe Wiedergabe
gefunden. So drei lebensgroße, in alter Fassung
erhaltene Holzfiguren des XV. Jahrhunderts
(Maria, der Apostel Johannes und ein Diakon) aus
der Kirche von Pleif in Graubünden, eine reiche
nuBbaumene Kredenz (XVII. Jhrhdt.) aus Gampel
(Kt. Wallis) und von drei ziircherischen, aus dem
Auslande heimgekauften Standesscheiben jene
vom Jahre 1560. Dann ein silbervergoldeter Tafel-
aufsatz aus dem XVII. Jahrhundert in Form eines
bemannten und stark armierten Kriegsschiffes,
der aus ziircherischem Privatbesitz im Museum
deponiert wurde. Ein schönes Eglomise mit dem
Wappen der Grafschaft Kyburg und zwei sil-
berne gravierte Wäppchen der Zürcher Familien
Holzhalb und Wolf, vielleicht eine Applikation
zu dem älteren Schiffe, verraten den einstigen
Besitzer des Prunkstücks, den Staatsmann und
Gelehrten Beat Holzhalb, der mit Elisabet Wolf
vermählt, 1681 Landvogt auf Kyburg war. Lei-
der trägt das Stück keine Goldschmiedemarke,
doch ist bekannt, daß der in Zürich gebürtige,
zu Anfang des XVII. Jahrhunderts in Nürnberg
tätige Goldschmid Esaias Zurlinden solche Kriegs-
schiffe in großer Zahl anfertigte und andere
einheimische Goldschmiede ähnliche Stücke schu-
fen. Das Landesmuseum besitzt in seiner Schätz-
kammer deren jetzt nicht weniger als vier, doch
Rundschau
überragt die letzte Erwerbung die übrigen drei
an Größe und Feinheit der Arbeit.
Eine wichtige Bereicherung des Museums
verspricht die im Jahre 1907 errichtete Stif-
tung des Grafen von Hallwyl in Stockholm
zu werden, eines der letzten Nachkommen
jenes alten Dienstmannengeschlechtes, das wäh-
rend nahezu neun Jahrhunderten auf dem jetzt
aargauischen Wasserschlosse Hallwyl residierte.
Darnach gelangt das I.andesmuseum nach dem
Hinscheiden des Grafen und seiner Gattin in
den Besitz sämtlicher aus der Schweiz und dem
Familienbesitz derer von Hallwyl stammenden
Altertümer, über 400 Gegenstände, darunter 60
Familienporträts, eine Sammlung höchst wert-
voller Glasgemälde, Silbergeschirr, schweize-
rische Porzellane u. a. m.
Eingehende Mitteilungen macht der Bericht
auch über verschiedene Ausgrabungen. Neben
weniger ergiebigen Schürfungen in der Walliser
Gemeinde Conshey haben vor allem die Gra-
bungen auf einem allemanischen Gräberfelde bei
Augst (Kt. Basel Land) durch ihre Seltenheit
wertvolle Ergebnisse geliefert. Dazu gehören
ein vortrefflih erhaltenes Glasflaschchen, ganz
besonders aber fünf kleine merovingische Gold-
münzen, plumpe Nachahmungen von Münzen
des oströmisdıen Kaisers Justinian, deren Ent-
stehungszeit Mr. M. Prou, Professor an der
Ecole des Chartes in Paris, an das Ende des
VI. oder den Anfang des VII. Jahrhunderts ver-
legt. Aus dieser Zeit dürfte überhaupt der In-
halt der bis jetzt eröffneten 270 Gräber des
wohl 1500 Leichen bergenden Feldes stammen.
Nach vollendeter Durchforschung sollen die Er-
gebnisse in einer besonderen Veröffentlichung
bekannt gegeben werden.
Erwünschte Dienste leistete die eidgenössische
Gottfried Keller-Stiftung dem Landes-
museum bei der Sicherung der zürcherischen
Kunstschmiedearbeiten des „Seehofs“ in Meilen
am Zürichsee. Da eine Erhaltung am ursprüng-
lihen Standort nicht möglich gemacht werden
konnte, entschloB man sidı zum gemeinsamen
Ankauf der wertvollsten Schmiedearbeiten, der
Portalgitter, Garten-, Balkon- und Treppen-
geländer, mit den dazugehörigen Architektur-
teilen, und vereinigte sie dann am Äußeren des
Landesmuseums zu einer besonders reizvollen
Gruppe.
2.Der vor kurzem erschienene Jahresbericht der
Schweizerischen Gesellschaft für Erhaltung hi-
storischer Kunstdenkmäler, erstattet vom Prä-
sidenten Dr. A. Naef, archéologue de l'Etat in
Lausanne, behandelt die Jahre 1906 und 1907.
Da der zwölfgliedrige Vorstand der Gesellschaft
1143
in seiner Eigenschaft als Expertenkommission
des eidg. Departements des Innern über die
Verwendung der Bundessubventionen zu be-
antragen hat, werden im Jahresbericht zunächst
die beträdhtlichen Bundesbeiträge behandelt, die
zur Erhaltung historisher Kunstdenkmäler in
den Jahren 1906, 1907 und 1908 bewilligt wur-
den. Sie betrugen für 1906 80265 fr., für 1907
19675 fr. sowie für 1908 91965 fr. und verteilen
sih auf 35 bis 40 Objekte, deren Wiederher-
stellung durch ratenweise Auszahlung der zu-
meist 50°/, der gesamten Kosten betragenden
Zuschüsse möglich gemadit wird. Infolge dessen
erscheinen mehrere dieser Arbeiten, namentlich
jene, für die größere Beiträge bewilligt wurden,
auch noch nach ihrer Fertigstellung in den Bundes-
budgets, so das Rathaus.zu Luzern, das Schloß
Montebello in Bellinzona, der Kreuzgang des
Allerheiligen- Münsters sowie der Munot in
Schaffhausen, die Kirdie von St. Gervais in Genf
und das Schloß Dorneck (Kt. Solothurn). Für das
Schloß Sargans, die Kirdien von St. Sulpice und
Lutry (Waadtland), die Kirche von Kirchbihl bei
Sempad (Kt. Luzern), die Türme am Rosiusplatz
in Biel und die Burgruine von Wädenswil (Kt,
Zürich) konnten in den Jahren 1906 und 1907
die letzten Raten ausbezahlt werden. Anders
verhält es sich mit den Unternehmungen, an
denen in den beiden Berichtsjahren gearbeitet
wurde, wie an der Sicherung der Ruinen und
des Donjons des Schlosses ,Bâtiaz“ bei Mar-
tigny und an der Restauration der ehemaligen
Klosterkirche zu Hauterive (Kt. Freiburg), über
deren ältesten baulichen Bestand Professor
Dr. Zemp in der „Zeitschrift für Geschichte
der Architektur“ Okt. 1907 interessante Unter-
suchungen veröffentlicht hat. Dazu gehören
ferner die Arbeiten am Schlosse Valeria zu
Sitten (Wallis), an der Stiftskirhe zu St. Ur-
sanne, an der Kirche zu Confignon (Kt. Genf),
am Schlosse Valangin (Neuenburg), an der Kirche
zu Romainmötier (Waadt), am Stadtturm zu
Neuenstadt (Bern), an der Kapelle S. Maria in
Selva in Locarno (Tessin), an der Kapelle zu
Riederthal (Uri), an der Schloßruine Grasburg
bei Schwarzenburg (Bern), an der Kirche zu
Büren a/A. (Bern), am Rathaus zu Landeron
(Neuenburg), am Schloßturm zu Grynau (Schwyz),
an der Kirche zu Remüs (Graubünden), an der
Kirche zu Donatyre bei Avenches (Waadt), am
Glockenturm von St. Martin zu St. Immer (Bern)
und an der Dreifaltigkeitskapelle zu Rapperswil
(St. Gallen). Auch die Instandhaltung des der
Eidgenossenschaft gehörenden Amphitheaters zu
Vindonissa bei Brugg (Kt. Aargau), die Aus-
grabungen daselbst, zu Martigny, zu Ävenches, so-
wie jene des Kastells zu Irgenhausen (Kt. Zürich),
1144
Monatshefte für Kunstwissenscaft
des römischen Theaters zu Basel-Augst, der
römischen Kanalisation zu Liestal, des Römer-
kastells zu Yverdon und schlieBlih auch nodi
die Erforschung der gallischen Station La Tene
beim Dörfchen Epagnier am Neuenburger See,
sowie des gallischen Gräberfelds von Münsingen
(Kt. Bern) veranlaBten beträchtliche Ausgaben
und Subventionen.
Die letzten Jahrespublikationen der Gesell-
schaft, deren amtliches Organ der vom Schwei-
zer. Landesmuseum herausgegebene, viertel-
jährlich erscheinende „Anzeiger für Altertums-
kunde“ ist, beschäftigen sich mit den Kunst-
schätzen des Klosters St. Johann zu Münster in
Graubünden. Der erste Teil dieser überaus
wertvollen Arbeit der Herren Prof. Dr. Zemp
in Zürich und Staatsarchivar Dr. R. Durrer in
Stans, der die in Münster vorhandenen Reste
karolingischerKunst beschreibt und kritisch unter-
sudit, ist in dieser Zeitschrift bereits früher
(Heft V, Mai 1908) durch A. Schmarsow ein-
gehend besprochen worden. Der zweite Teil,
der die romanische Zeit behandelt, ist in diesen
Tagen erschienen.
Die Rechnung der Gesellschaft, die 430 Mit-
glieder zählt, ergibt für 1906 24385 fr. Ein-
nahmen und 19778 fr. Ausgaben, für 1907
24786 fr. Einnahmen und Ausgaben in der Höhe
von 17401 fr. Unter diesen Ausgaben finden
sich beträchtliche Beträge für zeichnerische und
photographishe Aufnahmen, die jeweils dem
ungemein reichhaltigen, bereits über 6000 Ein-
gangsnummern zählenden Archiv der Gesell-
schaft einverleibt werden.
3. Der Jahresbericht des Bernschen Histori-
schen Museums für 1907 berichtet über eine er-
freulihe Zunahme sämtlicher Sammlungen. Na-
mentlich die Entwicklung der archäologischen
Abteilung, der von Herrn Widmer-Stern, dem
gegenwärtigen Direktor des Museums, beson-
dere Aufmerksamkeit geschenkt wird, muB her-
vorgehoben werden. Hatte 1906 die gallische
Periode durch die Funde von Münsingen und
Richigen einen bedeutenden Zuwachs erfahren,
brachte das Berichtsjahr der Hallstatt-Abteilung
eine Vermehrung um wertvolle Stücke. Gra-
bungen in einer Kiesgrube oberhalb der Papier-
mühle bei Bern und ein Grabhügel im „Hurst“
unterhalb Jegenstorf ergaben reiche Funde, dar-
unter einen Goldschmuck, eine Perle aus Pech-
kohle, Pfeilspitzen und Keramik. Dem Bericht
ist eine Abhandlung beigegeben, in der Dr. Zeller
die von der ethnographischen Abteilung des
Museums angekaufte Batiksammlung beschreibt.
4. Der Jahresbericht des Vereins für das histo-
rische Museum in Basel und für Erhaltung
baslerischer Altertümer, den zwei prächtige Licht-
dructafeln zieren, erwähnt zunächst die Er-
nennung von Dr. Rudolf F. Burckhardt zum
Konservator an Stelle des von der Regierung
beförderten Dr. Ferdinand Holzach. Die Ein-
nahmen und Ausgaben des Museums betragen
rund 44000 fr., der Besuch wird als ein er-
freulicher bezeichnet.
Unter den Neuerwerbungen verdienen vor
allem eine Reihe von Gegenständen Erwähnung,
die bei Installationsarbeiten im Münster den
Bischofsgräbern daselbst enthoben worden sind,
besonders Geräte und Kleidungsstücke aus einem
Grabe des XII. Jahrhunderts, ein hölzernerKrumm-
stab, ein Ring, interessant gemusterte Stoffe aus
Seide sowie Sandalen. Um die sachgemaBe Ber-
gung und Konservierung dieser Schätze hat sich
Professor Dr. E. A. Stückelberg besonders be-
müht. Die nicht unbedeutende Sammlung alter
Kirchenglocken wurde durch eine Gloke von
1357 aus Riehen vermehrt und die Sammlung
römischer Fundstücke durch Architekturfragmente
und Bronzezierraten wohl italienischen Ursprungs
ergänzt, Gebäudeteile und Gerätschaften des so-
genannten Tempels auf dem Tempelhof bei
Basel-Augst, eines seiner Bestimmung nach noch
unerklärten Bauwerks. Auch die Ergebnisse von
Grabungen auf der Liegenschaft „zum Drachen“
in der Aschenvorstadt, die Gräber eines rö-
misch-allemanischen Friedhofs bloslegten, konn-
ten der Sammlung einverleibt werden.
Von besonderem känstlerishem Wert ist ein
kleines, im Berichtsjahr angekauftes Holzschnitz-
werk aus dem Beginn des XVI. Jahrhunderts,
eine Grablegung aus Lindenholz, die auf einer
der Tafeln der Broschüre wiedergegeben ist.
Im Anschluß an die Beschreibung dieses Kunst-
werks macht Dr. R. F. Burckkardt im Bericht
noch auf andere Schnitzwerke der Sammlung
aufmerksam. Zunächst auf die reizvolle Buchs-
baumgruppe, die Adam und Eva darstellt und
mit H. und W. bezeichnet, zweifellos von Hans
Wydyz dem Alteren stammt, jenem Meister,
der auch den mit Joh. Wydyz 1505 signierten
und aus Basel stammenden Schnitzaltar im Chor
des Domes zu Freiburg i/B. schuf und später,
wie seine reiferen Arbeiten in Berlin und
München beweisen, in Bayern tätig war. Dann
auf drei weitere Arbeiten desselben Hans Wydyz
im Basler Museum, einen Christus am Kreuze
und zwei unvollendete Kruzifixusfiguren, die
alle drei auf einer weiteren Tafel des Berichts
Abbildung gefunden haben.
5. Der Jahresbericht der öffentlichen Kanst-
sammlung zu Basel, erstattet vom Konservator
Professor Dr. Paul Ganz, erfreut seit seiner
Rundschau
1145
Neugestaltung im Jahre 1905 jeweils durch
die Beigabe einer wertvollen, fir sich abge-
schlossenen und hübsch illustrierten Abhand-
lung. Auf die interessante Arbeit von Professor
Dr. Daniel Burckhardt über den „Klassizismus
in Basel“, die der Jahresbericht 1905 enthielt,
folgte 1906 eine Studie von Professor Ganz
„Über die schweizerische Glasmalerei und ihre
Bedeutung für die Kunstgeschichte“. Dem Jahres-
bericht 1907 konnte die wertvolle Abhandlung
von Dr. P. Ganz und Dr. E. Major über die
Entstehung des Amerbachschen Kunstkabinets
beigeheftet werden, die Marc Rosenberg im
Januarheft dieser Zeitschrift besprochen hat. Der
vorliegende Bericht über das Jahr 1907 schlieB-
lich enthält als Fortsetzung dieser Arbeit eine
Abhandlung von Dr. E. Major über das „Fä-
sise Museum“, das mit dem Amerbachschen
Kabinet zusammen einen wesentlichen Teil der
heutigen Basler Sammlungen bildet.
Dem Jahresbericht selbst ist zu entnehmen,
daB Einnahmen und Ausgaben des Museums
rund 75000 fr. betragen und daB vor allem
Ordnungs- und Katalogisierungsarbeiten die ver-
fügbaren Kräfte in Anspruch nahmen. Ein reich
illustrierter übersichtlicher Katalog der Gemälde,
erweitert durch eine kurzgefaBte Geschichte der
Sammlung, ist herausgegeben worden; die Ge-
mälde, Skulpturen und Glasscheiben wurden neu
numeriert — das Inventar umfaßt 843 Num-
mern — und, teilweise neu gerahmt, zweck-
mäßiger in den wesentlich umgebauten Sälen
verteilt; das Inventar über die Bestände des
Kupferstichkabinets schließlich, das 37921 Stück,
darunter 4000 Handzeicinungen, 4282 Holz-
schnitte ohne die gebundenen Folgen und 22835
Kupferstiche enthält, wurde fertiggestellt, worauf
mit dem Katalogisieren der Blätter begonnen
werden konnte. Zahlreihe Ankäufe und Ge-
schenke, unter denen Gemälde von Jos. Amman
(1565 Bildnis eines unbekannten Gelehrten),
Johann Rudolf Huber (1710 Selbstbildnis), und
Anton Graff (Bildnis der Gattin des Künstlers)
erwähnt werden mögen, bezwecken die ziel-
bewußte Ergänzung der vorhandenen Bestände.
Auch über den geplanten Museumsneubau
enthält der Bericht einige Angaben. Danach
hat die Basler Regierung die Loslösung der
Kunstsammlung von den übrigen im jetzigen
Museumsgebäude untergebrachten Sammlungen
gutgeheiBen und einem Neubau für das Kunst-
museum auf der Elisabethenschanze den Vor-
zug gegeben. Eine Sammlung von freiwilligen
Beiträgen ergab ein derart erfreuliches Resultat,
daß der Bau, zu dem die Pläne auf dem Wege
einer öffentlichen Konkurrenz gewonnen werden
sollen, gesichert erscheint. C. H. Baer.
WAS UNS NOT TUT
Das Kunstschaffen historisci betrachten heißt,
Zusammenhänge erkennen. Hierzu bedarf es
aber eines so lückenlosen Anschauungsmate-
riales, wie es selbst die größten Museen, die
ja nicht bloß der Wissenschaft zu dienen haben,
niemals bieten können. Darum müssen Repro-
duktionen aushelfen. Heute ist das Abbildungs-
material „ein Anhängsel der graphischen Samm-
lungen, das nach Laune und Geschmack des je-
weiligen Direktors bald mehr ausgebaut, bald
vernachlässigt wird“; Photographien nach Skulp-
turen sind weder in den Kupferstichkabinetten
noch an anderen Stellen in genügender Menge
vorhanden, ganz zu geschweigen von den kost-
baren Publikationen über Miniaturen und mittel-
alterliche Illustrationen. Darum ist es eine „un-
abweisbare Aufgabe unserer Zeit, in der soviel
von Kunsterziehung gesprochen wird“, eine
„öffentliche Stelle zu schaffen, die alle erreich-
baren Reproduktionen universal und auf Voll-
ständigkeit sammelt“, ein Archiv für Photo-
graphien, welches im Etat des Kultusministe-
riums mit einer ausreichenden Summe bedacht
werden müßte. DaB ein solches Archiv vorder-
hand nur in der Reichshauptstadt Existenz-
berechtigung hätte, ist selbstverständlich, aber
Berlins harrt noch eine andere Pflicht: Hier,
wenn irgendwo in Deutschland, muß ein „streng
wissenschaftlich organisiertes AbguBmuseum für
die vergleichende Skulptur aller Kulturvölker im
Mittelalter und Neuzeit“ errichtet werden. Wel-
chen Nutzen ein solches in kunstpädagogischer
Hinsicht stiften könnte, weiB jeder, der einmal
durch das Musée de sculpture comparée des
Trocadero gegangen ist ... das sind, in kurzen
Schlagworten natürlich, jene Forderungen der
Kunstwissenschaft, die Werner Weisbad in
einem sehr lesenswerten Aufsatz!) unlängst
der Öffentlichkeit unterbreitete. Er hat nicht
bloß kluge, sondern auch mutige Sätze geschrie-
ben, die ihm nicht vergessen werden dürfen.
An den Kunsthistorikern aber ist es, dafür zu
sorgen, daB den theoretischen Erörterungen
Taten folgen. E. S.
9
KLEINE NACHRICHTEN
Berlin. Das kürzlih erst durch Vermittlung eines
Berliner Kunsthändlers erworbene romanisme Portal
der früheren Kirche in Langheim, die zuletzt zur Sdieune
degradiert war, ist in Berlin angekommen und im Hofe
des nn Friedridi- Museum provisorisch aufgestellt
worden.
) Werner Weisbach: „Kunstgenuß und Kunstwissen-
schaft“. Preußische Jahrbiicher 1908, Bd. 134, S. 148.
(Oktoberheft.)
1146
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Hamburg. Die Sammlung mittelalterliher und Re-
naissance-Kunstwerke, Gerätschaften und Waffen von
puis Campe ist hier en bloc zum Verkauf gelangt.
rfreulicherweise sind die Käufer deutsche Antiquare.
Leipzig. Dr. Erich Willrich, Direktor des deut-
schen Buchgewerbemuseums ist zum Direktor des Kgl.
Kupferstidikabinettes in Stuttgart ernannt worden und
wird bereits am 1. Januar seine dortige Stellung antreten.
Für Leipzig und speziell für die ihm unterstelite Samm-
ung: bedeutet sein Weggang einen schweren Verlust.
Er hatte mit Erfolg versucht, reorganisatorisch im Dienste
seines Museums zu wirken und hat bei diesem Bestreben
schöne Erfolge zu verzeidinen gehabt. So hat seiner
Zeit im Frühjahr 1%7 die von ihm arrangierte Ausstel-
lung moderner deutsmer EE Ae über Leipzig
hinaus Aufsehen erregt und starke Anerkennung gerade
in den Kreisen der Kenner gefunden. Sie war nicht zu-
letzt ein Beweis für den feinen künstlerischen Geschmack
und die ausgezeichnete Kennersdiaft Willridis auf dem
Gebiete der qraphischen Kunst. Die hier gesammelten
praktischen Erfahrungen und das oftınals bewiesene qlän-
zende Organisationstalent werden seiner neuen Tätigkeit
zweifellos sehr nützlid sein. De
München. Der bisherige Direktorial-Assistent am
Römisch- Germanischen Zentralmuseum in Mainz, Dr.
Paul Reinecke, wurde zum Konservator, der bisherige
Assistent am Kunstgeschichtlidien Museum in Würzburg,
Dr. Georq Hock und Dr. Felix Mader wurden zu
Kustoden am Generalkonservatorium der Kunstdenkmale
und Altertiimer Bayerns ernannt.
StraBburg. Der im vergangenen Jahre verstorbene
Verlagsbudihandler Kommerzienrat D. K. Trübner und
seine vor kurzem ihm im Tode nachgefolgte Gattin haben
laut letztwilliger Verfügung dem Städtischen Museum
die Summe von 250000 Mark vermacht, die mit den
Zinsen zum Ankauf alter Meister zu verwenden sind.
Das Vermächtnis enthält überdies eine Anzahl wertvoller
Ölgemälde alter Meister der italienischen und niederlän-
dischen Schule. Der Erblasser ist ein Bruder des be-
kannten Malers.
Bern. Die Erhaltung des historischen Museums
zu Bern, jenes präditigen und kunsthistorisdi bedeut-
samen Architekturdenkına:s ist trotz der warmen Fürsprache
Prof. Dr. Wecses, des bekannten Kunsthistorikers an der
Berner Universität, durch die in der Sdiweiz üblidie Volks-
abstimmung abgelehnt worden.
Perugia. In der gotischen Kirche S. Bevignate am
Friedhof von Perugia, die im 12. Jahrhundert erbaut
wurde und bis 1300 den Tempelherrn gehörte, ist ein
ausgedehnter Freskensdimuck aus versdiiedenen Epochen
unter der Ubertiindung entdeckt worden. Ein Teil der
Malereien scheint der letz'en Templerzeit anzuqehGren
und soll einem Vorläufer Giottos zuzuschreiben sein,
Toledo. Ein neuer Greco. Beim Durdistébern
verstaubter Winkel hat der Sakristan der Kirche San
Roman unter allerlei altem Gerümpel ein Gemälde ent-
deckt, das von Sachkundigen als ein bisher unbekanntes
Werk Domenico Theotokopulis, gen. il Greco, erkannt
wurde. Das Bild zeigt die lebensgroße Gestalt eines
Edelmanns, wohl des Patrons oder Gründers der Kapelle,
der sich im Gebet an die von Engeln umringte Mutter
Gottes wendet. In Komposition und Farbe, vor allem
aber im Typ des Mannes soll sich die Manier des Greco
so unverkennbar offenbaren, daß an der Editheit des
Bildes, das überdies die Signatur des Malers trägt, nidıt
gezweifelt werden kann.
Petersburg. Am 19. November ist in den Räu-
men der Kuiserlidien GesellschaftzurFörderung
der Künste eine Arsstellung von Gemälden alter
Meister aus dem Privatbesitz der russischen Aristo-
kratie eröffnet worden. Das Komitee der Kunstzeitschrift
»Staryje Gody* („Alte Zeiten“), die die Veranstaltung in
die Wege leitete, hat eine Auswahl von rund 400 Ge-
mälden getroffen, unter denen so ziemlich alle Schulen
vom 14. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts vertreten
sind; zwei bisher unentdeckte Rubens und sieben edite
Rembrandts bilden Höhepunkte dieser ganz einziq-
artigen Ausstellung, die den Reichtum des Kunstgutes,
das im Familienbesitz des russischen Adels schlummert,
länzend beleuchtet. (Eines der nächsten Hefte unserer
eitschrift bringt einen ausführlichen, reich illustrierten
Aufsatz über dıe Veranstaltung aus der Feder des Kon-
servators der Eremitage, Dr. James von Schmidt. D. R.)
2
KLEINE ANZEIGEN
Den diesjährigen Katalog seiner Bibliothek- und
Sammelwerke hat der Verlag F. Brnckmann in
München, der in diesem Jahre auf ein halbes Jahrhundert
seines Bestehens zurückblickt, in ein besonders festliches,
künstlerisch vornehmes Gewand gehüllt. Blättert man
die mit einer Reihe prover Tafeln glänzend illustrierte
Publikation, der das Bild des Begründers Friedrich Bruck-
mann vorangestellt ist, durch, so erkennt man abermals,
daß der Verlag sein durch die Jahrzehnte mit Konsequenz
verfolytes Programm, Werke von bicibender Bedeutung
in größtmöglichem Umfang in tedınish möglichst voll-
kommenen Reproduktionen dem Genusse und dem Studium
der Mit- und Nachwelt nahezubringen, in vortrefflicier
Weise in die Tat umgesetzt hat. Die Kunst in ihrer Ent-
wicklung vom fernen Altertum bis hinauf zum Impressionis-
mus unserer Tage, spiegelt sich in der Reihe der auf-
eführten großen Publikationen, deren bestens bekannter
orzug in den mit Hilfe aller neuzeitlihen Reprosuk-
tionsverfahren hergestellten Bildtafeln liegt. Eın Blatt,
wie die wundervolle farbige Wiedergabe des Isenheimer
Altars Grünewalds, offenbart allein scion die Höhe der
Leistungen, die hier erzielt wurden. Dieser Nachbildung
wegen wird man den Bruckmannschen Jubiläumskatalog
besonders sorgsam aufbewahren. d—
Eine Folge prächtiger Nachbildungen von Hand-
zeidinungen neuerer Meister im Kgl. Kupfer-
stihkabinett zu Dresden, die ganz besonders den
Wiinsdien des reifen Kunstfreundes entgegenkommen und
ebenso wertvoll als Ersatz der Originale wie als Studien-
material sind, läßt der Verlag von Amsler & Ruthardt
in Berlin durch Geh.-Rat Lehrs, denDirektor des Dresdner
Kabinettes herausgeben. Bisher sind 30 Blatt ersdiienen und
zwar nach den besten Zeichnungen erster deutscher Meister
wie Menzel, Feuerbadı, Thoma, Leibl, Lieber-
mann, Max Klinger (11 Blatt), Stauffer-Bern,
Ernst Moritz Geuger und Otto Greiner. Die Preise
sdiwanken pro Blatt zwischen 4 und 6 M. Zu Geschenk-
zwecken ist diese glänzende Publikation wie kaum eine
andere geeignet.
