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Monatshefte
der
Comeniiis-Gesellscliaft.
Herausgegeben von Ludwig Keller.
wm
vierter Band.
1895.
Berlin und Münster (Westf.).
Verlag der Comeiiius-Gesellschaft,
Jobanncs Bredt ia Kommission.
1805.
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:XduuL\^ ^6'50O
Für die SchriftleituDg verantwortlich:
Arohiv-Bat Dr. Ijudw. Keller in Charlottenburg.
Inhalt des vierten Bandes.
A. Abhandlnng'eii.
Seite
Keller, Ludwig, Comenius und die Akademien der Naturphilosophen
des 17. Jahrhrh 1. 69. 133
Eoth, F. W. E., Johann Heinrich Aisted (1588—1638). Sein Leben
und seine Schriften. ... 29
üphues, Goswin K., die psychologische Grundfrage 97
Sud hoff, K., Ein Ruckblick auf die Paracelsus- Jahrhundertfeier . .115
Baehring, Bernhard, Zur Erinnerung an Moritz Carriere .... 185
Krones, Dr. Franz von, Karl von Zierotin und der Kreis seiner
deutschen Frennde und Zeitgenossen. Eine Studie ..... 194
Aron, R., Comenius als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen . . 217
Noväk, Joh. V., Das älteste pansophische Wort des Comenius. . . 242
Natorp, Paul, Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte der Ein-
führung Pestalozzischer Grundsätze in die Volksschule Preussens 261
Dissel, Karl, Der Weg des Lichts. Die Via lucis des Comenius. . 295
Schmid, Georg, Sigismund Evenius 306
B. Kleinere Mitteilungen.
Wölk an, R., Die Litteratur der letzten fünfzig Jahre über die Ge-
schichte der böhmischen Brüder 45
ۥ Besprechungen.
Will mann, O. , Didaktik als Bildimgslebre in ihren Beziehtingcn zur Socialforschung
u. 8.W. (Uphues). — Uphues, Goswin K., die Psychologie des Erkennens vom
empirischen Standpunkte. 1. Band. (Hochegger). — Böhm, J., Geschichte der
Pädagogik (Gutmann) 49
Th. Burckhardt-Biedcrmann, Bonifacius Amerbach und die Beformation (K. S.).
— Jos. Reber, J. A. Comenius und seine Beziehungen zu den Sprachgesell-
schaften (Bdtticher) 253
D. Litteraturbericht.
Jacques Parmcntier, Jean Louis Vi ves. — Staatslcxikon der Görresgesellschaf t.
Bd. 3. — Allg. Deutsche Biographie. Bd. 35. — Jahrbuch für die
Geschichte des Protestantismus in Österreich. Jahrg. 15. — Joh.
Janssen, Geschichte des deutschen Volkes. — Kvacsala, die irenischen
Bestrebungen u. s. w. — Neue (böhmische) Ausgabe der homiletischen Werke
des Comenius. — 11 oder mann, Bilder aus dorn deutschen Leben des 17. Jahrb.
— Reber, John Miltons Essay on Education. — Bibliothek -pädagogischer
Klassiker. Bd. 30 57
W. Sticda, Hamburger Handwerker als Studenten u. s. w. — R. Kruskc, Georg
Israel. — The od. Längin, Deutsche Handschriften u. s. w. — Anton
Gindely, Geschichte der Gegenreformation in Böhmen. — Alb. Richter,
IV Inhalt.
Seite
Ncudrucko pädagogischer Scliriften. — Rud. Hochegge r, Die Bedeutung der
PhiloHophie der Gegenwart für die Pädagogik. — Rieh. Sachse, Jacob Tho-
masiutt. — Bernh. Münz, Jakob Frohschainnier. — E. Melzer, Der Beweis
für das Dasein Gottes u. s. w 123
G. Voigt, Bischof Bertram von Met« (lia)— 1212). — H. Haupt, Deutsch-böhmische
Waldenser. — Uebingor, Beiträge zur Geschichte Nicolaus von Cusas. —
Knaake, Job. Pupper von Goch. — Fr, Wächter, Briefe an Erasmus. —
K. Krafft, Gerb. Omüken. — A. Wirth, Die evangel. Schule des 16. und
17. Jahrb. — H. S. Burrage, The Anabaptists of the IG. Century. — Alfr.
Rausch, Christian Thomasius. und Erb. Weigel. — Alb. Fecamp, D. G.
Morhof. — W. Fabrieius, Die Studentenorden des 18. Jahrh 3U
E. Xaeliriehten.
F. W. E. Roth Ober Otto Brunfels (f 1534). — Zur Hans Sachs - Litteratur. — Die
Universal-Universitfit des Grossen Kurfürsten. — Die Fruchtbringende Gesellschaft
und der Grosse Kurfürst. — Rebers Comenius-Forschungen. — Thomasius
und Comenius. — Thomasius' Aufenthalt in Holland. — Schriften des deutschen
Hugenotten -Vereins. — I)eut«ch- italienische Waldenser -Gemeinden. — Die
böbmisch-niährischen Glauliensflüchtlinge. — F. A. Langes Schrift über Vives
in spanischer tlbersetzung. — Job. Apaeius C'sere (geb. 1G23) 63
Auffsissungen der mährischen Brüder über das Alter des evangelischen (rlaubens. —
Neuere Urteile Ober die Bedeutung des Meistergesang». — Zur Geschichte des
Joh. Clauberg, Professors in Duisburg. — Eine seltene Ausgabe einer Schrift
des Comenius 129
In Sachen der Univereal-Univcrsität des Grossen Kurfürst-en. — Die Bedeutung von
Zünften und Gilden für die Entwickelung des religiösen I^bens in früheren
Jahrhunderten. — Der Johauniterorden und die Akademie des Palmbaums. —
Widci*wiUe der Mitglieder des Palmbaums gegen den Namen ,,Calvinisten". —
Comenius und die konfessionelle Polemik des 17. Jahrh. — Vorlesungen Ober
die Geschichte der l)öhmischen Brüder. — Die Stiftimg einer „tugendlichen Ge-
sellschaft" im Jahre 1619. — Zur Charakteristik der sog. Sprachgesellschaften
des 17. Jahrhunderts 1<J3
Adolf Lassons Urteil über die altdeutsche Mystik. — Die Grafen von Zierotin und
die mährischen Brüder. — Die Idee eines Rcligions-Kongresses bei Comenius. —
Symbolik in der Gesellschaft des Palmbaums. — Kvacsala ül)er Campanella
und C-onienius. — Novdks Arbeiten auf dem Gebiete der Comenius-Forschung 257
E. Troeltsch (Professor in Heidelberg), Über Religion und Kirche. — K. Burdach
(Professor in Halle), Über den Zusammenhang zwischen Luther und den böhmi-
schen Brüdern. — ,,Pickardeu" und Reformierte. — Jos. Rebers Ausgabe der
Naturkunde de» Comenius. — Der Jesuit B. Balbimis Ülxjr Comenius. — Die
Bibliothek des Comenius in Fulnek. — Giordano Bruno begründet eine
,, Akademie" in London (1583). — Briefwechsel zwischen Wok von Rosenberg
und Christian von Anhalt. — Briefwechfiel des Herzogs August von Braun-
schweig-Lüneburg. — Aufforderung 319
F. Preisanfgabe der Comenius - Gesellschaft für 1896 318
G. .Inhalt neuerer Zeitschriften 68. 132
H. Pei*sonen- und Orts -Register 325
Monatshel
der ^
M Comenius-GesellsfchafI:
Herausg-egeben von Ludwig Keller.
Vierter Baiul.
Erstes und zweites Heft.
Jaiuiür— l't'bnuir isn.'i.
"^ Berlin und Münster i-/w.
Vorlag der Oomonius-Gesellschiif t.
Johannes Bicilt in KommL'J'iirin.
WP^M^'S^MS:
wm
Der Becng^r^ beMigt im Buchhandel und bei der Fust Jährlich 10 Hnrli.
Alle Recht« vorbehalten.
Inhalt
des ersten und zweiten Heftes 1895.
Abhandluniren. seite
Iiudwig Keller, Comenius und die Akademien der Naturphiiosophen des
17. Jahrhunderts. Erster Teil 1
F. W. B. Roth, Johann Heinrich Aisted. (1588—1638.) Sein Leben
und seine Schriften 29
Kleinere Mittellungren.
Dr. B. Wolkan, Die Litteratur der letzten fünfzig Jahre über die Ge-
schichte der böhmischen Brüder . 45
Besprechungren.
W i 1 1 m a n n , O. , Didaktik ala Bildungslehre nach ihren Beziehungen zur Sodalforschung u. s. w .
(Uphnea). — Uphncs, Goswin K., Die Psychologie des Erkennens Tom empirischen Standpunkte.
1. Band (Hochegger). — BOhm, J., (beschichte der Pttdagogik (Gutmann) 49
Litteraturbepicht.
Jacques Parmenticr, Jean Louis Vires. — Staatslexikon der Gdrresgesellschaft.
Bd. S. — Allg. deutsche Biographie Bd. 35. — Jahrb. f. d. Gesch. d. Prot, in Öster-
reich. Jahrg. 15. — Joh. Janssen, Gesch. d. deutschen Volkes. — Kvacsala, Die ironischen
Bestrelnrngen u. s. v. — Neue (böhmische) Ausgabe der homiletischen Werke des Comenius. —
Hode^maun, Bilder aus dem deutschen I^ben des 17. Jahrh. — Reber, John Miltons Essay of
Education. — Bibliothek pttdag. Klassiker. Bd. aO 57
Nachrichten.
F. W. E. Roth Ober Otto Brunfels (f 15^1). - Zur Hans S a c h s - Litteratur. •- Die
Uni versal-Univcrsitftt des Grossen KurfQrsten-. — Die Fruchtbringende Gesellschaft
und der Grosse Kurfürst. — Rebers Comenius - Forschungen . — Thomasius und Comenius. —
Thomasius' Aufenthalt in Holland. — Schriften des deutschen Hugenotten -Vereins. — Deutsch-
italienische Waldenser-Gemeinden. — Die bOhmisch-mährischen GlaubensflüchtUnge. — F. A. I^uiges
Schrift nber Vires in spanischer Übersetnmg. — Joh. Apacius Csere (geb. 16'^) 63
Inhalt neuerer Zeitschriften 68
Die Monatshefte der CG. erscheinen monatlich (mit Ausnahme des August
und September). Die Ausgabe von Doppelheften bleibt vorbehalten. Der Ge-
samtumfang beträgt vorläufig 20 — 25 Bogen.
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Anzeigen finden durch die Monatsschriften der CG. in den beteiligten
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kostet 20 Pfg.; bei grösseren Aufträgen entsprechende Ermässigung. Anfragen
und Anträge sind an Johannes Bredt, Verlagsbuchhandlung in Münster i.W.
zu richten.
Für die Schriftleitung verantwortlich: ArchiT-Bat Dr. Keller in Münster i.W.
Monatshefte/
der ^
Comenius-Gesellscliaft;
IV. Band. -^ 1895. ^ Heft 1 u. 2.
Comenius und die Akademien der Naturphilosophen
des 17. Jahrhunderts.
Von
Ludwig Keller.
Erster Teil.
_ __ *
Es darf heute als anerkannte Thatsache gelten, dass die
Xaturphilosophen des 17. Jahrhunderts, an ihrer Spitze Baco,
Galilei und Leibniz, gleichviel wie man gegenwärtig über
ihre Schwächen oder ihre Vorzüge denkt, das grosse Zeitalter
der naturwissenschaftlichen, chemischen, mathematischen und
astronomischen Entdeckungen eingeleitet haben, in dem wir uns
noch heute befinden, ja, man kann sagen, dass sie die Urheber
der grossen geschichtlichen Wendung sind, welche die Neuzeit
von der mittelalterlichen, auch im 16. Jahrhundert noch nicht
völlig überwundenen Weltanschauung trennt.
Auch wenn man dies anerkennt, braucht man keineswegs zu
bestreiten, dass es unter diesen Männern manche sonderbare
Schwärmer gegeben hat, und jeder weiss, dass es neben hervor-
ragenden Köpfen solche gab, die an die Möglichkeit der MetalU
Verwandlung glaubten, die die Quadratur des Zirkels oder den
Stein der Weisen zu finden dachten. Indessen bestätigt diese
Wahrnehmung lediglich die Thatsache, dass es im menschlichen
Leben keinen Satz giebt, der so richtig und kein System, das so
gut begründet ist, dass es nicht durch Querköpfe missbraucht
oder in seinem Ausehen geschädigt werden könnte.
MunatHhofte der 0>inoiiiuH-(i<>;>eU!«c'haft> 189ö. . i
/
2 Keller, Heft 1 u. 2.
Die grosse Bedeutung, die der gesamten Richtung zukommt,
würde trotz der mannigfachen Verirrungen längst allgemeiner be-
kannt und anerkannt sein als sie es heute ist, wenn nicht unter
der Einwirkung der heftigen Gegnerschaft, die diese Strömung
besonders innerhalb der beiden herrschenden Kirchen fand, bis
tief in das 18. Jahrhundert hinein die ungünstigste Beurteilung
ein grosses Feld behauptet hätte. Zwei sehr berühmte und in
ihrem Einfluss noch immer nicht überall zurückgedrängte littera-
rische Handlanger, B a y 1 e und Adelung, haben durch ihre
weitverbreiteten Werke das Andenken vieler dieser sogenannten
Naturphilosophen in der hässlichsten Weise verunglimpft und sie
als „Astrologen" und „Goldmacher'^, ja als „Fanatiker'* und „Sek-
tirer" mit ausgesprochener Absichtlichkeit in den Schmutz gezogen.
In das Buch, welches Adelung im Jahre 1785 unter dem
Titel: „Geschichte der menschlichen Narrheit oder Lebens-
beschreibungen berühmter Schwarzkünstler, Goldmacher u. s. w."
herausgegeben hat, sind sehr viele Vertreter dieser Geistesrichtung
aufgenommen worden, und man würde fehlgehen, wenn man die
Ansicht, die darin zum Ausdruck kommt, als eine persönliche
Meinung Adelungs betrachten wollte ; er gab vielmehr nur wieder,
was er in der Streitlitteratiu' des 17. und 18. Jahrhunderts fand
und wollte oder konnte nicht sehen, dass er zu unreinen Quellen
gegriffen hatte.
So sehi* er dadurch auch in die Irre gegangen sein mag,
so hat er doch in einem Punkte vollkommen recht gesehen: ver-
dienen jene Naturphilosophen in Bausch und Bogen diese Brand-
markung, so verdient sie auch Comenius. Indem er diesem Manne
neben den übrigen in seinem Buche eine Stelle gab, brachte er
den zutreffenden Umstand zum Ausdruck, dass Comenius ein
Mitglied jenes Kreises von Naturphilosophen oder wie
Adelung sagt, jener „Narren" und „Schwarzkünstler** gewesen ist.
Die historische Betrachtung hat die Männer, die hier in
Betracht kommen, meist ausschliesslich oder vorwiegend nach
derjenigen wissenschaftlichen oder geistigen Seite ins Auge ge-
fasst, für die sie in erster Linie schriftstellerisch thätig gewesen
sind, und dabei vielfach übersehen, dass ein innerer geistiger
Zusammenhang, ja sogar eine feste äussere Organisation die Mehr-
zahl der grossen Reformatoren verbindet, die auf dem Gebiete
der Erziehungslehre, der exakten Wissenschaften und der
1895. Comenius und die Akademien der Natiirphilosophen etc. 3
Volkssprachen während des 17. Jahrhunderts sich als Schrift-
steller bekannt gemacht haben, und doch kann eine klare Einsicht
in das Wesen dieser geistigen Bewegung, ihre geschichtlichen
Zusammenhänge und ihre Wirkungen nur dann gewonnen werden,
wenn die willkürliche Einschachtelung der einzelnen in heute
übliche Systeme und Begriffe durchbrochen und die Gesamtheit
dieser geistigen Erscheinung unbefangen ins Auge gefasst wird.
Was diese Gelehrten zusammenführte und zusammenhielt,
war vor allem eine tiefe Abneigung gegen den scholastischen
Wissenschaftsbetrieb, wie er damals die Universitäten aller
Länder beherrschte — ein Betrieb, der in der Betonung des
Aristoteles seinen Ausdruck fand. „Das unglückliche Vertrauen
in die dialektische Physik des Aristoteles", sagt Joachim Jungius
einmal, „hat die Vemachlässigimg der Beobachtung zu Wege
gebracht." ^) Um ihren Gegensatz zu dieser Betriebsart der
Wissenschaften zu betonen, pflegten sie sich wohl Platoniker oder
Xeuplatoniker zu nennen oder nennen zu lassen, und in der That
ist eine Hinneigung zu Plato und zur platonischen Philosophie
durchweg bei ihnen nachweisbar.
Man darf nicht übersehen, dass diese Sonderstellimg einen
Gegensatz sowohl gegen die herrschenden Kirchen wie gegen die
Universitäten, die damals den Kirchen gegenüber eine selbständige
Stellung nicht besassen, zur notwendigen Folge hatte. Es sind
Männer von ganz hervorragenden Leistungen, die uns in den zu
schildernden Kreisen begegnen, gleichwohl aber hat kaum einer
dieser Gelehrten an den gleichzeitigen Universitäten einen dauernden
und unangefochtenen Wirkungskreis gefunden, sondern es haben
sich die Hochschulen zu jener Zeit durchweg ablehnend gegen die
„Platoniker*^ verhalten 2), und heftige Kämpfe litterarischer und
und persönlicher Art sind die Folge gewesen.
Es war, wie es Joachim Jungius einmal bestimmt und klar
ausspricht, nicht diese oder jene Lehre, die sie als falsch be-
*) Guhrauer, Joachim Jimgius und sein Zeitalter. Stuttgart und
Tübingen 1850, S. 148.
*) „Ein Blick auf die Geschichte der Universitäten in diesem Zeit-
raum erklärt hinlänglich, weshalb, Italien etwa ausgenommen, ... im übrigen
Europa kein einziger der grossen Reformatoren in der Philosophie und der
Wissenschaft auf jenem Boden fortkam oder auch nur hier fortzukommen
suchte." (Guhrauer, Joachim Jungius u. s. w. S. Ü8.)
1 *
4 Keller, Heft 1 u. 2.
kämpften, sondern der Kampf galt der gesamten Methode,
wie sie unter dem Einfluss der Scholastik nicht bloss das Mittel-
alter, sondern auch noch das 16. Jahrhundert beherrscht hatte.
„Es handelt sich nicht um diesen oder jenen Irrtum", sagt er,
„sondern die ganze Methode der Wissenschaft und Philosophie ist
sophistisch."
So ablehnend standen sie dieser sogenannten Philosophie
gegenüber, dass sie auch diesen Namen von sich nicht zu ge-
brauchen wünschten und ihre Wissenschaft lieber Pansophie
odgf Naturphilosophie genannt sehen wollten, ohne dass sie
sich damit etwa lediglich als ,J^aturfor8cher'' oder als ausschliess-
liche Vertreter der exakten Wissenschaften hätten bezeichnen
wollen, wenn auch ihr besonderes Interesse sich der Natur-
beobachtung und Naturbetrachtung nach Bacos Vorgang zuwandte.
Jede religiöse Weltansicht pflegt mit bestimmten natur-
philosophischen Anschauungen Hand in Hand zu gehen und sich
mit diesen zu einem einheitlichen System zu verschmelzen. Man
kann nicht leicht die letzteren aus dem Zusammenhange, in dem
sie stehen, loslösen, ohne das gesamte System zu erschüttern, imd
indem unsere „Naturphilosophen" sich gezwungen sahen, die auf
den Büchern des Alten Testaments ruhende Natur- und Welt-
betrachtung der Kirchenlehre anzuzweifeln, gerieten sie nicht zwar
zum Christentum, aber doch zur Dogmatik in einen Gegensatz,
der sich durch die Art des Kampfes, der sich entwickelte, melir
und mehr verschärfte.
Die Kämpfe, in welche Galilei wegen seiner Verteidigung
des Copemikanischen Weltsystems seit 1617 geraten war, hatten
den alten Streit der Naturphilosophen mit der alttestaraentlichen
Weltanschauung und ihren Vertretern von neuem weit und breit
zu hellen Flammen angefacht
Aber auch abgesehen von solchen Einzelpunkten schien den
Naturphilosophen die Gesamtanschauung der herrschenden Lehre
von der Verderbtheit der Natur, von der Art, wie diese sich
das Eingreifen Gottes in den Naturlauf dachte und manches andere
unhaltbar.
Sie ofl^enbaren durchweg eine besondere Vorliebe für die
Natur und betrachten die Beschäftigung damit als eine Art von
Gottesdienst „Durch die Betrachtung und Erforschung der Werke
Gottes", sagt Matthias Bemegger, „wird der Ruhm seines gött-
1895. Comeniuß und die Akadomien der Naturphilosophen etc. 5
liehen Namens viel mehr verherrlicht als durch die dornigen und
nichtigen Streitfragen, von denen die Katheder der Hochschulen
erschallen."
In den Schriften des Heinrich Nollius*) tritt eine Liebe
und Hochschätzung der Natur hervor, die sich oft in rührender
Weise kund giebt: ,Jn dem Halm, in den Blüten, in den Früchten
(sagt Noilius) ist etwas Erhabenes enthalten, was unzweifelhaft
eine gewisse Verwandtschaft mit dem Himmel hat; da es die
Wärme des Himmels in sich aufnimmt und mit sich verbindet,
erhält es von dort aus Lebenskraft und Pracht." Noilius sah in
der Natur das lebendige Bild Gottes und sagte: „Wie Gott Alles
in Allem ist, so kann auch der Mensch, der sich darein versenkt,
in Gott Alles erkennen"; sein wichtigstes Werk nannte er Naturae
sanctuarium.
Man weiss, dass die mittelalterliche Weltanschauung unter
dem Einfluss der Scholastik und der Kirchenlehre in erster Linie
auf die übersinnlichen Dinge gerichtet war und vornehmlich mit
den Kräften des Gemüts und der Phantasie ihre Geisteswelt sich
ausgestaltete; seit dem 16. Jahrhundert — hier ist Paracelsus
unzweifelhaft bahnbrechend gewesen — und mehr noch seit dem
17. begann eine neue Geistt^srichtimg fjnfluss zu gewinnen, die
nicht bloss auf das Wesen Gottes und die Beziehungen der
Menschen zu Gott, sondern auch auf das Wesen der Natur und
auf die Beziehungen der Menschen zur Natur und der
Menschen unter einander gerichtet war.
Es konnte nicht fehlen, dass sich diese Denkweise vielfach
geneigt zeigte, die Bedeutung der übersinnlichen Dinge, soweit
sie ausserhalb der unmittelbaren Erfahnmg lagen, zu unter-
schätzen. Sie verfiel dadurch in manchen ihrer späteren Ver-
treter in eine ähnliche Einseitigkeit, wie sie die Träger der älteren
Anschauung gegenüber den Erfahrungs Wissenschaften an den Tag
gelegt hatten.
Diese Erscheinung zeigt sich indessen bei unseren Natur-
philosophen noch nicht; sie waren bei dem vielseitigen Wissen,
welches die Mehrzahl auszeichnete, vdel zu einsichtig, um zu über-
sehen, welch^ grosse Bedeutimg auch denjenigen Vorstellungen
^) Wichtige Auszüge daraus bei Hochhutb in der Ztschr. f. d. bist.
Theol 18(53. S. 200 ff.
H Keller, Heft 1 u. 2.
zukommt, welche sich mehr auf Gnmd der inneren Offenbarung
und des Gemüts als des Verstandes erschliessen, und sie er-
kannten wohl, dass religiöse Vorstellungen, obwohl sie dem Be-
weise unzugänglich sind, für den einzelnen die gleiche Ge>\'is8-
heit wie Sätze der Erfahrung erlangen und stärkere Antriebe
für sein Handeln als irgend eine Erfahrungsthatsache abgeben
können.
Unbeschadet abweichender Sonder -Meinungen Qo\ne ver-
schiedener Confessionen zeigen die älteren Naturphilosophen ganz
überwiegend einen kräftigen Zug ernster Religiosität. „Es
darf nicht befremden*^, sagt Guhrauer *), „wenn uns in den Lebens-
nachrichten dieser Männer und namentlich des Jungius, Äusser-
ungen und Merkmale aufrichtiger Frömmigkeit und häufige Hin-
weisung auf die Nachfolge Christi, sogar Zeichen einer Hinneigung
zur Mystik, unbeschadet ihres mit Klarheit und Beharrlichkeit
verfolgten Zieles allgemein wissenschaftlicher Reform, entgegen-
treten." Wenn trotzdem gegen Männer wie Matthias Bemegger,
Jungius u. a. gelegentlich die Anklage des „Atheismus" er-
hoben wird, so beweist dies bei der offenkundigen Unwahrheit
des Vorwurfs lediglich, dass die Vertreter der herrschenden
Dogmatik die schärfsten Waffen, die sie bcsassen, gegen die
„Platoniker" anwenden zu müssen glaubten *).
In jenem Vorwurf kommt allerdings der Umstand zum Aus-
druck, den auch die Naturphilosophen ihrerseits nicht bestritten,
dass sie die Idee und das Wesen des Christentums in manchen
Punkten anders als die herrschende Dogmatik fassten.
Für sie stand die Idee des Reiches Gottes, wie es
Christus verkündet hatte, im Mittelpunkte der Gedankenwelt, und
wenn sich auch beobachten lässt, dass sie öffentlich für diesen
Gedanken nur imter Anwendung symbolischer Verhüllungen ein-
zutreten pflegten, so tritt doch in vertraulichen Ausseningen ihre
Meinung ganz unzweideutig hervor. Jungius, der auch in seiner
Umgebung die Pflege des religiösen Sinnes liebte, hatte seinem
Gesinde ein Exemplar des Katechismus des Gesenius eingehändigt^);
*) Guhrauer a. O. 8. 68.
*) Näheres bei Guhrauer a. O. S. 122. — Bünger, M. Bernegger,
Strassb. 1893. S. 202.
') Gesenius hat einen Platz in Arnolds Kirchon- n. Ketzergoschicht«
erhalten, s. die Ausgabe v. Frankf. a. M. 1729 I, 932.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 7
in dieses Exemplar hatte er einen Spruch eingetragen, in welchem
sich folgende Reime befanden:
„Such Gottes Reich vor allen Dingen,
So wird dir Alles wohl gelingen."
Aus diesem Grundstreben flössen aUe ihre sonstigen Charakter-
züge und Eigentümlichkeiten. Es ist ein durchgehendes Merkmal
der Platoniker, dass sie bei allem Eifer, mit dem sie auf das
Wissen (scientia) drangen, doch weit über die Wissenschaft im
engeren Sinn die Weisheit (sophia) stellten; ihre Gegner warfen
ihnen vor, dass ihnen die Pansophie oder die All Weisheit sogar
über den Glauben gehe, und darin hatten sie insofern recht, als
die Naturphilosophen die Liebe, die aus der Weisheit fliesst,
höher stellten als die Hingabe an irgend eine Lehre oder den
Glauben, wie die herrschende Dogmatik ihn verstand.
Es ist das Eigenartige sämtlicher oben genannter Gelehrten,
dass sie ihre eigentliche Lebensaufgabe nicht in der Anhäufung
neuen Wissensstofles, sondern in der Nutzbarmachung des Wissens
für die Menschenwelt erkannten; ein Wissen, welches unfähig
war, den Menschen zu helfen oder sie zu bessern, war ihnen
wertlos, und indem sie lebendige Früchte, nicht tote Gelehr-
samkeit erstrebten, wussten sie sich in einem tiefen Gegensatz
zur Neuscholastik, wie sie gerade in der Theologie des 17. Jahr-
hunderts innerhalb beider Confessionen die Oberhand gewonnen
hatte. Für den Bau des „Tempels" (wie sie die Idee des Gottes-
reiches nannten) nützte ihnen keine Wissenschaft, die nicht für
das Leben anwendbar war. „Thaten^^, sagt Leibniz, „müssen sich
zu den W^orten fügen, das Leben muss von der Lehre Gewinn
ziehen*', und an anderer Stelle fügt er hinzu: „So oft ich etwas
neues lerne, so überlege ich sogleich, ob nicht etwas für das
Leben daraus geschöpft werden könne."
Eine Wissenschaft, die sich schon durch die Sprache, in
der sie auftrat, von der Mehrheit des Volkes abschloss, konnte
von diesem Gesichtspunkt aus nicht das Ziel sein, welches ihnen
vorschwebte; damit hängt es zusammen, dass gerade aus den
Kreisen der Platoniker heraus ein eifriger Kampf für die Volks-
sprachen geführt ward — ein Kampf, der die Mehrzahl aller
bestehenden kirchlichen und gelehrten Kör|)erschaften wider sie
auf den Plan rief. Mit gutem Grund konnte Leibniz klagen, dass
„aller Lust und Fleiss, der von Andern auf die deutsche Sprache
8 Keller, Heft 1 u. 2.
gewendet wird, der Mehrheit verhasst uud verdächtig sei".
Nur von diesem Gesichtspunkte aus versteht man die gehässigen
Urteile und die lebhafte Gegnerschaft, die den älteren Sprach-
bestrebungen ihr Wirken erschwerte.
Eben diese Betonung der Volkssprachen und die damit zu-
sammenhängende des volkstümlichen Schrifttums, besonders der
Dichtkunst, hat es zu Wege gebracht, dass wir in den Akademien
und Gesellschaften der Platoniker, die wir unten kennen lernen
werden, die eigentliche Geburtsstätte der neueren deutschen
Litteratur zu suchen haben — eine Thatsache, die, wie man
denken sollte, aUein ausreichend wäre, um die Akademien zu einer
merkwürdigen geschichtlichen Erscheinimg zu machen und ihnen
eine ernstere geschichtliche Beachtung zu sichern als sie sie bis-
her gefunden haben. Nicht die Universitäten oder die Kirchen,
sondern diese von beiden lebhaft bekämpften freien Vereinigungen
sind es gewesen, die für die tief darniederliegende deutsche
Sprache und Litteratur ein neues Zeitalter heraufgeführt haben.
Von dem Grundgedanken aus, wie er in der Idee des Reiches
Gottes enthalten ist, erklärt sich auch die Thatsache, dass diese
Männer der Erziehung und der Wissenschaft der Erziehung
ein tieferes Interesse als die Mehrzahl der Zeitgenossen entgegen
brachten. Es war ihnen, wie bemerkt, nicht genug, für diesen
oder jenen Stand oder diese oder jene Berufsart eine Summe von
Wissen zu sammeln und es lehrend weiter zu geben, sondern sie
wollten das gesamte Wissen oder die Allweisheit, wie sie sagten,
für die Erziehung des Menschengeschlechtes fruchtbar
machen und auf dem Wege der allgemeinen Bildung die Menschen
einer höheren Entwicklungsstufe entgegenführen. Daher sind, wie
das auch schon früher erkannt worden ist, in diesem Kreise der
Naturphilosophen die Begründer der neueren Erziehungslehre zu
suchen, deren heutige Vertreter daher von je sich jener Vorläufer
eifrig und dankbar erinnert haben.
Die Gelehrten, die sich in der Pflege der exakten Wissen-
schaften, der nationalen Sprache und Litteratur sowie in der
Erziehimgspflege zusammenfanden, zeigen durchweg gleichzeitig
ein viel tieferes Verständnis für die Bedeutung der Gemeinschaft,
des brüderlichen Zusammenwirkens und fester Organisationen als
es vielen anderen gleichzeitigen und späteren Gelehrten eigen zu
sein pflegte. Es ist möglich, dass diese Eigenart mit der starken
1895. ConieniuB und die Akademien der NahirphiloKophen etc. 9
Richtung auf praktische Wirkung im Leben, die sie beseelte, oder
dem Streben nach der „Reformation der ganzen Welt", wie es in
ihren Schriften heisst, zusammenhängt; es kam aber hinzu, dass
ihr Absehen gerade auf diejenigen Wissenschaften gerichtet war,
deren Vertreter von den herrschenden Kirchen seit alten Zeiten
mit einem gewissen Misstrauen betrachtet wurden, und dass sie
keinenfalls bei den Kirchen oder den Staaten, wie sie gerade
damals waren, Fördenmg für die Ziele, die ihnen vorschwebten,
erwarten durften.
An der oben erwähnten Stelle, wo Jungius erklärt, die ge-
samte scholastische Methode und ihre Sophistik seien es, die man
bekämpfen müsse, fährt er fort, sie sei der Mutterboden, der die
Missgebui-ten der herrschenden Meinungen und Lehren erzeuge.
„Wie kannst du es wagen wollen, allein gegen solche Lehr-
meinungen zu kämpfen? Wenn ich hätte allein sein sollen,
so hätte ich keine Feder gegen die Schulmeinungen
gerührt." 1)
Wie dem auch sei, so ist gewiss, dass wir in diesen Kreisen
ein eigentümliches Ringen und Streben nach festen Formen und
Gestaltungen des Gemeinschaftslebens wahrnehmen, das sich oft
in wunderlichen Sinnbildern, Namen und Organisationen offenbart,
das aber deutlich bekundet, vne klar ihnen die auch von ihren
Gegnern nicht bestrittene Thatsache war, dass kein wichtiger Ge-
danke in der Welt sich durchzusetzen pflegt, wenn sich nicht
Männer finden, die in festgeschlossener Gemeinschaft für ihn ein-
zutreten Willens sind. „Was an einer Person hanget", sagt der-
selbe Jungius, „ist sterblich, was am ganzen Collegio, ist dauerhaft."
Man würde nun sicherlich das eigentliche Wesen und die
grosse geschichtliche Bedeutung dieser Akademien oder Colle-
gien schon längst klarer erkannt haben, wenn nicht die Schwierig-
keiten, die in den damaligen Weltverhältnissen -dem Streben nach
freien Organisationen entgegentraten, diese Männer gezwungen
hätte, mit äusserster Vorsicht zu verfahren und vieles absichtlich
zu verhüllen, was für uns an diesen Akademien von Interesse
ist, und was ihnen ihre historische Wichtigkeit gegeben hat. Dazu
kommt aber noch ein anderes, was bisher, soviel ich sehe, gar
nicht beachtet ist.
') Guhrauer a. O. S. 143,
] KeUer, Heft 1 u. 2.
Die Akademien und Gesellschaften, die im 17. Jahrhundert
bestanden, trugen meist das geistige Gepräge der Männer, die ihre
Begi'ünder waren, und zeigen deshalb, so sehr auch ihre Formen
vielfach verwandt sind, eine grosse Mannigfaltigkeit, wenigstens
insofern, als die einen ganz oder fast ganz in der Pflege der
nationalen Sprache und Litteratur, die andern in der Förderung
der exakten Wissenschaften, die dritten in anderen Zwecken auf-
gingen oder doch, soweit ihr Wirken an die Öffentlichkeit
trat, aufzugehen schienen. Starben dann die Begründer und
kamen neue Leiter an die Spitze, so wechselte der äusserlich
erkennbare Inhalt ihrer Bestrebungen leicht, und die jüngeren
Epochen zeigen manche Verschiedenheiten von den älteren, selbst
wenn die alten Namen fortbestehen.
Der Natur der Sache nach waren diese Organisationen, falls
sie nicht in eignen grossen imd allgemeinen Zusammenhängen
standen, selir stark der Gefahr ausgesetzt, in die Wandlungen der
Politik, zumal der Kirohenpolitik, hineingezogen und denjenigen
Zielen entfremdet zu werden, die ihren Gründern vorgeschwebt
haben mochten.
Ursprünglich waren diese Akademien Vereinigungen, die die
ganze Denkweise ihrer Glieder umfassten und deren Ange-
hörige planmässig auf gemeinsame und umfassende geistige, philo-
sophische, religiöse und wissenschaftliche Ziele hinstrebten oder
den Ideen ihrer Leiter nach hinstreben sollten. Allmählich aber
gelang es staatlichen und kirchlichen Einwirkungen, einige der
vornehmsten dieser freien Vereinigungen unter ihren Einfluss zu
bringen und ihnen die L()sung bestimmter wissenschaftlicher Auf-
gaben zuzuweisen; andere „Societäten" verfielen allmählich ganz,
wurden eine Art geselliger Klubs oder beschäftigten sich mit
harmlosen, oft auch lächerlichen Spielereien, einige pflanzten sich
als litterarische Vereine fort, während noch andere den Stamm
für eine neue Entwicklung der älteren Akademien bildeten, deren
Geschichte uns hier nicht beschäftigt.
Gleichviel aber, was aus jenen freien Organisationen unter
dem Druck der Zeit und der Verhältnisse allmählich geworden
ist, so ist doch sicher, dass diese Akademien in gewissen Zeit^
abschnitten für viele hervori'agende Zeitgenossen, und nicht am
wenigsten auch für Comenius, die Zufluchtsorte des freien Ge-
dankens, die Mittelpunkte verdienstlicher geistiger mid sittlicher
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. H
Bestrebungen und die Träger und Verbreiter grosser reformato-
rischer Ideen gewesen sind. *
Das genügt, um ihre Geschichte zum würdigen Gegenstand
der geschichtlichen Untersuchung zu erheben, und die Comenius-
Gesellschaft erfüllt lediglich ihre Pflicht, wenn sie die Aufgaben,
die hieraus einwachsen, als einen Teil ihres eigentlichen Arbeits-
gebietes betrachtet
Sein* bezeichnend für die Unterschätzung, die diese Akade-
mien bisher erfahren haben, sind die falschen Urteile, die uns in
Betreff der „deutschen Societät", der sogenannten Akademie des
Palmbaums, noch heute begegnen. Zwar ist es erfreulich, in
neueren Schriften zu lesen, dass der Wendepunkt unserer Litte-
ratui^eschichte, der sich an den Namen von Martin Opitz knüpft,
ohne die energische Hilfe, die ihm die fruchtbringende Gesell-
schaft hat zuteil werden lassen, nicht so rasch und gründlich
denkbar gewesen wäre^), aber auch diejenigen neueren Forscher,
die dies zugeben, übersehen meist, dass diese Akademie in ihrem
ersten Entwicklungsabschnitt viel mehr erstrebt hat, als die Er-
neuerung der nationalen Sprache und Litteratur, dass sie viel-
mehr allen denjenigen Männern Sttirkung und Rückhalt bot, die
an der Reform des wissenschaftlichen und geistigen Lebens über-
haupt arbeiteten.
Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen (geb. 1579), der seit 1596
sieben Jahre lang in Italien, Frankreich, England imd Holland
sich aufgehalten hatte, war in Florenz am 21. August 1600 in
der Academia della Cnisca Mitglied geworden 2); er Wtte damit
einen Schritt gethan, den damals viele Deutsche, die nach Italien
^) Georg Witkowski, Diederich von dem Werder. Ein Beitrag
zur deutschen Litteraturgeschichtc des 17. Jahrhunderts. Leipz. 1887. 8. 1 f.
*) Alfr. V. Kcumontj delle relazioni della Letteratura Italiana etc.
Firenze 1853, S. 8. Sein Wappen ist neuerdings in den Akten der noch
bestehenden Academia della Crusca wieder aufgefunden worden. Sehr wahr-
scheinlich würden sich die Wappen anderer Glieder der Akademie des
Palmbaums in den Archiven anderer italienischer Akademien nachweisen
lassen. So schreibt Christian II. an den Fürsten von Anhalt in Betreff des
aufzunehmenden Grafen F. C. von Ortenburg: „Der alte Gesellschaftsmaler,
Christoph v. Padua, werde des Ortenburg Wappen schon kennen und es
zum Erzschrein des Palmbaums befördern können." Krause, Ertzschrein S.75.
12 Keller, Heft 1 u. 2.
kamen, vollzogen, nur dass wir bei dem Geheimnis, mit welchem
die italienischen Akademien sich in Betreff ihrer Mitglieder zu
umgeben pflegten, dieses nicht immer urkundlich feststellen können.
Nach den Gesetzen der italienischen Akademien hatte er v-on da
an einen Gesellschafte -Namen, ein Abzeichen und einen Sinn-
spnich zu führen.
Im Jahre 1617 traf Fürst Ludwig — es ist derselbe Fürst,
der sein hervorragendes Interesse für die Förderung der Er-
ziehungslehre durch seine Unterstützung des Wolfgang Ratichius
seit 1618 an den Tag legte — aus Anlass des Begräbnisses der
Herzogin Dorothea Maria von Weimar mit mehreren Freunden
zusammen, welche teils, wie der Sohn der Verstorbenen, Johann
Ernst von Weimar, und sein Hofmeister, Caspar v. Teutleben, und
der Reisebegleiter Fürst Ludwigs in Italien, Bernhard v. Krosigk,
mit diesen Akademien an Ort und St^^Ue in Beziehung getreten
waren, teils deren Bestrebungen billigten. Erfüllt von den Ideen
der Akademien wie sie es waren — der Name Acceso (der Ent^
zündete), welchen Ludwig von Anhalt in Florenz erhalten hatte,
deutet auf seine Begeisterimg hin — , beschlossen sie, eine eigene
Akademie zu gründen und schritten alsbald zur Ausführung. Es
war natürlich, dass die ersten Schritte in aller Stille geschahen;
man habe, hiess es später, den Neid der Aussenstehenden und
anderer Brüderschaften gefürchtet, aber es ist auffallend, dass
länger als 80 oder 40 Jahre über Verfassung, Symbole und Mit-
glieder das gleiche Schweigen beobachtet wurde, wie denn alle
Akten, die vor dem Jahre 1637 in Sachen der Gesellschaft ent-
standen sind, bis heute verschollen sind.^)
^) Krause, Ältester Ertzschrein u. s. w. S. 5. — Zu den geringen Bruch-
ötückeu aus der ältesten Zeit gehört ein kleines Blatt, das ein Bild des Ge-
sellschaftebechers, des sog. Ölberges, zeigt, der von einer ausgestreckten Hand
gehalten wird. Darunter steht:
Der Schmackhafte (Herzog Wilhelm v. S.-Weimar) bringt hie
ein Trunk dem Nähernden (Ludwig v. Anhalt)
Auf Wohlfahrt der Gesellschaft aller Fruchtbringenden.
Der Meister selbst der Vers sich mühe
Und lass sichs nicht verdriessen,
Solche zu corrigiren hie,
Er wirds am bessten wissen.
Auf der Rückseite findet sich die Antwort des Fürsten Ludwig:
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 13
Damit hängt es zusammen, dass die neue Gesellschaft trotz
des engen Anschlusses an die Formen \ne an die Ziele der italie-
nischen Akademien auch den Namen „Akademie", der in ver-
traulichen Äusserungen gebraucht ward, verhüllte. Die Gegner, die
jene Akademien besassen, waren sehr zahlreich und mächtig, und es
schien nicht geraten, die v^orhandenen Beziehungen offenkundig zu
machen, ja wir würden wahrscheinlich über die Zusammenhänge
mit der Florentiner Akademie wie über die Formen und die Mit-
gliederliste noch heute im Unklaren sein, wenn nicht in späteren
Jahrzehnten die Beschränkung der Gesellschaft auf harmlose Ziele
und andere Gründe es völlig imbedenklich hätten erscheinen lassen,
diese Dinge der Öffentlichkeit zu übergeben.
Freilich waren es auch späterhin im grossen und ganzen
nur äusserliche Dinge, die bekaimt wurden — Dinge, die die
Aussenstehenden verleiteten, sich die Gesellschaft teils als einen
Orden, teils als einen Verein für Sprachreinigimg vorzustellen.
Die allmählich bekannt gewordene Thatsache, dass die Gesellschaft
den Palmbaum zum Abzeichen und Symbol gewählt hatte, gab Ver-
anlassung, sie den Palmen -Orden zu nennen, was Fürst Ludwig
ausdrücklich ablehnen zu müssen glaubte, indem er erklärte, dass
man keinen Orden habe stiften wollen. ^) Wohl aber gebrauchten
auch die Mitglieder die Bezeichnung Gesellschaft, Sodalität, Socie-
tät, Kollegium oder Kompagnie und nannten sich Sodalen oder
Kollegen, und es ist im Zusammenhang mit der Stellung, die
diese Societät zu anderen Vereinigungen verwandter Art eiimahm
— wir kommen darauf zurück — von Bedeutung, dass sie auch die
deutsche Societät in zeitgenössischen Quellen genannt wird. 2)
Ebenso hielt es Fürst Ludwig für notwendig, das Vorurteil abzu-
lehnen, als ob man sich in dieser grossen von vielen Fürsten und
Adligen getragenen Gesellschaft lediglich um grammatische und
sprachliche Dinge abmühe: der Zweck der Gesellschaft sei, sagte
Dem, der der Nähernd heisst, eins der Schmackhafte bringet,
Auf der Gesellflchaft Heil, darzu die Lieb ihn zwinget.
Der Nähernd in der That Bescheid thut und sich neigt
Wie maus Glas halten soll, auch dem Schmackhaften zeigt.
(G. Krause, Ludwig, Fürst zu Anhalt III, 24.) Die gespcn-t gedmckten
Ausdrücke sind besonders beachtenswert.
*) Krause, Ludwig, Füi-st zu Anhalt. Bd. III, 13 ff.
*) Doppelmayr, Von nürnbergischen Mathematicis etc. 1730, S. 98 f.
14 Keller, Heft 1 n. 2.
er, auf die Pflege löblicher Tugenden und der Muttersprache
gerichtet*), womit er freilich keineswegs das ganze Programm,
aber doch einen wichtigen Teil desselben enthüllte. 2)
Schon hier tritt also die Thatsache hervor, dass es doch
keineswegs die Pflege der Muttersprache allein war, die dem Be-
gründer der Akademie vorgeschwebt hatte; er nennt sogar an
erster Stelle die Pflege löblicher Tugenden und an zweiter die
Muttersprache. Damit stimmt auch die Wahl des Symbols über-
cin; denn der Palmbaum wird in jener Zeit als Sinnbild einer
christlichen Gemeinschaft gebraucht.^) Auch der Name „fruchte
bringende" Gesellschaft deutet einen der wesentlichen Gedanken
der Begründer an.
') In der Akademie des Palmbaums fanden nur Männer förmliche
Aufnahme. Dagegen ward in Anwesenheit des Für8t<?n Ludwig durch seine
.Schwester Anna Sophia, Fürstin zu Schwarzburg-Rudolstadt, am 0. September
lßl9 eine „Tugendliche Gesellschaft" nach dem Vorbild jener Akade-
mie gegründet. Ihre Einrichtung wird damit begründet, dass Frauen nichts
Höheros anliegen solle, als nächst rechter Erkenntnis Christi nach Tugend
und Ehre zu streben u. s. w. Die Stiftungsurkunde hat sich später unter den
Papieren des Wolfgang Ratichius gefunden. Wie kommt sie dahin? —
Näheres bei Krause, Ertzschrein S. 19 Anm. — Am 21. Oktober 1617 stiftete
die Gattin Christians I. von Anhalt-Bemburg (1568—1630), Anna geb. Gräfin
von Bentheim, eine Gesellschaft unter dem Namen „La noble Academie des
Ijoyales". Die Zahl der Damen sollte nicht mehr als 20 betragen. Die
Organisation war der Akademie des Palmbaums nachgebildet. (H. Schultz,
Die Bestrebungen der Sprachgesellschaften 1888 S. 19 spricht die Idee aus,
dass diese Akademie eine Verhöhnung des Palmbaums habe sein sollen, weil
sie sich in französischer Sprache bewegte; so sehr kann man sich iiTen, wenn
man den Zweck der Akademie lediglich in der deutschen Sprache sucht.)
*) Im Jahr 1647 veröffentlichte „der Unverdrossene" (es ist Karl
Gustav von Hille, der sich aber nicht nannte) eine Verteidigungsschrift unter
dem Titel „Der tcutsche Palmbaum". Darin heisst es (Bl. III), der Palm-*
bäum sei gegründet worden, „erstlich Gott Frucht zu bringen und
(zweitens) zu Erhalt- und Handhabuug der teutschen Heldensprache" ....
„An ihren Früchten soll man sie erkennen (Matth. 12. 33)". Ebendort (S. 10)
wird gesagt, die Gesellschaft sei zu Fortpflanzung der Tugenden, zu
Aufrichtung und Vermehrung Teutschen wolgemeinten Ver-
trauens und zur Förderung der deutschen Sprache gegründet.
•') Unter dem Titel „Der bedrückte Palmbaum christlicher Wahrheit"
veröffentlichte N. Guertler im Jahre 1687 zu Colin a. d. Spree eine Geschieht«
der Waldenser. (Ein Exemplar ist im Jahrc 1894 in K. Th. Völckcrs Lager-
Katalog Nr. 2tX) in den Handcd gekommen.) — Über Guertler s. d. AUg. d.
Biogr. X, 18Ö.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphiloftophon etc. 15
Wir werden im Laufe unserer Erörterung zahlreiche und
unwiderlegliche Beweise dafür beibringen, dass die Förderung der
deutschen Sprache, so sehr sie den allgemeinen Grundsätzen der
Akademien entsprach, für die Eingeweihten doch nur das Kleid
war, das die höchsten und letzten Ziele vor den Augen gefähr-
licher Gegner verhüllte. Man muss die Zeiten ins Auge fassen,
in denen sie wirken mussten, um dieses Bestreben begreiflich zu
finden. Alle neueren Forscher aber haben sich verleiten
lassen, diese Hülle für das Wesen der Sache anzusehen.
Es ist zu beachten, dass diese Akademien, die auf deutschem
Boden schon eine ziemlich lange Geschichte besassen, gerade
in den Jahren breiteren Boden und eine Art von allgemeiner
Bedeutung gewannen, wo die Gesinnungsgenossen des Fürsten
Ludwig von Anhalt eine Reihe grosser und wichtiger religiöser
und politischer Erfolge errungen hatten und in Deutschland
mächtiger als je dastanden. Diese Erfolge knüpfen sich an die
Erkämpfung des Majestatsbriefs in Böhmen und an den gfeich-
zeitig mit der Erwerbung von Jülich-Cleve eintretenden Übertritt
des Kurhauses Brandenburg zu den Reformierten, der eine Reihe
weiterer Übertritte deutscher Fürsten zur Folge hafte. In der-
selben Weise wie in England sich der Aufschwung der dortigen
Akademien an das Emporkommen Cromwells knüpfte und mit der
Restauration in eine neue und abweichende Entwicklung eintrat,
so zeigt sich in Deutschland in älmlicher Weise, dass seit den
Siegen der Gegenreformation die Stiftung des Füraten Ludwig in
andere und harmlosere Bahnen einlenkte.
Es waren zunächst nur acht Fürsten und Adlige, die die
Gesellschaft gründeten*), von denen keiner sich auf dem Gebiete
der Sprachwissenschaft oder Litteratur schriftstellerisch bethätigt
hatte; auch wurde in den folgenden Jahren bei den Aufnahmen
mehr auf Gleicliheit der Gesinnung und des Strebens, als auf
deutsche Sprache gesehen, imd erst die Beziehungen einiger der
neuen Mitglieder, zu denen Tobias Hübner, Hofmeister in Bern-
burg (1619) und der Schwager Christophs von Krosigk, Diederieh
von dem Werder (1622) gehörten, lenkten das besondere Interesse
^) Fürst Ludwig von Anhalt, Johann Ernst von Weimar, Friedrich
von Weimar, Herzog Wilhehn von Weimar (drei Brüder), Ludwig von Köthen,
Caspar von Teutleben, Christoph von Krosigk, Rat zu Dessau und, dessen
Vetter Bernhard von Krosigk.
Iß KeUer, Heft 1 u. 2.
auch der Grunder auf die Pflege der nationalen Sprache und
Litteratur, der sie grundsätzlich von Anfang an zugethan gewesen
waren. ^) Man konnte es in den schweren politischen Läufen, die
bald hereinbrachen, nur für erwünscht halten, von der neuen Ge-
sellschaft jeden politischen oder kirchenpolitischen Verdacht ab-
zuwenden und ihr andererseits in praktischen und erreichbaren
Zielen ein starkes Bindemittel zu geben.
Sicher ist, dass gerade diejenigen Mitglieder, die seit 1622
am meisten für die Gesellschaft arbeiteten, von litterarischen und
sprachlichen Interessen stark beherrscht waren, und die Eifer-
süchteleien, die zvrischen Hübner und Opitz bis zu dessen im
Jahre 1629 erfolgender Aufnahme in die Societät eintraten-),
scheinen den sprachlichen Eifer noch angespornt zu haben. Aber
fortwährend nahm die Gesellschaft auch solche Mitglieder auf, die
den Begründern lediglich durch die Gleichheit der Denkart und
der Grundsätze nahe standen.
Thatsächlich gewährleistete schon die Bestimmung einiger-
massen die Fortpflanzung des ursprünglichen Geistes, dass kein
Mitglied Aufnahme fand, für das sich nicht ein anderes persönlich
verbürgte.
Als man es im Jahre 1646 für zweckmässig hielt, über der
„Fruchtbringenden Gesellschaft Namen, Vorhaben, Gemälde und
Wörter^' ^) weiteren Kreisen einigen Aufschluss zu geben und
im Jahre 1647 der „Unverdrossene" (Karl Gustav von Hille) auf
„sonderbaren Befehl etlicher hochgebietender Gesellschafter'^ eine
Verteidigungs- oder „Lobschrift" auf die Gesellschaft, den „Teut-
schen Palmbaum", veröffentlichte, blieben gleichwohl die Personen-
Namen bis auf wenige verschwiegen, und nur die Gesellschafts-
Namen, die den Aussenstehenden gar nichts sagten, wurden gedruckt.
Erst als die Gesellschaft der Auflösung nahe war (1673)^ wurde
^) Es wird diese Entwicklung in dem „Teutschen Palmbaum" (1647)
S. 23 ausdrücklich bestätigt; der „Nährende" (Fürst Ludwig) habe anfangs
„solche Gesellschaft in die Enge anstellen und halten" wollen; erst
später habe man sich überzeugt, dass sie zur Fortsetzung unserer hoch-
deutschen Sprache viel Gutes wirken könne u. s. w.
') Es handelte sich um die Frage, ob Hübner oder Opitz das Ver-
dienst gebühre, der Reformator der deutschen Kunstdichtung geworden zu sein.
^) Das Buch erschien im Jahre 1G46 bei Matthäus Merian zu Frank-
furt a. M.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 17
auch die Mitgliederliste bekannt, und es ergab sich, dass die Ge-
sellschaft einst viele mächtige Fürsten und Herren, Adelige und
Gelehrte für sich gewonnen hatte. Da waren Landgraf Moritz
von Hessen (angenommen im Jahre 1623), der Pfalzgraf Ludwig
PhUipp bei Rhein (1624) *), Karl Gustav, Pfalzgraf bei Rhein
und König von Schweden (1648), Herzog August von Braun-
schweig-Lüneburg (1634)^), Herzog Friedrich von Schleswig-
Holstein (1642), Herzog Georg Rudolf von Liegnitz und Brieg
(1622)»), Graf Otto zu Holstein-Schauenburg (1629), Graf Simon
von der Lippe (1626), Graf Philipp Moritz von Hanau (1627),
Graf Wilhelm Heinrich von Bentheim- Steinfurt (1617)*), ferner
Staatsmänner, Soldaten und Diplomaten wie Oxenstierna (1634),
Georg Friedrich Graf von Hohenlohe (1621), Hans Georg von
Arnim (1635), Christoph, Burggraf zu Dohna (1619)^), Hieron.
von Diskau (1632), Friedrich Hortleder (1639), Friedrich Kospoth
(1622), Schriftsteller wie Johami von Münster zu Vortlage, Hans
Philipp Geuder und viele andere geistig hervorragende Männer,
die sich niemals mit Sprachwissenschaft oder Litteratiu*, sei es
als Schriftsteller, sei es als Liebhaber näher befasst haben.
*) Ludwig Philipp von Pfalz-Simmern (geb. 1602) war der Sohn des
Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz (dessen Erzieher G. M. lingelsheim
wir unten kennen lernen werden) und der Bruder des Königs von Böhmen,
des Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz. Letzterer wird in Briefen der
Naturphilosophen einfach „Noster** genannt (ohne nähere Bezeichnung) , ein
Hinweis, dass Friedrich auch Mitglied einer Akademie w^ar. S. Reifferscheid,
Quellen zur Gesch. d. geistigen Lebens etc. 1889 (Register s. v. Noster.)
*) Herzog August, „der Befreiende", hat für die Geschichte dieser
Akademie besondere Bedeutung gewonnen. Im „Teutschen Palmbaum"
heisst es (Bl. X): „Fürst Anhalt bat den Baum samt wenig Mitgenossen
Gepflanzet und der Held von Braunschweig hat begossen dies hohe Kunst-
gewächs "
*) Er war 1595 geboren imd hatte die Tochter des Mitbegründers der
Akademie, Johann Georg von Anhalt, 1614 geheiratet; im Jahre 1616 war
er zum ref. Bekenntnis öffentlich übergetreten, ebenso wie vorher der ihm
verwandte Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg. Er stand mit
Johann Arndt in brieflichem Verkehr.
*) Der Schwager des Fürsten Ludwig von Anhalt, als Mann von
dessen Schwester Amoena Amalie, Tochter des Grafen Arnold v. Steinfurt
(t 1606).
*) Es ist derselbe Burggraf zu Dohna, der in dem Briefwechsel des
Comenius als Mitglied von dessen Freimdeskroise erscheint (A. Patera,
Briefw. des C, Prag 1892, S. 121. 132. 134).
Monatflhoftc d<*r ('oiiionius-(ffs<'Il!*cliaft. 18?»ö. o
18 KeUer, Heft 1 u. 2.
Von ganz besonderer Bedeutung musste für die neue Akademie
der schon im Jahre 1622 erfolgte Anschluss eines Mannes von
der geistigen Begabung und der Thatkraft des Fürsten Christian
von Anhalt werden (1568 — 1630), der durch seine zahlreichen
persönlichen Verbindungen, besonders mit den evangelischen Magna-
ten in Böhmen, Mähren und Oberösterreich der Gesellschaft manche
Freunde zuführen konnte und zugeführt hat Fürst Christian war
es auch, der denjenigen Naturphilosophen, die sich vorwiegend mit
den Naturwissenschaften befassten, besonders nah stand.
Fürst Christian lebte lange Jahre als kurpfälzischer Statt-
halter in Amberg und unterhielt von hier aus mit dem nahen Böh-
men und Mähren die regsten persönlichen Beziehungen, besonders
mit dem mächtigsten und reichsten Magnaten dieses Landes, Peter
Wok von Rosenberg, der mit Wenzel von Budowec, Frei-
herm von Budowa, der Führer der evangelischen Böhmen war
und mit dem Freiherni Karl vonZierotin, der die gleiche
Stellung in Mähren besass; es ist merkwürdig, dass alle drei Männer
derselben Religionsgemeinschaft wie Comenius, der Bruderunität,
angehörten. Mit Wok von Rosenberg unterhielt Fürst Christian
einen Briefwechsel, der imter J^ormen und Sinnbildern, die der
Alchemie entnommen waren — Wok galt selbst als „Alchymist"
— , sehr ernste und weit aussehende Ziele verfolgte. ^)
Auch mit den Fülirern der Reformierten in Oberösterreich,
besonders mit Erasmus von Tschernembl, sowie mit den
Brüdern Gotfried und Friedrich von Stahremberg, war
Christian ebenso befreundet, wie mit dem schlesischen Magnaten
Georg von Schönaich und vielen anderen. Der thätigc An-
teil, den Fürst Christian an der Erwerbung der jülich-clevischen
Länder für Brandenburg nahm, ist bekannt; aber auch die Namen
der Grafen von Sohns, Dietrich von d. Werders, Tobias Hübners,
Diskaus, Starschedels, Krachts, Hertefelds, v. d. Borchs u. s. w.,
die sämtlich für Brandenburg dort thätig waren, kehren in den
Listen der Akademie wieder. Mag es nun hiermit oder mit
sonstigen Gründen zusammenhängen — genug, gerade das Kur-
^) Näheres bei Gindely, Kaiser Rudolf II. und seine Zeit I, S. 142.
181 und Allg. D. Biographie IV, 147. — Peter Woks Bruder, Wilhelm
Rosenberg, war in zweiter Ehe verheiratet mit Sophia, des Kurfürsten
Joachim II. von Brandenburg Tochter und in dritter mit Anna Maria,
Markgräfin von Baden.
1895. Comeniiis und die Akademien der Naturphilosophen etc. 19
haus Brandenburg hat der Akademie des Palmbaums sein
thätiges Interesse zugewendet: im Jahre 1627 wurde Markgraf
Christian Mitglied, im Jahre 1637 traten der Kurfürst Georg
Wilhelm und der Markgraf Sigmund bei, und im Jahre 1644
vollzog Friedrich Wilhelm, der Grosse Kurfürst, seinen
Ansehluss. Eine grosse Anzahl gerade derjenigen Geschlechter,
deren Geschichte mit der Entwicklung der Staatsgründung des
Grossen Kurfürsten eng verknüpft ist, kehren in der Mitglieder-
liste der Deutschen Societat wieder, z. B. die v. d. Schulenburg,
V. Hardenberg, Schleinitz, Lehndorf, Keudel, Knesebeck, Friesen,
Alvensleben, Bülow, Ditfurth, Rantzau, Gersdorf, Kessel,
Heyden, Kardorf, Buch, Pawel, Nostitz, Arnim, Knyphausen,
Wolf ranisdorf , v. d. Goltz, Schweinitz, Berlepsch, Glasenapp,
Manteuffel, Pröck, Rochau, Seckendorf, Schwerin, Uechteritz und
viele andere, während andererseits kein einziger kursächsischer
Edelmann, überhaupt kein einziges Geschlecht, das damals im
Dienst des lutherischen Kurhauses Sachsen gestanden, Mitglied
des Palmbaums gewesen ist. Ausser den genannten deutschen
Fürsten und Herren umfasste die Gesellschaft aber auch eine
Anzahl Ausländer, z. B. Angelus Sala von Vicentz (1628),
Franz Rouyer (1641), Octavio Piccolomini Aragona, Herzog von
Amalfi (1641), Francois und Caspar de Mercy (1642), Fr. J.
Lopez de Villa Nova (1646), die schwerlich wegen ihrer Ver-
dienste um die deutsche Sprache Aufnahme gefunden haben;
im Hinblick auf die Geschichte des Comenius ist es besonders
beachtenswert, dass gerade einige seiner böhmischen und öster-
reichischen Landsleute, die um der Religion willen aus der
Heimat verbannt waren, in der Gesellschaft des Palmbaums Auf-
nahme suchten und fanden; wir nennen hier den Münzmeister
Joh. A. Schlick, Graf zu Passaun, Matth. Gietzwitzky, Hans Georg
von Wartenberg und den Prager Gelehrten Nicolaus Troylo, welche
zu Köthen im Jahre 1631 Mitglieder der Akademie wurden.^)
*) Barthold a. O. 8. 185 f. — Ausser den Tschechen waren auch ein
Hchotte, Jacob King, der schwedische Feldmarschall Ban^r u. a. Mitglieder
der Gesellschaft. — Merkwürdig sind die Pläne, welche auf Stiftung einer
verwandten Gesellschaft, der „Kreuzritter", abzielten und deren Träger vor-
nehmlich Glieder des polnischen Adels gewesen zu sein scheinen. Näheres
bei Krause, Ertzschrcin S. 30. 78. 79. Unsere erste Nachricht stammt
von Martin Opitz und taucht in Danzig auf.
2*
20 Keller, Heft 1 u. 2.
Der Anteil, den die Gesellschaft an dem Schicksal der ver-
folgten Böhmen und Mähren nahm und die Unterstützimg, die
sie diesen lieh, ist nicht minder beachtenswert wie die Teilnahme
an den Kämpfen der Hugenotten, die ganz deutlich hervortritt^)
Ausser dem Fürsten Ludwig hat in späteren Jahren viel-
leicht kein Mann grösseren geistigen Einfluss in der Akademie
besessen als Georg Philipp Harsdörfer.
Das Geschlecht der Harsdörfer stammte aus Böhmen, wo
ein Harsdörfer noch im Jahre 1497 als Münzmeister des Königs
Wladislaw lebte. Die Vorfahren Georg Philipps waren im 14.
Jalirhundert nach Franken ausgewandert, und zu Ende dieses Jahr-
hunderts hatten sie in Nürnberg Bürgerrecht erworben, wo sie sich
im Kirchspiel S. Sebald ansässig machten und auf Grund ihres
grossen Reichtums bald zu Ansehen und Einfluss kamen. Georg
Philipp war am 1. November 1607 geboren und in S. Sebald
getauft; er hatte 1623 die Universität Altdorf bezogen und war
alsdann nach Strassburg gegangen, wo er in Matthias Bernegger
einen Lehrer fand, der bestimmenden Einfluss auf seine Denkart
gewinnen sollte.
Um die Geistesrichtung und die geschichtlichen Zusammen-
hänge der Akademien und ihrer Mitglieder richtig zu beurteilen,
ist dieser Einfluss Bemeggers von grosser Bedeutung.^) Bern-
egger stammte aus einer österreichischen Exulanten -Familie und
war im Jahre 1582 zu Hallstadt in Oberösterreich geboren. Es
ist kein Zufall, dass er gerade diejenigen Neigungen, wie sie später
in den Akademien gepflegt wurden, die Naturwissenschaften und
*) Ein Mitglied der Gesellschaft übersetzte die „Geschichte der
böhinischei) Kirchen -Verfolgungen" ins Deutsche. Das Ms., verbessert
von der Hand des Fürsten Ludwig, befindet sich noch heute in der
herzoglichen Bibliothek in Zerbst. Die „Historia persecutionem" ist vom
Standpunkt der böhmischen Brüder aus geschrieben. Krause, Fürst Lud-
wig etc. 1879 III, 317. — Ein anderes Mitglied, Tobias Hübner, übersetzte
im Jahre 1619 die sämtlichen religiösen, historischen und epischen Werke
des Hugenotten Guillaume de SaUuste, Seigneur de Barbas. Näheres bei
Witkowski, a. O. S. 9 ff.
*) Th. Bischoff a. a. O. S. 6.
^) Über Bernegger geben neuerdings zwei Werke erwünschten Auf-
schluss: Reifferscheid, Quellen zur Geschichte des geistigen Lebens in Deutsch-
land während des 17. Jahrh. Heilbronn 1889 und C. Bünger, MatthiaA
Bernegger, Strassburg 1893.
1895. Comenius und die Akademien der Natuii)hiloöophen ct<;. 21
die Mathematik^ die Erziehungslehre und die Volkssprachen in
seiner Person vereinigte und auch den religiös -philosophischen
Standpimkt der Mehrheit diu'chaus teilte. Wenn man dem Ur-
sprung dieser Richtung nachgeht, führt eine Spur auf keinen ge-
ringeren als Hugo Grotius (geb. 10. April 1583) ziufick, dessen
religiöse Schriften in dem Freundeskreise Bemcggers ein hohes
Ansehn genossen. Es waren ausser Bemegger selbst dessen
Freunde Georg Michael Lingelsheim ^), Martin Opitz,
Caspar Dornau^), der Freund und Schützling der Freiherren
Wenzel von Budowec, J. F. Gronovius^), der später in Holland
sein zweites Vaterland fand, Joh. Mochinger aus Danzig (geb.
1608), der mit Comenius befreundet war*), Daniel Tilenus, der
eifrige Arminianer^) Janus Gruter^), Zinkgraf u. a., die in Be-
ziehung zu Grotius standen; eine andere Spur weist auch hier
auf die italienischen Akademien hin, deren Mitglieder manche
Männer dieses Kreises waren. Bemegger hat nicht bloss mit
Galilei, sondern auch mit Thom. Campanella in Verkehr ge-
*) G. M. Lingelsheim war zu Strassburg am 9. Dez. 1556 geboren
und wohl das an Jahren älteste Mitglied dieses Freundeskreises. Dem ent-
sprach die ausserordentliche Verehrung, die ihm die jüngeren Akademiker
entgegenbrachten. £r heisst ,,Magnum pristinae libertatis columen" oder
„Litterarum et litteratorum fundator primus" u. s. w. L. war seit 1584 Er-
zieher des Pfalz. Kurprinzen und nachmals politischer Beirat Friedrich IV. ;
spater zog er sich nach Strassburg zurück. Zahlreiche Briefe und sonstige
Quellen bei Reifferscheid a. O. (s. Register s. v.)
*) Casp. Domau war 1577 zu Ziegenrück im Voigtland geboren und
war dann lange Jahre in Böhmen, wo er die Söhne böhmischer Magnaten
unterrichtete und in den Wenzel von Budowec, Frhrn. v. Budowa, Vater
und Sohn, einflussreiche Gönner gewann. Seit 1608 war er Rektor des
Gymnasiums in Görlitz, von 1616—1620 Professor am Gymnasium Schön-
aichianum in Beuthen, von 1621—1632 Leibarzt und Rat bei Herzog Joh.
Christian von Brieg. Er war auch befreundet mit Abraham Scultetus. Vgl.
AUg. d. Biogr. und Reifferscheid a. O.
^ Über Gronovius s. ausser Reifferscheid a. O. die A. d. B.
•*) Den Briefwechsel mit Comenius s. bei A. Patera, Korrespondenz
des C. Prag 1892 (Register s. v.) und die A. d. B. XXII, 43.
^) S. Reiffe^gcheid a. O. (Register s. v.)
•) J. Gruter (1560—1627) war Holländer aus Antwerpen, dessen Eltern
aus religiösen Gründen nach England geflüchtet waren, wo J. G. seit seinem
7. Jahre lebte und die Universität Cambridge besuchte. Er fand später
Anstellung in Heidelberg. S. AUg. d. Biogr. X, 68 ff.
22 Keller, Heft 1 u. 2.
standen — ersterer war Mitglied der Aeademia Delia in Padua*)
— und ist für beide schwer verfolgten Männer und ihre Schriften
unter persönlichen Opfern eingetreten^); eine dritte Spur endlich
weist auf London und die y^englische Soeietat", mit deren regstem
Mitglied, Samuel Hartlieb, Beniegger in freundlichem Verkehr
stand. ^)
Es darf daher nicht Wunder nelunen, dass wir Berneggers
Schüler, Ph. Harsdörfer, der nach seiner Strassburger Studienzeit
fünf Jahre lang in Italien, Holland, England und Frankreich sich
aufgehalten hatte*), bald als Mitglied der jüngeren Generation
desselben Freundeskreises antrciFen, dem Beniegger angehörte und
in ihm einen ausgesprochenen Gesinnungsgenossen kennen lernen.
Bemegger hatte sein ganzes Ijeben liindurch für die Aus-
gleichung der bestehenden konfessionellen Gegensätze gekämpft;
namentlich hatte er mit Nachdruck die Abstellung aller gewalt-
samen Bekehrungs -Versuche gefordert und war für den Grund-
satz der Freiwilligkeit in Glaubenssachen eingetreten. 5) Er hat
damit einen ganz wesentlichen Gedanken aller angeseheneren
Akademiker zum Ausdruck gebracht — einen Gedanken, den auch
Comenius und seine Religionsgemeinschaft nicht nur theoretisch
vertreten, sondern auch thatsächlich innerhalb ihres Machtbereichs
durchgesetzt haben. ^)
^) Im Jahre 1635 gab er das Systema Cosmicum des Galilei heraus —
näheres bei Reifferscheid S. 935 — und liess iin Jahre 1632 Thomas Campa-
nellas Apologia pro Galileo drucken (Reifferscheid a. a. O.). Es erwuchsen
Bemegger dadurch viele Schwierigkeiten.
«) Favaro, Galileo GaHlei e lo Studio di Padova. Firenze 1883, II 2 ff.
^ Reifferscheid a. a. O. (s. Register unter Hartlieb).
*) Es ist nicht zweifelhaft, dass Harsdörfer ebenso wie viele seiner
nächsten Freunde Mitglied einer italienischen Akademie gew^esen ist; ihre
Einrichtungen kannte er jedenfallB sehr genau. S. Dissel, Philipp von
Zesen, S. 23.
*) Bünger, M. Bernegger 1893, S. 204, sagt: „So wurde er (Bem-
egger) bis zu seinem letzten Augenblicke kann man sagen . . . mit bissigem
Hasse verfolgt und gepeinigt nur deshalb, weil er den engherzigen, kune-
sichtigen und selbstsüchtigen Verfolgungswahn der orthodoxen Lutheraner
nicht teilte, sondern unentwegt seinen toleranten und synkretistischen Stand-
punkt festhielt." — Gleichwohl hat Bernegger „bis an sein Ende ... für
Duldsamkeit und Geistesfreiheit gewirkt, gekämpft und gelitten". (S. 207.)
^ Gindely, der in diesem Punkte als strenger Katholik gewiss ein
unverdächtiger Zeuge ist, sagt: „Diejenigen Adligen, die der Unität an-
1895. Comeiiius und die Akademien der Naturphiloeophen etc. 23
Mitglied der Akademie des Palmbaums wai*d im Jahre 1646
auch ein Mann, der uns besonders interessiert, Johann Valentin
Andreae. Andreae hat sich nie durch Eifer für die deutsche
Sprache noch für die deutsche Litteratur hervorgethan, aber gleich-
wohl fühlte er sich den Bestrebungen der Akademie, in den er
mit dem Brudemamen der „Mürbe" eintrat, innerlich verwandt.
Am 17. Dezember 1646 richtete er an die Gesellschaft, ihren
„Vorsitzenden und ihre Glieder der höchsten wie jeder anderen
Würde*', eine Zuschrift^), worin er sagt, dass er gemäss den Ge-
setzen der Gesellschaft sich ein Streben bewahren wolle, das auf
die Erforschimg der christlichen Wahrheit, auf die Besse-
rung des sittlichen Lebens, die Pflege und Kultur des
Geistes, auf den Ausbau der Litteratur und die Pflege der
deutschen Muttersprache gerichtet sei; auch verspreche er,
sich friedfertig, gefällig und fügsam (vorbehaltlich seines Religions-
bekenntnisses) zu erweisen. Also auch hier stellt ein Mitglied,
dem der Fürst, der ihn einführte — es war Herzog August von
Braunschweig — , sicherlich über die Sele der Akademie volle
Aufklärung gegeben hat, die christliche Wahrheit und die Besse-
rung des sittlichen Lebens an die erste SteUe, während die Pflege
der Muttersprache an letzter erscheint.
gehörten, waren die einzigen in Böhmen, welche dem Gewissen ihrer
Unterthanen nicht Gewalt anthaten" (Gindely, Kaiser
Rudolf II. u. 8. w. I, 181.)
*) Laudatissimae Societatis Fructiferae, lUustrissimo Capiti, Eiusque
membris, summae et cuiuscunque dignationis. Pro clemcntissima et benevola
in Ordinem acceptione gratias hiunilümas et perofficiosas agit, seque ad
normam Societatis, legesque obsequenter obstringit, animumque indagandae
veritatis Christianae studiosum; morum emendatiorum appetentem; Ingenii
cnlturae avidiim, üterarum exomandarum intentum; Germanae vemaculae
linguae excolendae et amplificandae assiduum ; caetera pacificum, officiosum,
et ductilem assaturum atque servatunim, (salva Religionis suae professione)
sanctc poUicetur, Fracidj agnomen, quod senio suo optime quadret, et Muscj
emblenia, cum simbolo Et tarnen viget, acceptaturus, Id quod bene Capiti;
bene Ordini; bene sibi vertat, Deum Opt: Max. ex animo precatur
Studtgardiae 17. Decemb. Johann: Valentinus
Anno 1646. Andreae T. D.
Andreae sandte diesen Brief mit Begleitschreiben vom 16. Dezember
1646 an den Herzog August von Braunschweig, seinen Gönner, der seit 1634
Mitglied des Ordens war. Obiger Brief und ein Auszug dieses Begleit-
schreibens sind abgedruckt bei G. Krause, Der Fruchtbringenden Gesell-
schaft ältester Ertzschrein. Lpz. 1855, S. 209 f.
24 Keller, Heft 1 u. 2.
Das8 der in luthenRchera Kirchendienßt stehende Andreae jetzt
einer so stark refonniert gefärbten Vereinigung beitrat^), bewies
doch, dass er wie diese Männer echtes Christentum mit echter Huma-
nität vereinbar erachtete und sich von konfessioneller Enge frei wusste.
Wir sind sehr berechtigt, den Charakter des Palmenordens
nach dem Charakter der Männer zu beurteilen, die seine Begründer
und seine vornehmsten Träger gewesen sind. Und da begegnet
uns nmi in Fürst Ludwig von Anhalt ein Mann, dem schon das
zur Ehre gereicht, dass er dreiunddreissig Jahre lang für eine
Sache eingetreten ist, die ihm, so berechtigt sie war, vornehmlich
Geringschätzimg, Misstrauen imd Gegnerschaft bei der Mehrzahl
der Zeitgenossen eintragen musste und eingetragen hat. Er war
erfüllt von einer tiefen und ernsten Frömmigkeit, die ihn zu einer
grossen Selbstlosigkeit und eben so grosser Willensstärke befähigte.
In einer hasserfüllten, kriegerischen Zeit war er von dem Streben
erfüllt, die streitenden Religionsparteien auf der Grundlage christ-
licher Überzeugung zu näheren und der Entzweiung der Gemüter
an seinem Teile entgegenzutreten. Unzweifelhaft sollte die Aka-
demie, die er schuf, eben diesem Ideale zugleich dienen. Und
zwar waren es nicht nur die religiösen, sondern auch die Standes-
gegensätze, die er, soweit thunlich, abzuschwächen und zu über-
brücken gedachte.
Damit stimmt es vollkommen überein, wenn wir die Zu-
sammensetzung der Gesellschaft ins Auge fassen. Selbstverständ-
lich überwog die Zahl solcher Männer, die Gemeinschaften ange-
hörten, innerhalb deren der Unionsgedanke überliefert war; aber
auch Katholiken und Lutheraner wurden gern aufgenommen und
waren thatsächlich in der Akademie vertreten; und Angehörige
nicht staatlich anerkannter christlicher Religions-Gemeinschaften
haben ihm sehr nah gestanden.
Ebenso waren in der Gesellschaft Männer der verschieden-
sten Stände und Berufsarten Mitglieder, und zwar war dies nicht
Zufall, sondern wohlvorbedachte Absicht.
^) Was es damals bedeutete, innerhalb lutherischer Gebiete in den
Verdacht des Krypto-Calvinismus oder gar des Calvinismus zu kommen, be-
weisen die Kämpfe Bemeggers in Strassburg (Bünger, S. 201) und Dilherrs
in Nürnberg; auch war der zehnjährige Prozess und die Hinrichtimg des
Kanzlers Nie. Krell (+ 19 Okt. 1601) wegen seines Krypto-Calvinismus noch
in frischer Erinnerung.
1895. Coiiieniu« und dio Akademien der Naturphilosophen etc. 25
Unter den 789 Mitgliedern, auf welche die Gesellschaft bis
1662 anwuchs, befanden sich ein König, 3 Kurfürsten, 49 Her-
zöge, 4 Markgrafen, 10 Landgrafen, 8 Pfalzgrafen, 19 Fürsten,
60 Grafen und 635 Edelleute, Gelehrte und andere Männer bürger-
lichen Standes.^) Trotz der starken Vertretung fürstlicher und
adlicher Häuser und trotz der festen Geschlossenheit des Bundes
und der Vorurteile des 17. Jahrhunderts, hat stets ein nicht un-
beträchtlicher Zugang bürgerlicher Elemente stattgehabt, und als
im Jahre 1647 Rud. v. Dietrichstein dem Erzschreinhalter ein
Gutachten einreichte, kraft dessen nur Rittermässigen der engere
Ring der Gesellschaft offen stehen solle, wies das Oberhaupt
diese Vorschläge mit Entschiedenheit zurück und erklärte, dass
ein solches Verfahren mit dem ursprünglichen Zwecke der Gesell-
schaft unvereinbar sei. ^) Das ist um so merkwürdiger, als
auch Dietrichstein für die Bürgerlichen den äusseren Ring der
Gesellschaft offen halten wollte. Fürst Ludwig gab auf dieses
Ansinnen eine Erklärung ab, die ihm vne dem Orden Ehre macht:
,4>ie Gelehrten^^, sagte er, „seien von wegen der freien Künste
auch edel". Merkwürdig ist, dass die Zahl der Theologen in
derselben sehr gering war; bis zu Ludwigs Tod (1650) fanden
nur zwei Aufnahme : Johann Rist und J. V. Andreae ; Joh. Michael
Dilherr, der mit ^äelen befreundet war, fand keine Aufnahme ä),
vielleicht weil er es selbst nicht wünschte, da er als lutherischer
Prediger zu Nürnberg in Missverständnisse und Kämpfe zu kom-
men fürchtete, in die Andreae wie Rist ebenfalls geraten waren.
Die Kämpfe, die Andreae mit den strengeren Lutheranern
ausgefochten hat — sie zählten ihn zu den Schwärmern und Fana-
tikern — , sind ja bekannt; aber auch Joh. Rist befand sich in
ähnlicher Lage. Rist, in dessen Hause wir ein Mineralienkabinet,
Destillieröfen und mathematische Gerätschaften finden, der sich
auf dem Gebiet der Zeichenkunst und der Musik versuchte, auch
Arzneiwissenschaft trieb, gehört ebenso wie Harsdörfer den Natur-
philosophen ^) im engeren Sinne an. Obwohl sein Beruf ihn zu
^) Krause, Altester Ertzschrein etc., S. 2.
^ Krause, a. O. S. 16.
^ Ein vollständiges Verzeichnis von 527 Mitgliedern s. bei Krause,
Ludwig, Fürst zu Anhalt-Cöthen. Neusalz 1879 III, S. 323 ff.
*) Rist veröffentlichte anonym unter anderen folgende Schriften:
1. „Phönix von der Alchymie und Stein der alten Philosophen, wie derselbe
2Ü Keller, Heft 1 u. 2.
vielfacher Beschäftigimg mit theologischen Fragen nötigte, so war
ihm doch die herrschende Streittheologie in hohem Grade zu-
wider; ja, er wagte den ketzerischen Satz, die Synkretisten seien
rechtschaffene Leute, verstandiger als andere Christen. Die
Standesgenossen rächten sich dafür in derselben Weise, wie an
allen der Ketzerei Verdächtigen: sie wussten sehr viel Schlechtes
von ihm zu erzählen. Auch mit der Erziehungslehre beschäftigte
sich Rist eifrig.
Die italienischen Akademien, nach deren Vorbild der Palmen-
orden gegründet war, müssen in gewissen Perioden ihrer Ge-
schichte insofern als geheime Gesellschaften bezeichnet werden,
als sie ihre Organisation, ihre Symbolik, ihre Formen und die
Listen ihrer Mitglieder den Aussenstehenden grundsätzlich nicht
mitteilten und vor allem auch die eigentlichen und höchsten Ziele,
die ihnen vorschwebten, absichtlich nicht öffentlich erörterten,
sondern als vornehmste Aufgaben ihrer Thätigkeit vor der Öffent-
lichkeit harmlose und volkstümliche Zwecke angaben und vertraten.
Zwecke fi'cilich, die nicht minder auf ihrem Wege lagen und ihren
Absichten entsprachen, wie die höheren Ziele, für die die Menge
aber in der Regel gei-ingeres Verständnis mitzubringen pflegt, und
deren öffentliche Erörterung die ohnedies imausbleiblichen Kämpfe
verschärfen und verbitteren musste, selbst wenn es sich wie bei
der Mehrzahl der Akademien um reine Absichten handelte.
Die 'gleichen Grundsätze begegnen uns auch in dem frühe-
sten Entwickln ngs- Abschnitt des Palmenordens, und was wir über
die Einrichtung, die Sinnbilder, die Mi^lieder und die Zwecke
wissen, rührt, wie wir oben sahen, aus derjenigen Zeit her, wo die
Gesellschaft sich von den Absichten, die den Begründern vorschweb-
ten, wesentlich entfernt hatte. Was späterhin verschleiert ward,
war im wesentlichen nur der Umstand, dass die Begründer sich in
erster Linie zur Förderung religiöser und sittlicher Fragen ver-
bunden hatten, und dass sie in vielen Punkten Anschauungen ver-
traten, die von den herrschenden Überzeugungen stark abwichen;
auch mancherlei Zeichen und Symbole sind stets Geheimnis ge-
zu l>ereiten." Frankfurt a, M. 1630 2. „Philosophischer Phönix, das ist
Kiu'tze, jedoch gründliche und Sonnenklare Entdeckung der wahren und
eigentlichen Materiae des philosophischen Phönix." Danzig 1637. Vcrgl.
H. Kopp, Die Alchemie. Heidelberg 1886, II, 382. — Über Rist vgl. die
Allg. d. Biogi*. und die dort angegebenen Quellen.
1895. Comeniuft und die Akademien der Natiirphiloeophen etc. 27
blieben. In der niehren^'ähnten Verteidigungsschrift Karl Gustav
von Hilles^ dem „Teutschen Palmbaum", wird noch im Jahre 1647
zugegeben, dass es innerhalb der Gesellschaft „geheime Sachen"
gab, die nur denjenigen Mitgliedern bekannt wurden, die den Ordens-
saal im Schloss zu Köthen betreten durften (S. 188) — nebenbei
bemerkt eine ganz unverständliche Vorschrift, wenn es der Gesell-
schaft lediglich um die deutsche Sprache und Grammatik zu thun
war. Doch glaubt Hille den Verdacht ablehnen zu müssen, dass
man durch die Gesellschaft „heimliche Verständnis auszu-
wirken beabsichtige, die der gemeinen Wohlfahrt zuwider sei".
Innerhalb der Akademien pflegte der Grundsatz der gleichen
Rechte zur thatsächlichen Anerkennung zu kommen ^) und es hängt
mit den allgemeinen Prinzipien wohl zusammen, dass uns bei ihnen
zuerst ein kräftiges Eintreten für die gleiche Menschenwürde der
Frauen begegnet.*) Manche Gebräuche und Formen der Akademien
erinnern an die Sitten der Gilden und des Zunftwesens, mit dem
einzelne Mitglieder unzweifelhaft bekannt gewesen sind. In Zünften
und Kaufmannsgilden waren bei den Aufnahmen sog. Spiele,
Wasserspiele, Rauchspiele u. s. w. üblich, welchen die Eintretenden
sich unterwerfen mussten, gleichsam um die Festigkeit ihres Ent-
schlusses zu prüfen. ^) Entsprechend dieser Sitte übte die Akademie
zu Weimar (ihr Sitz ward später nach Köthen verlegt*) das „Hän-
seln". Auch wird von besonderen Gebräuchen beim Anfassen der
Gläser u. s. w. berichtet^), und eigentümlich ist die Bedeutimg
einer Trinkschale mit Fuss, die einem Kelche gleicht — des söge-
nannten Olbergers — sowie des Teppichs oder der „Tapetzerev"
in der Gesellschaft.
*) Füret Ludwig ersuchte den Martin Opitz an ihn (Ludwig) ,,nach
der Gesellschaft Art, ohne sonderliches Gepränge" zu schreiben (Schultz
Sprachgesellschaften S. 31). — Heixiegen erzählt in seiner Geschichte des
Blumenordens, Nürnb. 1744, 8. 23: „Sie wollten unt^r einander als gleiche
angesehen sein und keiner sollte vor dem andeni Besonderes haben."
') Harsdörfers „Gesprächsspiele" hatten den Zweck, die öffentliche
Meinung für diesen Grundsatz zu gewinnen.
®) Über solche Sitten s. Barthold, Gesch. d. fruchtbr. Ges. S. 112 und
die dort angeführten Quellen.
*) Der Versammlungssaal zu Köthen war mit den Wapix^n und Ab-
zeichen sämtlicher Mitglieder geziert; sie sind sämtlich verschwunden. S.
Barthold a. a. O. 114 f.
*) Krause, Füret Ludwig v. Anhalt, IIL, S. 19 ff.
28 Keller, Comenius und die Akademien etc. Heft 1 u. 2.
Über die Formalitaten oder das „Gepräoge" bei der Auf-
nahme neuer Mitglieder erhalten wir aus vertraulichen Briefen
einige Nachrichten. Daraus erhellt, dass eine „Prüfung** und eine
„Einweihung** stattfand. Am 25. Januar 1649 berichtet ein Mit-
glied über eine Sitzung, die zu Brieg stattgefimden hatte, bei der
Herzog Georg v. Liegnitz aufgenommen worden war. ,J)ie dazu
(zur Aufnahme) nöthige Gepränge (heisst es), sowol das Obenan-
Sitzen als das Sitzrecht und (das) Zugleich-Ansetzen der
Gläser, sobald die Trompete erhallet, sind ohne einige Nichtig-
keit beobachtet worden.** ^) Bei der Einweihung erhielt der Auf-
zunehmende einen Gesellschafts-Namen.
Es ist nicht ohne Interesse, dass solche Versammlungen
keineswegs bloss an dem Wohnsitz des obersten Leiters statt-
fanden, dass vielmehr auch in Brieg, Weimar u. s. w. eine örtliche
Organisation der Gesellschaft bezeugt ist, bei der das älteste Mit-
glied der Akademie den Vorsitz führte und „alles nach der Ord-
nung vollzog**.
Wir wissen femer, dass die Gesellschaft in sich einen „engeren**
Kreis besass, welchem zwölf Mitglieder angehörten.*) Ob noch
andere Kreise in ihr bestanden, wissen wir nicht bestimmt; jeden-
falls aber ist sicher, dass in ihrem Schoss ein Kreis bestand, der
sich die „Academie des vrais amants** nannte und zweimal
vierundzwanzig Personen umf asste. ^) Weder die Namen der „enge-
ren Gesellschaft**, noch die der Academie des vrais amants sind
jemals bekannt gemacht worden, wiederum ein Beweis, dass man
die Neugierde der Aussenstehenden durch die Veröffentlichung
äusserlicher Dinge zu befriedigen suchte, anderes aber verschwieg.
Weitere Aufklärung über Wesen und Bedeutung der Aka-
demie des Palmbaums, die wir bis dahin ausschliesslich betrachtet
haben, wird ims die Geschichte anderer verwandter Akademien
liefern, die wir im zweiten Teil unserer Untersuchung behandeln
werden; auch die Beziehungen des Comenius zu dem Bunde
werden wir dann des Näheren erörtern.
*) Krause, Ludwig Fürst von Anhalt, III., S. 25.
^) Näheres bei Barthold a. O. S. 134. Die Mitglieder des engeren
Kreifies hielten ihre besonderen Versammlungen.
•*} Barthold a. O. S. 134 ff. und Schultz, SprachgescUschaften 1888,
S. 19.
Johann Heinrich Aisted.
(1588—1638.)
Bein Leben und seine Schriften.
Von
F. W. E. Both,
Archivar a. D.
Johann Heinrich Aisted ^) ward zu Ballersbach, einem Pfarr-
dorf im Amt Herbom, Provinz Hessen -Nassau, 1588 geboren.
Sein Vater Jakob Aisted stammte aus Westfalen. Er war 1584
bis 1588 erster Kaplan zu Herbom, vertauschte im Laufe des
Jahres 1588 diese Stellung mit der Kaplanei zu Bailersbach und
wurde am 1. April 1599 Pfarrer zu Bicken, wo er am 7. Juni
1622 aus diesem Leben schied. Er war eifriger Anhänger der
reformierten Lehre. Johann Heinrich Aisteds Mutter hiess Rebekka
und war die Tochter des Johannes Pincier, Pfarrers zu Wetter
in Hessen, eines entschiedenen Verfechters der reformierten Lehre,
und der Wittwe des Pfarrers Wilhelm Massen. Aus der am
13. November 1586 geschlossenen Ehe Jakob Aisteds mit Rebekka
Pincier waren ausser Johann Heinrich noch vorhanden ein Sohn
Jodokus Aisted*), der am I.Juli 1606 zu Herbom immatrikuliert
*) Über Joh. Heinrich Alßted handeln: Archiv der naBsauischen
Kirchen- imd Gelchrtengeschichte. Von Chr. D. Vogel. Hadamar und
Coblenz. 1818. I. S. 147 — 164. — A. Nebe, In Annalen des Vereins für
nassauische Altertumskunde. X. Band (1870), S. 118—130. — v. d. Linde,
Die Nassauer Drucke der k. liandesbibl. zu Wiesbaden. Wiesbaden 1882,
S. 70—84. — Ferner K. v. Szatmäry, Gesch. der Schule zu Weissenburg
(Ungarisch), 1868. Criegern, J. A. Ck)nienius als Theolog. Leipzig imd
Heidelberg 1881, und besonders Joh. Kvacsala, Johann Heinrich Aisted
in der Ungarischen Revue von P. Hunfalvy und G. Heinrich. 1889, S. 628
bis 642. Die letztere Abhandlung bildet eine vortreffliche Ergänzung zu
den hier gegebenen Nachrichten. — Zu vergleichen ist auch ausser dem
kurzen Artikel der A. d. B. Herzogs theol. Realen cyklopädic T, 2:52.
^) Vogel a. a. O. S. 147 nennt ihn fälschlich: Jastus.
30 Roth, Heft 1 u. 2.
wurde, zu Ballersbach geboren war, Pfarrer zu Bicken ward *) und
1617 als Pfarrer von Neunkirchen in der Walz vorkommt, sowie
eine Tochter Katherine. Ein Verwandter mütterlicher Seite,
Namens Johannes Pincier, Professor der Medizin und Philosophie
zu Herborn, später Leibarzt zu Dillenbiu:g und Braunfels, ein ge-
wandter lateinischer Dichter, hob den kleinen Johann Heinrich
Aisted aus der Taufe. Sein Vater Jakob brachte dem Kinde die
Anfangsgründe des Wissens bei, worauf Aisted das Pädagog in
dem nur eine Stunde von Ballersbach entfernten Herborn zu seiner
weiteren Ausbildung besuchte. Das Pädagog stand damals unter
Johannes Bisterfeld, Matthias Martinius und Heinrich Dauber in
hoher Blüte. Alted widmete sich unter Matthias Martinius und
Wilhelm Zepper der Theologie und hörte bei Johann Pincier,
seinem Verwandten, und Heinrich Dauber Vorlesungen über
Philosophie und Philologie. 2) Mit Eifer betrieb Aisted seine
Studien, sodass er bald unter seinen Mitschülern, wozu Christoph
Moller und Ludwig Crocius, welche später als Gelehrte glänzten,
gehörten, durch seine Leistungen hervorragten Zu Neujahr 1605
trug Aisted bei einem akademischen Aktus ein selbstverfasste^
lateinisches Gedicht vor. Als Aisted später dasselbe dem Druck
übergeben wollte, billigte der akademische Senat als Censor zwar
grösstenteils diese Absicht, nur Johann Piscator widerstrebte
diesem Vorhaben, indem er das Gedicht für unreife Arbeit er-
klärte und vorgab, Aisted werde später bessere Gedichte hervor-
bringen. Hierin gnb der Senat dem Piscator, als Haupt der
hohen Schule, recht tmd somit unterblieb der Druck des Ge-
dichtes.
Als Aisted seine Studien vollendet, begab er sich nach Sitte
der Zeit auf gelehrte Reisen zur weiteren Ausbildung. Er fuhr
über Frankfurt nach Heidelberg xmd Strassburg, weilte längere
Zeit in Basel, wohin ihn der berühmte Theologe Polanus von
Polandsdorf zog und längere Zeit fesselte. Zu Basel eröffnete
Aisted seine schriftstellerische Laufbahn, indem er seine Flores
theologici herausgab (1609). Nach einem Besuch auch der inneren
*) V. d. Linde S. 380 mit dem Zusatz: Pastor Bicccnsis.
') Alpted ward am 2. Oktober lö02 als Honricus ALstedius Ballers-
bachcnsis unter dem Rektor und R^cht«gelehrten Johann Althnsiu.s inmia-
trikuliert. v. d. Linde a. a. O. S. 371 n. 13.
1895. Johann Heinrich Aisted. 31
Schweiz kehrte Aisted nach Herborn zurück und bekam alsbald
und zwar noch im Lauf des Jahres 1608 eine Anstellung als
Lehrer der ersten Klasse des Herbomer Pädagogs und Inspektor
der Stipendiaten. Zugleich machte er von der ihm erteilten Er-
laubnis, Privatvorlesungen über Philosophie und Philologie halten
zu dürfen, Gebrauch. Er erfreute sich hierbei der Achtiuig der
älteren Lehrer und fand bei den Studierenden als Lehrer solchen
Beifall, dass er im Jahr 1610 ausserordentlicher Professor der
philosophischen Fakidtät wurde.*) 1609 hielt sich Aisted in der
Herbstmesse zu Frankfurt a.M. auf und liess von dort seine elavis
artis Lullianae, welche in gleichem Jahr zu Strassburg erschien,
ausgehen. Am 15. Oktober 1615 ward Aisted aus Anerkennung
dafür, dass er Berufungen als Lehrer nach Wesel und Hanau
ausgeschlagen, von der philosophischen Fakultät zu Herborn zum
ordentlichen Professor ernannt Seit 1609 wai* er derart eifrig
beschäftigt, Schriften auf Schriften zu veröffentlichen, dass sein
Name als Schriftsteller wie als Lehrer weithin sich verbreitete.
In Folge dessen verhandelte der 1610 mit seinen Landen zum
reformierten Bekenntnis übergetretene Kurfürst Johann Sigismund
von Brandenburg brieflich mit dem Grafen Georg von Nassau-
Dillenburg, da er den Aisted als Lehrer zu berufen im Sinne
hatte. Der Graf gedachte jedoch den jungen Professor nicht ziehen
zu lassen, da er damals die Zierde der hohen Schule Herborn
bildete.
Als die Streitigkeiten zwischen den holländischen Refor-
mierten und den Arminianem ausbrachen und eine Synode zur
Vereinbanmg stattfinden sollte, sandte der Wetterauische (irafen-
verein auf Ansuchen aus den Niederlanden, diese wichtige Synode
doch mit Abgeordneten zu beschicken, neben dem Johann Bister-
feld, dem ehrwürdigen Siegener Pfarrer und Inspektor, den Aisted
nach Dordrecht, wohin die Synode einberufen war. Aisted trat
die Reise an und gelangte am 6. Dezember 1618 mit Bisterfeld
nach Dordrecht. Dorthin schrieb demselben am 24. Dezember
1618 aus Herborn sein Kollege Geoi-g Pasor (aus EUar bei Hada-
Bei dieser Gelegenheit flcheint Alsted unter Johann Piftcators Vor-
sitz seine Dissertation: Quaestiones illustres numero noveni. Resiwndontc
.Tohanne Hcnrico Alstcdio Ballersbachon^*i, Nassovio, vorfasst zu haben. Vgl.
V. d. Linde a. a. O. S. 2')0 n. 1414.
82 Roth, Heft 1 u. 2.
mar gebürtig) und bat um Benachrichtigung über den Stand der
Sache. Er vergleicht beide mit Planeten, durch die der theolo-
gische Äther und Kreis (der reformierten Sache) gelenkt werde.
Auch erflehete er des Himmels Segen auf die Abgeordneten und
den guten Ausgang der Sache herab. Mit seinem Schulkameraden
und Universitätsfreund Ludwig Crocius traf Aisted zu Dordrecht
wiedenim zusammen, auch lernte er eine grosse Anzahl der be-
deutendsten reformierten Theologen kennen und suchte die be-
rühmtesten Professoren und Staatsmanner Hollands auf. Seinem
Herrn, dem Grafen Georg, teilte Alsted von Zeit zu Zeit die
Ergebnisse der Verhandlungen mit Als die Synode nach langen
ermüdenden Verhandlungen im Mai 1619 sich auflöste, widmete
der gekrönte Dichter Heinrich Stromberg dem Alsted Worte der
Anerkennung und des Dankes für sein Auftreten.^)
Es war jedenfalls ein Zeichen der Dankbarkeit seitens der
dem reformierten Bekenntnis angehörenden Herbomer Hochschule,
dass dieselbe am 20. Mai 1619 den Alsted zum Professor der
Theologie ernannte, um den hochbetagten Piscator zu erleichtern.
Alsted behielt trotzdem die bisherigen Vorlesungen über Philosophie
bei, durfte aber jeden Tag eine Stunde weniger über dieses Fach
lelu-en. Am 1. Juli 1619 ward Alsted Rektor der hohen Schule
zu Herborn. 2) Als solcher nahm er die Aufnahme des Johann
Heinrich Bisterfeld aus Siegen, später Professor zu Stuhlweissen-
burg, in's Album der Hochschule vor.^) Am 12. Juli 1625
wm-de Alsted wiederum Rektor*) und erhielt 1626 nach Johann
Piscators Tod dessen Lehrstuhl als erster Lehrer der Theologie
zu Herbom.
Mitten in diese erspriessliche Thätigkeit Aisteds fielen
verderbenbringend die Wirren des dreissigjahrigen Krieges. Die
Durchzüge der verschiedenen Heeresabteilungen verbunden mit
der Entfremdimg der Jugend von den Studien und das Aus-
wandern derselben an andere mehr Ruhe bietende auswärtige
Hochschulen liessen die Hörsäle Herboms nach imd nach veröden.
Die Liste der in diesen Zeiten zu Herbom immatrikulierten Hörer
') Nebe a. a. O. 8. 120.
*) V. d. Linde a. a. 0. S. 404.
•') El)onda S. 404.
*) Ebenda S. 414.
1895. Johann Heinrich Aisted. 33
ist eine sehr dürftige, und stellte nur die Umgegend Herboras
noch einiges an Zulauf. Selbst Aisteds Name blieb hier auf
entferntere Landesteile ohne Wirkung. Aisted litt unter diesen
Verhältnissen ungemein und sehnte sich nach Müsse für seine
Lehrtlmtigkeit und sein schriftstellerisches Wirken. Seit lange
bestand eine sehr rege Verbindung zwischen den Reformierten
Böhmens^ Mährens, Polens, Siebenbürgens und Ungarns und der
Herbomer hohen Schule. Aisteds Name stand in diesen Lander-
gebieten bei der studierenden Jugend in hohen Ehren und zog
alljährlich eine grössere Anzahl junger Leute nach Herborn. Der
Fürst Gabriel von Siebenbürgen hatte zu Stuhlweissenburg eine
Universität errichtet, für die er Aisted als Lehrer heranzuziehen
wünschte, um der auf reformierten Grundsätzen errichteten Anstalt
einen Mann zu geben, der derselben Glanz und Zulauf zu ver-
schaffen im Stande war und damit die jungen Leute an Sieben-
bürgen für ihre Studien fesselte. Aisted liebte seine engere
Heimat Nassau über alles, das Gefühl der Dankbarkeit gegen
das Fürstenhaus Nassau war ein weiteres Band, auch knüpften
Verhältnisse verwandtschaftlicher Art ihn an Herborn, da er die
Tochter des ersten Herborner Buchdruckers Christoph Rab (Cor-
vinus), Anna Katherine, zur Ehe hatte. Trotzdem überwog bei
Aisted der Wunsch nach einem ungestörten Wirkungskreis, den
ihm der Krieg für unbegrenzte Zeit zu versagen drohte. Fürst
Gabriel dürfte sich dieser Stimmung Aisteds bedient und der
Zusage desselben sich versichert haben, ehe er sich an den
Landesherra, den Grafen Ludwig Henrich von Nassau-DUlenburg
wandte und um Entlassung Aisteds in seine Dienste ansuchte.
Der Graf erteilte am 12. August 1629 demselben in der Über-
zeugung, dass dieses dem Aisted zum Besten gereiche, den
gewünschten Abschied, behielt sich aber vor, dass derselbe nach
geschlossenem Frieden wieder in die bisherige Stellung zu Herborn
zurückkehre. Gern sagte dieses Aisted zu. Fürst Gabriel hatte
durch Caspar Boiti persönlich mit Aisted unterhandeln lassen.
Letzterer zog mit einem Sohn Johann Piscators, dem Professor
der Theologie und Philologie M. Philipp Ludwig Piscator, nach
Siebenbürgen. Das Berufungsschreiben beider ist vom 22. Februar
1629, als Caspar Boiti zurückgekehrt war, "ausgestellt. Darin
versprach Gabriel, einen zuverlässigen Mann gegen Ende Mai
nach Presburg entgegen zu senden, um die beiden Professoren
Monatshefte der Comenius-GcBellMchaft. 1805. ^
34 Itoth, Heft 1 u. 2.
bis zum 12. Juni nach ihrem Bestimmungsort Stuhlweissenburg
auf Wagen zu geleiten. Gabriel bat daher^ die Wasserreise so
einzurichten, dass beide bis Ende Mai zu Presburg seien. ^) Die
Reise verzögerte sich jedoch. Aisted und Philipp Ludwig Piscator
trafen erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1629 zu Stuhl-
weissenburg ein. Möglicherweise ist die Ursache der Verzögerung
in der verspäteten Entlassung Aisteds seitens des Grafen von
Nassau (12. August 1629) zu suchen. In Stuhlweissenburg widmete
sich Aisted mit Eifer seiner Lehrthätigkeit und hatte auch noch
Müsse für Abfassung einiger neuen Schriften. In seine Heimat
kam Aisted nicht mehr, da er am 9. November 1638 zu Stuhl-
weissenburg starb. Seine Wittwe Anna Katherine kam 1647
nach ausgestandener Pest nach Herbom zurück, starb aber 1C48
am 30. Januar und ward in der Stadtkirche zu Herbom beerdigt,
wo sie ein Grabdenkmal mit Inschrift erhielt. Conrad Postli liess
1649 zu Frankfurt a. M. eine Leichenpredigt auf ihren Tod in
Quart erscheinen. Sie war geboren den 24. Juli 1593 und
stammte aus der zweiten Ehe des Corvinus mit Ursula Hilgards.
Aisteds Schwiegervater, Corvinus, starb am 10. Januar 1620.
Aisted widmete demselben mit andern Lehrern der hohen Schule
zu Herborn einen lateinischen Nachruf. 2) Aisted hatte aus der
Ehe mit Anna Katherine Rab folgende Kinder: Johann Henrich
(starb klein); Anna heiratete den Professor Johann Henrich
Bisterfeld zu Herborn, später Professor zu Stuhlweissenburg in
Siebenbürgen. Eine weitere Tochter, Elisabeth, heiratete den
Hemich Silder, ersten Bergwerksverwalter und Münzvogt in
Siebenbürgen, dem sie mehrere Sölme gebar. Ein anderer Sohn,
Philipp Ludwig, kehrte mit seiner Mutter 1647 aus Siebenbürgen
nach Herborn zurück, wohnte 1649 zu Blois in Frankreich, war
1651 wieder in Herborn und starb am 27. September 1654 zu
Stuhlweissenburg. Unschwer erkennt man in Aisteds Einfluss
die Triebfeder, die den Johann Henrich Bisterfeld, den er auch
jedenfalls aus der Taufe hob, nach Stulilweissenburg als Professor
brachte.
Von Aisteds Wirken kommt in erster Linie dessen Lehr-
thätigkeit in Betracht. Sein Name zog aus Schottland, Dänemark,
*) Nebe a. a. O. S. 122.
') V. d. Linde a. a. O. S. 34.
1895. Johann Heinrich Aisted. 35
Schweiz, Polen, Mähren, Ungarn, Böhmen und Siebenbürgen
Sprösslinge refonnierter Familien nach Herborn. Aisted bildete
eine Menge Männer heran, die später als Prediger, Juristen,
Beamte oder Gelehrte dem Staate mit Erfolg dienten.' Zu seinen
Schülern gehörte Albert Molnar aus Ungarn, 1606 zu Herbom
immatrikuliert^), der ungarische Bibelübersetzer. Auch Aisteds
berühmter Gesinnungsgenosse J. Amos Comenius war dessen
Schüler. Unter Aisteds Vorsitz verteidigte derselbe 1613 zu
Herbom seine Dissertation.-)
Als Schriftsteller war Aisted in erster Linie Theolog und
Philosoph, dabei glänzte er als Polyhistor nach Sitte seiner Zeit
und nimmt hierin unter seinen Zeitgenossen einen hervorragenden
Rang ein. Im ganzen aufgefasst ist Aisted einer der fruchtbarsten
Schriftsteller seiner Zeit und dabei auch einer der vielseitigsten.
Seine Leistungen liierin grenzen an das Unglaubliche. Wenn
auch eine riesige Arbeitskraft und ein umfassendes Wissen ihn
dabei unterstützten, so fällt doch die Masse wie die Vielseitigkeit
des Gelieferten in^s Gewicht Aisted steht dabei selbstverständlich
vielfach auf den Arbeiten anderer und hatte Mitarbeiter im
umfangreichen Massstabe. Wenn man ihn hierbei des gelehrten
Diebstahls beschuldigt, so kann man ihn allerdings nicht inuner
davon freisprechen, meistens nennt er aber die Namen seiner
Mitarbeiter oder der benutzten Autoren in den Vorreden oder
Inhaltsverzeichnissen seiner Schriften. Aisted spielt vielfach nur
die Rolle eines gewandten Encyklopädisten, welcher sammelte,
was ihm passend erschien. Dabei ging er aber als Schüler Johann
Piscators mit Klarheit und Übersichtlichkeit zu Werke und schuf
wirklich brauchbare Lehrbücher seiner Zeit Alles unnütze
Philosophieren war ihm verhasst Seinem System nach gehört
Aisted zu den sogenannten Naturphilosophen und war Gegner
der Aristotelischen Philosophie. Nur fruchtbringendes Wissen
suchte er zu fördern und hasste die philosophierenden Spitzfindig-
keiten. Ausserdem betrat Akted in Theologie und Philosophie
auch eigene Wege und bereicherte beide Wissenschaften. Wenn
in seinen Schriften auch manche Sonderbarkeit vorkommt und er
z. B. über die Tausend Jalire der Apocalypse schreibt, so gehört
«) V. d. Linde a. a. O. S. 381.
') Ebenda S. 75— 7ü n. 58, vgl. S. 389 n. 39.
3
36 Roth, Heft 1 11. 2.
das zum Zeitgeiste. Die Zeitgenossen erkannten Aisteds Wirken
an, das beweisen die vielfachen Auflagen der Schriften, selbst
solche nach Aisteds Tod. Leibniz würdigte dessen Encyklopädie
der Beachtung. Auch heute ist Aisteds Name noch nicht ver-
gessen, sondern wird unter den grossen Naturphilosophen des
17. Jahrhunderts mit Ehren genannt
Das nachstehende Schriftenverzeichnis beruht auf vielfacher
Einsicht der an historischen Einzelheiten für Aisteds Biographie
sehr armen Schriften desselben, nebstdem auf VogePs, Nebe's und
V. d. Linde's Angaben. Dissertationen sind nicht aufgeführt. Das
Verzeichnis möge eine Vorarbeit für eine künftige wissenschaft-
liche Bibliographie Aisteds bilden, die denn auch den zahlreichen
kleinen Gelegenheitsgedichten Aisteds in Druckwerken gerecht
werden imd Aisted auch als lateinischen Dichter würdigen möge.
Schriften Johann Heinrich Aisteds. ^)
1. Flores theologici. Basel (1G09). Erwähnt in einem Briefe
Aisteds an Christian Beckmann vom 19. Februar IGll. Vgl.
C. Beckmaiini nee non ad ipsum aliorum exstantiores epistolae.
Hanau 1C19. S. 37. vgl. Nebe S. 122 n. 1.
2. Clavis artis LuUianae et verae logices duos in libellos tributa.
Id est solida dilucidatio artis magnae, generalis et ultimae,
quam Raymundus Lullius invenit, ut esset quorumcumque artium
et scientiarum clavigera et serperasta: edita in usum et gratiam
eorum, qui impendio delectantur compendiis, et confusionem
sciolorum, qui iuventutem fatigant dispendiis. Accessit novum
speculum logices minime vulgaris. Argentorati MDCIX.
Oetavo, 182 Seiten.
Nebe n. 2. Vogel S. 164.
Dasselbe. Strassburg 1G38. Oetavo. Mainz Stadtb. Vogel
8. 104.
3. Systema mnemoniemn duplex. Franeofurti IG 10. Nebe n. 3.
Vogel 8. 1G5.
4. Johannis Henrici Alstedii consiliarius academicus id est, me-
thodus fomiandorum studiorum, continens commonefactiones,
concilia, regulas, typos, calendaria, diaria, de ratione bene dis-
cendi et ordine studiorum recte instituendo: perpetuis tabulis
adornata: in gratiam studlosorum tarn academicorum quam
') Übersichten über Alsteds Schriften, die zur Ergänzung eingesehen
werden können, finden sich bei Niceron, Lcs M^moires de NicC^ron S. 298
bis 311 und bei Sz ab 6, R^gi Magyar KönyoUr II, p. 080.
1895. Johann Heinrich Aisted. 37
trivialium in scholis particularibus, ut vocant. Accessit concilium
de copia rerum et verborum. Strassburg 1610. Quarto.
Dasselbe. Herborn 1G20. Quarto.
Dasselbe. Strassburg 1627. Octavo. Mainz Stadtbibl.
Nebe n. 4. Vogel S. 165. v. d. Linde ß. 70 n. 10.
5. Theatrum scholasticum, in quo consiliarius philosophicus proponit
et exponit. I. Systema et gymnasium mnemonicum, de per-
fectione memoriae et reminiscentiae. IL Gymnasium logieum
de perfectione iudicli, ubi disserit de ratione 1. Definiendi
solide, 2. Dividend! recte, 3. Disputandi Academice, 4. Consul-
tandi eircumspecte, 5. Resolvendi accurate. HL Systema et
gymnasium Oratorium, de perfectione linguae, et methodo elo-
quentiae. Herborn 1610.
Octavo, 325 Seiten u. 18 Blätter u. 5 Tafeln. Wiesbaden
Landesb. ^)
Nebe n. 5. Vogel 8. 164. v. d. Linde 8. 74 n. 4. —
Dasselbe. Zweite Auflage. Herborn 1620. Octavo. 322 Seiten.
Wiesbaden.
v. d. Linde 8. 74 n. 50.
6. Panacea philosophica, id est facilis, nova et accurata methodus
docendi et discendi universam encyclopaediam, Septem sectionibus
distincta. Authore Joanne Henrico Alstedio. Accessit eiusdem
criticus, de infinito harmonico philosophiae Aristotelicae, Lul-
lianae et Rameae. His accedit consilium Clenardi de discenda
lingua latina. Ad illustrem et vere generosum dominum dominum
Carolum baronem a Zerotin etc. Herbom 1610.
Octavo, 81 u. 12 Seiten u. 2 Tafeln. Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 6. Vogel S. 164. v. d. Linde S. 72 n. 39.
7. Compendium graramaticae latinae Mauritio - Philippo Rameae,
Harmonice conformatae et succincta methodo comprehensae,
recensente Johan - Henrico Alstedio. Herbom 1613. Sedez.
Mainz Stadtb. Wiesbaden Landesb.*)
Nebe n. 7. Vogel S. 155. v. d. Linde 8. 71 n. 20.
8. Delineatio locorum communium specialis politicae Germaniae.
Herbom 1611. Octavo. Steht auch in Keckermanni systema
systematum. Hanau 1613. S. 1687 f.
Nebe n. 9. Vogel 8. 165. v. d. Linde. S. 70 n. 16.
9. Elementale mathematicum , in quo mathesis methodice traditur
per praecepta brevia, theoremata perspicua, commentaria suc-
cincta. Francofurti 1611. Quarto. Mainz Stadtb.
Nebe n. 10. Vogel S. 165.
*) Grewidmet dem Freiherra Johann von SchÖnaich, Herrn zu Beuthen
(in Schlesien).
') Dem Landgrafen Moritz von Hessen gewidmet. O. D.
88 Roth, Heft 1 u. 2.
10. Compendium I. Systomatis logici, de septem instrunicntoruni
logicorum architectura et fabrica. II. Gynina^ii logici, de appli-
catione instrumentorum logicoruin dianoetica et mnemonica, uno
libro explicati. Congestum e celebemmonim logicorum ficriptiw,
et in octo libros digestum. In quibus niethodus nee niniis
supina, nee nimio superstitiosa etc. Herborn IGll. Duodez.
119 Seiten. Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 11. Vogel S. IG 5. v. d. Linde 8. 71 n. 21.
11. Methodus ss. theologiae in sex libros tributa. Offen bach 1611.
Duodez. Hanau 1G23 und 1634. Duodez.
Nebe n. 15. Vogel S. 165.
12. Lexicon theologicum , in quo sacrosanctae theologiae tennini
dilucide explicantur iuxta seriein looorum communium. Accedit
necessaria monitio de lectione novi testamenti. Hanau 1612,
1620, 1626 und 1634. Octavo.
Nebe n. 19.
13. Systenia physicae hannonicae, quatuor libellis niethodice pro-
positum, in quoruni I. Physica mosaica delineatur, II. Physica
Hebraeorum, Rabbinica et Cabbalistica proponitur. III. Physica
peripatetica, maxiniam parte meongesta e Julii Caesaris Scaligeri
lib. 15. Exotericanim exercitationum plenius pc^rtractatur.
IV. Phynica chemiea perspicue et breviter adumbratur etc.
Herbom 1612. Duodez, 227 8eiten. Wiesbaden Landesb.^)
Nebe n. 20. v. d. Linde S. 73 n. 44.
14. Trigae canonicae, quanun prima artis mnemologicae explicatio,
secunda artis Lullianae architectura et usus, tertia artis ora-
toriae magisterium est. Francofurti 1612. Octavo.
Nebe n. 21.
15. Philosophia digne restituta: libros quatuor praecognitorum philo-
sophicorum complectens: quorum I. Archelogia, de principüs
disciplhiarum. II. Hexilogia, de habitibus intellectualibus.
III. Technologia, de natura et differentiis disciplinarum. IV.
Canonica, de modo discendi. Cursui philosophico lampadis
instar praemissa, et emissa a Johanne Henrico Alstedio etc.
Herbom 1612. Octavo. 14 u. 462 Seiten u. 1 Tafel. Wies-
baden Landesb.
Nebe n. 22. v. d. Luide S. 73. n. 41.
16. Consilium de locis communibus recte adornandis. Herbornae.
1612. Octavo.
Nebe n. 22. v. d. Linde S. 70 n. 11.
17. Johann Henrici Alstedi orator sex libris informatus. In quorum
I. Praecognita. II. Oratoria communis. III. Epistolica. IV. Me-
thodus eloquentiae. V. Critica. VI. Rhetorica ecclesiastica.
') Seinem Onkel Ludwig Pincier, Dekan der Kathedralkirche zu.
Lübeck, gewidmet.
1895. Johann Heinrich Alstecl. 39
Accedit consilium de locis communibus. Herborn 1612. Duodez.
286 Seiten u. 1 Blatt. Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 23. v. d. Linde S. 72 n. 36.
Dasselbe. Zweite Auflage. Herbom 1614. Duodez, v. d.
Linde. 8. 72 n. 37.
Dasselbe. Dritte Auflage. Herborn 1616. Duodez, v. d.
Linde. S. 72 n. 38.
18. Methodus admirandorum mathematicomni eomplectens novem
libros matheseos universae, in quorum 1. mathematica generalis,
2. arithmetica. 3. geometria. 4. cosmographia. 5. uranoscopia.
6. geographia. 7. optica. 8. musiea. 9. architectonica etc.
Herbom 1613. Duodez, 4 Blätter u. 532 Seiten u. 6 Blätter.
Wiesbaden Landesb.
V. d. Linde S. 71 n. 27 u. S. 535 n. 27. Nebe n. 27.
Da^aselbe. Herbom 1623. Duodez, 456 Seiten u. 1 Tafel.
Wiesbaden Landesb. v. d. Linde S. 72 n. 28.
Dasselbe. Herbom 1641. Duodez, v. d. Linde S. 72 n. 29.
Dasselbe. Herbom 1657. Duodez, v. d. Linde S. 72 n. 30.
19. Johann Henrici Alstedi metaphysica, tribus libris tractata: per
praecepta methodica: theoremata selecta et coinnientariola di-
lucida etc. Herborn 1613. Duodez. 283 Seiten u. 3 Blätter.
Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 39. v. d. Linde S. 72 n. 31.
Dasselbe. Zweite Auflage, v. d. Linde S. 72 n. 32.
Dasselbe. Dritte Auflage. Herborn 1616. Duodez. 287 Seiten.
V. d. Linde S. 72 n. 33.
Dasselbe. Vierte Auflage. Herbom 1622. Duodez, v. d. Linde
S. 72 n. 34.
Dasselbe. Fünfte Auflage. Herbom 1631. Duodez, v. d. Linde
S. 72 n. 35.
20. Compendium logicae hamionicae. Herborn 1613. Duodez.
Nebe n. 40. v. d. Linde S. 71 n. 22.
Dasselbe. Herborn 1623. Duodez. 201 Seiten u. 1 leeres Blatt.
V. d. Linde S. 71 n. 23 (vollständiger Titel).
21. Logicae systenia harmoniciun, in quo universis bene disserendi
modus ex authoribus peripateticis iuxta et Rameis traditur per
praecepta brevia, canones selectos et commentaria dilucida.
QuibuR non solum scientia nobilissimae artis, sed etiam usus,
et is quideni inprimis continetur etc. Herborn 1614. Octavo.
8 Blätter u. 821 Seiten u. 8 Blätter. Wiesbaden Landesb. i)
Nebe n. 41. v. d. Linde S. 71 n. 25.
Dasselbe. Zweite Auflage. Herborn 1628. Octav. 14 Blätter
u. 828 Seiten u. 8 Blätter. Wiesbaden Landesb.
V. d. Linde S. 71 n. 26.
^) Dem Josua von der Tanne gewidmet.
40 Roth, Heft 1 u. 2.
22. Theologia naturalis exhibens augusti.ssimam naturae scholam;
in qua creaturae dei communi sermone ad omnes panier do-
eendos utuntur. Ad versus atheos, epicureos, et sophistas huius
temporis. Duobus libris pertractata: studio Johann Henrici
Alstedii. Cum indice necessario in calce adnexo. Prostat apud
Antonium Hunnium. M. DC. XV. Quarto. Mainz Stadtbibl. ^)
Nebe n. 46.
23. Praecognita theologica. Frankfurt a. M. 1G15. Hanau 1623.
Quarto.
Nebe n. 47.
24. Theologia catechetica, exhibens sacratisshnam novitiolorum Chri-
Btianorum scholam. Hanau 1616 und 1622. Quarto.
Nebe n. 47.
25. Rhetorica quatuor libris proponens universam omate dicendi
modum, per praecepta brevia, canoncs selectos et comnientaria
dilucida etc. Herbom 1616. Octavo, 6 Blätter u. 641 Seiten,
Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 51. v. d. Linde S. 73 n. 47.
Dasselbe. Zweite Auflage. Herbom 1626. Octavo. 8 Blätter
u. 639 Seiten. Wiesbaden Landesb.
V. d. Linde S. 73 n. 48.
26. Theologia scholastica didactica. Hanau 1618 u. 1627. Quarto.
Nebe n. 61.
27. Pneumatica. Herbom 1619.
Nebe n. 73. v. d. Linde S. 73 n. 46.
28. Cursus philosophici encyclopaedia libris XX VH. complectens
universae philosophiae mcthodum, serie praeceptomm, regulamm
et commentariorum perpetua: Insertis compendiis, lemmatibus,
controversiis, tabulis, florilegiis, figuris, lexicis, locis communibus
et indicibus, ita ut hoc volunien possit esse instar bibliothecae
philosophicae. Adomata opera ac studio Johannis - Henrici
Alstedii. Herbom 1620. Quarto, 3074 Col. u. 28 Blätter
u. 810 Col. u. 2 Blätter. Mainz Stadtb. Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 79. v. d. Linde S. 74 n. 52.
29. Theologia polemica exhibens praecipuas huius aevi in religionis
negotio controversias. Hanau 1620 und 1627. Quarto.
Nebe n. 80.
30. Logistica sive arithmeticae practica« compendium. Hanau 1620.
Octavo.
Nebe n. 81.
31. Philomela theologico-philosophica, recitans fundamenta pietatis
.et humanitatis id est I. memoriale biblicum. II. Oeconomiam
bibliomm. III. Trivium philosophiae. Herbom 1620. Duodez.
60 u. 672 u. 4 Seiten. Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 82. v. d. Linde S. 73 n. 42.
') Dem Stadtrat zu Nürnberg gewidmet: Frankfurt a. M. 1. März 1615
1895. Johann Heinrich Akted. 41
Dasselbe. Zweite Auflage. Herbom 1627. Duodez, 4 Blätter
u. 662 Seiten. Wiesbaden Landesb.
V. d. Linde S. 73 n. 43.
32. Theologia casuum, exhibens anatoinen conscientiae et scholam
tentationum. Hanau 1621 und 1630. Quarto. *)
DaÄselbe. Frankfurt a. M. 1674. Quarto.
Nebe n. 86.
33. Theologia prophetica exhibens rhetoricain ecclesiasticam, in qua
proponitur ars concionandi, et illustratur promptuario concioniun
locupletissimo, II. politiam ecclesiasticam. Accedit theologia
acromatica. Hanau 1622. Quarto.
Nebe n. 89.
34. Nucleus logicae complectens praxin artis nobilissiniae authore
Johanne Henrico Alstedio. Herbom 1623. Duodez. 71 Seiten.
Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 98. v. d. Linde S. 71 n. 24.
35. Thesaurus chronologiae in quo uni versa teniporum et hietori-
arum series in omni vitae genere ponitur ob oculos. Authore
Johanne Henrico Alstedio. Herbom 1624. Octavo. 340 Seiten,
18 Blätter u. 1 Tafel. Wiesbaden Landesb.
V. d. Linde S. 70 n. 12.
Dasselbe. Zweite Auflage. Herborn 1628. Octavo. 592 Seiten
u. 10 Blätter. Wiesbaden Landesb.
V. d. Linde S. 70 n. 13.
Dasselbe. Dritte Auflage. Herbom 1637. Octavo.
V. d. Linde S. 70 n. 14.
Dasselbe. Vierte Auflage. Herbom 1650. Octavo. 691 Seiten
u. 22 Blätter. Mainz Stadtb. und Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 101. v. d. Linde S. 70 n. 15.
36. Compendium theologicum, exhibens methodum ss. theologiae.
Hanau 1624. Octavo.
Nebe n. 102.
37. Triumphus bibliomm sacrorum, seu encyclopaedia biblica, ex-
hibens triumphum philosophiae, iuris prüden tiae, et medicinae
sacrae, itemque sacrosanctae theologiae, quatenus illamm funda-
menta ex scriptura v. et n. t. colliguntur. Frankfurt a. M.
1625 und 1642. Octavo.
Nebe n. 104.
38. Logica theologica. Frankfurt a, M. 1625, 1629 in Octavo,
1652 in Duodez.
N«4)e n. 105.
39. Definitiones theologicae secundum ordinem locomm communium
tradiae. Frankfurt a. M. 1626. Duodez.
N^be n. 106.
*) Den Kronprinzen Friedrich von Norwegen, Herzog zu Schleswig
gewidmet.
42 Roth, Heft 1 u. 2.
40. Coiupendiuni philosophicum exhibens niethoduni, definitiones,
canones, (iistinctiones et quaestiones per uiiiversani philosophiam.
Inserti sunt hinc inde tractatus qiiidam rari et longe utilissinii.
Herborn 1626. Octavo. 1776 Seiten. Eine neue Bearbeitung
des Cursus philosophicus 1620.
Nebe n. 107. v. d. Linde S. 74 n. 53.
Dasselbe. Strassburg 1627. Octavo.
Die Fortsetzung hat den Titel:
Conipendium lexici philosophiei ea niethodo conforniatum , ut
una eadem opera terniini Überalium artium ipsaeque res, quantuni
ad locorum eommunem summa capita facile possint memoria
comprehendi etc. Herborn 1626. Octavo. 1 Tafel u. Seiten
1777 — 3.S94. Wiesbaden Landesb.
Mit dem Sondertitel:
Quatuor indices physici corporum naturalium perfecte mixtorum
I. Metallicus, seu fossilium. II. Botanicus sive plantarum.
III. Zodiacus, seu animalium. IV. Anatomicus sive partium
corporis humani etc. Herborn 1626. Wiesbaden Landesb.
V. d. Linde S. 75 n. 54 — 55.
41. Paratitla theologica, in quibus vera antiquitas, et phra^seologia
sacrannn literarum et patrum, sive priscorum ecclesiae doctorum,
ita illustratur, ut Universum sacrosanctae theologiae syntagma
hac veluti clave reseretur. Frankfurt a, M. 1626 und 1640
in Quarte.
Nebe n. 108.
42. Distinctiones per universam theologiam sumtae ex canone sacrarum
literarum et dassicis theologis. Frankfurt a. M. 1626 und 1630.
Duodez.
Nebe n. 112.
43. Synopsis theologiae. Hanau 1627 und Frankfurt a. M. 1653
in OctJivo.
Nebe n. 109.
44. Quaestiones theologicae. Frankfurt a. M. 1627. Octavo.
Hanau 1634. Duodez.
Nebe n. 110.
45. Diatribe de mille annis apocalypticis, non illis Chiliastarum et
Phantastarum, sed B. B. Danielis et Johaunis. Herborn 1627
und 1630. Duodez. Frankfurt a. M. 1627. Sedez. Deutsch
1630. Duodez.
Nebe n. 111. v. d. Linde S. 70—71 n. 17 — 19.
46. Sunmia casuum conscientiae, novo methodo elaborata. Accedunt
opuscula duo eiusdem argumenti: videlicet I. explicatio tenni-
norum, quibus utuntur casistae. II. Arithmologia si-cra et quo-
tidiana conscientiae luctantis. Frankfurt a. M. 1628. Duodez.
Hanau 1643. Duodez.
Nebe n. 113.
1895. Johann Heinrich Aisted. 43
47. Loci comnmnes theologici, similitudinibus illustrati. Frank-
furt a. M. 1630, 1653 und 1058. Octavo.
Nebe n. 114.
48. Encyclopaedia septem tomis distincta. I. praecognita discipli-
narum, libris quatuor. II. Philologia Übris sex. III. Philo-
sophia theoretica, libris decem. IV. Philosophia practica, libris
quatuor. V. Tres superiores facultatcs, libris tribus. VI. Artes
mechanicae, libris tribus. VII. Farragines disciplinarum, libris
quinque etc. Herborn 1630. Folio. 6 Blätter u. 2404 Seiten
u. 64 Blätter. Wiesbaden Landesb.^)
Nebe n. 115. v. d. Linde S. 75 n. 56.
49. Pentatcuchus Mosaica et Pleias apostolica, id est quinque libri
Mosis, et Septem epistolae catholicae breviculis notationibus
illustratae. Herbom 1631. Octavo.
Nebe n. 110. v. d. Linde S. 72 n. 40.
50. Turris David, de qua pendent mille clypei, hoc est, sylloge
demonstrationujn , quibus invictum robur religionis a.«(t4eritur.
Hanau 1034. Duodez.
Nebe n. 117.
51. Prodromus religionis triumphantis, contra Jac. Crellium et Joh.
Volkelium. Albae Juliae. 1635. Folio.
Nebe n. 118.
52. Turris Babel destructa, hoc est refutatio argumentoruni, quibus
utuntur onuiis generis gigantes ad stiibiliendum confusionein
in negotio religionis. Per Joh. Henricum Alstedium. Herborn.
1639. Duodez. 1130 Seiten u. 6 Seiten. Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 119. v. d. Linde S. 70 n. 9.
53. Trifolium propheticum, id est canticum canticonim Salomonis,
prophetia Danielis, apocalypsis Johannis, sie explicata, ut series
textus et series temporis prophetici e regione positae luceni
menti et consolationem cordi ingenmt. Ad Cyrillum patriarcham
universi orientis Constantinopoli. Herborn 1640. Quarto.
Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 120. v. d. Linde S. 74 n. 51.
54. Physica harmonica, quatuor libellis methodice proponens.
I. Physicam Mosaicam. II. Physicam Hebraeorum. III. Phy-
sicam chemicam. Postrema cura Joannis Henrici Alstedii etc.
Hebornae (!) 1642. Duodez.
V. d. Linde S. 73 n. 45.
^) Dem Grafen Gabriel von Oppeln, Herzog von Ratibor, gewidmet.
In der Vorrede vom 1. September 1620 sagt Aisted, dass er 21 Jahre Lehrer
zu Herbom gewesen.
44 Roth, Johann Heinrich Aisted. Heft 1 u. 2.
Schriften, welche Aisted herausgab.
1. Keckerniann, systema systematuni. Hanau 1613. OctÄVO.
2. Artificium perorandi traditum a Jordano Bruno Nolano-Italo,
communicatuni a Johanne Henrico Alstedio. Frankfurt a. M.
1612. Octavo.
3. Bemhardi de Lavinheta opera orania. Cöln 1612. Octavo.
4. Pastor conformatus ab Henrico Bullingero. Frankfurt a. M.
1613. Duodez.
5. Chamier Daniel, Delphinas, panstratiae catholicae sive contro-
versiaruni de religione adversus pontificios corpus. Editio H,
cui accessit supplementum opera I. H. Alstedii. O. O. 1627
bis 1629. Folio, fünf Bände. Haag, France protestante HI,
S. 332.
Zugeschrieben wird dem Aisted unter dem Namen:
Sadoletus Claudius, cynosura omnium facultatum studiorum.
Aceedit Jac. Pontani dissertatio de praestantia epistolaram
Ciceronis. Strassburg 1664. Quarto. Vgl. Placcius, theatrum
anonymorum etc. S. 550 n. 2398. Mit Wahrscheinlichkeit
ist Aisted Verfasser der epistola ad Josuani von der Tann,
de peregrinatione prüden ter instituenda, enthalten in Crenius,
T., consilia et methodi studiorum. n. 17.^) Über den Rackauer
Katechisnms scheint Aisted eine besondere Schrift vei-fasst zu
haben, es erschien: Alsted*t Rackows catechismus met syn
ondersoek vertaelt door J. Greyde. Franecker 1651. 2)
») Vogel a. a. O. S. 164.
2) Nebe a. a. O. S. 129.
Kleinere Mitteilungen.
^
Die Litteratur der letzten fünfzig Jahre über die Geschichte
der böhmischen Brüder.
(Zusammengestellt von Dr. R. Wölk an in Czernowitz-Bukowina.)
1845. Nebesky, V.: Pfsnö bratra Jana Augusty, kter^z delal ve
vezenl (Casopis cesk^ho musca [C. c. m.J 1845, p. 595).
Rukopis eis. dvorsk^ kniliovny ve Vfdni obsahujie^ pfsnö
Br. Jana Augusty (C. ö. m. 1845, p. 600).
1849. Ehrenberger, Jos.: O wypowezenf Jednoty Bratrsk^ ze
statku Jaroslawa PernSteinsk^ho na rok 1547 (C\ c. m.
1849, II pp. 3—20).
Casopis Katol. duchov. 1849 p. 175 bringt auf p. 175
Naehriehten über das Leben der böhmischen Brüder in
Eibenschütz (Hanu§: Quellenkunde p. 156).
1854. Gyndely, Ant.: Über die Zahl der sogenannten Brüder-
Konfessionen (Sitzungsberichte der böhm. Gesellsch. d.
Wissensch. 1854, p. 33).
1855. Hradil, J.: Rukopis grammatiky ceskd Jana Blahoslava
(Ö. c. m. 1855, pp. 372—79).
1856. Gindely, Ant.: Äivotopis B. Jana Blalioslava (C. c. m. 1856,
I p. 20—44; II p. 3—23).
1858. i n d e 1 y , A n t : Geschichte d. böhm. Brüder. Prag, Tempsky.
1859. Feifalik, J.: Lied über die Vertreibung der hutterischen
Brüder aus Mähren im Jahre 1535 (Notizenblatt d. mähr.
Gesellschaft f. Statistik etc. 1859, p. 91 f.).
Quellen zur Geschichte der böhm. Brüder, herausg. von
Ant Gindely (Fontes rerum Austriacarum II, 19).
1861. Jirecek, Jos.: B. Jana Jafeta krsttkil zprsCva obiskupfch
a staräfch jednoty Bratrsk^ (Ö. c. m. 1861, pp. 139 — 158).
Gindely, Ant.: Bratr LukifS a spisov^ jeho (Ö. c. m. 1861,
pp. 278—296).
Blahoslavova filipika proti nepMteh"im vzdeWnf vyJ^.^fho
V Jednotc bratrsk6 (C. c. m. 1861, pp. 372 — 81).
46 Wolkan, Heft 1 ii. 2.
1862. Br. Jana Blahoslava Historie Bratff ceskfch u vftahu
Pavla Jos. SafaHka (C. c. m. 1862, pp. 99—124, 201—212).
Jirecek, Josef: Kaociondl bratrsk^^ (C. c. m. 1862, pp. 24
bis 51). Pffdavek pp. 95—96.
1863. Das Totenbiich der Geistlichkeit d. böhm. Brüder, hrsg.
von Fiedler (Fontes rer. austriac. I, 5).
Zezschwitz, G. v.: Die Katechismen der Waldenser und
böhmischen Brüder als Documente ihres wechselseitigen
Lehraustausches.
1865. Cröger, E. W.: Geschichte der alten Brüderkirche. Gnadau.
Gindely, Ant.: Dekrety Jednoty Bratrsk^. V Praze.