Wie alljährlich, so versendet auch in diesem Jahre der
Verlag von Schuster & Bufleb in Berlin, Nollendorf-
straße 31.32, seinen Almanad für Architektur, Kunst
und Kunstgewerbe, der allen wissenscaftlicı Arbeitenden
zur Ergänzung ihrer Bibliothek bestens empfohlen werden
kann. Das sorgsam ausgestattete Buch, das durch eine
geistreidi geschriebene Einleitung „Gedanken über Er-
ziehung zur Kunst“ eingeführt wird, bietet eine Zusam-
menstellung wichtiger Budi- und Vorlagenwerke aus den
Spezialgebieten des Verlags. Neben der großen Zahl
der Neuerscheinungen des letzten Jahres sind die Vor-
räte des Antiquariats besonders berücksichtigt und es ist
erfreulich darauf Bedadit genommen, dem die wissen-
schaftlichen Erscheinungen Sudienden einen umfassenden
Literaturnadiweis zu geben. Neben rein fachlichen
Werken finden sich zudem in reicher Auswahl seltene
Stichwerke und Reproduktionen in Lithographie, Farben-
druck und den neueren Reproduktionstechniken. d-
AGE
=. —
Victor Roth. Der spätgotische Flügelaltar
in Mediasch. Hermannstadt: Buchdr. v. W.Krafft
[s. J.]
Roths Büchlein gilt einem namenlosen großen
Altarwerk in Siebenbürgen, das in das letzte
Jahrzehnt des XV. Jahrhunderts zu setzen ist
und bei der Seltenheit derartiger Denkmäler
wohl das Interesse des siebenbürgisden For-
schers verdient. Über der Predella, die nicht
mehr ursprünglich, sondern durch eine Abend-
mahls-Darstellung des späteren XVI. Jahrhun-
derts ersetzt ist, erhebt sich der Altarschrein,
der gleichfalls die ursprünglichen Sdinitzereien
nicht mehr enthält, mit den Doppelflügein. Die
ursprünglichen Schnitzereien der Innenseiten
sind auch hier nicht mehr vorhanden, doch bie-
ten die von irgendwo anders her genommenen
aufgenagelten vier Evangelistensymbole inso-
fern Interesse, als sie aus dem Anfang des
XV. Jahrhunderts stammen und zu den ältesten
Denkmälern der Holzplastik im Sachsenlande
gehören. Das wichtigste sind aber die Malereien
auf den Außenseiten der Flügel, acht Szenen
aus der Passion: Gefangennahme, Geißelung,
Dornenkrönung, Ecce homo, Kreuztragung, Vor-
bereitung zur Kreuzigung, Kreuzigung, Aufer-
stehung. Für ihre Komposition sind zum Teil
die M. Schongauer’schen Stihe maßgebend
gewesen; so z. B. für die Verspottung (B. 15),
Kreuztragung (B. 26) und sonst für einzelne
Figuren. Aus den beigebenen neun Lichtdrucken,
die leider nur vier der dargestellten Szenen
wiedergeben, ist nicht zu erkennen, daß wir es
mit einem allzubedeutenden Werk zu tun haben;
es ist offenbar Provinzialkunst, in der aber eine
gute Tradition auch maleriscier Art und ein
ernsthaftes Bemühen zu spüren ist. Für Sieben-
bürgen ist es das einzige Werk, das Bezieh-
ungen, wenn vielleicht auch nur sehr lockerer
Art, zur Kunst des Oberrheins aufweist. Und
von diesem spezifisch siebenbürgischen Stand-
punkt aus ist auch die mit Absicht breitere,
warmherzige, ja zuweilen enthusiastische Be-
handlung des Altars zu würdigen; ist er doch
auch ein Denkmal „jener Kraft, die in diesem
Lande lebensvolle Außerung erlangte“, und die
wir immer mit lebendiger Teilnahme in allen
ihren Äußerungen begleiten. Carl Simon
2
SIC LITERATUR
Handzeichnungen alter Meister im Stä-
delschen Kunstinstitut. Herausgegeben
von der Direktion. Originaltreue Lichtdrucke
der Hofkunstanstalt Albert Frisch. Frankfurt
a. M. 1908. Selbstverlag des Städelschen Kunst-
instituts.
Gleich den älteren und bekannteren Samm-
lungen von Zeichnungen, wie Berlin, Dresden
und München, entschließt sich jetzt die Direktion
des Städelschen Kunstinstituts, aus dem Schatz
ihres Besitzes die wertvollsten Stücke nach und
nach dem Studium zugänglich zu madien. Jedes
Beginnen dieser Art darf mit Sicherheit auf die
Anteilnahme und Dankbarkeit der wissenschaft-
lich interessierten Kreise redinen. Denn vieler-
lei Hemmnisse stehen noch dem Studium dieser
besonderen Gruppe ererbten Kunstbesitzes ent-
gegen; ist doch trotz so vieler vorhandener
Publikationen erst ein Bruchteil erschlossen
worden, und ebensowenig helfen Kataloge dem,
der sich informieren mödıte; wie denn zu einer
wissenschaftlichen Aufarbeitung dieser oft wich-
tigsten Zeugnisse des künstlerischen Schaffens
der Vergangenheit kaum erst die Ansätze vor-
handen sind.
Von den Zeichnungen des Stédelschen In-
stituts gab es bisher, wenn mich die Erinnerung
nicht täuscht, mit verschwindenden Ausnahmen
überhaupt keine Reproduktionen: und dies bei
einem Besitz von 5C00 Blättern alter Meister.
Der Herausgeber wird nur mit der Schwierig-
keit der Wahl des Besten zu kämpfen haben;
aber wir wissen, daß diese Sorge in gute Hände
gelegt ist.
Die erste Lieferung der auf einhundert Blatt
berechneten Publikation, die in zehn Lieferungen
etwa vierteljährlich erscheinen soll, liegt vor
uns; sie entspricht allen billigen Anforderungen
an Treue der Wiedergabe und Güte der Aus-
stattung. Die Auswahl umfaßt drei Blätter der
deutschen Schule, ein franzòsiscies, zwei italie-
nishe und vier von vlämischen und nieder-
ländischen Meistern. Den Reigen eröffnet Dürer
mit dem bekannten frühen Blatt der Nürnbergerin
und Venezianerin, und dem weniger bekannten,
ebenfalls ganz frühen Entwurf für ein gotisches
Glasfenster mit dem heiligen Georg, dessen
farbige Wiedergabe die Aquarelltönung aufs
beste getroffen hat. Es folgt der ältere Holbein
mit einem seiner Entwürfe mit Silberstift: vier
Köpfe, darunter ein feineritalienisierender Frauen-
1148
kopf im Profil und ein Papst mit dem Triregnum
geschmückt (ist es nicht Sixtus IV.?). Fragonard
repräsentiert ein „Rome 1776“ datiertes, in Sepia
laviertes Blatt mit zwei Figuren, die nur auf Ton
angelegt sind. Ein Hauptblatt, die Schwarz-
kreidezeichnung des aufschauenden Jünglings von
Buonsignori. Den Domenico Campagnola sieht
man selten besser, als in der großen Landschaft
mit zwei Astronomen im Vordergrund; noch ist
der Duktus wesentlich frei von Manier und die
Gestalten haben noch giorgionesken Charakter.
Die Niederländer führt der alte Breughel an mit
einer Studie nach zwei Rabbinern, voll trefflicher
Beobachtung, mit genauer Farbangabe. Dann
varı Dycks Entwurf zu dem vornehmen Porträt
de Costers aus der Ikonographie, gegen den ein
männliches Bildnis mit der Signatur des Goltzius,
datiert 1588, als treue, doch unangenehm veris-
tishe Wiedergabe des Modells stark absticht.
Am Schluß Rembrandt mit einer Studie zweier
Männer beim Schweineschlachten; der eine, mit
dem Messer im Mund, schleppt sein Tier müh-
selig von dannen, während der andere das seine
mit dem Beil in der Mitte durchhaut. Dieses
Motiv fesselte ihn also nicht nur malerisch.
Man sieht, wie vielseitig die Gabe zu werden
verspricht, deren erste Probe uns Direktor Swar-
zenski bietet. Wenn die folgenden Lieferungen,
woran nicht zu zweifeln ist, sich auf der Höhe
der ersten halten, so wird ein Erfolg nach jeg-
liher Richtung das Unternehmen begleiten.
Dürfen wir eine Bitte formulieren, so wäre es
die, daB von jetzt ab den knappen Bemerkungen
über die Blätter auf der Umschlagsseite auch die
Maße beigefügt werden. Falls der kurze Text,
den der Prospekt verspricht, auch tunlidıst Lite-
raturangaben enthielte — allzuhäufig werden
solche ohnehin nicht zu machen sein —, so wäre
es sehr dankenswert. Georg Gronau.
9
Guido Carocci. I dintorni di Firenze. 2 vols.
Firenze 1907. (Edizione completamente rinovata.)
Wenn jemals eine Publikation zur rechten
Zeit erschien und wirklich die bekannte ,sdimerz-
lich empfundene Lücke“ ausfüllt, so ist es diese.
Denn Morenis gleidinamiges Werk ist heute längst
veraltet und die früheren Auflagen von Caroccis
Buch ließen auch, besonders in der Kritik gegen-
über traditionellen Zuweisungen von Bildern und
Statuen an bestimmte Meister manchen Wunsch
des modernen Forschers unerfillt. Nun sind
aus dem schmächtigen Büchlein von ehedem
zwei stattliche, reich illustrierte Bände geworden,
Monatshefte für Kunstwissenschaft
die mit den ersten Ausgaben der „Dintorni di
Firenze“ nur mehr den Titelund — zum Glück! —
den Autor gemein haben. Und dieser, heute
wohl der beste Kenner des alten Florenz und
seiner Umgebung führt uns zu den verstecktesten
Tabernakeln, zu den entlegensten Villen, zu
allen Kirchen und Oratorien, teilt in knappen
Worten das Wissenswerte über die Baulichkeiten
mit, erzählt von den Kunstschatzen, die sie
einstens beherbergten und gibt kritische Ver-
zeichnisse von den leider allzuwenigen, die wir
noch an Ort und Stelle betrachten können. „Una
semplice e modesta guida“ hat der allzu be-
scheidene Verfasser sein Werk, die Frucht viel-
jähriger Archivstudien und rastlosen Wanderns,
in der Vorrede geheiBen; aber es bedeutet viel,
viel mehr, und wird jedem, der sich ernsthaft
dem Studium der florentinishen Kunst widmet,
ein unentbehrliches Hülfsbuch sein. Und darum,
weil es uns „oltramontani“ nicht immer als
Führer, sondern unter einem nördlichen Himmel
weit öfter als Nachschlagewerk dienen wird,
sei an den geschätzten Verfasser die Bitte
gerichtet, er möchte in der nächsten Auflage
seines Werkes dem vorzüglichen topographischen
Register auch ein solches der Künstlernamen
gesellen. Wir alle werden ihm dafür zu großem
Danke verpflichtet sein. Emil Schaeffer.
8
Freeman O'Donoghue. Catalogue of
Engraved British Portraits preserved
in the Department of Prints and Dra-
wings in the British Museum. Vol.I. A-C.
London. 8°. 1908.
Vielleicht ein drittel aller Fragen, die an Be-
amte der Kupferstich Kabinette gestellt werden
sind Bildnisfragen. Die wenigsten Kupferstic
Kabinette aber besitzen brauchbare, in sich ab-
geschlossene Bildnissammlungen, noch audi nur
vollständige Blattkataloge. Die Beamten sind
demnach immer auf die Hilfsmittel wie z. B.
den Drugulinschen Katalog angewiesen, um über-
haupt die Möglichkeit zu haben nach einem
Bildnis in der Sammlung zu forschen. Denn der
Fragende weiß stets nur wessen Bildnis er
sucht, nicht aber den Maler oder Stecher an-
zugeben, deren Kenntnis allein das Auffinden
des betreffenden Bildnisses ermöglicht.
Mit groBer Freude ist daher auch vorliegen-
des Buch als ersehntes Hilfsmittel zu begrüßen.
Es stellt sich in seiner Weise nicht unwürdig
dem monumentalen Bildnis-Katalog der Biblio-
theque Nationale in Paris zur Seite, den Duplessis
me ee a rr PA e = -—
A fe SA
Literatur
begonnen hat und Riat und Lesmoine fort-
setzten.
Dieses ungeheure Werk weist bis jetzt sechs
Bande auf und behandelt bis zu Louis Philippe I.
nicht weniger wie 28376 Dargestellte, wobei
wan oinzolnan Narnoctolltan
hie ou.
DIERENAISSANCE
|
|
|
i
IN-BRIEFEN -VON-DICHTERN
KUNSTLERN-STATSMÄNNERN
GELEHRTEN -UND FRAUEN
BEARBEITEI-VON
LOTHAR: SCHMIDT
LEIPZIG-IOOQ- VERLAG VON
KLINKHARDT & BIERMANN
Me ee ee en
f
— uv wee >
sonderer Rang zufallt) ganz und gar andere
1149
Namen tragen. Wir benötigen, um nicht voll-
ständig verwirrt zu werden, gerade ein Werk
wie dieses, um die Norm zu haben, die uns
feststellt, unter welchen Namen solche Personen
einzuordnen sind.
ist wie bei allen Publikationen
| seums-Kataloge ausgezeichnet und
eordnet. Es l&Bt sich nur eins
i Titeln, die in hundert oder mehr
Bildnissen vorhanden sind (z. B.
daB deren Verzeichnis sich fiber
rstreckt, müßte oben auf jeder
entitel der jeweilige Namen ge-
hreiten und der schnellen Voll-
selbstlosen Arbeit des Herrn
ın man nur mit den besten Wün-
isehen. Hans W. Singer.
8
Danzig. Mit Buchschhmuk von
wohnt, in jedem neuen Bändchen
ier Kultur“ eine frische, anmutige
den. In dem eben erschienenen
ızig wird diese Erwartung wieder
3e erfüllt. Es ist ein Genuß, das
chzulesen, ein Genuß in zwiefacher
den Inhalt und was die Ausstat-
i. Gleich der erste Abschnitt über
| zeigt, daß Grisebach nicht nur
reiben weiß, sondern daß er sich
esen des Städtebaues hineingelebt
Wesentliche am Stadtbild emp-
erster Linie den GrundriB, will
ıfluchten, und dann erst den Auf-
ıette der Stadt in ihren bezeich-
‘n. In der Tat, eine Straße ver-
ativ weniger, wenn man auf ihren
n neue, fremdartige Häuser auf-
1 man Kopieen und Nachahmungen
ser auf eine neue Baulinie zurück-
sind die beliebten Baulinienkünste
die größte Sünde gegen den Geist
- einer Stadt. Und wie lächerlich
r Verkehr, in dessen Namen die
jiert* wird, wie wenig wird oft
1 wie groß sind die Opfer. Das nur
Schritt für Schritt verfolgt dann
Entwicklung der Stadt und weiß
richtigen Ort kurze und prägnante
--...-5--- Ihrer bedeutendsten Kulturdenk-
einzuflechten. Die Marienkirche, die
irisebach, Stätten der Kul-
mäler
1148 Monatshefte fir
Kunstwissenschaft
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geschmückt (ist es nicht Sixtus IV.?). Fragonard
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laviertes Blatt mit zwei Figuren, die nur auf Ton
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des modernen Forschers unerfü!
aus dem schmächtigen Büchlein
zwei stattliche, reich illustrierte B.
die mit den ersten Ausgaben der „Dintorni di
Firenze“ nur mehr den Titelund — zum Glück! —
den Autor gemein haben. Und dieser, heute
wohl der beste Kenner des alten Florenz und
seiner Umgebung führt uns zu den verstecktesten
rino
Tahnennloale PTE nmtlnmnmmmtm— TION aa nes
er Ùbersetzer und Herausgeber der mit so groBem
Beifall aufgenommenen Briefe der Ninon de
Lenclos und der Frauenbriefe der Renaissance
Lothar Schmidt
unternimmt in den vorliegenden Banden den schwierigen
aber hochinteressanten Versuch, das gesamte Zeit-
alter der Renaissance durch das lebendige Wort der
Menschen, die es gelebt und gepragt haben, in seinen
charakteristischen Grundzügen darzustellen. In
sorgsam zu diesem Zwecke ausgewählten
Briefen von Dichtern, Künstlern, Staats-
männern, Gelehrten, Kierikern und Prauen
läßt er den oft so rätsel- und widerspruchsvollen Geist
jener bewegten, kunstverklärten Zeit sich spiegeln. Es
ist kein Zweifel: ein glücklicherer Versuch, dem innersten
Wesensgeheimnis der Renaissance nahe zu kommen, ist
selten gemacht worden! Jene Zeit der großen Persön-
lichkeiten, jene Epoche des schrankenlosen Ichkultus
kann unmittelbar nur durch das persönlichste Ichdoku-
ment, die Briefe der Zeit, nahegebracht werden. Ist
doch der Brief nächst dem gesprochenen Worte — und
oft noch in höherem Maße als dieses — der individuellste
Ausdruck menschlichen Denkens und Empfindens. Keine
künstlerische Darstellung, kein wissenschaftliches Forschen
läßt in ähnlicher Weise die ins Schattenreich der Toten
eingegangenen Seelen wieder lebendig werden und führt
gleich plastisch diese Zeit selber vor Augen.
In besonderem Maße noch muß dies für den Brief
der Renaissance gelten, die ja die Kunst des Brief-
schreibens wieder entdeckte, sie mit wirklicher Liebe
gepflegt und dadurch zu ihrer wahrhaft künstlerischen
Höhe erhoben hat. Für die Menschen jener Zeit war
der Brief das Mittel, sich mit der Welt und ihren Er-
scheinungen aufs gründlichste auseinanderzusetzen. Hier
enträtselten sie ihre Seele, eröffneten den Zugang zu ihrem
aw 280
nn Slim sa Sa DR DS APR LED assy uch AJAT
‘hèque Nationale in Paris zur Seite, den Duplessis
Literatur
1149
begonnen hat und Riat und Lesmoine fort-
setzten.
Dieses ungeheure Werk weist bis jetzt sechs
Bände auf und behandelt bis zu Louis Philippe I.
nicht weniger wie 28376 Dargestellte, wobei
innersten Denken und Fühlen — So sind es Bekenntnis-
schriften, aus denen alle großen Fragen, die die Zeit
bewegten, hervorklingen, Denkmale einer Weltanschauung,
was in ihren Briefen uns hinterlassen ist. Wie die den
verschiedenen Gesellschaftsklassen angehörenden Men-
schen der Renaissance dachten und fühlten, wie sie
empfanden in Haß und Liebe, wie sie für hohe Ideale
sich begeisterten und wie sie das Alltagsleben anschauten,
wie sie beteten und lästerten, lachten und weinten auf
ihren oft so stürmisch krausen Lebenspfaden, das offen-
baren uns ihre Briefe — und klarer und eindringlicher
noch dies Buch von Lothar Schmidt, das mit sorgsamem
Bedacht die am meisten charakteristischen Stücke aus
Korrespondenzen, die sich über einen Zeitraum von nicht
weniger als drei Jahrhunderten erstrecken, ausgewählt
und zu einem in sich geschlossenen Ganzen vereinigt hat.
Für den Gebildeten unserer Zeit kann wohl kaum
ein Buch gefunden werden, das solchen Anspruch auf
sein Interesse hat, wie die vorliegende Publikation.
Die großen kultur- und literaturgeschichtlichen Werke
von Voigt, Burckhardt, Gaspary über die Renaissance,
haben bei aller Bedeutung, die ihnen zukommt, für die
breitere Allgemeinheit doch zweifellos den Nachteil, daß
sie zu ihrem Verständnis ein beträchtliches Fachwissen
voraussetzen. Unser Werk „Renaissancein Briefen“
wird in erster Linie ein Werk für den gebildeten
Laien sein, der sich mühelos und ohne das Opfer lang-
jähriger Studien mit dem Werden, dem Sein und
Vergehen des Geistes vertraut machen möchte, den
wir den Geist der Renaissance nennen!
Diese Korrespondenzen, ursprünglich in lateinischer
und italienischer Sprache verfaßt, in treuer und guter
Verdeutschung wiederzugeben, war eine der Haupt-
schwierigkeiten des Unternehmens. Lothar Schmidt ist
dieser heiklen Aufgabe mit bewährter Meisterschaft ge-
recht geworden. Daß er die zum Verständnis des
Materials notwendigen Erläuterungen nicht in Fußnoten
mu aa Se AA Bud We dl Aa Wr bw 1» AAA NSA SA 468 SASA A Se AA Ser AAA aA Wee
sonderer Rang zufallt) ganz und gar andere
Namen tragen. Wir benötigen, um nicht voll-
ständig verwirrt zu werden, gerade ein Werk
wie dieses, um die Norm zu haben, die uns
feststellt, unter welchen Namen solche Personen
einzuordnen sind.
wan oinzolnon Marnoctolltan bie au AND sd dads ist wie bei allen Publikationen
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seums-Kataloge ausgezeichnet und
eordnet. Es läßt sich nur eins
| Titeln, die in hundert oder mehr
Bildnissen vorhanden sind (z. B.
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entitel der jeweilige Namen ge-
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selbstlosen Arbeit des Herrn
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ısehen. Hans W. Singer.
8
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Danzig. Mit Buchshmuck von
wohnt, in jedem neuen Bändchen
er Kultur“ eine frische, anmutige
den. In dem eben erschienenen
izig wird diese Erwartung wieder
je erfüllt. Es ist ein Genuß, das
hzulesen, ein Genuß in zwiefacher
den Inhalt und was die Ausstat-
i. Gleich der erste Abschnitt über
. zeigt, daB Grisebach nicht nur
reiben weiß, sondern daß er sich
esen des Städtebaues hineingelebt
Wesentliche am Stadtbild emp-
erster Linie den GrundriB, will
ifluchten, und dann erst den Auf-
rette der Stadt in ihren bezeich-
n. In der Tat, eine StraBe ver-
ativ weniger, wenn man auf ihren
n neue, fremdartige Häuser auf-
1 man Kopieen und Nachahmungen
ser auf eine neue Baulinie zurück-
sind die beliebten Baulinienkünste
die größte Sünde gegen den Geist
‘ einer Stadt. Und wie lächerlich
- Verkehr, in dessen Namen die
iert“ wird, wie wenig wird oft
| wie groB sind die Opfer. Das nur
schritt für Schritt verfolgt dann
Fntwiclung der Stadt und weiß
‘igen Ort kurze und prägnante
t bedeutendsten Kulturdenk-
i» Die Marienkirche, die
1148
Monatshefte fir Kunstwissenschaft
kopf im Profil und ein Papst mit dem Triregnum
geschmückt (ist es nicht Sixtus IV.?). Fragonard
repräsentiert ein „Rome 1776“ datiertes, in Sepia
laviertes Blatt mit zwei Figuren, die nur auf Ton
angelegt sind. Ein Hauptblatt, die Sdwarz-
kreidezeidinung des aufschauend er Steet mre
Buonsignori. Den Domenico Cam
man selten besser, als in der grol
mit zwei Astronomen im Vorderg
der Duktus wesentlich frei von N
Gestalten haben noch giorgionesk
Die Niederländer führt der alte Br
einer Studie nach zwei Rabbinern,
Beobachtung, mit genauer Farba
van Dycks Entwurf zu dem vorn
de Costers aus der Ikonographie, |
männliches Bildnis mit der Signatu
datiert 1588, als treue, doch unan:
tishe Wiedergabe des Modells : |
Am Schluß Rembrandt mit einer |
Männer beim Schweineschlachten;
dem Messer im Mund, schleppt sı
selig von dannen, während der ar. |
mit dem Beil in der Mitte durd |
Motiv fesselte ihn also nicht nur
Man sieht, wie vielseitig die G
zenski bietet. Wenn die folgende
woran nicht zu zweifeln ist, sich
die mit den ersten Ausgaben der „Dintorni di
Firenze“ nur mehr den Titel und — zum Glück! —
den Autor gemein haben. Und dieser, heute
wohl der beste Kenner des alten Florenz und
seiner Umgebung führt uns zu den verstecktesten
TË" en ba namen en Le ala mes ln mandl wn wm en ni. TL
gibt, sondern sie als ein gefällig, die Verbindung knüp-
fendes, fortlaufendes Band in den literarischen Text ein-
gefügt hat, macht die Lektüre noch genußreicher und
schließt überdies die keck zusammengerafften Einzel-
stücke zum organischen Ganzen, zu einer vom Leser selbst
erlebten Kulturgeschichte der Renaissance.
Der erste Band, der in der Hauptsache das 14. und
15. Jahrhundert umfaßt, setzt mit den Briefen der Be-
gründer der Frührenaissance, Petrarka und
Boccaccio, ein.
Der zweite Band wird die wichtigsten Briefe der
prominenten Persönlichkeiten der Hochrenaissance
enthalten.
Preis: Band I geheftet . M. 5.—
gebunden M. 6.—
Luxusausgabe: 50 Exemplare auf Bütten einzeln
numeriert, in flex. Ganzlederband M. 15.—
oo ie eee ee ee
der ersten halten, so wird ein Er
lier Richtung das Unternehm
Dürfen wir eine Bitte formulierer
Bitte auszufüllen.
die, daß von jetzt ab den knappen
über die Blätter auf der Umschlags
Maße beigefügt werden. Falls de
verspricht, deren erste Probe uns I
den der Prospekt verspricht, auch
raturangaben enthielte — allzuh
sole ohnehin nicht zu machen se
es sehr dankenswert. Ge
8
Guido Carocci. I dintorni di Fi
Firenze 1907. (Edizione completame
Wenn jemals eine Publikation
Zeit erschien und wirklich die bekan
lich empfundene Lücke“ ausfüllt, s
Denn Morenis gleicinamiges Werk i:
veraltet und die friheren Auflagen
Buch lieBen auch, besonders in der
über traditionellen Zuweisungen vc
Statuen an bestimmte Meister m:
des modernen Forschers unc”
aus dem schmädhtigen Bic
zwei stattliche, reich illustrier
Unterzeichneter bestellt bei der Buchhandlung von
NT U cere TE COZZA CC ZE ee Se CeCe ee ey IC eee. ITTICA nenn ve
aus dem Verlage von Klinkhardt & Biermann, Leipzig
: EN In Briefen von Dichtern, Kunst.
Die R ENAISSANCE lern, Staatsmännern, Gelehrten
und Frauen. Bearbeitet von Lothar Schmidt. Band I
Exemplare geh. M. 5.— — fest — zur Ansicht
aa E: geb. M. 6.— — fest — zur Ansicht
i (nur fest) Luxusausgabe (so ein-
zeln numerierte Exemplare in Kalb-
leder pro Exemplar M. 15.—)
iii AA TITTI TERN ET TT eet aby MOE rete Oe Oe
aca 08 INILTANA NANA svasata SITTI DT asusaiuy usta LPSLLIV
theque Nationale in Paris zur Seite, den Duplessis
» | Bestellschein | Frs
“il Gee ee ee 7 — =
Literatur 1149
begonnen hat und Riat und Lesmoine fort-
setzten.
Dieses ungeheure Werk weist bis jetzt sechs
Bande auf und behandelt bis zu Louis Philippe I.
nicht weniger wie 28376 Dargestellte, wobei
von einzelnen Dargestellten bis zu 500 und
mehr Bildnisse aufgezählt werden! Danach kann
man si einen Begriff machen von dem un-
glaublichen Umfang der Pariser Bildnissammlung
und man muB bedenken, daB hier nur die Blatter
der eigentlichen Bildnissammlung aufgezählt
werden, nicht auch die zahlosen Bildnisse, die
sich sonst bei den Werken der einzelnen Maler
und Kupferstecher in der Bibliotheque Nationale
verstreut befinden.
Der englische Katalog, dessen erster Band
von a—c reicht, weicht in soweit von dem
französischen ab, als er alle Bildnisse der Samm-
lung katalogisieren will, nicht also bloB die, die
zu einer abgeschlossenen Bildnisabteilung ver-
eint sind. Trotzdem ist er natürlich nicht im
entferntesten so umfangreich; zunächst aus dem
Grunde, weil er nur Bildnisse englischer Per-
sönlichkeiten aufführt. Es lag also in der Natur
der Sache, daB O’Donoghue mehr bieten konnte
als seine französischen Kollegen. Während diese
überhaupt nur ganz allgemein ein Format an-
deuten, gibt er von allen Blättern die Größe in
englischen Zoll an. Ferner bestimmt er die
Technik näher, während die Franzosen nur ganz
allgemein die Radierung von den andern Kupfer-
stichtechniken, vom Holzschnitt und vom Stein-
druck trennen, sehr oft aber auch (namentlich
bei Blättern, bei denen sie nur den Verleger
angeben können), gar nichts über die Technik
aussagen. An dem vorliegenden Katalog arbeitet
der Verfasser meines Wissens schon länger wie
zehn Jahre. Es ist ihm zu dem Gelingen (wenig-
stens des Anfangs) der trefflichen Arbeit und
uns zu dem Besitz des Nachschlagebuchs bestens
zu gratulieren.
Eine derartige Aufgabe erfordert wie be-
kannt ungeheure Hingebung und eine geradezu
routinierte Genauigkeit im Arbeiten. Ein ein-
zelner Band enthält ja über 100 000 kurze Daten,
Ziffern, Maße. Wer sich da nicht die strengste
Systematik im Arbeiten angewöhnt hat, kann
überhaupt nicht damit fertig werden. Die biblio-
graphischen Notizen sind knapp, wenn auch ge-
wöhnlih ein wenig ausführlidier wie im ge-
nannten französishen Werk. Für alle Aus-
länder hat das Erscheinen von O’Donoghues
Buch noch das Gute an sich, daß es uns über
die Titel und eigentlichen Namen der englischen
Adeligen aufklärt, die bekanntlich zu verschie-
denen Lebzeiten (je nachdem ihnen ein be-
sonderer Rang zufallt) ganz und gar andere
Namen tragen. Wir benötigen, um nicht voll-
ständig verwirrt zu werden, gerade ein Werk
wie dieses, um die Norm zu haben, die uns
feststellt, unter welchen Namen solche Personen
einzuordnen sind.
Der Druck ist wie bei allen Publikationen
der British- Museums-Kataloge ausgezeichnet und
übersichtlich geordnet. Es läßt sich nur eins
aussetzen. Bei Titeln, die in hundert oder mehr
verschiedenen Bildnissen vorhanden sind (z. B.
Charles LL so daB deren Verzeichnis sich über
viele Seiten erstreckt, müßte oben auf jeder
Seite als Seitentitel der jeweilige Namen ge-
druct stehen.
Dem Fortschreiten und der schnellen Voll-
endung dieser selbstlosen Arbeit des Herrn
Verfassers kann man nur mit den besten Wün-
schen entgegensehen. Hans W. Singer
9
August Grisebach, Stätten der Kul-
tur. Bd. 6. Danzig. Mit Buchschmuck von
Paul Renner.
Man ist gewohnt, in jedem neuen Bändchen
der „Stätten der Kultur“ eine frische, anmutige
Skizze zu finden. In dem eben erschienenen
Buch über Danzig wird diese Erwartung wieder
in vollem Maße erfüllt. Es ist ein Genuß, das
Werkcien durchzulesen, ein Genuß in zwiefacher
Hinsicht: was den Inhalt und was die Ausstat-
tung anbetrifft. Gleich der erste Abschnitt über
das Städtebild zeigt, daB Grisebach nicht nur
hübsch zu schreiben weiß, sondern daß er sich
auch in das Wesen des Städtebaues hineingelebt
hat. Als das Wesentliche am Stadtbild emp-
findet er in erster Linie den Grundriß, will
sagen die Baufluchten, und dann erst den Auf-
riB, die Silhouette der Stadt in ihren bezeich-
nenden Formen. In der Tat, eine Straße ver-
ändert sich relativ weniger, wenn man auf ihren
alten Baulinien neue, fremdartige Häuser auf-
führt, als wenn man Kopieen und Nachahmungen
der alten Häuser auf eine neue Baulinie zurück-
setzt. Darum sind die beliebten Baulinienkünste
unserer Tage die größte Sünde gegen den Geist
und Charakter einer Stadt. Und wie lächerlich
gering ist der Verkehr, in dessen Namen die
Straße „korrigiert“ wird, wie wenig wird oft
gewonnen und wie groß sind die Opfer. Das nur
nebenbei. — Schritt für Schritt verfolgt dann
Grisebach die Entwicklung der Stadt und weiß
geschickt am richtigen Ort kurze und prägnante
Schilderungen ihrer bedeutendsten Kulturdenk-
mäler einzuflehten. Die Marienkirche, die
1150
Monatshefte fir Kunstwissenschaft
trutzigen Stadttore, die stolzen Bürgerhäuser,
das Rathaus, die Artushalle, das Zeughaus, alles
das zieht lebendig an unserem Auge vorbei und
vereinigt sich zu einem farbenfrischen Mosaik
von der künstlerischen Entwicklung Danzigs.
Und wie immer bildet das 19. Jahrhundert das
böse Schlußkapitel, dem ein schüchterner, frommer
Wunsch und Hoffnung auf bessere Zeiten zu
folgen pflegt. Die biederen Zeichnungen von
Paul Renner passen in ihrer Stimmung redıt
gut zu der gemütvollen Darstellung. Obgleich
sie dem Druckstil vortrefflidi angepaßt sind,
fallen sie aus der hellen Druckflache heraus;
sie sind einige Grade zu dunkel (oder der Druck-
spiegel zu hell, wie man’s nimmt). Als Zu-
gabe sind 20 Autotypien beigeheftet, die von
dem jetzigen und einstmaligen Zustand der be-
deutendsten Danziger Bauten ein genaues Bild
liefern. Das Buch wird jedem, der Danzig
kennt und liebt, in der angenehmsten Weise
traute Erinnerungen wadirufen, und denen, die
Danzig noch nicht kennen, wird es ein Ansporn
sein, eine Wallfahrt nach der alten Stadt an
der Mottlau zu unternehmen. R. Bernoulli.
g
The Art Treasures of London, Painting,
a Chronological Guide to the Schools of Pain-
ting as Represented in the Public Galleries of
London, the Collections at Dulwich & Hampton
Court, and the University Museums of Oxford and
Cambridge. Fifty-nine Illustrations and Plans
of Galleries, Compiled by Hugh Stokes. KI. 8°.
XX u. 164 S. Pr. 3!/, Schillinge. 1908. Arnold
Fairbarns & Co. Ltd. Robert Street, Adelphi,
London W. C.
Das für den nach London kommenden Kunst-
forscher und -freund sehr brauchbare, von Mr.
Stokes mit Sorgfalt zusammengestellte und mit
nützlichen Anmerkungen durchsetzte, dabei auch
handliche Büchlein stellt den Beginn einer
Serie dar, die die Kunstschätze (Malerei, Archi-
tektur und angewandte Kunst) der bedeutendsten
Kunstzentren Europas nach Schulen und innerhalb
dieser in chronologischer Folge angeordnet auf-
zählen soll, um dem Reisenden auf einen Blick
zu zeigen, ob ein bestimmter Künstler über-
haupt in der betreffenden Stadt und wenn ja,
mit welchen Werken und in welchen Galerien
er vertreten ist. Das Nadıschlagen und Zusam-
mensudien der einzelnen Kataloge wird also
vermieden. Ehe man eine Reise unternimmt,
kann man sich, ohne oft mühselig genug sich
die verschiedenen Kataloge der Galerien aus
der das Reiseziel bildenden Stadt verschaffen
zu müssen, darüber orientieren, was man da-
selbst auf dem oder jenem Gebiete in den öffent-
lichen Sammlungen finden wird. Für Bücher
dieser Art freilich wäre ein mehrsprachiger Text
sehr am Platze, jedo kann auch der nicht
englisch Verstehende das vorliegende Buch über
die Malschätze Londons sehr wohl benützen.
Er braucht nur hinten im Inhaltsverzeidinis den
Namen des gesuchten Malers z. B. Constable
aufzuschlagen. Dort findet er angegeben:
Seite 123. Auf dieser Seite ist Constables Ent-
wicklung kurz charakterisiert und einige Haupt-
daten seines Leben angegeben. Sodann folgen
nach den Galerien geordnet und mit Angabe
der Säle und Katalogsnummern seine in London
befindlidien Bilder, die in der National Gallery,
die in der Royal Academy, Diploma Gallery, in
der Tate Gallery, in South Kensington usw. Um
das Büchlein nicht übermäßig anschwellen zu
lassen, ist in einigen Fällen wie bei den Con-
stables in South Kensington nur die Zahl der
dort untergebrachten Werke (111 Skizzen und
Bilder und 300 Aquarelle und Zeichnungen) an-
geführt. Die kurzen Notizen zu den einzelnen
Malern und die Einleitungen zu den einzelnen
Kapiteln (Schulen) sind wohl mehr für ein größeres
kunstliebendes Publikum bestimmt, dem sie in
schätzenswerter Weise Zusammenhänge und
Daten bieten. Sidi letztere vor einem Bilde
gleich ins Gedächtnis zurückrufen zu können,
wird auch dem Kenner oft angenehm sein.
Manch kleineres Versehen ist in diesen Notizen
freilich mit untergelaufen, das aber so schwer nidıt
wiegt, da niemand sie als Autorität für Arbeits-
zwecke benützen wird. Die Abbildungen, nam
Hanfstänglschen Photographien hergestellt, sollen
den umfassenden Reichtum der Londoner Schätze
auf dem Gebiete der Malerei in etwas wenigstens
dartun. Einige allzubekannte Bilder aber, wie
Hals ,Lachenaer Cavalier“ hätte man gern durdi
weniger bekannte und darum interessantere
derselben Meister ersetzt gesehen. Freund.
Q
Meier-Graefe und Klossowski. La collec-
tion Cheramy. Munich. R. Piper et Cie
editeurs. 1908. 2°.
Uber die prächtige Sammlung ist in den
Monatsheften bereits in angemessener Aus-
fiihrlidikeit gesprochen worden und die Resultate
der Versteigerung, die bedauerlicherweise Deutsch-
land nur geringe Bereicherung gebracht hat,
kamen im Kunstsammler zum Abdruk. Der
große Katalog, den Meier-Graefe und Klossowski
Literatur
1151
herausgegeben haben, steht nun mit der vente
Cheramy, die einen eigenen Katalog besitzt, nur
äuBerlih in Verbindung. Ich habe kürzlich
(Nationalzeitung, Beilage vom 20. Sept. 1908)
über die mir persönlich wohlbekannte Sammlung
und die erfolgreichen Bemühungen von Meier-
Graefe und Klossowski um einen exakten cata-
logue raisonné einen sehr eingehenden Aufsatz
verôffentlidt. Es möge mir nicht verübelt
werden, wenn ich, ganz ausnahmsweise einmal,
auf eine von der Tagespresse gebrachte Studie
verweise. Der Inhalt der Sammlung darf als
bekannt angesehen werden, und es bleibt mir
daher nur die Pflicht, hier zu konstatieren, daß
der Verlag für verhältnismäßig billiges Geld ein
sehr brauchbares Werk geschaffen hat. Wohl
bieten gerade die wichtigsten Meister der Samm-
lung, Constable und Delacroix, der Wiedergabe
unüberwindlihe Schwierigkeiten. Constable
kommt durchweg flau heraus, bei Delacroix
droht die Technik („le balai de Delacroix“) jede
Kontur zu zerstören. Dafür sind die alten
Meister, akademische Künstler wie Prudhon und
selbst Gericault gut wiedergegeben, auch Pissarro
und Degas, während der berühmte Goya und
auch Corot und Courbet, stark zurückstehen.
Die einführenden Aufsätze von Klossowski
über Delacroix und von Meier-Graefe, der eine
kurze Notiz über die Sammlung und ihr Ent-
stehen gibt, über Constable erheben sich in
der Form, in der sie geschrieben sind, über das
sonst vor Katalogen gewohnte Maß. Die An-
merkungen zu den einzelnen Bildern hätten
namentlich in bezug auf die Provenienz mitteil-
samer sein können. Doch war wohl die knappe
Eingrenzung beabsichtigt.
Ich möchte hier anfügen, daß für die Ab-
hängigkeit Gericaults von der Antike
bei seinem Aufenthalt inRom, die „aus Gründen“
von neueren Kunstschriftstellern geleugnet werden
muß, bei Cheramy sich wiederum ein guter Be-
weis findet: der Lancier der kaiserlichen Garde,
der neben seinem Pterde steht, ist in Stellung
und Größenverhältnissen ganz den Männern
vor dem Quirinal abgesehen. Vielleicit habe
ich Gelegenheit, nochmals auf diese Frage zu-
rückzukommen, deren Stellung die Zeichnungen
Gericaults (ich erinnere an den im Katalog Bovet
abgebildeten Ringer) veranlaßen, und zu deren
Lösung ein ausführliches Kapitel in Maxime
Ducamps „Souvenirs littéraires“, wo Géricaults
Beziehungen zu Prudhon während des römischen
Aufenthalts geschildert werden, neben dem be-
kannten Aufsatz von Clement (Gazette des beaux-
arts 1867) den wichtigsten dokumentarischen
Anhalt gibt. Uhde-Bernays.
2
Auguste Rodin. L'œuvre et l'homme. Par
Judith Cladel. Préface par Camille Le-
monnier. Bruxelles, Librairie Nationale d'art
et d’histoire. G. van Oest & Cie. 1908.
Rodin ist ein Problem — wie es Lionardo
oder Michelangelo ebenso sind. Ein abschlieBen-
des Urteil über den Meister werden erst kom-
mende Generationen geben dürfen. Auf der
einen Seite unnatürlich gepriesen, auf der an-
deren widersinnig verdammt, wird sich der rich-
tige Wertmesser für die künstlerische Größe
dieses bildnerischen Genies erst dann ergeben,
wenn man die Zeit selbst gegen ihn abwägt,
wenn man klar erkennen wird, mit wie neuem
und reichem Inhalt er diese Zeit erfüllt hat. Und
das kann frühestens in hundert Jahren der Fall
sein. Für uns ist es aber doch interessant, zu
sehen, wie die Gegenwart bereits das Proble-
matische in Rodin erkannt hat, wie gerade diese
Seite seines Wesens früh die Künstler unter
den Literaten angeregt hat, sich mit ihm aus-
einanderzusetzen, um ihm von irgendeinem
Punkte aus nahezukommen. Die Literatur über
Rodin ist beispiellos reich. Es gibt kaum einen
zweiten Künstler der Gegenwart, über den so
viel und so verschiedenartig geurteilt worden
ist wie über den Meister von Meudon. In
Deutschland regnete es noch vor ein paar Jahren
Anathemata gegen ihn, als seine Zeichnungen zum
ersten Mal gezeigt wurden. Als sie in diesem
Jahre wiederum in Deutschland ausgestellt wur-
den, ist man ihnen schon mit einerSelbstverständ-
lichkeit des Verstehens begegnet, die in der Tat
Wunder nimmt. Ist das nicht ein Beweis da-
für, wie schnell sich unter Umständen in unserer
kurzlebigen Zeit alle Voreingenommenheit ver-
liert, wie leicht sich auch das künstlerische Ver-
ständnis beim Publikum aufhellt, wenn es bei
Zeiten geschickte Belehrung erhält. In Deutsch-
land haben vornehmlich Rainer Maria Rilke und
Otto Grautoff über den Meister geschrieben.
Beide gleidi vollwertig. Der erstere mehr als
Künstler und demnach essayistisch, der letztere
mehr als Cicerone und darum mit größerem
Positivismus. In Frankreich ist früh Octave
Mirbeau für Rodin eingetreten, in England
schrieb MiB Helen Zimmern als eine der ersten
über den Meister. Seither erschienen dort, vor-
nehmlidi aber in Frankreich mannigfache Bei-
träge zur Rodin-Literatur. Vor etwa 8 Jahren
— wenn id nicht irre — brachte man in Paris,
vornehmlich mit Unterstützung des Baron Rot-
schild, das in beschränkter Auflage hergestellte
Luxuswerk über die Handzeichnungen des Mei-
sters heraus (verlegt bei Goupil & Co. in Paris),
das mir erst kürzlidi unter die Hände gekommen
15
1152
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
ist und aus dem ich mit innerer Genugtuung er-
sehen habe, wie enge Zusammenhänge gerade
den modernsten aller Bildhauer der Gegenwart
mit den alten Meistern verbinden.
Nun liegt mir das neueste Rodin-Werk vor,
gewiß auch das kostbarste, aus der Feder einer
Dame, die aus nächster Nähe den Meister Jahre
hindurch beobachten konnte Ihr Buch, das
äußerlich mit allen Prätentionen in einer meister-
lichen Form auftritt, Juxuriös ausgestattet, stellt so
schon jedes früher:erschienene Werk in Schatten.
EinBuch über den Menschen Rodin und sein Werk.
Für mich liegt der Nadidruck vor allem auf dem
Menschen Rodin; denn — wie gesagt — das
Werk künstlerisch zu bewerten, halte ich unsere
Zeit noch nicht für reif. Trotzdem gestehe ich
auch da dem Buche der Melle Cladel das Lob
zu, daß es durchaus objektiv gehalten ist, daß
die Bewertung des Rodinschen Oeuvre, zwar
von Frauenhand diktiert, frei ist von jeder Vor-
eingenommenheit, daß es mit seltener Klarheit
und Frische selbst dem philosophischen Gehalte,
den diese Kunst in sich birgt, Ausdruck zu
geben vermochte. Indes höher schätze ich die
eigentliche Biographie. Sie ist neu in ihrer Art,
leicht, graziös, echt Pariserisch. Sie erzählt nicht
nach der mittelalterlich überkommenen Manier,
die da anhebt „Geboren alsSohn“... usw. Sie
gibt Erlebnisse, sie ist plaudernde Causerie und
gerade dadurch bringt sie uns den Meister von
Meudon menschlich nahe. Sie ist — im besten
Sinne des Wortes — Memoirenliteratur. Denn
der Verfasserin Leben ist durch die helle Sonne,
‘die das Beieinandersein mit Rodin über sie aus-
strahlen ließ, voll und eigenartig beleuchtet. Sie
gibt kleine Züge aus dem Leben des Großen,
des petits sentiments, die uns im Nu dem Men-
schen näherbringen, sie gibt aber auch ebenso-
sehr kleine Beiträge zu der Art, wie Rodin
schafft, die ebenfalls nach der Seite hin das
Verständnis für das Oeuvre selbst fördern
können. Ja, das Buch bringt hier und dort selt-
same Betrachtungen von suggestiver Gewalt,
die mit einem Schlage das Dunkel aufhellen, es
zu leuchtender Klarheit verkehren. Darauf geht
Camille Lemonniers Satz, wenn er in der Vor-
rede schreibt: „Il est la claire et triomphante
avenue par laquelle vient à nous un des hom-
mes de ce temps qui donna le plus nettement
l'impression de l'absolu“. —
Soviel aber ist gewiB, in Rodin lebt eine
Welt mit Abgrundtiefen und Sonnenhöhen. Von
dem reinen Zauber klassischer Formensdiünheit
bis hinab zu den Pforten der Unterwelt durch-
leben wir in seinem Werke alle Dunkel und
alle Sonnen der Menschheit aufs neue Es
steckt eine gigantisdie Größe in diesem Meister
von Meudon, es lebt in ihm eine Welt mensch-
licher Tragik, die sich hier und dort zu unheim-
liher Größe steigert. Seit ih Rodin kennen
und lieben gelernt, weicht der Gedanke nicht
aus meinem Geiste, daß seine Kunst ein Stück
allgemeinen Menschenschicksals in sich begreift,
wie wir es in ähnlicher Größe nur noch bei
ganz wenigen Meistern, etwa bei Rembrandt
und Michelangelo wiederfinden. Das kam mir
vor allem erneut zum Bewußtsein, als ich Judith
Cladels Werk an einem stillen Abend durdi-
blätterte, dies Buch, das, wie Lemonnier sagt,
sun rite d'admiration et de piété“ ist. Ein
solcher Beitrag zum Menschen Rodin war in
der Tat nötig, nachdem man so viel über seine
Kunst gefaselt hat. Auch für dieses Buch gilt
die suprema lex aller kunstgesdhichtlichen Weis-
heit: Nur wer den Künstler-Menschen kennt,
kann seine Kunst erkennen. Und den Meister
von Meudon kennt man erst, wenn man
Melle Cladels Buch, das voll esprit, voll feiner
Beobachtungen, voll amüsanter Causerien ist,
mit Aufmerksamkeit gelesen hat. Über moderne
Künstler, die nodı unter uns weilen, könnte
man meiner Ansicht nach gar nicht besser
schreiben. Georg Biermann.
g
Church-Ostwald. Farben und Malerei.
Georg Callwey, München 1908. (Sammlung
maltedın. Schriften, III. Band.)
„Ihe Chemistry of Paints and Paintings
(3. Auflage) von A. H. Church, Professor der
Chemie an der Königl. Kunstakademie London,
liegt jetzt auch in deutscher Sprache vor. Das
Zusammenwirken zweier hervorragender Fach-
männer sichert dem vorzüglihen Handbuch
überall die allerbeste Aufnahme Man wird
nirgends versäumen, es gründlih durchzu-
arbeiten.
Es wird jedoch zu einer immer wichtigeren
Aufgabe, über dem vielen Detail das Ganze der
maltechnologischen Frage nicht aus dem Auge
zu verlieren. Ansprüche wissenschaftliher und
Einflüsse wirtschaftliher Natur treten hier in
die Malkunst ein und schaffen durch Konkurrenz
eine reichlich schwierige Lage.
Die Ausübung der Malerei war, wie bekannt,
seit etwa 200 Jahren unter stark veränderte
Bedingungen gestellt. Die großen Malakade-
mien verursachten allmählich eine deutliche Ent-
fernung der Kunst vom Handwerk. Die Meister
fanden immer weniger Anlaß, ihre handwerk-
lihen Erfahrungen auf die Schüler zu über-
Literatur
tragen. Die Unsicherheit muBte stets wachsen.
Sdion Reynolds beniitzte nach Church um 1770
roten Lack, Karmin und Asphalt bei unverein-
baren Bindemitteln. Dazu kamen die von der
synthetishen Chemie neu entdeckten Farben:
Preußisch Blau 1704, künstl. Ultramarin und
Schweinfurter Grün 1814, Kadmiumgelb 1817,
Chromoxyd feurig 1838. Die gleichzeitige Ver-
breitung unkontrollierter Tubenfabrikate mußte
die Sorglosigkeit fördern. Die geistige Reform
in der Malerei des XIX. Jahrhunderts be-
schäftigte das Interesse allzusehr, als daß
dem neuen Material eingehendes Studium zu-
gewandt werden konnte. Da setzte vor
etwa 30 Jahren die technologische Reform
ein. In A. W. Keims Publikation „Über Mal-
technik“ (Leipzig 1903) findet sich eine um-
fassende Darstellung all der damaligen Mühen
und Kämpfe, die nötig waren, um der gesunden
Vernunft Raum zu schaffen. Positive Ergebnisse
waren alsbald da: staatliche Versuchsstationen,
Fachpresse und wichtige wissenschaftliche Ar-
beiten, technischer Unterricht an mehreren öffent-
lichen Anstalten, Kongresse und Tagungen, Be-
schlüsse und fruchtbare Versuche zur Normierung
einer verläßlichen Farbenskala u.a. m. —
Die Meinung, daß die Maler dieser Reform-
arbeit heute nicht das nötige Interesse entgegen-
brächten, ist verfehlt. Auch jeder ungünstige
Anschein wird schwinden, sobald die wirkliche
Sachlage reiflich überlegt ist. Der Maler steht
vor einer umfassenderen und bestechenderen
Aufgabe, als es die nackte Wahl eines auf alle
Fälle haltbaren Materials ist. Ganz ähnlich wie
der Feldherr und seine schlagfertige Armee,
ähnlich wie der kühine Reiter und sein RoB. Zu
viel Bedenklichkeit lähmt die Tat. Eine aus-
gesprochen praktische Anleitung zur Kennt-
nis des rechten Materials ist -- nebst den
nötigsten theoretischen Erläuterungen — gewiß
in jeder Schule unentbehrlih. Die Methode der
Berliner Kunstakademie seit 1902 (Prof. Wirth)
böte hier die beste Aussidit. Sobald genügend
Stellen da sind, wo rationelles Handwerk
gelehrt wird, muß jede Unsicherheit von selbst
verschwinden. Solange jedoch angewandte
Chemie (ebenso wie angewandte Anatomie u. a.)
durch wissenschaftliche Spezialisten systematisch
doziert werden soll, wird notwendig eine gewisse
Lücke fühlbar bleiben. Auf dievorhandene grund-
sätzliche Verschiedenheit wissenschaftlicher und
künstlerischer Denkungsart kann hier nur leicht
hingedeutet werden. Der Technologe ist immer
geneigt, über manches allzu rasch hinwegzu-
gehen, bei mandıem allzu eingehend zu ver-
weilen. Der Maler fühlt sich nicht mehr mit-
genommen, zu oft sciwebt die Belehrung in
1153
der Luft und ist nidıt anschaulich zu demon-
strieren. Endlich ist der richtige Künstler, wie
man weiß, zu methodisctem Vorgehen und
Denken nie übermäßig disponiert. Der Gelehrte
zäumt hier das RoB am falschen Ende. Georg
Hirth wünscht sich eine „geistreiche, geologisch
unfehlbare Maltechnik“. (Münchens Niedergang
als Kunststadt, 1902.) Malerei will aber noch
etwas anderes sein als exakte übergeduldige
Pinselei, etwas anderes als archaistisdıe Nadh-
ahmung echt teutonischer Museumsbilder.
W. Ostwalds wissenschaftlihe Taten, sein
lebendiger Sinn für eine vernünftige Gestaltung
des Lebens können nur von berufener Seite
voll bewertet werden. Seine tatkräftige Teil-
nahme an der Lösung maltechnischer Fragen,
die frische, völlig vorurteilslose Art, mit der er
an sie herantritt, ist sicherlich höchst will-
kommen. Ganz gewiß ist der bisherige anti-
quarishe und „philosophische“ Betrieb der
Kunstwissenschaften für die lebendige Kunst
fast immer unbefriedigend, unfrudıtbar und ent-
behrlich. Sie können sich mit der Malerchemie,
einer echten, brauchbaren Kunstwissenschaft, die
nicht von der Kunst lebt, sondern in der Kunst
selbst, an Wichtigkeit nicht messen. Dennoch
erscheint Ostwalds Forderung, der bildende
Künstler müsse eine mindestens ebenso gründ-
liche naturwissenschaftliche Bildung haben wie
beispielsweise der Mediziner, als fast zu hoch
gegriffen. (A. H Church fordert nur elementare
Kenntnisse.) Noch schwieriger ist seine weitere
Forderung zu erfüllen: die unbewußte Eingebung
habe dem bewußten Können, dem Klarwerden
über die zweckvollen Mittel zu weichen. Sogar
B. Shaw, der sich selbst mit Stolz unter die
denkenden Künstler recinet, gesteht gerne, er
habe über die Gestaltung seiner Figuren nicht
mehr wirklihe Macht als — über seine Frau.