1866. Brandl, V.: Biblioteka jednoty bratrsk^ v Krilicich (C. c.
m. 1866, p. 203—204).
1868. Tieftrunk: Über die Ursachen der harten Verfolgung der
böhmischen Brüder im Jahre 1547 und 1548 (Sitzimgs-
berichte d. böhm. Gesellsch. d. Wissensch. 1868, H, p. 40).
Pütt: Über die Lehrweise der böhmischen Brüder in be-
treff der Rechtfertigung des Glaubens und die Werke
des Glaubens (Theol. Studien u. Kritiken 1868, p. 581).
Palacky, Fr.: O stycfch a pomcru sekty Valdensk^ k
nekdejsfm seküCm vXVchiCch (Ö. c. m. 1868, p. 291—320).
1869. Tieftrunk, K.: Opricin^ch krut^ho pronäsledovänf bratff
ceskfch V 1. 1547 a 1548 (0.c.m. 1869, II, p. 72—86).
1870. Wackernagel, Phil.: Das deutsche Kirchenlied von der
ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jalu*h. 3. Band.
Leipzig, B. G. Teubner (no. 255 — 417 das Gesangbuch
Weisses, 418 — 445 das Joh. Horns).
1872. Zoubek: Skola bratrskä v Jvancicich (Beseda ucitelskiC
IV, 217).
1874. Einige Brüder-Konfessionen (Notizenbl. d. mähr. Ge-
sellsch. 1874, p. 30).
Öaf afik, P. J.: Studie o Petru Chelcick^m (Ö. c. m. 1874,
pp. 91—109).
Jirecek, Jos.: Literatura exulantuv cesky^ch (C. c. m. 1874,
pp. 190—235, 484-494).
Wackernagel, Phil.: Das deutsche Kirchenlied etc. 4.
Band. Leipzig, B. G. Teubner (no. 492 — 666 Lieder aus
den „Kirchengesengen" 1566).
1875. Zahn, Joh.: Die geistlichen Lieder der Brüder in Böhmen,
Mähren und Polen. Nürnberg, Gottfr. Lohe.
Jirecek, Jos.: Nov^ obje\y z literaturv starocesk^ (C. c.
m. 1875, pp. 168—172).
Slavik: K literärni cinnosti J. Blalioslava (C\ c. m. 1875,
pp. 274—285, 373—387).
1876. Blahoslav: De vitiis concionatorum cd. Slavfk.
1895. I^*e Litteratur der letzton fünfzig Jahre etc. 47
1877. Jirecek, Jos.: Süfsov^ cestf ve sbornfku Pavla Kriipia
(Ö. c. m. 1877, pp. 77—87).
Goll, Jarosl: Br. Jana Blahoslava spisy historickd (C c.
m. 1877, pp. 325—333).
Lukaszewicz, Jos.: Geschichte der böhmischen Briider
in Grosspolen. Grätz.
Jirecek, Jos.: O Blahoslavovc rejstffkii puvoduv pisni v
kaneionalu Bratrsk^m a v ceskö milostn^ pisni z Vcn-
dönie (Sitzungsberichte d. böhm. Gesellsch. d. Wissensch.
1877, p. 392).
Goll, Jarosl: Der böhmische Text des Brüderkatechimns
und sein Verhältnis zu den Kinderfragen (Sitzungsber.
d. böhm. Gesellsch. der Wissensch. 1877, p. 74).
Tieftrunk, K. : O bi(snick^ cene kancioniilu bratrsk<ch
(Sitzungsber. etc. 1877, p. 373).
Dudik, Beda: Über die Bibliothek Karls v. Zierotin in
Breslau (Sitzungsberichte etc. 1877, p. 210).
1878. Goll, Jarosl: Quellen und Untersuchungen zur Geschichte
der böhmischen Brüder. I. Prag.
Dvorsk^, Frant.: Dodatky a zpravy k biografifm stai'sfch
spisovatelu ceskf ch a k starsi ceskd bibliografii I. Augusta
Jan (Ö. c. m. 1878, pp. 295—296).
Jirecek, Jos.: Hymnologia Bohemica. Dejiny cirkevnfho
bsCsnictvi ceskdho ni do XVIII. stoletf (Abhdlgn. der
böhm. Gesellsch. d. Wissensch. VI. Folge, 9. Bd.).
Goll, Jarosl: Spfsek Vita z Krup^ proti Bratffra (Sitzungs-
bericht d. böhm. Gesellsch. d. Wissensch. 1878, p. 1G2).
Smaha, Jos.: ICritlicka bible, vliv a düle^itost jejf v lite-
rature cesk^ (C. c. m. 1878, pp. 252—266, 361—380,
481—499).
1879. Chlumecky: Karl v. Zierotin und seine Zeit. Brunn.
1880. Goll, Jarosl: O nekterVch dotud nezniCra<di spisech Che-
lcick<?ho (Sitzungsber. d. böhm. Gesellsch. d. Wissensch.
1880, p. XVII).
1881. Goll, Jarosl: Petr Chelcickf a spisy jeho (0. c. m. 1881,
p. 3—37).
1882. Goll, Jarosl: Quellen und Untersuchungen zur Geschichte
der böhmisohen Brüder. II. Prag.
1883. Celakovskf , J.: Trakültv bratrsk^ o veceri a krvi Pitne
z r. 1535' (Ö. c. m. 1883, pp. 141—144).
Goll, Jarosl: O nekterfch spisech br. Lukjtse z Prahv
(C. c. m. 1883, pp. 362—370).
Goll, Jarosl: Jednota bratrskfC v XV. stoleti (C-. c. m.
1883, p. 512; 1884, pp. 36, 157, 447; 1885, p. 45; 1886,
pp. 121, 297, 468).
48 Wolkan, Die Littcratur der letzten fünfzig Jahre Heft 1 ii. 2.
Zoubek, Fr.: Vychovänl a vyucoväiii v Jednote bratrak^.
V Praze (Separatabdruck aus Beseda ucitelskä, XV.
Jahrg.).
1884. Goll, Jarosi: Br. Lukaäe Prazsk^ho v^^'klad na zjev^m sv.
Jana (Ö. c...m. 1884, p. 99).
Müller, J.: Über den Zusammenhang der erneuerten Brüder-
kirche und der alten böhmischen Brüderunitat (Sitzgsber.
d. böhm. Gesellsch. d. Wissensch. 1884, I.).
Lenz: Uceni Petra Chelcick^ho o Eucharistii. V Praze.
1885. Müller, J.: O souvislosti obnoven^ cirkve bratrsk^ se starou
jednotou bratfi cesky^ch (Ö. c. m. 1385, pp. 93, 441).
Müller, J.: Zprdva o archivu jednoti bratrsk^ v Lesnc
polskdm (Sbornik historicky 1885, p. 207—208).
1887. Müller, Jos.: Die deutschen Katechismen der böhmischen
Brüder (Monumenta Germaniae paedagogica, Bd. IV.)
Berlin, A. Hofmann & Co.
1890. Albert, E. : PamiCtkv po Bratrlch öesky-ch v Äamberce
(Ö. c. m. 1890, pp. ^147— 151).
1891. Albert, E. : PamiCtky po Bratrfch cesk;fch v Kunwalde
(Ö. c. m. 1891, pp. 209—214).
NoviCk: Spor Bratff sp. Vojtechem z Pemäteina v Prost^-
jove r. 1557 a 1558 (Ö.c.m. 1891, pp. 43—56, 197—214).
Wolkan, R.: Das Kirchenlied der böhmischen Brüder im
XVI. Jahrh. Prag, A. Haase.
1893. Burckhardt, G.: Die Brüdergemeine. Gnadau, Unitäts-
Buchhdlg.
(Anmerkung: Die vorliegende Zusammenstellung kann in keiner
Weise Anspruch auf Vollständigkeit machen ; eine solche wäre nur von Prag
aus möglich und sehr erwünscht.)
R. W.
Besprechungen.
Didaktik als Bildungnlehre nach ihren Beziehungen zur Social-
forschung und zur Geschichte der Bildung dargestellt von Otto
Willmami. Zweite verbesserte Auflage. Einleitung. Die geschicht-
lichen Typen des Bildungswesens. S. XV u. 426. Braunschweig,
Druck und Verlag von Friedrich Vieweg u. Sohn, 1894. Preis
6 Mk. 50 Pfg.
Bei der ungeheuren Zahl den Büchermarkt jahraus jahrein über-
flutender schlechthin wertloser sogenannter pädagogischer Schriften,
die leider immer Käufer finden, ist die zweite Auflage eines streng
wissenschaftlichen pädagogischen Specialwerks wie die Didaktik Otto
Willmanns, wenn sie auch erst nach 12 Jahren erscheinen kann, als
ein nicht zu unterschätzender Erfolg zu betrachten. Referent begrüsst
sie mit um so grösserer Freude, weil er für seine seit 10 Jahren an
der Universität Halle gehaltenen Vorlesungen über Pädagogik keinem
andern Werk soviel Anregung verdankt, als diesem. Willmann ver-
dient in der wissenschaftlichen Didaktik der Gegenwart die Stellung,
welche Lotze in den siebziger Jahren und darüber hinaus in der
Philosophie einnahm. Irre ich nicht, so hat sich Willmann in der
That Lotze, dem ich ihn vergleichen möchte, zmn Vorbild genommen.
Wie Lotze legt auch Willmann auf die sprachliche Darstellung, ins-
besondere darauf, den Ausdioick im einzelnen und kleinen zu einem
treffenden zu gestillten, das grösste Gewicht. Dieses Streben, bei
lieiden durchweg von glücklichem Erfolge gekrönt, führte aber doch
auch hier inul da, bei Lotze in dem Mikrokosmos, bei Willmann in
der ersten Auflage der Didaktik, zu einer gewissen die Klarheit in
etwa beeinträchtigenden Künstlichkeit des Ausdrucks. Lotze hat
diese Mängel des Stils, die im Mikrokosmos noch öfter die Lektüre
behindernd hervortreten, in seinem Anfang der achtziger Jahre er-
schienenen System der Philosophie völlig überwunden. Hier ist alles
abgeklärt, die Darstellung fliesst leichthin, dem Verständnis keinerlei
Schwierigkeiten bietend. Ahnliches gilt (auch die zweite Auflage der
Didaktik hat, wie mich eine Reihe von Stichproben überzeugten, viel-
fach die bessernde Feile erfahren, wie das auch Vorrede S. VIII
betont wird) von dem eben erschienenen ersten Bande der gross an-
gelegten auf drei Bände berechneten Geschichte des Idealismus von
Willmann, ein Werk, das — wie ich schon hier einer späteren
Besprechung vorgreifend bemerke auch darin mit Lotzes System der
Monatshefte der Comeuius-Gesellscliaft. 1895. a
50 Besprechungen. Heft 1 u. 2.
Philosophie ähnlich — , wenigstens in der ersten Hälfte des ersten
Bandes, trotz der mannigfachen und wertvollen Anregungen, die es
bietet, des Problematischen und Anfechtbaren viel enthält und inso-
fern, ebenso wie Lotzes System hinter seinem Mikrokosmos, hinter
der Didaktik zurücktritt, die durch ihre vermittelnde versöhnende Art»
ähnlich wie der unschätzbare Mikrokosmus, einen Widerspruch kaum
aufkommen lässt. Auch sachlich steht Willmann vielfach Lotze nahe.
Anklänge an Herbart, als dessen nicht sklavisch abhängigen, sondern
frei denkenden Schüler sich Willmann einführt und bekennt, finden
sich auch bei Lotze. Der Philosoph Lotze freilich bekämpft den
Philosophen Herbart, der Pädagoge Willmann hingegen, wie natür-
lich bei der unbestrittenen Vorzugsstellung, die Herbart als Pädagogen
gebührt, sucht den Pädagogen Herbart zu verbessern und zu er-
gänzen. Lotze ist Philosoph und steht als solcher mitten in der —
wenn man will weltfremden — Wissenschaft; er ist Psychologe und
Metaphysiken Willmann können wir nicht einen Psychologen, noch
weniger einen Metaphysiker nennen ; er ist Pädagoge, steht als solcher
mitten im Leben, ist vor allem gründlich soeiologisch und historisch
— was Lotze abgeht — orientiert. Was Lotze dem Psychologen
war und noch ist, ist Willmann dem pniktischen Schulmann. An
die Stelle der psychologischen Analyse der Vorgänge Lotzes, wie sie
das Ideal der philosophischen Vorlesungen bildet, tritt bei Willmann
die logisch-sprachliche Analyse der Begriffe, die in der Praxis des
Schulunterrichts die erste Rolle spielt. Beide sind in dieser Hinsicht
durch ihre Schriften vorbildlich; man sieht sie so zu sagen, während
man ihre Schriften liest, au der Arbeit, man empfindet sogar die
Mühe der Arbeit mit und nimmt gern an derselben teil. Überall
merkt man wie bei Lotze den beständig psychologisch reflektierenden
Forscher, so bei Willmann den in der Praxis gebildeten und aus
einer reichen Praxis wie aus dem Vollen schöpfenden Schulmann.
Hervorragende, mitten in der Praxis stehende Schulmänner, wie z« B.
der verstorbene Direktor der Frankeschen Stiftungen Otto Frick,
sagten mir denn auch, dass sie für die Praxis des Schulunterrichts
ebenso wie ich für meine pädagogischen Vorlesungen Willmanns
Didaktik mehr als andern Werken zu Dank verpflichtet seien. Ähn-
lich sind sich Lotze und Willmann auch darin, dass beide keine
Lust am Einreissen und Zerstören, an bloss negativer Kritik zeigen,
sondern aufbauend das Alte konservierend, rekonstruierend und mit
dem Neuen verknüpfend wirken wollen. Lotze machte es sich zur
Aufgabe, gegenüber der mechanischen Weltanschauung das Recht des
Gemüts, des Glaubens zur Geltung zu bringen, Kopf und Herz,
Verstand und Gefühl mit einander zu versöhnen. Man wird kaum
sagen können, dass sein Streben in dieser Hinsicht von durch-
schlagendem Erfolg begleitet ist. Willmann macht kein Hehl daraus,
da«s ihm das Christentum und zwar nicht das rationalistisch zurecht-
gestutzte, sondern das geschichtliche in seinen Grundzügen in allen
1895. Besprechungen, 51
Perioden seiner Entwicklung sich gleichbleibende Christentum — auch
die Reformation hat ja nichts Neues gebracht, sondern nur das von
Äusserlichkeiten überwucherte innere Wesen des Christentums frei
gemacht und so zu sagen bloss gelegt — als Ziel- und Mittelpunkt
als Herz und Seele wie der Menschheit so insbesondere auch ihrer
Erziehung und ihres Unterrichts gilt. Wir alle haben uns in dieser
Hinsicht natürlich langst praktisch entschieden, die einen zustimmend,
die andern ablehnend; aber für unsere Kinder, für ihren Unterricht^
für die Leitung der Schulen, die sie besuchen, werden viele, auch
wenn sie sich zur letzteren Gruppe rechnen, so inkonsequent es ist,
geneigt sein, mit grösserer oder geringerer Entschiedenheit auf die
Seite Wilbnanns zu treten. Die Ansicht bricht sich in immer weiteren
Kreisen Bahn, dass es der Jugend wenigstens nicht schaden könne,
ja sogar nützen müsse, wenn sie die strenge Zucht des Christentums
an sich erfahre und, mit Piaton in den Gesetzen zu reden, so lange
fremder Ansicht folge, als sie noch nicht zu eigener Einsicht heran-
gereift sei. Diese praktische Rücksicht beiseite ist es allerdings die
Frage, ob sich die Ansicht Willmanns von der Stellung des Christen-
tums innerhalb der Menschheit und für die Erziehung und den Unter-
richt wissenschaftlich rechtfertigen und gegen alle Einwürfe als stich-
und probehaltig erweisen lässt. Den Versuch, das zu thun, macht
Willmann natürlich nicht in der Didaktik, sondern im umfassendsten
Sinne in seiner Geschichte des Idealismus, deren erster das Altertum
behandelnder Band vorliegt. Von diesem Gesichtspunkt aus, den
wir hier nicht weiter verfolgen können, muss diese Geschichte des
Idealismus gewürdigt werden. (Man vergleiche, was Willmann selbst,
Didaktik erster Band zweite Auflage Vorrede 8. VII und VIH, in
dieser Hinsicht sagt.) Ich bemerke nur noch, dass das religiöse
Element nirgends bei Willmann, ebenso wenig wie bei Lotze, in auf-
dringlicher Weise sich geltend macht oder gar der rein sachlichen
Behandlung Abbruch thut. Es war ein glücklicher Gedanke Lotzes,
in seinem Mikrokosmos die Quintessenz der Philosophie mit Aus-
schluss alles bloss akademischen und formalen Beiwerks zusammen-
zufassen. In ähnlicher Weise hat Willmann in seiner Didaktik die
Quintessenz der Pädagogik, soweit sie für den höheren Schulunterricht
in Betracht kommen kann, dargestellt. Wie sehr man auch den
Primat des Willens gegenüber dem Intellekt betonen mag, hier gilt
sicher das Wort Dieters: Durch den Kopf zum Herzen, keine Wärme
ohne Licht. Es ist das Verdienst Willmanns, die Didaktik als
Bildungslehre zu einer selbständigen von der eigentlichen Erziehungs-
lehre oder Pädagogik unabhängigen Disciplin gestaltet zu haben.
(Über das Verhältnis von eigentlicher Pädagogik und Didaktik ver-
gleiche man die vorzüglichen Ausführungen von Willmann, Didaktik I
8. 82 — 84.) Lotze knüpft in seinem Mikrokosmos seine Ausein-
andersetzungen überall an die Naturwissenschaft an. Willmann hin-
gegen macht sich die Anschauungen der Gesellschaftswissenschaft
52 Besprecliungeii, Heft 1 u. 2.
oder Socialforschung zu nütze. Der Begriff der socialen Lebenn-
erneuerung und des socialen Verjüngungsprozesses des Menschheits-
organismus und die ihm entsprechende ethische (Pädagogik) und
intellektuelle (Didaktik) Angleichung der jüngeren Generation an die
ältere stehen bei Willmann, ebenso wie bei Lotze die mechanische
Weltanschauung und die mechanische Lebenserklärung, im Vorder-
grund. Ich begnüge mich für die Anzeige der zweiten Auflage des
ersten Bandes der Didaktik Willmanns mit dieser Gegenüberstellung
Lotzes und Willmanns, da ich auf den vorwiegend geschichtlichen
Inhalt dieses Bandes in der Besprechung der Geschichte des Idealis-
mus näher einzugehen gedenke. Eine genaue Analyse des Inhalts,
wie sie zum Teil die ausführlichen Besprechungen der ersten Auflage
von Otto Frick (Lehrgänge und Lehrproben 1890 Heft 23 8. 15—83)
und von dem Jesuitenpater Heinrich Pesch (Stimmen aus Maria
Laach 1891 Heft 7 S. 204—211) gegeben haben, liegt nicht in
meiner Absicht. Sie könnte von dem wirklichei) Werte der Didaktik
doch nur eine ganz oberflächliche Vorstellung geben. Den Lehrern
aller Stufen rufe ich zu: Nimm und lies! Wenn sie das Buch ge-
lesen haben, werden sie sicher sagen, dass sie ihm für ihre Unter-
richtspraxis vieles verdanken.
Halle a. d. Saale. Goswin K. Uphues.
Uphues, Goswin K., Die Psyc^hologie des Erkeuneus vom
empirischen Standpunkte. Erster Band. Leipzig. Engelmann. 1893.
VIII u. 318 S.
Der Verfasser bietet in diesem Bande ausser allgemeinen
methodischen Vorbemerkungen eine Theorie des Bewusstseins uml
der Wahrnehmung, um auf Grund derselben die Entstehung des
Weltbildes des gewöhnlichen Bewusstseins zu erklären. Ein Anhang
bespricht die Bewusstseins- und Wahrnehmungstheorie des Piaton
und Aristoteles.
Den Ausgangspunkt für alle Erkenntnis bilden die Thatsachen
des Bewusstseins. Nichts ist uns so unmittelbar gewiss, wie unsere
umeren Erlebnisse, unser Empfinden, Vorstellen, Fühlen und Wollen.
Die innere Erfahrung ist im Verhältnis zu den Gegenständen, welche
wir als unabhängig von unserem Bewusstsein bestehend annehmen,
das primäre, nicht erst abgeleitete. Die Bewusstseins Vorgänge ent-
halten stets einen Hinweis auf ein Jenseits des Bewusstseins, auf
Tran scen den tes. Eine Erkenntnis des letzteren ist sicher nur vom
Immanenten aus zu gewinnen. Die Erkenntnis ist nicht etwa auf
das Iimnanente beschränkt; es giebt Bewusstseinsvorgänge, die ihrer
Natur nach auf das Transcendente gerichtet sind, und gerade die
innere Erfahrung drängt die Erforschung des Verhältnisses unserer
Vorstellungen zum Transcendenten auf. Die Metaphysik hat zu
erforschen, ob wir eine Erkenntnis des Transcendenten zu gewinnen
vennögen und ob es überhaupt ein Transcendentes giebt. Sie kann
eine wissenschaftliche Begründung einzig durch die Psychologie er-
1895. Besprechungen. 53
langen, da die Beantwortung jener Fragen psychologische Analysen
des Bewusstseinsy seiner Thatsachen und Vorgänge voraussetzt
Uphues steht auf dem Boden des Empirismus und sucht im
strengsten Anschluss an die Thatsachen der Erfahrung seine Theorie
der Wahrnehmung und der Entstehung unseres Weltbildes zu ent-
werfen. Die Kenntnis des Transcendenten , sowohl der Dinge wie
ihrer Vorgänge, wird uns zunächst in der Empfindung vermittelt,
trotzdem müssen wir aber zugestehen, dass wir von der Überein-
stimmung der Empfindungen mit dem Transcendenten ein auf Ein-
sicht beruhendes, sicheres Wissen nicht zu gewinnen vermögen.
Dennoch aber können wir auf mittelbarem Wege eine freilich nicht
in einer sicheren, wohl aber in einer wahrscheinlichen Erkenntnis
bestehenden Einsicht bezüglich des Transcendenten erreichen. Wir
können uns über das Transcendente auch Gedanken und Vorstel-
lungen bilden, die mit den Empfindungen nicht übereinstimmen.
„Thun wir dies, so betreten wir das Gebiet der Hypothesen, worunter
wir, sofern es sich um das Naturerkennen handelt, Annahmen ver
stehen, die mit den Empfindungen, in denen uns das Transcendente,
das wir Natur nennen, zum Bewusstsein kommt, nicht übereinstimmen.
Ein Recht zu solchen Annahmen haben wir jedenfalls, wenn die
Empfindungen, in denen wir uns das Transcendente vergegenwärtigen,
entweder selbst mit einander in Widerspruch stehen oder doch zu
widersprechenden Vorstellungen und Gedanken führen. Wo dies
nicht der Fall ist, da scheint auch kein Recht zu solchen Annahmen
vorhanden zu sein. Wir unterscheiden demnach berechtigte und un-
berechtigte Hypothesen." Zu den unberechtigten Hypothesen rechnet
Uphues die Annahme von Kräften und hervorbringender Ursachen,
femer die animistische Theorie. Seine bezüglichen kritischen Be-
merkungen sind von durchdringender Klarheit. Der Verfasser sucht
zugleich Positives an die Stelle zu setzen, beziehungsweise eine wissen-
schaftliche Fassung für diese Begriffe zu gewinnen.
Die Psychologie des Erkennens hat nach Uphues alle meta-
physischen Gedankengange zu vermeiden. Sie ist in erster Linie
beschreibende Psychologie. Bei allen ihren Untersuchungen muss sie
eine sorgfältige Analyse der zur Anwendung kommenden, in der
Sprache ausgeprägten Begriffe vornehmen, da wir in der Sprache ein
fertiges Erkenntnissystem erhalten, das uns oft in nicht wünschens-
werter Weise beeinflusst, da selbes meist auf den naiven Voraus-
setzungen des gewöhnlichen Bewusstseins über die inneren Vorgänge
aufgebaut ist. Allerdings hat auch die reflexive Betrachtung ihre
Gefahren, da man etwas in die Bewusstseinsvorgänge hineinträgt und
das, was nur Ergebnis der Reflexion ist, als ursprünglichen Bestandteil
betrachtet. Die Bewusstseinsvorgänge dürfen auch nicht als beharr-
liche Objekte gleich den Dingen betrachtet werden, sondern sind
wechselnde Vorgänge, die allerdings mit den früheren sich decken.
Die Psychologie des Erkennens hat denn auch diese Ähnlichkeiten
54 Besprechungen. Heft 1 u. 2.
zu • erforschen ; sie gelaugt dadurch zu Klassenbegriffen von Bewusst-
seinsvorgängen, d. h. Gesetzen. Die Bewusstseinsvorgange könnte
man vielleicht am besten kennzeichnen, wenn man sie als Funktionen
auffasst. Gesetzmässige Änderungen des Einen haben gesetzmässige
Änderungen des Anderen zur Folge. Die Psychologie des Erkennen s
fasst dementsprechend auch das Abhängigkeitsverhältnis der Bewusst-
seinsvorgange ins Auge, insbesondere erfasst sie auch die Entwicklung
des Bewusstseins vom Einfachen zum Zusammengesetzten, sie bedient
sich ebenso der vergleichenden wie der genetischen Methode.
Diese allgemeinen methodischen Grundsätze werden von Uphues
gewissenhaft in den Einzelausführungen befolgt. Die Analysen des
Bewusstseins und der Wahrnehmung und der Abschnitt „Entstehung
unseres Weltbildes" zeichnen sich durch strenge Methode aus und
bedeuten eine wirkliche Bereicherung der philosophischen Forschung.
Eine Reihe von Ergebnissen ist unanfechtbar und giebt den Beweis
dafür, da«8 die befolgte Methode die richtige ist, um auch in der
Philosophie feste Erkenntnisse zu erlangen. Wenn in diesen Bahnen
rüstig weitergearbeitet wird, dann ist Aussicht vorhanden, dass endlich
auchiiin der Philosophie die Systembilderei ein Ende erreiche und
dass auch sie zu einer Wissenschaft gleich den anderen erhoben werde.
Man darf mit Spannung dem zweiten Bande entgegensehen.
R. H.
J. Böhm, Geschichte der Pädagogik mit Charakterbildern her-
vorragender Pädagogen und Zeit<*n. Nürnberg, Fr. Korn, 2 Bände,
310, bezw. 368 S.
Einen Kommen tai* zu seiner „Kurzgefassten Geschichte der
Pädagogik" nennt der durch zahlreiche Publikationen besonders in
seinem engeren Heimatlande Bayern vorteilhaft bekannte Verfasser
sein Werk. Li der That schliesst sich das grössere Werk dem
kleineren in Anlage und Einteilung vollständig an. — Der Verfasser
hat die pragmatisch - biographische Methode für seme Darstellung
gewählt: in die fortlaufende Geschichte der Entwicklung der päda-
gogischen Ideen sind Schilderungen des Lebens und Strebens grosser
Pädagogen eingeflochten. — Nachdem der Verfasser euileitend den
Begriff der Geschichte der Pädagogik festgestellt hat, spricht er
weiter über Aufgaben, Ziele, Umfang, Methode, Wert, Quellen, Ein-
teilung und Litteratur derselben. Zum Gegenstand seiner Darstellung
selbst übergehend, sucht er zunächst der verhältnismässigen Be-
deutungslosigkeit der Chinesen, Inder, Perser und Egypter abzu-
gewinnen, was nur irgend abgewonnen werden kann. Mit der
Geschichte der Erziehung bei den Juden gewinnt der Verfasser dann
die Brücke zu der Darstellung der pädagogischen Ideen bei den
Griechen. Sehr fesselnd ist insbesondere der Abschnitt über die
berühmtesten Lehrer Griechenlands, von denen Sokrates eine ein-
gehende Behandlung gefunden hat. Weit geringer ist die Ausbeute
an pädagogischen Gedanken bei den Römern; doch bieten die Lebens-
1895. Besprechungen. 55
bilder von Cicero, Seneca und Quintilian immerhin manches Anregende.
Ein Rückblick leitet hinüber zur Betrachtung der Zeit nach Christi
Geburt. Ein warmer religiöser Sinn ohne Engherzigkeit und Un-
duldsamkeit tritt uns in der Darstellung Christi selbst entgegen.
Das lebhafteste Interesse erwecken in der Schilderung der folgenden
Zeitabschnitte und weiterhin durch das ganze Werk Stellen aus zeit-
genössischen Schriften; hier sei z. B. auf das Tagebuch Walafried
Strabos, das ein sehr genaues Bild über das Getriebe in einer mittel-
alterlichen Klosterschule giebt, sowie auf die bekannte Selbstbiographie
Platters hingewiesen, welch letztere das Leben der fahrenden Schüler
mit Anschaulichkeit schildert. Mit der Darlegung über die Ent-
stehung der Universitäten und die Wiederbelebung des klassischen
Altertums durch die Humanisten ist 'die Überleitung zur Reformation
gegeben. Mit ersichtlicher Wärme verweilt der Verfasser bei der
markigen Gestalt Luthers, dessen gesunde pädagogische Ideen ein-
gehend dargelegt sind. Sein Schreiben „an die Bürgermeister und
Ratsherren allerlei Städte in deutschen Landen" ist nahezu unverkürzt
wiedergegeben. Kürzer werden die übrigen Reformatoren behandelt.
Aus der Zeit der Gegenreformation finden die erzieherischen Be-
strebungen der Jesuiten umfassendere Besprechung. Weiterhin sind
mehrere Kirchenordnungen, die den Grund zur Entstehung einer
eigentlichen Volksschule legten, im Auszuge mitgeteilt. Mit dem
trüben Ausblicke auf den 30jährigen Krieg, der alle Ansätze zu
einem, geordneten Volksschulwesen vernichtete, schliesst der erste Band.
Der zweite Band führt uns zunächst die Männer vor, die in
Gegensatz zu der streng kirchlichen Erziehung traten. Wir finden
neben andern Baco, Ratichius, den „Vater der Didaktik", und als
Grössten Johann Arnos Comenius gezeichnet. Mit ansprechender
Wärme werden die Verdienste des grossen Böhmen um die Bildung
der Menschheit dargelegt; aus seiner „grossen Unterrichtslehre" ist
ein umfassender Auszug gegeben, aus seinem „Orbis pictus" der
Abdruck zweier Seiten beigefügt. Der geistreiche Locke, dessen
Anschauungen über Erziehung und Unterricht weiterhin geschildert
werden, gehört ja eigentlich der Volksschule nicht an. Um so mehr
ist dies der Fall bei den Pietisten, denen das folgende Kapitel ge-
widmet ist. Hier erweckt die Gestalt des Gründers des Halleschen
Waisenhauses und der damit verbundenen Anstalten unsere ganz
besondere Teilnahme. Aus einem Werke Frankes sind dessen An-
schauungen über körperliche Züchtigung mitgeteilt, Anschauungen,
wie sie treffender auch heute noch nicht gedacht werden können. Der
folgende Abschnitt beschäftigt sich mit Rousseau, von dessen „Emil"
eine Inhaltsangabe geboten ist. Wie bei allen vorausgehenden und
nachfolgenden Pädagogen geht der wörtlichen oder inhaltlichen Wieder-
gabe aus den Hauptwerken eine kurze Lebensbeschreibung voraus,
während eine erschöpfende Kritik folgt. Letzteres ist besonders im
Interesse jüngerer Lehrer zu begrüssen. Gerade sie könnten durch
56 Besprechungen. Heft 1 u. 2.
80 geistreiche Ansichten, wie sie beispielsweise Rousseau vorbringt,
sich blenden lassen. — Im weiteren wird die Thätigkeit der auf
Rousseaus Schultern stehenden deutschen Philanthropisten geschildert,
unter denen besonders der unstete Basedow und der edle Salzmann
eingehende Darstellung finden. Aus Basedows Hauptschriften und
aus Salzmanns „Ameisenbüchlein" sind Proben mitgeteilt. In ähn-
licher Weise werden noch Rochow und Felbiger gewürdigt. Mit
einem Rückblick auf den Zustand der Lehrerbildung und der Volks-
schulen schliesst die Betrachtung des 18. Jahrhunderts. — Die Ein-
leitung zur Behandlung, der deutschen Volksschule im 19. Jahrhundert
bildet die Geschichte Pestalozzis. Mit warmer Begeisterung ist der
Lebensgang dieses Mannes geschildert, sind seine schöpferischen Ideen
gekennzeichnet, seine Leistungen gewürdigt. Der letzte Teil des
Werkes besteht hauptsächlich aus dem Nachweise, wie die Bestre-
bungen dieses Grossmeisters der Erziehungswissenschaft innerhalb und
ausserhalb der Fachkreise immer mehr Anhänger und Vertreter ge-
wannen und wie sie infolge dessen mehr und mehr in die That
umgesetzt wurden. Unter den Nachfolgern Pestalozzis findet besonders
noch Diester\i'eg eine ausführlichere Darstellung. Vielleicht dürfte
hier der Wunsch angezeigt sein, es möge bei der wx'itgehenden Be-
achtung, deren sich die sogenannte „wissenschaftliche Pädagogik" in
Lehrerkreisen neuerdings zu erfreuen hat, bei einer Neuauflage Herbart
und namentlich der nur flüchtig erwähnte Ziller eine etwas um-
fassendere Bearbeitung finden. — Mit einem Anhange, in dem die
Entwicklung des bayerischen Volksschulwesens dargelegt ist, schliesst
das verdienstvolle Werk.
Wenn der Verfasser es sich zum Ziele gesetzt hat, jüngeren
Lehrern „eine tiefere Einsicht in ihren Beruf zu verschaffen" und
sie „an den Beispielen edler und hochherziger Menschenbild ner für
die heilige Sache der Jugendbildung zu begeistern", so ist ihm dies
im vollsten Masse gelungen. Mit besonderem Geschick hat er Stellen
aus den Schriften grosser Pädagogen so ausgewählt, dass dieselben
nach und nach über alle wichtigeren Gebiete der Volksschulpädagogik
zu Worte kommen. Durch das Ganze weht ein wanner Hauch der
Begeisterung für Menschenwürde, wie sie jeden Erzieher beseelen
sollte. Der jüngeren Lehrerwelt sei das Werk aufs angelegentlichste
empfohlen; ältere Lehrer werden sich neue Begeisterung für ihren
Beruf aus dem Werke holen und zugleich die vielseitigsten An-
regungen daraus empfangen. Es sollte in keiner Lehrerbibliothek
fehlen.
München. K. Gutmann.
Litteraturbericht.
In der Revue internationale de Tenseignemet 13. Annee,
Nr. 5 S. 441 ff. (Redacteur eu chef M. Edniond Dreyfus - Brisac)
veröffentlicht Jacques Parmentier einen Aufsatz über Jean Louis
Vives, de ses th6ories de TMucation et de leur influence sur les
p^dagogues anglais, den wir der Aufmerksamkeit unserer Leser em-
pfehlen. Er behandelt eine Seite aus der Geschichte des Vives und
seines Systems, die bisher in Deutschland wenig oder keine Beachtung
gefunden hat, nämlich sein Fortleben in England. Herr Professor
Parmentier in Poitiers (der ebenso wie Herr Dreyfus-Brisac Mitglied der
CG. ist) hat sich sehr eingehend gerade mit der Geschichte der Er-
ziehungslehre beschäftigt und ist daher auf diesem Felde einer der
zuständigsten Beurteiler, die wir heute besitzen. Was Herr Parmentier
in seinem Aufsatz über die Vernachlässigung des Spaniers Vives
seitens der deutschen Wissenschaft sagt, mag auf frühere Zeiten zu-
treffen, heute wird aber Vives' Bedeutung gerade in Deutschland
nachdrücklich anerkannt; wir haben den Namen des Vives mit gutem
Grund im Arbeitsprogramm unserer Gesellschaft ausdrücklich genannt.
K.
Der vor kurzem vollendete 3. Band des im Auftrage der Görres-
gesellschaft von A. Bruder herausgegebenen „Staatslexikons'' (Grotius
bis Ökonomie) bringt u. a. Artikel über Hugo Grotius (von Brischar,
Spalte 1 — 4), Krause (v. Grupp, Sp. 860 — 863), Leibniz (v.J. Bach,
Sp. 1084—1092) und Locke (v. J. Bach, Sp. 1129—1235). Wenn
auch der Aufgabe des Staatslexikons gemäss das Hauptgewicht auf
die sozial-politischen Anschauungen dieser Männer gelegt worden ist,
so findet doch beiläufig auch ihr religiöser, philosophischer und päda-
gogischer Standpunkt eine Charakteristik und Würdigung. Wir können
hier nur die Punkte kurz hervorheben, in welchen sich die Bestrebun-
gen der Genannten mit denen unserer Gesellschaft berühren. Wie
weit ihre Wege und Ziele im übrigen auch auseinandergingen, in
einem Punkte treffen sie zusammen: in dem Streben nach Einigkeit
und Frieden. Bei Grotius erinnert Brischar an die vielübersetzte
Schrift „De veritate religionis christianae ", in welcher der Verfasser
auf das hinweist, „was dem Menschen Ruhe, Trost und Freudigkeit
geben mag im irdischen Leben und ihm eine fröhliche Aussicht er-
öffnen in die Dunkelheit der unendlichen Zukunft". — Den Kern
von Krauses Philosophie fasst Grupp in die Worte zusammen:
58 Litteraturbericht. Heft 1 u. 2.
„Die Menschheit organisiert sieh nach dem physischen Zusammenhang
in Familien, Gemeinden, Stämmen, Völkern und Völkervereinen, nach
den ethischen Lebenszwecken, Religion, Wissenschaft, Kunst, Er-
ziehung, Sittlichkeit, Recht, in besonderen Vereinen. Das Ideal wäre
ein Gesamtorganismus aller dieser Vereine, der das Göttlich-Mensch-
liche in Einheit und Gemeinsamkeit pflegen würde." — An Leibniz
rühmt Bach sein Trachten, das religiös und politisch zerrissene deutsche
Volk durch Bildung und Gesittung zu seiner einstigen Grösse zurück-
zuführen. Den Philosophen beseelt die grosse Idee der Wiederver-
einigung der Protestanten mit der katholischen Kirche und unter sich.
Er kämpft für die Pflege seiner deutschen Muttersprache, für den
Ausdruck deutscher Gesinnung und Gesittung. Seine Wissenschaft
soll dem Wohle des Volkes dienen, sie soll nützlich sein fürs Leben.
Daher die Betonung des Anschauungsunterrichtes, daher die Pflege
der Realien. Ausdrücklich weist Bach in diesem Punkte auf die
Verwandtschaft mit Vives, Ratichius, Comenius uiid Aisted hin. —
Auch Lgcke endlich hat der Gedanke einer „Vereinigung sämt-
licher Konfessionen und Sekten auf dem Grunde der in der heiligen
Schrift niedergelegten Fundamentallehren" vorgeschwebt B.
Wir haben an dieser Stelle auch der Aufsätze zu gedenken,
welche die Allgemeine Deutsche Biographie über die Männer
unseres Forschungsgebietes bringt. Auf dem Gebiete des Huma-
nismus kommt für uns aus dem im vorigen Jahre vollendeten
35. Bande (Spalatin — Steimnar) besonders der Artikel „Spalatin"
in Betracht, daneben vielleicht noch „Spangel", „Stabius", „Stein-
berg" und „ Steinhöwel ". Der eingehende Bericht über Georg
Spalatin (S. 1 — 29), von dem eine besondere Lebensbeschreibung
bislang noch fehlt, trägt den Namen Georg Müllers. Der ehi-
flussreiche Vertraute und gewissenhafte Biograph der sächsischen
Kurfürsten Friedrichs des Weisen und Johanns des Beständigen,
der weitbekannte Humanistenfreund, gehört zu den Männern, die,
„obwohl selbst nicht geistig hervorragend, durch die Förderung, die
sie den führenden Geistern ihrer Zeit zu teil werden Hessen, sich
ein Anrecht auf den Dank der Nachwelt erworben haben". —
K. Hartfelder behandelt kurz den um die Universität Heidelberg
verdienten Pallas Spangel (S. 32 f.), den Lehrer Wimpfelings und
Melanchthons. — Johannes Stabius, der Schützling Kaiser Maxi-
milians, engbefreundet mit Konrad Celtis (Berichterstatter: Krone s,
S. 337), möge hier wegen seiner Verdienste auf dem Felde der Mathe-
matik, Geographie und Astronomie genaimt sein. — Von dem Bres-
lauer Nikolaus Steinberg, f 1610, führt Markgraf (S. 690)
das ihn charakterisierende Wort eines seiner Schüler an, „er ziehe
eine Schule mit guter Zucht und geringerer Wissenschaft einer solchen
vor, an der das Verhältnis umgekehrt sei". — Grösseren Raum
nimmt nieder der Aufsatz Philipp Strauchs über Heinrich
Steinhöwel (S. 728 — 736) ein, einen der ältesten Vertreter der
1895. Litteraturbericht. 59
deutschen Frührenaij*sance, dem nein Bestreben, bekannte frenid-
8prachige Werke in Übersetzungen zum Gemeingut seines Volke« zu
machen — es sei nur an seinen Aesop erinnert — einen Platz in
unsem Heften sichert B.
Das soeben erschienene 1. Heft des 15. Jahrg. des Jahrbuchs
für die Geschichte des Protestantismus in Österreich (Wien u. Leipzig,
Jul. Klinkhardt) enthält einige Aufsätze und Nachrichten, die auch
für die CG. von Interesse sind. Prof. Dr. Loesche in Wien setzt
die Sammlung der evangelischen Kirchenordnungen Österreichs fort
und bringt in dem vorliegenden Heft die Ordnung von Joachimsthal
in Böhmen aus dem Jahre 1551 zum Abdruck. Th. Unger, Landes-
arehiv- Adjunkt in Graz, bringt die Fortsetzung seines früher begonne-
nen Aufsatzes über eine „Wiedertäufer-Liederhandschrift des XVII.
Jahrhundert" d. h. die Handschrift eines Liederbuchs der mährischen
Brüder, die später das Schicksal der böhmischen Brüder im 17. Jahr-
hundert teilten. Wir haben schon früher bemerkt, dass Comenius
diese Gemeinden gekannt und geschätzt hat. Unter den „Miscellen"
bringt Dr. G. Bossert unter Bezugnahme auf das auch von uns
besprochene Buch Nicoladonis über Joh. Bünderlin von Linz (s. M.H.
der CG. 1894 S. 96 ff.) den Nachweis, dass der in den Täufer-
Akten des IG. Jahrhunderts mehrfach genannte Hans Vischer aus
Linz und Joh. Bünderlin ein und dieselbe Person bezeichnen. Bei
der Bedeutung, die Bünderlin (z. B. für Seb. Francks geistige Ent-
wicklung) gewonnen hat, sind die neuen Nachrichten, die uns dadurch
erschlossen werden, von Wichtigkeit. K,
Die ausführlichste Darstellung des deut«^chen Erziehungs-
wesens im 16. Jahrhundert, die neuerdings erschienen ist, liegt in
dem soeben ausgegebenen Bande von Johannes Janssens Ge-
sohiohte des deutsohen Volkes seit dem Ausgang des Mittelalters
(Freiburg i. Br. 1893) vor, den Ludwig Pastor aus dem Nachl&ss
des Verfassers herausgegeben hat. Der Band führt den Untertitel:
„Culturzustände des deutschen Volkes etc. Drittes Buch: Schulen
und Universitäten. Bildung und Wissenschaft. Bücher-Censur und
Buchhandel." Die Zeit des ausgehenden 16. Jahrhunderts, wo auf
der einen Seite ein starrer staatskirehlicher Lutheranismus, auf der
anderen die Gesellschaft Jesu herrschend waren, gehört in Bezug auf
das Forschungsgebiet unserer Gesellschaft zu den unfruchtbarsten
Zeitabschnitten, die wir kennen; hat doch selbst das 14. wie das
15. Jahrhundert mehr Männer hervorgebracht, die für uns in Betracht
kommen. Wir können daher die Schilderungen, die Janssen giebt,
zum grossen Teil auf sich beruhen lassen; es ist nichts Neues, wenn
er die Unerfreulichkeit der Zustände aktenmässig beweist und der
Unterschied unserer Auffassungsweise besteht nur darin, dass wir
weder auf der einen noch auf der anderen Seite unser Ideal finden,
während die Vorliebe Janssens für die Gesellschaft Jesu ja bewusst
oder unbewusst alle Urteile beherrscht. Gleichwohl muss das Buch
60 Litteraturbericht. Heft 1 iL 2.
(leshalb an dieser Stelle erwähnt werden, weil einige Äusserungen
über Vorläufer des Comenius darin vorkommen, die von Wichtigkeit
sind, und da muas denn gesagt werden, dass das Bild, das Janssen
von diesen Männern entwirft, freundlicher ist, als fast alle anderen
grau in grau gezeichneten Charaktere, die nicht zu den Konfessions-
genossen des Verfassers gehören. Auf S. 602 ff. wird von Johann
Valentin Andreae und Johann Arndt gehandelt^ die beide freilich
schon wesentlich jener Epoche angehören, wo innerhalb des Protestan-
tismus der Lutheranismus des 16. Jahrhunderts zurückzutreten anfing.
„Ein der Polemik durchaus abholder, einem frommen, in Liebe
thätigen Glauben zugewandter Mann", sagt Janssen, „war auch Johann
Valentin Andreae Seine Selbstbiographie ist ein wichtige.*?
Denkmal der Zeit. Über das ewige Polemisieren urteilt er:
Auch hilft kein Zanken und Streitschrift
So unser Leben bleibt vergift;
Kein Buch Christum vertreten kann,
Er will fromb Leut und Jünger han."
„Die freundlichste Erscheinung", fährt Janssen fort, „unter
der grossen Schaar der ,evangelischen Prediger* — dass er diese Be-
zeichnung mit Anführungszeichen versieht, ist charakteristisch genug
— ist unzweifelhaft der schon genannte Johann Arndt, auch von
katholischer Seite nicht selten als ein ,christlicher Geistesheld* ge-
rühmt .... Als Feind der scholastisch-polemischen Kanzelvorträge
drang er in seinen Predigten ganz besonders auf »Reinigung des
Herzens* und ,ungeheuchelte Liebe Gottes und des Nächsten*; der
Glaube müsse sich überall durch Werke der Liebe bethätigen. Sein
Hauptwerk, welches in protestantischen Kreisen bis auf die Gegen-
wart eine Quelle religiöser Erbauung geblieben, sind die ,Vier Bücher
vom wahren Christentum*, deren erstes Buch, aus Wochen predigten
entstanden, im Jahre 1605 erschien; die erste vollständige Ausgabe
des Werkes stammt aus dem Jahre 1610.**
Sehr richtig schildert Janssen, wie Arndt, der von sich selbst
nachdrücklich sagte', da.ss er seine Schriften durchaus im Sinn der
Augsburgischen Konfession, der Katechismen Lutheri und der Con-
cordienformel verstanden wissen wollte, im Grunde keineswegs luthe-
risch war, und wie auch die lutherischen Zeitgenossen dies ganz richtig
erkannten. Man predigte auf vielen lutherischen Kanzeln gegen ihn,
als einen „Enthusiasten** und „Schwenkfelder**, und diese Anklage war
tiefer begründet, als viele seiner damaligen Gegner ahnen konnten;
denn ein Teil seiner „Vier Bücher vom wahren Christentum** war und
ist in der That nichts anderes, als ein wörtlicher Abdruck alter
täuferischen Traktate. Wir kommen vielleicht später einmal
darauf zurück. — Verhältnismässig eingehend wird über Seb. Franck
gehandelt, und obwohl das Urteil Janssens im ganzen ablehnend ist,
so erhält Franck doch mi einzelnen hier und da eine recht gute
Note. „Was Franck besonders auszeichnet**, sagt Janssen S. 302,
„ist die Weite seines kulturgeschichtlichen Blicks, die scharfe Beobach-
1895. Ldtteraturbericht. 61
tung des Volkslebens, wie es sich unter seinen Augen entwickelte,
vornehmlich der kirchlichen, der gesellschaftlichen und der wirtschaft-
lichen Verhältnisse in den oberen und unteren Schichten des Volkes.
Die deutsche Sprache handhabte er mit solcher Meisterschaft, dass
er den besten Prosaisten des sechzehnten Jahrhunderts beizuzählen
ist. Franck war Socialist, allein sein Socialismus ging nicht auf
niedere Zwecke aus .... von der ,Thorheit des säuischen, rasenden,
aufrührerischen, wankenden, vielköpfigen* Pöbels sprach er mit der
grössten Geringschätzung." Dieser „Socialist" war nach Janssen „eine
tief religiöse Natur", von dem nicht zu bezweifeln ist, dass die
Religion ihm in Wahrheit „Sache des Herzens und der Liebe untl
Mildthätigkeit gegen alle Nebenmenschen war, und da^'^s er lieber in
Not und Armut leben, als um weltlicher Ehren und Vorteile willen
seine Überzeugung hat opfern wollen". „Wie viele auch gegen ihn
auftraten und ihn bekämpften, so konnte doch niemand mit Grund
seinen Wandel verdächtigen." K.
Die Vorlesung, die Dr. J. Evaosala beim Antritt seines Amtc^s
als ord. Professor der historischen Theologie in Dorpat gehalten hat,
behandelt die „Irenischen Bestrebungen zur Zeit des 30 jäh-
rigen Kriegs'* (abgedruckt in den „Acta et coinmentationes Imp.
Universitatis Jurieviensis [olim Dorpatensis]" 1894, Nr. 1). Kvacsala
nimmt den Ausgang von dem durch die Bemühungen der böhmischen
Brüder im Jahre 1570 zu Stande gekonnnenen Konsens von Sendomir,
als dem ersten ernsten Versuch, eine Union von Lutheranern, Refor-
mierten und böhmischen Brüdern zu vereinbaren; auch in Böhmen
kam 1575 ehie sog. böhmische Konfession unter denselben Einflüssen
zu Stande, der dann die Vereinbarung von 1609 zum weiteren Aus-
bau verhalf. „Solche, die Einheit des Protestantisnms vertretende
Männer, gab es (in Deutschland) . . . besonders unter den Reformier-
ten, während die Lutheraner eine Annäherung fast ansnahmslos be-
kämpften". Kvacsala weist dann auf eine Reihe von Vertretern dt»s
Unionsgedankens besonders hin und nennt an erster Stelle den Lehrer
des Comenius, David Pareus in Heidelberg; im Jahre 1618 ver-
öffentlicht der Brüder-Pastor Bythner eine Schrift über die Ein-
tracht der Evangelischen, die aber leider bis jetzt verloren ist. Näher
besprochen werden dann die Bestrebungen des Duraeus, erwähnt
werden Samuel Hartlieb, der Prediger Laubanus, Comenius,
Hugo Grotius, Gotfried Hotton. Kvacsala verspricht auf S. 10
Anm. 1 seiner Rede, dass er alle die für dieselbe benutzten Akten
und Briefe wahrscheinlich noch im Laufe des Jahres 1894 mit Unter-
stützung (ier Kaiserl. Franz-Josef- Akademie in Prag herausgeben werde.
Wir können über die Rede selbst wie über diese Aussicht im Interesse
unserer Bestrebungen nur unsere Freude aussprechen. K.
Der böhmische Comenius- Verein in Prag hat im vorigen Jahre
die sämtlichen homiletischen Werke, die Comenius hinterlassen hat,
herausgegeben. Die Ausgabe ist von Pfarrer L. B. KaSpar besorgt
62 Litteraturbericht. Heft 1 u. 2.
worden und' tragt den Titel: Jana Amosa Komensk^ho Sebranä dila
Kazatelskä. I. Umeni Kazatelsk^ 11. Käzäni. Prag 1893, 520 S.
gr. 8®. Preis 2.50 fl. — Der erste Teil enthält Comenius' Homiletik,
der zweite seine Predigten. Die Herausgabe ist eine verdienstvolle
und dankenswerte Arbeit K.
Unter dem Titel: „Bilder aus dem deutschen Leben des 17. Jahr-
hundert. I. Eine vornehme Gesellschaft (Nach Harsdörffers Gesprächs-
spielen)." Mit einem Neudruck der Schutzschrift für die deutsche
Spracharbeit. Paderborn, Schöningh 1890 (81 8. M. 1,20) schildert
R. Ho der mann die Zustande in Nürnberg mit Wendungen aus
Harsdörffers „Frauenzimmergesprächen" in sehr geschickter und an-
sprechender Weise; er führt uns in einen Kreis von Männern und
Frauen, die in trauriger Zeit den Sinn für ideale Aufgaben pflegen
und hoch halten. Harsdörffer, der die Seele dieses Kreises war,
teilte die Vorliebe aller Männer von comenianischer Geistesrichtung
für die Muttersprache und veröffentlichte im Jahre 1644 seine
„Schutzschrift für die teutsche Spraeharbeit und derselben Beflissene",
und es ist mit Dank zu begrüssen, dass Hodennann sie von neuem
abgedruckt hat. K.
Die von Dr. Joseph Reber, Kgl. Direktor der höh. weibl.
Bildungsanstalt in Aschaffenburg, veröffentlichte Ausgabe von „John
Miltons Essay „Of education". Englischer Text und deutsche
Übersetzung mit Einleitung und erklärenden Erläuterungen (Aschaffen-
burg. Wailandt'sche Druckerei Akt-Gesellsch. 1892. 23 und 46 8. 8®)
enthält in der Einleitung ausser einer biographischen Charakteristik
Miltons interessante und wohl manches Neue bietende Ausführungen
über Lebensstellung und Bestrebungen zweier in des Comenius Lebens-
gang, Entwicklung und Thätigkeit in bedeutsamer Weise eingreifender
Männer, seiner Freunde Louis de Geer und Samuel Hartlieb, auf
Grund der hierüber neuerschienenen Litteratur. Mit Recht erklärt
der Herausgeber eine genauere Erforschung der geistigen Umgebung
des Comenius für notwendig. — Die Schlussbetrachtung (S. 42 ff.)
skizziert Miltons Erziehungsplan. K — r.
Als 30. Bd. der Bibliothek pädagogischer Klassiker erschienen
(Langensalza, Beyer u. Sohn, 1891) Ch. G. Salzmamis Ausgewählte
Schriften* Mit Salzmanns Lebensbeschreibung, hrsg. von Ed. Acker-
mann, 2. Bd. (Vn und 294 S.). — Salzmanns „Ameisenbüchlein
oder Anweisung zu einer vernünftigen Erziehung der Erzieher" ist,
für Schule und Haus bearbeitet von Dr. Wimmers, in 2. Aufl. (1891)
als 9. Bd. in der bekannten Sammlung von Schulz, Gänsen und Keller
(Paderborn, Ferd. Schöningh) erschienen. K.
0. Nachrichten.
Wir haben in dem unter dem 23. Juli 1892 veröffentlichten Arbeitsplan
der CG. (s. M.H. 1892 Geschäftlicher Teil S. 71 ff.) die Namen der Männer
und Geistesrichtungen näher bezeichnet, deren Geschichte wir in erster Linie
als Forschungsgebiet der CG. betrachten und in diesem Plan auch den
Namen eines heute fast vergessenen Mannes, des Otto Brimfels (f 1534),
ausdrücklich genannt. Es ist erfreulich, dass eine vor einiger Zeit erschie-
nene Lebensbeschreibung von F. W. E. Roth, Otto Brunfels. Nach seinem
Leben und litterarischen Wirken geschildert. (Zeitschr. f. d. Gesch. d. Ober-
rheins, Neue Folge Bd. IX, Heft.2, S. 284 — 320) unsere Berechtigung erhärtet,
ihn unter die Vorläufer und Geistesverwandten des Comenius zu zahlen.
Wir verweisen hier auf den Inhalt der wertvollen Abhandlung und wollen
nur die Charakteristik des Brunfels wiedergeben, die ßoth am Schlüsse seiner
Darstellung liefert. Roth sagt: Waren seine (Brunfels) theologische Schriften,
die Arbeiten über die h. Schrift teilweise auch Gelegenheitsschriften, sind
seine Ausgaben medicinischer Schriftsteller, seine medicinischen Lehrbücher
heute auch nur noch von historischem Wert, so bleibt doch ihm heute noch
das Verdienst, der Vater der neueren Botanik und graphischen Dar-
stellung wissenschaftb'cher Botanik zu heissen. Linn6 nannte den Brunfels
den Vater der neueren Botanik. Die Pflanzengattung Brunfelsia trägt ihm
zu Ehren seinen Namen. Noch lange nach seinem Tode galten seine Schriften
als würdiger Gegenstand der Herausgabe und des Neudrucks, selbst bei
katholischen Verlegern. Die Kirche setzte selbstverständlich seinen Namen
in das Verzeichnis der verbotenen Bücher. Der geistige Entwicklungsgang
des Bnmfels ist der der sogenannten Neuplatoniker, aus seinen Schriften
über Theologie erhellt das Bestreben, eine über den Streit der Parteien und
kirchlichen Lehren erhabene christliche Denkweise auf Grund echter Menschen-
liebe zu schaffen. Das konnte auch damals am ersten erreicht werden durch
gediegene Volksbildung, für die Brunfels in jeder Beziehung eintrat.
Mit ahnendem Scharfblick erkannte er den ethischen Wert der Natur-
wissenschaften für die Erziehung, der Medizin in ihrer Anwendung für
das Volkswohl. In gleichem Sinne bearbeitet« er die Geschichte berühmter
Männer verschiedener Gebiete, um der Jugend deren leuchtende Vorbilder
zur Nachahmung vorzuführen. Sind auch die Schriften des Brunfels im
Geiste der Zeit meist lateinisch abgefasst, so regt sich doch überall das
Bestreben, der Muttersprache durch Übersetzungen gerecht zu werden,
und die Sprache des Brunfels ist fürwahr eiiie volkstümliche und solche,
die im Volke auch ihren Wiederhall faud.'^
64 Nachrichten. Heft 1 u. 2
Es ist in der That überraschend, wie sehr die Geistesrichtung dieses
„Neuplatonikcrs^^ nicht nur derjenigen des Oomenius, sondern auch aller
jener „Platoniker** des 17. Jahrh. verwandt ist, die wir in dem Leitaufsatz
dieses Heftes als „Naturphilosophen^' kennen gelernt haben.
Wir haben, M.H. 1894 S. 283 Anm. 1, den Wunsch geäussert, Nach-
weisungen über die drei ungedruckten Dialoge des Hans Sachs, auf die er
in seiner „Summirung all meiner Gedicht" neben den vier gedruckten Refor-
mationsschriften Bezug nimmt, zu erhalten. Darauf erhalten wir vom Herrn
Oberschulrat Dr. von Bamberg in Gotha die Nachricht, dass ein fünfter
Dialog in dem handschriftlichen fünften Sprüchbuch sich findet, das die
königl. Bibliothek in Berlin besitzt, und dass auf diese Thatsacho bereits
Rud. Gen^, Hans Sachs und seine Zeit, Leipzig, Weber 1894, hingewiesen
habe. — Eine Ausgabe der früher bereits bekannten vier Dialoge hat
Reinh. Köhler veranstaltet (Weimar, Böhlau 1858). — Bei dieser Gelegen-
heit wollen wir nicht imterlassen, des Aufsatzes zu gedenken, den Albert
Richter unter dem Titel „Ein Nachwort zur Hans-Sachs-Feier** in den
Grenzboten, IV, 1894, S. 373 veröffentlicht hat. Richter weist nach, dass
es eine, wenn auch kleine Hans -Sachs -Gemeinde zu allen Zeiten gegeben
hat; er nennt aus gelehrten Kreisen besonders Hoffmannswaldau , Morhof
und Thomasius.
LTm die Mitte des 17. Jahrhimderts entwarf ein schwedischer Flücht-
ling, Bendikt Skytte, in Anlehnung an Gedanken des Comenius und Baco, das
Projekt einer Univereitat, zu der nicht nur Christen aller Bekenntnisse, son-
dern auch Anhänger nicht christlicher Religionen freien Zutritt haben sollten.
Dieses Projekt einer Universal -Universität griff der Grosse Kurfürst
im Jahre 1G()7 auf und liess es von dem Geheimen Rat von Bonin daraufhin
prüfen, ob es sich nicht für Berlin verwirklichen lasse. Der Plan ist, soviel
uns bekannt, zueret von D. Kleinert (Mitglied unseres Gesamtvorstandes)
in einer Rektorat-Rede von 1885 (wieder abgedruckt in dessen „Abhandlungen
u. Vorträgen zur christl. Kultus- u. Kultur-Gesch." , S. 128 ff.) eingehender
besprochen worden. Neuerdings ist auf den merkwürdigen Plan, für dessen
Gelingen u. a die englischen Dissenters grosses Interesse zeigten, in der
Rede hingewiesen worden, die C. Varren trapp bei Gelegenheit der Kaiser-
Geburtstagsfeier der Universität Strassburg gehalten und unter dem Titel:
„Der Grosse Kurfürst und die Universitäten" bei Ed. Heitz in Strassburg
veröffentlicht hat. Die Geschichte dieses Entwurfs ist merkwürdig genug,
um einmal genauer untersucht zu werden, und diese Aufgabe fällt im eigent-
lichsten Sinne in das Arbeitsgebiet der CG. — Über Skytte bringt das
Biographist Lexicon XI, 16 die neuesten Nachrichten. Besprochen wird
das Projekt auch von Landwehr in dem Buch über die Kirchenpolitik des
Grossen Kurfürsten 1894, S. 345 ff. Skytte war in Norköping geboren,
Jjchrer Gustav Adolphs, dann Staatsminister und Kanzler in Upsala. Skyttcs
Anträge gelangten an den Kurfürsten durch dessen I^eibarzt Nicolaus de
Bonnet, der offenbar mit Skvttc nah befreundet war.
1895. Nachrichten. 65
In der erwähnten Rede, die Conrad Varrentrapp bei Gelegenheit der
letzten Kaiser-Geburtstagsfeier der Universität Strassburg gehalten hat, weist
er (8. 23) unter anderm darauf hin, dass Friedrich Wilhelm der Grosse
Knrfllrst Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft (der Akademie des
Palmbaums) gewesen ist. In den Erzschrein der Fruchtbringenden Gesell-
schaft trug er im Jahre 1644 — vier Jahre nach seiner Thronbesteigung —
eigenhändig den Vers ein:
Grosse Herrn thun wohl sich zu befleissen,
Den Armen als den Eeichen Recht zu leisten.
Friedrich Wilhelm führte als Mitglied des Palmcnordens den Unterscheidungs-
Nanien: „Der Untadelige". In seinem sogenannten Reimgesatz heisst es:
Der Nam' Untadelich ward mir daher erkiest
Weil ohne Tadel nur soll sein Sinn und Geraüthe
Und wer sein hohes Ambt wol ab in Demuth misst
Befleisst daneben sich des Rechtens und der Gute
Derselbe bringt gewiss untadelige Frucht etc.
Näheres s. in dem Leitaufsatz dieWs Heftes „Comenius und die
Akademie der Naturphilosophen". S. 19.
Eine kleine Schrift von Dr. Joseph Reber, Direktor der höheren
weiblichen Bildungs- Anstalt in Aschaffenburg, die soeben unter dem Titel:
„Johann Amos Comenius und seine Beziehungen zu den Sprach-
gesellschaften" erschienen ist, verdient die Beachtung unserer Mitglieder.
Sie ist als „Denkschrift zur Feier des vierteltausendjährigen Bestandes des
Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg" herausgekommen (Leipzig, Verlag
V. Gust. Fock). Comenius fühlte sich nicht allein durch seine Bemühungen
für die Pflege der Muttersprache zu den Sprachgesellsc^aften hingezogen,
sondern es war auch eben die deutsche Sprache, deren Reichtum und Fülle
er schätzte. Schon Kleinert hat (Studien u. Kritiken 1877, S. 31) hervor-
gehoben, dass Comenius ebenso gern Deutschland wie Böhmen sein Vaterland
nannte. Er spricht (im ludicium duplex) von Germania nostra und war
ebensowohl der deutschen wie der tschechischen Sprache mächtig. Wir
hoffen auf Rebers Ergebnisse zurückzukommen. — In Kürze wird von
Herrn Direktor Dr. Reber eine neue Arbeit über Comenius bezw. eine Come-
nius-Ausgabe erscheinen, auf die wir schon jetzt aufmerksam machen
wollen. Es ist eine Ausgabe von Comenius' Physiea und zwar mit latei-
nischem Texte, deutscher Übersetzung und zahlreichen erklärenden Anmer-
kungen. Die Arbeit wird einen genauen Quellen-Nachweis liefern und die
naturphilosophischen Auffassungen des C. gründlich beleuchten. Den Verlag
hat die Buchhandlung von Emil Roth in Giessen übernommen.
Wir haben früher (M.H. der CG. 1894, S. 236) aus Anlass der in
der herrschenden Ldtteratur oft betonten Ansicht, dass die grossen reforma-
torischen Denker des 17. Jahrhunderts Leibniz, Thomasius, Spener
imdPufendorf gewesen seien, der Verwunderung Ausd nick gegeben, weshalb
der Name des Comenius nicht auf gleicher Stufe mit diesen Männern genannt
MonatPhofto dor Comonins-GowUschaft. 1895. r»
66 Nachrichten. Heft 1 u. 2.
wird, da doch feststeht, dass die drei erstgeoannten vielfach aus Comeniufi'
Schriften ihre Anregungen geschöpft haben. Von Leibniz ist dies ja bekannt ;
aber auch auf die Entlehnungen des Thomasius aus Comenius' Physik ist früher
schon u. a. von Justus Brucker (Hist. Phil., Ed. 2., Lpz. 1756, p. 656/57,
773 u. 775) hingewiesen worden. Die verschiedenen Darstellungen des Lebens
und der Ansichten des Thomasius, die wir besitzen (Demburg, R. Prutz,
Hettner u. s. w.) lassen die wichtigste Seite des Mannes, die religiöse viel
zu sehr zurücktreten. Vielleicht ist die nachfolgende Notiz in dieser Rich-
tung nicht ohne Interesse.
Christian Thomasius war vom Jahre 1678 an einige Zeit in den
Niederlanden und lernte dort u. A. den früheren Professor an der Universität
Duisburg Joh. Georg Graevius kennen. Dieser Graevius (1632 — 1703),
der unter dem Einfluss von David Blondel vom lutherischen zum reformierten
Bekenntnis übergetreten war, war durch den Grossen Kurfürsten im Jahre
1656 nach Duisburg bemfen, ging aber Ifißl erst nach Utrecht, dann nach
Deventer, wo er grosse Erfolge als Lehrer erzielte und bald einen europäi-
schen Ruf erlangte. — Es wäre wichtig. Näheres über die Beziehungen zu
erfahren, die Thomasius in den Niederlanden angeknüpft hat. ThomaBius
(geb. am 1. Jan. 1655) stand damals in den entscheidenden Jahren seines
Lebens, und er hat sicherlich sehr wichtige Anregungen von dort mitgebracht.
Die Bedeutung, die die Hugenotten-Einwandernng in geistiger wie
in wirtschaftlicher Beziehung für die deutschen Länder, die die Verfolgten
aufnahmen, gewonnen hat, ist ja im allgemeinen bekannt imd anerkannt.
Um so mehr ist die Gründung des deutschen Hugenotten-Vereins, die
sich die Aufhellung der Geschichte dieser Einwanderung zum Ziel gesetzt
hat, mit Freude zu begrüsscn und wir wollen nicht unterlassen, unsere Mit-
glieder auch an dieser Stelle auf die Geschichtsblätter des deutschen Huge-
notten-Vereins hinzuweisen, von denen jetzt bereit« 34 Hefte von reichhal-
tigem Inhalt vorliegen. (Magdeburg, Verlag d. Heinrichshofenschen Buchhdlg.)
Herausgeber ist der um die hugenottische Geschichte hochveixiiente Pre-
diger der evang.-ref. Gemeinde in Magdeburg, Lic. H. Tollin, der auch
durch seine Arbeiten über Michael Servet bekannt geworden ist. Die Blätter
empfehlen sich zur Anschaffung besonders für Kirchen- und Volks - Biblio-
theken. Das erste Zehnt behandelt in einzebien Heften die Hugenotten in
Magdeburg, Emden, Walldorf, Berlin, Erlangen, Otterberg,
Bremen, Karlshafen; das zweite die Hugenotten in Annweiler, St.
Lambrecht, Halberstadt, Heidelberg, Ziethen, Stade, Celle; das
dritte zunächst die Hugenotten von Altona, Billigheim, Franken thal
und Halle. Das je zehnte Heft bringt hugenottische Urkunden.
Es ist erfreulich, dass der Hugenotten -Verein auch die Geschichte
der italienischen Waldenser Gemeinden unter seine Aufgaben aufgenommen
hat und dass die Hefte 5 imd 6 und 9 des dritten Zehnts der „Geschichts-
blätter des d. H.-V." die Waldenser-Gemeindcu in P^rouse (Würtemberg),
1895. Nachrichten. 67
aus der Feder des Predigers W. Kopp, und zu Dornholzhausen (Hessen-
Homburg) von Oberlehrer L. Achard in Homburg v. d. H. zum Abdruck
bringen.
Wenn man die rührige Thätigkeit auf dem Gebiete der romanischen
Glaubonsflüchtlinge ins Auge fasst, muss man bedauern, dass für die Ge-
schichte der bShmiseh-mtthrisehen Reftigi^s bis jetzt planmässig nichts
geschehen ist. Es scheint fast, dass man die Bedeutung dieser Einwanderung
in Deutschland unterschätzt, und doch braucht man ja mir an die Geschichte
des Comenius, der Jablonskis und namentlich der Brüdergemeinde
zu erinnern, um sich klar zu machen, da«s hier nicht minder wie bei den
Hugenotten imd den Waidensem viele verschüttete Quellen von geschicht-
licher Bedeutung aufzudecken sind.
In Madrid ei*rtcbien : „Luis Vives por A. Lange, Autor de la „Historia
del Materialismo". Traducciön dir^cta del Alemän, Kevisado por M. Me-
n^ndez y Pelayo." Das einen Band (155 S.) der „Biblioteca de Juris-
prudencia, Filosofia 6 Historia'* bildende Buch ist eine Übersetzung von
F. A. Langes vortrefflichem Artikel über Vives in Schmids Encyklopädie
des Erziehungs- und L^nterrichtswesens. Es ist erstaunlich und nicht zu
billigen, dass dies nirgends angegeben ist, ebenso wenig wie die Zeit, in
welcher der Aufsatz verfasst ist. Da ein Separat-Addruck der Langeschen
Schrift nicht vorhanden ist, schafÜb vielleicht auch hier und da ein des
Spanischen kimdiger Deutscher die Übersetzung an. Der Preis beträgt in
Madrid 2 frcs. 50 c, stellt sich aber in Deutschland beträchtlich höher.
Johannes Apacius Csere (geb. 1623), ein Ungar, der seine Bildung
in den Niederlanden gewonnen hatte, hat sich um die Geschichte der Er-
ziehung und des Unterrichts um dieselbe Zeit Verdienste erworben, in
welcher Comenius dort wirkte. Apacius ward vom Fürsten Georg Räk6czy
im Jahre 1656 zum Rektor der Schule in Klausenburg gemacht, wo er
mehrere Jahre (f 1659) mit grossem Erfolg thätig gewesen ist. Die Rede,
mit der Apacius sein Amt im Jahre 1656 antrat, hat Ludwig Felmeri,
Professor der Philosophie und Pädagogik in Klausenburg (D.M. der CG.)
kürzlich herausgegeben; sie führt den Titel: „Oratio de summa scholarum
neces6itat>e, earumque inter Hungaros barbariei causis.^' (Ex Actis Musaei
Trans. Sect. Phil. Hist. Klaudiopoli 1894.)
68
Inhalt neuerer Zeitschriften.
Heft 1 u. 2.
F. Inhalt neuerer
Archiv für Philosophie. I. Ab-
teilung = Archiv für Geschichte d^r Philo-
Rophie. Bd. Vm. Heft 2. N. F. I. Bd.
Heft 2. 1895: E. Zell er, Zu Anaxagoras. —
G u M t a V G 1 o g a u , Gedankengang von Piatons
Gorgias. — Emil Arleth, Die Lehre dos
Anaxagoras vom Geist und der Seele. ~ Joh.
Ue binger, Der Begriff docta ignorantia in
seiner geschichtlichen Entwicklung. — Paul
Barth, Zu Hegel's und Marx' Geschichts-
Philosophie. — Jahresbericht über sämtliche
Erscheinungen auf dem Gebiete der Geschichte
der Philosophie. — m. Die polnische Litte-
ratur zur Geschichte der Philosophie von
Heinrich von Struve. — IV. Die deutsche
Litteratur über die Vorsokratiker 1892. 1893.
Von E. Well mann. — Neueste Erschein-
ungen auf dem Gebiete der Geschichte der
Philosophie.
Vlert«U*hriiaehrlft für wlsAon-
Mchaftllche Philosophie. 19. Jahrg.
Heft 1: R. Avenarius, Bemerkungen zum
Begriff des Gegenstandes der Psychologie.
(III.) — A. Marty, Über subjektlose Sätze
und das Verhältnis der Grammatik zu I»gik-
und Psychologie. ^.VI.) — A. Spir, Von der
Erkenntnis des Guten und Bösen. — Anzeigen.
— R. Sommer, Erwiderung. — M. Des-
s o i r , Sclilusswort. — Selbstanzeige : L. B u s se,
Philosophie und £Irkenntnistheorie. — Philo-
8oi>hischc Zeitschriften. — Bibliographische
Mitteilungen. — Notiz : Psychologischer Ver-
ein zu Berlin.
Philosophische Monatshefte.
J». Bd. 1894. Heft 5 u. 6: K. Vorländer,
Ethischer Rigorismus und sittliche Schönheit.
(I.) — 0. Külpc, Aussichten der experi-
mentellen Psychologie. — A. Spir, 'Von der
Unsterblichkeit der Seele. — P. Carus, De
n'nim natura. — Litteraturbericht.
Heft 7 u. 8: P. Natorp, Über So-
krates. ~ K. Vorländer, Ethischer Rigo-
rismus und sittliche Schönheit. (IT.) — Re-
censionen, Litteraturbericht.
Heft 9 u. 10: O. Klcinenberg, Das
System der KDnste. ■-- W. P^noch, Trans-
condentalpsychologie. — K. Vorländer,
Ethischer Rigorismus und sittliche Schönheit.
(HI.) — Litteraturbericht.
Mlitellmisen des Vereins ffllr
Geschichte d. Deutschen In Böhmen.
.S3. Jahrg. Nr. 2: H. GradI, Deutsche Volks-
auffOhmngen. Beitri^ aus dem Egerlande
zur Geschichte des Spiels und Theaters. —
Anmerkungen Ober die Seelcnbeschreibung im
Königreich Böheim im Jahre 17G8. Verfasst
von dem Gubernialrat Frhr. v. Ceschi. —
W. Mayer, Ein alter Foliant im Kladraiier
Stadtarchive.— V. Schmidt, Die Fälschung
von Kaiser- und Königsurkunden durch
Ulrich von Rosenberg. 2. — Aus (Jrazer
Handschriften. Kleine Beiträge zur böhmi-
schen Geschichte, mitgeteilt von J. Lose rth.
— J. Schindler, Set. Wolfgang in Böhmen.
— Zollrilder.
Revue Internationale de l*en-
sel^rnement. 14. anneo. Nr. 10. E. Stro-
peno, L'enseignement public en Angletorre,
— P. G. la C h e s n a i 8 , Les <^li^ment8 seien ti-
fiques de l'histoire. — Rene de Maul de,
Les id^s de Marguerite de Valois. — Alfred
Leroux, Histoirc de l'enseignement public
en France. — L'^^colo mMecine v<?t6rinairc
de Limoges. — GustaveAllais, La Philo-
sophie h la licence des lettres.
Mitteilungen der Gesellschaft
fllr deutsche Ermlehnng^- nnd Schul»
g^eschlchte. Jahrg. IV. (Schluss.) Heft 4 :
Georg Steinhausen, Die Idealerziehung
im Zeitalter der Perrücke. — Wilh. Richter,
Aus dem Tagebuche des Paderbomer Studien-
präfekten P. H. Rezing S. J, (1Ü65— 1667).
— Dr. Falk, Schulmeister - Annahme und
Schulmeister-Eid zu Steinheim am Main im
Jahre 1518. — Karl Knabe, Lehrpläne von
Bürger- und Realschulen der Provinz Hessen-
Nassau aus der Zeit der französischen Fremd-
herrschaft. - Verzeichnis der im Jahre 1892
erschienenen Veröffentlichungen zur deutschen
Erziehungs- und Schulgeschichte. Fortsetzimg.
— Geschäftlicher Teil. VI. Lebensabrisse der
in den Jahren 1893 u. 1894 veratorbcncn Mit-
glieder des Kuratoriums der Gesellschaft :
Hartfelder, Teutsch, Vormbaum,
Gl an n er, Spitta, Rüge. — Anzf^igen.
»•-•
Buchdnirkeivi von Joliannos HinmIi, Mrinster i. Westf.
Verzeichnis der Pflegschaften der CG.
Eine vervollständigte Liste wird demnächst erscheinen.
(Der Buchstabe B hinter dem Nainen bedeutet ,,BeTolImächUgter im Ehrenamtes der Buchstabe G
„GeschAftsfahrende Buchhandlung" imd der Buchstabe T Vorsitxender einer C.Z.6. oder CK.)
Altona: F. L. Mattigsche Buchh. G
Altdorf: Sem.-Lehrer a. D. J. Böhm. B
Amsterdam: Univ.-Prof. Dr. Eogge. V
„ Buchh. V. Joh. Müller. G
Augsburg: J. A. Schlossersche Buchh. G
Baeharach: Pastor Theile. B
Barmen: Buchh. v. Adolf Graeper. G
Barteii8tein(08tpr.): Oberlehrer Dr. Lentz. B
Bayreuth: Buclm. v. B. GiesseL G
Berlin: Buchh. v. F. Schneider u. Co, W.
Leipz. Str. 128. G
Bremen : Dr. £. Brenning, Realgym.-Lehr. B
„ Buchh. V. H. W. Silomon. G
Breslau: Budhh. v. £. Morgenstern. G
Bunzlau: Buchh. v. Ernst Muschket. G
Cottbus: Buchh. v. Carl Brodbeck. G
Crefeld: Weydmann, Pastor. B
Czenowltz: Prof. Dr. Hochegger. B
., Buchh. y. H. Pardini. G
Chrisnanla: Buchh. v. Cammermeyer. G
Danzlg: L. Sauniers Buchh. G
Detmold: Sem.-Direkt. Sauerländer. B
„ C. Schenks Buchh. G
Dortmund: B;ealgymn.-Dir. Dr. Auler. B
Dresden: H. Burdach, K.S. Hof-Buchh. G
Düsseldorf: Buchh. v. Herrn. Michels. G
Einbeek: Oberlehrer Dr. Ellissen. B
„ Buchh. V. H. Ehlers. G
Eisenaeh: Sem.-Dir. E. Ackermann. B
„ Buchh. V. Bäreck. G
Elblng: Oberlehrer Dr. Bandow. B
„ Buchh. V. Leon Saunier. G
Ell^rfeld: Buchh. v. B. Hartmann. G
Emden: Haynelsche Buchh. G
Frankftirt a. M . Detloffsche Buchh. 6
Glossen: Ferbersche Univ.-Buchh. G
Glogau: Oberlehrer Baehnisch. B
„ Buchh. V. C. Eeissner's Nachfolger. 6
Gotha: Oberschulrat Dr. von Bamberg. B
Görlitz: Gymn.-Dir. Dr. Eitner. B
Guben: Buchh. v. Albert König. G.
Hagen (Westf.): Prof. W. Bottichen V
„ Buchh. von Gustav Butz. G
Halle a.S.: Univ.-Prof. Dr. Uphues. B
Hamburg: Oberlehrer Dr. Dissel. B
„ C. Gassmanns Buchh. G
Hamm: Bektor Bartholomaeus. B
Hannover: Beal^nm.-Dir. Ramdohr. B
,. Budm. v. Ludwig Ey. G
Heidelberg: Direkt. Dr. Thorbecke. B
Herbom: Prof. Dr. Zimmer. B
Kassel: Gymn.-Dir. Dr. Heussner. B
Buchh. V. M. Brunnemann & Co. G
99
Königsberg!. Pr. Graefe&Unzersche Buchh. G
Laulmn: Buchh. v. Denecke. 6
Leipzig: J. C. Hinrichs'sche Buchh. G
Lengerieh: Bektor O. Kemper. B
Lennep : Prof. Dr. Witte, Kreisschulinsp. V
„ Buchh. V. R. Schmitz. G
Lippstadt: B«algymn.-Dir. Dr. Schirmer. B
Llssal. F.: Prof. Dr. Nesemann. B
,, Buchh. V. Friedrich Ebbecke. G
London: Buchh. v. Williams and Norgate. G
Lttdenseheld: Dr. med. Boecker. B
Magdeburg: Buchh. v. Heinrichsfaofen. G
Mainz: Bankdirektor Brand. B
„ H. Quasthoffs Buchh. G
Meiningen: Oberkirchenrat D. Dreyer B
Monshelm: Prediger Ph. Kiefemdorf. B
Mtthlhausen 1. Th. : Diakonus J. Clüver. B
MUnehen: Schulrat Dr. Rohmeder. B
„ Hofbuchh. v. Max Kellerer. G
Mttnster : Buchh. v. Obertüschen (P.Hintze). G
Neuwied: Prediger Siebert. B
Nordhausen: OBerlehrer Dr. Nägler. B
„ Förstemannsche Buchh. G
Nürnberg: Buchh. v. Friedr. Korn. G
Osehatz: Sem.-Oberl. Ernst Hänsch. B
Osnabrück: Pastor Lic. theol. Spiegel. B
„ Buchh. V. Rackhorst. G
Paris: Buchh. v. Fischbacher. G
Posen: Buchh. v. Friedrich Ebbecke. G
Potsdam: Buchh. v. R. Hachfeld. B
Prag: Buchh. v. Fr. Rivnä^. G
Prerau (Mähren) Direktor Fr. Slam^nfk. B
Quedlinburg: Rektor Ed. Wilke. B
„ Buchh. V. Christ. Vieweg. G
Remscheid: Hauptlehrer R. Lambeck. V
„ Buchh. V. Herm. Krumm. G
Rostock: Dir. Dr. Wilh. Be^mann. B
„ StiUersche Hof- u. Univ.-Buchh. G
Ruhrort: Buchh. v. Andreae u. Co. G
Sagan: Kreisschulinspektor Arndt. B
,, Buchh. V. W. Daustein. 6
Schleswig: Buchh. v. Julius Bergas. 6
Soest: Lehrer W. Handtke. B
,, Rittersche Buchh. G
Stade: Direktor Dr. Zechlin. B
„ Schaumburgsche Buchh. G
Stettin: H. Dannenbergsche Buchh. 6
Stockholm : Dr. N. G. W . Lagerstedt. B
„ Hofbuchh. V. C. E. Fritze. G
Strassburg i. Eis. Sem.-Dir. Paul Zänker. B
Wesel: Buchh. v. Karl Kühler. 6
Wien : Buchh. v. A. Pichlers Wwe. u. Sohn. G
Wiesbaden: Gymn.-Oberl. Dr. Hochhuth. B
„ Buchh. V. Felix Dietrich. G
Zchopau: Schulrat A. Israel. B
Zürich: Buchh. v. Meyer & Zeller. G
Zwickau: Oberl. Dr. P. Stötzner. B
Die Comenius-Gesellschaft
ist zur Pflege der Wissenschaft und der Volkserziehung
am 10. Oktober 1891 in Berlin gestiftet worden.
(Sitz der Yerwaltung in Münster.)
Mltglicderzalil 1895 : 1200 Personen und Körperscliaften.
-^
G esellschaftsschrirten :
1. Die Monatshefte der CO. Deutsehe Zeitschrift zur Pflege der Wissen-
schaft im Geist des Comenius. Herausgegeben von Ludwig Keller.
Band 1—3 (1892-1894) liegen vor.
2. Comenins-Blätter für Volkserziehung. Mitteilungen der Conieniu8-Ge.sell-
schaft. Der erste und zweite Jahrgang (1893—1894) liegen vor.
3. Vorträge und Aufisätse aus der CG. Zwanglose Hefte zur Ergänzung
der M.H. der CG.
Der Gesamtnmfang der Gcsell8chaft«schriften beträgt 30 — 32 Bogen Lex. 8*^.
Bedlngnng'en der Mltgrlledschaf t :
1. Die Stifter (Jahresbeitrag 10 M.) erhalten alle Schriften. Durch einmalige
Zahlung von 100 M. werden die Stifteirechte von Personen auf Lebenszeit
erworben.
2. Die Teilnehmer (Jahresbeitrag 5 M.) erhalten nur die Monatshefte; Teil-
nehmerrecbte können an Körperschaften nur ausnahmsweise verliehen werden.
3. Die Abteilungsmitglieder (Jahresbeitrag 3 M.) erhalten nur die Comenius-
Blätter für Volkserziehung.
Anmoldungoii
sind zu lichten an die Gefichäftstelle der CG., Münster i. W., Wolbeckerstrasse 4 a.
Der Gesamt vorstand.
Beeger, Lehrer u. Direktor der ComeniuB-Süftang, Nleder-PoyriU b. Dresden. Dr. Borgius, Ep., KonsistoriaJ-
Rat, Posen. Dr. Höpftier, Geh. Ober-Beg.-Rat und Curator der UniverBitilt in Göttingen. Prof. Dr.
Honlfeld, Dresden. M. Jablonskij Berlin. Israel, Schul-IUt, Zschopati. Archiv-Rat Dr. Ludw. KeUer,
Staatsarxrhivar, MFinster I. W. D. Dr. Kleinert, Prof. und ObcrkonBistorial-Rat, Berlin. "W. J. IiOendertS,
Prediger, Amsterdam. Prof. Dr. Markgraf, Stadt-Bibliothekar, Breslau. D. Dr. Q-. Iioesche, k. k. ordentl.
Prof^ Wien. Jos. Th. MüUer, Prof. der Kirchengeschichte, Gnadcnfeld. Dr. Fappenheim, Prof., Berlin.
Dr. Otto Pfleiderer, Prof. an der Universität Berlin. Dr. Bein, Prof. an der Universität Jena, Univ.-Prof,
Dr. Bogge, Amsterdam. Bander, Schulrat, Bremen. Heinricfa^ Prinz zu Bchönaioh-Carolath, Schloss
Amtitz. Dr. Schneider, Wirkl. Geh. Ober-Reg.-Rat u. vortragender Rat im Kultusministerium, Berlin.
Dr. Schwalbe, Realgymn.-Direktor u. Stadtverordneter, Berlin. Dr. Th. Toeohe-Mittler, Hofbnchhändler,
Berlin. Ä. V&vra, Prof., Prag. Dr. "Wätzoldt, Prov. - iSehulrat in Magdeburg. Dr. Wattenbach,
Geh. Reg. -Rat u. Prof. an der Univ. B4>rlin. "Weydmann, Prediger, Crefeld.
Stellvertretende Mitglieder :
Dr. Th. Arndt, Prediger an S. Pein, Berlin. Dr. Benrath, Prof. an der Universität Königsberg. "Wilh.
Böttioher, Prof., Hagon i. W. PhU. Brand, Bankdirektor, Mainz. Dr. Comba, Professor am theo!.
Seminar der Waldenser, Florenz. Realgymn.-Direktor Dr. Gramer, Mülheim a. Rh. H. Pechner, Profossor,
Berlin. Univ.-Prof. Dr. Hilty, Bern. Gymnasial - Direktor Dr. Heussner, Kassel. Oberstlieat. a. D. Dr.
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(Posen). Prof. D. Dr. Kvacsida, Dorpat. Launhardt, Geh. Regienmgs -Rat und Prof., Hannover.
Univ.-Prof. Dr. H. Suchier, Hallo a. S. Prof. Dr. Nesemann, Lissa (Posen). Archiv-Rat Dr. Prümers,
Staatsarchivar, Pos^. Rektor Bissmann, Berlin. Landtags-Abgeordneter von Schenokendorf^ OOriits.
Dr. Q-. Schmid, St. Petersburg. Slamenik, BQraerschul-Direktor , Prerau. Univ.-Professor Dr. von
Thudiohum, TObingcn. Freiherr Hans von "Wolzogen, Bayreuth.
Schatzmeister: Bankhaus Molenaar & Co., Berlin C2, Burgstrasee.
Buchdnickerei von Johannes Bredt, MQneter i.W.
Der Bezugspreis betragt im BiRhhnnde! und bei der Post JHhrltch ]Q Stark,
Inhalt
des dritten und vierten Heftes 1895.
Abhandlungren. sküe
Ludwig Keller, Coinenius und die Akadeniieii der Naturphilosophen dej<
17. Jahrhunderts. Zweiter Teil G9
Goswin K. Uphnes, Die psychologische Grundfrage 97
K. Sudhoff, Ein Rückblick auf die Paracelsus- Jahrhundertfeier . . . 115
Lltteraturberlcht.
W. Stieda, Hamb. Handwerker als Studonton etc. — R. Kruske, Georg Israel. — The od.
Längiii, Deutsche Handschriften der Grossh. Badischen Hof- und Landesbibliothek. — Anton
(iindcly, Gesch. der Gegenreformation in Böhmen. — Albert Richter, Neudrucke pädagogischer
Schriften. — Rud. Hochegger, Die Bedeutung der PhiloHophie d. Gegenwart f. d. PAdagogik. —
Kich. Sachse, Jakob Thomasiua. — Beruh. Mfinz, Jakob Frohsehamracr. — E. Mclzor, Der
Beweis fQr das Dasein Ciottes u. s. w 123
Nachrichten.
Auffassungen der m&hrisehen Brüder über das Alter des evangelischen (tlaubens. — Neuere
Urteile über die Bedeutung des Meistergesangs. — Zur Geschichte des Johann Clauberg, Professors
in Duisburg. — Eine seltene Ausgabe einer Schrift des Conienius (An ExhortJition of tho Churehes ^
of Bohemia etc. 1661) , . . . . 129
Inhalt neuerer Zeitschriften 132
Die Monatshefte der CG. erscheinen monatlich (mit Ausnahme des August
und September). Die Ausgabe von Doppelheften bleibt vorbehalten. Der Ge-
samtumfang betragt vorläufig 20 — 25 Bogen.
Die Mitglieder erhalten die Hefte gegen ihre Jahresbeiträge; falls die
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die Postämter — Postzeitungsliste Nr. 4296^ — und die Geschäftstelle der
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Anzeigen finden durch die Monatsschriften der CG. in den beteiligten
Kreijien weiteste Verbreitung. Die gespaltene Nonpareillezeile oder deren Kaum
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und Anträge sind an Johannes Bredt, Veiiagsbuchhandlung in Münster i. W.
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F'ür die Schriftleitung verantwortlich: Archiv-Rat Dr. KeUer in Münster i.W.
Monatshefte
der
Comenius-Gesellschaft.
IV. Band. -< 1895. ^ Heft 3 ii. 4.
Comenius und die Akademien der Naturphilosophen
des 17. Jahrhunderts.
Von
Ludwig Keller.
Zweiter Teil.
Am 1. Mai 1648 gründeten Philipp von Zcsen^ Dietrich
Petersen aus Hambui^ und Christoph von Liebenau aus Preussen
zu Hambiurg eine Gesellschaft^), die sich Ordnung und Aufgaben
der Akademie des Palmbaums zum Vorbild nahm.
Diese Gesellschaft — sie wählte als Abzeichen einen Rosen-
stock mit drei weissen Rosen — interessiert ims besonders des-
halb, weil wir über ihre Verfassung mid Bräuche genauer als über
andere unterrichtet sind.
Deutlicher als sonst tritt hier der Versuch hervor, die For-
men und Bräuche von Gilden und Zünften auf die Akademien
zu übertragen, und es ist sehr beachtenswert, dass sich hier die
„Poeten", Gelehrten und Adligen solcher Handwerksformen und
Namen bedienten. Es ist wohl möglich, dass einzelne dieser Männer
zu Zünften in einem Verhältnis der sog. Liebhaber des Handwerks
standen, sicher ist, dass einzelne Vertreter vornehmerer Zünfte,
z. B. Maler und Zeichner, auch Mitglieder der Gesellschaft der
,J)rei Rosen" oder der „Deutschgesinnten Genossenschaft" waren.
*) Wenige Wochen nach Gründung der Gesellschaft begab sich Zesen
nach London, wo er kürzere Zeit und dann in den Haag, wo er langer
blieb. K. Dissel, Phil. v. Zesen u. d. Deiitschgcsinntc Genossenschaft. Progr.
des Wilhelm-Gymnasiums zu Hamburg 1890, S. IG.
Monalsheftc der Coiuenius-GoHfllscbaft. 1895. ^
70 Keller, Heft 3 u. 4.
Vielleicht hängt es damit zusammen, dass der Ausdruck „Liebhaber
der Kunst" oder der jJCunstliebende" im vertraulichen Verkehr
zur Bezeichnung eines Mitglieds häufig gebraucht ward.
Der Vorsitzende der Brüderschaft der Drei Bösen — ihre
Mitglieder namiten sich Brüder i) — ward der Oberzunft-
meister genannt^); unter ihm standen neun Zunftmeister
oder Schreinhalter, welche ihrerseits einer Bank von je neun
Zunftgenossen vorsassen. Die Gesamtgemeinschaft war in vier
Stufen gegliedert; die Mitglieder der ersten Stufe hiessen Ge-
nossen der Rosenzunft, die der zweiten der Lilienzunft, die
der dritten der Nägleinzunft u. s. w.^) Die Namen der Mit-
glieder wurden in Zunftbücher eingetragen und das Gesellschafts-
kleinod, das die Mitglieder bei den Zusammenkünften trugen,
wurde der Zunftschmuck genannt; es bestand in einem rosen-
farbenen seidenen Bande, das unten mit einem „Brustpfennig'',
oberhalb zur Rechten mit dem Namen der Rosenzunft^ zur Linken
mit der Zunftglieder eigenem Gesellschaftsnamen, gestickt in
himmelblauer^) Seide, geziert war.
*) In einem bei der 25 jährigen Stiftungsfeier der „Deutschgesinnten
Genossenschaft" vorgetragenen Gedicht Zesens heisst es:
„Wachset ihr Brüder
In nützliche Glieder,
Zieret einander durch nützlichen Fleiss" u. s. w.
Dissel, a. 0. S. 44.
*) Eigentümlich ist die Bezeichnung „der Grosse" oder „Magnus",
die sowohl für Zesen als Leiter (Dissel, S. 27), wie für Joachim Jungius
als Vorsitzenden der von ihm gegründeten Societät gebraucht wurde (Guh-
rauer, Jungius S. 238). Der Zunftmeister oder Meister unterschied sich
also von dem Ober -Zunftmeister durch den Namen der „grosse Meister",
denn daher rührt offenbar der Ausdruck „der Grosse". — Fürst Ludwig
von Aphalt nennt sich gelegentlich „der Älteste der fruchtbringenden Ge-
sellschaft" (Krause, Ertzschrein u. s. w. S. 51). Dass dies kein Zufall ist,
beweisen die Gesetze der Gesellschaft des „Schwans", worin es heisst: „Neben
dem Haubt oder Fürsteher sollen zwei Älteste und ein Herold . . . allewege
sein". (Candorins Deutscher Zimber-Swan, Lübeck 16G7, S. 172.)
') Eine besondere Vorliebe zeigt sich für Zahlen-Symbolik, wie über-
haupt für Symbolik. Die Kosenzunft umfasste 9 mal 9 Mitglieder, die
Lilienzunft 7 mal 7, die Rautenzunft 12 mal 12 u. s. w. Schultz, Sprach-
gesellschaften S. 92.
*) Auffallend ist die Bevorzugung der blauen Farbe; man vergL die
blauseidenen Bänder, die in der Gesellschaft des „Schw^ans" u. s. w. üblich'
waren.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosoplien etc. 71
Die Gesellschaft legte nach ihren Satzungen Wert darauf
und machte es ihren Mitgliedern zur Pflicht, „die allertugend-
haftesten und allertüchtigsten" Leute für den Bund zu gewinnen;
so sehr sie auf die Pflege der deutschen Sprache bedacht waren, so
wenig können von der Mehrzahl der Mitglieder, die ja zum Teil
Ausländer waren, besondere Verdienste um die Sprache nachge-
wiesen werden. Auch ward in den Satzungen der Bahmen der
Thätigkeit viel weiter gezogen, indem den Mitgliedern zur Aufgabe
gemacht ward, „die allernützlichsten Bücher in allerhand
Wissenschaften und Künsten... herauszugeben". i) Diejenigen,
die hierzu nicht im stände sind, sollen nach den Satzungen die
Herausgabe solcher Bücher durch Geld oder andere Mittel unter-
stützen. Die Bücher unterliegen vor der Veröffentlichung der
Durchsicht des Erzschreinhalters oder des Obermeisters. Die
Zunftmeister oder Schreinhalter sind verpflichtet, jährUch minde-
stens dreimal an den Erzschreinhalter über die Entwicklung
ihrer Zunft zu berichten. Es soll zwischen allen Mitgliedern
„brüderliche Freundschaft" gepflogen werden und alles, was
„dieses brüderliche Band entbinden und auflösen möchte", soll
vermieden werden — eine Vorschrift, die freilich hier so wenig
wie anderwärts treu befolgt wurde, da namentlich zwischen der
Drei Rosen-Gesellschaft und dem Palmenorden, trotz Zesens Zu-
gehörigkeit zu letzterem, persönliche Kämpfe ausbrachen, ohne
dass wir sagen könnten, wer die erste Ursache zur Verstimmung
gegeben hat
Es verdient im Hinblick auf die engen Zusammenhänge der
deutschen Akademien mit den Niederlanden, die wir kennen lernen
werden, Beachtung, dass Zesen sich seit 1644 vorwiegend und von
1656 bis 1667 dauernd in Amsterdam aufhielt *) Im Jahre 1668
kehrte er nach Hamburg zurück und feierte hier im Kreise der
Mitglieder das 25 jährige Stiftungsfest der Drei Rosen.
Wer waren nun die Mitglieder? Natürlich waren Nieder-
deutschland, Hamburg und die Hansastädtc stark vertreten, aber
es fällt sofort auf, wenn wir die bekannt gewordenen Namen be-
trachten, dass viele Auslander danmter waren, besonders wiederum
') Diflsel, a. O. S. 20.
'') Er schreibt 1667, dass er seit 22 Jahren die meiste Zeit als Gast
in Amsterdam gelebt habe.
6*
72 Keller, Heft 3 u. 4.
wie in der Akademie des Palmbaums viele Böhmen, Schlesier und
Ungarn^ aber auch Holländer und Franzosen.
Wir nennen hier u. a, den Joh. Theodor von Tschech
(geb. 1595); der einst im Dienst des Winterkonigs gestanden hatte,
dann Rat beim Herzog Johann Christian von Brieg wurde, spater
fliehen muast« und in der Verbannung sich eifrig mit dem
Studium der deutschen Mystik beschäftigte, auch einiges über
Jakob Böhme herausgab; er war in Palästina und im Orient, lebte
lange in Holland und starb 1649 zu Elbing in grosser Dürftig-
keit; ferner Gotf ried Hegenitz aus Görlitz, Lic. juris und braun-
schweigischer Rat, Stephan von Lamswärde aus Utrecht,
Rüdiger Günther Graf zu Stahremberg aus Osterreich,
der berühmte Verteidiger Wiens, Martin de Coq aus Wien, der
Kunstzeichner der Genossenschaft, Jesajas Rümpler v, Löwen-
h4lt aus Osterreich, P. Bense du Puis, ein Franzose, Paul
John aus Prag, ein Johanniter-Ritter, Wenzel Scherffer von
Scherf enstein aus Schlesien, Sigmund von Birken aus Eger,
Ludwig von Hitzfeld aus Cleve, Heinrich Graf von Thurn
aus Böhmen, Jakob Rümler aus Danzig, Dionysius und
Matthias Palbitzky von Nemitz, Theod. v. Rolingswert aus
Wesel, Benjamin Krause aus Danzig, Matthias von Langen
aus Holstein, Frhr. Hans Adolf von Alewein, Joh. Phil.
Schmidt aus Strassburg, Joh. Bellin, Rektor zu Wismar,
David Schirm er aus Meissen und andere, die sämtlich in den
Jahren 1644 bis 1647 aufgenommen wurden.
Auch in späteren Jahren dauerte der Zugang aus den
ungarisch-böhmischen Ländern^), sowie aus den Ostseeprovinzen,
besonders aus Preussen, fort 2)^ woher auch der Mitbegründer
Hans Christoph v. Liebenau stammte.
Wir nennen aus Hamburg und den Nachbargegenden ausser
^) Michael Zachäus aus Ungarn, Wilh. von Lilicnau aus Schlesien,
Christ. Knorr von Rosenroth aus Schlesien, Michael Kreibitz aus Böhmen,
Heinrich Böhmer aus Schlesien, Hans Georg Noski aus Böhmen, Balthasar
Hartranft aus Schlesien, Georg von Schöbel aus Breslau, Kaspar Niebhng
aus Schlesien, Daniel und Christoph Kieschen aus Iglo in Ungarn, Philipp
Hentsche und Paul Kuntz, beide aus Ungarn u. s. w.
') So Niclaus Weisse von Lilienau aus Biga, Christian Otter aus
Danzig (1644), Martin von Kempen aus Königsberg, Andreas Brackenhauscu
aus Elbing, Christian Stephan Tcsmor aus Danzig u. s. w.
1895. ComeniuH und die Akademien der Naturphilosophen etc. 73
dem Mitbegründer, Dietrich Peterson: Jakob Schweger aus Altona,
Job. von Dorna und Job. Unkel aus Lübeck, Ad. Heinr. Martinetz
aus Holstein, Karl Christ, v. Marschalk, Heinrich Friedrichson
aus Hamburg, Peter Neukrantz, Georg Niclasson gen. Klausing
und Heinrich Hacke ebendaher, Heiqr. Rothe aus Lübeck, Martin
Pellizer aus Eutin, Kasp. Meier aus Bremen, Kasp. Eggeling aus
Lübeck, Peter Finx aus Lübeck, Peter Hessel aus Hamburg,
A. D. Habichthorst aus Rostock, P. Georg Bjiisike aus Hamburg,
M. Bartold Vaget, Niclas Wohnras, Michael Steinfass und Esdras
Markus ebendaher. Auch Erfurt, Jena und Dresden stellten Teil-
nehmer, und eines der berühmtesten Mitglieder, Joost van den
Vondel, ein „niederdeutscher Dichtmeister*', weist wiederum auf
die Niederlande.*)
In den Jahren 1668 und um 1670 wurden zwei Männer,
die aus Elbing stammten, angenommen, Daniel Bärholtz und ein
Mann, der uns besonders interessiert, Daniel Comenius. Johann
Amos Comenius hatte vier Kinder, von denen die beiden jüngsten,
die Tochter Susanna und der Sohn Daniel — der einzige Sohn
— in den Jahren 1643 bis 1647 zu Elbing geboren waren.
Daniel, der im Jahre 1663 zu Leeuwarden Studien gemacht hatte ^),"
wurde Prediger und starb im Jahre 1694 auf einer Seereise von
Amsterdam nach Danzig.^) Als Daniel der Akademie der Drei
Rosen beitrat, war der Vater offenbar noch am Leben; was er
that, wird nicht ohne jenes Vorwissen geschehen sein.
Der Anschluss des Daniel Comenius an die Akademie wird
um so erklärlicher, wenn man sich die Thatsache vergegenwärtigt,
dass Zesen ebenso wie Johann Amos Comenius im Jahre 1656
zu dauerndem Aufenthalt nach Amsterdam kam, und dass beide
Männer hier in personlichem Verkehr standen.^) Durch Comenius
angeregt besorgte Zesen eine deutsche Übersetzung von dessen
Vestibulum % und es ist mehr als wahrscheinlich, dass Zesen den
Daniel Comenius im Hause seines Vaters kennen gelernt hat
Es ist merkwürdig, dass Harsdörfer gelegentlich an den
Fürsten Ludwig v. Anhalt schreibt, Zesen habe „in Nieder-
*) Siehe die Mitgliederliste bei Dissel, a. O. S. 58 ff.
') Patera, Briefwechsel des Comenius S. 263.
^ Kvacsala, Comenius S. 470.
*) Dis-sel a. O. S. 42.
^) Das Nähere in den M.H. der CG. 1894 S. 339.
74 KeUer, Heft 3 u. 4.
land^) eine neue Gesellschaft an- und aufgerichtet"; gleichviel, ob
damit Holland oder Niederdeutschland gemeint ist, so scheint es
kein Zweifel, dass die Mehrzahl der ersten Mitglieder in den
Niederlanden gewonnen worden ist*) — eine immerhin merk-
würdige Thatsache^ wenn das ausschliessliche Ziel auf Reinigung
der deutschen Sprache gerichtet war.
Die Beziehungen, in denen die Gesellschaft Zesens zu der
«deutschen Societaf ' des Palmbaums stand, waren vielfach durch
persönliche und, wie es scheint, auch durch sachliche Meinungs-
verschiedenheiten getrübt Es fällt auf, dass die Zahl der Geist-
lichen in der ,J)eutschgesinnten Genossenschaft" viel grösser war
als im Palmbaiim, und das stimmt damit überein, dass Zesen
sich kirchlicher hielt als viele Angehörige der deutschen Societat
In einem sehr wichtigen Punkte aber dachte er ebenso wie alle
Mitglieder des Palmbaums: er war ein entschiedener Verfechter
der Glaubens- und Gewissensfreiheit und ein Gegner der
Verfolgungssucht, wie sie damals in allen herrschenden Kirchen
gebrauchlich war. In zwei eigenen Schriften, die er den Städten
Zürich und Bern widmete, ist er für diese Grundsätze öffentlich
in die Schranken getreten. „Lasset ab, ihr Gewissenszwinger",
sagt er darin, „ihr Glaubensdringer, die ihr Gott die vollgewaltige
Herrschaft über die Seelen der Menschen, die er allein ihm vor-
behalten, abdringet, lasset ab von den bedrängten Christen, Euren
freigeborenen Mitbürgern" u. s. w.^)
Auch sonst teilte er die grossen Gesichtspunkte, die den Stif-
tern des Palmbaums vorschwebten, indem er wie sie für die Aus-
gleichung der Gegensätze der Nationen, der Kirchen und der Stände
kämpfte, und es ist bezeichnend, dass er ernstlich beabsichtigte, für
die Abschaffung überflüssiger Titel einzutreten und zu wirken.^)
Überhaupt ist Zesen als Mensch eine achtungswerte Er-
scheinung, und die ungünstigen Urteile, die über ihn noch heute
') CaesiuB, der sich jetzt Zesicns schreibt, „habe in Nicdcrland eine
neue Gesellschaft an- und aufgerichtet". „Und weilen auch in Welschland
unterschiedliche dergleichen Akademien und vielmal8 Einer zweien oder
dreien (Akademien) mit absonderlichen Namen zugethan, hat er des ^Spielen-
den' (Harsdörfers) Person auch dazu eingeladen". (Krause, Ertzschrcin S. 336.
») Vgl. Dissel, Philipp v. Zesen S. 22.
») Dissel a. 0. S. 51.
*) Dissel a. O. S. 57.
1895. ComeDius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 75
im Schwange sind, gehen auf dieselben trüben Quellen zurück,
die wir zu Eingang unseres Aufsatzes charakterisiert haben.
Es ist zu bedauern, dass wir über die ^^Strassburger
Societät" (Societas Argentinensis), über die wir aus dem Jahre
1633 die ersten Nachrichten erhalten, verhältnismässig schlecht
unterrichtet sind. Um dies Jahr nämUch erscheint zu Strassbui^
die „Aufrichtige Gesellschaft von der Tanne", und als ihr
Stifter gilt Jesajas Rumpier von Löwenhalt
Das Geschlecht, aus welchem Rumpier stammte, war ein
österreichisches, und Jesajas war um das Jahr 1610 in Wiener
Neustadt geboren. Am 23. Sept. 1628 ward er als Studierender
der Rechtswissenschaft in die Matrikel der Universität Strassburg
eingetragen und erscheint hier als Schüler Matthias Bemeggers^
der sich seines Landsmannes wie ein väterlicher Freund an-
nahm. ^)
Da wir die Beziehungen Bemeggers zu den Naturphilosophen
und zu den Mitgliedern italienischer Akademien bereits kennen 3),
so ist die Annahme, dass Rumpier die Gesellschaft der Tanne
ohne Yorwissen Bemeggers ins Leben gerufen haben könne, um
so mehr ausgeschlossen, als die Tannen-Gesellschaft nach Rumpiers
eignem Zeugnis nach dem Vorbild italienischer Akademien ge-
gründet worden war und Rumpier die Schaffung solcher Akademien
auch an anderen Orten zur Förderung der Wissenschaften für
wünschenswert erklärt»)
Die uns bekannten Teilnehmer der Tanne waren meist
Studenten, und die Zahl der Mitglieder war von vornherein be-
schränkt Es ist kaum anzunehmen, dass diese jimgen Leute den
Versuch hätten wagen können, eine Gesellschaft ziu* Förderung
der deutschen Sprache zu gründen, wenn sie nicht an geistes-
verwandten Männern und Richtungen einen Rückhalt besassen,
') S. den Artikel Martins über R. in der Allg. D. Biogr. XXIX, 673.
») M. H. der C. G. 1895 S. 20 ff.
^ Im Ersten Gebüsch seiner Beimgedichte , die zu Strassbui^ im
Jahre 1647 erschienen, sagt er: ,,Es wäre zu wünschen, dass man in löb-
lichen Wissenschaften da und dort anlege, wie in Italien gebräuchlich ist,
alwo beinahe in allen Statten Akademien (wie sie es heyscn) gefunden
werden."
76 KcUer, Heft 3 ii. 4.
und gerade die Thatsache, dass es Studierende waren, legt die
Vermutung nahe, dass es sich hier ebenso nur um die Schaffimg
einer Pflanzschule handelte, wie es z. B. bei der Gesellschaft des
Schwans der Fall war.
Ausser Rumpier war auch ein anderer Schüler Bemeggers,
dessen nachmaliger Schwiegersohn Joh. Freinsheim (1608 — 1660),
Mitglied der Akademie der Tanne. Freinsheim, dessen hervor-
ragende vrissenschafüiche Tüchtigkeit schon die Zeitgenossen an-
erkannten,^) konnte in Deutschland keinen Wirkungskreis an einer
Hochschule finden und folgte daher im Jahre 1642 einem Rufe,
den der Freimd und Patron des Comenius, der Kanzler der Uni-
versität Upsala, Joh. Skytte^), an ihn ergehen Hess; im Jahre
1656 ernannte ihn Karl Ludwig von der Pfalz zum kurfürst-
lichen Rat, derselbe Kurfürst, der auch ein anderes ausgezeich-
netes MitgKed der Akademie der Tanne, G. R. Weck erlin, zu
seinem Rat machte; vielleicht war es kein Zufall, dass Karl
Ludwig Mitglied des Palmbaums war und beide Männer persön-
lich kannte^). Femer werden als Mitglieder der Tanne Matthias
Schneuber, der im Jahre 1648 auch Mitglied des Palmbaums
wurde, Sam. Thiederich und Hecht (Lucius) genannt. Mit Zesen,
Rist imd Harsdörfer war der Stifter der Tanne, Jesajas Rumpier,
befreundet
Unter den Mitgliedern verdient G. R. Weckerlin besondere
S. über ihn AUg. D. Biogr. VII, 348 f.
*) Über die Beziehungen Skyttes zu Ck)menius s. Patera, Briefwechsel
etc. S. 59. 61 und 73.
") In dem Schediasma de Institute Societatis Philoteutonico-Poeticae
(Lipsiae 1722) S. 25 findet sich die Nachricht, dass Karl Ludwig dem
Weckerlin einen goldenen Becher mit folgenden Versen geschenkt habe:
Vom Goldhärigen Gott (?) empfange diss Geschenk
Die Schwestern Neun hiemit sind Deiner eingedenk
Seind (?) Gnad und ihre Gunst Dir klärlich zu beweisen
Haben sie nicht gespahrt die silbern Hufeysen
Des Pegasi, daraus sie dis Pocal formirt,
Und mit der Quint-Eissenz
Aganipps Quell geschmirt etc.
Es sind in diesen Vereen offenbar verschiedene Druck- oder Lese-
Fehler. Der „Goldhärige" ist unzweifelhaft ein Gesellschaftsnamc ; die Aus-
drücke Quint-Essenz und Aganipps-Qucll deuten auf eine Socictät von
„Alchymisten" hin, der beide Männer angehört haben.
1895. Oomcniitö und die Akademien der Naturphilosophen etc. 77
Beachtung; er war bereits ini Jahre 1584 geboren, und gehörte
also der älteren Generation dieses Freundeskreises an. Von
1601 an hatte er in Tübingen studiert, dann grosse Reisen ge-
macht und war 1610 Sekretär des Herzogs von • Würtemberg
geworden. Nach England berufen (wir wissen nicht von wem),
arbeitete er als Sekretär in der Londoner Kanzlei unter vier
Staats-Sekretären und starb zu London im Jahre 1653; auch mit
Jul. Wilh. Zinlcgraf (1591-1635)1) war er befreundet und mit
Oxenstiema stand er in Briefwechsel.*)
Weckerlin tritt uns in London als Mitglied jenes Freimdes-
kreises entgegen, dem auch Comenius angehörte. Th. Haack aus
Worms, Samuel Hartlieb aus Elbing, Joachim Hübner,
Joh. Paraeus, Joh. Pell u. s. w. waren seine Freunde und
Gesinnungsgenossen, die er zum Teil in seinen Oden verherrlicht
hat Er lebte seit mindestens 1622 in London und wurde 1624
Unterstaatssekretär. Dabei miterhielt er sowohl mit den Nieder-
landen — seine „Gaistlichen und weltlichen Gedichte" erschienen
bei demselben Verleger in Amsterdam (Johan Janssen), der auch
Schriften des Comenius druckte — wie mit Deutschland. Im
Jahre 1649 wurde John Milton Weckerlins Nachfolger als Sekretär
der auswärtigen Angelegenheiten.^)
Noch im Jahre 1680 lebt die Gesellschaft in der Erinnerung
Christian Weises als die Tannenzunft.
Im Jahre 1644 stiftete Philipp Harsdörfer^), den wir ja in
dieser Bewegmig bereits kennen, zu Nürnberg eine Gesellschaft
gleichen Charakters, die später unter dem Namen des Blumen-
ordens bekannt geworden ist und die, wie man weiss, sich als
litterarische Gesellschaft bis auf diesen Tag erhalten hat
*) Über Z. s. Goedeke, Grundriss III^ 35.
*) über Weckerlin s. Beifferscheid , Quellen zur Gesch. des geistigen
Lebens u. s. w. Register s. v.
*) Vgl Greorg Rudolf Weckerlins Gedichte, hrsg. v. Hermann Fischer.
Tüb. 1895. Bd. II. (Publ. des Litt.-Verein8. Bd. 200.)
*) Harsdörfer war zugleich in mehreren Akademien Mitglied, wie dies
auch in Italien bei einzelnen hervorragenden Gliedern Sitte war.
78 KeUer, Heft 3 ii. 4.
Harsdörfer bediente sich bei der Gründung besonders der
Hülfe eines jungen Theologen Joh. Klai, der 1647 Lehrer an
S. Sebald wurde, und Sigmunds von Birken; der letztere
stammte aus •Böhmen (geb. 25. April 1626), wo sein Vater zuerst
in Frauenreuth und dann in Wildenstein als Pfarrer wirkte ^) imd
mit anderen böhmischen Flüchtlingen im Jahre 1632 nach Nürn-
berg kam. Im Jahre 1645, kurz nach seinem Anschluss an den
Orden, wurde er auf Empfehlung Harsdörfers an Justus Georg
Schottelius 2) dessen CoUaborator als Hofmeister am Hofe Herzog
Augusts von Braunschweig in Wolfenbüttel und Erzieher der
Prinzen Anton Ulrich und Ferdinand Albrecht. ^)
Weder über die ersten Anfänge noch über die frühesten
Satzungen des Ordens sind bestimmte und verlässliche Nach-
richten an die Öffentlichkeit gelangt Die älteren Satzungen
sind nie bekannt gew9rden, obwohl solche, wie wir wjpsen,
vorhanden waren ; im handschriftlichen Original sind sie ver-
schwunden. Wir kennen Ordenssatzungen erst aus dem Jahre
1718, wo der Charakter des Ordens bereits wesentliche Ver-
änderungen erfahren hatte. Es scheint, dass Harsdörfer seiner
Akademie die Satzungen der Akademie der „Intronati*^ zu Siena
zu Grund gelegt hat In seinen „Gesprächspielen" (1645) lobt
er diese Satzungen und empfiehlt sie als Vorbild; indem er sie
auf deutsche Verhältnisse anwendet und umdeutet, erwähnt er als
erste Satzung die Vorschrift: ,J)ie Feinde der Tugend und der
Teutschen Heldensprache sollen hier nicht zugelassen werden",
und empfiehlt als zweite Vorschrift: „Du aber bete andächtig,
') Näheres in dem Aufsatz von Aug. Schmidt, Sigmund v. Birken,
gen, Botulius (1626—1681), in der Festschrift zur 250jährigen Jubelfeier
des Pcgnesischen Blumenoi'dens in Nürnberg. Nümb. 1894. S. 481 ff.
-) In Schottclius, dem Schüler des Jungius und dem Freunde von
Leibniz, besassen die Akademien eine hervorragende Kraft. Schottelius war
im Jahre 1612 zu Einbeck geboren, hatte in Leyden Eechtswissenschaft
studiert, kam als Conrektor nach Einbeck und später an den braimschwei-
gischen Hof. 1633 wurde er mit dem Brudemamen „der Suchende" Mitglied
des Palmbauros, 1646 als „Fontano" der Akademie an der Pegnitz. Er
schrieb 1669 eine „Ethica. Sitten- oder Wolleben kunst" und viele religiöse
Schriften. Ein neuerer Forscher nennt ihn den Jacob Grimm des 17. Jahrh.
S. Allg. D. Biogr. XXXII, 407 ff.
^) Auffallend sind die Beziehungen Birkens zu Mystikern wie Joh.
Georg Gichtel (t 1710) und anderen; sie verdienten eine nähere Untersuchung.
1895. Cömenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 79
studiere fleissig, sei fröhlichen Gemüts, beleidige Nie-
mand."^)
Der neueste Geschichtschreiber des Blumenordens ^ Th.
Bischoff, hat die sehr wahrscheinliche Vermutung ausgesprochen,
dass Harsdörfer sich die Akademie, die er gründete, ebenso als
eine Art Pflanzschule für die über ganz Deutschland verbreitete
AJcademie des Palmbaums dachte, wie Joh. Eist 2) dies erweislich
mit dem von ihm gegründeten Schwanenorden gethan hat; die
Bezugnahme Bists auf die gleiche Absicht des Pegnesischen
Ordens ^) macht diese Vermutung doch nahezu zur Gewissheit
Dass Sigmund von Birken in der Zeit, wo er den Orden
an der Pegnitz leitete, die Gesellschaft des Palmbaums als einen
Orden höherer Ordnung betrachtete, geht aus seiner eigenen Er-
klärung hervor. Die Mitglieder des Bkimenördens tnigen das
Ordens-Kleinod in der Form eines thalergrossen Silberstücks an
einem Ordensband von grüner Seide und als Birken einst gefragt
ward, weshalb die Mitglieder nicht ein goldenes statt eines silbernen
Kleinods trügen, antwortete er: „Das Gold überlassen wir den
höheren Orden" und deutete damit auf den Palmenorden, in den
Birken selbst erst im Jahre 1658 Aufnahme gefunden hatte. ^)
Im Jahre 1679 ward er auch Mitglied der Akademie dei Bicovrati,
die in Padua und in Venedig wirkte.^)
Unter den Begründern und ersten Mitgliedern des Blumen-
ordens fehlt der Name Michael Dilherrs; gleichwohl hat er
Th. Bischoff, a. a. O. S. 208.
-) Ober Rist vgl. Th. Hansen, Joh. Rist u. s. Zeit. Lpz. 1872.
^ Rists Absicht \var, dass „aus solcher Gesellschaft sowohl als aus
dem Pegnesischen gleichsam wie aus einem Pflanzgarten ein und anderes
geschicktes und würdiges Mitglied genommen und nach Abgang der alten
und gelehrten fruchtbringenden Gesellschaf tem , in den höchstbelobten
durchlauchtigsten Palmen-Orden möchten versetzet werden." Bischoff a. O.
S. 209.
*) Näheres bei August Schmidt, a. O. S. 511 f. Das Sinnbild des
Kleinods war seit Birkens Zeit die GranadiUa (Passionsblume). Über der
Blume stand: ,,Die Blumengesellschaft", unter derselben: „Alles zur Ehre
des Himmels". Die Rückseite zeigte die siebenfache Rohr-Pfeife mit der
Umschrift: „Alle zu einem Ton einstimmend." Es ist derselbe Gedanke, der
auf dem Titelbilde eines Harsdörfcrschen Buchs durch die Darstellung von
sieben Männern, die an einem Strick ziehen, zum Ausdruck kommt.
^) Über diese Akademie s. unter anderen J. C. Wagenseil, De Civi-
tate Norimbergensi conmientatio 1697 p. 451.
80 Keller, Heft 8 u. 4.
die mit der Zeit immer mehr hervortretenden religiösen Neigungen
des Ordens wesentlich gefördert und sogar eine Stiftung zu Gunsten
desselben gemacht, die diesem sehr zu statten kam.
Wenn man die Beziehungen des Comenius zu Harsdörfer
und der Endterschen Buchdruckerei ins Auge fasst,^) so verdient
es Beachtung, dass schon im Jahre 1646 ein Böhme, der als
Korrektor bei Endter thatig war, Johann Sachss, in aller Form
Mitglied des Ordens wurde*) — eine besondere Auszeichnung,
da die Auswahl mit grosser Vorsicht getroffen wurde und von
1644 — 1658 nur dreizehn Aufnahmen stattfanden.
Es ist überhaupt ganz unverkennbar, dass es überall — wir
werden das betreffs der Londoner Akademie noch besonders dar-
thun — die Glaubensflüchtlinge waren, und zwar nicht bloss
die böhmisch-mährischen oder deutsch-österreichischen, die an den
Gesellschaften stark beteiligt sind, teilweise sogar ihre Stifter
waren. Dies tritt auch in Nürnberg hervor, wo seit der Schlacht
am Weissen Berge sich eine immer grössere Zahl von Vertriebe-
nen sammelte. So nahmen z. B. an dem Begräbnis eines Mit-
glieds der Fremden-Gemeinde im Jahre 1639 nicht weniger als
39 exulierende Geistliche teil , danmter der bereits erwähnte
Daniel Betulius (von Birken, -j- 1642), der ausser seinem Sohn
Sigmund noch zwei Söhne, Christian und Joh. Salomo, dem Orden
zuführte.
Gross war auch die Zahl der Vertriebenen von Adel, die
mit den Nürnberger Patriziern, auch mit Harsdörfer (der ihnen sein
Haus auf dem Rossmarkt überliess), in mannigfache Beziehung
traten. An der Spitze der Adels-Colonie stand diu-ch Alter und
Ansehn Gallus Frhr. von Räknitz (geb. 1590 zu St. Ulrich im
Herzogtum Steyer, f 1658), der mit dem bekannten Mitglied des
Palmbaums Ottavio Piccolomini befreundet war; ferner werden
genannt die Dachsberg, Dietrichstein — Rud. v. Dietrichstein
gehörte dem Palmbaum an — , Eyk, Emau, Herberstein, Hofmann,
Hostelsberg, Heyleck, Jörger, KhevenhüUer, Leininger, Lichten-
berg, Mordax, Moschkau, Prank, Praunfalk, Regal, Speidel,
') Th. Biöchoff a. O. S. 215.
-) Fast sämtliche Schriften der Mitglieder des Ordens sind in Nürn-
berg bei Michael Endter gedruckt; über die Beziehungen des Comenius zu
Endter s. Reber, C. u. die Sprachgesellschaften 1895 S. 40 ff.
1895. Comenius und die Akademien der NaturphiloBophen etc. 81
Tannhauser^ Teuffenbach, Traun, Volkeredorf, Welz, Windisch-
grätz, Wurmbrand, Zinzendorf^) u. a.*)
Waren diese sämtlich Mitglieder der österreichischen Kolonie,
so gab es auch noch andere Exulanten von Adel um diese Zeit
dort, z. B. Joh. Philipp Geuder von Heroldsberg — Mitglied
der Akademie des Palmbaums — , Hans Fuchs, G. Friedrich
von Crailsheim, H. Georg von Mussloe, Hieronjmus von E^lof-
stein, Hans Georg und Hans Karl Richter von Komberg^), und
mit vielen von ihnen unterhielt besondere Dilherr regen geistigen
Verkehr, auch erecheinen einzelne unter den Angehörigen des
Blumenordens. Aus der Zahl der letzteren mögen hier folgende
genannt sein: Johann Bist, J. G, Schottel, Phil. Jac. Osw. von
Ochsenstein, Ferd. Ad. Frhr. von Pemauer, J. Ph. Geuder, J. K.
Schürholtz, Joh. Fr. Biederer, Sam. Hund aus Meissen, Gotfried
Polycarp Müller, Christoph Arnold, Christ, Frank, S. J. Holz-
schuher, Christoph Fürer, J. K. Scheurl, Dan. Bärholtz, Johann
Helwig, Joh. G. Volckamer, Anton Burmeister aus Lüneburg^
Fr. Lochner aus Oels in Schlesien.*)
Haredörfer hat in seinen „Gesprachspielen" die Grundsätze,
Absichten und Ziele des Blumenordens wie der übrigen Akademien
weiteren Kreisen in harmlosem Gewände zu vermitteln und für
die Anschauungen des Bundes Freunde zu gewinnen gesucht. Es
wäre der Mühe wert, die „Gesprächspiele" darauf hin einer ein-
gehenderen Prüfung zu unterziehen; hier sei nur darauf hin-
gewiesen, wie der Verfasser im fünften Teile seiner Schrift für
die Einführung der Muttersprache in den Unterricht der
Schulen eine Lanze bricht.^) Auch sind die „Gesprächspiclc"
die erete aus gebildeten Kreisen stammende Schrift, die den
Meistersingern und ihren Bestrebungen Mieder Gerechtigkeit
widerfahren lässt.
*) Otto Heinrich von Zinzendorf zahlte im Jahre 1628 fiir l'/j Jahre
500 Gg. Schutzgelder an die Stadt.
*) Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1855 S. 101 ff. (von
Lochner).
*) Anzeiger etc. S. 217.
*) S. Goedeke, Grundriss III, 18 und Th. Bischoff a. O. S. 211 f.
^) Derselbe Harsdörfer war der erste, der die Errichtung von Lehr-
stühlen für die deutsche Sprache an den Universitäten forderte. Vgl. Beber,
Comenius u. h. Beziehungen zu den Sprachgesellschaften. Lpz. 1895. S. 24.
82 KeUer, Heft 3 u. 4.
Wichtige Aufschlüsse über die Gesellschaft an der Pegnitz
imd über die persönlichen Beziehungen, in denen namentlich
Sigmund von Birken gestanden hat, dürften sich aus dem noch
erhaltenen Archiv des Blumenordens gewinnen lassen. Es befindet
sich darin u. a. ein Album Birkens, das „dem Theuren Frucht-
bringenden auch Fürtrefflichen Blumengenossen und Kunstlieben-
den" gewidmet ist und sehr viele Eintragungen angesehener
Zeitgenossen enthält. Die der Zeit nach ältesten Einzeichner
sind Christian Dietrichstein und Harsdörfer aus 1645. Auch
Herzog August von Braunschweig steht mit einem Denkspruch
darin (1648). In einem andern Album mit vielen Eintragungen
findet sich folgender Vers:
Was dort der edle Strephon (Harsdörfer)
Hat ersonnen:
Das Blumenband,
Daran hat Floridan (Birken) hier fortgesponnen
Am Pegnitz-Strand.
Thut, was Ihr thut
Belobte Hirten-Brüder!
Gott, Tugend, Sprach! i)
Um das Jahr 1660 begegnet uns in den Eibgegenden der
Schwanen-Orden an der Elbe oder die elbische Gesellschaft
des Schwans, als deren Begründer Johann Rist, damals Prediger
zu Wedel bei Altena, genannt wird. In den Satzungen begegnet
keinerlei Bestimmung, die den Mitgliedern die Sprachreinigung zur
Aufgabe macht, und die Bruder-Namen, die die Gesellschaft in
Gebrauch nahm, waren sämtlich fremdländischen Ursprungs.
Unter den Mitgliedern werden genannt: G.W. v. Werthern,
der das Amt des „Reichsthürhüters" bekleidete; femer Matthäus
Merian, der als Maler, Radierer, Buchhändler und Kimstverleger
bekannt ist (geb. 1621 in Basel) und vom Grossen Kurfürsten,
den er porträtierte, zum brandenburgischen Rat ernannt wurde,
Daniel Bärholtz, geb. 1644 zu Elbing, Erzieher mehrerer
*) 8. Th. Bischoff a. O. 8. 237. — Wir sind gern bereit, wichtigere
Nachrichten aus dem Archiv des Blumenordens in unseren Monatsheften zu
veröffentlichen.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 83
Grafen zu Solms und später Bürgermeister in seiner Vaterstadt
(1685), Conrad von Hövel, G. Greflinger, Fr. S. Zamehl in Elbing,
Christoph Hom, L. Kraust in Danzig, Fr. Hofmann^ Conrektor in
Elbing, Joh. Gorgias aus Kronstadt in Siebenbürgen, J. Noltenius
in Braunschweig, Jeremias Erbe, „Lautenist", d. h. Musiker, Martin
Stubritz, Gotfried Wilhelm Sacer, Georgius Schöneberg, Anton
Burmeister, Johannes Wolken, Franz Joachim Burmeister, Con-
stautin Christian Dekekind, Friedrich Heinrich Sager, Gothilf
Treuer, Georg Heinrich Weber, Karl Taut, Joh. Praetorius, Michael
Franke, Brandanus Langejanus, Michael von Lankisch, Samuel
Sturm, Jakob Sturm, Daniel Pauli, Phil. Jakob Oswald von
Waldeneg, Daniel Neuberger, Benjamin Winkeler von Winkelfels,
Joh. Grüwel, Martin Kemp, Georg Strube, Georg Nicolai aus
Hamburg. Auch Gabriel Voigtländer, Hofmusikus des Königs
Christian V. von Dänemark, ein Freund Rists, der selbst Musik-
kenner war, scheint Mitglied gewesen zu sein, was der Thatsache
entsprechen würde, dass in den Kreisen der Akademien ebenso
sehr der Musik, wie der Dichtkunst — beide verschönten ihre
Versammlungen — besondere Pflege zu teil ward.^)
Auch in diesem Freundeskreise begegnen die Glaubensflücht-
linge und zwar sind sie hier vertreten durch Joh. Brzetislaw
Mislick, Freiherm von Hirschhof aus Böhmen, der, wie wir
durch Bist hören, in der Alchymie und der Mechanik erfahren war.
Rist widmete ihm im Jahre 1642 einen Teil seiner ,^mmlischen
Lieder'^ Herr von Mislick war selbst deutscher Dichter und ver-
fasste u. a. „Ein Hirten -Geräthe Eines Christlichen Hirten, der
seine Schafe in der Fremde weidet". Er lebte noch im Jahre
1658.2) Vielleicht liegt in dem Gebrauch des Ausdrucks „Christ-
licher Hirte" ein Fingerzeig für die Deutung des in diesen Kreisen
oft gebrauchten Wortes. Denn dass die aus dem Hirtenleben
entnommenen Namen der „Pegnitzschäfer" ebenso lediglich eine
Mummerei waren, wie manches andere, steht zweifellos fest, lässt
aber zugleich vieles, was uns albern und geschmacklos vorkommt,
vom Stande des Eingeweihten aus in anderem Lichte erscheinen.
Es war die symbolische Hülle sehr ernster Qedanken und Ziele.
*) Eß wird dies bestätigt von Goedeke, Grundriss zur Geschichte d.
deutschen Dichtung III, 121.
») Vgl. Goedeke, a. O. III, 92.
84 Keller, Heft 3 u. 4.
Im Jahre 1667 veröffentlichte Joh. v. Hövel, der den Ge-
sellschafts-Namen Candorin führte, miter dem Titel ,J)eut8cher
Zimber-Swan" zu Lübeck eine Verteidigungsschrift des Ordens,
die uns über die Ziele und die Yerfassimg desselben einige
Nachrichten giebt, die von Interesse sind^), die offenbar aber
niu* das enthalten, was man der Öffentlichkeit preiszi^ben beab-
sichtigte.
In der ersten Abteilung (S. 22 f.) spricht der Verfasser
seine Freude aus, dass „die Taube, so eine Weile etwas einfältig
verborgen gewesen", jetzt „frei, ungehindert vor den Läster-
mäulern, Lügen-Raben .... mit dem lieblichen Schwane . . . .
zu Gottes Wohlgefallen und der Menschheit Wohlfahrt im hellen
Lichte der Ehre einher- und auffliegen" könne.
Dann folgt eine Aufzählung der sieben freien Künste, sieben
Wissenschaften und sieben Haupttugenden; auf diese Sieben
sowie auf die sieben Gaben des h. Geistes heisst es (S. 28) „ist
der Hochlöbl. ' adele Swan-Orden gebauet". ,Jn Erwägung, (dass)
er ein solcher Orden ist, drinnen man allerhand Erkenntnisse der
Natur und Wissenschaften sich befleissct, manghe herliche Wärkc
und Künste zu Gottes Ehren und der Menschen Basten zuwege
bringt, stehet er freilich in Ehren zu halten und aller Ende und
Orten hochzuachten".
Der Verfasser liisst es sich angelegen sein, das Recht zur
Errichtung einer solchen „Weisheits-Zunft" gegenüber ilu*en Feinden
darzuthun und verweist dabei auf Baco von Verulam.
Bei der Darstellung der Verfassung und Bräuche des
„Schwans" beruft sich Hövel besonders auf das „Collegium Carpo-
phororum" oder das „Collegium Solis"^), d. h. die frucht-
bringende oder „Grosse Gesellschaft", nach deren Vorbild ebenso
^) Candorins deutscher Zimber-Swan, darin des HochlöbL ädelen
Swan-Ordens Anfang, Zunamen, Bewandniss, Gebrauche, Satzungen, Ordens-
gcHätze samt der Hoch-ansähel. GescllBchaftcr Ordens - Namen entworfen.
Lübok, verlägts Michael Volk etc. 16C7. (Univ.-Bibl. in Göttingen.)
') In dem „Teutschen Pabnbaum" (1647) 8. 11 heisst es in ähnlich
Hvmbolischer Weise:
Das Teutsche Sprach- und Tugend -Licht
Von treuen Händen aufgericht
Noch endlich durch die Nächte bricht.
Auch sonst kehrt vielfach auf Bildern und in Vorson die Sonne wie
das Lieht wieder.
1895. Comenius und die Akademien der Katurphilosophen etc. 85
der elbische Schwanen-Orden wie andere Gesellschaften, eingerichtet
seien (S. 62).
In der dritten Abteilung (S. 84 ff.) will Hövel den Vor-
hang des Schwanen-Ordensgerüstcs „aufziehen und den neugierigen
Zuschauem eröffnen" und er erzählt dann vieles von Mönchs-
orden, Ritterorden und angeblich dem Schwanen-Orden ähnlichen
Gesellschaften, was mehr zur Irreleitung als zur Aufklärung ge-
eignet ist
Interessanter ist, was Hövel über die Abzeichen und Sym-
bole des Elbe-Schwanes ^) zu erzählen weiss : „das rechte Ordens-
zeichen, sagt er, so in der Zusammenkunft getragen wird, ist ein
blaues Seidenband (von) des Hosenbändels (La Jarretiere) Farbe,
unten mit einem güldenen dran hänkenden Swan geziret". (S. 119.)
„Gleich wie einer Gesellschaft Kettenglider auf den Orden zilen,
also sihet ein Gebäude auf die Bundgenossenschaft" .... „Ein
Band bedeutet gute Wirkung, Einigkeit, Bestand; dass er (der
Band) (von) Seiden, .weiset solches auf Herligkeit, Unstärbligkeit,
Aufleben u. s. w.; die blaue Farbe ist eben so herrlich wie die
weisse . . . Unser blauen Herolds -Farbe Bedeutung ist herzliche
Andacht gegen Gott, Glaube, Gerechtigkeit, Herrligkeit, Treue
u. s. w.; der Schwan ist eine «Anzeige der Treue, Liebe, Dicht-
Sing- Spielekunst, Weisheit, Wissenschaft" u. s. w.