Die Musen sind, wie allgemein die Rede geht,
weiblicher Natur. Th. Gautier gestattet sich
darum einmal den starken Ausdruck „devirginer
la Muse“. Und es sollte aufrecht erhalten bleiben,
daß die Malerei mehr als ein raffiniertes Hand-
werk sein kann. —
Die Sache aber ist die: Die Malerchemie
selbst scheint noch keinen völlig sicheren Weg
vor sich zu sehen; sie erhebt aber dabei deutlich
Anspruch, den einzig wahren Weg aufzuzeigen.
Man wird sich eben allseits mit Geduld wappnen
müssen, bis die Frage reifer geworden ist. Beim
Maler liegt der Fall heute so, daß er von
eigenen chemischen Versuchen nur sehr selten
Vorteil haben kann. Ein nervöses Mißtrauen
gegen alle gekauften Farbenfabrikate kann er
sich nidit leisten. Er kann schließlich nicht jede
neue Lieferung, seien es Rohfarben oder Tuben-
1154
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
farben mit unbekannten schwierig zu behan-
delnden Bindemitteln, eigens durchpriifen. Er
wird jene bewährten Firmen, denen er sein
Vertrauen schenken zu dürfen Grund hat, die
Verantwortung für die Güte der Fabrikate über-
lassen müssen. Fabrikware wechselt in der
Qualität; der Handel, die Produktion ist von
der Nachfrage abhängig; alljährlich tauchen neue
Produzenten auf, deren Ware mitunter der Kon-
kurrenz zum Trotz ganz vortrefflich sind, wie
Behrendts Ölfarben. Hier kann auch der fleiBigste
Chemiker mit seinen Analysen und Prüfungen
nicht Schritt halten. Treu und Glauben ist wohl
hier nicht auszuschalten. Es wäre schon viel
getan, wenn die Fälschungen an Benennung,
Güte, Gewicht, die Phantasienamen und Sdiö-
nungen nicht nur durch lehrhafte Warnung vor
ihnen bekämpft würden. Im Handel scheint noch
immer wenig Verständnis dafür da, daß Farben-
fälschung und Lebensmittelfalschung sehr ver-
wandte Künste sind. —
Das Ziel aller Überlegung ist die Paletten-
frage. Farbenwahl, Hindernisse beim Mischen.
Die Feststellung der Normalskala ist noch nicht
eindeutig. Jede Maltechnik verlangt eine andere
Farben-Einwertung. Church gibt nur für Wasser-
farbe und Ölfarbe Paletten an. Die schwierige
Voraussetzung jeder Normalpalette heißt: fehler-
loses Fabrikat. Zinnober und Preußischblau
können nur in bester Qualität Dienste tun. Soll
man ferner Schweinfurter Grün und Minium nur
darum ausschließen, weil sie kein Kadmiumgelb
vertragen? Ein guter Ersatz für Kadmium wäre
eine Erlösung. . Über Minium (Saturnrot) ist
man sich nidıt einig. Linke nennt es eine gut
lichtecite Ölfarbe, doch keine Normalfarbe.
Church will Minium nur im Pastell verwendet
sehen. Ostwald miBtraut ihm tiberhaupt. Bis-
her habe ich noc nicht erfahren, warum Minium
zu verwerfen sei. An sich ist die Farbe haltbar
und schön, das übrige hängt an der Art des
Auftragens. — Am schwächsten ist seit jeher
Violett vertreten. Krapp und eine der drei
blauen Farben gibt eine recht mäßige absolute
Wirkung. Kobaltviolett (Lefranc) ist sehr schön,
wirkt aber schwer und verliert eben wie das zu
dunkle Manganviolett (W. u. N.) beim Mischen
in Weiß jeden Reiz. Windsor und Newtons
Geraniumrot, das übrigens auch von Church zu-
gelassen ist (S.283), bildet hier immer noch das
einzige Hilfsmittel. Auch das reizende Coelin-
blau (49,7% Zinn-Dioxyd, 18,6°/, Kobaltoxyd,
31,7°/, Kieselsäure) wird von Church unter den
wirklich beständigen Farbstoffen angeführt, ob-
wohl es in Mischungen leicht verdirbt. —
SclieBlid wird man in der Ölfarbe von
übermäßigen Forderungen zurückkommen müssen.
Sie ist als Ganzes nicht hervorragend beständig,
und selbst Grundfarben wie BleiweiB oder
Krapplack verlieren im Alter ihre Schönheit. Die
schädlichen Schwefelgase dagegen werden bei
Luftheizung nicht mehr zu fürchten sein. Fresco
und Stereochromie scheinen wegen ihrer zu
stereotypen Farbenskala und wegen der Un-
sicherheit ihres Grundes nicht mehr verlockend.
Falls keine neuen Verfahren entdeckt werden,
könnte an ihrer Stelle das Farbenmosaik zu
neuen Ehren kommen. Man darf gespannt sein,
welche Verfahren die Wandmalerei der Zukunft
am meisten bevorzugt, denn vom realistiscien
Tempera und Ölbild kann nicht mehr viel die
Rede sein.
Churchs Handbuch bedeutet die Erfahrungen
fünfzigjähriger Arbeit. Die vorhandene Material-
kunde ist ebenso gründlich wie interessant ge-
ordnet. Die Malgründe sind an erster Stelle
eingehend besprochen. Der englische Gelehrte
scheut audı nicht zurück, hie und da auf noch
unaufgeklärte Erscheinungen hinzuweisen. Den
Maler werden die letzten sechs Abschnitte über
Malverfahren und Farbenprüfung ganz beson-
ders angehen.
W. Ostwald hat diese Ausgabe mit sehr
wertvollen Zusätzen versehen. Er befürwortet
u. a. Aluminium und Linoleum als Malgrund,
Kasein und vor allem Stärke als Tempera-
Bindemittel; auch verheißt er ein lichtechtes
Lithopon-WeiB. —
Wenn so weitergearbeitet wird, sind die
Galerie-Besitzer und Kunstgelehrten kommender
Jahrhunderte zu beneiden.
Rudolph Czapek.
Q
Ferdinand Georg Waldmiiller. Sein
Leben, sein Werk und seine Schriften.
Herausgegeben von Arthur RoeBler und Gustav
Pisko. Wien 1908. Selbstverlag von G. Pisko.
2 Bande in Querfolio.
Dem schénen Gedächtniswerke fir Segantini,
das durch Munifizenz des ésterreichischen Kultus-
ministeriums und zahlreicher Privater ermöglicht
wurde, ist jetzt ein noch gewichtigeres Buch
gefolgt, in welchem Waldmüllers sämtliche Ar-
beiten enthalten sind. Mit Staunen haben wir
angesichts der glänzenden Ausstattung dieser
Prachtbande (unter denen Segantini voransteht)
die Tatsache festzustellen, daB offenbar das
österreihishe Publikum weit mehr Geld für
derartige kostspielige Publikationen, denen sich
bei uns keine zur Seite stellen kann, besitzt, als
das Unsrige, wobei allerdings der heimatliche
Ehrgeiz stark mitspielt. Ob es Waldmüller ver-
Literatur
1155
dient, so auBerordentlich gefeiert und bevorzugt
zu werden, bleibe für sih — „reichsdeutsche“
Maler von weit höherer Bedeutung werden
wohl niemals zu einer solcien monumentalen
Würdigung kommen, ja sie erreichen nicht einmal
immer das bescheidene Denkmal einer kleinen
Monographie. Felix Austria!
Neue Offenbarungen, die zueiner Verschiebung
der Stellung Waldmüllers in der Kunstgeschichte
führen könnten, waren kaum zu erwarten und
sind auch nicht eingetroffen. RoeBlers empha-
tische Einleitung übertreibt den Kult des Dankes,
der dem Künstler zu zollen ist, in störender
Weise und kommt bei aller Herzlichkeit des
angeschlagenen persönlich begeisterten Tones
nicht über ein gedehntes Feuilleton hinaus.
In dem Riesenbande vermitteln nur die
Heliogravüren eine deutliche Vorstellung von
den Bildern Waldmüllers. Unter ihnen befinden
sich einzelne Drucke von mustergiltiger Klarheit.
Die Buntdrucke geben bedauerlicherweise von
dem Leuchten der Farben keine Ahnung und so
fehlt ihnen das wichtigste Kriterium der Wald-
millershen Kunst.
Neu ist der Band, in welhem Waldmüllers
Schriften gesammelt vorgelegt werden. Aus
ihnen ergibt sich ein ganz interessanter Gegen-
satz im Vergleich der Persönlichkeiten Wald-
müllers und Grillparzers. Wie Grillparzer,
der Dichter, der nur um wenige Jahre älter war,
als Waldmüller und diesen noch überlebte, ging
Waldmuller, der Maler, verbittert und grollend
durch seine Vaterstadt. In der innerlichen Ver-
stimmung, die sich wohl zu einer selbstquäle-
rischen Herabwürdigung steigerte, wenn wieder
ein ergebnisloser Kampf geschlagen war, zu dem
die Überzeugung der eigenen Superiorität, der
Arger über fremde Kleinlichkeit gerufen hatten,
sind sich die beiden Männer ähnlich, die als ge-
borene Österreicher die geistige Würde ihrer
Heimat ein halbes Jahrhundert lang fast allein
aufrecht erhielten, freilici mit dem Unterschied,
daß es dem Genius des Dichters gelang, sich in
der Freiheit seines Schaffens von den umgeben-
den Schranken zu befreien, was der Maler wohl
sehnsüdtig gewünscht, aber niemals erreicht hat.
Darum sind beide audı kühl aneinander vorbei-
gegangen und die flüchtige Bekanntschaft, die
Waldmüller bewog, ein Bildnis Grillparzers zu
malen, förderte keinen ständigen Verkehr, der
am Ende doch den Maler auf andere Bahnen
gewiesen hätte. Sicherlich ist die UnmGglichkeit
der Harmonie durch die fatalen Lobesworte zu
erklären, die Waldmüller, hier völlig verblendet,
durchaus reaktionär, und sogar zu einem künst-
lerisch nicht unbedenklidien Urteil sich ver-
steigend, in seiner nach Jahresfrist neu auf-
gelegten Schrift „das Bedürfnis eines zweck-
mäßigen Unterrichtes in der Malerei und
plastischen Kunst“ im Jahre 1846 über das
minderwertige Buch eines Canonikus Speth „Die
Kunst in Italien“ ausgesprochen hatte. Wenn
Waldmüller schreibt, daB Speths Buch als ein
wahrer Kanon betrachtet werden müsse, ja fort-
fährt, Männer wie er täten Not in Deutschland,
und wir ziehen die erzürnten Anmerkungen
zum Vergleiche heran, die Grillparzer über Speths
Bud in seinen ästhetischen Studien macht („Ein
Hund ist der Speth, der in seinem Buche albernes
Gewäsche vorbringt“ — „Elender, für Deines-
gleidien hat Rafael nicht gemalt“), verstehen
wir, daß zwischen Grillparzer und Waldmüller
eine Kluft eingerissen war, die sich niemals
hätte ausfüllen lassen. Schriftstellerischer und
künstlerischer Dilettantismus blieb eben der
Ernsthaftigkeit Grillparzers zeitlebens verhaßt.
Er hat, im Grunde das Gleiche wollend wie
Goethe, der sich für einen gewissen Dilettantis-
mus freundlidı ausspricht, eine Reihe scharfer
Auslassungen über diese Frage gemacht. Und
Waldmüllers Schriftstellerei ist doch nidıts
anderes als Dilettantengeschreibe, das überdies
aus einer recht galligen Feder floB. Bei der
Durchsicht der langatmigen Schriftstücke, die er
wie ein armseliger Querulant an sein Ministerium
und an die Öffentlichkeit richtet, beim Lesen der
unbedeutenden, verkennenden Äußerungen über
Ruysdael, Veronese, über die Historienmaler in
Paris überkommt uns der Wunsch, diese Blätter
möchten zum höheren Ruhm des Malers der
Verniditung überantwortet werden. Ganz gewiß
schadet es einer unparteiishen Wertung des
Künstlers Waldmüller, wenn wir vernehmen,
daß weniger Delaroche, Vernet oder Ary Scheffer,
die zwar verehrungsvoll genannt werden, den
Preis erhalten, sondern allein der unterdeB gott-
lob so gut wie vergessene Charles Miiller, dessen
„Geist es verstanden hat in die innersten Tiefen
der psychiscien Erscheinungen zu tauchen und
mit der nie täuschenden Fackel der Wahrheit
ihre Eigentümlichkeit erforscht und die Kraft
gefunden hat, sie wahrhaftig künstlerisch zur
Anschauung zu bringen“. Der Heroensdıar
Frankreichs hat Deutschland nach Waldmüllers
Ansicht nur einen einzigen gegenüberzustellen:
Lessing! — — Waldmüller war 1856 in Paris,
zu einer Zeit, als der Sieg des Delacroix sdıon
entschieden war, als Gros und Delaroche, ja
selbst Couture hatten abdanken müssen. Er ist
also blind an den Werken einer Kunst vorüber-
gegangen, die mit lodernden Flammenzeichen
verkündete, was Waldmiiller, nach mandıen
seiner Bilder zu schließen, selbst gewollt hat.
So ist er wie mit einer Binde vor den Augen
1156
Monatshefte für Kunstwissenschaft
auf dem Berge gestanden, von dem er hätte
dankbaren Sinnes in das gelobte Land hinein-
schauen können. Tat es not, uns nach fünfzig
Jahren das Unvermögen eines alternden Ver-
standes, noch dazu mit hohen Worten der Ein-
führung, dokumentarisch zu belegen?
Der Verdruß über den einseitigen Skribenten
Waldmüller, dessen reformatorische Vorschläge
über Kunsterziehung und Kunstunterricht dennoch
eines bescheidenen historischen Interesses nicht
entbehren, wandelt sich bei der Betrachtung des
großen Werkes, das der Künstler hinterlassen
hat, in ehrliche Anerkennung seines FleiBes und
seiner vielseitigen Begabung. In seinem Leben
hat Waldmüller außerhalb seiner Zeit gestanden,
nicht weil er sich stolz Bürger einer glücklicheren
Zukunft nennen konnte, sondern weil ihm das
bedenkliche Geschick bestimmt war, die dıarak-
teristiscien Eigenschaften seiner, der öster-
reichischen, Heimat gerade in seiner Zeit in sich
zusammenzuschließen. Das als einen Vorzug zu
erkennen, sind die Mitlebenden nicht imstande
gewesen. Während die künstlerische Entwick-
lung unterdessen weit über Waldmiillers be-
scheidene Ahnungen und Wünsche fortgeschritten
ist, erscheint sein Wirken den heutigen Nach-
kommen seiner Mitbürger verehrungswürdig wie
kaum ein anderes. Das ist auch der Grund,
weshalb in Wien dem Andenken Waldmiillers
ein Prachtwerk wie das vorliegende gewidmet
werden konnte, das die vielen beschaulichen
Freunde der Kunst des Meisters innerhalb und
außerhalb der schwarz-gelben Grenzzeichen
dankbar aufnehmen werden.
Uhde-Bernays.
9
Wohnung und Hausrat. Beispiele neu-
zeitlicher Wohnräume und ihrer Ausgestaltung.
Mit einleitendem Text von Hermann Warlich.
F. Bruckmann A.-G. München 1908.
Die Bewegung, die eine völlige Neugestal-
tung unserer Wohnungskunst zum Ziele hat,
besteht nunmehr seit zehn Jahren. Auf der
Münchner Ausstellung 1897 der vereinigten
Werkstätten für Kunst und Handwerk trat sie
zum erstenmal in die Öffentlichkeit. Seitdem
hat sie eine von Jahr zu Jahr wachsende Aus-
dehnung angenommen, neben den Münchner
sind die Dresdner Handwerksstätten, die Darm-
städter Künstlerkolonie, die Wiener und die
Saalecker Werkstätten bei Kösen in Thüringen
ihre Hauptpflegestätten geworden. Es ist kein
Zweifel mehr: wir haben einen Stil, und es
kann nur eine Frage der Zeit sein, bis er die
Zeit verknüpfen.
Nation lebendig durchdringt, soweit das mög-
lich ist.
Von der größten Wichtigkeit im gegenwär-
tigen Zeitpunkt ist darum eine Zusammen-
fassung der modernen Errungenschaften, wie
sie das vorliegende Werk darbietet. Es wer-
den nur ausgesuchte Beispiele, Schöpfungen der
ersten Meister unserer Zeit, geboten. Der ärgste
Feind der modernen Strömung kann hier nicht
anders als sagen: daB das Gewaltsame, Sezes-
sionistiscie, das den ersten Erzeugnissen der
jugendlichen Bewegung vielfach anhaftete, durch-
gehends dem Ernsten, Gesunden gewichen ist.
In erster Linie soll das Buh praktischen
Bedürfnissen dienen. In der Einleitung wer-
den Anregungen gegeben, wie man bei Anlage
und Einrichtung seiner Wohnung zu verfahren
hat, um sie den Bedürfnissen des Geschmacks
und der Hygiene gemäß, auszugestalten. Es
wird angedeutet, in welcher Weise die Raum-
verhältnisse, die Beleuchtung, die Farbenwirkung
und das Material behandelt werden müssen,
damit der Wohnraum eine Einheit wird, ein
Organismus; wie er zu einem Ausdruck un-
serer persönlichen Lebensart und -kunst er-
hoben wird; wie sich die ästhetischen Forderun-
gen mit den hygienischen Anschauungen unserer
Es werden Anregungen ge-
geben, wie man das Empfangszimmer gastlich,
das Speisezimmer sauber und heiter, das Herren-
zimmer ernst und einfach, das Wohnzimmer
behaglich-familiär gestalten kann. Die prak-
tischen und hygienischen Bedürfnisse der Schlaf-
Kinder- und Wirtschaftsräume werden demon-
striert, und zu jeder Gattung werden zahlreiche
Belege in Abbildung gegeben. Beispiele mo-
derner Heiz- und Beleuchtungskörper bilden den
Schluß. Die schöne Publikation bildet das Gegen-
stück zu der im vorigen Jahre von dem gleichen
Verlag herausgegebenen Sammlung: „Land-
haus und Garten“ von Hermann Muthesius.
Hermann Schmitz
2
Berthold Haendke. Kunstanalysen
aus neunzehn Jahrhunderten. Ein Hand-
buch für die Betrachtung von Kunstwerken.
Verlag von George Westermann in Braun-
schweig. 1908. 4°. 274 S.
Wie sehr Kunstgeschichte sich in den letzten
10—20 Jahren gewandelt hat, danach strebt, über
das nackte Tatsachengerippe hinauszukommen,
im Fechner schen Sinne „Ästhetik von Unten“ zu
treiben und Handhaben zum Verständnis des
Künstlers und Kunstwerks zu geben, beweisen
Literatur
Haendcke's „Kunstanalysen“. Das Buch „will nicht
in erster Linie kunstgeschichtlihe Kenntnisse
übermitteln, sondern bei nur loser historischer
Verbindung der einzelnen Kunstwerke künst-
lerische Fragen im engeren Wortsinne sachlich
erörtern“. Es wird hier, soweit dies im knappen
Rahmen eines Handbudhs möglich ist, eine Hand-
habe zum Eindringen in das Wesen eines Kunst-
werks gegeben, nicht als festgeprägte Formel,
die der Lernende kritiklos übernehmen kann,
sondern mittels Analyse eines Werkes, das in
guter, oft ganzseitiger Reproduktion beigegeben
ist. — Aus der ungeheuren Materialfülle hat
Haendcke allein das Wesentliche herausgegriffen,
ist nur auf die Meister eingegangen, die von
entwicklungsgescichtliher Bedeutung sind oder
Werke von höchstem künstlerischen Wert
geschaffen haben. Und auch bei diesen ist nicht
Vollständigkeit im Aufzählen ihres (Euvres an-
gestrebt, an einzelnen charakteristishen Bei-
spielen wird auf die Eigenart des Künstlers
eingegangen. Besonders gelungen sind die
Kapitel über altchristliche Basiliken, romanische
und gothische Architektur.
Bei der Fülle des Gegebenen scheut man
sich fast, einige Bedenken geltend zu machen,
Vermißt wird Pieter Bruegel d. A., dessen Namen
im Buche nicht genannt wird, uud dieser erste
konsequente Realist, der eine Bresche in die
kirchliche Kunst des XVI. Jahrhunderts geschlagen
hat, hätte gerade in diesem Buche nicht fehlen
dürfen. Analysiert wird die Darmstädter Ma-
donna Holbeins, reproduziert dagegen die
Dresdner Kopie.
Am wenigsten gelungen scheinen mir die
Ausführungen über das XIX. Jahrhundert. Hier
verläßt den Verfasser bis zu einem gewissen
Grade sein sonst so sicherer Blick für Qualität
und Bedeutung des einzelnen Künstlers. Aus
der Barbizon-Schule hätte man an Corots und
Dupres Stelle Rousseau, den viel Bedeutenderen,
lieber gesehen. Leibls Name fehlt gänzlich,
während sogar Bilder der Worpsweder ana-
lysiert werden. Auch ist das Zusammenfassen
der Künstler in bestimmte Gruppen nicht immer
sehr glücklich; Tschudis Text zum Werk über die
Jahrhundert-Ausstellung gibt in seiner knappen,
meisterhaften Formulierung wesentlich mehr.
Doch kommen diese Ausstellungen neben
dem Gebotenen kaum in Frage; dem Buche ist
in Schulkreisen die größte Verbreitung zu
wünschen, es füllt neben den vorhandenen
Kompendien eine Lücke aus. Rosa Schapire.
9
1157
Thieme und Becker. Allgemeines Lexikon
der bildenden Kiinste. Von der Antike bis zur
Gegenwart. Zweiter Band. Antonio da Monza-
Bassan. Leipzig. W. Engelmann, gr. 8°. 1908.
(M. 32.—, geb. M. 35.—.)
Nicht ganz in halbjähriger Frist ist der zweite
Band dieses großen Werkes, im Umfang von 600S.
erschienen. An größeren monographieartigen
Abhandlungen bietet er eigentlich nur die eine
aus der Feder K. Freys über ,Arnolfo di Cambio
und di Firenze“. Aber auch unter den kürzeren
Beiträgen befinden sich viele wertvolle, erst-
malig zusammenfassende Abhandlungen. Für
die Griindlichkeit derDurcharbeitung des Materials
gibt u. a. die riesige Anzahl der „Bartolommeo*-
Titel einen leuchtenden Beweis ab. Die am
ersten Band gerühmten Vorzüge, z. B. die wert-
vollen bibliographischen Nachweise, bestehen
natürlich weiterhin fort. In der Frage der Ein-
ordnung des einzelnen Künstlers, scheinen die
Herausgeber mehr meiner Ansicht, die ich bei
der Besprechung des ersten Bandes darlegte,
zuneigen zu wollen: wenigstens findet man
Franz Band, Barocci usw. hier unter ihren rich-
tigen Namen eingestellt; bei Bacchiacca, andrer-
seits, steht der Verweis auf den Familiennamen.
In den Seitentiteln (z.B. ,Bartolommeo“) ist leider
die von mir vorgeschlagene Erleichterung nicht
angenommen worden, und vor allem haben sich
die Herausgeber die anempfohlene Beschränkung,
d. h. AusschlieBung von Titeln neuerer Künstler,
über die sie nicht in der Lage waren, das eigent-
lihe wissenswerte zu bringen, nicht auferlegt.
Alessandro Baglioni, Fr. Barbie, John
Barrow, August Barry, R. C. Barnett, z.B.
sind fünf, auf gut Glück herausgegriffene Titel
die man füglih ganz vermissen könnte. Das
MaB der dargebotenen Bereicherung unseres
Wissens über diese Künstler ist versciwindend
gering und verlohnt in keiner Weise das Opfer
an Raum das man ihnen gebradit hat. Ich
glaube aber bestimmt annehmen zu dürfen, daß
die Herausgeber bald zu dieser Einsicht gelangen
werden. Es ist ja sehr sdıön daß sie z. B.
B. Baldini von den 39 Seiten die er bei ihrem
Vorgänger — Meyer s Lexikon — inne hat auf
II. Seite herabgemindert haben, oder die 20Seiten
H. Baldungs dort auf 2'/, hier herabschraubten.
Damit ist aber nodı nidıt Genügendes geleistet.
Sie stehen jetzt am Schluß ihres zweiten Bandes
auf Seite 312 von Naglers erstem Band. An
der Hand von Nagler berechnet, würde sich das
neue Lexikon demnach auf vierzig (statt der
angesagten zwanzig!) Bände entwickeln. Noch
ausschlaggebender dürfte die Beredinung an der
Hand meines Lexikons sein. Hier sind sie an
\
i
j H
d \
1158
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
der 78. Seite des ersten Bandes angelangt.
Denkt man sich nun den ersten, von Müller ge-
lieferten Teil in gleichem MaBstabe ausgebaut,
wie ich den zweiten Teil ausbaute, so wirde
sih mein Lexikon auf rund 3500 Seiten be-
laufen haben. Dem wirden nicht weniger wie
fiinfundvierzig Bande in dem Umfang und
der Art der vorliegenden zwei Thieme und
Becker’schen entsprechen! In meiner Berechnung
tdusche ich mich eher zu Thieme und Beckers
Gunsten; denn in meiner zweiten Hälfte ist
nicht nur die Zahl der Einträge stark vermehrt,
sondern die einzelnen Einträge sind auch viel
knapper gehalten wie im ersten, Miiller'schen, Teil.
Wenn Thieme und Becker uns mit einem
beiläufig vierzigbändigen Lexikon beschenken
wollen und können so ist ja alles recht gut
und schön; man muß sich nur nicht der Täuschung
hingeben daß die Sache auf die vorliegende
Art mit zwanzig, nidıt einmal mit dreißig dicken
Bänden abzumadhen sei. Man muß auch daran
erinnern, das zehn Jahre, wie angekündigt,
eine lange Erscheinungsfrist darstellen, die
entschiedene Naditeile mit sich bringt, folglich
also eher verkürzt als wie verlängert werden
sollte. Hans W. Singer.
g
Fritz Knapp. Die Kunst in Italien.
Eine Einführung in das Wesen und Werden
der Renaissance. Verlag Dr. Franz Stoedtner,
Berlin 1908.
Es gehört Mut dazu, bei den schon vor-
handenen Kkunstgeschidtlihen Handbüchern ein
neues Unternehmen wie das hier angezeigte
herauszubringen, das den dritten Band einer
auf mehrere Abteilungen berechneten Kunst-
geschichte darstellt unter dem Gesamttitel „Vor-
lesungen zur Geschidite der Kunst“.
Indes dies Stoedtnersche Unternehmen hat einen
pddagogiscien Nebenzweck und der wird es
vor allem sein, der dem Werke sehr bald Ein-
gang, vielleicht sogar als Lehrbuch in den
Schulen, verschaffen wird. Das wäre aufrichtig
zu wünschen. Denn gerade bei den Bestre-
bungen, die in unserer Zeit immer wieder zu-
tage getreten sind, muß eine Kunstgeschichte
wie die von Fritz Knapp vornehmlich bei denen
Beachtung finden, für die das Wort von der
künstlerischen Kultur des Volkes nicht nur als
ein leeres, totgeborenes Programm existiert.
Aber auch für den Kunsthistoriker von Fach
ist das Stoedtnersche Unternehmen wichtig.
Denn die Reproduktion der Diapositive machen
es jedem Dozenten zu einem unentbehrlihen
Handbuch. Auch bringt außer den abgebildeten
Stücken der Anhang einen genauen Katalog aller
bei den Vorlesungen zu verwendenden Diaposi-
tive. So soll die neue Kunstgeschichte in erster
Linie einem rein pädagogischen Zweck dienen.
Sie gibt gewissermaßen den Wortlaut eines
Kompendiums, das was ungefähr eine zusammen-
hängende Vorlesung über die Kunst der Re-
naissance bringen würde, wobei die eingeschal-
teten Illustrationen, ähnlich wie Lichtbilder bei
einem Vortrage, das Gesagte erläutern sollen.