Es tritt uns hier wie in den übrigen Akademien ein aus-
gebildetes System von Zeichen und Symbolen entgegen,
das weit mehr war als ein zufälliges Beiwerk, vielmehr einen
wesentlichen Teil der ganzen Organisation bildete. Wir ver-
zichten liier auf näheres Eingehen und verweisen nur auf die
Figuren und Zeichen der Titel-Kupfer, wo sich neben dem Schwan,
der von Gold an einer Kette hing, auch vier Rosen gemalt
finden und wo ein Wappen angebracht ist, in dessen vierteiligem
Schild sich wiederum zwei Roseij finden; über das Schild zieht
sich ein Band, das drei Muscheln trägt. Es ist nicht zweifelhaft,
dass hiermit ebenso Anspielungen bezweckt sind, wie mit einem
anderen Bilde, auf dem der Schwan rechts von einem Kreuz
^) Auffallend ist, dass der Zusatz Elb- Schwan oder eibischer Schwanen-
Orden 90 besonders betont wird. Man wird daran erinnert, dass es nach
den Angaben des „Teutschen Palmbaums" (1647) S. 14 auch eine „Schwanen-
Gesellschaft'' in den clevischen Landen gab; über ihre Entstehung u. s. w.
erfahren wir nichts; sie führte ebenfalls den Schwan im Kleinod.
Monatshefte 4lcr Comeiüus-Oest'llMchaft. 18B5. <^
86 Keller, Heft 3 u. 4.
(gebildet durch drei Arme) und links von einer Säule und einem
nach rechte schreitenden Bitter mit geschlossenem Visir um-
geben ist.
Der ,^imber-Schwan" hat sich in Anlage und Ausführung
den „Teutschen Palmbaum" Hilles zum Vorbild genommen, der
ebenso wie jener eine Anzahl interessanter Kupfer mit bildliehen
Darstellungen sjonbolischer Art enthält^ die dem Eingeweihton
manches sagen sollten, was der Verfasser nicht durch den Druck
gemein zu machen wünschte; man sieht daraus zugleich, dass die
Symbolik beider Gesellschaften sich fast derselben Zeichen bediente.
So sieht man auf dem Titelkupfer ^ des „Teutschen Palm-
baums" im Vordergrunde zwei Säulen, die eine mit Lorbeer, die
andere mit zwei verschlungenen Händen und drei Herzen belegt,
die einen mit schwarzem Tuch belegten Altar, der sich in drei
Stufen von cubischen Steinen aufbaut, flankieren. Vor letzterem
stehen zwei sich umarmende Kinder, darunter der Spruch „Fried
und Freud küsset sich mit der Einigkeit", die Worte „Fried und
Freud" unter der linken, „Einigkeit" unter der rechten Säule. Auf
dem Altar liegt ein Lorbeerkranz, ein Scepter und eine Krone,
sowie eine Herzogsmütze. Im Hintergrund sieht man links vorn
ein einzeln stehendes Gebäude, das Haus der Gesellschaft (Col-
legium) versinnbildlichend, von Bäumen umgeben und dahinter
einen gezackten Uferrand mit Landschaft, rechts eine Burg auf
hohem Berg, die bekannte „Christenburg" oder die „Stadt auf
dem Berge" (Matth. 5, 14) darstellend.
Eben die hier gebrauchten Zeichen kehren dann in der
verschiedensten Verbindung wieder. Unter der Überschrift: „Vier-
ständiges Sinnbild des Suchenden" sieht man \äer Medaillons,
auf dessen erstem man den Berg mit einer Kapelle, auf dem
zweiten die Sonne, die eine Landschaft mit Palmen erhellt, auf
dem dritten ein Zimmer, worin »ein mit einem Teppich bedeckter
Tisch und einem offenen Buche, in einer Nische ein Zirkel, zwei
Globen und ein Ritterhelm sichtbar sind; auf dem vierten sieht
man eine auf einer Anhöhe stehende Säule, umhangen von dem
Ordensband nebst Kleinod und umgeben von einer Versanmilung
von Männern, die zu der Säule emporschauen.
Gleich darauf bringt der „Palmbaum" ein ,J)reyständiges
Sinnbild" in drei Medaillons, deren erstes links einen Beig dar-
stellt, während rechts eine Landschaft mit Beiden, Gebäuden und
1 895. Comeniuß und die Akademien der Natiirphilosophen etc. 87
einem Fluss mit zackigem Uferrand sichtbar ist Das Ganze
wird von der Sonne beschienen^ der ein Adler entgegenfliegt*)
Auf einem andern „Dreyständigen Sinnbild" sieht man drei
brennende Lichter abgebildet, deren jedes auf einem mit einem
Teppich bedeckten Tisch steht; der Teppich ist in Rechtecke
geteilt, deren jedes eine Rose zeigt.
Sehr merkwürdig ist ein Kupfer, das sich auf S. 19 findet
Der Beschauer sieht links in ein Gemach, in welchem vier Männer
an einem Tisch sitzen und an dessen Eingang ein fünfter mit der
Hellebarde bewaffnet Wache hält Auf dem Tische, der mit einem
Teppich bedeckt ist, liegen oder stehen das Winkelmass, ein Zirkel,
ein Globus und ein aufgeschlagenes Buch, in dem der eine der
Männer liest, während ein anderer einen zweiten Zirkel in der
Hand hält; auf dem Fussboden steht ein grosser Foliant, durch den
ein Schwert gesteckt ist; auf der rechten Seite des Bildes ausser-
halb des Gemaches sieht man die Darstellung einer Schlacht mit Toten
und Verwundeten, im Hintergrunde eine brennende Stadt und vorn
einen fliehenden Schüler, der die Bücher aus der Hand wirft.
Auch die Kupfer, mit welchen die Mitglieder des Blumen-
ordens an der Pegnitz die von ihnen veröffentlichten Bücher
ausgestattet haben, enthalten mancherlei sinnbildliche Darstellungen,
die freilich nur dem Eingeweihten verständlich waren und ver-
ständlich sein sollten. So zeigt das Bild des sogenannten „Poeten-
wäldchens" — der Name Poeten wird in diesen Kreisen fast in-
demselben Sinn wie Philosophen, Platoniker oder Gesellschafter
und Kunstliebende gebraucht — wie es sich in der „Pegnesis"
findet, mancherlei symbolische Figuren und Andeutungen; auch
die Porträts Harsdörfers, die der Orden besitzt, sind in der Um-
rahmung teilweise mit sinnbildlichen Zeichen geziert und die
Vignetten, die sich hier und da finden, zeigen bestimmte Symbole
— z. B. die Figur des Schachbrettes — , die auch in den übiigen
Akademien wiederkehren.
Wir müssen uns an dieser Stelle auf diese Hinweise be-
schriinken, auf deren Bedeutung wir später zurückkommen werden,
wenn wir den Zusammenhang des Comenius mit den Akademien
zu erörtern haben.
*) Das Sinnbild hat in der Anlage eine grosse Ähnlichkeit mit dem
bekaimtcn Buchzeichen des Comenius; wir kommen darauf zurück.
7*
88 KeUer, Heft 3 iL 4.
Die Schrift Hövels, der Zimber-Schwan, die bisher, soviel ich
sehe, von keinem neueren Forscher beachtet ist, liefert auch den
Beweis, dass eine nahe Beziehung zwischen Comenius und dem
Oberhaupt des Schwans, Joh. Rist (1607 — 1667), bestanden hat.
Nach einer Notiz Hövels besass Rist eine handschriftliche Be-
schreibung „über das immerbewegliche Treibewerk durch 3 Kugeln
ungleicher Grössen" von dem „weltberühmten Comenius*'^); wer
sonst als Comenius selbst sollte Rist in den Besitz dieser Hand-
schrift gesetzt haben? Damit stimmt es überein, dass Comenius'
Schwiegersohn, Petrus Figulus, am 13. November 1639 Rists Gast
in Wedel war und mit eigenhändigen Aufzeichnungen und Versen
beschenkt weiter zog. 2)
Wie der Name Zunft konmit auch der Name Hanse oder
Hansa (= Gilde), bezw. Hanseschaft zur Bezeichnung der Akade-
mien vor und deutet von neuem auf den Zusammenhang mit
Handwerks -Genossenschaften hin. Eine derartige „Hänseschaft^*,
die auf neun Gliedern stand — daher die „neunständige Hänse-
schaft" genannt — nennt Zesen in seinem „Rosenthal" nach der
Rosen-Gesellschaft, indem er sagt: „Nicht lange darnach erhub
sich auch die neunständige Hänseschaft, welche in geheim und
gleichfalls wie die Strassburgische unter ihren neun Hänsegliedem
geblieben." Hans Chr. v. Liebenau schreibt an den Frhm. Hans
■Adolf V. Alewein — beide waren Mitglieder der Akademie der
Drei Rosen — es sei dem Herrn „Bruder" ohne Zweifel die
neunständige Hänseschaft bekannt, ihre Namen wünschten die
Herrn geheim zu halten, „damit sie nicht möchten be-
schimpft werden."^)
Wie zahlreich und mannigfach solche Beschimpfungen der
Akademien und ihrer Mitglieder waren, erhellt sowohl aus der
früher besprochenen Verteidigungsschrift Karl Gustav von Hilles,
dem „Teutschen Palmbaum" wie aus Hövels „Zimber-Schwan". AVir
können hier darauf im einzelnen nicht eingehen, sondern müssen
uns begnügen, auf einige Stellen aus den Satzungen zu verweisen,
in denen ausdrücklich Vorkehrung getroffen wird, um solchen
*) Deutscher Zimber-Swan S. 43.
^) M.H. der CG. 1894 S. 314.
«) Schultz, a. O. S. 103 f.
1 895. Comeniu» und die Akademien der Naturphilosophen etc. 89
Schmähungen zu begegnen. In den Satzungen des Schwanenordens
heisst es ^) : „Daf erne sich es zutragen möchte, dass einiger Neider
oder sonst ein höhnischer, stolzer oder aufgeblasener Phantaste
sich unterstehen würde, einiges Mitglied dieser rühmlichen Gesell-
schaft mit lästerlichen Schriften, Verläumdung oder sonst unge-
bührlich anzugreifen, so sollen auf solchen Fall nicht nur der
Uhrhäber, sondern alle und jede Mitglieder dieses löbl. Ordens
gehalten und verpflichtet sein, ihrem angezapfeten und verfolgeten
Ordensgenossen und Mitbruder unverzüglich beizuspringen und
dessen guten Namen mit Hand, Mund und Feder gegen dessen
Widersacher auf das äusserste zu vertheidigen" .... Eine ähn-
liche Bestimmung findet sich m den Satzungen der Rosengesell-
schaft, wo gesagt wird: „Wenn sich ein naseweises Lästermaul
erkühnen würde, auch den Geringsten unter den Mitgenossen mit
Schmähschriften oder anders ungebührlich anzutasten, so soll nicht
allein der Erzschreinhalter, sondern auch ein jedes Zunftglied ver-
bunden sein, solchem ihrem geschmähten und verleumdeten Mit-
glied unverzügliche Hülfe zu leisten und dem Spottvogel dermassen
das unnütze Maul stopfen, dass hinfürder dergleichen zweibeiniges
Müllervieh unsere Rosen- und Liliengenossen unangegigacket lasse." *)
Wenn die Mitglieder von Gesellschf^n, deren öffentliches
Wirken sich auf die Pflege der nationalen Sprache und Litteratur
beschränkte, gezwungen waren, derartige Vorkehrungen gegen Be-
schimpfungen ihrer Mitglieder zu treffen, so kann man ermessen,
dass Organisationen, die dem Verdacht ausgesetzt waren, Alchymie
zu treiben, einer noch heftigeren Gegnerschaft begegneten und
demgemäss zu grösserer Geheimhaltung ihrer Versammlungen,
Symbole und Formen gezwungen waren.
Obwohl auch unter den Mitgliedern der sogenannten Sprach-
gesellschaften kaum ein hervorragender Schriftsteller war, der sich
nicht ausser mit der Sprache auch mit naturphilosophischen Studien
und religiöser Schriftstellerei beschäftigt hätte (man hat dies bisher
zu wenig beachtet), so haftete doch weit mehr an den Vereinigungen
der Naturphilosophen im engeren Sinn, d. h. der Naturforscher und
Mathematiker, der Verdacht der „Schwärmerei", und man munkelte.
') Zimber-Schwan S. 174.
^ Dissel, Phil. v. Zesen etc. S. 26.
90 Keller, Heft 3 u. 4.
dass diese Alchymisten zugleich „Rosenkreiizei"^, d. h. Mitglieder
einer, wie man wähnte, religiösen Sekte seien, die für die Kirche
höchst gefährlich sei, die aber als Gesellschaft thatsächlich nie
bestanden hat
Es ist allerdings zweifellos, dass die „Alchymie" und die
Pflege der venvandten naturwissenschaftlichen Zweige für die
Akademiker ebenso nur das Kleid war, das ihre höchsten Ziele
verhüllte, wie für die fälschlich sogenannten Sprachgesellschaften
die Förderung der Muttersprache, obwohl diese wie jene Bestre-
bimgen durchaus auf dem Wege der Platoniker lagen und ihre
Förderung einen Teil des Arbeitsplans des Bundes bildete. In
weit höherem Grade als die Sprachwissenschaft bot die Chemie
oder Alchymie mit ihren seit Jahrhunderten überlieferten Formen
und Zeichen die Möglichkeit für die Eingeweihten, sich unter
einander durch symbolische Andeutungen zu verständigen, die für
die Aussenstehenden gänzlich unverständlich waren, die dann frei-
lich auch vielfach missverstanden winden und Anlass gaben, den
„Alchymisten" die wunderlichsten imd thörichtsten Behauptungen
in den Mund zu legen.
Wenn wir selbst bei den Sprachgesellschaften das, was sie
verschleiern wollten, kaum erfahren, so ist es nicht zu verwundem,
dass der Schleier, der .über den Akademien der „Alchymisten"
lagert, einstweilen noch weniger zu lüften ist Gleichwohl sind
ganz sichere Spuren ihrer Organisation nachzuweisen, und es ist
merkwürdig, wie vollständig die Ordnungen, Symbole und Grund-
gedanken dieser Societäten mit denjenigen der bisher besprochenen
Gesellschaften übereinstimmen.
Um das Jahr 1664 erscheint zu Nürnberg eine organi-
sierte Gesellschaft von „Alchymisten*^ und „Rosenkreuzem", wie
die Aussenstehenden sagten, d. h. von Geistlichen, Gelehrten imd
Künstlern, an der unter andern auch Harsdörfers Freund, Michael
Dilherr^), beteiligt war. Wir würden vielleicht wenig von dieser
Gesellschaft wissen, wenn es nicht ihren Gegnern gelungen wäre,
*) J. M. Dilherr (dessen Vater Konsiüent der fränkischen Bitterschaft
gewesen war, ehe der Bischof von Würzburg ihn seiner Lehen beraubte und
in Armut stürzte) war am 14. Oktober 1604 zu Themar geboren. Trotz
dürftiger LÄge gelang es dem Knaben, eine gelehrte Bildung zu ei-werben;
er studierte 1627 in Altdorf, 1629 in Jena und wurde 1631 daselbst Professor
der Beredsamkeit, 1634 der Geschichte und Poesie und 1642 Professor der
1895. Conieniu« und die Akademien der Naturphilotnophcn etc. 91
im Jahre 1696 ein scharfes obrigkeitliches Mandat gegen sie zu
erwirken, und wenn nicht im Jahre 1667 Grotfiried Wilhelm
Lelbniz ihr Mitglied^) und bald darauf auch ihr Sekretär ge-
worden wäre^). Dadurch ist, trotz des tiefen Geheimnisses, mit
dem sich die Gesellschaft umgab, manches bekannt geworden.
Hierdurch wissen wir, dass sie damals sehr angesehene
Männer der alten Reichsstadt zu Mitgliedern zählte. An ihrer
Spitze stand Daniel Wülfer, derzeit Pastor an S. Lorenz, femer
gehörten zu ihr Justus Jakob Leibniz, Pastor an S. Jakob und
ein Verwandter von Gotfried Wilhelm, Joh. G. Volkamer, der
ältere aus dem Patriziergeschlecht gleichen Namens, dem wir schon
oben begegnet sind, Hieronymus Gutthäter, ein reicher Kauf-
mann, Christoph Helling, ein Weber, Friedrich Kleinert,
ein Stempelschneider und andere. ^) Wie fest G. W. Leibniz
damals^) und später^) sich mit diesem Kreise verbunden fühlte,
hat er selbst später gesagt und bewiesen, und schon daraus erhellt,
dass diese „Alchymisten" weder „Narren** noch „Bösewichter**
gewesen sind.
Man muss, wenn man von den „Alchymisten** spricht, frei-
lich ein allgemeines Urteil vermeiden. Es ist nicht zweifelhaft,
dass sich an die Fersen der Naturphilosophen, welche in ernsten
Studien der Chemie oblagen, Schwindler und Goldmacher hefte-
ten, die unter dem Deckmantel von allerlei Geheimlehren und
Zeichen die Geschäfte von Betrügern übten oder selbst Betrogene
waren. Es mag sein, dass solche Leute gelegentlich auch Mit-
Theologie und Philoeophie in Nürnberg; dann übernahm er 1646 die Stelle
des Hauptpfarrers an S. Sebald. Eine Monographie über Dilherr wäre sehr
erwünscht. Vgl. AUg. D. Biogr. V, 225. Und Ad. Schwarzenberg, Das
Leben und Wirken J. M. Dilherrs, Dresden (Progr.) 1892.
^) Näheres über seinen Eintritt bei Kopp, Gesch. d. Alchymie I, 233.
') Leibniz wurde angestellt, um aus naturphilosophischen Schriften
Auszüge zu machen, die an der Arbeitsstätte der GreseUschaft vorgenommenen
Arbeiten zu verzeichnen und den Briefwechsel zu führen. Diese Geschäfte
hat er ein Jahr lang verwaltet.
') Murr, Lit. Nachrichten zur Geschichte des Goldmachens, Lpz. 1805,
S. 79 ff. (Ein Exemplar in der Stadtbibl. Hamburg.)
*) Leibniz schreibt an Bierling den 16. März 1712: D. Wulferum ego
adolescens Norimbergae saepe adii et aliis eo tempore viris doctis Norim-
bergensibus familiaris fui. Opp. omnia ed. Dutens V, 378.
•) Im Jahre 1688 suchte er Nürnberg wieder auf und verkehrte mit
Mitgliedern der Gesellschaft. Murr, a. O. S. 81.
92 KeUer, Heft 3 u. 4.
glieder der Akademien waren, sicher aber ist, dass die besseren
Köpfe sich dieser Elemente allen Ernstes zw erwehren suchten.
Es kam bald dahin, dass der Name „Rosenkreuzer**, den diese
Akademien von sich nicht gebrauchten, auch von den Natiuphilo-
sophen zur Kennzeichnung solcher Schwindler gebraucht ward, und
so sehen wir, dass Männer wie Val. Andreae und Bernegger, die
den Naturphilosophen sehr nah standen, sich mit Nachdruck gegen
die „Kabbalisten*^ und ,Jlosenkreuzer'* erkläilen^); in der That
hatten die Akademien ein dringendes Interesse daran, ihre Sache
nicht durch solche Leute zu gefährden und ihren Übertreibungen
oder Irrlehren entgegen zu treten.
Die Eindrücke, welche Leibniz in dem für seine Geistes-
entwicklung wichtigsten Abschnitt seines Lebens — er war damals
21 Jahre alt — unter dem Einfluss so ausgezeichneter Männer
in Nürnberg empfangen hat, sind ihm stets gegenwärtig geblieben,
und so abfällig er über das Goldmachen urteilte, so hat er sich
doch noch später gern mit der Deutung alchymistischer Rätsel
beschäftigt und diese Wissenschaft selbst ebenso geschätzt, wie
es z. B. Baco nachweislich gethan hat.
Aus Leibniz eignen Äusserungen geht, wie schon Guhrauer
bemerkt hat, deutlich hervor, dass er sich in Nürnberg ernster
mit alchymistischen Arbeiten beschäftigt hat und tiefer in die
gesamte Anschauungswelt dieser Männer eingedrungen ist> als man
bisher angenommen hat^)
Wir besitzen einen Brief des Joh. Jakob Leibniz (des Sohnes
von Justus Jakob), der damals Prediger der deutschen Gemeinde
in Stockholm war, an Gotfried Wilhelm, vom Jahre 1703, in
*) Valentin Andreae, meint Bernegger, habe den Schwindel dieser
Rosenkreuzer gründlich entlarvt.
') Guhrauer, Jungius I, 47. — Im Jahre 1691 schreibt Leibniz an den
Bruder des Christian Thomasius: „Mich hat Nürnberg zuerst in chemische
Studien eingeweiht und es reut mich nicht, in der Jugend gelernt zu haben,
was mir als Mann Vorsicht lehren sollte. Denn in späteren Jahren wurde
ich oft, weniger aus eigenem Antrieb, als aus dem von Fürsten, bei denen
ich Zutritt hatte, zu dergleichen angeregt; ich blieb mit meiner Neugierde
nicht zurück, doch nicht ohne durch Vorsicht sie zu massigen. Wie viele
von mir gekannte Personen sind daran gescheitert, in dem Augenblick, da
sie mit dem günstigsten Winde zu segeln glaubten." — Vgl. auch Kopp,
Die Alchemie I, 233: „Das Interesse für Alchemie blieb Leibniz bis in seine
letzten Lebensjahre."
1895. Comeniu8 und die Akademien der Natui*phüo8ophen etc. 93
welchem sich ei-sterer auf die persönliche Berührung bezieht, in
die er mit dem ,^ro88en Freunde" zu Nürnberg „bei den Nürn-
berger Münzmeistern" ehedem getreten sei.^)
Im Hinblick auf den Umstand^ dass Fr. Kleinert*'^) Münz-
stenipelschneider und zugleich ebenso wie G. W. Leibniz Mitglied
der Nürnberger Gesellschaft war, unterliegt es keinem Zweifel,
dass in dieser Bemerkung ein Hinweis auf den Freundeskreis lag,
dem die beiden Leibniz angehörten. An der städtischen Münze
waren drei Beamte angestellt, der Münzmeister, der „Eisengraber"
und der Wardein. In der Münzstätte fanden sich ausser den
Räumen, wo mit dem sog. Taschenwerk und dem „grossen Druck-
werk" gearbeitet ward, solche Räume, wo mit „geheimen Münz-
zeug" geprägt wurde*), die also auch für Versuche chemischer
Art, die man geheim halten wollte, sowie für Versammlungen
sehr geeignet waren. Da in keiner Weise einzusehen ist^ was die
beiden Gelehrten „bei den Münzmeistem" für gemeinsame Be-
schäftigung hätten haben können, so muss man annehmen, dass
in der Mfinzstätte Zusammenkünfte stattfanden, wie sie in den
Zunfthäusem angesehener Gilden oft zwischen den Angehörigen
der Zunft und den ,Jjiebhabem des Handwerks" (z. B. Ärzten,
Rechtsgelehrten, Lehrern) vorkamen.^)
Wie dem auch sein mag, so ist doch die Thateache, dass
Gelehrte wie Leibniz, Dilherr und andere mit Webern, Silber-
schmieden — nach Murr scheint auch ein Rofgiesser Mitglied
^) Gnhrauer, Leben des Leibniz I, 47.
') Eleinert gab einen Apparatus NumiBmatum recentiorum heraus,
den Casp. Theoph. Lauffer im Jahre 1709 fortsetzte. Murr, a. O. S. 85.
— Kleinert stammte aus Bartenstein in Ostpreussen (geb. 4. Juni 1633).
Doppelmayr (Histor. Nachrichten etc. 8. 309) erzahlt von ihm, dass er eine
„Aeademia historico-metallica" zu begründen versucht habe. Kleinert starb
am 28. JnU 1714.
') C. F. Gebert-Nümberg, Geschichte der Münzstätte der Reichsstadt
Nürnberg. Nümb. 1891, S. 107.
*) Es mag hier beiläufig bemerkt werden, dass unter den Münzbeamten
der Stadt Nürnberg mehrfach Namen vorkommen, die sowohl in der Kunst-
geschichte (die „Eisengr&ber'' waren auch Bildhauer und Steinmetzen) wie
in der Geschichte der religiösen Bewegung bekannt sind. Im Jahre 1517
war Hans Krug der Jüngere, der Vater Ludwig Krugs, ein „Bruder'' Hans
Dencks, Eisengraber (s. Keller, Die Reformation S. 323 u. 422) und im
Jahre 1535 — 1542 verwaltete das Amt des Münzeisenschneiders Hieronymus
Formschneider. S. Gebert, a, O. S. 51 u. 54.
94 Keller, Heft 3 u. 4.
•
gewesen zu sein — und Stempelschneidern eine Societät bilden,
immerhin merkwürdig, um so mehr, als unsere Quelle ausdrücklich
bestätigt, dass die Gesellschaft eine geheime gewesen sei. ^)
Joh. Georg Volkamer (geb. 1616), der wie wir sahen seit
dem Jahre 1646 auch Mitglied des Blumenordens an der Pegnitz
war — er führte darin den Brudemamen Helianthus^) — war zu
Padua, wo er studiert hatte, Mitglied der Academia dei Ricovrati *)
geworden und imterhielt mit den italienischen Freunden fortge-
setzte persönliche Verbindungen. Auch Dr. Joh. Helwig (f 1674),
sein Freund und Genosse im Blumenorden, war Doktor Paduanus.
Ebenso rege Beziehungen wie zu Oberitalien besassen manche
Mitglieder dieses Freimdeskreises zu den Niederlanden, wie dies
unter anderen der Briefwechsel Harsdörfers mit dem damals in
Amsterdam lebenden Comenius ergiebf *) Im Jahre 1668 besorgten
einige Nürnberger Freunde eine deutsche Übersetzung einer Schrift
des Dr. Joh. Fr. Helvetius, des Leibarztes des Prinzen Moritz
von Oranien, der zu den bekanntesten „Alchymisten" im Haag
gehörte.^) Besonders eng war aus naheliegenden Gründen der Ver-
kehr der Nürnberger Maler imd Künstler mit den Niederlanden
und es steht fest, dass viele ausländische, besonders holländische
und französische Künstler zeitweilig in Nürnberg weilten.
Für den internationalen Zusammenhang, in dem diese Kreise
standen, ist die Lebensgeschichte des Johann Wülfer, Sohnes
von Daniel Wülfer, von Interesse. Geboren 1651, studierte er
Mathematik und dann in Jena — wohin viele Spuren eines Zu-
sammenhangs mit Nürnberg weisen — Theologie. Im Jahre 1674
ging er nach Venedig, um, wie Doppelmayr berichtet®), „von dem
Zustand der griechischen Kirche eine genaue Nachricht einzu-
holen" und verkehrte dort sechs Monate laiig mit dem Patriarchen
und dem griechischen Abt Grandamino. Von dort zog er nach
*) Murr, a. 0. S. 82.
•) Herdegen, Blumenorden S. 851.
') Diese Akademie hatte zur Impresa (Sinnbild) eine von zwei Seiten
geöffnete Höhle und den Wahlspruch: Bipatens animis asylum. Wagenseil,
Commentatio etc. gibt eine Abbildung.
*) .Tos. Reber, Joh. A. Comenius u. s. Beziehungen zu den Sprach-
gesellschaften. Lpz. 1895. S. 45 ff.
^) Kopp, die Alchemie I, S. 83 f.
") Historische Nachr. v. d. Nümbcrgischen Mathematicis und Künstlern.
Nürnberg 1730. S. 143 f.
1895. Conienius und die Akademien der Naturphilo8ophen etc. 95
Florenz, Rom, Neapel und zurück nach Wien, Prag, Braunschweig,
Hebnstädt, Lüneburg, Hamburg, Bremen, Amsterdam und dann
nach London, überall die Gesinnungsgenossen aufsuchend« In
England verkehrte er mit Robert Boyle, Joh. Pell, Heinrich
Oldenburg, Theodor Haack u. a., „die ihm sehr zugethan waren**.
Von London begab er sich nach Oxford zu Joh. Wallis,
wo er sieben Monate blieb, dann nach Cambridge und dann nach
Paris, „wo er mit vielen Litteratis gute Freundschaft machte**;
dann über Lyon nach Genf imd von dort nach Nürnberg zurück,
wo er 1677 wieder anlangte. Später wurde er Mitglied der K.
Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin.
Eine ähnliche Entwicklung, wie wir sie im dritten TeUe unserer
Untersuchung in Betreff der älteren Londoner Akademie und der
späteren Royal Society kennen lernen werden, tritt uns in Deutsch-
land bezüglich derjenigen Societät, der Leibniz seit 1667 angehörte,
und der im Jahre 1700 von ihm und Comenius' Enkel unter dem
Schutze Friedrichs I. in Berlin begründeten „Königlichen Societät
der Wissenschaften" entgegen. Wie in London die Trager der
freien „Academia Londinensis" (wie sie sich nannte) nachmals die
Begründer der Royal Society wurden (1662), so haben die Mit-
glieder der freien Societäten in Deutschland den Stamm für die
Berliner Königliche Gesellschaft gebildet.^)
Aber man würde fehl gehen, wenn man den Unterschied
der freien und der Königlichen Akademien daran erkennen wollte,
dass aus privaten Gesellschaften staatliche Körperschaften wurden:
indem die letzteren sich zu Gelehrtengesellschaften im engeren
Sinn gestalteten, erhöhten sie zwar ihre wissenschaftliche Leistungs-
fähigkeit aber sie nahmen gleichzeitig gegenüber den älteren Socie-
täten insofern einen wesentlich veränderten Charakter an, als diese
ursprüngUch keine Gelehrtengesellschaft, sondern eine Lebens-
und Gesinnungs- Gemeinschaft darstellen wollten, die eines
ihrer Bindemittel und ihrer Ziele in der Reform der wissen8chaft>-
lichen Methode und der Pflege der nationalen Eigenart fand. Es
war daher ganz natürlich, dass manche hervorragende Mitglieder
*) Ausser Geh. Wülfer wurde auch ein anderer Freund von Leibniz,
der wie dieser Mitglied der älteren Societät gewesen war, nämlich der be-
rühmte Arzt Fried r. Hoffmann (geb. 1660), im Jahre 1701 Mitglied der
Königl. Societät zu Berlin.
96 Keller, ConieniuH und die Akademien etc. Heft 3 u. 4.
der älteren Akademien — wir kommen darauf zurück — die neue
Entwicklung zwar insofern warm begrüssten, als die wissenschaft-
lichen Studien der Societät an den Staaten, die deren Umwandhmg
vornahmen, eine kräftige Stütze gewannen, dass sie aber das voll-
ständige Aufgehen der älteren Gesellschaften in den neuen staat-
lichen Anstalten keineswegs wünschten, sondern vielmehr einen
Weg suchten, um die Organisation und die. Verfassung, die Gnmd-
gedanken und die Symbolik der freien Akademien, für die in den
Königlichen Gesellschaften natürlich kein Raum war, den kom-
menden Geschlechtern zu erhalten.
Immerhin ist die Thatsache, dass die Könige von Gross-
brittanien und von Preussen zur Begründung der grossen und,
wie die Folgezeit beweisen sollte, segensreichen Institute sich
gerade der Männer bedienen zu sollen glaubten, die in den
Societaten der „Alchymisten'^ ihre Schule gemacht hatten, ein
hinreichender Beweis für den Umstand, dass die Verleumdungen
und Beschimpfungen, denen die „geheimen Gesellschaften" der
Naturphilosophen das ganze siebzehnte Jahrhundert hindurch aus-
gesetzt waren — auch darüber werden wir später näher handeln —
ein Ausfluss des Parteihasses und der religiös-politischen Kämpfe
waren, an denen jene Zeit so reich gewesen ist
Eben die Roheit und der Haas waren es, die jene Männer
zwangen, ihre höchsten Ziele unter der Hülle von Sinnbildern
und Zeichen zu verbergen und sie nur Einzelnen zu offenbaren.
Kein geringerer als Valentin Andreae bestätigt diese, für ihn selbst
sehr betrübende Zwangslage in seiner Lebensbeschreibung, indem
er erzählt, dass seine brennende Liebe zur Sache des Christentums
überall auf Hass und Hindemisse gestossen sei, wo er versucht
habe, ihr auf offenem Wege nützlich zu sein; da habe er, fährt
er fortj die Notwendigkeit begriffen, seine Ziele auf Umwegen zu
erreichen und durch Anspielungen imd Lockungen die Menschen
zu ernsten Dingen hinzuleiten. So ist es gekommen, dass die
Formen und die Symbole jener Akademien, so geringfügig sie uns
heute erscheinen, doch ein wesentliches Stück des gesamten
Erziehungsplanes waren, der den Gründern der Socie-
taten vorschwebte.
Die psychologische Grundfrage.^)
Im Anschluss an die neuere psychologische Litteratur
untersucht von
Goswin K. Uphues.
Kein Zweig der philosophischen litteratur erregt heutzutage
innerhalb der philosophischen Welt und weit über ihren Kreis
hinaus ein so mächtiges Interesse als die Psychologie. Man geht
von der Ansicht aus, dass in der Psychologie nach der jetzt
herrschenden Methode am ehesten wissenschaftlich gesicherte
Ergebnisse gewonnen werden können. Mit vollem Recht. Ob
man aber auch die Schwierigkeit dieser Angabe hoch genug
anschlägt, ist eine andere Frage, die bei dem Wirrwarr der
Meinungen auf dem psychologischen Forschungsgebiete sicherlich
verneinend beantwortet werden muss. Es mag deshalb gestattet
sein, einen Punkt innerhalb dieses Durcheinander, der für alles
andere entscheidend und massgebend ist, zu fixieren und mit
Bezug auf die in den letzten vier Jahren in Deutschland er-
schienenen psychologischen Werke zur Erörterung zu bringen.
Ich bezeichne ihn als die psychologische Grundfrage.
Versetzen wir uns in die Zeit, wo wir eben das Licht der Welt
erblickt hatten, einige Wochen nach unserer Geburt und fragen uns,
worin damals unser Bewusstsein bestand. Wir hatten Empfindungen,
die, wie wir jetzt sagen, von dem Druck der uns berührenden
Hände, Kleider herrührten, femer Gesichtsempfindungen, wie wir
^) Litteratur: Ziehen, Leitfaden der physiologischen Psychologie, in
14 Vorlesungen, 1. Aufl. 1891. 176 8. 4 Mk. — Uphues, Psychologie des
Erkennens. 1893. 318 S. 6 Mk. 80 Pf. — Külpe, Grundriss der Psychologie.
1893. 478 S. 9 Mk. — Kehmke, Lehrbuch der allgemeinen Psychologie.
1894. 582 8. 10 Mk. — Twardowski, Zur Lehre vom Inhalt und Gegen-
stand der Vorstellungen. 1894. 111 8. 2 Mk. 80 Pf.
^i
98 Uphues, Heft 3 u. 4.
jetzt sagen^ von diesen Dingen; Geruehsempfindungen, Geschmacks-
empfindungen mid ebenso Gesichtsempfindungen, vvie wir jetzt
sagen, von der Flasche, der Mutterbrust, der Milch, die wir
tranken, lauter Empfindungen, von denen wir jetzt sagen, dass
sie unsere Empfindungen waren oder dass wir sie hatten. Von
Händen, Kleidern, die uns berührten, von Flasche, Mutterbrust,
die uns nährten, wussten wir damals nichts, ebenso wenig von
einem Ich, das die Empfindungen hatte als seine Empfindungen.
Kurz gesagt: unser ganzes Bewusstsein bestand aus diesen
Empfindungen, die weder vorwärts auf Dinge, noch rückwärts
auf ein Ich bezogen wurden. Für dies Bewusstsein gab es weder
Subjekt noch Objekt, auch der Körper, den wir jetzt als eigenen
Körper bezeichnen und oft als Ort und Träger der Empfindungen
betrachten, war für dies Bewusstsein nicht vorhanden, das blosse
Dasein und Zusammensein der Empfindungen bildete den einzigen
Bestandteil dieses Bewusstseins, zu denen etwa noch Gefühle der
Lust oder Unlust hinzutraten, wie wir jetzt sagen, der Annehm-
lichkeit oder Unannehmlichkeit dieser Empfindungen, die also
jetzt von uns, aber keineswegs schon in dem ursprünglichen Be-
wusstsein des Neugebomen auf die Empfindungen bezogen werden.
Man geht nicht zu weit, wenn man in Bezug auf diese Charak-
teristik des Bewusstseins des Neugebomen eine Übereinstimmung
unter den psychologischen Forschem der Gegenwart voraussetzt
und auf ihre Zustimmung rechnet. Die nächste Frage ist, wie
kommt das Kind von diesem Complex zugleich miteinander auf-
tretender und auf einander folgender Empfindungen und Gefühle
zum Bewusstsein des Subjekts und der Objekte, des Ich und der
Dinge? Wir können sie, ohne Widerspruch fürchten zu müssen,
als psychologische Grundfrage bezeichnen. Sie schliesst die
Vorfrage ein, was unter dem Ich und den Dingen zu verstehen
sei. Schon bei der Beantwortung dieser Vorfrage, noch mehr
aber bei der Beantwortung der Gmndfrage, tritt der Wirrwarr
und Widerstreit der Meinungen unter den gegenwärtigen Forschem
in grellster Weise hervor. Viele gehen bei der Bestimmung
dessen, was unter dem Ich und den Dingen zu verstehen ist,
von bestimmten philosophischen Systemen aus oder suchen diese
Bestimmung mit vermeintlich gesicherten naturwissenschaftlichen
Anschauungen in Einklang zu bringen, während es sich offenbar
doch nur um eine genaue Angabc dessen handeln kami, was sich
1895. I^ie psychologische Grundfrage. öfl
das gewöhnliche Bewusstsein, d. h. das Bewusstsein der gewöhn-
lichen Leute unter dem Ich und den Dingen denkt. Denn zu
diesem BewusstBcin gestaltet sich doch das Bewusstsein des Neu-
gebornen, dieses Bewusstsein bleibt die Grundlage und Voraus-
setzung seiner ganzen geistigen Entwicklung, welchen Einfluss
immer philosophische Systeme und naturwissenschaftliche An-
schauungen auf diese Entwicklung ausüben. Fragen wir uns nun^
was das gewöhnliche Bewusstsein in diesem Sinne unter Dingen
versteht, so ist die Antwort eine überaus einfache: das, was
nicht Bewusstsein, insbesondere nicht Empfindung und Gefühl
ist; Hände, Kleider, Flasche, Mutterbrust, Milch sind ihm, was
immer sie sein mögen, jedenfalls nicht Bewusstsein^ nicht Em-
pfindung und Gefühl. Schwieriger ist die Beantwortung der Frage,
was das gewöhnliche Bewusstsein unter dem Ich versteht Sehen
>vir ab davon, dass wir oft das Wort Ich in Verbindimg mit
körperlichen Vorgangen gebrauchen, z. B. ich gehe, esse, trinke,
wo wir natürlich unter dem Ich nur das leibliche Ich oder den
eigenen Körper verstehen können, so verbinden wir mit dem
Worte Ich zimächst nur die Wortvorstellung Ich, sei es die
(akustische) Gehörsvorstellung des gesprochenen oder die (optische)
Gesichtsvorstellung des geschriebenen Wortes Ich. Die Frage ist
nur, ob sich mit dieser Wortvorstellung, die sich regelmässig dann
einstellt, wenn wir, von dem leiblichen Ich absehend, an unser
eigenes oder ein fremdes Ich als solches denken, auch eine
Sach Vorstellung verbindet und worin diese besteht; wie sich denn
an die Wortvorstellungen der gesprochenen Zahlen oder ge-
schriebenen Ziffern, von denen wir beim Denken der Zahlen (die
ganz kleinen, 1 bis 4 oder 5, deren Einheiten wir uns getrennt
in Pimkten oder Strichen gleichzeitig vergegenwärtigen köimen,
ausgenommen) immer ausgehen, stets entsprechende Sach- oder
Wortbedeutungsvorstellungen anschliessen. Als solche mit der
Wortvorstellung Ich verbundene Sach- oder Bedeutungsvorstellung
finden wir, so oft und sorgfältig wir forschen, nichts anders vor
als die Bewusstseinsvorgänge, vor allem die Empfindungen und
Gefühle der Vergangenheit und Gegenwart, von deren Zusammen-
gehörigkeit mit einander und mit diesem Bewusstsein ihrer Zu-
sammengehörigkeit wir ein Bewusstsein haben, und die wir eben
darum als unser Bewusstsein oder Ich bezeichnen. Wir finden
nichts anders, so oft und sorgfältig \vir forschen. Wollen wir
100 Uphues, Heft 3 u. 4.
aber dennoch unter dem Ich oder Subjektsmoment etwas anderes
von diesen Bewusstseins vorgangen Verschiedenes verstehen, so
haben wir nur etwas Unbestimmtes^ Inhaltleeres unter Händen,
das von Rehmke, der diesen Versuch machte mit Recht als durch-
aus unvorstellbar (S. 153), ja für sich genommen, getrennt von den
Bewusstseinsvorgangen als undenkbar (S. 493) bezeichnet wird,
das ausserdem nach ihm ein und dasselbe in allen Bewusstseinen
(S. 134) und über Raum und Zeit erhaben ist (S. 288). Können
wir ims nicht zu diesen extremen Anschauungen Rehmkes be-
kennen, so bleibt uns kaum etwas anderes übrig, als dass wir
unter dem Ich die Gruppe zusammengehörender Bewusstseins-
vorgänge verstehen, die durch das Bewusstsein ihrer Zusammen-
gehörigkeit mit einander und mit diesem Bewusstsein ihrer Zu-
sammengehörigkeit charakterisiert sind. Das ist der Grundgedanke
der Bewusstseinstlieorie, die in meinem Buche (S. 126 — 140) ent-
wickelt ist. In gewissem Sinne stimmt auch Ziehen hiermit
überein. Nur dass ihm die Ich genannten Bewusstseinsvoigange
mehr etwas durch Association Zusammengeratenes als Zu-
sammengehörendes sind und er von einem Bewusstsein ihrer
Zusammengehörigkeit mit einander kaum, mit diesem Bewusstsein
aber sicher nichts wissen wül, wenigstens in Konsequenz seiner
Grundanschauung dies Bewusstsein ablehnen muss, wie wir sofort
sehen werden. Külpe glaubt von einem geistigen Individuum, das
in den Bewusstseinsvorgangen bestände, nicht reden zu können,
weil „diese Meinung keine wissenschaftliche Psychologie ergäbe".
Es sollen zwischen den Bewusstseinsvorgangen keine notwendigen
Abhängigkeiten bestehen (8. 3). Wir fragen, auch nicht zwischen
Prämissen und Schlusssätzen, zwischen Urteilen oder Willens-
vorgängen und den sie bedingenden Vorstellungen? Die Bewusst-
seinsvorgänge als solche sollen nicht eindeutig bestimmt werden
können, nur mit Bezug auf die körperlichen Vorgänge soll das
möglich sein. Die Psychologie ist darum die Wissenschaft von
den Abhängigkeitsbeziehungen der Bewusstseinsvorgänge vom
körperlichen Individuum (S. 4). W'ir fragen, wie ein Konstatieren
dieser Abhängigkeitebeziehungen möglich sein soll, wenn nicht
zuerst die Bewusstseinsvoi^nge an sich fest und sicher erkannt
sind. Abgesehen davon ist die genannte Wissenschaft nicht
Psychologie überhaupt, die doch das Buch Külpes nach dem
Titel geben will, sondern physiologische Psychologie. In der That
1895. I^ie peychologißche Grundfrage. lOl
hat Külpe nur eine physiologische Psychologie gegeben,
und diesen Zweck als den beabsichtigten vorausgesetzt, ist sein
Buch wertvoll. Die allgemeinen Erörterungen verraten wie die
vorstehende eine nachlässige Denkhaltung, die unangenehm berührt
und das Verständnis erschwert Ziehens Buch ist eine mit
strenger Konsequenz diu'chgeführte Associationspsychologie,
die als solche den psychologischen Thatsachen nicht gerecht
werden kann, aber durch ihre Klarheit und Folgerichtigkeit, unter-
stützt voii einer vorzüglichen sprachlichen Darstellung, den Leser
fesselt und gewinnt Rehmke greift häufig über die Be>vusst-
seinsv^orgänge hinaus zu Annahmen, die in keiner Analogie zu
dem Gegebenen stehen und darum nach meiner Terminologie als
Postulat e bezeichnet werden müssen; aber diese Postulate sind
meiner Meinung nach, abgesehen von dem erörterten Fall des
Subjektsmoments, durch das Denken wirklich gefordert und setzen
danim die Bewusstseinsvorgänge in das rechte Licht Sein Buch
ist charakterisiert durch eine vielfach glückliche Vereinfachung
der Probleme; die sehr tiefgehenden und scharfsinnigen Unter-
suchungen werden in schlichter, gemeinverständlicher Sprache
vorgetragen. Mein Buch behandelt die dem Zwecke des Er-
kennens dienenden Bewusstseinsvorgänge als solche oder an und
für sich genommen, abgesehen von den ihnen entsprechenden
körperlichen Vorgängen und ohne in der Weise Rehmkes über
die Bewusstseinsvorgänge hinausgehende Annahmen im Sinne der
Postulate zu machen. Ich möchte es deshalb als einen Beitrag
zur introspektiven Psychologie bezeichnen, während Rehmkes
Buch eben wegen dieser Annahme als metaphysische Psycho-
logie charakterisiert werden müsste. Twardowski giebt eine
sehr eindringende Untersuchung über das Gegenstandsbewusstsein,
durch dessen Annahme meiner Ansicht nach einzig und allein
die psychologische Gnmdfrage beantwortet werden kann. Auch
seine Schrift bietet natürlich einen Beitrag zur introspektiven
Psychologie. Das Buch erinnert in Gcdankenfühnuig und
Sprache oft an die Analysis of thc phenomcna of human
mind von James Mi 11 und kann wie dieses als beste Einfühnmg
in die Psychologie überhaupt, als beste Einfühnmg in die schwierige
Frage nach der Beschaffenheit des Gegenstandsbewusst-
sein s bezeichnet werden.
Nachdem wir über die Vorfrage, was (nach der Meinung
MonatslifftP clor C'oiiiciiiiM-CtosollM'haft. 189.'». u
102 Uphues, Heft 3 u. 4.
des gewöhnlichen Bewusstseins) unter dem Ich und den Dingen
zu verstehen ist, uns verständigt haben, können wir nunmehr die
Beantwortung der psychologischen Grundfrage versuchen,
wie das Bewusstsein des Neugeborenen, das lediglich aus gleich-
zeitigen und aufeinanderfolgenden weder rückwärts auf ein Sub-
jekt noch vorwärts auf ein Objekt bezogenen Empfindungen und
etwa noch Gefühlen besteht, für das es also weder Subjekt noch
Objekt, weder ein Inneres noch ein Äusseres gibt, zum Bewusst-
sein des Ich und der Dinge gelangt. Nach Ziehen, der auch
das Urteil und den Schluss (S. 128 u. 129) in letzter Instanz
auf blosse Vorstellungsassociation zurückführt (dagegen Höfler
Psychische Arbeit 1894, S. 96), soll das seinen Grund lediglich
in einer Vorstellungsassociation haben. Ich leugne nichts dass das
ganze tierische Bewusstsein, auch die dem Urteil und Schluss
ähnlichen, analogen Vorgänge desselben, insbesondere das Unter-
scheiden und Wiedererkennen durch Associationen erklärt werden
können. Der Hund unterscheidet ein Stück Fleisch von einem
Stück Holz, d. h. mit der Empfindung (Geruchs- und Gesichts-
empfindung) von jenem ist ein Gefühl der Lust verbunden, dieses
löst die Bewegung des Zuschnappens aus, bei der Empfindung
von diesem fehlt das Gefühl und darum auch die ausgelöste Be-
wegung. Der Hund erkennt seinen Herrn wieder, d. h. die
Gesichtsempfindungen erwecken ein Lustgefühl, dieses löst das
freudige Bellen aus, Lustgefühl und Bellen sind bei den Gesichts-
empfindungen von Fremden nicht vorhanden. Es versteht sich,
dass die Empfindungen hier ebensowenig nach vorwärts auf
Objekte, als nach rückwärts auf ein Subjekt bezogen zu sein
brauchen, um diese Erscheinungen zu erklären, es genügt, dass
mit ihnen Gefühle und Bewegungen des Körpers und der Stimm-
werkzeuge verbunden sind. Ist diese Erklärung ausreichend, dann
beruhen die Voigänge des Unterscheidens und Wiedererkennens
beim Tiere und ebenso die Analoga des Urteils und Schlusses
bei ihm lediglich auf Association. Ich halte sie für ausreichend,
behaupte aber, dass eben darum in allen diesen Vorgängen und
im tierischen Bewusstsein überhaupt das Bewusstsein des Subjekts
und Objekts durchaus fehlt, wenigstens haben wir gar kein Rechte
sein Vorhandensein anzimehmen, so lange wir diese Vorgänge auf
Grund blosser Associationen erklären können. Es springt indes
in die Augen, dass das Unterscheiden und Wiedererkennen, das
1895. I^ie peychologische Grundfrage. 103
Urteilen und Schliessen beim Menschen etwas ganz anderes ist,
als diese mit den gleichen Namen benannten Vorgänge des tieri-
schen Bewusstseins. In jenen Vorgängen beim Menschen
spielt immer das Bewusstsein von Objekten, häufig auch das Be-
wusstsein des Subjekts eine Rolle. Ich behaupte nun, dass dies
Bewusstsein nur durch das Gegenstandsbewusstsein in seinen
beiden Formen als ßeflexion und Erinnerung oder Wissen
um die gegenwärtigen und vergangenen Bewusstseins-
vorgänge und als Wahrnehmung oder Wissen um etwas,
das nicht Bewusstseinsvorgang ist, zu stände kommen kann.
Ziehen hingegen will, dass das alles, Reflexion und Erinnerung,
ebenso Wahrnehmung, in diesem Sinne nicht besondere auf
etwas von ihnen Verschiedenes oder auf Gregenstände be-
zogene Vorgänge sind, sondern lediglich in Vorstellungsassocia-
tionen bestehen, deren eines Glied freilich sprachlich, aber ent-
schieden irreleitend als besonderer Vorgang bezeichnet wird. (Vergl.
Zeitschrift für Philosophie und Pädagogik 1894 Heft 4, Ziehens
Recension über Uphues Psychologie des Erkennens, S. 322 — 323.)
,Jst die Empfindung bereits verschwunden, so ist die Reflexion
identisch mit der Erinnerung, sie besteht in der Fortdauer des
sogenannten Erinnerungsbildes der Empfindung." Wie oft ist
diese handgreiflich falsche Darstellung des Erinnerungsvorganges
seit Herbart von seinen Anhängern und andern schon wieder-
holt worden! Die Empfindungen, gewöhnlich Vorstellungen ge-
nannt, sollen auch nach ihrem Verschwinden fortdauern, sie sinken
unter die Bewusstseinsschwelle, werden unbewusst und bleiben trotz-
dem Eknpfindungen oder Vorstellungen, bleiben dieselben; sie steigen
dann wieder über die Bewusstseinsschwelle empor, werden wieder
bewusst als dieselben Empfindungen oder besser Vorstellungen.
Ich sehe ab von dem augenscheinlichen Widerspruche der An-
nahme eines Unbewusstwerdens von Empfindungen und Vorstel-
limgen, die ihrem ganzen Wesen nach Bewusstseinsvorgänge sind
und aufhören zu existieren, wenn sie unbewusst werden, von der
unbewiesenen ja bei der Variabilität unserer Vorstellungen der
Erfahnmg widersprechenden Annahme, dass die in uns wieder
auftauchenden den früheren ähnlichen Vorstellungen mit diesen
früheren identisch sind, muss aber fragen, was nützt diese Iden-
tität der gegenwärtigen Vorstelhmg mit der früheren, die Ziehen
hier als Fortdauer bezeichnet, für das Zustandekommen des Er-
8*
104 Uphues, Heft 3 u. 4.
inneningsvorgangs? Erinnern kann ich mich der früheren Vor-
stellung doch nur, insofern ich sie mir in der jetzigen vergegen-
wärtige, zum Bewusstsein bringe, d. h. insofern sie Gegenstand
der jetzigen ist, also niu* durch das Gegenstandsbewusstsein. ,Jst
die Empfindung noch gegenwärtig, so besteht die Reflexion in
der Anknüpfung bestimmter Vorstellungen an die Empfindung;
wenn ich z. B. ein Blatt Papier sehe, so knüpft sich gelegentlich
daran die Vorstellung meines Ich, d. h. einer sehr komplexen,
allmählich entstandenen Vorstellung*^ (vorher: „Die Thatsache, dass
die successiven Vorstellungen eines Individuums unter einander
in durchgängiger associativen Verknüpfung stehen, genügt zur
Abgrenzung eines individuellen Selbstbewusstseins*^ „zugleich mit
gewissen Vorstellungen eines ausser mir gelegenen Gegenstandes,
des Papiers*^ Es ist wahr, dass wir oft in den Anblick des Gegen-
standes so vertieft sind, dass die sinnliche Vorstellung des leib-
lichen Ich und noch mehr die Wort- und Sachvorstellung des
geistigen Ich so zu sagen nur gelegentlich auftaucht. Aber das
setzt eben doch voraus, dass wir sie längst gewonnen haben.
Wird nun auch das Ich konstituiert durch die Thatsache, dass
die successiven Vorstellungen eines Individuums in durchgängiger
associativer Verknüpfung unter einander stehen, so ist doch damit
noch keineswegs die Entstehung der Vorstellung des Ich er-
klärt, um die allein es sich handelt, abgesehen davon, dass die
blosse associative Verknüpfung der Vorstellungen oder die Eigen-
tümlichkeit derselben, dass wenn eine von ihnen in einer neuen
ähnlichen Vorstellung wieder auflebt^ auch die mit ihr gleichzeitigen
oder ihr folgenden in neuen Vorstellimgen wiederauftreten, noch
keineswegs zur Konstituierung des Ich ausreicht „Dadurch, dass
wir gelegentlich in einem der zusammengehörenden Bewusstaeins-
vorgänge die Zusammengehörigkeit der übrigen mit ihm erkennen,
scliaffen wir das individuelle Bewusstsein nicht erst" (d. h. wir
schaffen dadurch das Ich nicht, wie schon oben gesagt wurde),
„sondern registrieren damit nur seine Existenz" (d. h. gewinnen
die Vorstellung vom Ich). Hier gibt Ziehen alles zu, was wir
nnr wünschen können, sogar auch das Bewusstsein der Zusammen-
gehörigkeit der Bewusstseinsvorgänge nicht bloss miter einander,
sondern auch mit diesem Bewusstsein, wie es immer in der Er-
innerung, häufig in der Reflexion vorhanden ist. Zweifelhaft bleibt
noch, ob er das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit als etwas
1895. I^i«^ peychologiöche Grundfrage. 105
von den übrigen Bewusstseinsvorgängen, die seinen Gegenstand
bilden^ Verschiedenes betrachtet, insbesondere, ob er zwischen
jenem Bewusstsein und den Bewusstseinsvorgängen das eigenartige,
mit keinem andern vergleichbare Verhältnis annimmt, das wir als
Bewusstsein von einem Gegenstand bezeichnen. Das letztere ist
sicherlich nicht der Fall, da er das Bewusstsein der Zusammen-
gehörigkeit und das durch dasselbe vermittelte Erkennen als ein
blosses Registrieren charakterisiert, worunter er einen lediglich
sprachlichen Vorgang versteht Wie das nach Ziehen zu denken
ist, mag uns das Beispiel der Vergleichung zeigen: sie kommt
dadurch zu stände, dass die mühsam erworbene Vorstellung Grosser
in einem Rindenbezirk deponiert ist und von zwei intensiv oder
extensiv verschiedenen Empfindungen jedesmal durch die grössere
geweckt wird, so dass wir sagen: diese Empfindung ist grösser
(Leitfaden S. 87). In dieser Weise kann dann auch nach Külpe
„die psychologische Deutung des Weberschen Gesetzes vertreten"
und dieses als Associationsgesetz bezeichnet werden (Grundriss
S. 172). Die Schwierigkeit ist gewiss nicht allzugross, einen
Papagei abzurichten, dass er bei Vorzeigung zuerst eines kleineren
dann eines grösseren Stücks Zucker oder umgekehrt grösser oder
kleiner ruft. Der so dressierte Papagei hätte dann nach Ziehen
und Külpe den Vergleichungsvorgang, wie wir ihn für die Kon-
statierung der ebenmerklichen Intensitätsunterschiede der Empfin-
dungen in Übereinstimmung mit dem W^eberschen Gesetze nötig
haben, >virklich vollzogen. Gesetzt den Fall, dass sich im ent-
wickelten Bewusstsein des Menschen der Vorgang der Vergleichung
oft in dieser mechanischen Weise abspielt, was ich nicht bestreite,
so kommt für die Psychologie doch alles darauf an, wie die
Voretellungen Grösser Kleiner Gleich Verschieden ursprünglich
gewonnen wurden. Es ist klar, dass das nur durch einen Ver-
gleichungsvorgang geschehen konnte, der in keiner Weise durch
die Associationstheorien erklärt werden kann. Wie viel tiefer
haben doch die Alten diesen Vorgang aufgefasst. Aristoteles (d.
an. 426 b 23), Plotin (Enneaden IV 7 bei Kirchhoff Enneade II)
betonen, jener, dass zum Zustandekommen der Erkenntnis der Ver-
schiedenheit zweier Dinge die Vorstellungen beider (ohne inein-
anderzufliessen) zugleich in der Seele sein müssen, dieser, dass zu
diesem Zweck ein einheitliches Beurteilendes vorhanden sein müsse ;
Aristoteles, die Schwierigkeiten dieser notwendigen Annahme ins
106 Uphues, Heft 3 ii. 4.
Auge fassend, setzt damit das Webersche Gesetz und seine Lehre
von den Empfindungskreisen ins rechte Licht und gibt der Lehre
von der Enge des Bewusstseins (insbesondere derjenigen von
Theodor Waitz) die durch die Sache geforderte Begrenzung. In-
sofern das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit sich sozusagen
in der Ichvorstelhmg verdichtet, verbindet es sich oft genug als
Wortvorstellung Ich mit den Bewusstseinsvorgängen auf Grund
einer blossen Association oder wird durch diese geweckt Das
soll in keiner Weise geleugnet werden, auch nicht, wenn man
diese Association als Regel für das entwickelte menschliche Be-
wusstsein hinstellt. Aber damit ist doch noch gar nicht erklärt,
wie das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit oder das Ichbe-
wusstsein lu^priinglich entsteht. Und hierauf kommt es in erster
Linie für die Psychologie an. Das Bewusstsein nun der Zusammen-
gehörigkeit der früheren Bewusstseinsvorgänge, die vergangen, ver-
schwimden sind, mit den jetzigen, wie es der Erinnerung eigen-
tümlich ist, kann offenbar nur dadurch zustande kommen, dass
wir uns in diesem Bewusstsein, das ein jetziger, jetzt vorhandener
Bewusstseinsvorgang ist, die früheren jetzt nicht mehr vorhandenen
vergegenwärtigen, dass dies Bewusstsein mit andern Worten ein
Gegenstandsbewusstsein in unserm Sinne ist. Sollen selbst die
Inhalte dieses Bewusstseins, die natürlich auch jetzt vorhanden
sind, uns selbst unbewusst die früheren Bewusstseinsvorgänge ver-
treten, so müssen sie doch den Gedanken dessen, was sie selbst
nicht sind, eben der früheren jetzt nicht mehr vorhandenen Be-
wusstseinsvorgänge uns vermitteln, d. h. das Bewusstsein, zu dem
diese Inhalte gehören, muss un6 die früheren Bewusstseinsvor-
gänge vergegenwärtigen oder Gegenstandsbewusstsein sein. Richtig
ist, was Ziehen bemerkt (Recension S. 322), dass wir von der
Vorstellung keine Vorstellung haben können in dem Sinne, dass
wir der gegenwärtigen Vorstellung keine zweite gegenüberstellen
können. Versuchen >vir das, so ist natürlich die erstere ver-
schwimden. Wohl aber können wir die eben verschwundene oder
gestrige, allgemein die frühere Vorstellung in einer gegenwärtigen
wiederholen, erneuern und sogar auch die neue mit der alten ver-
gleichen, was aber nur dadurch möglich ist, dass wir uns in der
neuen die alte, in der jetzigen die frühere vergegenwärtigen. Im
Bewusstsein haben wir in diesem Falle immer nur die neue, jetzige,
also nur Eine Vorstellung, die aber über sich hinaus weist oder
1895. I^Je psychologische Grundfi-age. 107
im Vorgang der Vergegenwärtigung zum Ausdruck oder Bild der
alten oder fi-üheren für uns wird. Seine ganze Bewusstseinstheorie
fasst der Associationspsychologe Ziehen in den Satz zusammen:
„Wir haben Bewusstseinsvorgänge und unsere Sprache registriert
sie; mehr ist uns empirisch nicht gegeben" (Recension S. 324).
Wie stehts mit seiner Wahrnehmungstheorie? yj)ass die Mehr-
zahl der Gebildeten heute bei ihren Empfindungen sehr oft die
Spaltung in den empfundenen Gegenstand und in das empfindende
Subjekt vollzieht bezw. hinzudenkt, ist eine sehr verbreitete Denk-
gewöhnung ein idolum theatri, gehört aber nicht zum psycho-
logischen Thatbestand der Wahrnehmung selbst Bei dem naiven
Menschen und oft genug auch bei den Gebildeten — wenn die
sogenannte Reflexion gegenüber dem Handeln zurücktritt — bleibt
die Wahrnehmung ohne diese metaphysische Zuthat." Vorher
wird das nach meiner Ansicht mit der Wahrnehmung verbundene
Bewusstsein um ein TranscendenteSi d. h. um etwas , das nicht
Bewusstseinsvorgang ist, „bei dem es den Metaphysikem über-
lassen bleibt, ob ein solches Transcendentes wirklich neben der
Wahrnehmung existiert'S als „psychologischer Thatbestand'^ be-
zeichnet (Recension S. 323). Das ist seine Wahmehmungstheorie.
Sollte Ziehen wirklich leugnen wollen, dass alle Menschen, Ge-
bildete und Ungebildete, etwas, das nicht Bewusstseinsvorgang ist,
was immer es sonst sein mag, wahrzunehmen glauben und ihre
ganze Erkenntnis des Transcendenten in diesem Sinne auf Wahr-
nehmungen zurückführen? Jedenfalls ist nach ihm das Bewusst-
sein des Transcendenten „eine Zuthat" zu manchen Wahrnehmungen,
die ihren Grund in „einer Denkgewöhnung'' hat und darum nach
seinem Princip durch eine Association zu erklären ist Die Frage,
wie das Bewusstsein des Transcendenten entsteht, bleibt leider
wieder völlig unbeantwortet, gerade so wie vorher die Frage nach
der Entstehung des Bewusstseins des Ich. Es ist nicht zu leugnen,
dass die grösste Zahl der als Wahrnehmungen bezeichneten Vor-
gange des ursprünglichen und des entwickelten Bewusstseins sich
ims als Associationen darstellen. Mit den Gesichtsempfindungen
sind Tastvorstellungen associiert, mit den Empfindungen der
übrigen Sinne Gesichtsvorstellungen, diese Associationen nehmen
sicher schon in der frühesten Zeit der Entwicklung des Bewusst-
seins ihren Anfang. Diese von den Empfindungen geweckten und
mit ihnen verbimdenen Tast- und Gesichtsvorstellungen kann man
108 Uphiie«, Heft 3 u. 4.
als ihre ursprünglichen Gegenstände beti*achten. Die Tastvor-
stellungen von der Mutterbrust, von der Flasche sind es, woran
die betreffenden mit ihnen associierten Geruchs-, Geschmacks-
und Gesichtsempfindungen erinnern. Bald erlangt der Gesichts-
sinn den Vorrang vor dem Tastsinn, Gesichtsvorstellungen spielen
die erste Rolle im Bewusstsein, Tast-, Geruchs-, Geschmacks-,
Gehörsempfindungen erinnern an sie und haben in ihnen ihre
Gegenstände. Schliesslich verbinden sich mit diesen Gesichts-
vorstellungen die Wortvorstellungen, welche so zu sagen den
Niederschlag eines durch viele Empfindungen gebildeten Wissens
enthalten. Gesichts- und Wortvorsteil uugen, mit denen- die
Empfindungen, die Gesichteempfindungen und die Empfindungen
der andern Sinne, associiert sind, an die sie uns erinnern, bilden
anscheinend nunmehr die einzigen Gegenstände dieser Empfin-
dungen. Wir sehen ein Haus heisst anscheinend nichts anderes
als: wir haben eine Gesichtsempfindung und die mit ihr nach dem
Associationsgesetz der Ähnlichkeit verbundene Gesichtevorstellung
Haus und die* mit dieser nach dem Associationsgesetz der Be-
rührung (des früheren häufigen Zusanunenauftretens) verbundene
Wortvorstellung Haus. So in allen ähnlichen Fällen, wo es sich
um eine Wahrnehmung sogenannter äusserer Dinge handelt Was
versteht nun aber das gewöhnliche Bewusstsein aller Leute, ge-
bildeter mid ungebildeter, auch der ersteren, sofern sie nicht
Idealisten sind, unter einem Haus, allgemein unter äusseren Dingen?
Sicher etwas, das nicht Bewusstseins Vorgang, insbesondei'c nicht
Vorstellung ist So ist mit den Wahmehmmigen, insbesondere
mit den Gesichts- und Wortvorstellungen und ebenso mit den
Tastvorstellungen, die anscheinend ihre einzigen Gegenstände bilden,
das Bewusstsein dessen, was nicht Bewusstseins voi^ang ist, also
des Transcendenten gegeben, wenn man will, in associativer Weise
verknüpft Aber wie sollen wir uns diese Association erklären,
wo die Quelle, den Ursprung dieses Bewusstseins suchen? Sollen
wir zu diesem Zweck auf die Gesichts- und Tastempfindungen
zurückgehen — die Wortvorstellungen enthalten ja nur den Nieder-
schlag der Empfindungen, zunächst dieser und dann der übrigen
— wie wir der Regel nach zur Erklärung der Associationen auf
die Empfindungen zurückgreifen ? Sollen wir den Ursprung dieses
Bewusstseins in einem späteren Denkvoi^nge suchen, durch den
wir den Empfindungen und Vorstellungen etwas, das nicht Be-
1895. Die ppychologiöche Grundfrage. 109
wusstsein ist, vielleicht als ihre Ursache gegenüberstellen? Aber
das Ursachbewusstsein spielt in der Wahrnehmung gar keine
Rolle, und die Frage bleibt, was soll uns zu dieser Gegenüber-
stellung veranlassen, wenn nicht die Empfindungen und Vor-
stellimgen selbst? Abgesehen davon haben wir von dem, was
nicht Bewusstsein ist und ebenso von einer Ursache doch zunächst
niu: eine Vorstellung, wenn nicht diese Vorstellung über sich
selbst hinaus auf das hinweisen soll, was sie selbst nicht ist, was
dann ebenso gut schon von den Gesichts- und Tastempfindungen
angenommen werden kann. Die Schwierigkeit wenigstens ist dort
wie hier völlig die gleiche. Es wird deshalb am geratensten sein,
jedenfalls ist es einwandsfrei, wenn wir annehmen, dass das Be-
wusstsein von dem Transcendenten in den Gesichts- und Tast-
empfindungen (oder in den Tastempfindungen und dann durch
Association dieser mit den Gesichtsempfindungen auch in den
Gesichtsempfindungen) zu stände kommt, obgleich wir diesen
Empfindungen das nicht ansehen können. Vielleicht müssen wir
unsere Annahme' noch mehr einschränken und als letzte Quelle
dieses Bewusstseins diejenigen Druckempfindungen (Tastempfin-
dungen und Druckempfindungen sind qualitativ nicht verschieden)
bezeichnen, welche uns ein Bewusstsein der Ausdehnung vermitteln,
wodurch viele Hautempfindungen und alle Gelenkempfindungen,
die ebenfalls Druckempfindungen sind, ausgeschlossen werden.
Was Ziehen (Recension S. 323—324, 325) über Haut-, Gelenk-,
dann über Geruchs- und Temperaturempfindungen bei mir gelesen
haben will, dass ich denselben Hautempfindungen das Gegen-
standsbewusstsein ab- und zuspreche, aus den Gelenkempfindungen
mit Hülfe der Gesichtsvorstellungen Lageempfindungen entstehen
lasse, die mechanischen Korrelate der Geruchs- und Temperatur-
empfindungen als analoge Dinge behandle, findet sich in meinem
Buch mit keiner Silbe angedeutet Daran halte ich fest, dass die
Gelenkempfindungen, trotzdem sie ein konsequent durchgeführtes
System von Zeichen für die Bewegungen und Lagen unserer
Glieder bilden, doch keine Vorstellung von der Bewegung ver-
mitteln; diese können wir nur durch Druckempfindungen, die
auch das Bewusstsein der Ausdehnung mit sich führen, erhalten
oder durch Gesichtsempfindungen. Auch daran, dass das Aus-
gebreitetsein der Temperaturen, Gerüche, Töne in einem Baume
(von den mechanischen Korrelaten ist hier keine Rede) nur die
110 Uphues, Heft 3 u. 4.
Bedeutung haben kann, dass ich an allen Stellen dieses Raumes
die betreffenden Empfindungen habe. Unter der Undurchdring-
lichkeit (Recension S. 324) verstehe ich nichts anders als die
durch den Drucksinn wahrgenommene Ausdehnung^ in der die
Eigenörtlichkeit der Dinge ihren Grund hat und das Wesen der
Dinge besteht
Külpe hat die zuletzt erörterte schwierige Frage, wie das
Bewusstsein des Transcendenten entsteht, in seinem Grundriss
der Psychologie gar nicht erörtert, kaum berührt. Granz nebenbei
spricht er einmal (S. 23) davon, „dass ausser den fünf Sinnen
noch eine Reihe anderer körperlicher Organe Empfindungen ver-
mitteln, die zur Erkenntnis der Aussenwelt nichts beitragen."
An einer andern Stelle (S. 91) erwähnt er wiederum bloss bei-
läufig: „Ob eine Empfindung als Zeichen oder Erkenntnisgrund
für äussere Reize dient, das kann auch von ihrer Intensität,
Dauer u. s. w. abhängen.*^ In der Abhandlung „Das Ich und
die Aussenwelt'^ (Wundts philosophische Studien VII, 3) stellt
er einen Anhang in Aussicht, der „den experimentellen Beweis"
dafür bringen soll, dass die Erlebnisse, welche der sinnlichen
Wahrnehmung angehören, nur unter der Herrschaft gewisser er-
fahrungsmässiger Kriterien für subjektiv oder objektiv gehalten
werden." (S. 399.) Der Anhang ist meines Wissens nicht erschienen.
Der Anhang würde auch, wie sofort einleuchtet, für die Ent-
scheidung unserer Frage ebenso irrelevant sein, wie es thatsächlich
die ganze Abhandlung ist Das ist alles, was man hierher rechnen
könnte. In der Abhandlung (S. 394) wird unterschieden zwischen
Erlebnissen, die wir haben, und imserm Wissen um solche Er-
lebnisse, daa als Reflexion bezeichnet wird. Sogar Absichten
sollen wir haben können, ohne um sie zu wissen. Das ist nun
freilich zu weit gegangen. Absichten und ebenso Erinnerungen
können wir nicht haben, ohne um sie zu wissen. Sonst ist die
Unterscheidung richtig und bedeutsam. Für die Empfindungen
vor allem gilt, dass wir sie haben können, ohne darum zu wissen.
Im Grundriss wird sofort von der innem Wahrnehmung gesprochen
(S. 3) und dann ohne alle 'nähere Erklärung die innere Wahr-
nehmung des Psychologen der äussern Wahrnehmung des Physikers
(S. 10) gegenübergestellt. Die iimere Wahrnehmung wird auf
derselben Seite (8. 10) zuerst von der Aufmerksamkeit unter-
schieden und dann mit dem aufmerksamen Erleben identifiziert.
1895. I^ie psychologische Grundfrage. Hl
Auf derselben Seite (S. 10) wird die Selbstbeobachtung zuerst
verworfen und dann empfohlen. Natürlich können wir Empfin-
dungen nicht unterscheiden, wenn wir nicht zuerst verschiedene
Empfindungen haben, ja es leuchtet ein, dass die verschiedenen
Empfindungen zugleich in demselben Augenblick im Bewusstsein
sein müssen, wenn der Unterscheidungsvorgang stattfinden soll.
Nach Külpe (S. 33) „bezeichnet der Name Unterschiedsempfind-
lichkeit nicht eine unterscheidende Thätigkeit, die neben den ver-
schiedenen Inhalten als besonderer Bewusstseinsvorgang bestände,
sondern nur die allgemeine Thatsache, dass wir Verschiedenes
erleben und als solches konstatieren, also die innere Wahrnehmung
verschiedener Inhalte und die Aussage darüber." Hier wird die
innere Wahrnehmung mit dem Erleben identifiziert; vorher (S. 10
oben) wurde sie von dem Erleben unterschieden; denn die von
ihr verschiedene Aufmerksamkeit sollte nicht ihr, sondern den
Erlebnissen zu teil werden.*' Interessant ist> dass man das Ver-
schiedene als verschieden konstatieren kann, ohne zu unterscheiden.
Ferner: „Wir beurteilen zwei Bewusstseins vorgange daraufhin, ob
sie gleich oder verschieden sind, wir stellen sie damit (!) gewisser-
massen (!) unter die allgemeinsten Denkgesetze der formalen Logik,
das Gesetz der Identität und des Widerspruchs." (S. 33.) Diese
Proben mögen genügen. Külpe stellt die physiologisch-psycho-
logischen Details mit vorzüglicher Klarheit und Sorgfalt dar, für
die Schwierigkeit der Behandlung allgemeiner Fragen scheint ihm
das Verständnis zu fehlen. Er thut sie mit einer Leichtigkeit
ab, die wahrhaft beispiellos ist Sein Buch ist ein klassischer
Beweis dafür, wie wenig auch die gründlichste Schulung in der
physiologischen Psychologie für eine zweckentsprechende Behand-
lung dieser Fragen nützt.
Von den haltlosen Ausführungen Külpe s wenden wir uns
zu den wohldurchdachten Untersuchungen Rehmkes. Das ist
einmal wieder wirklich philosophische Arbeit, d. h. Gedankenarbeit
auf psychologischem Gebiete. Seine Grundanschauung ist wie
die seines Lehrers Biedermann, des gedankenmächtigsten unter
den modernen Theologen der Bewusstseinsmonismus : das Alles
seiende Bewusstsein ist die einzige Wirklichkeit. Die einzelnen
Seelen, in ddn Besonderheiten der ihr Bewusstsein bildenden
Bewusstseins Vorgänge bestehend, und die äusseren Dinge stehen
zu dem iVlles seienden Bewusstsein in dem Verhältnis des Be-
112 Uphuee, Heft 3 u. 4.
sonderen zum Allgemeinen in der Weise, dass das Allgemeine
in allem Besonderen als das Identische vorhanden^ nicht etwa
bloss als das Gleiche wiederkehrt oder sich wiederholt Das
Alles seiende Bewiisstsein ist das Bealprincip, diese Auffassung
des Verhältnisses des Allgemeinen zum Besonderen das Formal-
princip der Philosophie Rehmkes. Die äusseren Dinge sind (ebenso
wie die Seelen) in ihrer Existenz dadurch bedingt, dass sie Be-
sonderheiten des allgemeinen Bewusstseins bilden, die äusseren
Dinge sind insofern unabhängig von den Seelen oder Einzel-
bewusstseinen. In der Wahrnehmung und Vorstellung, die wir
von ihnen haben, werden sie auch zu Besonderheiten der Einzel-
bewusstseine und hören natürlich nach der Wahrnehmung und
Vorstellung wieder auf dies zu sein. Auch hiefür gilt also das
Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen. Nach meiner
Meinung steht die Auffassung des Allgemeinen als des in dem
Besonderen Identischen nicht in Übereinstimmung mit den That-
Sachen der Erfahrung: wir lernen das Allgemeine nur als das in
dem Besondem sich wiederholende Gleiche kennen. Noch weniger
kann das Verhältnis der Walirnehmung oder Vorstellung zu den
Dingen nach dem des Allgemeinen zum Besonderen erklärt werden;
es ist ein eigenartiges Verhältnis, für das jede Analogie im Be-
wusstseinsleben fehlt, das wir als Gegenstandsbewusstsein be-
zeichnen. Natürlich müssen wir auch das Alles seiende Bewusst-
sein ablehnen. Die Seele ist nach Rehmke sich selbst nur in
ihren früheren und zukünftigen Bestimmtheiten Gegenstand, nicht
als gegenwärtiges Bewusstsein (S. 144). Ein Bewusstsein der Zu-
sammengehörigkeit der gegenwärtigen Bewusstseinsvorgänge und
der vergangenen, wie es mit der Erinnerung immer und notwendig,
der gegenwärtigen Bewusstseinsvorgänge unter einander, wie es
mit der Reflexion häufig verbunden ist, überhaupt eine Reflexion
und weiterhin ein wirkliches, nicht bloss in Wortvorstellungen
bestehendes Ichbewusstsein, das nur auf Grund des Bewusstseins
der Zusammengehörigkeit entsteht, wäre hiemach gar nicht möglich.
Trotzdem sollen nach Rehmke auch die gegenwärtigen Bewusst-
seinsvorgänge bewusst sein (S. 153), d. h. „Besitz eines bestimmten
Bewusstseins oder wie man gewöhnlich sagt, Bewusstseinsinhalt"
sein (S. 60), sie sollen „gedacht*^ werden können (S. 492). Was
beisst das anders, als dass sie Gegenstand der Seele sind? Ich
gedenke an anderer Stelle ausführlich über die metaphysischen
1895. Die pAychologiftche Grundfrage. 113
Untersuchungen Rehmkes zu sprechen und ihnen dort gerecht zu
werden, was in einer Abhandlung über die psychologische Grund-
frage nicht möglich ist
Bei Twardowski können wir natürlich keine Erörterung
über diese Grundfrage, weder über die Entstehung der VorstelUing
des Ich, noch über die Entstehimg der Vorstellungen von Dingen
erwarten. Wer aber mit mir die Lösung dieser Frage im Gegen-
standsbewusstsein findet, wird nicht umhin können, Twardowskis
Untersuchungen auch in dieser Hinsicht grosse Bedeutung zu-
zuschreiben. Natürlich wird auch der Gegenstand, wenn wir ihn
denken zum Inhalt, er muss zum Inhalt werden, wenn wir ihn
denken sollen. Insofern führt die Gegenüberstellung von Inhalt
und Gegenstand und die Unterscheidung beider nicht weiter. Und
doch giebt es Gegenstände unseres Denkens, die ihrem Begriff
oder ihrer Natiu* nach gar nicht Inhalte sein können: das Nichts,
das weder innerhalb, noch ausserhalb des Bewusstseins existiert,
und das Transcendente oder was nicht Bewusstsein ist, das in
keiner Weise innerhalb des Bewusstseins weder als Vorgang noch
als Inhalt existieren kann, sondern wenn überhaupt, dann not-
wendig ausserhalb des Bewusstseins existieren muss. Ich behaupte
darum im Gegensatz zu Twardowski (S. 21 — 23; S. 35), dass
auch das Nichts ein Gegenstand ist und leugne ebenfalls im
G^ensatz zu ihm (S. 35 — 36), dass sich „die Bedeutung des
Wortes Gegenstand mit jener des Wortes Erscheinung oder Phä-
nomen deckt" oder dass „der Gegenstand der Vorstellungen,
Urteile, Gefühle sowie Wollungen etwas vom Ding an sich Ver-
schiedenes" sein müsse. Um das Bewusstsein des Nichts und
des Transcendenten zu erklären, müssen wir annehmen, dass in
einem Bewusstseinsvorgang oder Bewusstseinsinhalt etwas ver-
gegenwärtigt wird, das weder das eine noch das andere ist, und
zwar unmittelbar vergegenwärtigt wird. Der vermittelnde Gedanke,
Gegenstand oder Nicht-Bewusstsein, der dem Vorgang oder Inhalt
im Bewusstsein gegenübergestellt wird, ist natürlich wiederum
Inhalt des Bewusstseins und nützt zu diesem Zweck nichts. Auch
bezüglich der Erinnerung und Reflexion gilt ganz das Gleiche:
es nützt nichts, wenn wir neben diesen Vorgängen noch eine
Gegenstand genannte Vorstellung annehmen, wenn nicht etwa
diese Vorstellung über sich selbst hinaus auf das, woran wir uns
erinnern oder worüber wir reflektieren, hinweist, also etwas ver-
114 Uphues, Die psychologische Grundfrage. Heft 3 iL 4.
gegenwärtigt) was nicht sie selbst ist Das kann dann aber auch
schon von dem Erinnerungs- und Reflexionsvorgang selbst ohne
diese Vorstellung angenommen werden. Bezüglich der Reflexion
besteht nur der Unterschied, dass zugleich mit ihr das, worüber
reflektiert wird, im Bewusstsein gegenwärtig ist, während das,
woran wir uns erinnern, der Vergangenheit angehört, das Trans-
cendente nur ausser dem Bewusstsein, das Nichts weder in noch
ausser dem Bewusstsein sein kann« In dem Bewusstsein heisst
bei uns nur: Vorgang oder Inhalt des Bewusstseins sein; ausser
dem Bewusstsein sein heisst: weder Vorgang noch Inhalt des
Bewusstseins sein. Diese Ausdrücke haben also keinen räum-
lichen Sinn.
Ein Rückblick auf die Paracelsus-Jahrhundertfeier/)
Von
K. SudhofiT.
Man spottet vielfach über die Sucht unserer Zeit, Gedenktage
festlich zu begehen. Das mag bei mancher Gedenkfeier vielleicht
begründet sein; an Hohenheim aber hatte die deutsche Gelehrtenwelt
so manches Unrecht wieder gut zu machen, welches vergangene Jahr-
hunderte diesem Gewaltigen angethan haben. Darum ist die Ein-
mütigkeit freudig zu begrüssen, mit der man allenthalben bei der
vierhundertjährigen Wiederkehr des Tages seiner Geburt der Grösse
des Mannes nach Kräften gerecht zu werden suchte, und wenn wir
an dieser Stelle seiner gedenken, so geschieht dies, weil er einer der
bedeutendsten Vorläufer der Naturphilosophen des 17. Jahrhunderts
gewesen ist.
Der Geburtstag Hohenheims steht nicht zweifellos fest. Über-
liefert werden der 10. November und der 17. Dezember 1493 neben
manchen sicher falschen Zeitangaben, wie dies in einer Studie des
Berichterstatters in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 10. No-
vember 1893 dargelegt ist, in welcher gleichzeitig zusammengefasst
wird, was sich über die ersten Jugendjahre des Gefeierten Verläss-
liches sagen lässt^)
Zur Feier selbst ist zunächst zu erwähnen, dass die beiden an
Hohenheims Geburtsorte erscheinenden Kalender, der „Einsiedler
Kalender" und der „Neue Einsiedler Kalender" für das Jahr 1893
in kurzen Mitteilungen über den grossen Vaterlandsgenossen (mit
Abbildungen seines angeblichen Geburtshauses und seiner Gesichts-
züge) das Erinnerungsjahr eingeleitet haben und dass am Geburts-
tage selbst dort eine Öffentliche Feier veranstaltet wurde, bei welcher
Sekundarlehrer Eduard Kälin die Festrede hielt. Diese Rede ist
im Einsiedler Anzeiger (Jänner und Februar 1894) veröffentlicht
worden. Ein anderer bei der gleichen Gelegenheit gehaltener Vortrag
des Bezirksammann Dr. Lienhardt über die Bedeutung des Para-
■ — ^ .
*) Durch viermonatliche schwere ICrankheit des Berichterstatters wurde
diese Arbeit über Gebühr verzögert; sie sollte zum 17. Dez. 1894 erscheinen.
*) Ohne Quellenangabe etwas gekürzt im „Boten der ürschweiz",
Schwyz, 29. November 1893, wieder abgedruckt.
116 Sudhoff, Heft 3 u. 4.
celsiis für die Geschichte der Arziieikunde ist meines Wissens nicht
im Druck erschienen. ^) Allenthalben in der deutschen Schweiz wurde
Theophrastus in den Zeitungen gefeiert. 2) In Winterthur wurde der
17. Dezember feierlich begangen durch einen Festvortrag des Herrn
Prof. Dr. E. Bosshard im Hörsaale des dortigen Chemiegebäudes.
(Vgl. die „Züricher Post" vom 19. Dezember 1893.) Der gehaltvolle
Vortrag ist in der „Sonntagspost, Wochenbeigabe des Landboten"
abgedruckt „zum Gedächtnis des Theophrastus Paracelsus" und giebt
ein treffendes Bild von der Bedeutung des Mannes. St. Gallen, wo
Paracelsus 1531 geweilt hat, bot zwar keine öffentliche Feier, aber
das „Tagblatt der Stadt St. Gallen" veröffentlichte neben der eben
genannten kurzen Mitteilung in dem Feuilleton seiner Nummern vom
18. bis 22. Dezember 1893 eine längere Abhandlung aus der Feder
Gottfried Kesslers über die St. Galler Episode im Leben des
grossen Arztes, welche sich jedoch im wesentlichen auf eine Abschrift
der betreffenden Abschnitte in Schubert und Sudhoffs Paracelsus-
Forschungen beschränkt, ohne die Quelle zu nennen; beigefügt ist
nur die Sage vom Stadtpfeifer Stücheler nach Kohlrusch's Schweize-
rischem Sagenbuch.
Hervorragend gefeiert wurde das Andenken des Weisen von
Einsiedeln in der Stadt der Schweiz, wo er zugleich die grössten
Ehren und die heftigsten Anfechtungen erlebt hat, in Basel. Im
dortigen Stadttheater wurde das von Nationalrat Theodor Curti zum
vierhundertjährigen Jubiläum geschriebene Trauerspiel „Paracelsus" 3)
zur Aufführung gebracht und errang einen Achtungserfolg. Es spielt
im Jahre 1527 und behandelt Hohenheims Baseler Erlebnisse, an
welche sich frei erfunden sein tragisches Ende direkt anschliesst.
Die Gestalt des Reformators ist mit Liebe gezeichnet, aber von der
Grösse der Auffassung eines Robert Browning weit entfernt*), ohne
dafür viel bühnengerechter geworden zu sein.^) — Einen vollen
Erfolg bedeutete die Rede Prof. G. W. A. Kahlbaums, gehalten
im Bemoullianum , welche in durchaus bedeutender Weise an der
Stelle seines Wirkens als Universitätsprofessor und Stadtarzt Zeugnis
ablegt von der Grösse des lange verkannten Mannes — eine späte, aber
^) Vgl. das Luzerner „Vaterland" vom 12. Dezember 1893, die
„Züricher Post" vom selben Tage, den „March-Boten", Lachen den 13. Dez.
und die Baseler „National-Zeitung'^ vom gleichen Tage 1893.
*) Siehe „Tagblatt der Stadt St. GaUen", 12. Dez. 1893; „Wynen-
thaler-Blatt", Menziken 20. Dez. 1893; „Basler Nachrichten", 13. Dez. 1893,
Beilage (von J. M.); Basler „National-Zeitung" vom 13. Dez. und „Sonn-
tagsbiatt" derselben Nr. 51 vom 17. Dez. 1893 (C. Steinitz); „Neue Züricher-
Zeitung", 10. Dez. 1893 1. Beilage (Dr. Joachim Sperber).
») Zürich, Verlags-Maffazin (J. Schabelitz) 1894. 86 S. 8^
*) Vgl. dessen Poetlet Works, London 1883, Vol. I. p. 45—205.
^) Kritiken in den „Baseler Nachrichten" v. 17. Dez. 1. Beilage; in
dem Feuilleton der Baseler „National-Zeitung" vom selben Tage und vom
22. Dez. von Dr. Widmann nach dem Berner „Bund" ; „Züricher Post"
vom 17. und St. Galler „Tagblatt" vom 22. Dez. 1893.
1895. Ein Ruckblick auf die Paracolsus-Jahrhundertfeier. 117
gründliche Rechtfertigung gegenüber den vielen Verunglimpfungen,
welche die Baseler Lästerchronik auf den Mann gehäuft hatte. Ich
stehe nicht an, diesen Vortrag „gehalten zu Ehren Theophrastus von
Hohenheim'' ^) als die schönste Gabe zu bezeichnen , welche uns die
Jahrhundertfeier gebracht hat. Die rauhkantige Persönlichkeit ist
mit Liebe und vollem Verständnis erfasst und ohne alle Schminke
gezeichnet. Dass gerade die Baseler Episode des Hohenheim'schen
Lebens besonders eingehend und treffend geschildert ist, brachte der
Ort der Rede mit sich, auch verdient gerade diese Sonnenwende
seines Lebens vorzüglich die Beachtung des Biographen; das Schicksal
hatte bis dahin den Arzt schaffensfroh in aufsteigender Bahn der
Sonne entgegen getragen, um ihn nun nach jähem Umschwung in
den Winter des Elends zu stossen. Das Verhängnisvolle der Baseler
Katastrophe liegt nicht allein in der gewaltsamen Beendigung seiner
Lehrthätigkeit, welche den stetigen Ausbau seines Lehrgebäudes für
immer unterbrach: sein ganzes Leben ist von da an ein harter,
zweckloser Kampf mit den Widerwärtigkeiten seiner Lage, der die
Kraft des Mannes vergeudete. Diese Baseler Zeit Hohenheims, Höhe
und Wendepunkt seines Erdenlaufes, ist nirgends noch so kurz und
treffend ins Licht gestellt worden wie bei Kahlbaum. Das Verhältnis
zu den Brüdern Amerbach, Basilius und Bonifacius, ist selbständig
aufgeklärt und aus der Amerbach'schen Briefsammlung der Beweis
erbracht, dass Theophrastus im März 1527 in Neuenburg weilte und
schon damals (von Basel her) mit den Brüdern in Freundschafts-
verkehr stand.
Dass man auch am Todesorte Hohenheims, in Salzburg, wo im
städtischen Museum seit langen Jahren liebevoll alles für ihn Wichtige
zusammengetragen wird, wo Aber le im Verein mit Dr. Petter Jahr-
zehnte lang eingehend über Paracelsus gearbeitet hat, dass man dort
den 400 jähr. Geburtstag nicht ungefeiert lassen werde, war zweifellos.
So hielt denn die Gesellschaft für Salzburger Landeskunde am
14. Dezember 1893 eine feierliche Festsitzung, bei welcher Dr. Alex-
ander Petter in Wort und Bild den grossen Toten lebendig werden
Hess. Am 16. Dezember sprach Dr. Alexander Nicoladoni aus
Linz im „Oesterreichischen Hof" zu Salzburg in öffentlichem Vortrag
über Hohenheim. Seit langer Zeit hat sich Nicoladoni mit Paracelsus
beschäftigt, vfo» in seiner Rede 2) allenthalben zu spüren ist. Aus
dem Wust der Überlieferung schält er heraus einen ernsten deutschen
Gelehrten, wenn auch Parteimann durch und durch, der reinste Typus
seiner vielbewegten Zeit. Namentlich die Bemerkungen des Redners
über Hohenheims allgemeine philosophische Anschauungen und sein
Verhältnis zur Religion in den Kämpfen seiner Tage sind aller
') Verlag von Benno Schwabe, Basel 1894, 70 S. 8°; besprochen in
der Baseler National-Zeitung vom 22. Dezember 1893.
*) Abgedruckt in der „Linzer Tagespost" 1893 Nr. 290—293 und 1894
Nr. 1—3.
Monatiliefte der Coiiicniuii-Ci«iiell.<«chaft. 1895. l^
118 Sudhoff, Heft 3 u. 4.
Beachtung wert. — Mit einer stillen weihevollen Feier am Grabe
des Gewaltigen (17. Dezember) schlössen die Salzburger Paracelsus-
tage. ^)
Auch im übrigen Österreich hat man es nicht ganz vergessen,
dass Hohenheim dort geweilt hat. So berichtet J. S. (Ignaz Schwarz)
im „Neuen Wiener Tagblatt" vom 7. Dezember 1893 über „Para-
celsus in Oesterreich". Aus derselben Feder brachte der „Pester
Lloyd" im Morgenblatt vom 26. November 1893 einen Artikel
„Paracelsus in Ungarn". Hohenheim erzahlt selbst, dass er Ungarn,
die Wallachei, Siebenbürgen, Krabaten (Croatien) durchwandert habe;
aus Griechisch-Weissenburg (Belgrad) berichtet er eine therapeutische
Beobachtung. — Einen längeren trefflichen Aufsatz über Paracelsus
Hess der durch Studien aus der Geschichte der Chemie wohlbekannte
Prof. Dr. A. Bauer im Feuilleton der „Wiener Zeitung" vom 12.,
13. und 14. Dezember 1893 erscheinen, worin er neben der Schil-
derung des Lebensganges namentlich die Grundgedanken seines
philosophischen, chemischen und medizinischen Lehrgebäudes zur Dar-
stellung bringt und den Vielgeschmähten von manchem ungerechten
Vonvurf freispricht. ^)
Die schwäbische Heimat des Geschlechtes der Bombaste von
Hohenheim hat wenigstens in der Mittwochbeilage der schwäbischen
Chronik des schwäbischen Merkurs vom 13. Dezember 1893 zum
Gedächtnisse des Paracelsus das Wort ergriffen und sein Lob aus-
gesprochen auf Grund recht wackerer Studien.
Was die übrige deutsche Tageslitteratur über ihn gebracht hat,
werde ich nur kurz erwähnen.
In ihrer Nummer vom 9. Dezember 1893 brachte die Leipziger.
„lUustrirte Zeitung" einen Aufsatz von Dr. Adolf Kohut, der zwar
manche alte Unrichtigkeiten weiter verbreitet, aber doch dem Theo-
phrastus gerecht zu werden sucht; ein Bild nach Odieuvres Stich ist
beigegeben, besitzt aber keinerlei Authenticität. Reich mit guten
Abbildungen seiner Geburtsstätte, seines Wohnhauses in Esslingen
und Salzburg, seines Grabmales und seiner Gesichtszüge ausgestattet,
ist die Arbeit des Historikers des Occultismus Karl Kiesewetter
in „Ueber Land und Meer**^, 1893/94, Nr. 11, aber leider nicht frei
von falschen Überlieferungen. Unbekannt mit manchen neueren
Untersuchungen giebt Kiesewetter die Lebensschilderung mehrfach in
recht wirrer Gestalt. N. J. Hartmann schreibt im ganzen richtig
über Hohenheim in der „Illustrirten Welt" (1894, Nr. 13), welche
zmn Teil dieselben Abbildungen bietet, welche sich in der „Katho-
lischen Warte" (März 1894) finden, begleitet von einem den neuesten
*) Vgl. den Bericht des Frciherm von Doblhoff im Berner „Bund"
vom 24. Dezember 1893 und den Festartikel nach Adolf Warneck im
Feuilleton der „Salzburger Zeitung** vom 16. u. 18. Dezember 1893.
*) Vgl. auch die Mitteilung Prof. Pischmanns in der „Neuen freien
Pres!*c" vom 23. Nov. 1893.
1895. Ein Rückblick auf die. Paracclsus- Jahrhundertfeier. 119
Forschungen gerecht werdenden Texte von Ludwig Heilmayer.
Eine ausführliche Würdigung hat dem grossen Manne zuteil werden
lassen Dr. Ludwig Kare 11 in der Zeitschrift „Vom Fels zum Meer**
(Heft 4, 1893/94, S. 332—338 mit Abbildungen der verschiedenen
überlieferten Typen paracelsischer Gesichtszüge . nach Aberle, des
Vaters Wilhelm von Hohenheim und des Grabmals). Die Arbeit
ist gut geschrieben unter allseitiger Benutzung der neueren Litteratur;
manchmal wäre aber doch etwas mehr Kritik zu wünschen. — In
der „Hygieia, Monatsschrift für hygieinische Aufklärung und Reform"
(7. Jahrgang, Heft 3) bespricht der Herausgeber Dr. Carl Gerster
Theophrastus Paracelsus als Vorläufer der hygieinischen Beform-
bewegung und entwirft durch reiche Gtate aus Hohenheims Schriften
ein anmutendes Bild des Reformators. Unter dem Pseudonym Caius
lässt sich in der gleichen Zeitschrift (Heft 5, Februar 1894) ein
warmer Verehrer des Arztes von Einsiedeln vernehmen unter aller-
hand Beitenhieben auf heutige Zustände. — R. J. H. [artmann?]
schildert uns in der Berliner National-Zeitung (Sonntagsbeilage Nr. 51
vom 17. Dezember 1894) Hohenheim als echten deutschen Mann
und Meister der deutschen Sprache; diese Meisterschaft hat sich noch
immer nicht zur Anerkennung bei den Germanisten durchringen
können, trotzdem neben Luther und Sebastian Franck kaum einer
aus damaliger Zeit zu nennen wäre, welcher unsere Muttersprache
gleich markig, gedankenreich und zu Herzen dringend zu handhaben
wusste, wie Hohenheim. Verfasser weist dies an zahlreichen gut-
gewählten Beispielen nach. — Den religiösen Standpunkt Theophrast's
und seine Stellung zur Reformation hat R. Julius Hart mann ein-
gehend dargelegt in den Blättern für württembergische Kirchen-
geschichte (Beilage zum Evangelischen Kirchen blatt für Württemberg)
Nr. 1 bis 4, Januar bis Mai 1894. Es ist dies der erste ernstlich
ausgeführte Versuch, dem grossen durchaus selbständigen Geiste des
Mannes auch auf diesem Gebiete gerecht zu werden. Ein schmach-
volles Unterfangen früherer Zeit hatte den tiefreligiösen Mann, der
seinem Gottesglauben allenthalben beredten Ausdruck giebt, als
Atheisten darzustellen gewagt. Freilich sind seine Ansichten teilweise
recht radikaler Natur, doch nicht minder von echt christlichem Geiste
durchweht. Ebenso läppisch ist der Vorwurf des Arianismus, den
man schon sehr früh gegen ihn erhob; unter irgend eine Schablone
suchte man stets den Mann zu pressen, der in keine passt, weil er
auf eigenen Füssen stand über allen Parteien. So ist denn seine
Stellung zu der reformatorischen Bewegung seiner Zeit durchaus
selbständig und eigentümlich, wie Hartmann mit Recht betont;
Hohenheim wurde darum von allen Seiten als Ketzer betrachtet, von
Rom sowohl als von den führenden Männern der Gegenpartei;
Pfaffen und Prediger waren ihm feind, klein gewiss nur die Zahl
seiner gleiehgesinnten „amici et so<lales". Anfangs war er der neuen
Glaubens!) owegung geneigt, aber um 1532 ging eine entschiedene
9»
120 Sudhoff, Heft 3 u. 4.
Wendung in seinen Anschauungen vor sich; der Papst, Luther,
Zwingli, das Taufertum, alle schienen ihm gleichermassen von Christi
Lehre abgewichen. Das hat auch Hartinann richtig erkannt und
dargelegt. Die Schrift allein war Hohenheim die Richtschnur seiner
religiösen Anschauungen; der Glaube allein macht selig, aber nur
der ist der rechte, der Werke der Liebe erzeugt. Alles vorhandene
Material zur Beurteilung von Hohenheims religiösen Ansichten hat
Hartmann trefflich benutzt und man wird heute kaum erheblichere
Bedenken gegen seine Ausführungen erheben können. Ob sich
freilich alle seine Aufstellungen werden halten lassen, wenn einmal
das grosse Material der theologischen Paracelsushandschriften zur
Prüfung offenliegt, steht dahin. — In der Wochenschrift „Die
Nation" vom 23. Dezember 1893 schreibt Kurd Lasswitz einen
gehaltvollen Aufsatz über die Bedeutung des Paracelsus in der Ge-
schichte der Chemie. „Fort mit der Autorität, zurück zur Natur,
aus dem Bücherkram hinaus ins Freie", das war sein Leitmotiv,
dadurch hat er in Praxis und Theorie neue Wege erschlossen. Den
Kernpunkt dessen, was Hohenheim für die Naturerkenntnis geleistet
hat, für die Möglichkeit einer messenden und wägenden Erforschung
der Natur, findet Lasswitz in seiner Reform der Lehre von den
Elementen. Dieses begrenzte aber typische Gebiet erörtert er sodann
des Näheren in vorzüglicher Weise, wie es von dem Verfasser der
Geschichte der Atomistik nicht anders zu erwarten war. Zum Schluss
betont er noch mit vollem Rechte, dass man Hohenheims Bedeutung
für die Geschichte der Chemie lange deshalb verkannt habe, weil man
ihn als einen Nachfolger des Basilius Valentinus betrachtete, während
die Sache sich gerade umgekehrt verhält. Die Basilianischen Schriften
sind erst ein Jahrhundert nach Paracelsus verfasst, wie das Referent
schon 1887 betont hat. Valentinus arbeitet vollständig mit Paracel-
sischen Gedanken reihen ; praktisch ist er viel weiter vorgeschritten,
theoretisch aber bedeutet er einen Rückschritt gegen Paracelsus. —
Dr. Jul. Leopold Pagel gab in der „Deutschen Medicinischen
Wochenschrift", Nr. 50 vom 14. Dezember 1893 zu Ehren Hohen-
heims eine Schilderung des Ganges der Paracelsus-Forschung in den
letzten Jahrzehnten, welche in den wohl noch lange Zeit der Er-
füllung harrenden Wunsch nach einer neuen kritischeii Ausgabe der
Werke Hohenheims ausklingt. — Von medicinischen Gesichtspunkten
aus — einschaltend sei hier besonders darauf hingewiesen, dass unsere
grossen medicinischen Zeitschriften nur ganz ausnahmsweise Artikel
zur Paracelsusfeier gebracht haben — hat Dr. Max Neuburger in
Wien den Einsiedler -Arzt in zwei Aufsätzen gefeiert: „Die Persön-
lichkeit des Paracelsus" („Medicinisch - Chirurgisches Central -Blatt",
Nr. 50 vom 15. Dezember 1893) und „Paracelsus und Vesalius.
Zwei Typen" („Internationale Klinische Rundschau", Nr. 50, Wien,
10. Dezember 1893). Seine Schriften sollen zwar jedes actuelleu
Interesses entbehren, aber wenn man den Mann selbst aus seiner
1895. Ein Ruckblick auf die Paracelsus- Jahrhundertfeier. 121
t
Zeit heraus betrachtet, wird man ihn hochschätzen als einen durch
und durch originären Forscher von Faust'schem Typus, als einen
Menschen von ausgesprochenster Individualität Heute sind auch in
der Medicin der Individualität enge Schranken gezogen; früher waren
es gerade die persönlichen Eigenschaften, welche die Grösse des Arztes
ausmachten; aus solchen grossen Persönlichkeiten besteht hauptsächlich
die Geschichte der Heilkunde; der grössten eine war die des Para-
celsus, an der alles eigentümlich ist. Seine innere und äussere Re-
volution gegen den überlebten Galenismus, sein eigenes Neuschaffen
wird von Neuburger mit eindringenden Worten kurz geschildert,
ebenso seine Anlehnung an den naturphilosophischen Neu-
platonismus, das Deutsche in Form und Inhalt seiner Schriften,
seine Wahrhaftigkeit, die ihm allenthalben Feinde erweckte, seine hohe
Auffassung vom Berufe des Arztes, die Missachtung der Anatomie,
welche ihm die Feindschaft der medicinischen Philologie, den Hass
der Anatomen eintrug. Weil alles an ihm Persönlichkeit war, besteht
seine Schule nur aus kleinen Geistern, welche die Lehren des Mannes
verballhornten. Dass seine Beurteilung so verschieden ausfiel, kann
nach dem allen nicht wundernehmen. Von einer allseitigen ge-
rechten Beurteilung des „selten begabten und ganz ungewöhnlichen"
Mannes, sind wir auch heute noch weit entfernt. — Die Parallele
zwischen Paracelsus und Vesalius, die Zeitgenossen waren, wenn
Vesal's grosses Werk auch erst zwei Jahre nach Hohenheim's Tode
erschien, ist gleichfalls geistvoll geschrieben; beide sind Vertreter
der medicinischen Renaissance und zweifellos die grössten derselben.
In Paracelsus bewundert er mehr den Revolutionär der That, dessen
aufs grosse Ganze gerichteter Geist im einzelnen wenig Bleibendes
geschaffen und Einzelarbeit verachtet habe. Er, der Vater der phy-
siologischen Chemie, richtete nur auf das Allgemeine der chemischen
Vorgänge sein Auge und vernachlässigte (zum Teil allerdings nur
scheinbar) die Thätigkeit der einzelnen Organe. Nur der lebende
Organismus war ihm Gegenstand des Studiums; die Anatomie liess
er nur zu sehr als nebensächlich ausser Acht. Und doch bereitete
sich zu seiner Zeit das Werk vor, welches seinen Verfasser Vesal
mit unsterblichem Ruhm bedeckte, die Schrift „De Corporis humani
fabrica", welche der anatomischen Autorität des Galen den Todesstoss
versetzte, ein ewig gültiges Muster angestrengtester Detailarbeit zum
grossen allgemeinen Zweck der Erforschung der Lebensvorgänge.
Was Paracelsus durch geniale Intuition im Vorausblick über die
Arbeit von Jahrhunderten zu erreichen sucht, will Vesalius durch
folgerichtigen Aufbau von Einzelarbeit auf Einzelarbeit langsam
erschliessen ; so sind sie beide leuchtende Vorbilder zweier Forschungs-
richtungen im Entwicklungsgange der Geschichte der Menschheit. —
Das Verdienst, Hohenheim auch von pharmaceutischer Seite ein
Denkblatt gestiftet zu haben, gehört Dr. Hans Heger in Wien,
welcher in der von ihm herausgegebenen „Pharmaceutischen Post"
122 Sudhoff, Ein Rückblick auf die Paracelöun etc. Heft 3 ii. 4.
(Nr. 48 und 51 vom 26. November und 17. Dezember 1893, mit
Bild des Paracelsus und des Grabmals) den Lebensgang und die
Anschauungen Hohenheims darlegt. Vor allem ist er dadurch, d&ss
er die Alchemie auf die Darstellung neuer Arzneistoffe hinwies und
die Gewinnung wirksamer Präparate auf chemischem Wege lehrte,
der Vater der pharmaccutischen Chemie geworden.
Auch in den „Annales de TElectro- Homöopathie de Tinstitut
electro-hom^pathique de Geneve, Aoüt 1894" finden wir einen hierher
gehörigen Artikel des Herausgebers A. Saut er, welcher Hohenheim
als Vorlaufer Hahnemanns, der Naturheilmethode und der Elektro-
homöopathie in Anspruch nimmt. Eine gelungene Nachbildung des
Tintoretto'schen Bildes Hohenheims (nach der Genfer Folio-Ausgabe
von 1658) ist beigegeben, i) — Paracelsus als Parteiganger der öst-
lichen Theosophie bildet das Thema eines „Gedenkblattes" in den
„Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde", Band
XXXIV, verfasst von dem eifrigen Apostel dieser Lehre, Franz
Hartmann ^). Ein Teil von Hohenheims mystischen Anschauungen
soll mit denen des Sankararharya und anderer indischer Weisen des
Altertums identisch sein; vornehmlich wird die indische Lehre von
den sieben Principien auseinandergesetzt und durch Parallelstellen
aus Hohenheims Schriften -als auch bei ihm vorhanden nachzuweisen
gesucht, wovon in Wahrheit nicht die Rede sein kann, wenn auch
3 Principien -}- 4 Elemente die schöne Zahl 7 ergiebt.
Als wertvoller Beitrag zur Paracelsuskunde, gedruckt zur Zeit
der Jahrhundertfeier im Dezember 1893, wäre noch zu nennen die
„Bibliography of the Paracelsus. Library of the late E. Schubert^
M. D., Frankfurt am Main", welche als Auktionskatalog bei William
Wesley & Son in London erschien; die wertvolle Bibliothek ist ui
den Besitz von Professor John Ferguson in Gla-^^gow übergegangen,
welcher in 5 Heften „Bibliographia Paracelsica", Glasgow 1877 bis
1893 sich um die Verbesserung und Vervollständigung des bekannten
Mook'schen Werkes grosse Verdienste erworben hat.
Des Neuen und Bedeutenden, das die Paracelsusfeier hervor-
gerufen hat, ist also nicht viel, aber das Andenken des grossen
deutschen Mannes ist allenthalben in würdiger Weise unserem schnell
vergessenden Zeitalter gegenüber lebendig gemacht worden; mehr soll
man von einer solchen Feier auch nicht verlangen. Viele Stimmen
sind zu Worte gekonnnen und als Ganzes genommen bilden sie einen
schönen Zusammenklang zum Lobe des genialen Mannes.
^) Ein Kurhaus, welches derselben Gesellschaft für Electrohomöopathic
angehört, in der Nähe Genfs gelegen, führt den Namen „Villa Paracelsia".
') Gesondert erschienen unter dem Titel „TheophraÄtus Paracelsus als
Mystiker'S Leipzig, Wilhelm Friedrich 1894, 55 S. 8° mit einer Nachbildung
des A. Dürer zugeschriebenen Paracelsusbildnisscs in Lichtdruck.
Litteraturbericht.
Unter dem Titel: Haniburgische Gewerbetreibende im
Auslände IL Hamburgische Handwerker als Studenten an der
Universität Frankfurt a. O. bespricht W. Stieda in der Zeitschrift
des Vereins für Hamburgische Geschichte, Bd. 9 (1893), S. 429 ff.
zunächst die besonders in Frankfurt a. O. geübte eigentümliche Sitte,
auch Gewerbetreibende, namentlich solche, die mit der Herstellung
von Büchern sich berufsmässig befassten, wie Buchdrucker, Buchbinder,
Formschneider, Buchstabengiesser, Büchermaler, Buchsetzer und Buch-
händler zur Immatrikulation zuzulassen. Von den in Frankfurt a. O.
1601 — 61 elf immatrikulirten Hamburger Gewerbetreibenden sind 5
Buchbinder, 4 Buchdrucker.
In einer Breslauer Dissertation von 1894 unter dem Titel:
„Georg Israel, Erster Senior und Pastor der Unität in
Grosspolen. Ein Beitrag zur Geschichte der Reformation
in Polen'' feiert Biohard Eruske die bislang nicht genügend gewür-
digten Verdienste Israels um die Einführung der Reformation in Polen.
Das mit liebevoller Hand entworfene Lebensbild umfasst in 3 Teilen
zunächst die Lehr- und Wanderjahre Israels, 1505 — 1553, in welchen
er zusammen mit seinem Lehrer Augusta und Joachim Prostiborius
als Abgesandter der böhmischen Unitat auch Wittenberg berührte
und von Luther freundlich empfangen wurde, sodann Israels mit
seiner Anstellung als Pfarrer von Ostorög beginnendes Lebenswerk
in Polen, 1553 — 1579, und endlich seinen im Geburtslande Mähren
verbrachten Lebensabend, 1579 — 1588. B.
Als Festgabe zur Begrüssung des 6. allgemeinen deutschen
Neuphilologen-Tages zu Karlsruhe, Pfingsten 1894, hat der Karlsruher
Verein der Lehrer neuerer Sprachen ein von Theodor Längin ange-
fertigtes Verzeichnis der „Deutschen Handschriften der Grossh.
Badischen Hof- und Landesbibliothek (Karlsruhe, Ch. Th.
Groos, 1894)" dargebracht. Das Verzeichnis zerfällt in 2 Teile.
Im ersten wird die stattliche, von dem Benediktinerkloster St. Georgen
in Villingen überkommene Handschriftensammlung besonders be-
schrieben. Der zweite giebt eine systematische Übersicht des gesamten
deutschen Handschriften - Bestandes der Karlsruher Bibliothek. In
unser Forschungsgebiet greifen u. a. zunächst 3 mystische Sammel-
bände: 1) Cod. Pap. LXXVIII (Eckhart; Tauler), 2) Cod. Pap.
124 Litteraturbericht. Heft 3 u. 4.
LXXIX (Heiiir. Herp; Eckhart; dochther von «yon; geistlich bouni-
garten), 3) Cod. Pap. LXXX (Meisterbuch [„der kleine thaulerus**] ;
Tauler u. a.), femer kommt für uns in Betracht „Franck von Word,
Sebastian, Weltbuch -Spiegel. 1547. B. 8" und endlich „Der Glaub
der Waldeser-Kezere. Bair. 15. Jahrh. K. 349", der jedoch von
DöUinger in seiner Sektengeschichte II, 701, Nr. 68, schon abge-
druckt ist. B.
Die „Geschichte der Gegenreformation in Böhmen" von Anton
Gindely (nach des Verfassers Tode herausgegeben von Dr. Theod.
Tupetz, Landesschulinspektor in Prag) Leipzig, Duncker u. Humblot,
1894, reiht sich den übrigen hervorragenden Arbeiten dieses Gelehrten
würdig an. Wir erhalten hier zum ersten Mal ein Bild der ausser-
ordentlichen Wirkungen, die die Schlacht am Weissen Berge zunächst
für Böhmen und dessen staatsrechtliche und religiöse Verhältnisse
gehabt hat „Die Schlacht auf dem Weissen Berge", sagt Gindely
S« 83, „gehört zu jenen Kämpfen, die über das Schicksal eines Staates
endgültig entschieden. Nicht bloss die Verfassung und die kirch-
lichen Verhältnisse Böhmens wurden umgestaltet, auch die staatliche
Selbständigkeit nahm zwar nicht verfassungsmässig, aber faktisch ein
Ende . . . ." Die Sieger waren entschlossen, die völlige Niederlage
ihrer Gegner so rasch und so vollständig als möglich auszunutzen,
und ihr besonderer Hass richtete sich gegen die böhmischen Brüder.
Die Katastrophe der Unität wird von Gindely folgendermassen ge-
schildert (S. 265 f.): „Der neuentflammte Glaubenseifer richtete sich
besonders noch gegen die böhmische Brüderunität. Sie hatte sich im
Jahre 1609 bei Gelegenheit der Erteilung des Majestätsbriefes mit
den übrigen Bewohnern des Landes zur Anerkennung der böhmischen
Konfession vereinigt und an dem gemeinsamen Kirchenregiment, dem
sogenannten Konsistorium, beteiligt, im übrigen aber ein selbständiges
Gemeindeleben, selbständige Heranbildung ihrer Geistlichkeit und ihre
alte strenge Disciplin gewahrt. Die allgemeine Achtung, die
ihr deshalb zuteil wurde, bewirkte, dass ehemals utraquistische
Gemeinden mit Vorliebe Geistliche der Brüderunität auf ihre Pfarren
beriefen. Der Hauptsitz der Bi-üderunität war in Jungbunzlau,
dort war ihre bedeutendste Lehranstalt, dort ihre Bibliothek und ihre
Druckerei, dort auch der Sitz ihrer Vorsteher. Die kaiserlichen Aus-
weisungsbefehle trafen anfangs wohl einen oder den andern ihrer
geistlichen Führer in den königlichen Städten, nicht aber die Unität
als solche, deren Einrichtungen in Jungbunzlau noch immer festen
Bestand hatten. Als dies zur Kenntnis Caraffas gelangte, ersuchte
er den Kaiser während seiner Anwesenheit beim Regensburger Depu-
tationstage um die un verweilte Vernichtung der Unität Dieser
kam selbstverständlich dem Ansuchen nach und erteilte dem Fürsten
von Liechtenstein die entsprechenden Befehle (Fürst Liechtenstein war
seit der Schlacht Statthalter in Böhmen). Unverweilt wurde von
letzterem eine Kommission nach Jungbunzlau abgeschickt, welche die
1895. Littefaturbericht. 125
Hänimtlichen AnitHorgaiie der Unität auseimuulerspreiigte, ihre Lehr-
anstalt auflöste und ihre Bibliothek nach Prag abführte. Letztere
wurde einer strengen Untersuchung unterworfen; was für die katho-
lische Kirche unverfänglich war, wurde ausgeschieden und aufgehoben,
der Rest aber verbrannt. Die böhmische Litteratur erlitt durch dieses
rohe Gebahren einen unersetzlichen Schaden. Die Brüderunität
war damit in Böhmen vernichtet" K.
Albrecht Richters im Jahre 1890 begründete ,^eudruoke
pädagogischer Schriften^' (Leipzig, Verlag von Richard Richter)
schreiten rüstig vorwärts. Die Ankündigung der Sammlung bezeichnet
als deren Plan, in erster Linie solche Schriften zu bringen, die eine
gewisse Seltenheit erlangt haben, und ferner nicht nur sogenannte
„pädagogische Meisterwerke" zu berücksichtigen, sondern auch „Schrif-
ten, die für die Geschichte der Schule und für die Kulturgeschichte
im allgemeinen als Quellenschriften zu betrachten sind". Bis jetzt
sind 14 Hefte erschienen. Aus ihrer Zahl geht uns direkt das 8. an,
eine zum dreihundertjährigen Gedenktage der Geburt des Comenius
dargebrachte Gabe, seine „Mutterschule" in der zuerst 1633 zu
Lissa erschienenen deutschen Übersetzung, herausgegeben
von Albert Richter. — Auch von den übrigen Veröffentlichungen
der Samndungen liegen manche als wertvolle Quellenstücke im Be-
reiche des Forschungsgebietes unserer Gesellschaft. Auf alle einzu-
gehen, gestattet der Raum nicht. Hervorgehoben seien Heft 9 und
12: „Ratichianische Schriften, I u. H, mit Einleitung und
Anmerkungen herausgegeben von Dr. Paul Stötzner. 1892
und 1893." Heft 9 enthält: 1) das Memorial des Ratichius über
seine neue Lehrart, welches der Erzbischof von Mainz dem 1612
in Frankfurt a. M. zur Krönung des Kaisers Matthias versammelten
Reichstage vorlegte, 2) den 8 Tage später als Ergänzung veröffent-
lichten Grundlichen und bestendigen Bericht des Ratichius, 3) den
sogenannten Giessener und 4) den Jenaer Bericht, von Professoren
der beiden Universitäten zur Empfehlung des Pädagogen geschrieben,
endlich 5) den Giessener Nachbericht. Das 12. Heft bringt:
1) die Artikel von der Lehrkunst, von Jungius und Helwigius in
Giessen, 2) Wolfgangi Ratichii in Methodum Linguaiiim generalis
introductio, 3) die Anleitung in der Lehrkunst W. Ratichii, wohl
wieder aus der Feder Helwigs, 4) die den Unterrichtsbrauch des
Ratichius aufs deutlichste charakterisierenden Köthener Lehrpläne,
5) Drei kleine Schriften aus der Magdeburger Zeit des Ratichius und
6) Meyfarts Bericht an Oxenstierna, ein Gutachten des mit Ratichius
befreundeten Erfurter Professors für den schwedischen Kanzler. — In
den beiden jüngsten Heften der „Neudrucke" erhalten wir „Bernhard
Overbergs Schrift Von der Schulzucht. Mit einer Ein-
leitung hrsgg. von Albert Richter (13) und J. B. Basedows
Vorstellung an Menschenfreunde. Mit Einleitung und An-
merkungen hrsgg. von Hermann Lorenz (14). Bi
126 Litteratiirbericht. Heft 3 u. 4.
In einer Reihe von Aufsätzen der ZeitHchrift: Neue Bahnen.
Monatsschrift für Haus-, Schul- und Gesellschafts-Erziehung. In Ver-
bindung mit über 100 Mitarbeitern herausgeg. von Johannes Meyer
(Gotha, Emil Behrend 1893. Preis viertel). 1,80 M.) behandelt Dr.
Rudolf Hochegger, Professor der Philosophie an der k. k. Franz-
Josef 8- Universität in Czernowitz, „Die Bedeutung der Philosophie
der Gegenwart für die Pädagogik". Dieselben liegen auch in
einer ebenso betitelten besonderen Schrift gesammelt vor (Pädagogische
Zeit- und Streitfragen. Flugschriften zur Kenntnis der pädagogischen
Bestrebungen der Gegenwart. Herausgegeben von Johannes Meyer
in Osnabrück. 32., 33. u. 34. Heft (VI. Band, 2., 3. u. 4. Heft).
Einzelpreis 1,80 M. 132 S. 8®). Nach einer Erörterung des Ver-
hältnisses der Philosophie zu den Einzelwissenschaften, speziell zur
Pädagogik, in der Einleitung (S. 1 — 17) lehrt uns der Verfasser
einige der namhaftesten Philosophen der Gegenwart kennen, die er
nach Massgabe der Bedeutung ihrer philosophischen Anschauungen
für die Theorie der Pädagogik und der in dieser Beziehung besonders
hervortretenden charakteristischen Ausprägung ihrer Lehren ausgewählt
hat, und zwar — entsprechend seiner Unterscheidung von drei Haupt-
richtungen in der gegenwärtigen Philosophie — als Vertreter der
historisch-idealistischen Richtung: Jakob Frohschammer (S. 17 ff.) und
Eduard von Hartmann (S. 34 ff.), als Vertreter- der naturalistisch-
positivistischen : Herbert Spencer (S. 53 ff.), endlich als Vertreter der
vermittelnden Richtung: Friedrich Paulsen (S. 67 ff.), Wilhelm Wundt
(S. 87 ff.) und Wilhelm Dilthey (8. 116 ff.). Die einzelnen Systeme
worden nach ihren Grundzügen dargestellt und der für die pädago-
gische Theorie in Betracht kommende Ideengehalt herausgehoben und
zusammengefasst. Der Schluss: Rückblick und Ergebnisse (S. 126 ff.)
betont die Notwendigkeit einer philosophischen Grundlegung der
Pädagogik, einer den Anregungen der modernen Psychologie folgenden
erkenn tnis- theoretischen Bestimmung und voluntaristischen Ausbildung
gegenüber der bisherigen einseitig intellektualistischen Richtung. „Eine
Ausbildung der Pädagogik auf Grund der Analyse des ganzen
Menschen ist noch Aufgabe der Zukunft. Wenn die Pädagogik sich
der Philosophie der Gegenwart zuwendet, welche wieder das Bild
des ganzen Menschen hervorholt, wird sie die Bausteine zu einer
solchen wahrhaft allgemeinen Pädagogik finden. Nur vom Stand-
punkt der Erkenntnis der ganzen Menschennatur wird auch der
Streit der ideal-philosophischen und der realistischen Richtung in der
Pädagogik Ausgleich finden. Die Wahrheit kann man nur in der Ver-
mittlung beider, im Realidealismus, wie ihn die meisten modernen
Philosophen vertreten, finden." K — r.
Prof. Dr. Rieh. Sachse in Leipzig hat als Abhandlung zu dem
Jahresberichte des Thomas-Gymnasiums in Leipzig für 1893/94 (1894
Progr. Nr. 543) eine Untersuchung über den Rektor der Thomas-
schule Jakob Thomasius veröffentlicht, die uns hier deshalb interes-
1895. Litteraturbericht. 127
sicrt, weil e« sich hier um den Vater des grossen Christian Thoniasius
handelt. Besonders wertvoll sind die Nachrichten über die Familie
Thomasius, die Sachse zusammenstellt. Danach stammte die Familie
aus Franken, von wo der Grossvater des Schulrektors Jakob (geb.
am 27. Aug. 1622) um 1570 nach Weida in Thüringen auswanderte.
Christian Thomasius (geb. 1. Jan. 1655, f 23. Sept 1728) war der
älteste von zehn Geschwistern. Merkwürdig ist, dass sich an der
Thomasschule um jene Zeit die Trager zweier so berühmter Namen
wie Thomasius und Leibniz zusammenfanden; Kollege des Jakob
Thomasius war Joh. Friedrich Leibniz (geb. 1632), der Bruder
des berühmten Philosophen, Sohn des Leipziger Professors Friedrich
und Enkel des Ambrosius Leibniz, der Stadt- und Bergschreiber in
Altenberg im Erzgebirge war. Seit dem Tode des Friedrich Leibniz
(f 1652) übernahm Jakob Thomasius die Professur der Moral, die
jener bis dahin inne gehabt hatte. Jakob hat sich als akademischer
Lehrer ebenso wie als Schulrektor ausgezeichnet und verdient die
Beachtung, die ihm Sachse in seiner Abhandlung widmet, in hohem
Grade. K.
Bemh. Münz: Jacob Frohschammer, der Philosoph der
Weltphantasie. Breslau, Verlag von 8. Schottlaender. Dr. Bern-
hard Münz in Wien, ein Schüler des am 14. Juni 1893 verstorbenen
viel verkannten, aber auch treu bewährten charaktervollen Denkers,
des ordentl. Professors der Philosophie an der Universität zu München,
Dr. J. Frohschammer, bietet uns hier ein mit ebenso grosser Kenntnis
als schriftstellerischer Virtuosität ausgeführtes Lebensbild seines hoch-
verehrten Meisters, welches in hohem Grade geeignet ist, die über
ihn noch vorhandenen Vorurteile zu zerstreuen. Er hat damit den
Beweis geliefert, dass die Behauptung: seit Kant und seinen grossen
Nachfolgern habe sich die philosophische Produktivität des deutschen
Geistes für längere Zeit erschöpft, keineswegs begründet ist. Froh-
schanmier ist kein blosser Durchforscher und Sichter des vorhandenen
Gedankenmaterials. Er hat als einzelner Charakter eine neue Bahn
in der Philosophie gebrochen, auf welcher dieselbe zu einer bisher
noch nicht erreichten Fruchtbarkeit für das Leben gelangen kann
und wird, er hat den wesentlichen Zusanmienhang des menschlichen
Geistes mit der allgemeinen Natur mit einem Tiefblick in den Welt-
process nachgewiesen, der einen festen Standpunkt für die Organisation
der menschlichen Gesellschaft und zwar besonders ein friedliches
und freies Zusammenwirken von Schule und Kirche im christlichen
Kulturstaat möglich macht. Schon der hochverdiente Goschich tsch reiber
der Philosophie, Dr. Heinrich Ritter, hat den Gedanken ausgesprochen,
dass wir die Welt nur im Werden erkennen und wir ein absolutes
Wissen über das, was jenseits dieses Werdens liegt, nicht erringen
können. Frohschammer hat auf diesem Grundgedanken weiterbauend
das Princip und die Gesetze dieses Processes nachgewiesen und da-
durch der Philosophie eine vermittelnde Stellung zwischen dem pan-
128 Litteratiirbericht. Heft 3 u. i.
theiötincheii und nrnterialiBtischen Monismus eiTungeu, die ihr eine
im höchsten Grade klärende und versöhnende Wirksamkeit sichert
Wie wichtig sie dadurch für die Volkserziehung wird, und wie sehr
sie dadurch zum Verständnis der durch Comenius begründeten Päda-
gogik beiträgt, erhellt am deutlichsten aus dem organisatorischen
Einfluss, den sie auf das Gesamtleben der menschlichen Gesellschaft
übt. Dr. Münz hat darüber nur das Nötige angedeutet, aber es ist
genug, um die denkenden Leser zum Studium der Werke Froh-
Hchammers selbst aufzumuntern. Dazu möge auch diese Anzeige der
ebenso lehr- als genussreichen Schrift des Dr. B. Münz dienen.
B. B.
Der Beweis für das Dasein Gottes und seine Persönlich-
keit mit Rücksicht auf die herkömmlichen Gottesbeweise. Von Dr.
E. Melzer, Neisse, J. Graveur (G. Neumann) 1895. 101 S., gr. 8^.
Diese Schrift verdient, auch' in den Heften der Comenius-Gesellschaft
anerkennend erwähnt zu werden. War doch für Comenius alles
einzelne in der Welt und die ganze Welt eine Leiter, um sich zu
Gott zu erheben. Freilich durch Kants einschneidende Kritik, der
allenfalls den sogenannten moralischen Beweis für das Dasein Gottes
als praktisch wertvoll gelten Hess, den theoretischen Wert aller solchen
Beweise aber rundweg leugnete, ist das Zutrauen zu denselben in
weiten Kreisen tief erschüttert worden. Melzer scheut sich nicht,
abweichend von Kant, in Übereinstimmung mit dem katholischen
Philosophen Günther, seine Überzeugung dahin darzulegen, diiss
der verbesserte kosmologische Beweis, welchen man auch den psycho-
logischen nennen könnte, wissenschaftlich unanfechtbar sei. Dieser
gehe aus von dem Selbstbewusstsein oder dem Gedanken Ich, erkenne
den eigenen Geist oder das Ich als eine Substanz und als Real-
princip für alle Kräfte, Thätigkeiten und Zustände des Geistes an,
schliesse aber von der Endlichkeit und Beschränktheit dieser Substanz
auf das Dasein einer unendlichen und absoluten Substanz und zu-
gleich aus der endlichen Persönlichkeit des geschaffenen Ich auf die
absolute Persönlichkeit Gottes des Schöpfers. — Für den Fachmann
ist Melzer 8 Schrift besonders wertvoll wegen einer aus den Quellen
gearbeiteten trefflichen Darstellung aller Gottesbeweise vom Altertum
bis auf die Neuzeit, welche zugleich einer eingehenden, umsichtigen
Beurteilung unterzogen werden. Auch Krause ist an zwei Stellen
berücksichtigt Mit Recht wird behauptet, dass die Wesenschauung
oder Gottesidee Krauses eines Beweises nicht bedürfe, da sie ja in
eigenem Lichte erglänzt und der Grund jeder Beweisführung ist.
Was man sonst als Beweise für das Dasein Gottes aufzustellen ver-
sucht hat, ist bei Krause zu dem aufsteigenden Teile der Wissen-
schaft geworden, welcher vom Ich beginnt und streng wissenschaftlich
jeden denkenden, wahrheitsuchenden Geist zur Anerkenntnis Grottes
emporführt. Hohlfeld.
Nachrichten.
In Deutschland hatte schon im 17. Jahrhundert, wenigstens innerhalb
der lutherischen Kirche, die Überzeugung die Herrschaft gewonnen, dass
das Licht des Evangeliums, wie man 7AI sagen pflegte, im Jahre 1517 auf-
gegangen sei und dass bis dahin die Finsternis des Papsttums allgemein
geherrscht habe. Es ist nicht ohne Interesse, dass die offizielle Vertretung
samtlicher Evangelischen in Mähren (nicht etwa bloss der mährischen Bruder)
anderer Überzeugung war, indem sie glaubten, dass es Hingst vor Lnther
Evangelische gegeben haben. Im Jahre 1(510 hatte im Namen des
reformierten Kurfürsten von der Pfalz und der deutschen Union der Mark-
graf von Jägemdorf, Johann Georg (der Bruder des Kurfürsten Johann
Sigismund von Brandenburg, geb. Iö77, gest. 1624 zu Leutschau in Ungarn),
bei dem Landeshauptmann und den evangelischen Ständen eine Werbung
angebracht, die die Herstellung einer Verbindung zwischen der Union und
den mährischen evangelischen Ständen bezweckte. Unter dem 15. Mai 1610
gaben „Landeshauptmann und evangelische Stände" — die grosse Mehrlieit
der Bevölkerung in Mähren war damals evangelisch — hierauf eine Antwort,
die in Bezug auf die obige Auffassung interessant ist Die mährischen
evangeb'schen Stände hatten, sagen sie, die Freiheit ihrer Religion nicht
durch die Verleihung eines Fürsten erhalten, sondern als ein „natürliches
Kecht" überkommen „und seit zweihundert Jahren in steter Dauer
und ungestörter Eintracht mit den Ständen sub una specie (den
Katholiken) genossen". „Bald von Bohemischen Kriegen an, so aus Ursach
M. Johann Hussen, heiliger Oedachtnus, Tods entstanden, haben wir (die
Stände) uns einer willkürlichen Vergleichnuss gemäss, welche zwischen unsem
Vorfahren aufgerichtet, in einer solchen Freiheit, dass einem jeden unter
uns, es seie zu dem Glauben unter einerlei oder zu dem Glauben unter
beiderlei zu treten und sich desselben zu halten, frei stehen sollte, bishero
betragen und erhalten." Bei Annehmung des Landesherm pflegten die
Stände beider Konfessionen zu begehren, dass er weder den übrigen Frei-
heiten, noch der Freiheit der Keligion irgend welchen Eintrag thue oder
andern gestatte, zu thun. (S. die Urkunde bei Moritz Bitter, Der Jülicher
Erbfolgekrieg, München 1877, S. 246.) Hieraus erhellt, dass die Evange-
lischen in Mähren den religiösen Zustand, in dem sie sich um 1610 befanden,
als eine unmittelbare, nicht veränderte Fortsetzung desjenigen evangelischen
Gemeinwesens betrachteten, wie es bereits zu Anfang des 15. Jahrhunderts
unter ihnen bestand. Dass die evangelische Lehre erst mit dem Jahre 1517
in die Welt gekommen sei, davon wussten sie nichts. — Markgraf Johann
Georg war, wie hier noch bemerkt sei, als Herzog von Jägerndorf in eine
130 Nachrichten. Heft 3 ii. 4.
nähere Beziehung zu den Evangelischen in Böhmen und Mähren getreten.
Vielleicht hängt C8 damit auch zusammen , daj^ der Markgraf am 2. Sept.
1613 zur reformierten Kirche übertrat.
Die Hans Sachs -Feier des verflossenen Jahres hat vielfach Ver-
anlassung gegeben, auch des, MelHtergesanges, seines Wertes und Unwertes
eingehender zu gedenken, als es sonst in den letzten Jahrzehnten der Fall
gewesen ist. Es ist bekannt, dass es üblich war, des Meistergesanges etwa
in derselben Weise mit einer gewissen Nichtachtung, ja vielfach mit Hohn
und Spott zu gedenken, wie dies bei den sog. Sprachgesellschaften der
älteren Zeit (Palmenorden u. s. w.) der Fall war und ist. Es ist erfreulich,
dass man neuerdings anfängt, von dieser ßeurteilungswcise einigcrmasscn
zurückzukommen. In den Mitteilungen des germanischen Nationalmuseums
Jahrg. 1894 S. 2ö ff. veröffentlicht Dr. Th. Hampe eine Abhandlung über
„Spruchsprecher, Meistersinger und Hochzeitlader, vornehmlich in Nürnberg'',
die auf genauer Kenntnis der Originalquellen beruht. Hier ist nun das
Schlussurteil, das Hampe abgiebt, von besonderem Interesse. Es muss gesagt
werden, meint er (S. 69), „dass der Meistergesang der guten Zeit als ein
Ausdruck und Zeichen der höchsten Blüte deutschen Städtelebens betrachtet
werden will, dass ohne ihn die Reformation eines starken Rück-
halts und Untergrundes hätte entbehren müssen, dass ein Hans
Sachs ohne ihn niemals das geworden wäre, was er uns noch heute ist, und
dass selbst der Meistergesang der Verfallzeit noch unzähligen Menschen da»
Leben verschönt und die bösen Gredanken gebannt hat. Auch die hohen
Verdienste der Meistersinger um Ausbreitung und Weiterbildung der neu-
hochdeutschen Schriftsprache harren noch immer der ihnen gebührenden
Anerkennung und Würdigung. Mehr als ungerecht wäre es demnach, eine
Erscheinung von solcher Bedeutung für unsere Kulturentwickelung mit Spott
und Hohn zu übergiessen, nur weil sie auch Auswüchse zeitigte und weil
sie im Alter welkte, krank und schwach und eben alt w^urde." — Wir wollen
hier auf den oben angedeuteten Zusammenhang dieser Handwerker -Ver-
einigung mit der religiösen Bewegung besonders hinweisen. Vielleicht findet
sich Gelegenheit, später in diesen Heften einmal eingehender darauf zurück-
zukommen.
Eine ähnliche Bedeutung, wie sie Thomasius für Halle sich erworben
hat, besitzt Johann Clanberg (geb. zu Solingen 1622, gest. 31. Jan. 160.'))
für die Universität des Grossen Kurfürsten, für Duisburg. Clauberg war
bis zu seiner im Jahre 1651 erfolgenden Berufung nach Duisburg Professor
in Herbom gewesen. Hier hatte er sich sowohl das Vertrauen seines Fürsten
wie die Liebe seiner zahlreichen Schüler envorben. In Duisburg erwarb
er sich einen ausgebreiteten Ruf sowohl unter den Reformierten des Westens
wie in den Niederlanden und Frankreich, wo er seine Studien gemacht
hatte. Eine Gesamtausgabc seiner Werke erschien im Jahre 1691 zu
Amsterdam; ihr ist eine Biographie des Verfassers von Hennin voraus-
geschickt. Der Grosse Kurfürst nahm von ihm die Widmung der Schrift
Do fognitione Dei et nostri an. Verwandt ist er Thomasius auch durch
1895. Nachrichten. 131
seine Betonung der Muttersprache. Leibniz und Wolff haben sich in sehr
günstigem Sinne über Clauberg geäussert, der heute viel weniger bekannt
ist, als er es verdient. Über Claubergs Stellung im Cartesianismus erschien
im Jahre 1891 eine Schrift von Dr. Herrn. Müller. Wir werden gern ge-
legentlich das Andenken des merkwürdigen Mannes in diesen Heften erneuem.