Ich finde, daß Prof. Fritz Knapp ganz aus-
gezeichnet den Ton instruktiver und gefälliger
Belehrung getroffen hat, daß es ihm tatsächlich
gelungen ist, ein so reichhaltiges Kapitel wie
das über die Kunst der Renaissance in eine
zwar konzentrierte, dabei aber doch lebendige
Forın zu fassen. Gegenüber anderen Hand-
büchern wirkt gerade die Lebendigkeit des ge-
sprodenen Wortes ungemein wohltuend und
anregend. Dabei ist die Disposition im Ein-
zelnen sehr geschickt und wenn man vielleicht
auch Kapitel wie die über „Das frühe Mittelalter“
oder den „Beginn der Renaissance in der Plastik
und Donatello“ sehr gern nach dieser oder jener
Seite hin erweitert sähe, so ist man doch zu-
frieden, da man die Disposition im ganzen
überblikt und dabei gern erkennt, wie nur
durch eine so geschickte und dabei streng
wissenschaftlihe Trennung des Stoffes das
Ganze in dieser konzentrierten Form zu mei-
stern war.
Persönlich möchte ich hoffen, daß gerade die
weiten Kreise des kunstinteressierten Publikums
die Vorzüge der Knappschen italieniscien Kunst-
geschichte bald erkennen werden. Ich halte die
Idee des Verlegers für außerordentlich glücklich,
denn Bücher wie dieses hier angezeigte sind
zugleich im besten Sinne Lesebücher der Kunst-
geschichte und als soldie haben sie ihren emi-
nenten erzieherishen Wert. So darf man audı
den bereits angekündigten ferneren Bänden des
Unternehmens mit Spannung entgegensehen.
Biermann.
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Michon, E. Bas-reliefs antiques de la Corse
(Bull. archéol., 3.)
Mot, J. de. A propos du dessin des peintres
ceramistes grecs. (Bull. Mus. R. Bruxelles, 10.
1160
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Müller, R. Artemistempel bei Kombothekra.
(Mitt. archdol. Instit., 3.)
Nilsson, M. Schlangenstele des Zeus Ktesios.
(Mitt. archäol. Instit., 3.)
Normand, Ch. Les trouvailles de murs ro-
mains et la Tour de la Pucelle a Rouen.
(Ann. d. monum. etc., 124.)
Patsch, C. Kleinere Unternehmungen in und
um Narona. (Jahrb. f. Altertumsk., 2—3.)
Perrot, G. Un inventaire des matériaux
de l'archéologie classique, Il. (Journ. d.
savants, 10.)
Piganiol, A. Les origines du Forum. (Melang.
d’archéol. et d’hist., 3.)
Plessier. Une stele à l'image de Mercure et
Rosmerta trouvée dans le vieux lit de l'oise.
(Ami. d. monum. etc., 124.)
Thommesen, Rolf. Kunstneren i den gräske
Kunst. 70 S. (23'/,><18'/,) Kristiana 1908,
H. Aschehoug & Co. Kr. 2.—
Versace, F. Der Tempel und die Stoa im
Amphiaraesion bei Oropos. (Mitt. archäol.
Instit., 3.)
3. Alte Baukunst.
(Architecture ancienne. — Ancient archifecture.)
Architektur, die, der Renaissance in Toskana.
Dargestellt in den hervorragendsten Kirchen,
Palästen, Villen u. Monumenten nach den Auf-
nahmen der Gesellschaft San Giorgio in Flo-
renz nadi Meistern u. Gegenständen geordnet,
hrsg., weitergeführt u. vollendet von Dr.Carl
v. Stegmann u. Heinr. v. Geymüller. Mit aus-
führlich illustr. Text. Allgem. Ausg. 45 u. 46.
(SchluB-)Lfg. (8 Taf. m. VIII, VII, VII, VII,
IX, VIH, S. 5—12, 20, 2, 3, 1, 6, 6, 6, 12, 22,
10, 2, 2 u. 4 S. Text.) 64,5><46 cm. Beilagen:
SchluBwort und Nachtrag zur Monographie
Michelozzos, von Heinr. v. Geymiiller. [Aus:
„Jahrb. d. kgl. preuB. Kunstsammign.“] (12 S.)
34><23,5 cm. — Friedrich II v. Hohenstaufen
u. die Anfänge der Architektur der Renaissance
in Italien, von Baron Heinr. v.Geymüller. (30 S.)
Lex. 8% München, F. Brukmann 08. In
Mappe bar je 50.—; Protektor- Ausg. je 80.—.
Enlart, C Le Style flamboyant; ds. Histoire
de l'art, publ. p. André Michel, t. IH, ire part.
Paris 08.
Fishel, H. Treppen und Treppenhäuser. (K.
u. Kunsthandw., 10.)
Geymüller, Dr. Heinr. Frhr. v.: Rafael v. Urbino,
der Palazzo Pandolfini in Florenz u. Rafaels
Stellung zur Hochrenaissance in Toscana. Mit
Aufnahmen von G. Castellucci. [Aus: „Die
Architektur d. Renaissance in Toscana"! (V,
12 S. m. Abbildgn. u. 6 Taf.) 65,5><46 cm.
München, F. Bruckmann 08. In Mappe 75.—.
Hammarstrand, Nils. Vära städers qamla
byggnadskonst. (Svenska Dagbl. Nr. 256.)
Hochstetter, F. Eine vergessene Kirche aus
der Reformationszeit. [Scharfenau bei Cilli.]
(Christl. Kunstbl., Okt.)
Monczynski, Fr. Die Floriankirche zu Krakau.
1905—1907. Architekt. Ausg.
Roosval, J. „Hans Hildebrand, den kyrkliga
konsten under Sveriges medeltid.“ 2. uppl.
Wahlin, Theod. „Observa autem.“ Annu ett
ord angående Laur. Weibull's „Studier i Lunds
domkyrkas historia.“ (Kult och Konst 1908.
H. 1.)
WeiBman, A. De Nederlandse Bouwkunst
omstreeks 1600. (Oud-Holland, 4.)
Wood, J. Tintern Abbey. (Archaeol. Cambren-
sis, 4.)
3a. Deutschland.
(Allemagne. — Germany.)
Baum, J. Die Kirchenbauten der deutschen
Jesuiten von Josef Braun. (Monatsh. für
Kunstw., 11.)
Bergner,H. H. Göbel, Das süddeutsche Bürger-
haus. (Monatsh. f. Kunstw., 11.)
— 0. Stiehl, Der Wohnbau des
(Kunstchron., 2.) ~
Bonte, R. Nassaus Burgen. (Nassovia, 21.)
Gebhardt, Past. Erich. Die Kirche Wang im
Riesengebirge u. ihre Geschichte. Mit Vignetten
u. Zeidingn. vom Verf. 2. stark verm. Aufl.
(60 S.) 8°. Hamburg, Agentur des Rauhen
Hauses 08. —.50.
Haupt, Albr. Die älteste Kunst insbesondere
die Baukunst der Germanen von der Völker-
wanderung bis zu Karl dem Großen. Leipzig,
H A. L. Degener. ca. 20.—.
Schön, Th. Die Kapelle (jetzige Pfarrkirche)
zur schönen Maria auf dem Hohenrechberg.
(Arch. f. christl. K., 10.)
Mittelalters.
3b. Frankreich.
France.
Brutails, J. Eglises de la Gironde. (Soc. ardı.
d. Bordeaux.)
Cain, G. La Place Vendöme. Paris 1908.
Dartein,F.de. Etudes sur les ponts en pierre,
remarquables par leur decoration, anterieurs
au Xle siecle. Paris, 1908.
Faure,C. Les réparations du palais pontifical
d'Avignon au temps de Jean XXIII. (Melang.
d'archéol. et d’hist., 3.)
La Croix, R. P. de. Mélanges archéologiques,
La Chapelle Saint-Sixte et les cathedrales de
Poitiers.
La Norville, G. Le Chateau d’Ancy-le-Franc,
au duc de Clermont-Tonnerre (vie a la Cam-
pagne, 4.)
Alte
Baukuns!
Alte
Baukuss:
Bibliographie 1161
Les Grands palais de France. Versailles
avec instruction et notices p. Pierre de Nolhac.
Paris 08. fol.
Magnien, M. Le Trianon de marbre pendant
le regne de Louis XIV. (Rev. hist. d. Ver-
sailles et de Seine-et-Oise, 2.)
Marteaux, G. Le Répertoire ardıeologi-
que, période romano-burgunde (Rev. sa-
voisienne, 1.)
Perrier, E. L’architecture en Provence sous
le roi René. (Memoir. d. Acad. Marseille.)
Régnier,L. Excursion à Lyons-la-Foröt. Mor-
temer et Lisors. Paris 1908.
Truchis, P. de. Eléments barbares, éléments
étrangers dans l'architecture romane de l'Au-
tunois. (Mémoires d. l. soc. éduenne.)
4. Alte Malerei.
Peinture ancienne. — Ancient art of painting.
A. E. S. El Greco. (N. Freie Presse, 7. XI.)
Bayer, J. Régi magyar müvészek. (Müvészet, 5.)
Beaunier, A. Pierre Breughel le vieux. (Figaro,
24. X.)
Bode. Roger van der Weydens sogen. Reise-
altar Kaiser Karls V. im Kaiser Friedrich-
Museum und der Altar mit den gleichen
Darstellungen in der Capilla real des Doms
zu Granada. (Amtl. Bericht. Kgl. Kunsts., 2.)
Bredius, A. Johannes Sievers. Pieter Aertsen.
Ein Beitrag zur Geschichte d. niederländ. Kunst
im XVI. Jahrhundert. Leipzig 1908. (Monatsh.
f. Kunstw., 10.)
Comvay, M. Some Rembrandt drawings. (Bur-
lingt Mag., Oct.)
Fourcaud, L.de. Le pastel et les pastellistes
francais au XVIIIe siecle. IV. (Rev. de l'art anc.
et mod., oct.)
Hutton, Edward. William Hogarth. Berlin,
Verlagsanstalt f. Literatur u. Kunst. ca. 5.—.
Lefèvre, L. La peinture historique du Palais
royal d’Etampes. Paris 1908.
Lorenzen, Vilh. Maleren Hilker. (Blade af
dansk Kunsts Historie, udg. af Foreningen
for national Kunst. IV Bind, 1. Hefte.) 84 S.
4% (23'/,><18'/,). Köbenhavn, Hagerup in Komm.
Kr. 3.50.
Mély, F. de. Une vierge de Cornelis Schernir
van Coninxloo. (Rev. de l'art. anc. et mod,
oct.)
Mesnil, J. Le triptyque des Sforza au Musée
de Bruxelles. (Art. flam. et holl., 10.)
Stein, H. Le portrait de Pierre Outhe par
Francois Clouet. (Bull. d. Mus. de France, 5.)
Urseau. Les peintures murales de l'ancien
couvent de la Baumette. (Ami d. monum. etc.,
124.)
Voß, H. Charakterkôpfe des Seicento. II.
Matthäus Stomer. (Monatsh. f. Kunstw., 11.)
Zibrt, Č. Z dějin zámku a parstvi Zvikova.
(Casopis Mus. Království českého, 4.)
4a. Deutschland.
Allemagne. — Germany.
Dodgson, C. A portrait by Hans Holbein the
elder. (Burlingt. Mag., Oct.)
Jacobi, Dr. Frz. Studien zur Geschichte der
bayerishen Miniatur des XIV. Jahrh. Mit
14 Abb. auf 7 Lichtdr.-Taf. (V.64S.) 08. 4.—.
Studien zur deutschen Kunstgeschichte. Lex. 8°.
Straßburg. 102. Heft.
Künstler-Monographien. Hrsg. v.H.Knack-
fuB. Lex.8°. Bielefeld, Velhagen & Klasing.
Nr. 95. Heyck, Ed.: Lukas Cranach. Mit 103 Ab-
bildgn. (124 S.) 08. In Leinw. kart. 4.—; Ge-
schenkausg., geb. in Leinw. m. Goldschn. 5.—;
Luxusausg., geb. in Ldr. 20.—.
Lemberger, E. Berliner Miniaturmaler. (An-
tiquitäten-Ztg., 45.) |
— Leipziger Miniaturmaler. (Antiquitäten-Ztg.,
30. IX.)
Vogel, J. Franz Landsberger. Wilhelm Tisch-
bein. (Monatsh. f. Kunstw., 11.)
4b. Italien.
Italie. — Italy.
Ajnalow, D. Etjudy po istorji iskusstwa
wosroshdenja (Studien zur Geschidite d. Re-
naissancekunst). 1. D. Mosaiken in S. Maria
Maggiore zu Rom. 2. D Malerei Giotto's in
d. untern Franciskuskirche zu Assisi. Peters-
burg 1908, 39S. m. 16 Taf.
Biadego, G. Pisanus pictor (Atti d. R. Istit.
Veneto, Il).
Boloz-Antoniewicz, J. Raz jeszcze „nasz
Rafael“. (Noch einmal „unser Rafael“, in der
Städt. Gemäldegallerie zu Lemberg.) Lemberg,
1908, 8, 24S. m. 4 Abh.
Fazio Allmayer, O. La Pinacoteca del Museo
di Palermo. Notizie dei pittori palermitani,
Palermo 1908.
Gaddoni, Serafino. La Madonna delle
Grazie venerata nell’ Osservatorio d’ Imola.
Modena 1908.
G. C. Un altro dipinto di G. Francesco da Ri-
mini. (Rassegna d’arte, 10.)
Gerola, G. Un'altra Madonna del Montagna.
(Atti d. Acad. d. Agiati i. Rovereto, 3—4.)
Gigli, G. Per un quadro di Paolo da Venezia.
(Rassegna d'arte, 10.)
Giglioli, O. Su un quadro del Volterrano
nella Galleria degli Uffigi creduto finora di
Giovanni da San Giovanni. (Boll. d’arte, 9.)
Alte
Malerei
Alte
Malerei
ne ror e
Alte
Plastik
1162
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Hadeln, Frh. v. Zu den Altarwerken Palma
Vecchios in Serinalta. (Monatsh. f. Kunstw.,
11.)
Hortis, A. Di alcuni codici che Niccolo An-
ziani dimostrò scritti e miniati per Mattia
Corvino re d’ Ungheria. (Archaeogr. Tries-
tino, 4.)
Konody, P. Raphael. (Nord u. Sid, 11.)
Liphart, E. von. Les fresques de la Villa
Palatina a l'Ermitage à St. Petersbourg. (Sta-
ryje Gody, Oct.)
Malaguzzi Valeri, F. Quattro nuovi dipinti
di Tiepolo. (Rassegna d'arte, 10.)
Pettorelli, A. Gli schizzi di Giovanni Antonio
Licinio da Pordenone nel Museo Civico di
Piacenza. (Rassegna d’arte, 10.)
Suida, W. Zur Florentiner Trecentomalerei.
(Monatsh. f. Kunstw., 11.)
Tolomei, E. Le Sibille giottesche a Cortina
di Ampezzo. (Archiv p. l'Alto Adige, 1.)
5. Alte Plastik.
Sculpture ancienne. Ancient Plastic Art.
Agnel, A. de. Fragments d'un bas-relief du
XIVe siecle provenant du Mausolee de Saint
Elzéar de Sabran. (Bull. archéol., 3.)
Babelon. Sur deux statuettes de taureaux
conservees au Musée de Rouen. (Bull. ar-
dıeol., 3.)
Bailey, G. Renaissance carving, Rising Castle,
Norfolk. (Antiquary, 11.)
Braun, Edm. Wilh. Die Bronzen der Samm-
lung Guido v.Rhö in Wien. Wien, A. Scroll
& Co. Geb. ca. 20.—.
Chaillan. Couvercle d’un sarcophage de la
chapelie N.-dame, a Vallauris [Va]; le sarco-
phage de Sainte-Marie-dc-la-Mer. (Ami d.
monum., 124.)
Destrée, J. Pelican de Bornival.
R. Bruxelles, 10.)
Durand, F. Basrelief de 1333 au Musée de
Nimes. (Ami d. monum., 124.)
Laws, E. and Edwards, E. Monumental
effigies. Pembrokeshire. (Archaeol. Cambren-
sis, 4.)
Stickelberg, E. Die Bischofsgräber der hintern
Krypta des Basler Miinsters. (Basler Ztschr.
f. Gesch. u. Altertumsk., 1.)
(Bull. Mus.
5a. Italien.
Italie. Italy.
Aurini, G. Di un ignorato bassorilievo quat-
trocentesco nell’ Ospedale militare di Ancona.
(Ordine, 27. VI.)
Galieti, A. La tomba di Prosperetto Colonna
in Civita Lavinia. (Archiv. R. Soc. Romana,
1-2.)
Muratori. I sarcofagi ravennati di San Rai-
naldo, di S. Barbaziano e del beato Pietro
Peccatore e le ultime ricognizioni. (Boll.
d'arte, 9,)
Nicola, G. de. Il sepolcro di Paolo II. (Boll.
d'arte, 9.)
Pollak, Frdr. Lorenzo Bernini. Eine Studie.
(122 S. m. Abbildgn.) 8. Stuttgart, J. Hoff-
mann ‘09.
Schottmüller. Drei italienische Statuetten des
XV. Jahrhunderts. (Amtl. Bericht. Kgl. Kunsts., 2.)
Serra, L. Note su Alessandro Vittoria. (Au-
sonia, II.)
Osvald Sirén. Ghibertis förste Bronzeporte.
(Tilskueren, Oktober.) Mit Abb. [Obers. nach
dem Ms. des Verf.]
Steinmann, E. Studien zur Renaissanceskulp-
tur in Rom. Il. Das Grabmal des Cecchino
Bracci in Aracoeli. (Monatsh. f. Kunstw., 11.)
6. Alte Graphik.
Art graphique ancien. — Ancient Graphic Arts.
Delteil, Lous Les eaux-fortes d'Antoine Ca-
naletto. (Staryje Gody, Oct.)
Fielding, M. Engravings by David Edwin.
[Hitherto undescribed.] (Pennsylvania Magaz.
126).
Friedlander. Eine Zeicinung Jacobs van Am-
sterdam. (Amtl. Ber. K. Kunsts. 2.)
Gronau, G. Graphische Gesellschaft. Giulio
Campagnola. Hrsg. v. P. Kristeller. (Kunst-
chron. 2.)
Hoeber, F. Rembrandts Plattenzustände. (Mo-
natsh. f. Kunstw. 11.)
H. K. Handzeichnungen schweizer. Meister des
15. bis 18. Jahrhunderts. (Basel. Nachr. I. XI.)
Jankowski. J. Polnische Graphik. Swiat 42.
Koegler, H. Basler Büchermarken bis zum
Jahre 1550. II. (Ztschr. f. Bücherfreunde, 7.)
Kurzwelly. I. Fragment aus der ältesten deut-
schen Armenbibel-Handschrift. (Ztschr. f. bild.
K. 1.)
Maslowski, St. Poln. Spielkarten. Swiat 41,
Schreiber. W. u. Heitz, P. Studien zur deut-
schen Kunstgescichte. Lex. 8°. Straßburg,
J. H. E. Heitz. 100. Heft. Schreiber, W. L.,
u. Paul Heitz: Die deutschen „Accipies“ u. Ma-
gister cum discipulis-Holzschnitte als Hilfs-
mittel zur Inkunabel-Bestimmung. Mit 77 Abb.
(Taf.) (71 S.) 08. 10.—
Six, J. Les études préparatoires de Rembrandt
pour les gravures de Jan Six et d'Abraham
Francken. (Art flam et holland. 10.)
Voll, K. Einzelholzschnitte des 15. Jahrhunderts
in der K. Hof- und Staatsbibliothek Munchen.
Von G. Leidinger.
Zschech, F. Bartolomeo Pinelli.
(Hamburg. Correspond. 25. X.)
[1781—1835.]
Bibliographie
1163
eee | e T—_—_—___—__——_——_———————————ÈÈÈÈ@—m
7. Altes Kunstgewerbe.
Art industriel ancien. — Ancient industrial art.
B. A. G. Meyer und R. Graul. Tafeln zur Ge-
schichte der Möbelformen. (Kunstchron. 2.)
Braun, E. Die Frühzeit der figuralen Plastik
in der Höchster Porzellanfabrik. (K. u. Kunst-
handw. 10.)
— Zum Meißner Sulkowskiservice.
f. Kunstw. 11.)
Brune. Quatre ivoires anciens des Musées de
Dole et de Sons-de-Saunier. (Ami d. monum. etc.
124.)
Capitein et Magne. Evolution de la poterie
commune a Paris de l'époque néolitique au
XVIIIe siècle. (Ami d. monum. 124.)
Eden,C. English church furniture. (Builder, P.3.)
Hampe, Th. Marc Rosenberg, Geschichte der
Goldschmiedekunst auf technischer Grundlage.
Abteilung: Niello. (Monatsh. f. Kunstw. 11.)
Heins, A. L’Art du bois. Les anciens coffres
et coffrets. (Art flam. et holl. 10.)
Hutin, M. La Manufacture des Gobelins. (Journ.
d. arts, 69.)
Levison-Gower, A. Plate formerly belon-
ging to the English church in Delft. (Bur-
lingt. Mag. Oct.)
Loeser, Ch. L’art italien au Musée des Arts
decoratifs. (Gaz. d. b.-arts, nov.)
Metman, L. Une collection de dessins des
pineau au Musée des Arts decoratifs. (Bull.
d. Mus. d. France, 5.)
Ozarowsky, G. Le temple des Muses à l’epo-
que d'Alexandre I. (Staryje Gody, Juli—Sept.)
Pfister, W. Beschreibung der Textilfunde. (Bas-
ler Ztschr. f. Gesch. u. Altertumsk. 1.)
Pilloy, J. La céramique du nord de la Gaule.
(Bull. archeol. 3.)
Poulaine, F. Séputitures mérovingiennes près
de la Grande Fontaine à Voutenay. [Yonne]
(Bull. archéol. 5.)
Redfern, B. Some ancient Norfolk almsboxes.
(Antiquary, 11.)
Roger, R. L’orfevrerie religieuse dans le comté
de Foix et le Couserans, réliquaires d’Oust et
de Seix. (Bull. archéol. 3.)
Tzigara-Samurcag, A. Mobile romänegti.
(Convorbiri literare, 9.)
Vasselot, J. Marqu. de. An enamel by Mon-
vaerni? (Burlingt. Mag. Oct.)
(Monatsh.
8. Orient, Japan.
L’Orient. La Japon. — Orient. Japan.
Beylié, L. de. Prome et Jamara. Voyage ar-
chéologique en Birmanie et en Mésopotamie.
Paris, In — 4°.
Boeck, K. Groteske Standbilder in geheimnis-
vollem Lande (Velh. u. Klasings Monatshefte.
November).
Bordardt, L. Die Ausgrabung des Toten-
tempels Königs Sahu-re bei Abusir 1907/08,
(Mitt. D. Orient-Gesellsch. 37.)
Chavannes, E, Voyage archéologique dans
la Mandchourie et la Chine septentrionale,
(Bull. mens. d. Comité d. Asie francaise, 4.)
Eisler, I Kitagawa Utamaro. (Müveszet, 5.)
Glaser, K. Japans Kunst. (Miinchn. N. Nach-
richten, 1. XI.)
Hendley, T. Indian jewellery. X. Eastern
Bengal and Tibet. (Journ. of Indian Art a. J.
Oktober.)
Heyes. Von der ägyptischen Kunst in der Py-
ramidenzeit. (Köln. Volksztg., 29. XI.)
Kühnel, E, Die Qual "a der Beni Hamad in
Algerien. (Monatsh. f. Kunstw. 11.)
Luschan, v. Buschmannmalereien aus Süd-
Afrika. (Amtl. Bericht. K. Kunsts. 2.)
Marshall, J. Archaeological exploration in
India 1907/08. (Journ. R. Asiatic Soc. Oct.)
Medem, Baron P. Kratkij Otscherk Egi-
petckohs iskusstwa. (Kurzer Kursus d. Egypt.
Kunst. Petersburg 1908, 40 S., R. —.60 Kop.)
Migeon, G. Au Japon, promenades aux sanc-
tuaires de l'art. Paris 1908. In — 16.
Münsterberg, O. Zwei chinesische Maler.
(Zeitschr. f. bild. K. 1.)
— Chinesishe Landschaftsmalerei.
Monatsh., Nov.)
Ranke. Agyptische Schulstücke und Modelle
von Bildhauern. (Amtl. Ber. K. Kunsts. 2.)
Strzygowski, J. Oriental carpets. (Burlingt.
Mag., Oct.)
Temple, R. The travels of Richard Bell (and
John Campbell) in the East Indies, Persia and
Palestine 1654—1670. (Indian Antiquary, Jun.)
Vay v. Vaya. Nippons Aesthetik. (Hochland,
Nov.)
(Westerm.
9
II. Neuere Kunst.
L'art moderne. — Modern art.
I. Städtebau und Gartenkunst.
L'architecture des villes et Phorticulture.
Building of towns and architectural gardening.
Ehemann. Der Königlihe Schloßgarten in
Würzburg. (Städtebau, 11.)
Groll. Die Wichtigkeit und Bedeutung der
Aufstellung von Bebauungsplänen in mittleren
Städten. (Städtebau, 11.)
1164
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Hedberg, Tor. Gamla svenska städer. (Sven-
ska Dagbl. Nr. 277.)
Hill, H. The Funktion of colour in street ar-
chitectur. (Builder.)
nn C. Arcitectural gardening. (Studio,
ct.)
Sceffler, K. Die Schönheit der Großstadt.
(Tag, 16. X.)
Sdimidkunz, H Städtisches und ländliches
Wohnen. (Städtebau, 11.)
Vorträge, städtebauliche, aus dem Seminar f.
Städtebau an der Kgl. techn. Hochschule zu
Berlin. Hrsg. v. Jos. Brix, F. Genzmer. 1. Vor-
tragszyklus. 1. Bd., Lex.8°. Berlin. 1. Heft.
Brix, Stadtbaur. a. D. Prof. Jos.: Aufgaben
u. Ziele des Städtebaues. — Genzmer, Geh.
Hofbaur. Prof. Fel.: Kunst im Städtebau.
(32 S.) 1908. 1.80. 2. Heft. Koehne, Pri-
vatdoz. Dr. Carl: Die Grundsätze des Erb-
baurechts u. dessen Anwendung beim Bau
von Städten u. Ortschaften. (42 S.) 1908. 2.40.
3. Heft. Bornhak, Amtsger.-R. a. D. Prof.
Dr. Conr.: Verwaltungsrechtliches im Städte-
bau, (17S.) 1908 1.—.
W yspianski St. Ekielskiwe. Pomysl rabu-
dowania Krakowa (Projekt zur Bebauung d.
Wawel zu Krakau). Krakau 1908. K 5.—.
2. Neuere Baukunst.
Architecture moderne. — Modern architecture.
Architektur des XX. Jahrh. Lex. 8°. Berlin,
E. Wasmuth. 1. Sonderheft. Thiersch,
Frdr. v.: Das Kurhaus zu Wiesbaden. (64. S.
m. Abb.) 1908. 6.—; f. Abnehmer der Zeit-
schrift 3.50.
Architecture in Canada. (Builder, P. 3.)
Bethge, H. Olbrich (Gegenwart, 3. X.)
Sauvage, Archit. F. Holzarchit. Entwürfe v.
Gebäuden, Lauben, Pavillons, Veranden, Bal-
konen, Gartenbänken, Zäunen, Giebeln, Log-
gien, Gebäudeteilen usw. 5. (SchluB-)Lfg.
DO Taf.) 50Xx32,5 cm. Berlin, E. Wasmut,
908.