Im Jahre 1660 erschien zu Amsterdam bei Joh. Ravestein folgende
Schrift: De bono Unitatis et ordinis disciplinaeque et obedientiae. In
ecclesia recte constituta vel constituenda Ecclesiae Bohemicae ad Anglicanam
Paraenesis, cum praemissa ordinis ac disciplinae in ecclesiis F. F. Boh. iisi-
tatae descriptione. Widmung an Carl II. von England mit der Unterschrift:
Johann 4nios Comenlus, Beliquiarum Ecclesiae F. F. B. Episcopus indignus,
solus adhuc superstes. (S. M.H. der G.G. 1892 S. 48.) — Comenius seihst
erwähnt in einem Brief an die Synode vom 2. April 1662, dass dies Werk
ins Englische übersetzt sei und dass die lateinische Ausgabe in Genf neu
aufgelegt worden sei. Soviel uns bekannt, ist die englische Übersetzung
bisher nirgends genauer beschrieben worden, weil, wie es scheint, Exemplare
sehr selten sind. Kürzlich habe ich durch die Güte des Herrn Antiquars
M. Spirgatis in Leipzig ein Exemplar einsehen können; es trägt den
Titel: „An Exhortation of the Churches of Bohemia to the Church of
England: Wherein is set forth The good of Unity, Order, Discipline and
Obedience, in Churches rightly now, or to be Oonistifeuted. With a De-
scription premised of the Order and Discipline used in the Churches of the
Brcthren of Bohemia. Written in Latin, and Dedicated to his most excellent
Majesty Charls the Second, in Holland, at his retuming into England; If
possible it may be for an Accomodation amongst the Churches of Christ.
— By J. Arnos Comenins, the only surviving Bishop of the Bemains of
those Churches. — London , Printed for Thomas Parkhurst at * the Three
Crowns etc. 1661.
An erster Stelle findet sich die Widmung an Karl II., dann folgt
ein Vorwort „To the Reader** unterzeichnet von „Joshua Tymarchus", an
dessen Schluss der Verleger Parkhurst ein Verzeichnis der durch ihn be-
sorgten Drucke giebt, das an erster Stelle die Geschichte der piemontesischcn
Waldenser von Samuel Morland nennt. Daran schliesst sich ein Schi'eiben
To the Church of England unterzeichnet: J. A. Comcnius of Moravia.
Dann folgt „A Short History of the Slavonian Church etc." (S. 9—78)
und das Ganze schliesst mit „An Exhortation to the Churches, particularly
and by name that of England etc." Das Exemplar ist im Besitz des Herrn
M. Spirgatis und kostet 25 M.
132
Inhalt neuerer Zeitschriften.
Heft 3 u. 4.
Inhalt neuerer Zeitschriften.
Hlülorlftche ZeltiM^hrirt. N. F.
ßd. i». 2. Heft: Aufsätzo: F. Kar»!,
Alexander der Urosse und der HellcnismuB.
2 (Schiusa). — K. Haebler, Die Columbus-
Litteratur der Jubiläumniseit. -- MiRcellen:
Zur Vorgeschichte der Revolutionskriege. —
Litteniturbericht. - - Notizen und Nachrichten.
— ErklAningen (von J. LuIv^s und G. von
Below).
Hlfltor. Jabrbiicta der GArreH-
ipoiielliieliaru 15. Jahrg. Heft 4, 1894.
Aufsätze: Lager, Raban von Helmstadt
und Ulrich von Manderscheid, ihr Kampf um
da» Erzbistum Trier. — Jostes, Die ,,Wal-
denserbibeln" und Meister Johannes Rellach.
— Kleinere Beiträge: Kampers, Über
dio Prophezeiungen des Job. Rupcscissa. —
SägmUllcr, Dietrich von Niem und der
Liber pontificalis. — Paulus, Ein katholi-
scher Augenzeuge Ol>er Luthers Lelx»n8ende. —
Rezensionen und Referate. — Zeitschriften-
schau. — Novitätensclian. — Nachrichten. --
Erkläningcn.
Zeltüchrtfl für Phllonophle und
phlloflophlnelie Kritik. N. F. 105. Bd.
Heft 2, 1B94: Ludwig Busse, Zur Be-
urteilung des Utilitarismus. -- R. Falckcn-
berg, Die Entwickelung der I»tzc'Bchen
Zeitlehre. — J. Zahnfleisch, Zur Kritik
derAristotelischen Metaphysik. — Rezensionen.
— Neu eingegangene Schriften. — Bibliographie.
— Aus Zeitschriften.
PhlloHophliiclieii Jalirbueh der
GörresgefieUiiehaft. 8. Bd. Heftl. 1805:
E. Rolf es. Die vorgebliche Präcxislenz des
Geistes iK'i Aristoteles. - C. Gutberiet,
Ül)er Mcssliarkeit psychischer Akte (Schluss).
— J. N a s 8 e n , Über den platonischen Gottes-
liegriff (SchlusH). — B. Ad 1 hoch, O. S. B.,
I)«n' GotteslK^wels des hl. Ansolm. — R<»-
zensioni'n und Referate. — Philo.sopbischer
Sprechsaal. — Zeitschriftensehau. — Miscellen
und Nachrichten.
Aretalv für ttaterrelehlnetae Ge*
Hellichte. 81. Bd. 2. Hälfte 189Ö: J.
Loser th, Sigmar und Bernhard von Krenis-
mOnstcr. Kritische Studien zu den («oschichu-
quellen von Kremsmünster im 13. und 14.
Jahrhundert. (Mit 2 Tafeln.) — Franz von
Krones, Beiträge zur Städte- und Rechts-
gescbichte Oberungams. — Wilh. Erben,
Die Frage der Heranziehung de.H deutschen
Ordens zur Verteidigung der ungarischen
Grenze.
Jalirbueh der GeaellMehafll für
die <i}e«chlclite de« ProtenUulUfimus
In Aflterreleh. 15. Jahrg. Heft 3 u. 4:
Arth. Schmidt, Das Evangelium in Gablonz
und Umgebung. — Th. Elze, Die slavoni-
schen protestantischen Ritual-, Streit^, Ix^hr-
und Bekenntnis-Schriften des IG. Jahrh. —
AI. Nicoladoni, Tanberiana. — Loesche,
Ein nngednicktcs Gedicht von Joh. Major. —
Scheuffler, Der Zug der österreichischen
Geistlichen nach und aus Sachsen. — Th.
Unger, Über eine WiedertÄufer-IJederhand-
schrift des 17. Jahrhunderts. — F. Scheich I,
Bilder aus der Zeit der Gegenreformation in
Österreich.
Revne Intemallonmie de IVn-
■elffnemenl. 16. ann^ , No. 1 : M. A.
Cartault, L'^volution du talent de Vir^gile
des Bucoliques aux G^rgiques. — M.Charles
(j i d e , Professions liberales et travail manuel.
— M. Charles Barneaud, Jefferson et
Teducation en Virginie. — No. 2: Leon O.
P<^lis8ier, La inati6re et Ics materiaux de
l'histoire du premier empire. — Georges
Blondel, Notes sur l'enseig^ement des
Sciences sociales dans les UniversiU^'S alle-
niandes. — Jacques Parmentier, De
Teducation de la noblesse anglaim» du XVIi*
au XVnie siiVh«.
Buchdrücken'! von Johannes Brt>dt, MUnster i. Westf.
Die Comenius-Gesellschaft
ist zur Pflege der Wissenschaft und der Vollcserziehung
am 10. Oktober 1891 in Berlin gestiftet worden.
(8Itz der Yerwaltuu^ In MUuster.)
MItgliederzalil 1895: 1200 Pci-soiieii und Körperseliatteii.
Oesellschartsschriften:
1. Die Monatshefte der CG. Deutsche Zeitschrift zur Pflege der Wissen-
schaft im Geist des Comenius. Herausgegeben von Ludwig Keller.
Band 1—3 (1892-1894) liegen vor.
2. Comenius-Blätter für Volkserziehung. Mitteilungen der Comenius-Gesell-
schaft. Der erste und zweite Jahrgang (1893 — 1894) liegen vor.
3. Vorträge und Au&ätze aus der CG. Zwanglose Hefte zur Ergänzung
der M.H. der CG.
Der Gesamturafang der Geaellschaftsschriften beträgt 30—32 Bogen Lex. 8**.
Bedingrungen der Mitgliedschaft:
1. Die Stifter (Jahresbeitrag 10 M.) erhalten alle Schriften. Durch einmalige
Zahlung von 100 M. werden die Stifterrechte von Personen auf Lebenszeit
erworben.
2. Die Teilnehmer (Jahresbeitrag 5 M.) erhalten nur die Monatshefte; Teil-
nehmerrechte können an Körperschaften nur ausnahmsweise verliehen werden.
3. Die Abteilungsmitglieder (Jahresbeitrag 3 M.) erhalten nur die Comenius-
Blätter für Volkserziehung.
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sind zu richten an die Geschäftstelle der G.G., Münster i. W., Wolbeckerstrasse 4 a.
Der Oesamtvorstand.
Seeger, Ix^hror u. Direktor der Comcnius-Stiftung, Niedcr-Poyritz b. Drosden. Dr. Borgius, Ep., Konsistorial-
Bat, Posen. Dr. HÖpfher, Geh. Gber-Reg.-Rat und Cttrator der Universität in ««ttingen. Prof. Dr.
Hohlfeld, Dresden. M. Jablonski, Berlin. Ifa*ael, 8chul-Rat, Zschopau. Archiv-Rat Dr. fjud'w. Keller,
Staatsarchivar, M&nsteri.W. D. Dr. Kleiuert, Prof. und Gberlconsistorial-Rat, Berlin. "W. J. Leendertz,
Prediger, Amsterdam. Prof. Dr. Markgraf, Stadt- Bibliothekar, Breslau. D. Dr. G-. Loesohe, k. k. ordentl.
Prof., Wien. Jos. Th. Müller, Prof. der Kirchengeschichte, Gnadenfeld. Dr. Pappenheim, Prof., Berlin.
Dr. Otto Pfleiderer, Prof. an der üniversitÄt Berlin. Dr. Bein, Prof. an der Universität Jena. Univ.-Prof.
Dr. Bogge, Amsterdam. Sander, Schulrat, Bremen. Heinrich, Prinz zu Schönaioh-Carolath, Schloss
Amtitz. Dr. Schneider, Wirkl. Geh. Ober-Rog.-Kat n. vortragender Kat im Kultusministerium, Berlin.
Dr. Schwalbe, Realgymn. -Direktor u. Stadtverordneter, Berlin. Dr. Th. Toeche-Mittler, Hofbuchhändler,
Berlin. A. Vlivra, Prof., Prag. Dr. "Wätzoldt, Prov. - Schulrat in Magdeburg. Dr. "Wattenbach,
Geh. Rcg.-Rat u. Prof. an der Univ. Berlin. 'Weydmann, Prediger, Crefeld.
Stellvertretende Mitglieder :
Dr. Th. Arndt, Prediger an S. Petri, Berlin. Dr. Benrath, Prof. an der Universität König«l>erg. "Wilh.
Bötticher, Prof., Hagen i. W. Phil. Brand, Bankdirektor, Mainz. Dr. Comba, Professor am theol.
Seminar der Waldenscr, Florenz. Realgymn. -Direktor Dr. Cramer, Mftlheira a. Rh. H. Fechner, Professor,
Berlin. Univ.-Prof. Dr. Hilty, Bern. (Jymnasial - Direktor Dr. Heussner, Kassel. Oberstlieut. a. D. Dr.
ML Jahns, Berlin. Dr. Herrn, v. Jireuek, k. k. MinisUmalrat, Wien. Dr. Kunze, Gymnasial-Din'ktor, Lissa
(Posen). Prof. D. Dr. Kvacsala, Dorp^^t. Launhardt, Geh. Regierungs-Rat und Prof., Hannover.
Univ.-Prof. Dr. H. Suchier, Halle a. S. Prof. Dr. N esemann , Lissa (Posen). Archiv-Rat Dr. Prümers,
Staataarchtvar, Posen. Rektor Bissmann, Berlin. Landtags-Abgeordueter von Schenckendorff, (iöriitz.
Dr. O. Sohxnid, St. Petersburg. Slamenik, BDrgerachul-Direktor, Prerau. Univ. -Professor Dr. von
Thudichum, Tübingen. Freiherr Hans von "Wolzogen, Bayn?uth.
Sehatzmeister: Bankhaus Molenaar &. Co., Berlin 2, ßurg9tra.sse.
Vei*zeichiiis der Pflegscliaften der CG.
Eine vervollständigte Liste wird demnächst erecheinen.
(DtT Buchstabe B hinter dem Namen bedeutet „BevoUmarhiigter im Ehrenamt", der Buchstabe
,,(iei>chilftsirihrende Buchhandhmg" und der Buchstabe V Vorsitzender einer C.ZAi. oder CK.)
Altena: F. L. Mattigschc Buchh. G
Altdorf: 8em.-Lehrer a. D. J. Böhm. B
Amsterdam: Univ.-Prof. Dr. Rogge. V
„ Buchh. v. Joh. Müller. G
Augsburg: J. A. Schlosscrsche Buchh. G
Barmeu: Buchh. v. Adolf Graeper. G
Bartenstein (Ostpr.): Oberlehrer Dr. Lentz. B
Bayreuth: Buchh. v. B. Giesscl. G
Berlin: Buchh. v. F. Schneider u. Ca, W.
Leipz. Str. 128. G
Bremen: Dr. £. Brenning, Realgym.-Lehr. B
,, Buchh. v. H. \V. Bilomon. G
Breslau: Buchh. v. K Morgenstern. G
Bunzlau: Buchh. v. Ernst Muschket. G
Cottbus: Buchh. v. Carl Brodbeck. G
Crefeld: Weydmann, Pastor. B
Czeruawltz: Prof. Dr. Hochegger. V
,, Buchh. v. H. Pardini. G
Christlanla: Buchh. v. Cammermeyer. G
Banzlg: L. Sauniers Buchh. G
Detmold: Sem.-Direkt. Sauerländer. B
„ C. Schenks Buchh. G
Dortmund: Realgymn.-Dir. Dr. Auler. B
Dresden : H. Burdach, K. S. Hof-Buchh. G
Dttsseldorf: Buchh. v. Herni. Michels. G
EInbeek: Oberlehi-er Dr. EUissen. B
„ Buchh. V. H. Ehlers. G
Elsenaeh: Sem.-Dir. E. Ackermann. B
„ Buchh. V. Bäreck. G
Elblng: Oberlehrer Dr. Bandow. B
„ Buchh. V. Leon Saunier. G
Elberfeld: Buchh. v. B. Hartmann. G
Emden: Haynelsche Buchh. 6
Frankfurt a'. M. Detloffsche Buchh, 6
Olessen: Ferbei"sche Univ.-Buchh. G
Glogau: Oberlehrer Baehnisch. B
„ Buchh. V. C. Rcissner's Nachfolger. G
Gotha: Oberechulrat Dr. von Bamberg. B
Görlitz: Gymn.-Dir. Dr. Eitner. B
Guben: Buchh. v. Albert König. G.
Hagen (Westf.): Prof. W. B<Hticher. V
„ Buchh. von Gustav Butz. G
Halle a.S.: Univ.-Prof. Dr. Uphues. B
Hamburg: Oberlehrer Dr. Dissel. B
„ C. Gassraanns Buchh. G
Hamm: Rektor Bartholomaeus. B
Hannover: Realg^'mn.-Dir. Ramdohr. B
,- Buchn. V. Ludwig Ey. G
Heidelberg: Direkt. Dr. Thorbecke. B
Herborn: Prof. Dr. Zimmer. B
Jena: Inst.-Direktor Pfeiffer. V
„ Döbereinersche Buchh. (Rassraann) B
Kassel: Gymn.-Dir. Dr. Heussner. B
„ Buchh. V. M. Brunnemann & Co. G
Königsberg i . Pr. Graef e & Unzersche Buchh. G
Lauban: Buchh. v. Denecke. G
Leipzig: J. C. Hiniichs'sche Buchh. G
Lengericb: Rektor O. Kemper. B
Lennep : Prof. Dr. Witte, Kreisschulinsp. V
„ Buchk. V. R. Schmitz. G
Lippstadt: Realgymn.-Dir. Dr. Schirmer. B
Lissal. F.: Prof. Dr. Nesemann. B
„ Buchh. V. Friedrich Ebbecke. 6
London: Buchh. v. Williams and Norgate. 6
Lüdenscheid: Dr. med. Boecker. B
Magdeburg: Buchh. v. Heinrichshofen. 6
Mainz: Bankdirektor Brand. B
„ H. Quasthoff 8 Buchh. G
Meiningen: Oberkirchen rat D. Dreyer B
Mttlilhausen 1. Th. : Diakonus J. Clüver. B
Mttuehen: Schulrat Dr. Rohmcder. B
„ Hofbuchh. V. Max Keller«r. G
Mttnster: Buchh. v. Obertüschen. G
Neuwied: Prediger Siebeit. B
Nordhausen: Oberlehrer Dr. Nägler. B
„ Förstemannsche Buchh. 6
Nürnberg: Postmeister Aue. Schmidt, B
„ Buchh. V. Friedr. Kom. G
Oschatz: Sem.-Oberl. Ernst Hänsch. B
Osnabrück: Pastor Lic. tbeol. Spiegel. B
,, Buchh. V. Rackhoret. 6
Falls: Buchh. v. Fischbacher. G
Posen: Buchh. v. Friedrich Ebbecke. 6
Potsdam: Buchh. v. R. Hachfeld. B
Prag: Buchh. v. Fr. Rivnäc. G
Prerau (Mähren) Direktor Fr. Slanienik. B
Quedlinburg: Rektor Ed. Wilke. B
„ Buchh. V. Christ. Vieweg. 6
Remscheid: Hauptlchrcr R. Lambeck. V
9, Buchh. V. Herrn. Krumm. G
Rostock: Dir. Dr. Wilh. Begemann. B
„ Stillersche Hof- u. Univ.-Buchh. 6
Ruhrort: Buchh. v. Andreae u. Co. G
Sagan: Xreisschulinspektor Arndt. B
„ Buchh. V. W. Daustein. G
Sclileswig: Buchh. v. Julius Bergas. G
Soest: Lehrer W. Handtke. B
,, Rittersche Buchh. G
Stade: Direktor Dr. Zcchlin. B
,, Schaumburgsche Buchh. G
Stettin: H. Dannenbergsche Buchh. 6
Stockholm : Dr. N. G. W. Lagerstedt. B
„ Hofbuchh. V. C. E. Fritze. 6
Strass bürg i. Eis. Sem. -Dir. Paul Zänker. B
Wesel: Buchh. v. Karl Kühler. G
Wien : Buchh. v. A. Pichlere Wwe. u. Sohn. 6
Wiesbaden : Gymn.-Oberl. Dr. Hochhuth. B
„ Buchh. V. Felix Dietrich. 6
Zeliopau: Schulrat A. Israel. B
Zürich: Buchh. v. Meyer & Zeller. 6
Zwickau: Oberl. Dr. P. StÖtzner. B
Buchdruckerei von Johannes Brcdt, Müni>ter 1. W.
"©" ^^^Ml^i^g^^j^j^
Inhalt
des fünften und sechsten Heftes 1895.
Abhandlungren. Seite
IfUdwig Keller, Gomenius und die Akademien der Naturphilosophen des
17. Jahrhunderts. Dritter Teil (Schluss) 133
Bernhard Baehring, Zur Erinnerung an Moriz Carriere 185
Nachrichten.
In Sachen der UniTerBal-UniTerBitftt des Grossen Kurfürsten. — Die Bedeutung von
ZQnften und Oilden für die Entwicklung des religiösen Lebens in früheren Jahrhunderten. —
Der Johanniterorden und die Akademie des Palmbaums. — Widerwille der Mitglieder des FSalm*
baums gegen den Namen „Calrinisten". — Gomenius und die confessionelle Polemik des
17. Jahrhunderts. — Vorlesungen über die Geschichte der böhmischen Brüder. — Die Stiftung
einer ,, tugendlichen Gesellschaft" im Jahre 1619. — Zur Charakteristik der sog. Sprach-
gescllschaften des 17. Jahrhunderts 193
Die Monatshefte der C.6. erscheinen monatlich (mit Ausnahme des Juli
und August). Die Ausgabe von Doppelheften bleibt vorbehalten. Der Oe-
samtumfang beträgt vorlaufig 20 — 25 Bogen.
Die Mitglieder erhalten die Hefte gegen ihre Jahresbeiträge; falls die
Zahlung der letzteren bis zum 1. Juli nicht erfolgt ist, ist die Greschaftstelle
zur Erhebung durch Postauftrag unter Zuschlag von 60 Pf. Postgebühren
berechtigt. — Einzelne Hefte kosten 1 Mk. 25 Pf.
Jahresbeiträge und Amneldungen, sowie einmalige und ausserordentliche
Zuwendungen bitten wir an das
Bankhaus Molenaar & Co., Berlin C. 2, Burgetrasse
zu senden.
Bestellungen übernehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslandes,
die Postamter — Postzeitungsliste Nr. 4296** — und die Geschäftstelle der
Comenius- Gesellschaft, Münster i. W. Wolbeckerstrasse 4*-
Anzeigen &den durch die Monatsschriften der CG. in den beteiligten
Kreisen weiteste Verbreitung. Die gespaltene Nonpareillezeile oder deren Raum
kostet 20 Pfg.; bei grösseren Aufträgen entsprechende Ermässigung. Anfragen
und Anträge sind an Johannes Bredt, Verlagsbuchhandlung in Münster LW«
zu richten.
Für die Schriftleitung verantwortlich: iürohiv-Bat Br. Keller in Münster i. W«
l
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1
• J
Monatshefte V4;-^^A?^
der
Comenius-Gesellschaft
IV. Band. -^ 1895. ^ Heft 5 u. 6.
Comenius und die Akademien der Naturpliiiosoplien
des 17. Jahrhunderts.
Von
Ludwig Keller.
I
Dritter Teil.
Die Societät der ,^chymi8ten" zu Nürnberg, deren Mitglied,
wie wir sahen, seit 1667 Gotfried Wilhelm Leibniz war, und
deren Angehörige später zum Teil Mitglieder der „Königlichen
Societät der Wissenschaften zu Berlin** wurden, ist keineswegs
die älteste dieser Gesellschaften von Naturphilosophen, die wir in
Deutschland nachweisen können. Schon vierzig Jahre früher als
diese tritt uns eine andere gleichartige Gesellschaft entgegen, deren
Begründer der Freund des Leibniz und Comenius Joachim
Jungius gewesen ist. Joachim Jungius (geboren 1587 zu Lübeck)
war nebst Christoph Helwig (1581 — 1617), dem Schwiegervater
des nachmals durch seine verwandten Anschauungen bekannt ge-
wordenen Balthasar Schuppius^), im Jahre 1612 zu Frankfurt a. M.
Mitarbeiter des Wolfgang liatichius an dessen „Lehrkunst" ge-
wesen, hatte sich aber dann mit letzterem überworfen, unter anderm
deshalb, weil er und Helwig die Stiftung eines „Collegiums" zur
Befördenmg der Sache forderten, Ratichius aber dies ablehnte.*)
') Viele Nachrichten und Briefe, die des Schuppius Beziehungen zu
den Kreisen der Naturphilosophen darthun, 8..bei Beiff erscheid, Quellen
u. 8. w. 1889 (Register s. v.).
•) S. den Brief des Meyderlin an Dr. Verbezius zu Ulm vom 26. Juni
1615 bei Gid. Vogt, Ratichius, Progr. d. Gyimi. zu Kassel. 1876. S. 33.
— Diese Angabe stimmt mit der Darstellung des Helwig überein, wonach die
Ursache des Streites darin lag, dass Ratichius seine anfängliche Zusage, das
Werk „mit gesamten Rat, Meinung, Wissen und Bewilligung'' zu treiben,
nicht eingehalten hatte, sondern allein vorgegangen war.
MonittBhefte der Comeiiius-Gesellschaft. 1895. 20
134 KeUer, Heft 5 u. 6.
Der Plan einer Gesellschaft, wie sie Jungius etwa acht Jahre
später ins Leben rief ^ schwebte ihm also schon damals vor und
es ist interessant, dass die Societat vor der Öffentlichkeit in
diesem Falle nicht die Pflege der Muttersprache noch der Natur-
wissenschaften, sondern die Förderung der Erziehimgslehre sich
als Ziel setzen wollte.
Im Jahre 1618 studierte und promovierte Jungius in Padua,
an jener Hochschule der Republik Venedig, wo damals die natur-
wissenschaftlichen und medizinischen Studien in hoher Blüte
standen, wo viele Griechen studierten — Greta war im Besitze
Venedigs — und wo Einflüsse des Griechentums und der plato-
nischen Philosophie seit alten Zeiten stark hervorgetreten waren ^).
Nach Deutschland zurückgekehrt (Sommer 1619) hielt er sich
in Rostock auf und verlebte hier einige Jahre in unabhängiger Müsse.
Gerade in Rostock lebten und wirkten manche Freunde und
Gesinnungsgenossen Valentin Andreaes^ z. B. Stephan Stein, dem
ersterer seine Schrift Turris Babel gewidmet hatte, und ein um
seines Glaubens willen vertriebener Italiener, Angelo Sala, der später
der Akademie des Palmbaums unter dem Namen der „Lindernde**
angehörte. Hier stiftete Jungius nach dem Vorbild der italie-
nischen Akademien — er war zweifellos in Padua ebenso Mitglied
einer solchen geworden wie so viele andere deutsche Studierende
— eine philosophische Gesellschaft und zwar unabhängig von der
Universität, eine freie Vereinigung, die er Societas Ereunetica
oder Zetetica oder auch Collegium philosophicum nannte.
Mitbegründer waren Paul Tamovius und Adolf Tassius.
In den Gesetzen der Societat, die späterhin bekannt ge-
worden sind, heisst es ausdrücklich, dass sie „denjenigen^ welche
ausserhalb stehen, nicht leichtsinnig bekannt gegeben werden
sollen", und es ist zweifelhaft, ob das Aktenstück, das wir heute
kennen^ alles enthält.*)
^) Die zahlreichen Beziehungen, in denen sehr viele Naturphiloeophen
zu den Griechen standen, verdienen eine besondere Untersuchung; es wird
sich zeigen, dass das keineswegs ein zufälliges Zusammentreffen war.
*) Es ist ein Entwurf eines Rundschreibens zur Beitritts- Aufforderung
(Guhrauer, Jungius. 1850. S. 70) erhalten, der nach Inhalt und Form sehr
starken Bedenken der Ek;htheit unterliegt; durch Circulare pflegte für die
Akademien nicht gewirkt zu werden; das Schreiben selbst giebt sich ja auch
nur als Entwurf, für den die Societat nicht verantwortlich ist.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphiloeophen etc. 135
Die erste Satzung stellt als Zweck „die Erforschung der
Wahrheit aus der Vernunft und Erfahrung*' hin oder das Streben
,^le Künste und Wissenschaften von der Sophistik zu befreien";
die Wahrheit soll nach der besten Methode, die die proto-
noetische ist — daher die Societat auch Societas protonoetica
heisst — erforscht werden. Jede wissenschaftliche Arbeit gilt
als Beitrag zu den Arbeiten der Gesellschaft, an der alle teil
nehmen. Was in der Gesellschaft vorgebracht worden ist, dürfen
die andern, sofern es nicht in „das Verzeichnis des zu Ver-
schweigenden'' eingetragen worden ist, bekannt machen.
Wir kennen einige Mitglieder der Gesellschaft, deren Liste
bisher nicht bekannt geworden ist, aus dem vertraulichen Brief-
wechsel des Jungius und wissen, dass z. B. Georg Bussius,
Leibarzt des Herzogs Friedrich von Schleswig-Holstein (des Mit-
glieds des Palmbaums) „ akroamatisches Mitglied" (collega acroa-
maticus) — es gab also auch andere Mitglieder — gewesen ist.
Auoh hier waren die Hansastädte, besonders Lübeck, stark ver-
treten, z. B. durch Leonhard Elver, Johann Engelbrecht
und Sebastian Meier, femer waren Mitglieder Johannes Klein
aus Rostock, Jodocus Stalins, Arzt am Hofe zu Wolfenbüttel
u. s. w. Auch Stephan Hein wurde Mitglied und ebenso Simon
Pauli aus Rostock (geb. 1603) i).
Aus den Schriften des Jungius erhellt, dass er ebenso wie
die Mitglieder der sog. Alchymisten-Societät zu Nürnberg nähere
freundschaftliche Beziehungen zu Künstlern, Wcrkleuten und
Handwerkern unterhielt; er liess sich von ihnen über natur-
wissenschaftliche Fragen, die deren Erfahrung näher lagen, be-
lehren und versäumte dann nicht, seine Quelle anzugeben.*)
Den Freundeskreis des Jungius lernen wir aus einem Brief
des Joh. Pömer an den Stifter des CoUegium ereuneticum von
1639 kennen. Pömer, der aus der alten gleichnamigen Nürnberger
Patrizier -Familie stammt, hielt sich damals in diplomatischen
Geschäften seiner Vaterstadt in Danzig auf. Von hier aus schreibt
er u. a.: „unser D. Hein ist noch in Dorpat, aber wie leicht zu
achten in solcher Condition, dass er sie wohl um eine bessere
^) Guhrauer, Jungius. S. 238.
*) Guhrauer, Jungius etc. S. 303. So liest man bei manchen
Artikeln über Mineralien: „£x relatione Zachariae, alchemistae Lubecensis;
ex manuscripto illuminatoriB ; relatio artificis etc.
10*
136 KeUer, Heft 5 u. 6.
vertauschen würde"; er bitte um Nachricht, fährt er fort, über
„unsem David Riccius". „Unser Herr Hartlieb in England
werde sich freuen, wenn Jungius oder Tassius ihm einmal schreibe ;
auch Herr Wolzogen^) wundere sich, dass er von Tassius auf
seinen Brief bisher ohne Antwort geblieben sei % Auch mit Daniel
Wülfer, den wir bereits als Leiter der Nürnberger „Alchymisten-
Societät" kennen, stand Jungius in vertraulichem Briefwechsel.^)
Wir wissen, dass die Freunde in der Begeisterung für
Valentin Andreaes Schriften sich zusammen fanden und dass ihre
Ansichten über die nach ihrer Überzeugung notwendige Reform
der wissenschaftlichen Methode auf Baco beruhten.
Leibniz hegte in späteren Lebensjahren den Plan, eine
Sammlung imgedruckter Schriften des Galilei, Campanella, Pascal
und Jungius herauszugeben und in der Begründung spricht er
das merkwürdige Urteil aus, dass er den Joachim Jungius
keinem dieser Männer nachsetze^). Dieses Urteil ist dann
später durch keinen geringeren als Goethe bestätigt worden^).
^) In den Opera Leibnitü V, 352 findet sich folgende Stelle: Invectus
est (Labadie) in librum Collegae sui (saltem consodalis) Lud. Wolzogenii
elegantem admodum et eruditum. (Aus einem Briefe vom 7. April 1671.)
Man beachte, was wir über den Ausdruck Collega wissen.
^) Der Brief ist voUständig abgedruckt bei Av^-Lallemant, Brief-
wechsel des Jungius, Lübeck 1863 S. 210 ff.
^) Wir lernen aus den Jungius'schen Disputationen einige Namen
seiner Schüler kennen, die hier eine Stelle finden mögen, da sie zum Teil
in der späteren Entwicklung der Societäten eine Rolle spielen; es weiilen
genannt: Barth. Beyer aus Hamburg, Woldek Weland aus Verden, Joh.
Thomaeus, Jak. Schertling, Joachim Hagmeier, Beinh. Blomius, Job. Seide-
ner, Jak. Haasius, sämtlich aus Hamburg, Heinrich Weghorst aus Holstein,
Christ. Schelhammer aus Hamburg, Christ. Schwarz, Nie. Bopers, Erich
Woerdenhoff, Vinc. Garmers aus Hamburg, Joh. Hokius, Friedr. Ploenniss,
Beruh. Varenius aus Uelzen, Casp. Westermann, Martin Vogel aus Ham-
burg. Guhrauer, Jungius S. 312 u. S. 315 ff. — Femer werd^ als Schüler
genannt Benedikt Bahr aus Eutin, Joh. Blomius, Christ. Buncken, Bud.
Capellen aus Hamburg, Casp. Danckwerth, Esdras Edzardus aus Ostfries-
land, Daniel Fischer aus Lübeck, Joh. Garmers, Marq. Gudius aus Rends-
burg, Pet. Lambecius aus Hamburg, Erich Mauritius, Marc. Meibom, Vinc.
Placcius, Joh. Poltzius, Joachim Rachel, J. G. Schottelius, Joh. Vagetius,
Joh. Vorstius aus Wesselburen.
*) Guhrauer, J. Jungius und sein Zeitalter. 1850. S. 141.
*) S. Leben und Verdienste des Doctor J. Jungius, Rektor zu Ham-
burg, von Goethe. Aus Goethes nachgelassenen Papieren abgedruckt bei
Guhrauer a. O., S. 183 ff.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 137
Wenn man nicht wüsste, wie ungerecht das Andenken vieler
dieser Männer bewusst oder unbewusst zurückgedrängt worden
ist, müsste man sich wundern, dass trotz solcher Urteile das
heutige Geschlecht nicht einmal den Namen dieses geistvollen
und verdienten Mannes kennt, den seine Biographen nicht un-
zutreffend den deutschen Baco genannt haben ^).
Da das „CoUegium*', das Jungius gestiftet hatte — wir haben
bereits früher gesehen, welchen Wert er für die Fortpflanzung
seiner Ideen auf das Vorhandensein einer Organisation legte, die
deren Träger sein sollte — sich gegenüber Aussenstehenden
abschloss, so ist es ganz natürlich, dass wir über seine Verfas-
sung, seine Formen imd Symbole nicht viel erfahren. Um das
Jahr 1620, wo diese Gesellschaft entstand, war die volle Geheim-
haltung aller Bräuche und Mitgliederlisten eine in den Zeitver-
hältnissen liegende Notwendigkeit. Selbst die Akademie des
Palmbaums hat, wie wir sahen, erst nach dem Abschluss des
Westfälischen Friedens den Schleier, unter dem sie sich früher
verbarg, gelüftet, wie denn überhaupt alle Nachrichten, die von
Mitgliedern der Gesellschaften selbst stammen, erst seit etwa
1648 auftauchen, wo eine grössere Bewegungsfreiheit auch für
diese Bestrebungen gesichert war.
Der heftige Gegensatz, in welchem die damals herrschenden
Bichtungen zu den Naturphilosophen standen, ist ja bekannt genug
und kommt in der gleichzeitigen Litteratur des 17. Jahrhunderts
in zahlreichen Ausbrüchen des Hasses wider die „Alchymisten"
zum deutlichen Ausdruck. Auffallend ist aber, dass diese Schriften
*) Leibniz schreibt über Jungius, Opp. omnia Tom VI (Genevae 1768):
Dederat ipse auctor Jungius mihi proxime ante obitum suum aliquod Phono-
ramicae rudimentum pro collcgio, quod quondam habuerat, ex schedulis
suis conceptum, elimandumque postmodum, ut, quid placeret, indicarem ....
Placebat mihi tunc illud .... Sed illum non diu post viribus tum corporis
tum animi deficientem occupabat mors, non sine desiderio et luctu
omnium solide eruditorum Weitere Äusserungen des Leibniz
über Jungius finden sich an vielen Stellen der Opera. Leibniz nennt ihn
in Briefen an Freunde „unsern Jungius"; in einem Brief vom Januar 1671
nennt er ihn den „grossen Jungius" (Magnus J.). Opp. V, 540. Leibniz
war durch den Baron von Boineburg zuerst mit Jungius' Schriften bekannt
geworden.
138 KeUer, Heft 5 u. 6.
der Gegner von den Oi^anisationen derselben, ihren Formen und
ihren Mitgliedern durchschnittlich eine sehr geringe Kenntnis be-
sitzen und daher für uns eigentliche Quellen kaum sein können.
Hiervon macht, soviel ich sehe, nur eine einzige Schrift eine
Ausnahme, die aber erst im 18. Jahrhundert durch den Druck
bekannt geworden ist, nämlich des L.C. Orvius Occulta philoso-
phia, deren im Jahre 1635 geschriebene Vorrede eine genauere
Kenntnis verrat.
Im Jahre 1737 erschien „Gedruckt in der Insul der Zu-
friedenheit*' aus einem „sehr alten und raren Manuscript den lieb-
habem der edlen Chimie . . zu Nutz herausgegeben von L. H. J.
V. H. J. D. des Ludovici Conradi Orvii Occulta Philosophia"^)
nebst „einer sehr curiösen Nachricht von dem Leben des Auctoris
und einer Bande Adeptorum". Die „curiöse Nachricht* ' ist in der
That in mehrfacher Beziehimg von besonderem Interesse. Sie ist
im Namen der „rechten Artisten" geschrieben und wendet sich sehr
nachdrücklich gegen die Gesellschaften der „Philosophi", die von
sich behaupteten, im Besitz der ,p'echten Kunst*' zu sein. Der
Verfasser — der Name Orvius scheint ein Pseudonym zu sein —
erklärt, diese Dinge niedergeschrieben zu haben, damit die Nach-
folger „sich vor dieser Sekte hüten, bei Lust ihrer Seelen Selig-
keit .... Denn was hilfts den Menschen, wenn er die ganze Welt
gewänne und litte doch Schaden an seiner Seele. Die Teufel in
Gestalt der Engel im Licht (nämlich die Adepten) beneiden den
Armen und Elenden, wenn er etwas findet und wenn es in ihrem
Vermögen stände, sie corrumpirten die gantze Natur** u. s. w.
Er behauptet, diese Gesellschaften der „Philosophi**, die
unter „zweideutigen Bildern und Figuren** die „Erkenntniss der
^) Der vollständige Titel — ich benutze dfus Exemplar der Hofbib-
liothek zu Darmstadt — lautet: Ludovici Conradi Orvii Occidta Philosophia
oder Coelum Sapientum et Vexatio stultorum^ Darinnen ordentlich, deutlich
und gründlich als noch von keinem geschehen, gezeiget wird, wie man zu
dem acidösischen solventen und wahren hermetischen Wissenschaft gelangen
soll. Wobey zugleich eine sehr curiöse Nachricht von dem Leben des
Auctoris und einer Bande Adeptorum befindlich ist. lezo zum erstenmahl
aus einem sehr alten und raren Manuscript den Liebhabern der edlen Chimie
und nicht den einfältigen Spöttern zu Nutz herausgegeben. Von L. H. J.
V. H. J. D. Gedruckt, in der Insul der Zufriedenheit 1737. 80 S. kl. 8^
Nach J. F. Gmelins, Gesch. der Chemie II, 331 ist unter Orvius Ludwig
Konrad von Berg zu verstehen.
1895. OomeniiLB und die Akademien der Naturphilosophen etc. 139
Materie"*) lehren und den Hochmut dieser „Pharisäer** genau zu
kennen, denn er sei selbst „oft in ihren Versammlungen ge-
wesen und habe die Ehre gehabt solchen beizuwohnen".
Er sei aber „um eine geringe und liederliche Ursache, die sie Selb-
sten als was gemeines unter sich ausüben, von ihnen in den Bann
gethan worden . . . welches geschehen in der Hass*) Anno
162 2". „Die Ursache war diese: ich war in Amsterdam auf
meiner Schwester Hochzeit, wo ich lauter gute Freunde antraf
und war unter andern auch ein eintziger solcher vermeinter guter
Freund (ein Mitglied der Gesellschaft) dabei; wie es pfleget zu
gehen, dass, wenn ich soviel als ein halbes Seidel Wein trunk,
ich trunken war . . ." In dieser Trunkenheit habe er einiges aus-
geplaudert, und jener Freund habe ihn dann bei der Gesellschaft
verklagt, dass er das Mysterium verachtet und die geheimsten
Sachen entdeckt habe. ,Jch bekam eine Citation, in die öffent-
liche^) Versammlung zu kommen zu diesen grossen Pharisäern,
wo sie mir mein Verbrechen mit hohen Worten als ein Crimen
laesae Majestatis auslegten .... ich wurde ohne alle Gnaden in
Bann gethan und aus ihrer vermeinten Gesellschaft gestossen".
„Also siehet ja der Freund, wie es mir bei solchen Heil: Philo-
sophen ergangen." . , .
Das war aber nicht die einzige trübe Erfahrung, die Orvius
mit den „Philosophen" gemacht hatte; schon einmal, natürlich vor
seiner Ausstossung, hatte er einen schweren Streit mit ihnen ge-
habt Er hatte nämlich einen Weg gefunden, angeblich durch ein
Büchlein, um sich Kenntnisse zu verschaffen, die ihm bisher von
den „Philosophen" vorenthalten worden waren und sich zugleich
bei einem derselben beklagt, dass er „auf ihre Art um all das
Seinige gekommen sei", d. h. dass er auf Grund der von jenen
ihm gegebenen Ratschläge sein Vermögen in Experimenten ver-
') Die ,,Erkenntniss der Materie" oder der ,,wahren Materie" spielt
im Sprachgebrauch der Akademien eine grosse Rolle; merkwürdigerweise be-
raten auch die Mitglieder des Palmbaums in ihren Versammlungen gelegent-
lich über das Wort „Materie".
^ So steht in dem Druck; es ist offenbar ein Irrtum, sei es des Ab-
schreibers, sei es des Setzers, und es hat vielleicht gestanden ,,Jahr des
Heils".
•) Die deutsche Ausgabe ist zweifellos eine Übersetzung, die sehr
mangelhaft ist; hier heisst es offenbar nicht „öffentliche", sondern etwa
ordentliche Versammlung.
140 KeUer, Heft 5 u. 6.
braucht habe, ohne etwas zu erreichen. Darüber wurden, so erzahlt
er, diese „Magi" grimmig, liessen ihn vorfordern und ward von
dem Vornehmsten und Höchsten, welcher dasitzet in priesterlichem
Schmuck also angeredet: „Weil Ihr unsere Liebe, die wir so lange
zu Euch getragen und dieses ketzerische Buch zu missbrauchen
Euch unterstanden habt, da wir doch allezeit grosses Mitleiden
mit Euch gehabt; dass wir nicht sogleich unsere Mysterien haben
eröffnen können, könnt Ihr uns nicht verdenken, weil wir, wie
sie alle, die hier zugegen sein, bekennen müssen, dass solche
Probierjahre uns alle betroffen, welche wir in Geduld aus-
gehalten ^): weil Ihr aber solche grosse Liebe gemissbraucht habt,
sollt Ihr gegenwärtige Punkte abschwören" u. s. w.
Er habe dann auch gelobt, „ihre Freundschaft, Bekannt-
schaft, Namen, Nester, wo diese güldische Vögel ihren Wohnplatz
haben, was ich bei ihnen gesehen und gehört" nicht zu verraten.
Darauf sei er von dem Ort aus, wo dies vorgefallen (es ist
offenbar Amsterdam gemeint) beinah 46 Meilen Wegs zu Fuss in
seine Heimat gegangen. Obwohl er durch viele Orter gekommen,
wo solche „Philosophi" gewohnt, habe er doch keinen mehr mn
eine „Ritterzehrung" dürfen ansprechen.
In Mons habe ihm ein Apotheker den Theophrastus
Paracelsus^) und „Abraham den Juden" zum Abschreiben ge-
geben.
Nach allen diesen Erfahrungen „will ich dich gewarnt haben,
müssig zu gehen aller hochtrabenden Philos:, wie auch ihrer
Schriften, so sie in Druck gehen lassen, absonderlich ihrer Chi-
mischen Hochzeit/') wollte sagen Narrheit, und aller dergleichen
Bücher."
Nun habe er zwar geschworen, nichts zu entdecken, aber
weil diese unbarmherzigen und lieblosen Menschen ihn also ver-
lassen, wolle er die Geheimnisse verraten. Und nun folgen die
Enthüllungen, die uns hier besonders interessieren.
„So soll der Artiste wissen und sie daran erkennen, ihre
*) Orvius hatte die Probejahre also nicht in Geduld ausgehalten.
') Die Vorliebe für Paracelsus kehrt bei den Naturphilosophen
überall wieder; auch Andreae huldigte der Weltaneicht des Paracelsus
(s. Zöckler, Theologie und Naturwiss. I, 562).
^ Es ist das Buch: Chymißche Hochzeit: Ghristiani Rosencreutz.
Anno 1459 u. s. w. Strassburg 1(516 (u. später öfter) gemeint.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphiloeophcn etc. 141
Personen und die Plätze ihres Aufenthalts. Im Haag haben sie
einen Pallast^ wo sie zu gewissen Zeiten zusammenkommen. In
Amsterdam^ in Nürnberg, in Hamburg, in Danzig, Mantua,
Venedig, Erfurt (kommen sie zusammen), wie es ihrem Vorge-
setzten beliebet und wo er am nächsten sein Haus und Hof hat.
Es sind sowohl Hohe als Niedrige unter ihnen. Wenn sie reisen,
gehen sie in sehr schlechter (schlichter) Kleidung . einher, führen
aber alle zum Zeichen öffentlich eine schwarze Schnur von Seiden
an ihren Röcken im obersten Knopfloch, welche sie bekommen,
nachdem ihnen, wie sie sagen und nennen, etliche Elxtases sind
offenbaret worden, ^) bei Leistung des Juraments und Verfluchung
verschwiegen zu sein und lieber an einem solchen seidenen Stricke
sich lassen eru'ürgen, als Gott und ihrem Nächsten zu dienen und
solchem was zu offenbaren. Sie geben vor, diese seidene Schnur
käme her von einem ihres Ordens Stifter, welcher soll Christian
Rose geheissen haben, von welchem sie noch vieles dergleichen
aufweisen, er soll solchen (nämlich den Strick) als einen Schurz
um die Lenden getragen haben. Dieses halten sie hoch. Es
ist aber falsch, dass der Christian Rose soll einer von ihren
Ordensstiftem gewesen sem, denn vermuthlich haben sie ihren
Anfang von dem Ritterorden der Johanniter. Wo dieser
aber die Kunst bekommen, glaube von denen Altvätern. So haben
auch solche die Creutz-Ritter gehabt.
Das andere Signum, woran man solche öffentlich erkeimen
kann, ist dieses, sie sind alle, wenn solche in eine Versammlung
gehen, mit einem blauen Ordensbande, an welchem ein gül-
denes Creutz mit einer Rose hanget, gezieret. Dieses tragen sie
um den Hals und unter dem Rocke, wo man nicht viel von solchem
zu Gesichte bekommt, als das güldene Creutz, so sie zum Theil
auf der linken Seiten aushängen. Sie gehen auf den Strassen sehr
andächtig und devot, leben dabei sehr abgeschieden."
Die ganze Schrift — auch die hier mitgeteilten Proben
lassen es erkennen — liefert den deutlichen Beweis, dass der
Verfasser ein Mensch von grosser geistiger Beschränktheit, Ur-
teilslosigkeit, Argwohn und Aberglauben gewesen ist. Er verrät
*) Also bcsassen nicht alle diese Schnur und der Verfasser, der wäh-
rend der „Probierjahre'* ausgestossen war, hat sie offenbar weder besesöcn,
noch ihren Sinn gekannt.
142 KeUer, Heft 5 u. 6.
bei der Wiedergabe seiner Gedanken^ im Stil wie in der Satz-
bildung einen sehr grossen Mangel an Bildung, ganz abgesehen
davon, dass er sich unbeabsichtigt in seinem Charakter blossstellt
Da er offenbar alles geglaubt hat, was ihm andere, die nicht
wie er während der „Probierzeif' ausgestossen waren, weiss ge-
macht haben (dahin gehören einige gänzlich missverstandene Be-
merkungen über Kennzeichen der „Philosophi'*), so sind alle seine
Angaben natürlich mit Misstrauen aufzunehmen. Stimmen aber
die Nachrichten, die er giebt, mit Mitteilungen, die wir aus reineren
Quellen besitzen, überein, so verdienen sie gerade im Hinblick
auf die Beschränktheit des Verfassers, die jeden beabsichtig-
ten Betrug ausschliesst, alle Beachtung; auch finden sich
einige Einzelheiten in seinen Angaben, die nicht erfunden sein
können und andere, bei denen zwar die Zuthaten falsch, aber der
Kern unzweifelhaft richtig ist
Besonders merkwürdig ist, aus Gründen die hier nur ange-
deutet, nicht entwickelt werden können i), der Hinweis auf die
Zusammenhänge der „Philosophen^^ mit den Johannitern
und dem Deutschen Orden. Wir wollen hier weniger Gewicht
darauf legen, dass auch Johanniter-Bitter Mitglieder der Akademien
waren, aber auffallend sind die Anklänge in der Symbolik, die sich
in beiden Orden finden. Das sechsspitzige weisse Kreuz, das die
Johanniter auf der Brust trugen, kehrt in den Bildern und Zeichen
der Societäten vielfach wieder, 2) und das rosenfarbene Kreuz, das
die Johanniter-Fahnen zierte, ist es nicht merkwürdig verwandt
mit dem Ordenskleinod, das einige dieser Akademien unzweifel-
haft getragen haben?
Es sind im Übrigen genau die Formen, Gebräuche, Zeichen
und die Verfassung der „Akademien", die von Orvius als Kenn-
zeichen der „Philosophen" beschrieben werden; kein einziger ab-
weichender und selbst kaum ein neuer Zug — denn auch das
^) Über die Zusammenhänge der Deutschhcrm und der Johanniter
mit Waldensern, Begharden und sonstigen ausserkirchlichen Christen siehe
Ludw. Keller, Johann v. Staupitz, Leipzig 1888, S. 377 ff.
*) Man vergl. die oben erwähnte Schrift „Deutscher Ziraber-Swan" etc.
8. 121; hier liegt auf dem Kreuz ein Adler. Das Wappen der Johanniter
lag auf rotem Felde, darüber eine Krone ; daraus ging ein Rosenkranz hervor
und legte sich um den Schild. Also erscheinen auch hier das Kreuz und
die Rose.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 143
Schurzfell findet sich in italienischen Akademien i) — tritt uns
entgegen. Die Geheimhaltung, die Handhabung strenger Disciplin,
die Probejahre, die Versammlungen, die Hinneigung zu Paracelsus
und zu Valentin Andreae, das blaue Ordensband, das um den
Hals getragen wird, die Namen „Kunst" und „Artist" (Kunst-
liebender), 2) das Kleinod u. s. w. — es sind dieselben Ordnungen,
die wir bereits kennen.
Wichtig ist aber die Nachricht, dass es um das Jahr 1620
solche Gesellschaften bereits im Haag, in Amsterdam, in Nürn-
berg, Hamburg, Danzig, Erfurt, Mantua und Venedig gab; der
Umstand, dass sie im Haag einen „Palast" besassen, deutet klar
darauf hin, dass diese Gesellschaften nicht heute oder gestern
entstanden waren, sondern bereits eine längere Geschichte besassen.
Die Thatsache, dass diese Naturphilosophen die Schriften
Andreaes schätzten, beweist mit nichten, dass dessen Konfession
der Societät der Rosenkreuzer (1613) oder die Fama Fraternitatis
(1614) oder auch die Chymische Hochzeit Christian Rosenkreutz
(1616) den Anlass zur Stiftung jener Gesellschaften gegeben
hätten; sicher ist nur, was wir auch ohnedies wissen, dass Valentin
Andreae den Naturphilosophen nahestand und manche Oi'dnungen
der Akademien kannte — Andreae war lange in Oberitalien — ,
die ja in den romanischen Ländern schon im 16. Jahrhundert und
früher in grösserer Zahl bestanden. Dass die Vorschläge und
Anregungen der erwähnten Flugschriften lediglich eine Mummerei
waren, deren Zweck heute schwer genau festzustellen ist, sollte
*) S. Vasari, Leben berühmter Künstler etc. in der Lebensbeschrei-
bung des Joh. Fr. Rustici (Deutsche Ausg. v. Förster 1847 V, S. 77 ff). —
Die Anspielung auf die Thätigkeit des Bauens, die in diesem Zeichen liegt,
tritt auch in der Litteratur, die aus diesen Kreisen stammt, nicht selten
hervor. M. Stephan Grunius schreibt in seiner Schrift Propugnaculum
Vormatiae: Die veste Burg der Stadt Wormbs, auf den Ekikstein Jesum
Christum gegründet etc. (1620), seine Absicht sei, eine „geistliche Burg
und Festung aufzurichten" nach der Richtschnur von Psalm 19, denn
Bischöfe und Lehrer seien nach Psalm 118 dazu berufen „geistliche Bau-
leute zu sein" etc. In den Schriften des Nollius wird diese „geistliche
Burg" auch die „Burg der Weisheit" genannt; es ist ein anderer Ausdruck
für den „Tempel der Weisheit", das „Haus Salomonis" u. s. w.
^ Comenius nennt in seinem „Weckruf" dasjenige, was hier die
„Kunst" heisst, den „Weg des Lichtes" (Via lucis) oder auch den „König-
lichen Weg".
144 Keller, Heft 5 u. 6.
doch allen denen nicht mehr zweifelhaft sein, die die Geschichte
des Bundes einigermassen kenueD. Hier wie sonst kann die Ab-
sicht mituntergelaufen sein, diejenigen irre zu leiten, die den
Gesellschaften als Feinde gegenüberstanden und den Freunden
einige heilsame Lehren und Warnungen zu geben und zugleich
eine öffentliche Erörterung herbeizuführen, von der man sich
Nutzen versprach.^)
Wie dem aber auch sei, so gab das Erscheinen jener Schriften,
die bekanntlich ungeheueres Aufsehen machten, zum Aufkommen
eines neuen Namens für die Naturphilosophen Veranlassung, der
bald den gehässigen Beigeschmack eines Sektennamens annahm
und in der Art, wie er gebraucht ward, mehr dazu diente, die
wahre Geschichte der Societäten zu verdunkeln, als sie aufzu-
hellen. Die Societäten, deren keine sich yjlosenkreuzer*^ nannte,
wiesen diese Bezeichnung und die ihr anhaftenden Merkmale
alchymistischer Schwärmerei imd theosophischer Mystik ent-
schieden zm*ück und suchte den gleichzeitig aufkommenden Ver-
dacht ketzerischer Anschauungen von sich abzulenken. So hat
dieser Name ebenso wie alle Sektennamen ähnlicher Art — ich
erinnere an den Sektennamen „Wiedertäufer**, den ebenfalls nie
eine Gemeinschaft von sich selbst gebraucht hat — zur Ver-
bittening der Gemüter und zur Verdunkelung der geschichtlichen
Thatsachen sehr wesentlich beigetragen.
Wir würden in die Zusammenhänge einen klareren Einblick
gewinnen, wenn in der Schmähschrift des Orvius auch einige
Namen von Mitgliedern genannt worden wären; aber gerade in
dieser Beziehung hat der Verfasser das von ihm abgelegte Ver-
sprechen der Verschwiegenheit gehalten.
Bei den Schwierigkeiten, die der Gründung jeder neuen Aka-
demie im Wege standen, gelang es in der Regel nur wirklich hervor-
ragenden Männern, eine Schöpfung von längerer Dauer zu stände
*) In der „Fama fraternitatis des löblichen Ordens R. C." (1614) heisst
es von einigen Schriften des Paracelsus, dasa ihnen die Absicht zu Grunde
liege, „mehr der Fürwitzigen zu spotten, als sie ganz sehen zu
lassen". Es kann kein Zweifel sein, dass dem Verfasser der „Fama" die
gleiche Absicht vorschwebte. Dass die Schrift aus den Kreisen der ,,Akade-
niien" stammt und deren Zwecken dienen sollte, ist freilich ebenso sicher.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 145
zu bringen, und es darf nicht Wunder nehmen, dass vielfache
Nachrichten über Versuche zu Neugründungen auftauchen, die
schliesslich ohne Erfolg blieben. Bei dem Bedürfnis, eine gewisse
Gleichartigkeit der Akademien herzustellen, war es sehr wichtig,
dass in den oben erwähnten Schriften Valentin Andreaes gewisse
Grundzüge der Verfassung wie der Ziele für die Eingeweihten
festgelegt und gegeben waren. An der Hand dieser Winke konnte
dann in vielen Städten und Ländern der Versuch einer Neugrün-
dung auch von minder hervorragenden Brüdern gewagt werden
und die Geschichte zweier zeitgenössischer Gelehrten H. NoUius
und J. Moersius Uefert lehrreiche Beispiele in dieser Richtimg.
Heinrich Nollius^) war zu Ziegenhain um 1590 geboren,
besuchte die Universität Marburg (1609) und war im Jahre 1616
Lehrer am Gymnasium zu Burgsteinfurt Von hier entlassen, ging
er nach Giessen, wo er Freunde und Gesinnungsgenossen fand.
Unter dem 12. Februar 1623 erliess Landgraf Ludwig V. von
Hessen-Darmstadt eine Verordnung, durch welche die Verhaftung
der Dr. Nollius und Mag. Homagius befohlen ward, weil sie nebst
dem Univ. -Buchdrucker Chemlius, dem Univ. -Buchbinder u. a.
heimlich und bei Nacht Versammlungen gehalten hätten,*) und weil
sie Schwärmer seien, die der augsburgischen Konfession gefähr-
lich werden könnten. Als Verdächtige und Genossen des Nollius
*) Nollius ist deshalb beachtenswert, weil er sich in seinen zahlreichen
Schriften offener und unumwundener ausspricht, als viele seiner vorsich-
tigeren Gesinnungsgenossen. Die genauesten Nachrichten über ihn und seine
Schriften giebt Hochhuth in Niedners Zts. f. d. hist. Theol. 1863 S. 192 ff.
Nollius erklärt, drei Wege seien es, welche die Menschen zum Quell der
göttlichen Weisheit führen, sieben Wege, die ihn das Innere der Natur er-
kennen lassen. Nicht die Scholastiker seien die rechten Wegweiser, in der
h. Schrift liege der höchste Schatz der Weisheit verborgen. Paracelsus
habe in der Philosophie mehr geleistet, als der ganze Schwärm der Aristote-
liker. Drei Mittel der Erkenntnis giebt es: 1. die h. Schrift, 2. die Welt
(der Makrokosmus), 3. das Menschenherz (der Mikrokosmus), d. h. das innere
Licht, das aber nur dann erleuchtet, wenn Gelassenheit und Gottesfurcht
im Herzen wohnen.
') Moersius an Jungius 1643 Aug. 26 (Guhrauer, J. Jungius 1850
S. 234): Nollius beatac recordationis fraternitatem aliquam ad restitutionem
Henneticae medicinae ac philosophiae sub nomine Fratemitatis Rotae cae-
lestis engere moliebatur, cujus leges apud me sunt, quas puto Excell. Tuam
et Optimum Dn. Tassium nostrum vidisse, sed morte praeventus, operi colo-
phonem imponere non valuit.
146 KeUer, Heft 5 u. 6.
werden Dr. S. Stephani, Dr. Nebelkrae, Professoren der Rechte,
u. a. bezeichnet. Es folgte eine langwierige Inquisition wegen
Ketzerei, die für alle Beteiligten Ndel Unangenehmes mit sich
brachte, deren Ausgang wir nicht kennen.^)
Merkwürdiger noch als die Schicksale des Nollius sind die
seines Freundes Joachim Mörsius, der im Jahre 1593 als Sohn
eines Goldschmiedes 2) in Hamburg geboren war. Er studierte
in Rostock Theologie und trieb humanistische und naturphiloso-
phische Studien und übernahm 1615 die Verwaltung der dortigen
Üniversitäts-Bibliothek. Er machte dann grosse Reisen in den
Niederlanden, nach London, Oxford, Cambridge, nach Frankreich,
ja durch ganz Eiu*opa und bis nach Afrika. Er galt als ausge-
zeichneter lateinischer Dichter und stand mit den ersten Gelehrten
seines Zeitalters in Beziehung: Janus Gruter, den wir schon ken-
nen,^) der Engländer John Aven, der holländische Dichter Caspar
Barläus, Daniel Heinsius, Aug. Buchner u. a. verherrlichten ihn
in eignen Oden, und auch bei Herzog August von Wolfenbüttel
und bei dem Landgrafen Moritz von Hessen war er angesehen.
Aber alle diese Beziehungen schützten ihn nicht, als er in
den Verdacht mangelnder Rechtgläubigkeit geraten war. Zuerst
ward er Jahre 1629 unter der Anklage der Verschwendung zu
Hamburg verhaftet, aber freigesprochen. Im Jahre 1633 erfolgte
eine Anzeige gegen ihn beim Rate von Lübeck wegen „Schwär-
merei" und Verbreitung „fanatischer Bücher**; im Jahre 1636 liess
ihn der Rat zu Hamburg in den Pesthof sperren, wo er einige
Jahre unschädlich gemacht wurde, bis es den Bemühungen seiner
Freunde im Jahre 1640 gelang, ihn zu befreien; er starb einige
Zeit später eines plötzlichen Todes.*) In betreff seiner religiösen
Anschauungen wissen wir, dass er wie alle seine Freunde den
altchristlichen Überzeugungen nahe stand, wie sie in den Lehren
Taulers und Eckharts enthalten waren; dass sich die Mitglieder
des Bundes eben durch die Übereinstimmung in der religiösen
Frage verbunden fühlten, beweist der Schluss des gleich zu be-
') Der Artikel über N. in der A. D. B. XXIII, 759 ist ungenügend.
*) Es verdient Beachtung, dass viele „Naturphilosophen" die Söhne
angesehener Handwerker waren, also zu Gilden und Zünften in einem über-
lieferten Verhältnis standen.
») M.H. der CG. 1895 S. 21.
*) S. den Artikel in der A. D. B.
1895. Oomenius und die Akademien der NaturphiloBophen etc. 147
sprechenden Briefes, worin es heisst: Salvete iterum plus millies
veteris fidei amiculi non immemores. In seinen Schriften nannte
er sich Anastasius Philareta Cosmopolita.
In Sachen der damals im Schwange gehenden Gründungen
neuer Akademien imd Gesellschaften hat nun Mörsius am 26. August
1643 aus Schleswig einen merkwürdigen Brief an seinen Freund
Joachim Jungius geschrieben, i) Als er im Jahre 1629 zu Calw
bei Valentin Andreae gewesen sei, erzählt er, habe ihm dieser
je 12 Exemplare seiner Traktate Dextra amoris porrecta und
Imago societatis evangelicae 2) geschenkt und Mörsius habe diese
an folgende Herren weiter gegeben: 1. An Herzog August von
Braunschweig, der über diese Schriften mit M. Berne^er später
viele Briefe gewechselt habe; 2. an den Landgrafen Moritz von
Hessen, der beide Schriften ins Deutsche übersetzt habe, um sie
in Frankfurt herauszugeben, was Mörsius widerraten habe; 3. an
den Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein, der sich gegenüber
Herrn Joh. Adolph Hoyer in Schleswig zur Förderung eines
solchen Kollegiums, wie Andreae es schildere, bereit erklärt habe;
4. an den Herzog Ludwig von Anhalt, den Gründer der „frucht-
baren Gesellschaft" durch Vermittlung seines Leibarztes Dr. Stock-
mar; 5. an den dänischen Rat Öliger Rosenkranz, der in einem
handschriftlich vorhandenen Buch seine hohe Meinung von dem
Unternehmen kund gegeben habe; 6. an den schwedischen Ge-
sandten Johannes Sylvius für seinen König und den Reichskanzler;
7. an Heinrich von Qualen; 8. an Laurentius Grammendorf,
Advocatus Berolinensis Aulae, einen sehr erfahrenen Manu in der
Theologie, der Mystik, der Medizin und der Philosophie; 9. an
Wendelin Sybilista, Arzt des Kaisers aller Reussen in Moskau;
10. an Johannes Merian^), Patrizier zu Nürnberg und „püssimus
chemicus"; 11. an Poemer, der den Nachruf an Schwender ver-
fasste; 12. an M. Brasch, Pastor in Lüneburg. Durch diese
^) Der Brief ist vollständig abgedruckt bei Guhrauer, Joachim
Jungius, Stutt. u. Tüb. 1850 S. 232 ff. und bei Avö-Lallement, Brief-
wechsel des Jungius S. 342 ff.
*) Gemeint sind die im Jahre 1620 geschriebenen Schriften Christianae
Societatis idea und Christiani amoris dextera porrecta, die die Grundlinien
für die Schaffung solcher Gesellschaften enthalten.
*) Ein Verwandter des Matthius Merian, welch' letzteren auch Oome-
nius kannte (Patera, Briefwechsel des Oomenius. Prag 1892 S. 130).
148 KeUer, Heft 5 u. 6.
Männer seien Abschriften an andere Personen gelangt, ohne dass
sie gewusst hätten, woher diese Traktate stammten. Die meisten
hätten den Wunsch gehabt, dass nach den darin enthaltenen An-
weisungen eine „christliche Brüderschaft" organisiert werde und er
(Mörsius) werde es fjtnr eine sondere Glückseligkeit schätzen", wenn
er unter den „Peregrinatores" oder „Observatores antiquitatis" oder
„Observatores Naturae" oder den „Ministri" dieses CoUegiums auch
nur den letzten Platz erlange. Er hoffe, „dass (wie es in den
Weissagungen des Osorius heisse) in der alternden Welt eine Ge-
sellschaft mit neuem und sonst ungebräuchlichem Namen
geboren werde, die die aufgeblähten Magister zum Schweigen
bringe und nach deren Emporsteigen wie nach der Sonne Auf-
gang alle anderen Genossenschaften und Vereinigungen wie kleine
Lichter, die mit erborgtem Lichte leuchten, den Augen der Men-
schen entzogen werden.**
Es war kein Wunder, dass solche überschwengliche Hoff-
nungen nicht in Erfüllung gingen: auch Valentin Andreaes An-
sehen und Begabung reichte nicht hin, um eine Gesellschaft zu
begründen, die das Ansehn aller übrigen Societäten und Ver-
einigungen, also auch das der Kirchen und der Staaten, über-
strahlte. Merkwürdig aber ist, wie diese Wünsche an Gedanken
imd Pläne des Comenius anklingen und erinnern.
Wenn man die obige Liste überblickt, so tritt demjenigen,
der die genannten Personen und ihre Stellung einigermassen
kennt, sofort die Thatsache entgegen, dass sie alle einen Zug
geistiger Verwandtschaft zeigen, teilweise auch unter einander
verbunden waren. Die Verwandtschaft tritt unter anderem in
einer sehr entschiedenen Religiosität zu Tage, die bei einzelnen
mehr oder weniger kirchlich gefärbt, aber bei keinem konfessionell
ausgeprägt und gerichtet war und die sich bei allen mit einer
für ihr Jahrhundert ungewöhnlichen Toleranz gegen Anders-
gläubige verband; das Band, welches die Mehrzahl umschlang,
war die Zugehörigkeit zur „fnichtbringenden Gesellschaft" oder
den dieser nachgebildeten Societäten, denen Herzog August von
Braunschweig (1579 — 1660) ebenso wie Andreae, Landgraf Moritz
ebenso wie Herzog Ludwig von Anhalt angehörten. Herzog
Friedrich von Schleswig-Holstein (1597 — 1659) ist derselbe, der
den aus Holland vertriebenen Remonstranten und Taufgesinnten
in seinem Lande Aufnahme gewährte und dadurch gegenüber den
1895. ComeniuB und die Akademien der NaturphiloBophen etc. 149
bestehenden Reichsgesetzen, die diese Religion durchaus verboten,
einen Beweis von ungewöhnlicher Selbständigkeit lieferte. Der
schwedische Gesandte, Joh. Sylvius^ war ein Bekannter des Come-
nius,*) und Bemegger gehörte, wie wir wissen^ zu dem Kreise,
der sich in der sog. Tannengesellschaft zu Strassburg zusammen-
gefunden hatte. 2) Joh. Ad. Hoyer ist sehr wahrscheinlich ein
Verwandter des Hermann Hoyer aus Eiderstedt, des Gemahls der
Anna Ovena Hoyer, geb. 1599, die durch ihre Dichtungen wie
durch ihre Hinneigung zu Schwenkfeld bekannt geworden ist.
Auch alle übrigen Namen, die Mörsius in diesem Briefe
nennt — Tassius, Heinius, Georg Bussius, Leonh. Elver, Henning
Petersen u. a. — , weisen auf enge Beziehungen zu den Akade-
mien hin und die Bemerkung, dass D. Heinius in Dorpat dorthin
für eine Professur der Medizin „einen Collega Arndianus und
in der Chemie nicht ganz unerfahren Mann'' vorgeschlagen zu
sehen wünsche, beweist, dass Mörsius selbst „Collega'^ war. ') Aber
ähnlich wie Comenius und Hartlieb wünschten diese Männer, dass
eine höhere Oi^nisation unter neuem Namen zu stände komme,
die sich freilich der Natur der Sache nach auf den bisherigen
Gesellschaften aufbauen musste.
Einen unmittelbaren Hinweis auf die Kreise, in denen mit
grösseren Mitteln und von grösseren Gesichtspunkten aus ver-
wandte Pläne verfolgt wurden, giebt der Schluss des Briefs, worin
Mörsius den Jungius bittet, „bei den Herrn Duraeus und
Hartlieb und den übrigen Britten seiner im Bessten ein-
gedenk zu sein."
Landgraf Ludwig V. von Hessen -Darmstadt (1577 — 1626),
der, wie wir sahen, die Naturphilosophen in Giessen unter der
^) S. den Brief des Comenius an Jungius d. d. Norkoping 4. Sept.
1642 bei Guhrauer a. O. S. 264.
^ S. Schultz, Sprachgesellschaften S. 87, wo ihn ein Mitglied der
Tannengesellschaft „unser aller treuer Doktor nennt".
') Die Art, wie Möraius die Bezeichnung „noster'' von Männern
braucht, (z. B. von Heinius und Tassius), deren Zugehörigkeit zu der Brüder-
schaft ander^'eit bekannt ist, zwingt zu dem Schluss, dass es üblich war,
in vertraulichen Briefen die Mitglieder in dieser Weise zu kennzeichnen, und
zwar wird dadurch offenbar eine besondeiis enge Zusammengehörigkeit b^
zeichnet. Vgl. hierzu M.H. der CO. 1895 S. 17 Anm. 1.
Monatshefte der Comenius-Qesellschaf t. 1895. ^ ]^
150 Keller, Heft 5 u. 6.
Anklage der Ketzerei vor ein InquisitioDSgericht stellen liess^ ist
durch seine Anhänglichkeit an die katholische Liga und durch
seine Kämpfe gegen die reformierten Mächte — der Landgraf
war Lutheraner — bekannt geworden. Aber die Auffassung, dass
die Naturphilosophen Ketzer oder der Ketzerei verdächtig seien, die
Ludwig damit zum Ausdruck brachte, war sowohl in den römisch-
katholischen, wie in den lutherischen Ländern ziemlich allgemein
und die Kämpfe, die dort gegen die Akademien und gegen die
Akademiker geführt wurden, waren nur dem Grade nach ver-
schieden: minder bedeutende oder unbekannte Männer wurden
mit schweren Freiheits- oder auch Leibesstrafen, angesehenere
Gelehrte mit Beeinträchtigungen, Zurücksetzimgen oder mit Ver-
dächtigungen aller Art bekämpft ; man braucht sich, um in letzterer
Beziehung Beispiele zu finden, ja nur an die Schicksale Andreaes,
Berne^ers, Rists und vieler anderer von uns genannten Männer
zu erinnern.
Im Jahre 1623 liess der Magistrat der katholischen Stadt
Mecheln, der hierin nur der Vollstrecker eines mächtigeren Willens
war, einen gewissen Adam Haselmaker zur Galeerenstrafe aus
keinem anderen Grunde verurteilen, weil dieser angeblich der
Sekte der „Rosenkreuzer'* angehörte.^) Im Jahre 1630 liess die-
selbe Stadt dem berühmten Chemiker Jean Baptist von Helmont
(f 1644)*) unter der Anklage den Prozess machen, dass er
Alchymist und Rosenkreuzer sei.
Der seit 1615 aufkommende Sekten-Name „Rosenkreuzer''
und die sich daran anschliessenden religiösen Kämpfe gaben in
den Ländern, wo der Einfluss des Klerus gross war, den Ver-
folgungen einen neuen Anstoss und eine neue Unterlage. Die
Ketzergesetze waren keineswegs aufgegeben und sobald es möglich
war, philosophische oder religiöse Gegner mit diesen Gesetzen
zu treffen, war eine sehr gefährliche Waffe gegen diejenigen ge-
funden, die sich mit oder ohne Grund in den Verdacht der
Ketzerei gebracht hatten.
Indessen würde man irren, wenn man annehmen wollte, dass
die Societäten und Fraternitäten, für welche seit der angegebenen
^) Garessc, La doctrine curicuse 1623 soll hierüber nähere Nach
ribhten enthalten.
'j Über Helmont s. Hirsch, Gresch. der Medizin, Lpz. 1893 S. 94.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 151
Zeit der neue Ketzemame Anwendung zu finden pflegte, vorher
unangefochten bestanden hätten. Freilich ist es sehr erklärlich,
wenn aus den Akten hierüber bisher nicht viele Nachrichten
bekannt geworden sind : in katholischen oder lutherischen Ländern
war der Boden für ihre Bestrebungen im Allgemeinen zu wenig
günstig als dass die Schaffung grösserer Organisationen hätte
gelingen können und mit Sorgfalt wurde seitens der Brüder, die
in solchen Ländern lebten, das Geheimnis gewahrt In vorwiegend
reformierten Ländern dagegen, wie am Niederrhein, wo eine
schwache Regierung ernstliche Hindemisse nicht bereiten konnte,
fanden sie leichter Gelegenheit, sich auszubreiten und feste Ver-
bände zu bilden. Wir haben schon oben (S. 18) darauf hin-
gewiesen, dass eine Reihe der frühesten Mitglieder des Palmen-
ordens seit 1610 an den Jülich -cle vischen Kämpfen thätigen
Anteil genommen hat und dass es nach der Angabe von Hilles
„Teutschem Palmbaum" auch eine „Gesellschaft des Schwans",
die der Akademie des Palmbaums verwandt war, in den clevischen
Landen gab (s. oben S. 85 Anm. 1).
Unter diesen Umständen ist es von Wichtigkeit, dass in
den Verhandlungen, die im Jahre 1614, einige Zeit nach dem
Übertritt des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm von der lutherischen
zur katholischen Kirche über die Religions- Verhältnisse in Jülich-
Cleve stattfanden, auch die „Societates seu fratemitates" auf-
tauchen.
Es handelte sich im Jahre 1614 um die Stellungnahme des
Pfalzgrafen zu dem Revers vom 11./21. Juli 1609, in welchem
der damals protestantische Fürst seinen neuen Unterthanen am
Niederrhein die Gewährung der Religionsfreiheit versprochen hatte.
Es wurden damals dem Pfalzgrafen zwei oder mehr Entwürfe
einer Deklaration des Reverses von seinen Beauftragten vorgelegt.
Eine derartige Deklaration („Declaratio Reversalium" nennt sie
sich) wurde nun bei Gelegenheit der Ausgleichsverhandlungen, die
unter Vermittelung einiger benachbarter Mächte im November
1614 zwischen Brandenburg und Neuburg zu Xanten stattfanden,
vom PfaLsgrafen den anwesenden Deputierten unterbreitet Sie
gedenkt in sehr charakteristischer Weise in Artikel 4 der Gesell-
schaft Jesu, die nach der Absicht des Entwurfs in Emmerich
(sie bestand seit 1609 in den jülich-bergischen Landen nicht mehr)
ein CoUegium erhalten soll, und sodann im fünften Artikel der
11»
152 KeUer, Heft 5 u. 6.
„Societateß seu fratemitates", die in diesen Landern ohne Auto-
risierung der Obrigkeit existierten und höchst verderblich seien;
sie sollen, so verlangt es der Entwurf, bei Leibes- und Lebens-
strafe verboten werden. Diese Leute, heisst es, geben sich den
Anschein ernster Frömmigkeit — man erinnere sich der bezüg-
lichen Schilderung des Orvius vom Jahre 1622 — und führen in
Sachen des Lebens und der Sitte Aufsicht über ihre Mitglieder
und sind gegründet, um die Laien zu Aufruhr und Em-
pörung aufzustiften.^)
Diese Charakteristik ^) und die bekannte Verdächtigung, die
die Polizeigewalt gegen die Brüder in Bewegung zu setzen be-
zweckte, passen genau auf die bisher von uns geschUderten
Akademien, die von dem soeben bekehrten Wol%ang Wilhelm
' mit Leibesstrafen verfolgt werden sollten, während die Väter der
Gesellschaft Jesu nach der Absicht dieses Entwurfs eine rechtlich
gesicherte Existenz erhielten.
Die Pläne, die die neuburgische Regierung damals hegte,
scheiterten an dem Widerspruch, den sie bei den in Xanten ver-
tretenen Mächten fanden; vielmehr nahmen die „Gesellschaften**
seit jenen Jahren, wie wir sahen, in ganz Deutschland einen neuen
und mächtigen Aufschwung.
Es ist zweifelhaft, ob alle die Männer, gegen welche in
Mecheln, Hamburg, Lübeck, Giessen u. s. w. die alten Ketzer-
gesetzc zur Anwendung gebracht wurden, im Sinn dieser Gesetze
*) Der Entwurf findet sich in den Akten des Geh. Staats-Archivs zu
Berlin Rep. 34 nr, 157b und ist abgedruckt bei Ludw. Keller, Urkunden
und Akten zur Gesch. der Gegenreformation in Westfalen und am Nieder-
rhein. Leipzig. S. Hirzel 1895, Bd. III. Nr. 175 a. Das Aktenstück trägt
die Überschrift „Declaratio Reversalium in puncto Religionis sive ultimi
postulati". Der hier in Rede stehende Artikel 5 lautet wörtlich: „Pemi-
ciosae quoque et ad excitandas turbas et seditiones Laicorum institutae
Societates seu fraternitates, in quibus sub praetextu vel specie
pietatis de cujusque vita et moribus absque autoritate Magistratus inquiri
solet admodum licentiose, omnino adeoque sub capitali poena prohibitae
interdictaeque sint."
*) Die Notiz über die Disziplin wird wahrscheinlich ebenso schief
sein, wie die ganze Charakteristik; da^s indessen wirklich Disziplin auch in
den Sociotäten geübt ward, bestätigt Barthold (a. O. S. 115), der darauf
hinweist, dass in „I^a noble Academie des Loyales" „eine Art Sittenpolizei"
stattfand ; es war im wesentlichen die Disziplin, wie sie jede festgeschloesene
Gesellschaft übt und üben muss.
1895. ComeDius und die Akademien der Naturphiloeophen etc. 153
Ketzer waren; jedenfalls aber wissen wir, dass die Naturphilo-
sophen ebenso wie die böhmischen Brüder darin mit den älteren
„Ketzern" übereinstimmten^ dass sie dem Christentum und über-
haupt jeder Religion^ die durch Strafgesetze erzwungen war, allen
Wert absprachen. Der Grundsatz der Freiwilligkeit gehörte
in der Religion wie in der Erziehung zu ihren wesentlichsten
Gedanken, und ich finde oft gerade bei diesen Natiuphilosophen
des 17. Jahrhunderts den lebhaften Ausdruck des Unwillens, dass
der Staat sich zum Büttel der einen Konfession wider die andere
mache und indem er sich zum Werkzeug der einen Konfession
erniedrige, den leidenschaftlichen Hass und die Verachtung der
andern wachrufe, das gesamte religiöse Leben den Heuchlern aus-
liefere imd jede echte Frömmigkeit vergifte.
Es würde uns viel zu weit fähren, wenn wir hier in eine
nähere Untersuchung über die ausserdeutschen Akademien^)
im Allgemeinen eintreten wollten. Aber eine dieser ausserdeut-
schen Akademien, die „englische Societät^' ist doch in Folge ihrer
engen Beziehungen zu den deutschen Brüdern für das Ver-
ständnis der ganzen Bewegung von zu grosser Bedeutung, als dass
sie hier übergangen werden könnte, und gerade mit dieser Aka-
demie hat Comenius in nächster Verbindung gestanden.
Am 3. November 1640 waren zu London die Sitzungen des
yjjangen Parlaments" eröffnet worden, und die Erfolge, welche
dessen grosse Wortführer, Cromwell, Pym, Hampden u. a. er-
zielten, weckten in weiten Volkskreisen die Hoffnung auf bessere
und glücklichere Zeiten. In London hatten sich imter dem Druck
der katholischen Reaktion seit der Schlacht am Weissen Berge
(1620) manche Glaubensflüchtlinge, besonders verfolgte B^formierte
und böhmische Brüder zusammengefunden, darunter auch Samuel
Hartlieb aus Elbing, der Freund und Verehrer des Comenius,
der dessen Grundgedanken, besonders die Idee der Vereinigung
aller Evangelischen und die Forderung der Gewissensfreiheit,
^) Über die Akademien in Italieni Spanien, Frankreich, England u. b. w.
ist manches bekannt geworden; dass auch in Dänemark wenigstens Ansätze
vorhanden waren, ist, soviel ich sehe, neu. Candorin berichtet in seinem
„Zimber-Swan" 1667 S. 105, dass es eine dänische „fruchtbringende Gesell-
schaft^' gegeben habe; sie habe aber keinen rechten Fortgang gehabt.
154 Keller, Heft 5 iL 6.
vertrat und teilte. Angeregt durch die Begeisterung jener Tage
verfasste Hartlieb mehrere Schriften über die Ziele, die ihm vor-
schwebten, darunter eine solche mit dem Titel: Eine kurze Be-
schreibung des berühmten Königreichs Macaria u. s. w. (1641).*)
Die merkwürdige kleine Schrift war „dem hohen und ruhmvoUen
Parlamentshof^ gewidmet, von dem Hartlieb, wie er sagt, hoffte,
dass er den Grundstein des Glücks der Welt legen werde. Es
war der Gedanke einer grossen socialen und wissenschaft-
lichen Keform, der ihm vorschwebte. Aber Hartlieb wollte die
Arbeit an dieser grossen Au%abe nicht den Männern der Politik
allein überlassen; er war der Ansicht, dass alle Freunde seiner
Weltanschauung hierbei mitwirken müssten, und er setzte es durch,
dass Comenius, den er ziu- Mitarbeit besonders befähigt hielt, einen
Ruf nach England erhielt, dem er auch noch im Jahre 1641 Folge
leistete.
Hier in London verfasste nun Comenius im selben Jahre
eine Schrift unter dem Titel: „Weg des Lichtes" (Via lucis)*) und
machte in deren XVin. Kapitel als einen Weg, um das „Licht"
unter allen Völkern zu verbreiten, den Vorschlag dass eine höhere
und einheitliche Organisation der in vielen Ländern vor-
handenen Akademien unter neuem Namen versucht werden
solle, und dass die englischen Brüder sich au die Spitze dieses
grossen Unternehmens stellen möchten.^)
*) Die erste Schrift trug den Titel: A brief relation of that, which
has beeD lately attempted to procure ecclesiafitical peace amoDg protestants
(London 1641); die zweite hiess: A brief description of the famous Kingdom
of Macaria etc. (London 1641). — Über die Schrift, in der Hartlieb für die
Gewissensfreiheit gegen die Intoleranz der Presbyterianer auftrat s. Fried r.
Alt haus, Sam. Hartlieb im Hist. Taschenbuch 1884, S. 221. Wie sehr
musste er sich gerade hierin mit den böhmischen Brüdern begegnen, für
deren Schicksale er ohnedies eine rege Teilnahme zeigt (s. Althaus, Hart-
heb a. a. O. S. 265).
^) Via lucis, vestigata et vestiganda, h. e. Bationabilis disquisitio,
quibus modis intellectuaUs animorum lux, sapientia, per omnes omnium
hominum mentes et gentes jam tandem sub mundi vesperam felidter spargi
poesit. Libellus ante annos viginti sex in Angha scriptus, nunc demum
typis exscriptus et in Angliam remissus. Anno Salutis MDCLXVIII
Amsterodami apud Christ. Conradum Typographum Anno 1668.
") Über Hartlieb s. Henry Dircks, A biographical memoir of S. H.
London 1865 und Fr. Althaus, S. H., Ein deutsch-engl. Charakterbild im
Hist. Taschenbuch 1884, S. 191 ff.
1895. Oomenius und die Akademien der NaturphiloBophen etc. 155
^lle die Kollegien, Genossenschaften und Brüderschaften",
sagt er, „die bisher heimlich und öffentlich bestanden haben ^);
haben zwar einigen Nutzen für Theologie und Philosopie gehabt,
aber nur für einen Bruchteil der Menschheit, keinen für die Ge-
samtheit . . . Jetzt aber, da die Zeit da ist, das Zerstreute zu
sammeln und alle Summen mit den Summen der Summen zu
vereinen, ist ein Collegium catholicum unter den Gelehrten des
ganzen Erdkreises aufzurichten.*' Er beschreibt dann die Ver-
fassung in einigen Hauptzügen und spricht den Wunsch aus, dass
es Collegium des Lichts *) und seine Mitglieder Diener des Lichts
(ministri lucis) heissen möchten.
Es soll die Aufgabe dieser Vereinigung weiser Männer sein,
auf den drei Grundlagen und Erkenntnisquellen, die Gott gesetzt
hat, dem Buch der Natur, der Schrift und den „angeborenen Be-
griffen'S die Lehre der Pansophie^) aufzubauen und fortgesetzt
zu verbessern; femer sollen sie die Pflege der Sprachen und zwar
ebenso einer Weltsprache wie der Volkssprachen sich angelegen
sein lassen; drittens ist es ihre Pflicht, für die Errichtung von
Schulen in allen Ländern zu sorgen und die oberste Aufsicht
über sie zu führen, endlich sollen sie, sobald die „allgemeine
Reformation*' in der Christenheit erfolgreich ist, das Licht auch
den Mohamedanern und Heiden und den Juden bringen. Eine
regelmässige Verbindung sollen die Glieder dieses Bundes mit
ihrem Oberhaupte aufrecht erhalten.
^) Es Bind darunter neben den Akademien und Bruderschaften, die
heimlich bestanden haben — eben die uns bekannten Societäten — , auch
Schulen und gelehrte Körperschaften verstanden, die Öffentlich wirkten.
') Man erinnere sich der Bezeichnung Collegium solis, die der Aka-
demie des Palmbaums gegeben wird.
') Eine Geschichte des Wortes „Pansophie" wäre für die Erkennt-
nis dieser Akademien u. s. w. von Wichtigkeit. Jedenfalls steht fest, dass
bereits im Jahre 1623 der Name „Pansophisten*' den Charakter eines Schelt-
namens und Sektennamens in der kirchlichen Litteratur der Gegner ange-
nommen hatte. Im Jahre 1623 veröffentlichte ein lutherischer Greistlicher,
Zacharias Theobald, eine Schrift „Wamungsschreiben vor den alten Wieder-
täufern und neuen Schwärmern" und trat darin den Beweis an, „Dass
Weigel und alle, die ihm nachfolgen, sie heissen gleich Bosen-
kreuzer oder Pansophisten, Wiedertäufer sind". Näheres da-
rüber bei Keller, Die Waldenser, Lpz. 1886 S. 20 ff. — Im Jahre 1617
erschien eine Schrift des Theophilus Schweighart, Sub umbra alarum tuarum
Jehova etc., in welcher sich der Verfasser einen Pansophiae Studiosus nennt.
156 KeUer, Heft 5 u. 6.
Diese Schrift hatte Comenhis nicht der Öffentlichkeit über-
geben, sondern sie seinen einflussreichsten Freunden (auch dem
Kanzler Oxenstierna, dem Mitglied der Akademie des Palmbaums)
handschriftlich zugestellt i) und auch Hartlieb hatte ein Abschrift
erhalten. Hartlieb erkannte ebenso wie Comenius, dass die zer-
streuten Akademien so lange fremden Einwirkungen und der Ent-
fremdung von ihrer eigentlichen Bestimmung im hohen Grade
ausgesetzt seien, als sie nicht durch eine neue Organisation, eine
gemeinsame Verfassung und allgemeinere Ziele eine grössere Aus-
breitung und eine grössere Widerstandskraft erhielten. Während
Comenius aber unter den Sorgen und Kämpfen jener Jahre und
unter der Last drängenderer Arbeiten den Gedanken einstweilen
fallen gelassen hatte, hatte Hartlieb ihn weiter verfolgt und die
Anfänge zu seiner Ausführung gemacht
Wir erhalten über diese Sache Auskunft durch einen merk-
würdigen Brief, den Comenius am 12. Juni 1647 an Hartlieb
schrieb*), worin es heisst: ,J)ie Gründung der Akademie zu
London (aus den Gründen, wie sie in jener Schrift^ bezeichnet
sind) halte ich für den Anfang einer Erfüllung unseres Wunsches,
wie ich ihn im XVHI. Kapitel der Schrift „Weg des Lichts*'
ausgedrückt habe. Es vollziehe sich also die Sache in Gottes
heiligem Namen, ohne dass Hass und Neid ihr Hindemisse be-
reiten. Du erinnerst Dich, was Hübner*) aus Frankreich schrieb,
wie man murre über diese Sache: nicht London, sondern Paris
sei der Mittelpunkt der Welt, sagen sie. Doch gelte hier der
Spruch: der erste, der beste, und jener Grundsatz des Naturrechts:
eine Sache, die Niemand gehört, gilt als Eigentum dessen, der sie
zuerst nimmt. Meine Gründe (wie ich sie im ,Weg des Lichts*
niedergelegt habe und wie sie in Euerem Gutachten ausgedrückt
sind) gelten noch heute und werden in Zukunft gelten. Möge
Gott nur die Herzen derer lenken, auf dass die, die so grosse
^) Ob der Druck, den er 26 Jahre später veranstalten liess, die ur-
sprüngliche Form der Schrift wiedergiebt, wissen wir nicht.
*) Der Brief ist vollständig abgedruckt bei A. Patera, Jana Amoso
Komensk^ho Korrespondence. Prag 1892, S. 133 ff.
^) Es handelt sich um ein dem Briefe Hartliebs offenbar beigegebenes
Gutachten in dieser Sache.
*) Es ist nicht Tobias Hübner (f 1636), sondern Joachim Hübner
gemeint, der von Comenius öfters genannt wird. Wir kommen auf ihn zurück.
1895. ComeniuB und die Akademien der Naturphilosophen etc. 157
Dinge ausführen können, sie auch ausführen wollen.^) Und
weil es scheint, dass sie wollen, segne Gott die heiligen Absich-
ten mit dem erwünschten Erfolge zur Ehre seines allerheiligsten
Namens. Amen, Amen, Amen."
Die „Motive", d. h. die Denkschrift, die Hartlieb nach diesen
Äusserungen an Comenius gesandt hatte, kennen wir leider nicht
Wir sehen aber aus dem übrigen Inhalt des Briefes, dass Hart-
lieb und Comenius sich schon seit Jahren zur Ausführung dieses
Planes verbunden hatten, dass die Schrift „De rerum humanarum
emendatione consultatio catholica ad genus humanum, ante alios
ad eruditos Europae", die Comenius im April 1645 handschriftlich
beendete*), denselben Plänen dienen sollte, dass die Vorbereitungen
im geheimen getroffen werden sollten imd dass Comenius, falls
Hartlieb jetzt öffentlich handele, seinerseits im Stillen thätig sein
zu müssen glaubte.
Es war HarÜieb gelungen (das beweist eine zu Eingang
von Comenius gemachte Andeutung) diejenigen Personen für
die Sache zu interessieren, die diesem grossen Unternehmen aus-
reichende Hilfe leisten konnten — Cromwell hatte mit seinem
puritanischen Heere am 14. Juni 1645 seine Gegner bei Naseby
geschlagen, und König Karl war im April 1646 zu den Schotten
geflohen — und er hatte sich vorgenommen, jetzt diese Sache
nicht mehr im geheimen, sondern öffentlich zu betreiben, ein
deutlicher Beweis, dass das Geheimnis nicht Grundsatz, sondern
nur eine Notwendigkeit war, die Comenius auf dem Festlande, wo
er damals lebte, noch nicht für beseitigt hielt.
Die grossen Pläne kamen nicht zur Ausführung; anstatt
dass die Akademie zu London an die Spitze einer internationalen
Organisation freier Gesellschaften getreten wäre, gelang es der
Restauration, den König zum Stifter und Schutzherrn der nun-
mehr „Königlichen Gesellschaft (Royal Society)" zu machen (1662),
deren Einrichtung den Wünschen Hartliebs (und goviss mancher
anderen seiner nächsten Freunde) nicht völlig entsprach, so dass
er sich, obwohl er in der älteren Akademie eins der thätigsten
Glieder war, nicht daran beteiligte. Thatsächlich war denn auch
*) Das ist eine Hindeutung auf den Lord Protektor, dessen Schwager
Dr. Wilkins Mitglied der Londoner „Akademie" war.
') Ein Dnick erschien erst im Jahre J()66 zu Amsterdam.
158 Keller, Heft 5 u. 6.
die Königliche Gesellschaft insofern etwas anderes als die ange-
strebte grosse Organisation, als jene lediglich der Pflege bestimm-
ter Wissenschaften durch wie immer gerichtete Gelehrte gewidmet
war, während dieses eine Gesinnungsgemeinschaft darstellte,
die auf allgemeine und hohe Ziele ihr Absehen stellte.
Die neue Gesellschaft Hess alsbald durch eine unter ihren
Augen erschienene Schrift den Versuch machen, die Geschichte der
älteren „Academia Londinensis^' nach ihren Gesichtspunkten dar-
zustellen i); es wäre äu wünschen, dass wir auch eine Geschichte
aus der Feder HarÜiebs besässen, die die notwendigen Berich-
tigungen jener Darstellung geben würde. Die Mitglieder, die in
das Lager der Restauration übergingen, hatten den begreiflichen
Wunsch, ihre früheren Bestrebimgen in dem harmlosesten Lichte
erecheinen zu lassen.
Eine Organisation, wie sie Comenius und Hartlieb planten,
von England aus ins Leben zu rufen, wäre ein mehr als thörichter
Gedanke gewesen, wenn nicht zu der Zeit, wo er ausgesprochen
ward (1641), verwandte Gesellschaften in England bestanden hätten.
Dass wir von ihnen nicht sehr viel wissen, beweist lediglich, dass
sie sich bis um die Zeit, wo Cromwell ihnen Schutz gewährte,
im Stillen halten mussten; die Nachrichten, die seit dem Ende
der vierziger Jahre auftauchen, beweisen nur, dass sie sich jetzt
freier regen konnten.
Gleichwohl entstammt alles, was wir von ihnen aus gleich-
zeitigen Aufzeichnungen wissen, dem vertraulichen Briefwechsel
einiger näher beteiligten Personen, und weitere Aufschlüsse sind
auch erst dann zu erwarten, wenn aus diesem Briefwechsel zahl-
reichere Stücke 2), als es bis heute der Fall ist, durch den Druck
bekannt geworden sind.
Auch in diesen vertraulichen Briefen aber bedienen sich die
*) Thomas Sprat, The history of the Royal Society of London etc
London 1667 (ich habe das Göttinger Exemplar benutzt) ifet für die Ge-
schichte der älteren Akademie eine durchaus unzulängliche Quelle.
') Es wäre eine sehr dankbare Aufgabe, den Briefwechsel Hartliebß
einmal in seiner Gesamtheit herauszugeben. Seine Briefe an Pell von 1655
bis 1657 sind in R. Vaughans Protectory of Oliver Cromwell, London 1839
abgedruckt; ich habe sie nicht einsehen können. Auch in diesen Briefen
finden sich Nachrichten über „Utopien" wie in dem Briefwechsel mit Boyle.
Weitere Nachweise giebt Althaus a. O. S. 256.
1895. Comenius und die Akademien der NaturphiloBophen etc. 159
Absender und Schreiber in Sachen ihres Bundes fast durchweg
solcher Ausdruck^, die lediglich den Eingeweihten verstandlich
waren, und so ist es für uns doppelt schwierig, in diesen Dingen
so klar zu sehen ^ als wir es wünschen müssen; an sich freilich
ist die Art der Bezeichnungen, die teilweise alchymistischen
Kunstausdrücken entnommen ist, bezeichnend genug.
Wir müssen uns hier begnügen, aus dem durch den Druck
bekannt gewordenen Briefwechsel Robert Boyles^), des berühm-
ten Chemikers, einige interessante Stellen mitzuteilen.
Gleich in den ersten Briefen, die wir aus der Feder Boyles
an Hartlieb besitzen^) — sie stammen vom 19. März und
8, April 1647 — nimmt ersterer auf Schriften Valentin Andreaes
Bezug, die mit den Bestrebungen der Akademien auf das engste
zusammenhängen. „Eure Imago Societatis," schreibt Boyle, „und
Evu^ Dextera Amoris ^ zu lesen habe ich grosses Verlangen.*' Am
8. April kann er dann berichten, dass er die Imago Socictatis
nunmelir mit vielem Vergnügen gelesen habe. Von Campanellas
Schrift Civitas Solls und von der Respublica Christianopolitana
wünscht er die Herstellung einer englischen Übersetzung; auch
der Utopia thut er Erwähnung.
Im Mai 1647 stand Boyle im Briefwechsel mit Duraeus und
mit Hartlieb, und am 8. d. M. schrieb er an letzteren : Sie inter-
essieren sich so sehr für das unsichtbare Collegium und die
ganze Gesellschaft ist so mit allen Ereignissen Ihres Lebens
verflochten, dass sie mir keine Nachricht über ihre eigenen Ange-
legenheiten geben können, die nicht (wenigstens beziehungsweise)
die Natur Utopiens annimmt^)
Am 22. Oktober 1646 schreibt Boyle an Mr. Marcombes
aus London: „Die übrigen humanen Studien, denen ich mich
widme, sind Naturphilosophie, Mechanik und Landwirthschaft,
*) Robert Boyle war im Jahre 1627 als Sohn des Grafen von Cork
geboren und hatte seine Erziehung in Genf erhalten.
*) Works of Boyle ed. Birch I, 22.
^) Es sind Andreaes Schriften Christian ae Societatis idea 1020 und
seine Christian! amoris dextra porrecta 1620 gemeint.
*) You interest yourself so much in the Invisible College, and
that whole society is so highly concemed in alle the accidents of your
life, that you can send mc no intelligence of your own affairs, that does
not (at least relationally) assume the nature of Utopian. (a. O. I, 24.)
160 KeUer, Heft 5 u. 6.
gemäss den Grundsätzen unseres neuen philosophischen Collegiums,
das keine Kenntnisse schätzt, die nicht eine Richtung auf die
Verwerthung im Leben haben." Mr. Marcombes möge, wenn er
könne, einige gute Bücher über diese Gegenstände beschaffen;
dies werde ihn „unserm imsichtbaren Collegium" sehr willkommen
machen. ^)
Am 1. Mai 1650 sendet Boyle dem Hartlieb „thanks for
the exact intelligence you are pleased to oblige me with from
Utopia and Breda 2); my inclination as much conceming me in
Republica Literaria, as my fortune can do in Republica
Anglicana" (Works I, 27) und gebraucht damit Ausdrücke, die
wohl für HarÜieb, aber nicht für uns völlig klar sind. Was ist
unter den Nachrichten von Utopia und von Breda zu verstehen?
Ist die Bezeichnung Utopia ein anderer symbolischer Name für
das, was Boyle früher „the whole society** nennt? Der Ausdruck
„utopische Nachrichten" im Sinn von Nachrichten über Utopia
kehrt in manchen Briefen wieder, und der Sinn des Wortes Utopia
wird vielleicht klar, wenn wir sehen, dass Hartlieb gelegentlich
den Ausdruck Macaria oder auch Nova Atlantis oder Antilia in
gleichem oder ähnlichem Sinn gebraucht: es ist der symbolische
Name des Bundes, dem beide Männer angehörten.
So spricht Hartlieb in einem Brief vom 15. November 1659
von der Gesellschaft „Macaria". Er macht Boyle Mitteilung
von einem Buche des Mr. Beale : A free discovery of true, lawful,
holy and divine expidient for the propagation of the gospel and
establishment of an universal peace all over the world und er-
zählt, dass Mr. Bereton es ungünstig beiuiieile. Dann fährt er
fort 3): „Die Wahrheit ist, dass ich beabsichtige, alle solche und
>) Works of Boyle I, 20.
*) Was die HiDdeutung auf Breda sagen soll, ist nicht recht klar;
Johann Pell bekleidete längere Zeit eine Professur der Mathematik in Breda
und natürlich bestand eine rege Verbindung zwischen den Freunden.
^) The truth is, I design all such and the like works or tracts be
printed upon the charges of Macaria, whose scope it is most pro-
fessedly to propagate religion, and to eudeavour the refor-
mation of the whole world. But it is scarce one day (or hour in day)
or night being brimfull with all manner of objects of that publick and
most universal nature, but my soul is crying out:
Phosphorel redde diem, quid gaudia nostra moraris?
Phosphore, redde diem! (Works of Boyle V, 293.)
1895. Oomenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 161
ahnliche Werke oder Schriften auf Kosten der Macaria drucken
zu lassen^ deren Ziele es in erster Linie ist^ die Religion zu
verbreiten und für die Reformation der ganzen Welt zu
arbeiten."
Wenn man diese Pläne der „Macaria" liest, so wird man
doch sehr an die berühmte Schrift erinnert, die seit 1614 in ver-
schiedenen Ausgaben erschien und die damals so grosses Aufsehen
machte: „Allgemeine und General-Reformation der gantzen weiten
Welt" und die noch im Jahre 1781 durch Friedrich .Nicolai wieder
aufgelegt wurde.
Wenn in den Jahren 1649 — 1650 nach Hartliebs Bericht
drei Schriften des Duraeus auf „Veranlassimg einer christlichen
Genossenschaft, deren Glieder sich gegenseitig und der
Menschheit nützen wollen", herausgegeben wurden i), so ist dies
sehr wahrscheinlich dieselbe Macaria, die Beales Buch heraus-
geben wollte*).
Am Schlüsse eines Briefes vom 8. Mai 1654 findet sich
folgende Stelle: „Gestern war ich zu dem bekannten Thomas
Bushel (ich nehme an, dass Sie seine im Druck erschienenen
Mineral Overtures gesehen haben) nach Lambeth-Marsh einzuladen,
um einen Teil der Stiftung oder des Gebäudes anzusehen, das
bestimmt ist, Lord Verulams Neu-Atlantis zu verwirklichen."
Im unmittelbaren Anschluss an diese Mitteilung kommt er auf
die religiösen Pläne Duraeus^ und Pells und deren Abreise nach
Deutschland zu sprechen imd verspricht, dem Hartlieb ein religiöses
Buch, das er hatte drucken lassen, zu schicken.
Die Ausdrücke Utopia, Macaria und Nova Atlantis — der
Urspnmg ist ja leicht genug zu erklären — bedeuten die Gesell-
schaft, die die Ideen von Morus^ Utopia, Hartliebs Macaria oder
Bacos Atlantis zu verwirklichen suchte, es ist die Societät, die
') Man erinnere sich der Bestimmung in den Satzungen der Societät
des Jungius, wonach die Arbeiten der Mitglieder der Gesamtheit gehörten;
der Vorsitzende prüfte sie und gab sie Auch wohl heraus.
') Althaus, S. Hartlieb a. 0. S. 241. Die erste Schrift war: A
reasonable discourse on Reformation in religion and leaming; die zweite:
The reformed School". In der Vorrede zu dieser sagt Hartlieb, „das
Reich Gottes nach seinem geringen Vermögen auszubreiten sei
sein höchstes Ziel/' Die dritte Schrift heisst: The reformed library
Keeper.
162 Keller, Heft 5 u. 6.
über oder neben den Collegien bestand, die sich ^^philosophische
CoUegien" oder „philosophische Clubs" nannten.^)
Im Jahre 1660 bestand die Macaria nicht mehr; am 10. Dez.
1660 schreibt Hartlieb an Worthington: „Das Wort Antilia —
es ist dieser Name, wie er selbst sagt, mit dem Namen Macaria
identisch — gebrauchte ;ch im Hinblick auf eine frühere Ge-
sellschaft, die . . . etwas vor dem Ausbruch der böhmischen
Kriege (also um 1618) wirklich begründet wurde. Es war
ein Geheimname jener Gesellschaft, dessen nur die Mitglieder
sich bedienten . . ."*).
Es ist möglich, dass wir diese Gesellschaft, die um 1618
„wirklich begründet ward", unter anderem Namen kennen; aber
bemerkt zu werden verdient, dass Joachim Mörsius in seinem
oben erwähnten Briefe vom Jahre 1643 an Jungius die Bitte
ausspricht, jener möge sich bei Tassius erkundigen, ob er nicht
die Leges Andilianae besitze^); im Kreise der Mi^lieder der
deutschen Akademien war der Geheimname jener Gesellschaft
also bekannt
Auch der unter den Naturphilosophen übliche Gebrauch
von Ausdrücken und Zeichen der Chemie zur Andeutung all-
gemeiner Begriffe oder Ideen kehrt in diesen Briefen vielfach
wieder. Dass der obige Ausdruck „Phosphore, redde diem" eine
symbolische Andeutung enthält, ist klar; ebenso wird der Aus-
druck „der Stein der Weisen" symbolisch gebraucht; der ,4rdische
Stein", heisst es in einer alchemistischen Schrift, ist eine Contra-
') Wenn man diese Versuche neuer Organisationen und ihr Verhältnis
zu den ^^philosophischen Collegien^' oder Akademien und 8ocietaten recht
verstehen will, muss man sich erinnern, dass z. B. in der Akademie des
Palmbaums Stufen und engere Kreise bestanden, die sich ,,Academie
des vrais amants^' oder ähnlich nannten und zweifellos eine engere Ver-
einigung solcher Mitglieder bildeten, die höhere Grade als die übrigen
erreicht hatten und unter besonderen Namen und Formen sich versammelten.
Es ist sehr wohl möglich, dass sich auch Mitglieder verschiedener Akademien
zu solchen höheren Organisationen und zu besonderen Zwecken vereinigten,
ohne dass sie deshalb die Mitgliedschaft in den Collegien aufgaben. Der
Natur der Sache nach entstanden und verschwanden solche engere Ver-
einigungen leicht, sobald deren Träger den Schauplatz verliessen oder sonstige
Zwischenfälle eintraten.
») Althaus S. 269.
*) Guhrauer, Jungius 1850 S. 232. — Wir haben den Brief oben im
einzelnen besprochen.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 163
faktur des wahren, geistlichen himmlischen Steins Jesus Christus.^)
Es sollten eben manche Aussprüche und Mitteilungen nur den
Eingeweihten verstandlich sein.
Wer den engen Zusammenhang der in England bestehenden
Akademien mit den von uns bereits erwähnten Gesellschaften des
Festlandes bezweifeln sollte, braucht nur darauf verwiesen zu
werden, dass fast alle bekannteren Wortführer der festländischen
Akademien in dem Briefwechsel der Engländer wiederkehren. Wie
kommt es, dass Hartlieb die Gesetze der Societät des Jungius von
diesem erhalten hatte, „die Aussenstehenden nicht mitgeteilt werden
sollten", wenn nicht beide Männer innerhalb des Bundes standen?^)
Wir wissen, dass es bei den Akademien des Festlandes
üblich war, die Bilder der Mitglieder in dem Sitzungssaale auf-
zuhängen; auch das „philosophische CoUegium" — man erinnere
sich, dass sich die Alchymisten des Orvius in den Niederlanden
ebenfalls Philosophen nannten — im Gresham College zu London
befolgte diese Sitte und deutete damit zugleich an, dass es doch
mehr als ein beliebiger wissenschaftlicher Verein sein wollte.')
Auch die Glaubensflüchtlinge, abgesehen von Hartlieb, Haak,
Comenius*), Figulus u. a. fehlen in diesem Freundeskreise nicht;
die Böhmen sind durch einen Baron Misneck*) vertreten und die
') Kopp, Alchemie I, 254.
') In einem Briefe Hartliehs vom 8. Mai 1654 an R. Boyle findet
sich folgende Stelle: ,,The author of Isagoge PhytoBCopica is Dr. Jungius
of Hamburg, one of the best logicians in all Germany . . . Leges Collegii
Protonoetici came from the same forementioned author: but they will
scaroely be understood, without the general draught of bis philosophical
undertakings, which I shall impart unto you bereafter, God willing/' Works
of Boyle V, 261 f.
') Doppelmayr a. a. O. S. 119 f. erzählt von Job. Christ. Sturm
(geb. zu Hilpoltstein 1635) einem jüngeren Freunde Daniel Wülfers und
Volkamers in Nürnberg , der in England Beziehungen zu John Wallis an-
geknüpft hatte, dass dessen Bild im Sitzungszimmer der Akademie der
Naturphilosjphen im Gresham College gehangen habe.
^) Am 7. Januar 1658 schreibt Hartlicb an Boyle: ,J long to hear
more particulars of Dr. WiUdns philosophical cbarakter. Mr. Comenius hath
seat lately to Mr. Dalgamo bis idea of it; but it is so short and general,
that it is not worth the imparting." (Works V, 271.)
') Es ist unzweifelhaft der schon früher (S. 83) erwähnte Alcbymist
Baron von Mislick aus Böhmen ; offenbar liegt ein Schreibfehler oder Druck-
fehler der englischen Quelle vor.
164 Keller, Heft 5 u. 6.
vielfach verfolgten Quäker erscheinen in einem gewissen Antony
Pearson^); ebenso wie in Nürnberg Künstler, Maler und Archi-
tekten Mitglieder sind, so werden hier neben Christoph Wren,
dem Erbauer der Paulskirche, auch Glasschleifer und sonstige
vornehmere Techniker als Freunde der Naturphilosophen genannt
Gleichviel, ob man annehmen will, dass das „philosophische
Collegium**, das sich zeitweilig im Gresham College versammelte,
mit der Gesellschaft Macaria im Zusammenhang steht oder nicht,
so ist doch sicher, dass die Darstellung, die Dr. John Wallis etwa
50 Jahre später von der Vorgeschichte der Royal Society giebt,
sich niu" auf das „philosophische CoUegium" bezieht
In einem Briefe vom 29. Januar 1697 erzählt Dr. Wallis:
„Um das Jahr 1645, während ich in London lebte, hatte ich das
Glück, die Bekanntschaft verschiedener ehrenwerter Männer zu
machen, die sich mit der Naturphilosophie und anderen Zweigen
menschlicher Wissenschaft beschäftigten, besonders mit dem, was
man die neue oder Erfahrungs- Philosophie nannte. Wir kamen
nach Übereinkunft, verschiedene von uns, wöchentlich an einem
bestimmten Tage zusammen, um von solchen Dingen zu handeln.
Zu dieser Zahl gehörten Dr. John Wilkins, später Bischof von
ehester, Dr. Jonathan Goddard, Dr. George Ent, Dr. Glisson,
Dr. Merret, Doktor der Naturwissenschaften, Mr. Samuel Fester,
damals Professor der Astronomie am Gresham -College. Mr.
Theodor Haak-), ein Deutscher aus der Pfalz und damals in
London wohnhaft, gab, meine ich, die erste Anregung und den
ersten Anstoss zu diesen Versammhmgen sowie einige andere. Sie
wurden bisweilen in Goddards Hause (oder an einem passenden
nähereu Platze) gehalten, weil Goddard in seinem Hause einen
Handwerker unterhielt, der Gläser schliff für Fernrohre
und Mikroscope, bisweilen an einem passenden Platze in
Cheapside, bisweilen im Gresham-CoUege oder an einem Oite in
der Nachbarschaft Unsere Beschäftigimg war (ausgenommen
theologische und politische Sachen) die Besprechung und Prüfung
*) Am 16. Dez. 1656 schreibt H. an Boyle: „Anthony Pearsoo, the
Quaker, is gone away per post laßt Saturday, not having performed his
promises towards me" (Works V, 282). — Beachtenswert ist die Stelle über
Paracelsus' Schriften (Works V, 288).
^) Über Haak s. die Allg. d. Biogr. X, 257 und das Biogr. Dictionary
XVII, 1 ff.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 165
philosophischer Untersuchungen und solcher Fragen, die hierzu
gehören^ als Physik, Anatomie, Geometrie, Astronomie, Schiffs-
kunde, Statik, Magnetik, Chemie, Mechanik und naturwissen-
schaftliche Versuche und der Stand dieser Studien, wie sie damals
bei uns und im Ausland gepflegt wurden. Um das Jahr 1648
imd 1649, als einige sich nach Oxford wandten, erst Dr. Wilkins,
dann ich und bald danach Dr. Goddard, teilte sich unsere Ge-
sellschaft Die in London fuhren fort, sich wie zuvor zu ver-
sammeln und wir mit ihnen, falls wir Gelegenheit hatten, dort zu
sein. Und die unserige versammelte sich zu Oxford mit Dr.
Ward, später Bischof von Salisbury, Dr. Ralph Bathurst, jetzt
Präsident des Trinity - College und verschiedenen andern und
brachte solche Studien dort in Mode, zuerst in Dr. Pettys
Wohnung, im Hause eines Apothekers, wegen der Bequemlichkeit,
Versuchsstoffe und ähnliches zur Hand zu haben, wozu hier
Gelegenheit war, und nach dessen Entfernung nach Irland (ob-
wohl nicht so regelmässig) in der Wohnung von Dr. Wilkins,
damals Vorsteher am Wacham- College und nach dessen Über-
siedelung an das Trinity-CoUege in Cambridge in der Wohnung
des ehrenwerten Herrn Robert Boyle, der damals für einige Jahre
in Oxford lebte. Diese Versammlungen wurden in London fort-
gesetzt und nach der Rückkehr des Königs im Jahre 1660 ver-
mehrte sich die Teilnehmerzahl diu-ch den Beitritt verschiedener
würdiger und ehrenwerter Männer und später bildeten sie eine
Körperschaft unter dem Namen Royal Society und so besteht sie
bis auf diesen Tag."^)
So hoch die Angaben der „Königlichen Gesellschaft" ge-
steckt waren und soviel sie erreicht hat, so war sie doch nicht
jene „Macaria", deren Aufgabe, wie Hartlieb sagt, es war, „zu
arbeiten für die Reformation der ganzen Welt".
Um das Jahr 1660 sah Hartlieb indessen ein, dass die Zeit
für diese grossen Pläne noch nicht reif war, und er bestätigt in
dem obigen Briefe an Worthington, dass sich die Organisation,
die ihm vorschwebte, nicht hatte halten können.
Hartlieb selbst gab die Hoffnung an das Gelingen seiner
„antilischen Pläne" keineswegs auf: er hoffte nach wie vor, dass
sein Ideal einer „allgemeinen Reformation", die mit einer grossen
») Works of Boyle, ed. Birch. Lond. 1744. Vol. I, p. 25.
Monatshefte der Comenius-Gesellschaft. 1896. 22
166 Keller, Heft 5 u. 6.
socialen Reform Hand in Hand gehen sollte, ihr Organ in
einer grossen allgemeinen Verbrüderung finden werde. Am 28. Juni
1661 schreibt er in diesem Sinne an Worthington: „Von der
Antilischen Gesellschaft ist der Rauch verweht, aber das Feuer
ist noch nicht ganz erloschen. Vielleicht wird es zur rechten
Zeit wieder aufflammen, wenn auch nicht in Europa."
Der erwähnte Briefwechsel des Comenius mit Hartlieb über
diese Fragen fällt imgefähr in die Zeit, wo er die höchste Würde
innerhalb seiner Gemeinschaft, das Bischofsamt, übernahm (1648).
Es war dieselbe Zeit, wo er sich ernstlich mit dem Gedanken
trug, das „Beiwerk seines Lebens" (me er sagt), die pädagogischen
Fragen, aufzugeben Und zu „ernsteren Dingen" zurückzukehren:
die Pläne und Entwürfe seiner Pansophie wollte er endlich zur
Reife bringen, dieselben Pläne, die ihn seit der Zeit, wo ihn
Andreae unter seine „Söhne und Schüler"^) angenommen hatte,
beschäftigten.
Seit 1622 in der Verbannung lebend, hatte Comenius natiu*-
gemäss ein starkes Bedüi'fnis nach festem Zusammenschluss mit
gleichgesinnten Männern, und auf den mannigfachen Reisen und
Wanderungen ausserhalb seines Vaterlands und seiner Religions-
gemeinschaft musste ihm daran gelegen sein, sich die Freund-
schaft und Hilfe der weit verbreiteten Societäten zu sichern. Wir
haben oben gesehen, dass es gerade die Glaubensflüchtlinge waren,
die den Anschluss gerne suchten ; ^) es ist mehr als wahrschein-
*) Dieser Ausdruck des Andreae ist kein zufälliger; er bedeutet viel-
mehr ein sehr nahes Verhältnis der Zusammengehörigkeit. Wir haben früher
(M.H. der CG. 1895 S. 18) die nahen persönlichen Beziehungen geschildert,
in denen Fürst Christian von Anhalt (1568—1630) zu dem böhmischen Mag-
naten und „Alchymisten" Peter Wok von Bosenberg stand. Bei M. Ritter,
Die Gründung der Union, München 1870 S. 551 wird nachgewiesen, dass sich
Christian in dem vertraulichen Briefwechsel als Sohn Rosenbei^ bezeichnet.
Bei Orvius, a. a. O. S. 18 kommt die Bezeichnung Filius Artis ebenfalls vor.
*) Gleichzeitig mit Comenius wurden in die Societät des Andreae zwei
flüchtige Geistliche der böhmischen Brüder, Ursinus und Stadius und ausser-
dem Joh. Johns ton (geb. 1603, gest. 1675), aufgenommen. Ein Benj. Ursinus
war später Professor in Frankfurt a. 0. (M.H. der CG. 1894, S. 168. 236.
239). — Näheres über Johnston bei Reber, Comenius und die Sprachgesell-
schaften S. 28 f. Harsdörfer war ein eifriger Leser von Johnstons Werk
De naturae constantia. Johnston hatte in Leiden studiert und lebte später
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 167
lieh, dass Landsleute und Glaubensgenossen es waren, die ihm
den Weg gezeigt hatten, i)
Wie dem auch sein mag, so steht fest, dass Comenius im
Jahre 1628 den Andreae in aller Form um die Aufnahme in die
Societät ersucht hatte, an deren Spitze dieser damals stand, und
dafis diese Aufnahme in demselben Jahr wirklich stattfand.^) Es
ist zu bedauern, dass die Gesetze der Societät, die Andreae mit
seinem Schreiben vom 4. September 1628 an das neue Mit-
glied sandte, nicht erhalten zu sein scheinen, und dass wir die
Namen der Männer, die im Jahre 1628 Mitglieder waren, nicht
kennen.^)
Die Begeisterung, mit der Comenius sich seit 1617 in die
Schriften des Andreae vertieft hatte, war der erste Schritt auf
dem Wege, der ihn allmählich den Überzeugungen der mass-
gebenden Personen unter den Naturphilosophen näher führte. Je
mehr er sich dem persönlichen und brieflichen Verkehr mit diesen
Männern hingab und je eifriger er sich dann selbst mit der Natur-
philosophie und Mathematik beschäftigte,*) — er erzählt selbst,
in Schlesien, wo seine Familie noch heute blüht. Ein OriginalbUd
des Johnston, welches die Umschrift trägt: Johannes Johnstonus ex generosa
et perantiqua Jonstonorum de Crogbom familia, Cibeniaci Dominus, Phü.
et Med. D. Ao. MDCLXXllI aetat. 70, ist in photographischer Nachbildung
in meinem Besitz.
') Im Jahre 1643 führte Comenius seinerseits den Naturphilosophen
seinen Landsmann D. Joh. Sophronius Kozak a Prachyen (Arzt u. Theosoph
aus Böhmen, f 1685 in Bremen) zu. Guhrauer, Jungius S. 264.
') Wir haben den Briefwechsel zwischen beiden Männern, der sich
auf diese Sache bezieht, in den M.H. 1892 S. 235 besprochen. Comenius
hat diese Briefe für wichtig genug gehalten, um sie in seine Opp. did. II,
283 aufzunehmen. Sie bezeichnen in der That einen wichtigen Schritt seines
Lebens.
^) Der Briefwechsel über diese Sache ist erst 40 Jahre später, d. h.
um dieselbe Zeit bekannt geworden, wo auch andere Societäten (wie der
^almbaum'') den Schleier wenigstens teilweise fallen liessen. Dass die
Namen der Mitglieder wie der Gesellschaft nicht bekannt geworden sind,
beweist, dass Andreae auch später noch einen Teil des Geheimnisses gewahrt
zu sehen wünschte. Über den religiösen Zweck des Gesellschaft spricht er
sich in dem Brief an Comenius bestinmit aus.
*) Seine naturphilosophische Hauptschrift Physicae ad lumen divinum
reformatae Synopsis 1633 weist zwar noch gewisse Spuren aristotelischer
Einwirkung auf, ist aber doch auch stark von den neueren Bichtungen be^
einflusst. — In Lissa hielt Comenius Vorlesungen über Naturphilosophie.
12*
168 KeUer, Heft 5 u. 6.
dass dies seit 1627 geschehen sei^) — um so mehr lenkte er in
die Bahnen der grossen Reformatoren des 17. Jahrhunderts ein,
und so kam es, dass er allmählich mit den geistigen Führern der
Akademien in die engste Berührung trat und ihr Freund und
Genosse wurde.
Wenn man die Weltanschauung und die religiösen Grund-
sätze sowie die Verfassung der Societäteii des 17. Jahrhunderts
ins Auge fasst, so muss deren innere Verwandtschaft mit der
Lehre und der Organisation der böhmischen Brüder und ihrer
Vorläufer, der sog. Waldenser — wir fassen beide hier unter
dem Namen der altevaugelischen Gemeinden zusammen -r- jedem
auffallen, der die Geschichte und die Überzeugungen der letzteren
kennt; das trifft nicht nur auf gewisse allgemeine Gedanken und
Gnmdsätzc, sondern auch auf ganz nebensächliche, äusserliche
Dinge zu, bei denen man es keineswegs vermuten sollte.
Anton Gindely, einer der genauesten Kenner der Geschichte
der böhmischen Brüder, hat mit Recht darauf hingewiesen, 2) dass
keine andere Religionsgemeinschaft so nachdrücklich und so plan-
mässig auf die Pflege der Volkssprachen und der Mutter-
sprache sowie auf die Begründimg einer Volkslitteratur hinge-
wirkt hat, wie die Brüder.
Es war dies ein Streben, das nicht zufälligen Regungen,
sondern tieferen Gründen und Bedürfnissen entsprang. Das geistige
und religiöse Leben der Brüder beruhte mehr als in den herrschen-
den Kirchen auf dem Zusammenwirken aller, oder, wenn man will,
auf demokratischen Grundlagen. Obwohl die Brüder stets das Glück
hatten, Mitglieder des höchsten Adels unter sich zu besitzen, wie
dies auch Gindely mit Recht hervorhebt, so blieb doch bei ihnen
der Grundsatz aufrecht, dass brüderliche Gleichheit aller Rechte
und Pflichten anzustreben sei. Während in den herrschenden
^) Bed quum nuper (anno 1G27) in plura id genus scripta incidissem,
Khenii, Helvici, Eliae Bodini, Stephani Ritten, Glaumii, HolBtenii etc. tan-
toBque ingcniorum conatus viderem (addo Campanellam et Verulamium,
felices philosophiae instauratores) multum sperare coepi de exoriente
saeculo novo etc. A. Patera, Briefwechsel des Comenius S. 8.
') A. Gindely, Die dogmatischen Ansichten der böhmischen Brüder.
Sitzungsber. der Akademie der Wissenschaften zu Prag. Bd. XIII, S. 349 ff.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 169
Kirchen die Führung in den Händen des Klerus lag und tiefe
Zerklüftung zwischen den Herrschenden und den Beherrschten
die Regel war, hatte hier ein reger Sinn für echte Brüderlichkeit
von je alle Glieder verbunden und die Gemeinschaft zu dem
Versuche ermutigt, allen Gliedern thunlichsten Anteil an der all-
gemeinen Bildung zu geben.
Auch in anderen Kirchen hatte sich die Überzeugung Bahn
gebrochen, dass ein gewisses Mass von Kenntnissen in thunlichst
weiten Kreisen zu verbreiten sei; die Brüder aber hielten wenig-
stens im Grundsatz daran fest, dass alle an allem Wissens-
werten Anteil gewinnen sollten und dass auch in dieser Beziehung
gleiches Mass für alle zu erstreben sei.
Die Ziele, welche sie zunächst im Kreise der Brüder der
Verwirklichung zuzuführen strebten, galten ihnen im weiteren
Sinn auch für die ganze Menschheit als letzte Ideale. Die Er-
kenntnis der christlichen Wahrheit, wie sie sie fassten, sollte
ihrem Wunsche nach Allen zugänglich werden und es ist wichtig,
dass in dieser Gemeinschaft von jeher ein ökumenischer, die ganze
Menschheit umfassender Zug nachweisbar ist, der sie über allen
Sektengeist weit erhob. Seit alten Zeiten war es ihre Freude
gewesen, im Sü'eite der Parteien mehr das Verbindende als
das Trennende zu betonen; bei allem Ernst, mit welchem sie
ihre christliche Denkweise vertraten, war ihnen eine Weitherzig-
keit eigen, die stets nur auf das Wesentliche der Religion, nicht
auf Nebenpunkte gerichtet war, und sie sind der Lösung der
schwierigen Aufgabe, die auf dem Boden der Hierarchie nicht
erreichbar ist, nahe gekommen: religiöse Wärme mit freisinniger
Duldung zu verbinden.
Wie in der Betonung der Volkssprachen und des Unions-
gedanken begegneten sich die Brüder auch in der Vorliebe für
die Natur und die Naturerscheinungen mit den Naturphilosophen,
und auch diese Eigentümlichkeit beruhte im letzten Grunde auf
religiös-philosophischen Prinzipienfragen.
In der Lehre der Brüder begegnet uns vielfach die Idee
der Allgegenwart Gottes, der „über Allen und durch Alle und in
Allen ist" (Eph. 4, 6) in einer von der Kirchenlehre abweichenden
Färbung. Wie Gott sich in den Menschenherzen durch das innere
Licht offenbart, so offenbart er sich auch in dem „Buch der
Natur**, das des Studiums ebenso wert und bedürftig ist, wie
170 KeUer, Heft 5 u. 6.
die dritte Offenbarungsquelle, die h. Schriften. Über diese Liebe
zur Natur, die in ihren Büchern oft in rührender Weise ihren
Ausdruck findet, hatten es die Brüder freilich nicht weit hinaus
gebracht, aber schon die Festhaltung dieser Bevorzugung der
Natur war von grosser Wichtigkeit gegenüber einer Lehre, die
die äussere Natur mehr als ein Werk des „Fürsten dieser Welt",
d. h. des Satans, ansah und die gegenüber dem Übersinnlichen
alles Sinnliche geringschätzte.
Tief durchdrungen von dem Werte, den jede Menschenseele
vor Gott besitzt, waren die Brüder ferner von jeher in besonderem
Grade darauf bedacht, nicht bloss allen Gliedern eine gute Er-
ziehung zu sichern, sondern auch die Erziehungslehre immer
mehr auszubilden und zu vervollkommnen, i)
Die brutale Disziplin, welche im 16. und 17. Jahrhundert
die Schulen beherrschte, hing mit den allgemeinen sittlich-religiösen
Auffassungen viel enger zusammen, als es scheint Wenn die
Schulen, wie es der Fall war, mehr als Pflanzstätten des Wissens
als der Weisheit, des Kennens als des Könnens gelten und ihre
erziehende Bedeutung zurücktritt, so kann man hoffen, durch
Zwang und Gewalt manches zu erreichen. Aber selbst dann,
wenn der erziehende Zweck richtiger erfasst ist, wird die Theorie
der Abschreckung überall dort das Feld behaupten, wo aus
religiösen Gesichtspunkten der Satz gilt, dass das Licht der Ver-
nunft seit dem Sündenfall im Menschen erloschen und das Herz
nicht nur verderbt und zum Bösen geneigt, sondern gänzlich
verdorben und alle „geistlichen Kräfte", wie die lutherische
Kirche lehrte, „diu-ch die Sünde ganz und gar vertilgt sind". 2)
Da diese Auffassung ihrer Natur nach nicht im stände war, die
Achtung vor der Menschennatur zu steigern, so war bei der
Kindererziehung um so mehr der Roheit und dem Zwang die
Thür geöffnet
^) DasB die gleiche Beachtung der Erziehungslehre und die Empfeh-
lung derselben Eziehungsgrundsätze schon vor Comenius' Anschluss in den
„Akademien" der „Alchymisten" üblich war, beweist die auch sonst be-
achtenswerte Schrift des Andreas Libayius^ Wolmeinendes Bedenken von
der Fama fratemitatis etc., Frankfurt 1616. Darin wird als Kennzeichen
der „neuen Sekte", nämlich der Rosenkreuzer, angeführt, „dass sie sich
vieler Sprachen annehmen und Batichii Didacticam empfehlen". Also waren
die Societäten schon vor 1617 im gewissen Sinne „Sprachgesellschaften".
*) Näheres darüber bei Keller, Joh. v. Staupitz, Leipzig 1888 S. 152 f.
1895. ComeniuB und die Akademien der Naturphilosophen etc. 171
Da der richtige Begriff der Erziehung mit dem Begriff der
Entwicklung auf das engste verbunden ist, kann der erstere
auf dem Boden jener religiösen Anschauung nicht gedeihen, und
es ist kein Zufall, dass jene Begriffe, auf welchen die Neuge-
staltung der gesamten Pädagogik mit der ausserordentlichen Be-
deutung, die sie für unser Kulturleben gewonnen hat, von Männern
zuerst zur Geltung gebracht worden sind, die nicht auf dem
Boden der herrschenden Kirchenlehre standen.
r
Comenius fand in seiner Gemeinschaft die Thatsache vor,
dass der Begriff der stufenweisen Entwicklung alle ihre
Auffassungen und Mnrichtungen durchdrang. Er berichtet selbst
in der Ratio disciplinae Fratrum Bohemorum (1632), dass deren
Vorfahren ihr „Volk" je nach dem Grad der Arbeiten, (juxta
gradus laborum), die ihnen oblagen, dreifach geteilt hatten, näm-
lich in die Grade der Anfänger (Incipientes), der Fortge-
schrittenen (Proficientes) und die Fertigen oder Vollkomme-
nen (Perfecti, sive ad Perfectionem tendentes).^)
Diese Dreiteilung des Gemeindelebens, die das Thun imd
Denken der altevangelischen Gemeinden beherrschte, beruht auf
der Grundanschauung, dass die Anlage zum Guten, wie geschwächt
sie auch immer diut^h Sünde und Schuld sein mag, in jedem
Menschen vorhanden ist, und dass hieran anknüpfend es für jeden
eine fortschreitende Entwicklung zum Besseren giebt.
Es liegt auf der Hand, wie sehr sie sich in diesen Auf-
fassimgen mit den Akademien, die unter sich ebenfalls Stufen
und Grade besassen, berührten, und es ist mehr als Zufall, dass
die ersten Versuche, das Erziehungswesen nach den Grundsätzen
der böhmischen Brüder umzugestalten, von Fürsten unternommen
worden sind, die der Akademie des Palmbaums angehörten.^)
Die Lehre der altevangelischen Gemeinden, die von jeher
mehr eine Gesinnungsgemeinschaft als eine Bekenntnisgemein-
schaft bildeten, wird gekennzeichnet durch die starke Betonung
") Vgl. Jos. Müller, Die deutschen Katechismen der böhmischen
Brüder (Mon. Genn. Paed. IV) 1887 S. 77.
*) Herzog Ernst der Fromme von Gotha (1601—1675), der zu den
ersten Fürsten gehörte, die comenianische Erziehungsgrundsätze in ihrem
Lande einführten, wurde als 19. Mitglied im Jahre 1619 in die Akademie
des Palmbaums aufgenommen.
172 KeUer, Heft 5 u. 6.
der Idee des Gottesreichs, die Christus selbst einst als den
vornehmsten Inhalt seiner Botschaft hingestellt hatte.
Dieses Reich, dessen Bau sie durch die Arbeit an der ein-
zcluen Menschenseele beginnen wollten, war nach ihrer Über-
zeugung in seinen Einrichtungen denjenigen der Familie
gleich, und in ihm gab es keine andere Zwangsgewalt als die,
welche der Vater gegen seine Kinder übt
Im Zusammenhang mit diesen Vorstellungen hatten sie den
Begriff und das Wesen des Zwanges und der Strafe von jeher
anders gefasst als es in den Lehren der herrschenden Kirchen,
die in dieser Beziehung auf dem Alten Testament fussten, üblich
war. Gemäss ihrer Überzeugung, dass nach der Lehre Christi
die Rache überhaupt verboten sei, konnten sie den Begriff der
rächenden Strafe nicht gelten lassen und waren gezwungen, sich
auf die Anwendung erziehender Strafe zu beschränken.
Mit ihrer Auffassung vom Gottesreiche und seinen Ein-
richtungen hing es zusammen, dass sie als wahre Glieder der
Gemeinde niu* diejenigen betrachteten, die aus freiem Entschluss
und kraft selbständiger Wahl ihr beigetreten waren.
Dieser Grundsatz machte es ihnen unmöglich, auf dem Wege
der Gewalt, sei es unmittelbar oder durch den Arm des Staates,
ihrer Gemeinschaft Mitglieder zuzuführen und damit fiel für sie
die Theorie wie die Anwendung des Glaubenszwangs von selbst
hinweg; da sie den Grundsatz der Gewissensfreiheit als
einen wesentlichen Teil der Lehre Christi, wie sie sie verstanden,
betrachteten, so mussten sie in jeder Kirche, die diesen Grundsatz
verleugnete, eine Gegnerin des Christentums erkennen.
Es bedarf kaum der Erinnerung, wie vollkommen diese
Anschauungen mit denjenigen der „Naturphilosophen", die wir
kennen gelernt haben, übereinstimmen. Es ist merkwürdig, dass
selbst die Idee der „Reformation der ganzen Welt", wie Gindely
nachgewiesen hat, schon im 15. Jahrhundert bei den Brüdern
sich vorfindet.
Ich weiss nicht, ob man alle diese und viele andere Über-
einstimmungen lediglich als zufällige Erscheinungen auffassen will.
Wie dem auch sei, so steht fest, dass sich auch in dem geschicht-
lichen Verlauf und in manchen rein äusserlichen Dingen ganz
auffallende Anklänge finden.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 173
Die Beziehungen der böhmischen Brüder und aller alt-
evangelischen Gemeinden zum Orient und zur griechischen Kirche,
besonders ihre Vorliebe für die älteren griechischen Kirchenväter,
sind vielfach betont worden; wie mag es kommen, dass, was wir
an anderer Stelle im einzelnen nachzuweisen hoffen, gleiche Spuren
auf die Zusammenhänge der Akademien mit den Griechen hin-
weisen? Jahrhunderte hindurch war der Mittelpunkt der ausser-
kirchlichen Christen Oberitalien, und die enge Verbindung, in
der die „Waldenser** mit den Zünften einerseits und mit den
Ritterorden andererseits standen, ist ja bekannt genug; wir haben
Gelegenheit gehabt, die gleichen Beziehungen der Akademien und
Societäten nachzuweisen.
Ja, die Verwandtschaft erstreckt sich bis auf Namen und
Zeichen, die bei beiden gebraucht werden: das Wort Societas
bedeutet im Sinn der Waldenser eine Gemeinde, die Mitglieder
der höheren Grade bei den letzteren nannten sich „Väter^* und
„Söhne" (vgl. oben S. 166), der Name Magistri oder Meister war
bei beiden für verwandte Begriffe üblich, und der Gebrauch von
Brüdemamen ist hier wie dort nachweisbar. Lebensgewohnheiten,
wie sie Gindely bei den böhmischen Brüdern schildert, kehren in
in derselben Art unter den „Alchymisten" wieder — kurz, es sind
so viele Berührungspunkte vorhanden, dass der Versuch, dies alles
als Zufälligkeiten zu erweisen, schwerlich gelingen wird.
Im Bahmen dieser Arbeit freilich soll und kann ebenso
wenig versucht werden, eine andere Erklärung aufzustellen, viel-
mehr kommt es hier lediglich darauf an, darzuthun, dass Comenius
und die übrigen Brüdergeistlichen, als sie im Jahre 1628 der
Societät des Andreae beitraten, Mitglieder eines Bundes wurden,
dessen Grundsätze und Bestrebungen denen der Brüder ausser-
ordentlich verwandt waren.
Wie eng die Verbindung war und wie sie für Comenius das ganze
Leben hindurch fortdauerte, ist ja an vielen Stellen der Untersuchung
schon zu Tage getreten. Man braucht nur die Namen Hartlieb ^),
*) Hartlieb war es — so erzählt Ck>inenius selbst — der ihn „an das
Licht zog, ihm die Gunst von Mäcenen erwarb, ihm Mitarbeiter verschaffte".
S. den Brief des Comenius an Hartlieb v. 11./21. Januar 1647 bei Gindely,
Sitzungsberichte der böhm. Akad. 1855 S. 546. — Über H.^s Beziehungen
zu Ck)menius s. auch Masson, Life of Milton III, 201—215 u. 221—225.
174 Keller, Heft 5 u. 6.
Jungius^), Harsdörfer*), Dilherr*), Zesen*), Leibniz, Pömer*),
Wolzogen^), Hübner ii. s. w. zu nennen, um jedem Kenner des
Comenius die zahlreichen Beziehungen ins Gedächtnis zu nifen,
die zwischen diesen und ihm vorhanden gewesen sind.
Als Comenius im Jahre 1641 nach London kam, wurde er
ausser von Hartlieb, Duraeus, Pelleus auch von Th. Haak und
von Joachim Hübner empfangen. Wie nah Hübner — es ist
zweifellos derselbe Gelehrte, der oft unter dem Namen des
Fundanius in den vertraulichen Briefen des Comenius vorkommt
— dem Comenius stand, erhellt aus dessen eignen Äusserungen
über ihn, da er ihn im Jahre 1641 als einen der vornehmsten
Genossen seiner pansophischen Arbeiten bezeichnet^)
Leider wissen wir bis jetzt über die Lebensgeschichte Hübners
wenig ^), aber was wir wissen, giebt wertvolle Fingerzeige auf
Zusammenhänge mit den Societäten. Es ist uns von Georg
Rud. Weckerlin, den wir als Mitglied der „Tanne*^ kennen, eine
Er war en aber auch, der an allen Arbeiten des Comenius regen und ver-
ständnisvollen Anteil nahm, der die pädagogischen wie die pansophischen
Entwürfe und Forschungen mit seinem Interesse und seiner thätigen Teil-
nahme begleitete. Wenn er, der Bescheidenheit seines Wesens entsprechend,
mit seiner Person überall zurücktrat, so ist es doch die Pflicht der Ge-
schichtschreibung, dort, wo CJomenius* Verdienste gerühmt werden, des
Mannes nicht zu vergessen, der ihm Freund und Berater gewesen ist.
') Zwei Briefe des Ck>menius an Jungius aus 1642 und 1643 s. bei
Guhrauer, J. Jungius etc. 1850 S. 264.
*) Reber, J. A. Ck)menius und seine Beziehungen zu den Sprach-
gesellschaften 1895.
^ Comenius spricht am 15./25. Januar 1657 in einem Brief an Hars-
dörfer den Wunsch aus, dass „Christus unerschüttert der Kirche ihre Säule,
den ehrwürdigen Herrn Dilherr lange erhalten möge". Reber a. O. S. 53
und bei A. Pater a, Briefwechsel des C. Prag 1892. S. 192.
*) M.H. der CG. 1894 S. 339.
*) Kvacsala, J. A. Comenius 1892 S. 240.
®) Joh. Ludw. V. Wolzogen war einer der zahlreichen Österreichischen
Herrn von Adel, die Mitglieder der Akademien waren. Er gehörte den
Socinianern an. Über 20 Briefe des C. an Wolzogen bei A. Patera a. 0.
Prag 1892. Vgl. femer Reifferscheid a. 0. Nr. 269.
^ Patera, Briefwechsel des Comenius. S. 37. Vgl. das Register unter
Fundanius und Hübner.
*) Weitere Aufklärungen wären sehr erwünscht.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 175
Ode an Joachim Hühner erhalten, in welcher ersterer diesen seinen
Freund nennt*)
Als Hartlieb und Comenius über die bereits besprochene
internationale Organisation der Akademien verhandelten, da war
es Hühner, der aus Paris an Comenius die Nachricht schickte,
dass man dort sich an die Spitze zu stellen beabsichtige.^)
Im Jahre 1661 wünschte Comenius einige seiner Schriften
zur Kenntnis Friedrich Wilhelms, des Grossen Kurfürsten zu
bringen, und er benutzte dazu die Vermittlung Joachim Hübners,
der sich damals in Cleve aufhielt, wo der Kurfürst im Herbst
1661 anwesend war und wo auch Duraeus sich einfand und bei
Friedrich Wilhelm Audienz erhielt.^)
Es ist eine durch die Geschichte der Akademien bezeugte
Thatsache, dass deren Mitglieder das Kleinod, das sie als Gesell-
schafts -Angehörige besassen (den „Zunftschmuck'O gelegentlich
benutzten, um Schriften, die sie veröffentlichten, durch dies Zeichen
als ihr geistiges Eigentum kenntlich zu machen. So führt W^eckerlin
als Buchzeichen sein Gesellschafts-Kleinod, einen Bienenkorb mit
zwei Lorbeerkränzen*), Joachim von Sandrart (geb. 1606), der be-
*) S. Georg Kudolf Weckerlins Gedichte, hrsg. von Herrn. Fischer
II, 267 (Publ. des Lit. Vereins Bd. 200). — Bei Fischer findet sich das
Faksimile der Handschrift Weckerlins (Bruchstück eines Briefes an Martin
Opitz) mit W.'s Unterschrift. Er unterzeichnet am Schluss seines Namens
mit folgendem Bandzeichen, das mit dem letzten Buchstaben seines Namens
verbunden ist; "Tv — ^^^ einer Abbildung des Poetenwäldchens in
Harsdörfers „Pegnesis" findet sich ein Schild mit folgenden Zeichen, oben:
unten :^ ^S^ ; dazwischen das Wort „Pegnesis". In dem
ß
„Teutschen Palmbaum" findet sich das Bandzeichen in folgender Form:
, aber nicht liegend, sondern hängend. Der „Zimber-Swan"
Condorins zeigt folgende Form ^-^>^/-v^nC^ • Auch kommt diese
Form vor:
S3i
*) Patera, Briefwechsel S. 135.
») Patera a. O. S. 230.
*) 8. die Ausgabe von Weckerlins Gedichten von H. Fischer in den
Publ. des Litt. Vereins Bd. 200.
176 KeUer, Heft 5 u. 6.
rühmte Maler, Freund Galileis und Joost van den Vondels*),
führte das Kleinod, das er als Mitglied der Akademie des Palm-
baums besass, in gleicher Art als Abzeichen,*) und ähnliche Bei-
spiele Hessen sich mehr beibringen. 3)
Unter diesen Umstanden gewinnt das Sinnbild, das Comenius
als Buchzeichen führte — es ist das bekannte Zeichen, das jetzt
auch unsere Gesellschaft führt — ein besonderes Interesse. Das
Abzeichen stellt das Weltall mit Erde, Sonne, Mond und Sternen
dar und versinnbildlicht den Kampf des Lichtes mit der Finsternis;
auf einer Anhöhe rechts im Vordergrunde sieht man drei Bäume^
und aus einer doppelt geöffneten Höhle ergiesst sich ein Quell, an
dessen zackigem Uferrand Lilien wachsen — lauter Sinnbilder und
Anspielungen, wie sie auch in den übrigen Gesellschaftskleinoden,
deren wir viele kennen, erscheinen.*) Wir besitzen in dem Buch-
zeichen das Bijou, das Comenius als Mitglied des Bundes führte.
Auch andere sinnbildliche Darstellungen und Zeichen, wie sie
Comenius gebraucht hat, finden in der Symbolik der Akademien,
und zwar nur in dieser, ihre Erklärung. Das Titelbild zu der
Ausgabe des Pansophiae Prodromus, die im Jahre 1644 zu Leiden
erschien, ist in dieser Beziehung besonders beachtenswert: in der
Mitte sieht man eine Frauengestalt (die Pansophia) mit Krone
und Mantel, der rechts mit dem Bild der Sonne, links mit Mond
und Sternen bestickt ist; um ihren Hals trägt sie die Kette. Zu
ihren Füssen sieht man Winkelmass, Zirkel, Richtscheit und
sonstige Werkzeuge und Hilfsmittel (Risse und Zeichnungen) der
Baukunst 5); sie steht gelehnt an einen mit einem Teppich be-
*) Sandrart ist eine der hervorragenderen Persönlichkeiten unter den
Mitgliedern der Akademien und sein Leben verdiente im Hinblick darauf
eine genauere Untersuchung.
*) Dam Kleinod ist abgebildet bei Doppelmayr, Histor. Nachricht
von dem Nürnb. Mathematicis etc. 1730. Tab. XIV,
') Auch Doppelmayr führte sein Kleinod als Buchzeichen. D.
wurde später ebenso wie Leibniz, Wülfer u. A. Mitglied der Kgl. Preuss.
Societät der Wissenschaften zu Berlin.
*) Sehr merkwürdig ist ein Vergleich mit dem Kleinod, das die
Academia dei Ricovrati in Padua führte; auch auf letzterem erscheint die
doppelt geöffnete Höhle (in deren Hintergrund man einen Mann mit einem
Hammer thätig sieht), der zackige Uferrand, die drei Bäume auf einer An-
höhe u. 8. w. (Wagenseil, De civitate Norimb. 1697 p. 451.)
*) Wir haben das Diplom, das unsere Diplom -Mitglieder erhalten,
mit einer ganz genauen Wiedergabe des Titelbildes ausgestattet.
X895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 177
deckten Tisch, dessen Muster eingewebte Lilien zeigt; auf dem
Tisch liegt ein aufgeschlagenes Buch; im ESntergrunde sieht man
einige Globen und eine Sphäre und eine Reihe grosser Folianten ^)
— lauter Sinnbilder und Zeichen, wie sie z. B. im „Teutschen
Palmbaum'' und in anderen Schriften der Akademien mit auf-
fallender Übereinstimmung wiederkehren.
Auch die eigentümliche Darstellung des Palmbaums ^), aus
dessen brennender Krone sich ein Phönix erhebt, wie sie sich
auf Kleinoded der ,^eutschen Societaf' findet, kehrt bei Comenius
wieder.*)
Es ist völlig ausgeschlossen, dass Comenius diese und andere
Symbole, die seit alten Zeiten Eigentum der Akademien waren,
sich ohne deren Zustimmung angeeignet haben könnte.
Es trifft sich glücklich, dass gerade neuerdings eine kleine
Schrift erschienen ist, die des Comenius Beziehungen wenigstens
zu denjenigen Akademien, die als Sprachgesellschaften an die
Öffentlichkeit traten, näher untersucht und darlegt.*) Daraus
erhellt, dass der Verkehr viel regelmässiger und inniger war als
wir bisher wussten, und es werden eine Reihe von Thatsachen
und Briefen^ die dies beweisen, zum ersten Mal ans licht gezogen. ^)
Wir wissen, dass es die Pflicht der Mitglieder war, für die
Ausbreitung der Gesellschaft nach Kräften zu wirken. Dieser
Pflicht ist Comenius sein ganzes langes Leben hindurch eifrig
nachgekommen, selbst noch im höchsten Alter trug er sich mit
dem Plan, in seiner Heimat, in dem damals von der Gesellschaft
') Die Wiederkehr von Zirkel und Winkelmass ist um so auffallender,
weil sie sich auch in der Symbolik des „Palmbaums" oft an Stellen findet,
wo man sie keineswegs erwarten sollte. Vgl. M.H. 1895 3/4 S. 86 und 87.
') Nebenbei sei hier bemerkt, dass die im Jahre 1702 in Halle ver-
anstaltete Ausgabe der Panegersie eine Bandleiste enthalt, in deren Mitte
der Palmbaum sichtbar ist.
^) Das Sinnbild findet sich ebenfalls auf dem Mitglieds -Diplom der
e.G., wo es wegen seines eigenartigen, nicht eben künstlerisch schönen
Charakters auffallt.
*) Dr. Jos. Reber (K. Direktor der höh. weibl. Bildungsanstalt zu
Aschaffenburg), Johann Amos Comenius und seine Beziehungen zu den
Sprachgesellschaften. Denkschrift zur Feier des yierteltausend jährigen Be-
standes des Pegnesischen Blumenordens zu Nürnberg. Lpz. G. Fock 1894.
*) Dass Comenius Freunde Job. Johnston und D. Vechner mit Matth.
Bemegger in Briefwechsel standen, beweist Reif f erscheid, Quellen zur
Geschichte des geistigen Lebens etc. 1889. S. 841.
178 KeUer, Heft 5 u. 6,
Jesu völlig beherrschten Böhmen, ein Collegium Lucis oder etwas
Ahnliches mit dem Sitze in Prag zu gründen.^)
Gerade die wichtigsten Schriften des Comenius, die pan-
sophischen^ sind nirgends mit grösserer Zustimmung aufgenommen
worden als bei den Naturphilosophen. Als Hartlieb im Jahre 1637
den ersten Aufriss der pansophischen Gedanken, den ihm Comenius
handschriftlich gesandt hatte^ herausgab^ war die Zustimmung
unter Hartliebs Freunden grösser als unter der strengeren Rich-
tung der eignen Gemeinschaft des Comenius; er vermische, sagten
diese, Göttliches und Menschliches^ Theologie und Philosophie,
Christentum und Heidentum 2), imd Comenius hielt es für not-
wendig, sich gegen diese Vorwürfe in einer besonderen Schrift
zu verteidigen. Mit welcher Teilnahme dagegen das Werk in
den Kreisen aufgenommen ward, die wir oben geschildert haben,
bezeugt unter Anderem die erwähnte Schrift Rebers; sie weist
nach, dass Harsdörfer in einer seiner wichtigeren Schriften, dem
Spccimen philologiae Germanicae, sich auf Aussprüche des Comenius
in dessen oben erwähnter Schrift beruft ') und der Umstand, dass
binnen weniger Jahre drei Auflagen des Prodromus Pansophiae
nötig wurden — im Jahre 1644 erschien die dritte in Leyden —
giebt eine Vorstellung davon, wie gross die Nachfrage in den
Kreisen der Gesinnungsgenossen gewesen ist
Comenius kennt, wie seine Schrift Novissima Linguarum
Methodus darthut, die Geschichte der Akademien sehr wohl;
nachdem er die Academia della Crusca und die ,4i*uchtbringende
Gesellschaft" gelobt hat, spricht er den Wunsch aus, dass bei
allen Völkern derartige Gesellschaften oder Kollegien gegründet
werden möchten.*)
Comenius wusste genau, dass eines der wichtigsten Ziele,
das den Akademien vorschwebte, der religiöse Unionsgedanke,
durchaus auf den Wegen lag, die er selbst und seine Religions-
') Kvacsala, Kurzer Bericht über meine Forschungsreisen etc. (in
den Acta et commentationes Imp. Universitatis Jurievensis 1895 Nr. 2) S. 19.
*) Pappen heim, J. A. Comenius. Vortrag. Berlin 1892. ^S. 35. Es
ist in der That richtig, dass Comenius den Gedanken der Humanität hier
wie sonst betont; aber Xleinert (Studien und Kritiken 1878 S. 37) hat im
Anschluss an Opp. did. II, 463 nachgewiesen, dass er diesen Gredanken
niemals von dem christlichen Boden losgelöst hat.
») Reber, a. O. S. 28 f.
*) Keber, a. 0. S. 37.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 179
gemeinschaft sich gesteckt hatte ; auch mochte er richtig erkennen,
dass der Weg praktischer Organisationen wejt eher Erfolg ver-
sprach als die lobenswerten^ aber aussichtslosen Bemühungen des
Johann Duraeus und anderer Freunde, die auf dem Wege von
Religionsgesprächen und Kompromissen demselben Ziele zu-
strebten. 1)
Gleichzeitig freilich blieb es ihm nicht verborgen, dass die
Akademien in der Vereinzelung, in der sie damals wirkten, leicht
zum Spielball mächtigerer Kräfte oder zum Tummelplatz persön-
licher Liebhabereien werden könnten. Das sicherste Mittel, um
solchen Entwicklungen vorzubeugen, wäre die einheitliche Organi-
sation gewesen, die er und Hartlieb seit Cromwells Emporkommen
planten. Als mit dem Eintritt der Restauration diese Entwürfe
als gescheitert angesehen werden mussten, waren die Aussichten
für das fernere Gedeihen der Akademien zunächst nicht günstig.
Aber in der Not der Zeit blieb ihnen ein wichtiger gemeinsamer
Besitz: die grosse Litteratur und die Erinnerung an diejenigen
Männer, die sie in den besseren Zeiten die ihrigen hatten nennen
dürfen, vor allem an Baco, Andreae, Leibniz und Comenius.
Die Schriften dieser Männer enthielten einen Arbeitsplan und ein
Programm, das in dem Augenblick grosse praktische Bedeutung
gewinnen konnte, wo es gelang, dasselbe zur Grundlage einer
zweckentsprechenden, grossen, unter neuem Namen wirkenden
Organisation zu machen.
Freilich waren manche alte Namen und Formen, besonders
die Bezeichnung „Akademien" und „Societäten" von dem Augenblick
an nicht mehr recht brauchbar, wo die königlichen und öffent-
lichen Anstalten sie für sich in Anspruch nahmen und diese Namen
zur Bezeichnung von Gelehrten- Vereinen oder hohen Schulen in
über\viegenden Gebrauch kamen. Gerade in den Kreisen der Ge-
lehrten nahm zudem das Verständnis und die Neigung für die
Symbolik der älteren Akademien in demselben Masse ab, als das
allmähliche Zurücktreten der religiösen Kämpfe seit der Wende des
Jahrhunderts das Bedürfnis nach solchen Verständigungs-Mitteln
und Erkennungszeichen der Eingeweihten verschwinden Hess.
*) Interessant ist der Vorschlag Bemcggers, dass die Fürsten sich die
Hand zum Bunde reichen möchten zur Unterdrückung des reh'giösen Haders
(vgl. den Palmenorden), während dei-selbe Bemegger sich gegen Duraeus'
Versuche ablehnend verhält (Bünger, M. Bernegger. S. 205 f.).
180 Keller, Heft 5 u. 6.
Indessen pflegen geschichtliche Erscheinungen wie diese, die
eine lange und reiche Vergangenheit haben, nicht leicht ohne
Nachwirkungen und ohne zeitentsprechende Neubildungen aus dem
Leben zu verschwinden.
Eine solche Um- und Neubildung der älteren Akademien
tritt uns seit dem Ende des 17. Jahrhunderts in den sogenannten
„Deutschen oder deutschübenden Gesellschaften^' entgegen, die in
Hamburg und Bremen, besonders aber an den Sitzen einzelner
Hochschulen, wie in Leipzig, Königsberg, Jena und Göttingen,
auftauchen und in ihrer Organisation wie in ihren Zwecken den
älteren Societäten verwandt sind^ auch einige Formen und Namen
derselben übernommen haben.
Im Jahre 1697 hatten mehrere Studierende aus der Lausitz,
die sich damals in Leipzig aufhielten (darunter Joh. Christoph
Urban, Joh. Ad. Schön, J. Ch. Hassfurth, J. H. Krause u. a.),
eine poetische Gesellschaft (Collegium poeticum) gegründet*), die
an dem im Jahre 1699 als Professor der Geschichte nach Leipzig
berufenen Joh. Burkhard Mencke (1674 — 1732)*) einen Patron
und Schützer fand. Mencke war lange in Holland und England
gewesen und Mitglied der Royal Society ^) geworden und er nahm
Gelegenheit, im Jahre 1717 diese poetische Vereinigung zu einer
„deutschübenden Gesellschaft" umzugestalten.
Wir würden wahrscheinlich nicht viel von dieser Gesell-
schaft — der Name Akademie verliert sich seit dem Ende des
17. Jahrhunderts zur Bezeichnung dieser „deutschübenden Gesell-
schaften" vollständig — ; >vissen*), wenn nicht im Jahre 1724
Johann Christoph Gottsched aus Judithenkirch bei Königs-
^) Einen Auszug aus den Lcges et Statuta Collegii poetici giebt
Bruno Stübel, die deutsche Gesellschaft in Leipzig von ihrem Entstehen
bis zur Gegenwart in den ^^Mitteilungen der deutschen Gesellschaft" (Lpz.,
T. O. Weigel 1877) Bd. VI, S. 9 ff.
') Über Mencke s. den Artikel Flathes in der A. d. B. XXI, 310 f.
^) Mencke ist zweifellos auch Mitglied einer der älteren ,,freien Akade-
mien" gewesen.
*) Aus Anlass des 25 jährigen Stiftungsfestes erschien im Jahre 1722
ein Schediasma de Instituto Societatis Philoteutonico-Poeticae, quae sub
praesidio ..... D. Johann. B. Menckcnii . . . hie Lipsiae congregatur etc.
(Ein Exemplar in Göttingen.) Sie schildert die Entstehung der Gesellschaft
und knüpft unmittelbar an die Geschichte des „Palmbaums" und der ver-
wandten Societäten an
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 181
berg (gest 1700) ihr Mitglied und im Jahre 1727 ihr j^ltester*' *)
geworden wäre*).
Die Gesellschaft nannte sich selbst auch wohl „Collegium"
und ihre Mitglieder hiessen „Poeten", gleichviel ob sie Dichter,
Ärzte oder Mathematiker von Beruf waren; sie wollten Nach-
folger der alten „Collegien" und ,JPoeten" sein, deren Geschichte
ihnen genau bekannt war. Sie betrachtete die zu Hamburg
durch Barthold Heinrich Brockes (1680 — 1747) um 1705 ge-
gründete „teutschübende Gesellschaft", der J. A. Fabricius, Trie-
wald, Richey, König, Hoeft und Joh. Hübner angehörten, als
gleichstrebende Genossin ^.
Die Erfolge und das Vorbild der unter Gottsched um-
gebildeten „deutschen Gesellschaft" sind es dann gewesen, die die
Gründung gleicher Gesellschaften in Jena, Halle und Göttingen
befördert haben. Die erstere wurde 1728 ins Leben gerufen und
1730 vom Senat bestätigt^) Einige Jahre später (1733) stifteten
zwei Studierende in Halle, Immanuel Pyra und Samuel Gotthold
^) Das ist offenbar nicht die einzige Bezeichnung, die diese deutsch-
übende Gesellschaft aus dem Brauche der älteren Akademien übernommen
hat. — Gottsched erzählt gelegentlich: „Das berühmte Exempel der vor-
längst in Paris gestifteten französischen Akademie brachte uns (nämlich die
Leipziger Societät) auf den Gedanken, dass auch unsere Gesellschaft ganz
bequem die deutsche Gesellschaft würde heissen können Nun ver-
langen wir uns zwar weder unserer Fähigkeit noch unseres Ansehens halber
einer so grossen Akademie an die Seite zu setzen. Wir kennen unsere
Schwäche gar zu wohl — unsere Absichten aber sind zum wenigsten
mit den ihrigen einerlei." (Danzel, Gottsched und seine Zeit. Lpz.
1848. S. 83.)
^ Gottsched war schon in Königsberg Mitglied eines ,,Collegium
poeticum" gewesen. Er war von Königsberg aus an Joh. Burkh. Mencke
empfohlen und fand 1724 Aufnahme in dessen Hause und unterrichtete
Mencke's Kinder.
') S. das eben angeführte Schediasma S. 43. Quellen über dieses
Hamburgische Oollegium sind die Vorrede zu Brockes ,,Bethlehemitischen
Kindermord" von Fabricius, femer Weichmanns Poesie der Niedersachsen
c. 1723. — Das Mitglieder -Verzeichnis der Leipziger Gesellschaft aus den
Jahren 1697—1722 findet sich in dem Schediasma S. 49 ff. - Darin fallen
die Namen Gottfried Hübner (1703), Joh. Christian Thomasius (1713),
Joh. George Hamann (1719), Carl Heinr. v. Sebottendorf (1704), Joh. Friedr.
Reichel (1719) und Siegmund Würffei (1704) auf.
'*) Vgl. Sammlung und Schriften der deutschen Gesellschaft in Jena.
In gebundener und ungebundener Schreibart hrsg. v. G. Stollen Jena 1732«
Monatshefte der Comenius-Qesellschaft. 189Ö. ^3
182 Keller, Heft 5 u. 6.
Lange, ein zunächst im Stillen wirkendes CoUegium poeticum,
das sich Opitz^ Haller und Günther zum Vorbild nahm xmd bald
in die Wege der Leipziger Gesellschaft einlenkte.*)
Einen warmen Freund besassen die deutschen Gesellschaften
an Johann Lorenz Mosheim (geb. 1695), der seit 1723 als
Professor der Theologie in Helmstedt wirkte. Er war es, der die
Leipziger Gesellschaft (deren Mitglied er seit 1728 und Präsident
seit 1732 war) seinem Landesherm empfohlen hatte und der später
auch auf die Errichtung einer gleichen Societät in Göttingen
hinwirkte.
Im Mai 1738 nahm letztere Gesellschaft ihren Anfang und
erhielt von der Landes -Regierung die Genehmigung. Ihr Zweck
war, die deutsche Litteratur und Sprache zu pflegen, aber auch
„auf Tugend und Freundschaft" war ihr Absehen gerichtet. Der
Vorsitzende hiess der Alteste und wurde von den Mitgliedern
mit dem Zusatz „Verehrungswürdiger'' angeredet — ein Beweis,
dass manche Formen aus den älteren Akademien auch hier bei-
behalten worden waren, während freilich im Übrigen die Be-
ziehungen zu den älteren Akademien und deren Nachfolgern sich
cinigermassen lockerten. Zwar gab es immer noch nicht wenige
Männer, die hier wie dort Mitglieder waren 2), aber die Leitung
der „deutschen Gesellschaften" ging mehr und mehr in die Hände
staatlicher und kirchlicher Autoritäten über.
Damit sind aber die geschichtlichen Nachwirkungen der
älteren Brüderschaften nicht erschöpft Die engen Beziehungen,
die zwischen diesen und der Royal Society vorhanden waren,
haben wir bereits oben erörtert Alles, was dort über die Zu-
sammenhänge und die Unterschiede gesagt worden ist, trifft auch
auf die freien Akademien in Deutschland und auf die Königlich
Preussische Societät der Wissenschaften in Berlin zu.
*) W. Kawerau, Aus Halles Litteraturleben, Halle 1888, 8. 81.
*) Die Mitglieder der älteren Akademien oder Brüderschaften befor-
derten die Gründung solcher wissenschaftlicher Collegien oder Vereine, mit
denen sie in Beziehung standen, kräftig und planmässig. — D. £. Jablonski
teilt am 20. März 1700 Leibniz mit, dass sich in Berlin ein (Kollegium
niedicum gebildet habe; er sieht dies ganz gern, weil er der Ansicht ist,
dass man „die bessten Leute aus solchem Collegio an sich ziehen
könne", um für die höhere Aufgabe der Königl. Societät, die ihm vor-
schwebte, brauchbare Mitglieder zu gewinnen. Joh. Erh. Kapp, Sammlung
vertrauter Briefe etc. Lpz. 1745 S. 152.
1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 183
Ein grosser Teil der Gelehrten, deren Namen mit der
Gründung und den Anfängen der Königlichen Societät, sei es als
Mitglieder^ sei es als Beförderer, verknüpft sind — wir haben ja
auch die engen Beziehungen des Kurhauses Brandenburg zur
Akademie des Palmbaums kennen gelernt — haben ihre Schule
in den freien Akademien gemacht und sind daraus hervorgegangen,
z. B. Leibniz, Jablonski, Beruh. Friedr. von Krosigk
(f 1714), Friedrich Hofmann, Sturm, Wülfer, Dohna,
Doppelmayr, Herrn, v. d. Hardt und Georg Christoph
Eimart und es lässt sich ebeuso wenig eine Geschichte der
Berliner wie der Londoner AJ^ademie der Wissenschaften schreiben,
ohne des wesentlichen Anteils zu gedenken, den die älteren freien
CoUegien und Gesellschaften an ihrem Entstehen gehabt habeu.^)
So eng indessen die äusseren wie die inneren Zusammen-
hänge waren, so stellten die nunmehr staatlich organisierten Ge-
sellschaften doch eine wesentliche Umbildung der älteren
Collegien dar. Die Mitglieder der letzteren waren durch die
Übereinstimmung der gesamten Weltanschauung zusammengeführt
und wurden durch ein ausgebildetes System fester Formen zu-
sammengehalten; die freien AJ^ademien waren bestimmt, den
ganzen Menschen zu erfassen, allgemeine sittliche und philo-
sophische Ziele zu verfolgen und für die Erziehung des Menschen-
geschlechts im Sinne der christlichen Religion und des von ihr
verheissenen Gottesreiches zu wirken; die Reform der Wissen-
schaften, die Pflege der Sprachen u. s. w. waren für sie nur
Mittel zum Zweck.
In den Königlichen Aikademien änderte sich dies Verhältnis
') Wir haben auf die starke Beteiligung gerade der Reformierten und
besonders der Glaubensflüchtlinge an den älteren Akademien hingewiesen.
Dieselbe Erscheinung tritt in den Anfängen der Berliner Königl. Societät
hervor, bei der die Hugenotten und sonstige reformierte Geistliche und
Laien eine grosse Zahl ausmachten. Unter den 8 Mitgliedern, welche der
Sekretär der Akademie, Jablonski, deren Präsidenten Leibniz im Frühjahr
1701 vorschlug, befanden sich ausser dem oben genannten „Medicus und
Chymicus^' Friedrich Hof mann in Halle und dem D. Joh. Fabricius (Nach-
folger Calixts in Helmstadt) zwei Mitglieder französischer Flüchtlings-Familien,
M. des Vignoles, Prediger der französischen Gemeinde in Berlin, und Joh.
Bemouilli in Groningen sowie der s. Z. bekannte ref. Theologe Gerhard
Meyer in Bremen (Joh. £rh. Kapp, Sammlung einiger vertrauter Briefe u. s. w.
Lpz. 1745. S. 304 f.).
13*
184 Keller, ComeniuB und die Akademien etc. Heft 5 u. 6.
vollständig: die Pflege der Wissenschaften wurde Selbstzweck
und die allgemeinen Ziele traten ebenso zurück wie das System
von Formen und Symbolen, das für die älteren Akademien so
wesentlich gewesen war; zwar gab es auch in den Königlichen
Instituten Grade und Stufen von wirklichen und correspondierenden,
von ordentlichen und ausserordentlichen Mitgliedern u. s. w., zwar
ward der Grundsatz, dass Nationalität, Stand oder Bekenntms kein
Hindernis für die Aufnahme bilde und manches andere Ideal, wie
es Comenius in seinem „Weg des Lichtes" aufgestellt hatte, ver-
wirklicht Aber die Eigenart einer Gelehrtengesellschaft im engeren
Sinn wurde beibehalten und der Charakter der Brüderschaft,
wie ihn die älteren Vereinigungen besessen hatten, wurde abge-
streift und musste abgestreift werden.
Man würde fehl gehen, wenn man glauben wollte, dass die
Männer, die seit 1650 die Träger der freien Akademien gewesen
waren, in den schwierigen Zeiten, die zunächst für sie anbrachen,
die alten Ziele und Grundsätze aufgegeben hätten. Zwar drängte
sich die Überzeugung, dass neue Namen und neue organisatorische
Formen notwendig seien, wie sie schon Comenius und Hartlieb
ausgesprochen hatten, allen Brüdern immer bestimmter auf; auch
gewann der alte Gedanke, dass die englischen Brüder berufen
seien, sich an die Spitze einer solchen Reform zu stellen, immer
mehr Boden. Als im Beginn des 18. Jahrhunderts dann in London
der Versuch gemacht wurde, die Reform zu wagen, zeigte es sich,
dass die Zeit in der That dafür reifer war als vor 50 Jahren,
wo Cromwells Freunde vergeblich an derselben Au^be gearbeitet
hatten. Es gelang, eine neue Epoche der alten Akademien
heraufzuführen und ihrer Entwickelung eine breitere Grundlage
zu geben. Da man die Pflege der Wissenschaften und der
Sprachen jetzt mehr als früher den neugegründeten gelehrten Ge-
sellschaften überlassen koimte, so war die Möglichkeit gegeben,
um so nachdrücklicher für die humanen und sittlichen Ziele zu
wirken, und für die Ausgleichung der religiösen und
socialen Gegensätze, wie sie bereits Comenius vorgeschwebt
hatte, zu arbeiten. Die Darstellung dieses neuen Entwicklungs-
abschnittes liegt ausserhalb des Rahmens der vorliegenden Unter-
suchung.
Zur Erinnerung an Moriz Carriere.
Von
Bernhard Baehring.
Am 29. Januar d. Js. entschlief in einem Alter von 78 Jahren
nach reich gesegneter Thätigkeit zu München der ord. Professor der
Philosophie Dr. Morias Carriere, ein Denker, Gelehrter und Charakter,
dem auch in diesen Blättern eine ehrende Erinnerung gebührt.
Geistesverwandt mit Comenius stellte er sein umfangreiches Wissen
stets in den Dienst der Menschheit. Nicht eigene Ehre suchend,
noch einer Partei huldigend, arbeitete er mit unermüdlicher Ausdauer
an der Klärung der Geister über die Grundlagen unserer Bildung
und Gesittung. Durch eingehende Verständigung suchte er auch
Gegner zu gewinnen. Die religiösen mit den politischen Aufgaben
unseres Volkes in Einklang bringend suchte er ein friedliches Zu-
sammenwirken aller edlen Kräfte in Staat und Kirche zu fördern,
um dadurch von innen heraus dem durch Blut und Eisen begründeten
deutschen Reiche ein gesundes Gedeihen zu verschaffen. Kein Gebiet
der Wissenschaft, der Kunst, der Religion und überhaupt des mensch-
lichen Lebens und Treibens war ihm fremd oder gleichgiltig. Überall
wusste sein reichbegabter Geist Goldkörner zu finden, die er zur
Hebung der allgemeinen Bildung und Gesittung geschickt zu zeigen
und zu verwerten verstand. Seine zahlreichen Schriften und grösseren
Werke, die bei Brockhaus in Leipzig in einer stattlichen Gesamt-
ausgabe erschienen sind, geben das beredteste Zeugnis von der ausser-
ordentlichen Bedeutung dieses aus Frankreich stammenden, aber acht
deutsch gesinnten Philosophen, Kulturhistorikers und Dichters.
Sein Leben hatte nach seiner Aussenseite den im ganzen ruhigen
Verlauf eines deutschen Professors. Geboren zu Griedel im Gross-
herzogtum Hessen, auf den Universitäten zu Giessen, Göttingen und
Berlin, wo er sich (1837) die Würde eines Doctors der Philosophie
errang, wissenschaftlich vorbereitet, begab er sich auf einige Jahre
zum Studium der dortigen Kunstschätze nach Italien. Im Jahre 1842
betrat er die akademische Laufbahn als Privatdocent der Philosophie
in Giessen, erhielt aber erst im Jahre 1849 eine Professur, weil
seinem Charakter das Kriechen und Hofieren widerstand.
Desto reicher aber entfaltete sich nun sein inneres Leben nach
allen Seiten hin. Schon auf seinen Wanderungen in Italien war
seine dichterische Begabung erwacht. Rom, Neapel, der Ätna mit
186 Baehring, Heft 5 u. 6.
seinem Donnern in der Tiefe und seinen Flammen, die er empor-
sendete, begeisterten ihn zu hohen Entschlüssen.
„Traun, wir wollen, ein Gtöttergescblecht,
Jeglichen Berg zum Olympos schaffen.
Wollen des neuen Jerusalems
Kreuzpanier auf die Türme pflanzen,
Seli^ m lieb und Eintracht stark,
Dulder und Sieger
Aus unentweihtem Munde
Dem deutschen Volk
Vom heiligen Geist begeistert singen
Mit feurigen Zun^n
Wie keiner ein Lied."
Und in Rom sang er (1840):
„Aus den Farben, aus dem Steine
Buft in innigem Vereine
Alt' und neue Ootterschaar,
Dass dem Wahren wie dem Schönen,
Wir mit Eichenlaube krönen
Einen heiigen Festaltar.
Und in gottgeweihter Stunde
■Schlägt zum ewigen neuen Bunde
Freundeshand in Freundeshand,
Unsre vollen Gläser klingen.
Und wir schwingen sie und singen
Deutschen Sang am Tiberstrande."
Diese heilige Begeisterung für alles Schöne und Grosse in
Natur und Geschichte fand in Giessen einen Lebensmittelpunkt in
der Tochter des berühmten Chemikers Justus Liebig. Agnes Liebig
war am 6. Juni 1829 zu Giessen geboren, also 12 Jahre jünger als
Moriz Carriere. Mehrere Jahre dauerte die Werbung.
„Es stehn die Stern am Himmel fest und sehn sich nur verlangend an;
Mein süsses Lieb, o komm zu mir, wir können selig uns umfalm."
Endlich im Jahre 1852 fand er Erhörung im Taunusbad Soden.
„Alles Sehnen löst sich in Entzücken.
Die Lieder alle, die ich je gesungen,
Sie klingen dir, sie winden sich zum Kranze
Bräutlich dein blondes Lockenhaar zu schmücken."
Doch erst in München, wohm er mit Liebig übersiedelte, um
eine besser dotierte Professur zu übernehmen, fand 1853 die Ver-
mählung statt.
Der ehelichen Liebe Glück und Leid hat er im reichsten Masse
zu erfahren gehabt. Zwei Kinder schenkte ihm seine Agnes, deren
Andenken er die im Jahre 1883 herausgegebene Sammlung seiner
Gedichte gewidmet hat: Justus, geboren 1854 und Elisabeth, geboren
1857. Schon im Jahre 1862, am 29. Dezember, entschlief seine
teure Lebensgefährtin und liess ihn mit seinen zwei Kindern an
ihrem Grabe trauern.
„Hoffnun^grüne Epheuranken
Hüllten em den zarten Leib,
Und verklärt von Licbtgedanken
1895. Zur Erinnerung an Moriz Carriere. 187
Liegst du schlummernd, liebes Weib,
Wie ein heilig Marmorbild
Unter Blumen ernst und mild."
Im Liede verklärte sich sein Leid. Er konnte den Verlust
nicht nur mit Ergebung tragen, sondern er erkannte darin sogar die
Vollendung seines Liebesglückes.
„Und hätt' ich gewusst, wie tief in Leid
Dein Tod mich werde versenken,
Wie bald ich dein so lange Zeit
In Schmerzen muss gedenken —
Das ganze, volle Liebesglück
Ich hätt' es doch erkoren
Und preise selig mein Geschick,
Dass du mir Treue geschworen."
Carriere fand gerade in dieser Prüfung die Bestätigung seines
Glaubens an ein Fortleben nach dem Tode des Leibes und zweifelte
nichtr an einem beständigen Verkehr mit der abgeschiedenen Seele,
weil er an den lebendigen Gott glaubte, der die Liebe ist.
„Du lebst in mir! in trüb' und hellen Stunden
Bewahrt sich dir die Heimat meiner Brust.
Du lebst in Gk>tt: was er so schön erfunden,
Dess bleibt er auch erinnernd sich bewusst."
Aber der Blick auf die verwaisten Kinder reisst dann immer
wieder die Wunde auf!
„Ihr armen Kinder wisst noch nicht.
Was wir verloren haben.
Da ihr mit trübem Angesicht
Die Mutter halft begraben.
O könnte, was sie mir gethan.
Ich ihr an euch vergüten!
Es führ' ihr Geist euch himmelan,
Eß mög euch Gott behüten."
Ach, und beiden musste der liebende Vater ins Grab sehen.
Elisabeth, das Ebenbild der Mutter, in der er eine schöne Zukunft
geahnet, starb noch nicht sieben Jahre alt am 17. Mai 1864. Beinern
Sohne Justus hatte er 1869, als er das väterliche Haus verliess, ins
Stammbuch geschrieben:
„Immer der Erste zu sein und vorzustreben den Andern
Mahnt doch Vater Homer: folge dem herrlichen Wort.
Was du thust, das thu nur re(3it und mit ganzem Gemüte,
Heiter und wahr im Geist, mutig im Herzen und rein.
Günstige Sterne, sie leuchteten dir ins Leben, es möge
Sonnige Tage der Gott, Kränze des Sieges verleibn,
Kraft, auch Schweres zu tragen. Es hat dein kindliches Auge
Schon so früh mit mir Mutter und Schwester beweint;
Seien sie Gewinn dir! Wenn Schmerz und Liebe der Seele
Dir fürs Ewige reift, denke der Holden und mein!"
Gott hat diesen väterlichen Wunsch erhört. Justus wurde
Professor an der neubegründeten Universität zu Strassburg. Aber
man kann den Schmerz des greisen Vaters ermessen, als er auch
den einzigen Sohn und Nachkommen vor einigen Jahren zum Grabe
geleiten musst«!
188 Baehring, Heft 5 iL 6.
Als mir der nun allem Leid enthobene seine Gedichte im
Dezember 1882 übersendete, schrieb er mir: „Während 45 Jahren
suchte ich, was mich tief bewegte, in Leid und Freud für mich selbst
zu gestalten. Hier steht es zusammen als Bild meines Seelenlebens
und seiner £ntwickelung, zu subjektiver Ergänzung meiner objektiven
wissenschaftlichen Arbeiten. Das Buch bringt Vieles, aber nicht für
die Menge und ich fürchte die ordinären Feuilletonisten, wenn die
ihren Witz daran üben wollen, ohne Verständnis für die Gemüts-
kämpfe, denen die Ideen entsprungen sind."
Daraus aber erhellt, dass gerade unsere Comenius-Gesellschaft
geeignet und wohl auch berufen ist, das Andenken dieses edlen
Geistes der Nachwelt zu bewahren. Das „Odi profanum vulgus et
arceos", gehört ja notwendig mit in unser Programm, wenn wir im
Geiste des edlen Comenius auf unsere Zeitgenossen wirken wollen.
Im Jahre 1882 war auch eine Prüfung anderer Art über ihn
hereingebrochen. „Auf beiden Augen hatte ich den grauen Staar,
schrieb er mir in jenem Briefe, bin seit Ostern auch auf dem zweiten
Auge operiert, sehe für das gewöhnliche Leben jetzt ohne Brille
erträglich, mit Brille geht es auch. Ich soll mich aber sehr schonen
und so bin ich an den langen Winterabenden an Vorlesen und Ge-
selligkeit gewiesen und fördere wenig an eigener Arbeit. Tags lese
ich einige Zeit mit dem linken und schreibe mit der Rechten."
Und wie viele Werke hat er dennoch zu Stande gebracht. Seine
litterarische Thätigkeit war so rastlos, wie die seines Amtsgenossen
Frohschammer und ihr Erfolg bisher noch bedeutender. Seine grösseren
Werke liegen meist in dritter Auflage vor. Was er vor den meisten
philosophischen Schriftstellern voraus hat, ist die klare, präcise Ent-
wickelung der Gedanken und der wahrhaft klassische, anziehende
Stil. Meisterhaft sind besonders seine „Lebensbilder", die er 1890
herausgegeben hat. Aber auch seine Ästhetik, seine Kunst- und
Kulturgeschichte, sein Buch über die Poesie, das über die philo-
sophische Weltanschauung im Keformationszeitalter. Sie sind so ge-
staltet, dass sie bei aller wissenschaftlichen Gründlichkeit jedem
wahrhaft Gebildeten als genussreiche Lehr- und Lesebücher empfohlen
zu werden verdienen.
Was Carriere aber durch seine Schriftstellerei bezweckte, ist nicht
bloss geistiger Genuss, sondern, wie er mir selber geschrieben hat, die
Verbreitung einer Weltanschauung, wie sie unsere Zeit erfordert, um
unserer Kulturent Wickelung einen friedlichen Verlauf zu sichern.
Als er im Jahre 1888 bei seinem 50jährigen Doktor-Jubiläum
von den verschiedensten Seiten her die wärmsten Glückwünsche er-
halten hatte, fügte er seinem Dankschreiben nachfolgende Bemerkungen
hinzu : „Was ich heute vor fünfzig Jahren erhofft und erstrebt, das
hat Gottes Güte mich nach einigem Kämpfen und Harren erreichen
lassen, eine Univereitätsprofessur der Philosophie, ein akademisches
Lehramt der Kunstgeschichte und damit ein köstlich Ding dem
1895. Zur Erinnerung an Moriz Carriere. 189
Manne : einen Beruf, der mir die Tagesarbeit nicht zur Laet, sondern
zur Lust gemacht hat und heute noch macht ; im Dienste des Vater-
landes durfte ich und darf ich nun selber leben. Das Wahre, Gute
und Schöne erneut zu schauen, im Forschen wie in der Darstellung
der Wissenschaft die Stimme des Gewissens zu hören und das Gemüt
zu befriedigen, Kopf und Herz in Einklang zu bringen war mein
Ziel. Den Idealen der Jugend im Alter die Treue zu bewahren,
auch da, wo es noch zu ringen und zu streiten gilt und noch Vieles
zu hoffen bleibt, ermutigt mich das Glück, das uns in der Erfüllung
unserer Sehnsucht auf staatlichem Gebiete durch die Einigung und
freie Gestaltung des deutschen Reiches zuteil geworden. Wird mir
noch Leben und Kraft vergönnt, so werde ich trachten, durch Wort
und Schrift mich der wohlwollenden Anerkennung meines Strebens
und Wirkens würdig zu machen und durch die That den Dank ab-
zustatten, den ich hier aus vollem Herzen darbringe."
Er hat treulich Wort gehalten, bis ihn der Herr über Leben
und Tod aus seiner irdischen Arbeit abgerufen hat. Ein ebenso
thätiges als erfahrungsreiches Leben hat am 29. Januar 1895 durch
einen Schlagfluss unerwartet schnell seinen irdischen Abschluss ge-
funden. Vielseitige und höchst interessante Erfahrungen hatte er
durch seinen Verkehr mit den grössten Geistern und Künstlern seiner
Zeit gemacht; nicht minder wichtige aber in seinem empfindsamen
Herzen durch die oft recht schmerzlichen Fügungen Gottes. Er-
fahrungen bringen Lehre, treiben den forschenden Geist in die Tiefe,
um das Ewige zu suchen und geben die Kraft, von dem blendenden
Schimmer der Weltgunst sich nicht hinreissen zu lassen. Seine
wissenschaftlichen Werke sind dadurch für alle, die das Wohl der
Menschheit durch wahre Bildung und Erziehung aufrichtig suchen,
von ganz besonderem Werte geworden. Wir erlauben uns noch auf
die Vorzüge derselben aufmerksam zu machen: die ihnen zu Grunde
liegende philosophische Weltanschauung, die geistvolle Auffassung
der Kulturgeschichte und die patriotische Tendenz, welche überall
bei der reinsten Universalität hervorleuchtet.
Carriere's philosophische Weltanschauung ist die des realen
Idealismus. Die Welt ist ihm ein mit absoluter Weisheit geordneter
und geleiteter Organismus von unendlicher Ausdehnung und Lebens-
fülle. Er steht in entschiedenem Gegensatz zu dem materialistischen
Pessimismus, der alles mit dem Unbewussten entstehen und in das-
selbe zurücksinken lässt und trotz aller scheinbaren Verstandesschärfe
für ein absolut giltiges Sittengesetz keine Erklärung gefunden hat,
oder, indem er alles für subjektive Vorstellung erklärt, aus dem
Zirkel nicht herauskommt, dass unser Gehirn, das selbst nur eine
Vorstellung sei, unsere Vorstellungen erzeuge. Carriere steht mit
seiner Weltanschauung in wesentlicher Übereinstimmung mit allen
grossen Denkern, die wahrhaft bildend und erziehend auf ihre Mit-
menschen eingewirkt haben, darum ganz besonders auch mit
190 Baehring, Heft 5 iL 6.
Comenius, den er selbst als einen Mann von weltgeschicht-
licher Bedeutung geschildert hat. Besonderes Verdienst aber
hat er sich erworben durch den wissenschaftlichen Beweis des Be-
stehens der sittlichen Weltordnung, welcher entsprechend die Menschen
ihr privates und öffentliches Leben zu gestalten haben, wenn es ihnen
wohlgehen soll.
Die Grundlage der gesamten Weltordnung ist das Naturgesetz
der Gravitation, der gegenseitigen Anziehung aller Dinge. Dieses
wird durch die sittliche Weltordnung vergeistigt. Der Zusanunenhang
des Menschen mit der Natur kann nicht aufgehoben, aber er kann
und soll ihm zum Bewusstsein gebracht und mit sittlicher Freiheit
von ihm anerkannt und bethätigt werden. Darin ist der erste Schritt
zum Eintritt in die sittliche Weltordnung, dass sich der Mensch als
Vernunftwesen erkenne. Als solcher findet er in sich die Fähigkeit,
Ideen zu haben, und darum auch den Beruf, nach höherer Voll-
kommenheit zu streben. In diesem Streben findet er nicht nur seine
wahre Freiheit, sondern auch die rechte Lebensordnung und das
höchste Lebensglück. Er gründet Familien, bürgerliche und religiöse
Gemeinden und zum Schutze derselben den Staat. Seine Geschichte
wird trotz mancherlei Verirrungen und Missgriffen ein allmählicher
Emporgang zum Vollkommeneren. Selbst Leiden und Rückschläge
dienen dem einzelnen wie der Gesamtheit dazu. In der Kunst aber
besitzt der Mensch das unvergleichliche Mittel, das Vollkommene
sich zu veranschaulichen und das Unvollkommene erträglich zu machen
und in der Religion, den Glauben an den lebendigen Gott, den
Frieden der Seele und die selige Hoffnung sich zu bewahren.
Das sind in Kürze die Grundzüge der Weltanschauung unseres
nun zur unmittelbaren Schauung übergegangenen Denkers. Frei von
aller künstlichen Sophistik ist sie hervorgegangen aus den unleug-
baren Thatsachen der Wirklichkeit und des Lebens. Darum ist sie
auch im stände, wirkliches Leben und höheres Streben zu wecken.
Diese Weltanschauung entspricht seiner Auffassung der Kultur-
geschichte, die er unter dem Haupttitel: „Die Kunst im Zusammen-
hang der Kulturen t Wickelung und die Ideale der Menschheit" von
den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart" in 5 starken Bänden
meisterhaft dargestellt hat.
In der Menschheit wie im einzelnen Menschen sind Natur,
Gemüt, Geist die drei Umiomente, deren Ideale in drei Perioden
gestaltet werden. Nach einleitender Erörterung über das Wesen und
den Ursprung der Sprache, der Gottesidee und der Schrift wird
zuerst die Kulturentwickelung bei den Naturvölkern, dann bei den
Chinesen, Ägyptern, Semiten, Indern, Thraciern und im 2. Bande
Hellas und Rom in Religion und Weisheit, Dichtung und Kunst
dargestellt.
Durch das Christentum ist die Kultur eingeführt in die Tiefen
des menschlichen Gemütslebens. Dichtung, Kunst und Wissenschaft
1895. Zur Erinnerung an Moriz Carriere. 191
haben dadurch eine neue Weihe erhalten. Auch der Islam gehört
dieser Richtung an. Neue Völker treten auf, neue Kräfte stellen
sich in den Dienst dieser Kulturarbeit, neue Schöpfungen treten in
allen Zweigen der Kultur ans Licht Das christliche Mittelalter ist
durch die Entwickelung des inneren Seelenlebens der Menschheit ein
Fortschritt im Vergleich zum Altertum, aber doch auch nur ein
Übergang zu einem neuen Zeitalter, dem Zeitalter des Geistes, welches
mit der Reformation seinen Anfang genommen hat.
Der Drang nach persönlicher Selbständigkeit und rein mensch-
licher Bildung ist mit der Reformation in Luther und seinen Kampf-
genossen siegreich zum Durchbruch gekommen. Im Selbstgefühl
beginnend, durch eigenes Wollen zum klaren Selbstbewusstsein sich
erhebend, durch eigenes Denken die Wirklichkeit und den Quell
der Wahrheit findend, haben die reformatorischen Geister des sechs-
zehnten Jahrhunderts ein neues Zeitalter eingeleitet, in welchem auf
allen Gebieten des Denkens und Lebens die Menschheit zu immer
höheren Fortschritten gelangen kann und wird.
„unser Leben, so schliesst Carriere den letzten Band dieses
seines Hauptwerkes, ist ein Emporgang, aber ein Schmerzen s weg,
doch er leitet zum Heil und führt zum Frieden und seliger Voll-
endung, wenn wir uns mit der sittlichen Weltordnung in Einklang
setzen. Der Glaube an die sittliche Weltordnung, das heisst der
Glaube an den lebendigen Gott, in dem wir leben, weben und sind,
an den Ewigen, der alles aus sich entfaltet, und in und über allem
bei sich selbst bleibt, der den endlichen Geist zur Freiheit entlässt
und beruft, um im freien Bunde mit ihm ein Reich der Liebe zu
haben, ein Gottesreich, in welches Christus einging, als er seinen
Willen dem ewigen Willen ergab, als er damit das Bewusstsein der
Freundschaft, das die Menschheit durch die Sünde verloren, wieder-
herstellte. Dieser Glaube an die sittliche Weltordnung macht uns
zu ihren Gliedern, ihren selbstbewussten Organen gleich air den
Helden und Weisen, gleich all' den grossen schöpferischen Künstlern,
deren Werke wir in diesem Lichte betrachtet haben."
Wollen wir aber in diesem Geiste für das Allgemeine wirken,
so müssen wir das Allgemeine und Gemeinsame in seinen besonderen
Erscheinungen suchen und zur Geltung bringen. Nicht ein abstrakter
Kosmopolitismus, nicht ein unstätes Herumfahren zwischen Himmel
und Erde kann uns vorwärts bringen und zu nützlichen Arbeitern
im Zeitalter des Geistes machen, sondern die klare Erkenntnis des
Wahren und Guten, welches jeder in seiner Nation, in seiner Heimat,
in seiner Religion und Konfession, in seinem Stand und Benif finden
kann, und die Überwindung aller Selbstsucht im Gehorsam gegen
das Grundgesetz der sittlichen Weltordnung, Gott zu lieben über
alles und den nächsten wie sich selbst Dadurch bringen wir in der
Menschheit das Gesetz der Gravitation zur Geltung, welches die
ganze Natur in ihrem geordneten Gang erhält.
192 Baehring, Zur Erinnerung an Moriz Carriere. Heft 5 11. 6.
Carriere verband mit seinem philosophischen Universalismus
trotz seiner Abstammung aus Frankreich, die schon sein Name an-
deutet, einen sehr regen Patriotismus. In Deutschland war er geboren
und aufgewachsen, mit dem deutschen Volke fühlte er sich aufs
Innigste verbunden. Ihm durch seine Gaben zu dienen erkannte er
als höchste Pflicht.
Schon sein erstes grösseres Werk, das er als Docent in Giessen
im Jahre 1846 veröffentlichte: „Die philosophische Weltanschauung
der Reformationszeit in ihren Beziehungen zur Gregenwart", war von
patriotischem Geiste durchdrungen. Es sollte in jener Zeit des be-
ginnenden theologischen Rückschrittes den Beweis liefern, dass die
Reformation der Kirche keineswegs im 16. Jahrhundert abgeschlossen
werden konnte, sondern eine beständige Fortentwickelung ihrer
Principien von den lebenden Geschlechtern fordert. Er
vertrat damit einen Gedanken, den vierzig Jahre später unsere Ge-
sellschaft selbständig wieder aufgenonunen hat und für dessen An-
erkennung sie zu wirken bestrebt ist.
Die nationale Bewegung im Jahre 1848 veranlasst« ihn, in seiner
Schrift „Religiöse Reden und Betrachtungen für das deutsche Volk von
einem deutschen Philosophen" (1850) den Weg zu einer gesunden
Lösung der wichtigsten Fragen zu zeigen. Er that dieses in Über-
einstimmung mit Bunsen, dem damals sehr angesehenen preussischen
Staatsmann. „Nichts kann Europa retten als eine sittlich - religiöse
Wiedergeburt auf philosophischem sowohl als geschichtlichem Grunde
und eine brüderliche Vereinigung der christlichen Völker zum grossen
Werke der Gesittung", so lautet das vorangestellte Motto. Die
Besorgung der dritten vermehrten Auflage dieser nie veraltenden
Reden war eine seiner letzten Arbeiten.
Im Jahre 1890 veröffentlichte er: „Lebensbilder", in denen
sich sein patriotisches Herz am tiefsten aufgeschlossen hat. In Oliver
Crom well, dem Zuchtmeister der Freiheit, schilderte er ein Vorbild
Bismarcks; an einer Reihe deutscher Geisteshelden im Elsass zeigt
er die nationale Zusammengehörigkeit dieses Landes mit dem deutschen
Reich; in einem Brief an Ernst Renan erinnert er an Deutschlands
und Frankreichs gemeinsame Kulturaufgaben. Dann folgen Börne,
Peter Cornelius, Bettina von Arnim, Liebig und Platen, Hermann
Imanuel Fichte, Hermann Ulrici, Johannes Huber, Melchior Meyer,
Ferdinand Freiligrath, Emanuel Geibel und endlich ein Blick auf
seine eigenen Erlebnisse in München. Lauter beredte Zeugnisse einer
christlich-patriotischen Gesinnung und acht philosophischer Denkweise.
Sollte ein solcher Genius der Comenius-Gesellschaft fem bleiben ?
Neben seinem ihm ins bessere Jenseits vorausgegangenen Amtsgenossen
Frohschammer verdient er um so mehr in ehrender Erinnerung von
uns gehalten zu werden, als beide Denker im wesentlichen überein-
stimmten, in wichtigen Beziehungen aber sich gegenseitig ergänzen.
Nachrichten.
Wir haben früher (s. M.H. der CG. 1895 S. 64) auf die UnlTersal-
UnlTersItät hingewiesen, die der Grosse Kurfürst im Jahre 1667 für Berlin
im Anschluss an Gedanken des Comenius und Baco plante. In der Histoire
Philosophique de TAcademie de Prusse etc. von Christian Bartbelm^,
Paris 1850 I, S. 5 finden sich Nachrichten über verwandte Pläne, die zehn
Jahre älter sind. Barthelm^ schreibt: „D^ 1656 il (d. h. der Grosse
Kurfürst) avait songö ä doter ses Etats d'un tribunal snpr^me de la litt^-
rature et des sciences, en faisant b&tir une ville uniquement habit^e par
d'habiles gens tir^ de toutes les nations polic^, ime ville savante, qui
offrit un enseignement th^orique et pratique de tout ce que l'esprit humain
avait ddcouvert et invcnt^, savait et pouvait. Cette r^publique, peutötre
une imitation perfectionn^e de UUranibourg de Tycho-Brah^, mais qui fait
penser tantöt ä l'Atlantide de Bacon, tantöt ä TUtopie de Thomas Morus,
devait jouir d'une Jurisdiction propre et ind^pendante, et s'ouvrir particu-
Uer^ment ä ceux qui manquaient dans leur patrie de la libert^ n^essaire
aux ^tudes et ä la pens^e. La diff^rence de foi religieuse ne devait point
6tre un motif d'exclusion. Chr^tien, Juif, Mahom^tan, chacun serait autoris^
ä professer ses croyances, sous la seule r^rve de se conduire en homme
de bien, en citoyen honn^te, en sinc^re partisan de la tol^rance. Cette
cit^ enfin, entrep6t universel des lumi^res et des connaissances, devait r^unir
tous les agr^ments, qui peuvent chaimer une existence litt^raire, et attirer
les hommes de goüt et de m^rite. Demeur riante et respectable de la
science et de la sagesse, asile de la philosophie et de la hardiesse d'esprit,
eile serait en m^me temps pour les Muses une retraite enchant^, a laquelle
les souverains de FEurope s'empresseraient d'accordes le privil^ge d'une
enti^re neutralit^ dans toutes les guerres ä venir. La langue latine devait
ötre ridiome de l'universit^ brandenbourgeoise." — Barthelm^ beruft sich
für diese Mitteilungen auf Oelrichs, Comm. bist. litt. 1751 Diss. 1. Es ist
merkwürdig, wie nahe diese Pläne sich mit den Ideen berühren, die, wie
wir oben sahen (M.H. 1895 S. 153 ff), die Mitglieder der Londoner Akademie,
die sich Macaria oder Utopia nannte, vor allem Hartlieb und Comenius
hegten. Man wird dabei doch lebhaft an die Thatsache erinnert, dass der
Grosse Kurfürst seit 1643 Mitglied der Akademie des Palmbaums war
(M.H. 1895 S. 65).
194 Nachrichten. Heft 5 u. 6.
Man hat die Bedeutung des Zunftwesens der früheren Jahrhunderte
für die Entwickelung der städtischen Verfassung und für die Greschichte
des wirtschaftlichen Lebens vielfach zum Gegenstände Wissenschaft-
licher Untersuchungen gemacht, aber die Bedeutung, welche gerade die
vornehmeren Zünfte und zumal diejenigen, die keinen lokalen Charakter
besassen, für die Entwickelung des religiösen Lebens gewonnen haben,
ist noch bei weitem nicht genügend erörtert worden, offenbar zam Teil
deshalb nicht, weil diese Aufgabe besondere Schwierigkeiten darbietet. Es
ist ein grosser Irrtum, zu glauben, dass das religiöse Leben von jeher nur
durch die Gelehrten, durch Theologen und Professoren geleitet und bestimmt
worden sei; die grossen Verbände, die in Gilden, Zünften und Bruder-
schaften aller Art neben der Geistlichkeit und den Hochschulen bestanden,
haben sich vielfach eine durchaus selbständige Stellung zu den religiösen
Fragen gewahrt, und es wäre eine dankbare Aufgabe, diese Sache einmal
klarzustellen, so weit sie, da die Bewegung sich vielfach im Stillen vollzogen
hat, heute noch klar zu stellen ist. Es konmien hierfür in erster Linie die
Zünfte der Weber und Steinmetzen (Bildhauer, Maler, Goldarbeiter und
Schmiede u. s. w., d. h. aller Werkleute, „die nach der Geometrie arbeiten'',)
in Betracht. — Es ist sehr merkwürdig, dass in den Ländern, wo die
Gregenreformation im 17. Jahrhundert Fuss fasste, nicht bloss die Geistlichen,
die Lehrer u. s. w., sondern in erster Linie die Zunfthäuser der Gilden
als die Träger und die Sitze der Opposition galten (vgL Keller, die Cregenref.
in Westf. u. am Niederrhein Bd. III Nr. 556 [im Druck]). Ebenso waren es
un das Jahr 1520 in Nürnberg, Zürich, St. Gallen u. s. w. die Zunft-
stuben der Weber, (der „Tuchknappen") Goldschmiede u. s» w., welche
zuerst für Luther Partei ergriffen und wo die ersten Versammlungen und
Gottesdienste der Evangelischen stattfanden (vgl. den Artikel Wolfg. Ullmann
in der AUg. d. Biogr. und Keller, Job. v. Staupitz, Lpz. 1888 S. 316 ff.).
Die Zünfte und Gilden waren es denn auch, die die religiöse Beform zuerst
nicht bloss im Sinn einer Reform der Lehre oder der Dogmatik, sondern
des ganzen Lebens fassten und die zugleich nach der wirtschaftlichen
und sozialen Seite eine „allgemeine Reformation der ganzen Welt'' anstrebten.
Es wäre von besonderem Interesse, einmal genauer festzustellen,
welche Mitglieder der Akademie des Palmbaums — eine vollständige
Liste findet sich bei G. Krause, Fürst Ludwig von Anhalt Bd. III (am
Schluss) und, wenn auch kürzer, bei Goedeke, Grundriss der Litteratur-
geschichte Bd. III — zugleich Mitglieder des Johannlterordens waren, wie
er im 17. Jahrhundert unter dem Heermeister von Sonnenberg bestand.
Dass einzelne Johanniter Mitglieder der „Akademien" des 17. Jahrhunderts
waren, steht urkundlich fest. Im Jahre 1611 wurde der Bruder des Kur-
fürsten Sigismund von Brandenburg, Markgraf Ernst, der bald darauf zu
den Reformatoren übertrat, und nach ihm dessen Bruder, der Markgraf
von Jägemdorf, Heermeister; beide brandenburgische Prinzen haben zu
hervorragenden Brüdern Beziehungen besessen. Im Jahre 1624 wurde
Markgraf Hans von Brandenburg als 95. Mitglied in die Akademie des
1895. Nadirichteiu 195
Palmbaums aufgenommen; ihm folgten 1637 der Kurfürst Georg Wilhelm
und lt>43 der Grosse Kurfürst Friedrich Wilhelm.
Es ist, wie an anderer Stelle nachgewiesen worden ist, ein Kennzeichen
der bobmischen Brüder und ihrer Vorläufer und Nachfolger — wir fassen
sie unter dem Namen der altevangelischen Gemeinde zusammen — dass
sie von je einen starken Widerwillen gegen Sonder-Namen gehabt und
es stets grundsätzlich abgelehnt haben, sich nach einem Menseben zu
nennen und durchaus nur Brüder und Christen heissen wollten; selbst der
Name „Waldenser'' ist bis in das 16. Jahrhundert hinein nur von Gegnern
gebraucht worden. Ein ähnlicher Widerwille tritt uns in den Akademien
entgegen. Dem Fürsten Ludwig war durch eine hohe Anverwandte ein
„frommer Calvinist" zur Aufnahme empfohlen worden. Darauf erklärte der
Fürst: „In diesem Lande sind und heissen wir keine Calvinisten, obschon
andere sich Lutheraner und (sonst) nach Menschen nennen. F» ist bisher
noch keiner mit dem Namen eines Calvinisten, sondern als ein guter
Christ in die Gesellschaft aufgenommen worden, wird auch hinfüro mit
dem rottischen Namen keiner eingenommen werden'^
Man weiss, wie sehr die theologische Litteratur des 17. Jahrhunderts
auf beiden Seiten von einer wüsten Polemik erfüllt ist. Auch Comenius
war Theologe und hat in seinem langen Leben ausserordentlich viel ge-
schrieben und veröffentlicht, auch, wie man weiss, als Angehöriger schwer
verfolgter Ketzergemeinden in heftigen Kämpfen gestanden. Da ist es
nun doch merkwürdig, dass wir neben zahlreichen Unions- Schriften uod
Friedensmahnungen nur eine einzige Schrift protestantischer Polemik von
ihm besitzen. Und diese eine ist, wie Kleinert gelegentlich hervorgehoben
hat, „ein für jenes Zeitalter fast einzig dastehendes Muster sitt-
licher Würde und feiner Überlegenheit".
Im Sommer- Semester 1895 hält Herr Direktor Joh. Th. Müller,
Mitglied des Gesamt -Vorstandes der CG., am theologischen Seminar der
Brüdergemeinde zu Gnadenfeld (Schlesien) eine vierstündige Vorlesung über
die Gesehiehte der böhmlsehen Brilder. Es ist uns nicht bekannt, dass
bisher an irgend einer deutschen oder ausserdeutschen Hochschule über
diesen interessanten und wichtigen Gegenstand, dessen Zusammenhänge mit
der Geschichte der Waldenser und aller altevangelischen Gemeinden der
späteren Jahrhunderte ja beute anerkannt sind, ein ähnliches Colleg gehalten
wäre. Irren wir uns, so wäre eine Berichtigung uns sehr erwünscht.
In den „Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung
vaterländischer Sprache und Altertümer in Leipzig" Bd. VI (Lpz. T. O.
Weigel 1877) S. 41 ff. veröffentlicht Oberlehrer Franz Dix einen Aufsatz
über „die tugendliche Gesellschaft", die am 5. September 1619 von
neun fürstlichen Frauen in Gegenwart des Fürsten Ludwig von Anhalt
gegründet wurde und auf die schon G. Krause in Der fruchtbringenden
Gesellschaft ältester Erzschrein, Lpz. 1855 S. 19 Anm., hingewiesen hat.
196 Nachrichten. Heft 5 u. 6.
Der Aufsatz ist nach Akten gearbeitet, die sich zusammen mit zahh^ichen
Handschriften von und über Ratke (Ratichius; in der herzoglichen Bücher-
sammlung auf 8chlo8s Friedenstein in Grotha unter Cod. Ch. B. 831^ Ra-
tichiana und in einer zugehörigen nicht näher bezeichneten Aktensammlung
befinden. Die Geschichte dieser Gesellschaft, die durchaus in den Formen
des Palmbaums organisiert war, giebt weitere wertvolle Belege für die That-
sache, dass es dem Fürsten Ludwig von Anhalt und seinen Freunden um
weit wichtigere Dinge als um Sprachreinigung zu thun war.
Es ist dem Herausgeber der M.H. in vielfachen zustimmenden Er-
klärungen, zum Teil von sehr zuständiger Seite, mitgeteilt worden, dass man
die Charakteristik der sog. Spraehgesellsehaften des 17. Jahrhunderts, wie
sie in dem ersten Teile des Aufsatzes „Comenius und die Akademie der
Naturphilosophen" gegeben worden ist, für durchaus überzeugend und zu-
treffend halte. In der That ist m'cht zu bezweifeln, dass, nachdem einmal
der Weg gezeigt ist, jede weitere Forschung die gegebene Schildenmg und
die veränderte Auffassung jener Körperschaften und Akademien bestätigen
wird. Die Akademie des Palmbaums und alle ihr nachgebildeten Gresell-
schaften haben in der That viel mehr erstrebt als die Beseitigung der Fremd-
wörter. Wir verweisen hier zur weiteren Begründung auf ein Gedicht, das
der Gründer des „Palmbaums", Fürst Ludwig von Anhalt zur Erläuterung
des Sinnbilds seiner Akademie, des Palmbaums, gemacht hat:
Lernet, die ihr wei"den wollt
Dieses schönen Ordens Glieder —
Lernet von des Palmenbaums
Wunderfrücht' und Nutzgepräng'
Ihm zu gleichen fort und fort:
Bringet Frucht in reicher Mäng'
Auch dass ihr nach dieser Zeit
Seid der Ewigkeiten Brüder.
Alle Monden trägt der Baum,
Alle Monden bringt er Früchte
Wohl dem, der auch also ringet,
Dass er immei: nach und nach.
Weil er lebet hier auf Erden,
Alles Thun zu Nutzen richte.*)
Von einem Hinweis auf die deutsche Sprache ist in den langatmigen
Erläuterungen des Symbols auch nicht eine Andeutung zu finden.
*) Teutscher Palmbaum S. 59.
Biichdruckeroi von Johannes Bredt, MQnsteri.W.
Die Comenius-Gesellschaft
ist zur Pflege der Wissenschaft und der Vollcserziehung
am 10. Oktober 1891 in Berlin gestiftet worden.
Mitgliederzahl 1895 : 1200 Personen und Körperschaften.
"=T="
Gesellsohaftsschriften :
1. Die Monatshefte der CG. Deutsche Zeitschrift zur Pflege der Wissen-
schaft im Geist des Comenius. Herausgegeben von Ludwig Keller.
Band 1—3 (1892—1894) hegen vor.
2. ComeniaB-Blätter für Volkserziehuiig. Mitteilungen der Comenius-Gesell-
schaft. Der erste und zweite Jahrgang (1893 — 1894) hegen vor.
3. Vorträge und Auf)9ätze aus der CG. Zwanglose Hefte zur Ergänzung
der M.H. der CG.
Der Gesamtumfang der GesellBchaftsschriften beträgt 30 — 32 Bogen Lex. 8^
Bedingoing'en der Mitg'liedsohaf t :
1. Die Stifter (Jahresbeitrag 10 M.) erhalten alle Schriften. Durch einmalige
Zahlung von 100 M. werden die Stifterrechte von Personen auf Lebenszeit
erworben.
2. Die Teilnehmer (Jahresbeitrag 5 M.) erhalten nur die Monatshefte; Teil-
nehmerrechte können an Körperschaften nur ausnahmsweise verliehen werden.
3. Die Abteilungsmitglieder (Jahresbeitrag 3 M.) erhalten nur die Comenius-
Blätter für Volkserziehung.
Anmoldangoii
sind zu richten an die Geschaftstelle derC.G., Münster i. W., Wolbecker8trasse4a.
Der Oesamtvorstand.
Beeger, Lehrer u.Dircktor der Comenius-Stiftung, Nieder-Poyritz bei Dresden. Dr. BorgiuB, Ep., Konsistorial-
Bat, PoAen. Dr. Höpfiier, Geh. Ober-Beg.-Rat und Ctirator der UnirersitAt in Göttingen. Prof. Dr.
Honlfeld» Dresden. M. Jablonaki, Berlin. Israel, Schul-Bat, Zschopau. Arehiv-Bat Dr. Iiudw. Keller»
Staatsarchivar, MOnster i. W. D. Dr. iQeinert, Prof. und Gberkonsistorial-Bat, Berlin. ^W. J. Leenderti,
Prediger, Ajnaterdam. Prof. Dr. Markgraf ätaduBibliothekar, Breslau. D. Dr. O. Loesolie, k. k. ordentl.
Prof., Wien. Jos. Th. Müller, Direktor des Seminars, Gnadenfeld. Prof. Dr. Nesemann, Lisaa (Poa.).
Univ.-Prof. Dr. Nippold, Jena. Dr. Fappenheixn, Prof., Berlin. Dr. Otto leiderer, Prof. an der
UnlTersität Berlin. Dr. Bein, Prof. an der Universität Jena. Unir.-Prof. Dr. Bogge, Amsterdam. Sander»
Schulrat, Bremen. Heinrich, Frina ou Sohönaich-Carolath« Schlosa Amtita. Dr. Schneider, Wirkl.
Geb. Ober-Beg.-Bat u. vortragender Bat im Kultusministerium, Berlin. Dr. Schwalbe, BeaigTmn.-Direktor
und Stadtverordneter, Berlin. Hofrat Prof. Dr. B. Suphan, Weimar. Dr. Th. Toeohe-Mittler, Hofbuch-
hindler, Berlin. A. Vdvra, Prof., Prag. Dr. 'Wätaoldt, Prov.-Schulrat in Magdeburg. Dr. 'Wattenbaoh»
Geh. Beg.-Bat u. Prof. an der Univ. Berlin. 'Weydmann, Prediger, Crefeld.
Stellvertretende Mitglieder:
Dr. Th. Arndt, Prediger an S. Petri, Berlin. Dr. Benrath, Prof. an der Universität Königsberg. 'Wilh.
Böttioher, Prof., Hagen i. W. Phil. Brand, Bankdirektor, Mainz. Dr. Comba, Professor am theol.
Seminar der Waldenser, Florenz. H. Feohner, Professor, Berlin. Univ.-Prof. Dr. Hilty, Bern. Gymnasial-
Direktor Dr. Heussner, Kassel. Oberstlieut. a. D. Dr. M. J&hns, Berlin. Dr. Herrn, v. Jlrecek, k. k.
Ministerialrat, Wien. Prof. D. Dr. Kvaosala, Dorpat. Launhardt, Geh. Begierungs-Bat und Prof.,
Hannover. Univ.-Prof. Dr. H. Suohier, Halle a. S. Archiv-Bat Dr. Prümers, Staatsarchivar, Posen.
Bektor Bissmann, Berlin. Landtags-Abgeordneter von Schenokendorff, Görlitz. Dr. Q. Sohmid,
St. Petersburg. Slamjinlk, Bargerschul-Direktor, Prerau. Uni v-. Professor Dr. von Thudichum, Tübingen.
Freiherr aMBB von 'Wolaogen, Bayreuth. Prof. Dr. Zimmer, Herbom.
Schatzmeister: Bankhaus Molenaar L Co., Berlin C2, Burgstrasse.
■ I iSi I ■
Verzeichnis der Pfle^chaften der CG.
Eine vervollständigte Liste wird demnächst erscheinen.
(Der Buchstabe B hinter dem Namen bedeutet „BeTollmAchtigter im Ehrenamt", der Buchstabe
,, Geschäftsführende Buchhandlung" und der Buchstabe V Vorsitzender einer C.Z.G. oder CK.)
Altona: F. L. Mattigsche Biichh. G
Altdorf: Sem.-Iiehrer a. D. J. Böhm. B
Amsterdam: Üniv.-Prof. Dr. Rogge. V
„ Buchh. V. Joh. Müller. G
Augsburg: J. A. Schlossersche Biichb. G
Barmen: Buchh. v. Adolf Graeper. 6
Bartenstein (Ostpr.): Oberlehrer Dr. Lentz. B
Bayreuth: Buchh. v. B. Giessel. G
Berlin: Buchh. v. F. Schneider u. Ck)., W.
Leipz. Str. 128. G
Bremen : Dr. E. Brenning, Realgym.-Lehr. B
„ Buchh. V. H. W. Silomon. G
Breslau: Buchh. v. E. Morgenstern. G
Bnnzl^u: Buchh. v. Ernst Muschket. G
Cottbus: Buchh. v. Carl Brodbeck. G
Crefeld: Weydmann, Pastor. B
Czernowitz: Prof. Dr. Hochegger. V
„ Buchh. V. H. Pardini. G
Christlania: Buchh. v. Cammermeyer. G
Danzig: L. Sauniers Buchh. G
Detmold: Sem.-Direkt. Sauerländer. B
„ C. Schenks Buchh. G
Dortmund: Realgyran.-Dir. Dr. Aulcr. B
Dresden: H. Burdach, K. S. Hof-Buchh. G
Düsseldorf: Buchh. v. Herrn. Michels. G
Einbeck: Oberlehrer Dr. Ellissen. B
„ Buchh. V. H. Ehlers. 6
Eiseuacli: Sem.-Dlr. E. Ackermann. B
„ Buchh. V. Bäreck. 6
Elbiug: Oberlehrer Dr. Bandow. B
„ Buchh. V. Leon Saunier. G
Elberfeld: Buchh. v. B. Hai-tmann. 6
Emden: Haynelsche Buchh. G
Frankfurt a. M. Detloffsche Buchh. G
Oiessen: Ferbersche Univ.-Buchh. G
Glogau: Oberlehrer Baehnisch. B
„ Buchh. V. C. Reissner's Nachfolger. G
Gotha: Oberschulrat Dr. von Bamberg. B
Görlitz: Gymn.-Dir. Dr. Eitner. B
Guben: Buchh. v. Albert König. G.
Hagen (Westf.): Prof. W. Bottichen V
„ Buchh. von Gustav Butz. G
Halle a.S.: Univ.-Prof. Dr. Uphues. B
Hamburg: Oberlehrer Dr. Dissel. B
,, C. Gassmanns Buchh. G
Hamm: Bektor Bartholomaeus. B
Hannover : Realgymn.-Dir. Ramdohr. B
,, Buchh. v. Ludwig Ey. G
Heidelberg: Direkt. Dr. Thorbecke. B
Herbom: Prof. Dr. Zimmer. B
Jena: Inst.-Direktor Pfeiffer. V
„ Döbereinersche Buchh, (Rassmann) B
Kassel: Gymn.-Dir. Dr. Heusener. B
Buchh. V. M. Brunnemann & Co. G
19
Königsberg). Pr. Graefe&Unzersche Buchh. G
Lauban: Buchh. v. Denecke. G
Leipzig: J. C. Hiniichs'sche Buchh. G
Lengerieh: Rektor 0. Kempcr. B
Lennep ! Prof. Dr. Witte, Kreisschulinsp. V
„ Buchh. V. R. Schmitz. G
Lippstadt: R^algj^mn.-Dir. Dr. Schirmer. B
Lissa i. P. : Prof. Dr. Nesemann. B
„ Buchh. V. Friedrich Ebbecke. . G
London : Buchh. v. Wilhams and Norgate. G
Lüdenscheid: Dr. med. Boecker. B
Magdebui'g: Buchh. v. HeinrichAhofen. G
Mainz: Bankdirektor Brand. B
,, H. Qu asthoff 8 Buchh. G
Meiningen: Oberkirchen rat D. Dreyer B
Mühlliauseni. Th.: Diakonus J. Clfiver. B
Mttneiien: Schulrat Dr. Rohmeder. B
„ Hofbuchh. V. Max Kellerer. G
Münster: Buchh. v. Obertüschen. G
Neuwied: Prediger Siebert. B
Xordhausen: Oberlehrer Dr. Nägler. B
„ Förstemannsche Buchh. G
Nürnberg: Postmeister Aug. Schmidt. B
,, Buclih. V. Friedr. Korn. G
Oschatz: Sem.-Oberl. Ernst Hänsch. B
Osnabrück: Pastor Lic. theol. SpiegeL B
„ Buchh. V. Rackhorst. G
Paris: Buchh. v. Fischbacher. G
Posen: Buchh. v. Friedrich Ebbecke. G
Potsdam: Buchh. v. R. Hachfeld. B
Prag: Buchh. v. Fr. Rivnäc, G
Prerau (Mähren) Direktor Fr. Slam^nik. B
Quedlinburg: Rektor Ed. Wilke. B
„ Buchh. V. Christ. Vieweg. G
Remscheid: Hauptlehrer R. Lambeck. V
,, Buchh. V. Herrn. Krumm. G
Rostock: Dir. Dr. Wilh. Begemann. B
,, Stillersche Hof- u. Univ.-Buchh. G
Ruhrort: Buchh. v. Andrcae u. Co. G
Sagan: Kreisschulinspektor Arndt. B
„ Buchh. V. W. Daustein. G
Soest: Lehrer W. Handtke. B
,, Rittersche Buchh. G
Stade: Direktor Dr. Zechlin. B
,, Schaumburgsche Buchh. G
Stettin: H. Dannenbergsche Buchh. 6
Stockholm : Dr. N. G. W. Lagerstedt. B
„ Hofbuchh. V. C. E. Fritze. G
Strassburg i. Eis. Sem.-Dlr. Paul Zänker. B
Wesei: Buchh. v. Karl Kühler. G
Wien: Buchh. v.A.Pichlers Wwe. u. Sohn. G
Wiesbaden: Gymn.-Oberl. Dr. Hochhuth. B
,, Buchh. V. Felix Dietrich. G
Zchopau: Schulrat A. Israel B
Zürich: Buchh. v. Meyer Sc Zeller. G
Zwickau: Oberl. Dr. P. Stötzner. B
¥^4^¥^
§87
m
Monatsliefte - .^95
Comeniüs-GesellscnäTt.
Herausgegeben von Ludwig Keller.
Vierter Band,
Siebentes und achtes Heft.
^Oktober 1895.
"^ Berlin und Münster i./w.
Verlag der Comenius-Geaellschaf t.
Johannes Bredt in Knni;
1805.
^^^^Hg^m^r-ß^^-:^^'^;:^
Inhalt
des siebenten und achten Heftes 189 5.
AbhandluRgren« seit«
Prof. Dr. Franz Ritten Ton Krones, Karl voi^ Zierotin und der Kreis
seiner deutschen Freunde und Zeitgenossen. Eine Studie ... 194
B.. Aron, Comenius als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen . . . 217
Dr. Joh. V. NoväJL, Das älteste pansophische Werk des Comenius. (Das
Theatrum universitatis rerum) 242
Besprechungren.
Th. Burckhardt - Biedermann, Bonifacius Amerbach und die Reformation. Basel,
R. Reich 1894 ^'on K. S.). — Jos. Reber, J. A. Comenius und seine Besiehungen eu den Sprach-
gi'seUschaften (Bötticher) 233
Nachrichten.
Adolf Lassons Urteil Ober die altdeutsche Mystik. — Die Grafen von Zierotin
und die mährischen Brüder. — Die Idee eines Religion skon grosses bei Comenius. — Symbolik
in der Gesellschaft des Palmbaums. — Kvacsala über Canipanella und Ck>menius. — Nuväks Arbeiten ^^
auf dem Gebiet der Comenius-Forschung 2di
Die Monatshefte der CG. erscheinen monatlich (mit Ausnahme des Juli
und August). Die Ausgabe von Doppelheften bleibt vorbehalten. Der Gre-
samtumfang betragt vorläufig 20 — 25 Bogen.
Die Mitglieder erhalten die Hefte gegen ihre Jahresbeiträge; falls die
Zahlung der letzteren bis zum 1. Juli nicht erfolgt ist, ist die Greschäftstelle
zur Erhebung durch Postauftrag unter Zuschlag von 60 Pf. Postgebühren
berechtigt. — Einzelne Hefte kosten 1 Mk. 25 Pf.
Jahresbeiträge und Anmeldungen, sowie einmalige und ausserordentliche
Zuwendungen bitten wir an das
Bankhaus Molenaar & Co., Berlin C. 2, Burgstrasse
zu senden.
Bestellungen übernehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslandes,
die Postämter — Postzeitungsliste Nr. 4296^ — und die Geschäftstelle der
Comenius-Gesellschaft, Charlottenburg Berliner Str. 22.
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Kreisen weiteste Verbreitung. Die gespaltene Nonpareillezeile oder deren Raum
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und Anträge sind an Johannes Bredt, Verlagsbuchhandlung in Münster i. W.
zu richten.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Arohiv-Bat Dr. Ludw. Keller
in Charlottenburg, Berliner Str. 22.
Monatsheft
der
/ f
Oomenius-Gesellschaft.
IV. Band. -0 1895. ^ Heft 7 u. 8.
De7' Unterzeichnete hat jetzt seinen Wohnsitx in Berlin-
Cfiarlottenburg und wohnt
Charlottenburg, Berliner Str. 22.
Alle für die Schf^ftleitung dieser Zeitschrift und die Oe-
schäftsteile der C. O, bestimmten Sendungen bitte ich daher bis
anf weiteres an die angegebene Adresse xu richten,
Charlottenburg , im August 1895,
JLrobijr'Rat Dr. Ludw* JSleller.
Karl von Zierotin und der Kreis seiner deutschen
Freunde und Zeitgenossen.
Studie
von Prof. Dr. Franz Ritter von Krones in Graz.
Das Leben Karls von Zierotin, des mährischen HochadKgen
und Staatsmannes, bewegt sich innerhalb der Jahre 1569 und 1636.
Seine Kindheit verfliegt in den Tagen Kaisers Maximilian II.,
unter dessen Herrschaft die grossen Gegensätze im Reiche und
in den Ländern des Hauses Habsburg zum Gewitter sich an-
sammeln, das dann in den Zeiten seines unseligen Nachfolgers,
Rudolf II., an der Wende zweier Jahrhunderte, losbricht, zunächst
jenseits der Leitha, dann hüben, in Osterreich und in den böh-
mischen Provinzen, während in Deutschland die Union^ das Auge
bald ostwärts, bald westwärts, nach jenen Vorgängen und nach
Frankreich wendet, und ihr planreicher Sachwalter, Fürst Christian
von Anhalt-Bernburg, das Verhängnis Habsburgs als entschieden
und den Sieg der eigenen Sache, der fürstlichen Libertät und der
reformierten Kirche, gesichert vermeint
Monatshefte der Comenius-Oesellschaft. 1896. 24
198 V. Krones, Heft 7 u. 8.
Diese Hoffnung schlug allerdings fehl. Die ruckweise Ent-
thronung Kaiser Rudolfs U. besagte noch immer nicht das Ende
deutschhabsburgischer Herrschaft, und auch jenseits der Pyrenäen
behauptet sich die Geltung der Schwesterdynastie. Heinrich IV.
wird (1610) ermordet, und mit seinem Hinscheiden verflüchtigt sich
der vielumfassende Plan einer Neugestaltmig des Abendlandes.
Aber von 1612 — 1618 sammelt sich der Stoff zu dem
Kriege, welcher die Gegensätze politischer und religiöser Natur
in den Provinzen des Hauses Habsburg und in Deutschland ge-
waltsam ausgleichen, oder, besser gesagt, durch den Sieg der einen
Sache über die andere zum Austrag bringen soll. Seinen Aus-
bruch und seine grössten Wandlungen erlebte Zierotin aber nicht
mehr als leitender Staatsmann in seiner Heimat, sondern im Ruhe-
stande, meist in der Fremde (zu Breslau), müde und vereinsamt.
Seine Lehr- und Wanderjahre schliessen mit 1594. Dann
sammelt sich der reichbegabte, welterfahrcne Kavalier von 30
Jahren für grössere Aufgaben. Seit 1605 tritt er in den Vorder-
grund des politischen Lebens seines Vaterlandes, und mit der
Wahl zum Landeshauptmann, 16. Juli 1608, beginnt die Mittags-
höhe seines thätigen Daseins; als er 1614, 26. Februai', seinem
domigen Amte entsagte, hebt bald der lange, düstere Lebens-
abend an.
Zwei Ideale hatte bisher Zierotin fest- und hochgehalten,
den Sieg seines Glaubensprinzips, des mit den Reformierten
verschwisterten Bekenntnisses der böhmisch -mährischen Brüder-
gemeinde, und die staatsrechtliche Vereinigung aller Län-
der des kaiserlichen Hauses Deutschhabsburg in einem
feudalen Reichsparlamente. Beide Ideale verwirklichten sich
nicht. Das religiöse scheiterte an der Widerstandskraft der mäh-
rischen Kirche und an dem heftigen Widerstreite, der das Luther-
tum und die reformierte Kirche auseinanderhielt, — das politische
an dem Partikularismus der ungarischen, böhmisch-mährischen und
österreichischen Länder-Stände und an dem Übermass ihrer Forde-
rungen. Vergebens liess Zierotin, der „Legitimist", der Anhänger
der Erbmonarchie, seinen Warnungsruf erschallen: man möge
nicht zuviel begehren, um dann vielleicht alles zu verlieren. Der
Warnungsruf ward überhört, Zierotin musste es erleben, dass ihn
die Bewegungspartei als „Reaktionär" verdammte; aber die Schlacht
am Weissen Berge, der 8. November 1620, gab ihm Recht
1895. Karl von Zierotin und der Kreis seiner deutschen etc. 199
Sechszehn Jahre verstrichen seither, der grosse deutsche Krieg
entwickelt sich, er wird ein europäischer, endloser; inmitten dieser
Krise stirbt Zierotin. Wohl blieb es ihm unbenommen, auf seinen
Gütern in Mähren zu verweilen und seinem Bekenntnisse anzu-
hängen; aber er erscheint in der Heimat nur ab und zu als Gast;
nichts war ihm übrig geblieben als der Trost, den die Wissen-
schaft und der Glaube spenden. Er hatte sich als Politiker über-
lebt und lebte mehr in sich als in der Zeit, die ihm stets fremder
wurde.
Das Geschichtsleben Zierotins ist ein Stück der Geschichte
der Jahre 1600 — 1615 und füllt längst ein bekanntes, gutes
Buch^). Was der Verfasser dieses Aufsatzes zu bieten gedenkt,
ist etwas anderes, die Stellung Zierotins in und zu der
Geistesrepublik seiner Zeit, vornehmlich auf dem Boden
Deutschlands.
Zierotin ist so ganz und gar der beste Typus des mährisch-
böhmischen Herrenstandes in der Schlusshälfte des 16. Jahr-
hunderts in seinen bildungs- und wissensfreundlichen Elementen
und anderseits der der Brüdergemeinde in Hinsicht ihrer univer-
sellen Stellung. Rühmt doch Zierotin sein Geschlecht, das durch
anderthalb Jahrhunderte dem rechten Glauben treu geblieben sei.
Der Edelmann, dessen Schriften für die slavische Heimat-
sprache seiner Zeit geradezu mustergiltig^) genannt werden müssen,
ist auch des Deutschen mächtig; er korrespondiert im eleganten
Latein, in gutem Französisch und Italienisch. Seine Briefe
umfassen den ganzen Kreis der adeligen Stimmführer Mährens,
Böhmens, Österreichs und Ungarns; sie sind an französische
Staatsmänner und Diplomaten, an die gekrönten Häupter Frank-
reichs und Englands, an britische Lords so gut wie an deutsche
Fürsten, den Pfälzer und den Markgrafen Georg von Brandenburg
vor allen, gerichtet
Was uns aber am meisten fesselt, angesichts dieser Zeug-
nisse weltbürgerlicher Bildung, eines universellen Verkehrs,
^) Peter Ritt. v. Chlumeczky, Karl von Zierotin und seine Zeit
1564-1615. Brönn 1862. XXIV u. 864 SS.
') Die Audgabe der in böhmischer Sprache abgefassten Staatsschriften
und Korrespondenzen besorgte der mährische Landesarchivar Dr. Brandl,
Brunn, 1870—72. Vgl. d'Elvert, Mährens hist. Litteraturgeschichtc (Brunn
1850, Nachtrage 1854).
14*
200 V. Kronee, Heft 7 ii. 8.
der aus den Wanderjahren auswärtiger Hochschulstudien, aus
weiten Reisen und aus der persönlichen Geltung des Mannes,
daheini und in der Fremde, sich zwanglos ergab, sind Zierotins
dauernde Beziehungen zur glaubens verwandten Gelehrten-
welt Deutschlands^). Hier flössen das stetige Bedürfnis, lieb-
gewordene geistige Beziehungen zu pflegen, die Stätten deutscher
Bildung, dem adeligen Nachwuchs erschlossen zu halten, mit dem
Drange des Genossen der „Brüderschaft*^ in einander, das Band
der Glaubensinteressen durch Deutschland, die Schweiz und die
romanische Protestantenwelt möglichst weit und fest zu schlingen.
Da gab es keinen Raum für die nationale, bildungsfeindliche Ein-
seitigkeit des Hussitismus, der im nationalen und Glaubenskriege
wider Deutschtum und römisches Kirchenwesen erstand, erstarkte
und erstarrte, wohl aber für Interessen, die kein Monopol eines
einzelnen Volkes waren.
Die grundlegende Bildung hatte Zierotin in der Heimat, an
der von seinem Vater (1575) begründeten Brüderschule zu Eiben-
schitz empfangen. Hier wirkte als „Rektor** E. von Rüdiger
oder Rudinger, der Ostfranke, geboren 1523 zu Bamberg, der
Eidam des berühmten Camerarius, er, der zu Wittenberg Philo-
sophie, Physik und griechische Litteratur gelehrt hatte, und 1574
als bestverläumdeter „Kryptokalvinist" es vorzog, die Hoch-
schule des Sachsenlandes mit Nürnberg und dann mit dem stillen
Mai'kte Westmährens in der oben erwälmten Berufsstellung zu
vertauschen, die er bis zu seinem Scheiden aus dem Lehramte
innehatte. Dass Zierotin auch sein Schüler war, bezeugt das
Tagebuch des Letzgenannten vom Jahre 1588.
Den häuslichen Unterricht erteilte und überwachte jedoch
Lorenz Zirkler, früher zu Brunn, dann zu Eibenschitz. Er war
es auch, der als „Studienleiter" („paedagogus" oder „studiorum
director^*), mit Wenzel Lavinus von Ottenfeld (als „Präceptor^*,
Hofmeister) zur Seite, den jungen Edelmann der höhern Ausbildung
^) ZunäcliBt hat Monse u. d. T. ^^Epistolac selectac Caroli L. B. a
Zierotin (Brunn 1781)" aus diesem Schatze Zierotinscher Korrespondenzen
Proben geboten. P. v. Chlumeczky teilte dann 1854 (Schriften d. bist.
Sektion, Brunn 7. Bd. 55 — 95 vgl. Notizenblatt d. bist. Sektion Brunn 1856,
S. 64, 1857 S. 16) die Übersiebt der off. u. Priv.-Korresp., d. Tagebücher u.
Akten-Samml. Zierotins mit. (S. w. u.j
1895. Karl von Zierotin und der Kreis seiner deutschen etc. 201
an der Strassburger Universität zuführte i). Das geschah 1579,
als Zierotin ins 16. Lebensjahr eintrat und bereits ein Stück Welt,
Italien, besucht hatte.
Laurenz Zirkler, ein Kind Schlesiens, geb. zu Goldberg, war
Schüler Trotzendorfs und Melanchthons, dann Lehrer an der hei-
mischen Schule und Erzieher der Fürstensöhne von Brieg, bis
ihn ehrende Aufforderungen böhmisch-mährischen Adelsfamilien,
voran dem Hause Zierotin, zuführten. Karl von Zierotin preist
dies als „göttliche Fügung^^ Stets blieb er dem wackern aber
etwas unsteten Manne, wie auch dessen Lebensstellung wechseln
mochte, mit dankbarer Empfindung eigeben. „Alles, was ich weiss,
verdanke ich ihm", schreibt er in sein Tagebuch, und es verlohnt
sich der Mühe, sein Schreiben aus späterer Zeit (Oktober 1591,
ßrandeis) an Zirkler zu lesen, worin Zierotin lebhaft beklagt, dass
Zirkler ihm die Freude des Wiedersehens nicht vergönnt habe.
Eines bleibe unwandelbar, schreibt er: „ich bin ganz Dein und
werde es sein, so lange ich lebe" 2).
Zu Strassburg waren namhafte Professoren Lehrer unseres
Zierotin. So der Thurgauer Konrad Rauhfuss (Dasypodius,
der Sohn Peters, der auch zu Strassburg gelehrt hatte, -j- 1559),
ein tüchtiger Mathematiker und Herausgeber des Euclid in griechi-
scher und lateinischer Sprache, dessen rechnerische Talente auch
die astronomische Uhr am Strassburger Münster verewigte; ge-
storben zu Strassburg 26. April 1600, — femer der Latinist
Johann Lobecius, der Rhetor Melchior Junius und der
Vertreter des Griechischen und der Geschichte Michael Bosch.
Wenn Strassburg den ersten Grund der Hochschulbildung
Zierotins gelegt hatte, so sollte sie in Basel foi-tgesetzt werden,
wo die reformierte Kirche entschiedene Vertreter im Lehrstuhle
vorfand, das Bekenntnis der Briider somit eine verwandtere
^) Die Hauptsammlung der nicht-slavischen Korrespondenz
Zierotins, auf welcher das Folgende vorzugsweise beruht, wurde nach dem
Ableben Peters von Cblumeczky, seines Biographen, 1879 als Bcilagcnband
von der bist. Sektion der mähr.-scbl. Ges. z. B. des A. d. M. u. L. durch
d'Elvert veröffentlicht. 352 SS.
') Vgl. meine Studie „Karl v. Zierotin u. sein Tagebuch vom Jahre
1591 in d. Ztschr. f. Kulturgeschichte, hreg. v. Dr. G. Steinhausen,
Weimar 1894, II. Bd. 1. H. 1—30, über Zierotins Reisen u. s. w. Dudik,
gab 1850, i. d. Werke „Mährens Gcschicbtequellcn", Auszüge aus den Tage-
büchern v. 1588, 1589 u. 1590.
202 V. Krones, Heft 7 iL 8.
theologische Nahrung empfing, als dies in Strassburg der
Fall sein konnte.
Hier, in Basel, wurde Joh. Jakob Grynäus, der Sohn
Berns (geb. 1540), vom Luthertum zur reformierten Kirche über-
getreten, als Professor des alten Bibelstudiums der einflussreichste
Lehrer und Freund Zierotins. 1583 — 86 vollführte Grynäus die
Neugestaltung der Heidelberger Universität im Sinne der refoi^
mierten Kirche, und hier traf Zierotin auf seiner späteren Reise
mit dem geliebten Meister wieder zusammen, der dann dauernd
sein Lehr- und Predigeramt in Basel neuerdings aufnahm.
Von andern Professoren dieser Hochschide waren es Theodor
Zwinger (ursprünglich Professor der griechischen Sprache und
Moralphilosophie, dann der Medizin, f 1588, 10. März), der
Franzose Wilhelm Aragosius, Jakob Covettus, Felix
Plater^) und Castiglioneus (Bonaventura, aus MaUand), deren
Unterricht Zierotin genoss.
Aber auch nach Genf, an die Universität, wo der allge-
mein verehrte Vorkämpfer des Kalvinismus, ein Theodor Beza,
lehrte, wandte sich Zierotin, um seine Hochschulbildung abzu-
schliessen. Besonders eifrig betrieb er hier das Studium der
lateinischen und griechischen Klassiker.
Von Genf aus hatte er zum erstenmale, 1588, Frankreich
betreten, um die Vorkämpfer der Hugenotten, vorab Heinrich den
Beamer, kennen zu lernen ^). Von Frankreich ging es nach Eng-
land, in die Niederlande, dann zurück nach Deutschland.
Voll bedeutender Eindrücke und Erinnerungen an hervor-
ragende Menschen kam Zierotin nach Heidelberg. Hier machte
er Bekanntschaft mit dem Humanisten und pfälzischen Hofdichter
Paul Schede von Meirichstadt (Melissus, geb. 1539, gest 1602),
seit 1586 Bibliothekar des Kurfürsten, und mit dem streitlustigen
Kämpen der reformierten Kirche, DanielTossanus aus Mömpel-
gard (geb. 1541, gest 1602 in Heidelberg).
Die bekannt gewordenen Tagebücher Zierotins von 1588,
^) oder Platter, Sohn des gelehrten Buchdruckers Thomas, ein tüch-
tiger Mediziner, geb. 1536, gest 1614. Vgl. G. Frey tags Bilder a.d. deut.
Vergangenheit.
*) über diese Beziehungen vgl. meine Studie vom Jahre 1894 a. a, 0.
Anm. 5.
1895. Kftrl von Zierotin und der Kreis seiner deutschen etc. 203
1589, 1590 und 1591 1) beweisen am besten, wie gründlich er
Deutschland kannte, wie beweglich und empfänglich sein physisches
imd geistiges Auge war.
Sein Brief buch 2) aber spricht am besten, wie sehr es auch
späterhin sein innerstes Bedürfnis blieb, die persönlichen Be-
ziehungen zu dem weiten Kreise von Bekanntschaften aus den
Lehr- und Wanderjahren zu pflegen und zu nähren. Und darin
ruht ein Schlüssel zu der vornehmen und weltbürgerlichen Denk-
art Zierotins innerhalb des von seinem religiösen Empfinden ge-
zogenen Gesichtskreises.
Wir wollen nun aber die Bahn dieser allgemeinen Erwägungen
verlassen und ausgiebige Proben aus der Korrespondenz Zierotins
mit seinen Freunden und Zeitgenossen in Deutschland bieten.
Die erste Stelle gebührt seinen Briefen, die sich um die
Stadt und Hochschule Strassburg bewegen.
Schon im fünfzehnten Lebensjahre (1579) hatte Zierotin auf
seiner Reise aus Italien heimwärts die alte Reichs- und Bischofs-
stadt kennen gelernt und hier, wie bereits oben gesagt worden,
sein Universitätsstudium begonnen. Auch später führten ihn die
Lehr- und Wanderjahre in die ehrwürdige Metropole des deutschen
Oberrheins und knüpften so die Beziehungen des Strassburger
Rates mit dem mährischen Barone und Glaubens verwandten fester,
wie dies sein deutscher Brief vom 16. April 1600, geschrieben
auf dem Rossitzer Schlosse, darlegt.
„Der weitberühmte Name der kaiserlichen freien Reichsstadt
Strassburg*' — heisst es hier^) — „sowohl auch die löblichen
Ordnungen der Academia, wie auch die Freundlichkeit und der
geneigte Wille der Inwohner für die Fremden, voniehmlich aber
die gute Nahrung, Zucht und Institution, so ich alldort empfangen,
haben mich dazu bewegt, dass ich dieselbe fast nicht anders als
mein eigenes Vaterland schätze und achte, auch meine Landsleute,
vornehmlich aber meine nächsten Verwandten und Blutsfreunde
allenthalben veranlasse, dass sie ebenfalls ein solches Herz der
gemeldeten Stadt entgegenbringen vne ich; daraus folgt denn auch,
') Vgl. darüber meine Abhandlung und die bezüglichen Mitteilungen
im Hauptwerke Peters von Chlumeczky.
*) 8o nenne ich die Arbeit. Anm. 4 cit. Beilagenband zum Werke
Chlumeczkys.
^) Ich teile ihn wortgetreu, nur mit etwas veränderter Schreibweise mit.
204 ▼. Krones, Heft 7 ii. 8.
das8 ich mich aufs fleissigste bemüht habe, dass die edle Jugend
meines Vaterlandes und ansehnlicher Herrn Kinder nirgend
anderswo als zu den Herrn, in ihre Stadt und Academia zur Er-
lernung der und andrer löblichen Tugenden geschickt wurden. Und
dieweil mir bewusst, dass bei solchem und gleichem Vornehmen
gute Exempel sehr behülflich sind, habe ich erstlich Ursache dazu
gegeben und den Weg geöffnet, dass Herr Zdenko, Herr von
Waldstein^), mein nächster Blutsfreund, alldahin geschickt werde,
darnach habe ich in der Folge bald meinen Vetter, den ich nicht
weniger als meinen eigenen Sohn schätze, dahin geschickt, daher
es denn auch gekommen, dass etliche meiner Landsleute und
Freunde ihre Kinder in oft genannte Stadt einer nach dem andern
geschickt haben. Aber unangesehen all dies, damit ich den Herrn
und ihrer hochbewährten Stadt meine gebührende, pflichtmässige
Ehrerbietung und grosses Vertrauen, so ich zu ihnen habe, desto
sichtbarer erzeigen möchte, habe ich nicht Umgang nehmen wollen,
den gegenwärtigen meinen vielgeliebten „Oehm" (Vetter) und
Pflegesohn, Berthold Herrn von Leipp (Lipa), Herrn auf
Mährisch-Kromau, Obersten Erblandmarschall der Krone Böhmen,
zu ihnen in die Academia zu schicken, welchen ich als sein näch-
ster Blutsfreund in mein Gewahrsam und tutelam nach Absterben
seinen Herrn Vaters bekommen, und der mir von den Obersten
Landesoffizieren und Senatoren dieser Landschaft anbefohlen und
vertraut ist worden, damit er einen Anfang seiner künftigen
Studiorum allda fassen und einen guten Grund legen möchte.
Sintemalen ich aber gerne sehe, dass bemeldeter mein Oehm
zu Strassburg eine Zeit lang sich aufhalte und verweile*), auch
seine angefangenen studia allda continuiren und vollenden könne,
habe ich es für gut angesehen, ihm mit diesem meinem Schreiben
insonderheit den Herrn als meinen günstigen imd geliebten Herrn
und Freunden zu recommendiren und ferner freundlich zu bitten,
dieselben wollen ihm die Zeit, so lange er allda verharren möchte,
*) Die Häuser Waldstein und Zierotin waren eng versippt. Überdies
heiratete Zierotin 1604 in dritter Ehe die Schwester Albrechts E. v. Wald-
stein, des „Wallenstein" der Geschichte, und 1614 in vierter Ehe abermals
eine Waldstein.
^) In einem Briefe Zierotins an Melchior Junius in Strassburg
(Rossitz, in Mähren, 8. Mai 1598) erörtert der Schreiber die löblichen Gründe,
die ihn bestimmten, seinen Vetter an die Strassburger Hochschule zu senden.
1895. l^Arl von Zierotiu und der Kreis seiner deutschen etc. 205
in ihren günstigen Schutz nehmen, ihn meinet wegeij lieben und
sich ganz und gar befohlen sein lassen. Ich zweifle gar nicht,
nachdem er dann von mir genügsame Unterweisungen imd Be-
fehle empfangen, er werde sich bei den Herrn also und dermassen
zu verhalten nicht unterlassen, damit jedermann mit ihm wohl
zufrieden bleibe, und, sobald ihm Gott der Allmächtige seine
vollen Jahre zu erreichen gnädiglich vergönne, hoffe ich, er werde
für alle ihm erzeigten Wohlthaten nicht undankbar sein, sondern
mehr noch dessen um sämmtliche Herrn in aller Freundschaft zu
verdienen wissen. Ich aber bleibe fortan bereit, die alte mir vor-
mals erzeigte und empfangene Freundschaft und die vielfältigen
Wohlthaten, so wie auch diese neue Gunst und liebe um die
Herrn zu verdienen und ihr Schuldner zu sein, womit ich uns
sämmtlich der göttlichen Gnade empfehle."
Bietet dieses Schreiben den besten Beleg für die dankerfüllte
Gesinnung Zierotins und seinen löblichen Eifer, der Strassburger
Hochschule Zöglinge aus dem Kreise des böhmisch -mährischen
Herrenstandes zuzuführen, so erscheinen seine beiden Briefe an
einen solchen, an den seiner Obhut anvertrauten, gleichnamigen
Vetter (K^rl Ferdinand Zierotin, Sohn des Erbherrn zu Ali>-
Jitschin, Hustopotch, Holleschau und Goldstein in Mähren),
vom 14. Januar 1600 und vom 6. Oktober 1601, äusserst be-
merkenswert.
Der erste ist eine in gutem Latein verfasste Strafpredigt
für den jungen Herrn. Seit Monaten habe Zierotin von ihm
keinen Brief aus Strassburg erhalten; nicht einmal zwei Zeilen,
worin ihn sein „Präzeptor^^ in Hinsicht dieser Unterlassungssünde
entschuldigt hätte. Es sei denn doch wahrhaftig kein Kunststück,
ein paar Seiten Latein zu schreiben, auf dessen Aneignung der
Vetter doch schon volle sieben Jahre verwendet habe. Aller-
dings kenne Zierotin ganz gut das lockere und unthätige Leben
seines Schutzbefohlenen. Dieser irre sich aber, wenn er meine,
Zierotin werde die grossen Kosten für den Aufenthalt in Strass-
burg ohne alle Erwägung, wie das viele Geld verthan werde,
aufwenden. Weiui die von seinem Vetter vor Monaten geschrie-
benen Briefe so alltäglich und allen Redeschmuckes baar lauteten,
so habe dies Zierotin der Jugendlichkeit des Schreibers beige-
messen ; jetzt wisse er, dass es nur Nachlässigkeit gewesen. Wie
könne er auch wortmächtig imd gebildet schreiben, wenn er sich
206 V. Krones, Heft 7 u. 8.
darum weder in der Schule noch auf seiner Stube kümmere. Er
möge sich erinnern, dass ihn Zierotin seiner Zeit der Jesuiten-
Erziehung entwand und alles aufbot, um ihm den Segen der
Studien ans Herz zu legen. Würde Zierotin nicht besorgen, dass
dieser Brief in andere Hände fallen könnte, so nähme es seinen
Vetter derart ins (xebet, dass er diesem wohl Schamröte und
Thränen ins Gesicht triebe. Im ersten Augenblick habe Zierotin
Lust gehabt, seinen Vetter von Strassburg abzuberufen und seinem
Vater wieder zuzuschicken, doch sei er nicht um seinetwillen,
sondern aus Rücksichten für die gemeinsame Familie davon ab-
gekommen. Die Strafe bleibe nur aufgeschoben. Zierotin gebe
ihm zu bedenken, dass, wenn der Vetter sein lockeres und wüstiges
Leben nicht ändere, er sich seiner weiterhin nicht annehmen,
sondern ihn heimschicken wolle, damit er „bei der Spindel der
Stiefmutter oder in gemeinen häuslichen Diensten den Rest seiner
Jugendjahre verbringe."
Mit den Beweggi'ünden dieses Schreibens Zierotins steht ein
undatiertes, an Jakob Guetlin „nach Strassbm^', im Zusammen-
hange. Zierotin rechtfertigt darin zunächst sein langes Schweigen
durch ein langwieriges Fieber, das ihn zu Prerau, einem seiner
Herrschaftssitze in Ostmähren, befallen habe. Dann bemerkt er,
und das erweist die Stellung Guetlins zu dem Vetter in Strass-
burg als die eines „Mentors", er habe aus mehreren Briefen des
Genannten, den Avir somit als Präzeptor oder Hofmeister des
jungen Heirn ansehen müssen, seine schlechten Fortschritte er-
fahren und werde ihm bald den Text lesen. Aber auch Guetlin
trage einige Schuld, wenn sein Z(')gling durch Gleichgiltigkeit oder
Faulheit den Unterricht von Seiten des Lateinlehrers erfolglos
machen durfte. Sein Vetter sei noch jung genug, um im Falle
der Notwendigkeit die Ruthe zu kosten. Man müsse eben güt-
lichen Zuspruch und wenn dieser nichts fruchte, harte Strenge in
Anwendung bringen, um so einem Knaben seine Pflichten einzu-
schärfen. Dann kommt der Brief auf Geldsendungen zu sprechen
und giebt dem Wunsche Zierotins Ausdruck, dass sein Vetter
erst um Ostern des nächsten Jahres die öffentliche Prüfung
ablege und in die Oberklasse aufsteige, damit er das Studium
des Griechischen, worin er griindlich untemchtet werden solle,
mit dem des Latein verbinde. Die Communion dürfe er mu*
bei „Rechtgläubigen", d. h. bei Reformirten, empfangen, — Zierotin,
1895. 1^1 von Zierotin und der Kreis seiner deutschen etc. 207
der Genosse der Brüdeninion betont dies in entschiedenster Weise,
— Giietlin solle ihn daher um Ostern nach Basel bringen und
jür seine gründliche Ausbildung in Glaubenssachen Sorge tragen,
bevor er das h. Abendmal empfange. In dieser Beziehung mögen
sie nach Genf reisen und wenn bis dahin dem Meister Beza
nichts Menschliches begegne, den Besuch bei ihm als Erholungs-
reise machen. Doch solle Guetlin vorderhand darüber reinen
Mund halten, um seinen Zögling durch die Aussicht auf diese
Beise nicht im Studium zu beirren.
Der Brief Zierotins an seinen jimgen Vetter in Strassburg
vom 6. Oktober 1601 beweist, dass der Schreiber nicht mehr
grollte, sondern von liebevoller Teilnahme für seinen kränkelnden
Vetter erfüllt war und ihn auf seine volle Genesung vertröstet
Er teilt ihm femer mit, seinem „Präzeptor" (offenbar jenem
Guetlin) geschrieben zu haben, dass sie, sobald es der Gesund-
heitszustand des Vetters erlaube, nach Basel verreisen. Vorerst
müsse der Junge von seinen Lehrern in Strassburg als dank-
barer Schüler Abschied nehmen imd Basel sodann nicht als Statte
des Müssigganges und der Vergnügungen, sondern als „Sitz der
Musen*' betrachten. Vor allem verweise er ihn an die beiden ,4n
ganz Europa berühmten Männer*', Jakob Grynäus und Amand
Polanus.
Wie Zierotin selbst von Basel daclftfe, beweist sein Schreiben
vom 22. Mai 1603 an Guetlin: „Basel sei sein zweites Vater-
land geworden."
Aber auch die andern Freunde Zierotins alldort: den Ara-
gosius, Covettus, Plater, Zwinger und Castiglioneus
müsse er in Ehren halten^).
Anbei erinnere sich Zierotin, sein Vetter habe ihn gebeten,
sich auch der Musik widmen zu dürfen, und besonders für ein
Instrument, welches man „Laute" (testudo) nennt, Vorliebe ge-
äussert Sollte ein erfahrener Meister in dieser Kunst zu haben
sein, so gönne ihm Zierotin das Lautenschlagen als Erholung von
ernsteren Studien.
^) Der meisten wurde bereits oben gedacht, nur bezüglich dieses
Zwinger muss bemerkt werden, das» dieser der Sohn jenes Theodor, den
Lehrers Zierotins des älteren, war, nämlich Jakob Zwinger, geb. 1569 zu
Basel, seit 1594 Professor der griechischen Sprache, gest. 1610, 11. September
an der Pest, im 41. Lebensjahre.
208 V. Krones, Heft 7 u. 8.
Wir nannten oben als die nächsten Freunde Zicrotins in
Basel: Grynäus und Polanus, Beide spielen in dem Briefwechsel
des mährischen Staatsmannes keine untergeordnete Rolle. Ihnen
fällt eine ausgiebige Zahl von Briefen zu, welche uns vom Schlüsse
des 16. in das 17. Jahrhundert begleiten.
Zunächst wollen wir uns mit den Zuschriften an Grynäus
befassen. Sie bezeugen am besten die Vertraulichkeit^ welche den
Schreiber beseelte.
In dem Briefe aus Rossitz, einem seiner mährischen Herren-
höfe, vom 2. Februar 1599, beklagt Zierotin zunächst empfindliche
Todesfälle im Kreise seiner Verwandten und Freunde. Zunächst
sei Friedrich von Zierotin i), einer der Weisesten unter den
Standesgenossen, dahingeschieden, dann der durch Abstammung,
Reichtum und Frömmigkeit namhafte Heinrich von Slawata,
der Oheim seines jüngeren Halbbruders (Dionys)-). Aber auch
unter den Priestern seines Bekenntnisses habe der Tod aufge-
räumt; Georg Vetter, der wackere Kalyiner, sei gestorben und
seinen Zirkler habe Zierotin eingebüsst, von dessen Ableben zu
Speier Grynäus wohl Kunde habe. Man müsse Gott alles anheim
stellen, und so setze er denn auf den Höchsten auch seine eigne
Zukunft
Der 2. Brief aus Rossitz vcmi 12. Mai 1600 teilt dem Em-
pfänger zunächst mit, dass Zierotin den Heinrich Polanus als
Präzeptor dem Junker Beilhold, Frhr. von Lipa'^), beigegeben
und beide nach Basel ausgerüstet habe. Grj^näus sei da« nächste
Ziel ihres Besuches. Er selbst aber bedürfe eines guten Rates.
Er wolle einen Teil seiner Güter verkaufen und den Erlös im
Betrage von beiläufig 50 000 Thalem an einem sichern Platze
gegen Jahresverzinsung anlegen, da er eines solchen Überein-
kommens bedürfe. Sein schwächlicher Köq)er sei den Mühen
der Verwaltung seines Besitzes wenig gewachsen, anderseits näh-
men ihn Staatsgeschäfte ganz in Anspruch, ferner — und das
sei die Hauptsache — drohe ein Einfall der Türken und lasse
in Mähren für Aller Besitz und Habe das Schlimmste befürchten;
überdies habe er daheim Feinde vollauf, die es auf sein Gut und
*) Von der sog. Bernhardschen Linie der Zicrotins, 1594 — 1598
Landeshauptmann Mährens.
*) Der beiderseitige Vater, Johann von Zierotin, gest. 1588 im Februar.
'^) Siehe oben den Brief an die Strassburger.
1895.. Karl von Ziei'otin und der Kreis seiner deutschen etc. 209
Leben abgesehen hätten. Da man ihm nicht mit Gewalt bei-
kommen könne, und es mit den Rechtsmitteln schlecht bestellt
sei, so müsse er sich auf ein freiwilliges Exil gefasst machen
und daher auch über Geldmittel verfügen. Da er jedoch sein
Gewissen durch das Bedenken beschwert fühle, ob das
Zinsennehmen nicht sündiger Wucher sei, so möge ihm
Grynäus darüber seine Meinung mitteilen.
Zwei weitere Briefe vom 10. Oktober und 13. Dezember
1601, letzterer aus Prag datiert, sprechen am besten für das
innige Verhältnis Zierotins zu dem Basler Theologen.
Zierotin schüttet da sein, von religiösen Anfechtungen be-
stürmtes Herz aus. Wenn ihn aber Giynäus warne, die Schriften
zu lesen, welche gegen die h. Dreieinigkeit losziehen, so möge
er überzeugt sein, dass er sich diesem „Gifte" fem halte. Das
Lesen in der h. Schrift gewähren ihm den besten Trost. — Den
14. September sei er vor dem Hofgerichte in Prag erschienen,
zur Überraschung jener, die ihn als flüchtig von dort vennuteten.
Es kam jedoch zu keiner Tagsatzung^ da sein Rechtsanwalt er-
krankte. Anfangs Dezember durfte er in die Landeshauptstadt
Böhmens zurückkehren. Man werde ihm auch — wie es heisse
— seinen Glauben zum Verbrechen anrechnen, aber er
hoffe bei dieser Anklage mit Ehren davon zu kommen. Zeugen
würden wider ihn Kirchendiener, Henker und Schergen, offene
Feinde, Nebenbuhler und laue Freunde würden seine Richter sein.
Man wolle ihn aus verschiedenen Gründen verderben. Doch genug
dessen; Grynäus möge ihm darüber seine Ansichten mitteilen.
Vor aUem empfehle er ihm jedoch seinen Vetter, denn das Haus
des Grynäus sei jederzeit „die Herberge der Zierotins" ge-
wesen.
Der Dezemberbrief aus Prag macht seinen Freund mit dem
Hochverratsprozesse näher bekannt, der unserm Zierotin angehängt
wurde. Der Hauptankläger sei SigismundvonDietrichstein^)
und Gegenstand der Anklage der Glaube Zierotins, seine
Reise nach Frankreich 2) und die Vormundschaft über den
Frhrn. von Lipa. Man beschuldigte Zierotin, dass zur Zeit des
Landrechtes und der Landtage in den Häusern Zierotins Predigten
*) Ältester Sohn des Staatsmannes Adam Frhr. von Dietrichstein
(gest. 1590).
'; Vgl. darüber meine Studien vom Jahre 1894.
210 V. Krones, Heft 7 u. 8.
von ketzerischen Geistlichen, insbesondere kahdnischen Glaubens,
gehalten worden seien und wies eine bezügliche Verwarnung des
Kaisers an Sigismund von Dietrichstein vor, dass er solches ge-
duldet habe^).
Unter den Belastungszeugen habe einer, dem Zierotin nicht
geringe und dessen Vater unermessliche Wohlthaten erwiesen, ihn
sogar mit dem bestverhassten Namen eines „Pikarditen" belegt
Was Zierotins Reise nach Frankreich betraf, so wurde ein
kaiserlicher Erlass vom Jahre 1591 vorgebracht, der den Unter-
thanen des Böhmenreiches Kriegsdienste bei fremden Fürsten
untersage. Als man jedoch Zierotins Schreiben aus Frankreich
an eine vornehme Witwe, Wanecky mit Namen*), die der Eidam
des Grjnäus (Amandus Polanus) kenne, verlesen hörte, und darin
nichts anderes zu finden war als Dinge, die die Privatverhäitnisse
Zierotins betraf, der jener Dame die Verwaltung seiner Güter und
die Obhut über sein Töchterlein anvertraut hatte, verwunderte
sich jeder über die Harmlosigkeit dieses Briefes, und Zierotin
fand an diesem einen Verbündeten. ' Aber auch die Mitteilung
des scharfen kaiserlichen Dekretes in Ansehung jener Vormund-
schaft schuf dem Ankläger keinen Nut^sen, da er sonst nichts als
Geklatsch und leere Redensarten vorbringen konnte. Zierotin ver-
teidigte sich mit bestem Erfolge, denn man sprach ihn des Hoch-
verrats -Verbrechens frei. Er hoffe zu Gott, dass auch sein ge-
fährlicherer und schwierigerer Handel mit dem „Wälschen"^) ein
gutes Ende finde.
Das nächste, fünf Monate später (1602, Mai) an Giynäus
gerichtete Schreiben setzt wieder mit dem Rechtshandel Zierotins
ein. Seine Feinde, durch die Niederlage des vorgeschobenen
Anklägers, Dietrichstein, erbittert, griffen nun nach neuen Waffen
der Anklage. Man zog die Edikte Ferdinands I. imd Maxi-
milians IL, sogar die Mandate des ,jguten, aber äusserst gefälligen
und furchtsamen" Königes Wladislaw (gest. 1516) gegen die
böhmisch-mährischen Brüder als „Pikarditen" hervor, wie nach
Zierotins Angabe noch jetzt die „Antichristen" seine Glaubens-
*) 1598 — 1602 war dieser mährischer Landcsunterkämmerer.
') Von dieser Dame handelt auch das Tagebuch Zierotins von 1591
(fl. meine Studie vom Jahre 1894).
^) Es war dies ein gewisser Giovanni Battista Pierio, eine riclitige
Abenteuerernatur; s. w. u.
1895. Karl von Zierotin und der Kreis seiner deutschen etc. 211
genossen schelten. Es kam dann zur Vertagung des Reehtshandels
bis zum nächsten Februar (1603).
Inzwischen raffte das Gericht Gottes seinen Widersacher
Sigmund von Dietrichstein aus dem Leben, als dieser nach Mähren
heimgekehrt war, von harten Schlägen in seiner Familie getroffen.
Aber nun erhoben sich neuerdings Zierotins Feinde, voran der
Olmützer Kardinalbischof Franz von Dietr,ichstein ^) und
denunzierten ihn wegen einer freimütigen im Landtage gehaltenen
Rede beim Kaiser.
Zierotin kehrte im Febniar 1602 nach Prag zurück. Der
Handel mit dem Dietrichsteiner wurde mit Stillschweigen über-
gangen, wohl aber die Streitsache mit jenem Welschen auf den
März anberaumt. Der Oberstkanzler Böhmens 2), Zierotins
geschworener Feind, erklärte ihm kurz und schroff im Namen
des Kaisers, dass er Prag nicht verlassen dürfe, bevor er auf
sämtliche Punkte der Anklage Rede und Antwort gegeben. Was
man wider ihn sonst noch plane, konnte er bisher nicht eirunden.
Als Zierotin sich im März in Prag wieder eingefunden, — er
muss also dennoch die Erlaubnis erhalten haben, sich inzwischen
auf seine Güter zu begeben, — kam die Anklage des „W^ eischen'*
zur Verhandlung. Zierotin erscheint beschuldigt, seinen Ankläger
trotz eines kaiserlichen Geleitsbriefes gewaltsam festgenommen,
eingekerkert und acht Monate hindurch schmachvoll behandelt
zu haben. Die vernommenen Zeugen sagten aber in einer so
entlastenden Weise aus, dass sich die Anklage in eine Verteidigung
Zierotins umsetzte. Denn dieser konnte nachweisen, dass jener
den Kaiser, den Oberstkanzler imd die Richter hinters Licht ge-
führt und Jahre hindurch in Mäliren unehrenhaft gelebt habe.
So sei denn Zierotin auch aus diesem bösen Handel ge-
rechtfertigt hervorgegangen.
Das letzte Schreiben an Grynäus vom 20, Dezember 1605
hebt mit dem Wunsche an, dass Grj^näus seinen Freimden und
seiner Kii'che noch lange erhalten bleiben möge. Sie hätten
*) Der jüngste Bruder des genannten Sigiamund von Diotrichstein, geb.
1570 zu Madrid, wo sein Vater als Botschafter Österreichs gelebt; seit 1599,
mit 29 Jahren, schon Kardinal und Bischof von Olmütz, gest. 163G als cin-
flussreicher Regierungsmann.
*) Zdenko Adalbert von Lobkowitz, der Vordermann der katholischen
Hofpartei.
212 V. Krones, Heft 7 u. 8.
bereits den Tod eines Beza^) zu beklagen und dürften nicht so
bald auch ihn verlieren. Der Brief seines Freundes sei ihm nach
Prag überbracht worden, wohin sich Zierotin Ende 1604 begeben
habe. Sein dort anhängiger Rechtshandel sei noch immer nicht
ausgetragen. Er wolle den Kaiser (Rudolf 11.) nicht anklagen,
aber auch dieser werde einst Rechenschaft ablegen müssen, wie
er es mit der Gerechtigkeit gehalten. Zierotins Feinde verflochten
den Kaiser in den Prozess, um sich den Rücken zu sichern.
Wenn Russworm^) vor nicht langer Zeit hingerichtet worden,
so sei dies die Strafe für Verbrechen, aber auch für die an
Zierotin verübte Missethat So mancher seiner Feinde sei bereits
dahingegangen, das Häuflein derer, die Zierotins Untergang wollen,
zusammengeschmolzen. Er erblicke darin die Güte Gottes, um
seinen Schmerz über den Verlust der (einzigen) Tochter zu mildern.
Über das Jahr 1605 reichen die vorliegenden Briefe Ziero-
tins au Jakob GrjTiäus nicht hinaus; derselbe starb, 1612 bereits
erblindet, aber noch immer auf der Lehrkanzel und im Prediger-
stuhl thätig, 1617, 13. August im Alter von 77 Jahren. Er über-
lebte noch seinen Eidam, Amand Polanus von Polansfeld,
der schon 1610, 16. Juli, im Alter von 49 Jahren das Zeitliche
segnete. An ihn, den hervorragenden kalvinischen Theologen, der
vom Luthertum zur reformierten Kirche übertrat und seit 1596
zu Basel das Fach des Alten Bundes vertrat, sind nachstehende
Briefe Zierotins in den Jahren 1599 — 1606 gerichtet
Das erste Schreiben vom 3. Februar 1599 aus Rossitz meldet,
dass Zierotin nach Prag die willkommenen Briefe des Polanus
und seines Schwähers Gr)'näu8, samt den vereinbarten Bedingungen
der Genfer Disputation und dem Briefe Pistor^s^) an den Pastor
von Zürich, erhalten habe. Zierotin befinde sich mit seiner Frau
und den beiden Töchtern leidlich wohl. Aber im Lande wüte die
*) Gest. 1G05, im Alter von 80 Jahren.
*) H. Christoph Graf von RusBworm (Rosswurm), kaiserl. Feldmar-
schall, geb. 1;)65, wollte Zierotin, da dieser zu Prag das Trinken auf die
Gesundheit des Kaisers ablohnte, niedermachen. Zierotin liess sich von seinen
Freunden zurückhalten, den trunkenen Poltrer mit dem Degen zu durch-
bohren. 1605 wurde derselbe, ein sonst tapferer Haudegen, hingerichtet.
') Offenbar Joh. Jak. Pistorius (Bäcker) von Nidda (Niddanus), geb.
1546, gest. 1608, seit 1577 vom Luthertum zum Kalvinismus und 1586 von
diesem zum Katholizismus übergetreten; ein bedeutender theolog. Polemiker.
1895. K&rl von Zierotin und der Kreis seiner deutschen etc. 213
Pest und habe unter andern den Eibenschitzer Pastor Felin^)
dahingerafft^ einen frommen und gelehrten Mann. Vorläufig be-
stände keine Kriegsgefahr für Mähren^ wohl aber drohten innere
Fährlichkeiten^ denen man begegnen werde. Seit dem Tode
Friedrichs von Zierotin habe sich in den öffentlichen Angelegen-
heiten wenig geändert Wohl aber werde die Erbschaft einen
heftigen Streit entzünden^ und alle Feinde des wahren Glaubens
und des Namens Zierotin denselben zu schüren sich befleissen.
Könnte er des Ausganges dieses Erbprozesses sicher sein, so hätte
er Lust, nach dem Vorbilde der Zollikofers von St Gallen*)
eine Schule einzurichten, doch an einer mehr sicheren Stätte.
Denn die Feinde der Wahrheit böten alles auf, ihm Prerau, das
„Kctzemest'S das er als Erbschaft vom Landeshauptmanne zuge-
schrieben erhielt, zu entreissen. Polanus wolle ihm inzwischen
über die Lehrer und den Kostenaufwand der von jenen „Kauf-
leuten'* (Zollikofers) errichteten Schule Mitteilungen machen, damit
er bis zum Austrage jenes Erbstreites mit sich zu Rate gehen
könne. Er wünscht bald zu erfahren, wie es in Basel steht und
was dort Neues zu hören. Ladislaus von Zierotin, Karls Vetter^,
sei, nachdem er von seiner schweren Krankheit, die ihn zu Florenz
niederwarf, genesen, wieder in so weit hergestellt, dass man seine
Ankunft zu Limdenburg (in Mähren) erwarte. Zierotins Stief-
bruder, Dionys, lebe nur der Landwirtschaft und Jagd.
Der Brief vom 31. März des Jahres 1600 (aus Rossitz)
bezieht sich vornehmlich auf den uns bereits aus der Korrespon-
denz mit Grynäus bekannten Hochverratsprozess Zierotins und auf
seinen Schutzbefohlenen, seinen Vetter Karl, den Zierotin, sobald
er in Basel eintreffen werde, dem Wohlwollen des Polanus em-
pfiehlt Auch erfahren wir, dass Zierotin den Brudersohn seines
Korrespondenten (Heinrich Polanus) seinem Mündel, dem Erb-
') Felin Adam, Sohn des Samuel Kocourka (lat. etwa in Form des
Namens: Felinus), gest. zu Eibenschitz in Mähren 1598, 11. Dezember, in
mm
Wittemberg geschult, Übersetzer der Kyropädie in die czech. Sprache, seit
1594 auf der Leipacher Bnldersynode zum Priester geweiht.
*) Ein namhaftes patrizisches Geschlecht, seit dem 14. Jahrhundert
in St. Gallen sesshaft, Inhaber des Fideikommisses Alten klingen bei
St. Gallen.
^ Nachmals (1619 — 1G20) Landeshauptmann von Mähren und ein
Haupt der Bewegungspartei.
Mouitshefte der Comenius-GesellBchaft. 1896. 25
214 V. Krones, Heft 7 u. 8.
Oberlandmarschali Böhmens Berthold von Lipa (s. o.), zum Lehrer
bestimmt habe, wovon das nächste Schreiben, vom 12. Mai des-
selben Jahres (Rossitz), ausführlicher handelt Polanus möge seinem
Neffen auf die Seele binden, dass er vor allem die Pflichten des
Lehrer erfülle. Leider sollte da Zierotin eine unangenehme
Enttäuschung erleben, wie dies die Nachschrift zum Briefe vom
26. Oktober 1600 an Amandus darlegt Heinrich Polanus sei
bei Nacht und Nebel, ohne Abschied, mit trügerisch beschafftem
Reisegelde verschwunden, ohne dass man wisse, wo er stecke.
Er könne ihn deshalb aus Rücksichten für die Familie nicht
wieder in die frühere Stellung aufnehmen. Habe er es doch, wie
man höre, als er in Basel auftauchte, vermieden, sich vor seinem
Ohme zu zeigen.
Wie lebhaft Zierotin für die kirchlichen Streitfragen jener
in religiösen Dingen so empfänglichen Zeit fühlte, beweist eine,
diesem Briefe einverleibte Bemerkung. Er habe den Brief des
Polanus, schreibt er, samt den beigeschlossenen Schriften über die
Disputation des „Plessäus" mit „Pero" ^) und Polanus^ Büchlein über
die Prädestination erhalten und gelesen und bete zu Gott, dass
er ihn auf rechtem Pfade erhalten wolle. Auch den Türkenkrieg
streift das Schreiben. Der Türke belagere Kanischa; erobere er
diese Festung, so stünde Steiermark und Osterreich in der äusser-
sten Gefahr. Dennoch seien die inneren Feinde verderblicher als
die äusseren.
Der Brief vom Ende des Jahres 1605 berührt die grosse
Krise, die Friedensverhandlung zwischen Bocskay und dem Hause
Osterreich. Man erwarte in Wien den Austrag. Die Ungarn
werden auf der freien Ausübung des (protestantischen) Glaubens
und auf der Wahrung ihrer politischen Freiheiten bestehen. Was
seine Landsleute thun werden, stehe dahin, doch eines stehe fest,
dass die „Päbstischen" nur durch die Notlage gezwungen der
Glaubensfreilieit Raum geben werden.
Zu den Korrespondenten unsers Zierotin zählte auch Otto
Casmeru, der Theologe imd Philosoph, der Schüler des Goclenius,
Schulrektor mid Prediger zu Stade (gest 1607, 1. August). An
^) Du Plcssis - Mornay, Herr von Hugenotte und Jakob Davy
du Perron, Karclinal-Almosenier von Frankreich, geb. 1556, gest. 16 IS; es
handelte sich um das h. Abendmahl in diesem Streite.
1895. Karl von Zierotin und der Kreis eeiDer deutschen etc. 215
diesen ist einer der längsten Lateinbriefe Zierotins vom Ende
Oktober 1603 gerichtet, der sich weitläufig in theologischen
Fragen ^) und in der Schilderung seiner Kämpfe mit inneren An-
fechtungen ergeht. „Ich siegte endlich" schreibt Zierotin, „aber
ich siegte über mich, denn ich bin nicht der Mann, um anderen
den Weg zum Siege zu weisen."
Anderer Art waren die Beziehungen Zierotins zu Doktor
Johann Martin Robmann, Rat des Markgrafen von Burgau,
welche der deutsch geschriebene Brief vom 14. Oktober 1602
(Rossitz) erläutert. Robmann sollte die Lebensbeschreibung des
verstorbenen „Vetters" (Oheims), Karl von Zierotin, veröffentlichen.
Zierotin selbst habe diesfalls den Sohn des Genannten zu bezüg-
lichen Mitteilungen aufgefordert Robmann solle daher mit dem
Drucke warten, bis Zierotin nach Prag gekommen sein werde;
müsse „man aber mit dem Buche so sehr eilen", so bliebe nichts
anderes übrig, als sich mit der Charakteristik des Lebens jener
Persönlichkeit zu begnügen, welche Zierotin in lateinischer Sprache
seinem Briefe einfliessen lässt^).
Zur Erläuterung dieses Schreibens genügt die Bemerkung,
dass Karl, Markgraf von Burgau, der Sohn Erzherzogs Ferdinands
von Tirol (des Zweitgebomen Kaiser Ferdinands L) aus dessen
morganatischer Ehe mit Philippine Welser, dem Erzieher und
*) Zierotin erhielt von seinem Freunde, Wenzel Budowec von Budowa,
einem Vordermanne der Adeligen vom Brüder -Bekenntnisse, die Schrift
Gasmanns ^^schola tentationum^' zugesendet, die ihm als geistlicher Führer
und Tröster so gefiel, dass er dem Verfasser 200 Dukaten als „ElhruDg** zu-
schickte.. (Siehe Chlumeczky, Zierotin S. 258/9.)