Schmidt, Ob.-Baur. L. F. Karl. Kgl. Kunstge-
werbeschule mit Museum zu Dresden. Erbaut
1903—07 nach den Plänen der kgl. Bauleitung
und der Architekten Lassow & Viehweger.
12 Taf. mit Text u. Abb. (VIIS.) 61,5><50 cm.
Dresden, G. Kiihtmann, 1909.
Schulze, O. Hessische Landes-Ausstellung für
freie und angewandte Kunst. Raumkunst II.
(D. K. u. Dekor. 2.)
Sigurd Curman. Stockholms nuvarand räd-
hus. Med 13 bilder. (Ord och bild 1908,
H. 8.) |
Troubnikoff, A. Thomas de Thomon. Staryje
Gody, Juli-Sept.]
Wohnhäuser, einfache schweizerische. Aus
dem Wettbewerb der schweizer. Vereinigg. f.
‘F. L. Louis Brauns mälning
Heimatschutz. Mit 6 farbigen Kunstbeilagen.
(56 S. m. Abbildg.) 32><24 cm. Biimpliz, Hei-
matschutz-Verlag 08. Kart. 4.—.
3. Neuere Malerei.
Peinture moderne. — Modern Painting.
Brunius, A. Georg Pauli's utställning. (Svenska
Dagbl., Nr. 270.)
Danieli-Camozzi, M. Fausto Zonaro. (Nuova
Antologia, Oct.)
„Gustaf Adolf
efter Slaget vid Lützen“ i Meuchens kapell
vid Lützen. (Hvar 8.Dag, Göteborg, Nr. 51.)
Mit Abbildg.
Herr Meier-Graefe’s Modern Art. (Morning
Post, 15. X.)
Kruse, John. En bok om Markus Larsson
[A. Gauffin’s Biographie]. (Svenska Dag-
blatt, 263.)
— Ernst Norlinds utställning. (Svenska Dagbl.
Nr. 268.)
Kunst, die. Sammlung illustr. Monographien
Hrsg. v. Rich. Muther. kl. 8. Berlin, Mar-
quardt & Co. 47 Bd. Blei. Frz. Felicien Rops.
Mit 17 Vollbildern. 2. Aufl. (5—8. Taus.) 08.
Kart. 1.50; geb. in Ldr. 3.—.
Laenen, J. Jacob Smits. (Art decor., Oct.)
Lazar, Bela. A modern müvészet kezdetei.
(Müveszet, 5.)
Lützhöft, Nic. Oscar Matthiesen (Politiken,
Kopenhagen, Ar. 280.)
Nordensvan, Georg. Ernst Norlind’s ut-
ställning. (Dagens Nyheter, Stockholm, 20./9.)
— Georg Pauli’s utställning. (Dagans Nyheter,
Stockholm, 26./9.)
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Bertels Lex. 8°. München, R. Piper & Co.
IV. Bertels, Dr. Kurt: Honoré Daumier als
Lithograph. Mit 70 Abbildungen. (150S.) 08.
Geb. 5.—.
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Scäffner, Katharine. Eine neue Sprache?
42 Zeichngn. Mit einer Besprechg. v. Ferd.
Avenarius. Hrsg. vom Kunstwart. (20 Taf.
und VII S. Text mit 3 Abbildgn.) 37x28 cm.
München, G. D. W. Callwey. 08. In Mappe
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Thorvald Bindesböll-
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Waldmann, E. Die Gesellschaftsräume des
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Paul Sonderheft. (Dekor. K., 2.)
2
III Allgemeiner Teil.
Partie générale. — General part.
1. Ausstellungen.
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Albrectsen, Hans. Achton Friis og Aage
Berthelsen's Udstilling af Billeder fra Gròn-
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Avenard, E. L'exposition finlandaise au Sa-
lon d'automne. (Art et decor., 11.)
B.F. Oscar Matthiesen-Udstillingen. (National-
tid., Kopenhagen, 11695 Aften-Udg.)
Chervet, H. Le Salon d'Automne.
Rev., 20.)
Chytil, C. Die Jubiläumsausstellung des Be-
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Czarnik, Br. Die Rembrandt-Ausstellung zu
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Die belgische Ausstellung in Berlin. Il.
(Köln. Ztg., 14. X.)
Fra gamle Hjem. Udstilling af Kunstsager
og Kuriositeter. Katalog. Köbenhavn 1908.
69 S. 8°.) 50 Ore. Enth. einen Aufsatz von
J. W. Frohne, „Renaissance“, u. von Louis
Bobe, „To Gobeliner fra Christian Vl's Konge-
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der Prov. Ostpreußen üb. seine Tätigkeit vom
1. XII. 1906 bis 31. XII. 1907 an die Prov.-
Kommission zur Erforschung u. zum Schutze
der Denkmäler in der Prov. Ostpreußen. (6.
. Jahresbericht.) (70 S. m. Abbildgn. u. 1 Taf.)
. 8°. Königsberg (B. Teichert) 08. Bar 1.—.
Die Erhaltung alter Wandmalereien. (Na-
tionalztg., 16. X.
Heimatschutz, sächsischer. Landesverein zur
Pflege heimatlicher Natur, Kunst u. Bauweise.
Mitteilungen 1.—3.Heft. Schriftleitung: Werner
Schmidt. (63 S. m. Abb. u. 1 farb. Taf.) gr. 8°.
Dresden, G. Kühtmann, 08. 1.20.
Herzfeld, O. Die Erhaltung alter Wandmale-
reien, (Denkmalpfl., 13.)
Il restauro del cenacolo vinciano.
segna d'arte, 10.)
Kirchhlihher Denkmalkultus.
Zentr.-Komm., 8.)
Mitteilungen der 3. (Archiv-)Sektion der k. k.
Zentral-Kommission zur Erforschung u. Er-
haltung der Kunst- u. historischen Denkmale,
hrsg. unter der Leitg. des Präsidenten dieser
Kommission Sr. Exz. Dr. Jos. Alex. Frhrn. v.
Helfert. Red.: Prof. Dr. Osw. Redlich. VII.
Bd. Archiv-Berichte aus Tirol. IV. Bd. von
E. v. Ottenthal u. O. Redlich. 1. Heft. (82 S.)
gr. 8°. Wien, A. Schroll & Co. 08. nn. 2.—.
u M. Die Hohkönigsburg. (Zukunft,
7. XL)
(Ras-
(Mitt. d. K. K.
Schumann, P. Neunter Tag für Denkmalpflege
in Lübeck. (Kunstchron., 1
Sordini, G. Notizie dei monumenti dell’ Um-
bria: Spoleto nel 1907. (Boll. d. r. Deput. d.
Stor. Patr. p. l'Umbria, 13.)
Sprawoz Danie Towarzystwa opieki nad
polskimi zabytkami sztuki y kultury.
(Bericht d. Ges. zum Schutze poln. Kunst- und
Kulturdenkmäler pro 1907.) Krakau 1908. 16°.
32 S. m. 6 Abb.
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(Frankfurt. Ztg., 27. X.)
Weckbeder, W. Frhr. v.
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Zentral-Komm,, 9.)
Das Recht der
(Mitt. d. K. K.
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städer och tvà stämningar. Ma och Flo-
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Chevillard, V. Itiné raire artistique de Paris.
Paris 1908.
Clemenz, Bruno. Die Gröditzburg einst und
jetzt. Ein illustr. Führer u. eine Gedenkschrift.
(46S.) 8°. Kattowitz, Phönix-Verlag (08). 1.—
Clément, J. Essai arhéologique et historique
sur l'église Sainte-Croix de Saint-Pourçain-
sur-Sioule et les peintures de l’église de Saul-
cet [Allier] Moulins. 8°.
Dehio, Geo. Handbuch der deutschen Kunst-
denkmäler. Im Auftrage des Tages f. Denk-
malpflege bearb. III. Bd.: Süddeutschland.
(VII, 621 S. m. 1 Karte.) 8°. Berlin, E Was-
muth. Geb. in Leinw. 6.25.
Der Dom von Loreto. (Rhein.-Westfäl. Ztg.,
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(Minch. N. Nachr., 4.—6. Nov.)
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Hrsg. vom Prov.-Verbande der Prov. West-
falen. 31,5><25 cm. Münster. (Paderborn,
F. Schöningh.) (XXVIL) Kreis Meschede. Mit
geschichtl. Einleitgn. v. Hausgeistl. Kapl. F.
Brügge +. 3 Karten, 361 Abb. auf 42 Taf. u.
im Text. (IV, 116S.) 08. nn. 4.—; geb. nn. 8.—.
Maciszewski, M. Zamek w Brzezanach. (D.
I in Brzezanz.) Tarnopol, 1908. 8°. 17 S.
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76
1168
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Malaguzzi Valeri, F. Campione. (Rassegna
d’arte, 10
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Palmer, A. The town of Holt, in county Den-
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PERO ux, J. Roanne à travers les âges. Roanne,
Sdirder. Bilder aus Mühlhausen i. Th. (Denk-
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Capart, I. Une importante donation d’antiqui-
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xelles, 10.)
Graf Zygmunt Czarnecki und seine Samm-
lungen. (Wiadomosci numizmatyczno arche-
ologiczne 72.)
Hallwylska palatset [und seine Gemälde-
sammlung] donerad till Stockholms stad.
(Svenska Dagbl. Nr. 267.)
— mit 6 Abb. (Hvar 8. Dag, Göteborg, X, Nr. 2.)
Mornay, M. Die Ausländer in der Berliner
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Paulus-Museums. (Vom Rhein, Okt.)
Muratow, P. Die Gallerie Schtschukin in Mos-
kau, zur Geschichte d. modernen Malerei. (Russ-
kaja Mysl, Aug.)
Naumann, H. Die Gräflich Schall-Riaucoursche
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f. bild. K. 1.)
Neue Museen in Florenz. (Mand. N. Nachr.
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Old Masters at Agnew's Gallery. (Mor-
ning Post, 31. XI.)
Pallmann, Heinr. Die kgl. graphische Samm-
lung zu München 1758—1908 München,
F. Bruckmann. ca. 1.—.
Pininski, L. Graf. Przechadzka po muzeach
modryckich. (Wanderung durch d. Madrider
Aueh Lemberg, 1908. 8°. 114S.m. 38 Abb.
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Schubring, P. I nuovi acquisti del Kaiser
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d'arte, 10.)
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skieyo w Rapperswilu. (Bericht d. polni-
schen National-Museums zu Rapperswyl pro
1907.) Paris 1908. 8°. 86 S.
Statens Historika Museum od k. mynt-
kabinettet. Samlingarnas tillväxt är 1907.
Med 214 figur. Fornvännen, Stockholm, 1907,
H. 5., S. 209—319.)
Studien, kunstwissenschaftliche. Hrsg. in Ver-
bindg. m. den Monatsheften f. Kunstwissen-
schaft. gr. 8°. Leipzig, Klinkhardt & Bier-
mann. 2.Bd. Zimmermann. Max Gg.: Nieder-
ländische Bilder des XVII. Jahrh. in der
Sammlung Hölscher-Stumpf. (63 S. m. Abb.
u. 27 Taf.) 08. 14.—; geb. 15.—.
Tsdıudi, H. v. Die Sammlung Arnhold I. (K.
u. Künstler, 1.)
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tombe africaine. (Bull. archéol. 3.)
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tale dell’ aes rude nei sepolcri dell ‘Etruria.
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con leggenda cilingue, battuto nella metropoli
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Ernst Josephson's grafvärd aftäct. Prof.
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Filippini, E. Guiseppe Piermarini a Pavia.
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Gerola, E. Un ‘invenzione di Jacomo da
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Jenensis. Maler und Dichter. [Wilh. Busch.)
(Standarte, 8. X.)
Kurtz, R. Peintre-Poéts. [Beardsley; F. Rops.]
(Morgen, 23. X.)
Mort de Ch. Landelle. (Figaro, 15, X.)
O. W. Un architetto e scultore del secolo XV;
Antonio Filarete, (Nuov. Antolog. Oct.)
Pierron, S. Le monument du peintre Théo
Verstraete (L'indépendance. 12, X.)
Reinach, S. La chronologie de Pisanello.
(Acad. et inscript. et belles lettres juil.)
Rözsaffy, O. Lätogatäsom Claude Monet.
(Müvéscet, 5.)
S.-L. Af Kristiania Kunstnerforenings Saga
(Morgenbladet, Kristiania, 527 u. 529.)
Whistleriana. (Köln. Ztg. 28, XI.)
Winkler, G. Lenbach als Kopist und Kunst-
berater des Grafen Schack. (Kunst f. Alle, 2.)
1170
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
8. Künstlerworte.
Declarations d’artistes. — Words of artists.
Biermann, Georg. Künstlerbücher. [Die Briefe
van Goghs und Gauguins „Noa Noa“.] (Leipz.
Tagebl. Nr. 267.)
Cellini. Des Benvenuto Leben, von ihm selbst
geschrieben. Übertr. von H. Conrad. 2 Bde.
München, G. Müller. Subskr.-Pr. ca. 20.—,
Corinth, Louis. Legenden aus dem Künstler-
leben. Berlin, B. Cassirer. ca. 4.—
Fragment van een autobiografe
Johann Heinrich Wuest. (Oud Holland.)
Gauguin, Paul. Noa Noa. (Deutsch v. Luise
Wolf.) 2. Aufl. (109 S. m. 8 Vollbildern.) 8°.
Berlin, B. Cassirer ('08). Geb. 4.—,
Gogh, Vincent van. Briefe. 3. erweit. Aufl.
(Deutsche Ausg. besorgt v. M. Mauthner.)
(160 S. m. 12 Abbildgn.) 8°. Berlin, B. Gassirer
('08). Geb. 3.60.
Klinger, Max. Molarstwo i Rysunek (Malerei
u. Zeichnung) übersetzt v. J. Drexler, Lem-
berg 1908. gr. 8°. 38 S. m. 18 Taf.
Klinger, Max. Malerei und Zeichnung. Pol-
nische Übersetzung v. J. Drexler. Lemberg
1908. kl. 8°. 38 S. m. 17 Taf. K, 3.
Schnorr von Carolsfeld, Fr. Ein Wort
Schwinds über das „Malen-Können“. (Grenz-
boten, 1. X.)
Thoma, Hans. Im Herbst des Lebens. Ge-
sammelte Erinnerungsblätter. München, Süd-
deutsche Monatshefte. ca. 5.—.
Weisz, K. Künstlerbekenntnisse u. Programme.
(Hochland, Okt.)
Wrangel, Baron N. Das Tagebuch Orest
Kiprenskys im Auslande 1817. (Storyje Gody,
Juli— Sept.)
van
9. Kunstlehre.
Théorie de l’art. — Aesthetics.
Alexander, B. Zur Psychologie der Kunst.
(Pester Lloyd, 18, X.)
Bauer, Curt. Aesthetik des Lichts. (VI, 231 S.
m. 13 Taf.) 8°. München, R. Piper & Co. 4.50;
geb. 6.—
Bildende Kunst und Weltanschauung. (N.
Preuß. Ztg. 23, X.)
Ernst, P. Von der Kälte des großen Kunst-
werks, (Morgen, 2. X.)
Hoermann, F. Das Subjektive und Objektive
der Kunst. (Augsb. Abendztg. 6, XI.
Jodi, Neuere Literatur zur Aesthetik. (Österr.
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Knapp, F. Alois Riegl, Die Entstehung der
Barockkunst in Rom. (Kunstchron. 2.)
Krapf, Anton. Das Problem der Bindung in
der bildenden Kunst. Straßburg, J. H. E. Heitz.
ca. 3.50.
Lux, J.A. Maschinenaesthetik. (Zukunft, 17, X.)
Das Nackte in der bildenden Kunst. [Vor-
trag K. Langes.) (Nationalztg. 19. X.)
Utitz, Dr. Emil. Grundzüge der ästhetischen
Farbenlehre. (VIII, 156 S. m. 4 Abbildgn. u.
2 Tab.) gr. 8°. Stuttgart, F. Enke, '08. 4.—
Wendel, Geo. Der Schönheitsbegriff in der
bildenden Kunst. Straßburg, J. H. E. Heitz.
ca. 1.50.
10. Sammelschriften.
Recueils. — Collective works.
Baranowski, G. Architecturnaja Encyclopedia.
(Encyclopädie der Baukunst d. 2. Hälfte des
XIX. Jahrh.) Bd. 2. T. I. Öffentliche Bauten.
Petersburg 1908. XXI + 731 S. m. Abb.
Déchelette I. Man. nn préhistor.,
celtique et gallo-romaine. Vol. I: Archéologie
préhistor. Av. 249 fig. et pl. Paris 1908.
Frs. 15.—.
Fuchs, Eduard. Geschichte der erotischen
Kunst. Erweiterung u. Neubearbeitung des
Werkes „Das erot. Element in der Karikatur“
m. Einschluß der ernsten Kunst. Mit 385 Illustr.
u. 36 Beilagen. Privatdruck. (XXII, 412 S.)
Lex.8°. Berlin, A. Hofmann & Co. 08. Geb.
in Leinw. bar 30.—; Luxusausg. 50.—.
Gusman, P. L'art. décoratif de Rome de la
fin de la Republ. au IVe siécle. Frs. 60.—.
L'ouvrage paraîtra en séries de 60 planches,
petit in-fol. en cartons, publiées en 3 livr. de
20 pl. chacune. Prix de souscription à la
série, en carton. Frs. 60.—.
Jahrbuch, kunstgeschichtliches, der k. k. Zentral-
Kommission f. Erforshung u. Erhaltung der
Kunst- u. historishen Denkmale. Hrsg. unter
der Leitung ihres Präsidenten Sr. Exz. jos.
Alex. Frhrn. v. Helfert v. Prof. Max Dvorák.
Nebst: Beiblatt f. Denkmalpflege. 1908. 4 Hefte.
(1. Heft. 48 S. u. 44 Sp. m. Abbildgn. u. 3 Taf.)
32,5x24,5 cm. Wien (A. Schroll & Co.). 20.—.
— der kgl. preuB. Kunstsammlungen. Hrsg.:
W. Bode, M. J. Friedländer, M. Lehrs, H. v.
Tschudi, H. Wölfflin. Red.: Ferd. Laban. 29. Bd.
Beiheft. (III, 56 S.) 35,5><24,5 cm. Berlin,
G. Grote 08. 4.50,
Jahrbuch der kunsthistorishen Sammlungen des
allerhöchsten Kaiserhauses. Red.: H. Zimmer-
mann. 28. Bd. 40><29cm. Wien, F. Tempsky.
Leipzig, G. Freytag. 4. Heft. Grünwald, Alois:
Über einige Werke Michelangelos in ihrem
Verhältnisse zur Antike. Mit 2 Taf. u. 33 Text-
abbildgn. — Grünwald, Alois: Über die Schick-
sale des Ilioneus. Mit 2 Taf. u. 4 Text-
abbildgn. (S. 125—160.) 08. 18.—.
Bibliographie
1171
Justi, Carl. Miscellaneen aus drei Jahrhunderten
spanischen Kunstlebens. 2. (SciluB-) Bd. We
S. m. 77 Abbildgn. u. 1 Taf.) Lex. 8
Berlin, G. Grote 08. 10.—; geb. 12.—.
Kunstblatt, deutsches. Red.: Dr. Niessen.
Oktbr. 1908—Septbr. 1909. 12 Nrn. (Nr. 1.
10 S. m. Abbildgn.) Lex. 8°. Lübeck, Ver-
lag des Deutschen Kunstblattes. (Werner &
Hornig.) [Nur direkt.) bar 3.—.
Laurin, Carl G. Taidehistoria.
suomentanut Edv. Richter.
koskevan osan kirjoittanut. Eliel Aspelin-
Haapkylä. 243 kuvaa. 155x230. VI + 379 S.
Borgä (Porvoo), Finland, 1908. Werner Söder-
ström O.-Y. 6 finn. mark; sid. 9.—.
O. u „Thieme u. Becker, Allg. Lexikon
bild. Künstler.“ [recens.] (Svenska Dagbl.,
Nr. 257.)
Sammlung Göschen. kl. 8°. Leipzig. G. J. Gö-
schen. Geb. in Leinw., jedes Bdchn. —.80.
Hartmann, Prof. K. O. Stilkunde. Mit 7 Voll-
bildern u. 195 Textillustr. 4., unveränd. Aufl.
(256 S.) 08.
Trojanowski, W.
Sovitellen
Suomen taidetta
Historja sztuk plasty-
cznych. (Geschichte der plastischen Künste,
Teil I.) arschau 1908. 16°. 203 S. mit
158 Abb.
Wrangel, Baron N., Makowsky, Serge et
Troubnikoff, A. "Araktcheeff et l'Art. (Sta-
ryje Gody, Juli—Sept.)
Wurzbad, A. v. Niederländ. Künstler-Lexikon.
16. Lfg. Wien, Halm & G. 4.—.
II. Kultur. Kunstunterricht.
Enseignement des arts. — Culture. Art
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N. Nachr., 25. X.)
Biermann, G. Wirtshaus-Kultur. (Prag. Tagbl.,
25. XI.)
Bredt, E. Empfindungs-Bequemlichkeit. (Dtsch.
K. u. Dekor., 2
Falk, E. Was niitzen uns die Museen? (Ham-
burg. Nachr., 11. X
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teka Warszawska, 10.)
Kaemmerer, L. Denkmal-Argernisse. (Posen.
N. Nachr., 11. X.
Krattner, K. Einiges über das Zeicinen. Das
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(Deutsche Arbeit, 1.)
Lux, J. Porträt und Photographie. (National-
Ztg., 18. X.)
— PreuBische Beamtenästhetik oder: Die Sack-
gasse der Architektur. (Morgen, 6. XI.)
Melani, A. Questione di principio. [Societa
Anonima. l'Aemilia Ars.] (Arte e Storia, 19—20).
Niewiadomski, E. Asthetik in der Schule u.
zu Hause. (Sprawy szkolne, 8
A er R. Kultur und Nacktheit. (Tag,
Pillati, G. Der Zeichnenunterricht als künst-
lerishe Erziehung. (Sprawy szkolne, 8.)
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Rybowski, M. Zeichnenunterricht in d. Volks-
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Scheffer. DerWürzburgerKreuzgang. (Deutsche
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Sdultze-Naumburg, Paul. Kulturarbeiten.
III. Bd.: Dörfer u. Kolonien. Hrsg. v. Kunst-
wart. 2. verm. u. verb. Aufl. (XI, 252 S. m.
177 Abbildgn.) 8°. München. G. D. W. Callwey
08. —; geb. bar 5.—.
Schwindrazheim, Osk. Kunst-Wanderbücher.
Eine Anleitg. zu Kunststudien im Spazieren-
ehen. 8°. Hamburg-GroBborstel, Gutenberg-
erlag. 5 Bdchn. Von alter und zu neuer
Heimatkunst. Mit 73 Abbildgn. nach eignen
Aufnahmen u. Skizzen des Verf. u. m. 16 leeren
Seiten f. Bemerkgn. u. Skizzen. 1.—5. Taus.
(84 S.) 2.—; geb. 3.—
Servaes, F. Kinderkunst auf der Wiener
Kunstschau. (Kind u. K.,
Weiß, H Die Kunstgewerbezeichner und das
kunstgewerbliche Schulwesen. (Kunstgewerbe,
H. 1.)
12. Kulturgeschichte.
Histoire de la civilisation.
History of civilisation.
Arndt, G. Vermögensverzeichnis eines Halber-
städter Bürgers des XV. Jahrhunderts. (Deutsche
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Bombe, W. Jacob Burckhardt, Die Kultur der
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Bonnefon, P. Charles Perrault commis de
Colbert et l'administration des arts sous
Louis XIV. — Ill. (Gaz. d. b. arts, nov.)
Die Wiedereinrihtung der Kunstaka-
demie zu Cassel nach der Fremdherrschaft.
(Cassel. Allg. Ztg., 17. X.)
Garrer, A. Schilderijprijzen enz. in de XVIIe
en XVIIIe eeuw. (Oud-Holland, 4.)
Geymüller, Baron Heinr. v. Friedrich II. v.
Hohenstaufen u. die Anfänge der Architektur
der Renaissance in Italien. (30 S.) Lex. 8°.
München, F. Bruckmann 08. 1.50.
Geroiainoff, S. Les inpressions artistiques
du roi Stanislas-Auguste durant son econ a
St. Petersboury. (Staryje Gody, Oct
Hop, Karl. Fürst Johann Il. v. Liechtenstein
u. die bildende Kunst. Wien, A. Schroll & Co.
ca. 13.—.
1172 Monatshefte für Kunstwissenschaft
Knackfuß, H Geschichte der königl. Kunst-
akademie zu Cassel. Aus den Akten der
Akademie zusammengestellt. Mit Abbildgn.
u. Handschriftwiedergaben. (1. Hälfte. 120 S.)
Lex. 89. Cassel, G. Dufayel 08. Für voll-
ständig 5.—.
Ozzola, S. L'arte alla corte di Alessandro VII.
(Archiv. R. Soc. Romana, 1—2.)
Paul, G. Le chateau d’Allegre et ses seigneurs.
Lyon, 1908.
Renaissance, die, in Briefen von Diditern,
Künstlern, Staatsmännern, Gelehrten u. Frauen.
Hrsg. u. bearb. v. L. Schmidt. 1. Bd. Leipzig,
Klinkhardt & Biermann. ca. 5.—.
Schapire, R. W.Bürgers Salonberichte u. ihre
Bedeutung. (Leipzig, Tagebl., 31. XI.)
Scheuermann, A. Zeitströmungen u. Kunst-
strömungen. 3. Kunstströmungen und ver-
gleichende Kunstchronik. (Worms. Zig., 7. XI.)
Tombelaine, L. de. Le chateau de Richelieu
au XVIle siècle. (Europe polit. et litt., 4.)
WeiB, J. Kurfürst Maximilian I. als Gemälde-
sammler. (Histor. polit. Blätt., 9.)
Wrangel, Baron N. Les livres sur l'art à
l'époque d'Alexandre I. (Staryje Gody, Juli—
Sept.)
Vitzthum. Hans von der Gabelentz, Die kirch-
liche Kunst im italienischen Mittelalter, ihre
Beziehungen zur Kultur und Glaubenslehre.
(Kunstchron., 2.)
Zamacois, M. Le S. D. M. [syndicat des
modèles]. (Figaro, 26. X.)
13. Kunstwissenschaft.
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Nationalgalerie. (Monatsh. f. Kunstw., 11.)
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f. Kunstw., 11.)
Bissing, Fr. v. Zur Verwaltung der bayrischen
> isa (Beil. Mind. N. Nacht,
Doering, O. Die Tagung für Denkmalpflege
und Heimatsschutz. (Allg. Rundsch., 24. X.)
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tiker Kunst. (Leipz. Tagebl., 17. X.)
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stehens der Frankfurter Museums-Gesellschaft
1808—1908, v. J. Knorr. Frankfurt a. M., C.
A. Andre. Kart. ca. 5.—.
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(Rev. bleue, 17, 18.)
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for Statens Kunstmuseum. (Morgenbladet,
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1907. (Bull. d. Comm. R. d'art et d'archéol.
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Sdinitler, W. I Anledning af Statens Kunst-
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Servaes, F. Pflege und Leitung moderner
öffentlicher Galerien. (Deutsch. K. u. Dekor., 2.)
Tourneux, M. Notice sur Eugene Piot. (Journ.
d. arts, 69
Tzigara-Samurcas, A. Ce se intelege azi
prin archeologie. (Convorbiri literare, 9.)
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Bredius, A. Rembrandtiana. 1. Een testa-
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l'abri e la grotte de La Férassie. [Dordogne.]
(Bull. archéol., 3.)
Cavenaghi, L. Cenacolo Vinciano. (Boll.
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Port, 9. X.)