*) Vgl. Chlumeczky, Karl von Zierotin. „Carolus Baro Zerotinus,
clarus apud Marcomannos, qui nunc Moravi, familia natus, primis adoles-
centiae annis plerisque Europae regnis peragratis in patriam reversus, prima
tyrocinii specimina apud Hungaros, sub exitum Begni Ludovici (1526) et
primordia Ferdinand! edidit, reliquo aetatis tempore in Hungaria et Germania
sub auspiciis Caroli et Ferdinand! impp. stipendiis meruit, tandem copiarum
saepius duetor, clarus iam militia, Ferdinando archiduci summa cum potestatc
in Hungariam, a Patre Caesare cum exercitu misso, juventutis ejus moderator,
et consiliorum princeps adfuit: Interea legationibus et saepius honorifice per-
functus, carus Caesari, carus arcbiducibus filiis praecipue a Ferdinando magna
cum laude et autboritate in Aula residuae vitae annos confecit, vir spectatac
in principem et serenissimum Domum Austriae fidei, gi'atus exteris, acceptus
civibus Omnibus longc carissimus, magnum Patria et familia sua omamen-
tum "
15*
216 V. Krones, Karl von Zierotin etc. Heft 7 u. 8.
Kriegsgefährten ^) seines (1595) verstorbenen Vaters einen würdigen
Nachruf widmen wollte. Wir besitzen auch einen Brief Zierotins
vom 8. November 1602 (Rossitz) an seinen Agenten, Caspar Luck
in Prag, worin dieser aufgefordert wird, dem Doktor Robmann
mitzuteilen, dass die genaue Erzählung von den Thatcn des Feld-
marschalls Karl von Zierotin aufgefunden worden sei, und Zierotin
sie nach Prag mitbringen werde. Doch muss der Druck dieser
Biographie unterblieben sein*).
Zierotin, von dessen Leben und Beziehungen wir mm Ab-
schied nehmen, konnte seit dem grossen Umschwünge der Dinge,
den die Schlacht am Weissen Berge einleitet und welcher auch
den Inhalt des reichen Vorlebens Zierotins, seine Ideen und Hoff-
nungen begrub, Mähren weiterhin nicht leicht als Heim und Herd
betrachten. Vorzugsweise lebte er zu Breslau. Hier schloss
er seine Tage. Seine reiche Bücherei vermachte er dem Maria-
Magdalenenkloster alldort; seine Habe und Güter erbten die
Seitenverwandten, mit denen die „schlesische" Linie der Zierotins
anhebt und in die Zweige Falkenberg (im Rgbz. Oppeln) und
Gross- Wilkau-Johnsdorf (im Fürstentum Münsterbei^) zerfällt
') Dieser Zierotin machte in seiner Jugend grosse Reisen, diente unter
Kaiser Karl I. 1531 vor Tunis, 1541 vor Algier und war dann Feldmarschall
in Ungarn gegen die Türken, gest. 1560, 51 Jahre alt. Er war der erste
Zierotin, der das mährische Landeskämmereramt bekleidete. Als sein Wahl-
spruch gilt: Omnia Deo, fortunae nihil!
*) Vgl. Chlumeczky, Karl von Zierotin S. 130.
Comenius als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen.
Von B. Aroiiy Berlin O. 34.
Die Ansicht ist allgemein verbreitet, dass Comenius auf seine
Zeitgenossen durch seine pädagogischen Ideen von geringer Ein-
wirkung gewesen sei. Eine genauere Durchforschung der in Frage
kommenden Litteratur des 17. Jahrh. führt indessen zur entgegen-
gesetzten Meinung. Seit dem Erscheinen der Janua (1631) wurde
Comenius als ein leuchtender Stern von der pädagogischen Welt freudig
begrüsst. Entschiedene Gegner erstanden ihm freilich auch, so weit
ich sehen kann, aber erst nach seinem Tode. Im Gegensatze zu
Ratichius wollte Comenius die ganze Welt beglücken. Um besser zu
seinem Ziele zu gelangen, setzte er sich mit tüchtigen Schulmännern
in Verbindung und überliess ihnen ganz selbstlos die Bearbeitung
seiner Schulbücher. Auf diese Weise wirkte er am besten für die
Verbreitung seiner Ideen. Von den bedeutenderen Bearbeitern nenne
ich Mochinger in Danzig, Docemius in Hamburg, Schneider in
Leipzig, Evenius in Weimar, Reyher in Gotha, Hartlieb in Lon-
don und Georg Vechner in Berlin. Als rührige Buchhändler den
grossen Absatz der Comenianischen Schulbücher bemerkten, begannen
sie dieselben ohne weiteres nachzudrucken, da die für enge Grenzen
berechneten Privilegien einiger Druckerfirmen ihnen nicht im Wege
waren. Aus dem Grunde wird auch eine genaue Bibliographie dieser
Bücher beinahe zur Unmöglichkeit. Das Vestibulum scheint am
meisten eingebürgert gewesen zu sein, demnächst die Janua, dann
erst der Orbis pictus, welcher sich am längsten im Gebrauch be-
hauptet hat.
Läge eine vollständige Topographie über die Verbreitung dieser
Bücher vor, so wären wir über das Vordringen der Comenianischen
Ideen besser unterrichtet. Wie lückenhaft auch die nachfolgende
Zusammenstellung von deutschen Bildungsstätten sein mag, in denen
ein oder das andere Schulbuch von Comenius gebraucht wurde, so
führt die stattliche Reihe doch zu der Überzeugung, dass unser
„pädagogischer Seher" im 17. und 18. Jahrh. bedeutungsvoller ge-
wesen sein muss, als man gewöhnlich annimmt.
218 Aron, Heft 7 u. 8.
Wir finden Bücher von Conienius eingeführt in Schulen von^)
Bayreuth, Berlin, Cassel, Corbach, Danzig, Eisleben, El-
bing, Frankenthal (Pfalz), Frankfurt a. M., Görlitz, Gotha,
Güstrow, Schwäbisch - Hall , Halle, Hamburg, Hanau,
Idstein, Iglau, Itzehoe, Jena, Leipzig, Lissa, Moers,
Nauen, Nürnberg, Ruppin, Soest, Sorau, Stargardt i. Pom.,
Stralsund, Stuttgart, Tilsit, Wernigerode, Zwickau; in
den Schulen des Erzbistums Magdeburg, in denen von Braun-
schweig- Lüneburg, von Oldenburg, Waldeck, Mainz,
Hessen-Darmstadt und in der Grafschaft Sponheim.
Welche freundliche Aufnahme die Janua 1631 fand, erfahren
wir von Comenius selbst. Die zweite Bearbeitung derselben durch
Bayreuth. Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts. Leipzig
1885. Pag. 319. — Berlin. Köpke, Geschichte der Bibliothek des Königl.
Joachimth. G3rmn. 1831. — Gas sei. Weber, Geschichte der städt. Gelehrten-
schule zu Cassei. Cassel 1846. Pag. 191. — Corbach. Genthe, Kurae
Geschichte des Fürstl. Waldeck. Landesgymn. zu Corbach. Wengering-
hausen 1879. Pag. 10. Vormbaum, Evangel. Schulordnungen. Gütersloh
1864. 3. Bd. Pag. 164. — Danzig. Hirsch, Geschichte des academ. Gymn.
in Danzig. Danzig 1837. Pag. 48. Kurtzer Begriff | Wie die Jugend künftig
im Gymna- | sio und andere Schulen dieser Königli- | chen Stadt DANTZIG,
in der Lateinischen | und andere Sprachen, auff gleichfornii- | ge Art sol
unterwiesen und ge- | lehret werden, | Auff | Anordnung der itzigen Herren |
Scholarchen in Druck ge- | geben. | ANNO M,DC,LIII, | Dantzig, | Gedruckt
bey Seel. Georg Bheten Witwe. | — Eisleben. Eilend t, Geschichte des
Königl. Gymn. zu Eisleben. Eisl. 1846. Pag. 143.-— Frankenthal. Joh.
Joach. Becher, METHODVS DIDACTICA. Frankfurt 1674. Pag. 116 u.
117. Redinger ist als ein Praeceptor unter Comraenio, Anno 16f>8 nach
Frankenthal kommen, und hat allda eine Schul auf dess Commenii Weiss
angerichtet, allwo er dise Sachen und Wörterthür introducirt und vertirt etc.
(Orbis pictus u. Vestibulum.) — Görlitz. Paulsen, Pag. 319. — Gotha.
Schulze, Geschichte des Gymn. zu Gotha. Gotha lb24. Pag. 133. —
Güstrow. Paulsen, Pag. 319. — Schwäbisch-Hall. Joh. Georg Seybold,
Compendium Grammaticae. Nürnberg 1698. Vorrede. — Halle. Vorm-
baum, Evangel. Schulordnungen. Gütersloh 1864. 3. Bd. Pag. 186. —
Hamburg. Doceraius, Der güldenen auffgeschlossenen Thür J. A. COMENII.
Hamburg 1633. Vorrede. — Hanau. Vormbaum, Ev. Schulordn. 1863. II.
Pag. 477. — Idstein. Spielmann, Schola et Methodus Gaertneriana. Mitt.
der Gesellschaft für deutsche Erz.- u. Schulgesch. II, 20—29. — Iglau.
Werner, Aus der Geschichte des Iglauer Gymn. Mitt. der Ges. f. deutsche
Erz. u. Schulg. II, 54. — Itzehoe. Seitz, Aktenstücke zur Geschichte der
lat. Schule zu Itzehoe. 1893. V, 12. — Jena. Erhard Weigel, Die be-
reiteste EXECVTION — JENA 1685. Scblusszeilen. — Leipzig. Stephan,
Lehr- und Lektionsplan einer Leipziger WinkeLschule von 1711. Mitt. der
Gesellsch. f. deutsche Erz. u. Schulgesch. I, 145—148. — Lissa. Aus ver-
schiedenen Umständen ist sicher anzunehmen, dass die Comenianischen
Schulbücher hier eingeführt waren. — Moers. Paulsen, 319. — Nauen.
Brummer, Zur Schulgeschichte der Stadt Nauen. Mitt. d. Ges. f. d. Erz.-
u. Schulg. IV, 33—64. — Nürnberg. Vormbaum, Ev. Schulord. II, 755.
Fikenscher, Das Gymn. in Nürnb. 1826. S. 78 u 79. — Ruppin. Glörfeld,
Anzeige der Vorlesungen u. Uebungen, welche vom Octobcr 1776 bis zum
October 1767 in dem Neu-Ruppinischen Lyceo gegeben worden sind. Berlin
1767. (Orbis pictus.) — Soest. Paulsen, 319. — Sorau. Vormbaum,
1895. Comenius als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen. 219
Mochinger — in Danzig bei Andreas Hünefeld 1634 erschienen*) —
enthält von ihm eine interessante Beisteuer: eine Widmung an die
Söhne seiner damaligen Gönner und eine längere Nachricht an den
Leser über die Art der Verbesserungen der Mochingerschen zweiten
Auflage. Aus der Widmung kommen folgende Sätze für unsern
Zweck in Betracht:
„Illustres Domini, januam linguarum reseratam censurae experi-
undae caiisa nuper Liessnensibus nostris typis descriptam, publicoque
applausu exceptam, magnorum nunc Virorum judicio, cum pleniorem
nitidioremque in se, tum (ob Scholarum Regni hujus usum) triünguem,
luci expositurus, cui potius prae Vobis dicarem, non reperi. Equidem
non deerant, qui eousque novum eveherent inventum, ut ad Regia
pulvinaria tuto & cum honore deponi posse existimarent, suaderentque.
Ev. Schulord. II, 393. — Stargard i. P. TYTÜS Lectionum & Operarum
publicanim in COLLEGIO GRÖNINGIANO & Schola Stargardiensi, Anno
1608—69 — instituendarum — — Publicatus ä M. Christophoro Praetorio.
Stetini. 4 Blätter. (Vestibulum.) — Stralsund. Zober, Zur Geschichte
des Stralsunder Gymnasiums. Stralsund 1851. V. I. Pag. 27 u. 28. —
Tilsit. Pöhlmann, Beiträge zur Geschichte des Gvmn. zu Tilsit. Tilsit 1873.
S. 34. 1874. S. 36 u. 37. — Stuttgart. FVNDATION Und Ordnung
dess Neu- auffgerichteten Fürstlichen GYMNASII Zu Stuttgart. Anno 1686.
Pag. 40. (Vestibulum.) — Wernigerode. Ich besitze ein Vestibulum,
welches in einer dortigen Schule gebraucht wurde. — Titel | Sententiae
VESTIBULl I JOH. AMOS COMEN. | Multo emendatiores, guam hacte-
nus alibi, excusae, | cum | VOC ABULIS. | ^ regione appositis, | In Usum
juventutis scholasticae. | WERNIGERODAE | apud Michaelem Anton.
Strukium, | Anno 1738. — Zwickau. Beck, Ein Stundenulan für die
Zwickaucr Gelehrtenschule von 1676. Mitt. d. Ges. f. deutscne Erz. und
Schulgesch. I, 238 — 242. — Magdeburg, Erzbistum. Vormbaum II, 486.
— Braunschweig-Lüneburg. Schul -Ordnung vor die Churf. Braun-
schweig -Lüneb. Lande. Goettingen 1738. Pag. 46 u. 47. (Orbis pictus.)
— Oldenburg. Corpus constitutionum Oldenburgicarum selectarum, oder:
Verordnungen, In denen beyden Grafschaften Olcienburg und Delmenhorst,
Wie auch denenselben incorporirten Landen, als Stadt- und Butjadinger-
Würder- und Stedinger Lande. Hersg. von J. Ch. v. Oetken. Oldenburg
1722. Pag. 90—101. Lektionsplan. (Orbis pictus.) — Waldeck. Vorm-
baum II, 150. — Mainz. Entwurf, nach welchem die bisher so genannten
lateinischen Schulen in den churmain zischen Landen und besonders in der
Churf ürstl. Residenzstadt Mainz werden eingerichtet werden. Mainz 1773.
8 Bg. (Orbis pictus.) — Hessen - Darmstadt. Vormbaum II, 448.
Hcppe, Beiträge zur Geschichte und Statistik des hessischen Schulwesens
im 17. Jahrh. — 2ieitschrift des Vereins für hessische Greschichte. 4. Supple-
mentheft. Kassel 1850. Darnach waren die Janua und das Vestibulum
eingeführt in Kassel, Eschwege, Allendorf, Sooden, Sontra, Waldkappel,
Lichtenau, Vacha, Spangenberg, Melsungen, Rotenburg, Felsberg, Hersfeld,
Ziegenhain, Zierenberg, Liebenau, Neukirchen, Heimarshausen. — Kirchen-
Ordnung Christian III., Pfaltz-(>rafen bey Rhein etc. Strassburg, 1721.
Pag. 350. (Orbis pictus.)
*) Ich gebe nier nur den deutschen Titel; Die eröffnete | Sprachen-
thüre I oder | Pflantzschule aller Künsten, | Mit einer Vorrede, darinnen be-
richtet, I was in dieser newen aussfertigung verbessert ist, | vnd wie sie mag
gebrauchet werden. | Cum Gratid & Speciali Privilegio S. R. M. | Polen. &
Svec. I DANTISCI. | Typis & Sumptibus Andreac Hünefoldii, 1 Anno M.
DC. XXXIV.
220 Aron, Heft 7 u. 8.
Sed mihi vigum aliter. Et quamvis illi, verecundiae meae, & in
recludendo opusculo morae impatientes nihilominus id Anglica &
Gallica condecoratum versione, & Magnae Britanniae Regis filio,
Walliae Principi dicatum Londini publicarint; Ego tarnen nihil de
sententia muto/'
Da er nämlich dem Grafen Raphael von Lissa, dem gütigen
Gründer und Erhalter der „Provinzialsehule", dem Vater, bezw. Vor-
mund der beiden mit der Widmung bedachten Söhne, seinem ge-
wogenen Patrone, jede Hochachtung schuldig wäre, diese aber gegen
sein erlauchtes Angedenken in würdiger Weise zu bethätigen über
seine Kräfte gehe, so habe er gemeint, inzwischen die Erben der
väterlichen Tugenden an seine Stelle zu setzen und durch diese
öffentliche Widmung eine geringe Dankbarkeit zu bewähren.
In der Ajirede an den Leser teilt uns Comenius über die Auf-
nahme seiner Janua folgendes mit:
„Variorum e vanis Regnis ac Provinciis de hac mea Janua
linguarum anno hoc expertus judicia, & ä diversis Typographis de
auctiore exemplari, ut & Judice sive Lexico, aliisque quorum spes
fuit facta, crebro soUicitatus, teneri me sentio, Sed dolet liberari fidem
in totum non licere. Seminarium quidem ipsum multo castigatius
damus & auctum septingentis ad minimum vocibus; Sed Lexicon &
Phraseologia, & caetera illa, nondum sufficientem paßsa sunt limam.
Et quamvis ea qua mihi jam extant facie, illa vellem exponere, defuit
tarnen mihi vel semel ea revidendi (quod necessarium omnino) otium:
ob quod autem editionem, tantopere ä plurimis flagitatam remorari,
non placuit."
Nun folgt eine längere, sehr interessante Auseinandersetzung
wegen der gemachten Verbesserungsvorschläge. Wir übergehen die-
dieselben und hören, was J. Docemius in der Vorrede zu seiner 1633
in Hamburg^) erschienenen Bearbeitung der Janua mitteilt:
„Gunstiger lieber Leser, nun übergebe ich dir endlich die höchst-
begehrte vnd von vielen, bevorab meinen guten Freunden, bey nahe
abgenötigte des Hochgelahrten H. Comenii meines grossgünstigen Herrn
vnd sehr werthen Freundes Sprach-Thür, welche in Vergleichunge
^) Der Güldenen auf f geschlossenen | Thür J. A. COMENII | Oder
Des Pflantz-Garten | aller Sprachen, Wissenschaff- | ten, vnd Künsten. | Das
ist : I Des kurtzen vortheilhafftigen We- 1 ges, die Lateinische (vnd alle andern)
Spra- I eben, nebenat dem ersten -Grund, der Wissen- | schafften vnd der
Künsten wol zu lernen, vnter Hun- | dert Titeln, vnd Tausend Sätzen | be-
griffen. I Newe Aussfertigunge. | Vber die vorigen vielvermehret mit hinzu- |
gethaner Deutschen Vbersetzunge, vnd einem sehr | ausführlichen beydes
Lateinischen vn Deutschen Register, | darein nicht allein dieselben Wörter,
so in der JANUA, sondern | auch vielmehr der gestalt hinein ^esetzet, dass
es kan an stat eines Lexici seyn, | zu dem auch die quantitet der Syllabeu,
der Nominum Genera, vnd Decli- | nation; der Verborum aber eigentliche
Formirung, sämptlich | begiiffen werden. | Welchem aber diss gleichsam als
der Schlüssel ein Form zu | compariren, moviren, decliniren vnd conjugiren
angehangen wird. | Befordert durch J. DOCEMIUM. | Hamburg, Gedruckt
vnd verlegt bey Michael | Hering, Buchfübr. Im Jahr 1633.
1895. ComeniuB als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen.
221
derer, so die Irländischen Patres gemacht, gantz recht vnd billich,
den Namen der güldenen Thür hat. Sintemal dieselbe von vor-
nemen Leuten so hochgehalten vnd noch geschätzet wird, dass sie den-
selben von aller Kunst vnd Geschickligkeit entfremmd (vngeschickt)
halten, der diss vortreffliches vnd mit wunderlichem Fleiss gemachtes
Werk nicht für eine sonderliche Gabe Gottes des allmächtigen er-
kennet Als nun dieselbe fürm Jar mir erst aus Polen zugebracht
worden, habe ich dem Authori verheissen, das inkünfftig ich dieselben
Teutsch vbersetzen, nach vnserer Art verdolmetschet, auch an etlichen
orten vermehret-, mit seinem Vorwissen der Jugend zum besten wolte
fürdersampst lassen aussgehen. Habe demnach meinem Versprechen
nachzusetzen, solches nicht länger verschieben mögen, be vorab weil
der Author selbst im nechsten an mich gethanen Schreiben dasselbige
mit ermahnen vnd emsigem bitten von mir erfordert hat. Ob nun
wol auch sich Missgünstige finden möchten, welche hierinne, als in
dergleichen, so nach etwas neues schmecken, embsig suchen werden,
darein sie jhre Zäne wetzen können, vnd die, wie pfleget, nach dem
das erste Eyes gebrochen, sich als treffliche Redener herfür thun, vnd
mit eines andern Kalb pflügen werden: So habe ich doch vngeachtet
solches Geschwätzes, mein geneigtes Gemüt der Jugend Studia zu
befördern, mit dieser meiner geringfügigen Mühe bezeugen, vnd zu-
gleich auch meinen guten Freunden die schuldige Willfahrung be-
zeigen wollen, vngezweiff elter Hofnung, diese meine Arbeit nicht
allein vielen erspriesslich, sondern auch dem Authori selbst, vnd
andern redlichen Leuten, so etwas rechtschaffenes vrtheilen können,
nicht vnangenehm sein werde."
Von allen, welche die Janua lobten, scheint Mochinger ihre
Vorzüge am klarsten erkannt zu haben. Das zeigen die folgenden
Strophen, welche er in seiner schon erwähnten zweiten Bearbeitung
(1634) dem ,',hochberühmten" Comenius widmete:
Dulcibus exactus patriae Cbmenius oris
Fallere dum curas quaereret exilii.
Nee semper tetricis tantum impallescere Musis,
Jüngere sed studio vellet amaena gravi
Sic tamen ut vultus haec lenimenta severi
Non minus e re aliis, quam graviora, forent.
Aggreditur Latiae nobis recludere linguae
Obex quas varius, sepserat ante, fores.
Nee caret eventu Studium, Namque ecce remoto
Obice nunc omni Janua clausa patet.
lamque licet recto Latium contingere cursu.
Quo licitum paucis ante venire fuit
O felix ergo exilium, quod fecit, ut exul
A Latio nemo, ni velit, esse queat.
Pars totum ut capiat, fiere quod posse negarunt
Omnes, Comeni tu modo posse doces.
222 Aron, Heft 7 u. 8.
Orbis hie immensi pars est quantilla libellus;
Hac tanieu in parva parte sui Orbis inest.
Janua quod nielior tua sit, quam Lexica quotcjuot
Hactenus aetati scripta fuere rudi,
Inde patet, verbis quod Janua res tua jungit,
Lexica sed puero quid nisi verba dabant?
Non equidem est, fateor, tua prima Caniaena Comeni
Linguarum tentet quae reserare fores.
Hoc te namque prior tentavit Hybernia, & Orbem
Quae clausit, linguas ausa aperire fuit.
Sed coUata tuae tarnen haec quam pandit Hybernus
Janua vix dici rima pusilla meret.
Et si quas merita est laudes, hoc nomine tan tum est
Janua ad hanc quaedam quod fuit illa tuam.
1639 veröffentlichte Hartlieb in London wider des Comenius
Willen Teile aus dessen Arbeiten unter dem Titel „Pansophiae
Prodronms." Dass diese bedeutsame Publikation auch als solche
sogleich erkannt wurde, geht äusserlich betrachtet schon daraus
hervor, dass 1644 eine dritte Auflage^) notig wurde. Erfreulich
ist es, aus dem Jahre 1649 einen Pädagogen nachweisen zu können,
welcher seine didaktischen Ansichten durch Citate aus der 1644
erschienenen Ausgabe von Pans. Prodr. begründet. Es ist dies
Johann Justus Wynkelmann von Giessen in seinem Buche „Ein-
fältiges Bedenken" etc. Marpurg 1649 2). Nach vier Blättern Wid-
mungsgedichten findet sich auf S. 1 — 188 der eigentliche Text in
2 grösseren Abschnitten. Im ersten zeigt Wynkelmann die Schäden
des damaligen Schulwesens und findet diese begründet in einem
Mangel an der Obrigkeit, in einem an den Eltern, in einem an den
Schullehrern und an der Jugend. Im zweiten Teile gibt er Mittel
zur Besserung an, eins für die Obrigkeit, eins für die Eltern, ein
') Joannis Arnos Comenii | V. cl | PANSOPHIAE | PRODROMUS, |
Et I Conatuum Pansophiconim ! DILVCIDATK). | acccdiint | DIDACTICA
DISSERTATIO | de Sennonis I^ini Studio | perfeote absolvendo, | ALIAQVE
EIVSDEM. I Lugduni Batavorum | Ex Officina Davidis Lojxjz de Haro,
I 1644.
*) Einfältiges Bedenken | und Anzeige, | Woher es komme, dass |
heutiges Tages die Jugend sehr verzo- | gen, Sprachen und freye Künste
nicht« geachtet, \ und in Erlernung deroselben grose Müh, lange Zeit und |
viel Kost(>n oftoi-s vergeblich angewendet | werden. | Darbey allerhand Gat-
tungen und Mit- I tel geeignet werden, auf was Weise eine eute Gott- |
wolgefällige Kinderzucht anzustellen; Wie die 8tudicn wie- | der in Auf-
nahme zubringen; und wie die Sprachen und freye | Künste mit geringerer
Müh und Kosten in kurtzerer | Zeit, alss bisshero geschehen, zu- | lernen
seyen. | Gott zu Ehren, Christlicher Übrigkeit, Ehrlieben- | den Eltern, treuen
Zucht meistern , und der lieben her- | wachsenden Jugend zum besten. | Zu-
sammen getragen, verfertiget und verlegt. | Durch j JOHAN-JUSTUM
Wynkelmann | von Giessen. | Gctruckt zu Marpurg | Bei Joseph Dieterich
Hara|>eln, dero Universität | verordneten Buchtruckern. | Im Jahr, M. DC.
XLIX. 4°.
1895. Ck)meniu8 als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen. 223.
drittes für die Lehrmeister und ein viertes für die Jugend. Gleich
in der Einleitung (8. 4) bezieht sich Wynkelmann auf einen Come-
nianischen Ausspruch. Er schreibt: „Gleich wie die Kunst nichts
sonderliches würcken kan ohne die Natur, also kann auch die Natur
nichts würcken ohne Gott. Die Natur ist viel sicherer, gewisser und
vollkommener, wan die Kunst darzu komme." Hierzu citiert er:
J. A. Com. in Prodr. Pansoph. pag. 64 „Ars sine natura nihil potest:
Ars est natume aemula: Ars imitatur naturam: Ars est naturae f^ia.
Im Kapitel „Zweiter Mangel an den Eltern" heisst es auf
S. 40 über die frühzeitige Behandlung der Neugebornen „Von diesen
und andern nötigen Punkten können treue erfahrne Aerzte und Heb-
ammen die Mutter ferner unterrichten. Es kan auch hiervon mit
mehrerm gelesen werden, das herrliche Büchlein Informatorium ma-
ternum, die Mutterschule ^), cap. 5 — gedruckt zu Nürnberg im
Jahr 1636." Wynkelmann hält es für eine Pflicht der Mutter, ihr
Kind selbst zu säugen und führt Beispiele von der Schädlichkeit
der Ammenmilch an. S. 38 sagt er „Reiche Eltern übergeben gleich
anfangs ihre Kinder den ums Gelt gedingten Ammen zu säugen,
tragen hergegen lieber ein kleines Hündlein im Schooss, an der Brust
und Armen, als ihre eigene Leibesfrucht, welches wider Gott, wider
die Natur und wider die Erbarkeit streitet."
Auf S. 60 u. 61 schreibt Wynkelmann im Kapitel „Dritter
Mangel an den SchuUehrern": „Bisweilen ist ein Lehrmeister von
solcher grausamer Ungestümigkeit, dass er die Kunst mit Prügeln
und Streichen auf einmal einblauen und einschlagen will. Wan
man durch solche übermässige Schläge etwas aussrichten könte, wehre
es rahtsamer, dass die Eltern ihre Kinder den Fassbindern oder den
starken Dreschern als gelahrten Leuten untergäben. Ein furchtsamer
Anfang hat langsam ein gutes End, dan wie manche statliche ingenia
werden hierdurch abgeschrecket, verliehren alle Lust und Liebe zu
lernen." Bei dieser Stelle verweist Wynkelmann auf J. A. Comen.
Pans. Prodr. pag. 22: „Quomodo literae poterunt esse faciles inter
trepidandum discendae! qualiter in nuUa mechanica arte addiscenda
fit. Severitas necessaria inducit metum, metus autem necessario con-
fundit, & intricat mentem; ut ubi sit nesciat, & si paulo debilior,
vertiginem quandam patiatur."
Wie die „Lehrmeister" in der Zucht sich verhalten sollen, er-
örtert Wynkelmann im Kapitel „Drittes Mittel für die Lehrmeister"
8. 168 ff.: „Fünftens sol ein Schul-Lehrer seyn massig in der Zucht.
Maass ist in allen Dingen nutz. Gleichwie ein Medicus oder Artz
die bittern Pillulen mit Golt zu überziehen, und andre bittere Artz-
neyen mit süssem lieblichem Saft zu vermengen pflegt, damit er
durch solche Süssigkeit und Liebligkeit dem krank darniederliegenden
zu seiner Gesundheit verhelfen möge: also sol auch die Bitterkeit
*) Informatorium der Mutter-Schul. Nürnberg, gedruckt und verlegt
durch Wolfgang Endter 1636.
224 Aron, Heft 7 u. 8.
der Straf wort und Ernsthaftigkeit eines Praeceptoris mit der Lieblig-
keit, Gelindigkeit und Sanftmuht vereinbaret seyn, also dass keine
ohne die andere seyn, und nachfolgen einer Ammen, welche ihr zum
schreyen bewegtes Kind mit den Brüsten wieder zu stillen und zu
schweigen pflegt: Ein sanftmühtiger und lieblicher bringt mehr zu-
wegen, lehret bässer, und alles mit Lüsten, als gar zu streng seyn."
Cfr. J. A. Comen. Paus. pag. 23: „Arte opus est ad capiendos,
ine^candos, demulcendosque animos. Quae ars partim docentium
humanitate, partim methodi prüden tia constabit; ut literarum studia
ingeniorum illecebrae fiant, & lusus menis videantur."
Es würde zu weit führen, alle auf Comenius bezügliche Stellen
aus dem interessanten Buche auszuheben. Übrigens zeigt sich Wynkel-
mann ungemein belesen; er erwähnt Ratichius, Helwig, Moscherosch,
Herzog Ernst und viele andere.
In seinem 1648 erschienenen Buche „Neue wahrhafte Zeitung
aus dem Parnassus von der Gedechtniss-Kunst" ^) citiert Wynkelmann
auf der zweiten Seite «der Vorrede Comenius. Die Stelle lautet :
„Demnach ich nun in der ungez weif feiten Hofnung stehe, mit diesem
von mier zuem Theil ausgearbeiteten Werklein der Jugend dienlich
zu seyn, als bin gleichsam zwangsweiss angehalten worden, dieses
heraus zu geben, bevorab auch, weil alle dieser Kunst-Schreiber viel
hoochtrabende Wort und der gantzen Welt kundbahre Verheissungen
darvon so wohl mündlich als schriftlich herausgegeben, und sich wohl
unterstehen dörfen eine Laus zu anatomiren oder zu zerlegen, und
wissen doch nicht, wieviel Füsse sie hat, von welchen Klaumianischen
Gross-Sprechem J. A. Komenius in der Vorrede seiner aufgeschlossenen
güldenen Spraachen-Thür redet, inn der Taht und Werckschmitung
aber bleibet man biss über die Ohren stekken, dass es wohl heisen
mag: Viel Stroh, wenig Korn: Gran rumor, poca lana: Grooss Ge-
schrey, und wenig Woll, sagt der Teuffei und schoer eine Sau mit
der Liechtputze." — Auf Seite 19 dieses höchst sonderbaren Buches
nennt Wynkelmann in 24 Reihen zu je 5 Namen alphabetisch seine
Schüler und Freunde. Unter B finden wir in der zweiten Reihe als
letzten Johann Buno aufgeführt. Daraus geht mit ziemlicher Sicher-
heit hervor, dass dieser seine mnemotechnischen Kunststückchen dem
Wynkelmann ablauschte.
Durch J. Buno 2) werden wir nach Danzig geführt, wo um 1648
Stanisl: Mink von Weunssheim | RELATIO NOVISSIMA | ex
PARNASSO I DE | ARTE REMINISCENTIAE | Das ist: | Neue wahrhafte
Zeitung aus dem Parnassus | Von der Gedechtniss-Kunst. | 8 Zeilen Gedicht
I Gedruckt | In dem Parnassus von J. K. M. | wohlbestclten Buchdrukkem. |
Im Jahr M. DG. XLVIII. 4«.
'^) Christian Schöttgen, Rector der Creutz-S(^hule zu Dressden, Von
Schul-Bu ehern. Dressden 1742. Abfälliges Urteil über Buno. — Acta
Scholastica. Leipzig u. Nürnberg, 1747. VII. 6. Stck. R. Aron, Zur
Methodik des Geschichts- Unterrichts. Mitt. d. Ges. f. deutsche Erz. und
Schulg. I, 97—102.
1895. Ck)ineniu8 als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen. 225
noch ein anderer pädagogischer Neuerer — Johann Raue oder Ravius *)
— von sich reden machte. Dem Rate der Stadt Danzig gelang es,
im Jahre 1646 den rührigen, mit radikalen Schul Verbesserungsplänen
sich beschäftigenden Raue behufs Erneuerung des dortigen Schul-
wesens zu gewinnen. Ebendahin wurde auch Buno berufen, um, wie
er selbst sagt, „einen kürzeren und milderen Weg aufzuspüren, die
Kinder lesen und lateinisch zu lehren."
Raue drang mit seinen Reformvorschlägen nicht durch, weshalb
er 1651 Danzig verliess. Nicht viel besser erging es dem Buno,
welcher mit Freuden 1653 einer Berufung als Rektor nach Lüne-
burg folgte. Die Idee Raue-Buno*8, die sinnliche Anschauung beim
Unterrichte benutzen zu müssen, deckt sich vollkommen mit der des
Comenius; doch weichen beide in der praktischen Durchführung dieses
Prinzips von Comenius ab. Bei ihm vertritt das Bild die Stelle
des wirklichen Dinges, ja ist manchmal ein nicht zu vermeidender
Notbehelf. Bei Raue-Buno dagegen wird das Bild als mnemotechnisches
Hilfsmittel verwendet. Dies wollte Raue nicht wahrhaben und be-
mühte sich nachzuweisen, dass „die Fabular-Grammatic dem Operi
Comeniano nicht entgegen sey." Cfr. Kurtzer Bericht, welcher massen
die von M. Johanne Bunone angelegte Grammatica recht und wol
gegründet sei." Danzig 1649. — In der Vorrede von „Vralter
Fusssteig der Fabular und Bilder-Grammatic" Danzig 1650, ergeht
sich Buno darüber, dass durch Bilder und Fabeln Kinder besser be-
weget werden, Geschichten zu behalten, denn durch blosse Worte
und Lehren — und fährt fort, „Herr Comenius treibet diese Lehrart
heftig, und will, dass man die Information vom Gesicht und Gehör,
vermittels welcher Sinnen alle Künste und Wissenschaften zum Ver-
stand müssen gebracht werden, durch Historien, Fabulen und Bilder
bey Kindern anfangen solle. Aus welchem allem genugsam abzu-
nehmen, dass die hochgelährte Männer, in dem Sie den Grund dieser
Lehrart gesetzet, fürnemlich beobachtet, wie durch die Sinne dem
Verstand alle dinge müssen vorgemahlet und abgebildet werden."
Bei dieser Stelle verweist Buno auf Comenii Method. noviss. c. X.
In der Vorrede zu der 1651 in Danzig erschienenen „Neue Latei-
nische Grammatica In Fabeln und Bildern Den eusserlichen Sinnen
vorgestellet" 2) stützt sich Buno für seine Ansicht ebenfalls auf die
^) Martin Diterich, Zufällige Anmerckungen von allerhand zum Schul-
wesen und Grundlegung der Gelahrtheit gehörigen Sachen. Berlin, Bey
Johann Andreaa Rüdigem. 1716. 2. Stck. S. 43. 3. Stck. S. 145. —
A. Ziel, Johann Baues Schulenverbesserung. Dresden 1886.
') Neue Lateinische | Grammatica | In | Fabeln und Bildern | Den
eusserlichen Sinnen vorgestellet, und also | eingerichtet, dass durch solches
Mittel dieselbe, benebens | etlich tausend dannnen enthaltenen Vocabulis,
in kurtzer | Zeit mit der Schüler Lust und Ergetzune kan | erlernet werden,
[Auf Begehren eines Edlen Hoch weisen | lUhts der Königlichen Stadt {
Dantzig, | Der wehrten Jugend zeitigen Wachsthum | in heUsamen Studiis
zube I fordern, | Wolmeinend verfertiget | und ausgegeben | von | M. Joh.
Buno. I Gcdrukt zu Dantzig bey Andreas Hünefcld, | Jm Jahr Christi 1651. 4?.
226 Aron, Heft 7 u. 8.
Idee des Comeiiius von der Notwendigkeit der sinnlichen Anschauung.
Es heist daselbst „Darnach hab ich die Mittel und Wege, welche
die Natur zu Erkundigung der Dinge dem Menschen verliehen, eigent-
lich beobachten müssen: da dann nicht alleine Aristoteles in seinen
Büchern de Anima und sonst hin und wider, sondern auch alle
Physici und Naturkündiger, ja die Erfahning selbst auf die euser-
lichen Sinnen weisen, als welche die Thüre und Thore sind, ver-
mittelst derer alle Erudition und Wissenschaft zum Verstände ein-
gebracht wird." Cfr. Comenius Method. noviss. c. X.
Johann Haue gab 1635 in Erfurt den Cornelius Nepos heraus
als „Autorum primus, qui post Comenii Januam pro inchoando apud
Juventutem stylo posthac edentur". Comenius hatte diese Ausgabe
und den Autor gelobt und ihn zur Mitwirkung an seinen didak-
tischen Arbeiten aufgefordert. Cfr. Opera didactica omnia I. Pag.
364, 135 Cujus rei nescio an optari debeat alius, aut sperari possit
melior artifex, illo, qui sibi publice spartam hanc deposcere, eamque
adeo jam ornare orsus est: florentissimus in effloresceute Gedana
Academia Eloquentiae & Historiarum Professor, D. Joannes Rave.
136 Qui editum nuper in lucem, notisque illustratum, & Indice
pulchro instructum, Cornelium NeiK)teni, non solum titulo illo, Autorum
primus, qui post Comenii Januam, pro inchoando apud Juventutem
stylo posthac edentur, oniare voluit: sed & in praefixa operi de
emendatione vitiosae per Germaniam eloquentiae Disscrtatione, (para-
grapho 18) sibi provinciam hanc illis verbis despondit. Dabunt alii
in aliis operam: ego pro mea, & bono cum Deo, aunitar, ut in Latinis
Auetoribus adolescentia a nie quoque adjuta sit. 137 Macte vero
hac promptitudine pietateque in Patriam, Vir optimel Deus Tibi
annos & animos addat, ut feliciter, quam professus es operam, com-
pleas." Der Gedanke beschäftigte den Raue auch lebhaft, „das von
Comenius angesponnene grosse Werk der Pansophie" fortzusetzen,
wozu ihn das 1639 in London erschienene Buch „Pansophiae Pro-
dromus" anregte.
Die wichtigste Quelle zur Erkenntnis des pädagogischen Systems
Raues ist jedoch seine 1653 geschriebene „Wohlgemeinte Deduction
Schrifft über die algemeine höchstnötige Schuelen Verbesserung**^),
in welcher er in vielen Dingen mit Comenianischen Ideen überein-
stimmt. Nachdem er in dieser Schrift auf die Hauptschäden des
damaligen Schulwesens aufmerksam gemacht, dass es nämlich an
guten Schulbüchern und an guter Lehrart fehle, kommt er auch auf
Comenius und schreibt von ihm im 2. Teil der „Innerlichen Schulen-
*) Wohlgemeinte Deduction | Schrifft | über | Die algemeine höchst-
nötige Schuelen ver- | besserung, so weit dieselbe auff den | Mcthodum vnd
Dexteritatem | Docendi beruhet, vnd durch Got- | tes Gnade, ohne einige
difficul- I täten sonst mit vertheile- | ten vnd also weniger vn- | kosten ohn-
fcilbar kan | erhaltenn wer- | den | Auffgesetzet | von | Johann Rauen Prof. |
Honor. Cicdanens. 97 beschrieb. Blätter in folio. Dies Werk ist nur in
einigen Abschriften vorbanden; eine neuere besitze ich.
1895. Comenius als Pädagoge im Urteile »einer Zeitgenossen. 227
Verbesserung" § 9: „Diesen Fehlern hatt Johann Arnos Comenius
mit seiner Janua abhelffen wollen, undt derowegen auff die Verbindung
der Cognitionis rerum ac verborum gar recht vndt wohl sein absehen
gehabt, dabey einen Context der Sachen, welche gleicher Natur vndt
Eigenschafft sindt, angeleget, damit selbige in dem ersten Grad der
Wissenschaft, vndt also vor sich selbst, zuförderst erkennet vndt
verstanden, nachmals das Judicium ovvxqitihöv darauff mit Nuz vndt
bestandt gesezet werden konte."
Doch hat Raue an der Janua manches auszusetzen, so die
allzugrosse Kürze, die zu schematische Anordnung und hauptsächlich
die Latinität, welche ihm nicht rein genug ist. Schliesslich gestattet
er doch den Gebrauch der Janua. § 88 des 2. Teiles schreibt er:
„Hierauff hatt eine Janua folgen müssen, vndt auch des Comenii
können behalten werden, dabey ich aber dieses bedinge, dass nicht
eben alles zu urgiren, sondern ein vieles so mit sonderbahren signis
gezeichnet werden soll, daselbst vnvonnöthen gar wohl vorbey ge-
gangen vndt ausgestalt sein können."
Vorhin teilte ich mit, dass der Danziger Rat Schulreformer
berief, um seine Schulen zu verbessern. Auch die Rektoren der
städtischen Lehranstalten wurden beauftragt, einen für alle verbind-
lichen Lehrplan auszuarbeiten. Dieser erschien als amtliche Publi-
kation 1658 unter dem Titel „Kurtzer Begriff, Wie die Jugend
künftig im Gymnasio und andern Schulen — sol unterwiesen und
gelehret werden."^)
Auf S. 25 der „General- und Spezial - Nachricht" heisst es:.
„Die Autores aber, so der Jugend nach solchen Schulbüchern (Rhenius,
Weller, Vossius, Scharf) sollen erkläret werden, sind diese: Vestibulum
Comenii, und mit denen, so etwas weiter kommen, desselben Janua" etc.
S. 59 „In den Autoribus designandis aber muss man sonder-
lich der Knaben profectus beobachten, und von dem leichtern zum
schweren hinauff steigen, damit die zarte Jugend nicht allzu sehr
beschweret, und vom Studieren abgeschrecket werde. Denn, ob man
gleich einen vornehmen Autorem mit ihnen nehmen, und denselbigen
fleissig expliciren könte, dass sie auch zugleich mit den Verbis realia
im Kopff brächten, so lest sichs doch nicht so wol practiciren, als
wenn der Jugend, so die Sprachen lernen soll, die Realia albereit
bekand seyn. Vor die kleinen kan man Vestibulum und Portulam
Seidelii; bey denen aber, so schon etwas profectus haben, könte man
des Comenii Januam — — und dergleichen, so nicht allzu schwer
seyn, nützlich gebrauchen." Eine genauere Einsicht in diesen Danziger
Methodus lässt uns Comenianische Einflüsse erkennen. Unter den
sieben Rektoren, welche diesen luntlichen Bericht unterschrieben, kann
ich Jacobus Zetzkius als einen Anhänger des Comenius nachweisen.
1634 widmete er seinem Freunde Mochinger für die 2. Auflage
1) Siehe Note auf Seite 218.
228 Aren, Heft 7 u. 8.
seiner Januabearbeitung ein Auagramm, aus dem ich folgende Verse
mitteile: „HErr Comenius zuvor bawte diss Lateinsche Thor — —
Jugend, wilt du durch diss Thor, lass ja nicht daheim dein ohr:
Sonsten mag hie nichts verschlagen. Wer sich in das Schloss wil
wagen, Da ihn diese Thür hinführt, Sey mit obren wol stafiert Hie
sind lauter kunst- gemacher Vnd nach dem viel ehren -fächer. Du
komst nie ohn' ohr vnd lehr Jns gemach der kunst vnd ehr: Ihm
daneben danck gebühret, Der dich hatt hinein geführet."
Comenius veröffentlichte ein ihn überschwenglich lobendes
Sendschreiben von Peter Colbovus von Gadebusch aus Mecklenburg *).
Aus demselben mögen folgende Stellen hier einen Platz finden:
„Sende-Schreiben an den Wol Ehrwürdigen, Grossachtbahren, Hoch-
gelärten, vnd vmb die allgemeine Christliche Schul Jugend trefflich
verdieneten wehrten Mann, Herren Johannem Amosum Comenium,
betreffend dessen neueste Lehr Künstlichste gewünschte Schul
Bücher etc. Dancke nun dem nach zu färderst Gott in Himmel,
durch Vnsern lieben Herrn Jesum Christum, in tieffester Demuth,
von gnind meines hertzens, für solchen gegebenen edlen Schulschatz
E. W E genandte lang gewüntschte Lehr-künstlichste schöne Bücher.
Hertzlich bittende, das» wie Er sich nun mehr über das zu gründe
verderbte Schulwesen so genädiglich erbarmet, Vnd durch E W. E
Vnd Ihre treue Mitarbeiter zu einer mercklichen hochnötigen besserung,
in Wissenschaften, Künsten, Vnd Sprachen, beydes so einen über-
auss schönen festen grund geleget, vnd auch ferner den gantzen
Baw so herrlich hinaus führen will. — — Dann Dancke Ich auch
daneben beydes für mich, Vndt in Nahmen der gantzen vngezogenen,
vn verständigen , lieben Jugendt, sehr fleissig vnd dienst -freundtlich
E. W. E Vnd allen Ihren trewen Mitarbeitern, für den angewandten
treuesten fleiss, vnd die volbrachte sehr sawre, sehr schwere, vnd
verdriessliche, aber ja recht hochnötige vndt überaus nützliche vnd
herrliche Arbeit."
1657 gab Comenius in Amsterdam auf Kosten seines Gönners
L. V. Geer seine sämtlichen didaktischen Schriften heraus; allen
vorauf liess er, gleichsam als pädagogisches Programm, die Didactica
magna gehen. Von der Wirkung der grossen Lehrkunst zeugt die
unter dem 14. Oktober 1658 von Hall aus publizierte „Schul -Ord-
nung, womach man sich in gantzem Ertz-Stifft Magdeburg unver-
änderlich zu achten und hinführe zu richten hat" 2).
Im Abschnitt „Vom Methode informandi" lesen wir Caput III.
De Objecto Informationis. § 8: „Weil es aber heist, Natura non
facit saltum, so muss man einen jungen Menschen 1. in den ersten
sechs Jahren, als ein junges zartes Keisslein wohl und fleissig, so
') J. A. COMENII I OPERA | DIDACTICA | OMNIA. | Amsteniam
1657. II, 459—62.
*) Vormbauni II, Pag. 486 ff. u. Sämptliche Fürstliche Magdeburgische
Ordnungen u. s. w, Leipzig 1673. S. 271—325.
1895. Comenius als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen. 22d
wohl an seiner Gresundheit und Ijeibe, als an der Seelen in Acht
nehmen y damit bey ihme kein Schade, durch unordentliches Leben»
oder gegebenes Aergemüss von bösen Leuten , mit welchen er um-
gehet, entstehen möge. 2. in den folgenden sechs Jahren, vom
sechsten biss zum zwölfften die schönen Blatter und anfahendes
Wachsthum vorsichtig befördern, damit bey seiner Fortsetzung, in
die öffentliche Schule keine Raupen oder böse Gresellschafft das Gute
verderben. 3. in den nechsten sechs Jahren, vom zwölfften biss zum
achtzehenden die schönen Blüthen, und allbereit hervorblickende
Hoffnung zu den künfftigen heilsamen Früchten, noch genauer in
Acht nehmen, und vor aller Verführung, .in Lehr und Leben, fleissig
bewahren. 4. Damit endlich vom 18. biss 24. Jahre, derselbe, als
ein schöner wohlgerathener Baum, mit seinen Früchten erfüllet, zu
einem nützlichen Ambte gebrauchet werden könne.
Caput IV. De Officina & Loco Informationis. § 1. Soll
nun ein junger Mensch den Zweck seines studirens gewündschter
Massen erreichen, so muss ordentlich nach einander
1. die Mutter-Schule, oder Haus-Zucht^
2. die Stadt- und Dorff-Schule,
3. die öffentliche Land-Schule oder Gynmasium,
4. die Hohe Schule oder Academia,
das Ihre dabey thun.
In den folgenden Paragraphen wird in grossen Umrissen jeder
ünterrichtsstufe ihr Pensum zugewiesen. Für die Mutter-Schule soll
das 1636 zu Nürnberg erschienene Informatorium gründliche Anleitung
geben. „Wann solches gebührend verrieb tet^ alsdenn und nicht ehe,
soll man die Geschicklichkeit also befördern, dass alle und jede mit
Fleiss angeführet werden 1. im Schreiben, Rechnen und Singen.
2. in der männiglich nöthigen Wissenschaft, durch die zu Gotha zu
solchem Zweck hiebevor aussgefertigte teutsche Büchlein. § 10.
Wozu denn auch insonderheit dess Comenii Orbis sensualium pictus
anzuwenden, also, dass man zum wenigsten in ieder Schule ein
Exemplar desselben habe, und allen und jeden Knaben, ehe sie
anheben die lateinische Sprache zu lernen, sie mögen zum studiren
tüchtig seyn oder nicht, die generalia auss dem Anfange und Ende,
item die Capita von Gott und seinen Wercken, von Tugend und
Lastern teutsch zum öfftem vorlese, und diejenigen, so das Buch
wegen Armuth selbst nicht kauffen können, die wenigen Blatter so
hiervon handeln, an Statt anderer unnöthigen Dinge abschreiben
lasse." Für den lateinischen Unterricht sollen neben andern Büchern
auch gebraucht werden die Janua und das Atrium Comenii samt
dem dazu gehörigen Lexico.
Ein treuer Anhänger des Comenius war Jakob Redinger^),
^) F. Sander, Jakob Bedinger, ein Anhänger des Comenius im
17. Jahrb. Beilagen zur Allg. Zeitung vom 2. u. 3. Sept. 1892. Nr. 205
u. 206.. — 1. Latinisher Buns | der | Tütshen Sprachkwäl, | Oder: | Latinish
Monatahefte der Gomenius-Gesellschaft. 1895. 2(j
230 Aron, Heft 7 u. 8.
welcher als Bearbeiter vom Vestibulum und als Übersetzer von Schola
ludus bekannt geworden ist. Fast vergessen sind seine eigenen, zum
Gebrauche für Schüler geschriebenen Bücher, in denen er (wie die
damaligen deutschen Sprachgesellschaften) zu erweisen sich bemüht,
dass viele lateinische Wörter aus der „uralten teutschen Spraclie"
abstammen. Durch diesen „Nachweis" glaubte er den Schülern das
Erlernen der lateinischen Sprache zu erleichtem. In seinem 1659
gedruckten Schulbuche „Verwandschaft der Teutschen und Lateinischen
Sprache" bezieht sich Redinger mehrfach auf sein grosses Vorbild.
Pag. 7. „Es hat der weitberühmte Kunstsprachlehrer J. A. Komenius
disen trefflichen, leichten, kurzen weg erfunden die Lateinische und
andere Sprachen zu lehren und zu lehrnen, dass er erstlich die
Stammwörter nach Ordnung der natürlichen. Künstlichen, Sittlichen
und Göttlichen dingen zertheilet, und die bilde beifüget, dass ein
Knab das dingbild sehende und das sachwort lesende und hörende,
die Dinge und Wörter, welche ein andere entsprechen, leichtlich be-
greiffen kan. Wann nun jetzt zu den dingbilden und diugwörtem
auch noch käme die Wortgleichheit in des Knaben Mutersprach und
der überigen, diö er lehnien soll: so halte ich, dass ihme aber umb
vil geholffen wünle, die Wörter noch bälder und steiffer zu behalten.
Ich thue hie einen Versuch mit zusammenlesung der verwandten
Teutschen und Lateinischen Wörteren aus etlichen Wortbücheren
und eigner beobachtung etlicher, welche ich dem Rheinstrom nach
von desselben Ursprung bis an das Meer gehöret habe." —
Tütshes wort — | büchlin: | In welchem durch aincn lichten griff, | mit
etlich hundert bispilcn gewisen wird, | wie die Latinishe Sprach us der
Tutshen | geflossen: | Gegraben, gcsamlet, gclaitet, | fon | H. Jakob Redinger.
I Getrukt | in Bchaffhilsen, | bi | Johann Kaspar Süter. | M DC LVI. 8°.
8 Blätter Vorrede , 72 Seiten Text. — 2. VERWANDSCHAFT | der Teut-
schen und Lateinischen Sprache, | Oder : GLEICH STIMENDES | WORT-
BÜCHLEIN: | In welchem gezeiget wird: dass etlich hun- | dert Lateinische
Wörter, theils aus der uralten | Teutschen Sprache herkomen; theils mit
derselben | durch leichte Richtigmachung ihrer Ver- \ wirrung zu der Ur-
sprach können | gerechnet werden: | Für die Franken thalischc Schuler, und
[andere Teuteche Sprach-lieber gesamlet, | von | JAKOB REDINGER. |
Druckerstock. | Getruket zu Hanaw | Bei JAKOB LASCHE. | Im Jahr M.
DC. LIX. 8°. 96 Seiten. ~ 3. Des Johan Arnos Komenius |, Spielschule |
oder Lebendiger Kunsten-Krcis: [ Das ist | Schawspielige Übung | Der
Sprachen- und Sachen-Thiir, | Ein anmuthiges Kunststuk darstellende, | Alle
dmge mit der Namengebung bekleidet, | den Sinnen nach dem Leben vorzu
I tragen. | In Franckfurth bey Thomas Matthias Gözen. | In Verlegung des
Ubersezers. | Mit Churpfälzischer Befreiung. | Gcdnickt bei Jacob Laschö,
Buchdrucker in Hanaw. | Im Jahr IGoO. 8^ 055 Seiten Text. — 4. (Ab-
gekürzter Titel.) Job. Arnos Comeni Erster Teil der Schuhl-Gelchrtheit,
genennet die Vortvhre: Welche begriffet Die Grunlage der Dinge, und
unserer Weisheit um die dinge, als auch der Lateinischen Sprache, mit der
Muttersprache; zugerichtet nach den Gesetzen der neuesten Lehrart, und
mit vielen Bildern erklähret, auf Zulassung und billigung des Verfassers,
von Jakobo Redinger usw. Amsterdam, Jon. Ravestein. 1(373. — Aus dem
Jahre 1678 besitze ich ausserdem noch einen Nürnberger Nachdruck.
1895. ComeniiiB als Pädagoge im Urteile seiner ZeitgeDOfisen. 231
Dem eigentlichen Wortbüchlein geht ein Schulgespiach vorauf
zwischen dem Schweizer Kunrad, dem Niederländer Rudolf, dem
Pfälzer Heinrich und dem Lehrmeister, einem Alemannen. Kunrad
und Rudolf wollen nach Frankenthal, um in der dortigen Redinger-
sehen Lateinschule Sprachen zu lernen „nach dem Lehrweg des
hochgelehrten Herrn Komenius". Sie freuen sich, ^en Schüler Heinrich
aus Frankenthal dicht bei der Stadt zu treffen, und hoffen, von ihm
mancherlei für sie Wichtiges zu erfahren. Es entwickelt sich folgendes
Gespräch :
K.: Wohin, wohin guter Fründ?
H.: Ich gehe durch dises Feld an den Rhein, mich ein wenig
an und mit den Geschöpfen Grottes zu erlustigen.
K.: Mit was für Geschöpfen?
H.: Mit kräutern, Sträuchen, bäumen, vögeln, fischen, vier-
füssigen thieren, und dergleichen.
K.: Das hab ich dahaim alle tag gesehen, und jez den Rein
ab auch ein theil.
H.: Kennestu aber alles, und kanstu es nennen?
K.: Nein, und was nüzte es mich, wann ich es könte?
H.: Ich wolte ein schönes geben, dass ich dise, und andere
Sachen alle kennete, und nennen könte.
K.: Lieber myn, warum?
H.: Ich könte die Lateinische Sprach vil besser lehrnen, und
were bald gelehrt.
K.: Kann man dardurch gelehrt werden?
H.: Ja freilich. Wahrhafftig gelehrt sein ist nicht anders, als
die Dinge unterscheiden, und nennen können.
K.: Wer hat dir das gesagt?
H.: Unser Lateinische Lehrmeister, bei welchem ich solte die
Lateinische sprach lehrnen, und sihe erst, dass ich mehr als den
halben theil Teütscher Wörter, und Sachen nicht weiss.
K.: Muss man dann in der Latinischen Sprache alle Wörter
lehrnen ?
H.: Fast alle, so man alle Lateinische bücher verstehen will.
K.: Wie vil Zeit muss man wol darzu haben?
H.: Zwei, oder drei Jahr.
K.: Lehrt man neben der Sprach auch etwas anders?
H.: Ja freilich: die Natürliche, Künstliche, Sittliche, Göttliche
Sachen.
K.: Was für Bücher muss man haben?
H.: Im ersten Jahr die sichtbare Welt (orbis p.), im andern
die Spielschule (schola ludus) mit zugehöriger Sprachlehr und Wortbuch.
K.: Was begreifft die sichtbare Welt?
H.: Aller fürnemsteu weltdingen und Lebens Verrichtungen Vor-
bildungen, und benahnmngen.
K. : Was begreifft die spielschule?
16*
232 Aron, Heft 7 u. 8.
H.: Aller dingen benamung und fürstellung in acht spielen.
K.: Wer spilet dise lustige und nuzliche spiele?
H.: Die Schuler unter einander.
K.: Also glustet mich je langer je mehr in dise Schul: er
lieber, führe uns zu einem ehrlichen Kostherren, und hernach in die
Schule. •
Bald darauf gesellt sich der Lehrmeister zu den drei Schülern
und beginnt nach kurzem Zwiegespräch seine Lektion.
Das Buch schliesst Pag. 95: „L. So ihr Lust zu Griechischer
Sprache habt, sollt ihr sie lernen, aber ihr müsst erstlich die Latei-
nische sprach mit angedeuteten Sachen recht lernen. Darum so
überleset hie alle tag ein oder zwei blätlein fleissig, und lasset uns
nun zu der Sichtbaren Welt (Orbis pict) fortschreiten."
Li der Vorrede zu dem in Züricher Mundart geschriebenen
Latinischen Run's (Rinnsal) denkt Redinger offenbar auch an Comenius,
wenn er von dem Fleiss und der rühmlichen Arbeit gelehrter Männer
spricht, einen kürzeren und leichteren Weg zur Erlernung der Sprachen
zu zeigen.
„Liebe Tütshe; Demnach eüwere lobliche begird alerlai sprachen
zu lernen, um dersälben im gaist- und wältlichen stand euch zu be-
dienen, aler wält bekant: in glichem etlicher gelertcr männeren flisa
und rumliche arbäit bewusst, welche sich bemühend ainen kürzeren
und lichteren wäg zur erlemung der sprachen zu zaigen, als aber die
zithar in den Schulen gebrucht worden, sonderlich mit ordenlicher
fügung der sachen und sachbedütender werten: hierin aber noch
manglet ain grundlichere undersuchung der änlichkäit und glichhait
der sprachen, nähend dem augenschin in wisung der sachen sälbsten,
oder durch mitel der gemaleten bilder: welche baide stuk ainen noch
fil kürzeren und lichteren sprachwäg machen werdend: so understande
ich mit Gotes, vnd sprachliebender lüten hilf, die glichhait der
sprachen uf ainen andren srot zu zaigen, als bishar fon etlichen
arbaitsamen männeren geschähen" etc.
Inbezug auf den realen Realismus des Comenius will ich ein
Urteil aus dem Jahre 1669 mitteilen. Eccard Leichner stellt in
seinem „Apodictischen Prüfe-Spiegel" *) auf Seite 21 Comenius neben
Verulam, Campanella und Cartesius als einen Gelehrten, welcher die
übele Philosophie irrig und verführerisch gehalten, welche nicht auf
wahrer Betrachtung der Natur und Naturwerke beruhe.
Ich komme nun auf zwei in ihrer Zeit hochgeachtete praktische
Schulmänner, von denen wir umfangreiche Anweisungen haben, wie
*) D. Eccardi Leiebneri | Apodictischer | Prüfe -Spiegel | Wissen- und
Gewiesen-haffter Lieb- | haber des Christlichen Schul- und | allgemeinen
Wol- Wesens: | Worinne zugleich eine Summarische | Abbildung | Wahrer
und Irriger | Logica, auch Pnysica, Methaphysica | und Ethica; | Nebst ge-
wiehrieer Anzeige, | wie leicht-müglich die Apodictische Emen- | dation seye
I Abtntts- Weise | Zu endlichem reiffern Nachdenken Man- | niglich trew-
meinend Yor Augen gesteilet. | Erffurth, In Verlegung des Autoris. 1669.
1895. ComeDius als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen. 233
das Vestibulum und die Janua wohl am vorteilhaftesten in den
Schulen anzuwenden wären. Es sind dies Johann Sebastian
Mitternacht^ Rektor in Gera, und Johann Georg Seybold,
Lehrer am Gymnasium in Schwäbisch-Hall. Bei Mitternacht handelt
es sich imi die 1665 in zweiter Auflage erschienene Schrift „Paedia,
das ist: Un vorgreif fliches und wolgemeintes Bedenken von der Er-
ziehung und Unterweisung der Kinder" i). S. 185—187, 217, 222,
224 — 229 finden wir die betreffenden Stellen.
Folgende kleine Auslese möge zur Kennzeichnung der Stellung
genügen, welche Mitternacht den Comenianischen Schulbüchern gegen-
über einnahm. „Neben dem Donat, so bald der Discipul die Para-
digmata Declinationum & Conjug. etlicher massen gefasset, kan man
das Vestibulum C!omenii brauchen, und die Nomina und Verba nach
dem gelernten paradigmatibus flectiren lassen. Jetzt ist genug,
dass ich Ursach gebe, warum ich das Vestibulum allernechst nach
dem Donat gesetzet. Weil nemlich simplicissimae constructiones,
dergleichen den Kindern anfänglich gegeben werden müssen, darinnen
Vorlauf fen, und die Wörter gutes Theils in ihrer eigentlichen Be-
deutung, dessgleichen die epitheta oder adjectiva, nicht weniger die
verba, so rerum propria bedeuten, zu ihren gehörigen Subjectis ge-
setzet werden. — Im decliniren und conjugiren kan man sich mit
Nutz richten, nach dem, was der Auetor Vestibuli in praefat ad
Lect. numer. IV. & V. de Vestibuli usu erinnert" —
Seybold veröffentlichte 1663 in Schwäbisch-Hall „Kurtze doch
Gründliche Anleitung"«) etc. — S. 155—158, 160-162, 172—180
lesen wir seine praktischen Ratschläge, das Vestibulum und die Janua
mit Nutzen bei Kindern zu verwenden. Er ist noch mehr als Mitter-
nacht von der Vortrefflichkeit der Comenianischen Schulbücher ein-
genommen. Caput XXVni. Pag. 161 „Das Vestibulum Comenii
ist ein fein nutzlich Büchlein, darauss die Tirunculi Latinitatis allerley
Wort, als Verba und Nomina, Adjectiva und Substantiva, dessgleichen
auch allerley andere Partes Orationis, deren man in examinatione
^) Büttner, B«ktor J. S. Mittemacht u. s. Wirksamkeit am Geraer
Gymnasium 1646—67. Gera 1888. 4^ — M. JOH. SEBASTIANI | Mitter-
nachts. I PAEDIA, I Das ist: | Un vorgreif fliches und | wolgemeintes | Be-
dencken, | Von j der Erziehung und Un- | terweisung der Kinder, | Auff die
Privat-Information, die | bey den Eltern im Hause geschieht, | eingerichtet, |
Jetzo auffs neue ausgefertiget, und | mit etlichen absonderlichen Gutachten
I das Informations-Werck betref- | fend vermehret. (Gera 1665.) 8^
^ Praeceptor Methodicus, | sive | METHODUS | INSTITUTIONIS |
PUERILIS I Das ist: Kurtze doch Gründliche | Anleitung, wie man einen
Kna- I ben, neben guter Zucht und wahrer Got- | tesforcht, vom Alphabet
an, durch die Lectio- | nes Classicas ordenlich führen soll, dass er zu | dem
Grund der Lateinischen Sprach, und an- | derer darzu nothwendig-gehörigen
Stück I schleunigst gelangen möge; | So wol den Docentibus als Discentibus
Lzu lesen nutzlich; | Beniercket und beschriben: | von Johann Georg Sey-
)lden, I Gymnasii Halensis Coli. | Schwäbischen Hall | In Verlegung Johan.
Christoph Gjäters | gedruckt bei Hans Beinhard Laidigen, 1663.
234 Aron, Heft 7 u. 8.
formularum nicht wol entrathen kann, die sie zur Practicirung der
Grammatic, und auch in kurtzen formulis loquendi zu gebrauchen,
ßollen angewehnt werden. Dieses Büchlein muss aber von Anfang
biss zu End ausswendig gelernt werden, und damit solches desto
füglicher geschehen möge, können sie das Teutsche absonderlich in
ein Büchlein, darzu gebunden, abschreiben, und dasselbe im recitiren
vorlesen, und dann drauf das Lateinische hersagen. — Caput XXIX.
8. 172 „Wann das Vestibulum tractirt und absolvirt worden, so kan
man nachgehends die Januam selbsten mit besserm und grösscrm
Nutzen mit der Jugend vornemen. Wiewol aber diese der Jugend
umb etwas zu schwer von etlichen möchte gehalten werden, fst sie
doch umb folgender Ursachen willen hoch zu commendiren. 1. Weil
es kein gross weitlaufftig Werck, welches in einer Particular-Schul
nicht könte absolvirt, und nach nothdurft repetirt werden. 2. Weil
es einen doppelten Indicem, darauss die Jungen die Wort, so ihnen
entfallen, können aufsuchen, welche doch noch weit nutzlicher wären,
wann beede Sprachen in den Indicibus wären zusammen gefast
worden. 3. Weil die res cognatac in einer feiner Ordnung und Ver-
stand in gewissen Capitibus beysammen. 4. Hat man auch darauss
materiam, Etymologiam, & Syntaxin examinandi,,wie auch praxin
totius Grammaticae exercendae. 5. Finden sich darinnen feine for-
mulae und idioüsmi Latinitatis, welche man in solutis & separatis
phrasibus nit haben kan. 6. Gibt es den grossem eine feine Manu-
duction, so wol zu Practicirung der Participiorum, als zu Ergreiffung
allerhand Disciplinen und Künsten." —
In seinem „Compendium Grammaticae, Nürnberg IG 98" — er-
fahren wir von Seybold über die Janua und das Vestibulum noch
folgendes: „Die Herrn Scholarchen haben nach reif f er Erwägung,
Januam Latinitatis Johann Amosii Comenii hinfort in unserer Schul
zu tractiren envehlt, weil es in einer feinen verständlichen Cohaerentz
die vornehmste Wort der gantzen Sprach in 100 Capitibus und 1000
Paragraphis begreifft, so nun auch der Jugend zum besten in kürtzere
Paragraphos oder Commata resolvirt sind. Darbey ist auch ein
Vestibulum, so für die untere Classes zu gebrauchen nützlich."
Der Verfasser von „Kurtzcr und Leichter Kinder-Donat, Magde-
burg & Heimst. 1G72" schlägt in seiner Vorrede für die ersten
Übungen im lateinischen Sprachunterricht gleichfalls die Benutzung
des Vestibulums vor.
„Dabey solte das Vestibulum, als welches zum Anfange sehr
bequemlich, werden Tractiret, und der Knabe angeführet, etwas aus
demselben, dass er fein deutlich hergelesen zu exponieren, resolviren
und construiren. — — Wann ein fleissiger Praeceptor das Vestibu-
lum zu ein oder mehr mahlen wird durch tractiret haben, ist kein
Zweiffei, es werde der Discipul, wann er embsig gewesen, durch
Hülffe GOttes so weit gekommen sein, dass er das Lateinsche fein
wird verstehen, und nach den gemeinen Grund-Regulcn zu gebrauchen
wissen." —
1895. Comenius als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgcnoesen. 235
„Wohlgemeyntes, zumahlen wohl überlegt- und Gründliches Be-
denken", Augsburg 1693^). — 17. Abschnitt: ,,Man hat lang, hin
und wieder, in grimmigem Eyfer wider dess guten Comenii Januam
geschmähet, und zwai* gewisser Ursachen halben nicht unbillich : aber
die neueren Teutsch- Lateiner, mit ihren Officinis, und dergleichen
Saalbadereyen, machen den Comenium gantz wieder redlich. Dieses
seine Janua ist so gross nicht, und setzt zum scopo die Auetores
probatos: Aber biss ein ehrlicher Gesell, mit jenem Schneider- Weber-
Schuster- Keller- und Küchen -Latein, durch alle Werckstätte sich
hindurch beisset, müssen gute Scribenten gar zu lang, ja öffters
gäntzlich zurück bleiben." —
Über den Orbis pictus urteilt Martin Difenbach, evange-
lischer Prediger in Frankfurt a. M., in seinem Buche „Unterricht von
den Pflichten Christlicher Schullehrer", Frankfurt a. M. 1691 «) —
Pag. 446 „Auff Comenii Orbem Pictum weiss ich wol, dass viele
wenig halten, sonderlich nachdem Herr Böcler, Mechovius, Beccherus
und andere etwas harte Urtheil darüber gefällt haben, aber ich weiss
auch, dass andere viel darauf f halten, und gern erkennen, ob wol
nicht alles Latein gantz rein darinnen sey (das den Knaben in den
untern Classen so nicht eben schaden kan. Und welch Buch wird
ihnen ausser den alten Scribenten recommendirt werden, das aller-
dings pur Latein in sich halte?) so könne es doch mit gutem Nutzen
von der Jugend gebraucht werden, sonderlich wegen der darin be-
findlichen Bilder."
Ein Anonymus empfiehlt 1691 in seinem Buche „Nöthiger und
wolgemeinter Unterricht zur Information ^) — Braunschweig" ebenfalls
*) Wohlgemeyntes, zumahlen wohl | überlegt- und | Gründliches Be-
denken, I Von verschiedenen, theÜB offenbahren, | theils nicht allerdings
bekandten Missbräucheu , so | geraume Zeit hero in die Schulen eingerissen,
und überhand | genommen : aucii wie die Sach eigentlicher und mit ocsserer
Manier möchte eingerich-tet werden. | Zu mehrerem Nachdenken, kurtz und
I einfältig cntworffen von einem, der schon lang, | und nun je länger je
mehr sich, Ampts- und Gcwis- | sens halber, umb den Schaden Josephs |
bekümmert. | Augspurg | In Verlag Lorenz Kronigers, und Gottlieb Göbels
sei. Erben, | Druckts Anthon Nepperschmid. | Im Jahr 1693. cfr. auch
Sammlung selten gewordener pädagog. Schriften des 16. u. 17. Jahrh.
Hcrausge^. v. A. Israel. Heft 8.
*} Gründlicher und Wolgemeynter | Unterricht | Von den | Pflichten |
Christlicher Schul- | Lehrer, die an Gymnasiis | stehen. | Worinnen zugleich
nächst ei- | nigen Vorschlägen von Verbesse- | rung der Lateinischen Schulen,
verschiedene | einflicssende Theologische materien wider die | Quäcker und
andere Irrgläubige | abgehandelt werden. | Mit Hoch-Ehrw. Theologi- l.schen
Facultät zu Giessen Approbation | heraussgegeben | Von | Martin Difenbach,
I Evangelischen Prediger in Franckfurt | am Mayn. | Franckfurt am Main, |
Verlegts Job. David Zunner, | Druckts Martin Jacquet, 1691.
•^) Nöthiger und wohlgemein- | ter Unterricht | Zur | INFORMATION
I Der zarten und anwachsenden | Jugend von den ersten Jahren an biss |
ms sechste, vom sechsten biss zum zwölff- | ten, vom zwölfften biss zum
I zwantzigsten. | Zu dieser letzten Zeit, bey je mehr und | mehr einreissenden
grossen | Ignorantz, j Zum gemeinen und besondern | Nutzen kürtzlich und
236 Aron, Heft 7 u. 8.
den Orbis pictus. Nachdem er dem „andern Alter vom sechsten bis
ins zwölfte Jahr" für die Aneignung der Anfangsgründe in der
lateinischen Sprache ein kleines Yokabelbuch (nämlich das Vesti-
bulum) vorgeschrieben, sagt er Seite 19: ,,Hierauff müssen nun die
Lateinischen Autores selbst angegriffen werden, und kan man den
Anfang machen etwan von der Historia Eutropii, oder vom Terentio,
oder von den kleinen Epistolis Ciceronis (wobey zur Lust des Comenii
Orbis pictus um der Vocabulen willen mag fleissig gelesen werden),
denn die Autores selbst machen die beste Lust, auss dem Brunnen
trincket sichs am allerfrischesten."
Dass Leibniz unsem Pädagogen schätzte, ist bereits ander-
weitig bekannt gegeben^). 1668 erschien von ihm in Frankfurt a. M.
„Nova methodus discendi docendique iuris"; hierin wird der Orbis
pictus den Knaben nach ihrem sechsten Jahre zur Erlangung einer
Kenntnis der Pflanzen, Bäume, der Minerale, Tiere und mechanischen
Instrumente etc. als dienlich empfohlen.
Schliesslich interessiert vielleicht noch die Mitteilung, dass
Erhard Weigel in seiner berühmten, auf die Aretologistik gegrün-
deten Tugendschule in Jena in den sogenannten Schwebeklassen die
Sprüche des Vestibulums singen liess, um sie dem Gedächtnisse desto
sicherer einzuprägen. In seiner Schrift „Die bereiteste Execution des
Allerleichtesten Vorschlags, Jena 1685" 2) — teilt er uns folgendes
mit; „Unterdessen habe ich noch den Ton die Sprüche Vestibuli
zu memoriren hier anfügen, und das übrige dem Willkühr eines ieden
der die Kinder liebet heimgestellt seyn lassen wollen.
P
i P" T Y I T T .1 1 1 J |
Sal'Ve-te pu - e-ri, seit gegrüst ihr Knaben,
Nachdem wir die dem C!omenius freundlieh gesinnten Zeitge-
nossen vernommen, müssen wir auch seine Gegner auf pädagogischem
Gebiete kennen lernen.
Die hervorragendsten sind Becher, Böcler, Mechovius,
Scheffer, Christian Weise, und am Ende des Jahrhunderts noch
Bayle und Morhof.
insffemein, | doch deutlich und or- | dentlich { Auf Begehren gestellet | Vom
VCnristlichen Liebhaber Einer | Lobwürdigen Zucht. | Braunschweig, | In
erlegung Caspar Grubers, Buchh. | 1691.
^) Hülsen, Leibniz als Pädagoge und seine Ansichten über Pädagogik.
Charlöttenburg 1874. 4*^.
*) E. Spie 88, Erhard Weigel, der Ijchrer von Leibnitz und Pufendorf.
Leipzig 1881. — A. Israel, Die pädagodschen Bestrebungen Erhard Weigels.
Zschopau 1884. — Die bereiteste | ßCECVTION | Des | Allerleichtesten
Vorschlags, | Wie | Nach der Art der alten Weisen, | Der Grund aller Kunst
und Tugenden, nechst dem Latein, | auch den kleinen Kindern, mit Freuden
einzuflössen. | Unmassgeblich entworffen | von | ERHARDO WEIGELIO, |
Mathem. Prof. P. | JENA, I In Verlegung Johann Bielkens Buchhändlers.
I Gredruckt mit Nisischen Scnriften. 1685. 4^
1895. Comenius als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen. 237
Das in den Comenianischen Schulbüchern auftretende Latein
ist es vornehmlich, was keine Gnade bei ihnen finden konnte. Die
menschlichen Dinge waren mit dem Aufhören der lateinischen als
einer lebenden Sprache in fortlaufender Entwickelung begriffen und
fanden in dem Latein der Klassiker keine entsprechenden Benen-
nungen. Comenius konstruierte sich deshalb, um für jedes Ding den
rechten Namen zu haben, ein eigenes Latein. Gegen diese soge-
nannten Barbarismen erhoben die Philologen ihre Angriffe und warn-
ten vor dem Gebrauch der Schulbücher von Comenius. Andern
Gegnern erschienen sie wieder in der Schule gefährlich, weil in ihnen
ein Abfall von dem Princip der Anschaulichkeit, eine verkehrte An-
wendung des Bildes (besonders im Orbis pictus) enthalten sei. Wir
wissen, dass Comenius ein ausgesprochener Empiriker nicht bloss in
der Theorie, sondern auch in der Praxis war. In seiner Didactica
magna dringt er darauf, alles den Sinnen darzubieten, was nur immer
angeht; das Sichtbare dem Gresicht, das Hörbare dem Gehöre, die
Gerüche dem Geruchssinn u. s. w.; überhaupt muss man alles durch
den Augenschein und den sinnlichen Beweis lehren. In der Vorrede
zum Orbis pictus sagt er: „Es sollen den Knaben die benennten
Sachen nicht allein in der Figur, sondern auch an ihnen selber ge-
zeiget werden, als nämlich die Leibesglieder, die Kleider, Bücher,
Hausgeräte. — Wenn etliche Sachen, deren hierin Meldung geschieht,
nicht können vor Augen gestellt werden, wäre es den Lehrknaben
gar fürträglich, wenn man ihnen dieselben seiblich vorzeigte; z. B.
die Farben, die Geschmacke u. dgl., welche hier mit der Drucker-
farbe nicht haben können ausgebildet werden. Es wäre deswegen
wohl zu wünschen, dass in einer jeden vornehmen Schul die seltenen,
zu Haus nicht gemeinen Sachen beigelegt würden, damit man, so oft
man mit den Lehrknaben davon handelt, dieselben vorweisen könnte."
Comenius will durch das Bild das Ding an sich mit Weglassung
alles Nebensächlichen und Zerstreuenden zeigen. Das Kind soll
gewöhnt werden, durch Vergleichung mit den entsprechenden wirk-
lichen Gegenständen das Wesentliche des Dinges an sich durch das
Bild zu erfassen. Durch die Janua hatten die Kinder die Dinge
äusserlich von einander unterschieden; nun sollten sie auch angeleitet
werden, darauf zu achten, was jede Sache ihrem Wesen nach ist.
Comenius wollte diese Idee noch weiter ausbauen und zu dem Zwecke
eine Vorratskammer der gesamten Weisheit — eine Pansophie —
schreiben, wozu er aber nicht gekommen ist. Jedenfalls ist er in
seiner Zeit mit Unrecht wegen seiner sogen, falschen Anwendung des
Bildes angegriffen worden.
Den unruhigsten Gegner erhielt Comenius an Joh. Joach. Becher
von Speyer, welcher als Autodidakt sich auf alles legte, alles Wissen
verbessern und die Welt durch seine Ideen umändern wollte, der
aber griesgrämlich wurde, als sie nicht den gewünschten Erfolg hatten.
In seinem Buche „Methodus didactica — und dem Appendix dazu
238 Aron, Heft 7 u. 8.
— Frankfurt a. M. 1674"*) — finden wir ihn fortlaufend in der
GegenHtellung zu Comenius. Einige Auslassungen von ihm mögen
dies bezeugen. S. 77: „Ich weiss wol, dass Docemius, Redinger,
Colbovius, und mein vormals gewester indignus Rector, Weinheimer,
auch andere Comeniänium Janitores dise meine Censur über einen
Mann, den sie so sehr gelobt, ungern hören werden, sed amicus
Plato, amicus Seneca, magis aniica veritas. — Was in beyden Sprachen
(Lateinisch und Deutsch) von mir gethan ist, mehrer als Conunenius
in Latein, und Schottelius in Teutsch, das wird die Combination
weisen, wann man es wird gegen einander einmal halten können,
sage nochmal, ich wünsche von Herzen, beyde Schottel und Com-
menius hätten mehr gethan, so wäre ich vieler Mühe überhoben,
zumalen in den Teutschen Radicibus, doch hat Commenius respectu
suae professionis hundertmal mehr, als Schottel und die gantze
Teutsche Fruchtbringende Gesellschaft in der ihrigen gethan, es ist
doch alles gute Beginnen zu loben. — Commenius hat bey dem
Herrn von Geer mehr Beförderung gehabt, als mancher König nun-
mehro einem gibet, derentwegen besagter von Geer sich auch dar-
durch einen unsterblichen Namen gemacht, solch Glück darff ich
nicht hoffen, als der es etwan nit meritire, noch disen Leuten in
der Erudition gleich gehe, aber nachdeme die Gaben unterschiedlich,
so hab ich das meinige und doch dises gethan, was keiner in hoc
genere von vorigen gethan, also vermeinet, ich hätte so viel verdienet,
dass ich etwan ein Trüncklein Wein thun, und also die grosse Mo-
lestien, so ich in diesen studiis gehabt, durch ein vinum Theologicum
verdauen könte, so aber gönnet man mir nicht einmal das Wasser
so ich trincke. — Commenius hat seinen orbcm pictum lassen aus-
gehen, hat Kinder damit informiret, welche ihre eigne Mutter-Sprach
noch nicht recht können. Aber je mehr man die Memori in die
Enge, und von der Sachen selbst auff die gemählde, oder Bilder,
von disen aber auff die Wörter bringen will was thut man änderst,
als was M. Buno mit seiner Bilder Grammatic gethan, nemblich man
multiplicirt die Entia, und führet die Jugend von lebendigen auf
todte Dinge, von dem Original auff die Copey, und bringet durch
dise Kupfferstück und Bildnussen ein drittes neues unnöhtiges Ens
in die Memori der Kinder, das ist an stat des Liechts einen Schatten,
1) Joannis Joachimi Becheri I SpireDsis, | METHODVS 1 DIDACTICA
I Seil I CLAVIS ET PRAXIS i Super novum suum | ORGANON | PHILO-
LOGICVM, I Das ist: | Gründlicher Beweis, dass die ! Weg und Mittel,
welche die Schulen biss- j hero ins gemein gebraucht, die Jiieend zu Erler-
I nung der Sprachen, insonderheit der Lateinischen, zu fün- | ren, nicht
gewiss, noch sicher seyen, sondern den Regalen | und Natur der rechten
Lehr, und Lcrn-Kunst schnurstracks | entgegen lauffen, derentwegen nicht
allein langweilig son- | dern auch gemeiniglich unfiiichtbar, und vergeh- | lieh
ablauffen: | Samt Anleitung zu einem besseren. [ Zweyte Edition. | Franck-
furt, in Verlag Johann David Zunners, | Druckts Balthasar Christoph Wust,
1074. 8°.
1895. Comenios als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen. 239
wordurch nur die Einbildung vermehrt, und geschwächet wird, ich
hab durch dergleichen Possen meine Memori zimlich verdorben. —
Man soll dahin sehen, dass man die Jugend auss dem Fundament
lehre, worzu nit allein das Latein lernen auss den Lexicis, sondern
auch auss den Nomenclaturn nicht führen noch bringen wird, und
was ich bisshero von den Nomenclaturn geredet, das sage ich auch
von der Janua Commenü, welche nichts anders ist, als ein zusammen
construirtes Werck aller Wörter unter jedem Titel in einer Nomen-
clatur — , zumalen, da so absonderlich Latein nicht darinnen ist,
welches den guten alten Exempeln bewährter Autorum in dem Syntax
vorgehen solte, ist also mit der Janua nichts weiteres gethan, und
der Jugend geholffen, als mit den gemeinen Nomenclaturen auch,
ohne dass etwan Commenius in der letzten Edition mehr Wörter hat,
als andere, hingegen mehr Weitläuffigkeit und Mühe die Wörter
unter den Titeln zu finden, ich will nur eines von seinen Operibus
nehmen, die er vor die Kinder gemacht, und also gar einfältig seyn
solt, nemlich seinen Orbem pictum sensualium, unter was vor einem
Titel meinet der günstige Leser, wolte er am nechsten und füglichsten
das Wort Zangen suchen, in der Schmidt, oder in der Kuch? Ck)m-
menius setzet sie unter die Malefitz-Straffen, da man die Ubelthäter
zwicket, als ob die Zangen proprius hieher, als in die Schmidte ge-.
hörten, oder nirgends könten gebraucht werden, als die Ubelthäter
mit zu zwicken, dergleichen Dinge hat er viel hundert, dass er also,
weder in Partirung der Titeln, noch näherem Vortheil der Erlernung
der Wörter was anders gethan, als alle Nomenclaturn auch gethan.
— Ich habe selber in meiner Jugend seine Januam dreymal auss-
wendig gelernt, aber in der Application nie sehen können, was ich
vor Vortheil darinnen hätte, vor einer jeder andern Nomenclatur."
Joh. Heinrich Boeder bemühte sich auf den ersten 40 Seiten
seines Buches „Kurtze Anweisung, Wie man die Authores Classicos
bey und mit der Jugend tractiren soll" — Strassburg 1679 — nach-
zuweisen, dass Comenius ein barbarisches Latein geschrieben habe.
Es würde zu weit führen, aus dem Buche auch nur einige philo-
logische Auseinandersetzungen abzudrucken, da dieselben doch gar
zu lang ausgesponnen sind. Ich teile deshalb bloss sein Gesamt-
urteil mit. „Wie dan eben dem Hr. Comenio die transpositio seines
eigenen gemachten Textes nicht zum besten gerathen. — Massen
dan die janua und Atrium Comenii mit barbarismis und soloecismis
angefüllet sindt, auch die löbliche und kunstgemesse Art eines
lateinischen contextes nicht halten."
Joh. Scheffer, „De generosi nobilisque informatione literaria
dissertatio" — Holmiae 1678 — Pag. 14: „Commendant aliqui
Vestibulum & Januam Comenii. Verum sunt non pauca, quae in
eis opusculis desideres, alibi ä nie iudicata satis copiose. Itaque misi
plurimum fuerint emendata, non possunt, non damnosa esse Latini-
tatem incorruptam cupientibus acquirere."
240 Aron, Heft 7 u. 8.
Das absprechende Urteil des Zittauer Rektors Christian Weise
über den Orbis pictus übei^ehe ich, da es bereits anderweitig mit-
geteilt worden ist.*)
Mechovius schreibt in seiner Hermathene: „Affricuit Johannes
Comenius foedam scabitudinem optimis literis per inficetam Januam
suam, tanquam Pseudo tyro quodam in omnes Europaeos intromissam.
— Pag. 593: Comenius, inquam, non vulgaria Tropica nobis in-
stituit, cum Januam suanl sacram & horribilem portam in via Latina,
nescio quo fato, in vita tamen Minerva, discentibus exstruxit, qua
hodie magna pars Europae ad barbariem & inscitiam delabitur.''
Christian Fritsch, Antwort -Schreiben an einen guten Freund,
Auff die Frage etc., Leipzig 1691.*) — Pag. 6 und 7: „Man ver-
suche meinen Vorschlag mit denen Vocabulis, so der gelehrte Cel-
larius aus Fürstl. Befehl gedachter teutscher Grammatic in libro
memoriali Latinitatis probatae & exercitae fürgesetzet, und dann mit
der reinen und guten Phraseologia nebst denen andern Lectionibus
auff gedachte Weise, ich versichere ihm, er wird mehr ausrichten
als mit der Janua Comenii, darzu ich kein Hertz habe, ob schon
andere noch so viel drauff halten.*'
J. Abraham ä Gehema, Entwurf f Einer Veruunfftmässigen
Kinder-Zucht, Frankfurt u. Leipzig 1691^) — Pag. 46 — 48: „Man
machet heutiges Tages bey den Schülern den Anfang mit auswendigen
erlernung der Vocabulen (denn wir nennen einen Schüler, welcher
schon im Lesen fertig ist) zu solchem Ende müssen sie gemeiniglich
zu Anfanges das bekante Schulbuch, genannt Orbis pictus oder die
gemahlte Welt des embsigen Amsterdam sehen Schullehrers Johannis
Arnos Comenii auswendig lernen, als worin alle Geschöpfe, Menschen
und Thiere, und was in der gantzen Welt vorhanden und bekant
ist, wie auch alle Künste und Handthierungen, auf kleinen in Holtz
oder Kupfer geschnitten Figuren abgebildet, und dabey die Kunst-
wörter und Nahmen, wie ein jedes in Lateinischer und Deutscher
Sprachen genennet wird, angefüget sind, damit die Knaben alsobald
dasjenige in seiner Gestillt und Wesen abgebildet sehen mögen, was
sie nennen sollen. Diese Methode ist nicht wohl zu billigen, denn
erstlich, so sind die Figuren dermassen klein, dass man wohl ein
Microscopium nötig hette, selbige zu erkennen, wie solte sich dann
*) R. Hiller, Die LÄtein-Methode des J. A. Comenius. 2i8chopau 1883.
*) Christian Fritschene | Antworts-Schreiben, | an einen guten Freund,
I Auff die Frage: | Wie, und auff was Weise die Infonna- | tion bey der
kleinen Jugend wol und glück- | lieh anzustellen, | Und | Wie absonderlich
die Lateinische Sprache, da- | mit man insgemein so viel Zeit zubringen
müsse, I derselben zeitlicher und besser als sonst geschiehet, | beyzubringen?
I LEIPZIG, I Bey Johann Heinichen, Buchh. 1691. 4^
') Entwurff | Einer | Vcmunfftmässigen | Kinder- | Zucht, | Beydes in
Sitten und in | Wissenschaften, | vorges teilet | von | JANO ABRAHAMO |
k GEHEMA, | Eq. Med. Doct. | Franckfurt und Leipzig, | In Verlegung
Jeremias Schreyen, und | Joh. Heinrich Meyers sei. Erben, | Anno 1691.
Kl. 8°.
1895. Comenius als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen. 241
ein Knabe dasjenige was sie abbilden, imprimiren können? Fürs
andere, wann sie gleich alles darin kennen und begreiffen, so stellet
man ihnen dennoch dadurch die Wahrheiten, eigentliche Grösse, und
Beschaffenheit der Sachen nicht für, wie sie an sich selbsten sind,
sondern meistentheils Falschheiten ; und bin ich versichert, dass wann
ihnen dieses oder jenes in seinem Wesen solte verzeiget werden, sie
es gantz anders befinden würden, als sie davon vorhin eine Ideam
gefasset: Damit sie nun diesen Betrug der fürgebildeten Dingen
entgehen mögen, so were das beste Mittel, dass man den Knaben
alles in seinem Wesen zeigetc, und nachdem man ihnen dieses oder
jenes mit seinem gewöhnlichen Nahmen fürgesaget, sie solches nach-
sagen liesse, auf solche Weise würden sie alle Dinge mit geringer
Mühe, gleichsam spielend, und ohne Bücher nennen können. Solcher
Gestalt kan man ihnen erstlich alles was ein Hauswesen ist, und
man täglich im Gebrauch hat zeigen und vorbenennen, hernacher
mit ihnen hinaus aufs Feld spatziren, und was zum Ackerbau ge-
hörig, sambt den zahmen und wilden Thieren, Gewächsen der
Erden etc. vorweisen und benennen, endlich sie zu allen Künstlern
und Handwercken führen, und derselben Werckzeug vor Augen
stellen, so lernen sie zugleich alle Dinge kennen imd nennen. Was
ihnen cörperlich nicht kan gezeiget werden, entweder weil es Spirituali
und Geistlich ist, als Gott, die Engel, die Seele etc.: item frembde
Thiere, Gewächse und alles was nur bey andern Nationen, und in
weit- abgelegenen Ländern zu finden ist, solches muss ihnen, so gut
man kan, bedeuten, damit sie so viel immer möglich ist, davon die
rechte Ideam concipiren; jedoch könte dieses letztere durch Bilder
und Figuren vorgezeiget und gewiesen werden."
In dem verdienstlichen Schriftchen Walter Müllers „Comenius:
Ein Systematiker in der Pädagogik" Dresden 1887 — möge man
Bayle's und Morhofs Urteile über Comenius nachlesen; wie Job.
Balth. Schuppe über ihn dachte, findet man bei CHirt Henschel, Job.
Balth. Schupp, Döbeln 187C.
Durch vorstehende Sammlung von Urteilen über den Pädagogen
Comenius glaube ich den Nachweis geführt zu haben, dass er in
seinem Jahrhundert bei der Schulwelt doch mehr Beachtung fand,
als man bisher anzunehmen gewohnt war. Für einen zweiten Artikel
„Der Pädagoge Comenius in der Beurteilung des 18. Jahrb." ist es
mir ebenfalls gelungen, ein umfangreiches Material zusammenzutragen.
Das älteste pansophische Werk des Comenius.
Von
Dr. Joh. V. Noväk in Prag
(Kgl. Weinberge).
Im Briefe an den Buchdrucker Petras Montanus, worin be-
kanntlich eine Aufzähhing der Schriften des Comenins enthalten ist,
finden wir an zweiter Stelle ein „opns principale'' erwähnt, durch
welches der Verfasser seine Muttersprache emporheben und zugleich
seinen Landsleuten die Möglichkeit verschaffen wollte, daraus In-
formation über alle möglichen Sachen in der Welt zu schöpfen. Er
nennt das Werk „Amphitheatrum universitatis rerum" und sagt,
dass es in 28 Bücher eingeteilt gewesen, wovon das IL Buch,
125 Kapitel enthaltend, durch die Katastrophe in Lissa zu Grunde
gegangen sei. Die letzte Korrektur und Herausgabe des Werkes
sei durch Verbannung des Verfassers verhindert worden.
Sonst war bis zur letzten Zeit von diesem Werke nichts mehr
bekannt. Erst durch den neuen Fund in Ungarn, welcher jetzt fUr
das böhmische Museum gewonnen ist, kam auch eine Handschrift zum
Vorschein mit dem Titel:
Theatrum Unlrersltatls Bemm,
To gest Diwadlo Swßta a wssechnßch wssudy pf«diwn;fch w6c^
geho, kterei na Nebi, na Zemi, pod Zemj, v Woddeh, w Pow^tfj a
kdekoli w Sw6t^ gsau aneb 8e dSgj a djti budau od Poöätku Swöta
a2 do ekonänj geho a ai näwöky wßküw. — Podte, wizte skutky
Hospodinowy. 2abn 46, 8, d. h. Theatrum universitatis rerum,
das ist das Theater der Welt und ihrer sämtlichen überaus wunder-
baren Dinge, welche im Himmel, auf Erden, unter der Erde, in den
Gewässern, in der Luft und wo immer auf der Welt sich befinden
oder geschehen und geschehen werden vom Anfang der Welt bis zu
ihrem Untergange und von Ewigkeit zu Ewigkeit. — Kommet, sehet
die Werke des Herrn. Ps. 46, 9.
Die Handschrift rührt gewiss von Comenius her, obzwar nur
einige Korrekturen und Randglossen auf seine eigene genug bekannte
Handschrift verweisen und unter der Widmung nur die drei Buch-
staben JAN sichtbar sind, wovon der dritte durchstrichen und
1895. ^^ älteste pansopIliBche Werk des Comenius. 243
daraaf von einer späteren Hand (des Verfassers?) geschrieben stebt:
,iComenias in Moravia natns**. Nach der Tendenz und der Zeit
der Verfassung dieser Schrift kann man auch darin das bis jetzt
vennisste Werk, von dem wir oben Erwähnung gethan, erkennen,
wovon freilich nur ein ganz kleiner Teil übrig geblieben ist, wie
man aus der Disposition und aus dem ganzen Projekt erkennen kann.
Gewidmet ist das Werk (S. 3) dem „ Aller durchlauchtigsten,
allmächtigsten und unüberwindlichsten Fürsten und Herrn, Herrn Jesu
Christo'', und der Verfasser wendet sich in dieser Widmung an
Christus und sagt, es sei zwar allen Menschen bekannt, dass er in
seiner Allmacht und Vollkommenheit nie etwas entbehrt habe, und
doch habe er die Schöpfung unternommen, auf dass sie seinen Kuhm
erzähle den Menschen, die Gott endlich auch geschaffen habe, und
über ihnen noch edlere Geschöpfe, die Engel. Diese erhielten sich
in Gnaden aufrecht, die Menschen dagegen wandten sich von Gott
ab, und die Schöpfung preist nun auf der Welt allein Gott für die
Menschen. Doch trachten auch manche von den Menschen, dass der
Ruhm Gottes auf Erden sich mehre, und der Verfasser dankt da
Gott dafUr, dass er auch einer von denselben sei. Um aber selbst
in sich zu mehren, was von Gott in ihm angefangen wurde, will er
mit dieser Schrift das Theater seiner Werke vorbereiten für sich und
diejenigen, welche seine Thaten zu schauen begierig sind. Zu diesem
seinem Unternehmen fleht er Jesum zu Ende seiner Widmung (S. 6)
um Hilfe an.
Es folgt eine ausführliche Vorrede (S. 7 — 30) über das wahre
menschliche Wissen und Erleuchtung, worin sie bestehe und wie man
zu ihr gelange; auch sind zu Ende die Gründe des Unternehmens
zusammengestellt. — Viele Menschen, meint zu Anfang dieser Vor-
rede der Verfasser, sprechen viel von Weisheit, aber selbst sind sie
wenig von ihr erfüllt und trachten auch in gehörigem Masse nicht
nacli ihr: 1. Weil nur wenige von ihnen wissen, worin sie eigentlich
bestehe, 2. weil sie ihren Nutzen nicht kennen, 3. weil ihnen auch
die Wege und Hilfsmittel zu ihr unbekannt sind. Darum will der
Verfasser von diesen drei Umständen ausführlich sprechen.
Ad. 1. Worin die Weisheit bestehe, erfahren wir von Männern,
welche sie kannten, so von Aristoteles und Cicero, unter den unsrigen
von David, Salomon und Jesus Sirach.
Ad. 2. Der Nutzen der Weisheit ist vielseitig: 1. Sie bringt
ein fröhliches Leben mit sich, 2. verschafft Vorsicht in allen Hand-
lungen, 3. macht den Menschen zu einem brauchbaren und geschätzten
Mitglied der Kirche und der Welt, 4. bringt Ruhm und Ehre vor
den Menschen (fehlt S. 13 — 14), 5. macht die Menschen zu Gottes
Freunden.
Ad. 3. Die Weisheit erlangen wir aus der Welt und aus der
hl. Schrift. Auch die Kenntnis der Welt gehört zur Weisheit, ob-
zwar die Vollkommenheit unserer Weisheit aus der Offenbarung und
244 Nov&k, Heft 7 u. 8.
anB der bl. Schrift uns zukommt, und man soll sich die Bekannt-
schaft mit den weltlichen Dingen aus folgenden Gründen verschaffen:
1. Tn der hl. Schrift wird ebenfalls die Erkenntnis der menschlichen
Dinge und der Welt anempfohlen. Auch hat Gott die Welt nicht
auf einmal, plötzlich, sondern nach und nach erschaffen, auf dass wir
auf ähnliche Weise zu deren Kenntnis gelangen; in der Schöpfung
ist uns gleichsam die Methode dieses Studiums angezeigt. 2. Auch
bringt eine solche Erkenntnis grossen Nutzen mit sich, indem sie
a) zur Erkenntnis Gottes führt, wie auch überhaupt alle Sachen zum
Vorteile der Menschen geschaffen sind. In allen Sachen erkennt
man die Allmacht, Weisheit und Güte Gottes, es erzählt davon der
Himmel, die Erde^ das Meer, die menschlichen Thaten; b) sie fHhrt
den Menschen dazu, vor der Allmacht Gottes sich zu beugen; c) sie
ist auch für das Verständnis der hl. Schrift fast unumgänglich nötig,
d) Die Vorteile und das Entzücken, welche mit der Kenntnis der
Welt verbunden sind, müssen notwendig zur Liebe Gottes führen, da
diese Erkenntnis den Menschen Gott näher bringt und die Sterblichen
gleichsam dem Unsterblichen ähnlich macht, e) Auch die Pflicht
zwingt uns zum Suchen des Wissens, da Gott den Menschen zum
Verwalter der Welt gemacht hat. f) Endlich das Streben berühmter
und heiliger Männer (wir lesen da Moses, Daniel, Job, Salomon, den
hl. Apostel Paulus, Anton den Einsiedler, den hl. Bemard, Aristoteles,
Pythagoras, die Römer) zieht uns als leuchtendes Beispiel nach sich.
— Der Verfasser will also zuerst die Welt und ihre Dinge in der
natürlichen Ordnung auseinandersetzen, dann ein Theater der gött-
lichen Geheimnisse in der hl. Schrift (Theatrum scripturae) zu-
sammenstellen. Diese andere Arbeit passt zwar zu seinem geistlichen
Stande mehr, als die gegenwärtige, aber doch will er zuerst die
Welt untersuchen, weil auch diese gegenwärtige Arbeit eine Stufe
ist zur göttlichen Weisheit, und weil er das Material dazu grössten-
teils schon gesammelt hatte, bevor er zum Priesteramt berufen wurde.
Er that es in der Art, dass er bei dem Studium der artes liberales
alles sich notierte und diese wichtigen Noten dann in eine gewisse
Ordnung brachte. Das Material wuchs ihm in einigen Jahren so an,
dass er über die ganze Welt und sämtliche Dinge in ihr etwas zu-
sammenzustellen beschloas. Er wollte das in seiner Muttersprache
(böhmisch) schreiben, nicht wohl darum,- weil er sich dazu für be-
sonders geeignet hielte oder zum Bücherschreiben sehr eilig wäre,
denn er weids, wie gefährlich es sei, vor. allen Menschen ans Licht
zu treten und sich zu einem solchen allgemeinen Examen herzugeben,
wo ein jeder sein Urteil, oft ohne Bedenken ausspricht und den
Verfasser schilt, wenn etwas nicht nach seinem Geschmacke ist, ohne
zu wissen, warum das so gesagt wird. Vielmehr bewog ihn zum
Zusammenstellen dieses Werkes die aufrichtige Liebe zum teueren
Vaterlande und der Schmerz über die Nachlässigkeit der Landsleute«
Seine Muttersprache liebt er sehr, darum will er sie vielfach aus-
gebildet und ausgeöchmückt wissen. Er will sich darin zuerst selbst
1895. ^^ älteste pansophiscbe Werk des Comenius. 245
genügend aasbilden und dann aach andern Landslenten dazu ver-
helfen. Und wenn er auch darch diese Arbeit nicht das leistet, was
er gedenkt, so will er wenigstens dadurch den Weg ebnen and zam
weiteren Nachdenken über diese Sache führen, da ihm ja gat bekannt
ist, dass es aach in seinem Volke viele solche Männer gebe, die einen
geratenen and der schönen Sachen begierigen tSinn haben. Manchen
ist freilich darin alles gleichgiltig, andere befolgen das griechische
Sprichwort: Ovqt rig piv^ov ekeyeVj 6 de ra corcr hdvet. Für die
Wissbegierigen hat er das Werk antemommen, am die Vergänglich-
keit aller Dinge der Welt za zeigen, da nar in Gott alles aafhört,
und zar Erkenntnis Gottes za führen, den Menschen aber dadarch
weise and glückselig za machen.
Das ganze Theatram aniversi will er nar karz aasführen
and bald zam Theatram scriptarae eilen. Was er für dieses
Theater gründlich and aasfÜhrlich angesammelt hatte, dabei will er
es verbleiben lassen, was er noch nicht aasgesacht hat, das will er
nicht mehr Sachen, nar die Titel and Namen aller Dinge will er in
einer gewissen Ordnang zasammenstellen, damit ein jeder Gelehrte,
was er sich zar Mehrang and Ergänzung der Weisheit selbst an-
sammelt, aach anter einen bestimmten Titel stellen könnte. Aach
setzt er za allen Sachen die Namen der Autoren, in welchen man
dazu mehr Stoff finden könnte. Übrigens sei es nicht einmal einem
Menschen möglich, alles über alle Sachen zu sagen, die Erweiterung
des Einzelnen können andere unternehmen und durchführen. Für
den Anfang dieser seiner Arbeit erbittet er sich Gottes Hilfe.
Es folgt (S. 30—35) eine lateinische Ansprache „Ad eru-
ditos gentis meae**. Er redet sie an, um einem voreiligen, schroffen
Urteil über seine Arbeit vorzubeugen und zu einem grösseren Fleisse
zum Vorteile des Vaterlandes anzueifem. Niemand habe es bis zu
seiner Zeit unternommen, seine Landsleute in verschiedene Wissens-
zweige einzuführen, und doch vermöge auch seine Muttersprache alles
auszudrücken, wenn sie gehörig gebildet werde. Er habe also, aus
fremden Sprachen entnehmend, auf seine eigene Muttersprache überall
Bücksicht genommen und getrachtet, in ihr alles gut und verständlich
auszudrücken. In seinem Streben wolle er sich gern von einem
andern den Vorzug entreissen lassen, oder er wolle auch seine Arbeit
mit einem andern Gelehrten theilen, aber was er in kurzer Zeit bei
Beschränktheit seiner Mittel zu leisten vermochte, das habe er gethan.
Auch Tadel und Zurechtweisung wolle er nicht verschmähen, wenn
er dieselben verdiene, und er bittet die Gelehrten seines Volkes, ihn
auf mögliche Fehler aufmerksam zu machen. Diese seine Schrift
solle ja auch eigentlich nur eine Delineatio enthalten, worin seine
gelehrten Landsleute das Übrige leisten könnten: Einer könnte aus
Aristoteles, Plinius, Aelianus, Gesner, Franzius ein specielles Werk
Über die Natur der Tiere sammeln, ein anderer eine Schrift über
den Menschen und seine Thaten verfassen, ein dritter die Astronomie
lionaUhefte der ComemuB-Gtosellacbaft. 1895. yj
246 NovÄk, Heft 7 u. 8.
ausfOhrlicher durchnehmen, ein anderer wieder die Optik, die Geo-
metrie, die Geodesie, die Geographie, besonders von Böhmen und
Mühren schreiben^ ein anderer die Ereignisse der Welt zusammen-
stellen. Wegen der Sprache bittet er um Nachsicht, da er sich ge-
zwungen sah, der Sache wegen manches Neue einzuführen. Auch
einige hundert böhmische mit Mühe in vielen Jahren gesammelte
Sprüche habe er hier benützt ; später wolle er sie in einem besonderen
Büchlein herausgeben, aber jetzt habe er sie auch gleich hier auf-
genommen. Es folgt die Unterschrift: „Vestrum observantiss : JAN
(Nivanus?)**.
Das Theatrum universitatis rerum wird vier Teile ent-
halten: 1. Theatrum naturae, die Auseinandersetzung^ was bei
der Schöpfung geschehen und bis jetzt noch fortdauert. 2. Theatrum
vitae humanae, die Erklärung der menschlichen Dinge. 3. Thea-
trum Orbis terra rum, die Beschreibung der Welt. 4. Theatrum
seculorum, eine Geschichte der Jahrhunderte und der Zeiten. Em
jeder von diesen vier Teilen hat wieder vier Bücher inne: I. Teil:
1. Buch: Über die Welt überhaupt. 2. Buch: Über den unteren
Teil der Welt, wo wir wohnen. 3. Buch: Über den oberen sicht-
baren Teil der Welt, das Firmament. 4. Buch: Über die unsicht-
baren Teile der Welt, den Himmel und die Hölle. — H. Teil:
1. Buch: Über das Verderben, die Verwirrung und Verworrenheit
der Menschen an Leib und Seele. 2. Buch: Über die göttlichen
Mittel dagegen. 3. Buch: Über verschiedene wunderbare Dinge,
Vorsätze und Künste, womit sich die Menschen auf der Welt be-
fassen. 4. Buch: Über verschiedene wunderbare Ereignisse, welche
auf der Welt vorkommen können. — HI. Teil: 1. Buch: Geo-
graphia generalis. 2. Buch: Über Europa. 3. Buch: Über Asien.
4. Buch: Über Afrika, Amerika und Magellanien. — IV. Teil:
1. Buch: Die Konjekturen über die Länge der bemessenen Zeit und
die opiniones chronologorum, wie viel Zeit schon von Anfang der
Welt verflossen sei. Die Reihe der Ereignisse in der Welt. 2. Buch :
Die Geschichte der Welt. 3. Buch : Die Geschichte der Kirche von
Anfang bis zur Gegenwart. 4. Buch: Über die künftige Art der
Welt und der Kirche bis zum Schluss der Zeiten, sowie auch wann
und wie das geschehen werde. — Zu Ende dieser Einteilung (S. 38)
findet man den griechischen Spruch : y^^H ßovd^eia i^ov Tiaqa xvqiov
TtoirflavTog tov ovqovov ycal XTpf yijjy. Ä^jirpf»*^
Es folgt die Ordnung der Kapitel des I. Buches (1 — 18),
welche allein von dem ganzen Werke in der Handschrift erhalten sind.
Kap. L Über die Welt überhaupt, wo sie herkam,
wozu sie erschaffen wurde und auf welche Art. Gott hat
die Welt erschaffen und sie in jeder Hinsicht seinem eigenen Wesen
ähnlich gemacht, durch ihn wird die Welt erhalten und dient' zu
seinem Buhme von Ewigkeit zu Ewigkeit.
£[ap. n. Dass die Welt nur eine einzige sei. Zu An-
fang des Kapitels werden die andern folgenden Kapitel aufgezählt,
1895. ^^ älteste pansophische Werk des Ck)meniu8. 247
dann folgt die Beweisführung, dass es nur eine einzige Welt gebe.
Viele heidnischen Philosophen glaubten an mehrere Welten, aber
Aristoteles sagt : Unus primus motor, unum ergo primum mobile. Die
Welt ist in Wirklichkeit des unsichtbaren Gottes sichtbares Bild.
Gott konnte zwar in einem Augenblicke Tausende solcher Welten
erschaffen, aber er fand dazu keinen Anlass.
Kap. in. Dass die Welt von Gott sei. Über den Ursprung
der Welt haben verschiedene weise Menschen verschieden gedacht,
haben sie für ewig gehalten oder durch Zufall entstanden gedacht.
Dagegen spricht das Wort Gottes: 1. Auch ftlhrt uns die Ordnung
der ganzen Schöpfung dazu, an GU>tt zu denken, besonders dass die
Sonne und der Mond ihre Bahnen wandeln, dass der Himmel sich
so schnell drehe u. s. w. 2. Auch muss bei der Welt ein Ordner
und Erhalter dasein, damit die Welt nicht untergehe. 3. Die Ver-
nunft selbst ftthrt uns zur Erkenntnis Gottes, denn bei jeder Sache
denkt man an ihren Urheber, so auch hier. Auch müsste ein anderer
Schöpfer der Welt, wenn einer da wäre, Gott gleichkommen.
Kap. IV. Dass die Welt nicht von Ewigkeit da sei.
Die Schöpfung zeigt auf beständige Veränderlichkeit und hat also
auch einen Anfang. Nach Moses ist die Welt noch nicht 6000 Jahre
alt. Und doch will man neben dieser Zeitrechnung noch manches
Andere wissen, z. B. wo Gott vor der Erschaffung der Welt gewesen
sm, was er gethan habe u. s. w. Darauf wird hier geantwortet,
dass er in sich gewesen sei. Die Zeit ist grundverschieden von der
Ewigkeit, diese ist fortwährende Gegenwart, hat keinen Anfang, also
auch kein Ende. Was man Zeit nennt, hat erst zugleich mit der
Welt angefangen.
Kap. V. Dass die Welt aus Nichts da sei. Man hat
früher an die ewige Materie, an das Chaos als Ursprung der Welt
gedacht, aber Gott hat die Welt aus Nichts erschaffen. Zuerst hat
er sich dazu die Materie gebildet (hat Himmel und Erde erschaffen),
dann erst sie verschönert.
Kap. VI. Welche Werkzeuge Gott bei der Schaffung
der Welt benutzt habe. Durch sein Wort hat Gott Alles er-
schaffen, d. h. der Wille Gottes hat die ganze Schöpfung vollbracht.
Kap. VII. In welcher Ordnung das Werk der Schöpfung
der Welt vor sich gegangen sei. Zuerst wurde der Himmel
und die Erde erschaffen, der Himmel mit seinen Bewohnern, den
Engeln, die Erde leer und wüst. Dann geschah die weitere Schöpfung
in der Art, wie sie Moses erzählt. ^) Gott hat die Welt in sechs
Tagen erschaffen, um den Menschen zu zeigen, dass er mit Vorsicht
vorgegangen sei, und um uns auf die Art auch zur Vorsicht bei der
Betrachtung der Welt zu führen.
*) Die Schöpfung der 4 ersten Tage sollte da (S. 65— (38) durch Bilder
dargestellt werden, aber diese vier Bilder sind nicht ausgeführt, nur die
SteUe für sie ist leer gelassen.
17*
248 NovÄk, Heft 7 u. 8.
Kap. VIII. Dass die Welt rund sei. Bei der Betrachtung
der Gestalt der Welt irrt man gewöhnlich, wenn man nicht gut
darüber unterrichtet ist, die £rde hält man für flach, den Himmel
darüber wie ein Zelt ausgespannt, aber die hl. Schrift selbst zeigt
auf die runde Gestalt der Welt. Gott wollte auch dadurch die Un-
endlichkeit und Vollkommenheit seines eigenen Wesens zeigen.
Kap. IX. Dass die Welt gross, aber doch bestimmt
abgegrenzt sei. Die Erde selbst ist sehr gross und noch nicht
ganz bekannt, von Jahr zu Jahr werden auf ihr neue Entdeckungen
gemacht. Doch noch grösser ist der Umfang der Luft (pow^tifj),
welche sie umschliesst. Das Firmament aber ist unendlich grösser,
da es so viele grosse Sterne umschliesst, und unsere Erde kommt
darin einem kleinen Stäubchen gleich. Der Himmel ist aber noch
darüber und Grott über alles.
Kap. X. Wie viele unzählige Geschöpfe die Welt be-
wohnen? Die ganze Welt ist von Geschöpfen erfüllt, der Himmel,
das Firmament, die Luft, das Wasser, die Erde. Und wie viele
Menschen sind schon auf der Welt gewesen I In der Markgrafschaft
Mähren selbst sind gegen 18 000 Dörfer. Nehmen wir an, dass in
einem jeden Dorfe es an 20 Häuser gebe, in jedem Hause durch-
schnittlich 5 Personen, so kommt die Summe von 1 800 000 Menschen
heraus. Dazu noch die Hälfte dieser Zahl in den Städten, so be-
kommt man die Zahl 2 700000 Menschen. Wie denn nun in der
ganzen Welt! Dazu noch die Sachen, die Tiere, die Teile des
menschlichen Körpers u. s. w. Gott aber kennt das alles und
regiert alles, man muss also seine Allwissenheit bewundern.
Kap. XI. Dass alles, was Gott auf der Welt er-
schaffen, gut sei. Gott ist die Güte selbst, also hat er auch alle
Dinge gut und zu einem gewissen Ziele erschaffen, wie hier im ein-
zelnen gezeigt wird. Nicht einmal den Teufel hat Gott böse gemacht.
Das Gift ist auch nur dadurch böse, dass es meiner Natur zuwider
ist, an sich aber ist es gut. Die Giftigkeit der Schlangen rührt von
der grossen Bitterkeit ihrer Galle her, welche aus grosser Hitze ent-
standen ist, so dass sie die menschliche Natur nicht ertragen kann.
Der menschliche Speichel ist wieder für die Schlangen sehr giftig;
das Blut der Schlangen heilt ihr Gift. Das Feuer ist dem Salamander
angenehm und erhält ihn am Leben. Einige Gelehrten (Lamb. Danaeus,
Phys. Chr. c. 42) wollen wissen, dass die Welt erst nach dem Falle
der Menschen angefangen habe schlecht zu sein. Wenn wir aber
den Nutzen einzelner Dinge nicht kennen, ist daran unsere Be-
schränktheit schuld.
Kap. XII. Dass die Welt und alles in ihr schön sei.
Die Welt ist mit Recht genannt: „Koofio^t Mundus". Ihre Schön-
heit beruht in ihrer Mannigfaltigkeit — was für eine Schönheit muss
nun erst in Gott enthalten seini Auch ist eine jede Sache auf der
Welt für die Sinne des Menschen schön.
1895. I^ älteste pansophische Werk des Comenius. 249
Kap. XIII. Dass die Welt vollkommen sei. Manche
Menschen stellen die Frage auf, warum die Welt nicht in allem
vollkommen sei! So wollte Alfons X. von Spanien (nach Zwing,
Theatr. vitae hum. p. 3196) die Welt viel besser erschaffen haben.
Aber man kann die Welt doch als vollkommen anerkennen aus
folgenden Gründen: 1. wegen ihrer Fülle, 2. wegen der vollkommenen
Mannigfaltigkeit der Geschöpfe, 3. wegen der Verschiedenheit der
elementaren Dinge, 4. wegen der Güte einer jeden Sache an sich
selbst. Wenn einzelne Geschöpfe über den Menschen durch ihre
Sinne hervorragen, so hat sie Gott doch zu seinem Nutzen und
Vorteil geschaffen.
Kap. XIV. Über den Ort, wo die Welt steht (zu Ende
dieses Buches, Kap. XIX).
Kap. XV. Warum die Welt erschaffen worden. Die
Welt ist für die Engel und für die Menschen erschaffen, auf dass
sie Gott erkennen, ihn ehren und lieben. Für sie hat er auch die
Welt geschaffen, besonders die sichtbare Welt für die Menschen, der
Mensch allein ist aber für Gott erschaffen. Wenn nun die Menschen
ihre Bestimmung nicht erfüllen wollen, dann sind sie für die Hölle
geschaffen. Wir hoffen aber für die Zukunft, dass sich die Zahl
der Guten immer mehren werde.
Kap. XVI. Dass die Welt unter der Verwaltung Gottes
stehe. Der Handwerker lässt das einmal vollendete Werk stehen
und kümmert sich nicht mehr darum, Gk>tt aber sorgt für die Welt,
indem er 1. die Sachen bestehen lässt und sie 2. ihrem Ziele zu-
führt. Man bemerkt das 1. aus dem Fortbestande der Welt, welche
sonst in sich selbst leicht zu Grunde gehen würde. Das sieht man
aus dem beständigen Kampfe der Elemente, wie er besonders bei
der Sintflut hervorbrach. 2. Alle Geschöpfe bestehen fortwährend,
und bei dem Schaffen ähnlicher Geschöpfe haben sie auch manchmal
kein Ziel. 3. Alles besteht auf der Welt in einer gewissen Ordnung
und Gleichgewicht. 4. Auch die Zeugung der Individuen geschieht
nicht nach dem Willen des Menschen, und so ist es auch bei anderen
Geschöpfen. 5. Die Sachen, welche zur Erhaltung des Lebens nötig
sind, kommen immer in genügender Fülle zu. 6. Auch sieht man
die Sorge der Vorsehung in der Sorgsamkeit unverständiger Geschöpfe
um ihr Leben und ihre Nachkommen. 7. Sogar die Geschöpfe,
welche keine Seele besitzen, weisen auf Gottes Verwaltung der Welt.
8. Was Gott eigentlich für den Menschen erschaffen, wendet er
freilich manchmal als Mittel zu seiner Bestrafung an. 9. Auch die
zufälligen Ereignisse rechnet sich Gott bei. Man muss also stets
Gott für seine gütige Vorsehung loben.
Kap. XVH. Dass die Welt nicht ewig bestehen, sondern
sicher zu Grunde gehen werde. Man bemerkt, dass manche
Menschen an den weltlichen und menschlichen Dingen und Thaten
Gref allen finden , aber man kann ihnen wie Christus seinen Jüngern
250 NovÄk, Heft 7 u. 8.
sagen, dass alles ein Ende nehmen werde, denn 1. Gott hat es
verheissen, 2. der Verstand selbst zeigt es an. Wer dagegen sprechen
und diese Meinung verlachen wollte, dem kann man 1. die Ver-
gänglichkeit seiner eigenen Natur entgegenstellen, welche bald zu
Grunde gehen wird, 2. die Vergänglichkeit anderer weltlichen Dinge.
Kap. XVIII. Warum die Welt zu Grunde gehen werde:
1. Weil sie nicht immer nötig sein wird, 2. wegen ihrer Sündlichkeit.
Kap. XIX. Die Zusammenstellung der Welt. Grott hat
sie in drei Seiten eingeteilt. Die unterste die Erde, die mittlere das
Firmament, die oberste der Himmel. Die Erde mit allem, was auf
ihr lebt, ist veränderlich, das Firmament zwar beständig, aber dreht
sich um die Erde, der Himmel ist die unendliche Ruhe, Stille, Ruhm
und Schönheit. Auf der Erde sind die Elemente abgesondert, am
Firmamen te sind einige Sphären, wo die Sterne verteilt sind. Die
niedrigsten und der Erde nächsten haben nur je einen Stern (Mond,
Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn), die achte Sphäre ist
der Himmel der Sterne, die neunte, der noch höhere krystallene
Himmel, das primum mobile, darüber erst erhebt sich der eigentliche
Himmel. ^)
Die kurze Inhaltsübersicht zeigt wohl genügend den Charakter
des erhaltenen Bruchstückes an, sowie auch die Zeit, in welcher die
Schrift verfasst wurde.
Die Handschrift selbst ist in klein 4®, mit einer deutlichen
Schrift geschrieben, enthält im ganzen 110 Seiten, wovon S. 13 — 14
fehlt. Anfangs sind die einzelnen Blätter am unteren Rande und
an der äusseren Seite etwas beschädigt, die späteren dagegen sind
gut erhalten. Auf einigen Seiten findet man einzelne Korrekturen
von der Hand des Verfassers, sonst hat das Buch ein Abschreiber
geschrieben ; die Ähnlichkeit der Schrift mit derjenigen der böhmischen
Didaktik müsste noch gründlicher untersucht werden.
Die Abfassung der Schrift kann man bestimmt in den Auf-
enthalt des Comenius in Mähren setzen, wahrscheinlich in die
ruhigen Jahre seiner Wirkung als Priester und Seelsorger in Fulnek.
Darauf deutet S. 25 hin, worin sich der Verfasser direkt Priester
nennt und von einer seiner Würde mehr angemessenen Arbeit über
die hl. Schrift spricht. Auch das Zusammenstellen des vor der Be-
rufung zum Seelsorgeramte angesammelten Materials zeigt den frohen
Anfang einer Thätigkeit, wodurch er seinem Vaterlande und seiner
Muttersprache besonders zu nützen gedachte. Wenn damals die
Greuel des dreissigj ährigen Krieges bereits im Zuge waren, so waren
^) Auf der letzten Seite der Handschrift (S. 110) sehen wir dazu die
Abbildung, nämlich in einigen konzentrischen Kreisen die Welt veranschau-
licht. In der Mitte die Erde, darauf abgesondert das Wasser und das
Festland, darüber zuerst die Luft, dann das Feuer, worauf erst die erste
Himmelsphäre mit dem Monde folgt, dann die mit Merkur u. s. f. Da
endet die Handschrift.
1895. ^as älteste panRophische Werk des Comenius. 251
sie über das Vaterland des Verfassers noch nicht hereingebrochen,
und nach dem Prager Fenstersturz erfreuten sich besonders die Evan-
gelischen einer vollständigen Ruhe und Religionsfreiheit ; die schwachen
Seiten der Regierung des neuerwählten Königs blieben besonders den
entfernteren Gegenden der böhmischen Krone verborgen, und die
Evangelischen Böhmens und Mährens sahen in dieser Zeit den An-
fang einer neuen Blüte der Wissenschaften und des Wohlstandes in
Böhmen herankommen. Diese frohe Zuversicht bestimmte gewiss
auch den jungen Gelehrten zum Abfassen einer Schrift, wodurch er
seinen Landsleuten gleichsam eine Handhabe zu den verschiedensten
Wissenszweigen bieten wollte, da etwas derartiges in seiner Mutter-
sprache noch nicht abgefasst war. Es passte auch gut zu seinem
ersten Vorhaben, ein vollständiges Lexikon seiner Muttersprache und
der Gelehrtensprache, des Lateins, zusammenzustellen, um so seinen
Landsleuten die Pforte zu allen dermals gepflegten Wissenschaften
zu öffnen. An diesem Werke arbeitete er dann freilich über vierzig
Jahre, und als es zum Drucke vollständig fertig war, ging es bei
der Verwüstung von Lissa zu Grunde. Das Theatrum dagegen hatte
Comenius mitgenommen, als er von Fulnek zu fliehen und die
Bibliothek zurückzulassen gezwungen war, und so überlebte es teil-
weise auch den Brand von Lissa. Freilich finden wir zwischen der
Disposition der erhaltenen Handschrift und der Erwähnung in der
Epistel an Montanus eine Incongruenz, indem da von einer Schrift
von 28 Büchern und in einem Buche von 125 Kapiteln gesprochen
wird. Wie dieser Mangel an Übereinstimmung der Disposition zu
erklären wäre, kann man jetzt nicht mehr einsehen, indem von dem
II. Buche, welches da Comenius speziell als 125 Kapitel enthaltend
erwähnt, nicht einmal die Disposition und der Inhalt erhalten ist.'
Vielleicht wäre dieser Anfang des ganzen Werkes der dem Brande
entrissene Teil, nach welchem das II. Buch zu Grunde ging, die
folgenden Bücher aber müssen wo anders untergegangen sein.
In dieser Schrift finden wir den jungen Comenius ganz in der
Methode seiner beiden vorzüglichsten Lehrer von Herbom arbeitend.
Das Universum und die hl. Schrift sind die hauptsächlichsten Gegen-
stände, womit er sich jetzt beschäftigen will, und das waren auch
die Lieblingsgegenständc des Pansophen Joh. H. Aisted und des
vorzüglichen Bibelerklärers Joh. Piscator. In der Sammlung des
verschiedenen Materials sehen wir da Comenius direkt die Methode
des Aisted befolgen, der als junger Mann gleich die Welt mit
einer langen Reihe grossartiger Folianten über alle möglichen Wissens-
zweige überraschte, wozu er sich Stoff mit einer solchen Ausdauer
ansammelte, dass man seinen Namen bald mit dieser Tugend (sedu-
litas) zusammenstellte. Auch mit Theologie beschäftigte er sich, doch
für diese Seite der Studien war Comenius mehr sein Lehrer Piscator
massgebend, wie er später selbst bekannte.
In einer Sache aber bemerkt man doch eine grundverschiedene
Anschauung zwischen Comenius und Aisted. Als Mitglied der
252 Noviky Das älteste pansoph. Werk des Comenius. Heft 7 u. 8.
Brüderunitat, welche besonders für ihr Volk wirken und ihr Wissen
dem Volke, welchem sie angehörte, widmen wollte, arbeitete G>menius
diese seine Schrift in seiner Muttersprache aus, wie er auch den
Thesaurus Linguae Bohemicae für sein Volk vorbereitete, wie er die
Didaktik zuerst in böhmischer Sprache verfasste; Aisted dagegen
schrieb seine grossen Werke in der allgemeinen Gelehrtensprache
und für die gelehrte Welt, um darin derselben einö Übersicht des
gessunten Wissens der Welt zu bieten. Comenius befolgt darin das
löbliche Beispiel seiner Vorgänger, des Peter Chelöick^ und Johann
Blahoslav, der Herausgeber der Kralicer Bibel, welche für ihre Mutter-
sprache so vieles geleistet haben, dass ihre Schriften auf der trocknen
Heide der gleichzeitigen Humanistenlitteratur einer lieblichen grünen
Oase gleichen. Der weit grössere Teil der Angehörigen dieser
Religionsgesellschaft gehörte dem Volke, der breitesten Masse der
gemeinen Leute an, und für sie nun wollte man schreiben, sie wollte
man zu sich emporheben, ihnen wollte man möglichste Bildung ver-
schaffen. In wie weit das Comenius durch die gegenwärtige Schrift
erzielen wollte, bleibt freilich dahingestellt, da von dem ganzen gewiss
ausführlichen Werke in der Handschrift nur ein ganz kleiner Teil
erhalten ist.
Besprechungen.
Th. Burokhardt- Biedermann, Bonifacius Amerbach und die
Reformation. BsÄel, R. Reich 1894. VIU -\- 407 S. S^. Mk. 6,40,
Eine fesselnde Erscheinung in der Baseler Humanistengemeinde
bilden die Brüder Amerbach, Bruno, Basilius und Bonifacius, nament-
lich der letztgenannte, Rechtsgelehrter und Universitatsprofessor, vor
allem naher Freund des grossen Erasmus. Die vorliegende schone
Arbeit beschäftigt sich mit der eigentümlichsten Seite der liebens-
würdigen Persönlichkeit des Bonifacius, mit seiner Stellung zu den
religiösen Parteien, besonders in seiner Vaterstadt. Er gehört zu der
seltenen Art von Männern — ein Glück, dass es solche Erscheinungen
gibt! — die in keines der von Menschen gezimmerten Fächer passen,
die ohne Parteien und über denselben leben. Es entsprach nicht
seiner mehr zarten, fast weichen Persönlichkeit, schroff nach allen
Seiten mit seinen Ansichten hervorzutreten. So hat er denn auch
keine äussere Wirksamkeit geübt; dafür fesselt uns imi so mehr
der schwere innere Kampf, den er durchkämpfen musste, äusseren
Anforderungen gegenüber. Während des heftigen Streites in seiner
Vaterstadt stand er einsam, wenn auch nicht kalt ohne Teilnahme:
erst in stilleren Zeiten konnte seine Art zur Wirkung kommen. Die
Schilderung des Amerbachschen Lebensganges nimmt da den Faden
auf, wo ihn der Biograph des jungen Bonifaz, Daniel Albrecht
Fechter, hatte fallen lassen; sie greift nur insofern etwas zurück,
als es die Zeichnung der reformatorischen Bewegung verlangt. An-
fänglich ganz Begeisterung für „unseren Luther'^ und seine mächtige
That auf dem Reichstage zu Worms! Auch das Auftreten des
Baseler Reformators Johannes Oecolompadius fand anfangs die Zu-
stimmung des Freundeskreises der Amerbach, aber bald wurde man
über die Folgen stutzig ; das leichte Abwerfen der Mönchsgelübde
erschreckte unsern Bonifacius und versetzte ihn in Entrüstung; dem
widerstrebte die sittliche Strenge seines Charakters. Auch anderes
erregte nach^und nach sein köpf schüttelndes Befremden. Sein Freund
Erasmus zog sich immer ängstlicher und behutsam zurück. Die gute
Sache erschien Bonifacius durch den bösen Willen einiger übel zu-
254 Besprechungen. Heft 7 u. 8.
gerichtet. Die ganze Entwickelung des Dramas der Reformation,
welche sich nicht nur auf die Abschaffung der Missbrauche der
Greistlichen beschrankte, sondern mit vielem andern aufräumte, schoss
weit hinaus über das, was ihm zweckdienlich und nötig dünkte.
Wiedertäufer, Bauernkrieg u. s. w. regte ihn noch mehr auf. Der
ganze Widerstreit der vielerlei Meinungen war ihm widerwärtig.
Den Papisten und den Evangelischen gegenüber schlug er mit
Erasmus einen Mittelweg ein nach dem Vorbild der alten Kirchen-
lehrer. Auch sein Freund, der Freiburger Jurist Ulrich Zasius
hatte sich nun ganz von Luther abgewendet, den er nicht scharf
genug verdammen konnte, und da sollte der von Besorgnissen ge-
quälte Bonifacius gar im Auftrage des Rates ein Urteil abgeben
über Oecolompad's Abendmahlsschrift, und er war doch selber in
seinem Innern so zerrissen und ungewiss! Die Ereignisse in Basel
gingen ihren Gang; aus der religiösen Reformation drohte eine
politische und sociale Revolution %u werden. Amerbach wurde es
immer unbehaglicher; er wollte auswandern, blieb aber doch in
der Heimat, trotzdem er den Eid auf die Neuordnung der Dinge
nicht geleistet zu haben scheint und als Konfessionsloser den neuen
Gottesdienstübungen fem blieb. Aber das „Profanbleiben" war nicht
leicht, eine Mittelstellung erschien unmöglich. Der Kirchenbann
forderte ihn endlich amtlich vor seine Schranken ; ein langer äusserer
und innerer Kampf entspann sich, der mit einem Ausgleiche schloss,
welcher Amerbach die Teilnahme an den Heilsmitteln der neuen
Kirche ermöglichte. Ein weiteres Eingehen auf diese inneren Kämpfe
des Mannes ist hier nicht möglich; es muss auf das Buch selbst
verwiesen werden, welches nach allen Seiten Schlaglichter wirft auf
das religiöse und politische Leben seiner Tage. Es beginnt mit einer
zusammenhängenden Schilderung der Schicksale des Bonifacius und
seiner kämpfenden Umgebung. Angefügt sind reiche Auszüge aus
dem kostbaren Amerbachschen Briefwechsel, der durch den vorzüg-
lichen Stil des Humanisten genussreich gemacht ist und besonders
auch zur Gelehrtengeschichte seiner Zeit vielfach wertvolle Mitteilungen
bringt, fruchtbar gemacht durch zahlreiche litterarhistorische An-
merkungen des Herausgebers und dem Verständnis nahe gebracht
durch einleitende Einführungen in den Inhalt der einzelnen nur teil-
weise gegebenen und oft durch Zwischenbemerkungen ergänzten Briefe
(1519 — 1562). Des weiteren wird ein Tagebuch Amerbachs aus dem
Jahre 1531 zum Abdruck gebracht, veranlasst durch seine Befragung
und Massregelung durch Bannherren und Rat wegen seiner Weige-
rung, das Abendmahl der Evangelischen zu besuchen. Den Schluss
bilden einige Aktenstücke, das Edikt gegen die, welche sich vom
Abendmahl fernhielten, Amerbachs Eingaben und Glaubensbekenntnis.
Eine schöne Wiedergabe des Holbeinschen Bildes Amerbachs gereicht
dem Buche zur Zierde. K. S.
1895. Besprechungen. 255
Johann Arnos Comenius and seine Beziehungen bu den
Spraohgesellsohaften. Denkschrift zur Feier des vierteltausend-
jährigen Bestandes des Pegnesischen Blumenordens zu Nürnberg von
Dr. Joseph Reber, kgl. Direktor der höheren weibl. Bildungsanstalt
zu Aschaffenburg, Leipzig, Verlag von Gustav Fock, 1895.
Der Verfasser sucht in seiner Schrift darzuthun, dass unter
vielen mehr oder minder bedeutenden Mannern auch Comenius es
verdient, „in die Erinnerung der Gründungszeit des Blumenordens
verwoben zu werden". Zum Beweise hierfür dient ihm eine Stelle
aus dem 28. Kapitel der Novissima Linguarum Methodus des Comenius.
Wir ersehen aus ihr, dass er an der auf Schutz und Pflege der
Muttersprache gerichteten Bewegung seiner Zeit lebhaften Anteil
nimmt und auch überall solchen zu erwecken sucht, indem er auf
die Sprachgesellschaft della Cnisca in Italien und auf die frucht-
bringende Gesellschaft in Deutschland als nachahmenswerte Beispiele
hinweist, dass er sogar schon die Sammlung heimatlicher Altertümer
als eine für vaterlandische Geschichte und Sprache nützliche Auf-
gabe empfiehlt. Auffallend ist nur, obwohl Reber davon schweigt,
dass er gerade den Pegnesischen Blumenorden nicht erwähnt. Viel-
leicht hatte er von ihm noch keine Kenntnis, da er höchstens ein
Jahr bestand, als des Comenius Neueste Sprachenmethode der Voll-
endung nahe war. Wohl aber erwähnt er Philipp Harsdörffer, den
Stifter des Blumenordens, aber nur um an ihm zu zeigen, wie man
bei der Ableitung und Erklärung von Wörtern irre gehen könne,
wenn man keine umfassende Sprachkenntnisse besitze. Dieses Urteil
— so nimmt Reber an — führte zu persönlichen Beziehungen
zwischen beiden Männern. Sie traten in brieflichen Verkehr. Doch
besitzen wir nur zwei Briefe von Comenius an Harsdörffer, welche
uns der Verfasser wörtlich mit nebenstehender Übersetzung mitteilt.
Vergebens suchen wir aber in ihnen irgend eine Auslassung des
Comenius über Sprachen und Sprachgesellschaften. Dasselbe gilt von
den bald teilweise, bald vollständig mitgeteilten Briefen des Valentin
Andreae, eines Mitgliedes der fruchtbringenden Gesellschaft, an
Comenius, des Comenius an diesen und an den Tübinger Professor
Hesenthaler, des Esslinger Pfarrers Weinheimer an Hesenthaler, des
Adlerberger Abtes Hainlin an Comenius. Die Briefe beweisen nur,
dass diese Männer alle durch ihre wissenschaftlichen Arbeiten mit
einander bekannt und einige von ihnen in Nürnberg Beziehungen
hatten, vor allem Comenius durch Harsdörffer und den berühmten
Buchdrucker Endter. Für diejenigen, welche Comenius noch wenig
kennen, war es notwendig, seine Ansichten über die Muttersprache
und die Spraohgesellschaften in Zusammenhang zu bringen mit seiner
sprachwissenschaftlichen Bedeutung, und daher schildert ihn uns der
Verfasser zuerst als Sprachgelehrten und Sprachforscher, der, selbst
vieler Sprachen mächtig, alter wie neuer, ein für seine Zeit ungewöhn-
liches Verständnis der grammatischen und auch der prosodischen
256 Besprechungen. Heft 7 ii. 8.
Eigenart einer jeden bekundet. So zerfällt denn die ganze Schrift
in folgende Abschnitte: 1. Des Comenius Sprachkenntnisse, 2. Seine
Kenntnis der deutschen Sprache, 3. Seine dichterischen Arbeiten,
4. Sein Urteil über deutschen Versbau, 5. Die Gründung der Sprach-
gesellschaften, 6. Der Nürnberger Ratsherr HarsdÖrffer, 7. Des
Comenius Urteil über HarsdÖrffer und den Pahnenorden, 8. Comenius,
HarsdÖrffer und Valentin Andreae, 9. Des Comenius Briefe an Hars-
dÖrffer, 10. Comenius, Hesenthaler, Weinheimer und Hainlin. Jeder
Abschnitt verrat den gründlichen Kenner der geschichtlichen Ver-
hältnisse, besonders der Schriften des Comenius.