Foville, J. de. Pisanello, d'après des décou-
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(Hamburg. Korrespond., 8. X.)
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Kautzsch, R. Max Deri, Das Rollwerk in der
deutschen Ornamentik des XVI. und XVII.
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Der Kirhenscatz in H. Sebald. (Fränkisch.
Courier, 25. X.)
Lanciani Rod. Storia degli scavi di Roma e
Notizie intorno le collezioni romane di anti-
chità. vol. IIl: Dalla elezione di Giulio III
oa morte di Pio IV. Roma 1908, in-4. Frs.
5
Lanciani. Sulla scoperta di un monumento
durante gli scavi per la fondazione del nuovo
palazzo del Parlamento. (Rendiconti R. Accad.
d. Lincei, 1—3.)
Landsinger, S. Ein wiederaufgefundenes Ge-
mälde von Van Dyck im Museo Nazionale zu
Palermo. (Monatsh. f. Kunstw., 11.)
Das Langheimer Kirdenportal im Kaiser
Friedrih-Museum. (Berlin. Tagebl., 6. XI,)
Lehnert, H. Eine wiederaufgefundene Goethe-
büste. (VoB. Ztg., 25. X.)
Meunier. Fouilles dans l'établissement céra-
mique d'Autry. (Ami d. monum., 124.)
Meurs, P. van. Kunst in de archieven van
Vianen. (Oud-Holland, 4.)
Mr. Comyns Carr and the pre-raffaelites.
(Morning Post, 5. XI.)
Neue aräologise Entdeckungen Dr.
Aurel Steins. [Zentralasien] (Minch. N.
Nachr., 8. X.
Nicola, G. de. Iscrizioni romane relative ad
artisti o ad opere d'arte.
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et l'assemblée tenue a Alésia. (Ami d. mo-
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Zacharias Geizkofler 1576—1610. (Ein Beitrag
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3
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olschskoj Bolgarji. (Einige Worte über d.
bulgarishen Altertümer im Wolgabassin.)
Kasan 1908. 14 S. m. 10 Abb.
15. Reproduktionen.
Reproductions. — Reproductions.
Album des Amsterdamer Rijksmuseums. 42
Fabendr. Mit histor. Einleitung und begleit.
Texten v. W. Steenhoff. (XI S. mit 1 Ab-
bildung und 42 BI. Erklärungen.) 34,5><27 cm.
Leipzig, E. A. Seemann 08. Geb. in Lein-
wand 20.—.
Barock, Danziger
furt a./M., H. Keller. ca. 25.—.
Bilderbibel, Düsseldorfer. 2. Lfg. 6 Bl. nach
Zeichngn. von Historienmaler H. Commans.
60,5><75 cm. Düsseldorf, L. Schwan 08. 6.—;
einzelne Blätter auf Pappe bar 2.— in Wech-
selrahmen unter Glas 10.—; farbig 12.—;
bezw. 3.— und 11.—. 2. Auferstehung Christi.
— Auferweckung des Lazarus. — Einsetzung
d. Allerheiligsten Altarsamkramentes. — Herab-
kunft des hl. Geistes. — Hirten, die, bei der
Krippe. — Jesus der Kinderfreund.
Borrmann, Prof Reg.-Baumst. Rich. Auf-
nahmen mittelalterliher Wand- und Decken-
malereien in Deutschland. Unter Mitwirkung
v. Proff. Kunstgewerbesc.-Dir. H Kolb und
Maler Baugewerkssch.-Oberlehr. O. Vorlaen-
der hsg. II. Bd. 3. Lfg. (6 [2 doppelte] farb.
Taf. m. 6 S. illustr. Text.) 50x32 cm. Berlin,
E. Wasmuth 08. 20.—
Busch, Wilh. Handzeicinungen aus dem
Nachlaß. (12 Taf. m. Titelbl.) 44,5><34,5 cm.
a en Neue photograph. Gesellsch. 08.
In Umschlag 10.—.
Decoration des intérieures du XVIII. siecle,
Paris.
ca. 46 Tafeln Frank-
1174
Dyck, van. Des Meisters Gemälde in 537 Ab-
bildungen. Hrsg. v. E. Schaeffer. Stuttgart,
Deutsche Verlagsanstalt. Geb. ca. 15.—.
Einblattdrucke des 15. Jahrh. Hrsg. v. Paul
Heitz. 36,5><28 cm. StraBburg, J. H. E, Heitz.
Leidinger, Georg. Die Einzelmetallschnitte
(Schrotblàtter) des 15. Jahrh. in der kgl. Hof-
und Staatsbibliothek München, m. erläut. Text
hrsg. Mit 41 Abbildgn. in Lichtdr. und 4 in
Hochätzg. (auf 45 Taf.) (23 S.) 08. In Mappe
nn 40.—. Molsdorf, Dr. Wilh. Formschnitte
des 15, Jahrh. aus der Sammlung Schreiber,
Text v. M. Mit 20 handkolor. und 2 un-
kolorierten Tafeln. (12 S.) 08. In Mappe
nn 35.—.
Gusmann. P. L’Art decoratif de Rome de la
fin de République au IV. siécle. Paris 1908. fol.
Jahres-Mappe 1908 der deutschen Gesellsch.
für christliche Kunst. Mit 11 Fol.-Tafeln in
Kupferdr., Mezzotinto und Lichtdruck, nebst
23 Abbildgen. im Texte. Ausgewählt durch
die Juroren: Jak. Bradl. DD. Joh. Nep. Brunner,
Jos. Endres. Nebst erläut. Text v. Jos. Bern-
hart. (24 S.) 39,5><29,5 cm. München, Ge-
sellschaft f. christliche Kunst). 15.—.
Klassiker d Kunst in Gesamtausgaben. (Neue
Aufl.) Lex. 8%. Stuttgart: Deutsche Verlags-
Anstalt. 6. Bd. Velazquez. Des Meisters Ge-
mälde in 172 Abbildgn. Hrsg. v. Walt. Gensel.
2. cul (XXXII, 196 S.) 08. Geb. in Lein-
. wand 7.—.
Kleinmeister, die. Eine Auswahl aus dem
Werk der deutschen Kupferstecher nach Dürer
y Hälfte des 16. Jahrh). Mit Einleitung v.
i le Berlin. Fisher & Franke
ca. 1.20.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Les Belles demeures de France, vues extéri-
eures et intérieures, revue mensuelle d'art
architectural et décoratif.
Malarstwo poskie (Polnische Malerei in
farb. Reproduktionen) Lief 3. W. Wodzi-
nowski, M. Wywisrski, W. Kossak, W. Ger-
son Lief. 4. J. Malizewski, A. Lesser, Fr.
Lampi, A. Kendzierski. Warschau 1908, 4° a
4 Taf. à R. 1.50
Malarstwopolskiew nn adbitkodi.
Polnishe Malerei in farb. Reproduktionen)
ief 4. J. Malczewski, A. Lesser, A. Kend-
zierski, Fr. Lampi. Warschau, 1908. 4°. R. 1.50.
Rethel, Alfr. Die Nibelungen, 14 BI. Berlin,
F. Heyder. In Mappe ca. 1.20.
Robida, A. Les vieilles villes des Flandres,
Belgique et Flandre francaise. Paris. In-4°.
Schmidt, Otto, und Ernst Schneider, Kunst-
maler. Der Künstler-Akt. Vorlagen zum
Studium des nackten menschl. Körpers. Mit
Geleitswort v. Jos. Kirchner. (In 12 Liefgn.)
1. Lfg. (II S. Text und Abbildg. S. 1—16.)
36,5><28 cm. Berlin., J. Singer & Co. 08. 1.50.
Sztnka polska. (Poln. Malerei in farb. Re-
produktion.) Lief.4. Matejko, Lief.5. St. Wys-
ianski, A. Gierymski, L. Wyczelkomski, J.
ankiewicz. Lemberg 1908. 4°. 4 Taf. a R.1.—.
Weichers Kunstbücher. 16°. Berlin, W. Weicher.
Jede Nr. —.80; Liebhaberausgahe bar. 2.—.
17. Correggio: Meisterbilder. Eine Auswahl
v. 60 Reproduktionen uach Orig.-Aufnahmen.
- 66 S. Leipzig 08. 18. Bronzino: Meisterbilder.
Eine Auswahl von 60 Reproduktionen nach
Orig.-Aufnahm. 65S. Leipzig 08.19. Watteau:
Meisterbilder. Eine Anzahl von 60 Repro-
duktionen nach Orig.-Aufnahmen. 66 Seiten.
Leipzig 08.
er
ORGAN FOR DEN INTERNATIONALEN KUNSTMARKT
UND DIE INTERESSEN DER SAMMLER.
EIN;NEUER JAKOB JORDAENS mates häufig behandelt hat. Rooses, der be-
Von Hermann Voss
kannte Biograph des Meisters,’) zitiert davon
auf Seite 147 eine ganze Reihe. Unsere Dar-
Das nebenstehend abgebildete, nur 62 cm
hohe, 49 cm breite Gemälde, das im Provinzial-
1) Rooses, Jordaens’ Leben und Werke. Stuttgart,
museum zu Stralsund bisher ein völlig anonymes Berlin, Leipzig.
Dasein geführt hat, er-
regte vor kurzem trotz
seines schlechten Zustan-
des meine Aufmerksam-
keit und ließ mich darin
bei näherer Prüfung eine
schöne und charakteri-
stishe Arbeit von Jakob
Jordaens sehen. Ange-
sichts der hier gegebenen
Abbildung wird den Ken-
nern des Meisters eine
stilkritischeBeweisführung
überflüssig erscheinen: es
genügt die eine charakte-
ristishe Figur des vom
Rücken gesehenen Weibes,
die man aus mehreren
Bildern des Künstlers ganz
ähnlich kennt,!) um unsere
Zuschreibung zu verstehen
und zu begründen; ebenso
bezeichnend ist aber der
sitzende feiste Mann und
der barocke Thronwagen
in den Wolken, abgesehen
von dem gewohnten,
Fräunlich warmen Kolorit
und der fetten, sorgfäl-
tigen, aber nicht klein-
lihen Technik.
Der Gegenstand ist
die Geschichte von Zeus
und der Io, die Jordaens
mitsamt der anschlieBen- _
den Fabel von Merkur
und Argus in ähnlichen
1) So „Der Traum“ (Schwerin,
Museum; Mr. Kleinberger,
Paris; Abb. des letzteren bei
Rooses, S. 144.
JAKOB JORDAENS, Jupiter und Jo
O Stralsund, Provinzialmuseum
1176
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
stellung schlieBt sich besonders eng an eine
Radierung an, die das gleihe Thema be-
handelt (Abb. Rooses S. 180); doch gibt im
Gegensatz hierzu das Bild erst den Augen-
blik nach der Verwandlung der lo, die als
weiße Kuh rechts im Mittelgrund des Gemäldes
(auf der Reproduktion sckwer erkennbar) da-
liegt, von Zeus, der durch das Blitzbündel zu
seinen Füßen gekennzeichnet ist, der Eifersucht
Junos entzogen. Auf der Radierung ist der
Moment der Verwandlung selber ergriffen;
die (befremdende) Auffassung Jupiters ist
ganz die gleihe. In der Anordnung der
Figuren muß ein 1773 zu Amsterdam ver-
steigertes Bild ähnlich gewesen sein, das so
beschrieben wird:
Juno steht aufrecht und lehnt sich an eine
weiße Kuh, Argus auf einem Hügel, stützt sich
ausruhend auf einen Stock, und neben ihm vier
Kühe und ein bellender Hund; im Vordergrund
eine bunte, liegende Kuh. Dies alles in einer
Landschaft. In den Wolken sieht man den
mit zwei Pfauen bespannten Wagen der Juno.
Die meisten dieser Darstellungen sind aus
Jordaens späterer Zeit, so die Radierung von
1652 und ein 1904 auf der Auktion Menke zu
Antwerpen versteigertes Gemälde von 1647.
Der allgemeine stilistische Charakter und vor-
nehmlich die vom Rücen gesehene weibliche
Figur lassen erkennen, daB auch unser Bild
damals entstanden ist, in künstlerischem Zu-
sammenhang mit dem zitierten „Traum“ und
dem 1646 vom Künstler an Martinus van
Langenhoven gelieferten „Kandaules“, bei dem
Rooses (S. 145 f.) eine vortreffliche Charakteristik
der Frau des Kandaules gibt, die man fast
wörtlich auf unsere Juno beziehen kann: ein
weicher, nicht zu breiter Rücken, der von den
Armen bis zu den Hüften fein modelliert, sich
unter den Hüften in geräumigem Maße aus-
breitet, ein durch die Beleuchtung gehobenes
Fleish, das die Mütter, wenn sie von ihren
Kindern sprechen, in den Niederlanden „Wurst-
fleisch“ nennen: rundliche, sich kräftig mit den
zwei gerundeten Polstern darüber verbindende
Beine...
Die Qualität des Bildes geht aus unserer
Abbildung nur undeutlich hervor. Das Original,
von dem zu wünschen ist, daB es an seinem
jetzigen Aufbewahrungsorte recht viel Beachtung
und daher vor allem mitsamt seinem hübschen
Rahmen eine bessere Aufstellung finden möge,
verrät die gewohnte meisterlime Behandlungs-
weise, die Jordaens auch solchen kleinen Bildern
angedeihen läßt, und reiht sich würdig seinen
bisher bekannten Werken der gleichen Gattung an.
Gi
DER KUNSTMARKT
BERLIN
Unter lebhaftester Beteiligung von Kunst-
freunden und Händlern fand vom 3. bis 7. No-
vember die Versteigerung der Sammlung Her-
mann Emden bei Rudolph Lepke statt.
Besonders groB war das Interesse für die
Majoliken, die z. T. zu auBerordentlichen
Preisen weggingen. Jacques Seeligmann-
Paris erwarb eine Reihe besonders schöner
Stücke, von denen es eine lustrierte Schale
aus Urbino, von Maestro Giorgio, um 1530, auf
8000 M. brachte (mit Darstellung von Joseph
und Potiphars Weib, nach Marc Anton), eine
andre Schale ähnlichenStiles, aber später („Paulus
tauft die Korinther“) sogar auf 19000 M., der
höchste Preis, der auf der Auktion überhaupt
gezahlt worden ist.
Eine interessante groBe Deruta-Schüssel
mit Silendarstellung ward von Goldschmidt-
Frankfurt um 5000 M. erworben, von Julius
Drey eine faöntiner Schüssel mit Daniel,
der über die beiden Ankläger der Susanna ur-
teilt, um 3000 M.
Bei der Versteigerung des Steinzeuges
beteiligte sich das Grassimuseum in Leipzig,
das einen eigentümlich geformten grünen Krug
(Sächsish-Bömisch, 16.—17. Jahrh.) für 435 M.,
ankaufte, sowie einen Nassauer Krug nadı
1600 mit Szenen aus dem Leben des Verlorenen
Sohnes für 230 M. und einen großen Raerener
Krug von 1598 für 740 M. Mehrere bedeutende
Stüke kaufte Rosenbaum-Frankfurt a. M..
darunter einen originellen Jagdkrug von 1695
(Kreußen).
Für die Fayencen interessierten sich be-
sonders mehrere Museen: Hamburg erwarb
zwei Bayreuther Krüge für 430 und 290 M., da-
von der erstere ein schönes datiertes Stück (1734).
Das Germanishe Museum kaufte einen
Nürnberger MaBkrug des 18. Jahrhunderts
für 250 M. an, Reichenberg eine Mündener
Netzvase aus dem 18. Jahrh. für 185M. Prag
einen im Stil der famille verte dekorierten tiefen
Mailänder Teller von der Mitte des 18. Jahr-
hunderts für 580 M. sowie einen bemerkens-
werten NirnbergerKrug mit dem Datum 1677
und einer Inschrift für 1000 M.
Weit geringer war das Interesse für die
reichlich, aber nicht gut vertretenen Porzellane;
eigentlich bemerkenswert waren die beiden
Grassigruppen, die leider flau bemalt waren
und es zusammen auf 6000 M. brachten. Die
groBe Krinoliengruppe: König August Ill.
Der Kunstsammler
1177
und die Gräfin Brühl (Modell von Kaendler),
früher in der Sammlung Saunwitz, brachte
6100 M.
Rosenbaum-Frankfurt kaufte zwei frühe
Hödister Gruppen: Schlafender Jäger und
Kampf mit Wilddieb zusammen für 6100 M.;
zwei große Berliner Vasen mit interessanter
Bemalung und Vergoldung im Louis XVI.-Stil
erwarb das Berliner Kunstgewerbe-Mu-
seum für 420 und 200 M.; die erstere ist his-
torisch bemerkenswert, weil im Todesjahre Fried-
ris des Großen entstanden, auf den zwei
Biskuitmedaillons Bezug nehmen.
Unter den Glas- und Kristallsachen
waren einige bemerkenswerte altdeutsche Stücke,
so der um 1300 M. von v.Dam gekaufte Will-
komm der Familie Koffeldt von 1626, ein „Kur-
fürstenglas“ von 1678, das 1200 M. erzielte
und ein ,Reichsadlerhumpen“ von 1754
(1300 M.).
Eine prachtvolle arabishe Moscheelampe
erreichte den hohen Preis von 3000 M. (Käufer:
Ricard).
Unter den sonstigen Antiquitäten war ein
kunst- und kulturhistorisch bedeutender Ham-
burger Willkommen (17. Jahrh.), den Hecht
für 6200 M. erwarb.
Der Gesamterlös betrug 492022 M.
Am 11.—12. November fand bei sehr flauem
Interesse die Auktion der Sammlung J..., Rom
und einer Kollektion von Gemälden aus süd-
deutschem Besitz durch die Gesellschaft für
Kunst und Literatur statt. Der allgemeine
Verlauf dieser mit großem Aufwand an vor-
bereitenden Notizen angekündigten Verstei-
gerung, für die zwei luxuriöse Kataloge her-
gestellt waren, kann als Beweis der geringen
Teilnahme hingenommen werden, die bei Lieb-
habern noch immer für Werke spätitalienischer
Meister vorhanden ist, von denen wenigstens
die Sammlung J... einige gute Proben besaß.
Natürlich war es auch, daB die fast durchweg
viel zu hodi gegriffenen Meisternamen der Ka-
taloge MiBtrauen erregten, sollten doch angeb-
lih hervorragende Werke von Guercino, Ba-
roccio, Bronzino, Ann. Carracci, Domenichino,
Guido Reni, Ribera, Strozzi, Sassoferrato usw.
zum Verkaufe gelangen. Einige Bilder von
Secentisten konnten wirklich bei Freunden dieser
Periode mehr als mittelmäßiges Interesse er-
regen, so ein Apostel Paulus von Guer-
cino, ein großes anonym bolognesisches Bild:
Jael und Sisera (im Katalog Biliverti genannt),
eine Magdalena des Caguacci, zwei schöne
Landschaften des Salvator Rosa und zwei
ihm zugewiesene Charakterköpfe, sowie ein
männliches Porträt, angeblih von Bernardo
Strozzi. Im übrigen wurden außer einigen
gleichgültigen Tafeln von Quattrocentisten noch
drei Bilder versteigert, die in den Katalogen
Namen allerersten Ranges zugewiesen waren,
und bei denen in der Tat exorbitante Summen
genannt wurden. Das als Rembrandt be-
zeichnete Gemälde „Philippus tauft den Käm-
merer der Königin Candace“, jedenfalls nur eine
der ziemlich häufigen Kopien des bekannten
R.’schen Frühbildes, soll für 200000 M. angeblich
nach Amerika verkauft worden sein, eine zur
„Madonna Fesch“ (nach dem früheren Besitzer)
getaufte sitzende Maria mit dem Kinde, aus
dem Kreise Raffaels und dem Meister recht
nahe, brachte es auf 255000 M.; ein angeblicher
Tizian, d.h. ein männliches Porträt, das m. E.
erheblich später anzusetzen ist und nur mittel-
mäßige Quälitäten aufweist, erzielte 50000 M.
Eine Reihe von Bildern interessierten so
wenig, daß sie zurückgezogen wurden, ein so-
genannter Sassoferrato, den der Katalog als
„unzweifelhaft eines der besten Werke des
Meisters“ hinstellte, ergab sich als flaue Kopie
nach dem Bilde Simone Cantarinis im Louvre
(Kat.-Nr. 1207) und wurde von den Veranstal-
tern der Auktion, die ich hiervon in Kenntnis
gesetzt hatte, vorher zurückgestellt.
Weder die exakten Preise aller Bilder noch
den Gesamterlös bin ich in der Lage angeben
zu können; die Gesellschaft für Kunst und Li-
teratur hat angesichts ungünstiger Kommen-
tierung der Versteigerung durch einen Teil der
Berliner Presse bis auf weiteres vorgezogen,
„niemandem Auskunft über ihre Auktionsver-
käufe zu geben“.
Weitaus bewegter und interessanter ge-
staltete sich der Verkauf der Sammlung
Turner~London bei Lepke (17. November).
Diese mit viel Geschmack und Liebe zusammen-
gebrachte, durch das glänzende Vorwort des
Katalogs aufs Glicklichste eingeführte Samm-
lung enthielt außer späteren Niederländern in
großer Zahl und meist vortreffliher Qualität
auch eine Reihe ungewöhnlich guter, primitiver
Bilder.
Unter den Italienern interessierte eine rei-
zende, tadellos erhaltene Verlobung der h. Ka-
tharina von Lorenzo Costa (7000 M.), der
Apostel St. Jakobus von Carlo Crivelli
(7000 M.); die altdeutsche Schule war durch
zwei gute signierte Porträts von Hans von
Kulmbach vertreten (von 1518), die freilich
nicht ganz unberührt geblieben sein dürften
(zus. 6000 M.), sowie durch eine kleine Alle-
gorie von Cranach (780 M.) und ein Diptychon
von B. Bruyn (5000 M.).
1178
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Von ausgezeichneter Qualität war ein der
Gruppe „Herri met de Bles“ zugeteiltes
Flügelaltärchen mit der Beweinung Christi, offen-
bar das Werk eines bedeutenden, obgleich ano-
nymen Meisters in der Art der vlämischen
(oder holländischen?) Romanisten (5800 M.).
Ebenso wichtig und schön war eine Anbetung
des Rosenkranzes, die als Geertgen tot St.
Jans katalogisiert war (5950 M.).
‘Unter den, wie gesagt, sehr reichlichen guten
späteren Niederländern nenne ich: Gerard
Dou, Weibliches Porträt (4000 M.); Cornelis
Dusart, Der Bäcker (1100 M.); Jan von
Goyen, Küstenlandschaft (8600 M); derselbe,
Uferlandschaft (4010 M.); derselbe, FluBland-
schaft (5600 M.); Cornelis Janssens, Männ-
liches Porträt (3730 M.); Moucheron, Wald-
partie (1300 M., ein Hauptbild dieses Meisters);
Adriaan van Ostade, Vor dem Wirtshaus
(3500 M.); Rembrandt, Der Astrolog (7800 M.);
derselbe, Männerkopf (1500 M.); Ruisdael,
Jac. v., Gewitterlandschaft (6400 M.); derselbe,
Landschaft (2900 M.); Teniers, Dav. d. J.
„Eingeschlafen“ (Schenkeninterieur), (7150 M.
Brouwer nahestehend, auch im Motiv, Frühbild);
Teniers, Dav. d. J., Landschaft mit Bauern-
häusern (3700 M.); Lucas van Valcken-
borgh, Gebirgslandschaft (1650 M.); J. Wij-
nants und Adriaan v. d. Velde, Landschaft
mit Herde (3200 M.)
Die Kollektion umfaBte auch spätere Italiener.
Von hervorragender Qualität waren zwei vene-
zianische Veduten Belottos (5200 M.), weniger
bedeutend ein Tiepolo (Greisenkopf, 750 M.).
Bemerkenswert auch zwei mannliche Porträts
von Meistern des vorgeschrittenen Cinquecento:
das eines jungen Mannes von Bronzino
(1200 M.) und jenes eines ältlihen Mannes von
Pontormo (710 M). H. V.
* *
x
Das Buch- und Kunstantiquariat E.R. Greve,
UhlandstraBe 31, brachte am 4. Nov. und fol-
genden Tagen eine Anzahl von Kupferstichen,
Holzschnitten und seltenen Buchausgaben aus
einer. Berliner Privatsammlung zum Verkauf.
Unter den graphischen Blättern erzielten: Der
WeiB-Kunig des Hans Burgkmair 145.—.
Dürers Satyrfamilie 115.--. Rembrands La
petite tombe 605.—. RubensLiebesgarten 54.—.
Fragonards Dame auf der Schaukel 1000.—.
Bei den Buchausgaben wurden für ein kleines
Buch „Gesellschaften für freundliche Knaben und
Mädchen: mit Federzeichnungen des jungen
Menzel 855.—; für ein schönes Exemplar von
Goethes Römischen Carneval mit 20 illuminierten
Kupfern 730.— gezahlt. d—
* Lë
*
Am 1. Dezember ist hier durh Rudolph
Lepke die Galerie A. von Herrenburger
versteigert worden, die eine Reihe vorzüglicher
Niederländer, vor allen Porträts, Blumen- und
Fruchtstüke von J. de Baen, S. Koninck, J.
Suttermans, Jan Weenix, G. Galle, A. Mignon,
J. v. Streek, N. von Veerendael und Nic. Ver-
kolje enthielt. Wir werden auf die Veran-
staltung in der nächsten Nummer näher eingehen.
2
HEIDELBERG
Am 10. Dezember versteigert hier das Anti-
quariat von Ernst Carlebac die Bibliothek
Kuno Fischers, auf die schon frilher aufmerksam
gemacht wurde. Der Auktionskatalog verzeich-
net insgesamt 850 Nummern und verzeichnet
unter dem Gesamttitel: Deutsche Literatur
und Obersetzungen aus fremden Lite-
raturen viele wertvolle und seltene Werke,
Erstausgaben, Romantiker und Neuerwerbungen.
2
LEIPZIG
Bei C. G. Börner fand am 10. bis 12. Nov.
die Versteigerung der Kupfersticdhsammlung A.W.
Schultze-Hamburg statt, der sih am 13. und 14.
die Auktion von Miniaturen, Manuskripten, Holz-
schnittwerken und Reformationsdrucken anschloß.
Die Kupferstichauktion war besonders lebhaft
besucht, so daß die besten Blätter, Dürer, Rem-
brandt usw. recht hohe Preise brachten. Bei
der anderen Versteigerung nahm die erste Hälfte,
Miniaturen, Manuskripte und Inkunabeln, einen
lebhaften Verlauf, während das Interesse für die
Reformationsschriften kein hohes war. Wir no-
tieren die folgenden Preise: Barthel Beham,
Kaiser Ferdinand I. 190.—. Die heilige Jung-
frau mit dem Papagei 81.—. Buße des hl. Chri-
sostomus 59.—. Nikolas Berghem, Drei ru-
hende Kühe 165.—. Der Mann auf dem Esel
150.—. Burgkmair, Die drei guten Christen,
Holzschnitt, 50.—. Chodowiecki, Cabinet d'un
peintre 125.—. Cranach d. Altere, Hirschjagd
160.—. Debucourt, La promenade publique
475.—. Albrecht Dürer, Die Geburt Christi
Der Kunstsammler
225.—; Gebet im Olgarten 385.—; Die hl. Anna
und die Jungfrau 405.—; Jungfrau am FuB einer
Mauer 550.—; Die Jungfrau mit dem Affen
1710.—; Orientale und Frau 365.—; Drei Bauern
510.—; Die kleine Holzschnittpassion 170.—;
Marienleben 300.—; Das Rhinozeros 190.—. Fra-
gonard, Le chiffre d'amour 96.—. Goltzius,
Der Sohn des Frisius mit dem Hunde 245.—.