Böüicher- Hagen 1. W.
Nachrichten.
Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, dass den bohmiBchen
Brüdern wie den altevangeÜBchen Gemeinden überhaupt ein ökumenischer,
die ganze Menschheit umfassender Zug eigen war, der sie über allen Sekten-
geist in ihren beaseren Männern weit erhob und sie im besten Sinn zu
Tragern einer echten Katholicität machte. Diese Eigenschaft beruht auf
der Fcsthaltung der religiösen Grundsatze und Gedanken, wie sie die
altchristliche Latteratur und mit ihr übereinstimmend die altdeatsehe
Mystik eines Eckard und Tauler oder des berühmten Büchleins von der
„Deutschen Theologie" vertritt. Über diese altdeutsche Mystik hat Adolf
Lasson sich sehr richtig vor einigen Jahren in folgender Weise aus-
gesprochen: „Auch solche Mystiker'', sagt dieser Philosoph (Preuss. Jahrb.
1891 S. 226), „die der römischen Kirche angehörten, haben sich gerade so-
weit, als die Gesichtspunkte der Mystik bei ihnen vorwalteten, den Evange-
lisch-Protestantischen genähert. Andererseits freilich möchten wir keineswegs
bestreiten, dass in der Mystik ein Element wahrhaft christlicher Katho-
licität in der That enthalten ist und dass der Mystiker sich in geistiger
Einheit mit der gesamten alten Kirche von der Zeit der Apostel an wissen
und fühlen darf. In diesem Sinne ist der Mystiker wirklich ein wahrhaft
katholischer Christ.''
Die Beziehungen des Comenius zum Hause der Grafen yon Zlerotin
bestimmten die ersten Schritte, die der junge Gelehrte nach der Rückkehr
von den Hochschulen that. Graf Karl der Altere machte den (Domenius
zum Rektor der Schule in Prerau (1614), wo er bis 1616 blieb. Das be-
rühmte Geschlecht der Zierotin hatte in Übereinstimmung mit der Mehrheit
der mährischen Ritterschaft und Stände die Brüder seit alten Zeiten be-
schützt. Dies gilt keineswegs bloss von den böhmischen, sondern auch
von den mährischen Brüdern im engeren Sinne, die in letzterem Lande
ein weit wichtigerer Bestandteil der Gesamtbevölkerung waren, als die böh-
mischen Brüder in Böhmen. Denjenigen, welche mit den Schriften des
(Domenius genauer vertraut sind, wird der Unterschied nicht unbekannt sein,
den er zwischen den böhmischen und den mährischen Brüdern macht (vgl.
Comenius, Admonitio iterata de iterato Sociniano irenico. Amstel. 1661,
p. 36, 46 ff.) und der sachlich ganz begründet ist. Die „mährischen Brüder"
hatten die Glaubenstaufe, die die böhmischen Brüder ebenfalls geübt, im Jahre
1535 aber unter dem Druck der damals herrschenden Verfolgung eingestellt
258 Nachrichten. Heft 7 u. 8.
hatten, beibehalten und trotz schwerer Kämpfe unter dem Schutze mächtiger
Geschlechter (z. B. auch der Herren von Lichtenstein, aus deren Hause sich
Leonhard von Lichtenstein im Jahre 1526 selbst die Taufe hatte erteilen
lassen) durchgeführt. Zu diesen Beschützern gehörten auch die Grafen von
Zierotin und im Jahre 1596 ward der Landeshauptmann Friedrich von
Zierotin von der Kaiserl. Hofkammer zu Wien deshalb beauftragt, bei den
mährischen Brüdern eine Anleihe aufzunehmen, weil man in Wien wusste,
dass er viel bei den Brüdern vermochte und bei ihnen besonderes Vertrauen
genoss. (Loser th. Zur Gesch. der Wiedertäufer in Mähren. Ztschr. für allg.
Gesch. 1884, S. 446.) Auf den Gütern der Zierotins waren die Brüder gern
gelittene Verwalter und noch im Jahre 1579 hatte Graf Joh. v. Zierotin,
trotz des ihm auferlegten Ausweisungsbefehles, seine schützende Hand über
sie gehalten. (Beck, Geschichtsbücher der Wiedertäufer, S. 273. Es ist
offenbai* derselbe Joh. von Zierotin, welcher auf seinem Schlosse Ki'alitz
wähi'end der Jahre 1579 — 1593 die acht Theologen beherbergte, welche die
unter dem Namen der Kralitzer Bibel bekannte tschechische Übersetzung
verfertigt haben.) Voll Erbitterung sprach sich im Jahre 1004 Ch. A.Fischer
gegen die „Herrschaft'^ der Brüder aus, indem er schrieb: „Weil ihr die
Herrn in Mähren also habt eingenommen, dass sie Alles thun nach Eurem
Rath — heisst das nicht hernichen?'' Es war bei der inneren Verwandt-
schaft, welche die mährischen und böhmischen Brüder verband — eine Ver-
wandtschaft, die im Laufe der Zeit im Bewusstsein der Brüder selbst freilich
deshalb mehr und mehr schwand, weil die böhmischen sich mehr der refor-
mierten Kirche, die mährischen mehr den Taufgesinnten anschlössen — ,
ganz folgerichtig, dass die Grafen von Zierotin beiden Gemeinschaften in
gleicherweise geneigt blieben, und die böhmischen Bruder bedurften dieses
Schutzes um so mehr, weil sie in diesem Lande weit weniger als die mäh-
rischen in geschlossener Gemeinschaft aufzutreten im stände waren.
Der Gedanke eines RelJgioiiBkoiigresses, wie er im Jahre der Welt-
ausstellung 1893 zu Chicago zur Ausführung gekommen ist, ist nicht neu,
sondern hat schon um die Mitte des 17. Jahrhunderts in Comenius und
seinen Freunden einen Vertreter besessen, mit der Massgabe freilich, dass
Comenius zunächst alle Christen zu einer grossen ökumenischen Synode
berufen wollte, deren Aufgabe die Beseitigung der Glaubenskämpfe sein
sollte. Im Jahre 1643 veröffentlichte Comenius eine Schrift: De dissiden-
tium in rebus fidei Christianorum reconciliatione hypomnemata (wiederabge-
druckt in dem Sammelwerk Irenica quaedam scripta pro pace ecclesiae
J. A. Comenii; ein Exemplar in der Univ.-Bibl. in Göttingen). Dort heisst
es u. a. (p. 18 unten), an der Stelle, wo von der Einigung die Rede ist:
quod non alia ratione fieri posse videtur, quam ut ad generalem Oecumenicam
synodum Orbis convocetur Christianus. Und weiter: Ergo soUicitandos
esse ad unionem et communionem sanctam redintegrandam existimo, Graecos
et Romanos, Armenios et Abyssinos, Waldenses et Hussitas, Lutheranos et
Calvinianos, Anabaptistas item et Socinianos et quidquid novarum sectarum
est christiano sub nomine. Dass ihm dabei auch die Bekehrung aller Nicht-
1895. Nachrichten. 259
Christen und deren Anschluss an das Christentum vorschwebte und dass er
persönlich eifrig darauf hin wirkte, ist ja bekannt genug.
In dem „Teutschen Palmbaum<< (1647) findet sich (S. 17) folgende
Stelle: „Drittens sollen auch alle Gesellschafter zu gebürender Dankbe-
zeugung der erwiesenen Ehre sich belieben lassen, ein in Gold geschmeltzetes
€h3mähle, worauf einseitig der Baum und das Wort der Fruchtbringenden
Gesellschaft zugeordnet, anderseitig aber des Gesellschafters selbst eigenes
Gemahl an einem sittiggrünen Seidenband zu tragen, damit die Ge-
sellschaftsgenossen sich unter einander bei begebenden Zusammenkünften
desto leichter erkennen ,...*' Und es ist interessant, die Deutung zu lesen,
die dem Seidenband von den Mitgliedern des „Palmbau ms^' selbst gegeben
ward; Harsdörfer dichtet (a. a. O. S. 65):
„Reichbelobtes Tugendband
Wann Du keine Gleichheit findest
Unter hoch- und schlechtem Stand
Sag, wie Du sie gleich verbindest?
Teutschgesinnter Tugendmut
Ist das reich- und gleichste Gut."')
Weder im Symbol des Bandes noch des Palmbaums noch in irgend einem
andern findet sich eine Hindeutung auf die Pflege der deutschen Sprache
— gewiss recht sonderbar für eine Gesellschaft, deren vornehmster Zweck
eben diese Sprache gewesen ist. Während die Sprachbestrebungen, die ja
unzweifelhaft vorhanden waren, ihre starke Betonung nur den Aussenstehen-
den gegenüber fanden, tritt innerhalb des Bundes als einer der vornehmsten
Zwecke die Pflege des Unionsgedankens deutlich hervor. Der dritte Ab-
schnitt des „Teutschen Palmbaums" handelt „Von der Fruchtbringenden
Gesellschaft Vorhaben und Zweck" und darin heisst es (S. 70), der Gesell-
schaft „höchstes Vorhaben" beruhe auf drei Beobachtungen: erstlich in der
Weisheit, zweitens in guten Satzungen, drittens in „Teutschem Ver-
trauen" und erläutert diese Sätze mit den Worten: „Ob nun wohl unter-
schiedlichen Glaubensbekenntnissen Zugethane (Männer) in die hochlöbl.
Fruchtbringende Gesellschaft eingetreten, sind sie doch alle in diesem Stücke
einig, dass Gott fürchten und christlich leben die höchste Weisheit und fast
überirdische Glückseligkeit zu nennen sei, welche hundertfältige Frucht
bringet in Geduld, versichert, dass hierinnen (d. h. in der Gesellschaft) nicht
von den strittigen Glaubenssachen gehandelt werde, sondern von Fortpflan-
*) Derselbe Harsdörfer veröffentlicht in seinen Gesprächspielen in
gleicher Symbolik ein Gedicht von der Kette, deren Glieder, mit Magnet
bestrichen, fest verbündet aneinander halten (a. a. O. S. 05):
„Also werden insgemein
Gleichsam durch den Eisenstein
Alle Glieder angehalten
Deren Früchte nicht veralten
Die in der Gesellschaft Schrein
Nun ein Jeder leget ein.
260 Nachrichten. Heft 7 u. 8.
zung der Teutschen Aufrichtigkeit und Frömmigkeit^ als den Früchten unsere
Christenthums .,,.*' £ben in diesem Sinne wird von der Gesellschaft als
von der Fried- und Einigkeits-Säule gesprochen.
Kvacsala bezeichnet es in seiner Biographie des Comenius (Belege
und Erklärungen S. 24) als eine dankbare Aufgabe, einen allgemeinen Ver-
gleich zwischen Campanella and Comenivs zu veranstalten. Kvacsala selbst
hat einigen Aufschluss über das Verhältnis in seiner Leipziger Dissertation
von 1886 ,,Uber J. A. Comenius' Philosophie, insbesondere dessen Physik''
gegeben. Kvacsala weist femer auf die bezüglichen Äusserungen des Maresius
in seinem Antirrheticus 1668 p. 37 hin. Maresius sagt a. a. O. „Quantum
ad Campanellam, non miror (Domenium ejus lectione delectari
Fuit autem Campanella, ut plane monströs! vultus, sie etiam portentoei
ingenii et facile oetenderem, noetrum Prometheum (Comenium) magnam
partem suorum ignium fatuorum ex illius coelo suffuratum fuisse''. Es wäre
namentlich auf die Verwandtschaft von Comenius pansophischen Schriften
mit denen des Campanella zu achten.
Professor Joh. V, NovAk in Weinberge bei Prag — D.M. der CG. — ,
der auf dem Gebiete der Comenius-Forschung sich bereits mehrfach bekannt
gemacht hat, wird noch im Jahre 1895 eine Arbeit über des Comenius
Labyrinth imd seine Bedeutung im Verhältnisse zu denjenigen Philosophen,
welche ebenfalls Utopien verfassten (Plato, Th. Monis, Th. Campanella,
J. V. Andreae) veröffentlichen. — Derselbe Verfasser ist mit einer historischen
Darstellung der pansophischen Gedanken des Comenius beschäftigt.
»<#»<'
BucbdruckerL'i von Johannes Brudt, Munster i.W.
Die Comenius-Gesellschaft
ist zur Pflege der Wissenschaft und der Vollcserzieliung
am 10. Oktober 1891 in Berlin gestiftet worden.
Mitgliederzahl 1895 : 1300 Personen nnd Körperschaften.
zf:
Oesellschaftsschriften :
1. Die Monatshefte der CG. Deutsche Zeitschrift zur Pflege der Wissen-
schaft im Geist des Comenius. Herausgegeben von Ludwig Keller.
Band 1—3 (1892—1894) liegen vor.
2. Comenius-Blätter für Volksendehnng. Mitteilungen der Comenius-Gresell-
Schaft. Der erste und zweite Jahrgang (1893—1894) liegen vor.
3. Vortrage nnd Aofliätze aus der CG. Zwanglose Hefte zur Ergänzung
der M.H. der CG.
Der Gesamtumfang der Gesellschaftsschriften betragt 30—32 Bogen Lex. 8^
Bedingrungren der Mitgrlledschaft:
1. Die Stifter (Jahresbeitrag 10 M.) erhalten alle Schriften. Durch einmalige
Zahlung von 100 M. werden die Stifterrechte von Personen auf Lebenszeit
erworben.
2. Die Teilnehmer (Jahresbeitrag 5 M.) erhalten nur die Monatshefte; Teil-
nehmerrechte können an Körperschaften nur ausnahmsweise verliehen werden.
3. Die Abteüangsnütglieder (Jahresbeitrag 3 M.) erhalten nur die Comenius-
Blätter für Volkserziehung.
Anmeldaiif en
sind zu richten an die Greschäftstelle der CG., Charlottenburg, Berliner Str. 22.
Der Oesamtvorstand.
Beeger, Lehrer u.Dircktor der Comcniiis>Stiftang, Nieder-Poyritz bei Dresden. Dr. Borgius, Ep., Konsistoriat«
Bat, PoBeo. Dr. Höpfiier, Geh. Ober>Reff.-Rat and Ciimtor der Universität in GOttingen. Prof. Dr.
Hohlfeld, Dresden. M. Jablonsld, Berlin. Israel, Schal-Rat, Zschopau. Archiv-IUt Dr. Ludw. KeUer,
Geh. Staatsarchivar, Berlin. D. Dr. Kleinert, Prof. nnd Oberkonsistorial-Rat, Berlin. "W, J. I«eendertBt
Prediger, Amsterdam. Prof. Dr. Markgraf, Stadt-Bibliothekar, Breslau. D. Dr. Q. Iioesche, k. k. ordentl.
Prof., Wien. Jos. Th. Müller, Direktor des Seminars, Gnadenfeld. Prof. Dr. Xesemann, Lissa (Pos.).
Univ.-Prof. Dr. Xippold, Jena. Dr. Fappenheixn, Prof., Berlin. Dr. Otto Pfleiderer, Prof. an der
Universität BerUn. Dr. Bein, Prof. an der Universität Jena. Univ.-Prof. Dr. Bogge, Amsterdam. Sander»
Schalrat, Bremen. Heinrich, Prina bu Sohönaioh-Carolath, Schloss Amtiu. Dr. Schneider, Wirkl.
Geh. Ober-Beg.-Rat u. vortragender Rat im Kultusministerium, Berlin. Dr. Schwalbe, Realgvmn.-Direktor
nnd Stadtverordneter, Berlin. Hof rat Prof. Dr. B. Suphan, Weimar. Dr. Th. Toeche-MitÜer, Hofbuch-
hftndler, Berlin. A. VÄTra, Prof., Prag. Dr. 'Wäteoldt, Prov. -Schulrat in Magdeburg. Dr. Wattenbach,
Geh. Reg.-Rat u. Prof. an der Univ. Berlin. Waydniann, Prediger, Crefeld.
Stellvertretende Mitglieder :
Dr. Th. Arndt, Prediger an S. Petri, Berlin. Dr. Benrath, Prof. an der Universität Königsberg. Wilh.
Bfltticher, Prof., Hagen i. W. Fhil. Brand, Bankdirektor, Mainz. Dr. Comba, Professor am theol.
Seminar der Waldenser, Florenz. H. Fechner, Professor, Berlin. Univ.-Prof. Dr. Hilty, Bern. Gymnasial-
Direktor Dr. Heussner, Kassel. Oberstlleut. a. D. Dr. M. Jahns, Berlin. Dr. Herrn, v. Jireuek, k. k.
Ministerialrat, Wien. Prof. D. Dr. Kvacsala, Dorpat. Iiaunhardt, Geh. Begienmgs-Rat und Prof.,
Hannover. Univ.-Prof. Dr. H. Suphier, Hallo a. S. Archiv-Rat Dr. Frümers, Staatsarchivar, Posen.
Rektor Bissmann, Berlin. Landtags-Abgeordiieter von Schenckendorff, Görlitz. Dr. Q. Schmid,
St. Petersburg. Slamenik.BQrgerschui -Direktor, Prerau. Univ-. Professor Dr. von Thudichiim, Tübingen.
Freiherr Hans von Wolzogen, Bayreuth. Prof. Dr. Zimmer, Herbom.
Schatzmeister: Bankhaus Molenaar & Co., Berlin 2, Burgstrasse.
Verzeichnis der Pfle^chaften der C.Cr.
Eine vervollständigte Liste wird demnächst erscheinen.
(Der Buchstabe B hinter dem Kamen bedeutet „BeTollmftchtigier im Ehrenamt'% der Buchstabe G
j^GeschAftsführende Buchhandlung'* und der Buchstabe Y Yorsitsender einer C.Z.6. oder C.K.)
Altena: F. L. Mattigsche Buchh. 6
Altdorf: Sem.-Lehrer a. D. J. Böhm. B
Amsterdam: Univ.-Prof. Dr. Kogge. V
,, Buchh. V. Joh. MüUer. 6
Augsburg: J. A. Schlossersche Buchh. G
Barmen: Buchh. v. Adolf Graeper. G
Bartenstein (Ostpr.): Oberlehrer Dr. Lentz. B
-Bayreuth : Buchh. v. B. Giessel. G
Berlin: Buchh. v. F. Schneider u. Co., W.
Leipz. Str. 128. 6
Bremen : Dr. £. Brenning, Realgym.-Lehr. B
,, Buchh. V. H. W. Silomon. 6
Breslau: Buchh. v. E. Morgenstern. 6
Bnnzlan: Buchh. v. Ernst Muschket. G
Cottbus: Buchh. y. Carl Brodbeck. G
Crefeld: Weydmann, Pastor. B
Czemowitz: Prof. Dr. Hochegger. V
,, Buchh. V. H. Puäini. 6
Christiania: Buchh. v. Cammermeyer. G
Danzig: L. Sauniers Buchh. 6
Detmold: Sem.-Direkt. Sauerländer. B
„ C. Schenks Buchh. 6
Dortmund: Bealgrmn.-Dir. Dr. Auler. B
Dresden : H. Bumach, K. S. Hof-Buchh. G
Düsseldorf: Buchh. v. Herm. Michels. 6
^Einbeck: Oberlehrer Dr. EUissen. B
„ Buchh. y. H. Ehlers. G
Eisenach: Sem.-Dir. E. Ackermann. B
„ Buchh. V. Bäreck. 6
Elbing: Oberlehrer Dr. Bandow. B
„ Buchh. y. Leon Saunier. G
Elberfeld: Buchh. y. B. Hartmann. 6
Emden: Haynelsche Buchh. G
Frankfurt a. M. Detloffsche Buchh. G
Giessen: Ferbersche Uniy.-Buchh. 6
Glogau: Oberlehrer Baehnisch. B
„ Buchh. y. C. Beissner's Nachfolger. 6
Gotha: Oberschulrat Dr. yon Bamberg. B
Görlitz: Gymn.-Dir. Dr. Eitner. B
Guben: Buchh. y. Albert König. G.
Hagen (Westf.): Prof. W. Bötticher. V
„ Buchh. Yon Gustay Butz. G
Halle a.S,: Uniy.-Prof. Dr. Uphues. B
Hamburg: Oberlehrer Dr. Dissel. B
„ C. Gassmanns Buchh. G
Hamm: Eektor Bartholomaeus. B
HannoYer: Eealgymn.-Dir. Ramdohr. B
„ Buchh. y. Ludwig Ey. G
Heidelberg: Direkt. Dr. Thorbecke. B
Herborn: Prof. Dr. Zimmer. B
Jena: In8t.-Direktor Pfeiffer. V
„ Döbereinersche Buchh. (Rassmann) B
Kassel: Gymn.-Dir. Dr. Heussner. B
Buchh. y. M. Brunnemann & Co. G
«9
Königsberg i. Pr. Graefe&Unzersche Buchh. G
Lauban: Buchh. y. Denecke. G
Leipzig: J. C. Hinrichs'sche Buchh. 6
Lengerieh: Eektor O. Kemper. B
Lennep : Prof. Dr. Witte, Kreisschulinsp. V
,, Buchh. y. R. Schmitz. 6
Lippstadt: Eealgymn.-Dir. Dr. Schirmer. B
Lissa i. P. : Prof. Dr. Nesemann. B
„ Buchh. y. Friedrich Ebbecke.. G
London : Buchh. y. Williams and Norgate. 6
Lttdenseheid : Dr. med. Boecker. B
Magdeburg: Buchh. y. Heinrichshof en. 6
Mainz: Bankdirektor Brand. B
,, H. Quasthoffs Buchh. G
Meiningen: Oberkirchenrat D. Dreyer B
MUhlhausen i. Th. : Diakonus J. Clüyer. B
Mttnehen: Schulrat Dr. Eohmeder. B
„ Hofbuchh. y. Max Kellerer. 6
Münster: Buchh. y. ObertGschen. 6
Keuwied: Prediger Siebert. B
Kordhausen: Oberlehrer Dr. Nägler. B
,, Förstemannsche Buchh. 6 .
Nürnberg: Postmeister Aug. Schmidt. B
,, Buclih. y. Friedr. Korn. G
Oschatz: Sem.-Oberl. Ernst Hänsdi. B
Osnabrück: Pastor Lic. theol. Spiegel. B
„ Buchh. y. Eackhorst. G
Paris: Buchh. y. Fischbacher. 6
Posen: Buchh. y. Friedrich Ebbecke. G
Potsdam: Buchh. y. E. Hachfeld. B
Prag: Buchh. y. Fr. Eiynäc. G
Prerau (Mahren) Direktor Fr. SlamSnfk. B
Quedlinburg: Eektor Ed. Wilke. B
„ Buchh. y. Christ. Vieweg. G
Remseheid: Hauptlehrer E. Lambeck. V
„ Buchh. y. Herm. Krumm. 6
Rostock: Dir. Dr. Wilh. Begemann. B
9, Stillersche Hof- u. Uniy.-Buchh. G
Ruhrort: Buchh. y. Andreae u. Co. G
Sagan: Kreisschulinspektor Arndt. B
„ Buchh. y. W. Daustein. 6
Soest: Lehrer W. Handtke. B
„ Rittersche Buchh. G
Stade: Direktor Dr. 2^chlin. B
9, Schaumburgsche Buchh. G
Stettin: H. Dannenbergsche Buchh. G
Stockholm : Dr. N. G. W. Laeerstedt B
„ Hofbuchh. y. C. E. Fritze. G
Strassburg i. Eis. Sem.-Dir. Paul Zänker. B
Wesel: Buchh. y. Kari Kühler. 6
Wien: Buchh. v.A.Pichlers Wwe. u. Sohn. G
Wiesbaden : Gymn.-Oberl. Dr. Hochhuth. B
„ Buchh. y. Felix Dietrich. 6
Zehopau: Schulrat A. Israel. B
Zürich: Buchh. y. Meyer & Zeller. G
Zwickau: Oberl. Dr. P. Stötzner. B
-M^M-
Bnchdruckerei von Johannes Bredt, affinster i.W.
'M
.ii«-
m
Monatslie:
<ler I
Comenius-Gese
Herausgegeben von Ludwig Keller.
Vierter Band.
Neuntes und zehntes Heft.
Xovember — Dezember 189'). -
f^^
m
Das Pereonen- und Drts-Reglater zum IV. Bande wlnt mtt dem 1. Hefte des V. Bandee ausgegeben
Inhalt
des neunten und zehnten Heftes 189 5.
Abhandlungren. seite
Dr. Faul Natorp, Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Greschichte der Ein-
führung Pestalozzischer Gnuidsatze in die Volksschule Preussens . 2G1
Dr. Karl Dissel, Der Weg des Lichtes. Die Via lucis des Comenius . 295
Dr. Georg Schmid, Sigismund Evenius 306
Llttepaturberlcht 3U
G. Voigt, Bischof Bortnun von Meu U1K>— 1212). — H. Haupt, deutsch-bdhmischc Wal-
donsH^r. — Uebinger, B<'itrftge zur itesohichte Nicitlaus von Cusaa. ~ Knaake, Job. Pupper von
(roch. — Fr. Wächter, ßrie^ an Erasinu». — K. K rafft, Gerh. Oenüken. — A. Wirth, Die ev.
Schule des 16. u. 17. .Tahrh. — U. S. Burrage, The Anabaptists of the 16. Century. — Alfr.
Rausch, Christian Thomasiu» und Erh. Weigel. — Alb. F^ camp, 1>. G. Morhof. — W. Fa-
bricius. Die iStudentenordcn des 18. Jahrh.
Preisaufgrabe der Comenius-Gesellschaft für 1896 . 3is
Nachrichten • . . . . 319
E. Troeltsch (Prof. in HoidoUjprgl, Über Ileligion und Kirche. — K. Burdach (Prof. in
Halle), ül>er den Zusammenhang zwischen Luther und den böhmischen Brüdern. — „Pickarden"
und Reformierte. — Jos. Rebers Ausgabe d<*r Naturkund<> de» Comenius. — Der Jesuit B. Bal-
binus Qlter Comenius. — Die Bibliothek des Comeniu«« in Fulnek. — Giordano Bruno begründet
eine , .Akademie" in Loudon (löKi). — Briefwechsel zwischen Wok von Rosen berg und Christian
von Auhalt. — Briefwechsel des H<!ntogs August von Braunschweig-LQneburg. — AiÄorderung.
V'
Die Monatshefte der CG. erscheinen monatlich (mit Ausnahme des Juli
und August). Die Ausgabe von Doppelheften bleibt vorbehalten. Der Ge;
samtunifang beträgt vorläufig 20 — 25 Bogen.
Die Mitglieder erhalten die Hefte gegen ihre Jahresbeiträge; falls die
Zahlung der letzteren bis zum 1. Juli nicht erfolgt ist, ist die G^schäftstelle
zur Erhebung durch Postauftrag unter Zuschlag von 60 Pf. Postgebühren
berechtigt. — Einzelne Hefte kosten 1 Mk. 25 Pf.
Jahresbeiträge und Anmeldungen, sowie einmalige und ausserordentliche
Zuwendungen bitten wir an das
Bankhaus Molenaar & Co., Berlin C. 2, Burgstrasse
zu senden.
BesteUungen übernehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslandes,
die Postämter — Postzeitungsliste Nr. 4296** — und die Geschäftstelle der
Comenius-Gesellschaft, Charlotten bürg, Berliner Str. 22.
Anzeigen finden durch die Monatsschriften der CG. in den beteiligten
Kreisen weiteste Verbreitung. Die gespaltene Nonpareillezeile oder deren Raum
kostet 20 Pfg.; bei grösseren Aufträgen entsprechende Ennässigung. Anfragen
und Anträge sind an Johannes Bredt, Verhigsbuchhandlung in Münster i. W.
zu richten.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Archiv-Bat Dr. Ludw. KeUer
in Charlottenburg, Berliner Str. 22.
Monatshefte
der
Comenius-Gesellschaft
IV. Band. --0 1895. ^ Heft 9 u. 10.
Ludwig Natorp.
Ein Beitrag zur Geschichte der Einführung Pestalozzischer
Grundsätze in die Volksschule Preussens^).
Von
Dr. Paul Natorp,
UnWenitätflprofessor in Marburg.
,,Than wir für unsere Zeit, was wir thun kOnnen, so
wird in der folgenden Zeit manches That und Wahrheit
werden, was wir jetzt bloss fOr Trftume halten."
Ludwig Natorp. einem Freunde ins Stammbuch,
Halle, 1. Aug. 1798.
Eine Mischung von Scham und Stolz will den Patrioten
nicht verlassen, der sich in jene Tage zurückversetzt, wo Deutsch-
land unter der geistigen Führung Preussens den Grund zu seinem
Volksbildungswesen legte, die Zeit etwa vom Beginn dieses
Jahrhunderts bis zu dem verheissungsreichen doch erfolgarmeu
Süvernschen Entwurf. Eine ehrliche Vergleichung dessen, was
damals in kurzer drangsalvoller Zeit für die Volkserziehung ge-
leistet worden, mit dem, was heute unter dem Glänze des Reichs,
in langem Frieden und wachsendem Wohlstand auf diesem Felde
geschieht und nicht geschieht, führt zu Ergebnissen, die den, der
es mit dem Vaterlande gut meint, nicht anders als trüb stimmen
können. Damals eine Frische und Allgemeinheit der Begeisterung
für die Sache der Nationalerziehung, ein Ernst der wissenschaft-
lichen Besinnung auf ihre wahren Grundlagen, eine hingebende
Treue langwieriger, oft enttäuschter Arbeit, um das als notwendig
*) Es ist unser Wunsch, zugleich zur Erneuerung des Andenkens Joh.
Heinrich Pestalozzis (geb. 12. Janaur 1746) durch die Veröffentlichung des
vorstehenden Aufsatzes einen Beitrag zu liefern.
Die Schriftleitung der M.H. der CG.
Monatshefte der Comcnius-Qesellschaft. 1895. j[g
262 Natorp, Heft 9 u. 10.
Erkannte ins Werk zu setzen, die um so heller hervorleuchtet,
wenn man die Verwahrlosung, in der sich das niedere Schulwesen
bis dahin befand, wenn man die Zerrüttung der politischen Lage
und damit zusammenhängende Erschöpfung der Finanzen mit ihren
vielseitig trüben Folgen bedenkt. Und heute — doch ich mag den
Satz nicht vollenden, denn nicht auf Klagen und Anklagen ist es
hier abgesehen. Bei der bestimmtesten Absicht, auf Gegenwart und
Zukunft eine heilvolle Wirkung zu üben, sind diese Hefte doch an
erster Stelle der Geschichte gewidmet. Nur ein bescheidener Bei-
trag zur Geschichte jener Tage ist denn auch hier beabsichtigt
Man kennt einigermassen und lernt immer besser kennen und
würdigen die Männer, die, sei es als Theoretiker und Experimen-
tatoren der Pädagogik, sei es in der Praxis der Schul-Einrichtung
und -Verwaltung, die damalige Bewegung geführt und ihr eine
bestimmte Richtung zu geben gestrebt haben. Aber neben diesen,
oft in nächster Beziehung zu ihnen entdeckt die genauere For-
schung eine erfreulich grosse Zahl solcher, deren Leistung minder
auffällig hervortritt und doch zum Gesamterfolg durchaus unent-
behrlich war. Nicht zu den Vergessensten unter diesen zählt der
Mann, dessen Andenken wir hier erneuern möchten, Ludwig
Natorp. Seine westfälische Heimat wenigstens hat ihn auf alle
Weise geehrt; durch Diesterwegs und andrer warmes Lob ist
ihm in der Erinnerung der Lehrerwelt ein fester Platz gesichert.
Doch zählen seine pädagogischen Schriften nicht zu den gelesenem;
man sucht sie auch in grösseren Bibliotheken meist vergeblich.
Und von seinem unmittelbar praktischen Verdienst um die Volks-
schule haben wohl nicht allzu viele selbst unter den Fachleuten
eine bestimmtere Vorstellung. Es fehlte bis vor kurzem an einer
eingehenden Darstellung seines W^irkens^). Mit einer solchen hat
uns nun einer seiner Enkel, Professor Oskar Natorp in Mülheim
a. d. K., beschenkt 2). Das glücklich angelegte, schon durch die
') Wer sich ein Bild davon machen wollte, sah sich, ausser einigen
abgelegenen Broschüren und Zeitechriftaufsätzen , auf die knappen Artikel
von Binder in der AUg. Deutschen Biographie und von Gustav Natorp
(einem Enkel des Verewigten) in Schmids Encyklopädie angewiesen.
*) B. Chr. Ludwig Natorp, Doktor der Theologie, Oberkonsistorialrat
und Vize-Generalsuperintendent zu Münster. Ein Lebens- und Zeitbild aus
der Geschichte des Niederganges imd der Wiederaufrichtung Preussens in
der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts von O. Natorp. Essen, G. D. Bädeker.
1894. (Ich citire durch 0. N.)
1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 263
I
Wärme des Tons unmittelbar ansprechende Buch wird dem Manne,
dem es ein so würdiges Denkmal setzt, gewiss neue Freunde er-
werben. Der Wert seines Lebenswerks tritt in dem von Schritt
zu Schritt vei*folgten zeitgeschichtlichen Zusammenhang hell ans
Licht, durch nichts so wie durch die Schlichtheit überzeugend.
Natorp hat einmal das überschwängliche Lob seiner Schullehrer
mit der Antwort abgewehrt: „Ich habe ja nur meine amtlichen
Obliegenheiten Schuldigermassen zu erfüllen mich bemüht Wer das
gethan, von dessen hohen Verdiensten darf nicht die Rede sein."
In richtigem Gefühl vermeidet auch sein Biograph fast jede Lob-
preisung ausser durch einfache Vorführung der Thatsachen und
allenfalls Wiedergabe der Urteile so stimmfähiger Zeitgenossen wie
Wilhelm von Humboldt, der ihn im Jahre 1809 auf Vinckes
Empfehlung zum geistlichen Bat im Ministerium, zugleich Schul-
und Regierungsrat bei der kurmärkischen Regierung berief ^). Auch
mir, dem Urenkel, stände es schlecht an, hier ein Loblied anzu-
stimmen; sondern, wie mein Oheim als zugleich theologisch vorge-
bildeter praktischer Schulmann das ernsteste sachliche Interesse zu
seiner Aufgabe mitbrachte, so möchte ich vom Standpunkt meines
Fachs, der Philosophie und theoretischen Pädagogik, das Wenige,
was ich zur Würdigung Natorps ergänzend beizutragen habe, hier
niederlegen. Ich füge nur die nötigsten Angaben über sein Leben
bei, indem ich in dieser Hinsicht auf die Biographie verweise.
Die Familie entstammt einem alten Bauernhof bei Unna in
der Grafschaft Mark, der noch den Namen führt; doch sind schon
seit der Reformationszeit studierte Männer, Prediger wie Juristen,
in stattlicher Zahl aus ihr hervorgegangen. So war der Gross-
vater unseres Lud\\dg Jurist in Hagen und Bochum, der Vater
Bernhard (1741 — 1819) ein hochangesehener Prediger in Werden,
Gemen und Gahlen. Seine Mutter, eine Büi^ermeisterstochter
aus Werden, die ihm daselbst am 12. November 1774 das Leben
gab, war eine Nichte J. J. Heckers, des Begründers der Real-
schule, das pädagogische Interesse also in der Familie bereits
eingewurzelt Das Gymnasium zu Wesel, welches in alter Weise,
von „Überbürdung*' weit entfernt, der persönlichen Ausbildung
der nicht zu zahlreichen Schüler freie Bahn liess, entsandte den
*) Drei aus diesem Anlass an Natorp gerichtete Briefe Humboldts,
die auch um des letzteren willen von Interesse sind, teilt O. N. S. 82 ff.
mit. Einiges daraus weiter unten.
18*
264 Natorp, Heft 9 u. 10.
>1 8 jährigen bereits ziemlich weit gefordert zur Universität Halle,
die er 1792 als Theologie-Studierender bezog. Neben den Leh-
rern seines Fachs regten ihn hier Niemeyer als Pädagoge Wolf
als Philolog vorzüglich an. Bei einer theologischen Societät, die
auch die Pädagogik pflegte, beteiligte er sich eifrig; auf einer
pädagogischen Reise durch Thüringen und Sachsen besuchte er
Schnepfenthal, lernte Salzmann und Gutsmuths kennen. In seinem
Berufsfach blieb er dem massvollen, vorwi^end praktisch ge-
richteten, dabei warmherzigen Rationalismus, dem schon der
Vater anhing, unverändert treu; der in seiner Heimat verbreitete
mystische Pietismus Tersteegens wie der nach den Freiheitskriegen
überhand nehmende orthodoxe, mit dem er durch freimdschaft-
liche, dann auch verwandtschaftliche Beziehungen zum Knim-
macherschen Hause in nächste Berührung kam, blieb auf ihn ohne
Einfluss. Von der grossen philosophischen und litterarischen Be-
wegung jener Tage zeigt er sich nicht so tief als man erwarten
könnte, berührt. Desto entscheidender ei^ff ihn der Sturm und
Drang der neuen Pädagogik. Zwar missachtet er auch hier nicht
die Alten, namentlich Rochow ist ihm stets ein leuchtendes Vor-
bild geblieben. Aber mit ungleich wärmerer liebe doch fühlte
er sich zu Pestalozzi hingezogen. Lehnt er die Methodensucht
der Pestalozzianer vom Schlage Zellers ^), die ein praktisches
Wirken im Geiste des Meisters nur erschwerte, mit allem Recht
ab, so bezeichnet er sich doch selbst in theoretischer Hin-
sicht aufs bestimmteste als Anhänger des Schweizers *). Man
kann die Bedeutung dieses Bekenntnisses unterschätzen, weil er,
durch eine seltene Gabe der persönlichen Einwirkung und ein
*) S. die eiDgehende DarstelluBg in Diltheys Art. Süvem (Allg. D.
Biogr.), und L. W. Seyffarth, Pestalozzi in Preussen. Liegnitz 1894.
') Nur um eine Schattinmg entferne ich mich hier von dem urteil
O. N.'s, der Natorp bisweilen fast in einen Gegensatz zu Pestalozzi bringt.
Nicht ohne Grund, sofern es sich um Einseitigkeiten Pestalozzischer Lehr-
weise handelt; aber das, was die eigentliche Bedeutung des Mannes doch
ausmacht, wodurch er auf die Fichte, Nicolovius, Süvem und Humboldt so
bedeutend gewirkt hat: die „Idee" der Elementarbildung hatte N., wie seine
Schriften allenthalben bezeugen, aufs innigste in sich aufgenommen; sein
ganzes pädagogisches Denken hat daher seine Richtung erhalten. Das er-
kennt übrigens im wesentlichen auch O. N. an, wenn er 8. 67 sagt: „Die
Grundgedanken des grossen Schweizers fanden ja an ihm einen Anhänger;
des weiteren aber schlug er vielfach seine eigenen Wege ein." Das Letztere
versteht sich bei einem selbstdenkenden Manne von selbst.
1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 265
grosses Organisationstalent ganz auf die Praxis hingewiesen und
in diesem Punkte nicht bloss den Pestalozzianem^ sondern dem
Meister selbst jedenfalls überlegen, auf die Grundfragen der päda-
gogischen Theorie weniger zu sprechen kommt Doch lässt sich bei
genauerer Nachforschung nirgend verkennen, auf vde durchdachten
theoretischen Grimdlagen seine vielgestaltige Thätigkeit auch im
kleinsten beruhte, und da grade beweist er sich allenthalben als einen
der treusten^ verständnisvollsten, nur ebendarum zugleich freisten
und selbständigsten Nachfolger des Schweizer Reformators^).
Das Lehramt selbst hat Natorp nicht bloss als Geistlicher
nebenher geübt Nachdem er die Universität verlassen, trat er,
erst zwanzigjährig, in ein tüchtiges Privatinstitut zu Elberfeld als
Lehrer ein. Schon nach einem Jahre wurde ihm die Mitleitung
des Instituts angetragen; er schlug sie aus, um 1796 eine wenn
auch äusserst bescheidene Pfarrstelle zu Hückeswagen anzunehmen.
Zwei Jahre später öffnete sich ihm ein grösserer Wirkungskreis,
indem er zum Pfarrer an der lutherischen Gemeinde zu Essen
berufen wurde. Die dortigen Schulzustände gaben ihm bald
Gelegenheit zu eingreifender Bethätigung seines pädagogischen
Reformeifers. Es wurde (1802) eine Kommission eingesetzt, zu
deren Mitgliedern Natorp zählte^ um über die Mängel der be-
stehenden Schulen Bericht zu erstatten und Vorschläge zur
Besserung zu thun. Natorp legte sein Gutachten nieder in der
meisterlichen Schrift: „Grundriss zur Organisation allge-
meiner Stadtschulen*^ (Duisburg und Essen, Bädeker, 1804).
Wie schon der Titel verrät, beschränkt sich sein Entwurf nicht
auf den besonderen Fall der Essener Schulen; ihm steht ein all-
gemeiner Organisationsplan vor Augen, gemäss welchem sich diese
bestimmte, etwa unserer Realschule entsprechende Schulgattung
in ein organisches System der öffentlichen Schulen einreihen sollte
(s. bes. S. 20 f.). Daher lädt schon diese Schrift uns zum Ver-
weilen ein ; einige Mitteilungen daraus werden um so willkommener
sein, da die Schrift vergriffen und auch in Bibliotheken selten
zu finden ist^.
») Vgl. Note 2 auf Seite 264.
*) Ein Neudruck der Schrift (etwa mit einigen Kürzungen) wäre
schon des historischen Interesses wegen um so erwünschter. Auch Lorenz
V. Stein (Bildungswesen III 507) hebt sie als „sehr eingehende und höchst
verständige Arbeit" besonders hervor.
266 Natoi-p, Heft 9 u. 10.
Nur zwei Jahre früher war Pestalozzis epochemachendes
Werk „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt*' erschienen ; kein Wunder,
dass unter Natorps Schriften am fühlbarsten gerade diese, bei
übrigens grosser Selbständigkeit, vom Pestalozzischen Geiste erfüllt
ist Schon in der unverzagten Kritik, die wie Ungewitter in die
Staub- und Schmutzwinkel des damaligen Schulwesens hineinfährt
zum fröhlichen Kehraus; vollends in den positiven Vorschlägen.
Menschenbildung geht der Berufsbildung vor. Ergeht
(S. 40) „von dem unumstösslich wahren Satze aus : der gebildetere
Mensch ist auch der geschicktere und brauchbarere Bürger. Die
Bürgerbildung betrachte ich also als der Menschenbildung
untergeordnet Den absoluten Wert der Gegenstände des
Unterrichts habe ich folglich mehr im Auge als den hypo-
thetischen Weil derselben. Ich frage bei diesen Unterrichts-
gegenständen eher: wird durch den Unterricht in diesen Punkten
das Menschliche im Menschen ausgebildet? als: was für
einen Nutzen für das bürgerliche Leben wird mir derselbe ge-
währen? Lange genug hat man in den Schulen, wie in zu vielen
andern Dingen, mehr für den Staat als für die Menschheit, mehr
für den Bürger als für den Menschen, mehr für die politische
Ex- und Subsistenz, als für die Veredelung des Geistes, des
Herzens und des Lebens gewirkt Die Erfahrung lehrt es, wie
weit man es bringt, wenn bei der Bildung des Menschen die
Kultur des Menschlichen in ihm über der Kultur des Bürger-
lichen an ihm versäumt wird.*' Eine rechte „Elementarschule"
müsste folglich von den wahren „Elementen der Menschen-
bildung** ausgehen (S. 25). Ihre Nichtbeachtung hat eine „Stumpf-
heit des äusseren und des inneren Sinnes** verschuldet, die ohne
die traurige Beschaffenheit des Elementarunterrichtes „beinahe
unerklärlicher^* wäre, „als dass weiland Bileams Esel redete**
(ebenda). Denn an sich ist die menschliche Natur einer ge-
sunden Bildung durchaus fähig (S. 23): „Nein, wahrlich nur der
inwendige natürliche Mensch kann uns diux;h seine göttliche
Kraft vor dem Verderben retten, welches uns negativ und positiv
in den gewöhnlichen Schulen bereitet ward. Dass wir bei der
unvernünftigen Bildung, die man uns zu geben von Amts wegen
bemüht ist, nicht an Geist und Herz gänzlich verkrüppelt werden,**
ist ihm „ein untrüglicher Beweis, dass Gottes unvergänglicher
Geist in uns wohne** (Buch der Weisheit 12, 1). — Demge-
1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Greschichte etc. 267
mass ist seine Schule als allgemeine Bildungsanstalt völlig im
Geiste des Comenius gedacht; es soll (S. 20) „durchaus jeder
Mensch ohne Unterschied des Geschlechts und ohne
Unterschied seines künftigen Standes und Berufes
zweckmässige Anleitung zu einer wahrhaft edlen und wohlthätigen
Bildung stufenweise darin empfangen"; während die Bildung zu
einem besondern Stande und Berufe speciellen Instituten überlassen
bleibt. Dadurch unterscheidet sich seine „allgemeine Stadtschule"
scharf von der „Realschule" Heckers, die eigentlich eine Summe
von Fachschulen war. Besonders warm nimmt er sich, eben-
falls ganz im Geiste des Comenius, der bis dahin „auf das
unerhörteste vernachlässigten" (29) Bildung des weiblichen Ge-
schlechts an. Wenige der vorhandenen Institute, klagt er (27),
„haben echte Weiblichkeit erzeugt; aber echtes weibisches Wesen
ist häufig genug aus ihnen entsprungen. Noch wenigere haben
im Weibe den Menschen gebildet". Mit Schärfe wendet er sich
gegen die Erziehung in Klöstern: „Erziehung zur Humanität
und eigentlichen Weiblichkeit ist man nicht berechtigt von Frauen-
zimmern zu fordern, welche einen wichtigen Teil der weiblichen
wie der menschlichen Natur öffentlich und von Amte wegen aus-
gezogen haben" (28). Im Hinblick auf die allgemeine Verkürzung
des andern Geschlechts an seinem Anspruch auf volle Menschen-
bildung ruft er aus: „Wahrlich, es gehörte, um in einer An-
gelegenheit, die vor allen andern mit Vernunft behandelt werden
sollte, so unvernünftig zu Werke zu gehen, jener Sklavensinn und
jene Geistesverstocktheit dazu, die zur Schande und zum Ver-
derben der Menschheit aus der Hierarchie und den Systemen
kirchlicher Theologen hervorgegangen sind" (30). Auch die
Vereinigung von Knaben und Mädchen in Einer Schule findet
er ebenso wie Condorcet^) „für die Sittlichkeit wenigstens bei
weitem nicht so gefährlich, als manche neuere Pädagogen be-
hauptet haben"; die absichtliche Trennung kann ebenso gefährlich
werden (223 f.). — Der hohen Auffassung der Elementarbildung
entspricht die Hochstellung des Berufs des Elementar-
lehrers. Er nennt es (55) „ein entsetzliches, höchst verderbliches
Vorurteil", wenn man dem Elementarlehrer einen niederen Rang
anweist als dem Lehrer einer höheren Schulanstalt. „Wenn ja
^) Vgl. Monatsb. der CG. 1894, S. 137.
268 Natorp, Heft 9 u. 10.
ein Unterschied statthaben soU^ so muss jeder Sachkundige der
Meinung sein, dass gerade für den ersten Unterricht und die erste
Bildung der Jugend in den untersten Klassen ein geschickterer
und fähigerer Lehrer erfordert werde als für die Unterweisung
und Bildung der reiferen und selbstthätigeren Jugend in einer
höheren Klasse; und dass daher ein Elementarlehrer, der das ist^
was er sein soll, ganz vorzüglich unsere Achtung verdiene." —
Der specielle Teil der Schrift behandelt in trefflicher Ordnung
1. den Stoff des Schulunterrichts, 2. die Schuldisciplin oder den
„Schulmethodus", d. L die eigentliche innere Organisation des
Unterrichts wie der Zucht, 3. die Schulpolizei, d. i. die äussere
Schul-Einrichtung und -Verwaltung. Eine systematische Ableitung
der Lehrfächer ist wenigstens angestrebt Die Pestalozzi^schen
„Elementarpunkte" finden Beachtung, ohne zwar eine beherrschende
Stellung einzunehmen; die Abhängigkeit des Schreibens vom
Zeichnen wird anerkannt, die „anschauliche" vor der „symboli-
schen" Lehrart grundsätzlich bevorzugt^); in der Keligion ein
natürlicher, undogmatischer Lehrgang ohne Katechismus, biblische
Historien u. s. w. ganz im Geiste Pestalozzis vorgeschrieben;
denn „es ist nur ein Lumpenkram um alle gelernte Religion
und alle gelernte Moral, wie „unser philosophischer Landsmann
F. H. Jacobi" sagt. Im Lesen wird die Lautiermethode dringend
empfohlen; übrigens umfasst der Stundenplan eine, erst in Pesta-
lozzis Sinne elementare, dann wissenschaftliche Geometrie; Natur-
kunde, Technologie, Bürgerkunde; Denkübungen; besonderes
Gewicht wird auf die Gesaiiglehre gelegt, um deren methodische
Bearbeitung sich Natorp nachmals hervorragendes Verdienst er-
worben hat In Hinsicht der Zucht teilt er ganz die humanen
Grundsätze, in denen, wie er nachdrücklich betont, die besten
Pädagogen aller Zeiten einig gewesen sind ; er stützt sich besonders
auf Charron, aus dem er ausführliche Auszüge giebt Unter
Voraussetzung allerdings von Klassen bis zu höchstens 20 Schülern
vei*wirft er grundsätzlich alles Strafen und Belohnen, alle Spomung
des Ehrgeizes; man sollte, wie Pestalozzi das Beispiel gegeben,
die Schüler ohne Lob und Tadel, allein nach Massgabe ihres
^) S. 118: ,,Deim es ist ausgemacht, dass die anschauliche Erkenntnis
vor der symbolischen den Vorzug hat, und dass das leidige Buchstabenwesen
die lebendige Kinderseele tötet". Er beruft sich hier auf das, was „schon
der vor 132 Jahren verstorbene berühmte Comenius" gesagt habe.
1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 269
Talents unterweisen, und einen jeden nicht mit andern, sondern
nur mit sich selbst wetteifern lehren (72). „Der Lehrer soll an
den Kindern, die in seiner Schule sind, Eltemstelle vertreten; er
soll ihnen mit väterlicher Fürsorge die Augen ihres Verstandes
aufthun; er soll mit väterlicher Treue die Keime des Guten in
ihrem Herzen beleben. Ein Mann, der den rechten Lehrersinn
hat, muss sich nirgends lieber befinden, als da, wo sich eine
Schaar von Unmündigen um ihn her versanmtielt. Wer sich aber
von solchen Unmündigen belästigt fühlt oder es für zu gering
achtet, sich derselben anzunehmen, der mag Sklaven befehlen und
Tiere abrichten können, er kann nicht Menschen bilden und ist
der Freude nicht wert, so vieler Unmündigen Vater und Erzieher
zu sein« (89 f.).
Diese wenigen und allgemeinen Züge werden hinreichen,
von der Richtung des Entwurfs einen Begriff zu geben. Es ist
ein Ideal (S. 22), allerdings von keiner gewöhnlichen Schule ab-
strahiert; doch hat man „die einzelnen Teile dieses Ideals hier
und da auch schon in der wirklichen Welt erblickt*^. ,Jn der Sache
selbst liegt kein Hindernis, welches die Ausführung unmöglich
machte ; ja, da ich hier fast nur reine Resultate vielfacher eigener
Erfahjnng niedergeschrieben habe, so möchte ich wohl behaupten,
dass selbst nicht einmal einzelne Punkte in der hier vorgeschlagenen
Organisation unausführbar seien: die Principien, von welchen
ich bei dem Entwerfen dieses Grundrisses ausging, vertragen ja
die Prüfung, und in der Anwendung derselben wird man doch
wohl die Konsequenz nicht verkennen" (238 f.). Auf den Ein-
wurf, dass das Unterrichtsziel zu hoch gesteckt sei, antwortet er:
1. jeder nicht ganz verwahrloste Mensch hat aus den meisten der
angegebenen Fächer mehr oder weniger Kenntnisse ; 2. man kann
es darin nicht zu weit bringen; 3. kein einziges dieser Fächer
ist überflüssig oder unwichtig; 4. es fehlt der jugendlichen Natur
nicjit an Kraft zu fassen, zu durchdenken, zu behalten, wie
Basedow, Rousseau, Pestalozzi gezeigt haben; und 5. es kann bei
guter Methode auch nicht an der Zeit mangeln, wie wiederum
Pestalozzi und andere der Methodik kundige Männer praktisch
bewiesen haben (216). —
Nicht allzu oft haben erfahrene Praktiker so aus „Principien"
zu folgern verstanden; und nicht allzu oft haben sich Behörden
gefunden, die eine so gründliche Kritik bestehender Einrichtungen
270 Natorp, Heft 9 u. 10.
nicht bloss vertrugen, sondern ermutigten und ihr unverweilt Folge
gaben. Der Oberpräsident Freiherr vom Stein liess die Schrift
diu'ch den Pfarrer Eylert in Hamm begutachten und das Gut-
achten, das etwas engherzig theologisch ausfiel, mit der Gegen-
kritik Natorps in der von diesem herausgegebenen „Quartalschrift
für ßeligionslehrer'' (Jahrg. 1804, 2. Quartal, S. 307—344) ver-
öffentlichen. Auch wurde verfügt, das bisherige Gymnasium zu
Essen nach dem von Natorp eingereichten Plane in eine Bürger-
schule zu verwandeln (s. das. S. 309). Fernerhin wurde ihm das
Amt des Schulkommissars für den Bochumer Schulkreis über-
tragen, welches ihm weitere Gelegenheit gab, sich mit den Zu-
ständen der Schulen, jetzt auch der ländlichen, vertraut zu machen
und allenthalben zu ihrer Besserung Hand anzulegen. Eine von
ihm ins Leben gemfene „Gesellschaft von Schulfreunden in der
Grafschaft Mark" diente dem lebendigen Austausch der Erfahrungen
unter allen Beteiligten, ganz in der Art, wie es in dem Haupt-
werke Natorps, dem bald zu erwähnenden „Brief Wechsel*', an-
schaulich dargestellt wird. Mit welchen Schwierigkeiten da oft
zu kämpfen war, welcher ausharrenden Geduld es bedurfte, um
die unscheinbarsten, dennoch schliesslich entscheidenden Erfolge
zu erringen, darin gewährt besonders lehrreichen Einblick eine
in die „Quartalschrift« (IV, 2, S. 53—118, 1808) eingerückte, nach-
mals im „Briefwechsel" (als 18. Brief) wiederholte Epistel.
Die politischen Verwickelungen konnten diese unermüdliche,
mehr und mehr von schönem Erfolg gekrönte Thätigkeit wohl
für einen Augenblick stören; aber sie gaben ihr zugleich einen
neuen Sporn, ja sie sollten dahin führen, ihr ein ungleich weiteres
Feld zu eröffnen, sie in einen bedeutenderen Zusammenhang ein-
zufügen und so zu desto höherer Wirksamkeit zu entwickeln.
Das Verhängnis von 1806, von dem auch die Stadt Essen
halt betroffen wurde, griff dem warmblütigen Patrioten ans Herz.
„Ich habe," schreibt er zwei Jahre später (bei O. N. S. 80), ,4nit
tiefer Wehmut das Schicksal unseres deutschen Vaterlandes be-
trauert und werde es bis an meinen Tod betrauern. Gebe uns
Gott nur, ehe wir scheiden, die Freude, in der deutschen Nation
den alten Geist wieder aufleben zu sehen! Hundertmal habe ich
schon in meinen akademischen Jahren, als hätte ich die Zukunft,
die jetzt Gegenwart ist, geahndet, die olympischen Spiele cum
aiinexis herbeigewünscht, und hundertmal ist mir eingefallen, was *
1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 271
Stephani so bedeutungsvoll in seinem „Grundriss*' geschrieben hat:
In dem Charakter einer Nation der Erde scheint, bis der ewige
Friede geschlossen wird, der militärische Geist ein notwendiges
Ingredienz zu sein; er ist ein Ferment zur Hervorbringung des
Nationalgeistes, der gegen Stürme und Wetter hart macht/'
Welche Aufgabe für solchen Mann, die Festpredigt zum Namens-
tag Napoleons zu halten!
Doch ihm war ein besseres Los vorbehalten. Der Frei-
herr von Vincke, der als Kammerpräsident von Münster und
Hamm den Mann und sein Wirken schätzen gelernt hatte, wurde
1809 Präsident der brandenburgischen Regierung; er bewirkte
alsbald die oben erwähnte Berufung Natorps nach Potsdam
durch V. Humboldt, der um dieselbe Zeit die Leitung der Kultus-
abteilung im preussischen Ministerium des Innern übernommen
hatte. So fand sich der schlichte Stadtpfarrer auf einmal in
unmittelbarer Fühlung mit den grossen Weltereignissen versetzt
Er hatte gerade in den Jahren der Demütigung oft vor dem Könige
zu predigen; dieser nannte ihn einmal „seinen geistlichen Feld-
marschall", ich denke wegen der fortreissenden Begeisterung seiner
Vaterlandsliebe, die sich, wie in die erhaltenen Briefe aus jener
Zeit, gewiss auch in seine Predigten ergoss. So schreibt er 1813
dem Bruder, den die betagte Mutter bedenklich machen wollte,
ins Heer einzutreten : „Höre, man kann jetzt auf deutschem Grund
und Boden nach meiner Meinung nichts Vernünftigeres thun, als
Franzosen, die ihn aussaugen, tot zu schlagen oder fortzujagen.
Alles andere, was man sonst Vernünftiges treiben kann, ist einst-
weilen nur Nebensache. Wenn wir wieder reine Bahn haben,
dann werfen wir den Feuerbrand bei Seite und kehren mit frohem
Mute zu dem alten Tagewerke zurück. Wer brav geholfen hat,
der hat dann lebenslängliche Freude darüber und erzählt in den
alten Tagen der aufwachsenden Jugend von dieser herrlichen Zeit,
da die Tenne gefegt wurde. Ich glaube, ebenso werden alle guten
Deutschen urteilen; ich sage, alle guten Deutschen, die den
Boden lieb haben, auf dem ihnen und ihren Vorfahren der liebe
Gott so oft Frühregen und Spätregen geschenkt hat, und die
Tugend und Ehre höher schätzen als ihr Fleisch und Bein ....
W^ir leben in einer herrlichen Zeit, mein lieber Bruder! Eine
bessere konnten wir nicht erleben. Dieser Freiheitskrieg wird
ewig denkwürdig bleiben. Er wird die Deutschen zu einem neuen
272 Natorp, Heft 9 u. 10.
und herrlichen Volke machen, und die Schwächlinge, denen bei
jedem Winde die Haut zusammenschaudert, werden dadurch auf-
gereizt und gestärkt werden. Wer in seiner Schlaffheit sich
gewöhnt hat, den Wert seines Lebens mit der EUe auszumessen,
wird einsehen lernen, dass es einen besseren Massstab giebt Wer
seines Lebens in Ruhe geniessen will, der wird dinnch den Drang
der Umstände gezwungen werden, sich zusammenzunehmen, und
notgedrungen lernen, dass handeln mehr gilt als gemessen.^' (O.
N. S. 130.) Und nach der Leipziger Schlacht (ebend. S. 127):
„Was ich hier erlebt habe, ist grosser und herrlicher, als was wir
in den Büchern der Griechen oder IWmer lesen. Grösseres werde
ich nie erleben, und darum könnte ich allenfalls jetzt wohl aus
der Welt gehen, wenn ich nicht noch Lust hätte zu sehen, ob in
diesem Freiheitskriege nicht auch die Schulmeister ein wohl-
thätiges hitziges Fieber bekommen würden .... Ich glaube, dass
Kirche und Schule durch diesen Krieg einen starken und wohl-
thätigen Anstoss bekommen haben . . . Wenn die jetzige Zeit
gut benutzt wird, dann wird unser Volksschulwesen von
Grund aus eine Umgestaltung erfahren und in eine ver-
nünftige Beziehung zum Staate und Volke gebracht
werden. Schon vor Ausbruch des Krieges war unser Departe-
ment damit beschäftigt, eine Instruktion über die Einrich-
tung der Schule zu entwerfen. Wahrscheinlich wird diese in
kurzem erlassen und veröffentlicht werden; und sie wird hoffent-
lich für das Schulwesen in allen deutschen Landen eine
wichtige Erscheinung sein."
Die so bedeutsam angekündigte „Instruktion^^ ist nichts
anderes als der Süvern^sche Entwurf einer einheitlichen
Regelung des gesamten preussischen Schulwesens. Natorp hat an
dem die Einrichtung der Elementarschulen betreffenden Teile
dieses Entwurfs her\'orragenden Anteil. „Am 11. Oktober 1812,"
teilt DUthey (Art. Süvem, AUg. D. Biogr. XXXVH, 238) aus
den Akten mit, „hatte Natorp von Süvern den Auftrag erhalten,
eine Instruktion aufzustellen, welche die allgemeinen Grundsätze,
nach denen Elementarschulen einzurichten sind, für die admini-
strierende Behörde, die Schul vorstände und Lehrer enthalte; am
5. Dezember lief diese ein und wurde dann von Süvern seinem
Entwürfe zu Grunde gelegt."
Über die Bedeutung des Entwurfs urteilt derselbe Autor
1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 273
(S. 239): ^^um ersten Male fasste eine deutsche Verwaltung den
Plan, das ganze Schulwesen als ein integrirendes Glied
des ganzen Staatsorganismus zu ordnen. Eine solche
Organisation hatte in revolutionärem Geiste Condorcet^) 1791/92
entworfen, Napoleon hatte sie im Sinne des französischen Cäsaris-
mus ausgeführt: mm stellte dieser Organisation des französischen
Schulwesens Deutschland seine eigene gegenüber. Wie überlegen
waren zunächst die Intentionen dieser deutschen Beform der
mechanischen Trennung der heutigen Schulen. Damals versuchte
man dem Schüler die Möglichkeit zu geben , von einer Anstalt
auf eine höhere überzugehen.*' — Der Grundgedanke der ein-
heitlichen Organisation des gesamten nationalen Bildungswesens
war Gemeingut der bedeutenden Männer alle, die für die Ver-
bessenmg des preussischen Schulwesens damals thätig waren.
Der Freiherr vom Stein hatte ihn in seinem berühmten „Ab-
schiedsschreiben'' gleichsam als Vermächtnis hinterlassen: es komme
darauf an, „die Disharmonie, die im Volke stattfindet, den Ejunpf
der Stände unter sich, der uns unglücklich machte^ zu vernichten,
gesetzlich die Möglichkeit aufzustellen, dass jeder im Volke
seine Kräfte frei in moralischer Richtung entwickeln könne"; und
in dieser Hinsicht sei „am meisten von der Erziehung und dem
Unterricht der Jugend zu erwarten". Mit der Forderung aber
einer „auf die innere Natur des Menschen gegründeten
Methode", durch die „jede Geisteskraft von innen heraus ent-
wickelt, jedes edle Lebensprinzip angereizt und genährt und so
alle einseitige Bildung vermieden" werde, hatte er sich auf den
Boden der Pestalozzischen Grundsätze gestellt Ganz die
gleichen Gesinnungen äussert der Frh. vonVincke in einem kurz
vor der Übersiedelung nach Potsdam aufgezeichneten Entwurf.
Auch er verlangt „für den öffentlichen Unterricht die plan-
mässige hierarchische Ordnung der verschiedenen Schul-
anstalten" ; auch er beklagt, dass die öffentlichen BUdungsanstalten
bisher allein für die höheren Stände zu existieren schienen;
für die andern sei bloss geschrieben. Und er verlangt, ganz im
Sinne des Natorp^schen Grundrisses, „die Verbannung alles
Religionsunterschiedes aus den Schulen mit Übertragung
des Religionsunterrichtes an die Prediger jedes Glaubens". Diese
') Vgl. M.H. d. CG. 1894, S. 128—146.
274 Natorp, Heft 9 u. 10.
längst gestellte Forderung einer einheitlichen Ordnung des Schul-
wesens auf Grundlage der allgemeinen Volksschule war der
Süvemsche Entwurf zu verwirklichen bestimmt Dem entsprechen
seine grundlegenden Paragraphen: Die öffentlichen und all-
gemeinen Schulanstalten bezwecken die allgemeine Bildung
des Menschen an sich, nicht seine unmittelbare Vorbereitung
zu besonderen einzelnen Berufsarten; sie bilden, als Stamm und
Mittelpunkt für die Jugenderziehung des Volkes, die Grundlage
der gesamten Nationalerziehung. Die Erziehung der Jugend für
ihre bürgerliche Bestinunung soll auf ihre möglichste allgemein-
menschliche Ausbildung gegründet werden. Zu solchem Zweck
sollen diese Anstalten die allgemeine Jugendbildung vom Anfange
des Schulunterrichts bis zu der Grenze, wo die Universität sie
aufnimmt, durch drei wesentliche Stufen durchführen: allgemeine
Elementarschule, allgemeine Stadtschule, Gymnasium. „Alle diese
Stufen müssen auf ihren Endzweck so fest gerichtet sein, das»
sie zusammen wie eine einzige grosse Anstalt für die
National-Jugendbildung betrachtet werden können. Es
muss daher ihre ganze Anlage auf einem in sich übereinstimmenden
System der letzteren beruhen", so dass jede Stufe, indem sie
ihre eigenen Zwecke verfolgt, zugleich auf die nächste höhere
Stufe vorbereiten kann. Im einzelnen beweist die Auswahl der
Fächer für die Elementar- und allgemeine Stadtschule, die Ver-
knüpfung des Zeichnens mit der „Form- und Massverhältnislehre",
die Betonung des Gesangunterrichts u. a. nicht bloss den Einfluss
des Pestalozzischen Geistes überhaupt, sondern erinnert noch
besonders an Natorps „Grundriss".
Der Entwurf ist, wie man weiss, nicht Gesetz geworden;
die damit gestellte Aufgabe harrt noch ihrer Lösung, ja die Aus-
sicht auf eine solche ist mit jedem neuen Anlauf leider femer
gerückt. Von dem Geist jener Tage ist in den folgenden Ent-
würfen immer weniger und bald nichts mehr zu spüren. Doch
war es unschätzbar, dass zum wenigsten einzelne Männer, die
von solchem Geiste beseelt waren, in der Verwaltung bleiben imd
so doch im kleinen und besonderen wirken durften, was für
\ ihren Staat im ganzen zu leisten ihnen versagt blieb. Und da
war ein Praktiker wie Natorp so recht an seinem Platze.
Bei seinem Amtsantritt hatte Humboldt ihm geschrieben
(14. März 1809): „Es ist mir nicht gelungen, mir hier alle Ihre
1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geachichte etc. 275
Schriften zu verschaffen ; allein diejenigen, die ich fand, habe ich
mit Aufmerksamkeit durchgelesen, und mich auch dadurch über-
zeugt^ wie viel der Staat sich für einen der wichtigsten Teile
der Nationalerziehung von einem Manne zu versprechen hat,
der so richtige und aufgeklärte Grundsätze, einen so reinen und
warmen Eifer für das Gute und eine so reife Erfahnmg in sich
vereinigt Seit dem ersten Augenblicke, da ich mich mit dem
Gedanken an meinen jetzigen Posten beschäftigte, lag mir die
Erziehung des Volkes, d.i. die Einrichtung der Land- und
niederen Bürgerschulen, als der wirklich dringendste
Teil meines Geschäftes und die Basis aller Erziehung
vorzüglich am Herzen, und ich empfinde eine wahre Beruhigung,
hierin einen solchen Gehülfen zu erhalten.'^ Und am 23. Mai:
„Sie und der brave und thätige Herr von Vincke sind gerade die
Männer^ zu denen ich das sichere Vertrauen hegen kann, dass
die Schulen der Kurmark zu einem solchen Grade der Güte und
Vollkommenheit gebracht werden können, dass sie denen der
anderen Provinzen zum Muster und zur Nachbildung dienen.'^
Damit war Natorp seine Aufgabe vorgezeichnet. Das Schulwesen
der Kurmark war in schlimmerer Verfassung, als damals bereits
das westfälische. Eine allgemeine Reform blieb vorbehalten, bis
die Erfolge der in der Provinz Preussen damals durch Zeller
unternommenen Versuche mit der Pestalozzischen Methode sich
gezeigt hätten; inzwischen war Natorp in seiner Provinz freie
Hand gelassen. Auf unermüdlichen Inspektionsreisen griff er
überall persönlich ein; er machte den SchuUehrem das Unter-
richten selbst vor, indem sie die Schüler spielen mussten; war
ein Pensiun eingeübt, so machte einer der vorherigen Schüler den
Lehrer u. s. f. „So wurde (berichtet er) innerhalb zweier Tage
eine Stufe nach der andern erstiegen, und wir standen so weit
oben, wie für jetzt die Elementarschule kommen sollte. Nichts
von Theorie; alles ein Vor- und Nachmachen!" (O. N. 109.) Er
sorgt für Beschaffung der Schiefertafeln, Fibeln, Wandtafeln,
Einrichtung von Lehrerkonferenzen, Lesezirkeln, vor allem für
Kenntnis und Einführung der besseren Metlioden. Tüchtige
Lehrer wurden in Fehrbellin ausgebildet, um dann in der Provinz
„hin und wieder Funken zu schlagen", d. i. durch an verschiedenen
Orten eingerichtete Kurse die gewonnenen Vorteile weiter zu
verbreiten. Ein Schullehrerseminar wurde in Aussicht genommen^
276 Natorp, Heft 9 u. 10.
eine Bürgerschule zu Potsdam nach Natorps Vorschlagen ein-
gerichtet
Allenthalben war es sein Bestreben, wie er im Vorwort zur
2. Auflage des „Briefwechsels" sagt, „den Übeigang aus der
vorigen Periode des Volksschulwesens in die jetzige befördern
und an das bisherige Gute das in der neuesten Zeit gewonnene
und bewährt gefundene Bessere auf eine nicht stürmische Weise
anknüpfen zu helfen." Das „Bessere" sind, wie das ganze Buch
beweist, die Pestalozzischen Grundsätze; in der Abwehr der
„stürmischen Weise" der Einführung liegt zugleich eine deutliche
Kritik der Art, wie die Pestalozzianer vielfach auftraten; diese
allein machte das ,3essere" ungerechtfertigter Weise zum Feind
des „bisherigen Guten", das ein so besonnener Praktiker unmög-
lich übersehen oder geringachten konnte. So wendet er sich
(ebenda I 36) nicht ohne Schärfe gegen den „neumodischen
Schwindel", die „pädagogische Sektiererei" der Pestalozzianer; und
erkennt doch in demselben Satze wiederum den Anbruch einer
„neuen Periode der Pädagogik" an.
In den drei Bändchen: „Briefwechsel einiger Schul-
lehrer und Schulfreunde" (1811, 1813 und 1816) findet man
annähernd das niedergelegt, was er zur Hebung der Volksschule
zunächst angestrebt und durch direktes persönliches Eingreifen
in zwei Provinzen durchzuführen sich bemüht hat Das Werk
war ursprünglich nur als veranschaulichende Beigabe eines um-
fassenden „Grundrisses der Volksschulkunde" gedacht; die Aus-
arbeitung des letztem unterblieb vielleicht nur deshalb, weil der
„Briefwechsel" nach und nach so ziemlich das, was der „Grund-
riss" behandeln sollte, in sich aufgenommen hatte. Thatsächlich
bleibt kaum ein wesentlicher Punkt darin unberührt Ene Analyse
des ganzen Werkes geht über die Absicht dieser Skizze hinaus;
doch soll, was irgend von grundsätzlicher Bedeutung ist, hier zu-
sammengetragen werden.
„Ich fange nicht am Ganzen, sondern nach einem
das Ganze umfassenden Plane am Einzelnen an; ich suche
das vorfindliche Gute zu befestigen und weiter zu fördern."
So spricht er einmal vorzüglich klar die Eigenheit seines Wirkens
aus (II 176). Diesen „das Ganze umfassenden Plan" haben wir
nun darzulegen. Schon das frühere Werk stellte eine ausge-
zeichnete Disposition auf; diese wird im „Briefwechsel" in der
1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 277
Hauptsache festgehalten^ doch weiter ausgearbeitet und vertieft
(s. den 16., 23. und vorzüglich den 28. Brief). In einem „voll-
standigen Grundriss zu dem Gebäude des Schulunterrichts^' (III
18) muss die Schule 1. an und für sich selbst, 2. in ihrem Ver-
hältnis zu der Gemeinde betrachtet werden; in ersterer Hinsicht
sind die beiden Hauptbestandteile Unterweisung und Zucht (HI
175). Hinsichtlich der Unterweisung ist das Erste die Festsetzung
der Lehrgegenstände. Da will es ihm nicht genügen, wenn
,,nach der gemeinen Weise" Lesen, Schreiben, Rechnen imd der
Katechismus als das Quadrat der Schulbildung im Unterrichtsplan
aufgestellt wird (III 176); Lesen und Schreiben sind gar nicht
Hauptimterrichtsgegenstände, sondern nur etwas zu einem Haupt-
unterrichtsgegcnstande gehöriges (19 f.). Seine Fächer sind: 1. aus
dem Gebiete der Sprachen die Muttersprache; der Sprachunter-
richt schliesst in sich Lesen, Rechtschreiben und sog. Denk-
übungen; 2. aus dem Gebiete der Wissenschaften: Mathematik,
ein Inbegriff gemeinnütziger Kenntnisse aus den Fächern der
Naturkunde, der Gewerbkunde, der Erdbeschreibung und der Ge-
schichte (S. 11 als ,36alkenntnisse" zusammengefasst), und Re-
ligionslehre; 3. aus dem Gebiete der Kunstgeschicklichkeiten
Musik und Zeichnen^ einschliessend das Schreiben als blosses
richtiges Nachbilden der Schriftzeichen. Endlich wird ,4n der
Hoffnung^ dass auch in Hinsicht der Bildung des Körpers den
Schulen einmal wieder ihr Recht wiederfahren werde", die Gym-
nastik hinzugefügt (176 ff.) ^). Das zweite Hauptstück ist die
Abgrenzung der Unterrichts -Kurse für jedes einzelne Lehrfach^
') Das warme Interesse für Gymnastik spricht sich oftmals aus (vgl.
oben S. 273). So III 16 f. ^^Lassen Sie mich's kurz sagen: ich halte die
Gynmastik für eins der Hauptfächer unter denen, welche den Kreis der
Erziehung unsrer Volksjugend bilden, und jede Schule, welche die gym-
nastischen Übungen ausschliesst , halte ich für eine einseitige Erziehungs-
anstalt." Er weist hin auf den ,,Wink, der hier durch die grossen Ereignisse
der Zeit gegeben wird. Möge das gegenwärtige Zeitalter uns auch in diesem
Stücke aus der Verblendung, in welche die neue Welt geraten ist, heraus-
reissen und zu der Weisheit der Gesetzgeber und Erzieher imter den ge-
bildeteren Völkern der alten Welt zurückführen." Er „hofft und glaubt
(297), dass man in der gegenwärtigen Zeit der politischen und pädagogischen
Krise diese vergessenen Übungen endlich wieder hervorrufen und allgemein
einführen werde." Er weist hin auf die Jahnsche Tumschule, auf Jahn 's,
A^ndt's u. a. Schriften.
Monatahefte der Comenius-GesellBchaft. 1895. 29
278 Katorp, Heft 9 u. 10.
und demnächst die Festsetzung des in jedem Lehrfach und jedem
Kurs innezuhaltenden Stufenganges der Unterweisungen und
Übungen, in dessen Befolgung das Wesen der wahren Lehr-
methode besteht (18L 185; vgl. 20 imter 2. und 3. Die genauere
Ausführung dieses wichtigsten Kapitels weiter unten). Auf dieser
Grundlage lässt sich dann drittens der vollständige Lehrplan
(Lektionsplan) aufstellen (192 fi. vgl. 21 unter 4. und 5.). Be-
treffen diese drei Stucke den Unterricht, so ist der andere Haupt-
teil die Disciplin oder Schulzucht (194. 21 ff.). Es muss endlich
das Verhältnis der Schule zu Gemeinde und Staat erwogen
werden (198 ff.; weniger scharf ist dieser Teil im 23. Brief ab-
gegrenzt). — Die sonst vorzügliche Disposition lässt allenfalls
eines vermissen, was in der Schrift „Bell und Lancaster*' (1817,
S. 123) als „Lehrform" von der „Methode" unterschieden wird.
Gemeint ist, im Unterschied von der Befolgung des Stufengangs
in den einzelnen Fächern, dasjenige Allgemeine, was bei aUem
Unterrichten auf jeder Stufe vorkommt: das Verfahren des Ab-
fragens, der „sokratisierendcn" Unterredung, des Vortrags u. s. f.
Hier beschränkt sich Natorp wesentlich darauf, statt des Zwanges
einer einzigen Lehrform die Mannigfaltigkeit der Formen, je nach
den verschiedenen Zwecken des Unterrichts, die Bewegungsfreiheit
_ »
des Lehrers und genaue Anpassung des Verfahrens an die Indi-
vidualität des Schülers zu empfehlen. Hauptsächlich dies hat er
im Sinn, wenn er öfter gegen das Mechanisieren des Unterrichts
eifert; wenn er allgemein ausspricht (O. N. 67): „In Fesseln kann
sich kein Mensch gut bewegen, am wenigsten ein Schulmann.*'
Sonst aber hat er den Wert der Methode walirlich geschätzt, ja
einer „weisen Mechanisierung*' des Unterrichts (Brfw. I 100, ähn-
lich Grundr. 57) öfters das Wort geredet, vollends auf strengste
Pünktlichkeit, Ordnung und Zeiteinteilimg in der Schule jederzeit
gedrungen.
Eine überzeugende Ableitung der Unterrichtsgegen-
stände aus einer einzigen Wurzel war schon Pestalozzi nicht
recht gelungen, so tief und entwicklungsfähig an sich der Hinweis
auf die formalen als die Grundbestandteile der menschlichen
Bildung war. Es fehlte dazu ihm, und es fehlte auch Natorp zu
sehr an eigentlich philosophischer Schulung; so kamen beide über
ein äusserliches Nebeneinander eines formalen und eines materialeu
Einteilungsgrundes nicht hinaus. Prinzipiell weiss dagegen Natorp
1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 279
sehr gut zu sagen, dass es auf Ausbildung der menschKchen
Fähigkeiten und Kräfte, nicht auf blosse Entwickelimg einer
„bestimmten Summe von Wissen, Kenntnis und Geschicklichkeit"
ankomme (I 176). So gilt ihm der Unterricht im Schönschreiben
vornehmlich als Übung der Aufmerksamkeit und des Nachdenkens,
als Übung der Hand, als Vorübung zum Zeichnen (so wie uipge-
kehrt), und als mathematische Vorübung (ebenda). So vermisst
er (I 46) im Rochowschen Lehrsystem den Unterricht in der
Formenlehre und dem „darauf gegründeten" Zeichnen; von diesem
sei der Schreibunterricht nur ein Teil, den Rochow überdies zu
gering geachtet und nicht methodisch genug bearbeitet habe. So
unterscheidet er allgemein mit Pestalozzi die intensive von der
extensiven Bildung (I 64; Lanc. 238); auf jener beruht die
Weckung des Schülers zur Selbstthätigkeit, die endlich so weit
führen muss, dass es nur noch der methodischen Anleitung zimi
eignen Lernen bedarf (I 63 f.): „Ich helfe dem Schüler auf die
Spur, zeige ihm den Weg, aber den Weg muss er selbst gehen,
zum Führen habe ich weder Zeit noch Lust."
Li der für seine pädagogische Grundauffassung überhaupt
interessanten Vergleichung der Rochowschen und Pestalozzischen
Prinzipien (3. Brief, I 37 ff.) wird die Frage wenigstens gestreift,
welches wohl die menschlichen Grundkräfte sein möchten. Er
entscheidet sich, als echter Rationalist, dahin, dass „das Denk-
vermögen, im weitem Sinne genommen, die Grundkraft und
der Grund aller Thätigkeiten und Regungen des menschlichen
Geistes" sei. Wenn man ausserdem noch ein Gefühls vermögen und
ein Begelirungsvermögen als Grundkräfte anführe, so sei das „eine
Zersplitterung des Gemüts, die genau genommen nicht stattfinden
darf. Der menschliche Geist ist nur Einer, und nur FAne
ist die Grund- oder Urkraft desselben . . . Das was man Ge-
fühlsvermögen und Begehrungsvermögen zu nennen pflegt, wird
von selbst gebildet, wenn dem Denken nur die gehörige Richtung
gegeben wird auf das, was wahr, schön, recht, gut und edel ist."
In dieser Richtung sei das Rochowsche System (der Denkübungen)
„ganz richtig begründet, und namentlich trifft nun auch Pesta-
lozzi hierin mit Rochow völlig zusammen." Es ist immerhin
bemerkenswert, dass ein solcher Rationalist die Vielheit der „Ver-
mögen" zu Gunsten einer einzigen Grundkraft — nicht etwa der
Herbartschen „Vorstellungen" — aufzuheben geneigt ist; aber
19 ♦
280 Natorp, Heft 9 u. 10.
freilich bleibt so im Dunkeln, woher die Mehrheit der Bewusst-
Seinsrichtungen, die man mit ,J)enken, Fühlen, WoUen" etc.
bezeichnen wollte, eigentlich stammt
Hat also Natorp hier einen Grundmangel des Pestalozzischen
Systems nicht zu überwinden gewusst, so hat er sich desto reiner
und klarer das zu eigen gemacht, worin dessen vorzügliche Stärke
lag: die prinzipielle Forderung eines ,^ach psychologischen Grund-
sätzen bestimmt abgemessenen Stufenganges des Unterrichts."
Das hauptsächlich ist es, was er bei der Rochowschen Methode
vermisst; und doch hiess es, dass darin überhaupt das Wesen der
Methode enthalten sei (S. I 51; II 230 ff. 235 Bell u. Lanc; 112 f.).
Eine besonders schöne Ausführung über diesen Punkt findet sich
im 28sten Brief (III 180 ff.). Das Wesen des „elementarischen
Verfahrens" (II 235) besteht darin: zuerst den Lehrgegenstand
in seine Elemente oder Bestandteile zu zerlegen, wodurch man
den „naturgemässen Gang kennen lernt, welchen in Jedem Lehr-
fache die Unterweisung nehmen muss^', und demnächst, wenn die
Auflösung vollendet ist, „vom ersten Anfangspunkte an den G^en-
stand aus seinen Bestandteilen wieder zusammenzusetzen". So
wii'd aus den Bestandteilen eines Lehrgegenstandes ein in sich
zusammenhängendes geordnetes Ganzes, indem man sie ,4ii einer
seiner Natur entsprechenden Ordnung zusammensetzt und unter
einander verbindet" (180. 185). Und zwar lässt sich ein jeder
Lehrgegenstand in gewisse Hauptabteilungen oder Hauptglieder
zerlegen. Es gilt daher zunächst in einem jeden der für den In-
begriff des Schuluntemchts aufgestellten Lehrfächer die Haupt-
oder Grundteile aufzusuchen; dann lässt sich desto sicherer
und leichter die Ordnung und Folge auffinden, in welcher die
Elemente eines jeden Hauptteils zusammengesetzt und unter ein-
ander verbunden werden müssen; so wie, wer die Hauptstationen
einer Strasse kennt, desto leichter den Weg von einer Station
zur andern und so bis ans Ziel findet. Daraus ergeben sich denn
die beiden oben unterschiedenen Hauptpunkte der Methodik: die
Kurse und der Stufengang des Unterrichts (181). Ist dieses
beides für ein jedes Lehrfach bestimmt, so ist es eine wahre
Freude zu sehen, wie der Lehrer, ohne seine Freiheit und seine
natürliche Eigentümlichkeit ungebührlich beschränkt zu fühlen, bei
seiner Unterweisung einen durchaus festen und in allen seinen
Teilen geregelten Gang geht; wie er nirgends in Gefahr kommt
1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 281
vom rechten und sicheren Wege sich zu verirren; wie er auf
jedem Schritt seiner Sache gewiss ist, den sichern Erfolg vor
Augen sieht; wie der Schüler alles, was er thut, mit deutlichem
Bewusstsein thut, von allem Rede und Antwort geben kann, und
alle seine Arbeiten, die ersten wie die letzten, das Gepräge einer
gewissen Vollkommenheit tragen (186 f.). Solches Gelingen ist
das gewisse und unausbleibliche Resultat eines methodischen
Verfahrens (188). Schliesslich wird auch das erreicht, dass die
geübtem Schüler selbst die Methode und den Gang der Unter-
weisung richtig aufgefasst haben und imstande sind, selbst wieder
Kinder methodisch zu unterweisen (I 84). Besonders lehrreich
und überzeugend ist die Anwendimg, die Natorp von diesen
methodologischen Grundsätzen auf sein Lieblingsfach, die Gesang-
lehre macht (s. den 22 sten Brief, 11 234 ff., auch III 236 f., und
„Anleitung zur Unterweisung im Singen*', zuerst erschienen 1813»
dann in einer Reihe von Auflagen). Durch scharfe Auseinander-
legung der „Grundteile" des Gesangs (Rhythmik, Melodik, Dyna-
mik) bis auf die ersten Anfangspunkte des Unterrichts (Brfw.
III 236) erreicht er auch hier ein streng „elementarisches" Ver-
fahren, die bis dahin auch von den Pestalozzianem (Nägeli-Pfeiffer)
verfehlte bestimmte Abgrenzung der Kurse, und damit eine
„lückenlose Reihenfolge" der Unterweisungen und Übungen. Die
Natorpsche Gesanglehre ist ein Musterbeispiel Pestalozzischer
Methode.
Neben dem „Unterricht" wird die „Zucht" nicht vernach-
lässigt Wenn die „Grundkraft" der menschlichen Bildung nur
eine ist, nämlich das Denken, so erwartet man fast die Konse-
quenz, dass das Wesentliche der moralischen Erziehung im
Unterricht mitenthalten sei. Natorp vertritt in der That die
Auffassung, dass der richtig erteilte Unterricht schon „der be-
deutendste Teil der Erziehung^* sei (Grundr. 217, ähnlich Brfw.
III 194). Doch verfällt er darum nicht in die Einseitigkeit der
Herbartschen Theorie des „erziehenden Unterrichts", als ob der
Unterricht geradezu das Ganze der Willensbildung in sich auf-
nehmen könnte. „Es müssen zum Unterricht auch noch gewisse
Veranstaltimgen hinzukommen, durch welche man alles, was in
der Schule geschieht, geradezu auf die Erziehung hinrichtet, die
Schüler als Glieder eines Vereins oder als Bürger eines
kleinen Staates aufstellt, in welchem sie auf das praktische
282 Natorp, Heft 9 u. 10.
Leben, welches die Schule im kleinen abbildet, vorbereitet wer-
den" (in 194). Das ist ein Lieblingsgedanke seiner Pädagogik:
die Schule eine „Darstellung des bürgerlichen Lebens im Kleinen"
(in 22). Daneben wird auch hier (vgl. oben S. 269) die väter-
liche Stellung des Lehrers zum Schüler betont (24); in „Bell und
Lancaster*^ (S. 67) verbindet sich beides: die Schüler sollen in
ihrem kleinen Schulstaate das Bild der häuslichen und staats-
bürgerlichen Verfassung sehen . . .; was der Hausherr in der
Familie und der Landesregent im Staat ist, das ist der Schul-
meister in der Schule u. s. f. Auf jede Weise giebt sich als
Grundgedanke zu erkennen: das Leben in einer gesetzlich geord-
neten Gemeinschaft ist es, welches erzieht; die Schule ist er-
ziehend, nicht allein weil und sofern sie unterrichtet, sondern weil
und sofern sie eine eigene und bedeutsame Form der Gemein-
schaft darstellt Damit streitet nicht, sondern harmoniert aufs
beste, dass als oberstes Prinzip der sittlichen Erziehung die Ach-
tung der Vernunft im Kinde vorausgesetzt wird (so bes. Lanc.
267 ff.; Bell u. Lanc. 87 ff.). Es ist für ihn „ausgemacht, dass
man sich bei den Bestrafungen aller unmenschlichen und ent-
ehrenden Strafmittel schlechterdings und ohne alle Ausnahme
enthalten müsse und dass die Misshandlung der Unmündigen ein
doppeltes Verbrechen, ein Verbrechen gegen den Menschen im
Kinde und ein Verbrechen gegen das Kind im Menschen sei"
(Bell u. Lanc. 93). „Im Ideal einer guten Schule ist es ein
wesentlicher Charakterzug, dass alle positiven Belohnungen und
Bestrafungen überflüssig erscheinen und dass jeder Schüler nicht
sowohl mit andern als mit sich selbst wetteifere" (95). Für die
Durchführbarkeit dieses Grundsatzes bezieht er sich auch hier
auf das Beispiel, das Pestalozzi (nach Horstigs Bericht) gegeben
habe (96 f.; Brief w. III 25 führt er Rousseau an).
Stärkere Beweise für den bestimmenden Einfluss Pesta-
lozzis auf Natorp kann man nicht verlangen, stimmt doch das
Angeführte Punkt für Punkt, dem Geist und oft dem Buchstaben
nach mit Pestalozzi überein. Die volle Wärme der damals so
allgemeinen Begeisterung für den Unvergleichlichen bricht denn
auch mehrmals^) durch; so im 8. Brief (I 145 ff.), wo in einer
*) Einen wahren Hymnus auf den „Propheten" Pestalozzi stimmt der
Schluss der oben erwähnten Epistel (Quartalschr. IV, 2, 1808, S. 117) an.
Der fragliche Passus ist indessen im „Briefwechsel" gestrichen.
1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 283
geschilderten Zusammenkunft von Schullehrem ein Beteiligter von
einem Besuche bei Pestalozzi selbst erzählt: „Da hätten Sie das
frohe Staunen und das Herandrängen sehen und das Ausfragen
hören sollen . . . Einige wollten mich sofort zur Schule hinreissen,
dass ich mit Kindern aus der Nachbarschaft, die sie sogleich
beitreiben wollten, auf pestalozzische Weise Schule halten sollte,
damit sie, wie sie sich ausdruckten, endlich einmal mit Augen
sähen, wie Pestalozzi es mache." Einer besonders, der sich mit
Pestalozzi schon eingehend beschäftigt hat, ist gar nicht zu er-
sättigen; er zeigt sich bereits „tief in den Geist der Pestalozzi-
schen Systems eingedrungen"; es beweist sich an ihm, „wie weit
es ein Schullehrer von gesunden Fähigkeiten und unverschrobenem
Urteil bloss durch einen kräftigen Eifer bringen kann, sobald ihm
nur eine bestinmite und helle Ansicht des Wesens der Ele-
mentarbildung eröffnet worden". Besondere Veranlassung gab
ihm die Auseinandersetzung über „Bell und Lancaster", die Über-
legenheit des deutschen, durch Pestalozzi auf den rechten Weg
geleiteten Elementarunterrichts über das neue, vom Ausland her
mit vielem Pomp angepriesene System in helles Licht zu stellen.
Der von ihm äusserst geschätzte Vorzug der pünktlichsten Ord-
nung und damit erreichten Zeitersparnis lässt ihn über den rohen
Mechanismus des Bell-Lancasterschen Verfahrens nicht hinweg-
sehen. Er findet die Behauptung einer Verwandtschaft desselben
mit dem Pestalozzis völlig unbegründet. „In Pestalozzis Schrift
»Wie Gertrud ihre Kinder lehrt« ist freilich auch irgendwo von
dem Mechanisieren und von dem Mechanismus des Unterrichts
die Rede, aber in einem andern Sinn des Worts, und der Aus-
druck, statt dessen man lieber den Ausdruck Organisieren und
Organismus des Unterrichts hätte gebrauchen sollen, hat zu vielen
Miss Verständnissen und irrigen Ansichten Veranlassung gegeben.
Indess hat Pestalozzi niemals eine Schule als ein Maschinenwerk
und die Unterweisung als ein maschinenmässiges Getreibe an-
gesehen und behandelt wissen wollen. Vielmehr geht sein Haupt-
bemühen dahin, allen geistlähmenden Mechanismus aus den Schulen
zu verbannen .... Fast alles, was in der Lancaster-Bellschen
Schule in Betreff der Materie und der Form des Unterrichts
geschieht, liegt imter dem Gesichtskreise der Pestalozzischen
Schule . . . Und anders als so kann man überhaupt nicht darüber
urteilen. Bei der höheren Idee, welche wir Deutschen von einer
284 Natorp, Heft 9 u. 10.
Volksschule haben, und nach dem, was wir von einem Volks-
schullehrer zu verlangen gewohnt sind, müssen wir über den uns
so laut angepriesenen neuen britischen Unterricht stutzig werden"
(S. 101 f.).
In derselben gehaltreichen Schrift, die eine wichtige Ergänzung
zum ,J3riefwechsel" bildet, finden sich bedeutsame Ausführungen
über das Verhältnis der Schule zu Staat und Gesellschaft
Die Lancaster- Methode war ersichtlich hervorgerufen durch das
Entstehen der neuen Klasse des industriellen Proletariats.
Es ist von socialpsychologischem Interesse, dass sich die Herab-
würdigung des Arbeiters zur Maschine, welche die nächste Folge
des Wachstums der Grossindustrie war, bis auf die pädagogische
Theorie und Praxis erstreckte ; verglich doch Lancaster selbst den
Schulbetrieb nach seiner Methode unbefangen mit dem Getriebe
einer Fabrik, und war doch seine Methode ausdrücklich auf die
Kinder des Proletariats berechnet. In Deutschland gab es damals
kein industrielles Proletariat; um so weniger war man versucht,
ein derart manchesterliches Verfahren der Volksbildung auf
deutschen Boden zu übertragen. Man glaubte gegen dergleichen
auf immer geschützt zu sein durch die grundsätzliche An-
erkennung der Schule als Staatsanstalt. „Unsere Volks-
schulen," erklärt Natorp (a. a. O.), „sind ursprünglich zwar grossen-
teils aus der Kirche und dem kirchlichen Bedürfnis hervorgegangen;
aber sie sind auch sehr bald Angelegenheit des Staats geworden."
Privatschulen werden nur als augenblicklich notwendige Übel
angesehen (58). Überall ist man bemüht, dem öffentlichen Volks-
schulwesen eine solche Verfassung und einen solchen Umfang zu
geben, dass es nicht mehr nötig ist, Privatschulen zu dulden.
Durch weitere Ausdehnung der Privatschulen würde das deutsche
Volksschulwesen einen bedeutenden Rückschritt thun (59). Es
ist „nicht ungewiss, dass eine Verwaltungsarf, welche mit der
Verfassung und den übrigen Einrichtungen im Lande in einem
genauen Zusammenhange steht, ein festeres und kräftigeres Be-
stehen haben müsse, als eine Verwaltung, welche unter dem
zufälligen Drange der Umstände aus einem pädagogischen Enthu-
siasmus hervorgegangen ist und nur durch die Fortdauer dieses
Enthusiasmus . . . aufrecht erhalten werden kann . . . Das Oi^n
für die Begeisterung ist auch in Deutschland noch nicht erstorben.
Die Begeisterung hat aber in allen Ländern und unter allen Völkern
1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 285
das Eigentümliche, dass sie keine bleibende Gemütsstimmung ist,
und dass man so wenig Schulhäuser als andere Häuser darauf
bauen kann*' (61 f.). Der entscheidendste Vorzug der Öffentlich-
keit des Schulwesens aber ist seine Unabhängigkeit von dem
Gegensatz der gesellschaftlichen Klassen , die Erhaltimg einer
gewissen Gleichheit, wenigstens auf dem geheiligten Boden der
Menschenbildung. „Ist von Freischulen für die Jugend der armen
Yolksklassen die Rede," sagt Natorp, „so wissen wir solche
bei uns gar nicht anzubringen. Wir haben nirgends solche zahl-
reiche Scharen von armen gedrückten Menschen, die als eine
besondere Klasse in der bürgerlichen Gesellschaft anzusehen
sind und für deren Kinder besondere Schulen zu errichten
nötig ist Auch können wir es gottlob nicht übers Herz bringen,
die Kinder der Armen von den Kindern ihrer vermögenderen
Mitbürger abzusondern und in besondere Schulen zu verbannen."
Unsere deutschen Volksschulen stehen als „wirkliche Volks-
schulen" da. In ihnen „kennt man ebenso wenig als auf
unsern Turnplätzen den Unterschied der Stände . . . .
Volksschulen heissen sie bei uns, nicht weil sie für die verwahr-
losete Jugend aus den gemeinsten Klassen der Nation bestimmt
sind, sondern weil sie die Jugend aus der Gesamtheit des
Volks ohne Unterschied des Standes und des künftigen
Berufs in den Elementarunterricht aufnehmen. Diese Einrichtung
hat die überaus heilsame Folge gehabt, dass weniger Pöbel unter
uns aufwachsen kann, dass die gemeiner erzogene Jugend an der
besser erzogenen sich veredelt, und dass kein wirklich Vernünftiger
und Gebildeter unter den Vornehmen Anstoss daran nehmen darf,
wenn er seine Kinder unter andern Kindern sitzen und lernen
sieht, welche minder vornehm sind als die seinigen" (29 ff.). —
Diese Ausführungen bieten gegenwärtig ein besonderes Interesse,
wo wir im Widerspruch mit unseren besten nationalen Überliefe-
nmgen in eine ausgeprägte Klassenpädagogik hineingeraten sind^).
^) Das ist leider nicht bloss meine pessimistische Ansicht. Unbefangene
ausländische Berichterstatter haben regelmässig diesen Eindruck erhalten.
So der nordamerikanische Bep. of the CommiBS. of Ed. 1888/89, I 33 f. :
The Grerman school is not a common school There is nowhere in
Germany a eystem of national schools . . . Different strata of society
in Germany have different schools. Ebenda XLIII wird als besonders
auffällig die Kluft zwischen dem niedern und hohem Schulwesen, die plan-
massige Erschwerung des Übergangs von der Volks- und Bürgerschule zur
286 Natorp, Heft 9 u. 10.
Vielleicht ist jene Ansicht der deutschen Volksschule selbst für
damals zu günstig; doch sicher war die verhältnismässig grosste
Annäherung an das bezeichnete Ideal damals erreicht und sind
seitdem, namentlich in Preussen, nur Rückschritte gemacht worden.
Noch ein besonders wichtiger Punkt bleibt zu erörtern : das
Verhältnis der Volksschule zur Religion nach Natorps Begriffen.
Diesterwegi) führt als Zeugen für den interkonfessionellen
Religionsunterricht neben Rochow, Dinter, Pestalozzi und
Fröbel auch Natorp an. Der „Briefwechsel" enthält darüber aller-
dings niu" eine leise Andeutung, nämlich im 25. Briefe, wo in
einem pädagogischen Reisebericht die günstigen Zustände eines
ländlichen Bezirks geschildert werden (III 79 f.): „Bei den Schulen
findet keine Verschiedenheit nach dem kirchlichen Glaubens-
bekenntnisse statt; sie sind allgemeine Erziehungsanstalten für
die Jugend .... Die Schulordnung ist so bestimmt, dass der
Konfessionsunterschied weder bei dem Unterricht, noch bei der
Wahl der Lehrer in Betracht kommen kann." Ausführlich und
rückhaltlos dagegen äussert Natorp seine Überzeugung im „Grund-
riss" vom Jahre 1804 und in einigen Aufsätzen der „Quartal-
schrift" aus demselben Jahre. „Von Kirchentum und Sektentum
muss eine allgemeine Schule durchaus frei bleiben" (Grundr. 173).
Der „eigentlich biblische" Religionsunterricht ist den Religions-
lehrern der verschiedenen Konfessionen zu überlassen, „wenn nicht
ein unglücklicher hierarchischer esprit dti corps in den Schulen
herrschend bleiben soll" (176). Für die untern Stufen der all-
gemeinen Stadtschule ist ein besonderer Religionsunterricht in
Natorps Entwurf überhaupt nicht vorgesehen; doch bezwecken
die „Verstandesübungen" oder „Unterredungen über wichtige An-
gelegenheiten des Geistes und Herzens" hauptsächlich moralisch-
religiöse Unterweisung. Was die Art derselben betrifft, erklärt
sich Natorp unumwunden gegen den „herztötenden Mechanismus
des leidigen Katechismuswesens", durch den „die moralische Bildung
höheren Schule und Universität bemerkt. Eine organische Verbindung unter
den verschiedenen Schulgattungen existiert nicht (vgl. oben S. 273, was
Dilthey von der „mechanischen Trennung" der heutigen Schulen sagt). Der
Republikaner weiss sich diesen Zustand nur aus der — monarchischen Ver-
fassung zu erklären, die als Piedestal eine Aristokratie fordere! In Deutsch-
land gab es wenigstens zu Anfang dieses Jahrhunderts eine andere Auf-
fassung der Monarchie.
') Ausgew. Sehr. IV 203.
1895. Ludwig Natorp. Eio Beitrag zur Geschichte etc. 287
nur aufgehalten, verhindert und missleitet werden kann" (103 f.).
Er nennt es (139) ein „verjährtes Vorurteil, dass der Sinn für
Tugend und Religion vorzüglich durch das Lesen biblischer
Historienbücher, durch das Erlernen der mosaischen Gesetzes-
tafeln, der Busspsalmen und vieler biblischer Sprüche befördert
und überhaupt durch biblische Vorstellungen genährt werden
müsse : Der Weg zum Tempel der Weisheit, der längs Sinai und
Horeb führt, ist, aufs gelindeste gesagt, wenigstens ein Umweg."
Die Tugend geht auch nicht aus der Kenntnis ii^end eines Systems
hervor; es ist durchaus nicht nötig, dass die Unmündigen von
Geboten und Pflichten etwas zu sagen wissen; sie beruht weit
mehr auf Beispiel und Übung (104 f.). Soweit auf höherer Stufe
die Lehre etwas dazu thun soll, ist sie rein als Vernunftlehre
gedacht: man soll (150) den religiösen Glauben moralisch be-
gründen und demselben durch physikotheologische Betrachtungen
und durch genaueres Einblickenlassen in die menschliche Natur
Kraft und Lebendigkeit geben. Auf der obersten Stufe soll der
Lehrer die allgemein anerkannten praktischen Resultate derMoral-
und Religionsphilosophie klar und einfach darlegen (173).
Das Leben Jesu mag man dabei benutzen, um das Ideal reiner
Moralität und wahrer Religiosität in den jugendlichen Seelen zu
begründen (175). — Seinem Rezensenten Eylert, dem diese Auf-
fassung „nicht christlich positiv genug** schien, antwortet er nicht
ohne Schärfe (Quartalschr. 1804, 2, S. 339): „E. will . . . mehr
das Historische und Bildliche des Christentums zur Basis
der Anerkennung der Autorität Jesu gemacht wissen ; ich hingegen
mehr den inneren Gehalt der christlichen Religion, ohne jedoch
jenes Historische zu beseitigen .... Er dringt als Volkslehrer
auf moralischen Sinn und Wandel mehr aus der Überzeugung,
dass der Autoritätsglaube eine zuverlässige Stütze der Volks-
tugend und der Volkswohlfahrt sei; ich mehr aus der Über-
zeugung, dass die Anerkennung des durchaus vernunftgemässen
Inhalts der Religion Jesu und dieser vernunftgemässen Gebote
des Christentums als göttlicher Gebote eine durchaus unumstöss-
liche Basis sei ... . Nach E.'s Meinung soll beim Volke der
historische Glaube die Moralität begründen; nach meiner
Meinung kann es in einem Menschen nicht mehr Religion als
Tugend geben, weil die Religiosität aus der moralischen
und ästhetischen Bildung hervorgehen soll." Noch be-
288 Natorp, Heft 9 u. 10.
stimmter im Kantischen Sinne äussert er sich in einem andern
Aufsatz desselben Jahres (Epistel an den Pred. Busch, Quartal-
schrift 1804, 3, S. 493 ff.). „Wir sind bei unserem Religions-
unterrichte vom Wege der Natur ^) dergestalt abgewichen und
so lange abgewichen gewesen, dass es schwer hält, aus dem un-
natürlichen Gange, der uns zur Gewohnheit geworden ist, wieder
zurückzukommen." Er verlangt einen solchen Unterricht, der die
vorherrschenden eudämonistischen Gnmdsätze verwische, die
Tugendlehre als Pflichtgebot und als Gesetz Gottes, nicht als
ein positives statutarisches Landrecht erscheinen lasse. Er
tadelt an einem Katechismus, dass dadiux^h Blick und Herz des
Katechumenen auf eine zu gewinnende Glückseligkeit gerichtet
werde. „Nehme man diese Ansicht durch Demonstration oder
durch Sophistereien in Schutz: es giebt eine edlere der Mensch-
heit und der Gottheit würdigere Ansicht, die sich der
natüi'liche Mensch auch mit grösserer Freude und Teilnahme er-
öffnen lässt, als der Anhänger des Eudämonismus glaubt" Er
beruft sich auf Pestalozzi und seine Anhänger, auf Kant, auf
Jacobi; und er bringt (498) Herders Unterscheidung der
„Religion Jesu" von der „Religion an Jesum", d. i. „Anbetung
seiner Person und seines Kreuzes" in Erinnerung.
Ich wüsste diese Reihe schlichter Anführungen nicht besser
zu schliessen als mit dem schönen Wort, das uns gleich auf der
ersten Seite seiner Biographie empfängt und die Menschenliebe
als den tiefsten Grund seiner Religionsauffassung enthüllt: „Uns
Menschen alle trägt doch der nämliche Erdboden; wir alle wandeln
den nämlichen Weg zum Grabe und zur Ewigkeit: was wären
wir denn, wenn wir unter solchen Verhältnissen über verschiedene
Meinungen ims entzweien, auf Andersdenkende mit Unwillen und
Abneigung herabblicken, unsere Herzen einander entfremden,
zwischen unsem Gemütern eine Scheidewand errichten, Genossen
anderer Kirchenparteien verketzern, drücken, kränken wollten?
Wunderliche Kinder, die dem Willen ihres Vaters widerstreben,
die Liebe gegen Bruder und Schwester verleugnen; thörichte
Wanderer, die ihren Gefährten ein freundliches Wohlwollen ver-
weigern, weil diese einen anderen Gang haben als sie." —
M So hatten nicht bloss Rousseau und Pestalozzi, sondern ebenfalls
Kant gesagt, in der Pädagogik Bosenkr. IX 431.
1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 289
Mit diesem allen ist das pädagogische Verdienst Natorps
keineswegs erschöpft. Auf seinem eigensten Felde ist er erst da,
wo es sich um die praktischen und einzelnen Fragen der Schul-
Einrichtung und -Verwaltung, vorzüglich aber der Lehrerbildung
handelt Da ist er unerschöpflich in Erfindungen und Mass-
nahmen, deren Anwendbarkeit und sichere Wirksamkeit unwideiv
Stehlich einleuchtet. Aber auch da spricht nirgends der kalte
Techniker; alles ist bis ins kleinste beseelt und durchwärmt von
heiliger Begeisterung für die unermesslich wichtige Au^be der
Volksbildung, von herzlicher Liebe für die Kinder und Kinder-
lehrer. Vor allem hatte er begriffen, dass man, um „das Schul-
elend bei der Wurzel anzugreifen" (Brfw. I 4), bei der Lehrer-
bildung einsetzen müsse; denn „eine jede Schule ist eine gute
Schule, wenn der Lehrer ein guter Lehrer ist"; sein Augenmerk
war daher „auf die Lehrer gerichtet, und fast nur auf diese allein"
(1. Br., vgl. II 121, III 171). Die Lehrer haben es ihm gedankt
durch eine seltene persönliche Anhänglichkeit, von der die Bio-
graphie rührende Beweise anführt. Doch diese Seite seines Wirkens
eignet sich weniger zur Darstellung, und es bedarf auch dessen
nicht, denn eben dies ist unnachahmlich dargestellt in seinem
„Briefwechsel". Höchst glücklich hat Natorp die Grundzüge seiner
praktischen Pädagogik nicht in einem trockenen System, sondern
in der lebendigen Form persönlicher, brieflicher Mitteilungen unter
direkt beteiligten „Schullehrern und Schulfreunden" dargelegt; da
gewinnt alles Farbe und Gestalt, wie es in keinem abstrakten
„Grundriss der Volksschulkunde" möglich war. Wie anziehend
ziunal für den Lehrer, über die ihn sonah angehenden Fragen vor-
zugsweise Lehrer zu Lehrern sprechen zu hören! Auch ist nicht
allzu vieles in diesem Briefwechsel eigentlich veraltet zu nennen.
Gar manches zwar, was damals erst neuer Vorschlag war, ist in
unserm Volksschulwesen längst eingebürgert; aber vieles andere ist
noch heute imd immer wieder neu, und auch was wir jetzt wie selbst-
verständlich hinnehmen, wird neu belebt, indem wir in eine Zeit
zurückversetzt werden, wo* es noch nicht so selbstverständlich war ^).
M Auch dieses Werk mit der ergänzenden Schrift über Bell und
Lancaster wüi'de daher einen Neudruck etwa in einer unserer pädagogischen
Bibliotheken, nötigenfalls mit einigen Kürzungen, wohl verdienen. Beide
sind zwar in Bädekers Verlag noch vorrätig, doch für die Lehrer vielleicht
wohl zu kostspielig.
290 Natorp, Heft 9 u. 10.
Indem ich daher von dieser Seite der Natorpschen Päda-
gogik absehe, bleibt mir nur übrig, die wichtigsten Daten seines
ferneren Lebensgang mitzuteilen. Der ,3riefwech8el*' war noch
in Potsdam zum Abschluss gediehen. Nach wiederhergestelltem
Frieden verlangten die neugewonnenen westlichen Provinzen be-
sondere Fürsorge. Vincke wurde Oberpräsident von Westfalen;
ihm musste daran liegen, die bewährte Kraft Natorps der engeren
Heimat wiederzugewinnen. Und er selbst folgte gern dorthin,
um auf dem wohlbekannten Boden die liebgewordene Thätigkeit
fortzusetzen. Er kam 1816 als Oberkonsistorial- und Schulrat^
zugleich Gemeindeprediger nach Münster. Er wurde, auch von
katholischer Seite, mit Wärme aufgenommen, und alle Bedingungen
eines erspriesslichen Wirkens fanden sich zusammen, so dass er
schreiben konnte: ,^uletzt fühlt sich unter allen versetzten Be-
amten niemand so wohl wie ich. Mich hat hier bis auf diesen
Augenblick noch nichts gequält Die Zufriedenheit verfolgt mich"
(O. N. 141). Noch dreissig Jahre schöner Arbeit waren ihm
vergönnt. Sie betraf indessen fast mehr kirchliche als Schul-
angelegenheiten. In ersterer Hinsicht sei nur die ausharrende
und erfolgreiche Sorge um die Hebung des Gemeindegesanges
hier erwähnt, von der die schöne Schrift „über den Gesang in
den Kirchen der Protestanten" (1817) und die Mitherausgabe des
viel gebrauchten „Natorp-Rinckschen Choralbuchs" (zuerst 1829)
Zeugnis geben. Sein Wirken im Schulfach konnte nicht mehr
im gleichen Masse wie früher ein unmittelbar eingreifendes sein,
es beschränkte sich mehr auf die Oberleitung; doch fand sein
warmherziger Anteil am Ergehen seiner Lehrer auch so noch Ge-
legenheit genug sich zu bethätigen. Besonderes Verdienst hat er
um die Reorganisation des Lehrerseminars zu Soest (1817) und
um die Gesangespflege auch unter den Lehrern. Seine im Zu-
sammenhang mit der Durchführung der neuen kirchlichen Ver-
fassung erfolgte Ernennung zum Vice-Generalsuperintendenten der
Provinz Westfalen (1836) geschah fast wider seinen Willen. Die
Wendung der inneren Politik seit dem Regienmgsantritt Fried-
rich Wilhelms IV. konnte ihm vollends wenig sympatliisch sein,
übrigens blieb er in seinem Wirken unbehelligt. Am 8. Februar
1846 setzte ein Ner\"enschlag seinem thätigen und in Thätigkeit
i fröhlichen, auch in Familie und Freundschaft reich beglückten
I Leben ein sanftes Ende. Die Lehrer Westfalens ehrten sein
1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 291
Andenken durch eine auf seinen Namen gegründete Stiftung zu
Gunsten der Lehrer -Witwen und -Waisen. Seine Büste wurde
bei einer Nachfeier seines 100. Geburtstages 1875 in der „mär-
kischen Ruhmeshalle'' auf dem Kaisberg bei Herdecke neben der
des Frh. vom Stein aufgestellt.
Mit einem Worte seiner Essener Abschiedsrede (1809),
welches die Grundzüge seines Wesens: Menschenliebe und selbst-
lose Pflichttreue, rein und warm ausspricht und so den Sinn seines
ganzen Wirkens bezeichnet, wollen auch wir von ilim Abschied
nehmen :
„Es ist uns ja allen das nämliche Tagewerk auf-
gegeben: unseres Gottes Werk zu wirken, Gutes zu
thun, die Sünde zu meiden, Menschenelend zu mildern,
Frömmigkeit und Frieden zu verbreiten, unser Herz zu
läutern, unsern Geist zu verklären . . . Die Güter, die
wir besitzen, sind nicht unser Eigentum, sie gehören
der Menschheit; und was wir davon haben, ist uns von
Gott zur Verwaltung anvertraut, damit wir sie wieder
zum Besten der Menschheit, zur Beförderung der allge-
meinen Wohlfahrt verwenden."
Verzeichnis der Schriften B, C. L. Natorps
in chronologischer Folge ^).
1. Beiträge in Tellers uod Löfflers Magazin für Prediger. (Ich finde in
einem unvollständigen Exemplar des Magazins nur eine Predigt, unter-
zeichnet =rp, Bd. X 1, 171 ff., 1801.)
2. a. Die kleine Bibel. Für Freunde einer zweckmässigen Bibellectüre
und zunächst für die erwachsene christliche Jugend beai'beitet von
B. C. L. Natorp, Prediger in Essen. 1. u. 2. Tl. Essen, G. D. Bädeker,
1802.
*b. Die kleine Bibel. Herausgegeben von B. C. L. Natorp, 2 Teile.
2. verb. Aufl. Essen, G. D. Bädeker, 1823.
*3. B. C. L. Natorp Predigers zu Essen Erinnerungen über den
Zw^eck, die Einrichtung und den Gebrauch des von ihm
herausgegebenen Bibelauszugs. Den Jugendlehrem , die sich
desselben bey der Unterweisung der Schuljugend bedienen wollen,
gewidmet. Essen, G. D. Bädeker, 1802.
*) Die mit * versehenen Nummern sind bei G. D. Bädeker, Essen,
noch käuflich.
292 Natorp, Heft 9 u. 10.
4. a. Verzeichnis einiger auserlesenen Schriften zur Anlegung
einer Elementarschulbibliothek. Von B. C. L. Natorp. Essen,
Bädeker, und Dortmund, Mallinckrodt, 1802.
b. Dass., 2. Ausg. 1805.
c. Kleine Schulbibliothek. Ein geordnetes Verzeichnis auserlesener
Schriften für Lehrer an Elementar- und niedern Bürgerschulen. Von
B. C. L. Natorp. 3. ganz umgearb. Ausg. 1809.
d. 4. verb. Ausg. 1811.
*e. Kleine Schulbibliothek. Ein literarischer Wegweiser für Lehrer an
Volksschulen. Von B. C. L. Natorp. 5. ganz umgearb. Aufl. Essen,
Bädeker, 1820.
5. Predigten über das Buch Buth. 1803 (citiert Quartalschr. 1804,
3, 480).
6. Grundriss zur Organisation allgemeiner Stadtschulen. Ent-
worfen von B. C. L. Natorp. Duisburg u. Essen, Bädeker u. Co.
1804. (Ausf. Becension von Eylert, im Auftrag des Frh. vom Stein,
mit N.^8 Gegenerinnerungen in Quartalschr. 1804, 2, 307 — 344.)
7. Quartalschrift für Beligionslehrer. Bearbeitet von einer Gesellschaft
westphälischer Gelehrten und herausgegeben von B. C. L. Natorp,
Prediger zu Essen. 4 Jahrgänge (1804, 1805, 1806 je 4 Quartalshefte,
4. Jahrg. 1. Quart. 1807, 2.-4. Quart. 1808), Duisburg u. Essen,
Bädeker u. Co. ^)
*) Darin Aufsätze und Becensionen von Natorp, soweit solche in den
mir vorliegenden Heften eines unvollständigen Exemplars enthalten oder in
andern Schriften N.'s citiert sind: 1804, 1. Über die Erfordernisse eines
Gesangbuchs (cit. Üb. d. Ges. 230). 3. Über das Buch Tobias in ascetischer
Hinsicht, 480—490. Epistel an H. Pred. Busch, 490—506. Rec. über
Nicraeyer, Grundr. d. unm. Vorbereitungswissenschaften zur Führung des
Christi. Predigtamts, S. 521—533; über Predigten von Eylert 567—582.
4. Über die Bildung der Elementarschullehrer in Seminarien, von Busch
und Natorp, S. 630—667. 1805, 1. Über die zweckmässige Einrichtung
des Ex. Studios, theol. pro matur. ad acad. 1 — 40. Schluss in H. 3,
5. 393 — 441. Noch ein Mittel zur Beförderung einer zweckmässigen Leetüre
der Bibel und der Achtung gegen dieselbe, 488 — 499. 4. Die Confirmations-
feyer in der ev.-luth. Kirche zu Essen am 26. May 1805. 686—693.
4. Jahrg. 1. Qut. Die Confirmationsfeyer in der ev.-luth. Kirche zu Essen
am 10. May 1807. 104—117. Kec. über Predigten von Scheibler 118—122;
über Dieterich, Grunds, einer zweckm. Jugendbildung 122 — 123; über Pre-
digten von Eylert 141 — 150. Eine pädag. Preisaufgabe (Hasenclever und
Natorp; betr. ein prakt. Handbuch zu Denkübungen) 160 — 167. 2. Qut.
Bericht eines Landpfarrers über seine Pfarrschule (nicht unterzeichnet, aber
im Briefw. als 18. Brief wiederholt; vgl. auch Lanc. 260) 53 — 118. Rec. über
Pred. V. Colin 139 — 145. Jos. Lancaster in London (mit Selbstanz. seiner
Ubers.) 169 — 176. 3. Qut. Rec. v. Zellers Schulmeisterschule und Grundl.
einer bess. Zukunft 146—152. 4. Qut. Ein Jahrgang Texte und Themata
117 — 128. Rec. von Kottmeyer über die cxtcmporane Redekunst 171 — 178.
1895. Ludwig Natorp. fön Beitrag; zur Gesctiichte etc. ^93
8. Beyträge zur Veredelung der kirchlichen und hauslichen
Andachten. 1. Slg. Mit einer Vorr. von D. Hufnagel. Crefeld 1805
(cit. Quartalschr. 1805, 4, 692).
9. In Gutsmuthe Bibliothek 1805, Stück May: Über das Lesen der Bibel
und Bibelauszüge (cit. Grundr. 139). — Von „mehreren Aufsätzen'',
die in dieser Zeitschrift erschienen seien, spricht O. N. 70.
10. Entwürfe zu Predigten. Eine Beylage zur westphälischen Quartal-
schrift für Religionslehrer. 1. Bd. a. u. d. T.: Entwürfe zu Pre-
digten über die sonn- u. festtaglichen eyangelischen Perikopen. Von
B. C. L. Natorp, Pred. zu Essen. Essen, G. D. Bädeker 1806.
2. Bd.: Entwürfe zu Predigten von B. C. L. Natorp, Pr. z. E.,
2. Band: Predigtentwürfe über die sonn- u. festtäglichen Episteln
des ganzen Jahres. Essen, G. D. Bädeker, 1809.
11. a. Fibel oder Elementarbuch für den ersten Unterricht in deutschen
Schulen. Mit Holzschnitten. Schwelm bey Scherz. 1806. Wohlf.
Ausg. eingeb. 2 Ggr. Schönere Ausg. mit sehr vielen rothgedr.
Holzschn. zum Behufe des ersten Unterrichts im Zeichnen, brosch.
8 Ggr. — (Cit. Lanc. 255. Briefw. I 274.)
b. Neue verb. Ausg. (Essen, Bädeker) 1816.
c. Neueste Ausgabe 1820 (erw. Schulbibl. 82).
*d. 8. (Stereotyp-) Ausg.
12. Ein einziger Schulmeister unter tausend Kindern in Einer
Schule. Ein Bey trag zur Verbesserung der Lehrmethode und Schul-
disciplin in niedern Volksschulen von Joseph Lancaster. - Aus
dem Englischen ins Deutsche übersetzt u. mit Anm. begleitet von
B. C. L. Natorp. Duisburg u. Essen, Bädeker u. Kürzel 1808.
*13. Das Confirmations-Fest, mit der ev.-luth. Gemeinde zu Essen
am 23sten April 1809 gefeyert von B. C. L. Natorp. Essen, G. D.
Bädeker.
*14. Abschiedspredigt, gehalten vor der ev.-luth. Gemeinde zu Essen
am 2. Juli 1809.
15. a. Briefwechsel einiger Schullehrer und Schulfreunde. Heraus-
gegeben von B. C. L. Natorp. 1. Bändchen. Duisb. u. Essen 1811.
*2. Bdch. 1813. *3. Bdch. 1816.
♦b. 1. Bdchn., 2. verb. Aufl. 1823.
16. a. Anleitung zur Unterweisung im Singen für Lehrer in Volks-
schulen. I. Leitfaden für den ersten Cursus. Potsdam, Horwath, 1813.
b. 2. umgearb. u. verm. Ausg. Essen u. Duisb. 1816.
c-*e. 3. 4. 5. Aufl. 1818. 1824. 1837.
f. II. Leitfaden für den zweiten Cursus. Essen 1820.
*g. 2. Aufl. 1834. (Auch eine holländische Übersetzung ist erschienen.)
17. a. Lehrbüchlein der Singekunst. Für die Jugend in Volksschulen.
I. Cursus. Essen u. Duisb. 1816.
b— g. 2.-7. Aufl. (4. Aufl. 1820, 7. Aufl. 1832.)
h. II. Cursus. 1820.
i. 2. Aufl. 1827.
Monatshefte der Comenius-GesellBchaft. 1896. 20
294 Natorp, Heft 9 u. 10.
*18. AndreaR Bell und Joseph Lancaster. Bemerkungen über die
von denselben eingeführte Bchuleinrichtung, Schulzucht und Lehrart
von B. C. L. Natorp. Essen u. Duisburg, G. D. Bädeker, 1817.
*19. Über den Gesang in den Kirchen der Protestanten. Ein
Beytrag zu deu Vorarbeiten der Synode für die Veredelung der
Liturgie von B, C. L. Natorp. Essen u. Duisburg, G. D. Büdeker 1817.
* 20. M c 1 o d i e n b u c h f ür den Gemeindegosang in den evangelischen Kirchen.
Her. von B. C. L. Natoip. Essen, Bädeker 1822.
*21. Über den Zweck, die Einrichtung und den Gebrauch des
M e l o d i e n b u c h 8. Ein nötbiges Vorwort zu demselben an die Lehrer.
Essen, Bädeker, 1822.
22. a. Choralbuch für evangelische Kirchen. Die Choräle kritisch be-
arbeitet und geordnet von B. C. L. Natoi-p und Fr. Kessler, vier-
stimmig gesetzt und mit Zwischenspielen versehen von C. H. Rink.
Essen, G. D. Bädeker, 1829.
b. 2. verb. Aufl. (angck. 1834 auf d. Umschl. d. Anl. II- und Üb.
Rinks Präludjcn).
c. 3. verb. u. vorm. Aufl. Die Choräle neu geordnet und historisch
bestimmt von B. G. A. Natorp, revidirt, mit meist neuen Zwischen-
spielen und mit Schlüssen vorschon von W. Greef. Essen, G. D.
Bädeker, 1807.
*d. 4. Aufl.]
*23. Über Rinks Präludien. Ein Beytrag zur Verständigung angehender
Organisten über kirchliches Orgclspicl. Von B. C. L. Natorp. Essen,
G. D. Bädeker, 18U.
24. Choralmelodien in Ziffern, nach Natorps Choralbuch. (O. N. u. J.)
Essen, G. D. Bädeker.
Der Weg des Lichtes.
Die Via lucis des Comenius
besprochen von
Dr. Karl Dissel in Hamburg.
Im Jahre 1637 veröffentlichte Samuel Hartlib in London,
ohne Vorwiesen des Verfassers, einen ihm übersandten Entwurf der
pansophischen Pläne des Comenius unter dem Titel Conatuum Come-
nianorum Praeludia. Er wollte die Welt auf diese grossartigen Be-
strebungen aufmerksam machen und die Urteile der Gelehrten darüber
hören. Die Schrift fand Freunde und Gegner in grosser Zahl. Zur
Widerlegung der letzteren schrieb Comenius die Conatuum panso-
phicorum dilucidatio, die an Hartlib 1638 gedruckt übersandt, von
diesem 1639 zusajnmen mit der erstgenannten Schfift unter dem
Titel Pansophiae Prodromus et Dilucidatio herausgegeben wurden.
Die "Veröffentlichung hatte den gewünschten Erfolg. Die englischen
Freunde, vor allen Hartlib, setzten es durch, dass Comenius im Jahre
1641 durch das Parlament nach London berufen wurde, um hier
mit staatlicher Unterstützung das grosse Werk zu beginnen, dessen
Grundlinien er in den genannten Schriften gezogen hatte. Leider
erwiesen sich die politischen Verhältnisse dem Unternehmen wenig
günstig. Als Comenius im September 1641 in London ankam, fand
er das Parlament auf drei Monate vertagt; und auch, als es wieder
zusammentrat, bot sich ihm keine Müsse mehr, die Vorschläge des
Comenius einer näheren Prüfung zu unterziehen. Man liess ihn nur
wissen, dass man die Absicht habe, ihm ein Kollegium mit den ent-
sprechenden Einkünften zu übergeben, das Sabaudeum in London
oder ausserhalb der Stadt das Winthoniense Kollegium oder das
Chelseum, teilte ihm auch deren Inventare und Einkünfte mit, die
es ermöglichen sollten, neben ihm noch einigen andern gelehrten
20*
ä96 Öiflsel, Heft 9 u. 10.
Männern aus verschiedenen Nationen auf einige Jahre oder lebens-
länglich Unterhalt zu gewähren.
£s war somit Aussicht vorhanden, dass der Plan, den Baco
gehegt hatte, die Gründung eines Kollegiums von Männern, die sich,
ungehindert durch die Sorge um den Lebensunterhalt, einzig und
allein der Erforschung und Verbreitung der Wissenschaften widmen
sollten, auf englischem Boden verwirklicht würde. Da brachen die
Unruhen in Irland aus, der König verliess London, und auf lange
Zeit hinaus war in England für das grosse Werk, dessen Ausführung
lange Jahre des Friedens erfordert hätte, nichts mehr zu hoffen.
Obwohl Hartlib ihn zum Bleiben zu bestimmen suchte, verliess
Comenius in richtiger Würdigung der Verhältnisse London schon im
Frühjahr 1642. Er hoffte an anderm Orte seine pansophischen Pläne
besser fördern zu können.
Aber die Zeit des Wartens hatte er nicht ungenützt verstreichen
lassen. Er hatte sie benutzt, die in ihm gährenden Gedanken in
einer neuen Schrift niederzulegen, die aus den Gesprächen hervor-
gegangen zu sein scheint, welche er in jener Zeit mit seinen Freunden
in hoffnungsfroher Erwartung auf baldige Verwirklichung seiner Pläne
gehabt hatte, und die also in gewissem Sinne keineswegs bloss eine
persönliche Meinungsäusserung des Comenius, sondern ein Programm
des Freundeskreises zu sein scheint, der sich damals in London um
Comenius gesammelt hatte. Der Titel dieses merkwürdigen Buches
lautet: Via lucis vestigata et vestiganda, h. e. rationabilis disquisitio,
quibus modis intellectualis animorum lux, sapientia per omnes omnium
hominum mentes et gentes jam tandem sub mundi vesperam feliciter
spargi possit. Es ist im Jahre 1642 geschrieben, aber nach der
Angabe des Titels erst 1668 in Amsterdam gedruckt, und der Regia
Londinensis Societas gewidmet^). Die pansophischen Pläne werden
in diesem Buche nicht ins einzelne ausgeführt, wie in andern Schrif-
ten, sondern nur im allgemeinen entwickelt und mit warmer Be-
^) Näheres über die Schrift ß. in den M.H. der CG. 1892 S. 34 und
1894 8. 168 f. — Exemplare des Druckes von 1668 siod äusserst selten und
bisher nur in drei Bibliotheken ermittelt worden, in der ßodleyana zu Oxford,
in der Stadtbibliothek zu Hambiurg und im Mus. Boh. zu Prag. Der Aus-
zug, den wir an dieser Stelle mitteilen, wird daher vielen willkommen sein.
Die Herstellung eines Neudruckes bleibt vorbehalten. Es wäre erwünscht,
wenn sich Freunde fänden, die der CG. die Mittel zur Verfügung stellten^
um schon bald damit vorgehen zu können.
1895. Der Weg des Lichtes. 297
geisterung dem Leser vorgetragen. Jede Zeile verrat, dass es dem
Verfasser heiliger Ernst ist mit dem, was er vorschlägt, und dass er
von der Durchführbarkeit und Notwendigkeit des Vorgeschlagenen
vollständig überzeugt ist.
Die ganze Welt, beginnt er, ist eine Schule der göttlichen
Weisheit, die der Mensch durchzumachen hat, bevor er zur „himm-
lischen Akademie" zugelassen wird. Drei Lehrbücher hat Gott für
diese Schule gegeben, die sichtbare Welt, den nach dem Bilde Gottes
geschaffenen Menschen, dessen denkende Seele das Mass aller Dinge
bildet, und die heilige Schrift. Aber in dieser Schule ist arge Ver-
wirrung eingetreten. Aus einer Schule der Weisheit ist ein Tummel-
platz der Thorheit und Verblendung, eine Synagoge des Satans ge-
worden. Innerhalb und ausserhalb der Kirche herrschen Verwirrung
und Streit, Krieg und Mord; Atheismus und Epikureismus suchen
grade in der Finsternis das Licht. Es könnte demnach der Welt
keine grössere Wohlthat erwiesen werden , als wenn man einen wirk-
samen Weg fände, die Finsternis zu vertreiben und das Licht der
Weisheit über die ganze Welt auszustreuen. Die zu diesem Zwecke
bisher versuchten Mittel, wie Philosophie, Gesetze und Strafen haben
nichts gefruchtet; auch die Bildung von Sekten vermag nichts zu
nützen. Denn selbst, wenn eine von ihnen die Wahrheit wüsste, so
wärö der Welt wenig damit geholfen, da ja eben durch ihren Ab-
schluss von der übrigen Welt die Möglichkeit der Verbreitung der
Wahrheit gehindert wird. Denn nicht der Allgemeinheit, sondern nur
sich selbst nützt, wer sich vor der Welt verschliesst.
Das Heilmittel, durch das die Welt gesunden könnte, muss
also erst gefunden werden; es muss ein universales, leicht zu neh-
mendes und kräftiges Mittel sein. Wie nun in der sichtbaren Welt
die Sonne es ist, die alles erfreut, bildet, umbildet und die Finster-
nis vertreibt, so müsste ein universales Licht auch für die geistige
Finsternis gefunden werden, das ähnlich, wie die Sonne auf die Welt
der Dinge, so kräftig auf die Geister wirkte, dass nichts sich dem
entziehen könnte. Dies Mittel wäre gefunden, wenn man alles, was
Gott in seinen Büchern geschrieben und den Menschen enthüllt hat,
in dies zusammenfasste und in eine solche Ordnung brächte, dass es
nicht nur allen Menschen entgegengebracht, von jedermann deutlich
verstanden und aufgcfasst werden könnte, sondern auch von jeder-
mann aufgenommen und geliebt werden müsste. Wer hiergegen ein-
wenden wollte, dass ein solches universales Licht nicht wünschens-
298 J>i88el, Heft 9 u. 10.
wert sei, der könnte kein Freund des Menschengeschlechts sein; eher
wäre der Einwand zu verstehen, dass ein solches Unternehmen mensch*
liehe Kräfte übersteige und dass es verwegen sei, an seine Ausführ-
barkeit zu glauben.
Dass aber ein solches Licht noch vor dem Ende der Welt er-
scheinen wird, folgt zweifellos aus der Natur der Methode, die Gott
in allen seinen Werken angewandt hat; es folgt ferner aus der hei-
ligen Schrift, da der in dieser für das Ende der Welt ge weissagte
Zustand sich noch nicht erfüllt hat, denn die Buchdruckerkunst ist,
wie manche irrig geglaubt haben, dies universelle Licht nicht. —
Nachdem dann etwaige Bedenken, ob es auch dem Menschen erlaubt
sei, selbst die Wege der Verbreitung eines solchen Lichtes zu suchen,
widerlegt sind, werden die Natur und Beschaffenheit des irdischen
Lichtes erörtert, da dessen Gesetze auch für das geistige Licht Gel-
tung haben. Letzteres ist bis jetzt in 6 Stufen zur Erscheinung
gekommen, eine siebente, ganz universale ist noch zu erwarten. Die
erste Stufe war die Autopsie, vermöge deren der Mensch erkannte,
dass ihm eine Lebensgenossin fehle, die zweite das wechselseitige
Gesprach, die dritte die Gewohnheit, heilige Zusammenkünfte zu halten,
die vierte die Schrift und die öffentlichen Schulen, die fünfte die
Buchdruckerkunst, die sechste die Schiffahrt. Die beiden letzteren
bilden die Vorstufe zu der siebenten und höchsten, deren baldiges
Erscheinen die augenblickliche Gestalt der Welt wahrscheinlich macht.
Nachdem durch die Buchdruckerkunst und die Schiffahrt alle Völker
der Welt einander nahe gebracht sind, muss aus allen bisher auf-
gedeckten Lichtem ein grosses, die ganze Welt bestrahlendes Licht
zum gemeinsamen Nutzen des ganzen Menschengeschlechtes sich er-
heben. In diesem Lichte wird, was bisher nur einzelne geschaut und
erforscht haben, allen ohne Ausnahme zu leicht erwerbbarem Besitze
werden, leicht wegen der gemeinsamen in allem erkennbaren Harmonie.
Wenn die Menschen diesen breitesten Weg des Lichtes betreten,
werden alle alles, was ihnen zur Glückseligkeit notwendig ist, ganz
und gar und ohne alle Täuschung erkennen. Dieser siebente Weg
des Lichts ist der letzte irdische, nach ihm folgt als der selige achte
die Autopsie im Himmel.
Bei diesen sieben Wegen ist eine schöne Steigerung zu erkennen,
indem immer die nächste Stufe die frühere, ohne sie aufzuheben, in
sich begreift und zu ihrer Festigung dient. Die gleiche Steigerung
herrscht auch im Umkreise derer, welche sich dieser Stufen bedienen.
1895. l>er Weg des Lichtes. 299
Denn die Autopsie betrifft nur einen, das Gesprach zwei, die Predigt
wirkt auf viele, die Schrift ebenso, aber zugleich auch auf Abwesende;
selbst Tote können in ihr zu Lebenden reden; die Typographie ferner
verbindet das Licht der Jahrhunderte, die Schiffahrt endlich mit
Hülfe des Kompasses alle Völker.
Nach dieser Betrachtung über die Stufenfolge der Wege des
Lichtes wird das dreifache Ziel des universalen Lichtes, dass alles,
allen, vollständig gelehrt werde, näher dahin erläutert, dass Ewiges
und Zeitliches, Geistiges und Leibliches, Himmlisches und Iniisches,
Natur und Kunst, Theologie und Philosophie gelehrt werden solle;
auch auf den Unterschied von Gut und Schlecht, ferner auf das
Einzelne nicht minder als das Allgemeine habe sich die Lehre zu
erstrecken, da die wahre Kenntnis der Dinge auf dem Speziellen,
nicht auf dem Generellen beruhe. All dies soll allen gelehrt werden,
so dass niemand übergangen werde. Drittens sollen die Dinge voll-
ständig, nicht obenhin und bloss der Form wegen, sondern so gelehrt
wenlen, da«s was gelehrt wird, auch gewusst werde. Denn nicht das
Lernen, sondern das Wissen soll das Ziel dieser Schule sein; das
Weissen aber soll nicht um seiner selbst willen erstrebt werden,
sondern, um es im Handeln zu üben, üben aber sollen die Schüler
nicht um des Übens willen, sondern damit sie das Ziel alles Wirkens,
Friede und Glückseligkeit erreichen.