Hogarth, Mariage à la Mode 120.—. Holbein
d. Jüngere, Aus dem Totentanz 85.— bis 165.—.
Francois Janinet, Venus und Amor 555.—.
Lucas van Leyden, Anbetung der hl. drei
Könige 125.—; Der hl. Georg 400.—. Adriaen
van Ostade, Der Maler im Atelier 510.—.
Rembrandt, Flucht nach Ägypten 240.— ; Chri-
stus predigend 1385.—; Die Windmühle 275.—;
Jan Lutma 760.—; Die große Judenbraut 1030.— ;
Greis im Sammetmantel 810.— Schongauer,
Kreuztragung 540.—. Watteau, Selbstbildnis
Bei den Miniaturen waren drei nordfranzö-
sische Blätter des frühen XV. Jahrhunderts stark
umworben, sie erzielten: Initiale „I“, Martyrium
d. hi. Sebastian, 780.—; Initiale „S“, Maria mit
musizierenden Engeln, 1820.—; Initiale „G“, Heim-
suchung, 560.—. In einer Gruppe früher siene-
sischer Blätter brachte das schönste, Initiale „M“,
Martyrium des hl. Andreas, 600.—. Gute Preise
wurden für Manuskripte gezahlt. Ein böhmi-
sches Graduale aus dem XIII. Jahrhundert, auf
Pergament geschrieben, brachte 2290.—; ein
Processionale v. J. 1488, in venetianischem Ein-
band, 4850.—; das berühmte Freyman-Ran-
decksche Familienbuch ging für 3720.— in
den Besitz des Germanischen Museums in Nürn-
berg über. d—
MÜNCHEN
Ein großes Ereignis auf dem internationalen
Kunstmarkt ist die Versteigerung altgriechischer
Münzen aus der berühmten Sammlung des Konsul
Weber-Hamburg, die in diesen Tagen bei dem
bekannten Numismatiker Dr. Jacob Hirsch in
München vor sich geht. Mit dieser Sammlung
kommt die letzte große Privatsammlung antiker
Münzen zur Auflösung, die an Reichhaltigkeit
mit den Beständen der groBen Münzkabinette
konkurrieren konnte. Ihre beiden großen Vor-
gängerinnen, die Sammlung Dr. Imhoof-Blumer
in Winterthur und A. Löbbeke-Braunschweig
sind ja inzwischen in den Besitz des Kgl. Münz-
kabinetts in Berlin übergegangen. Nur dieSamm-
lung Weber war noch übrig. Der Tod dieses
1179
feinsinnigen und unermüdlichen Sammlers machte
nun auch ihre Auflösung unvermeidlih. Ein
bleibendes Denkmal der Sammlung stellen die
großen Prachtkataloge dar, die aus AnlaB der
Versteigerung erscheinen, und von denen einst-
weilen der Katalog der griechishen Münzen
sdion vorliegt (Preis 25 M.). Die Versteigerung
der römischen Münzen dieser Sammlung findet
erst im Frühjahr des nächsten Jahres statt. Über
den Verlauf der Auktion der 7000 griechischen
Münzen können wir erst im nächsten Hefte
berichten. Die Signatur der bisherigen Ver-
steigerungstage war, daB die erstklassischen
Stücke heftig begehrt und eminent in die Höhe
getrieben wurden, während man die andern
Stücke für auffallend billiges Geld haben konnte.
An den ersten beiden Versteigerungstagen
wurden 70000 M. erlöst. Einige der bisher
erzielten Preise seien genannt: Ein Goldstüc
aus Campanien, 4.—3. J. v. Chr., ging für
1500 M. nach Frankfurt a. M., ein wundervolles
Goldstük aus Tarent, ca. 315 v. Chr., für
2725 M. nach Paris, eine Bidrachme aus Cama-
rina, 400 v.Chr., für 4000 M., eine Tetradrachme
aus Castania, ebenso, für 1800 M., eine gleiche,
Apollokopf en face von Herakleidos, ebenso,
für 2525 M., ein Goldstück aus Syrakus, 500 v.
Chr., von Kimon für 3000 M. nach London, eine
Tetradrachme, 400 v. Chr., signiert von Euainetos
für 3050 M. nach Holland. Die Auktion wird
wohl die Woche ausfüllen. Auch die Münz-
kabinette von Wien und München nahmen eifrig
an der Versteigerung teil. |
Für den Interessenkreis der Monatshefte ist
eine andere Versteigerung vielleicht wichtiger,
die vom 26. November an ebenfalls bei Dr.
Hirsch vor sich geht. Es handelt sich um die
Sammlung Löbbeke-Braunschweig, die wunder-
volle Kunstmedaillen und Plaketten des XV.
bis XVII. Jahrhunderts enthält. Die Qualität
der Sammlung ist allerersten Ranges und ein
Blick in den Prachtkatalog (25 M.) genügt, um
sowohl in allgemein historischer, wie künst-
lerisher und kunsthistorisher Hinsicht das
größte Interesse zu erwecken. Man darf
auf das Ergebnis dieser hochbedeutsamen
Versteigerung gespannt sein. Unsern Bericht
darüber müssen wir leider auf das nächste Heft
verschieben.
Bei Hugo Helbing kam inzwischen eine
englishe Sammlung hervorragender Kriegs-
und Jagdwaffen aus dem XIII.—XVIII. Jahr-
hundert znr Versteigerung, für die erstaunlich
hohe Preise erzielt wurden. Das Ausland, be-
sonders Amerika, beteiligte sich lebhaft.
Die Preise, die bei der Versteigerung des.
1180
künstlerischen Nachlasses der im letzten Jahre
auf tragishe Weise verschiedenen Münchener
Bankiers Max & Th. Klopfer erzielt wurden,
werden wir im nächsten Berichte nachholen. Es
kommen von modernen Meistern ein Böcklin
der mittleren Zeit ,Cimbernschlacit’ und Werke
von Diez, Faber Du Faur, F. A. Kaulbadı, Len-
badı, Stuck, Spitzweg u. a., von alten Meistern
Werke von Edlinger, Larguillière, Netscher,
Zuccarelli u. a. zur Versteigerung. Man darf
angesichts des etwas sensationellen Interesses,
das diese Sammlung in Münchener Kreisen er-
regt, auf hohe Preise rechnen,
Es sei hier schon hingewiesen auf die im
Dezember ebenfalls bei Helbing erfolgende
Versteigerung der Sammlung A. Hofer-Landau.
Die Sammlung, die Hofer bei zwölfjährigem
Aufenthalte in Ostasien zusammenbrachte, ent-
hält eine Menge erstklassischer und einzigartiger
Kunstgegenstände meist chinesischer und siame-
sischer Herkunft. Interessant sind besonders die
vollständigen Zimmereinricitungen der Samm-
lung. So ein chinesischer Schachsalon, in Eben-
holz geschnitzt und mit graviertem Perlmutter
eingelegt, ein wundervoll geschnitztes Schlaf-
zimmer in Rotlack- und Goldfassung mit einem
neunteiligen Ahnenaltar, ferner ein kostbarer
Mandarinen-Teesalon, dessen wichtigstes Stück
ein äußerst interessanter vollständiger Hausaltar
ist. Auch die Keramiken der Sammlung sind
hervorragend. Unter den Bronzen erregen zwei
Ausgrabungen von der alten Cultstätte Rat
Buri besonderes Interesse. Einen kostbaren
Bestandteil der Sammlung bildet der chinesische
Schmuck, der zum größten Teil in bestem
22 kar. Gold hergestellt ist. Wir kommen auf
die Versteigerung dieser interessanten und
mannigfaltigen Sammlung im nächsten Berichte
eingehend zurück. W. W.
PARIS
Jedes Jahr zieht sih der Anfang der Saison
auf dem Pariser Kunstmarkte immer weiter
hinaus. Während aus Holland, Berlin und
München seit dem 1. Oktober wichtige Ver-
steigerungen gemeldet werden, hat in Paris
erst eine nennenswerte Versteigerung statt-
gefunden:
Sammlung: A.L... Am 11. u. 12. Novem-
ber (C. Pr. Garnaud und Lair-Dubreuil; Exp.
Petit, Paulme und Lasquin). Moderne Bilder:
Einige Bilder von Théodule Ribot 130— 200 fs.
6. Ziehm, Venedig. (68: 108) : 11,000 fs. (Luc).
Vollon, Stilleben (128 : 94) : 2620 fs.
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Audi mit angekündigten Versteigerungen
sieht es bisher schwach aus. Von größerem
Interesse wird lediglich die Vente Henry Say
sein, die am 30. November bei Georges Petit
stattfinden soll. Diese Sammlung umfaßt eine
Anzahl bedeutender Werke von Lancret,
Greuze, Pater, Watteau, Hubert-Robert,
Fromentin und Decamps. Außerdem enthält
die Sammlung bedeutende Tapisserien des
XVIII. Jahrhunderts von den Manufakturen Beau-
vais und den Gobelins. Am 12. Dezember wer-
den ebenfalls wertvolle Tapisserien des XVIII.
Jahrhunderts in der Sammlung Genevraye zur
Versteigerung gelangen.
Rudolf Meyer-Riefstahl.
2
LONDON
Auch hier hat die Saison erst sehr schwadı
eingesetzt, dafür geben wir nachfolgende inter-
essante Verkaufsliste einiger bedeutenderer
Kunstwerke in den verschiedenen Londoner
Kunsthandlungen '):
Agnew & Sons, 43 Old Bond Street: Velas-
quez: Phillip IV. auf der Jagd im Pardo; ca.
21/,x2 m. Dieses Werk ist in Martin Humes
Buch: „The Court of Philip IV“ genau beschrieben.
— Bellotto, ein Mitglied der Canalettofamilie:
Der alte Markt in Dresden, ein überaus leben-
diges, schönabgewogenes Werk. — Zahlreiche
andere Stücke in ihrer Winterausstellung.
Graves Galleries, 6, Pall Pall: Thomas
Lawrence: Gemahlin Sir Robert Peels, eng-
lishen Premierministers; gemalt 1820 auf Hoiz;
54x49 inches. — Thomas Lawrence, nad,
Kupferstich: Countess Gower & Child, gemalt
1808, äußerst seltenes Exemplar, Probedruck vor
der Publikation.
R. Gutekunst, 16, King Street, St. James's:
Schwarz-Weißblätter: Rembrandt: Landschaft
mit Heuschober, vorzügliches Exemplar. — R.
Nanteuil: Porträt des Basil Fouquet. — Eine
Reihe anderer, trefflicher Stücke von Dürer, Rem-
brandt, Whistler, Cameron, Zorn usw.
Lewis & Simmons, 75, Knightsbridge: Cor-
nelius de Voss: 2 Porträts des Marquis Am-
brosio Spinola und seiner Gemahlin 92'/,Xx115 cm,
aus der Kollektion des Charles James Maxwell
Lefroy of Itchell Manor, Crondall, Hampshire.
— Van der Neer: Wald und Flußszene mit
Gebäuden; im Vordergrund Bauern und Fischer;
1) Wir hoffen von jetzt an im ,Cicerone* häufiger
derartige Mitteilungen geben zu können, die ebenso die
Sammler wie die Händler selbst interessieren wen i
ie Red.
Der Kunstsammler
Sonnenuntergang, friher im Besitz des Lord
Hood. — Bartholomeus van der Helst:
Gruppenbild: 6 Bürgermeister in Amtstracht
2,25><1,30 m. Der geschnitzte Holzrahmen stammt
aus der gleichen Zeit. — Meißner: Porzellan-
gruppe, 15cm hoch, wahrscheinlich von Kaend-
ler: Dame in schwarzer Krinoline und grünem
Mantel sitzend mit Teetasse in der Hand und
Buch im Schoß, ihr zur Linken Herr in Hoftracht,
zur Rechten ein Neger.
W. B. Paterson, 5 Old Bond Street: Turner:
BenLomond, Schottland, ca. 1808, 381/,x<25 inches,
eines seiner wenigen nachweisbaren schottischen
Stücke, voll Luft und Größe. — R. P. Bonington:
Der Wagen, Aquarell, 11><8'/, inches,
voller Luft und momentaner Lebendig-
keit. — Eine Reihe französischer Porträts
des XVIII. Jahrhunderts von außergewöhn-
licher Bedeutung. .
Sackyille Gallery, 28, Sackville Street,
Piccadilly: William Hogarth: Porträt
seiner Mutter, „my best friend“. — John
Hoppner: Porträt der Miss Fanny Bou-
verie auf einem Esel reitend. — Thomas
Lawrence: Porträt des Herzogs von
Buckinghamshire. — Jan Fyt: Wildpret
in Landschaft. — G. van Brekelenkam:
Interieur mit zwei Figuren, datiert 1661.
Shepherd Brothers, 27 King Street,
St. James's Gainsborough: Musidora.
— Raeburn: Porträt der Mrs. Adam,
30x25 inches (siehe Abbildung im vorigen
Heft).
Sulley & Co., 159, New Bond Street:
Correggio: Vier Heilige, S. S. Peter,
Martha, Maria Magdalena und Leonhard,
86><63'/, inches, beschrieben u. a. in
Riccis „Correggio“. Das trefflich erhaltene Werk
stammt etwa aus dem Jahre 1515 und stellt
eines der bedeutendsten Gemälde der Frühzeit
des Meisters dar. Es hing lange Zeit in der
Kirche der Santa Maria della Misericordia in
Correggio. Messrs. Sulley & Co. haben es aus
der Ashburton Kollektion erworben, die von
einem Syndikat angekauft worden ist. — Aus
derselben Sammlung stammt auch ein erst-
klassiger groBer Rubens, 96><148 inches im
Umfang, eine Wolf- und Fuchsjagd darstellend,
mit Rubens selber und seiner ersten Gattin
Isabella Brant auf der rechten Seite des Bildes.
Die Landschaft des Hintergrundes ist von Jan
Wildens gemalt. Das Bild stammt aus dem
Jahre 1017 und war einst von Napoleon aus
Spanien, wohin es gekommen war, nadı Paris
entführt worden. Eine kleinere Version hängt
in Lord Methuens Kollektion in Corsham Court.
1181
Das Bild ist mehreremale gestochen worden
von Soutman und Van der Leeuw (siehe Abb.).
Ein mit zahlreichen Aquarellen geshmück-
tes, für Deutschland, insbesondere Preußen
hochinteressantes Manuskript ist kürzlich von
Quaritch erworben worden; es gehörte einst
dem Großmeister des deutschen Ordens, Albrecht
von Brandenburg, erstem Herzog von Preußen.
Man nimmt sogar an, daß Albrechf selber da
Werk verfaßt hat. Der Band in Folioformat
umfaßt 762 Seiten und enthält neben einem
Reiterporträt des Herzogs in goldner Damaszener-
rüstung und seinem Wappen noch 58 Aquarell-
zeichnungen der verschiedenen Uniformen usw.
„The Waggon“ by K. P. BONNINGTON
Wm. B. Paterson's Gallery, 5, Old Bond Street, London XV
der herzoglichen Armee. Sie enthalten häufig
landschaftlihe Ausblicke, Stadtansichten, Lager-
szenenen usw. und sind mit groBer Lebendig-
keit und Frishe gemalt. Auf die Details der
Uniformstüce ist dabei die größte Sorgfalt ver-
wandt. Der Text enthält Statistiken der Zahl
der Offiziere, ihrer Pflichten, Besoldung usw.
Eine erstklassige Bibliothek, die des Lord
Amherst of Hackney, wird vom 3. bis 5. De-
zember d. J. von Messrs. Sotheby, Wilkinson
& Hodge versteigert werden. U. a. finden
sich in ihr illuminierte Manuskripte früher eng-
lischer Zeit. Lord Amherst ging bei der Schaffung
seiner Sammlung vor allem von dem Gedanken
aus, durch die besten Buch- wie Manuskript-
beispiele die Geschichte der Buchherstellung wie
des Bucheinbandes von den frühesten Zeiten an
bis zum Jahre 1700 zu illustrieren. Auch eine
Apocalypse aus der Gutenbergpresse befindet
1182
Monatshefte für Kunstwissenschaft
RUBENS, Wolf und Fuchsjagd
Im Besitz von Sulley & Co., London
sich in der Sammlung, desgleichen sind die frühen
Straßburger und Kölner Pressen gut vertreten.
Desselben Sammlers bedeutende Kollektion
alter Gobelins, alter französischer und engli-
scher Möbel, Limoges-Emaillen und altitalieni-
scher Majoliken wird am 11. Dezember bei
Christies zur Versteigerung gelangen. Unter
den Gobelins befinden sich 8, die Szenen aus
dem Leben Ludwig XIV. darstellen. Sie hingen
früher im Schlosse zu Moritzberg in Sachsen.
Die Limoges-Emailien gelten als erstklassig.
Die Auktionssaison selber hat nun wieder
begonnen, bisher aber noch nichts von beson-
derer Bedeutung gebracht. Immerhin befanden
sih in der von Messrs. Knight, Frank & Rut-
ley versteigerten Sammlung aus Cokethorpe
Park, Oxfordshire einige interessante Sticke.
Einen hohen Preis brachte ein Bild der Ange-
lica Kauffmann, die hier ja recht hoch geschatzt
wird; „sie selber zögernd, ob der Muse der
Musik oder der Kunst zu folgen“, kostete
Messrs. Agnew #682.10.0. Das Bild ist in Rom
1794 gemalt worden, als die Kauffmann 53 Jahre
alt war. Ein Ochtervelt „Meerstrand mit Figu-
ren“ trug # 73.10.0. ein (Messrs. Cowdeswell);
Jan Wouvermans „Bierkneipe mit Figuren“ € 84
(Vicars); V. H. Janssens „Colonnade eines
Schlosses mit tanzenden Figuren“ # 89.5.0. (Sa-
bin); C. Janssens „Porträtgruppe eines Edel-
mannes mit Familie in einer Landschaft“ £ 164.17.0.
(Cohen); zwei Seestücke von Van der Velde
£ 173.5.0. (Cohen); ein Stilleben Jan Fyts , Wild-
bret in Landschaft“ € 173.5.0 (Cohen). — In
dem einzigen Schwarz-weiBverkauf von einiger
Bedeutung, den Messrs. Puttick & Simpson ab-
hielten, wurden für ein Hunderguldenblatt Rem-
randts € 21.10.5. und für zwei Stiche David
Lucas nach Constables „Das Wehr* und „Das
Kornfeld“ € 17.17.0. bezahlt.
In den Kreisen der Londoner Sammler wie
Händler bedauert man den Tod Sir Josef
Duveens, des Hauptes der großen Firma Duveen
Brothers, die durch ihre Erwerbung der Hai-
nauer und später der Rudolphe Kann-Kollek-
tionen weltberihmt geworden ist. Der Ver-
Storbene, der aus kleinen Anfängen sich zu
einer der bedeutendsten Persönlichkeiten des
Londoner Kunsthandels emporgearbeitet hatte,
hat öfters die Nation mit Kunstgaben bedacht.
Er schenkte der Tate Gallery das Bild der Schau-
spielerin Ellen Terry als Lady Macbeth von Sar-
gent; er zahlte eine große Summe für den An-
kauf der Velasquezschen Venus und stiftete erst
vor einigen Monaten einen besonderen Turner-
flügel für die Tate Gallery. Für die ietztere
Gabe ward ihm die Ritterwürde zuteil. F.
2
Der Kunstsammler
1183
HOLLAND
Unter den am 10. Nov. bei Fred. Muller & Co.
in Amsterdam zur Versteigerung gekommenen
modernen Gemälden aus verschiedenen Samm-
lungen (C. de Kuyper-Velp, G. J. Verburgh-
Rotterdam, G. Menalda-Hilversum, J. H. van
Eeghen-Amsterdam) wurden die höchsten Preise
für je ein Bild der französischen Tiermaler Ch.
Jacque und E. van Marcke bezahlt. Beide
Stücke gehörten zum Nachlaß C. de Kuyper.
Nr. 3, Die Schafweide (Leinwand 68,5 100,5 cm)
von Jacque brachte es auf 26400 fl. Nur wenig
geringer war der Preis für Nr. 6, E. van Mar-
kes Weidende Kühe (Leinwand 46,5>< 60,5 cm,
datiert 1876), der 25100 fl. betrug. Das sind
Summen, für die man schon sehr gute alte
Meister erwerben kann. Sie übertreffen ganz
bedeutend die Höhe der Preise, die für die
übrigen, meist holländischen Gemälde auf dieser
Auktion bezahlt wurden. Unter diesen ist an
erster Stelle mit 4600 fl. ein Willem Maris zu
nennen: Nr. 28, Zwei Kühe am Wasser mit Hirten-
mädchen, eine dritte Kuh weiter zurück, ein sorg-
fältig ausgeführtes Frühwerk vom Jahre 1869 in
dem feinen Silberton, den W. Maris’ Gemälde
jener Zeit auszeichnen. Das Bild stammte aus
der Sammlung Menalda und ist 42><66,5 cm groß.
Den nächsthôchsten Preis erzielte wieder ein
Franzose: W.Bouguereau, eine junge Agyp-
terin in Blau, die mit großen dunklen Augen den
Beschauer ansieht. Jedenfalls ein recht süßliches
Bild, für das sich aber gewiß noch mehr Lieb-
haber finden ließen, als dieser eine, der es für
3600 fl. ersteigerte. Daß für den kleinen Bos-
boom, Nr. 19, Inneres der St. Bavo-Kirche in
Haarlem (Holz, 20x15,5 cm) 1600 fl. bezahlt
wurden, ist viel begreiflicher, ebenso wie 3000 fl.
für desselben „Hooglandsche Kerk“ in Leiden,
Nr. 18 (Holz 33><22,5), die in der Beleuchtung
und im perspektivischen Durchblick noch reiz-
voller als das erstgenannte Bild ist. Die Ge-
briider Achenbach sind in Holland auch noch
geschätzt, wie aus den Preisen der beiden hier
versteigerten Bilder erhellt: Nr. 4, Oswald Achen-
bach, Sommerabend in Italien (Leinwand 107x161,
datiert 1852): fl. 1250; Nr. 1, Andreas Achenbach,
Graues Wetter (Holz 29><36,5, datiert 1861):
fl. 720. Beide aus der Sammlung de Kuyper.
Nun kommen mit guten Preisen ooch einige
Bilder von etwas älteren Holländern, z. B. die
Heerengracht in Amsterdam im XVII. Jahrhun-
dert von Springer, (Nr. 35, datiert 1868): fl. 725,
Willem Ralofs’ „Einsamkeit“ (Nr. 34): fl. 690.
Aus der bekannten Amsterdamer Sammlung van
Eeghen (von der ein Teil lange Zeit im Städt.
Museum in Amsterdam leihweise ausgestellt war),
sind zu nennen: Nr. 60, M. Boks, Morgen-
landschaft (früher leihweise im Städt. Mus.),
fl. 470; Nr. 61, Du Chattel, Enten am Wasser,
fl. 500; Nr. 66, ein alter jüdischer Bettler, fl. 400.
Von den Bildern verschiedener, nichtgenannter
Provenienz erzielte Nr. 118, ein 34><49 cm großes
Aquarell von A. Mauve mit 3175 fl. den höchsten
Preis. Nr. 96, Gabriel, Tagesende, - brachte
1006 fl.; Nr. 103, Unterberger, Castellamare,
510 fl.
Die zweite Auktion dieses Monats fand im
,Militiezaal* in Amsterdam unter der Direktion
von C. F. Roos & Co. am 17. und 18. Novem-
ber statt. Sie umfaßte hauptsächlich Antiquitäten,
Porzellan, Fayencen und Möbel, aber auch eine
Kollektion alter Gemälde; diese letztere kam
zuerst unter den Hammer. Wesentlich hohe
Bilderpreise sind aber nicht zu verzeichnen.
Zwei hübsche Porträts von Santvoort (Nrn.
46 u. 47) wurden zusammen um 1250 fl. zu-
geschlagen, Nr. 19, Stilleben von Corn. de
Heem um. 450 fl. Nr. 21, eine Schlacht von
van Huchtenburgh um 460 fl.
In der Abteilung Möbel usw. wurde das
höchste Angebot auf eine Treppe in Louis XVI-
Stil gemacht (1375 fl.), die sih noch in einem
Hause in Schiedam befindet und auf Kosten und
Gefahr des Käufers abgebrochen werden muß.
540 fl. wurden für Nr. 630, eine Zimmerdeko-
ration (vier Panneaux und eine Türumrahmung
in Grisaille) bezahlt, 725 fl. für Nr. 638, einen
groBen Eichenschrank, 420 fl. für Nr. 654, eine
Korridoruhr, 400 fl. ebenfalls für eine Korridor-
uhr (Nr. 656). Von den übrigen Preisen sind
zu notieren: Porzellan mit blauem Dekor,
Nr. 76, EBservice aus 130 Stücken, 912 fl.; Nr. 83,
ein Paar Teller, 450fl.; Nr. 90, ein Teller mit
Figuren, 500 fl.; Nr. 131, zwei Flaschen 215 fl.
Nr. 391, Schrankgarnitur, blaues Delft (van Duyn)
200 fl.; Nr. 392, desgl. 200 fl.; Nr. 393, desgl.
185 fl. Polychromes Delft, Nr. 445, Schüssel,
200 fl.; Nr. 454, Schrankgarnitur 215 fl.; Nr. 455,
zwei Flaschen, 200 fl.; Nr. 456, Uhrständer, 230 fl.;
Nr. 465, Figurengruppe, 250 fl.; Nr. 467, zwei
Figuren, 150 fl. Nr. 250, Schrankgarnitur (4 Stück),
370 fl.; Nr. 294, sechs Teller (famille rose), 200 fl.;
Nr. 296, desgl., 115 fl.
In Rotterdam wurde am 17. November im
„Kunstsaal Reckers“ die Sammlung der ver-
storbenen Frau A. M. Pluyers, Rotterdam (mo-
derne holländische Gemälde, Aquarelle und Zeidi-
nungen) versteigert.
Von den in Heft 10 abgebildeten drei alten
Gemälden aus der Sammlung Hoschek in Prag,
die zum großen Teil von dem Amsterdamer
Kunsthändler J. Goudstikker angekauft worden
war, sind zwei inzwischen in den Besitz der
71
1184
Monatshefte fiir Kunstwissenschaft
Douairiere, Frau van Alphen im Haag über-
gegangen: Der groBe Jan Steen, Der Bauer, der
kalt und warm blast, und der J. v. Ruisdael.
Dieselbe Dame, die auch eine erstklassige Samm-
lung moderner Meister besitzt, erwarb von
Goudstikker noch den Melchior d’Hondecoeter,
der früher ebenfalls zur Sammlung Hoschek
gehörte. K. F.
2
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herrn, Dichtern, Sängerinnen in zum Teil farbigen Stichen,
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Carlebach. |
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| und Kunstgegenstände a. Nachlaß
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15.—16. | Amsterdam. Fred. Müller & Co.
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16. | München. H Helbing. Ölgemälde
| alt. Meister. Handzeichnungen.
Dez. Aachen. Ant. Creutzer. Antiqui-
. täten, Kunstmobiliar.
Dez. | Aachen. Ant. Creutzer. Gemälde
| alter und neuer Meister,
Febr. | Köln. J. M. Heberle (H. Lempertz'
1909. Söhne). Sml. Angst-Züric, Huber-
16. | Sihlbrugg u. Siegfried. Wappen,
Möbel, Porzellan.
Zur gefl. Beachtung!
Diesem Hefte liegen Prospekte der Firmen: J. H. ED. HEITZ, Straßburg; R.
PIPER & Co., München; SCHROLL & Co., Wien (zwei Stück); XENIEN-VERLAG,
Leipzig, sowie drei Prospekte des Verlages KLINKHARDT & BIERMANN,
Leipzig bei, auf die besonders aufmerksam gemacht sei.
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