Von einzelnen speziellen Vorschriften, die hier gegeben werden,
verdient etwa besondere Erwähnung die, dass das, was die Grundlage
bildet, zuerst, das Wichtige vorzugsweise gelehrt werde und zwar
durch fortwährende eigene Übung. Von allen menschlichen Autori-
täten abgewandt, folge man nur dem, was Gott, Natur, Schrift und
Gewissen lehren, ohne sich zu scheuen, auch die menschlichen Er-
findungen und Lehren zu betrachten. — Das Ergebnis einer in
solcher Weise betriebenen Bildung ist schliesslich die Panaugia
(splendor universalis). Um zu ihrem in dem Vorstehenden näher
begrenzten Ziele zu kommen, sind vier Mittel erforderlich: 1. univer-
sale Bücher, 2. universale Schulen, 3. ein universales Kollegium
weiser Männer, 4. eine universale Sprache. Die drei ersteren sind
schon jetzt teilweise vorhanden, denn die Welt, die Schrift und das
Gewissen sind von Gott gegebene universale Bücher, das Leben ist
eine universale Schule, und universale Kollegien sind die der Engel
und Heiligen. Dagegen ist eine universale Sprache einst zwar vor-
handen gewesen, aber verloren gegangen. Da diese vier Mittel das
300 IHßsel, Heft 9 u. 10.
universale Licht über den ganzen Kreis des menschlichen Intellekts
verbreiten sollen, so können sie heissen:
Libri lucis = Lampades
Scholae lucis = Candelabra
Collegium lucis = Lucis ministri
Lingua lucis = pabulum (Ol).
Die universalen Bücher sollen wahre und bestgeordnete Pan-
dekten von allem Wissenswerten sein mit dem dreifachen Vorzug
der Vollständigkeit, der besten Ordnung und der Wahrheit. Es sind
drei Hauptbücher auszuarbeiten:
1. Eine Pansophie, welche die Wurzeln und Quellen alles Wissens
enthalt Diese sei das universellste Buch, welches alles enthält,
was dem Menschen für dieses und das zukünftige Leben zu
wissen und zu glauben, zu thun und zu hoffen nötig ist; femer
das regelrechteste, das die Begriffe der Dinge nach der ihnen
innewohnenden Harmonie verknüpft; endlich das geordnetste,
welches aus den einmal festgestellten und zugestandenen Prin-
zipien alles so ableitet, dass sich eins aus dem andern ergiebt
und nichts Zweifelhaftes übrig bleibt. Es soll so leicht sein,
dass auch der Beschränkteste das Wichtigste davon verstehen
kann.
2. Die Panhistorie. Diese soll alle die mannigfaltigen Einzel-
erscheinungen vom Anfang der Dinge bis auf die Gegenwart
enthalten, der natürlichen sowohl als der künstlichen, der sitt-
lichen wie der geistigen, femer eine politische und eine kirchliche
Geschichte.
3. Die Pandogmatia. Diese soll ein Kompendium sein der Mei-
nungen aller Autoren, natürlich nur der bedeutendsten und zwar
in chronologischer Ordnung.
Über die universalen Schulen spricht sich Gomenius in dieser
Schrift nur kurz aus. Er verlangt, dass die Bildung von der zarte-
sten Kindheit an beginne und sich auf alle ohne Ausnahme erstrecke.
Wenn die Begüterten, meint er, jeder so viele Kinder erziehen Hessen,
als sie selbst hätten, so würden nur noch wenige übrigbleiben, für
deren Bildung dann der Staat einzutreten habe.
Um nun diese universale Reformation der Litteratur ins Werk
zu setzen, bedarf es der Arbeiter, welche mit Gottes Hülfe das Ge-
dachte zu einem erwünschten Ende führen. Es bedarf hierzu aus-
erlesener Männer aus dem ganzen Erdkreise, sowohl weltlicher als
1895. I>er Weg des Lichtes. 301
geiBtlicher, welche begabt, fleissig, fromm und von glühender Liebe
zum öffentlichen Wohle erfüllt sind. Diese sollen, gleichsam auf
der Warte für das Wohl des Menschengeschlechts stehend, alle mög-
lichen Wege, Weisen und Gelegenheiten suchen, um allen Nützliches
zu finden, -das Gefundene verbreiten und das Verbreitete vor Ver-
unstaltungen bewahren. Denn ein einzelner ist der Grosse und
Schwierigkeit einer solchen Aufgabe nicht gewachsen, da ja nicht für
ein Volk oder eine Kirche, sondern für die Welt geschaffen
werden soll. Auch dürfen es nicht Männer sein, die schon einen
Beruf haben, da diese Arbeit den ganzen Mann erfordert Am besten
wäre es, wenn man bei den einzelnen Völkern Ehrenprofessoren
(professores honorarii), oder lieber ganze Kollegien einsetzte, die aus
öffentlichen Mitteln zu erhalten wären. Mit Recht hat sich schon
Baco gewundert, dass unter so vielen vortrefflich ausgestatteten Kol-
legien keins für die freien und universalen Studien da sei; denn alle
die Kollegien, Genossenschaften und Brüderschaften, die bisher, heim-
lich und öffentlich, bestanden haben, haben zwar einigen Nutzen für
Theologie und Philosophie gehabt, aber nur für einen Bruchteil der
Menschheit, keinen für die Gesamtheit Jetzt aber, da die Zeit da
ist, das Zerstreute zu sammeln und „alle Summen mit den Summen
der Summen zu vereinen", ist ein Collegium catholicum unter den
Gelehrten des ganzen Erdkreises aufzurichten^).
Unter diesen Hütern der Weisheit muss eine gewisse kollegiale
Verfassung bestehen. Einer unter ihnen soll sein, den die übrigen
als ihren Vorstand (praeses) achten. An ihn haben die einzelnen
alles Notwendige zu schreiben, damit er es an die anderen über-
mittele. Zum Sitze dieses Oberhaupts hält Comenius England für
das geeignetste Land, teils aus geschichtlichen Gründen, als Heimat
von Drako und besonders Baco, der zuerst den Gedanken einer all-
gemeinen Reformation der Wisseuvschaften angeregt hat, und zum
Danke dafür, dass es zuerst einem so heilsamen Plane hat Förderung
angedeihen lassen, indem es ein mit Einkünften ausgestattetes Kol-
legium zur Ernährung so vieler Mitglieder und Gehülfen, als die
Sache erforderte, überlassen hat, teüs aus dem praktischen Grunde,
weil England zu Schiffe von der ganzen Welt aus erreicht werden
kann. Neben diesem Oberhaupte könnte dann noch in jedem ein-
*) An anderer Stelle bezeichnet er die Mitglieder dieser Akademie auch
als Makler der allgemeinen Glückseligkeit (proxenetae communis felicitatiB).
302 r>w»el, Heft 9 u. lO:
zelnen Lande der besseren Ordnung halber ein Vorstand eingesetzt
werden.
Folgende Gesetze sollen für die Mitglieder des universalen
Kollegiums bindend sein:
1. sollen sie zum Danke für die hohe Ehre, zu Lehrern des Menschen-
geschlechts benifen zu sein, allen Fleiss und Eifer auf ihre
Thätigkeit verwenden ;
2. sollen sie auf den Grundlagen unseres Wissens, die Gott gesetzt,
Natur, Schrift, angebornen Begriffen, beharren;
3. sollen sie die vollständigste Kenntnis der universalen Bücher
haben und diese zu verbessern sich bemühen;
4. was jemand an verborgenem Geheimnis entdeckt hat, soll er
nicht nach eigener Willkür veröffentlichen, sondern den Brüdern
mitteilen, damit es in die gemeinsamen Akten (thcsauri) einge-
tragen >verde;
5. sollen sie sorgen, dass überall Schulen errichtet werden und die
Oberaufsicht über diese Schulen führen;
6. sollen sie, wenn in der Christenheit die universale Reformation
durchgeführt ist, dafür sorgen, dass auch den Muhammedanern,
Heiden und Juden das neue Licht gebracht werde;
7. soll jeder Kollege einmal im Jahre an das Oberhaupt schreiben
und dieser ebenso oft an alle Kollegen des Lichts.
Eine grosse Schwierigkeit steht aber diesem Verkehr der Mit-
glieder untereinander und mit den Völkern entgegen, die Verschieden-
heit der Sprachen. Deshalb müssen die Gelehrten entweder alle
Sprachen kennen, oder es ist eine zum allgemeinen Gebrauche fest-
zusetzen. Der erste Weg ist zu schwierig und darum der zweite
vorzuziehen. Ludwig Vives wollte als allgemeine Gelehrtensprache
die lateinische Sprache beibehalten ; dagegen spricht sich aber Comenius
aus mehreren Gründen aus. Die Universalsprache, wie er sie sich
denkt, muss vor allem leicht, die reichste von allen und zugleich ein
Mittel gegen die Verwirrung der Begriffe sein. Sie soll nicht mehr
Worte enthalten, als Begriffe vorhanden sind und diese genau so
verbinden, wie die Dinge unter einander verbunden sind, endlich soll
sie djis Wesen der Dinge durch den Klang der Worte ausdrücken, was
bisher in keiner der vorhandenen Sprachen geschieht. Die Sprache
soll ganz logisch, ganz analogisch, ganz harmonisch sein.
AVie kann eine solche Sprache g(*schaffeu werden? Auf zwei
Wegen: 1. an der Hand der schon bekannten Sprachen, in dem man
1895. Der Weg des Lichte«. 303
die Vorzüge aller in einer vereinigt; 2. an der Hand der Dinge.
Comenius hält den zweiten Weg für den besten. Wenn die Worte
der zu erfindenden Universalsprache auf Grundlage der Pansophie
geschaffen werden, so wird der obeii ausgesprochenen Forderung der
Harmonie zwischen Wort und Begriff am leichtesten entsprochen
werden.
Der Zweck dieser so bestimmten Universalsprache soll jedoch
nicht der sein, die vorhandenen Sprachen zu verdrangen. Bleiben
müssen 1. die drei Sprachen, welche am Kreuz des Herrn gestanden
haben, 2. die heimatlichen Sprachen der Völker, deren Ausbildung
und Verbesserung besonders anzustreben ist.
Nachdem Comenius so seinen Plan der Schaffung eines univer-
salen Lichts entworfen hat, preist er den Zustand der Welt, der nach
Annahme und Ausführung seiner Vorschläge eintreten würde. Die
Finsternis würde verschwinden und das Licht der AVahrheit überall
siegreich durchdringen. Vermöge der Pansophie würden die Menschen
die göttlichen Geheimnisse nicht nur glauben, sondern auch verstehen.
Mit diesem Geschenk habe Gott das letzte Jahrhundert zu bereichern
beschlossen. Durch die universalen Schulen würde das Licht über
alle ausgebreitet, infolge der Vereinigung der Weisen könne es nie
erlöschen und der Finsternis werde der Weg verschlossen, durch die
Ausbreitung der universalen Sprachen endlich werde diese Welt allen
Einwohnern geebnet werden. Dann würden alle sein ein Stamm,
ein Volk, ein Haus, eine Schule Gottes. Alle Länder würden der
Herrschaft Christi unterthan sein. „Sic implebitur Christi de uno
avili et uno pastore promissio ! con vocatis ad gregis unitatem leonibus
etiam et lupis et pardalibus eritque Saeculum vere aureuni plus quam
Salomonicum. Hoc erit Sabbathum ecclesiae, septimä mundi aetas, in
qua post sex mille annorum continuos labores, sudores, luctus, clades
requiescere dabitur, ante quam beatae aeternitatis octava intonet."
Solche Hoffnungen gewährt ihm nicht der Rausch oder ein Traum,
sondern das Vertrauen auf die göttlichen Verheissungen und die Be-
trachtung des gegenwärtigen Zustandes der Welt, der die baldige
Erfüllung der Verheissungen wahrscheinlich macht. „Utinam qui
sie inebriare parat amicos suos et qui dilecto suo dat semnim (Psalm
127, 10) torrente voluptatum suarum omnes homines sie jam inebriaret."
Zuletzt erörtert der Verfasser noch die nächsten Erfordernisse,
um diese allgemeine Reformation ins Werk zu setzen. Es sind ihrer
sieben :
304 Diflsel, Heft 9 u. 10.
1. ein Geist voll gewaltiger Zuversicht,
2. heisses Flehen zu Gott,
3. der Fleiss und die unermüdliche Arbeit vieler Weisen,
4. die Gunst der Mächtigen, da ja viele Bücher, Bibliotheken und
grosse Hülfsmittel erforderlich sind,
5. Klugheit und bestimmte Ordnung,
6. rasche Einführung des Ausgearbeiteten in die Praxis,
7. allmählicher Übergang von dem einen zum andern bis zur Uni-
versalität
Dabei handle man möglichst im Verborgenen, um nicht
die Welt aufmerksam zu machen, nicht einmal diese Schrift über
den Weg des Lichts soll andern bekannt werden als denen, die zur
Ausführung des Werkes hinzugezogen werden*). Was die Ordnung
betrifft, so ist die Reihenfolge zu beobachten, dass zuerst durch die
Wohlthat der Methode die Bücher reformiert werden, dann die Schulen
eingerichtet werden, hierauf die universalen Kollegien als Aufseber
der Schulen und endlich die Universalsprache begründet werden.
Bei der Ausarbeitung der Bücher könnte man entweder mit
den wichtigsten, den pansophischen, anfangen oder mit denen, die
für den ersten Gebrauch bestimmt sind. In letzterem Falle ginge
der Weg ab eruditione per experientiam ad sapientiam.
Die Universalsprache darf nicht eher geschaffen werden, als
bis die Pansophie beendigt ist. Sie darf nicht das Werk eines Ein-
zelnen sein, sondern muss von dem ganzen Kollegium der Weisen
bearbeitet werden.
Die Hauptsache ist, dass bald vom Erwägen zur That über-
gegangen werde, die Bücher sollen sogleich in den Gebrauch einge-
führt werden, es ist nicht nötig, dass sie von vornherein gleich voll-
kommen sind. Auch das Kollegium des Lichts kann zuerst
von wenigen begründet werden, ein Haus, ein Volk kann den
Anfang machen. Dann gehe man über zu den Muhammedanem,
von diesen zu den Heiden, zuletzt zu den Juden.
Die paena rerum (sive metaphysica pansophica), nach den wahren
Gesetzen der universalen Harmonie geschaffen und in allen Sprachen
herausgegeben, wird ein Trichter sein können, durch den jede Sprache
und die Grundlage der neuen Sprache gelernt werden kann.
^) Darauf beruht es, dass die Schrift in den ersten Jahrzehnten ledig-
lich handschriftlich verbreitet ward. Am 18. April 1642 hatte übrigens
Comenius „capitum^ seriem" bereits an Hotton geschickt.
1895. Der Weg des Lichtes. 305
Mit einem inbrünstigen Gebet an den Vater des Lichts für
die letzte Erleuchtung des Menschengeschlechts schliesst die Schrift.
Der hohen Begeisterung, mit der sie abgefasst, dem .hoffnungs-
frohen Glauben an die endliche Verwirklichung seiner Ideale, haben
die 26 Jahre, die bis zu ihrer Drucklegung vergingen, und die mannig-
fachen Enttäuschungen, die sie dem Verfasser bereiteten, keinen Ab-
bruch gethan. Dies beweist die Widmung an die Regia Londinensis
Societas, welche das Vertrauen auf die Wahrheit seiner Gedanken
und die Notwendigkeit ihrer Ausführung ungemindert zeigt. Die
Gründung der Londoner königlichen Gesellschaft entsprach dem
Ideale einer Akademie oder eines Kollegiums, wie es seinem hoch-
fliegenden Geiste vorgeschwebt hatte, keineswegs, und der im Jahre
1668 veröffentlichte Entwurf einer Universalsprache befriedigte CJome-
nius nicht vollständig. In den Widmungsworten zollt er den Zielen
der Royal Society, die sich die Erforschung der Natur zur Haupt-
aufgabe gemacht hatte, zwar volle Anerkennung, doch meint er, die
vollständige Erkenntnis der Natur besitzen, hiesse erst das Alphabet
der göttlichen Weisheit kennen. — Der Versuch einer Universal-
sprache, welcher in demselben Jahre, wie die Via lucis, von John
Wilkins, Mitgliede und Mitgründer der Royal Society, unter dem Titel
An Essay towards a Real Character and a Philosophical Language
mit Unterstützung der königlichen Gesellschaft herausgegeben wurde,
konnte den Wünschen des Ck)menius schon deshalb nicht entsprechen,
weil er vor Vollendung der Pansophie entworfen war, trotzdem aber
erfüllt dies bedeutsame Werk sonst im w^esentlichen die Anforde-
rungen, die er an eine solche Sprache gestellt hatte, dass sie näm-
lich auf der Harmonie zwischen Wort und Begriff beruhen solle,
und die Vermutung scheint schwer abzuweisen, dass Wilkins von
den Vorschlägen des Comenius Kenntnis gehabt habe, wenn er auch
seinen Namen an keiner Stelle nennt.
Sigismund Evenius.
Von
Dr. Georg Schmid in St. Petersburg.
Wer sich genauer mit der Entwickelung der Gedanken be-
schäftigt, die der Schulreform des Herzogs Ernst des Frommen zu
Grunde liegen, wird bahl zu der Einsicht kommen, dass dessen
„Kirchenrat", der Mag. S. Evenius, darauf einen hervorragenden Ein-
fluss geübt hat. Er wird bedauern, dass Eckstein in dem Programme
von 1850 und in der Allg. D. Biographie über Andeutungen dieses
Einflusses nicht hinausgekommen ist. Um so willkommener wird es
ihm sein, da,ss nunmehr der verdienstvolle Herausgeber der Ratichiana
diese Aufgabe übernommen und im allgemeinen abschliessend gelöst
hat^). Stötzner ist es gelungen, sämtliche Schriften des Evenius,
auch solche, die bisher so gut als unbekannt waren, mit Ausnahme
einer einzigen, einzusehen; sie sind im dritten Abschnitt S. 28 — 32
zusammengestellt (nur hätte auch hier die „Fonnul" von 1618 auf-
genommen werden müssen). Auf Grund dieses reichen Materials hat
er ein Bild von Evenius* Lebensgang, seiner Pädagogik und Didaktik
entworfen, das im ganzen vollkommen mit dem übereinstimmt, welches
Ref. bei seinen Studien über ihn und den Schubnethodus gewonnen
hat, die er hoffentlich in nicht allzufemer Zeit im IV. Bande der
Geschichte der Erziehung den Lesern vorlegen kann. Im einzelnen
glaubt er da und dort etwas berichtigen zu können.
Zu Evenius' Lebensgang bieten Wichtigeres Gotth. von Hansens
„Geschichtsblätter des Revaler Gouvernementsgymnasiums" (jetzt G.
des Kaisers Nikolaj I.) „zu dessen 250 jährigem Jubiläum am G. Juni
1881" (Reval 1881), obwohl die im Gymnasialarchiv erhaltenen
Nachrichten auch recht lückenhaft sind. Danach war das Gymnasium
auf Grund einer Vereinbarung Gustav Adolphs mit der Stadt zu-
stande gekommen, und zwei Legaten der letzteren hatten den Auftrag,
die Lehrkräfte zu gewinnen. In ihrem Namen trug der schwedische
*) Paul Stötzner, Sigismund Evenius. Ein Beitrag zur Qeschichte
des Ratichianismus. Beilage zum Jabrcsberiehte des Gymnasiums zu Zwickau
Ostern 1805. 4°. 32 S.
1895. Sigismund Evcnius. 307
Feldprediger Fabrioius in Wittenberg, wohin Evenius nach der Zer-
störung Magdeburgs sich geflüchtet hatte, diesem das Rektorat und
die Professur der Theologie an; es waren noch drei andere Professuren
errichtet, für Beredsamkeit, Poesie und griechische Sprache — zu
lateinischem Unterricht waren alle verpflichtet — , so dass also an
ein höheres Gymnasium gedacht war. Evenius nahm den Ruf an,
traf aber erst lange nach Eröffnung des Gymnasiums in Reval ein;
bei dieser wurde nur der Professor der Beredsamkeit Heinrich Vogel-
mann eingeführt. Die Zeit seiner Ankunft läset sich mit Wahr-
scheinlichkeit aus der Nachricht erschliessen, er habe seinen Schüler
David Gallus überredet „mitzureisen". Dieser ging, wie ausdrücklich
erzählt wird, am 7. September zu Schiff von Stralsund ab und kam
am 17. in Jleval an. Nach derselben Quelle kehrte Evenius noch
1G31, nicht erst 1632, wieder nach Deutschland zurück. Wahr-
scheinlich lag das Motiv nicht im Klima, wie Stötzner annimmt,
sondern in den Verhältnissen, die, wie man aus Angaben über die
nächsten Jahre schliessen kann, nicht sehr erfreulich gewesen sein
müssen, obwohl Evenius einen zweiten Schüler, Timotheus Polus,
ebenfalls nach Reval gezogen hatte, der die Professur der Poesie
erhielt; 1632 findet sich noch ein dritter verzeichnet, der Mathema-
tiker Gebh. Himsel. Gallus kam übrigens nicht an das Gymnasium,
sondern musste Hauslehrer werden. Die Angabe von einem Rektorat
des Evenius in Riga beruht wohl einfach auf einem geographischen
Irrtum.
Bei der Beurteilung des Charakters des Evenius ist sein Ver-
halten dem Ratichius gegenüber massgebend. Stötzner bringt hier
Neues bei; so die Angaben, dass Evenius den Didaktiker 1620 in
Halle bei sich aufnahm, dass dessen Anhänger, der Magdeburger
Prediger Andreas Gramer, in seiner „Anleitung" (1622) Evenius als
einen „fürnehmen wohlbegabeten und wohlgeübeten Schul-Rektor zu
Halle" bezeichnete und sein Gymnasium lobte, sowie dass Evenius
mit diesem Ratichianer, mit dem er allerdings in Magdeburg in einen
ziemlich heftigen, erst durch Ratsdekret vom 31. Januar 1625 be-
endigten Streit geraten war, auf seiner Reise in Lübeck 1631 aus-
söhnte. Gramer musste doch längst von Evenius' Bedingung bei der
Annahme des Magdeburger Rufes („dass die widerwertigen didactici
sampt ihren adhaerenten conpesciret würden") gewusst haben und
hatte wohl auch Kunde von dem in moralischer Hinsicht schlimmsten
Schritte, den Evenius gegen Ratke gethan hat, seinem Versuche,
jenen beim Anhalt-Cöthener Hofe anzuschwärzen, wobei er bat, seinen
Namen in dieser Sache zu verschweigen. Söhnte sich nun Cramer
mit ihm aus, so konnte es doch nur auf Grund des Eingeständnisses
geschehen, für das Stötzner die Stelle aus einem Briefe Kromeyers
an den Superintendenten Ewald in Königsberg i. Pr. von 1629 an-
führt: neque vero velim te aut alios absterreri denuo ab hoc laudabili
instituto nomine Ratichii, Non amplius enim Ratichiani
308 Schmid, Heft 9 u. 10.
audimus. Dafür mu8s ohne Zweifel wenigstens zum Teil der Grund
in dem Didaktiker gelegen haben, wenn auch dessen herbe Lebens-
schicksale als mildernder Umstand für ihn gelten. Aber dies kann
freilich die Handlungsweise des Evenius, soweit wir über sie unter-
richtet sind, nimmermehr als gerechtfertigt erscheinen lassen. Doch
muss immerhin mit Stötzner in die Wagschale gelegt werden, dass
Herzog Ernst, selbst ein unentwegter Ratichianer, Evenius ein so
grosses Vertrauen schenkte, was er sicherlich nicht getban hätte, wäre
dieser ein schlechter Mensch gewesen.
Dass er auch in der Methodi . . . veritas nicht gerade heraus
bekannte, er verdanke der Hauptsache nach seine Reformideen
Ratichius, darf ihm nicht zu hoch angerechnet werden, hatte er doch
anderweitig ihn als „den Anfänger** anerkannt. Wenn er Thes. IV
XXII Helvicus in der Delineatio und Rhenius in paedagogia als Ge-
währsmänner anführt, so musste der Kundige sehen, dass die Didaktik
Ratkes gemeint war. Seinem Bestreben, ältere Autoritäten für die
neue Methode ausfindig zu machen, sind einige wertvolle Notizen zu
verdanken. So führt er aus Augustin Conf. I c. 14 col. 71 an:
absque grammaticis praeceptionibus se latiuam linguam didicisse, aus
Luther Tom. HI de novissimis verbis Davidis fol. 102 b.: jede
Sprache werde richtiger und besser gelernt ex usu domestico quo-
tidiani colloquü, aus Melanchthon die Von*, zur syntaxis (eine Stelle,
die übrigens nicht ganz beweisend ist), aus Neander die epistola bei
der Dialektik und Rhetorik (nach einer Ausgabe von 1563). Am
interessantesten ist vielleicht eine Stelle, die beweist, dass schon weit
früher, als M. Montaigne die bei ihm von seinem Vater angewandte
Methode veröffentlichte (1580), Paracelsus eine ähnliche empfohlen
hatte, nämlich aus der Cyclopaedia translata atque edita a. 1583 a
Samuele Siderocratore (d. h. von dem Professor und Leibarzt des
Markgrafen zu Baden, des Kurfürsten von Köln, der Bischöfe von
Strassburg und Speier S. Eisenmenger, geb. 1534, seit 1556 Prof.
der Mathematik zu Tübingen, 15 64 Doktor der Medizin, gest in
Brüssel 1585).
In einem anderen Schriftchen, dem auch erst durch Stötzner
wieder bekannt gewordenen Pentaphyllum scholarum pestiferum cor-
rectum (1622), erwähnt Evenius allerdings den Ratichius. In auf-
fallend grosser Schrift gedruckt steht am Schlüsse die Frage, ob
dieser irgend wem seine Methode mitgeteilt habe, aut saltem tradere
valuerit (Druckfehler für voluerit?); er fordert alle die zur Beant-
wortung auf, die dem Schulwesen durch die Ratichianische Methode
aufhelfen wollen, damit endlich sich zeige, was unter den dem Rate
gemachten Versprechungen enthalten sei, und um dies zum Besten
der Schüler zu benützen. Dies möchte doch schwerlich als Gehässig-
keit auszulegen sein, sondern nur als der Ausdruck des auch sonst
bezeugten allgemeinen Unwillens über Ratkes Schweigsamkeit in be-
treff seiner Methode, die für seine Sache verhängnisvoll wurde.
1895. Sigismiind Evenius. 309
Die Methodi . . . veritas (Ex. in der K. öffentl. Bibliothek in
St. Petersburg), welche für die Gelehrten, also lateinisch, geschrieben
ist, dient zur Begründung der Schulordnung, der „Formul", die in
ihrem für den Rat und die Bürgerschaft bestimmten Teil deutsch,
soweit sie die Lehrer speziell angeht, lateinisch abgefasst ist. Auch
hier hält sich Evenius durchaus frei von dem Schein eines Anspruches,
als sei er der Erfinder der neuen Methode. Er will nur über sie
und die Gedanken ihrer Anhänger aufklären. Sie stützen sich, sagt
er an einer bemerkenswerten Stelle (Thes. XI, lxxii), 1. auf die Be-
obachtung, dass das Kind die deutsche, so reiche und schwere Sprache
in einem Jahre durch häufige Übung so lernt, dass es seine meisten
Gedanken ausdrücken kann; warum sollte dies nicht auch beim
Lateinischen, Griechischen und Hebräischen der Fall sein, da doch
die Erfahrung dadurch bestätigt wird, dass die französische, italienische,
spanische und andere Sprachen in kürzester Zeit gelernt werden?
2. Sie sprechen von Jünglingen von achtzehn und mehr Jahren, bei
denen die Übung durch die Regeln unterstützt werden kann; Knaben
von sieben, zehn oder zwölf Jahren werden ohne Zweifel (bei der
Methode durch Regeln zu lehren) langsamer vorwärts kommen. 3.
Ist die Rede von lebhaften und zum Studieren von Natur geschick-
ten Köpfen; den langsameren und unbegabten werden die mechanici
von ihrer Kunst nicht viel beibringen. 4. Sie unterscheiden zwischen
Gewandtheit in der Sprache und Eleganz ; erstere erfordert, wie jemand
sich ausgedrückt hat, einen Monat oder ein Jahr, letztere Monate
und Jahre (diese Unterscheidung spielt später, bei der Ordnung des
Gothaer Gymnasiums, wieder eine Rolle). 5. Ebenso zwischen der
alten und der neuen Methode, dem „infelix literarum seculum" und
dem „felicius"; bei diesem ist es erreichbar, bei jenem nicht. Denn
die Methode hat 6. den Vorteil der Kürze: 1. Die Sprache wird an
dem Autor geübt und zwar 2. durch beständige Unterredung, so dass
3. die Wörter nicht einzeln gelernt werden, sondern verbunden in
den Sätzen selbst, und so 4. nicht bloss viele zugleich, sondern alle
auch in ihrer Anwendung, wobei 5. die Variation in numeri, casus,
tempora und personae neue und mannigfaltige Sentenzen bilden lässt,
so dass man G. nicht nötig hat, alle Synonyma zu lernen, da 7.
das Meiste durch Periphrase wiedergegeben werden kann. 8. Auch
die grammatischen Regeln brauchen nicht gelernt zu werden, sondern
werden nur in den kürzesten Zügen oder auf Tabellen gewiesen und
durch die Praxis verstanden und gelernt.
In der Begründung ist Evenius nicht selten originell. So be-
gründet er den Satz, der Autor müsse vorangehen, Thes. IV, xvii so:
sensibilia illa sunt, quae autor tradit, in quibus facilius ars traditur
atque docetur, quam in mere intelligibilibus (dem Abstrakten), sicut
geometram vidimus facilius figurae cognitionem tradere, quando in
visibili aliquo corpore aut in tabula ostendit, quid sit acutus aut
obtusus angulus, quid quadratum, circulus, piramis, ein Satz, der nicht
Monatshefte der Comenius-Gesellschaft. 1895. Ol
310 Schraid, Heft 9 u. 10.
bloss wegen des Anklanges des Orbis sensualium pietus beachtens-
wert ist, sondern auch wegen der Einsicht in die Wichtigkeit der
Anschauung für die Gewinnung des Verständnisses, worin Evenius
dem Ck>menius lange vorangeht. Dass er zum Autor nicht den Terenz
wählt, erklärt sich aus dem Gesch. der Erz, III 2 S. 69 Anm. an-
geführten Grunde. Die Wahl der coUoquia geschah im Anschluss
an Ratke, der ja auf Terenz „ganz nicht*^ bestand.
Jedenfalls hat Evenius durch den von Stötzner angeführten
Satz: fundamenta methodi Ratichianae certissima atque firmissima
semper judicavi sein Verhältnis zu Ratke ziemlich genau formuliert.
Der Nachweis, wie er auf diese „fundamental^ seinen Schulorganismus
aufbaute, ist von Stötzner in allen Hauptsachen überzeugend ge-
geben. Nur ist einmal hervorzuheben, dass schon in der folgerichtigen
Durchführung der Ratkeschen Ideen mit Bezug auf den vollständigen
Organismus eines Gymnasiums ein bedeutender Fortschritt über Ratke
hinaus liegt, und dann, dass sich nun auch Gedanken ^nden, die
ganz unzweifelhaft nicht ratichianisch sind. Dahin ist „die deutsche
Kunstschule" (III Klasse) zu rechnen, in der „diejenigen, welche zu
Handwerkern oder anderen weltlichen Händeln schreiten, können
geübt werden". Diese Anordnung ist in ihrer Art epochemachend,
denn es ist nicht daran zu zweifeln, dass auf sie der spätere Ver-
such des Herzogs Ernst am Gothaer Gymnasium, und als dieser
nicht gelungen war, die Einführung der Realien in den „Methodus"
und in die Volksschule zurückgeht. Und zwar erscheint Auswahl
und Umfang dieses neuen Wissensgebietes im Methodus rationeller,
als in der späteren Anordnung des Comenius, von dem die Idee der
Kunstschule, was schon chronologisch klar liegt, völlig unabhängig
ist, so dass man mit Recht sagen kann, als die Vorschläge des
Comenius bekannt wurden, habe man in Gotha schon das Bessere
gehabt. Jedenfalls ist Comenius aus diesem Entwicklungsstadium
der deutschen Volksschule ganz auszumerzen. Auch in der Ver-
wertung des Bildes beim Unterricht ist ihm Evenius vorangegangen,
da er es in der christlich gottseligen Bilderschule (1630) zum ersten
Mal für den Unterricht in der biblischen Geschichte verwendet hat
Ja, auch für die Methode des Sprachunterrichtes gilt dies, da Evenius
schon 1628 eine Janua Ebraismi et Graecisini herausgegeben hat,
von der Stötzner leider keine genauere Beschreibung giebt (sowenig
als von der Bilderschule, von der sich ein im Anfang defektes Ex.
der Ausg. von 1670 in der Bibl. der Akad. d. W. W. befindet);
man kann nur die Vermutung hegen, dass sie der von J. Habrecht
1617 in Strassburg erschienenen nachgebildet war, die aber auch so
gut als unbekannt ist. (Mit der lateinischen Janua (1631) blieb
übrigens in Gotha Comenius Sieger; sie wurde am Gymnasium ge-
braucht.) Vielleicht füllt Stötzner diese Lücke noch aus und fügt
dann auch die Beschreibung der „christlich gottseligen Katechismus-
schulo" hinzu.
1895. Sigismund Evenius. 311
Etwas anders, als Stötzner thut, ist wohl die Schola latina
philosophica scu artium perfecta, die VII. Klasse der „Formul", an-
zusehen. Sie hatte nicht propädeutischen Charakter im Verhältnis
zur Akademie, sondern wollte, für alle zum Studium Bestimmten
obligatorisch, dies ganze Wissensgebiet der Akademie abnehmen. Es
war ein auch von anderen hervorgehobener Übelstand, dass die Uni-
versitäten in diesen dem Fachstudium vorangehenden Wissenschaften
nichts Rechtes leisteten. Die akademischen Lehrer, so sagt Evenius
Thes. IX xxxxvni ff., sind nicht gut in der Lage sie zu lehren, und
doch sind sie unentbehrlich. Die jungen Studenten finden ihr Haupt-
vergnügen in der Freiheit, Ungebundenheit und im Nichtsthun; sie
lassen sich durch die zahlreichen schlechten Beispiele sofort auf Ab-
wege reissen; sie lassen sich durch den Ekel an der Weitläufigkeit
der Vorlesungen leicht abschrecken; sie sind ohne private Leitung
oder auch ohne pekuniäre Mittel; es wird ihnen daher von grösstem
Nutzen sein, wenn sie die Fundamente der einzelnen Disziplinen
der Philosophie und der Fakultäten unter einer strengeren Zucht
(sub rigorosiore ferula) gelernt haben, und also auf die Universität
schon mitbringen: justa et sufficiens ad Academias in Artium Facul-
tatumque initiis praeparatio, nennt er es im Honor . . . restitutus
von 1622.
Einen davon verschiedenen Charakter dagegen tragen, wie eben-
falls abweichend von Stötzner nachzuweisen ist, von den oberen
Klassen die IX. und X. Jene, die schola Hebraea, ist nicht für
alle bestimmt, sondern nur für die späteren Theologen, wie aus dem
Zusätze hervorgeht: „Da man einen Knaben oder wie viel derselben
wären, auch in den fontibus hebraeis unterweise." Diese, die schola
theologica, hat den Zweck, „in h. göttlicher Schrift und in den Ar-
tikeln christlichen Glaubens" zu unterweisen, so dass die Schüler
nicht allein „vor sich den richtigen und wahren Verstand erlangen,
sondern auch andern lehren und die wahre seligmachende Lehre ver-
teidigen und die Widrigen widerlegen könnten". Daraus ergiebt sich
allerdings, dass die schola theologica eine abschliessende theoretisch-
praktische Bildung für das Pfarramt gewähren sollte; denn die
Schüler sollten auch Anleitung und Übung im Predigen erhalten und
„summative also ihr Amt verrichten lernen, dass sie es zu verant-
worten und damit viel Nutzen schafften". Aber wer theologus
werden wollte, musste doch noch auf die Akademie, „wo er das Ge-
lernte der Zeit und sumptuum und Gelegenheit nach supplierte".
„Man würde Theologos haben und erziehen, darauf wir uns zu ver-
lassen, daneben auch pastores in doctrina seu fide integros et in
vita inculpatos und also ein wohlbestalltes ministerium ecclesiasticum."
Es ist also ein doppelter Charakter, der dieser Klasse zukommt;
wie die IX. nur für künftige Geistliche und Theologen bestimmt,
tritt sie Einrichtungen an die Seite, wie sie IGIG J. M. Meyfert in
Coburg, später Dilherr in Nürnberg u, a. schufen.
Ol ♦
312 Schmid, Heft 9 u. 10.
Nicht ganz klar ist dagegen der Charakter der zwei weiteren
Klassen, die Evenius anzugliedern für möglich hält, über deren wirk-
liche Errichtung aber nichts bekannt ist, der Jurisprudentia und der
Medicina. Man sollte denken, sie bilden eine Analogie zur theolo-
gischen IGasse, so dass auch für diese Beruf sarten die Schule dem
stadtischen Gemeinwesen eigene Kräfte herangebildet hätte. Evenius
spricht Methodi . . . ver. Thes. IX lvih und in der „Formul" von
den fundamentis juris ex decalogo et lege naturae desumptis, die
hier zu lehren seien (wobei übrigens die griechische Sprache als für den
Juristen notwendig bezeichnet wird und auch wegen der griechischen
Übersetzung der Institutionen von Theophilus, die Grothofredus oft
citiere); er empfiehlt die Methode Glaums, über den Stotzner in
dankenswerter Weise manches beigebracht hat (er wird auch von
Comenius erwähnt). Aber die Begründung der Nützlichkeit beider
Klassen lässt darauf schliessen, dass Evenius bei ihnen an allgemeine
Beteiligung gedacht hat; es heisst nämlich: die Kenntnis jener Funda-
mente sei deswegen allen nötig, weil im gemeinen Leben dem Leben,
Ruf und Gut eines jeden Gefahren drohen, und die Unkenntnis der
allgemeinen Mittel, sie abzuwenden, zu ertragen und zu strafen, für
jeden wissenschaftlich Gebildeten nicht bloss schimpflich, sondern
zuweilen auch nachteilig sei. Ebenso bei der Medizin: eine allge-
meine Kenntnis derselben sei nicht so sehr nützlich für jeden, als
notwendig; es wird der Ausspruch des Kaisers Hadrian turba medi-
corum Caesarem perdidit (der bei Dio C. Epit. 69 als gemeine, vom
Kaiser angewandte Redensart erwähnt wird), sowie die Stelle Cic. de
off. II 24 über die Gesundheit angeführt. Übrigens weiss Evenius
für die scholae medicinae offenbar nicht besonderen Rat, er hofft
nur, dass sich ein geeigneter Lehrer finden lasse. Schwerlich würde
sich in der Praxis die Sache so gestaltet haben, dass alle oder nur
die Mehrzahl der zu anderen Fächern bestimmten Schüler diese beiden
Schulen durchgemacht hätten. Berechnet waren sie jedenfalls, dem
allgemeinen Grundsatz des Evenius nach, der freilich erst in Thes.
XI durchgeführt wird, auf die Dauer eines Jahres.
Wenn Evenius dem Rektor, wie Ratke, nur die Inspektion
übertragen wissen will, so geschieht dies schwerlich, um die Scholar-
chen überflüssig zu machen, sondern weil der Rektor, gewöhnlich zu
zwei, manchmal zu drei täglichen Stunden verpflichtet, entweder diese
vernachlässigen oder jene wichtigste Aufgabe erfüllen könne (Thes.
I IX rectorum niodernorum officia sunt imparia, cum illi ordinarüs
laboribus horarum cujusÜbet diei ad minimum duarum, aliquando
trium adstricti aut hos negligere aut illis abesse cogantur).
Eine interessante Charakteristik der Art, wie die von Herzog
Ernst gewählten Mitarbeiter zusammenwirkten, führt Stotzner aus
Krausens Antiquitates et Memorabilia Historiae Franconicae an: „im
Hauptwerk hatten sie Einen Zweck, alles nach Ratichii Lehrart ein-
zurichten. Ein jeder aber hatte ein besonderes Geschäft: Evenius
1895. Sigismund Evenius. 313
arbeitete so zu reden mit dem Herzog im Kabinett und entwurf die
verschiedenen Schul-Methoden, Instructiones und Verordnungen . . und
präparierte daneben etliche Kandidaten zum Schulwesen; Reyher hatte
seine volle Arbeit in der Schul mit Docieren, ausser der Schul mit
Verfertigung der Schulbücher nach dem Sinne des Ratichii . . .; der
Hofprediger Brunchorst hatte . . vornehmlich mit Besuchung der
Schulen zu thun, ob's drinnen recht zuging nach der neuen Lehrart".
Damit stimmt der Satz überein, den Stötzner aufstellt: Evenius war
der geistige Urheber aller Reformpläne des Herzogs. Eine genaue
Untersuchung des Thatbestandes führt zu einer Einschränkung des
Krauseschen Urteils: Evenius ist in vielen wesentlichen Punkten, so
z. B. in seiner immer wiederholten These gegen das mechanische
Auswendiglernen des Katechismus, erheblich über Ratke hinausge-
gangen und von ihm unabhängig. Sodann ist sicherlich das her-
kömmliche Urteil über Reyhers Mitarbeit zu ändern, sofern er nichts
mehr als der Redaktor des Schul-Methodus ist. Ausserdem bekommt
seine Stellung zu der Gothaer Reform einen gänzlich anderen Charak-
ter durch die Thatsache, die freilich seinem Biographen entgangen
ist, sich aber aus seiner Palaeomathia ganz sicher ergiebt, dass er von
Hause aus ein ganz entschiedener Anhänger — Aisteds war, also
auf einem dem Ratichianismus zum Teil schroff entgegengesetzten
Standpunkt stand. Den Nachweis dieser Behauptung hoffe ich eben-
falls in kurzem vorlegen zu können. Endlich muss ohne Zweifel
auch L. V. von Seckendorff unter den Beratern des Herzogs ge-
würdigt werden.
Einen Briefwechsel zwischen Evenius und Reyher erwähnt Dr.
Heyne im Programm des Gymnasiums zu Holzminden 1882 (Rektor
Mag. A. Reyher, Verfasser des Gothaischen Schulmethodus), S. 16
Anm. 4 als in seinem Besitz befindlich.
Litteraturbericht.
Eine umfangreiche und bemerkenswerte Strassburger Dissertation
von Günther Voigt über „Bischof Bertram von Metz. 1180
bis 1212" (Metz, Druckerei der Lothringer Zeitung. 1893) befasst
sich im 4. Kapitel bei Aufzählung der religiösen Streitigkeiten, die
der gelehrte und thatkraftige Bischof auszuf echten gehabt hat, mit
den Waldensern, die von des Stifters Wohnsitz Lyon früh nach
Lothringen gekommen waren. Wir erfahren bei Voigt, wie schwer es
Bertram trotz der Beihülfe des Papstes Innocenz III. geworden ist,
ihre Lehren aus seiner Stadt zu verdrängen. Noch im Jahre 1221
waren sie nach dem Bericht des Cäsarius von Heisterbach dort nicht
völlig beseitigt. B.
In der Zeitschrift für Kirchengeschichte XIV, s. S. 148, findet
sich ein Aufsatz H. Haupts über deutsoh-böhmisohe Waldenser
im Jahre 1340. Die Abhandlung ist bearbeitet auf Grund eines
Verhörsprotokolls, das Ferd. Menöik jüngst aufgefunden und in den
Sitzungsberichten der königl. Böhmischen Gesellschaft der Wissen-
schaften (Philos.-hist.-philol. Kl. 1891 S. 280—287) veröffentlicht
hat. Das Protokoll betrifft Waldenser aus dem Gebiet der süd-
böhniischen Herrschaft Neuhaus. K.
Im Historischen Jahrbuch der GÖrres-GescUschaft 14, 3 bringt
Uebinger zwei Beiträge zur Lebensgeschichte des Nioolaus von Cusa
(eine autobiographische Nachricht aus 1449 und sein Testament).
In derselben Zeitschrift 13, 4 handelt Birck über „Nicolaus von
Cusa auf dem Konzil zu Basel". Nach einem anderen Aufsatz des-
selben Verfassers in der Theologischen Q.uartalschrift 74, 4 hat Cusa
auch nach seiner Schwenkung denselben Grundsätzen gehuldigt, „die
das Papsttum in seinen innersten Grundlagen bedrohen", wie er sie
in der concordantia catholica ausgesprochen hat. K.
Über Johann Pupper von Qooh sind zwei eingehende Unter-
suchungen erschienen, die zu sehr verschiedenen Ergebnissen kommen.
Die eine ist von A. Knaake in den Theologischen Studien und
Kritiken 1891, Heft 4, S. 738—774, veröffentlicht worden; sie er-
giebt, dass sich bei Goch sehr entschiedene reformatorische Ansätze
finden; die andere hat J. Nieraöller in Wetzer u. Weites Kirchen-
lexikon, 2. Aufl. Bd. VI S. 1678—1684, drucken lassen; sie hebt
die starken Gegensätze hervor, die zwischen der Lehre des Prote
stantismus und Gochs vorhanden seien. K.
1895. Ldtteraturbericht. 315
Unter der wertvollen Büchersammlung, die der Stadt-Bibliothek
zu Breslau von dem 1536 verstorbenen Breslauer Patricier Thomas
Rehdiger vermacht wurde, findet sich eine Handschrift (Cod. Nr. 254),
welche eine Reihe von Originalbriefen an Erasmus enthält. A. Hora-
witz wurde durch den Tod an der beabsichtigten Publikation derselben
verhindert. Die wichtigsten sind soeben von Archivar Dr. Franz
Wächter im 30. Bd. der Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins,
Elberfeld 1894, S. 200—212, veröffentlicht worden: „Briefe
Niederrheinischer Humanisten an Erasmus (1529 — 1536)".
Da die meisten kulturhistorisches Interesse haben, geben wir Wächters
Regesten hier wieder: 1. Jungherzog Wilhelm von Jülich-Cleve-Berg
übersendet Erasmus einen Becher. Büderich, 1529 Nov. 10; 2. Thiel-
mann von Grave wegen der Aufführung seines Sohnes Bemard.
Köln, 1530 Aug. 17; 3. Joh. von Vlatten an Erasmus über die
kirchliche Lage. Augsburg, 1530 Sept. 17; 4. Joh. von Campen
schildert die Gesinnung des Cardinais von Lüttich gegen Erasmus;
5. Georg Wicel über die religiösen Verhältnisse in Deutschland;
6. Joh. Caesarius erwartet die Antwort des Erasmus auf eine Schmäh-
schrift des Stephan Doletus, kündigt ihm neue Anfechtungen durch
die Karthäuser an und bittet ihn um ein Heilmittel gegen Stein-
leiden. Köln, 1533 (?) März 29; 7. Jacob Omphalius teilt Erasmus
seine Aufnahme in das Juristenkollegium mit. Die Verteidigungs-
schrift desselben gegen Petrus Cursius hat er mit Vergnügen gelesen
und kündigt ihm Briefe hervorragender Gelehrten an. Toulouse,
1536 Febr. 9. B.
In demselben Bande der Bergischen Zeitschrift (S. 269 — 273)
teilt K, Krafft aus der lange vergeblich gesuchten und endlich vor
einigen Jahren in Wolfenbüttel gefundenen Selbstbiographie des
W^estfälischen Reformators Gerhard Oemiken die Vorrede in neu-
hochdeutscher Übersetzung mit. Eine neuere vollständige Lebens-
beschreibung dieses 1485 zu Camen in der Mark geborenen, in den
westfälischen Städten Soest, Lippstadt und Minden mit Eifer für die
Reformation eingetretenen, 1562 als Superintendent zu Güstrow in
Mecklenburg verstorbenen kernigen Westfalen, der u. a. auch die
Schmalkaldischen Artikel mitunterzeichnet haben soll, fehlt bislang
noch. B.
Alexander Wirth führt uns im Programm der Realschule
zu Meerane i. S. von 1894 in ,J)ie evangelisohe Schule des 16.
und 17. Jahrhunderts*'. Auf Grund von K. Vormbaums evangeli-
schen Schulordnungen schildert er bis in die kleinsten Einzelheiten die
Einrichtung und den Studiengang der Lehranstalten jener Zeit und
zwar zunächst der nach Melanchthons Vorbild organisierten Latein-
oder Gelehrtenschulen und sodann der in Knaben- und Mädchen-
schulen zerfallenden niederen deutschen Schulen, für die Luther durch
seine Bibelübersetzung und den kleinen Katechismus den Boden
geschaffen. Als charakteristisch für das durch die Reformation um-
316 Litteraturbericht. Heft 9 u. 10.
gestaltete Schulwesen kennzeichnet Wirth zunächst den Umstand, dasa
der öffentliche Unterricht nicht mehr von Privatpersonen, sondern
von der städtischen und landesherrlichen Obrigkeit eingerichtet und
erhalten wird. Im Gegensatz zu früher giebt es einen selbständigen,
besoldeten Lehrerstand, der von einem regelmässig zu zahlenden
Schulgeld unterhalten wird. Zum Zwecke einer allgemeinen Volks-
bildung erhalten auch die kleinsten Dörfer ihre Schulen. Damit tritt
der Unterricht in den Elementarfächern, namentlich im Lesen und
Schreiben, in den Vordergrund. Ein besonderes Gewicht aber wird,
auf den höheren Schulen nicht minder als auf den niederen, auf die
Religion gelegt, die als obligatorische Disciplin unter die Unterrichts-
fächer aufgenommen wird. B.
H. S. Burrage, der schon im Jahre 1881 eine History of the
Anabaptists in Switzerland (Philadelphia American Baptist. Publ.
Society 1420 Chestnut Street) veröffentlicht hat, hat in den Papers
of the American society of Church history III, 145 — 164 einen
Aufsatz über „The Anabaptists of the 16. Century" drucken
lassen. K.
Die beiden verschiedenen pädagogischen Richtungen seines Zeit-
alters sah Christian Thomasius am vollkommensten in dem Jenenser
Mathematik- und Astronomie-Professor Erhard Weigel und dem
Kieler Daniel Georg Morhof verkörpert. Morhof: der humanistisch
Gebildete, bemüht den Sprachunterricht der Lateinschulen als Haupt-
bildungsmittel beizubehalten und nur in vernünftiger Weise zu
reformieren, Weigel: der praktische Schulmann, eintretend für die
vernachlässigten Realien und die Pflege einer frommen und tugend-
haften Gesinnung. Thomasius verurteilte beide Bestrebungen für sich
als einseitig. Gegen Morhof macht er geltend: „Der Mensch ist
nicht auff der Welt der Sprachen halber, und die Sprachen machen
für sich keinen gelehrten Mann, sondern die Sprachen sind erfunden,
dass die Menschen dadurch ihre Gedanken einander eröffnen sollen,
und die Gelehrsamkeit bestehet nicht in zierlich gesetzten Worten,
sondern in wahrhafftiger und mit der Sache selbst übereinstimmenden
Gedanken." Dagegen betont er Weigel gegenüber die Notwendigkeit
des Sprachunterrichts, wxil viele Bücher, die für die wissenschaftliche
wie für die sittliche Erziehung in Betracht kämen, in fremden Sprachen
geschrieben seien. Thomasius hielt es für notwendig, die beiden
Richtungen, d. h. also Sprach- und praktische Wissenschaft mit ein-
ander zu verbinden, in derselben Erkenntnis, die zu Anfang unseres
Jahrhunderts Herbart in dem Satze ausgesprochen hat: „Das Gewicht
der Gründe auf beiden Seiten und die Hochachtung, welche so
manchen Männern gebührt, die mit ihrem Ansehen beide Teile unter-
stützt haben, lässt wohl kaum zweifeln, dass beide notwendig zugleich
Recht haben müssen." — Ein Element, das sowohl Morhof, als
Weigel übersehen, will Thomasius in das Erziehungssystem neu auf-
genommen wissen. Das menschliche Thun imd Lassen hat 4 Stücke
1895. Litteraturbericht. 317
der Vollkommenheit, es soll ehrbar, artig, nützlich und belustigend
sein. 3 von diesen fördern die früheren Systeme, das zweite aber,
„die artige Höflichkeit der Sitten", „die Manierlichkeit in Thun und
Lassen" hat Thomasius bislang vergeblich gesucht. — Diese Gesichts-
punkte erörtert in verdienstlicher Weise Alfred Rausch in einem
Aufsatze der Festschrift des Jenaer Gymnasiums zur 350 jährigen
Jubelfeier des Eisenacher Gymnasiums am 18. Oktober 1894. Er
führt den Titel: Christian Thomasius als Gast in Erhard
Weigels Schule zu Jena. Ein Beitrag zur Geschichte der
Pädagogik im 17. Jahrhundert. Nachdem Rausch nämlich in
der oben gekennzeichneten Weise das Verhältnis des Thomasius zu
Morhof und Weigel eingehend charakterisiert hat, geht er dessen
persönlichen Beziehungen zu dem letzteren nach und berichtet speciell
über den Besuch, den Thomasius der Kunst- und Tugendschule
Weigels in Jena wahrscheinlich bei Gelegenheit ihrer Wiedereröffnung
nach dem 3jährigen Probekursus am 10, November 1689 abge-
stattet hat. B.
Baniel Georg Morhof ist in jüngster Zeit eine Pariser Disser-
tation von Alb. F6camp gewidmet worden: „De D. G. Morhofio
Leibnitii in cognoscendis linguis et Germanico sermone
reformando praecursore. Monspelii ex typis Ludovici
Grollier patris 1894." F6camp nimmt einen guten Teil des Ruhmes,
den Leibniz um seiner Sprach- Verdienste willen geniesse, für Morhof
in Anspruch, der die meisten Leibniz'schen Auseinandersetzungen,
nicht nur auf dem Gebiete der neuzubelebenden deutschen Sprache,
sondern in der Sprachwissenschaft überhaupt, meist schon klarer und
bestimmter dargelegt habe, und nur in der Gewandtheit und Schön-
heit des Stils von jenem übertroffen werde. B.
Nicht ohne Interesse auch für unser Forschungsgebiet ist die
kleine Schrift von Wilh. Fabricius „Die Studentenorden des
18. Jahrhunderts und ihr Verhältnis zu den gleichzeitigen
Landsmannschaften". Ein kulturgeschichtlicher Versuch (Jena,
Döbereiners Nachfolger 1891). Diese Verbindungen waren geheime
und die akademischen Behörden hielten sich für verpflichtet, dagegen
einzuschreiten; es scheint, dass sie teilweise bei den Freimaurern
Anlehnung fanden, doch sind sie nicht zu verwechseln mit den
akademischen Logen, welche Professoren, Studenten und Beamte
umfassten, die aber im Sinne der obigen Arbeit keine „Studentenorden"
waren. Immerhin weist Fabricius nach, dass die Studentenorden in
der Form, wie sie um 1770 bestanden, erst seit dem Aufkommen
der Freimaurerei in Deutschland (etwa seit 1740) nachweisbar sind.
Sehr beachtenswert scheint auch der Hinweis auf Zusammenhänge
mit den älteren „Akademien", besonders mit dem Blume norden
in Nürnberg (S. 33), dessen 100 jähriges Stiftungsfest (1744) ein
Ereignis in der gebildeten Welt war. K.
Preisausschreiben der Comenius-Gesellschaft
ffir 1S96.
Der Gesamtvorstand der CG. hat beschlossen, für das Jahr 1896
eine neue
Preisaufgabe
auszuschreiben.
Die Errichtung der Universität Berlin hat eine Vorgeschichte, die bis
auf die Zeiten Friedrich Wilhelms, des Grossen Kurfürsten, zurückreicht und
die mit den Bestrebungen und Plänen des Comenius und der „Akademien^'
der Naturphilosophen des 17. Jahrhunderts zusammenhängt. In neuerer
Zeit hat zuerst D. Kleinert in einer Berliner Rektoratrede von 1885
(wiederabgedruckt in dessen Abhandlungen und Vortragen zur christlichen
Kultus- u. Kulturgesch. 1889 S. 128 ff.) auf die Pläne des Grossen Kur-
fürsten und auf ihren Zusammenhang mit Ideen des Comenius hingewiesen.
Indessen fehlt bis jetzt eine genauere Untersuchung dieses kurz vor seiner
Ausführung gescheiterten Unternehmens, über das ein ziemlich vollständiges
ungedrucktes Material erhalten ist. In Rücksicht auf die Bedeutung, die
das Projekt für die Charakteristik der Bestrebungen des Grossen Kurfürsten
auf geistigem Gebiete besitzt, wünscht die CG. eine Darstellung
der projektierten Universal-UiiiTersitlit des Grossen KarfUrsten.
Die Arbeit soll zugleich den Zusammenhang dieser Pläne mit den
Bestrebungen und Ideen der Akademien der Naturphilosophen und des
Comenius untersuchen, auf Grund selbständiger Nachforschungen in den
Quellen in allgemein verständlicher Form abgefasst und in deutscher Sprache
geschrieben sein.
Die Arbeit soll den Umfang von 5 — 6 mittleren Druckbogen nicht
wesentlich überschreiten.
Der Preis betragt 200 M.
Sic ist bis zum 31. Dezember 1896 unter Beifügung eines mit Sinnspruch,
versehenen Briefumschlags, der den Namen des Verfassers enthält, bei der
Geschäftstelle der CG., Berlin-Charlottenburg, Berliner Str. 22,
einzureichen.
Die preisgekrönten Arbeiten gehen in das Eigentum der CG. über.
Sie werden von der Gesellschaft unter ihre Publikationen aufgenommen und
herausgegeben. Die nicht gekrönten Arbeiten können die Verfasser selbst
herausgeben, doch bleiben die eingereichten Handschriften ebenfalls Eigentum
der Gesellschaft.
Die Namen der Preisrichter werden im nächsten Heft bekannt ge-
macht.
Nachrichten.
In den Preuss. Jahrb. (1895 S. 215 ff.) veröffentlicht E. Troeltsch,
Professor der Theologie in Heidelberg, einen Aufsatz über ,,Religioii and
Kirehe^*, den wir der Beachtung unserer Leser empfehlen. Wir verweisen
hier nur auf die Charakteristik der verschiedenen protest. Kirchen, die aus
der Refonnationsbewcgung hervorgingen. ,,Auch für Luther war (sagt P.],
wie für den Katholizismus, die Kirche eine von Christus gestiftete Anstalt
des Heils, auf festem, objektivem Grunde gebaut und von einem göttlich
bestellten Amte getragen . . . Nur war diese Autorität für ihn nicht der
durch Succession und Gnadenbegabimg zu rechtsgiltiger Entscheidung be-
fähigte Bischof, sondern die heilige Schrift, das . . . Wort Gottes. . . . Von
diesem festen Punkte, von der reinen Schriftlehre aus, werden die neuen
Kirchen organisiert. Die Lehre, die durch sich selbst klar und fertig ist,
muss in ihrer Eeinheit aufrecht erhalten werden, gegenüber allen Trübimgen,
Häresie und Irrthümem, sie muss in ihrer Wirksamkeit unterstützt werden,
durch . . . Unterstützung, Versorgung und Kontrolierung der Beamten, der
Ausleger der Schrift. Beides wird als Aufgabe der Landesgewalt
bezeichnet Die Folge davon war die Auslieferung der Kirchen
an die Landesherren und deren Hoftheologen, die volle Unmündigkeit der
Gemeinden .... Eine weitere Folge der Begründung des Instituts auf die
so zu behütende Reinheit der Schriftlehre war ein ungeheurer Doktrinaris-
mus. Die Schrift ist Grundlage der Lehre, des Gottesdienstes, aller Kasual-
handlungen, des Unterrichts. Überall muss die reine Lehre ertönen, welche
von selbst das Heil wirken wird. Die lutherischen Kirchen predigen ohne
Unterlass, ja ihr Idealismus besteht gerade darin, dass nichts gethan wird
als gepredigt .... Diese tief innerliche Frömmigkeit des Herzensglaubens
schuf sich eine auf die reine Lehre gebaute Kirche und verwuchs so selbst
unlösbar mit der reinen Lehre" . . .
Sehr richtig bemerkt Troeltsch im Anschluss an diese Ausführungen,
dass der moderne Toleranzstaat mit und durch sein Emporkommen
diese Kirche und ihre Organisation tief erschüttert hat, ja dass
der Gedanke des Toleranzstaates in einem völligen Widerspruch zu den
obigen Gnuidgedanken steht und dass beide nicht vereinbar sind.
Leider ist Troeltsch aber weder auf die Frage, wer die Schöpfer dieses
Toleranzstaates waren, noch auf die Schlussfolgerungen, die sich aus dem
eingestandenen Widerspruch ergeben, näher eingegangen.
320 Nachrichten. Heft 9 u. 10.
Wir übergehen hier die Schilderung der reformierten Kirchen calvi-
nischer Richtung, in denen Trocltsch sein Ideal nicht erblickt, deren Lehr-
und Sittenzucht nach T. leicht ausarten. „Wo aber**, fährt Troeltsch fort (S. 238),
„die Lehr- und Sittendisziplin erheblich beschränkt und der individuellen Über-
zeugung und Lebensgestaltung grössei'er Raum gelassen wurde, da gediehen
auch keine grossen und schlagkräftigen religiösen Gemeinwesen, wie Inde-
pendenten, Quäker und Unitarier zeigen. Gleichwohl haben diese
kleinen Gemeinwesen sich behauptet und sehr segensreich ge-
wirkt. Es mag daher die Ansicht derjenigen nicht ohne Berech-
tigung sein, welche in diesen kleinen Gemeindebildungen das
Ideal der zukünftigen Form der christlichen Kirchen sehen,
das sich in der Zersetzung der Staats- und Landeskirchen,
sowie der Kirchen des Lehrzwangs vorbereite."
Die Bemerkung, dass jene kleineren Gemeinschaften — Troeltsch meint
offenbar alle diejenigen Gemeinschaften, die wir unter dem Namen der alt-
evangelischen Gemeinden zusammenfassscn — , keine grossen Gemein-
wesen zu bilden im Stande gewesen sind, ist für den nicht verwunderlich,
der die Kirchen geschichte kennt und der weiss, in welcher Art diese auf
dem Grundsatz der Freiwilligkeit beruhenden und dadurch naturgemäss
zunächst an die besseren Elemente verwiesenen Gemeinschaften von Katholiken
und Protestanten bekämpft worden sind. Selbst aber, wenn man jene That-
sache aus inneren Mängeln des Systems herleitet, muss man doch zugeben,
dass viele Ideen und Grundsätze jener „kleinen Gemeinschaften" sich im
Lauf der Jahrhunderte einen breiteren Boden erkämpft haben, als die Ideen
irgend einer anderen „grossen Kirche". Und wir stehen ja noch nicht am
Ende aller Tage.
Für die Geschichte der religiösen Volksbewegungen des Mittelalters (oder,
wie unser Arbeitsplan sagt, der alt-evangelischen Gemeinden) und ihre Nach-
wirkungen im 16. Jahrhundert ist die Frage des Zusammenhangs zwischen
Luther und den btfhmisehen Brüdern nicht ohne Bedeutung. Von jeher
haben wir in diesen Heften einen sehr engen Zusammenhang zwischen den
Brüdern und Luthers erstem Auftreten (bis 1525) vertreten und angenom-
men, während sehr viele protestantische Theologen denselben bestreiten oder
in seiner Bedeutung abzuschwächen suchen. Neuerdings hat K. Burdach
in Halle (D.M. der G.G.), dessen geistvolles Buch „Vom Mittelalter zur
Reformation. I. Halle 1893" unsere Mitglieder kennen werden, sich über diese
Frage im Litterarischen Centralbl. (1895 Nr. 30 Sp. 1054) bei Gelegenheit
einer Besprechung über Rudolf Wolkans neuestes Werk (Geschichte der
deutschen Litteratur in Böhmen bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts) aus-
gesprochen und wir wollen nicht unterlassen, dies Urteil hier wiederzugeben :
„Die Darstellung des 16. Jahrhunderts hat der Verfasser im Wesentlichen
aus eigner Kraft geliefert. Überzeugend weist er die Kulturgemcinschaft
zwischen Böhmen, Schlesien, Meissen seit der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts
und während des 16. Jahrhunderts nach. Auf ihr beruht, wie Ref. sich hier
zu bemerken erlauben möchte, die Entwicklung und das allmählich zuneh-
mende Übergewicht der ostmitteldeutschen Bildung und Schriftsprache
1895. Nachrichten. 321
Auch die Tschechen nahmen damals daran Teil. Die Beziehungen
Böhmens zu Luther (, böhmische Brüder') und zu Melanchthon, der
dort ausgezeichnete Schüler findet, zum Humanismus, verdienen die Beach-
tung aller derer, die unbefangen nach geschichtlicher Wahrheit streben.
Hervorragende Personen, wie Bohuslav Lobkowitz von Hassenstein und
andere sind von Wolkan gut beleuchtet, die Bedeutung der reichen Bergstadt
Joachimsthal und des böhmischen Erzgebirges für deutsche Dichtung und
Bildung nach Grebühr gewürdigt: hier ist die Pflege der Lateinschule und
des Humanismus zu Hause, Gedicht, Volkslied, Kirchenlied, Drama gleicher-
massen; Namen, wie Nikolaus Hermann, dessen Sonntagsevangelia von 1561
der Verfasser soeben neu herausgegeben hat (Prag und Wien, Tempeky
1894), Matthesius, Krüginger, sind allbekannt. Böhmen exportiert auch im
16. Jahrhundert noch eine Fülle geistigen Lebens und den Zusammen-
hang zwischen der reformatorischen Lehre, Schriftstellerei und
Liederdichtung und der hussitisch-wiclifitischen kann eine ob-
jektive Geschichtschreibung nicht bestreiten. In dem Versuch
Kaweraus (Weimarische Lutherausgabe Bd. 9 ß. 677 ff.) z. B. für Luthers
„Passional Christi und Antichristi^' diesen Zusammenhang anzuzweifeln oder
doch nur als möglich hinzustellen, vernimmt Referent mit Bedauern den
Nachklang eines eingewurzelten Vorurteils einer konfessionel-
len Behandlung der deutschen Reformationsgeschichte.''*)
Nichts hat der zum Teil absichtlichen Verdunkelung der Geschichte
der ausserkirchlichen Christen -Gemeinden, die man Ketzer nannte, grösseren
Vorschub geleistet, wie der Gebrauch von Scheltnamen oder Ketzemamen,
die mit der Absicht der Herabsetzung erfunden und in Umlauf gesetzt,
schliesslich selbst in wissenschaftlichen Werken und Darstellungen in Ge-
brauch kamen und vielfach heute noch — ich erinnere z. B. an den Schelt-
namen „Wiedertäufer" — zur Bezeichnung von Religionsgemeinschaften
in Gebrauch sind, die sich nicht nur selbst keineswegs so genannt, sondern
sogar diese Namen als eine Beschimpfung bezeichnet und zurückgewiesen
haben. Auch zur Bezeichnung der böhmischen Brüder waren seit dem
15. Jahrhundert eine Reihe von Scheltnamen — z. B. die Namen Gruben-
heimer, Waldenser u. s. w. — aufgekommen, allmählich aber wieder stärker
zurückgetreten; nur ein Ketzername, nämlich die Bezeichnung Pikarden,
die aus dem Namen Begharden entstanden ist, hielt sich mit zäher Dauer-
haftigkeit und es ist von Interesse, da^s er selbst noch im 17. Jahrhundert
vielfach, selbst noch in diplomatischen Korrespondenzen, wiederkehrt (Vgl.
Felix Stieve, Briefe u. Akten zur Gesch. des 30j. Kriegs. Bd. IV München
1895 S. 429, 459, 574). Öfters werden sie auch Hussiten genannt. Merk-
würdig ist, dass in den gegnerischen Berichten aus dem Anfang des 17. Jahr-
hunderts zwischen den Reformierten und „Pikarden" gar kein Unterschied
gemacht und dass z. B. Wenzel von Budowec, der Mitglied der Brüdergemeinde
war, als „Erzkalvinist" bezeichnet wird ; wohl aber ist den Gegnern klar, da^w
*) Die gesperrten Stellen sind von uns gesperrt worden.
Die Schriftleitung.
322 Nachrichten. Heft 9 u. 10.
die „Pikarden" und die Lutherischen verschiedene Gemeinschaften sind.
Wenn man sich diese Thatsache vergegenwärtigt, erklart es sich, wie der
Name ,, Beformierte" allmählich auch ausserhalb Böhmens vielfach für
Personen und Gemeinden in Umlauf kam, die im Grunde den böhmischen
Brüdern viel näher standen, als den strengen Kalvinist^n.
Die neueste und wichtigste Erscheinung auf dem Gebiete der Comenius-
Litteratur ist die Ausgabe der Xatnrkande (Joh. A. Comenii Physicae ad
Lumen divinum reformatae Synopsis), die Herr Direktor Dr. Jos. Reber in
Aschaffenburg besorgt und im Verlag von Emil Roth in Giessen veröffent-
licht hat. Wir werden in Kürze eine eingehende Besprechung dieses Buches
aus der Feder eines unserer sachverständigsten Mitglieder — Prof. Xurd
Lasswitz in Gotha — bringen und wollen uns heute mit einem Hinweise
auf das Buch begnügen. Wir haben in den ersten Heften dieses Jahrgangs
auf die Beziehungen des Comenius zu den Naturphilosophen des 16. und
17. Jahrhunderts verwiesen und es ist interessant, in der Einleitung, die
Reber zu der Ausgabe geschrieben hat, die Bestätigung unserer Wahrneh-
mungen zu finden. Reber sagt von der Alchymie, dass sie das ganze Werk
des Comenius in allen seinen Teilen durchzieht. Des Comenius Physik ist nach
Reber ohne Kenntnis der Alchymie ebensowenig verständlich, wie Bacons
„Novum Organon". Begründer dieser Wissenschaft (der Alchymie) war, wie
Reber hervorhebt, Bombastus Theophrastus Paracelsus von Hohen-
heim, dessen Einfluss wir auch bei der Darstellung der Geschichte jener
Akademien und Sodalitäten der „Alchymisten" hervorgehoben haben. Es wäre
sehr erwünscht, wenn einmal festgestellt werden könnte, ob jene „Akademien^'
bereits zur Zeit des Paracelsus bestanden und ob er selbst Mitglied einer
solchen gewesen ist. Auch die Feststellung des Anteils der Sodalitäten an
der Verbreitung und dem Neudruck der Schriften des Paracelsus wäre eine
Aufgabe, die in mehrfacher Beziehung Licht verbreiten würde. Wir sind
gern bereit, unseren Herren Mitarbeitern für diese Themata entsprechenden
Raum in unseren Monatsheften zur Verfügung zu stellen.
Bei Bohuslaus Balbinus, S. J., Bohemia Docta ed. ab R.-Ungar.
Pragae 1788 Pars IL S. 314 f. findet sich folgendes Urteil über Comenius:
„Joannes Arnos Comenius Moravus natione fuit, sed apud nos in Bohemia
educatus, omnes huius Viri lucubrationes ab elegantia sermonis patrii, et
recondita eruditione laudantur. Evulgavit Januam linguarum primns iam
ante an. 1616 latine, germanice, bohemice, isqne liber ita placuit, ut vis
Ulla hodie Europae lingua nominari possit, qua Comenius non legatur.
Post victoriam Pragensem, cum in Bohemia haeretici consistere vetarentur,
in HoUandiam exulatum abiit, saepe tamen ut peregrinus Patriam et
Bohemiam revisebat. Quam plurima cdidit, nihil tamen nnquam,
quod catholicae fidei adversaretur, ac mihi opera legenti.
semper visus est ita comparatus scripsisse, ut nuUam notare,
aut damnarc rcligioncm vellet. Labyrinthus mundi et Paradisus
animae bohemica lingua conscriptus et a]i 1631 Carolo neniori de Zerotin
1895. Nachrichten. 323
dedicatus est. Quantus ille Vir fuerit, satis ostendit elocutione illimi,
proprietate verborum, altitudine seneuum, descriptione inanitatis mundi,
et cruditione rarissima et intima laudatiseimus, et lectu
dignissimus.
Eine wärmere Empfehlung kann man von einem grundBätziichen
Gegner wie es Baibin us als Mitgb'ed der Gesellschaft Jesu war, nicht ver-
langen. Balbinus gehört zu den angeseheneren Schriftstellern der Jesuiten
im 17. Jahrhundert.
Das Schicksal der Bibliothek, welche sich ComeniiiB in Falnek
imd vielleicht auch schon während seiner Studienjahre angeschafft hatte,
erfahren wir aus einem Briefe des Kapuzinermönches P. Bonaventura aus
Köln an d&n Kardinal Ludovisi, der damals Präfekt der „(Jongregatio de
Propaganda Fide" war (erhalt, im Archiv der Propag., Germania 1029,
I. Nr. 330, Fol. 206—208, gefunden in Bom durch Dr. J. Kollmann).
Der P. Bonaventura wurde im Frühjahr 1023 vom Olmützer Quardian nach
Fulnek als Missionär geschickt, und bald gelang es ihm, dort viele Evange-
lische zum Katholizismus zu bekehren. Auch die ehemalige Brüderkirche
nahm er ein und predigte daselbst zweimal in der Woche, da sehr viele
von den Brüdern die katholische Kirche nicht besuchen wollten. Unter
die Kinder verteilte er Bosenkränze und lehrte sie beten mit solchem Er-
folge, dass sie lieber die Eitern verläugnen wollten, als dem katholischen
Glauben entsagen. Die den Neubekehrten abgenommenen häretischen Bücher
wurden am 1. Mai 1623 auf dem Marktplatze verbrannt. Als sie so 5 Stunden
brannten, liefen die Kinder, welche zusahen, unaufgefordert auseinander,
drangen in verschiedene Häuser, eigene und fremde, ein und brachten von aUen
Seiten Bücher, deren sie habhaft werden konnten, und warfen sie ins Feuer.
Den andern Tag untersuchte der Kapuziner die im Bathause aufbe-
wahrte Bibliothek „des Predigers Arnos" (Comenius), und als die
Knaben es erfuhren, kamen sie in grosser Menge herbei, packten die Bücher
und verbrannten sie in einer Stimde zu Asche auf dem früher erwähnten
Orte mit solchem Eifer und Schnelligkeit, dass sie den Kapuziner beinahe
mit zerrissen hätten, und dass sich bei dem Eifer die einen Kleider, die
andern Haare mitverbrannten. Es gieng also nach diesem Bericht die Bücher-
sammlung des Comenius nicht allsogleich nach seiner Flucht aus Fulnek zu
Grunde, sondern erst nach zwei Jahren. N.
Glordano Bruno und die Akademien. Herr Pastor em. J. H. Maronier
in Amheim (D.M. der G.G.), der sich durch sein Buch über „Das innere
Wort" (Het inwendig Woord. Eenige Bladzyden uit de Geschiedenis der
Hervorming, Amsterdam 1890) und die Reformationsgeschichte bekannt ge-
macht hat, teilt uns folgende Stelle aus Frith, Live of Bruuo p. 128 in holl.
Übersetzung mit: „Toen Giordano Bruno in 1583 van Oxford naar London
kwam vond hy daar een kleinen Kring van geleerden en stichtte met hen
een Vereeniging in navolging van de Italiaansche akademien. Onder hai'e
leden behoorden: Sidney, Grevelle, Dyer en Temple." — Dass Bruno der-
jenigen Geirttesrichtung angehört, die die Akademien vertraten, ist längst
324 Nachrichten. Heft 9 u. 10.
bekannt, daes er aber in aller Fonn Mitglied und Bruder gewesen ist, ist
bisher, so viel ich weiss, nirgends hervorgehoben worden. Wir haben Bruno
schon seit 1892 in den Arbeitsplan der O.G. aufgenommen.
Wir haben früher (M.H. der CG. 1895 S. 18) erwähnt, dass Peter
Wok Ton Rosenberg (Schwager des Kurfürsten Joachim II. von Branden-
burg) mit dem Fürsten Christian von Anhalt (15()8— 1030) einen Briefwechsel
unterhielt, der unter Formen und Sinnbildern, die der Alchymie entnommen
waren, sehr ernste Pläne und Ziele zum Gegenstände hatte. Es wäre sehr
wünschenswert, dass von diesem Briefwechsel mehr bekannt wurde, als bis
jetzt bekannt ist. Vielleicht enthält das Bembarger Archiv Aufschlüsse,
aus dessen Beständen (AbtL I, F. 1. 231) M. Ritter, Briefe und Akten
zur Gesch. des 30 j. Kriegs S. 420 f. einige Stücke abgedruckt hat. Peter
Wok, einer der angesehensten und reichsten Magnaten Böhmens, war Mit-
glied der Gemeinschaft der böhmischen Brüder. Merkwürdig ist (s. Ritter,
Die Gründung der Union, 1870 S. 551), dass sich in dem ei*wähnten Brief-
wechsel Fürst Christian als „Sohn" Rosenbergs bezeichnet, ebenso wie
sich Comenius „Sohn" Valentin Andreaes nennt.
Um die Akademie des „Palmbaums" hat sich seit dem Jahre 1634
kein Fürst grossere Verdienste erworben, als Herzog August von Braun-
Hchweig-Lüneburg. Der Briefwechsel dieses Fürsten ist zum grossen
Teil erhalten und beruht in 30 Foliobänden in der Herzoglichen Bibliothek
za Wolfenbttttel. Da dieser Briefwechsel für die Geschichte der gesamten
Geistesbewegung, deren Träger die Akademien waren, sehr viel Material
enthält, so wäre es dringend wünschenswert, dass wenigstens die wichtigeren
Stücke allmählich bekannt würden. Damit würde diesem merkwürdigen
und hochbegabten Fürsten zugleich ein würdiges litterarisches Denkmal ge-
setzt werden.
Die Geschichte der „Akademien der Naturphilosophen des
17. Jahrhunderts", die in den Beiträgen unserer Hefte zum ersten Mal
eingehender behandelt woixlen ist, bedarf natürlich weiterer Aufhellung und
Ergänzung. Es ist möglich, dass einige unserer Mitglieder, die sich mit der
Naturphilosophie, mit I^ibniz, Galilei oder anderen Männern beschäftigen,
im Stande sind, neue Aufschlüsse zu geben und wir bitten zutreffenden
Falles freundlich darum.
Die Schriftleitung.
►♦^♦►♦^
Buohdruckcrei tob Jobanncs Bn*dt, MQnstcr i. W.
r*
Personen- und Orts-Register
zum vierten Bande (1895) der Monatshefte der CG.
Das Rogistcr ist im Hinblick auf die Namen geschichtlicher Personen und Ortsnamen 1)earbeitet.
Die BuchstalMMi C und K, F und V, I und J sind verbunden.
A.
Aberle 117. 119.
Achard, L. 67.
Ackermann, E. C2.
Adelung 2.
Albert, E. 48.
Alewein, H. A. v. 72. 88.
Alfona X., König von Spanien 249.
Allendorf 219.
Aisted, A. K., Frau des J. H. S-i.
Aisted, J., Bruder 29.
Aisted, J., Vater 29. 30.
Aisted, J. H. 29 ff. 58. 251. 313.
Aisted, K., Schwester 30.
Aisted, R., Mutter 29.
Altdorf 20. 90.
Althaus, F. 154. 158. 161. 162.
Althusius, J. 30.
Am erb ach, Basilius 117. 253.
Amerbach, Bonifacius 117. 253.
254.
Amerbach, Bruno 253.
Amocna Amalie, Tochter des
Grafen Aniold von Steinfuit 17.
Amsterdam 73. 94. 95. 130. 131.
141. 143.
Andrcae, J. V. 23. 24. 25. 60. 92.
134. 136. 140 ff. 255. 256. 260. 324.
Anna, Gattin Christians I. von An-
halt-Bernburg 14.
Anna Maria, Markgräfin v. Baden
18.
Anna Sophia, Fürstin zu Schwarz-
burg-Rudolstadt 14.
Anton Ulrich, Prinz von Braun-
schweig 78.
Aragosius, W. 202. 207.
Arndianus 149.
Arnd, J. 17. 60. 277.
Arnim, B. v. 192.
Arnim, H. G. v. 17. 19.
Arnold, G. 6.
Aron, R. 217 ff.
Aschaffenburg 62. 65. 177.
August von Braunschweig -Lüne-
burg, Herzog 17, 23. 78. 82. 147.
148. 324.
August, Herzog von Wolfenbüttel
146.
Av^-Lallement 136. 147.
Aven, J. 146.
B.
Bach, J. 57. 58.
Baco, R. 1. 4. 55. 64. 84. 92. 137.
168. 179. 193. 232. 29(). 301. 322.
Baehring, B. 185 ff.
Bärholz, D. 73. 81. 82.
Bahr, B. 136.
B albin u s, B. 322. 323.
Ballersbach 29.
Bamberg, v. Dr. 64.
326 —
Ban^r, schwedischer Feldmarschall
19.
Barläus, C. 146.
Barthelmfess, C. 193.
Barthold 19. 27. 28. 152.
Basedow, J. B. 56. 125. 269.
Basel, 30. 116. 117. 201. 202. 207.
208. 212. 213. 253. 254. 3J4.
Bathurst, R. 165.
Bauer, A. 188.
Bayle 2. 236. 241.
Bayreuth 218.
Beale 160. 161.
Becher, J. J. 218. 235 ff.
Beck 219. 258.
Beckmann, C. 36.
Bell, A. 280. 282. 283. 289. 294.
Bellin, J. 72.
Bense du Puis, P. 72.
Bereton 160.
Berg, K. v. 138.
Berlepsch 19.
Berlin 64. 95. 133. 152. 176. 182.
185. 218. 318.
Bern 74. 118. 202.
Bernburg 324.
Bernegger, M. 4. 6. 20. 21. 22. 24.
75. 92. 147. 149. 150. 177. 179.
Bernouilli, J. 183.
Bertram, Bischof von Metz 314.
Betulius, D. 80.
Beuthen 21.
Bever, B. 1.36.
Beza, T. 202. 212.
Bicken 29.
Biedermann 111.
Bierling 91.
Binder 262.
Birck 314.
Birken, S. v. 72. 78. 79. 82.
Bischoff, T. 20. 79. 81. 82.
Bismarck, Fürst v. 192.
Bisterfeld, J. H. 32. 34.
Blahoslav, B. J. 45. 252.
Blomius, J. 136.
Blomius, R. 136.
Blondcl, D. 66.
Bochum 263. 270.
Bocskay 214.
Böcler 235. 236. 239.
Böhm, J. 54. 72.
Böhmer, H. 72.
Börne 192.
Boineburg, v. 137.
Boiti, C. 33.
Bonaventura, P. 323.
Bonnet, N. de 64.
Borth, von der 18.
Bosch, M. 201.
Bossert, G. 59.
Bosshard, E. 116.
Boyle, R. 95. 158. 159. 160. 164.
165.
Brackenhausen, A. 72.
Brah^, Tycho 193.
Brandl, V. 46.
Brasch, M. 147.
Braunfels 30.
Braunschweig 95.
Braunschweig-Lüneburg (Land)
218. 219.
Breda 160.
Bremen 95. 180.
Breslau 216. 315.
Bricg 28.
Brischar 57.
Brockes, R. H. 181.
Browning, R. 116.
Brucker, J. 66.
Bruder, A. 57.
Brüder, Böhmische 20. 45 ff. 59.
61. 67. 124. 153. 154. 168. 173. 195.
198. 210. 257. 320. 321. 322. 324.
Brüder, Mährische 59. 198. 210.
257.
Brummer 218.
Brüssel 308.
I Brunchorst 313.
Bruno, G. 44. 323.
Brunfcls, O. 63.
Buch, Herrn v. 19.
Buchner, A. 146.
Budowec, W. v., Frhr. v. Budowa
: 18. 21. 215. 321.
! Bülow 19.
- 327 —
Bünderlin, J. 59.
Bünger, C. 6. 20. 22. 179.
Büttner 233.
Bullinger, H. 44.
Buncken, C. 13G.
Buno, J. 224. 225. 238.
Bunaen 192.
Burckhardt, G. 48.
ßurckhardt - Biedermann , Th.
253.
Burdach, K. 320.
Burgsteinfurt 145.
Burmeister, A. 81. 83.
Burmeister, F. J. 83.
Burrage, H. S. 31Ü.
Busch, Fred. 288. 292.
Bushel, T. lül.
Bussius, G. 135. 149.
Bythner, Brüder-Pastor 61.
Kälin, E. 115.
Gäsarius, J. 314. 315.
Kahlbaum, G. VV. A. 116. 117.
Kaisberg 291.
Calixt, G. 183.
Calw 147.
Cambridge 21. 95. 146. 165.
Camerarius 200.
Campanella, Th. 21. 22. 136. 159.
168. 232. 260.
Campen, J. v. 315.
Candorin 153.
Kant 127. 128. 288.
Capellen, R. 136.
Kapp, J. E. 182. 183.
Caraffa 124.
Kardorf, Herrn v. 19.
Karl L, Kaiser 216.
Karl, König von England 157.
Karl, Markgraf von ßurgau, 215.
Karl Gustav, Pfalzgraf bei Rhein,
König von Schweden 17.
Karl Ludwig, Kurfürst von der
Pfalz 76.
Karrel, L. 119.
Carriere, J. 187.
Carriere, M. 185. 187 ff.
Cartesius 232.
Gasmann 215.
Casmeru, O. 214.
Kaspar, L. B. 61.
Kassel 133. 218. 219.
Castiglioneus, B. 202. 207.
Kawerau, W. 182. 321.
Keckermann 37. 44.
Celakowsky, J. 47.
Cellarius 240.
Keller, L. 1 ff. 62. 69 ff. 133 ff. 194.
Celtis, K. 58.
Kemp, M. 83.
Kempen, M. v. 72.
Kessel, Herrn v. 19.
Kessler, F. 294.
Kessler, G. 116.
Keudel, Herrn v. 19.
Chamier, D. 44.
Oharron 268.
Chelcicky, P. 47. 252.
Chemlius 145.
Khevenhüller 80.
Chicago 258.
Chlumeczky, P. v. 47. 199. 200.
203. 215. 216.
Christian, Markgraf von Branden-
burg 19.
Christian von Anhalt 18. 166. 197.
324.
Christian III., Pfalzgraf bei Rhein
219.
Christian V., König von Däne-
]nark 83.
Christoph von Padua 11.
Kiesewetter, K. 118.
King, J. 19.
Clauberg, J. 130. 131.
Klausenburg 67.
Klai, J. 78.
Klein, J. 135.
Klcinert, D. 64. 65. 195. 318.
Kleinert, F. 91. 93.
Clenardus 37.
Kieschen, C. 72.
Kieschen, D. 72.
Clevc 175.
328 —
Knaake, A. 314.
Xneeebeck; Herrn, v. 19.
Knorr, C. 72.
Knyphausen 19.
Coburg 311.
Kocourka, S. 21.3.
Köhler, R. 64.
König 181.
Königsberg 180. 181. 307.
Köpke 218.
Köthen 27.
Kohlrusch 116.
Kohut, A. 118.
Colbovius, P. 228. 238.
Kollmann, J. 323.
Kottmeyer 292.
Comenius, D., Sohn des J. A. 73.
Condorcet 267. 273.
Kopp, H. 26. 163.
Kopp, W. 67. 91. 92. 91.
Corbach, 218.
Cornelius, P. 192.
Kospoth, F. 17.
Coq de, M. 72.
Covettus, J. 202. 207.
Kozak, J. S. 167.
Kracht 18.
Krafft, K. 315.
Crailsheim, G. F. 81.
Cramer, A. 307.
Krause, B. 72. 74. 128.
Krause, G. 11. 12. 13. 14. 19. 20.
23. 25. 27. 28. 57. 70. 194. 195.
Krause, J. H. 180. 312.
Kraust, L. 83.
Kreibitz, M. 72.
Krell, N. 24.
Crellius, J. 43.
Crenius 44.
Criegern 29.
Crocius, L. 30. 32.
Cröger, E. W. 46.
Kromeyer 307.
Cromwell, O. 15. 153. 157. 179.
184. 192.
Krones, F. v. 58. 197 ff.
Krosigk, B. v. 12. 15. 183.
Krosigk, C. v. 15.
Krüginger 321.
Krüsike, P. G. 73.
Krug, H. 93.
Krug, L. 93.
Krummacher 264.
Cruske, R. 123.
Csere, J. A. 67.
Külpe 97. 100. 105. 110. 111.
Kuntz, P. 72.
Cursius, P. 315.
Curti, F. 116.
Cusa, N. V. 314.
Kvacsala, J. 29. 61. 174. 178. 260.
Czernowitz 126.
Dachsberg 80.
Dalgarno 163-
Danaeus, L. 248.
Danckwerth, C. 136.
Danzel 181.
Danzig 19. 135. 141. 143. 218. 225.
Darmstadt 138.
Dauber, H. 30.
Dedekind, C. C. 83.
Delmenhorst, Grafschaft 219.
Denck, H. 93.
Dernburg 66.
Deventer 66.
Diesterweg, M. 56. 262. 286.
Dietrichstein, A. v. 209.
Dietrichstein, C. v. 32.
Dietrichstein, F. v. 211.
Dietrichstein, R. v. 25. 80.
Dietrichstein, S. v. 209. 210. 211.
Difenbach, M. 235.
Dilherr, J. M. 24. 25. 79. 81. 90.
91. 93. 174. 311.
Dillenburg 30.
Dilthey, W. 126. 264. 272. 286.
Dinter 286.
Dircks, H. 154.
Diskau, H. v. 17. 18.
Dissel, K. 22. 69 ff. 295 ff.
Dieterich, M. 225.
Ditfurth 19.
— 329 —
Dix, F. 195.
Docemius, J. 217. 218. 220. 238.
DöUinger, J. v. 124.
Dohlhof f, Frhr. v. 118.
Dohna 17. 183.
Doletus, S. 315.
Doppelmayr 13. 03. 94. Iü3. 17Ü.
183.
Dordrecht 31. 32.
Dorna, J. v. 73.
Dornau, C. 21.
Dorothea Maria, Herzogin von
Weimar 12.
Dorpat 61. 135. 149.
Drako 301.
DreBden 73.
Dreyfuß-Brisac, M. E. 57.
Dudik. B. 47. 201.
Dürer, A. 122.
Duisburg 66. 130.
Duraeus, J. 61. 149. 159. 161. 174.
175. 179.
Dvorsky, F. 47.
Dyer 323.
Eckhart 146. 257.
Eckstein 306.
Edzardus, E. 136.
Eggeling, K. 73. .
Eglofstcin, H. v. 81.
Ehrenberger, J. 45.
Eibenschütz 200. 213.
Eimart, G. C. 183.
Einbeck 78.
Eisenach 317.
Eisenmenger, 8. 308.
Eisleben 218.
Elberfeld 265.
Elbing 218.
EUendt 218.
Elver, L. 135. 149.
Elvert, de 199. 202.
Emmerich 151.
Endter 80. 255.
Engelbrecht, S. 135.
Ent, G. 164.
Er asm US, D. 253. 254. 315.
Erbe, J. 83.
Erfurt 73, 141. 143. 226.
Ernau 80.
Ernst der Fromme, Herzog von
Gotha 171. 224. 306. 308. 310.
312. 313.
Ernst, Markgraf 194.
Eschwege 219.
Essen 265. 270. 291.
Evenius, S. 217. 306 ff.
Ewald, Superintendent 307.
Eyk 80.
Eylert 287. 292.
F. V.
Fabricius, J.A. 181. 183. 307.
Fabricius, W. 317.
Vacha 219.
Vaget, M. B. 73.
Vagetius, J. 136.
Falkenberg 216.
Varenius, B. 136.
Varrentrapp, C. 64. 65.
Vasari 143.
Vaughan, R. 158.
Favaro 22.
Fecamp, A. 317.
Vechner, D. 177.
Vechner, G. 217.
Fechter, D. A. 253.
Fehrbellin 275.
Felbiger 56.
Felin, A. 213.
Fclm^ri, L. 67.
Feifalik, J. 45.
Venedig 79. 134. 141. 143.
Verbezius, Dr. 133.
Ferdinand Albrecht, Prinz von
Brandenburg 78.
Ferdinand, Erzherzog v. Tyrol 215.
Ferdinand L, Kaiser 210. 215.
Ferguson, J. 122.
Vesalius 120. 121.
Vetter, G. 208.
Vicentz, A. S. v. 19.
Fichte, H. J. 192, 264.
Fiedler 46.
Vignoles, M. de 183.
380 —
FiguluH, P. 8S. 1ü:{. '
Vincke, Frhr. v. 20:j. 271. 273. 275.
Finx, P. 73.
Fischer, C. A. 258.
Fischer, D. 13(5.
Fischer, H. 175.
Vischer, H. 59.
Fischer, H. 77.
Vives, J. L. 57. 58. 07. 301.
Flathe 180.
Vlatten, J. v. 315.
Florenz 11. 05. 213.
Förster 143.
Vogel, C. D. 29. 36 ff.
Vogel, M. 13(5.
Vogelmann, H. 307.
Voigt, G. 314.
Voigtländcr, G. 83.
Volkelius, J. 43.
Volckamer, J. G. 81. 91. 94. 1U3.
Volkersdorf 81.
Vondel, J. van den, 73. 17(5.
Vormbaum, K. 218. 228. 315.
Formschneider, H. 93.
Vorstius, J. 136.
Vossius 227.
Foster, S. 1(54.
Franck, C. 81.
Franck, S. 59. (50. 61. 119. 124.
Franke, M. 55. 83.
Frankenthal 218.
Frankfurt a. M. 30. 31. 125. 133.
218. 235.
Frankfurt a. O. 123. 166.
Frciligrath, F. 192.
Freimaurer 317.
Freinsheim, J. 76.
Freytag, G. 202.
Frick, O. 50. 52.
Friedrich L, König v. Preussen 95.
Friedrich der Weise, Kurfürst von
Sachsen 58.
Friedrich, Kronprinz von Nor- "
wegen 41.
Friedrich IV., Kurfürst von der
Pfalz 17. 21.
Friedrich V., Kurfürst von der
Pfalz 17.
Friedrich, Hci*zog von Schleswig-
Holstein 17. 135. 147. 148.
Friedrich von Weimar 15.
Friedrich Wilhelm, Grosser Kur-
fürst 19. 64. 65. 66. 82. 130. 175.
193. 195. 318.
Friedrich Wilhelm IV., König
von Preussen 290.
Friedrichson, H. 73.
Friesen 19.
Frieth 323.
Fritsch, C. 240.
Fröbel, F. 286.
Frohschammer, J. 126. 127. 128.
188. 192.
Fuchs, H. 81.
Fürer, C. 81.
Fulnek 250. 251. 323.
G.
Gabriel, Graf zu Oppeln, Herzog
von Ratibor 43.
Gabriel, Fürst von Siebenbürgen
33. 34.
Gahlen 2(53.
Galenus 121.
Galilei 1. 4. 21. 22. 136. 176. 324.
Gallen, St. 116. 194. 213.
Gallus, D. 307.
Gänsen 62.
Garesse 150.
Garmers, J. 13(5.
Garmers, V. 13(5.
Gebert, C. F. 93.
Gecr, L. de 62. 228. 238.
Geibel, E. 192.
Gehema, J. Abraham a 240.
Gemen 263.
Gen^e, R. 64.
Genf 95. 202. 207.
Genthe 218.
Georg, Markgraf von Brandenburg
199.
Georg, Graf von Nassau-Dillenburg
31. 32.
Georg Rudolf, Herzog v. Liegnitz
und Brieg 17. 28.
Georg Wilhelm, Kurfürst von
Brandenburg 19. 195.
331 —
Gera 233.
ücrsdorf 19.
Gerstcr, C. 119.
Gesenius 6.
Geuder, H. P. 17.
Geuder, J. P. 81.
Gichtel, J. G. 78.
Giessen 145. 149. 1.52. 185. 186.
192.
Giotzwitzky, M. 19.
Gindely, A. 18. 22. 23. 45. 4ü. 124
168. 172. 173.
Gl asenapp 19.
Glaum 312.
Glisson, Dr. 164.
Glörfeld 218.
Gmelin, J. F. 138.
Gnadenfeld 195.
Goch, J. P. V. 314.
Goclenius, Prediger 214.
Goddard, J. 164. 165.
Goedeke 77. 81. 83.
Görlitz 21. 218.
Goethe, W. 136.
Göttingen 180. 181. 182. 185. 258.
Goll, J. 47. 48.
Goltz, V. d. 19.
Gorgias, J. 83.
Gotha 196. 218. 309. 310. 313.
Gottsched, J. 0. 180. 181.
Graevi iis, J. G. 66.
Graminondorf, L. 147.
Grandamiuo, Abt 94.
Grave, T. v. 315.
Graz 59.
Greef, W. 294.
Greflinger, G. 83.
Grevelle 323.
Greyde, J. 44.
Grimm, J. 78.
Grollier, L. 317.
Gronovius, J. F. 21.
Gross-Wilkau-Johnsdorf 216.
Grotius, H. 21. .57. 61.
Griibenheimer 321.
Grüwel, J. 83.
Grunius, M. S. 143.
Grupp 57.
Gruter, J. 21. 146.
Grynäus, J. J. 202. 207 ff.
Gudius, M. 136.
Günther 128. 182.
Guertler, N. 14.
Güstrow 218. 315.
Guetlin, J. 206. 207.
Guhrauer 3. 6. 9. 70. 92. 93. 134 ff.
Gustav Adolf, König v. Schweden
64. 306.
Gutmaan, K. 56.
Gutsmuthß 264. 293.
Gutthäter, H. 91.
H.
Haag 94. 141. 143.
Haak, Th. 77. 95. 163. 164. 174.
Haasius, J. 136.
Habichthorst, A. D. 73.
Habrecht, J. 310.
Hacke, H. 73.
Hagen 263.
Hagmeicr, J. 136.
Hahnemann 122.
Hainlin, Abt 255. 256.
Hall 2-28.
Halle 49. 52. 181. 182. 218. 261.
263. 307.
Haller 182.
Hamann, J. G. 181.
Hamburg 69. 71. 91. 95. 141. 143.
146. 152. 180. 181. 218. 296.
Hamm 271.
Hampden 153.
Hampe, T. 130.
Hanau 31. 218.
Hans, Markgraf von Brandenburg
194.
Hansen, T. 79. 306.
Hardenberg, Herrn v. 19.
Hardt, H. v. d. 183.
Harsdörffer, G. P. 20. 22. 25. 27.
62. 73 ff. 87. 166. 174. 175. 178.
255. 256. 259.
Hartfelder, K. 58.
Hartlieb, S. 22. 61. 62. 77. 136.
149. 153 ff. 193. 217. 222. 295. 296.
— 382
Hartmann, E. v. 126.
Hart mann, F. 122.
Hartmann, N. J. 118.
Hartmann, R. J. 119. 120.
Hartranft, B. 72.
Haselmaker, A. 150.
Hasenclever 292.
Hassenstein, B. L. v. 321.
Hasflfurth, J. C. 180.
Haupt, H. 314.
Hecht 76.
Hecker, J. J. 263. 267.
Hegenitz, G. 72.
Heger, H. 121.
Heidelberg 21. 30. 58. 61. 202.
319.
Heiling, C. 91.
Heilmsyer, L. 119.
Hein, D. 135.
Hein, S. 135.
Heinius 149.
Heinrich IV., König von Frank-
reich 198.
Heinsius, D. 146.
Helmarshauscn 219.
Helmont, J. ß. v. 150.
Helmstädt 95. 182. 183.
Helvetius, J. F. 94.
Helvicus 308.
Helwig, J. 81. 94. 125. 133. 224.
Hennin, v. 130.
Henschel, C. 241.
Hentsche, P. 72.
Heppe 219.
Herbart 50. 56. 103. 279. 281. 316.
Herberstein 80.
Herborn 29 ff. 130. 251.
Herdecke 291.
Herdegen 27. 94.
Herder, J. G. 288.
Hermann, N. 321.
Heroldsberg, J. P. G. v. 81.
Hersfeld 219.
Hertefeld 18.
Herzog, B. 29.
Hesenthaler, Professor 255. 256.
Hessel, P. 73.
Hessen- Darmstadt (Land) 218.
219.
Hettner 66.
Heyden, Herrn v. 19.
Heyleck 80.
Heyne, Dr. 313.
Hilgards, U. 34.
Hille, G. K. V. 14. 16. 27. 86. 88.
151.
Hiller, R. 240.
Himsel, G. 307.
Hirsch 150. 218.
Hirschhof, v. 83.
Hitzfeld, L. v. 72.
Hochegger, R. 126.
Hochhuth, K. W. 5. 145.
Hodermann, R. 62.
Höfler 102.
Hoeft 181.
Hövel, C. V. 83.
Hövel, J. V. 84. 85. 88.
Hoffraann, F. 80. 83. 95. 183.
Hoffmannswaldau 64.
Hohenheim siehe Paracclsus.
Hohenlohe, G. F. v. 17.
Hohlfeld 128.
Hokius, J. 136.
Holbein 254.
Holzminden 313.
Holzschuher, S. J. 81.
Homagius, M. 145.
Horawitz, A. 315.
Hörn, C. 83.
Hörn, J. 46.
Horstieg 282.
Hortledcr, F. 17.
Hostelsberg 80.
Hotton, G. 61. 304.
Hoyer, A. 147. 149.
Hradil, J. 45.
Huber, J. 192.
Hübner, G. 181.
Hübner, J. 77. 156. 174. 175. 181.
Hübner, T. 15. 16. 18. 20. 156.
Hückeswagen 265.
Hülsen 236.
Hugenotten 66. 67. 183. 202.
333 —
Humboldt, W. v. 263. 204. 271.
274.
Hund, S. 81.
Hubs, J. 12i).
Hussiten 321.
Jablonski, D. E. C7. 182. 183.
Jacobi, F. H. 268. 288.
Jägerndorf, Markgraf v. 194.
Jahn 277.
Janssen, J. 59. 60.
Idstein 18.
Jena 73. 90. 94. 180. 181. 218.
236. 317.
Iglau 218.
Jirecek, J. 45. 46. 47.
Joachim II., Kurfiiret v. Branden-
burg 324.
Joachimsthal 321.
Jörgor 80.
Johann Christian, Herzog von
Brieg 21. 72.
Johann Ernst von Weimar 12. 15.
Johann Georg von Anhalt 17.
Johann Georg, Markgraf von
Jägemdorf 129.
Johann Sigismund, Kurfürst von
Brandenburg 17. 31. 129.
Johannes der Beständige, Kur-
fürst 58.
John, P. 72.
Johnston, J. 166. 167. 177.
Israel, G. 123. 236.
Itzehoe 218.
Jungius, J. 3. 6. 9. 70. 78. 125.
133 ff.
Junius, M. 201. 204.
L..
Längin, Th. 123.
Lambecius, P. 136.
Lamswärde, St. v. 72.
Lancaster 280. 281. 283 ff.
Landwehr, H. 64.
Lange, A. 67.
Lange, S. G. 182.
Langejanus, B. 83.
Langen, M. v. 72.
Lankisch, M. v. 83.
Lasson, A. 257.
LasBwitz, K. 120. 322.
Laubanus, Prediger 61.
Lauffer, C. T. 93.
Lavinheta, 6. de 44.
Lehndorf, Herrn v. 19.
Leibniz, A. 127.
Leibniz, G. W. 1. 7. 36. 57. 58.
65. 66. 78. 91 ff. 131. 133. 136.
137. 174. 176. 179. 182. 183. 236.
317. 324.
Leibniz, J. F. 127.
Leibniz, J. J. 91. 92.
Leichner, E. 232.
Leininger 80.
Leipp, B. V. 204.
Leipzig 126. 180. 195. 218. 272.
Lenz 48.
Leyden 78.
Libavius, A. 170.
Lichtenau 219.
Lichtenberg 80.
Lichtenstein, L. v. 258.
Liebenau 219.
Liebenau, C. v. 69. 72. 88.
Liebig, A. 186.
Liebig, J. 186. 192.
Liechtenstein, Fürst v. 124.
Lienhardt, Dr. 115.
Lilien au, W. v. 72.
Linde, v. der 29. 30 ff.
Lingelsheim, G. M. 17. 21.
Linn^ 63.
Linz 117.
Lipa, B. V. 208. 209. 214.
Lippstadt 315.
Lissa 125. 218. 242. 251.
Lobecius, J. 201.
Lobkowitz, Z. A. 211.
Lochner, F. 81.
Locke 55. 57. 58.
Löffler 296.
Loesche, Dr. 59.
Löwenhalt s. Rumplcr.
London 22. 80. 95. 146. 153. 154.
156. 157. 165. 184. 295. 296. 305,
323.
— 334
Lopez, F. J. 19.
Lorenz, H. 120.
Loserth 258.
Lotze 40, 50. 51. 52.
Luck, C. 210.
Ludowisi, Kardinal 823.
Ludwig, Fürst von Anhalt-Köthen
11 ff. 15. 20. 24. 25. 27. 28. 70.
73. 147. 148. 104. 105. 19().
Ludwig V., Landgraf von Hes.scn-
Darmstadt 145. 140.
Ludwig Heinrich, Graf v. Nassau-
Dillenburg 33.
Ludwig Philipp, Pfalzgraf bei
Pthein 17.
Ludwig Philipp von Pfalz-Sim-
mern 17.
Lübeck 38. 135. 146. 152. 307.
Lüneburg 05. 147. 225.
Lukaszcwicz, J. 47.
LuUius, R. 36.
Lundenburg 213.
Luther, M. 55. 60. 110. 120. 123.
120. 101. 104. 253. 254. 315. 310.
320. 321.
Lyon 05. 314.
Magdeburg 66. 21S. 210. 22S. 307.
Mainz 218. 210.
Manteuffel 10.
Mantua 141. 143.
Marburg 14.'). 261.
Marcombes 150. 160.
Marcs ins 260.
Markgraf 5S.
Marcus, Esdras. 73.
Maroni er, J. II. 323.
Marschalk, K. C. v. 73.
Martin, E. 75.
Martinetz A. H. 73.
Martini US, M. 30.
Massen, W. 20.
Masson 173.
Mathias, Kaiser 125.
Matthesius 321.
Mauritius, T. 136.
Maximilian IL, Kaiser 58. 107.
210.
Mecheln 150. 152.
Mechovius 235. 236. 240.
Meibom, M. 136.
Meier, K. 73.
Meier, S. 135.
Melanchthon 58. 201. 3(K 315.
321.
Melsungen 210.
Melzer, E. 128.
Mencik, F. 314.
Mencke, J. B. 180. 181.
Men^ndez, M. 67.
Merane 315.
Mercy, C. de 10.
Mercv, F. de 10.
Merian, J. 147.
Merian, M. 16. 82.
Merret, Dr. 164.
Mevd erlin 133.
Meyer, G. 183.
Meyer, J. 126.
Meyer, M. 102.
Mevfart 125.
Meyfert, J. M. 311.
Mifl, J. 101.
Milton, J. 62. 77. 173.
Minden 315.
Mink von Weunsheim, S. 224.
Mislick, J. R V. 83. 163.
Misneck, Herr v. 163.
Mitternacht, J. S. 233.
Mochinger, J. 21. 217. 210. 221.
Mömpelgard 202.
Moers 218.
Moersius, J. 145 ff.
Moller, C. 30.
Molnar, A. 35.
Monse 200.
Montaigne, M. 308.
Montanus, P. 242. 251.
Mook 122.
Mordax 80.
Morhoff, D. E. 64. 236. 241. 316.
317.
— 335 —
Moritz, Landgraf von Hessen 17.
37. 146. 147. 148.
Moritz, Prinz von Oranien 94.
Morland, S. 131.
Morus, T. IGl. 193. 260.
Moscherosch 224.
Moschkau 80.
Mosheim, J. L. 182.
Müller, G. 58.
Müller, G. P. 81.
Müller, H. 131.
Müller, J. 48. 171. 195.
Müller, W. 241.
München 127, 166, 186. 192.
Münster 262. 271. 290.
Münster, J. v. 17.
Münz, B. 127. 128.
Murr 91. 93. 94.
Mussloe, H. G. v. 81.
Nägeli 281.
Napoleon I. 271. 273.
Natorp, B. 263.
Natorp, B. C. Lud. 261 ff.
Natorp, O. 262.
Natorp, P. 261 ff.
Naturphilosophen 1 ff. 35. 36.
64. 65. 69 ff. 115. 133 ff. 318. 322.
324.
Nauen 218.
Neander 308.
Neapel 95. 185.
Nebe, A. 29. 34. 36 ff.
Nebelkrae, Dr. 146.
Nebesky 45.
Neuberger, C. 83.
Neuburger, M. 120. 121.
Neukirchen 219.
Neukrantz, P. 73.
Neunkirchen 30.
Niceron 36.
Niclasson gnt. Klausing, G. 73.
Nicoladoni, A. 59. 117.
Nicolai, F. 161.
Nicolai, G. 83.
Nicolovius 264.
Niebling, K. 72.
Niemeyer 264. 292.
Niemöller, J. 314.
Nollius, H. 5. 143. 145. 146.
Noltenius, J. 83.
Noski, H. G. 72.
Nostiz 19.
Noväk, J. V. 48. 242 ff. 260.
Nürnberg 20. 24. 25. 62. 65. 77.
78. 80. 90 fr. 130. 133. 1.35. 141.
143. 157. 164. 177. 194. 200. 218.
229. 255. 311.
O.
Ochsenstein, P. J. 0. v. 81.
Occolampadius, J. 253. 254.
Oelrichs 193.
Oemiken, G. 315.
Oetken, J. C. v. 219.
Oldenburg, Grafschaft 218. 219.
Oldenburg, H. 95.
Omphalius, J. 315.
Opitz, M. 11. 16. 19. 21. 27. 175.
182.
Ortenburg, F. C. v. 11.
Orvius, L. C. 138. 139. 140. 142.
144. 152. 163. 166.
Osnabrück 126.
'Ottenfeld, W. L. v. 200.
Otter, C. 72.
Otto, Graf zu Holstein - Schauen-
burg 17.
Overberg, B. 125.
Oxenstierna 17. 77. 125. 156.
Oxford 95. 146. 165. 296. 323.
P.
Padua 79. 94. 134. 176.
Pagel, J. L. 120.
Palacky, F. 46.
Palbitzky, D. 72.
Palbitzky, M. 72.
Pappenheim 178.
Paracelsus, Th. 5. 115 ff. 140. 143.
144. 145. 164. 308. 322.
Paraeus, J. 77.
Pareus, D. 61.
Paris 95. 156.
— 336
Parmenticr, J. 57.
Pascal 13Ü.
Pasor, G. 31.
Passaun, Graf zu 19.
Pastor, L. 50.
Patera, A. 17. 21. 73. 70. 147. 156.
168. 174. 175.
Pauli, D. 83.
Pauli, S. 135.
Paulsen, F. 126. 218.
Pawel, Herrn v. 19.
Pearson, A. 164.
Pell, J. 77. 95. 158. 160. 161.
Pelleus 174.
Pellizer, M. 73.
Pernauer, F. A. v. 81.
Perron, J. D. du 214.
Pesch, H. 52.
Pestalozzi, J. H. 56. 261 ff.
Petersburg 306. 309.
Petersen, H. 149.
Peterson, D. 69. 73.
Petter, A. 117.
Petty, Dr. 165.
Pfeiffer 281.
Philipp Moritz, Graf zu Hanau 17.
Piccolomini, O. 19. 80.
Pierio, G. B. 210.
Pikarden 321. 322.
Pincier, J., Pfarrer 29.
Pincier, J., Professor 30.
Pincier, L. 38.
Piscator, J. 30 ff. 251.
Piscator, P. L. 33. 34.
Pischmann, Professor 118.
Pistor, J. J. 212.
Placcius, V. 44. 136.
Platen 192.
Platter, F. 5'). 202. 207.
Plessis-Mornay, du 214.
Plitt 46.
Ploenniss, F. 136.
Plotin 105.
Pühlmann 219.
Pömcr, J. 135. 147. 174.
Polanus, A. 207. 208. 212. 213. 214.
Polanus, H. 208. 213. 214.
Poltzius, J. 136.
Polus, T. 307.
PontanuB, J. 44.
Posth, C. 34.
Postdam 271. 276. 290.
Praetorius, C. 219.
Practorius, J. 83.
Prag 61. 95. 178. 209. 211. 212.
215. 216. 296.
Prank 80.
Praunfalk 80.
Prerau 21,3. 257.
Pressburg 34.
Pröck, Herrn v. 19.
Prostiborius, A. 12.3.
Prutz, R. 66.
Pufendorf, S. 65. 236.
Pym 153.
Pyra, J. 181.
Qualen, H. v. 147.
R.
Rab, A. K. 34.
Rab (Corvinus), C. 33. 34.
Rachel, J. 136.
Räknitz, G. v. 80.
Räköczy, G. Fürst 67.
Ramus, M. P. 37.
Rantzau 19.
Ratichius (Ratkc), W. 12. 14. .55.
58. 125. 133. 170. 196. 217. 224.
.307. 308. 310. 312. 313.
Rauc, J. 225. 226. 227.
Rauhfuss, K. 201.
Rausch, A. 317.
Ravestcin, J. 131.
Reber, J. 62. 65. 81. 94. 166. 174.
177. 178. 255. 322.
Redinger, J. 218. 229. 230. 231.
' 232. 238.
' Regal 80.
I Rehrake 97. 100 101. 111. 112.
Rcichel, J. F. 181.
! Reif f erscheid, S. 17. 20. 21. 22.
77. 133. 177.
Renan, E. 192.
Reumont, A. v. 11.
337 —
Reval 306. 307.
Reyher 217. 313.
Rhediger, T. 315.
ßhenius 227. 308.
Riccius, D. 136.
Richey 181.
Richter, A. 64. 125.
Richter von Kornberg, H. G. 81.
Richter von Komberg, H. K. 81.
Riederer, J. F. 81.
Riga 307.
Rinck, C. H. 290. 294.
Rist, J. 25. 26. 76. 79. 81. 82. 83.
88. 150.
Ritter, H. 127.
Ritter, M. 129. 166.
Robmann, J. M. 215. 216.
Rochau 19.
Rochow 56. 264. 279. 286.
Rolingswert, T. v. 72.
Rom 95. 185.
Ropers, N. 136.
Rose, C. 141.
Rosenberg, P. W. v. 166. 324.
Rosenberg, W. v. 18.
Rosenkranz, O. 147.
Rosenkreutz, C. 140. 143.
Rossitz 208. 212. 214. 215.
Rostock 134. 146.
Rotenburg 219.
Roth, F. W. E. 29 fr. 63.
Rothe, H. 73.
Rousseau, J. J. 55. 56. 269. 288.
Rouyer, F. 19.
Rudolf IL, Kaiser 18. 23. 197. 198.
212.
Rüdiger, E. v. 200.
Rümler, J. 72.
Rukopis 45.
Rumpier, J. 72. 75. 76.
Rupin 218.
Russworm, H. C. v. 212.
Rusticus, J. F. 143.
H.
Sacer, G. W. 83.
Sachs, H. 64. 130.
Sachse, R. 126.
Sachs 8, J. 80.
Sadoletus, D. 44.
Safafik, P. J. 46.
Sager, F. H. 83.
Sala, A. 134.
Salustc, G. de 20.
Salzburg 117. 118.
Salzmann, C. G. 56. 62. 264.
Sander, F. 229.
Sandrart 176.
S auter, A. 122.
Scaligcr, J. C. 38.
Scharf 227.
Schede, P. 202.
Scheffer, J. 236. 239.
Scheibler 292.
Schelhammer, C. 136.
Scherfer von Scherfenstcin, W. 72.
Schertling, J. 136.
Scheurl, J. K. 81.
Schirm er, D. 72.
Schleinitz, Herrn v. 19.
Schlick, J. A. 19.
Schmid, G. 67. 262. 306.
Schmidt, A. 78. 79.
Schmidt, J. P. 72.
Schneider 217.
Sehnepfenthal 264.
Schneuber, M. 76.
Schöbel, G. v. 72.
Schön, J. A. 180.
Schönaich, G. v. 18.
Schönaich, J. v. 37.
Schöneberg, G. 83.
Schöttgen, C. 224.
Schot tel, J. G. 78. 81. 136. 238.
Schubert, E. 116. 122.
Schürholz, J. K. 81.
Schulenburg, v. der 19.
Schulz 62.
Schultz, H. 14. 28. 70. 149.
Schuppe, B. 133. 241.
Schwarz, C. 130.
Schwarz, J. 118.
Schwarzenbcrg, A. 91.
Schweighart, T. 155.
— 338 —
Schweinitz 19.
Schwender 147.
Schwenkfeld 149.
Schwerin 19.
Schwieger, J. 73.
Scultetus, A. 21.
Schotte ndorf, C. H. v. 181.
Seckendorf 19.
Seitz 218.
Seidener, J. 130.
Sendomir (51.
Servet, M. (3(3.
Seybold, J. G. 218. 233. 234.
Seyffarth, L. W. 2(34.
Siderocrator, S. 308.
Sidnev 323.
Siena 78.
Sigismund, Kurfürst von Branden-
burg 194.
Sigmund, Markgraf 19.
Simon, Graf von der Lippe 17.
Skytte, B. Ü4.
Skytte, J. 7(3.
Slavata, H. v. 2(kS.
Slavik, K. 46.
Smaha, J. 47.
Soest 218. 290. 315.
Solms, Graf v. 18.
Sonnenberg, v. 194.
Sontra 219.
Sooden 219.
Sophia, Tochter des Kurfürsten
Joachim II. von Brandenburg 18.
Sorau 218.
Spalatin, G. 58. •
Spangel, P. 58.
Spangenberg 219.
Speidel 80.
Spencer, H. 120.
Spener ()5.
Spielmann 218.
Spiess, E. 230.
Spirgatis, M. 131.
Sprat, Th. 158.
Stabius, J. 58.
Stade 214.
Stadius 10(3.
Stahremberg, F. v. 18.
Stahremberg, G. v. 18.
Stahremberg, R. G. v., Graf 72.
StaliuB, J. 135.
Stargard 218. 219.
Starschedel 18.
Staupitz, J. V. 142. 170. 194.
Stein, L. V. 265. 270. 273. 291. 292.
Steinberg, N. 58.
Steinfass, M. 73.
Steinhövel, H. 58.
Stcinmar 58.
Stephan 218.
Stephani, S. 140. 271.
Stieda, W. 123.
Stieve, F. 321.
Stockholm 92.
Stockmar, Dr. 147.
Stötzner, P. 125. 306 ff.
Strabo, W. 55.
Stralsund 218. 219. 307.
Strassburg 20. 21. 24. 30. ()4. (55.
75. 149. 201 ff. 310. 314.
Strauch, P. 58.
Stromberg, H. 32.
Strube, G. 83.
Stubritz, M. 83.
Stübel, B. 180.
Stücheler 116.
Stuhlweissenburg 32. 33. 34.
Sturm, J. 83. 1(33. 183.
Sturm, S. 83.
Stuttgart 218. 219.
Sudhoff, K. 115 ff.
Süvern 201. 204. 272. 274.
Sybilista, W. 147.
Sylvius, J. 147. 149.
Szabö 30.
Szatmäry, K. v. 29.
T.
Tanne, J. v. dfer 39. 44.
Tannhauser 81.
Tarnovius, P. 134.
Tassius, A. 134. 13(3. 149. 162.
Tauler 124. 140. 257.
Taut, K. 83.
— 339 -
Terstcegen 2(54.
Tesnier, C. S. 72.
Teuffenbach 81.
Teutleben, C. v. 12. 15.
Theobald, Z. 155.
Thiederich, S. 70.
Thomacus, J. 13().
Thomasius, C. 64. Oo. GO. 92. 127.
130. ISl. 317.
Thomasius, J. 12(). 127.
Thurn, H. v., Graf 72.
Tieftrunk, K. 40. 47.
Tilenus, D. 21.
Tilsit 218. 219.
Tintoretto 122.
Tollin, H. 0(5.
Tossanus, D. 202.
Traun 81.
Treuer, G. 83.
Triewald 181.
Troeltsch, E. 319. 320.
Trotzendorf 201.
Troylo, N. 19.
Tschech, T. J. v. 72.
Tschernembl, E. v. 18.
Tübingen 77. 308.
Tupez, T. Dr. 124.
Twardowrtki 97. 101. 113.
Tymarchus, J. 131.
Uechteritz 19.
Ulimann, W. 194.
Ulrici, H. 192.
Unger, T. 59.
Unkel, J. 73.
Unna 203.
Uphues, G. K. 52. 53. 54. 97 ff.
Upsala 04. 70.
Urban, J. C. 180,
Ursinus, B. 100.
Utrecht 00.
Wächter, F. 315.
Wackernagel, P. 40.
Wagenneil, J. C. 79. 94. 170.
Waitz, T. 10<).
Waldcappel 219.
Waldeck (Land) 218. 219.
Waldeneg, J. O. v. 83.
Waldenser 14. 40. 00. 07. 131.
155. 1(58. 173. 195. 314. 321.
Waldstein, Zdenko, Herr v. 204.
Wallenstein, A. E. v. 204.
Wallis, J. 95. 103. 104.
Wanecki 210.
Ward, Dr. 1(55.
Warneck, A. 118.
Wartenberg, H. G. v. 19.
Weber, G. H. 83. 105. 100. 218.
Weck erlin, G. R. 7(3. 77. 174. 175.
Weghorst, H. 130.
Weichmann 181.
Weigel, E. 15.5. 218. 230. 31(5. 317.
Weigel, T. O. 180.
Weimar 27. 28.
Wein heimer 238. 255. 250.
Weise, C. 77. 23(). 240.
Weisse, N. 4(5. 72.
Weisscnburg 29.
Weland, W. 13(5.
Weller 227.
Welser, P. 215.
Welz 81.
Werden 203.
Werder» D. v. dem 11. 15. 18.
Werner 218.
Wernigerode 218. 219.
Wesel 31. 203.
Westermann, C. 130.
Wicel, G. 315.
Widmann, Dr. 11(5.
Wiedertäufer 59. 155. 254. 258.
321.
Wien 95. 120. 121. 214. 258.
Wiesbaden 29.
Wilhelm , Herzog von Sachsen-
Weimar 12, 15.
Wilhelm, Jungher/og von JüUch,
Cleve, Bi»rg 315.
Wilhelm Heinrich, Graf v. Bent-
heim-Stcinfurt 17.
Wilkin, Dr. 157. 103. 104. 1(55. 305.
Willmann, O. 49. 50. 51. 52.
Wi ramers, Dr. 02.
— 340 —
Wimpfeling 58.
Windischgrätz 81.
Winkeler von Winkefelfl, B. 83.
Winterthur 116.
Wirth, A. 315.
Witkowski, G. 11. 20.
Wittenberg 200. 213.
Wladislaw, König von Böhmen
20. 210.
Woerdenhoff, E. 13G.
Wohnras, N. 73.
Wok, P. 18.
Wolf 131. 264.
Wolfenbüttel 315. 324.
Wolfgang Wilhelm , Pfalzgraf
151. 152.
Wolframsdorf 19.
Wolkan, R. 45. 48. 320. 321.
Wolken, J. 83.
Wolzogen 136. 174
Worms 143. 253.
Worthington 162.
Wren, C. 164.
Wülfer, D. 91. 94. 136. 163. 183.
Wülfer, G. 95. 176.
Wülfer, J. 94
Wundt, W. 110. 126.
Würffei, S. 181.
Wurmbrand 81.
Wynkelmann, J.J. 222. 223. 224.
Z.
Zachäus, M. 72.
Zahn , J. 46.
Zamehl, F. S. 83.
Zasius, U. 254.
Zeller 264. 275. 292.
Zepper, W. 30.
Zerbst 20.
Zesen, Ph. v. 22. 69 ff. 174.
ZetzkiuH, J. 227.
Zezschwitz, G. v. 46.
Ziegenhain 219.
Ziehen 97 ff.
Ziel, A. 225.
Zierenberg 219.
Zierotin, D. v. 213.
Zierotin, F. v. 208. 213. 258.
Zierotin, Karlv. 18. 37. 47. 198 ff.
215. 216. 257. 258. 322.
Zierotin, K. F. v. 205,
Zierotin, J. v. 208- 258.
Zierotin, L. v. 213.
Ziller 56.
Zinkgraf, J. W. 21. 77.
Zinzcndorf, O. H. v. 81.
Zirkler, L. 200. 201. 208.
Zober 219.
Zöckler 140.
ZoUikofer 213.
Zoubek, F. 46. 48.
Zürich 74 194. 212.
Zwickau 218. 219. 3(X).
Zwing 249.
Zwinger, F. 202.
Zwinger, J. 207.
Zwingli 120.
Biichdruckt'rtü von Johannea Bn?dt, MQtistori.W.
Die Comenius-Gesellschaft
ist zur Pflege der Wissenschaft und der Voll(serzieliung
am 10. Oktober 1891 in Berlin gestiftet worden.
Mltgliedcrzalil 1895 : 1300 Personen und Körperschaften.
"^T^
Gesellschaftsschriften :
1. Die Monatshefte der CG. Deutsche Zeitschrift zur Pflege der Wissen-
schaft im Geist des Comenius. Herausgegeben von Ludwig Keller.
. Bftnd 1—3 (1892-1894) liegen vor.
2. Comenius-Blätter für Volkserziehung. Mitteilungen der Comenius-Gesell-
schaft. Der erste und zweite Jahrgang (1893—1894) liegen vor.
3. Vorträge und Aufsätze aus der CG. Zwanglose Hefte zur Ergänzung
der M.H. der CG.
Der Gesamtumfang der Gescllschaftsschriften beträgt 30 — 32 Bogen Lex. 8^
Bedingrungren der Mitgrliedschaf t :
1. Die Stifter (Jahresbeitrag 10 M.) erhalten alle Schriften. Durch einmalige
Zahlung von 100 M. werden die Stifterrechte von Personen auf Lebenszeit
erworben.
2. Die Teilnehmer (Jahresbeitrag 5 M.) erhalten nur die Monatshefte; Teil-
nehmerrechte können an Körperschaften nur ausnahmsweise verliehen werden.
3. Die Abteüungsmitglieder (Jahresbeitrag 3 M.) erhalten nur die Comenius-
Blätter für Volkseraiehung.
A n m e 1 d n n g e n
sind zu richten an die Geschäftstelle der G.G., Gharlottenburg, Berliner Str. 22.
Der Gesamt vorstand.
Beeger, Lehrer u. Direktor der Ck)ineniu8-Stiftung, Nieder-PoyriU bei Dresden. Dr. BorgiuB» Ep., Koiisistorial-
Sat, PoBcn. Dr. HÖpfher, Geh. Obcr-ReK.-ilat und Curator der Universität in Göltingen. Prof. Dr.
Hohlfeld, Dresden. M. Jablonski, Berlin. Israel, Schul-Rat, Zschopau. Archiv-Rat Dr. jüudw. Keller,
Geh. Staatoarchivar, Berlin. D. Dr. Kleinert, Prof. und Obcrkonsistoiial-Rat, Berlin. Dr. Kvaosala, Univ.-
Prof., Dorpat. "W. J. Leendertz, Prediger, Amsterdam. Prof. Dr. Markgraf, Stadt- Bibliothekar, Breslau.
D. Dr. G. XiOesclie, k. k. ordeutl. Prof., Wien. Jos. Th. Müller, Direktor des Seminars, Gnadenfeld.
Prof. Dr. Nesemann, Llssa (Posen). Univ.-Prof. Dr. Xippold, Jona. Prof. Dr. Novdk, Prag. Dr.
Pappenheim, Prof., Berlin. Dr. Otto Pfleiderer, Prof. an der Universität Berlin. Dirt»ktor Dr. Keber,
Aschaffenburg. Dr. Rein, Prof. an der Universität Jena. Univ.-Prof. Dr. Rogge, Amsterdam. Sander,
Schulrat, Bremen. Heinrich, Prinz zu Schönaioh-Carolath, Schloss Amtitz. Dr. Schneider, Wirkl.
Geh. Ober- Reg. -Rat u. vortragender Rat im Kultusministerium, Berlin. Dr. Schw^albe, Roalgymn.-Direktor
und Stadtverordneter, Berlin. Hofrat Pnjf. Dr. B. Suphan, Weimar. Dr. Th. Toeche-Mittler, Hofbuch-
händler, Berlin. Dr. 'Wätasoldt, Reg.- u. Schulrat in Magdeburg. 'Weydmann, Prediger, Crcfeld.
Stellvertretende Mitglieder :
Dr. Th. Arndt, Prediger an S. Petri, Berlin. Wilh. Böttdcher, Prof., Hagen i. W. Phil. Brand,
Bankdirektor, Mainz. H. Pechner, Professor, Berlin. Univ.-Prof. Dr. Hilty, Bern. Gymnasial-Direktor
Dr. HeuBsner, Kasst^l. Oberstlieut. a. D. Dr. M. Jahns, Berlin. Dr. Herrn, v. JireÖek, k. k. Ministerial-
rat, Wien. Xiaunhardt, Geh. Regierungs-Rat und Prof., Hannover. Pfarrer E. Mämpel, St>ebach hei
Eisenach. Univ.-Prof. Dr. Natorp, Marburg a,L. Univ.-Prof. Dr. H. Suchier, Halle a. S. Archiv-Rat
Dr. Prümers, Staatsarchivar, Posen. Rektor Hissmann, Berlin. Landtags-Abgeordneter von Schencken-
dorff, Görlitz. Staatsrat Dr. G. Schmid, St. Petersburg. Slamenfk, Burgerschul-Direktor , Prerau. Univ.-
Professor Dr. von Thudichum, TQbingen. Univ.-Prof. Dr. Uphues, Hallo a. S. Freiherr Hans von
"Wolzogen, Bayreuth. Prof. Dr. Zimmer, Herbom.
Schatzmeister: Bankhaus Molenaar &. Co., Berlin G2, Burgstrasse.
Verzeichnis der Pflegschaften der CG.
Eine vervollständigte Liste wird demnächst erscheinen.
(Der Buch8tal>e B hinter dem Namen bedeutet ,, Bevollmächtigter im Ehrennrat**, der Buchstabe G
„Cicschilft«führendc Buchhandlung" und der Buchstabe V Vorsitzender ehier C.Z.G. oder CK.)
Altoun: F. L. Mattigsche Buchh. G
Altdorf: Sem. -Lehrer a. D. J. Böhm. B
Amsterdam: Univ. -Prof. Dr. Rogge. V
„ Buchh. V. Joh. Müller. G
Augsburg:: J. A. Schlossei-sche Buchh. G
Bannen: Buchh. v. Adolf Grae})er. G
Bartenstein ( Ost pr.): Oberlehrer Dr. Lentz. B
Bayreuth: Bnchli. v. B. Gicssel. G
Berlin: Buchh. v. F. Schneider u. Co., W.
Leipz. Str. 128. G
Bremen: Dr. E. Brenning, Realgym.-Lehr. B
„ Buchh. V. H. W. Silomon. 6
Breslau: Buchh. v. E. Morgenstern. G
Bunzlan: Buchh. v. Ernst Muschket. G
Cottbus: Buchh. v. Carl Brodbeck. G
Crefeld: Woydraann, Pastor. B
Czernowitz: Prof. Dr. Hochegger. V
,,* Buchh. V. H. Pardini. G
Christianin: Buchh. v. Cammenneyer. G
Danzig: L. Sauniera Buchh. G
Detmold: Scm.-Direkt. Sauerländer. B
„ C. Schenks Buchh. G
Dortmund: Realgymn.-Dir. Dr. Auler. B
Dresden : H. Burdach, K. S. Hof-Buchh. G
Düsseldorf: Buchh. v. Herrn. Michels. G
Einbeck : Oberlehrer Dr. EUissen. B
„ Buchh. V. H. Ehlei-8. G
Elsenacb: Sem.-Dir. E. Acfcermann. B
,, Buchh. V. Bäreck. G
Elblug: Oberlehrer Dr. Bandow. B
„ Buchh. V. Leon Saunier. G
Elberfeld: Buchh. v. B. Haitmann. G
Emden: Haynelsche Buchh. G
Frankfurt a. M. Detloffsche Buchh. G
Giessen: Ferbereche Univ.-Buchh. G
Glogan: Oberlehrer Baehnisch. B
,, Buchh. v. C. Rcissner's Nachfolger. G
Gotha: Oberechulrat Dr. von Bamberg. B
Görlitz: Gvmn.-Dir. Dr. Eitner. B
Gnben: Buchh. v. Albert König. G.
Hagen (Westf.): Prof. W. Botticher. V
„ Buchh. von Gustav Butz. G
Halle a.S.: Univ.-Prof. Dr. Uphues. B
Hambiu'g: Oberlehrer Dr. Dissel. B
,, C. Gassmanns Buchh. G
Hamm: Rektor Bai-tholomaeus. B
Hannover: Kealgymn.-Dir. Ranidohr. B
„ Buchh. V. Ludwig Ey. G
Heidelberg: Direkt. Dr. Thorbecke. B
Herborn: Prof. Dr. Zimmer. B
Jena: Inst,- Direktor Pfeiffer. V
„ Döbereinersche Buchh. (Rassmann) B
Kassel: Gvmn.-Dir. Dr. Heussner. B
Buchh. V. M. Bninnemann & Co. G
^f
Königsberg i. Pr. Graefe &Unzei*sche Buchh. G
Lanban: Buchh. v. Denecke. G
Leipzig: J. C. Hinrichs'sche Buchh. 6
Lengerieh: Rektor O. Kemper. B
I^nnep : Prof. Dr. Witte, Kreis.schulinsp. V
,, Buchh. V. R. Schmitz. G
Lippstadt: Realgymn .-Dir. Dr. Schirmer. B
Liss4i i. P. : Prof. Dr. Nesemann. B
„ Buchh. V. Friedrich Ebbecke. G
London : Buchh. v. Williams and Norgate. G
Lüdenseheid: Dr. med. Boecker. B
Magdeburg: Buchh. v. Heinrichshofen. G
Mainz: Bankdirektor Brand. B
„ H. Quasthoffp Buchh. G
Meiningen: Oberkii-chenrat D. Dreyer B
Miihlhuuseni. Th.: Diakonus J. Clüver. B
München: Schulrat Dr. Rohmedcr. B
„ Hofbuchh. V. Max Kellerer. G
Münster: Buchh. v. Obertüschen. G
Neuwied: Prediger Siebert. B
Nordiiuusen: Oberlehrer Dr. Nägler. B
„ Förstern annsche Buchh. G
Nürnberg: Postmeister Aug. Schmidt. B
,, Buchh. V. Friedr. Korn. G
Oseliatz: Sem.-Oberl. fernst Hänsch. B
Osnabrück: Pastor Lic. theol. Spiegel. B
,, Buchh. V. Rackhorst. G
Paris: Buchh: v. Fischbacher. G
Posen: Buchh. v. Friedrich Ebbecke. G
Potsdam: Buchh. v. R. Hachfeld. B
Prag: Buchh. v. Fr. Rivnäc. G
Prerau (Mähren) Direktor Fr. SlamSnlk. B
Quedlinburg: Rektor Ed. Wilke. B
„ Buchh. V. Christ. Vieweg. G
Remscheid: Hauptlehrer R. Laiubeck. V
„ Buchh. V. Herm. Krunun. G
Rostock: Dir. Dr. Wilh. Begemann. B
„ Stillersche Hof- u. Univ.-Buchh. G
Ruliroil: Buchh. v. Andreae u. Co. G
Sagan: Buchh. v. W. Daustein. G
Soest: Lehrer W. Handtke. B
„ Rittersche Buchh. G
Stade: Direktor Dr. Zechlin. B
„ Schaumburgsche Buchh. G
Stettin: H. Dannenbergsche Buchh. G
Stockholm: Dr. N. G. W. Lagersted t. B
„ Hofbuchh. V. C. E. Fritze. G
Strassburg i. Eis. Sem.-Dir. Paul Zänker. B
Wesel: Buchh. v. Karl Kühler. G
Wien: Buchh. v.A.Pichlers Wwe. u. Sohn. G
Wiesbaden: Gymn.-Oberl. Dr. Hochhuth. B
„ Buchh. V. Felix Dietrich. G
Zchopau: Schulrat A. Israel. B
Zürich: Buchh. v. Meyer & Zeller. G
Zwickau: Oberl. Dr. P. Stötzner. B
-»-►♦♦M-
Buchdruckerei von Johannes Bredt, Monster i.W.
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